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ischeRundschau
gesamte Therapie des praktischen Arztes.
Verlag und Expedition
35, Am Karlsbad 5. Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI. 3020.
Berlin, 2. Januar 1910. Nr. 1.
1 jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den Verlag
s irolten als «•■neuert. wenn sic nicht s Tage vor QnartalHchlusH abbestellt sind. Inserate werden für die ‘(gespaltene
er lausend l.s. M. Reklamczeilc 1.50 \\. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
. der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt.
*s^Ärztes ein^t und jetzt
■ . . . . . . ' . . 1
. Schüdel-Fern- und Nah-
. 4
rapie der Placenta praevia.
*ogic . ..'. . 7
. ...- 8
ie. <)
. Literatur.10
Amerikanische Literatur ... 11
a. 11
Mitteilungen über Arzneimittel:
W. Krüger, Magdeburg: Ileferato.. 12
Teelinisclie Neuerscheinungen:
Wilhelm Lecker, Bremen: Heißluft-Pendelapparate . . . Pi
Fritz Fleischer: Zur Methodik der Pulsschreibung ... Pi
Ein neuer Inhnlations.tpparnt (Ref.: Rosen, Berlin) .... 14
Riicherhcsprechungen:
II. Lohn.st ein und Th. Loh ns teilt: Medizi nalkalonder und
Bezept-Taschenbuch 1»10 (Bef.: Krüger. Magdeburg) . . 14
Aug. Ford: Ethische und rechtliche Konflikte im Sexualleben 14
Therapeutisches Jahrbuch, XIX. Jahrgang (Hof.: Krüger,
Magdeburg. 15
Allgemeines.15
-5 mnenten und Jnserenfen
ergebene Zeitteilung, dass Jferr
,edaktion der therapeutischen tlundschau
nd dass
rofessor Dr. med. A. Moelier
. Am Karlsbad 5, vom 1. Januar 1310 ab dieselbe
-•jorgt.
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag.
ORIGINALIEN.
Die Stellung des Arztes einst und jetzt
oder Publikum und Aerzte.
Von. Oberbibliothekar Dr. E. Roth. Halle a. S.
Der Arzt ist ein Engel, wenn er hilft,
Ein Teufel, wenn er bezahlt werden soll.
Im Jahre 1791 erschien von Friedrich Heu¬
lt i n g ein beachtenswertes Buch über die Pflichten der
Kranken gegen die Aerzte und es tüte gut. wenn diese
Schritt heutigen Tages wieder einmal etwas bekannter
würde. lf) ihr wird der Arzt als ein Mann charakterisiert;
welcher mit Behutsamkeit aller Entschlossenheit und ohne
auf das Getratsche unkundiger Beurteiler zu «eilten, ruhig
seines Weges fortwamlelt, und so ein Retter der Leiden¬
den, ein Freund der liatbediirttiggn, ein Tröster der Kla¬
genden und Betrübten wurde. Er sollte warnen, wo er
Fehltritte gegen Gesundheitssorge sähe, er sollte wenig¬
stens lindern, wo er nicht helfen könnte, retten, wo er
retten könnte, dem Staate den Bürger, der klagenden
Gattin den Gatten, und den hilfebedürftigen Kindern den
Vater erhalteil.
Freilich gehört so Manehes dazu, daß der Arzt wirk¬
lich diesem Bilde zu entsprechen vermag, es müssen eine
Reihe Vorbedingungen erfüllt sein, ohne welche er eben
gar nicht in der Lage ist, sich so zu betätigen, wie es
II e n n i n g als eines Medikus Pflicht und Wille hinstellt.
. Gellen wir einmal etwas auf diese Voraussetzungen
ein und sehen wir, wie es mit ihnen früher bestellt war
und wie die Verhältnisse heutzutage liegen,
Als eine conditio sine qua non stellt unser Dorther
Kollege das frühzeitige Herbeirufen des Arztes hin. Bei
dem vornehmeren und aufgeklärteren Teile des Publikums
itufg diese. Erinnerung freilich mlutit' g erscheinen ■ ! ,
größtenteils hiergegen nicht sündigen, wenn aiteli hei
ihnen wieder das Allzuviel und Allzuoft bisweilen gerügt
werden muß, da .jede kleine Erkältung, jeder Fall eines
Kindes und ähnliche Vorkommnisse die sofortige sagen
wir unnütze - Zitation des hilfsbereiten Onkel Doktor zur
Folge hat.
Bei der geringeren Volksklasse findet man Ver¬
gehungen der Art aber am häufigsten, wo sie sich auch
eher entschuldigen lassen, da ihre Grundsätze über diesen
Punkt nicht so gebildet seien, sie übrigens auch mehr an
die Selbsthilfe ihrer Xuturkriifte gewohnt sind und ihre
schlechten Vermögensumstände öfters einen verzeihlichen
Grund dieser Säumnis abgeben "können. So entschuldigen
sich namentlich oft Landleute und andere vom Arzte ent¬
fernte Kranke mit der Beschwerlichkeit des Herbeiselmf-
l'ens des Arztes und nicht gänzlich ohne Grund.
Schon II e n n i ng hehl hervor, daß die größte Kunst
des Arztes darin bestelle, dem Entstellen oder auch der
Weiteren Verbreitung der Krankheiten vorzubeugen; be¬
kanntlich gibt es so viele wichtige Krankheiten, die im
Anfänge durch ein einziges Medikament in wenigen Stun¬
den hätten gehoben werden können; wie viele Krankheiten
gibt es nicht, wo nur die zeitigt' Anwendung dienlicher
Mittel etwas vermag, dahingegen die Verspätung solche
gänzlich vergehlieh macht 1 Wie manche ansteckende
Krankheiten existieren nicht, die oft nicht der Kranke,
sondern nur das Auge des erfahrenen Arztes schon im An¬
fänge dafür erkennen, wo nur der Arzt heim frühzeitigen
I lerheiriifen für die Vermeidung der weiteren Verbrei¬
tung mil Bat und Tat Sorge tragen kann! . . . Wie muß
dem gefühlvollen Arzt zu Mute sein, wenn er dou nach
Mille ausgestreckten Händen, den um Bettung flehenden
Blicken der Kranken wie der Angehörigen nichts anderes
entgegnen kann als: ,,Ich hätte helfen können, jetzt kann
ich’s nicht mehr.“
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o
THERAPEUTISCHE RUNDSl
Noch schlimmer aber ist es, wenn der Kranke zuvor
alle Klassen von Pfuschern und Afterärzten durchgegan¬
gen und dadurch seine Krankheit wie gewöhnlich ver¬
schlimmert hat! So geschrieben 1791!! Noch immer
herrscht die Idee, der Arzt sei zu kostbar, der Afterarzt
doch wohlfeiler und letzterer daher vorzuziehen. So un¬
richtig dieser Satz auch ist, so sehr sich auch viele Aerzte
bemühen, durch Mildtätigkeit und willige Akkomodation
nach jeden Umständen diesem Wahn zu widerstreiten, so
schließt die ungebildetere Menschenklasse sich docbsogerne
an ihresgleichen an, traut so gerne den apodiktischen Ur¬
teilen und festen Versprechungen derselben, die der wahre
Arzt, der die mannigfachen himmelweiten Verschieden¬
heiten der Krankheiten, sogar der, die in der Sprache des
gemeinen Lebens einerlei Namen führen, und die verschie¬
denen Wirkungsweisen der Naturkräfte und Arzneimittel
kennt, doch unmöglich billigen kann.
Zu wünschen ist ferner, daß jeder Kranke, der einen
Arzt zu seiner Besorgung sich wählt, demselben völliges
Zutrauen schenke. Er wähle nicht nur nach äußerem
Schein, nicht nach Alter und Jugend, nach besonderen
Konnektionen, nach dem Hörensagen nsw., sondern nach
dein Urteile sachkundiger Leute und nach eigenem Urteile
über die Denkungsart desselben. Nichts wird ihm hierin
behilflicher sein, als wenn er seine .Forderungen von der
Wirksamkeit des Arztes nicht zu hoch spannt, wenn er
betrachtet, daß auch der Arzt, sowie jeder Mensch, nicht
imstande sei, dem Laufe der Natur Einhalt zu tun, daß er
unmöglich eine, so manchen bösen und gefährlichen Ein¬
wirkungen ansgesetzte, und vielleicht durch jahrelange
Wirkungen derselben zerrüttete Maschine, wie unser
Körper ist, binnen einigen Tagen und Wochen wieder¬
herstellen kann.
Kommt der Kranke dem Arzt iiitf'Ziitraueu, sagen"
wir vollem Zutrauen entgegen, so kann letzterer mit weit
größerer Wahrscheinlichkeit auf einen glücklichen Erfolg
seiner Kur rechnen, da hier die Kraft des Zutrauens schon
psychologisch wirkt und der Medikus vermöge dieses Zu¬
trauens auch Folgsamkeit bei Anwendung seiner vorge¬
schlagenen Regeln und Mittel erwarten darf.
Neben Zutrauen muß aber auch der Arzt gefälliges
Betragen erwarten und fordern; mürrischer Ton des Pa¬
tienten, verdrießliche Mienen, Vorwürfe aller Art, Zwei¬
feln an der Richtigkeit der Diagnose und Behandlung
können nur zu leicht auch bei dem Helfenden eine gewisse
Herabminderung des teilnehmenden Gefühls liervorrufen,
die zu einer gewissen Gleichgültigkeit zu führen vermag.
Wie soll des weiteren der Arzt helfend eingreifeu,
wenn ihm nicht eine genaue Beschreibung über die
Entstelmngsart und die Beschaffenheit der Krank¬
heit geliefert wird, wenn der Kranke unterläßt seine
geführte Lebensart und so manche auf seine Ge¬
sundheit wirkende Szenen seines Lebens dem Arzt
zu entrollen, Oft kann der Arzt nicht alle mög¬
lichen Fälle sich vorstellen und danach seine Fragen
bei Untersuchung der Krankheit einrichten, um die Wahr¬
heit zu erforschen. Es muß dem Kranken eine wichtige
Pflicht sein, ihm umständlich und genau von seinen vor¬
maligen und jetzigen physischen und moralischen Begeg-
nissen, die nur je auf seinen Gesundheitszustand Einfluß
haben konnten, und von allen Umständen seiner Krank¬
heit genaue Rechenschaft zu geben. Ungefragt muß der
Leidende alles erzählen, von dem er auch nur vermuten
kann, daß es auf den Gesundheitszustand gewirkt haben
könne.
Will der Kranke dann gesunden, muß er treulich die
vom Arzte gegebenen Regeln befolgen und die ihm ver-
crdneten Arzneimittel gewissenhaft gebrauchen. Wie
kann man Hilfe von irgendeinem Medikament erwarten
und verlange
Arzt, der sehn
(lern bald Naen.
lichkeit alle guten
sie hätten die Arzm
Geschmack zuwide
willen gegen das
mit den notwend?
etwas abzuknapse,
machen, um dem A
Wirkung sei ausge
AVie traurig, w
der alles aüfgeboten
Rettung zu ermögliche
kum ihm dann gar di.
einen und anderen Kr
Ausganges derselben n
Kranke selbst alle Schun
sucht und ihn mit Vorv
solche Klagen von Ohr zu
immer nachteiliger wird das
alle, wie gewöhnlich, erhalten
findet es Glauben. Der Ruf d.
sein ganzes praktisches Gliiei.
AA r eise wurde mancher Arzt get
Familie arm und notdürftig.
Manche Kranken hegen all)
ihr Arzt sei nur für sie da um’
er, sobald er seine Geschäfte bt.
vongeht. Aber kann man ihm (liest,
wenn er eine ausgebreitete Praxis bes
muß der Arzt in seinem späteren Leben
ne hmen: Ja, nun; da er ein bißchen emp
er die alten Freunde.
Dann sind auch vielen Kranken lange T
gen nicht nur nicht anzurgteu, sondern wii,,.
schädlich. Gerade der Arzt wird diesen Umstand ul, ,
nächst zu beurteilen verstehen und danach handeln. Auch
kommen zu leicht 'Redereien dadurch zustande, und das
Zutrauen und die kollegialische Freundschaft zwischen
Kollegen gehen nicht selten durch solche Klatschereien
zugrunde, da der Kranke naturgemäß geneigt ist, von an¬
deren Leidenden zu plaudern und von anderen Aerzten zu
erzählen.
Notwendig ist es für jeden, der nii-t dem Arzte zu tun
hat, sich mit Geduld zu wappnen.' Am häufigsten hat auch
der Jüngling Aeskulaps Ursache, bei der Nachkur und hei
chronischen Krankheiten über aus Ungeduld herrührenden
Unbilligkeiten zu klagen. Nur zu leicht entstehen aber
durch eine nachlässige Kur gefährliche Rückfälle oder
gar schlimmere Krankheiten.
Nun noch etwas über das Betragen des Kranken bei
Konsultationen mehrerer Aerzte. Es wird dem behandeln¬
den Arzte nur angenehm sein müssen, daß Kollegen hinzu¬
gezogen werden, da hierdurch, wenn der herbeigerufene
Medikus seiner Kurmethode Beifall zollt, sein Ansehen
und Zutrauen bei den Patienten notwendig befestigt wird
und er sieh hierdurch auch vor dereinstigen Vorwürfen
immer sicherstellt. Freilich muß man ihn von dem Ent¬
schlüsse, andere Aerzte hinzuziehen zu wollen, vorher be¬
nachrichtigen, auch hei der Wahl des zu rufenden Arztes
konsultieren.
Langwierige Krankheiten führen nicht selten die
Trennung der beiden Parteien herbei, Arzt wie Patient
zweifeln an dem guten Ausgang, wenn auch in der Regel
die Unbilligkeit des letzteren den Bruch herbeiführen
wird. Hier ist möglichste Schonung am Platze und Dis¬
kretion gegen den zu verabschiedenden Arzt.
F MICHIGAN
WVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSIT
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
3
ier Arzt nicht leben
ciblikums für die Be¬
ist uralt. Dabei wird
.ereren Berufe als in an¬
der Regel schwer, sieb mit
•ht zu selten findet selbst
aelie genug über Unbillig¬
gen. Das mit der Besse-
;t bißt selbst die Billigkeit
■u. Dann glaubt die große
ußer den Besuchen wenig
Hier Kranken, er verdiene
e h e i n l es aber nur so, als
,ie und Arbeit. Wer zählt die
üdenken und zur mannigfaltigen
ne Krankheit verwenden muß!
alten, die Mitleiden und Teil-
nbei. geben Nachlässigkeit, Ün-
., herrschende Idee, der Arzt habe
Anlaß zu dem so langen und auch
»leiben der Bezahlung. Dabei wird
ohne Murren bereit sein, wirklicher
zu dienen.
H e n n i n g zu dem Vorschlag: Es
ut, daß durch gemeinschaftliche Bei-
nilien dem Arzte ein gewisses Jalires-
wiirde, wofür er sie dann bisweilen
ihren körperlichen Zustand befragen,
oi der Gesundheit Nachteilige warnen
. ntstchenden Uebel Vorbeugen und selbst
inkheiten seine Hilfe anwenden müßte.
..er auch an mehreren Orten üblichen Ebi¬
ng haben immer beide Teile großen Vorteil,
llu tiainu \‘eriassen _ WiT~B:'e n n i n g.
lieseri idealen Zustand haben wir dann. vielfach in
cliland und auch anderswo gehallt. Wer erinnert sich
• us seiner Kinderzeit des Onkel Duktors, welcher zur
io gleichsam gehörte, der Berater in vielen Dingen
irile, der, wie Josef Weiiglor sagt, mit dem
.ranken litt, für ihn sieh sorgte und ehrliche Freude hei
seiner Genesung empfand. Wäre der Onkel Doktor nicht
ein Freund der Kinder gewesen, öfters noch in höherem
Maße, als der der Erwachsenen, so wäre das Einnahmen
so mancher Medizin seitens der Kleinen wohl schwierig
vor sich gegangen oder gar unterblieben. Der Onkel
Doktor konnte mit seinen Kindern so ziemlich alles auf¬
stellen, was selbst den Eltern bisweilen nicht gelang.
Dabei zog der Arzt damals die Mittel zu seiner Existenz
nach derselben Quelle nach seinem Gutdünken ein, erhielt
liier höhere Honorare, dort mittelmäßige Bezahlung oder
gar an Almosen streifende Entlohnung, trotzdem er in¬
folge des intimen Verhältnisses, in welchem er zu seiner
Klientel stand, die Leistungsfähigkeit einer jeden am
besten zu beurteilen verstand. Noch war der Arzt frei,
er konnte sich für seine Mühen bezahlen lassen, wie er
wollte, es gab keine Vorschriften. Damals herrschte eine
Art patriarchalischen Verhältnisses in vielen Fällen
zwischen dem Hausarzt und seinen'Familien. Wie hätte
auch irgendein Familienmitiglied einen anderen Ver¬
treter der Zunft konsultieren sollen, der Onkel Doktor
wußte ja ohne viel Fragen Bescheid, er kam und konnte
vielfach Vorbeugen, ehe es zu einer,Entfaltung der Krank¬
heit kam, er wehrte liier allzu vieler Nahrung und suchte
bei anderen durch Kräftigungsmittel von Kindesbeinen
an liachzuhelfen. Hier schien ihm ein Aufenthalt an der
See das Notwendige, um ein Kind widerstandsfähiger zu
machen; dort mußte ein Erwachsener das Gebirge auf¬
suchen, uni sich seine Spannkraft zu erhalten, ehe wirk¬
lich ein Niöderbruch der Kräfte erfolgte.
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Das ging so eine geraume Zeit, aber die alten Zeiten
sind oder scheinen durchweg verschwunden zu sein. Der
Arzt genießt heute nicht mehr das Ansehen, welches man
ihm zollte, seine Einnahmen sind gesunken und sein wirt¬
schaftliches Niveau bereitet dem Denkenden und fühlen¬
den Heller der Menschheit arge Verlegenheiten.
Freilich niul.t sich der Arzt damit trösten, daß die
Wertschätzung aller studierten Kreise gegen früher ent-
s< liicdcn obgennninien I ab Auch hebt N a li'n y n hervor:
„Es wäre kindisch, diesen alten Zeiten nachziitrancrii;
auch sage ich nicht, daß sie besser waren — jedenfalls
waren die Aerzte nicht besser. Noch vor 50 Jahren galt
die Heilkunde für eine Naturwissenschaft und der Arzt
für den Vertreter der fortschrittlichen naturwissenschaft¬
lichen Richtung; hierauf und auf seiner unabhängigen
Stellung beruhte das Ansehen unseres Standes. Die
medizinische Fakultät war vielleicht am wenigsten die
der Brotstmlenten. Heutzutage ist das Studium der Medi¬
zin das richtige Brötstudium geworden. Die Zahl derer,
die es aus innerem Trieb wählen, ist geringer. Standes-
fragen gab es damals kaum. Noch bis Ende der sechziger
Jahre ging der junge Arzt durchschnittlich in die Praxis.“
Heute sind es hauptsächlich drei Gründe, welche
dem ärztlichen Stande Gefahr drohen, welche, milch
W. Scheibe, im wesentlichen von drei Punkten iius-
gelien. KlirWgesagt sind dieses die Feberfülhing des
Standes, die . .usheutiiiig desselben durch die soziale
Gesetzgebung und. die Ueberhandnahnie der Kur¬
pfuscherei. Wenn im Deutschen Reiche auf noch i
2000 Seelen ein Arzt kommt, so vermag dieser von
Kranken unter ihnen nicht zu leben, zumal sich ; m
manchen Orten die Mediziner in erschreckender Weise
häufen. Durchschnittlich käme ein Patient auf den
ließen Durciisciifimi Da kann nur eine Einsckraiikipjgg
der Medizinstudier mden helfen, sei es sogar von Sla
wegen. _ ■ . , ... ;~v
Bei der Ausbeutung durch die soziale Gesotzgeb
haben die Krankenkassen die meiste Schuld. M ar i
mal der Kassenarzt mit seiner eigentlich ungenügende.
Bezahlung nicht zu umgeben, so plädiert W c n g 1 e r ihr
das System de bestimmten Kassenarztes, der sieb natur¬
gemäß nach Analogie der Einrichtung des Hausarztes
entwickelt. Ebenso wie der Hausarzt in ein inniges Ver¬
hältnis zur Familie tritt, so entsanden enge Beziehungen
zwischen dem Kassenarzt und der Gesamtheit der Kassen¬
mitglieder. Der Kassenarzt erfuhr in dem nahen Ver¬
kehr mit den Arbeitern einer bestimmten Art so manches,
was für die Beurteilung des speziellen Krankheitsfalles
von Wichtigkeit war. Bei der freien Arztwahl gehen
diese Vorteile natürlich verloren, wie dann auch der Arzt,
losgelöst von den Beziehungen zur Gesamtheit einer
Arbeiterklasse in die Versuchung gerät, um die Gunst des
einzelnen Arbeiters zu werben. So viel Rufe er erhält,
so hoch sind ja seine Einnahmen! Kann ein derartiges
Vorgehen die Wertschätzung des Arztes steigern, muß
nicht eine Minderung des Ansehens eintreten, wenn ge¬
wissermaßen eine I nt erliietung stattfindet, wenn^ ein
Handel, ein Handel m it der ärztlichen Kunst getrieben
wird ! Der freie Kassenarzt wird, sagt W englcr, sieh
vielfach gar nicht mehr getrauen, den Kranken, was doch
manchmal sehr notwendig ist, fest auzupacken, ihn auf-
zuriitteln, seinen Schwächen und verkehrten Lebens-
gewohnheiten, den Gnu ulursaeheu der Erkrankung, nach¬
drücklich entgegenzutre eil. Die Behandlung verliert sehr,
zum Schaden des Kran ken und der Allgemeinheit an
Energie und Gründlich -kit, sie wird schlaft und ober¬
flächlich. .
Der Kampf gegen die zunehmende Kurptuseberei,
welche wir übrigens bere its in den ältesten Zeiten erwähnt
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THE RA I ’E U TISCHE RUN I )SCH AU.
finden, wo beispielsweise eine Seneen zu ihrer Nieder
WeiTuug nnlTorderle, isl ein Kapitel, (ins sieh .in stets
erneut und fortwährend neue Nahrung erhält, so dnß sieh
hier Einzelheitei) erübrigen. Nur dnrnnf wollen wir hin
weisen, dnß nach Ludwig H i rseli (Ins Ruhlikmn nttf
die Verbesserung der ärztlichen Ausbildung, wie sie die
Neuzeit brachte, gar keinen Wert legt; das beweist der
starke Andrang zu Kurpfuschern und Outsidern.
Eine Verminderung der Werts »lätzuiig des ärztlichen
Standes li.it zweifelsohne mit seiner Ui-herlÜllung ein¬
gesetzt; was eben reichlich im Leben zu Indien ist, hat im
allgemeinen keinen hohen Wert. Zu der bereits existie¬
renden reberiuliung seitens der Gymnasiasten kam aber
dann noch die Zulassung der Eealgj mnasiasten und Oher-
realschiiler. Wollen wir aber diese immerhin noch gelten
lassen und mit der fortschreitenden Zeit entschuldigen,
so war die Zulassung der Frau zu den klinischen lliir-
sälen gänzlich unliereehtigt. Sehr richtig schreibt
H i r s c Ir: ..In Ueutsehland, wo ein Bedürfnis nach weib¬
lichen Aerzten hei kaum .jemand anders als bei abnorm
prüden .lungfrauen und alten Jungfern lau.! wurde, ist die
Frau als Arzt nur geeignet, die bittere Konkurrenz, unter
der die .kürzte seufzen, zu verschärfen, und den Lolin ihrer
männlichen Kollegen, der an sieh schon jämmerlich ist,
wird die Aerztin, dem weihliehen Charakter entsprechend,
ebenso drücken, wie die Handarbeiterin den Lohn des
Handarbeiters.“ _
Was aus dieser Ueberfiillung anders als eine stete
ik'i abminderung der Einnahmen und damit der geltenden
\ ' Im hätzung werden soll, kann wohl niemand sagen, da
heispielswcise von 1883 1901! bei einer Itevölkerungs-
zunehme von 2(1'< die der Aerzte 104'. betrug!
Dir Krankenkassen arbeiten an dieser Niveau
di (iel.ung am meisten. U o sonst in dm \\ eil ist s:iiiM~iöiä~
'(Ic’iH.irt ige Honorarherabsetztreiberei vorhanden oder gar
möglich, wie bei den Medizinern! Unter den 1000 Kran¬
kl küssen gibt es viele, welche, die Einzelleislung des Ordi-
i je,-enden mit 30 Pf. honorieren; ja es soll Beispiele mit
1 PI. geben! Uns Fixum, welches doch an die gute all • ■
Z 'it mit dem jährlichen Honorieren des Yausarztes er¬
innern soll, bringt es bei diesen Instilulei snit sieh, daß
ganze Familien jahraus jahrein mit ihren sämtlichen -Mit¬
gliedern ärztliche Hilfe für wenig ipehr als drei bare
Reichsmark genießen! Wo soll da eine Hoehsehätzung
des. man möchte sagen, Armenarztes licrkommen ! Wie
soll der Arzt gründlich untersuchen, wie oft kann er seine
Zeit derartigen Kranken widmen, weint er auch nur einen
notdürftigen Lebensunterhalt heraifssc hingen will Ader
muß'! Chemische und bakteriologische Untersuchungen,
ohne die ja ein moderner Arzt doch kaum auskommeu
kann, verbieten sieb von selbst, d;t Zeit und Chemikalien
einfach zu teuer werden. Da ni'nzV dem Patienten kein
Zutrauen, da fallen Hennings Forderungen halt eben
vielfach in sieb selbst zusammen, zu diesen Forderungen
muß sielt der vielgeplagte Kassen-Lohnarbeiter, wie es
der Kruukcnknsscuurzt ist, eben ablelmeml verballen.
Dies System widerspricht vollständig dem Wesen der
ärztlichen Tätigkeit, die immer, iil .erall und stets mtf dem
■\ ertragen der Patienten zum Arzt basieren muß und soll.
Aucli die Kündigung der Kassenärzte trägt zur
Herabsetzung der Wertschätzung der Aerzte bei. Wäh¬
rend sonst rechtliche Gründe zue Kündigung von Ver¬
trauensstellungen notwendig sind, '-könnte man eine Bluten¬
lese von nichtigen Vorwänden zu derartigen erzwungenen
Amtsniederlegungen veröffentlichen. Frist und Form der
Kündigung wird vielfach nicht inuegelnilten gegenüber
dem Recht, das jedes Dienstnnh leiten beansprucht und
seitens des »Staates zugesichert erhält. Was soll man
-sogen, daß Vorstände Von Kraul<enkassen sieh erlauben.
x
Rezepte zu revidiere
Medizin doeli nichts \
Leute behaupten, Leute
dem Maße, daß sie ihre ,-\
wenn der Kassenarzt letzt*
namentlich ungebildete A
Manne empfinden, der siel
fallen lassen muß*
Auch die Uebersehwe
krankenhäusern und Priv
Ansehen des Aerztestandes
eines se.leiten Unternehmer.
Ausführungen gewandte Gesi
Verwaltung, auch für Rekln
Sinn für Verdienst. Dann komm
klinik in Universitätsstädten tp
Tätigkeit ausgebeutet Wird, wo
arzt konsultiert wird, von Leutei.
haben. Jeder Arbeiter ist seine:
der, der sieh dort bat unenlgeltlie.
er denkt sieli seinen Teil. Ob dub
Arztes wächst, kann sieh nun jede
stellen.
\ lelfsieh trägt uueli der Staat
Niedergang, welchen die ärztliche
lehren bat. Er fordert von den Mei
immer wieder so viel als nur mögt
Arbeit, und Ludwig Hirsch bat
er sagt, daß Kommunen, Krankeukito.
last not least - das Publikum sieli Im
nehmen. Die öffentliche Gesumllieitspileg
oder minder den unentgeltlichen Leistungen di
ihren Ausbau und der Schrei nach der genügenden
fr »—4»'—-:-::—-»-.——i—.... oj.r nn . :
»'..( ' - . - .1-.,. II II -1 . ivtiijn UllJJl, »iil. geiiiig li JIM!’
werden. Dabei erklären die Juristen vielfueli, was Reel
in der Gesundheitspflege sei, als ob ein Arzt sieh .j-
maße, Hichterdienste zu versehen.
Allen diesen Anforderungen gegenüber hilft m
Organisation der Aerzte. Und wie heute der ....
genau acht gibt, daß ja nicht einer weniger Ht
norar als der andere nimmt, so muß der Kampf
gegen die Poliklinik alle Mediziner vereinen, wenn
fluch der Kampf gegen Kollegen selbst lmrt ist. Lei¬
tendes Prinzip sei: Jede Leistung ist ihres Lohnes
wert. Dann erst wird sielt die Erkenntnis wieder festsetzen,
daß Standeswürde, wie sie in hohen Honorarfürdernngen
zum Ausdruck kommt, sieli sehr wohl verträgt mit Huma¬
nität, die der deutsche Arzt nie und nirgends verleugnen
w ird. Etwas mehl* Kollegialität und etwas weniger Wille,
den Kranken als Fall denn als Menschen zu behandeln,
gepaart mit einer strengen Kontrolle aller Verordnungen,
die namentlich vor einer zu ruschen Verschreibung neuer
Mittel, die in der Regel unerprobt sind, viel Geld kosten
und nicht selten Altes in neuem Gewand bieten, zurück
schreckt, werden wohl dazu beitragen, die alle Wert¬
schätzung des Arztes wieder herzustellen, zumal wenn es
gelingt, die Zahl der Mcdizinstudierrnden recht erheblich
zuriiekziiKchraiiben und die Folgen des Zuviel an mi߬
verstandener Humanität hintanzuballen.
Quod deus bene vertat!
Die Kriterien der Schädel-Fern- und
-Nahschüsse.
Von Heinr. Goergens, caml. mecl.
Von allen Arbeiten über Sehußverletzuugen haben die¬
jenigen des Schädels stets besonderes Interesse deshalb in
Anspruch genommen, weil die Sehädclschiisse einerseits
dci theoretische!) Erklärung-gewisse Schwierigkeiten boten
dViirhisl frei»
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UERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
ivtischer kriegs-
k waren. Sali sich
rei fliehen Gründen
modernen Hnnd-
.var es für den Ge-
ofund der Scliuß-
ie Entfernung:, aus
-ögliolister Genau ig-
i sich die pliysikali-
seliußverletzungen in
.erordeutlichen Vervol-
vieschosses, des Ladungs
he Art und die Bescliäffen-
1 von einer Reihe einzel¬
ne des Aufschlag'winkels,
ßwaffe (langer oder kurzer
.iher, Art des Verschlusses),
it des Geschosses (Rund- oder
rot, Sternchen, Eisensplitter,
gkeiten) und der Qualität und
■schwarzes oder rauchsehwaclies
■ Gasspannkraft) und endlich von
der Schuß fiel. Die letzten vier
gemeinsame Komponente, die Ge-
lein üblich ist die Unterscheidung
'^Schüssen, Fern- lind Nahschüssen,
hst die F ernsehiisse, wie
...- Armeegewehr ') erzeugt werden. Je
nung, aus der der Schuß abgefeuert wird,
...wende Wirkung auf den Schädel eine ver-
e. Schüsse, die aus größerer als ß km Entfernung
, bewirken besonders, wenn sie unter stumpfem
auHreffen, meistens nur, ohne den Knochen zu
agen, Hautzerreißungen und Quetschungen, kön-
noeli Gehirnerschütterungen und Absplitterung
a interna liervorrufen (Prellschüsse). Erst hei
xeiht das Geschoß im Schiidelknoehen stecken. Bei
■reu Entfernungen durchschlägt es die Kuocheu-
. 0(1 und bleibt entweder im Gehirn am Ende eines blinden
SChnßkanals liegen (perforierende Schüsse) oder dringt
durch den gegenüberliegenden Scliädelknoehen, so daß eine
Ein- und Aussehußöffnung entsteht (penetrierende
Schüsse). Bei noch geringerer Entfernung unter 100 m
tritt die Explosivwirkung ein, d. h. der Schädel wird samt
seinem Inhalt in größere oder kleinere Stücke auseinander¬
gesprengt (Explosivschüsse).
Das Spitzgeschoß bewirkt an der Eingangsöffnung
eine schlitzförmige, das Rundgesclmß eine rundliche Haut¬
wunde, letzteres mit Substanzverlust. Das Geschoß treibt
die Haut kegelförmig vor sich her, so daß die Wunde in¬
folge der Elastizität der Haut je nach der Entfernung von
verschiedener Größe sein kann. So beobachtete K ö h ler,
daß die Sc.hlitzöffnnng bei 7,9 mm-Kalibergeschossen und
hei 100 m Entfernung 7,0 mm, hei 000 in 6(8 mm, hei
1200 m 5,0 mm, bei 2000m wieder 5,7 mm groß war. Je¬
doch dürfte diese Art der Sehätzung für den allgemeinen
Gebrauch wenig zuverlässig sein, da die Elastizität der
Haut bei jedem einzelnen Falle durch das Aller des In¬
dividuums, durch die Kopfbedeckung und andere Um¬
stände eine verschiedene sein wird.
Um den Schnßeingang beobachtet man nicht selten
eine dunkle, ins Grau spielende oder in allen Fällen eine
l ) Das S-Geschoß des Modells 98 hat eine länglich-zylin¬
drische Gestalt mit vorn .abgerundeter Spitze, (zylindro-ovigiil);
es ist 2,3 cm lang und im Durchmesser 7.9 nun breit, und besteht
aus einem Stahlmantel mit ßleikern. Der Anfa-ngsdruck beträgt,
2300 Atmosphären, die Anfangsgeschwindigkeit 620 in. Die
Ladung besteht aus. 2,63 g Nitrozellulosepiattehonpulver, Die
höchste Schußweite beträgt 3800 m, die lebendige Kraft an der
'Mündung 291 mlig.
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wenige Millimeter lu-eite hrämdich-gelhliehe Verfärbung,
lieble Arten beruhen auf ganz verschiedenen Ursachen. Die
erste dunklere ist nur auf Schüsse mit Schwarzpulver-
hulung ziiiüekziifiihren und entsteht dadurch, daß sich
von dem Geschoß Pulverschleim und kleine Bleipartikel
eben, mit welchen es sich im Gewclnjaufe überzogen bat,
heim Eindringen in die Haut abstreifen. Diese Ursache
fällt hei den modernen Gewehren, da das bei diesen allein
verwendete rauehschwaebe Pulver keinen Schleim nbsetzt.
weg. Weil aber die dunkle Verfärbung auch hei Schüssen
mit rnuehschwaeher Munition aul'lral, so mußte man auch
dafür eine Erklärung gehen und fand, daß das Geschoß,
ehe es in den Scliädelknoehen eindringt, die Haut quetscht
und Geläße der Haut und das subkutane Gewebe zerreißt,
zwei Momente, die dann jene in Rede stehende Verfärbung
verursachen können. Wir müssen demnach jene dunklen
I mrnndungen der Schußeingangsöffnung als eine Knntu-
sionserscheinuiig auffassen (Köh ler). Mit dieser stellt
liabarts Ansicht, nach der der Hof um den Scfinß-
cingung der Ausdruck der Mortitikation der Haut ist, ziem¬
lich in Einklang.
Eine andere Genese hat die. gelbbraune Umsäumung
her Einschußöffnung, die man meistens an Leichen be¬
obachtet und sieh außer der schwärzlichen Verfärbung
vorfindet. Sie rührt van der oberflächlichen Abschürfung
der Haut her, die das Geschoß beim Einslülpen derselben
bewirkt. Nachdem es die Haut durchbohrt hat, ziehen sieh
die in den Sehnßknnal eingestülpten und ihrer Oberhaut
beraubten Hnuttoile in das Niveau der Hallt zurück. Diese
Interpretation wird durch die Beobachtung bestätigt., daß,
je weiter die Entfernung des Schützen, um so breiter die
Exkoriationen sind.
Reim Aultrollen auf den Schädelknochen schlägt das
Geschoß ein rundes Stück vollständig aus dem Knochen
heraus; die Ränder der Hoffnung sind meist scharf, wie mit
dem Locheisen hernusgosohlngen. In der Regel wird sich
die trichterförmige Hoffnung an der Einschußstelle nach
imien erweitern, d. h. der Defekt der Lamina externa ist
kleiner als der Defekt der Lamina interna. Die Erklärung
ist einfach. Das Loch in der zuerst getroffenen Lamina
externa wird in dem Geschoß allein, das Loch der Lamina
interim aber von dem Geschoß und den Trümmern der be¬
reits durchschossenen Knoehensehicliten der Lamina ext.
und der Diploe gebildet (Bergmann). Die innere Hoff¬
nung ist nicht nur größer, sondern auch unregelmäßiger
gestaltet und durch Absplitterungen stärker gezackt, weil
sie nicht nur von dem sphärischen Geschoß, sondern auch
von den mitgerissenen Trümmern und Splittern erzeugt
wurde.
Der Sehußkanal ist in der Nähe des Einschusses mit
Knochensplittern und zuweilen auch mit vom Ge¬
schoß losgelösten Bleispäuen besät,, kann im übrigen
aber vollkommen glatte, mit Blut nicht verunreinigte
V mulmigen zeigen. In der Umgehung kann jede Quelseli-
wirkung fehlen, wie hei Fällen von Klebs, oder aber es
zeigt sich, wie Bergmann beobachtete, die graue Xuli-
stuiiz linier der EingangsöfYniing stark kontusionirrt und
in den Wandungen des kollabierten Kanals überall kleine
Extravasale. Hei stärkerer Qnetscbwirkuiig erkennt man
mich ('n s |i e r - L i m a n den Sehußkanal daran, daß ein
blutiger Drei die gesunde Itirnmnsse eine gewisse Strecke
durchzieht. Die Quetschwirkung des Geschosses brauch!
sich nicht auf den Sehußkanal zu beschränken, sondern
kann auch in entfernteren 'feilen des Gehirns Blutergüsse
herbeifiiliren. Li einem Falle von Schultz fanden sich
außer dem schräg über die Schädelbasis hiiiwegliiiifemlen,
von zertrümmerter Hirninasse umgebenen Sehüßknual,
zahlreichere größere und kleinere Blutergüsse auch in ent¬
fernteren 'feilen des Gehirns (Adler), besonders häufig
auch au den unteren Flächen eines der beiden Vorder-
hippeu.
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6
THERAPEUTISCHE RUNDSv
Es ist selbstverständlich, daß unter allen Entständen
der Subdural- und der Subnraelinoidalrnuin eröffnet wird
und daß bei Durchtrennung von Blutgefäßen diffuse
äußere und innere Blutungen mit allen damit verknüpften
Folgeerseheinungen eintreten können.
B-eiclit die lebendige Kraft des Geschosses nicht aus,
das Gehirn zu durchdringen, so findet sich am blinden Ende
des Schußkanals in den meisten Fällen das Projektil, das
sich höchst selten in der Hirnmasse senkt. Hie Kugel
führt dann gewöhnlich zu tödlichen Gehirnabszessen, denen
sich oft noch eine eitrige Meningitis zugesellt. Jedoch
konnte D o u t r e 1 e p o n t 5 Fälle, W o 1 f e s 19 Fälle zu¬
sammenstellen, in welchen im Gehirn verstorbener
Personen lange nach erlittener Seliußverletzung ein ein¬
gekeiltes Geschoß vorgefunden wurde, welches keinerlei
Beschwerden verursacht hatte.
Gewöhnlich wird das Geschoß mit solcher Wucht den
Schädel treffen, daß es Gehirn und die gegenüberliegende
Schädelwand durchsetzt und wieder ins Freie gelangt.
Die Aussehußöffnung unterscheidet sich durch charakteri¬
stische Merkmale von der Einschußöffnung. Zunächst ist
an der Austrittsstelle aus demselben Grunde wie oben der
Defekt an der zuerst getroffenen Knochcnlanielle hier der
inneren kleiner als der der Lamina externa. Meistens ist
auch die Ausschußöffnung in tote größer und unregelmäßi¬
ger gestaltet als die Einschußöffnung, statt kreisrund drei-
oder viereckig oder gezackt, und zwar aus dem Grunde, weil
die beiden gegenüberliegenden Schädelwiimle niemals ganz
parallele Ebenen darstellen, weil die Geschoßkraft durch
die Durchbohrung der erstgetroffenen Schädelwand und des
Gehirns immerhin etwas abgeschwächt, das Geschoß selbst
aus seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt worden ist,
so daß es manchmal an der zweiten Schädelwand mehr oder
weniger als Querschläger ankommt.
.Es findet sich dann fast regelmäßig an der'Ausschu߬
stelle ein Zentrum von nach verschiedenen Richtungen aus¬
strahlenden Fissuren, die mit Fissuren der Eingangsöff¬
nung verbunden sein können, ln letzterem Falle handelt
es sich bald um eine einzige verbindende Fissur, häufiger
aber um zahlreiche Knochensprünge, die sich wieder unter¬
einander vereinigen, so daß oft ein symmetrisches Fissuren¬
system entsteht. Mit Zunahme der Schußdistanz, also mit
Verminderung der Geschwindigkeit des Geschosses,
schwinden nach und nach die durch die Dehnung des
Schädeldurchmessers entstehenden Sprünge. Bei mittlerer,
Geschwindigkeit finden wir nur noch die auf die unmittel¬
bare Umgebung des Ein- und AusschuBloches beschränkten
Fissuren, sowie die verbindende Grundlinie als letztes
Zeichen der Dehnung des Querdurchmessers des Schädels.
Bei 1800 m finden sich nur noch zwei Loclischußöffnungeu
(K üble r).
An der Ausgangsöffnung tritt fast immer mit Blut
. untermischter Hirnbrei aus, eine Erscheinung, die in selte¬
nen Fällen an der Einschußöffnung beobachtet oder durch
dort hervorquellendes Fettgewebe vorgetäuscht wurde.
Wesentlich anders gestalten sich die Zerstörungen des
Armeegeschosses bei Entfernungen unter BK) m, bei
Nahschüssen. Während das oben über den Kontu¬
sionsring Gesagte auch hier Gültigkeit hat, ist die Be¬
schaffenheit der Knochen- und Weieliteilverletzungen eine
sehr abweichende. Da die Knochenmoleküle der Lamina
ext., wenn das Geschoß aus der Nähe, also mit großer Ge¬
schwindigkeit eintrifft, keine Zeit mehr haben, auszii-
weieben, so fliegen sie, wie auch durch Versuche auf Glas
platten nachgewiesen wurde, zurück auf den Schützen zu,
die äußere Lamelle splittert mehr als die innere, und es
entsteht ein trichterförmiger Defekt mit der Basis auf den
Schützen zu. Auch am Schädelausschuß zeigt die innere
Lamelle meist größeren Defekt als die äußere. F i n <1 e I
also der Gerichtsarzt diese Form der
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K u o c h e u z i
Sicher h eit u
schoß a us■ dt
( Köhler).
Trifft das Pro.
nuiig den Schädel
möglichst langen
fliegt er in vielen
Knochensplitter flie
allen Seiten, lieber
Explosivsehüsse war
man früher den hydrai.
Ursache an, so bezeieh..
hydrodynamischen Druck ,
den unten sehen, daß cs
voll Explosivscliiissen, si
abgefeuert wurden, gibt, b
Indische Ursache uiitspieL.
Die physikalischen Vorgä
erster Art schildert T i 1 m a i
Er schreibt: „Durch kinen.
kann man feststellen, daß die g
einem Armeegewehrgeschoß am
also- etwa Va Sekunde, zu ihrem A
man nun alle Knochensplitter um
der zusammen, so findet man, daß e
Öffnung vorhanden ist und daß v
aus ein Netz von radiären und
ganzen Schädel überzieht, welche u.
zahlreiche Splitter aufschließen. Hieran
Bestimmtheit schließen, daß das Geschoß zu.
del durchbohrt und daß dann erst die sogenannte i
erfolgt.
Der Hergang ist folgender. Das Geschoß t>
Durchbohrung des Knochens in das Gehirn ein, 1
hier einen Weg durch Beiseiteschiebung der
stehenden Hirnteilchen. Dieselben werden rs:
außen und hinten geschlendert und stoßen gegt
nachbarten Hirnteile. Schließlich stürmt die ganz,
nach allen Seiten, so daß in gleicher Entfernung'
Schußkanal stets die gleiche Spannung herrscht. .1 e
g r ii ß e r die M a s s e d e r i n B e w e g u n g gesetz¬
ten Hirnteile he n u n d je st ii r k e r d i e
S c h w i n g u n g e n des einzelnen M o 1 e k ii 1 s
sind, desto g rößerist a u o li die z e r s t ö r e, n d c
W i r k u n g. Ist nun. der Druck entsprechend groß, dann
wird Dura, Knochen und Haut zerrissen. Man hat früher
von Explosivschiisseu gesprochen im Gegensatz zu anderen
Geschoßwirkungen. Das ist ja an und für sich richtig,
führt aber leicht zu irrtümlichen Auffassungen, da es sich
in allen Schüssen um dieselben physikalischen Verhält¬
nisse handelt und die Explosion nur der Ausdruck ein w
enorm gesteigerten Geschoßwirkung ist. Zwei Mo¬
ni e nte b e s t i m m e n die S c h ii d e 1 z e r s t ö r ii n g
1) e i S e h ä d e 1 s e li ü s s e n , in erster Linie die
lebendige Kraft des Geschosses, in z w c i -
t er Linie die L ii n g e d e s im G e li i r n
zurücfk gelegten Weges. Bei großer leben¬
diger Kraft und langem Weg ist die Wirkung
eine sehr starke, bei kurzem Weg im Gehirn,
z. B. hei Streifschüssen, ist die Wirkung eine ge¬
ringere. Umgekehrt kann die Zerstörung eine große sein
hei geringerer lebendiger. Kraft des Geschosses und langem
Weg im Gehirn, während dieselbe bei kurzem Weg sehr
gering sein wird.
Diese Theorie erklärt auch die so häufig beobachteten
und so lange rätselhaften indirekten Frakturen der
knöchernen Gehirnbasis lind des Orbitäldaches, die schon
erwähnten Qaetschungserseliehnrngen in entfernteren
Teilen des Gehirns: der vom Scllußkaiial aus fortgepflanzte
Druck hat die meist dünnen Knocbenwände eingedrückt
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.Eapeutische eündsöhaü.
unlit sich dabei
. n beobachtete, um
auch Fernschüsse, so
'h-uiigeii liervomifen.
:e,
ita praevia.
.erat
». Fellner, Wien.
Placenta praevia zusammen
zcn : Zugunsten der S endung
t, daß sie in jedem Falle aus-
uc bis dahin vorhandene Blutung
mußte zwar der herunter geholte
. 1 , weil etwas Blut durchsickerte,
es mit der Metreuryse, sie hat in
und mußte durch die V endung or-
inderen war die Blutung bei Ein,-
stark, daß die Blutung erst
,)ii:s in' die Fnuchthöhle sistiert werden
ihmsweise verlief die Nachgeburtsperiode
Credo angewandt werden. Auch dieser
8 man zur manuellen Plazentalösung
Etlichen lebensgefährlichen Blutungen
nach Ausstoßung der Plazenta ein.
versagt da oft. Sie ist häufig 2 mal,
u ict worden. Gegen, den schlaffen Sack der
.and kann die Tamponade nicht kräftig genug all¬
st. werden. Es kamen 4 Todesfälle an Verblutung und
n Sepsis vor. Je weiter die Schwangerschaft vor-
-en ist, um so größer ist im allgemeinen die Blutung.
,setzen der Wehen im 9. oder 10. Monat, auch wenn
•h Bettruhe oder Opium spontan steht, hat sie die
klinische Bedeutung. Solche Patienten gehören in die
, damit dort die neueren Methoden angewandt werden
•n. (Wenn tatsächlich die Blutungen in der Nachgeburts-
.odc das gefahrdrohende Moment ausmachen, dann ist nicht
recht ein Zusehen, warum man eine der neueren Methoden, das
ist den vaginalen oder klassischen Kaiserschnitt, anwenden soll.
Nur die Exstirpation des Uterus oder die Unterbindung der
Arterie nach der Entbindung könnten dann in Frage kommen.
I). Ref.) „ .
K r ö n i g berichtet ferner, daß es unter 19 Fällen 6 mal
nach der Metreuryse zur Blutung kam, häufig zu starker
Blutung, insbesondere im Anschluß an die Ausstoßung der
Ballons. Achtmal war die Nachblutung eine sehr starke, so daß
dreimal die sofortige Lösung der Plazenta notwendig wurde.
K. stellt. 6569 Fälle zusammen mit einer Mortalität der Mütter
von 9,3°/o und der Kinder von 58,7 °/o. In 1602 Fällen wurde der
Braxton Hicks gemacht. Die Mortalität, betrug hierbei 6,2,
die der Kinder 58,9%. In 280 Fällen wurde der Ivolpeurynter
angewandt. 6% Mütter starben und 33°,o Kinder. K. ist mit
diesem Resultat nicht zufrieden und befürwortet unter gewissen
Umständen den Kaiserschnitt.
Cervixrisse sind nach A. R i e c k sehr oft die Ursache der
starken Nachblutung bei der V endung. Die Ballonbehandlung
verhindert die Risse mehr als die Nichtballonbehandlung.
Erstens braucht sie nur eine die Diagnose anzeigende Blutung
zuzulassen; 2. behütet sic, namentlich den ungeübten Arzt, vor
Eingriffen, die leicht zu den außerordentlich gefährlichen, viel
häufiger als gewöhnlich konstatierten Cervixrissen führen, und
zwar sowohl bei der forcierten Wendung als auch bei der nach¬
her! gen Geburt, bei der die Versuchung nahe liegt, das bis zu
den Schultern geborene Kind zu extrahieren.
Richter fand unter 4624 Geburten 83 Fälle von Placenta
praevia. Nur 23 Kinder waren ausgetragen, von denen ‘7lebend
entlassen wurden. Die übrigen 50 Kinder, deren Lebensfähigkeit
auch bei einer unkomplizierten Spontangeburt sehr fraglich
ist, waren hier gleichfalls lebensschwach. Eine Frau, die ein-
ocler mehrmal stark geblutet hat, sollte sofort entbunden werden.
Denn man weiß nie, wieviel Blut sie bereits verloren hat. und
wieviel ,sie zu verlieren hat. Die beste Methode ist der Eihaut-
stich, ausgefübrt in 29°.» der Fälle, natürlich nur dort angezcigt,
wo der vorliegende Teil der Kopf ist. Steht die Blutung flicht
sofort, dann ist Metreuryse angezeigt. Führt diese nach einigen
Stunden nicht zum Ziel, dann wende mail nach Braxton
H icks. wie dies in 9 Fällen geschah. Ist. das Kind nicht mehr
lebensfähig, dann ist Braxton Hicks angezeigt, ferner in
jedem Falle von Placenta praevia centralis, bei der das Kind
ohnehin so. gut wie immer verloren ist. In 22 Fällen von
Braxton Hicks wurden nur 3 Kinder lebend geboren. Unter
den 83 Frauen wurde nur eine verloren. Auch diese war schwer
intiziert in die Klinik gekommen. Die Morbidität betrug 26,5°/o.
Nur einmal kam ein Kollaps vor. R. spricht sich daher gegen
jedes chirurgische Verfahren aus.
In einem Falle von Runge hatte die Metreuryse einen
großen Blutverlust zur Folge, so daß die Frau sofort verfiel.
Trotz Zug am Mentreurynter stand die Blutung nicht und die
Patientin verliel immer mehr. Puls — 150. Man schritt zur
ventralen Uterusexstirpation unter Lumbalanästhesie. Das Kind
war mittlerweile abgestorben, die Mütter kam durch.
P f annenstiel meint, daß der Kliniker die Methoden
bei der Behandlung der Placenta praevia lehren solle, welche
für die Praktiker geeignet sind, und sie daher auch in der
Klinik zur Ausführung bringen solle, damit sie daselbst gelehrt
werden. Die kombinierte Wendung nach B r a x t o n Hie k s
bedeutet eine große Errungenschaft in der Behandlung der
Placenta praevia, doch ist sie nicht immer anwendbar. Bessere
Erfolge gibt die Metreuryse. Der Kaiserschnitt eignet sich nicht,
für alle Fälle und ist in der Praxis schwer durchführbar. Die
beste Methode bleibt die Metreuryse, doch soll man warten,
bis der Ballon spontan geboren Dt. denn dann ist der Mutter¬
mund soweit erweitert, daß man die Geburt beendigen kann. Die
Sectio caesarea ist dann angezcigt, wenn die Mutter ein lebendes
Kind wünscht und dort, wo die Metreuryse schwer durchführ¬
bar ist.
Nach Thies war es nicht notwendig, die Sectio caesarea
für alle Fälle von Placenta praevia zu empfehlen, denn die
bisher geübten Methoden gaben recht gute Erfolge. An der
Berliner Klinik wiesen 179 Fälle 3°/o Mortalität aui. Die Mor¬
talität der Kinder betrug ßQtyo, und zwar starben die meisten
Kinder infolge der Wendung auf den büß und des Stecken -
bleiben des Kopfes. Elfmal wurde die Metreuryse angewandt,
ohne ein Kind zu verlieren. In manchen Fällen genügt die,
Blasensprengung. In anderen sehr schweren Fällen wurde der
vaginale Kaiserschnitt vorgenommen, wobei die Hälfte der
Kinder tot zur Welt kam. Wenn man die kombinierte Wendung
nur in sehr schweren Fällen bei starker Blutung und hei
Blutungen in frühen Monaten der Schwangerschaft anwendet, in
anderen Fällen aber die Metreuryse ausführt, so erhält man recht
gute Resultate. Auch bei sehr starker Blutung genügt die
Metreuryse nur hei Erstgebärenden. Bei sehr starrem Mutter¬
mund wird man den vaginalen Kaiserschnitt vornehmen müssen.
Literatur.
1. B. K rön i g: Zur Klinik der Placenta praevia. Zontral-
blait für Gynäkologie, 1909, Nr. 15. -
2. Krönig: Metreuryse bei Placenta praevia. Zentral -
binti für Gynäkologie. 1909. Nr. 34.
3. A. Rieck: Kombinierte Wendung und Metreuryse.
Zentralbl. f. Gynäkologie, 1909, Nr. 28.
4. Richter: Zur Therapie der Placenta praevia. Zentral-
bla 1 1 für Gynäkologie. 1909, Nr. 22. .
5. M. Runge: Ventrale Totalexstirpation des gebärenden
Uionis bei Placenta praevia mit unstillbarer Blutung. Zentral -
blatt für Gynäkologie, 1909, Nr. 31.
6. J. Pf annenstj.el: Zur Behandlung der l laeenta
praevia. Beitrag zur Diskussion über die neuen Vorschläge von
Krönig und Seil he im. Monatsschr. f. Geburtshilfe, 1909,
Nr. 3. _ . , r
7. J. Thies: Zur Behandlung der Placenta praevia. Mo¬
natsschrift. f. Geburtsh., 1909, Nr. 3.
Pharmakologie.
Referent: Privatdozent Dr. C. Baehern, Bonn.
1. Feber anatomische Veränderungen der Speicheldrüsen
bei akuter Quecksilbervergiftung. Von II. K i .c h borst, Zürich.
Mod. Klinik, 1909, Nr. 4n.
2. Zur Synthese des Asurols. v Von School ler und
S o li r a ii t h . Berlin. Therap. Monatsh., 1909, Nr. 12.
8
THERAPEUTISCHE RUNDSCL
Der Einfluß der Abführmittel auf die Yerdajnimgsbewo-
guiigen. Von R. Magnus, Utrecht. Tlierap. Monat,sh.. 1909,
Nr. 12.
4. Zur Theorie der Wirkung von Schlafmitteln. Von
M a n n i o h und Rosenmund, Merlin. Tlierap. Monatsh..
1909, Nr. 12.
5. Die harnsäureverinehrende Wirkung des Kaffees und der
Met h t > Iva nt liine heim Normalen und Gichtkranken. Von
Resser. Altona. Tlierap. d. CJegenw.. 1909. Nr. 7.
1. Pi' 1 24 jähriges Mädehep hatte offenbar in der Absicht,
xu abortieren, Spülungen mit Sublimat gemacht und war trotz
Spitalbehandlung bald gestorben. Die Sektion ergab, daß alles
für eine-Sublimatvergiftung sprach, Die Untersuchung des Harns
auf Quecksilber war negativ, dagegen zeigte der mikrosko¬
pische Befund der Niere, das typische Bild der Sublimat
Vergütung. Während die Bauchspeicheldrüse' frei von patlio-
logischen Veränderungen war, zeigte die Ohrspeicheldrüse frische
Entzündungsherde in Form von Rundzellcnhe.rdon. Die Speichel
röhren waren mit einer geronnenen grobkörnigen Masse erfüllt,
ebenfalls sehr reich an Rundzellen, die Blutgefäße stark mit
Bkit gefüllt, Bakterien ließen sieh nicht auffinden. Verfasser
hält die geschilderten Veränderungen der Speicheldrüsen für
eine primäre Wirkung des Giftes, nicht erst entstanden infolge
der Stomatitis. Selbstverständlich können sich aber zu diesen
reinen Quecksilberwirkungen noch andere Veränderungen sekun¬
därer Art hinziigesellen.
2. Mit dem Namen Asurol bezeichnet Neiße r ein Doppel¬
salz aus Quecksilbersalizylat und amido oxy is o bu t te rsau rein
Natron mit einem Gehalt vqii 40 0 o Quecksilber. Die Anforde¬
rungen, die man an rin gutes Queeksilberprüparat stellen muß.
sind etwa folgende: bei genügend hohem Quecksilber-gehalt muß
os sich in M asser leicht lösen; die Lösungen sollen sich weder
zersetzen, noch Metallgegenstände angreifen amalgamieren .
Ferner sollen sie kein Eiweiß fällen und bei der Injektion
keine Reizerseheinungen machen. Endlich muß verlangt werden,
daß ein solches Präparat die typische Qüeeksilbenvirkung im
Körper in milder und gleichmäßiger Form ausübt. Diesen
Forderungen kommt eine Reibe der gebräuchlichsten Antisyphi-
litie a nich t nach. Für die Synthese eines neuen Quecksilber
mittels haben solche Körper die beste Aussicht auf praktische
Verwertbarkeit, die das Element in nicht i\o n i s i e y.b a r e r*
Form eilt halten, insbesondere haben die Q ue eksilberk olilens t off -
Verbindungen die größten (’hancen; durch Veränderung des
Moleküls ist hier leichter die Möglichkeit geboten. Neben
Wirkungen auszusehließen. die Verbindung löslicher zu
machen etc. Nach Darstellung verschiedener Präparate schienen
die Alkalisalze der Oxyquecksilbersalizylsäüre die geeignetsten
zu sein; denn das Element befindet sieh hier in mittelfester
Bindung^, ohne dabei Eiweiß zu koagulieren oder reizend und
stark giftig zu-sein. Diese Salze besitzen auch genügende anti-
septische Kraft, jedoch nicht den Vorzug der Haltbarkeit.
Dieser Fehler kann indes durch Zusatz von Eiweiß verhindert
werden und zwar scheinen hierzu die ..Bausteine' des Ei¬
weißes, die Aminosäuren, zu genügen. Es gelingt tatsäch¬
lich, durch, Eiiiwirkeh vön Aminosäuren auf Alkalisalze des
Ilydrargyrum salicylicuin in Wasser neutral lösliche' und halt
bare Boppelverbinduugen herziistclien, von denen sich das ein¬
gangs erwähnte Asurol (von den. Elberfelder Farbwerken her¬
gestellt ) am besten therapeutisch bewährt hat.
8. Verfasser studierte in umfangreichen Versuchen 1 an
Röntgen bildern den Vorgang bei den normalen Verdauung«-
bewegungen sowie, die Veränderungen derselben unter dem Ein¬
fluß der gebräuchlichsten Abführmittel. Von diesen werden vier
charakteristische Typen geschildert: die. Anthrazenderivate
Sennäinfus . abführende Oele Rizinusöl). Drastika Kolo-
quintep) und salinische Laxantien (Magiiesiumsulfat). Das
Ergebnis ist kurz folgendes:' Bei der Sertna handelt, es sich
um reine Dickdarmbewegungen, d. h. direkte Erregung der
Defakation beim Erscheinen des Mittels im (.'oeciim unter Auf¬
hebung des EindiekuHgsmechanismus.ini Kolon. Im Gegensatz
hierzu wirkt, das Rizinusöl vor allem .erregend auf die Dünn
darmbewegungen,' hebt aber auch gleichzeitig die Eindickung
im Kolon auf., ln ähnlicher Weise wirken Koloquiuten. er
zeugen aber außerdem eine hochgradige Sekretion von Flüssig¬
keit in den Darm; die Kotentleerung wird erst durch Be¬
rührung der Mastdarmschleimhaut mit den Ivotniassen ausgelost.
Das Bittersalz wirkt in der Weise, daß eine gewisse Menge
Wasser im Darmkannl nicht resorbiert wird und es auf diese
Art zu einer Verflüssigung der Fäzes kommt. Eine direkte
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Reizwirkung auf
weisen, die Eindicki.
des Salzes verhindert.
M irkungsmeohanismus j
klinische I ndikat ionssl
4. Zur Untersuch
p i ]) eraziit, eine S-
quaternär gebundenen
Konstitution dem Yen
koit in Wasser eine rc
Oel sehr gering isi. <1
t o n scheu Sinne 9 : 1 '. i
zu entscheiden, oh der G«
ho tische Wirkung niaßgebei
koit. Bezüglich des unters,uci.
Fall zu sein ; denn es ließ siet
bei Kaninchen k ein e hypno v ‘
soll damit keineswegs gesag.
löslichen Stoffe (Kampfer) I
hinsichtlich dieser Frage über
Konstitution und Wirkung noch
5. Auf Grund seiner experime
Verfasser den Schluß, daß ein Teil
Produkte des Coffeins und in gering
bromins im menschlichen Sioffweehsi
wird, so daß also auch der eofb
purinhaltigen Schädlichkeiten für dei.
neu isi.
Jx_
Chirurgie.
Referent: Spezialarzt Dr. Mohr, ±->.
1. Neue Methoden zur Eröffnung des lliiitgelen.
L e n g fe .|.l n e v und F r o h s e , Berlin. Med. Klinik
S. 1705.
2. Diagnose und Behandlung der Geschwülste inner
Wirbelkanals. Von H. Opp on h e i m . Berlin. Deut sc
Woelienschr.. 1909, Nr. 44.
3. Zwei mit Antitoxin, „Höchst“ behandelte Fa.
schwerem Tetanus mit günstigem Ausgang. Von Si
Mannheim. Münch, med. Wochen seh r,, 1909. S. 22(54.
4. Zur Technik der Hautdesinfektion. Von K r a I o <• li v
Olmüt.z. Wiener kl in. Woelienschr., 1909. Nr. 47, S. 1(539.
5. L eber die Wirkungsweise der sogen. Wündantiseptika.
Von B ii d i n g e r . Wien. Med. Klinik. 1909, Nr. 47, S. 1771.
0. Die Wundbehandlung mit dem Mast ix verband. Von
v. Oe 1 t i n g e n , Langendreer.
7. Die intravenöse Narkose mit Act her und Chloroform.
Von B u r k h a rd t; . Wiirzburg. Münch. med. Wochensclir.,
1.909, S. 2865.
8. I eher Kleinliirncliirurgie. Von II i 1 d eb r a n «I . Berlin.
Deutsche med. Wochensclir.-, 1909. S. 1999.
9. I eher die operative Behandlung des l r lciis rot. und seiner
Folgezustände. Voa (1 re i f f e n lr a g e n . Reval. St. Peters¬
burger med. Wochensclir.. 1909. Nr. 44.
10. Zur Operation der I lypophysent inneren auf nasalem
M ege. Von S m ol e r . Olmütz. Wiener kl in. Wochensclir.. 1909,
Nr. 43.
1. Die Verf. haben an der Leiche *.'drei Operationsiver-
fahren ausgebildet, welche os ermöglichen,, dem Hüftgelenk
von allen Seiten beizukommen und jedwede Operation am Gelenk
auszuführen. Die Methoden bewährten sich auch in vivo in
mehreren Fällen.
2. Bericht über 25 operierte Fälle mit 13 Heilerfolgen,
d. h; die Geschwulst wurde bei der Operation gefunden, radikal
entfernt, .und der Kranke genas nicht nur von dem Eingriff,
sondern auch von dem Rückenmarksleiden, mindestens bis zu
dem Grade, daß er seine Gebfähigkeit wiedererlangte. Die
Operation ist stets angezeigt, wenn ein Rückenmarkstumor
iiücli nur einigermaßen sicher diagnostiziert und lokalisiert
werden kann. Schwankt die Diagnose zwischen Tumor. Menin¬
gitis scrosa spinalis ei reu in scripta 'lind Paohymeningitis Hyper¬
trophien, so ist die Laminoktomie ebenfalls am Platze, falls
die interne Behandlung versagt. Die im Rückenmark selbst
sitzenden Geschwülste sind im allgemeinen d<;r chirurgischen
Behandlung nicht zugänglich, wenn auch eine Lnniiiiektomic
zwecks Druckern,tlastuug von Vorteil sein kann.
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iAPEUTISCHK RTTNDSCfiAÜ.
.IS, Welche ZU (ll'll
InkubaI ionszeit ge -
Dosen des Antitoxins,
bfolgt, und zwar im
idcn Fällen Heilung-,
jung des Tetanus ist
Hohen Dosen vorgeht,
organg (i l'ossi c h ?
• Jodtinktur desinfiziert
). In 250 Fällen wurde
.cm Voll bade mit Seife
und sodann die Haut
, unter 248 verwertbaren
r empfiehlt Yerf. für dring-
rossic h sehe Methode, für
‘Modifikation.
." dem Sinne, daß Keime,
ui, durch chemisch wirkende
praktisch meßbarem ttrade
»vir vermögen nur diejenigen
\o außerhalb der Wundoberflache
i haben den Wert, daß sie leicht
ihaffen sind, dauernd steril bleiben
dorn als auf physikalischem Wege
X. Tätigkeit außerhalb des Spitals
\Xormiillösungeji unvermeidlich,
m Gebrauch fast gleich Null,
ieren die Wunde nicht, sie
crbaiid gekommenen Sekrete
unschädlich zu machen. Ihre
.«iivt/mit Sekreten entfaltet, weshalb
len Wunden ebenso wertlos sind wie
.. iNeben dieser Wirkung der antiseptischen
..-»t der Reiz in Betracht zu ziehen, den sie auf
...e ausüben.
h'.rf. empfiehlt seine im Kriege bereits erprobte. Wund-
ng mit dem Mastixverbande auch für die Friedens-
\ Die Gefahr seitens der verschmutzten Wundumgebung
reh Pinselung der Wundumgebung mit Mastixlösüng
Le Waschung auf ein Minimum beschränkt; wird wenige
■n später ein Bausch Tupfermull angedrückt, so sind die
eien clor Wundumgebung ausgeschaltet, und kommen für
tVuudheilung nicht mehr in Betracht. Diese Bakterien-
■lierung ist 1 lieorei iscli. praktisch uiid experimentell gleich¬
wertig einer Entfernung liezw. Vernichtung; der Bakterien,
welche die Wunde von ihrer Umgehung her infizieren könnten.
Die Mastix-Chloroformlösung 20:50 mit 20 Tropfen Leinöls
wird fertig von Hol fenherg (Sachsen) geliefert.
7. Verf: verwendete nach vorausgegangenen Tierversuchen-
rnfusionon von physiologischer Na (’-Lösung mit 5‘Vo Aether-
zusaiz in die freigelegte -Vena mediana kubiti zur Narkose
auch beim Menschen. Nach den Erfahrungen bei 35. Narkosen
ist die intravenöse Aeilicriiarko.se, event. kombiniert.-mit Skopol¬
amin -Morphium, zurzeit die ungefährlichste und angenehmste
Methode der Allgemeinnarkose. Besondere Vorteile hat sie:
1. Bei Patienten mit nicht intakten - Atmuugs- und Zirkula-tions-
organen, sowie bei schwächlichen Individuen, weil die primären
und reflektorischen Störungen der Atmung' und des Herzens
wegfallen, der Blutdruck nicht beeinflußt wird und lieber -
dös io rung kaum möglich ist. 2. Bei Operationen, am Kopf und
11 ls.‘ aus Bequeinliclikeiisrücksiehten für den Operateur. 3. Bei
Patienten, welche eine ausgesprochen« Idiosynkrasie oder
heftigen Widerwillen gegen die Eina tmung des' Narkotikum^
haben.
8. Referat über den augenblicklichen Stand der Kleinhirn-
Chirurgie. Von großer Bedeutung für eiu erfolgreiches Ein¬
greifen der Chirurgie ist die anatomische Beschaffenheit der
pathologischen Prozesse, die Natur derselben setzt bezüglich der
Operabilität und der radikalen Heilung große Verschiedenheiten;
die Resultate, der Operationen, sind außerordentlich verschieden,
je nach dein Prozeß, der den Eingriff erforderte. Von 20 Klein-
hirnzyston kamen 18 zur Heitüng, von 20 Tubcrkulomen nur
zwei. Bei 101 Operationen wegen Tumors wurde ein solcher in
62 Fällen bei der Operation nicht gefunden, von den übrigen
3!) starben 22 im Anschluß an die Operation, geheilt .oder
gebessert wurden 17, jedoch bleibt es zweifelhaft, wieviel .def.iui -
14vc Heilungen erzielt wurden.
!). Im '.Frühstadium des Ulcus rot. und bei akuter schwerer
Magenbluiung ist ein chirurgischer Eingriff abzulehnen. Bei
UNIVERSITY OF MICHIGAN
w i. d. ■ i b*>hr11 .-diwiwi-n und bei chronischen ljlciöfla Blutungen
( •:!' 1 1 «* • • 1 11 <• i • •»-1 «uni**, nur ;iuuinlimsweise mit, gleichzeitiger Ex.-
/. i - i 1111 d*'- 1 I« ii'. Am wirksamsten ist der chirurgische Eingriff,
b, i I’\Innissiciiusc iinrli l 1 fiis. gewöhnlich Gnsl rocuterostpinieJ-Fp
b. i k :i rz i n niii \ rd:i ( bl ige n Tumoren Pylorusresektion. Die Jeju-
... kommt Im* i sehr ölenden Kranken in Frage, "denen
nur « ii. nd.iuv loi'diior Eingriff zugemutet werden kann'. Ferner
i»oi l b uskr:inkon. di«* kurz nach einer schweren Blutung?operiert :
worden müssen. und bei Pai ionton. deren Ficus nachweislich
in< In in der Bars pylorioa sitzt. Die Exzision bezw. .Resektion
i'.i ; 111 gt■ /.t“iui bei großem, scheinbar solitärem Ulcus der kleinen
und groß. -ii Kurvatur, bei Ulcusperforation. wenn die Umgebung—' ffn:
«!<-. (l. s.-liw iirs genügendes Material zur Naht bietet, und bei
l\ ;• i /.iiiomvcrdaobt.
ln. ;;i jährige Frau mit. röntgenologisch diagnostizierter
11> popliysisgos* liwulst. Freilegung einer kirschgroßen Ge-
srliwtilst naeli Aufklappung der Nase und Eröffnung der Keil-
boiuliolile. Di-* Operation mußle wogen' schwerer Blutung ab--
gebrechen werden, die die frei liege tide Geschwulst entfernt
werden konnte. Tod nach einigen Tagen an Aspirätiouspneu-
inoiije. Die Sektion ergab ein Adenom der Hypophysis vom
Typus der Struma hypophyseos'.
Orthopädie.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lehr. Stuttgart.
1. l’eber Fußbeseliwewleti. Von Dr. F. i a u s c h . .Miin-
clicn. Münch, tned. Wocltenschr.. 1909, Nr. 41.
2. Zur Behandlung des Melatarsalselimerzes. Von Privat
I dozent Dr. v. B a e y e r . München. Münch, tned. Wochen sehr.,
1909. Nr. 39.
3. Die konservative Behandlung der eliiriirgischen Tuber¬
kulose. Von Prof. K 1 a p p , Berlin. XVI. Internationaler medi¬
zinischer Kongreß.
4. Zur Mobilisierung smkylosiortcr Ilüflgeleiike. Von Dr.
(). Meyer, Heidelberg. Deutsche ined. Wochcnschr.. 1909,
Nr. 44.'
5. l’cber die Resultate des Redressements des Pottsehen
Ruckeis. V on Privatdozent Dr. W olle n b e r g , Berlin. Ber¬
liner klin. Wochensehr., 1909, Nr. 46.
ß. Rhombus und anatoiniscli wirkende Extensionsseliienc zur
Reluiiidliiug von Oberarm- und Kclmltergiirtelbriiehen. Von Dr.
A. Hof mann, Offenburg. Münch, tned. Wochcnschr.. 1909.
Nr. 46.
1. Besprechung des als Vorläufer des statischen Plattfußes
bekannten Knickfußes, der sich in einem Umknicken des Fußes
nach innen bei jeder Belastung äußert, bei dem aber das
Fußgewölbe noch nicht eingesunken ist. Die anatomische Ur¬
sache des Leidens besteht in einer zunehmenden Insuffizienz
der Supiuat ionsinuskcln, besonders des Flex. ha I lue. long.
(II iihsclier). Prophylaktisch ist das Tragen richtigen Sclfub-
werkcs von größter Wichtigkeit. Therapeutisch kommt, außer¬
dem noch hinzu Kräftigung der Muskeln durch spezielle Gym¬
nastik und Herstellung des Belastungsgleichgewielites durch
Einlagen, von denen die Lau ge selten ZeJluloidstahhlrahl-
einlagcn besonders empfohlen werdc'n.
2. Unter Metatarsalsehmerzen sind Vorderfiißschinerzen zu
verstehen, die bei der Belastung hauptsächlich unter dem
2. „und 3. Mittelfußköpfeheu auftreten. Verf. empfiehlt, in
Fällen von Vorderfußschmerz, wo der von Lehr angegebene
zirkuläre Heftpflasterverband nicht ertragen wird, das ein¬
gesunkene Quergewölbe durch eine an einer Einlage, angebrachte
Erhöhung proximalwärts des . Meta tarsusköpf chens zu liehen.
Dadurch wird eine Hohllagerung erreicht, ohne daß wie
hei Aushöhlung der Sohle unterhalb der schmerzhaften Stelle —
die Gefahr besteht, daß das Qüergewölbe weiter einsinkt. Die
Vorrichtung wird an einer über ein Gipsmodell goarbeiteten
Einlage angebracht.
3. Zur AllgemeinhehandliÜJg hat sich dem Verf. neben
den klimatischen Kuren Malzfütterung Exlract. Malti sico.
[Liebe 3-4 mal täglich 1 Teelöffel) und bei genauester
und individualisierender Veborwachuiig die S e h r.o t h sehe Kur
bewährt.
Die Haupimittel der lokaleu konservativen Behandlung sind
Eixaiion und Entlastung der kranken Gelenke, ferner Mo¬
sel igs .lodoformbehaudlung und die Hyperämiehehandlung
nach Bier. Entlastung und Fixation werden kombiniert nur
UNIVERSITY OF MICHIGAN
10
THERAPEUTISCHE RUNDSC±_
^ bei Coxitis angewandt. Bei Knie- uiul Fußgelenks!uberkul«»eii
wird mit abuehinbareu Verbänden nur entlaste! und täglieh
1—3 Stunden gestaut. Die Jodoi'onnboliandlung geseliielit in
der üblichen Weise durch Injektion von lo<> J odoform;Hyzerin-
emulsion in die punktierte Abszeßhöhle. Gestaut wird täglich
1—3 Stunden in der Weise, daß eine möglichst heiße Stauung
entsteht. Im allgemeinen gibt die konservative Therapie der
chirurgischen Tuberkulose die besten Resultate, wenn günstige
allgemeine Bedingungen (Jugend, gute Ernährun.gsverliä 11nissc
und Ernährungsmöglichkeit, gute hygienische Bedingungen sich
vereinigen mit günstigen lokalen Verhältnissen • Befallensein von
Gelenken, die gewöhnlich günstig verlaufen: also in erster
Linie Hand-, dann Ellbogen- und Fußgelenk). Bei Allgemein
erkrankungen dagegen wie Amyloid. Nephritis, hei .schwerer
Lungen- oder intestinaler Tuberkulose konservativ zu verfahren,
wäre nicht zu verantworten. Tn diesen Fällen ist die Amputation
am Platze. Extrakapsuläre oder extraartikuläre Herde erfordern
ebenfalls chirurgisches Vorgehen.
Als Unterstützungsmittel der konservativen Therapie haben
sich dem Verf. Einspritzungen von 1 ccm einer 1 proz. Lösung
von Trypsin in die tuberkulösen Abszesse bewährt. Tägliche
Einspritzungen von 10 proz. Alkohol in das perituherkulöse
Gewebe sind mit anscheinend gutem Erfolg versucht worden,
jedoch läßt sich eiu endgültiges Urteil darüber noch nicht
abgeben.
4. Bericht eines Falles, bei dem es gelang, beim Er¬
wachsenen ein vollständig ankylosiertes Hüftgelenk nach Weg-
meißelung des größten Teiles von Schenkelkopf und Hals und
Tnterposition eines Fettmuskellappens eine dauernde beträcht¬
liche Beweglichkeit zu erzielen.
5. Das Prinzip der Behandlung besteht darin, daß der
Patient in besonderen Apparaten (W a 11 s t e i n s oder E n g e 1
man ns Rahmen) einer vorsichtigen Extension in der Längs¬
richtung des Körpers ausgesetzt wird, während ein direkter,
ebenso vorsichtiger Druck senkrecht dazu auf die Höhe des
Buckels selbst ausgeübt wird. Dadurch wird eine paragibhäre
Lordosierung der Wirbelsäule erzielt. Nun wird ein höchst
exakt sitzendes, den Kopf mit einbeziehendes Gipskorsett an-
geleg t, das alle 6—8 Wochen erneuert wird, wobei jedesmal
ohne grobe Gewalt das Redressement entwas verstärkt werden
muß. Nach Ablauf der Redressionsperiode, die 1—1 Jahre
dauert, gibt Verf. für die Nacht ein Reklinationsgipsbett nach
Fink und ein gut sitzendes .Hilftbügelkorsett mit Hoffa-
scher Kopfstütze für weitere 1 —2 Jahre. Die günstigen.
Resultate dieser Behandlungsart wiegen die viele Mühe und
Zeit, die sie erfordert, wieder auf.
6 . Beschreibung zweier Apparate, die nach dem Z a p p i n -
g ersehen Prinzip aufgebaut sind und Extension hei Semi-
flexionslage der Gelenke mit Bewegungsfähigkeit der Gelenke
und mit Umsetzung der Eigenschwere des zu extendierenden
Gliedes in Extensionszug verbindet. Die Apparate bestehen
aus sehr einfachen, gelenkig verbundenen Drahtschienen in
Vierecksform und ermöglichen eine ambulante Behandlung. Die
Einzelheiten ihres Aufbaues und ihrer Anwendung müssen in der
durch instruktive Abbildungen illustrierten Originalabhandlung
nachgelesen werden.
Französische Literatur.
Referent: Dr. Schober, Paris.
1. Diagnostic clinique de 1’angine diphterique. Von
Marfan. Journal de Medicine de Paris, 1909, Nr. 19.
2. Asthme, dyspnge et toux gastriques. Von Leven. La
Tribüne Medicale, 8 . Februar 1908.
3. La Mgningite c6r6bro-spina!e. Von Crouzou. Journal
de Medecine Interne, 1909.
4. Chlorose et tuberculose. Von L a n d o u z v. Journal de
Medecine et de Chirurgie Pratiquesj 20. Juli 1909.
1. Bis vor kurzem hielt man es für unmöglich, die Dia¬
gnose auf Diphtherie ohne Beihilfe der Bakteriologie zu stellen,
jetzt aber sieht man ein, erklärt Marfan, daß das Labora¬
torium sich öfter täuscht als die Klinik. Der Kliniker hat
zunächst zu unterscheiden zwischen einer weißen und einer
roten Angina; die letztere ist so gut wie nie diphtheritiseh
lind daher auszuscheiden. An die Diphtherie ist zu denken,
sobald man eine pseudomembranöse Exsudat ion wahrnimmt. Die
pseudomembranöse Angina ist charakterisiert durch auf den
Mandeln, dem weichen Gaumen, dem Zäpfchen, den Gaumen-
JNIVERSITY OF MICHIGAN
bögen oder dem
Schleimhaut kohän
Verwechselung mit d<
artig ist und die me
gemeine rscheinungen
Diphtherie ähnlich a
lacunaris haben die G
der Zahl von o—10
Man muß also den T
Verlauf von 48 Stun
dehnen, sich nicht zu
man eine lakunäre Ang
Es sind allerdings, zu
machen. Wenn eine lakum
Husten, belegter Stimme, vo
bildenden Coryza oder von '
drüsenschwellung begleitet
schon andere Diphtheriefälle
von vorneherein Diphtherie
sich durch weißgraue, rotgeräm
drücken, man hat es dann mit :
scheu oder pustulösen Angina zi-
Angina Vincentii zu erwähnen,
auftritt und durch einen nekroti
meist auf den weichen Gaumen iil
risiert ist.
2 . Leven bemüht sieb
ganz vergessene Lehre von
und dem Magen-Asthma w
Grundlage dieser Zustände Lk
des Plexus solaris des Sympathien*.
Hyperästhesie ist die Dyspepsie. Die
charakterisiert durch die eigentlichen *,<
und durch die extragastrischen oder Fernsymp.
Die gastrischen Symptome sind allseitig gut bcu.
bestehen in Schmerzen, Brennen, Aufstoßen, Uebelki
Von den extragastrischen Sympotmen dagegen sind e
nur einige Neuralgien anerkennt, während gewisse For
Husten, Dyspnoe und Asthma hierher gehören, ohne jeo
der klassischen Medizin dazu gezählt zu werden. Di
zum Teil daran, daß die eigentlichen gastrischen Symptom
längst verschwunden sein können, wenn die extragastn
Symptome in die Szene treten und daß dabei oft der,Pr.
selbst erklärt, daß er „Kieselsteine verdaue“. Man lasse s
aber dadurch nicht irreführen, denn bei der Dyspepsie kann
der Magen selbst sich stillschweigend verhalten und die krank¬
haften Reaktionen können sich außerhalb des Magens abspielen.
Jene Symptome, wie Husten, Asthma, Dyspnoe, Herzklopfen
und noch viele andere als gastrischen Ursprungs bezeichnen zu
dürfen, glaubt Leven vollkommen berechtigt zu sein, weil
dieselben durch die Behandlung der Dyspepsie, selbst in ver¬
alteten Fällen, rasch geheilt werden können. Während man
sonst in Frankreich sehr geneigt ist, derartige Fernsymptome
auf die Rechnung von Autointoxikationen zu setzen, so kehrt
Leven wieder zur alten Lehre von den Reflexen, deren Aus¬
gangspunkt in den vorliegenden Fällen der Magen ist, zurück.
Er begründet dies durch die. Beobachtung, daß oft Dyspnoe
und Asthma so plötzlich nach Zufuhr einer bestimmten Speise
auf treten oder nach einem Mittel so rasch verschwinden können,
daß es unmöglich ist, eine Vergiftung oder Entgiftung des
Blutes vorauszusetzen.
Der gastrische Husten und die Dyspnoe können unter den
verschiedensten Formen auf treten, ebenso das Asthma. Ja es
gibt sogar Patienten, die seit 10—15 Jahren an häufiger
Bronchitis leiden, die Lungenerweiterung, Dyspnoe und Asthma-
anfällc haben, die als klassische Fälle von unheilbarem, chroni¬
schem Emphysem gelten, und die durch die Behandlung der
Dyspepsie rasch wiederhergestellt werden können. Leven geht
sogar soweit, zu behaupten, daß von allen Fällen von Husten,
Dyspnoe und Asthma die gastrischen die häufigsten sind.
Die Behandlung ist nur diätetisch, bald genügt es, nur
Alkohol, Brot, Rindfleisch, Kohl, Salat, ungekochte, gewürzte
oder mit Essig zubereitete Speisen zu verbieten, bald muß man
zu noch strengerer Diät mit völligem Ausschluß von Fleisch
oder zur Milchdiät übergehen. In den- schwereren Fällen ist
absolute körperliche und geistige Ruhe erforderlich. Heißer
Kamillen- oder ähnlicher Tee ist zu den Mahlzeiten zu emp¬
fehlen. Arzneimittel lasse man ganz beiseite..
AN
UNIVERSIT
,RAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
iigitie ist der Me*
.c. Eingangspforte ist
"r auf dem Lympliwege
n Cavum subarachnoi-
mit plötzlichem Fieber,
men die Kontrakturen,
s Pulses, der Atmung
i oder Heilung. Neuer¬
hoben worden, ßo be^
an in Amerika ist die-
.ikheit den Namen Fleck -
joeper und G o u p a n d
nn dabei beschrieben, das
, der Stickstoff-, Phosphor-
.rakterisiert ist. S i c a r d hat
gewiesen, bei welcher nur über
'figkeit geklagt wird und die
wechselt.
n erster Linie durch das Vor-
im Liquor cerebrospinalis und
chweis des Meningokokkus,
lung in heißen Bädern, Lumbal -
von Collargol. Neuerdings macht
Antimeningokokkeiiserum in das
30 ccm, solange als die Temperatur
• vorhergehender Entziehung einer
vspinalfliissigkeit. Die Mortalität,
‘--80% betrug, ist .jetzt auf
ig ist die Dauer der Krankheit
tionen vernlindert,
icht, daß es ebensowenig eine
eine essentielle Pleuritis oder ein
sonders daß cs sich bei allen den
. »onen um eine larvierte Tuberkulose handelt,
ist Funktion der Tuberkulose oder richtiger der
i die (’hloroukcr haben weder Fieber noch Husten.
:• im Zustand bazillärer Toxämie als unter der
er Tuberkulose. Die populäre Ansicht, daß das
C’hlorotisclum gut bekomme, wird nach Lan-
i die Tatsachen widerlegt. Im Gegensatz 5 zu
, der das Eisen als kontraindiziert bei der Tuber-
e, empfiehlt Landouzy Eisen in Verbindung
dange wenigstens keine ausgesprochene Lungen-
vorliegen.
geschlossen. Es ist dieses das erste diesartige Institut der
Vereinigten Staaten und es hat sich bisher ganz ausgezeichnet
bewährt.
’ 2 . Wenn die mikroskopische Untersuchung des serösen Sekrets
desquamierte Epithelialzellen und freie Gonokokken aufweist
erst es Stadium . mag die Abortivbehandlung des Trippers ein-
setzen. Unglücklicherweise konsultieren die meisten Kranken in
dieser Frühperiode noch keinen Arzt, da sie ihren Zustand als
einen vorübergehenden betrachten und so die Gelegenheit vor-
übergehen lassen, daß das Eindringen der Gonokokken in das
tiefere Gewebe verhindert wird. Die Technik ist folgende:
Nachdem der Patient Urin gelassen hat, wird der Meatus
und die Glans mit sterilisiertem Wasser gereinigt. Sodann
wird ein dünner, weicher Gummikatheter in die Fossa navi-
cularis eingeführt, worauf der Patient den dahinterliegenden
Teil der Urethra komprimiert, damit keine Flüssigkeit nach
hinten fließt; nun irrigiert der Arzt mittels des Katheters und
einer Spritze die Fossa mit warmem, sterilisiertem Wasser, um
sie von I rin- und Sekretresten zu reinigen; sodann wird sie
mit einer schwachen Silbernitratlösung ausge3pritzt. Dieses Ver¬
fahren wird mehrere Male hintereinander wiederholt und gelingt
es gewöhnlich die Gonokokken auf diese Weise abzutöten.
Sodann wird dem Patienten möglichste Ruhe empfohlen, man
setzt ihn auf blande Diät und läßt, ihn ein alkalisches 1 Mineralwasser
trinken. Es ist für Stuhlgang zu strgen und zweimal täglich die
Eichel mit lauwarmem Bleiwasser zu waschen. Kurze Zeit
nach der Silberapplikation erfolgt eine sehr schmerzhafte
Urinentleerung, welche, wenn die Behandlung eine erfolgreiche
war, in wenigen Tagen nachläßt, war sie aber erfolglos, so
hält der Schmerz nach dem Urinlassen an und unter dem
Mikroskop sieht man Gonokokken und Eiterzellen. Dann stehe
man von weiteren Abortivversuchen ab, denn es ist zu spät,
und gleich darauf wird der Ausfluß eitrig.
3. Verfasser ist ein Ingenieur, welcher beim Tunnelbau
der Hudsonbahn bemerkt hat, daß die Fälle von Caisson¬
krankheit regelmäßig bei kaltem Wetter sich in auffallender
Weise häuften. Da er diese Beobachtung durch mehrere Jahre
gemacht hat, hält er ein zufälliges Zusammentreffen von Krank¬
heit und Witterungswechsel für ganz ausgeschlossen. Es hat
dieses Vorkommnis natürlich keine Beziehung zur größeren
Löslichkeil der Gase in kalten Flüssigkeiten, da die Blut-
icmperatur bei jedem Wetter dieselbe ist.
4. Diese Affektion ist häufig genug, um sagen zu können,
daß es kaum ein Dörfchen gibt, wo sich nicht wenigstens ein
Fall vorfindet-. Die funktionelle Störung ist manchmal sehr er¬
heblich, sei cs durch die Rezidive selbst, sei es durch die Furcht'
vor denselben. Manchmal ist ein solches, auch nach der Ein¬
richtung von Schmerzgefühl und Anschwellung begleitet. Die
Ursachen sind folgende: Anomalien des Humeruskopfes, der
Fossa glcnoidalis. Abtrennung der Kapsel vom vorderen Rande
der Fossa glcnoidalis, Vergrößerung des Gelenks durch Erweitc-' ,
rung der Kapsel. .Jedesmal handelt cs sich um einen Kapselriß,
der das Heraus treten de* Kopfes aus der Kapsel zuläßt; dieser
Riß ist durch ein Narb.uigewebo ausgefüllt, welches aber nicht
die normale Festigkeit erlangt, aber sich immer wieder bildet,
daher der Circulus vitiosus. Die angewandten Verbände etc.
vermindern erfahrungsgemäß die Zahl der Rezidive nicht, sie
schaden nur durch allmähliche Herbeiführung von Muskel¬
atrophie. Freilegung der Kapsel und Vernähen derselben gibt die
besten Resultate. Empfehlenswert ist es. die Inzision von der
Achselhöhle aus zu machen; man vermeidet es auf diese Weise
den Deltoideus zu durehschneidcn. die Kapsel muß breit eröffnet
werden, um sieh von dem eventuellen Vorhandensein von Fremd¬
körpern zu überzeugen. Man schneidet ein Stück Kapsel aus
und vernäht sodann die Ränder.
Varia.
Zur Frage der Seiuiiithcrapie der Cholera asiatioa. Von
W. Kollo, Bern. Deutsche med. Wochensehr., 1909, Nr. 47.
Die Aussichten für die therapeutische Beeinflussung der
Cholera asiatiea mit Hilfe der Cholerasera (des Berner Serum,
der Sera von Kraus, S a 1 i m b r e i, Schurupof f) sind
selbst dann, wenn es schon zum Stadium algidum der Cholera ge¬
kommen ist. keineswegs schlecht, namentlich in Verbindung mit
intravenösen, körperwarmen Kochsalzinjektionen. Von einem
sicheren Heileffekt der Serumtherapie beim Stadium algidum der
UNIVERSITY OF MICHIGAN
VERSITY OF MICHIGAN
12
THERAPEUTISCHE RUND SCH.
Cholera laßt sich Ins jetzt allerdings nicht sprechen: «leim die
mit dem Berner Serum erzielten Erfolge hezielien sieh auf zu
kleine Versuchsreihen. Aber diese Resultate, sowie die mit dem
Schu ru p <> f f sehen Serum gewonnenen Erfahrungen lordei n
zu weiteren Versuchen an 'l'ieren auf. um durch veränderte \ er-
suchsbedingungen vielleicht ein sicher wirkendes Serum zu er¬
halten. v. I* u t k o w s k i . Berlin.
Klinische Beobachtungen über die Wassermanu-Neißer-
Brucksclie Reaktion mul deren Kontrolle durch Sektionsresultate.
Vpn F. (i laser und (L W o 1 Id* o h n. Med. Klinik. 1909. X r. 48.
Aus den. Sektionsergebnissen geht hervor, daß die W a s s e r -
m a n n sehe Reaktion im Leben die richtige Diagnose ergab, ohne
daß der Kranke anamnestisch oder klinisch Zeichen von Lues dar¬
gebot,en hat; denn in diesen Fällen wird bei der Sektion ein
syphilitischer Krankheitsherd nachgewiesen. Da sieh aber der¬
artige Herde auch mir als Narben finden können, so kann vom
anatomischen Standpunkt nicht unbedingt hei positivem Ausfall
der Reaktion auf ein aktives Virus geschlossen werden, wenn
auch die Möglichkeit dos Vorhandenseins von aktiven Sjiivoehäten-
horden in solchen Fällen, z. B. in einer Lymphdrüse. nicht be¬
stritten werden kann. .Deshalb ist hei latenter Lues mit positiver
Reaktion von anatomischem Standpunkt keine Kur angebracht.
Jedoch ist der Ein wand berechtigt, daß an einem, dem Auge
nicht zugänglichen Teile des Körpers das aktiv syphilitische X irus
seinen Sitz hat. Aus dem positiven Ausfall der Reaktion sind
prognostische Schlüsse mit größter Vorsicht abzuleiten; der ne¬
gative Ausfall ergibt nur Walirscheinlichkeitssclilüsse. Tn sel¬
tenen Fällen von Scharlach, z". B. hei Scharlachurämie, kann eine
Komplementbindung erzielt worden. Bei der Dilferentiahliagnoso
von postskarlatinöser und syphilitischer Nephritis sind die ver¬
schiedenen Antigene nach Bruck zu benutzen und zu achten,
oh die komplementbindenden Stoffe aus dem Blut schwinden. Die
\V a s s e r m a n n sehe Reaktion als diagnostisches Hi fismitt, el in
der inneren Medizin weist natürlich sowohl auf die Hauptkrank¬
heit, wie auch auf einen Nohenhefund (z. B. Nierennarhon) hin.
v. Ru tko wski, Berlin.
l'cber intravenöse Bluteinsprit/.iing bei Anämie. Von
A. C . i l r r rr Straßburger nmd. Zeitung.. 1909. Nr. 10.
Verf. hatte gute Erfolge mit intravenösen Injektionen defibri-
niert.en Mensclienhlut.es bei perniziöser Anämie. Es wurden drei¬
mal in Intervallen von ea. 14 Tagen 200—380 ccm defibriniertes
Blut eingespritzt. Schüttelfröste traten nicht ein, wohl aber vor¬
übergehende Tcniperatursteigerungon (bis 40°).
v. Rutkowski, Berlin.
Mitteilungen über Arzneimittel,
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. I eher den Wert des Chloralhydrates für pathologisch-
analoinisehc und lok.iltherapeutische Zwecke. \ on Prof.
II e 1 1 e r , Kiel. Münch, med. Woehensehr.. 1909, Nr. 47.
2. Notiz zur Behandlung der Rhinitis acuta. \ on Dr.
T r ii m p p . Privatdozent. Ibidem.
3. Erfahrungen über Atnasira in der Geburtshilfe und Gynä¬
kologie. Von Ass.-Arzt Dr. Gallatia, Laibach. Oesterr.
Aerzle-Ztg., 1909, Nr. 22.
4. l ebet* ein Haselnußpräparat „Mcnsan“ als Ilämostypti-
kum. Von Prof. Bor ut tau und Dr. D n v i d s o h n , Char-
lottenburg. Münch, med. Woehensehr., 1909, Nr. 48.
1. Nicht allein für die pathologische Anatomie, sondern
auch am Krankenbett ist das Chloralhydrat. abgesehen von seiner
hypnotischen Wirkung, in manchen Fällen von Vorteil. II. ver¬
wandte es bei akuten und chronischen Rachenkatarrhen in
2.5 pro/.. Lösung, indem er davon einen Fingerhut voll in den
Mund nehmen, rasch den Kopf zurücklegen und ihn unter Kau-
bewegun'gen nach rechts und links drehen, a b e r n i c li t g n r -
ge ln ließ. Dies wird möglichst lange fortgesetzt, die Lösung
dann ausgespuckt und die Prozedur alle halben Stunden wieder¬
holt. Die günstige Wirkung des Chloralhydrates schreibt Verf.
seiner Einwirkung auf Bazillen und der Erzeugung von Hyper¬
ämie und Transsudation zu. Ferner-wirkt cs lokalnnäslhcsicrcnd.
Q u i ii c k o in Kiel hat in der ..Medizinischen Klinik“ 1 mit Vor-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
teil das Mittel hei ..
mal täglich oder öftei
Abstand, Vl — 1 n Minur‘
Nase hei Diphtherie w
■/'4 proz. Kochsalzlösung
stand gegen die Nase
titis (besonders mercu
Zahnfleisch appliziert,
abwärts gerichtete’ 1 pr
cingang gerichtet.
2. Der Therapie mit
durch die Beobachtung T.
bei akutem Schnupfen ist.
Öffnungen, damit die Bolus
Olivenausatz) leicht auf die a
werden kann. Die durch akn
Naseneinganges kann man «".
Suprarenin 0.03, Paraffin, liqu.
malig günstig beeinflussen. T.
ten und trockenen Bolus erst,
später in einstündigen Pausen e.
von Nasendiphtherie waren die
günstig;; sie heilten, ohne daß mit
3. Gr. empfiehlt A m‘asira-1
hei starken, schmerzhaften Nacliwi
nervös-anämischer Basis und hei
pathologischer Zustände am Ge
ließ zweimal täglich den Te
merkte gleichzeitig mit der St
zen im Unterleib eine gimst.j\
er auf den Gehalt an Rhahai i,, .
A. Locher in Stuttgart zu haben
vulgaris (4.). Fenchel (5.), Abbiskraut v<-,
Poeonia otfieinal. (2.), Basilienkraut, (2.), Sarsu P -
Rhabarber (22.). Man ‘nimmt einen Eßlöffel auf ‘i
und kocht zwei Minuten. Eine Schachtel (300) kostet •
(Letztere Angaben über Zusammensetzung und A: \vemli
Amasira-Te.es entstammen dem Schuir o r sehen 'Pasel
der Therapie. Re f»)
4. „Menaan“ ist ein flüssiges, versüßtes, alkoh.
Präparat. Ein Eßlöffel voll enthält die wirksamen Besta
von 125 g Früchten entölter Haselnüsse (Fabrikant
A. G ude in Leipzig). Zur experimentellen Prüfung wurcu
Prof. Bor u % t t a, u eine wässerige Lösung des Präparates
nutzt, wobei sich zeigte, daß keine Herz- und allgemeine Gefüß-
wirkung aüsgeiibt wird, zum Unterschied von den Mutterkorn-
priiparaten. Du rohst römungsversu che an den hinteren Körper-
hälfteii von Fröschen und Kaninchen durch die Aorta abdomi¬
nalis ließen eine geringe, durch lokale Gefäßverongerung bedingte,
Stromyerlangsamüng erkennen. Bei graphischen Versuchen an;
Uterus von Kaninchen und Hündinnen hatte die intravenöse oder
subkutane Einverleibung der alkohollöslichen Bestandteile des
Mensans koniraktiouserzongende Wirkung am Uterus, ähnlich
tetanisiorend wie nach Adrenalin, aber nicht, so stark und von
kürzerer Dauer, und in ihrem Charakter verschieden von der
durch Ergot.in und Hydrasti-s erzeugten Wirkung. Die klinische
Prüfung erfolgte durch 1) a v i d.s o h n an der L a n <1 a u sehen
Frauenklinik, wobei Fälle von Anomalien der menstruellen
Blutungen ausgewäldt wurden, die unter dem landläufigen
Namen der chronischen Endometritis figurieren. Dazu kamen
Blutungen von Uterusmyomen, ferner solche, die auf akut ent¬
zündliche Erkrankungen der Adnexe beruhen, Blutungen- des
Klimakterium und geburtshilfliche Blutungen, im ganzen ca.
100 Fälle. Aus den Resultaten ergibt sich eiri Einfluß des Men¬
sans auf die Stillung der Uterusblutungen und Beeinflussung der
Schmerzen. Bei Hypoplasie des Uterus mit profusen menstruellen
Blutungen sali D. nur eir.on # günstigen Erfolg von fünf Fällen;
ebenso hei Myomen, Einige Male sah er Erfolg hoi Blutungen
in der geburtshilflichen Praxis. Hier ist, wohl die Darreichung
per os unzulänglich in Anbetracht der erwünschten sofortigen
Wirkung. Während der Dauer einer Blutung verabreichte 1).
zweimal täglich einen Eßlöffel voll Men satt, sowohl in wässeriger
wie alkoholischer Lösung, ohne Unterschied hinsichtlich der
Wirkung. Nebenerscheinungen in Gestalt von Ndsenblwtungen
und Druckgefühl im Kopf wurden zuweilen beobachtet, waren
aber niemals unerträglich. Bei zwei Kranken mit, aktiver Lungen¬
tuberkulose und starker Neigung zu Lungenblutungvn sah D.
einen überraschenden und drastischen Erfolg der profusen Men¬
struation, ohne daß es zur Wiederholung einer Hämoptoe kam.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
vPEUTISCHE RUNDSCHAU.
.iiungen,
rate
teer.
-Bremen.
V., Bil. V11I./H. 2.)
'hr beide Faktoren,
genseitig in die Hand
ac Einzelwirkung yer-
und in wie viel kürzerer
eien vermögen. Um nicht
difikationen zu bedürfen,
die Bewegung geben, die
htigste und ausgiebigste
d Ellbogen hat die Natur
Hand und Fuß ist dagegen
cht, weil hier die normale
und in einem Gelenk,
und verschiedenen (le¬
in beiden Fällen die krei-
sio viele Fliegen mit einer
>hl die verschiedensten Be¬
ben Exkursion kombiniert,
nke zu dieser Bewegung
parat sind verschiedenartig
„elenkversteifungen finden
. .. gehemmt; höchstens die Ro-
um die Längsachse des Humerus,!
-lihjmd Intensität der Bewegungs-
..it der Abdukiiim messen. Da aber einerseits
iijination dieser beiden Bewegungen kaum möglich
andererseits. die therapeutische Erfahrung zeigt, daß
Besserung der Abduktion auch die Rolätionsfähigkeit
s . Is günstig beeinflußt wird, so gaben wir dein oi'IiüÜGi-
apnaral die abdiizierende Bewegungsexkürsion. Anders der
Hiifinpparat. liier ist es Baumgartels technischem
Genit gelungen, einen Apparat herzustellen, der in ein-.
'chster Weise die Einstellung zur Abduktion bezw. zur
r'lcxion-Exlension gestattet. Hierdurch ist es ermöglicht,
denselben Apparat nicht, nur zu den verschiedensten Ver¬
steifungen und Kontrakturen des Hüftgelenks, sondern auch
zur Behandlung der Ischias — maximale Beugung bei ge¬
strecktem Knie - zu verwenden. Dies ist der einzige
Apparat, der als vollständig neues Modell gebaut worden ist;
sonst wurden zu den bereits bekannten Bau mg arte I-
scheii l’endelapparaten entsprechende Heißluft Vorrichtungen
gearbeitet, die z. T. vollständig ausgehängt werden können
(Knie, Ellbogen!, z. T. mit kleinen Abänderungen anzu¬
bringen sind (Hand und Fuß).
Daraus erwächst denjenigen, welche bereits diese
Uaümgartclschcn l’endelapparato besitzen, die große
Annehmlichkeit, ihre Apparate nachträglich mit der Heiß-
luflkombination versehen lassen zu können. Als Heißluft¬
quelle ist vorläufig Gas oder Spiritus vorgesehen. Die Heiß-
luflzuführuug wurde durchweg von unten gewählt; nur das
Knie machte zwecks freier Beugung .eine seitliche Zuführung
erforderlich’. Hierbei wurde natürlich eine Auswechsel¬
barkeit auf beiden Seiten vorgesehen. Diese Anordnung
bringt es mit sich, daß der Heißlullstrahl oft direkt senk¬
recht auf die Haut des Gliedes aufprallt. Em diesen Luft¬
stoß abzuschwächen, wurde entweder in den Schornstein
ein rotierender Gliminerkreisel eingeschaltet oder — wie
heim Knie- und Hüftapparat Verschlußklappen aufgesetzt,
die den Luftauslritt nur in bestimmter Form gestalten, 'trotz
alledem erfordern die Gelenke der oberen Extremität, hei
denen besonders empfindliche Teile Achselhöhle, Eli
bogenspitze, Handbeuge vom lleißluftstrahl getroffen
werden, noch einen besonderen Schulz, der sich in ein¬
fachster Art durch eine Wallebin.de oder eine Sehulzlasche
hetslellen läßt. Zur Wänneregulieriing dient einmal ein
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graduierter Zeigerhahn, der in handgreiflicher Nähe des
l’alionlen angebracht ist; dann isl aber die Bewegung selbst
die best«; Regulierung. Je stärker der Patient pendelt, um
so mehr heiße Lull wird bei jeder Bewegung ausgetrieben;
je langsamer der Apparat geht, um so schneller steigt die
Temperatur. Die Apparate sind durch D. R. P. Nr. 192 61t)
geschützt und der Alleinvertrieb der Firma Fr. Baum-
gartel, Halle a. S, Große Steinsti. 17, übertragen worden.
Rose n.
Zur Methodik der Piilssclireibung.
Von Dr. Fritz Fleischer.
(Aus «Irr Poliklinik von Prot. Ii. Strauß, Berlin.)
Vor 2 1 2 Jahren hat Strauß einen neuen Apparat
angegeben, der es gestattet, ohne die bisherigen technischen
Schwierigkeiten Pulskurven von den Extremitäten zu ge¬
winnen, wobei weder die Kleinheit des Pulses noch die bei
Arlcriosklcrosc zuweilen zu beobachtende große Beweglich¬
keil der Arterien hinderlich sind. Auch eine genaue Adap¬
tion des Apparates an eine bestimmte Sielte der Arterie
für die ganze Zoil der Pulsschreibimg wohl eine der
grüßten Schwierigkeiten bei der Sphygmograpliie - isl bei
dem S t r a u ß sehen Vorgehen, das an Stelle der Spliygmo-
graphie die Turgo-Sphyginographie setzt, nicht mehr er¬
forderlich. Das Prinzip der Str.au fischen Turgo-Sphyg-
mographie besteht darin, daß ähnlich wie bei der Aufnahme
von Volumpulsen die Pulsschwanklingen, die. sich inner¬
halb eines schmalen Extreiiiitätenquerschiiittes vollziehen,
graphisch registriert werden. Es isl dabei eine Feber
einstimmiing der Voluin-Pulskurven mit den Druck-Puls-
kurven (wie sie von Sphygmographen verzeichnet werden
nach v. Frey für die peripheren Pulse unter normalen
Verhältnissen „infolge der großen Länge (1 m und «iarübe
der Pulswellen“ als vorhanden anzunehmen. Eine E
vveitcruiig seiner- A.üvveudbej'keit ha! «Jer sir-autisc
Apparat in letzter Zeit dadurch erfahren, daß für die Zwecke
der L'eberlragung dos Pulses an die Stelle des Piston
rokorders eine eigenartig konstruierte Glyzerinpelolto ge¬
setzt wurde. Diese Pelotte hat folgenden Bau. Ein hohler,
flacher .Metaltzylinder isl auf der einen Seite offen und auf
der anderen mit einer Metallscheibe verschlossen, die eine
zentrale Hoffnung hat, an welche eine Molallröhre von
kleinem Kaliber sich anschließt, ln diesem Zylinder ruht
eine mit Glyzerin gefüllte bikonvexe „lause“ aus Kautschuk.
Die äußere Konvexität dieser „Glyzcrinliuse“ überragt den
Melallzylindcr. Die Pelötte wird fertig geliefert und es
läßt sich, falls die „Glyzerinlinse“ defekt wird, diese in
einfacher Weise wieder herstellcn. Die Verwendung von
Glyzerin hat bei der Herstellung der „Linse“ den besonderen
Vorzug, daß die Guminipelolte eine lange Hallbarkeil be¬
kommt. Man kann anstatt des Gummis ev. auch ganz
feines Leder verwenden. Am Strauß scheu Turgo-Sphyg-
inographcn findet diese Pelotte in folgender Art \ erwendung.
Ein schmaler, etwa IT /2 cm breiter, Riemen wird eng um
eine Extremität, den Kopf, ein Nagelglied usw. gelegt. Die
exakte Adaption wird, wie bei dem bisher benutzten Piston¬
rekorder, durch einen RiemenSpanner diirehgeführh Da,
wo beim Straußschen Turgo-Sp'hyginogiapheii bisher der
Pislonrekorder angebracht war, befindet sieh jetzt-die Gly-
zei inpelotle, auf welche sich naturgemäß alle Yoluinsrlnvan-
kungen genau übertragen müssen, so daß sie als Indikator
für die letzteren benutzbar wird. Die Schwankungen selbst
werden direkt durch Luftleitung auf den Maroy scheu
Schreiber übertragen. Das Mctatlansatzstück der Pelotte
isl im übrigen noch mit einem Marevsehen Luftnuslaß
versehen, so daß man die Möglichkeit iial, den Schreiber
der M a r o v sehen Kapsel in dersellien Stellung zu behalten,
auch wenn 1 1i<; Luft im Zylinder verdünnt oder verdichtet
wird, was heim Anspannen bezw. Lockern, des Riemen¬
spanners cinlrelen muß. Die Pulsschreihung vollzieht sich
im einzelnen folgendermaßen: Handelt es sich um eine
UNIVERSIT
*N
ggM |MH|
Wasserdampfmi..
aus Cinnamyhncthj
1909, Nr. 99.)
Extremität,. so wird der Apparat irgendwo um dieselbe
fest, herumgelegt und mit der Schreibkapsel durch einen
Gummischlauch verbunden. Alsdann wird durch den
Giemenspanner die exakte Adaption so weit vollzogen, bis
der Schreiber die optimalen Ausschläge gibt. Man kann das
Optimum des Ausschlages nach meiner Erfahrung am besten
festst eilen, wenn man den Schreibhebel in der Luft schreiben
läßt. Damit vermeidet man auch, daß an der berußten
Schreibfläche der Trommel des Strauß sehen Apparates
störende Zeichen zustande kommen. Indem sich ein und
derselbe Apparat für die Aufnahme von Pulsen an allen
möglichen Körperstellen (Arme, Beine, Carotis, Finger usw.i
bei Erwachsenen und auch bei Kindern eignet, kann er als
„Polygraph“ im weitesten Sinne des Wortes bezeichnet
werden. Diese Bezeichnung verdient er auch aus dem
Grunde, weil sich an der Schreibtronnnel gleichzeitig 3 und
allenfalls 4 Kurven nebeneinander aufschreiben lassen. Der
Apparat ist durch D. R. P. geschützt und zu beziehen von
Mechaniker Walther Oehmke, Berlin, Luisenslr. 21.
(Berliner klin. Wochenschr.. 1909, Nr. 48.
Rosen.
Medizinalkaleiuler
gegeben von der RedaL
Von Dr. H. L o huste i n u
gang. Preis 2 M. Vortag v
Wieder liegt der beli
kalender vor, dessen Plan
Ausstattung der der früher
wäre auch völlig unnötig,
Form einer solchen kaum
Veränderungen, besonders a'
durchaus genügender Weise
willkommen ist der neu 1
neuen preußischen Gesetzes
Medizinalbeamten vom 14. -
kann nur immer wieder beste
wie mich meine mehrjährige 1
auch weitgehendsten Anspruch
Ein neuer Inlialatioiisapparat
wird dem „Namen Cethal-Inhalationsapparat“ von der che¬
mischen Fabrik (.i oedecke & Co., Berlin, in den Handel
gebracht und ist von Dr. Horowitz, Berlin, auf An¬
regung eines Berliner Professors konstruiert worden. Der
Lnhalationsapparal, auf dessen bildliche \\ iedergäbe wir liier
wegen Raummangels verzichten müssen, entstand durch die
Erwägung, daß die bisher üblichen Heißwasser-Inhalations-
apparate ihren Zweck nicht voll erfüllen können, weil das
Wasser, selbst wenn es noch so fein verteilt ist, nicht ge¬
nügend weit in die inneren Luftwege eindringen kann. Beim
.et hat -1 1 ) ha la t i < msappa r;i I“ g< dangt AVaJ-Uie r ttvit- lk‘Ui A
stoff beiaderte Luft* in die Atmungsorgane, wodurch ein
tieferes Eindringen der Arzneistoffe in die Lunge gewähr¬
leistet werden soll. Der Apparat unterscheidet sich äußerlich
hauptsächlich durch die eigentümliche Inhalationsvorrich¬
tung, die durch eine Nasendoppelolive erfolgt, und durch das
Aufnahmegefäß für das Arzneimittel von den bekannten
Ethische und rechtliche
außerhalb der Ehe. Von I'.ro.
Verlag von E r n s t R e i n h
1 Mark.
Wenn jemand, wie der Verfasser,
Erfahrung auf diesem Gebiete be^tzt, 4...
wissenschaftlichen Kenntnissen _e,n starkes sittln.. .
und einen unerselu-uL'kcU* 1 " - Mut zur Wahrheit verbu.
verdiente er immer gehört zu werden, auch wenn er nien
lebhafte und geistreiche Schreibweise F o reis besäße.
Die Subrifi gntrollt.mL.tbei: Jlaml _eui*r-.erdrückenden Moii,.
voiFFällen die Vielgestaltigkeit des Problems und weist von Fall
zu Fall nach, wie sehr unsere moralischen und rechtlichen An¬
schauungen im Widerspruche stehen mit einer vernünftigen
Beurteilung, die sich aus naturwissenschaftlicher Einsicln und
mk ■ 11 v Allgemein iß man in Aerztekreisen zu der Uebcrzcugung
y'&’Q I fW \ gelangt, ddIJ Pittylcn einen wirklich wirksamen Erfa^ für den iibelrieehon-
J l den, offizincllen Nadelliolzteer darllellt. Mehrjährige Erfahrungen in der Praxis
haben ergeben, daß dem Pittylcn die unangenehmen Figcnlehaften des Teers:
j penetranter Geruch, lokale Reizungen, reforptive Ncbensvirkungen, voll Händig fehlen, und
lp|iB V daß es l all niemals verfagt, während bekanntlich der Teer infolge feiner weclifcliulcn Zuhimmen-
/ letjung unficher in der Wirkung ill und von der Mehrzahl der Patienten nicht vertragen wird.
Speziell hat (ich gezeigt, daß die P1TTYLEN-SEIFEN durch die Zuverläfiigkeit ihrer Wirkung,
durch das Fehlen jeglicher Reizerfcheinungen und durch ihren angenehmen Geruch den bisher gebräuchlichen Teerfeifen
weit überlegen find, fodaß fie immer mehr an Stelle der Teerfeifen benutjt werden.
Wir bitten die Flerren Aerzte, welche Pittylcn nocli nicht angewandt haben, Miiiler-Kollektioncn und Literatur
von uns einzufordern. _ ., . , , ,
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Inhalt.
d’ali mit dem Symptomen-
4 angedeuteten Bulbärerschei-
gencl mit einer Herderkrankung
eren Oblongatatoiles ... 17
i der Scliädel-Fern- und Nah-
.19
orgie.23
enheilkimde.24
• Herz- und Gefäßkrankheiten . 25
ster: Neurologie und Psychiatrie . 26
X A LI HX.
üiptomenkomplex der Halb-
igedeuteten Bulbärerschei-
.i zusammenhängend mit einer
-.ig links, etwa in der Höhe des
unteren Oblongatateiles.
Von Anstaltsarzt Dr. W. Heinioke, Waldheim.
Der folgende Fall erscheint mir besonders lehrreich
insofern, als er klar beweist, wie wichtig für eine genaue
Diagnose und richtige Therapie hei Nervenkrankheiten
und darunter nicht zuletzt, z. B. bei Blutungen in das
Zentralnervensystem, eine exakte Prüfung sämtlicher
Empfindungsqualitäten ist; aus diesem Grunde entschloß
ich mich hauptsächlich zur Puhlizierung.
Anamnese: Frau A., 51 Jahre alt, hat, außer wohl
skroplmlösen Drüsen an der linken Halsseite im Kindes¬
alter, früher keine schweren Krankheiten durchgemacht;
insbesondere fehlen für Lues alle Momente;-sie ist angeb¬
lich von jeher etwas nervös; eine Schwester ist hysterisch;
sonst besteht anscheinend keine Belastung.
Sommer 1908 kam sie zum erstenmal in meine Be¬
handlung, sie klagte über ärgsten-Kopfschmerz; die Unter¬
suchung ergab: Hysterie; nach zirka 3 wöchentlicher Be¬
handlung mit Roborantien, diätetisch-hygienischen Vor¬
schriften und Franklinischer Kopfdouche vollständig be-
schwerdefrei, so daß ich sie aus der Beobachtung verlor;
Frau A. befand sich dann bis Ostern 1909 recht gut; zu
dieser Zeit plötzlich im Anschluß an Aufregung und An¬
strengung, während eines Kirchganges Ohnmacht, die
schnell vorüberging. Kurze Zeit nachher (Mai 1909)
setzte hei ihr unter Kopfschmerz und Schwindel unstill¬
bares Erbrechen ein; ich wurde hinzugezogen, konnte
außer geringer Erweiterung der linken Pupille mit etwas
geringerer Ausgiebigkeit der Reaktion nichts Krankhaftes
am Zentralnervensystem entdecken; Erscheinungen von
Hirndruck bestanden nicht.
Eine exakte Sensibilitätsstörung war ausgeschlossen,
da die Patientin apathisch und sehr ermattet war; dabei
war ihr Gebaren öfter gemacht-theatralisch; im Urin |
war nichts Krankhaftes, '"ebensowenig am Verdauung»- i
L. Lipman-'Wiilf, Berlin: Urologie.26
H. Busch, Berlin-Halensee: Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten 28
M. Hirsch, Bad Kudowa: Balneologie.29
Varia. 30
Technische Neuerscheinungen:
Das Snugkystoskop nach Dr. Kutner zur getrennten Entnahme
von Harn aus jeder einzelnen Niere.31
Bttcherbesprcchungcn:
Oppenheim, Berlin: Psychotherapeutische Brieie (Ko!'.: Wern.
H. Becker). 31
Josionek, Gießen: Lichtbiologie. 32
Allgemeines.32
traktus, auch lag Schwangerschaft nicht vor, kurz ich
faßte mein Urteil in die Diagnose nervöses Erbrechen zu¬
sammen; ganz entfernt ließ ich auch die Möglichekit eines
organischen Hirnleidens im Beginn gelten.
Auf Zureden, besonders auch auf die Versicherung
hin, sie könne alles essen, ließ bald der Brechreiz nach;
ut aliquid fieri videatur, wurde Tinctnra Rliei gegeben
und, da der Schlaf schlecht war, Bornyval. Mit dem Nach¬
laß des Erbrechens setzte aber eine Verschlechterung der
Psyche ein; die Patientin war zwar weniger apathisch,
aber depressiv, reizbar, sie äußerte Lebensüberdruß, alles
mit hysterischer Färbung, so daß ich Entfernung aus der
Familie anordnete. Die Patientin kam in eine Kranken¬
anstalt, wo sie entzogen von den Eindrücken ihrer Häus¬
lichkeit und fern von den ihre Krankheit nicht richtig
beurteilenden Angehörigen unter sachgemäßer Pflege
sich schnell besserte. Plötzlich eines Abends starker Kopf¬
schmerz, der eine Einspritzung nötig machte; als sie
danach erwachte, war sie links halbseitig und vollständig
gelähmt; sie gibt noch an, sie habe schwer sprechen und
schlecht schlucken können; ferner soll 4 Tage lang
Retentio urinae bestanden haben. Auf Wunsch ihrer An¬
gehörigen wurde sie wenige Zeit später, als die Lähmung
sich wesentlich gebessert hatte, entlassen; dadurch kam
sie wieder in meine Behandlung.
Hatte ich damals, als ich von der Lähmung hörte,
den nach der Anamnese wohl begründeten Verdacht, daß
es sich bei der Patientin um eine psychogene Lähmung
handele, so zeigt der später von mir aufgenommene, aus
zahlreichen Kontrolluntersuchungen sich zusammen-
setzende Hlnlus. daß diese Annahme falsch war.
Status: Gut genährte Frau, ihr Aussehen ihrem Alter
entsprechend; Pupillen gleichweit (vor dem Anfall L>r);
die linke reagiert auf Licht vielleicht eine Spur träger;
Ciliarreflexe rechts wechselnd; links stets fehlend; Kon-
junktividreflexe rechts wechselnd, links immer aus¬
bleibend; Fazialis o. B.; Lidspalten dito; Augenibewegun-
gen frei; Zunge o. B.; Gaumensegel dito; Rachen- und
(laumenreflexe positiv; an linker Halsseite alte, nicht
luetische Narben; auch sonst nicht der mindeste Anhalts¬
punkt für früher durchgemnehte Lues; Sprache zeigt ab¬
nehmende Skaudiernng; geringe Schluckbe-
s c h w e r d e n, besonders hei festen Speisen; Herzgrenzen
UNIVERSITY OF MICHIGAN
18
THERAPEUTISCHE EL.
nicht sicher perkutierbar (Adipositas) ; Töne rein, etwas
klappend; Puls leicht beschleunigt; Radialis nicht
sklerotisch; Urin o. B.; übrige vegetative Organe o. B.;
Patellarreflex links stark erhöht; Babinsky links;
Sehnen- bezw. Periostreflexe der oberen 1. Extremität
gegen rechts gesteigert; Bauchdeckenreflexe fehlen (Adi¬
positas?); Fußsohlenreflex links stärker wie rechts 1 );
Blase und Rektum funktionieren normal; fiir die linken
Extremitäten besteht noch in einzelnen Muskeln eine ge¬
wisse Parese, besonders im Deltoides, Serratus anticus
major, Latissimus dorsi, Supinator brevis, Flexor digi-
torum sublimis und profundus, den Muskeln des Thennrs;
an den unteren Extremitäten sind besonders noch die
Hüftbeuger und der Extensor quadriceps cruris, sowie der
Gastrocnemius und soleus betroffen; einzelne dieser Mus¬
keln zeigen verhältnismäßig deutliche und schnelle
Atrophien, z. B. die Beuger der 1. Hand, die Muskeln
des Daumenballens, sowie die vom Nervus tibialis ver¬
sorgte Wadenmuskulatur; auch bald mehr, bald weniger
ausgesprochene Hypertonie mancher der erwähnten Mus¬
keln ist vorhanden, am Beine deutlicher wie am Arm. I)ic
bestehenden Funktionsstörungen ergeben sich ohne wei¬
teres aus den getroffenen Muskeln; so ist das Heben des
Armes, besonders über die Horizontale, gehindert, der
Arm kann nicht gut auf den Rücken gelegt werden, die
Supination bei ausgestrecktem Vorderarm ist erschwert,
die Patientin kann sich mit dem linken Bein nicht aul
die Zehen stellen u. s. f.
Was die elektrische Untersuchung anbetrifft, so ließ
sich nirgends Eutartungsreaktion feststellen; eine mini¬
male Herabsetzung für den faradischen Strom bestand
im 1. Nervus radialis; dieselbe kann aber ebenso gut auch
durch vermehrten Leitungswiderstand der Haut oder
ähnliches bedingt gewesen sein; ich möchte darauf kein
Gewicht legen.
Interessante Resultate zeitigte die Untersuchung der
Sensibilität.
Die 1. Körperhälfte ohne Kopf, in der Medianlinie ab-
sclmeidend, zeigt konstant normalen Schmerz-, Wärme-
und Kältesinn; auch der Ortssinn ist ungestört; der Be¬
rührungssinn läßt nur undeutliche Abweichungen von der
Norm erkennen; dagegen ist der Drucksinn und der so¬
genannte Muskelsinn besonders im 1. Arm wesentlich
herabgesetzt; der aus verschiedenen Komponenten sich zu¬
sammensetzende stereognostische Sinn ist ebenfalls deut¬
lich in Mitleidenschaft gezogen; so ist die Patientin z. B.
nicht imstande, mit der 1. Hand bei geschlossenen Augen
die Form von Gegenständen zu erraten, während die Form¬
bestimmung rechts sofort richtig geschieht. Dieselben
Schmerz- und Temperatursinnverhältnisse, wie an der
I. Körperhälfte, finden sich auch am Kopf im Bereich des
II. u. III. 1. Cervicalsegmentes; eine geringe Beeinträchti¬
gung der Kälte- und Wärmeempfindung in diesem Bereich
Ist wohl auf Kosten des dichten Haares zu setzen. Anders
verhält es sich mit dein vom Quintus versorgten linken
Hautgebiet; dort zeigte sieb Herabsetzung der Empfind¬
lichkeit, die aber während der wiederholten Untersuchun¬
gen nur etwa für den Bereich seines ersten und zweiten
Astes konstant blieb; Wärme und Kälte wird dort stets
undeutlich unterschieden; ebenso besteht dort stets Ver¬
ringerung der Sclunerzempfiudung; im Gebiet des III. 1.
Quintusastes wechselt der Sensibilitätsbefund in der¬
selben Weise, um dies vorauszunehmen, wie im Gebiet des
ganzen r. Trigeminus.
Die Zunge läßt eine Störung des Geschmacks aal den
vorderen zwei Dritteln nicht erkennen.
i) Diese Erscheinung entspricht nicht den grwühnlir-hen
Beohuchtungen bei Lähmungen; sic ist aber eher zu verstehen,
Besonders im Hinblick auf die übrigen Reflex»teigerungen aut
der gelähmten Seite, als das häufigere Gegenteil.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Wie
bezug aut
Auf d : cs^
und Kältesimi, vol
Empfindungsqua 1
des II. und III. ,
selben Störung!
Welche Sch.
ziehen?
Daß hier keim
'wohl keiner eiiigeln
an die schnell ein
n. s. f.; Erscheinung,
krankungen eintreten.
Herbeiziehung noch ano
Herderkra n knng;
unten eingegangen werde
ihrem Sitz befassen.
Ich erinnere daran, o
vollständiger linksseitiger L
Schluckbeschwerden gehabt;
daß ich die Sprachstörung ,
halte; dies trat besonders an,
Diese Symptome sind nun ein
Erkrankung in der Nähe des B
sind aber imstande, mit Hilf
und in Kenntnis des Fasernv
neu den Herd noch wesentlich
Ehe ich darauf eingehe, um.
doch einige Bemerkungen über de
von der Haut bis zur sensiblen
schicken; ich halte mich dabei (Lire,
endlich klare diesbezügliche Darstellung ,
Wir wissen, daß es der Physiologie gegliiCKi ist, ein¬
wandfrei zu beweisen, daß die verschiedenen Qualitäten
der Hautempfindung durch gesonderte Nervenfasern un¬
serem Bewußtsein übermittelt werden, so daß es also in
der Haut besondere Nervenendapparate gibt zur Aufnahme
für Beriihrungs-, Schmerz-, Kälte-, Wärmereize u. s. f. Die
Fasern für diese verschiedenen Hautempfindimgen haben
nun im Rückenmark, zu dem sie durch die hinteren Wur¬
zeln gelangen, einen anatomisch verschiedenen, im allge¬
meinen nach zwei Gruppen zu sondernden Verlauf. Die
Fasern fiir Temperatur- und Schmerzsinn splittern sich,
nachdem sie in das große Hinterhorn gelangt sind, nach
kurzem Verlauf um die Ganglienzellen desselben mit soge¬
nannten Endbäumchen auf. Die Fortsätze dieser
Ganglienzellen ziehen alsbald durch die vordere Kom¬
missur in den Seitenstrang der anderen Seite, um nun
in den vorderen und mittleren Teilen der Vorderseiten¬
stränge gekreuzt aufwärts zu ziehen, und zwar nach vorn
und innen von den motorischen Pyramidenseitenstrang¬
bahnen, sie gelangen dann in der Mediilla oblongata in die
Schleifenschicht, wo sie sieh mit den Fasern aus den
Zellen der Gollschen und Burdaehseben Kerne vereinigen:
Diese Fasern sind wieder die Fortsätze bezw. das
zweite sensible Neuron der die Beriihrungs-, Druck- und
Tastempfindung vermittelnden peripheren sensiblen
Fasern; diese spalten sich als medialer Teil der schon oben
erwähnten hinteren Wurzelfasern von diesen ah und
treten in die weißen Hinterstränge ein, wo sie nach Ab¬
gabe eines, kleinen Reflexvorgängen dienenden absteigen¬
den Astes nach oben steigen. Der Abschnitt der Hinter¬
stränge, wo die Wurzel fasern eintreten, wird Wurzelein¬
trittszone genannt; er liegt im Lendenmark im mittleren
Teil der Hinterstränge, im Brust- und Halsmark in dem
-) Strümpells Lehrbuch der, .Pathologie und Therapie,
1900. - 1
UNIVERSITY OF MICHIGAN
-PEUTISCHE RUNDSCHAU.
19
v nach oben
ii die aus dem
.mnmenden Fasern
Lust, so daß sie im
''liet der Gotischen
Lereu Wurzeln der
den Burdachschen
Fasern endigen in
neu im Beginn der
reits oben erwähnte
isen Fasern sieh erst
ibrae arenatap interna
ür den Selnnerz-, Kiilte-
jiiickemnark, bald nach
nach oben, die Fasern für
kreuzen sieh erst, nachdem
vfcn haben, in der Oblongata.
./endet heißt das: Durch den
Fasern für den Schmerz- und
ihrer Kreuzung, die anderen
getroffen worden, und zwar, wie
i und der Art der Sensibilitäts¬
klar ist, in irgendeinem Teil des
des unteren Oblongateiles, oder
in 11. Cervicalsegment; eine we-
,nn nicht getroffen sein, sonst
des IT. und III. Cervicalsegmen-
.enläsian erinnernde Sensibilitäts-
je, daß bulbäre Erscheinungen vor-
Teil noch sind (Schluckbeschwer-
.,eise skandierende Sprache), läßt nun
■ehr nach der Oblongata zu, als nach dem eigent-
,i j-tiickenmark vermuten. Da der Temperatursinn
und die Schmerzempfindlichkeit rechts gelähmt sind, muß
nach dem anatomischen Verlauf der diese Empfindnngs-
qualitäten vermittelnden Fasern, die sich, wie wiederholt
bemerkt, fast direkt nach dem Eintritt kreuzen, der Herd
links sitzen; er muß also die Pyramidenbaimen links
treffen; da die Lähmung auch links ist, müssen die Pyra¬
midenbahnen unterhalb der Decussatio geschädigt sein,
was wiederum eine weitere Stütze unserer topischen Dia¬
gnose ist.
Wie stellt es nun mit den Strängen im Gebiet des
Trigeminus! Die wechselnden Verhältnisse im r.
Quintus sind ja leicht zu erklären, wenn man sich daran
.erinnert, daß die Kranke eine Hysterica ist. Ist aber auch
die Herabsetzung der Empfindlichkeit im Gebiet des 1.
Trigeminus, die etwa für seinen I. und II. Ast k o nstant
bleibt, dieser Erklärung allein zugänglich? Ich möchte
dies verneinen. Ich fasse die Störung im 1. Quintus auf
als eine Mischung von zentraler und hysteri¬
scher Anästhesie; wir wissen, daß die sensible Wurzel
Lidspul tc u. s. I'., aber die Pupillenverengerung ist be-
w eisend genug .
rho ieli uul die Art des Herdes nun eingehe, möchte
ieli noch eine weitere, genauere topische li Stimmung
machen. Wir entsinnen uns aus dem Verlauf, daß die
Lähmungen im motorischen Gebiet sich verhältnismäßig
s f hnell und gut zui iiekbilden, während die Störungen in
der Sensibilität bestehen bleiben. Daraus muß man ohne.
weiteres schließen, daß die sensiblen Leitungen mehr ge¬
schädigt wurden, als die motorischen, daß bei letzteren
neben minimalen Kontinuitätstrennungen viell hebt z. B.
Druck, Oedcm, geringe Ernährungsstörungen u. s. f.
hauptsächlich wirkten. Wir wissen weiter, daß die sen¬
siblen Bahnen im allgemeinen lhedial, z. T. vor den motori¬
schen laufen; es wird also die Erkrankung mehr nach
innen und vorn von diesen in der linken Seite sitzen.
Als ursächliches Moment für die Entstehung des im
\ orhergehenden nach seinen klinischen Erscheinungen
topisch bestimmten Herdes kommt nach genauer Er¬
wägung Arteriosklerose in Betracht; ob dieselbe zu em-
I Ibehor Erweichung oder zur Blutung geführt hat, ist
nicht leicht zu entscheiden; immerhin zeigt die Embolie
gerade in der hier in Betracht kommenden Gegend gelegent¬
lich ein charakteristisches Bild, nämlich die sogenannte
springende Lähmung zu Anfang; diese hat abc • nicht be¬
standen; ich möchte daher den vorliegenden Fall eher nuf-
gelaßt wissen als eine Blutung in die linke Seite der Mc-
dulla, mit einem Sitz mehr medial und vorn zu den motori¬
schen Bahnen, etwa in der Höhe des unteren Oblongntn-
t eil es bei einer an peripher nicht ausgeprägter Arterio¬
sklerose leidenden Hysterien. Die Arteriosklerose erklärt
sieh durch das Lebensalter; dazu kommen noch häufige
Gein iitseiTegunge.il und Sorgen in den letzten Jahren; viel¬
leicht wirkt auch die vorhandene, aber nicht lies nders
starke Adipositas in diesem Sinne.
Die den Locus morbi besonders berücksichtigende
Therapie bestand in Quergalvanisation des vermutlichen
Herdes mit kleinen Strömen, Sympathiciisgalvanisation,
zuin Teil als katalytisches Moment, sowie in elektrischer
Behandlung der getroffenen Muskeln und Nerven (faradi-
sclie, galvanische und Mortonsehe Ströme), neben
Massage, Uebnngstherapie; daneben wurden diätetische
Maßnahmen getroffen und Jodkali gegeben.
Wie weit die Therapie günstig wirkte, wie weit die
Xntui sich selbst half, wer vermag es zu sagen; immerhin
habe ieli auch liier wieder den Eindruck gewonnen, daß
die elektrische Behandlung, besonders auch die Frariklini-
sation (Mortousche Ströme) ein wertvolles therapeuti¬
sches Hilfsmittel ist, und daß die Wirkung des elektri¬
schen Stromes bei weitem nicht bloß eine suggestive ist,
wie leider bei uns noch so häufig im Gegensatz zu Frank¬
reich angenommen wird.
des Trigeminus zum Teil auch Fasern aus den oberen
Teilen des Rückenmarkes in der Hölle des zweiten Cer-
vicalnerven bezieht; diese können sehr wohl durch den
in Frage kommenden Herd getroffen sein und eine in
ihrer Ausdehnung beschränkte konstante Anästhesie im
1. Trigeminus bedingen, die sieb zu der auf hysterischer
Basis lierriihrenden Sensibilitätsstörungen dort noch hin¬
zugesellt.
Weiter! Ich erwähnte früher, daß die linke, früher
weitere Pupille pyst morbum der rechten gleich wurde,
sich also verengte; dies ist eine neue Stütze für die An¬
nahme eines Herdes in der Nähe des unteren Oblongata-
teiles, bezw. dort selbst, denn es ist eine bekannte Tatsache,
. daA l»pi Henlen im Bulbus oder in seiner Nähe gelegent¬
lieb der Sjmrp«iJiieus_niit gelähmt ist. Diese Lähmung ist
zwar hier nicht auffällig; cs-feiüt_die Verengerung der
Die Kriterien der Schädel-Fern- und
-Nahschüsse.
Von Helnr. Goergens, caad. med.
(Schluß.)
Wenn unseren Darlegungen bisher die Scluißwirkung
des deutschen Armeegewehrs zugrunde lag, so geschah es
hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Schußwirkung die¬
ser Waffe durch die umfassenden Sehießversuelie des
Kriegsniinisteriums, die Arbeiten von v. B r uns,
K o c h c r, R e g e r, v. B e c k, v. K o 1 e r, S c h ,i e r n i n g
und Habart theoretisch und praktisch vollständig er¬
klärt sind, du auch deshalb, weil dieselben Ge-
i l'm su beweisender, als nach Galvanisation des Sym¬
pathien* wieder der alte Status: liuke Pupille weiter als rechte
mit. der Besserung' der übrigen Symptome jetzt einffetreten ist.
~‘ -- .. ■
hbhhhdq
/
hMubH
UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
20
THERAPEUTISCHE RUN
setze, die b e i m A r m e e g e w e h r in A n w e n -
(1 u ng ko m men, ii berliaupt bei allen So, h u ß ■
Waffen bei Z u g r n n df e 1 e g n n g d e r ,j e w ei I i g
in Frage kommenden physikalischen Grö¬
ße n G e 11 u n g h a 1) e n. Wir werden verstellen, daß ein
Armeegewehrselm ß aus 1000 m Entfernung einem Jagd¬
büchsenschuß aus etwa 80 m Entfernung, einem Pistolen¬
schuß aus etwa 30 m, einem Revolverschuß aus noch ge¬
ringerer Entfernung entspricht. Obgleich eine genaue
Berechnung der Entfernung auf Grund der angegebenen
Kriterien kaum möglich sein wird, so wird der Gerichtsarzt
dennoch, wenn er im Besitz der Waffe ist, aus deren physi¬
kalischen Verhältnissen, die jeder Büchsenmacher leicht
feststellen kann, und der Beschaffenheit der Schu߬
verletzungen mit einiger Genauigkeit die Entfernung, aus
der der Schuß gefallen, schätzen können. Unter allen Um¬
ständen werden ja praktische Schießversnche mit der be¬
treffenden Waffe die beste Schätzung der Entfernung er¬
möglichen.
Läßt sich nur das Geschoß finden, so wird die Be¬
rechnung nur durch Rückschluß vom Geschoß auf die
Waffe möglich. Jedoch liegt eine bedeutende Erleichterung
darin, daß mit wenigen Ausnahmen die Patronen mit
rauchschwachem Pulver, wie sie heute fast ausschließlich
verwandt werden, in ihrer Zusammensetzung und ihrem
Aeußeren fast gar keinen Schwankungen unterliegen, so
daß bei der Auffindung der Hülse oder des Geschosses die
zugehörige Patrone und Waffe in der Regel mitgegeben ist.
Vor einer Ungenauigkeit, der man in der Literatur
häufig begegnet, sei gewarnt. Es wird da oft ganz all¬
gemein von Fern- und Nahschüssen ohne genaue Angabe
der Waffe geredet. Die Ausdrücke „Fern- und Nahschuß“
bezeichnen aber nur relative Beziehungen. Beim Armee-
gewehr spricht man von Nahschuß bei einer Distanz von
100—12 m; für die Jagdbiiclise wäre eine Entfernung von
100 m ein Fernschuß; was wieder für die Jagdbüchse ein
Nahschuß ist, ist für den Revolver ein Fernschuß.
Während für die bisher erörterten Entfernungen nur
das Armeegewehr und die Jagdbüchse in Betracht kamen,
werden bei Entfernungen unter 12 m außer der letzteren
auch die kurzen Handfeuerwaffen hauptsächlich berück¬
sichtigt werden müssen. Wir werden sehen, daß sich bei
diesen Schüssen das äußere Symptomenbild in einigen
Punkten ändert und daß bei den Scliüssenausaller-
nächsterNähe (ä bout portant) ein neuer physikali¬
scher Faktor, die Explosionswirkung der Pulvergase, auf-
tritt. Gerade die genaue Unterscheidung dieser letzteren,
die den Selbstmord wahrscheinlich machen, von solchen
Schüssen, die aus Entfernung von einigen Metern ab¬
gefeuert wurden und nur von einer fremden Person her¬
rühren können, wird den Gerichtsarzt besonders inter¬
essieren.
Zu einer Zeit, wo nur das rauch- und flammen¬
entwickelnde Sehwarzpulve r in Gebrauch war, war
die Feststellung eines Nahschusses durch eiten bestimmten
Symptomenkonrplex eine verhältnismäßig einfache. Als
Hauptkriterien dieses Komplexes galten:
1. Versengung und Verbrennung der Haut und ihrer
Haare,
2. Schwärzung an Haut- und Weichteilen in der Um¬
gebung des Schußkanals oft weit in das Innere
hinein,
3. Tätowierung der Haut durch Pulvereinsprengungen,
4. die durch die Pulvergase, abgesehen von der Ge¬
schoßwirkung, hervorgerufenen Zerstörungen,
5. die von Palt auf beschriebene chemische Ein¬
wirkung der Pulvergase auf den Blutfarbstoff.
Es ist selbstverständlich, daß die mehr oder weniger
starke Ausprägung der Symptome von Art und Ladung
der Waffe abhängt. Was zunächst die F 1 a m in e n -
w i r k u n g anbelangt, so trat beim Nahschuß__miL dem
JNIVERSITY OF MICHIGAN
1 schon erw
Einsehußöfti.
Haut ein gelblu .
sehen verlieh. T«
mit einem Piste'
j zündete durch e
Einschußöffnung
| doch kein Feuer
erweitert wurde.
| einem Schuß mit
| einer Entfernung \
{ bei 15 cm Entfernun,
sucliungen von D a a .■
Haarversengung 10 c.
von 9 mm, 15 cm he
7 mm Kaliber. Bei den r
suchen zeigte Papier bei !
ver bei einer Distanz von
spuren, von 30 cm Entfer
[ T a r d i a n und Schultz
I durch die Flammenwirkung
j Getroffenen in Brand geriete.
| Leichenreste gefunden wurden.
und Pistolen alten Systems v
' geschleuderten brennenden Pi
ziemlich weite Entfernungen
fehlte, wie z. B. M e y e r bei \
des Raubmörders H e n n i n g
von Schwarzpulver die Flamm,
Die Sch w ü r z u n g d e r .
Pulverschmauch hervorgerufen.
Schußdistanz bald in schmalerer,
meistens deutlich in zwei konzentrischen ..
intensiv gefärbte innere und eine abblassende -
manchmal strahlenförmig auslaufend die Eingangsottnung
und war leicht abwaschbar. Der Schwärzungsring wurde
noch bei einem Pistolenschuß aus 2,00 m Entfernung, bei
einem Revolverschuß von großem Kaliber bei 1,00 m.-von
kleinem Kaliber bei 40 ein Abstand gefunden. Ueberein-
stimmend mit diesem Ergebnis fand P a i x bei großkalibri¬
gem Revolver (11 und 9 mm) Schwärzung bis zu 1 m, bei
kleinkalibrigen (7 und 5 mm) bis zu 45 cm Abstand. Die
Untersuchungen von Danke ergaben für Revolver von
7 und 9 mm Kaliber als äußerste Grenze 75 bezw. 40 cm.
Regelmäßig fanden sich auch in der Nähe der Ein¬
schußöffnung eingesprengte, halb oder gar nicht ver¬
brannte Pulverkörnehen vor, die meistens schon
makroskopisch, aber doch sicher unter der Lupe deutlich
sichtbar waren. Die Zone der Pulvereinsprengungen ist
um so größer, je weiter die Entfernung ist. Sie entspricht
einer Schnittebene des jeweiligen Streuungskegels, die ja
nach der Schußrichtung bald einem Kreise, bald einer
Ellipse nahekommt. Bei zunehmender Entfernung ver¬
schwindet zuerst die Schwärzungsfigur, dann die Pulver
einsprengungen. T o u r d e s und v. H o f m a n n fanden
diese bei Schüssen aus einer größeren Sattelpistole noch
hei 2 in Entfernung, aus-einem größeren Revolver noch
hei 1 m Entfernung; ein Ergebnis, das mit den Ver¬
suchen Schwallies im wesentlichen übereinstimmt:
Bei einer Entfernung von 30 cm waren noch Schwärzung
und Pulvereinsprengung vorhanden, bei 50 cm Abstand
noch Pulvereinsprengung, aber keine Schwärzung mehr;
bei 1 m Distanz waren auch die Einsprengungen ver¬
schwunden.
Die Eintrittsöffnung ist bei Schüssen aus gro¬
ßer Nähe meistens größer als das Projektil, eine Folge der
Explosivwirkung der dem Lauf entströmenden Pulvergase.
Diese breiten sich unter der Haut aus, besonders wenn sie,
wie heim Schädel, über eine feste Unterlagejgespasst ist,
und bringen sie zum Bersten. .Esverrstelien infolgedessen
mehrstrahlige, sternförmig®.Wunden mit unterminierten
UNI
I Y
CHIGAN
er
iu TISCHE RUNDSCHAU.
jrkörner
,rzt.
Schuß fiel,
ainellen der
Wenn der
.üverladung wie
nmittelbar auf die
hiidel samt Inhalt
und Pulvergas-
rt oder das Gehirn
■rletzuugen weg-
.end die Erklärung
rgaswirkung auch
m die jüngste Zeit
1899 sprach Krön¬
les Aufsehen erregte,
■is T i 1 m a n n durch
in wandfrei klarstellte.
• ii weis des Nahschusses
(achtete in einigen Fällen
■(uizcntrische hellrote Zone,
urch eine Verbindung des
ddenioxyd der Pulvergase
i auch, den gleichen Fnrben-
äinoglnhinlösuug zu erzeugen,
iirch Spektralanalyse hei dem
uxydahsorptionsstreifen nacli-
a u e h s c li w a e li e n (Nitro-
aucli gewisse Veränderungen
bilde» zur Folge, die für den
hwache Pulver heute fast ganz
gt hat, von besonderer Wich-
.ledene chemische Zusannnen-
iien gegenüber dem bisher ge-
Pulver bewirkt eine vollständigere
ll nur ganz geringe Rückstände zu-.
oei Verwendung bedeutend geringerer
. eine größere Expansionskraft, die dem Ge-
größere Anfangsgeschwindigkeit erteilt. Auch
...-roh wurden die Verhältnisse etwas komplizierter, daß
die verschiedenen Sorten von rauchschwachem Pulver
(Fasan, froisdorfer, deutsches und englisches Sclmltze-
pulver, das englische E.-C.-Pulver, Rottweiler und Wals¬
roder Jagdpulver, das belgische Miillerite, das schwedische
Normalpulver) gewisse abweichende Symptome hervor-
rufen.
Der auffälligste Unterscliied zwischen dem Nahschuß
mit rauchschwacher und dem mil der bisher üblichen
Munition ist d a s F elilen j e d e r F 1 a m m e u -
Wirkung und jeder Verbrennung»- und Verseiigiings-
»puren an Haut und Haaren. Selbst bei Schüssen auf
trockene Haare aus einer Entfernung von 1 l-j cm zeigten
diese weder makroskopisch noch mikroskopisch die ge¬
ringsten Verbrenmingsspuren, während der Schuß mit
schwarzem Pulver die Haare und den zusammenhaltenden
Faden vollständig versengte. Wohl aber fand Sch w a 1 h e
bei der mikroskopischen Untersuchung nach Schüssen mit
rauehsehwaeher Munition an den Haaren feine Lamellen
zum Teil abgespalten, eine Beobachtung, die Meyer
nicht machen konnte.
Auch bei den Schüssen mit rauchschwachem Pulver
tritt als Hauptmerkmal des Nahschusses
d u r c li P.u Iversc h m a ii c h v e r u r sachte
Schwärzung in die Erscheinung. Jedoch sind dabei
eine Reihe abweichender Phänomene zu konstatieren. Zu¬
nächst ändert sich die Earbennuance. Während sie beim
Schwarzpulver kohlschwarz erscheint, hat sie beim rauch-
schwachem Pulver ein mehr grauschwarzes, braunes.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
glänzendes Aussehen. Einige Pulver haben noch besondere
Eigentümlichkeiten. Troisdorfer Pulver gibt einen die
Oeffnung ringförmig umgehende oder in der Nähe der¬
selben als Fleck auftretende eigenartige f grau-grüne,
körnig auzufühlende Verfärbung, an die sich eine inten¬
sive, stumpfe Schwärzung anschließt, die noch bis 11 cm
Radialentfernung sichtbar war. Die Schwärzungsfigur
ist auch viel weniger ausgebreitet als hei Verwendung
von Schwarzpulver und verschwindet schon in einer Ent¬
fernung, wo Schwarzpulver noch deutliche Schwärzung
liefert. Während dieses noch hei 2 m Entfernung
Schwärzung ergab, konnte sic bei rauehschwachem Pulver
hei Schüssen aus derselben Waffe kaum kaum noch hei
I : m Abstand beobachtet werden. Jedoch spielen auch
hier Menge und Art des Pulvers, sowie Art der Schußwaffe
eine bemerkenswerte Rolle. So ergaben die Schießversuche
mit der 7 mm-Mauserpistole in 20 cm Entfernung noch
andeutungsweise Schwärzung, während bei einem Schüsse
mit einem 9 mm-Jagdrevolver und amerikanischer Muni¬
tion aus der gleichen Entfernung Schwärzung nicht mehr
vorhanden war. Bei Schüssen mit der Browningpistole
verschwand diese schon bei 6cm Entfernung. Schließlich
hißt sich der Schwarzpulverschmaueh leicht und voll¬
ständig mit reinem Wasser entfernen, die Schwärzung
mit rauchschwachem Pulver läßt sich nur schwer, zum
Teil unter Anwendung von Seife, beim Troisdorfer Pulver
auch dann nur sehr unvollkommen beseitigen. Selbst an
Leichen, die mehrere Tage im Wasser gelegen haben, ist die
Schwärzung mit rauchschwachem Pulverschmauch noch
vorhanden.
Die 1’ u 1 v e r s c li w ii r z u n g findet s i c li
n a m e n 11 i c h a u e h a u f d e n H a a r e n , soweit sie
sich im Bereich der Pulversehmanchzone befinden, und
bringt auf diesen, durchs Mikroskop betrachtet, ein ganz
charakteristisches Bild zuwege,-das natürlich, je nach
der Nähe, aus welcher der Schuß fiel, sowie durch die
Verwendung der einzelnen Pulver etwas modifiziert wird.
Im allgemeinen sind im mikroskopischen Bild die Haare
hei Schüssen aus großer Nähe dicht mit schwarzen,
amorphen, größeren und kleineren Bröckelehen bedeckt,
welche den Konturen des Haares das Aussehen einer Säge
verleihen. Sie bedecken einzelne Haare in solcher Dich¬
tigkeit, daß. von der Struktur des Haares selbst kaum
mehr etwas zu erkennen ist. Die erwähnten Bröckelchen
sind größtenteils lockere Auflagerungen, sie lassen sich
wegwiaschen. Einzelne Brockel jedoch, je nach den Um¬
ständen mehr oder minder zahlreich, bleiben auch nach
dem Abwaschen zurück und beweisen dadurch, daß sic
in die Substanz des Haares eingesprengt sind. E i n e
\v eite r e ii u ß e r s t p r ii g n a n t e E r s e h e i n u n g
ist die Tats a che, d a l.l sich die s c li w a r z e n
B r ii ekel i n 1 e inst c r Verteil u n g a u f il c n
II a a r e ii n o c li v o r f i n d e n , seihst w e n n j e d e
A n d e u 1 u n g v o u S c Ii w ii r z u n g d u r c h P u 1 v e r-
s e ii m a u c h a u f d e r Haut fehl t. Am deutlichsten
konnte man die Erscheinung hei Büchsen- und Pistolen¬
schüssen mit Bliittchenpulver verfolgen, wo ja die
Schwärzung sehr bald aufhörte. Beispielsweise lieferten
Schüsse aus der Browningpistole auf I cm Entfernung
eine Schwärzungsfigur von grausehwarzer Farbe und
etwa 10 cm Durchmesser. In Uebereinstimmuug damit
zeigten die Haare dicht um den Einschuß herum dicke,
kohlschwarze Auflagerungen, die hei Haaren nach dem
Rande der Schwärzungsfigur zu allmählich feinkörniger
und weniger dicht wurden und auch da noch als feinste
Pünktchen auf den Haaren erkennbar waren, wo bereits
keine Schwärzung mehr vorhanden war. Beim Schuß mit
derselben Waffe, Mündung 10 cm vom Objekt entfernt,
zeigte sich keine Spur von Schwärzung mehr, doch wiesen
VERSITY OF MICHIGAN
2 -}
THERAPEUTISCHE RUND;
die Haare um den Einschnß herum noch deutlich einzelne
körnige, schwarze Auflagerungen auf. (M e y e r.)
P u 1 v e r eins p r e n g n n g e u in die Haut wie heim
Schwarzpulver hat S c li w albe n u r s e h r s p ii r -
lieh, Meyer ii b e r h au p t n i c li 1 beo b a tlite t.
Dagegen haben beide feine g r a u -weiße - p n ukt-
f ö r m i g e Auf! a g e r u n g e u gefunden, welche sich
als Aschenrückstiinde des Pulvers erwiesen, M e y e r
hat außerdem noch graue Flecken in der Nähe des Ein¬
schusses beobachtet.
Der Ivontusionsring ist in gleicher Weise vorhanden
wie heim Scliwarzpulvor, die Zerstörungserscheinung’sn
entsprechend der größeren Explosionskraft des rauch-
schwachen Pulvers viel gewaltiger bei gleicher Ent¬
fernung.
Die von Palt auf beschriebene lichtrote Zone um
den Einschuß hat Schwalbe gleichfalls hei Schüssen
mit aufgesetzter Mündung, ebenso M e y e r beobachtet.
Letzte r e r f Ü li r t e a u c h d e n s p e k t r a 1 -
a n a 1 y t i s c h e n N a c li weis des K o hlenox y <1 s
im Blute Erschossener hei Schüssen mit rauchsehwaeher
Munition. Jedoch trat die Erscheinung hei Gewehr¬
schüssen in größerer als 5 cm Entfernung nicht mehr
regelmäßig, hei Browningpistolenschüssen überhaupt
nicht auf.
Nicht nur durch die Art des Pulvers, sondern auch
durch die Beschaff e n li ei t des P ro jektil s
wird eine Verschiedenheit der Sclmßverletzungen bedingt.
S c li rots.cliiis.se aus nächster Nähe abgefeuert, bilden
eine einzige große Eingangsöffnung, da die Ladung noch
zusammengeballt eilidringt. Bei größerer Entfernung
findet eine kegelförmige Zerstreuung der einzelnen Körner
statt, die je nach der Beschaffenheit des Gewehrs und der
Pülverexpansionskraft größer oder kleiner ist. So wurde
■durch Versuche festgestellt, daß die Streuung eines Ge¬
wehrs mit Oho kebohrung bei einer Entfernung von 9,1 m
auf einer Fläche von 75 ein Durchmesser ausgebreitet
war, bei 54,0 m Entfernung flog ein Drittel der Körner
ins Zentrum, ein Drittel saß im Ring von 70—120 cm
Durchmesser, das letzte Drittel außerhalb des Ringes von
120 cm Durchmesser. Wir haben schon erwähnt, daß
Spitzgeschosse eine schlitzförmige Hautwunde, die be¬
sonders bei Revolverseliüssen oft so klein ist, daß sie ent¬
weder ganz übersehen oder mit einer Stichwunde ver¬
wechselt werden kann, verursachen. Rundkugeln dagegen
erzeugen fast immer rundliche, mit Substanzverlust einlier-
geheude Wunden.
Schließlich sei noch kurz der bei Selbstmorden häufig
verkommenden Wassers« li ii s s e gedacht, bei denen
statt des Bleigeschosses Wasser oder andere Flüssigkeiten
geladen werden. Es finden sicdi bei solchen große Sub-
stanzverlnste mit zerrissenen geschwärzten Rändern, bis¬
weilen auch wohl keine Verletzung der äußeren Haut, aber
eine mehr oder weniger große grubenartige Einsenkung
der betreffenden Körperstelle mit Zerschmetterung der
darunter befindlichen Organteile. Der Hauptanteil dieser
Verwüstung ist indessen weniger der Wassersäule als der
unmittelbaren Wirkung Pulvergase — die Mündung
wird in der Regel direkt auf den Körper gesetzt zuzu¬
schreiben. Die Diagnose eines Wasserschusses au der
Leiche ist oft recht schwer, da die ausgiebige Zerstörung
der Körperoberfläche, allein nicht dazu berechtigt und
selten der Befund einer wie gespritzt ausgehenden und
noch feuchten Pulverseliwärzuiig vorliegt.
Auch die Art d e r S c h u ß v e riet z u n g e n
kann manchmal zu Fehlschlüssen auf Stellung und Ent¬
fernung des Täters führen. Niehl immer entspricht die
Richtung des Schußkamds der Schußrichtung. Wenn das
Geschoß auf den Knochen anfschlägt, kann es entweder
UNIVERSITY OF MICHIGAN
unter eint
zwischen Kt
rings um die
anderen Seite
verletzen (Koni.
Kugel, wenn ins i_>.
innenfläehe abprellen •
Gehirn eindringen.
Dann ist es m ;
festen Gegenstand '
erst die betreffende I
Schiitzengefeclit an
Gerichtsarzt als eine
der Schuß gar nicht ai
wurde. In den meisten
als Q u e r schl ä ge r t,
die sieh durch größere,
Knochenzerstörimgeu, u
häufiges Steckenbleiben
risieren.
Das aufgefundene Gesel
seiner ursprünglichen Form •
der Spitzgeschosse kann eine
einfachen Einriß bis zur vollsta
fach zerrissenen Mantels vom e
kommen alle Variationen vc
meistens in nhgeflachter Form
auch das deformierte Geschoß
reitend aufgefunden.
Sein- wichtig sind ferner di
halb, weil sie im Gegensatz zu
rierenden Schußwunden relativ
liandlung kommen. Sie entstell,
treffen und bewirken, je nach
oder tiefer verlaufen, riemenförnn.
Knochenverletzungen und Geliirnzei „
sehußöffnung wird leicht an den schürf
Rändern sowie am Kontusiuns- oder Bra.
Da der Knochendefekt hei tiefer gehenden Si.
besonders groß ist, so finden sich zahlreichere
und ungewöhnlich viele in das Gehirn eingedrunge...
Knocllenspli tter.
Wenn damit noch nicht alle Möglichkeiten von
Schädelverletzungen erschöpft sind, so sind doch die
häufiger verkommenden so eingehend erörtert worden,
daß die Schätzung der Art der Waffe, der Entfernung
und des Standorts des Täters nicht mehr schwer fallen
kann. Fassen wir noch einmal die ebaratkeristisclien Er¬
scheinungen kurz zusammen.
Ein F e r n s c h u ß ist durch eine kleiner o
Einschuß ö f f n u n g mit K o n t u s i o nsting
und eine größere Au ss c li u ß ö f f n n n g m i t
a u s f 1 i e ß e n d em Hirnbrei geke n n z e i c li n e-t.
Am Einschuß ist der Kn o c liendefekt a n
der i n neren, a m A ii s s c h u ß an de r äußere n
Knoc ,h enlamelle u m f a. n g reiche r. ; A ii f
sehr weite En t f e r nu ngen entstehe n zwei
glattrandi g e R u n d 1 ö e li e r , bei mittlere n
treten zuerst a m A n s s c li u ß 1 o c h F i s s u r e n
auf, die sie h d a n n ni i t solchen am E i n -
s c h u ß 1 o c h v e r b i n d e n. Bei n o c li geringe¬
ren E n t f e r n u n g e n w i r d d e r Schädel voll¬
ständig a u s ein au d ergespre n gt oder es
w i r d w eiligst e ns die E i n s c li ii ß ö f f n u n g
b e d e u t e n d g r ö ß er als die Auss c li u ß ö f f -
n u n g. Bei S c h ii s s c n a us alle r n ii. c h s t e r
Nähe zeigt sich hei Verwendung von
Sch warzpnlver V ers en gun g u n d V e r-
b r e n n u n g d e r II a u t n n d ihrer Haare,
UNIVERSITY OF MICHIGAN
.JTISCHE BUNDSCHAU.
23
REFERATE,
w ti n d e n ,
u n d g' e - |
li a I oder ;
.. .11 e r n n g' des]
' e ä li d e r li sieh
\w a e h e u P u 1 -
' Verse n g u n g
'n i g e r inten-
, ]i r e n g u n g e n,
4 1 i c li e, 1 e i e li t
d dichte Pnl-
a n d e n Haaren
in u n d r a u c, li -
t in den meisten
lytische Ka ch -
- d s im Blut des
.lal nachdrücklich darauf
se Kriterien Mittel zur Ah-
iter denen der Schuß fiel,
oei den verschiedenartigen
n, hei den täglichen Nen-
ets\ hei den besonderen Um-
• Schuß abgegeben wurde,
mit der betreffenden Waffe,
•• es vermag, sichere Schlüsse
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vung
der
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n schlisse,
Beitrüge z. kl in. Chirurgie, 1900, lieft 29.
Fischer: Handbuch der Kriegsclürurgie, Stuttgart 1882.
Köhler: Die modernen Kriegswaffen, Berlin 1897.
Tilmann: Zur Theorie der Sclnidelschiisse. Deutsche
mititärärzfI. Zeitschrift, 1900.
Kocher: Zur Lehre von den Schußwunden durch Kleiu-
kalibergeschosse, Cassel 1895.
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geschosse, Tübingen 1895.
Banke: Die Kriterien des Nahschusses, Dissertation,
Berlin .1892.
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wendung rauchschwachen Pulvers. Dissertation, Berlin 1900.
Dontrelrpont: Beitrag zu den Schußverletzungen des
Gehirns. Deutsche Zeitsclir. f. Chirurgie, 18S3.
Wolfes: Ueber Einheiten von Kugeln iin Gehirn. Disser¬
tation./München 1901.
1)r. Adler: Pathologische Anatomie der Großhirnverletznn-
~- B cn in gerichtaiirztlicher Hinsicht. Vierteljalirsgchr. f. gerichtle
Medizin, 1899. 3. Folge.
Meyer: Die Kriterien des Nahschusses bei Verwendung
rauchsehwaclier Pulver. Viertelj. f. gerichtl. Medizin, 1908,
3. Folge.
Paltauf: Ueber die Einwirkung der Pnlvcrgase auf das
Blut. Wiener klin. Wochenschi'., 1890.
Chirurgie.
Referent: Dr. K. Försterling’, dirig. Arzt des Krankenhauses
Mors.
1. Erfahrungen über Exzision und Resektion bei Magen¬
geschwüren. Von Prof. I)r. Payr, Greifswald. Archiv für
klinische Chirurgie, Bd. 90, S. 989.
2. Zur Frage der Trepanation bei traumatischen Ver¬
letzungen des Schädeldaches. Von Prof. Kusnetzow,
Warschau. Ibidem. S. 1025.
3. Zur Frage der Desinfektion der Hände und des Opera¬
tionsfeldes mit Alkohol und Jodtinktur. Von Dr. Grekow,
Petersburg. Ibidem, S. 1073.
4. Ueber entzündliche Geschwülste am Darm. Von Prof.
Braun, Göttingen. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie,
Bd. 100, S. 1.
5. Ein Fall von Hypopliysis-Tumor mit operativer Heilung.
Von T h e o dor K o c h e r , Bern. Ibidem, S. 13.
6. Die operative Einrenkung veralteter Ellenbogen-
verrenkungen. Von Prof. Doll in ge r, Budapest. Ibidem,
S. 38.
7. Zur Behandlung der angeborenen Hüftgelenksverrenkung.
Von Prof. Küster, Charlottenburg. Ibidem, S. 52.
8. Myotomie und Myorhaphie. Von Prof. Bardenhetior,
C'üln. Ibidem, S. 63.
1. Nachdem Krön lein 1906 auf dem Chirurgenkongreß
die Gastroenterostomie als das Normalverfahren bei Magenulcus
hiugestellt hat, möchte Verf. die ganze Frage nochmals zur
Diskussion bringen. — In der Indikation zum chirurgischen
Eingreifen herrscht zurzeit wohl ziemliche Uebereinstimmung,
nämlich bei Blutungen, Perforation, Narbenstenose, Fruchtlosig¬
keit der inneren Behandlung, Ulcustumoren, kallösen Ge¬
schwüren. — Die Art des Eingriffes soll sich nach dem jedes¬
maligen Befunde richten; kein Schematisieren! Die
Gastroenterostomi > besteht bei Pylorusstenose noch zu Recht.
Sitzen dagegen die Ulcera an der kleinen Kurvatur und hinteren
Magenwand und sind womöglich in die Nachbarörgane pene¬
triert, so ist die quere Resektion des mittleren Magenabschnittcs
bei genügendem Allgemeinzustand des Kranken zu empfehlen.
Man entfernt dabei nämlich auch die erkrankte Nachbarschaft
des Ulcus mit, operiert im Gesunden und ist folglich ,vor
Rezidiven mehr gesichert. Die Exzision gibt ferner weniger
gute Resultate, da die Naht im krankhaften Gewebe schlechter
hält, und stets eine Deformierung des Magens mit abnormen
Spannungen resultiert. — Erst eine größere Anzahl von Dauer-
resultaten kann uns über den Vorzug der einen oder anderen
Operationsmethode Aufschluß geben.
2. Verf. bringt unter ausgiebiger Berücksichtigung der Lite¬
ratur seine Erfahrungen, die er an 11 Fällen gesammelt hat.
Er ist danach für ein aktives operatives Vorgehen bei kompli¬
zierten Schädelverletzungen. Vor allem soll bei Impressionen
und Erscheinungen seitens des Gehirns gleich operiert werden.
Bei Meningitis nach Trauma ist das Gehirn breit freizulegen,
die Dura zu spalten und zu tamponieren. — Iv. desinfiziert die
Operationswunde mit Wasserstoffsuperoxyd, gibt aber selbst
zu, daß der Effekt Hierdurch gering sei. Es ist deshalb wohl
besser, überhaupt kein Antiseptikum an die \\ unde zu bringen
und sie dadurch vor überflüssigen Schädigungen zu
schützen. (Ref.) V. V
3. Besprechung der Geschichte der Desinfektion. Nachdem
anfangs durch langes Waschen versucht war, die Keime zu
e n t f e r n c n , werden jetzt die Keime a m Ort getötet
und festgehalten, und zwar soll möglichst wenig Seife und
Wasser vorher mit der Haut in Berührung kommen. Als
Mittel dient Jodtinktur, die unmittelbar auf die Haut zwei¬
mal aufgetragen wird. Die Resultate sind sehr gut. (Ref.
kann das nur bestätigen.)
4. Die Patienten mit diesem Leiden kommen fast stets
mit der Diagnose eines malignen Tumors zur Behandlung. Mit
diesem ist die Aehulichkeit aber auch sehr groß. In einem
Falle bildete sieh nach Exstirpation des Tumors sogar ein
Rezidiv in der Bäuchhaut von derselben Beschaffenheit. Sie
kommen wohl nur am Dickdarm vor; Ursache sind wahrschein¬
lich kleine Schleimhautläsionen. Die Diagnose ist nur möglich,
wenn der Tumor sich an eine Darmentzündung oder eine Ope¬
ration anschließt, auch wenn Fieber eintritt. In diesen Fällen
I '
. ' '.7 ",
>*:)?. iv -.--AUAu,:
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24
THERAPEUTISCHE RUN.
ist auch der Versuch einer konservativen Behandlung zu recht-
fertigen. Bei Zweifel an der Gutartigkeit muß operiert werden.
5. Bei einer 30 jährigen Frau hatte sich innerhalb zweier
Jahre eine ausgesprochene Akromegalie, Hemianopsie, Diabetes
und Kopfschmerz mit Erbrechen eingestellt. Das Böntgenbild
zeigt eine starke Vergrößerung der Sella turcica. Operiert
wurde unter Spaltung des oberen Nasenteiies; unter temporärer
Besektion der Nasenbeine und des Stirnfortsatzes des Ober¬
kiefers wurde die Nasenhöhle freigelegt- und das Septum narium]
reseziert. Mit Hilfe eines besonders konstruierten Spekulums
war nun dus Keilbein gut zu erreichen und zu eröffnen. Der
Tumor (Bundzellensarkom) wurde mit Löffel entfernt. Tampon.
Die Akromegalie und Kopfschmerzen gingen gut zurück. Nach
vier Wochen plötzlich Exitus an akuter Hirndrucksteigerung.
6. Auf Grund von 34 veralteten Ellenbogenluxationen (sämt¬
lich nach hinten) ist D. dazu gekommen, bei länger als drei!
Wochen bestehenden Luxationen eine unblutige Beposition über¬
haupt nicht mehr zu versuchen; sie ist ihm nie gelungen. —
Bei der Operation verzichtet er von vornherein auf die Er¬
haltung des äußeren Seitenbandes, da dieser Versuch den Eingriff
sehr erschwert und schädlich sein kann. Von 12 blutig repo-
nierten sind 9 mehr oder weniger beweglich geheilt, während
von 11 resezierten dies nur bei 5 Fällen zu verzeichnen ist,
Man soll deshalb nur resezieren, wenn der Operationsbefund
eine Wiederherstellung der Beweglichkeit von vornherein aus-
ischließen läßt.
7. Für die erfolgreiche Behandlung der kongenitalen Hiift-
luxationen ist folgendes von Wichtigkeit: 1. daß die Kinder
früh in Behandlung kommen" (2.—3. Lebensjahr). 2. daß dio
Stellung im Böntgenbild kontrolliert wird, 3. eine konsequente
Weiterbehandlung, auch dann, wenn die Beposition anfangs
mißlingt.
8. Bei verschiedenen Erkrankungen hält B. eine Durch-
schneidung des Muskels für indiziert: 1. Bei der ischämischen
Muskelkontraktur; er exzidiert hier die Narben und glaubt
dadurch bessere Besultate zu bekommen als durch Knochen -
resektion und Sehnenverlängerung. 2. Bei Sehnenverletzungen,
sobald die Naht nicht ohne Spannung möglich ist. Besonders
bei Defekten wird das sehr nützlich sein. 3. Bei Hemiplegia
spastica werden die spatisch kontrahierten Muskeln durch-
trennt und die Sehnen der überdehnten Muskeln verkürzt.
4. Ist bei ausgedehnten Kontinuitätsresektionen der Extremi¬
täten ein der Besektionslänge "entsprechendes Muskelstück mit
zu entfernen und die einzelnen Muskeln wieder zu vernähen.
Es werden dadurch Schlottergelenke, Taschen etc. vermieden
und sogar funktionsfähige Glieder wieder geschaffen.
Augenheilkunde.
Beferent: Augenarzt Dr. Paul Greven, Aachen.
1. Der jetzige Stand der Trachomforschung. Von Priv.-
llozent Dr. Wolf rum (aus der Univers.-Augenklinik Leipzig).
Fortschritte der Medizin, 1909, Nr. 35.
2. Neuere Glaukomtherapie. Von Prof. Dr. Heine, Kiel.
Mitteilungen für den Verein Schleswig-Holsteinischer Aerzte,
Jahrg. 18, Nr. 2.
3. Die Diagnose und Therapie des Glaukoms. Von dem¬
selben. Deutsche med. AVochensc.hr., 1909, Nr. 46.
4. Eine neue Methode der Refraktionsbestimmung im um¬
gekehrten Bilde. Von Dr. Franz Becker, Augenarzt in
Düsseldorf. Graefes Archiv für Ophthalmologie, Bd. 72,
Heft 3.
4. Chronische Pilokarpinintoxikation. Von Prof. Kisch-
nig, Prag, Direktor der deutschen Universitäts-Augenklinik.
Mediz. Klinik. 1909, Nr. 51.
6. Ueber Herdreaktionen und über die Ve*wendungsmöglich-
keit der Konjunktivalreaktion in der Ophthalmologie. Von Dr.
A. W o lf f - E i s n e r , Arzt für innere und Lungenkrankheiten
in Berlin. Mediz. Klinik, 1909, Nr. 51.
1. Eiu die bisherigen Arbeiten über die Trachomforschung
in aller Kürze referierender Aufsatz. (Vcrgl. die in letzter
Zeit zahlreich erschienenen Beferate über Trachomforschung in
der ,,Therap. Bundschau“.)
2 Je stürmischer das Glaukom ist, um so prompter wirkt
die Iridektomie; aber je schleichender die Krankheit, um so
mehr versagte die Wirkung der Iridektomie, um so größer sind
ihre Gefahren, um so bedenklicher ihre Anwendung. Besonders
diesen lety
therapie ihr
kom die Iridt
anzuwendende
chronische Stad,
die nach seiner A»
nicht unwirksamer um,
auch ambulant ausgefü’
etwa 5 mm vom Limb
macht man dann mit
bis auf den Ziliarr
die W unde führt man
entlang durch das I
der A^orderkammer sie
mit dem Stilett löst um
geringerer Ausdehuung
3. In diesem klinisi
führlich die Diagnose un
weist er auf die Sch wie i
gnose erschweren und zu'
laß geben können. AVas u.,.
angeht, so hält Heine dies*
er hat nie eine schädliche
akuter ein Glaukom, um so me
scher, um so mehr ist die 2
Grenzfälle der subakuten Glau
zwischen Iridektomie und Zyklo«.
daß letztere erheblich gefahrlose’
nicht weniger wirksam sei.
4. Becke r beschreibt einen
rat zur Bestimmung der Befraktio»
Befraktionsbestimmung im umgekf
züge vor den anderen Methoden,
der Bestimmung im aufrechten Bi’
eigenen Auges abhängig, auch m
Skiaskopie Bewegungsphänomene
fraktion ciues begrenzten . Bezirke,
stellen kann, sondern man hat es b«.
gekehrten Bilde mit einem reellqn
dessen Entfernung von der entwerfende!
ist von der Befraktiou des untersuchte
Mängel in der praktischen Ausführung a>.
schuldeten es bisher, daß diese in genialer
als 30 Jahren von Schmidt- B i m p 1 e r bere.
Methode verhältnismäßig wenig Verbreitung gefunüe.
Hauptschwierigkeit bestand darin, den Ort des umgt
Bildes genau und scharf festzustellen. Diese Schwierigkeit ..
geht, Becker, indem er zwei aneinander ruhende, verkehrt zu
einander gerichtete Prismen verwendet (d. h. die Basis des
einen Prismas ruht auf der Kante des anderen und umgekehrt).
Dadurch entstehen zwei Hälften des Bildes, und je nach der
Lage der Prismen zum optischen Bilde werden die beiden Bild-
hälften nach der einen oder der anderen Seite hin verschoben
erscheinen (je nachdem sich nämlich die Prismen vor oder hinter
dem optischen Bilde befinden >, und nur wenn sich Prismen
und Bild genau an derselben Stelle befinden, werden wir den
Eindruck haben, daß die beiden Hälften des Bildes kontinuierlich 1
ineinander übergehen. Auf diesem Prinzip beruht ein nach
Beckers Angaben hergestellter Apparat. Die weiteren
Einzelheiten über denselben und über den Gang der Unter¬
suchung sind in der Originalarbeit nachzulesen.
5. Bericht über einen Fall von chronischer Pilokarpinintoxi¬
kation, für die bisher in der Literatur noch kein Beispiel be¬
richtet war. Bei einem 27 jährigen Manne bestand seit zehn
Jahren Glaukom auf beiden Augen, das unter täglich mehr¬
maliger Einträufelung von 2 proz. Pilokarpinlösung in beide
Augen unter Vergrößerung der Augäpfel 1 Hydrophthalmüs)
zu hochgradiger Sehstörung .geführt hatte. Seit mehreren Jahren
leidet Patient an zunehmender „Nervosität“, Blutwallungen
gegen den Kopf, hochgradiger Beizbarkeit, Erbrechen, Herz¬
klopfen, unruhigem Schlaf. Patient ist mager und blaß;
leichter, feinschlägiger Tremor an den Händen, Puls 110—120.
Somatisch, sonst nichts Abnormes. Nach Aussetzen der Pilo-
karpineinträufclungen infolge operativer Behebung der glauko¬
matösen Drucksteigerung verschwinden innerhalb einiger AVochen
alle subjektiven Symptome fast vollständig, die Herzaktion wird
normal, der .Tremor verliert sich. E. Jiat in.einer größeren Zahl
von langdauernden PilokaTpineinträufelungen ähnliche Er¬
scheinungen beobachtet, die stets nach dem Aussetzen des
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JÜTISCHE RUNDSCHAU,
25
rative Be¬
ate, beweist
jkarpin durch
Erscheinungen
adurch zustande
Bindehaut .auf-
ö elangt. Möglich k ist
’änenwege in die Nase
tweder hier oder 1 auch
und den Magen zur
obachtungen scheint
eine gewisse Ueber-
1 Auftreten der chro-
sse Prädisposition zu
folgenden Schlüssen:
ld Therapie der Tuber-
ionen am Krankheitsherd
'den, weil Herdreaktionen
eine Beherrschung der
möglich ist. 2. Der Vorzug
neben ihrer klinischen Be-
tiver Tuberkulose einen posi-
i, daß bei. sachgemäßer Aus-
erdrea-ktion vermieden wird.
Konjunktivalreaktion nur eine
terial zum Teil unter die Kontra-
auf die Kunjunktiva beschränkte
iaguose gestattet, also nichts für
viilose im Auge beweist. Speziell
.men, entgegen den sonstigen Indi-
•aktion als beweisend nur Herd¬
in Betracht. Diese lassen sich am
X U durch wiederholte Instillation
•i erzeugen, wodurch die Herd-
.iicn ist, als eine nach einer sub-
ii auf tretende Herdreaktion.
mul öefiißkrankheiten.
,arzt Dr. Silbermann, Kudowa-Berlin.
.iptomatologie und Punktion der Exsudate des
Von Prof. Dr. Z i n n. Therapie der Gegenwart,
. 9 .
Ueber die Herz- und Gefäß Wirkung des Digalens bei ge¬
sunden und kranken Menselien. Von Hans Eyehmiiller,
Tübingen. Berliner klinische Wochenschrift, 1909, Nr. 37.
3. Neue Untersuchungen über die physiologische Wirkung
der Kolilensäuregasbäder. Von Dr. Leopold Fellner,
Wien-Franzensbad. Med. Klinik, 1909, Nr. 34.
1. Perikarditis kommt besonders vor als Komplikation des
akuten Gelenkrheumatismus und zwar in 10"" der Fälle von
Polyarthritis rheum. (Endokarditis in 25% der Fälle).
Die Aetiologie der Perikarditis ist in - sämtlicher Fälle die
Polyarthritis rheum. acuta und nur in 1 :1 der Fälle kommen
chronische Nephritis, Tuberkulose, Gonorrhoe, Pneumonie, Pleu¬
ritis und andere Infektionskrankheiten, Geschwülste des Herz¬
beutels und der Nachburorgauc in Betracht; ein geringer Teil
ist ätiologisch unklar, sog. idiopathische Perikarditis, die aber
vielleicht auch auf Tuberkulose beruht. Beim akuten Gelenk¬
rheumatismus tritt meist die Perikarditis schon im ersten
Stadium auf, bisweilen noch vor Erkrankung der Gelenke;
vielfach kommt es auch im Verlaufe einer Endokarditis zur
Erkrankung des Perikards. In allen diesen Fällen handelt es
sich um die seröse, fibrinöse und serös-hämorrhagische Form,
während die eitrige , und jauchige Perikarditis meist nach in¬
fizierten Wunden entsteht. Am häufigsten ist die fibrinöse
Perikarditis — erkennbar am Reibegeräusch — dann die exsu¬
dative Form, mit deutlich vergrößerter Herzdämpfung. Von den
rheumatischen Perikarditiden besteht in 50°/o der Fälle nur
Reiben, iu 14% Reiben und wahrscheinlich kleiner Erguß, in
35°/o deutlicher Erguß. Bei der nicht rheumatischen Perikarditis
ist nur die Ansammlung eines großen Exsudates klinisch be¬
deutsam im Verhältnis' zur Grundkrankheit. Bei 49 Fällen
mit großem Exsudat mußte Verf. 16 mal die Parazentese vor¬
nehmen. Bei der rheumatischen-Perikarditis treten oft anfangs
nur Fieber und Allgemeinerscheinungen auf, die typhusVer-
dächtig sind, allmählich perikarditische Geräusche, event. Ex¬
sudat und erst dann entwickeln sieh Gelenkerscheinungen.
Bei großem Exsudat kann linksseitige Rekurrenslähmung
auf treten, die durch Uebergreifen cler Entzündung auf den
Nerv, nicht durch Druck alleiu bedingt ist. Von anderen
Vagussymptomen ist bisweilen Erbrechen und selten unregel¬
mäßige Atmung beobachtet worden. Die fibrinösen Auf¬
lagerungen bilden sich oft ohne Verwachsungen zurück, so daß
anfängliche Einziehungen wieder schwinden. In einem Falle
beobachtete Verf. Beteiligung des N. phrenicus mit starkem
Zwerchfellkrampf. Zur Diagnose des perikarditischen Ex¬
sudats hat Verf. mehrmals Röntgenaufnahmen benutzt, wobei
der Exsudatsschatten feiner, zarter ist als der durch die Herz-
muskulatur bedingte. Die Punktion ist bei größeren serösen
oder meist serös-hämorrhagischen Exsudaten geboten, und kann
in diesen Fällen oft lebensrettend wirken. Als Indikation für
die Punktion fordert Zinn: 1. Lebensgefahr hei großem Erguß
und plötzlicher Nachlaß der Herzkraft, unregelmäßiger,
schneller, kleiner Puls, Atemnot, Zyanose,* Kräfteverfall,
2. mangelnde Rückbildung eines großen Exsudats. (Dies ist
fast nur bei Tuberkulose der Fall.) Nach C ursch mann soll
man am V. oder VI. I.-R. außerhalb der Mammilla punktieren,
wo.Dämpfung, aber keine Reibung und Pulsation wahrnehmbar ist;
an anderen Stellen der Vorderwand, wie früher üblich, soll die
Punktion nicht ausgeführt werden, da hier das Exsudat die
geringste Tiefe hat uud die Gefahr einer Herzverletzung nahe-
liegt. Dagegen ist eine etwaige Verletzung der Pleura und der
Lungen belanglos. ) Die größte Masse des Exsudates ist in der
linken seitlichen und unteren Hälfte des Herzbeutels, weniger
in der rechten Seite. Besteht, wie es häufig der Fall ist, neben
dem perikarditischen auch ciu pleuritisches Exsudat, so muß
auch dieses möglichst frühzeitig entleert werden. Im all¬
gemeinen neigen die Herzbeutelergüsse zu spontaner Rück¬
bildung und nur in 1 :1 cler Fälle großer Ergüsse war eine
Punktion erforderlich. Vor allem aber ist zu beachten, daß
nicht die Größe des Exsudates, sondern nur das Auftreten be¬
drohlicher Erscheinungen die Entleerung bedingt. Die Technik
der Punktion stellt sich nach Verf. so, daß zunächst unter
S c h 1 e*i c h scher Anästhesie eine kleine Hautinzision gemacht
und dann die Punktion ausgeführt wird, wobei die Entleerung
unter Heberwirkung, nicht unter Aspiration geschieht. Eine
Probepunktion hält Zinn für zweckmäßig, da bisweilen schon
die Entleerung einer ganz geringen Menge Exsudates genügt,
um die spontane Resorption anzuregen- Was die Größe kies
Exsudates anlangt, so hat Verf. Mengen von 80—300 ecm, in
einem Falle sogar 700 ccm entleert.
Von der oben erwähnten Norm betreffend die Einstichstelle
ist Verf. in einzelnen Fällen abgegangen und zwar dann, wenn
der linke Ventrikel stark vergrößert war, oder linker Ven¬
trikel und Exsudat sich nicht genau abgrenzen ließen, oder
bei Verwachsungen der Perikardialblätter oder der Pleura. In
diesen Fällen wurde die Punktion in der rechten Seite gemacht.
Die Punktion links, dicht neben dem Sternum, ist jedenfalls
aufzugeben, da hier, wie schon bemerkt, das Exsudat die ge¬
ringste Tiefe hat uud demgemäß die Entleerung ganz unzuläng¬
lich ist.
2. lnler gleichzeitiger Beobachtung der Blutgehalts-
Schwankungen des Armes und der Darmgefäße, der Strom-
gcschwindigkeit im Truncus anonyinus bezw. der Art. subclavia
und fortlaufender. Messungen des Maximal- und Minimaldrucks
mittels des R c c k 1 i n g h a ils c n sehen Tonometers wurden
intravenöse Injektionen von Digalen gemacht, um etwaige
Schwankungen des Gefäßkalibers unter der Einwirkung von
Digalen an gesunden und herzkranken Personen zu studieren.
(Die genauere Technik der Untersuchungen ist im Original
nachzulesen.) Die Untersuchungen führten zu folgenden Resul¬
taten: 1. Bei Gesunden tritt weder im Splätochnikusgebdetj
noch im Gebiet der peripheren Arterien nach intravenöser In¬
jektion von 1 ccm Digalen eine deutliche Veränderung des
Gefäßkalibers ein; ob aber dabei, vielleicht Tonusänderungen
eiutreten, läßt sich nicht entscheiden. 2. Das Schlagvolumen
wird, wie aus dem Tachogramm hervorgeht, ein weuig ver¬
größert, die Schlagfolge verringert. Der Blutdruck zeigt keine
typischen Veränderungen im Gegensatz zum intravenös ein¬
verleibten Strophanthin, das auch hei Gesunden eine mäßige
Blutdrucksteigerung, hervorgerufen durch ein erhöhtes Schlag -
volumen, bewirkt.
Bei herzkranken Personen wirkt das Digalen in gleicher
Weise wie hei gesunden, nur das hier die Wirkung kräftiger
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26
THERAPEUTISCHE RUNL.
und ausgesprochener ist. Doch auch hier ist eine Einwirkung-
auf das Gefäßkaliber nicht zu erkennen, und die beobachtete
Blutdrucksteigerung dürfte nur auf das erhöhte Schlagvoluinen
zurückzuführen sein. Des weiteren aber zeigte sich die Wirkung
des Digalen ganz besonders in der günstigen Beeinflussung der
Irregularität, Inaequalität und Frequenz des Pulses, eine Eigen¬
schaft, die wir ja aus der klinischen Beobachtung allein zur
Genüge kennen. Seine Schlußfolgerungen schränkt Verf. selbst
ein mit dem Hinweise, daß er nur einmalige Injektionen von
1 ccm vorgenommen hat und die Frage unentschieden laßt,
ob nicht bei größeren Dosen oder längerer innerer Darreichung
doch vielleicht eine Gefäßwirkung zustande kommt.
3. Verf. hat im Anschluß an seine bereits vor einigen
Jahren mittels Gärtners Tonometer vorgenommenen Unter¬
suchungen über die Wirkung der Kohlensäuregasbäder weitere
Versuche gemacht und diesmal die Blutdruckmessungen mittels
des Biva-Rocci und der auskultatorischen Methode vorgenommen.
Schon in seinen ersten Versuchen, die er an sich selbst aus-
’geführt hatte, war er zu dem Resultat gelangt, daß in der
Mehrzahl der Fälle (8 bei 13 Fällen) die Respiration vermehrt
ist, desgleichen (in 10 Fällen) die Pulsfrequenz zum Teil nicht
unerheblich ansteigt, der Blutdruck aber in allen Fällen erhöht
wird (um 5—25 mm Hg). Diese Resultate waren von Franz
G r ö d e 1 augezweifelt worden, der jedoch nur zum Teil andere
Ergebnisse fand. Bei den jetzt veröffentlichten Fällen kommt
Verfasser im wesentlichen zu den gleichen Resultaten, nur ist
die Blutdrucksteigerung nicht in allen Fällen vorhanden; der
Pulsdruck, der bei den diesmaligen Versuchen gleichfalls be¬
stimmt worden ist, ist von 21 Fällen 18 mal erhöht gewesen,
und zwar um 3—28 mm, 3 mal erniedrigt, um 4—7 mm Hg.
Die Pulsfrequenz war gleichfalls nicht so konstant gestiegen
wie bei den ersten Versuchen, was Verf. auf die psychisch
weniger einwirkende auskultatorische Methode zurückführt. Des
weiteren haben diese Versuche die Tatsache bestätigt, daß die
Wirkung von Kohlensäuregasbädern eine andere als die von
Kohlensäure-Mineralbädern ist; denn während hier der Blut¬
druck in einer großen Anzahl von Fällen nach anfänglicher
Steigerung sinkt, Atmungs- und Pulsfrequenz abnehmen, tritt
dort eine, wenn auch nicht konstante Steigerung dieser Faktoren
ein. Den Grund für dieses verschiedene Verhalten glaubt Verf.
in der Verschiedenheit der Medien Luft und CO* einerseits.
Mineralwasser und CCD andererseits — und der dadurch be¬
dingten verschiedenen Wärmekapazität und Leitungsvermögen
sehen zu dürfen.
Neurologie und Psychiatrie.
Referent: Irrenarzt Dr. 'Wern. H. Becker, Weilmünster.
1. Zur psychologischen Differentialdiagnose der einzelnen
Epilepsieformen. Von Dr. Rittershaus, Friedrichsberg.
(Fortsetzung.) Archiv für Psychiatrie, 1909, lieft 2.
2. Die Behandlung der Gesichtsneuralgie. Von Dr.
W. Alexander, Berlin. Berliner klin. Wochensehr., 1909,
Nr. 50.
3. Die Injektionstherapie der Ischias und anderer Neur¬
algien. Vortrag von Dr. Wiener, Prag. Deutsche Acrzte-
Zeitulig, 1909, H. 24.
1. Immerhin ist es interessant, daß tatsächlich in zwei Fällen
von anscheinend luetischer Epilepsie, die in den ersten 12 Fällen
dargelegten Assoziationscharakteristiken der Epileptiker nicht
zu finden sind; ebensowenig ließen sich dieselben nur teilweise
oder gar nicht nachweisen in 5 Fällen von anfallslosem epi¬
leptischen Irresein, von denen aber die Diagnose in 3 Fällen
als nicht ganz einwandsfrei zugegeben wird. Wenn Verfasser
zum Schluß schreibt, daß er sich der Unzulänglichkeit seines
kleinen Materials wohl bewußt sei, so wird man diese Selbst¬
kritik anerkennen und gleichzeitig die recht fleißige und
psychiatrisch durchaus nicht uninteressante — besonders jfiir
den, der sich für die Verwertbarkeit der Sommersehen
Assoziationsschemata interessiert — lange Arbeit voll und ganz
zu würdigen wissen, zumal sie aus einer Anstalt, wie der
Specht sehen Klinik, stammt.
2. Der Verfasser ist durch sein gemeinsam mit Krim er
herausgegebenes Taschenbuch der Nervenkrankheiten bereits be¬
kannt. — Die glücklicherweise seltene echte Trigeminusneuralgie
trotzt häufig den gewöhnlichen ärztlichen Eingriffen, wir hören
deshalb gern eine hier gegebene autoritative Darlegung des ein¬
zuschlagenden Weges einer wirklich rationellen Therapie. Neben
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der Beseitig
empfiehlt A.
mittel und ei.
allgemeinen Sei.
Diät. Dabei tri,
oder merkliche Bl
kur einmal zu wieu,
in irgendeiner Form lol-
Applikation von Heißl
oder die sog. Thermt
,,dreiste Dosen“ von
(unter den anderen ve.
einen gewissen Vorzug
ein, schlägt A. die
,,M erck“ oder Clin
bis „hart an die toxisch
einer gemäßigten Abführ.
ein 2—3 maliger Versuch i.
zu kleinen Dosen physiologi
satz von Eucain, Stovain, ?
fertigt, nachdem man gl eie
kur eingeleitet hat. Bleibt der •
nach Hange ilie Injektion <
lösung tiefer, an die Austritts«!
astes im Gesicht, iu Abständen v
können andere Formen der Elekt
sation mit Strömen von 20—50 IV»
25—60 Minuten täglich, und noch
Nitroglyzerin, versucht werden. S
fehl, so bleibt nur noch die Zer
mit Alkoholinjektionen statt auf rt
werkstelligt sehen möchte, übrig. 1
gefährlich und erfordert viel Uebun.
ausführenden Arztes. Röntgcnstrah 1
nach dem heutigen Stande der Wi-
Erfolg. Ebenso hält Verfasser \
Mitteln nicht viel. Er warnt direkt »
bezw. -Schleimhautpinselungen und voi
Kokainismus resp. Morphinismus eher zu
Erreichung eines Dauererfolges zu erhoffen \
Punkt kann ich Verfasser nicht recht gcb<
der Schmerzen durch Husteustöße bei Ischias
Blutdrucksteigerung Schmerzen vermehrt., Blut»
schmerzlindernd wirkt. Die Tatsache mag ei.,
aber ihre Begründung nicht; denn jene Schmerze,
scheinen mir mehr durch die plötzliche mechanische Ins
des Ischiadikus seitens des gegengedrückten Darmiuhalts
vorgerufen zu werden.
3. Im Gegensatz zum vorstehenden Aufsatz schildert uns W.
mehr den- hcuügeu Stand der c. h i r u r g i s e h e n Technik der
Beseitigung von Neuralgien, insonderheit der Ischias, und zwar
mit Zitierung von 65 einschlägigen Aufsätzen aus der modernen
Literatur. Danach und nach Verfassers persönlichen Erfahrungen
scheint auch die Alkoholinjektionstherapie ihre großen
Schattenseiten zu haben, und scheint man chirurgischcrseits
wiederum zu der von Lange, Rüdiger u. a. vorvoll komm-
neten Methode,, größere Mengen steriler physiologischer Na ('!-
Lösung mit oder ohne Eucain oder dergl. intraneural an
d e m D r ucks c h m erzpu n k i zu injizieren, zurückgekehrt
zu sein. Verfasser rühmt den Erfolg als frappant augenblicklich
(nach ca. 2 Miuuten), etwa auftretendes Fieber, auch wenn mit
neuem Nervenschmerz einhergehend, für irrelevant, da nach
eiuigen Stunden wieder verschwunden, und ist persönlich auf
empirischem Wege bei folgender Lösung augelangt:
Natrii. chlorati.6,0
Calc. chlorati crystall. . . . 0,75
Aq. dest,. 1000,0
Die Operationstechnik möge der Leser im Original nach-
lesen.
Urologie.
Referent: Spezialarzt Dr. L. Li pm an-'Wulf. Berlin.
1. Ueber Pyelitis. Von Dr. H. Feleki, Budapest. Folia
urologica, 1909, Bd. IV, Nr. 4.
2. Note cliniche sopra 420 osservazioni personali di chirurgia
urinaria. Per il Prof. Roberto Bin a g h i , Cagliari. Folia
urologica, 1909, Bd. IV, Nr. 4.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
U TISCHE RUNDSCHAU.
27
Prostata-
w gegen de
o d R o t h -
r. 4.
iuberkulo:e im
. e 1 , Sehöneberg.
Harnwege. Von Dr.
1 909, Nr. 40.
nröhre mit heißen
best. Deutsche med.
'rostatahyperirophie.
linik, 1909, Nr. 41.
.inkt aus die Nieren -
sondern. Erstere kann
/ährend ihres Verlaufs
»estellt hätten. Die Ent-
infektion, die auf aszen--
zustande kommt. Die
durch mechanische .Hin-
c mit dem Harn veranlaßt
'arnwege schreitet per conti-
oischer Pyelitis. Das Empor-
■ anatomisch -physiologischen
alogischen Veränderungen des
tion der Harnleiter begünstigt.
: ch eine Fortsetzung der Harn-
•tregiereiuler Teil der Ureteren.
r mittels des L rcterenkatheters
rung desselben ist immer diq
re zu prüfen, da unser thera-
ognose sich nach dem Zustande
eher Pyelitis konnte Verfasser
r gewonnenen Harn den Gono-
t'yeliris heilt zuweilen auf innere
•luge Flüssigkeitszufuhr, Harndesinfi -
•i Retention ist der Ureterenkatheter
desselben indiziert.
dien wirken mittels des Ureterenkatheters
illnt innen und Ausspülungen des. Nieren-
ästig. Besonders gute Erfolge werden bei
yeliiis erzi dt. Spüllösungen sind bei Infektion
•occus Arg. nitr. 1:4000 bis 1:1000, bei Colli
.ydrarg. oxycyanat 1:4000.) Kontraindiziert sind
.„. n bei Pyelonephritis, Tuberkulose und Konkrementen
in den oberen Harnwegen. Führen die beschriebenen Heilver¬
fahren nPht zum Ziel, so ist ein operativer Eingriff am Platze.
2. I nter 420 Operationen, von denen 114 auf die Niere,
48 auf die Blase, 20 auf die Prostata und 318 auf die Harn¬
röhre entfallen, waren 10 Todesfälle, also 2,3 H o Mortalität).
Verf. zieht aus seinen Beobachtungen folgende Schlu߬
folgerungen: Die Indikation für Nephropexie muß sich nicht
so sehr auf- den Grad der Beweglichkeit der Niere, als viel-»
mehr auf die Schwere der Symptome beziehen. Die totale
Nephrektomie ist die Operation der Wahl bei der Nieren¬
tuberkulose, deren Resultate um so besser siud, je frühzeitiger
der Eingriff vorgeuommen wird und je frühzeitiger die Dia¬
gnose durch funktionelle Nierenprüfung gestellt wird. Bei der
Lithiasis der Harnblase entspricht die Cystotomia suprapubica
allen therapeutischen Indikationen. Die transvesikale Prosta¬
tektomie ist der perinealen vorzuziehen, da die hauptsäch¬
lichsten Ursachen der Mortalität Blutung und Infektion) bei
der jetzigen vervollkommneten Technik nicht mehr zu be¬
fürchten sind. Die blennorrhae;ischen Harnröhre,nstrikturen
sollen mittels der internen Urethrotomie behandelt werden.
Nur jene Strikturen, die man nicht überwinden kann und die
lokale Komplikationen zeigen, sowie jene, die nach der Urethro-
tomia interna leicht rezidivieren, sollen, wie die traumatischen
Strikturen, mit der Urethrektomie — an die sich dann später
die Autoplastik anschließt — behandelt werden.
3. In sogen, hypertrophischen Prostatae bei nicht infizierten
Harnwegen findet man mikroskopisch entzündliche Veränderun¬
gen; in der Drüsen Substanz katarrhalische Erscheinungen, Pro¬
liferation, Desquamation des Epithels, seltener Eiter in den
Drüsen ; in dem Stroma peri- und paraglanduliir Rundzellen¬
ansammlungen oder fibröse Narbenherde oder beides nebenein¬
ander. Daneben findet man Erweiterung der Drüsenlumina, teil-
Ofeltiawl bv
"eise bis zu zystischer Dilatation. In Schnitten von 10 f l und
Serienschnitten bei beginnender Prostatahypertrophie stellten
^ f l ‘f- und C i e c h a n o w s k i infolge ehr obigen gefundenen
mikroskopischen Tatsachen folgendes fest: „Die Prostata¬
hypertrophie ist in den meisten Fällen und im wesent-,
liehen eine Folge der Dilatation der Drüsenlumina der
Prostata; diese Dilatation ist eine Wirkung der Retention
des katarrhalisch vermehrten Sekrets infolge der Ein¬
schnürung, Strikturierung oder Obliteration der Ausführungs-
gänge der Drüsen, insebesondere der Hauptausführungsgänge
durch die peri- und para glandulären Entzündungsherde, de
mehr Drüsensubstanz in der Prostata normalerweise vorhanden
ist, um so intensiver ist die \\ irkung der Dilatation auf Form-
und Größenveränderung der Prostata. Eine neoplastische Ver¬
mehrung der Drüsensubstanz oder des Stromas findet dabei nicht
statt; vielleicht daß eine funktionelle Hyperplasie der Drüsen¬
substanz sich bildet, um die durch Abschnürung ihrer Ausfülr-
ruugsgänge ausgeschalteten Drüsenteile kompensatorisch zu
ersetzen.“
4. Ein zur Sektion gekommener Fall bestätigte die von
v. B a u m g a r t e n experimentell erwiesene Tatsache, daß bei
normalem Sekretabfluß ein Aufsteigen der Erkrankung entgegen
dem Sekretstrom nicht vorkommt. Bei der Sektion fand sich der
rechte Ureter und Nierenbecken ganz frei von Tuberkulose, trotz¬
dem eine schwere Schleimhauttuberkulose von Blase und Urethra
vorlag. Ein Aufsteigen des Prozesses hatte auf dieser Seite also
nicht stattgefunden. Links dagegen wurde durch fibröse Indu¬
rationen in der Umgebung der Samenblase der Ureter so stark
komprimiert, daß ei::e Stauung des Sekretstromes stattfand. Es
bildete sich zunächst eine Hydronephrose und Uretererweiterung,
und in dem stagnierenden Urin fanden Tuberkelbazillen leicht Ge¬
legenheit. die Wand zu infizieren und zu schweren Veränderun¬
gen im Nierenbecken, Ureter und Niere zu führen.
5. An der Hand einiger Krankengeschichten wird der Be¬
weis geführt, daß bei kleinen Mädchen von einer Vulvitis aus eine
aszendierende Infektion der Harnwege erfolgen kann. In der
Bekämpfung auch leichtester Reizzustände der Vulva treibt man
Prophylaxe gegen Cystitis und Pyelitis. Vielleicht besteht auch
ein häufigerer Zusammenhang zwischen Vulvitis und gestörter
\ erdauung, so daß in Regelung der Darmtätigkeit die Haupt¬
aufgabe in solchen Fällen zu erblicken wäre.
6. Verf. versuchte bei Strikturen lokal an der vernarbten, ver¬
eng! en Stelle Wärme zu applizieren. Diesen Zwecke erreichte er
mit Hilfe einer Sonde, welche die Wärme vermittelt. Diese Sonde
besteht aus einer leeren Röhre, die ihrer ganzen Länge nach in
zwei Teile zerlegt ist, so daß das Wasser nur unten an der Spitze
von einem Kanal in den anderen fließen kann, durch den es sich
wie beim Psychrophor entleert. Die erwähnte Sonde wird dem
sitzenden Patienten in die Harnröhre eingeführt und mit einem
in der Höhe von 2 m stehenden Irrigator verbunden. Das warme
Wasser fließt in 8—10 Minuten aus dem IV 2 1 enthaltenden Gefäß.
Das Ausfließen kann durch Verschließen des Abflußhahns geregelt
werden. Die Harnröhre verträgt gut eine Temperatur von 50,
allenfalls 52°, über 55—56" aber nicht. Bis das Wasser von
52° durch die Sonde fließt sinkt die Temperatur auf 43—42°,
A 11 dem von außen an den urethralen Teil des Penis ge¬
haltenen Thermometer stieg das Quecksilber auf 39,6°. Während
der Prozedur durchwärmt sich die ganze Harnröhre, auch .auf
dem dorsalen Teil des Penis steigt die Temperatur um 1 Grad.
Die W arme erstreckt sich langsam auf den ganzen Körper, so
daß der Patient zu schwitzen anfängt. Der Wasserzufluß wird
dann eingestellt. Die vom Verfasser mit dieser Behandlung
gesammelten Erfahrungen sind bisher gering, jedoch sind die
Resultate viel versprechend. Die regide Striktur wird lockerer,
weicher und läßt die Sonde leichter durch. Vorläufig be¬
schränkte sich Porosz nur auf die Behandlung der Urethra
anterior.
7. Den Symptomen nach teilt man die Krankheit gewöhn¬
lich in drei Gruppen: 1. in diejenige, bei der nur Beschwerden
und kein Rückstand in der Blase nachweisbar ist, 2. die¬
jenige, bei der ein mehr oder minder größerer Rückstand vor¬
handen ist, dabei aber noch' Urin selbst entleert wird, und
3. diejenige, bei der eine spontane Entleerung überhaupt nicht
mehr stattfindet. Diese Gruppen gehen natürlich ineinander
über. Unter den subjektiv nachweisbaren Symptomen stehen in
erster Liuie die Blasenbeschjverden. Die Diagnose wird gestellt
durch die mittels Katheters nachgewiesene Urinstörung und
durch den Nachweis, daß diese Stauung durch Prostataiver-
größerung verursacht wird, durch Rektaluntersuchung' und
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28
THERAPEUTISCHE RUNL
Zystoskopie. Ausgeschlossen muß natürlich werden, oh nicht
etwa durch Erkrankungen des Nervensystems die Behinderung-
der Mixtion hervorgerufen wurde. Große Sorgfalt erheischt
das Aussuchen eines für den Patienten zum Katheterismua
geeigneten Katheters. Verfasser bespricht die hygienisch-diäte¬
tischen, medikamentösen Maßnahmen, die zweckmäßige Aus¬
führung des Katheterismus. Mit diesem fühlen sich die Kranken
in sehr vielen Fällen ganz wohl. Man achte auf das Vor¬
kommen von Steinen, die durch Lithotrypsie zu beseitigen sind.
Stellen sich Infektionen ein. Schwierigkeiten resp. Unmöglich¬
keiten den Katheter einzuführeu, treten Blutungen, fortdauern¬
des Drängen mit Verfall der Kräfte auf, so ist die Operation-
indiziert. Die Methode der Wahl ist hier nach den neuesten
Erfahrungen die Prostatektomie von der eröffneten Blase
oder vom Damm aus. Die Erfolge dieser Operation sind ver¬
blüffend; sie ist in allen Fallen anzuwenden, in denen die
konservative Behandlung nicht zum Ziele führt.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Busch, Berlin-Halensee.
1. Urämie, eine otitische Hirnkomplikation vortäuschend.
Voll Dr. Levinger, München. Z. f. ().. Bd. 59, H. -1.
2 . Zur Kenntnis der hereditär-degenerativen Taubstummheit.
Ueber die Vergesellschaftung der hereditären Taubheit mit ande¬
ren hereditären, pathologischen Zuständen. Von Dozent Dr.
V. Ha mmerschlag, Wien. Z. f. O., Bd. 59, 11. 4.
3. Zur Kasuistik der Zungenstruma. Von Dr. M eurer«.
Z. f. O., Brl. 59, H. 4.
4. Methode zur Entlarvung der Simulation einseitiger Taub¬
heit. Von Priv.-Doz. Dr. Ii. Marx. Z. f. 0., Bd. 59, H. 4.
5. Zur Operation der Mikrotie mit kongenitaler Gehör-
gangsatresie. Von Dr. A. Blumenthal. Z. f. O., Bd. 59,
Heft 4.
6. Thyreoidea accessoria intratrache?lis. Von Dr. R. Hoff-
mann. Z. f. O., Bd. 59, H. 4.
7. Die Gefahren der Tamponade des Nasenrachenraumes.
Von Dr. O. Mayer, Graz. Münch, med. Wochenschr., 1909,
Nr. 43.
8. Ueber die Behandlung akuter Mittelohrentzündungen
mit Hilfe der Stauungshyperämie. Von Dr. R. Spira, Krakau.
Die Heilkunde, Monatsschrift für prakt. Medizin, 1909.
9. Die Bedeutung des Röntgenverfahrens für die Physiologie
der Sprache und Stimme. Von Dr. M. Sch eie r, Berlin. Archiv
für Laryugologie, Bd. 22. H. 2.
1. Levinger veröffentlicht einen Fall von Masernotitis,
bei welchem er wegen heftiger Schmerzen, profuser Eiterung
und hohen Fiebers die Aufmeißelung nach Schwartze vor-
nahm. Da nach der Operation das Fieber fortbestand und
Somnolenz auftrat, wurde der Sinus freigelegt, der jedoch keinen
pathologischen Befund bot. In den nächsten Tagen nahm die
Somnolenz zu, das Bewußtsein erlosch nach und nach völlig,
es trat Erbrechen auf, Krampf zustande, schließlich — vier
Tage nach .der ersten Operation — der tötliche Ausgang. Die
Sektion ergab, daß derselbe nicht durch die Masernotitis bezw.
eine von Levinger angenommene otitische Hirnkomplikation,
sondern durch eine Parenchymdegeneration der Nieren mit
Urämie bedingt war. Aehuliche diagnostische Irrtümer sind
öfter in der otologischen Literatur besprochen; Harnunter¬
suchung und Lumbalpunktion können hier vielleicht ab und zu
zur richtigen Diagnose verhelfen.
2. Hammerseh lag ist der Ansicht, daß die degoueraliv-
atrophischen Vorgänge im N. acustieus und in seinen Endstellen
bei kongenitaler Taubheit und Otosklerose wahrscheinlich die¬
selben sind. Da ferner auch bei kongenitaler Taubheit typische
otosklerotische Veränderungen der Labyrinthkapsel beschrieben
sind und hereditäre Taubheit und Otosklerose in manchen
Familien vergesellschaftet vorgekommeu sind. so rollt
Hammerschlag die Frage auf, ob wir nicht berechtigt
sind, beide Krankheiten als verschiedene Erscheinungsformen
eines und desselben pathologischen Vorgangs aufzufassen. Diesen
gemeinsamen pathologischen Vorgang sieht H a m m e rs c hing
in hereditären Verhältnissen, in einer allmählichen Verschlechte¬
rung des Keimmaterials durch Generationen hindurch und all¬
gemeiner Degeneration des einzelnen Individuums, die sieh auch
au den feinst organisierten Zellmechanismen, den Zellen der
Sinnesepithelien und des Zentralnervensystems bemerkbar macht.
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Daß dir
taler Tauhhe
Ueber einstimm
mit derartigen
„allmählichen V<
sieh meines Eraci
doch die genannten iv.
nährten, anämischen, r
man zu sehen bekom
glaube, daß man mi
Betrachtungen nicht <
bestimmte Aetiologie
vielleicht die h e r e d
welche ich in einer
einige Stützpunkte geh
Beiträge, Bd. III, Ii.
reaktiou hei nervöser Sei
3. M e u r e r s hat hei
stark zurückgebliebenen Pa
achtet. Starker Gestank u
die Kranke zum Arzt, wo
normaler Stelle, dafür einen
gangränösen Tumor am Zungen
der Glühsehliuge entfernt wur
4. Zur Entlarvung der Sii
wendet M a r x den von B ä r
Derselbe besteht bekanntlich au
starke Feder enthält, welche dui
einem Wecker — iu Lärm erze.
werden kann. Steckt man den oli
in ein Ohr und zieht den Appara
durch den entstehenden Lärm völlig-
inan dom Simulanten in das gesui
fragt man ihn, ohne daß er vo
ablesen kann, beiläufig, ob er die.
er die Frage mit dem angeblich ta.
das gesunde ist ja künstlich taub gern,
lation überführt. Der Apparat eignet.
Militärarzt; nur glaube ich, daß ein gens.
dem nicht immer auf den Leim gehen.wird,
kennen manchmal alle anzuwendenden Trie.
untersuchende Arzt! (Ref.)
5. Die Operation der Mikrotie mit kon^,
gangsatresie wird in der Weise vörgenommen, d
Aufmeißelung des Warzenfortsatzes ähnlich
Schwartze sollen Operation bis ins Mittcloiu
und sich nun den gebildeten Knochenwundkanal durch
bringen von Epidermisstücken oder gestielten Hautläppchen über¬
häuten läßt. Die von Alexander in Wien angeregte Ope¬
ration soll eine erhebliche Verbesserung der Hörfähigkeit zur
Folge haben. Brühl hat diese Methode iu zwei Fällen nach¬
geprüft. Die operativen Schwierigkeiten sind erhebliche, da
alle Orientierungspunkte am Knochen fehlen; auch weiß man
nicht, oh man eine Paukenhöhle finden wird, ob die Gehör¬
knöchelchen vorhanden sind, ob das Labyrinth funktionstüchtig
ist. Nur wenn letzteres zutrifft, wird man einen Versuch wagen
dürfen. — In beiden Fällen, die B r ü h I operierte, ist leider
eine dauernde Besserung der Hörfähigkeit nicht erzielt worden.
6. Ho ff mann beschreibt einen Fall von Thyreoidea
accessoria intratraehealis, einen subglottisch der Hinter-
wand der Luftröhre aufsitzenden und dieselbe fast ganz
verschließenden Tumor, welcher nach vorhergegangener
Tracheotomie von außen entfernt wurde. Er erwies sich als
normale, in die Luftröhre versprengte Schilddrüse.
7. Jeder junge Arzt, der seine Praxis anfängt, vergißt
nicht, sieh für den Fall einer Blutung aus der Nase mit einem}
Belloqschen Röhrchen auszurüsten, meist jedoch ohne zu
wissen, daß es nicht nur unnötig ist, sondern auch schädlich für
den Kranken sein kann. Als Belag für letzteres bringt Mayer
folgenden Fall: Wegen Nasenblutens machte ein Arzt auf dem
Lande sofort B e 11 o q sehe Tamponade, die innerhalb von zwei
Tagen dreimal gewechselt, doch immer erneuert wurde. Vom
5. Tage an bekam Pat. Kopfschmerzen,- Schwellung des rechten
unteren Lides (Incision — kein Eiter), Ohren,schmerzen und
Eiterung aus den , Ohren. Mit hohem Fieber wurde Pat. in
die Klinik eingeliefert, wo eine beiderseitige Otitis media acuta
mit Mastoiditis, beiderseitige eitrige Entzündung der Kiefer¬
höhle und rechtsseitige Orbitalphlegmone festgestellt wurden.
Der Kranke wurde nun zwar geheilt, aber der Fall zeigt doch
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29
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' Nase ausüben,
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akuter Mittel ohr-
mie referiert. Nach
ntlich sowohl durch
Öhr mittels Hals-
>iner Saugglocke auf
tz versucht, die Otitis
’rotz der sehr großen
ra übersichtlich zu-
fer der Ansichten ist
..reif. Beachtenswert
..oren von dem Verfahren
,a zur Mitarbeit bei Lösung der
he Methode in der Behandlung der
aert, so möchte ich d»;m meine dahin¬
ten, daß dies nur der Iv r ankenhaus-
nur derjenige, welcher über speziellere otia-
verfügt. Jeder, der die B i e r sehe Methode
oder sonstwo angewendet hat, weiß, daß das
große. Sorgfalt und Ueberwachung erfordert; die
„aubinden dürfen nicht zu fest und nicht zu locker liegen,
d\e Anzahl von Stunden, in denen gestaut wird, muß individuali¬
siert werden; hierzu kommt für die Otiatrie, daß man den Ohr¬
befund genau kontrollieren muß, um nicht den richtigen Zeit-
tnnkt zur Parazentese und zur Aufmeiße'ung zu versäumen. Bei
(er schnellen Einschmelzung des Warzenfortsatzes, die bei der
Methode beobachtet ist, kann sonst das Auftreten intra¬
kranieller Komplikationen unangenehme Ueberraschungcn
bringen.
9. Die sehr interessante Arbeit Scheie rs über die Be¬
deutung des Röntgenverfahrens für die Physiologie der Sprache
und, Stimme hat rein physiologisch-laryngologisches Interesse
und eignet sich nicht zu einem kurzen Referat.
Balneologie,
Referent: Dr. M. Hirsch. Bad Kudowa.
Der 38. Schlesische Bäder tag fand, wie seine Vorgänger,
am 13. Dezember 1909 in Breslau unter zahlreicher Beteiligung
statt. Er wurde von dem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn
Badedirektor Dr. Büttner, Salzbrunn, mit einem Nachruf
auf den Begründer des Schlesischen Bädertages, Herrn Geheim¬
rat D e n g 1 e r , eröffnet, dessen Verdienste Herr Geheimrat
I)r. Adam, Flinsherg, in warm empfundenen Worten würdigte.
Seine große Bedeutung lag in der Gründung des Schlesischen
Bädertages, der so unendlich viel für Schlesiens Bäder ge¬
leistet hat.
Herr Privatdozent Dr. von dem Borne, Breslau:
,,U e her die M ethoden und Ergebnisse de r m o d e r -
n e n E r d b e b e n k u n d e u :n d i h re B e d e u t n n g f ü r
die Thermen.“
Die wichtigsten Methoden der Erdbebenforschung sind die¬
jenigen, welche das Auftreten eines »Erdbebens in der Ferne an-
. zeigen und registrieren. Man stellte auf diese Weise fest, daß
jedem Erdbeben zwei Vorläufer vorausgingen, zwischen denen
JHE RUNDSCHAU.
ein gesetzmäßiger Abstand besteht, der auf die Entfernung
des Erdbebenherdes Schlüsse ziehen läßt. Weitere Methoden
zeigten den Punkt des Erdbebenherdes. Es gelang auch der
Erdbebenkunde, den Aggregatzustand des Erdinnern fest¬
zustellen, und zwar ist er so fest, wie keine Substanz der Erde,
die wir kennen. Wir können auch festlegen, wie hoch dasj
spezifische Gewicht der einzelnen Stellen innerhalb der Erde
ist, was für die Entstehung der Thermen sehr wichtig ist. Bis
zu einer Tiefe von 1500 Kilometern ist das spezifische Gewicht
des Erdinnern ähnlich dem der Erdoberfläche und wird darunter
ziemlich plötzlich viel höher. I)as Erdinnere scheint ein Eisen¬
kern zu sein, der viel Radioaktivität besitzt. Den Forschungen
in der Erdbebenkunde ist zu danken, daß man jetzt annimmt,
juveuile Wasser seien unverhältnismäßig seltener als vadose.
Für die Praxis, namentlich hinsichtlich des Quellenschutzes,
ergibt sich, daß man jede Quelle lieber a priori als 1 vadoH
ansehe.
Herr Geheimrat Dr. Adam, Flinsherg: „D i c bakterio¬
logische Fleischbeschau, deren Einrichtung
der Verein s c h 1 e sis eher Tie rä r z t e a ng eregt
h a i.“
Diese Kontrollen müßten in mehr Laboratorien vorgenommen
werden als es heute üblich ist. Vor allem müßten auch solche
Laboratorien in der Nähe der Kurorte sein, welche vielfach das
Fleisch von außen beziehen müssen.
Herr Dr. W i 11 e , Kudowa : „Heiz u n g s a n 1 a g e n f ii r
Logier h ä u s er.“
Vortragender sieht sie für höchst notwendig an, nicht nur
für die Heizung, soudern auch für die Ventilation. Vor¬
tragender bespricht die verschiedensten Methoden der Heizung
und empfiehlt besonders die Warmluftheizung nach einem be¬
stimmten System. Auch auf die elektrische Heizung geht. Vor¬
tragender ein. — In der Diskussion empfiehl Herr Dr. H ir sch t
Kudowa, die Heizkörper mehr zu berücksichtigen. Sie müssen
sich gut reinigen lassen, weil organische Staubpartikelchen un¬
genügend versengen und diese Produkte die Luft verschlechtern.
Herr Dr. Joel, Görbersdorf, tritt für die Oefen im Gegensatz
zur Luftheizung ein. Als beste Zentralheizung kommt Warm-
wasser in Frage.
Herr Dr. L a c h m a. n n , Landeck : „Neuere U n t e r -
s u c h u n g e n über die Jt a d i u m -Eraanatio n.“
Radium kommt in besonders hohem Maße in Gastein,
Landeck, Baden-Baden und Flinsherg vor. Die neuesten Unter¬
suchungen über Radium haben die alten Ergebnisse der Forsch¬
ung bestätigt. Man ist jetzt bemüht, die exakte Erklärung
und Begründung für die Wirkungen des Radiums zu finden.
Sehr interessant ist die Bemerkung, daß die Emanation auch
durch die Atmung auf genommen wird, so daß die Nähe radio¬
aktiver Quellen auch ein wichtiger Heilfaktor ist. Für die
Praxis ist interessant, daß das Radium die Ablagerung harn-
saurer Salze im Körper verhindert, also für die Behandlung der
Gicht sehr wichtig ist. Die gute Aufnahme von Radium durch
die Atmungsorgane läßt Vortragenden die Anlegung, von In¬
halatorien für radioaktive Quellen empfehlen.
Herr Dr. S i e b e 11 , Flinsherg : ,,D i e R u h e in de n
Kurorte n.“
Vortragender hält es für wichtig, daß die Kurortbesucher,
die dem Lärm der Großstadt meist entgehen wollen, im Kur¬
orte Ruhe antreffen. Besonders müßte der Verkehr auf Straßen
und Plätzen sowie in den Häusern manche Einschränkung er¬
fahren. Er empfiehlt gute Pflasterung der Wege, Anlegung von
Vorgärten, die den Straßenlärm wesentlich abdämpfen. Für
unerläßlich sieht er an das Gebot des langsamen Fahrens*
Verbot des Peitschenknallens, des Glockenläutens, Pfeifens der
Lokomotiven u. a. m. Lärmende Tiere sind in d/;r Nacht ein¬
zusperren. Auch zu laute Musikinstrumente sind nur in ge¬
schlossenen Räumen zu verwenden. Wichtig ist gutes, festes
Bauen der Häuser, vor allem aber ist die Erziehung zur Rück¬
sichtnahme auf den Nächsten notwendig. Teppichklopfen u. a.
müßte auch möglichst vorsichtig geschehen. Besonders sollte
man die Ruhe der Nacht und die Ruhezeit in den Nachmittags¬
stunden respektieren. In Orten, wo viele Kinder hinkommen,
empfiehlt sich die Anstellung von Spielleitern, welche die Kinder
sich außerhalb des Kurortes tummeln lassen. Der Antrag des
Vortragenden, diese Frage dem deutschen Ausschuß für gesund¬
heitliche Einrichtungen in den Kurorten zu überweisen, wird
nach einer lebhaften, aber doch zustimmenden Diskussion an¬
genommen.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
ao
THERAPEUT!
Herr Dl\ Klose, Altheide: ,,T u b c r k u 1 ü s e u n d
Syphilitiker als Badegäste.''
Vortragender glaubt, daß diese Kranken nur in besonderen,
geeigneten Bädern und Heilanstalten zu behandeln sind, nicht in
allen Kurorten. Uie Gefahr der * Infektion durch Uebertragung
wird in Kurorten gewöhnlich überschätzt. Die Ansteckung^
gcfa.hr in Ku"orten ist nicht größer als sonstwo, im Gegenteil,
geringer, weil hier hygienische und prophylaktische Maßnahmen
gewöhnlich besser sind als an anderen Orten.
Herr Dr. W agner, Salzbrunn: ,,D i e H v g i e n e d e r
V e r s a n d w ä s s e r.''
Vortragender gibt zunächst einen historischen Ueberblick
über den Mineralwasserversand. Sodann beschreibt et* die Be¬
handlung des Mineralwassers von seinem Ursprung bis zur ver¬
sandfähigen Flasche, indem er die Fassung der Quellen, Füll¬
vorrichtungen, Gefäße und deren Reinigung, Korken und deren
Behandlung, Verschluß, Verpackung und Lagerung vom hygieni¬
schen Standpunkt aus behandelt. Besonderen Wert legt er auf
eine einwandfreie Fassung der Quellen. Als Ideal sieht Vor¬
tragender eine vollkommene keimfreie Füllung an, wobei dem
Wasser kein Zusatz gegeben werden darf oder eine Substanz
entzogen wird.
Herr Geheimrat Dr. Adam, Fliusberg: „Aseptische
Milch.“
Für die Gewinnung der Milch ist es wichtig, dafür zu
sorgen, keine Unreinlichkeiten h : neingelangen zu lassen. Sind
sie erst in die Milch gelangt, dann ist ihre Entfernung schwer.
Die Keimfreiheit der Milch im Euter scheint erwiesen zu sein.
Die Vorsichtsmaßregeln haben sich zu erstrecken auf das Melken
sowie auf die Gefäße. Der Versand der Milch und ihre Auf¬
bewahrung sollte auf Eis stattfinden, da dieses die Milch lange
Zeit, keimfrei hält.
Herr Dr. Hirsch, Kudowa: „Die vegetabilische
Diät in den Kurorte n.“
Nach einer Uebersicht über die verschiedenen Formen der
vegetabilischen Diät, in der für die ärztliche Praxis nur die
lakto-vegetabilische, d. h. diejenige, welche auch Eier und Milch
zuläßt, in Frage kommt, bespricht Vortragender den Wert des
Eiweißes für die Ernährung und die Unterschiede zwischen tieri¬
schem und pflanzlichem Eiweiß. Für den gesunden Menschen ist
die gemischte Kost die rationelle. In der Behandlung kommt
die vegetabilische Diät oft in Frage. Erstens entstammen dem
vegetabilischen Regime viele Kurformen, zweitens ist die vege¬
tabilische Diät bei vielen Krankheiten angebracht, und drittens
besteht eine Ueberernährung an Fleisch. Die Herabsetzung dieser
Fleischüberernährung bedeutet für viele Kuranstalten das Ge¬
heimnis ihres Erfolges. In den Badeorten wäre die Erreichung
dieses Zieles sehr zu wünschen, und namentlich sollten die Hotels
und Pensionen, welche den Badeverwaltungen unterstehen, vor¬
bildlich auf diesem Gebiete wirken.
Herr Dr. Determey er, Salzbrunn: ,,D i e Pflichten
des Badearztes gegen seinen Kurort.“
Der Badearzt hat zunächst die Verpflichtung, die natürlichen
Heilfakhoren seines Bades in Anwendung zu bringen. Er soll
Spezialist der Heilmittel seines Bades sein in dem Sinne, daß
er ihre Wirkungs- und Anwendungsweise beherrschen muß.
Ferner soll der Badearzt auch in angemessener Weise für sein
Bad Propaganda machen, aber dabei den richtigen Weg inne-
halten. Dann soll er im inneren Kurbetriebe nach Möglichkeit
auf Verbesserungen der hygienischen Verhältnisse sowie der
Badeeinrichtungen und auf die diätetische Verpflegung in den
Kurorten hinwirken. Aber um dieses Ziel zu erreichen, müssen
sämtliche Aerzte des Bades einmütig und Hand in Hand mit
der Kurverwaltung handeln.
Herr Dr. S i e b e 11, Fliusberg: ,,I) ie baineologische
Zentralstelle in Frankfurt a. M. und deren
Ziele.“
Herr*Dr. Herrmann. Kudowa: ..Die Bauordnung
und der landschaftliche und örtliche Schutz
der Kurorte nach den neuen gesetzlichen Be -
s t i m m u n g c n.“
Da den Kommunen große Lasten für das Interesse der Bäder
auferlegt siud, müssen sie auch in der kommunalen Selbstver¬
waltung viel für das Bäderwesen mitsprechen. Wichtig ist dabei
die Baupolizei für die Gemeinden, die als Kurorte anzusehen
sind. Namentlich sind die Ortsstatuten von großer Bedeutung.
Die Ortspolizei kann da z. B. alles verhindern, was dem All¬
gemeininteresse zuwiderläuft. Vortragender tritt dafür ein, daß
der Schlesische Bäder tag dafür Sorge trägt, daß die Ortssta tuten
UNIVERSITY OF MICHIGAN
mit V.<
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heute üb.
Wäscherei*
Bureaudie
Herr x,
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des Badens
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dem die Mög 1 .
Bäder und anu^
dieser Hinsicht c
Verschlimmerung d
an die Kur werden
Kur und während d
so die Kurmittel in
sind unvermeidlich,
An Stelle des ve
ler, wurde Herr B
ersten Vorsitzende
Adam, Fliusberg, zwv
in die ständige Gesundheitsk,
orte an Stelle von Herrn Gehen.
Görbersdorf, gewählt. Die Besici
Krietern, unter Führung von -
d cm Borne, bot viel Interessantes.
Varia.
L eber die Aetiologie des Glasmaelicrstars. Von S c h a n
und Stockhausen. Autoreferat von einem in der Gesell¬
schaft f. Natur- und Heilkunde zu Dresden gehaltenen Vortrag.
Die eigentümliche Starform, an der die Glasbläser •
kranken, muß mit Eigentümlichkeiten in ihrer Beschäftigung >
sammehliängen. Peters hatte angenommen, daß die be
Blasen verursachte Stauung in den Vortexvenen die Ursac
sei. Es wäre dann nicht, zu erklären, warum der Glasbläsers!
lange Jahre nur auf einem Auge und immer nur in dem Au
zuerst vorhanden ist, das der Glasbläser der Feuerstelle zukelnn.
Leber meinte, daß die Wasserverdunstung an der Hornhaut-
öberfläche und der starke Wasserverlust durch Schwitzen des gan¬
zen Körpers eine stärkere Konzentration des Kammerwassers ver¬
anlaßt, die ihrerseits die Ursache zur Linsentrübung abgeben
kann. Man müßte dann eine Trübung am vorderen Linsenpol
zuerst erwarten, das ist bekanntlich nicht der Fall, die Trübung
beginnt stets am hinteren Linsenpol. Direkte Schädigungen der
Linse könnten veranlaßt werden von den Wärmestrahlen. Diesen
gegenüber bietet die Iris als gut leitender Körper keinen Schutz,
es wäre nicht zu erklären, warum sich die Trübung auf das Ge¬
biet beschränkt, das von der Iris nicht gedeckt wird. Die sicht¬
baren Strahlen, soweit sie die Linse unverändert, passieren, kön¬
nen auch nicht als Ursache angesehen werden, die kurzwelligen
Lichtstrahlen aber und vorwiegend die ultravioletten, die von der
Linse sehr intensiv absorbiert werden, werden vor allem dabei
in Frage kommen. Cra m e r kam schon auf Grund klinischer
Erwägungen zu dem Schluß, daß die direkte Ursache der Star¬
bildung bei Glasmachern die langjährige Einwirkung der ultra¬
violetten Strahlen sei.
Schanz und S t o c k haus e n haben nun die Verhältnisse,
unter denen die Glasbläser arbeiten, genauer untersucht und das
Licht, das der Gfasofert ausstrahlt, spektroskopisch geprüft. Da¬
bei zeigte sich, daß dieses Licht frei ist von den Strahlen, die das
äußere Auge reizen, es enthält nur kurzwellige Strahlen, die vor
allem auf die Linse ein wirken. Nur dadurch, daß das Licht frei
ist von den Strahlen, die das äußere Auge reizen, ist es dem Glas¬
macher möglich, während seiner ganzen Arbeitszeit seine Augen
.... fi; i.-.ii- -.1 r, - ,
UNIVERSITY OF MICHIGAN
ISCHE KUNDSCHAU.
31
asbläsc r
xDiie' cha-
.ii-iing, ebenso,
•lein Frühjalirs-
it oft wieder-
ersuchstieiren
sind auf die
-*n. Die stark
cgelialtes diese
m der Iris nicht
Glasmacher sind
aeiimngen,
r. Kutner zur ge-
rlarn aus jeder eiu-
iere.
i70in.
.s einem Schaftrohr mit drei
ine zur Aufnahme des opti-
.lampe La dient, während die
ich ein peripherer Kanal p in
üralkanal C, in einen Auslauf
ung des Instruments in die Blase
deren Ende des Instruments münden die beiden Kanäle,
und zwar der Zentralkanal trichterförmig nach innen und
ihn überall umgrenzend der periphere Kingkanal. Schließt
man nun an den Ansatz des peripheren Kanales S eine
Saiigvorriehtung (Luftpumpe) an und bedeckt mit dein
Ende des KystoskopeS unter Leitung des Auges eine
Harnleitermündung, so saugt sich der periphere Kreisring
um die Harnleitermündung fest, und wird hierdurch ein
sicherer Abschluß nach der Blase zu geschaffen. Der Harn
fließt durch den Zentralkanal und den Auslauf A ohne
weiteres ab. Als Säugpumpe kann man die gewöhnliche
billige Wasserstrahlpumpe, die an jede Wasserleitung an-
zusehließen ist, verwenden.
Der Harn läuft in natürlicher Weise ah, ohne daß
etwa wie hei dem Harnleiterkatheterismus ein Teil in die
Blase gelangt. Ein ganz schwaches Ansaugen genügt
bereits, um den . sicheren Abschluß der Harnleiter-
mündung gegen die Blase hin zu bewirken. Eine Gefahr
der Infektion der gesunden Niere, insbesondere bei Eiter-
harn, ist hei dieser Methode vollkommen ausgeschlossen,
da kein Katheter eingeführt wird. Ebenso ist eine Vor¬
täuschung von spontanen Blutungen (welche Täuschung
sonst durch Verletzung der Ureterschleimhaut mittels
des Katheters leicht hervorgerufen wird) nicht möglich.
Bei der neuen Methode erhält man den ganzen Urin der
untersuchten Seite. Auch können durch den Zentralkanal
und den mit diesem in Verbindung stehenden Harnleiter
Medikamente in die Ureteren und Nieren eingeführt
werden.
Optik mit beweglicher Lampu.
Schaft ohne Optik.
muß der optische Teil aus dem Schaftrohr entfernt und
au dessen Stelle ein Mandrin M geschoben werden, der die
vordere Oeffnung abschließt, so daß Verletzungen der
Harnröhrenselileimhaut nicht Vorkommen können. Beim
Wechsel des Mandrins mit dem optischen System ver¬
hindert ein automatisch wirkender Kugelventilverschluß
lv\ r ein Auslaufen der Blase. Die Glühlampe La legt sich
nach Einführung des optischen 'feiles von seihst in die
schräge, zur Beleuchtung nötige Lage um. An dem am
L-r-it-- :
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Bücherbesprechungen.
Psychotherapeutische Briefe. \ on Prof. Dr. 0 p p e n li e i m ,
Berlin. 3. Auflage, Berlin 1910, S. Karger.
Der bekannte Verfasser hat eine Anzahl Briefe, die er an
Xi rvenleidende richtete, ausgewählt und zusammengestellt. .Sie
sind teilweise eine Wiederholung der mündlichen Auseinander¬
setzung, für den Publikationszweck in diesem Sinne erweitert,
teilweise aber auch.nicht fingiert, sondern (tatsächlich zur Unter-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
32
THERAPEUTISCHE A
Stützung und Bekräftigung der mündlichen, suggestiven Konsul¬
tationstätigkeit geschrieben und abgesandt. Es handelt sich in
den Briefen — elf an der Zahl — um Adressaten, die meist Neur¬
astheniker sind und an nervösen Augenleiden, nervöser Schlaf¬
losigkeit, nervöser Gehstörung u. der gl. laborieren. Ferner sehen
wir im Geiste vor uns den Hypochonder, dessen seelisches Gleich¬
gewicht durch ein physisches Trauma oder durch die schrecken-
erregende ärztliche Diagnose ,,Arteriosklerose“ gestört ist. wir
se’nen eine anscheinend Hysterische mit typischer Beeinträehli
gungsidee, wir sehen den neiirasthenischen, alle Schaffenskraft
verloren zu haben glaubenden Künstler, wir sehen endlich den'
mut- und energielos gewordenen jungen Onanisten. \\ ir sehen
aber auch, wie er der in unglücklicher Ehe ihres Seelengleich¬
gewichts verlustig gewordenen, verzweifelnden Frau Beschäf¬
tigung und treue Pflichterfüllung rät, den beginnenden Tabiker
mit der aussichtsvollen Möglichkeit eines erträglichen Stillstandes
des Leidens aufrichtet und endlich eine Zwangsvorstellung psycho¬
analytisch zum Schwinden bringt. Hie Briefe sind lesenswert für
jeden Nervenarzt, jeden Psychiater, aber auch den praktischen
Arzt. Besonders viel wird der Arzt lernen, dem nur eine mäßige ,
Suade eigen ist, dem es schwer fällt, die ständigen Einwände des
nervösen Patienten erfolgreich mit Dialektik zu bekämpfen, dem
das „suggestive, auf die Ausführung von Leistungen zielende
Verhalten“ gegenüber dem widerstrebenden Kranken, „eines der
besten Mittel bei der Behandlung psychogener Depressionen“,
nicht in genügendem Maße gegeben ist.
\V e r n. H. B e <• k e r.
Lichtbiologie. Von Dr. A. Jesionek. Professor an der
Universität Gießen. 175 S. Preis geh. 4 M. \ erlag von
Friedrich View eg u. Sohn. Braunschweig 1910. Re¬
ferent : II. E. Sch m i dt - Berlin.
Die sehr fleißige und geschickte Zusammenstellung alles
theoretisch und praktisch V issenswerten über das Licht in seinen
verschiedenen Gestalten, über seine physiologischen Wirkungen
und seine Verwendung in der Medizin dürfte infolge seiner all¬
gemein verständlich gehaltenen Darstellungsweise auch von den
Nichtmedizinern mit größtem Interesse gelesen werden und wird
zweifellos dazu beitragen, das große Publikum davon zu über¬
zeugen, daß die Lichtbehandlung nicht die Domäne der „Natur-
heilkundigen“ ist, sondern daß auch die Aerzte bestrebt, sind —
aller di
aus den
sunden um
Der 27.
21. April 19j
Herrn F. K i
Verhandlung j
18. April 1910:
h a n d lung d l.
S c, h iitz, Berlin, .
Sitzunstage, Milt
s t e h u n g und 1
mien. Berichtern.,
t r a g s a n m e 1 d u n g e n n i m
gresses, Geheimrat D
straße 13, entgegen, j»
dem 3. April 1910 ang
berücksichtigt werden. I).
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Köln-Deutz.
Können, Wttbg.
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Korbach (Waldeck).
Kupferhammer b.
| Eberswalde.
Lauenburg i. Pom.
Lindlar, Rhld.
Lobberich i. Rbld.
Löhningen i. O.
Minden, Westi.
Moorburg b. Hamburg. I
Mühldorf (O.-Bay.).
Mühlheim (Main).
Mülheim (Rhein).
München.
M.-Gladbach.
Münder a. Deister.
Munster, Hann.
Nackenheim, Rhb.
Neu-Isenburg, Kr.Offb.
Neustettin i. Pom.
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Nordgermersleben
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Oberbetschdorf i. Eis.
Oberhausen i. Rhld.
Obersept, O.-Els.
Ober-u. Nieder-Ingel-
heim, Rhh.
Oderberg i. Mark.
Offenbacn a. M.
Pattensen i. Hann.
Pinne i. Posen.
P u de rb a c h ( Kr.Xeuwied). I
Quint b. Trier.
Rastenburg, O.-Pr. I
Recklinghausen i. W.
Rhein (O.-Pr.).
Rheydti.Rhld-, A.O.K.K. !
Rothenkirchen-
Preßig, Oberfr.
Salzwedel, I’rov. Sa.
Schirmeck-Saales i E.
Schornsheim (Rbh.).
Schwandorf (Bay.).
Schwarzach i. Ba.
Schwetzingen, Ba.
Soldau O.-Pr.
St. Ludwig, O.-Els.
Stettin, Fab.-K.-K.-Vulk.
Strehla a. E.
Thalheim i. Erzgeb.
Templin, Brdbg.
Uckerrath (Siegkr,)
Urft (Sehmidtheim) Kr.
Schleiden.
Wallhausenb.Kreuznach.
Walsheim b. Blieskastel,
Weibern i. Rbld.
Weidenthal, Pfalz.
Weilheim, Bay.
Weisenau b. Mainz.
Weißenfels (Saale).
Wesseling, Rhprov.
Wessling (O.-Bay.).
Westd. Vers.-Kr. u. Unter-
stützunqs- Zuschuß- Kasse,
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Biicherbesprechungen:
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Mensinga seiil, Flensburg: 100 Fraueuleben . . . . . .
Hermann Schlesinger. Göttingen: AmtlichesHandbüchlein
für hygienisch-diätetische, hydrotherapeutische, mechanische
und andere Verordnungen.. . . . . . , -^.-
Allgemeines.. • . . . . , r
45
4(>
47
47
47
47
48
48
ALIEN.
Jeberblick über die
ii Anschauungen.
igrelen. Düsseldorf.
alirli lindert oft das Zeitalter der
.egeszug der Technik, deren Fort-
. des modernen Lebens durchgreifend
hat auch die praktische Heilkunst nicht
eil. In der medikamentösen Behandlung
.'Produktion und fabrikmäßige Herstellung
• l'tiger Arzneiformel! die Kunst der individuali¬
sierenden Rezeptur in den Hintergrund gedrängt. Anderer¬
seits sind die physikalischen Heilmethoden durch kompli¬
zierte Apparate verfeinert worden, die Technik liefert die
Maße zu exakter Dosierung der einzelnen Wirkungskompo-
nenten und zu wissenschaftlicher Erforschung der Einzel-
wirkuug, neue Apparate, wie die Röntgen-Finsen-Arson-
valscheinlnstrumentarien mache» ungeahnte Wirkungs¬
äußerungen der Naturkräfte für die Heilkunst dienstbar.
Die praktische Verwendbarkeit genau berechneter Kraft¬
äußerungen und die neuentdeckte Vielgestaltigkeit der An¬
wendungsarten physikalischer Kräfte regen zu wissen¬
schaftlicher Erprobung und Ausnutzung der Natur¬
phänomene an. So kommt es, daß in der Sturm- und
Drangperiode der Jetztzeit, im Kampfe zwischen medi¬
kamentösen und physikalischen Heilbestrebungen die
durch die glänzende Entwicklung der Technik begünstigten
physikalischen Anwendungsarten im Vordergrund des
Interesses stehen, Die gegenwärtige Etappe des Wett¬
streites zwischen den verschiedenen Behandlungsmethoden
wird man am besten rein objektiv beurteilen im Spiegel
der geschichtlichen Betrachtung. Ich beschränke mich
dabei auf einen Ueberblick über die verschiedene
Wertung einzelner Behandlungsweisen auf. jenem Gebiet
der Heilkunst, das wir heute als zur inneren Medizin ge¬
hörig ansehen.
Man unterscheidet nach Pagel, auf dessen An¬
gaben die nachfolgenden Ausführungen sich vielfach
stützen, eine primitiv empirische, rein künstlerische,
dogmatische, näturphilosophische und naturwissenschaft¬
liche Periode in der Entwicklung der medizinischen An¬
schauungen. Zu allen diesen Zeiten hat man metaphysi¬
sche, spekulative und symptomatisch-ätiologische Heil¬
bestrebungen gekannt und praktisch in Anwendung ge¬
zogen. Nur das gegenseitige Verhältnis der Wertung die¬
ser einzelnen Methoden war verschieden je nach dem
Stande der Kultur und der medizinischen Forschung. Ur¬
sprünglich bei allen Naturvölkern der Vergangenheit und
Gegenwart beherrschten metaphysische Anschauungen die
Krankenbehandlung. Bei allen Kulturnationen des Alter¬
tums, von deren Entwicklung uns die Geschichte melde!,
können wir im Anfang diesen theurgischeu Charakter der
Krankenhehandlung wiedererkennen. Die Krankheiten
waren das Werk von Göttern und Dämonen, also lag in
der Hand der Priester und Zauberer ihre Bekämpfung.
Gebete, Opfer, Talisman, Tänze, feierliche Umhertragung
von Dänionenniasken in lärmenden, mit primitiven Pomp
prunkenden Umzügen finden wir ja auch heute'noch'bei
den Naturvölkern. Doch die Beobachtung einfacher
Heilungsvorgänge hei durchsichtiger Gestaltung von Ur¬
sache und Wirkung, wie z. B. hei der Heilung von leichten
Verletzungen entkleidet auch dem einfachen Denken des
Naturmenschen die Heilungvorgänge ihres übernatürlichen
Wesens und lehrt ihn, daß außer den Göttern, Halbgöttern
und Dämonen midi die im Bereich menschlicher Willkür
liegenden Behandluugsniaßhahmen von unverkennbarem
augenscheinlichen Nutzen sind. So sehen wir schon vor
den Anfängen der Zivilisation Grundsätze einer rationellen
Empirie in praktischer Anwendung’: Umschläge, Reihun¬
gen, Massage, Schwitzprozeduren, Bäder, Blutentziehungen
als Vertreter physikalischer Therapie; gleichzeitig treten
schon mdikamentöse Anwendungen in Form von Räuche¬
rungen, Ableituugsreizen, Trinkkuren aus heilkräftigen
Quellen, Abführmittel in die Erscheinung. Weiter treffen
wir zur Behandlung chronischer Krankheiten, ■/.. B. der
Lues, liehen den Schwitzkuren immer wieder die Schwefel¬
quellen als bewährtestes Heilmittel an. Den gleichen Ent¬
wicklungsgang finden wir in der Medizingeschichte aller
alten Kulturuationen. So z. B. ererbten die Aegypter von
den astrologisch gebildeten Priesterärzten der Chaldäer
in Mesopotamien die theurgischeu Heilmethoden:, spezifi¬
sche Amulette, Zanberspriiche, Beschwörungen, symboli¬
sche Maßnahmen, astrologische Tndikationsstellung usw.
Doch daneben treten uns schon im der Schwelle der Ent¬
wicklung der Medizin die Anfänge physikalischer, diäteti-
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MICHIGAN
JNIVEF
ftN
34 THERAPEUTISCH.
scher und pharmakologischer Therapie entgegen. Die
ägyptischen Priesterärzte zogen außer den Hilfsmitteln
ihrer Heilgottheiten, von denen Isis und Osiris die geachtet -
steil waren, Bäder, gymnastische Uebungen, und eine pein-
lichst ausgearbeitete Diätetik zur Hilfe. Von ihren medi¬
kamentösen Heilmethoden berichtet der ca. aus dem Jahre
1500 v. Christus stammende Papyros Ebers, der hauptsäch¬
lich eine lehrbuchmäßige Zusammenstellung von Rezepten
enthält. Nach diesem heiligen Tempelbuch, das die
Priesterärzte auswendig wissen mußten, erfolgte die Be¬
handlung der dem einzelnen zugewisenen Patienten unter
Beaufsichtigung des Oberpriesters wie des Priesterrates,
die jede Abweichung von der aufgestellten Norm mit stren¬
gen Strafen bedrohten. Ebenso finden wir zu uralten Zei¬
ten bei den Chinesen neben Beschwörungen und Be¬
sprechungen natürliche Heilmittel. Dem Kaiser Shin-
nung wird ein auf das Jahr 2737 angeblich zurückzu¬
führendes Lehrbuch der Pflanzenkunde, das in China heute
noch im Gebrauch sein soll, zugeschrieben. Aufgüsse und
Abkochungen pflanzlicher Mittel zum Herbeiführen von
Schwitzen, Abführen, Erbrechen, ferner auch narkoti¬
sierende Heilmittel werden hauptsächlich angewandt. Von
vegetabilischen Heilmitteln sind weiter Aconit, Moschus,
Kampfer zu erwähnen. Interessant ist dort die frühzeitige
Anwendung von Quecksilberdämpfen gegen Lues. Ebenso
hat die altindische Medizin neben Gesängen und Zauberei
frühzeitig den Wert der Diätetik begriffen und auch eine
gut ausgebildete Pharmakologie gehört zu ihrem Rüstzeug.
Das Handelsvolk des Altertums, die Phönizier, machten die
damalige Hochschätzung medizinischer Droguen zu einer
ergiebigen Quelle ihrer Erwerbsbetätigung. Bei den alten
Israeliten beweist die mosaische Gesetzgebung die hohe
Entwicklung- der privaten Hygiene und der öffentlichen
Gesundheitspflege. Für die Wertschätzung der Medika¬
mente zeugt Jesus Sirach: „Der Herr läßt die Arznei aus
der Erde wachsen, und ein Vernünftiger verachtet sie
nicht“.
Historisch genau berichtet ist uns die Entwicklung
einer rationellen Therapie aus dem mystischen Stadium
heraus bei den alten Griechen. Schon während des esoteri¬
schen Stadiums der Priestermedizin wurden in den As-
klepiaden-Tempeln zu Kos, Knidos, Rhodos, Athen, Äegina
neben der Anrufung der Heilgötter Apollo, Aphrodite,
Asklepios, ferner neben dem Tempelschlaf und der Traum¬
deutung auch andere, weniger rein suggestiv wirkende
Heilmittel in Anwendung gezogen. Schon die Auswahl der
Lage der Kurtempel in ruhiger, waldreicher Gegend, in
der Nähe von Quellen und Seen bezeugt die Wertschätzung
diätetischer Einflüsse. Die Verordnung beschaulicher
Ruhe, von Bädern, Waschungen und Trinkkuren ist im
gleichen Sinne zu deuten. Weiter sind uns schon Rezept-
i'ormeln für die Anwendung innerlicher Medikamente auf
den Krankengeschichten der Votivtafeln überliefert. Für
die Schätzung pharmakologischer Therapie schon zu jener
Zeit spricht auch die Sage, daß die Schlange dem Aeskulap
ein Kraut von besonders heilkräftiger Wirkung kennen
lehrte und ihn durch dieses Medikament zum Arzt machte.
Zum Dank dafür wählten Aeskulaps Jünger die Schlange
zum Symbol ihres hilfebringenden Wissens. Der klare
Blick der Griechen durchschaute bald die metaphysischen
Nebel der Priestermedizin und gelangte zu einer rein irdi¬
schen Auffassung des Krankheitsbegriffes. Die Theorie
lag in den Händen der Naturphilosophen, von denen Pytha¬
goras und Empetokles zu nennen sind. Unbekümmert um
deren spekulative Hypothesen wurde die praktische Medi¬
zin von Laienärzten geübt. Daneben trat eine Art von
Naturmedizin in die Erscheinung. Nämlich die Gym-
nasten, die auf den Uebungsplätzen anatomische Kennt¬
nisse und manche Erfahrung sammelten, entwickelten sich
natürlich zunächst zu Spezialisten für Verletzungen. Dann
MICHIGAN
ab,
Imp
Daue,
Teil in
Zeit wuri
Kos. Die fc.
Therapie, in
des Kranke
das kranke '
Kos legte da
gen des Krai
meinzustand d,
fund, zum Angl
Aus dieser
größte Arzt des j
Geschichte immer
heutigen Tage alle .,
Er wurde etwa 4
fällt in die Zeit der Ma
Athens. Hippokrates
Wohnsitz; gerade sein
zahlreiche Erfahrungen ;
Beobachtung, kritische L
setzungslösen, systemfreit
wertete. Die Richtschnur
forcierte Eingriffe das W;
zu stören, bei jedem Eingn
Auge zu fassen, niemals nur
wirken. Seine Beobachtungei
nälirung, der Körperbewegunj.
Schläge, der Schröpfköpfe, Klyt
enthält die Schrift „de victu in
tiger und höher stehend eracbti
Therapie. „Die Wissenschaft v
wachsenden Pflanzen entspricht d.
Kunst.“ „Nun sehen wir aber, daß u.
Aerzten auch durch die Veränderunj.
heilen, und durch andere Dinge, die nieln
sondern auch jeder unkundige Laie, der da
für Behelfe der Kunst halten muß.“ Die Hei,.
„auf wieviel Art und Weise sie anzuwenden und wie sic
sich in jedem einzelnen Fall stellen“ schätzt Hippokrates
weit höher, „denn das ist der ärztlichen Kunst Anfang,
Mitte und Ende“. Die medikamentöse Behandlung konnte
natürlich zu jener Zeit nur rein empirisch auf die Be¬
obachtung am kranken Menschen sich stützen. Mit Vorliebe
verwandte Hippokrates Breell- und Abführmittel, außer¬
dem Diuretika: Meerzwiebel, Cliantariden, große Mengen
von Honigwasser. Weiter sind zu erwähnen: Gersten¬
schleim, Wein, Opium, Gemisch von Honig mit Essig,
Sellerie. Von metallischen Mitteln ist als einziges Eisen¬
rost zur Blutbildung zu nennen. Das Wirken des Arztes
rechnet Hippokrates nicht zu den Wissenschaften wie
Philosophie, Sternkunde, Arithmetik, Geometiae, Physik
usw., sonderp immer wieder betont er, daß die praktische
Medizin die Ausübung einer Kunst sei, zu der die For¬
schung der Naturkräfte nur die Handhaben biete. „Der
Arzt muß wissen, was die Aerzte vor ihm gewußt
haben; die ärztliche Kunst kann nicht von neuem er¬
funden, wohl aber durch Bewahrung, Anwendung und
Vermehrung der Vorschriften und Beobachtungen der
Alten vervollkommt werden.“ „Kurz ist das Leben, lau
ist die Kunst. Der Augenblick ist flüchtig, die Erfahrne
trügerisch, die Entscheidung schwierig.“ In diese kurzen,
vielsagenden Lehrsätze faßt er die Erfahrungen seines
Lebens und ärztlichen Wirkens zusammen.
Nach Hippokrates verfiel die griechische Medizin von
der Höhe ihres Standpunktes empirischer Kuns.tansiibung
und natürlicher Anschauung, unter dem Einfluß der Dog¬
matiker in hochtrabende Spekulation. Unter den dogmati-
JNIVERSITY OF
lSCHE BUNDSCHAU.
35
axan-
cer war
.izm den
auch über
isystenis ver-
ätzte aus dem
’iclien Medika-
!e sich in der
her Laien, die
(en besekäftig-
jnig Mithridates
in dieser Zeit die
Tm alten Korn lag
r Hand der Auguren,
en, Tanzaufführungen
le alten Römer um die
.1 Selmtz vor Krankheit
Cato hielt als enragier-
r Altväter fest und be-
nossen mit Carminis, d. i.
lenten fand vor den Augen
ugend nur. der Sauerkohl
wohl innerlich als äußerlich
Reformator trat dann in B-om
.ien geborene Asklepiades auf.
natürliche Grundlagen, und be¬
hauptsächlich mit Gymnastik,
Regelung der Ernährung. Ob-
harmakologen KleophantuS war,
mdig die Heilkräfte de,r Medika-
ausscliließlich physikalisch und
einseitige Standpunkt vermochte
Anerkennung zu erringen. Der
is, der außer, über Rechtskunde, Philo-
.lesehielite. Kriegskunst usw. auch acht
edizin hinterlassen hat, stellt ausdrücklich
ebungen auf pharmazeutischem Wege auf
.it'e mit der Diätetik und hat zahlreiche Rezept¬
en Schriften gesammelt. Die vielseitige Verwertung phy¬
sikalisch-diätetischer Maßnahmen erhellt z. B. aus der
Verwendung von Heißwasserschläuchen hei , Neuralgien,
aus der Behandlung der Lungenschwindsucht mit Milch¬
genuß, Bädoranwendungen, TorpeutineinatmUngen, Klima¬
wechsel, Enthaltung von Berufstätigkeit. Auch der Ency-
klopädist Plinius hat eine reichhaltige Pharmakologie hin¬
terlassen, und vor kritiklosen Wasseranwendungen durch
kurpfuschende Griechen gewarnt. Aus jener Zeit sind
uns auch noch die ersten Anfänge experimenteller Pharma¬
kologie überliefert in den fünf Büchern des zu Neros
Zeiten lebenden Militärarztes Pedanius Dioscorides. Dieser
stellte exakte. Nachprüfungen der gebräuchlichsten Medi¬
kamente an, z. B. Ingwer, Pfeffer, Gentiana, Aloe. Rhabar¬
ber, Wermut. Opium, Cnstorenm. Er machte sich verdient
um die Einführung und Erprobung ausländischer Heil¬
mittel mul erwähnt zuerst die chemische Gewinnung solcher
aus dem Mineralreich.
Seinen Höhepunkt erreichte der Elektizismus mit dem
130 n. Christus geborenen Gladiatoren-Arzt Claudius
Galenits. Tn seinen überaus zahlreichen Schriften suchte
er die Behandlungsgründsätze der Empiriker und
Methodiker zu verschmelzen. Er hat eine reiche Auswahl
beachtenswerter hygienisch-diätetischer Vorschriften ge¬
sammelt, z. B. als wichtigstes Heilmittel gegen die Knöt-
ehenbiklung in den Lungen führte er außer anderen Ma߬
nahmen Klimawechsel ein, einen Aufenthalt in Aegypten
oder in Tabiae. Sehröivfköpfe, Blutegel, Aderlässe spielen
eine große Rolle hei ihm. Merkwürdig ist sein pharma¬
kologischer Standpunkt. Sein Ausspruch ..Populns re-
media cupit“ zeugt nicht gerade von großer Achtung.
Andererseits hat er zahlreiche Schriften über die Arznei-
kunst verfaßt und das Anwendungsgebiet der Medikamente
erheblich erweitert; während man aber auf Grund seiner
Anschauung von ihm eine weise Beschränkung in der Re¬
zeptur hätte erwarten sollen, hat gerade er die Poly¬
pragmasie und den medikamentösen Mischmasch ver¬
schuldet. • ;
Galens geistige Herrschaft in der Medizin blieb un¬
angetastet bestehen das ganze Mittelalter hindurch. Der
Sinn für freie Forschung fehlte zu jener Zeit vollkommen,
die wissenschaftliche Weiterentwicklung war vollständig
brachgelegt. Alles Streben richtete sich nur auf Huch¬
wissen, statt der Beobachtung der Naturvorgänge galt die
genaue Kenntnisnahme der verschiedenen Lehrmeinnngen
als Ziel der Forschung. Dieser stumpfe Konservatismus
und diese Unselbständigkeit führte in der Praxis schnell
zu einem Rückfall in den Mystizismus der von metaphysi¬
schen Anschauungen beherrschten Zeiten. Mit dem Dä¬
monen- und Hexenglauben blühte wieder die Magie auf
und der abergläubische Hokuspokus der Uranfänge. Durch
Beschwörungen, Exordzismen, Zauberworte, wie das be¬
rüchtigte „Abracadnbra“ suchte man der Krankheiten
Herr zu werden. Auch die Medicina astrologica blühte
.jetzt wieder auf, zumal vom 12. Jahrhundert ab. Die
Wirkung der Heilmaßnahmen und die ihrer verschiedenen
Kombinationen wurde abhängig gemacht vom Stande der
Gestirne, ohne Stellung des Horoskops konnte keine In¬
dikation zu Verwendung der Medikamente gegeben wer¬
den. Mit religiösen Anschauungen verbrämt finden wir
diesen Aberglauben wieder in der Empfehlung des
Kirehenschlafes, in der Verordnung von Grahsteinpulver
und vom verkohltem Docht von Kirchenkerzen. Weiter
sehen wir das Zeichen des tiefsten Verfalles in der Medizin
in der widerlichen Dreckapotheke des Mittelalters, in der
aus allerlei Gewürm, aus Blut von Hingerichteten, aus
Mensclienblut die Medikamente verfertigt wurden. Zumal
die fahrenden Heilkünstler der internen Medizin prak¬
tizierten in dieser Weise auf den Jahrmärkten, nachdem
sie die Diagnose durch Urinschau gestellt hatten. Audi
in der physikalischen Medizin finden wir diesen Rückfall
in brutale Unwissensehaftliehkeit, die an den Tiefstand
zur Zeit der alten Assyrer erinnert. Durch Breunung der,
Schädeladern, tiefe Schnitte in die Schädelhaut, durch
Setzen zahlreicher Brandwunden, durch maßloses
Schröpfen, durch, massenhaftes Aderlässen an 53 ver¬
schiedenen spezifischen Körperstellen behandelte man die
falsche Verteilung und Mischung der Säfte. Nur wenigen
besseren Seiten begegnet man im Buche der Geschichte bis-
zum Ausgang des XV. Jahrhunderts. 1 Zunächst zu nennen
die Mönchsmedizin. die bis Ende des XII. Jahrhunderts
herrschte. Zwar die Bestätigung des Wissens beschränkte
sich auf die Auslegung der klassischen Aerzte des Alter¬
tums, auf Rezeptsammlungen und Zusammenstellungen
von Kuriositäten. Obwohl viele Kirchenväter, wie z. B.
Tatianus, Märeianus, Benediktas, Feinde der Medikamente
waren, so sind doch die pharmakologischen Schriften nicht
wertlos. Zn nennen sind: Das Commentarium medicinalc
von Benediktus Crispus, Erzbischof in Mailand, der Her-
tulus des Klosterabtes Walefridus Strahns, die Physica der
Aehtissin Hildegard. Aus der Mönchsmedizin erwuchs als
wichtigste, medizinische Tat. des Mittelalters die Kranken¬
pflege; aus den Klöstern wurden Spitäler. Hier hatten
zwar auch die kritiklose Hausapotheke und üherhebender
Dilettantismus ihren Ursprung, aber auch die Erhaltung
mancher alten Kultnrerrungensehaften verdanken wir den
Mönchsorden, hauptsächlich den Benediktinern.
Eine weitere wichtige Episode in der Nacht des Mittel¬
alters ist das Auftreten der Araber in der Medizin. Schon
gegen Ende des V. Jahrhunderts bestand in Dsehondisapor
eine Lehranstalt für die Medizin mit einem Krankenhaus
UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
36
THERAPEUTISCHE El
und mit eigner Apotheke. Durch Import indischer Arz¬
neien erweiterten die arabischen Aerzte den Schatz ihrer
Hilfsmittel. Gerade in der Botanik, Pharmakologie und
Chemie sind beachtenswerte Fortschritte zu verzeichnen,
manche der ältesten, heute noch gebräuchlichen chemischen
Manien, wie z. B. Alkali, Alkohol, sind der Sprache der
Araber entnommen, die erste Gradbestimmung der Arznei¬
mittel rührt her von dem Araber Alkindes. Als der be¬
rühmteste arabische Pharmakologe ist zu nennen der im
XIII. Jahrhundert lehrende Ihn el Beifar. Auch der her¬
vorragendste arabische Mediziner Avieenna, der Fürst der
Aerzte, der Verfasser des Canon, schrieb über Pharma¬
kologie u. a. ein Bach über die zusammengesetzten Arznei¬
mittel. Obwohl er auf Grund seiner in der praktischen
Ausübung gesammelten Erfahrung zur Vorsicht im Ge¬
brauch starkwirkender Mittel immer warnte, fiel er selbst
1037 einer zu hohen Opiumdosis zum Opfer. In der diäteti¬
schen Therapie haben die Araber sich das Erbe der alten
griechischen Klassiker zunutze gemacht und die Diätetik
und Hygiene zur höchsten Vollkommenheit entwickelt.
Griechischer Abstammung war die Ausbildung in diäteti¬
scher und medikamentöser Behandlung und auch die Mi߬
achtung der nur durch die Beherrschung der Technik wir¬
kenden Chirurgie. Auf den Medizinsehulen wurde gelehrt:
„Für einen geachteten Arzt schickt sich nichts anderes, als
daß er dem Kranken Rat erteilt über Speise und Arzneien,
fern von ihm aber sei jede Operation mit den Händen“.
Eine gleiche über den allgemeinen Stand der Bildung
herausragende rationelle Therapie, die ebenfalls nicht auf
Originalleistungen beruhte, sondern auf der Kultur des
Altertums sich aufbaute, finden wir vielfach bei den
jüdischen Aerzteu des Mittelalters. Der berühmteste unter
ihnen, Maimonides (1135—1204), spricht seine Stellung¬
nahme zur Heilkunst aus in seinem berühmten Tagesgebet:
„Deine Erde, deine Ströme, deine Berge hast du mit heil¬
samen Stoffen gesegnet, sie vermögen deinen Geschöpfen
Beiden zu mildern und ihre Gebrechen zu heilen“.
Im Mittelalter ist als eine Periode des Fortschrittes
in der Medizin schließlich noch zu verzeichnen das Auf¬
blühen der salertinisehen Schule. Der Höhepunkt der sa-
lertinischen Hochschule und ihrer civitas hippocratica fällt
in das 11.—12. Jahrhundert. Berühmt ist, das Regimen
sanitalias Salertianüm, eine Sammlung diätetischer Lehren
und medizinischer Vorschriften in Versform. Als weiteres
Schulbuch speziell für Pliarmacie ist das Antidotarium des
Nikolaus Präpositus (1140 ca.) bekannt. Damals stieg die
Arzneimittellehre so hoch im Ansehen, daß die anderen
Gebiete durch sie zurückgedrängt wurden. Nach Abschluß
der wissenschaftlichen Studien mußten die Zöglinge auf
Grund der Medizinal-Verfassung des Königs Roger einem
Examen sich unterziehen, indem sie geprüft wurden „aus
den echten Büchern des Hippokrates. des Galecn und des
Elm Sinn“. Vor Zulassung zur Praxis mußten sie dann in
einem praktischen Jahr ihre Fähigkeit zur Ausübung der
Heilkunst naohweisen. Dieses Jahr durfte aber nicht an
einer theoretisierenden Akademie absolviert werden, son¬
dern in der Praxis unter Leitung eines erfahrenen Arztes.
Diese im XIII. bis XV. Jahrhundert ganz vereinzelte
Erscheinung einer Prärenaissance in der Medizin vermoch¬
ten jedoch nicht den allgemeinen Tiefstand in der Therapie
zu beeinflussen. Erst mit Beginn der neuen Zeit, also vom
Ausgang des XV. und Beginn des XVI. Jahrhunderts an
ist auch in der Medizin wissenschaftlicher Fortschritt zu
verzeichnen. Diese neue Epoche in der Medizin entspringt
dem Charakter der allgemeinen Verhältnisse jener Zeit,
Die Entdeckung der neuen Welt, die Anbahnung neuer
Handelsbeziehungen, die Erforschung neuer Verkehrs¬
straßen, die Erprobung der Naturprodukte der fremden
Länder entwickelte das Bestreben, der praktischen Heil¬
kunde neue Hilfen zu gewinnen. Das AViedererwaclieu der
ERSITY OF MICHIGAN
klassis,
druckerk
drängte zi
meinungen n
In der Medizin
die Wissenscli
freite und 154
bricca“ den bl
durchbrach,
ger Neuerer Pa
Logik, ungetrübt
bewußtsein warf t
heit wie Büclierwe
Galen und Ebn Sin.
achtendem Hohn in ei
des realen Lebens erbt
\4 T issens. „Unsere Kn
Verachtung des Biiehei
nicht, selbst eine größei
„Heilung der Lues“, „Ue,
Pfaffers“, der Nachwelt zu
sein starrer Charakter vol
kühne Vertreter freier, Vom
Naturbeobachtnng war an
Mystiker, kabbalistischen um.
abhold. Auch seine Pharma
phantastischem Aberglauben,
hat er sich ein bleibendes Verdi»
Prüfung und Neubearbeitung de
Einführung mancher chemischer
der Tinkturen und spirituösen I.
daß damals schon die Verwemlum
Lues vielen Anfeindungen ausges
celsus sieb veranlaßt sali, für den ,
eine Lanze zu brechen. Um dieselb.
Chirurg Beveugar von Capri Schmier.
Salbe in die Therapie ein und erwarb durch *
einen enormen Reichtum. Als Nachfolger in de
sehen Bestrebungen des Paracelsus sind historisch
Joseph du Chesne, Winther von Andernach, Zwinger in
Basel, Michael Döring. Aber im XVI. Jahrhundert waren
die Macht des Aberglaubens, der Einfluß des Neuplatonis-
mus, die allgemeine Unwissenheit noch zu groß, als daß
eine, rein pharmakologische Therapie allgemeine Ver¬
breitung hätte linden können. Tn der breiten Praxis
herrschten noch Astrologie, Alchemie, der Stein der
Alteisen und andere Lebenselixiere, Zaubermittel und Heil¬
produkte aus Schlangen, Kröten und anderen ekelhaften
Substanzen. Auf den Jahrmärkten trieben noch die Stein¬
schneider und Okulisten ihr Unwesen, die Narrenschneider
operierten den Patienten die krankmachenden Steine aus
der Kopfhaut, die Narrendoktoren destillierten mit großen
dampfgefüllten Retorten die quälenden Grillen aus den
Köpfen.
Nachdem im XVI. Jahrhundert die Anatomie refor¬
miert war, die gebildeten Aerzte mit der griechischen Me¬
dizin wieder bekanntgemacht waren, die praktische The
rapie durch Paracelsus die Anregung zu einer gründlichen
Neugestaltung erfahren hatte, brachte das XVII. Jahr¬
hundert wissenschaftliche Richtschnuren in die Phy¬
siologie.
Die Chemie wurde zur Wissenschaft geprägt durch
R o h e r t B o y 1 e , die Erfindung der zusammengesetzten
Mikroskope bahnte der Naturforscliung neue Wege. H a r-
v c y s Veröffentlichung des Blutkreislaufes 1628 stellte die
Physiologie auf den Boden der exakten Naturbetrachtung
und erwies unwiderleglich die Unzulänglichkeit aller über¬
kommenen naturphilosophischen Hypothesen.
Die theoretische Medizin im NAHT. Jahrhundert zerfiel
in drei Hauptrichtungen. Die mystiseh-naturphilosophiselie
. . ■
UNIVERSITY OF MICHIGAN
-3CHE RUNDSCHAU.
m
r i a ii mittel mul Allerantia, suchte durch Steigerung der Aus-
utii ln 1 leermigen die kraiikmuehendeii Stockungen zu .heben. Als
. der sieh weitere therapeutische Theorien des XVIII. Jahrhunderts
. J * h ii n n sind zu erwähnen die nervosistisehe Theorie ('ul lens,
orrngendsten der Brownianisnms englischer Herkunft, der französische
ms. Aehnlicft von B o r d e u x und Bart h e n z begründete Vitalismus.
1 niii n t trotz Als vernünftigere, angemessenere Forschuugsmethode ist
in praktischer die analytische Schule in Montpellier zu erwähnen. Der
il.l gründliche bedeutendste Praktiker des XVIII. Jahrhunderts war der
wir die Aner- Eklektiker Boerhave, der ein diätetiseh-expektatives
uikalicu im Ar/.- Heilverfahren auf der Basis einer rationellen Therapie ver-
■ itrikor und Jatro- trat, also wieder dem hippokratischen Standpunkt zu An-
. iilcr physikalische sehen verhalt'. Sein Schüler, van Sv ie teil, der durch
>egriinder der jatro- Maria Theresia nach Wien berufen, dort die berühmte ältere
- e S y ivins sprach Schule ins Leben rief, hat durch gründliche pharmakologi :
uklieitsursache an. In sehe Studien die niedikanieiitöse Therapie bereichert, Tn
•antia, Alterantia und dieselbe Zeit fallen A n ton S t o e r c k s Beiträge zur ex-
ng von Erbrechen und periinentellen Pharmakologie. Die weitaus wichtigste
ler jatrophysikalischen therapeutische Leistung des XVIII. Jahrhunderts war die
ehr die Bedeutung der am 14. Mai 1795 von Jenner eingeführte Kuhpockeii-
ibilis und bevorzugte da- impfung. Nicht nur die Pocken haben seit jener Zeit ihren
r hervorragendste Vertreter Schrecken für Europa verloren, sondern auch für die an-
ationelle. womöglich diäteti- deren Infektionskrankheiten ist diese, den subtilstem Natur¬
uni alle Doktrinen der da- Vorgängen abgelauschte prophylaktische Therapie ein
,rauen auf die Heilkunst der Muster geworden, Krankheiten zu verhüten und zu heilen
iktisehe Arzt Thomas Sy- durch wissenschaftliche Naturmedizin im edelsten Sinne
London der englische Hippo- des Wortes.
zur Bekämpfung der fehlerhaf- Trotz des schnellen Aufschwungs und der gewaltigen
aren Abführmittel, der Aderlaß ! Fortschritte der Naturwissenschaften im XVII. und XVIII.
Chinarinde, die im XVII. Jahr- j Jahrhundert, trotz der bevorzugten (sozialen Stellung und
■r Ipeeaeuanha-Wurzel und der tiefen Bildung der Aerzte zu jener Zeit kam es in der
große Verbreitung fand. In den Pebergangszeit vom XVIII. zum XIX. Jahrhundert noch
.rztlichen Wirkens fand dieser zu- einmal zu einem bedauerlichem Verfall der Medizin. Hieran
.tische Standpunkt nicht die ver- war Schuld unsere ererbte Ehrerbietung vor philpsöphi-
hreitung. Damals war die Zeit der sehen Spekulationen, die Auswüchse der humanistischen
uisse und des kritiklosen Purgierens. Bildung, von denen die griechische Kultur frei war. In
pie nicht ausreichte, dann wurden sorg- jener Zeit hatte die S c h e 1 1 i n g sehe Naturphilosophie,
.euere Säfte dem Körper durch Klystiere ein trivales Phrasengeklinipel, ein Spiel mit geistreichen
amals ergoß sich der Aerztespott Moliöres Paradoxen, das klare Denken verwirrt. So machten sich
aß, Purganz und Klystier. Trotz dieser Poly- auch in der Medizin metaphysische Phantastereien, abge-
pragmasie, trotz der noch nicht gebrochenen Herrschaft : schmachte Spekulationen und obskurer Symbolismus breit,
der Astrologie und Alchemie, des Horoskops und der Harn- Hier liegt der Grund, daß die kritiklosen Schwärmereien
schall stiegen damals die Aerzte höher in der Achtung des M e s m e r s vom tierischen Magnetismus seihst beaebtens-
Volkes als seit langen Jahrhunderten, und auch höher als werte Geleinte wie Keßler, Kieser, R insgeis,
in Zeiten späterer einsichtsvoller Wertung der Wissen- Nasse Himnoser, Willfahrt, Eschemeier
scliaft. gefangen nehmen könnten! Auf demselben Boden erwuchs
Das XVIII. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, H a h n e m a n n s Homöopathie, die die verstümmelte
brachte erhebliche Bereicherung des Wissens in Anatomie ; Lebenskraft umzustimmen sich bestrebte durch Mittel,
und Physiologie. Die Namen Valsalva, K a m p er, die beim Gesunden einen dem zu bekämpfenden Krank-
L i e u t a u d , Douglas, Morgagni, Scarpa. heitszustand möglichst ähnlichen Zustand hervorrufen
W r i e s Ii e r g , Z i n n , Meckel, Li e b e r k ii li n . sollten und deren Wirkung mit der Minderung ihres Ge-
Wol ff, La voisier erinnern an die große Zeit. Bei haltes angeblich zunahin. Diese Methode, die theoretisch,
weitem der bedeutendste Forscher des XVIII. Jahrhunderts aber nicht re vera eine medikamentöse Therapie ist, erwarb
war der Physiologe AI brecht von Haller, dessen sich damals die überwiegende Mehrzahl der Aerzte zu An-
Geist heute noch in der Wissenschaft weiter wirkt. H y r 11 hängern. Auch J o h a n ii G ö 11 f r i e d R a d e m a e h e r s
bezeichnet seine führende Stellung in der Physiologie mit Erfahruiigsheilniittellehre gehört in das Gebiet dieser spe-
der Bemerkung, daß natürlich jeder Physiologe sich für kulativen Phantastereien und ebenso die parasitäre Schule
den bedeutendsten Forscher dieses Faches lullte, daß aber C a r 1 W i 1 Ii e 1 in S t a r k s und B r onsiiis Irritations-
Einstimmigkeit darüber herrsche, Alb recht von lehre.
Hallersei die Palme des zweitbesten Physiologen aller Im XIX. Jahrhundert gewann in der Medizin die
Zeiten zuzuerkennen. Die theoretische Medizin jener Zeit wissenschaftlich -empirische Methode die Oberhand. Dem
bewegte sich vielfach auf dein Boden der Systeme. Hoff- Charakter des Zeitalters entsprechend wurde die Medizin
in a n n in Halle machte von seiner Theorie des tonischen in das Gebiet der Naturwissenschaft eingereiht. Beob-
oder ntonischen Zustandes der Organe als Krankheits- aehtung und Experiment wurden die alleinigen Grundlagen
Ursache sein therapeutisches Handeln abhängig und ver- der Forschung. Die Fortschritte in Anatomie, besonders
ordnete daher Sedativa und Antispasmaticn einerseits, Physiologie, Chemie, und Physik lieferten der Heilkunde
wertvolle Beiträge. Die pathologische Anatomie und die
Bakteriologie brachten neues Licht in manches alte
Problem. Die Diagnostik ist vervollkommt, ihre Grenzen
der teleologische Animismus S t a li 1 s, verwarf Fieber- sind im reichsten Maße erweitert, die Methode ist aufs
JNIVE
Köbarantia und Toniea andererseits. Von ihm stammen
als Alterans hei chronischen Krankheiten die heute noch
sehr beliebten Hoffmanns-Tropfen. Das zweite System,
DF MICHIGAN
THERAPEUTISCHE R
sorgfältigste verfeinert worden, die modernsten Fort¬
schritte der Technik, die subtilsten Erfahrungen der
Mikrobiologie, wurden ihr dienstbar gemacht. Auch in
der Therapie zeigte sich gegen den anfangs vorherrschend
vertretenen ungläubigen Nihilismus iu der zweiten Hälfte
des XIX. Jahrhunderts eine zuversichtliche Aktivität und
der neugestaltende Einfluß der Fortschritte in Technik und
Naturwissenschaft, Der Induktionsstrom, die galvanische
Elektrizität, medikpmechanisehe Maschinen, die Röntgen¬
strahlen, die Hochfretjuenzströme und die übrigen ent¬
deckten neuen Krafterscheinungen wurden mit rastlosem
Eifer durchforscht und zu Heilzwecken nutzbar gemacht.
Die einzelnen Wirkungsfaktoren der Wasserbehandlung,
der respiratorischen und Inhalationstherapie, weiter der
Diätregelung, der Elektrizität, des Lichtes, der Massage
und Gymnastik und so fort wurden in ihrer Wirkungsstärke
experimentell analysiert und einer exakten Dosierung und
Berechnung zugänglich gemacht. In der Pharmakologie
ist das Experiment souverän geworden. Durch dio Rein¬
darstellung zahlreicher Mittel, wie z. B. Atropin, Kokain,
Chloralhydrat, Kreosot, Salizylsäure, ist die Erreichung der
im Einzelfalle erstrebten Wirkung sicherer und exakter
geworden. Die Entdeckung neuer Mittel, z. B. Morphium,
Strychnin, Chinin, Kokain, Salizylsäure, um die allerwich¬
tigsten zu erwähnen, hat den Kreis der Therapie erweitert.
Die chemische Analyse und Synthese komplizierter Ver¬
bindungen gab die Möglichkeit, ungewünschte Neben¬
wirkungen zu umgehen, die indizierte Hauptwirkung mit
großer Sicherheit zu gewinnen. Schließlich haben wir in
der Organtherapie, in der Verwertung der Heilsera, auch
in der Tuberkulinanwendung, und neuerdings in Wrights
Y aceintlierapie Heilmethoden spezifischer Art, eine wissen¬
schaftliche Nachahmung der natürlichen Heilvorgänge,
eine ätiologische Therapie. „Der Arzt der Zukunft wird
Immunisator sein“, lautet Wrights Motto zu seinen
„Studien über Immunisierung“. Diese (auf Grund von
Opsoninbestimmungen) in jedem einzelnen Falle durch ex¬
perimentell kontrollierbare Dosen spezifischer Mittel be¬
wirkte Anregung der natürlichen Heilvorgänge des Or¬
ganismus wäre eine streng wissenschaftliche Therapie.,
Aber diese spezifische Therapie ist ausschließlich bei ein!-’
gen Infektionskrankheiten anwendbar. Auch die Organo¬
therapie ist eine ätiologisch fundierte Beeinflussung des
erkrankten Körpers, aber sie arbeitet mit rein empirisch
festzustellender Dosierung; auch ihr Anwendungsgebiet ist
auf eine kleine Anzahl von Zuständen beschränkt. Für
die weitüberwiegende Mehrzahl von Krankheiten, gleich¬
gültig, ob deren Aetiologie geklärt oder Geheimnis ist,
richtet sich die Anwendung der Medikamente nach empiri¬
schen Grundsätzen. Ferner ist auch die jetzt angebahnte
spezifische Therapie der Infektionskrankheiten nur ein Teil
der Behandlung, manchmal ein recht kleiner Teil, während
die Regelung der Lebensführung, die Sorge für hygienisch
günstige Außenbedingungen, die physikalische und phar¬
makologische Bekämpfung vorherrschender Symptome die
Hauptaufgabe der Behandlung bleiben wird. Also nur bei
wenigen Krankheiten läßt sich vielleicht ein Teil der
Therapie mit der Sicherheit des wissenschaftlichen Ex¬
periments bestimmen. Im allgemeinen bleibt die Behand¬
lung des erkrankten Menschen eine künstlerische Aufgabe.
Die Erfahrungen der wissenschaftlichen Forschungen lie¬
fern nur die Handhaben zur Ausführung zu der einen neuen
Zustand des Körpers gestaltenden Tat. Ebenso wie der
Architekt hei der Ausübung seiner Kunst die Gesetze der
Wissenschaft kennen und in Anwendung bringen muß,
ebenso muß der Arzt bei der Vollbringung seiner Tat auf
den Grundlagen der Wissenschaft aufbauen. Aber man
darf nicht verkennen, daß bei der Behandlung eines Pa¬
tienten die Wissenschaft nur ein Behelf der Kunst ist, daß
sie nur dienend dem Schaffen zur Seite steht. Der Arzt
UNIVERSITY OF MICHIGAN
wird u
je nach t
auch nach
Methode ZI
bevorzugen.
allen Zeiten ni/
lieilkünstleris
war, sondern
kalisch-diätet’
suggestiven Ti.
,,T)ns Leben ist 1\
Zur Bebam
Von Dr. Hug.
Der akute Schnupt
und mehr Gegenstand
sowohl der Schnupfen u
der Erwachsenen. Tat*
einfache akute katarrha
Schleimhaut Beachtung nr
Umständen imstande ist, ta
Lebensfreudigkeit des Erwa
trächtigen, Sie bedarf um s
keit, wenn sie als Komplikatk
Luftwege, von Anginen usw. i
Bisher wurden nun zur B
hauptsächlich Pulver empföhle
Mittel xtif tSoXijy war die Borsäi
in Verbindung mit anderen
luitteln, wie Kokain, Sozojodolna
ferner Sacch. lactis mit Adrenalinp
Diese Mittel leisten ja wohl alle meh
verwendete; allein sie sind durchweg \
als ideale Medikamente in,der Behandli
gelten zu können. Dafür sind sie bei wei,
genug.
Eine bedeutendere Rolle scheint die Bolus
zu sollen, welche ganz kürzlich (cf. Münchener mediz.
Wocheiisclir., 1909, Nr. 47) Privatdozent Dr. Tr um pp
in die Therapie des akuten Schnupfens eingeführt hat,
nachdem J. Stumpf 1 ) und weiter Nassauer 2 ) sie
hei Diphtherie, als antiseptisches und aseptisches Verband¬
mittel und zur Behandlung des „Ausfluß“ empfohlen hatte.
Tr um pp rühmt sie sehr und erklärt 1. c. „in frischen,
günstigen Fällen bei richtiger Anwendung des Mittels
imstande gewesen zu sein, auch den heftigsten Katarrh
innerhalb 24 Stunden zum Stillstand zu bringen und in
weiteren ein bis zwei Tagen den restierenden Schwellungs¬
zustand der Schleimhaut gleichfalls zurückzubilden“. Er
habe von keinem anderen Mittel gleich günstige und rasche
Erfolge gesehen.
leb habe sein Mittel noch nicht nachgeprüft, bin aber
andererseits in der Lage, noch ein anderes therapeutisches
Medikament vorzuschlagen und zur Behandlung des akuten
Schnupfens angelegentlichst zu empfehlen, das ist die
essigsaure Tonerde, der Liqu. aluminii acetici. Es scheint
mir, daß sie eine ausgesprochene Konkurrentin der Bolus
alba ist.
T r u m p p verlangt von dem Schnupfenheilmittel mit
Recht fünf Eigenschaften; 1. es muß ein Desinfektions¬
mittel sein, es muß die bakteriellen Erreger des
Schn u p fen's u ns c h ä d 1 i c li m a c li e n; 2. es muü
die bestehende v er in ehrte Sekretion ein d ii. m -
men; 3. muß es absolut unschädlich sein;
1 ) J. Stumpf: Münch, med. YVochenschr., 1908, Nr. 22
und ibid., 1908, Nr. 46.
2 ) M. Nassauer: Ibid.,, , 1909, Nr. 15.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
.ISCHE RUNDSCHAU.
39
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xen Spülung:
n angewendet —-
ein, als eine Prise
s affi zierte Gebiet
bissigen essigsauren
Ion. Auch eignet sie
ns und macht die ein-
.inpräpgraten, wie sie
Schwellung der Nasen-
Ton benötigt, durchaus
as Glas mit der verdünn-
an die Nase, wie man es
den Mund ansetzt, zieht
,• einer Schüssel mehrmals
ein, his sie womöglich teil-
Snm erscheint, und läßt
ltum in die Schüssel zuriick-
ig der Nase geschieht dann
tiges Ausschnauben ihres In-
e Erleichterung der Atmung,
ird beseitigt, die Schwellung
, die Passage zur Atmung wird
fieser Prozedur geschieht nach
am Tage.
kann man selbst den schlimmsten
i eoupieren: er kommt gär nicht zum
„riges Stadium fehlt, in 2:—3 Tagen ist er
den kleineren Kindern, welche nicht selbständig
mit der Nase aufzuschlürfen vermögen, benutzt man einen
mit Watte armierten Triller (wie ihn die Otologen ver¬
wenden), befeuchtet ihn mit der verdünnten, % proz.
essigsauren Tonerde und fährt damit ein- oder zweimal in
jedes Nasenloch, am besten bei zurückgelehntem Kopfe des
Kindes oder wenn es auf dem Rücken liegt.
Auch diese Applikation ist außerordentlich einfach
und wesentlich bequemer, wie die Einstäubung des weißen
Tons mittels ehies Pulverbläsers, wie ihn Trum pp zur
Einführung des Pulvers in die Nase von kleinen Kindern
nötig hat.
Die beschriebene Methode wende ich in eigener Fa¬
milie seit einem halben Jahre an, habe sie auch am eigenen
Körper geprüft und finde sie wesentlich besser als alle
früheren. Ich kann sie deshalb — n e b e n der T r u in p p-
schen - aufs beste auch anderen empfehlen.
Hausierhandel mit Arzneien.
Nach den klaren gesetzlichen Bestimmungen unterliegt
es keinem Zweifel, daß der Hausierhandel mit Arzneimitteln
verboten ist. ln § 5(1 der Reichs-Gewerbeordnung heißt es
kurz und deutlich: „ausgeschlossen vom Ankauf oder Feil¬
bielen ,yn Umherziehen sind: 9. Gifte, gifthaltige Waren,
Arzneimittel und Geheimmittel“. Trotz dieser klaren Be¬
stimmung wird der Hausierhandel mit Arzneien in einer Aus¬
dehnung beirieben, die sich zwar nicht so direkt, wohl aber
in der hinter ihm stehenden Arzneimittelindustrie erkennen
läßt, daß man im höchsten Grade erstaunt sein muß, wie
sich eine solche unter den Augen der Behörden zu ihrem
enormen Umiäng entwickeln konnte.
Mehr oder weniger große „Fabriken“ oder „pharma¬
zeutische Laboratorien“, wie sie sich meist nennen, bringen
ihre Erzeugnisse hauptsächlich auf zwei Wegen an den
Mann: entweder ihre Waren werden von ihren Abnehmern,
den Hausierern, dem Publikum direkt ins Haus gebracht,
oder aber sie unterhalten an den verschiedenen Orten heim¬
liche Niederlagen, die ihre Vorräte ergänzen oder auch von
Agenten, meist Frühjahr und Herbst, zwecks Neufüllung
aufgesucht werden. In einer einzigen Zeitung, die in ge¬
wissen Wirtschaften und Logierhäusern durch ganz Deutsch¬
land verbreitet, ist, fanden sich in kaum Jahresfrist nicht
weniger als zirka 50 verschiedene „Fabriken“, die ihre
Produkte an Händler und Hausierer anboten. Aus den Pro¬
spekten dieser Firmen kann man ein ungefähres Bild ge¬
winnen, ,m welchem Umfange diese arbeiten. Wenn auch
manche Prospekte ziemlich dürftig sind, so treffen wir doch
zahlreiche andere an, deren Ausstattung und Vielseitigkeit
auf einen großen Umsatz schließen läßt. Wir lesen auf den
Köpfen der Briefe, die mit Schreibmaschine geschrieben
sind, Angaben von Bankkonten, Fernsprechanschluß und
Telegrammadressen.
Selten wird man feststellen können, wieviel eine ein¬
zelne Person monatlich vertreibt, doch gelingt es wohl mal.
So bezog ein einziger Hausierer, der schon öfter zur An¬
zeige gebracht war, und nach seinen eigenen Angaben die
Strafen, als Geschäftsunkosten bucht, in einem einzigen
Monat laut beschlagnahmter Rechnungen für 65 Mk. Tropfen
und Tee. Das entspricht nach den Verkaufspreisen für die
bezogenen Mittel Ungefähr einein Monatsumsatz von 250 Mk.
(Die Herren schlagen mehr als 60 Prozent auf, viele ..Fa¬
briken“ liefern Teepackungen mit. dem aufgedruckten Preise
von 1 Mk. zu 25 Pfg., der teure Apotheker müßte sich dafür
nach der Reichs-Arzneitaxe 40 Pfg. berechnen!) Es ist
zu bemerken, daß die angeführte Rechnung sich aus ein¬
zelnen kleineren Bezügen von 5—6 Mk. zusammensetzte, da
Neulieferung; erst nach Verkauf der vorhergehenden erfolgte.-
Ein anderer Hausierer erzählte dem Polizisten, der ihn
verhaftete, seine Firma schickte außer ihm an hundert, Leute
ins Land.
In verschiedenen Prozessen, die gegen solche Hausierer
und Händler angestrengt wurden, hat sich gezeigt, daß hinter
diesen auch zur Verteidigung diese Industrie steht. Es
wird .schon ganz geschickt mit den berühmten „Vorbeu¬
gungsmitteln“, „Genußmitteln“ und ähnlichen juristischen
Errungenschaften operiert. Wir lesen auf zahlreichen Pro¬
spekten über Alpenkräutertee verschiedener Firmen : „Kein
Geheim- oder Arzneimittel, wohl aber als diätetisches Genuß-
mittel, ein vorzügliches Kosmetikum und Vorbeugungsmittel
bekannt!“ Eine Firma macht es ihren Kunden besonders
bequem, sie annonciert ihren Tee mit dem Bemerken: „jetzt
frei verkäuflich, laut Gerichtsurteilen verschiedener Ge¬
richte in Berlin, Elberfeld, Nürnberg. Abschriften der Ur¬
teile auf Wunsch gratis und franko.“ Diese Urteile
finden sieh in einem Büchlein zusammengestellt, daran an¬
schließend nachmalige Wiedergabe der Verhandlungen
aus pharmazeutischen und drogistischen Zeitungen, aus
letzteren zugleich mit einem kleinen Hieb auf die „Pharma¬
zeutische Zeitung“ ,und den Apothekerstand. Aus diesen
Verhandlungen kann dann ein jeder lernen, unter welchem
Namen die Sachen zu verlangen bezw. zu verkaufen sind,
ohne der Polizei eine Handhabe zum Einschreiten zu bieten.
Auf denselben Prospekten, auf deren Vorderseite andauernd
der Charakter des „Familiengetränks“, ,.Vorbeugungs¬
mittels“ usw. betont ist,, finden wir auf der Rückseite zahl¬
reiche Empfehlungs- und Dankschreiben, in denen Per¬
sonen die Heilung ihrer Krankheiten bestätigen. In einem
Falle ergab eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft unter
Hinweis'auf die Adressen dieser Käufer, die doch als Kranke
aufgetreten sind und deren Dankschreiben andere Kranke
40
THERAPEUTISCHE
zum Ankauf bewogen sollen. Mali die fragliche Firma nur
„en gros" liefere und als solche auch mil lloihniltcln hau
dein, dürfte, aber auch ohnedies nicht dafür verantwortlich
zu machen sei, wenn ihre Fabrikate von einzelnen Käufern
als. Heilmittel betrachtet würden. Dabei findet sich in
einigen Dankschreiben nicht, nur der Hinweis auf einen
Hausierer, sondern ist derselbe als „Ihr Herr Reisender
N. N.“ benannt. Unter den Bezugsbedingungen der gleichen
angeklägten Firma lesen wir in großen Buchstaben: „Art
des Vertriebes:
„Folgende Art hat sieh am besten bewährt, den Tee. zu
verkaufen. Die Reklamezettel, die reichlich bei jedem Post¬
paket umsonst mitgeliefert werden, verteilt man in den
Häusern, nach einigen Stunden holt man die Zettel wieder
ab und bietet bei- der Gelegenheit den Tee zum Kauf an.“
„Liefere Ihnen die Postsendung 5 kg = 27 Pakete, so daß
Sie für 27 Mk. Ware erhalten und dafür nur 0,75 Alk. zu
zahlen brauchen, das ist für Sie ein Nutzen von 20,25 Mk.
hei jeder Sendung.“
Aehnliche Winke zum Verkauf der Mittel finden sich bei
zahlreichen .anderen Firmen.
Es ist gewiß kein Wunder, wenn diese Händler immer
dreister werden und vor aller Augen ihr Handwerk treiben,
wenn.sie selber sehen, wie es der Behörde unmöglich ist,
gegen sie .einzuschreiten. Belustigend wirk!, wenn unter
den zahlreichen Listenmitteln ab und zu zu lesen ist: „frei-
gegeben“ oder „als Destillat frei".
Ganz besonderer Beliebtheit erfreuen sich die verschie¬
denen Hiengfong-Essenzen, die in keinem Verzeichnis fehlen,
und fast niemand von den Fabrikanten versäumt dabei, sehr
dringend vor den vielen Nachahmungen gerade seines Prä¬
parates zu warnen und dabei zu erklären, daß er der aller¬
billigste Lieferant ist. Dann isl es der Alpenkräuterlee, der
nirgends fehlt. Die Hersteller wissen hier mit den verschie¬
densten Argumenten gerade ihren Tee als allein guten hin¬
zustellen. „Besteht aus den edelsten Kräutern des Harzes
und der Alpen“, „die Kräuter werden von erfahrenen heulen
im Gebirge sorgfältig gesammelt, in meiner Fabrik unter
meiner persönlichen Leitung untersuch! und mit den
neuesten ..Maschinen nach besonderem Verfahren znbercitct“,
öder: „hergestelll nach Vorschrift des Herrn Hof- und
Med.-Rat Dr. Schwartz“. Ferner: „Patentamtlich registriert
D. B.-W. Nr. . . .“ Ein anderer schreibt mil großen Lettern
unter den Namen seines Fabrikates: „Laut Allerhöchster
Verordnung Kaiser Wilhelms II dem freien Verkehr über¬
lassen.“ Wieder einer schreibt: „Die Herren der midi-
zinisehen Wissenschaft, Dr. Höchtlotter, Dr. Martin und
mehrere hervorragende Aerzte erklärten diese Teemischung
als ein praktisches diätetisches Gcnnßmittel“, und so geht
es weiter.
Feber sein Eukalyptusöl schreibt eit) Fabrikant, daß es
das „einzig reelle Mittel sei, das zahlreichen Kranken in
schlaflosen, kummervollen Nächten Genesung gebracht".
Dann sagt er weiter: ..Als unermeßliche Golleshille müssen
wir daher dieses wunderbare Del bezeichnen, welches der
weise Schöpfer zum Heil der leidenden Menschheit er¬
schaffen und welches ich mit Vieler Mühe unternommen
habe, einzig zum Wohle der vielen armen Leidenden aus dem
fernen Erdteil zu importieren und in den Handel zu bringen.“
Interessant lautet dann der Schluß seiner Warnung vor
den vielen „gewissenlosen Konkurrenten“: . als ein
wenig entschuldigend für diese Menschen mag allerdings in
Betracht kommen, daß diese Herren von australischen Ver¬
hältnissen, am allerwenigsten vom Eukalyplusbaum, keine
Ahnung haben, daher gezwungen sind, ihren Bedarf hei
Zw schenlnlndlern zu decken, wodurch natürlich jede Kon¬
trolle und Gewißheit über Köhlheil verloren geht“.
Besonders verbreitet sind noch die bekannten Thüringer
Mittel, wie Hamburger Pflaster, Jerusalemer Balsam, Har-
lerner Del, Sulzberger Tropfen, Wunderbalsam, Boßessenz,
Krön essen z u. a. m. Seltener scheinen sich Menstruations-
Irop
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wir ,nic.
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schreiben,
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und .wenn n
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Mengen von
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Behörden dem
wird es nicht ga
betrieb leidet am
man kann auch h.
der immer zu finden
rider uns neue Pflic.
uns gegenüber förtge:
REI
Cl,
Referent: Spezialai
1. Ueber die Verwendung
Von Lotheiss on. Oesterrei
Nr. 20.
2. Einige Bemerkungen
unteren Körperhälfte. Von Mo
Wochenschr., .1909, S. 2107.
3. Frakturbehandlung nach £
Von Christen, Bern. Müncht
S. 2466.
4. Fortschritte im Druckdifferenzve
kale Operationen. Von W. Mo vor, x
med. Wochenschr., 1909. S. 2414.
5. Läßt sich für die Anwendung der inti«*
salzinfusionen bei der Peritonitis eine bestimmte
Stellung ergründen? Von v. L i c h i o n h o rg, Straßburg.
Münchener med. Wochenschr., 1909, S. 2464.
6. Traumatische Perityphlitis. Von Tiegel. Dortmund.
Münchener med. Wochenschr.. 1909, Nr. 46.
7. Die ,,Spätoperation“ der Appendizitis. Von Klaubor,
Prag. Prager med. Wochenschr., 1909, Nr. 47.
S. Zur chirurgischen Behandlung des chronischen Ikterus.
Von Kehr, Halberstadt. Münchener med. Wochenschr., 1909,
Nr. 48.
9. Zwei Fälle von operativer Heilung multipler cholangiti¬
scher Leberabszesse. Von H o c. h h e i m c r . Berlin. Berliner
kl in. Wochonsehr., 1909, Nr. 47.
1. Verf. erörtert die Verwendung des Sauerstoffs bei der
Narkose (Chloräthylnarkose mit Sauerstoff), hei postopera¬
tiven Bronchitiden und Pneumonien, bei denen Verf. raschen
Rückgang sah, bei Herabsetzung der Herzkrafi durch Eiterun¬
gen, Sepsis etc., sowie hei Anämischen, die eine schwere
Blutung überstanden haben. Bei allen diesen Zuständen hatte
er gute Erfolge.
2. Verf. benutzt zur Blutleere der unteren Körperhälfte
„Prima Rot-Drain“ Nr. 12 und 14, und legt in chirurgischen
Fällen den Schlauch in steiler Beckenhochlagerung an, damit
der nach oben gleitende Darm über der Abschnürung liegt, und
der Zirkulation erhalten bleibt; um einer Ueberlastung des
Herzens vorzubeugen, ist vorher die Esmarchbinde an beiden
Oberschenkeln anzulegen. In den Fällen, wo bisher die Ab¬
schnürung ungenügend war, war sicherlich der Schlauch nicht
fest genug umgelegt. Daher legt man bei korpulenten oder
muskeistarken Menschen am besten nach Verschwinden,des Pulses
in der A. femoralis noch eine weitere Tour um, ehe geknotet
wird. Die Benutzung von Pelotten ist überflüssig und ge¬
fährlich.
3. Große Extensionsgewichte bringen schwere Schädigungen
der Muskulatur hervor, welche sowohl den Eintritt der Arbeits-
ERSITY OF MICHIGAN
JNIVERSITY OF MICHIGAN
REUTISOHE RUNDSCHAU.
41
iide Er-
.affung der
a ppinger -
eil Zuppin -
die Extensions-
d e n h euer) auf
lug. Die Methode
»logischen, da sie
gerecht wird. Die
'lexionstheorie in
a n n sehen Nagel -
, ist meist illuso-
e starke Belastung
.lgriffsfläche für den
quere Kniescheiben -
rteil, auch ist bei ihr
Gelenke möglich; auch
jppingersehe Methode,
hm konstruierte, praktisch'
nzkammer“, welche erlaubt,
r beiden Druckarten, mittels
können, und zwar ohne Unter-
? Unterbrechung der Druck -
r Peritonitis um eine durchl
Zirkulationsstörung mit Ver-
oder gar mit Sinken des systoli-
Verf.s Erfahrungen unbedingt die
in am Platze; sie versagten nur
;szust.änden der Vasomotoren. Hat
dte Infusionen die Zirkulation ver-
Kochsalztherapie mit subkutanen,
■lanenten rektalen Infusionen fort-
t für schwere Fälle zu empfehlen,
hierdurch gesteigert wird, eine
mg vermag das, Suprarenin jedoch
ben Fällen von „traumatischer Peri-
oller Gesundheit heraus im Anschluß
.kheitsbild einer Appendizitis sich bald
uei Patienten, welche zwar von früheren An-
onischen Blinddarmbeschwerden litten, jedoch
in ihrer Aktionsfähigkeit nicht wesentlich be-
wurden, bis plötzlich im Anschluß an ein Trauma
. Anfall einsetzte. Das Krankheitsbild wird ausführ -
geschildert. Der Unfallgutachter wird nach dem heutigen
Stande unseres Wissens gut tun, nicht mehr einen grundsätzlich
ablehnenden Standpunkt gegenüber der traumatischen Ent¬
stehung der Appendizitis einzunehmen. Im allgemeinen verlaufen
derartige Fälle auffallend stürmisch und schwer, die Morta¬
lität ist überaus hoch, Kotsteine kommen verhältnismäßig
häufig vor.
7. Für die Frage, ob bei Appendizitis operiert werden soll
oder nicht, darf nicht die Zahl der Krankheitstage entscheidend
sein, sondern allein der Zustand des Kranken. Die Appendizitis
ist in jedem Stadium der Radikaloperation fähig, und diese
liefert auch im Spätstadium, nach Ablauf der ersten 48 Stunden,
sehr gute Resultate. Der noch erreichbare Fortschritt in der
Appendizitisbehandlung liegt nicht in der — niemals durch¬
führbaren — Operation aller Kranken im Frühstadium, sondern
in der bedingungslosen Operation dann, sobald ein Zustand fest¬
gestellt ist, welcher im Frühstadium heute schon allgemein
die Operation als berechtigt und erforderlich erscheinen läßt.
Die Einwände gegen die Operation im Spätstadium sind nicht
stichhaltig, wenn so wie. im Frühstadium vorgegangen wird
'Abtragung des Wurms unter jeder Bedingung, .rücksichtsloses
Trennen aller Verwachsungen). Von 100 derartigen, von Verf.
operierten Spätfällen starben nur 6; kein einziger der Gestorbe¬
nen zeigte bei der Sektion einen schlimmeren Zustand als bei
der Operation, von den Geheilten ebenfalls keiner nach
der Operation durch diese hervorgerufene Verschlimmerungen.
8. Die Fälle von chronischem Ikterus durch’ Verlegung der
Ausführungsgänge bedürfen unbedingt der Operation, wenn sie
nicht einem dauernden Siechtum und dem fast sicheren Tode
verfallen sollen. Hat der Ikterus schmerzlos begonnen und von
Woche zu Woche zugenommen, bei gleichzeitiger Vergrößerung
der Gallenblase, so liegt Tumorverschluß des Choledochus vor;
gingen Koliken voraus, wechselte der Ikterus, trat Fieber ein,
so ist Steinverschluß wahrscheinlich. Länger als 2—8 Monate
sollte mit der Operation nicht gewartet werden. Bei recht¬
zeitiger Operation ist die Gefahr einer postoperativen cholämi-
schou Blutung minimal. Die Ansicht, daß Ikterische wenig
widerstandsfähig seien, trifft nur für weit vorgeschrittene Fälle
von Melasikterus (meist infolge von Karzinom) zu. Man sollte
möglichst nur die Zystektomie machen, und dazu den Chole¬
dochus aufschneiden, wenn Verdacht auf dort steckende Steine
vorliegt. Die Furcht vor der Bauchfellentzündung bei Gallen-
Steinoperationen ist völlig unbegründet. Gerade beim chroni¬
schen Ikterus ist eine längere Entlastung der .geschädigten
Leberzellen durch Hepatikusdrainage oder durch Anastomosen-
bildung zwischen Gallensystem und Intestinis am ‘Platze.
9. Das bei Cholangitis ascendens infectiosa mit multipler
Abszeßbildung gegebene Operationsverfahren muß in Frei¬
machung der Gallenpassage durch Entfernung der Steine und iri
Drainage der Gallenwege bestehen. Durch dieses Verfahren ge¬
lang es in zwei, von Verf. beschriebenen, weit vorgeschrittenen
Fälleu, der Infektion Herr zu werden, und die Heilung herbei¬
zuführen. Die Fälle zeigen, welch’ schwere Schädigungen der
Leber und des Gesamtorganismus noch der Rückbildung fähig
sind; die Operation sollte also auch noch in den schwersten
Fällen von infektiöser Cholangitis versucht werden.
Pharmakologie.
Reierent; Privatdozent Dr. C. Bachem, Bonn.
1. Chronische Pilokarpinintoxikation. Von Elschnig,
Prag. Mediz. Klinik, 1909, Nr. 51.
2. Ueber einige bei einer Kali chloricum-Vergiftung er¬
hobene Blutbefunde. Von Lange, Cöln. Ibidem.
3. Meine Erfahrungen über Geloduratkapseln. Von Heu¬
bach, Berlin. Ibidem.
4. Ueber einen Fall von tötlicher Quecksilbervergiftung nach
einer einmaligen Injektion von nur 0,05 Hg salicyl. Von
Schwarz, Göppingen. Württemb. med. Korrespondenzblatt,
1906.
5. Schwere Wurstvergiftung. Von Hinzb, Petersburg.
Berliner klin. Wochenschr., 1909, Nr. 41.
6. Die Rolle der unentgeltlichen oder zu billigem Preise
erhältlichen Arzneimittel in der Bekämpfung einiger Krank¬
heiten. Von G a 11 i - V a 1 e r i o , Lausanne. , Therap. Monatsh.,
1909, Nr. 9.
7. Ueber die Herz- und Gefäßwirkung des Strophanthins bei
gesunden und kranken Menschen. Von Vagt, Tübingen. Mediz.
Klinik, 1909, Nr. 50 u. 51.
1. Ein 27 jähriger Patient, der seit 10 Jahren an beider¬
seitigem Glaukom litt, brachte täglich mehrmals eine 2 proz.
Pilokarpin!,ösung in die Augen, wodurch es zur Vergrößerung
der Augäpfel und hochgradiger Sehstörung kam. Gleichzeitig
war eine zunehmende Nervosität mit Reizbarkeit und Blut-
walhingen nach dem Kopfe eingetreten. Es bestand ferner Herz¬
klopfen, das sich bis zu stenokardischen Anfällen steigerte, sowie
Erbrechen schon bei geringen äußeren Anlässen; der Schlaf war
unruhig. Außer einem leichten Tremor der Hände und Puls-
beschleunigung war sonst somatisch nichts Abnormes. Nachdem
das Glaükom durch Operation geheilt war, w r urden die
Pilokarpinininjektionen ausgesetzt und damit schwanden auch
alle eingangs geschilderten subjektiven und objektiven Ver¬
giftungserscheinungen. Aehnliche Fälle wie diesen hat E. bereits
früher beobachtet.
Die Vergiftung scheint wohl durch Aufnahme von der
Bindehaut her zustandezukommen; nicht ausgeschlossen erscheint
adier auch die Möglichkeit einer Vergiftung vom Tränenwege
aus. Nach E.s Erfahrungen soll bei chronischer Pilokarpin¬
vergiftung eine gewisse Ueberempfindlichkeit eintreten, d. h. die
Patienten reagieren später auf eine, einmalige Einträufelung
sehr deutlich. Auch sollen besonders „empfindliche“ Personen
eine gewisse Prädisposition besitzen.
2. Die Vergiftung kam zustande durch Verschlucken einer
beträchtlichen Menge (wieviel wird nicht genau angegeben)
Kaliumchlorat, das als Mundspülmittel benutzt worden war.
,Es entwickelte sich das typische bekannte Bild einer Chlorat-
vergiftung, der das 17 jährige Mädchen in acht Tagen erlag.
Auffallend war das Fehlen der Patellarsehnenreflexe bei sonst
völlig intaktem Nervensystem.
Aus dem Blutbefund intra vitam sei hervorgehoben, daß
die Leukozyten vermehrt waren, besonders die polynukleären.
VERSITY OF
/ER
42
THERAPEUTISCHE RUi
Die Zahl der roten Blutkörperchen sank dagegen bedeutend
und am dritten Tage trat eine basophile lvörnelung derselben
auf. Der Tod trat aber nicht infolge der Blutschädigung ein,
sondern durch die Funktionsuntüchtigkeit der Nieren. Für das
Bestehen einer Niereninsuffizienz sprachen die Resultate der
Bestimmung der GefrierpunktserniedTigung und des Resfstick-
stoffes im Serum.
3. Verfasser berichtet über die Vorzüge der Rumpe Ischen
Geledurat < DünndarnQ-Kapseln. Zunächst zeigte sich, daß die
Kapseln vollständig im Darm zur Lösung kamen. Dabei war
die Wirkung der in die Kapseln eingeschlossenen Medikamente
die gleiche wie in Lösung etc., nur blieben bei der Darreichung*
in ersterer Form. bei Jodkalitherapie alle Erscheinungen des
Jodismus aus. Bei Verabreichung von Jodkalium-Quecksilber¬
jodid bewährten sich auch die Geloduratkapseln sehr, wie Ver¬
fasser an der Hand zweier Beispiele erläutert. Zur Aufnahme,
von Antigonorrhoicis (Kopäivabalsam, Kawasantal > eignen sich
cfie Geloduratkapseln ebenfalls.
(Sollten sich diese Angaben bestätigen, so wäre eine Ver¬
wendung von anderen Medikamenten in diesen Kapsfln jeden¬
falls zu empfehlen. [Ref.])
4. Bei einem 32 jährigen Manne sollte eine vorsichtige
antiluetische Kur eingeleitet werden mit Injektionen von 10°/o
salizylsaurem Quecksilber als Paraffinemulsiqn. Nachdem der
Kranke Vä ccm dieser Mischung in die Glutäalmuskulatur er¬
halten hatte, traten * sowohl im Muhde als im Darmkanal die
Erscheinungen einer Quecksilbervergiftung auf,, die unter
Symptomen der Herz- und Kreislaufschwäehe in 3 Wochen
zum Tode führten.
Verfasser sieht in dieser Vergiftung eine Idiosynkrasie und
weist auf die Gefährlichkeit hin, das Mittel in der angegebenen
Art zu injizieren, da alsdann — anders wie bei. der Inunktion —
eine Möglichkeit zur Sistierung der weiteren Resorption nicht be¬
steht. Jedenfalls soll man zu Beginn einer Kur nur mit kleinsten
Dosen arbeiten.
. 5. Es handelte sich um eine schwere Wurstvergiftung bei
einem. 22 jährigen jungen Manne. Kurze Zeit nach Verzehren
der Wurst stellten sich Erbrechen, Pulsbeschleunigung, Albumin¬
urie. Verstopfung, Anurie, und leichtes Fieber ein bei voll¬
ständiger Lähmung, der Sehnerven, einer Parese des Okulomo-
. torius und Abduzens (beiderseits) und einer Lähmung und An¬
ästhesie der unteren Extremitäten. Der Verlauf der Vergiftung
war ein äußerst chronischer: vier volle Monate . ohne Besse¬
rung. Verfasser ist geneigt, als Ursache -eine Infektion mit
dem Bac. botulinus v. Ermengen anzunehmen. Im Verlauf
der Behandlung bildete sich eine schwere Encephalomyelitis
disseminata toxica heraus und gleichzeitig akquirierte der Kranke
eine. Phthise, so daß die Prognose als dubia gelten muß. Die}
Therapie war eine rein symptomatische: Exzitantien. Diuretika,
Spermin, heiße Bäder, Jodkalium und Massage.
6. Verfasser tritt hier für eine billige oder unentgeltlich«
Ueberlassung gewisser als Spezifika erkannten Heilmittel gegen
wichtige Erkrankungen ein und begrüßt es, daß bereits einige
Staaten den Versuch hierzu gemacht haben. Insbesondere plä¬
diert er für billiges Chiuin bei Malaria, Quecksilberpräparate
gegen Lues und Thyreoidin gegen Kretinismus.
7. V agt faßt das Resultat seiner experimentellen und klini¬
schen Untersuchungen folgendermaßen zusammen: Eine Wirkung
der therapeutisch üblichen Dosen (1 mg) Strophanthin-Böh-
■ ringer auf die Gefäßweite in der Körperperipherie war weder
bei gesunden noch kranken Menschen nachweisbar. Ob eine
Einwirkung des Mittels auf den Gefäßtonus stattfindet in dem
Sinne, daß die Gefäßwand dein gesteigerten Innendrucke nicht
nachzugeben vermag, war nicht sicher auszuschließen. Eine
Wirkung auf das Herz in Gestalt einer mäßigen Vergrößerung
und einer Verlangsamung der Schlagfolge ließ sich schon beim
Gesunden kurze Zeit nach der Injektion nachweisen.
Ganz besonders charakteristisch gestaltete sich .aber die
Wirkung auf die Funktionen des Herzens bei zwei schweren
dekompensierten Herzkranken. Demnach scheint das kranke Herz
eine bedeutend größere Anspruchsfähigkeit für das Mittel zu
haben als das gesunde. Innerhalb weniger Minuten konnte sein
Schlagvolumen sehr stark gesteigert, die Schlagfolge herab¬
gesetzt und seine ganze Tätigkeit geregelt werden.
Warum dns Strophanthin in einzelnen Fällen versagte, ohne
daß das Herz au der Grenze der Leistungsfähigkeit war, ist.
vorläufig unbekannt.
Die Veränderungen des Blutdrucks, wie sie nach wirksamen
Strophanthininjektionen rasch einsetzen, um beim Gesunden inner-
3F MICHIGAN
halb der
oft tagelai
Veränderung
' Referent: Prof.
1. Zur Differ
(pseudolobären) Pn
Therapie der Gegei
2. Ueber Aetioh
vera. Von Prof. M;
Gegenwart, Dezember .
1. Die akute psi
k u 1 o s e ist schon von L a
betreffs der Diagnose bes
das gleiche Bild wie die c
bietet. Erst in späterer Zeii
des Leidens. Sicheren Aufst
tive Befund von Tuberkelba.
immer noch ein wenden, es h;
von Pneumonie mit Tuberkulös
| exakten Diagnosenstellung ist
zahl. Während letztere bei c.
mehrt ist, ist sie bei der tuberk
dem weicht nicht von der nori
m i n d c r t. Nach Verf. ist die
j die Anzahl der Leukozyten bei de
vermehrt sei, nicht richtig. Ein
zur Differentialdiagnose ist das
gerinseln. Es findet sich zwar bei
im Alveolarinhalt Fibrin, doch nur
j mehr das Vorkommen zahlreicher g
Bronchialausgüsse als Zeichen der L
Betreffs der Prognose ist
der tuberkulösen Pneumonie meist s.
! zahl der Fälle führt die Erkrankung meis
Monaten zum Tode; in seltenen Fällen nehmt
nach Osler einen chronischen Verlauf, u
Referenten ist die K r a n. k h e i t s d a u e r . Sc
i Fälle behandelte, sogar noch kürzer; nach 4 (5
! lagen die meisten der Krankheit.) Eine vollständige
! ad integrum kommt höchst selten vor. Die pathologisch-ui.u,t<
I mischen Vorgänge bei dieser Form der Tuberkulose sind noch
j nicht ganz aufgeklärt; es handelt sich wohl um eine gela-*
■ tiuöse und zugleich zellige Infiltration der Alveolarwandungen
' und der Alveolen selbst. Ref. beschreibt einen Fall, wo eine
! lobäre tuberkulöse Pneumonie trotz recht beträchtlicher Aus-
! dehnung des Infiltrates unter vollkommener Resolution in Hei-
! lung ausging und der Patient wieder ganz den Status quo ante;
erreichte und behielt.
2. Betreffs der Aetiologie der Angina pectoris stehen sich
zwei Ansichten schroff gegenüber. Die eine Schule faßt die
Erkrankung als eine Hyperästhesie des Plexus cardiacus auf,
also als eine Neurose; sie vergleicht die Erscheinungen der Er¬
krankung mit denjenigen der Neuralgien. Hiergegen spricht
freilich der nicht seltene Befund von organischen .Herzverände¬
rungen, von Koronararteriosklerose. Verf, schließt sich mehr
der anderen Richtung an, welche einen ischämischen Zustand des
Myokards, besonders häufig bedingt durch Sklerose der Koronar¬
arterien, als Ursache der Krankheit beschuldigen; dazu tritt
dann noch ein Gefäßkrampf, welcher den Anfall auslöst. — Be¬
treffs der Therapie soll der herbeigerufene Arzt zunächst den
augenblicklichen Anfall schnell beseitigen. Verf. rät Mor¬
phium sofort zu injizieren in Kombination mit Kampfer oder
Digalen oder Coffein.
Digalen.15,0
Coffein citric. ... 1,0
DS. 1—2 Pravazsprit.zen voll subkutan injizieren.
Ist der Blutdruck erhöht und der Puls gespannt, so hilft
Amylnitrit am besten.
Auch das Nitroglyzerin lindert den Anfall sehr.
Rp. Nitroglyceriüi .... 0,03
Spirit. ... 10,0 .
Syr. cort, aurant. . . . 20,0
MDS. Mehrmals täglich 20—30 Tropfen zu nehmen.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
ISCHE HUNDSCHAU.
48
ders das Ery-
in Tabletten -
noch auf die\
großen Nutzen
is mit Zyanose
t Asthma car-
Vorteil. Betreffs
ranke in der Lage,
ist; vor allem soll
.eh zu Bett zu legen.
Bewegungen sind nach
len.
pie.
’hmidt, Berlin.
< mit Röntgenstrahlen. Von
g. Wiener klinische Bünd¬
en und vaginalem Wege. Von
n g m a n n. Wiener klinische
uuplens und der Influenza mit
Von Dr. R. May. Medizin.
<f-Fällen (1 indifferente Struma,
— anscheinend technich nicht
ilen ohne sichtlichen Erfolg be-
später hei der Operation eine be-
der Vorderfläche der Kropfkapsel
ur erkennen ließen, verwirft Herr
it oni gen -Therapie der Struma in Bausch
igt Herr v. Eiseisberg zunächst —
vor der Operation röntgenisiert worden sind,
.iahe, anzu n e h m e n“, daß die Schwierigkeit
osung der Kropfkapsel von der Muskulatur auf die Be¬
strahlung zurückzuführen ist.
Wenige Zeilen später ist diese ,,Annahme“ — für Herrn
v. Fiselsberg — schon zur Gewißheit geworden, denn er
sagt, er habe „bisher keine durchschlagenden Erfolge,, wohl
aber Schädigungen durch das Bestrahlen der
Kröpfe gesehen“.
Wenn er damit die gänzlich überflüssige Verbrennung in
dem einen seiner 3 Fälle meinen würde, so könnte man dem
nur beistimmen; da er aber offensichtlich die Verwachsung der
Kropfkapsel mit der Muskulatur im Sinne hat, so ist dagegen
folgendes einzuwenden:
I. Die Annahme des Herrn v. Eiseisberg muß erst
einmal bewiesen’werden. Bisher ist sie nur „graue Theorie“.
II. Selbst wenn die Annahme des Herrn v. Eiseisberg
richtig wäre, so würde die Verwachsung der Kapsel mit der
Muskulatur an sich noch keine Kontraindikation für die
Röntgentherapie bilden, da sie der Operation keine unüber¬
windlichen Schwierigkeiten bietet.
III. Man muß zwischen der einfachen Struma und der
Basedow-Struma unterscheiden und darf nicht beide in einen
Topf werfen. Bei der indifferenten Struma leistet die Röntgen -
Behandlung in der Tat nicht viel, und hier besteht der operative
Eingriff in schweren Fällen zu Recht.
IV. Nach dem übereinstimmenden Urteil aller Autoren, die
nicht nur über ein paar Fälle, sondern über ein großes Material
verfügen (z. B. Beck, New-York, Krause, Bonn), liefert
die rite aus geführte Röntgen-Behandlung beim Morbus
Basedow ebenso gute Resultate wie die Strumektomie, wie
das auch aus den großen Statistiken von Schwarz, Wien
und P fahler, Philadelphia, ohne weiteres hervorgeht. Außer¬
dem kommt der bei den Operationen vorhandene, wenn auch
geringe Prozentsatz der Todesfälle in Fortfall.
Referent kann sich nur dem von Holzknecht (Gesell¬
schaft der Aerzte in Wien; ref. Wien. klin. Rundschau, 1909,
I Nr. 47) und Schwarz (ibidem) eingenommenen Standpunkt
! vollkommen anschließen, daß der Morbus Basedow eine
absolute Indikation für die Röntgentherapie bildet, und daß es
völlig ungerechtfertigt ist, wenn Herr v. Eiseisberg diese
Methode „planlos“ nennt. Ganz im Gegenteil handelt es sich hier
um eine wirklich kausale Therapie.
2. Schilderung und Abbildung des zur Bestrahlung des
Vagina und des Rektums dienenden Instrumentariums, dessen
Wichtigster Bestandteil das Kolpoprotkoskop ist. Dieses
gestattet durch Luftaufblähung eine Glättung und Entfaltung
der Schleimhaut, so daß das Licht überall hingelangen kann.
Es kann sich natürlich immer nur um Oberflächenwirkung
handeln: Als Lichtquelle dient die Kr omayersche Quarz¬
lampe. Ueber die Indikationen dieser Methode, deren Wert dem
Referenten vorläufig noch sehr problematisch erscheint, ist nichts
mitgeteilt.
3. Warme Empfehlung der Glühlicht-Bader bei Rhinitis und
I nfluenza.
Militärmedizin.
Referent: Generaloberarzt a. D. Dr. M. Peltzer, Steglitz.
1. Neurasthenie und Hysterie in der Armee. Von Dr.
Hanne hl, Oberstabsarzt im Feldart.-Regt. Nr. 63. Deutsche
militärärztl. Zeitschr., 1909, H. 23.
2. Die Anwendung der Kuhnschen Lungensaugmaske bei
chronischem Bronchialkatarrh. Von Oberstabsarzt Dr. Ha m-
1 nV e r s c h in i d t. Ebenda.
3. Eine neue praktische Gipsbindenwickelmaschine. Von
Stabsarzt Dr. Flat h. Ebenda.
4. Das Offizierheim Taunus in Falkenstein. Von Oberstabs¬
arzt Dr. Krebs, Chefarzt daselbst. Ebenda, H. 24.
5. Zur Differentialdiagnose zwischen hysterischem Dämmer¬
zustand und katatonischer Form der Dementia praecox. Von
Stabsarzt Dr. Uhl ich, Chemnitz. Ebenda.
6. Ueber den Wert der mediko-mechanischen Nachbehand¬
lung von Verletzungen der Gliedmaßen. Von Dr. Otto, Ober¬
arzt im 18. Feldart.-Regt. Ebenda, 1910, H. 1.
1. Nach D annehl hat sich der Zugang an Neurasthenikern
vom Berichtsjahr 1896/97 bis zu dem von 1905/1906
um das 3*4 fache, der an Hysterischen um nahezu das
3 fache gesteigert — eine Erscheinung, deren Ursachen
wwohi allgemein kultureller Natur sind, die aber nament¬
lich im Hinblick auf eine etwaige Mobilmachung von
Bedeutung ist und den Sanitätsoffizieren bei der Musterung'
und Aushebung neue Pflichten auferlegt. Ueber die Behandlung
der Neurasthenie herrschen übereinstimmende Ansichten, für die
der Hysteriker empfiehlt St e inhause. n Vermeidung über¬
flüssiger Untersuchungen und das Suchen nach versteckten Sym¬
ptomen, Ignorieren, Energie und Suggestivbehandlung mit Zu¬
hilfenahme der Hydriatik, Massage und Elektrizität, doch
kann, wie D. richtig bemerkt, das Suchen nach versteckten
Symptomen nicht immer vermieden werden.
2. Oberstabsarzt Hammerschmidt gelangt auf Grund
einer Behandlungsreihe von 23 Bronchialkatarrh-Kranken im
Frühjahr 1908, also in ungünstiger Jahreszeit, zu dem Schluß,
daß zwar seine Erfahrungen zu einem abschließenden Urteil
über den therapeutischen Wert der Kuhnschen Lungensaug-
maske noch nicht ausreichen, daß aber, wenn die Saugmaske
im Verein mit der sonstigen Behandlung nicht bald eine Aende-
rung der Lokalsymptome herbeiführt, sicher ein die Dienst¬
fähigkeit in Frage stellender Katarrh vorliegt. Und hierin
beruht der Wert der Saugmaske als diagnostisches Hilfsmittel.
3. Die Schwierigkeiten bei Herstellung der Gipsbinden sind
bekannt. Sie zu überwinden, hat der Operationswärter {fLer
chirurgischen Universititätsklinik in Gießen, zu welcher Stabs -
Arzt Flath kommandiert war, S chm id t,'eine kleine Hand¬
maschine konstruiert, die nach der beigefügten Zeichnung und
Beschreibung recht praktisch zu sein scheint. Sie ist im wesent¬
lichen ein länglicher Holzkasten, durch welchen mittels /einer
Kurbel die Binden über Brettchen und durch Schlitze gezogen
und dabei mit Gips imprägniert werden. In einer Stunde sollen
damit 60—70 Gipsbinden hergestellt werden können. Eine Be¬
schreibung dieser Maschine, an welche H. sich anlehnt, hat
bereits Brüning in der Münch', med. Wochenschr., 1909, Nr'. 26,
gegeben.
4. Oberstabsarzt Krebs, Chefarzt des Offiziersheims Tau¬
nus, gibt eine mit 29 Abbildungen versehene ausführliche Be-
F MICHIGAN
UNIVERSIT
44
THERAPEUTISCHE
Schreibung des genannten Heinis, dessen Einweihung bekannt¬
lich der Kaiser im Beisein zahlreicher Fürstliphkeiien -und
Generäle am 20. August 1909 vollzog. Es ist an der Stelle
der angekauften und niedergerissenen früheren Dei tw e i 1 e r -
sehen Heilanstalt für Lungenkranke vom Militärbauinspektor
Weiß nach eingehenden Studien an zahlreichen neuzeitlichen
Heilanstalten erbaut und umfaßt eine Gruppe von sieben Ge¬
bäuden zur Aufnahme von 52 kranken und erholungsbedürftigen
Offizieren und Sanitätsoffizieren mit einem 30 Morgen großen
Park. Zu den Gebäuden gehört u. a. eines mit den Wohnungen
für den Chefarzt, den Inspektor, die Oberin und den Ober-
gärtner. Die Abwässer werden in einer nach dem biologischen
Verfahren eingerichteten Kläranlage gereinigt.
5. Die Differentialdiagnose zwischen hysterischem Dämmer¬
zustand und der katatonischen Form des Jugendirreseins kann,
wie Stabsarzt Uh lieh es ausdrückt, unter Umständen große
Schwierigkeiten machen. Als Illustration dazu bespricht er.
auch unter Berührung der Frage der Simulation, eingehend
einen von ihm beobachteten Fall, der schließlich beurteilt werden
mußte als Unzurechnungsfähigkeit durch hysterischen Dämmer¬
zustand, verminderte Zurechnungsfähigkeit durch selbstverschul -
dete Trunkenheit bei psychopathischer hysterischer) Konstitu¬
tion. Der Fall spricht zugleich für Aufnahme der verminderten
Zurechnungsfähigkeit in das deutsche Strafgesetzbuch bei der
Reform des Strafvollzuges. (Vergl. hierzu den Artikel von
Prof. Dr. Aschaffenburg, Cöln, in der Deutschen med.
Wochenschr., 1909, Nr. 47 u. f.)
6. Ueber den Wert der mediko-mechanischen Nachbehand¬
lung von Verletzungen der Gliedmaßen im allgemeinen besteht
nirgends ein Zweifel, immerhin ist es erwünscht, wenn Oberarzt
Otto aus der mediko-mechanischen Station des 3. Armee¬
korps im Garnisonlazarett zu Frankfurt a. O. an der Hand
von 90 Fällen diese im einzelnen betrachtet. Er beginnt mit
der Nachbehandlung der Narben und des Oedems, dieses häufigen
Folgezustandes nach Verletzungen, dann folgen die Verletzungen
der Schulter des Ober- und Unterarms, des Handgelenks usw.
bis zum Fuß. Sieben Leitsätze und ein Literaturverzeichnis
machen den Schluß. Von Wichtigkeit für die in Rede stehende
Art der Nachbehandlung ist die Kenntnis der arthritischen
Muskelatrophie, die nicht, wie man es früher auffaßte, eine
Inaktivitätsatrophie, sondern wie Raymond und Hoffa ex¬
perimentell nachgewiesen haben, eine durch Reizung der Gelenk -
nerven zustande kommende nervöse trophische Störung ist.
Ebenso wichtig ist die Kenntnis der Tatsache, daß radiologisch
auch das häufige Vorkommen einer akuten Knochenatrophie bei
Traumen nachgewiesen ist, die ebenso schnell auf tritt und den¬
selben Höhengrad erreicht wie die Muskelatrophie. Auch sie
ist eine durch den peripheren Reiz ausge’löste Trophoneurose.
Militärsanitätswesen.
Referent: Genefaloberarzt a. D. Dr. M. Peltzer, Steglitz.
1. Abänderungsvorschläge für den Krankenwagen 95. Von
Protz, Oberleutnant im Trainbataillon Nr. 9. Deutsche mili-
tärärztl. Zeitschr., 1910, H. 1.
2. Die taktische Ausbildung der Sanitätsoffiziere. Von
Oberstabsarzt Dr. A 11 g e 11, Potsdam. Deutsche med. Wochen¬
schrift, 16. Dezember 1909.
3. Betrachtungen über die Körperbeschaffenheit der zum
einjährig-freiwilligen Dienst berechtigten Wehrpflichtigen
Deutschlands. Von Prof. Dr. med. et phil. Griesbach.
Mülhausen. Straßburger med. Zeitung, Jahrg. VI. H. 12.
4. Zur Frage der Militärdiensttauglichkeit der zum ein¬
jährig-freiwilligen Dienst berechtigten Wehrpflichtigen Deutsch¬
lands. Von Dr. v. Vogl. Münchener med. Wochenschr.,
21. Dezember 1909.
1. Oberleutnant Protz hat bei drei Sanitätskompagnie-
Uebungen gefunden, daß die in den oberen Führungsschienen
gelagerten Verwundeten in unebenem Gelände erheblich stärke¬
ren Schwankungen ausgesetzt sind als die unten Liegenden
• weil sie eben höher liegen, Ref.). Diese Stöße, in eine gleich¬
mäßige, leichte Schwingung, ähnlich der einer Hängematte, um-
N zuwandeln, macht er daher technische Abänderungsvorschläge,
die am angeführten Orte, durch Beschreibung und Zeichnungen
erläutert sind. 1
2. Oberstabsarzt Altge lt, ^Potsdam, der Verfasser von:
,,Der Sanitätsdienst im Felde“ (Berlin 1909, bei Mittler &
Sohn), weist darauf hin, daß, während für die taktische Aus¬
bildung der aktiven Sanitätsoffiziere durch Manöversanitäts-
iibuL
der Sa.
bestellt i
dazu kom.
Worauf sich
wenn auch, wn
auf dem Scilla-
zieren die Ve
wie überall, •
der unterstellt
in der ,.Deuts
besprochene ,,U
serve et de la
auch für uns ein
sei bemerkt, daß .
sanitätsübungen von
(9. A. -K.) ausgega n t
Generaloberarzt a. D.
Füsilier-Regts. und 18
des 2. Garde-Regts. z. ;
die Idee der Sanitäiskri
militärärztl. Zeitschr.", .
3. Die Betrachtungen
Besprechung der unter de.
Stabsärzten S c h w i e n i n g
über die Korperbeschaffeni
Dienst berechtigten Wehrpf
n i n g hatte auf dem Hygh
Vortrag über die Ergebniss.
halten, in der er nachzuweis
fach angenommenen beunruhig
tüchtig'keit nicht die Rede s
fehlten aber die Einjährig-Fre
in der Diskussion hinwies, um ni
arbeitung dieses Materials durch
und zwar besonders auch vom Sta
beklagt, daß die Unterrichtsven
ihrerseits die Einwirkung des Sei
heitszüstand der ihr anvertrauten
mußte erst die Militärverwaltung dt
tistik aus Anlaß der Aushebung usw. n.
treten. Was sich ergibt, ist u. a. vor alle
die Gymnasien und Berlin in der Gestellui«
am schlechtesten dastehen. Wir bedauern lei
sprechung dieser Ausführungen hier nicht näh
können und verweisen Interessenten daher auf das Urig
die diesem zugrunde liegende Schwie n i n g -Nicolai sehen
Arbeit selbst. (Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militär-
sanitätswesens, Heft 40, Berlin 1909, bei Hirschwald.)
4. Mit der ausgezeichneten Arbeit Schwienings und
Nicolais beschäftigte sich, worauf auch G r i e s b a e h hin -
weist, auch der Generalstabsarzt z. I). Dr. von Vogl, deü
verdienstvolle frühere 'Chef des bayerischen Militärsanitäts-
wesens, dem es zu Herzen geht, daß gerade Bayern nicht nur
in der Wehrkraft, d. i. der Zahl der Wehrpflichtigen, sondern
auch in der Wehrfähigkeit, d. i. der Zahl der Tauglichen unter 1
diesen, hinter dem Durchschnitt der reichsdeutschen Bevölkerung
etwas zurücksteht, und hierüber mehrfach geschrieben hat (vergl.
unser Refefat in Nr. 32 der ,,Th. R. ‘, 1909). Nach der Ansicht,
v. Vogls hatte S c h w i e n i mg , weil er 27 804 Zurückgestellte
außer Berechnung gelassen, die Zahl der Tauglichen für Bayern
mit 60,7°o zu hoch angegeben, v. Vogl nahm daher eine Um¬
rechnung vor (Münch, med. Wochenschr., 1909, Nr. 40), die
wiederum Schwiening in Nr. 44 der genannten Wochen¬
schrift als nicht zulässig bezeichnete. Hierauf erwidert jetzt,
v. Vogl an dem in der Ueberschrift angeführten Orte und
sieht damit von weitereu Erörterungen ab. Wir müssen auch
hier auf weiteres verzichten, so interessant, namentlich für den
Statistiker, diese Diskussion über den Modus der Berechnung ist.
Varia.
Die praktische Bewertung der Benzidinprobe für die foren¬
sische Blutdiagnose. Von H. M e r k e 1 , Erlangen. Münch, med.
Wochenschr., 1909, Nr. 46.
Die Untersuchungen des Verf.’s ergaben, daß es eine Reihe
von Substanzen gibt, deren Anwesenheit bei gleichzeitigem Vor¬
handensein von Blut den Ausfall der Benzidinreaktion beeinträch¬
tigt, iudem dieselben entweder den Farbenring modifizieren oder
JNIVERSITY OF r
DF MICHIGAN
SCHE RUNDSCHAU.
45
le Blut-
auch ge-
Blut zu
k i 3 Berlin.
hen Kenntnis
la tt für u l lg.
einen großen
nr deutlich er;
Noma von ätio-
n Mengen in den
^roße Vorliebe für
.1 Noma von großer
ski, Gilgen bürg.
- Von Sweeny. New-
inaunten Bazillen deut¬
verschieden sind. Der
Formen infiziert werden,
ulüse Infektion der Luft-
lilichen Bazillenform zuzu-
3iike und Lymphaffektionen
orm hervorgerufen werden,
iit die Aufnahme der Rinder -
er immun gegen die Infektion
.• a in o w s k i . Gilgen bürg:
formans. Von Heckma n n.
se Erkrankung zu machen hält
Die rheumatische Diathese oder
Ile Syphilis. Die polyartikuläre
stens in einer großen Anzahl der
amatismus bei syphilitischen Per-
Anamnese, die verschiedenen posi-
^^n Erfolg der Behandlung erwiesen.
Dr. A b r a m o w s k i, Gilgenburg.
iber das Vorhandensein des Kochschen Bazillus
.i. Von Rosenberger. New York Medical
ui 1909.
Verfasser, Professor der Bakteriologie in Philadelphia,
ist davon überzeugt, daß die Tuberkulose eine Bluterkrankling
ist, und daß man den Bazillus in allen denjenigen Fällen finden
kaun, in denen der tuberkulöse Prozeß ein aktiver ist. Er geht
noch weiter: Der Bazillus, sagt er, existiert in gewissen Alters¬
perioden im Blute scheinbar ganz gesunder Menschen, daselbst
kann er in abgeschwächter Form leben, sowie aber die wider-
standleistenden Stoffe des Blutes an Kraft verloren haben, wird
er pathogen. Sowie die lokale Widerstandsenergie herabgesetzt
ist. konsolidiert er sich an den betreffenden Stellen. Hierdurch
erklären sich zur Genüge die Fälle von traumatischer und post-
operativer Tuberkulose.
Dr. Abrämp wski, Gilgeuburg.
Die Häufigkeit des Diabetes mellitus bei Syphilitischen.
Gibt es einen wahren syphilitischen Diabetes? Von Sarra.
Gazetta degli ospedali, Juni 1909.
Diabetes kommt selten in Verbindung mit venerischen
Krankheiten vor 0,30'Vo bei Frauen, 0,52°/o bei Männern)., Es
ist eine Ausnahme, daß man einen Zusammenhang zwischen
Diabetes und syphilitischer Infektion nachweisen kann. Einige
Fälle indessen zeigen einen unzweifelhaften Zusammenhang,
wobei die spezifische Diabetesbehandlung Heilung bringt,
während die spezifische Luesbehandlung keinen Erfolg ver¬
spricht. Indessen wäre es irrtümlich zu glauben, daß die Syphilis
die Ursache des Diabetes ist, daß etwa ein Gumma an einer
bestimmten Gehirnstelle Diabetes zum Gefolge habe; sie bringt,
vielmehr das hervor, was man den symptomatischen oder sekun¬
dären Diabetes' nennt. Ein wahrer syphilitischer Diabetes
existiert nicht. Dr, A b r a m owski, Gilgenburg.
L’hygfene du logement. Von P a u 1 J u i 1 1 e r a Un volume
223 pages. D e 1 a g r a v e , editeur.
Dieses Buch enthält klare und nützliche Ausführungen über
moderne Wohnungen, vom Boden so zu sagen bis zum Keller.
Mit recht betont der Verfasser, daß man vor dem Mieten der
Wohnung sich nicht genügend hygienisch orientiere rücksichi -
lieh der Beleuchtung, der Fensterdimensionen, des Kubikluft-
inhalts der bewohnten Räume und der Ventilation. Darauf unter¬
zieht er die verschiedenen Heizmethoden einer Prüfung, unter¬
sucht das Trinkwasser und die Filter. Ausführlich verbreitet
er sich über Latrinen- und Müllabfuhrwesen. Vom .Schlaf¬
zimmer begleiten wir ihn in das Toiletten- und Eßzimmer, so-
dann ins Badezimmer und Dienstbotengelasse. Es gibt nicht ein
Winkelchen, für welches er nicht einep guten Ratschlag in
hygienischer Beziehung hätte. Dieses Buch ist die Frucht einer
reichen hygienischen Erfahrung.
Dr. Abram owski, Gilgenburg.
Spontanruptur des Magens. Von Fonracre. British me¬
dical Journal, Januar 1909.
Der Fall betrifft einen 80jährigen Greis; bei der Autopsie
fand man an der Vorderfläche des Magens, ein wenig nach links,
einen zickzackförmigen Riß von 4 cm Länge, der die Magen-
wand in ihrer ganzen Dicke durchsetzte. Dieser Riß war in¬
folge eines heftigen Hustenstoßes entstanden.
Dr. Abram owski, Gilgeuburg.
La folie hystörique. Von A. Maire t und E. Salagcr,
Paris. M a 1 o i n c , editeur, 1909.
Die Verfasser haben das Studium des hystötischen, sporadi¬
schen Wahnsinns, das etwa 50 Jahre zurückreicht, wieder auf-
geuommen. Morel ist der erste, welcher von dieser Geistes¬
störung spricht, die Autoren des Mittelalters kannten nur eine
epidemisch auftretende Hysterie. Der erste Teil des Buches
beschäftigt sich nur mit der Geschichte der Krankheit. Sodann
wird die Asylhysterie abgehandelt. Den hysterischen Stigmatis
schreiben sie einen reellen diagnostischen Wert zu, sind also
nicht Baginskis Ansicht, daß diese Stigmata nur das Pro¬
dukt einer einfachen Suggestion sind. Die hysterischen De¬
lirien, verbunden mit Krampfanfällen, fassen die Verfasser als
Aequivalenzdelirium auf, das einen hysterischen Anfall zu er¬
setzen geeignet sei. Sie schließen das nach mancher Richtung
lehrreiche Buch mit der Mahnung bei Hysterie eine rein sympto¬
matische Therapie zu befolgen.
Dr. Abram owski, Gilgeuburg.
Die Anwendung von Atropin und Brommethyl bei Diabetes
mellitus. Von Rudisch. Medical Record, Juni 1909.
Verfasser macht seit 2 Jahren Versuche mit Atropinsalzen
bei Diabetes mellitus; dieses Alkaloid vermindert die Menge
des ausgeschiedenen Zuckers und erhöht die Toleranz für
Kohlenhydrate. Das Brommethyl gibt weniger prompte Resultate,
dafür aber hat es den Vorteil geringerer Giftigkeit; außerdem
ist es aber sehr viel teurer. Intoleranz hat Verfasser selten
gesehen, sollte solche doch einmal Vorkommen, was sich in
Trockenheit des Schlundes kundgibt, so suspendiert man die
Verabreichung. Dr. Abram owski, Gilgeuburg.
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Lieber die Morosche Salbenprobe. Von Dr. Weil,
St. Blasien. Münch, nled. Wochenschr.. 1909, Nr. 43.
2., Kurze Mitteilungen über Gefahren der gebräuchlichen
Sauerstoffanwendung. Von Dr. O. Rosenthal. Ibidem.
3. Ueber Propäsin und seine schmerzstillende Wirkung.
Von Assist.-Arzt Dr. K. Perl. Krankenhaus Frie.drichsha.iu.
Berlin. Med. Klinik, 1909, Nr. 50.
t. Zur Synthese des Asurol. Von Dr. IV. Sohoeller
uud Dr. IV. Sohrantl. Therapeut. Monatshefte, Dezember
1909. . . (Ir, iffefteia
5. Zur Ekzemtherapie. Von Geh. Hofrat Dr. 1 e i e 1 ,
Cannstatt. Münch, med. Wochenschr., 1909, Nr. 47.
6. Chronische Pilokarpinintoxikation. Von Prof. El sch -
n i g in Prag. Med. Klinik. 1909, Nr. 51.
i. Bei Anstellung der M e r o sehen Tuberkulinprobe be¬
diente'sich Verf. der aus der Hirschapotheke in Frankfurt n. M.
bezogenen 50 prpz. Tuberkulinsalbe, von der 10 g (Preis 3 M.)
für mehrere Dutzend Proben ausreichen. Nach seinen Ei-
JNIVERSITY OF MICHIGAN
UNI>
3AN
46
THERAPEUTISCHE i
fahriingen kann Verf. die M o r o sek Salbenreaktion als eine
Bereicherung der diagnostischen Methoden bezeichnen, da sie
sich nicht nur durch Einfachheit und Ungefährlichkeit, sondern
auch durch ziemliche Zuverlässigkeit auszeichnet.
2. Gelegentlich einer an einem Hunde vorzunehmejiden
Lungenresektion beobachtete R. kurze Zeit nach Einleitung des
Ueberdruckes, noch vor Eröffnung der Pleura, Exitus des Ver¬
suchstieres, dessen Obduktion die Todesursache nicht erkennen
ließ. Als R. darauf den als Sauerstoffbehälter gezeichneten
Stahlzylinder einer Untersuchung unterzog, fand- er Stickstoff.
Die Quelle der Verwechselung, an der die Sauerstoffwerke
unschuldig sind, ist in der mangelhaften Bezeichnung des Be¬
hälters zu suchen. Da zu therapeutischen Zwecken jetzt auch
Kohlensäure- und Stickstoffzylinder in klinischen Betrieben An¬
wendung finden, weist R. auf die Notwendigkeit einer jedes¬
maligen Prüfung des Zylinderinhaltes hin, also beim Sauerstoff
mittels des glimmenden Holzspanes.
3. Verf. hat Propäsin (Propylester der Paramidobenzoesäure)
in Dosen von 0,5—4,0 g täglich in Pulvern, Tabletten, ferner
als Trochiszi, Urethralstäbchen, Suppositorien, Emulsionen und
Salben angewandt, ohne je Nebenerscheinungen zu beobachten.
Das Präparat hergestellt von Franz Pritsche & Co. in
Hamburg) ist ein weißes, kristallinisches Pulver, das in Wasser
wenig-, in Alkohol und Aether leicht löslich ist. Es hat einen
leicht bitteren Geschmack und bewirkt auf Lippen und Zunge
last unmittelbar eine deutliche Anästhesie. Oft genügte eine
einmalige Dosis von V2 g des Pulvers, um eine sofortige Wirkung
zu erzielen, und wiederum wirkte es am besten, wenn es
trocken geschluckt wurde. Die Tabletten standen im Effekt
den Pulvern sehr nahe. Sehr wertvolle Dienste leistete Propäsin
bei den Hals- und Kehlkopfschmerzen der Phthisiker. Die Wir¬
kung hielt 6—12 Stunden an und war nicht abgeschwächt, wenn
das Mittel mehrere T.age hintereinander gegeben wurde.
4. Die Verfasser berichten über die Versuche, ein Anti-
syphilitikum zu finden, das bei hohem Quecksilbergehalt sich
in V asser leicht löst, haltbar ist. Eiweiß nicht fällt und
reiz- und schmerzlos ist. Diese Eigenschaften sprechen sie
aus allerlei Gründen den gebräuchlichsten der bisher bekannten
Mittel ab. Sie glauben aber, daß die geforderten Eigenschaften
den Alkalisalzcn der o-Oxyquecksilbersalizylsäure zukommen.
Denn physiologische und therapeutische Versuche haben ergeben,
daß diese Alkalisalze Eiweiß nicht koagulieren und nach rela¬
tiver reizloser Resorption im Organismus ihre volle Wirkung
entfalten. Ferner wirken sie in hohem Grade desinfizierend.
Dagegen zeigen sie noch Mgngel an Haltbarkeit (für den prakti¬
schen Gebrauch beinahe das Wichtigste! Ref. >. Dieser Fehler
soll durch Zusatz von Eiweiß leicht zu beheben sein. Zu dem
Zwecke wurden die Aminofettsäuren herangezogen, und es ge¬
lang, durch deren Einwirken auf die genannten Alkalisalze
des Hydrargyrum salicylicum in Wasser neutral lösliche und halt¬
bare Doppelverbindungen zu erhalten, die den oben genannten
Forderungen entsprechen. Von diesen hat sich wiederum das
von den Elberfelder Farbenfabriken unter dem Namen „Asu-
r o 1" in den Handel gebrachte Aminooxyisobuttersäure-Doppel-
salz, welches 40,3°,o Quecksilber enthält, am besten bewährt.
Es wird in Packungen zu 1,5 und 10,0 g, sowie in Lösung
in Ampullen in Kartons zu 15 Stück äi 0.06 g abgegeben.
5. Zur Heilung der nach Entfernung der Krusten, und
nach Ueberhäutung der nässenden Stellen zurückbleibenden, stark
juckenden, geröteten und schuppenden Stellen des Ekzems wird
seit uralten Zeiten der Teer benutzt. Statt dessen kann man,
heutzutage das Li.antral (Beiersdorf), oder das von,
X e i ß b r empfohlene T u m enol (K n o 11) benutzen. Beide,
werden auf die erkrankten Stellen, am besten in spirituösen
Lösung aufgepinselt. Die entsprechenden Rezeptformeln lauten:
Rp. Liantral
Benzol . . .
. „ . ää 1,0-s3,0
Alcoh. absolut. ... ad 100,0
Mf. filtra. S. Liantralspiritus.
Rp. Tumenol. 1,0—3,0
Zinc. oxydat.
Talct
I (seit j.,
! einträuf
Blutwalli
j geben Erb
das sich mitu
ruhigem Schla
i Heilung diese
| einer chronise
j liegen muß.
des Giftes in
. Krankheitsbild
TechnisCi
Dab
Geringste Raum
J enlfaltung sind Haup,
! wisset' Chirurgie-lnstrur
stehen sich entgegen! t
j da, wo gegebene Körper
[ strumentes .beschränken ur
verlangt wird, nach konst.
welche die Eigenkraft eines
Ein Pflasterspatel beda
empfängt vom menschlichen
drücken der Salbe ausreicht;
derjenigen Muskelkraft, die füi
! Dagegen vollbringt ein Lithot.
zermalmt, eine Leistung von
einzelnen Finger durch bch
Schraubenrad ihm gegeben habt
1 ein Kephalotriplor den Kindes
seiner Konstruktionsmil lei, die c
! eines Händedrucks vom Operateur ,
Selbstverständlich können, sich dcrai
nur auf Naturgesetzen aufbauen; die Kims
ihre gichtige Anwendung zu finden.
Instrumente von zarter Struktur werden bes
Hals-, Nasen- und Ohron-Aerzten für die Kopfiioniiu
verlangt. Dabei wurde den meisten neueren zangenför-
migen Instrumenten, die bei gewisser Zartheit und Länge
eine schneidende oder brechende Wirkung haben sollten, die
Bauart des G r ii new aI d sehen Conchotoms zugrunde
gelegt.
Aber alle Neuerungen der letzten Jahrzehnte beschränk¬
ten sich im allgemeinen auf die äußere Veränderung der
Formen. Es gelang nicht, die Eigenkraft der Instrumente
nennenswert, zu heben oder den einen großen und weil
zu bekannt, fast vergessenen Nachteil der abweichenden
Spitzen zu beseitigen.
Jedes Instrument nämlich mit scherenförmigen Griffen
und knieförmiger Biegung entfernt sich, sobald sein Griff
in Tätigkeit gesetzt wird, mit den Spitzen von dem zu
fassenden Objekt; und zwar geschieht dieses „Wippen“,
das „Sicfiabhebcn“ um so mehr, je länger die Zange, oder
je mehr rechtwinklig ihre Biegung ist. Am auffallendsten
tritt das bei Kehlkopfzangen in die Erscheinung! Es gab
bisher nirgends eine Kehlkopfzange mit scherenförmigem
Griff (nur dieser allein gewährleistet ein feines Tastgefühl),
die eine ruhige Spitzenhaltung geboten hätte.
Zwei Forderungen also galt, es hei Hals-, Nasen- und
Ohreninstrumenten zu erfüllen: vermehrte Kraft Und ruhige
Spitzeinlage.
Das ,ist mir gelängen, durch eine neuartige Gelenk-
Anordnung I Aber nicht auf obifce Spezial-Instrmnente bleibt
diese beschränkt, sie kann mit dem gleichen überraschenden
Erfolg für das ganze, große Instrumentarium aller Aerzte
übernommen werden, sobald es sich um zangenförmige
l Stücke handelt, von denen eine größere Schnitt- oder Faß-
Glycerin.
Aq. dest.ää ad 100.0
S. Täglich 2 mal aufzupinseln. Vor dem Gebrauch umschüliohi.
Wenn der Teer nicht oder nur langsam zum Ziele führt, sind
2proz. Chrysarobin- oder Pyrogallolsalben angebracht.
6. Prof. E. berichtete über einen Pall von chronischer
Pilokarpinvergiftung: Ein Mann mit Glaukom an beiden Augen
UNIVEF
MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
riSCHE RUNDSCHAU.
47
wird,
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i, denn unter
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ich war. So
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:iier Linie, ge-
jchen am Stirn-
zange mit Detei'l-
zange mit Detert-
i, 1 querovalen und
scharfen Frankel-
ein, zum Aufschrauben
en mit dem Normal-
irgio-Mechanik) 37 Mk.
eit und werden in Kürze
, Berlin, Karlslraße 9.
idschuh aus Gummi
i. ein Frottier- und Massier-
tzt worden, welcher eine mit
versehene Handfläche, eine
tppe, über den Handrücken
creifen und ein um das Hand-
•kknopf versehenes Scliließ-
'irzenälinlichen Erhöhungen
ingeordnet, daß die von der
Kurve den beim Frottieren
mzt. Durch die warzen-
der erzeugte Reiz für die
'deutend erhöht, dabei sind
so angeordnet, daß sie eine allmählich
, nach rechts (dien verlaufende Kurve
von dieser Kurve begrenzte, mit Warzen be-
. entspricht genau demjenigen 'Peile der Hand¬
fläche, welcher heim Frottieren und Massieren die eigent¬
liche Frottier- oder Massierarbeit leistet. Am oberen
Finde, dem Fihgerende, besitzt der Handschuh eine die
Fingerspitzen umschließende Kuppe und weiter eine
Daumenkuppe, welche den ganzen Daumen umschließt.
Quer über den Handrücken läuft, zum Festhalten, eiu
Band, welches mit der Fingerkuppe durch einen zweiten
Bandstreifen verbunden ist: Vermittels des mit einem
Druckknopf versehenen Scliließbandes wird der Handschuh
am Handgelenk festgehalten. Tug. 0. Wagler.
Kugelförmige Luftdusche,
hei welcher die Luft mittels Schlauches an die Gebrauchs-
Stelle geleitet wird. In einem kugelförmigen Hohlkörper
befindet sich eine Vorrichtung nach bekannter Art, die
den Luftstrom erzeugt. An dem unteren Teil setzt sich die
Schlauchleitung an, während in dem oberen Teil sich die
Durchbrechungen befinden, durch die die Luft ständig ein-
ti'it.t. Dient diese Luftdusche beispielsweise zur Erzeugung
und Uebertragung eines heißen Luftstromes, so wirkt die
Gestaltung des Hohlkörpers vorteilhaft auf die Funktion.
Die durch einen Hohlkörper erwärmte Luft hallt sicli in
der Kugel, so daß sich die Wärme gleichmäßig unter sich
verteilt. Die Wärme nimmt allmählich. zu und auch al 1-
I mählich ah, wenn der Heizkörper ausgeschaltet wird.
Ing. 0. W a g 1 e r.
Bücherbesprechungen.
Zur Pathologie und Therapie der Arteriosklerose. Von Prof.
I )r. E. A u f: r e c h t, Magdeburg. Verlag A 1f r e d H ö.ld e r ,
Wien und Leipzig 1910. 47 Seiten. 8°.
Das auf der Pasis reicher praktischer Erfahrung und
gründlicher pathologisch - anatomischer Studien entstandene
kleine Werk gibt in übersichtlicher, leichtverständlicher Form
einen TTeberblick über die teilweise noch so sehr differierenden
Anschauungen von dem Ausgangspunkt der Arteriosklerose, ohne
daß Verf. seinen eigenen Standpunkt weder allzu sehr in den
Vordergrund rückt, noch allzu ängstlich damit zurückhält. Sehr
wertvoll für jeden Praktiker sind auch die eingestreuten, zum
Teil über Jahre hinaus sich erstreckenden Beobachtungen einzel¬
ner Patienten, sogar ganzer Familien, ferner die überaus sorgfäl¬
tige Zusammenstellung der einzelnen Symptome und ihre Er¬
klärung, und auch die Therapie ist, wie es leider nicht allzu
häufig geschieht, in einer fast mustergültigen Weise gewürdigt.
Auf jeder Seite des kleinen Buches erkennt man, daß hier ein
an praktischen Erfahrungen reicher und nicht einseitig kriti¬
scher Geist gearbeitet hat, und daß alles aus der Praxis für die
Praxis geschrieben ist. ' S.
100 Fraucnleben. ln der Beleuchtung des § 1354 b des Bür¬
gerlichen Gesetzbuches. Eine Studie für Kliniker, auch für prak¬
tische Aerzte von Dr. M e n s i n g a senior, Flensburg. Neuwied
und Leipzig 1909, bei L. Heuser Wwe. & Co. Mit 3 Tafeln.
Preis 3 M.
„Aus einem Medikus ist ein Hygienikus geworden“, sagt der
bekannte Verfechter der fakultativen Sterilität und will diese
Tatsache — wir wollen hoffen, daß es eine ist, — auf daß Ehe¬
leben übertragen wissen. Zum Nachweis dafür, wie dringend,
notwendig eine hygienische Beeinflussung der Ehpn im, - Sinne
M eii singas ist, gibt uns Verf. eingehende, spezielle Mit¬
teilungen — ich möchte fast sagen -— Krankengeschichten von
hundert Frauenleben, und ich glaube, daß es in der Tat diesen
Berichten leicht gelingen wird, Proselyten .zu machen. Mit er- ;
schreckender Deutlichkeit grinst uns aus diesen Blättern das Ge¬
spenst der Rassenversehlechterung infolge der großen Frucht¬
barkeit der Frau an, infolge zu großer „Abnutzung“ des weib¬
lichen Organismus unter dem Einfluß allzu häufiger Geburten.
Und — ein Circulus vitiosus — „je schwächer die Frau ge¬
worden ist, so daß durch* die Mühen des Tages usw. eine reizbare
Schwäche sich einstellt, und diese auf jedes Organ, auch auf die.
Ovarien sich ausdehnt, um so stürmischer geht dadurch auch die
Eilösung vonstatten, und die geschwächte Frau muß viel rascher
als sonst konzipieren, oft sogar doppelt, so daß Zwillihgsk'onzep-.
tionen eintreten, als neues, greifbares Zeichen . von : reizbarer
Schwäche — nicht von ombarras de richesse“. '.
So lehren diese hundert Frauenleben, daß die fakultative
Sterilität zu einer hygienischen Maßregel ersten Ranges erhöben
werden muß. Sie ist ein Produkt unserer Kultur, eine Gegen¬
maßregel gegen die schlimmen Folgen eines "infolge unserer
Lebensbedingungen ununterbrochenen, wachsamen und wirksamen.
Goschlechtstriebcs. Aber „ein gesunder Staat bedarf zu seiner
Erhaltung kräftiger Mütter von bleibender Gesundheit, dann
wird auch die Nachkommenschaft eine starke, gesunde Wörden;
erforderlich freilich ist allerdings dabei, daß die Nachkommen
aller Vorteile zu ihrem Fortkommen teilhaftig werden, welche
£
ähreN ie Nerven mäMeocUhin ^MSjaFlEOci-rmri
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Teilnehmer eintreten. Näheres daselbst.
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II \Jjnl v
/ERSI
THERAPEUTISCHE Et
die Mutter ihnen bietet, also neben der unbehinderten Pflege und
Erziehung vor allem die Ernährung an der eigenen Mutterbrust
— die grundlegende Bedingung!“ Und um diese Bedingungen
zu erfüllen, muß der Notschrei der Frau nach Schonzeit überall,
insbesondere bei Jen hygienischen Lehrern des Publikums, den
Aerzten, einen lebhaften Widerhall finden. In diesem Sinne zu
wirken ist ein großes Verdienst des M e n s i n g a sehen Buches,
zumal der Verfasser in seinen angefügten Tafeln die Methode
angibt, nach der jeder Arzt sich genaue Notizen über das Ehe-
lcben der Frau machen und ein leicht übersichtliches Bild ver¬
schaffen kann. — Z.
Aerztliches Handbüchlein für hygienisch-diätetische, hydro¬
therapeutische, mechanische und andere Verordnungen. Von
Dr. Hermann Schlesinger. Göttingen, Verlag der
Deuerlichsehen Buchhandlung, 1909.
Daß die hygienisch-diätetische und hydrotherapeutische Aus¬
bildung der die Hochschule verlassenden jungen Aerzte noch
immer sehr viel zu wünschen übrig läßt, ist eine nicht zu be¬
zweifelnde Tatsache. Mühsam muß derselbe, je nachdem die
Würfel in der Praxis fallen, das Unerläßliche aus den großen
Lehr- und Handbüchern herausklauben, und nur zu bald ver¬
geht dem oft Ermüdeten die Lust an der Lektüre langatmiger
Betrachtungen, aus denen er, soll es ein xrrjua tig au werden,
die betreffenden Stellen schriftlich exzerpieren muß. In dem
S c h 1 e s i n g e r sehen Buche sind die herausgepickten Gold¬
körner gesammelt, geordnet und mundgerecht aufgetischt
worden. Namentlich sind die diätetischen Vorschriften lücken¬
los und äußerst übersichtlich. Zudem weht uns aus dem eminent
praktischen Büchlein ein durchaus wissenschaftlicher Geist an
und ist es darum den Kollegen warm zu empfehlen, sei es
zum Gebrauch auf der Reise, sei es au coin du feu.
Dr. Abramowski, Gilgenburg.
A ac-
die Bestin
bisher allm
die Nachweis
Z a hn rzte
zusenden sei,
jeden Jahres,
doch wieder
Bei der diesj
saale des Nobelin
stattfand, erhielt
sehen Preis, welch.
B r a u n , Straßbur;
Das Kultusmi
anstalten an, daß die .
beschränken solle, sodaß
würden, es soll nach M
die Nachmittage schulfi
Leiter der Anstalten da.
Neuerung keine Mehrarbe.
uügend Zeit zur körpei
enthalt i n jf risch e r
Eine internationale Aus.
im nächsten Jahre anläßlich
häugigkeitserklärung der Repu
stattfinden.
In Magdeburg wurde unter u
der Provinz Sachsen der „Krüpj-
Sachsen“ gegründet; seine Hau
in dem Ausbau der Prophylaxe
Behandlung gesetzt.
Die Einführung der Welt
den letzten Monaten bedeutend
jetzt bereits ca. 1600 Esperan
dieses Jahres gibt. Auch die
wächst ständig und beträgt sc
Auskunft.sstgllen über 350, von . .
scher Esperantisten“ in Leipzig, Moltkestr. 28
gegen Einsendung von 15 Pf. ein Espcranto-Lt
klärende Schriften über und in Esperanto port
senden.
Allgemeines,
Die Ländesversicherungsanstalt der Hansa-
städte bewilligte für die Errichtung gesunder Arbeiter¬
wohnungen, in denen Einrichtungen den neuesten hygienischen
Forderungen entsprechend angebracht werden sollen, IV2 Millio¬
nen Mark.
statt Teer
Allgemein i(t man in Aerztekreisen zu
der Ueberzeugung
^ gelangt, daß Pittylen einen wirklich wirksamen Erfafe für den übelriechen-
1 den, offizineilen Nadelholzteer darlfellt. Mehrjährige Erfahrungen in der Praxis
haben ergeben, daß dem Pittylen die unangenehmen Eigenfchaften des Teers
penetranter Geruch, lokale Reizungen, reforptive Nebenwirkungen, vollftändigfehlen, und:
daß es fall niemals verfagt, während bekanntlich der Teer infolge feiner wechfelndenZufammen-
fe^ung unficher in
der Wirkung ilf und von der Mehrzahl der Patienten nicht vertragen wird.
Speziell hat (ich gezeigt, daß die PITTYLEN-SEIFEN durch die Zuverläffigkeit ihrer Wirkung,
:hlen jeglicher Reizerfcheinungen und durch ihren angenehmen Geruch den bisher gebräuchlichen Teerfeifen
jen find, fodaß de immer mehr an Stelle der Teerfeifen benufet werden.
bitten die Herren Aerzte, welche Pittylen noch nicht angewandt haben, Mufter-Kollektionen und Literatur
zufordern.
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.54 L eber Thennopenetration.02
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Oann- und Stoffwechsel- Bruno Carl Schürmayer, Berlin: Harnuntersuchungen und
. . . . . . ... . . 58 ihre diagnostische Verwertung.03
.59 Allgemeines..04
ALIEN.
ic des Tetanus.
i\ Oscar Orth.',)
-Tetanus hat sich in den letzten
«hindert, als sie einen agressiveren
jumen hat. Diese Verschiebung basiert
«»«er Linie auf der jetzt wohl allgemein geübten, wenn
auch in ihren Erfolgen noch nicht gleich günstig beurteil¬
ten, sei es präventiven oder kurativen Serumtherapie, in
zweiter Linie auf der Kombination verschiedener Applika¬
tionsweisen des Serums, der subkutanen, intravenösen und
neuerdings bevorzugten intraduralen. Muß auch auf der
einen Seite zugegeben werden, daß das Tetanusserum noch
keine hervorragenden Triumphe gefeiert hat, so darf doch
auch auf der anderen Seite kein zu großer Pessimismus,
zu eiuemNiclitstun führen, zumal doch gerade in der letzten
Zeit von S i m m n zwei einwandsfreie Fälle mitgeteilt sind,
die einen zu weit gehenden Skeptizismus erschüttern dürf¬
ten. Gerade letzterer Umstand veranlaßte mich, durch
die Mitteilung meiner Beobachtungen bei traumatischem
'Tetanus mit beizutragen zu der Frage, ob wir uns mit
unserer Therapie zurzeit auf dem richtigen Wege befinden
oder nicht.
Selbstverständlich ist es, daß wir uns bei einer so
schweren Infektion aller Waffen bedienen, die uns unser
Arzneischatz bietet und nicht beispielsweise aus Vorliebe
für das Serum die bisher üblielien therapeutisch-chirurgi¬
schen Maßnahmen beiseite setzen. Auf diesen Punkt li in-
zuweisen, erscheint deshalb berechtigt, weil meines Wissens
keine Beobachtung existiert, die uns einen ermutigenden
Beweis dafür erbracht hätte, mit dem Serum allein aus-
komnien zu können. Bestimmt somit der Zweck unser
Handeln, dann gilt es durch eine sofortige und möglichst
energische Bekämpfung 1. das Virus und seine Produkte
zu destruieren, 2. diese Produkte aus dem Körper zu
eliminieren.
Es erhebt sich somit zunächst die Frage, ob wir mit
den uns zurzeit zu Gebote stehenden Heilmitteln imstande
11 Nach einem im Aerztevereiu Saarbrücken gehaltenen Vor¬
träge.
sind, diesen beiden ineinander übergreifenden Forderungen
gerecht zu werden.
Die Durchsicht der einschlägigen Literatur ergibt,
daß die Behandlung beim ausgebrochenen Tetanus von.
obigen Gesichtspunkten geleitet wird. Man geht aber
weiter und sucht den wiederholten Vorschlägen
Behrings, Knorr, Tizzoni und anderen damit
entgegenzukommen, daß man bei einer Anzahl von ver¬
dächtigen Wunden, die etwa den Tetanustypen Roses
entsprechen, die Präventivimpfung- anstellte. Zugunsten
kam diesem Vorgehen, daß bei der subkutanen Seruin-
injektion keine schweren Nebenwirkungen gezeitigt
wurden.
Es fehlt mir an eigenen Beobachtungen, um die Tat¬
sachen’ die mehrere für die Präventivimpfung eintretende
Autoren behaupten, daß der Tetanusausbruch durch die
Schutzimpfung hinausgesehoben wird, oder, daß er wenig¬
stens bedeutend milder verläuft, zu beurteilen. Wenn es
aber gelingt bei frühen Fällen, d. i. solchen, deren Aus¬
bruch innerhalb der 1. Woche nach der Infektion erfolgt,
von denen Rose sagt, daß sie in 7 / 10 heftig seien und
keiner mit dem Leben davonkomme, durch die Schutz¬
impfung eine Mortalität von 36,3 pCt. zu erzielen (S u t e r:
Beitrag zur klinischen Chirurgie 1907), oder nach B ä r s
Arbeit (Cbrrespondenzblatt für Schweizer Aerzte,
XXXVI. Jahrgang, pag. 749). die Erkrankung wenigsens
leicht oder abortiv verläuft, ohne daß.es allerdings gelingt,
den Tetanus durch eine frühzeitige und fortgesetzte Injek¬
tion zu vermeiden, so erscheint diese prophylaktische Ma߬
nahme sehr berechtigt. Es steht nur die Entscheidung
offen, welcher Weg der Applikation, der intradurale oder
subkutane, einzuschlagen «sei. Zunächst sind sowohl die
iutralumbale, sowie die intravenöse zweifellos eingreifen¬
derer Art als die subkutane; dazu kommt weiter, daß nach
Poch ha mm er und anderen immerhin 100 I.-E. dem
Organismus zu einer erfolgreichen Abwehr des Feindes
einzuverleiben sind; ohne auf die Gefahr einer Karbolver¬
giftung, auf die Simon (Münch, med. Wochenschrift-,
Nr. 56, pag. 2265) mit Recht liinweist und die bei einer allzu
schnellen Resorption vom Lumbalsack aus gefährlich
werden könnte, näher einzugehen, erscheint es nach allem
sehr gewagt, aus rein prophylaktischen Vermutungen den
intraduralen Weg zur Präventivimpfung zu beschreiten.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
50
THERAPE T
Schließt sieh an eine Infektion kein Tetanus, son
langes Krankenlager an, so können trophonen
Störungen im Gefolge intraduraler Injektionen die Se.
einer Affektion erhöhen. Diese Erwägungen sind natiii.
dann hinfällig, wenn ein einsetzender Trismus die sichtbare
Eruption des Tetanus verkündet. Denn nun ist, nachdem
wir aus der Inkubationszeit beziehungsweise den klinischen
Symptomen den Schluß ziehen dürfen, daß das Tetanusgil'l
von der Applikationsstelle das Zentrum erreicht hat, der
einzige, die Therapie leitende Gedanke, durch die intra¬
durale Anwendung die in der Lumbal fl iissigkeit sich be¬
findlichen Toxine abzulassen und durch 'Injektion von
Antitoxinen die sich bildenden zu binden. Das immuni¬
sierende Moment, das uns bei der Präventivimpfung vor¬
schwebt und dem wir.durch subkutane Impfungen auch
während des Befallensein des Organismus doch noch ge¬
recht werden können, tiitt gegen den Wunsch, nun eine
mehr destillierende Wi.rkung zu entfalten, zurück.
Wenn ich nun dazu übergehe, meine eigenen, auf fünf
Fälle sieh stützenden Erfahrungen mitznteilen, so sei gleich
hier vorausgeschickt, daß alle Patienten mit bereits aus¬
gesprochenen Tetanussymptomen in Behandlung kamen.
Nach ihrer Schwere gehörten sie zu den frühen (innerhalb
der 1. Woche der Infektion). Von diesen scheiden drei
aus, hei denen einmal eine subkutane Seruminjektion ge¬
macht wurde, sonst aber eine rein symptomatische Be¬
handlung Anwendung fand. Alle drei endeten letal. Bei
den beiden letzteren wurde die symptomatische Therapie
zugunsten einer aggressiveren verlassen. Ihre Kranken¬
geschichten seien in Kürze mitgeteilt:
1. Fall. 12. XII. 7jähr. Junge zog sich eine Wunde im
Bereich der rechten Achillessehne zu. Dieselbe wurde nicht
beachtet; schließlich trat eine Schwellung des Beins ein
und am 3. Tage nac der Infektion konnte das Kind den
Muml (rieht mehr öffnen. So wurde das Kind ins Kranken¬
haus gebracht. Status: Anämisch aussehemler, aufgereg¬
ter Junge. Temperatur 39,3. Puls 100. Sonstige Organe
gesund. Im Bereich der rechten Achillessehne eine eiternde
Wunde; der Unterschenkel geschwellt und phlegmonös ge¬
rötet. Während der Untersuchung auftretende Zuckungen
und Streekkrämpfe in den unteren und oberen Gliedmaßen,
rechts wie links. Der Mund kann nur zum Einflößen von
Milch geöffnet werden. Gewicht 30 Kilo. Diagnose:
Phlegmone des rechten.Fußes und Unterschenkel. Tetanus
incipiens.
Therapie: Inzision in Ctiloroformnaikase; Entleerung
eines dünnflüssigen Eiters, Paquelisierung der lul'ektimis-
stelle. Subkutane Koehsalzinfusion und Aderlaß; Injek¬
tion von 10 ccm Tetanusantitoxin nach vorherigem Ablaß
von 10 ccm Lumbalflüssigkeit.
Die intradnrale Injektion bot wegen des Opistatonus
einige Schwierigkeit. Schlaf auf Opium möglich.
13. XII. Beginnender, lytischer TemperaturabfnII auf
morgens 38,2, abends 38,8. Das Aussehen des Beines rät
zur Amputation, doch, da dieselbe zunächst abgelehnt
wird, sind mehrere Inzisionen geboten. Das Befinden hat
sich insofern geändert, als der Junge nicht mehr so auf¬
gelegt ist und die Krämpfe an Intensität abgeiu. ich
haben. Essigsäure Tonerdeverbünde,; nochmalige Serum¬
injektion von 10 ccm; sowie 10 ccm intravenös. Schlaf
ohne Opium möglich.
14. XII. Temperatur morgens 37,4, abends 38,3. Die
Krämpfe haben abgenommen; vereinzelte Zuckungen
treten noch auf; das Oeffnen des Mundes wieder möglich;
Knebsalzinfusion, 10 ccm Serum subkutan.
18. XII. Tetanus ahgehmlen, 0. Tag. Es entwickelt-
sieh eine protrahierte Prämie mit mehreren multiplen,
metastatisehen Abszessen. Außerdem ein Dekubitus trotz
UNIVERSITY
Ui
anfgeni
sätzen. Et -
später Patient
Unterzieht
wir zugeben, ,
mittelseliwerer A
gehörten, dafür sj
gegen die Amiahm
nicht vollständige '.
noch möglich war.
Es erhebt sich .
Heilung zu setzen si
oder das des Serums.
Heilmethode des Tetai.
Gliedes. Einen weitere!
abgeben; im ersten aber
Daraus zu schließen, d
fernen, erschiene mir g-
Serum zu verzichten. Ei
Infektion können wir ihm ,
zitierte Tabelle zuei kennen,
fektion die intralumhale App
den Einfluß ausübt, erscheint n
scheu und meiner Fälle nicht a
betrug im Durschsclmitt vom kl.
Heilung 0 Tage. Es dürfte sieh s,
allein um die Frage des Zeitpunktes dt
soudei n auch mn die Al t ihrer Appln
Menge des Serums, die mit dem Körpergewicht naen
Arbeiten Z a e li ä r i a s’ und K n o r r s in Beziehung' zu
setzen ist, hat Simon (Münch, ined. Wochensehr.,
26. Jalirg.) berichtet und sei auf diese Abhandlung, wie
schon des öfteren, auch liier hingewiesen.
Wie eingangs erwähnt, wurden alle sonstigen Hilfs¬
mittel mit zur Bekämpfung herangezogen, die teils be¬
ruhigend wirken (Opium, Morphium), teils eine Durch¬
spülung des Körpers (Kochsalzlösung) und Ausschwem¬
mung der Gifte (Aderlaß) aus dem Körper ermöglichen.
Noch sind die Akten der Behandlung nicht ge
schlossen, weitere Mitteilungen sind zur Klärung er¬
wünscht; für den helfenden und denkenden Arzt gilt es
auch hier neben dem nil nocere, uniltum prodesse,
Die ärztliche Behandlung von Geisteskranken.
Von Dr. Becker. Weilmüaster.
I eher die ärztliche Behandlung von Irren, diesen
Aermsten der Annen, herrschen in Laienkreisen meist
unklare Vorstellungen. Der eine fragt beim Besuch einer
modernen Anstalt verwundert, wo denn die „Tobzelle“, die
„Gnmmizelle“ sei; der andere wälint, die Zwangsjacke
sei für den Irrenarzt genau so eine tagaus tagein gewöhnte
Verordnung, wie für den praktischen Arzt die Rezeptur;
der dritte endlich denkt sich die Irrenanstalt als eine Art
Mittelding zwischen Raubtierhaus des „Zoo“ und Zucht¬
haus. Nichts von alledem . Die moderne Irrenbehandlung
ist eine durchaus humane, welche, beinahe überängstlich,
jeglichen Zwang zu vermeiden trachtet.
Allerdings brauchen wir in der Geschichte der
Psychiatrie nicht bis in das Mittelalter mit seinen Hexen¬
prozessen und Teufelsaustreibungen zurückgreifeu, um auf
UNIVERSITY OF MICHIGAN
OF MICHIGAN
TlSCHAU.
es
i „Heil- und
jetzt genannt
eilt, diese Be-
mit Rücksicht
.teil Kranklieits-
res „Irrenanstalt“
a würden, anderer-
, bei dem, wie die
eltes Vorurteil die
t a 1 t als etwas, ich
ges“ angesehen wird,
- lange in Behandlung
Ile Achtling vor dem
rfalireuen Sanitätsrats,
fungsordn uiig psychia-
-s, aber was er seinem
Iz scharfsinniger Be¬
nd trotz vollkommener
Behandlungsmethode, ist
lern ersten und wichtigsten
Geisteskranken angelangt.
die geregelte Hausordnung
Überwachung aller kleinen und
Geistesstörung liegenden Unarten,
■en auzuwendende methodische Be-
aber absolute Ruhe, die weiter unten
eehcndeu Maßnahmen (z. 13 . eines Dauer
laues,, wie sie sieh in der häuslichen Behandlung so
schlecht durchfüliren lassen, und endlich — last not least
- - die völlig fremde Umgebung, die nach Art einer Luft¬
veränderung, wie sie häufig bei körperlichen Krankheiten,
besonders denen der Atmungsorgane, verordnet wird, oft
Wunder wirkt. Abgesehen von diesen allgemein gültigen
Grundsätzen werden die. Kranken dann noch individuell
sehr eingehend beobachtet und behandelt, und da er¬
fordern erklärlicherweise die Aufregungszustände noch
eine besonders gewissenhafte Sorgfalt seitens des Irren¬
arztes. Ganz lalseh ist es nach modernen Begriffen, den
im Erregungszustand befindlichen Geisteskranken einfach
in die „lobsuclitszelle“ zu sperren. Diese Isolierung ist
nur in wenigen Fällen erlaubt. In erster Linie darf der
Patient nicht selbstmordverdächtig sein. Selbst ein un¬
zerreißbares Bettuch, ein ebenso unzerreißbarer Strohsack,
dicke hochgelegene Mattglasfenstersclieiben und das
Pelden jeglichen Nagels, Hakens usw. in der Zelle erlaubt
nicht die Isolierung eines Lebensübenh rissigen. Ist es ;
doch noch kürzlich vorgekonnnen, daß eine derartige
Geisteskranke versucht hat, sich die Pulsadern aufzu
beißen! Patienten, welche unrein sind, viel aus dem
Bett herausgellen usw., verwildern außerdem zu leicht in
der Zelle. Also wenn nicht die Rücksicht auf die Mit-
piitienten die Isolierung dringend erheischt oder wenn ein
wichtiger Gegengrund vorliegt, dann lasse man den
Kranken auf dem Waclisaal. „Waebsaal?“ höre ich
fragen. .Ja, A\ aebsaa] nennt man die Krankenabteilungen,
in denen besonders zu beobachtende Patienten in größerer
Anzahl 10 vielleicht zusaminengelegt und durch
zwei Wärter, resp. Wärterinnen bewacht werden, und zwar
ununterbrochen. Tag und Nacht. Das Wartepersonal er¬
fährt natürlich in verständiger Weise Ablösung und kann
sich auch leicht, wenn’s nötig wird, Verstärkung ver- |
schaffen. Selbstredend sollen die Patienten in diesen I
Wachabteilungen im Belt gehalten werden. Diese Bett- I
. und für sieh in einer Anstalt mit fühlbarer ge-
.cr Hausordnung wirkt schon manchmal Wunder und
.1 sich liier glatt durchführen, wo alle derartigen Vcr-
mehe_ in der Häuslichkeit an dein ungeberdigen Verhalten
der Kranken scheiterten. Stößt man auch in der Anstalt
aut heftigsten \\ iderstand, lassen sich die angegebenen
-Maßnahmen so nicht durchführen, so benutzt man zu ihrer
Unterstützung die bekannten Schlafmittel, am Tage be¬
sonders gern die langsam wirkenden, wie z. B. Sulfonal,
oder auch wiederholte kleine Dosen rascher einschläfern¬
der, wie des Cliloralliydrats; abends dagegen größere
Dosen des letztgenannten oder anderer schlafmachender
Arzeneien, als souveränes die jetzt in fast allen Anstalten
benutzte Mischung von Morphium und Hyoscin. Ersteros
ist ja ia seiner beruhigenden Wirkung schon länger be¬
kannt, letzteres, aus dem Saft des Bilsenkrautes stammend,
unterstützt die lähmende Wirkung des Morphiums und
wirkt gleichzeitig als Gegengift, so daß man nicht zu be¬
fürchten braucht, jemanden mit Einspritzungen dieses
Gemisches zum Morphinisten zu machen. Selbstverständ¬
lich ist bei allen Schlaf- und Beruliigungsmitteln eine
scharfe Kontrolle der Körperfunktionen, besonders der
Herztätigkeit, seitens des Irrenarztes erforderlich. Wird
auf diese Weise eine Schädigung des Organismus durch
chemische Mittel möglichst vorgebeugt, so sucht man der
letzteren außerdem noch zu entraten durch physikalischen
Ersatz, vornemlich durch die bekannte Prießnitzsche Ein¬
wicklung des ganzen Körpers und durch das Dauerbad.
Während ersterer noch ein leichter Zwang anhaftet, indem
der Kranke nackend mit an den Rumpf angelegten Armen
und-geschlossenen Beinen in feuchtwarme Tücher gehüllt
und dann in ein großes wollenes Tuch fest eiugesclilagen
wird, wobei nur der Kopf frei bleibt, eine Prozedur, welche
erfahrungsgemäß im allgemeinen nur für einige Stunden
anwendbar ist, kann der Patient sich im warmen Dauer¬
bad ziemlich viel freier bewegen und meist ohne Schaden
den ganzen Tag auf halten. Natürlich kann man beide
Maßnahmen noch durch chemische Mittel unterstützen,
(b>cb erreicht man mit ersteren oft mehr, als ein Un¬
eingeweihte glauben sollte. Die ständige gleichmäßige
Wärme, das sofortige körperliche Unbehagen, das der
Kranke beim \ ersuch, sich aus seiner Lage zu befreien,
empfindet, die dabei geübte ständige Aufsicht durch das
V artepersonal lassen meist weitere Schlaf- und Be-
rnhigiingsmittel entbehrlich werden.
Nun werden in der Anstalt die Kranken nicht etwa
nach Kranklieitsfornien zusaminengelegt, indem in der
einen Abteilung Epilcpsiekranke, in der anderen Kranke
mit Gehirnerweichung und in der dritten etwa Idioten
lägen usw., sondern man teilt sie nach dem Grade ihrer
Erregung (Ruhige, Halbruhige, Unruhige) und macht nur
weiter noch allenfalls einen Unterschied nach sittlichem
Niveau, nach Heilbarkeit und nach sozialer Stellung. End
cs ist nicht etwa der Fall, daß in den unruhigen Häusern
die Kranken einander sehr aufregen, cs kümmert sic-h der
eine Patient meist herzlich wenig um den im Nachbarbett
liegenden oder sitzenden, laut schimpfenden, schreienden
oder singenden Leidensgenossen. Häufig genug hört der
Visite machende In-enarzt in demselben Raum zwei oder
drei ganz unabhängig voneinander durcheinander schreien.
Viel intensiver wirkt auf den Kranken der Besuch seiner
ihn viel zum Reden zwingenden, ihn-durch Weinen, durch
Ausredenwollen seiner Wahnideen Oder durch Erwecken
trügerischer Hoffnungen auf baldige Freiheit aufregenden
Verwandten. Wer einmal einen solchen Rückschlag bei
einem in guter Besserung begriffenen Geisteskranken
dureli Verwamltenbesuck mit angesehen hat, der begreift
erst so recht, wie schon iiu Beginn der geistigen Um¬
nachtung draußen so oft gesündigt wird, indem die
Acrmslen, „um sie zu zerstreuen“, in Theater und Konzerte
oder von einem Kurort in den anderen geschleppt werden.
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52
THERAP’
1 >is sie eines Tages von zwei handfesten Herrn
Wächtern während eines heftigen Erregungszustaiu
Polizeigewahrsam genommen und dann der Irrenans,
zug-eführt werden. Vielleicht gar ohne Befragung de,
Hausarztes; denn der würde doch seine Kunst zur Geltung
bringen und dafür Sorge tragen, daß der arme Kranke
nicht von den kräftigen Fäusten schnauzbärtiger Gesetzes¬
hüter, sondern durch eine beruhigende Einspritzung zum
weniger auffälligen und gewaltsamen Transport iähig
gemacht würde.
Ein Wort noch über die Ernährung. Erregte Geistes¬
kranke verweigern und verschmieren oft das dargereichte
Essen. Da ist es oft schon frühzeitig angezeigt, mit der
künstlichen Ernährung zu beginnen. Für den einzelnen
Fall genügt da wohl ein Nährklystier. Soll aber die künst¬
liche Ernährung längere Zeit fortgesetzt werden, so muß
'man zur Magensonde greifen, mit deren Handhabung der
Irrenarzt woldvertrant sein muß. zumal die Fütterung
durch den Mund meist an dem Widerstand des Patienten
scheitert und deshalb mittels Benutzung des Nasen¬
einganges geschehen muß. Die Zusammensetzung der
Nährflüssigkeit ist Geschmackssache des einzelnen Arztes;
der eine bevorzugt Bouillon, der andere Milch; der eine
setzt geschlagene Eier hinzu, der andere Nährpräparate,
wie sie heutzutage in so großer Auswahl in den Zeitungen
angepriesen werden.
Wenn man nun noch bedenkt, daß heutzutage jedem
Irrenarzt 100, au einigen Anstalten sogar bis 200 Kranke
zugewiesen sind, dann wird man verlernen, die Tätigkeit
desselben gering einzusehätzen. Es ist sogar von Spezial¬
ärzten anderer medizinischen Fächer hier und da etwas
wegwerfend von den geringen Erfolgen des Psychiaters
gesprochen worden. Ja, das menschliche Gehirn ist eben
ein so edles Organ, das sich nicht bei Erkrankuug so bald
wieder regeuiert und der Behandlung nicht so zugänglich
ist, wie die Köi peroherfläche dem Hautspezialisten oder
die Gliedmaßen dem Chirurgen. Ist es denn, selbst wenn
gar keine Heilungen in den Irrenanstalten vorkämen, was
ja den Tatsachen widerspricht, nicht schon genug, wenn
die Anstalten ihre Kranken vor Selbstmord und Hunger¬
tod, vor Erschöpfung infolge von Aufregung oder schwerer
Magendarmerkfankung (was vermögen die Kranken im
beaufsichtigt alles hinunter zu würgen!), vor körperlichem
Verfall infolge von Schlaflosigkeit oder vor raschem
geistigen Rain infolge von ungeeigneter Umgebung be¬
wahren! — Oder indem sie ihn trotz bleibenden geistigen
Defektes dazu erziehen, sieh wieder unter Menschen zu
bewegen, so daß er schließlich die jahrelangen Anstalts-
gewohnbeiten draußen in der Freiheit beibehält ! — Also
fort mit dem Vorurteil gegen die Irrenanstalten, die genau
so Krankenhäuser modernen Stils sind, wie andere auch,
und genau so gute Erfolge erzielen, so weit das nach dem
heutigen Stande der Wissenschaft möglich ist, wie ändert;
ärztliche Fächer auch. ; /
Die Kaiser-Wilhelms-Akademie für das
miliiärSirztliche Bildungswesen
hei ihrem bevorstehenden Umzug iu ein neues modernes
Heim.
Von Dr. M. Peltz;r, Gei a-ulohcr.vrzt a. D. in Steglitz.
1 it den Nummern 104 und folgenden der I nter-
lialtungslieilage brachte die „Tägliche Rundschau“ l'JOT
unter der Ueberschrift „Damals“ unsere Jugcnderinnerun-
gen an Alt-Berlin, die uns mehr als eine Zustimmung von
Zeitgenossen einhracliten. Heut lenken wir die Aufmerk¬
samkeit der Leser der „Therapeutischen Rundschau“,
ebenfalls im Rückblick auf unsere Jugend, auf ein
Gebäude, das zwar nicht geiud:: zu den architck
tonischen Schönheiten Berlins gehört, aber nicht
nur für die Armee, sondern auch fiii die medizinische
Wissenschaft und den ganzen ärztlichen Stand seine Be
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Fla
aus, den,
französische;,
scheinbare Ge
Stadtbalmliof
nehmen nach
April dieses Job
alten in ihr neues
Invalidenstraße de
wart des Kaisers un
Es heißt, daß das al
Erweiterung des Sta
aber erst noch ändert
den. Ansprüchen der A
genügt. Wir gl anbei
nehmen, daß die in de
von der wir soeben s
Akademie zur Uni\
ist — herrscht doch in,
ein ftus'friihester Zeit st
gegen sie, das wir zersti
die bereits 1895 ihr liund»
15 Jahre älter als die Univi
bervcrgegaiigen, wie, uni in.
V i r c li o w , Hel m li o 11 z,
N o t b n a g e 1. B e li r i n g ,
ii.a.in. Dies alles und der Umstand, iL,
„Pepiniere“ demnächst wiederum ein bis
vom Erdboden verschwinden wird, veranl,
stellend kurz an ihren Werdegang zu erinnern, so lang,
das liebe alte Haus „am grünen Strand der Spree“ noch
stellt. Denn auch Gebäude haben ihre Schicksale wie
Bücher und spiegeln den Geist der Zeiten wiedpr, die an
ihnen vorübergegangen sind. „Gewordenes läßt sich nur
i aus dem Werdenden verstellen.“ Damit erneifem wir zu¬
gleich das Andenken au einen Mann, dessen Gedächtnis
heute wohl den meisten entschwunden ist, dessen rastlosem
Bemühen bis zum Tode die heutige Akademie jedoch bis
heute ihr erstes Obdach verdankt, des ersten General-
j chirurgus der Armee und Chefs des Militür-Medizinul-
wesens’G ö r e k e , gehören am 3. Mai 1750 zu Sorquitteu
i in Ostpreußen als Sohn'eines Predigers 2 ). Sollten wir
: der Akademie damit neue Freunde gewinnen - um so
besser. Die Würdigung des neuen Gebäudes und der intel¬
lektuellen Urheber seiner Erbauung überlassen wir Be¬
rufeneren, weil uns das Material dazu fehlt. Fasere Haupt-
quelle ist, neben eigenen Erinnerungen, besonders ge¬
schichtlich, die nach amtlichen Quellen von dem damaligen
| Stabsarzt Dr. S e li i c k e r t verfaßte „Festschrift zur
Feier des 100 jährigen Bestehens des medizinisch-chirur¬
gischen Friedrich-Wilhelnis-Tnstituts“ (Berlin 1895 bei
Mittler & S o li n).
Die ersten bedeutsamen Reformen auf dem Gebiete
der Militärkränkeupflege in den Zeiten des Bader- und
Feldsclierertums schlossen sich naturgemäß erst an das
Auftreten stehender Heeresmassen, wie sie für Branden¬
burg-Preußen zuerst der Große Kurfürst schuf. So
wichtig diese für die damalige Zeit aber auch waren und
so sehr sich auch F r i e d r i c h 11. noch in seiner letzten
Krankheit mit der Verbesserung des Loses der Ver-
1 Diese feiert erst in die,ein .lehre ihr Hunder.tjahrfest.
- Unter seinem Nachfolger Wiebe] wurde ihm im Garten
der Akademie ein Denkmal gesetzt — der mit Rücksicht auf
seine Gestalt sogenannte „Wiebelofen“.
■JNDSCHAU.
53
,s
.iatte.
. e ii s Ge-
,.ar die Sehaf-
16 in Wien zur
mediziniscli-
auf einer mit
unternommenen
.e. Aus dem nacli
irsonal sollten die
.unter Aufsicht von
von F r i e d r i eh
nvalidenhause, in der
. theoretisch und prak-
KÖiinten dann später an
Zivil angestellt werden,
ler Bildungsstätten der
10 als Pesthaus errichtet,
später Garnison- und
lgte' am 2. August 1795
> Mitteln aufgeschobene
ischen Pepiniere“. Die
.er) wurden auf die Ueber-
nften angewiesen. Görcke
.■ Anstalt, ihr erster „Sub-
Jtabs- und Oberchirurgen bii-
„Eleven“ wohnten in der Stadt,
i , ilesun'gen an dem 1724 unter
, 1 h e 1 in I. Errichteten „Collegium
.cum“ :! ) und daneben Latein, bei sieben
Durch ihre Errichtung hatte die „chirurgische Pepi¬
niere“ zum erstenmal die seit .Jahrhunderten getrennte
Medizin und Chirurgie in sich vereinigt, was noch kurz
vorher ein H u f e 1 a n d für unausführbar erklärt hatte,
weil ein menschliches Gehirn zwei so weit auseinander¬
liegende umfangreiche (bildete nicht umfassten und be¬
herrschen könne. Zur Unterbringung der Instrumente,
Bandagen und Bücher wurde 1794 für 348 Taler das vier-
etagige Hans der Gastwirtswitwe Tändler in der
Taubenstrnße 29, Zwischen MarkgrafenstraBe und dem da¬
maligen Fleischei scharen, jetzt Hausvogteiplatz, gemietet.
Das halbe Erdgeschoß und die zweite Etage wurde zu
Unterrichtszwecken liergerichtet. 1802 erhielt Görcke
die Erlaubnis, statt dessen sein Haus, das ihm Fried¬
rich Wilhelm 111. in der „letzten“. Straße 12 (jetzt
Dorotheenstraße 7) nahe dem damaligen „Bauhof“ auf
einem von G ö r c k e gekauften Platz hatte erbauen lassen,
Ihr die Pepiniere eiuzuriehten. Als Entschädigung erhielt
er die 1804 auf 500 Taler erhöhte Miete für das T ä n d 1 e r-
sehe Haus. In dem Görcke sehen, 1804 bezogenen
Hause blieb die Anstalt sodann bis 1824.
1797 verschaffte .G ö r c k e auch den Zöglingen freie
Wohnung, indem der König unterm 18. August 1797 die
größere Hälfte des rechten, nach dem „Katzensteig“ be¬
logenen Flügels der Kaserne des 4. Artillerie-Kgiments
am Kupfergraben dazu bestimmte. Durch alle vier Stock¬
werke wurde eine Wand gezogen; der an der Stallstraße
gelegene Haupteingang erhielt die Inschrift: „Den Zög¬
lingen der Feldwnndarztneykimde 1797“, die noch in der
Kasernen wohnenden Invalidenfrauen wurden entschädigt
und das für die Anstalt nicht brauchbare Material würde
versteigert. Bezogen wurde die Kaserne am 1. November
Die zu diesem kommandierten Feldscherer der Garde
hießen „Pensionärs“. Nur sie konnten späterhin zti Stabs¬
ärzten am „Institut“ und zu Regimentsärzten aufriieken.
i797 von 13 „Oberen“, dem Subdirektor, den „Eleven“,
„Volontärs“ and „Attachrrlen“ J ), sowie dem nötigen
I nterpersonal. Sie ist bewohnt geblichen bis 1818, wo sic
für andere Zwecke umgebaut wurde. (Eine Abbildung
siehe h. Seil icke rt.) Vor den Flügel kam ein Posten.
Ein verheirateter „Oberer“ wohnte mit Familie in e iner
Stabe, die Zöglinge lagen meist za vier Zusammen. Wer
keine Betten iiiithrachte (die Pepiniere hatte nur wenige)
zahlte „Bettmiete“. Die auf Kosten der Zöglinge in Stand
gehaltene Ausstattung war dementsprechend. Der Ober¬
stabs- mal die Stnhschiringen konnten sich selbst ein-
rieliten. Ein Karzer fehlte nicht, das gemeinsame Essen
lieferte ein Oekonöm.
Entsprechend dem damaligen Bildungsgrade der Zög¬
linge erhielten diese außer dem Fachunterricht auch
solchen in Deutsch, Moral, Geschichte, Geographie, Logik,
Französisch and Polnisch, letzteren wegen der erst 1807
durch den Tilsiter Frieden von Preußen abgetrennten
Landesteile mit rein polnischer Bevölkerung. Die anderen
nicht medizinischen Uaterrielitsgegenstände fielen erst.
1825 fort, als für die Zulassung zum medizinischen Studium
allgemein das Reifezeugnis eines humanistischen Gym¬
nasiums gefordert wurde, Französisch wurde jedoch noch
bis 1860 gelesen (letzter. Lektor Prof. P r e n ß)_. Es
mußte ferner (bis in die 1860 er Jalire) ein Aufnalime-
examen gemacht werden. Eleven und Volontärs trugen
eine seihst beschaffte Pniform, wahrscheinlich jedoch nicht
in den Vorlesungen, um sie, wie es hieß, „nicht auf den
schmutzigen Bänken zu ruinieren und unter den übrigen
Zuhörern aufzufallen“ (blauer Rock mit rotem Kragen
und einem Zweispitz ohne Kordon. Der Zopf wurde 1806
allgemein für die Armee abgeschafft). Von ihren 6 Talern
„Traktament“ mußten die Eleven außer Abzügen für Holz,
Licht usw. 2 Taler 13 Silbergroschen.zur Speisegelderkasse
und 1 Taler 22 Silbergroschen für Frühstück. Abendbrot.
Taschengeld, „Properte“ (Puder, Seife, Pomade und
Stiefelwichse) abgeben. Im Sommer mußte um 5, im
Winter um 6 Uhr auf gestanden werden. Abends 9 Uhr
wurde geläutet und revidiert, um 10 Uhr mußte alles im
Bett liegen. Rauchen war Eleven und Volontärs bei ihrer
Jugend als schädlich verboten und wurde mit Entlassung
oder Einstellung als „gemeiner Soldat“ bestraft, hei den
Attaehierten geduldet, weil sie „daran gewöhnt“ waren,
auch sie durften sich aber nicht mit der Pfeife auf den
Giipgen sehen lassen. Fericnurlauh gab’s nur ausnahms¬
weise. Die „Oberen“ inspizierten selbst hei den fest¬
gesetzten häuslichen Arbeitsstunden und dem gemein¬
samen Essen. Von Zeit zu Zeit fanden Vortragsiibnngen
statt (die letzte am 14. Juni 1870).
So primitiv diese Zustände waren, so boten sie der
Anstalt doch zum erstenmal einen gemeinsamen Halt und
die Möglichkeit eines geschlossenen Unterrichts. Sie hatte
Boden unter den Füßen. G ö r <• k e lud sogar in den ersten
Jahren des Bestehens seiner Pepiniere zum Stiftungsfest
die Prinzen des königlichen Hauses persönlich ein;, diese
kamen auch und hörten die sprachlichen und wissenschaft¬
lichen Vorträge der Zöglinge an. Daran schloß sich, wie
noch heut, die Festrede eines Professors. Die Eleven er¬
hielten ein Fleischgericht mehr und Wein.
Aber nicht lange, so kamen Angriffe und Kämpfe,
infolge deren die Anstalt wiederholt wieder aufzuhören
drohte. In einer von der „Kurfürstlichen Akademie nutz
lieber Wissenschaften“ in Erfurt veranlaßten Preissrhrifl
wurde die Zweckmäßigkeit einer Parung von Medizin und
* „Volontärs“ waren Ausländer, die nur freien 1 nfer-
rirhi. aller kein ..Traktament“ wie die Eleven erhielten. Sie
wurden später meist Landärzte, konnten aber auch in die
Armee eintreteu. „Attaehierte“ hießen., die zu besserer Aus¬
bildung von ihren Truppenteilen zur Pepiniere abkommandierten
Kompagnie - Chirurgen.
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IVERS
Y OF MICHIGAN
54
THERAPEU'
Chirurgie verneint. Nach der Schlacht von .Tenn und Auer
städt zog Na ]i o I e o n um 24. 10. 180(i in Berlin ein, dns
llnus sollte in (1 ö rc k e s Abwesenheit Einquartierung er¬
halten und konnte davor nur dadureh bewahrt werden, daß
der Stabsehirurg Tseheggey den Chefchirurgen der
französischen Armee, Baron Perey und den berühmten
Leibarzt N a p o 1 e o n s , L a r r e y , in die Anstalt einlud.
Er ließ ihnen französische Vorträge halten, entsandte
einige Eleven in die französischen Spitäler zur Hilfe¬
leistung und erreichte dadurch, daß, nachdem auch
0 ö r c k e sich an Per« y gewandt hatte, N a poleon
ein Monatsgehalt an die Anstalt zahlen ließ. Trotzdem ge¬
riet diese in Not und mußte, da Stein alle Kassen nach
Stettin hatte bringen lassen, Schulden machen und, auch
von Perey, Unterstützungen annehmen. Als nach Wie¬
derabzug der Franzosen (3. 12. 1808) Göreke im Ge¬
folge des Königs nach einjähriger Abwesenheit zurück¬
kehrte, wurde er in der Anstalt mit Musik empfangen
Scharnhorst wurde ihr Kurator, der König befahl
Verbeserungen und verlieh Auszeichnungen (Offiziersrang
und -Abzeichen an die Oberen), die Oberen, viele Offiziere
u. a. stifteten ein Legat, aus dessen Zinsen noch heut an
G örc k es Geburtstag wissenschaftliche Prämien verteilt
wurden. Der schwerste Schlag aber traf die Anstalt, als
E riedr.i c h W i 1 h e 1 m III. am 10. 8. 1809 auf Vor¬
schlag W. v. Humboldts, des damaligen Leiters des
gesamten Unterrichtswesens, die Errichtung der Universi¬
tät im Palais des Prinzen Heinrich genehmigte, dieser
das anatomische Theater und den botanischen Garten ")
überwies und das Collegium medico-ehirurgieum auflöste
(13. 12. 1809). Einige Professoren des letzteren übernahm
die Universität; die andern wurden auf Wartegeld gesetzt
oder pensioniert. (Heute sind Universitätsprofessoren auch
Professoren an der Kaiser-Wilhelms-Akademie.) Den An¬
trag G ö r c k e s , einige Zöglinge zu den Vorlesungen an
der Universität, deren erste am 29. 10. 1810 stattfand, zu¬
zulassen, lehnte H u m b o 1 d t ab, weil die Pepiniere not¬
gedrungen auch noch Barbiere aufnehmen mußte'').
G ö r e k e rettete schließlich nicht nur die Anstalt, sondern
erreichte es auch, daß am 27. (>. 1811 neben ihr eine zweite
errichtet wurde: die damalige „medizinisch-chirurgische
Akademie für das Militär“, mit einem eigenen, vom König
ernannten Professoren-Kollegium. Ihr erster und einziger
Direktor wurde, weil dieser einen akademischen Grad
haben mußte, und auch wohl um der neuen Anstalt Glanz
zu verleihen, der Staatsrat H u f e I a n d. G ö rc k e mußte
sich mit der zweiten Direktorstelle begnügen. Nach H u f e-
lands Tode (25. 8. 1836) war dann Wiebel alleiniger
Direktor. Einer der Professoren wurde ihr Dekan (erster
Prof. Knape). Das anatomische Theater, der bota¬
nische Garten durfte wieder mit der Universität, außerdem
aber zum Unterricht auch noch die Hofapotheke benutzt
werden. Bibliothek und Instrumentarium des früheren
Coli, med.-chir. gingen auf die Akademie über, ihr Anrecht
an die Charite wurde ihr aufs neue verbrieft. (Hierauf
beruht dieses in erweiterter Form noch heute.) Die Uni¬
form seheint bei dieser Gelegenheit abgesclmfft worden
zu sein. Eröffnet wurde die neue Akademie im .Januar
1812. Knape vermachte ihr 12000 Taler zu Unter¬
stützungszwecken.
- 1 (Fortsetzung folgt.)
; Dieser diente bis dahin ausschließlich der Pepini 'rc.
. fi ) Durch Gesetz vom 7. September 1811 war das Bnrliirr-
gewerbo endgültig von der Chirurgie getrennt worden, so daß
die Baderstuben, in denen sieh bis dahin die Reste der mittel¬
alterlichen Chirurgie erhalten hatten, keine Chirurgen mehr aus-
bilden konnten. Um dem Mangel an solchen ahzuholfen. trat
die Pepiniere ein.
a
be,
allem wv.
inzision. Nn
krebs spontan sei
geführt, daß da
hat. Wie leicht
gefäß angeschnih
geschwür im inte
oder in der Flexur
Darmperforation die
lieh sein, als der opt
denken, daß sich der
skopisch als Mischforn
suchung des mit der Pro
daher eine ausgesprochen
die Hauptmase der üesch
stellt folgendes Schema
matosum; 1. fibrosum
II. Carcinoma solD
3. gelatinosum; III. Carcii
2. gelatinosum. IV. Misch
Untersuchung von 123 l
karzinome 4 Fälle mit 0 T).
medull. papilli lerum (3 Fälle
aden. med. tubuläre 4 Fälle in
med. acinosum 35 Fälle mit 8 I
gelatin. 14 Fälle mit 6 Dauerhei
9 Fälle, mit 1 Dauerheilung, auf U.
0 Dauerheilung, auf Care, solid, gen
heiltmg, Carcinoma infiltrans 2 Fälle in.
kann also mit Ausnahme des Care, solid,
nur ein Fall vorlag, bei jeder Form des Zylindei
heüiing erzielt werden. Das bei weitem beste l,,..
bei dem Care. aden. gelat. erzielt. Alle verwertbaren gelati¬
nösen Fälle lieferten 41%, die nicht gelatinösen Formen zu¬
sammen 24% Radikalheilungen. Die Gallertkrebse zeigen
wohl rasches Orgauwachstum, neigen aber weniger zur Gene-
ralisation. Die anatomische Form eines Darmkarzinoms ist
also nicht ausschlaggebend für seine Malignität. Für die Frage
der Operabilität kommen also nur die klinischen Verhältnisse
in Betracht. Prinzipiell eine Probeexzision auszuführen ist
daher zwecklos. Eine solche darf man nur dann vornehmen,
wenn man darüber im Zweifel ist, ob eine Geschwulst bösartig
oder gutartig ist. (K. K. Gesellschaft d. Aerzte.)
Maximilian Sternberg sprach in der Gesellschaft
für physikalische Medizin über Indikationen und
Kontraindikationen der Entfettungskuren.
Das Fett ist im menschlichen Körper einerseits im Fettgewebe,
anderseits als zirkulierendes Fett in den Zellen der tätigen
Organe vorhanden. Das erstere Fett dient teils als Stopfmittel,
teils als Reservevorrat und Depot für späteren Verbrauch: Das
Fett der Zellen ist nicht, wie mail früher glaubte, ein patholo¬
gisches Vorkommnis (Fettinfiltration), sondern untrennbar an
die Funktion geknüpft, gerade in den tätigsten willkürlichen
Muskeln besonders reichlich zu finden. Das Fett der Depots
wird bei Nahrungsmangel mit dem Blute abtransportiert und
passiert die Leber. Die Ergänzung der Fettdepots geschieht
hauptsächlich aus dem in der Nahrung dargereichten Fett. Auch
Fett von weit höherem Schmelzpunkt als die Körpertemperatur
wird resorbiert und angelagert. So kann man durch Aus¬
hungern und Neumästen den Fettbestand des Körpers beliebig
verändern und ganz verschiedene Fettarten zur Ablagerung
bringen. Man muß sich jedoch vor Augen halten, daß das
künstliche Experimente sind, wobei die natürlichen Lebens¬
bedingungen gewaltig verändert werden. Ernährungsthera¬
peutische Eingriffe sind daher mitunter keine ganz gleich¬
gültigen Eingriffe in die Oekonomie des Organismus. Bei
Nahrungsüberschuß mit Kohlehydrat kann auch dieses zur
Fettbildung verwendet werden; auch aus Eiweiß kann unter
ganz besonderen Versuchsbedingungen Fett entstehen. Doch
spielen beide Möglichkeiten bei der Fettleibigkeit des Menschen
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n
.cj.
jen
,c«er
,1‘nilei'
undaber-
.ciguter Ver-
„11 ..oerernähruug
'Fettleibigkeit er-
•lene Gewoiäiheit
en Dimensionen
und Aerzte sind
unnötiger Mästung
•her Pfiegepersonen,
rzkranke unnötig ge-
. stets ein klinisches
■ lieden werden. Die
.ehr mannigfaltig. Drei
.ndikation zur Entfettung
regungsorganen, Störungen
. Widerstandsfähigkeit gegen
Oie chronisch deformierende
U-he Indikationen. II. Er-
•inzarterien und des Herz-
: t verschlechtert, die Herzen
ir finden sich Zirkulations-
ilötzlichem Tode, besonders
iipomatosum oder mit dem
Jen. Die Gefahr der Narkose
licht in mechanischer Behinde-
•sehwäche“ begründet, sondern
Verhältnissen der Fette und
ti verträgt der Fettleibige bekannt-
1 'gegen Pneumonie und Wundinfektion
Operationen und Narkosen nötig, so ist
, , Erforderlich. Die Fettleibigkeit begünstigt
..stehnng von Inguinal- und Nabelhernien prü-
, Upornen, Varicen und Varicocele; wichtig ist, daß
Frauen mit Myomen vor Fettleibigkeit bewahrt werden sollen.
Manchmal treten unvermutet sehr heftige Blutungen ein, eine
Operation wird wünschenswert und die Patientin gerät in eine
sehr üble Lage, wenn man wegen Fettleibigkeit von einem
Eingriff absehen muß. Das Warten aufs Klimakterium dauert
oft lange, qualvolle Jahre, und kann selbst den Tod durch
Anämie, Schwäche und marantische Thrombosen zur Folge
haben.
Hugo Ster n spricht über die spraeh ä r z 11 iche
N achbelia.ndlung der wegen Wolfs r a c h e n
operierten Fälle. So ausgezeichnet auch die Operation
als Solche gelingt, so sind wir puncto Sprache oft nicht be¬
friedigt. Dieser scheinbare Zwiespalt findet aber leicht seine
Erklärung, wenn wir den Unterschied zwischen den physiolo¬
gischen Verhältnisen und den durch die Operation hergestell¬
ten betrachten. Unter normalen Verhältnissen wird bei der
Ausspräche der Vokale und Konsonanten die Mundhöhle vom
Nasenrachenraum durch das Gaumensegel vollständig
abgeschlossen, nur die Nasenlaute m, u und ng bilden
eine Ausnahme, da bei ihrer Aussprache das Velum schlaft
herabhängt, und die Luft durch die Nasenhöhle geleitet wird.
Die hintere Rachenwand verhält sich dabei nicht ganz passiv.
Durch die Kontraktion des Muse, constrict. phar. sup., die auto¬
matisch eintritt, bildet sich an der hinteren Rachenwand ein
Querwulst, gegen den sich das Velum anlegt. Diese physiolo¬
gischen Bedingungen werden bei den Operationen selten er¬
reicht, und das Resultat der Operation muß durch die Nach¬
behandlung korrigiert werden. Das hervorstechendste Sym¬
ptom derartiger Fälle ist das Näseln, und zwar das offene
Näseln, die Rhinolalia aperta, daher können derartige Pat.
einige Laute gar nicht oder nur schwer produzieren, ins¬
besondere das k, g, I, s, z und sch. Außerdem zeigt die Sprache
eine ewisse Schlaffheit, die Vokale werden unrein und die Kon¬
sonanten verwaschen gebildet. Die Prognose bezüglich der
Sprachfunktion hängt von drei Punkten ab: 1. von der Länge
des neugebildeten Gaumensegels, 2. von der Beweglichkeit des¬
selben, 3. von dem Verhalten der hinteren Rachenwand. Die
B e li a n d 1 u ng sei bst besieht 1. in kräftigen Stirn miibungen.
Ifi
. RE RUNDSCHAU. 55
Es übertragen sich die Kontraktionen der Kehlkopfmuskulatur
auf die hintere Racheiiwand und von hier aus auf die noch
ungeübten Muskeln des neugebildeten Gaumensegels. Dadurch
wird nurli der sogenannte Passavantsehe Wulst aus-
gebildet, was für den Abschluß zwischen Mund und Nasenhöhle
von größer Bedeutung ist, 2. passive Bewegungen des Gaumen¬
segels mittels des G utz m ain sehen Handobturators.
Dadurch massieren wir zugleich das Gaumensegel, und können
zum stärkeren Anheben desselben und um die Kontraktionen
kräftiger zu gestalten, auch den elektrischen Strom in das In¬
strument einschalten. Auch können wir passive Bew egungen da¬
durch hervorrufen, daß wir den sogenannten P u s t a i n j e sehen
Blählaut bilden, (Man spricht laut abba und verweilt etwas auf
dem b; man fühlt dann einen starken Druck in der Richtung von
unten nach oben gegen das Gaumensegel.) Wir haben ferner
3. in dem Nasenhörrohr nach G u t z m a n n , oder dem modi¬
fizierten von St. ein gutes Mittel, um die Gewohnheit, den
Luftstrom der Nase zuzuleiten, abzustellen. Damit der Näsler
die heim Sprechen in Betracht kommenden Luftwege selbst
kennt, lassen wir ihn 4. verschiedene Atemübungen machen.
Zum Beispiel: bei geschlossenem Mund durch die Nase wieder¬
holt recht lange einatmen und durch den Mund ausatmeu.
5. Ein einfacher Handgriff, dessen wir uns ebenfalls mit "Vorteil
bedienen, ist der. daß wir mit einem Zungenspatei oder einem
Löffel die Zunge recht stark herunterdrücken und dabei laut
intonieren lassen; es werden dadurch fast Würgebewegungen
ausgelöst, die aber die Muskulatur in äußerst zweckmäßiger
Weise in Aktion treten lassen, manchmal werden hierdurch
die Tonsillen aus ihren Nischen herausgedrängt und helfen
mit, den Abschluß zu vollziehen. 6. Es müssen auch sonst
systematische Atemübungen gemacht werden, um den poly-
chnoischen Typus, den die Pat. haben, wieder zur Norm zurück¬
zuführen, und die zum normalen Sprechen notwendige lange
Exspiration zu erzielen. Große Aufmerksamkeit muß man
auch dem Gehörorgane bei allen angeborenen Gaumenspalten
und auch nach der Operation widmen. In einer großen Zahl
von Fällen finden sich Ohrenerkrankungen vom einfachen
Mittelohrkatarrh bis zur schwersten chronischen Mittelohr¬
eiterung. Jedoch müssen dabei die Indikationen für alle rhino-
pharyngologischen Eingriffe auf das äußerste eingeschränkt
werden, da oft durch eine ganz kleine und unbedeutende Opera¬
tion die Sprache erheblich verschlechtert und das llesidtat einer
mühevollen Therapie vernichtet wird. Diese Therapie kommt
auch für die Falle in Betracht, wo aus äußeren oder inneren
Gründen von der Operation abgesehen wird, und der Patient
einen Obturator trägt.
Guido 11 o 1 z k n e c h t sprach über die Behand¬
lung des Skrofuloderma mittels Röntgen-
strahlen. H. stellt einen Pat. (Arzt) vor, der im Anschlüsse
an eine Exkochleation eines tuberkulösen Knochens eine un¬
bedeutende Verletzung an einem Finger der linken Hand sich
zugezogen hatte, die er, weil sie reaktionslos heilte, nicht mit
einem kleinen Abszeß in der linken Achselhöhle in Zusammen¬
hang brachte. Die Inzision desselben ergab dicken rahmigen
Eiter und heilte in einigen Tagen, aber gleichzeitig stellte sich
in der unmittelbaren Umgebung eine diffuse, subkutane Infil¬
tration ein. Die Haut darüber war blauviolett. Der Prozeß
fixierte die Haut und breitete sich subkutan aus. Die Haut zer¬
fiel und bildete Geschwüre mit zackigen, unterminierten
Rändern, Fieber bis 38“ trat täglich auf. Damals, vor 1 1 L> Jahren
begab er sich nach Athen, wo eine Vereiterung skrofulöser
Drüsen und Skrofuloderma angenommen wurde, und die Axilla
breit eröffnet wurde. Bald stellte sich eine Verschlimmerung
ein, die Ränder der Inzision verfärbten" sich bläulich, die Infil¬
tration breitete sich aus, Paquelinisierung konnte an einigen
Stellen Stillstand hervorrufen und der Prozeß schien einiger¬
maßen bis Anfang dieses Jahres still zu stehen. Da trat wieder
Fieber und Ausbreitung des Prozesses aus der linken Axilla
auf die linke Pectoralisgegend, und von da auch auf die rechte
Pectoralisgegend auf. Nachtschweiße, Fieber 39,5”. Als ultimum
refugium wurde Röntgen versucht; und zwar wurde täglich
eine andere Partie mit mäßigen Dosen, vorläufig ohne besondere
Sorge für die Tiefenwirkung, bestrahlt und als die letzte vor-
genominen war, hörte das Fieber auf. das seit 10 Monaten trotz,
der operativen Spaltungen keinen Tag zessiert hatte und ist
auch seit 4 Wochen nicht wiedergekehrt, Zugleich hörten die
JNIVERS
3F MICHIGAN
5G
THERAPEUT
Nachtschweiße auf und eine überraschende lokale
Veränderung trat ein; die subkutanen Abszesse ver¬
schwanden, ohne weitere Inzision, es verschwand die livide
Verfärbung der Haut, die nässenden Flechten trockneten ab.
Die Operationswunden imd die Geschwüre überhäuteten sich:
der Allgemeinzustand besserte sich natürlich dementsprechend.
Es ist nicht zweifelhaft, daß eine beim Beginn des Leidens vor¬
genommene Bestrahlung den Kranken sowohl das lange Siech¬
tum, die vielen Operationen, als auch die irreperable Narben¬
kontraktur der linken Schulter erspart hätte. Der Fall spricht
also überzeugend für die Röntgenbehandlung des Skrofulo-
derma. Bei leichteren Fällen im Kindesalter wirkt sie noch
einfacher. Die diätetisch-klimatische Behandlung wirkt nur
unterstützend und die chirurgische hilft nur dann, wenn große
Senkungsabszesse die Heilung verzögern.
Erich R u 11 i n spricht über eine Methode z u r K- o r -
rektur abstehender Ohren. Die einfache Inzision
von Hautstücken hinter dem Ohre und lineare Naht der Wund¬
ränder hat keine befriedigende Resultate ergeben, weil die
lineare Narbe nicht genügend fest ist, um dem Zuge des Ohr¬
knorpels auf die Dauer Widerstand zu leisten. Die Exzision
am Knorpel, die in manchen Fällen notwendig sein kann, ist
doch in den meisten Fällen zu umgehen. Es ist aus zwei
Gründen von Vorteil, wenn man vom Knorpel nichts exzidieren
muß. Es birgt die Verletzung des Knorpels stets die Gefahr
einer Perichondritis in sich; wenn diese auch bei aseptischem
Vorgehen nicht groß ist, so muß man doch bedenken, daß bei
einer rein kosmetischen Operation selbst die Möglichkeit einer
Perichondritis mit der stets folgenden Deformation der Ohr¬
muschel eine sehr unangenehme Perspektive ist. Zweitens ist
der Knorpel ein so wenig plastisches Material, daß, wenn man
anfangs zuviel weggenommen hat, man während der Operation
neuen Knorpel zur Deckung nicht mehr heranziehen kann. R.
schlägt nun folgende Methode vor: Zunächst orientiert
man sich durch Anlegen der Ohrmuschel an den Kopf, wieviel
Haut der hinteren Ohrmuschelfläche und des Warzenfortsatzes
sich bei korrigierter Stellung der Ohrmuschel decken. Sodann
wird etwa 1 cm nach rückwärts von dieser markierten Linie
ein Bogenschnitt geführt, der etwa die Länge der Ohrmuschel
besitzt, hierauf wird auf der hinteren Fläche der Ohrmuschel
parallel zum ersten Schnitt halbsoviel wie dieser von der An¬
satzlinie der Ohrmuschel entfernt, ein zweiter Bogenschnitt ge¬
führt. Die zwischen den beiden Schnitten liegende Haut wird
exzidiert und die Haut der hinteren Ohrmuschelfläche vom
2. Bogenschnitt aus mobilisiert, in 1 cm Breite, wenn nötig, bis
zum Helix. Jetzt werden noch, je nachdem die Möglichkeit der
linearen Vereinigung der Wundränder es erfordert, von der
unteren und oberen Umschlagsfalte der Haut auf die Ohr¬
muschel keilförmige Hautstücke exzidiert und alle Wundränder
linear vereinigt. Dadurch kommt die hintere wundgemachte
Fläche der Ohrmuschel auf den wundgemachten Warzenfortsatz
zu liegen. Durch einen K öme r sehen Kompressionsverband
wird nun durch etwa 14 Tage die Ohrmuschel in dieser Stellung
befestigt, bis eine flächenhafte Verwachsung eintritt. Der Vor¬
teil der Methode ist die flächenhafte Verwachsung, der Knorpel
mit dem Perichondrium wird geschont, man bedient sich nur
der Haut und dadurch steht beliebig viel plastisches Material
zur Verfügung. Moskowicz empfiehlt in der Diskussion die
Methode von Gersuny. Es wird durch einen Schnitt in der
Furche zwischen Ohrmuschel und Schädel der Knorpel blo߬
gelegt, und dann aus dem zu stark gekrümmten Töile des
Knorpels elliptische Streifen von entsprechender Ausdehnung
exzidiert, bis die federnde Kraft des Knorpels vollkommen be¬
seitigt ist, so daß sich die Ohrmuschel ohne Spannung an den
Schädel anlegt. Von der Haut werden nur kleine Partien ent¬
fernt. R u 11 i n hat von dieser Methode schlechte Resultate
gesehen.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Re,
1. Uebei
Garre, Bonn.
2. Zwei (nae
Untersuchungen
Graser, Erl an
3. Die Ruptc
Von I)r. Kappel
4. Weitere Fra t
Brustwand- Lun gen-M
plastica) bei vorwieg
gebiet beschränkter L ;
Marburg. Ibid., S. 187.
5. Die Magenfistelanl«.
heutigen Ausführung. Voi
S. 199.
6. Wangenplastik. Von 1
S. 206.
7. Ueber den isoliert'
ascendens. Von Prof. Küt
8. Die operative Beha -
sonders im jugendlichen Al
Ibid., S. 275.
9. Die Behandlung der k
sichttgung der primären Enter«
Ibid., S. 354.
1. Zur Entfernung von Uri
toneale Weg stets der beste sein,
wird dieser gespalten, der Stein voi
trümmerung zu vermeiden und der
Situationsnähte geschlossen. Zerdrücken
Öffnung des Ureters ist nicht empfehlenswert.
Dauerureterkatheters ist nicht erforderlich. il.
nachgewiesener Uretef Verletzung dieser sobald als möglich trer*
zulegen, da Spontanheilungen nicht zu erwarten sind. Als
Naht empfiehlt sich die Iuvaginationsmethode mit schräger
Anfrischung des zentralen Stumpfes. In gleicher Weise ist
bei Strikturen vorzugehen, die exzidiert und invaginiert werden,
2. G. hat zwei Fälle nach M a y d 1 geheilt. Es wurde
das Trigonum mit Ureteren freigemacht und in die Flexura
sigmoidea implantiert. Zur Bauöhhöhleneröffnung empfiehlt sich
der suprasymphysäre Querschnitt; bei Auslösung der Blase¬
ist möglichst viel Peritoneum mitzunehmen, um am Darm eine
gute Seroserosanaht machen zu können. Der in den Darm
entleerte Harn ist normal.
3. Entgegen der sehr verbreiteten Meinung, daß eine Darm-
ruptur durch Taxis bei unverletztem Bruchsack ausgeschlossen
sei, stellt Verf. an der Hand von 8 Fällen hier fest, daß dies
Vorkommnis vielleicht gar nicht so selten ist. Bei 4 Patienten
ist die Perforation sogar bei Selbsttaxis eingetreten; bei zwei
weiteren ist ausdrücklich bemerkt, daß die Ropositionsversueho
sehr schonend ausgeführt wurden.
Es ist das ein neuer Beweis dafür, daß man diese Versuche,
die oft recht roh ausgeführt’werden, am besten gänzlich unter¬
läßt, zumal die frühzeitige Operation fast ungefährlich ist.
Die in der Praxis passierenden Unfälle werden überdies meist
gar nicht bekannt gegeben.
4. Die ausgedehnten .Rippenresektionen haben sich nach den
bisherigen Erfahrungen, die allerdings noch recht kurz sind,
bewährt. Zweck der Operation ist ja, einen möglichst totalen
Lungenkollaps zu erzielen. Damit jedoch in dem verkleinerten
Zustande, wieder eine Festigkeit des Thorax eintritt, wird das
Periost zurückgelassen. Für die spätere Expektoration ist das
sehr wichtig. Bei allen Operierten hat sich in Sputum- und
Fieberrückgang und in Gewichtszunahme eine erhebliche Besse¬
rung gezeigt. Ist der große Eingriff gut überstanden, so sind
die Aussichten günstig.
5. Eine genaue Beschreibung der von Witzei angegebenen
Schrägkanalbildung bei Magenfiste]. Schnitt im linken Rektus
in Höhe des , Rippenbogens senkrecht. Fascia transversa und
Peritoneum werden quer durch trennt. In den vorgezogenen
Magen wird ein dicker Neiaton durch ein möglichst kleines!
Loch eingeführt und durch 1 Katgutnaht befestigt. Ueber den
■ ' • • '*• • -' . \ - " ’• C-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
. .RUNDSCHAU.
57
11
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im
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.einen,
und das
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ö er. Schichtweise
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eingelegt ;• später
;hr wieder gut.
it L. den Mund-
.gezogen. In zwei
größeren Defekten
en, die bei Plastiken
■mieden.
chtoter Fälle und der
hluß, daß die isolierten
adens durchaus nicht so
eener als die des Coecum.
?h allerdings nicht sehr be-
n nach Möglichkeit reseziert
'>e Merkmale gibt es nicht,
ultate der schief- oder
kelhalsbrüche, die auch
ar selten sind, zu ver-
• Operationen ausgeführt.
Brüchen dicht am Kopf*
ig sogleich den Schenkel-
knöcherne Heilung oder auf
doch nicht gerechnet werden
•r sitzenden Frakturen können
‘shalb in geeigneten Fällen die
Bei schiefgeheilten Brüchen dieser
ie am Schenkelhals angebracht. Der
erband bleibt 10—12 Wochen liegen;
vorsichtige Belastung.
ücksichtigung der Literatur und seiner eigenen
.. Verf. zum Schluß, daß bei jeder. Peritonitis!
hoch die Operation zu versuchen sei, auch in den schlechtesten
Fallen. Es wird doch noch der eine oder ändere Patient
gerettet. Größte Schnelligkeit ist erforderlich; Hauptbedingung
für guten Ausgang ist Entfernung der Ursache. Gespült wird
nur, wenn Darminhalt etc. sich in der Peritonealhöhle findet.
Bei einfacher freier Eiterung ist cs nicht so erforderlich; es
genügt Austupfen. Hier wird eine Ausspülung die Operations¬
dauer nutzlos verlängern und überdies das Peritoneum schädigen.
Als Nachbehandlung wird dringend die Enterostomie, womög¬
lich gleich anfangs angelegt., empfehlen.
Augenheilkunde.
Referent: Augenarzt Dr. Paul Greven, Aachen.
1. Zur operativen Behandlung der rezidivierenden phlyk-
tänulösen Bindehautentzündung. Von Dr. Schultz-Zeh -
d e n , Augenarzt in Berlin. Mediz. Klinik, 1909, Nr. 52.
2. lieber den Wert neuerer Maßregeln gegen die Binde¬
hautgonorrhoe der Neugeborenen und die Notwendigkeit ihrer
allgemeinen Einführung. Von Otto v. Herff. (Aus dem
Frauenspital Basel-Stadt.) Münchener med. Woehenschr., 1909,
Nr. 40 u. 47.
3. lieber die Therapie des Glaukoms. (Indikationen und
Heilwert der Glaukomoperationen, Iridektomie resp. Sklero-
tomie und der Miotika, Bedeutung der Allgemeinbehandlung bei
primärem Glaukom.) Von Dr. E. Blessig, St. Petersburg.
St. Petersburger med. Wochensehr., 1909, Nr. 50.
4. Eusemin in der Augenheilkunde. Von Dr. Karl
E. Weiß, Augenarzt in Schw.-Gmünd. Woehenschr. für
Therapie und Hygiene des Auges. 13. Jahrg., Nr. 13.
5. Ueber Chlorose. Von Prof. Dr. Karl von Noor d e, n.
(T. mediz. Klinik in Wien.) Med. Klinik, 1910, Nr. 1.
6. Ueber die Heilung des Pannus trachomatosus durch
Einimpfung gonorrhoischen Sekretes. Von Prof. Dr. W. Gold -
zicher, Budapest. Wiener kl in. Wochensc.hr., 1909, Nr. 52.
7. Zur Kasuistik der Verletzungen des Auges. Von Militär¬
arzt A. B. Zazkin in Berditschew, Süd-Rußland. Woehenschr.
für Thor. u. Hyg. des Auges, 13. Jahrg., Nr. 13.
8. Optische Merkzettel. Yon Dr. E. H. Oppenheimer,
Augenarzt in Berlin. Woehenschr. für Ther. u. Hyg. des
Auges, 13. Jahrg., Nr. 13,
1. Die phlyktäiiulösc Bindehautentzündung ist jedem Arzt
zur Genüge bekannt. Kalqmel und gelbe Quecksilbersalbe spielen
bei der Behandlung derselben eine große Rolle. Daneben ist
Allgemeinbehandlung, die auf bessere Luft, bessere Wohnungs-
verhältnisse und Ernährung hinzielt, wichtig. Für die häufigen
Fälle, wo Rezidive dieser Krankheit auf treten, namentlich für
solche, die mit Hornhautentzündung einhergehen, empfiehlt nun
Schultz - Zehden die Vornahme der dauernden Blepharot-
omie, d. h. die Durchschneidung der äußeren Lidkommissur
und Vernäliung der Schleimhaut mit der Haut. Die Operation
ist einfach und absolut gefahrlos. Der günstige Einfluß dieser
Operation ist wohl darauf zurückzuführen, daß durch sie der
Blepharospasmus beseitigt und jeder Druck der Lider auf
Konjunktiva und Kornea ausgeschaltet wird, und daß dadurch
bessere Zirkulationsverhältnisse der Konjunktiva und Kornea
herbeigeführt werden.
2. Nach v. Herffs Erfahrungen ist in den Kliniken
die zweckmäßigste. Maßregel gegen die Augengonorrhoe der
Neugeborenen das Credeisieren mit Sophol, Hand in Hand
mit sorgfältigem Vermeiden der Uebertragung von Wochen¬
fluß auf das Auge der Kinder. Sophol ist gegenwärtig das¬
jenige Mittel, das am geeignetsten für die Einführung in die
allgemeine. Praxis der Hebammen ist, zumal in Form der sehr
handlichen Tabletten zu 0,25 und 0,5 g, mit denen leicht
Lösungen in kleinen Mengen — 10 g reichen für etwa 30 Kinder
aus — hergestellt werden können. Verf. kommt zu dem Schlüsse,
daß das Credeisieren, am besten mit Sophol, in den Anstalten
für alle Kinder, in der Hauspraxis jedoch nur für alle illegi
timen Kinder zwangsweise einzuführen ist, für die legitimen
Neugeborenen hingegen nur bedingungsweise. ' Die Zahl der
Spätinfektionen ist durch nachdrücklichste, immer wieder ein -
setzende Belehrung über die Gefahren des Wochenflusses zu
mindern. Da aber solche Maßregeln wenig Erfolg in der Haus-
praxis versprechen, muß eine strenge Anzeigepflicht eingeführt
werden, damit den Behörden ermöglicht wird, rechtzeitig er¬
krankte Kinder, nötigenfalls zwangsweise, in sachgemäße Be¬
handlung zu bringen. Nur so ist zu erwarten, daß die Zahl
der an Bindehautgonorrhoe Erblindenden zu aller Nutzen auf
ein gewisses Minimum herabgesetzt wird.
3. Von den Thesen, in denen Blessig seinen Standpunkt
formuliert, interessieren den Praktiker vor allem die folgen¬
den: .Jedes primäre Glaukom ist als Aeußerung irgendeines!
Allgemeinleidens anzusehen (Herz- und Gefäßerkrankungen,
(lieht. Syphilis etc.). Dennoch fällt in der Behandlung des
Glaukoms der Lokaltherapie die Hauptrolle zu. Eine Glaukom-
Operation, speziell die Iridektomie, kann nur dort indiziert
sein, wo der intraokulare Druck nachweislich erhöht ist, also
heim sog. „entzündlichen“ Glaukom in seinen verschiedenen.
Formen (Gl. inflammatorium acutum, subacutum, chronicum).
Das sog. Glaucoma simplex mit zweifelhafter Drucksteigerung
ist mithin von der Operation auszuschließen. Das entzündliche
Glaukom ist zu operieren, je früher — desto besser. Die
Miotika (Eserin resp. Pilokarpin) sind für die Therapie des
Glaukoms von hohem Wert, schon dadurch, daß sie es dem
Operateur ermöglichen, den geeigneten Moment für die Opera¬
tion zu wählen. Bei Glaucoma simplex sind Wir auf sie allein
angewiesen. Neben der lokalen Therapi' des Glaukoms ist
einer entsprechenden Allgemeinbehandlung Beachtung zu
schenken, so z. B. je nach der Natur des Grundleidens durch
Herzmittel (besonders Strophanthus) Jod, Hg u. a.
4. Verf. macht zur Infiltrationsanästhesie ausgedehnten Ge¬
brauch von Eusemin, das sich ihm sehr gut bewährt hat, so
daß die Allgemeinnarkose nur noch in Ausnahmefällen von ihm
gebraucht wird. Namentlich empfiehlt er das Mittel bei
Tränensackexstirpationen und Operationen .an den Augen¬
muskeln, ferner bei plastischen Operationen an den Lidern
und an der Bindehaut. Auch bei Enukleationen verwendet er
Eusemin und bleibt hier nur das Durchschneiden der hinteren
Ciliarnerven schmerzhaft. Nach der Einspritzung soll man zehn
Minuten warten bis zum Beginne der Operation. Ein weiterer
Vorteil des Eusemins ist die Einschränkung der Blutung wegen
seines Adrenalingehaltes. Intoxikationen hat Verf. nie beob¬
achtet.
5. Von den Ausführungen von Noordens über Chlorose
interessieren uns alt dieser Stolle seine Bemerkungen über die
UNIVERSITY OF MICHIGAN
HIGAN
THERAPEUTIN
58
Arsenbehandlung dieser Krankheit. So sah Verf. einmal in
der dritten Woche einer Natroukakodylat-Injeki ionskur eine
toxische Neuritis optica auf treten (Natrium kakodylicum isi eine
organische Arsenverhindung mit öl"" Arsen'. In einem anderen
Falle war Atoxyl eingespritzt worden; in der vierten Woche
Herpeseruptionen und leichte Melanose der Haut. Als Verf.
die Patientin in diesem Zustande zum ersten Male sah. ließ
er natürlich sofort die. Atoxylinjektionen aussetzen. Dennoch
entwickelte sich im Laufe der nächsten Wochen Neuritis optica
mit schwerer Amblyopie. Erst nach mehreren Monaten besserte
sich das Sehvermögen, ohne aber wieder völlig normal zu
werden. Angesichts solcher Erfahrungen mahnt von Noor-
den zu großer Vorsicht in der Arsenbehandlung.
6. G o 1 d z i e h e r hat die ziiersl von J a e g e r im
Jahre 1819 angegebene Einimpfung -gonorrhoischen Sekretes
als ein ultimum refugium bei den schwersten Formen von traeho-
matösem Pannus wieder angewendet, eine überaus heroische
Therapie, die nach Jaeger bald wieder als unbrauchbar und
gefährlich vollkommen verlassen worden war. Die Anwendung
dieses Verfahrens beschränkt natürlich auch G oldziehe r auf
das äußerste, für Fälle, wo das Sehen fast auf Null gesunken
ist und wo andere Mittel versagen, besonders also für den
Pannus crassus, carnosus, d. h. wo die abnorme Vaskularisation
der Hornhaut so dicht ist., daß Iris und Pupille kaum durch¬
zusehen sind, in extremen Fällen die Oberfläche der Horn¬
haut einer Schicht Granulationsgewebe gleicht, die Krümmung
der Membran in . der Regel schon verändert ist. Auch sind in
der dichten, blutroten, vaskularisierten Schicht sehr häufig
Substanzverluste, oberflächliche. Geschwüre oder Narben von
solchen vorhanden. Solcher Fälle hatte Verf. sechs, die er
mit der Inokulation nach Fehlschlagen anderer Maßnahmen zur
Heilung brachte. Drei Krankengeschichten führt er ausführlich
an (die übrigen drei Patienten entfernten sich in wesentlich
gebessertem Zustande, aber Näheres war- seither über diese
nicht mehr in Erfahrung zu bringen). In den mitgeteilten
Fällen wird über vollständige Heilung berichtet und z. ß.
über eine Besserung der Sehschärfe auf 5 / 3 ö gegen Fingerzählen
auf einen halben Meter vor der Behandlung. Als Impfmaterial
empfiehlt Verf. das Sekret von Blennorrhoea neonatorum,
während Harnröhrentripper direkt abzuweisen und auch
Blennorrhoea adultorum zu vermeiden sei. Die Impfungen
werden in folgender Weise vorgenömmen: Nachdem dem
blennorrhoischen Säuglinge das eitrige Sekret mit feuchtem
Gazeläppchen schonend entfernt wurde, wird ein sorgfältig ge¬
reinigter Glasstab über die untere Uebergangsfalte gezogen und
dann ebenso durch die Lidspalte des zu impfenden Auges ge¬
strichen. Ist die Blennorrhoe ausgebrochen (in Verf.s Fällen
nach 3—4 Tagen), so genügen häufige Reinigungen des Auges
(etwa mit Kali hypermang.> und hier und da leichte Touchierun.-
gen mit Arg. nitr.
7. Die Fälle von Verletzung des Auges, die Zazkin mit¬
teilt, sind: 1. Ein Fall von Blutergießung in die Hornhaut.
Diese Blutergießung fand nur zwis.cheii Lamellen der Hornhaut
statt, Vorderkammer und Glaskörper blieben frei. Ursache:
Patient wax\ gegen einen straff gespannten Strick angerannt.
Ausgang in Heilung. 2. Ringförmige Trübung auf der Vorder-
kapsel der Linse (Abklatsch des Pigmentepithels der hinteren
Fläche der Iris auf der Vorderfläche der Linse, zuerst von
Vossius beschrieben). Ursache: Sturz vom Pferde und Stoß
des Auges gegen den Sattel. Heilung. 3. Ein Fall von Zer¬
reißung des Tarsus, ohne Beteiligung der Lidhaut. Ursache:
Fall mit dem Gesicht tiuf einen Haufen nassen Lehmes. Die
Haut blieb nach Verf.s Ansicht unversehrt wegen ihrer größeren
Elastizität und ihrer lockeren Verbindung mit dem Knorpel.
Ausgang: unbekannt, da Patient aus der Behandlung ver¬
schwand. 4. Ein Fall von Zyste der Skleralbindehaut, im An¬
schluß an eine Konjunktivalwunde.
8. Nach Art von anderen Merkzetteln, z. B. Diätvor¬
schriften, Merkzetteln für Blennorrhoekinder etc. hat Verf.
einen Merkzettel ausgearbeitet, der unter dem Titel ,,Rat¬
schläge für Gläserbedürftige“ von dem Zentralverband der
Optiker herausgegeben wird (Geschäftsstelle: Berlin, Potsdamer
Straße 131). Es ist diesem Merkblatte weite Verbreitung. zu
wünschen, auf daß es dazu beitrage, das allgemein verbreitete
Vorurteil gegen das Tragen von Augengläsern zu beseitigen.
JNIVERSITY OF MICHIGAN
bürg
2. L
M. L ti d i ii.
Heft 6.
3. Die intern."
seiner Folgezust 5
Wochenschrift, 1
4. Entfettung
rapie der Gegenwi
5. Ueber die th
und des Ulcus ventr.
d e r. Berliner klin.
6. Die. Entstehun
der Gewohnheitsrauche.
Wochensehr., 1909, Nr.
7. Ein Gastroskop.
Wochenschr., 1909, Nr. 48.
8. Beiträge zur Paraffin,
patüon. Von Dr. Lipowsk
Klinik, 1909, Nr. 48.
1. S. unterscheidet z\
welche, immer eine Appendir'
destructiva. Die Erkrankun¬
oder hämatogenem Wege o
Die Appendizitis im Verlaufe
pers ist prognostisch immer u.
Ob eine Frühoperation vo.
immer von den allgemeinen und
den allgemeinen Symptomen sind
das Verhalten der Leukozyten zu be.
nur Wert auf die Vermehrung der Le»
sichtig! auch ganz besonders eine etwaige
bildes nach links im Sinne Arneths. Ein
A r n e t h sehen Kurve bei wenig oder gar tu
Leukozytenzahl ist immer ein Signum mali ominis.
lokalen Symptomen sind besonders hervorzuheben die MuskeT-
spannung, die spontane Schmerzhaftigkeit und die erhöhte
Druckempfindlichkeit in der Ileofcoecalgegend. Erhöhte Muskel
Spannung (defense, musculaire gehört zu denjenigen Symptomen,
die neben der Druckempfindlichkeit ohne weiteres eine Operation
als wünschenswert erscheinen lassen, selbst wenn noch keines der
allgemeinen Symptome alarmierend ist. Perkussion und Palpation
tragen häufig bei Beginn des Anfalles, besonders in den ersten
24 »Stunden, nicht viel zur Diagnose bei, da etwaige Exsudate
dann noch sehr klein zu sein pflegen. Druckempfindlichkeit
und Schmerzhaftigkeit des übrigen Leibes, auch der linken
Seite, sowie in der Lumbalgegend zeigen die Mitbeteiligung
des ganzen Bauchfells an. Ist daher der allgemeine Eindruck
des Patienten gleich von Anfang an der eines Schwerkranken,
zeigen Temperatur, Puls und Leukozytose einen hohen Anstieg 1
und sind die charakteristischen lokalen Symptome vorhanden, so
zögere, man nicht mit der sofortigen Operation. Ist dagegen am
ersten Tage der allgemeine Eindruck des Kranken günstig, Puls,
Temperatur und Leukozytose gleichmäßig, auch die lokalen Er¬
scheinungen mäßig, so kann man sicher sein, daß hier der
weitere Verlauf ein günstiger sein und es sich um eine rein,
katarrhalische Erkrankung handeln wird. In diesen Fällen
braucht nicht operiert zu werden.
Zu der Wiedereinführung des Rizinusöls in die. Behandlung
der nicht zu operierenden Anfälle hat sich S. aus dem Grunde
entschlossen, weil er darin ein wichtiges Hilfsmittel erblickt,
um die Entleerung des Inhalts der Appendix zu gleicher Zeit
mit der des Darmes zu ermöglichen und damit die, gefahr¬
drohende Retention im Wurmfortsatz zu beseitigen, ferner um
uns über den Verlauf klar zu sein, besonders auch um Fehl¬
diagnosen zu vermeiden. Wirkt das Rizinusöl nicht in der ge¬
wünschten Weise, tritt nach mehreren Stunden keine Peristaltik
ein, so wissen wir, daß damit auch die Prognose und der
Verlauf des Anfalles ein zweifelhafter wird; man soll dann
nicht zögern, die Operation sofort auszuführen. Die Behandlung
des akuten Anfalles unter bestimmten Voraussetzungen mit einem
Abführmittel ist demnach eine chirurgische und eignet sich nicht
für die Privatpraxis.
2. Bei einer vergleichsweise durchgeführten- Behandlung
zahlreicher Fälle von Magenulcus nach Le.ube und nach'Len -
UNIVERSITY OF MICHIGAN
CO
THERAPEUTISCH
Gesellschaft für Na-tur- und Heilkunde zu Dresden gehaltenen
Vortrag.)
1. ln der Unfallchirurgie der peripheren Nerven hat sieh
die primäre oder sekundäre Nervennaht, sowie die l.oslösung
von Nerven aus 'käl lösen Massen einen gesicherten Platz er¬
worben. Die Aussicht auf Heilung ist am größten, wenn der
Eingriff zu einer Zeit erfolgt, wo sieh noch keine sekundären
Muskelatrophien ausgebildet haben. Das gilt vor allem auch
von den Plexuslähmungen, insbesondere den Geburtslähmungen.
Der Eingriff ist hier ein kleiner und bei jedem Säugling ohne
Narkose ausführbar.
Aehnlich liegen die Verhältnisse bei der Kinderlähmung.
In der ersten Zeit bis zum Abklingen der akuten Symptome
ist Ruhe geboten, nachher aber Reizbehandlung (Massage,
Elektrizität und Bewegungsübungen). Der drohenden und die
Funktion schwer schädigenden Ueberdehnung von paretischen
Muskeln ist durch entsprechende Lagerung des Gliedes ent¬
gegen zu arbeiten.
Ist bereits das ganze Nervenmuskelorgan abgestorben und
der fettigen Degeneration anheimgefallen, so hat eine V ioder-
hcrstellung der Leitung keinen Zweck mehr. Da die elektrisch 1
Untersuchung von gelähmten Partien bei Kindern auf sehr
große Schwierigkeiten stößt, so hat sie Verf. durch die ..Nadel
Untersuchung“ ersetzt. Dieselbe beruht auf dem Vorhanden¬
sein oder Fehlen der Ausweichbewegungen eines Gliedes nach
Nadelstichen.
Eine Nervenplastik ist kontraindiziert bei totalen Lähmun¬
gen einer ganzen Extremität. Hier bleiben vorläufig noch
Sehnentransplantationen und vor allem die Athrodese in ihrem
Recht. Auch bei zerstreuten Lähmungen einzelner Muskeln
aus verschiedenen Nervengebieten sind Sehnenplastiken vorzu-
ziehen. Am geeignetsten für Nervenplastiken sind aus-
gebreitete Lähmungen, von Muskeln, die von einem Nerven ver¬
sorgt sind. Für die Frühoperation ist die zentrale partielle
Implantation die Methode der Wahl. Hierbei wird von einem
benachbarten, eventuell synergetischen Nerven ein zentraler
Lappen abgespalten und in einen Längsschlitz des gelähmten
eingepfropft. Der Funktionsausfall im kraftgebenden Gebiete
pflegt sich bald zurückzubilden, wenn die Abspaltung nicht
durch einen Quer- Sondern Schrägschnitt erfolgt. Ebenso wie
vor Sehnentransplantationen müssen vor der Operation sekundäre,
Kontrakturen beseitigt, verkürzte Muskeln verlängert und ge¬
dehnte verkürzt werden. Lähmungen der oberen Extremität —
besonders spastische, die bei den komplizierten Muskeltätig¬
keiten der Hand sehr schwer durch Sehnentransplantationen
iu Ordnung zu bringen sind, sind die Domäne der Nerven-
Operationen. Durch Nervenimplantationen läßt sich der Be-,
wegungsmechanismus der Hand nahezu normal gestalten.
2. Im akuten schmerzhaften Stadium von Poliomyelitis¬
erkrankungen, bei denen die Lähmung die untere Extremität
befallen hatte, hat sich dem Verf. die Behandlung mit Gips¬
korsetten in leichter Lordosensftellung, wie bei Spondylitis,
bewährt. Bei den Kindern stand noch 8—14 Tage nach dem
Eintritt der Lähmung eine sehr starke Schmerzhaftigkeit im
Vordergründe. Sie hielten die Wirbelsäule steif, suchten alle
Bewegungen zu vermeiden und schrien bei jeder Berührung.
Die günstige Wirkung der Fixation zeigte sich in kurzer Zeit-
Weitere 1 Beobachtungen werden ergeben, ob dadurch auch die.
Ausfallerscheinungen, die zurückbleibenden Lähmungen, ge¬
mildert werden. Neben dem Gipsverbande kann die übrige Be¬
handlung wie Ableitung auf den Darm. Galvanisieren, Massage,
Verhüten der Kontrakturen durch Anbinden der Extremitäten
an Schienen etc. ungehindert erfolgen.
3. Kurze übersichtliche Zusammenstellung der wichtigsten
Hilfsmittel der Skoliosenbehandlung. Die- Abhandlung, deren
. Studium dringend empfohlen werden kann, eignet sich nicht
für ein kurzes Referat. Es wird ganz besonders auf die Wichtig¬
keit der frühzeitigen Diagnosenstellung und die sofortige In¬
angriffnahme der Behandlung hingewiesen. Dem Hausarzt soll
bei jeder Skoliosenuntersuchung vorschweben, .,daß er vielleicht
über das Schicksal eines jungen Mädchens entscheidet. 4 '.
4. Bei sorgfältiger Untersuchung ist es relativ selten, daß
Frakturen, die eine bestimmte Behandlung erfordern, übersehen
werden. Große Schwierigkeiten kann das Erkennen von
Brüchen in der Nähe von Gelenken machen und Fehldiagnosen
können hier zu bedenklichen und folgenschweren Mißgriffen in
der Therapie führen. In solchen Fällen , ist es ratsam, in
Narkose zu untersuchen und grobe Exkursionen bei den Re-
positionsversuohen zu vermeiden. Um sich gegen spätere Vor-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Wl
Geh
einet
sehn¬
lichen
Röutgenu..
genommen \
Lage des Falles
die eine spezielle
Prognose erfordc’
um so weniger,
5. Die Rach
Prozeß. Sie selbst
Knochens nur die »
den Einflüssen gegei
biegungen sind statise
die Eigentümlichkeit, o
und Gegenkrümmung ai
bei Skoliosen zeigt. An S
aber auch differente Gelenk
für Biegungen. So kann sici
eiue Steilstellung des Sehe
biegungen im Sinne des Ge>
Ober- und unteren Teile <
häufigere Aetiologie für
ab. Aber auch der Druck
aufeiuandergclegten Beine k
der Luftdruck am Brustkor 1
iBei der Allgemeinbehandl
liehe Verabreichung von Milo.
Phosphor in Wegfall kommen
reiche, möglichst rein vegetabil
zugung von frischen Gemüsen r
Zucker gegeben werden. Die lokale
rachitischen Wirbelsäulen Verbiegungen.
Tendenz zur Spontanheilung zeigen, abe.
handlung eine gute Prognose geben, in Mat,-.,
abreichung von Gipsbett und Korsett. Bei der
rachitischen Beinverkrümmungen kommt man mi.
und Osteotomien am raschesten und sichersten zum Ziel.
Bakteriologie und Serologie.
Referent: Privatdozent Dr. E. Küster, Freiburg i. B.
1. Die Desinfektionskraft des Biigelns. Von K. Svelila.
Umschau, 1909, Nr. 52.
2. Darstellung von Urinzylindern mittels des Tuschever¬
fahrens. Von K. 8 t o e v e s a n d t. Deutsche raed. Woehen -
schrift, 1909, Nr. 52.
3. Ueber eine von Tschernogubow angegebene Modifikation
der Wassermannschen Reaktion. Von H. Gutli. Deutsche med.
Wochcnschr., 1909, Nr. 52.
4. Beobachtungen bei der Serumbehandlung des Abdominal¬
typhus mit besonderer Berücksichtigung der Gruber-Widal-
schen Reaktion. Von A. Herz. Wiener klm. Wochcnschr.,
1909, Nr. 50.
5. Bericht über die Behandlung Cholerakranker mit dem
Serum von Prof. Kraus im Juni und Juli 1909. Von R. H im
dögger. Wiener klin. Wochcnschr., 1909, Nr. 52.
1. Es ist eiue große Schwierigkeit für den praktischen
Arzt, seine Kleider nach jedem Besuch hoi einem infektiösen
Kranken so zu desinfizieren, daß eine Uebeftragung der be¬
treffenden ansteckenden Krankheit auf einen anderen Patienten
oder auch auf die eigene Familie ausgeschlossen erscheint.
Auch das Ueberziehen von leinenen Operationsmänteln vor dem
Betreten des Krankenzimmers bietet nur dann einen Schutz,
wenn dieselben nach jeder Benutzung frisch desinfiziert werden.
Die sonst hier übliche. Art der Desinfektion: Einweichen in
desinfizierende Lösungen, Auskochen,, strömender Dampf. For¬
malindämpfe sind für die Praxis zu umständlich und es ist
daher als ein wichtiger Fortschritt zu bezeichnen, daß es
Svehla durch umfangreiche exakte Untersuchungen gelang,
naohzuweisen., wie trefflich man durch sorgfältiges Bügeln
dünnere Kleidungsstücke desinfizieren könne. Dünne Stoffe
wie Zephyr, dünne Windeln, Schnupftücher, werden durch ein¬
maliges Darüherfahren mit einem heißen Bügeleisen in ihrer
ganzen Dicke sterilisiert. Die Sterilisat ion-skraft nimmt naiür
UNIVERSITY OF MICHIGAN
RUNDSCHAU.
59
i,22
• in
lagen
.inamnese
. urden nach
. ü e fälle heilten
■n nach 36,8 Tagen
eilten in 66,6 °/o,
Tagen entlassen.
3°/o, standen nach
.1 entlassen. Wenn
■n Entlassenen an-
nacli 25,1 Tag auf
irend die Leute fälle
40,3 Tagen entlassen
erhielten sich folgender-
hwüren hei Leub e kur
r 17 blutenden Geschwüren
div am 5. Tage. Zwei Todes-
•’ation, 3 Todesfälle hei L e n-
lämie und Blutungsrezidiv,
stischen Material, daß be¬
neide Diätformen zum Ziele
ten Fälle mit Blutung in der
.ui vorziehen. Für die bluten-
_t L e li h a r t z kur angezeigt,
uliien, da man offenbar in der
e.n darf. Man wird aber gut
Schonungsprinzip festzuhalten,
Karrenzzeit der L e n h a r t. z kur
des nichl blutenden Magengeschwürs
gewährten Leu b e kur fest, von der er
Karlsbader Trinkkur fortläßt. Bei der Be-
lutehden Magengeschwürs sind die Erfolge der
_uui der L e n h a r t z kur annähernd die gleichen.
Du- L c n h a r t z kur ist besonders bei gleichzeitiger Hyperazidi-
täl und bei stark heruntergekommenen Personen anzuwenden.
Wo sehr starke Schmerzen und unaufhörliches Erbrechen be-
steilen, zieht W. allerdings auch beim blutenden Geschwür die
L eube.kur der L e n h a r t z kur vor. Ohne Narcoticä kommt
man hei sehr starken Schmerzen häufig nicht aus; hier leisten
Kodein, Dionin und Morphium immer noch die besten Dienste.
Das S c h 1 e i c hsehe Desalgin hat sich als schmerzstillendes
Mittel nicht bewährt. Das Iv 1 e m p c r e r sehe Eskälin bietet,
gegenüber dem Wismut keine Vorzüge. Für das bedeutsamste
Mittel, mit schweren innerlichen Blutungen fertig zu werden,
hält W. die intravenöse Einspritzung von 10°/o Kochsalzlösung,
die von der Velden empfohlen hat. Im übrigen wird man
bei schwerer Magenblutung am meisten erreichen durch voll¬
kommene Nahrungsabstinenz bis zum Aufhören der Blutung,
absolute Ruhe, Morphiuminjektion, Eisbeutel, Kochsalz -
klysmen und eventuell auch intravenöse physiologische Koch¬
salzinfusionen. Zur vollständigen Ausheilung hartnäckiger
Magengeschwüre und damit zur Verhütung mancher Folge -
zustände kann viel getan werden durch wiederholte Trinkkuren
mit Karlsbader, Neuenahrer und anderen alkalischen Quellen,
auch zu Hause. Von den Folgczuständen des Magengeschwüres
sind die Pylorustenose, der subphrenische Abszeß, daß chronische
l'lcus mit immer wiederkehrender Blutung und die peijlgastriti¬
schen Zustände immer zu operieren. Eine Peroforation des Ulcus
in die freie Bauchhöhle verläuft nicht selten auch ohne Opera¬
tion günstig.
4. A. hat in 29 Fällen die vegetarische Diät zu Ent¬
fettungszwecken verwendet. Er ging dabei von der Annahme
aus, daß die grobe vegetarische Diät mit ihrem Schlacken-
reichtum infolge der starken Füllung des Magens das Sättigungs-
gcfühl rasch herbeiführen und daher ohne Zufuhr großer Nähr¬
stoffmengen entsprechend wirken müsse. Zur Anwendung kamen
fast fettfreie und eiweißarme pflanzliche Nahrungsmittel.
Körner- und Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Linsen) wurden
wöchentlich nur 1—2 mal gereicht. Von den Gebacken wurden
nur die groben Sorten (Schrotbrot), statt Zucker Saccharin ge¬
geben, so daß die Kost, aus Brot, Gemüsen, Salaten, Kompotten,
Kartoffeln und rohem Obst bestand. Getränke, die keine Nähr¬
stoffe enthielten, wurden unbedenklich gegeben (Tee, Kaffee, |
JNIVERSITY OF MICHIGAN
Mineralwasser, Zitronenlimonade, auch Buttermilch). Bei der
Auswahl der Nahrungsmittel wurde viel weniger auf den
Proz'entgehalt an Eiweiß, Fett und Kohlehydraten als auf den
Gesamtkäloriengehalt, an dem die Kohlehydrate den Haupt-
anteil haben, Rücksicht genommen. Albu gibt hierüber eine
Tabelle. Je kalorienärmer und je-voluminöser die Nahrung,
desto besser. Derartige Entfettungskuren sind Monate hindurch
durchzuführen. Langsame Kuren sind jedenfalls besser als be¬
schleunigte. In seinen Fällen konnte Albu sein* erhebliche
Gewichtsabnahmen erzielen. Gleichzeitig wurde durch die vege¬
tarische Diät die Darmtätigkeit geregelt. Zum Schluß gibt A.
I noch einige Rezepte zur Zubereitung einzelner pflanzlicher
Nahrungsmittel und eine Berechnung des Kaloriengehaltes der-
i selben in tischfertigem Zustande.
5. Das von Ehrmann gefundene Neutraion ist ein lös-
1 liches Aluminiumsilikat, ein weißes, geruch- und geschmackloses
Pulver, welches in Wasser unlöslich ist, aber mit dünnen Salz¬
säurelösungen bei Körpertemperatur sich spalten läßt. Verf.
hat in zahlreichen Versuchen gefunden, daß dieses Neutraion
ein äußerst wirksames Mittel ist, um bei Hyperazidität und
Hypersekretion die Menge der freien Salzsäure stark zu ver¬
mindern. Die Wirkung ist eine langsame. Die Substanz legt
sich der Magenschleimhaut als Deckpulver auf und zerfällt nun
unter der Einwirkung der Salzsäure, falls sich solche bildet
oder , schon im Magen vorhanden ist,- ganz allmählich. Dabei
wird die feste Kieselsäure frei, die gleichzeitig mit dem Neu¬
traion der Magenwand aufliegen bleibt. Ferner entsteht Alu-
miniumchlorid, das ebenso wie die anderen löslichen Aluminium -
salze eine adstringierende und desinfizierende Wirkung ent¬
faltet. Die durch das Neutraion im Laufe einiger Stunden
gebundene freie Salzsäure kann recht beträchlich sein: Ein
Teelöffel Neutraion vermag im Laufe einiger Stunden ca. 400 ccm
0,2 proz Salzsäurelösung bei Körpertemperatur zu binden.
6. Verf. konnte durch' subkutane Injektion von Nikotin
und von Wasser, in welchem Zigarrenrauch gelöst worden war,
bei Hunden nachweisen, daß der bei Rauchern häufig beob¬
achtete Magensaftfluß eine Folge der Einwirkung von im Blute
kreisendem Nikotin auf die Sekretionsnerven und zwar höchst¬
wahrscheinlich auf die peripheren Nei;ve:napparate ist. Thera¬
peutisch ist deshalb in solchen Fällen besonders vollständige
Nikotinabstinenz oder wenigstens starke Einschränkung des
Nikotingebrauches zu verlangen.
7. Beschreibung eines neuen Gastroskops, welches dem von
N i t z e - S c h 1 a g i n t w e i t. nachgebildet ist. Das Wesentliche
an diesem Gastroskop ist ein im Innern eine Spirale bergender
unterer Gummiansatz, mit Hilfe dessen es möglich ist, die phy-
i Biologische Biegung des untersten Oesophagusabschnittes nach
links mit Lrichtig'keit zu überwinden. Dadurch wird auch
die Gefahr der Perforation der Speiseröhre vermieden. Verf. gibt
einige gastroskopische Bilder, auf denen besonders der Pylorus
gut zu sehen ist.
8. Mitteilungen von Krankengeschichten von Personen jmit.
chronischer Obstipation, die sehr erfolgreich mit den von
Lipowski früher empfohlenen Paraffinklysmen, über die
schon in Nr. 40 der „Therapeutischen Rundschau“ berichtet
worden ist, behandelt worden sind.
Orthopädie.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lehr. Stuttgart.
1. Fortschritte auf dem Gebiete der Chirurgie der peri¬
pheren Nerven. Behandlung von Lähmungen mit Nervenplastik.
Von Priv.-Doz. Dr. H. Spitzy , Graz. Wiener klin. Wochen¬
schrift, 1909, Nr. 46.
2. Zur Behandlung des Frühstadiums der Poliomyelitis
anterior acuta. Von Dr. G. Holtmann, München. Münch',
mod. Wochensehr., 1909, Nr. 49.
3. Fortschritte in der Skoliosenbehandlung. Von Dr.
M. Haudek, Wien. Monatsschr. für die physikal.-diätet, Heil¬
methoden, 1. Jahrg., Heft 7.
4. Wie weit lassen sich Fehldiagnosen und Mißerfolge bei
Frakturen und Luxationen in der Praxis vermeiden? Von
Privat-Dozent Dr. R. Grashey, "München. Münch, med.
Wochenschr., 1909, Nr. 47.
5. Ursache und Behandlung der rachitischen Deformitäten.
Von San.-Rat Dr. A. Schanz, Dresden. (Nach einem in der
UNIVERSITY OF MICHIGAN
62
THERAPEUTISCHE
•18 Stunden kritischem Schlaf, also Beruhiguütf erzielt, er¬
scheint dem Verf. im Vergleich zu der von ihm geübten Veronal -
behandlung' recht bescheiden. Dieselbe wird folgendermaßen
ge handhabt:
Patienten mit Delirium tremens und Delirium tremens incip.
erhalten gleich nach der Ankunft 1 g Veronal. und falls
auf diese Dosis, was selten geschieht, kein Schlaf erfolgt«,
nach dem Verlauf von 3 Stunden ein weiteres Gramm. Der
Schlaf tritt darauf in der Regel recht schnell ein und hat die
Dauer von 6 bis 12 Stunden. Beim Erwachen ist der Patienti
dann klar und ruhig und befindet sich völlig wohl. Falls noclü
irgendwie Tremor vorhanden ist, bekommt er 0,50 g Veronal
und gegen Abend ist in der Regel der Tremor geschwunden.
Bleibt der Patient aus anderen Gründen noch einige Zeit im
Hospital, so behandelt man seine Schlaflosigkeit jeden Abend
mit 0,50 g Veronal.
Falls das Delirium mit den 2 g Veronal nicht ganz nieder¬
geschlagen wird, was namentlich dann eintrifft, wenn es bei
der Einlieferung in voller Blüte ist. kann 5—6 Stunden später
ganz gut noch ein Gramm gegeben werden, und damit werden
in der Regel die meisten Möglichkeiten einer Fortsetzung des
Deliriums aufgehoben sein. Fiebrigen« ist Verf. der Ansicht,
daß bei Veroualbehandlung der Aufenthalt des Delirium-
kranken im Krankenhaus nicht unumgänglich nötig sei.
3. Verf. prüfte das Pyrenol bei 50 Influenzakranken, ferner
bei Pneumonikern. bei Nachtschweißen der Phthisiker, bei
Scharlach uud Masern und war von den Resultaten sehr be¬
friedigt. Er rühmt besonders, daß bei der Pyrenolmedikation
die Entfieberung unter geringem Schweißausbruch vor sich
geht, und deshalb das Präparat sich zur Linderung der Nacht¬
schweiße der Phthisiker eignet. Hier gab er abends 1,0 g,
in den Influenzafällen 4 mal täglich 1,0 g und den Kindern
eine 2proz. Pyrenollösung mit Zusatz von Sir. Ruh. Idaei. Alles
in allem hält er das Mittel für ein schätzenswertes Anti-
pyretikum.
Technische Neuerscheinungen.
Federnde, für Krankentragbahrcn bestimmte
Aufhängevorrichtung mit Tragkette.
Vtu Dr. mc Hans Schlüter, prakt. Arzt, Neheim a. d. lluhr.
Es sind bereits federnde Aufhängevorrichtungen be¬
kannt, die beispielsweise aus einem längeren mit Flügel¬
mutter versehenen Schraubbolzen, einer Feder und einem
Haken bestehen. Die Befestigung dieser Vorrichtungen er¬
folgt in der Weise, daß in die Holzrahmen, die in die
Eiseubalingüterwagen eingestellt sind, Löcher gebohrt wer¬
den, durch welche die Bolzen gesteckt uud mittels der
Flügelmutter befestigt werden. Das Vorbohren der für
eine Tragbahre erforderlichen 4 Löcher, die genau ent¬
sprechend den Abständen der Traggriffe gebohrt werden
müssen, der dadurch bedingte große Zeitverlust, die Not¬
wenigkeit der Mitführung größerer Bohrer, die Vermin¬
derung der Tragkraft der Balken durch die großen Bohr¬
löcher und die Unmöglichkeit der Verwendung von eiser¬
nen Trägern ergeben viele Schwierigkeiten und Nachteile
der Verwendung der bekannten Aufhängevorrichtungen.
Diese Nachteile werden nach vorliegender Anmeldung im
wesentlichen dadurch vermieden, daß an Stelle des
Schraubbolzens eine um den Träger in einfacher Weise zu
schwingende Kette verwendet wird, welche an die eine
Feder enthaltende Zughakenverbindung angreift.
II o s e n.
Ueber Therinopenetratiou.
Thermopenetration ist ein neues elektrotherapeuti-
sclies Verfahren, durch welches die Möglichkeit gegeben
ist, dem Körperinnern Wärme zuzuführen. Man ver¬
mochte bisher nicht, erhebliche Wiirmeoffekte künstlich in
größeren Tiefen des Organismus hervorzurufen. Die ge¬
wöhnlichen thermotherapentischen Verfahren waren
hauptsächlich auf die Applikation von Einpackungen,
UNIVERSITY OF MICHIGAN
heiß,.
beschrä
Teile ,
machten
deren gerin,
such mit E
schädliche elektrc
Wechselstrom du
anders wirken i
(100 000 bis 5 0t
gang durch dei
Wärmewirkung
praktischen Versa,
Wärmeeffekt xuul u
lag im Charakter dei
kamen nämlich solche
Spanmmgsausgleich i
(R u li m k o r f f scheu x
sators (Leydener Flasche)
Entladungsfunke eines Konu,
Dauer. Sie ist bei bestimmt
Vsoooo Sekunde festgesteL
eine oszillatorisclre und err
durch daslnduktorium auf
Energie in den vorhandene
Diese sind so groß, daß schon nach wenigem Hin- und Her¬
pendeln der Energie der Kondensator entladen ist. und
zwar in der oben angegebenen Zeit. Eine neue Aufladung
bedarf aber einer bei weitem längeren Zeit, und während
dieser Aufladezeit findet kein Wecliselstroinflnß statt. Bei
z. B. 100 Funken (Kondensator-Entladungen) sekundlich
kommt ein Funke auf Vu,u Sekunde. Dieser Funke selbst
währt aber nur ’/r,,. Sekunde. Hierdurch entstehen
nutzlose Pausen, die ca. 499 mal so lang wie der wirksame
Funkenübergang sind. Eine Erhöhung der Funkenzahl
wird natürlicherweise die für den elektrischen Vorgang
wirksamen Zeitintervalle näher zusanmienrücken und da¬
mit den physiologischen Effekt vergrößern. Ein konti¬
nuierlicher Hochfrequenzstrom (ungedämpfte Schwingun¬
gen) dagegen wird keine nutzlosen Pausen aufweisen und
somit den besten physiologischen Effekt ergehen. Eine
Vergrößerung der Funkenfolge erreicht nun in der prak¬
tischen Ausführung des Apparates bald ihre Grenze. Jeden¬
falls ist eine solche Steigerung der Funkenzahl ohne weite¬
res nicht möglich und bedingt eine ganz besonders sorg¬
fältig eingestellte Apparatur. Die erhöhte Funkenzahl,
die bisher erreicht ist, weist aber immer noch beträchtliche
Pausen auf. Eine maximal erreichte Funkenzahl von 5000
Funken sekundlich gibt einen elektrischen Effekt pro Zeit¬
einheit von ca. 509i. Die geringe physiologische Wirkung
gewöhnlicher Funkenentladungen findet noch eine Erklä¬
rung in dem geringen Stromeffekt der Entladung. Dieser
ist dem auf tretenden Spannungseffekt gegenüber nur
äußerst klein. Die großen Spannungen wiederum lösen un¬
angenehme Nebenerscheinungen (faradisqhe Reize) im be-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
OIIE HUNDSCHAU.
61
offe'y
Schütz-’
•eiligste ns
^ Innern
ichten, daß
«ugelunterlage
■11 sterilisiert
geschädigt werden,
, indem man ein
die man mit dem
' gewöhnlich nur
m zu sterilisieren,
Iniständen (Durch-
gen.
.vteriologischc Mikro-
.t>e S. zur Darstellung
id Schleiinzylinder im
.dikroskopiertusche wird
ütioniert, sterilisiert lind
haltbar gemacht. Hiervon
urchmesser auf den . Objekt¬
iv der Platinöse hinzugcniischt
- dem Deckglas mikroskopiert,
•oji sich leuchtend weiß von
„b, so daß es keine Mühe'
«ylinder aufzufinden. Die Prä-
,id haltbar, Zellkerne sind in
erkennen. -
T scheraogubow, deren
./eit führen wird, bietet nach
Voraussetzungen eiiien Ersatz für
keine besonderen Vorteile, aber
>. IS 1 e n i t z e r wurde ein Typhus-
welches im Tierversuch Typhustoxine
vveier Paratyphusstämme zu paralysieren
Serum wurde von den Erfindern beim
. allen versucht und bei subkutaner oder intra-
tion von 20—30 ccm konstatiert, daß in un-*
„..ton Fällen bei frühzeitiger Injektion alsbald oder
nach einigen Tagen Temperaturabfall und subjektives Wohl¬
befinden eintrat. Dieser Temperaturabfall erfolgte auch im
Stadium der Efferveszenz. H. wandte das Serum bei 11 Typhus-'
und einem Paratyphusfall an: ,,Die Möglichkeit eines günsti¬
gen Einflusses ist in einzelnen der Fälle, nicht in Abrede zu
stellen, gewiß aber noch viel schwerer zu behaupten.“ Drei¬
mal wurde eiu Serumexanthem beobachtet, in diesen drei Fällen
trat auch eine Vermehrung der Leukozyten sowohl der granu¬
lierten wie der ungranulierten auf, während bei allen übrigen
Fällen Leukozytose nicht beobachtet wurde. Das Typhusheil-
serum agglutiniert Typhusbazillen 1:10 000 und nach der In¬
jektionläßt sich jeweils bei den Patienten eine beträchtliche Er¬
höhung des Agglutinationstiters konstatieren, die lange Zeit
bestehen bleibt. Kontrollimtersuchungeü, die bisher allerdings nur
in geringem Umfange durchgeführt wurden, ergaben, daß eine
längere Zeit anhaltende Erhöhung des Agglutinationstiters gegen
Typhus nur bei echten Typhusfällen zu konstatieren war, so
daß die Injektion von Typhus-Heilserum ev. als diagnostisches
Hilfsmittel in Betracht käme, welches namentlich in den Fällen
am Platze wäre, bei denen wegen des frühen Stadiums der Er¬
krankung noch keine Wi da Ische Reaktion vorhanden ist und
bei denen die Züchtung der Typhusbazillen aus dem Blut nicht
durchführbar ist. Das Maximum der Agglutinationstiter -
erhöhung bei Typhuskranken ist sclioln nach 24 Stunden er¬
reicht.
5. In .dem Maria Magdalena-Krankenhaus in St. Petersburg
wurden mit dem Choleraheilserum von Prof. Kraus 38 algide
Fälle von Cholera asiatica behandelt. Das Serum wurde intra¬
venös subkutan oder auch per os gegeben und gleichzeitig die
üblichen 1 Kochsalzinfusionen, vorgenommen. Kon trollfälle wurden
mit den gleichen Kochsalzinfusionen ohne Serum behandelt. Ein
Unterschied im Prozentsatz der Sterblichkeit unter den mit und
ohue Serum behandelten Kranken war so gering, daß man sagen
kann, das Serum übt keine Wirkung auf das Eintreten des Todes
im algiden Stadium aus und verhindert nicht den Uebergang aus
dem algiden Stadium in das Stadium der Urämie. Die Serum-
bohandlung ist. unschädlich und übt keinen Einfluß auf den
Verlauf des Krankheitsprozesses; der Eintritt des Todes bei
urämischen Cholerakranken schien durch die Serumbehandlung
etwas verzögert zu werden. I
Varia.
Akute kryptogenetische Polyarthritis gonorrhoica. Von
O. Mayer, Nürnberg. Münch, med. Wochenschr., 1901), Nr. 49.
Verfasser beschreibt einen in mehrfacher Hinsicht inter¬
essanten Fall von Polyarthritis gonorrhoica, denn einmal ergab
weder die Vorgeschichte, noch der ärztliche Befund eine
Gonorrhoe. Der Nachweis der Gonokokken gelang erst.durch die
bakteriologische Untersuchung. Ferner verlief die Erkrankung
nicht unter dem gewöhnlichen Bilde der Gonokokkenarthritis,
da in sprunghafter Weise viele Gelenke befallen wurden.
v. Rutkowski, Berlin.
Ueber Serumbehandlung und ihre Gefahren. Von
P. S c h e i d e m a n d e 1 , Nürnberg. Münchener med; Wochen¬
schrift, 1909, Nr. 43.
Da die neueren Forschungsergebnisse über Serumgiftigke.it
und Serumüberempfindlichkeit noch wenig bekannt sind, warnt
Verfasser vor der wiederholten Anwendung größerer Serum-
mengen spezifischer und nicht spezifischer Natur, wie sie mit
Enthusiasmus in der letzten Zeit gegen alle möglichen Er¬
krankungen in höchst differenten Verabreichungsformen — intra¬
venös, lumbal, peritoneal —• angepriesen werden.
v. Rutk o wsk i , Berlin.
Zur Hautdesinfektion bei internistischen Eingriffen. Von
Umber, Altona. Die Therapie der Gegenwart, November 1909.
Verfasser empfiehlt bei internistischen Eingriffen, die Haut
zwecks Desinfektion in der Umgebung der Operationsstelle ein¬
fach, trocken, eventuell nachdem sie trocken rasiert ist. mit
Jodtinktur zu bepinseln.
v. R u t k o ws k i, Berlin.
Neuere Behandlungsformen des akuten Gelenkrheumatismus
Von M. Spitzer, Wien. Medizinische Klinik, 1909, Nr. 44.
Verfasser bespricht die üblichen therapeutischen Maßnahmen
gegen den akuten Gelenkrheumatismus, um dann die Elektrargol-
bchandlung eingehend zu schildern. Dieses Präparat wird als
Salbe angewandt, ferner rektal als flüssiges Präparat in Dosen
von 30—100 g, und intravenös oder intramuskulär in Dosen
von 5—10 ccm. Die Erfolge, waren gut, der Krankheitsprozeß
wurde abgekürzt; besonders fiel unter der Elektrargolbehand-
1 uug der Rückgang schwerer Endokeratiden und der Tempe¬
raturabfall auf. Ein schädigender Einfluß auf die Nieren, sowie
Argvrie der Haut und der Schleimhaut wurde nicht beobachtet.
v. Rutkowski, Berlin,
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger. Magdeburg.
1. Ueber Brompräparate und Sabromin. Von Dr. Emil
Sehe p e l m a u n , Halle. Deutsche med. Wochenschr., 1909,
Nr. f>0.
2. Delirium tremens, behandelt mit Veronal. Von Dr.
V. Friis Möller, Kopenhagen. Berliner klin. Wochenschr.,
1909, Nr. 52.
3. Klinische Betrachtungen über Pyrenol. Von Sekundärarzt
Ripa, Baden b. Wien. Medizin. Blätter, 1909, Nr. 52.
1. Sabromin, das vo'n v. Mering in die Praxis ein-
geführt wurde, ist das Kalziumsalz der Dibrombehensäure und
wird in Originalgläschen zu 20 Tabletten ä 0,-5 g in den Handel
gebracht. Es enthält ca. 30°/o Brom und wird angewendet
bei Epilepsie, Neurasthenie, Hysterie und nervösen Beschwerden
der verschiedensten Art. Es ist durchaus geruchlos und ge¬
schmackfrei uud wird gut vertragen ; inan kann es daher auch
einfach zerkauen, ohne daß man Wasser hinterher trinkpn
muß. Therapeutisch wirksam sind Dosen von 3 mal täglich
2 Tabfetten, etwa eine Stunde nach den. Mahlzeiten. Auch
bei Steigerung der Dosen und nach langem Gebrauch wurden
keine Intoxikationserschcinungen beobachtet. Verfasser hat des
öfteren versuchsweise 10 Tabletten auf einmal genommen, ohne
üble Nebenerscheinungen zu haben. Im Urin erscheint Brom
später als wenn Bromalkalien gereicht werden.
2. Das Resultat A u fr ech t s , Magdeburg, der hei Deli¬
rium sofort 4,0 g Ohloralhydrat. und am nächsten Morgen
[ weitere* 3,0 g dieses Mittels gibt und damit im Laufe von
UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSI
'HS KUNDSCHAU.
63
ich
stö-
däni-
seine
»uuierliche
te Schwin-
uir eine erfolg-
-uothei-apie ge-
e r n d wandte
liselströme für
iiebiger Menge
xpplikationsver-
■ tion des therini-
beliebige Tiefen-
nnierlichen Hocli-
n 1 s e n sehen Licht-
,i. Die Abbildung stellt
ug dar. In dem Felde M
i bildet sich der von
-iü Volt) gespeiste Liclit-
'">era Metallgehäuse einge-
■iner wasserstoffhaltigen
durch eintropfeuden Spi-
uim Lichtbogen ist der aus
R und Kapazität K be¬
schattet, in welchem sieh
len. Ein zweites Solenoid J
Elektroden E für die tliera-
nden und nimmt induktiv die
lern Schwingungskreis P. Die
oder weniger große Annäherung
rt oder Verringet weden. Diese An-
durch Ineinanderschalten der beiden
,i nennt die Anordnung P.T einen Transfor-
- dien den Elektroden E und dem Solenoid J ist
i. oiu Strommesser H eingeschaltet, der eine Kontrolle
der Hoehfmpienzströine gestattet. »Die Firma C. L o r e n z
Aktiengesellschaft, Berlin SO. 20, liefert fertig montierte
Thermopenetrationsäppnrate. Bose h,
Respirator
U, ll. V. Nr. 215614
von Ed. Ruegenberg sen., Olpo i. Westfalen.
Der Respirator bestellt aus einer die Nase umschlie¬
ßenden Hälse mit einem den Filterstoff tragenden durch¬
löcherten Boden. Der Respirator wird vor der Nase ge¬
tingen und kann bei Nichtgehraucli zusammengeklappt
bequem in der Westentasche mitgenommen werden. Die
Befestigung des Instrumentes kann durch um den Kopf
gelegte Guimnisclmur erfolgen. Das in dem Respirator
eingesetzte Filter schließt die Nase nach untenhin ab, so
daß die durch die Nase ein und ausgeatmete Luft das
Filter passieren muß und die Luft stets rein und warm
eingeatmet wird. Der Preis für den Respirator ist sein-
billig; einzelne Probestücke kosten 75 Pfg. 1! o s e n.
Bücherbesprechungen.
Fischers Kalender für Mediziner. Herausgeber Dr.
•J. Bi er buch. Bcrliu. 1910. Verlag: Fischers medizinische
Buchhandlung, K. Kornfeld. Berlin W. 35. Preis 2 M.
Zum 22. Male erscheint obiger Kalender; ein willkommener
Begleiter für jeden Arzt. Es finden sich darin neben dem
Notizkalender die wichtigsten Angelegenheiten, deren der prak¬
tische Arzt bedarf; so vor allem ein Verzeichnis der Maximal-
dosen für Erwachsene, und Kinder, die Formulae magistrules,
Berolinenses, eine Aufzählung der Arzneimittel, deren Vertrieb
den Drogenhandlungen gestattet ist. (Kaiserliche Verordnung
vom 22. Oktober 1901.) Auch auf die täglichen Fragen, wie
Post- und Telegraphengebühren, Gebührenordnung für approb.
Aerzte und Zahnärzte ist Rücksicht genommen. Die Arznei¬
mittel, ihre Anwendung, Dosierung und Preise hat Dr. Bier-
bacli geschildert, während Prof. Dr. Hermann Weber ein
medizinisch-therapeutisches Taschenbuch angegliedert hat. Kurz,
das kleine Büchelchen ist ein treuer Ratgeber für jeden
Praktiker und kann ihm aufs angelegentlichste empfohlen
werden. —r.
Hsrnuntersuchungen und ihre diagnostische Verwertung.
Von Dr. B r u n o C a r 1 Sch ti r in a y c r , Berlin. 2. Aufl.
Wiesbaden 1910, J. F. Bergmann.
Das vorliegende Buch dürfte in der Reihenfolge der auf
diesem Gebiet erschienenen Werke einen hervorragenden Platz
einnehmen. Gegenüber der ersten Auflage, welche sich in den
beteiligten Kreisen einer großen Beliebtheit erfreute, hat
diese zweite, gänzlich inngearbeitete Auflage, wesentliche Ver¬
besserungen und Erweiterungen aufzuweisen. Besonders her-
vorzuheben ist, daß Verfasser in weitgehendster Weise den
modernen Fortschritten der Physiologie namentlich der physio¬
logischen Chemie und der Klinik Rechnung getragen hat. Wie
schon der Titel besagt, begnügt sich Verf.. was besonders her¬
vorgehoben werden soll, nicht damit, eine gute Uebersicht über
die Technik der Harnuntersuchungen zu bieten, sondern er gibt
auch, eiuen Ueberblick über die Schlußfolgerungen, welche di“
Harnuntersuchungen ermöglichen. Dadurch ersetzt Schür-
mayers Buch dem praktischen Arzt, dem Chemiker und Apo¬
theker, welche _ Harnuntersuchungen vorzunehmen haben, die
großen Handbücher der physiologischen Chemie des Harns,
zumal die wissenschaftliche Seite neben .der technischen hin¬
reichend berücksichtigt ist. Für die Verwertung der diagnosti¬
schen Befunde durch die Harnuntersuchung erfährt der Arzt
alles Wissenswerte in leicht faßlicher, übersichtlicher und keines¬
wegs weitschweifender Form.
In der Einleitung gibt Verf. einen kurzen Ueberblick über
die physiologischen und pathologischen Verhältnisse im .Harn,
sowie eine kurze, aber erschöpfende Schilderung der Technik'
der Harngewinnung, wobei besonders der instrumenteilen Harn-
entnaiime und speziell der separierten Harnentnahme ans beiden
Freieren Rechnung getragen ist. Der Hauptteil des Buches
zerfällt in 25 Kapitel. In dem Abschnitt über die allgemeinen
physikalischen Eigenschaften des Harns werden seine Menge,
seiu Aussehen, die normalen und pathologischen Harnfarbstoffe
uud Harnpigmente, spezifisches Gewicht, Geruch und Reaktion
erörtert. In dem Abschnitt, der von den Harnsedimenten han¬
delt, wird eine sorgfältige Uebersicht über die morphotischen
Elemente im Harn gegeben, sodann sind die chemischen und
mikroskopischen Stoffe der Harnsedimente genauer geschildert
uud die Harnkonkremente eingehend beschrieben. Es folgen die
Untersuchungsmethoden und die diagnostische Bedeutung der
Eiweißarten, der Kohlehydrate, der anorganischen und orga¬
nischen Stoffe des Harns mit einem bedeutsamen Exkurs, in das
Gebiet des . Stoffwechsels. Der Frage der Harnkoeffizienten
hat Verf. eine größere Aufmerksamkeit gewidmet als man sonst
in ähnlichen Büchern antrifft; ebenso der funktionellen Nieren¬
diagnostik und der Ivryoskopie: Sehr wertvoll ist die l eber¬
sicht über die wichtigsten Veränderungen des Harns bei den
verschiedenen Krankheiten. Technische Bemerkungen über die
mikroskopische Untersuchung’ sowie technische Einzelheiten und
klein« Kunstgriffe werden namentlich demjenigen gute Dienste
leisten, welcher nicht, in der Lage, .ist, sich über die Harn¬
untersuchung und ihre Technik durch Repi.titionskurse auf dem
Laufenden zu erhalten.
Die Anordnung des Buches ist außerordentlich übersichtlich.
Im Texte sind Abbildungen in ausgiebiger Wese zur Ver-
■i
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64
THERAPEUTISCH!
wondung gekommen und durchweg so gut, daß sie das Ver¬
ständnis und die. technischen Ausführungen wesentlich er¬
leichtern; vier Tafeln enthalten typische, mikroskopische Bil-
der, sowohl von anorganischen als auch von organischen Hurn-
bcstandteilen. Zwei Spektraltafeln sowie eine Reaktions-Farben-
tafel bringen die diesbezüglichen Verhältnisse ebenfalls klar zum
Ausdrucke.
Der Verlag hat auch sonst das Buch recht gut ausgestattet
und handlich gebunden. II a x Hirsch, Kudowa.
Allgemeines.
Durch eine große Stiftung von F r a n z i s k a S p e y e r
ist die Möglichkeit des Ausbaues der wissenschaftlichen Institute
zu Frankfurt a. M. in größere Nähe gerückt. Der medizini¬
schen Fakultät sollen die großen Krankenhausanlagen dienen, die
ja schon auf .den Lehrzweck hin errichtet und eingerichtet sind.
Ein wichtiges Verbot hat die K a r 1 s b a cl e r H a n d -
w c r k s k a m m e r erlassen. Der Verkauf von Speiseeis, das be¬
kanntlich oft schädlich wirkt, soll fortan an Schüler und Kinder
verboten sein seitens der auf der Straße und öffentlichen Plätzen
-oft stehenden Verkäufer. Letztere dürfen sich nicht auf und in
der Nähe von Spielplätzen aufhalten, wie ihnen auch das Feil-
bieten von Speiseeis in der Nähe von Schulen untersagt ist.
Sicherlich dürfte diese nachahmenswerte hygienische Bestimmung
viel zur Hebung des Gesundheitszustandes der Kinder uncl
Schüler beitragen.
Das Oberlandesgericht Stettin hat in einer neueren Ent¬
scheidung festgestellt, daß die Spezialärzte nicht berechtigt sind,
höhere Sätze als sie die ärztliche Gebührenordnung vorschreibt,
zu liquidieren, vielmehr dürfen sie nur mit den Sätzen
der Gebührenordnung in Einklang’ stehende Liquidationen er¬
heben. Das Oberlandesgericht sagt in seinem ausführlich be¬
gründeten Urteil: Alle approbierten Aerzte und Zahnärzte, also
auch die S p e z i a 1 ä r z t e , werden nach § 1 der Medizinal¬
ordnung vom 20. Mai 1898 den darin festgesetzten Gebühren
für berufsmäßige Leistungen in streitigen Fällen mangels Ver¬
einbarung unterworfen. Nach § 4 sind Verrichtungen, für welche
diese Taxe Gebühren nicht auswirft, nach Maßgabe derjenigen
Sätze, welche für ähnliche Leistungen gewährt werden, zu
vergüten.
Die nach Leipzig vom Leipziger Verband ein berufene Kon¬
ferenz der Vertreter aller Orte mit Karenzzeit hat folgenden
Antrag von Meermann, Mannheim, angenommen: Die hassen-
ärztlichen Organisationen in Städten mit Karre'nzzeit fassen den
Eventualbeschluß, ab 1. Juli 1910 die Wartezeit auf höchstens
ein halbes Jahr festzusetzen. Der Beschluß soll mit der Vor¬
aussetzung in Kraft treten, daß die anderen in Betracht kommen¬
den Organisationen den gleichen Beschluß gefaßt haben und das
Ergebnis der Beschlüsse durch den Vorstand des L. V. vor
obigem Termin den anderen Beteiligten mitgeteilt ist.
In der Saison 1909 konnte im Bad Elster der Verein zur
Gründung und Unterhaltung eines Heims für Frauen und Witwen
deutscher Aerzte vier Patientinnen auf nehmen und verpflegen.
Der Verein bittet um weitere Spenden (einzusenden an den Vor¬
sitzenden Dr. Köhler in Elster ).
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ärztlichen
Ordnung voi
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werden unter L.
Alle Aerzte des
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zur Behandlung
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so soll den Krapkenk;
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dieser Tätigkeit nicht vor
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Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen per Tausend 15.— M. Rcklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck Ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt.
Originalen:
\Y. Knick: Bauchdeckennaht und Bruchnaht mit Steril-Katgut 65
,). Adler. München: I. ('ober Entstehen und Verbreitung der
Infektionskrankheiten. 67
.1. Adler, München: II. Bekämpfung der Infektionskrankheiten 68
M. Pcltzcr, Steglitz: Die Kaiser-Wilhelms-Akademie für das
niilitärärztliche Bildungswesen bei ihrem bevorstehendem Umzug
in ein neues modernes Heim (Fortsetzung).69
Heferate:
Mohr, Bielefeld: Chirurgie..72
Lothar Frankenstein, Berlin: Geburtshilfe und Gynäkologie 72
A. Moeller, Berlin: Lungenkrankheiten.73
Silbermann, Kudowa-Berlin: Herz- und Gefäßkrankheiten . 75
H. E. Schmidt, Berlin: Radiologie ... ■ . . .
Geißler, Neu-Ruppin: Krankenpflege.
v. Rutkowski, Berlin: Varia...••
Mitteilungen über Arzneimittel:
W. Kriiger, Magdeburg: Referate.'
Technische Neuerscheinungen:
Apparat für Dauerirrigation.. . . ., 3 ?
Biicherbesprechungen:
Schweizerische Rundschau für Medizin.. . .
Blümel, Halle a. S.: Zur Bekämpfung der Tuberkulose. . .
Bulletin mensuel de la soci6t6 (Vetudes scientifiques sur la tuber-
culose. • * * J * BB
] Allgemeines.. . - .'A*
76
76
77
77
78
78
78
78
79
ORIGINALIEN.
Aus der Praxis.
Bauchrieckcnuaht und Bruchnaht mit
Steril-Katgut.
Von W. Knick.
I.
B a u e U d e c k e n u a li t.
Bei keiner Naht dürfte die Ueberlegenheit eines Nalit-
materials mein - zur Geltung kommen, als bei Nähten an
der Bauchwand, sei es bei der Laparotomie, sei es bei der
Hernidtomie oder bei der Sekundärnaht an der Baucli-
wand. Nirgends sonst ist die versenkte oder Etagennalit
für das Endresultat von so großer Bedeutung, als gerade
liier. Wird der gewünschte Erfolg bei diesen Operationen
doch nur verbürgt durch glattes, reaktionsloses Einheiten
der versenkten Fäden. Ferner sind bei keiner anderen
Operation infolge Herauskommens oder Herauseiterns
von Fäden für den Operateur Naelioperationen so dringend
und häufig und in ihrem Verlaufe so langweilig, wie bei
Operationen an den Bauchdecken.
Es begreift sieh daher, daß gerade bei der Bauch,
deckeflnaht in der Verwendung des Nahtmaterials so oft
ein Wechsel eingetreten ist. Nachdem Silberdraht und
Fil de Florence fast ausschließlich verwandt worden
waren, folgte eine Zeit überwiegenden KatgutgebraucKs,
das dann in der Neuzeit wieder von der Seide resp. von
dem Zwirn abgelöst wurde. Aber auch die Seide hat
bereits ihre Nachteile gezeigt und erste Chirurgen (B i e r)
stehen ihr bereits wieder ablehnend gegenüber. Gewiß
gibt die Seide in den meisten Fällen, sofern sie keimfrei
eingekeilt ist, ein gutes und bestes Resultat. Sie braucht
aber nur einmal unruhig zu werden, und — der Operateur
ärgert sieh über die eine eitrige Seidennaht mehr als über
99 Katg'utnäh.te. Auf die Tumorbildung, die sich häufig
an vorhandene Seidenfäden (S c h 1 o f f e r) anschloß, will
ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.
In diesem Dilemma ist das neuerdings in Aufnahme
kommende Steril-Katgut (Kulm) auf das freu¬
digste zu begrüßen. Dieses Nahtmaterial vereinigt nach
allen Beobachtungen, Experimenten und Deduktionen in
sich gleichzeitig die vorteilhaften Qualitäten des Silber¬
drahtes, der Seide und des -Katguts, ohne zugleich einen
ihrer jeweiligen Nachteile zu besitzen.
Mit dem Drahte teilt das Steril-
K a tg'ut die mangelnde K a p i 11 a r i t ä t u n d
S e li w e r dm r c h d r i n g b a r k r i t , mit der Seide
die Geschmeidigkeit und chemische Reiz¬
losigkeit, mit dem Katgut endlich die
Resorbierbarkeit, (Von der Keimfreiheit soll an
dieser Stelle ni<djt gesprochen werden.) Dazu kommt —
und das ist von großer Bedeutung — sichtlich die Fähig¬
keit, den Stichkanal chemisch derart zu beeinflussen, daß
gewissermaßen eine Aussöhnung zwischen Fremdkörper
und Körpergewebe erreicht wird.
Dieser Erfolg wird erzielt durch den Gehalt des
Fadens an Jod und zwar in intimster, molekularer Bin¬
dung, so wie sie etwa in den schwei-löslichen Jodpulvern,
z. B. dem Jodoform gegeben ist. Diese .Jodkörper haben
bekanntlich (vergleiche K u h n und Rößler, Zeitsclir.
für klin. Chirurgie, Bd. 88) auf eine Wunde einen sekre-
tionshemmenden, Leukozyten fernhaltenden und resorp¬
tionsfördernden Einfluß. Eben diese Wirkung übt ganz
zweifelsohne auch der Steril-Katgut-Faden im Stich¬
kanal aus.
Aus diesen kurz angedeuteten chemischen und physio¬
logischen Gründen heraus müssen die klinischen guten
Resultate mit Steril-Katgut gefolgert werden.
Wir wollen davon ahsehen, diese Erfolge durch Serien
von Krankengeschichten zu illustrieren, wir wollen viel¬
mehr solche Fälle herausgreifen, hei denen das seitherige
Nahtmaterial erfahrungsgemäß. sehr leicht im Stiche ge¬
lassen hätte, die Anwendung von Steril-Katgut jedoch ein
durchaus günstiges Resultat zeitigte. Es sollen z. B. Fälle
geschildert werden, in denen es sich um nicht einwands¬
freie Sekundärnähte handelte. Seide hätte hier wohl
nicht leicht geruht und zur glatten Heilung geführt, Steril-
Katgut ließ komplizierteste Etagennähte gelingen. Andere
Fälle sollen demonstrieren, wie sich — im Gegensatz zur
Seide — ein Steril-Ivatgut-Faden verhält, wenn die Wund¬
naht in ihrem Verlaufe etwas gereizt wurde. Endlich
sollen die Beispiele zeigen, wie eine Steril-Katgut-Naht-
reihe eine in ihrer unmittelbaren Nälje zustande gekom-
66
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 5
mene Eiterung - - im Gegensatz zur Seide — aufninunt
bezw. überstellt. •
Nochmals sei gesagt, daß alle angeführten Fälle als
Beispiele aus Serien glatt verlaufener Fälle heraus¬
gegriffen sind. Die jedesmal beigefügte Epikrise gibt das
Wesentliche und Charakteristische des Falles hinsichtlich
des Nahtmaterials wieder und weist .auf den Unterschied
zwischen der Anwendung von Steril-Katgut und euderen
Nähmaterialien hin.
1. Fall. Herr K., 40 Jahre:
Operation einer eitrigen Blinddarmentzündung mit
starker Veränderung des Wurmfortsatzes und kleinerer
Menge Exsudates in der Bauchhöhle. Etwas ausgedehnte
Tamponade, Bauchwunde teilweise genäht, im übrigen
relativ weit elfen gelassen. Etwa am zehnten Tage Ent¬
fernung der Tamponade, dichte Naht bis auf eine ganz
kleine Stelle, in die ein Drainrohr zu liegen kommt, aus¬
schließlich mit Steril-Katgut (Kuhn).
NB. Bei der ersten Operation geschah die Abbindung
des Wurmfortsatzes und eine Unterbindung des Mesen¬
teriums mittels Seide.
Die Wunde heilt im ganzen glatt zusammen. Nach
ca. drei Wochen ist die offen gebliebene Stelle immer noch
nicht ganz trocken, die Nahtstelle selbst erscheint zeit¬
weise etwas verdickt, wie wenn sie gereizt wäre. Zwei j
Wochen später zeitweiliger Schluß der Drainagestelle.-
Patient ist außer Bett und geht seiner Beschäftigung nach.
Zirka drei Monate nach der Operation entleert sich
aus der Drainagestelle ein Seidenfaden, die übrige Wund¬
naht zeigt sich unter der Epidermis stellenweise etwas
weich, man kann mit der stumpfen Pinzette etwas zähes
serös-eitriges Sekret entleeren. Kleine Unterminierungen
der Haut auf einige Zentimeter entlang der Nahtstelle.
Der Kanal wird mit einer A r g errtnniperle, die an eine
Nadel angeschmolzen ist, leicht geätzt. Reste von Katgut-
fäden kommen nicht zum Vorschein. Nach einigen Tagen
ist die Stelle wieder ganz trocken.
Nach 4V l > Monaten nach der Operation wird aus einer
kleinen Fistel abermals ' ein Seidenfaden ausgestoßen.
Nicht die geringsten Spuren von Katgut. Nach einer
leichten Aetzung mit einer Argentumperle schließt sich
die Fistel und bleibt dauernd geschlossen.
Epikrise: Die beiden Seidenfäden, die bei der Opera¬
tion ebenfalls besser durch Katgut zu ersetzen gewesen
wären, waren die Ursache, daß die Wunde in der Drainage¬
stelle sich nicht glatt schloß und eben diese Fäden waren
jedenfalls auch Veranlassung, daß die übrige Katgutnalit
sich zeitweise etwas gereizt zeigte. Wären nicht die beiden
Seidenfäden benutzt werden, wäre keine Ausstoßung von 1
Fäden nötig gewesen. Katgut-Fäden kamen trotz der
Eiterung nicht zur Ausstoßung. Die Feberlegenheit des
Steril-Katguts tritt hier um so mehr hervor, als in diesem
Falle die ganze Wundnaht zeitweise recht stark gereizt
war, ohne daß es zu einer Ausstoßung eines Katgutfadens
gekommen wäre.
2. Fall. Frau K., 30 J.:
Cholelithiasis, Exstirpatio vesicae felleae.
Querschnitt, beginnend am Processus xiphoideus,
parallel dem Rippenbogen, den Reetus durchtrennend. Die ;
Gallenblase findet sich sehr verändert, dick mit Steinen
gefüllt, sehr weit nach hinten liegend, nur mit Mühe vor¬
ziehbar. Sie wird exstirpiert. Die Wunde wird nur teil¬
weise geschlossen, der größere Teil bleibt zwecks größerer
Tamponade offen.
Am siebenten Tage wild die Tamponade in tato ent¬
fernt, in die Tiefe ein dünnes Drainrohr eingelegt und die
Bauchwunde, wie wenn sie nicht tamponiert gewesen wäre,
per secundam etagenweise geschlossen bis auf die kleine
Oeffnung für das Drainrohr. Zur Naht wird ausschlie߬
lich Steril-Katgut (K u h n) verwandt.
In den nächsten Tagen verhält sich die sekundär ge¬
nähte Wunde absolut reizlos, ist nach zehn Tagen trocken,
das Drainrohr wird auf zweimal entfernt.
Nach vierzehn Tagen verläßt Patientin geheilt das
Krankenhaus.
Epikrise: Die Wunde ist infolge des Gallenflusses stets
feucht; was bekanntlich für Hautnähte hinsichtlich des
Ruhigbleibens der Fäden nicht günstig ist. Trotzdem
heilt die ganze Sekundärnaht glatt zu.
3. Fall. Frau Sch., 38 J.:
Cholelithiasis. Oystostoinie mit Drainage.
Die Operationswunde, senkrecht im rechten Reetus
angelegt, wird etagenweise bis auf die Einnähungsstelle
der Gallenblase, die mit einem dicken Rohr drainiert ist,
geschlossen. Die Wunde heilt glatt.
Am zehnten Tage sind die oberflächlichen Fäden teils
abgefallen, teils werden sie entfernt. Aus einem Stich¬
kanal entleert sich eine größere Menge Sekret, etwa zwei
Kubikzentimeter.
Dieses Sekret ist aber keineswegs eitrig, resp. von
Leukozyten durchsetzt, sondern hat ein hellgelbes, klares
Aussehen und ist von leimig-dicklicher Konsistenz.
Beim nächsten Verbandwechsel ist der Stichkanal
trocken und kann die Sekretion als nicht vorhanden ge¬
wesen angesehen werden.
Epikrise: Das Sekret wäre bei einer Naht mit Seide
jedenfalls eitrig gewesen oder geworden. Auch hätte eine
Sekretion ähnlicher Art wie im vorigen Falle bei Ver¬
wendung von Seide die Fäden voraussichtlich unruhig
gemacht. Die serös-kolloide Beschaffenheit des Sekrets ist
besonders bemerkenswert.
4. Fall. Herr Sch., 51 J.:
16. November: Patient .wird im linken Reetus mit
Längsschnitt laparotomiert. Sorgfältige Etagerinaht mit
Steril-Katgut (K u h n) ; zuerst wird das Peritoneum mit
fortlaufendem Faden Nr. 1 genäht, dann die Muskulatur
mit einigen leicht geknoteten Fäden ca. Nr. 2, darüber
Muskelfaseieunaht mit Knopfnähten, Fäden Nr. 2 und 3,
dazwischen vereinzelte dünnere Fasciennälite; dann Naht
der Haut ebenfalls mit Katgut.
Infolge großer Unruhe des Patienten verschiebt sieh
der Verband etwas und, nachdem die Fäden und die ganze
Wunde sich acht Tage absolut einwandsfrei verhalten,
macht sieh am 24. November an einem der unteren Haut-
sfichkanäle, wo ein dickerer Faden etwas eingeschnitten
hatte, eine kleine subkutane Eiterung im Unterhautzell¬
gewebe bemerkbar. Der Faden wird entfernt, aus dem
Stichkanal entleert sich etwas Sekret.
In den nächsten beiden Tagen wird die Eiterung
etwas größer, einige Eßlöffel voll werden aus dem Sticli-
kanal entleert.
Am 29. November wird die ursprüngliche Wunde in
der Mitte etwas geöffnet ; es entleeren sich aus einer Höhle
im subkutanen Gewebe, die ihrem Flächeninhalt nach
etwa einem Handteller entspricht, ca. 100 ccm Eiter. Die
Wunde wird leicht ausgetupft und ein kurzes Stückchen
Drainrohr in die 2 cm I nge Wundöffnung gelegt. Die
Sekretion läßt sehr rasch nach, so daß etwa am 6. Dezem¬
ber keinerlei Sekret mehr aus dein allerdings noch etwas
klaffenden kleinen Wundspalt zu bemerken ist.
Am 13. Dezember entleert sich noch einmal ein
seröses, bernsteinfarbig.es, klares Sekret, etwa ein Eßlöffel
an Menge. Die ganze übrige Wunde ist absolut glatt
geheilt,
ln den folgenden Tagen besteht so gut wie keine
Sekretion. Am 18. Dezember entleert sich nochmals auf
Druck eine kleine Menge serös-gelatinösen Sekrets. In
den nächsten Tagen ist die Wunde für dauernd trocken
und geheilt.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
67
Epikrise: Nach analogen klinischen Erfahrungen
\v;äre das Ruhigbleiben der Fäden bei Verwendung von
Seide zur Faseien- und Bauchdeckennaht in diesem Falle
mit Sicherheit ausgeschlossen gewesen. Es wäre zu er¬
warten gewesen, daß eine große Anzahl der Fäden in lang¬
wieriger Eiterung , sich ausstießen, mindestens aber
längere Zeit eine eitrige Sekretion unterhalten hätten.
Besonders charakteristisch ist im Gegensatz zu der
bei Verwendung von Seide selbstverständlichen eitrigen
Sekretion die in diesem Falle vorhanden gewesene und
sich noch einmal wiederholende Absonderung eines
gelatinös-serösen Sekrets, das übrigens auch sehr leicht
vom Gewebe resorbiert wird.
Der eigentümliche Charakter dieses Sekrets steht
zweifellos im Zusammenhänge mit dem Jodgehalt des
Katgutfadens, er entspricht der serösen Umwandlung
tuberkulös-eitriger Exsudate, wie sie unter dem Einfluß
eingespritzten Jodoforms statthat.
5. Fall. Schüler B., 15 J.:
Typhlitisoperation bei schwer gangränösem Wurm¬
fortsatz und ausgedehnter eitriger Peritonitis im unteren
Teile des rechten Abdomens.
W egen der Peritonitis bleibt die Wunde mit ausge¬
dehnter Tamponade des Abdomens in ganzer Breite offen.
Am siebenten Tage Entfernung der ganzen Tamponade
in leichter Bromäthylnarkose und etagenweise Naht der
einzelnen Schichten der Bauchwand, deren Wundränder
mit verdünnter Jodtinktur leicht bestrichen werden. Zu¬
erst Peritonealnaht mit fortlaufendem Faden, nachdem ein
dickes Drainrohr, das bis in die Tiefe der tamponierten
Höhle reicht, eingelegt ist. Es kommt so zu liegen, daß
es schräg die Nahtetagen der Wunde durchläuft. Sorg'-
fültige Naht der Muskulatur, Naht der Faseien und der
Haut.
Die Wundheilung erfolgt absolut reizlos wie bei einer
per primam genähten Naht.
Am 14. Tage zeigt sich unter der Haut eine leichte
Reizung, minimalste Rötung und Verdickung. Die bereits
verheilten Wundränder werden an zwei ganz kleinen
Stellen etwas zum Klaffen gebracht; es entleeren sieh
Spuren eines serösen Sekrets. Am nächsten Tage ist die
Rötung wieder verschwunden, die Wunde trocken.
Der weitere Wundverlauf gestaltet sich vollkommen
glatt und einwandsfrei.
Epikrise: Nach klinischer Erfahrung würden die im
Interesse der Festigkeit relativ dicht gelegenen Nähte, falls
sie mit Seide erfolgt wären, nach dem Aussehen und der
Schwellung nicht eingeheilt sein, sondern mit allergrößter
Wahrscheinlichkeit sich einzeln ausgestoßen haben. Im
vorliegenden Falle war es mit den Spuren Sekret abgetan.
Das funktionelle bezw. Festigkeits-Ergebnis ist ein ausge¬
zeichnetes wie bei primärer Naht.
II.
V e r w e ndung des S t e r 11 - K a t : g u t (K u h n)
bei der Herniotomi e.
Eine größere Anzahl von Herniotomien, bei denen der
Steril-Katgut-Faden verwandt wurde, habe ich in durchaus
einwandsfreier Weise verlaufen sehen. Das Angenehme
an dem Katgutfaden ist, daß er, was Reizlosigkeit und
Haltbarkeit anbetrifft, durchaus die Vorteile des Silber¬
drahtes hat. Dabei muß allerdings ' ausdrücklich betont
und vorausgesetzt werden, daß der Operateur nicht zu fest
knotet und dadurch, zumal der Faden durch Feuchtwerden
noch bedeutend verkürzt wird (6 bis 10 Prozent), Gangrän
und Nekrose macht, was namentlich in den weicheren
Muskelp leicht eintritt und eine vorzeitige Ausstoßung des
Fadens hervomift.
Der Katgutfaden hat ferner auch in der Tiefe alle
Vorteile bestkeimfreier Seide und hat keine einzige. Eigen¬
schaft, die ihn schlechter macht als diese; dabei ist aber
VERSITY OF M
schon vom rein physikalischen Standpunkte aus der nicht-
kapillare Katgutfaden dem kapillaren Seidenfaden über¬
legen. Selbst wenn er einmal unruhig geworden sein sollte,
wird er sich in vielen Fällen sehr viel besser wieder be¬
ruhigen und wird bei guter Keimfreiheit selten zu einer
eigentlichen Eiterung führen. Diese wird sich vielmehr
fast immer, wenn sie einmal auszubrechen anfing, zu einer
dünn-serös-schleimigen Exsudation abschwächen. Ich habe
Fälle gesehen, wo ca. vierzehn Tage nach der Operation
sich in der Narbe ein stecknadelkopfgroßes Bläschen bil¬
dete, das aufzubrechen drohte. Eine Lockerung mit der
Pinzette eröffnete eine kleine, halblinsengroße Höhle, die
mit einem serös-kolloiden Inhalt gefüllt war. Die Wunde
war nach zwei Tagen wieder trocken.
Auch bei Hernien alter Leute, die sich dauernd be¬
schmutzen, bewährte sich der Steril-Katgut-Faden ausge¬
zeichnet, sowohl in den zahlreich versenkten Fäden wie
in der Hautnaht, welch letztere die Verunreinigung infolge
mangelnder Kapillarität gut vertrug.
So komme ich zu dem Schluß, daß der resorbierbare
Steril-Katgut-Faden für Radikaloperationen von Hernien
das Material der Wahl ist, und dasjenige Material dar¬
stellt, welches dem Chirurgen am ehesten bei einer glatten
schnellen Wundheilung zugleich einen tadellosen funk¬
tioneilen Erfolg garantiert und bei Komplikationen im
Wundverlauf am seltensten und am wenigsten nnebherige
Scherereien bereitet.
I.
lieber Entstehen und Verbreitung der
Infektionskrankheiten.
Von Dr. Adler, München.
Betrachtet man eine beliebige Krankheits- und Sterbe¬
statistik, auf welcher die Erkrankungen oder Todesfälle
einer größereu Menschengemeinschaft für eine bestimmte
Zeit zusammengestellt sind, so fällt von vornherein das
Vorwiegen der von Infektionskrankheiten Befallenen auf.
Derartige Statistiken begründen daher zur Genüge das
große Interesse, welches von jeher öffentliche Gesundheits¬
pflege und Hygiene dem Entstehen, der Verbreitung und
Verhütung der Infektionskrankheiten entgegengebracht
haben. Die Infektionskrankheiten entstehen ausschlie߬
lich durch Uebertragung von Mikroorganismen und man
teilt diese für gewöhnlich ein in solche, die nur im mensch¬
lichen resp. Tierkörper existieren, sich dort vermehren,
außerhalb des Körpers sich aber nicht erhalten können,
und welche also nur bei direkter Berührung oder
wenigstens kurze Zeit, nachdem sie den ersten Wirt ver¬
lassen haben, ansteckend wirken, und in solche, die mir
ausnahmsweise direkt ansteckend wirken, sondern ihre
Entwicklungsstätte in der Umgehung, Luft, Wasser, Boden
haben, von wo aus sie unter bestimmten Umständen den
Menschen befallen. Die Verbreitung der Infektionskrank¬
heiten kann auf verschiedenen Wegen geschehen. Zu¬
nächst kann der Kranke selbst den Infektionsstoff durch
den Mund (Auswurf, Speichel), mit den Stuhlentleerungen,
durch die Haut bei deren Abschuppung oder Berührung
direkt auf andere übertragen. Oder aber er kann indirekt
durch Verunreinigung der von ilnn benutzten Geschirre,
Wäsche, Kleider, Betten, durch Uebertragung der Keime
auf die Wohnung eine Ansteckung verursachen. Die Iu-
fektionsstoffe können dann in die weitere Umgebung des
Mensehen übergehen; sie gelangen mit den Abfallstoffen
und Abwässern in den Boden und die vorüberzielienden
Flüsse, wo sie jederzeit zu neuen Erkrankungen Anlaß
gehen können.
Wie die Verbreitung der Infektionserreger eine
mannigfache, so ist auch der Weg, auf welchem sie Mensch
/ER
68
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 5
urnl Tier beschleichen, und die Pforte, durch welche sie
in diese eindringen, verschieden. Diejenigen Mikroorga¬
nismen, die durch die Luft ihre Verbreitung finden, können
mit dieser in die Atmungsorgane eingeführt werden; sie
können auch, wenn sie von der Luft aus in den Mund ge¬
langt sind, dort eingespeichelt werden und dann in den
Magen-Darmkanal übergehen; sie werden weiterhin mit der
Luft auf den genannten Wegen zu den erwähnten Ein¬
gangspforten direkt gelangen, oder auch indirekt, nachdem
sie inzwischen auf einem oder mehreren Gegenständen ge¬
wissermaßen Station gemacht haben. Mit der Nahrung
eingeführte Keime gelangen in den Magen-Darmkanal, von
wo sie aculr ihre ansteckende Wirksamkeit entfalten,
oder sie beginnen ihre Tätigkeit auf der Haut und können
von dieser aus auf die übrigen Körperteile übergeben. Es
sind nicht alle Mikroben auf nur eine Eintrittspforte an¬
gewiesen, einzelne vermögen an verschiedenen Stellen ein¬
zudringen. So kann die Tuberkulose in der Lunge, im
Darm, auf der Haut, ihren Anfang nehmen usw.
Die verschiedenen Individuen verhalten sich gegen
Krankheitserreger ungleich. Manche Infektionserreger
können in bestimmten Tierarten oder Rassen, sowie ein¬
zelnen Individuen sich nicht mehr vermehren; man be¬
zeichnet dann letztere als immun gegen diese Erkrankun¬
gen, oder aber sie werden bei Ausbruch der Krankheit leicht
und schnell ergriffen, in welchem Falle man sie disponiert
für dieselbe nennt. Daß unter derselben Art verschiedene
Abarten oder Rassen für bestimmte Erkrankungen un¬
gleich empfänglich sind, zeigen z. B. die Neger, die für
Malaria und Gelbfieber weniger, für Pocken und Tuber¬
kulose bedeutend mehr disponiert sind, als die weiße Rasse.
Fiir Cholera wiederum sind die Europäer bedeutend mehr
disponiert, als die Hindus, usw.
Krankheiten, die bei den Menschen häufig, bei Tieren
gar nicht Vorkommen, sind Syphilis, Scharlach, Masern,
Cholera, Typhus. Unter den Tieren sind weiterhin einzelne
Arten gegen Infektionskrankheiten immun, für welche an¬
dere sehr empfänglich sind. So können Hunde den beim
Weidevieh sehr verbreiteten Milzbrand nicht erwerben,
Kaninchen nicht den Rotz, Wiesel nicht die Tuberkulose.
Die Immunität kann aller auch, wo sie noch nicht vor¬
handen ist, erworben werden, d. h. das Individuum kann
gegen das Befallenwerden durch eine Infektionskrankheit
geschützt werden. Erworben wird die Immunität gegen
bestimmte Krankheiten ohne besonderes Zutun durch ein¬
maliges l eberstehen derselben (Pocken,Masern, Scharlach,
Typhus.). Der Körper ist dann gegen einen weiteren An¬
griff derselben Krankheit ganz oder eine Zeitlang ge¬
sichert. Dieser Schutz kann aber auch künstlich hervor¬
gerufen werden. Der englische Arzt Jenner war der
erste, der im Jahre 1797 ein Verfahren zum Schutze gegen
die Pocken eingeführt hat, das heute noch mit Erfolg be¬
nutzt wird, es ist dies die Impfung mit Kuhpockenlymphe.
Während die Kuhpockenimpfung und die rmpfu'ng bei
anderen Infektionskrankheiten des Menschen (Cholera in
Indien) gewöhnlich zu einer Zeit ausgeführt wird, da eine
Erkrankung noch gar nicht in Aussicht steht, noch gar
nicht zu fürchten ist (Präventivimpfung), werden andere
Impfungen erst dann vorgenommen, wenn die Ansteckung
schon stattgefunden hat. Dies ist die Schutzimpfung
gegen die Hundswut. Das Verfahren besteht darin, daß
das Rückenmark von Kaninchen, welche der Wutkrankheit
erlegen sind, getrocknet und den gebissenen Menschen
unter die Haut gespritzt wird. Ebenfalls werden Schutz¬
impfungen gegen Hühnercholera, Milzbrand, Schweinerot¬
lauf und Ransehbrand angegeben, die darauf beruhen, daß
die künstlich abgeschwächten Krankheitserreger dem Or¬
ganismus einverleibt werden.
Neben dieser Schutzimpfung durch Einführen des In¬
fektionserregers in geschwächtem Zustand in den Organis-
mus, gibt es auch noch eine weitere Art der Schutzimpfung
durch Einführung der abgetöteten Bakterien. In ganz an¬
derer Weise, ohne Einführung von Bakterien oder von
Stoffen, die von diesen direkt abstammen, ist es in den
letzten Jahren Belrin g geglückt, durch Einspritzen von
Blutserum immunisierter Tiere Immunität zu erreichen.
Durch LTebertragung des Serums derartig künstlich im¬
munisierter Tiere auf andere Tiere konnte er auch hei
diesen einen sicheren Schutz gegen eine nachfolgende An¬
steckung schaffen. Diese von Belirin g eingeführte
Blutsernmbehändlung scheint nach den bisherigen Er¬
folgen berufen zu sein, in der Bekämpfung der Infektions¬
krankheiten der Mensehen eine sein- wichtige Rolle zu
spielen. Bisher ist es gelungen, Immunität gegen Nacken¬
starrkrampf, gegen Diphtherie und gegen Schweinerotlauf
durch das Serum und den Gewebssaft immunisierter Tiere
zu erzeugen.
Wie es bestimmte Eingriffe gibt, die den Körper
gegen eine Infektion unempfindlich machen, so kann an¬
dererseits der Organismus auch für die Infektion empfäng¬
lich gemacht werden. Zu den Momenten, welche die Dis¬
position für eine Erkrankung erhöhen, gehören alle Frak-
toren, die eine allgemeine Schwächung des Körpers ver¬
ursachen, mangelhafte Ernährung', übermäßiger Alkohol¬
genuß, schlechte Wohnung usw. In dem Kampfe, welchen
das einzelne Individuum gegen die jeweiligen Infektions¬
erreger zn bestehen hat, wird derjenige am ehesten Sieger
bleiben, der die meisten Kräfte einzusetzen hat.
Das Studium der Epidemien läßt noch etwas Beson¬
deres zutage treten, was man mit zeitlicher und örtlicher
Disposition bezeichnet. Man versteht unter örtlicher Dis¬
position das in verschiedenen Orten ungleiche Auftreten
derselben Krankheit. Man beobachtet nämlich, daß bei
Epidemien einzelne Orte oder nur Teile einer Oertlichkeit
stets mehr oder minder heftig ergriffen werden, während
andere teilweise öder ganz verschont bleiben. Ebenso hat
sich durch die epidemiologischen Untersuchungen, mit
denen sich hauptsächlich Pott e n k o f e r beschäftigte,
ein zeitlich verschiedenes Auftreten der Infektionskrank¬
heiten, besonders von Cholera und Typhus, herausgestellt.
Auch meteorologische Faktoren, wie Steigen und Fallen
des Grundwassers, sind von großem Einfluß.
II.
Bekämpfung der Infektionskrankheiten.
Von Dr. Adler, München.
Zum Entstehen einer Infektionskrankheit gehören drei
Faktoren, ein disponiertes Individuum, ein Anzahl infek¬
tionstüchtiger Mikroorganismen und die Möglichkeit für
die letzteren, das Individuum zu überfallen. Die Vor¬
beugung der Seuchen muß sich mit allen drei Faktoren
beschäftigen. Durch die Summe aller hygienischen Be¬
strebungen, die Sorge für eine ausreichende, gesunde Nah¬
rung, reine Luft, gute Wohnung wird jeder Organismus,
der sieh ihrer zu erfreuen Gelegenheit hat, kräftig und
widerstandsfähig werden, und zumeist mit Erfolg einer
auftretenden Gefahr trotzen können, um so eher, wenn der
Körper in Zeiten der Gefahr durch mäßiges und vorsichti¬
ges Leben Schädigung einzelner Organe vermeidet. Die
allgemeine Disposition für ein Krankwerden wird durch
ein verständiges Leben in hygienisch günstigen Verhält¬
nissen stark eingeschränkt.
Zur Beseitigung der Disposition für einzelne, be¬
stimmte Infektionskrankheiten ist die Schutzimpfung ein¬
geführt worden. Unter den Sclmtzimpfungsvex'fahren fin¬
den jedoch für den Menschen nur Verwendung die Jen¬
ner sehe Impfung gegen Pocken, die Pasteur sehe
Impfung gegen Hundswut und verschiedene Verfahren
gegen Diphtherie, Typhus und Tetanus.
Zur Beseitigung des zweiten zum Entstehen einer In¬
fektionskrankheit nötigen Faktors, der ansteckenden Mi-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
G9
kroben, dient die Desinfektion. Diese ist die Vernichtung
der die Krankheit erregenden Mikroorganismen. Bei der
entschiedenen Widerstandsfälligkeit der Mikroorganismen
äußeren Einflüssen gegenüber ist stets zu berücksichtigen,
welche Infektionserreger abzutöten sind und auf Grund
ihrer durch Versuche festgestellten Eigenschaften ist der
passende Modus zu wählen.
Man unterscheidet Desinfektion durch chemische und
durch physikalische Einwirkung. Die Zahl der chemischen
Präparate, die die Krankheitserreger zu vernichten im¬
stande sind, ist unendlich. Von praktischer Bedeutung ist
jedoch nur eine relativ geringe Zahl, die in kurzer Zeit
ihre Wirkung ausüben, ohne die Objekte zu beschädigen.
Sublimat ist wohl das beste Desinfektionsmittel, da es in
kurzer Zeit und bei einer sehr starken Verdünnung
(1: 1000) alle Mikroorganismen tötet. Karbolsäure ist in
2—öprozentiger wässriger Lösung ebenfalls sehr wirksam;
auch das dem Karbol sehr nabestehende Lysol, das Solutol
und Saprol sind gut wirksam. Chlor und Brom, früher
ebenfalls vielfach benutzt, wirken nur günstig in feuchter
Luft; auch Formalin ist bei nicht zu kurzer Einwirkung
für Wohnungsdesinfektion gut brauchbar. Chlorkalk in
Lösung ist ein sehr wirksames und für die Praxis zur Des¬
infektion von Fäkalien zu empfehlendes Desinflzienz; aber
nur, wenn es frisch zubereitet wird. Auch Aetzkalk, Kalk¬
milch und Kalkwasser sind billig und gut brauchbar.
Von physikalischen Desinfektionsmitteln kommt nur
die Wärme in Betracht, die in Form trockener Wärme
oder als Wasserdampf Verwendung findet. Die trockene
Wärme wirkt sehr langsam, viel sicherer und schneller
wirkt der Wasserdampf. Er findet Verwendung als strö¬
mender Wasserdampf von ca. 100°, als überhitzter und
gespannter Wasserdampf von über 100°. Der strömende
Wasserdampf ist das souveränste aller Desinfektionsmittel.
Selbst die widerstandsfähigsten Sporen werden in wenigen
Minuten getötet. Ein weiterer Vorzug ist seine allgemeine
Verwendbarkeit; Möbel, Betten, Wäsche, Kleider, Bücher
werden bei richtig ausgeführter Desinfektion fast nicht
beschädigt, nur Leder verträgt seine Einwirkung nicht.
(Jeberhitzter Dampf ist weniger wirksam, die Wirkung
wird nur übertroffen durch die Desinfektion mit gespann¬
tem Wasserdampf. Zur Desinfektion beweglicher Gegen¬
stände ist eine große Anzahl von Apparaten ausgeführt
worden. Am besten, namentlich für größere Betriebe, sind
die mit rechteckigem Querschnitt, weil hier große Gegen¬
stände eingebracht werden können. Die Eintritsstelle für
den Dampf ist am zweckmäßigsten am höchsten Punkte
des Apparates, der allmählich eindringende Dampf preßt
dann die kalte Luft vor sich her, ohne sich mit ihr zu ver¬
mischen. Die zu desinfizierenden Gegenstände dürfen nicht
dicht gepackt in die Apparate eingelegt werden. Bei plötz¬
lich auftretenden Infektionskrankheiten an Orten, wo ein
Apparat nicht vorhanden ist, kann man einen solchen
leicht improvisieren, wenn man über den Waschkessel
einer Waschküche eine Tonne setzt, der beide Böden aus-
geschlagen sind, oben wird an die Tonne ein gutschließen¬
der Deckel mit einem Scharnier befestigt. Natürlich muß
die Anlage einer guten Desinfektionsanstalt geräumig sein
und eine ausgiebige Ventilation gestatten. Die Räume für
die infizierten und desinfizierten Gegenstände sind völlig
zu trennen. Zur Bedienung der Apparate gehört natur¬
gemäß ein geschultes Personal, das über die Zwecke und
die Bedeutung der Desinfektion aufgeklärt ist.
Der Kampf gegen die Senchenerreger muß zunächst
an ihrer Wirkungsstätte aufgenommen werden, in den
Wohnungen der Erkrankten, während und nach der Er¬
krankung. Die Wohnungsdesinfektion darf ebensowenig
wie die der Mobilien dem Belieben des Einzelnen anheim¬
gestellt werden. Es ist vielmehr durch Gesetze oder polizei¬
liche Bestimmungen festzusetzen, bei welchen Erkrankun¬
gen desinfiziert werden muß. Für ärmere Familien muß
cvenl. die Gemeinde die Kosten übernehmn.
Die Desinfektion wird sich zumeist nur auf das vom
Kranken bewohnte Zimmer, sowie auf die während der
Krankheit benutzten Gegenstände erstrecken können. Wo
Apparate zur Entwickelung von Formaldehyd nicht vor¬
handen sind, werden tapezierte Wände am sichersten durch
Äbreiben mit nicht zu weichem Brot von den anhaftenden
Keimen befreit. Gestrichene oder getünchte Wände sind
mit 5% Karbolsäure abzuwaschen.
Die Möbel werden mit Lappen, die in 2 proz. Karbol¬
lösung eingetaucht sind, sorgfältig abgerieben, ebenso
werden Oelgemälde abgewischt; kleinere Gegenstände, be¬
sonders Spielzeug für Kinder, sind, wenn wertlos, zu ver¬
brennen. Die Fußböden werden zuletzt behandelt, sie sind
mit Seife abzuwaschen und mehrere Male mit 2 proz.
Lysollösung abzuwischen. Nach beendigter Desinfektion
des Krankenzimmers werden die hierbei benutzten Ge¬
genstände ebenfalls wieder desinfiziert. Ein viel
sicheres Verfahren als die eben beschriebene Einzel¬
desinfektion ist die Woliuimgsdesinfektion durch Verwen¬
dung des gasförmigen Formaldehyds mittels besonders
konstruierter Apparate. Praktisch bewährt haben sich
namentlich die Sehering sehe Aeseulalampe und der
L i n g n e r sehe Apparat.
Die Bekämpfung der Infektionserreger darf jedoch
nicht erst nach beendeter Erkrankung begonnen werden,
schon während des Verlaufs der Krankheit ist ihre Ver¬
breitung zu verhindern. Eine rationelle Bekämpfung der
Infektionskrankheiten soll nach Möglichkeit den Mikro¬
organismen den Weg abschneiden, auf dem sie sich zu
den Menschen begeben können. Diese Pfade sind oft sehr
verschlungen und verschiedenartig. Einmal muß auf
Grund der durch die neueren Forschungen festgestellten
Tatsachen alles geschehen, was die Verbreitung der
Seuchen auf den ihnen nachgewiesenen Bahnen hindern
kann, andererseits darf die öffentliche Gesundheitspflege
in ihnen auch nicht weit zu gellen, sie darf nur nach prak¬
tisch Erreichbarem streben. Die Waffen gegen die Infek¬
tionskrankheiten sind zum Teil sehr kostspielig. Der
Staat, die Gemeinden und der Privatmann, sie werden sich
nur dann mit ihnen ausrüsten, wenn die Vertreter der
Hygiene nur die Einführung der wirklich notwendigen
empfehlen und darauf verzichten, auf Beseitigung auch
jeder hypothetischen Möglichkeit einer Verbreitung der
Infektionskrankheiten zu bestellen.
Die Kaiscr-Willielms-Akademie für das
niilitäriirztliehe Bildungswesen
hei ihrem bevorstehenden Umzug in ein neues modernes
Heim.
Von Dr. M. Peltzer, Generaloberarzt a. D. in Steglitz.
(Fortsetzung.)
Mit der Errichtung der medizinisch-chirurgischen
Akademie für das Militär war, wie schon der Name be¬
sagt, die mit der chirurgischen Pepiniere begonnene Ver¬
einigung der Medizin mit der Chirurgie, die das Zivil¬
medizinalwesen erst 1825 erreichte, endgültig vollzogen,
so daß also unsere Anstalten nach dieser Richtung vor¬
bildlich gewirkt haben. Die Plätze für die Studierenden
der Universität einer- und der Pepiniere andererseits
waren jedoch in der Universität und Anatomie noch durch
eine Scheidewand getrennt; der Rektor Fichte mahnte
beide Teile zur Eintracht, doch veranlaßten Ausschreitun¬
gen die Einführung einer besonderen Gerichtsbarkeit für
Eleven und Akademiker. Ein Eleve wurde mit zehn
Tagen Arrest bestraft, entlassen und zwangsweise als
Musketier eingekleidet.
TO
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 5
In den Befreiungskriegen, während welcher G ö r c k r
den König' begleitete, hatten Repariere und Akademie Ge¬
legenheit, sich nicht nur namentlich bei dem Rückzuge der
Franzosen durch Berlin im März 1813 und später noch ein¬
mal nach der Schlacht bei Großbeeren an der Kranken¬
pflege zu beteiligen, sondern auch den Verwundeten ihre
Wohnungen zu räumen. Den Waffenstillstand vom
4. Juni bis 10. August 1813 benutzte das Kriegs-
departement zur Vergrößerung des Heeres bis auf 270 000
Mann. G ö r c k e erwirkte im Interesse einer ungestörten
Ausbildung seiner Zöglinge ihre Befreiung vom aktiven
Dienst (A. K.-O. vom 17. 6. 1813). Um dem vermehrten
Bedarf au Aerzten und Wundärzten zu decken, erging ein
Aufruf des Generals v. Hake, in dem es hieß, daß jeder
Jüngling sich durch kurze Vorbereitung zum Verteidiger
geschickt machen könne, daß aber guter W ille den Mangel
einer schwer zu erlernenden Kunst nicht ersetzen könne.
„Ein gleiches Verdienst wie der tapfere Krieger erwirbt
sich unstreitig' der, der ihn von den Pforten des Todes
zurüekrnft.“ Die Anstalten lieferten der Armee vom
Winterhalbjahr 1812/1813 bis zum Sommerhalbjahr 1813
179 Chirurgen. Es starben während des Befreiungskrieges
im ganzen mehr als 200 Militärärzte, 10 fielen, 40 wurden
verwundet. Das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse am
Bande wurde 113 mal (darunter an Görek e und W i e -
bei) , am weißen Bande 21 mal verliehen. Der ersten
Stiftungsfeier der Pepiniere nach dem Pariser Frieden
wohnte der Kronprinz (der spätere König F r i e d r i c h
Wilhelm IV.) , dessen Bruder (der spätere Kaiser
Wilhelm I.) , Prinz Heinrich von Preuße n
und Blücher bei. Letzterer hielt eine Rede, küßte
G ö r e k e wiederholt und kam auch später, am 2. August
1810, noch einmal in die Anstalt.
Göre k e wurde hierdurch nur noch mehr angespornt.
Angesichts des Anwachsens der Armee liiid der je länger
je mehr sich geltendmachenden Ungesundheit der Artille¬
riekaserne richtete er sein Augenmerk auf die Gewinnung
eines eigenen Wohngebäudes für die Zöglinge. Das Kriegs¬
jahr 1815 unterbrach jedoch alle Pläne, und erst nach
diesem konnte er als Bauplatz für ein Heim seines
„Juwels“ den Universitätsgarten Vorschlägen. Abermals
war Hufeland, der Verfasser der „Kunst, das mensch¬
liche Leben zu verlängern“, dagegen, weil dadurch einer
der schönsten Plätze der Stadt verloren ginge und ihm
selbst die Aussicht aus seiner Wohnung genommen würde,
auch „könnten die Studenten die Fenster des neuen Ge¬
bäudes einwerfen“. Die Frage wurde dringend, als 1818
die Kaserne für Truppenzwecke geräumt werden mußte.
Nachdem die Anstalt inzwischen auf Görckes An¬
trag durch Kabinettsorder vom 8. August 1818 den Namen
„Friedrieh-Wilhelms-Institut“ erhalten hatte, wurde end¬
lich 1820 ein dem Hofmarschallamt gehöriges Grundstück
gegenüber der Kaserne in der Georgenstraße, für den Bau
eines Institutsgebäudes in Aussicht genommen. Görek e
zahlte aus Ersparnissen des Instituts auf Verlangen des
Hofmarschallamts für Freilegung und Abgrenzung des
Platzes 2000 Taler, trotzdem wurde dieser nachher ander¬
weitig vergeben. Da reichte Görcke, auch mit Rück¬
sich auf sein Alter, am 29. April 1822 nach 55 jähriger
Dienstzeit und nachdem er am 16. Oktober 1817 unter Teil¬
nahme des Königlichen Hauses sein 50 jähriges Dienst¬
jubiläum gefeiert hatte, in einem denkwürdigen Schreiben
an den König sein Abschiedsgesuch ein, „da er die ihm
auferlegte Kränkung nicht ertragen könne“. Der König
bewilligte ihm unterm 12. Mai 1822 als Pension das volle
Gehalt und wies ihm im Palais Sanssouci eine Wohnung
an, „damit er sich in dem schönen Park erholen könne“
— eine Auszeichnung', die bis dahin noch keinem Staats-
diener zuteil geworden war. Görcke starb 73 Jahre alt
am 30. Juni 1822 an Entkräftung und ist in Bornstedt
begraben. Sein Nachfolger wurde, wde Görcke vor¬
geschlagen, der Leibarzt des Königs, Dr. v. W i e b e 1 ,
als erster „Generalstabsarzt der Armee“ (1822—1844),
nachdem 6r schon vorher als Öberstabs|6hirurg Sub¬
direktor des Institus gewesen war. Wichels Stell¬
vertreter wurde der „zweite Generalstabsarzt“ B ii 11 n e r.
Der Stellvertreter war nötig, weil W i e b e 1 als Leibarzt
den König häufig auf Reisen begleiten mußte. (Statt
„Chirurgus“ hatte es zum erstehmal, außer für die Kom¬
pagnie-Chirurgen, 1819 „Arzt“ geheißen.)
Unter v. Wiebel, dem ersten geadelten General¬
stabsarzt der Armee, gelangte das Institut endlich in den
Besitz des Hauses, das die heutige Kaiser-Wilhelms-
Akademie (die Vereinigung des Friedrich-Wilhelms-
Instituts und der medizinisch-chirurgischen Akademie für
das Militär) augenblicklich iune hat. Schon vor seinen
Verhandlungen mit dem Hofmarschallamt hatte Görcke
vorgeschlagen, das Haus des Rentners George in der
Friedrichstr. 139/41 anzukaufen, dessen Geschichte sich
bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen
läßt und das George seinen Töchtern A n n a Sara h
v. Tresk o w und Susanne Louise verw.
J onanne, sowie seinem Schwiegersohn v. T resk o w
für eine jährliche Leibrente von 3500 Talern verkauft
hatte. „Eure Königliche Majestät,“ hatte G ö r c k e
noch zuletzt an den König geschrieben, „würden mich zu
früh ins Grab bringen, wenn Allerhöchstdieselben für das
einzige Institut nicht das qualifizierteste, gelegenste,
schöne Gebäude des p. George kauften. Und sollte
Sie’s vom Altar nehmen.“ Erlebt hat er es nicht. Am
23. August 1822 kaufte aber der Militärfiskus das Haus
wirklich für 135 000 Taler, die in ihm noch wohnenden
Mieter (der russische Gesandte v. A 1 o p aeus, Hof-
marschall v. Maltzahn und der 84jährige George)
blieben bis zum Ablauf ihres Kontrakts (1. April 1824)'
darin, George bis zu seinem Tode im Januar 1823.
Nachdem der König den Kauf bestätigt hatte und inzwi-
' sehen auch die 2000 Taler, die Görcke für den Bauplatz
in der Georgenstraße gezahlt hatte, zurückerstattet waren,
erfolgte am 2. März 1823 die Uebergabe des Hauses an das
durch Wiebel vertretene Institut, an die sich ein Fest¬
akt mit nachfolgender feierlicher Speisung der Eleven
schloß. Noch in seiner Sterbestunde hatte Görcke mit
kaum wahrnehmbarer Stimme folgendes bestimmt: „So¬
bald der Befehl Seiner Majestät des Königs bekannt wird,
der Befehl nämlich, daß das Georgesehe Haus dem
medizinisch-chirurgischen Friedrieh-Wilhelms-Institut zur
Wohnung überwiesen werden soll, soll dem Herrn Ober¬
stabsarzt Schulz derjenige Brillantring zu seinem
Eigentum überliefert werden, welchen ich aus der Gnade
Sr. Majestät des Kaisers Alex a n d e r v o n 1? u ß 1 a n d
besitze. Eben dieses Ereignisses wegen soll zur Zeit der
Bekanntwerdung der Königlichen Gnade an je zwei und
zwei Zöglinge des gedachten Instituts eine Flasche Wein
verabreicht werden. Auch soll an demselben Tage der
Oekonnm für die Zöglinge ein-Gericht mehr als gewöhn¬
lich besorgen.— alles für Rechnung meiner Hinterlassen¬
schaft. Alles dies soll geschehen, um meine- Freude über
die Hoffnung auszudrücken, welche ich zuversichtlich
habe, daß Se. Majestät meine herzliche Bitte nicht un¬
erfüllt lassen werden.“ Das Haus, in dem nun auch der
Hilfs- und Sprachunterricht, die Prüfungen, sowie der ge¬
meinsame Mittagstisch stattfanden, wurde im Juni belegt,
der Garten durfte jedoch mit Rücksicht auf die Mieter
nur ausnahmsweise und „mit größtem Anstand besichtigt“
werden. Ueberhaupt sollte „alles vermieden werden, was
bei den Mietern einen nachteiligen Eindruck von dem Geist
der Anstalt erwecken könnte“ (Instruktion vom 26. 7.
1823). Nachdem sämtliche Mieter ausgezogen waren, er¬
folgte im Herbst ein Umbau und die endgültige Belegung
im Wintersemester 1824. 1825 wurden ihm die beim Um¬
bau ersparten 4000 Taler als Stammkapital für ein noch
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
71
lieut bestehendes wissenschaftliches Reisestipendium über¬
wiesen. Von 1822 - 1870 befand sieh darin noch die
Generalordenskommission, und ins zur Errichtung der
Militär-Medizinalabteilung im Kriegsmiuisterium (1808)
auch der Medizinalstab der Armee.
Ihr bisheriges Recht als Spezialprüfungsbehörde nach
beendetem „Kursus auf die Armee“ verlor die (damalige)
Akademie, alb die Kabinettsorder vom 28. Juni 1825 das
Heilpersonal allgemein in promovierte Aerzte und Wund¬
ärzte 1. und 2. Klasse einer-, und Geburtshelfer anderer¬
seits teilte. Erstere und die Wundärzte 1. Klasse durften
ihr Examen nur vor der Ober-Examinations-K-onimission
in Berlin, die Wundärzte 2. Klasse und die Geburtshelfer
nur vor besonderen Provinzialbehörden ablegen. In der
Folge erwies sich jedoch dieser Verlust für die Anstalt als
ein Segen. Denn da der „Kursus auf die Armee“ nur dem
Wundarztexamen 1. Klasse, also nur dem zweithöchsten
ärztlichen Grad, entsprochen hatte, erwirkte W i e b e 1 die
Order vom 12. Januar 1826, daß künftig nur solche Stabs¬
ärzte des Instituts befördert wer den sollten, die die Ap-
probation als Arzt, d. h. die höchste Stufe, erlangt hatten.
Damit -schwand, nachdem für die Aufnahme in das In¬
stitut schon vorher das Reifezeugnis Bedingung geworden
war, auch der letzte wissenschaftliche Unterschied zwi¬
schen den auf dem Institut und der Akademie Ausgebilde¬
ten und den Universitätsmedizinern. 1815 hatte es noch
Aufsehen erregt, als es der spätere Generalarzt Dr. II ii b -
n e r als erster Stabsarzt des Instituts „wagte“, an der
Universität öffentlich seine Dcktordissertation zu ver¬
teidigen. Jetzt promovierte alles und machte das seit 1826
vorgeschriebene „PhilosophikuuT, das später, 1861, unter
Fortfall der Logik, Psychologie und Mineralogie durch das
naturwissenschaftliche „Physikum“ ersetzt wurde. Eine
Kabinettsorder vom 22. Juni 1829'wahrte den Stabsärzten
des Instituts bei Besetzung der Assistentenstellen in der,
inzwischen durch die erste medizinische Universitätsklinik
erweiterten Charite von neuem den „Vorzug vor den
Zivilärzten“. In den dreißiger bis fünfziger Jahren de«
vorigen Jahrhunderts fand mit Rücksicht auf Feldverhält¬
nisse auch Unterricht in der Tierarzneischule (jetzt Tier¬
ärztliche Hochschule) statt. Allmählich aber starben die
Lehrer des früheren Collegium medico-chirurgicum aus,
und an ihre Stelle traten Universitätsprofessoren. Ein
häuslicher Zuschuß (monatlich 5—6 Taler) wurde zum
erstenmal in den von Wichel am 10. Oktober 1827 ver¬
öffentlichten -ersten „Aufnahmebedingungen“ gefordert.
Von den 8 Talern Staatszuschuß wurden aber noch immer
3 Taler 15 Silbergroschen für den Mittagstisch abgezogen.
Wer vor Ablauf des Studiums die Anstalt verließ, mußte
mit der Waffe dienen.
Noch einmal wurde das Fortbestehen unserer Anstal¬
ten in Frage gestellt, als sie bei dem Mangel an Nach¬
wuchs infolge der noch wenig verlockenden Aussichten
der militärärztlichen Laufbahn den Bedarf der Armee an
Hilfspersonal nicht mehr zu decken vermochte. Daraus
sollte ihre Ueberfliissigk-eit folgen. Der Generaldirektor
der Königlichen Museen v. Ol fers schlug 1845 dem
Kultusminister die Errichtung eines Anatomiegebäudes
im Garten des Instituts vor, was bis auf weiteres Hin¬
durch ein von Wie bei eingefordertes, von seinem Stell¬
vertreter Loh m ey er (nach B ii t t ners Tod) erstatte¬
tes Gutachten verhindert wurde. Wichel starb am
6. Januar 1847, nachdem auch er, wie Görcke, noch
sein 50 jähriges Dienstjubiläum gefeiert und dabei von
sämtlichen Militärärzten sowie Offizieren der Armee eine
„Wiebelstiftung“ zu ähnlichen Zwecken, wie das
Görckesche Prämienlegat, entgegengenommen hatte
(1. 10. 1834). Ihm verdankt das Institut die Einführung
der Universitätsreife, der Promotionen, außerdem aber die
Begründung der heutigen Büchersajnmlung durch Ankauf
der Sammlung medizin-chirurgischer Werke des Anti¬
quars Ulfert, den er bereits als Subdirektor 1797 be
wirkt hatte. Sein Geburtstag wurde bis 1889 noch be¬
sonders gefeiert; seitdem wird seiner gemeinschaftlich mit
G örcke an dessen Geburtstag (3. Mai) gedacht.
Beim 50 jährigen Stiftungsfest der Anstalt am
2. August 1845 überreichte die Universität ein Gratula¬
tionsdiplom, „Eleve“ Virchow hielt die Festrede
(„Ueber die Notwendigkeit der Einigung zwischen Medi¬
zin und Naturwissenschaft“ nsw.).
Auf Wie bei folgte Lohmeyer (1847—1851),
noch aus Görekes Schule stammend, dem Institut seit
1799 zuerst als Ober-, dann als Stabschirurg angehörig,
und nach Bütt n e r s Tode seit 25. Januar 1844 neben
Wiebel „zweiter Generalstabsarzt“. Unter L o h m e y e r
hatte 1848 auch d s Institut seinen Aufstand: die Eleven
Zolling, Kulj) und der noch lebende Generalarzt
z. D. M e li 1 h a u s e n (zuletzt ärztlicher Direktor der
Charite) „petitionierten“ um Aufhebung der Hausstunden
(Geschichte, Französisch, Latein), des Mittagstisches, der
Verpflichtung, für abendliches Ausbleiben über 10 Uhr
Urlaub zu nehmen, und Ferienurlaub. L o h m eyer ging
auf alles ein, nur die Hausstunden blieben zunächst noch,
wenn auch ohne strenge Kontrolle, bestehen. Das Haus
blieb bis 11 Uhr nachts geöffnet, der Mittagstisch wurde
am 1. September 1848 aufgehoben. Als am 7. April 1800
die Mehrzahl der Zöglinge den Eßsaal verließ, weil die
Suppe ungenießbar war, erhielten die Anstifter Arrest
„bei Wasser und Brot“, der Oekonom die Kündigung.
Die Order vom 25. Juli 1848 schaffte endlich das
Kompagnie-Chirurgentum ab. Die wissenschaftlich gebil¬
deten Aerzte hießen fortan nach dreijähriger Dienstzeit
„Assistenzarzt“, die noch übrigen Chirurgen „Unterärzte“.
Aber noch war nicht alle Gefahr abgeschlagen. Eine
abermalige Reformkommission zur Verbesserung des
Militär-Medizinalwesens erklärte, bei Besserstellung der
Militärärzte würden die Universitäten genügenden Ersatz
liefern, der dann nur noch eine Art militärärztlicher
Kriegsschule durchzumachen hätte. L o li m eyer und
sein späterer Nachfolger G r i m m sprachen sich, nament¬
lich im Hinblick auf die in Oesterreich hinterher wieder
beklagte Aufhebung der Josephs-Akademie, dagegen aus,
weil die Universitätsbildung allein für den Militärarzt
nicht ausreiche, er vielmehr noch einer besonderen be¬
dürfe. Seitdem sind die Anstalten nicht mehr gestört
worden. L o h m eyer nahm nach 1851, nach den Anstren¬
gungen der Mobilmachung 1850, seinen Abschied, nachdem
auch er noch sein 50 jähriges Dienstjubiläum gefeiert
hatte. Sein Nachfolger wurde Grimm (1851 187.9),
seit 1840 Leibarzt F r i e d r i c h W i 1 h e 1 m s IV., sodann
auch K ö n i g W i 1 h e 1 m s , die spätere erste militär¬
ärztliche Exzellenz, als nunmehr alleiniger Generalstabs¬
arzt der Armee, Chef des Militär-Medizinalwesens und
Direktor der militär-ärztlichen Bildungsanstalten. Unter
ihm nahm besonders nach 1864, 66 und 70 das Militärsani¬
tätswesen einen Aufschwung wie nie zuvor (Errichtung
der Medizinalabteilung im Kriegsministerium, wodurch
der Medizinalstab der Armee einging und die van ihm be¬
nutzten Räume für das Institut frei wurden; Schaffung
eist des Sanitäts-, dann des Sanitätsuffizierkorps 1868
bezw. 1873'u. a.). Erst seitdem es ein Sanitätskorps gibt,
trägt der Assistenzarzt, der bisher wie der Unterarzt „blau
in blau“ ging, denselben Waffenrock wie der General¬
stabsarzt der Armee. Mit G r i m m beginnt die Zeit, deren
Zeuge wir selbst Werden seilten. Statt der bisherigen
Stabsärzte wurden ältere Assistenzärzte als „Oberärzte“
zum Institut versetzt. Diese hatten von 1832—1859 e i n e
goldene Kragenlitze und wie alle damaligen Nichtregimen-
tierten rote Streifen an den Beinkleidern. G r i m m war
der letzte aus der Görcke sehen Zeit und der erste aus
den Anstalten selbst hervorgegangene Leiter dieser.
72
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
I —~
Nr. 5.
Unter ihm hörte das seit 150 Jahren bestandene aus¬
schließliche Vorrecht der Oberen des Instituts auf Be¬
setzung- der Regimentsarztstellen auf 7 ). Am Kriege 1866
nahmen 5 Stabsärzte, 7 Unterärzte und 33 ältere Studie¬
rende der Anstalten teil. (Schluß folgt.)
REFERATE,
Chirurgie.
Referent: Spezialarzt Dr. Mohr, Bielefeld.
1. Die Rachianästhesie zur Anästhesierung sämtlicher
Körperregionen. Von Jonnescu, Bukarest. Deutsche med.
Wochenschr., 1909, S. 2155.
2. Die Lumbalpunktion im Dienste der Diagnose und
Therapie der Schädel- und Gehirntraumen. Von Malate sta
in Siena. Allgem. Wiener med. Ztg., 1910, Nr. 1.
3. Allgemeiner Bericht über 22 Gehirnoperationen mittels
Balkenstiches. Von Anton, Halle. Med. Klinik, 1909, Nr. 48.
4. Extramedullärer Rückenmarkstumor. Von Herzog,
Budapest. Deutsche med. Wochenschr., 1909, S. 2311.
5. Rückblick auf 2000 Operationen wegen Appendizitis.
Von Schnitzler, Wien. Deutsche med. Wochenschr., 1909,
S. 2263.
6. Ueber Beschwerden nach Appendektomie und deren Be¬
handlung. Von Jerusalem, Wien. Med. Klinik, 1909, Nr. 52.
7. Exstirpation eines Fibroms des Pankreas. Von
W. Körte, Berlin. Deutsche med. Wochenschr., 1909, S. 2153.
8. Beckenresektion wegen Sarkom. Von Riese, Groß-
Lichterfelde. Deutsche med. Wochenschr., 1909, S. 2166.
9. Scheidenbildungi aus einer verlagerten Dünndarmschlinge.
Von Mueller, München. Münchener med. Wochenschr.. 1909,
S. 2631.
1. J.s Rachianästhesieverfahren hat zwei Grundprinzipien:
a) die an beliebiger Wirbelsäulenstelle ausgeführte Punk¬
tion des Arachnoidealraumes und b) die Verwendung von Sto-
vainlösungen, die kleine Mengen Strychnin enthalten. Die
Punktion des Arachnoidealraumes ist fast an allen Stellen un¬
gefährlich. Die obere dorsale und die dorsolumbale Punktion
sind ausreichend, um die Anästhesierung aller Körperteile zu
erlangen. Das Strychnin hebt nicht die anästhesierende, son¬
dern nur die lähmende Einwirkung des Stovains auf die Medulla
oblongata auf. Auf diese Strychninwirkung ist die Ungefährlich ¬
keit der Methode zurückzuführen, welche keine Kontraindikatio¬
nen hat, bei richtiger Technik nie versagt, und keinen Todes¬
fall sowie keine Beschwerden aufweist. Der Chloroformnarkose
ist das Verfahren überlegen, weil es bei allen Kranken ohne
Gefahr ausführbar ist, die Assistenz entbehrlich macht, den
Kopf, Hals, die oberen und unteren Extremitäten und den
Darm immobilisiert.
2. Verf. berichtet über vier Fälle von Gehirntraumenj,
bei welchen sich die Lumbalpunktion diagnostisch und thera¬
peutisch bewährte. Auf Grund seiner Lumbalpunktionen bei
Schädel- und Gehirntraumen behauptet Verf., daß die als Ge¬
hirnerschütterung diagnostizierten Fälle sehr oft nichts an¬
deres seien als Gehirnkontusionen mit Kompressionserscheinun¬
gen infolge von Drucksteigerung der Zerebrospinalflüssigkeit.
Diese Drucksteigerung herabzusetzen, und die schweren toxi¬
schen Wirkungen des Blutergusses auf die Nervenzentren sowie
deren Folgen durch Ausscheidung des ergossenen Blutes zu
beseitigen, ist ein. therapeutischer Erfolg der wiederholt aus¬
geführten Lumbalpunktion.
3. Die Operation des Balkenstichs erscheint nach A.s Er¬
fahrungen angezeigt bei stärkerem Hydrocephalus der Kinder,
wobei eine Schädelverbildung und Großhirnatrophic verhindert
werden soll, ferner bei Gehirngeschwülsten mit Hydrocephalus
internus; hier bringt die Operation die Stauung und Hyperämie
des Sehnerven auf längere Zeit zum Rückgang. Auch die Kopf¬
schmerzen, Schwindel und Erbrechen werden oft rasch und
günstig beeinflußt. Die Symptome des Tumors werden durch
die Beseitigung des allgemeinen Drucks diagnostisch deutlicher,
Es wird durch diese Operation event. Zeit gewonnen, durch
Hinausschieben der Erblindungsgefahr die Radikaloperation zu
7 ) Vergl. das in einer früheren Anmerkung über die ,,Pen¬
sionärs“ (Pensionärchirurgen) Gesagte.
erwägen und durchzuführen. Die Operation darf weiterhin ver¬
sucht werden bei Erkrankungen des Sehnerven, welche bei
Turmschädeln und ähnlichen Deformitäten entstehen.
4. Bei dem 20 jährigen Manne entwickelte sich binnen eines
Jahres langsam eine spastische Lähmung der unteren Extremi¬
täten; seit vier Jahren Schmerzen und zunehmende Schwäch;*
im rechten Arm. Die Untersuchung des Nervensystems ließ
auf Querläsion in der Höhe des achten Hals- oder ersten,
Rückensegments schließen, als deren Ursache Kompression durch
eine langsam wachsende extramedulläre Geschwulst angenommen
wurde; dieselbe wurde durch temporäre Laminektomie frei¬
gelegt, und erwies sich als spindelförmiges Fibrom. Die Er¬
scheinungen der Erkrankung des Nervensystems schwanden rasch
p. o., es erfolgte Heilung bis auf eine leichte Schwäche der
rechten Hand.
5. Verf. faßt seine Erfahrungen dahin zusammen, daß die
Appendizitis in der Regel enterogen entsteht. Den Entsteinen
kommt große Bedeutung sowohl für Entstehung wie Verlauf
der Erkrankung zu. Die operative Behandlung des akuten
Anfalls ist in jedem Falle, der nur irgendein schweres Sym¬
ptom aufweist, innerhalb der ersten 18 Stunden zu empfehlen.
Im weiteren Verlauf muß individualisierend vorgegangen werden.
Die ä froid-Operation ist, wenn auch nur c i n vorausgegangener
Anfall sichergestellt ist, zu empfehlen, sie ist aber auch nach'
den schwersten Anfällen angezeigt, da die Annahme, daß in
schweren Anfällen der Wurm zugrunde geht resp. sich abstößt,
falsch ist.
6. Verf. empfiehlt bei Narbenbeschwerden nach Appen¬
dektomie die Behandlung mit großen Saugglocken, welche täg¬
lich 10—20 Minuten lang in der rechten Unterbauchteite angelegt
wurden. Wenn die Haut unter der Glocke sich kräftig rötete,
trat die schmerzstillende Wirkung bald ein; blieb die Haut
dagegen blaß, so war die. Behandlung meist zunächst erfolglos,
bis nach einigen Sitzungen die Hyperämie der Haut sich ein-
stellte. Auch Sensibilitätsstörungen der Haut gingen unter der
Hyperämiebehandlung zurück.
7. 51jährige Frau mit der Diagnose: Pankreastumor. Die
Operation ergab eine Geschwulst von solider Konsitenz (mikr.
Fibrom), welche das kleine Netz sowie den Bauchfellüberzug
des Pankreas vor sich hergestülpt hatte. Das Geschwulstbel f>
lag im Pankreas, dessen Substanz auf die Geschwulst über¬
ging. Nach Abbindung der den breiten Stiel umgebenden Ge-
wcbsplatten stumpfe Auslösung. Heilung nach vorübergehender
Pankreasfistel. Bemerkungen über die Operation des Pankreas-
karzinoms.
8. Die Blutstillung ist der Hauptpunkt bei ausgedehnten
Beckenresektionen wegen bösartiger Geschwülste. Welche außer¬
ordentlichen Vorteile die M o m bürg sehe Methode bei der
Resektion einer Beckenhälfte darbietet, konnte Verf. bei zwei
Operationen wegen Sarkoms beobachten, von denen die eine
nach der Ko eher sehen Methode der präventiven Unterbindung
der hypogastrischen Gefäße, die andere unter der Morn-
bürg sehen Blutleere ausgeführt wurde ; die Blutleere war ideal,
jedoch traten acht Tage lang schwere Durchfälle auf. Als
Kontraindikation gegen die Operation, auch der bösartigen
Sarkome, darf demnach fortan nicht mehr die bisher große
Gefahr des Blutverlustes, sondern nur noch das Vorhandensein
von Metastasen gelten.
9. Bei dem 21 jährigen Mädchen, bei welchem weder Scheide
noch Uterus nachweisbar waren, ging Prinz Dr. Ludwig
Ferdinand von Bayern nach der Operationsmethode.
Moris folgendermaßen vor: Querschnitt zwischen Urethral¬
öffnung und Frenulum, Ablösung der Harnröhre vom Mast-
darm. Sodann Laparotomie, Resektion einer Dünndarmschlinge,
End- zu Endvereinigung der bleibenden Darmenden. Verschluß
des oberen. Endes des resezierten Darmstücks, worauf letzteres!
in den Wundkanal zwischen Harnröhre und Mastdarm ver¬
lagert und in der Vulva befestigt wurde. Glatte Heilung.
Es resultierte eine kohabitationsfähige Vagina.
Geburtshilfe und Gyuükologie.
Referent: Spezialarzt Dr. Lothar Frankenstein. Berlin.
1. Die Behandlung parametritischer Exsudate mit Injektio¬
nen physiologischer Kochsalzlösung. Von Kirstein, Göttin¬
gen. Zentralblatt für Gynäkologie, 1909, Nr. 52.
2. Die Prophylaxe der Embolie nach gynäkologischen
Operationen. Von Veit, Halle. Ibidem, 1910, Nr. 1.
1910 THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU. 73
3. Ueber Nierendekapsulation zur Behandlung der
Eklampsie. Von Lichtenst-ein, Leipzig 1 . Ibidem, 1910,
Nr. 2.
4. Zur Blutsparung. Vou Bauer. Ibidem, 1*910, Nr. 2.
1. Verf. schlägt ein neues Verfahren zur Behandlung para-
metritischer Exsudate vor, das er an fünf Fällen von Para-
metritis mit Erfolg angewandt hat. Von der wohl desinfi¬
zierten Scheide wird mittels einer Spritze bis zu 15 ccm physio¬
logischer Kochsalzlösung 1 injiziert. Diese Injektionen werden
täglich wiederholt; die Behänd 1 un-gsdauer schwankte zwischen
13 und 29 Tagen. Daneben blieben aber auch die bisher ge¬
bräuchlichen Methoden nicht unberücksichtigt. Der subjektive
Erfolg war ein tadelloser, die Beschwerden verschwanden bis
auf einen letzten Rest, die Arbeitsfähigkeit wurde völlig wieder-
hergestellt. Eine Restitutio ad integrum im anatomischen Sinne
kam in keinem Falle zustande; stets blieben mehr oder
minder deutlich tastbare Veränderungen zurück. In einem Falle
traten nach den Injektionen Leibschmerzen, in einem anderen
Kopfschmerzen auf.
Ref. berührt es äußerst sympathisch, daß Verf. in weiser
Selbsterkenntnis sich die Frage vorlegt, ob die Exsudate auch
ohne die Injektionen in der gleichen Zeit ebensoweit zurück 1 -
gegangen wären. Seine Antwort lautet recht vorsichtig: Das
weiß jeh nicht.
Wer häufig Gelegenheit hat, Exsudate nach Entbindungen
oder nach gynäkologischen Operationen zu beobachten, weiß, in
welch beträchtlicher Zahl diese auch ohne jede polypragma¬
tische Therapie nur durch Bettruhe binnen kurzer Zeit ver¬
schwinden.
Daß in einem der fünf Fälle das Fieber unmittelbar nach
der ersten Injektion abfiel, dürfte wohl ein zufälliges Zu¬
sammen treffe u sein.
Das Verfahren wird erst dann diskutabel sein, wenn Serien
von Beobachtungen vorliegen.
2. An Stelle eines Referates geben die Schlußsätze ain besten
den Inhalt wieder: „Man versorge die Venen zu einer Zeit,
zu der die operierende Hand noch ganz sicher aseptisch ist,
durch Unterbindung in der Kontinuität; man versorge alle
blutenden Venen aber jedenfalls völlig, bevor man an die Er¬
öffnung keimhaltiger Organe geht. Diejenigen Embolien,
welche, mit auf Keime zurückgeführt werden müssen, werden
sich dann jedenfalls vermeiden lassen.“
3. In vier Fällen wurde die doppelseitige Nierendekapsu¬
lation vorgenommen. Ein Fall scheidet für die Betrachtung
aus, es handelte sich um eine Urämie bei schwerer Nephritis,
ln den drei anderen Fällen, bei denen es sich um Eklampsie
handelte, war trotz Schnellentbindung das Bewußtsein getrübt
geblieben, hatte sich durch Aderlässe, Kochsalzinfusionen etc.
die Nierenfunktion nicht gebessert, waren zum Teil post partum
noch Anfälle aufgetreten. Die Dekapsulation wurde 12 bis
32 Stunden post partum vorgenommen. Der Erfolg war glänzend.
Der Eiweißgehalt ging sofort herunter, die Urinmenge nahm
zu, die Oedeme gingen rasch zurück. Temperatur und Puls
kehrten spätestens am dritten Tage zur Norm zurück. In einem
zweiten Falle sistierten die Anfälle sofort, in einem trat nur
noch ein Anfall auf. Alle drei Patientinnen genasen. Eine
nachträgliche Schädigung der Nieren durch die Operation ist
nicht zutage getreten.
4. Verf.s Vorschlag, dessen praktische Ausführung ihm
infolge Erkrankung noch nicht möglich war, hat sehr viel
Verlockendes für sich. Zur Blutsparung bei Leiden, die mit
gefahrdrohenden Blutverlusten verbunden sind, wie Placenta
praevia, Tubargravidität sollen alle vier resp. je eine obere
und untere Extremität abgebunden werden, jedoch nur so¬
weit, daß die periphere Pulsation erhalten bleibt, der Rück¬
fluß dagegen gehemmt ist. Auf diese Weise könnten in den
Extremitäten mit Leichtigkeit größere Blutvorräte auf-
gespeichert werden. Hierdurch würde der Blutverlust bei der
Operation geringer werden, andererseits könnte nach Schluß
der Operation dem Herzen durch Lösen der Binden mit wenigen
Schlägen reichliche Blutmengen zugeführt werden und Koch-
salsinfusionen auf diese Weise erübrigt werden.
Nur ein Bedenken hat Ref., daß eine Ausschaltung von
größeren Blutmeügen aus dem Kreislauf bei schon vorhandenem
Blutverlust deletäre Wirkung auf das Herz haben könnte. Sollte
sich dies irrig erweisen, so wäre der Vorschlag wert, in die
Tat umgesetzt zu werden.
Lungenkranklieiteii.
Referent: Prof. Dr. A. Moeller. Spezialarzt für Lüngenleiden,
Berlin.
1. Ueber die lokalen Tuberkulin-Reaktionen. Von Dr.
Kran hals. Riga. St. Petersburger med. Wochensc.hr., 1909,
Nr. 48.
2. Können die häufigeren und hochsteigenden Tuberkulin¬
gaben in den besonders dazu ausgesuchten Fällen unbedenk¬
lich empfohlen werden? Von San.-Rat Dr. Nour n e y - M e 11 -
mann. (Vortrag, gehalten am 11. Oktober 1909 im „Verein
der Acrzte Düsseldorfs“.)
3. Ueber Tuberkulose-Immunblut-(I. K.) Behandlung. Von
Dr. C. Spengler, Davos. Deutsche med. Wochenschr., 1909,
Nr. 49.
4. Ueber Behandlung mit C. Spenglers I. K. Von Dr.
«Dresdner, Bad Reichcnhall. Münchener med. Wochenschr.,
1909, Nr. 52.
5. Kasuistischer Beitrag zu den toxo-ner.vösen Erscheinun¬
gen bei Lungentuberkulose seiten» des Darmes. Von Chefarzt
Dr. K ö hier, Holsterhausen hei. Werden an der Ruhr. Münch,
med. Wochenschr., 1909, Nr. 50.
6. Die Behandlung schwerer einseitiger Lungentuber¬
kulose mit künstlichem Pneumothorax. Von Dr. v o n M u r a 11,
Davos-Dorf. Münchener med. Wochenschr., 1909, Nr. 50.
7. Ueber die Behandlung tuberkulöser Kinder mit hohen
Tuberkulindosen. Von Dr. Fuchs, Wien. Deutsche med.
Wochenschrift, 1909, Nr. 50. (Vereiusheilage.)
8. Die Einwirkung von Ovarialsubstanz auf Tuberkel¬
bazillen. Von Dr. H. Wittgenstein. Wiener klin. Wochen¬
schrift. 1909, Nr. 51.
9. Kritisches und Experimentelles zur Tuberkulintherapie.
Von .Julius Citron. Berliner klin. Wochenschr., 1909,
Nr. 51.
10. Ueber Autolysine im Blute bei schwerer Lungentuber¬
kulose. Von E. Vogt, Medizinalpraktikant. Münchener med.
Wochenschr., Januar 1910.
11. Zystoskopische Diagnostik der Nierentuberkulose beim
Knaben. Von Dr. E. Portner, Berlin. Medizinische Klinik,
1910, Nr. 2.
1. Verf. geht die einzelnen lokalen Reaktionen auf Tube r -
kulinapplikationen durch. Zunächst beschreibt er eingehend die
konjunktivale Reaktion und schildert die einzelnen
Phasen derselben: Die negative Reaktion, die „Spur“, sodann
die positive Reaktion I. Grades, diejenige, des II. und
III. Grades; ferner die ungewöhnlich starke Reaktion mit Che¬
mosis. Blutungen etc. Das Maximum der Reaktion findet man
nach Verf. meist nach 24 Stunden, zuweilen aber auch erst am
zweiten Toge. — Audi die M o r o sehe Tuberkulin-Salben-
einreibung erwähnt Verf. — Betreffs der kutanen Reak¬
tion differenziert Verf. die negative Reaktion, Spur von
Reaktion, „positive“ Spur, positive Reaktion je nach dem Grade
der auftretenden Reaktion. Als F 1 e c k r e a k t i o*n wird ein oft
dunkelroter, rundlicher Fleck von 5—10 mm und mehr Umfang
bezeichnet; er ist meist scharf begrenzt und zeigt keinerlei
Infiltration. — Von Interesse ist der Befund von Kr an hals,
daß die Kutanreaktion, in geringerem Maße auch die Ivon-
junktivalreaktion, durch gewisse fieberhafte Prozesse wesent¬
lich beeinflußt wird. Sie kaun während des Bestehens dieser
Prozesse negativ oder schwach ausfallen, um nach Verschwinden
derselben positiv oder stark auszufallen. So erklärte sich, daß
in einem Falle eine manifest-tuberkulöse Spitzenaffektion im
ersten Stadium konjunktival nur schwach und spät, kutan ganz
negativ reagierte, weil die Reaktionen während eines Rekurrenz-
anfalles angestellt worden waren, und in einem anderen Fall?
die Kutanreaktion nur schwach, die Konjunkfivalreaktion sowohl
links als rechts uegativ ausfiel, weil die Reaktionen im]
remittierenden Stadium eines Abdominaltyphus .angestellt worden
waren.
2. Der Autor vertritt den Standpunkt, daß bei richtiger
Anwendung des Tuberkulins dasselbe allergetisch wirksam sein
muß, d. h. der Organismus muß erhöht empfindlich bleiben.
Es kann dieses nur durch wochenlange Pausen erreicht werden,
ähnlich wie die Pausen sind., die im Tierexperiment mit leben¬
dem Impfmaterial beobachtet werden müssen. Er faßt sein
Bedenken gegen die häufigeren und hochsteigenden Tuberkulin-
gaben folgendermaßen zusammen:
I. Eine Heilung mit der Möglichkeit, hohe Tuberkulin-
gahen zu geben, beruht auf recht unsicherer Naturgrundlage..
UNIVERSITY OF MICHIGAN
74
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. G
Sie scheint auf einer Gewebsveränderung' um einen Krankheits¬
herd zu beruhen und ist keinesfalls dem Tuberkulin als aktiv
immunisierendem Mittel zu verdanken.
II. Alle. Tierexperimente sprechen dafür, daß kein Tuber¬
kulin an sich immunisiert. Zur Steigerung einer spezifischen
Immunität scheint auch bei der Tuberkulose das langsame Ein -
wirken lebender Bazillen zu gehören. Solche Vorgänge sind bei
der Möglichkeit, große Tuberkulingaben reaktionslos zu geben,
unterbunden, dementsprechend können die darauf beruhenden
Heilerfolge meist keine Dauererfolge sein.
III. Nur die Anwendung einzelner kleiner Gaben ist in
jedem Krankheitsfälle gestattet. Diese sollen eine Ueberempfind-
lichkeit gegen Tuberkulin und tuberkulöse Prozesse hervor-
rufen und eventl. längere Zeit unterhalten. So bleiben wir im
Einklang mit der Naturheilung durch Autoimmunisierung und
können auf die jetzt so viel gepriesene Anwendung von art¬
fremden oder abgeschwächten Bazillen verzichten.
3. Spengler kritisiert scharf die Röpke sehen An -
gaben über Wertlosigkeit des I. Iv. Er wirft ihm vor, daß er sich
nicht die genügende Zeit und Mühe genommen habe, genügend
genaue Einsicht in die Protokolle Spenglers zu nehmen;
in weniger als 3 Stunden habe er 300 Krankengeschichten
,.durchgeblättert“. Spengler gibt selbst zu, daß das T. K.
noch nicht allen Anforderungen entspricht; aber er gibt zu be¬
denken, daß die Tuberkuloseimmunisierimg ein Problem ist,
das den ersten Forschern auf diesem Gebiete bisher nicht ganz
oder gar nicht gelingen wollte. Seine Methode mit Zuhilfe¬
nahme lebenden Bakterienprotoplasmas schließt Marasmus
(woran bei früheren Methoden die Versuchstiere durchweg zu¬
grunde gingen) und jegliches Infektions- und Intoxikations-
symptom bei nachfolgender, sonst tötlicher Infektion aus. Es ist
somit nach Spengler das Problem der kompletten Tuberkulose
Immunisierung gelungen. Spengler stellt noch für bald inter¬
essante Publikationen über seine Behandlungsmethode in Aus¬
sicht.
4. Ueber das gleiche Thema hat Dresdner berichtet.
Er behandelte mehrere Patienten mit Spenglers I. K.; in
einem Falle gelang es Ihm, bei einem Menschen mit ausgesproche¬
nem Habitus phthisicus durch 19 innerhalb von 38 Tagen
(also jeden 2. Tag vorgenommene Injektionen^ die Zahl der
Tuberkelbazillen von Nr. VIII der G a f f k y sehen Skala
auf Nr. I herabzudrücken. Der Patient hatte in den
38 Tagen das Aussehen eines Phlhisikers, das eitrige Sputum,
überhaupt so ziemlich alle objektiven Symptome des Leidensi
verloren und fühlte sich subjektiv tadellos. Der zweite*
Fall betraf einen 28 jährigen Russen. Der Patient wurde eben¬
falls alle zwei Tage mit I. K. behandelt. Das Resultat war
ein sehr günstiges; die Tuberkelbazillen nahmen mehr und mehr
ah und verschwanden schließlich ganz; auch der Lungen -i
befand besserte sich mehr und mehr. Dresdner behauptet,
daß dieser Patient früher mit Alt-Tuberkulin erfolglos be¬
handelt worden sei. — Ein dritter Fall betraf einen Lungen -
und Kehlkopfkranken, mit einer starken Infiltration der
Hinterwand des Larynx. Von besonderem Interesse war hier der
R ü ck g ang der Infiltration des Kehlkopfes; sodaß die Sprache
sich ganz erheblich besserte. Doch auch Fälle sind dem Autor
bekannt, wo die Heilung bei Anwendung dieser Methode aus-
blieb.
5. In zahlreichen Fällen von Lungentuberkulose besteht bei
den Kranken eine hartnäckige Obstipation; in anderen
Fällen besteht im Gegenteil Durchfall, während oft auch
Verstopfung und Durchfall abwechseln. Verf. schildert einen
Fall, bei dem die Darmerscheinungen sich zu lebensbedrohender
Höhe entwickelten. Köhler neigt der Ansicht zu, daß es
sich hier um eine durch tuberkulöse Intoxikation bedingte
Darmstörung handelte, die durch eine allgemein neurasthe-
nische Konstitution gesteigert wurde.
6. Der Autor schildert die Methode des künstlichen
Pneumothorax; er geht genauer auf die allgemeinen Indi¬
kationen für die Einleitung der Pneumothoraxtherapie ein. (Die
Arbeit ist für ein kurzes Referat ungeeignet uncl muß daher
im Original gelesen werden.)
7. Fuchs schildert seine nach der S c h 1 o ß m a n n sehen
Methode erhaltenen Resultate bei der Behandlung tuberkulöser
Kinder mit hohen Tuberkulindosen. Seine Erfolge sind durch¬
weg ungünstig; nicht nur keine Besserung, sondern fast
immer Verschlechterung konstatierte er und zwar eine Propaga¬
tion des spezifischen Prozesses an entfernten Ivörperstellen wäh¬
rend der Behandlung.
8. Der Autor glaubt, daß es wohl gelingen dürfte,
Ovarialextrakt auch therapeutisch bei Menschen auzu-
wenden, zumal da es gelungen ist, den Extrakl steril her¬
zustellen und zu erhalten. Er schließt aus seinen Versuchen, daß
I. Tuberkelbazillen nach 15- oder 20 tägiger Aufbewahrung
in Ovarialextrakt an Virulenz verlieren, indem sie eine äußerst
chronische Form der Tuberkulose erzeugen,
II. daß tuberkulös infizierte Tiere mit Ovarialextrakt be¬
handelt eine längere Lebensdauer zeigen, als die unbehandelten,
und auch hier eine weitaus chronischere Form der Tuberkulose
beobachtet wird, wie bei den Kontrollieren.
III. daß Tuberkelbazillen, die durch längere Zeit
(24 Stunden, 5 Tage, 10 Tage, 15 Tage und 20 Tage' in
Ovarialextrakt im Brutofen aufbewahrt waren, bei bereits in¬
fizierten Tieren nicht mehr den akuten Tod im Sinne Bails
hervorzurufen vermögen. Im Gegenteil sehen wir bei 20 tägiger
Aufbewahrung das Tier bedeutend länger leben, als die Tiere,
die gleich infiziert mit einer weniger lang der Einwirkung
der Ovarialsubstanz ausgesetzten, gleichstarken Tuberkelbazillen-
emulsion ein zweites Mal infiziert worden waren.
IV. daß abgetötete Tuberkelbazillen, in Ovarialsubstanz auf¬
gehoben, in zwei Versuchen absolut keine spezifisch krank-
machende Wirkung mehr zeigen, während eine gleichstarke, in
physiologischer Kochsalzlösung aufbewahrte Tuberkelbazillen -
emulsion bei einem Tier typische tuberkulöse Veränderungen
hervorrief. ,,Und so möchte ich das Ergebnis meiner bisherigen
Versuche als Begründung für meinen eingangs erwähnten Ver¬
dacht hinstellen, daß das Ovarium Stoffe enthält, die bei längerer
Einwirkung auf lebende oder tote Tuberkelbazillen die Virulenz
derselben teilweise abzuschwächen vermögen.“
9. Verf. schildert die bei der Tuberkulintherapie wichtigen
Fragen, wie Indikation, Kontraindikation, Beobachtung des
Tuberkulin-Einflusses (Gewichtszunahme, Besserung des lokalen
Befundes, Fieberverlust etc. Er glaubt, daß jeder Arzt, wenn
er sich vorher genügend informiert hat, die Tuberkulin -
therapie anwenden kann. (Das Genauere der sehr interessanten
Arbeit muß im Original gelesen werden, da die Arbeit sich
zu einem kurzen Referat nicht eignet.'
10. Seit der Untersuchung von D o n a t und L and -
steiner beschäftigt sich auch die praktische Medizin mit
der Lehre von den Hämolysinen und besonders den Autolysinen.
d. h. jenen Körpern, wecche die roten Butkörperchon des eige¬
nen Individuums auflösen. Verf. führt an, daß einige Forscher
Bakterien im Blute Tuberkulöser gefunden haben wollen. (Es
handelt sich bei diesen Befunden, wie Referent selbst wieder¬
holt nachgeprüft hat, um falsche Befunde; außer in der Agone
dürften, abgesehen von Miliartuberkulose wohl kaum Tuberkel-
bazillen oder andere Mikroorganismen im Blute der Kranken
vorhanden sein.) Verf. hat zunächst eine Anzahl von normalen
und leichtkranken Individuen auf Autolysine untersucht, bei
denen Tuberkulose mit größter Wahrscheinlichkeit auszu¬
schließen war. Das Resultat war stets negativ. Sodann
untersuchte er 14 Fälle mit beginnender Phthisis, auch hier war
das Resultat negativ; auch bei Scharlachkranken war keine
positive Reaktion. Jedoch bei Tuberkulose im III. Stadium
fanden sich in 24°/o der Fälle Autolysine im Blute vor; es waren
von den untersuchten Fällen sieben Fälle kompliziert mit Darm-
tuberkulose, 13 mit Kehlkopf tuberkulöse und vier mit Darm¬
und Kehlkopftuberkulose. Die Stärke der Reaktion ging nicht
parallel mit der Schwere der Erkrankung; jedoch fanden sich
bei rapid verlaufenden Fällen stets Autolysine im Blute.
Im allgemeinen nimmt bei schweren tuberkulösen Prozessen die
Anzahl der Erythrozyten ab, wie auch der Hämoglobingehalt
sinkt. Im Endstadium ist eine starke Anämie vorhanden. Verf.
glaubt, daß auch die Autolysine bei der Entstehung dieser
Anämie eine große Rolle spielen, da sie die roten Blutkörper¬
chen zum Verschwinden bringen. Während im allgemeinen nach
Sachs durch erhöhte Temperatur die Verankerung der hämo¬
lytischen Ambozeptoren begünstigt wird, findet sich bei paroxys¬
maler Hämoglobinurie im Serum der Kranken ein Ambo¬
zeptor, der nicht nur auf die eigenen Blutkörperchen wirkt,
sondern^auch noch die Eigentümlichkeit hat, daß er sich nur
bei niederer Temperatur an die roten Blutkörperchen bindet.
11. Vorliegender Aufsatz, welcher als Fortbildungsvortrag
gehalten ist, geht davon aus, daß die Einführung der Zystoskopie
und des Ureterenkatheterismus einen großen Fortschritt in der
Diagnostik chirurgischer Nierenkrankheiten bedeutet. Port-
ner bespricht dann die Anwendung der Zystoskopie bei Knaben,
welche ja viel schwerer ist als bei Mädchen oder bei erwachse-
1910
THERAPEUTISCHE RUNÜSCHAÜ.
nun Leut eil, da hier die Enge der Harnröhre Schranken setzt.
Insbesondere bei Niorentuberkulose, wo alles von der Frühdia¬
gnose abhängt, spielt die Zystoskopie eine hervorragende Rolle;
da bei Affektion einer Niere noch' 1 Hoffnung auf Wieder¬
herstellung ist. während bei Befallenseiu auch der zweiten
Niere keine Aussicht auf Heilung mehr besteht. Es kommt,
also darauf an, festzustellen, ob nur eine oder ob beide Nieren
tuberkulös erkrankt sind.
Herz- und Gefäßkrankhelten.
Referent: Badearzt Dr. Silbermann, Kudowa-Berlin.
L- Weitere klinische Erfahrungen über intravenöse Supra-
renininjektionen bei schweren Herz- und Gefäßkollapsen. Von
Dr. John, Mannheim. Münch, med. Woehenschr., 1909, Nr. 47.
2. lieber medikamentöse Herztherapie. Von Dr. Lethaus,
Oberarzt in Hamm. Med. Klinik, 1909, Nr. 46.
3. Kann man klinisch die Trikuspidalinsuffizienz dia¬
gnostizieren? Von Prof. Dr. H. E. Hering, Prag. Med.
Klinik, 1909, Nr. 38. -
4. Beiträge zur Lehre über die Pathogenese der Angio-
sklerose. Von Dr. J. Torna i, Budapest. Wiener kl in.
Woehenschr., 1909, Nr. 40.
1. Zwei von Neu im ,,Zentralblatt für Gynäkologie“ ver¬
öffentlichte Todesfälle nach intramuskulärer Injektion von Adre¬
nalin und eine demzufolge ausgesprochene Warnung vor dem¬
selben veranlassen J., anschließend an seine frühere Veröffent¬
lichung weitere klinische Erfahrungen mitzuteilen. Auch er
hat einen Todesfall noch während der Injektion bei einer
Patientin mit Schrumpfniere erlebt, der wohl unmittelbar auf
Adrenalin zurückzuführen ist, aber doch in einer Reihe ver¬
zweifelter Fälle Erfolge sehen können. Im ganzen sind es
30 Fälle verschiedenster Grundkrankheiten mit Herzkollaps, hei
denen das Adrenalin zur Anwendung kam; in 28 dieser Fälle
waren bereits alle gebräuchlichen Analeptica in Anwendung ge¬
zogen worden, bevor das Adrenalin injiziert wurde, also sämt¬
lich Fälle, die man verloren geben mußte, in acht derselben ist
ein Dauererfolg erzielt worden, insofern die Patienten sich
vollkommen erholten. Bei sieben der ad exitum gekommenen
Patienten wurde durch die Sektion eine Abnahme der chromaffi¬
nen Substanz der Nebennieren nachgewiescn; bei einer großen
Reihe weiterer Autopsien konnte Verf. dann in einer größeren
Anzahl gleichfalls Abnahme bezw. vollkommenes Fehlen der
chromaffinen Substanz beobachten; auch hier waren einige
an Herzinsuffizienz gestorbene Patienten darunter. Man wird
daher die Vermutung des Verf. nicht von der Hand weisen
können, daß in den mit Erfolg behandelten Fällen die Wirkung
dadurch zu erklären ist, daß Herz- und Kreislaufschwäche Hand
in Hand geht mit einer Funktionsstörung der lebenswichtigen
Nebennieren, und dann bedeutet die Einverleibung des dem
Blute fehlenden und doch unentbehrlichen Nebenmierensekretes
die einzig kausale und darum erfolgreiche Therapie. Die
immerhin noch geteilten "Anschauungen — denn auch andere
Autoren sprechen sich gegen die intravenöse Anwendung des
Adrenalins aus — werden jedenfalls dem Praktiker noch zu
denken geben müssen, und werden ihn das Mittel nur als
ultimum refugium anwenden lassen. Vielleicht aber werden
weitere klinische Beobachtungen — und das scheint dem Ref.
nach den bisher veröffentlichten Resultaten doch von sehr
großer Wichtigkeit — eine striktere Indikationsstellung bringep,
vielleicht werden doch Herzkollapse im Gefolge gewisser Krank¬
heiten aus der Behandlung mit Adrenalin aus-geschieden werden
müssen.
2. Ohne wesentlich Neues zu bringen, .gibt Verf. eine Heber -
sicht über einige in der Herztherapie übliche Medikamente. Den
breitesten Raum der Besprechung nehmen die Digitalis und ihre
Glykoside ein, und es ist nicht einzusehen, warum nicht, dem
Thema entsprechend, auch die übrigen Herzmittel der gleich ein¬
gehenden, sehr ausführlichen Würdigung unterzogen werden,
sondern nur leichthin gestreift, zum Teil überhaupt nur erwähnt
werden.
Die vom Verf. im Anschluß an andere Autoren angegebenen
Indikationen für die Anwendung der Digatilis sind zu bekannt*
um hier nochmals angeführt zu werden. Erwähnenswert ist
nur, daß R o m b e r g die Digitalis bezw. ihre Glykoside nicht
erst im Stadium ausgesprochener Dekompensation sondern be¬
reits bei beginnender Herzmuskelschwäche angewandt wissen
will, wenn andere Mittel versagen. Weiterhin hat Cloetta
nachweisen können, daß bei Kaninchen selbst jahrelanger Ge¬
brauch der Digitalis krankhafte Störungen, die an Arterio¬
sklerose erinnern, nicht hervorruft, und er folgert daraus, daß
auch beim Menschen bei chronischen Digitaliskuren keine
Arteriosklerose a,ufzutreten brauche. Er hat ferner die Beob¬
achtung machen können, daß gleichfalls hei Kaninchen, wenn
ihnen experimentell eine Aorteninsuffizienz beigebracht wurde
und diese Tiere lange Zeit mit kleinen Gaben Digitalis behandelt
wurden, die Folgezustände der Erkrankung für das Gesamt¬
herz erheblich geringer waren als bei den Konfrontieren. Er
schließt daraus, daß man auch beim Menschen mehr als bisher
bei akuter Endokarditis die Digitalis anwenden müsse, um die
Folgen des Klappenfehlers so weit als möglich zu beschränken.
Kontraindiziert ist Digitalis bei Aneurysmen, nach einer
Apoplexie, wenn nicht schwere Schwächezustände ihre An¬
wendung erforderlich machen, ferner bei Bradykardie jeder
Aetiologie, während sie bei der sog. Pseudobradykardie, jener
durch Extrasystolen des Herzens vorgetäuschten Pulsverlang¬
samung, indiziert ist, und hier durch Herabsetzung der Reizbar¬
keit des Herzmuskels ihre Wirkung entfaltet. In den übrigen
Fällen von Bradykardie sind Belladonna und ihre Präparate,
speziell das Atropin, indiziert.
Die pharmakodynamische Wirkung der Digitalis und ihrer
Glykoside beruht sowohl, auf einer Vergrößerung des Schlag -
Volumens des Herzens, durch Verlängerung der diastolischen
Füllungszeit, als auch auf einer gefäßverengernden Eigenschaft.
Diese Fähigkeit hat zur Folge, daß bei den von. Sahli so¬
genannten Hochdrucksteigerungen — erhebliche Steigerung des
vasomotorischen Tonus durch Ueberladung des Blutes mit
Kohlensäure — eine Herabsetzung des Geiäßtonus durch bessere
Sauerstoffversorgung des Blutes und damit ein Druckabfall
eintritt.
Was die Digitalispräparate anlangt, so gibt es nach Verf.
eigentlich keines, das den Anforderungen entspricht. Nur im
Digalen sieht Verf. infolge seiner intravenösen Verwendbarkeit
ein schätzenswerteres Präparat. Daß auch L. für die Fol.
Digitalis titrat., als in ihrer Zusammensetzung am gleich¬
mäßigsten, eintritt, ist für denjenigen, der Digitalis häufig
zu verordnen in die Lage kommt und ihre ungleichmäßige Wir¬
kung gesehen hat, leicht erklärlich.
Der Digitalis in ihrer Wirkung ähnlich ist Strophantin!»
und hier ist es besonders das in letzter Zeit hergesteilte.
Strophanthin BoehTinger, das in seiner Wirksamkeit — intra¬
venös injiziert — ganz besonders hervorzuheben ist. Wer die
fast momentane Wirkung bei schweren Kollapsen gesehen hat,
wird es in seiner Praxis kaum missen wollen. Zu beachten
ist nur, daß es nicht während einer Digitalismedikation. und
nicht früher als 24 Stunden nach der ersten Injektion ein
zweites Mal auzuwenden ist.
Zu erwähnen ist ferner noch als intravenös anwendbar das
Adrenalin 1:1000. Die übrigen Herzmittel werden vom Verf.
nur gestreift.
3. Verf. kommt auf Grund mehrjähriger Beobachtungen
und Versuche zu dem Resultat, daß das einzige, bisher sichere
klinische Zeichen der Trikuspidalinsuffizienz, der positive Venen¬
puls, der Kammervenenpuls, gar nicht pathognomonisch für diese
Erkrankung ist. Untersuchungen des Venenpulses bei anato¬
mischen Läsionen der Trikuspidalklappe haben gezeigt, daß erst
bei hochgradiger Läsion die Venenpulskurve einen ganz
charakteristischen Befund bietet.- Es trit dann neben der
Kammerklappenwelle eine Kammerpulswelle auf, die jedoch nur
dann voneinander zu unterscheiden sind, wenn beide gleich¬
zeitig auf treten. Jedenfalls aber ist der positive Venenpuls,
wie wir ihn klinisch feststellen, kein sicheres pathognomonisches
Zeichen.
4. Angeregt durch die Untersuchungen einiger Forscher über
den Adrenalingehalt des Blutes von Nephritikern, sowie über die
skleroseähnlichpn Veränderungen an der Aorta bei Injektion
von Adrenalin hat Torna i Beobachtungen an Kaninchen an¬
gestellt über die Veränderungen am Herzen und den großen
Gefäßen bei Injektion von Blutserum von arteriosklerotischen
Nephritikern. Zur Kontrolle wurden gleichzeitig* Tiere mit
Adrenalin (1: 1000) behandelt, wieder andere mit dem Blut¬
serum gesunder Menschen. Bei der Sektion wurde dann be¬
sonderes Augenmerk gerichtet, auf das Gewicht des Herzens —
verglichen mit dem eines imbehandellen Tieres des gleichen
Gesamtgewichts — auf die Dicke der Herz Wandungen, auf
etwaige Veränderungen der Aorta und besonders auch der
76
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 5
Nebennieren. Es zeigte sich nun, daß bei sämtlichen acht
mit dem Blutserum von Nephritikern, sowie bei den beiden mit
Adrenalin behandelten Kaninchen in allen Fällen eine beträcht¬
liche Hypertrophie des linken Ventrikels ein getreten war. der¬
art, daß die Wanddicke ca. 1 Vs mal so groß war als bei,
nicht behandelten Tieren, während bei den mit dem Serum
gesunder Menschen behandelten Tieren keinerlei Veränderung
nachzuweisen war. An der Aorta jedoch war nur in einigen
Fällen .etwas Pathologisches nachweisbar: gelblich-fettige Flecke
an der Intima, in anderen Fällen aneurysmatische Erweiterun¬
gen. Die Nebennieren zeigten in drei Fällen pathologische
V eränderungen.
Aus diesen Ergebnissen folgert Verf. nun, ,,daß bei der
Entstehung der wahren Angiosklerose unbedingt auch die Hyper-
tension der Gefäße eine Rolle spielen muß. Die Hypertrophie des
linken Herzens, die in jedem einzelnen Falle gefunden worden
ist, beweist, daß das injizierte Serum den Tonus der Gefäße
dauernd erhöht hat (Gefäßkontraktion ausgelöst hat). Ich be¬
streite nicht, daß auch die toxische Wirkung der im Serum ent¬
haltenen schädlichen Stoffe bei dem Zustandekommen der Gefäß -
wandveränderungen eine Rolle spielen kann, daß aber die Blut¬
drucksteigerung oder die häufigen Blutdruckschwankungen eine
große Bedeutung haben, können wir nicht leugnen."
Mit diesen Schlußfolgerungen wird man sich wohl nicht
ohne weiteres einverstanden erklären können. Denn es gibt ja
nachgewiesenermaßen eine nicht unbeträchtliche Anzahl von
Arteriosklerotikern, die einen normalen oder nur ganz mäßig
erhöhten Blfutdruck aufweisen. Ref. ist vielmehr der Ansicht,
daß es in weit höherem Grade die Giftwirkiung ist, die auf
die Entstehung sklerotischer Veränderungen der Gefäßwand von
Bedeutung ist, als der erhöhte Blutdruck.
Dieser selbst ist sicherlich nur etwas Sekundäres, als Folge
einer durch Toxine hervorgerufenen Gefäßkontraktion, und kann
durch eine Schädigung der elastischen Elemente nun seinerseits
die. schädliche Giftwirkung erhöhen. Zweifellos aber können
auch arteriosklerotische Veränderungen ohne Blutdruckerhöhung
eintreten, wie Ref. an einigen Fällen chron. Nikotinvergiftung
mit ausgesprochen anginösen Beschwerden sie nach dem Unter¬
suchungsbefund annehmen müßte',’ während der Blutdruck ein
normaler war.
Radiologie.
Referent: Dr. H. E. Schmidt. Berlin.
1. Zirkonoxyd als kontrastbildendes Mittel in der Rönt¬
genologie. Von Dr. C. Kaes-tle. Münchener med. Wochen¬
schrift, 1909, Nr. 50.
2. Ueber Fortschritte in der Dosierung der Röntgen¬
strahlen und das einstufige Kalomelradiometer. Von Dr. Gott-
wald Schwarz. Ibidem.
3. I. Die Identifikation von Punkten im Röntgenbilde, ein
teilweiser, aber objektiver Ersatz der Röntgenostereoskopie.
II. Gleichzeitige Doppelaufnahmen von Röntgenbildern. Von
Prof. Dr. Le vy -Dorn. Deutsche med. Wochenschr., 1909,
Nr. 49.
4. Zur Röntgenbehandlung von Strumen. Von Dr. T h e o -
dor Wöhrizek. Prager med. Wochenschr., 1909, Nr. 51.
5. Zwei Fälle von Naevus vasculosus durch Röntgenbestrah-
lung geheilt. Von Dr. H. E. Schmidt. Deutsche med.
Wochenschr., 1909, Nr. 52.
6. Beiträge zur Behandlung mit Hochfrequenzströmen. Von
Dr. Leopold Freund. Medizin. Klinik, 1909, Nr. 50.
7. Ueber die Zulässigkeit und den praktischen Wert der
Licht- und Röntgenbehandlung in der Krankenkassenpraxis.
Von Dr. G. J. Müller, Berlin. Deutsche medizin. Presse,
1910, Nr. 1.
8. Die Röntgendiagnose eines abnormen Hohlraumes im
Abdomen. Von Dr. Martin H a u d e c k , Wien. Ibidem.
1. Warme Empfehlung deS Zirkonoxyds als unschädliches
und billiges Ersatzmittel der Wismutpräparate.
2. Schwarz hat sein bekanntes Fällungsradiometer jetzt
in der Weise modifiziert, daß nur eine; Trübung zur Beurteilung
der applizierten Strahlendosis dient. Hat die klare Ammonium-
Oxalat-Sublimat-Lösung soviel Röntgenstrahlen absorbiert, bis
diese Trübung zustande gekommen ist, so entspricht das nach
Schwarz etwa 1 / 3 der'Epilations-Dosis. Referent vermißt die
Angabe, für welche Strahlenqualität das Instrument ge-
aicht ist.
3. Inhalt aus dem Titel ersichtlich. Für Interessenten muß
auf das zu kurzem Referate nicht geeignete Original ver¬
wiesen werden.
4. Empfehlung der Röntgen Behandlung bei indifferenten
parenchymatösen und bei Basedow-Strumen. Mitteilung der
Krankengeschichte eines Falles jeder Kategorie. Glänzendes
Resultat. Der Verfasser wendet sich gegen die vereinzelt da¬
stehende Ansicht v. Eiseisbergs, daß die Röntgen-Therapie
bei der Struma nichts nütze.
5. Mitteilung von zwei Fällen von Naevus vasculosus (eines
flachen und eines tumorartigen\ die beide durch eine mittel-
weiche Röntgenstrahlung mit vorzüglichem kosmetischen
Resultat zur Heilung gebracht wurden. Beobachtungszeit nach
Aussetzen der Behandlung, 4 Monate bezw. 3 Monate. Emp¬
fehlung dieser — der Radium-Behandlung überlegenen
Methode bei allen größeren Gefäßnaevis.
6. Empfehlung der lokalen d ’ A r s o n v a 1 i s a t i o n beim
Pruritus und bei der psychischen Impotentia, coeundi.
Wichtig ist, daß kein Kontakt zwischen Haut und Elektrode
stattfindet, sondern daß Funkenentladungen auf die Haut ein -
wirken. Die Technik, welche der Verfasser befolgt, wird ein¬
gehend geschildert.
7. Der Verfasser empfiehlt vor allem die. Röntgen-Behand¬
lung bei der Folliculitis und Trichophytie des
Bartes, der Hauttuberkulose, den c h r o n i s c h ! e n
Ekzeme n, besonders dem Lichen simplex chronic u s,
bei Furunkeln in der Anal-, Genital- und Axillar-Gegend,
bei Unterschenkel -Geschwüren und strumöse n
Bubonen, Erkrankungen, die gerade in der Krankenkassen -
praxis häufig sind, und bei welchen die Radiotherapie mehr
leistet wie andere Methoden.
8. Schilderung eines Falles, in welchem trotz exaktester
Untersuchung und monatelanger Beobachtung keine sichere
klinische Diagnose gestellt werden konnte, während der un¬
gewöhnliche Röntgenbefund Aufklärung brachte. Die Röntgen-
Untersuchung ergab einen mannskopfgroßen, hohlen, mit Gas
und Flüssigkeit gefüllten Tumor. Die Obduktion bestätigte
später den Befund. Es handelte sich um ein Spindelzellen -
Sarkom, das eine mit zersetztem Blute und Darminhaltmassen
zum Teil gefüllte Höhlung einschloß. Letztere kommunizierte
durch eine enge Ocffnung mit dem Jejunum. Der Tumor war
dem unteren Rande des Körpers und Kopfes des Pankreas an¬
gelegen. Bezüglich weiterer Einzelheiten muß auf die Ab¬
bildungen des Originals verwiesen werden.
Krankenpflege.
Referent: Stabsarzt Dr. Geissler, Neu-Ruppin.
1. Die Pflege des Säuglings in gesunden Tagen. Von
M. Frankel. Deutsche Krankenpfl.-Ztg., 1910, Nr. 1.
2. Zur Pflege Suicidverdächtiger. Von J. Chomse.
Zeitschr. für Krankenpflege, 1909, Nr. 11.
3. Feuerschutz in Krankenräumen. Von O. Bzosto-
wicz. Zeitschr. für Krankenpflege, 1909, Nr. 11.
4. Instrumenten-Sterilisations- Apparat. Von A. The.il-
liaber. Zeitschr. für Krankenpflege, 1909, Nr. 11.
5. Eine neue Zahnbürste. Von E. Fl e mm in g. Zeitschr.
für Krankenpflege, 1909, Nr. 11.
6. Ein feuersicherer Spirituskocher. Von E. H e r z f e 1 d e r.
Zeitschr. für Krankenpflege, 1909, Nr. 11.
7. Das Operationshaus des Auguste-Viktoria-Kranken,-
hauses zu Schöneberg. Von W. Kausch. Zeitschr. für
Krankenpflege, 1909, Nr. 11.
1. Nach einem kurzen statistischen Ueber blick über die
Säuglingssterblichkeit setzt Verf. alle die Ursachen ausein¬
ander, durch welche die hohe Mortalität bedingt wird. Es
sind Mangel an Sauberkeit und unzweckmäßige Ernährung.
Eindringlich weist er auf die vielen unsinnigen Maßnahmen hin,
denen man beim Aufziehen des Kindes fort und fort begegnet
und zeigt ausführlich, wie sich die Pflege gestalten soll.
2. Der Verf. fordert von einem Pflegepersonal bei Geistes¬
kranken, die zum Selbstmord neigen, einen ganz besonderen
Takt, der namentlich darin bestehen soll, den Kranken nicht
die ständige Beobachtung empfinden zu lassen. Nicht ein sonst
wenig brauchbares Personal soll mit diesem überaus wichtigen
Dienst betraut werden, sondern das beste, geschulteste, das
es versteht, auf das Denken und Empfinden der Kranken in fein-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
77
fühliger Weise eiiizugehen. Selbstverständlich muß bei diesem
wichtigen Pflegezweig jedwede Mißhandlung unterbleiben. Das
Verhalten bei einigen besonders häufigen Krankheitsformen,
in denen man vielfach der Neigung zum Suicid begegnet, wird,
besonders aufgeführt.
3. Ist schon für den Gesunden der Huf: ,,Es brennt!“
unheimlich genug, wie vielmehr erst für den Kranken, der an
sein Bett gefesselt ist, zu schwach, um sich selbst in Sicherheit
zu bringen. Fast jeder Brand entsteht aus kleinen Anfängen;
dieser rechtzeitig Herr zu werden, muß in jeder Kranken¬
anstalt oberstes Bestreben sein. Dringend erforderlich ist es
daher, einen Teil des Krankenhauspersonals im ersten Feuer-
löschdienst auszubilden und ferner in jedem Krankensaal un¬
mittelbar neben der Tür handliche Löschapparate anzubringen.
Das beste, was es zurzeit an derartigen Apparaten gibt sind
die. Minimax-Apparate. Es folgt eine ausführliche Be¬
schreibung derselben und ihrer Anwendung, sowie eine Auf-
zähluug der verschiedenen und entschiedenen Vorzüge, die sie
besitzen. ,
4. Der Apparat ist so konstruiert, daß er vier Flächen
zum Auslegeu der-Instrumente zu bieten vermag: den Boden
des Kochers, den Deckel, den Einsatz und eine herausklappbaro
Platte. Einsatz und Platte stehen auf Füßen. Es kann so'
das Ausbreiten der Instrumente auf dem mit Tüchern be¬
deckten Instrumententisch vermieden und so eine noch größere
Asepsis als sonst ermöglicht werden. Der Apparat ist zu
beziehen von H. Katsch. München, Bayerstr. 25.
5. Eine gute Zahnbürste soll aus haltbaren, nicht zu starren
Borsten zusammengesetzt und die einzelnen Borstenbündel
exakt befestigt sein; ferner soll sie dem Stande der Zähne
entsprechend eine gekrümmte Borsten Oberfläche besitzen, da
dadurch die Borsten besser in die Zahnzwischenräume einzu¬
dringen vermögen. Sehr unangenehm ist für die Pfleger wegen
der Uebertraguug von Ajisteckungskeimcn, wie für die Kranken
wegen der möglichen Verunreinigung der Bettdecke und der
Hemdärmel das Herablaufen des Wassers am Bürstenstiel. Um
diesem Uebelstand abzuhelfen, ist etwa in der Mitte des Stieles 1
eine muldenförmige Schutzvorrichtung angebracht. Vertrieb
durch die Sächsische Bürstenfabrik E. Flemming & Co. in
Schönheide im Erzgebirge.
(i. Viele Brände entstehen durch umfallende Spirituskocher.
Es lag daher das Bedürfnis vor, einen Apparat zu konstruieren,
der sofortiges Erlöschen der Flamme gewährleistet, sobald der
Kocher aus seiner richtigen Stellung gebracht wird. Ein Deckel
muß vor jedesmaligem Gebrauch aufgemacht und durch eine
Zwangs-Schutzvorrichtung festgestellt werden. Wird der Kocher
augehoben, so springt der Deckel zu und die Flamme ver-i
löscht. Der Spiritusverbrauch ist sehr sparsam, ein Verdunsten
ausgeschlossen. Preis 1,50—2,50 M. Vertrieb des sehr stabilen
Apparates durch die Autoteil-Gesellschaft, Berlin SW., Wil-
helmstr. 131/132.
7. Die Trennung von septischem und aseptischem Opera¬
tionsraum ist streng durchgeführt. Ersterer befindet sich im
chirurgischen Infektionspavillon, für letzteren ist das Operations¬
haus bestimmt. Die Kranken, das verlangt K. von einem idealen
chirurgischen Betriebe, sind nach ihrer Infektiosität getrennt
in drei Abteilungen: eine aseptische, eine septische und eine
Infektionsabteilung. Die Unterbringung des aseptischen und
septischen Operationsraums im gleichen Hause sieht er als!
einen Fehler an. Das Operationshaus enthält außer den zwei
aseptischen Operationssälen das Röntgenzimmer, zwei Warte¬
zimmer für die zu Operierenden, einen Geräteraum, ein Labora¬
torium, ein Arztzimmer, ferner von ihnen getrennt .und mit
den Opera tionssälen in Verbindung stehend einen Instrumenten -
und Sterilisierraum, zwei Zimmer für Vorbereitung und Narkose,
Geräteraum, Ausruhzimmer für Operierte. Die Ausstattung der
Räume wird im Original genau beschrieben. Die Desinfektion
der Aerzte soll folgenden Gang nehmen. Anziehen des kurz¬
ärmeligen Operationshemds, der weißen Hose und Operations-
schuhe im Vorraum, Anlegen der Gummischürze und -Schuhe
im Aerztezimmer, Händedesinfektion erst mit Wasser, Seife
und Bürste, dann mit Seifenspiritus, Anlegen von Gesichtsmaske
und Mütze und endlich der sterilen Operationsschürze und
Handschuhe im Waschraum. Bei der Operation werden die
Zwirnhandschuhe mehrmals gewechselt.
Varia.
Schwangerschaft und Zuckerkrankheit, ihre Wechsel¬
beziehungen und Behandlung. Von II. Neumann. Potsdam.
Berliner klin. Wochenschr., 1909, Nr. 47.
Obwohl der Diabetes mellitus und Gravidität sehr selten
zusammnetreffen, müssen wir, da der Diabetes im konzeptious-
fähigem Alter sehr oft einen bösartigen Verlauf hat, vor allem
prophylaktisch handeln: An Diabetes erkrankte Mädchen dürfen
nicht heiraten. Verheiratete diabetische Frauen dürfen nicht
konzipieren. Diabetisch gravide Frauen und gravide Frauen,
die diabetisch geworden sind, müssen so früh und so lange
wie möglich in strenger ärztlicher Behandlung stehen und in¬
dividuell diätetisch behandelt werden. Fast in allen Fällen
von Diabetes, 'der während der Gravidität entstanden ist, be¬
schränkt sich die Ausscheidung des Zuckers auf die Zeit der
Schwangerschaft. Ein operativer Eingriff hat nur stattzufinden,
wenn geburtshilfliche Momente — ohne Rücksicht auf den
Diabetes mellitus — die Indikation abgeben.
v. Rutkowski, Berlin,
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Liquor ferri valerianatus. Von Dr. Goliner und Dr.
Linke. Therapeutische Neuigkeiten, 1909. Dezemberheft.
2. Vergleichende Untersuchungen über Raumdesinfektion
mit Formaldehyd - Kaliumpermanganaltverfahren. Von Dr.
B. H annes , München. Münch, med. Wochenschr., 1909, Nr. 49.
1. Beide Verfasser besprechen in zwei getrennten Artikeln
die Güte des Liquor ferri valerianatus des Eisen-,
valerinates), hergestellt von der Firma F. Riebel, Apotheker,
Woldegk in Mecklenburg-Strelitz. Der Liquor enthält die wirk¬
samen Bestandteile der Baldrianwurzel und 0,2% metallisches
Eisen, Die Kombination dieser beiden Arzneimittel erscheint
zur Hervorhebung einer sedativen und roborierenden Wirkung
durchaus rationell. Ein Zusatz von Fol. Menth, pip. macht für
viele das Präparat schmackhafter. Es wird eßlöffelweise ge¬
reicht; eine Flasche kostet 1,80 M. Indikationen sind Anämie,
Migräne, Hysterie, Herzklopfen, Kopfschmerz, nervöse Unruhe,
Schlaflosigkeit usw.
2. Von den modernen Desinfektionsmethoden steht die mit
Formalin obenan. Ihre allgemeine Einführung scheitert aber
oft an der Umständlichkeit des Verfahrens, schweren Beschaffung
der Apparate und dem hohen-Preise. Man verlangt aber heut¬
zutage von einer Desinfektion, daß sie einfach, billig, sicher
und gefahrlos ist. Daraufhin nun hat, Verf. mehrere Formalin -
desinfektionsverfahren geprüft: 1. den Apparat von Dieu -
donne, 2. mit Formalin-Kaliumpermanganat, 3. mit Festo-
forrn-Kaliumpermanganat, 4. mit Formogaii-Kaliumperanganat
und 5. mit Paraformpulver-Kaliumpermanganat. Die ver¬
gleichenden Untersuchungen haben ergeben, daß das letztere
Präparat allen Ansprüchen am meisten genügt und am billigsten
ist. 1 kg Paraformpulver kostet bei Büchner & 8ojni
in München 3,90 M. Aus 1 den Untersuchungen H.s geht folgendes
hervor: 1. Die Entwicklung von Formaldehyd aus der Handels¬
ware Paraformpulver durch Kaliumpermanganat und Wasser im
Verhältnis 1:2:3 (auf 100 cbm Raum 1000 g Paraform, 2000 Kal.
permang. und 3000 Wasser hat in abgedichteten Räumen die
gleiche Wirkung wie die Verdampfung durch Apparate. 2. Das
Verfahren ist in desinfektorischer Wirkung und chemischer
Ausnutzung der Reagentien den bisherigen Methoden mit For¬
maldehyd und Kal. permangan. überlegen. 3. Es ist das billigste.
Verfahren. 4. Seine Handhabung am einfachsten (Emailletöpfe
von ca. 35 cm Durchmesser und 30 cm Höhe . 5. In Notfällen
bei höherer Temperatur kann die Anwendung ohne Abdichtung
erfolgen. 6. Das Paraformpulver ist haltbar und leicht transport¬
fähig und untersteht keinem gesetzlichen Schutz. Die An¬
wendung'erfolgt in der Weise, daß das Paraformpulver mit der
entsprechenden Menge Wasser zu einer milchigen Suspension
angerührt und das Kaliumpermanganat dann hinzugesetzt wird,
die Reaktion setzt nach zwei Minuten ein. Man hat also Zeit
zu ordentlicher Durchmischung, und es können mehrere Gefäße
von einer Person bedient werden. Es entsteht dann ein dichter,
weißer Nebel, der undurchsichtig wird. Altes Paraform hatte,
wie schon erwähnt, dieselbe Wirkung wie frisches.
(
7S
THEEAPEUTISCHE EUNDSCHAU.
Nr. 5
Technische Neuerscheinimgen,
Apparat für Datierirrigation.
Der nach den Angaben von Herrn Dr. T h i e s an der
Königl. chirurg. Universitätsklinik zu Gießen konstruierte
Apparat besteht, wie aus der nebenstehenden Ab bildu ng
ersichtlich, in seinen wesent¬
lichen Bestandteilen, aus dem
Stativ A, dem Glasgefäße B,
dem Behälter C für die
Tropfflüssigkeit, dem An¬
wärmekolben D und der
Heizvorrichtung' E.
Die zu irrigierende Flüs¬
sigkeit wird durch den
Schlauch weitergeleitet.
In das Glasgefäß B, des¬
sen Graduierung eine genaue
Bestimmung des Flüssig¬
keitsvolumens gestattet, ist
ein mit Gummistopfen einge¬
dichtetes Glasrolir einge¬
führt, das in bekannter Weise
mit einer Tropfvorrichtung
versehen ist. Eine Einstell¬
vorrichtung gestattet es, die
in der Zeiteinheit aus¬
tropfende Flüssigkeit, welche
in C gesammelt wird, genau
zu begrenzen.
Aus dem Behälter C tropft
die Flüssigkeit mit sichtbar
fallenden und durch eine
zweite Tropfvorrichtung re¬
gulierbaren Tropfen in den
Anwärmekolben D. Das Ver¬
bindungsrohr zwischen C und
D ist durch ein Ueberlauf-
rohr mit dem Luftraum in
Verbindung gebracht, so daß
ein Ueberdruck durch Dampf -
bildung usw, im Apparat nie
eintreten kann. Der An¬
wärmekolben D wird mit sei¬
nem Flüssigkeitsinhalt durch
eine beliebige Heizung auf
einer genau einstellbaren
Temperatur gehalten. Ab¬
lesbar ist diese Temperatur
an einem Thermometer, des¬
sen Quecksilberkugel sich an
der Stelle befindet, bei welcher die Flüssigkeit bei 1) aus-
tritt und durch den Gummisehlauch F weitergeleitet wird.
Der Querschnitt dieses Gummischlauches kann durch
einen Quetschhahn beliebig verengt werden.
Der Arbeitsgang' bei der Benutzung dieses Apparates
ist' folgender:
Das Gefäß B wird mit Flüssigkeit gefüllt und die
Tropfeinrichtung von B so eingestellt, daß der Behälter C
sieh bis zu einer bestimmten Höhe mit der abtropfenden
Flüssigkeit füllt; begrenzt wird das Flüssigkeitsniveau
durch den höchsten Punkt der Abschrägung des Eohres,
durch welches die Flüssigkeit aus B heraustropft.
Hat die Flüssigkeitsoberfläche ihren höchsten Stand
erreicht, so wird dem Behälter B automatisch tropfenweise
nur so viel Flüssigkeit entnommen, als aus C weiter abge¬
geben wird.
Durch geeignete Anstellung der Tropfvorrichtung des
Behälters C läßt man die zu irrigierende Flüssigkeit mit
sichtbar fallenden Tropfen in den Anwärmekolben D herab¬
tropfen und reguliert durch Einstellen der Heizvorrichtung
E, des Quetschhahnes im Gummischlauch F und der Tropf¬
vorrichtungen B und 0 den Apparat so ein, daß in dem
Verbindungsrohr zwischen D und C sieh eine ganz be¬
stimmte Flüssigkeitssäule von konstanter Höhe einstellt,
deren Ueberdruck groß genug ist, um dem Patienten mit
absoluter Sicherheit genau bestimmbare Fliissigkeits-
mengen mit einer beliebig einstellbaren Temperatur zuzu¬
führen.
Der Apparat arbeitet mit der größten Genauigkeit und
hilft einem längst gefühlten Bedürfnis ab.
Der Behälter C wird zweckmä ßig mit einem geeigneten
Deckel gegen hereinfallende Staubpartikel usw. geschützt.
Das Stativ A gestattet es, dem Apparat die erforder¬
liche Höhe zu geben, da die Flüssigkeit dem Patienten
natürlich mit einem gewissen Gefälle zugeführt wer¬
den muß.
Fabriziert wird der Apparat von der Firma F. u. M.
Lautenschläger in Berlin. Bosen.
Bücherbespreclmngen.
Schweizerische Rundschau für Medizin. Revue suisse ttTT
medecine, 1910, Nr. 1.
Vorliegende Rundschau erscheint seit dem 1. Januar d. Js.
Die Beiträge sind teils in deutscher, teils in französischer
Sprache geschrieben. Die Revue hat sich zum Ziel gesetzt,
ein möglichst vollständiges Bild von der wissenschaftlichen und
literarischen Tätigkeit des schweizerischen Aerztestandes zu
geben, sowie die Schweizer Aerzte romanischer und deutscher
Zunge einander näher zu bringen. —r.
Zur Bekämpfung der Tuberkulose. Von Dr. med. Blümel ,
Halle a. S., Spezialarzt für Lungen- und Halskrankheiteiw
Dies Schriftchen ist aus mehreren Aufsätzen entstanden,
die anläßlich der Ausstellung des' Tuberkulose-Wandermuseums
iu Halle in der dortigen „Saale-Zeitung“ erschienen. Verf.
hat es als Broschüre drucken lassen, um es vorerst seinen
Patienten und deren Angehörigen übergeben zu können, in der
Hoffnung, daß es über das Wesen der Tuberkulose aufklärt
und zur Mitarbeit bei der Bekämpfung anregt. Das Heftehen
faßt in vier Abschnitten das Wichtigste über Entstehung, Ver¬
breitung, Schutz und Behandlung sowie Bekämpfung der Volks-
krankheit Lungentuberkulose kurz in geschickter Weise zu¬
sammen. Das Büehelchen (16 Seiten stark würde sich sehr zur
Massenverbreitung unter der Bevölkerung eignen. — r.
Bulletin mensuel de la societe d’etudes scientifiques sur
la tuberculose. J. Ga ins he. Paris 1910.
Unter den interessanten Beiträgen, welche in vorliegender
Schrift erscheinen, ist von großem Werte die Arbeit: La ba-
eillurie tuberculeuse chez les phthisiques imlmonaires, worin
' mitgeteilt wird, daß die Bacillurie bei Lungenkranken relativ
NähpeN»e|1ervenmiiMeocU’hSn 6.m.b.H.BERUH.S.w.o
Offert - Briefe
sind stets in doppeltem Briefumschlag an uns zu übersenden, von
I welchem der äußere mit unserer Adresse, der innere links oben
i mit der betreff. Chiffre (z. B. „R. K. 1899“) versehen sein muß.
| Außerdem sind 10 Pfg. Porto für die Weiterbeförderung beizufügen,
j Der Besteller von Chiffre-Anzeigen hat keine Offertgebühr zu bezahlen.
Sanitätsrat Dr. Edel’s
Privat - Heilanstalt für Gemüts- und Nervenkranke
zu Charlottenburg, Berliner Str. 17.
Fernsprecher: Charlottenbg. Nr. 30. . .
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
selten ist ; daß sie ferner nicht immer mit Albuminurie vergesell¬
schaftet ist. In einzelnen Fällen erscheinen selbst bei vor¬
geschrittener Nierentuberkulose nur höchst selten Tuberkel-
bazillen im Urin. Ein anderer Beitrag handelt über Aus¬
kultation der beginnenden Lungentuberkulose. -~r.
Allgemeines,
Die Hufelandsche Gesellschaft wird am 1. Februar d. Js.
ihr 100 jähriges Bestehen feiern. In dir Hochschule für Musik
in Berlin wird aus Anlaß dieser Feier ein Festakt statt¬
finden. Die Festreden sind: Hufeland und die Hufelandsche
Gesellschaft, von Hansemann; Hufeland als Arzt.
Strauß; Hufeland als BalneoJoge, B r i e g e r. Für die Teil¬
nehmer der Zentenarfeier der H u f e l a n d sehen Gesellschaft
wird bekannt gegeben, daß die Festsitzung am 1. Februar im
großen Saale der königlichen Hochschule für
Musik um 7Va Uhr beginnen wird. Das Festessen am nächsten
Tage findet im Landwehr-Offizier-Kasino um 8 Uhr statt.
Die Berlin-Brandenburger Aerztekammer plant die Grün¬
dung einer Darlehnskässe; es soll in der nächsten Sitzung
darüber beraten werden. Der Zweck dieser Einrichtung soll,
sein, Aerzten, welche sich in einer Notlage befinden, zu einem
billigen Zinsfüße Darlehen zu gewähren. Zunächst soll zur
Einrichtung und Fundamentierung dieser Kasse die Summe von
10 000 M. aus dem vorjährigen Ueberschusse genommen werden.
Eine zweite Fürsorgestelle für Krebskranke wird im Osten
Berlins eingerichtet. Anfangs scheuten sich die Kranken, welchen
der Name Krebs-Fürsorgestelle Furcht einflößte, sich dorthin
zu begeben. Doch hat sich diese Furcht, seitdem es mehr und
mehr bekannt wird, daß der Krebs heilbar ist, gelegt, so daß
die eine Fürsorgestelle kaum noch den Andrang der Patienten
zu bewältigen vermag.
Die französische Kommission, welche zu Studienzwecken ent¬
sandt war, speziell zur Besichtigung von Krankenhäusern, war
unter Führung von Courmont drei Tage in Berlin und be¬
sichtigte die Charite, das Schöneberger Krankenhaus sowie
das Virchow-Krankenhaus.
Das Deutsche Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen
macht folgendes bekannt: ,,An die Mehrzahl der Berliner und
wohl auch an auswärts wohnende Aerzte ist vor kurzer Zeit
das Programm eines ».Komitees für ärztliche Frühjahrs-Studien¬
reisen“ zur Versendung gelangt, welches neben Inseraten die
Aufforderung an Aerzte und Nichtärzte zur Teilnahme an
einer für das Frühjahr 1910 geplanten Auslandsreise enthält.
Die Personen, welche das Komitee bilden, sind in dem Pro¬
gramm nicht namhaft gemacht; nur an einer Stelle befindet
sich eine Aufforderung, eventuelle Zahlungen auf das Bank¬
konto eines Berliner ärztlich approbierten Zahnarztes zu leisten,
desselben Herrn, der im vorigen Jahre als Generalsekretär eines
Komitees mit ähnlich kliugendem Namen ebenfalls die Auf¬
forderung zur Teilnahme an einer — überdies nicht zustande
gekommenen — ,.ärztlichen Frühjahrsreise“ erließ. Das jetz.t
zur Versefldung gelangte Programm des „Komitees für ärztliche
Frühjahrs-Studienreisen“ enthält in einer Fußnote den Ver¬
merk, daß dieses Komitee mit dem Deutschen Zentralkomitee
für ärztliche Studienreisen nicht verwechselt zu werden wünscht.
Trotzdem sind in letzter Zeit so zahlreiche Anfragen an das
Zentralkomitee ergangen, daß dasselbe es für notwendig hält,
ausdrücklich und nachhaltigst darauf aufmerksam zu machen,
daß Beziehungen irgendwelcher Art zwischen ihm und dem
„Komitee für ärztliche Frühjahrs-Studienreisen“ nicht bestehen.“
In Hamburg, wo zurzeit eine schwere Diphtherieepidemie
herrscht, hat das Medizinalkollegium folgenden Aufruf an die
Bevölkerung erlassen: „Angesichts der in der jetzigen Jahres¬
zeit wieder häufiger auf tretenden schweren Halserkrankungen
wird den Angehörigen erkrankter Kinder empfohlen, den Arzt
sobald als möglich zu Rate zu ziehen, da der Verlauf solcher
Fälle sich oft nur, weil der Arzt zu spät geholt wird, un¬
günstig gestaltet.“ Sodann hat das Medizinalkollegium 3000 M.
für unentgeltliche Abgabe des Diphtherieheilserums an unbe¬
mittelte Patienten bewilligt. Auch hat das Kollegium Ein¬
richtungen getroffen, um die bakteriologische Diagnose zu be¬
schleunigen, da ja gerade bei Anfangsstadien das Mittel in seiner
ganzen Ausdehnung erfolgreich zur Wirkung kommt.
V ie die Tageszeitungen melden, ist ein vom Ausland nach
Berlin zugereister Arzt an schwarzen Pocken erkrankt. Es
wurde frühzeitig die Diagnose gestellt, so daß die Isolierung
des Erkrankten rechtzeitig erfolgen und damit die Weiter-
Verbreitung der Krankheit voraussichtlich verhindert werden
konnte.
Der Polizei-Präsident von Berlin erläßt unter dem 7. Januar
d. Js. folgende Bekanntmachung: Die am 1. Januar 1910 in
Kraft getretene deutsche Arzneitaxe für das Jahr 1910 ist
in der W e i d m a n n sehen Buchhandlung hier, SW. 12, Zimmer¬
straße 94, erschienen und daselbst käuflich zu haben.
Das preußische Oberverwaltungsgericht hat das Verbot der
Polizei in Preußen, wonach die von der Naturheilkünstlerin
Minna Kube gehaltenen Vorträge mit Lichtbildern (wie „Liebe
und Ehe“, „Wie die Frau den Mann fesseln kann“ verr
boten sind, anerkannt. Es ■wurde festgestellt, daß diese Vor¬
träge geeignet wareu, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl bei
Frauen und Mädchen zu verletzen.
Nach den neuesten statistischen Mitteilungen im Reichs-
Medizinal-Kalender kommen auf je 10 000 Einwohner
in Deutschland 5,004 Aerzte. Die Gesamtzahl der Aerzte in
Deutschland beträgt 31 969. In Groß-Berlin hat die Zahl der
Aerzte um 112 zugenommen; sie beträgt in diesem Jahre
3844 Aerzte. Eine Abnahme hat im Osten (in Ost- und West¬
preußen) stattgefunden. — Auch die Anzahl der Aerztinuen
ist gestiegen von 55 auf 69; davon hat Berlin 21. Spezial -
ärzte gibt es in Deutschland 4441, davon sind 1219 in Berlin.
Teer
in der
Der Wert ;;' i: lir eien, reizlosen Pitt ylen-Präparale
ist überall schnell erkannt worden, und ihre Verwendung in der Haut.
Therapie an Stelle des übelriechenden, öfter lokale Reizungen und resorptive
Nebenwirkungen auslösenden Nadelholzteers ist jetzt allgemein.
Zahlreiche Herren Aerzte sprechen sich ganz begeistert über die Wirkung der Pitlylen-
Präparate aus und betonen besonders, wie schnell das Pittylen bei oft jahrelangen hartnäckigen
Liebeln, die aller Behandlung Trotz geboten haben, seine heilende Wirkung äussert. Ganz speziell
laben sich die Pittylen-Seifen einer ausgedehnten Verwendung zu erfreuen; die einfache
Awendungsform verbunden mit der zuverlässigen schnellen Wirkung findet allgemeinen Beifall.
Wir bitten die Herren Aerzte, welche Pittylen noch nicht angewandt haben, Muster-Kollektionen und Literatur von
uns einzufordern.
Dresdener Chemisches Laboratorium Lingner.
80
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 5
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Zu beziehen durch den Verlag der „Therapeutischen Rundschau",
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag:
Spezielle Diätetik und Hygiene
des Lungen= und Kehlkopf=Schwindsüchtigen
von Dr. Felix Blumenfeld (Wiesbaden).
Zweite vermehrte Auflage, gr. 8. 1909. 2 M. 80 Pfg.
Grundriss der psychiatrischen Diagnostik
nebst einem Anhang, enthaltend die für den Psychiater wichtigsten
Gesetzesbestimmungen und eine Uebersichfc der gebräuchlichsten
Schlafmittel von Prof. Dr. Raecke.
1908. 8. Mit 11 Textfiguren. Gebunden 3 M.
Pathologisch=anatomische Diagnostik
nebst Anleitung zur Ausführung von Obduktionen sowie von
patholog.-histolog. Untersuchungen
von Geh.-Rat Prof. Dr. Joh. Orth.
Siebente durchgesehene und vermehrte Auflage.
1909. gr. 8. Mit 438 Textfiguren. 16 M.
Das geburtshilfliche Seminar.
Praktische Geburtshilfe in 18 Vorlesungen mit 212 Kontur-
zeichnungen für Aerzte und Studierende
von Privatdozent Dr. W. Liepmann.
1910. Gebunden M. 10.
Atlas der gynäkologischen Cystoskopie
von Prof. Dr. W. Stoeckel.
1908. 14 Tafeln mit Text. Gebunden 12 M.
Leitfaden zur klinischen Untersuchung des Blutes
von Dr. med. C. S. Engel.
Dritte Auflage. 1908. gr.8. Mit 49 Textfiguren und 2 Tafeln. 5M.
Handbuch der gerichtlichen Psychiatrie
unter Mitwirkung von Prof. Dr. Asch aff enburg,
Prof. Dr. E. Schultze, Prof. Dr. Wollenborg
herausgegeben von Prof. Dr. A. Hoclie.
Zweite Auflage. 1909. gr. 8. 20 M.
Handbuch der Pathologie des Stoffwechsels.
Unter Mitwirkung von Adalb. Czerny (Breslau), 0. Dapper
(KissiDgen), Fr. Kraus (Berlin), O. Loewi (Wien), A Magnus-
Le vy (Berlin), M. Mattlies (Köln), L. Mohr (Helle), 0. Neuberg
(Berlin), H. Salomon (Frankfurt a. M.), Ad. Schmidt (Halle),
Fr. Steinitz (Breslau). H. Straus8 (Berlin), W. Weintraud
(Wiesbaden) horausgegeben von Carl von Noorden.
Zweite Auflage, gr. 8.1. Band. 1900. 26 M. II. Band. 1907. 24 M.
Stoffwechsel und Stoffwechselkrankheiten.
Einführung in das Studium der Physiologie und Pathologie des
Stoffwechsels für Aerzte und Studierende
von Professor Dr. Paul Friedr. Richter.
1906. gr. 8. 8 M.
Die experimentelle Diagnostik, Serumtherapie
und Prophylaxe der Infektionskrankheiten
von Stabsarzt Prof. Dr E. Marx.
Zweite Auflage. 8. Mit 2 Tafeln. 1907. 8 M.
(Bibliothek v. Coler-v. Schjerning, XI. Bd. 2. Aufl.)
Deszendenz und Pathologie.
Vergleichend-biologische Studien und Gedanken
von Geh.-Rat Prof. Dr. D. von Hansemann.
1909. gr. 8. 11 M.
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a
Verband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen.
Schiffsarztstellen nur durch L. W. V.
Fernsprecher 1870.
Cavete collegae!
Drahtadresse: Aerzteverband Leipzig.
Reedereien:
„Woermann-Linie“
(Westafrika-Linie).
„Deutsch-Ostafrika-
j Linie.“
Verband zur Wahrung
der Interessen der Deut¬
schen Betriebskranken¬
kassen (Rhein.-Westf.
Betr. - Krank. • K.-Verb.)
Sitz: Essen (Ruhr).
Angermünde! Brdbg.
Aßweiler i. Pfalz.
Berlin u. Umgebung (Ma¬
thilde Rathenaustiftung).
Bieber, Kr. Offenbach'a.M.
Bocholt, Westi.
Bredstedt, Holst.
Bremen.
Brühl (Bez. Köln a. Rh.)
Colditz i. S.
Dresden.
Eberswalde i. Brdbg.
Ebingen,Wttbg. (Arztbez.
F rohnstetten-Heinstetten).
Ehrang (B. Trier) O.-K.-K.
Eimbeckhausen, Hann.
Erkelenz, Rhld.
Falkenberg bei Ahrens¬
felde.
Feilnbach (O.-B.)
Fiddichow i. Pomm.
Frankfurt a. M.
Frechen Bez. Köln a. Rb
Geilenkirchen,
Kr. Aachen.
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Minden, Westi.
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Munster, Hann.
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heim, Rhh.
Oderberg i. Mark.
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Quint b. Trier.
Rastenburg, O.-Pr.
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Salzwedel, Prov. Sa.
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Schlettstadt, Eis.
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Schwandorf (Bay.).
Schwarzach i. Ba.
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Soldau O.-Pr.
St. Ludwig, O.-Els.
Stettin , Fab.-K.-K.-Vulk.
Strausberg i. Brdbg.
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Templin, Brdbg.
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nachm. 3-6 (außer Sonntags). Kostenloser Nachweis von Praxis-, Auslands-, Schiffsarzt- und Assistentenstellen sowie Vertretungen.
Verantwortlich: Für den redaktionellen Teil: Prof. Dr. med. A. Moeller. Berlin W. 35. Für „Kleine Mitteilungen“ und den Inseratenteil: Max Munczinski, Berlin-Rixdorf.
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Professor Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5. Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
_ Telephon: Amt VI. 17271. j Telephon: Amt VI. 3020.
IV. Jahrgang. Berlin, 6. Februar 1910. Nr. 6.
Die ..Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den Verlag
sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Ouartalschluss abbestellt sind. Inserate werden für die 4gcspaltcne
Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen per Tausend 15,— M. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt.
Originalieu:
S. Weißbein, Berlin: Die balneologische Behandlung der Blut-
erkrankungen. 81
M. Peltzer, Steglitz: Die Kaiser-Wilhelins-Akademie für das
lnilitärärztlicheBildungswesen bei ihrem bevorstehendem Umzug
in ein neues modernes Heim (Fortsetzung statt Schluß) . . . <s4
Referate:
K. Fürsterling, Mors: Chirurgie.85
E. Pinczower, Berlin-Tempelhof: Hygiene.86
sA\. Busch, Bcrlin-Halensee: Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten 87
' Eugen Net er, Mannheim: Kinderheilkunde.88
M. Hirsch, Bad Kudowa: Balneologie.88
Geißler, Ncu-Ruppin: Pathologische Anatomie. . .... 91
v. R u t k o vt s k i, Berlin: Varia.91
Mitteilungen Uber Arzneimittel:
W. Krüger, Magdeburg: Referate ..92
Technische Neuerscheinungen:
Fürbringer, Wittenberg, Bez. Halle: Taschenspuekbüchse . . 9.5
11 ugo N eum ann ,Wien: Ein neues Adenotom (Ref.: R o s e n, Berlin) 9-5
BUcherbesprechungen:
• ,). Heyn: Altes und Neues aus dem Gebiete der Stoffwechsel¬
krankheiten . 94
F. Sichert: Der ärztliche Ratgeber in Bild und Wort. Atlas
und Hausbuch für Gesunde und Kranke (lief.: Geißler,
Neu-Ruppin).
Allgemeines. ^
ORIGINALIEN.
Die balneologische Behandliuig der
Bl uterkra nkungen.
Von Dr. S. Weissbein in Eerlin.
Erkrankungen des Blutes sind in unserer modernen
Zeit durchaus keine seltenen Erscheinungen, besonders die
leichteren Formen derselben. Esj ist dies auch erklärlich
aus dem Einfluß, den das moderne Hasten und Treiben mit
seinen großen Ansprüchen an die körperlichen und geisti¬
gen Kräfte auf die gesamte Körperkonstitution ausübt,
es ist dies häufig zurückzuführen auf unregelmäßige und
unzweckmäßige Nahrungsaufnahme, wodurch die Ver-
dauuug'swege leiden und den Körpergeweben durch das
Blut die zur Ernährung erforderlichen gasförmigen und
gelösten Substanzen nur in unzureichender Menge zu-
gefülirt werden. Besonders schädigend wirkt das Leben
in den Großstädten, wo nicht selten die Nacht zum Tag
gemacht wird und die verführerischen Gelegenheiten zu
Exzessen aller Art gern benutzt werden. Hand in Hand
mit der Verschlechterung der Körpersäfte bildet sich
langsam aber sicher eine Schwächung sämtlicher Organe,
besonders auch des Nervensystems, heraus.
Die normale Beschaffenheit des Blutes ist von ver¬
schiedenen Faktoren abhängig. Zunächst müssen dem
Körper in genügender Menge Nalirungsstoffe zugeführt
werden;, besonders sind hierbei die Mineralsalze zu be¬
achten, deren Bedeutung für den Stoffwechsel durch die
modernen katalytischen Forschungen immer mehr in den
Vordergrund tritt. Es müssen ferner diejenigen Organe,
die für die Assimilation in Betracht kommen, leistungs¬
fähig sein und auch die arbeitenden und ausscheidenden
Organe müssen intakt sein, um die Gesundheit des Blutes
aufrecht erhalten zu können. Wenn in diesem großen Me¬
chanismus auch nur ein Rad nicht funktioniert, so wird
sich dies dadurch erkenntlich machen, daß die Zusammen¬
setzung des Blutes geschädigt wird.
Selbstverständlich dürfen auch die bluthilden-
(I e u O r g a n e nicht gelitten haben. Die roten Blut¬
körperchen entstammen bekanntlich dem Knochenmark,
die weißen kommen zum größeren Teil gleichfalls aus dem¬
selben, zum kleineren Teil aus den Lymplidrüsen. Wenn
also dasKnochenmark oder die Lymplidrüsen erkranken, so
dokumentiert sich dies durch eine abnorme Blutmischung.
Zu erwähnen ist noch, daß eine solche auch dann eintritt,
wenn sich giftige Substanzen im Blutkreislauf finden oder
ein abnormer Blutverlust stattfindet.
Als B 1 u t k r a n k h e i t müssen wir jede längere
Zeit anhaltende Veränderung der normalen Blutbescbaffen-
lieit bezeichnen, und zwar macht sich dieselbe dadurch er¬
kennbar, daß sich der Blutfarbstoff, d. li. das an die roten
Blutkörperchen gebundene H ä m o g 1 o b i n vermindert.
Es kommt dies so zustande, daß entweder die roten
Blutkörperchen selbst abnehmen (dann sprechen
wir von A u ii in i e) oder nur der Farbstoffgehalt sich ver¬
mindert (C ll 1 o r ose). Bei einer dritten Form erscheint
das Häiüog lobin dadurch herabgesetzt, daß sich die Zahl
der weißen Blutkörperchen bedeutend ver¬
mehrt (Lenk ii in i e). _ ,
Bei der A n ä in i e unterscheiden wir die einfache von
der perniziösen. Während die erstere der Heilung zugäng¬
lich ist, führt die letztere unaufhaltsam zum Tode. Die
blutbildenden Organe sind bei ihr so angegriffen, daß sie
nicht mehr imstande sind, neue vollwertige Blutkörper¬
chen zu produzieren.
G r o ß e B 1 u t v e r 1 u s t e durch Nasenbluten, ferner
infolge von Lungen-, Magen-, Darm- oder Nierenblutungen
führen zu anämischen Erscheinungen, ebenso eine Blutung
in das Peritoneum oder in die Pleurahöhle. Auch starke
menstruelle und andere Geuitalblutungen können eine
Anämie verursachen. Zum Verbluten kommt es erst dann,
wenn mehr als die Hälfte des gesamten Körperblutes ver¬
loren gebt. Nach stärkeren Blutverlusten wird das Blut¬
serum wasserreicher, hydraulisch, und es vermindert sich
die Zahl der roten Blutkörperchen.
Giftige Substanzen, wie Quecksilber, Arsen, die Gift¬
stoffe und Bakterien bei akuten und chronischen I n f e k -
t i o n s k r a ii k H e i t e n , ferner Eilige weideschmarotzer
und auch bösartige Geschwülste können gleichfalls eine
Zerstörung der roten Blutkörperchen hervorrufen und zu
Anämie führen. Allen diesen Momenten muß mau bei
einer zweckentsprechenden Therapie natürlich Rechnung
tragen. • , cJRllj«
Für die Praxis ist es wichtig, nicht nur die Blut¬
körperchen zu zählen und das Blut mikroskopisch zu
•82
THERAPEUTISCHE .RUNDSCHAU.
Nr. 6
untersuchen, sondern auch den Hämoglobingehalt, den Ge¬
halt an Blutfarbstoff, festzustellen. Für den Praktiker ge¬
nügt hierzu das T a.l q u i s t sehe Büchlein. Die Unter¬
suchung wird so gemacht, daß man ein Tröpfchen Blut
aus der Fingerkuppe nimmt, mit Fließpapier aufsaugt und
mittels der Hämoglobinskala, die sich am Schluß des
Buches befindet, den Hämoglobingehalt bestimmt. Eine
solche Bestimmung kann jeder Arzt in seinem Sprech¬
zimmer ausführen und auf diese Weise durch Unter¬
suchungen leicht vor und nach der Kur den Erfolg der Be¬
handlung kontrollieren.
Besonders günstig für die Behandlung ist diejenige
Form der Blutarmut, welche vorzugsweise beim weib¬
lichen Geschlecht zur Zeit der Geschlechtsreife vorkommt
und mit C h 1 o r o s e bezeichnet wird. Hier ist der Hämo¬
globingehalt wesentlich stärker herabgesetzt als die Zahl
der roten Blutkörperchen.
Schwerer zugänglich für die Behandlung sind die
Leukämie und die Pseudoleukii m i e; seit jeher
verwendet man bei diesen Erkrankungen mit Vorliebe das
Arsen und wird auch in der balneologischen Therapie ge¬
rade Quellen bevorzugen, die Arsen enthalten, wie z. B.
Levico und Kudowa. Wenn man auch bei diesem
Leiden kaum mehr erreichen kann, als daß man den Ver¬
lauf der Krankheit erleichtert und das Gesamtbefinden zu
bessern imstande ist, so ist auch dies schon immerhin der
Mühe wert.
Von allen Bluterkrankungen sind jedenfalls am gün¬
stigsten zu beeinflussen die Chlorose und die einfache
Anämie. Man muß hierbei betonen, daß man schon im
Kindesalter mehr Wert auf die Behandlung der Blutarmut
legen müßte. Es ist entschieden falsch, wenn man sich
selbst und die Eltern damit hinwegtröstet, daß die Kinder
im Wachsen, daß sie noch in ihrer Entwicklung begriffen
sind, und sich das alles späterhin legen wird, oder wenn
man einem blutarmen jungen Mädchen den Rat gibt, sie
müsse heiraten, dann werde schon alles besser werden.
Chlorose kommt auch bei verheirateten Frauen durchaus
nicht selten vor. Außerdem besteht noch bei Blutarmen
die Gefahr, daß sie zu Blutungen und Herzaffektionen
neigen, die bei einer Schwangerschaft zu unangenehmen
Folgen führen können.
Es aknn tatsächlich einmal Vorkommen, daß sich die
Gesamtkonstitution nach der Ehe von selbst allmählich
hebt oder infolge geordneter Lebensverhältnisse die Blut¬
beschaffenheit zu normalen Verhältnissen zurückkehrt.
Aber solchen Zufälligkeiten sich auszusetzen und im Ver¬
trauen auf dieses alte Ammenmärchen nichts zu tun, die
Hände ruhig abwartend in den Schoß zu legen, das ist doch
entschieden kein guter ärztlicher Rat. Daß es sich bei der
kindlichen Chlorose nicht um einfache physiologische Vor¬
gänge handelt, die mit der Entwicklung in Zusammenhang
stehen, können wir am besten daraus ersehen, daß es doch
viele Menschen gibt, die von Geburt an kräftig und blühend
sind und auch in den Entwicklungsjahren so bleiben. Es
ist direkt eine bedauernswerte Tatsache, daß auch heute
noch im Laienpublikum vielfach die Ansicht vertreten
wird, die Kinder seien nur etwas blaß, weil sie zu stark
wachsen. Und wenn die Eltern etwas tun, dann greifen
sie häufig, ohne einen ärztlichen Rat einzuholen, zu allen
möglichen Eisenpräparaten ohne jede Kritik und im
besten Vertrauen auf die oft überschwengliche Zeitungs¬
reklame.
Und doch ist die Blutarmut keine so einfache Er¬
krankung. Können sich doch gerade zur Zeit der Ent¬
wicklungsjahre auf ihrem Boden leicht tuberkulöse
Erkrankungen entwickeln, auch die Funktion des Herzens
kann in bedenklicher; Weise leiden, die Nerven werden in
Mitleidenschaft gezogen, und nicht selten entwickelt sich
auf dieser Grundlage schon im kindlichen Alter' eine
schwere Hysterie.
Hinter der einfachen blassen Gesichtsfarbe können
sich schwere andere Krankheiten verbergen. Von der
Tuberkulose habe ich schon gesprochen und muß bei
dieser Gelegenheit nochmals hervorheben, daß bei der Ver¬
hütung dieser Erkrankung die ärztliche Tätigkeit nicht
erst dann beginnen darf, wenn wir schon eine, leichte
Dämpfung über den Spitzen und Rasselgeräusche fest¬
stellen können. Nein, schon dort, wo sieh der Boden vor¬
zubereiten scheint für diese so schwerwiegende Erkran¬
kung, wo die Widerstandsfähigkeit infolge der schlechten
Blutbeschaffenheit herabsinkt, schon da müssen wir ein-
greifen und werden, wenn wir dies energisch tun, nicht
wenig dazu beitragen, die Verbreitung der Tuberkulose
einzudämmen, in höherem Grade jedenfalls, als wenn wir
erst bei beginnendem Lungenspitzenkatarrh die Patienten
in Behandlung nehmen. Mit Rücksicht darauf kann man
nicht früh genug beginnen, die einfache Blutarmut mit
ernsterem Auge zu betrachten und energisch zu bekämpfen.
Besonders wichtig ist ein sorgsames ärztliches Vor¬
gehen dann, i wenn wir skrofulöse Erscheinungen uach-
weisen können. Solche Kinder neigen erfahrungsgemäß
sehr leicht zu schwerer tuberkulöser Erkrankung.
Mitunter verbirgt sich hinter der einfachen Blutarmut
eine chronische Nierenentz ii n d u n g , wie sie
im Anschluß an Infektionskrankheiten, ja selbst an eine
einfache Angina entstehen kann. Mit H e r z k r ank-
beiten gehen die anämischen Zustände auch öfter Hund
in Hand, zu beachten ist auch bei der Behandlung der
Blutarmut — was ich nochmals hervorheben möchte -
der Umstand, daß dieselbe mitunter durch Ein-
g e w e i d e w ii r m e r hervorgerufen wird.
Neben der allgemeinen Hautblässe und der blassen
Färbung der Schleimhäute hören wir häufig am Herzen
und in den Venen infolge des unge n ii g e n d e u F ii 1 -
1 ungszustimdes sogenannte „anämische Geräusche“,
die vor allem nicht mit den Geräuschen der Klappenfehler
zu verwechseln sind. Man muß deshalb die Kranken im
Stehen und Liegen untersuchen, da im letzteren Falle die
sogenannten anorganischen Geräusche gar nicht oder nur
sehr schwach hörbar sind. Das allgemeine Befinden der
Patienten leidet je nach dem Grade der Anämie, sie sind
müde und schlaff, die Herztätigkeit ist häufig eine leicht
erregbare, sei es, daß das M y o k a r d selbst schon ge¬
litten hat, oder es sich nur um rein nervöse Herz-
Lese h w e r d e n handelt. In diesen Fällen ist dann Puls
und Atmung oft beschleunigt, mitunter tritt sogar Atem¬
not ein, die dadurch hervorgerufen werden kann, daß die
herabgesetzte Menge des Hämoglobins, das den Sauerstoff¬
träger des Blutes darstellt, dazu geführt hat, daß das Blut
zu wenig Sauerstoff aufweist. Nicht selten ist auch der
Magen-Darmkanal beeinträchtigt, die Salzsäureausschei-
dnng ist herabgesetzt und die Darmtätigkeit eine trüge.
Da die Ursachen der Blutarmut sehr häufig in man¬
gelhafter Ernährung, sitzender Lebensweise, besonders in
Ziminerluft, in ungesunden Wohnungsverhältnissen, in
geistiger Ueberarbeitung, in körperlicher Anstrengung zu
suchen sind, so sind selbstverständlich zunächst bei der
Behandlung clilorotischef und anämischer Zustände all
diese Momente zu berücksichtigen.
Für die Großstädter ist es erforderlich, daß sie mög¬
lichst viel ins Freie zu kommen suchen. Wer es irgend
kann, soll wenigstens einmal im Jahr auf einige Wochen
hinaus in die frische Natur eilen, entweder — bei be¬
schränkteren Mitteln — auf das Land oder ins Gebirge
und an die See. Als Badeorte empfehlen sich besonders
diejenigen, die sieh durch den Eisen- resp. Arsengehalt
ihrer Quellen auszeichnen und kohlensaure Bäder zur An¬
regung der Hauttätigkeit und Kräftigung der Zj.rkulations-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
83
Organe besitzen, wie z. B. Elster, Franzensbad, Kndowa,
Pyrmont. Erfahrungsgemäß ist es doch ein großer Unter¬
schied, ob die Patienten zu H ause ein Eisenpräparat
nehmen, oder in einem Badeort eine regelrechte Kur ge¬
brauchen. Denn im häuslichen Betrieb wird das Präparat
gewöhnlich nicht regelmäßig genommen, man vergißt,
streng die Vorschriften innezuhalten, es kommt jeden
Augenblick etwas anderes dazwischen. Wenn man dagegen
in einen Kurort gellt, so zwingt den Patienten schon das
Bewußtsein, daß er allein der Kur wegen sich so viele Aus¬
gaben macht und nur zu diesem speziellen Zweck dort ist,
alles zu tun, was der Arzt verordnet. Schon die Entfer¬
nung vom Hause wirkt günstig auf die Stimmung des
Patienten ein. Er lebt in den Badeorten ruhig und regel¬
mäßiger, er ist genötigt, früh schlafen zu gehen, und kann
sieh, da er keine andere Beschäftigung dort hat, ganz
seiner Gesundheit widmen.
Bei den fettleibigen Blutarmen werden wir diejenigen
Stahlbäder bevorzugen, die noch eine Salzquelle zur Ver¬
fügung haben, wie Franzensbad, Elster, Pyrmont, da eine
regelmäßige Darmentleerung als bestes Hilfsmittel in der
Behandlung der Fettsucht zu betrachten ist. Bei Kranken
mit mangelndem Fettansatz würde sich eine
Eisenarsenbad wie Levico oder Kudowa besser empfehlen,
da das Arsen den Ernährungszustand des ganzen Orga¬
nismus bedeutend hebt.
Nachdem man lange Zeit darüber gestritten hat, in¬
wieweit das Eisen überhaupt einen Einfluß auf die För¬
derung der Blutbeschaffenheit haben kann, ob es über¬
haupt zur Aufnahme in den Körper gelangt, ist man seit
den letzten Jahren immer mehr und mehr zu der Ueber-
zeugung gelangt, daß es für die Therapie der Blutarmut
unentbehrlich ist.
Das aufgenommene Eisen stellt nach den neueren Er¬
fahrungen ein Reizmittel für die blutbildenden Organe dar
und spielt eine wesentliche Rolle als Katalysator. In den
leichteren Fällen genügt das Aufsuchen einer Stahlquelle,
in schwereren wird eine Quelle, die neben Eisen noch Arsen
enthält, einen größeren Erfolg versprechen. Ein Auf¬
enthalt im Hochgebirge wird von Blutarmen gewöhnlich
nicht besonders gut vertragen (man bevorzugt mittlere
Höhen, bis höchstens 1000 Meter), ebensowenig kaltes
Baden im Fluß oder in der See.
Früher glaubte man, daß das Eisen Patienten, deren
Magen- und Dannkanal empfindlich ist und gewisse Stö¬
rungen aufweist, nicht zweckdienlich sei. Durch neuere
Untersuchung, namentlich in der B o a s scheu Klinik ist
aller erwiesen worden, daß es damit nicht so ängstlich ist.
Gerade in der Form, in der es bei der Trinkkur in unseren
Badeorten zur Verwendung kommt, ist es besonders assi¬
milierbar; die kohlensäurehaltigen Eisenquellen werden
leichter und reichlicher resorbiert, weil die Kohlensäure
anregend auf die Magen- und Darmfunktion einwirkt.
Selbstverständlich muß man bei magenschwachen Per¬
sonen die Trinkkur zunächst mit sehr kleinen Gaben be¬
ginnen und ganz allmählich zu höheren Dosen misteigen.
Nach diesen Prinzipien pflegen auch die Badeärzte vor¬
zugehen, trotzdem werden sie mitunter von den Patienten
mit Klagen bestürmt, daß sie nach der Trinkkur Magen-
beseliwerden, Leibschmerzen, ja sogar blutige Stuhlgänge
bemerkt hätten. Wenn man als Arzt einmal die Ge¬
pflogenheit mancher Patienten hei der Trinkkur beob¬
achtet, dann kann man nicht selten bemerken, wie der eine
hastig sein Glas heruntertrinkt, der andere, um es recht
gut zu machen und seine Zeit möglichst auszunützen, statt
!•> Glas oder 1 Glas mehrere Gläser aufeinmal zu sic-li
nimmt. Zugegeben werden diese Mißgriffe sehr selten von
den Patienten. Es ist deshalb wichtig, daß die Badeärzte,
ihre Kranken in dieser Hinsicht genau aufklären und
ihnen warm ans Herz legen, alle Vorschriften pünktlich
innezulialten, wenn sic überhaupt einen Erfolg von der
Kur erlangen wollen.
Ein zweiter 1 instand, der die Kranken mitunter vor
einer Stahlbrunnenkur zuriickschreekt, ist die Annahme,
daß die Eisenpräparate ungünstig auf die Zähne ein¬
wirken. In den Kurorten trinken die Patienten ihren
Brunnen aus diesem Grunde mittels eines Glasröhrchens
und werden dazu ungehalten, sich nacli dein Trinken ihre
Zähne sorgfältig zu reinigen und den Mund 'auszuspülen.
Das Trinken aus den Glasröhren hat noch den Vorteil, daß
die Patienten nur kleine Schlucke zu sieh nehmen können,
wodurch eine Belästigung des Magens vermieden wird.
Als dritter Punkt ist der Umstand zu beachten, daß
hei der Blutarmut oft mit der allgemeinen Schwäche eine
Trägheit und Leistungsfähigkeit des Magen-Darmkanals
Hand in Hand geht. Die chlorotiselien und anämischen
Personen leiden deshalb nicht selten, an Verstopfung, und
erfahrungsgemäß wird dieselbe durch eisenhaltige Stalil-
büder mitunter verstärkt. Aus diesem Grunde fürchten
sich viele, den Stahlbrunnen zu sich zu nehmen oder ge¬
brauchen gleichzeitig als abführendes Mittel eine Salz¬
quelle, wie wir sie in Badeorten wie Franzensbad und
Elster zur Verfügung haben. Nach unseren modernen An¬
schauungen kann man aber auf diese Weise nur in den
seltensten Fällen Darmatonie dauernd beseitigen. Der
Gebrauch der Salzquelle ist nicht unwesentlich bei dieser
Behandlung, heutzutage legen wir unser Hauptaugenmerk
auf eine richtige diätetisch-physikalische Beeinflussung
der Obstipation.
Die Ursache dieser Darmatonie liegt meistens in der
Blutarmut selbst, die auf den Körper erschlaffend ein¬
wirkt, die Muskulatur schwächt, und zwar nicht nur die
Darmmuskulatur, sondern auch die für die Bauchpresse
in Betracht kommenden Muskeln. Wenn wir nun durch
eine zweckentsprechende Trinkkur den allgemeinen Kör¬
perzustand liehen, das Blut zu normaler Beschaffenheit
znrückbringen, dann ist es schon leichter, allmählich die
Gesamtkonstitution zur vollen Norm zuriiekzuführen.
Wenn auch das Eisen zunächst die Verstopfung vermehrt
(übrigens treten auch in manchen Fällen Durchfälle auf),
so kann dies, wie schon angedeutet, nicht allzu schwer zu
regulieren sein, wenn man die Diät zweckentsprechend
einrichtet. Die Patienten müssen viel Gemüse zu sich
nehmen, saure Milch, Kel'yr genießen und vor allem auch
frisches Obst nicht verschmähen. Noch heute hört man,
daß bei Eisen-Trinkkuren frisches • Obst gemieden werden
muß. Man geht dabei von dem Gedanken aus, daß das
frische Obst den Magen reize und sich dieser Reiz dem
der Salze und der Kohleusäure in den Trinkquellen hinzu¬
geselle. Dies alles könnte schädlich einwirken. Es ist
das selbstverständlich auch nur so ein altes Ammen¬
märchen, vielleicht ist gerade auf dies strenge Vermeiden
von frischen Früchten zurückzuführen, daß beim Trinken
von Stahlquellen so häufig über stärkere Verstopfung ge¬
klagt wird. Tm Gegensatz zu solchen alten zopfmäßigen
Anschauungen kann man nicht genug betonen, daß die
frischen Früchte nicht reizend, sondern nur an¬
rege u d auf die Darmtätigkeit einwirken und gerade für
Blutarme noch den größeren Vorzug haben, infolge ihres
hohen Gehaltes an Nähr salzen dazu beitragen zu
können, daß das Blut zur normalen Beschaffenheit zu-
riickkelirt.
Es ist doch anzunehmen, daß hei Bluterkrankungeu
nicht nur der Eisengehalt, sondern auch der übrige Salz¬
gehalt des Blutes herabgesetzt ist, und eine Ergänzung
dieser fehlenden Salze können wir aus gekochtem Gemüse
oder gekochtem Obst nur unvollständig erlangen, wir
müssen uns da an das frische Obst, an die frischen Salate
halten, eine Kenntnisnahme, die seit den letzten Jahren
immer mehr zur allgemeinen Beachtung kommt. Salate
84
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 6
läßt. man am besten mit Zitrone oder saurer Salme ker-
richten. Selbstverständlich muß man in der Diät streng
individualisieren, und es gehört nicht zu der kleinsten
Mühe des modernen Badearztes, der schon längst nicht
mehr bloß in der Verordnung der Bäder- und Trinkkur
seine Pflichten als abgetan ansieht, daß er eine zweck¬
entsprechende Diät für seinen Patienten auswählt und er¬
probt. Handelt es sich um magere Blutarme, so muß er
dafür Sorge tragen, daß dieselben unbedingt an Körper¬
gewicht zunehmen. In diesem Falle tut er gut, die Kost,
recht reich an Butter, an Sahne an Eiern, halten zu lassen
und eventuell auch ein künstliches Nährmittel hinzu¬
zufügen, das dem Körper eine bestimmte Menge von Ka¬
lorien zuführt, ohne dabei den Magen zu belästigen.
Bei der Frage der Ernährung ist von besonderer Be¬
deutung, daß man Nahrungsmittel aussucht, die reich an
Eisen sind. Nach B u n g e enthalten 100 g Trockensub¬
stanzen:
von Spinat 35 g Eisen, von Karotten 9 g Eisen,
„ Eigelb 22 J, „ ,, Bohnen 8 „
„ Spargel 20 „ „ „ Kartoffeln 6 ,, ,,
„ Rindfleisch 17 „ ,, „ Kuhmilch 2,3 „ „
„ Aepfel 13 „ „ , Reis 2 „ „
Auffallend ist, daß gerade die Milch ziemlich eisen¬
arm ist, trotzdem stellt sie ein gutes Nahrungsmittel für
Bleichsüchtige dar. Besonders betont werden muß, daß
man die Mahlzeiten regelmäßig innehalten läßt und
dafür sorgt, daß die Patienten langsam essen und gut
kauen.
Zu weiteren Maßnahmen zwecks Beseitigung der Ver¬
stopfung verwendet man mit gutem Erfolg liydrothera ;
peutisehe Prozeduren,.sei es, daß schon.allein ein Pr ie fi¬
nit z scher Leibumschlag genügend ist, sei es, daß man
zu wechselwarmen Leibduschen übergeht. Auch Massage,
Elektrizität und gymnastische Hebungen sind nicht außer
Acht zu lassen.
ln unsern Bädern dient weiterhin als ein vorzügliches
Hilfsmittel bei der Bekämpfung der Blutarmut und der
darauf resultierenden Beschwerden die Benutzung der
kohlensauren Stahlbäder, die anregend auf die Hauttätig¬
keit wirken, die Herztätigkeit erleichtern und kräftigen
und auf das Nervensystem einen wohltuenden Einfluß
ausüben.
Zur Nachkur nach dem Aufenthalt in Stahlbädern
empfiehlt es sich einen Ort in mittlerer Gebirgslage auf¬
zusuchen oder auch ein Seebad, dessen salzhaltige Luft
milde anregend wirkt, dort kann der Patient noch einige
warme Seebäder nehmen und vor allem den günstigen Ein¬
fluß der Sonne, am Strand gelagert, auf sich einwirken
lassen. Betonen möchte ich noch, daß — abgesehen von
ganz leichten Fällen von Blutarmut — ein Seeaufenthalt
allein nicht zur Heilung auszureichen pflegt. Die Patienten
werden dort wohl gebräunt und scheinen so eine frische
Farbe aufzuweisen. In Wirklichkeit sind sie meistens
nicht viel weniger blutarm wie zuvor, und die sichtbaren
Schleimhäute fallen bei genauerem Hinsehen sofort durch
ihre blasse Färbung ins Auge. In neuerer Zeit ist auch
von Steinsberg die Anwendung heißer Moorbäder bei
Chlorosen empfohlen worden, namentlich in der Pubertäts¬
zeit und der ihr folgenden Epoche schon aus dein Grunde,
weil Chlorosen in dieser Zeit oft auf gewisse Genital¬
erkrankungen zurückzuführen sind, gegen die sich ja
Moorbäder häufig bewährten.
Auf einen Punkt müssen wir noch hinweisen, der heut¬
zutage schon mehr wie früher im Vordergrund des Inter¬
esses steht, dies ist die Frage des S p o r t. e s. Auch der
Sport dient als ein Hilfsmittel bei der Behandlung der
Chlorose und einfachen Anämie. In der freien Zeit eines
Badeaufenthaltes ist es sehr wichtig, daß man diese Art
der Beschäftigungstherapie, die gleichzeitig für die
Körpermuskulatur und die Zirkulationsorgane eine
Uebungstherapie darstellt, nicht außer Acht läßt. Man
muß selbstverständlich je nach der Konstitution des
Kranken geeignete Abstufungen treffen und dafür sorgen,
daß keine Ueberanstrengung eintritt.
Es kommt nicht nur darauf an, die Blutbeschaffenheit
einigermaßen zur Norm zurückzuführen oder den Patienten
zu mästen, es ist mindestens ebenso wichtig, auf die Hebung
der Muskelkraft und Elastizität sein Augenmerk zu lenken.
In den meisten Kurorten ist Gelegenheit zum Rudern ge¬
geben, man kann Lawn-Tennis spielen lassen, auch das
Kegelschieben kommt in Betracht, Turnapparate sind
wohl überall vorhanden, und auf diese Weise kann man
mit dem Luftgenuß im Freien eine Hebung der Muskulatur,
eine Anregung des Stoffwechsels und Erfrischung des
Nervensystems vereinen. Selbstverständlich kann jede
Uebertreibung, die zur Ermüdung führt, schädlich wirken.
Es muß gerade hierbei streng individualisiert werden.
Bei der Behandlung der Chlorose und Anämie genügt
es meistens nicht, nur während einer 4—6 wöchentlichen
Kur alle hygienisch-pllysikalisch-diätetischen Anordnun¬
gen innezuhalten, auch zu Hause muß man suchen, zweck¬
entsprechend zu leben, eventuell auch da zeitweise ein
Eisenpräparat, von denen es jetzt so viele gute gibt, als
Ergänzung der sonstigen hygienischen Lebensweise ver¬
wenden. Reichliche Bewegung in frischer Luft steht
natürlich an erster Stelle, und es genügt auch bei den
sportlichen Hebungen keineswegs, wenn man sich den¬
selben nur während der kurzen Wochen des Kuraufenthalts
widmet. Auch später muß man, so weit irgend möglich,
sich der körperlichen Ausbildung nicht minder widmen
wie der des Geistes. Jede Einseitigkeit ist für Körper und
Geist gleich schädlich, sie hemmt schon bei der Jugend den
fröhlichen Sinn und schafft jene blutarmen Gestalten, die
mit ewigem Pessimismus durch das Leben wandeln. Den
Erwachsenen, besonders wenn sie viel zu sitzender Be¬
schäftigung gezwungen sind, ist eine ausreichende körper¬
liche Bewegung im Freien durchaus anzuraten. Seit
einigen Jahren legt man auch bei uns darauf Wert, daß
auch die Erwachsenen sich ebenso wie die Kinder körper¬
lich betätigen, urld es nicht verabscheuen, sich im Freien
bei Spiel und Sport in frischer Bewegung zu erholen, die
gleichmäßig wohltätig auf den Körper wie auf den Geist
wirkt und zu einer Aufheiterung des Gemüts besser bei¬
trägt, wie der so viel gepriesene Sorgenbrecher Alkohol.
Die Kaiser-Willielms-Akiuiemie für das
miliiärärztliche Bilduiigsweseii
bei ihrem bevorstehenden Umzug in ein neues modernes
Heim.
Von Dr. M. Peltzer, Generaloberarzt a. D. in Steglitz.
(Fortsetzung statt Schluß.)
Der Erlaß des Kultusministers vom 8. 1U. 1852 hätte
endlich für alle preußischen Aerzte das gleiche Staats¬
examen vorgeschrieben und damit jeden Unterschied in
der wissenschaftlichen Ausbildung zwischen Universität,
zwischen Zivil- und Militärarzt beseitigt. Seitdem haben
die militärärztlichen Bildungsanstalten gleichen Schritt
mit der Universität gehalten und der ärztlichen Wissen¬
schaft wie der leidenden Menschheit Männer gegeben,
deren eingangs genannte Namen bekanntlich Weltruf er¬
langt haben. Die Verbindung mit dem Zivilmedizinal¬
wesen und der Universität kam auch dadurch zum Aus-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
85
druck, daß, nachdem bereits 1845 L d h tu e y e r Geheimer
Medizinalrat und Mitglied der damaligen Medizinalsektion
des Kultusministeriums, ferner Grimm Geheimer
O b e r medizinalrat gewesen war, zuerst der Nachfolger
dieses, v. L a u e r , sich als Privatdozent an der Universi¬
tät habilitierte, und nach ihm alle Generalstabsärzte der
Armee zu ordentlichen Honorarprofessoren an dieser er¬
nannt wurden. Auch die Verbindung der Medizinal¬
abteilung des Kriegsministeriums mit dem Kultus¬
ministerium blieb bestehen. Generalarzt Mehlhausen
wurde nach 1.870 der erste militärärztliche Direktor der
Charite. Richard v. Volkmann, v. Berg m an n ,
v. B a. r deleben, Schwei g g e r und viele andere be¬
rühmte Universitätslehrer standen und stehen ä la suite
des Sanitätskorps, zu dessen Beurlaubtenstand heut
schließlich wohl die Mehrzahl aller Zivilärzte zählt. Ein
Militärarzt, Oberstabsarzt Struck, vor Schwenin-
g e r Leibarzt B i s m a r cks, war als Generalarzt ä la
suite der erste Direktor des 1876 begründeten kaiserlichen
Gesundheitsamts.
Direktoren der militärztlichen Bildungsanstalten nach
Görcke, v. Wiebel, Lohmeyer und Grimm
waren v. L a u e r , der Leibarzt Kaiser Wilhelms I.,
v. C o 1 e r , v. L e u t h o 1 d (gegenwärtig Exzellenz
v. S c li j e r n i n g') — ihre Subdirektoren v. Wiebel,
Voeltzke, Willmann-, F r i e k , Roesteil,
Müller, Puschel, V etter, Bruckert, Stein,
T s c li e g g e y , Schulz (s. oben, der erste Subdirektor
mit dem Titel Generalarzt), Gr imnl, Eck, Elsholtz,
Loeffler, Schubert, Grasnick (der erste mit
Generalsrang), Ker n (der erste als Generalarzt und
Sanitätsirispekteur) und seit 1909 Keitel (bisher Gene¬
ralarzt und Korpsarzt des 6, Armeekorps).
Es war anfangs der 1860 er Jahre unter Grimm
und Elsholtz, als wir nach bestandenem Abiturienten-
und Aufnalnneexamen als „Eleve“ in das Institut ein¬
zogen. Wir mußten uns einen Schreibtisch mitbringen
und wohnten zu 3 auf einer Stube. Sie war mit schweren,
grün angestrichenen Holzmöbeln (den sog. Kalomel-
stiililen), 1 gemeinsamem Kleiderschrank und irdenem
Waschgeschirr auf gemeinsamem Waschtisch ausgestattet.
Und doch war es schön, so schön, daß wir nur wünschen
können, es möchten allfe, die in das neue „mit allen Kom¬
fort der Neuzeit“ versehene Haus einziehen, ebenso liehe
Erinnerungen daraus mitnehmen, v 7 ie wir aus dem alten!
Eingehender schildern die damalige Zeit, die noch lange
unverändert blieb, die „Erinnerungsblätter zur 100 jähri¬
gen Stiftungsfeier des medizinisch-chirurgischen Fried-
rich-Wilhelms-lnstituts“ (Berlin 1895 bei Mittler &
Sohn). Sie enthalten eine „Zusammenstellung der Ge¬
denktage“ von dem damaligen Oberstabsarzt Schjer-
n i n g , sowie zwei Plaudereien, „Vor 50 Jahren“ von
Generalarzt z. D. M e h Ihausen und „Aus dem Leben
und Treiben der Studierenden des medizinisch-chirurgi¬
schen Friedrich-Wilhelnis-Tnstituts in den siebziger Jah¬
ren“ von Oberstabsarzt H e c k e r. „Aktiv“ werden konnte
man allerdings nur „incognito“, dagegen bildete sich
schon damals, 1861, unter Grimm die „militärärztliche
Stimmritze“ („Sänger“ Blulim) und 1868 der „Verein
der Studierenden der militärärztlichen Bildungsanstalten“.
(Schluß folgt.)
REFERATE.
Chirurgie.
Referent: Dp. K. FÖrsterling\ dirig. Arzt des Krankenhauses,
Mörs.
I. Zur Pathologie und Therapie der Nabelhernien der Er¬
wachsenen. Von I)r. E. Rüge, Berlin. L a n g e n h e c k s
Archiv, Bd. 1)1. S. 1.
- 2. Ueber akute primäre Typhlitis. Von I)r. Röpke, .Jena-!
Ibid., S. 160.
3. Die operative Behandlung der kindlichen Leistenbrüche.
Von Dr. Koväcs, Budapest. Ibid., S. 177.
4. Volvulus intestinorum als Krankheit des hungernden Men¬
schen. Von Dr. S p a s o k u k o z k y , Smolensk. Ibid.. S. 211.
ö. Bemerkungen über die Bedeutung der Suturtechnik für
die Wundaseptik. Von Dr. Hoerfordt, Kopenhagen. Ibid..
S. 198.
6. Zahlreiche freie Gelenkkörper bei isolierter Arthritis de¬
formes der Fossa cubitalis. Von Dr. Rüge, Berlin. Ibid.,
S. 227.
7. Endresultate der Sehnentransplantationen bei Quadriceps-
lähmung. Von Dr. Böcker, Berlin. Ibid., Kleine Mitteilungen.
8. Abbruch beider Oberkiefer von der Schädelbasis und
ihre Reponierung. Von Prof. Th öle, Hannover. Deutsche
Zeitschr. für Chir,. Bd. 101, S. 44.
9. Ueber Operationen am Magen. Von Dr. Mizokucki ,
Japan. Ibid., S. 53.
10. Pseudoperitonitis, bedingt durch Morbus Addisonii. Von
Prof. Landow, Wiesbaden. Ibid., S. 67.
II. Zur Frage der Ruptur des Biccps brachii. Von Dr.
Ledderhose, Straßburg i. E. Ibid., S. 126.
1. An dem Material der Körte sehen Klinik kommt
Verl', zu folgendem Resultat: .Je besser die Muskulatur der
geraden Bauchmuskeln erhalten ist, um so größer sind die
Chancen der Radikalheilung und zwar sind prinzipiell die Min.
recti vorn aneinander zu bringen. Hierbei 93°/o Däüerheilung.
Es ist jedoch erforderlich, die geheilten Pat. nicht einige Monate
nach der Operation, sondern jahrelang zu beobachten, da hei
fortbestehender Fettsucht oft noch spät Rezidive auftroten.
R. ist nämlich der Ansicht, daß die Fettsucht eine ausschlag¬
gebende Rolle hei Entstehung der Nabelbrüche spielt. Er hat.
durch Leichenuntersuchungen festgestellt, daß das präperitoneäle
Fett in die Fascie hineinwächst und sie durchlöchert und da¬
durch widerstandsunfähig macht.
2. R. hat mehrere Fälle operiert, die mit Sicherheit das Be¬
stehen einer Typhlitis zeigten, ohne daß cKe Appendix erkrankt
war. Klinisch war die Diagnose vorher nicht zu stellen; sie
bietet das Bild einer akuten Typhlitis. Anatomisch fand sich
eine ödematöse Verdickung der Ooecalwand, teilweise mit fibri¬
nös-eitrigen Auflagerungen. Hervorgerufen wird sie durch In¬
fektion der Darmwaud vom Darminneren aus; bisweilen sind
auch Ulcera der Schleimhaut vorhanden. Die Behandlung ist,
wegen der großen Aehnlie.hkeit mit Appendizitis operativ und
cs soll dabei auch der gesunde Wurmfortsatz -stets mir ent¬
fernt werden.
3. Bericht über 253 operierte kindliche Leistenbrüche; davon
waren 21 eingeklemmt, mit 3 Todesfällen. Sonst nur 1 Todes¬
fall infolge Operationsfehler. Ueber 144 Fälle sind später Nach¬
richten zu erhalten gewesen mit einem Rezidiv; alle anderen
waren radikal geheilt. Es wird deshalb die operative Be¬
handlung der kindlichen Leistenbrüche, als ungefährlich und
sicher sehr empfohlen. Die Beseitigung geschieht nach
B a s s i n i.
4. S. hat beobachtet, daß Darmvolvulus am ehesten im
Hungerzustande vorkommt. Er versucht das zu beweisen nach
dem Material seines Krankenhauses, das hauptsächlich aus russi¬
schen Bauern besteht. In Deutschland ist Dünndarmvolvulus sehr
selten, während er in der vorliegenden Arbeit die Mehrzahl der
Fälle ausmacht (28 von 47 Fällen\ Ursache dieses Vorkommnis
sind a) größere Länge des russischen Darmes, bi größere
Nahrungsaufnahme nach längerem Hungern (z. B. nach der
Fastenzeit große Mengen Vegetabilien), c) Anstrengungen.
5. Das beste Suturmaterial muß von glatter Oberfläche
und solider Substanz sein; das resorbierbare ist vorzuziehen;
es sei steril, nicht antiseptisch. Es wird eine besondere Nadel
beschrieben, deren Oehrende derartig eingerichtet ist, daß der
Faden möglichst wenig aufträgt beim Durchziehen durch den
so
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. C,
Stichkanal. Alle Sutürcn sollen nach dein Einfädnln durc.lt
Dampf oder Wasser sterilisiert werden. Berührung mit den
Fingern ist zu vermeiden; besonders ist der in die. Wunde,
zu verlegende mittlere Teil zu schützen. Nach diesen Prin¬
zipien wird in Deutschland schon länger verfahren; es sind
z. B. auch Spannrahmen für eingefädelte Suturen hier längst
zu haben. (Ref.)
6. Im Ellenbogengelenk ließen sich röntgenographisch eine
Menge freier Gelenkkörper nachweisen, die operativ zum größten
Teile . (58_ Stück' entfernt wurden. Es handelte sich um die
Folgen einer isolierten Arthritis deformans, eines degenerativ-
■ produktiven Prozesses, der auf eine kleine zirkumskripte Parti '
des Gelenkes beschränkt war.
7. Am besten bewährt hat sich die Verpflanzung der Beuger
nach Krause oder Lauge. Dabei muß ein wirksamer Beuger
zurückgelassen werden, um so öin Genu rceurvatum zu ver¬
hüten. Hat man nur Tensor fasciae und Sartorius zur Ver¬
fügung, so ist in diesen Fällen besser die Arthrodese zu.
machen. Anzuwenden ist stets die periostale Methode der Sehnen-
Verpflanzung. Die Resultate waren hierbei ganz gut.
8. Durch Sturz mit dem Pferde waren bei einem Offizier
beide Oberkiefer an der Schädelbasis abgebrochen und sowohl
nach hinten wie seitlich disloziert. Völlige Reposition war
auch in. Narkose nicht möglich. Es wurde deshalb eine Ueber-
kappung der Oberkieferzähne hergestellt und an dieser durch
permanenten Zug der Oberkiefer langsam nach vorn geholt.
Als Gegenzug diente ein am Kopf befestigter eiserner Bügel.
Resultat: nahezu normale Stellung.
v „ 9. Bericht über 214 Operationen wegen Magenleiden: 59 Re¬
sektionen, 92 Gastroenterostomien, 49 Probelaparotomien. Bei
den Resektionen 27,8°» Mortalität,. bei der Gastroenterostomie
13%. Die Dauerresultate sind bei malignen Tumoren sehr schlecht
Bei der Anastomose wird in letzter Zeit nur eine Nahtreihe
verwandt, nämlich eine breitfassende Serosa -Muscularisnaht.
lieble Zufälle sind danach nicht beobachtet worden.
10. Bei einem wegen Peritonitis eingeliefsrten Patienten
fand sich eingezögener Leib mit Muskelspannung, Leib-
schmer-zen, Erbrechen, starker Verfall. Daneben erhebliche.
Braunfärbung des ganzen Körpers, die seit ca. l > Jahr ent¬
standen war. Da auch in den Oberschenkeln Muskelspannung
vorhanden, der Druckschmerz des Leibes ferner nicht aus¬
gesprochen genug war, zudem Pat. sehr schwach, mit kaum
fühlbaren Pulse, wurde nicht operativ eingegriffen. Exitus nach
wenigen Stunden. Es fand sich Tuberkulose beider Neben¬
nieren, keine Peritonitis. Es sind schon einige derartige Fälle
beschrieben worden. Verf. empfiehlt deshalb, bei unklaren
Peritonitissymptomen guch an Morb. Addisonii zu denken.
11. Untersuchungen an Leichen, Beobachtungen am Leben¬
den und Literaturstudium haben L. zu der Ansicht gebracht,
daß die Ruptur des M. biceps brachii überhaupt nicht oder nur
äußerst selten vorkommt. Was meist so bezeichnet wird, ist
eine Luxation der langen Bicepssehne am Humeruskopf oder
eine Zerreißung im Bereich des Schultergelenks. Bewirkt wird
dieses Vorkommnis durch Arthritis deformans der Schulter.
Die als Hernien des M. biceps beschriebenen Zustände sind
ausnahmslos Dislokationen des äußeren Muskelbauches.
Hygiene.
Referent: Dr. E. Pinezower, Berlin-Tempelhof.
1. Bakteriologische Untersuchungen über Händedesinfektion,
speziell mit Dermagummit. Von W o 1 f f - E i s n e r. Zentral-
blatt für Bakteriologie, Parasitenkunde u. Infektionskrankheiten,
Bd. 52, H. 2.
2. Ueber kongenitale Tuberkulose beim Rindvieh. Zentral-
blatt für Bakteriologie, Parasitenkunde u. Infektionskrankheiten,
Bd. 52, H. 2.
3. Vergleichende Untersuchungen über Raumdesinfektion
mit Formaldehyd-Kaliumpermanganatverfahren. Von B c r t h o 1 d
Hannes. Münchener med. Wochenschr., 1909, Nr. 19, S. 2518.
4. Ueber die Flecktyphusepidemie in Kiew. Von Rabino-
witsch. Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und
Infektionskrankheiten, Bd. 52, II. 2.
5. Vererbung, Auslese und Hygiene. Von Gr über,
München. Aerztliche Zentralzeitung, 1910, Nr. 2, S. 21.
L Dermagummit ist eine Jod-Kautschuk-Verbindung, von
Dr. Degen und Kuth, Düren, hergestcll.t, die in Tetra¬
chlorkohlenstoff gelöst ist. Es wird gefärbt und ungefärbt in
den Handel gebracht und soll auf die desinfizierte Haut, durch
waschende Bewegungen, aufgetragen werden. Besonders berück¬
sichtigt soll die Nagelgegend werden. Dermagummit ist als
Ersatz für Gummihandschuhe beim aseptischen Operieren ge¬
dacht. Dermagummit erwies sich an sich- als steril, und
zwar, wie sich experimentell ergab, wegen seiner nicht unerheb¬
lichen bakteriziden Kraft. In Versuchen mit Dermagummit
auf nicht desinfizierte (Arbeit*)-Pfände zeigte sich in der Mehr¬
zahl der Fälle eine wesentliche Keimvorminderung, die in ein¬
zelnen Fällen der Sterilität nahe kommt. W. glaubt, daß das
Präparat in der Praxis mit Erfolg verwendet werden könne,
besonders wenn durch technische Verbesserung der Rest von
Klebrigkeit, der ihm jetzt noch anhaftet, heseiiigt wird.
2. Verf. hat in den Jahren 1904 1908 108 Fälle von
kongenitaler Tuberkulose beim Rindvieh, davon 4 beim Fötus
und die übrigen bei höchstens 3 Tage alten Kälbern beobachtet.
Die kongenitale Tuberkulose ist heim Rindvieh somit ein relativ
seltenes Vorkommnis, ist aber für die Praxis der Bekämpfung
der Rindviehtuberkulose nicht ohne Bedeutung. Die Tuber¬
kulose wurde durch histologische, bakteriologische Methoden
und Tierimpfung nachgewiesen. Stets waren die Portall.ymph-
drüsen, nächstdem die Mediastinal-, die Bronchialdrüsen er¬
griffen. Tn den Lungen wurde 10 mal Tuberkulose gefunden.
In der Plazenta von 3 der untersuchten Föten fanden sich
Herde an der Grenze zwischen Placenta materna und und foetalis,
so daß die Bazillen von diesen aus in den Kreislauf des Fötus
gelangen konnten. Bei allen diesen Fällen waren die Portaldrüsen
befallen, und zwar mit weitergehenden Veränderungen als die
in anderen Organen gefundenen Herde aufwiesen. Es spricht
dies alles für eine plazentare Entstehung der Tuberkulose in
den angegebenen Fällen und gegen eine genninale Infektion,
um so mehr als alle diese Föten und Kälber normal ,ent¬
wickelt waren.
3. Die , Versuche erstrecken sich auf die Prüfung folgender
Verfahren: Apparat nach Dieudonne, Formalin-Kaliumper¬
manganat, Festoform -Kaliumpermanganat, Formangan-Kalium¬
permanganat, Paraformpulver-Kaliumpermanganat. Das letztere
Verfahren erwies- sieh dem VeiT.- • in -deHHifektorischer Wirkung
und chemischer Ausnutzung der Reagentien als besonders
günstig. Die Entwicklung von Formaldehyd aus Paraform-
pulver durch Kaliumpermanganat und Wasser im Verhältnis
von 1:2:3 hat die gleiche Wirkung in abgedichteten Räumen
wie die Verdampfung durch Apparate. Das Verfahren ist billig,
die Handhabung einfach. Es eignet sich besonders für Fälle,
wo Apparate zur Verwendung aus bestimmten Gründen nicht
in Betracht kommen. Es kann z. B. zur Verwendung im Felde,
empfohlen werden. — Als günstigstes Mengenverhältnis erwies
sich auf 100 cbm Raum : 1 kg Paraform, 2 kg Kaliumpermanganat,
3 kg Wasser. Der milchigen Buspension aus Paraform und
Wasser wird der dritte Bestandteil zugesetzt. Nach ca. zwei
Stunden tritt die Reaktion ein. Ein ( eberschäumen wurde auch
bei kleinen Gefäßen nicht beobachtet. Die Dampfentwickelung
war erheblicher als bei den anderen Verfahren. Das Psychrof
meter zeigte 1 \\> Stunden nach Beginn der Entwicklung noch
100% relative Feuchtigkeit. Das Präparat erwies sich für lange
Zeit haltbar. Das Paraformverfahren zeigte hinsichtlich der
Abtötung . der vegetativen Formen die besten Resultate.
4. Verf. gibt eine eingehende Beschreibung (Statistik,
Aetiolog'ie, Epidemiologie' und kommt zum Schlüsse, daß der
Flecktyphus durch einen spezifischen Erreger, einen Diplo-
bazillus, der nach Giemsa färbbar ist, hervorgerufen wird.
Der Erreger wird in den Organen, Hautexanthemen etc. nach-
gewiese.n. Er wird vom Serum der an Flecktyphus Er¬
krankten aggkitiniert. Bei Tierimpfung erzeugt er bei Kanin¬
chen und Meerschweinchen ein Krankheitsbihl, das demjenigen
beim Menschen ähnlich ist und ist im Blut nachweisbar. Seine
Wirkung kann der Bazillus entwickeln, wenn er durch ein
seine Virulenz bedingtes Milieu passiert hat und dann auf
einen disponierten Organismus trifft. Das Milieu wird durch
Unreinlichkeit, Schmutz, Zersetzung und Verwesung von orga¬
nischen Stoffen etc., die Disposition durch die soziale Not,
Mangel an Ernährung und Sauerstoff reicher Luft, Erschöpfung
geschaffen. Diese Disposition wegen der Verschlechterung der
Lebensbedingungen geht aus dem Verlust oder der Schwächung
der Widerstandsfähigkeit Krankheiten gegenüber hervor. Sie
muß ihrer Natur nach eine allgemeine sein und so erklärt
sich die Tatsache, daß hei schlechten hygienischen Verhältnissen
irgendeiner Gegend Epidemien der verschiedensten Infektions¬
krankheiten aus brechen.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
87
m Aus dem gedankenreichen Vortrag des* Autors auf'dem
letzten Internationalen Aerztekongreß sei folgendes hier her-
vorgehoben. Gegenüber den fanatischen Anhängern der
Selektionstheorie, die Hygiene und Heilkunde als Verderber
der Ras$c anklagen, weil sie durch Erhaltung der Minder¬
wertigen die Degeneration der Völker herbeiführe, weist G.
darauf hin, daß die Hygiene sieh hauptsächlich gegen die
intensiv wirkenden äußeren Schädlichkeiten richtet. Denn die
von der Hygiene bekämpften Krankheiten, Gifte; und Schäd¬
lichkeiten wirken nicht etwa im Sinne einer nützlichen Aus¬
lese. Es kommt durch die genannten Einflüsse eine ungeheure
Vergeudung gesunden Lebens zustande, sie verwandeln gute
Varianten in schlechte und verschlechtern den Nachwuchs. Der
Vergleich hei unter gleichen hygienischen Verhältnissen leben¬
den Völkern. Klassen, Ständen zeigt eher die günstige Wirkung
der Hygiene auf die vererbliche Konstitution. Dieser Wider¬
spruch mit der Selektionstheorie rührt davon her, daß die
Auslese beim Kulturmenschen niemals scharf genug ist, wie
es in der vernunftlosen Natur der Fall ist. „Das Liebäugeln
mit dem rücksichtslosen Kampf ums Dasein muß daher unbe¬
dingt und endgültig aufgegeben werden.“ — Um die gegen¬
wärtigen biologischen Mißstände zu beseitigen, müssen die
Kulturvölker sich zur Züchtungskunst, Eugenik (Gal ton',
bekehren. Der Verderb der Keime (Alkohol etc.' muß von
den Eltern vermieden werden. Es soll eine Regelung der Fort¬
pflanzung bezüglich Alter der Erzeuger, Zahl und Aufeinander¬
folge der Schwangerschaften stattfinden. Den günstigen Modus
muß die Erfahrung lehren. Die Fortsetzung der schlechtesten
Varianten soll gehemmt und geringe Fehler der Erbmasse sollen
durch vernünftige Kreuzung getilgt werden. Die Degeneration
der Fortpflanzungsfähigkeit ist zu bekämpfen. Eine hohe Ge¬
fahr bedeutet auch die gewollte physische Unfruchtbarkeit,
deren Ursachen sowohl auf wirtschaftlichem als auch auf mora¬
lischem Gebiete liegen. Ihre Aetiologie ist die einseitige Ueber-
schätzung des Reichtums, Genußsucht, Hang zum Luxus und
zur erschlaffenden Verweichlichung, falsche Ideale, zu denen
Autor auch die sog. Frauenemanzipation und die Verherrlichung
der Frau als Geliebte des Mannes, statt als Mutter der Kinder
rechnet. Wie den alten Kulturvölkern, so könne die beab¬
sichtigte Kinderlosigkeit auch den modernen zum Verhängnis
werden. Hiergegen ist eine Propaganda der Eugenik zu ent¬
falten und das Studium der Vererbungsfrage eifrig zu be¬
treiben, damit zuverlässige Normen der Züchtungskunst ge¬
wonnen werden können. Den Aerzten fällt die Aufgabe zu,
bei Lösung dieser Fragen an erster Stelle mitzuarbeiten.
Hals-, Nasen- und Olirenkranklieiten.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Blisch, Berlin-Halensee.
1. Angina und chronisch rezidivierende Parotitis. Von San.-
Rat Dr. Lublinski. Berliner klin. Wochenschr., 1910, Nr. 1.
2. Akute Otitis. Von Dr. R u t t i n. Med. Klinik, 1910,
Nr. 1.
3. Einige allgemeine Bemerkungen zur Untersuchung und
Behandlung von Kehlkopfkrankheiten des Kindesalters. Von Dr.
Demetrio Galatti. Allg. Wiener med. Ztg., 1910, Nr. 1.
4. Die Behandlung der Ohrverletzungen. Klinischer Vor¬
trag von Paul Manasse. Deutsche med. Wochenschr., 1909,
Nr. 52. /
5. Optimismus und Pessimismus in der Therapie der
Larynxtuberkulose. 1 Vou Privat-Doz. Dr. Drc v f u ß. Stra߬
burger med. Ztg., 1909, H. 12.
6. Die direkte Laryngo-, Tracheo-, Bronchoskopie und ihre
Bedeutung für Diagnose und Therapie. Von Dr. Al brecht.
Med. Klinik, 1909, Nr. 50.
7. Schwierigkeiten und Irrtümer bei der Diagnose eitriger
Meningitis ex otitide. Von H. Schwarze. Archiv für Ohren¬
heilkunde, Bd. 81, H. L u. 2.
1. Chronische Entzündung der Ohrspeicheldrüsen ist selten,
am meisten noch in Verbindung mit Entzündung der Tränen¬
drüsen als sog. Mikuliczsche Krankheit beschrieben worden.
Lublinski sah isolierte chronische Entzündung einer Parotis
iin Anschluß an Halsentzündung. Die Ohrspeicheldrüse blieb
auch nach Ablauf der Angina vergrößert und schwoll in den
nächsten Jahren hei jeder Halsentzündung von neuem an.
2. Ruttin unterscheidet ätiologisch und klinisch zwei
Formen der akuten Mittelohrentzündung, zunächst die durch
kapsellose Bakterien hervorgerufene (Streptococcus pyo¬
genes, Staphylococcus aureus Sie beginnt mit schnell zu¬
nehmenden Schmerzen, Rötung des Trommelfells. Vorwölbung
durch Exsudat. Durchbruch desselben am 3. oder 4. Tage;
dann folgt kopiöser eitriger Ausfluß, nach 2 Wochen Leber-
gang in schleimige Sekretion, Aufhören derselben, Zeichen des
einfachen Katarrhs. Tritt eine Mastoiditis hinzu, so haben wir
kontinuierliches Ansteigen der Schmerzen und des
Fiebers bis zur künstlichen Entleerung des Abszesses durch
Operation. Anders verläuft die durch Kapselkokken ver¬
ursachte Form IDiplococcus pgeumoniae, Streptococcus
mucosus); das Trommelfell zeigt dabei mehr die Symptome
des akuten Katarrhs als einer Entzündung, jedoch mit auf¬
gehobener Durchsichtigkeit des Trommelfells. Die Schmerzen
bei dieser Otitis sind nur sehr gering. Nachdem die Beschwer¬
den dann innerhalb weniger Tage gänzlich verschwunden sind,
kann nun nach Wochen und Monaten plötzlich eine Mastoiditis
mit intrakranieller Komplikation auftreten. Der Unterschied von
der erstgenannten Form liegt also in dem viel milderen Ver¬
lauf. dem Eintritt einer Remission und dem manchmal
plötzlichen Einsetzen einer schweren Mastoiditis event. mit
Hirnkomplikationen. Auf Grund dieser Erfahrung fordert
Ruttin von dem Praktiker, daß er sich bei Beginn jeder
Oiitis durch Deckglaspräparat überzeugt, ob es sich um kapsel-
lose oder Kapselkokken-Otitis handelt. — Ich glaube, dies ist
vom Praktiker etwas viel verlangt; es genügt wohl, wenn er
weiß, daß eine harmlos aussehende Otitis media plötzlich und
noch nach scheinbarem Abgelaufetfsein schwere, lebensgefähr¬
liche Symptome machen kann.
3. Kinder sind schwer zu laryngoskopieren; man muß sie
event. halten lassen, einen Mundsperrer einführen und dann ver¬
suchen zu spiegeln. Kommt man mit dem Kehlkopfspiegel nicht
zum Ziel, so kann man mit dem K i r s t e i n sehen Autosköp
die Zunge nach vorn ziehen und den Kehlkopf damit direkt
überblicken. Bei Fremdkörpern findet die Laryngo- und
Bronchoskopie mit dem K i 11 i a n - B r ü n n n i n g s sehen Instru¬
mental 1 und die Röntgendurchbuchtung ihre Verwendung. Zur
Behandlung empfiehlt Galatti Schwängerung der Luft, mit
Wasserdämpfen (Aufhängen nasser Tücher am Bett , Auf¬
stellung von S p r a. y apparateü event. mit sekretions-
beschränkenden Medikamenten. Aeltere Kinder kann man
inhalieren lassen (Salz, alkal. Mineralwässer, Eukalyptusöl.',;
gegen Hustenreiz gibt Galatti Do wer sehe Pulver zu¬
sammen mit Kur eil äschern Pulver (um die stopfende Wir¬
kung des ersteren zu paralysieren). Bei allen entzündlichen
Erscheinungen der oberen Luftwege verordnet G a 1 a 11 i heiße
Bäder mit nachfolgender Schwitzkur.
4. Die Behandlung der Ohrverletzujjgen hat im allgemeinen
durchaus zuwartend zu sein. Nur beim Othämatom wird
man mitd en konservativen Behandlungsmethoden (feuchten Ver¬
bänden, Eis, Druckverbänden, Massage) meist nicht auskommen,
sondern zu Punktion oder Inzision 1 seine Zuflucht nehmen,
müssen. Verletzungen des Gehörkanals werden mit
trockener, steriler Gaze, die man in den Gehörgang einführt,
verbunden. Tritt eine Otitis externa hinzu, so läßt. Manasse
10—20°/o Borglyzerin einträufeln, evenb P r i e ß n i t z sehe .Um¬
schläge machen. Granulationen, die zur Stenosierung führen
können, müssen beseitigt werden. Bei Verletzung des Gehör-
gangs und Trommelfellrupturen ist jeder Eingriff,' Ausspritzen,
selbst Austupfen, Einführen von Gaze, wegen der Gefahr der
Sekundärinfektion streng verpönt; man hat das Ohr nur mit
steriler Watte zu verschließen. Luxationen oder Frak¬
turen der Gehörknöchelchen sind ebenfalls ein noli
me tangere, und muß bei Schußverletzungen die im Ohr etwa
sitzende Kugel entfernt werden, was meist nur durch einen
größeren spezialistischen Eingriff möglich ist. Schleim -
hautzerreißungen der Tube kommen beim Katheterismus
oder Bougieren der Tube vor; das oft folgende Schleimhaut-
und Hautemphysem geht meist durch Bettruhe und P r i e fi¬
nit z sehe Umschläge zurück. Wegen etwa auftretender Er¬
stickungsgefahr nimmt man den Kranken am besten in klinische
Beobachtung. Verl et Zungen des in n e r e n O li r e s ,
des H ö r n e r v e n . sowie indirekte L a b y r i n t h Ver¬
letzungen bei Schädeltraumen behandelt man nur mit ab¬
soluter Bettruhe und unterläßt jeden lokalen Eingriff. Sub¬
kutane Pilokarpininjektionen, Bromkali innerlich, gegen die
subjektiven Geräusche Brompräparate und Pyramiden sind
manchmal von guter Wirkung.
5. Larynxtuberkulose kommt nicht- nur im Verlaufe vor¬
geschrittener Luugenphthise, sondern schon im Beginne der-
88
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 6
selben vor. Tn beiden Fällen muß inan versuchen, sie zu heilen.
Bei vorgeschrittener Lungenschwindsucht sind unsere laryngealen
Eingriffe imstande, den Schluckschmerz zu beseitigen und da¬
durch eine bessere Ernährung anzubahnen, beginnende Kehlkopf¬
tuberkulose können wir völlig ausheilen. K 1 i m a t i s c h e Be¬
handlung der Kehlkopfphthise ist problematisch, durch
Röntg enbestr a h 1 u n g ist ebenfalls nichts erreicht worden ;
jedoch Hegen günstige Erfahrungen über Behandlung mit
Sonnenlicht und mit Radium e m a n a t i on vor. 5- bis
10 proz. M e n t h o 1 lösungen, Einblasungen von A n ä s t h e s i n
oder Orthoform wirken gut symptomatisch gegen Husten¬
reiz und Dysphagie. Gegen tuberkulöse Llcerationen haben sich
Aetzungen mit konzentrierter Milch- oder Trichloressig-
säure bewährt. Die T racheotomi e wirkt nach einigen
Autoren durch die Ruhigstellung des Kehlkopfes als kuratives
Mittel. Als c h i r u r gische e n d o 1 a r y n g e a 1 e M i 1t e 1
haben oft guten Erfolg das Kurettement mittels Doppelkürette
und nachfolgender Galvanokaustik, der Flachbrenner und der
galvanokaustische Tiefenstich. Seit Einführung der Infiltrations-
anästhesie gewinnt die L a r vn g o f iss u r mit gründlicher Eni -
fernung alles Kranken nach Auf klappen des Kehlkopfes an Be¬
deutung. Wir haben also eine große Zahl von Mitteln, die wir,
besonders bei beginnender Larynxphthise, erfolgreich ins Feld
führen können.
6. Mit der indirekten Methode der Kehlkopf- und Luft¬
röhrenuntersuchung mittels Spiegels kommen wir infolge des
anatomischen Baues des Atmungsrohres, besonders in den liefen
Teilen, nicht immer zum Ziele; eine neue Methode wurde durch
die Kirstein sehe A u t o s k o p i e angebahnt, bei welcher
der bis in die Valleculae eingeführte Spatel den Kehlkopf nach
vorn zieht und den Kehldeckel aufrichtet, so daß man direkt
den Kehlkopf übersehen kann. Der nächste Fortschritt war
der K i 11 i a n sehe Röhrenspatel , welcher durch die
Glottis, hindurch in die Luftröhre eindringt. Später führte
Killian durch das erste Rohr ein zweites längeres bis in
den Bronchus hindurch — Bronchoskopie. Alb recht
bespricht die einzelnen Phasen der Methode an einem Falle.
Zur Anästhesierung spritzt er in den rechten und linken Nervus
laryng. sup. eine Novokain-Suprareninlösung und appliziert
.20 proz. Kokain auf Zunge, hintere Rachenwand, subglottischen
Raum und oberen Trachealabschnitt. Hierauf wird das eingefeitere
und erwärmte Rohr eingeführt, die die Bifurkation der Luft¬
röhre in die Bronchien mittels Brün n i n g s scher Kokainspritz
anästhesiert und nun das Einsatzrohr in den Bronchus vor¬
geschoben. Etwa vorhandene Schleimmengen werden mit der
Speichel pumpe aspiriert. — Die Hauptdomäne der Me¬
thode sind die Fremdkörper in den Luftwegen, die wir nicht
immer, namentlich wenn sie weich sind, mit Röntgenstrahlen
wahrnehmen können. Demnächst sind es die Aortenaneurysmen,
die Tumoren von Trachea, Oesophagus, Bronchien und Me¬
diastinum, deren Diagnose durch die Tracheo- und Broncho¬
skopie erleichtert wird. Ferner werden wir oft luetische,
tuberkulöse und skleromatöse Veränderungen der unteren Luft¬
wege diagnostizieren können. Therapeutisch vermag man mittels
Bronchoskopie, abgesehen von den Fremdkörpern, intratracheale
Papillome, Trachealkarzinome, durchgewachsene Strumen,
Granulationen, Stenosen etc. in Angriff zu nehmen.
7. Wenn auch die Lumbalpunktion meist imstande sein
wird, die Diagnose der eitrigen Meningitis nach Otitis zu
sichern, so kann sie auch im Stich lassen. Schwarze be¬
spricht zunächst einen Fall, bei’ welchem aus den klinischen
Symptomen die Diagnose einer eitrigen Meningitis absolut sicher
schien, die Lumbalpunktion jedoch völlig klaren, unter sehr
starkem Druck stehenden Liquor entleerte, wonach Heilung
eintrat. Vielleicht hat eine Meningitis serosa Vorgelegen. Be¬
kannt ist ferner, daß namentlich bei Kindern, aber auch bei
jungen Leuten jenseits der Pubertät, schwere meningitische,
Symptome auftreten können, die nach der Parazentese spontan
zurückgehen. Ferner kommt bei chronischer eitriger Otitis
eine tuberkulöse Meningitis vor, deren Diagnose schwierig oder
unmöglich ist. Aeußerst, heftig verlaufende eitrige Meningitis
ist unter Umständen mit Apoplexie zu verwechseln, besonders
beim Vorhandensein einer halbseitigen Körperlähmung. Ein
anderer Fall, der unter ausgesprochen meningitischcn Sym¬
ptomen tötlich verlief, zeigte bei der Sektion weiter nichts
als eine allgemeine Anämie, auch des Gehirns. Ist auch die
Lumbalpunktion meist imstande, derartige diagnostische Irr-
tiimer zu vermeiden, so kann auch sie ihrerseits zu Fehl¬
schlüssen veranlassen, indem trüber Liquor entleert wird, ohne
daß eine Meningitis purülentae vorhanden ist. Solche Trübungen
sollen auch bei Pneumonie und abgeschlossenen Hirnabszesseu
Vorkommen.
kinderlieilluimle.
Referent: Kinderarzt Dr. Eugen Neter. Mannheim.
1. Die osmotische Konzentration der Säuglingsmilch-
mischungen und ihre praktische Bedeutung. Von Dr. Engel -
mann und Dr. Koch. Medizinische Klinik, 1910, Nr. 2.
2. Rektal instillationen bei Pylorospasmus. Von Dr.
Rosenstern. Deutsche med. Woehenschr., 1910, Nr. 1.
3. Zur Diphtherieepidemie. Von Dr. Much. Medizinische
Klinik, 1910, Nr. 3.
4. Zur Belehrung der Mütter in den Säuglingsfürsorge¬
stellen. Von Dr. Hans R o e d e r. Zeitschr. für Säuglings¬
fürsorge, 1909, Nr. 9.
1. Unter den verschiedenen Nachteilen der Kuhmilch-
mischungen spielt auch die Verminderung der osmotischen
Konzentration eine Rolle. Die Verf. zeigen nun, wie der
einfache Zusatz von nur wenig Kochsalz ca. DA g auf l Liter
Milchmischung — genügt, um die osmotische Konzentration
des- Nahrungsgemisches jener der Vollmilch (und auch der
Menschenmilch' nahezu gleich zu gestalten. Auf diese Weise
erkläre sich wohl der im Publikum weit verbreitete Zusatz
von einer ,,Prise“ Kochsalz zur Säuglingsnahrung.
2. Rosenstern berichtet über Beobachtungen aus dem
Finkelstein sehen Kinderasyl. Es handelt sich um vier Fälle
von Pylorus-Stenose, bei denen kontinuierliche Rektal -
Instillationen von Ring er scher Lösung
Na CI . . . . 7,5
K CI.0,42
Ca Cl 2 .... 0,24
Aq. 1000,0
eine prompte günstige Beeinflussung des Erbrechens erkennen
ließen. Die Instillationen wurden folgendermaßen ausgeführt:
In der Mitte eines langen L’rigatorschlauc.he.s wird ein Glas¬
rohr mit Hahn eingeschaltet, und das freie Ende des Schlauches
durch ein zweites Glasrohr mit einem längeren Darmschlauch
in Verbindung gesetzt. Das Darmrohr wird möglichst weit
eingeführt und durch Heftpflasterstreifen so am Anus ver¬
klebt, daß nichts ausfließen kann. Nach Füllung des Irrigators
wird dann der Hahn ein wenig gelüftet, so daß die Flüssigkeit
tropfenweise ausfließt, in der Minute etwa 30 4(1 Tropfen.
Der Apparat wird zweimal täglich für etwa zwei Stunden in
Anwendung gebracht, und es wird auf diese Weise dem Körper
ein größeres Quantum (ca. 500 ccm zugeführt.
3. Much betont in seinen Darlegungen die wichtigste
Forderung bei der Serumtherapie: möglichst frühzeitige An¬
wendung des Serums.
4. Roeders Ausführungen sind recht lesenswert; sie
zeigen, wie die bisherigen, den vielfachen Erwartungen nicht¬
entsprechenden, oft geringen Erfolge der Säuglingsfürsorge-
stellen eine Verbesserung der Methoden in der Belehrung und
eine Aenderung des Dienstbetriebes erforderlich machen. Ins¬
besondere ist der Fürsorge auch für die nicht so intensiv be¬
achteten späteren Säuglingsmonate (Abgewöhnen, Uebergang zu
anderer Nahrung etc.' ernste Aufmerksamkeit zu schenken.
Erst, mit der wirklichen Erziehung und Ausbildung der Mütter
dürfen nennenswerte Erfolge in der Bekämpfung der Säuglings-
sterbliphkeit erwartet werden.
Balneologie.
Referent: Dr. Max Hirsch, Bad Kudowa.
1. Festrede, gehalten am 23. Juni 1909 zur Feier
d e s 10 0 j ä hrigen Best e h e n s des N c n n d o r f e ; r
S c h 1 a m m ba des. V on Prof. Dr. Axel Winckler , kgL
dirigierendem Brunnenarzt am Bade Nenndorf.
2. Ueber Mineralwasserkuren. Von Dr. Josef Höhn,
Radein. Oesterr. Aerzte-Zeitung, 1909, Nr. 14.
3. Natürliches und künstliches Mineralwasser. Von San.
Rat Dr. Scherck, Bad Homburg. Zeitschr. für Balneo¬
logie etc., 1909, Nr. 3.
4. Chirurgische Balneotherapie. Von Prof. Carl Bayer.
Prager med. Woehenschr., 1909, Nr. 27 u. 28.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
S9
L
5. Beiträge zur Messung der Emanation. Von Dr. Lenk ei, !
Budapest, und Dr. Weisz, Pystian.
(i. Beitrag zur Frage der therapeutischen Wirkungsweise j
radioaktiver Heilquellen. Von Dr. Klug-, ..Freiheit.
7. Die Radioaktivität der Kreuznacher Solquellen. Von
Dr. K ;i r l A s e li li o i‘ f , Bad Kreuznach.
<S. Aerztliche Mitteilungen über Radium und dessen thera¬
peutische Verwendung in Bad Kreuznach. Herausgegebcn vom
Kreuznacher Aerzte-Verein, 1909.
1. Aus dieser weihevollen Festrede des bekannten Badearztes
Prof. V in ekler erfahren wir, daß Nenndorf im Jahre 1809 er¬
öffnet wurde, und zwar auf Veranlassung* von Jerome Bona¬
parte. dem jüngsten Bruder Napoleons, nachdem er kurz
vorher die Schwefelbäder Nenndorfs erfolgreich gegen seinen
Rheumatismus angewandt hatte und, da er auch die Vorzüge
der Schlammbäder in Frankreich kennen gelernt hatte, für deren
Einführung in Nenndorf eintrat. Die ersten Anlagen Nenndorfd
waren natürlich noch recht primitiv und wurden erst nach
den Freiheitskriegen von dem Kurfürsten Wilhelm I. von
H esse n - K a s s e 1 wesentlich verbessert und vervollkommnet.
Das Bad entwickelte sich zusehends bis zum Jahre 1850, worauf
ein kurzer Stillstand in der Entwicklung des Kurortes ein¬
trat. Als Nenndorf im Jahre 186G in den Besitz des König¬
reichs Preußen überging, nahm das Bad wieder einen leb¬
haften Aufschwung. Besonders unter der Regierung unseres
jetzigen Kaisers sind wesentliche Neueinrichtungen getroffen
worden, und zwar zunächst der Bau eines Schlammbadehäuses
im Jahre 1890 1892 und eines zweiten SchlammbaclehauseS
schon im Jahre 190(1. Vortr. gibt sodann einen Ueberblick
über die historische Entwicklung der Schlammbäder zu Heil¬
zwecken und über die Heilkraft der Nenndorfer Schlammbäder,
die sich besonders bei Gicht, Rheumatismus und Ischias be¬
währt haben. Die wissenschaftliche Stellung, welche Nenndorf
in der Balneologie einnimmt, dürfte eine Gewähr für die weitere
gute Entwicklung des Bades bieten.
2. Verf. macht uns in dieser lesenswerten Abhandlung
mit seinen recht guten Anschauungen bekannt, die zwar nicht
immer neu sind, aber doch möglichst weite Verbreitung ver¬
dienen. So müssen wir unbedingt dein Gedanken zustimmen, !
daß man bei der Beurteilung von Mineralwässern nicht immer j
auf die einzelnen Stoffe Rücksicht nehmen soll,'wie es jetzt
durch das durch nichts gerechtfertigte Vorherrschen des Che¬
mikers in der Kritik der Mineralwässer üblich ist, sondern
daß man vielmehr jedes Mineralwasser als ein Ganzes an-
se.lien muß, in welchem die darin enthaltenen Stoffe vereint
wirken, mögen sie an Menge auch noch so gering sein und
von uns vielleicht noch gar nicht gekannt'werden. Auch darin
werden wir unbedingt dem Verf. Recht geben, daß die Balneo¬
logie und Balneotherapie noch immer ein höchst stiefmütter¬
lich behandeltes Gebiet der Medizin ist, das einerseits wissen¬
schaftlich nicht genügend kultiviert wird und andererseits durch
die mitunter unverantwortliche Reklame von Badeverwaltungen
noch verzerrt wird. Verf. — und mit ihm wohl auch alle
Baineologen erwartet von der Gründung des Balneologi-
selien Zentralinstituts in Frankfurt a. M. eine Wendung zum
Besseren auf diesem Gebiet. Auch betont Verf., daß die
Chemie in der Beurteilung der Mineralwässer heute eine zu 1
große Rolle spielt. Die Chemie kann nur die einzelnen Be¬
standteile im Brunnen ermitteln, während die Zusammensetzung
der Salze durch Berechnung rekonstruiert wird, also doch nur
willkürlich ist. Wie aber die Natur die einzelnen Salze wirk¬
lich gruppiert hat, das zu erforschen ist uns bis jetzt noch
nicht, gelungen, und darin sucht Verf. das Problematische der
künstlichen Nachahmung der Mineralquellen. Er geht sogar so
weit, das du B o i s - R e y m o n d sehe Wort ,,Ignorabimus“ auch
in dieser Frage auszusprechen. Ref. meint jedoch, man solle mit'
solchen Unmöglichkeitsprophezeiungen recht vorsichtig sein, da
' man doch nie weiß, ob nicht der künftige Tag schon Fortschritte
mit sich bringt, welche ungeahnte Lösungen schwerster Probleme
zur Folge haben können.
3. Ebenso wie der Verf. der eben referierten Schrift steht .
auch Sehe r c k auf dem Standpunkt, daß künstliche Mineral- ,
Wässer nicht imstande sind, die natürlichen zu ersetzen. Auch
er sieht die Ursache dafür in der willkürlichen Kombination der
Basen und Säuren zu Salzen, welche zunächst durch v. Th an
kritisch beleuchtet und später durch Liebreich ebenfalls
energisch abgelehnt wurde. Die Ionenlehre hat Th ans und ;
Liebreichs Anschauungen wesentlich gestützt, und auch |
das Studium der Radioaktivität hat der Balneotherapie in dieser
Frage wichtige Ausblicke eröffnet. Scho r c k referiert Lochs
Experimente, aus denen hervorgeht, daß 314 proz. Meerwasser
eine andere Wirkung auf die Lebensfähigkeit des Fisches ausübt
als künstliches Meerwasser, und daß minimale Mengen anderer
Salzverbindungen genügen, um ein lebensbedingendes Niveau
zu liefern. Was wir heute der radioaktiven Emanation zu-
schreibcn, hat Li e big bereits geahnt, indem er manche Heil¬
quellenwirkung auf elektromagnetische Verhältnisse zurück¬
zuführen suchte. Scherck, der ja auf dem Gebiete der
katalytischen Vorgänge sich eifrig betätigt, glaubt, daß auch
die Katalyse in der Balneotherapie eine große Rolle spielt. Nach
dem heutigen Stande der Wissenschaft wird man diese Auf¬
fassung Schereks durchaus teilen müssen. Daß wir die ein¬
zelnen Katalysatoren nicht immer kennen, liegt daran, daß sie
oft in so kleinen Mengen vorhanden sind, daß ihre Messung
fast unmöglich ist. Aehnlich liegen ja auch die Verhältnisse
bei der Radioaktivität. Aber die geringen Mengen der einzelnen
Katalysatoren sind nicht maßgebend dafür, ob sie überhaupt
wirksa[m sind oder nicht. Als eine wichtige Frage in der
Unterscheidung* der künstlichen und natürlichen Mineralwässer
sieht er auch die der Kohlensäure an. Dabei ist sehr wichtig 1
die langsame Entwicklung der Kohlensäure in den natürlichen
Quellen gegenüber ihrer schnellen Verflüchtigung in den künst¬
lichen Kohlensäurebädern. Interessant ist, daß die modernsten
Fortschritte der physikalischen Chemie die alten empirischen
Erfahrungsätze der Balneologie, für die man keine Erklärung
gefunden hafte, bestätigen. Durch diese Fortschritte hat man
gelernt, daß gerade die Spuren mancher Brunnenbestandteile,
die man ihrer geringen Menge wegen früher vernachlässigte,
oft wichtige, wenn nicht gar die wichtigsten Bestandteile des
Brunnens sind.
4. In ein außerordentlich wichtiges und interessantes Gebiet
führt; uns der Vortrag von Prof. Bayer, nämlich in die chirur¬
gische Balneotherapie, deren Bearbeitung durchaus noch keine
genügende ist. Verfasser gibt zunächst einen Ueberblick über
seine Behandlungsart der Frakturen. Nach Möglichkeit ver¬
meidet er primäre Gipsverbände, er wendet vielmehr nach
der Reposition zunächst wattierte Schienen an, die er
bei Schwellungen durch Umschläge mit essigsaurer Tonerde,
ergänzt. Nach der dritten Woche kommen für ihn heiße Bäder
und aktive Bewegungen in Frage, event. unter Zuhilfenahme
von leicht abnehmbaren Schienen. Frühzeitige Massage ver¬
meidet er; dagegen plädiert er für die Kombination mit elek¬
trischen Bädern. Gegen die Kontrakturen verwirft er die
passiven Streckungen und Beugungen und empfiehlt an ihrer
Stelle vielmehr die Distraktion mittels allmählich gesteigerter
Gewichis''xtension. unterstützt durch mäßige Stauung und Heiß-
wasserum. ehläge. Dieses therapeutische Vorgehen bewährt sich
besonders- bei all denjenigen Frakturen, bei denen eine Ex-
tension von vornherein notwendig war, also an den langen
Röhrenknochen des Humerus und Femur. Für die Extensione.n
empfiehlt Verf. Heftpflasterstreifen, nur bei besonders emp¬
findlicher Haut einfache, nach Maß gefertigte hülsenförmige
Bandagen. Knieseheibenbrüche, namentlich alter Leute, sollten
nur mit Extensionsverbänden behandelt werden, Frakturen des
Humerushalses und des Schenkelhalses ebenfalls ganz ohne Ver¬
band, nur durch gute zweckmäßige Lagerung. Durch diese
Behandlungsmethoden kürzt man vor allem die langwierige
Nachbehandlung wesentlich ab.
Die wichtigste Nachbehandlung ist die der Oedeme und
Kontrakturen, welche am besten mit den Heilmitteln der Balneo¬
therapie erzielt wird. Besonders wirken Moor- und Thermal¬
bäder auf Schmerzen, Oedeme, Steifigkeit und Funktionsstörun¬
gen günstig ein. Die besten Anwendungsformen sind pro¬
longierte, heiße, lokale Moorpackungen oder Moorbäder mit
folgenden prolongierten Thermal- und Kohlensäure- oder Salz-
bädern mit Gelenkübungeil. Ebenso sind auch die nach Gelenk-
luxationen und Distorsionen zurückbleibenden Funktionsstörun¬
gen zu behandeln. Hier kommt zunächst Ruhe unter Weglassung
aller starren Verbände in Frage, danach hydropathische Ein¬
packungen und heiße Bäder und schon von der zweiten Woche
an vorsichtige Gelenkbewegungen. Auch in diesen Fällen soll
man mit eler Massage nicht zu schnell bei der Hand sein.
Gegen die Schmerzen, welche nach Distorsionen ein treten, und
gewöhnlich recht lange anhalten, sind die wirksamsten Mittel
Moor- und Thermalbäder. Auch die'Folgekrankheiten entzünd¬
licher Affektionen werden durch die Balneotherapie günstig
beeinflußt, \yobei namentlich die perityphlitischen und para-
HIGAN
90
THE&APETJTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 6
niotritischen Exsudate ein dankbares Gebiet der Balneotherapie
darstellen.
Von großer Bedeutung sind die .Jodsolbäder bei den elironi-
seben weichen LymphdrüsenanschwelJungen tuberkulöser Natur,
die sich für die chirurgische Behandlung nicht eignen. Die
chronischen Entzündungen chirurgischer Art, wie .Periost¬
entzündungen, reagieren günstig auf prolongierte Thermalbäder;
ebenso Beckenbindegewebs -Phlegmonen sowie retroperi toneale
Eiterungen. Die prolongierten Badekuren sind auch bei serösen
Gelenkergüssen von großem Wert, besonders wenn sie von Moor-
umschlägen unterstützt werden. Heiße lokale Moor-, Mineral -
und Thermalbäder, mit den verschiedensten Behandlungs¬
methoden kombiniert, sind auch gegen die schweren Formen
gonorrhoischer Arthritis wirksam, ferner auch gegen die rheu¬
matischen, uratischen und deformierenden G elenkaff ektionen.
Die kallösen Unterschenkelgeschwüre, die durch ihren torpiden
Charakter nur langsam heilen, werden durch dieselben heißen
Bäder gut beeinflußt. Bei akut entzündeten Hämorrhoiden und
den damit verbundenen Schmerzen empfiehlt Verf. die oft ge¬
wechselten Heißwasserkompressen im Gegensatz zu den ge¬
wöhnlich üblichen Eisapplikationen, bei denen die Gefahr der
Nekrose recht groß ist. Zum Schluß hebt Verfasser noch die
Wichtigkeit der Bäder für die chirurgischen Rekonvaleszenten
hervor.
5. Auf dem Gebiete der Emanationsmessung herrschen zur¬
zeit noch so wirre Begriffe, daß ein so ausgezeichneter Radium -
forscher wie Dr. Lachmann, Landeck, die Behauptung auf¬
stellen konnte, man könne jede gewünschte Radiummenge her¬
ausmessen, wenn man nur die Apparate danach von Fall zu
Fall konstruierte. Nicht minder groß ist, wie namentlich Dr.
Riedel, Straßburg, gezeigt hat, die Zahl der Fehlerquellen
in der Emanationsmessung. Aus diesen Gründen sind alle Bei¬
träge über die Emanationsmessung von großer Bedeutung, da
ausgiebige wissenschaftliche Arbeiten schließlich doch dazu
führen dürften, auf diesem Gebiete Klarheit und Ordnung zu
schaffen. Dadurch daß die Radiumemanation die elektrische
Leitfähigkeit der Luft erhöht, hat man zunächst das alte
Elektroskqp für die Messung der Emanation herangezogen. Die
Untersuchungen der Verfasser haben nun ergeben, daß die
Spannungsverluste bei den Messungen fortwährenden
Schwankungen unterworfen sind. Die Ursache für diese Er¬
scheinung dürfte die. sein, daß die Gefäßwände des Elektrometers;
durch Strahlen, welche durch sie hindurchdringen, radioaktiv
gemacht werden. Auch die Temperatur übt einen Einfluß auf
die Emanationsmessung und ihre Fehlerquellen aus. Die Ver¬
suche der Verfasser, welche mit außerordentlicher Sorgfalt
ausgeführt sind, führten sie zu den verschiedenen Vorschlägen.
So, sollten die Temperaturänderungen am Elektrometer dauernd
thermometrisch festgestellt und kontrolliert werden. Ferner
soll die Messung am besten in geschlossenen Räumen vor-
genommen und Sonnenstrahlen und Wind ferngehalten werden.
Temperaturwechsel ist möglichst zu vermeiden. Auch soll das In¬
strument mit der Umgebung in ein Temperaturgleichgewicht ge¬
bracht werden. Es folgt dann noch eine Reihe weiterer ein¬
gehender Vorschläge, die auszuführen ah dieser Stelle zu weit
führen würde, die es aber verdienen, nach Möglichkeit berück¬
sichtigt zu werden, um Fehlerquellen bei der Radioaktiv-
messung, so weit es tunlich ist, zu vermeiden.
6. Verf. untersuchte die Radioaktivität der Therme von
Johannisbad und konnte nachweisen, daß sowohl das Thermal-
wasser von Johannisbad wie auch die daraus entweichenden
Gase radioaktiv sind. Die physiologische Wirkung der Radium-
strahlen zeigte sich daran, daß sie auf der gesunden mensch¬
lichen Haut krankhafte Veränderungen in Form von Erythemen
bis zu schwer heilbaren, verbrennungsartigen Erscheinungen
hervorriefen und eine Aehnlichkeit mit den Röntgenstrahlen,
zeigten. Auf diese Erscheinungen führt man die heilende Wir¬
kung der radioaktiven Strahlen bei Psoriasis, Sykosis, Favus,
Angiom, Lupus und dem oberflächlichen Hautkrebs zurück.
Ferner konnte auch ein günstiger Einfluß der radioaktiven
Bestrahlung auf rheumatische und neuralgische Schmerzen fest-
gestellt werden. Verf. sieht als die Wirkung der Radiumemana¬
tion nicht nur die Strahlenwirkung an sich an, sondern er
glaubt auch, daß die elektrischen Verhältnisse des Körpers und
der davon abhängige Stoffwechsel durch das Radium beeinflußt
werden. So sah Verfasser, daß eine Patientin, der er zu¬
gleich eine Kapsel mit 1 mg reinem Radiumbromid auf die
Stirn setzte, den faradischen Strom schwächer empfand. Unter
der Radiumbehandlung schwächte sich also bei dieser Patientin
die Empfindung für den elektrischen Strom ab. Aus dieser Er¬
scheinung zieht Verf. den Schluß, daß der elektrische Strom
durch die Radiumeinwirkung an Stärke abgenommen bat.
Weitere Versuche brachten Verf. zu der l eberzeugung, daß
diese Differenz von elektrischer Energie von dem Radium auf-
genommen wird. Diese Anschauung glaubt er durch eine Reihe
von Versuchen bewiesen zu haben. Verfasser ist der Ansicht,
daß die Beurteilung der Einwirkung radioaktiver Substanzen
auf den menschlichen Organismus sich in zweifacher Bahn
bewegen müsse, nämlich in b?zug auf ihre die Elektrizität ent¬
ziehende Eigenschaft und mit Rücksicht auf die von ihm aus¬
gehende direkte Strahlenwirkung. Der erst;»,re Punkt, ist noch
vollständig vernachlässigt worden, aber Verfasser glaubt, daß
ihm eine größere Bedeutung zuzusch reihen sei. Seme Auffassung
geht nun dahin, daß man gerade durch die die Elektrizität ent¬
ziehende Eigenschaft des Radiums die Wirkung der chemisch und
thermisch indifferenten Thermen auf die Erkrankung des Nerven¬
systems, zentralen wie peripheren Ursprungs, zurückführen kann.
Ebenso glaubt Verfasser, daß durch die Regulierung der elek¬
trischen Vorgänge durch die Radioaktivität der Bäder auch der
chronische Muskel- und Gelenkrheumatismus in den radioaktiven
Thermen beeinflußt wird. Wieweit die Ansicht des Verfassers,
daß Stoffwechselstörungen durch die radioaktiven Quellen be¬
einflußt werden, allgemeine Anerkennung finden dürfte, möge
hier dahingestellt sein. Die günstige Beeinflussung von Haut-
affektionen und Geschwürsbildungen erklärt er durch die direkte
Strahlenwirkung der Emanation der Bäder. Da die Luft über
den Heilquellen natürlich an Emanation außerordentlich reich
ist, wird auch durch die Einatmung dieser Luft dem Körper
viel Emanation zugeführt, und Verfasser spricht sich dahin
aus, daß die Einatmung der Emanation mit der Badeluft einen
sehr großen Effekt auf das Gewebsleben des Organismus aus¬
übt. Aus diesem Grunde empfiehlt er, die Luft in den Bädern
mit Emanation möglichst anzureichern, worauf bereits BÖ wen -
t h a 1, Braunschweig, hingewiesen hat.
7. Verf. hat die Untersuchungen, die mit den Kreuznach er
Solquellen hinsichtlich ihrer Radioaktivität in den .fahren 1904
bis 1909 gemacht wurden*..in filier jfopftchü rc zusammerugefaßt.
Die starke Radioaktivität der Kreuznacher Solquellen wurde
von dem Verfasser im Jahre 1901 festgestellt und durch Elster
und G eitel bestätigt. Es gelang dem Verf. auch, aus dem
Sinter der Kreuznacher Quellen größere Barytmengen zu iso¬
lieren; allmählich gelang es, die Radiumsalze herzustellen. Seit¬
dem werden aus dem Wasser der Kreuznacher Quellen fabrik¬
mäßig die Radiumsalze hergestellt, die in verschiedenen Formen
in den Handel kommen. Verfasser verspricht sich, hoffentlich
mit Recht,, daß der reiche Gehalt der Kreuznacher Quellen
an Radium ein wichtiger therapeutischer Faktor Mieses Bades
sein dürfte.
8. Es handelt sich hier um eine Zusammenstellung der
wichtigsten Arbeiten über , die therapeutische Verwendung und
Bedeutung des Radiums in den Kreuznacher Quellen. Zunächst
wird der Vortrag* von dem inzwischen leider verstorbenen Ge¬
heimrat Dr. Engel mann, Kreuznach, angeführt, der in der
Baineologischen Gesellschaft in Berlin im Jahre 1909 gehalten
und in dieser Zeitschrift referiert wurde.
Es folgen „Einige Bemerkungen über die im Sommer 1908
mit Radiumemanationsbädern und mit lokaler Anwendung ge¬
machten Erfahrungen“ von Dr. Max Marckwald, Kreuz¬
nach. Verf. behandelte mit Radiumemanationsbädern Fälle von
chronisch entzündlichen Exsudaten, von chronischem Muskel -
rheumatismus, von Neuralgien, Ischias, Fälle von Symptomen
skrofulöser Natur am Halse, Fälle von chronischer Arthritis
und schließlich einen Fall von Tabes dorsalis incipiens. Die
Zahl der Bäder schwankte bei den einzelnen Patienten zwischen
15 und 25, während ihre Dauer von 20—35 Min. un,d ihre
Temperatur von 34—36 Grad C. differierte. Die, Radium-
emanationsbäder sind durchaus gut vertragen worden, und haben
niemals unangenehme Nebenwirkungen hervorgerufen. Leider
war, wie cs in der Balneotherapie ja so oft vorkommt, die
Zeit der Behandlung und der Beobachtung zu kurz, um von
einer definitiven Besserung und Heilung sprechen zu können;
aber doch zeigte sich eine günstige Einwirkung der Radium -
bäder bei den chronisch entzündlichen Prozessen und den skrofu¬
lösen Drüsentumoren, ferner bei chronischem Muskelrheumatis¬
mus und Neuralgien. Die günstige Einwirkung dokumentierte
sich dadurch, daß Schwellung und Schmerzhaftigkeit schneller
beseitigt wurden als Ipei den gewöhnlichen Sole-Mutterlaugen-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU,
91
■ :w
Hadern. Die Erfolge der Radio! hcrapie Schemen bei chronischer
Arthritis ganz besonders günstige zu sein.
Aus der Arbeit ,,Klinische Beobachtungen über die W irkung
der Kreuznacher Radium-Emanations-Bäder 1 von I)r. Keinen,
Kreuznach, ergibt sich, daß die Kreuznacher Solquellen zu den
stärksten radiunihaltigen Quellen gehören. Auch dieser Ver¬
fasser hat bei einer großen Reihe von Krankheiten mit dem
Radium günstige Erfahrungen gemacht. Besonders hebt er her¬
vor. daß sich nach dem zweiten bis dritten Bade, in seltenen
ballen erst später, bei chronischen Gelenkkrankheiten eine der¬
artige Einwirkung auf die Gelenke zeigt., daß Schmerzen ent¬
stehen, welche das W eiterbaden für einige Tage unmöglich
machen. Mit dem Abklingen dieser Reaktion erfolgt dann eine
Besserung in den erkrankten Gelenken. Verf. spricht die An¬
sicht aus, daß ein Diffundieren der gasförmigen Emanation durch
di e Haut sehr wohl möglich ist und daß ganz besonders durch
das Radium ein Reiz auf die Nervenenden ausgeübt wird. Er
sieht als eine wichtige Einwirkung des Radiums auf den Or¬
ganismus einen Einfluß auf den Stoffwechsel an. Als Kurform
empfiehlt er die Bade- und Trinkkuren.
Pathologische Anatomie.
Referent: Stabsarzt Dr. Geissler, Neu-Ruppin.
1. Mzlformation de I’oesophage thoraeique avec occlusion du
bout superieur et abouchement du bout inferieur dans la
trachee. Von .J. G u y o t. Bullet, et memoir. de la societe
anatomiq. de Paris 1907, Nr. 4.
2. Cancer primitif de la pRvre. Von M. Claret. Bull,
et mem. de la soc. anat. de Paris 1907, 7.
3- Fibro-sarcoma myxomatodes pleurae permaguum. Von
R. M e h r d o r f. Beitrag zur Kenntnis der primären Pleura-
tumoren. (Aus dem path. Inst, der Univ. Göttingen. 1 Virch.
Arch., Bd. 193, 3.
4. Cancer du rein avec volumineux Kyste hematique. Von
Eegry et Duvoir. Journal de physiolog. et de patholog.
generale. Tome II, 1909, Nr. 3.
Lieber den Gehalt käsig-kreidiger Lymphdriisen an
Tuberkelbazillen. Von L. W eiß. (Aus dem path.-anat. Inst,
des allgem. Krankenh. in Eppendorf.' Münchener med. Wochen¬
schrift, 1909, Nr. 9.
1. Bei. einem Kind ■ wurde der angeborene Analverschluß
operativ eröffnet. Der Mutter fiel auf, daß das Kind kaum
Nahrung nahm und schon nach 2—3 Saugzügen blau wurde.
Es verhungerte nach wenigen Tagen. Die Operation war gut
gelungen. Die Sektion zeigte, daß der obere Speiseröhrenteil
schon nach 5 cm langen Verlauf blind endigte, der untere mit
seinem oberen Ende von hinten her in die Trachea einmündete.
Verf. bespricht die verschiedenen Mißbildungsformen, die man
am Oesophagus beobachten kann, die Diagnose und Therapie
und verlangt für alle Fälle, bei denen ein Verdacht des Oeso-
phagusverschlusses vorhanden ist, die Autopsie.
2. Die Erkrankung der Pleura an Karzinom läßt sich trotz
einiger gegnerischer Stimmen nicht, mehr in Abrede stellen.
Ein 42 jähriger Mann litt an großer Atemnot. Die Diagnose
ergab einen großen Flüssigkeitserguß in der linken Brusthöhle'
der die Punktion erforderte, sich aber schon nach zwei Tagen
wieder angesammelt hatte. Diese schnelle Ergänzung ließ es
ratsam erscheinen, ihm nur alle Wochen eine kleiner« Punktion
zu machen, und machte einen vorhandenen Tumor wahrschein¬
licher. Der Kranke ging infolge von Kachexie schnell zugrunde.
Die Obduktion ergab einen Krebs der. gesamten Pleura. Durch
die mikroskopische Untersuchung wurde festgestellt, daß ein
Endptheliom vorlag. Auf der Pleura der rechten Lunge fanden
sich Metastasen. Die Lungen waren gesund.
3. Endotheliome und Sarkome der Pleura sind relativ häufig,
äußerst selten, bisher nur einmal beschrieben fibrosarkomatöse
Tumoren. Nach einer Uebersicht, der an der Pleura, möglichen
Geschwülste (Fibrome, Lipome, Angiomo, Chondrome, Osteome,
tumorartige Tuberkulose, Endotheliome und Sarkome) be¬
schreibt Verf. seinen Fall. Die 43 jährige Pat. erkrankte mit
Rückenschmerzen, Luftmangel und Schwindelgefühl. Klinisch
fand sich rechts vorn bis zur dritten Rippe aufwärts Resistenz!
und Dämpfung, hinten ebenso -bis zur Mitte des Schulter¬
blatts, schwaches Atemgeräusch, pleuritisches Reiben, Pleura -
punktion negativ, ebenso später eine Probelaparotomie. Nach
J /2 Jahr Exitus. Die Obduktion ergab in der rechten Thorax¬
hälfte einen mächtigen Tumor, der die Lunge ganz nach oben
gedrängt hatte, uud an zwei Stellen mit der Pleura costalis,
an einer mit dem Perikard verwachsen war. Sein Gewicht betrug
32,70 g, seine Oberfläche war glatt, seine Konsistenz derb;
nirgends bestanden Erweichungsherde. Die Schnittfläche sah
grau-weiß, glasig aus. Stellenweise lag Blut im Gewebe. Die
mikroskopische Untersuchung ergab einen Reichtum an Binde¬
gewebe, dessen Züge wellig angeordnet waren. Die. Zellen
hatten spindelförmige Kerne. An der Peripherie der Geschwulst
trat das Bindegewebe mehr zurück, es fanden sich reichlich
zellige Elemente. Die Kerne waren rundlich und standen mit
dem Bindegewbe nicht in Verbindung. Augenscheinlich hatten
sich hier die Kerne vom Bindegewebe zu selbständigen Zellen
differenziert und waren in sarkomatöse Wucherung eingetreten.
Im Zentrum waren die sonst dichten Bindegewebszüge zu einem
feinfaserigen Netzwerk auseinandergewichen und manche Zellen
in eine myxomatöse Umwandlung'eingetreten. Diagnose: Fibro-
sarcoma myxomatodes. Die Ausgangsstelle des- Tumors war
mit Sicherheit nicht zu bestimmen, seine Entstehung aber von
der Pleura wahrscheinlich ebenso zu erklären, wie die Bildung
der subserösen Myome des Uterus, die ja auch zu einem freien
Körper werden. Der aus» der Literatur bekannte Parallelfall
findet .ausführliche Besprechung.
4. Le ig r y und Duvoir beschreiben einen der recht seltenen
Fälle von Nierenkarzinom mit umfangreicher Blutzyste. Die
Geschwulst war kindkopf-groß und intra vitam mit Leichtigkeit
abzutasten. Welchem Organ sie angehörte, ließ sich nicht ent¬
scheiden. Der Träger hatte sie nicht bemerkt, er war wegen
einer schnell fortschreitenden linksseitigen Hemiparese ins
Krankenhaus gekommen. In der linken Oberschlüsselbeingrube
lag ein runder, beweglicher, eigroßer Knoten, der schon zwei
Jahre alt sein sollte. Der Kranke verließ das Krankenhaus,
ohne daß man eine sichere Diagnose gestellt hatte, kam aber
nach 3 Monaten wieder. Zur Diagnose wurde die- Geschwulst
über dem Schlüsselbein entfernt. Der mikroskopische Befund
ergab ein Epitheliom, gleichwohl mußte wegen des langsamen
Krankheit?Verlaufs die klinische Diagnose in der Schwebe
bleiben; fünf Tage nach Exstirpation eines Stück des Bauch -
tumors, wobei etwa 1 Liter blutiger Flüssigkeit abfloß, starb
der Kranke. Die Obduktion ergab einen 1850 g schweren,
mit der linken Niere zusammenhängenden Tumor, der zu einem
Teil aus rot-weißem, im Zentrum nekrotischem Gewebe, zum
anderen aus einer großen Höhle bestand. An der Aorta ent¬
lang lagen zahlreiche Drüsenmetastasen. Durch die mikrosko¬
pische Untersuchung wurde ein Epithelialkrebs festgestellt. Die
Zyste war entstanden durch Nekrose von Karzinomgewebe und
Blutanfüllung aus zerrissenen Gefäßen.
5. M lieh hat gefunden, daß in tuberkulösen Drüsen, in denen
Tuberkelbazillen nach Z i e h 1 nicht nachgewiesen werden
konnten, nach Gram eine granuläre Form des Tuberkulose -
virus zu finden war. Nach Mitteilung der Anordnung der
Färbungen, die mit gewissen Schwierigkeiten verbunden und nur
mühsam zu erlernen ist, beschreibt Verf. Lage und Art der
manchmal schwer auffindbaren granulierten Stäbchen und
danach seine eigenen Befunde hei 8 Fällen. In Fällen, in
denen nach Z fehle nichts zu finden war, fiel Grams Me¬
thode positiv aus.. Die granulierten Stäbchen konnte er nicht
nur in den Hals-, sondern auch im käsigen Inhalt von Bron¬
chial- und Mesenteriialdrüsen nach weisen. Die neue Methode,
das Virus zu erkennen, ist vielleicht geeignet, Folgerungen
zuzulassen, ob eine Infektion mit Menschen- oder Rindertuber¬
kulose erfolgt ist. Bei isolierter Drüsentuberkulose verharren
vielleicht die bazillären Bestandteile, in den Drüsen in einer
für den Körper günstigen Weise im Sinne einer Immunisierung.
Varia.
Historische Notizen über Asthma. Von G. Goldschmidt,
Bad Reichenhall. Aerztliche Rundschau, 1910, Nr. 2.
Verfasser gibt einen Ueberblick über die Geschichte des
Asthmas, der vielfachen Wandlungen des Namens und der Auf¬
fassung des merkwürdigen Symptomenkomplexes. Kraftvoll schil¬
dert Are t äus von K ap p a d o z i e n die Erkrankung, aber
er beschreibt weder die wesentlichen Symptome des Asthmas,
noch beschränkt er sich auf das Asthma allein, sondern um-,
faßt alle möglichen Krankheiten, die mit erschwertem, keuchen¬
dem Atmen einhergehen. Viel klarer beschreibt Seneca das
Asthma, da er selbst an dieser Krankheit gelitten hat. Galen
/ERSI
t
92
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. (>
gibt als Symptome cles Asthmas eine schleimige, flache, kurze
Respiration an* Das Wort Asthma wird häufig hei II i p p o -
k r a t e s gebraucht, aber nicht genau charakterisiert. (’ e 1 s u s ,
der viel früher als A ro t a us gelebt, teilt alle Krankheiten
mit erschwertem Atem in drei I Iauptgruppcn ein, die dem
Grade nach unterscheidbar sind. Diesen Krankheiten wird auch
der diphtheritische Croup, vielleicht auch außer dem Asthma
die Bronchitis capillaris und das Emphysem beigezählt. Die
Araber haben sich in der Lehre vom Asthma, ebenso wie
der übrigen Medizin, streng nach Galen gerichtet. Im
15., 16. und 17. Jahrhundert werden die Ansichten Ga lens und
des C eis us fast wörtlich wieder gegeben, ln bestimmterer
Weise spricht sich der. Engländer Williams aus: er kennt
ein auf Verstopfung der Bronchialröhren beruhendes Asthma
pneumonicum und ein auf einem Krampf der motorischen Fasern
beruhendes Asthma convulsivum. Auch ein Zeitgenosse J oh.
Floyer führt das Asthma auf einen Krampf zurück. Unter
den deutschen Autoren des 18. Jahrhunderts ist es F r i e d r i e h
Hoffman li. der die Ursache des Leidens in „einer Zu¬
sammenschnürung der die Lungenzellen umkleidenden Schleim¬
haut“ sieht. Die Verwirrung, welche die eben erst erkannten 1
Tatsachen der Physiologie, und ihre Uebertragung auf patho¬
logische Prozesse an richteten, spiegelt gegen Ende des 18. Jahr¬
hunderts in der. unglaublichsten Nomenklatur in den Schriften
über Asthma wieder, bis Oullen die chronische Engbrüstig 1
keit von der paroxysmalen trennt und für letztere den Aus¬
druck Asthma akzeptiert. Im Anfang des vorigen Jahrhunderts
geht unter dem Suchen nach anatomischen Grundlagen die
wohltätige Präzision des Begriffes Asthma verloren. Laennoc
hält als die häufigste Ursache des Leidens einen Catarrhe sec
nebst Emphysem. Ebenso meint Rokitansky, den meist
für nervös gehaltenen Asthmen läge Emphysem zugrunde, des¬
gleichen Heule. Romberg nimmt ein Asthma als Folge
einer Verletzung des N. vagus an und dann eine zweite Form,
beruhend auf einer Lähmung der Spinalnerven, die die Rumpf-
muskeln innervieren. Nach Traube ist das Asthma ein nur
bei Nervösen vorkommender Katarrh der kleinsten Luftwege.
Was nun die moderne Literatur über Asthma betrifft, so ist .
wohl zunächst Trouneau das Verdienst zuzuschreiben, das
klinische Bild möglichst genau gezeichnet zu haben. Einen
bedeutsamen Fund macht dann Leyden mit der Entdeckung
der Kristalle und C ursch mann mit der der Spiralen im
Sputum. Verfasser selbst sieht das Asthma lediglich als Spas¬
mus der Bronchiolenmuskeln an, Pieniazeck dagegen als |
Produkt einer rein katarrhalisch hyperämischen Schwellung.
Hagenbe rg ist in seinem kasuistischen Beitrag zum Asthma
Anhänger der nasogenen Theorie. In therapeutischer Beziehung
hat wohl in jüngster Zeit das größte Aufsehen die Ansicht
Strümpells gemacht, der gegen das Asthma elektrische
Lichtbäder empfiehlt. v. Rutkowski, Berlin.
Die Essigsäureprobe zur Unterscheidung der Exsudate und
Transsudate. Von Iv. Piepser, Straßburg. Münchener med.
Wochenschr., 1910, Nr. 1.
Verfasser wandte bei einer großen Anzahl von Punktions-
fli'issigkeit die Essigsäureprobe nach Moritz und nach R i -
valta zur Unterscheidung von Exsudat und Transsudat an.
Nach den Untersuchungen von Moritz verursachen wenige
Tropfen einer 5 proz. Essigsäure in Exsudaten eine Trübung
durch Ausfälleh eines Eiweißkörpers, während in Trans¬
sudaten diese Trübung ausblieb. Die Rivaltasche Methode ,
läßt tropfenweise die Punktionsflüssigkeit in verdünnte Essig- I
säure fallen, auch hier trübt sich nur das Exsudat. Nach den
Untersuchungen des Verfassers sind beide Methoden zuverlässig.
Die Probe nach Ri valta zeigt den negativen Ausfall augen¬
fälliger und zuweilen auch schärfer an, während das Moritz -
sehe Verfahren einfacher in der Ausführung ist und auch für
Lumbalpunktale angewendet werden kann.
v. Rutkowski, ;Berli, ! n.
Beitrag zur Hämophilie mit spezieller Berücksichtigung
der Gerinnungsverhältnisse des Blutes an Hand von Gerinnungs¬
kurven. Von K. Koftmn.nn und A. Lidsky, Bern. Münch,
mecl. Wochenschr., 1910, Nr. 1.
Mittels des nach Angaben der Verfasser konstruierten
Koaguloviskosimeter wurden die Gerinnungsverhältnisse des
Hämophilieblutes graphisch dargeste.il t. Diese Kurven ergaben
ferner, daß nach Zusatz von Thrombokinase (0,05 auf 1 ccm
Blut) oder Serum (0,05 auf 1 ccm Blut) die Blutgerinnung einen
beschleunigten Verlauf zeigt. Man kann demnach mit Sicherheit
auuehmen, daß bei Hämophilie die Bildung des Fibrinfermentes
behindert ist und zwar infolge Mangels an Thrombokinase.
Als Therapie empfehlen die Verfasser lpei Blutungen der Hämo¬
philen Tamponierung der Wunde mit frischem Tierblut oder
aus demselben frisch bereiteten Serum oder Durchtränkung des
Tampons aus selbstberciteter Thrombokinasenlösung, die sich
rasch und einfach in genügender Menge durch wässerigen Anzug
aus einer zerhackten und zerriebenen frischen Kaninchen- oder
anderen Tierleber darstellen läßt.
• v. R u 1 k o w s k i , Berlin.
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Zur Therapie des Furunkels im äußeren Geliörgaig.
Von Dr. Fr. Bruch, Seckenheim (Baden . Münchener med.
Wochenschr., 1909, Nr. 50.
2. Die intravenöse Kollargoltherapie bei puerperaler Sepsis
und anderen septischen Erkrankungen. Von Ass. Arzt Dr.
Al brecht, München. Ibidem, Nr. 51.
3. Kasuistischer Beitrag zur Suprareninwirkung. Von Ass.
Arzt Dr. Dengg, Schömberg. Ibidem, Nr. 52.
4. Ueber Pergenol. Von Dr. F. Zernik. Pharmazeut.
Zentralhalle, 1910, Nr. 1. (Referat aus Apoth.-Ztg., 1909,
S. 664.)
5. Die Verwendung des Alsols bei Frauenkrankheiten und
in der Geburtshilfe. Pharm. Zentralhalle, 1910, Nr. 20. Referat.. '
6. Klinische Untersuchungen über Leukrol. Von Dr.
G. Helfer, Wien. Aerztl. Zentralzeitung, 1910, Nr. 1.
1. Von den verschiedenen Vorschlägen der Behandlung dos
Furunkels im äußeren Gehörgange hat sich folgende Methode
dem Verf, am besten bewährt: Den mit Watte armierten
Gottstein schon oder M a nass e sCftöif Tatffpon träger führt
man, nachdem die Watte gehörig mit Ichthyolglyzerin (ää
durchtränkt ist, in den Gehörgang ein und dreht ihn nach
links heraus, so daß der Ichthyoltampon im äußeren Gehör-
gang liegen bleibt. Um Austrocknen des Tampons oder Aus-
fließen des Ichthyols zu verhindern, wird ein kleiner Watte¬
bausch in den Anfang des Gehörgangs gelegt. Letzterer muß
natürlich durchgängig sein, um den Eingriff machen zu können.
Der Tampon darf nicht drücken. Bald hört dann der Schmerz
infolge der Einwirkung des Ichthyols auf. Man macht den
Verband 1— 2 mal täglich. Oeffnet sich der Furunkel, so kann
der Eiter nicht in den Gehörgang fließen, da der Tampon ihn
aufsaugt. Der übrige Teil der Gehörwandung kann aber nicht
infiziert werden, da er mit Ichthyol bedeckt ist. Die Ichthyol-
tamponbehandhing kann auch angewandt werden, wenn man
inzidiert hat.
2. In 45 Fällen der verschiedenartigsten septischen Er¬
krankungen wurden in der Am an n sehen Klinik intravenöse
Kollargolinjektionen vorgenommen, und zwar wurden pro dosi
1^—2 ccm der 5—10 proz. Lösung resp. Aufschwemmung in die
Vena mediana bezw. . cephalica cubiti eingespritzt. Peinlichste
Asepsis und langsames Einspritzen der stärkeren Konzentratio¬
nen (z. B. 10 proz. Lösung 1 ist Bedingung. M ar die Injektion
ohne Erfolg, so wurde nach 24-Stunden die Injektion wieder¬
holt, eventuell an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen. Die
Reaktion gilt als positiv, wenn in einem Zeitraum von l /2 bis
4 Stunden nach der Einspritzung ein fast regelmäßig ein-
setzender Schüttelfrost von 10 Minuten bis U ständiger Dauer
eintritt, dem ein erheblicher Temperaturanstieg zugesollt ist,
und auf welchen ein kritischer Temperaturabfall innerhalb zwölf
Stunden folgt. Ueberraschend ist die Besserung des subjektiven
Allgemeinbefindens am Tage nach der Injektion und die häufig
zu beobachtende Polyurie. Um einen Kollaps zu vermeiden,
den A. beobachtete und auf eingespritztes Kollargolsediment
zurückführt, dürfte sich Filtrieren vor der Injektion empfehlen.
Auf Grund, seiner. Beobachtungen kommt A. zu folgendem
Schluß: Das Kollargol ist bei intravenöser Anwendung für die
i Bekämpfung schwerer bakterieller Allgemeiuinfektionen und
lokalisierter schwerer Eiterungen völlig nutzlos. Dagegen ist
, es bei schweren, unter dem Bilde septischer Allgemeininfektion
; verlaufenden Intoxikationen von propipter Wirkung.
1910
THERAPEUTISCH E RUNDSCHAU.
93
3. Bpi einer Patientin mit weit fortgeschrittener Lungen -
hiberkulose, die bewußtlos mit starker Hämoptoe aufgefunclen
wurde und das Bild einer Moribunden bot, injizierte Verf.
1 ccm einer 1 prom. Lösung von Suprarenin. hydrochlor. und
zwar mit dem Erfolge, daß nach wenigen Minuten der Puls
wieder fühlbar wurde und zusehends an Stärke zunahm. Auf
Grund der Beobachtung an einem Falle, bei dem das Suprarenin
lebensrettend wirkte, empfiehlt Verf. dieses Mittel als H e r z -
1 o n i k u m und stellt es noch über Kampfer und Strophanthus.
4. Z. hat das Pergen ol untersucht und kennzeichnet
es als Natrium perboricum cum Natrio bitartarico. Es ist ein
weißes, kristallinisches, in Wasser sehr leicht lösliches Pulver.
Die wässerige Lösung soll blaues Lackmuspapier kaum merklich
röten. Bei Zusatz von Säure kommt es zu stürmischer Gas¬
entwicklung. Pergenol ist vor Feuchtigkeit geschützt auf zu-
bewahren. Die Pergenoltabletten enthalten je 0,5 g Pergenol
und etwas Natrium bicarbou. Pergenol-Mundwassertabletien' und
Mundwasserpulver besitzen Pfefferminzgeschmack. Die Pergenol-
Mundpastillen enthalten 0.1 g Pergenol, das statt mit Bitarträt
mit Zitronensäure hergestellt ist. und Zucker. (Nach meinen
Erfahrungen sind die Pastillen gegen Rachenkatarrh und
katarrhalische Angina, wo z. B. Forniamint recht gut ist, nicht
so wirksam wie dieses. Dagegen sind die Mundwasscrtabletten
gut und praktisch, da sie sehr schnell in Wasser zergehen
und dieses zu einem angenehmen und erfrischenden Mundwasser
machen. Referent.’
5. Aul Veranlassung von Hanau und Pinn er hat dio
Firma Athenstaedi uud Redeker in Hemelingen Alsol-
Scheidenkapselu hergestellt, die in den Fällen zur Verwendung
kamen, wo früher Tampons, die mit Alsol-Creme bestrichen
waren, gebraucht wurden. Die Anwendung der Alsol-Scheiden -
kapseln ist überall dort augezeigt, wo eine adstringierende
und fäuluiswidrige Wirkung erwünscht ist, also bei Reizzustän¬
den des weiblichen Gcschlechtsapparates, die bei längerer Dauer
so oft eine bleibende Blutüberfülle und vermehrte Absonderung
zur Folge haben, Erscheinungen, wie man sie häufig als Folge
des Trippers beobachtet. Außerdem wirkt Alsol auch keiin-
abtötend. Die Anwendung der Kapseln erfolgt am besten im
Spiegel jeden zweiten Tag, etwa 4 Wochen hindurch. Außer¬
dem müssen Alsolspüluugen (0,5 proz. gemacht werden. Zur
Behandlung kamen hauptsächlich die Fälle, bei denen es sich
um eine bereit» vor Jahren erfolgte Ansteckung handelte., mit
nachfolgender chronischer Endometritis und den .bekannten Ad¬
nexerkrankungen. Wenn auch bei diesen eine völlige Heilung
nicht erzielt werden kann, so wird doch durch das Alsol eine
Linderung der subjektiven Beschwerden erreicht. Verff. haben
ferner auch die Alsolgaze, uud zwar zur Stillung von Blutungen
-mit Erfolg angewandt. Durch Tamponade mit Alsolgaze wurden
l terusblutungcn gestillt. Nach Ausräumung eines. Aborts und
Auskratzungen des Uterus wurden recht gute Erfolge mit dar
Alsolgazetampouade erzielt. Dieser gebührt hierbei der Vorzug,
weil die Gaze sich in durchaus genügender Weise sterilisieren
läßt, ohne ihre Wirksamkeit einzubüßen, was bei der Sterilisie¬
rung der Jodoformgaze nicht immer zutrifft, da das Jodoform
sich bei größerer Hitze zersetzt und nicht mehr in dem ihm
spezifischen Sinne wirkt.
G. Das Leukrol erfreut, sich immer weiterer Ver¬
breitung wegen der günstigen Erfolge, die damit erzielt wurden.
Leber das Zustandekommen seiner Wirkung ist man sich noch
nicht klar, da die eiuen für Allgemeinwirkung plaidieren und
das Präparat den Arsen-Eisenpräparaten vorziehen, während
die anderen eine den Uterus tonisierend > Wirkung annehmen.
Verf. hat 19 Fälle von Ausfluß behandelt, und einer mit
schwerer Tuberkulose war refraktär. Bei den gonorrhoischen
Ausflüssen ist das Mittel aber absolut wirkungslos. Verf. gab
täglich 4—G Tabletten. 15 Tabletten kosten 1,50 M.
Technische Neuerscheinimgen,
Tascliciispuckbiiclise.
Von Dr. Fürbringer .in Wittenberg, Bez. Halle.
Die Tascheiispiickbiichse hat die Form eines Tnselien-
Zigarrenetuis, teils in ganz abgerundeter Gestalt, teils in
Form eines ovalären Zylinders erhalten und ist in Hart-
tlGAN
gununi hergestellt. Es sind aber bereits Versuche im
Gauge, die Büchse mit Sprungdeckel herzustellen, welcher
von einer Seite als besonders wünschenswert dar¬
gestellt wurde. Rosen.
Ein neues Adeuotom.’)
Von Dr. Hugo Neumann in Wien.
Es sind verschiedentlich Instrumente ersonnen wor¬
den, die den Zweck verfolgten, den zu entfernenden Tumor
atifzusjließen oder den entfernten aufzufangen und so das
Herabfallen desselben zu verhindern.
Keines dieser Instrumente konnte jedoch dem ein¬
fachen Gott.stein scheu oder Beckmann scheu
Ringmesser den Rang ablaufen, teils wohl, weil sie ihren
Zweck nicht sicher erfüllten, teils, weil sie plumper oder
schwerer za handhaben waren.
Im folgenden soll nun ein Instrument beschrieben
werden, das, im Bau so grazil wie die Gottstein Sehe
oder B e c k m a n n sehe Kürette und in der Handhabung
ebenso einfach wie diese, vollste Sicherheit bietet gegen die
erwähnten Zufälle des Hinabfallens des Tumors in Oeso¬
phagus oder Larynx.
Ich habe seit längerem das Kürettement aufgegeben
und halle mit dem Ringmesser (ieli arbeite gewöhnlich mit
dem Be c k m a n n sehen) prinzipiell nur einen Zug voll¬
führt und das abgeschnittene Stück heim raschen Heraus¬
ziehen des Instrumentes herauszuschleudern versucht. Da
ich gleichzeitig das, dem jeweiligen Fall entsprechend
möglichst größte Ringmesser wählte, das den ganzen
Tumor mit seinem Ring umfassen konnte, gelang es mir
in der größten Mehrzahl der Fälle, mit diesem einen Zuge
die ganze hypertrophische Tonsille abzuselmeiden und
nach außen zu befördern.
Nur in wenigen Fällen, wo, wie bei sehr kleinen Kin¬
dern oder Säuglingen, ein übervorsichtiges und deshalb
langsames Entfernen des Instrumentes nötig ist, hat der
Tumor, der meistens im Ringe eingeklemmt ist. Zeit, dem¬
selben zu entgleiten, und wird verschluckt. Ein Aspiriert¬
werden desselben ist mir nie vorgekommen und ist auch
schon wegen der Größe der Tumoren nicht leicht möglich,
da dieselben wahrscheinlich auf dem Aditus ad laryngem
liegenbleiben würden, von wo sie (ähnlich wie in dem in
H e y m a n n s Handbuch der Laryngologie zitierten Falle
Schwartzes) mit dem Finger leicht entfernt werden
könnten, ist aber immerhin nicht ausgeschlossen.
Mit meinem Instrumente nun können solche un¬
angenehme Zufälle sicher ausgeschlossen werden. Mit die-
i) Münchener liiod. Woehenschr. 1909, Xr. 50.
1 - ' ■■
3AN
UNIVERSIT
94
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 6
sein wird der Tumor, ohne daß die Bewegung' des Messers
irgendwie beschränkt wird, auf einer Gabel aufgespiel.it
festgelialten.
Das Instrument bestellt aus zwei Teilen, dem Ring¬
messer und der Gabel. Als Ringniesser wählte ich eines
nach der Beck m a n n sehen Form. Es kann aber ebenso
gut auch einen ähnlichen Typus aufweisen. Nur soll der
Ring, uni den Tumor gut umfassen zu können, die Form
eines Kreises oder eines Viereckes, nicht, wie beim Gott¬
stein, die eines Dreieckes aufweisen. Ob das Messer selbst
in der Ebene des Ringes liegt, oder in einer gegen diese
geneigte, ob es gerade oder leicht gekrümmt verläuft, ist
gleichgültig und dem Belieben des jeweiligen Operateurs
überlassen. Wichtig ist dagegen, daß der Stiel des In¬
strumentes sich am Ansätze an den Ring zu einer drei¬
seitigen Platte verbreitert, auf der bei Ruhestellung dessel¬
ben die Gabelspitzen aufruhen. Die vordere Seite des
sonst runden Stiels der Kürette ist abgeplattet und trägt
im oberen Teil in bestimmter Höhe zwei kurze Branchen,
im unteren Teil einen kurzen Stift. Die Branchen haben
den Gabelstiel zu halten und zu leiten, während der Stift,
der in eine am Gabelstiel befindliche Rinne paßt, die Ex¬
kursionen desselben nach oben und unten zu beschrän¬
ken hat.
Der Gabelstiel, der etwas kürzer ist als der Küretten¬
stiel (ohne Handgriff) weist an seinem unteren Ende einen
Ansatz für den ihn in Aktion setzenden Daumen, an seiner
Innenseite die erwähnte Rinne auf und trägt am oberen
Ende, durch ein leicht bewegliches Scharnier mit ihm ver¬
bunden, die dreizinkige, mit Widerhaken versehene, kurz-
stielige Gabel. Die Länge der Rinne und die Lage des
Scharniers sind so gewählt, daß bei zurückgezogener Gabel
(Ruhestellung) einerseits die Gabelspitzen auf der drei¬
seitigen Platte aufruhen, andererseits die Branchen der
Kürette den Gabelstiel oberhalb des Scharniers, dasselbe
sperrend, umfassen, bei maximal vorgestoßener Gabel
einerseits tlas Scharnier oberhalb der Branchen zu liegen
kommt und so bewegungsmöglich wird, andererseits die
Gabelspitzen nicht dieEebene desMessers erreichen können,
sondern sich 2—8 mm unter derselben befinden. Durch
die eine Anordnung wird erreicht, daß eine Abknickung
der Gabel erst nach Eindringen derselben in den Tumor
möglich ist, durch die zweite, daß das Messer an der in
denselben eingespießten Gabel, beim Abschneiden dessel¬
ben, vorbeigleiten kann.
Die Operation, wie ich sie mit diesem Instrument übe,
vollzieht sich folgendermaßen:
Patient und Operateur sitzen zunächst einander gegen¬
über. Erwachsene Patienten sitzen frei, Kinder auf dem
Schoße der Wärterin, die ihre Arme festhält. Bei un¬
ruhigen Patienten oder bei Patienten in der Narkose kann
der Kopf des Patienten zur Einführung des Instrumentes
gestützt werden, später übernimmt ihn der Operateur. Der
Operateur drückt mit dem in der linken Hand gehaltenen
Spatel die Zunge herunter und führt unter Beleuchtung
mit der rechten das, wie erwähnt für den Fall geeignete,
möglichst große Instrument (dessen Gabel selbstverständ¬
lich zurückgezogen ist), in der gewöhnlichen Weise hinter
das Gaumensegel und hinauf, bis er an das Rachendach
stößt, ohne hierbei noch wesentlich nach dem vorderen
Ende desselben zu zielen. Er sieht, daß das Scharnier, die
dreiseitige Platte und hiermit die Gabelzinken hinter der
U vula verschwunden sind und diese auf dem schmalen Stiel
des Instrumentes reitet. Es besteht jetzt absolut keine
Gefahr für das Gaumensegel. Jetzt legt der Operateur
den Spatel weg, steht auf und legt die freigewordene linke
Hand ajif den Scheitel des Patienten, den Kopf desselben
stark nach vorne neigend. Er tritt dabei ein wenig nach
rechts vom Patienten. Nun schiebt der Operateur mit der
Rechten, die bisher das Messer nnverrückt in seiner Po¬
sition gehalten hat, demzufolge nur eine der Vorwärts¬
beugung des Kopfes entsprechende unwillkürliche Rück¬
wärtsbewegung gemacht hat, das Messer das Rachendach
entlang nach vorn bis an die Choanen, deren Widerstand
er spürt und sucht durch einige seitlich hebelnde Be¬
wegungen das vordere Ende des Tumors in den Ring zu
fassen. Dann legt er den Daumen dieser Hand auf den
Ansatz der Gabel, stößt dieselbe so weit als möglich vor
(sie ist .jetzt in den Tumor eingedrungen) und zieht nun
in raschem Zuge das Instrument, es ans Rachendach an¬
drückend, dasselbe entlang nach hinten und heraus.
Die vollständige Rachentonsille steckt dann wie ein
Bissen auf der abgekuiekteu Gabel.
Die Operation ist selbstverständlich das Werk von
Sekunden.
Nebenverletzungen habe ich nie beobachtet, sie sind
auch so gut wie ausgeschlossen. Die Uvula ist, wenn das
Instrument gut eingeführt ist, während der Operation ab¬
solut nicht gefährdet. Desgleichen sind die Tubenwülste
kaum in Gefahr. Ihre Verletzung ist ja eine Folge des
Kürettements; bei diesem ist es beim raschen Vor- und
Rückwärtsbewegen der Kürette, beim Lüften derselben
vom Rachendach wohl möglich, daß ein vorspringender
Tubenwulst gefaßt wird, hei dieser Methode aber, hei der
das Messer vor der Operation an das Rachendaeli, also
oberhalb der Tubenwülste angelegt wird und dieses bis
zur Beendigung der Operation nicht verläßt, wohl kaum.
Die primäre Blutung ist immer auffallend gering. Nach¬
blutungen habe ich bisher keine beobachtet.
Das Instrument wird von R e i n e r in Wien ange-
fertigt. Rose n.
Bücherbesprechimgen.
Altes und Neues aus dem Gebiete der Stoffwechselkrank¬
heiten. \ oü J. II c y u. Leipzig' 1909, K o n e g - e n. Preis 1,80 M.
H. hat -sich der sehr verdienstlichen Aufgabe unterzogen,
die vier Stoffwechselkrankheiten Diabetes mellitus, A.rthriiis
urica, Fettsucht und Phosphaturie an der Hand der neuesten
Literatur zu besprechen. Die so gewonnenen Sammelreferatc
erschienen zuerst im Reichs-Medizinal-Anzeiger. Sie enthalten
alles für den Praktiker Wissenswerte, das in den letzten .Jahren
veröffentlicht worden ist und ermöglichen ihm, schnell einen
Ueberblick über die neuesten Untersuchungsresultate zu ge¬
winnen. Mit Freude, ist es zu begrüßen, daß die sehr fleißigen
Arbeiten zu einem Handbüchlein zusammengestellt und so einem
größeren Aerztekreis zugänglich gemacht worden sind.
Geißler, Neu-Ruppin.
Der ärztliche Ratgeber in Bild und Wort. Atlas und Haus¬
buch für Gesunde und Kranke. Von F. Sichert. München 1
1909. L c li m a n n. Preis 22 M.
Das Bestreben des deutschen Volkes, ein Handbuch über
Krankheiten und ihre Behandlung in die Hand zu bekommen,
hatten sich bisher Kurpfuscher wie Bilz und Pia teil in
weitgehendstem Maße zu nutze gemacht, indem sie ihre dick¬
leibigen, von groben Unrichtigkeiten strotzenden Bücher in
einer Flut von Exemplaren auf den Markt brachten, wobei
namentlich auch zur Verbreitung die Kolportage herangezogen
wurde. Daß jetzt endlich ein Buch vorliegt, das in vornehmster
Ausstattung an der Hand vorzüglicher Abbildungen, die zum
Teil den rühmlichst bekannten L e h m a n n sehen Atlanten ent¬
stammen, einem großen Leserpublikum das Studium def im
menschlichen Körper sich abspielenden gesunden und krank¬
haften Vorgänge ermöglicht, kann -nicht freudig genug be¬
grüßt werden. Zahlreiche bekannte Aerzte und Gelehrte haben
bei dem Zustandekommen des Werkes, mitgewirkt. Es wäre
hocherfreulich, wenn sich alle ärztlichen Fachblätter, aber auch
die deutschen Tageszeitungen die. Empfehlung desselben recht
angelegen sein ließen, um es .zu einem Volksbuch im besten
Sinne des Wortes zu machen. Gelingt eine, Massenverbreitung,
dann steht zu hoffen, daß auch der Preis etwas niedriger werden
wird. Geißler, Neu-Ruppin,.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
95
Allgemeines.
Unter reger Beteiligung fand am 9. Januar in Berlin im
Hotel Kaiserhof das 25 jährige Stiftungsfest des Berliner bahn-
ärztlichen Vereins statt, Exzellenz \V e h rm a n n . welcher als
Vertreter des Eisenbahnministers erschienen war, hob in einer
Ansprache hervor, wie sehr mau die Tätigkeit der Bahnärzte
schütze, und er wünschte dem Verein eine gute Zukunft,
Zur Errichtung einer Lungenheilstätte hat der jüngst ver¬
storbene Apotheker Drees in Bentheim den Betrag, von
300 000 M. gestiftet; ferner hat er 30 000 M. für ein
Iv ranken h a u s geschenkt.
Die ständige Kommission der Aerzte und Lebens¬
versicherungsgesellschaften hatte am 7. November 1909 in Halle
eine Sitzung, in welcher nachstehende Thesen an Vertrauens¬
ärzte und Agenten zu senden beschlossen wurde: „Sind an
einem Orte mehrere Vertrauensärzte, so sind die Agenten ver¬
pachtet. den Versicherungskandidaten die Namen sämtlicher
Vertrauensärzte zu nennen und sie zu fragen, von welchem
Arzte sie untersucht sein wollen. - Lehnt der Kandidat die
Wahl eines bestimmten Arztes ab. so hat der Agent nach
Weisung der Direktion die Versicherungskandidaten an die Ver¬
trauensärzte zu Verteilen. Die vertrauensärztliche Unter¬
suchung eines Versicherunigskandidaten hat, falls die Gesellschaft
au seinem Wohnorts einen Vertrauensarzt besitzt, durch diesen
zu erfolgen, es sei denn, daß besondere Umstände (z. B. die
Ablehnung des Arztes durch den zu Untersuchenden oder die
Notwendigkeit einer speziellen Untersuchung durch einen dazu
besonders befähigten Arzt eine Ausnahme rechtfertigen. —
Ferner hat die Untersuchung der Regel nach in der Wohnung des
Arztes stattzufinden. Habe die Untersuchung ausnahmsweise
in der Wohnung des Antragstellers statigefunden, so sei die
Gesellschaft zur Zahlung der Besuchs- und Entfernungsgebühr ,
unter allen Umständen verpflichtet, sobald sie erfahre, daß
ein schriftliches Ersuchen des Agenten die Veranlassung dazu
gegeben habe. Mit Bezug hierauf fordert der Leipziger Wirt¬
schaftliche Verband unterm 20. November die Aerzteschaft auf
..Untersuchungen in der Wohnung des zu Versichernden nur auf |
schriftlichen Auftrag und nur gegen Zahlung der vereinbarten
Gebühr vorzunehmen“.
In Essen ist. dem Beispiele anderer Städte folgend eine
Fürsorgestelle für Lungenkranke eingerichtet worden.
Die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder wird am 1. Mai
d. Js. ihre nächste Hauptversammlung in Heidelberg abhalten.
In der Cölner Strafkammer wurde nach 4 tägiger Ver¬
handlung. wie die „Kölnische Zeitung" meldet, der K u r -
pfusch er Alfons W einen zu 18 Monaten Gefängnis
und 300 M. Geldstrafe verurteilt. Er wurde beschuldigt, sich
den Arzt- und Dr.-Titel unbefugt zugelegt zu haben, ferner
sich der fahrlässigen Körperverletzung in fünf Fällen schul¬
dig gemacht zu haben; sodann lautete die Klage auf Beleidigung
seitens dreier Frauen, die er als angeblicher Arzt hatte sich’
entkleiden lassen. Sodann hatte er sich in 19 Fällen, wo
er Rezepte, Atteste, Liquidationen und Krankenscheine mit Dr.
This quen unterschrieben hatte, wegen Urkundenfälschung zu
verantworten. Der Angeklagte betrieb einen einträglichen
Handel mit dem von ihm erfundenen „Rheumarid“. Es
wurde ihm auch zur Last gelegt, den Tod des Elektrotechnikers
Gustav Mentz verursacht zu haben, welcher an Harn-
bescliwerdeu litt. Weiner t hatte den Kranken auf akute
Geschlechtskrankheit behandelt; in seiner Behandlung und unter
seinen Medikamenten verschlimmerte sich das Leiden mehr und
mehr, so daß er trotz nachträglich vorgenommener Operation
starb. Das Gericht verurteilte, den W. zu oben angegebener
Strafe.
Der zweite internationale Kongreß für Gewerbekrank¬
heiten, welcher vom 10. bis 14. Dezember d. Js. in Brüssel
stattfinden wird, hat zum Vorsitzenden des Organisation» -
komitees Dr. A. Möller, Präsidenten der königlichen Aka¬
demie für Medizin, zum. Generalsekretär Dr. Gilbert,
Direktor bei der Gewerbeinspektion im ^.rbei tsminis ter i um.
Es können alle Personen und Körperschaften, die sich
für Gewerbekrankheiten interessieren, am Kongresse teil -
nehmen. Es kommen sechs Hauptfragen zur Verhand¬
lung: 1. Ist eine Trennung der Gewerbekrankheiten von
den gewerblichen Unfällen möglich und welches , sind die
Unterscheidungsmerkmale. 2. Aerztliehes Wissen und Können
in bezug auf Bergwerke, Fabriken. Werkstätten etc.., ins¬
besondere die körperliche Eignung für die verschiedenen Berufe,
körperliche Entwicklung der Jugendlichen in den einzelnen
Berufen, ärztliche Ueberwachung der Arbeiter, Organisation
des fabrikärztlichen Dienstes, berufliche Krankheits- oder
Sterbestatistik. 3. Der Kampf gegen die Wurmkraukheit.
4. Auge und Beleuchtung in bezug auf Berufskrankheiten,
5. Arbeit in komprimierter Luft. (i. Gewerbliche Vergiftungen.
Für diese Fragen werden besondere Berichterstatter ernannt,
werden. Außerdem sind selbständige Vorträge zugelassen, auch
zu anderen Fragen der Pathologie der Gewerbekrankheiten. Be¬
richte und Vorträge werden rechtzeitig gedruckt. Manuskripte
müssen bis zum 31. Mai 1910 eingereicht sein. Für Deutsch¬
land sind ein Ehrenkomitee und ein Arbeitskomitee gebildet
worden. Das Ehrenkomitee besteht aus den Herren Staats¬
sekretär I) e 1 b r ii e k und Staatsminister S y d o w (Ehrenpräsi -
denten), Ministerialdirektor Caspar, Präsident des Reichs-
gesundheitsamtes Bumm, Wirkl. Geh. Obermedizinalrat Prof.
,Dr. S e li ni i d t m a n n , Gell. Reg.-Rat Prof. Dr. Hart m a n n ,
Berlin, Stadtrat Dr. Gottstein , Charlottenburg, Geh. Reg.-
Rat Bielefeldt, Lübeck, Geh. Rat Prof. Dr. Renk,
Dresden, Prof. Dr. Le li in a n n - Würzburg, Prof. Dr. H n h n .
Müncheu, Prof. Dr. Al brecht, Berlin, Geh. Rat Prof. Dr.
Kalle, Wiesbaden, Geh. Rat Prof. Dr. Löbkcr, Bochum,
Geh. Rat Prof. Dr. Lent, Cölu, Geh. Med.-Rat Dr. Roth,
Potsdam.
Der Vorstand des Verein> zur Errichtung und Erhaltung
eines ärztlichen Erholungsheime* in Marienbad sendet uns
folgenden Aufruf zu:
Der Verein zur Errichtung und Erhaltung eines ärztlichen
Erholungsheimes war auch während der abgelaufenen Kurzeil
in der Lage, eine größere Anzahl von Kollegen in Marienbad
zu beherbergen und ihnen mannigfache Bencfizicn zu ver¬
schaffen.
Das lebhafte Interesse, welches die ärztlichen Vereinigungen
und Korporationen allerorts in Oesterreich-Ungarn und im
Deutschen Reiche unserem Unternehmen entgegenbringeh und
welches sich durch den Beitritt zu unserem Vereine und durch
namhafte Spenden kundgibt, versetzt uns in die Möglichkeit,
schon im Herbste mit dem Bau des eigenen Vereinshauses zu
beginnen, zu welchem den Baugrund das hochwürdige Stift Tepl,
als Besitzer der Quellen und Bäder, bereits gespendet hal.
Doch bedürfen wir der moralischen und materiellen Unter¬
stützung unserer Kollegenschaft, zu welchem Zwecke wir uns
hiermit an Sie wenden und Sie bitten, durch Beitritt zu
unserem Vereine und durch Spenden unser Unternehmen zu
fördern. Wir können nur durch eifriges Zusammenwirken der
Allgemeinheit der Standesgenossen zum Ziele kommen.
Eine außerordentliche Generalversammlung des „Zentral¬
komitees für das ärztliche Fortbildungswesen“, welche am
15. Januar im Kaiserin Friedrich-Hause stättfa-nd, faßte
folgende Resolution: ..Das Zentralkomitee gibt einmütig dem
Wunsche Ausdruck, daß die seit der Begründung bestehende
Verbindung seiner Organisation, einschließlich der ihr zu¬
gehörigen Akademien für praktische Medizin, mit dem l ni-
vcrsitätsunierrichte, sowie mit dessen amtlicher Vertretung, dem
Unterrichts-Ministerium, in der bisherigen Weise erhalten
bleibe. Denn es erblickt in dieser Verbindung die wesentliche
Ursache seiner bisherigen erfolgreichen Tätigkeit und die Vor¬
aussetzung für seine gedeihliche Fortentwicklung; es soll diese
Resolution dem Herrn Präsidenten des Staatsministeriums, dem
Herrn Unterrichts-Minister und dem Herrn Minister des Innern
iibermittelt werden. ‘'
Die a merikauisc h e R e g ieru ng wird im J ahre 1910
eine internationale Konferenz zur Regelung der Einfuhr' und des
Verkaufs von Opium einberufen; es soll beraten werden, wie
die Einfuhr eingeschränkt werden kann. Die Beschlüsse, welche
die Konferenz fassen wird, sollen für alle Länder, welche sich
an den Sitzungen beteiligen, bindend sein. —r.
Allein. Fabrikant: Arthur Wolff jr., Breslau X
Ycrgl. Ablidlg. I'rof. Sc li oll/, Kiiiiigsli11,. Si. IS«. li, . 1 1. 1 .1K. 1 K» 1J1 s. Ze lsfl.r.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Kleine Mitteilungen.
Eine überraschende sanitäre Neuheit und etwas, was eigent¬
lich längst hätte da sein sollen, ist der - von der Papier*
warenmanufaktur W. Löhner t, München, in den Handel ge¬
brachte „Brotschutz Brotheil“. Die höchst einfache, jedoch'
sehr zweckentsprechende und begrüßenswerte Neuerung besteht
darin, daß um den Brotlaib möglichst frühzeitig* nach der
Herstellung eine Hülle aus Pengamynpapier,- sehr sinnreich in
einzelne Streifen perforiert, gelegt wird, um es während des
Versandes zu schützen. Im Gebrauch wird nur soviel vom
Brotschutz entfernt, als notwendig ist; der Rest bleibt in
der Hülle verwahrt und wird auf diese Weise das Brot bis zum
Schluß vor dem direkten Berühren sehr vieler Hände ver¬
schont. Staub und Schmutz können nicht mehr auf die Rinde
gelangen, um dort durch das Betasten der Hände in die Brot¬
poren hineingedrückt zu werden. Wie unendlich viel Schmutz
sich auf einer Brotoberfläche ansammelt, zeigt ein praktischer
Versuch mit der neuen Packung, denn die Gleichgültigkeit im
(unsauberen'’ Betasten des Brotes ist durch ständige Gewohn¬
heit und die indifferente. Brotfarbe, wie man beobachten kann,
leider eine sehr große geworden und wird nach Einführung
des „Brotschutz Brotheil in manchem Hause und Restaurant
wohl zu unliebsamen Leberraschungen führen, wenn man sieht,
was man bisher alles mitverzehrt hat. Auf hygienischem und
ästhetischem Gebiete bedeutet die Neuheit einen nennenswerten
Fortschritt, und wird durch dieselbe einem wirklichen Be¬
dürfnis auf einfachste Art abgeholfen, denn einiges Nachdenken
gibt, die Gewißheit, daß'das Brot tatsächlich dasjenige Nahrungs¬
mittel ist, welches am meisten vor allen anderen dem Be¬
tasten sehr vieler Hände ausgesetzt war. Demnach ist „Brot¬
schutz Brotheil“ wirklich zum Heil und zum Wohl aller die
Reinlichkeit liebenden Menschen als eine sehr wünschenswerte
Neuerung zu begrüßen.
Soviel wir erfahren, wird der Brotschutz von medizinischen
Autoritäten, Nahrungsmittelbehördeu und der Fachpresse freund-
liehst begrüßt und dessen Einführung bestens empfohlen. -
Der Vertrieb erfolgt durch Papierwarenfabrikanten und Papier¬
handlungen.
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Hohensolms b. Wetzlar.
Hohentengen (Wttbrg.),
Hüllhorst, Westf.
Wesseling, Rhprov.
Wessling (O.-Bay.).
Westd. vers.-Kr. u. Unter-
stützungs- ZuschuB- Kasse
Köln a. Rh.
Wiesbaden.
Wriezen a. 0.
Bieber, Kr. Oflfenbach a.M.
Bocholt, West..
Bredstedt, Holst.
Bremen.
Brühl (Bez. Köln a. Rh.)
Colditz i. S.
Dresden.
Reedereien:
„Woermann-Linie“
(Westafrika-Linie).
„Deutsch-Ostafrika-
Linie.“
Eberswalde i- Brdbg.
Ebingen, Wttbg. (Arztbez.
Frohnsteften-Heinstetten).
Ehrang (B. Trier)O.-K.-K.
Eimbeckhausen, Hann.
Erkelenz, Rhld.
Itzstedt i. Schl.-Holst.
Joachimthal,
Kr. Angermünde.
Verband zur Wahrung
der Interessen der Deut¬
schen Betriebskranken¬
kassen (Rhein.-Westf.
Betr. - Krank. - K.-Verb.)
Sitz: Essen (Ruhr).
Kassel-Rothenditmold.
Kemel, H.-N.
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Wochenschrift für die gesamte Therapie des praktischen Arztes.
Redaktion: Verlag und Expedition
Professor Dr. med. A. Modler, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5. Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
__Telephon: Amt VI. 17271. Telephon: Amt VI. 3020.
IV. Jahrgang. Berlin, 13. Februar 1910. Nr. 7.
Die .,1 hcrapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den Verlag
smvie samtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Qnartalschluss abbestellt sind. Inserate werden für die 4gespaltene
Zeile oder deren Raum mit 30 Pf. berechnet. Beilagen per Tausend 13.— M. Rcklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt.
Origi Italien:
W. Esch, Bendorf a. Rh.: Eine weitere Stimme zur Präge der
gesunden Bazillenträger.97
H. Sander, Berlin: lieber die Anwendung des „RenoFormuni
boric. mixt.“.98
M. Poltzer, Steglitz: Die Kaiser-Wilhelnis-Akadomir für das
militärärztliche Bildungswesen bei ihrem bevorstehenden
Umzug in ein neues modernes Heim (Schluß).99
Referate:
Mohr, Bielefeld: Chirurgie.101
C. Bachem, Bonn: Pharmakologie.101
A. Mo eil er, Berlin: Lungenkrankheiten.102
Paul Greven, Aachen: Augenheilkunde..103
Silbermann, Kudowa-Berlin: Herz- und Gefäßkrankheiten-. 101
Wern. 11. Becker. Weilmünster: Neurologie und Psychiatrie 105
v. Rutkowski, Berlin, und Geißler, Neu-Ruppin: Varia. . 107
Mitteilungen über Arzneimittel:
W. Krüger, Magdeburg: Referate.10H
Technische Neuerscheinungen:
Albuminimeter nach Dr. Aufrecht.. 108
Ernst Rosenberg, Neuenahr: Mastdarmdilatator .... 109
0. Widmer, Zofingen: Sonnentrichter (Ref.: Rosen, Berlin) 109
Biicherbesprccliungen:
Pannwitz: Achte internationale Tuberkulose-Konferenz . . 109
| Allgemeines.. • • *>;A
ORIGINALIEN.
Eine weitere Stimme zur Frage der gesunden
Bazillenträger.
Von Dr. W. Esch, Ron dort' a. Uh.
ln No. 4 dei- „Tlier. Rdscli.“ v. J. wurde darauf hin-,
gewiesen, daß neben der für gewöhnlich angenommenen
Entstelimigsart der Infektionskrankheiten auch noch ein
anderer Modus existiere, bei dem von direkter
A nste c k u n g , D o b e r traguug i in g e w ö hi n -
lieben S i n ne n i e h t die Rede sei n k ö n n e, in¬
dem beim Menschen latentvo r b a ndengewesene
Mikrobiell durch dispositionserhöliende Einflüsse (Kriegs-
iiml Notzeitei., meteorologische Anomalien 1 ), gemein¬
same Ernälirungs- oder psychische Schädigungen etc.) zur
Kranklieitserregung fähig werden. Dieser Umstand
werde daliin führen, daß die .jetzt so viel ventilierte Frage
der Bazillenträger allmählich in der umfassenderen des
1 a t e n t e n M i k r ob i s m u s aufgehe, wie sie speziell
für die Vaginalflora neuerdings besonders von Henkel,
K i-ö n i g etc., für den Typhus unter anderen von För¬
ch e 11 i (Autotyphsation), für die Mikrobien im all¬
gemeinen von C o n r a d i, L ii d k e , M e n z e 1 —) etc. be¬
arbeitet worden sei (weitere Literatur s. bei diesen M. m.
W., 1909),
In der Tat mehren sich die Anzeichen dafür, daß die
Wissenschaft immer mehr zu der Einsicht getrieben werde,
sie müsse rationellerweise ihr Augenmerk in erster
Linie auf jene Faktoren richten, die konstitutionsver¬
schlechternd, dispositionserhöhend auf den Menschen und
damit virulenzsteigernd auf die Mikrobien wirken. Die
i j Zur Illustration wurde die populäre Erfahrung- heran-
gezogen, daß bei Witterungsumschlägen etc. überall Milch
und andere organische Stoffe verderben, „sauer werden“,
bakteriellen Einflüssen leichter unterliegen, ohne daß es sich
um Ansteckung-, Uebertva-gung von einem Hause zum anderen
handelt.
3) Mcnzer (M. m. W., 1903, Nr. 25f' berührt außerdem
die außerordentlich interessante. Frage des Pathogen wer¬
de ns gewöhnlicher Luftkokken und der graduellen
Verschiedenheiten der fermentativen Wirkungen der Bakterien,
jo nach dem Infektionsprozeß, von dem sie gezüchtet werden.
Bazillenträger im erwähnten weitere n
Sinne des latenten Mi k r o b i s m u s , der zu r
,,A u t o g e n e s e“ dev Infektionskrankheiten
führt, müsse nalsovorallemgegendie Ge-
f a h r „i m munisiert“ b e z w. v o r i h r behütet
w e r den, die i li n e n v o u ihren eigene n B a -
zillen dr o h t. Dies wird erreicht durch Ernälirungs-,
Kleidungs-, Wolinungsliygiene, „Lebensrefonn“, soziale
Medizin. An Stelle rigoroser Desinfektion
und Isolierung und sonstiger polizei¬
licher Ge w a 11 m n ß regeln m u ß , wie Stick e r
(Zur Geschichte der Epidemien, vgl. Rei. D. m. W. 1909,
No. 49) sehr mit Recht hervorhebt, Besserung d e r
Lebensverhältnisse treten.
Im gleichen Sinne spricht sieh auch der französische
Arzt Gr anjnx (Uiebertreibungen liins. der ges. Ba¬
zillenträger, Bull. med. 1909, Nr. 3o, ref. F. d. M. 1910,
Nr. 3) aus:
Ein Erlaß des Kriegsministers wies auf die Gernein-
geführliclikeit der Bazillenträger hin und ordnete an, daß
bei der Rekruteneinstellung alle Leute, die einen Typlms
überstanden hätten, zu ermitteln und auf das Vorhanden¬
sein des E bert hsehen Bazillus zu untersuchen seien.
„Natürlich brachte daraufhin eine Unmenge von an¬
gehenden Vaterlandsverteidigern ärztliche Zeugnisse bei,
daß sie Typlms gehabt hätten. Die Lazarette füllten sich
mit Beobaclitimgszugängen. Aber die Sache verschlim¬
merte sich noch, weil der kriegsministerielle Erlaß nicht
bloß die typischen Typhen in den Untersuclmngsbereieh
gezogen haben wollte, sondern auch die atypischen
Formen: fieberhafte und fieberlose Magen-Darmkatarrhe,
Bronchitiden, gelegentliche Temperatursteigerungen,
scheinbar harmlose Durchfälle, Anginen, Blinddarm¬
entzündungen, Leber- und Nierenreizungen, ja sogar die
rezidivierenden Mittelobreiterungen! Wie wenige haben
nichts dergleichen in ihren Antezedentien aufzuweise.nl
Und weil die Bazillenträger spitzbiischerweise nicht
immer die offiziellen Bazillen von sich geben, sondern nur
zuweilen, so multiplizieren sich die Untersuchungen mit
einer ganz unberechenbaren Zahl.
Indessen, das ist nur ein kleiner Teil der Schwierig¬
keiten; denn wenn die Jagd auf den Ebertliscken Ba¬
zillus _und konsequenterweise muß man ebenso auch den
'
ERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
98
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 7
anderen Infektionskeimen nackstellen — von Erfolg war,
dann erhebt sich die Fvage: Was soll mit den unglück¬
lichen gesunden Bazillenträgern geschehen? Soll man sie
nach Hause schicken! Dann infizieren sie die Eltern,
Geschwister, Verwandten und schließlich das ganze Dorf.
Man muß sie also internieren, natürlich mit Rente, und
die Folge wird sein, que l’armee diminuera dans des
proportions fantastiques et qu’augmenteront les cliarges
financieres du pays, se le simple bon sens ne met rapide¬
ment fi 11 a la Campagne actuelle.“
Der Infektion stellt G r a n j u x die A uto genes e
gegenüber und illustriert an einigen instruktiven Bei¬
spielen, wie Typhusepidemien entstanden und ver¬
schwanden mit ungünstigen Massenquartieren, über¬
mäßigen Anstrengungen u. dgl. Er hat darin eine nicht
geringe Anzahl von Gesinnungsgenossen. In der fran¬
zösischen Militärärztl. Gesellschaft vom 21. Oktober 190Ü
nennt z. B. M a r o t t e die Ermüdung, Erhitzung, die
Armierung der Darmflora durch Zufuhr von bakterien¬
reichen Wässern oder Speisen als Momente, welche aus
dem Bact. coli den E b e r t h sehen Bazillus machen
können. Der springende Punkt dabei ist, wie man leicht
sieht, weniger die Erhöhung der Pathogenität des Mikro¬
ben, als die V e r m i n d e r u n g d e r W iderstands-
f ä h i gk e i t des menschlichen Organismus.
Es wäre sehr wünschenswert, daß auch bei uns der
„simple bon sens“ immer mehr dahin gelangte, die wegen
ihrer scheinbaren „Exaktheit“ meist stark überschätzten
bakteriologischen Entdeckungen auf ihren wahren Wert
zu reduzieren.
In diesem Sinne schreibt soeben B a c h m a n n (A. R.
Nr. 4) : Die anscheinende Ansteckung und die Häufung der
Fälle zu gewissen Jahreszeiten läßt sich leicht durch die
Gleichartigkeit der inneren Ursachen, die von diätetischen
und atmosphärischen Verhältnissen abhängt, erklären.
Ueber die Anwendung des „Uenofornium
boric. mixt “.
Von Dr. H Sander, Berlin.
Seit beinahe einem Dezennium findet der Neben¬
nierenextrakt eine häufige Anwendung in der Rhinologie,
sei cs um Blutungen zu stillen, sei es um solchen vorzu¬
beugen oder auch nur um kraft der ischämischen Eigen¬
schaften des Extraktes Abschwellung der Schleimhäute
und bessere Uebersicht des Naseninneren zu erzielen.
Die Anwendungsform der Nebennierenpräparate war
durchweg die flüssige, bis Goldschmidt im Jahre
1902 an ihrer Stelle den Gebrauch der pulverförmigen
Substanz in einem pulverförmigen Medium empfahl.
G. wurde dabei von dem Gedanken geleitet, die be¬
kannten Eigenschaften des Nebennierenextraktes — Ab-
sehwellung der Gefäße und (dadurch bedingte?) Herab¬
setzung der Drüsensekretion für ein Leiden in Anwen¬
dung zu bringen, welches die davon Befallenen zwar durch
die entgegengesetzten Eigenschaften Schwellung der
Schleimhäute, starke Sekretion - am meisten quält, den
„Schnupfen“.
Daß nun die Pulverform zum Selbstgehraueli weit ge¬
eigneter ist nls die flüssige, liegt auf der Hand. Das
Pulver kann als Prise aufgeschnupft werden; die Flüssig¬
keit bedarf zur Einführung in die Nase entweder eines
Sprayapparales oder einer mit Watte umwickelten Sonde.
Letztere Art der Anwendung sollte überhaupt nur dem
Arzt reserviert bleiben, womöglich dem Spezialisten,
denn jede Manipulation in der Nase von nicht ganz ge¬
übter Hand vorgenommen, verursacht dem Patienten
Schmerzen und Unbehagen. Eine Prise aber kann man
auch dem Laien getrost in die Hand geben, ohne Ver¬
letzringen befürchten zu müssen. Ist dieser Umstand nun
schon hei Behandlung eines Leidens, wie es der akute
Schnupfen ist, von großer Bedeutung, so ist er es in weit
höherem Maße für die Behandlung der zahlreichen Folge-
zustände der genannten Krankheit, wo der Kranke in der
Lage sein muß, das wirksame Medikament oftmals am
Tage anzuwenden, um durch Summierung der Einzel-
wirkungen zu dem erwünschten Resultat zu gelangen.
So sind die den Schnupfen so häufig begleitenden
„Nebenhöhlenentzündungen“ ein dankbares Gebiet für die
Renoformtherapie. Es ist hier von größter Wichtigkeit,
daß die Ausführungsgänge der Höhlen dauernd offen ge¬
halten werden, um entzündlichem Sekret derselben Abfluß
zu verschaffen. Hier bewährt sich das Renoform, durch
seine Eigenschaft Schleimhäute abschwellen zu lassen,
ganz außerordentlich; ja es gelingt sehr häufig nur mit
dieser Medikation, nicht nur die quälenden Symptome
(Kopfschmerz, Beklemmung) in kürzester Zeit zu be¬
seitigen, sondern auch die weitere Entwickelung des
Krankheitsprozesses' zu verhindern. Natürlich sind die
Fälle chronisch behinderter Nasenatmung, so weit sie auf
Blutüberfüllung der Schleimhäute beruhen, ebenfalls ein
Betätigungsfeld für das Renoform. Daß ein radikaleres
Verfahren, wie kaustische oder operative Beseitigung der
Schwellungen energischer wirkt, bedarf nicht der Er¬
wähnung. Immerhin bleibt ein gewisser Prozentsatz solcher
Kranker zurück, die, messer- und feuerscheu, jeglichen
Eingriff verweigern. Hier kann man mit Renoform
sicherlich oft wesentliche Erleichterung schaffen.
Ein weiterer Schritt auf dem Wege der Selbstbehand¬
lung des Patienten mittels Renoforms geschah auf dem
Gebiete der Nachbehandlung spontaner wie postoperativer
Nasenblutungen.
In den meisten Fällen operativer Eingriffe in der
Nase (vollständige oder teilweise Abtragung von
Muscheln) mittels Schlinge oder Schere ist eine Tampo¬
nade überflüssig. Man entläßt den Patienten mit dei‘ An¬
weisung, das Renoformpulver in bestimmten Intervallen
mittels eines Bläsers in die Nase einzublasen, nach vor¬
heriger Entleerung derselben von Blutkoagulis durch
energisches Schnäuzen.
Der große Vorzug dieser Methode besteht nicht nur
darin, daß man dem Patienten die Beschwerden der Tam¬
ponade, sowie die Entfernung der Tampons erspart (was
wohl gewöhnlich den unangenehmsten Teil der inter-
nasalen Eingriffe ausmacht), sondern die Heilung geht
unter dieser antiseptiseli-styptiscken offenen Wundbehand¬
lung glätter und schneller vor sich. Auch Fieber tritt hier¬
bei zweifellos seltener auf, ebenso wie die sonst häufig nach
Tamponade beobachtete Angina eine außerordentliche
Seltenheit ist.
Vorbedingung für eine derartige Nachbehandlung ist
natürlich, daß der operierte Patient im Notfall doch spe-
zialistisehe Hilfe erreichen kann, da sicherlich Fälle Vor¬
kommen, die aus einem oder anderen Grunde abnorme
Blutungen darbieten. Doch erinnere ich mich aus sehr
zahlreichen Fällen, in denen Schlinge oder Schere eine
glatte Wunde hinterlassen hatten, keines Falles einer be¬
drohlichen Blutung.
Anders lieg! die Sache hei Operationen mit reißenden
Instrumenten, wie bei solchen, wo die Schlinge nicht glatt
schneidend gearbeitet hat. In diesen Fällen muß von
vornherein tamponiert werden, ebenso wie bei Patienten,
die ärztlicher Hilfe entraten müssen.
Das spontane Nasenbluten entstammt bekanntlich in
der weitaus größten Zahl der Fälle, dem vorderen Ende des
Septums, wo sich häufig varikös veränderte Gefäße vor¬
finden, dem sogen. „Locus Kieselbachii“. Ehe eine radi¬
kale, rationelle Therapie durch Aetzung oder dergleichen
einsetzen kann, fordert es oftmals schnellerer Hilfe, be-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
99
sonders da, wo mangels sachlichen ärztlichen Rates das
Leiden nicht zweckmäßig behandelt wird und demgegen¬
über rezidivierend auftritt. Es genügt beinahe immer,
einen mit Renoformpulver bestäubten Wattebausch in den
Eingang der blutenden Nasenseite einzudrehen und diese
fest zu komprimieren, um ein Aufhören der Blutung zu
erzielen. Dabei erfährt die Schleimhaut keine Aetzung,
wie durch die leider noch zu verbreitete Eisenchloridwatte.
Vorzuziehen ist natürlich in dergleichen eiligen Fällen die
Tamponade mit „Renoformwatte“, die ein ideales Blut¬
stillungsmittel darstellt. In Fällen von Blutungen aus
verschiedenen zahlreicheren Blutpunkten ist die sympto¬
matische Behandlung mittels konsequenter Einblasungen
von Renoform ganz besonders zweckmäßig, da es natürlich
einerseits nicht möglich ist, tagelang zu tamponieren, ohne
das Schleimhautepithel empfindlich zu schädigen, anderer¬
seits auch häufig ein galvanokaustische Zerstörung sämt¬
licher Blutpunkte ausgeschlossen ist. Selbstverständlich
muß neben dieser lokalen symptomatischen Behandlung
eine Therapie einhergehen, die dem möglicherweise vor¬
handenen allgemeinen konstitutionellen Leiden (Nephritis
etc.) Rechnung trägt.
Literatur.
Bruno Goldschmidt: Zur praktischen Verwertbarkeit
der Nebciiuierenpräparatc. Therapie der Gegenwart, 1902, H. 8.
- „Renoform“, eiu Schnupfenmittel. Ibidem.
- Erfahrungen über Renoform (das wirksame Prinzip der
Nebenniere) und dessen Präparate. Ibid., 1903, H. 7.
- lieber einige neue Anwendungsformen des Renoform.
Die ärztliche Praxis, 1904, Nr. 18.
Zur Frage der Nasentamponade. Aus der Poliklinik von
Professor H. Krause. Monatsschr. für Ohrenheilkunde, 1907,
Nr. 5.
K. Koch. Berlin: Indikationen und Wirkung des Reno-
formpulvers. Mediz. Woche, 1905, Nr., 4.
\V. Bereut, Assistenzarzt: lieber Renoformpulver. Aus
der 1 ju'yngo -rhino! ogisehen Poliklinik von Professor II. Krause
in Berlin. Therapie der Gegenwart, 1906, H. 6.
Theimer: Zur Verwendung der Nebenuierenpräparate bei
den Erkrankungen des Nasenrachenraumes. Medizin. Klinik,
1907, Nr. 7.
R osen berg u. ünodi: Behandlung der Krankheiten
der Nase, Berlin 1906. Przeglad Lekarski, 1905, Nr. 22.
'Die Kaiser-Wilhelms-Akademie für das
milii ärärztliclie Bildimgswesen
bei ihrem bevorstehenden Umzug in ein neues modernes
Heim.
Von Dr. M. Peltzer, Generaloberarzt a. D. in Steglitz.
(Schluß.)
Unter Loeffler, einem der bedeutendsten aller Sub-
direktoreu des Instituts (1867—1874), kamen wir als
„Oberarzt“ an das Institut. 1864, 66, 70-- 71 1 Armee-
Generalarzt, bat Loeffler auf Grund seiner Kriegs¬
erfahrungen viel zu den Reformen uilter G r i in m bei¬
getragen. „Volontärs“ wurden seit 1868 nicht mehr auf¬
genommen (ihre Gesamtzahl hat 141 betragen), dagegen
entsandte nunmehr auch die Marine erst einen, dann zwei
Oberärzte an das Institut. Unter Loeffler fallen die
Einrichtung einer Modellkammer, die Erhöhung der
Elevenzahl, die Einführung eines 1875 wieder eingegange¬
nen gymnastischen und Fechtunterrichts durch einen
Ofizier der Zentral- (jetzt Militär-) Turnanstalt, die Ver¬
mehrung der Sammlungen, die Aufnahme der Kriegs¬
chirurgie in den Lehrplan, die erste Reitstunde (Sommer
1874), der erste Dienstunterricht, die Trennung und
bessere Ausstattung der Wolm- und Schlafräume, endlich
die Umwandlung der Subdirektpr- in eine Generalarzt¬
steile (Loeffler war General- und Korpsarzt des
4 . Armeekorps gewesen). Auf seinen Vorschlag wurden
1870 13 jüngere Studierende als Kombattanten, 122 als
Unterlazarettgehilfen und 26 Charite-Unterärzte als Feld-
Unterärzte (davon 1 bei der Marine) eingestellt, von denen
sich insgesamt 14 das Eiserne Kreuz II. Klasse und außer¬
dem 3 das Bayerische Militär-Verdienstkreuz erwarben.
2 Feldunterärzte und ein Stabsarzt (Busse) starben,
1 Eleve wurde verwundet. Seit 1872 werden auch
Württemberg«' aufgenommen, die dann in Württemberg
dienen. Die Einführung der Waffendienstzeit, der Vor¬
bedingung für die Eigenschaft der Sanitätsoffiziere als
Vorgesetzte der Unteroffiziere und Mannschaften, be¬
dingte schließlich eine völlige Umgestaltung des Lehr¬
plans so, wie er heute besteht. 1874 wohnte der Totenfeier
für Loeffler im Institut der spätere Kaiser
Friedrich bei.
B ö g e r, der Leibarzt Frie d richWilhel m s IV.
und Königs Wilhelm, starb nach kaum einjährigem
Subdirektorat 1875, sein Nachfolger Schubert eben¬
falls nach kurzer Zeit. Unter Schubert fällt der 1 m-
ban der Bibliothek. Die Aufnahmeprüfung fiel 1876 fort,
was aber einsetzte, war eine der Neuzeit entsprechende
Steigerung des häuslichen Zuschusses, da es Freistellen
nicht gibt. Hand in Hand damit geht heute eine der Stel¬
lung des Sanitätsoffizierkorps entsprechende Auslese
seines Ersatzes, wie sie in den Aufnahmebestimmungen
vom 1. Juni 1907 zum Ausdruck kommt.
In den 1870 er Jahren mußte vom Institutsgarten ein
Streifen an der Spree für das Reichstagsufer und 1880 ein
ebensolcher mit der 1875 errichteten Turnhalle für den
Stadthahnhof ahgetrennt werden. Das Hauptgebäude ist
seit 1824 bis heute im wesentlichen unverändert geblieben.
Das Lehrgebäude wurde 1874—75 errichtet. Am 4. De¬
zember 1890 wohnte M o 11 k e einem Vorträge des Ober¬
stabsarztes Prof. Dr. Pfuhl in der Aula über den
Tuberkelbacillus hei und sali dabei durch jedes Mikroskop.
An Lasers Name (1879—1889, wo er auf seinen
Antrag zur Disposition gestellt wurde) knüpft sich die
1888 hei seinem Dienstjubiläum ins Lehen getretene
Lauer-Stiftung zur Unterstützung von Hinterbliebenen der
Sanitätsoffiziere, die später vereinigte Grimm-Lauer-Stif-
tung. Subdirektor unter ihm war nach Schuberts
Tode Generalarzt Grasnic k.
v. Coler (1889—1901), seit 12. Februar 1889 nach
dem Rücktritt v. Laaers Generalstabsarzt der Armee,
als „Akademiker“ einst seihst Korpsstudent, war nament¬
lich auf Fortbildung der Sanitätsoffiziere durch wissen¬
schaftliche Kommandos an Kliniken usw. bedacht, wobei
er den Grundsatz vertrat, daß ausnahmslos Universitäts¬
lehrer den künftigen Militärarzt heranzubilden haben.
Infolgedessen pflegte er besonders auch die Verbindung
mit der Universität, ebenso wie die mit dem Kultusministe¬
rium. Das Institut verdankt ihm die Vermehrung der
Sammlungen, die Schaffung des hygienisch-chemischen
Laboratoriums zur Untersuchung von Nalirungs- und Ge-
nußmitteln des Militärhanshaltes, der Kasinos und der
beiden Korps. Unter ihnen feierte das Institut 1895 sein
hundertjähriges Stiftungsfest, hei welcher Gelegenheit
ihm Kaiser W i 1 h e 1 m II. den jetzigen Namen gab.
Die Feier war ursprünglich im Institut seihst geplant,
mußte aber wegen, eines darin vorgekommenen Er-
krankungsfalles und der dadurch bedingten Ansteckungs-
möglichkeit für die Festteilnehmer in der Universität ab¬
gehalten werden, wobei sich der von Berlin abwesende
Kaiser durch den Prinzen Friedrich Leopold
vonPrenßen vertreten ließ.
v. L e u t h o 1 d , der Leibarzt Kaiser W i 1 -
hei m s II., starb am 3. Dezember 1905, seitdem steht an
de! Spitze Seine Exzellenz Prof. Dr. v. Sch j erning.
4
OF MICHIGAN
JNIVE
100
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 7
Wir sagten zu Anfang, daß wir alte Vorurteile zer¬
streuen und neue Freunde gewinnen wollten. Werfen wir
also zum ScliluB kurz einen Blick auf die heutige Ver¬
fassung unserer Anstalt! Eigentümer des Grundstückes
ist heute das Deutsche Reich, oberster Gerichtsherr der
Akademie der preußische Kriegsminister, Direktor der
Generalstabsarzt der Armee. Unter dem Subdirektor
(Generalarzt) als ihrem unmittelbaren Leiter, dem das
nötige Beamtenpersonal zur Seite steht, teilen sich Stabs¬
ärzte, darunter auch solche von der Marine, ein kgl.
wiirttembergischer und ein kgl. sächsischer, in der Auf¬
gabe, den Studiengang der Studierenden zu überwachen
und in den wichtigsten Lehrfächern unter Zuhilfenahme
der Sammlungen der Anstalt einen Wiederholungsunter¬
richt mit ihnen abzuhalten’'). Neuerdings ist ein General¬
oherarzt als Studiendirektor hinzugetreten. Vorstand der
Sammlung ist ein inaktiver Sanitätsoffizier. Die Bücher¬
sammlung zählte 1894 ungefähr 500 000 Bände, darunter
die Dissertation Schillers. Den Stabsärzten ist je eine
„Sektion“ (Semester) unterstellt, der sie mit Rat und Tat
zur Seite zu stehen haben und deren Verkehr mit der An¬
stalt sie vermitteln. Die Ausbildung erfolgt auf Kosten
des Staates, der außer Wohnnug einen monatlichen Zu¬
schuß von 30 Mark gewährt. Prüfungsversammlungen
usw. wie früher finden nicht mehr statt. Bei Urlaubsreisen
in den Ferien usw. erhalten die Studierenden einen Militär¬
paß, der ihnen hei Benutzung (auch der Schnellzüge) die
Lösung von Militärfahrkarten (1 Pfennig pro Kilometer)
ermöglicht. Sie werden, da sie unter Militärgerichtsbar¬
keit stehen, nicht bei der Universität, sondern auf Staats¬
kosten bei der K.-W.-A. immatrikuliert, hören aber in der
Universität und in den Kliniken wie alle übrigen Studie¬
renden, von denen sie sich in nichts unterscheiden. Sie
können auch praktisch in dem oben erwähnten Labora¬
torium arbeiten. Der‘Lehrplan wird unter Mitwirkung
der Professoren und des wissenschaftlichen Senats der
Akademie im Anschluß an den der Universität festgestellt.
Mit dem wissenschaftlichen Unterricht geht eine für den
Heeresdienst erforderliche besondere Ausbildung einher,
mit gleichzeitiger Berücksichtigung der Aneignung der
für den Militärstand erforderlichen Charaktereigenschaf¬
ten. Im ersten Sommersemester dienen die Studierenden
ein halbes Jahr bei der Garde, später erhalten sie auch
Reit- und Tanzunterricht. Das Haus ist bis 12 Uhr nachts
geöffnet, später öffnet „Puhlmann“. Zur Pflege der
Kameradschaft steht ihnen ein Kasino mit Klavier und
Lesezimmer zur Verfügung, in dem ein Oekonom für ein
Billiges Frühstück und Abendbrot liefert, und das von
Vorgesetzten nur der Subdirektor und der Hausstabsarzt
betreten darf. Die Hausordnung fordert nur die unerlä߬
liche Rücksichtnahme aller gegen alle. Die Prüfungen
werden wie von allen Medizinern abgelegt. Die Akademie
beschafft den Studierenden die von ihnen seihst gewähl¬
ten Bücher usw. für ein Drittel des Preises, indem sie den
Rest seihst bezahlt, und verabfolgt ihnen außerdem noch
verschiedene Bestecke usw., so daß sie in dieser Beziehung
heim Eintritt in die Armee nahezu vollständig ausgerüstet
sind. Zur Erinnerung an den Stiftungstag der Akademie
(3. August) und an Görckes Geburtstag (3. Mai) wer¬
den wissenschaftliche Prämien verteilt, außerdem fehlt
cs auch sonst nicht an Unterstützungsmitteln. Von der
Bewerbung um die bei der Universität bestehenden Sti¬
pendien ist die K.-W.-A. nicht ausgeschlossen. Häusliche
Arbeitsstunden und ähnliche Maßregeln kennt man längst
nicht mehr; es herrscht ein frisches, von Kameradschaft.
H ) Die Modellkammer enthält u.a. die ihr von Friedrich
t\ i 1 h e 1 m III. geschenkte, 1827 von ihm bei seinem Beinbruch
benutzte und teilweise von ihm selbst erfundene Lagerungs-
Vorrichtung.
Waffenbrüderschaft und Korpsgeist getragenes, durch ge¬
meinschaftliches Studium gefördertes studentisches
Leben. Nach Beendigung der Studierzeit (5 Jahre) wer¬
den die Studierenden im Heer oder in der Marine als
Unterärzte mit den entsprechenden Gebührnissen an¬
gestellt und nach Ablegung der ärztlichen Prüfung zur
Ausbildung im Krankendienst in die Charite oder in ein
Garnisonlazarett kommandiert. Diese Zeit wird ihnen auf
das „praktische Jahr“ angerechnet. Zur Ablegung der
Prüfung als Arzt werden die Unterärzte zur K.-W.-A.
kommandiert. Mit der Anstellung als Unterarzt beginnt
die Ableistung des Restes der allgemeinen Dienstverpflich¬
tung, der nach der halbjährigen Waffendienstzeit noch
verblieben ist. Die besondere Dienstverpflichtung für die
Ausbildung dauert doppelt so lange, wie der Aufenthalt
auf der Akademie. Sie fängt mit der Anstellung als
Unterarzt an, doch kommt die gesetzlich abzuleistende
Dienstpflicht hierbei zur Anrechnnug. Wer vor Ablauf
des zweiten Halbjahres aus der Akademie ausscheidet,
übernimmt keine Verpflichtung. Die Einzelheiten des Ver¬
fahrens bei der Anmeldung und Aufnahme (April und
Oktober) regeln die Aufnahmebestimmungen vom 1. Juni
1907 (bei Mittler & Sohn, Berlin, Kochstr. 68, Preis
30 Pf.). Die Anmeldung soll ein halbes Jahr vor dem
Abiturium erfolgen. Bedingung ist u. a. Militärtauglich¬
keit für die Garde.
Wer als Stabsarzt zur K.-W.-A. zurückversetzt wird,
findet in einer schönen, langen, freien Zeit Gelegenheit
zur Fortbildung, auch als Spezialist, wie sie wohl keinem
anderen Arzt geboten wird. Er kann noch einmal als Mann
die Universität frei besuchen und später als Assistent in
die Charite, an Kliniken oder an das Gesundheitsamt kom¬
mandiert werden. So hat die Akademie der Universität
mehr als einen Lehrer zurück- und besonders der Hygiene
mehr als einen• Förderer gegeben Kr a f f k y , L ö f fl e r
[Sohn], Petri, Gärtner, Fischer, H ii p p e ,
Plagge u. a.) - ein Verlust für sie selbst, aber ein
Gewinn für die Wissenschaft. Seit dem Bestehen der
Anstalten bis 1895 sind 521 Ober- und Stabsärzte zum
Institut und zur K.-W.-A. versetzt worden. 1895 waren
türkische Militärärzte zu ihr kommandiert. Die Kolleg¬
honorare und Gehälter betrugen 1895 87 000 Mark, die
Zahl der Studierenden 1888/89 264. An häuslichem Zu¬
schuß werden insgesamt rund 5000 Mark erfordert.
Die Kaiser-Wilhelm-Akademie liefert der Armee
heute den Stamm ihres Sanitätsoffizierkorps. Ihre Ent¬
wicklung hat unter mancherlei Anfeindung, Mühen und
Gefahren aus kleinen Anfängen emporgeführt zu ihrer,
dem heutigen Umfang der Armee und den Anforderungen
der Wissenschaft entsprechenden Stellung, von der
Kaserne zum Prachtbau, vom Feldscher zum Sanitäts¬
offizier"). Und damit „Glückauf“ zum Umzüge in das
neue Haus! Möge Kaiserliche Huld ihm und damit dem
Sanitätskorps wie bisher auch fernerhin erhalten bleiben!
Sich ihrer zum Besten des Vaterlandes und der Armee
stets würdig zu erweisen, wird Aufgabe des Korps sein.
Der heutige Sanitätsoffizier soll in erster Linie Arzt,
und zwar ein guter Arzt sein mit den Eigenschaften und
Vorzügen des Offiziers, er soll felddienstfähig sein und
akademische Bildung mit militärischem Schliff und mili¬
tärischer Disziplin verbinden. Oft schon in verhältnis¬
mäßig jungen Jahren in selbständiger, verantwortungs¬
voller Stellung auf sich selbst angewiesen, kann er sich
seine Position bei der Truppe und im Offizierkorps nur
durch das Vertrauen schaffen, das er sich durch sein
Wissen und Können als Arzt und Mensch, durch seine
9 ) In der russischen Armee gibt es den „Feldscher“ noch
heute.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
101
Persönlichkeit erwirbt. Ein guter Arzt kann nur ein
guter Mensch sein; eine Armee aber ist nur sei i lag fertig,
soweit sie aus Gesunden besteht.
REFERATE,
Chirurgie.
Referent: Spezialarzt Dr. Mohr, Bielefeld.
1. Ueber Hirnerschütterung. Von F. Trendelenburg,
Leipzig. Deutsche med. Wochensehr., 1910, Nr. 1.
2. Ueber Hirnerschütterung. Von W indscheid , Leipzig.
Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 1.
3. Ein Fall von Hirnlokalisation, wahrscheinlich Aneurysma
eines Zweiges der 1. A. fossae Sylvii. Von Jürgens, Metz.
Med. Klinik, 1910, Nr. 2.
4. Ueber einen Fall von Leptomeningitis chronica circum¬
scripta der Zentralregion. Von A. v. Sarbo, Budapest.
Deutsche- med. Wochenseihr., 1910, Nr. I.
5. Die Leistungsfähigkeit der Nagelextension in der
Frakturbehandlung und Knochenchirurgie. Von Anschütz,
Kiel. Die Therapie der Gegenwart. Januar 1910.
6. Steile Beckenhochlagerung zur Heilung der Blinddarm-
fistel und des Blinddarmafters. Von Schmiz , Saarbrücken.
Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 1.
7. Ein Fall von Perityphlitis, bedingt durch das Glied
eines Bandwurms. Von Tiegel, Dortmund. Med. Klinik, 1910,
Nr. 2.
8. Zur Technik der kompletten, einseitigen Ausschaltung
des Dickdarms. Von M i r o tworze w, St. Petersburg. Deutsche
Aerzte-Zeitung, 1910, H. 1.
9. Die Einklemmung einer kurzen Darmschlinge im inneren
Leisten- resp. Schenkelringe. Von Riedel, Jena. Deutsche
med. Wochenschr., 1910, Nr. 1.
10. Ueber eine Endemie von Tonsillitis mit Sepsis. Von
Liebl, Seefeld. Med. Klinik, 1910, Nr. 2.
1. T r e n d e 1 e n b u r g s Referat über die Hirnerschütterung
berücksichtigt hauptsächlich die Symptomatologie der zerebralen
Erscheinungen, ferner die Aetiologie.
2. Winds cheidts Korreferat (für die 25. Versamm¬
lung mitteldeutscher Psychiater und Neurologen, Jena 1909)
behandelt das Thema vom Gesichtspunkt des Nervenarztes aus.
Das klinische Bild der nach einer Hirnerschütterung auf treten- j
den nervösen Störungen ist noch durchaus unscharf. Verringe- |
rung der Merkfähigkeit mit großer und leicht eintretender geisti- |
ger Ermüdung, abnorme affektive Erregbarkeit sind die hervor- j
stechendsten Symptome. In vielen Fällen kommt durch die Hirn-
erschütterung eine bisher latent gebliebene zerebrale Arterio- !
sklcrose zum Ausbruch. Der nach der Commotio auftretenden :
Unfallneurose liegen keine materiellen Veränderungen im Gehirn !
zugrunde, es handelt sich um eine rein psychogene Erkrankung. ;
3. Fall von Affektion der sensomotorischen Rindenzohe in ;
der Regio centralis mit anfallsweisen Krämpfen im rechten Arm, j
Bein, Zunge etc. bei erhaltenem Bewußtsein. Heilung nach J. K. j
und elektrischer Behandlung. Verf. kommt per exclusionem zur j
Annahme eines Aneurysma oder einer zystischen Geschwulst, ’
die durch allmähliche Zunahme die ersten Drucksysmptome und !
beim Platzen trotz geringer Blutung ausgedehnte Reiz- j
erscheinung verursachten. Wahrscheinlich lag Lues zugrunde.
4. Bei dem 24 jährigen Manne mußte nach dem Symptomen- j
bild und dem Krankheitsverlauf die Diagnose auf eine Meningitis
chronica circumscripta der linken Zentralregion gestellt werden,
welche wahrscheinlich bis in die früheste Kindheit zurückzu- |
datieren war. Die Kraniotomie ergab sehr erhebliche Lepto¬
meningitis chronica mit Oedem der Arachnoidalschichten in der |
Zentralregion. Exzision der oberflächlichsten Arachnoidalschich- |
ten, wodurch das Oedem beseitigt wurde. Hirnrinde normal, j
Besserung der Anfälle und des subjektiven Befindens, ebenso des ;
Geh Vermögens.
5. Die Nagelextension nach Steinmann bewährte sich,
dem Verf. in 22 ausgesucht schweren und ungünstigen Fällen.
Die Methode sollte reserviert bleiben für gewisse Gruppen von
Frakturen nach Versagen der anderen Extensionsmethoden. Hier- !
zu gehören: 1. Veraltete Frakturen mit Pseudarthrosen und ver¬
schleppte Fälle. 2. Schwere komplizierte Frakturen mit großer |
Hautwunde. 3. Frische einfache Frakturen mit unbefriedigen¬
dem Resultat bei der üblichen Behandlung, besonders Luxa¬
tionsfrakturen des Fußgelenks. 4. Korrekturen von Ver¬
kürzungen der Extremitäten infolge alter Frakturen, Ver¬
biegungen, Wachstumsstörungen oder infolge anderer Ursachen.
6. Schußfrakturen. Nicht gut waren die Erfolge bei alten Luxa¬
tionen.
ü. Da bei steiler Beckenhochlagerung der Blinddarm höher
liegt als die Einmündungsstelle des Dünndarms, so fließt der
Kot, seiner Schwere folgend, direkt abwärts und kann nicht
durch die Blinddarmöffnung heraustreten. Die Schließung einer
Blinddarmfistel wird so beschleunigt- und sogar völlig herbei-
geführt, wie es Verf. in einem Falle von Blinddarmafter erlebte,
der nach schwerer eitriger Appendizitis zurückgeblieben war.
Schluß der Darmfistel nach 5—6 Wochen.
7. Operation wegen chronischer Appendizitis; die kolbig
verdickte Spitze des entfernten, stark injizierten und
turgeszenten Wurms beherbergte in ihrem Lumen ein schmales
Glied einer Tänie, welches noch lebhafte Kontraktionen heim
Ausschneiden des Wurms zeigte.
8. Tierexperimente zur Technik der kompletten einseitigen
Ausschaltung des Dickdarms und zwei Operationen am Menschen
führen Verf. zu folgenden Schlüssen: eine mittels Ligatur an¬
gelegte und an der Umgebung mit sero-serösen Nähten um¬
nähte Umschnürung verwandelt sich in eine Klappe, welche
den Darminhalt behindert, sich in unerwünschter Richtung fort¬
zubewegen. Der hierdurch ausgeschaltete Darmteil wird atro¬
phisch, befindet sich also in Ruhe. Die Kombination der M a i -
s o n n e u v e sehen Anastomose mit Umschnürung des abführen¬
den Endes des Dünndarms, welche die inkomplette einseitige
Ausschaltung der kompletten einseitigen näher bringt, ist in
jeder Beziehung erwünscht. Die große Bedeutung der Operation
liegt in der Einfachheit ihrer 'iiccli-iil;.
9. Unter 210 von R. operierten eingeklemmten Hernien
waren 4, bei denen sich lediglich am inneren Leistenringe oder
Schenkelringe eine kurze Darmschlinge eingeklemmt hatte. Diese
Einklemmung erfolgt spontan, ist aber wohl meist durch Husten-
stöße verursacht. Es entwickelt sich eine walnuß- bis, klein -
apfelgroße Geschwulst au der Innenseite der Bauchwand gegen¬
über dem inneren Leisten- resp. Schenkelringe, sie tritt aber
bald mehr in die Tiefe der Bauchhöhle. Die Krankheit setzi
■sofort mit schwerem Erbrechen ein, die Geschwulst verschwindet
bei zunehmendem Meteorismus. Die äußere Bauchpforte zeigt
nichts Abnormes; auch wenn man mit dem Finger in diese ein-
dringen könnte, würde man schwerlich den eingeklemmten Darm
fühlen, weil er zu hoch steht.
10. 35 Fälle von epidemisch auftretender Angina mit rapider
sekundärer Infektion des Zerebrospinalraums. Retardierte Dosen
von Pyramidon, peinliche Mundreinigung, evont. Inzision der
Eiterung im Rachen ergaben gute Resultate.
Pharmakologie.
Reierent: Privatdozent Dr. C. Bachem, Bonn.
1. Beiträge zur Pharmakologie und Toxikologie der Aethyl-
schwefelsäure. Von Uveda. Nara. Therap. Monatsh.. 1910,
Nr. I.
2. Gallensäuren als Abführmittel. Von G 1 ä ß n e r u. Sin¬
ger, Wien. Wiener klin. Wochenschr., 1910, Nr. 1.
3. Todesfälle bei Skopolamin - Morphium - Narkose. Von
Rinne, Berlin. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 3.
4. Zur Bolusbehandlung. Von Nassauer, München.
Münch, med. Wochenschr., 1910, Nr. 2.
5. Branntweinvergiftungen, zugleich ein Verfahren zum
qualitativen Nachweis von Amylalkohol (Fuselöl) in Spirituosen
Lösungen. Von Holländer, Pest. Münchener med. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 2.
1. Veranlassung zu dieser Untersuchung gab eine Ver¬
giftung, bei der ein Arzt einem kleinen Kinde Mixtura sul-
furica acida teelöffelweise und unverdünnt verordnet hatte.
Das Kind starb bald nachher und in einem eingeforderten Gut¬
achten sollte Bericht erstattet werden, ob der Tod mit der
Arzneidarreichung in ursächlichem Zusammenhang stehe. Das
betreffende Präparat bestand aus 7,3% unzersetzter Schwefel¬
säure und etwa ebensoviel Monoäthylschwefelsäure. Versuche
mit reiner Aethylschwefelsäure am Frosch ergaben, daß sie
unter Lähmungserscheinungen ohne vorausgegangene Krämpfe
102
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 7
i
tötet. Die Wirkung der Aethylschwefclsäurc (in Form ihres !
Natrium-Salzes cingeführt) hat man sich, wie Versuche an
Kaninchen lehrten, als reine Säurewirkung zu denken. Auch
die nach dem To-de der Tiere beobachteten pathologisch-ana¬
tomischen Veränderungen sprechen für reine Säurevergiftung,
ebenso die Lähmungserscheinungen infolge der Alkalientziehung
und die damit verbundene Lahmlegung aller Zellen sowie das
bei Hunden häufig beobachtete Erbrechen. Die Organe des
getöteten Kindes zeigten bei der Sektion nicht die typischen
Veränderungen wie nach Schwefelsäure Vergiftung, so daß der
Ausspruch der Gutachter dahin ging, daß der Tod nicht mit
Sicherheit auf die Arznei zurückgeführt werden könne.
Uebrigens ist die Mixtura sulfurica acida (1 Teil Schwefel-
säure und 3 Teile Weingeist) ein Blutstillungsmittel von sehr
zweifelhaftem Nutzen und ihre Aufnahme in der Pharmakopoe
völlig überflüssig.
2. Nachdem sich in Tierversuchen gezeigt hatte, daß sich
rektal injizierte Galle als kräftiges, die Peristaltik anregendes
Mittel erwies, wurde im einzelnen festgestellt, daß der Angriffs¬
punkt der Wirkung im Dickdarm liegt und als Träger die
Gallensäuren in Betracht kommen. Unter diesen erwies sich
die Gholsäure am wirksamsten. Jedoch ist letztere in reinem
Zustand schwer zu beschaffen und kann vorteilhaft durch fl io
Platn ersehen Kristalle der „kristallisierten“ Galle ersetzt
werden. Glykokoll und Taurin sind unwirksam.
Versuche an Kranken waren sehr ermutigend: Auf rektalem
Wege wurden 0,1—0,3 g reiner Cholsäure oder 0,2—0,5 g P 1 a t -
n ersehe Galle eingeführt, wodurch auch bei hartnäckig
Obstipierten nach 5—10 Minuten Stuhlgang erfolgte. Neben¬
wirkungen wurden im allgemeinen nicht beobachtet, bei emp¬
findlichen Kranken kam es hier und da zu Tenesmus. Dia
Darreichung per os erwies sich als weniger . sicher. V.
Als Indikationen gelten solche Fälle, bei denen Erschwerung
der Defäkation durch Störung im Rektum vorliegt oder bei ver¬
minderter austreibender Kraft im Dickdarm; ferner der para¬
lytische Ileus und die postoperative Darmlähmung.
Die Beschreibung weiterer Indikationen, die Technik des
Verfahrens etc. behält sich Verfasser für eine weitere Mit¬
teilung vor.
3. Wenn auch diese Art der Narkose vor der Allgemein -
narkose manche Vorteile hat, so mußte Verf. leider zwei Todes* -
fälle kurz hintereinander erleben. Im ersten Falle handelte es
sich um eine 72 jährige Dame, die in drei Portionen im ganzen
0,0012 Scopolamin. hydrobrom. und 0,03 Morph, mur. erhalten
batte. Der Tod erfolgte plötzlich einige Stunden nach Ab¬
lauf der Operation. Der andere Fall betraf einen 55 jährigen
Herrn mit Karzinom, der die gleiche Dosis in der gleichen
Art erhalten hatte. In der Narkose, die verschiedentlich durch 1
Aether vervollständigt wurde, kollabierte der Kranke plötzlich
und starb. In beiden Fällen handelte es sich allerdings um
schwere Veränderungen am Gefäßsystem und geringe Wider¬
standsfähigkeit der Kranken, doch wird man gut tun, von
der genannten hohen Dosis Abstand zu nehmen.
4. Verfasser empfiehlt zur Behandlung krankhafter
Prozesse im unteren Darmabschnitt (Mastdarmgeschwüre, Prok¬
titis, Karzinome) den Bolus alba, insbesondere eignet sich eine
Verstäubung desselben mit N.s Apparat „Siccator“, mit Hilfe
dessen der Darm aufgeblasen und das Pulver eingestäubt wird.
Auch bei Diarrhöen hat sich das Mittel per os oder jicr anum.
verabfolgt, als nützlich erwiesen, ebenso in der Rhinologie bei
Ausflüssen.
Der Apparat ist von der Firma H. Katsch, München,
Bayerstraße, zu beziehen und kostet 4,50 M.
5. Von den bekannteren niederen Alkoholen besitzt der
Amylalkohol die größte Giftigkeit und kommt neben dem
Methylalkohol bei den gewöhnlich als Alkoholvergiftung be¬
schriebenen Intoxikationen in erster Linie in Betracht. Während
der Methylalkohol dem Aet.hylalkohol in vielfacher Beziehung
nahe verwandt ist und allenfalls als Surrogat desselben benutzt
werden kann, verbietet der Geruch, die geringe Löslichkeit usw.
dem Amylalkohol, in größerer Menge den Spirituosen zugesetzt
zu werden. Die Giftigkeit des Amylalkohols wird noch dadurch
erhöht, daß er kumulativ wirkt und den natürlichen Entgiftungs¬
prozessen des Organismus wenig zugänglich ist.
Während wir zum chemischen Nachweis des Methylalkohols
eine Reihe von Verfahren besitzen, fehlte bisher eine zu¬
verlässige Probe auf Amylalkohol. Verfasser glaubt folgende
empfehlen zu können: 25 ccm Branntwein werden unter Zu¬
satz von 1 ccm Normalkalilauge destilliert und nachdem alles
überdestilliert ist, wird eine kleine Menge mit gleichen Teilen
Essigsäure erhitzt. Hierauf wird ein Tropfen reines Phenyl¬
hydrazin zugegeben, dann wieder gekocht, worauf man in
fließendem Wasser oder auf Eis erkalten läßt. Mit konzen¬
trierter Salzsäure unterschichtet, entsteht an der Berührungs¬
fläche ein grüner Ring, der bei höherer Konzentration smaragd¬
grün sein kann. Dieser Körper bildet sich aus Azetylamyl-
phenylhydrazin unter Einwirkung der Salzsäure.
Lungenkrankheiten.
Referent: Prof. Dr. A. Moeller. Spezialarzt für Lungenleiden,
Berlin.
1. Mundhygiene und Lungentuberkulose. (Aus der Poli¬
klinik für Lungenkranke von Prof. A. Moeller.) Von Prof.
A. Moeller. Münchener med. Wochensehr., 1910, Nr. 2.
2. Zur Pathogenese der Tuberkulose. Von Doz. Dr. Wele
minsky, Prag. Prager med. Wochenschr., 1905, Nr. 11.
3. Zur Antiforminmethode der Sputumuntersuchung. Von
Lagreze, Assistent des Sanatoriums für Lungenkranke in
A.rosa. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 2.
4. Zur Frage der serösen Expektoration. Von Dr. P. H a m
peln, Riga. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 2.
5. Ueber Brustumfangmessungen an Lungentuberkulösen im
Hochgebirge. Von Dr. Am re in, Arosa. Zeitsohr. f. Balneo¬
logie, 1910, Nr. 2.
1. Verf. beschreibt einen Fall, wo ein kariöser Zahn als Ein¬
gangspforte für die Tuberkelbazillen nachgewiesen wurde, die
zerstörte Pulpa hatte die Infektion ermöglicht. Ich gab die
üblichen Verordnungen und empfahl zahnärztliche Behandlung,
die aber teils aus Indolenz, teils aus materiellen Gründen unter¬
blieb; ein Beispiel für die Notwendigkeit der Schulzahnklinik.
Der Patient, ein Knabe, war von Jugend an ein „schlechter
Esser“ gewesen, wie die Mutter sagte; er hatte infolge dj?r
schlechten Mundpflege und des vernachlässigten Gebisses immer
schlechten Appetit gehabt, war infolge der Zahnaffektion immer
leidend, so daß als Folge der mangelhaften und ungenügenden
Ernährung eine starke Anämie auf trat, welche für die Ent¬
stehung der Tuberkulose wie auch für die schnelle Progredienz
des Falles ein wesentlich förderndes Moment bildete.
Es kommen im allgemeinen kariöse Zahnprozesse als Ein¬
gangspforte für Tuberkelbazillen bei Kindern wohl in Betracht;
freilich tritt dieser Infektionsmodus nur selten ein, häufiger
ist die Einwanderung durch die Weichteile, Tonsillen, Schleim¬
häute, lymphoiden Organe des Mundes usw. Doch spielen die
kariösen Zähne indirekt durch Druckläsion en und Schrunden der
Schleimhaut, welche durch die Spitzen und Kanten der Zähne
verursacht werden und den Tuberkelbazillen das Eindringen er¬
leichtern, eine wichtige Rolle. Durch die kariösen Zähne treten
die Tuberkelbazillen erst zu den Drüsen, wenn die Pulpa zer¬
fällt und der Wurzelkanal offen liegt, wie beim Pulpabaszeß
und Gangrän; von hier aus können die Tuberkelbazillen durch
den Wurzelkanal in den Organismus eindringen, woraus die
große Gefahr solcher Prozesse als ständiger Infektionsquelle für
den menschlichen Organismus erhellt. Durch das kariös entartete
Dentin treten die Tuberkelbazillen wohl kaum ein; die von
mir nach dieser Richtung hin angestellten Untersuchungen über
Tuberkelbazillen bei kariösen Dentinprozessen waren meist
negativ, sowohl mikroskopisch wie auch bei Tierversuchen. Ich
fand wohl öfters die von mir entdeckten säure- und alkohol*
festen, den Tuberkelbazillen morphologisch ähnlichen Bakterien,
die Pseudotuberkelbazillen, die freilich oft zu Fehldiagnosen und
falschen Schlüssen geführt haben. — Während ich der Einwande¬
rung von Tuberkelbazillen durch kariöse Dentinprozesse sehr
skeptisch gegenüberstehe, glaube ich auf Grund "meiner Unter¬
suchungen, die ich dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen
der Schulzahnärzte zum großen Teil auch in der Charlotten¬
burger Schulzahnklinik vornahm, daß die Mehrzahl der Infektio¬
nen durch die Weichteile, Läsionen der Schleimhäute, statthat,
und zwar von dem im ungepflegten JVJunde vielfach Tuberkel -
bazillen beherbergenden Belage herstammt. — Ich untersuchte:
A. 53 lungengesunde. Schulkinder und fand behaftet: 36 mit
kariösen Zähnen, 41 mit starkem Mundbelage, 12 mit relativ ge¬
sunden Mundverhältnissen. Während letztere 12 von guter
Konstitution und Intelligenz waren, bestand bei. den übrigen 41
.mehr oder weniger Anämie und geringere Intelligenz. Ich fand
bei diesen Kindern: in 36 kariösen Gebissen 9 mal Pseudo-
tuberkelbazillen; in 41 Mundbelägen 6 mal Tuberkelbazillen,
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1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
105
18mal Psourloiubcrkelbazillan. B. 194 luugenkrankc Schulkinder:
in 138 kariösen Gebissen 14 mal Tuberkelbazillen, 23 mal Pseudo-
tuberkelbazillpn; in 182 Mundbelägen 35 mal Tuberkclbazillen,
42 mal Pseudotuberkelbazillen.
ln der kindlichen Mundhöhle wie auch im Bachen wird die
Infektion wegen der leichten Passierbarkei 1 der Schleimhäute
begünstigt. Dife Bakterien werden von den. krypten-, taschen-
und buchtenreichen Tonsillen abgefangen und aufgesaugt; von
den Schleimdrüsen resorbiert, beim Schluckakt in die Schleim¬
haut und lymphoiden Organe hineingepreßt; auch bildet die
bei Kindern wohl ständig mit Läsionen oder Schrunden versehene
Mundschleimhaut eine vieltausendfach größere Angriffsfläche
und Eingangspforte, als die mit keinen oder doch nur mangel¬
haft mit Lymphwegem versehenen und daher nicht resorptions¬
fähigen Zahnprozesse. Die Lymphgefäße und Gewebsspalten
sind bei Kindern überhaupt weit und erleichtern das Eindringen
der Bakterien.
Während ich in kariösen Zähnen keine Tuberkclbazillen
fand, konstatierte ich solche öfters in den Zungen- und Zahn-
belägcn; auch'positive Tuberkuliurcaktionen — es traten bei
Dosen von Vio — 5 mg Schwellung und Wärmegefühl in den
Drüsen auf — sicherten den Zusammenhang zwischen Mund¬
höhlenbelag und Drüsenschwellung.
Bei schlechter Mund- und Zahnpflege kommen bA Kindern
alle Entstehungsarten der Lungentuberkulose in Betracht und
zwar die, äerogene durch direkte Einatmung der Bakterien,
welche mit der Inspiration von dem schmutzigen Zahnbelag
losgerissen werden, wie auch die lymphogene resp. die häma¬
togene durch Verschlucken von Tuberkelbazillen, welche, wegen
der beim Kinde noch fehlenden Enzyme und der breiten Lymph¬
spalten die Schleimhäute passieren und sich in den Bauchdrüsen
festsetzen, wo sie die tötliche Tabes mesaraica verursachen.
Eine erhöhte Mundpflege ist bei Lungenkranken von wesent¬
licher Bedeutung, da, wie ja auch obige Statistik ergibt, hier
in den kariösen Zähnen und Zahnlücken oft Tuberkelbazillen
vorhanden sind, die beim Vorüberpassieren des Sputums dort
haften geblieben sind und nun mit jedem Atemzuge und
Schlucken immer wieder Veranlassung zu neuer Infektion geben
können. Ferner ist-zur erfolgreichen Durchführung der diäteti¬
schen Therapie — es kann die Lungentuberkulose ja auch als
.durch Unterernährung entstandene „Ernährungskrankheit“ be¬
zeichnet werden — ein gutes Gebiß die Vorbedingung.
(Autoreferat.)
2. Aus den interessanten Ausführungen des Autors möchte
ich besonders hervorheben die Bemerkungen über die Dispo¬
sition der Lungenspitze; es läßt sich dieselbe sehr gut vom
Standpunkte der Vererbungstheorie betrachten. Wir wissen,
daß nur der Mensch es ist, bei dem diese Disposition, die nach
Ribbert. auch bei der Miliartuberkulose zutage tritt, besteht.
Bei allen Tieren findet sich sowohl bei spontaner wie bei
künstlicher Infektion gleichmäßige Verteilung über die ganze
Lunge. Aber auch nicht bei allen Menschen zeigte sich
diese Disposition der Spitz? : Die S ä ug 1 i n g e verhalten sich in
dieser Beziehung wie die Tiere.
Wir werden daher dieses merkwürdige Verhalten mit
dem aufrechten Gange in Verbindung bringen dürfen. Dieser
bewirkt mangelhafte Atmung der Lungenspitzen (wovon wir
uns leicht überzeugen können, wenn wir uns in Knieellenbogen-
Lage niederlassen: wir fangen dann sofort an, einen ganz
anderen Atemtypus, den der Tiere, anzunehmen). Infolge des
mangelhaften Atmens nun schlechte Blutversorgung, infolge
derer leichtere Erkrankung. Die Lungen wären als ein sich
senkendes, die Lungenspitzen als ein zurückgehendes, außer
Tätigkeit gesetztes Organ auf zufassen, als solches ebenso wie
Wurmfortsatz und Mahlzähne Krankheiten besonders ausgesetzt.
Daß beim aufrecht gehenden Menschen nahezu alle Organe die
Tendenz haben, sich zu senken, wissen wir ja: das Herz ist.
beim Embryo viel höher angelegt, noch beim Säugling steht es
höher als beim Erwachsenen; pathologischer Weise senken sich
alle Baucheingeweide; die Ovarien steigen normalerweise von
den Nieren bis fast zum Schambein herab, die Hoden bis über
das' Abdomen hinaus. Falls, aber letztere weiter oben (in der
Bauchhöhle) Zurückbleiben, sind sie, wie - wir wissen, be¬
sonders zu Krankheiten geneigt.
Wir dürfen wohl auch in prophylaktischer Beziehung Schlu߬
folgerungen ziehen: wir werden u. a. speziell' in Gegenwart
von Phthisikern mehr mit der Nase atmen, als mit dem Mund,
da die Nase ja abgesehen von besserer Befeuchtung etc. viel
besser Bakterien zurückhält. (Daher die häufigen Funde von
Tuberkelbazillen im Nasenschleim von Krankenwärtern.) Wir
w e l* d e n w eit** r d u r c h .M u n <1 p lieg e b ei K i n d <* r n
vie 1 1 e icht m a n eh e I n f ek tio n verbind e rn k önn eu
(•vergl. obiges Referat über: Moeller: Mundhygiene und
Lungentuberkulose. Ref. >. Und endlich könnte man viel¬
leicht daran denken, durch Atemgymnastik in nach vorn ge¬
beugter und gestützter Stellung die Spitzendisposition zu ver¬
mindern bezw. die Blutzirkulation in den Lungenspitzen zu
steigern.
3. Verf. untersuchte nach der Aütiforminmethod e
50 Sputen. Bei allen war vergebens nach Tuberkclbazillen ge¬
sucht. worden und es konnten mittels der Antiforminmethodo
doch bei 20"«» der Fälle Bazillen nachgewiesen werden. Es
wurden die Versuche so angestellt, daß das Sputum von ein
bis zwei Tagen gesammelt und dann im ganzen verarbeitet
wurde. Es zeigte sich dann, daß im Sputum in einzelnen
Fällen nur sehr wenig Bazillen vorhanden waren, deren Auf-
finden im Ausstrich nur zufällig möglich gewesen sein würde.
Aus seinen Untersuchungen hebt der Autor 2 0 Fälle be-
s o n d e r s he r a u s , welche ihm sehr instruktiv erscheinen,
hiervon ergaben 5 ein yiositives Resultat, darunter eine Initial¬
tuberkulose mit sehr geringem physikalischen Befunde und
sehr spärlichem Sputum. Aus den 15 negativen Fällen griff
Verf. drei heraus, bei denen ihm ein Irrtum bezüglich des
Ergebnisses der Antiforminmethode nach Form des Auswurfe«
und Lage des Falles am ehesten möglich erschien und ver-
impfte zur Kontrolle je 1 )- 1 ccm Sputum intraperitoneal auf
Versuchstiere. Er macht? nach ca. 2Vs—3 Monaten die Sektion
bei den Meerschweinchen und fand alle frei von Tuber¬
kulose. Hiernach ist der Autor ein entschiedener Anhänger
der Antiforminmethode.
4. Es werden zurzeit zur Beurteilung des Wesens der
serösen Expektoration nach Punktion der Pleura
hauptsächlich klinische Beobachtungstatsachen in Betracht ge¬
zogen. Es wurde von allen Klinikern das Lungenödem als
Ursache der eigentümlichen Erscheinung angenommen. Verf.
faßt seine Studien in folgende Zusammenfassung: Die seröse
Expektoration bei PleUrapunktion?n scheint zwiefach geartet
zu sein. In einem Teil der Fälle beruht sie auf Lungenödem,
das, infolge einer Aspiration entstanden, als aspiratives eine
besondere Stellung einnimmt und wohl nur in Punktionsfällen
beobachtet wird. Es verläuft sehr ähnlich dem toxisch-neur¬
otischen und sehr unähnlich dem gewöhnlichen Lungenödem.
In anderen Fällen liegt Uebertritt des Exsudates in das Lungen¬
parenchym, also eine eigentliche „Expektoration“ des Exsudates
vor, sei es infolge einer noch nicht strenge bewiesenen Perfo¬
ration, sei es infolge physiologischer Resorption.
5. Im Hochgebirge wird die Atmung vertieft, und so eine'
bessere Funktion und Ventilation der Lungen im Verlaufe der
Hochgebirgskur erzeugt. Am rein hat nachgewiesen, daß bei
der Höhenkur auch der Brustumfang wesentlich zugunsten einer
besseren Lungenventilation gebessert wird.
Augenheilkunde.
Referent: Augenarzt Dr. Paul Greven. Aachen.
1. Kommen bei seniler Katarakt Spontanheilungen vor?
Von Dr. F ranz Becker, Augenarzt in Düsseldorf. Wochen¬
schrift. für Ther. u. Hyg. des Auges, 13. Jahrg., Nr. 14.
2. Diagnose und Behandlung des Glaukoms. Klinischer
Vortrag Von O. H aab, Professor der Augenheilkunde in Zürich.
Deutsche med. VOchenschr., 1910, Nr. 1.
3. Zur operativen Behandlung der rezidivierenden ekze¬
matösen Hornhauterkrankungen. Von Augenarzt Dr. Neu-
hann, II. Arzt an der Provinzial-Augenheilansialt in
Münster i. W. Medizinische Klinik, 1910, Nr. 4.
4. Das Blenolenicet und die Behandlung der Blennorrhoea
gonorrhoica. Von Dr. med. O. Walter, Odessa (Odessae.r
städt. AugenhospitaU. V T ochenschr. für Therapie u. Hygiene,
des Auges, 13. Jahrg., Nr. 15.
1. Die Methoden, welche neuerdings wieder zur Behand¬
lung unreifer Stare angegeben wurden (v. P f 1 u g k , R ö in e r
und die Erfolge, die damit sollen erzielt, worden sein, he-,
gegneten begreiflicherweise starkem Mißtrauen. Denn es galt
bisher als feststehende Tatsache, daß makroskopisch wahrnehm¬
bare Veränderungen beim Altersstar keiner Rückbildung fähig
seien. Es scheint, sich auch bei den therapeutischen Erfolgen,
die jetzt von verschiedenen Seiten berichtet wurden, weniger
um eine Aufhellung bereits «getrübter Partien zu handeln, als
JNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
104
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 7
vielmehr um eine Erhöhung' der Durchsichtigkeit noch nic.lii
getrübter Teile. Nunmehr berichtet in der vorliegenden! Arbeit
Becker über einen Fall, wo sich die Linsentrübung wirklich
zurückgebildet hat. Es handelte sich um eine Dame in den
60 er Jahren, die zur Brillenbestimmung kam. Es fanden
sich mehrere strichförmige Trübungen, die vom Linsenäquator
ausgingen und über den Irisrand hervorragten. B. notierte und
skizzierte genau den Befund. Zwei Jahre später kam die Dame
wieder behufs einer Brillenbestimmung. Die Sehschärfe war
dieselbe wie damals ( a / B ; in der Nähe Jaeger Nr. 2 . Aber
was höchst auffallend war, es ließ sich bei sorgfältigster Unter¬
suchung und beim Vergleich mit der früheren Skizze keine
Spur von Linsentrübung wahrnehmen. Es würde sich also um
eine spontane Rückbildung, mindestens aber um erhebliche Ab¬
nahme der Linsentrübungen handeln.
2. Eine reiche Fülle von Wissen und Erfahrung, Altes
und Neues, ist in dieser Arbeit Haabs niedergelegt, die
darum lesens- und beachtenswert ist, nicht nur für den praktischen
Arzt, sondern auch für den Spezialarzt. Nachdem Verf. sich
kurz über das Wesen des Glaukoms uud über die Vorgänge ge¬
äußert hat, die das Hartwerden des Auges verursachen, geht
er ausführlich auf die Diagnose und die Behandlung der Er¬
krankung über. Der methodische Gang der Untersuchung ist
für eine richtige Diagnose von größter Bedeutung: erst eine
genaue äußere Besichtigung des Auges, dann Palpation des
Augapfels behufs Feststellung seiner abnormen Härte. Funktions-
prüiung (Sehschärfe und Gesichtsfeld), endlich die Unter¬
suchung im Dunkelzimmer (und zwar zuerst Untersuchung bei
kräftigem, seitlichem Licht, dann Augenspiegeluntersuchung
im durchfallenden Licht und sodann im umgekehrten und
aufrechten Bild). Die Ansicht, daß es auch ohne Drucksteige¬
rung eine Atrophie des Sehnerven mit Exkavation gebe, die
der glaukomatösen gleich sei, teilt Ha ab nicht. Die Ex¬
kavation bei bloßer Atrophie sei nie so tief und steilrandig
wie bei Glaukom. Die Behandlung des Glaukoms ist eine all¬
gemeine und lokale. Die allgemeine Behandlung soll auf Fern-
haltung aller stärkeren Aufregungen, sowie auf die Regelung
der Herzarbeit hinzielen. In der Lokalbehandlung steht die
Iridektomie obenan, für welche die Fälle von akutem Glaukom
geeignet sind, ungeeignet ist diese Operation für das infantile.
Glaukom und in der Regel auch für das hämorrhagische, ferner
auch für das vorgerückte Glaucoma simplex. Fehlerhaft ist auch
die Iridektomie bei Sekundärglaukom, das auf anderem Wege be¬
seitigt. werden kann. Ein gutes Hilfsmittel für die Nach¬
behandlung der Operierten fst die Massage. Mit der opera¬
tiven Behandlung Hand in Hand gehen soll in allen Fällen
von Glaukom der konsequente Gebrauch der Miotika. Für
kräftige Wirkung Physostigmin; für langen Fortgebrauch, wenn
nötig jahre-, ja jahrzehntelang Pilokarpin. Aengstlich zu meiden
Atropin oder ein ähnliches Mydriatikum, sogar Homatropin
und Kokain.
3. Im Anschlüsse an die Arbeit von Schultz - Z e h d e n
(ve.rgl. Therap. Rundschau, Nr. 4) berichtet Neuhann über
die Ergebnisse der operativen Behandlung der rezidivierenden,
ekzematösen Bindehauterkrankung (Blepharotomie resp. Kantho-
plastik). Er hat seine Erfahrungen mit dieser Behandlung
gemacht an der Schwab eschen Augenklinik in Leipzig, wo
die Operation schon seit dem Jahre 1885 ausgeführt wird. Auf
Grund von etwa 1000 Fällen spricht sich Verf. dahin aus,
daß zweifellos in einer Reihe von Fällen nach der Operation
der Verlauf der Krankheit eine günstige Wendung nahm. Aber
auch oft genug war die Kanthopfastik nicht imstande, Rück¬
fälle zu verhüten, was nach der Art der Erkrankung ja auch
von vornherein anzunehmen ist. Solange nämlich das Grund-
leiden .fortbesteht, ist auch die Möglichkeit eines Rückfalls
vorhanden. Die Ivanthoplastik sei bei ekzematöser Horn¬
hauterkrankung indiziert bei gleichzeitiger Verengerung der
Lidspalte und bei starkem Lidkrampf, der jeder anderen Be¬
handlung trotzt. Kinder mit ekzematöser B i n d e haute.rk ran -
kung sollten nicht operiert werden. Nach der Operation bei
normal weiter Lidspalte käme es vor, daß das Unterlid er¬
schlafft und Neigung zu Ektropium zeigt.
4. Blenolenicet ist ein Gemisch eines Präparates von
essigsaurer Tonerde uud Euvaselin. Dasselbe wurde zuerst
1907 von Adam zur Behandlung der Blennorrhoe der
Bindehaut empfohlen, eine Empfehlung, der sich 1908
Scheuermann anschloß. Neuerdings aber erheben sich
Stimmen, die das Mittel nicht so warm empfehlen. Zunächst
, sprechen schon äußere Gründe gegen das Mittel, wenigstens
VERSITY OF
für seine Anwendung in der ambulanten Praxis: denn cs muß
zweistündlich in den Bindehautsack eingestrichen werden, was
doch durchaus keine Vereinfachung der Behandlung darstellt,
und ferner ist das Einstreichen einer so festen Salbe, wie.
das Blenolenicet, für ungeübte Hände gar nicht so leicht.
Walter versuchte nun das Mittel zuerst in zwei Fällen,
die schon mit Arg. nitr. behandelt waren, so daß die Eiter¬
absonderung bereits vergangen war. Der Erfolg war der, (laß
nach der Anwendung von Blenolenicet die Eiterung wieder
auftrat. Nach dieser Erfahrung wagte nun W. gar keine reine
Blenolenicet-Behandlung, entschloß sich aber, sie. mit der .Silber¬
behandlung zu kombinieren. Unter solcher kombinierten Be¬
handlung kam in einer Reihe von Fällen ein befriedigender
Erfolg zustande, zumal es sich fast ausschließlich um Blennor-
rhoea adultorum handelte, welche bekanntlich eine weit
schlechtere Prognose gibt als Bleunorrhoea neonatorum. Aber
Verf. glaubt nicht, daß das Blenolenicet auf die gonorrhoische,
Entzündung einzuwirken imstande ist, und er würde es nicht
wagen, sich einzig und allein auf dieses Mittel zu verlassen.
Er will aber zugeben, daß das Blenolenicet einen wirksamen
Schutz für die Hornhaut abgeben kann gegen die Einwirkung
durch das Sekret der Bindehaut, so lange die Hornhaut noch
intakt ist. Er hat den Eindruck bekommen, als ob bei der
kombinierten Behandlung die Komplikationen von seiten der
Hornhaut seltener sind, und daß der Krankheitsverlauf ein
schnellerer ist. Das Einstreichen der Salbe ungeübten Händen
zu überlassen, hält er aber für durchaus unzweckmäßig, um
nicht zu sagen gefährlich, und er kann es daher für ,die
Behandlung ambulatorischer Patienten nicht empfehlen.
Herz- und Gef iißkrank h eiten.
Referent: Badearzt Dr. Silbermann. Kutlowa-Berlin.
1. Die nervösen und psychischen Störungen bei Arterio¬
sklerose. Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Gramer, Göttingen.
Deutsche med. Wochenschr.,. 1909, Nr. 37.
2. Sauerstoffinhalationen bei Herzkrankheiten. Von Priv.
Doz. Dr. Max Herz, Wien. Prager med. Wochenschr., 1909,
Nr. 52.
3. Ueber Herzneurosen. Von Prof. Dr. G. Treupel,
Frankfurt a. M. Münchener med. Wochenschr., 1909, Nr. 17.
1. Nervöse Störungen auf arteriosklerotischer Basis machen
sich hauptsächlich zwischen dem 45. und 65. Lebensjahre bemerk¬
bar und betreffen vor allem Personen, die ein an Aufregungen
und Strapazen reiches Leben hinter sich hahen. Daß auch die
Art der Lebensführung hier bei der Entwicklung der Arterio¬
sklerose 1 » überhaupt eine große Rolle spielt, bedarf wohl kaum
der Erwähnung. Und so sehen wir vorzugsweise die Arterio¬
sklerose auf treten bei Wjrteu, Schauspielern, Offizieren, Kom¬
merzienräten, die in vielen Aufsichtsräten sitzen, Beamten,
deren Beruf viele Aufregungen mit sich bringt, bei nervösen
U n f a 1 lerkr anku n gen.
Unter den Allgemeinsymptomen sind die hervorragendsten:
Schwindel, Kopfschmerz und Abnahme des Gedächtnisses. Doch
wird man in allen Fällen darauf achten müssen, ob diesa
Symptome nicht durch andere Erkrankungen hervorgerufen
werden. Ganz besonders wird man bei den Schwindclanfällen
genau zu eruieren haben, ob es sich nicht nur um 'einen
Schwächezustand, wie er bei nervösen Personen häufig ist und
von diesen als Schwindelanfall . bezeichnet wird, handelt, oder
ob nicht, etwa der Schwindelanfall durch eine Ohrerkrankung
ausgelöst ist. Ein weiteres Symptom ist die Rührseligkeit,
über die die Patienten so oft klagen und die sie bisweilen iin¬
mitten einer Gesellschaft, im Theater, im Beruf, zum Weinen
zwingt. Dabei sind die Kranken von einer außerordentlichen
Reizbarkeit; in anderen Fällen stellen sich wieder Depressions-
zustände ein, die sie stumpf und gleichgültig gegen alles werden
lassen. Auch der Schlaf ist gestört, in einzelnen Fällen
quälendste Schlaflosigkeit, in anderen wiederum andauerndes
Schlafbedürfnis. Weiterhin zeigt sich eine große Intoleranz
gegen Alkohol und auch Aenderungen des Charakters stellen sich
in manchen Fällen schon frühzeitig ein; Egoismus, Lügenhaftig¬
keit und Heuchelei — letztere besonders auf sexuellem Ge¬
biete, insofern die Kranken ihren Regungen andere Motive unter¬
zuschieben suchen — ja, in höheren Graden sogar Sittlichkeit -
vergehen und Scha.mverletzungen.
Unter den Lokalsymptomen, die auf eine unmittelbare
Neuroseerkrankung hinweisen, hat Verf. als Frühsymptom nicht
/ERS
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
105
- •
soltoii (, iuc V crl a ngsainung der Sprache nicht zu vor Wechsel u
lnil Erschwerung der Sprache beobachten können; dazu kann
sieh dann auch eine Erschwerung' und ein Uudeutlichwerdem
der Sprache gesellen und Störungen in der mimischen Musku¬
latur. Die Pupillenreaktion ist träge, selten ganz aufgehoben,
und zwar sowohl für Lichteinfall als für Akkommodation, wobei
ganz besonders zu beachten ist, daß diese Erscheinungen einem
außerordentlichen Wechsel unterliegen. Störungen der Facialis-
innervation, bisweilen leichte Abduzensparescn, Steigerung der
Patellarreflexe, isolierte, leichte Spasmen, ja sogar Auftreten
von Babinski, Parästhesien und Schmerzen in den Extremi¬
täten können die Arteriosklerose begleiten, ohne jedoch direkt
pathognomonisch für dieselbe zu sein und nur per exclusiot
nein kann hier die Diagnose gestellt werden, wie überhaupt
nur unter Berücksichtigung aller sonstigen klinischen Er¬
scheinungen (Herz, Puls, Blutdruck etc.) Arteriosklerose an¬
genommen werden darf. Alle diese Erscheinungen deuten auf
Herderkrankungen im Zentralnervensystem hin und je nach
dem Sitz dieser Herde werden die Symptome sich nacli der
einen oder anderen Richtung geltend machen. Als Begleit¬
erscheinung dieser Symptome, die aber Verf. nicht mit der
organischen Erkrankung des Gehirns in Zusammenhang bringen
zu können glaubt, tritt dann bisweilen auch noch eine kon-t
zentrische Einengung des Gesichtsfeldes auf.
Unter den psychischen Störungen sind nach Verf. drei
Gruppen zu unterscheiden: 1. Zunehmende Abnahme der geisti¬
gen Kräfte, 2. leichte und schwere Depressionszustälnde,
3. euphorische und Exaltationszustände, selten auch para¬
noische Symptomenkomplexe.
Die Abnahme der geistigen Kräfte erfolgt auch hier, wie
Ihm anderen Fällen von Dementia, nur allmählich und zeigt sich
häufig in dem Hervortreten ethischer Defekte und moralischer
Perversitäten, in anderen Fällen wiederum tritt eine Ab¬
stumpfung gegen alle äußeren Einflüsse ein, ,,eine Indolenz
auf intellektuellem wie affektivem Gebiete“. Am häufigsten
aber sind die Depressionszustände, die, ähnlich der echten
Melancholie, sich von dieser äußerlich durch eine größere
Stumpfheit des Patienten unterscheiden, während objektiv immer
Zeichen einer organischen Gehirnerkrankung nachweisbar sind.
Die paranoischen Symptomenkomplexe endlich sind vor allem
durch ein immermehr sich steigerndes Mißtrauen gegen die
nächste l mgebung charakterisiert, das sich bis zum Ver¬
folgungswahn steigern und mit Gesichts- und Gehörstäuschungen
verbunden sein kann. Eine Differentialdiagnose zwischen diesen
Zuständen und der progressiven Paralyse ist uns heute nur
durch die Wassermannsche Reaktion möglich, die aber
alsdann aus der Spinalflüssigkeit anzüstellen ist.
2. Sauerstoffinhalationen am Krankenbett haben dem Verf.
außer einer geringen subjektiven Besserung und Erleichterung
der Atmung keine wesentliche Erfolge gezeitigt. Von günstigem
Einfluß waren sie bei kompensierten Mitralstenosen, wo ganz
besonders in einem Falle, in dem das Herz schon auf geringe
Anstrengungen reagierte, eine auffallende Besserung der
Leistungsfähigkeit des Herzens auftrat. Leber Erfahrungen bei
anderen Klappenfehlern im Stadium der Kompensation verfügt
Verf. leider nicht. Dagegen hat er in anderen dyspnoischen Zu¬
ständen, als Folge einer Herzinsuffizienz, Sauerstoffinhalationen
angewandt, jedoch nicht in Form der Atmungsgymnastik, son¬
dern nur durch Zufährung reinerer Luft, indem er Gas vor
Mund und Nase ausströmen ließ, und auch dabei eine sub¬
jektive Besserung erzielt, ebenso wie auch in Fällen von Angina
pectoris, in der gleichen Weise angewandt. Von günstigem
Erfolge dagegen waren systematische Inhalationen von reinem
Sauerstoff in den beschwerdefreien Intervallen, und in einem
Falle ist seit D/2 Jahren kein neuer Anfall von Angina mehr
aufgetreten. Verf. kommt daher zu dem Schluß, daß in
der beschwerdefreien Zeit 'Sauerstoffinhalationen bei kompen¬
sierten Klappenfehlern, besonders Mitralstenosen, ferner bei
Angina pectoris und dem Asthma cardiale zu empfehlen seien.
(Rcf. hatte Gelegenheit, bei dem Berliner 6 Tagerennen die
günstige Wirkung der Sauerstoffinhalationen zu beobachten.
Von sämtlichen Fahrern wurde die außerordentlich erfrischende
Wirkung . gerühmt und objektiv konnte eine Rötung des vorher
blassen Gesichts, sowie auch, ein Vollerwerden des Pulses beob- .
achtet werden. Genauere Untersuchungen mußten mit Rücksicht
auf die kurzen Ruhepausen der einzelnen Fahrer leider unter¬
bleiben, so interessant, es auch gewesen wäre, z. B. vergleichende
Blu tdr uckmessungen vorzunehmen.)
UNIVERSITY OF MICHIGAN
3. Verf. hat ca. 400 Fälle reiner Herzneurosen, d. h. durch
psychische Affekte hervorgerufener Herzstörungen, untersucht
und hierbei bezüglich der Actiologie festgestellt, daß in der
Fälle das Sexualleben für die Neurose verantwortlich zu machen
war, während in anderen Fällen Enttäuschung, das Gefühl des
Unbefriedigtsein in beruflicher oder gesellschaftlicher Stellung,
Angst etc. der Erkrankung zugrunde lagen. Diese den ersten
Anfall hervorrufenden Momente bewirken allmählich eine der¬
artige Steigerung der Erregbarkeit, daß schließlich schon z. ß.
die geringsten plötzlichen Geräusche einen Anfall aus! Ösen
können. Die Anfälle, die anfangs in einem gewissen Druck-
und Beklemmungsgefühl, Herzklopfen, Angstgefühl, Stichen in
der Herzgegend besteheu, können allmählich unter dem Ein¬
fluß neuer Erregungen zu Herzjagen und Arhythmie führen.
Charakteristisch aber für die Herzneurose ist das anfalls¬
weise Auftreten aller dieser Störungen, die sowohl in ihrem
Auftreten, wie auch in ihrer Intensität von dem Füllungs-
zustande von Magen und Darm bezw. dem Zwerchfellstandrf
vielfach abhängig* sind.
Objektiv ist am Herzen perkutorisch nichts wahrnehmbar;
vor allem besteht keine Vergrößerung; dagegen war Verf.
in einer Reihe von Fällen bei jugendlichen Personen im Alter
von 18—22 Jahren die Kleinheit des Herzens aufgefallen. Zu
beachten ist ferner die Beweglichkeit des Herzens bei Lage-
veränderungen, ferner die große Labilität der Herzaktion. Bei
Puls und Blutdruck wurde für die Erkrankung selbst Charakte¬
ristisches nicht wahrgenommen; der Blutdruck übersteigt bis¬
weilen die Norm nicht unbeträchtlich, bietet aber sonst ebenso
wie der Puls ein recht wechselndes Bild. Auskultatorisch konnte
eine Unreinheit des ersten Tones an der Spitze, bisweilen
auch über den. Ostien wahrgenommen werden, in manchen
Fällen auch ein kurzes rollendes Geräusch nach dem ersten Ton.
Die Therapie muß natürlich eine rein psychische sein und
die allgemeine Beruhigung des Patienten herbeizuführen suchen;
daneben werden Sedativa, in geeigneten Fällen viel Aufenthalt
und Bewegung im Freien, Zerstreuung oder Ruhe von günstiger
Wirkung seiu. Für Digitalis oder Strophanthus besteht nach
Verf. keinerlei Indikation, sie dürften im Gegenteil eher kontra-
indiziert sein. Daß auch reizlose Diät, in einzelnem Fällen
Kohlensäurebäder zur Gesundung von wesentlichem Vorteile
sind, soll noch bemerkt werden. (In puncto Kohlensäurebäder
sagt Verf.: ,,Kohlensäurebäder werden keineswegs von jedem
Herzneurotiker gut vertragen und sind deshalb, wenn über¬
haupt, nur mit Vorsicht zu verwenden.“ Dazu kann Ref. nur
bemerken, daß er bei Verwendung der natürlichen Kohlensäure-
bäder Kudowas bisher nur gute Erfolge bei Herzneurotikern
gesehen hat, ja daß diese Erfolge sogar erheblich früher auf-
treten und von längerer Dauer sind als bei allen anderen
Herzerkrankungen.)
Neurologie und Psychiatrie.
Referent: Irrenarzt Dr. Wern. H. Becker, Wcilmünster.
1. Neuere Bestrebungen auf dem Gebiete der Psychiatrie.
Von Dr. Jeremias, Posen. Reichs-Medizinal-Anzeiger, 190!),
Nr. 26.
2. Ueber die Pflege bei männlichen Geisteskranken. Von
Dr. Behr, Stackein (Livl.).' Psychiatr.-Neurolog. Wochenschr.,
1909/10, Nr. 41.
3. Einheitliche Bezeichnung und Einteilung der Psychosen.
Referat,'erstattet in der Sektion Psychiatrie auf dem XVI. inter¬
nationalen medizinischen Kongreß zu Budapest, 29. August,
bis 4. September 1909. Von Dr. Br es ler, Lublinitz. Psy¬
chiatrisch-Neurologische Wochenschr., 1910, Nr. 42, 43 u. 44.
4. Zur Meningitis chronica serosa circumscripta (cystica)
des Gehirns. Von Prof. Dr. Oppenheim und Prof. Dr.
Borchardt, beide in Berlin. Deutsche med. Wochenschr.,
1910, Nr. 2.
5. Ueber den Schwachsinn. Von Dr. Tiling, Rothen¬
berg b. Riga. Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatric,
N. F., erstes Januarheft, 1910, Bd. 21.
6. Zur Frage der Entartung und des Entartungirreseins.
Von Dr. Voß, Greifswald. Deutsche med. Wochenschr., 1910,
Nr. 1.
7. Laue Bäder in der Irrentherapie. Von Dr. Becker,
Wcilmünster. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung, 191.0, Nr. 2.
1. Der Aufsatz bietet dem Psychiater nichts Neues. Aber
dem Kollegen der allgemeinen Praxis, der wenig Zeit hat,
JNIVERSITY OF MICHIG
WM
106
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 7
:)der eine Zyste, weniger wahrscheinlich ein Aneurysma, vor
sich um Neuerungen und einzelne Fortschritte auf einem eng-
begrenzten Spezialgebiet, wie die Irreuheilkunde eins ,(larstellt,
zu bekümmern, wird in flottem und anregendem Stil eine
Uebersicht dessen gegeben, was klinische Nomenklatur, prak¬
tische Irrenpflege, militärärztliche Psychiatrie, Fürsorge¬
erziehungswesen, gerichtliche Psychiatrie und wirtschaftliche!
Bestrebungen des irrenärztlichen Standes in den letzten Jahren,
für Wandlungen durchgemacht haben. Vieles ist angestrebt
worden; einiges ist erreicht, anderes, weil unzweckmäßig, wieder
fallen gelassen, wieder anderes infolge unüberwindlicher Hinder¬
nisse nicht ^erzielt worden. Aber „wir sehen auf allen Ge¬
bieten moderner Psychiatrie, der praktischen wie der theo¬
retischen, das Bild rüstigen Fortschreitens, elementaren Vor¬
wärtsdrängens, wie eines, das sich auf dem rechten Wege
weiß.“
2. Der Verfasser, Direktor einer staatlichen Anstalt in¬
mitten vorwiegend bäurischer Bevölkerung, hat auf den Männer -
abteilungen seit einigen Jahren versuchsweise weibliches Per¬
sonal eingestellt und gute Erfahrungen damit gemacht. Nur
die unsozialen und gewalttätigen Männer werden von Pflegern
und Pflegerinnen gemeinsam gepflegt, wobei die männlichen
Pfleger folgende Aufgaben haben: 1. das weibliche Personal
gegen Ueberfälle und Angriffe zu schützen, 2. spezifische Hand¬
lungen (z. B. Klystiere) auszuführen, 3. das Dauerbad zu be¬
sorgen, 4. die Nachtwache zu versehen. Gewalttätigkeiten und
sexuelle Unflätigkeiten seitens der Pfleglings blieben nicht ganz
aus, aber bildeten doch immerhin Ausnahmen. Mit Recht
verkannte Verfasser auch den Uebelstand nicht, daß dem Arzt
ein neuer Punkt winkt, auf den er seine Aufmerksamkeit zu
richten hat: etwaige Liebeständelei zwischen männlichem und
weiblichem Personal. Bei völlig getrennten Unterkunftsräumen
erblickt er aber hierin keinen Hinderungsgrund gegen die Ein¬
führung der weiblichen Pflege auf den .Männerstationen, wo
die Vorteile der Pflege durch Frauenhand so eminente seien;
Beruhigung durch gütlichen Zuspruch, Verhindern unbeab¬
sichtigter Entblößungen, Nahrungseinflößung bei abstinierenden
Kranken und selbst günstiger Einfluß bei Masturbationslust
und Entweichungssucht (!!) sei den Pflegerinnen mehr gegeben
als den Pflegern.
Bei dem Großstadtmaterial der Anstalten, die ich kenne,
trifft das picher nicht zu.
3. In dem anerkennenswerten Bestreben, zu einer einheit¬
lichen Klassifikation der Psychosen, die uns so dringend nötig ist,
beizutragen, schafft Verfasser ein neues Schema, dem ich gern
ein „Glück auf!“ mit auf den Weg gebe, von dem ich aber
fürchte, daß es den Wirrwarr nur vermehrt, indem eine neue
Einteilungsanschauung zu den bisher bekannten noch hinzutritt.
Denn daß diese Breslersehe Ansicht sich Bahn bricht, ist
mir fraglich. Die Dreiteilung 1. endogene Psychosen,
2. toxische Psychosen, 3. sekundäre psychotische Zustände geht
noch an. Wer wollte aber behaupten, daß solche Unterabteilun¬
gen allgemein anerkannt würden, in denen Idiotie und Imbezilli¬
tät völlig fehlen und gänzlich entweder in die sekundär psychoti¬
schen Zustände nach Verletzungen und Gehirnentzündungen oder
in die endogenen Psychosen aufgegangen sind? — Oder in
denen Melancholie und Manie einfach der Amentia zugerechnet
werden ? — Und dann z. B. die glatte Beseitigung der bisher
allgemein anerkannten Theorie von der logischen Entwicklung
des Größenwahns der Paranoiker aus dem Verfolgungswahn!
Verfasser spricht am Schlüsse seines Vortrags offen aus,
daß er sich mit den Autoren der früheren und der bestehenden*
Klassifikationen trösten müsse, wenn seine .Einteilung nicht die
Zustimmung seiner Zuhörer fände. Der Vorzug, daß sie seine
Klassifikation ganz in den Dienst der Aetiologie und damit in
den Dienst der Prophylaxe stelle, wie er selber hervorhebt,
muß auch von anderen zugegeben werden. Sehr gefallen hat
mir auch — um das noch besonders zu erwähnen — die War¬
nung des Vortragenden, in der Zurechnung von Paranoiafällen
zur Dementia praecox zu weit zu gehen, wie das leider jetzt
üblich sei.
4. Oppenheim bringt einen klinisch-diagnostischen Be¬
richt über eine 1900 geborene Patientin, die er seit September
1907 als konsultierender Arzt in Behandlung hatte. Auf Grund
von Stauungspapille, einseitiger Abduzensparese, Nackensteifig¬
keit, zerebellarer Ataxie mit Neigung nach rechts zu fallen,
aufgehobenem Kniephänomen, Gesichtsasymmetrie, lautem, dem
Pulse synchronischem Geräusch in der rechten Hinterhaupts-
gegend kam er zu der Ueberzeugung, einen Verbildungsprozeß
in der rechten hinteren Schädelgrube, entweder eine Geschwulst,
*
UNIVERSITY OF
sich zu habeü. Wesentliche Besserungen durch Quecksilber und
Jodkali wurden immer nach einigen Monaten von Verschlimme¬
rungen gefolgt, vermochten aber die Einwilligung zur Operation
seitens der Eltern hinauszuschieben; es wurde ein operativer
Eingriff erst gestattet, als eine dritte Inunktionskur endlich
erfolglos verlief. Die Operation hat in .zwei Akten Bore h ar d t
gemacht, der in den Maschen der Araehnoidea der Kleinhirn-
unterfläche etwa ein Weinglas voll klarer Flüssigkeit fand
und abfließen ließ, außerdem eine etwa zehnpfennigstückgroße
Stelle der Araehnoidea verdickt, meist verfärbt und sehnig
verändert sah und als den Herd der Zyste exstirpierte. Dag
War am 24. Februar /esp. 9. März 1909 geschehen. Am 25. Juni
wurde infolge Rezidivs dritter Eingriff notwendig, der dies¬
mal von Erfolg gekrönt war. B. berichtet dazu über einen
anderen ähnlichen Fall. Zwei gute Abbildungen veranschau¬
lichen dem Leser noch mehr den Triumph der modernen -5
Chirurgie, die Operation am lebenden Kleinhirn, in der Nähe
der verhängnisdrohenden Medulla oblongata! — Es sind mit,
diesen beiden Fällen bis jetzt 5 Fälle von Arachnoidalzysi.cn
bekannt. /gjj
5. „Die Mehrzahl aller chronischen Geisteskranken ist be¬
kanntlich schwachsinnig.“ Mit dieser These beginnt der auf
dem baltischen Kongreß in Dorpat im Vorjahre von dem
Direktor der Rothenberger Anstalt gehaltene und an obiger
Stelle veröffentlichte Vortrag. Zwischen den Zeilen des Auf¬
satzes treten dann aber Ansichten zutage, daß Verfasser stall:
der „Mehrzahl“ so ziemlich alle chronischen Geisteskranken
meint; auch die Hysterischen, die Perversen, die Querulanten,
die mit Zwangsideen und Phobien Behafteten. Unsere Methoden
der* Intelligenzprüfung seien nur noch zu unvollkommen, den
strikten Beweis zu liefern. Statt dessen versucht es Verfasser
mit den Ergebnissen seiner psychologischen Beobachtungen vom
Ober- und Unterbewußtsein, die, beide beim Denken stets in-
einandergreifen müßten. Der chronische Geisteskranke arbeite
aber fast nur mit dem Oberbewußtsein, in selteneren Fällen
nur mit dem Unterbewußtsein. ..Das eine oder das andere
Bewußtsein erhält das Uebergewicht oder kommt sogar allein
zur Geltung.“ Dadurch und durch Mangel an l ebung, iu. der.
Merkfähigkeit, d. i. der Kraft, Ober- und l nferbewußtsein
gemeinsam im Denkapparat wirken zu lassen, tritt bei den
schweren und komplizierten Formen der Psychosen zuletzt eine
gemütliche und geistige Armut und Stumpfheit ein.
Alles in allem also eine Polemik mit den Waffen der moder¬
nen Psychologie gegen den alten Satz der Psychiatrie, daß
z. B. der Paranoiker nicht etwa als schwachsinnig gelten darf
nur deshalb, weil er an seine absurden Wahnideen glaubt.
6. Geschrieben von einem Greifswalder Privatdozenten,
negiert der Aufsatz so ziemlich alles, was die Familienforschung
unter Führung der Psychiatrie in den letzten Jahren für gut
oder richtig befunden: so das Ahnentafelprinzip Sommers,
an Stelle dessen eher die Sippseh,aftstafel Crzellitzerd
brauchbar wäre, das Degenerationsschema Morel®, die Ver¬
erbungsgesetze Merzbachers u. a., und erkennt lediglich
die außerordentliche Bedeutung der hereditären Belastung für
die Entstehung der Geistes- und Nervenkrankheiten schlechthin
an; insbesondere für die der periodischen Geistesstörungen.
Die letzteren seien aber nicht zu identifizieren mit Kraepe -
lins manisch-depressivem Irresein. Auch die Zusammenfassung
der konstitutionellen Verstimmung, des Zwangsirreseins, des
impulsiven Irreseins und der konträren Sexualempfindung im
engeren Rahmen des Entartungsirreseins erkennt Verfasser nicht
an, der dann noch den Beziehungen der Degeneration zu einigen
Formen der vielumstrittenen Dementia praecox-Gruppe eine
längere Betrachtung widmet. Manche Degenerationspsychosen
seien vielmehr Milieupsychosen und längst nicht alle Haft¬
psychosen fielen unter den Begriff der psychogenen Geistes¬
krankheit. So kommt Verfasser schließlich zu der Folgerung,
daß unsere heutigen Kenntnisse von der Vererbung und Ent¬
artung noch auf so unsicherem Boden stünden, daß die Auf¬
stellung von Vererbungsgesetzen verfrüht sei.
Gewiß tappen wir noch vielfach im Dunklen bei unseren
noch allzuwenig feststehenden Krankheitsbegriffen in der
Psychiatrie. Aber ob unsere Führer nicht doch hier und da.
eine Beobachtung gemacht haben, die auch die Zukunft an¬
erkennen wird ?
7. Laue Vollbäder von 28—34° Celsius, protrahiert an¬
gewandt, hat Verfasser bei einer Hysterien mit Erfolg ver¬
sucht, und hat sogar die Anfangs tempergtur auf 24° herab-
/ERSIT
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
107
gesetzt, um sie dann erst auf 28° steigen zu lassen. Sieben
Tage lang wurde tagsüber dieses Dauerbad von der niedrigen
Anfangstemperatur und einer dann zwischen 28 und 30° ge¬
haltenen Wärme angewandt; für die Nacht ein Sedativum
subkutan gegeben. Diese zwar ein leichtes Zwangsmittel dar¬
stellende Maßnahme zieht Verfasser bei Hystericis, deren In¬
telligenz noch leidlich erhalten ist, allen anderen Zwangs¬
maßregeln, wie Isolierung und dauernde Narkotisier,ung mit
Beruhigungsmitteln vor.
Varia.
Lieber den therapeutischen Wert der Stauungshyperänüie
bei Erysipel. Von G. Joch m a nn und G h. S c h ö n e. Deutsche
med. Wochensc.hr., 1909, Nr. 48.
Die Untersuchungen der Verfasser ergaben, daß in der
Mehrzahl der Fälle von Erysipel mittels Stauungshyperämie
schnelle Heilung erzielt wurde, charakterisiert durch raschen
Temperaturwechsel und Besserung des Allgemeinbefindens, ein
Viertel der Behandelten jedoch keine Besserung erkennen ließ.
Es scheint, daß bei den leichteren und mittelschweren Fällen
von Rose die venöse Stauung die Widerstandsfähigkeit des be¬
fallenen Körperteiles gegen die Streptokokkeninfektion zu stei¬
gern und die Heilung zu beschleunigen vermag, daß aber diese
Unterstützung bei sehr schweren Infektionen nicht ausreicht.
v. Rutkowski, Berlin.
Ueber das Verhalten der Leber bei chronischer Perikarditis.
Von O. Heß. Göttingen. Münchener med. Wochenschr., 1910,
Nr. 2.
Ein eigentümlicher Konnex zwischen Herzbcutelverwachsung
und Blutstauung in der Leber schafft Krankheitsbilder, in
welche als hervortretendes Symptom eine isolierte Pfortader
stauung (Lebervergrößerung mit Aszites) vorhanden ist. Das
Kapillarsystem der Leber scheint eine besonders große funktio¬
nelle Selbständigkeit in der Regulierung seiner Blutfüllung zu
haben, es kann das Herz und das Gebiet der Hohlvenen durch
Anhäufung des Blutes in der Leber entlasten. Die Leberstauung
ist also als ein RegulationsVorgang zu betrachten und als Ersatz
dafür anzusehen, daß dem in eine starre Hülle eingeschlossenen
Herz die Möglichkeit genommen ist. Es müssen daher Leber¬
schwellung und Aszites als relativ günstige Ausgleichserseheinun¬
gen aufgefaßt werden. v. Rutkowskij Berlin.
Lieber die Ehrlichsche Reaktion mit Dimethiylaminobenz-
aldehyd. Von E. Münzer, Prag. Fortschritte der Medizin,
1910, Nr. 2.
Bei der Anwendung der Ehrl ich sehen Reaktion — Rot-
larbung mancher Harne durch salzsaure Lösung von Dimethyl-,
aminobenzaldehyd — empfiehlt Verfasser, um die Benzaldehyd-
-yerbinduDg rein zu gewinnen und so unter Zuhilfenahme des
spektroskopischen Verhaltens die Möglichkeit einer quantitativen
Bestimmung des Körpers im Harn zu haben, reinen Amyl¬
alkohol zur Ausschüttelung der farbigen Benzaldehydverbindung.
Rein ist derselbe, wenn pr mit dem Benzaldehydreagenz keine
Farbenreaktion gibt. v. Rutkowski, Berlin.
Ueber Omarthritis mit Brachialgie und ihre Behandlung.
Von Goldscheider. Therap. Monatshefte, Dezember 1909.
Manche Fälle von Omarthritis gehen mit so intensiver
Schmerzhaftigkeit im ganzen Arm -einher, daß an nervöse
Zustände gedacht und das Grundleiden übersehen wird. Es finden
sich Nervendruckpunkte an den Hauptstämmen, Ueberempfind-
lichkeit der Haut, Muskeln und Knochen und Druckschmerz be¬
sonders im Sulcus intertubercularis. Die Muskulatur zeigt
Atrophie. Blaßbläuliche Färbung und Kühle der Haut weist
auf Mitbeteiligung der Vasomotoren. Das Schultergelenk ist
in seinen Bewegungen stark beschränkt und jede Bewegung
sehr schmerzhaft. Die Muskelatrophien sind weder neuriti-
jschen, noch myositischen Ursprungs, noch Inaktivitätsatrophien,
sie erklären sich vielmehr nach der O h ar c o tsehen Reflex¬
theorie : Die von den sensiblen Gelenknerven ausgehenden Reize
wirken trophisch anregend auf die mit dem 'Gelenk in Ver-,
bindung stehenden Muskeln, ein Uebermaß von Reizung aber
trophisch schädigend. Bei der Behandlung dürfen nicht die
nervösen Beschwerden im Vordergrund stehen, sonst kommt
es zur Versteifung der Schulter. Die Behandlung muß berück¬
sichtigen, ob ein. rheumatisches oder gichtisches Leiden vpr-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
liegt. Der entzündliche Zustand muß beseitigt, das Gelenk
mobilisiert, die Schmerzen behandelt werden. Folgende Ma߬
nahmen kommen in Frage: Ruhigstellung, Massage (nicht zu
früh', Diaphorese, lokale Warmbehandlung, Na.tr. salicyl.,
Aspirin, Sandsäcke, Thermophore, Fango, Radiummoor. Nach
14 Tagen Bewegungsübungen; Anstrengungen und Zerrungen
sind zu vermeiden. Bei den Bewegungen ist das Schulterblatt
zu fixieren. Für den Armschmerz gilt die obige Behandlung.
Elektrizität und Vibration sind vorsichtig anzuwenden. In alten
Fällen ist stets die Mobilisierung der Schulter anzustreben.
Geißler, Neu-Ruppin.
Die Reorganisation des Medizin-Studiums. Von E. Bi¬
scher, Aarau. Schweizerische Rundschau für Medizin, 1910,
. Heft 2.
Die wesentliche Schuld an der ärztlichen Misere trägt die
Art der Ausbildung. Die Unterrichtung ist zu wenig praktisch.
Wohl ist der junge Arzt vollgespickt mit den wundersamsten,
Theorien, reichlich mit Autorennamen, aber er steht, oft den
einfachsten, gebräuchlichen ärztlichen Technizismen, wie z. P».
Magenausspülungen, Katheterisieren, Aderlaß, ratlos gegenüber.
Das Spezialistentum ist eiuzuschränken uiid der Wirkungskreis
der praktischen Aerzte auf Grund einer sorgsamen klinischen
Ausbildung zu erweitern. Nur . für besonders schwierige tech¬
nische Eingriffe, z. B. Operationen an den Sinnesorganen, sind
Spezialisten erforderlich. Die Gefahr des Spezialistentums bringt,
es auch mit sich, daß manche Aerzte, um sich einen größeren
Gelderwerb zu sichern, unter falscher Flagge segeln, sich
Spezialärzte nennen, nachdem sie kurze Zeit an einer Spezial-
klinik hospitiert haben oder als Homöopathen, auftreten und
allopathisch- behandeln. (Fortsetzung folgt.)
v. Rutkowski, ‘Berlin.
Ueber die Art des Auftretens der infektiösen Poliomyelitis.
Von J. Schonka, Salzburg. Medizinische Blätter, 1910, Nr. 3.
Verfasser bespricht 7 Fälle von epidemisch aufge trete ne r
akuter Poliomyelitis. Die Anfangssymptome waren entweder
Fieber und heftige Kopfschmerzen oder nach Art der Grippe
vorherrschend katarrhalischer Natur. Da die Lähmungen manch¬
mal sehr gering sind, überhaupt die ganze Gesundheitsstörung
keine wesentliche ist, so daß die Krankheit völlig übersehen 1
und deshalb kein Arzt hinzugezogen wird, so erscheint cs
wohl möglich, daß gerade diese unbeachtet, gebliebenen Er¬
krankungen- die Mittelglieder zur weiteren Ausbreitung der
Infektion darstellen. i v. Rutkowski, Berlin.
Das Verhalten der Fettsäurebildung im Darminihalt des
Säuglings. Von A. Hecht, Wien. Münchener med. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 2.
Die Untersuchungen des Verfassers ergaben, daß das Auf¬
treten flüchtiger Fettsäuren im Stuhl bis zu einem gewissen
Grade für den Ablauf normaler Verdauungsvorgänge notwendig
ist. Bei sehr jungen Brustkindern kann auch bei sehr gutem
Gedeihen ein recht hoher Gehalt des Stuhles an flüchtigen Fett¬
säuren vorgefunden werden, wenn auch ein abnormer Gehalt
an denselben schlecht vertragen werden mag. Dagegen ist der
Stuhl bei künstlich ernährten Kindern, wenn sie Ekzemsuppe
erhalten, arm an flüchtigen Fettsäuren, reicher bei Nahrung
mit Liebigsuppe. Jedoch kann man auch dem Liebigstuhl
nicht jenen hohen Gehalt an Fettsäuren zuschreiben, wie dem
Bruststuhl. v. Rutkowski, Berlin.
Das Rehobother Bastardvolk in Deutsch-Südwestafrika. Von
E. Fischer. Die Umschau, 1909, Nr. 51.
Nach Ansicht, vieler Autoren gibt es keine malaiische Rasse,
sondern sie ist eine Mischung von indischen und mongolischen
Elementen; ebenso sollen nach dieser Ansicht auch die Sudan-
neger Nordafrikas und eine ganze Menge kleiner Bevölkerungs-
gruppen in der Südsee Baslarde sein. Das Problem der Bastar¬
dierung ist nöch wenig studiert. Verf. suchte der Sache durch
Studium an der „Nation der Bastards“ in Rehoboth in Südwest-
afrika .näher zu kommen. Da esi sich nur um einen Stamin
von etwa 2500 Köpfen handelt, war die Forschung wesentlich
erleichtert. Alle diese Bastarde haben gleichviele europäische
und hottentottische Aszendenz. F. beschreibt, das Aeußere von
ihnen ausführlich. Sehr interessant ist, daß sie auch geistig
Bastarde sind. Sic zeigen .größere Intelligenz und haben doch
viele Charakterzüge der Hottentotten behalten. Leider läßt sich
die sehr interessante Arbeit nicht in ein kurzes Referat zu¬
sammendrängen. Geißler, Neu-Ruppin.
108
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 7
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Ueber Carbenzym. Von Dr. Ed. Falk und Dr.
A. Sticker, Berlin. Münchener med. Wochenschr.. 1910,
Nr. 1. Carbenzym bei tuberkulösen Affektionen. Von Dr.
zur Verth. Ibidem.
2. Ueber die Chininbehandlung des Pemphigus. Von Ass -
Arzt Dr. R. Bergrath, Würzburg. Ibidem.
3. Ueber unzuverlässige moderne Handelspräparate des Apo¬
morphins. Von Prof. Dr. Ha mack und Privat-Dozent
Dr. H ildebrand t. Ibidem.
4. Fruchtabtreibung mit Asarum europaeum. Von Dr.
IC. v. S u r y , Basel. Ibidem.
5. Erfahrungen mit Eumenol. Von Dr. R. Palm, Frauen¬
arzt in München. Ibidem.
6. Ein Beitrag zur Ileusbehandlung mit Atropin. Von Dr.
A. Lederer, Cazin in Bosnien. Med. Klinik, 1910, Nr. 1.
1. Aus der Bi ersehen Klinik sind zwei Arbeiten über
Carbenzym erschienen. Wie Hedin zuerst nachgewiesen
hat, ist nach Behandeln von Trypsin mit Knochenkohle das
Filtrat nicht mehr imstande, Kasein zu verdauen. Diese Wirkung
der Kohle beruht nicht auf einer antifermentativen Fähigkeit,
sondern darauf, daß die Kohle imstande ist, zu adsorbieren,
d. h. das Ferment wird nur zum Teil fixiert, zum Teil kann
es durch Anwendung geeigneter Lösungsmittel wieder wirksam
werden. Als solches ist bei Benutzung von Tierkohle Kasein am
geeignetsten, bei solcher von Pflanzenkohle wirken auch andere
Eiweißlösungen. Diese eignet sich aber auch dazu, antiferment¬
reiche Sera (z. B. Rinderblutserum) zu adsorbieren. F. und St.
suchten nun festzustellen, ob die Pflanzenkohle, die schon von
jeher als Antiseptikum bekannt ist, als Vehikel für thera¬
peutisch wichtige Fermente dienen könne. Als solches wählten
sie Trypsin. Da jedoch ein unreines Präparat bei Injektionen
schwere toxische Wirkungen hervorruft, ist es nötig, ein durch¬
aus reines Präparat zu benutzen und absolut sterile Lösungen her¬
zustellen. Den genannten Autoren gelang es endlich, ein steriles
Präparat zu erhalten, welches nunmehr im großen von der
Fabrik von Dr.. Freund und Dr. Redlich in Berlin her-
gestellt; wird. Versuche an Hunden ergaben einerseits die
Ungefährlichkeit der intravenösen Injektion, andererseits die
auffällige Veränderung bestehender Sarkome. Sowohl in der
chirurgischen Praxis wie in der inneren Medizin kann das
Carbenzym zur Verwendung, in letzterer als Mittel gegen
Störungen des Magendarmkanals. Z. B. wurde es mit Erfolg
gegeben — 3stündl. eine Tablette — bei Gasansammlung nach
Laparotomien. In der A 1 b u sehen Klinik wandte es Kretsch¬
mer gegen Magendarmkrankheiten an. Wiederholt wurde
Carbenzym als Streupulver bei schlecht heilenden Wunden
benutzt. Interessant sind die noch nicht abgeschlossenen Ver¬
suche der Behandlung von inoperablen, malignen Tumoren mit
Carbenzym, wo häufig in kurzer Zeit, ohne daß Reaktions-
erscheinungen auf traten, umfangreiche Einschmelzung und Re¬
sorptiongrößerer Tumoren erzielt wurde. Die Schmerzhaftigkeit
der Injektionen ließ sich durch Adrenalin oder Renoform-
Kokaininjektionen wesentlich mindern. F. und S t. empfehlen
zur Nachprüfung zu verordnen: für innerlichen Gebrauch:
Carbenzymtabletten (Originalröhrchen), täglich 3—5 Stück zu
nehmen; für die äußere Behandlung: Carbenzym pulverisatum
2,0 g, entweder trocken aufzutragen oder nach Verreiben von.
0,5 g mit lOproz. steriler Sodalösung in fistulöse Gänge, in
Hohlorgane oder subkutan zu injizieren.
Die zweite Arbeit befaßt sich mit den klinischen Erfahrun¬
gen über das Carbenzym bei chirurgischen Tuberkulosen aller
Art. In solchen Fällen wirkt es meist günstig, oft ähnlich den
Jodoformglyzerin-Einspritzungen, denen es bisweilen an Wirkung
überlegen ist. Die Einspritzungen wurden in dünner Auf¬
schwemmung einmal vorgenommen und nach Bedarf nach Ver¬
lauf von mehreren Wochen wiederholt. Da durch Ablagerung
von Kohlepartikelchen Dekubitalgeschwüre entstehen können,
empfiehlt es sich bei Weichteiltuberkulosen, nur geringe Mengen
zu injizieren.
2. Verf. hat bei Pemphigus, bei welchem nach Ansicht der
Autoren kein Mittel wirksam ist, in zwei Fällen gute Erfolge
mit Chinin gehabt. Er sah bereits drei Tage nach 1 Beginn
der Chininkur (täglich 1,5 g) eine Besserung des Leidens ein-
t re teil. Nach 14 Tagen erhielten die Kranken sogar 1 mal
0,5 g. Ueber zwei weitere günstige Erfolge der Chininbchand-
lung wird von der Neiße r sehen Klinik in einem Nachträge
berichtet. Jene wurde unterstützt durch eine äußere Therapie,
bei der Salbenverbände mit 5°,'o Ichthyolzinkpaste und Naftalan
verabreicht, dem Pittylen zugesetzt war.
3. Die Verf. machen auf ,,Apomorphin >“ aufmerksam, die
neben dem reinen Apomorphin, muriat. des Handels und der
Pharmakopoe erscheinen, aber für die arzneiliche Anwendung
durchaus unbrauchbar sind. Die l ntersuchung hat ergeben, daß
in dem Präparate ein Gemenge vorliegt, und daß die Stärke
seiner emetischen Wirkung nur Vs des reinen Präparates dar¬
stellt. Weiter wurde gefunden, daß das Präparat aus mindestens
zwei verschiedenen Substanzen besteht, von denen die eine
Trimorphin ist. Auf diese ist wahrscheinlich die hier und
da beobachtete Atmüngslähmuug zurückzuführen. Da reine Apo¬
morphinlösungen sich bald nach ihrer Anfertigung grün färben,
so kann sich der Arzt vor unliebsamen Ueberraschungen schützen,
wenn er ein Apomorphin, das diese Erscheinung nicht aufweist,
in die Apotheke zurückschickt.
4. Verf. berichtet über einen Versuch der Fruchtabtreibung
durch Asarum europaeum (Haselwurz). Die wirksame Substanz
ist Asaron. Das Präparat wirkt jedoch nicht wehenerregend,
aber Magen und Darm derartig schwächend, daß nach Genuß
des Mittels indirekt Abtötung der Leibesfrucht erzielt wurde,
die Symptome sich jedoch noch 2 Monate später bemerkbar
machten.
5. Die Wurzel Tangkui dient in China als Emmenagogum,
das ungiftig ist und keinen Abort erzeugt. Aus der importierten
Radix Tangkui wurde von Merck ein Extrakt unter dem
Namen Eumenol in den Handel gebracht. Dies geschah vor
10 Jahren; doch hat sich, trotz ärztlicher Empfehlung, das
Präparat nicht eingebürgert. Verf. veröffentlicht seine Er¬
fahrungen über 12 Fälle, bei denen es die verzögerten Menses
hervorrief, ohne bei zwei Frauen, die gravid waren — hier
war beginnende Schwangerschaft der Grund zur Amenorrhoe, ohne,
das jene ärztlich hatte festgestellt werden können — Abort
herbeizuführen. Das Mittel wurde kaffeelöffelweise genommen,
zeichnete sich aber durch sehr schlechten Geschmack aus » - ~(E s
bedarf noch ausgiebiger Untersuchungen, um über den Wert des
Mittels eine Entscheidung zu fällen. Ref.)
ti. Bei paralytischem Ileus wandte Verf. mit gutem Erfolge
Atropin an in Dosen von 0,003—0,005. In keinem Fall dauerte
es länger als 10 Stunden bis ein Erfolg auftrat. Die Atropin-
injektionen wurden durch Darmeinläufe unterstützt.
Technische Neuerscheinungen.
Albuminimeter nach Dr. Aufrecht.
D. R. G. M. Nr. 394931.
(Zur sicheren quantitativen Bestimmung von Eiweiß in Harn, Blnt und
anderen Flüssigkeiten z. B. Transsudaten.)
Dieser Albuminimeter bat folgende Vorteile:
1. Der Eiweißgebalt läßt sieh in 2—3 Minuten be¬
stimmen. 2. Die Bestimmung des Eiweißgehaltes stimmt
mit der gewiehts-analytischen Methode genau überein.
3. Das Ablesen der Eiweißmenge ist haarscharf. 4. Ein
Verdünnen des Harnes ist selbst bei abnorm hohem Eiwei߬
gehalt nicht erforderlich. 5. Die Niedex-schlagsmenge ist
weder von der spezifischen Dichte noch von der Tempera¬
tur abhängig. 6. Eine flockige Abscheidung an der Ober¬
fläche von muzin- und uratreichen Harnen findet nie statt.
7. Anwendung sehr kleiner Flüssigkeitsmengen (4 ccm).
8. Der Apparat ist nicht bloß für Harn, sondern auch für
andere seröse Flusigkeiten verwendbar (Blut, Trans¬
sudate und andere); auch Albumosen und Peptone lassen
sich mit Hilfe des angemeldeten Apparates annähernd ge¬
nau bestimmen.
Preis 2,50 M. Original-Reagens zum Albuminimeter
nach Dr. Aufrecht: 100 g' = 1 M. (für ca. 30 Be¬
stimmungen). Das Reagens bestellt aus je 3 g Pikriti-
Zitronensäure auf 100 g Aqu. dest.
Gebrauchsanweisung: Man füllt den Albuminimeter
l)is zur Märke U mit dem sauren, resp. mit Essigsäure an-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
109
gesäuerten Harne und schichtet darüber bis zur Marke R
das Reagens, verschließt dann das Röhrchen mit dem
Gummistopfen und mischt die beiden Flüssigkeiten durch
mehrmaliges langsames Umwenden des Glases; letzteres
wird in eine beliebige Zentrifuge gebracht und zwei Mi¬
nuten zentrifugiert. Die an den eingeschliffenen Zahlen
abzulesende Höhe des Eiweißniederschlages gibt direkt
die Eiweißmenge in Prozenten an. Bei der Bestimmung
von Eiweiß in serösen Flüssigkeiten (Transsudaten, Blut
und andere mehr) werden 4 ccm der Flüssigkeit in das
Röhrchen pipettiert und mit 3 ccm des Reagens gemischt,
worauf nach mehrmaligem Umschütteln zentrifugiert
wird. Wo keine Zentrifuge vorhanden, kann dieselbe von
untenstehender Firma zu Fabrikpreisen bezogen werden.
Literatur: Deutsche med. Wochenschr., 10, Nr. 40.
Referat in der Medizin. Klinik, 1910, Nr. 1.
Vertrieb: Chemische Fabrik Goe decke & Co.,
Berlin N. 24 und Leipzig. Rosen.
Mastd ar mdi latato r.
Nach Dr. Ernst Rosenberg, Neuenahr.
Medizinische 'Klinik 1010, 3.
Der neue Mastdarmdilatator entspricht in seiner Kon¬
struktion im Prinzip de nbekannten Harnrölirendilatato-
ren, unterscheidet sieh von diesen aber durch das stärkere
Kaliber und durch die erheblich kräftigere Ausführung
der Dehnbrancheu. Die erfolgte Dehnung kann auf der
an dem Instrument angebrachten Skala jederzeit abgelesen
werden. Der Handgriff zum Halten des Dilatators ist seit¬
lich, der Handgriff für die Verstellung der Branchen wie
bei den Harnröhrendilatationen, am Ende.
Anzeigen für die Verwendung: Zur Behandlung von
Strikturen der unteren Dickdarmabschnitte,
Anwendungsweise: Das Instrument wird nach er¬
folgter Sondierung mit Finger oder Sonde mit einem extra
starken Kondomüberzug versehen und in geschlossenem
Zustande durch die Striktur hindurchgeführt. Hiernach
öffnet man das Instrument vorsichtig so lange, als der
Oeffnung kein Widerstand entgegengesetzt wii'd. Daun
geschieht, unter genauer Beachtung des Patienten, die
weitere vorsichtige Oeffnung des Instrumentes, Dis sich
dieselbe durch Spannung und Schmerzen heim Patienten
bemerkbar macht.
Firma: Louis u. H. Loewenstein, Berlin,
Ziegelstr. 28/29. _ Rosen.
Son neu trichter.
Von Dr. C. Widmer, Lerch’sches Spital, Zofingen.
Den Einwänden, die der therapeutischen Anwendung
des Sonnenlichtes sich gegenüberstellen und von denen
die mangelnde stetige, zeitliche und räumliche Verfügbar¬
keit die hauptsächlichste ist, die aber eigentlich auch für
die übrigen Lichtquellen Geltung haben, sucht der W i d -
m e r sehe Sonnentrichter, wenigstens ih einem Punkte,
entgegenzuarbeiten, indem er durch Sammlung und Kon¬
densation eine zeitliche Abkürzung und räumliche Ein¬
schränkung der Sonnenlichtapplikation ermöglicht.
Ungleich der Linse, die eine Menge gerade der wirk¬
samsten Blaustrahlen nicht durchläßt, durch Sammlung
der Strahlen in einem Punkt zudem die physiologische
Gesamtwirkung des Lichtes wesentlich modifiziert, arbeitet
der Trichter nur durch Spiegelung, sammelt das Lieht,
das einer größeren Fläche zukäme, verlustlos auf einer be¬
liebigmal kleineren Fläche, allwo es konzentriert, quali¬
tativ aber unverändert zur Wirkung kommen kann.
Der Apparat basiert auf einer einfachen trionometri¬
schen Formel und erhält durch dieselbe sowohl die Licht¬
verstärkung, als auch die Tiefenwirkung einen mathema¬
tischen Ausdruck.
Das längst auf'gestellte Postulat der Lokalapplikation
konzentrierten natürlichen Lichtes, das durch kein brechen¬
des Medium modifiziert ist, findet in dem Apparat die
Lösung. Erst durch ihn wird für manches Gebiet der täg¬
lichen, ärztlichen Wirksamkeit für die Wundbehandlung,
die Fisteln und Geschwüre, namentlich aber auch für die
Arthritiden, die Neuralgien usw. eine rationelle und dank¬
bare Therapie ermöglicht. Zu beziehen durch II aus-
mann, A.-G. in St. Gallen. Rosen.
Bücherbesprechungen.
Achte internationale Tuberkulose-Konferenz. Bericht von
Prof. D r. Pannwitz. Im Verlag der internationalen Tuber¬
kulose-Vereinigung. Charlottenburg 1910.
Nachdem im vorigen Jahre in Amerika Philadelphia die
Internationale Tuberkulose-Konferenz und Washington den
Internationalen Tuberkuloss-Kongreß gastlich ausgenommen,
hatte die Internationale Vereinigung in diesem Jahre Stockholm
für die Jahresversammlung bestimmt.
In Schweden ist das gesamte Volk von der Notwendigkeit
der Tuberkulosebekämpfung durchdrungen und nimmt nach gro߬
zügigem Plane an der Bekämpfung dieser Volksseuche teil. Das
war während der Konferenz bei den Verhandlungen und Be¬
sichtigungen überall erkennbar. Vor allem fand diese Tatsache
auch ihren Ausdruck in der wohltuenden Teilnahme des
Herrscherhauses. Nicht allein, daß König Gustav und seine
Gemahlin die Mitglieder der Konferenz bei sich empfingen lind
stundenlang mit den Vertretern der Wissenschaft und Praxis
aus allen Ländern sich über die verschiedensten Fragen unter¬
hielten; die Majestäten erschienen vielmehr auch bei den Ver¬
handlungen im Reichstagshause selbst und hörten mit sichtlichem
Interesse die Vorträge, namentlich über die Beziehungen der
Tuberkulose zur Schule.
Ihr besonderes Gepräge erhielt die diesjährige Tuberkulose -
Konferenz dadurch, daß zum ersten Male Leon Bourgeois'
sie leitete, und daß zahlreiche Vertreter von Regierungen als
offizielle Delegierte zugegen waren. Leon Bourgeois,
der ausgezeichnete Sozialpolitiker mit seinem reichen sozialen
Erfahrungsschatz, zugleich wie kaum ein zweiter mit glänzen¬
der Rednergabe ausgestattet, war nach Brouardels Heim¬
gang zum Präsidenten der Internationalen Vereinigung gewählt
worden.
Wenn die Tuberkulose-Konferenz zu Stockholm in Vor¬
bereitung, Verlauf und Erfolg sich würdig ihren Vorgängerinnen
anschließt, so gebührt dafür der wärmst? Dank der Leitung
des Schwedischen National-Vereins, dessen Mitglieder sich mit
voller Hingebung in den Dienst der Organisation gestellt haben.
Der Generalsekretär erstattete in der Konferenz den Ge¬
schäftsbericht. Darnach beträgt gegenwärtig die Zahl der zur
Internationalen Vereinigung gehörenden Länder 22, die der
ordentlichen Mitglieder 67, die der korrespondierenden Mit¬
glieder 699. Durch den Tod hat die Vereinigung in den letzten
Jahren 5 Mitglieder verloren, die Herren A 1 t h o f f , Daimer,
G o u e 1 , J o u v e n e 1 , van R y n.
In den Sitzungen kamen zur Beratung: Ersatzwahl in der
Verwaltungskommission, Ernennung von korrespondierenden Mit¬
gliedern. Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzlage, Vor¬
bereitung für die IX. Internationale Tuberkulose-Konferenz in
Brüssel 19.10, des Internationalen Tuberkulose-Kongresses in
Rom 1911, Herausgabe des Konferenzberichtes, Einsetzung einer
Internationalen Kommission für medizinisch-biologische Höhen-
und Sonnenforschung. Die Beschlüsse des Engeren Rats wurden
in der Schlußsitzung zur Kenntnis der Konferenz gebracht.
Allgemeines.
Der Polizei-Präsident von Berlin erläßt unter dem
5. Januar d. Js. folgende Bekanntmachung: Vielfach wird
noch die Anzeige bei Todesfällen von Personen unter¬
lassen, die au einer der im Gesetze, über die Be¬
kämpfung übertragbarer Krankheiten vom 28. August 1905
110
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 7
Medicinal »Wasser und diätetisches Getränk ersten Ranges.
Bei Nieren- und Blasenleiden,
Harngries, Harnbeschwerden und Gicht,
bei Zuckerharnruhr, bei Catarrhen der
Athmungs- und Verdauungsorgane wird
die Bor® und Lithium “hältige Heilquelle
mit ausgezeichnetem Erfolge angewendet.
Harntreiben de
Wirkung.
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Geschmack.
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Zusammensetzung.
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gegen bei
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auftretende jtieren-
affektionen.
Besonders jenen Personen
empfohlen, welche zufolge
sitzender Lebensweise an
Karnsaurer Diathese und Kätnor-
rhoiden, sowie gestörtem Stoff¬
wechsel leiden.
Aerztliche Gutachten und sonstige Brunnenschriften stehen gratis und franco zu Diensten.
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welche “SALVATOR“ zu persönlichem Gebrauche benöthigen, gemessen Ausnahmepreise und sind
in diesem Falle höflichst gebeten sich direct zu wenden an
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Budapest, V. Rudolf-Rakpart 8.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Der Verein für Kinder-Volksküchen versendet einen Aufruf
zur Unterstützung des Vereins: „Wir wenden uns an
die Herzen unserer wohltätigen Mitbürger mit folgender
Bitte: Viele arme Kinder unserer Stadt erhalten kein
warmes Mittagessen, weil durch Notstand im elterlichen
Hause es oft an Mitteln fehlt, um Materialien ein-
zukaufen und den Kindern eine Mittagsmahlzeit zuzubereiten;
auch weil die Mütter aus dem Hause arbeiten. Witwen und
eheverlassene Frauen sind es namentlich, welche nicht imstande
sind, ihren Kindern eine ausreichende Ernährung zu geben.
Hierzu kommen noch eine große Zahl von Arbeitslosen und
wo Krankheit des' Ernährers der Grund des Notstandes ist.
Wohl mag auch in vielen Familien eigene Schuld den Not¬
stand hervorrufen, aber jene armen unschuldigen Kinder, welche,
darunter leiden, sind die Opfer dieser traurigen Zustände. Durch
Gewährung von Speisen an Kindern in lungenkranken Familien
glauben wir einen wirksamen Kampf gegen diese vernichtende
Volkskrankheit, die Tuberkulose, zu führen. Wo bereits der
Vater oder die Mutter lungenkrank sind, liegt bei den schwäch¬
lichen Kindern die Gefahr vor, selbst dieser Krankheit zu
verfallen, wenn dieselben nicht ausreichend ernährt werden. Eine
beredte Sprache für die Notwendigkeit unseres Werkes, führt
wohl das beigefügte Verzeichnis aus unserem Recherche-Material,
der lungenkranken Familien, welche wir unterstützen. Mit¬
bürger und Mitbürgerinnen! Euer warmherziger Wohltätigkeits-
sinn hat sich bei unserem Appell an ihn stets glänzend be¬
währt! Ihr habt dadurch bewiesen, das ihr dem idealen Ziele
unseres Strebens: „Es soll in der Hauptstadt des»
Deutschen Reiches kein hungerndes Kind
geben!“ Eure volle Zustimmung erteilt.“
namhaft gemachten Krankheiten gestorben sind. Die Herren
Aerzte und die Vorstände der Krankenhäuser mache ich darauf
aufmerksam, daß auch die Todesfälle an den im § 1, Ab¬
satz 1 .und 3 qu. Gesetzes benannten, übertragbaren Krankheiten
der Ortspolizeibehörde (für den Stadtkreis Berlin der Sanitäts-
kommission) zu melden sind, wenn auch bereits der Fall
der Erkrankung angezeigt worden war.
Ein Kassenarzt hatte an Krankenkassenmitglieder kleinere
Geschenke, wie Zigarren etc., gemacht. Auf eine Anzeige hin
hatte sich der Arzt vor dem ärztlichen Ehrengerichtshofe des
Königreichs Sachsen zu verantworten; letzterer fällte folgendes
Urteil: „Der Ehrengerichtshof hatte aus den eigenen Aussagen
des Beschuldigten die volle Ueberzeugung gewonnen, daß dieser
an Mitglieder der genannten Kasse nicht bloß in vereinzelten
Ausnahmefällen, sondern in einer Häufigkeit, die die Auf¬
merksamkeit weiter Kreise erregt hat, teils kleine Geldbeträge,
teils Zigaretten verschenkt hat, um sich dadurch bei den Kassen>
mitgliedern beliebt zu machen. Ein solches gewohnheitsmäßige-!
Beschenken» von Patienten entspricht nach Ansicht des Ehren-
gerichtshofes nicht der ärztlichen Standeswürde, weil es den
Arzt dem Verdachte aussetzt, daß er auf diese Weise die Auf¬
merksamkeit auf sich lenken und Zulauf von Patienten gewinnen
will. Eine an sich ganz erlaubte' und unbedenkliche Handlung
kann von diesem Gesichtspunkte aus durchaus bedenklich und
verwerflich werden.“
Zur Reichsversicherungsordnung hat sich auch die Tübinger
medizinische Fakultät geäußert. Die Fakultät ist der Auf¬
fassung, daß die Bestimmungen des Entwurfs über das Verhältnis*
der Aerzte zu den Krankenkassen und Berufsgenossenschaften
eine schwere Schädigung der Aerzte und auch der Kranken
enthalten. Die Fakultät wünscht dringend, daß in Württem¬
berg der bisherige von Aerzten und Kassen als befriedigend
anerkannte Zustand erhalten bleibe, dessen Uebertragung auf
das Reich eine grundlegende Verbesserung der jetzigen Vorlage
bedeuten würde. In Württemberg besteht nämlich seit einer
Reihe von Jahren bei allen reichsgesetzlichen Kjffesen flie freie
Arztwahl, und zwar die sog. organisierte freie Arztwahl. Sie
beruht allgemein auf Verträgen zwischen den ärztlichen Ver¬
einigungen und den einzelnen Kassen oder Kassenverbänden
mit einer sorgfältigen, von der Arztorganisation selbst geübten
Kontrolle der ärztlichen Tätigkeit. In Orten mit mehreren
Aerzten besteht unter den Mitgliedern der Aerzte Organisation
völlig freie Wahl für die Mitglieder der Krankenkassen, und
auch in den ländlichen Bezirken ist die Regelung derart, daß
das Recht der freien Arztwahl nur durchführbar ist, wenn sie
durch eine geeignete Kontrolle auch die Rechte der Kassen
wahren. Beide Teile siud mit dem bestehenden Zustand zu¬
frieden. Weder die Berufsgenossenschaften, noch die Aerzte wün¬
schen eine gesetzliche Festlegung ihrer Beziehungen. Völlige
Bewegungsfreiheit ist, so betont die Fakultät, für beide Teile
hier am vorteilhaftesten.
Der III. Internationale Kongreß für Physiotherapie soll
vom 29. März bis * zum 3. April d. Js. in Paris stattfinden. Es
hat sich hierfür schon ein deutsches Komitee gebildet, an
dessen Spitze His und Brieger stehen. Auch ein Spezial-
ausstellung ist mit dem Kongresse verbunden. Nähere Auskunft
über alles gibt der Generalsekretär Dr. Immelmaun,
Berlin, Lützowstr. 72. Die Arbeiten des Kongresses sind unter
sieben Abteilungen verteilt: Kinesitherapie, Hydrotherapie,
Klimatotherapie, Elektrotherapie, Radiologie, Krenotherapie
(Mineralwasser-Kuren), Diätetik. Für jede Abteilung ist außer 1
dem ein besonderer Vorsitzender und Schriftführer ernannt, mit
denen die betreffenden französischen Abteilungs-Vorsitzenden in
Verbindung stehen, so daß ein ersprießliches Zusammenarbeiten
garantiert ist.
Wie der „Vorwärts“ berichtet, fordert die Sozialdemokratie
in dem Kommunalprogramm die Einführung der freien Arzt¬
wahl und Anstellung von Spezialärzten im Armendienst. Der
Referent dafür äußerste sich dazu wie folgt: „Unter den
Forderungen über die Armen- und Waisenpflege haben wir,
entsprechend einer Anregung von Linde mann, noch auf-
genommen die Forderung der Einführung der freien Arztwahl.
statt Teer
B HB I \ *- 1 Der Wert unserer geruchfreien, reizlosen Pittylen-P räparate
k'jsJ» l ist überall schnell erkannt worden, und ihre Verwendung in der Haut-
I Therapie an Stelle des übelriechenden, öfter lokale Reizungen und resorptive
M V Nebenwirkungen auslösenden Nadelholzteers ist jetzt allgemein.
Zahlreiche Herren Aerzte sprechen sich ganz begeistert über die Wirkung der Pittylen-
Präparate aus und betonen besonders, wie schnell das Pittylen bei oft jahrelangen hartnäckigen
U Uebeln, die aller Behandlung Trotz geboten haben, seine heilende Wirkung äussert. Ganz speziell
X haben sich die Pittylen-Seifen einer ausgedehnten Verwendung zu erfreuen; die einfache
Anwendungsform verbunden mit der zuverlässigen schnellen Wirkung findet allgemeinen Beifall.
Wir bitten die Herren Aerzte, welche Pittylen noch nicht angewandt haben, Muster-Kollektionen und Literatur von
rn.
Dresdener Chemisches Laboratorium Lingner.
/EP
112
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 7
Diese Forderuplg ist bereits vor Jahrzehnten, im Jahre 1848,
von Rudolf V i r c h o w für die Armenpraxis erhoben worden,
und im Jahre 1893 hat unsere Berliner Stadtverordnetenfraktion,
einen Antrag- eingebracht: für die nächste Etatsaufstellung von
festbesoldeten Armenärzten Abstand zu nehmen und mit dem
Verein freigewählter Kassenärzte in Verbindung zu treten, da¬
mit dieser die Versorgung der Armen mit Aerzten in die Hand
nehme. Der Antrag wurde abgelehnt und ist seitdem nicht
wieder eingebracht worden. 1902 "brachte Genosse Quarck
in Frankfurt a. M. einen Antrag auf freie Armenarztwahl ein.
Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Wir haben aber eine
Reihe von Gemeinden, wo die freie Arztwahl für Arme ein-
geführt ist und sich sehr gut bewährt hat.“
Errichtung eines Unfall- und Haftpflichtversicherungs-In¬
stitutes in Oesterreich. Der Geschäftsausschuß der österreichi¬
schen Aerztekammern hat auf Grund des Beschlusses der Dele¬
gierten am XIII. Kammertage in Prag die Vorarbeiten zur
Errichtung eines Unfall- und Haftpflichtversicherung-s-Institus
durchgeführt und bereitet nunmehr die Gründung der geplanten
Anstalt vor. Au die gesamte Aerzteschaft Oesterreichs ergeht
die Aufforderung, für die Durchführung des Projektes ein¬
zutreten, welches den so lange angestrebten Vorteil eines ent¬
sprechenden Schutzes auf dem Gebiete der Unfall- und Haft¬
pflichtversicherung bieten soll. Das neue Institut soll in Form
einer Aktiengesellschaft ins Leben treten und wird sämtliche
Versicherungsarten aller Berufszweige, welche sich auf den ( n-
fyll- und Haftpflichtschutz beziehen, umfassen.
., jm österreichischen Abgeordnetenhause wurde in einer
Interpellation auf die segensreiche Wirksamkeit des Heidel¬
berger Instituts für Krebsforschung unter Leitung Professor
Czernys und auf die Erfolge, welche das .Heidelberger In¬
stitut aufzuweisen hat, verwiesen. Die lnterepellanten- richteten
an den Unterrichtsminister und den Minister für öffentliche
Arbeiten die Anfrage, ob sie geneigt wären, zu veranlassen.
daß auch in Oesterreich ein ähnliches Institul wie in Heidel¬
berg errichtet und ein bewährter Chirurg mit der Leitung des¬
selben betraut werde, oder daß wenigstens die Universitäts¬
kliniken für die Behandlung von Tumoren und anderen bös¬
artigen Neubildungen mit den erforderlichen Apparaten aus-
gestattet würden.
Zum Vorsitzenden der vom 1.—5. Oktober d. Js. statt¬
findenden 2. internationalen Konferenz für Krebsforschung
wurde Prof. Czerny, Heidelberg, ernannt; Prof. G. M e y e. r ,
Berlin, ist Generalsekretär (Bureau: Berlin, Bendlerstr. 13).
Das wissenschaftliche Programm umfaßt: Histologie und histo¬
logische Diagnose; Statistik, Methoden der klinischen Diagnose;
Behandlung, vergleichende Pathologie etc.
Am 1. April d. Js. wird in Sch ö n e b erg - Berl i. n die
erste Schulzahnklinik eröffnst werden. Es ist dieser Beschluß,
womit die städtische Behörde dem Beispiel Berlins und Ohar-
1 ottenburgs folgt, mit Freuden zu begrüßen. Zum Leiter der
Anstalt ist. Herr Zahnarzt Iv u r t II a h n , welcher mehrere Jahre
die Altonaer Schulzahnklinik dirigierte, gewählt worden.
Zu einer lebhaften Diskussion kam es im österr reich i -
sehe n H e r r e. n h a u s e bei der Frage : Soll der Arzt für
die Anzeige einer ansteckenden Krankheit eine Vergütung er¬
halten? Es war früher einmal vorgeschlagen worden, hierfür
eine jedesmalige Honorierung von 1 Krone anzusefzen; der
Antrag, welcher von mehreren Seiten auch mit Rücksicht auf
die finanziellen Schwierigkeiten der österreichischen Aerzte
warm unterstützt wurde, wurde trotz der nicht sehr hohen
Mehrbelastung des Staatsschatzes (ca. 75 000 Kronen) abgelehiit.
Der Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs in München
hat eine Zusammenstellung aller wichtigen Mitteilungen über
Wintersportplätze in Bayern (Skiplätze, Skiturf etc.) heraus¬
gegeben; man ersieht daraus alles Wichtige über Rodeln und
Schlittschuhsport, Wintersportfeste etc.
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Verantwortlich: Für den redaktionellen Teil:. Prof. Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35. F(lr „Kleine Mitteilungen“ und den Inseratenteil: Max Muncäinski, Berlin-Rixdorf.
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felde.
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Geilenkirchen,
Kr. Aachen.
Gera, R.,Textil-B.-K.-K.
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I dorf b.Strausberg, Brdbg.
Greiffenberg U.-M.
Halle (Saale).
Hamburg, B.-K. f. Staats-
I angesteifte.
Hamm i. Westf.
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i Hausen (Kr. Limb. a. L.).
Hohensolms b. Wetzlar.
Hohentengen (Wttbrg),
Hüllhorst, Westf.
Itzstedt i- Schl.-Holst.
Joachimthal,
Kr. Angermünde.
Kassel-Rothenditmold.
Kemel, H.-N.
Kirchberg-Jagst.
Klein-Auheim, Kr. Offb.
Köln a. Rh. Stadt-u.Landkr.
Köln-Deutz.
Können, Wttbg.
Königsberg i. Pr.
Korbach (Waldeck).
Kupferhammer b.
Eberswalde.
Lauenburg i. Pom.
Lindlar, Rhld.
Minden, Westi.
Moorburg b. Hamburg.
Mülheim (Rhein).
M.-Gladbach.
Münder a. Deister.
Munster, Hann.
Nackenheim, Rhh.
Neu-Isenburg, Kr. Offb.
Neusfettin i.Pom.
Niederwürzbach, Pfalz.
Nordgermersleben
(Kr. Neuhaldensleben),
Oberbetschdorf i. Eis.
Oberhausen i. Rhld.
Obersept, O.-Els.
Ober- u. Nieder-Ingel-
heim, Rhh.
Oderberg i. Mark.
Pattensen i. Hann.
Pinne i. Posen.
Puderbach(Kr.Neuwied).
du int b. Trier.
Rastenburg, O.-Pr.
Recklinghausen i. W.
Rhein (O.-Pr.).
Rothenkirchen-
Preßig, Oberfr.
Salzwedel, Prov. Sa.
Schirmeck-Saales i.E.
Schlettstadt, Eis.
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Schwandorf (Bay.).
Schwarzach i. Ba.
Schwetzingen, Ba.
Soldau O.-Pr.
St. Ludwig, O.-Els.
Stettin , Fab.-K.-K.-Vulk.
Strausberg i. Brdbg.
Strehla a. E.
Templin, Brdbg.
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Walsheim b. Blieskastel.
Weibern i. Rbld.
Weidenthal, Pfalz.
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Weisenau b. Mainz.
Weißenfels (Saale).
Wesseling, Rhprov.
Wessling (O.-Bay.).
Westd. Vers.-Kr. u. Unter-
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IV. Jahrgang. Berlin, .30. Februar 1910. Nr. 8.
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M, für das Ausland. 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den Verlag
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Inhalt.
Originalien:
E. Roth: Mesmerismus.113
A. Moeller, Berlin: Häusliche Behandlung Lungenkranker . 116
L. Sofer, Wien: Wiener Brief. 119
Referate:
Lothar Frankenstein, Berlin: Geburtshilfe und Gynäkologie 121
L. Lipman-Wulf, Berlin: Lrologie.. . . . 121
H. Loh risch, Chemnitz: Magen-, Darm- und Stoffwechsel¬
krankheiten .123
v. Rutkowski, Berlin, und Lipschitz, Berlin: Varia .... 124
Mitteilungen über Arzneimittel:
W. Krüger, Magdeburg: Referate.125
Technische Neuerscheinungen:
Badehandhabe . 126
Der Stangerotherm. 120
Vorsicht bei der gebräuchlichen Sauerstoffen Wendung (Ref.:
Rosen, Berlin). .127
Bilcherbesprechungen:
Leser: Die spezielle Chirurgie in 60 Verlesungen (Ref :
. Schwalb ach, Berlin). 127
W. Kühn: Neues niedizin. Fi emdwürterbuch für Schwestern,
Samariter, Heilgehilfen, Krankenpfleger eic. ...... 127
(’. H. Stratz: Der Kötper des Kindes (Bef.: Geißler,
Neu-Ruppin).1-7
Allgenieines.127
ÖRKjINALIEN.
Mesmerismus.
Von Dr. E. Roth.
Das Wort Behandlung zeigt, daß
mit der Hand geheilt werden soll.
Ehe wir zu dem Gegenstand selbst übergehen, wollen
wir dem Mann einige Worte widmen, welcher dieser Rich¬
tung den Namen gegeben hat. Franz Anton Mes-
m e r wurde am 213. Mai 1734 in Iznang, Filial der Pfarr-
gemeinde Weiler, Amt Radolfzell, geboren; seine Jugend¬
jahre brachte er in der herrlichen Gegend des Bodensees
zu, wo die Natur tiefen Eindruck auf ihn machte und er
sich besonders zu den Quellen und Bächen hingezogen
fühlte, deren Ursprung und Lauf er zu ergründen ver¬
suchte. Durch rlieses Herumtreiben und Leben in der freien
Natur scheint ihm bereits als Kind und Knabe eine Natür-
kraft zugeflossn zu sein, die nicht in der Stube erzogenen
Menschen, aber gerne solchen zufließt, die in vielseitigem
Umgang und Streit mit der Natur sind. Schiffer, Jäger,
Hirten, Bergleute und Bauern verfügen vielfach über die
Entwicklung eines besonderen Sinnes und einer besonde¬
ren Kraft, die sich dann bei Mesmer auch in seinem
späteren Leben immer mehr entwickelte und die er im
sogenannten Magnetismus auch zuerst erkannte und als
Heilmittel erprobte und verwendete.
Zu Wien studierte dann der Jüngling Medizin und
übte auch in der Kaiserstadt die ärztliche Praxis aus.
Seine Verheiratung mit einer Witwe daselbst brachte ihm
kein Glück und keinen Segen, so daß er sicli wieder schei¬
den ließ.
Im Laufe seiner 15 jährigen ärztlichen Tätigkeit kam
er mehr und mehr auf den Magnetismus; er suchte ihn
zuerst in der Elektrizität und später im mineralischen
Magnetismus. Sein Grundsatz war: Es muß eine Kraft
da sein, welche das All durchdringt und alle Körper auf
Erden verbindet; man muß sie in seine Gewalt bekommen
können. Die Kraft suchte er zuerst im Magnet. Diesem
gleich betrachtete er den Menschen, seine Anwendung auf
Krankheiten schien ihm das Richtige. Um das gestörte
Gleichgewicht wieder in Harmonie zu bringen, strich er,
den Magnet in der Hand, die Körper nach verschiedenen
Polen. Er sah aber bald ein, daß er die beobachteten Wir¬
kungen dem Magnet, den er in seiner Hand hielt, nicht
allein zuschreiben könne; so warf er den Magnet fort und
übte mit seinen Händen allein die gleiche, noch unver¬
fälschtere Wirkung.
So sind wir mitten drin im Mesmerismus.
Und doch! Noch weniger bekannt als Mesmers Heil¬
methode ist die Tatsache, sagt Karl Kies e w etter,
daß diese lange vor ihm ausgeiibt wurde und daß über
ein Jahrhundert vor ihm Systeme über magnetische Be¬
einflussung aufgestellt worden waren, daß also M e s in e r
die Entdeckung des Lebehsmagnetismus gleichsam als
reife Frücht in den Schoß fiel.
Gehen wir auf die Urkunden des menschlichen Ge¬
schlechts zurück, so finden wir, daß bei den alten Aegyp-
tern wie anderswo die Kenntnis des Mesmerismus und des
heilenden Einflusses eines Menschengeistes auf den anderen
zu allen Zeilen vorhanden war und als sorgsames Geheim¬
gut von einzelnen Eingeweihten oder Gottbegnadeten nus¬
geübt und vererbt wurde. Beschwörungen wären wohl kaum
zu allen Zeiten geübt worden, wenn sie nicht zuweilen wirk¬
sam gewesen wären, und daß eben nur einzelne Persönlich¬
keiten dise Macht besaßen, die Geister zu bannen, welche
angeblich das Kranksein oder Besessensein hervorriefen,
bestärkte natürlich den Glauben an die objektive Wahrheit
des den Beschwörungen zugrunde liegenden jeweiligen
Dogmas. Stets hat eine willenskräftige, durch die dem
jeweiligen Kulturzustand entsprechende Beschwörung
gläubig erregte Psyche auf andere Schwächere gewirkt!
Wer kennt nicht eine Reihe von Bibelstellen aus dem
Alten Testament, in denen von der Hand des Herrn und
deren angeblichen Beziehungen zum Hellsehen, zur Pro-
phetik und magischen Heilung die Rede ist. Gewiß ist,
wir folgen immer Carl Kiesewetter, daß das Neue
Testament überaus reichhaltig an Beispielen von der
heilenden Kivft des Händeauflegens ist.
Die Erfahrung, daß das heilmagnetische Massieren,
Kneten Schmerz und Ermüdung, ja manches organische
Leiden aufhebt, war den Griechen wie Römern von den
altorientnlischen Völkern überkommen, hei denen diese
Heilmethode bereits vor Jahrtausenden wie noch heute
üblich ist.
Der heilende Hauch und des stärkende Zusammen¬
leben mit jugendlichen Personen kehrt bei fast allen Vül-
114
-Ct —i.
kern wieder, mehr oder minder stark in Legenden--auf- |
gebauscht und erweitert, sicher auch nur eine Abart des 1
altbekannten Mesmerismus.
Sn können wir überall dasselbe Beispiel der Hand¬
auflegung, des Debergangs magnetischer Kräfte von einem
Individuum auf das andere verfolgen, wobei die Kehrseite
des heilenden Einflusses von Wort und Hand in dein
Problem des Hexenwesens zu suchen ist, insofern liier die
Berührung der vom bösen Willen geleiteten unreinen
Hand und der suggestive Einfluß des tückischen Wortes
anstatt Heilung und Leben Krankheit und Tod bringt.
Bereits in seiner Dissertation beschäftigte sich Mes¬
mer mit der medizinischen Anwendung der Astrologie:
De influxu planetarum in Corpus kumanum; sein animali¬
scher Magnetismus war ursprünglich nicht die Lehre eines
magnetischen Einflusses von einem Organismus auf den
anderen, sondern der erweiterte kosmetische Magnetismus
eines Paracelsus; erst auf dem Umweg über den
Mineralmagnetismus gelangte dann später Mesmer zu
dem, was wir heute animalischen Magnetismus nennen.
Bereits 1775 suchte dann der junge Arzt weitere
Kreise für seine Erfahrungen und Meinungen zu inter¬
essieren. ln seinem „Schreiben an einen auswärtigen Arzt
über die Magnetkur“ ging er von der .Annahme einer des
All durchdringenden und veibindenden Kraft aus, welcher
man teilhaftig werden müßte, um alle Krankheiten, welche
nur auf dem gestörten Gleichgewicht dieser Kraft beruh¬
ten, heilen zu können. Von seiner Theorie einer alles
erfüllenden Urkraft geleitet, ging M e s m e r dann weiter
und kann — immer nach den Worten Kiese Wetters
zu der Annahme, die ihm seine Experimente aufdräng¬
ten, daß die Heilkraft mehr im Menschen selbst als im
Magneten vorhanden sei; wie der Mensch das Eisen gleich¬
namig magnetisch mache, müßte auch der Mensch pola¬
risch auf den Menschen einwirken. Mesmer ließ also
den Magneten fort und manipulierte ausschließlich mit
den Händen.
Allmählich drang sein Ruhm über die Bannkreise
Wiens und die österreichischen Grenzpfähle. Doch fehlte
noch die Anerkennung der Pariser Akademie, uni gleich¬
sam auf der Höhe zu sein. Und unser M e s m e r beschloß
deshalb, die Hauptstadt Frankreichs aufzusuchen, nach¬
dem ihm in München noch Gelegenheit geboten war, einige
glückliche Kuren auszuführen und es ihm geglückt war,
zum Mitglied der dortigen Akademie ernannt zu werden.
ln Paris gewann M e s m e r Fühlung mit C h a ries
d ' E r Ion, welcher als Mitglied der Akademie und Leib¬
arzt des Grafen Artois einen großen Einfluß besaß.
Dort erschienen auch zuerst die 27 Lehrsätze, die gewisser¬
maßen das System des Deutschen darstellten.
Bald für, bald gegen M e s m e r neigte sich das Züng¬
lein der öffentlichen Meinung; doch überwog die Begeiste¬
rung für die neue Lehre, und eine Summe von einer halben
Million Franken setzte Mesmer in den Stand, magne¬
tische Heil- und Lehranstalten zu errichten, in denen
Kranke unentgeltliche Pflege genossen und Anhänger sei¬
ner Anschauungen theoretischen und praktischen Unter¬
richt im Mesmer sehen System erhielten.
Hier entstand somit das famose Bannet, um welches
die Kranken eine Kette bildeten, indem sie sich an Daumen
und Zeigefinger hielten und die Konduktoren des Baquets
auf die leidenden Teile richteten, während durch Klavier¬
spiel eine harmonische Stimmung hervorgerufen wurde.
Freilich das Votum der Akademie in Paris fiel
gegen Mesmer oder vielmehr gegen seine Lehre aus,
da die ernannte Kommission mit Erlon sich zu tun
machte und Mesmer selbst ignorierte.
Ein Protest von E r 1 o u wie seitens M e s m e r s nützte
zunächst nicht viel; ja, die medizinische Fakultät ging
gegen die dem Mesmerismus huldigenden Acrzte energisch
| vo,r und-verpflichtete sie, sich des Magnetisierens- zu eht-
1 halten, widrigenfalls ihnen die-Erlaubnis zu praktizieren
!- entzogen werden würde.
Freilich nicht die Gesamtheit der Akademie ver¬
dammte Mesmer und seine Lehre; ja es entstand ihm
in A. L. de J ussieu sowohl in der erster en wie in der
medizinischen Fakultät der Pariser Akademie ein wohl¬
wollender Gönner, der in einem sehr ausführlichen Gut¬
achten sich auf die Seite des Geschmähten stellte, das viel*-
' fach von der Schulmedizin geflissentlich ignoriert ist. Er¬
stand nicht an, von den Mitgliedern der Kommission selbst
hervorgebrachte Wirkungen zu beschreiben und weitere
eingehende Untersuchungen zu fordern.
Die Revolution machte dann dem Mesmerismus in
Frankreich so gut wie ein Ende; sein Leiter und Stifter
verlor sein Vermögen und flüchtete, doch suchte er später
Paris wieder auf.
Mittlerweile war der Somnabulismus entdeckt worden,
vielfach mit dem Mesmerismus verquickt und vermischt
worden.
M e s m e r selbst brachte diesen neuen Erscheinungen
volles Verständnis entgegen, war aber von vornherein
nicht blind gegen die mit denselben getriebenen Mi߬
bräuche und äußerte sich teilweise sein abweisend
darüber in seinen „Erläuterungen über Somnabulismus und
Magnetismus“, die 1786 erschienen.
Klar und deutlich geht daraus hervor, daß die Hervor-
rufnng des Somnambulismus, um sich bei den magnetisier¬
ten Kranken durch ihr inneres Schauen Rat zu holen, nicht
in der Heillehre Mesmers liegt. Will man diesen Zu¬
stand zu anderen Zwecken als für den Nutzen des Kranken,
zum Beispiel zur Angabe für Heilmittel für andere Per¬
sonen, zur Prophezeiung und zu Lug und Trug, wie es
häufig zu Paris geschehen, anwenden, so gerät man da¬
durch auf Irrwege und diese Ueberzeugung- veranlaßt«
auch Mesmer, den Somnambulismus als zu einem
magnetischen Heilverfahren nicht gehörend anzusehen.
In Deutschland zeichnete sich namentlich Bremen
neben Straßburg durch das Eingehen auf den Mesmerismus
aus, während auch sonst in unserem Vaterland der tierische
Magnetismus eine günstigere Ansicht und Beurteilung in
der gelehrten Welt durch die galvanische Entdeckung
erhielt.
Man hatte bereits früher eine sogenannte Lebens-
atnnjsphäre um die Nerven vermutet. Dies wurde durch
Reils vortreffliches Werk über die Nerven zur größten
Wahrscheinlichkeit, und endlich durch Humboldtis
galvanische Versuche an den tierischen Fasern wurde diese
Lebensatmosphäre sichtbar dargestellt und dadurch der
tierische Magnetismus unserer Physik näher gebracht.
So kann es denn nicht wunder nehmen, daß Mes-
m e r vielfach von den Gelehrten seinerzeit nicht begriffen
wurde; er war durch seine Naturansicht und der daraus
hervorgegangenen Entdeckung des Magnetismus seiner
Zeit um etwa 40 Jahre voraus, er ahnte Naturkräfte, die
viel später erst entdeckt werden sollten.
Fast unbegreiflich ist, daß bei den späteren Fortschrit¬
ten die Person Mesmers so oft vergessen werden
konnte, nicht nur von seinen Widersachern, sondern selbst
von seinen Verehrern, Bewunderern und Ausiibern seiner
Lehre. Man erklärt und rühmt die Heilkraft des Magne¬
tismus, man kämpft gegen seine Gegner, aber der Name
Mesmer verschwindet so gut wie gänzlich auf Jahre
hinaus aus den Schriften.
Erst 1814 gibt dann K a r 1 Christian Wolf a r 1
heraus: Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen,
Theorie des tierischen Magnetismus, die allgemeine Heil¬
kunde der Menschen zur Erhaltung des Menschen von
Dr. F r i c d r i'e h Anton M e s m e r.“
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Dieser Wolfart machte sich bereits in früheren
Jahren mit dieser Krankheitsbehandlung bekannt, über¬
zeugte sich aber bald, daß diese wichtige Sache so gänzlich
verkannt und der Geistesrichtung der Gelehrten und Un-
gelehrten sehr verworren sei. Meist begnügte man sich,
des Magnetismus als eines Irrtums zu gedenken, wobei der
Name Mesmer gar nicht einmal erwähnt wurde! Ihn
aber, W o 1 f a r t, erfüllte bald eine große Achtung gegen
den so verkannten Geist, der so kühn und tief bis zur Quelle
der Natur gelangt war, er wußte nicht, sollte er mehr über
die wissenschaftliche Genialität des Entdeckers oder mehr
über das schnöde Hinwegsehen, über das unrechtliche Be¬
nehmen bei angeblicher Prüfung der neuen Heil¬
methode, über das unbegreifliche Verkennen und Ver¬
gessen endlich, welches dem merkwürdigen Manne wieder¬
fahren war, erstaunen! . . . Kurz, er sucht den 78 jährigen
Greis selbst auf und überträgt die ursprünglich französisch
geschriebenen Schriften „in die doch eigentliche ursprüng¬
liche, in die deutsche Sprache“.
Wie hoch Mesmer und seine Lehre vereinzelt ge¬
schätzt wurde, davon geben nahezu unzählige literarische
Denksteine Auskunft. Auf die ungeheure Literatur hier
einzugehen ist unmöglich, doch wollen wir J uatinus
K erners gedenken, welcher in einem Buche Erinnerun¬
gen an F r. A. M e s m e r nebst Nachrichten von den letzten
Jahren seines Lebens 1856 verfaßte. Dann sei Willi.
W u r m genannt, dem wir eine Darstellung der mesmeri-
schen Heilmethode nach naturwissenschaftlichen Grund¬
sätzen (München 1857) verdanken; er führt eine große
Reihe von Schriften auf, die entweder direkt den Mesmeris¬
mus behandeln oder in denen sich zahlreiche Beobachtun¬
gen magnetischer Erscheinungen aus allen Zeiten und
bei allen Völkern befinden.
Unser W u r m geht etwas weit in seinen Anschau¬
ungen, will er doch unter anderem nachweisen, daß schon
das neugeborene Kind Sinnbilder, also bleibende Eindrücke
auf sein Nervensystem erhält und daß vieles, was ober¬
flächlich als Sitte, Gewohnheit, Geistesrichtung, Talent,
Eigentümlichkeit, Rassenunterschied usw. betrachtet wird,
hieraus zu erklären ist. Allerhand Tiere werden von vielen
Leuten gehalten, um sich gelegentlich von ihnen Krank¬
heiten „abnehmen“ zu lassen, namentlich Rotlauf und
Gicht, wobei häufig die benutzten Tiere die Krankheit be¬
kommen und daran zugrunde gehen. (Wie einfach sind
doch diese Kuren und warum quälen sich so viele Kranken
mit diesen und ähnlichen Leiden! E. R.) -
Freilich auch heute noch Brauchbares finden wir bei
W u r m , wenn er beispielsweise neben tierischem Magne¬
tismus und Hydrotherapie die Gymnastik empfiehlt, welche
er als bewußte und willkürliche Aenderung elektromagneti¬
scher Zustände im Körper durch selbsteigene Kräfte direkt
als Selbstmagnetismus bezeichnet.
Selbst in seinen Anfängen hatte aber der Mesmeris¬
mus bald eine solche Verbreitung gefunden, daß 1787 das
erste Heft eines Magnetischen Magazins für Niederdeutsch¬
land erscheinen konnte, mit der Begründung: „Die allge¬
meine Aufmerksamkeit, welche der tierische Magnetismus,
seitdem er auch unter uns bekannt geworden, erregt hat,
scheint die Vermutung zu rechtfertigen, daß dem lesenden
Publico ein Gefallen geschehe, wenn es Alles, was bisher
dafür oder dawider im Druck erschienen ist, in einer voll¬
ständigen und unpartheyischen Sammlung bey einander
finden kann.“
Das Merkwürdigste findet man in diesem Magazin.
So beispielsweise die Nachricht von einer Kitzelkur: Die
Patienten und Patientinnen in den großen Städten von
Paris in Frankreich an bis Bremen in Deutschland und so
weiter herum, lassen sich jetzt durch Kitzeln kurieren.
Die schwache Jungfer legt sich streckelangs auf die Bank
und der Doktor oder wer sich dafür ausgiebt, grabbelt mit
seinen Fingern umher.
Man glaube aber nicht, daß selbst in dem vorvorigen
Jahrhundert alle Welt dem Vorgehen Mesmers zu¬
stimmte. Bei Leibe nicht. Wir besitzen die unzweideutig¬
sten Beweise dafür in einigen literarischen Denkmälern.
So erschien 1788 in Braunschweig ein Buch des Dr. W i 1 -
heim Joseph i über den tierischen Magnetismus als
einen Beitrag zur Geschichte der menschlichen Verirrun¬
gen. Er halte es für seine Pflicht, die neue Lust- und an¬
gebliche Heilmethode, welche unter dem Namen der
Magnetisation und Manipulation bekannt ist, zu entlarven.
Durch seine Abhandlung will der Verfasser namentlich
die Bewohner Braunschweigs mit dem tierischen Magne¬
tismus etwas näher bekannt machen, er will die Erschei¬
nungen der magnetischen Personen erklären, einen jeden
auf die schädlichen Folgen, welche für Körper und Geist
sofort wie in der Folgezeit daraus entstehen können, auf¬
merksam zu machen suchen und über die seitens eines
Herrn L eComte deSantilli in genannter Stadt au¬
gestellten Operationen einige Anmerkungen mitteilen. Er
versucht dann das Lächerliche, aber zugleich die Sittsam-
keit beleidigende und mancherlei Empfindungen hervor¬
bringende Verfahren bei der Magnetisation einigermaßen
anschaulich zu machen.
Wohl gibt unser Zweifler zu, daß Ausflüsse des einen
Menschen auf den andern wirken können, doch wird die
Wirkung aber gewiß nicht m groß sein, als sie angeblich
sein soll. Unbegreiflich ist ihm die Behauptung, daß die
magnetische Materie, dieser körperliche Stoff, den morali¬
schen Gesetzen gehorche, und von dem Wink, den Be¬
wegungen und der Denkkraft frommer und rechtschaffener
Menschen abhänge, so daß diese sie erwecken und leiten
können, wie sie wollen. Was die Zufälle und Erscheinungen
der magnetischen Personen anbetrifft, so will J osephi
bemerken, daß viele Betrügereien dabei seien; dann
werden viele der angegebenen Zufälle und Erscheinungen,
die an sich wahr sind, auch bei nicht magnetisierten Per¬
sonen öfters in noch weit höherem Grade wahrgenommen
und sind allzeit Folgen einer durch irgendwelche Ursache
überspannten Phantasie. Ein ganz törichter Wahn aber
sei es, zu glauben, daß die bei verschiedenen magnetischen
Personen erschienenen Zufälle Folgen des tierischen
Magnetismus,seien; es sind diese Zufälle einzig und allein
Folgen einer erhöhten Neugierde, einer aufgebrachten Ein¬
bildungskraft, von Friktionen und verschiedenen Be¬
rührungen, einer dunkelen Wirkung des Geschlechts:
triebes, der sympathischen Reizbarkeit und eines festen
Glaubens und einer festen Hoffnung.
Nicht gering sind die üblen Folgen, welche der Körper
wie die Seele erleidet, beide werden vergiftet, und wenn das
Magnetisieren überhand nimmt, wird man den Schaden,
vielleicht noch bei späten Enkeln wahrnehmen. Die erste
und notwendig aus der Magnetisation entstehende Folge
ist: sie spannt edle Empfindsamkeit zur lächerlichen
Empfindelei lierah. Eine zweite ist außer der allgemeinen
Schwächling Nervenkrankheit; dann wird sich eine Ab-
sehwächnng des Geistes einstellen, weiterhin folgt Sitten¬
verderbnis, Ausschweifung, Onanie und Schamlosigkeit.
Uebel ist auch die vielfach sich einstellende Schwärmerei
und die Verbreitung mancherlei schädlicher Religions-
irrtiimer, denn die Philosophie der rechten Magnetisierer
ist auf die gnostisehe, welche im zweiten Jahrhundert
herrschte, gegründet.
Joseph i dünkt, gerade heraus , gesagt, daß wer
daran zweifelt, daß der tierische Magnetismus Chalantanerie
und eine Burleske sei, entweder wegen zu dicken Nebels des
Hirns nicht sehen kann oder wegen Hang zur Schwärmerei,
zum Wunderbaren und Uebernatürlichen nicht sehen will.
Und lächerlicher kann doch wohl nichts sein als Erscliei-
/ERS
VER
116
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 8
nu ugeii einer unbekannten und unerwiesenen Wirkung
zuzuschreiben, die sicdi doch durch andere bekannte und
ausgemachte Ursachen ganz begreiflich und anschaulich
machen lassen.
Sapienti sat. Was soll man noch hinzufügen!
Häusliche Behandlung Lungenkranker.
Von Professor Dr. A. Moeller. Spezialarzt für Lungenleiden,
in Berlin.
(Nach einem auf dem Internationalen Hygiene-Kongreß gehaltenem
Vortrage.)
Die moderne Behandlungsmethode der Lungenleiden,
1;; gienisch-diätetisch-hydratische Behandlung, läßt sich
bei einigermaßen günstigen sozialen Verhältnissen auch
zu Hause gut durchführen, und hei der spezifischen
(Tuberkulinbehandlung) setzen viele Patienten ihre
Arbeit ununterbrochen fort, was sicdi, wenn man Re¬
aktionen nach Möglichkeit zu vermeiden sucht, auch gut
ermöglichen läßt. Ein Teil meiner Patienten schränkt
seine Tätigkeit teilweise ein, was sich hei Frauen, die ja
nur nötig haben, eine Hilfskraft in der Hauswirtschaft zu
nehmen, leicht bewerkstelligen läßt; doch die männlichen
Patienten gehen größtenteils ihrer Besch ii f t i g u n g
w eiter nach. Es lassen sich mittels des Tuberkulins in
der Behandlung Lungenkranker glänzende Resultate er¬
zielen.
Das Tuberkulin wirkt in allen Orten gleich günstig
ein auf den tuberkulösen Erkrankungsherd. Die früher so
gefürchteten Gefahren für die Kranken sind bei der heute
so methodisch ausgebildeten Tuberkulinbehandlung so gut
wie ausgeschlossen. Wie alles Gute sich selbst Bahn bricht,
so wächst auch stetig die Anzahl der Tuberkulin-
f re u nde, während die der Tuberkulingegner, die meist
seihst keine eigenen Versuche mit dem Mittel angestellt
haben, mehr und mehr zurückgeht. Daß das Tuberkulin
sich in Aerztekreisen mehr und mehr Freunde in letzter
Zeit erwirbt, konnte ich daraus ersehen, daß ich unter
meinen mit Tuberkulin behandelten Fällen viele Aerzte, in-
und ausländische, hatte, und mehrere Aerzte mir ihre
lungenkranken Familienangehörigen behufs Vornahme
von Tuberkulinkuren überwiesen. Ich habe in den letzten
Jahren über 50 000 Tuberkulininjektionen gemacht, aber
niemals habe ich einen Nachteil hei diesen Injektionen be¬
obachtet. Im Gegenteil habe ich in den meisten Fällen
einen guten Verlauf der Kur gesehen, d. li. eine stetig
fortschreitende Besserung des Lungenbefundes hei gutem
Allgemeinbefinden.
Bezüglich des Aufenthaltes eines Lungenkranken
wird nach Feststellung der Diagnose meist die Frage er¬
örtert, wo soll der Kranke nun zwecks Wiederherstellung
der Gesundheit leben, in einem Kurorte, auf dem Lande
oder zu Hause! Und da kann man im allgemeinen sagen,
daß es weniger auf den Ort ankommt, wo der Kranke ge¬
nesen soll, sondern vielmehr, daß er unter steter ärztlicher
Kontrolle während der Zeit seiner Erkrankung stellt.
Sicherlich ist es in manchen Fällen schwierig, einen
Kranken zu Hause eine regelmäßige Kur durchmachen zu
lassen, mancherlei Schwierigkeiten sind zu überwinden,
wie Absagen gesellschaftlicher Verpflichtungen, Ein¬
schränkung der Tätigkeit hei Frauen, Aufgehen schwerer
Hausarbeit usw. Dennoch aber liegen oft die Verhältnisse
so, daß die Kur zu Hause durchgeführt werden muß; hei
dem einen langen die Mitte] nicht zum Aufenthalt in einem
kostspieligen Badeorte oder in einer Kuranstalt — man
denke an erkrankte Mitglieder einer zahlreichen Familie
- - hei dem anderen mußte die Kur in letzterem Orte vor¬
zeitig abgebrochen werden, hei anderen erfordern drin¬
gende Umstände die Anwesenheit des Kranken in seiner
Familie, auch muß bei vielen die Nachkur zu Hause fort¬
gesetzt werden, wieder andere sind ein- und mehrmals im
Süden gewesen, ohne einen nennenswerten Erfolg erzielt
zu haben oder hatten bald wieder einen Rückfall und
liegen nun den Wunsch, zu Hause Kur zu machen.
Somit sehen wir, daß mancherlei Gründe vorliegen,
welche oft das Verbleiben im eigenen Heim erforderlich
machen, und die Resultate, welche sich zu Hause erzielen
lassen, sind, wenn den ärztlichen Anordnungen genau
Folge gegeben wird, oft sehr befriedigende. So hatte ich
noch ganz kürzlich eine junge Dame mit vorgeschrittener
Erkrankung in Behandlung, in deren Sputum enorme
Mengen von Tuberkelbazillen vorhanden waren. Ich habe
ihr die nötigen Verordnungen gegeben, die sie zu
Hause exakt durcliführte, mul wöchentlich 2—3 Tuber¬
kulin-Injektionen gemacht. Der Erfolg war ein ganz
eklatanter. Das subjektive Befinden hob sich, der objek¬
tive Lungenbefund war nach nahezu 5 Monaten normal,
Sputum und mit ihm Tuberkelbazillen verschwanden, und
das Körpergewicht hob sich um 9 Pfund. Derartig günstig
verlaufende Fälle hei exakter Durchführung der Kur zu
Hause habe ich zahlreich erlebt, und vor allein, was man
ja sonst weniger oft sieht, recht oft auch Dauererfolge,
weil die Kranken in demselben Milieu, demselben Klima,
gesund geworden sind, in dem sie später leben sollen,
während hei klimatischen Kuren im Süden oder im Gebirge
die Patienten, sobald sie in das alte Klima zuriiekkehren,
wieder Rückfälle bekommen.
Die Lungentuberkulose gehört zu den chronischen,
d. h. zu den Erkrankungen, welche allmählich, schleichend
entstellen; nur selten kommt die akute Form, d. h. die
plötzliche entstehende und oft auch schnell verlaufende
Form der Krankheit vor. In der Regel nimmt die Lungen¬
tuberkulose ihren Anfang in den Spitzen der Lungen.
Die im Entstehen begriffene Tuberkulose verursacht,
und darin liegt das überaus Heimtückische der Erkran¬
kung, in den allermeisten Fällen fast keine oder doch nur
geringe Beschwerden; der davon Betroffene ahnt nicht,
daß ihm eine ernste schwere Erkrankung droht, und zieht
deshalb keinen Arzt zu Rate. Wären der großen Gefahr
entsprechend die Beschwerden gleich ebenso groß, so wür¬
den nicht so viele hoffnungslose Fälle zu verzeichnen sein.
Denn die Hauptbedingung zur Heilung liegt in dem Friili-
erkennen und der Frühbehandlung der Erkrankung. Es
wird daher von den Aerzten hei den Fällen, hei denen
Verdacht auf Tuberkulose besteht, hei denen aber die Er¬
krankung durch die physikalische Untersuchung nicht mit
Sicherheit festzustellen ist, durch probatorische Tuber¬
kulin-Injektionen die Diagnose sicher gestellt. Zur Be¬
handlung der an Lungentuberkulose erkrankten Menschen
gehölt in erster Linie eine streng geregelte Lebensweise.
Man muß dem Kranken genau vorschreihen, wie er zu
Hans leben soll, was und wie er essen soll, wie lange und
wann er spazieren gellen soll, wo und wann er Liegekur
zu machen hat usw. Es lassen sich durch strikte Befolgung
der Vorschriften in Anfangsstadien, zumal in Kombination
mit Tuberkulin, vollständige Heilung und in vorgeschritte¬
nen Fällen wesentliche Besserungen so erzielen. Anfangs
werden die Vorschriften manchem vielleicht als ein lästi¬
ger Zwang erscheinen, den er zu Hause kaum durch¬
führen zu können glaubt; aber nach kurzem schon, wenn
er den wohltätigen Einfluß der Behandlungsmethode an
sich merkt, wird er gern und willig die zu seinem Besten
gegebenen Vorschriften befolgen.
Es gehört mit zu den wichtigsten Maßnahmen hei der
häuslichen Behandlung von Lungenkranken, ihnen einen
ständigen Genuß von frischer Luft zu ermöglichen. Der
Patient, welcher seinen Wohnsitz auf dem Lande hat, hat
in dieser Beziehung viel vor dem Stadtbewohner voraus.
Letzterer soll, falls die sozialen und sonstigen Verhältnisse
es ihm ermöglichen, eine Wohnung am besten in einem
3 910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
117
Vororte resp. im Zirkumferenz der Stadt nehmen; auch soll
er bei der Auswahl seiner W o h n u n g die meteorologi¬
schen Verhältnisse berücksichtigen, das heißt er soll sich
vorher orientieren, welche Windrichtung in der betreffen¬
den Gegend vor der Stadt vorherrschend ist, damit er nicht
unter dem von dem Wind ihm zugetragenen Dunst aus
der Stadt leidet; also falls die Winde vorherrschend aus
dein Westen kommen, soll er sich eine Wohnung im
Westen, und falls sie aus dein Süden kommen, eine solche
im südlichen Vororte resp. im südlichen Teile der Stadt
nehmen. Palls es die lokalen Verhältnisse ermöglichen,
soll er eine gegen Sturm und Wind geschützte Lage wäh¬
len, etwa ein an einem Hügelabhange gelegenes Haus be¬
ziehen; sodann wähle er die Wohnung so, daß die Front
der Gemächer, die Fenster, insbesondere beim Schlaf¬
zimmer, nach Süden resp. Südosten sehen, damit die Strah¬
len der Sonne die Wohnung treffen; denn der günstige Ein¬
fluß der Sonnenbestrahlung ist bei einzelnen Fällen nicht
zu verkennen. Womöglich sei die Wohnung mit Balkons
versehen, auf denen der Patient Liegekur machen kann.
Neben der staub- und rauchfreien Luft in windgeschützter
Lage achte man bei Lungenkranken darauf, daß seine
Wohnung trocken sei und auch das Terrain, auf dem das
Haus gebaut, relativ trocken sei, insbesondere keine Nebel
vorhanden seien. Ist in der Nähe der Wohnung noch ein
schnell zu erreichender Wald resp. Park gelegen, was ja
bei Auswahl einer Wohnung in einem Vororte der Stadt
nicht selten eintreffen dürfte, in dem der Kranke seine
täglichen Spaziergänge machen kann, so wäre damit das
Ideal einer Wohnung für einen Lungenkranken ge¬
schaffen.
log. 1.
Es ist eine der Hauptaufgaben bei der häuslichen Be¬
handlung, dem Kranken einen möglichst ständigen Genuß
frischer Luft zu ermöglichen. Der Patient soll sich Be¬
wegung im Freien machen, ohne diese Bewegung so weit
auszudehnen, daß er sich abends müde oder angegriffen
fühlt. Jede Ermüdung oder körperliche Ueberanstren-
gung muß vermieden werden. Aber auch der ganz leicht
Erkrankte würde nun bald ermüden, wenn er den ganzen
Tag über spazieren gehen müßte, auch wenn er hier und
da auf Bänken ausruhen könnte; er würde vom Sitzen und
Gehen ermüdet werden. Letzteres wäre auch im Winter,
wo die Bänke verschneit sind, oder bei Regenwetter aus¬
geschlossen. Hier nun dient die Liegekur (s. Fig. 1), die
der Patieut in seinem Heim sehr gut durchführen kann;
nur müssen ihn seine Angehörigen vor zu vielen Besuchern
bewahren. Der Patient legt sich am besten auf einem
Balkon resp. in einem möglichst nach Süden gelegenen
Zimmer bei geöffnetem Fenster auf einen Liegesessel resp.
Chaiselongue. Er muß vor direkter Sonnenbestrahlung,
wie auch gegen Wind, Regen und Schnee geschützt liegen,
etwa durch Markisen oder ähnliche Vorrichtungen, aber
der Zutritt frischer Luft darf nicht gehindert sein. Der
Liegestuhl muß mit einer Matratze versehen sein. Wäh¬
rend der Liegekur darf der Patient nicht frieren oder frö¬
steln. Er wird am besten in Kamelhaardecken eingehüllt,
eventuell im Winter in Fußsäcken. Er soll aber nicht
schwitzen, er muß eine angenehme Wärme empfinden. Er
kann die Liegekur im Zimmer anfangen und später, wenn
er mehr abgehärtet ist, draußen auf dem Balkon fortsetzen.
Der Kranke soll zu Beginn der Kur eine halbsitzende Lage
einnehmen, später allmählich das Kopfteil senken und eine
mehr und mehr flache und zuletzt horizontale Lage ein-
nehnien, wodurch in den Lungenspitzen eine regere Blut¬
zirkulation und ergiebigeres Atmen stattfinden kann. Dev
Kranke soll während der Liegekur stets Rückenlage ent¬
nehmen, damit der Körper wirklich ausruhen und die
Lunge ungehindert atmen kann. Während der Liegekur
kann der Patient lesen, aber nicht schreiben, da ihn das an-
strengen würde und die Liegekur dann keine Ruhekur
mehr wäre. Solche Liegekur läßt sich auch hei kleinen
Kindern durchführen. Bei zur Korpulenz neigenden Per¬
sonen ist die Liegekur einzuschränken. An wannen
Sommertagen kann der Patient auch die Liegekur im
Freien, im Garten machen, doch nie in Hängematten, die
den Körper, besonders den Brustkasten, zusainmendrücken.
Auf seinen Spaziergängen soll der Patient langsam
gehen, durch die Nase atmen, wenig sprechen.
Eine bestimmte Regel, was für Lungenkranke am vor¬
teilhaftesten ist, wollene, baumwollene oder leinene Unter¬
kleidung, gibt es nicht; man muß Rücksicht daran! neh¬
men, was der Kranke bislang zu tragen gewohnt war.
Durchlässige, wollene Unterkleidung, je nach der Witte¬
rung von eng- oder weitmaschigerem Gewebe, verdient viel¬
leicht den Vorzug. Die sogenannte Refor m k I c i d u n g
der Damen ist als unhygienisch aus vielen Gründen zu
verwerfen; so z. B. drückt sie, wenn der Stoff nicht ganz
leicht ist, auf die Schultern und ist, da hierdurch Blut¬
zirkulation und Atmung in den Lungenspitzen beeinträch¬
tigt werden, besonders hoi familiär belasteten Individuen
sehr gesundheitsschädlich. .Auf die F u ß 1> e Klei d u n g
ist besonders zu achten, daß sie fest sei und keine Feuchtig¬
keit durchläßt. Ueberscliule sind hei Schnee und Regen zu
tragen. Im allgemeinen soll man sich betreffs der Klei¬
dung nach der Witterung und nicht nach der Jahressaison
richten.
Zur Ausführung der Parole „Tag und Nacht frische
Luft“ gehört es auch, daß der Patient nachts frische Luft
in seinem Schlafzimmer hat. Der Schlafraum soll ge¬
räumig sein, die Luft soll so rein sein, daß sie möglichst
der Außenwelt gleichkommt; daher muß \orsorge getrof¬
fen werden, daß die ausgeatmete Luft des Schlafenden
nach außenhin abziehen und reine Luft eintreten kann,
doch so, daß kein Luftzug entsteht. Das geöffnete Fenster
wirkt hei vielen Erkrankungen der Luftwege geradezu
als Medizin; so z. B. bei Nachsehweißen der Lungen¬
kranken wirkt es geradezu spezifisch. Doch nicht nur für
Kranke, sondern auch für Gesunde ist das Einatmen rei¬
ner, d. li. möglichst staub- und rauchfreier Luft für die
Erhaltung gesunder Lungen durchaus notwendig. Manche
Berufsarten (Kontoristen, Lehrer usw.j bringen es mit
sich, daß der Ausübende tagsüber viel Staub einatmen
muß. Besonders jedoch in fabrikreichen Vierteln ist es
durchaus notwendig, im Interesse einer Gesunderhaltung
resp. Gesundung der Lungen dafür zu sorgen, daß wenig¬
stens des nachts, wenn die Schornsteine weniger qualmen
uml Straßenstaub weniger aufgewirbelt wird, den Lungen
reinere Luft zugeführt wird. Man halte daher des Nachts
die Fenster geöffnet. Ganz unbedingt notwendig ist dies
118
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 8
in Zimmern, in denen mehrere Personen schlafen, wo
durch die Ausdünstungen und Ausatmungen die Luft ge¬
radezu vergiftet wird. Im Winter findet wegen der großen
Temperaturunterschiede der Außen- und der Zimmerluft
eine gewisse Ventilation schon durch Fenster- und Tür¬
ritzen wie auch durch die Poren der Wände statt. Ganz
anders bei wärmerem Wetter, wo kein genügender Luft¬
austausch zwischen Außen- und Innenluft statthat, und
daher die ausgeatmeten Stoffe nicht aus der Schlafzimmer¬
luft entweichen können. Es wird die Luft alsdann sehr
verdorben; und dadurch, daß der Schlafende immer wieder
die ausgeatmete, verbrauchte Luft einatmen muß, leidet
sein Befinden, was sich beim Erwachen als Kopfschmerz
und Unwohlsein kundgibt, welche Beschwerden beim Aus¬
gange in die frische Luft baldigst verschwinden. Kehrt
man dann wieder in die schlechte Schlafstubenluft zurück,
so merkt man sofort, wie verdorben die Luft ist, in der man
so viele Stunden zugebracht hat. Bekanntlich verbringen
wir ca. ein Drittel unseres Lebens im Bette; der Kranke
naturgemäß noch mehr.
Wenn man sich bei etwas wärmerem Wetter daran
gewöhnt, hei offenem Fenster zu schlafen, so kann man es
im Winter ruhig fortsetzen, ohne Erkältungen befürchten
zu müssen; im Gegenteil, man härtet sich gerade dadurch
ab. Ich bin überzeugt, daß manche meiner Patienten eine
weniger gute Kur gemacht hätten, wenn sie bei geschlosse¬
nem Fenster geschlafen hätten. Bei vielen ist das geöffnete
Fenster so zum Bedürfnis geworden, daß sie mir erklärten,
nie wieder davon zn lassen, bei geschlossenem Fenster
könnten sie nicht mehr frei atmen.
Nun stieß ich hei diesen meinen Vorschlägen betreffs
Offenhalten des Schlafzimmerfensters bei zahlreichen
Patienten auf nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten.
Sie klagten darüber, daß es ihnen unmöglich sei, diese, wie
sie selbst einsahen, gesundheitsfördernde Maßnahme
durchzuführen, weil sie durch Wind und besonders durch
Staub und Rauch in der unangenehmsten Weise belästigt
würden, so daß sie nach einigen Versuchen, das Fenster
nachts geöffnet zu lassen, doch wieder bald davon Abstand
nehmen mußten. Auch Kippflügelfenster und ähnliche
Konstruktionen, die ich den Patienten vorschlug, hatten
nach ihren Angaben nicht den gewünschten Effekt, zumal
da ja der Staub noch ungehindert Zutritt hatte. Ich emp¬
fehle daher meinen Patienten, ein Gazegeflecht in
einem der Fenster anbringen zu lassen, wodurch die Luft
ungehindert passieren kann, ohne Luftzug zu erzeugen,
und wodurch Staub und Ruß abgehalten wird.
So wird der Kranke allmählich Witterungseinflüssen
gegenüber mehr und mehr unempfindlich; denn wir leisten
dem Kranken wenig Dienste, wenn wir ihn nur lehren,
wie er sich vor Schädlichkeiten zu hüten hat; wir müssen
uns bestreben, ihn gegen schädliche Einflüsse mit ihren
Folgen in Form von Erkältungen gewappnet zu machen.
Hierzu leistet uns auch gute Dienste die Hydrotherapie
(Wasserbehandlung). In der häuslichen Behandlung der
Lungentuberkulose kommen zwei Anwendungsformen der
Wasserbehandlung besonders in Betracht, nämlich die
Brustpackungen und die Abreibungen; Maßnahmen,
welche sich zu Hause unschwer von geschickten, leicht
erkrankten Patienten allein, von den anderen mit Hilfe
von Familienmitgliedern durchführen lassen.
Als Einpackung kommt besonders die Kreuz¬
binde (Fig. 2) in Betracht. An Material ist dazu nötig
ein 2 bis 2% m langes Leinentuch, doppelt zusammengelegt
ca. 20 cm breit: ein in Jäckchenform zusammengelegter
impermeabler Stoff und eine ca. 5 bis 0 m lange und
ca. 24 cm breite Flanellbinde. Das Leinentuch wird in
kaltem Wasser ausgerungen und in folgender Weise an¬
gelegt: Von der Brust ausgehend wird es über die linke
Schulter gelegt, in schräg absteigender Richtung über den
Rücken zur Achselhöhle geführt, unter dieselbe durch in
gerader Richtung über die Brust unter die linke Achsel¬
höhle hindurch in schräg aufsteigender Richtung über den
Rücken führend über die rechte Schulter geschlagen. Ueber
dieses Leinentuch wird der impermeable Stoff gelegt, so
daß er dasselbe in einfacher Lage bedeckt. Hierüber wird
die Flanellbinde gelegt, und zwar ist hierbei besonders zu
beobachten, daß der Flanell, den Rand des Leinentuches
überall ca. 2 Fingerbreit überragend, gut anliegt. Man
führt die Flanellbinde zuerst in Zirkeltouren um Brust
und Rücken, steigt dann zur Schulter auf und arbeitet nun
in Achtertouren von einer Schulter zur anderen, bis jede
Stelle in mehreren Lagen bedeckt ist.
Fig. 2.
Die Einp a e k u n g e n werden dem Kranken abends
angelegt und bleiben des Nachts über liegen. Bei besonders
akuten Reizerscheinungen der Brustorgane, wo der Kranke
überhaupt das Bett hüten muß, tut man gut, die Ein¬
packungen auch tagsüber anzuwenden.
Die Abreibung des Oberkörpers macht man am besten
mit 1 Teil Franzbranntwein und 2 Teilen Wasser. Die
mildeste Form ist die Abwaschung. Man bedient sich der
Abwaschung besonders bei schwächeren, anämischen
Kranken als Einleitung zur Wasserbehandlung. Man
macht dieselbe am besten morgens, wenn der Kranke noch
im Vollbesitze der Bettwärme ist. Man braucht dazu einen
Frottierhandschuh aus Luffastoff und ein kräftiges
Frottierhandtuch. Bei besonders empfindlichen Personen
setzt man dem Wasser vorteilhaft etwas Alkohol zu. Bei
fiebernden, zu Schweiß neigenden Kranken setzt man etwas
Zitronensäure zu.
Von großer Bedeutung in der häuslichen Behandlung
der Lungenkranken ist die diätetische Behandlung (Er¬
nährung). Es ist bekannt, daß unter den Tuberkulösen
eine große Anzahl von Kranken sich befindet, welche von
Jugend an „schlechte Esser“ waren. Man verordnet am
besten häufige Mahlzeiten; sorgt dafür, daß sie schmack¬
haft zubereitet und appetitanregend serviert werden. Im
allgemeinen empfiehlt es sich, die Speisen relativ fett zu¬
zubereiten. Die Kost soll eine gemischte sein. Die Mahl¬
zeiten sollen zu bestimmten Stunden stattfinden. Dadurch,
daß die Zeit der Mahlzeiten mit großer Regelmäßigkeit
innegehalten wird, wird sich bei den Kranken auch das
Bedürfnis der Nahrungsaufnahme, also das Hungergefühl,
zu einer bestimmten Zeit geltend machen, und somit wird
der Appetit dann am regsten sein, wenn er befriedigt wer-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
1.19
den kann. Im allgemeinen pflege ich die weißen Fleiscli-
sorten, Geflügel, Kalbfleisch, Fisch usw. den Lungen¬
kranken besonders zu empfehlen.
Eine große Rolle in der häuslichen Behandlung
Lungenkranker spielt die Milch. Sie ist ein Nahrungs¬
mittel von großem Werte, weil sie alle Stoffe in sich ver¬
einigt, welche zur Ernährung notwendig sind: Fett, Eiweiß,
Kohlehydrate und Salze. Sie vermag also unter Umstän¬
den alle anderen Nahrungsmittel zu ersetzen, was von gro¬
ßem Wrte ist bei f i e b e r n d e n Kranken, die keine festen
Speisen zu sich nehmen mögen oder bei Blutungen, bei
denen man die Darreichung von festen Speisen zu ver¬
meiden sucht. Freilich so gut die Milch für Kinder aus¬
reichend ist, so ist sie doch nicht imstande, bei Erwachse¬
nen die Nahrung ganz zu ersetzen, da die Kohlehydrate
nicht ausreichend vorhanden sind, wenn auch die in der
Milch vorhandenen Fette die letzteren zu ersetzen imstande
sind. Mehr als 1— 1V> Liter Milch pro Tag zu trinken,
möchte ich nicht empfehlen, da durch größere Mengen die
Gefahr einer sich ausbildenden Magenerweiterung ent¬
stellt. In Fällen, wo der Patient sich die Milch über¬
getrunken hat, kann man sie durch Zusatz von Kognak
schmackhafter machen; wenn sie schlecht vertragen wird,
macht man sie durch Zusatz von Kalkmilch leichter ver¬
daulich. Als Ersatz für Milch gibt man auch oft Kefir,
Kumys und Yoghurt, insbesondere bei appetitlosen
Kranken. Infolge des Alkoholgehaltes wirken diese Ge¬
tränke, die man besonders im Sommer gerne gibt, stimu¬
lierend. Auch dicke Milch verwende ich in den heißen
Sommermonaten öfters. Von Wichtigkeit ist es zu wissen,
daß warme Milch bei vielen Kranken Verstopfung ver¬
ursacht, weshalb man bei solchen Kranken auch kalte
Milch mit warmer abwechselnd gibt resp. die Milch ab-
gekühlt zu trinken anempfiehlt. Im allgemeinen wird die
ungekochte Milcli ihres besseren Geschmacks wegen der
gekochten vorgezogen; jedoch ist die gekochte Milch besser
verdaulich als die rohe. Vielfach verordne ich abends
vor dem Schlafengehen noch ein Glas Milch, was zugleich
als gutes Schlafmittel dient. Immer empfehle ich
heim Trinken der Milch etwas Brot oder Zwieback zu ge¬
nießen. Bei Erkältungen lasse ich Emser Krähnchen zu
heißer Miel morgens zusetzen. — Als Tageseinteilung emp¬
fehle ich folgendes:
Erstes Frühstück um 7M> Uhr (im Winter um
S 1 /- Uhr) Kaffee oder Kakao, Brötchen mit Butter und
1—2 Glas Milch.
Zweites Frühstück um 10 Uhr: Brot mit Butter und
Milch.
Mittagessen um 1 Uhr: Suppe, Fleisch (Braten) mit
Gemüse, Kartoffeln, Kompott, ev. noch süße Speise. Ein
Glas Wein oder Bier.
Nachmittags 4 Uhr: Kaffee oder Kakao, Brötchen
mit Butter und 1—2 Glas Milch.
Abendessen um 7 oder IV-z Uhr: Milchsuppe, Auf¬
schnitt resp. Eierspeise. Ein Glas Wein oder Bier.
Blutarmen gebe ich öfters morgens und abends Sü߬
wein resp. Kognak oder Glühwein; letzteren besonders
bei Frostzuständen vor Fieberattacken. Eier verordne ich
in den verschiedensten Variationen, als rohe, gekochte
Eier, Eidotter mit Kognak und Zucker, Eierbier, Eidotter
mit Milch usw.
Von alkoholischen Getränken kommen Wein, Bier
and Kognak in Betracht, In richtiger Weise angewandt
sind sie für Lungenkranke von Nutzen. Ich pflege zu den
Mittags- und Abendmahlzeiten-1 Glas''/,,, 1) guten Bieres
zu empfehlen, cs regt die Stimmung an und fördert die
E ß Inst. Kognak hilft mitunter gegen die Nachtsehweiße
bei Kränken.
Bei Blut ii n g e n soll der Kranke sich zu Bett legen
und heiße Sandsäcke an Füßen und Händen legen; sodann
VERSITY OF MICHIGAN
empfehle ich neben Gelatine-Einspritzungen, Gelatine¬
genuß in der Form der verschiedenen Gelfies (Gelee¬
pudding) ; Husten ist zu unterdrücken.
Bei N a e li t s c h weiß e n helfen oft Essigeinreibuu-
gen, Formalinahreihungen, sowie abends vor dem
Schlafengehen kalte Milch mit Kognak.
Gegen Husten empfehle ich Inhalationen von Koch¬
salzwasserdampf; ferner Araklialsumschlag (lauwarm).
Eine vielmnstrittene Frage bei der Behandlung der
Lungentuberkulose ist die Lungen- resp. Atemgymnastik.
So groß der Wert ist, der der methodischen Atemgymnastik
in der V o r b e u g u n g der Tuberkulose zuzuschreiben ist,
so großen Schaden kann man damit bei schon bestehender
Lungenerkrankung anrichten. Jedenfalls ist sie mit gro¬
ßer Vorsicht und nur in ausgesuchten Fällen anzuwenden.
So z. B. empfehle ich Tiefatmen bei hinter dem Kopfe
gekreuzten Händen, Spazieren und Ersteigen leichter An¬
höhen mit zwischen dem Ellbogen gestecktem Spazier¬
stocke, leichtes Hanteln, Freiübungen mit Armen und
Beim n.
Von großer Wichtigkeit in der häuslichen Behand¬
lung Lungenkranker ist natürlich die Erziehung
zur Reinlichkei t. Ich will hier nur kurz
hiiiweisen auf häufigen Wechsel der Leibwäsche,
fleißiges Baden, auf die Wichtigkeit peinlichster
Sauberkeit des Körpers. Der Patient soll beim
Husten stets die Hand vor dem Munde halten,
er soll niemals andere anhusten; das überflüssige Küssen
(besonders der Kinder) ist zu vermeiden. Zur Reinigung
des Zimmers nehme man öfters Seife und Soda, ungefähr
1 Pfd. Soda auf einen Eimer Wasser. Niemals werde
der Staub trocken aufgewischt; übrigens eine Regel, die
nicht, nur für Krankenzimmer gilt, sondern auch bei
Reinigung aller anderen Räume.
Wiener Brief.
Von Dr. L. Sofer, Wien.
Urei große Debatten therapeutischen Inhaltes in den Wiener
Gesellschaften liegen hinter uns. Fürs erste eine große Dis-
hussion über die Behandln n g des Morbus Basedow! i.
Hervorgerufen wurde sie durch einen Vortrag v. Ei s elsb e r gs
aut' dem letzten Naturforschertag, der die Röntgenbestrahlung
bei Basedow verwarf, lind insbesondere Komplikationen bei der
Operation (Verwachsungen etc.l ihr in die Schuhe schob.
Guido Holzknecht replizierte darauf in der „Gesellsch.
der Aerzte“ in scharfer Weise, zog aber, wie der ganze Verlauf
der Debatte zeigt, den Kürzeren. Sonst sei hervorgehoben:
Carl v. No ordeu glaubt, daß man unter dem Eindrücke
dessen, was man von chirurgischer Seite über die Gefahren der.
Operation hört, sich nicht gänzlich ablehnend gegen -die.
Röntgentherapie verhalten soll. Die Röntgentherapie wird sich
die Erfahrung der Chirurgen gewiß zunutze machen; sie ist
Indikationsfähig genug, um vielleicht Mittel und Wege zu finden,
die nur zur Reduktion des Drüsengewebes führen, ohne Binde-
gcwobsneubildung und Schrumpfung zu veranlassen. Was die
Röntgentherapie bei Basedow Positives leistet, kann wohl noch
nicht abschließend gesagt werden. In Fällen, die voraussicht¬
lich zur Operation kommen, werden wir allerdings in Zukunft
nicht mehr, solaminis causa, einen letzteu Versuch machen, sie
durch Röntgentherapie zu beeinflussen, um die voraussichtliche
Operation zu umgehen. — Oskar Potges bestimmte in
Gemeinschaft, mit Pr ihr am hei einem Basedow den Grund¬
umsatz vor und nach der Behandlung mit Röntgenstrahlen. Der
pathologisch gesteigert" Grundumsatz wurde nach der Be¬
strahlung nicht nur nicht geringer, sondern wiederholt erheblich
höher gefunden. Da aber inzwischen das Körpergewicht um
einige. Kilogramm gesiiegen war, so ergab sich für das kg
Körpergewicht berechnet, ein Gleichbleiben des Stoffver¬
brauches: dies bedeutet aber immerhin eine Steigerung, da wir
annehmen müssen, daß ein Teil des Gewichtszuwachses auf nicht
atmendes Fett zu beziehen ist. Es scheint also in diesem Falle
UNIVERSIT
120
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 8
die Bestrahlung erfolglos gewesen zu sein. Moriz Bene¬
dict bezieht clen ungünstigen Verlauf des Leidens in früherer
Zeit auf den Gebrauch von Jod und Digitalis. Erst durch sein
-galvanotherapeutisches Verfahren begann eine neue Aura in der
Behandlung des Leidens. Frühzeitig habe er aber die Hydro¬
therapie und die Eisentherapie zu Hilfe genommen, in der Form
der Eisen-Arsenwässer (Roncegno). Diese therapeutische Trias 1
bilde eine S t a n d a r d therapie. Die Erfolge seien so konstant
und sicher, daß wohl nur in seltenen renitenten Fällen eine
andere Therapie mehr leistet. Zu dieser Trias sei noch die
Klimatotherapie zu gesellen. B. erörtert hierauf die Be¬
deutung der Zirkulationsstörungen. Die „Taches cerebrales“
bezeugen die Reizbarkeit der kleinsten Gefäße. Die Er¬
scheinungen im Gebiete der Art. thyreoidea und ophthalmica.
seien der Erhöhung der Tätigkeit der „Lokalherzen“ zuzu-
schreiben. B. weist es entschieden zurück, den primären „thy-
reoiden“ Einfluß für alle Fälle von M. Basedow heranzuziehen.
Das Serum Möbius wird als wertlos angesehen. Aber die. Mit¬
teilung Enders, daß er, besonders seit er das Trockenpräparat
benutzt, die klimatische Heilwirkung rascher und sicherer ein-
treten sah. ist besonders beachtenswert. Das Mittel mag als
ausschließliches unwirksam sein; vielleicht ist es aber ein nütz¬
liches Hilfsmittel. Die Röntgenbehandlung ist zweifellos
leistungsfähig. Wenn sie auch die spätere Operation er¬
schwert, so gefährdet sie doch schließlich nicht den Operations¬
erfolg. Zu beachten ist die auffallend rasche Zunahme des
Körpergewichtes, die den Verdacht erweckt, die Bestrahlung
wirke, als eine Noxe. Was die operative Therapie betrifft, so
müßte man über ihre Ergebnisse sehr erfreut sein, wenn man
keine andere wirksame Methode hatte. Wir können aber die
meisten Resultate auch auf unblutigem Wege erreichen.
Zweitens hatten wir eine Orthoform de batte. Alfred
Fröhlich demonstrierte die Veränderungen, die das Blut durch
Orthoform. Orthofonn nov. und salzsaures Orthoform erfährt.
Sie besteht in einer durch Methämoglobinbildung bedingten
schokoladenbraunen Verfärbung, die je nach der Löslichkeit des
betreffenden Präparates rascher oder langsamer eintritt. Bei
Anwendung des sehr wasserlöslichen salzsauren Orthoforms tritt
die Braunfärbuug schon nach etwa einer halben Minute auf,
daher muß vor der internen Anwendung von Orthoform. die
wegen seiner eminent anästhesierenden Dauerwirkung in allen
Fällen von Ulcus ventriculi und Darmgeschwüren bei Klinikern
beliebt ist, sowie vor intramuskulären Injektionen, die zu 1
summen mit Queeksilbervsrbindungen versucht wurden, gewarnt
werden. Die Orthoformverwendung hat überall dort zu unter¬
bleiben, wo die Möglichkeit besteht, daß Orthoform in nennens¬
werten Mengen in die Blutbahn gelangt. F. hat Versuchstiere,
denen er Orthoform in Operationswunden einstäubte, unter den
Erscheinungen von Blutdissolution und Hämoglobinurie verloren.
Dagegen steht, wie besonders betont werden soll, der externen
Anwendung des Orthoforms nicht das Geringste im Wege. Es
sei dem Ref. kein zweites Mittel untergekommen, daß eine ähn¬
liche intensive und prolongierte Anästhesie hervorbringen kann.
1 eberall dort, wo es hur granulierende Flächen oder auf unver¬
letzte Schleimhaut gebracht werden kann, kann es auch weiter¬
hin verordnet werden. Moriz Weil hat mit Orthoform schon
Tausende von Einblasungen in Nase, Larynx und Pharynx vor¬
genommen und an Schädigungen nur zweimal ein Exanthem ge¬
sehen, einmal nach 14 tägiger Einblasung wegen schwerer Dys¬
phagie bei Tuberc. laryngis, ein andermal nach einer einzigen,
Einblasung in den Larynx; nach Aussetzen der Behandlung
heilten beide ohne weitere Folgen. Redner hat das Orthoform
bei Tonsilotomien nach der Blutstillung auf die frische Wunde
geblasen, ohne je den geringsten Schaden zu sehen. Man braucht
nur minimale Mengen anwenden, da ein leichter Schleier des
Mittels genügt, um die Wunde zu anästhesieren. Daß man es in
Salbenform nicht anwenden soll, weil es Ekzeme verursacht, ist
schon lange bekannt. Schopf bezeichnet die schmerzstillende
Wirkung der Salbe als problematisch. Ehrmann hat nach
Orthoformsalben nicht selten toxische Dermatiden beobachtet.
Besonders beim Pemphigus treten toxische Erytheme auf.
Die dritte größere Debatte knüpfte sich an einen Vortrag
Bauers über den Wert der W a s s e r m a n n sehen Reaktion
für die i n t e r n e I) iagnostik u n d T h e r a p i e. R. M ii 1 -
1 e r spricht in der Diskussion über den Wert des negativen
Ausfalles und die Bedeutung der Grenzreaktionen. Die posi¬
tive. Reaktion ist als Ausdruck gesteigerter Affinität eines.
Serums zu alkohollöslichen Organbestandteilen aufzufassen.
Aehnliche Affinitäten konnten in letzter Zeit Müller und
Süß im Serum von Tuberkulösen finden und zwar gegenüber
Glyzerinbouillon, so daß die viel diskutierte Komplement¬
bindungsreaktion von tuberkulösen Sera mit Tuberkulin auch
zum größten Teil als eine unspezifische Reaktion mit dem
Vehikel und nicht mit den Bazillensubstanzen aufzufassen ist.
M. glaubt durch besondere Anordnung der Reaktion (Ver¬
wendung aktiven Patientenserums in Verbindung mit Rinderherz)
sie soweit verschärft zu haben, daß ein völlig negativer Aus¬
fall bei vorhandener Lues zu den größten Ausnahmen gehört.
Selbstverständlich sind hier nur Fälle gemeint, bei denen nicht
die Erkrankung im Stadium der Latenz sich befindet oder vor
kurzer Zeit (3—4 Monate) eine Kur vorausgegangen ist. Man
muß dabei in Kauf nehmen, daß manche Fälle ohne Lues Schwach
bis mittelstark in verschiedenen Graden reagieren. In solchen
Fällen kann man kein Urteil fällen, das für die Diagnose von aus¬
schlaggebender Bedeutung wäre. 0. Borges weist in Ueberein-
stimmung mit ;M ü 11 e r darauf hin, daß die W asser m i\ n n sehe
Reaktion nicht eine Alles- oder Nichtsreaktiou ist, sondern cs
gibt einen kontinuierlichen Uebergang von der kompletten
Lösung zur absoluten Hemmung. Nun fragt es sich, wie die
verschiedenen Grade der Reaktion zu verwerten sind. Man
könnte sich auf den Standpunkt stellen, nur absolute Hemmungen
diagnostisch zu verwenden. Allein dadurch würden wir oft auf
eine Aufklärung fraglicher Fälle verzichten. Ich glaube viel¬
mehr, daß man auch unvollständige Hemmungen unter gewissen
Kautelen zur Diagnose heranziehen kann. Hier ist es nun
wichtig, zu wissen, welche Erkrankun g e n au *ß er Lues
einen Grad von positiver S e r u m r c a k t i o n ge -
legentlich geben können. In diesem Punkte hat es der Dermato¬
loge viel leichter als der Internist; von Hautkrankheiten scheinen
nur wenige sie zu geben. Der Internist muß aber erstens die
Protozoenkrankheiten berücksichtigen. Ferner wurde auf der
N o o r d e n sehen Klinik zuerst auf das Vorkommen von unvoll¬
ständigen Hemmungen bei ausgebreiteter Tuberkulose und Karzi-
nomatose oder Sarkomatose hiugewiesen. Nach uns fiat man
bei Scharlach, Malaria, Pneumonien und anderen Krankheiten
ähnliche Verhältnisse gefunden. S. Goldstern weist darauf
hin, daß eiu Fall von paroxysmaler Hämoglobinurie bei einem
5 jährigen Knaben positive Reaktion aufwies, ebenso sein Vater.
Dies spricht für die luetische Aetiologic der Krankheit. Doz.
Ullmann weist darauf hin, daß seitens der Laboratorien nicht
bloß die Angaben: positiv oder negativ gegeben werden sollten,
sondern auch die verschiedenen Grade schwacher Hemmung,
damit sie der Hausarzt in Verbindung mit anderen anamnesti¬
schen Daten, die ihm zur Verfügung stehen, zur Diagnosen-
Stellung verwende. Anders steht die Sache bei der Lues
late ns. Hier fehlt in vielen Fällen die unmittelbare Ver¬
anlassung zur Lüftung des Geheimnisses, und es ist die Frage,
ob es zweckmäßig, ja erlaubt ist, dem Kranken die volle Wahr¬
heit zu sagen, da er sich völlig gesund weiß und nun mit einer
nicht immer abänderungsfähigen Tatsache für Jahre hinaus
belastet wird. In anderen Fällen, wo es sich um Eheschließungen,
Eingehen von Lebensversicherungen handelt, wird den Klienten
die Tatsache in der Regel mitgeteilt. Solange der Einfluß
irgendwelcher Therapie auf bereits generalisierte und ältere Lues
nicht endgültig feststeht, ist dieselbe nur mit außerordent¬
licher Vorsicht im speziellen Falle zur Anwendung zu bringen,
jedenfalls in solcher Form, daß dem Kranken die Einsicht in
das Ergebnis nicht zugänglich ist. Es ist oft besser, das ver¬
schleierte Bild von Sais nicht zu lüften. S. Erben wendet
sich gegen die Behauptung Bauers, daß der positive Aus¬
fall der Komplemen'tbindungsreaktion ein Indikator sei für die
Wiederholung der Schmierkur. E. hat eine Reihe von
T a b i k e r n zusammengestellt, um sie wegen postluetischer
Symptome (Augenmuskellähmung, apoplektiformer Insult) einer
Schmierkur zu unterziehen. Mehrere von ihnen magerten bald
ohne Zeichen intestinaler Quecksilbervergiftung ab und zeigten
akute Ataxie. Durch wochenlanges Liegen gelang es erst, die
Ernährung leidlich in die Höhe zu bringen, die Ataxie besserte
sich aber nur wenig. Seitdem hütet sich E., die Tabiker zu
schmieren, selbst wenn Wassermann positiv ist. Ueberhaupt
wird der Tabiker leicht untergenährt; ferner kennt man zur
Genüge, welche Bewegungsstörungen selbst bei Gesunden eine
chronische Quecksilbervergiftung erzeugen kann (K ußmauls
Muskeltollheit). Eine Reihe von Autoren sehen sogar im Queck¬
silber ein Hilfsmoment für das Entstehen des Tabes (Eulen-
burg). Darum braucht man kein Antimerkurialist zu werden.
Denn von 100 Syphilitischen, die geschmiert wurden, erkrankte
nur 1 an Tabes, 1 an Paralyse, und 26 an anderen Nerven-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
121
Störungen. Es müssen noch andere Umstände dazutreten, die
die Disposition zur Nervenerkrankung bringen.
R u d o 1 f Fran k macht auf seine Methode des Nar ■
kotisierens aufmerksam: Es ist eine von vielen Chirurgen
geteilte Ansicht, daß bei dem echten Chloroformtod (der Syn¬
kope) die Schrecklähmung (Shok) vielmehr als die giftige
Wirkung des Chloroforms als verursachendes Moment anzusehen
ist. Jedenfalls wird die Narkose von den psychischen Zuständem
des Pat. sehr wesentlich beeinflußt: Angstzustände, Schreck¬
vorstellungen, unangenehme Sensationen, hervorgerufen durch
den Geruch des Chloroforms. Auftreten von Klopfen und
Hämmern in den Schläfen, Herzklopfen, das Gefühl des Ver¬
gehens beeinflussen im Beginne des Narkotisierens die Psyche
des Pat. auf das intensivste und es ist vorstellbar, daß diese
heftigen psychischen Erschütterungen ein irritables Herz zum
Stillstand bringen können, noch lange bevor die Narkose¬
wirkung eingetreten ist. F. hat daher eine eigene Methode
ausgearbeitet, die den Erfolg hat, daß er seit vielen Jahren
keinen Narkosetodesfall zu beklagen hat. Die Methode be¬
steht darin, daß er prinzipiell die Pat. sich selbst narkoti¬
sieren läßt. F. sagt den Patienten: Sie werden sich selbst!
narkotisieren, niemand wird sie zwingen oder halten. Sie sind
vollständig frei. Sie halten sich selbst den Korb und zählen;
ruhig und laut; wenn sie sich an den Geruch des Chloroforms*
gewöhnt habeu, dann halten sie den Korb näher. Auf diese
Weise gelingt es fast ausnahmslos, den Pat. ohne psychische
Erregung iu das Exzitationsstadium zu bringen; erst wenn
dieses eintritt kommt der Narkotiseur in Aktion und übernimmt
den Korb. Wenn das Exzitationsstadium wenig ausgeprägt ist,
so bringt sich der Pat. selbst bis in die Narkose. Das Selbst¬
halten des Korbes gibt dem Pat. eine Beschäftigung, welche ihn
ablenkt und beruhigt, das Fehlen jedes Zwanges nimmt ihm die
Angst. Diese Methode zeigt ihre gute Wirkung auch bei
Kindern; es gelingt fast immer, sie dazu zu bringen, sich
selbst zu narkotisieren. Die meisten Kinder setzen sich dazu
auf, halten sich den Korb schön vor, schauen in ihn herein, ob
die versprochenen Reiter aus ihm herauskommen und narkoti¬
sieren sich ohne Schwierigkeiten. Dabei muß der daneben-
stehende Narkotiseur mit dem Pat. in stetem Kontakt bleiben,
ihn lobeu: sehr gut, halten Sie den Korb näher etc.
REFERATE.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
Referent: Spezialarzt Dr. Lothar Frankenstein, Berlin.
1. Neuere Versuche über die Hefebehandlung des weib¬
lichen Fluors. Von Dr. Otto Abraham, Berlin. Monats¬
schrift f. Geb. u. Gyn., 1910, Bd. 30. H. 1.
2. Unblutige Vergrößerung der Conjugata vera. Von Dr.
J. W. Tjeenk Willink, Amsterdam. Zentralblatt f. Gyn.,
1910, 34. Jahrg., Nr. 5.
1. Gestützt auf die Erfahrungen, die in letzter Zeit von
verschiedenen Seiten mit Bolus alba bei Fluor gemacht wurden,
gibt Verf. eine Kombination von Bolus mit Hefe an, der noch
Zucker und Nährsalze hinzugefügt sind, .um die Wirksamkeit
der Hefe zu erhöhen. Bolus alba wirkt nur symptomatisch;
durch ihre Eigenschaft Wasser anzuziehen, hört der Fluor nach
mehrmaliger Anwendung auf, um nach Aussetzen dieser Therapie
fast stets zu rezidivieren. Hefe ist ein Spezifikum gegen Gono¬
kokken etc., wie auch Laboratoriumsversuche erweisen. Der bis¬
herigen Anwendungsweise der Hefe in Form von Rheolkugeln,
Zyminstäbchen etc. etc. hafteten gewisse Mängel an. Das Hefe-
präparat ballte und klumpte sich in der Vagina zusammen, ohne
in innige Berührung [mit der Portio und dem Schleim bezw. Eiter
zu treten. Diesem Uebelstande ist durch den Zusatz von Bolus
abgeholfen. Bei dem neuen Präparat tritt kraft der hygro¬
skopischen Eigenschaft der Bolus eine innige Berührung der
Hefe mit der Schleimhaut ein, diese kann daher voll und ganz
ihre Wirksamkeit entfalten.
Das neue Präparat, das den Namen „Xerase*' bekommen
hat, kommt in zweierlei Gestalt in den Handel: als Pulver und
in Kapselform; letztere, aus Gelatine hergestellt, enthält ca. 3g
des Pulvergemisches. Vor Anwendung wird Vagina und Portio
gründlich von Schleim und Eiter gereinigt und getrocknet. Das
Pulver wird im Spekulum mit Hilfe eines Pulverbläsers in
Mengen von 3—5 g an Portio und unter Zurückziehen des
Spekulums an die Scheide gebracht. Die Kapseln werden vor
die Portio eingeführt und mit einem Wattetampon in dieser
Lage gehalten. Nach 48 Stunden Entfernung des Tampons,
Wiederholung des Verfahrens nach trockener Reinigung von
Vagina und Portio.
Bei Erosio, Erkrankungen des Vaginalgewölbes, Endo¬
metritis werden die Kapseln, bei Entzündungen des unteren
Teiles des Vagina uud der Vulva das Pulver angewandt.
Frische gonorrhoische Kolpitiden heilten nach dem Gebrauch
von 2—5 Kapseln. Erosionen beanspruchen eine längere Behand¬
lung, bei ihnen ist bisweilen ein regelmäßiger Wechsel von
Pulver und Kapseln angebracht. Bei Cervixkatarrh ist vor
Anwendung der Kapseln eine gründliche Reinigung des Cervix
vorzunehmen. Auch bei gonorrhoischen Erkrankungen des
Corpus blieb nur in wenigen Fällen der Erfolg aus. Intrauterine)
Hefe-Bolus-Applikation ist erst in einzelnen Fällen versucht
worden, diese Anwendungsform daher noch nicht spruchreif.
Ref. hat das Präparat in mehreren Fällen von Fluor an-
gewendet und sich von der Wirksamkeit, speziell bei Gonorrhoca,
überzeugt; nach 3—4 Sitzungen sistierte der vorher ganz profuse
Ausfluß fast völlig. Wie weit es sich um Dauerheilung handelt,
muß erst die Zukunft lehren. Jedenfalls ist es erfreulich,
daß mit diesem Mittel eine breite Bresche in das kritiklose
Ordinieren von Spülungen gelegt wird.
Immer und immer wieder erfährt man von Frauen, daß
ihnen ärztlicherseits Spülungen verordnet wurden ohne den
geringsten Fingerzeig, in welcher Art und Weise dieselben
auszuführen sind. Es ist daher nicht Wunder zu nehmen, wenn
die Frauen diese Ordination in der für sie bequemsten Position,
nämlich im Sitzen, bisweilen schon jahrelang geübt haben.
Daß durch diese rein symbolische Handlung natürlich nie¬
mals der geringste Effekt erzielt werden konnte, ist bei Ueber-
legung einleuchtend. Soll eine medikamentöse Spülung Erfolg
haben, so muß die Frau sich in horizontaler Lage befinden,
der heilenden Spülung eine Reinigungsspülung zur Entfernung
des Schleims oder Eiters vorangehen, und nach der eigentlichen
Spülung noch Vt —% Stunde ruhige Lage mit übereinander ge¬
schlagenen Beinen beobachtet werden. Erst dann wird die
Scheide von der medikamentösen Flüssigkeit überall bespült
werden und erst dann wird dem Medikament Gelegenheit ge¬
geben, längere Zeit seine Heilkraft zu entfalten.
Hier zeigt sich die Ueberlegenheit der Xerase-Ordination;
bei dieser handelt es sich um eine Dauerwirkung von vielen
Stunden.
2. Bei mäßigem Mißverhältnis zwischen Kopf und Becken
hat Verf. mit Erfolg folgendes Verfahren angewandt: Unter
die Lendenwirbelsäule, dicht oberhalb der Glutaei wird ein
zusammengerolltes Kissen geschoben; hieraus resultiert eine
bedeutende Lordose und eine Vergrößerung der Conjugata vera
um 0,5 cm. Tn vier Fällen, bei denen trotz kräftiger Wehen
der Kopf nicht ins Becken eintreten wollte, passierte er nach
Anwendung dieser Lagerung das Becken, wodurch jeder weitere
Eingriff überflüssig wurde, und der Partus spontan verlief;
nur in einem Falle mit besonders großem Kopfe dauerte es
etwas länger, ehe die gewünschte Wirkung ein trat.
Urologie.
Referent: Spezialarzt Dr. L. Lipman-Wulf, Berlin.
1. Ueber sexuelle Belehrung in Fortbildungsschulen. Von
Prof. Harttun g, Breslau. Mitteilungen der deutschen Ge¬
sellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Bd. 7,
Nr. (>.
2. Weitere Erfahrungen über die Behandlung der Syphilis
mit Chininpräparaten. Von R. Lenzmannn, Duisburg.
Deutsche med. Wochenschr., 1909, Nr. 49.
3. Schularzt und sexuelle Aufklärung. Von Dr. M. Cohn,
Berlin-C.harlottenburg. Mitteilungen der deutschen Gesellschaft
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, Bd. 7, Nr. 6.
4. Bemerkungen zu einem Falle von kalkulöser Anurie. Von
Prof. Alex Fraenkel, Wien. Wiener klinische Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 2.
5. Tusch verf ähren und Dunkelfeldbeleuchtung. Von
C. Posner, Berlin. Berliner klin. Wochenschr.', 1910, Nr. 3.
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 8
(>. Ueber die kochsalzarme Diät der Nierenkranken. Von
Prof. Dr. Ferdinand Blumenthal, Berlin. Deutsche
Acrzte-Zeitung, 1910, Heft 2.
1. Verfasser schildert die durch Vorträge vor Fortbildungs¬
schülern in Breslau erhaltenen Eindrücke. Vor allem legt er
großes Gewicht darauf, die Schüler über die Gefahren aufzu -
klären, die sich aus der Masturbation ergeben, daran reiht
sich eine Schilderung der Gefahren des ungezügelten Geschlechts¬
verkehrs. Detaillierte Schilderungen des Geschlechtslebens
würden unterlassen, auch die Darstellung der Geschlechtskrank¬
heiten bewegte sich in großen Zügen. Die Schilderung der durch!
Masturbation hervortretenden Schäden soll sich von Ueber-
treibungen fernhalten, aber die Wahrheit, und gerade auch ernste
Bilder sollen deu jugendlichen Hörern vorgeführt werden. ..Diese
haften am besten in der Erinnerung und wenn überhaupt im
Leben die Furcht abschreckend wirkt, so ist es hier der Fall."
2. Verfasser hatte schon im vorigen Jahre über Versuche
berichtet, die er mit der Anwendung intravenöser Chinininjektio¬
nen bei Syphilis angestillt hatte. Auf Grund dieser Versuche
konnte er feststellen, daß das Chinin sicherlich eine Wirkung
bei Lues entfaltet, wenngleich diese nicht in Parallele zu setzen
ist mit der Quecksilberwirkung. In weiteren Versuchen hält er
es für angebracht, da der Erreger der Syphilis früher oder
später refraktär gegen ein ihn beeinflussendes Gift wird, bei
einer äntisyphilitischen Kur verschiedene, den Erreger beein¬
flussende Mittel anzuwenden. Das souveränste Mittel ist das
Quecksilber. Neben ihm soll aber bei einer Kur Jod, Arsazctin
und Chinin gegeben werden. Durch dieses kombinierte Verfahren
schwanden noch Symptome der Lu >s, die durch eine alleinige
Quecksilber-Jödkali-Kur nicht beseitigt werden konnten. Ein an
Gehirnlues leidender Patient verlor seine Parese des Okuloino-
torius, die trotz intensiver Schmier- und Jodkur nicht weichen
wollte, mich Chinin- und Arsazctin-Chininbehandlung voll¬
ständig. Bei einer fieberhaften Lues maligna heilten •Zungen-
geschwüre und Periostitis des Kiefers, welche Quecksilber und
Jodkali nicht beseitigt hatten, durch die kombinierte Kur. Ver¬
fasser glaubt, durch Anwendung von Chinin und Arsazctin neben
Jod und Quecksilber mehr auf d >n Krankheitserreger einzu-
wirkeu als bei den jetzt üblichen Kuren möglich ist. Die Not¬
wendigkeit eiuer erneuten Kur wird nicht durch das Auftreten
subjektiver und objektiver Symptome, sondern durch den posi¬
tiven Ausfall der Wasser in a n n sehen Reaktion bestimmt.
3. Verfasser tritt dafür ein, daß schon in der Volksschule
vom Schularzt die Kinder über di 1 Gefahren der Geschlechts¬
krankheiten und der Onanie aufgeklärt werden. Gerade die
Kinder der arbeitenden Klasse treten schon früh ins Leben
hinaus uud haben nur zu einem Teil Gelegenheit, später in Fort¬
bildungsschulen Vorträge über sexuelle Fragen zu hören. Die
von deu Eitern ausgehende Belehrung ist eine unzureichende*
4. Es handelt sich um einen 39 jährigen Mann, der plötzlich
nachts aus dem Schlafe geweckt wurde mit Schmerzen in der
linken Bauchseite. Er urinierte noch am folgenden Tage. Dann
aber sistierte die Harnentleerung durch volle 8 Tage, ohne Harn¬
drang, ohne Schmerzen zu verursachen und ohnebesondere Beein¬
trächtigung des Allgemeinbefindens. Allerdings bestand Blässe
und gespannter, in den letzten Tagen beschleunigter Puls. Die
Blase wurde leer befunden, es bestand keine Druckempfindlich¬
keit im ganzen Unterleibe, keine palpable Schwellung. Es konnte
von einer Harnverhaltung keine Rede sein, sondern es bestand
echte Anurie. Es handelte sich hier entweder um aseptische'
Steinniere oder um hysterische Anurie. Bei Einschnitt auf die
linke Niere fand man dann das Nierenbecken leer, die Niere war
um das Doppelte vergrößert, hochgradige venöse S.tase vorhanden,
im Becken einzelne Steinbröckel, die entfernt wurden. Wie der
weitere Verlauf zur Evidenz ergab, besaß der Patient auch
vor dem Anfall nur diese eine funktionierende Niere. Die rechte/
Niere war längst verödet. Auch der hypertrophische Zustand
der operierten linken Niere ließ erkennen, daß diese k<tmpen-
satorisch für beide zu arbeiten hatte. Verfasser bespricht.«
daß alle unsere klinischen Untersuchungsmethoden trotz der
so fortgeschrittenen funktionellen Nierendiagnostik und auch die
vorhandenen klinischen Symptom ■ nicht ausreichen, um mit
absoluter Sicherheit den Herd der Anurie. zu diagnostizieren.
Im vorliegenden Falle hatte, der vorhandene linksseitige Bauch¬
schmerz deu richtigen Wegweiser gegeben, um auf die linke
Niere einzugehen. Die Klinik und das Experiment weisen -hei
bestehender Anurie darauf hin, daß bei individuell verschieden
langer Toleranz erst dann sich Intoxikalionserscheinungen ein¬
stellen, wenn unter dem Einflüsse der zur Anurie führenden
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Schädlichkeiten die Nieren irreparabel krankhafte Gewebsver¬
änderungen erleiden. Die Nieren sind dann nicht mehr fähig,
die Entgiftung der zur Ausscheidung kommenden Stoffe vor-
| zunehmen, während die Ausscheidung selbst viskarierend vom
Darm und der Haut geleistet werden kann. Hierdurch erklärt
I sich die individuell verschieden lange dauernde Euphorie bei
bestehender Anurie. Im vorliegenden Falle bestand dies ver-
[ hältnismäßige Wohlbefinden achtmal 24 Stunden. Es muß den
Nieren neben ihrer exkretorischen Leistung der Harnausschei¬
dung noch die Funktion einer inneren Sekretion zugeschrieben
werden. ■ Bei Anurie muß die durch gesteigerten intravenalen
! Druck geschädigte Niere durch Operation sobald wie möglich
entlastet werden, damit unter der Stockung der exkretorischen
Funktion nicht auch die sekretorische gefährdet werde und
I somit die urämische Vergiftung oiusetzi. Nach Spaltung der
1 geschwollenen Nierenkapsel und der Niere stellte sich im vor¬
liegenden Falle bei Anlegung -einer Nierenfistel die Harnent¬
leerung wieder her. Die Fistel schloß sich allmählich, der
Harn wurde per vias naturales entleert, der Patient im Laufe
von 2 Monaten geheilt.
5. Nach dem Bekanntwerden des Bur rischen Tuschver¬
fahrens für den Spirochätennachweis hat Posner Versuche
darüber angestellt, ob sich diese Methode zur Untersuchung
der Harnsedimente mit Vorteil verwenden läßt. Nimmt man
zum Präparat einen kleinen Tropfen von Grüblers chinesi¬
scher Tusch 'in einer Verdünnung von 1:10g verreibt mit dem
Präparat und untersucht mit Oelimmersion nach dem Eintrock¬
nen. so sind die Härnzylinder sdir gut nachweisbar, sie heben
sich als scharf könturierte weiße Gebilde von dem dunklen
Untergrund sehr gut ab. Die Lmkozyten erscheinen als weiße
Flecken, in denen man am Trockenpräparat keine Struktur,
namentlich keine Kerne erkennen kann. Besser treten die
i Epithelzellen hervor, die sogar dadurch, daß sieh auf ihren l ni-
I rissen hier und da reihenweise schräge Körnchen nieder-
schlagen, besonders plastisch erscheinen. Spermien dagegen geben
I schlechte Bilder, auch für Prostatasekret ist die Methode nicht
rätlich. Trotz des leichten Aufsuche ns der Harnzylinder am
trockenen Präparat bei Anwendung der Oelimmersion möchte
Verfasser doch zu I ntersuchungen des Objekts im frischen
i Zustand nach inniger Vermengung mit d -r Tusche unter dem
Deckglas bei mittlerer Vergrößerung raten. So lange das
Objekt noch nicht eingetrocknet ist, erhält man leidliche Bilder
der Leukozyten, an denen man dann noch die Kerne und Granula
einigermaßen erkennen kann. Die schwächere Vergrößerung er¬
laubt einen schnelleren und leichteren Ueberblick über etwa
vorkommende pathologische Beimengungen. Einen Vergleich mit
der Dunkelfeldbeleuchtung kann für klinisch-mikroskopische
Zwecke, die Tuschmethode überhaupt kaum aushalten. Die
Dunkelfeldbeleuchtung gibt uns nicht lediglich Konturzoich-
nungen, sondern die Strahlen dringen, falls nicht starre Mem¬
branen vorhanden sind, in das Innere der Objekte ein, bis sie
auf undurchlässige Hüllen stoßen. Hierdurch erklärt es sich,
warum die. Zellkerne, die Granula usw. so scharf zum Aus¬
druck kommen und auch bei Har,nzylindern wesentlich mehr
Einzelheiten zu erkennen sind,
Es kommt, also bei der Dunkelfeldbeleuchtung zu der Kon¬
trastwirkung noch die physikalisch-optische Verschiedenheit der
Objekte selbst hinzu. Es verdient daher trotz des kompli¬
zierteren Apparats am Mikroskop die Dunkelfeldbeleuchtung
vor dem Tuschverfahren den Vorzug.
6. Verfasser betont die Berücksichtigung der Kochsalz¬
ausscheidung der Nieren für die Diät der . Nierenkranken, auf
die zuerst Bohne aufmerksam gemacht hat. Früher nahm
man au, daß bei Kochsalzretention sich Oedeme entwickeln,
bei Kochsalzausscheidung dagegen nicht. Neuere. Untersuchungen
haben dagegen gezeigt, daß ein prinzipieller Standpunkt nach
der Richtung hin, daß etwa die Kochsalzfrage bei den Urämi¬
schen ohne Oedeme vollständig auszuschalten sei, dafür aber
in allen Fällen mit Oedemen ohne weiteres von Wichtigkeit
sei, falsch ist. Es muß in jedem Falle von Nierenerkrankung
die Toleranz der Niere für Kochsalz, die individuell verschieden
ist, geprüft . werden. Wir finden im allgemeinen bei akuter
Nephritis die Arbeitskraft der Niere ziemlich unverändert. Wir
konstatieren mit der Ghlorzufuhr eine erhebliche Steigerung im
Harn und nach Ausscheidung desselben den Abfall zur Norm.
Das gibt eine günstige Prognose. Reagiert bei akuter Nephritis
dagegen die Niere nicht prompt auf die vermehrte Kochsalz-
zufuhr, so beweist dies, (laß bereits eine ernstere Störung, in
der Funktion derselben stattgefunden hat. Die. Chlorprobe ist
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
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daher eine funktionelle; sie ist bei chronischer Nephritis uner¬
läßlich, um einen Einblick über clie Arbeitsfähigkeit der Niere
zu bekommen.
Die Technik der Dechloruratiou besteht erstens in der Be¬
schränkung der Chlorzufuhr, zweitens in dem Anreiz zur Ver¬
ausgabung des zurückgehaltenen Chlors. Die Diät setzt sich
zusammen aus rohem oder gesottenem Fleisch der ver¬
schiedensten Tiere oder aus Süßwasserfischen, aus Eiern, Kar¬
toffeln. aus Reis oder grünem Gemüse, Butter, Rahm, salz¬
freiem Brot, Zucker und Früchten. Die Nahrungsmittel dürfen
nicht gesalzen werden. Als Getränk diene Wasser oder ein
kochsalzarmes Wasser, Evian, Fachinger, Wildunger Wasser. Die
Ausfuhr des retinierten Kochsalzes wird durch Diuretika ge¬
steigert. Am besten sind Theophyllinpräparate. Verfasser gibt
sehr gern Euphyllin intramuskulär, das in sterilen Ampullen
in den Handel kommt. Er spritzt dreimal täglich' den Inhalt
einer Ampulle (in 2 ccm 0,48 g Euphyllin). Selbstverständlich
kommen auch in Betracht die spezifischen Herzmittel, wie die
Digitalispräparate. Daneben läßt Verfasser baden. Er bevorzugt
kohlensaure Bäder und Sauerstoffbäder in Form der Brozon-
bäder.
Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lohrisch, Chemnitz.
1. Ueber Chlorose. Von Prof. C. v. Noorden. Medizin.
Klinik, 1910, Nr. 1.
2. Versuche zur Behandlung des Diabetes mellitus mit dem
Zuelzerschen Pankreashormon. Von J. Forschbuch.
Deutsche med. Wochensc-hr., 1909, Nr. 47.
3. Zur Therapie der Gastroptose. Von Prof. v. Noorden.
Therapie der Gegenwart, Januar 1910.
4. Zur akuten Magendilatation. Von H. Hellend all,
Düsseldorf. Medizinische Klinik, 1909, Nr. 46.
5. Demonstration eines Magenpräparates nebst Bemerkungen
zur Therapie des Kardiospasmus. Von Prof. A. Tietze,
Breslau. Allgemeine med. Zentralztg., 1910, Nr. 1.
0. Röhrenförmige Ausstoßung der Oesophagusschleimhaut
im Verlaufe einer Salzsäurevergiftung. Von Emil Neiße r.
Berliner kliu. Wochenschr., 1910, Nr. 1.
7. Ueber die diätetische Behandlung von Darmkrankheiten.
Von Prof. A. Ewald, Berlin. Zeitschr. f. ärztl. Fortbildung,
1909, Nr. 10.
1. Polyurie bei Chlorose ist prognostisch günstig. Solche
Fälle pflegen der Aufbesserung der Blutbeschaffenheit viel
weniger Widerstand entgegenzusetzen als Fälle mit verminderter
Diurese, die auch liTcht selten Vorkommen. Man kann die Poly¬
urie der Chlorotischen sehr leicht unterdrücken, wenn man
flüssigkeitsarme Kost nehmen läßt. Dann steigt auch sofort
das spezifische Gewicht zu normaler Höhe an, also ein Ver¬
halten, das dem beim Diabetes insipidus beobachteten entgegen¬
gesetzt ist. Bei cler Chlorose ist die Polydipsie das Primäre,
nicht die. Polyurie. Diese Polydipsie beruht darauf, daß bei
schweren Chlorosen die Gewebsflüssigkeit mit Wasser au¬
gereichert ist, welche Wasseranreicheruug verschwindet, sobald
die Chlorose der Heilung zustrebt. Durch die Wasserabgabe
kann es zu einer nicht unbeträchtlichen Gewichtsabnahme,
kommen, trotz reichlicher Nahrungszufuhr. Wenn man die
Patientinnen in bezug auf Flüssigkeitsaufnahme in dieser Zeit
der Besserung sieh selbst überläßt, trinken sie viel weniger
Wasser als früher. Binnen einer Woche kann die Polyurie
normaler Diurese gewichen sein. Der bei Chlorotischen häufig
vorhandene, durch oberflächliche Atmung bedingte Hochstand
des Zwerchfelles kann durch systematische Atemübungen (zu
Hause am besten nach dem Müll ersehen System) beseitigt
werden. Chlorotische, dis solche Uebunge v n fleißig und ge¬
wissenhaft ausführen, gewinnen innerhalb 1-2 Wochen wesent¬
lich an Marsch- und Steigfähigkeit, schon lange ehe eine
Besserung der Blutbeschaffenheit nachzuweisen ist.
Die Eisentherapie führt bei vielen Chlorotischen zu einer
hartnäckigen Obstipation. Am häufigsten tun dies wohl die
Präparate der Pharmakopoe. Günstiger ist in dieser Beziehung
der Gebrauch der kohlensauren Stahlquellen (’Langenschwalbach,
Franzensbad); sie eignen sich aber nicht für häusliche Be¬
handlung, sondern müssen stets an der Quelle getrunken werden,
ln der Mitte zwischen beiden stehen die Wässer mit Schwefel-
saurem Eisen (Lcviko, Roncegno, GuberqUelle, Val Sinestra).
Diese letzteren machen aber auch nicht selten Verstopfung.
I m die unangenehmen Wirkungen der Eisenpräparate auf Magen
und Darm zu umgehen, hat man auch zur subkutanen Ein¬
verleibung des Eisens gegriffen. Diese bewährt sich in der Tut
oft, aber durchaus nicht immer. Die. moderne Therapie macht,
besonders in den romanischen Ländern, von solchen subkutanen
Eiseninjektionen (in Verbindung mit Arsen oder auch ohne
dasselbe) ausgedehnten Gebrauch. Es kommt aber auch hierbei
oft zu starker Stuhlträgheit. Dies ist leicht zu erklären, denn
wir umgehen durch solche Injektionen von Eisenpräparaten den
Darm keineswegs, da das so einverleibte Eisen nicht durch
den Urin, sondern durch die Darmsekretion entfernt wird.
Diese Verstopfung beruht auf Bewegungsstörungen des Dick-
darmes, besonders der Flexura sigmoidea und ist durch eine
systematische diätetische Behandlung ausnahmslos leicht und
dauernd heilbar.’ Sehr zu warnen ist vor der Behandlung der¬
artiger Obstipationen mit Abführmitteln oder gar mit Klystieren.
Wenn durch häufige, insbesondere auch größere Klystiere, eine
Mastdarmerschlaffung hinzugekommen ist, liegen die Dinge viel
ungünstiger. Dann bedarf es noch einer langen und peinvollen
Nachbehandlung, um diese Mastdarmträgheit zu überwinden,
und oft müssen dann stets Glyzerinzäpfchen, Klystiere und
kleine Oelklysmon zu Hilfe gezogen werden.
Wo Eisen schlecht vertragen wird, kann das Arsen an -
gewendet werden, welches ebenfalls einen günstigen Einfluß
auf die Blutbildung ausübt. Die Solutio Fowleri kann ge¬
geben werden, wenn keine [Hyperästhesie des Magens besteht. Die
arsenhaltigen Eisenwässer werden zwar vom Magen durch¬
schnittlieh gut vertragen, machen aber, wie oben erwähnt,
häufig Verstopfung. Mit der subkutanen Injektion von Natrium
kakodylicum und von Ferrum kakodylicum muß man außer¬
ordentlich vorsichtig sein. Im allgemeinen wirken diese Prä¬
parate ganz günstig, doch ist ihre Wirkung immer unsicher,
da die Präparate durch die Gewehssäfte sehr schwer zersetzt
werden. Vollzieht sich diese Zersetzung einmal aus unbekannten
Gründen sehr rasch und vollständig, so sind überraschende Ver¬
giftungen (Polyneuritis, Neuritis optica) nicht auszuschließeu.
Neuerdings wird die fast eisenfreie Dürckheimer Maxquelle (ent¬
hält im Liter 0,017 Arsentrioxyd und 13,8 Kochsalz) als vor¬
treffliches und natürliches Mineralwasser empfohlen. Sie wirkt
ausgezeichnet und bringt die Arsenwirkung ohne Störungen
vortrefflich zur Entfaltung. Namentlich für den Magen und
Darm fällt jede Reizwirkung aus. Man beginnt mit der Ver¬
ordnung von 3 mal täglich 20 ccm nach den Mahlzeiten und
steigt allmählich bis zu 3 mal täglich 100 ccm, womit die Tages-
dosis von 5 mg Arsenik erreicht wird.
Wichtig ist es, den Chlorotischeu verhältnismäßig viel Ei¬
weiß in der Nahrung zu verabfolgen, was man durch ein eiwei߬
reiches (Fleisch, Eier) erstes Frühstück leicht erreicht. Das
Optimum der Eiweißzufuhr liegt zwischen 100 und 120 g.
2. Nach der Zuelze r sehen Theorie ist die nach Adrenalin¬
in jektionen. beobachtete Glykämie und Glvkosurie durch Mobili¬
sierung des Leberglykogens zu erklären. In der Norm wird
die Wirkung des ständig erzeugten Nebeimierenprodukt.es durch
die antagonistische Tätigkeit des inneren Pankreassekretes para¬
lysiert, so daß also der normale Ablauf des Zuckölstoff¬
wechsels im Körper von einem gewissen Gleichgewichte beider
Substanzen abhängig wäre. Der Pankreasdiabetes entsteht also,
sobald die antagonistische Tätigkeit das Pankreas in Wegfall
gekommen ist. Zuelzer konnte bei Versuchen an Menschen und
Tieren zeigen, daß durch Zufuhr des fehlenden Pankreassekret.es
in Form intravenöser Injektion von Pankreasextrakten die
Zue.kerausscheidung gebessert werden konnte. Der Verf. hat nun
diese Versuche mit einem Z u e 1 z e r sehen Pankreaspräparat
nachgeprüft und fand wie Zuelzer. daß das Präparat, intra¬
venös eingespritzt, beim diabetischen Menschen und Hund in der
Tat die Zuckerausscheidung beträchtlich herabdrückt. Leider
verbietet sich die Anwendung des Zuelzerschen Prä¬
parates beim Menschen ohne weiteres, weil bei den beiden
Kranken (schwere Diabetiker) kurze Zeit nach der Injektion
das Bild einer schweren Intoxikation auftrat. Es zeigte sich 1
eine schwere Prostration mit jagendem Puls, Erbrechen, Sto¬
matitis, schwerem Herpes labialis, Vermehrung der Leukozyten
und hohem Fieber. Die Hormoneinspritzung produziert also
unzweifelhaft ein schweres Krankheitsbild, das durchaus einer
schweren bakteriellen Infektion gleicht. Aus diesem Grunde
ist es auch zweifelhaft, ob in den betreffenden Fällen tatsäch¬
lich die eingetr'tene Verminderung der Zuckerausscheidung auf
das. Präparat selbst zurückzuführeii war ; es besteht auch sehr
wohl die Möglichkeit, daß die Zuckerausscheidung und die
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
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Urinmenge unter dem alleinigen Einfluß des Fiebers absanken.
Diese höchst bedenklichen Nebenwirkungen bedeuten natürlich 1
für die praktische Verwendbarkeit der Zuei zerschell Prä¬
parate eine unüberwindliche Schranke.
3. Unsere Vorstellungen von der Gastroptose und von der
Magenatonie haben seit der Einführung der Röntgenunter¬
suchung eine Wandlung erfahren. Eine echte Gastroptose kommt
als Teilerscheinung einer allgemeinen Enteroptose zweifellos
vor. In den Fällen aber, wo man bisher aus der Verbreitung
des Plätschergeräusches und dem Resultat der Magenaufblähung
Magenptose diagnostizierte, handelt es sich, wie jetzt
feststeht, immer nur um eine Verlängerung des ganzen Magens,
wobei die Pars pylorica gleichzeitig abnorm beweglich und
schlecht fixiert erscheint. Magenptose und Magenatonie lassen
sich heute nicht mehr scharf auseinanderhalten. Die Beschwerden
bei diesen Zuständen des Magens sind meist rein nervöse. Der
Patient empfindet eben die Belastung des Magens, während er
normalerweise keine Empfindung davon haben sollte. Unter den
therapeutischen Hilfsmitteln, die zur Bekämpfung der atopischen
Pyloroptose dienen, sind als wichtigste zu nennen: I. Ver¬
meidung starker Belastung des Magens. Daher sind kopiöse
Mahlzeiten und allzuschnelle Füllung des Magens zu vermeiden.
Meist ist die gleichzeitige Aufnahme von festen und flüssigen
Stoffen zu verbieten. II. Erleichterung schneller Entleerung
des Magens durch Rückenlage nach den Hauptmahlzeiten mit
leichter Wendung des Körpers nach rechts. 3. Anwendung
solcher Arzneimittel, die erfahrungsgemäß und auch nach experi¬
menteller Prüfung den Vagustonus der Muskulatur erhöhen.
Solche Mittel sind Strychnin, Physostigmin, Pilocarpin. LV. Auf¬
besserung des gesamten neurotischen Zustandes des Patienten,
da die meisten Magenatoniker Neurotiker sind. Neben diesen
Maßnahmen hat die Therapie zu versuchen, den gesunkenen,
Magen wieder zu heben. Hier kommen in Betracht V. die An¬
legung von stützenden Binden. Verf. hält von der Wirkung
de^r Leibbinden bezüglich einer tatsächlichen Hebung des ge¬
sunkenen Magens nicht viel, nur die subjektiven Beschwerden
werden durch die Bauchbinden erleichtert. VI. Die Fett¬
anreicherung 'der Bauchhöhl“. Diese wird am besten durch
Mastkureil vo rgen ommen.
4. Der Verfasser’ weist auf das nicht seltene Vorkommen
von akuten schweren Dilatationen des Magens im Anschluß an
Laparotomien hin. Die Entwicklung des aus der Magenerweite¬
rung hervorgehenden Duodenalverschlusses wird begünstigt durch
Enteroptose, Eigentümlichkeiten im Verlaufe des Duodenums,
abnorme Länge oder auch Kürze des Mesenteriums. Lordose,
Meteorismus des Querkolöns, Rückenmarkläsionen, chronische
Perityphlitis.
Bei der Behandlung dieser Erkrankung müssen zwei Ge¬
sichtspunkte in Betracht gezogen werden: 1. die Beeinflussung
der Lähmung des Magens und 2. -die Entlastung des Magens.
Ob die von Her ff vorgeschlagene Faradisation die Lähmung
tatsächlich günstig beeinflußt, steht noch dahin. Die Ent¬
leerung des Magens dagegen hat durch systematische Anwendung
der Magenausspülung bis zum Reinspülen, besonders in ihrer
Wiederholung im rechten Augenblick, d. h. wenn nach der
Magenausspülung der gelähmte Magen sich wieder aufzutreiben
beginnt, in einer großen Reihe in der Literatur niedergelegten
Fälle lebensrettend gewirkt. In der Verhütung extremer Grade
von Auftreibung der Oberbauchgegend liegt die sicherste Pro¬
phylaxe für diese gefährlichen Zustände nach operativen Ein¬
griffen. Mit der Magenausspülung hat die völlige Sistierung der
Ernährung per os einherzugehen. Bei sorgfältiger Beobachtung
des Kranken wird es gelingen, den Krankheitszustand richtig
abzuschätzen und mit Nährklystieren, Kampferinjektionen und
Kochsalztransfusionen der Inanition vorzubeugen. In dieser Be¬
ziehung- haben sich dem Verf. die F r i e d r i c h sehen Trauben-|
zuckerinfusionen gut bewährt. Bei eingetretenem Duodenal -
Verschluß ist der Patient in Bauchlage oder Kn ieellenbogen -
läge zu bringen.
5. Bei einem 54 jährigen Mann bestanden schon seit vielen
Jahren Magenbeschwerden, besonders Schmerzen. Dann traten
schwere Magenblutungen auf. Gleichzeitig bestand ein starker
Kardiospasmus. Bei der Sektion fanden sich zwei Geschwüre
im Magen, eines am Pylorus und ein zweites bemerkenswerter-
weise an der Kardia dicht am Eintritt des Oesophagus in den,
Magen. Dieses letztere Geschwür hatte die Blutungen ver¬
ursacht. Der Verfasser weist darauf hin, wie außerordentlich:
schädlich in einem derartigen Falle von Kardiospasmus mit
Geschwürsbildung die M i k u 1 i c z sehe Operation (Dehnung der
Kardia von einer Magenwunde aus) gewesen sein würde und
stellt anheim, ob man in solchen Fällen nicht lieber
eine V itze Ische Fistel anlegen soll. Die Möglichkeit de4
Vorhandenseins eines Ulcus am Mageneingang bei hartnäckigem
Kardiospasmus muß öfter als dies bisher geschah in Betracht
gezogen werden.
6. Ein Fall von Salzsäurevergiftung bei einer 25 jährigen
Frau, welche am 9. Tage unter dem Gefühle des „Geschwollen-
seins“ im Halse ein weißlich-graues, röhrenförmiges, 30 cm
langes Gebilde erbrach, das am unteren Ende ausgefranst er¬
schien und an der einen Wand einen größeren Defekt zeigte.
Der in diesen Defekt passende Schleimhautrest wurde noch am
11. Tage entleert. Dieser Fall ist der dritte, bei dem die
röhrenförmige Ausstoßung der Oesophagusschleirnhaut bei einer
Salzsäurevergiftung beobachtet worden ist. Die Patientin bot
dann schwerste Strikturerscheinungen dar, an denen sie schlie߬
lich starb.
7. Verf. weist auf die Wichtigkeit der Stuhlgangsunter¬
suchungen für die Verordnung einer Diät für Darmkranke
hin. Es sei nicht nötig, in allen Fällen die Schmid’tsche
Probediät anzuwenden; er schlägt sogar weitgehende Modifi¬
kationen dieser Probsdiät vor. Was die speziellen Vorschriften
für Darmkranke betrifft, so soll der Arzt den Kranken immer
bis ins einzelne gehende schriftlich formulierte Kostordnungen
aushändigen. Nur dann kann man einigermaßen sicher sein,
daß die betreffende Verordnung wirklich durchgeführt wird.
In der Behandlung von Darmkrankheitsn ist zwischen akuten
und chronischen und solchen, die im Dünn- oder Dickdarm
ihren Sitz haben, zu unterscheiden. Für die akuten Fälle ist
zunächst keine Ernährung die beste Ernährung. Bei den
chronischen Diarrhöen ist die Diät an der Hand der Stuhl¬
gangsuntersuchung fäulniswidrig, leichtest verdaulich und sorg-
fältigst zerkleinert zu geben. Die neurogenen und koprogenen
Diarrhöen erfordern eine milde, aber doch gleichzeitig kräftige
und reichliche Kost, ln jedem Falle muß der Kaloriengehalt
der Nahrung ein genügender sein. Beim chronischen Darm-
verschluß hat die Diät möglichst flüssig und sehlackcnlos zu
sein. Alle gärenden und blähenden Substanzen sind dabei streng
zu vermeiden. Besonders von Milch ist in solchen Fällen Ge¬
brauch zu machen. Bei vollkommenem Darmverschluß kommen
Nährklysmen in Frage. Der Nutzen der subkutanen Ernährung
ist nur ein geringfügiger. Bei der Perityphlitis ist, solange
die Erscheinungen nicht sp heftig sind, daß überhaupt jede
Nahrungszufuhr zunächst ausgeschlossen ist, eine Diät zu
w'ählen, welche bei Wahrung eines gewissen Nährwertes den
Darm nicht belästigt, also vor allem keine groben und unver¬
daulichen Bestandteile enthält. Eine Verhütung der akuten
Perityphlitis durch prophylaktische diätetische Maßnahmen ist
eine Utopie. Bei den chronischen Formen der Perityphlitis mit
Obstipation hat die Diät mild eröffnend zu sein mit Hilfe
der bekannten Hilfsmittel übst, Gelees, süße Speisen usw. Die
Diät bei der Behandlung der Darmneurosen mit Durchfällen
entspricht der beim chronischen Darmkatarrh. Kommt es bei
nervösen Schwächezuständen zu chronischer Obstipation, so
würde es falsch sein, eine Kost zu reichen, welche die Kolk
menge wesentlich vergrößert. Hier ist vielmehr eine Diät zu
bevorzugen, welche durch Vermehrung der Gärung und ihrer
Produkte einen direkten Reiz für die Darmnerven ausübt, so
daß nicht der mechanische, sondern der chemische Faktor insi
Spiel kommt. Im allgemeinen ist aber die diätetische Beein¬
flussung der Darmneurosen eine sehr unsichere und wechselvolle.
Bei der Enteritis membranacea richtet sich die Diät danach,
ob Durchfall oder Verstopfung besieht. In solchen Fällen ist
zuweilen eine lakto-vegetabilische Diät von Nutzen. Bei der
spastischen Obstipation ist die Diät nicht grobreizend zu ge¬
stalten, sondern mehr schlackenfrei, aber mild eröffnend. Für
die Typhuskranken hält Ewald die in neuerer Zeit vielfach
befürwortete reichlichere Ernährung dieser Kranken auf Grund
seiner Erfahrungen nicht für nötig.
Varia.
Die Menstruationspsychose, ihre Beziehung zum Strafgesetz
und zu der Zahl der Frauenselbstmorde. Von Wl. Slavik.
Medizinische Blätter, 1910, Nr. 3.
Eine große Zahl der Frauenselbstmorde geschieht zurzeit
der Menses, also kurz vor der, während der oder kurz nacht
der Periode. Daraus folgt, daß eine große Zahl der weib-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
125
liehen Selbstmörder während der Menstruationszeit einer transi¬
torischen Psychose unterliegt, während welcher die Bedingungen
der Zurechnungsfähigkeit bestimmt ausgeschlossen sind.
v. Rutkowsk'i, Berlin.
Der Metreurynterschnitt. Von D ii h rssen. Gynäkolog.
Rundschau, 4. Jahrg., Nr. 1, S. 1 ff.
Dührssens Metreurynterschnitt bedeutet eine Verein¬
fachung des vaginalen Kaiserschnittes. Die Methode bewirkt
bei Lebensgefahr für Mutter oder das Kind die räsche Ent¬
leerung des Uterus auch bei geschlossener und erhaltener Cervix
auf vaginalem Wege ohne Eröffnung des Peritoneums. Es er¬
folgt zuerst die Metreuryse mit zwei vom Medizinischen Waren¬
haus geliefereten kegelförmigen Ballons (der eine uterin, der
andere extrauterin). Die Vorbereitungen der Kreißenden sind
die üblichen. Erweitert sich durch das Ziehen am intrauterinen
Ballon die Cervix nicht, so sind weitere forcierte Extraktions-
versuchc lebensgefährlich, da Einrisse zu befürchten sind. Nach
Einleitung der Narkose gehe man jetzt zum Metreurynterschnitt
über: Die vordere. Lippe wird sagittal gespalten, der Schnitt auf
das vordere Scheidengewölbe fortgesetzt und das Scheiden -
gewölbe durch einen 2 cm breiten Querschnitt von der Portio
getrennt. Die Blase wird freigelegt und von der vorderen
Cervixwand abgeschoben. Dann wird die vordere supravaginale
Cervixwand gespalten mit kleinen sagittalen Schnitten, wobei
noch bestehende Verbindungen mit der Blase zu lösen sind. Ist
der Cervixschnitt dicht bis an die Plica vesicouterina heran¬
gegangen, so lege man durch das obere Ende des Schnittes'
einen Fadenzügel, um später bequemer nähen zu können, und
ziehe jetzt den Ballon heraus. Nach Ausführung der Uterus¬
spaltung folgt Wendung, Extraktion etc. Das in die Geburts¬
hille hineingetragene neue Moment i§t die Verbindung der
mechanischen und blutigen Erweiterung.
Kurt Lipschitz^ Berlin,.
Zur Kaiserschnittfrage. Von Dr. Hildebrand, Lüne¬
burg. Zentralblatt f. Gynäk., Bd. 34., Nr. 4, S. 100 ff.
Dem I) ii hrss e n sehen Metreurynterschnitt gegenüber emp¬
fiehlt H. in seinem Aufsatz, daß man in ländlichen Verhältnissen
schneller und bequemer die alte Sectio caesarea vornehmen solle.
Wo noch keine Infektion vorliegt und die Antiscpiik genau ge¬
wahrt würde, wäre die Operation nicht gefährlicher als jede
Laparotomie. K u r t Lipschitz, Berlin.
Ueber das Zusammentreffen von Gravidität und Diabetes
mellitus. Von Neumahn. Zeitschr. für klinische Medizin,
Bd. 59, H. 5 u. 6, S. 475 ff.
N e u m a n n berichtete: In einer großen Zahl von .Schwanger¬
schaften wurde, besonders bei Beginn der Milchabsonderung,
Zucker gefunden; dieser aber war charakteristischerweise nicht
gärungsfähig. Auch sonstige Erscheinungen von Diabetes
mellitus fehlten, sondern es handelte sich um eine rein physio-/
logische Laktosurie. Daß „Glycosuria ex saccharo et ex amylo“
bei Schwangeren ebenso wie bei allen andern Menschen vor¬
kommt, ist unbestritten der Fall. Ferner berichtet er über
wirklichen Diabetes bei Schwangeren, setzt aber auseinander,
daß dieser verhältnismäßig nur selten vorkommt, dafür
aber sehr gefährlich ist. Therapeutisch ist nur die anti-
d iahe tische Kur inne zu halten. Eine vorzeitige, schnelle
Entbindung hat auf die Zuckerharnruhr keinen Einfluß.
Auch Operation zwecks Verhütung des Komas ist nutzlos
(cf. folgendes Referat). Das Stillen ist zuckerkranken Wöchne¬
rinnen zu verbieten, damit nicht die leichte Form in die schwere
übergeht. Zuckerharnruhr und Schwangerschaft üben also keinen
direkten Einfluß aufeinander aus. Die Gefahr liegt nur in
der bösartigen Form, in der Diabetes bei jungen Leuten, auf-
tritt. Da die Kinder solcher Frauen meist frühzeitig absterben
und das Leben der Mutter in die größte Gefahr kommt (Koma ),
so ist Ehe und Konzeption abzuraten.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Azetonurie in der Schwangerschaft. Von Friedmann,
Krakau. Przeglad lekarski, 1908, Nr. 36.
Entgegen der Ansicht, daß bei Diabeteskranken Operation
oder künstliche Entbindung ohne Einfluß sei, berichtet Fr. Von
einer VIII para, bei welcher man im 4. Monat starke Azeton¬
ausscheidung fand. ‘Die Kranke magerte zusehends ab. Nach’
künstlichem Abort war nach 8 Tagen kein Azeton mehr zu
finden. Heilung. Friedmann führte die Azetonurie auf ge¬
wisse toxische Stoffe zurück, die von der Frucht stammten.
Kurt Lipschitz, Berlin.
JNIVERSITY OF MICHIGAN
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Ueber purgoantiseptische Beeinflussung des Darminhaltes.
Von Dr. Dreuw, Berlin. Med. Klinik, 1910, Nr. 3.
2. Kefyrogen in der Praxis. Von Dr. Suchy. Thorap.
Zenlralbl., 1910, Nr. 1.
3. Ueber das feste Wasserstoffsuperoxyd Pergenol. Von
Zahnarzt Dr. med. Sachs, Berlin. Deutsche mod. Wochenschr.,
1910, Nr. 3.
4. Zur BoÜusbehandlung. Von Dr. Nassauer. Münchener
med. Wochenschr., 1910, Nr. 2.
5. Ueber die Anwendung des Alypin. nitric. als ungiftigen
Kokain-Ersatz bei der subkutanen Quecksilber-Therapie. Von
Dr. Eck ermann, Berlin. Fortschr. d. Mediz., 1910, Nr. 3.
6. Therapeutische Beobachtungen über Purjodal. Von kais.
Rat Dr. Hellmer, Wien. Di» Heilkunde, 1910, Heft 1.
7. Kalium hypermanganicum cryst. als gewebezerstörendes
Mittel. Von Dr. Jul. Finck, Charkow. Münchener med.
Wochenschr., 1910, Nr. 4.
1. Gelegentlich einiger therapeutischer Versuche mit Eston
zwecks interner Behandlung hartnäckiger Fälle von Ekzem
machte I). die Beobachtung, daß das Eston eine leicht pur¬
gierende Wirkung entfaltet. Das stimmt mit den Erfahrungen
Bickels überein, der außerdem noch eine antiseptische Wir¬
kung auf den Darminhalt feststellen konnte. D. hat seine Beob¬
achtungen an 55 Fällen von Obstipation verschiedener Herkunft
angestellt, meist solche im Verlauf von Gonorrhöen, ferner
15 mit Blasenkatarrh und 3 mit Urtikaria. Die Kranken be¬
kamen 2—5 g des sulfathaltigen Eston in Form von Tabletten.
Eston ist pulverförmige, essigsaure Tonerde von der Formel
AL» (OH ) 2 (C 2 H 3 Ooi 4 , die sich in Wasser nur wenig löst und
10°/o Aluminiumsulfat enthält. Es gibt auch reines Eston, das
sulfathaltige hat größere desinfizierende Kraft. Der Erfolg der
Reichung von Eston war konstant eine breiige, selten dünn¬
flüssige. durchschnittlich 2—3 malige tägliche Entleerung, ohne
Störung von seiten des Magendarmkanals (also keine Leib-
schmerzen, Magenkollern, Aufstoßen etc.). Auch Patienten mit
Nephritis vertrugen Eston. Bei sechs Kranken versagte Eston.
Es wirkten dann 1,0 g schwere Tabletten mit Zusatz von je
0,1 g Phenolphthalein. Nicht unwesentlich war die günstige
Bceinflußung der Gonorrhöen und der Blasenkatarrhe. Es dürfte
sich das Eston auch zur Behandlung infektiöser Darmkatarrhe
eignen. Hergestellt werden die Tabletten von der chemischen
Fabrik G o e d ecke & C o., Berlin.
2. Die von derselben Fabrik hergestellten Kefyrogen-
Tabletten werden zur Herstellung eines angeblich tadellosen
Kefirs mit den bekannten Indikationen, vor allem zu Kefir¬
kuren empfohlen. Verfasser hat in einer Heilanstalt gute Er¬
folgt! mit den Kefyrogentabletteü gehabt.
3. Vcrf. hat die Pergenollösungen mit gutem Erfolge be¬
nutzt zur Reinigung des Operationsfeldes, zum Auswaschen von
Höhlen, von Wurzelkanälen, Desinfektion von Wurzelabszessen,
Zahnfleischfisteln, bei Gingivitis, Soor. Verf. verwandte 1- bis
3 proz. Lösungen und verordnete zum Zähneputzen, Mund¬
spülen etc. die Psrgenoltabletten. Dunkle, unsaubere und trübe
Zähne wurden bei dieser Behandlung gebleicht. S. empfiehlt
ferner die Mundpastillen, die wie Emscr Pastillen genommen
werden. Ob der feste Aggregatzustand des Pergenols längere
Haltbarkeit garantiert, wird die Zukunft lehren.
4. N. lenkt wieder die Aufmerksamkeit auf die günstige
Wirkung der Bolus alba, die er bekanntlich zur Behandlung
der Scheide unter Benutzung eines eigens konstruierten Appa¬
rates empfohlen hat. Dieser Sikkator läßt sich auch in den
Anus einführen zwecks Bestäubung der Mastdarmschleimha.ui;
mit Bolus alba, z. B. bei Fisteln, Geschwüren, Katarrhen etc. Da
die Bolus so 'billig ist (100 g = 10 Pfg), so kann diese Therapie,
nicht genug empfohlen werden. Allerdings bedarf es einer ein¬
maligen Anschaffung des Sikkators (für 4,50 M. bei Hermann
Katsch, München, Bayerstraße). Der Apparat ist zu sterili¬
sieren. Auf die interne Behandlung von Darmkatarrhen und Rhi¬
nitis mit Bolus alba mag nebenbei wieder hingewiesen werden.
5. Auf der Suche nach eiuem geeigneten Kokainersatz als
Zusatz j£ur subkutanen resp. intramuskulären Anwendung von
< OF MICHIGAN
UNIVERSIT
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 8
m
Quccks'ilberlösuugen stieß E. auf das Alypin. niiric. uncl kann
auf Grund seiner Beobachtungen die Angabe Jeßners be¬
stätigen, daß ein Zusatz einer Vs—1 proz. Alypinlösung genügt,
um Quecksilbor-C'yanat-Injektionen schmerzlos zu machen, ohne
daß Kokain-Nebenwirkungen aultreten. Verf. wendete folgendes
Rezept an: Hydrargyr. oxycyanat. 0,2, Alypin. nitric. 0,1, Aq.
dest. ad. 20. Verf. hält das Alypin für einen ungiftigen Kokain-
ersatz.
(». Verl', hält die Radix Sarsaparillae für ein vorteilhaftes
Mittel zur Bekämpfung ,von Spätstadien der Lues und bedauert
das Verschwinden des Z i t t m a n n sehen Dekoktes, das außer
Sarsaparilla noch Kalomel enthält, aus der Zivilpharmakopöe.
Er empfiehlt deshalb das von Dr. Alois Hellmann (Apo¬
theker in Wien) hergestellte Purjodal, das die Sarsaparilla.
in Form eines wohlschmeckenden Sirups mit Zusatz von .Jod¬
natrium enthält (2°/o). Verf. hat mit Erfolg das Präparat sowohl
bei tertiärer Lues als auch bei Skrofulöse verordnet. (Dazu muß
man bemerken: 1. Daß das Zittmanndekokt aus der Pharma¬
kopoe verschwunden ist, ist nicht bewiesen. Ich möchte den
Apotheker sehen, der es nicht auf Ordination sofort und mit
Freuden anfertigen würde. Eher dürfte es aus dem Arzneischatz
der Aerzte verschwunden sein, zumal viele von dem Z i 11 -
m an n sehen Dekokt. nichts halten — ob mit Recht oder Unrecht,
sei dahingestellt. 2. Wenn der Herr Verf. auf die Wirkung der
Sarsaparilla. schwört, warum versucht er es nicht, sie mal in
Verbindung mit Jod zu ordinieren? Er würde sich den Dank
der Apotheker eher erwerben, als wenn er einer neuen Spezialität
auf die Beine hilft. Wir haben doch deren wirklich übergenug*:;
7. Bei der Behandlung von lebendem tierischen Gewebe mit
Kal. hypermang. in Substanz erhält man als Restprodukt eine
eiterähnliche Masse, die mit schwarzen Partikeln durchsetzt ist.
Diese bestehen aus wasserunlöslichem Mangansuperoxyd. Da kein
freies Kali in der Masse nachzuweisen ist, nimmt Verf. an, daß
sich dasselbe bei seinem Freiwerden an H s O gebunden hat und
K OH geworden ist und daß diese die Aetzwirkung ausübt. Die¬
selbe beruht danach nicht allein auf O in statu nascendi, sondern,
auch auf Kalilauge in statu nascendi. Bei Anwendung in Substanz
soll nach xAnsicht des Verf! das Kal. hvp. nicht in die Blutbahn
gelangen können und infolge seiner langsamen und stetigen Zer¬
setzung ungefährlich sein. Die Anwendungsweise ist denkbar
einfach: Von gutem Heftpflaster schneidet man Stücke ab,
welche um Zentimeterbreite die zu behandelnde Stelle rundherum
überragen. In die Mitte eines jeden Stückes schneidet man)
je, naph Bedarf ein rundes oder ovales Loch, gerade so groß, daß
die erkrankte Hautstelle hineingeht und von der gesunden Um¬
gebung noch etwas izu sehen ist. Je nach Höhe des Trichters, den
man machen will, klebt man einen Streifen auf den anderen, so
daß Loch auf Loch kommt. Der entstandene Trichter oder Schacht
wird mit feingepulvertem Kal. hyp. vollgefüllt und ein unver¬
letzter Heftpflasterstreifen übergeklebt. Darüber kommt ein
Bindenverband; Gelenkstellen werden geschient. Nach 48 Stun¬
den ist ein Lupusgeschwür zerstört: Man findet ein schmutzig-
eitriges Detrit, das fortgewischt wird, und an Stelle des Ge¬
schwürs ein kraterförmiges Loch. Die Ränder der Wunde s’ind
scharf, die Umgebung weder gerötet, noch geschwollen, die ge¬
sunde Haut zerstört, soweit sie nicht durch das Pflaster
geschützt war. Wenn die Zerstörung noch nicht weit genug ge¬
diehen ist. legt man ein neues Depot an. Das Aufschütten dfcsl
frischen Kal. hyp. ruft einen vorübergehenden Schmerz hervor,
der rasch verschwindet. Der ganze Prozeß verläuft unter
leichtem Brennen. Nachbehandlung trocken oder mit Salbe.
Schon am nächsten Tage findet man kräftige Granulationen.
Die Heilung geht sehr schnell vor sich, die Narbe ist glatt,
hypertrophiert und schrumpft nicht. Verf. hat diese Methode der
Kal. hyp.-Anwendung benutzt bei Kankroid, Fungus, Granulom,
Dekubitus, Ulcus cruris, Angioma cavernosum, Keloid, Kar¬
bunkel zur Zerstörung des Pfropfes. Vielleicht lassen sich auch
Ulcera dura günstig beinflussen. Ferner hat er behandelt: Naevi,
Angiome, Lipome, Papillome etc. Wenn die Geschwulst subkutan
liegt, muß man das Loch im Heftpflaster kleiner schneiden als
die Geschwulst groß erscheint. Die Versuche des Verf. bei der
Behandlung tuberkulöser Fisteln sind noch nicht abgeschlossen.
Diese Behandlung mit Kal. hyp. macht übrigens keine Flecken.
Technische Neuerscheinungen,
Biulehandliabe.
Nach der „Deutschen med. Wochenschr.“ lmt
J annusch, Dresden-Neugrnna, eine Badehandhabe
konstruiert, die schwächlichen und gebrechlichen Personen
die Möglichkeit gewährt, sich mühelos in der Wanne auf¬
zurichten oder in bestimmter Stellung sich zu halten. Die
Vorrichtung besteht aus einem eisernen rundgebogenen
Haken, der über den Wannenrand gelegt wird und einen
Karabinerhaken mit Kette trägt, an dessn unterem Ende
sich die Haltevorrichtung, ein Metallbügel mit Holz¬
handgriff, befindet. („Die Heilanstalt“, 1910, Nr. 1.)
Rosfe n.
Der Stangerotherm,
ein elektrischer Wärmestromapparat.
Schweizerisches Medizinal- und Sanitätsgeschäft, St. Gallen.
Durch den „Stangerotherm“ wird die Elektrizität in
jene Form von Wärme umgewandelt, welche dem Körper
direkt als strömende Wärme durch inniges Ansclnniegen
mitgeteilt wird. Diese Erwärmung hat eine viel inten¬
sivere tiefergehende Wirkung auf den Körper, als die
strahlende, erst durch die Luft übertragene Wärme.
Durch den „Stangerotherm“ wird die Anwendung so¬
wohl von feuchter als von trockener Kontaktwärme, auf
den ganzen Körper zugleich, oder auf beliebige Körper¬
teile möglich, bei exakter Reguliermöglichkeit der
Temperatur.
Mit dem „Stangerotherm“ ist möglich:
Einfache Erwärmung kalter Körperteile, z. B. kalter
Füße und Beine bei langer Sitzarbeit, WarmkaLtmig au
der gleichen Temperatur beliebig lange Zeit am Schreib¬
tisch als Fußmatte, im Bett als Bettunterlage.
Vorwärmen und Warmhalten von Betten in Fällen
von ungenügender Eigenwärme oder Schlaflosigkeit.
Voll- oder Teilschwitzbäder und Prozeduren in oder
außer dem Bett, durch ganz oder teilweises Umlegen von
Stangerotherm intensive und doch angenehme und scho¬
nende Schwitzprozedur.
Applikation von trockenen sowohl als feuchten, mit
Heilflüssigkeiten, aller Art getränkten Kompressen, Er¬
wärmung und Warmhaltung derselben auf beliebiger
Temperatur, wobei die Poren der Haut durch die Wärme
geöffnet, die durch dieselbe zugleich verdunsteten Heil-
stoffe aufsaugen bezw. absorbieren.
Absorbieren und Warmhalten aller Arten Schleim,
Brei, Fango, Radiogen, Schlammpackungen ete.
Erzielung viel reichlicherer Ausschwitzungen als mit
irgendeinem anderen Sehwitzapparat.
Schwitzbäder können aufs bequemste in jeder Stel¬
lung sitzend oder liegend genommen, und während oder
unmittelbar nach denselben ohne Lageveränderung kann
ein erquickender Schlaf erzielt werden, da „Stangero¬
therm“ eine schmerzbetäubende, schlafmachende Wirkung
ausübt.
Beliebig lange, auf gleicher Temperatur anhaltende
gleichmäßige, sowie jederzeit leicht und beliebig regu¬
lierbare Wärme und Hitzebehandlung des ganzen Körpers
oder beliebiger einzelner Körperpartien.
„Stangerotherm“ wird auch auf besonderen Wunsch
noch extra mit wasserdichter, hitzeheständiger, leicht
sterilisier- oder abwaschbarer Stoffzwischenlage geliefert,
so daß Schweißabsonderungen, Feuchtigkeit etc. nicht ein-
dringen können und die Stoffzwischenlage nach Gebrauch
für sich gereinigt werden kann.
„Stangerotherm“ kann überall appliziert werden, wo
Elektrizität vorhanden, und ist nicht an den Ort gebunden.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
127
„Stangorotherm“ kann wie eine Decke aufgerollt und
überallhin mitgenommen werden.
..Stangerotlierm“ braucht keinen Raum.
„Stangerotherm“ verursacht keine Installations¬
kosten, da es an jede elektrische Leitung von der betr.
Voltzahl, gleichviel ob Wechsel- oder Starkstrom, an¬
geschlossen werden kann.
Stromverbrauch bezw. Betriebskosten äußerst mini¬
mal. pro Stunde je nach Strompreis ein bis mehrere Cen¬
times, also über 20 mal geringer als bei elektrischen Licht-
und anderen Schwitzbädern.
Anschaffüngskosten gering. Rosen.
Vorsicht hei der gebräuchlichen Sauerstoff¬
anwendung.
In der „Münch, ined. Woehenschr.“, 1909, Nr. 48,
macht Herr Di*. 0 s k a r R o s e n t h a 1 , Berlin, von. einem
Vorkommnis Mitteilung:, das zur Vorsicht hei Benutzung
der bekannten Sauerstoffzylinder zu Zwecken der Ein¬
atmung: u. a. mahnt. Behufs wissenschaftlicher Fest¬
stellungen sollte am Hunde die Resektion einer Lunge vor-
genoinmen werden. Kurze Zeit nach Einleitung des
! eberdruekes an dem durch Aether betäubten und gut
intuhierten Tiere und noch vor Eröffnung der Pleura ging
dasselbe unter Erstickungserscheinungen rasch zugrunde.
Hei näherem Nachforschen nach der Ursache ergab sielt,
dal.! der als Sauerstoffbehälter bezeiclinete Stalilzylinder
nicht S a u e r s t o I* f , sondern Stickstoff
enthielt.
Bei der ständig zunehmenden Anwendung des Sauer¬
stoffes zu Narkosen- und Heilzwecken erscheint nach
R. s Ansicht eine Mitteilung dieses Mißgeschickes um so
mehr angebracht, als zur Anlegung des künstlichen
Pneumothorax und zur Behandlung der Augiome jetzt
auch Slickstoff- und Kohlensäurezylinder Verwendung in
klinischen Betrieben gefunden haben. Es ergibt sich
daraus wohl die Notwendigkeit, den Inhalt frischer Sauer¬
stoffzylinder, elie sie zur Einalmung verwendet werden,
wenigstens der einfachen Prüfung mittels des glimmen¬
den Holzspanes zu unterwerfen. Rosen.
Bücherbespreckungen.
Die spezielle Chirurgie in 60 Vorlesungen. Von Loser.
Rust a v F i scher, Jena 1909. Neunte Aufl., brosch. 26,50 M.,
geh. 29 M.
Nach 1V- Jahren ist schon wieder eine neue Auflage
Lese rs spezieller Chirurgie in 60 Vorlesungen erschienen, wohl
ein Zeichen, daß der Verfasser bemüht ist, sein Lehrbuch stets
auf voller Höhe zu halten. Wir haben in dom handlichen Bande
alles gefunden, was für den praktischen Arzt und Studierenden
wissenswert ist; die Ausstellungen, die wir zu machen haben,
sind unbedeutender Art. Dankenswert anzuerkennen ist zunächst,
daß ein Kapitel über die Mittelohroperationen cingefügt ist;
dagegen vermissen wir eine Besprechung" der Meningitis serosa.
Boi den Verletzungen der Blutgefäße (S. 259) am Halse fehlt
ein Hinweis auf solche des Ductus thoracicus, die doch mehr¬
fach, z. B. hei Exstirpation carcinömatöser Drüsen, beobachtet
und beschrieben sind. Die klinische Darstellung der Appendizitis
erscheint mir zu kurz. — Aszitesflüssigkeit (S. 507) ist nicht allzu
selten auch milchig getrübt. Bei der Diagnose der Nierenkrank¬
heiten (S. 689) wäre auf den Wert der Injektion von Farb¬
stofflösungen aufmerksam zu machen (z. B. bei Unmöglichkeit
des l reterenkatheterismus, bei Knaben mit Nierentuberkulose).
Gelegentlich der lokalen Exstirpation der Inguinaldrüscn
(8. 1148) ist zuweilen elephantiasisartige Schwellung des betr.
Beines beobachtet worden. Intermittierender Hydrops von Ge¬
lenken (S. 1189) ist oft auf intestinale Störungen zurück¬
zuführen. ,
In therapeutischer Beziehung möchten wir beim Exoph¬
thalmus pulsans (S. 15) andcuteu, daß die Unterbindung des
Varix aneurysmaticus zuweilen auch ohne Ligatur der Carotis
schon gute Erfolge gezeitigt hat. Mehr hervorzuheben wäre die
Wirkung der dekompressiv m Trepanation (S. 85, 89) bei allen
den Hirndruck vermehrenden Krankheiten, s. z. B. bei .früh¬
zeitiger dekr. Trepanation das Zurückgehen der Stauungspapille
und der Erblindung. Bei Blutungen aus der Nase. <S. 15H
pflegen die Nasenspezialisten vor Anwendung der Tamponade,
die bei längerem Liegenlassen der Tampons Gefahren (Mittel¬
ohrentzündung.) nach sich zieht, sich die blutende Stelle auf¬
zusuchen und zu ätzen; Kälteapplikation auf den Nacken wirkt,
oft unmittelbar blutstillend. — Wäre nicht bei der schmerzlosen
Zahnextraktion ('S. 191) die Lökäianästhesie (Injektion) gegen¬
über der Chloroform- oder Aethernarkose mehr in den Vorder¬
grund zu stellen? Bei Strikturen des Oesophagus und der Harn¬
röhre kämen für den allgemeinen Praktiker zur Unterstützung
der Bougierung noch Injektionen mit Fibrolysin resp. Thiosinamin
in Betracht. Der Gebrauch dieses Medikamentes ist gleichfalls
bei der Dupuytren sehen Kontraktur der Hand öfter (nicht
stets) von Nutzen gewesen. Die Desinfektion von Wunden der
Arbeiterhand (S. 901) ist heute wohl ebenso gut (wenn nicht
besser als mit Wasser und Seife) mit Jodbenzin und Jodtinktur
vorzunehmen. Neben Codivilla (S. 1165 u. 1271) verdiente
auch Zuppinger hei der Behandlung der Verletzungen der
unteren Extremitäten der Erwähnung.
Sehen wir vou diesen kleinen Einwänden ab, so können wir
das Werk nur loben; die Darstellung ist stets flüssig und leicht.
Die Abbildungen (Bild 227 u. 231 sowie 380 u. 389 sind
gleich) sind gut. Neben älteren und in neuerer Zeit heraus-,
gekommenen Lehrbüchern der Chirurgie wird der „Leser"
seinen Platz behaupten. Sch w a 1 b a e h , Berlin.
Neues medizinisches Fremdwörterbuch für Schwestern,
Samariter, Heilgehilfen, Krankenpfleger etc. Von W. Kühn.
2. Aufl. Leipzig 1909, Krüger & Co. Preis 1,50 M.
Von dem vorzüglichen kleinen Handbüchlein ist nach sehr
kurzer Zeit eine zweite Auflage erforderlich geworden. Einige
der ersten Auflage noch anhaftende kleine Mängel sind beseitigt
und einige Lücken ausgefüllt worden. Neu aufgenommen wurden
eine Anzahl von Ausdrücken, dis nicht eigentlich zur medizini¬
schen Terminologie, sondern als Fremdwörter gewissermaßen
in die Grenzgebiete gehören. Der Wert des Büchleins für Unter¬
richtszwecke ist, wie ich mich selbst überzeugt habe, nicht zu
unterschätzen. Geißler, Neu-Ruppin.
Der Körper des Kindes. Von C. H. St ratz. 3. Aufl.
Stuttgart 1909, Enke. Pr. 11,40 M-
Verf. wird mit der neuen Auflage seines bekannten Buches
nicht schlechter willkommen geheißen werden als mit den
früheren, denn ,di > Umgestaltung und Erweiterung, die er mit
ihm vorgenommen hat, ist so vorzüglich, daß es sicher noch
gewonnen hat. Besonders fesselnd geschrieben ist das erste
Kapitel, das den Liebreiz des Kindes behandelt und ihn uns in
einer Reihe ausgezeichneter Bilder vorführt. Der weitere allge¬
meine Teil ist am wenigsten umgeändert, desto mehr aber der
spezielle. Aus Zweckmäßigkeits- und räumlichen Gründen blieb
der Abschnitt über die Kinder fremder Rassen fort. Vielfachen
Wünschen-entsprechend bringt der Verf. eine längere Abhand¬
lung über die natürliche Pflege des gesunden Kindes und be¬
spricht hier Ernährung, Kleidung, Lebensweise, Körperpflege,
individuelle und sexuelle Erziehung. In einem Schlußabschnitt
gibt er Anweisungen, wie man praktisch über den Entwicklungs¬
gang des Kindes Notizen machen soll. Da jedes Kind eine Per¬
sönlichkeit ist, kann man natürlich feste Regeln, nach denen man
verfahren soll, nicht aufstellen. Der Verleger hat das Buch in
Druck und Bild gleich vornehm ausgestattet.
G e i ß 1 ar , Neu-Ruppin.
Allgemeines,
Es kann nicht dringend genug gewarnt werden vor der
physikalisch-chemischen Akademie von Palermo, welche jetzt
wieder ihre Dekorationen (Diplom und Medaille) deutschen
A.crzten anbietet; sie spekuliert auf die Eitelkeit der Aerzte
und es gelingt ihr tatsächlich, immer noch' solche zu finden,
welche je nach der Höhe des Preises mit goldenen und silbernen
Medaillen dekoriert zu werden wünschen. Auffallend (ob ge¬
schwindelt?) ist nach dem beigegebenen Verzeichnis die Anzahl
JNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
•128
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 8
der Koryphäen Europas, welche dieser Akademie angeblich
äuge hören. Doch dürften auch diese Namen, wie das ganze
Institut ja als Schwindelinstitut zu bezeichnen ist, wohl
gefälscht sein.
Die Deutsche pathologische Gesellschaft tagt in diesem
Jahre vom 4.—6. April in Erlangen im Pathologischen In¬
stitute. Vorträge sind bei dem Vorsitzenden Prof. Dr. Hauser
anzumelden.
Eine der großartigsten Veranstaltungen auf hygienischem
Gebiete verspricht die internationale Hygiene-Ausstellung in
Dresden im Jahre 1911 zu werden; es sollen in Form einer
umfassenden Gesamtdarstellung der Fachwelt und der Allgemein -(
heit die gewaltigen Errungenschaften der modernen Hygiene
vorgeführt werden. Sie wird sowohl räumlich ein gewaltiges!
Unternehmen sein, da neben dem ausgedehnten Ausstellung^
Gelände auch noch ein Teil des Königl. großen Gartens mit.
dazu verwendet werden wird, als auch von großer allgemeiner
Bedeutung sein, da sie sowohl dem Fachmanne, dem Arzte,
dem Verwaltungsbeamten, Ingenieur, Lehrer, Nationalökonomen
ein übersichtliches Bild alles dessen geben wird, was auf hygie¬
nischem Gebiete geleistet worden ist, andererseits auch den Sinn,
für Gesundheit und Gesundheitslehre''in der Bevölkerung ver¬
breiten wird. Die Materie wird in 12 Hauptgruppen eingeordnetj
werden, die nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten gesondert,
worden sind. Nur für die bei allen Völkern am meisten ver¬
breiteten Volkskrankheiten (Tuberkulose, Alkoholismus, Ge¬
schlechtskrankheiten, Krebs und Zahnerkrankungen) wurden
Sondergruppen vorgesehen. Vorsitzender der Gruppe „Alkoholis¬
mus“ ist Obermedizinalrat Prof. Dr. von Grube r in Mün¬
chen, stellvertretende Vorsitzende sind Geheimrat Prof. Dr.
Moelli in Berlin-Herzberge und Hofrat Prof. Dr. Kraepe-
lin iu München. Dem Gruppenvorstande gehören weiter an:
v. Bunge, Dr. Daum, Gonser, Helenius, H er dod,
L^itinen, Legrain, V. Strauß und Torney, Weich -
selbaum, Sims, Woodhead u. a. Folgender Plan wurde
für die Gruppe aufgestellt: 1. Wirkungen des Alkohols (physio¬
logische, pharmakologische und toxikologische; psychische
Wirkungen; der Alkohol als Ursache von Krankheit, Entartung
und Tod). 2. Geschichte des Alkoholismus. 3. Produktion und
Konsumption der alkoholischen Getränke. 4. Verbreitung des
Alkoholismus. 5. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des
Alkoholismus. 6. Bekämpfung des Alkoholismus; durch die
Gesellschaft, durch freiwillige Organisationen, durch den Staat
(Trunksuchtsgesetzgebung, Besteuerung der Alkoholika,
Alkoholmonopol, Schankgesetzgebung, Gasthausreform, Local
Option, Prohibition, Alkohol und Schule, Trinkerrettung,
Trinkerasyle).
Der IX. Kongreß der deutschen Gesellschaft für ortho¬
pädische Chirurgie wird seine Sitzungen in der Zeit vom
29. März bis 3. April d. Js. in Berlin im La-ngebeckhausej
.abhalten. Der Kongreß wird vormittags 9 Uhr dortselbst er¬
öffnet werden. In der ersten Sitzung wird Herr Prof. Dr.
Gebhardt, Halle (a. G.), einen einleitenden Vortrag über
„funktionelle Knochengestalt“ halten. In der -Nachmittags-
sitzung von 2—4 Uhr findet die Generalversammlung statt. Herr
Payr, Greifswald hat für diese Sitzung ein einleitendes. Referat
„über die Behandlung der Gelenkversteifungen“ übernommen.
Nach einer Pause soll um 5 Uhr eine Besprechung der
„Skoliosenbehandlung in der Schule“ stattfinden, wofür Herrn
Schultheß, Zürich, das Hauptreferat übertragen worden
ist. Zu dieser Sitzung werden Regierungsvertreter der deutschen
Bundesstaaten eingeladen werden. Bei genügender Zahl von
Anmeldungen soll am Montag, den 28. März, früh gegen ü'/o Uhr,
einer Einladung des Volksheilstättenvereins vom Roten Kreuz
zufolge — ein gemeinsamer, für die Teilnehmer kostenfreier
Ausflug nach Hohenlychen (Uckermark) zur Besichtigung der
dortigen Anstalten für tuberkulöse Kinder und speziell des
von Hoffa begründeten Oecilienheims für tuberkulöse
Knochen- und Gelenkerkrankungen stattfinden. Am Abend soll
im Langenbeckhause eine Sitzung zur Demonstration von Pro¬
jektionsbildern abgehalten werden. Vorträge und Mitteilungen
sind — spätestens bis zum 15. Februar - bei dem Vorsitzenden
Herrn Prof. Joachimsthal, Berlin W., anzumelden und
eine kurze Inhaltsangabe des Vortrages beizufügen.
Was kosten die schlechten Rassenelemente den Staat? Ein
Freund der „Umschau“ (Frankfurt a. M. ■ hat derselben 500 M.
zur Verfügung gestellt und es wurde beschlossen, diese zu
einem Preisausschreiben zu verwenden für die beste
Untersuchung über obige Frage. Sie wird in folgender Weise
begründet: In allen Veröffentlichungen, welche sich mit der
Verbesserung unserer Rasse beschäftigen, wird darauf hin-
gewiesen, welche Unsummen der Staat, die Kassen und der
Privatmann direkt und indirekt für Irrenhäuser, Zuchthäuser,
Kranke ausgeben, an Personen, die sich selbst und den Mit¬
menschen eine ständige Last sind, die Tausende und Tausende
tüchtiger Bürger von nützlicher Arbeit abwenden, um sie für
sich selbst als Wärter, Beamte, Aerztc usw. in Anspruch zu
nehmen. Wir arbeiten fast mehr für die gesellschaftlichen
Krüppel, als für eine organisierte Aufzucht der guten ge¬
sunden Elemente!
Leider liegen für diese Tatsachen bisher keine kritischen,
zahlenmäßigen Daten vor, die auf Grund eingehender statisti¬
scher Zusammenstellung gewonnen sind.
Deshalb wird der der „Umschau“ zur Verfügung gestellte
Betrag von 500 M. für eine eingehende Untersuchung oben¬
genannter Frage ausgesetzt. Preisrichter sind die Herren Dr.
Be ch hold, Herausgeber der „Umschau“, Prof. Dr. v. Gru-
ber, Direktor des hygienischen Instituts der Universität
München, und Prof. Dr. Hueppe, Direktor des hygienischen
Instituts der deutschen Universität Prag. — Nähere Auskunft
wird erteilt von der Redaktion der „Umschau“, Wochenschrift
für die Fortschritte in Wissenschaft und Technik, Frankfurt
a. M., Neue Kräme 19/21.
Im Aerztlichen Vereine der Kreise Bochum, Hattingen und
Witten kam es zu einer Spaltung, indem 74 Mitglieder austraten
und unter dem Namen: „Neuer ärztlicher Standesverein der
Kreise Bochum, Hattingen und Witten“ einen neuen Verein
gründeten. Die Veranlassung hierzu bot der Antrag des Vor¬
sitzenden, sich entweder für Teilnahme an dem Aerzte-
vereinsbund oder dem Reichsverband zu entschließen.
(Ende des redaktionellen Ttiles.)
Kleine Mitteilungen.
Klinische Betrachtungen über Pyrenol.
Von Sek'undärarzt F. Ripa.
Aus dem städtischen Krankenhause in Baden-Wien.
Medizinisch-Chirurgisches Zentralblatt, 1909, Nr. 52.
Das auf den neuesten Forschungen über die Wirkung von
Arzneistoffen aufgebaute Pyrenol brachte einen frischen Zug in
die Therapie der Respirationserkrankungen. Nachdem dasselbe
von zahlreichen Krankenhäusern „gewogen und für gut befunden
wurde“, brachte man es auch am städtischen Krankenhause
in Baden in ausgedehntem Maße in Anwendung. Eine Influenza-
epidemie, von der etwa 50 Fälle auf die Station kommen, bot
eine vortreffliche Gelegenheit zur Erprobung des Präparates.
Pyrenol wurde in schweren Fällen in der relativ hohen Dosis
von 4 mal täglich 1,0 verabreicht und auf diese Weise eine aus¬
gezeichnete Wirkung erzielt. An den drei Angriffspunkten für
Pyrenol: Fieber, Schmerzen und Katarrh der Luftwege, wurde
gleichzeitig eine günstige Wirkung entfaltet und dadurch der
ganze Verlauf der Influenza milder gestaltet. Es waren eine
Anzahl Patienten, die schon nach 5 tägigem Spitalaufenthalt
entlassen werden konnten. Leichte Anfälle von Influenza, die
nur geringe Temperatursteigerungen und geringe Katarrhe der
Luftwege aufwiesen, konnten durch energische Pyrenoldosen
(3—4mal täglich 1,0) schnell beseitigt werden. Gleich günstige
Wirkung zeigt Pyrenol bei akuten Laryngitiden und Bronchi¬
tiden. Am meisten geschätzt wurde Pyrenol bei der Pneumonie,
gleichviel ob sie als Komplikation der Influenza oder ohne die¬
selbe auftrat.
Auf der Kinder-Abteilung boten Masern, Pneumonie ein
häufiges Indikationsgebiet für Pyrenol; hier wurde Pyrenol mit
Sir. Rub. Idaei in 2 proz. Lösung verabfolgt.
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Verantwortlich: Für den redaktionellen Teil: Prof. Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35. Für „Kleine Mitteilungen“ und den Inseratenteil: Max Munczinski, Berlin-Rixdorf.
Verlag: Gustav Ehrke Zeitschrilteuverlag, Berlin W. 9. — Druck von Carl Marschner, Buchdruckerei, Berlin SW. 6b.
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dort b.Strausberg,Brdbg.
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Minden, Westi.
Moorburg b. Hamburg.
Mülheim (Rhein).
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! angestelfte.
Hamm i. Westf.
Hanau, San.-V.
, Hausen (Kr. Limb. a. L.).
Münder a. Deister.
Munster, Hann.
Nackenheim, Rhh.
Hohentengen (Wttbrg.), Neustettin i.
Eberswalde i. Brdbg. Hüllhorst, Westf.
Ebingen, Wttbg. (Arztbez. |
Frohnstetten-Heinstetten). Itzstedt i. Schl.-Holst.
Ehrang (B. Trier)O.-K.-K. |
Eimbeckhausen, Hann. Joachimthal,
Erkelenz, Rhld. j Kr. Angermünde.
Niederwürzbach,Pfalz. |
Recklinghausen i. W.
j Rhein (O.-Pr.).
i Rothenkirchen*
Preßig, Oberfr.
Salzwedel, Prov. Sa.
Schirmeck-Saales i.E.
Schlettstadt, Eis.
Schornsheim (Rhh.).
Schwandorf (Bay.).
Schwarzach i. Ba.
Schwetzingen, Ba.
Soldau O.-Pr.
Falkenberg bei Ahrens¬
felde.
Feilnbach (O.-B.)
Fiddichow i. Pomm.
Frankfurt a. M.
Frechen Bez. Köln a. Rh
Geilenkirchen,
Kr. Aachen.
Gera, R.,Textil-B.-K.-K.
Kassel-Rothenditmold. Uber- ii. Nieaer-in
Kemel H -N beim, Rnn.
Kfrchberg-jagst. Oderberg i. Mark.
Klein-Auheim, Kr. Offb.
Köln a. Rh. Stadt-u.Landkr. Pattensen i. Hann.
Köln-Deutz. Pinne i- Posen.
Nordgermersleben
(Kr. Neuhaldensleben),
Oberbetschdorf i. Eis.
Oberhausen i- Rhld.
Obersept, O.-Els.
Ober- u. Nieder-Ingel-
heim, Rhh.
Oderberg i. Mark.
Köngen, Wttbg.
Königsberg i. Pr.
Korbach (Waldeck).
Kupferhammer b.
Eberswalde.
Pinne i. Posen. Walsheim b. Bliesk
Puderbach(Kr.Neuwied). Weibern i. Rbld.
I Weidenthal, Pfalz.
Quinf b. Trier. Weilheim, Bay.
Rastenburg, O.-Pr.
Weilheim, l’iaj
Weisenau b. Mainz.
Weißenfels (Saale).
Wesseling, Rhprov.
Wessling (O.-Bay.).
Westd. Vers.-Kr. u. Unter-
stützungs- Zuschuß- Kasse
Köln a. Rh.
Wiesbaden.
Wriezen a. 0.
Zingst, Pom.
St. Ludwig, O.-Els.
Stettin , Fab.-K.-K.-Vulk.
Strausberg i. Brdbg.
Strehla a. E.
Templin, Brdbg.
Thalneim i. Erzgeb.
Urft (Schmidtheim) Kr.
Schleiden.
Wallhausenb.Kreuznach.
Walsheim b. Blieskastel.
Ueber vorstehende Orte und alle Verbandsangelegenheiten erteilt jederzeit Auskunft der Generalsekretär G. Kuhns, Arzt, Leipzig, Dufourstraße 18, II, Sprechzeit
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Druck von Carl Marsebner Berlin SW. 68.
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TherapeutischeRundschau
Wochenschrift für die gesamte Therapie des praktischen Arztes.
Redaktion:
Professor Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5.
Telephon: Amt VI, 17271.
Verlag und Expedition
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI, 3020.
IV. Jahrgang.
Berlin, 27. Februar 1910.
Nr. 9.
Die ..Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M.. für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 PI. Zu beziehen durch den Verlag
sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht K Tage vor (Jnartalscliluss abbestellt sind. Inserate werden für die 4gespaltene
Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen per Tausend 15, M. Rcklamezcile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt.
Originalieu:
Axel Winckler, Bad Neimdorl: Hartes oder weiches Trink-
wasser?.129
Carl Hiss, Bad (lästern: Hoher die Behandlung der nervösen
Dyspepsie mit Hochfrequenzströmeu.132
Referate:
Ot.fried 0. Fellner, Wien: Graviditätstoxikosen. Sammel-
referat. . . . ..134
K. Försterling, Mörs: Chirurgie.136
H. Lehr, Stuttgart: Orthopädie . . . ... • 137
Wern. II. Becker, Weilmünster: Neurologie und Psychiatrie 137
11. B. Schmidt, Berlin: Radiologie. 139
Winckler, Bad Nenndorl: Nahrungs- und Genußmittel . . 139
v. Rutkowski, Berlin, und Lipschitz, Berlin: Varia . . 140
Mitteilungen über Arzneimittel:
W. Krüger, Magdeburg: Referate.141
Allgemeines.143
ORIGINALIEN.
Hartes oder weiches Trinkwasser?
Von Prof. Di. Axel Winckler,
Kgl. dirig. Brimnenarzt am Bade Nenndorf.
Je nachdem ein Trinkwasser beschaffen ist, kann es
einem Menschen 1 Gesundheit und langes Leben oder Krank¬
heit und frühen Tod bringen. Die Keime im Wasser hat
uns die Bakteriologie erkennen und beurteilen gelehrt. Die
mineralischen Bestandteile weist uns die Chemie nach;
aber wieviel davon in einem Trinkwasser notwendig oder
nützlich sei, darüber sind die Gelehrten noch nicht einig,
was sehr bedauerlich ist, da die Sache sowohl für die per¬
sönliche als auch für die öffentliche Gesundheitspflege
ungemein wichtig ist.
Auf die Frage: „Ist hartes oder weiches Trinkwasser
vorzuziehen?“ geben die Sachverständigen in verschiede¬
nen Ländern sehr verschiedene Antworten. Die englischen
Hydrologen ziehen das weiche Wasser vor. Frank¬
land lehrt: „Da der Mensch in seinen Speisen die zu
seiner Ernährung nötige Menge Kalk findet, soll sieh sei)]
Trinkwasser möglichst dem gelüfteten destillierten Wasser
annähern.“
Diese Meinung ist in England seit etwa hundert Jah¬
ren verbreitet und namentlich durch die Makrobiotik eines
Dr. Eowbotliam volkstümlich geworden. (Biologv,
Hygiene and Hydropatliy; an inquiry into tlie cause of
natural deatli from old age, 1842. With Supplement by
(1. I). Hughes, Manchester mul London, 1.899, John
Heywood.) R o w b o t h a m weist darauf hin, daß
sich die ursprünglich weichen Gewebe unseres Körpers im
Verlaufe der späteren Lebenszeit immer mehr mit erdiger
Materie imprägnieren und daß dieser Prozeß ein charak¬
teristisches Merkmal des Alters sei. Im hohen Greisen-
alter sei der menschliche Organismus so sehr mit erdigen
Materien angefüllt, daß die Kippenknorpel verknöchert,
die Knochen brüchig, die Muskeln zähe und trocken, die
Arterien verkalkt gefunden werden und die zarten Teile
der Sinnesorgane durch Sklerose beschädigt seien. An¬
häufung von erdigen Materien, hauptsächlich von Kalk,
sei die eigentliche Ursache des natürlichen Todes. Mehr
oder weniger erdige Materien seien in unseren Speisen
und Getränken enthalten; mit ihnen gelangen sie in'unse¬
ren Körper, gehen nachweislich ins Blut über und werden
größtenteils wieder ausgeschieden, teilweise aber in den
Organen als ein Ballast abgelagert, der im Verlaufe der
Jahre immer massenhafter und immer schädlicher wird.
R o w b o t h a in sagt scherzweise, daß ein Mensch, der täg¬
lich ein Quart hartes Wasser trinke, sich binnen 40 Jah¬
ren so viele erdige Materie einverleibe, wie einer manns¬
hohen steinernen Säule entspricht. Wenn nicht der größte
Teil davon durch Darm und Nieren ausgeschieden würde,
wäre es mit dem Leben rasch zu Ende. Aber wenn sogar
neun Zehntel der eingeführten Erden durch die Ans-
scheidungsorgane wieder fortgeschafft werden, so bleibt
doch ein Zehntel im Körper abgelagert zurück. Diese Re¬
tention von Erden sei schuld daran, daß wir den gedach¬
ten Altersveränderuugeii schließlich doch nicht entgehen
können, aber es wäre töricht, diesem Prozeß durch eine
kalkreiche Kost Vorschub zu leisten, ihn zu beschleunigen.
Man dürfe deshalb von gewissen Speisen und Getränken,
die einen großen Gehalt an erdigen Bestandteilen haben,
nur wenig genießen, ln hartem Trinkwasser ist dieser
Gehalt enorm groß; an Orten mit derartigem Wasser
braucht man nur in die Küchengescliirre und Wasserkessel
zu schauen, und kann an der Dicke des Kesselsteins schau¬
dernd ermessen, wieviel erdige Materie man in den Leib
einfüllrt, wenn man solches Wasser trinkt. Wieviel Erden
wir mit den verschiedenen Speisen einführen, können wir
ohne weiteres aus den chemischen Analysen der Nahrungs¬
mittel ersehen und danach eine zweckmäßige Auswahl
treffen. Der Kalk ist unter den Erden in Trank mul
Speise quantitativ die Hautpsache und qualitativ die
Hauptschädlichkeit. Die Reichen — meint R o w b o t h a m
— leben meistens länger als die Armen, weil sie vorzugs¬
weise kalkarme Nahrungsmittel, wie z. B. Fleisch, genie¬
ßen, die Armen hingegen mehr von dem kalkreichen Brot
essen. Und hei einer und derselben Kost leben die Mäßi¬
gen länger als die Fresser, weil die Mäßigen sich mit den
kleineren Portionen von Speisen und Getränken absolut
weniger erdige Materie einverleiben.
Ein Schüler R o w b o t h a m s , Dr. H u g h e s , der m
seinem 75. Lebensjahre das Buch seines Meisters neu
herausgegegeben hat, erläutert dessen Lehre nicht übel
durch folgendes Gleichnis: Wer seinem Körper, nachdem
er das Wachstum vollendet hat, reichlich erdige Materien
einzuver leiben fortführt, gleicht einem wahnsinnig ge-
130
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 9
wordenen Baumeister, der nachdem er ein Haus erbaut
hat, immer noch neue Mengen von Mauersteinen, Mörtel,
Bauholz und anderen Baumaterialien herbeischafft und in
dem Hause aufstapelt, bis alle Räume und Gänge damit
vollgestopft, unwegsam und unbrauchbar geworden sind
und das Gebäude unter der Last zusammenbricht. Dieser
Autor geht noch weiter als R o w b o t h a m , indem er an¬
statt gewöhnlichen weichen Wassers filtriertes Regen¬
wasser oder destilliertes Wasser zu trinken empfiehlt.
In gleichem Sinne haben noch andere englische und
auch amerikanische Aerzte das harte Trinkwasser verpönt
und weiches Trinkwasser für Gesunde und Kranke gefor¬
dert. Ich nenne außer dem schon erwähnten F r a n k -
I a n d noch W i 11 i a m Lambe, T. L. N i c h o 1 s ,
C h a s. W. de La c y Evans, M. L. Holbro o k und
die auch in Deutschland bekannten H e r m a n n W eher
und P a r k es Weber, Verfasser eines trefflichen Lehr¬
buches der Balneologie; diese empfehlen, wenn das ge¬
wöhnliche Trinkwasser des Ortes sehr hart oder von
zweifelhafter Reinheit ist, destilliertes Wasser zu trinken,
„welches für manche Patienten künstlich lufthaltig ge¬
macht werden kann wie das Salutaris-Wasser“.
In Frankreich hält man seit den Untersuchungen von
Dupasquier und namentlich von Boussinganlt
dasjenige Trinkwasser für das beste, welches ungefähr ein
halbes Gramm mineralische Bestandteile im Liter enthält.
Diese Mineralisation ist nach Ansicht der französischen
Hydrologen erforderlich, um das Knochengerüst der Men¬
schen und Tiere in gutem Zustande zu erhalten. Obgleich
diese Bestimmung eine willkürliche ist, wird sie dort offi¬
ziell anerkannt und ist vom Annuaire des eaux de la France
als Norm angenommen worden. Mein alter Lehrer Bou-
c h a r d a t, weiland Professor der Hygiene zu Paris, sagt
in seinem Traite d’liygiene publique et privee (2 me edition,
Paris 1883, p. 156), man könnte zwar einen noch stärkeren
Mineralgehalt zulassen, wenn es sich hauptsächlich um die
Bikarbonate des Kalks, der Magnesia und des Eisens
handle, das Wasser keine schädliche organische Substanz
enthalte und angenehm schmecke, aber aus äußerlichen
Gründen sei es doch zweckmäßig, au jener Bestimmung
festzuhalten, da das Wasser der städtischen Leitungen
nicht nur zum Trinken benützt werde, sondern auch als
Nutzwasser verschiedenen ökonomischen Zwecken dienen
müsse, wozu härtere Wasser ungeeignet seien.
In Deutschland hat man bis vor kurzem, wie in Frank¬
reich, nur eine mäßige Härte des Trinkwassers für nötig
und nützlich erachtet; neuerdings sind aber mehrere Auto¬
ren aufgetreten, die ein recht hartes verlangen und
weiches Trinkwasser gänzlich verwerfen.
Ein solcher Lobredner des harten Trinkwassers ist
der Geheime Hofrat Prof. Dr. Hempel, Chemiker in
Dresden, dessen Vortrag über „Die Trinkwasserversor¬
gung der Städte vom chemischen Standpunkt“ im Novem¬
ber 1908 von der „Baineologischen Zeitung“ veröffent¬
licht worden ist. Hempel behauptet, daß die Menschen
dort, wo der Boden und die Gewässer kalkreich sind, kraft¬
voll, lebensfroh und vergnügt seien, während die auf
weiches Wasser angewiesenen Bewohner des Hochgebirges
ernst seien und daß man unter diesen viele Idioten finde.
Man vergesse heutzutage, daß der Mineralgehalt eines
Trinkwassers für die menschliche und tierische Ernährung
wichtig sei. Der bakteriologische Befund dürfe nicht in
erster Linie in Frage kommen, ebensowenig das Interesse
der Dampfkesselbesitzer, die stets weiches Wasser forder¬
ten. Das Wasser der alten Pumpbrunneu in Dresden sei
gern getrunken worden, aber das jetzige Leitungswasser
mit nur 0,118 g Fixa im Liter sei zu weich. Er habe ver¬
sucht, das Wachstum eines Knaben dadurch zu fördern,
daß er ihm kalk- und salzreicheres Wasser zu trinken gab;
zu diesem Zwecke wurden die erforderlichen Salze dem
sehr weichen Wasser aus dem artesischen Brunnen zu
Dresden zugesetzt; der Erfolg habe die gehegten Erwar¬
tungen weit übertroffen. H e m p e 1 gibt die Losung aus:
„Weiches Wasser für das Waschhaus, die Dampfkessel und
Lokomotiven, hartes Wasser in die Trinkkaraffen!“ und
schließt mit dem Vorschläge, man möge in den großen
Städten aus dem vorhandenen weichen Wasser durch
künstliche Zusätze hartes Gesundheitswasser zum Trinken
bereiten und dieses den Einwohnern billig liefern.
Eine größere Arbeit von gleicher Tendenz ist das Buch
des Hofrats Dr. C. Böse: „Erdsalzarmut und Entartung.“
(Berlin 1908.) Der Verfasser hat sich die ungeheure Mühe
gegeben, in 164 Ortschaften die Zähne von 87 617 Volks¬
schulkindern und die Härte des Trinkwassers zu unter¬
suchen, und bringt nun die Zahnverderbnis in Beziehung
zur Erdsalzarmut des Trinkwassers. Je härter das Trink¬
wasser eines Ortes, desto besser seien daselbst die Zähne.
Ferner bemüht sich Röse, auf Grund eines kleineren
Materials auch Militärtauglichkeit der jungen Männer,
Stillungsunfähigkeit der Frauen und Rachitis der Kinder
als Folgen der Weichheit des Trinkwassers nachzuweisen.
Er polemisiert heftig gegen das kalkarme Leitungswasser
der großen Städte; dieses weiche Wasser verschulde es,
daß die großen Städte die Massengräber unserer Volks¬
gesundheit seien. Wer seinen Kindern die Vorteile erd-
salzreiclier Ernährung sichern wolle, müsse schon vor
ihrer Geburt bei sich selbst mit der Zufuhr von Erdsalzen
beginnen. Erdige Mineralwässer möge man trinken. Zahl¬
reiche Kalk- oder Erdsalzsanatorien müßten errichtet
werden.
Kürzlich hat auch einer unserer angesehensten Phar¬
makologen, Prof. Kion k a in Jena, in einer Abhandlung
„Ueber Mineralwasserwirkungen“ (S.-A. aus der „Deut¬
schen Klinik am Eingänge des 20. Jahrhunderts in aka¬
demischen Vorlesungen“, Berlin und Wien, 1909, S. 775)
von s c li ä d l i c h e n El n w i r k u n g e n gesprochen, die
s c hwach mineralisiertes oder gar destilliertes
Wasser „auf die Epithelien der Verdauungswege, sodann
auf den gesamten Organismus durch übermäßige Ausfuhr
mineralischer Stoffe ohne gleichzeitigen Ersatz durch
andere ausübt“.
Hat man von diesen Aussprüchen deutscher Gelehrter
Kenntnis genommen und hört alsdann die ernsten Be¬
denken und schweren Beschuldigungen, welche die engli¬
schen Aerzte und Hygieniker gegen das harte Trinkwasser
erheben, so ist man verblüfft.
„Denn ein vollkonnnner Widerspruch
Bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren.“
Ich rekapituliere: Die englischen Autoritäten ver¬
langen, daß Trinkwasser weich sei, die französischen, daß
es mäßig hart sei, und die deutschen verlangen neuerdings,
daß es hart sei.
Was die einander widersprechenden Autoren an Argu¬
menten vorgebracht haben, habe ich berichtet. Bevor ich
nun meine eigene Ansicht darlege, will ich die wissen¬
schaftlichen Daten erörtern, worauf sich ein Urteil grün¬
den läßt.
Die ganze uns hier beschäftigende Streitfrage dreht
sich im Grunde um das Kalkbedürfnis und den Kalkstoff¬
wechsel des Menschen. Leider ist dieses Gebiet sozusasren
voll Glatteis, worauf man bei jedem Schritte auszugleiten
befürchten muß. Nur kritisch vorgehend dürfen wir hof¬
fen, der Wahrheit nahezukommen.
Der Kalk ist neben der Phosphorsäure weitaus der
vorherrschende Mineralstoff des menschlichen Körpers.-
Was die Autoren Demineralisatiön nennen, bedeutet in
erster Linie Entkalkung, und Retention von Mineral-
stoffen bedeutet zunächst Ueberladung mit Kalk. Der
allergrößte Teil, über 80%, der Asche unseres Körpers be¬
stellt daraus. Liebreich (Enzyklopädie der Therapie,
Berlin 1896, Bd. 1, S. 545) schätzt bei einem 62,5 kg
schweren Manne den festen Rückstand auf 22,4375 kg oder
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
131
35,9%, den Aschengehalt auf 2715,5 g oder 4,3%. Von
diesen 2715,5 g würden die Kalksalze 2200,5 ausmaekeu,
also 3,5% des Körpergewichts oder 81,3% der Asche.
Nach einer anderen Angabe enthält der Körper eines er¬
wachsenen, 80 kg schweren Menschen 1750 g Kalzium.
Daß ein eingeäscherter Mensch soviel Kalk liefert,
kommt aber hauptsächlich auf Rechnung des Skeletts, der
Knochenerde, und ist weiter nicht auffallend.
Hingegen merkwürdig und zum Nachdenken an¬
regend ist die T at s a c li e , d aß das Blut nur
ä ii 1.1 er st wenig Kalk enthält, nur 1%, höchstens
2% der Reinasche.
Was folgt daraus ? Wenn nur so wenig Kalk im Blute
kreist, so erkennen w i r d a r a u s , daß w i r n u r
w i n z i ge M e n gen N a h.rungskalk a s s i in i -
Her e n u n d daß unser Kalk st offwechsel
m i n i m a 1 i s t. (Nebenbei bemerken wir, daß sich aus
dieser Langsamkeit des Kalkstoffwechsels der schleppende
Verlauf aller Knochenkrankheiten und die langsame
Heilung verletzter Knochen ungezwungen erklären läßt.)
Wenn wir noch so viel Nahrungskalk in den Verdauungs-
traktus einführen, so nimmt das Blut, wie eben die Blut-
analyse zeigt, doch niemals mehr als jene Kleinigkeit auf;
was darüber ist, wird nicht benutzt, ist gleichsam eine
Bürde, deren wir uns wieder entledigen.
Die Ausscheidung der resorbierten Kalksalze erfolgt
zum kleinsten Teil durch die Nieren; nur 5—10% davon
erscheinen im Harn, das übrige wird mit dem Kot entleert.
Die Hauptmenge des Kalks beschreibt einen intermediären
Kreislauf: sie wird vom Dünndarm resorbiert und kommt
in den tieferen Dannpartien durch die hier-befindlichen
Drüsen der Mucosa wieder zur Ausscheidung in den Dick¬
darm hinein. Sonach geben die im Harn erscheinenden
Kalkmengen keinen Maßstab für die Resorptionsverhält¬
nisse; es müssen über einen längeren Zeitraum ausge¬
dehnte Kotanalysen hinzukommen; der Kalkgelialt der
nicht ausgenützten Ingesta muß berücksichtigt werden;
kurz, die Forschung begegnet großen Schwierigkeiten.
Diese mögen Ursache sein, daß die Untersucher zu auf¬
fallend verschiedenen Resultaten gelangt sind. Bunge
gab noch das tägliche Kalkbedürfnis des Menschen auf
3,3 g an, aber die neueren Untersucher haben erheb¬
lich w eiliger gefunden, Oberndorffer im Mittel
nur 1,5 g, Ii e n v a 1 1 blieb mit nur 0,688 bis 0,860 g Kalk
im Gleichgewicht, und Bertram bedurfte in einem
Selbstversuch nur 0,4 g. Da die letzten Forscher sämt¬
lich nur winzige Werte gefunden haben, dürfen wir in
Uebereinstimmuug mit vielen neueren Autoren annehmen,
daß der tägliche Kalkbedarf eines erwachsenen Menschen
etwa % g beträgt. Das ist angesichts der Befunde von
R e n v a1 1 und Bertram eher zu hoch als zu niedrig
gegriffen. Nach W i 1 k e , der in seinem soeben erschie¬
nenen „Grundriß der Stoffwechselkrankheiten und Konsti-
tutionsfi! ‘ - alien“ (Wiesbaden 1909, S. 23) gleichfalls den
täglichen Bedarf des Erwachsenen an Kalk auf 0,75 g an¬
gibt, beträgt das Kalkbedürfnis des Kindes im ersten
Lebensjahre 0,5 g täglich, was relativ mehr, aber absolut
doch auch recht wenig ist. Friedleben berechnete den
täglichen mittleren Kalkbedarf des lieranwachsenden
Jünglings auf nur 0,17 g! Jedenfalls bedarf der Körper,
sobald der Aufbau seines Knochengerüstes vollendet ist,
nur noch einer minimalen Kalkzufuhr, wie jene angeführ¬
ten physiologischen ITutersuchungsergebnisse. unzweifel¬
haft erkennen lassen.
Auf Grund dieser Daten einerseits, der bekannten
Aschenanalysen andererseits und unter Berücksichtigung
der F ö rste r sehen Annahme, daß 60% der eingeführten
Kalksalze resorbiert werden, urteile ich, wie schon andere
vor mir geurteilt haben, d a ß m a n i n d e n g e w ölin-
liehen Speisen gen u g u n d ii b e r g e n u g K a 1 k
e rhält, so d a ß die Sorge um eine Ergäu-
z u n g d e r K a 1 k z u f u h r e t w a m i 11 e 1 s h arte n
T r i n k w assers überflüssig i s t. Die Prä¬
sumtion eines Kalkmangels ist von v o r nherei n u n -
wahrscheinlich. Ist doch der Kalk, mit Kohlen¬
säure verbunden, die verbreitetste Substanz der
Erdoberfläche und deshalb in allen unseren Nahrungs¬
pflanzen enthalten! Vollends wer auch Milch und Eier
genießt, treibt eine förmliche Lnxnskonsumtioii
von Kalk (die, wie wir später sehen werden, für ältere
Personen sogar bedenklich werden kann). Aber auch die
sich ohne Milch und ohne Eier ernährenden echten Vege¬
tarier brauchen keinen Kalkmangel zu befürchten. Ein
nur von Vegetabilien lebender Mensch führt nach Hein¬
rich Bauernfeinds sorgfältiger Berechnung („Die
polare Verteilung der Aschen- oder Mineralstoffe“, Ans¬
bach 1898, S. 60) täglich 2,24 g Kalk ein, also das Drei¬
fache dessen, was er nötig hat. Eine wirklich kalkarme
Kost zusammenzustellen, ist außerordentlich schwierig.
Prof. R u m p f, der eine solche Kost therapeutisch erpro¬
ben wollte, kombinierte sie ans 250 g Fleisch und je 100 g
Brot, Fisch, Kartoffeln und Aepfeln, was sonderbare
Speisekarten ergibt, worauf niemand von selbst verfallen
würde. Diese Kost enthielt immerhin noch 0,52 g Kalk
und Magnesia, mithin über ein halbes Gramm Erdsalze,
was sicherlich noch mehr ist als das physiologische Mini¬
mum. Aber weil eben fast alle unsere Nahrungsmittel
Erdsalze enthalten, ist es unmöglich, eine Kost zu kon¬
struieren, die unseren Körper in dieser Hinsicht wirklich
Mangel leiden ließe.
Für den Nahrungskalk der Kinder brauchen wir eben¬
sowenig zu sorgen wie für den der Erwachsenen. Der Säug¬
ling findet selbstverständlich Kalk genug in der Mutter¬
milch, und noch viel mehr erhält das der Brust entwöhnte
Kind in der Kuhmilch, die drei- bis viermal kalkreicher
ist als die Frauenmilch. Diese überreichliche Kalkmenge
mag zum Wachstum und zur Konsolidierung des Knochen¬
gerüstes dienlich sein, weshalb die Kuhmilch ihren Ruf als
gutes Kindernahrungsmittel wohl verdient. Sobald aber
das Wachstum des Skeletts vollendet ist, Kalkbedarf und
Kalkstoffwechsel auf ein Minimum gesunken sind, stellt
sich bei vielen Menschen eine instinktive Abneigung, bei
manchen sogar unüberwindlicher Ekel vor diesem kalk¬
reichsten Nahrungsmittel ein.
Ein Kind würde selbstverständlich auch ohne Kuh¬
milch Kalk genug erhalten. „Würde ein Kind aus¬
schließend mit Kartoffeln genährt und erhielte es davon
täglich nicht mehr als ein Pfund, — eine zur Fristung
des Lebens ungenügende Menge! — es wäre schon damit
der tägliche Bedarf zum Ausbau des Skelettes ums Dop¬
pelte gedeckt. Es ist hieraus zu ersehen, daß man keinen
Grund hat, kalkführendes Trinkwasser mit Rücksicht auf
die kartoffelessende Bevölkerung für ein Nahrungsbedürf¬
nis zu erklären.“ (F r i e d 1 e b e n , Archiv der Heilk.,
1861, 139.)
Nur in einigen Krankheiten, die den biochemischen
Haushalt des Organismus aufs tiefste zerrütten, z. B. bei
der Rachitis, bei der Tuberkulose und bei der uratischen
Gicht, scheint eine wirkliche Kalkverarmung des Körpers
zustande zu kommen. Dann ist aber keineswegs ein Mangel
an Nahrungskalk die Ursache, sondern die Unfähigkeit des
kranken Körpers zur Kalkresorption und Kalkapposition.
Deshalb kann z. B. einem rachitischen Kinde hartes Trink¬
wasser so wenig nützen wie irgendein pharmazeutisches
Kalkpräparat. Wenn ein kranker Organismus seinen
eigenen Kalk größtenteils ausscheidet und den ihm zu¬
geführten wie einen Fremdkörper hindurchpassieren
läßt, ist es ein irrationelles Bemühen, ihn mit Kalk füttern
zu wollen.
Die Irrlehre, daß wir in unserer Nahrung zu wenig
Kalk vorfänden, wie überhaupt die ganze Legende vom
Nährsalzmangel, ist im Lager der Kurpfuscher entstanden
UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
132 THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU. Nr. f)
und hat erst nach und nach bei manchen Aerzten Glauben
gefunden, neuerdings sogar einige Gelehrte merklich be¬
einflußt. Der Urheber dieser Irrlehre war ein zu Henns-
dorf unterm Kynast privatisierender ehemaliger Apo¬
theker namens Julius Hensel, der die Heilkunst
und gleichzeitig die Landwirtschaft reformieren wollte und
hauptsächlich als Erfinder eines Steinmehldüngers be¬
kannt geworden ist. Dieser geistreiche aber phantastische
Autor hat in seinem 1882 zu Philadelphia erschienenen
Hauptwerke „Das Leben“ zuerst die These aufgestellt, die
gebräuchliche Kost der Europäer enthalte zu wenig
Mineralstoffe. Um diesem Mangel abzuhelfen, brachte er
„physiologische Erden“, „physiologisches Salzwasser“ und
andere mineralische Spezialitäten auf den Markt. Diese
pharmazeutischen Präparate wurden wenig gekauft, da
Hensel sich nicht auf die geschäftliche Reklame ver¬
stand, aber seine Lehre vom Nährsalzmangel fand unter
Sektierern aller Art begeisterte Anhänger. Sie wurde
namentlich von den Naturheilkundigen, die der beständi¬
gen „Wasseranwendungen“ b la Prießnitz müde ge¬
worden waren, begierig aufgegriffen und ausgenützt. Dr.
Hei n r i c h L a h m a n n , Besitzer der Naturheilanstalt
Weißer Hirsch bei Dresden, entwickelte die H e n s e 1 sehe
Theorie in seinem Buche über „die diätetische Blut¬
entmischung“, freilich ohne H e n s e 1 zu nennen. Er ver¬
suchte diese Lehre exakt zn begründen, was ihm jedoc-h
mißlungen ist. Er nahm nämlich die Kuhmilch, die doch
eigentlich für das wachsende Kalb bestimmt ist und selbst¬
verständlich einen großen Kalküberschuß für dessen
Knochenbildung enthalten muß, als Normal nälir-
gemenge für den Menschen an und verglich ihren
Mineralgehalt mit dem einer will k ii r 1 i c h aus gleichen
Teilen Fleisch, Roggenmehl, Kartoffeln und Erbsen zu-
sannnengestellten Kost, die er als Beispiel des „gebräuch¬
lichen Nährgemenges“ der europäischen Völker annimmt,
obgleich höchstens die Zuchthäusler eine Kost genießen,
die zu einem Viertel aus Hiilsenfriiehten bestellt. Aus sol¬
chen gekünstelten Prämissen folgert er, daß unsere ge¬
bräuchliche Nahrung an Natron um das Sechsfache, an
K a 1 k u m d a s E If fache z u a r m sei! Ferner ver¬
gleicht er den aus der Tageskost einer Familie berechne¬
ten Mineralgehalt wiederum mit dein Mineralgehalt der
— Kuhmilch, und findet natürlich ein Defizit an Kalk und
Natron. Dem naheliegenden Einwurf, weshalb er denn
nicht die Frauenmilch als Prototyp der menschlichen Nah¬
rung seinen Kalkulationen zugrunde legte, weicht er aus
mit der kahlen Ausflucht, daß er „die meisten Analysen
der Frauenmilch wegen der falschen Ernährung des
Menschengeschlechts nicht für normal erachten kann“.
Man weiß aber aus sämtlichen Analysen der Frauenmilch,
daß sie viel weniger Natron und sehr viel weniger Kalk
enthält als die Kuhmilch, so daß jener künstlich kon¬
struierte Natron- und Kalkmangel illusorisch wird. Be¬
denkt man vollends, daß die Frauenmilch nur für das
wachsende Kind bestimmt ist, mithin viel Kalk für die
Kalzifikation der Knochen liefern muß, während der er¬
wachsene Mensch mit seinem fertigen Skelett nur ein mini¬
males Kalkbedürfnis hat, so muß man einsehen, daß man
aus der Zusammensetzung irgendwelcher Milch überhaupt
keinen Maßstab für das Nährsalzbedürfnis eines erwachse¬
nen Menschen entnehmen darf. La hm au ns Versuche,
eine aus Nälirsalzmangel abgeleitete Dvsämie als Ursache
aller Krankheiten zu statuieren, zeigt, wie einseitig man
wird und zu welchen Uebertreibungeu und Fehlschlüssen
man gelangt, wenn man alles durch die Brille einer vor¬
gefaßten Tdee betrachtet.
Nachdem ich La h mann widerlegt habe, muß ich
mich auch mit dem neuesten Nährsalztheoretiker Rose
befassen, der in seinem bereits von mir erwähnten Buche
„Erdsalzarmut und Entartung“ dem weichen Trinkwasser
viel Böses nachsagt und ihm, vor allem die Zahnverderbnis
zur Last legt. Die kolossale Menge statistischen Materials,
die R ö s e in seinen Tabellen beibringt, hat mich nicht zu
überzeugen vermocht. Denn es lassen sich schwerwiegende
Tatsachen dagegen anführen, die Rose selbst nicht un¬
bekannt geblieben sind. Zum Beispiel erfreuen sich die
Bewohner Ostfrieslands guter Zähne, obgleich sie absolut
weiches Wasser, nämlich Regenwasser aus Zisternen
trinken! Rose versucht (S. 14) diese ihm unbequeme
Tatsache, die seine Theorie umwirft, dadurch zn entkräf¬
ten, daß er erstens sagt, diese Leute benutzen „teilweise“
auch das dortige harte Grundwasser — was sehr selten Vor¬
kommen dürfte, da dieses Wasser wegen seines scheußlichen
Geschmacks fast untrinkbar ist und die Bevölkerung eben
deshalb zum Regenwasser greift; — zweitens tränken sie
viel Milch. Nun, mit diesem Argument schlägt Rose
sich selbst. Denn eben das spricht ja gegen die Not¬
wendigkeit harten Trinkwassers, daß man schon in der
Nahrung Erdsalze zur Genüge vorfindet! Ein halbes Liter
Kuhmilch enthält schon 0,8 g Kalk, also mehr als den täg¬
lichen Kalkbedarf, von den übrigen Nahrungsmitteln gar
nicht zu reden. — Aus einer schwedischen Statistik hatte
Förberg ähnlich wie Röse einen Zusammenhang
zwischen Trinkwasserhärte und Güte der Zähne ableiten
wollen, wogegen F, c k s t r ö in in einer scharfen Kritik
eingewendet hatte, daß die Bewohner der Insel Gotland
schlechte Zähne haben, obgleich Boden und Gewässer die¬
ser Insel kalkreich sind. Die Sache stimmt also nicht.
Allerdings hat R öse der Ecks t r ö m sehen Kritik eine
Antikritik entgegengesetzt; diese Abhandlung war mir
leider nicht zugänglich. Die Widerstandsfähigkeit der
Zähne gegen die Karies hängt zwar von der Härte des
Zahnschmelzes, diese Härte aber wolil mehr vom Gehalt
des Schmelzes an Fluor als von den zugeführten Kalk- und
Magnesiamengen ab. (Schluß folgt.)
Ueber die Behandlung der nervösen Dyspepsie
mit 11 ochfrequenzströmen.
Von Dr. Carl Hiss. Bad Gastein.
Seit Tesla s vorzüglicher Beweisführung von den
Möglichkeiten der elektrischen Hochfrequenzströme im
Jahre 1880 beobachtete die medizinische Welt mit wach¬
sendem Interesse die Rolle, welche diese elektrische Form
bei der Behandlung von Krankheiten zu spielen imstande
sein wird. Es war jedoch das Ergebnis der experimen¬
tellen Untersuchung des hervorragenden französischen
Gelehrten und Arztes d'A r s o nval und von W. J. Mor¬
ton, daß diese elektrischen Ströme ihre richtige An¬
erkennung als therapeutisches Agens fanden. DArson-
v a 1 s erste Mitteilung erschien vor der französischen
Akademie im Jahre 1890. Bald nachher vollendete
O u d i n einen Apparat, welcher elektrische Entladungen
von ungeheurer Spannung und Frequenz erzeugte. G u -
s 1 a v Rons modifizierte die von (Jüdin, Eivierc
und Don in er angegebene Methode, welche ausschlie߬
lich in der Applikation von Effluvien von einem Hoch¬
spannungstransformator bestand, indem er nach einer
langen Reihe von experimentellen Untersuchungen zeigte,
daß elektrische Ströme von außerordentlich hoher Span¬
nung und Frequenz imstande sind, Medikamente in lebende
Gewebe zu treiben. Im Jahre 1902 erklärte Morton im
technologischen Klub in New York, daß es möglich sei,
durch künstliche Fluoreszenz in lebenden Geweben, her¬
vorgerufen durch innere oder äußere Anwendung von ge¬
wissen fluoreszierenden Substanzen, die Wirkung der
Hochfrequenzströme zu erhöhen. Seit dieser Zeit wird
diese Methode mit sichtlichem Erfolge geübt.
Die Funkenentladung gehört zu den ältesten stati¬
schen Anwendungsformen, Ihre erste Anwendung zur Be-
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
183
haudlung vom verschiedenen Krankheiten geschah im
Jahre 1734 vom Abbe N ol 1 e t. In späteren Jahren hat
B e n j a m i n F r a n k 1 i n den Apparat zur Erzeugung
von statischen Entladungen bedeutend verbessert. Die
Maschine, welche von diesen ersten Beobachtern verwen¬
det wurde, war immer vom Reibungstypus. F r a n k -
lins Maschinen in Verbindung mit den Leydener
Flaschen, setzten ihn instand, Funken von hinreichender
Länge durch Ladung und Entladung der Kondensatoren
zu erzeugen. Die primitive Form zur Erzeugung von
Funken, welche eine mühsame und ungenügende war, und
wahrscheinlich zusammen mit der Unwissenheit des Modus
operandi verhinderte die günstige Aufnahme von seiten
der Aerzte. Jedoch F r a n k 1 i u , der gelehrte Laie, soll,
wie berichtet, viele Kuren mit dieser Methode günstig
durchgeführt haben. Erst durch das starke Interesse,
welches Charcot und Vigoureaux der statischen
Elektrizität entgegenbrachten, indem sie in der Lage
waren, einen Induktionsstrom von großer Energie und
für therapeutische Zwecke wirksam anzuwenden, kam die
statische Maschine zu Ehren und wurde von den- Aerzten
als therapeutischer Faktor anerkannt. Es ist unzweifel¬
haft das große Verdienst von Morton und seiner Schü¬
ler, daß die größere Vervollkommnung der Holtz-
Masehine, sowie der anerkannte therapeutische Wert der
statischen Modalitäten in das ärztliche Gebiet Eingang
fanden. Mit Hilfe dieser Maschinen konnte man Funken
von viel größerer Energie als früher hervorbringen und
infolgedessen therapeutisch auch kräftiger wirken.
Die alte IIoltz-Maschine, welche wir noch vor 20 Jah¬
ren bei vielen hervorragenden Neurologen stehen sahen,
war in vielen Fällen ganz unfähig, die nötige Energie für
therapeutische Zwecke zu erzeugen. Die alten Aerzte,
welche ihre voreingenommene Meinung von dem Werte
der statischen Elektrizität hatten, indem sie dieselbe noch
von der unwirksamen Type der alten Maschine kannten
und nicht die richtige Kenntnis von ihrer Wirkung hatten,
waren diejenigen, welche mit ihrem Einfluß dem Fort¬
schritte in der therapeutischen Anwendung der Elektrizi¬
tät im Wege standen. Die Entwicklung einer Präzisions-
technik, sowie das korrekte Verständnis des Modus ope¬
randi haben die Elektrizität anf den richtigen Platz in
der Therapie gestellt.
In der komplizierten Maschinerie des Organismus
repräsentiert der Magen einen Teil vitaler Wichtigkeit.
Freilich können wir ihn nicht vom Rest der Maschinerie
trennen, hauptsächlich nicht vom Dünn- und Dickdarm.
Tatsache ist, daß die Lage des Magens für die Zubereitung
des physiologischen Nährmaterials von größter Bedeutung
ist. Fm nun dieser Indikation gerecht zu werden, ist es
klar, daß wir unser Augenmerk auf die Herstellung der
strukturellen und funktionellen Unversehrtheit des Magens
richten müssen. Es würde uns aber weit aus dem Rahmen
unseres Themas führen, wollten wir hier alle therapeuti¬
schen Indikationen besprechen. Wir wünschen uns hier
nur auf die Verwendung des Hochfrequenzstromes und
zwar in Form der Funkenentladung zu beschränken.
Es muß hervorgehoben werden, daß, wenn ein Funke
vom Patienten zur Entladung kommt, er eigentlich die
Entladung einer an der Oberfläche geladenen Leydner
Flasche darstellt. Mit anderen Worten, die Oberfläche des
Patienten ist von einem elektrostatischen Felde umgeben,
und die Metallelektrode, verbunden durch den Metallkon¬
duktor mit der Erde, ist auf eine bestimmte Distanz ge¬
bracht, bei welcher ein Funke zur Entladung kommt. Wir
unterscheiden zwei Arten von Funkenentladungen, den
indirekten Funken und den Resonatorfunken, hervor¬
gebracht von einem Tesla-Transformator oder einem
Solenoid, oder durch Kombination eines Tesla-Transfor¬
mators mit einem Solenoid in Verbindung mit Konden¬
satoren. Die Intensität der Fnnkenentladung wird ver¬
ändert durch Regulierung der Funkenstrecke, durch die
Kombination vom einem Solenoid und einem Tesla, oder
durch Erdung einer Seite der Teslaspule. Die so erzeugten
Funken sind kürzer als die indirekten und erzeugen ein
stechendes Gefühl, welches verschieden ist von dem des
indirekten Funkens.
Die Erfahrung hat gelehrt, daß bei der Behandlung
der nervösen Dyspepsie keine elektrische Form so wirksam
ist na den normalen Zustand wiederhorzustellen vermag,
wie der Hochfrequenzfunken. Die Hochfrequenzströme
haben eine sichtbar tonisiereude Wirkung auf die Nerven¬
versorgung des Magens und zwar direkt oder indirekt
durch den Vagus. Die Besserung in der Verdauung und
das Nachlassen der subjektiven Beschwerden, welche bald
folgen, sind wahrscheinlich eine Folge der Herstellung
eines mehr normalen Zustandes in der Zirkulation und
Blutversorgung der Magendrüsen. Sie sind nicht wahr¬
scheinlich eine Folge von spezieller Reizung der Magen-
driisen, weil in jenen Fällen, wo ein angeborener Mangel
in der Sekretion besteht, keine Besserung in dieser Be¬
ziehung folgt, selbst wenn die elektrische Behandlung
lange Zeit fortgesetzt wird. Der den ungstreifteu Muskel¬
fasern verliehene Tonus befähigt den Magen, nach jeder
Mahlzeit sich selbst zu entleeren, wodurch die Zurück¬
haltung von ungenügend verdauten Speiseresten aufhört
und hiermit die Resorption von abnormen Verdauungs¬
produkten, sowie die Folgeerscheinungen der Autointoxi¬
kation entfallen. Außer der täglichen Behandlung mit
Hochfrequenzströmen bekommt der Patient eine genau
vorgeschriebene Diät, auf welche wir noch spater zurück-
kummen wollen, um die Schwierigkeiten zu verringern,
mit denen der Magen zu kämpfen hat. Im Anfangsstadium
werden die Kranken in der Magengegend vermittels einer
Drahtelektrode „bestrahlt“, welche in einer bestimmten
Entfernung so gehalten wird, daß zwischen Elektrode und
Haut direkt Funken überspringen. Der Patient hat dabei
das Gefühl, als wenn ein Regen von warmem Sand auf die
Haut auffallen würde, und nach einigen Minuten spürt
er häufig peristaltische Bewegungen des Magens. Eine
andere Form der Behandlung besteht darin, daß vermittelst
einer dünnen Aluminiumblechplatte, welche so zugeschnit¬
ten wird, daß die ganze Magengegend bedeckt ist und
durch Zwischenschiebung eines feuchten Flanell-Lappens
direkter Kontakt hergestellt wird. Bei dieser Form der
Behandlung spürt der Patient kaum etwas.
Die Wirkung ist in den meisten Fällen auffallend und
prompt, und zwar:
1. Allgemeine Anregung und Besserung der geistigen
sowie körerlichen Tätigkeit; pein mehr natürlicher und er¬
frischender Schlaf.
2. Vermehrter Appetit und verbesserte Verdauung;
Nachlassen und dann vollständiges Sistieren sämtlicher
subjektiver Beschwerden; Rückkehr von Hoffnung, Kraft
und physischer Ausdauer.
Wir schreiben diese Resultate der regenerierenden
Wirkung der Hochfrequenzströme auf den Plexus solaris
zu. Was das Gehirn für die animalischen Funktionen des
Organismus, ist der Plexus solaris für vegetative Maschi¬
nerie des Körpers. Er ist die Zentralstation für die Er¬
nährung und als solche die Hauptquelle des physischen
Lebens. Der Solarplexus ist vermittels seiner Hilfs¬
geflechte, Ganglien und Nervenfasern mit jedem Körper¬
teil in Verbindung.
Bei der Behandlung der nervösen Dyspepsie müssen
wir uns vor Augen halten, daß die Elektrizität allein nicht
genügend ist, um eine Heilung zu erzielen und daß die
Allgemeinbehandlung des Patienten von großer Wichtig¬
keit ist, n. z. wegen des Schadens, welchen der Organismus
durch Anwesenheit von Toxinen und anderen Produkten
134
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 9
mnugellmfteu Stoffwechsels erlitten hat. Die Diiit ist
se.hr wichtig, besonders in bezug aut' das Volumen und das
Gewicht. Der Allgemeinzustand erfordert Aufmerksam¬
keit, 1. weil das symptomatische Bild häufig die wirkliche
Störung verhüllt und 2. weil die Anwesenheit von Toxinen
einen Zustand von Unterernährung hervorbringt, welcher
sich in verschiedener Form manifestieren kann und eine
Menge von sekundären Störungen verursacht. Wenn
diese sekundären Folgen von längerer Dauer sind, können
degenerative Veränderungen in bestimmten Teilen des
Nervensystems auftreten. Es ist unsere bestimmte und
wohl begründete Meinung, daß degenerative Störungen im
Nervensystem immer die Folge von primären ätiologischen
Zuständen sind.
Wir haben die benigne Form von der schweren ner¬
vösen Dyspepsie zu unterscheiden. Zunächst orientieren
wir uns über den Grad der Krnnkheitssymptome und über
die Aufnahmefähigkeit des Magens, um die Abstufung der
Diät zu etablieren. Wir sehen dann, ob wir den Patienten
zu einer vollständigen Liegekur veranlassen müssen oder
ihn seinen Beschäftigungen nachgehen lassen können,
ln den leichten Formen ist sogar ein gewisser Grad von
Beschäftigung angezeigt, um den Patienten vom Gegen¬
stand seiner Gedanken abzulenken, um ihn zu zerstreuen
und um gewisse Gedanken zu entfernen, welche sein Ge¬
hirn ermüden und sein Nervensystem deprimieren. Alle
Neurastheniker haben es nötig, neu belebt, ermutigt und
aufgerichtet zu werden, und diese psychotherapeutische
Tätigkeit darf keinesfalls vernachlässigt werden. Wir
sollen den Patienten über die Natur seiner Krankheit auf¬
klären, ihm die Sicherheit seiner Genesung beweisen, so¬
wie seine moralische Energie heben. Es ist nicht zu be¬
fürchten, vom Kranken in eine nähere Diskussion gezogen
zu werden. Der Kranke hat das Bedürfnis, über eine
Menge von Punkten, die ihn beunruhigen, orientiert zu
werden. Er ist gewöhnlich sehr weitschweifig und jede
seiner Fragen erfordert eine präzise Antwort, die ihm Ge-
nugtiing verschafft. Man darf ihn weder abweisen, noch
auslachen, man soll sich für seine Beschwerden inteis
essieren und mit ihm in seinen Leiden sympathisieren.
Man soll ihm die geringe Bedeutung seiner nervösen
Störungen beweisen, sowie daß sie nicht organischer Natur
sind. Mit Geduld und Ausdauer wird es gelingen, ihn zu
überzeugen, welcher dann getröstet fortgeht und uns Ver¬
trauen bewahrt. Nach einigen Tagen jedoch kommt er
wieder, um abermals Trost zu suchen; der Erfolg der ersten
Besprechung ist nämlich schon verschwunden. Wir müssen
ihm wieder neuen Vorrat von Mut mitgeben, und solange
fort, bis die Wirkung der elektrischen Behandlung sich
einzustellen beginnt. Zu dieser Zeit, wo der Patient eine
kleine Mahlzeit ohne Beschwerden einzunehmen vermag,
haben wir bereits gewonnenes Feld, er gellt seiner vollen
Genesung entgegen.
Bei der schweren Form der nervösen Dyspepsie
dauert die Behandlung lange, der Erfolg ist häufig un¬
sicher, wenig anhaltend und hängt von der Aetiologie der
Erkrankung ab, sowie vom neurasthenischen Zustande
und von hereditären Einflüssen. Diese bessern sich um
so schneller und um so sicherer, als die moralischen Fak¬
toren, die sie hervorgerufen haben, ihre Wichtigkeit ver¬
lieren oder überhaupt schwinden. Jedesmal, wenn der
psychische Einfluß der Nahrungsanstrengung hervor¬
gerufen wird, sei es infolge von Schwierigkeiten des
Kanons oder des Schluckens', sei es infolge von bestimm¬
ten Gerüchen oder von einer zu großen Menge der Vor¬
gesetzten Speisen, beginnt sich der Kranke zu unter¬
suchen, zu analysieren, sich zu bemühen, zu konstatieren
— und er konstatiert immer — eine hervorgerufene Stö¬
rung. Zum Schluß kommen solche Patienten so weit herab,
daß sie nur halbflüssige oder überhaupt nur flüssige
Nahrung und dazu noch in sehr kleinen Quantitäten zu
sich nehmen können.
In so einem Falle müssen wir vor allem dem Patienten
eine bestimmte Diät mit besonderer Berücksichtigung der
Qualität und Quantität verordnen, wobei zu achten ist,
daß wir uns nicht an die Angaben des Patienten zu halten
haben, etwa „wegen des nicht vorhandenen Appetits oder
wegen des nicht in Ordnung befindlichen Darmes“. Man
darf also, den Klagen der Patienten nicht immer nach¬
geben, sondern ihn überreden, daß sein Heil in der
Wiederernährung liegt, daß seine Genesung um so schneller
eintreten werde, als seine Ernährung eine sichere und voll¬
ständige ist. Wir müssen psychotherapeutisch auf die
Patienten wirken, indem wir die Einwendungen der
Kranken bekämpfen, ihre Leiden auf den richtigen Wert
zurückführen und ihnen Mut suggerieren.
Viele nervöse Dyspeptiker leiden an Obstipation. Der
Gebrauch von Purgantien ist nicht empfehlenswert, wir
ziehen Suppositorien oder Lavements vor. In gewissen
Fällen muß die hohe Irrigation verabreicht werden, und
zwar unter schwachem Druck, um keine Koliken hervar-
znrufen.
Zum Schluß möchten wir noch über die elektrische
Behandlung einiges hinzufügen. Die Hochfrequenz¬
ströme wirken bei verständigem Gebrauch nicht schmer¬
zend, sondern analgesierend. Der Strom ist unter voll¬
ständiger Kontrolle des behandelnden Arztes. Als Maß
der Dosierung dient der Grad der erzeugten Kontraktion,
verhindernd .jede unangenehme oder tetanisierende Wir¬
kung'. Tägliche Applikation von 2-—3 Wochen wird ge¬
wöhnlich die Symptome mildern. Es ist angezeigt, mit
einer kurzen Funkenstrecke zu beginnen, gerade genug,
daß der Patient einen schwachen vibratorischen Impuls
empfindet; falls der Patient doch noch Schmerzen hat, muß
die Funkenstrecke noch mehr verkürzt werden. Jede
Sitzung dauert 10—15 Minuten. Eine Funkenstrecke von
nicht mehr als 6 cm darf angewendet werden, und die
Schnelligkeit der Unterbrechung soll nicht 300 in der
Minute überschreiten. Nach Verlauf von zwei Wochen
nehmen wir die Behandlung abwechselnd jeden zweiten
Tag mit der Vakutim-Elektrode vor. Mitunter verwenden
wir auch Hochfrequenz-Effluvien über dem Kopfe.
REFERATE,
Graviditätstoxikosen.
Sam melref erat
von Frauenarzt Dr. OLfried O. Fellner, Wien.
Nach F.oulkrod beruht die Schwangerschaftstoxämie auf
j Störungen der Funktion der Schilddrüse und der Nebenschild-
j driise, des Fötus und vor allem der Leber, wie auch der
I Plazenta und der Niere. Lei Schwangeren kommen häufig Darm-
i Störungen vor. Die dort entstehenden Gifte werden resorbiert
j und sollten nun in der Leber entgiftet werden. So wird die
j Leber wie auch die Schilddrüse bedeutend in Anspruch ge¬
nommen und es kommt zu einer Hypersekretion.. Bleibt diese
I aus, so entstehen Hyperemesis, Eklampsie, sowie auch Er¬
nährungsstörungen der Frucht. Man gebe in solchen Fällen
Thyreoidin 0,2 täglich, vor der Gehurt 0,6; Bei Eklampsie
! kann man bis auf 1,3 gehen.
• Nach Diesing treten bei Urvölkern niemals Schwanger-
schaftsbeschwerden auf. Diese beruhen auf einer großen Reiz¬
barkeit des Nervensystems; auf einer Nichtaufnahme der über¬
wiegend eiweißhaltigen Kost, aus der Schwefel durch die Ver¬
dauung frei gemacht wird. Die effektive Resorption der für
den Organismus erforderlichen Stoffe, die wir erfahrungsgemäß
. einnehmen müssen, entzieht dem Nährungsbrei, die geringe
Menge Eisenverbindungen und stößt die große Menge schwefel¬
haltiger Verbindungen zurück, bevor es zu ihrer völligen Zer-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
136
Setzung kommt.. So erbrechen die Schwangeren den größten
Teil des Genossenen. Die Atemnot der Schwangeren ist die Folge
der Funktion des Blutschwefels. Man verordne daher eisen-
haltige Med i kamente.
Olive au fand bei allen Album inurischen eine zwar nicht
im Verhältnis mit dieser stehende Blutdrucksteigerung. Nicht
jede Blutdrucksteigerung hat Albuminurie zur Folge. Uebersieht
man nicht Gefäßspannung und die Urin Veränderung, so kann
man schwer Albuminurien übersehen. Milchdiät hat nicht
immer guten Erfolg. Die Steigerung des Druckes nimmt nur
sehr langsam ab. Wenn man aber gleichzeitig Mistel anwendet,
so erzielt man rasche Heilung. Andererseits hat die Anwendung
von Mistel allein keinen Erfolg. Sic ist der subkutanen und
intramuskulären Kochsalzinfusion weit überlegen, '"indem ihre
Wirkung andauert. Man injiziert den Extrakt 2 mal täglich
in die Glutaei. Auf die Eklampsie hat diese Behandlungsmethode
keinen Einfluß.
Die Hyperemesis gravidarum wird nach Wygodsky
durch eine schwere Intoxikation verursacht. Bei uneuropathi-
schen Individuen genügt schon eine leichte Intoxikation, um
zu den schwersten Erscheinungen zu führen, doch nur die
schwersten Intoxikationen endigen letal. W. berichtet über
eine Patientin, welche von Beginn ihrer ersten Schwangerschaft
erbrach. Der Puls wurde immer rascher, stieg bis auf 140,
ebenso auch die Temperatur auf 37,4 bis 38,1 und die Kräfte
verfielen. So entschloß sich W. zur Einleitung des Abortus.
Nach drei Monaten war die Patientin gesund. Zwei Jahre
später kam es zu einer neuerlichen Schwangerschaft, die wieder
im Anfang zu Erbrechen führte. Nach zwei Wochen betrug die
Temperatur 37,4. Die Patientin befand sich leidlich wohl. In
weiteren 14 Tagen trat das Erbrechen im stärksten Maße auf,
die Pulszahl stieg auf 100, die Temperatur stieg auf 38, im
Harn fanden sich Spuren von Eiweiß. Das Erbrechen ließ
wieder nach, aber der Allgemeinzustand wurde schlechter. Die
Pulszahl stieg noch mehr, es trat schließlich Koma auf, das
nach kurzer Zeit wieder verschwand. Nach einer Woche war
die Pulszahl auf 160 gestiegen, die Temperatur auf 38,5, worauf
W. den Abort einleitete. Am nächsten Tage starb die Patientin.
W. hält das Ansteigen der Temperatur für ein schlechtes
Zeichen und meint, daß in solchen Fällen der Abortus in¬
diziert ist.
Bei einer Patientin Alexandroffs trat in den ersten
Monaten der Schwangerschaft anhaltendes Erbrechen auf. Seit
ihrem 18. Lebensjahre litt sie oft an Kopfschmerzen mit Er¬
brechen. Sie wurde in einer Anstalt entsprechend behandelt.
Das Erbrechen ließ zwar nach, aber der objektive Zustand
war sehr unbefriedigend. Es trat allgemeine Schwäche auf.
Fünf Tage, nachdem sie nach Hause entlassen worden war,
stellten sich Schmerzen im Leibe und Blutung ein. Man gab
ihr die Eisblase auf den Leib. Im Urin fand sich 0,03’%
Eiweiß und 0,3% Zucker. Es stellten sich Augenstörungen
ein iufolge einer Apoplexia retinae beider Augen. Im Laufe
einer Woche besserte sich der Zustand. Nach einigen Tagen
begann die Patientin zu delirieren, was wieder zurückging.
Eiweiß und Zucker waren geschwunden. Fünf Tage nach dem
Anfall kam es zu psychischen Störungen, zur Kontraktur des
linken Kniees. Gedächtnisschwund trat auf. Die Patientin
spricht flüsternd, die Muskeln der Extremitäten werden überall
schmerzhaft. Schließlich kam es zum Abortus, dann setzte
ein Dämmerzustand ein mit Anfällen von Raserei. Neun Mo¬
nate nach der Entbindung fing Patientin an herumzugehen,
später kam es dann zum Verfolgungswahn. Es handelte sich
also um eine Iv o r s a k o f f sehe Psyche, die im Anschluß an
eine Hyperemesis auf trat. Nach A. kann sich die Sekretion
des Ovariums infolge der funktionellen und anatomischen Ver¬
änderungen in der Schwangerschaft vermindern oder kann voll¬
ständig schwinden. So eine gestörte oder bereits verminderte
Tätigkeit des Ovariums wird mit der Ausbildung der Plazenta
durch die Sekretion der letzteren ersetzt. Wenn nun beim
Auftreten einer Toxämie bei der Schwangerschaft, eine ge¬
wisse Widerstandslosigkeit in dem einen oder anderen Organ
lokalisiert oder eine ungenügende Entwicklung der Organe vor¬
handen ist, so sinkt auch mehr die Resistenzfähigkeit des Or¬
ganismus dem sich bildenden Gifte gegenüber.
Allmann berichtet über einen Fall von Graviditäts¬
pyelitis. Es ist höchst wahrscheinlich, daß die Gravidität selbst
die Myelitis verursacht, doch ist der strikte Beweis für die
Existenz einer spezifischen Schwangerschaftsmyelitis bis jetzt
nicht erbracht worden.
IVERSITY OF MICHIGAN
Reiche n stein fand in 11,8% sämtlicher Untersuchter
Fälle von Gravidität 0,2 bis 0,7 Dextrose. Nach Darreichung
von Saccharose war die Häufigkeit im Auftreten von Zucker
eine größere als bei Verabreichung von Dextrose. Auffallend
häufig trat alimentäre Lävulosurie auf. Wenn diese wirk¬
lich auf funktionelle Störung der Leberzelle zurückzuführen
ist, so gehört diese Veränderung zu den ständigen Attributen
der Schwangerschaft, auf welche Chovstek, Hofbauer
und Fellner aufmerksam gemacht haben. Unwillkürlich
drängt sich auch die Vermutung auf, daß die während der
Gravidität so oft vergrößerte Schilddrüse infolge ihrer ver¬
mehrten oder veränderten Sekretion die Ursache der alimen¬
tären Dextrosurie während der Schwangerschaft sein kann. Es
ist aber nicht zu entscheiden, ob die Ursache in dem Pankreas
oder der Schilddrüse, eventuell in den Epithelkörperchen zu
suchen ist. Der die physiologischen Grenzen nicht über¬
schreitende Zustand ist als Folgeerscheinung der Ovarien oder
des Uterus (Fellner) während der Gravidität auf andere
Drüsen mit innerer Sekretion, welche den Kohlehydratstoff¬
wechsel regulieren, zu betrachten.
Williams meint, daß, wenn auch die Probe nach Feh -
1 i n g in der Schwangerschaft positiv ausfällt, das noch immer kein
Beweis für das Bestehen einer Diabetes ist, denn die Glykosurie
kann auch hervorgerufen werden durch die Laktosurie, sie
kann auch eine vorübergehende alimentäre oder rekurrente
Glykosurie sein. Man muß sich daher davon überzeugen, ob
der Zucker Glykose oder Laktose ist. Ist die Menge eine große
und tritt sie früh auf, so bedeutet dies eine ernste Gefahr.
Dann ist aber Abortus oder die Frühgeburt einzuleiten.
F e 11 n e r berichtet von einem Fall von Hyperemesis, an
den sich ein schwerer Ikterus anschloß, Eklampsie und Ikterus
sind ätiologisch gleiche Krankheitsbilder. Die menstruelle Leber-
hyperämie wird wahrscheinlich durch Produkte der inneren
Sekretion des Ovariums bedingt. Auch die Schwangerschafts¬
leber dürfte auf diese innersekretorische Tätigkeit zurückzu-
führen sein. Ein Teil der Veränderungen der Schwangerschaftsi-
leber läßt sich aber nicht durch die Sekretion des Ovariums
erklären, sondern muß einen anderen Grund haben, vielleicht
liegt derselbe in der inneren Sekretion des Uterus.
Durst berichtet von einer osteomalacischen 25jährigen,
welche die Erkrankung zum ersten Male vor 2(4 Jahren in
der vierten Schwangerschaft durchgemacht hatte, und bei der
in der neuerlichen Schwangerschaft wieder Beschwerden auf¬
getreten waren, die im fünften Monat stärker wurden. Der
Beckenausgang war stark verengt, man machte daher die supra-
väginale Amputation mit Kastration und erzielte ein lebendes
Kind. Heilung.
Monin berichtet über sechs Fälle von Osteomalacie im
17. bis 40. Lebensjahre. Zwei Traumen entstanden spontan.
Nach der Geburt fiel das Beckeln zusammen. Zweimal wurde
der Kaiserschnitt ausgeführt. Dreimal wurde perforiert, ein¬
mal bei totem Kind. Ein Kaiserschnitt wurde bei infizierter
Gebärmutter aus absoluter Indikation gemacht.
Re bau di teilt mit, daß bei einer von schwerer Osteo-
malacie befallenen, mittels hypodermatiseher Einspritzungen von
Adrenalinlösung 1: 1000 geheilten Frau weitere Schwangerschaft
eintrat, ohne daß sich subjektive oder objektive, auf das osteo
malacische Syndrom zu beziehende Störungen einstellten. Es
kann behauptet werden, daß das Adrenalin, wenn auch, nicht
in allen Fällen, so doch in .einigen, prophylaktisch in aus,'-,
gezeichneter Weise wirkt, da es den osteomalacischen Störungen
vorbeugt, welche sich in nachfolgenden Schwangerschaften all¬
mählich verhängnisvoll steigern würden.
Stefanelli und Le vi rekurrieren bei der Osteomalacie
wieder auf die infektiöse Ursache. Sie untersuchten zwei Fälle.
Die eine Frau war in elendem Zustande und starb nach
14 Tagen. Die zweite war mit Phosphorkalk und Eisenarsenik
behandelt worden und wurde geheilt entlassen. Im ersten Falle
konnte man aus dem Blute einen Mikroorganismus züchten,
nicht aber aus der Cerebrospinalflüssigkeit. Bei der Seklion
züchtete man aus allen Organen einen Diplokokkus und über¬
trug ihn auf Tiere, welche auch Krankheitssymptome, nicht aber
solche der Knochen aufwiesen. Auch im zweiten Falle ließ
sich aus dem Blute ein Diplokokkus züchten, doch mißlangen
Impf versuche.
Eine Patientin Cramers war im 8. Monat der Schwanger¬
schaft unfähig zu gehen. Nach der Geburt trat Besserung auf,
nach einem Jahr wieder Verschlechterung. Insbesondere, bei
jeder Menstruation. Die Verschlechterung wurde noch ärger zu
UNIVERSIT
I
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 9
136
Beginn einer neuerlichen Schwangerschaft. Es wurde deshalb
Kastration in der 7. Woche ausgeführt. Hierauf verschwanden
die Beschwerden und die-Schwangerschaft verlief ungestört. Da
die Geburt auf natürlichem Wege unmöglich war, führte C.
nach dem suprasymphysären Fasciennquerschnitt den transperi¬
tonealen Kaiserschnitt mit Amputation des Uterus aus. Be¬
merkenswert ist, daß erst vier Wochen nach dem Partus die
ersten Ausfallserscheinungen auftraten. Nach C. ist die Osteo-
malacie eine Stoffwechselerkrankung. Das Ovarium tritt zu
dieser Erkrankung insofern in Beziehung, als es physiologischer¬
weise einen erheblichen Einfluß auf das Knochenwachstum und
den Knochenstoffwechsel besitzt.
Himmel bau er berichtet von einer bis dahin immer ge¬
sunden Frau, welche im 5. Monat der 7. Schwangerschaft an einer
akuten Exazerbation einer chronischen Nephritis erkrankte.
Unter urämischen Erscheinungen trat plötzlich vollkommene
Amaurose ein, nachdem schon seit mehreren Tagen das Seh¬
vermögen sich progredient verschlechtert hatte. Neben hoch¬
gradiger Papilloretinitis und retinaler Hämorrhagic fand sich
eine bedeutende Netzhautabhebung. Es wurde der Abort ein-
geleitet. Die. Ablatio retinae kehrte fast völlig zurück, doch
blieb die totale Erblindung bestehen, da Opticusatrophie ein¬
trat. H. ist der Ansicht, daß eine Retention der Schwanger¬
schaftstoxine durch die gestörte Nierenfunktion und überdies
das Hinzukommen urämischer Stoffe ganz besonders deletär
wirken. Unverständlich bleibt, warum nach Elimination der
toxischen Schwangerschaftsprodukte und Besserung der Funk¬
tion, kein Einfluß auf das Sehvermögen zu erzielen war. Durch
das Auftreten eines Hydrocephalus internus wurde ein Druck
auf das Ohiasma ausgeübt, der dann auch die Atrophie
bedingte.
Literatur.
1. Fo ulkrod: Schwangerschaftstoxämie. Journ. of Aine.r.
Assoe., 1909, 6.
2. Diesing: Das Wesen der Schwangerschaftsbesehwerden
und ihre Verhütung. Monatsschr. f. Geburtsh., 1909, 5.
3. A. B. Olive au: Studie über die Steigerung des Blut¬
druckes bei albuminurischen Schwangeren. Inaug.-Diss., Bor¬
deaux 1908.
4. . J. C. Wygodsky: Zur Aetiologie der Hypercmesis
gravidarum. Journal f. Geburtsh., 1908, 12.
5. Th. Alexandr of f: Ein Fall von Hypercmesis gravi¬
darum kompliziert mit einer K orsakoff sehen Psychose.
Monatsschr. f. Geburtsh., November 1908.
6. J. All mann: Zur Frage der Graviditätsmyelitis':
Inaug.-Diss., Kiel 1909.
7. M. Reichenstein: Glykosurie und Schwangerschaft.
Wiener klin. Wochenschr., 1909, 42.
8. J. W. Williams: Die klinische Bedeutung der Gly¬
kosurie während der Schwangerschaft. Am. Journ. med. Scienc.
Philadelphiae, 1909, 1.
9. O. O. F e 11 n e r: Menstruelle Leberhyperämie — Schwan¬
gerschaftsleber. Med. Klinik, 1909, 2.
10. F. Durst: Sectio caesarea nach Porro wegen Osteo-
malacie. Lieusicki viestnik, 1908, 5.
11. L. M. Monin: Sechs Fälle von Osteomalacie. Journ. f.
Geburtsh., 1908, 12.
12. R« bau di: Erfolg des ersten, mit der Methode Bossi
behandelten Falles von Osteomalacie. Gynäk. Rundschau,
1909, 11.
13. P. Stefanelli und R. Levi: Beitrag zur Kenntnis
der menschlichen Osteomalacie. Rev. di clin. med., 1908.
14. H. Gramer: Ovarium und Osteomalacie. Münchener
med. Wochenschr., 1909, 15.
15. K. H i m m e 1 b a u e r: Ueber Amaurose in der
Schwangerschaft. Münchener med. Wochenschr., 1909, 42.
Chirurgie.
Referent: Dr. K. Förstorling’, dirig. Arzt des Krankenhauses,
Mörs.
1. Zur Frage der Trepanation bei Schädelbasisbrüchen. Von
Dr. Luxemburg, Cöln. Deutsche Zeitsehr. für Chirurgie.
Bd. 101, S. 177.
2. Ein Beitrag zur Lehre vom subkutanen Intestinal¬
prolaps. Von Dr. Es au, Oschersleben. Ibid., S. 187.
3. Die operative Behandlung der Pseudarthrose nach Frak¬
turen. Von Dr. C reihe, Göttingen. Ibid., S. 2(57.
4. Beitrag zur Kenntnis der menschlichen Aktinomykose.
Von Prof. Dr. Shiota, Tokio. Ibid., S. 289.
5. Ligamentum mesenterio-mesencolicum und Ileus. Von
Prof. Neumann, Berlin. Ibid., S. 402.
6. Chirurgische Tuberkulose der Mesenterial- und Bronchial-
drüsen. Von Dr. T hiemann, Jena. Langenbecks Archiv,
Bd. 91, S. 245.
7. Beiderseitiger Spaltfuß und Spalthand, kombiniert mit
partiellem rechtsseitigen Rektor alisdefekt. Von Dr. Orth,
Ensheim. Ibid., S. 282.
8. Zur Frage der operativen Behandlung der Lungenver-
ietzungen. Von Dr. v. Möller, Berlin. Ibid., S. 295.
1. Auf englische Empfehlungen hin ist in der Barden-
h e u e r sehen Klinik im letzten Jahre fünfmal bei Basis¬
frakturen mit gutem Erfolge trepaniert werden. In allen Fällen
gute Resultate. Auffallend war die sehr schnelle Besserung
unmittelbar nach dem Eingriff, obwohl meist einige Tage vor¬
her vergeblich darauf gewartet war. In vier Fällen fanden
sich Blutungen sub- oder epidural. — Es wird deshalb emp¬
fohlen, bei Basisfrakturen mit Hirndrucksymptomen zu trepa¬
nieren. Als Ort der Wahl dient die motorische Region.
2. Nach einem heftigen Stoß gegen den Leib fand s*ich
eine Vorwölbung in der rechten Seite an der Stelle des
Traumas. Die Operation zeigte, daß sämtliche Schichten der
Bauchdecke, mit Ausnahme der unverletzten Haut, durchtrennt
waren und daß sich in einer unter der Haut gelegenen Tasche
Darm und Netz gefunden hatte. Baucheingeweide waren unver¬
letzt geblieben. — Glatte Heilung nacht schichtweise r Naht der
Bauchdecken.
3. An der Braun sehen Klinik ist bei Pseudarthrosen,
resp. verzögerter Konsolidierung, noch häufig die alte
Dieffenbach sehe Methode des q u e r e n Eintrei bens von
Elfenbeinstiften in die Frakturenden angewendet worden. Die
Resultate sind hiernach zum Teil besser gewesen als nach An¬
frischung und Naht. Inwiefern diese Erfolge der Methode zur
Last zu legen sind, läßt sich nur schwer entscheiden. Jedenfalls,
scheinen nach den Krankengeschichten die angefrischten Fälle
durchschnittlich die ungünstigeren gewesen zu sein, während die
D ie f f en ba chsche Methode, weil ein einfacherer Eingriff
auch schon in solchen Fällen angewendet wurde, wo vielleicht
ohne denselben Konsolidation noch eingetreten wäre. Vcrf. zieht
auch selbst nur vorsichtige Schlüsse aus dem Material.
4. Sehr ausführliche Arbeit, die von sehr fleißigem
Literaturstudium zeugt. — Die Gesichts- und Halsakfinomykose
ist gutartig und zeigt große Tendenz zur Heilung. Es ist nur
empfehlenswert, Abszesse zu spalten und auszukratzen. Radikale
Entfernung im Gesunden wird nur gemacht bei kleinen, leichi
zu beseitigenden Geschwülsten. Die Brustaktinomykose ist pro¬
gnostisch schlechter. Es sind aber auch hier operative Ma߬
nahmen, wie Rippenresektion, Spaltungen und Auskratzungen
durchaus angebracht, da hierdurch event. Rettung des Lebens
möglich ist. Interne Therapie ist nutzlos. - Am Unterleib loka¬
lisiert sich die Erkrankung am häufigsten in der Blinddarm-
gogend, kann aber auch an allen Teilen und Organen des
Bauches Vorkommen. Diagnose meist schwer im Anfang zu
stellen. Bei zirkumskripter Erkrankung ist Exstirpation event.
mit Darmresektion zu empfehlen. Sonst Inzision und Aus¬
kratzung. Uebertragungsversuch? auf Kaninchen ergaben, daß
die Pilze lange lebensfähig bleiben, aber keinen progredienten
Prozeß erzeugen. — Bakteriologische Untersuchungen ergaben,
daß bei menschlicher Aktiuomykose mindestens zwei Spezies
in Betracht kommen, deren Virulenz sehr verschieden ist, ebenso
wie die. geographisch? Verbreitung. — Literaturverzeichnis von
245 Nummern.
5. Bisweilen wird eine mehr oder weniger vorspringende
Bayichfellfalte beobachtet, die vom unteren Teile der Flexurn.
sigmoidea schräg nach oben innen zum Mesenterium verläuft,
das Ligament, mesenterio-mesencolicum (G r u b c r). Ueber
dieses Band war infolge starker Füllung der Flexur der unterste
Teil des Dünndarms abgeknickt und so ein Ileus hervorgerufen
worden. Operation brachte Heilung.
ß. Die isolierte Tuberkulose der Mesenterialdrüsen ist bisher,
nur selten Gegenstand operativer Behandlung gewesen. T. gibt
neben 15 Fällen aus der Literatur 11 eigene bekannt. Die Dia¬
gnose ist sehr schwer zu stellen, vor der Operation oft unmöglich.
Meist bestehen schon länger Beschwerden, hohe Temperaturen,
häufig auch intensive Schmerzanfälle mit Erbrechen und hohem
\
1910 THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU. 187
Fieber. Fühlbare Tumoren oder auch der Verdacht der Appen¬
dizitis führen zur Operation, zumal sich die Krankheit .meist
in der rechten Unterbaucjiseite lokalisiert. — Man versuche, die
Drüsen zu exstirpieren; Abszesse werden drainiert. — Die
Prognose ist (bei frühzeitiger Behandlung gut (15,4°/o Mortalität).
Es wird weiter ein altes tuberkulöses Einpyema pleurae be¬
schrieben, das erst nach Entfernung einer verkästen Hilus-
drüse, zu der die Fistel führte, ausheilte.
7. Die Beschreibung ist fast vollständig in der Ueberschrift
enthalten. Unter Zuhilfenahme der Röntgenbilder kommt Verf.
zu dem Schluß, daß sowohl exogene wie endogene EntstehungS-
ursachen vorhanden gewesen. Beachtenswert ist, daß sowohl
bei diesem Kinde, wie dem zuvor geborenen, Plazentarlösungen
erforderlich waren und daß die Mutter zweimal danach abortiert
hat. Es spricht das für Erkrankungen der Uterusschleimhaut,
die vielleicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Mi߬
bildung stehen.
(S. Es ist höchst erfreulich, daß von so berufener Seite,
wie Körte, vor der Befolgung des S tu key sehen Rates, bei
allen Stichverletzungen der Lunge Men Thorax breit zu er¬
öffnen, nach der Lungenwunde zu suchen und diese zu nähen,
gewarnt wird. Ref. hat seinerzeit im Referat (diese Zeitschr.*
1909, S. 849) sich schon dahin ausgesprochen. Die statistische
Zusammenstellung ergibt einwandfrei, daß ohne Operation die
Resultate Ungleich besser sind (0°/o: 36°/o Mortalität). Es mag
hier ja ein Zufall mitspielen; aber unter den S tu ckey sehen
Fällen sind mehrere, die nach der Beschreibung ohne Operation
nicht gestorben wären. Der sofortige operative Eingriff
bei Bruststichen ist nach Verf. indiziert
I. bei sehr schwerer primärer Blutung,
II. andauernder und wiederholter Blutung,
III. schwerem Pneumothorax und Zellgewehsemphysem,
IV. sekundärem Pneumothorax.
Diesen Forderungen kann man sich nur voll und ganz an¬
schließen.
Orthopädie.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lehr, Stuttgart.
1. Ueber Operationen bei habitueller Luxation der Knie¬
scheibe. Von Dozent Dr. Hübscher, Basel. Zeitschr. für
orth. Chir., Bd. 24, Heft 1 u. 2.
2. Zwei Fälle von angeborener Fingergelenksankylose, zu¬
gleich ein Beitrag zur Kenntnis der seltenen Spaltbildungen
der Hand. Von Priv.-Doz. Dr. Hilgenreiner, Prag. Ibid.
8. Zur Kasuistik und Aetiologie der angeborenen Ver¬
wachsung der Vorderarmknochen in ihrem proximalen Ab¬
schnitte. Von Prof. Dr. Lieb lein, Prag. Ibid.
4. Das Hüftschaukelscharnier. Von Prof. Dr. Vulpius,
Heidelberg. Ibid.
5. Zur orthopädischen Chirurgie des veralteten Klump¬
fußes. Von Dr. v. d. Osten - Sacken, Petersburg. Ibid.
6. Ueber Wirbelsäulenverletzungen durch Betriebsunfall.
Von Dr. R e d a r d , Paris. Ibid.
7. Die nervösen Folgeerscheinungen der einseitigen und
doppelseitigen Ischiadikusdehnung. Experimentelle und klinische
Studie. Von Dr. Neri, Bologna. Ibid.
8. Klinodaktylie und Störung des Knochenwachstums. Von
Dr. Bibergeil, Berlin. Ibid.
1. Zusammenstellung der zahlreichen Operationsmethoden
unter Hinzufügen einer eigenen, die darin besteht, daß durch
Abspalten eines inneren Drittels des Lig. patellare ein Zügel
erhalten wird, an dem sich die nach oben und außen verirrte
Patella wieder in ihre Gleitbahn herabführen läßt. Das Ende
dieses Zügels wird unter einer Beriostbrücke an der inneren
Tibiafläche befestigt. Das horizontale Halteband der Kniescheibe
wird auf der Innenseite verkürzt.
2. Mitteilung zweier Fälle von angeborener Gelenksankylose
im ersten Interphalangealgelenk des Kleinfingers beiderseits bei
Mutter und neugeborenem Kind, mit je einer Mißbildung am
ulnaren Rande der einen Hand (Spaltbildung an der rechten
Hand der Mutter, überzähliger Kleinfinger an der linken Hand
des Kindes). Kritische Zusammenstellung der Literatur. Die
Prognose Her Behandlung muß immer zweifelhaft gestellt
werden.
3. Erklärung der Mißbildung durch eine Störung bestimmter
Entwickluugsvorgänge, deren Ursache im Fötus selbst gelegen
UNIVERSITY OF MICHIGAN
und vererbbar ist. Operatives Eingreifen liefert nur mangelhafte
Resultate, dagegen wird die fehlende Rotationsfähigkeit des
Vorderarmes um seine Längsachse durch Rotation im Schulter¬
gelenke teilweise ausgeglichen.
4. Beschreibung eines neuen kombinierten Hüftscharniers,
das durch Abbildungen illustriert wird.
5. Empfehlung eines Pelottenhebels als Hilfsmittel des
Klumpfußredressements bei Kindern und Erwachsenen. Das
Redressement selbst soll in mehreren Etappen schonend vor¬
genommen werden.
6. Kranke, mit einer Rückenmarksverletzung, die stets
eine Knochenläsion voraussetzt, werden nur ausnahmsweise ohne
dauernde funktionelle Störungen gesund. In anderen Fällen
scheinen die anatomischen Verletzungen zunächst äußerst gering
zu sein und dennoch zeigen sich später funktionelle Störungen,
wie Neuralgien, Kontrakturen und Bewegungseinschränkung,
die die Erwerbsfähigkeit herabsetzen. Von den traumatischen
Spätdeformitäten der Wirbel stellt der Verf. die meisten Fälle
Kümmellscher Krankheit als Fälle von Ala 1 um Pottii mit
ziemlich langsamem Verlauf hin, eine Annahme, die eine latente
Tuberkulose der Verletzten zur Voraussetzung hat. Uystoro-
traumatische Wirbelerkrankungen sind zwar sehr selten, kommen
aber doch in Ausnahmefällen zweifellos vor.
Die Röntgenaufnahme ist zur Diagnose bei allen Patienten
mit Rückgratverletzungen unerläßlich.
7. Sowohl das Tierexperiment als die Beobachtung am
Krankenbett zeigen, daß die gleichzeitige Dehnung beider Nervi
ischiadici ein Eingriff ist, der zu schweren cerebralen Reiz-
crscheinungen führen kann. So hat Verf. schwere klonische
Krämpfe wiederholt beobachtet, bei hereditär neuropathisch be¬
lasteten Kindern, nach gleichzeitig vorgenommener Einrenkung
beider Hüften wegen angeborener Hüftluxation. Ein letaler
Ausgang war [nicht fcu beklagen, weil bei den ersten Andeutungen
dieser Cerebralerscheinungen die Gipsverbände entfernt wurden.
Bei der Korrektion von Deformitäten bei Kindern mit neuropa¬
thisch hereditärer Belastung muß man schrittweise und mit
großer Vorsicht arbeiten, um solche schweren Folgezustände
zu verhüten.
8. Beschreibung eines Falles von lateraler Klinodaktylie,
der deshalb besonderes Interesse beansprucht, weil der später
abgesetzte Finger histologisch untersucht werden konnte. Es
zeigte sich, daß die Phalangen des daumenwärts abgewichenen
vierten Fingers eines 14 Monate alten Kindes bereits vollständig
entwickelte Epiphysen besaß. Im übrigen handelte es sich um
normalen Knochen, der nur in seiner Entwicklung dem übrigen
Skelettsy&tem weit voraus war.
Neurologie und Psychiatric.
Referent: Irrenarzt Dr. Wern. H. Becker, Weilmiinster.
1. Ueber spinale Kinderlähmung. Von Oberarzt Dr.
Eichelberg, Göttingen. Deutsche med. Woclienschr., 1910,
Nr. 3.
2. Psychoanalyse bei einer melancholischen Depression.
Von Dr. Mae der, Zürich. Zentralblatt für Nervcnheilk. u.
Psychiatrie, N. F., zweites Januarheft, 1910, Bd. 21.
3. Beitrag zur Lehre von der Herzneurose (Angstneurose).
Von Dr. Wulff, Berlin. Deutsche med. Wochenschr., 1910,
Nr. 2.
4. Ueber Dementia praecox auf dem Boden der Imbe¬
zillität. Von Dr. Plaskuda, Lübben N.-L. Allgem. Zeit¬
schrift für Psychiatrie, 1910, Bd. 67, H. 1.
5. Trauma, Dementia paralytica und Unfallrente. Von
Aledizinalrat Dr. Gerlach, Königslutter. Allgem. Zeitschr.
für Psychiatrie, 1910, Bd. 67, H. 1.
6. Zur Pathologie und Therapie des Stotterns. Von Dr.
S t c i n h ar d t, Nürnberg” Deutsche Aerzteztg., 1910, H. 1.
7. Zur Frage der Permeabilität der Meningen. Von Dr.
Kafka, Prag. Mediz. Klinik, 1910, Nr. 2.
1. Die im Jahre 1909 auch die südlichen Kreise der Pro¬
vinz Hannover durchziehende Epidemie spinaler Kinderlähmung
hat dem Verfasser Gelegenheit geboten, an dem die Göttinger
psychiatrische und Nervenklinik passiert habenden Kranken-
material diese Krankheit näher zu studieren. Er gibt seine
gesammelten Erfahrungen wieder: In der einen Hälfte der
Erkrankungen begann dieselbe mit Magen-Darmerscheinungen,
in der anderen mit einer Affektion der Luftwege. Prodromal-
3AN
■iH
138
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 9
erscheinu»gen waren Hyperästhesie des ganzen Körpers und
weinerliche Stimmung;. Auf das zuerst erscheinende fieberhafte
Stadium folgte das der Lähmung. Die Spinalflüssigkeit zeigte
nur im erstgenannten Stadium Drucksteigerung und Lympho¬
zytenvermehrung, nachher fast immer wieder völlig normale
Verhältnisse. Da unter den 34 Krankheitsfällen 5 Schuster -
kinder waren, alle Kinder nachweislich längere Zeit mit dem
Erdboden in Berührung gekommen wa^en, so spricht Verfasser
den Verdacht aus, daß die Infektionsübertragung durch die
Erde die gewöhnliche Uebertragungsart sei. Als Inkubations¬
zeit nimmt E. .10 bis 11 Tage an. Zum Schluß folgen noch
einige Vorschläge sanitätspolizeilicher Art, vor allem der der
obligatorischen Anzeigepflicht der Krankheit seitens der be¬
handelnden Aerzte.
Soweit die recht interessanten Ausführungen E.s, die der
Praktiker vielleicht ganz gern noch um einige prognostische
(quoad Lähmungen besonders!) und therapeutische Winke er¬
gänzt gesehen hätte.
2. Darlegung eines Einzelfalles. Ein psychopathisch be¬
lasteter Landwirt hat stets etwas ,,Feminines“ gehabt, es fehlt
eine starke Lustbetonung im heterosexuellen Verkehr, besteht,
eine leicht homosexuelle Anlage, ohne daß es zu Exzessen
in der Beziehung gekommen wäre. Von Jugend auf ist er
stark abhängig gewesen von einem energischen Vater, einem
herrschsüchtigen älteren Bruder, nachher einem mißtrauischen,
die Zügel der Gutsgewalt mit Zähigkeit festhaltenden Schwieger¬
vater. Nach des letzteren Tode war Patient plötzlich Allein¬
herrscher auf seinem Besitztum und konnte sich in diese Rolle
nicht hineinfinden, hatte das Befehlen nicht gelernt. Gleich¬
zeitig entfremdete er sich, wie er nach mehreren psychoanalyti¬
schen Sitzungen zugab, seiner Frau, fing an, „wie Bruder und
Schwester zu leben“ und Masturbation zu treiben. Dann setzte
die in Rede stehende Depression ein, die in der Diagnose der
Züricher psychiatrischen Klinik als ,,melancholische Depression
(wahrscheinlich beim manisch-depressiven Irresein'“ gedeutet
wurde. Die Heilung war ersichtlich eine Folge der psycho¬
therapeutischen Sitzungen, in denen Patient eine deutliche zu¬
nehmende Erleichterung empfand, in denen ihm vom Verfasser
das teilweise Ungerechte der Vorwürfe gegen seine Frau vor-
gehalten und die Wiederaufnahme eines Ehrenamts in seiner
heimatlichen Kommune zur Stärkung des Selbstbewußtsein u. a.
anempfohlen wurde.
3. Der Aufsatz erzählt die Krankengeschichte eines
38 jährigen Mannes, .der ohne organisches Grundleiden über
Herzbeschwerden und Impotenz klagte. Es stellte sich heraus,
daß der früh zur Masturbation gelangte dadurch und durch
äußere Umstände dem Handschuhfetischismus in die Arme ge¬
triebene, später psychisch impotent und Neurotiker gewordene,
körperlich gesunde Patient durch die unbedachte Aeußerung
eines Arztes zu dem schwer zu erschütternden Glauben an
einen bestehenden Herzfehler gekommen war, der ihn von einem
Arzt zum anderen jagte. Warme Bäder mit zweckmäßigem
Zusatz und Psychotherapie im Sinne Freuds schafften während
12 tägiger Behandlung im „Kurhaus Langwitz“ eine wesent¬
liche Besserung.
Im ganzen kein sehr ungewöhnlicher Fall, der dem
Nervenarzt kaum etwas Neues bietet. Aber lehrreich bleiben
solche Fälle immer für den Praktiker, der stets seine Wortq
wägen soll und niemals vergessen darf, bei neuen Fällen die
Neurose differentialdiagnostisch ins Auge zu fassen. Von diesem
Standpunkte aus ist es nur zu empfehlen, den Artikel auch
im Original zu lesen.
4. Unter 100 Fällen von Dementia praecox auf der Frauen-
scite der Idiotenanstalt Liibben findet Verfasser 15 Fälle, aus
deren Anamnese mit ziemlicher Sicherheit der Schluß auf an¬
geborene Imbezillität gerechtfertigt erscheint. ‘Acht der wieder -
gegebenen Fälle gehörten der hebephrenischen und sechs der
katatonischen Form an, während in einem Fall die spezielle
Diagnose zweifelhaft war. Alles waren abgelaufene Fälle, End¬
stadien. Im Gegensatz zu Kraepelin, der in diesen Fällen
eine bereits in der Kindheit beginnende Erkrankung an Dementis
praecox annimmt, stellt Verfasser sich auf den Standpunkt
W e y g a n d t s , Jahrmärkers und Bleulers, nämlich den
der „Pfropfhebephrenie“, wo also die imbezille Veranlagung
lediglich die Bedeutung einer psychopathischen Anlage überhaupt
hat. Die auf dem Boden des Schwachsinns entstandene Dementia
praecox zeigt keine charakteristischen Eigentümlichkeiten im
Verlauf und Ausgang, nur ist der Verlauf ausnahmslos ein
JNIVERSITY OF MICHIGAN
schwerer. Diese Sondergruppe der Dementia praecox hat mit
den Frühformen des Jugendirreseins nichts zu tun.
Die Zukunft der psychiatrischen Wissenschaft wird lehren,
ob sich die letztgenannten Thesen des Verfassers sämtlich
werden halten lassen.
5. Von dem Chefarzt der braunschweigischen Landesirrem-
anstalt werden uns 7 Paralysefälle vorgeführt und im An¬
schluß daran der Zusammenhang mit dein in 4 Fällen psychi¬
schen, in 3 Fällen körperlichen Trauma erörtert. In der ersten
Patientengruppe fallen Trauma und Ausbruch der Paralyse zeit¬
lich zusammen, in der zweiten liegen zwischen dem ersteren
und dem Ausbruch der Paralyse mehrere Monate, im Fall 7
sogar mehrere Jahre. Der Verfasser kommt zu folgendem Er¬
gebnis: Eine Paralyse, die in voller Entwicklung unmittelbar
auf ein Trauma folgt, ist stets, auch wenn an dem Verletzten
vor dem Trauma keinerlei Gesundheitsstörungen bemerkt
wurden, die plötzliche Verschlimmerung einer schon vor dem
Trauma vorhandenen Paralyse. In Fällen, wie denen der
Gruppe II, ist die Möglichkeit, daß der paralytische Krankheits¬
prozeß erst durch das Trauma ausgelöst wurde, nach dem
heutigen Stande der Psychiatrie wenigstens noch nicht ganz
auszuschließen. Zur Begründung von Rentenansprüchen ist der
Nachweis notwendig, daß das Trauma für diese Schädigung der
Gesundheit und Erwerbsfähigkeit eine ins Gewicht fallende,
mitwirkende Ursache gewesen ist.
6. Das Stottern ist das augenfälligste Symptom einer
allgemeinen Nervosität und besteht in tonischen Krämpfen der
Muskelgruppen, die die Atmung, die Phonation oder die Artiku¬
lation besorgen. Das Sprechunvermögen bei gewissen Buch¬
staben ist nicht etwa anatomisch begründet, sondern beruht
auf diesen neurotisch ausgelösten, psychisch bedingten Krämpfen;
daher seine Aehnlichkeit mit Agoraphobie und anderen Phobien.
Die angestrengtesten Versuche des Stotterers, über die für ihn
gefährlichen Klippen 1 beim Sprechen hinwegzukommen und die
dadurch hervorgerufene Lachlust der Umgebung verstärken nur
noch das Uebel. Den Eltern stotternder Kinder ist in erster
Linie anzuraten, nicht etwa mit Strenge vorzugehen. „Die Ab¬
lenkung der Gedanken, der Aufmerksamkeit vom mechanischen
Sprechvorgang“ ist der wichtigste Faktor sowohl für die Pro¬
phylaxe als auch für die Therapie, die erstens in einer zweck¬
mäßigen Regulierung der In- und Exspirationen beim Sprechen
und andererseits in der Stärkung des Selbstvertrauens des Pat.
besteht. Mit dieser Psychotherapie muß eine Allgemeinbehand¬
lung und Roborierung des Nervensystems einhergehen.
Der Ansicht verschiedener namhafter Psychiater (Hegar,
Cramer, Pick u. a.), daß der Stotterer fast stets ein.
Degenerierter sei oder daß Stottern wenigstens als Degene¬
rationszeichen aufgefaßt zu werden verdiene, scheint Verfasser
demnach nicht beizutreten. Immerhin hätte Referent in dieser
längeren Spezialabhandlung ganz gern einen Hinweis auf eine
derartige herrschende gegenteilige Meinung wenigstens erwähnt
gesehen.
7. Zur Klärung der Frage, was an vom Blut gebil¬
deten Antikörpern in den Liquor cerebrospinalis übergehe,
wurden an der psychiatrischen Universitätsklinik zu Prag unter
Unterstützung seitens des hygienischen Institutes folgende Ver¬
suche gemacht: Bei 5 ausgesprochenen Fällen von Paralyse
und 5 sicher luesfreien Fällen von Dementia praecox wurden
dreimal — im ganzen 4 ccm — Injektionen „von der mit
Karbol versetzten, sicher abgetöteten Aufschwemmung eines
Vibrios“ (Agarkultur) unter die Brusthaut vorgenommen. Zehn
Tage nach der letzten Injektion wurden Liquor und Blut ent¬
nommen und mit diesen beiden Flüssigkeiten Komplement-
bindungs- und Agglutionationsversuchc angestellt. Resultat: die
verhältnismäßig grobe Methode der Komplementbindung zeigte
im Blute nur in 3 Fällen Antikörper, von denen 2 Paralysen,
1 eine Nichtparalyse war, im Liquor nie; der Agglutina¬
tionsversuch aber wies sie im Blute überall nach, im Liquor
nie. Verfasser zieht daraus, wohl mit einigem Recht, den
Schluß, daß die Permeabilität der Meningen bei der Paralyse
nicht wesentlich erhöht scheint, und daß der bei Paralytikern
so häufig zu findende positive Ausfall der Wassermann-
sehen Reaktion wohl auf der lange Zeit dauernden Ueber-
produktion von Antikörpern, ferner auf der Summierung der
stets nur ganz geringen Mengen von hindurchgetretenen Stoffen
beruhe.
UNI\
OF MICHIGAN
I
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
139
Radiologie.
Referent: Dr. H. E. Schmidt, Berlin.
1. Eine Methode zur wesentlichen Vereinfachung und Ver¬
billigung der Radiographie. Von Dr. Franz Kroneckcr,
Berlin. ,Med. Klinik, 1910, Nr. 4.
2. Zur Diagnostik von Schulterverletzungen durch die
Röntgenaufnahme von oben. Von Dr. A. Pfister, Königs¬
berg’. Med. Klinik, 1910, Nr. 5.
H. Die Röntgendiagnostik der Lungenkrankheiten. Von Prof.
11 a n s A r n s p e r ge r , Heidelberg. Reichs-Medizinal-Anzeiger,
1910, Nr. 1.
I. Der Verfasser empfiehlt ein von der Firma Stolze &
( o., Charlottenburg A\ estend, Kirschenalle© 19—21, hergestelltes
Bromsilberpapicr als Ersatz für die Platten, wenn es sich um
An 1 nahme der Knochen und Gelenke von Extremi-
t ä t e n Erwach s e n e r oder um nicht zu s t a r k e K i n -
d e r handelt, Schädel, Rumpf, Schulter und Becken Erwachsener
geben zwar auch recht gute Bilder, stehen aber an Schärfe und
Deutlichkeit den Plattenradiogrammen nach. Die Aufnahmen
werden ohne Verstärkungsschirm gemacht, die Expositionszeit
ist kaum größer als bei der Platte, die Technik wesentlich ein¬
facher und der Preis erheblich niedriger.
Eine Fläche Röntgenpapier kostet nur ein Drittel soviel
wie eine Platte, gleicher Größe. Vervielfältigung ist allerdings
nicht möglich, doch kann man zwei fesp. drei Papierflächen
übereinander gelegt belichten und erhält dann zwei resp. drei
fast gleich gute Bilder.
2. Schilderung eines Falles von Schulterverletzung, in
welchem die Röntgen-Aufnahme von vorn keine Fraktur oder
Luxation ergab, während die Aufnahme von oben nach unten
(Film in der Achselhöhle) zeigte, daß in der Tat nicht nur eine
Luxation des Humerus nach hinten, sondern auch eine Fraktur
des Humeruskopfes vorlag.
3. Der Verfasser gibt in kurzer, zusammenfassender und
trotzdem sehr anschaulicher Darstellung eine Schilderung der für
die Deutung der Röntgenbilder, besonders bei der Lungentuber¬
kulose, wichtigen Punkte. Die Arbeit ist zu kurzem Referat
nicht geeignet, und Interessenten müssen auf das Original ver¬
wiesen werden.
Nahrungs- und Genußmittel.
Von Prof. Dr. med. Winckler, Bad Nenndorf.
Eier.
Idiosynkrasie gegen Eier-Eiweiß. Von Dr. Schönherr,
Schreiberhau. Fortschritte der Medizin, 1910, Nr. 3.
Sch. berichtet über einen Fall von Zootrophotoxismus,
indem ein 56 jähriger Arzt, der in seiner Jugend wegen einer
Lungenspitzenaffektion jahrelang reichlich Hühnereier gegessen
und infolgedessen einen Ekel vor diesem Nahrungsmittel be¬
kommen hatte, regelmäßig erkrankte, sobald nur die geringste
Spur von Eiereiweiß in seinen Magen gelangte. Diesmal hatte
er von einer mit Eiweiß zubereiteten süßen Nachspeise gegessen
und sich dadurch Erscheinungen einer schweren gastrointesti¬
nalen Autointoxikation zugezogen: Speichelfluß, Uebelkeit, Er¬
brechen, Stuhldrang, Kälte der Haut, Benommenheit, Herz¬
klopfen. Der Betroffene war nicht etwa magenleidend, hatte
überhaupt kein örtliches Leiden, sondern war nur wegen Ab¬
magerung und Schlaflosigkeit ins Sanatorium eingetreten. Der
I rin war' normal. Die Intoleranz dieses Arztes gegen Eier¬
eiweiß ging soweit, daß sogar der Zusatz von etwas Eiweiß
zur Glasur einer sonst eiweißfreien süßen Speise ihn krank
machte.
Milch.
Darf man einen dreiprozentigen Fettgehalt der Kuhmilch
verlangen?
Der „Verein der nach Leipzig liefernden Milch! -
Produzenten zu Leipzig“ hielt am 12. Februar d. J. im Eta¬
blissement ,,Sanssouci“ eine Generalversammlung ab, die sich
zu einer Protestversammlung gestaltete, wodurch der Rat der
Stadt Leipzig zur Aenderung seiner Milchregulative veranlaßt
werden sollte. Es paßt den Milchlieferanten nicht mehr, daß
der Rat einen dreiprozentigen Fettgehalt der Vollmilch
fordert; sic beabsichtigen sogar, eine Klage beim Oberver¬
waltungsgericht anzustrengen, um eine Herabsetzung des Mini¬
malfettgehaltes auf 2,7 oder 2,8% zu bewirken. Der Verein
hatte einen Redner aufgestellt, Geh. Rat Professor Dr.
Kirchner, der sich die größte Mühe gab, für die Inter¬
essen der Milchviehbesitzer zu plädieren. Er behauptete, da
die Milch ein Naturprodukt wechselnden Gehaltes sei, könne
man gar nicht bestimmen, welches der richtige Fettgehalt sei:
jede Normierung sei willkürlich. Prof. »Schloß m a n n habe
ermittelt, daß in 200 Städten, die einen bestimmten Fettgehalt
der Vollmilch verlangen, dieser Gehalt von 2,3 bis 3,2%
schwanke. Einige große Städte, wie München, Nürnberg und
Wiesbaden, kämen ganz gut ohne solche Vorschrift aus! —
Wir hoffen, daß der Rat der Stadt Leipzig an seiner vernünftigen
und maßvollen Vorschrift festhalten werde. Das Kaiserliche
Gesundheitsamt in Berlin sagt in seinem ,,Milch -Merkblatt“,
daß der Fettgehalt der Vollmilch, die als Gemisch der Milch Ver¬
schiedener Kühe in den Handel komme, in der Regel zwischen
2,7 und 4,3% betrage. Folglich ist die Vorschrift
von drei Pro&ent sehr tief gegriffen und steht
dem Minimum nahe! Daß es den Milchlieferanten er¬
wünscht wäre, fettarme Milch als Vollmilch verkaufen zu dürfen,
ist begreiflich. Allein das Publikum bedarf, doch eines gewissen
Schutzes, wenn nicht der Milchpantscherei Tür und Tor ge¬
öffnet werden soll. Es steht den Milchlieferanten ja frei, minder¬
wertige Milch als „Magermilch“ zu verkaufen! Unter diesem
Namen kommt die bei der Butterbereitung zurückgebliebene.
Milch auf den Markt; diese, nur J A% Fett oder noch weniger
enthaltend, ist, wie das Kaiserliche Gesundheitsamt erklärt,
„für die Säuglingsernährung wegen des geringen Fettgehalts
ungeeignet“. Im Interesse der Säuglinge und überhaupt der
Kinder dürfen die gesundheitepolizeilichen Anforderungen an
den Milchhandel nicht allzusehr ermäßigt werden. Gerade in
Leipzig sind strenge Vorschriften vonnöten. Wir erinnern daran,
daß B r ti n i n g bei 28 Leipziger Marktmilchproben in 93%
Streptokokken gefunden hat, und zwar in Mengen von 100 bis
1.000 000 im Kubikzentimeter. Auch in München, dessen
Milchverhältnisse Kirchner so sehr anpries, scheint die
Milch nicht immer einwandfrei zu sein; wenigstens hat
T r o m m s d o r f in München in sogenannten Kindermilchställen
die Milch von 25 bis 30%, sogar in einem Musterstalle mit aus¬
gesuchtem Schweizervieh von 4° o aller Kühe Streptokokken-
haltig gefunden. Die Streptokokkenzahl ge*ht aber dem Gehalte
der Milch an Eiterkörperchen parallel und läßt auf
Euterentzündung der Tiere schließen. Wenn wir also verhüten
wollen, daß unsere Kinder Milch von kranken Kühen erhalten,
müssen wir vor allen Dingen eine schärfere Stall¬
kontrolle verlangen! Diese Forderung ist noch
wichtiger als die Kontrolle des Fettgehaltes'
d e r M arktmilch. Wenn man bedenkt, daß die Landwirte
und Milchhändler neuerdings die Milchpreise so hoch hinauf¬
geschraubt haben, daß für Vollmilch in vielen Städten bereits
22 Pfennig, für Vorzugsmilch (sogen. Kontrollmilch» Kurmilch,
Kindermilch) sogar 40 Pfennig (!) bezahlt werden, so erscheint
es gerecht, daß die Qualität dieses Nahrungsmittels behördlicher¬
seits noch strenger als bisher kontrolliert werde. Die Zuständp
in den Kuhställen und die Behandlung der Milch sind sehr ver¬
besserungsfähig. Der Gesundheitszustand des Milchviehs bedarf
weit schärferer Kontrolle. Behring hat in einem am 8. Fe¬
bruar 1908 vor dem deutschen Landwirtschaftsrat gehaltenen
Vortrage mitgeteilt, daß in seinem Versuchsstalle bei einem Be¬
stände von 30 Melkkühen etwa 90% trotz gesunden Aussehens
und reinlicher Haltung große Mengen von »Strept.o- und
Staphylokokken mit der Milch ausschieden.
Fleisch und Milch.
Ein Versuch, die Rinder-Tuberkulose in Ungarn auszu¬
rotten.
Aus Preßburg wird gemeldet, daß der ungarische Ackerbau -
minister die Ausrottung der tuberkulösen Kühe angeordnet hat.
Jede mit Tuberkulose behaftete Kuh soll durch den mit der
Ausrottung beauftragten Tierarzt dem Eigentümer „im Wege
eines Ausgleichs“ abgekauft und alsbald geschlachtet werden.
Der Eigentümer erhält, nur den Wert des Fleisches, das er
auf Wunsch selbst verkaufen darf. Die Eigentümer von Kühen
werden von der Behörde darauf aufmerksam gemacht, daß ihnen
das Melken der tuberkulösen Kühe amtlich verboten wird, falls
sie in den Verkauf der Tiere nicht einwilligen. Angesichte'
der ungeheuren Verbreitung der Rindertuberkulose wird
diese gutgemeinte Maßregel unausführbar bleiben. Wir wollen
diese Verbreitung durch einige statistische Angaben illustrieren.
G e r I a c h hat die Hälfte der Kühe in den Molkereien
UNIVERSITY OF MICHIGAN
TY OF MICHIGAN
UNIVERSI
140
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 0
innerhalb der B,ainmieilu Hannovers, tuberkulös gefunden (0 ru e -
v e 1 ls Notizen, 1877, c>. (170). B ollingcr sagt, ,,düß von
den Kühen, wie sie zur Schlacht bank kommen, mindestens 5",»,
in manchen Gegenden 7-8% mit Perlsucht behaftet sind"
(Münchener med. Wochenschrift vom 17. u. 24. .Juli 18881. Bell
in New York faud unter 11 Kühen aus dortigen Molkereien
10 m i t, erweicht e n tube r k u 1 ö sen Herden! Dr.
Spillshann in Nancy hat eine Statistik des Gesundheitszu¬
standes der Milchkühe im französischen Bezirk Hautes Vosgues
geliefert, wonach 3 0 bis 40% dieser Tiere tuberkulös sind.
Wenn also der ungarische Ackorbauminister die Rindertuber¬
kulose ausrotten will, so wird er vielleicht ein Drittel aller
Rinder im Lande schlachten lassen müssen. Schwerlich wird
der Staat die Mittel zur Entschädigung der Eigentümer auf-
bringen können. Falls aber das plötzliche Massenangebot tuber¬
kulösen Fleisches den Preis drücken und die Entschädigung
illusorisch machen wird, werden die Landwirte mit Recht oppo¬
nieren. Kurz, die neue Maßregel erscheint uns unausführbar.
B ier.
Rückgang des Bierkonsums in Deutschland.
Die soeben für die ersten drei Quartale des Jahres 1909
bekannt gegebenen Zahlen des Malzverbrauchs im Gebiete der
norddeutschen Brausteuergemeinschaft lassen bereits erkennen,
daß der Biergenuß in Deutschland im Jahre 1909 gewaltig ab¬
genommen hat. Denn der Malzverbrauch zum Zwecke der Bier-
herstellung betrug während der genannten drei Quartale nur
4 933 444 D.-Ztr. gegen 5 651 121 D.-Ztr. in der entsprechen¬
den Zeit des Vorjahres, was einen Rückgang von mehr als 12°/o
bedeutet. Noch stärkere Abnahme zeigt die Einfuhr ausländi¬
schen Bieres; die Einfuhr betrug im Jahre 1909 für Faßbier
353 684 Hektoliter gegen 425 198 Hektoliter im Jahre 1908;
der Rückgang beläuft sich also fast auf 17%, und der Rück¬
gang des Imports von Flaschenbier beträgt ungefähr 20%. Nun
datiert die Abnahme im Bierkonsum allerdings nicht erst seit
einem Jahre, hat aber jetzt größere Dimensionen angenommen;
im Jahre 1908 hatte sich der Malzverbrauch schon um 7% ver¬
ringert, 1909 aber um 12%, und die Biereinfuhr hatte sich 1908
um 2,6%, 1909 aber um 17% verringert. — Die Ursachen dieses
bemerkenswerten Rückgangs sind vermutlich: die wachsende
Erkenntnis vom Nutzen der Mäßigkeit und der vermehrte Steuer¬
druck, der die minderbemittelten Bevölkerungsklassen zur Ein¬
schränkung entbehrlicher Genüsse gezwungen hat. Auch die
Agitation gegen das ,,Tschechenbier“ ist offenbar wirksam ge¬
wesen, denn die Biereinfuhr aus Oesterreich-Ungarn nach
Deutschland ist von 405 221 auf 332 605 Hektoliter zurück¬
gegangen, während die Einfuhr von Porter und Ale aus Eng¬
land um eine Kleinigkeit gestiegen ist, nämlich von 19 875 auf
20 989 Hektoliter. Die Bierausfuhr ist fast unverändert ge¬
blieben, indem zwar die Ausfuhr von Faßbier von 520 149 Hekto¬
liter auf 537 572 Hektoliter gestiegen, die Flaschenbierausfuhr
aber von 351 933 auf 345 333 Hektoliter gefallen ist. Das Aus¬
land hat sich also im Genuß deutschen Bieres keine Be¬
schränkung auferlegt.
Varia.
Todesfälle bei Skopolamin-Morphium-Narkose. Von Rime ,
Berlin. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 3.
Verfasser berichtet über zwei Todesfälle bei Anwendung
der Skopolamin-Morphium-Narkose. Allerdings handelte es sich
um Pat. mit schweren Gefäßveränderungen, und es wurde in
mehrstündigen Intervallen die starke Gesamtdosis von 0,0012
Skopolamin, hydrobromic. -j- 0,03 Morph, mur. injiziert.
v. Rutkowski, Berlin.
Ueber die allgemeine Behandlung von Vergiftungen!. Von
E. Härnack, Berlin. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 3.
Die Behandlung der akuten Vergiftungen ist eine eva¬
kuierende, antidotarische und symptomatische. Die Evakuierung,
d. h. Entleerung des Giftes, geschieht mittels der Magenpumpe,
Brechmittel, Laxantien, Diaphoretika, Diuretika, Skarifikatio-
nen und des Aderlasses. Das antidotarische Verfahren besteht
in der Anwendung von Gegenmitteln und Gegengiften. Erstere
wirken direkt auf das Gift chemisch ein, indem sie es chemisch!
umwandeln oder zerstören und es in beiden Fällen unschäd¬
lich machen, letztere wirken nicht auf das Gift selbst, sondern
auf das durch die Giftwirkung alterierte lebende Substrat ein
und heben so die Giftwirkung auf. Die der Indicatio sympto*
matica dienenden, Mittel sind Sauerstoffinhalatioue.il, hydro¬
therapeutische Prozeduren, sowie exzitierende oder beruhigende
Medikamente. — Bezüglich der chronischen Vergiftungen sind
besonders wichtig die durch Schwermetalle, wie Blei und Queck¬
silber, und die durch chronische Genußmittel, z. B. Alkohol,
erzeugten Vergiftungen. Die Therapie dieser Vergiftungen be¬
steht im wesentlichen in der Prophylaxe und der Anwendung
symptomatischer Mittel. v. R u t k o w s k i , Berlin.
Akute Lysolvergiftung durch vaginale Irrigation und der
therapeutische Wert der Irrigationen überhaupt. Von
C h v o j k a. Zentralblatt f. Gyn., 34. Jahrg., Nr. 3, S. 75 f.
Zahlreich sind die Vergiftungen Schwangerer durch Lysol-
irrigation im letzten Monat der Schwangerschaft. Dagegen fand
C h. in zahlreichen Fällen, daß durch Unterlassung der Irrigation
nie Schaden angerichtet wurde, gleichgültig, ob es sich um
fiebernde Kreißende handelte, die mit abgestorbener Frucht,
kamen oder um Plazentaretention nach einer Fehlgeburt etc.,
nie wurde der Uterus ausgespült. Nur bei Retention des
Wochenflusses, je im Verhältnis der pathologischen Lochien
fand eine Ausspülung mit 50 proz. Alkohol statt. (B u m m
empfiehlt, immer mit essigsaurer Tonerde oder einem ähn¬
lichen unschädlichen Mittel zu spülen. Ref.)
Kurt L i p s c h i t z , Berlin.
Ueber physikalische Therapie bei Herzkrankheiten. Von
Plate. Fortschritte der Medizin, 28. Bd., Nr. 1.
Für das Wichtigste hält der Verf., mit der Behandlung
möglichst frühzeitig zu beginnen. Durch die Arbeiten der
letzten Jahre wurde die wichtige Erfahrung gewonnen, daß für
den Blutkreislauf nicht nur die Arbeit des Herzens, sondern auch
Vorgänge im peripheren Zirkulationsgebiet von großem Ein¬
fluß sind. Als Frühsymptome bei Herzkrankheiten werden an¬
geführt: leichte Ermüdung, Auftreten von Dyspnoe bei geringer
Bewegung, starke Vermehrung des Gewichtes in kurzer Zeit
(Oedeme), ungleiches Verhältnis in Flüssigkeitsaufnahme und
Ausscheidung im Urin etc., ferner ist auf Quinckes Nykt-
urie zu achten. Schon diese zeigt, womit die Behandlung
zu beginnen hat: Der Kranke muß horizontal und zwar im
Bett liegen, da die Abkühlung der Körperoberfläche vermieden
werden muß, wodurch die Kontraktion der Hautgefäße herbei-
geführt würde. Hartnäckige Oedeme sollen nicht durch Hoeh-
lagerung oder Massage beseitigt werden, da dadurch die Flüssig¬
keit nur weiter heraufgetrieben wird und den Kranken noch
mehr belästigt, sondern durch Drainage und lokale Schwitz -
prozeduren durch Bügel, die über die Beine gestellt werden,
und an denen sich elektrische Glühlampen befinden, Aufrecht¬
sitzen auf einem Stuhl außerhalb des Bettes soll den Kranken
auf ihren Wunsch gestattet werden. Im Bett soll das Herz
daran gewöhnt werden, größere Arbeit zu leisten: Man läßt
aktive und passive Bewegungen ausführen, daneben herz-
kräftigende Atembewegungen machen. Der Kranke soll nie
nüchtern aufstehen, am besten nach dem zweiten Frühstück,
ferner soll er nur kleinere Mahlzeiten einnehmen, damit nicht,
der aufgeblähte Magen das Zwerchfell und damit das Herz aus
seiner Lage bringt. Aus dem gleichen Grunde ist für gründliche
Darmentleerung zu sorgen. Nützlich ist bei Fettleibigen oft
eine Unterernähr ungskur. Herzkranke sollen nur Orte
mittlerer Höhenlage aufsuchen. Höher gelegene Orte sind nur
Basedowkranken zu empfehlen. Beengende Kleidung und
Tabakgenuß sind strengstens zu untersagen. Massage und passive
Gymnastik schonen das Herz, aktive- und Widerstandsgymnastik
strengen es an. Vibrationsmassage wird vielfach warm emp¬
fohlen. Zur Behandlung der Zirkulation dient das Wasser.
Warmes Wasser erweitert die Gefäße, kaltes verengert sie.
(Schädlich.) Bei nervösen Herzleiden empfehlen sich neben an¬
regende Behandlungsmethoden (Abwaschungen, Bäder etc.), be¬
ruhigende Mittel, wie Einpackungen, prolongierte lauwarme und
elektrische Bäder. Bei Hyperästhesie der Nerven ist Kälte
(im Nacken) indiziert, die jedoch bei Koronarsklerose zu ver¬
meiden ist. Zum Schluß weist Verf. darauf hin. daß Hoch¬
frequenzströme im Stadium der Präsklerose gute Wirkung, im
Stadium der Arteriosklerose selbst schlechte Wirkung haben.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Zur Frage der intravenösen Narkose. Von P. Janssen,
Düsseldorf. Münchener med. Wochenschr., 1910, Nr. 3.
Verfasser machte bei Tieren Versuche mit der intravenösen
Aetherinstillationsnarkose. Zur tropfenweisen Dosierung be¬
nutzte er eine nach seiner Angabe von F. A. Esch bäum,
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
14i
Bonn, konstruierte Spritze. Um Gerinnselbildung in der Kanüle
während der Instillationspause zu vermeiden, wird die Hohl¬
nadel iu eine Nebenvene 1 cm vor ihrer Einmündung in den
Hauptstamm eingeführt und dann in die Vene vorgeschoben,
bis sie eben an die Hauptvene heranreicht. Die Methode auch'
bei Menschen anzuwenden, hält Verfasser vorläufig für zu
gefährlich, weil die bisherigen Präparate auf die Blutbestand¬
teile zu deletär wirken. v. Rutkowslti, Berlin.
Ueber Nierendekapsulation zur Behandlung der Eklampsie.
Von Lichtenstein. Zentralblatt für Gynäkologie, 34. Jahrg.,
Nr. 2, S. lff.
L. behauptet, daß durch die Dekapsulation noch diejenigen
Eklampsiefälle zu retten sind, die man als verloreil betrachtet,
und stützt sich auf drei Fälle, die an der Universitäts-Frauen -j
klinik in Leipzig operiert wurden. Die Indikation ist nach 1
der Entbindung erst gegeben, wenn alle bisherigen Mittel ohne
Erfolg angewandt wurden. Es wurde stets doppelseitig de-
kapsulicrt und der Schrägsehnitt längs der 12. Rippe gemacht.
In die Tiefe brauchte nur stumpf eingegangen zu werden.
Am Schluß sind Fascie und Muskel gut zu verschließen, um
eine Hernie zu vermeiden.
Kurt Lipschitz, Berlin..
Zur Behandlung der Krampfanfälle nach orthopädischen
Operationen. Von Schau z , Dresden. Zentralblatt f. Chirurgie.
Schanz beobachtete eine größere Anzahl von Fällen, wo
nach Redressement von Knie- und Hüftdeformitäten, nach Osteo-
klasicn, nach Klumpfußkorrektionen etc. epileptische Krämpfe,
eintraten. Auf dem VI. Kongreß der Deutschen Gesellschaft
für orthopädische Chirurgie machte v. Aberl e hierüber Mit¬
teilung in seinem Vortrag: „Ueber Fettembolie nach ortho?
pädischen Operationen“, und erklärte die Krämpfe dadurch, daß
aus dem Knochenmark Fett in die Blutbahn gepreßt wird. Die
schwersten Fälle führen unter Lungenerscheinungen direkt zum
Tode, die leichteren unter Hirnerscheinungen zu Krämpfen.
Sch. erklärt dies dadurch, daß in die Gehimkapillaren Fett¬
tröpfchen cingeschwemmt werden und sah als geeignetes Mittel,
die Kapillaren zu durshspüleu und zu erweitern, eine Kochsalz-
infusion an. Dadurch wird außerdem das Fett verdünnt. So
erzielte er gute Erfolge, indem er bei Eintritt der Krämpfe»
Va—1 Liter auf verschiedene Einspritzstellen verteilte. Bei den
schweren Stellen, wo gleich nach der Operation Lebensgefahr
eintritt, empfiehlt er die intravenöse Infusion.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Das Wetter und unsere Arbeit. Von Grosse, Bremen.
Zeitschrift für Balneologie, 1910, Nr. 19.
Unsere Leistungsfähigkeit ist in gewisser Abhängigkeit von
der Wetterlage. Diese alte Erfahrung ist durch Wissenschaft-,
liehe Untersuchungen bestätigt und in klare begriffliche Fassung
gebracht: Muskelkraft und Gedächtnis sind von Temperatur
und Luftdruck abhängig, die Assoziationskraft jedoch nur von
crstcrer. v. Rutkowski, Berlin.
Katgut oder unresorbierbares Fadenmaterial? Von Mad¬
ie n e r. Zentralblatt für die ges. Medizin, Bd. 37, Nr. 1.
Verf. geht davon aus, daß das teure Katgut den Anforde¬
rungen der modernen Chirurgen nicht genüge, und daß durch
Kuhns Forderung, es müsse „ab ova keimfrei sein“, die
Herstellung noch bedeutend verteuert würde. An der Hand
von 757 verschiedenen Operationen, im speziellen an der Radikal¬
operation von (124) Leistenbrüchen zeigt er die Vorteile der
versenkten Seide, vorausgesetzt, daß diese den zwei Forderungen
Rockers, „aseptische und antiseptische Imprägnation“ voll¬
ständig genüge. Ein weiteres Haupterfordernis ist: „Das Kaliber
des Fadens muß klein sein“. Eine große Anzahl von Mi߬
erfolgen sei auf die Nichtbeachtung dieser Regel zurückzu-
führen. Bedauert wird, daß die Fadennummern nicht einheitlich
seien. Zuletzt verlangt Verf. noch die Zugkräftigkeit des
Fadens und empfiehlt den Ramiezwirn (cf. Zentralbl. f. Chirurg.,
1908, Nr. 3), der aus indischer Nesselfaser gewonnen wird.
Indem Verf. noch zum Schluß darauf hinweist, daß Katgut beim
Gebrauch von Gummihandschuhen zwischen den Fingern beim
Anziehen gleitet und der Knoten leicht quillt, kommt er zu
dem Ergebnis, daß Katgut nur da zu benutzen ist, wo Fremd-
ktrrperbildung um den Faden zu befürchten ist oder wo die
Entfernung aus Hohlorganen Schwierigkeiten macht.
Kurt Lipschitz, Berlin,
DF MICHIGAN
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Ueber den Wert der Jodpinselung zur Desinfektion
der Haut vor Operationen. Von Dr. Fr. R. Brewitt, Lübeck.
Münchener med. Wochenschr., 1910, No. 6.
2. Ueber Erfolge mit der ausschließlichen Alkoholdes¬
infektion und deir Jodtinkturdesinfektion. Von Dr. Nast-
Kolb, Stuttgart. Ibidem.
3. Kalium hypermangan. cryst. als gewebezerstörendes
Mittel. Von Dr. R. Blumen, Bayreuth. Ibidem.
4. Ein Beitrag zur Eiseintherapie. Von Dr. Abdullah!
beg Rukvica, Sarajevo. Oesterreich. Aerzteztg., 1910, Nr. 2.
5. Ueber Arsen-Hämatose. Von Dr. A. Joachim, Reka-
winkel bei Wien. Mediz.-chirurg. Zentralblatt, 1910, Nr. 2.
6. Theoretische Betrachtungen über Cholestearin bei
Schwarzwasserfieber als Heilmittel, mit praktischem Versuch.
Von Dr. Grimm, Berlin. Deutsche med. Wochenschr., 1910,
Nr. 4. III
1. Verf. hat an 500 Fällen des Lübecker Krankenhauses
seit 1. April 1909 die im Jahre 1908 von Gros sich emp¬
fohlene Anwendung der Jodtinktur zur Desinfektion des Ope¬
rationsfeldes angewandt und ist mit den Erfolgen sehr zu¬
frieden, da sie bei der sonst üblichen Seifenwasser-Alkohol;-
Sublimat-Desinfektion oder den sonst gebräuchlichen Methoden
auch nicht besser waren, die Umständlichkeit der letzteren aber
wegfällt. Das Verfahren ist denkbar einfach: z. B. bei Laparo¬
tomie, wenn möglich, Bad mit Säuberung mittels Seife und
Bürste. Rasieren der Operationstetelle, eventuell Formalin -
Umschlag für die Nacht. Bei Beginn der Narkose Jodtinktür-
anstrich mit Haarpinsel, nach 5 Minuten zweiter Anstrich.
Auch nach diesem kurzes Abwarten, da sonst Reiz auf die
Schleimhäute des Operateurs ausgeübt wird. Möglichst trocken
operieren, da sonst Jodanstrich allmählich abgewaschen wird.
Ein Nachteil des Jodstriches ist eine sofort nach der Pinselung
auftretende Rötung der Haut mit Jucken und Brennen. Um dies
zu vermeiden, wandte Verfasser das Heusn ersehe Jodbenzin
an (Tct. Jodi 10,0, Benzin ad 750,0, Paraffin, liquid. 250,0). Da¬
durch wird der Juckreiz vermieden, das Brennen beseitigt, das
überflüssige Jod aufgelöst. Das Paraffin legt sich als feine
feste Haut auf die entzündliche Partie und schlie/ßt sie von
der Außenwelt ab. Auch im Gesicht und am Skrotum tritt
kein Ekzem auf. Das Jodbenzin eignet sich auch zum Um-
pinseln von Fisteln etc., um die dieselben umgebende Haut zu
schützen. Nur bei der Bi ersehen Venenanästhesie ist der
Jodstrich für den Operateur etwas unbequem, da er die Venen
viel schlechter unterscheiden kann. Beim Verbände mit Heft¬
pflaster darf dieses nicht mit der jodierten Haut in direkte
Berührung kommen. ,da sich sonst Blasen auf der Haut bilden,
2. Nast-Kolb berichtet über die am Stuttgarter Katha¬
rinen-Hospital geübte Desinfektionsmethode : Kurzes Abwaschen
der Hände mit Seife ohne Bürste in lauwarmem Wasser, gründ¬
liches, systematisches Abreiben mit 95 proz. Alkohol 5 Minuten
lang. Zum Abreiben werden nur Gazetupfer benutzt. Operiert
wird mit Gummihandschuhen. Auch den Jodstrich für die zu
operierenden Gebiete hat Verf. erprobt; er empfiehlt denselben
bei der Behandlung frischer Verletzungen, während er von der
Methode bei ausgedehnten Bepinselungen der Haut nicht so
sehr entzückt zu sein scheint, denn er hat in 3 Fällen, wo
er Jodstrich wählte, Blasenbildung und Ekzem beobachtet.
Ucbrigens hat Verf. die Haut trocken rasiert und kurz vor
der Operation den Jodstrich angewendet. Es ist möglich, daß
durch das Trockenrasieren die Haut für das Jod empfindlicher
wurde.
3. Ueber die gewebezerstörende' Wirkung des Kali liyper-
mang. wurde in letzter Nummer ausführlich referiert. Jetzt be¬
richtet Blumm über eine etwas andere Methode, die er bei
Phlegmonen, Panaritien, Abszessen und Furunkeln anwendet:
Nach ausgiebiger Spaltung und Entleerung des Eiters wird
die ganze Wundhöhle mit Kal. hypermäng. cryst. ausgefüllt
und dann verdünnter Holzessig bis zum Ueber fließen darüber
geschüttet; es setzt sofort eine heftige Entwickelung von
Sauerstoff ein. Die über die Wunde zu legende Gazekompresse
ist mit 6 proz. Holzessiglösung getränkt. Nach 24 Stunden ist
die Wundhöhle mit krümeligen Massen ausgefüllt, nach deren
UNIVERSITY OF MICHIGAN
142
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 9
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MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
144
THERAPE ü TISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 9
Anstalt; 3. jedem Abstinenzverein für solche geheilten Trinker,
die mit seiner Hilfe gebessert oder durch ihn nach der Anstaltsi-
kur vor ‘Rückfall dauernd bewahrt geblieben sind, Jahresprämien.
Der um Sitz der Versicherungsanstalt arbeitenden Fürsorgestelle,
für Alkoholiker hat diese Behörde überdies ein geeignetes;
Sprechzimmer und die tatkräftige Mitwirkung mehrerer Beamten
zugute kommen lassen.
Betreffs der Demonstration der Ausbreitung von Tuber¬
kulose und Alkoholismus fertigte der bekannte Vorsteher des.
statistischen Bureaus in Paris, Berti 1 Ion, zwei Karten an,
welche deutlich den Einfluß des Alkohols auf die Entstehung
der Tuberkulose zeigten; in den nördlichen Departements, wo
mehr Schnaps getrunken wird, ist die Tuberkulose weiter ver¬
breitet als in den südlichen Teilen Frankreichs, wo mehr Wein
getrunken wird. Hierauf bezieht auch Bertilion die größere
Ausbreitung der Tuberkulose auf die männliche, als auf die
weibliche Bevölkerung.
Unter den zahlreichen Adressen, welche Hof rat Politzer
anläßlich seines 50 jährig e n D o k t o r j u b i 1 ä u m s zu-
gingen, waren besonders zwei wegen ihrer klassischen Form
interessant. Die erste, von den italienischen Otologen gewidmete,
hat den Senator Prof. B a c c 1 1 i zum Verfasser. B a c e 11 i zählt
zu jenen nur mehr seltenen Gelehrten, die das klassische Latein
vollkommen beherrschen. Die Adresse an Politzer lautet:
Auf der Vorderseite des Einbandes: ,,Intellectum dat — Qui
auditum.“ Die Adresse selbst lautet: ,,A dam Politzer
Quinquaginta ab hinc annis Laurea fronde redimito Oto-
iatrorum Magistro Principi Italica Otologiae Familia Nestorcam
aetatem Faustam Felicom. Ab Roma aelerna Ominatur Scripsit
Guido Bacelli.“ Die zweite, von den Schülern in den Ver¬
einigten Staaten Nordamerikas eingesendete Adresse hat folgen¬
den Wortlaut: ,,To Professor Doctor Adam Politzer
Founder and Upbuilder of modern Otology Patient investigator
and truthful recorder Earnest stimulator of scientific Work
Wise Administrator and leader Precminent author and admirable
teacher who In the fifty y >ars of professinal labor The dubilee'
of which is now celebrated, has won the affcction and esieem
of his pupils and colleagues, as well as attained the forem’o.sf
place in his chosen brauche of Science. This greeting from pupils
of the l'nited states of America is here inscribed.“
Krankenversicherung im Jahre 1908. Der ,,Reichsanzeiger“
veröffentlicht die Hauptergebnisse der Krankenversicherung für
das Jahr 1908, der wir folgendes entnehmen: Die Zahl der
Krankenkassen steigt von Jahr zu Jahr sehr langsam; sie be¬
trug zu Ende 1908 im ganzen Reich > 23 240 gegen 23 232 im
Jahre 1907, hat also nur um 8 und in vier Jahren um 43
zugenommen. Die ärztliche Behandlung erforderte 67,69 Mi 11.
Mark gegen 63,33 im Vorjahre. Die Verwaltungskosten sind
von 16,69 auf, 18,17 Mill. Mk. gestiegen und betragen damit
auf den Kopf des Mitgliedes 1,47 Mk. gegen 1,38 Mk. im
Vorjahre; die Zunahme ist stärker als bisher.
In Halle sucht die „Gesellschaft zur Bekämpfung der
Säuglingssterblichkeit“ mit der städtischen Fürsorgc.stelle für
Säuglinge das Ammenwesen auch für Minderbemittelte zu regeln.
Sie weist Müttern, welche selbst nicht stillen können, zuver¬
lässige, gesunde Frauen nach, welche in die Wohnungen kommen,
zwecks Stillens. Die Kosten trägt die Zentrale.
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SITY OF MICHIGAN
UNIVERSI1
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Entfernung keine nekrotischen Fetzen mehr zu sehen sind. Es
erfolgt nunmehr rasche Heilung.
4. Verf. berichtet über ein neues, festes, d. h. in Pillen-,
lonn abgegebenes Eisenpräparat Feolat h a n , über dessen Zu¬
sammensetzung sowie Herkunft er sich jedoch ausschweigt.
Er war mit der Wirkung zufrieden und hat unangenehme Neben¬
wirkungen nicht gesehen, wenn er dreimal täglich 2 Pillen gab,
5. Die Arsen-Hämatose von Apotheker Paul in Graz
enthält organisches Eisen in 0,04 proz. Lösung als glyzero-
phosphorsaures Salz, 0,05°/« Arsen, ferner China-Alkaloide,, in
tanninfreiem aromatisierten Dalmatinerwein. Verf .hebt die
rasche Appetitsteigerung nach Gebrauch des Mittels hervor,
das gern genommen und gut vertragen wurde. Wieviel Verf.
von der Arsenhämatose verabfolgte, behält er für sich. Dafür
folgen zum Schluß die üblichen Krankengeschichten.
G. Eine Reihe von Autoren suchten bisher in ihren Arbeiten
zu beweisen oder gingen von der Tatsache als bewiesen aus, daßi
das Cholcstearin sowohl in vitro wie in vivo imstande ist,
zahlreiche Blutgifte verschiedener Herkunft unwirksam zu
machen. Das regte den Verf. an, mit Cholestearin Versuche bei
Schwarzwasserfieber zu machen. Denn bei dieser Krankheit
müssen hämolytische Gifte mitwirken, da man selbst mit
höchsten Dosen von Chinin nicht imstande ist, bei einem Tier
Hämoglobinurie zu erzeugen. Jedoch muß man auf Grund
klinischer Erfahrungen dem Chinin eine ätiologische Rolle zu-
erkennen: wenigstens sind die Fälle, wo Schwarzwasserfieber
ohne vorherige Chinindosis auftritt, sehr selten. Vielleicht be¬
ruht die ungünstige Wirkung des Chinins darauf, daß die durch 1
dasselbe abgetöteten Malariaparasiten soviel endogene Gifte er¬
zeugen. wie sie in normalen Fällen nicht Vorkommen. Gegen diese
hämolytischen Gifte mit Cholestearin vorzugehen, war das Be¬
streben des Verfassers. Wegen des häufigen Erbrechens des
Kranken mit Schwarz'wasserfieber wäre es ideal gewesen, das
Cholestearin, das G. von Merck in Darmstadt bezog, sub¬
kutan oder intravenös zu injizieren. Da das gepulverte Prä¬
parat sich aber nur in Aether, Chloroform, siedendem Alkohol
oder fetten Oelen löst, die ersten drei Lösungsmittel jedoch
nicht anwendbar sind, und das Cholestearin aus den Oelen in
starker Konzentration wieder ausfiel, so waren die genannten
Applikationsmethoden nicht zu gebrauchen. Verf. gab deshalb
das Mittel per os, und zlwar in Dosen von 3,0 g pro die.
am besten in konzentrierter Milch (Cream) und zugegossenem
kalten Tee. Davon kann der Patient beliebige Mengen schluck¬
weise trinken. Verf. hat bei einem schweren Falle von Schwarzl-
wasserfieber Heilung gesehen, möchte aber vorerst nur auf
Die 100-Jahrfeier der Hufelandschen Gesellschaft fand am
1. Februar d. Js. unter großer Beteiligung statt. Die an,-
gekündigten Vorträge über Huf cland als Arzt und Balneologo
wurden von Brieger, Strauß und von Hansemann ge¬
halten. Die Gesellschaft ernannte R. Koch, Erb, Franz
König und W. A. Freud zu Ehrenmitgliedern, sowie auch
eine Anzahl von ln- und Ausländern zu korrespondierenden Mit¬
gliedern.
Die Stadt Berlin will ein Krankenhaus für weibliche
Geschlechtskranke erbauen; es soll in Rummelsburg errichtet
werden und Platz für 150 Patientinnen bieten.
Nach einem Urteil des preußischen Kammergerichts vom
28. November 1908 kann, wie die „Zeitschrift für Medizinal-
beamte“ mitteilt, das Rauchen für einzelne Teile eines Kur¬
ortes, wo sich Hals- und Lungenkranke aufhalten, verboten
werden.
Der Verein deutscher Laryngologen tagt in diesem Jahre
am 10. und 11. Mai in Dresden. Mitteilungen und An¬
fragen sind an den Schriftführer Dr. Blumenfeld zu
richten.
Der sechste Kongreß der Deutschen Röntgen-Gesellschaft
findet am Sonntag, den 3. April 1910, morgens 9 Uhr pünktlich,
in Berlin im Langenbeckhause statt. Er ist auch dieses Jahr
wiederum so gelegt worden, daß die Teilnehmer an dem
Chirurgen- und Orthopädenkongreß Gelegenheit haben, dem
Röntgenkongreß beizuwohnen. Die Ausschußsitzung findet am
Sonnabend, den 2. April, abends 7 Uhr pünktlich, im Langen¬
beckhause statt. Die Eröffnungs- und Geschäftssitzung beginnt
am Sonntag, den 3. April, 9 Uhr präzise. Vorträge und Demon¬
strationen werden möglichst umgehend (spätestens bis zum
5. März 1910) an den Schriftführer der Gesellschaft, Herrn
Dr. Immelmann, Berlin W. 35, Lützowstr. 72, erbeten.
Ein Vermächtnis von 400 000 M. hat in London der dort
kürzlich verstorbene Chemiker Dr. Mond zum Besten der
Errichtung eines Genesungsheimes für Arme in Kassel ge¬
macht.
Maßnahmen im Kampf gegen den Alkohoiismus. Die Luiules-
versicherungsanstalten handeln in ihrem eigenen Interesse, wenn
sie der Bekämpfung der Trunksucht Aufmerksamkeit schenken.
Das eigene Interesse wahrend, fördern sie aber zugleich das
Gemeinwohl in hohem Maße, zumal wenn sie so einsichtig und
durchgreifend zu Werke gehen, wie in der Rheinprovinz. Die
rheinische Landesversicherungsanstalt gewährt: 1. jeder Trinker¬
fürsorgestelle ihres Bereiches eine namhafte Jahresbeihilfe;
2. jedem versicherten Trinker nach einem gewissen Versicherungs¬
zeitraum die Wohltat des Heilversuchs in einer entsprechenden
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{§§P M Therapie an Stelle des übelriechenden, öfter lokale Reizungen und resorptive
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Zahlreiche Herren Aerzte sprechen sich ganz begeistert über die Wirkung der Pittylen-
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von Dr. med. C. S. Engel.
Dritte Auflage. 1908. gr.8. Mit49 Textfiguren und 2 Tafelu. 5 M.
Handbuch der gerichtlichen Psychiatrie
unter Mitwirkung von Prof. Dr Asch aff enburg,
Prof Dr. E. Scliultze, Prof. Dr. Wollenberg
herausgegeben von Prof. Dr. A. Hoche.
Zweite Auflage. 1909. gr. 8. 20 M.
Handbuch der Pathologie des Stoffwechsels.
Unter Mitwirkung von Adalb. Czerny (Breslau), C. Dapper
(Kissingen), Fr. Kraus (Berlin), 0 Loewi (Wien), A Magnus-
Levy (Berlin), M. Matthes (Köln), L. Mohr (Halle), C. Neuberg
(Berlin), H. Salomon (Frankfurt a. M.), Ad. Schmidt (Halle),
Fr. Steinitz (Breslau), H. Strauss (Berlin), W. Weintraud
(Wiesbaden) herausge^eben von Carl von Noorden.
Zweite Auflage, gr. 8. I. Band. 1906. 26 M. II. Band. 1907. 24 M.
Stoffwechsel und Stoffwechselkrankheiten.
Einführung in das Studium der Physiologie und Pathologie dos
Stoffwechsels für Aerzte und Studierende
von Professor Dr. Paul Friedr. Richter.
1906. gr. 8. 8 M.
Die experimentelle Diagnostik, Serumtherapie
und Prophylaxe der Infektionskrankheiten
von Stabsarzt Prof. Dr E. Marx.
Zweite Auflage. 8. Mit 2 Tafeln. 1907. 8 M.
(Bibliothek v. Coler-v. Schjerning, XI. Bd. 2. Aufl.)
Deszendenz und Pathologie.
Vergleichend-biologische Studien und Gedanken
von Geh.-Rat Prof. Dr. D. von Hansemann.
1909. gr. 8. 11 M.
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a
Verband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen.
Schiffsarztstellen nur durch L. W. V.
Fernsprecher 1870.
Cavete collegae!
Drahtadresse: Aerzteverband Leipzig.
Reedereien:
„Woennann-Linie“
(W estafri ka-Lini e).
„Deutsch-Ostafrika-
Linie.“
Verband zur Wahrung
der Interessen der Deut¬
schen Betriebskranken¬
kassen (Rhein. - W estf.
Betr. - Krank. - K.-Verb.)
Sitz: Essen (Ruhr).
Bieber, Kr. Offenbach a. M.
Bocholt, Westf.
Bremen.
Brühl (Bez. Köln a. Rh.)
Colditz i. S.
Amrum (Insel).
Aßweiler i. Pfalz.
Berlin u Umgebung (Ma¬
thilde Rathenaustiftung).
; Dresden.
j Eberswalde i. Brdbg.
‘ Ebingen, Wttbg. (Arztbez.
Frohnsteiten-Heinstetten).
Ehrang (B. Trier)O.-K.-K.
Eimbeckhausen, Hann.
Erkelenz, Rhld.
I Falkenberg bei Ahrens¬
felde.
Feilnbach (O.-B.)
Fiddichow i. Pomm.
Frankfurt a. M.
' Frechen Bez. Köln a. Rh
Gebhardshain Westerw.
Geilenkirchen,
Kr. Aachen.
Gera, R.,Textil-B-K.-K.
Gielsdorf und Wilken¬
dorf b.Strausberg, Brdbg.
Greiffenberg U.-M.
Halle (Saale).
Hamburg, B.-K. f. Staats-
angestelfte.
Hamm i. Westf.
Hanau, San.-V.
Hausen (Kr. Limb. a. L.).
Hohensolms b. Wetzlar.
Hohentengen (Wttbrg ),
Hüllhorst, Westf.
Itzstedt i- Schl.-Holst.
Joachimthal,
Kr. Angermünde.
Johannisburg 0 -Pr.,Kr.
Kassel-Rothenditmold.
Kemel, II -N.
Kilianstädten, H.-N.
Kirchberg-Jagst.
Klein-Auheim, Kr. Oflfb.
Köln a. Rh. Stadt-u.Landkr.
Köln-Deutz.
Köngen, Wttbg.
Königsberg i. Pr.
Korbach (Waldeck).
Kupferhammer b.
Eoerswalde.
Lindlar, Rhld.
Minden, Westi.
Moorburg b. Hamburg.
Mülheim (Rhein).
M.-Gladbach.
Münder a. Deister.
Munster, Hann.
Nackenheim, Rhk.
Neu-Isenburg, Kr. Offb.
Neustadt a. d. Wied.
Neustettin i. Pom.
Niederwürzbach.Pfalz.
Nordgermersleben
(Kr. Neuhaldensleben),
Oberbetschdorf i. Eis.
Oberhausen i. Rhld.
Obersept, O.-Els.
Ober- u. Nieder-Ingel-
heim, Rhh.
Oderberg i. Mark.
Pattensen i. Hann.
Pinne i. Posen.
Puderbach(Kr.Neuwied).
Quint b. Trier.
Rastenburg, O.-Pr.
Recklinghausen i. W.
Rhein (O.-Pr.).
Rothenkirchen-
Preßig, Oberfr.
Salzwedel, Prov. Sa.
Schirmeck-Saales i.E.
Schlettstadt, Eis.
Schornsheim (Rhh.).
Schwandorf (Bay.).
Schwarzach i. Ba.
Schwetzingen, Ba.
Soldau O.-Pr.
St. Ludwig, O.-Els.
Stettin, Fah.-K.-K.-Vulk.
Stockstadt, Rh.
Strausberg i. Brdbg.
Strehla a E.
Templin, Brdbg.
Thalheim i. Erzgeb
Urft (Schmidtheim) Kr.
Schleiden.
Wallhausenb.Kreuznach.
Walsheim b. Blieskastel.
Weibern i. Rhld.
Weidenthal, Pfalz.
Weilheim, Bay.
Weisenau b. Mainz.
Weißenfels (Saale).
Wesseling, Rbproy.
Wessling (O.-Bay.).
Westd. Vers.-Kr. u. Unter-
stützungs- Zuschuß- Kasse
Köln a. Rh.
Wiesbaden.
Wriezen a. O.
Zingst, Pom.
Ueber vorstehende Orte und alle Verbandsangelegenheiten erteilt jederzeit Auskunft der Generalsekretär G. Kuhns, Arzt, Leipzig, Dufourstraße 18, II, Sprechzeit
uachm. 3—6 (außer Sonntags). Kostenloser Nachweis von Praxis-, Auslands-, Schiffsarzt- und Assistentenstellen sowie Vertretungen.
Druck von Oarl Marschner Berlin SW. 68. *
MICHIG
UNIVERSn
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TherapeutischeRundschau
Wochenschrift für die gesamte Therapie des praktischen Arztes.
Redaktion:
Professor Dr. med. A. Mocller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5.
Telephon: Amt VI, 17271.
Verlag und Expedition
Gustav Ehrkc Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI, 3020.
IV. Jahrgang.
Berlin, 6. März 1910.
Nr. 10.
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M„ einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den Verlag
sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor tjuartnlscliluss abbestellt sind. Inserate werden für die 4gespaltcne
Zeile oder deren Raum mit 50 Pi. berechnet. Beilagen per Tausend 15, M. Rcklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
OrigiItalien:
Axel \\ inck 1er. Bad Nenndorf: Hartes oder weiches Trink¬
wasser? (Schluß) ..145
A. Heermann, Cassel: Der Atmimgssclileier.148
Kougrcßberichte:
Max Hirsch, Bad Kudowa: Der XXXI. Balneologenkongroß 149
Referate:
Mohr. Bielefeld: Chirurgie.152
Paul Greven, Aachen: Augenheilkunde.153
H. Loliris eh, Chemnitz: Magen-, Darin- und - Stoff wechsel-
» krankheiten.154
Inhalt.
Eugen Neter, Mannheim: Kinderheilkunde. . . . . . A viv
M. Peltzer, Steglitz: Militärsanitatswesen . . . . . . .
A. Moeller, Berlin: Schulhygiene . . .
llauffe, Ehenhaiwen, und M. Peltzer, Steglitz: Varia . .
Mitteilungen über Arzneimittel:
W. Krüger, Magdeburg: Referate ..... . . 1 . ;'
Technische Neuerscheinungen:
H. Zuppinger, Zürich: Automatisch wirkende Apparate zur
permanenten Exteusion der Ober- und l nterschenkelfrakturen
Rücherbcsprecliungen.. •
Allgemeines... •
ORIGIN ALI EN.
Hartes oder weiches Trinkwasser ?
Von Prof. Dr. Axel Winekler.
Kgl. dirig. Bruiineuarzt am Bade Nemidorf.
(Schluß.)
Wenn man die Trinkwasserhiirten mit den Mor-
t a I i t ii t s z i f f e r n der Orte anstatt. mit den Zuliii-
befiuidcn in Parallele brächte, würde man vielleicht er¬
sehen, d a ß d i.e e n g li s c li e n H y g i e n i k e r r ecllt
Ii a b e u , d a s w e i c h e T r i n k w asser f ii r e i n e n
so wichtigen G e s n n <1 li e i t s f a k tor z u Ii a 1 -
I e n , <1 a I! es die m eil schliche L e b e n s d a u e r
m e r k i i c. ii li e e i n I'1 n 1.11, Es ist auffallend, daß
Slädte mit sehr hartem Trinkwasser, selbst wenn sie gün¬
stig gelegen und hygienisch gut eingerichtet sind, sehr
ungünstige Stcrliliehkeitszjffern aufweisen. Nach Ver¬
öffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts betrug 1
die Zahl der Sterbefälle für das Tausend der Bevölkerung
im Durchschnitt der Jahre 1892 bis 1897 in Göttingen,22
und in Würzburg 23; beide Städte haben aber enorm
hartes Trinkwasser. Hingegen die Sterblichkeit in der mit
sehr weichem Wasser versorgten Großstadt Hamburg be¬
trug nur 18 und in Bremen, dessen Wasser ebenfalls weich
ist, nur 17. Dagegen können Zalmbefunde doch kaum in
Betracht kommen. Vulgär gesprochen: was nützen gute
Zähne, wenn man damit frühzeitig ins Gras beißen muß?
R ö s e meint zwar (S. 60), die Zähne seien gewissermaßen
„der Spiegel des menschlichen Körpers oder das Wasser¬
standsrohr am Dampfkessel des Organismus“. So kann
nur spezialistiselie Einseitigkeit urteilen. Der gute Zu¬
stand des Gebisses ist k e i ii w e s c'h 11 i c h. e s Kriterium
der guten Gesundheit eines Menschen. Er ist auch eben
deshalb keine Bedingung der Langlebigkeit. Dr. M e i -
wert, der alle über 90 Jahre alten Personen in Dresden
— 17 Männer und 32 Frauen — befragt hat, deren
Adressen ihm die Königlich Sächsische Staatsregierung
aus den Volkszälilungsindividualkarten vom 1. Dezember
1000 überlassen hatte, schreibt: „Hu fei and glaubte,
den Zahnlosen die Aussicht auf ein hohes Alter abspreclien
zu müssen. Aber ganz entgegen aller Erwartung konnte
ich mich überzeugen, daß seinen natürlichen oder künst¬
lichen Zähnen kaum jemand sein hohes Alter zu ver¬
danken hat. Unter den von mir Interviewten wenigstens
/ER!
war Zahnlosigkeit die Regel und auch künstlicher Zahn¬
ersatz nicht beliebt. Die zahnlosen Kiefern kauten tadel¬
los und wurden, wie ich mich oft überzeugen konnte... mit
Fleischstückchen von gewÖnhilcher Größe und Konsistenz
spielend fertig.“ — Der von Reise versuchte Nachweis,
daß,die Bevölkerung kalkarmer Gegenden weniger militär-
tauglich sei, erstreckt sich nur auf einzelne Teile Deutsch¬
lands, ermangelt also genügender statistischer Beweis¬
kraft. l'cbrigeiis ist Militärtauglichkeit kein wissen¬
schaftlich feststehender Begriff, und die Militärärzte ver¬
fahren hei den Musterungen in verschiedenen Orten und
zu verschiedenen Zeiten nicht völlig gleichmäßig. Die von
R ö s e (S. G0) hervorgehobene Tatsache, daß das kalkarme
Erzgebirge minderwertiges Rekruteinnaterial liefert,
ist wahrlich nicht auf das weiche 1 rink-
wasser zurückzuführen, sondern einfach daran!, daß (!io
armen Gebirgsbewohner seit vielen Generationen von Kar¬
toffeln und Zichorienkaffee existieren und infolgedessen
degeneriert sind.
Nach dieser Kritik der von den Nälirsalzfreunden
La li m a n u und Rose angeführten Sclieingründe nehme
ich den Faden meiner Abhandlung wieder auf.
Wir haben gesellen, daß Jedermann, jung und alt, in
der gewöhnlichen Kost Kalk genug vorfindet, mehr als
die dreiviertel Gramm, deren man täglich bedarf. Was die
treue Begleiterin des Kalks, die Magnesia betritt!, Sl >
ist die Befürchtung, nicht genug davon zu bekommen, ab¬
surd. Denn die meisten unserer Nahrungsmittel außer
Milch und Eiern enthalten noch bedeutend mehr Magnesia
als Kalk. Glücklicherweise werden diese Magnesiamasseii
nur teilweise resorbiert, und doch findet man im mensch¬
lichen Harn jederzeit viel mehr Magnesia als Kalk, bis
doppelt so viel ( X e ulianer).
In jeder Hinsicht sind also die Neuerer, die über
Nährsalzmaugel geklagt und zu deren Abhilfe mineralische
Speisezusätze oder hartes Trinkwasser vorgescldaireii
haben, in einem Irrtum befangen gewesen. Ihre Irrlehre
wirkt aber im Publikum fort. Zahllose hypochondrische
Laien, durch die Lektüre naturheilkundiger Traktätchen
mit Furcht vor dem 'Nährsalzmangelgespenst erfüllt, kon¬
sumieren jetzt eifrig Pflaiizennälirsnlzextrakl, Nälirsalz-
kakao, Nälirsalzbananenkakno, Nährsalztee, Nährsalzbrot,
Nälirsalzpnrterzwieback und ähnliche Erzeugnisse des Ge-
werbefleißes. Anstatt froh darüber zu sein, daß mail viele
vegetabilische Nahrungsmittel durch Auswässern, Schälen,
VER
146
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 10
Enthülsen, Kochen von einem Teil des mineralischen
Ballastes befreien kann, bilden sich die guten Leute ein,
dal! sie n o c h n ic h t g e n u g Mineralien in den Leib be¬
kommen, haben deshalb die Kochkunst reformiert, ver¬
werfen das Waschen und Kochen der Gemüse, die sie nur
noch dämpfen, essen Kleienbrot statt der Semmeln,
schälen Aepfel und Birnen nicht, kurz, sind auf jede Weise
darauf bedacht, sich „die kostbaren Nährsalze zu erhalten“.
Es wäre unrecht, über diese sonderbaren Schwärmer
zu lachen, da sie sich durch ihre Kalkfütterung mit der
Zeit Schaden zufügen. I) e n n a n d a u ernde reich¬
liche Z u f u h r v o li N a li r u u g s k a 1 k ist für den
menschlichen Körper nicht nützlich, auch nicht etwa
gleichgültig, sondern positiv s c h ä d 1 i e h. Das folgt
aus exakten Untersnchungeu, die Prof. R u m p f an¬
gestellt hat. Dieser ausgezeichnete Kliniker hat im
.Jahre 1807 auf dem 15. Kongreß für innere Medizin in
Berlin als Ergebnisse von über 300 Versuchen vor¬
getragen:
a) Bei r e i c h 1 i c h e r Z u f u h r v o n lv alk-
salzeu findet eine Ansa m in 1 u n g , e i n e
wesentliche Zur ii c k h a 1 t u n g v o n
K a 1 k i m K ö r p e r s t a 11. Diese betrug z. B.
innerhalb 6 Tagen 11,193 g Kalk oder pro Tag
1.86 g!
b) A u o h in de n Fäll e n m i t Verkal k u n g
der Arterien besteht eine V e r m i n d e -
i* u n g d e r K a 1 k a u s f u h r g e g e n ii b e r
d e r E i n f u h r. ln einem Falle, dessen Röntgen¬
aufnahmen Rumpf vorlegte, wurden in 6 Tagen
nur 0,0621 g Kalk pro Tag durch den Harn aus-
geschieden.
Ein anderer Forscher, v o n L i m b e c k , hat als Re¬
sultat einer Reihe von Untersuchungen festgestellt, da ß
K a 1 k u n d P ho s p li o r s ii u r c i m G reis e n a 1 t e r
in viel gering e r e r AI enge a u s g e s e h i e d e n
w c r d e n als i m j ii n g e r e n Alt e r. „Diese Erschei¬
nung erklärt die Häufigkeit der Gefäßverkalkung im
Greisenalter und macht auch das Auftreten der Gicht im
höheren Lebensalter verständlicher.“ (Dr. C. Mord-
hörst, „Leber die Schädlichkeit der Kalksalze bei Gicht
und im höheren Lebensalter.“ Deutsche Mediziiial-Zeitung,
1898, No. 52/53.)
In der .lugend entledigt sich der menschliche Organis¬
mus leicht eines ihm aufgebürdeten Kalküberschusses,
aber im Alter, wo alle Aussclleidungsorgane schwächer
arbeiten, schwindet diese Fähigkeit, und es kommt früher
oder später zur K a I k r e t e n t i o n. Kalkanhäufung
und Kalkablagerung charakterisieren das Greisenalter.
„Uns drückt ein Erdenrest, zu tragen peinlich“ — und der
Erdenrest nimmt überhand, bis es endlich beißt: „Erde
zu Erde, Asche zu Asche.“
Wohltätig erscheinen Anhäufung und Ablagerung
von Kalk nur im Verlaufe anderer Kranklieitsprnzesse, in
Entzündungsresidu.'ii, z. B. in pleuritischen Schwarten und
in tuberkulösen Herden, auch in Geschwülsten, wie
Myomen, Dermoidzysten, Struma fibrosa. In diesen Fällen
erscheint die oft massenhafte Kalkablagerung als ein
Heilungsversuch der Natur, als der zweckmäßige Schlu߬
akt eines pathologischen Prozesses, wodurch die Krank¬
heitsherde ausgefüllt, abgekapselt, in eine harte, stein¬
ähnliche, für die Nachbargewebe unschädliche Masse ver¬
wandelt weiden.
Im übrigen ist die Zurückhaltung und Ansammlung
abnormer Kalkmengen mißlich; sie wird Ursache einer
Senilitas praecox, gefährdet Gesundheit und Leben der
Greise und kennzeichnet Alterskranklieiteii. Das „Maluni
senile“ ist ein Beispiel davon. Professor v o n N o o r d e n
hat Kalkreteiition in zwei Fällen von Arthritis deformans
einwandfrei naehgewiesen. Was eine andere Alters-
kranklieit, die Arteriosklerose, anbelangt, so hat der friib-
VERSIT
verstorbene Professor Gubler in Paris zuerst auf den
Zusammenhang der Gefäßverkalkung mit einer mineral¬
reichen Ernährung aufmerksam gemacht. Aber erst Pro¬
fessor R u m p f hat in seiner liiehrerwälmten Arbeit be¬
wiesen, daß bei reichlicher Zufuhr von Kalksalzen ein
großer Teil davon im Körper zurückbleibt, so daß anzu¬
nehmen ist, daß diese Kalkretentio n a ivc li i u
For m v o n V e r k -a 1 k u n g der Gefäße st a 11 -
finden könne. (Berliner klin. Wochenschr., 1897,
Nr. 13.) Rumpf hat deshalb kalkarme Kost bei Fällen
von Arteriosklerose in Vorschlag gebracht und folgerich¬
tig auch das Trinken gekochten oder destillierten Wassers
dabei angeraten. Neuere Pathologen und Kliniker haben
andere Ansichten über diese Krankheit geäußert, die
gegenwärtig sozusagen eine Modekranklie'it geworden ist.
Man hat sie bald für, eine Abnutzungs-, bald für eine Ab-
hetzungskranklieit erklärt, auch infektiöse und toxische
Ursachen angeschuldigt, auf den Befund der Adrenalin¬
wirkungen hingewiesen und noch viele andere Erklärun¬
gen versucht. Mir scheint jedoch, daß R u m p f der Wahr¬
heit am nächsten gekommen sei, daß also Abweichungen
in der chemischen Zusammensetzung des Blutes und der
Gewebe, namentlich Kalküberladung, mit den degenerati-
ven Veränderungen der Gefäße einhergehen. Diese Ansicht
stimmt überein mit Untersuchungen von G a z e r t (Deut¬
sches Archiv für klinische Medizin, Bd. 62), der in der
normalen Aorta einen Kalkgehalt von nur 0,43% der
Trockensubstanz fand, aber in erkrankten eine Vermeh¬
rung um das 15 fache bis 20 fache. R u m p f will übrigens
die kalkarme Diät nur in einzelnen Fällen von Arterio¬
sklerose und nur zeitweise angewendet wissen, verwahrt
sich gegen eine schablonenhafte Verallgemeinerung dieser
Kur und meint auch, daß die Kalkablagerung in die
kranken Arterien in manchen Fällen einen Heilungsvor¬
gang bedeuten könne (Medizin. Klinik vom 1. Januar 1905,
S. 99). In der Tat darf man hier ebenso wie bei der Ver¬
kalkung von Tuberkeln, Myomen, Kröpfen usw. an ein
Heilungsbestreben der Natur denken, da die Kalkablage¬
rungen in die atheronlatös erweichte, geschwürig gewor¬
dene Innenlmut der Arterien die gefährlich erweichten
Stellen einigermaßen festigen. (Zu diesem Zwecke braucht
man selbstverständlich einem alten Körper keine besonde¬
ren Kalkmengen zuzuführen; er hat deren schon mehr als
genug aufgespeichert.) Professor L. von Schrötter
in Wien hat sich durch die R- u m p f sehen Versuche wenig¬
stens soweit überzeugen lassen, daß er in einer Abhandlung
„Zur Therapie der Arteriosklerose“ (Therapie der Gegen¬
wart, Januar 1899, S. 35) zugibt: „Jedenfalls soll im kri¬
tischen Alter die Anwendung kalkhaltiger Mineralwässer,
wenn sie aus irgendeinem anderen Grunde angezeigt wäre,
wohl überlegt werden.“ Und durch gleiche Erwägungen
veranlaßt schreibt Professor Hoff mann (in
v o n L e y d e n s Handbuch der Ernährungstherapie und
Diätetik, 1898, Bd. 1, S. 603) : „Früher glaubte ich, wenn
jemand kalkreiches Wasser trinke, so würde der Organis¬
mus davon nur ein Geringes aufnehmen, der Ueberfluß
werde einfach mit dem Darm abgeführt. Jetzt aber unter¬
liegt es keinem Zweifel mehl', daß man durch kalkreiche
Nahrung auch einen kalkreichen Körper erhalten kann.“
Der p r i n z i p ie 1 1 e In terschied in der Denk¬
weise der Gegner und der Freunde des weichen Trink¬
wassers liegt darin, daß jene nur darauf sinnen, was sie
mittels des Wassers in ihren Körper li frei n 1> r i n g e n ,
diese aber daran denken, was sie durch Wassertrinken
Ii i n a u s s e li a f f e n können. „Die Aufsaugung des
Wassers wird um so leichter sein, je weniger Salzgehalt das
Wasser enthält.“ ( L e r s c h , prakt. Balneologie und
Hydroposie, >S. 386.) Weiches Wasser wird rascher auf¬
gesogen als hartes, hat zudem stärkere auflösende Kraft -
es ist das Lösungsmittel pur exeellenee! — befreit daher
den Körper rasch von vielen Schlacken. Es tritt schnell
/ERS
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
147
ins Rliit über, vermehrt eine Zeitlang dessen Volumen und
bewirkt so eine Verminderung des Prozentgehalts des
Serums an Salzen, die unter Umständen wünschenswert
ist. Da bei dem in den Darmtraktus eingeführten weichen,
d. h. reinen Wasser die osmotische Span-
n u n g s d i f ferenz d i e groß t-e ist, erfolgt schnell¬
stens eine Abgabe von Blutsalzen in den Magen und Darm,
und auch dieser Umstand vermindert die Konzentration des
Blutes; diese Verminderung hat alsbald eine Verdünnung
der Ausscheidungen, insbesondere des Harns, zur Folge,
w odurcli etwaiger Neigung zu Konkre¬
ment b i 1 d n 11 g i n d e n II n r n wegen e n t -
g e g e n g e w ir kt w i r d. Durch die erleichterte
Osmose wird die intrazelluläre Zirkulation lebhafter; diel'
'S t o f fwechsel wird auch dadurch b es eh leunigt,
daß die reichlicher fließenden Sekrete mehr Stoffe in Zir¬
kulation bringen. Die bei regelmäßig wiederholten Zu¬
fuhren weichen Trinkwassers eintretenden Isotonie-
sehwankungen der Gewebe gleichen sich zwar rasch wie¬
der aus, infolge vermehrter Wasserausscheidungen durch
die Nieren, durch Lungen, Haut, Speicheldrüsen usw., wir¬
ken aber doch im Sinne einer Durchs p ii lang de r
G e w e b e , welche die Ausscheidung der entstandenen
S e 1 b s t g i f t e (Leukomaine, Toxine), Stoff wechsel-
s c h 1 a c k e n (Harnsäure) und E r m ii d u u gepro-
d u k t e (Milchsäure usw. erleichtert. Diese Auswaschung
des Körpers, diese Abschwemmung der giftigen Stoffwechsel-
jirodukte auf den Wegen des Harns, mit einem Worte, diese
E u t g i f t u n g des Organismus ist der größte Nutzen, deu
wir uns durch das Trinken weichen Wassers verschaffen
und den uns hartes nur unvollkommen leisten kann. Wenn
Alb recht von Haller den Wassertrinkern nach¬
sagt, daß sie „lange einen guten Appetit, scharfe Sinne
und das Gedächtnis behalten und zahlreiche Beispiele von
Langlebigkeit liefern“, so beziehen wir auch diese Folgen
vornehmlich auf den Genuß w eichen Wassers,' das den
Organismus gründlicher reinigt als hartes. Daß die Fern¬
haltung erdigen Ballastes einerseits und die Befreiung
von Selbstgiften andererseits zur Lehensverlängerung bei¬
tragen könne, ist keine unzulässige Annahme, weshalb uns
die anfangs erwähnten makrobiotischen Ratschläge des
Br. R o w b o t ii a m mindestens ebenso zweckmäßig er¬
scheinen wie der Gebrauch der abführenden Pilulae ad
longam vitam des P a racelsxis oder die jetzt so sehr be¬
liebte „Veredelung der Darmflora“ durch die saure Milch
des Professors Mets c h u i k o f f. Uebrigens ist es doch
merkwürdig, daß alle diese Methoden auf Entgiftung des
Organismus hinauslaufen; es mag wohl in allen das gleiche
Körnchen Wahrheit stecken.
Wo kein weiches Trinkwasser, sondern nur hartes zu
haben ist, muß man dieses verbessern; das ist eine wich¬
tige hygienische Aufgabe. In allen Ortschaften mit sehr
hartem Wasser — und deren gibt es in Deutschland leider
viele! — müßte die Gesundheitspolizei dem Publikum emp¬
fehlen, das zum Trinken bestimmte Wasser gründlich, näm¬
lich 5 Minuten lang, z u k o c h e n. Dadurch wird wenig¬
stens kohlensaurer Kalk ausgefällt, wenn auch schwefel¬
saurer und salpetersaurer, als „bleibende Härte“, nicht be¬
seitigt werden. Ein nebensächlicher, nicht zu verachten¬
der Vorteil dieses Verfahrens isl die Abtötung der Mikro¬
organismen des Wassers. Merkwürdigerweise ist dieses
Verfahren der Trinkwasserverbesserung schon im Alter¬
tum hier und da geübt worden. Hern d o t berichtet (im
1. Buche, Klio, cap. 188), der Großkönig K y r o s habe auf
seinen Reisen Wasser aus dem Flusse Ohoaspes bei Susa
mitgeführt; „der König trank kein anderes Wasser; man
bewahrte es ihm in silbernen Gefäßen auf, nachdem es ge¬
kocht worden war“. H i p p o k r a t e s (De victus ratione
in aeutis) verbot das Trinken ungekochten Wassers in
akuten Krankheiten. Auf dem indischen Feldzuge
A Icxan ders des G r o ß e n wurden bei der Belage-
UNIVEF
mag von Petra dreißig Sclmeegrubeii gemacht, worin ge¬
kochtes Wasser zum Trinken wieder abgekühlt wurde. Audi
Kaiser N e r o trank gekochtes und durch Eis wieder abge¬
kühltes Wasser; diese „decoeta Neronis“ wurden noch spä¬
ter vielfach gebraucht. B u f o s von Epliesus schrieb
um 100 n. Cbr.: „Das beste Wasser ist das, was man in
irdenen Töpfen kocht, alsdann abgekühlt unddann vor dem
Trinken aufs neue erhitzt bat.“
Noch besser ist der schon erwähnte Rat der Doktoren
11 e r in a n n W e b e r und P a r k e s W e b e r , daß man
an Orten mit sehr hartem Wasser destilliertes Wasser
trinken soll; doch wird dieser Rat nur selten befolgt, da
das Destillieren umständlich ist und der Blasengeschmack
manchem nicht zusagt. Vornehme Chinesen trinken de¬
stilliertes Wasser, ebenso manche Brasilianer; allgemein
gebräuchlich ist dieses Getränk auf den amerikanischen
Kriegsschiffen, an einigen regenlosen Küsten und auf
ebensolchen Inseln. Daß zahlreiche englische und ameri¬
kanische Aerzte ihre Patienten destilliertes Wasser trinken
lassen, habe ich schon erwähnt. Nachträgen will ich die
Notiz, daß Dr. Ray ne seine Kopfkranken kein anderes
Wasser als destilliertes trinken läßt; über die guten Er¬
folge 'dieser Maßregel hat er im „Lanc-et“ vom 18. Juli
1903 berichtet. Ich verordne destilliertes Wasser zu
„Schwemmkuren“ bei Krankheiten der Harnwege, wo
Gries und Harnsand fortzuspülen sind, ferner verordne ich
es bei gichtischer saurer Dyspepsie, bei nervöser Gastral-
gie, bei Leberanschoppung, bei Neigung zu Gallensteiu-
hildung, bei katarrhalischem Ikterus und bei den auf in¬
testinaler Autointoxikation beruhenden. Krankheitszuslän-
den. Wer noch an das alte Märchen von der Schädlich¬
keit des Genusses destillierten Wassers glaubt, den ver¬
weise ich auf meine Abhandlung: „Ist destilliertes Wasser
ein Gift ?“ (Baineologische Zentral-Zeitung. 1905, Nr. 7
und 8).
Indem ich diese Abhandlung beschließe, möchte ich
die Frage, ob hartes oder weiches Trinkwasser zu erstre¬
ben sei, den Vertretern der öffentlichen Gesundheitspflege
zu weiterer Prüfung empfehlen. Wer da meint, das sei
eine akademische Frage ohne praktische Tragweite, weil
man das Wasser so nehmen müsse, wie es eine Gegend just
darbiete, irrt sich. Viele Gemeinden haben bei ihrer
Wasserversorgung die Auswahl zwischen Wässern ver¬
schiedener Provenienz und verschiedener Härte. Sehr har¬
tes Wasser von 25 bis 30 deutschen Härtegraden, das einige
Hydrologen noch par complaisance als Trinkwasser zu¬
lassen, taugt mir zur Besprengung der Straßen und zur
Spülung der Aborte und Siele. Im Notfall ist Trinkwasser
von 15 bis 20 Graden deutscher Härte zulässig; gut ist
a b e r n u r w e i c Ii e s T r i n k w a s s e r , d. Ii. ein sol¬
ches, das weniger als 15 deutsche Härtegrade hat, mit an¬
deren Worten: d a s w eiliger als 1 5 G e w i e b t s-
teile Kalk in 1 00 000 Gewichtsteile u
Wasser enthält; es muß jedoch auch in bakterio¬
logischer Hinsicht einwandfrei sein. — Beispiele dafür, daß
Gemeinden die Auswahl zwischen Wässern von sehr ver¬
schiedener Härte hatten, sind im Rüs eschen Buche zu
finden. Die Stadt Nordhausen am Harz hätte sich mit
leichter Mühe kalkreiclies Leitungswasser beschaffen kön¬
nen. hat es aber vorgezogen, Wasser einem Stauweilier
im nahen kalkarmen Harzgebirge zu entnehmen. Die Stadt
Gotha, die früher Wasser aus harten Brunnen entnahm
und kalkreiches Grundwasser in nächster Nähe hätte er-
boliren können, hat sich gleichfalls eine Stauweihenvasser-
leitung im kalkarmen Gebirge eingerichtet, die gänzlich
kalkfreies Tagewasser liefert. Beide Fälle haben den
Zorn Röses erregt, der sich bis zu dem Aussprache ' er¬
steigt, die Stadt Nordbausen sei nun durch ihr weiches
Wasser zu einem Entartungszentrum für ganz Thüringen
geworden! Offenbar hält Böse nichts von der uralten
Weisheit, die im Lehrgedichte der Schule von Salerno
/ERS
C
148
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 10
f dOOOn. Ohr.) ausgesprochen ist. nämlich daß das weichste
Wasser von allen, das Regennasser, das ge¬
sündeste sei"). Ich beglückwünsche ,icnc städtischen
Verwaltungen und deren Techniker zu ihrer verständigen
Trinkwasserversorgung. Ich beglückwünsche ebens i
unsere deutschen Großstädte Berlin. Breslau, Dresden.
Leipzig, Hamburg zu ihrem weichen Leitungswasser, wo
durch sich ihre Morbiditäts- und Mortalitätsvorlüiltnisse
bedeutend verbessert haben. Mögen die Wasserbautecluii
ker unbeirrt fortfahren, die Gemeinden entweder mit wei¬
chem Wasser aus tiefen Grundwasserbecken oder in Er¬
mangelung solcher mit filtriertem Flußwasser zu ver¬
sorgen. Wenn Sonderlinge jetzt nach recht hartem Trink
wasser rufen und z. B. den kuriosen Vorschlag matdien,
man solle der Stadt Berlin das kalkreiche Wassel der
Quelle Ruhmessprung vom Eichsfelde zuleiten, so möge
man dergleichen Anträge ruhig ad acta legen.
_
Der Atmungssclilcier.
Von Dl- a. Heermann, Cassel.
Ufo
Bekanntlich spielen die Atmungsübungen in der Heil¬
gymnastik seit langer Zeit eine große Rolle; ihre Bedeu-
lurg ist aber im Laufe der letzten Jahrzehnte noch mehr
und mehr gewachsen, seitdem man einerseits gesehen hat.
wie außerordentlich mangelhaft die meisten Menschen ge¬
wöhnlich atmen, ja daß sie vielfach erst in Sanatorien,
Bäder und Sommerfrischen geführt werden müssen, ehe sie
einen tiefen Atemzug zu machen leinen; seitdem man
andererseits den großen Wert erkannt hat, den die Atmung
abgesehen von ihrer Aufgabe der Lungendurchlüftung für
die Blut- und Lymphbewegung, die geordnete Tätigkeit der
Bauehorgnne und die Kräftigung des ganzen Körpers
besitzt.
In dem Behandlungsplan der Tuberkulose, des
Asthmas, der chronischen Bronchitis, der Pleuritis, der
Perikarditis, der Heizseh wache, der chronischen Nasen-
und Halsleiden, der Sprachstörungen, der Sklerose, der
Darmträgheit, der Chh rose lind der Anämie ist die
Atmungsülnuig ein integrierender Bestandteil geworden.
Die richtige Ausführung derselben, namentlich die Be¬
tätigung des Zwerchfells, ist aber für die Patienten nicht
immer leicht, sondern oft recht ermüdend, gebraucht zu¬
nächst, zumal bei Kindern, eine gewisse Zeit zum Erlernen
oder erfordert besondere künstliche Hilfsmittel wie
Saugmaske, manuelle Unterstützung durch Arzt und Pfle¬
ger, Beschwerung des Unterleibes, „Lungenstärker“ oder
Atmungsstühle.
Ich habe deshalb zu dem gleichen Zwecke seit Jahren
noch eine andere Methode erprobt, welche mit stetsvor-
ba ndenem Material ausführbar ist und sich in vielen
Fällen gut bewährt hat. Sie besteht einfach darin, daß
Nase und Mund mit einem mäßig luftdurchlässigen Tuche,
z. B. einem Tasehentnche, mit einem dichten Gazestücke
oder ähnlichem bedeckt werden. Man kann alsdann die
Beobachtung machen, daß sieh sofort automatisch ohne
irgendwelche Anleitung die Einatmung sowohl wie die
Ausatmung erheblich vertieft, und zwar gerade durch die
erwünschte Erweiterung der Zwerchfellatmung, und daß
fliese Atmung ohne Mühe und Anstrengung lange Zeit
fortgesetzt werden kann.
Wo es auf die Lehmig nur einer Lungenseite an¬
kommt, wird der Kranke in der üblichen Art auf die ge¬
sunde Seite gelagert oder mit dieser gegen eine feste Stütze
*i „Est pluvialis aqua super onmeg sanu, l&etosque
„Eeddit potantes, bene dividit et bend-soMt.“
IHI
OF MICHIGAN
angestammt; sonst kann er aber beliebig liegen oder mit
dem umgebundenen Tuche sitzen und umhergehen, wobei
die Uebungsdauer ebenso wie auch bei den sonstigen Me¬
thoden zwischen Minuten und mehreren Stunden schwankt.
Aber nicht nur bei den oben erwähnten chronischen,
sondern auch bei akuten Erkrankungen der oberen Luft¬
wege bewährt sich diese überaus einfache Prozedur. Neben
der atmungvertiefenden Wirkung ist hier zugleich die Vor¬
wärmung der Atmungsluft offenbar von Wichtigkeit.
Unter dem Tuche vermindern sich die Verstopfung der
Nase, der Hustenreiz, die Atembeschwerden und die Kopf-
schmerzeu zuweilen in recht sichtbarem Grade.
Die beistellende Abbildung zeigt als Beispiel einen
Patienten mit einem solchen Atinungssebleier, einem drei¬
eckigen, an einem Zipfel geteilten Stück eines Seihtuches,
wie es zum Auspressen von Eruelitsaft benutzt wird, einen
Patienten, welcher bei akuten Katarrhen der Luftwege
stets eine Verschwellung der Nase und anhaltenden Husten
mit asthmatischen Anfällen bekam. Keins der angewand¬
ten Mittel (Schnupfpulver, Sebnupfsalben, Inhalieren,
Menthol - Ipecacuanha, Brom - Althäa, Kodein, Jodkali,
künstliche Atmung und N ii g e 1 i s Hustenhandgriff) hatte
genügenden Erfolg; unter dem Tuche dagegen wurde die
Nase frei, milderte sich immer prompt der Hustenreiz
und trat Beruhigung ein, welche während der Nacht in
guten Schlaf überging.
Leichtere Katarrhe können sogar, wenn die Methode
sofort bei dem ersten Krankheitsgefühle angewendet wird,
vollkommen unterdrückt werden.
Deshalb ist mir dieselbe auch in der täglichen Praxis
zu einem unentbehrlichen und nützlichen Hilfsmittel ge¬
worden.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
149
Kongressberichte
Der XXXI. Balneologenkongreß.
Referent: Dr. Max Hirsch, Bad Kudowa.
Der XXXI. Balneologen-Kongreß fand unter zahl¬
reicher Beteiligung der Balneologen Deutschlands, Oester¬
reichs sowie auch des Auslandes vom 28. Januar bis zum
1. Februar 1910 in Berlin statt. Das Programm war auch
dieses Mal an höchst interessanten Vorträgen aus dem Ge¬
biete der Balneologie sowie der verwandten Wissenschaften
außerordentlich reich. Die lebhafte Diskussion, die, sich
an eine Reihe der Vorträge anschloß, sprach für das rege
Interesse, das die Vorträge hei dem größten Teile der Ge¬
sellschaft hervorriefen.
Der Kongreß wurde in üblicher Weise von dem Vor¬
sitzenden eröffnet und mit dem Jahresbericht durch den
verdienstvollen Generalsekretär und Begründer der Ge¬
sellschaft, Herrn Geheimrat Dr. Brock, Berlin,
eingeleitet. Aus diesem Bericht sei besonders die
Einladung des Herrn Prof. Dr. von Bokay,
Budapest, zum TX. Internationalen Kongreß für
Hydrologie hervorgehoben. In dieser Einladung be¬
tonte Herr von Bokay die hervorragende Bedeutung
der Balneologischen Gesellschaft für die Wissenschaft,
welche die Gesellschaft dazu berechtigt, auf dem Inter¬
nationalen Kongresse die führende Rolle zu spielen. Aehn-
lioho Anerkennungen wurden auch gelegentlich dieses Kon¬
gresses der Gesellschaft durch so hervorragende Männer
wie Herrn Geheimrat Prof. Dr. Senator, Berlin, und
Herrn Hofrat Prof. Dr. W internitz, Wien, zuteil. Tn
Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die
Balneologie wurde der allgemein beliebte und hoch¬
geachtete Wirkt. Geheimrat Exzellenz Prof. Dr. Bäum-
ler in Freilmrg i. Br. zum Ehrenmitglied der Balneolo-
gischon Gesellschaft ernannt.
Die Reihe der Vorträge eröffnete Herr Geheimrat
Prof. Dr. K r a u s , Berlin, mit dem Thema: „Ueber einige
funktionell-diagnostische Methoden, welche für die Balneo¬
logie von Interesse sind.“ Vortr. behandelte namentlich die
in neuester Zeit in Aufnahme gekommenen, höchst inter¬
essanten funktionell-diagnostischen Untersuchungsmetho¬
den bei den Erkrankungen des Zirkulationsapparates. Die
Tatsache, daß .jeder Badearzt ein eng begrenztes Gebiet zu
bearbeiten habe und so gewissermaßen Spezialist auf die¬
sem Gebiet sei, muß ihn veranlassen, der Diagnostik eine
erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen und auf keine brauch¬
bare Untersuchungsmethode zu verzichten. In der Kreis--
laufpathologio will Vortr. den alten Begriff „Herz¬
schwäche“ beseitigt sehen und dafür lieber den Begriff
„Kreislaufinsuffizienz“ setzen; denn nicht die Schwäche
des Herzmuskels allein sei der springende Punkt, sondern
die Störung des gesamten Kreislaufsystems. Nach einer
eingehenden, vielleicht mitunter zu spezialisierten Schilde¬
rung der Physiologie des Kreislaufs hebt K. die Bedeu¬
tung des Elektrokardiogramms hervor, das nicht nur die
Gesamttätigkeit des Herzens vor Augen führt, sondern
auch ein Bild über die Funktion der einzelnen Kammern
gibt. Dabei ist die Technik des Elektrokardiogramms und
die Deutung seiner Kurven sehr einfach, so daß seine An¬
wendung durchaus empfehlenswert sei. Eine Reihe von
höchst interessanten Kurven zeigten den Wert des Elektro¬
kardiogramms. Sodann widmet Vortr. eine eingehende
Schilderung dem hydraulischen Druck, der in der Kreis¬
laufpathologie eine große Rcdle spielt. Die besten Auf- j
Schlüsse über diesen Vorgang glaubt Vortr. durch das Ver¬
fahren von Pie sch zu erhalten, das allerdings ziemlich
kompliziert ist. Eine große Bedeutung hat die Blutvertei¬
lung an der Peripherie, zumal ja die Bäder ihre Wirkung
von der Peripherie aus,entfalten. Vortr. glaubt, daß die
funktionell-diagnostischen Methoden gerade bei denjeni¬
gen Zuständen eine große Bedeutung haben, welche sich
an der Grenze zwischen dem normalen und pathologischen
Gesundheitszustand bewegen, also dem Gebiet, das ganz
besonders haincologische Behandlung erfordert.
Mit dem immer noch außerordentlich aktuellen Gebiet
der Radiumemanatiou beschäftigten sieh einige Redner
unter großem Interesse der gesamten Zuhörerschaft.
Zunächst teilte Herr Geheimrat Prof. Dr. 11 i s , Ber¬
lin, seine „Studien über Radiumemanation“ mit. Vortr.
hat in seiner Klinik die Aufnahme und Ausscheidung des
Radiums untersucht und die früheren Angaben von Dr.
Loe wenl hal, Braunsehweig, bestätigt. Auch die kli¬
nischen Untersuchungen des Vortr. haben gezeigt, daß die
Zeit der Wirksamkeit des Radiums eine beschränkte ist.
weil die Emanation den Körper schnell verläßt. Soll das
Radium nun einen nachhaltigen Einfluß auf den Organis¬
mus ausiiben, so dürfte es notwendig sein, Vorkehrungen
zu treffen, die dahin wirken, das Radium längere Zeit dem
Organismus zugänglich zu machen. In letzter Zeit sind
auch Apparate konstruiert worden, welche diesem Zweck
in vorzüglicher Weise dienen. Es hat sieh gezeigt, daß das
Radium einen starken Einfluß auf den Stoffwechsel aus-
iibt. Daß diese Tatsache für die Praxis von großer Be¬
deutung ist, dürfte wohl außer Zweifel stehen; aber cs hißt
sich zurzeit noch nicht sagen, wieweit diese Bedeutung sich
erstreckt. So ist z. B. festgestellt worden, daß die Harn¬
säure durch das Radium stark beeinflußt wird, und zwar
insofern, als sie aus der schwerlöslichep in die leichtlös¬
liche Form iibergefiihrt wird. Damit wäre das alte Postulat
erfüllt, das man in der Behandlung der Gicht und der harn¬
sauren Diathese gestellt hat. An der ganzen Radium
therapie ist aber noch der eine große Uebelstand, daß die
Dosierung der Kinnnationsdosis noch nicht genügend fest¬
gestellt ist. Auf diesem Gebiete wird cs noch mancher
wissenschaftlichen Arbeit bedürfen. Daß man bei der einen
Form der Gicht mit dein Radium Heilerfolge erzielte, die
hei der anderen Form ausblieben, dürfte wohl darauf
zuriiekzufiihren sein, daß die Gicht mannigfache Formen
zeigt und mannigfache Ursachen hat. Es ist demnach nicht
ausgeschlossen, daß die einzelnen Fälle von Gicht auch
untereinander noch differenziert sind. Was die Anweu-
dnngsform der Radiumemanation angeht, so hat sieh bis
jetzt die Trink- und Inhalationsbehandlung mit Radium
wesentlich mehr bewährt als die Bäderanwemlnng. Vortr.
ist der Aussicht, daß auf dem Gebiete der Radhimforschung
noch viel zu leisten ist, daß aber von der Radhimforschung
für die Therapie noch viele Vorteile zu erwarten sind. In¬
struktive Demonstrationen erläuterten den höchst inter¬
essanten Vortrag, dem sich wertvolle Demonstrationen aus
dem Gebiete des Radiums durch Herrn Dr. Loe wen-
t li a 1 , Braunschweig, anschlossen. Zunächst setzte er aus¬
einander, in welcher Weise der Radiumemanationsgehalt
von natürlichen Heilquellen zur Einatmung benutzt werden
kann. Sodann demonstrierte er mit Skizzen und Apparaten
ein solches „Emanatorium“, in welchem mehrere Patienten
sieh gleichzeitig aufhalten können, ferner einen Masken¬
apparat zur Einzelbehandlung mittels Radiogenwasser.
Außerdem zeigte er höchst interessante Apparate zur Er¬
zeugung und Erhaltung der Radiumeinanation, worauf
Herr Geheimrat Prof. Dr. H i s in seinem Vortrage hin¬
gewiesen hatte, sowie zur Reinhaltung und Regulierung der
Luft hei Rndiumversucheu. Alle diese Apparate dürften
für die Praxis von großer Bedeutung sein.
Herr Dr. W e i s z , Pistynn, erörtete das Thema:
„Ueber ungeregelte Verhältnisse bei Bestimmung und Be¬
wertung der Radiumemanation.“ Nach seinem Dafür¬
halten liegen die Schwierigkeiten: 1. im Wesen der ge¬
bräuchlichen Meßinstrumente, 2. in der unbestimmten
Methodik, die in wichtigen Details keine Normen kennt,
ß. in der Vielfältigkeit, Ungleichmäßigkeit und Unbestän¬
digkeit der zu untersuchenden Materialien und 4. in der
Frage der Einheit. Hierzu sei folgendes bemerkt:
150
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 10
Ad 1. Die Meßapparate arbeiten individuell, und der¬
selbe Apparat arbeitet dem Charakter der Emanation ent¬
sprechend zeiteinheitlich verschieden, zu Beginn mit un¬
gleichmäßig stärkerem Valtabfall. Die Apparate sind auch
thermisch außerordentlich empfindlich, was bisher eben¬
falls nicht beobachtet wurde. Ad 2. Indem man auf eine
jeweilig verschiedene Minutenzahl mangels bestimmter
Normen auf eine Stunde umrechnet, ergeben sich willkür¬
liche Daten. Da ferner die Emanation zum Teile Fläehen-
wirknng ist, hängt das Resultat auch von dem Grade der
Verdünnung, Größe der Gefäße usw. ab. Ad ii. Die Ver¬
schiedenheit der Strahlen einerseits, die sozusagen zur Tat¬
sache gewordene Zerfallstheorie der radioaktiven Stoffe
andererseits zwingt zur Vermutung, daß therapeutisch die
Emanation nicht ganz gleichbedeutend ist mit Radioaktivi¬
tät im weiteren Sinne, wie ja Radioaktivität nicht gleich¬
bedeutend ist mit Radium selbst. Mit Hilfe der elektro-
skopiselien Methode können wir uns höchstens von der
Emanation einen Begriff machen, nicht aber von der
Summe der verschiedenen Strahlungsarten und aller Be
gleiterscheinungen, die der Umwandlungsprozeß im Ge¬
folge hat. Deswegen scheint der Standpunkt verfrüht zu
sein, Wasser, das nur Emanation enthält, mit irgendeiner
radioaktiven oder radimnhaltigeu Heilquelle ausschlie߬
lich auf Grundlage des Elektrcskops zu vergleichen resp.
zu identifizieren. Ad -1. Es führt zu Mißverständnissen, daß
sich hei den künstlichen Produkten eine ca. hundertmal
kleinere Einheit eingebürgert hat, als es auf balneologi-
sehem Gebiete die Mache-Einheit ist. Aber auch letztere
führt durch die nachträgliche Multiplikation mit 1000 zu
Vergrößerungen, welche die natürlichen Verhältnisse un¬
liebsam verschieben. Es bleibt wohl nichts anderes übrig,
als endlich zur realen Einheit überzngehen. Was endlich
die D o s i e r u nj de r B ä d e r betrifft, scheine nach dem
heutigen Stande der Wissenschaft die Ueberlegenheit
radioaktiver Piscinen (Bassinbäder) geradezu verblüffend
zu sein.
Herr Dr. Krieg, Baden-Baden, teilte seine Unter¬
suchungen über „die physiologische Wirkung der radium-
haltigen Kochsalzquellen von Baden-Baden“ mit, aus denen
hervorgehoben werden kann, daß durch die radiumhaltigen
Kochsalzquellen von Baden-Baden die Atmungszahl und
Körpertemperatur wenig beeinflußt wird, daß sie jedoch
eine große Wirkung ausüben auf die Zahl der Pulse, den
Blutdruck, die Form der Pulse, die Diurese sowie auf die
Ausscheidung von Harnstoff und Harnsäure. Den Einfluß
der Koclisalzquellen führt Vortr. auf drei Faktoren zurück,
auf die Emanation, auf die Radiumsalze und das Radiothor
sowie auf die Wirkung der Salze in den Quellen überhaupt.
Vortr. gibt seiner Ansicht dabin Ausdruck, daß ein wirk¬
licher Ersatz der Thermalquellen durch bloße Radium¬
präparate nicht möglich ist. Man sollte sich daher davor
in acht nehmen, durch künstliche Rädiumbäder natürliche
Thermalquellen ersetzen zu wollen, die ebensowenig einen
Ersatz für die natürlichen Heilquellen bieten können, wie
andere künstliche Mineralwässer.
Aus der sehr regen Diskussion spi hervorgehoben, daß
Herr Prof. Dr. Bickel, Berlin, betonte, er freue sich
darüber, daß der Widerstand, den man im Anfang seinen
experimentellen Untersuchungen und den daraus ent¬
stellendem Resultaten entgegengesetzt, jetzt geschwunden
sei, und daß man seine Ansicht teil?, daß die Emanation
in den Quellen viele Erscheinungen der natürlichen
Brunnen erklärten. Herr Dozent Dr. IS t. r unser, Wien,
hob die schmerzlindernde Wirkung der Radiumemanation
hervor, speziell bei Tabikern. Feiner hob er hervor, daß
die Gammastrahlen des Radiums, welche die Haupt-
wii'kung ausübten, aus den anderen Stfahlen so entständen,
wie die Röntgenstrnhlen aus den Knthodenstrahlen, daß
ferner die Gammastrahlen eine gewiss? Aehnlichkeit mit
den Röntgenstrahlen hätten, wenn sie auch mit ihnen nielil
identisch wären. Herr Dr. La-chmann, Landeck,
stimmte Herrn l)r. Weisz bei, daß Verbesserungen auf
dein Gebiete der Rndiiimeiminationsmessung durchaus not¬
wendig wären. Namentlich müßte eine Einheit auf die¬
sem Gebiete erreicht werden. Denn mit den verschieden¬
sten Meßapparaten könnte man aus derselben Quelle mit
Leichtigkeit die verschiedensten Ergebnisse lierausreclmeii.
Znm Schluß betonte er die interessante Tatsache, daß man
durch die Radinmenianationsforscliung alte empirische
Grundsätze in der Balneologie bestätigt hätte, für die man
bis dabin keine Erklärung gefunden hätte. Schließlich
wies Herr Dr. F u e r s t e n b e r g , Berlin, noch darauf
hin, daß man von emanationshaltigen Bädern keinen Er¬
folg erwarten könne, daß aber die Trink- und namentlich
Inhalationskuren gute Erfolge zeigten. Es trete nach ihnen
eine Reaktion auf, welche mit der Besserung des Zustandes
parallel geht.
Herr Geheimrat Prof. Dr. H e f f t e r , Berlin, sprach
„über Jodwirkung“. Er hob hervor, daß man unbedingt
der Ansicht von W. H e u b n e r zustimmen müsse, daß die
Jodwirkung als eine Salzwirkung anzusehen ist. Inner¬
lich eingenommene Jodalkalien werden schnell durch den
Harn wieder ausgeschieden; aber es erscheint nur ein
Bruchteil der aufgenommenen Jodmasse im Harn, die indi¬
viduell schwankt, aber bei den einzelnen Individuen ziem¬
lich konstant bleibt. Wo ist nun das nicht ausgesehiedene
Jod geblieben ? Im Stuhlgang oder in den anderen Exkreten
erscheint es auch nur in minimalsten Mengen, und so
müssen wir annelünen, daß es sieh im Körper angespeichert
hat. Allerdings können wir nicht genau sagen, in welcher
Form. Die Ausscheidung von Jod nach der Jodkali-
aufnalime verläuft sehr unregelmäßig. Nach den wissen¬
schaftlichen Untersuchungen der letzten Jahre scheint bei
der Jodanspeioherung die Schilddrüse eine große Rolle zu
spielen, eine Frage, die aber noch lange nicht geklärt ist.
Auch die Erscheinung des Jodismus ist vielfach studiert
worden. Man glaubte, daß Zusätze von Natriumnitrat den
Jodismus beschleunigten und daß man gegen den Jodismus
solche Mittel anwenden müßte, welche das Natrium nitrat
zerstörten. Aber auch diese Frage bedarf noch sehr der
Klärung. In der Diskussion machte Herr Dr. Meyer,
Kissiiigen, (darauf aufmerksam, daß nach seiner Ansicht
die kolorimetrische Joduntersuchung, deren sich der Vortr.
bedient hatte, ungenügende Resultate gebe und daß er
selbst sich damit bemüht habe, eine besser? Methode zu fin¬
den, daß aber seine Versuche leider vergeblich waren. Der
Vortr. wies jedoch darauf bin, daß die kolometrischen
Untersuchungen allerdings nur dann gute Resultate geben,
wenn man eine gewisse Uebung besäße.
Herr Dr. R o t h s c h i 1 d , Soden a. T., teilte „weitere
Erfahrungen mit seinem Mischtuberkulin“ mit. Vortr. hat
ein neues Heilmittel gegen die Tuberkulose angegeben, das
in mancher Beziehung dem K o c 1> sehen Neiituberkulin
■ ähnlich ist, aber sich dadurch charakterisiert, daß es durch
Zusammensetzung und Mischung unter sich verschiedener
Bazillenstämme hergestellt ist. Vortr. ging nämlich von
der Ansicht ans, daß verschiedene Tuberkelbazillenstämme
bei verschiedenen Individuen ganz bestimmte Wirkungen
entfalteten, in einem Falle sich sehr bewährten, im anderen
dqgegen versagten. Aus diesem Grunde' leitete ihn der
Gedanke, ein Tuberkulin herzustellen, das möglichst ver¬
schiedene Formen der Tuberkulose in sich enthält und so
die meisten Garantien jjewährt, mit ein und demselben
Tuberkulin bei den verschiedensten Arten der Tuberkulose
Erfolge erzielen zu lassen. Vortr. hat sein Mischtuberkulin
in 74 Fällen angewandt und in 40 Fällen vollständige
Heilung erzielt, wobei er an den Begriff Heilung sehr
strenge Anforderungen stellt. Vortr. ist der Ansicht, daß
die von ihm angegebene Variation des Tuberkulins leichte
JIVERSIT
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
151
Wille- von Tuberkulose sicher, mittclschwe.re wahrscheinlich
heilen dürfte.
In der Diskussion machte Herr Dr. S c h m i u c k e ,
Elster, darauf aufmerksam, daß man mit den großen Dosen
Tuberkulin, von denen in letzter Zeit viel die Rede ist, doch
sehr vorsichtig sein soll.
Herr Prof. Dr. Schubert, Eberswalde, erörterte
das Thema „Höhenklima und Waldklima“. Vortr. be¬
tonte die Bedeutung- der Witterungsverhaltnisse für das
Wohlbefinden des Menschen. Deshalb sollten auch die
Aerzte sich mit dem Studium des Klimas eingehender be¬
fassen. Eine eigenartige Rolle nimmt in klimatischer Be¬
ziehung die Höhenlage ein, und zwar dadurch, daß man hei
geringer Entfernung große Differenzen erzielen kann. Die
Teniperaturdifferenz von 1 km Höhe im Gebirge entspricht
einer solchen von 1000 bis 2000 km in horizontaler Ent¬
fernung'. Von großer Bedeutung sind für das Klima des
Gebirges die Vertikalen, Strömungen der Luft. Auch üben
die Temperaturverhältnisse einen wesentlichen Einfluß auf
den Feuchtigkeitsgehalt der Luft aus, und zwar steigt der
Feuchtigkeitsgehalt hei dampfgesättigter Luft mit der Zu¬
nahme der Temperatur regelmäßig an. Bei unseren Ge¬
birgen findet sich aufwärtssteigende Luft auf der Südseite
der Berge und in den Zyklonen, absteigende Luft an der
Seeseite. Der Einfluß des Waldes auf das Klima ist viel-
•faeli umstritten worden. Deshalb hat die preußische forst¬
liche Versuchsanstalt in Eberswalde eingehende Unter¬
suchungen über die Bedeutung des Waldes auf das Klima
angestellt. Der Wald hat keinen nennenswerten Einfluß
auf die Temperatur und die Feuchtigkeit der Luft, dagegen
auf die abendliche Abkühlung, auf den Wind und der.
Niederschlag. Aber damit ist die Bedeutung des Waldes
noch nicht erschöpft, da er als Gelegenheit zu Spazier¬
gängen, durch die Schönheit seines Anblickes und andere
ästhetische Momente eine hervorragende Bedeutung hat.
Herr Dr. Tobias, Berlin, berichtete „Weitere Er¬
fahrungen über die Glühlichtbehandlung des Bronchial¬
asthmas“. Vortr. ist der Ansicht, daß hei der Einwirkung
der Glühliclitbäder auf das Bronchialasthma die schwei߬
treibende Wirkung nicht als die Hauptsache anzusehen ist,
da man mit anderen diaphoretischen Maßnahmen nicht
denselben Effekt erzielen könne. Ehe man zur Behandlung
des Bronchialasthmas mit Glühlichtbädern gellt, ist es
wichtig, eine sichere Diagnose zu stellen. Denn zn starkes
Emphysem mit Bronchitis oder die Komplikation mit
Tuberkulose verbieten die Glühlichtbehandlnng. Auch
spielt der Zustand des Herzens sowie die allgemeine Dis¬
position eine große Rolle. Was die Technik anlangt, so soll
das Glühlichtbad höchstens 1.5 Minuten lang dauern; dann
wird es gut vertragen und erzeugt hinreichenden Schweiß.
Die Dauer der Kur soll auch nicht zu lauge sein. Auch
dürften Unterbrechungen der Kur einen günstigen Einfluß
haben. Dagegen möchte Vortr. die Kombination der Glüh¬
lichtbäder mit hydrotherapeutischen Prozeduren nicht emp¬
fehlen.
In der Diskussion betont Herr Sanitätsrat Dr. Denn e,
Neuenahr, die Wichtigkeit der genauen Dosierung der Zeit
der Lichtbäder.
Herr Prof. Dr. Matt lies, Cöln, behandelte das
Thema: „Welche Anforderungen sind an die Einrichtungen
des Badehauses an einer modernen Klinik zu stellen?“
Vortr. ist der Ansicht,'daß die einfachen Bäder auf den
einzelnen Abteilungen des Krankenhauses gegeben werden
sollen; ebenso die permanenten Bäder und die kohlensauren
Bäder, da sie keine zu große Apparatur erfordern und die
Nähe dos Krankenbettes, besonders bei den permanenten
Bädern, von großer Bedeutung ist. Für die größeren Bade¬
apparate sind jedoch Zentralisationen der Badeeinrichtun¬
gen notwendig. Die Zentralstation muß mit den einzelnen
Abteilungen durch heizbare Gänge verbunden werden. Auf
dir Einrichtung von Moorbädern sollte mail lieber verzich¬
ten, da ihre Herstellung eine sehr komplizierte ist und sie
nicht so exakt gegeben werden könnten, wie in den speziel¬
len Kurorten. Die Moorsalzc, welche den Ersatz für die
Moorbäder darstellen sollen, hält Vortr. für unvollkommene
Produkte. Schwefelbäder sind aus technischen Gründen
auch lieber wegzulassen. Ebenso sollte auf Wechsel¬
duschen mit langsam zu verändernder Temperatur, nament¬
lich in kleineren Krankenhäusern, lieber verzichtet werden.
Bassinbäder sind schöne Einrichtungen, aber zu kostbar
und unzweckmäßig für Kranke, da die Wärter die Kranken
nicht besorgen können. Ueberfliissig sind auch Wellen¬
bäder. Das beste .Material für Wannen ist Holz. Der
Uuheraimi der Badeanstalt muß zentral liegen. In ihm
müssen Wärme- und Kühlleitungen vorhanden sein. Die
heißen Badeprozeduren aller Art müssen mit dem Dusche¬
raum in direkter Verbindung stehen, während vom Sand-
lind aus es möglich sein soll, die Kranken direkt ins Freie
zu bringen. Mit dem Badehaus sind auch die anderen
Räume für physikalische Therapie zu verbinden, mit Aus¬
nahme der gymnastischen Apparate, die der chirurgischen
Abteilung anzugliedern sind. Sehr erwünscht ist die Unter¬
bringung aller Räume in einer Etage, am liebsten zu ebener
Erde, aber keinesfalls im Kellergeschoß, da. Baderäume viel
Licht haben müssen. Eine Abtrennung der physikalischen
Therapie von der Klinik, d. h. eine eigene physikalische
Heilanstalt mit eigener Leitung hält Vortr. für falsch. Die
physikalische Therapie ist von der inneren Klinik nicht zu
trennen. Sie muß wie die übrige Materia medica Gegen¬
stand der Klinik bleiben, und die Vorlesungen über physi¬
kalische Therapie sollten auch von Klinikern gehalten
werden.
In der Diskussion wendet sich Herr Priv.-Doz. Dr.
I) e t e ]■ m a n n , St. Blasien, gegen die zentralen Dusche-
aulagen, Herr Dr. L a <i u e u v, Berlin, hält die Bedeutung
der Verbindung der hydrotherapeutischen mit der mediko-
i liech anisdien Anstalt für wichtig. Herr Dr. T o b ins,
Berlin, spricht sieli ebenfalls gegen die Moorextrakte aus,
empfiehlt aber Moorpackungen und Moorsitzbäder. Herr
Kais. Rat Dr. Loebel, Dorna, hält die Holzwannen in
vielen Fällen nicht für empfehlenswert, da sie nicht sauber
genug zu lullten sind. Herr San.-Rat Dr. Lenne,
Neuenahr, empfiehlt aus nationalökonomischen Gründen
den Versuch zu machen, statt des italienischen Fango das
Eifelfango anznwenden, das Herr Prof. M a tt li o s eben¬
falls empfiehlt, da es dem italienischen gleichwertig ist.
Herr Dr. F «erste n b erg, Berlin, weist auf die Bedeu¬
tung des Dampfstrahls hin und empfiehlt einen von ihm
hergestellten Apparat, der leicht transportabel ist und eine
Reihe von Vorzügen besitzen soll.
Herr Prof, Dr. G u t z m a n n , Berlin, sprach über
„Atemvoluminessung“. Vortr. demonstrierte ein bequemes
und sicheres Verfahren, um das Luftvolumen zu messen,
das in der Rulieatnmng entsteht sowie beim Tiefatmen,
Sprechen und Singen. Die ein- und ausgeatmete Luft be¬
wegt zwei sehr leicht gebaute blasebalgartige Instrumente,
welche die einzelnen Bewegungen automatisch anzeigen
und zugleich den Apparat ventilieren. Die gewonnenen
Kurven gestatten eine bequeme Messung der At emvolumina.
Zum Schluß demonstrierte Vortr. eine Reihe von Kurven,
welche die Bedeutung dieser Messung und die Einfachheit
ihrer Technik charakterisieren.
Herr Prof. Dr. Kisch, Marienbad, erörterte das
Thema: „Plötzliche Todesfälle in den Kurorten“. Wenn
auch eine Statistik über die plötzlichen Todesfälle in den
Kurorten nicht bestellt, so scheint doch festzustehen, daß in
gewissen Kurorten die plötzlichen Todesfälle sieh' häufiger
ereignen als in den Städten. Das ist aus leichtbegreii'Hehen
Gründen in denjenigen Kurorten der Fall, welche von
Kranken aufgesucht werden, die zum plötzlichen Tod ver-
152
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 10
anlagt sind. In erster Linie yi 11 das von einer Reihe von
Herzkranken. Die meisten plötzlichen Todesfälle sind auf
unerwartet eingetretene Herzlä Innungen zuriiekzuführen.
Diese Erscheinung tritt besonders hei zwei Gruppen von
Herzkranken auf, nämlich hei hochgradigem Fettherz und
bei starker Arteriosklerose. Auch eine Zerreißung des
Aneurysmas kann zum plötzlichen Tode führen. Häufig
wiederkehrende schwere Anfälle von Angina pectoris, wo¬
bei eine Sklerose der Koronararterien vorhanden ist, sind
ein Alarmsignal, daß in absehbare]'Zeit ein plötzlicher Tod
droht; ebenso ein irreguläres Pulsbild des Herzens und ein
Delirium cördis. Unter solchen Verhältnissen können
scheinbar ganz geringfügige Anlässe den Anstoß zum plötz¬
lichen Tode geben, wie reichliche Mahlzeiten, Bergsteigen,
Verstopfung und verschiedene Momente im Kurleben, wie
der Gebrauch der Bäder, der Trinkkur etc. Es sollten solche
Kranke schon von ihren Hausärzten belehrt werden, im
Bade recht vorsichtig zu sein und sich unter die Aufsicht
eines Kurarztes zu begehen.
Herr Dr. Krone, Sooden a. d. Werra, sprach über
„Inhalationstherapie mit besonderer Berücksichtigung der
Sooleinhalationen“. Auf Grund vorgenommener Blut-
untersuchuugen spricht Verf. den Gradierwerken, und zwar
wegen des dort entwickelten Ozons einen günstigen Einfluß
auf die Blutzusammensetzung zu. Sculann betonte er, daß
nach seinen Erfahrungen wir in der Abgabe frei zerstäub¬
ter Soole in den Inhalatorien ein mit Recht angewandtes
und schwel- entbehrliches Glied unseres therapeutischen
Handelns hei allen Katarrhen der Respirationsorgane an-
zusehen haben.
Herr Dr. Siebelt, Flinsberg, berichtete über das
Thema: „Kur und Körpergewicht“. Vortr. hebt hervor, daß
die meisten Krankheiten mit oft recht bedeutenden
Schwankungen des Körpergewichts einhergehen. Diese Tat¬
sache ist besonders wichtig für eine große Reihe von chro¬
nischen Krankheiten, wie sie gerade in Kurorten zur Be¬
handlung kommen. Vortr. zeigt, daß man meistens hei
kühlen und lauwarmen Bädern Erhöhungen des Gewichtes
beobachtet, Lei heißen, namentlich Moor- und Schlamm¬
bädern dagegen Erniedrigungen. Bei blutarmen Personen
nimmt auch mit der Steigerung des Gewichtes der Blut-
fai'bstoffgehalt zu. Da das Körpergewicht als ein wert¬
voller Index für das Wohlbefinden seines Trägers anzu-
sehen ist, sollte man ihm im allgemeinen ein größeres Inter¬
esse entgegenbringen, als es jetzt allgemein üblich ist.
Herr Di'. Fuerstenberg, Berlin, erörterte die
„physikalische Behandlung' der Ischias“. Nach seinen Er¬
fahrungen stellt es außer Frage, daß man mit der Iscliias-
behändlung in den letzten Jahren ein gutes Stück vorwärts
gekommen ist. Die besten Behandlungsmethoden in der
Therapie der Ischias dürften die hydrotherapeutischen
Maßnahmen sein, sowie die Injektionsbehandlungen nach
L a n g e und S c h 1 e ie li. Für leichte Fälle kommen auch
Bestrahlungen, Galvanisation und andere physikalische
Faktoren in Betracht. In schweren Fällen wird man aber
mit ihnen allein nicht gut auskommen. Massage sollte man
im akuten Stadium vollständig meiden oder nur ganz vor¬
sichtig anwenden.. Dagegen hat sie im chronischen Sta¬
dium gute Erfolge zu verzeichnen. Von den hydriatischen
Maßnahmen haben sich als die wirksamsten erwiesen die
sogenannten Bewegungsbäder und die schottische Dusche.
Mit diesen beiden Prozeduren kann man in 85 c /o der Fälle
Heilung oder wesentliche Besserung erzielen. Die Diät
sollte wegen der mannigfachen Beziehungen der Ischias zu
den Stoffweehselerkrankungen eine vorwiegend vegetabi¬
lische sein.
Ilcir Priv.-Doz. Dr. I) e t e r in a n n , St. Blasien, er¬
stattet:' sein Referat „Heber-die Beziehungen der Viskosität
des Blutes zu den Körperfunktionen“. Vortr. ist der An¬
sicht, daß die Anglicderiing der Viskosität des Blutes an
JNIVERSITY OF MICHIGAN
die übrigen chemisch-physikalischen. Eigenschaften der
Körperflüssigkeiten für die Physiologie des Blutes von
größter Bedeutung sei. Vortr. hat gezeigt, daß die Blut
zellen als körperliche Elemente für die Viskosität des Blu¬
tes keine Bedeutung hätten; dagegen spielt eine große Rolle
der Gasgehalt des Blutes. Setzt man dem Blut Sauerstoff
hinzu, dann wird die Viskosität des Blutes herabgesetzt,
während durch Kohlensäurezusatz die Viskosität erhöht
wird. Eine große Rolle für die Viskosität des Blutes spie¬
len die Wechselbeziehungen der Kolloide mit den Salzen.
Ein stufenweise!' Salzzusatz zu einer elektrisch neutralen
Eiweißlösung beeinflußt die Hitzegeriiiiiung und die innere
Reibung in gesetzmäßiger Weise. Durch diese Versuche
kann man einen Einblick-in die Ziistaiidänderungen der
Eiweißkörper gewinnen. Auch die Jodsalze vermindern
die Viskosität. Allerdings ist diese Tatsache von Deter-
m a n n angezweifelt worden. Vortr. möchte auch dagegen
Einspruch erheben, die Versuche an Glaskapillaren so ohne
weiteres auf den lebenden Körper zu übertragen. Die
Viskosität schwankt hei gesunden Menschen je nach der
Körperbewegung, der Nahrungs- und Fliissigkeits-
anfnahiüe und anderen Reizen mitunter ganz erheblich.
Starke Eiweißdarreiclning ändert weder die Viskosität noch
den Stickstoffgehalt des Blutes; jedoch ist es interessant,
daß hei jahrelang eiweißarm lebenden Personen die
Viskositätswerte sehr gering sind. Eine isolierte Zunahme
der Viskosität müßte auf die Zirkulation eine verlang¬
samende Wirkung ausüben; jedoch gibt ('s heim Gesunden
eine solche Reihe ausgleichender Momente, daß man von
einem Einfluß der Viskosität auf die Zirkulation nicht,
reden kann. Dagegen scheint hei Kranken eine Aenderung
der Viskosität einen Einfluß auf die Zirknlationsgesckwin-
digkeit auszuüben. Thermische Reizungen üben einen Ein¬
fluß auf die Zirkulation aus, ebenso Veränderungen iin
ZellstnffweehseT. Störungen des Blutes verändern die
Viskosität in erheblichem Maße. Vorfr. ist der Ansicht,
daß die Viskositätsiintersuchiingeii eine große Rolle spie¬
len und zur Lösung mancher wissenschaftlicher Fragen
beitragen dürften.
In der Diskussion betonte Herr Geheimrat Prof. Dr.
E w a 1 d , Berlin, daß er die Bedeutung der Viskosität des
Blutes für die einzelnen Krankheiten nicht anerkennen
möchte. Vorläufig dürfte die Viskosität noch nicht genü¬
gend zu verwenden sein. Herr Dozent Dr. S t r a s s e r ,
Wien, ist der Ansicht, daß die Viskosität auch zu den For¬
men der roten Blutkörperchen in gewisser Beziehung steht.
Herr Dr. A d a m , Berlin, betont, daß man bei den Viskosi-
tätsnntersuc'lmngen auf das Volumen der roten Blutkörper¬
chen Gewicht legen müsse und ferner noch auf eine Reihe
von anderen Erscheinungen, 1 welche die Untersuchungen
der Viskosität derart erschwerten, daß sie in das Labora¬
torium hineingeliörten. Herr Dr. B. Fellner jnn.,
Franzensbad, schließt sich diesem Urteil an und möchte be¬
tonen, daß die Viskosität für die Kreislanfpatliologie keine
Bedeutung habe, daß vielmehr da die mechanischen
Momente von größerer Wichtigkeit wären. Schließlich hält
auch Herr Geheimrat Prof. Dr. H i s , Berlin, die Erwartun¬
gen, die man an die Viskosität stellt, für übertrieben.
(Sclilu ß folgt.)
REFERATE.
Chirurgie.
Referent: Spezialarzt Dr. Mohr, Bielefeld.
1. Gastroenteroanastomose und Magenresektion. Von
A. v. Bergmann, Riga. St. Petersburger med. Wochen¬
schrift, 1909, Nr. 52.
2. Zur unilateralen Pylorusausschaltung. Von v. Eisels-
borg, Wien. Wiener klin. Wochenschr., 1910, Nr. 2.
IsflBBÜ
UNIVERSITY
ilGAN
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
3. Gastroenterostomie oder Resektion bei Ulcus ventri-
culi. Von H o o h e. n e g g , Wien. Ibidem.
4. Drei Fälle von Milzexstirpation. Von Otto, ll iuianu-
stadt. Ibidem.
ö. Wangenplastik mit am Sternalrand gestieltem, gegen
die Schulter verlaufendem Brusthautlappen. Von v. Hacker,
Graz. Ibidem.
(i. Zusammenstellung de* Appendizitismaterials aus dem
allg. Krankenhaus in Malmö. Von Bauer, Malmö. Berliner
klin. Wochensclir., 1910, Nr. 2.
7. Ueber die Erfolge der radikalen operativen Therapie der
benignen Stenosen und der Magengeschwüre. Von Jedlicka.
Prag. Mod.-Ohir. Zentralblatt, 1910, Nr. 4.
1. Auf Grund seines Materials von 78 Gastroenterostomien,
27 Magepresektioiien und 12 Jejunostomien kommt Verf. zu
folgenden Schlüssen: Die v. Hack ersehe Gastvoenterostomia
retrocolica posterior verdient den Vorzug vor allen andern,
die erst in Frage kommen, wo die erstere unausführbar ist.
B( i i der Resektion ist die direkte Vereinigung von Magen- und
Darmlumen anzustreben. Die Exstirpation des .Magenujcüs ist
nur in den seltensten, besonders günstig liegenden Fällen in¬
diziert. ‘'Magenkarzinome, deren Radikaloperation ohne
Pankreasverletzung nicht auszuführen ist, sind einstweilen nicht
zu resezieren. Der Murphyknopf hat nur bei großen schlaffen
Magenerweiterungen einen Wert, sonst ist er überall durch die
Naht zu ersetzen. Die v. E i s e 1 s b e r g sehe Operation ist
die rationellste Methode zur Beseitigung der Magenerweiterung.
2. Die T eberlegung, daß in den Fällen, in welchen wegen
Blutung aus einem frischen Geschwür des Pylorus die Gastro¬
enterostomie ausgeführt wird, das Geschwür doch nicht ganz
sicher ausgeschaltet ist, ebenso wie auch der Reiz des Geschwürsj
durch die Ingesta und die dadurch hervorgerufenen Schmerzen
nicht ganz verhindert werden, hat den Vorf. veranlaßt, die
Gastroenterostomie zur unilateralen Pyiorusausschaltung zu er¬
weitern.- Nach oder vor der Gastroenterostomie wird der Magen
kardialwärts von dem am Pylorus gelegenen Geschwür oder
r l mnor zwischen zwei Klemmen gefaßt und durchtrennt, und
jedes der beiden Lumina blind vernäht. Bericht über 12 Fälle.
8. Auf Grund seiner guten Resultate hält Verf. gegenüber
Payr, .welcher die Exzision das Magengeschwürs bei be¬
stimmten Lokalisationen vorzieht, daran fest, daß die Gastro¬
enterostomie auch bei nicht am Pylorus lokalisiertem Ulcus
Heilung bringt; sie ist das ungefährlichere Verfahren und
schützt besser als die Resektion vor neuerlichem Auftreten
eines Ulcus.
4. Die betreffenden Fälle betrafen große Milztumoren, von
denen einer auf der sog. B a n t i sehen Krankheit beruhte. Zwei
Heilungen, ein Exitus im Kollaps nach dar Operation.
o. Zur Meloplastik verwendete Verf. in drei Fällen einen
Lappen der Brusthaut, der seine Basis am Sternalrand hatte
und sich parallel den Rippen gegen die Schulter hinzog. Die
Gefäßversorgung ist in einem derartigen Lappen eine relativ
günstige. Es handelte sich zweimal um Ersatz der Schleimhaut
allein, einmal gleichzeitig der Wangenhaut (nach Entfernung
eines Karzinoms). Der Lappen heilte stets ein.
6. Verf. wendet sich gegen die Schlüsse, die Albu (Berliner
klin. Wochensclir., 1909, Nr. 26 27; aus der Sammelforschung
der Berliner med. Gesellschaft gezogen hatte. Zunächst rechnet
er bei seinem eigenen Material einen bedeutend höheren
Prozentsatz von Rezidiven aus, nämlich 48—60°/o (Albu: 31°/o);
dieser hohe Prozentsatz spricht sehr für sofortige Entfernung
des Wurms im akuten Anfall. Verf. zeigt ferner, daß das!
Prinzip der Frühoperation in einer sehr großen Anzahl von
Fällen durchgeführt werden kann.
7. a) Gutartige Geschwülste des Pylorus entzündlichen Ur¬
sprungs (Ulcus): Exstirpation des Geschwürs mittels Pylor-
cktomie; die Gründe dieser Indikation sind: 1. Die häufige
Umwandlung der Geschwürsbasis in ein Karzinom. 2. Durch
die Operation können annähernd normale anatomische Verhält¬
nisse wieder hergestellt werden. 3. Die Resultate sind sowohl
bezüglich der Operationsgefahr als der Dauerresultate besser
als bei anderen Verfahren, b) Magengeschwüre mit Sitz ent¬
fernt. vom Pylorus. Bei der hypaziden, indolenten Form ergibt
die bloße Exzision des Geschwürs gute Resultate, bei der
hyperaziden Form mit Pylorospasmus muß, um Dauerresultate
zu erzielen, außer dein Geschwür auch die muskuläre Stenose
(durch Exstirpation des Pylorus) entfernt werden, c) Pylorospas,-
mus oder Gastrospasmus ohne Ulcus: Die Sphinkterektomie
bringt Heilung, jedoch nur dann, wenn der Pyloruskrampf
gaslralcn Ursprungs ist und sich nur auf den Sphinkter be¬
schränkt. <1* Der Eiuwand. daß die Magenresektion bei gut¬
artigen Stenosen und bei Ulcus ein überaus gefährlicher Eingriff
sei. wird durch Verfassers Resultate widerlegt: von 41 Pylorus-
resektioiicn und Gesclnvürsexzisiorien endeten nur zwei Fälle
tütlieh.
Augenheilkunde.
Referent: Augenarzt Dr. Paul Greven. Aachen.
1. Lähmung sämtlicher Augenmuskeln als Spätfolge eines
Unfalls. Von Dr. med. Robert Hack (aus der Univorsitäts-
Augcnklinik Würzburg). Mediz. Klinik, 1910, Nr. 5.
2. Ein Fall von pulsierendem Exophthalmus. Von Dr. R. J.
Schaefer , Remscheid. Deutsche med. Wochensehr., 1910.
Nr. 3.
3. Augenbäder. Von Dr. Hesse, Pirna. Wochensclir. für
l iier, und Hyg. des Auges. 13. Jahrg., Nr. 17.
4. Ein Beitrag zur Frage der Aufhellung von Linsen¬
trübungen. Von Dr. E. Wiegmann, Hildesheim. Wochen¬
schrift für Thor, und Hyg. des Auges, 13. Jahrg., Nr. 17.
5. Zur Behandlung der lymphatisch-skrofulösen Augen-
krenkheiten. Von Dr. .1. Eisenstein, Primararzt des Allgem.
Krankenhauses in Szegedin. Deutsche med. Wochense.hr., 1910,
Nr. 4.
1. Einem in einer Seifensiederei beschäftigten Arbeiter fiel
auf dem Formboden ein 190 kg schwerer eiserner Form teil
gegen den Hinterkopf. Es entstand eine klaffende, bis auf das
Periost reichende Wunde am Hinterkopf, der Knochen selbst
blieb unverletzt. Normale Heilung. 2Ö°/o Rente für ein halbes
Jahr wegen Kopfschmerzen, besonders über der Stirn, und
Schwindelgefühls. Ein Jahr nach dem Unfall erfolgte eine
Augenuntersuchung auf die Klage des Verlelzten hin, er sehe
nicht mehr so gut wie früher. Befund völlig normal und Ab¬
lehnung der Rente. Stark 2 1 i» Jahre nach dem Unfall beantragt
der Verletzte eine neue Untersuchung, da er fortwährend auf
linken Auge leide. Befund: Totale Lähmung des linken Okulo-
motorius und Abduzens, fast vollkommene Lähmung des Troch-
learis und Lähmung des Trigeminus, welch’ letztere Unempfind¬
lichkeit und Geschwürsbildung der Hornhaut hervor¬
gerufen hatte, Urner Unempfindlichkeit der Haut der
Stirn, Wangen, Lider der linken Gesichtshälfte. Seh¬
schärfe links = 1 Der ursächliche Zusammenhang mit
dem Unfall muß mit größter Wahrscheinlichkeit bejaht
werden. Es ist kaum ein Zweifel, daß sich im Anschlüsse an
die Verletzung chronische Wucherungsprozesse in der Augen¬
höhle (Knochenwucherung oder wirkliche Geschwuistbildung')
entwickelt haben, die eine Kompression der Nerven in der Augen-
i höhle herbeiführten. Die vorgeschlagene Rente von 33 1 ; h 1> o wird
j bewilligt. Drei Jahre später, im ganzen fast sechs Jahre nach
dem Unfall, erfolgte eine neue Untersuchung. Befund: Zu
den früheren Lähmungen war noch eine solche des Nervus
facialis hinzugekomnien und eine deutliche Vortreibung des er¬
krankten Augapfels. S' = Uso- Röntgenaufnahme negativ. Eine
Aenderung der Rente’ war nicht angezeigt.
2., Schaefer berichtet über einen Fall von pulsierendem
Exophthalmus infolge Arteriosklerose. Zuerst versuchte er, nach
dem Vorschläge von Sattler, die Unterbindung der Vena
ophthalmica superior, was indessen nicht gelang, da eine Veite
hei sehr starker Blutung nicht herauszufinden war. Auch die
Vena ophthalmica inferior war nicht zu finden. Es wurde
dann einige Tage hindurch, die zeitweise Digitalkompression
der Carotis communis zur Unterbrechung der Blutzirkulation
ausgetührt. Aber der Exophthalmus wurde immer stärker. Es
blieb nichts anderes übrig, als das steinharte. erblindete Auge
zu enuldeieren. Bei der Enukleation trat, wie erwartet, aus der
sehr erweiterten Ärteria ophthalmica eine starke Blutung auf,
weshalb zur Unterbindung der Carotis communis unterhalb ihrer
Teilungsstelle geschritten wurde. Diese Operation führte dann
endlich zur Heilung.
3. Hesse hat durch die Firma Sandow, Hamburg, ein
..Augenbad“ zusammenstellen und in Vertrieb bringen lassen,
welches besteht aus einer Mischflasche, Augenbadewanne und
einem Röhrchen mit 20 Tabletten aus künstlichem Emser Salz
und Borax, nebst Gebrauchsanweisung. Die Kranken können
sich seihst das Auge ausspülen. Hesse empfiehlt die An¬
wendung besonders bei uleerösen skrofulösen Hornhaut¬
prozessen, sowie auch bei allen akuten Katarrhen. Er gebraucht
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 10
.154
»1ms Augenbad «auch bei Hornlia utdef akton .mich Verletzungen,
Entfernung von Ernmdkör.pern, Verbrennungen und Verätzungen,
um eine Infektion zu verhüten. Vcrf. stellt sieh die Wirkung
der hauptsächlich Natrium biearbonienm und Natrium biboraci-
cum enthaltenden Augenbäder so vor, daß dadurch eine Ab¬
sonderung der Wundsekrete angeregt wird, indem die Lymphe,
die ja die erwähnten Salze in geringerer Konzentration resp.
gar nicht enthält, nach dem Gesetze der Osmose in besonder.*
reichlichem Maße produziert wird, und (laß der Lvmphstrom
gegen den Defekt hin gesogen wird.
4. Im Anschlüsse an * die Beobachtung von Becker über
Rückbildung von Linsentrübungen (jüngst in dieser Zeitschrift
referiert' berichtet Wiegmann über die Aufhellung von
Linsentrübungen bei Cataracta complicata infolge von Uveitis.
Die Papillen waren gerötet und verwaschen, der Fundus in
totp trübe. Venen stärker gefüllt. Zahlreiche Glaskörper-
trübungen. Die Linsen wiesen zahlreiche periphere Trübungen
auf, die in teils feinen, teils breiteren Speichen, vornehmlich
in der hinteren Corticalis, bestanden. Die Linsenmitte blieb klar.
Vis : '/ 20 . Nach Behandlung mit Ungt. cinereum sowie Sublimat-
pillen bedeutende Besserung. Nach 3 Monaten Vis = 1 Pa¬
pillen klar und deutlich, desgleichen der Fundus. Die Glas¬
körperflocken auf einem Auge ganz, auf dem anderen bis auf
kleine Reste verschwunden. In den Linsen fanden sich nur noch
einige wenige feine periphere Speichen. Die größte Anzahl der
zum Teil breiteren Trübungen hatte sich resorbiert, und zwar
war die Aufhellung der Linse Hand in Hand mit der Besserung
des übrigen Augenleidens gegangen.
. 5. Nach Eisensteins Ansicht ist Borsäure das beste
bisher bekannte Heilmittel der Kerato-Conjunctivitis lymphatica.
fauch eczematosa, phlyctaenulosa genannt), sowie aller aus dieser
hervorgegangenen, auf derselben lymphatisch-exsudativen Dia-
these beruhenden oder durch sie beeinflußten Affektionen der
Konjunktive und Kornea. Verf. brauchte anfangs dis Borsäure
nur in den hartnäckigeren Fällen, in denen das allbekannte
Kalomel versagte. Aber “er erzielte mit Borsäure, so gute
Resultate, daß er jetzt seit mehr als 10 Jahren überhaupt
kein Kalomel mehr benutzt hat. Die Anwendungsweise ist ein¬
fach genug: Man stülpt die Lider um, was bei photophobi¬
schen Patienten oft durch das bloße energische Auseinander¬
ziehen der Lidränder mittels Zeigefinger und Daumen der
linken Hand gelingt, und streut mir dem Pinsel eine nicht zu
dünne Schicht der feinpulverisierten Borsäure auf ihre Hinter-
fläche: darauf läßt, man die Lider los, dis sich sofort auf!
den Bulbus zurücklegen und verreibt dann das Pulver mit
dem auf das Oberlid gelegten Daumen der rechten Hand
je nach der Empfindlichkeit des Patienten — mehr oder weniger
energisch. Bei tieferen Ulcerationen ist es bloß ein vorsichtiges
Verteilen. Nach dieser das Auge einigermaßen reizenden Proze¬
dur träufelt man einen Tropfen 1 proz. Kokainlösung ein. Natür¬
lich benutzt Verf. daneben auch in schweren Fällen, wie nament¬
lich bei Kornealgeschwürsu, andere ophthalmiatrische Hilfs¬
mittel, ebenso die Allgemeinbehandlung des Grundübels. Auch
bei der Behandlung des Trachoms fällt der Borsäure eine
wichtige Rolle zu, wenn dieses lymphatisch veranlagte. In¬
dividuen befällt, wie Verf. als Leiter eines Trachomspitals er¬
fahren hat.
Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lohriseh, Chemnitz.
1. Einige Bemerkungen zur Bewertung der Azetonkörper-
^usscheidung beim Diabetiker sowie über den Wert von Hafer¬
kuren. Von H. Lüthje. Therapie der Gegenwart, Januar 1910.
2. Ueber Diabetestherapie. Von Prof. C. v. No orden.
Medizr Klinik, 1909, Nr. 35.
3. lieber den Zusammenhang zwischen Affektionen der
Genitalorgane mit Störungen der Magen- und Darmverdauung.
Von C. Weg eie. Mediz. Klinik, 1910, Nr. 1.
4. lieber konstitutionelle Fettsucht. Von C. Pariser.
Mediz. Klinik, 1909, Nr. 32 u. 33.
5. Ein Beitrag zur rektoskopischen Diagnostik. Von
P. Danielsohn. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 2.
(L Zur Therapie des Diabetes insipidus. Von O. Min¬
kowski. Therapie der Gegenwart, Januar 1910.
7. Günstiger Verlauf eines Falles von schwerem jugend¬
lichen Diabetes. Von S. P. Swart. Berliner klin. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 4.
VERSIT
«s. Ein Fall von anscheinend geheiltem kindlichen Dia¬
betes. Von H ü r t e r. Mediz. Klinik, «Januar 1910.
1. Wenn die Eisenchloridreaktion fehlt, so kann man mit
für praktische Zwecke hinreichender Genauigkeit annehmen,
daß die vorhandene abnorme. Säuerung des Körpers zunächst
nicht ernstere Gefahren involviert. Solange der Diabetiker bei
Fleisch-Fettkost keinen Zucker ausscheidet, also den aus dein
Eiweiß gebildeten Zucker noch verbrennt, hält sich die Azeton -
körperbildung in Grenzen, die dem Organismus nicht gefährlich
werden. Alkalieinfuhr kann die Azetoukörperausscheiduug er¬
heblich steigern, entweder dadurch, daß das Alkali die in Be¬
tracht kommenden Säuren durch Bindung der entsprechenden
Säuren erst in einen für die Nieren ausscheidungsfähigen Zu¬
stand bringt, denn die. Säuren verlassen wohl nie in freiem Zu¬
stande den Körper, oder dadurch, daß ein Teil der Azete.ssig-
säure, der sonst in der Ausatmungsluft als Azeton zur Aus-
scheidupg kommt, durch die Niere als Azetessigsäure Verbindung
ausgeschieden wird, sobald das erforderliche Alkali zur Ver¬
fügung sieht. Die Gefährlichkeitsgrenze der Azetonkörper¬
bildung ist natürlich immer schwer festzustellen. Sicher spielt
dabei auch eine gewisse „Gewöhnung“ eine Rolle: man kann
immer wieder beobachten, wie beim Diabetes die schädliche-
Wirkung der pathologischen Säuren abhängig ist von der Zeit¬
dauer, während welcher die Azetonurie bestand. Lange be¬
stehende Azetonurio wird immer besser ertragen als kurze
Zeit bestehende.
Nach L. ist die erfolgreiche Behandlung schwerer Diabetiker
ohne tägliche genaue quantitative Bestimmung der Azetonkörper
und des Ammoniaks unmöglich. .Jeder Diabetiker, auch der
leichte, sollte, wenigstens •einmal eine mehrwöchentliche An¬
staltsbehandlung durchmachen.
Was die v. N o o r d e n sehe Haferkur betrifft, so ist L.
der Ansicht, daß in Fällen, welche überhaupt besserungsfähig
sind, die Haferstärke besser vertragen wird als andere Stärke-
Sorten. Der Versuch, diese merkwürdige Tatsache zu erklären,
ist bisher nicht einwandfrei, gelungen. Nach L. ist folgende Er¬
klärung möglich: Die meisten Formen des Diabetes sind so
aufzufassen, daß die mangelhafte. Ausnutzung des Zuckers die
Folge einer fermentativen Erschöpfung resp. in den schwersten
Fällen die Folge der mehr oder weniger vollkommenen Ver¬
nichtung der hier in Betracht kommenden Fermentfunktion ist.
Bei dieser Auffassung wird die große Bedeutung der Funktions-
sehonung für die Hebung der Toleranz am besten verständlich.
Sehen wir doch bei solch einer konsequent durchgeführten
'Toleranzschonung selbst Fälle, die zu. Anfang durchaus'schwere
waren, außerordentlich viel besser werden, ja unter Umständen
zu einer relativen Ausheilung kommen. Wir können uns aber
weiter auch vorstellen, daß eine geschädigte oder erschöpfte
Fermentfunktion durch bestimmte exzitatorische Mittel gereizt
und gestärkt werden kann und so scheint cs L. auch denkbar,
daß eine solch exzitatorische Wirkung der Haferstärke resp.
irgendeinem Bestandteil des Hafers zukommt.
2. Die Fähigkeit der Diabetiker, Kohlehydrate ordnungs¬
gemäß zu assimilieren, ist in den einzelnen Fällen durchaus
verschieden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, vor Fest¬
stellung der Diät die Toleranz des einzelnen Kranken für
Kohlehydrate aufzufinden und erst auf diese Ermittelungen hin
die indizierte Kostordnung zu bestimmen. Wichtig ist ferner
für die Diätvorschriften die Beurteilung einer eventuell be¬
stehenden Azetonurie. Das Auftreten von Azetessigsäure, Oxy-
buttersäure und Azeton ist durchaus nicht immer ein erns'ted
Warnungssignal, sondern häufig nur eine natürliche Folge be¬
sonderer Beköstigungsarten und eine Erscheinung, die bei ganz
gesunden Menschen unter gleichen Beköstigungsverhältnissen
genau in derselben Art und Stärke auf treten würde. Sie hat
dann natürlich gar kei^e üble prognostische Bedeutung. Diese
Erkenntnis ist wichtig, weil viele Aerzte beim Auftreten der
Az'etonkörper im Urin sofort laxere Diätvorschriften geben
und die Patienten damit der Vorteile berauben, die eine längere
Durchführung der strengeren Verordnungen für den allgemeinen
Kräftezustand, für die Hebung der Toleranz und für die Sicher¬
stellung der Zukunft gezeitigt hätten. Zu den Fällen, die von
vornherein prognostisch sehr schlecht zu beurteilen sind, ge¬
hören die Erkrankungen im jugendlichen Alter. Fälle von
jugendlichem Diabetes, die zunächst als schwere. Formen auf-
treten und dann doch ausheilen oder wenigstens den Charakter
leichter Glykosurie annehmen, zählen in der Tat zu den größten
Seltenheiten. Verf. ist ‘in der Lage, einen solchen Fall eines
22 jährigen Mannes mitzuteilen. Derselbe wurde unter .dem Ein-
/ERSIT
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
155
Busse von Gemüse- mul Hafertagen dauernd zuckerfrei. Solche
Erfolge lassen sich aber auch nur erreichen, wenn die Kranken;
in einem früheren Stadium der Krankheit in systematisch-diäte¬
tische Behandlung* kommen. Denn dies ist die Zeit, in der
nicht nur für den Augenblick, sondern für die ganze Zu¬
kunft des Diabetikers am meisten geleistet werden kann. In
wirklich bösartigen Fällen wird freilich die Behandlungsart den
(lang der Dinge kaum beeinflussen. Wo aber von vornherein ein
gutartiger oder besserungsfähiger diabetischer. Prozeß vorliegt,
ist, es für die Zukunft des Patienten geradezu ausschlaggebend 4
ob sie in früheren Stadien der Krankheit in eine für ihre in¬
dividuellen Verhältnisse richtige Lebens- und ^Ernährungsweise
hineinkommen oder nicht.
3. Es finden sich bei beiden Geschlechtern in jedem Lebens¬
alter von den Entwicklungsjahren an ‘Magendarmstörungen,
welche von organischen und von funktionellen Affektionen der
Genitalorgane abhängig sind. Es kommen auch voneinander
unabhängige Erkrankungen auf beiden Gebieten vor, wobei es
sich dann meist um gleichzeitige organische Magenerkrankungen
handelt. Die Tatsache des Zusammenhanges zwischen Affektio¬
nen der Genitalien und Magenleiden ist natürlich für die The¬
rapie von V ichtigkeit. Zunächst ist durch genaue Untersuchung
der Magen-Darmfunktionen das Bestehen eines selbständigen
organischen Leidens nach Möglichkeit auszuschließen. Dann
wird man zunächst gut tun, die ätiologische Störung in der
Genitalsphäre anzugreifen, ohne jedoch die sekundären Ver¬
dauungsstörungen ganz unberücksichtigt zu lassen. Besonders
was die Diät anbelangt, wird man zunächst roborierend Vor¬
gehen, aber dabei den etwaigen Veränderungen der Motilität
oder Sekretion Rechnung tragen. Bei sexuellen lieberreizungen
und Verirrungen kann durch Aufklärung und vernünftige Be¬
lehrung sowohl prophylaktisch als auch kurativ viel Gutes
gewirkt werden. Hier hat die. Psychotherapie ein weites Feld
berechtigter Tätigkeit. In schwereren Fällen muß noch eine
Lokalbehandlung der Sexualorgane von kundiger Hand dazu
kommen. Eine gleichzeitige Allgemeinbehandlung mittels Hydro¬
therapie, Seebädern, Chinin, Eisen, Fellows’ Syrup, Brom¬
salzen kann dabei von großem Nutzen sein, ebenso die Elek-
Irizitäl. Bei Komplikationen mit Chlorose ist die letztere mit
entsprechender Ernährung, durch Eisenpräparate, Brunnenkuren
usw. zu bekämpfen. Gegen die Hyperemesis gravidarum sind die
bekannten Narkotika und Sedativa, in schweren Fällen die
Isolierung oder nötigenfalls die Einleitung des künstlichen
Abortes resp. der Frühgeburt in Anwendung zu bringen.
Schwere Frauenkrankheiten (Parametritis, Adhäsionen, Tu¬
moren» erfordern chirurgisches Eingreifen. Die in solchen
Fällen so häufige spastische Obstipation ist durch geeignete
Diät, Verordnung von Regulin und eventuell Oeleinläufen zu
bekämpfen.
4. Nach P. ist die konstitutionelle Fettsucht eine rein
thyreogene Erkrankung. Daher ist in diesen Fällen die Be¬
handlung mit Thyreoidin indiziert. Die Thyreoidea wirkt akku¬
mulierend. Das zur Behandlung nötige Quantum ist immer ein
geringes. P. verwendet nur die Schilddriisentabletten von Merk
a 0,1 g der Drüsensubstanz. Er beginnt für 3 1 Tage mit
1—2 Tabletten pro Tag, steigt dann für . 8—10 Tage
auf 3 Tabletten, sinkt dann für 8 Tage auf 2 Tabletten,
für weitere 5—8 Tage auf 1 Tablette und setzt dann
ca. 8 Tage aus, worauf der Turnus von neuem be¬
beginnt. Intervalle sind deshalb zu machen, weil unbe¬
dingt oft kurze, Nachwirkung vorhandeji ist. Die Maximaldosisi
von P. beträgt also nur 1 / 3 — V d der früher gebräuchlichen
Durchschnittsdosis. Der sicherste und bequemste Maßstab für
die Erkenntnis beginnender Akkumulation ist der Puls. Wenn
dieser beschleunigt ist, ca. 100—110 Schläge, soll man das
Thyreoidin 2—4 Tage aussetzen und körperliche Ruhe (Bett¬
ruhe nicht notig) innehalten lassen. Dann geht der Puls in
3—4 Tagen wieder zur Norm zurück und man nimmt die Kur
mit einer Tablette wieder auf. Die Pulsbeschleunigung ist jeden¬
falls sehr zu beachten. Nach zweifachem, höchstens dreifachem
Turnus der Thyreoidindarreichung kann man eine Pause von
(5—8 Wochen machen, vielleicht noch etwas länger; das hängt
ab von dem Maße, wie das Gewicht sich verhält resp. wieder
ansteigt. An sich aber soll man der grundlegenden Anschau¬
ung immer eingedenk sein, daß der Träger konstitutioneller 1
Fettsucht ein organisches Manko hat, das sich immer wieder
bemerkbar machen muß und das deshalb von Zeit zu Zeit wieder
durch eine physiologische Substitutionstherapie, ausgeglichen
werden muß. Für die Verhältnisse des praktischen Lebens ist
neben der Thyreoidindarreichung eine Entfettungsdiät nötig.
Bei einem hartnäckigen Falle von Pruritus ani wurde die
Ersuche durch den rektoskopischen Nachweis der Anwesenheit
von Oxyuren im Rektum ermittelt. Der Befund von Oxyuren -
eiern im Stuhlgang ist wegen der den Oxyuren eigenen Bio¬
logie, im Gegensatz zu den Tänien und Askariden, äußerst,
sollen. Es hat deshalb keinen Zweck, nach Oxyureneiern zu
suchen: man soll lieber in solchen sFällen, wie bei allen auf
den Enddarm als Sitz der Krankheit hinweisenden Zuständen, die
Rektoskopie zu Hilfe nehmen.
6. Eine umfassende Definition des Diabetes insipidus isl
schwer zu geben. Es gibt auch Fälle von hysterischer Polv
dypsie. Entscheidend für die Diagnose ist das Verhalten bei
Wasserentziehung in ihrer Rückwirkung auf die Blutkonzen¬
tration und die Feststellung des Verlustes der Konzentrations¬
fähigkeit des Harns in den Nieren. Gibt, man z. B. mehr Koch¬
salz ohne Wasservermehrung, so wird Kochsalz nicht aus¬
geschieden. Daher ist der Hauptpunkt in der Therapie die
Kochsalzentziehung. Diese ist aber auch nicht in allen Fällen
wirksam, z. B. nicht bei Tumoren des Kleinhirns. Einschränkung
der Wasserzufuhr ist. zwecklos und nur dann angezcigi, wenn
nach Kochsalzgaben die Harnkonzentration ansteigt. Die Medi¬
kamente versagen im allgemeinen. Nicht selten ist eine anti-
luetische Behandlung von Erfolg.
7. Eine 29 jährige Frau mit schwerem Diabetes wurde unter
dem Einflüsse von strenger Diät, Eiweißeinschränkung, Ge¬
müse- und Hafertagen innerhalb einiger Wochen zuckerfrei und
war dies noch 10 Monate später.
8. Es handelte sich um ein 10 */2 Jahre altes Mädchen mit
schwerem Diabetes, welches bei strenger Diät und Gemüsetagen
vollkommen zuckerfrei wurde,, gute Gewichtszunahme zeigte
und 7 Monate nach der Entlassung aus dem Krankonha.use
noch zuckerfrei \^ar. Für die Heilung dieses Falles war be¬
sonders der Umstand günstig, daß der Diabetes sehr zeitig
entdeckt wurde und daß es die äußeren Verhältnisse ermög¬
lichten, die diätetischen Verordnungen rechtzeitig und streng
durchzuführen.
Kinderheilkunde.
Referent: Kinderarzt Dr. Eugen Neter. Mannheim,
1. Ein Beitrag zur infantilen Tabes. Von S p i t z m ii 11 e r.
Mediz. Klinik, 1910, Nr. 4.
2. lieber spinale Kinderlähmung. Von Eichelberg:
Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 3.
3. Akute eitrige Peritonitis salpingitischen Ursprungs im
K.' descJter. Von Reichenbach. Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910. Nr. 3.
4. Die Kinderheilkunde im Universitätsunterricht Deutsch¬
lands. Von Feer. Archiv für Kinderheilkunde, 1910, H. 4—(i.
1. Tabes im Kindesalter ist bereits in einer Reihe von Fällen
beobachtet worden, ln dem vorliegenden Falle handelt es sich
um einen 13 jährigen Knaben. Im .9. Lebensjahr trat Enuresis
nocturna auf; seit einem Jahr fällt der Umgebung der
schwankende Gang des Knaben auf. Der Befund ergibt verschieden
weite Pupillen und absolute Pupillenstarre; Romberg positiv;
Ataxie. Patellarreflexe fehlen, desgl. Kremasterrcflex. Fast
permanentes Harnträufeln. Wassermann'sche Reaktion posi¬
tiv hei völligem Fehlen anamnestischer Anhaltspunkte für Lues.
2. Erwähnenswert aus dem E i c. h e 1 b e l* g sehen Artikel ist
nur der Hinweis auf die Möglichkeit der Ucbertragung von
Poliomyelitis-Erregern durch Erde.
3. Bei dem von Reichenbach erwähnten Falle war das
8 jährige Mädchen wegen Perityphlitis operiert worden. Die
Autopsie ergab eine eitrige Staphylokokken-Endometritis und
-Salpingitis mit sekundärer Peritonitis. Das Kind war
V 2 Jahr zuvor wegen Vulvovaginitis in ärztlicher Behandlung
gewesen.
4. In seinem Vortrag bespricht der Heidelberger Kliniker
ausführlich die Notwendigkeit einer besseren Ausbildung der
Mediziner in der Kinderheilkunde. Er hält es für dringend
notwendig, daß jede medizinische Klinik eine Kinderklinik mit
moderner Säuglingsabteilung und eine Kinderpoliklinik besitzt ;
diese Institute müssen unter der Leitung eines etatmäßigen Pä¬
diaters stehen. Die Kinderheilkunde muß als ein Prüfungsfach
in das Staatsexamen aufgenommen werden und es muß die
Prüfungsabnahme durch den Fachprofessor erfolgen.
/ERSITY OF
VEF
M
156
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 10
Militärsanitätswesen.
Referent: Genoraloberarzt a. D. Dr. M. Peltzer, »Steglitz.
Der Schutz der Lazarettschiffe im Seekriege. Von Dr. jur.
H. Wehberg, Düsseldorf. Deutsche med. Wochenschrift,
10. Februar 1910.
Verf.. cler bereits mehrfach an anderen Stellen über
völkerrechtliche Fragen geschrieben hat, bespricht diesmal die
wichtigsten Resultate der neueren Völkerrechtskonferenzen über
die Lazarettschiffe, nämlich der 1906 erneuerten Genfer Kon¬
vention und der ersten Haager Friedenskonferenz im Jahre 1899,
welche, letztere bekanntlich das 1907 erweiterte internationale
,,Abkommen, betr. die Anwendung der Grundsätze der Genfer
Konvention auf den Seekrieg“ zeitigte. .Ohne auf Einzelheiten,
die am besten in den Originalen nachzulesen sind, einzugehen,
können wir W. nur zustimmen, wenn er es als wünschenswert
bezeichnet, daß nicht jedes Kriegsschiff einer Kriegspartei die
Herausgabe der Verwundeten, Kranken oder Schiffbrüchigen
verlangen kann, die dann als Kriegsgefangene behandelt werden
dürfen, weil sie nach ihrer Heilung von neuem in den Dienst[
des Feindes treten können. Diese sollten vielmehr wie das
Lazarettpersonal behandelt, d. h. nicht kriegsgefangen gemacht
werden, da allein schon die Hinüberschaffung der Verwundeten,
von den Lazarettschiffen auf die feindlichen Kreuzer Gefahren
für die Verwundeten in sich birgt. Weniger einverstanden sind
wir mit den einleitenden Worten des Aufsatzes, in denen es
heißt, die Bestrebungen zur Humanisierung des Krieges würden
von den Anhängern dieses für wertlos gehalten, weil ein Krieg
um so schneller beendet werde, je grausamer er geführt würde.
Zu diesen Grausamkeiten gehöre die Plünderung der Privat¬
personen, die grausame Behandlung der Kriegsgefangenen, die
Vernachlässigung der Pflege der Verwundeten, welche Dinge
infolge der Erbitterung des Gegners den Krieg nur in die Länge
zögen, anstatt ihn abzukürzen. Uns ist nicht bekannt, wo und
wann in unserem Zeitalter solche Grundsätze ausgesprochen
sind, bekannt ist uns nur, daß als größte Wohltat des Krieges)
allerdings seine möglichst schnelle Beendigung hingestellt wird,
aber nicht durch Anwendung von Grausamkeiten, wie die ge¬
nannten, sondern durch TTeberwindung des Gegners, durch Sieg.
Um dieses Ziel zu erreichen, muß natürlich auch der Gegner
in jeder möglichen, im Kriege erlaubten anderen Weise als
nur durch den Waffen gang geschwächt werden. Plünderung und
Vernachlässigung der Pflege der Verwundeten ist jedoch unseres
Wissens hierzu von keiner Seite befürwortet worden. Wir per¬
sönlich haben wenigstens in zwei Feldzügen, die wir selbst mit¬
gemacht haben, nichts davon bemerkt. Daß wir solche Grund¬
sätze, wo immer sie aufgsstellt würden, ebenso verurteilen
wie V'., bedarf keiner Versicherung.
Schulhygiene.
Med.-Rat Henkel, München, veröffentlicht über Schul¬
ärzte in Nr. 5 der ,,Münchener med. Wochenschr." recht be¬
merkenswerte Ausführungen. Dieselben gipfeln in folgenden
Sätzen:
1. Eine schulärztliche Einrichtung soll an allen Orten be¬
stehen, wo nur immer ein Arzt ist.
2. Die Aufgabe des Schularztes im allgemeinen ist die
individuelle Hygiene des Schulkindes.
3. Die Grundarbeiten des Schularztes sind:
a) Die Untersuchungen der eintretenden und austretenden
Schulkinder;
b) die Führung der Sanitätsliste, des Gesundheitsbogens,'
welcher für das ganze Reich eine Fassung erhalten soll:
c) die Ueberwachung der Kinder während der Schulzeit;
d) eine einfache gleichartige Berichterstattung nach Schluß
jedes Schuljahres.
Am 1. April d. J. eröffnet das Berliner Lokal-Komitee für
Zahnpflege in den Schulen die zweite Schulzahnklinik.
Der Magistrat Berlin hat in einer Stadtverordneten-Aus¬
schußsitzung 10 000 M. für die Schulzahnkliniken bewilligt.
Wie die ,,Deutsche zahnärztl. Zeitung“ mitteilt, übernahm
Se. Majestät der König von Schweden das Protektorat über das 1
„Internationale Komitee für öffentliche Mundhygiene“. Die
,,Afton-Tidningen“ in Stockholm bringt folgenden Bericht über
die konstituierende Versammlung: Die Versammlung nahm, wi<j
zu erwarten war, einen großzügigen und repräsentativen Verlauf
in dem Hause des Aerztevcreins. Unter den ausländischen Gästen
sahen wir außer Professor dessen aus Siraßburg die Finn¬
länder Aspel and und Weber mit. dem Nestor Dr. B e n -
sow aus Helsingfors, der trotz seiner 82 Jahre die weite
Reise durch Schnee und Eis nicht gescheut hatte. Eine große
Zahl von Aerzten und Pädagogen hatte sich eingefunden mit dem
Kultusminister Staatsrät L i n d s 1. r ö m. Nach einer Begrüßung
durch den •Oberstatthalter ergriff zunächst der Zahnarzt Dr. med.
Otto Ulmgren das Wort. Er wies darauf hin, wie in der
modernen Medizin heute immer mehr das Streben sich geltend
macht, nicht nur die Krankheiten zu heilen, sondern vielmehr
sie zu verhüten. Es wird heute allgemein ein gesehen, daß
die Befolgung der . von der Hygiene vorgeschriebenen Gesetze
das beste Mittel im Kampf gegen Krankheit ist. Die Mundhöhle
als Eingangspforte in den Körper verdien^ die besondere Be¬
achtung der Hygiene. Die Zahnkaries ist die verbreitetste unter
allen Krankheiten. Außer den Mißständen, welche sie selbst mit
sich bringt, erhöht sie die Empfänglichkeit des Menschen für
andere Krankheiten und bildet oft selbst die Ursache für Er¬
krankungen der Augen. Ohren, Nase und Kieferhöhlen. Auch
viele Träger von Infektionskrankheiten finden in der kranken
Mundhöhle einen besonders günstigen Nährboden. Unter Hin¬
weis auf die Untersuchungsresultate in Schweden betonte Dr.
Ulmgren die Notwendigkeit, den Kampf gegen diese Krank¬
heit im ganzen Lande aufzunehmen. Darauf erhielt das V ort
der hervorragende ausländische Fachmann, dessen Vortrag in
gewissem Sinne als Hauptnummer des Abends angesehen werden
kann. Professor .Jessen überraschte die Zuhörer dadurch,
daß er ausgezeichnet dänisch sprach. Sein Vortrag wurde durch
eine Reihe trefflicher Lichtbilder illustriert. r.
Varia.
Die Behandlung des Schnupfens und der Influenza mit
Lichtbädern empfiehlt Dr. R. May, Zielenzig N.M., in Nr. 42,
1909, der Mediz. Klinik.
Gegen den Tatbestand ist nichts' einzuwenden, aber neu ist
er durchaus nicht. Denn bald nach Bekanntwerden des elektri¬
schen Lichtbades wurde auch der Schnupfen als leicht fa߬
bares Paradigma und brauchbares Versuchsobjekt mit Licht¬
bädern behandelt. Referent hat allerdings nie so glatte Erfolge
erlebt, wie sie der Autor beschreibt, obwohl auch die Nach¬
behandlung fast die gleiche war, und meint, daß auch der
Autor bei größerer und jahrelanger Erfahrung manchen \ er-
sager kennen lernen wird. Der Enthusiasmus für das Lichtbad
scheint Ref. noch relativ jungen Datums zu sein. So erklärt
sich wohl auch die ohne alle praktische Erfahrung gegebene
Empfehlung des Lichtbades im Anfangsstadium der Pneumonie.
Referent ist ein großer Freund der Schwitzprozeduren bei Pneu-
monikern, hat auch reichlich viel Pneumoniker in allen Stadien
mit Erfolg schwitzen lasseu, würde sich aber sehr hüten, einen
Pneumoniker, und sei er der kräftigste, in den Lichtkasten zu
setzen, eben weil er das Lichtbad aus mehr als neunjähriger
Erfahrung kennt. Die sitzende Stellung und die starke'
strahlende Wärme, wenn sie auch nach Erfahrung des Ref.
nicht mit Leichtigkeit die Knochen durchdringt, sind unerträg¬
liche Dinge genug für einen Pneumoniker. Der schwitzt viel
besser und gefahrloser im Wasserbad, insbesondere' im heißen
Armbad, bequem im Bett gelagert. Auch der am Schnupfen und
Influenza Erkrankte hat das heiße Wasserbad, das Schwitzen im
Bett nach Zufuhr heißer Getränke eher und — was auch nicht
ganz unwichtig ist — billiger zur Hand, als das elektrische
Lichtbad. Wir haben zum Glück noch einfache Prozeduren
genügend, welche ohne besondere teuere Apparate in ‘jedem
Haushalt durchzuführen sind und im Endeffekt den mindestens
gleichen Erfolg zeigen. Diese zu kultivieren ist eine lohnende,
dankbare Aufgabe des praktischen Arztes.
Hauff c, Ebenhausen.
Die Schweigepflicht des Arztes unter besonderer Berück¬
sichtigung des Strafge-,etzvorentwurfs. Von Dr. jur.
H. Lieske, Leipzig. Deutsche med. Presse, 1910, Nr. 4.
Der Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch
schlägt u. a. für den unbefugten Bruch des ärztlichen Berufs¬
geheimnisses eine Erweiterung des Strafmaßes vor, indem er
an Stelle der bisherigen Strafandrohung (1500 M. oder Gefängnis
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
157
bis zu 3 Monaten) Geldstrafe bis zu 2000 M„ Haft oder Ge¬
fängnis bis zu 6 Monaten setzen inötfhte, ohne die vor-
geschlagene Neuerung innerlich zu begründen. Auch im übrigen
sind, wie L. es ausdrückt, die Wünsche der Aerzte in dem
Vorentwurf ignoriert. Diese beziehen sich insbesondere darauf,
daß der Gesetzgeber in der einen oder anderen Richtung
Stellung zu der Frage nimmt, wann der Arzt ausnahmsweise
zur Preisgabe eines ihtti kraft seines Berufes anvertrauten Privat¬
gehe iihnissfes befugt ist. Statt dessen „vertraut“ der Entwurf
auf die Praxis (der Rechtsprechu.ng und die Auslegung des Wortes
„unbefugt“. Bei dieser Lage der Dinge beschäftigt sich der
Aufsatz Lieskes mit der Frage der ärztlichen Schweige¬
pflicht überhaupt und tut dies mit einer solchen Fülle klarer
und überzeugend wirkender juristischer Betrachtungen, daß wir
nur wünschen können, sie fänden im Reichstage Ausdruck und
Anerkennung. Leider sind wir numerisch dort nur schwach ver¬
treten. Dr. P e 11 z e r , Steglitz.
Generalarzt a. D. Dr. Schill. Dresden, macht in kurzer
Mitteilung auf die diuretisch > und gleichzeitig verstopfende
Wirkung der Birnen aufmerksam, die er durch die wasseraus¬
scheidende Wirkung erklärt. Die erste Beobachtung machte
Sch. im Feldzuge 1870/71. Die verstopfende Wirkung cler
Birne (der gekochten übrigens weniger als der frischen und
getrockneten. Ref.) ist bekannt, die diuretische Wirkung selten
beachtet. (Deutsche med. Wochenschr., 1909, Nr. 47.)
H a u f f e , Ebenhausen.
Mitteilungen über Arzneimittel,
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Ueber Jodomenin bei Arteriosklerose. Von Dr. Gum-
p e r t, Berlin. Therapie der Gegenwart, Februar 1910.
2. Ueber die Anwendung des AIsols bei Haut- und Ge¬
schlechtsleiden. Von Dr. M. L r> w i 11 , Berlin. Ibidem.
3. Veronalnatrium bei Seekrankheit. Von Dr. G aller,
Schiffsarzt der H. A. P. A. G. Ibidem.
1. • Jod omenin ist eine Verbindung von Jodwismut und
Eiweiß, welche durch verdünnte Säuren und saure Agentien nicht
angegriffen, von alkalischen Flüssigkeiten in Jodalkali und Wis¬
muteiweiß zerlegt wird. Daher wird Jodomenin auch nicht
vom Magensaft angegriffen; es belästigt also den Magen in
keiner Weise, sondern wird erst im Darm gespalten. Das sich
bildende Wismuteiweiß belästigt den Darm in keiner Weise.
Das Präparat besitzt angenehmen Geschmack. Gumpert hat
35 Fälle von Arteriosklerose, und zwar jeden länger als zwei
Monate mit Jodomenin behandelt und- beobachtet, daß in allen
Fällen Dosen von 3—0 Tabletten täglich dauernd gut vertragen
wurden. Bei einer älteren Frau, die bereits früher Magen¬
störungen gehabt hatte, stellte sich nach vierwöchentlichem Ge¬
brauch von Jodomenin ein Jodschnupfen ein, der nach Aus¬
setzen des Präparates verschwand. Vierzehn Tage später wurden
Mengen von 2 mal täglich 1 Tablette. gut vertragen. Ein Ar¬
beiter vertrug sogar 12 Tabletten täglich ohne die geringsten
Störungen. Die arteriosklerotischen Erscheinungen wurden fast
ohne Ausnahme wesentlich gebessert. Notwendig ist eine
monatelange Darreichung des Mittels (wie auch des Jods), mit
Pausen von 8—14 Tagen in jedem Monat.
2. Lewitt weist auf die Vielseitigkeit des Athen-
s! t a e d t scheu AIsols in der dermatologischen Praxis hin.
Das Präparat ist eine Verbindung voll essigsaurer und wein¬
saurer Tonerde, also ein Doppelsalz, das als ungiftiges Anti¬
septikum von Wichtigkeit ist. Am besten wird es als Alsol-,
c reine gebraucht, welche Va proz. Alsol in wässeriger Lösung
enthält, und zwar in feinster Emulsion. Die Creme ist eine
kühlende, milde, absolut ungiftige Wundsalbe, die nicht ranzig
wird und auch bei längerer Aufbewahrung ihre Wirkung nicht
verliert. Sie ist leicht von der Haut zu entfernen und fleckt
nicht. Wegen der kühlenden Wirkung verwende man sie als
Mittel bei Juckreiz (bei Intertrigo, nässender Dermatitis, akuten
Ekzemen). Bei 'Akne vulgaris war die Wirkung günstig. Bei
Personell, die Salben und Pasten nicht vertragen, verwende man
Als o lpuder, der in Blechdosen mit Streudeckeln in den
Handel kommt. Bei Hyperhidrosis der Hände und Füße
Waschungen mit Liquor Alsoli und zwischen die Zehen Watte-
bäuschchen mit Alsolcreme. Sehr gut soll Alsolpuder bei Fu߬
schweiß sein. Bei Impetigo contagiosa steht Alsolcreme den
Präzipitatsalben nicht nach. Bei .Verbrennungen leichteren
Grades wirkte Alsolcreme angenehm kühlend und schmerz¬
lindernd. Verf. hobt besonders die schnell erfolgende Heilung
hervor. Alsol eignet sich sehr zu Scheidenspülungen, da es
die Schleimhaut nicht reizt, nicht fleckt, nicht riecht und die
Gunnnischläuche nicht angreift. Es wurde bei akuter Gonorrhoe
zu Spülungen’ein Eßlöffel des 50 proz. Liquor Alsoli auf 1 Liter
lauwarmen Wassers angewandt. Dann wurden Tampons ein¬
gelegt. die in 1 proz. Lösung getränkt waren. Statt derselben
wandte Verf. später die von der Firma A t hegst a. e d t &
Bedeker h'rgestellten Alsol-Vaginal-Kapseln mit gutem Er¬
folge an. Bei (‘infachem Fluor albus bewährten sich *4 proz.
A Isolspiil ungon. Das von dem gonorrhoischen Ausfluß hor-
vorgeruieuc Ekzem der Vulva, wurde mit Alsolcreme behandelt.
3. Da bei Seekranken sehr oft das erst kurz zuvor Ge¬
nossene wieder erbrochen wird, so empfiehlt es sich, statt
des neuerdings g *gen Seekrankheit empfohlenen, aber schwerlös-.
1 ichen Veronals das. leicht lösliche Veronalnatrium zu ver¬
wenden. Denn dieses löst sich in ganz wenig Flüssigkeit,
und reichliche Flüssigkeitszufuhr ist bei Seekrankheit bekannt¬
lich vom l'ebcl. G aller gab bei seinen Schiffsreisen bei
schwerem Wetter innerhalb 24 Stunden 2 mal 0,5 g in möglichst
wenig Wasser. Gelang *s dem Patienten, wenigstens 10 Minuten
das Präparat bei sich zu behalten, und dies war mit wenigen
Ausnahmen der Fall, so hatte er 10 bis 12 Stunden Ruhe. In
leichteren Fällen genügt eine einmalige Anwendung, am besten
abends vor dem Zubet t ‘gehen. Die Tabletten sind besonders
praktisch für den Schiffsgebrauch. G aller hält das Veronal¬
natrium für ein relativ gutes Mittel gegen Seekrankheit.
Technische Neuerscheinungen.
Automatisch wirkende Apparate zur
permanenten Extension der Ober- und Unter-
sclieukelfrakturen.
Von Dr. H. Zuppinger, Dozent in Zürich.
I)ip Behandlung dev Ober- und Unterscheukelbriiclie
durch permanente Extension ist bisher mit einem Uebel-
starnl behaftet gewesen. Um eine genügende Wirkung
zu erzielen, war eine große Kraft, d. h. ein großes Ge¬
wicht nötig. Bai'denheuer geht Dis auf HO kg, und
seihst so sind Verkürzungen nicht ganz zu vermeiden. Diese
grüßen Gewichte aber sind es, die bei der Befestigung am
Bein immer Schwierigkeiten bereiten. Sie ziehen oft den
Verband in kurzer Zeit herunter, sie bringen die Gefahr
der Zirkulationsstörung und des Dekubitus.
Aus welchem Grund aber verwendet man diese großen
Gewichte, oder was wird aus der verwendeten großen
Kraft ’■ Je nach der Anordnung wird Vs bis V» der Kraft
verwendet zur Ueberwindung der Reibung zwischen Glied
und Unterlage; ein Teil wird oft verwendet zur Hebung,
zur Aufwärtsbewegung des Gliedes. Der Rest der Kraft
spannt die Weichteilc um die Fraktur so weit, bis die
Spannung der Kraft das Gleichgewicht hält. .Je nachdem
nun die Spannung der Weichteile schon vor der Extension
gering oder groß war, tritt dieses Gleichgewicht unter
einer starken 1 oder kleinen Verlängerung der Weichteile
ein, und es wird dabei die Verkürzung, die durch die Frak-
tnr gesetzt ist, ausgeglichen oder nicht. I nd es kann nicht
genug hervorgehoben werden, daß die ganz besondern
FlastizitätsVerhältnisse der Muskulatur eine Steigerung
der Spannung über einen gewissen Grad nicht nur nutzlos,
sondern auch gefährlich macht. Das ist bisher viel zu
wenig beachtet worden.
Fs soll demnach die permanente (aber auch die kurze)
Fxtension bei möglichst erschlafften Weichteilen ausge¬
führt werden; unter Weichteilen sind hauptsächlich die
.Muskeln zu verstehen.
168
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 10
B»i gestrecktem Knie ist die Wadenmuskulatur ge¬
spannt "und ebenso Biceps nnd Semimenbranosus. Die
Spannung dieser Muskeln macht eine sehr große Kraft
nötig zur Ausgleichung der Verkürzung. Wird dabei
etwa noch das Hüftgelenk flektiert, so steigert sich nicht
selten die Verkürzung; bei Rechtwinkelstellung des Fußes
entsteht sogar bei Extension nicht ganz selten Rckur-
vation oder stärkere Verkürzung.
Wird aber das Knie gebeugt, so spannen sich die ge¬
nannten Muskeln ab, es darf das Hüftgelenk sogar stark
flektiert werden, Rechtwinkelstellung im Fußgelenk
spannt allerdings den Soleus in schädlicher Weise.
Bei gebeugtem Knie wird nun die Kraft, die zur Auf¬
hebung der Verkürzung nötig und zuverlässig ist, recht
klein: sie beträgt bei der Obersehenkelfraktur eines kräf¬
tigen Mannes höchstens 5 kg, bei der Untersehenkelfrak¬
tur höchstens 3 kg. Größere Gewichte machen Distrak¬
tion.
Die Apparate nach Z u p p i n g e r üben nun die per¬
manente Extension bei gebeugtem Knie aus und zwar
durch das Gewicht des gebrochenen Gliedes. Es muß also
dieses Glied durch die extendierende Kraft nicht aufwärts
bewegt werden. Die Reibung ist bei diesen Apparaten
fast gänzlich eliminiert. Statt der 10 -30 kg des bis¬
herigen Verfahrens ziehen an der Angriffsstelle nun höch¬
stens noch 5 kg. Damit wird die Befestigung sehr viel
leichter ausführbar, und Zirkulationsstörungen und der¬
gleichen leicht zu vermeiden. Daß auch dem Patienten
das mäßig gebeugte Knie und der viel geringere Zug eine
große Erleichterung sind, kommt ebenfalls einigermaßen
in Betracht. Die Hauptsache aber ist die sichere Korrek¬
tur der Verkürzung bei Ober- und Unterschenkelfrak-
turen, wenn die Apparate rechtzeitig und richtig zur An¬
wendung gebracht werden.
Die Zugwirkung kommt folgendermaßen zustande.
Der Apparat für die Oberschenkelfrakturen besteht außer
dem Gründbrett und der zwangsläufigen Führung aus
einer Auflage für das ganze Bein samt Fußbrett. Der¬
jenige Teil der Auflage, der den Oberschenkel trägt, die
Blechrinne, wird kurz, wenn das Fußende gehoben wird;
er wird länger, wenn das Fußende niedersinkt. Wird also
bei erhobenem Fußende das Bein auf die Auflage gelegt
und der Fuß am Fußbrett befestigt, so drückt das Gewicht
des Beines die Auflage abwärts. Die Abwärtsbewegung
kann sich aber nicht vollziehen, ohne daß das Knie sich
vom Becken entfernt. Dieses Abwärtssinken des Beines
mit der gleichzeitigen Verlängerung des Oberschenkels
findet ihr Ende, wenn die Spannung der Oberschenkel-
nmskulätur der extendierenden Kraft, also dem Gewichte
des Beines, das Gleichgewicht hält. Durch Versetzen der
Spreize zwischen den emporragenden Schrauben des
Grundbrettes gegen das distale Ende hin wird die exten¬
dierende Kraft vermindert, vergrößert hingegen durch
Versetzen der Spreize proximalwärts.
Bei dem Apparat für Unterschenkelfrakturen ist die
Auflage für den Oberschenkel mit dem Grundbrett fest
verbunden und dient der Kontraextension. Die Unter¬
schenkelschiene ist in der Art beweglich, daß bei Er¬
hebung des Fußendes dieses sich zugleich dem Knie nähert,
beim Niedersinken sich vom Knie entfernen muß. Der
aufgelegte Unterschenkel, dessen Fuß am Fußbrett be¬
festigt ist, drückt die Schiene nieder und bewirkt so einen
Längszug. Die Stärke des Zuges wird reguliert durch die
Stellung der Spreize.
Daraus ergibt sich die Anwendung der Apparate. Die
Auflagen werden mit Binden und Watte in ihrer ganzen
Länge gepolstert, ebenso das Fußbrett. Die Lücke in der
Gegend der Kniekehle wird ebenfalls mit weichem Mate¬
rial verschlossen. Dann wird der Unterschenkel mit dem
Verband versehen, der die Befestigung mit dem Fußbrett
vermitteln soll. Dieser Verband kann aus schräg ver¬
laufenden Heftpflasterstreifen bestehen, wie ich ihn früher
angegeben habe, und der sich während 25 Jahren vorzüg¬
lich bewährt hat. Bei den Oberschenkelfrakturen reicht
der Verband bis gegen das Knie hin, bei den Unter¬
schenkelfrakturen darf er die Frakturstelle nach oben
etwas überschreiten. Bei den Malleolen werden am Ver¬
band zwei feste Schnüre angebracht. Es wird nun das ge¬
brochene Bein durch Flexion im Hüftgelenk und mit
mäßiger Biegung im Kniegelenk emporgehoben, der ge¬
polsterte Apparat untergeschoben, das Fußbrett gelockert,
die Schiene am Fußende gehoben und eingeschoben. Tn
dieser Stellung wird sie gehalten, bis das Bein darauf ab¬
gelegt, das Fußbrett an die Sohle herangeschoben und fest¬
geklemmt ist. Endlich werden noch die Schnüre um das
Fußbrett herumgenommen und zusammengeknüpft. Wird
nun die Schiene losgelassen, so sinkt sie etwas nieder, die
Schnüre spannen sich und der Zug setzt ein.
Die Verkürzung gleicht sich nun in einigen Stunden
aus, und von da an soll der Zug niemals gesteigert werden,
wenn nicht die Heilung so lange dauern soll, wie beim
bisherigen mehrfachen Gipsverband.' Im übrigen ist täg¬
lich nachzusehen, ob die Schiene nicht an der Grenze ihrer
Beweglichkeit angelangt sei. In diesem Falle, der anfangs
der Behandlung oft einmal vorkommt, ist die Schraube des
Fußbrettes zu lösen, das Fußbrett samt Fuß kräftig anzu¬
ziehen, während eine andere Person die Schiene etwas er¬
hebt und einschiebt, und endlich das Fußbrett wieder
festklemmt.
Bei normalem Verlauf bleiben subkutane Unter¬
schenkelfrakturen 21- 25 Tage, subkutane Oberschenkel¬
frakturen 26—30 Tage in dieser Extension. Darauf kurzer
Schienenverband, der Bewegung in den benachbarten Ge
lenken etwas gestattet, daneben sanfte Massage. Schräg¬
frakturen und solche mit seitlicher Dislokation würden
7- 10 Wochen nicht belastet, Querfrakturen am Unter¬
schenkel bereits in der sechsten Woche, des Oberschenkels
in der achten.
Die Apparate, sind patentiert und zu beziehen bei
F. Hausmann & Co., St. Gallen (Schweiz),
Rosen.
C.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
159
Bücherbesprechungen.
Jahreskurse für ärztliche Fortbildung. In 12 Monatsheften.
•J. F. L e h m a n n s Verlag, München.
Nach eingehender Begründung der Bejahung der Frage:
Braucht der heutige Arzt eine andauernde, wissenschaftliche und
praktische Fortbildung auf dem Gebiete der Medizin?, heben die
Herausgeber obiger Schrift hervor, daß es ganz unerläßlich
ist, einen geeigneten literarischen Ersatz für die persönlichen
Kurse (wie sie in Großstädten sowie auf Universitäten gehalten
werden) zu schaffen, wenn anders die große Masse der Aerzte
vom Segen der Fortbildungsbestrebungen nicht ausgeschlossen
bleiben soll. Zentralblätter und Jahrbücher sind für den
Praktiker von geringem Werte. —r.
Die Heilanstalt. Fachblatt für Bau, wirtschaftlichen und
sanitären Betrieb von Heilanstalten. Leipzig, Verlag der Heil¬
anstalt, 1910.
Das Blatt hat den Umkreis seiner Erörterungen erweitert
und vertieft, um mehr noch wie bisher dem gesteckten Ziele
nahe zu kommen, den Heilanstalten des deutschen Sprachgebietes!
iu allen Fragen, die den Bau, die Einrichtung, den wirtschaft¬
lichen und sanitären Betrieb die Verwaltung usw. betreffen, ein
treuer Berater zu sein. Die Schrift hat außer einer Anzahl neuer
sachverständiger Mitarbeiter einen aus hervorragenden Fach¬
leuten bestehenden Beirat gewonnen, der ihr mit Rat und Tat
zur Seite stehen und unter dessen spezieller Aufsicht das Blatti
künftig erscheinen wird. —r.
Riedels Berichte, Riedels Mentor 1910.
Aus der 54. Auflage dieses in weitesten Fachkreisen be¬
kannten und beliebten Werkes ist zunächst eine Stelle aus dem
Vorworte bemerkenswert, welche sich gegen das Arzneimittel-
fabrikautentum auf unwissenschaftlicher Basis wendet. Im
wissenschaftlichen Teile interessieren neben einer Arbeit über
Verbindungen des Hexamethylentetramins mit Suceinimidsilber
und Berichten über die neueren Erfahrungen mit dem Riedel -
sehen Permutit-Wasserreinigungsverfahren besonders die anä¬
mischen Mitteilungen Über die Prüfung vieler Arzneimittel,
zum größten Teil solcher, welche weder in die Pharmakopoe
noch in das Ergänzungsbuch zur Pharmakopoe (herausgegeben
vom Deutschen Apothekervereine) Aufnahme gefunden haben.
Auch bei diesen Gelegenheit geht die Firma J. D. Riedei
A.-G. durchaus konform mit den neueren, auf die Identität
und Reinheit der Arzneistoffe gerichteten Bestrebungen.
Der die im letzten Jahre eingeführten bezw. bekannt ge¬
wordenen Präparate behandelnde Teil zeigt wieder eine über¬
raschende Fülle von Einzelpräparaten, deren Zusammenstellung
eine fleißig:* Arbeit, darstellt. — r.
La Province dentaire. Verlag Lyon, 3 rue siella.
Unter oigebm Titel erscheint eine Zeitschrift für alle Fragen
hygienischer Art. welche die Zahnheilkunde betreffen, unter
Mitwirkung hervorragender Gelehrter Frankreichs. Die erste
vorliegende Nummer enthält u. a. interessante Arbeiten über
gingivale Autoinokulationen, über Vaccine etc. '
Le Traducteur — The Translator — II Traduttore — drei
Halbmonatsschriften zum Studium der französischen, englischen,
italienischen und deutschen Sprache.
Diese Lehrschriften, welche soeben einen neuen Jahrgang
beginnen, machen sich zur Aufgabe, das Studium der fremden
Sprachen, wenn Vorkenntnisse schon vorhanden sind, auf inter¬
essante und unterhaltende Weise weiterzuführen. Die dem Ur¬
text nebenan gestellte genaue -Uebersetzung führt dem Leser in
beiden Sprachen den richtig gewählten Ausdruck vor, wodurch
der Wortschatz vermehrt und die Genauigkeit in der Wieder¬
gabe des Sinnes erlernt werden kann. Jede Nummer enthält
neben einer durchlaufenden größeren Erzählung mannigfaltigen
Lese- und Lehrstoff. .Gespräche, kaufmännische Briefe, l.'eber-
setzuugsaufgaben, sowie eine besondere Rubrik für Brief-, Post¬
karten- und Zeitungs-Austausch. Wer sich mit Sprachstudium
befaßt, dem seien diese überall gut eingeführten und bekannten
Zeitschriften aufs Wärmste empfohlen.
Probenummern für Französisch, Englisch oder Italienisch
kostenlos durch den Verlag des Traductcur in La Chaux-de-
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3. Pepto-Jod-Eigon ca. 15% gebundenes Jod f Plaques, Laryngitis, Arterio
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160
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 10
Allgemeines.
Das preußische Oberverwaltungsgericht hat das Verbot der
Polizei in Preußen, wonach die von der Naturheilkiinstlerin
Minna Kube gehaltenen Vorträge mit Lichtbildern (wie ,,Liebe
und Ehe“, „Wie die Frau den Mann fesseln kann“) verboten
sind, anerkannt. Es wurde festgestellt, daß diese Vorträge
geeignet waren, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl bei Frauen
und Mädchen zu verletzen.
Der „Verein chemische Reichsanstalt“ hat in seiner letzten
Mitgliederversammlung beschlossen,, für den Bau der chemi¬
schen Reichsanstalt in Berlin einen Zuschuß von 900 000 M.
zu bewilligen. Es soll für diese Summe ein Teil des Baues,
wie auch der inneren Einrichtung bestritten werden. Doch es
knüpft der Verein die Bedingung an diese Bewilligung, daß vom
Staate das Grundstück, vom Kultusministerium ein Ordinariat
für den Präsidenten der Anstalt genehmigt werden.
Die Provinz Westpreußen erhält an Stelle des eingehenden
Laboratoriums in Marienwerder ein neues staatliches bakterio¬
logisches Institut in Danzig.
Die amtliche deutsche Arzneitaxe für 1910 ist erschienen.
Sie berücksichtigt die Einstandspreise der Arzneimittel durch
entsprechende Erniedrigung oder Erhöhung der Preise, wie
usuell. Sie berechtigt die Erhebung der Nachtruhe-Schutz¬
gebühr von 0,50 M. von 9 Uhr abends bis 7 Uhr morgens;
während bisher ja diese Zeit von 10 Uhr abends bis 6 Uhr früh
galt. Abgelehnt dagegen ist die Forderung, die Dispensations-
gebühr für Anfertigung von ärztlichen Verordnungen von 15 auf
20 Pfennig zu erhöhen.
Ein neues Journal ist von den missionsärztlichen Vereinen
Deutschlands gegründet worden, die ,,Aerztliche Mission“,
redigiert von Dr. Feldmann. Alle diese Vereine hatten sich
bekanntlich kürzlich zu einem Verbände zusammengeschlossen.
Tuberkulose - Wohlfahrtsfest. Das Damen - Komitee des
Tuberkulose - ,V e r e i n s in S c h ö n e b e r g wi rd in den
Sälen der Gesellschaft der Freunde in der Potsdamer Straße
ein Fest veranstalten, dessen Erträgnisse der Schöneberger
Fürsorgestelle für T u b e r k u 1 o s e zufallen werden.
Ueber Zeit und Art der Veranstaltung wird der Verein noch
Näheres mitteilen.
Die Freie Hochschule Berlin gibt das Programm für düs
Winter-Quartal Januar—März 1910 heraus. Die Zahl der
Dozenten beträgt etwa 60, von denen über 40 Vorlesungen a.n-
gekündigt haben. Die Vorlesungen kann jedermann besuchen.
Die IJörgebühren betragen für den Zyklus 4 M., für den
Doppelzyklus 8 M. Für Vorträge mit Lichtbildern erhöht sieh
das Honorar um 1 M. Mitglieder des Zentral-Vereins für Freie
Hochschulen, deren Jahresbeitrag durch Selbsteinschätzung be¬
stimmt wird, aber mindestens 2 M. beträgt, genießen eine Er¬
mäßigung von 25°,o. General-Sekretär Herr Adolf Deutsch,
Berlin O. 27, Blankenfelderstr. 4.
In das Präsidium des Deutschen Zentral-Komitees zur Be¬
kämpfung der Tuberkulose wurden gewählt die Herren Bankier
Robert v. Mendelssohn, Berlin, als Schatzmeister an
Stelle des verstorbenen Ernst v. M e n d e 1 s s o h u , und Dr.
v. B ö 11 i n g c r . Elberfeld.
In Paris soll ein Laboratorium für Forschungen über Radio¬
aktivität eingerichtet werden. Das Institut Pasteur hat
400 000 Fr. bewilligt zum Bau des Institutes. —r.
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Nachdruck Ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt.
ürigi nalicn:
Scherk, Bad Homburg v. d. TI.: Die pathologische JTerinent-
wirkung hoi Diabetes.101
Wern. H. Becker, Weilmünster: Zur Frage der Anstalts-
bediirftigkeit Geisteskranker.163
Kongrcßberichte:
Max Hirsch, Bad Kudowa: Der XXXI. Balneologenkongreß
(Schluß).104
Referate:
W. Knick: Leber Kuhns perorale Intubation. Auto-Sammel¬
referat .108
Mohr, Bielefeld: Chirurgie. 170
Lothar Frankenstein, Berlin: Geburtshilfe und Gynäkologie 171 |
Geißler, Neu-Ruppin: Pathologische Anatomie.171
II. E. Schmidt, Berlin: Radiologie.172
Hager, Magdeburg: Italienische Literatur.172
v. Rutkowski, Berlin,’und Kurt Lipschitz. Berlin: Varia 173
Mitteilungen über Arzneimittel:
W. Krüger, Magdeburg: Referate.173
Technische Neuerscheinungen:
Ein neues aseptisches Licht- und Warmluftbad.173
lHicherbesprechungen:
R. Wittmann: Der Sanitätsdienst im Zukunftskriege (Bef.:
Geißler, Neu-Ruppin) .. 175
Allgemeines.170
ORIGINALIEN.
I)ic pathologische Ferment Wirkung bei Diabetes.
Von San.-Bat Dr. Seherk. Bail Homburg v. d. H.
Bei den verschiedenen Arbeiten, welche in den letzten
Jahren iyßer die - gestörte -FermentWirkung geliefert, sind,
müssen zwei Punkte besonders hervorgehoben werden, wenn
man diesen ätiologischen Paktor bei der Pathogenese der
Zuckerkrankheil unbestritten anerkennen will. In ersler
Linie ist zu beachten, daß es sich bei der Einwirkung des
hydrolytischen Pankreasfermentes auf die Spaltung des
Amyluni um einen Prozeß handelt, welcher sich im In¬
te s l i n a 11 r a k t u s abwickelt. Infolgedessen wird das in
seiner Molekülekonfiguration modifizierte K. H. in den Blut¬
strom aufgenommen. Während Lepine annahm, daß ein
vom Pankreas geliefertes glykolytisches Ferment
direkt in den Blutstrpm übertrete und unter normalen Ver¬
hältnissen dort seine zuckerzerstörende W irkung ausübe,
dieses Ferment dagegen bei Pankreasleiden minderwertig
ausfalle 'und die Dextrosurie bewirkt, können wir heut¬
zutage von der Aufnahme eines glykoiy tischen Blutfermentes
absehen. Die Hylpothese ist nicht stichhaltig, daß die
K. H. im zirkulierenden Blutstrom durch Einwirkung eines
spezifischen Fermentes der Verbrennung unterliegen, die¬
selben werden ebenso wie die Eiweißkörper und die.Fette
der Intraorganoxydation unterliegen und eisen¬
haltigen Erythrozyten dienen als Vermittler, indem sie den
erforderlichen Sauerstoff zu den. verschiedenen Geweb-
slellen als Transporteure befördern.
Daß der Nachweis eines diastatischen oder eines glyko-
lyüschen Fermentes im Blütslrome mit den größten
Schwierigkeiten verbunden ist, kann nicht bestritten, werden,
denn der zirkulierende Blutstrom wird bekanntlich bei dem
kleinsten Eingriff, wie derselbe bei Experimenten nicht
zu vermeiden ist, in seinem chemischen Verhalten verändert.
In verschiedenen Abhandlungen über die fermentativen
Prozesse habe ich stets hervorgehoben, daß es sich bei
einer vollkommenen Fermentwirkung um /.wei Phasen
handelt, nämlich um die Umformung der Moleküleanordnung
und um den Verbrennungsvorgang.
Beide Faktoren können gehemmt sein, es kann aber
auch die Oxydation minderwertig ausfallon;, wenn bei Sauer¬
stoffmangel der hydrolytische Prozeß normal verläuft.
Im letzteren Falle haben wir mit den nichtdiabelischen
Dexirosurien zu rechnen, wie dieselben erst kürzlich von
Blumenthal 1 ) zusammengestellt sind.
Wiewohl einzelne Autoren eine fakultative lieber-
produktion von Glykosen immer noch neben der mangel¬
haften Oxydation als begleitendes ätiologisches Moment bei
der Entwicklung des Diabetes auf. .die Wagschale legen,
genügen nach den Fortschritten, welche das Studium der
Fermentwirkung in den letzten’Jahren zu verzeichnen hat,
meiner Ansicht nach, die gestörte Hydrolyse und die fehler¬
hafte Dexlroseoxydation, um alle verschiedenen Ursachen
einer Diabeteserkrankung mit allen bekannten Symptomen
richtig zu deuten.
Es steht heutzutage fest, daß die Bexlroseausscheidiuig
ein charakteristisches Symptom der Zuckerkrankheit ist,
da nicht nur Rohzucker und Maltose, sondern auch die
Amylazeen sowie Glykogen schließlich Dextrose liefern, so
sind die spezifischen Fermente zu berücksichtigen, welche
bei den Zuckerkranken ihre Aufgabe nicht in vollem Maße
erfüllen. Daß eine Lävulosürie, eine Laktosurie oder Penlos-
urie mit einer Diabeteserkrankung nicht in Zusammenhang
zu bringen ist, sondern zu den Glykosurien zu rechnen ist,
geht aus den neuen Forschungen deutlich hervor.
Von großer Bedeutung sind die Forschungsresullate,
welche über das Wesen der alimentären Glykosurie nu-
gestellt sind. Es wird immer nur die Zuckerart ausge¬
schieden, welche in Ueberfluß dem Organismus zugeführl
wird.
Wie aus den Untersuchungen von Gin s B er g, Bo r g -
null ler, Eichhorst und Schönborn hervorgeht, ist
bei der alimentären Glykosurie Zu beachten, ob der Zucker,
welcher massenhaft dem Körper einverleibt wird, die Leber
passiert, also in den Blutstrom übergeführt wird und nicht,
linier Ausschluß der Leber als nicht invertierter Zucker in
Chylus und Lymphe übergetreten isl und dann direkt im
Harn erscheint. * L
Die Bildung von Leberklykogen aus K. II. isl demnach
bei alimentären Glykosurien herabgesetzt.
Die Lymphgefäße des Darmes sind an der Hesorpliun
der Feite und der Eiweißkörper beteiligt, erst wenn der
i) p r of. Dr. Ferdinand Blumen thal: lieber niclit-
iliabetische Glykosurien. Verlag: Carl Marli old, Hallo a. S.
1909. ..| ÜB
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSIT
:higan
162
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 11
in der Nahrung enthaltene Zucker stark vermehrt wird, gehl
ein Teil desselben in den Chylus über.
Unter normalen Verhältnissen nehmen die Lymphgefäße
an der Resorption der in der Nahrung enthaltenen Kohle¬
hydrate wenig Anteil. Der Zucker geht direkt in den Blut¬
strom über, die Blutgefäße liegen unmittelbar unter dem
Epithel, so daß der Zucker infolge seiner großen Diffu-
sibililäl nach H e i d e n h a i ns 2 ) Annahme niemals die mehr
zentralgelegenen Lymphgefäße der Darmzellen erreicht.
Daß die differenten Resorptionsverhältnisse der ver¬
schiedenen Zuckerarten im Intestinaltraktus mit den fermen¬
tativen Prozessen in Verbindung stehen, wird neuerdings
durch die Untersuchungen von Röhmann und Nagano
bestätigt. Die Resorptionsgeschwindigkeit ist am größten
beim Rohrzucker, kleiner bei der Maltose und am kleinsten
von den Nichtleitern beim Milchzucker. Letzterer passiert
unverändert die Darmwand, Während die ersten der Spaltung
ausgesetzt, sind.
Auch die Monosaccharide haben verschiedene Re¬
sorptionsgeschwindigkeit; nach der d-tlalaktose folgen die
d-Glukose und d-Fruktose, am langsamsten verläßt die
d-Mannose den Darm 3 .
Es ist einleuchtend, von welcher Bedeutung diese Ver¬
hältnisse zur Deutung der alimentärenGlykosurien im Gegen¬
satz zur diabetischen Dextrosurie sind.
Nicht nur die Unterschiede der ResorptionsverhälLnisse
der verschiedenen Zuckerarten sind in Betracht zu ziehen,
sondern die Funktion der betreffenden Fermente, denen
die Kohlehydrate bestimmte Angriffspunkte darbieten, ist
zu berücksichtigen. Es handelt sich hierbei nicht nur um die
zuckerspallenden Enzyme des Intestinaltraktus, sondern die
Aufgabe der Leberzellenfermente ist ebenfalls auf die W-ag-
schale zu legen. Nicht nur die Glykogenbildung, sondern
auch die Umbildung des Glykogen in Giykose ist zu be¬
achten, also Fermente, welche teilweise durch Wasser 1
aduition, teilweise anhydrierend einwirken.
Da unter normalen Verhältnissen des Glykogendepot
in der Leber und die Glykogenlager in den Muskeln aus¬
reichen, um das Verbrennungsmaterial, welches die ver¬
schiedenen Zellen zur Bestreitung ihres Chemismus, an
Dextrosi verbrauchen, vollkommen gedeckt wird, so liegt
auf der Hand, tlaß bei einem gestörten fermentativen Vor¬
gang, d. h. wenn eine Dextrose aus dem Glykogen ge¬
liefert wird, welche ihrer Molekülekonfiguration nach nicht
zum Zellenhaushall verwertet werden kann, die Leber arm
an Glykogen wird. Es wird eine gewaltige Nachfrage sein
nach gutem Brennmaterial, die pathologisch konfigurierte
Dextrose ist nicht zu gebrauchen.
Damit fälll auch der letzte Einwand, welcher von
anderer Beile gegen die Verbrennungstheorie gemacht wird,
in sich zusammen. Erst nachdem die Glykogenlager ohne
Erfolg ausgebrauchl, nicht ausgenutzt sind, wird das K. II -
molekülc der Eiweißsubstanzen in Angriff genommen, ein
Prozeß, welcher für eine ausgesprochene Defizitwirtschaft
bei Diabeteserkrankung spricht.
Fassen wir schließlich alle Faktoren, welche hei der
Entwicklung des Diabetes durch eine gestörte Fermenlwir-
kung gedeutet werden können, zusammen, so liefert uns das
Verhalten des respiratorischen Quotienten, wie v. N norden
in seinem bekannten Werke „Die Zuckerkrankheit und ihre
Behandlung“ hervorgehoben hat, einen wertvollen Beweis
für die Richtigkeit dieser Theorie.
Da durch Genuß von Traubenzucker hei Diabetikern
der herabgedrückte respiratorische Quotient im Gegensatz
zum Gesunden nicht vergrößert wird, so lassen sich diese
Tatsachen kaum anders deuten, als daß die Zellen des
diabetischen Organismus die Zersetzung des Traubenzuckers
ableh neu.
3 ) Halliburton: Lehrbuch der ehern. Pathologie und
Physiologie, S. 353.
:l 1 Dr. R. Hoher: Die physikalische Chemie in der Physio¬
logie der Resorption, der Lymphbildung und der Sekretion.
Physik. Chemie und Medizin, Bd. I, S. 327.
Diese Ablehnung der Zellen ist auf die herabgesetzte
Verbrennungsfähigkeit der Diabetikerdextrose zurück¬
zuführen, welche die Folge ihrer modifizierten Moleküle¬
konfiguration ist, die durch mangelhafte Spaltung der hydro¬
lytischen Enzyme bewerkstelligt wurde.
Um einen vulgären Vergleich heranzuziehen, so ist all¬
bekannt, daß nicht jede Kohlenart in jedem Ofen verbrennt
werden kann, es muß stets den Kohlenstoffmolekülen Ge¬
legenheit gegeben sein, sich mit Sauerstoff zu Kohlensäure
zu verbinden, und die Wasserstoffmoleküle müssen derartig
gelagert, sein, daß sie sich mit Sauerstoff zu Wasser ver¬
einigen. können.
Daß die Diabetikerdexlose eine andere • Verbrennungs¬
fähigkeil als die normal konfigurierte auf weist, läßt sich
durch verschiedene Experimente an Tieren beweisen, wie
Leo und andere Autoritäten dieselben durchgeführt haben.
ln analoger Weise, wie die Lävulose schon unter nor¬
malen Verhältnissen leichter verbrennbar ist, wie Dextrose,
genügen geringe Verschiebungen der Moleküle, tun die Ver¬
brennungsfähigkeit zu modifizieren.
Bringen wir mit diesen Verhältnissen noch die Ursachen
in Zusammenhang, durch welche eine Fermentwirkung
innerhalb des Organismus geschädigt werden kann, so wird
durch Aufzählung dieser Faktoren das ätiologische Bild
vervollständigt.
Nicht, .nur destruktive Prozesse oder Neubildungen in
den drüsigen Organen, welche die verschiedenen Fermente
liefern, sondern auch neurogene Momente können zu einer
Insuffizienz der Zellen, also zu einer quantitativ oder quali¬
tativ minderwertigen Fermentproduktiou führen. Nach
diesen pathogenetischen Verhältnissen wird auch die Art
der Erkrankung sich richten, es werden die leichten Formen
im Gegensatz zu den schwersten Fällen sich in dieses
Schema.zwanglos einreihen lassen.
Es wird auch weiter nicht auffallend sein, daß einzelne
K. H. bei der Behandlung der Zuckergehalt des Urins nicht
vermehren, während andere Zuckerarten den Krankheils¬
zustand verschlimmern, denn es wird .stets zu beachten sein,
welche spezifischen Fermente ihre Aufgabe nur minder¬
wertig erfüllen können, während andere Enzyme in nor¬
maler Weise produziert werden. Da jeder K. H. sein eigen¬
artiges Enzym zur Spaltung beansprucht, so sind die ver¬
schiedenen Formen der Erkrankung zu kennzeichnen.
Immerhin können wir bei Verwertung der fermentativen
Prozesse in der Deutung der Diabetesursache eine pankrc.v
lisehe und eine hepatogene Form festhallen.
Bei der letzteren kann das Pankreas norm il funk-
Jionieren, doch wird die pathologisch konfigurierte Dextrose
in diesem Falle bei einem gestörten Leberzellcnchcmismus
durch die mangelhafte Einwirkung interner Fermente auf das
Glykogen geliefert.
Bei dem pankrealischen Diabetes ist die Deutung der
mangelhaften Hydrolyse auf bestimmte K. 11. direkt geklärt,
inwieweit bei dem weiteren Abbau im intermediären Stolf-
wochsel die Fermente der Leberzellen dann mitbetei igt sind,
müssen weitere Forschungen ergeben.
Beachten wir die suDliI<■ Empfindlichkeit und die große
Mannigfaltigkeit der verschiedenen Fermente, wie dieselben
im Organismus vertreten sind, so ist uns verständlich, daß
die Erkenntnis der F.ermentwirkung nur langsam fort¬
geschritten ist, doch genügen schon heute die Erforschung
der Bildungsweise aus den Profermenten und die gegen¬
seitige Unterstützung bestimmter Fermente in der Wir¬
kungsweise, um sich ein Bild zu entwerfen, nach welchem
wir diese Vorgänge auch unter pathologischen Verhältnissen
berücksichtigen müssen.
Daß unsere Therapie sich nach der Pathogonese richten
muß, braucht nicht erst hervorgehoben zu werden, doch
werde ich mich bemühen, in der nächsten Arbeit die Aen-
dorangen, welche die Behandlungsweise der Zuckerkranken
in den letzten Jahren von diesem Gesichtspunkte aus er¬
fahren hat, näher zu beleuchten.
JNIVERSITY OF l
)F MICHIGAN
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
163
Zur Frage der Anstaltsbedürftigkeit Geistes¬
kranker.
Von Dr. Wern. H. Becker,
(staatsärztlich geprüft.) Arzt an der Irrenanstalt Weilmünster.
Die wichtigste Frage, die sich der mit der Behandlung
eines psychisch Erkrankten betraute Arzt immer wieder vor-
zulegen hat, ist die der Notwendigkeit einer Anstaltsbehand¬
lung. Der praktische Arzt befindet sich da oft in einem
heiklen Dilemma. Bei der psychiatrischen Schulung, wie
er sie heute von der Universität mitzubringen pflegt, Sieht
er oft schon dringende Indikation, wo die Angehörigen sich
noch mit Händen und Füßen gegen die Internierung des
Kranken sträuben. Leider bestehen ja immer noch, selbst
in gebildeten Kreisen, unausrottbare Vorurteile gegen die
„Irrenanstalten“, die jetzt gemeiniglich — eine Konzession
an die. Bemäntelungssucht der Familie, die das Unglück hat,
eins ihrer Mitglieder in der Anstalt zu haben — „Heil-
und-Pflegeanstalten“ genannt werden. Gilt es doch selbst
in unserem aufgeklärten Zeitalter immer noch quasi für
etwas Ehrenrühriges, in der Anstalt zu sein oder gewesen
zu sein. Begünstigt wird dieses Vorurteil durch falsche
Vorstellungen, die man sich vielerorts von den Zwangs¬
maßregeln macht, die in Irrenanstalten gang und gäbe seien,
obgleich unserem humanitären Jahrhundert in dieser Be¬
ziehung eher ein zu Wenig als zu Viel nachgesagt werden
kann. Endlich ist die Besserwisserei des Laientums, diese
\ orstufe der Kurpfuscherei, eine Ursache des Horrors gegen
die Anstaltsbehandlung. Das Publikum sträubt sich merk¬
würdigerweise immer wieder gegen die Anerkennung des
Grundsatzes, daß im Zweifelsfalle trolz der vielgeschmähten
Kinderschuhe, in denen die Psychiatrie noch stecke, der
Arzt doch noch besser den Geisteszustand eines Menschen
zu beurteilen weiß als der Laie, und unter den Aerzten
Wieder der Irrenarzt der Sachverständigste ist.
Viele solcher irrigen Ansichten hat der Hausarzt zu¬
nächst zu bekämpfen, ehe er an die Realisierung seiner
Vorschläge bezügl. Ueberführung seines Pflegebefohlenen
in eine Anstalt denken kann ; deshalb nehme ich keinen An¬
stand, diese erste und ureigenst hausärztliche Tätigkeit in
das neuerdings mehrfach bearbeitete Thema der Therapie
der Geisteskrankheiten hinz.uzurechnen. Wann ist denn nun
Aiislaltsbehandlung indiziert? Kraepelin 1 ) beantwortet
diese Frage negativ, indem er die Anstaltsbehandlung für
entbehrlich hält „nur bei ganz leichten Formen psychischer
Verstimmung, bei vielen Formen des Entartungsirreseins,
schleichend verlaufenden oder abgeschlossenen Verblö¬
dungen und dergl.“ In positivem Sinne könnte die Antwort
lauten : Erstens wenn eine Gefahr für Leib und Leben des
Kranken selber oder eines mit ihm in Berührung Kom¬
menden im Verzüge ist, und zweitens, wenn die Anstalts¬
behandlung bedeutend bessere Chancen für die Heilung
bielet, als die häusliche Pflege. Bestimmte Diagnosen lassen
sich demnach für die Indikation der Anstaltsbehandlung
nicht wiedergeben, höchstens könnte man von der Neur¬
asthenie, der Hysterie, 'die Imbezillität, von dem ma¬
nisch-depressiven Irresein mit langen Intervallen, von
den ganz chronisch verlaufenden Paranoiaformen, einigen
Fällen von seniler Demenz und manchen Endstadien der
Dementia, praecox sagen, daß hier-häufig keine dringliche
Indikation bestände. Viel kommt, auf die Art der häus¬
lichen Verhältnisse an, deren Komfort ja unter Umständen
der Anstalt ähnliche Zustände zu schaffen gestattet, und der
Arzt hat demnach von Fall zu Fall zu entscheiden, sich
also vor allen Dingen unter gewissenhaftem Ermessen die
Frage vorzulegen, die den ersten, den wichtigeren der beiden
genannten Punkte für die Indikationsstellung betrifft: Kann
dieser Kranke sich seihst (durch Selbstmord, Selbstverstüm¬
melung, freiwilliges Hungern u. dergl.) oder seiner Um¬
gehung (z. B. als „verfolgter Verfolger“, als Halluzinant,
als Personenverkenner)' gefährlich werden oder ist solches
*) Kraepelin, Psychiatrie, Bd. 1, 8. Aufl., Leipzig 1909.
mit Sicherheit, auszuschließen? Danach tue er dann seine
Schritte und setze das Vollgewicht seiner hausärztlichen
Vertrauensstellung ein, unbekümmert um die Wünsche der
Angehörigen, um die öffentliche Meinung oder die Sen¬
sationslust bezw. den Fanatismus eines Teiles der Presse,
welcher bald schreit, da ß. nfan einen Geisteskranken jahrelang
frei herumlaufen lasse, bis er ein nicht wieder gut zu
machendes Verbrechen begangen habe, bald sich liebevoll
eines „unschuldig im Irrenhause Eingekerkerten“ annimmt.
Die Frage, wann ein Geisteskranker die Anstalt wieder
verlassen kann, brauche ich hier wohl nur kurz zu streifen ;
sie ruht nicht auf den Schultern des einzelnen Arztes,
sondern untersteht der Entscheidung des Anstaltsleiters,
dem die anderen Anstaltsärzte beratend zur Seite stehen,
und der strenge Vorschriften hat, keinen Geheilten noch
einen Tag länger festzuhalten und keinen Gemeingefähr¬
lichen auf die Menschheit ohne weiteres wieder loszulassen ;
und dieser Anstaltsleiter — in Deutschland immer ein Arzt —
verfügt stets über längere psychiatrische Erfahrung, die ihn
befähigt, von Fall zu Fall ein sicheres Erteil zu fällen. In
erster Linie werden die heilbaren Formen wieder zur Ent¬
lassung kommen, wie die akute halluzinatorische Verwirrt¬
heit, die infektiösen, toxischen und delirösen Störungen;;
dann aber auch stationär werdende, wie manisch-depressives
Irresein, epileptisches und hysterisches Irresein, progressive
Paralyse; endlich auch die sogenannten „Heilungen mil
Defekt“, wie sie bei der Dementia praecox hin und wieder
beobachtet werden.
Irrenärztliche Vereine und Psychiaterkohgresse betonen
immer wieder, daß die heute bestehenden Anstalten quan¬
titativ und qualitativ nicht ausreichen. Auch befürwortet
man eine Scheidung zwischen jugendlichen Kranken, die
besonderer Fürsorge durch angesehlosseuen Unterriehl be¬
dürfen, einerseits und den erwachsenen Geisteskranken an¬
dererseits, wie das vielfach bereits geschehen ist. Ferner
strebt man nach einer Vermehrung der Sonderanstallen,
namentlich für Epileptische und Idioten. Den Bau einer
größeren Anzahl von Sanatorien für unbemittelte Neur¬
astheniker empfiehlt neuerdings Gramer 2 ) sehr.
Da über die Aufnahmebedingungen in Kreisen prak¬
tischer Aerzte noch vielerorts Unklarheit herrsch!, so seien
die einschlägigen Bestimmungen, soweit sie Preußen be¬
treffen, hier noch wiedergegeben. Es würde zu weit
führen, hier auch die Gesetze der übrigen Bundesstaaten
noch anzuführen, sie möge der Leser in Spezialschriften,
z. B. der von Burger 3 ) nachlesen.
Preußen unterscheidet zwischen privater und öffent¬
licher Anstalt. In Privatanstalten isl im allgemeinen ein
längeres Zeugnis durch den zuständigen Kreisarzl oder
den Leiter einer öffentlichen Irrenanstalt erforderlich. Dieser
beamtete Arzt darf aber nicht Arzl der Anstalt sein, in
die der Kranke aufgenommen werden soll. Statt dieses
Zeugnisses genügt auch das Attest eines einfachen appro¬
bierten Arztes, wenn der Antrag von dem Vormund des
Kranken ausgehl, oder wenn der Fall sehr dringend ist. Im
letzteren Falle muß allerdings der Kreisarzt innerhalb
24 Stunden benachrichtigt werden und binnen 3 Tagen
eine Nachuntersuchung vornehmen. Aber die Dringlich¬
keit der Aufnahme sehen Roth und LeppmannL nicht
nur in einer erheblichen äußeren Unruhe oder Gewalttätig¬
keit des Kranken, sondern auch in anderen Gründen, z. B.
wenn Verzögerung dem Heilzweck schaden könnte, oder die
Krankheit akut steigl usw. Die Aufnahme darf aber nur
innerhalb einer Frist, von 2 Wochen nach der letzten in
dem Zeugnisse angeführten Untersuchung erfolgen. Das
-) Gramer: Die Ursachen der Nervosität, und ihre Be¬
kämpfung. Bericht des deutschen Vereins -für öffentliche Ge¬
sundheitspflege. Braunschweig 1909, Vieweg.
») Burger: 'Die Aufnahme von Geisteskranken in Irren¬
anstalten in den größeren deutschen Staaten. Tng.-Diss.,
Tübingen 1905.
4 ) Schlokow: Der Kreisarzt. Fünfte Aufl., bearbeitet
von Roth u. Leppmann, Bd. 1, Berlin 1901..
164
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 11
Zeugnis hal Zeit und Art der letzten Untersuchung (Datum!),
Veranlassung und Zweck der Ausstellung, die dein Unter¬
suchenden gemachten Mitteilungen einerseits und die
eigenen Wahrnehmungen andererseits, Angabe der Krank¬
heitszeichen und die Gründe für die Anstaltsbedürftigkeil
zu enthalten.
Die Aufnahme in öffentliche Anstalten regelt sich nach
Schloekow (1. c.i folgendermaßen: Die Angehörigen
haben bei der Ortspolizeibehörde den Aufnahmeantrag zu
stellen. Diese requiriert zur Untersuchung den zuständigen
Kreis- oder Kommunalarzl, welcher einen Fragebogen über
den Kranken auszufüllen hat. Auf Grund des hierin wieder¬
gegebenen Gutachtens erfolgt dann die Entscheidung, ob
die Aufnahme genehmigt werden kann. Dringlichkeit des
Falles (siehe oben) macht manchmal eine Abkürzung dieses
umständlichen Verfahrens wünschenswert, und für solche
Fälle genügte bei den meisten Verwaltungen ein einfaches
ärztliches Attest, in ^welchem die Geisteskrankheit und die
dringende Anstaltsbedürftigkeit bescheinigt ist. In einigen
Verwaltungen besteht auch für eilige Fälle noch die Be¬
stimmung, daß das Aufnahme,attest durch den beamteten
Arzt oder durch zwei approbierte Aerzte ausgestellt wird.
In solchen Orten wird der Hausarzt die Hinzuziehung
eines Kollegen nicht umgehen können. Doch kann ich aus
eigener Erfahrung berichten, daß die Sache einfacher zu
handhaben ist, als sie auf dem Papier aussieht; denn es
bedarf nicht et,wa der eingehenden Konsultation mit einem
Nervenarzt oder Psychiater, sondern jeder approbierte Arzt
ist hier zur vollgültigen ,,Gegenzeichnung“ berechtigt, die
nur eine Schutzmaßregel der betr. Verwaltung gegen etwaige
spätere Angriffe seitens wieder freigelassener Querulanten
oder jener gewissen oben erwähnten Presse darstellt.
Sodann sei noch bemerkt, daß diese Aufnahme¬
atteste durchaus nicht, wie andere ärztliche Zeugnisse die
Diagnose zu enthalten brauchen. Eine psychiatrische
Diagnose ist manchmal selbst in der Anstalt, nach mehr¬
monatlicher Beobachtung noch schwierig, oft erst kat-
amnestisch zu stellen. Der Arzt scheue sich deshalb nicht,,
die spezielle Diagnose fortzulassen und kurz zu beschei¬
nigen . N. N. leidet an Geisteskrankheit mit Erregungs¬
zuständen, Geisteskrankheit mit erheblicher Depression,
Geisteskrankheit mit begründetem Selbstinordverdacht,
Geisteskrankheit mit Verfolgungsideen, die ihn für seine
Umgebung gefährlich machen u. dergl. mehr.
Zum Schluß möchte ich noch darauf hinweiseu, daß
der Hausarzt, wenn er die Unterbringung eines Kranken
in die Irrenanstalt für notwendig hält und durchgesetzt
hal, dem Kranken ruhig und bestimmt mitteilt, daß seine
Weiterbehandlung in einer Anstalt geschehen wird. Es
dürfen seitens der Angehörigen keine Schwindelmanöver
bei der Lieberführung ausgeführl werden. Dadurch werden
die Patienten gegen ihre Familie aufgebracht und gegen die
Anstaltsärzte mißtrauisch; Verfolgungsideen werden z. B.
hierdurch direkt unterstützt. Irrenärzte haben es ohnehin
nicht leicht, sich das Vertrauen ihrer Kranken zu erringen,
deshalb mache der in der Praxis stehende Kollege es ihnen
nicht noch schwerer. Lieber Gewalt oder besser Hyosciu-
Morphiumspritze als Ueberlistung und Verrat!
Kongressberichte,
Oer XXXI. BaliicologenkongrelJ.
Referent: Dr. Max Hirsch, Bad Kudowa.
(Schluß.)
Herr Professor Dr. Strauß, Berlin, sprach über die
„Stellung der Karelischen Milchkur in der Entfettungs-
behandlung“. \ ortragender möchte sich gegen eine schema¬
tisierende Entfettungskur wenden und betonen, daß man jede
Entfettung stets individuell vornehmen müsse. Die K ar e 11-
JNIVE
)F MICHIGAN
sehe Kur 'wurde in allen Fällen gut vertragen. Namentlich
waren das Hunger- und das Durstgefühl sehr gering und
die Gewichtsabnahme bedeutend. Letztere führt Vor
tragender auf die Flüssigkeitsentziehung zurück und zum
Teil auch auf die Kochsalzretention. Aus diesen Gründen
empfiehlt er in der Nachbehandlung eine flüssigkeits- und
kochsalzarme -Diät. Besonders empfiehlt es sich, die Kareli¬
sche Milchkur nur auf kurze Zeil auszudehnen und öfter zu
wiederholen; ebenso bewährt sich oft eine Einschiebung
von Milchtagen. Geeignet ist die Karelische 'Kur für
schwere und mittelschwere Formen von Fettsucht mit Herz¬
störungen sowie hei Nierenkrankheiten und Gicht.
Herr Dozent Dr. Strasser, Wien, berichtete über
„Wärmeregulation im Bade“. Vortragender stellte Versuche
an, um nach der von Stern angegebenen Methodik die
Wärmeregulation im Bade zu untersuchen. Dabei hat sich
die L i e b e r m e i s t e r sehe Lehre von dem gleichmäßigen
Gang der regulatorisehen Bewegungen gegen Abkühlung
und Erwärmung bei Gesunden und Fiebernden bestätigt.
Mit der ursprünglichen Sternschen .Methodik der sehr
langsamen Abkühlung und Erwärmung, welche den Reiz
der ‘Temperaturdifferenz .umgehen sollte, kam \ ertragender
zu denselben Resultaten wie Stern, und neue Versuche
mit einem vom Vortragenden konstruierten rhermometer,
welcher eine kontinuierliche Beobachtung der Rektum-
temperatur im Bade gestattet, zeigten, daß die Resultate
prinzipeil nicht verschieden waren; nur konnte er recht
häufig beobachten, daß das regulatorische Zittern und
Schwitzen aufgetreten ist, ehe die Temperatur gefallen oder
angestiegen wäre. Vortragender kommt zu dem Schlüsse,
daß die Gegenregulation des Organismus so außerordentlich
fein eingestellt ist., daß sie nicht nur auf wirkliche Ver¬
änderungen der Temperatur, sopder.u schon ,auf. drohende
Temperaturveränderungen reagiert. Die Promptheit der
.wärmeregulatorischen Funktion der, Haut zeigt sich auch
darin, daß bei Leuten, deren Temperatur nach dem Bade
in der Zeit der sogenannten primären Nachwirkung weiter
fällt, kein Muskelzittern zu sehen ist. Es löst also die
Haut die chemische Regulation nicht mehr aus, wenn von
außen her die Gefahr der weiteren Abkühlung nicht, mehr
besteht. Die Versuche mit Gasbädern ergaben, daß sowohl
'Sauerstoffbäder als auch ganz besonders Kohlensäurebäder
eine relativ starke Abkühlung gestalten bei ziemlichem
Wärmegefühl der Haut. Kohlensäurebäder von ungefähr
30 Grad Celsius sind schonende abkühlende Bäder, niedrig
temperierte sind dagegen sehr brutale abkühlende Ma߬
nahmen, welche lange Zeit nachher auch die chemische Re¬
gulation stark in Anspruch nehmen. Lokale Ueberhitzung
brachte auch Schweißausbruch ohne Aenderung der Körper¬
temperatur hervor. Bei der vorsichtigsten Anordnung der
Versuche scheint, es, daß man den nervösen Reflexreiz nicht
vollständig ansschalten kann.
Herr Professor Dr. L. Kutt.ner, Berlin, sprach über
die „diagnostische Bedeutung okkulter Magen- und Darm¬
blutungen“. Vortragender weist zunächst darauf hin, daß
nur diejenigen Versuche in Krage kommen können, welche
bei gleichzeitiger fleischlosen Kost, angestellt worden sind.
Okkulte Blutungen können ihren Sitz haben in der Speise¬
röhre, wofür Vortragender eine Reihe von interessanten
Präparaten demonstrierte, welche die Verschiedenheit der
Ursachen der Speiseröhreiiblut'ungen zeigt. Von Magen¬
krankheiten führen Geschwüre, Geschwülste usw. zu
okkulten Blutungen, jedoch können sie auch durch nervöse
Störungen verursacht sein, z. ß. bei tabischen Krisen und
durch nervöses .Erbrechen. Bei chronischem Magenkatarrh
kommen ebenfalls häufig okkulte Blutungen vor. Aus ihrem
Vorhandensein oder fehlen lassen sich keine bestimmten
Schlüsse auf diese oder jene Magenkrankheit, stellen.
Aus dem Duodenum entstehen viele Formen von Blu¬
tungen Besonders aber sind es Geschwüre, welche okkulte
Blutungen in den Fäces veranlassen. Ebenso Geschwüre
des übrigen Darmkanals sowie bösartige Geschwülste, Po-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU,
i
I
I
j
166
lypcu usw. Auch Infektionskrankheiten und allgemeine
Krankheiten können Blutungen im Mageu-Darmkanal hervor-
rufen, z. li. Tuberkulose und Typhus. Vortragender ist
der Ansicht, daß die Bedeutung der okkulten Blutungen
für die Diagnose durchaus'überschätzt wird und daß man
aus den okkulten Blutungen nur in den seltensten Fällen
Schlüsse auf diese oder jene Krankheit ziehen kann.
ln der Diskussion weist Herr Geheimrat Prof. Dr.
Ewald, Berlin, darauf hin, daß er die Skepsis des Vor¬
tragenden nicht ganz teile, während Herr Professor Dr.
Strauß, Heidin, eine Mittelstellung in dieser Frage ein¬
nehmen möchte.
Herr Professor Dr. G o t I; s c h a 1 k, Berlin, besprach
die „Balneotherapie der Menstrualionsstöruugen“. Vortr.
betonte die Notwendigkeit, die Menstrualionsstöruugen nach
Möglichkeit kausal zu behandeln. Die Amenorrhoe ist in
manchen Fällen, namentlich bei schweren Erschöpfungs¬
krankheiten, eine Art Selbsthilfe der Natur und soll nicht be¬
handelt werden. Ist Fettsucht die Ursache der Amenor¬
rhoe, dann kommen salinische Heilquellen therapeutisch in
Frage. Eine allgemein Ionisierende Balneotherapie ist dann
am Platze, wenn die Amenorrhoe auf Chlorose oder auf
psychische Schädlichkeiten zurückzuführen ist. Bei akuten
Infektionskrankheiten als Ursache der Amenorrhoe kommen
örtliche heiße Moor- und Fangoumschläge in Betracht. Pro¬
trahiert« kalte Seebäder, Kaltwasserkuren und intensive
Abkühlungen der unteren Extremitäten sind bei der Ame¬
norrhoe zu vermeiden. Was die Menorrhagie angeht, so
soll man zunächst die bösartigen Ursachen ausschließen,
für welche eine Balneotherapie nicht in Frage kommt. In¬
dizier! isl die Bäderbehandlung bei der Menorrhagie, wenn
es sich um eine fungöse Hyperplasie der Schleimhaut und
um die sogenannte chronische Metrilis handelt, ferner bei
allen Exsudaten, chronischen entzündlichen Adnexerkran-
kungoii, bei Erkrankungen des Eierstocks lind Atonien. ln
all diesen Fällen kommt das allgemein roborierende Ver¬
fahren in Frage.
Bei multiplen intramuralen Uterusmyomen sind die jod¬
halligen Soolbäder angebracht, und hei chronischer Kopro-
slase die salinischen Heilquellen. Hinsichtlich der Dys¬
menorrhoe isl die Balneotherapie angezeigt bei Reizbarkeit
des Nervensystems in Form von tonisierenden Maßnahmen,
bei entzündlichen Adnexerkrankungen in Form der Moor-
und Soolbäder, bei Koprostase und der Dysmenorrhoea
membranacea in Form von anregenden Maßnahmen, schlie߬
lich bei chronischer Endometritis und alten Exsudaten als
roborierende Kur. Neben der Balneotherapie soll man aber
die interne Allgemein behänd lang sowie die gynäkologische
Therapie nicht außer achl lassen.
In der Diskussion fragt Herr Kaiserl. Rat Dr. Lo eb e I,
Dorna, ob der Vortragende die Bäder auch während der
Menstruation gestattet. Früher hätte man sie so rigoros
verboten, heute sei man in dieser Hinsicht nicht so streng;
Vortragender stehe selbst auf dem Standpunkte, während
der Menstruation ruhig baden zu lassen. Herr Kaiserl. Rat
Dr. Fell n e r, Franzensbad, teilt einige wichtige Erfah¬
rungen auf dem Gebiet der Balneotherapie der Menstrua¬
tionsstörungen mit. Herr Dr. Nenadovics, Franzens¬
bad, empfiehlt Moorbäder auch bei gewissen Formen von
Myomblntungen, die sehr schnell gestillt werden könnten.
Herr Dr. Fleischer, Berlin, demonstrierte eine we¬
sentliche Verbesserung und Verbilligung des Turgotorio-
graphen nach Prof. Str auß zur Messung und Registrie¬
rung des Pulses.
Herr Dr. Fis ch, Franzenbad, machte Mitteilungen
über die „therapeutische Anwendung der Intensiv-Frank-
linisation“. Die.Intensiv-Franklinisation besteht, in der An¬
wendung einer sehr intensiven und dennoch recht, ange¬
nehm empfundenen Hochspannungselektrizität von mehr
als 100 000 Voll Spannung. Die Hochspannungselektrizität
wird durch eine sehr kräftige Influenzmaschine erzeugt,
die auf das Vom Vortragenden eigensl hierzu konsl ruierle
„l’olyeleklroid“ übertrugen wird und zur Beslrahlnng des
mens« blieben Körpers einer oder mehrerer Personen zu
gleicher Zeil und von langer Dauer dient. Die Beslrahlnng
kann entweder direkt auf die bloße Hanl erfolgen, oder
noch besser durch die Kleidung hindurch. Es genügen
schon wenige Silzungen, um die Wirkung der Hochfrequenz¬
ströme zu zeigen, die sich in Besserung des Appetits und
der Verdauung, in Anregung des Stoffwechsels und der
Zirkulation sowie in der Kräftigung des Organismus zeigen.
Die Wirkung zeigt sich in einem leichten Gefühl von
Kribbeln und Wärme sowie dem angenehm vorhei-
streirhenden elektrischen Wind. Bei vielen Herz-, Nerven-
und Stoffwechselkrankheiten läßt sich mit diesem Apparat
eine so gute Wirkung erzielen, daß man ihn als einen wesent¬
lichen Fortschritt der physikalischen Therapie ansprechen
darf.
Herr Dr. Bur winkel, Nauheim, berichtete über den
„Aderlaß, ein unentbehrliches Heilmittel in der Medizin“.
Vortragender isl der Ansicht, daß der Aderlaß in seiner
Bedeutung noch immer unterschätzt wird. Nach seiner
Erfahrung setzt der Aderlaß den Blutdruck herab, ver¬
mindert die Viskosität des Blutes, erhöht dessen A Ika-
loszenz und oxydierende Kraft, wirkt resorpl-ionsbefördernd
und diuretisch. beschleunigt den Lymphstrom, befreit das
IIIlil von toxischen Stoffen und regl die blutbildenden Organe
zu gesteigerter Tätigkeit an. Demnach müßte er sich bei
einer großen Reihe von Krankheiten bewähren, vor allem
bei Kreislaufstörungen, speziell zur Entlastung des Gefä߬
systems und zur Herabsetzung des Blutdrucks. Vortragender
geht soweit, nicht nur vollblütigen Leuten mil hohem lllul-
druck den Aderlaß zu empfehlen, sondern auch anämischen,
selbst bei sinkender Herzkraft. Stauungsherzfehler und
schwere Kompensalionsstörungen lassen auch den Aderlaß
geholen erscheinen. Bei Kreislaufstörungen als Folge des
Emphysems sowie verschiedener Lungenslöruugen möchte
Vortragender einen ausgiebigen Aderlaß angewendef sehen.
Bei Apoplexien, Pneumonie, Rheumatismus, Eklampsie und
einer Reihe anderer Krankheiten empfieh.il er gleichfalls
den Aderlaß, der durch Schröpfkröpfe und Blutegel nicht
zu ersetzen ist.
Herr Dr. Steyerthal, Kleinen i. M„ besprach die
„Therapie der progressiven Paralyse“. Vortragender gehl
zunächst darauf ein, «laß man gewohnt ist, die Prognose
der echten Paralyse als eine sehr schwere anzusehen. Das
mag vielleicht daher kommen, daß inan vielfach eine echte
Paralyse diagnostiziert, wenn andere unheilbare Krank¬
heiten vorliegen. Die progressive Paralyse bietet nach der
Ansicht des Vortragenden nicht immer die absolut schlechte
Prognose. Es kommen vielmehr auch abortive Formen von
progressiver Paralyse vor, welche in Heilung übergehen.
Deshalb empfiehlt Vortragender, diese Fälle zusammen und
mehr zu berücksichtigen als bisher, da sie einen Angriffs¬
punkt für die Therapie geben können.
In der Diskussion stimmte Herr San.-Hat v. C h I a -
powski, Kissingen, dem Redner bei und ermahnte, die
Frage weiter im Auge zu behalten.
Herr Dr. Schürmayor, Berlin, zeigte eine Reibe
vorzüglicher Bilder über die „pathologische Fixation bezv.
Lageveränderungen der Abdominalorgane“ und besprach
den Wert der Röntgendiagnose, durch die wir nicht nur eine
Reihe von Krankheiten der inneren Organe, speziell der
Abdominalorgane, einwandsfrei feststellen könn n, was ohne
Röntgendiagnose fast' unmöglich ist, sondern wir können
auch die Fortschritte durch die Behandlung und namentlich
die physikalische .Therapie studieren. .Es ist sehr wichtig,
daß man sich durch die Röntgenuntersuchung von Zeil zu
Zeil über den Fortschritt, den man durch eine Behandlung
erzielt, orientiert. So zeigte Vortragender Fälle von Sen¬
kung der Abdominalorgane, speziell des Colon trnnsversmn
und des Magens, die durch eine vom Vortragenden ange-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVER
16G
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 11
gebcne Fächerbinde in die Röhe geschoben wurden. Ebenso
kann man bei Verwachsungen und ihrer Behandlung die
Erfolge der Therapie durch Röntgenstrahlen gut kon¬
trollieren. Es ist doch als ein großer Fortschritt anzu-
sohen, daß man mittels der‘Röntgenstrahlen auf einfachstem
Wege eine Autopsia in vivo machen kann, indem man ein¬
fach den Patienten etwas Wismut in Kartoffelbrei nehmen
läßt und dann das Abdomen mit Röntgenstrahlen durch¬
leuchtet. Es wäre zu wünschen, daß sich diese Kon-
frollierung der Therapie durch die Röntgenstrahlen mehr
einführt.
Herr Professor Dr. F. Blumenthal, Berlin, gab
einen übersichtlichen Bericht über die „Fermentwirkung
in Krebsorganen“. Vortragender betont, daß jede Krebs¬
zelle einmal eine Epithelzelle war. Es isl jedoch unent¬
schieden, ob sie embryonalen oder epithelialen Charakter
trug. Immerhin ist durch irgend einen Vorgang, vielleicht,
durch einen Parasiten, die Krebszelle entstanden. Von
großei Bedeutung ist, daß die Krebszellen sich in ihrer
chemischen Zusammensetzung von den übrigen Zellen unter¬
scheiden, und zwar enthalten die Krebszellen weniger Glo¬
buline und mehr Albumine. Auch die Eiweißkörper, die
man aus den Krebsgeschwülsten extrahiert, sind chemisch
wesentlich verändert. Der Entstand, daß die Krebszellen
anders zusammengesetzt sind als die anderen Organzellen,
macht es erklärlich, warum die Krebszellen sich den Fer¬
menten von außen gegenüber anders verhalten als andere
Gewebe. Pepsin wirkt auf Krebszellen nur schwer ein, da¬
gegen sehr leicht Trypsin, was zur Trypsintherapie dos
Krebses geführt hat. Auch sind in den Krebszellen selbst
fermentative Vorgänge beobachtet worden, welche sich sonst
im Organismus nicht zu finden scheinen. Charakteristisch
isl für die Krebszellen ihr heterolytisches Ferment, welches
das Eiweiß anderer Gewebe abzubauen vermag, wozu die
Fermente der übrigen Gewebe nicht imstande sind. Auch
ist die Krebsgeschwulst auffallend schwach an katalytischer
Wirkung gegenüber . anderen Geweben. Aus diesen Tat¬
sachen kann man besonders die Bösartigkeit der Krebs¬
geschwülste erklären. Das heterolytische Ferment schädigt
das Nachbargewebe durch Abbau seines Eiweißes, wodurch ;
sich sein infiltratives Wachstum erklärt ; es schädigt auch I
das übrige Gewebe dadurch, daß das eiweißlösende Ferment
in die Zirkulation gerät und hier und da einen locus minoris
resistentiae für die Ansiedlung von Krebszellen schafft,
Herr Dr. Schuster, Aachen, teilte seine „Erfah¬
rungen mit kombinierter Duschemassage bei Gehirn- und
Rückenmarkserkrankungen“ mit. Die Technik der Dusche¬
massage ist die, daß ein warmer Wasserstrahl von 10 m
Fallkraft ö 20 Minuten lang langsam von einem Körperteil
zum andern gleitet, während der Kranke in der erwärmten
Badezelle halb im Wasser sitzt. Zugleich werden reibende,
knetende und klopfende Massageprozeduren vorgenommen.
Daran schließt sich ein Vollbad an. Dieses Verfahren,
welches eine zugleich schönende und doch intensive Wir¬
kung auf die Haut, Muskeln und Nerven ausübt, und bei
Rheumatismus und Gicht schon jahrhundertelang mit Erfolg
angewandt wird, hat Vortragender bei schweren Erkran¬
kungen des Zentralnervensystems mit überraschender Wir¬
kung angewandt. Der Erfolg war der, daß fast gelähmte
Muskeln stark Ionisiert wurden und daß die Ueberempfind-
lichkeil und Schmerzhaftigkeit des Hautnervensystems
günstig beeinflußt wurde. Besonders hebt Vortragender
hervor, daß die Anwendung der Duschemassage auf die
Schmerzen der Tabes außerordentlich günstig einwirken.
Herr Prof. Dr. Bickel, Berlin, sprach über die „Grund¬
lagen der Diätetik bei Verdauungskrankheiten“. Bei der
diätetischen Behandlung der Verdauungskrankheiten emp¬
fiehlt Vortragender vor allem die Berücksichtigung der
Funktionsstörung, die sowohl eine motorische als auch
eine sekretorische, resorptive und fermentative! sein kann.
Allen diesen vier Funktionen gegenüber sind die verschie¬
denen Nahrungsmittel zu prüfen, wenn man einen Diät-
zeltel aufstellen will. Gegenwärtig berücksichtigt man noch
nicht alle die Funktionen des Magen-Darmkanals, sondern
man nimmt nach dem Vorgangs von Penzoldt nur auf
die Motilität des Magens Rücksicht, Vortragender hat ein
neues Diätschema aufgestellt unter Zugrundelegung der
Sokretionsverhiiltnisse des Magens und ihres Einflusses auf
die Verdauung. Eine Kombination des P e n z o ] d t sehen
und des Bickel sehen Schemas dürfte sich in vielen
Fällen als durchaus wertvoll zeigen. Vortragender gibt
dann einen Ueberblick über die Ursachen, aus denen eine
Speise in der oder jener Weise die Motilität oder die Se¬
kretion beeinflußt. Diese Fragen sind besonders in seinem
Laboratorium von ihm und seinen Schülern untersucht
worden. Die Beeinflussung der Motilität durch die Nahrungs¬
stoffe sowie der exzitosekretorischen Wirkungen durch die
Nahrungsmittel sind von seinen Schülern studiert worden
und haben zur Klärung des Einflusses der Speisen auf
verschiedene Magenfunktionen wesentlich beigetragen.
Herr Dr. B. Fellner jun., Franzensbad, berichtete
über „Herz- und Gefäßwirkung alter und neuer Kohlensäure¬
bäder“. Vortragender hat für seine Untersuchungen an
natürlichen Kohlensäurebädern den von ihm konstruierten
Pulsometer in Anwendung gebracht. Als Einwirkung der
kohlensauren Bäder fand er eine Regulation des Blut¬
druckes, Vergrößerung der Pulsamplitude, zwei- bis drei¬
fache Vergrößerung des Sekundenvolumens. Man konnte
sehen, wie die peripheren Gefäße sich erweiterten, der
Widerstand nachließ, das Herz langsamer und kräftiger
arbeitete und besser ernährt wurde. Allerdings ist es bei
der Anwendung der kohlensauren Bäder von großer Wichtig¬
keit, eine langsame und vorsichtige Dosierung, anzuwenden.
Der Blutdruck wird,, wenn er hoch war, herabgesetzt, wenn
er zu niedrig war, erhöht, also reguliert. Aus diesem
Grunde ist der hohe Blutdruck ebensowenig wie eine leichte
Kompensationsstörung ein Grund, das kohlensaure Bad zu
verbieten. Kühle kohlensaure Bäder stellen an den Or¬
ganismus sehr starke Anforderungen und sind aus diesem
Grunde in der Herztherapie wenig empfehlenswerte Ma߬
nahmen. Interessant isl die Tatsache, die für die Therapie
von größler Bedeutung sein dürfte, daß kohlensaure Moor¬
bäder einen gleichen Effekt haben wie die kohlensauren
Stahlbäder.
Herr Dr. Selig, Franzensbad, sprach über „Röntgen¬
untersuchungen des Herzens im Kohlensäurebad“. Hin¬
sichtlich der Süßwasserbäder fand Vortragender, daß das
heiße Bad eine Verkleinerung, das kalte eine Vergrößerung
des Herzens im allgemeinen hervorruft. Bei den Kohlen-
säurebädern hat nicht nur die Temperatur, sondern auch
der Kohlensäuregehalt des Bades eine prinzipielle Bedeu¬
tung, da auch kalte Kohlensäurebäder imstande sind, das
Herz zu verkleinern, während kalte Süßwasserbäder das
Herz für gewöhnlich vergrößern. Darin liegt eben der
Wert der Kohlensäurebäder. Die natürlichen Kohlensäure¬
bäder können schon hei mittleren Stärkegraden eine Vo¬
lumenabnahme des Herzens hervorrufen, da ilie minera¬
lischen Bestandteile des Wassers ihre spezielle Wirksam¬
keit entfalten. Daß sowohl ein einzelnes Kohlensäurehad
wie eine Folge von Kohlensäurebädern das Herz verkleinern
kann, ist durch orthodiagraphische Untersuchungen fest¬
gestellt worden. Doch sind ilie Größenabnahmen nicht so
ungeheuerlich, als es andere Autoren beobachtet haben.
Die Kohlensäurebäder bilden eines der hervorragend¬
sten Mittel, um Herz und Gefäßsystem in ausgiebigster Weise
zu beeinflussen, doch ist auch ihre Wirkung individuell we¬
sentlich beeinflußt. Die natürlichen Kohlensäurebäder
wirken energischer als die künstlichen.
In der Diskussion betont HerrDr. Schmi ucke, Elster,
daß nicht die Kohlensäure, sondern die Temperatur für
die Größenwirkung maßgebend sei, und hebt die Bedeu¬
tung der Funktionsprüfung des Herzens hervor, während
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
167
Vollragender au der Bedeutung der Kohlensäure für die
Grüßenwirkimg des Herzens feslhäll, aber zugibt, daß indi¬
viduelle Schwankungen nicht auszüschallen sind.
Herr San.-Rai Dr. v. Chlapowski, Kissingen, be¬
richtete über die „Wirkung des Magnesiumoxyds und
-Hyperoxyds bei stenokardischen Anfällen“. Vortragender
fand eine schnelle Coupierung der stenokardischen Anfälle
durch diese beiden Präparate. Daraus zieht erden Schluß,
daß die dyspeptischen Formen der Stenokardie nicht so
selten sind. Man muß also bei stenokardischen Anfällen
eine strenge Diät halten. Die Tatsache, daß die Kohlen¬
säure bäder bei den schweren Fällen der Stenokardie so ge¬
fährlich sind, möchte Vortragender darauf zurückführen,
daß nach ihnen der Appetit sich bessert, was die Patienten
veranlaßt, weniger auf die Diät zu achten. Bei diesen
dyspeptischen Stenokardien glaubt Vortragender, Nitrite
und Nitrate sowie Morphium entbehren und durch Mag¬
nesium ersetzen zu können. Herztonica sind nur nach
ganz bestimmten Indikationen zu gebrauchen. Was bei dem
Magnesiumoxyd das wirksame Prinzip ist, möchte Vor¬
tragender nicht entscheiden.
ln der Diskussion wies Herr Dr. B. Fellner jr„ Fran¬
zensbad, darauf hin, daß viele Fälle, welche im ersten
Moment sich als Angina pectoris darstellen, tatsächlich
Splanchnicuskrämpfe sind. In solchen Fällen helfen cin-
' fache Abführmittel. Sonst ist er in der Behandlung der
Stenokardie auch nicht für Nitrite, empfiehlt vielmehr das
heiße Handbad sowie Sauerstoffanwendung.
Herr Dr. Helwig, Zinnowitz, berichtete über den
„Einfluß des Seeklimas auf das Blutbild“. Verfasser konnte
unter dem Einfluß'des Seeldimas eine Zunahme des Hämo¬
globins der roten Blutkörperchen feststellen. In der ersten
Zeit der Einwirkung des Seeklimas zeigten sich vielfach
Schrumpfungs- und Zerfallsvorgänge der roten und weißen
Dl ulzellen, denen aber schnell Neubildungen folgten. Der
letzteren Erscheinung geht eine Hebung des Gewichts und
eine Besserung des Allgemeinzustandes parallel. An einigen
Tabellen demonstrierte Vortragender die physiologische Wir¬
kung des Seeklimas, dessen Erfolg durch die Reizhöhe und
die Reaktionskraft des Organismus - gegeben ist.. Zum
Schluß wendet sich Vortragender gegen die jelzt. übliche
Unterscheidung zwischen der Ostsee und der Nordsee, wo¬
nach die erstere als Heilfaktor für erethische, die letztere
für torpide Patienten benannt wird.
Herr Dr. Schrainck e, Elster, sprach über „Thermo-
pcnelration“. Vortragender wies darauf hin, daß es durch die
Apparate für drahtlose Telegraphie möglich geworden ist,
den elektrischen Strom durch den Körper so hindurch¬
zuleiten, daß im Gewebe selbst höhere und sogar hohe
Wärmegrade entstehen. Er demonstrierte einen Apparat,
und zeigte, daß im Innern eines Fleischstückes eine so
hohe Wärme gebildet wurde, daß Fleisch gebraten wurde,
während die Elektroden kühl blieben. Eine Reizwirkung
durch die Elektroden auf die Haut tritt hei der Applikation
nicht ein. Bis jetzt, hat man von der Thermopenetration
gute Erfolge gesehen bei der Gicht, bei rheumatischen
Krankheiten, vor allem bei der gonorrhoischen Arthritis,
Ischias mul Neuralgien.
Herr Dr. Rothschuh, Aachen, berichtete „über
die Verwendung der deutschen Thermen für die Zwecke der
sozialen Versicherung“. Vortragender betonte zuerst, daß
(>s .ein Mißstand sei, daß die Krankenkassen die Verwendung
der natürlichen Quellprodukte für ihre Mitglieder nicht zu
ließen, sondern die Nachahmungen dafür empfehlen. Nach¬
dem aber verschiedentlich doch festgestellt ist. daß diese
Nachahmungen nicht gleichwertig sind mit den natürlichen
Ouollprodukten, muß das Bestreben daliin gehen, diese Vor¬
schriften der Krankenkassen aus der Well zu schaffen.
Weiter zeigte der Vortragende,' daß der Besuch von Kur¬
orlen für Mitglieder der Krankenkassen und der übrigen,
sozialer Versicherungen sich dadurch wesentlich ver-
leucrlc und miluulor unmöglich würde, daß die Kosten
lür Wohnung und Verpflegung sich zu hoch stellten. Aus
diesem Grunde sollten für Krankenkassen, Berufsgenossen-
schaflen und andere in denjenigen Kurorten, die für ihre
Mitglieder häufig in Frage kommen, Institute errichtet
worden, die ihrem Charakter nach zwischen Sanatorium
und Krankenhaus ständen. Solche Institute sind bereits in
einigen Kurorten eingerichtet worden und hätten sich bereits
vortrefflich bewährt. Daß den Vorteilen solcher Anstalten
auch gewisse Nachteile gegenüberständen, selzl ihren Werl
nicht, erheblich herab. ‘
Herr Dr. W e i d e n b a um . Neuenahr, teilte seine Er¬
fahrungen mit der „physikalischen Therapie in der inneren
Medizin“ mit. Vortragender hat sich seit einer Reihe von
Jahren der Bierschen Methode der Hyperämie als Heil¬
mittel zur Behandlung der inneren Krankheiten bedient
und damit gute Erfolge erzielt Hoi Leberanschwcllung,
Gallensteinkolik, Nierensteinkolik, Ischias, bei Erkrankungen
der Hanl und der Nerven infolge von Zuckerkrankheit sowie
bei arteriosklerotischer Gangrän und bei Asthma von seiten
des Herzens oder 'der Respirationsorgane.
In der Diskussion wendet sich Herr l)r. Meyer,
Kissingen, gegen, die Heißluftdusche bei Zuckerkrankheil,
wovon übrigens der Redner gar nicht gesprochen hatte,
da Heißluftdusche und Biersehe Hyperämiebchandliing
sehr verschiedene Begriffe sind.
Herr Dr. Hirsch, Kudowa, gab einen Heberldick über
„Hufelands bal neologische Lehren". Zu Hufelands
Zeilen lagen Bäder und Badewesen sehr im Argen, deshalb
ging Hufelands Bestreben dahin, das Badewesen zu
fördern. Zunächst gab er die „Nötige Erinnerung an die Bäder
und ihre Wiedereinführung in Deutschland“ heraus und
hob die Bedeutung der Bäder für die Volksgesundheit hervor.
Von allgemein hygienischer Bedeutung erschienen Ihm in
unserem Klima nur die lauwarmen Bäder, während heiße
Bäder, Dampfbäder sowie kalte Bäder den Charakter von
Heilmitteln trügen. Auch durch geeignete Zusätze suchte
Hufeland den Bädern einen bestimmten Charakter zu
geben, so durch Milch, Kleie, Malz, Seife und aromatische
Substanzen. Hufelands Interesse für die natürlichen
Heilquellen war ein außerordentlich großes. Er führte es
auf seinen Vater und auf F r i e d r i c li H o I I m a n n zurück,
ferner auf eine Reise durch einen großen Teil Deutschlands,
auf der er die. wichtigsten Bäder kennen lernte. Er rich¬
tete „Die Aufforderung an die Brunnenärzte Deutschlands“,
die Erfahrungen mit ihren Brunnen mitzuteilen, da gerade
die ärztliche Erfahrung am kranken Menschen für. die Be-,
wertung des Brunnens von größter Bedeutung sei. Sodann
gab er das klassische Werk „Praktische I ebersicht der vor¬
züglichsten Heilquellen Deutschlands“ heraus und belonle
da die Nützlichkeit der -Beschreibung der Kurorle durch
Aerzle, welche nicht im Kurort wohnen. Auch den Un¬
terricht in der Balneologie an den Cmversilälen hält er
für außerordentlich notwendig. Sodann trat er der damals
sehr verbreitetem Ansicht entgegen, daß künstlich uach-
geahmlc Mineralwässer den natürlichen Heilquellen gleich
kämen.
Vortragender gehl zum Schluss)' darauf ein, daß es
der Einfluß der H u f et andsehen Lehren sei, der unter
späteren Generationen den auch jetzt noch mit rührigem
Eifer fiii die Gesellschaft tätigen Generalsekretär, Herrn
(leheimrat Brock, seinerzeit veranlaßt hat, eine Balnen-
logischc Gesellschaft ins Leben zu rufen, die in Hufe¬
lands Sinne die praktische Balneologie auf den Boden der
Wissenschaft zu stellen für ihre Pflicht hält.
Herr Dr. Nenadovics, Franzensbad, sprach „zur
Genese der Arteriosklerose“. Nach einer Uebersichl der
I heoi-ien der Arteriosklerose stellt Vortragender seine eigene
Theorie auf: Für das primäre, Stadium sieht er die physio-
NIVERSITY OF
IICHIGAN
UNIVERSITY
1C8
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. II
logisch-pathologische relative Insuffizienz der Herz- und
Gefäßmuskulatur an, als sekundäres die Hypertrophie der
Gefäßwandung und als tertiäres die Degeneration des hyper¬
trophischen Gewebes. Die Insuffizienz des Herzmuskels
spielt gegenüber den großen Arterien dieselbe Rolle, wie
die Insuffizienz der glatten Muskulatur der kleinen Arterie
gegenüber ihrer Wandung. Auf Grund seiner Theorien gibt
Vortragender zum Schluß eine Erklärung über die jugend¬
liche Arteriosklerose, die relative Seltenheit der Sklerose
hei Frauen, das seltenere Vorkommen der Pulmonalarterie
gegenüber der Aorta und das verhältnismäßig seltene Vor¬
kommen in der arbeitenden Klasse. An die Stelle der
mechanischen Momente setzt Vortragender die biologischen
Momente hinsichtlich der Entstehung der Arteriosklerose.
Die Schlußsitzung des Kongresses fand in dem Hörsaal
der ehemaligen Lassarschen Klinik statt.
Herr Sanitätsrat Dr. Isaac, Berlin, demonstrierte eine
Reihe höchst interessanter Fälle aus dem Gebiete der Haut¬
krankheiten, wobei er namentlich differentiell-diagnostische
Momente zugrunde legte.
Herr Sanitätsrat Dr. Friedländer, Berlin, erörterte
„die Bedeutung der W assermannsehen Reaktion für
die Balneotherapie“. Zunächst demonstrierte er eine Reihe
interessanter Fälle, bei denen die ff asserman nsche
Reaktion hinsichtlich der differentiellen Diagnose gulo
Dicnsle geleistet hat. Sodann wies er nach, welchen Wert
die W ass ermann sehe Reaktion für jeden Praktiker hätte.
Hinsichtlich der Technik bevorzugte er die ursprüngliche
Wassermaitnsehe Vorschrift, während die sogenannten
Verbesserungen oft ,wertlos, wenn nicht gar Verschlech¬
terungen sind. Durch die W as s e r m a nn sehe Reaktion
kann man feststellen, wie lange der Patient als Syphilitiker
anzusehen ist und welchen Erfolg die Therapie gehabt
hat. Die W a s s e r m a n n sehe Reaktion ist auch der Spi-
roehäten-Untersuchung überlegen. Einen großen Wert hat
die W a. s s e r m a n n sehe Reaktion bei hereditär belasteten
Kindern, bei der Ammenuntersuchung, bei einer großen
Reihe von Erkrankungen der inneren Organe, dos Nerven¬
systems und vor allem hei der Tabes, da von ihrer Reak¬
tion die Behandlung ähhängt. Daß sie für die Differenlial-
diagnose in der Dermatologie eine große Rolle spielt, i'sl
sei bstredend.
Herr Dr. Fritz, Besser, Berlin, demonstrierte „die
Technik der W as s e r m an n sehen Reaktion“,. Zunächst
zeigt er an Experimenten die Grundlagen der modernen
limnimiiätslehre, welche der Wassermann schon Reak¬
tion als Basis diente und führte zum Schluß die ein¬
zelnen Phasen der Reaktion an.
Herr Dr. Karo, Berlin, besprach „die Behandlung
der Nieren- und Blasentuberkulose“. Vortragender betonte
(Icil Werl des Tuberkulins auch für die Nieren- und Blasen-
luberkulose gegenüber der radikalen Operation und belegte
seine Behauptungen mit einer Reihe von Kranken¬
geschichten. Das Tuberkulin empfahl er in Kombination
mit Chinin, Kreosot und Atoxyl zu geben.
Der Kongreß war von wissenschaftlich großer Bedeu¬
tung, und as wurde mit großem Beifall aufgenommen, daß
der Vorsitzende Herrn Geheimrat Brock für seine Mühen
dankte, die den Kongreß so zu aller Zufriedenheit aiisfallen
gelassen hätten. Der größte Teil der Mitglieder der Gesell¬
schaft blieb in Berlin, um an der Zentenarfeier der Hufe-
landschen Gesellschaft teilzunehmen.
Das nächste Jahr soll der Kongreß wiederum in
Berlin stattfinden.
JNIVERSITY OF MICHIGAN
REFERATE.
Heber Kulms perorale Intubation.
Autosammelreferat von W. Knick.
I. Teil.
1. Ueber die Kuhnsche Tubage. Aus der chirurgischen
Abteilung des St. Hedwigskrankenhauses in Berlin. (Direktor:
Prof. Dr. Hotter.) Von Dr. Albe r t D i r k , Assistenz¬
arzt. Deutsche med. Wochenschr., 1906, Nr. 40.
2. Die Kuhnsche Tubage mit Berücksichtigung des Ueber-
druckverfahrens. Aus der chirurgischen Klinik der königl.
Charite in Berlin. (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hilde -
br and.) Von Dr. Fritz Lotsch. Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1907.
3. Zur operativen Behandlung der Nasenscheidewanddefonui-
täten. Von Prof. Dr. K r e t s c h m n n n . Magdeburg. Verhand¬
lung der deutsch-otologischen Gesellschaft auf der 17. Versamm¬
lung in Heidelberg, G. und 7. Juni 1908. Verlag Gustav
Fischer, Jena.
4. Zur operativen Behandlung der Nasen.scheidewandeformi-
täten. Von Prof. Dr. Kretsch m a n n , Magdeburg. Münchener
med. Wochenschr., 1908, Nr. 41.
1. Im letzten Jahre haben wir die schweren Operationen
in der Chirurgie des Kopfes mit der peroralen Intubations-
narkose nach Kuhn ausgeführt und mit dieser Methode sehr
gute Erfahrungen gemacht. Es handelte sieh um sieben Fälle.
In keinem der angeführten Fälle wurde die Kokainisierung
des Rachens bezw. des Kehlkopfes der Tubage vorausgeschickt,
sondern es wurden die Patienten zunächst in der gewohnten
Weise mit Chloroform annarkotisiert. Dies An narkotisieren ge¬
schah stets ziemlich schnell, und es ist zu empfehlen, womöglich
eine leichte Asphyxie herbeizuführen, um in diesem Stadium der
Reflexlosigkeit, bei dem die Reizbarkeit der oberen Luftwege
aufgehoben ist, die Einführung des Tubus am leichtesten ho-1
werkstelligen zu können. War die gewünschte Tie^e Rer Nar¬
kose erreicht, so wurde der Mund mit dem Heister oder O’Ihvyer
geöffnet uud die Zunge mit einer.Kugelzange hervorgezogen;
letztere Manipulation erleichtert das Abtasten des Kehlkopf-
oinganges.
Die. Einführung des Tubagerohres erfolgte nun genau nach
den Iv u h n sehen Angaben, nach denen ich das Verfahren noch¬
mal kurz beschreibe (folgt Beschreibung).
Wenn ich zum Schluß unsere Erfahrungen zusammcnfas.se,
so sind dieselben in jeder Beziehung als günstig zu bezeichnen^
Als besondere Vorzüge der Tubage in der Kopf Chirurgie möchte
ich hervorlieben:
Die Intubation macht den Operateur völlig unabhängig vom
Narkotiseur und umgekehrt. Der Narkotiseur ist imstande, mit
-kleinsten Dosen des Narkotikums eine gleichmäßige Narkose von
beliebiger Tiefe herzustellen und zu unterhalten, und er ist mit.
seiner Narkose dem Operateur in keiner Weise hinderlich. Alle
die scheußlichen Zustände der Halbnarkose, des Hustens,
Würgens und Brechens fallen somit weg, und andererseits sind
Asphyxien nicht zu befürchten, da die oberen Luftwege stets
irei sind. Da kein Blut in den Larynx oder Oesophagus fließen,
kann, ganz gleich ob man in liegender Stellung oder am hängen¬
den Kopf operiert, so ist die Frage der Blutstillung eine viel
einfachere. Kurz: die blutreichen Operationen am Kopf ge¬
stalten sich in dieser Beziehung nicht schwieriger als Eingriffe
an anderen Körperregionen. Nachteile für die Operierten haben
wir in keinem Falle beobachtet. Nur der Patient mit der
Gaumenspalte — die Operation nahm längere Zeit in Anspruch,
zum Teil, weil wegen außergewöhnlich starker Blutung lange
tamponiert werden müßte — klagte am ersten Tage über Be¬
schwerden beim Schlucken, sonst hatten die Patienten hinterher
keine Ahnung von den Vorgängen in ihrem Larynx während
der Operation. Weder Heiserkeit noch Schling- oder Schluck-
schmerzen, noch sonstige Beschwerden wurden beobachtet, und
von seiten der Lungen haben wir in keinem Falle Reizerschei¬
nungen gesehen: keine Bronchitiden, keine Pneumonien. Dem¬
nach möchten wir diese Methode nicht nur als unschädlich für
den Patienten, sondern direkt als ein schonendes Verfahren be¬
zeichnen, das den großen Vorteil der kontinuierlichen Narkose
bietet, dis ja bekanntermaßen in ihren Nachwirkungen längst
nicht so unangenehm ist, als der frühere, nicht zu vermeidende*
Wechsel von Halb- und Voll-Narkose.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
191Ö
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
169
^ir worden die Tubage künftig auch bei den sogenannten
sohlechten Narkosen den Husten- und Brech-Narkosen — in
Anwendung bringen — und sind überzeugt, daß wir zu gleich
günstigen Resultaten kommen werden. Eine weitere Verwendung
des Verfahrens zur Ueberdrucknarkose erscheint uns gleichfalls
der Nachprüfung wert.
2. Kuhn hat das unbestreitbare und unbestrittene Ver¬
dienst, die Idee, das Luftrohr bis zum Hautnivean, bis zui
den Lippen, zu verlängern, in eine praktisch verwertbare Form
gebracht zu haben. Er hat das getan durch Verwendung eines
biegsamen MetalIschlauchs.
.... Die Schwierigkeit der Einführung wird sicherlich 1
vielfach überschätzt. Das gilt auch für die O’Dwy ersehe
Intubation, mit der ja das Verfahren technisch durchaus ver¬
wandt ist. Wer die O’Dwyer sehe Intubation beherrscht,,
kann auch den Kuhn sehen Tubus einführen. Eine Schwierig¬
keit ist nur bei sehr großen Individuen vorhanden, bei denen die
Zeigefingerspitze des Inhibierenden nicht bis auf den Kehlkopf-
eingang reicht. Man muß zufrieden sein, wenn man die
Epiglottis hochklappen kann, so daß sie mit ihrem obersten
Zipfel gegen den Zungenrücken gedrückt wird. Gelingt das, so
gelangt man mit dem Tubus ohne weiteres in den Larynx.
Liegt der Tubus, so wird sofort die Chloroformnarkose, und
zwar Hie Tropfuarkose, eingeleitet. Das geschieht mittels eines
Trichters.
.... Die Indikationen für das Verfahren hat Kuhn selber
auf dem Chirurgenkongreß im Jahre 1905 angegeben. Erstlich
.soll das Verfahren angewendet werden bei allen „Operationen,
die Mund- und Rachenhöhle, die Zunge, größere Teile der Lippen
und der Nase betreffen.“
Was wir bei diesen Operationen verhindern sollen, ist die
Aspirationsgefahr, dafür sind verschiedene Vorschläge gemacht
worden. Der radikalste war die Tracheotomie und der Abschluß
der Luftröhre durch Tamponkanülen etc. Das ist wohl jetzt
vollkommen verlassen, wenigstens ist dieses Verfahren, das früher
eigentlich gang und gäbe war, sehr selten geworden. Als Ersatz
wurde erstens der hängende Kopf angewandt, zweitens die
»Schräglage von’Kocher, weiter ist noch zu erwähnen die wohl
jetzt am häufigsten benutzte Sitzlage und Halbnarkose, und
schließlich kommt das K u h n sehe Verfahren in Betracht. Alle
Verfahren haben ihr Für und Wider: der hängende Kopf zu¬
nächst eine 'stärkere Blutung und das umgekehrte. Operations¬
feld; die Schräglage muß doch nicht ganz ausreichen, da
Kocher selbst rät, immer mit einem B e 11 o q u e sehen Röhr¬
chen die Choanen zu tamponieren.
Daß es möglich ist, in Sitzlage und Halbnarkose auch die
schwierigsten Operationen auszuführen, weiß ich aus meiner
Assistentenzeit; aber schön sind die Operationen nicht, denn
die Ruhe leidet ganz erheblich, und das Nervensystem nicht
nur des Operateurs, sondern auch der Assistenten wird ganz
erheblich beansprucht. Als letztes Verfahren bleibt die
K u h n sehe Tubage. Man kann damit ohne jede Gefahr der
Aspiration operieren, man kann tupfen, man hat eine Ue-ber-
sicht, die jedenfalls durch das Rohr nicht gestört wird. . . .
.... Die zweite Indikation, die K u h n nennt, ist die
schlechte Narkose. Ich habe gerade in dieser Hinsicht Er¬
fahrungen in Magdeburg gesammelt und bei einer größeren
Anzahl von Laparotomien das Verfahren angewandt. Das Pressen
hört durch das Offenstehen der Glottis zwar nicht ganz auf,
aber es wird erheblich gemildert. In Fällen von sogenannter
schlechter Narkose, die den Operateur und Narkotiseur zur Ver¬
zweiflung bringen können, kann man manchmal mit gutem Er¬
folge die Tubageröhre einführen und dadurch daß Pressen ganz
erheblich vermindern; man kann, wenn das Herz keine tiefe
Narkose zuläßt, doch z. B. eine Bauchnaht ausführen, ohne
allzu sehr gestört zu werden.
Ferner hat K u h n das Verfahren für Asphyxie n emp¬
fohlen, und-es ist ganz klar, daß es dort Vorteile hat. Es (soll
jetzt neuerdings in jedem Rettungskasten ein Tubagerohr. sein.
Ob jeder Arzt in der Lage sein wird, die Tubageröhre einzu-
iühren, möchte ich bezweifeln. Wichtiger erscheint mir die
vierte Indikation, die Ueberdrucknarkose.
.... Wenn man den K u h n sehen Tubus einlegt, die Ab¬
dichtung durch Rachentamponade .vernimmt und, den Tubus an
eine Druckleitung anschließt, so werden wir den nötigen Ueber-
druck erlangen; wenn wir seitlich durch irgendein Rohr,
z. B. mit dem Juncker sehen Apparat, eine Narkose einleiten,
■so werden wir alles haben, was wir brauchen. Wenn man das
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ventil vermeiden will, so kann man nach dem Vorgauge von
Brauer einen Luftkasten ein fügen. ...
.... Welches Verfahren in der Lungenchirurgie die besten
Erfolge für die Zukunft ergeben wird, können wir heute noch
nicht entscheiden ; ob wir dem K u h n sehen Tubus eine Druck¬
leitung angliedern mit einem Wasserventil oder einem Luft -
kästen, oder ob wir auf die Abdichtung verzichten und durch,
ein kleines seitliches Röhrchen einen stärkeren ITeberdfuck in
den Kuhn sehen Tubus einleiten.
3 .Die Operationen, welche ich bisher ausgeführt
habe, sind in allgemeiner Narkose vorgenommen worden, und
zwar kam jedesmal die perorale Tubage nach Kuhn zur An¬
wendung. Die Vorteile dieses Verfahrens beruhen einmal darin,
daß eine Unterbrechung der Operation nicht stattfindet, wenn
man genötigt ist, die Narkose wieder zu vertiefen, und zweitens
ist eine Aspiration von Blut in die Luftwege — beim Ein-
reißen der Schleimhaut blutet es ja durch die. Choanen
nicht zu befürchten, wenn man den Hypopharynx und Pharynx
gut austamponiert hat. Nach meiner Meinung ist die Anwendung
der Allgemeinnarkose’ welche die orale Resektionsmethode er¬
fordert, kein Nachteil gegenüber der nasalen; denn wenn auch
bei letzterer örtliche Anästhesierung mit völlig aufgehobener
Schmerzempfindung erreicht werden kann, so stellt doch der
Eingriff immerhin hohe Anforderungen an die psychische Wider¬
standskraft des zu 'Operierenden, die nicht jeder erfüllen kann
und [erfüllen [wird.
.... Ich habe vielleicht einige 30 Narkosen gemacht.
Das Verfahren wende ich an bei Operationen an den Neben¬
höhlen der Nase.
Ueble Zufälle habe ich nicht erlebt.
Unter den ersten Anwendungen wurde vielleicht zu viel
Chloroform (ein anderes Anästhetikum habe ich nicht ver¬
wendet.) zugeführt, es kam zu Atemstillstand. Ich habe damals'
den Tubus entfernt. Jetzt lasse ich ihn in solchen Fällen!
liegen und mache künstlich,' Atmung. Unmittelbar nach der
Narkose tritt zuweilen Stimmlosigkeit auf, die nach einer
Stunde verschwunden ist. Außer einer mitunter auftretenden
leichten Rötung der Stimmhän.cleiy habe ich im laryngoskopi -
sehen Bilde, das nach 24 Stunden aufgenommen wurde, keine
Störung konstatieren können.
Dem Mandrin habe ich die Krümmung der für Manipula¬
tionen im Kehlkopf bestimmten Instrumente gegeben, er führt
sich für mich so leichter ein. Die Vorrichtung,'welche ein Zu¬
sammenbeißen der Zähne verhüten soll, habe ich entfernt; eine
Schädigung des biegsamen Metallrohres danach nicht erlebt.
Durch die Entfernung habe ich den Vorteil, daß die Zahnreihen
mehr genähert werden, die Spannung der Oberlippe, welche bei
Highmorshöhlenaufmeißlungen von der Fossa canina in die Höhe
gezogen werden muß, auf diese Weise vermindert wird. Als
Tampon des Hypopharynx verwende ich eine 5 m lange Mull¬
binde, die allmählich eingestopft wird.
4 .Mein Vorgehen, daß ich bisher in 3 Fällen in
Auwendung gezogen habe, gestaltet sich folgendermaßen (Be¬
schreibung).
.... Wie schon kurz erwähnt, empfiehlt sich die Vor¬
nahme der geschilderten Operation in Allgemeinnarkose. Ich
habe mich wenigstens bei meinen Fällen stets derselben be¬
dient. Wer die örtliche xAnästhesie bevorzugt, mag immerhin
den Versuch machen, ob dieselbe, für den in Frage kommen¬
den Eingriff genügt. Für die allgemeine Narkose empfiehlt,
sich, wie bei allen Nasenoperationen, die Intubationsnarkoscj
nach Kuhn. Infolge des Umstandes, daß die Gase des Nar¬
kotikums durch das bewegliche Metallrohr direkt in den Larynx
geleitet werden, ist eine Unterbrechung der Operation, um
die Narkose wieder genügend tief zu gestalten, wie es bei An¬
wendung der Gesichtsmaske die Regel ist, nicht nötig. Das ist
schon ein ganz bedeutender Vorteil, aber fast noch wichtiger
ist der Umstand, daß die Ivuhnsche Methode ein Tamponieren
des Hypopha-rynx, des Pharynx und der ganzen Mundhöhle
gestattet, die Gefahren der Blutung durch die Choanen also
aufhebt. Auf eine Blutung durch die Choanen muß man aber
immer gefaßt sein. Wenn auch, falls es gelingt, den Schleim¬
hautschlauch beiderseits ohne Kontinuitätstrennung vom »Sep¬
tum zu lösen, eine Blutung in den Nasenrachenraum nicht statf-
finden würde,' so kann man doch darauf nicht mit absoluter
Sicherheit rechnen. Vielfach reißt eben die Schleimhaut doch
an irgendeiner Stelle ein, und damit ist dem Blutstrom der
Weg in den'Nasenrachenraum eröffnet. Es kann nur wieder von
CHIGAN
Wmnm
UNIVERSI
170
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 11
neuem darauf hingewieseu werden, daß die Kuhn sehe Methode
der Intubationsnarkose bei allen operativen Maßnahmen der
Nase und der Nebenhöhlen eine große Erleichterung für den
Operateur schafft.
(Fortsetzung folgt.)
Chirurgie.
Referent: Spezialarzt Dr. Mohr, Bielefeld.
1. Beiträge zur Blutleere der unteren Körperhälfte nach
Momburg. Von zur V e r t h , Berlin. Münchener med. Wochen-
# schrift, 1910, Nr. 4.
2. Zur Behandlung der post-poliomyelitischen schlaffen Läh¬
mungen. Von Wittek, Graz. Wiener klin. Wochensehr., 1910.
Nr. 4.
3. Ein Fall von doppelseitiger isolierter Luxation des Os
lunatum. Von v. Frisch, Wien. Ibidem.
4. Die sog. „Mastitis chronica“ und das Mammakarzinom.
Von Brehm, Libau. St. Petersburger med. Wochenschrift,
1910, Nr. 2.
5. Ein Fall von Hautkarzinom nach Trauma. Von Hen¬
rich. Hamburg. Münchener med. Wochenschr., 1910, S. 137.
ß. Traumakarzinom und Zahnprothese. Von Hahn, Bres¬
lau. Berliner klin. Wochenschr., 17. Januar 1910.
7. Beitrag zur Bekämpfung drohender Gangrän. Von
Schepclmann, Halle. Reichsmedizinal-Anzeiger, 1910, Nr. 2.
8. Akute Leberverfettung nach Resektion eines Leberlappens.
Von Rinne, Berlin. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 4.
9. Ueber die Verlötung unsicherer Nahtlinien durch freie
Autoplastik. Von König, Altona. Ibidem.
10. Die Entzündung und Einklemmung des Wurmfortsatzes
im Bruchsacke. Von Thon, Bremerhaven. Ibidem.
11. Gastro-Entero-Duodenostomie. Von Bürdenko, Dor¬
pat. Russische med. Rundschau, 1910, H. 1.
12. Subphrenisches Hämatom infolge Stichverletzung. Von
Aenstoots, Duisburg. Deutsche med. Wochenschr., 1910,
Nr. 2, S. 75.
13. Zur Kasuistik der Resektion des Nervus vagus beim
Menschen. Von Dechanow. Russische med. Rundschau, 1910,
Heft 1.
1. Nach den bisherigen Erfahrungen sind die Gefahren der
M o m b u r g sehen Abschnürung der unteren Körperhälfte für
den Darm gering, wie Verf. auch durch den Autopsiebefund
eines an Herzschwäche nach ausgedehnter Reckenresektion ver¬
storbenen Knaben beweist. Bei einwandfreier Technik scheinen
nur alte, schwer herzkranke und dekrepide Leute den An¬
forderungen der Abschnürung an das Herz nicht gewachsen zu
sein, unter 20 Fällen Verfassers nur einer. Die Blutdrucksteige¬
rung läßt sich durch Beckenhochlagerung vor Anlegung des
Schlauchs wahrscheinlich nicht einschränken, von letzterer ist
daher abzusehen. Dagegen-'ist die Anlegung Es marchscher
Binden an beiden Oberschenkeln, wo der Eingriff es zuläßt, vor
der Abschnürung in der Taille zu empfehlen. Verf. schließt
sich Biers Ansicht an: M o m b u r g s Verfahren ist einfach
und schön. Wo allerdings der T r e n de 1 e n bu r gsehe Speer
zur unblutigen Durchführung des Eingriffs genügt, ist letzterer
vorzuziehen.
2. Durch Poliomyelitis paretisch gewordene Muskulatur
wird durch Ueberdehnung funktionsuntüchtig, und kann sich
durch Verkürzung wieder erholen, wie Verf. an einem mit
Sehnentransplantation behandelten Falle zeigt. Geschädigte
Muskeln müssen also baldigst operativ verkürzt werden; durch
Exzision eines entsprechenden Hautlappens muß das betreffende
Gelenk in einer Stellung fixiert werden, daß normale Ent¬
fernungen zwischen den Ansatzpunkten der Muskeln erhalten
werden, und durch die Hautnarbe eine spätere Ueberdehnung des
Muskels vermieden wird. Dann läßt man die Kinder gehen und
bekämpft nach Ablauf eines Jahres zurückgebliebene Lähmungen
durch Sehnenüberpflanzung ocler Arthrodese.
3. Fall von gleichzeitiger Verrenkung des Mondbeins volar -
wärts, Exstirpation des Knochens an beiden Händen. Nach¬
behandlung mit Heißluftbädern und aktiven Bewegungen.
4. Um Hie Frauen mit Mastitis chronica endgültig von der
Krebsfurcht zu befreien, um sich vor Rezidiven nach Entfernung
der verhärteten Stellen zu schützen, und vor allem, um Hie
Möglichkeit späterer Krebsentwicklung abzuschneiden, ist als
einzig rationelles Verfahren die totale Entfernung der ganzen
Brustdrüse anzusehen, wobei man die Warze erhalten kann und
VERSITY OF
weder die Pektoralfascie niifniunnt noch di' 1 Achselhöhle aus¬
räumt. Mitteilung zweier Fälle.
5. Hautkarzinom der Ellenbeuge, welches sich auf der
Narbe, einer alten Verbrennung nach wiederholte Stößen gegen
die Narbe entwickelte. Das durch Probeexzision gesetzte Trauma
führte zu einer enormen Vergrößerung der uleerierten Ge¬
schwulst, daher Exartikulation des Arms im Schultergelenk mit
Ausräumung der Achselhöhle. Trotzdem rasches Rezidiv, welches
nach dem Sektionsbefund in der Tiefe bis auf die Rippen ge¬
wuchert war.
6. Fall von Zungenkarzinom, welches aus einer gering¬
fügigen, durch die scharfen Kanten eines einzeln stehenden
Weisheitszahnes hervorgerufenen Verletzung sich entwickelt
hatte. Trotz baldiger Operation Exitus. Durch recht¬
zeitige zahnärztliche Hilfe — zahnärztliche Prothese zur
Beseitigung der scharfen Ränder kann mancher Krebsi
entwicklung vorgebeugt werden. Auch nach stattgehabter
Operation eines Zungenkarzinoms sowie überhaupt bei
jeder größeren Wunde im Bereich des Mundes ist die zahnärzt ¬
liche Prothese, welche glatte Flächen schafft, ein wichtiger Heil¬
faktor.
7. Fall von drohender Fingergangrän nach blutiger Streckung
eines kontrahierten Fingers. Durch das Verfahren von N ö ß k e
(cf. früheres Referat > gelang es, den Finger zu erhalten.
8. Nach Resektion eines sehr beweglichen und erhebliche Be¬
schwerden verursachenden Lappens einer luetischen Leber trat
einige Tage später eine akute Leberdegeneration ein, welcher
Pat. in wenigen Tagen erlag, ohne daß ein erklärlicher Zu¬
sammenhang mit der Operation gefunden werden konnte. Als
Ursache dieser akuten gelben Leberatrophie mußte eine allge¬
meine konstitutionelle Ursache, wahrscheinlich infolge der alten
Lues angenommen werden.
9. Auch der sorgfältigste Verschluß mancher Bauchhernien
sowie von Schleimhaut tragenden Kanälen und Höhlen, zumal
ohne Seroauskleidung, führt leicht zu Lü'öken in der als un¬
sicher anzusehenden Nahtlinie. Es ist daher angezeigt, diese
Nahtlinien durch breit über sie hingelegte Gewebsstücke zu
„verlöten“. Diese Verlötung hat durch ungestielte Lappen zu
geschehen; als Material empfiehlt sich Periost, Fascie, event.
auch Gefäßwand. Diese Verlötung ist, wie Verf. an einzelnen
Krankengeschichten zeigt, bisher mit Erfolg hei Bauchhernien,
bei Blasennähten, bei der Plastik der Harnröhre verwendet
worden, verdient aber noch weitere Ausbildung.
10. Sieben Krankengeschichten, welche fast alle Formen des
Krankheitsbildes zeigen, welches im Anschluß hieran geschildert
wird. Die Therapie kann nur operativ sein, der Appendix wird
am besten stets entfernt. Nach der Herniotomie wird der Schnitt
verlängert, bis man die Bauchhöhle soweit eröffnet hat, um be¬
quem an die Ansatzstelle des Wurmfortsatzes heranzukommen.
Bei Schenkelhernien wird also das Leistenband nach oben bis
zur Eröffnung der Bauchhöhle durch trennt, und am Schluß der
Operation wieder vernäht.
11. Tierexperimente über die beste Methode der Gastro¬
enterostomie. Das vereinfachte Verfahren ist folgendes: es wird
eine Gastroenterostomie an beliebiger Stelle angelegt, hiernach
wird eine Dünndarmschlinge zum Duodenum geleitet und eine
Duodenoenterostomia. und etwas weiter abwärts eine Enter-
ostomie gemacht. Jetzt gehen die Ingesta zum Teil oder
ganz durch das Duodenum, und di> Verdauung kann in gewöhn¬
licher. Weise von statten gehen. Auch wurde später keine
Pankreasatrophie oder Atrophie der Duodenalschleimhaut beob¬
achtet, wie sie bei Kontrolltieren nach der gewöhnlichen Gastro¬
enterostomie stets auftrat.
11. Nach einem Messerstich mit Einstich im ß. rechten
Zwischenrippenraum bei der Brustwarzenlinie trat ein Sym-
ptomenbild ein, welches als subphrenisches Hämatom, vermutlich
infolge von Leberverletzung, angesprochen wurde. Die Probe -
punktion bestätigte die Diagnose. Heilung bei abwartender Be¬
handlung.
12. Bei der Operation einer rezidivierten Drüsenmatastase
des Halses nach Zungenkarziuom mußte die Vena jugularis in¬
terna in 3 cm Länge mitentfernt werden; hierbei wurde teils
infolge der Nachbarschaft, teils durch einen ungünstigen Zufall
der Nervus vagus in gleicher Länge reseziert, ohne daß zunächst»
auffallende Erscheinungen von seiten des Pulses aufgetreten
wären; es blieb nur eine unbedeutende Heiserkeit zurück. Der
Fall bestätigt also die Ungefährlichkeit der einseitigen Resektion
selbst des gesunden Stammes des Nervus vagus, sobald diese
unterhalb des oberen Kehlkopfnerven ausgeführt wird.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
171
Geburtshilfe und Gynäkologie.
Referent: Spezialm-zt Dr. Lothar Frankenstein, Berlin.
1. Ovarien 4 \\ Jahre nach Uterusexstirpation. Von Dr.
Karl Pronai, Wien. Zentralblatt für Gynäkologie, 1910,
Nr. 6.
2. Zum Kapitel: Manuelle Plazentalösung. Von Prof.
Peters, Wien. Ibidem, Nr. 7.
3. Die Tamponade bei Behandlung der Placenta praevia.
Bi’- Karl Heil, Darmstadt. Münchener med. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 5.
1. Anläßlich einer Karzinomrezidivoperation wurden bei
einer Frau, der 4 1 4 Jahre zuvor der Uterus vaginal entfernt
worden war, die damals zurückgebliebenen Ovarien mitexstir-
pierl. Histologische Untersuchung derselben ergab, daß die
Zahl der Primordialfollikel vermindert war, die in den größerem
Follikeln vorhandenen Eier beginnende Degeneration zeigten,
die Anwesenheit von nur sehr wenigen, stark geschrumpften
Corpora candicantia, kein Corpus luteum, daß aber andererseits
durch die vorhandenen Primordialfollikel und reifenden Follikel
für einen gewissen Nachwuchs gesorgt sei. Die Ovarien waren
zwar noch wohl erhalten, jedoch nicht mehr ganz funktions¬
tüchtig^.
Die sich widersprechenden Anschauungen der verschiedenen
Autoren werden kurz gestreift. Besonders Amerikaner und
Franzosen sind für Mitentfernung der Ovarien eingetreten, da
sie an den zurückgelassenen Ovarien Tumorbildung beobachteten.
Andererseits sind einige Jahre nach der Totalexstirpation des
Uterus die Ovarien von einzelnen Operateuren völlig unver¬
ändert und funktionstüchtig gefunden worden. Eine dritte
Gruppe hat beobachtet, daß die Ovarien zwar anfangs funktio¬
nieren, jedoch schließlich der Atrophie anheimfallen.
Mit Rücksicht auf die bedeutsame Rolle, die die Ovarien
im Organismus spielen, plaidiert Verf. dafür, sie nach Mög¬
lichkeit zu schonen und zu erhalten. Ref., der sich mit dieser
Frage speziell beschäftigt hat und vor mehreren Jahren im
Anschluß von 5 Fällen von Tumorbildung im zurückgelassenen
Ovar, die in der I) ü h rs s e n sehen Klinik zur Beobachtung
und Operalion kamen, warm für ein möglichst radikales Ver¬
fahren eintrat, möchte heute seine Anschauungen etwas
modifizieren. Im Vergleich zu den vielen Tausenden von Total-
(Exstirpationen des Uterus mit Zurücklassung der Ovarien stehen
die Fälle von Tumorbildung in diesen in keinem Verhältnis
und dürften kaum die Prozentzahl der Ovarialerkrankungen
überhaupt überschreiten. Andererseits ist das Los einer Frau,
die in der Blüte der Jahre ihrer Keimdrüsen beraubt ist.
häufig ein so trauriges, daß man lieber eine Frau einer event v
zweiten Operation aussetzen, als aus übertriebener Prophylaxe
eines für den Organismus so wichtigen Organes wie das Ovar
berauben wird. Das Grundprinzip des wahrhaft humanen Opera¬
teurs muß stets das sein, möglichst konservativ vorzugehen.
Allerdings ist es erforderlich, bei jeder Uterusexstirpation sich
von dem Zustande der Ovarien zu überzeugen; sollten sie
schwere Veränderungen zeigen, so sind sie mit zu entfernen.
2. Die manuelle Plazentalösung ist ein für die Frau sehr
gefährlicher Eingriff, weist nach verschiedenen Statistiken eine
Mortalität bis 13°/o und eine Morbidität bis ÖÖ°,'o auf. Trotz
sorgfältigster Desinfektion von Vulva und Scheide werden mit
der Hand beim Berühren dieser Gebiete Keime in die Uterus¬
höhle verschleppt. Um diese Infektionsmöglichkeiten auszu-
schalten, die durch Berührung der nicht keimfrei zu machenden,
Vulva und Scheide gegeben sind, fordert Verf. prinzipiell die
Hand unter Leitung des Auges in den sichtbar gemachten,
Uterus einzuführen. Das Verfahren gestaltet sich derartig,
daß unter allen Kautelen der Asepsis und Antisepsis die Mutter¬
mundslippen gefaßt und bis in die Vulva herabgezogen werden,
dann läßt sich bequem, ohne Berührung der Vulva und Scheide,
der Eingriff vornehmen und die Plazenta herausholen; hierbei
wird, zumal bei Anwendung von Gummihandschuhen, jede In¬
fektionsmöglichkeit auf ein Minimum reduziert.
3. Die Ausführungen Verf.s gipfeln in folgenden Schlu߬
sätzen: Ich halte die Tamponade aucK jetzt noch immer da
für zweckmäßig und berechtigt, wo sie als Ersatz für die aus
irgendwelchen Gründen nicht ausführbare Metreuryse in Be¬
tracht kommt, d. h. also bei geringer Anämie der Mutter in
allen Fällen von geringer Muttermundsweite und noch derbem
Mutterhalse bei lebendem und lebensfähigem Kinde, um durch
die Tamponade eine für Wenden und Ausziehen des Kindes ge¬
nügende Cervixerweiterung zu erzielen.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nicht die Tamponade an sich ist gefährlich wegen der In¬
fektionsgefahr, nur die nicht aseptische und nicht technisch¬
vollkommene. Ausführung derselben.
Verf. empfiehlt, die Frau in Seitenlage zu bringen. Die
Vagina ist sorgfältig Von Blutgerinnseln zu reinigen und zu
desinfizieren. Als Tamponadematerial bedient man sich der
D ti h r s s e n sehen Büchse, die in keiner geburtshilflichen
Tasche fehlen darf. Will man die Cervix tamponieren, so ist.
die Portio anzuhaken. Es folgt die feste und allseitige Tampo¬
nade des Scheidengewölbes. Als Abschluß folgt eine Tampo¬
nade mit Watte, worauf auch Dührssen stets besonderes
Gewicht legt. Allzustarker Druck auf die Urethra ist zu
vermeiden.
Unersetzlich ist dies Verfahren für den praktischen Arzt,
der eine blutende Kreißende nach einer Klinik dirigieren will.
Pathologische Anatomie.
Referent: Stabsarzt Dr. GeiSSleP, Neu-Ruppin.
1. Ueber die Histogenese des Karzinoms. Von Walz.
Mediz. Korrespönd.-Blatt, 1909, Nr. 5.
2. Ueber die Unterscheidung der Menschen- und Tierknochen.
Von T. Wada. (Aus dem gerichtl. med. Inst, der kais. Univ.
in Kioto, Japan.) Vierteljahrsschr. für gerichtl. Mediz., 1909,
Bd. 37, H. 2.
3. Ueber Regeneration in der Leber. Von A. Carraro.
Aus dem path. Institut in Bonn. > Virch. Arch., Bd. 195, H. 3.
1. Verf. geht zuerst auf die Theorien Virchows über das
Karzinom ein und wendet sich dann zu der Lehre von
T h i e r s c h und Waldeyer, demzufolge das Karzinom eine
atypische, epitheliale Wucherung ist. Die Grundsätze, durch
welche diese Lehre gestützt wird, werden genauer mitgeteilt,
ebenso die Theorien, welche versuchten, die W aldeyer-
ThieTsche Lehre zu erschüttern. Für die Parasitenlehre
haben sich bisher feste Stützpunkte nicht finden lassen.
B i b b e r t hat in den Streit über das Wesen des Krebs es]
noch eine neue Ansicht hin eingetragen, -e-r--sioht im bildlichen,
Sinne die Krebszellen selbst als Parasiten an, ähnlich wie man
das mit den Leukozyten kann. Die Krebszellen als fremde
Gebilde stehen nicht in inniger Gemeinschaft mit dem Binde¬
gewebe wie sonst Epithelzellen. Für die Annahme ,,Parasiten“
spricht ferner die Eigenbeweglichkeit der Krebszellen, ihr
Wachstum und die Bildung der Metastasen, die durch den Ver¬
such möglich gemachte Uebertragung von Zellen auf art-
gleiche Individuen. Das Wachstum der Karzinome erfolgt aus
sich heraus, nicht durch Umwandlung von Nachbargewebo. Der
Theorien über das Tiefenwachstum der Karzinome gedenkt Verf.
ausführlicher, gleichzeitig auch der C o h n h e i m sehen Theorie
und der Ansichten über die Bedeutung des ,,Reizes“ für die
Entstehung von Karzinomen.
2. Der Gerichtsarzt hat oft bei Untersuchung von Knochen-
Stückchen Antwort zu geben auf Fragen nach Lebensalter, Ge¬
schlecht, verstrichener Zeit seit dem Tode, Identität, Ver¬
letzungen an diesen Stücken und nach Giften. Die Beant¬
wortung dieser Fragen hat meist erst dann Bedeutung, wenn
sichergestellt ist, ob man Menschenknochen vor sich hat. Bei
mehreren ganzen Knochen. Teilen von Skeletten, ist die Unter¬
scheidung von Tier und Mensch nicht schwer, anders, wenn
nur einzelne Knochen oder kleine Stückchen zur "Verfügung
stehen. Bei frischen Knochen ist die biologische Methode an¬
wendbar. Eine andere Methode stellt die Menge der Hävers-
sehen Kanäle an Querschnitten in Vergleich. Das Ergebnis
war: Die durchschnittliche Zahl der Hävers scheu Kanäle
des Menschenknochens ist geringer als die bei Tierknochen,
dagegen ist, ihre Weite auffallend größer. Knochen neugeborener
Kinder gleichen betreffs Zahl und Weite der Kanäle nicht
denen von Erwachsenen, ähneln vielmehr denen von Affen.
Gleichwohl ist der Unterschied nicht schwer, denn bei Kindern
sind die Grenzen zwischen den Haversschen und inter¬
stitiellen Knochenlamellen ganz verwischt und die konzentrischen,
Anordnungen der Knochenlücken um die Kanäle noch weniger
ausgeprägt; bei Affen sind die Haversschen Lamellen scharf
begrenzt, ihre Knochenliicken deutlich konzentrisch angeordnet.
Verbrannte Knochen untersucht man zweckmäßig, indem man
Gelatine-Einbettungspräparate herstellt und im auffallenden
Licht mikroskopiert. Unvollständig verbrannten, tiefschwarzen
Knochen verbrennt man aufs neue im Porzellantiegel, bis er
UNIVERSITY OF MICHIGAN
172
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 11
cluukclgrau erscheint, dann bettet man ihn in Gelatine ein.
Bei ganz weiß kalzinierten Knochen färbt man die Gelatine
Einhettung’spräparate mit alkoholischer Methylenblau- oder Gen-
tionaviolettlösung und schleift ein wenig, bis der Farbstoff an
der Knochenfläche kaum sichtbar wird.
3. Daß die Leber die Eigenschaft besitzt, sich zu regenerieren,
kann jetzt nicht mehr bezweifelt werden. Das beste Beob¬
achtungsobjekt beim Menschen bietet die Leber bei akuter,
gelber Leberatrophie. Als Ausgangspunkt sieht ein Teil der
Forscher die Gallengänge, ein anderer die alten Leberzellen an.
Spritzt man Kaninchen Aether in die Pfortaderäste, so kommt
es zu ausgedehnten Nekrosen im Parenchym. Verf. stellte solche.
Versuche an. In anderen Fällen brachte er Lebergewebe durch
Chloräthyl zum Gefrieren, es kam zur Nekrose, und in noch
anderen spritzte er große Mengen (5—6 ccm) Aleuronat-Emul¬
sion in Kochsalzlösung in die Mesenterialvene. Letztere Methode
erwies sich aber für seine Zwecke als ungeeignet. Bei seinen
mikroskopischen Untersuchungen fand er beginnende Regene¬
ration schon nach 48 Stunden. Sie erfolgte aber nur in ziem¬
lich hochgradig zerstörtem Lebergewebe. Waren nur kleine
Gewebsteile vernichtet, so sah man zunächst einige Andeutungen
von Regenerationsprozessen. bald aber ersetzte das stark sich
entwickelnde Bindegewebe das untergegangene Gewebe. Die lieu-
gebildeten Leberzellen entstanden immer durch Sprossung und
nachfolgende Differenzierung von soliden Strängen aus den
erhaltenen Parenchymzellen. Nach umfangreicher Zerstörung
des Lebergewebes beobachtete man auch in von der Regene¬
rationszone s’ehr entfernten Leberzellen zahlreiche Mitosen
(kompensatorische Hyperplasie). Die Epithelzellen der neu-
gebildeten Gallengänge wandelten sich niemals in Leberzellen
um. Das neugebildete Lebergewebe hatte eine andere Struktur
als das normale. Es entstand ein Netz von Zellbalken, welche
mit Blut erfüllte Hohlräume einschlossen. Mit diesem Netz
traten die neugebildeten Gallengänge in Berührung. An den
Grenzen der kleinen, infolge von Erfrierung entstandenen
Nekrosen bildeten sich aus dein vorhandenen Parenchym Riesen¬
zellen, 'die das Bestreben des Organs zur Regeneration an-
deuteten, aber bald wieder zu Grunde gingen. In dem Binde¬
gewebe, das allmählich die nekrotisierte Zone ersetzte, bildeten
sich viele Bindegewebsriesenzellen.
Radiologie.
Referent: Dr. H. E. Schmidt, Berlin.
1. Die Behandlung der roten Muttermale mit Licht und
Radium nach Erfahrungen an 40 Fällen. Von Prof. Kro-
mayer. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 7.
2. Behandlung der Kehlkopftuberkulose mit Röntgenstrahlen
(Tiefenbestrahlung). Von Prof. Dr. Wilms. Ibidem.
3. Zur Motilitätsprüfung des Magens mittels Röntgen¬
strahlen. Von Dr. Schlesinger. Berliner klin. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 7.
1. Kromayer gibt von den 40 Fällen, die er bisher
mit Licht oder Radium oder gleichzeitig mit Licht und Radium
behandelt hat, eine Auswahl von 18, deren Krankengeschichten
in extenso mitgeteilt werden. Aus diesen ist ersichtlich, daß:
durch Lichtbehandlung allein nicht ein einziger geheilt ist;
günstigstenfalls wurde eine erhebliche Abblassung erzielt. Viel
besser sind die Resultate der Radium-Behandlung oder der
kombinierten Anwendung von Licht und Radium, die in der Tat
meist zu völliger Beseitigung der Gefäßnaevi führt. Referent
hält bei größeren flachen und bei den tumorartigen Naevis vas-
culosis die Röntgen-Behändlung der Radium-Behandlung für
überlegen (cf. Deutsche med. Wochenschr., 1909, Nr. 52!).
2. Mitteilung eines Falles von Larynxtubcrkuloso,
der durch Röntgen-Bestrahlung geheilt wurde. Es handelte sich
um ein unregelmäßig gerändertes, zackiges Geschwür an der
hinteren Larynxwand, das fast die ganze Fläche zwischen den
Aryknorpeln einnahm. Nach 2 Bestrahlungen (Volldosis nach
Sabouraud-Noire, Aluminiumfilter) war das Ulcus voll¬
kommen vernarbt.
Ferner dürfte es von Interesse sein, daß hier von chirurgi¬
scher Seite vor radikalem Vorgehen bei der Gelenk - und
Knochentuberkulose gewarnt wird, da hier häufig
Rezidive auftreten, während diese Affektionen nach Rönt¬
gen-Behandlung vollkommen auszuheilen
pflegen.
3. Auf Grund seiner ausführlich mitgeteilten Versuche
kommt der Verfasser zu dem Schlüsse, daß der Wismutbrei,
der zur Motilitätsprüfung verwandt wird, im Magen nicht
sedimentiert und daß damit, der Hauptvorwurf, welcher der
Motilitätsprüfung des Magens mit Röntgeiistrahleii bisher ge¬
macht wurde, nicht stichhaltig ist:, daß ferner die röntgen¬
ologische Methode den bisherigen Prüfungsmethoden an Ge¬
nauigkeit keinesfalls nachstelit und außerdem für den Pa¬
tienten die schonendste Untersuchungsmethode ist.
Italienische Literatur.
Von Sanitätsrat Dr. Hager, Magdeburg-N.
1. Meningo-encefalite sifilitica con vasto ematoma: le in-
jecioni endovenose di sublimato nella sifilide cerebrale. Von
T r-e r o t o 1 i. II policlinico sez. med., November 1909.
2. Considerazioni sul problema immunitorio nel corso del 1*
infezione tifica. Formazione di focolai ascessuali e potere
agglutinativo del siero di sangue. Von Quadro ne. Gazzetta
degli osped., 1909, S. 148.
3. L’ittioformio nella terapia delle malattie intestinali e del
tifo. Von Cantani. Gazzetta degli osped, 1909, S. 14(5.
4. Contributo alla cura dell’ozena per mezzo delle correnti
di alta frequenza e di alta tensione. Von de Palma. Annali
di elettricita medica e terapia fisica, Dezember 1909.
1. T. berichtet aus der Klinik Perugias über schwere
Fälle von Gehirnsyphilis und rühmt die von Bacel 1 i im Jahre
1890 eingeführte intravenöse S u b 1 i m a t t h e r a p i e in
solchen Fällen.
Mit dieser Behandlung 0,01 pro dosi uiL;d pro die erzielt
man noch Heilung in schweren Fällen von Lues, welche jeder
anderen spezifischen Kur, auch längeren subkutanen Injektionen
Widerstand leisteten. Sie sind namentlich angezeigt in schweren
Fällen von Gehirnlues, bei welchen die kleinste Verzögerung fin¬
den Kranken verhängnisvoll zu werden droht. Ihre Wirkung
ist eine erheblich schnellere und energischere, wie die aller
anderen bisher angewandten Kuren.
2. Die Anschauung, daß die Bildung von Abszessen im
Ablauf akuter Krankheiten, namentlich des Typhus, in einem
gewissen Zusammenhang mit der Abschwächung des infektiösen
Prozesses stehe, haben eine Reihe älterer Autoren vertreten.
Andere gingen so weit, durch Injektion von Terpentinöl
bei infektiösen Krankheiten Eiterherde zu erzeugen, um so auf
den infektiösep Prozeß günstig einzuwirken. Indessen handelt
es sich nicht um die gewöhnlichen, im Deferveszenzstadium auf¬
tretenden Abszesse und andererseits nicht um Erzeugung künst -
licher Eiterherde auf der Al£me des infektiösen Prozesses oder
jenseits derselben.
Qu. erwähnt aus dem Stadthospital zu Turin drei schwere
Fälle von Typhuserkrankungen, in welchen es nach Kampfer-
injektionen zu eitrigen Abszessen kam. Tn allen Fällen waren
im Eiter Typhusbazillen nachweisbar und besonders auffallend
war das Ansteigen des Agglutinationsvermögens während der
Bildung der Abszesse.
Es ist für durchaus möglich anzusehen, daß der Typhus¬
keim aus dem Blutstrom in die Gewebe eingewandert und hier
durch kleine Gewebsläsionen festgehalten, immunisierende Re-
aktionsprodukte erzeugt, welche in der gleichen Weise wirken
wie künstlich subkutan eingeführte Impfstoffe.
3. Ichtyoform ist ein schwärzliches Pulver von etwas
petroleumartigem Geruch, geschmacklos, unlöslich in Wasser,
fast unlöslich in Aether, wird durch verdünnte Säuren nicht
angegriffen. Es wird vom Mägen, auch in starken Gaben von
6—8 g am Tage, gut vertragen, passiert den Darm zum großen
I eil unverändert, gibt den Fäzes eine braun-schwarze Farbe,
welche von dem Quantum des" nicht resorbierten Mittels abhängt!
Seine antiseptische Wirkung auf Zersetzungsprozesse im Darm
soll auf der Abspaltung von Formaldehyd beruhen und auf der
Wirkung desselben in statu nascendi, welche sich auf die ganze,
Ausdehnung der Darmschleimhaut erstreckt. Es wird von ver¬
schiedenen Autoren als ein vorzügliches Mittel bei allen putriden
Diarrhöen und Darmkatarrhen gerühmt und namentlich neuer¬
dings bei Darmtuberkulose als das beste symptomatische
Mittel empfohlen.
C. prüfte das Ichtyoform in der Klinik Neapels an einer
Reihe von 20 Typhuskranken. Den meisten derselben war vor-
hei Ivalomel in purgierender Form gegeben und alsdann wurde
mit Ichtyoform in der Dosis von y 2 g bis 1 g alle zwei
Stunden begonnen; in der zweiten Woche wurde diese Behand¬
lung fortgesetzt; in der dritten Woche war in allen Fällen
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
173
außer in zwei schweren, die Rekonvaleszens eingeleitet und es
wurde mit dem Mittel heruntergegangen.
In allen Fällen wurde das Mittel gut vertragen und sein
Einfluß auf Diarrhoe, Meteorismus, Schmerzen des Unterleibes,
ferner auf das Allgemeinbefinden, Sensorium und Milderung
des ganzen Krankheitsverlaufs war ein unverkennbarer. C. be¬
trachtet es nach seinen Erfahrungen als das beste Mitteil,
welches wir gegen tuberkulöse und typhöse Darmkatarrhe zur¬
zeit besitzen. Seine Wirkung wird am augenfälligsten durch
die schnelle Abnahme des Indikan» im Urin illustriert.
4. Die Therapie der Ozaena hat zu erzielen
a) die vollständige Entfernung der Krusten,
b) die Antisepsis der freigelegten Geschwürsflächen und
der erkrankten Choanen,
c) die organische Regeneration der Schleimhaut.
Diese dreifache Aufgabe erfüllt die Behandlung mit elek¬
trischen Strömen von hoher Spannung und hoher Frequenz:
sie äußern eine trophische Wirkung auf die Nasalschleimhaut,
regen die Drüsensekretionen an und modifizieren die Zirkula¬
tionsbedingungen.
Am Ivontaktpunkte der Elektrode folgt auf die Ischämie
der Schleimhaut, welche sich im Anfang äußert, eine inten¬
sive und dauernde Hyperämie, welche eine Veränderung der
Osmose und des elektrischen Koeffizienten der Gewebe und
des Blutes bewirkt, zugleich mit vermehrtem Zufluß von Leuko¬
zyten und Serum. Bei dieser Behandlung hört, wie de Palma
in zwei Fällen demonstriert, der üble Geruch auf; die Sekretio¬
nen verändern sich in günstiger Weise, hören auf, sich inj
Form von anhängenden Krusten zu verdichten, während die
Schleimhaut ihre Trockenheit, ihr blasses und geschwüriges
Aussehen verliert, rosig und feucht wird und sich vasku-
larisiert.
Varia.
Die Unterstützung der Zahnentwicklung in den ersten
Lebensjahren. Von J u n g , Berlin. Deutsche zahnärztliche Ztg.,
1910, Nr. 5
Zur Kräftigung des Knochensystems und des Kauapparates,
diesen als Unterabteilung des Knochensystems betrachtet, muß
dem Kind in den ersten Lebensjahren eine kräftigende Beikost
gegeben werden. Als Typus eines guten Präparates, als Neben-
kost hat sich der Op e Ische Nährzwieback erwiesen.
v. Rutkowski, Berlin. 1
Modifizierung der Hautdesinfektion des Operationsfeldes
nach Grossicli. Von Bogdan. Zentralblatt für Chirurgie,
Bd. 37. Nr. 3, S. 75 ff.
Nach den Erfahrungen von Grossich wurde die Wirkung
der Jodtinktur beeinflußt, wenn -vorher eine Seifenwaschung
vorgenommen war. B. empfiehlt die gründliche Abreibung mit
1 prum. Jodbenzin und darauffolgender Einpinselung mit Jod¬
tinktur. Tn über 800 Fällen hatte er damit vorzügliche Erfolge
erzielt. Abgesehen von vorübergehenden Oedemen hat Verfasser
keine üblen Folgen gesehen, und auch die Oedeme traten nur
an feineren Häuten, wie dem Skrotum, auf.
K u r t Lipschitz, Berlin.
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dp. W. Krüger, Magdeburg.
1. Erfahrungen und Beobachtungen über Eglatol. Von Dr.
F r i e dr. B a r uch , Rudolfsspital, Wien. Deutsche Aerzte-
Zeituug, 1910, H. 3.
2. Ueber das Camphoromenthol. Von Dr. K. Helbich,
Sep.-Abdr. Die Heilkunde.
3. Zur Frage der Eisen-Mangan-Therapie. Von Dr. Jos.
Höhn, Bad Radein. Oesterreich. Aerzte-Ztg., 1910, Nr. 3.
1. Eglatol ist eine Verbindung des Chlorais mit Anti-
pyrin, Karbaminsäureäthyl (Urethan), Menthol und Koffein und
stellt eiue dickflüssige, wasserhelle, klare Flüssigkeit dar von
aromatischem Geruch und neutraler Reaktion ; es ist in Alkohol
und Aether völlig, in Wasser teilweise löslich. Verf. hat das
Präparat als Schlaf- und Beruhigungsmittel angewendet, und
zwar als Sedativum in Gaben von 0,5 g 2—3 mal täglich,
bis zu Gaben von 2,0 g täglich, ohne daß schädliche Wirkungen
auf traten. Günstig war seine Wirkung als Schlafmittel und bei
einem Falle von Status epilepticus. Das Präparat soll, wenn
möglich, nicht auf den leeren Magen genommen werden. Ob
bei dauerndem Gebrauch Gewöhnung eintritt. kann Verf. nicht
beurteilen.
2. Das von dem Apotheker V ostrebal, Prag, dargestellte
Camphoromenthol (Baisamum Camphoromenthol chloro-
formatum) ist eiue hellgelbe, klare Flüssigkeit von eigenartigem,
nicht unangenehmem Gerüche, die aus japanischem Menthol-
Kampfer in der ölig balsamischen Mischung des Baisamum vitae
Hoffmanni und aus Spiritus melissae comp., Ol. Lavendelae,
Ol. Citri, Ol. Caryophyll., Ol. Macid., Ol. Aurant. flor., Ql
Cinmamom. und Perubalsam besteht. Dieser Lösung wird noch
Chloroform und etwas Aether zugesetzt. Besonders hat sich
Camphoromenthol Vostrebal bewährt als äußeres Anästhetiküm,
Antineuralgikum und Antirheumatikum zur Linderung der
Schmerzen bei Arthritis uretica, acuta und chronica, Poly-
arthritis rheumaitica, Rheumatismus musculorum, Lumbago,'Neur¬
algin trigemini, Neuralgia intercostalis, Ischias, Hemikrania,
Neuritis peripherica, Otitis und Otalgia, Pleuritis sicca, Pernio -
nes und Tabes. Verf. faßt seine Beobachtungen dahin zusammen:
..Das Camphoromenthol ist nicht-ein Wundermittel, welches interne
Medikamente zwecklos machen würde; es ist aber ein vorzüg¬
liches Linimentum analgeticum, welches dem Aerzte. den Vorteil
bietet, daß es ihm eine magistrale Verschreibung erspart, ohne
ihn dabei ob seiner Zusammensetzung in Ungewißheit zu'lassen.“
Außerdem ist es verhältnismäßig billig, da 50 g nur 80 Heller
kosten.
3. F erro m a n g a n i n ist eine, klare, braunrote Flüssigkeit
von angenehmem aromatischen Geschmack, die 0,5% Eisen als
Eisenhydroxyd, 0,1% Mangan als Manganhydroxyd, ferner 18%
Zucker und 12% Kognak enthält. Der Rest besteht aus Wasser
und aromatischen Substanzen. Besonderer Wert wird vom Ver¬
fasser darauf gelegt, daß die Verbindung des Eisens mit dem
Manganhydroxyd in statu nascendi eingegangen ist (!). Dreimal
täglich 1 Likörglas wird von dem schönen Mittel verzapft, und
eine Kur soll sich auf 3—4 Wochen erstrecken. Verf. rühmt
die ..prompte Einwirkung auf die Blutbeschaffenheit, infolge
rascher Resorbierkeit und Assimilierbarkeit“. Wo das Präparat
angefertigt wird verschweigt Verf.
Technische Neuerscheinungen.
Ein neues aseptisches Licht- und Warmluftbad
von Ingenieur Carl Beez, Berlin. Friedrichstr. 133.
Das neue aseptische Licht- und Warmluftbad bietet
den bis jetzt gebräuchlichen elektr. Lichtbädern gegen¬
über folgende große Vorteile: Vollkommene Aseptik, die
Möglichkeit der Trennung von Licht und Wärme, Wärme
getrennt von Licht beliebig abzustufen, Zirkulation der
Luft im Kasteninnern, Berührung des Patienten mit den
Lampen unmöglich, Dreifarbenlicht durch einfaches Vor¬
setzen von farbigen Scheiben.
Zunächst sehen wir aus der Abbildung, daß die Glüh¬
lampen überhaupt nicht direkt im Kasteninnern, sondern
hinter dicken Glasscheiben, gewissermaßen außerhalb des
Kastens, in Schächten angebracht sind, wodurch erreicht
wird, daß das ganze Kasteninnere vollständig glatte, ab¬
waschbare Flächen bildet und womit gleichzeitig die Mög¬
lichkeit einer Berührung der Glühlampen und deren
Fassungen vollständig ausgeschlossen ist. Hierdurch ist
vollständige Aseptik und Sicherheit erreicht.
Ließen wir es konstruktiv bei obiger Ausführung be¬
wenden, so könnte der Einwand erhoben werden, daß nach
einiger Betriebszeit die Glasscheiben Kontaktwärme ab¬
geben. Um daher die in den Lampenschächten entstehende
Wärme vollständig zu beseitigen oder aber, wie wir später
sehen werden, diese Wärme zur Erzeugung eines Warm-
luftstromes nutzbar zu' machen, stehen die Lampen¬
schächte oben mit einem im Innern rund um den Kasten
führenden Kanal in Verbindung. In diesen Kanal ist ein
elektrisch betriebener Ventilator eingeschaltet, welcher die
UNIVERSITY OF MICHIGAN
174
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 11
Medicinal = Wasser und diätetisches Getränk ersten Ranges.
Bei Nieren- und Blasenleiden,
Harngries, Hanrbeschwerden und Gicht,
bei Zuckerharnruhr, bei Catarrhen der
Athmungs- und Verdauungsorgane wird
die Bor* und Lithium =hältige Heilquelle
mit ausgezeichnetem Erfolge angewendet.
Harntreibende
Wirkung.
Eisenfrei.
Leicht verdaulich.
Angenehmer
Geschmack.
Absolut rein.
Constante
Zusammensetzung.
igdtgA!ö<iaa iwi
iWOR Forq
Wirksames Präsemtiu
gegen bei
Scharlach
auflrdetide Nieren¬
affektionen.
Besonders jenen Personen
empfohlen, welche zufolge
sitzender Lebensweise an
Harnsaurer öiaihese und Hämor¬
rhoiden, sowie gestörtem Stoff¬
wechsel leiden.
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“SALVATOR“ ist in allen grösseren Mineralwasserhandlungen vorräthig, die Herren Aerzte jedoch,
welche “SALVATOR“ zu persönlichem Gebrauche benöthigen, geniessen Ausnahmepreise und sind
in diesem Falle höflichst gebeten sich direct zu wenden an
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THEEAPEUTISCB.fi RUNDSCHAU.
warme Luft aus den Lampenscliäcliten absaugt und bei
a durch eine Rohrleitung 1 nach außen abläßt. Auf diese
Weise wird es also ermöglicht, nur ein reines Licht¬
strahlenbad ohne Kontaktwärme zu verabreichen.
in das Kasteninnere zu blasen. Dies wird durch Ver¬
schließen der Rohröffnung bei a ohne weiteres bewerk¬
stelligt, die warme Luft wird dann durch die Rohrleitung
weiter nach unten, durch das Rohr am Boden des Kastens,
zu Füßen des Patienten, in das Kasteninnere getrieben.
Der auf diese Weise im Kasteninnern auftretende
warme Luftstrom wird vom Patienten aufs angenehmste
empfunden und bringt gleichzeitig den großen Vorteil be¬
ständiger Lufterneuerung, zu welchem Zweck in den
Außenwänden der Lampenschächte unten kleine Öffnun¬
gen vorgesehen sind, durch die neue Luft zutreten kann.
Um aber nun den Apparat auch als elektrisches Licht-
und Wärmebad für höhere Wärmegrade benützen zu
können, ist Vorsorge getroffen, die Wärme zu steigern,
über diejenige hinaus, die von den Lampen allein ab¬
gegeben wird, und zwar durch Einsetzen eines beliebig
ein- und ausschaltbaren elektrischen Heizkörpers, wie bei
der bekannten Heißluftdusche, in die Ventilatorleitung.
Die vielseitige Verwendbarkeit des Apparates wird
noch dadurch erhöht, daß man durch Vorsetzen von farbi¬
gen Glasscheiben von die Lichtschächte ohne weiteres be¬
liebige, z. B. rote oder blaue Lichtbäder verabreichen
kann.
Das neue aseptische Licht- und Warmluftbad ermög¬
licht also die verschiedensten Behandlungsarten wie: mit
Licht allein, Licht mit Glühlampenwärme, Licht mit ge¬
steigerter Wärme, Warmluft allein, örtliche Behandlung
einzelner Körperteile mit heißer Luft und Dreifarbenlicht
mit oder ohne Wärme. Rosen.
1 £*.: *
Biieherbesprechungen,
Der Sanitätsdienst im Zukunftskriege. Ein Kriegstagebuch.
Von R. Wittmann. Berlin'1910, Mittler & So hu. Preis
3,50 M.
Die Militärbehörden wenden seit einer Reihe von Jahren
der sanitätstaktischeu Ausbildung der Sanitätsoffiziere ein
dauernd sich steigerndes Interesse zu. Dementsprechend be¬
gegnet man jetzt auch vielfach Abhandlungen und Büchern,,
die das Interesse für diesen wichtigen Zweig wecken und über
Wollen wir nun auch noch die Kontaktwärme be¬
nützen, also ein Lichtstrahlenbad mit Wärme verab¬
reichen, so ist es nur nötig, die aus den Lichtschächten
herausgezogene Wärme nicht ins Freie zu leiten, sondern
M V den, offizinellcn Nudelholzteer darllellt. Mehrjährige Erfahrungen in der Praxis
haben ergeben, daß dem Pittylen die unangenehmen Eigenfchaften des Teers
penetranter Geruch,lokale Reizungen, reforptive Nebenwirkungen, vollftändig fehlen, und
daßesfaltniemals vertagt, wührendbekanntlich derTeerinfolgefeinerwechfelndenZufammen-
V fetäung unficher in der Wirkung ilt und von der Mehrzahl der Patienten nicht vertragen wird.
Speziell hat (ich gezeigt, daß die P1TTYLEN-SE1FEN durch die Zuverläffigkeit ihrer Wirkung,
durch das Fehlen jeglicher Reizerfcheinungen und durch ihren angenehmen Geruch den bisher gebräuchlichen feerfeifen
weit überlegen find, fodaß fie immer mehr an Stelle der Teerfeifen benutzt werden.
Wir bitten die Herren Aerzte, welche Pittylen noch nicht angewandt haben, Mulfer-Kollektionen und Literatur
von uns einzufordern,
Dresdener Chemifches Laboratorium
Lingner.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
176
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 11
ihn aüfklärend und belehrend wirken wollen. In ganz eigen¬
artiger Form sucht der Verf. dies zu erreichen. Er läßt einen
Regimentsarzt ein Kriegstagebuch schreiben und unterbreitet)
es uns. An der Hand der außerordentlich frischen und lebendi.-/
gen Schilderung werden wir bekannt gemacht mit den ärzt¬
lichen Maßnahmen während der ersten Mobilmachungstage bis
zum Ausrücken, der Tätigkeit der im Aufmarschgebiet arbeiten¬
den Hygieniker, Sanitätsdienst auf der Bahnfahrt, dem Marsch
und in der Ortsunterkunft, den Vorbereitungen des Sanitäts¬
personals zum Gefecht und seiner Arbeit während desselben
auf dem Truppenverbandplatz, dem Wirken der Sanitäts¬
kompagnie während der Schlacht, dem ärztlichen Dienst in
der Verteidigungsstellung und auf dem Rückzuge. Um den
Leser auch mit den rückwärtigen Sanitätsformationen bekannt
zu machen, läßt Verf. den Tagebuchschreiber verwundet
werden und nun die verschiedenen sanitären Einrichtungen bis
zur Heimat durchlaufen. Hier findet er nach seiner Genesung
wieder Verwendung im Nachweisebüreau und übernimmt später
Funktionen in der Festung und bei. einer Belagerungsarmee,
die nach erfolgreichem Sturm die feindliche Festung nimmt.
Bald kommt es zum Frieden. — Im Anhang findet sich eine
Zusammenstellung der Feldausrüstung und der Kriegsgehälter
der Sanitätsoffiziere.
Das Buch zeugt von einem hervorragenden Fleiß und einer
ebensolchen Umsicht. Die fesselnde Schilderung erhält den Leser
in dauernder Spannung. Ich empfehle seine Kenntnis nicht
nur jedem aktiven Militärarzt, sondern ganz besonders den
Herren von der Reserve und Landwehr, denen das Eindringen
in diese in den Dienstvorschriften verstreut behandelten Fragen
erfahrungsgemäß einige Mühe zu machen pflegt.
Geißler, Neu-Ruppin.
Allgemeines.
Die Internationale Gesellschaft für Rassenhygiene ver¬
sendet ihre Einladung zur Generalversammlung. Am 12. und
13. März 1910 finden in Berlin folgende Versammlungen stat!:
1. Generalversammlung der Internationalen Gesellschaft für
Rassenhygiene, 12. März, ß 1 /? Uhr, im Lokal des Klubs der
Landwirte, Dessauerstraße 14. Für alle Mitglieder der • Ge¬
sellschaft. Tagesordnung: Entlastung des Ausschusses in bezug
auf Aenderung der Satzungen, um die Funktionen der General¬
versammlung einer Delegiertenversammlung zu übertragen.
2. Konstituierende Versammlung der Deutschen Gesellschaft
für Rassenhygiene, 12. März, 4 Uhr, im Lokal des Klubs
der Landwirte. Für alle deutsch sprechenden Mitglieder. Tages¬
ordnung: Konstituierung der Deutschen Gesellschaft. Beratung
von Satzungen. Wahl von Beamten.
3. Delegiertenversammlung der Internationalen Gesellschaft,
12. März. 5 Uhr, im Lokal des Klubs der Landwirte, Für die
erwählten Delegierten. Tagesordnung: Rechenschafts-Bericht
des Vorstandes. Anerkennung der neu gebildeten Gruppen.
Satzungs-Aenderungen in bezug auf die geplante Umwandlung
der Gesellschaft. Beratung der Art der Veröffentlichungen in
der Presse.
4. Zwangloses Zusammensein der auswärtigen Mitglieder
mit. .den Mitgliedern der Berliner Ortsgruppe, 12. März, 8 Uhr
abends, im Lokal des Klubs der Landwirte. Für alle Mitglieder
und für Gäste.
5. Generalversammlung der Internat. Gesellschaft, 13. März,
11 Uhr vorm., im Hörsaal des Museums für Völkerkunde. An¬
sprachen und Vorträge von Obermedizinal rat Professor Dr.
Max von Gruber (München), Dr. Al fr. Ploetz, Mün¬
chen, und Geheimen Medizinalrat Professor Dr. Hugo Rib-
bert, Bonn. Für alle Mitglieder und für Gäste.
6. Ueber am 13. März, nachm., noch etwa notwendig
werdende geschäftliche Verhandlungen wird nach den Vor¬
trägen im Hörsaal des Museums für Völkerkunde noch Genaueres
angekündigt werden.
Anfragen sind zu richten an Herrn Dr. R. Thurnwald,
Berlin W. 15, Joachimsthalerstrafie 25 oder an Herrn Dr.
A. Ploetz, München, Klemensstr. 2, vom 8. März ab: Ber¬
lin SW. 11, Stuttgarter Hof, Anhaltstr. 12.
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Nordqermersleben Stettin , Fah.-K.-K.-Vulk.
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Pattensen i. Hann. Schleiden.
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I Kölna. Rh. Stadt-u.Landkr. | Pattensen i. Hann.
Gebhardshain Westerw. Köln-Deutz. Pinne i. Posen.
Geilenkirchen, i Köngen, Wttbg. i Puderbach(Kr.Neu\
Kr. Aachen. Königsberg i. Pr.
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Nachdruck Ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt.
Origi Italien:
Jung, Berlin: Was. kann der praktische Arzt bei Zahnleiden
tun?.177
A. N. Popow. Li bau: Künstliche Blutleere der unteren Körper¬
hälfte nach Moni bürg.179
Referate:
W. Knick: Leber Kuhns perorale Intubation. Auto-Sammel-
referat (Schluß).182
C. Bachem, Bonn: Pharmakologie.184
Wern. 1L. Becker. Weilmünster: Neurologie und Psychiatrie 184
Winckler, Bad Nenndorf: Nahrungs- und Genußmittel . . 186
M. Peltzcr, Steglitz: Militärgesundheitsdienst.187
Schulzahnpflege.188
Ilaul'fe, Bbenhauscn, und v. Rutkowski, Berlin: Varia . . 188
ORIGINALIEN.
Was kann der praktische Arzt bei Zahnleiden
tun?
Von Prof. Dr. Jung 1 , Berlin.
Es soll im Nachstehenden untersucht-werden, inwieweit
auch der nicht spezialistisch ausgebildete Arzt zahnärztlich,
tätig sein kann, wenn die .Umstände dies erheischen. Olt
genug liegen ja die Verhältnisse so, daß zahnärztliche Hilfe
nur schwer oder überhaupt nicht zu beschaffen ist.
Wir können zu diesem Behufe die Zahnkranken rück-
sichllich der Therapie einteilen in:
I. solche, welche bestehender Schmerzen halber ärzt¬
liche Hilfe auf suchen;
11. solche, welche lediglich aus prophylaktischen und
ästhetischen Gründen zum Arzt kommen.
Gruppe I wird hier allein interessieren und bezüglich
der Details zu verfolgen sein.
Stellen wir zunächst die Frage, wie Zahn¬
schmerzen entstehen, so ist die Beantwortung nicht
ganz einfach. Gar mancherlei Ursachen können Schmerz
an den Zähnen bedingen, so
1. Karies,
2. Erkrankungszustände der Pulpa,
3. Erkrankungszustände der Wurzelhaut,
4. Erkrankungszustände der U m g e tu n g
des Zalhnes, wobei dieser primär oder s ü -
kundär beteiligt ist.
Ad 1. Die Karies kann Schmerzen herbeiführen, indem
sie das Zahnbein der schützenden Schmelzdecke beraubt.
Schädlichkeiten, wie Gährungssäuren, Temperaturschwan¬
kungen, Genuß saurer und süßer Speisen usw. versetzen
das an sich im normalen Zustande kaum besonders empfind¬
liche Zahnbein dann rasch in einen Zustand der Hyper¬
ästhesie derart, daß beim weiteren Vordringen des kariösen
Prozesses eine Empfindlichkeit einsetzt, so daß der Zahn
schon auf sehr schwache Reize (leichter Luftzug, Genuß
kühler Getränke usw.) in oft außerordentlich starker Weise
schmerzfta fl reagiert.
Es richtet sich nach der Individualität des Patienten,
ob er in diesem Stadium zahnärztliche Hilfe nachsucht.
Oft genug geschieht das nicht; der Patient hofft, daß die
Schmerzen wohl von selbst wieder vergehen möchten, was
tatsächlich auch in sehr vielen Fällen eintrifft. Schreitet
Mitteilungen über Arzneimittel:
W. Krüger, Magdeburg: lleierate.180
Technische Neuerscheinungen:
Franz llosenfeld: Feber ein neues Instrument zur automati¬
schen Perkussion verbunden mit einem Phonendoskop (Ref.:
Rosen, Berlin).189
Biicherbesprechungen:
Strauß, Berlin, und Otto Rigler, Leipzig: Aphorismen und
Denksprüche von Chr.AV. Hufeland (lief.: Peltzer, Steglitz) 190
A: Schünwerth: Hotters Typische Operationen .... 190
F. v. Esmarch: Die erste Hilfe bei plötzlichen XJnglücksiällen.
25. Auflage (Ref.: Geißler, Neu-Ruppin).191
Allgemeines. Bll
nämlich die Karies weiter fort, so zerstört sie jene oberste
Schicht der das Zahnbein durchsetzenden Zahnfasern, die
sogenannte Odontoblastenschicht, welche vornehmlich der
Träger der vitalen Eigenschaften des harten Zahnbeines ist
und als solcher auch die Schmerzempfindung aufkommen läßt
bezw. übermittelt. Sind die Odontoblasten zerstört, so fällt
dies weg; die Karies dringt dann ohne erhebliche Schmerz -
bereitung tiefer in das Gewebe ein, allmählich bis in die
Nähe der Pulpa, am ersl hier neuerdings Schmerzen zu ver¬
ursachen. Oft vergehen aber Monate und Jahre, bis das
Zerstörungswerk so weit vorgeschritten ist.
Bleiben wir bei den geschilderten fällen zunächst
slehen, so ergibt sich für die Therapie folgendes:
Wir brauchen zur Behebung der Schmerzen lediglich
die Weiterwirkung der Reize zu unterbinden, mit anderen
Worten, den Kariesdefekt auszufüllen. Das kann in ein¬
fachster Form geschehen durch einen festen Wattetampon,
besser durch geeignete Guttapercha- oder Zementpräparate.
Nur werden wir gut tun, die Höhle wenigstens oberflächlich
zu reinigen, damit nicht darin verbliebene saure Massen
usw. unter dem Verschluß doch noch weiterwirken.
Lege artis geschieht das in folgender Weise: Zunächst
sprilzen wir die-Kavität mit einer kleinen Spritze und
blutwarmem Wasser aus, um darin befindliche Speise¬
reste zu entfernen. Sodann wird das zerfallene Zahnbein
mit Hilfe kleiner Ex k a vatoro n ausgeschabt genau so. wie
der Chirurg ein Gewebe mit dem scharfen Löffel bearbeitet,
und nun neuerdings ausgespritzt.
Etwa (>—8 Exkavatoren, wie sie jede Instrumentenhand¬
lung führt, reichen für fast alle Fälle aus und sollten nebst
einem kleinen M'undspiegel, einigen: Sonden, Pinzette, Spateln
und Stopfinstrumenten im Instrumentarium keines Arztes
fehlen, zumal die Anschaffungskosten sehr geringe sind.
Der Zahn wird dann durch Umpacken von Y\ atte-
bäuschchen trocken gelegt, die Höhle selbst mit kleinen
Stückchen Wundschwamm und einer gebogenen Pinzette
ausgetrocknet und nun der Verschluß eingebracht. Er kann
bestehen in einem der Größe der Kavität entsprechenden
festen kleinen Wattetampon, welche in dünne Maslixlösung
getaucht wurde; in den. Zahn eingebracht, erhärtet der Pfropf
dann unter Verdunsten des Lösungsmittels und bildet, so
einen Abschluß, der einige Tage ganz gut hält, dann aller¬
dings einen üblen Geruch anzunehmen pflegt., indem Fiiulnis-
liaklerien eimvandern.
Der Mastixwatteverschluß soll deshalb immer nur ein
temporärer sein, vom Arzte also lediglich dann vorgenommen
Di?iiisii !:■•
UNIVERSITY
OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
178
THERAPEUTISCHE RUN])SCHAU.
Nr. 12
werden, wenn die Möglichkeit einer besseren Behandlung
nach einigen Tagen in Aussicht steht. Ist das nicht der
Fall, d. h. wird voraussichtlich längere Zeit vergehen, bis
eine sachgemäße Behandlung angefangen werden kann, so
ist es rationeller, die Höhle gleich etwas gründlicher zu ex¬
kavieren und mit einem leicht wieder entfern baren Zement
zu verschließen. Ein solches kann der Apotheker bereiten
nach der Vorschrift:
I. H.
Zincum oxyd.. . . 80,0 Aqua.05,0
Zincum sulfuric.. . 12,0 Gummi arab. . . . 25,0
Mastix.8,0 Alkohol.10,0
Acid. oarb. . . . gtt. III
Das Zinkoxyd muß via sicca paratuni sein, bis zur
Weißglut erhitzt und dann fein verrieben werden. Das
Zinksulfat wird erhitzt, bis es sich aufgebläht hat und dann
sofort pulverisiert und fein durchgesiebt.
Vermischt man I und II mit einem Spatel auf einer
Glasplatte, so entsteht ein gipsähnlicher Brei, welcher be¬
quem in den Zahn gebracht werden kann und dort in einigen
Minuten erhärtet. Er hält an Stellen, die durch den Kau¬
druck nicht allzu stark direkt getroffen werden, oft mehrere
Wochen und selbst Monate ganz gut; ineist besser als für
diesen Zweck feilgebotene weiche Guttapercha¬
präparate. Sollen diese verwendet werden, so erwärmt
man ein passendes Stück über die Flamme und stopft es in
die Zahnhöhle ein, die hierbei aber peinlich trocken sein
muß.
Es ist klar, daß der auf die eine oder andere Weise
improvisierte Verschluß der Kavität keine Dauerplombe re¬
präsentieren kann und soll. Er soll lediglich so lange im
Zahn verbleiben, bis dieser wieder vollkommen schmerz¬
frei ist; dann wird er entfernt und nach erfolgter grünid-
I iclrer Reinigung der Kavität durch einen solidem ersetzt.
Wie das zu geschehen hat, mag aus den Lehrbüchern über
das Füllen der Zähne entnommen werden.
Geht die Karies-Zerstörung tiefer, bis in die Nähe der
Pulpa, so genügt der einfache, mechanische Abschluß meist
nicht. "Hier müssen wir noch eigentliche schmerzstillende
Mittel anwenden, da wir ja gesehen haben, daß die
Schmerzen jetzt durch Einwirkung der Reize auf die Zahn¬
pulpa zustande kamen. Das kann eintreten, noch bevor'
diese vollständig freigelegt ist, da Säuren, Temperatur-
Schwankungen usw. auch durch eine dünne Dentinschicht
einwirken können. Das Resultat ist je nach der Stärke und
Dauer der Reizwirkungen naturgemäß verschieden und wird
variieren von der einfachen entzündlichen Reizung bis zur
hochgradigen eigentlichen Entzündung mit ihren Folge-
zuständen, wie wir sie noch zu betrachten haben.
Das weitaus geeignetste Mittel für unsere Zwecke ist
hier die konzentrierte Karbolsäure, da sie sowohl direkt
schmerzstillend, als auch stark antiphlogistisch wirkt. Wir
bringen also in die gut getrocknete Höhle ein kleines damit
getränktes Wattebäuschchen ein und verschließen, wie vor¬
her, mit dem weichen Zementbrei, indem wir diesen an die
Wände des Defektes streichen,, um nicht durch direkten
Druck auf das feuchte Bäuschehen dessen Inhalt aus¬
zupressen. Es ist aus diesem Grunde hier also Gutta¬
percha nicht am Platze. Bei kalter Witterung sei das
Karbol wie auch die Glasplatte, auf welcher das Zement ge¬
mischt wird, etwas angewärmt, da kalte Stoffe ja Schmerz
machen.
Ad 2. Hai der Zahn schon des Nachts geschmerzt, so
liegt mehr als eine entzündliche Reizung der Pulpa vor
und es genügt die antiphlogistische Behandlung, wie eben
beschrieben, dann nicht mehr oder doch nur vorübergehend.
Zur dauernden Behebung der Schmerzen wird jetzt viel¬
mehr die Abtötung der Pulpa erforderlich.
Das Kriterium hierfür ist gegeben im Zustand der Höhle
nach erfolgter Reinigung: ergibt sich nach Entfernung der
kariösen Masse, daß der Zerstörungsprozeß bis zur Pulpa
selbst vorgedrungen ist und diese freigelegt hat, so
ist sie unter allen Umständen abzutöten; blieb noch eine,
wenn auch nur sehr dünne intakte Dentinschicht über ihr
erhalten, so kann sie konserviert bezw. zunächst wie vorher
behandelt werden, um die Schmerzen zu beseitigen.
Das Abtöten erfolgt mit Arsenpräparaten; etwa mit
einer Pasta nach der Vorschrift:
Acid. arsenicos
Coc. mur. ... ää 0,5
Glycer. q. s. ut fiat pasta rnollis.
Eine stecknadelkopfgroße Portion, zugleich mit dem
Kai'bolbäuschchen, wie vorher aufgebracht, genügt voll¬
ständig. Die arsenige Säure ätzt dabei als direktes Nerven¬
gift die Pulpa innerhalb 24 Stunden ab. Zu vermeiden ist
hierbei ganz besonders jede Druckanwendung beim Ab¬
schluß der Pasta mit dem Zementbrei, andernfalls treten
sehr heftige Schmerzerscheinungen auf, die stundenlang
a Inhalten.
Bei sachgemäßer Ausführung der Arseneinlage finden
wir den Zahn am nächsten Tage vollkommen schmerzfrei;
soll er jedoch auch auf die Dauer schmerzfrei bleiben, so
muß die abgeätzte Pulpa aus dem Wurzelkanal entfernt
und dieser selbst gefüllt werden. Andernfalls gehl die
zurückgelassene tote Gewebsmasse in Fäulnis über mit der
Folgeerscheinung einer Wurzelhautentzündung einfach
in der Weise, daß Fäulnisbakterien einwandern und durch
das Foramen apicale an der Wurzelspitze des Zahnes auf das
Periost übergreifen, dieses in Entzündung setzend.
Hinsichtlich der technischen Schwierigkeiten kann diese
„Wurzelbehandlung“ aber niemals Sache des Nichtspezia¬
listen sein. Ist deshalb zahnärztliche Hilfe für den Pa¬
tienten im vorliegenden Falle nicht zu beschaffen, so bleibt
vorerst weiter nichts zu tun, als die Paste am Tage nach,
der Einlage herauszunehmen, den Rest derselben durch Aus¬
spritzen und Ausschaben mit dem Exkavator zu entfernen
und den Patienten anzuweisen, selbst täglich den Defekt
mit einem frischen Wattebäuschchen zu verstopfen, um zu
verhindern, 'daß sich ^Spe ise re s te—f e s ls oUeu, Ein festerer
Verschluß, auch ein solcher aus Mastixwatte, ist unzulässig,
da er zur Verhaltung der Fäulnisgase, welche in der frei¬
liegenden abgetöteten Pulpa entstehen müssen, und damit
zu Schmerzen führen würde, genau wie dies bei einer
Sekretverhaltung der Fall isl. Sobald wie möglich muß der
Patient dann spezialistische Behandlung aufsuchen.
Ad 3. Wird eine entzündete Pulpa nicht abgetötet, so
erfolgt das Absterben beim Fortschreiten der Entzündung
von selbst zumeist in der Weise, daß sich das blulüberfüllle
Gewebe in der engen Wurzelspitzenöffnung stranguliert. Die
tote Pulpa geht, dann auch hier so, wie dies soeben be¬
züglich der durch Arsen abgetöleten Pulpa ausgeführt wurde,
in Fäulnis über und gibt dadurch leicht den Anstoß zu einer
Entzündung der Wurzelhaut, indem die angesammelten Ent-
zündungs- und Fäulnisstoffe durch die Wurzelspitze hin¬
durch als Entzündungserreger auf die den Zahn umgebende
Wurzelhaut einwirken. Der Zahn wird dann zunächst gegen
Druck empfindlich, schmerzt beim Schließen der Kiefer
bezw. Zusammenbeißen und dementsprechend auch beim
sanften Beklopfen mit dem untersuchenden Instrument. Im
Verlauf der nächsten Tage nimmt die Empfindlichkeit zu, so
daß schließlich die leiseste Berührung äußerst intensive
Schmerzen verursacht; gleichzeitig stellt sich ein kollaterales
Oedem ein und es entsteht als Schlußeffekt das typische
Bild der „dicken Backe“.
In all diesen Stadien muß sich die Hilfe des prak¬
tischen Arztes darauf beschränken, durch Freimachen der
Passage im Wurzelkanal den Fäulnisgasen bezw. den Ent¬
zündungsprodukten Abfluß zu schaffen, da eine eigentliche
Behandlung der kranken Wurzel auch hier Sache des Spe¬
zialisten bleiben wird. Ifs ist also die Zahnhöhle von Speise¬
resten. zu reinigen, gut auszuspritzen und der Eingang in
die Pulpenkammer bezw. in den Wurzelkanal möglichst
freizumachen. Alsdann kann ein Tropfen Karbolsäure oder
besser noch etwas Chlorphenol in die Wurzel eingebracht
und der Zahn: lose mit einem Wattebäuschchen verschlossen,
werden. Heiße Mundspülungen mit einem aromatischen
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
179
Tee. (Kamillen usw.), 2- bis 3 mal täglich, unterstützen die
Zuführung frischen Blutes in das entzündete Gewebe und
damit die Elimination der eingedrungenen schädlichen
Stoffe.
Es kann, so eine Restitutio ad integrum erfolgen; meist
jedoch, und bei Nichteinleitung einer Behandlung fast durch¬
weg, ist die Abszedierung das Endergebnis: es kommt zur
Fluktuation im entzündeten Gewebe, und es mag dann das
entstandene „Zahngeschwür“ im Bereiche des Zahnfleisch¬
überzuges inzidiert, werden, um den Prozeß zu kupieren,
wenn nicht schon vorher die Zange in ihre Rechte treten 'und
der schmerzhafte Zahn auf Wunsch des Patienten entfernt
werden soll.
Ad 4. Unter den Krankheiten der Umgebung des Zahnes,
wobei dieser p r i m ä r beteiligt ist, wären hier hauptsächlich
die Fis t el b il du nge.n zu erwähnen. Sie verlangen
durchweg die Extraktion, wenn Spezialbehandlung nicht zu
beschaffen ist, jedoch sei ausdrücklich darauf verwiesen, daß
ein sehr hoher Prozentsatz fistelkranker Zähne durch eine
sachgemäße Wurzelbehandlung gerettet werden kann.
Eine sekundäre Beteiligung der Zähne bei Erkran¬
kung der Umgebung haben wir in der sehr häufigen Alveo¬
larpyorrhoe, deren Behandlung ebenfalls eine streng
speziälistische bleiben muß, und ausnahmsweise im Gefolge
von Infektionskrankheiten, die ein Absterben der
Pulpa von innen her bewirken können (Typhus, Influenza
usw.), von deren lokaler Therapie das Gleiche gilt.
Prinzipielle Schwierigkeiten für den praktischen Arzt,
einfache und selbst komplizierte zahnärztliche Maßnahmen
auszüführen, liegen nicht, vor, wenn er nur eine einiger¬
maßen geschickte Hand hat; jedoch muß zur .Vornahme solcher
Behandlungen, welche über den vorstehend skizzierten
Rahmen hinausgehen, ein etwas reichhaltigeres Instrumen¬
tarium inktusive Bohrmaschine zur Verfügung stehen. Auch
ist die Absolvierung eines praktischen Enterrichtskursas
naturgemäß anzuempfehlen, wenn sich hierzu Gelegenheit
bietet; wenn schon auch die autodidaktische Ausbildung an
Hand eines entsprechend abgefaßten Lehrbuches bis zu
einem gewissen Grade sehr wohl durchführbar ist. Im
allgemeinen dürfte sich jedenfalls auch in Aerztekreisen
bald die Notwendigkeit heraussteilen, ganz allgemein au
der Frühbehandlung der Zähne, wie sie die modernen Für-
sorgcbeslrebungen (Schulzahnpflege) als notwendig hin-
sleilen, teilzunehmcn und so für die Volkswohlfahrt durch
Schaffung geordneter Mundverhältnisse als die Grundlage
für die Ausbildung einer gesunden Generation mitzuwirken.
Aus dem städtischen Krankenhaus^ in Libau.
Künstliche Blutleere der unteren Körperhlilftc
nach Momburg.
Von £>r. A. N. Popow.
Im Juni vorigen Jahres hat l)r. Momburg eine neue
Molliode der künstlichen Blutleere vorgeschlagen, welche
die Möglichkeit gewährt, aus dem Blutkreislauf die ganze
unlere Hälfte des Körpers vom Nabel ab mit allen in der
selben liegenden Organen, die bekanntlich nicht selten zu
tätlichen Blutungen Anlaß geben, auszuschalten, an der man
bisweilen mit großem Blutverlust einhergehende Opera¬
tionen ausführen muß.
Diese Methode stellt im wesentlichen nichts anderes
als eine ’Uebertragung der Esmarchscheu. Blutleere der
Extremitäten auf das Abdomen dar und besteht, wie es der
Erfinder selbst beschreibt, in folgendem: lim die Taille,
zwischen dem linieren Rippenrand und dem Becken wird
in liegender Position des Kranken ein fingerdickes Gummi¬
rohr unter vollständiger Ausnutzung seiner Elastizität, an¬
gelegt, Die Anlegung wird langsam, in einigen Gängen
(2 I sind gewöhnlich genug) bis zum vollständigen Ver¬
schwinden der Pulsation in der A. femoralis ausgeführl.
Letzteres ist besonders wichtig, weil die weitere Zusammen¬
ziehung, wenn dieser Puls erhalten bleibt, vollkommen
zwecklos isl. und nur mehr oder minder größere Verletzungen
zur Folge haben kann. Ri e 1 ä n d e r empfiehlt, das Gummi-
rohr an der Seite, mil der es die Haut berührt, mit Fett
einzureiben, um nicht durch Reibung Erosionen entstehen
zu lassen.
Die Methode von Momburg hat trotz ihrer Neuheit
bereits eine gründliche experimentelle Erforschung er¬
fahren. Besonders lehrreich sind die von Prof. Höhne,
Rimann und Wolff erhobenen Befunde. Aus den Ex¬
perimenten von Prof. Höhne gehl hervor, daß bei Ka¬
ninchen schon bei mäßiger Zusammenziehung des Abdomens
mittels Gummirohrs vollständige Kompression der Aorta
abdominalis erzielt wird. Der aus der durchschnittenen
Femoralarterie springende Blutstrahl hört soforl auf, sobald
das Gummirohr angelegt wird, und slellt sich wieder ein,
sobald das Rohr abgenommen oder gelüftet wird.
Bei einem Tiere, welches nach einer 2^/2 ständigen
Kompression des Abdomens mittels Gummirohrs gelötet
wurde, wurden die komprimiert gewesenen Teile der Bauch¬
organe untersucht, wobei sich folgendes ergab: die Haut¬
decken und das Peritoneum parietale zeigten gar keine
Veränderungen; aus dem Darmstück, das der Kompression
ausgesetzt war, war der Inhalt verdrängt; an einigen ein¬
zelnen Stellen waren kleine Blutergüsse in der Schleimhaut
zu sehen, jedoch war das Darmlumen von Blut vollständig
frei; irgend eine wesentliche Harnstauung in den Freieren
und in den Nierenbecken war nicht vorhanden; der M. ileo-
sacralis schien gar nicht tangiert zu sein. Mäßigen Druck
können die Kaninchen ziemlich lange, bis zwei Stunden
und darüber, gut vertragen. Starke Zusammenziehung mit
dem Gummirohr erzeugt hei den Tieren Paralyse der hin¬
teren Extremitäten, die je nach der Intensität Und der Dauer
der Kompression verschieden ist. Prof. Höhne hat ferner
hemerkl, daß aus den durchschnittenen Aa. epigastricae
inferiores dabei auch nicht die geringste Blutung statt findet.
Dies berechtigt zu dem Schlüsse, daß starke Kompression
auch die Kommunikation zwischen der A. mammalis interna
und der A. epigastrica inferior unterbricht. Um sich von der
Vollständigkeit und Vollkommenheit der Aortenkompression
zu überzeugen, eröffnete man bei dem Versuchstiere die
Bauchhöhle unterhalb der mit dem GummiroJir- zusammen¬
gezogenen Stelle und verletzte die Aortenwand: das große
Gefäß blutete in der Tat nicht. Eine Blutung stellte sich
aber sofort ein, sobald man das Gummirohr etwas lüftete.
Bei der Injektion einer Lösung von Berliner Blau in den
oberen Teil der Bauchaorta wurde, selbst wenn die Injek¬
tion unter hohem Druck stattfand, au keiner Stelle Dtircli-
dringen der injizierten Flüssigkeil über den vom Guinmi-
rohr komprimierten Ring hinaus beobachtet. Die Wirkung
der Einschnürung des Abdomens erstreckt sich auch auf
die Aa. spermaticae. Bei einem weiblichen Tiere li.it Prof.
Höhne die ganze Hälfte der inneren Geschlechtsorgane
entfernt, ohne auch nur die geringste arterielle Blutung
beobachlet zu haben.
Die von Rimann und Wolff behufs Studiums der
physiologischen Veränderungen, die im tierischen Organis¬
mus unter dem Einflüsse der Blutleere nach der Methode
von Momburg auftreten, an Kaninchen ausgefiihrten Ex¬
perimente, deren Resultate von Trendelenburg auf dem
vorjährigen Kongreß der deutschen Chirurgen kurz mil-
geteilt wurden, haben folgendes ergeben: Die Kompression
der Aorta findet in der Höhe des 3. bis 4. Lumbal Wirbels
statt : außer der Aorla werden die V. cava, A. mesaraica.
inferior, teilweise die V. mesaraica inferior, die A. und
V. mesaraica superior komprimiert. Der Blutdruck in der
Carotis, mittels einer in dieselbe eingeführten Glaskanüle
gemessen, steigt im Augenblick der Einschnürung des Ab¬
domens mittels des Guminirohrs im Durchschnitt um
24,2 mm der Quecksilbersäule; bei der Entfernung dos
Guminirohrs sinkl derselbe uni 40,8 Hg. Um Vergleiche an-
zustellen, haben die Autoren nach Eröffnung der Bauch¬
höhle nur an die Aorta und die V. cava Klemmpinzetten
angelegt; der Blutdruck stieg hierauf auch nicht im ge-
180
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 12
längsten. Als aber außerdem auch,die A. mesaraica Superior
ausgeschaltet wurde, slieg der Blutdruck sofort um l(i mm
lfg. Die Steigerung des Blutdrucks, die jedesmal bei der
Blutleere nach M o m b u r g eintritt, muß somit auf Rechnung |
der Kompression der A. mesaraica superior samt Kom¬
pression der Aorta und der Vena cava gesetzt werden.
Thölo aus Hannover berichtet über seine ver¬
gleichenden Messungen des Blutdrucks am Oberarm bei
einfacher Kompression der Aorta und bei Umschnürung
mittels Gummirohrs nach Mora bürg. Der Blutdruck vor- j
ändert sich dabei in anderer Weise, als man es auf Grund
der Gesetze der Hämodynamik erwarten könnte, und zwar:
er sinkt während der Kompression der Aorta und steigt
nach Beendigung der Kompression; bei der Umschnürung
mit dem Gummirohr nach Mom bürg steigt der Blutdruck
in hohem Grade, sinkt nach Beendigung derselben bis zum
früheren Niveau oder noch tiefer.
Die Methode von llomburg ist in den knapp zwei \
Jahren, die seit ihrer Beschreibung verstrichen sind, von
vielen bereits am Menschen angewendet worden. Außer |
Momburg selbst, der seine Methode in vier Bällen an¬
gewendet hat, haben künstliche Blutleere der unteren Kör¬
perhälfte' hervorgerufen : Bier, H ö h n e, D ii li r s s e n ,
Rim ann, Weber, A x h a u s e n , Page n s lech e r u. a.
Alles'in allem ist die Methode von Momburg nach der
von mir gesammelten Literatur bis jetzt in 92 Fällen an¬
gewendet worden, darunter 24 mal bei verschiedenen chi- I
rurgischen Operationen am Becken und Oberschenkel und
68mai in der geburtshilflichen Praxis. Zu den chirur- i
gischen Operationen, die 'unter Blutleere nach der Methode
von. Momburg ausgeführt worden sind, gehören: hohe
Oberscheukelamputationen, Enukleation und Resektion des
Oberschenkels im Hüftgelenk, Resektion des Os il. wegen
Tuberkulose, Resektion des Beckens wegen Sarkom, Ex¬
stirpation von Mastdarmkarzinom, perineale Prostatektomie
und einige, andere. In der Geburtshilfe und Gynäkologie
hat die M o m b u r g sehe Methode, wie aus den oben mit¬
geteilten Zahlen ersichtlich, eine umfangreiche Anwendung
gefunden. Dies erklärt sich einerseits durch die besondere
Häufigkeit gefährlicher Blutungen in der geburtshilflichen
und gynäkologischen Praxis, andererseits durch die be¬
sondere spezifische Wirkung der Blutleere auf die Kon-
traklibililät des Uterus. Sigwart und nach ihm Höhne,
W e b e r u. a. haben die Methode von M > m b u r g in Fällen
von bedrohlicher Blutung bei Uterus-Atonie angewendet und
bemerkt, daß dabei nicht nur die Blutung, die bis dahin
durch keine Mittel gestillt werden konnte, aufhört, sondern
auch rasche und intensive Kontraktion des Uterus eintritt.
Die Gebärmutter, welche einen schlaffen, weichen. Stark
hüllenden Back darstellte, begann sofort sich zu kontra¬
hieren, sobald das Gummirohr nach Momburg angelegt
wurde, und aus einem weichen Organ wurde sie nach
Weber steinbart; so blieb sie bis zur Entfernung des
Gmnmirohrs. Außer bei Uterus-Atonie wurde die Methode
von Momburg bei Blutung bei Blasenmole, bei manueller
Ablösung der Placenta, bei Retention der Fruchthäute an¬
gewendet. Weber hat die Momb'urgsehe Methode bei
dieser letzteren angewendel und besonders günstige Re¬
sultate erzielt.. Höhne glaubt, daß die manuelle Ablösung
der Plazenta in einigen Fällen mit Erfolg durch die BinI-
leere nach Momburg ersetzt werden kann.
Die Schlaffheit und Nachgiebigkeit der Bauchwand bei
Wöchnerinnen geben wegen der vorangegangenen starken
Dehnung derselben durch den schwangeren Uterus ein be¬
sonders günstiges Feld für- die Anwendung der ,VI o in b u r g -
sehen Methode in der Geburtshilfe ab. Die Binde wird dank
dieser Methode leicht und zuverlässig aiigelegt, und sie ver¬
ursach!. wovon sieh Sigwart überzeugt hat, keinen we¬
sentlichen Schmerz.
Die Dauer der Blutleere nach Momburg war in den
bis jelzl. beschriebenen Fällen verschieden. Die meisten j
Autoren, haben die Binde bis 45 Minuten liegen lassen. I
Hof bauer ließ,sie bei vaginaler Exstirpation eines Uterus- |
myoms 75 Minuten lang liegen, D ührssen bei Exstirpation
des Uterus mit Enukleation von karzinomatösen Knoten
aus dem kleinen Becken 2 Stunden 15 Minuten, ohne daß
die Patientin irgendwelchen Schaden an ihrer Gesundheit
genommen hat. Die größte Dauer der Anwendung der
Binde betrug, wie aus einer Mitteilung von Momburg
hervorgeht, 2 Stunden 20 Minuten. Bei der 24 Stunden
nach der Entfernung der Binde vorgenommenen Sektion
fand man in diesem Falle sowohl wie auch in anderen
Fällen mit geringerer Liegedauer der Binde keine Ver¬
letzungen der Bauchorgaue, und es wurde feslgeslellt, daß
der Tod infolge der Grundkrankheit erfolgt war. Infolge¬
dessen meinte Momburg, daß in gewissen Fällen diu
Binde auf dem Abdomen ohne jeglichen Schaden ebenso
wie die Esmärchsche Binde auf den Extremitäten liegen
kann.
Die durch die praktische Anwendung der Mo mb urg-
schen Methode . erzielten Resultate sind im allgemeinen
günstig. Die Mehrzahl der Autoren ist mit der neuen Me¬
thode zufrieden und setzt auf dieselbe große Hoffnungen
für die Zukunft.. Bier bezeichnet sie als „einfach und
schön“. Höhne mißt ihr große Bedeutung im Kampfe
gegen puerperale Nachblutungen bei und erblickt einen be¬
sonderen Vorzug vor der einfachen Kompression der Aorta
darin, daß dabei gleichzeitig auch die Aa. spermaticae kom¬
primiert werden, die gleichfalls den Geschlechtsorganen Blut
zuführen und eine vollständige Blutleere derselben unmög¬
lich machen, wenn sie nicht komprimiert sind. In manchen
Fällen isl die Mom b urgsehe Methode seiner Meinung
nach direkt lebensrettend. Krönig hält dieselbe für eine
wertvolle Bereicherung der Therapie der puerperalen Blu¬
tungen und empfiehlt den praktischen Aerzlen deren An¬
wendung in geeigneten Fällen. In der Fcldchirurgie sowie
bei manchen Unfällen kann die Methode von großer B<u.
deutung sein. Ledere, der die Methode in 3 Fällen,
darunter bei perinealer Prostatektomie, angewendet hat, lobt
dieselbe in hohem Maße. Die perineale Prostatektomie
kann, wie ■ er versichert, bei Mom burgscher Blutleere
im wahren Sinne des Wortes ideal ausgeführt werden. Nur
Ri e 1 än d e r, der die Methode in 9 Fällen angewendet hatte,
erzielte nicht die erhofften Resultate. Neben vollständigem
Mangel einer Wirkung auf die Blutung, was seiner Meinung
nach durch ungenügende Entleerung des Darmes bei seinen
Patienten erklärt werden kann, will er Veränderungen des
Allgemeinzustandes der Patienten bemerkt haben, haupt¬
sächlich Pulsveränderungen und Kollaps, in einem Falle
auch Diarrhoe und Harnretention. Rimann und Wolff
haben bei der Exstirpation eines Mastdarmkarzinoms bei
einem 70 jährigen Greise bezw. bei einer 42 jährigen Frau
die M o m b urg sehe Binde wegen Kollaps und Verschwinden
des Pulses entfernen müssen.
Trotz der im allgemeinen günstigen Urteile über die
Blulleere nach Momburg, Irotz der günstigen Resultate,
die von der Mehrzahl der Autoren erzielt worden sind,
wurden auch verschiedene, bisweilen sehr ernste und gefähr¬
liche Komplikationen beobachtet, die die Lichtseiten der
Methode teilweise verdunkeln und manche Autoren vor
deren Anwendung zurückschrecken. Von 92 Fällen haben
(i Komplikationen wahrnehmen lassen, und zwar: je 1 Fall
von Mund- und Nasenblutung, von Diarrhoe, von Anzeichen
einer Insuffizienz der Biscuspidaiis und andauernder Aryth-
.mie und 3 Fälle von Kollaps und Verschwinden des Pulses.
Bei der Betrachtung der Komplikationen ergibt es sich,
daß die Mehrzahl derselben zum Herzen und zur Herztätig¬
keil in direkter Beziehung steht. Diese Komplikationen sind
unter dem Einflüsse derjenigen Veränderungen eingelreten,
die im Blutkreislaufsystem bei Einschnürung des Abdomens
mittels elastischer Binde entstehen. Die Tierexperimente
und die klinischen Beobachtungen haben deutlich gezeigt,
worin diese Veränderungen bestehen, nämlich in bedeu¬
tenden Schwankungen des Blutdrucks, , die sowohl beim
Anlegen wie auch nach dem Entfernen der Binde eintreteri.
Ein gesundes Herz überwindet diese Schwankungen, ein
MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
181
1
schwaches hört auf ztt fuuktioixiercn. Von dieser Erwä¬
gung ausgehend, hält T r e n il e 1 e n b u r g die Mömhurg-
sehe Methode bei Greisen und bei Personen mit schwacher
Herztätigkeit für unanwendbar.
.Ich selbst habe die Mo m bürg sehe Methode 5 mal,
darunter einmal an. einem gesunden Manne experimenti
causa, angewendet.
In diesem letzteren Falle handelte es sieh um einen
28jährigen Arbeiter mit gut entwickelten Muskeln. Nach
vorangehender subkutaner Morphiuminjektion wurde ihm
um das Abdomen die Binde in 6 Touren angelegt. Trotzdem'
wurde der Puls in der A. femoralis zeitweise, wenn auch
schwach, so doch deutlich gefühlt. Trotz Morphium wurde
über Schmerzen geklagt; die Atmung war erschwert; die
Gesichtsvenen spannten sich, bald trat Schweiß hervor.
Nach Anlegung Ider Binde wurde Steigerung der Pulsfrequenz
beobachtet, die nach 2 Stunden 3 Minuten verschwand.
Die Binde lag 7 Minuten. Komplikationen waren nicht
eingetreten.
Hierauf wurde die Methode 4 mal bei Patienten ange¬
wendet, an denen Oborschf ukeloperationen ausgeführt
wurden, imd zwar einmal bei Amputation des Oberschenkels,
einmal hoi Resektion und zweimal bei Soquestrotomie wegen
Osteomyelitis. Ich möchte die Krankengeschichten in kurzen
Auszügen mitteilen.
1. P. W., 18 Jahre all. V erletzung der rechten Unteren
Extremität bei einem Eisenbahnunfall. Am 26. Mai 1909
Amputation des Oberschenkels in Chloroformnarkose. Nach¬
dem ein schwarzes, fingerdickes Gummirohr in 3 Touren
um das Abdomen gelegt war, fühlte man in der Femoral-
arlerie keinen Puls mehr, bei der Durchschneidung der¬
selben auch nicht die geringste Blutung. Die Binde lag
40 Minuten.
27. Mai. Hochgradige Diarrhoe bis lO.nal täglich, ohne
Blut, mit geringen Schmerzen vor der Dofükation.
28. Miai. Wiederum alles normal. Keine weiteren Ver¬
änderungen.
2. A. P., 16 Jahre alt. Am 6. Oktober 1909 Resektion
des Hüftgelenks in Chloroformnarkose. Vor Anlegung der
Binde Puls 160, nach Anlegung derselben Puls in der Radial-
arlerie vollkommen verschwunden. Nach 5 Minuten trat,
keine Besserung ein, infolgedessen wurde, um einer Gefahr
zu entgehen, die Binde abgenommen. Nach Entfernung
der Binde besserte sich der Puls gleichfalls nicht, infolge¬
dessen wurde das Chloroform durch Aether ersetzt. Hierauf
bedeutende Besserung. Puls voll, regelmäßig, 80. Im wei¬
teren Verlaufe keine Komplikationen.
3. S. S., 29 Jahre alt. Osteomyelitis des linken Ober¬
schenkelknochens im oberen Drittel. Am 10. Juni 1909
Sequestrotomie in Chloroformnarkose. Anlegung der
Gummibinde in 3 Touren um die Taille. Vollständiges Auf¬
hören der Pulsation in der Femoralarterie. Die Binde lag
35 Minuten. Vor Anlegung derselben Puls 96, nach der An¬
legung 60. Während des Erbrechens, welches gegen Ende
der Operation infolge Nachlassen der Narkose eingetreten
war, zeigte sich in der Operationswunde eine kleine Blutung;
letztere entstand augenscheinlich infolge von Nachlassen
der Kompression der Aorta, was durch Spannung der Rauch¬
wand während des Erbrechens bedingt war. Nach der Ent¬
fernung der Binde vollständiges Verschwinden des Pulses
für kurze Zeit (4—6 Sekunden), dann Steigerung der Puls¬
frequenz bis 120—130, worauf der Puls normal wurde.
10. Juni. Gegen Abend einmaliger Stuhl, ohne Blut.
11. Juni. Zweimal Stuhl; mehrmaliger Sluhldrang.
Schmerzen im Abdomen nicht, vorhanden. Im weiteren
Verlaufe keine Komplikationen. Vollständige Genesung.
4. O. R., 16 Jahre alt. Osteomyelitis. Am 16. Juni
1909 Sequestrotomie in Chloroformnarkose. Anlegung der
Binde in drei Touren. Puls vor der Anlegung 88, nach 1 der¬
selben 66. Die Binde lag 35 Minuten. Gegen Ende der
Operation Erbrechen, infolge von Spannung der Rauchwand
während des Erbrechens war die Kompression der Aorta
keine vollständige, mul in der Oporalimisu mide stellte sich
Blutung ein. Die Hautdecken der Köipeihälile unterhalb
der Binde bekamen eine blau-duiikelrnle Färbung. Unmittel¬
bar hierauf wurde der Puls sehr weich, klein und so frequent,
daß man ihn nicht sehen konnte. Wegen drohender Gefahr
wurde die Binde sofort entfernt, worauf sich der Puls sofort
erholte. Weiterer Verlaut ohne Komplikationen.
In zwei Fällen wurde also Diarrhoe beobachtet, die
zweifellos mit der Methode der Blutleere in Zusammen¬
hang stand. Auch andere Autoren, beispielsweise 1 r a n k e,
haben Diarrhoe beobachtet. Die Ursachen derselben sind
vorläufig unbekannt. F.s ist möglich, daß unter dem Ein¬
flüsse der Stauung in den Venen eine Transsudalion in den
Darm staltfindet; vielleicht handelt es sich hier um Steige¬
rung der Peristaltik und um relative Schwächung der Sphink-
teren. Das Verschwinden des Pulses im Falle 2 kann auf
die Einschnürung des Abdomens kaum zumckgei'iihrt
werden; höchstwahrscheinlich spielte hier das Chloroform
die Hauptrolle.
Was in den Fällen 3 und 4 die Aufmerksamkeit auf
sich zieht, ist die Beeinflussung der Momburgschen .Me¬
thode durch das Erbrechen, welches während der Narkose
su häufig eintrill. Dieser Einfluß besteht darin, daß infolge
der Kontraktion der Bauchmuskeln die Elastizität der Binde
gewissermaßen überwunden und die Kompression der Aorta
ungenügend wird und das.Blut in die blutleere Kürperluilfte
(‘.inzudringen beginnt. Zurück fließt das Illut aber nicht,
weil die Cava, die im Vergleich zur Aorta eine geringere
Elastizität besitzt, und in der ein niedrigerer Blutdruck
herrscht, permanent komprimiert bleibt. Man hat es hier
somit mit dem zu tun. was man bei der Erzeugung v on
künstlicher Stauungshyperämie mit der Bi-ersehen Binde
beobachtet: die abgcschnürlc Körperhälile wird mit Blut
überfüllt; die Hautdecken bekommen eine blau-dunkel rote
Färbung, wie dies in meinem Falle beobachtet wurde, und
es entsteht eine Stauungshyperämie in der ganzen linieren
Körperhälile, während im übrigen Teil des Blutkreislaufes
eine Anämie eintritl, die, falls sie nicht, rechtzeitig bemerkt
wird, für den Kranken verhängnisvoll werden kann.
Sowohl auf Grund meiner experimentellen Erhebungen,
wie auch auf Grund der Erhebungen der übrigen Autoren,
glaube ich sagen zu können, daß die M o m bürg sehe Me¬
thode vor den Methoden der Aorta Kompression, die bis
jetzt angewendet wurden, einen wesentlichen Vorzug be¬
sitzt. Sie ist leicht und einfach, bei genügender Vorsicht
ungefährlich. Sie verdient infolgedessen vollkommene Be¬
achtung und kann in manchen Fällen unersetzbare Dienste
leisten. Die einzige gefährliche Komplikation ist die Stö¬
rung der Herztäligkeil, was man aber stets rechtzeitig be¬
merken und beseitigen kann. Man braucht nur genau auf
den Puls zu achten.
Literatur.
1. Mombm’g: Die künstliche Blutleere der unteren
Kürperhälfte. Vorläufige Mitteilung. Zentralblatt für Ghirurg.,
1908, Nr. 23.
2. — Zur Blutleere der unteren Körperhälfte. Ebenda. P.)l)S,
Nr. 41.
3. F. Franke: Zu der vorläufigen Mitteilung von Stabs¬
arzt Dr. Homburg: Künstliche Blutleere der unteren Kürper¬
hälfte. Berichtigung. Ebenda, 1908, Nr. 31.
4. Rimann: Zur künstlichen Blutleere der unteren
Körperhälfte nach Momburg. Deutsche Zeitsehr. für Chirurg.,
19118, Iid. 94.
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Körperhälfte nach Momburg in der Geburtshilfe. Zentralhl.
für Gynäkologie, 1909, Nr. 41.
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telle Beiträge zur Frage der ,H o m b u r gsehön Blutleere.
Deutsche Zeitsehr. Mir Chirurgie, Bd. 98.
7. A. Ri ei ander: Feber die Anwendung des Mam¬
burg sehen Schlauches bei Posipartumblütungen. Zentral!)!, für
Gynäkologie. 19U9, Nr .28.
PNtlzüd bv , , .
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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1
■
UNIVERSITY OF MICHIGAN
182
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 12
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Blutleere, der unteren Körperhälfte für die Geburtshilfe und
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9. W. Sig war t: Ueber die Anwendung der Blutleere
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Ebenda, 1909, Nr.. 7.
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tions pörtant sur le bastein et la racine des membres!
inferieurs. Archives internationales de Chirurgie, 1909, Bd. 4,
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11. Axhausen: Zur künstlichen Blutleere der unteren
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1908, Nr. 49.
12. Momburg: Die künstliche Blutleere der unteren
Körperhälfte. Zentralbl. für Chirurgie, 1909, Nr. 31.
13. G. Ledere: La compression elastique du tronc.
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kompression nach Momburg bei einer Blutung in der Nach¬
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15. Meyer: Praktische Ergebnisse der Geburtshilfe und
Gynäkologie, 1909, T. 1, Kap. 1.
16. I. S. Ka labin: Ueber die Behandlung der puerperalen
Gebärmutterblutungen durch Umschnürung mittels elastischer
Binde. Journal für Goburtsh. und Gynäk., Bd. 23, Nr. 11.
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REFERATE.
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Autosammelreferat von W. Knick.
I. Teil.
(Schluß.)
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der chirurgischen Neben- und Unfallabteilung der königl.
Charite. (Direktor: Prof. Dr. Ä. Köhler.) Von Oberarzt Df.
Lotsch, Assistenten der Klinik. Charite-Annalen, 33. Jahrg.
6. Ueber die Kuhnsche perorale Tubage. Mitteilung von der
oto-laryngologischen Abteilung des St. Josefs-Hospitals (Prof.
Dr. E. Schmiegel ow). Von L. Mahler, Kopenhagen.
Monatsschr. für Ohrenheilkunde und Laryngo-Rhinologie, 1909,
43. Jahrg., Nr .12.
5. Bei den großen Operationen am Gesicht, vor allem,
wenn Mund- und Rachenhöhle dabei breit eröffnet werden müssen,
sind es zwei Ereignisse, die diese Operationen besonders gefähr¬
lich machen, die Verlegung der Atemwege durch Blut und die
Aspiration. Es sind eine ganze Reihe von Methoden angegeben,
um diesen Gefahren zu begegnen; hierher gehört die. Operation
am hängenden Kopf, die Schräglage Kochers, die Operation
in sitzender Stellung des Patienten und Halbnarkose, die präli¬
minare Tracheotomie nach Trendelenburg. Ihnen reiht
sich als jüngste Methode die perorale Intubation nach Iv u h n
au. Die oben aufgezählten Methoden haben alle ein Für und
Wider. Die präliminare Tracheotomie beseitigt am sichersten
die Möglichkeit der Asphyxie und Aspiration, aber sie ver¬
langt eine besondere, blutige Voroperation. Das war der Grund,
weshalb dieses Verfahren nur wenig Anwendung gefunden hat.
Bei der Operation am hängenden Kopf fließt das Blut in den
Nasenrachenraum; erfahrungsgemäß ist aber bei dieser Lage
die Blutung erheblich stärker, auch hindert bis zu einem ge¬
wissen Grade das umgekehrte Gesichtsfeld. Die Halbnarkose in
Sitzlage stört die Ruhe der Operation in ganz erheblichem
Maße und stellt an die Nerven des Operateurs sehr große
Anforderungen. Die Schräglage Kochers genügt bei den
größeren Operationen nicht ganz, was auch daraus hervorgeht,
daß Kocher selbst in seiner Operationslehre für derartige
Eingriffe die vorherige Tamponade der Choanen anrät.
Bei dieser Lage der Dinge ist es nicht recht Verständlich,
warum die aus dem Anfang unseres Jahrhunderts stammende Me¬
thode der peroralon Intubation derart langsam sich eingebürgert
hat. Die Methode. Kuhns beruht darauf, daß er durch einen
biegsamen Metallschlauch, der zum Teil in den Kehlkopf ein-
geführt wird, das Luftrohr bis zu den Lippen verlängert. Ist
dies technisch nicht allzu schwierig und vor allem ohne Schädi¬
gung von Stimmlippen und Kehlkopfschleimhaut möglich, so
muß dieses Verfahren genau dieselben Vorteile bilden wie die
präliminare Tracheotomie, ohne mil dieser den Nachteil einer
besonderen, blutigen Operation zu teilen.
Im folgenden will ich über Erfahrungen berichten, die wir
an der chirurgischen Klinik der Charite bei 10 größeren Ge¬
sichtsoperationen mit der K u h n sehen Tubage gesammelt haben.
Sie verteilen sich auf die Zeit von Mitte September 1908 bis
Ende Februar 1909.
Als Instrumentarium bedienten wir uns des Ku huschen
Origiualmodells, und, da es sich in allen 10 Fällen um Er¬
wachsene handelte, so kamen lediglich der Männer- resp. der
Frauentubus zur Verwendung.
Die Einführungsteehnik entspricht im wesentlichen der bei
der O ’ I) w y e r sehen Intubation, so daß jeder, der die.
O ’ D w y e r sehe Methode beherrscht, auch mühelos den K u h n -
sehen Tubus einzuführen vermag. Zur Erlernung der Technik
gehört keine besondere Geschicklichkeit und auch keine allzu
große Uebung.
Die Frage, in welchem Augenblicke man den Tubus ein-
führen soll, ist verschieden beantwortet worden. Kuhn hat
empfohlen, den Patienten vorher durch Uebung mittels Speise¬
röhrenbougierung etwas an di? Einführung zu gewöhnen (vcrgl.
Kuhns Gebrauchsanweisung). Vor der endgültigen Einführung
soll die Schleimhaut von Rachen, Kehlkopf und subglottischem
Raum mit Kokainlösung anästhetisch gemacht werden. Wie ich
aus eigener Erfahrung weiß, ist so die Intubation durchaus
möglich; ja sie gelingt bei geeigneten, d. h. bei besonders
ruhigen und indolenten Individuen zuweilen auch ohne alle
Anästhesie. Aber zu den Annehmlichkeiten gehört die Intu¬
bation bei vollem Bewußtsein sicherlich nicht. Kann man dem
vor einer Operation ohnehin aufgeregten Patienten diese Proze¬
dur — wozu vor allem auch die Anästhesierung des Larynx
gehört — ersparen, so sollte, man es tun. Ich glaube sogar,
daß es der Verbreitung der peroralen Intubation nur nützen
kann, wenn sie ohne Behelligung des Patienten angewendet
wird. Gegen den, Vorschlag, den Patienten vorher zu narkoti¬
sieren, ist mit einem gewissen Recht geltend gemacht worden,
daß dann die Gefahr des reflektorischen Herztodes im Beginn
der Narkose, die nach Anästhesierung des Kehlkopfes in Weg¬
fall’ kommt, bestehen bleibt. - Wir haben jedoch jetzt in dem
P a c k a r d - S u d e c k sehen Aetherrausch (s. Zentralblatt für
Cliir.. 1908, Nr. 18.) ein ausgezeichnetes Mittel, um einmal
gefahrlos, zum andern für den Patienten unbewußt, die In¬
tubation vorzunehmen. Ich habe in der weitaus größten Zahl
der von mir intubierten Fälle. (50—60) den Tubus im Aether¬
rausch eingeführt und kann diese Methode empfehlen. Zur
Ocffnung des Mundes hat sich der selbst halte.ndei
O ' D wyer sehe Mundsperrer, den auch Iv u h n empfiehlt, am
besten bewährt. Es ist bei Verwendung des Aetherrausches nötig,
die Intubation bei liegendem Patienten auszuführen, was etwas
schwieriger ist als am sitzenden. Die Schwierigkeit besteht
darin, daß zuweilen die Zeigefingerspitze, besonders bei großen
Männern, den Kehldeckel nicht erreicht. Für diesen Fall er¬
leichtert ein mäßiges Anheben des Kopfes die Erreichung des
Ziels.
Wird der Tubus erst im Rausch und sachgemäß eingeführt,
und ebenso wieder vor dem Erwachen (s. später) entfernt,
so merkt der Patient nichts von dem ganzen Verfahren und
genießt nur die Vorteile. In den Fällen, in denen erst nach¬
träglich, d. h. nach vorheriger gewöhnlicher Narkose die In¬
tubation eingeleitet wird, erübrigen sich die vorstehenden Be¬
merkungen, denn selbstverständlich ist die Intubation in voller
Narkose eher noch leichter.
Von ausschlaggebender Wichtigkeit für den ruhigen Ver¬
lauf der folgenden Intubationsnarkose ist es, daß die Intu¬
bation gleich beim ersten Mal gelingt. Das ist bei einigen
Uebung durchaus erreichbar! Es tritt dann keine merkliche
Schelimabsonderung durch den Einführungsreiz ein. Nach mehr¬
fachen Intubationsversuchen dagegen sammelt sich leicht Schleim
in Trachea und Tubus an; er ist meist so zähe, daß.
eine Aspiration mit der von Kuhn angegebenen Speichelpumpe
Schwierigkeiten macht. Es ist dann nach meinen Erfahrungen
geratener, den Tubus herauszunehmen und nach Reinigung
wieder einzuführen. Mit zunehmender Uebung wird dieses
Schleimrasseln, das nebenbei gesagt, meist nur den Operateur,
nicht den Patienten beeinträchtigt, immer seltener, um
schließlich gar nicht mehr aufzutreten. Liegt der Tubus
erst einmal richtig, was ohne weiteres durch den
starken Exspirationsstrom an der Rohrmündung kenntlich ist,
1910
THERAPEUTISCHE! RUNDSCHAU.
ISO
so wird ov durch ein Gummiband um den Nacken befestigt. Un¬
mittelbar nach der Intubation muß die Narkose begonnen werden,
da sonst mit dem Aufhören des Rauschzustandes ein unan¬
genehmer Kampf mit dem erwachenden Patienten beginnt. Auf
Grund unserer Erfahrungen darf ich behaupten, daß alle diese
Schwierigkeiten praktisch viel geringer sind, als sie dein Leser
erscheinen mögen. Die Narkose wird derart eingeleitet, daß auf
einen mit Flanell bezogenen Metalltrichter, der durch ein bieg¬
sames Metallrohr mit dem Tubus verbunden ist, das Narkotikum 1
geträufelt wird. Wir haben zur weiteren Narkose nur Chloro¬
form benützt. Der Verwendung von Aether steht höchstens die
mangelhafte Vorerwärmung der Atmungsluft infolge des Tubage -
rohrs entgegen. Erfahrungsgemäß ist der Verbrauch von Nar¬
kotikum ein verschwindend geringer. Die durchschnittliche
Chloroformmcnge beträgt weniger als 0,5 ccm pro Minute.
Für die Operationen im Gesicht bietet das Verfahren den
großen Vorteil, daß nach Einlegen des Tubus der Rachen in
absolut sicherer Weise durch Kompressen, die am besten mit
Oel goträukt werden, austamponiert werden kann. Dadurch wird
einmal eine, sichere Abdichtung des Tubus gegen den Kehl¬
kopf erreicht, zum zweiten bei energischem Einstopfen der Kom¬
pressen in den Oesophagus das Aufsteigen von Mageninhalt
in den Rachen unmöglich gemacht. Es sei gleich hier bemerkt,
daß erfahrungsgemäß Erbrechen bei den Inhibierten nicht auf-
t ritt. vielleicht deshalb, weil eine direkte Wirkung von im
Speichel gelösten Chloroform auf den Magen fortfällt. Ein
dritter Vorteil der Rachentamponade besteht darin, daß sich
das bei der Operation fließende Blut lediglich vor den Tampons:
sammeln kann, von wo es mit Leichtigkeit durch Tupfen zu
entfernen ist.
Es ist einleuchtend, daß nach der Intubation die Luftpassage
alsolut gesichert ist, und zwar unabhängig von jeder Körper¬
lage, ebenso ist eine Aspiration ausgeschlossen. Gerade für die
Gesichtsoperationen, die uns im folgenden besonders beschäftigen
sollen, bietet das K u h n sehe Verfahren jedoch noch einige
weitere nicht unerhebliche Vorteile. Es ist zunächst die Möglich¬
keit für den Narkotiseur, abseits vom Operationsgebiet stehen
zu können, so daß dadurch für den Assistierenden Platz ge¬
wonnen wird. Noch wichtiger ist die Sicherung der Asepsis.
Bei der Intubationsnarkose können alle Teile des Gesichts, je
nach Bedarf, steril abgedeckt werden. Gerade dieser Umstand
verdient besonders hervorgehoben zu werden und ist vielleicht
geeignet, der Intubation manche Anhänger zu werben. Bei
liegendem Tubus ist natürlich auch ein Zurücksinken der Zunge
unmöglich. Damit fällt das auf die Dauer lästige Vorhalten des
Unterkiefers ganz fort, ebenso sind Zungeninstrumente, die stets
später Schmerzen verursachen, unnötig. Die Intubations¬
narkosen verlaufen auffallend ruhig und angenehm.
Mit Ausnahme der Fälle, in denen vor der eigentlichen Ge¬
sichtsoperation eine Drüsenausräumung oder Gefäßligatur
<s. Fall 4, 7 und 9) nötig war, wurde der Tubus gleich zu Be¬
ginn im Aetherrausch eingeführt. In allen Fällen verlief die In¬
tubationsnarkose glatt und ungestört. Der Verbrauch an Nar¬
kotikum war sehr gering, Würgen oder Erbrechen erfolgte nie,
desgleichen erwies sich in allen Fällen die mit ölgetränkten
Kompressen ausgeführte Rachentamponade als absolut dicht.
Schleimrasseln in Tubus oder Trachea wurde nie bemerkt, die
Luftpassage war stets völlig frei. Das Metallrohr des Tubus
wurde möglichst seitlich gelagert und hinderte — was be¬
sonders betont werden muß — auch bei den größten Ein¬
griffen nicht (s. Fall 1 und 8). Die Beherrschung der Blutung
bietet keine größere Schwierigkeiten als anderswo; das Opera¬
tionsgebiet war stets äußerst übersichtlich zu gestalten und
infolge Wegfalls der 'Möglichkeit von Asphyxie und Aspiration
operierte man unter denselben Bedingungen wie an anderen
Körperabschnitten. Die Extubation erfolgte kurz vor dem Er¬
wachen. Keiner der Patienten hat nachträglich, selbst auf dahin
gerichtete Fragen, irgendwie über Heiserkeit, Hustenreiz oder
sonstige Sensationen im Kehlkopf geklagt. Der Tubus erwies
sich in allen Fällen nach der Herausnahme als völlig frei von
Blut, auch die Oelkompressen waren nur an der einen Seite
blutig getränkt.
Nach diesen Erfahrungen wird in Zukunft für Operationen
der geschilderten Art die Kuhn sehe Intubationsnarkose an
unserer Klinik zur Anwendung kommen. Bei dem gänzlichen
Fehlen irgendwelcher schädlicher Folgen erscheint es ratsam,
auch bei Gehirn- und Rückenmarksoperationen mit ihren oft
für die Luftpassage wenig geeigneten Körperhaltungen des Pa¬
tienten sich der Vorteile des Iv u h n sehen Verfahrens zu be¬
dienen. Hierher gehörige Erfahrungen haben wir bisher eben¬
sowenig gesammelt, wie solche bei der Operation des kindlichen
Wolfsrachens usw.
H. Auf der otolaryngologischen Abteilung des St. Josefs -
Hospitals ist die Kuhn sehe perorale Tubage in 25 Fällen
an gewendet.
In 15 von diesen Fällen wurde die Operation wegen Nasen¬
nebenhöhlenleiden vorgenommen. Die perorale Tubage ist uns
hierbei von großem Nutzen gewesen, besonders wegen der durch
sie ermöglichten guten und ruhigen Narkose, die nicht wie
sonst bei diesen operativen Eingriffen beständig unterbrochen
zu werden brauchte.
Es ist von großem Vorteil, daß der Operateur seine Auf¬
merksamkeit nicht auf die Narkose zu richten nötig hat und der
Schwierigkeit überhoben ist, die Luftwege von der starken
Blutung frei zu halten. Der Unterschied von den früher an-
gewendeten Methoden, die Narkose zu leiten (z. B. mit
Junckers Apparat, wo man eine Leitungsröhre in den Mund
legen muß u. a.), ist. so bedeutend, daß wir kein Bedenken ge¬
tragen haben, die K u h n sehe Intubation stets da anzuwenden,
wo es sich um eine in der Narkose auszuführende Operation
der Nasennebenhöhlen handelte.
Die Vorteile bestanden vor allem darin, daß wir Zeit ge¬
wannen und die nötige Ruhe fanden zu arbeiten, und daß die
Narkose bei weitem nicht so tief zu sein brauchte. Jeder, der
Nasennebenhöhlenleiden operiert, der mit der Unruhe der Halb¬
narkose und dem häufigen Schlucken und Erbrechen zu kämpfen
gehabt hat und der weiß, wie mitgenommen der Patient nach der
Operation ist, wird diese neue Methode mit Freuden begrüßen
können. Auch bei Operationen von bösartigen Neu¬
bildungen im Nasenrachenraum und im Oberkiefer hat uns diese
Methode sehr gute Dienste geleistet. Operative Eingriffe an
diesen Stellen haben sowohl für den Operateur wie für den
Zuschauer etwas unbedingt Unangenehmes und Unästhetisches an
sich; auch sind die Schwierigkeiten bei der Narkose und den
Blutungen recht bedeutend. Man operiert oft bei einer durch
die schwierigen Umstände bedingten Halbnarkose, und die
Zyanose bei eventueller Anwendung des „hängenden Kopfes"
hat für jeden etwas Abschreckendes, und das ganze ist fin¬
den Operateur schwierig. Die Operation wird oft schnell aus-
geführt und man kann sich des Gefühls nicht erwehren, daß
es an der nötigen Gründlichkeit und Sicherheit fehlt, zum
Beispiel bei der Exstirpation der Tumoren in diesen Gegenden,
da wiederholte Revisionen des Operationsfeldes wegen der unge¬
nügenden Narkose schwierig sind. Diese Uebelstände fallen bei
Kuhns peroraler Tubage weg; hier kann man die Operation
bei guter Narkose und geringerer Blutung in Ruhe vornehmen,
und das Operationsfeld revidieren.
Bei Operationen im Munde und im Rachen haben wir
die K u h n sehe Intubation ebenfalls mit Erfolg angewendet.
Durch die genaue und feste Tamponade, die man um den und
über dem Larynx anlegen kann, wird es möglich, die ganze
Mundhöhle und den Rachen abzuschließen, wodurch der Zugung
zum Munde viel leichter wird, weil der Mund weit aufgesperrt
und das Operationsfeld gewissermaßen dem Operateur näher ge¬
bracht werden kann, ohne daß die Atmung behindert wird. Die
Methode ist bei diesen Operationen fünfmal in Anwendung ge¬
kommen. Zweimal wurde wegen eines Krebses bis zu zwei
Drittel der Zunge entfernt und gleichzeitig umfangreiche Ent¬
fernung der regionären Drüsen vorgenommen, und einmal mußte
mittels temporärer Resektion des Unterkiefers ein Sarkom aus
den Tonsillen entfernt werden.
Wie man sieht, sind die Resultate, welche wir bei Ope¬
rationen in den erwähnten Gegenden erzielt haben, als unbe¬
dingt günstig zu bezeichnen. Was am meisten in die Augen
springt, ist die gute Narkose, welche die Intubation ermöglicht.
Der Narkotiseur ist vollständig unabhängig vom Operateur und
ist imstande, den Kranken durch kleine Dosen in einer ruhigen
und ununterbrochenen Narkose zu halten. Die Uebelstände, die
mit einer Halbnarkose verbunden sind, werden vermieden und
der Operateur kann arbeiten, ohne genötigt zu sein, seine Auf¬
merksamkeit auf die Narkose zu richten. Die Blutungen sind
wegen der ruhigen Respiration, und weil der Kranke nicht von
Husten, Schlucken und Erbrechen heimgesucht wird, geringer.
Eine Asphyxie braucht man nicht zu befürchten, da der Larynx
vollständig geschlossen ist, so daß weder Blut noch Sekret
in die Lungen gelangen kann. Also auch für den Patienten
hat die Methode große Vorteile und oft hat er keine Ahnung
davon, daß er einer Operation im Larynx ausgesetzt gewesen ist.
1S4 THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU. Nr. 12
Krankhafte Erscheinungen, wie Heiserkeit und Schlingbeschwer¬
den, die auf die Intubation zurückgeführt werden könnten, haben
wir nicht beobachtet, und ebensowenig haben wir Bronchial-
katarrh und Pneumonie als Folge der Operation sich entwickeln
sehen.
Pharmakologie.
.Referent: Privatdozent Dr. C. Bachem, Bonn.
1. Phosphor, Lebertran und Sesamöl in der Therapie der
Rachitis. Von Sch ab ad, Petersburg. Zeitschr. für kl in. Med.,
Bd. 69, S. 435.
2. Ueber den Nachweis der Lävulose im Harn nach
Borchardt. Von Rosenberger, München. Zentralblatt für
innere Medizin, 1910, Nr. 7.
3. Verbindungen des Jodoforms. Von G. Cohn, Pharma¬
zeutische Zentralhalle, 1910, Nr. 8.
4. Ueber eine chemisch nachweisbare Ursache der klinisch
beobachteten Thiosinaminwirkung. Von S t a r k e n stein,
Prag. Therap. Monatsh., 1910, Nr. 2.
5. Ueber die Ausscheidung von anorganischem und orga¬
nisch-gebundenem Brom durch den Urin nach Einfuhr organi¬
scher Brompräparate. Von L. Bilinkis, Tiraspol. Therap.
Monatsh., 1910, Nr. 2.
6. Zur Vergiftung mit Holzessig. Von Weijnreidh,
Basel. Therap. Monatshefte, 1910, Nr. 2.
1. Auf Grund der Stoffwechselversuche an rachitischen
Kindern kommt Verfasser zu folgenden Ergebnissen:
Aus den Bestandteilen des Phosphorlebertrans vermehrt
Lebertran an und für sich die Kalkretention bei Rachitis*
Phosphor per se übt keinen günstigen Einfluß auf die
Kalkretention aus, beim Zusatz zu Lebertran verstärkt aber
Phosphor die günstige Wirkung des Tranes. Das zum Ersatz
des Lebertrans oft empfohlene Sesamöl wirkt auf den Kalk-
stof'fwechsel bei Rachitis nicht ein. Die günstige Wirkung
des Lebertrans und des Phosphorlebertrans auf die Kalkretention
bei Rachitis kann durch den Einfluß auf die Seifenbildung im
Darme nicht erklärt werden. Lebertran und Phosphorlebertran,
bei gleichzeitiger Verbesserung der Kalkrertention bei Rachitis,
vermehren auch, die Phosphorretention und verbessern die
Stickstoff- und Fettresorption.
2. Im Gegensatz zu W. V o i t und in Uebereinstimmung
mit Borchardt hat Verf. die Probe auf Fruchtzucker im
Harn bei verschiedenen Krankheiten bei Untersuchung von
95 Urinen nur zweimal positiv gefunden. Dagegen wird die
B.sche Probe auch von anderen Harnbestandteilen als Lävulose
oft mehr oder minder täuschend gegeben. Sie tritt ferner
nicht ein, wenn Formaldehyd im Harn vorhanden ist, d. h.
auch nach Einnahme von Urotropin, Helmitol oder Borovertin.
(Einzelheiten über die Methodik dieser Probe s. ZentralbP.
für innere Medizin, 1908, Nr. 40.)
3. Im Gegensatz zu Chloroform und Bromoform bildet das
Jodoform mit anderen Stoffen leicht Additionsverbindungen. So
lagert sich Jodoform an: 1. an Basen, 2. an schwefelhaltige'
Substanzen, 3. an Schwefel und Stickstoff enthaltende Basen,
4. an Eiweißkörper. Von diesen Verbindungen mannigfaltigster
Art, sind nur wenige im medizinischen Gebrauch. So das
Jodoform-Hexamethylentetramin, auch Jodoformin genapnt, das
Jodoform-Aethylhexamethylentetraminhydrojodat oder Jodofor-
mal und das Jodoformogen, eine Additionsverbindung des Jodo¬
forms an Eiweiß. Bei der Darstellung dieser Präparate ging
man meist von dem Bestreben aus, geruchlose und doch wirk¬
same Jodoform-Ersatzmittel zu erhalten.
Die übrigen in dieser Arbeit genannten Körper haben nur
chemisch-pharmazeutisches Interesse.
4. Das Ergebnis der chemischen Untersuchung ist in Kürze
folgendes: Das Thiosinamin (Fibrolysin > zeigt eine deutliche,
die Umwandlung von Kollagsn in Leim fördernde Wirkung. Als
Träger dieser Wirkung im Molekül des Allylthioharnstoffes kann
die Allylgruppe angesehen werden, da die gleiche Wirkung mit
einer Reihe anderer Allylverbindungen zu erzielen ist, nicht
aber mit ähnlichen Körpern, denen die Allylgruppe fehlt. Diese
Wirkung wird durch die Gegenwart von Serum bedeutend unter¬
stützt. Da alle Versuche bei Körpertemperatur ausgeführt
wurden, ist eine Uebertragung der gewonnenen Resultate auf den
Organismus wohl möglich und diese beobachtete Förderung der
Hydrolyse des Kollagens zu Leim kann als eine Erklärung an¬
gesehen- werden für die klinisch vielfach beobachtete Wirkung
der Thiosinamin- und Fibrolysin-Injektionen, Narbengewebe zu
erweichen und dehnbar zu machen. Da es Verf. nicht unwahr¬
scheinlich erscheint, daß die nützliche. Wirkung der Allylderivate,
von der chemischen Großindustrie aufgcnommo.n werden wird und
eine Reihe homologer Präparate in den Handel kommen dürften,
so ist es gewiß von Bedeutung, in der beschriebenen Methodik]
einen Maßstab für verschiedene derartig wirkende Substanzen
gestellt zu haben.
5. Die in den Organismus eingeführten Bromalkalien
werden als solche und niemals an organische Substanz ge¬
bunden, durch den Urin ausgeschieden. Durch den Stuhl kommt
bei der üblichen Brortitherapie wenig oder gar kein Brom zur
Ausscheidung. Die organischen Brommedikamente der aliphati¬
schen Reihe werden im allgemeinen im Organismus' so zerlegt,
daß der größte Teil des Broms als Alkalibromid zur Aus¬
scheidung gelangt; doch geht gewöhnlich auch ein Teil als
organisch gebundenes Brom in den Harn über. Die einzelnen
Präparate verhalten sich hierin sehr verschieden. Aromatische
Verbindungen, bei denen das Brom am Ring haftet, spalten im
Organismus kein Brom ab.
6. Veranlassung zu eingehenden Versuchen an Tieren bot
eine Vergiftung, die etwa folgendermaßen verlief: Eine im
dritten Graviditätsmonat stehende Frau hatte mittels einer extra
zurecht gebogenen Uteruskanüle ca. 100 ccm einer schwarzen
Flüssigkeit, die sich später als roher Holzessig identifizieren
ließ, in die Vagina und den Uterus gespült zwecks Herbei¬
führung eines Abortes. Es ergaben sich bei der Sektion Ver¬
ätzungen der Scheide, der Portio und des Uterusinnorn. Da
experimentelle Untersuchungen über diese Vergiftung bisher noch
nicht Vorlagen, prüfte W. die Frage an Tieren und konnte,
dabei feststellen, daß der Holzessig in großen Gaben vom
Körper resorbiert wird und giftig wirkt, einerlei ob es sich
um den reinen oder rektifizierten handelt. Die Dosis letalis
schwankt pro kg Tier (Kaninchen, Meerschweinchen) zwischen
10 und 15 ccm. Die Giftwirkung des Holzessigs kommt nach
W. nur der Essigsäure zu; die Symptome, welche die Frau
bot, stimmten mit denjenigen der vergifteten Tiere überein i
schweres Koma, schwacher Puls und starke Beeinflussung der
Respiration.
Größere Vorsicht als bisher dürfte bei den Spülungen mit
Holzessig zu empfehlen sein. Jedoch ist Ref. der Ansicht, daß
außer der Essigsäure auch die zu 6—10% darin enthaltenen
Teerprodukte, an der Vergiftung mitbeteiligt sein können.
Neurologie und Psychiatrie.
Referent: Irrenarzt Dr. 'Wern. H. Becker, Woilmimster.
1. Ueber eine neue Anwendungform der Suggestion in der
gynäkologischen Praxis. Von Dr. II al lauer, Berlin. Deutsche
mcd. Wochenschr., 1910, Nr. 10.
2. Blutuntersuchungen bei Morbus Ba«edowii. Von Dr.
Roth, Budapest. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 6.
3. Ueber Aphasie. Von Dr. Goldstein. Beiheft zur Med.
Klinik, 1910, Heft 1.
4. Eine biologische Reaktion im Liquor cerebrospinalis bei
organischen Nervenkrankheiten. Von Dr. H a u p t m a n n ,
Eppendorf. Medizinische Klinik, 1910, Nr. 5.
5. Die Diagnose der Hysterie. Von Dr. S. Meyer, Danzig.
Medizinische Klinik, 1910, Nr. 7.
6. Zwangszustände, ihre psychischen Wurzeln und ihre
Heilung. Von Dr. Stecke 1, Wien. Medizinische Klinik, 1910,
Nr. 5—-7.
7. Zum „Nil nocere“ in der Neurologie. Von Prof. Dr.
Oppenheim, Berlin. Berliner klin. Wochenschr., 1910, Nr. 5.
8. Ergebnisse und neuere Untersuchungen über die
Hemmungsreaktion im Blut]e von Geisteskranken. Von Dr.
Geißler, Köln. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 7.
9. Ueber Schlafmittel und ihre Wirkung. Von Prof. Dr.
Frankel, Wien. Medizinische Klinik, 1910, Nr. 8.
10. Die Wirkung von Narkotika-Kombinationen. Von Dr.
Homburg er, Heidelberg*. Deutsche med. Wochenschr., 1910,
Nr. 7.
1. In der Straßmann sehen Frauenklinik zu Berlin übt
Verfasser seit zwei Jahren eine Kombination von . Narkose und
Hypnose aus, dis er Suggestivnarkose nennt. Die Patientin wird
ebenso wie zur richtigen Narkose vorbereitet. Anfangs werden
ca. 15 Tropfen Chloroform gegeben und dann durch Suggerie-
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
liehen körperlichen Krankheiten, über auch Neurasthenie, De-
menIia praecox, manisch-depressives Irresein u. a. m.) nur ein¬
mal, nämlich bei einem Fall von heftigem Kopfschinerz ohne
organische Grundlage, ein positiver Erfolg erzielt, d. h. Oho-
lestearin nachgewiesen, ebenso bei alten Hirnblutungen und
Erweichungen sowie bei genuiner Epilepsie in 0°/o der Fälle;
dagegen bei frischen und mittelalten Hirnblutungen und Er¬
weichungen war das Resultat in 85,7°/o, bei Tabes dorsalis in
83%, bei Lues cerebrospinalis in 65%, bei multipler Sklerose
in 46% und bei Hirn- resp. Rückenmarkstumor in 100% der
untersuchten Fälle positiv. Verfasser kommt zu dem Schluß,
daß im Liquor cerebrospinalis bei gewissen organischen Nerven¬
krankheiten, zu denen z. B. die Paralyse der Irren nicht!
zu gehören scheint, Stoffe auftraten, die sich durch Hemmung
der Saponinhämolyse gegenüber Menschenblutkörper nach-
weisen lassen.
5. Verfasser verwirft die Art der Diagnostizierung per
exclusionem bei der Hysterie. Mit der alleinigen Ausschließung
organischer Erkrankungen sei es nicht getan. Erstens kommt
die Hysterie neben den organischen Leiden irgendwelcher Or¬
gane vor und zweitens können wir uns mit unseren unvoll¬
kommenen Kenntnissen nicht anmaßen, a priori' jegliche ana¬
tomisch begründete Störung mit Sicherheit auszuschließen. Es
muß deshalb vielmehr Wert auf die. Stigmata hysterischer Leiden
gelegt werden. Das Hysterieprodukt als solches wird daran
erkannt, daß es von dem vergleichbaren organisch bedingten
Symptom abweicht. Es können zwar letztere gut kopiert werden,
aber der ärztliche Scharfsinn, der besonders das erstmalige’
Aultreten von Anfällen irgendwelcher Art sich beschreiben läßt,
wird sich nicht täuschen lassen/ Insbesondere ist ein durch;
Nervina oder gar Morphium gar nicht zu mildernder Schmerz
in hohem Grade hysterieverdächtig.
6. Der Verfasser ist ein begeisterter Anhänger der Freud -
sehen Lehre, die seit zwei Jahren so viel von sich reden macht.
Der in der ,.Vereinigung Wiener Mediziner“ im vorigen Jahre
gehaltene Vortrag ist gespickt mit einer Menge von Kranken¬
geschichten. Selbst wenn man der Theorie von der Psycho¬
analyse Freuds ziemlich fern steht, wie Referent mit den
meisten deutschen Psychiatern, wird man einen Zusammenhang
gerade von Zwangszuständen mit sexuellen Erlebnissen für
manche Fälle zugeben und demnach auch die hier gegebene Heil¬
kraft der Psychoanalyse. Aber die Erklärungsversuche S t. s
gehen zu weit. Daß die Mictio im Vorstellungskreis eines
Patienten ein Ersatz der Pollution sein soll, daß bei einem
stotternden Kinde die geheime Angst vor der Entdeckung der
getriebenen Onanie die Ursache seines Leidens darstellen soll,
oder die Kleptomanie eine unbewußte Betätigung sexueller
Triebe bedeuten soll, geht noch an. Aber daß ein kaufmänni¬
sches Geschäft ,,ein häufiges Symbol für Vagina“ ist, Haß
eine andere Form der Liebe ist, Gold der Lohn einer Mait.resso
ist bei einem Manne, dessen Mutter ,,Golde“ heißt u. dergl. —
Verfasser verzeihe mir, aber das geht in meinen Köpf nicht
hinein. Auch wirkt St., wie so viele Freud sehe Schüler,
zu wenig überzeugend durch den Ton seines Vortrages. Er
arbeitet zu viel mit Axiomen, die noch längst keine allgemein
anerkannten Lehrsätze sind und scheut sich dabei auch nicht
vor gelegentlichen persönlichen Angriffen gegen diejenigen, 'die
die Freud sehen Lehren sich noch nicht zu eigen zu machen
vermochten. So spricht er von ,,Nichtsehen w o 11 e n" bei einem
französischen Kollegen und von einem „Affekt der Ablehnung“
bei ihm, der eine 1895 bereits erschienene französische Arbeit
nicht zur Psychoanalyse bei einer Patientin benutzt hat. Das
geht doch wieder einmal über die Grenzen wissenschaftlicher
Polemik hinaus und ist wenig geeignet, der Freud sehen
Theorie, deren Kern sicher gut ist und nicht geleugnet werden
soll, neue Anhänger zuzuführen.
7. Der Autor berichtet von einem Fall, wo der Chirurg,
obwohl der Neurologe zur Trepanation der rechten Schläfen-
gegend rät, zur Entfernung eines Hypophysentumors die linke
Stirnschläfengegend wählt und dadurch totale Aphasie und Hirn-
prolaps erzeugt; er weist darauf hin, daß auch die segens¬
reiche Hirnpunktion in der Hand der kompetentesten Chirurgen
nicht als ein Unbedenkliches angesehen werden kann; es folgen
darauf vier Krankengeschichten, die zeigen, daß auch die Lum¬
balpunktion unter Umständen irreparablen Schaden anzurichten
vermag, besonders bei Neubildungen des Gehirns. Kurz berührt
werden dann die schon öfter in der Literatur beklagten Fälle
von Lähmungen nach Schlösser sehen Injektionen.
Miiig von ivnniigkeii und ochlatrigkcit, die bei dem natürlichen
Einschlafen sich cinstellenden Empfindungen wachgerufen. Im
ganzen werden nur 20—40 Tropfen Chloroform verbraucht.
Unter den 300 Fällen boten 60—70% einen vollen, etwa 20%.
einen halben und 10% einen geringen oder gar keinen Erfolg. Es
eignen sich nur kleine Eingriffe: Probekürettagen, Cervixdila¬
tation, Einleitung und Ausräumung von Aborten mit Finger oder
Kürette, Diszision der Cervix, Aufrichtung des retroflektierten
Uterus, Ausbrennen von Karzinomen, Abbrennen einer Karun -
kula der Harnröhre u. dergl., nicht zu vergessen auch der Ge¬
burtsakt. Verfasser empfiehlt auch die Verbindung der
Suggestivnarkose mit der Lumbalanästhesie.
Die Suggestivnarkose ist völlig ungefährlich und hat keine
üblen Nachwirkungen. Mißlingt die Hypnose, so kann man ohne
weiteres zur Narkose übergehen. Ein Narkotiseur ist oft ent¬
behrlich. Ueble Nebenwirkungen wurden nur bei hysterischen
brauen in Gestalt aller Art hysterischer Anfälle beobachtet.
Erotische Träume sind nicht selten. Als therapeutische Ma߬
nahme empfiehlt Verf. die Suggestivnarkose bei Vaginismus,
Dyspareunie, Perversionen des Geschlechtstriebes, Hyperemesis
gravidarum und Dysmenorrhoe.
2. R. hat 6 Patienten, die an Morbus Basedowii litten, be¬
züglich der qualitativen Beschaffenheit des Blutes untersucht
und dabei meist verringerten Hämoglobingehalt, normale Zahl der
roten Blutkörperchen, daneben auch. Leukopenie, Lymphozytose
und Mononukleose gefunden. Die absolute und relative Lympho¬
zytose nebst Mononukleose geringen Grades ließ sich noch in acht
zweifelhaften Fällen nachweisen, so daß Verfasser in der Blut-
nntersuchung ein bedeutungsvolles Diagnostikum sieht.
zunächst eine längere geschichtliche Einleitung: die Entdeckung
Brocas vom Sprachzentrum in der 3. Stirnwindung; die Lehre
W ernickes von der Lokalisation des motorischen Sprach¬
zentrums ebenda, aber des sensorischen in der 1. Schläfen-,
windung. und von den 5 verschiedenen Arten der Sprach¬
störung; die Erweiterung von \\ ernickes Schema unter
Heranziehung eines Begriffszentrums zu 7 Aphasieformen durch
L i c h t h e i m; die weiteren Theorien W ernickes; die darauf
wieder aufbauenden Freuds, der zuerst besonders einzelne
Zentren für die einzelnen Bestandteile der Sprache leugnete,
•B a s t i a n s , S t o r c h s u. a. Mit letztgenanntem Autor nimmt
Verfasser ein Sprachfeld s. str. an, indem er die Unter¬
scheidung zwischen Klangerinnerungsbildern und Sprach-
hewegungsbildern verwirft. Es wird uns dann ein kompliziertes)
Schema vorgezeichnet, in welchem das motorische und das 1
akustische (V e r n i c k e sehe ) Zentrum zwei ruhende Pole
bilden, die aber mit verschiedenen Leitungsbahnen, in erster
Linie mit dem Sprachbegriffsfeld, dann aber auch mit einem
optischen Perzeptionsfeld, taktilen Perzeptionsfeld, Geschmacks¬
und Gcruchsperzeptionsfeld und mit motorischen Focis der ge¬
samten Körpermuskulatur, wie im besonderen der rechten Hand,
in Verbindung stehen. Hiernach unterscheidet G. eine sub-
kortikale sensorische Aphasie, eine kortikale sensorische
und motorische Aphasie, eine transkortikale sensorische und
motorische Aphasie und sucht darin alle Fälle von Sprach¬
störung unterzubringen; er widmet dann noch eine längere Be¬
sprechung den Störungen der Schriftsprache, bei denen er wieder
186
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 1*2
Verfasser erinnert dann an die Idiosynkrasien mancher Pa -
ii eil teil gegen gewisse Arzneimillol, nament lieh gegen neu« 1 , noch
zu wenig erprobte, weist dabei auf die Atoxylcrblindung der
letzten Jahre und die gleiche Schäden anrichtende Darreichung
größerer Arsazetindosen hin und schließt eine Krankengeschichte
von eingetretener Optikusatrophie nach einer Arsenkur daran.
Zum Schluß empfiehlt der bekannte Neurologe eine ganz be¬
sondere Beachtung der bedenklichen Nebenwirkungen von
Arzneimitteln in den einschlägigen Aufsätzen der medizinischen
Wochenschriften und therapeutischen Blätter.
8. Eine weitere Nachprüfung der bekannten aufsehen¬
erregenden Kobragiftreaktion M u c h s und Holz m a lins, vor¬
genommen in der psychiatrischen Klinik der Kölner Akademie
unter der Aegide Aschaff enburgs. Verfasser rekapituliert
zunächst die Resultate der bisherigen Versuche. Man hat im
ganzen zu wenig die Wirkungsweise der einzelnen Faktoren,
welche die Reaktion bedingen, beachtet. Die Auswahl der Blut¬
körperchen. die Herstellung der Kobragiftlösung, die Ver¬
wendungsweise des Serums erheischen eine aufmerksame und ziel-
bewußte Behandlung. Unter Anwendung dieser Ivautelen erneute
Untersuchungen haben bei Verfasser das Resultat ergeben, daß
sich die Psychosen an dem positiven Ausfall der Reaktion am
stärksten beteiligen, und unter diesen wieder die Dementia,
praecox-Gruppe.
9. Wie vor zwei Jahren Thoms in Berlin vor einer
größeren Aerzteversammlung den chemischen Aufbau und die
Wirkung unserer Schlafmittel dargelegt hat, so hat jetzt auch
Frankel in Wien sich der dankenswerten Aufgabe unterzogen,
einem weiteren Kreis von Medizinern das Verständnis für die
Wirkung der einzelnen Schlafmittel näher zu bringen. Verfasser
teilt die Schlafmittel in drei große Gruppen ein: in solche.,
welche Halogen, solche, welche Alkylradikale, und solche, welche
Karbonylgruppen enthalten. Drei Umstände erwirken die
Geltendmachung der hypnotischen Kraft des einzelnen Mittels:
Erstens muß die Substanz chemisch so gebaut sein, daß sie
in die nervösen Zentralorgane gelangt; zweitens hängt ihre
Wirkung von der Lipoidlöslichkeit ab; dazu kommt noch eine
dritte, uns bis heute aber unbekannte Eigenschaft.
Das Nähere über die einzelnen- bekannten Schlafmittel
möge der Leser im Original nachlesen.
10. Tierversuche Bürgis, welche feststellten, daß zwei
gleichzeitig oder nacheinander eingeführte Narkotika stärker
wirken, als man nach einer einfachen Addition der zwei Einzel -
effekte erwarten würde, besonders wenn die beiden Narkotika
nicht nahe verwandt sind, veranlassen den Verfasser, auf
eine eigene Publikation vom Jahre 1904 zurückzugreifen. Er
hatte damals dem Trional und Veronal kleine Morphiumdosen
zugesetzt; es erwiesen sich da kleine Auf- und Abwärts¬
bewegungen der Höhe der Morphiumdosis um 1 i Zentigramm
bereits als außerordentlich different. Ferner rekapituliert Ver¬
fasser noch Versuche mit refrakten Dosen Trionäls und Veronalä
und mit Kombinationen von Antipyreticis mit Alkaloiden bezw.
Hypnoticis der Fettreihe.
Nahnings- und Genußmittel.
Von Prof. Dr. med. Winckler, Bad Nenndorf.
Gewürze. — Oel.
Nutzen der Gewürze und des Speiseöls. Die Schlagworte der
Naturärzte, die bei uns wenig Eindruck mehr machen, scheinen
in England noch den Reiz der Neuheit zu haben. Denn ein
ärztlicher Mitarbeiter der medizinischen Zeitschrift „Lancet“
gibt, sich ernstlich Mühe, den Unverstand der naturärztlichen
Anpreisung „reizloser Kost“ darzutun. Er wundert sich
darüber, daß es jetzt Leute gibt, die das Kochsalz als ,,mildes:
Gift.“ betrachten, den Pfeffer ins Pfefferland zurückwünschen,
den Essig als Erzeuger von. Anämie und Gicht (!) verlästern,
den Senf ebenso wie den Pfeffer scheuen und das Olivenöl nicht
zulassen, weil es ,»schwer verdaulich“ sei und ,,die Einwirkung
des Magensaftes auf den Speisebrei verzögere“. Der englische
Arzt charakterisiert diese Beschuldigungen als lächerliche Irr-
tümer. Der Mensch empfinde genau, welches Gewürz dieser oder
jener Speise zugesetzt werden müsse; das Verlangen nach be¬
stimmten Gewürzen beruhe geradezu auf einem untrüglichen In¬
stinkt. Die berühmten Versuche von Pawlow hätten ein¬
wandfrei bewiesen, daß die Gewürze eine große und wichtige
Rolle nicht etwa bloß als Anreger des Appetits, sondern auch
GAN
bei der Verdauung spielen. Vom Essig sei außerdem zu rühmen,
daß er zähe Fasern in den Speisen erweiche und so der Ver¬
dauung vorarbeite. Die Anklagen gegen das Oel seien einfach
absurd. Dem könnt: 1 man hinzufügen, daß die meisten
gekochten Speisen ohne ein Gewürz fast unverdaulich sind.
So sind z. B. Kartoffeln ohne Salz absolut ungenießbar. Hypo¬
chondern, die sich durch ,.reizlose Kost“ schädigen, empfehle
man die Lektüre des trefflichen Buches von Dr. Wilhelm
S t e r n h e r g: ..Kochkunst und ärztliche Kunst; der Geschmack
in der Wissenschaft und Kunst.“ Stuttgart 1907, Verlag von
Ferdinand Enke.) Lehrreich ist auch die Abhandlung von
Professor L i c b r e ich: ,,lieber den Nutzen der Gewürze für
die Ernährung.“ (Vortrag, gehalten am 2. November 1903 in
der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheits¬
pflege zu Berlin, abgedruckt in den ,,Therapeutischen Monats¬
heften“, Februar 1904.)
Schweinefleisch. — Magermilch. — Butter.
Schweinetuberkulose, erzeugt durch Fütterung mit Mager¬
milch aus genossenschaftlichen Molkereien. Professor Dr.
A. Eber in Leipzig hat im „Leipziger Tageblatt“ vom
26. Februar d. J. eine Abhandlung über „die Bekämpfung der
Tuberkulose in den Schweinebeständen“ veröffentlicht, welche
wichtige neue Tatsachen anfuhrt und zum Nachdenken an-
regt. Wir erfahren daraus, daß die Schweinetuberkulose noch
zu Anfang der achtziger Jahre eine verhältnismäßig selteno
Krankheit war und erst seit der Entstehung der Genossen-
schafts- und Sammelmolkereien überhandgenommen hat. Da
sich nämlich unter der zusammengegossenen Milch vieler Kühe
häufig Milch von einigen tuberkulösen Kühen befindet und die
nach der Butterbereitung restierende Magermilch an die
Molkereigenossen verteilt und von ihnen an Kälber und
Schweine verfüttert wird, ist eine auffallende Zunahme
der Kälbertuberkulose und eine nicht minder erschreckende
Verbreitung der Schweinetuberkulose erfolgt. Durch die Reichs¬
fleischbeschau-Statistik ist festgestelli, daß im Durchschnitt
der Jahre 1905 bis 1907 in Deutschland rund ll 1 /-» Millionen
Schweine jährlich geschlachtet worden sind, worunter
rund 403 000 tuberkulös befunden wurden. Nach Eber handelt
es sich um echte F ü 11 c r u ngst u bcrkulose. Früher be¬
seitigte der Milchviehbesitzer jede mit Eütertuberkulose be¬
haftete Kuh bald aus seinem Stalle, um größerem Schaden zu
entgehen; jetzt hat er kaum Veranlassung zu solcher Vorsicht,
denn das kranke Tier nützt ihm noch, so lange es reichlich
Milch gibt, indem die Molkereigenossenschaft die gesamte Misch-
milch des Stalles abnimmt. Bemerkenswert ist folgender Aus¬
spruch unseres Gewährmannes: „W e n n jetzt i r g e n d w o
in dem Bezirk eine oder z w o i K ü h e m i t Euter-
tuberkulöse behaftet sind, so reichen die von
dies e n Tieren t ä g 1 i c h i n d e r Milch aus¬
geschiedenen Tuberkelbazillen aus, um die Ge¬
samtmilch der Molkerei zu infizieren.“ So wird
durch die Magermilch der Molkereigenossenschaften die Tuber¬
kulose unter den Schweinen verbreitet. Dem Leser drängt sich
selbstverständlich die Frage auf: W e n n schon die M a ger-
milch aus den Genossenschafts - und Sammcl-
molkereien so gefährlich ist, daß nach ihrem Ge¬
nuß Schweine erkranken, obgleich diese Tierart von Haus aus
gar nicht zur Tuberkulose disponiert ist, wie steht es dann
mit dem Hauptpro d u k t aus der verdächtigen Milch,
mit, der Butter? Auf diese berechtigte aber heikle Frage
geht Eber nicht ein, weil nur die gefährdete Schweinezucht
in den Rahmen seines Themas fällt; er streift diese Frage nur.
Gegen Ende seiner Abhandlung sagt er sehr richtig: „Da
gibt es nur ein Mittel der Abwehr: Pasteurisierung de n
M i 1 c h vor ihrer V e r a r b e i t, u n g; damit würde auch zü -
gleich eine wichtige Forderung der allgemeinen Hygiene, für
den Menschen eine garantiert tuberkelbazillenfreie
Butter zu gewinnen, in der idealsten Weise erfüllt.“ Einst¬
weilen, bis dieser Vorschlag allgemein ausgeführt werden wird,
muß der Hygieniker den modernen Genossenschaftsmolkerei- oder
Sammelmolkerei-Betrieb, der sich infolge der Erfindung und
allgemeinen Einführung der Milchzentrifuge entwickelt hat, auf
Grund der Eberschen Darlegungen für einen Rückschritt,
mindestens für eine sehr verbesserungsbedürftige Einrichtung
halten, welche sicherlich die Schweine, möglicherweise auch die
Menschen gefährdet.
Branntwein.
Enormer Rückgang des Branntweinkonsums in Deutschland.
Was Belehrungen, Bitten und Warnungen seitens der Hygieniker
JNIVERS
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
187
in Jahrzehntun nicht bewirken konnten, hat ein von der sozial-
dunioki a i is<• 1 1'>11 Parteileitung ungeordneter Boykott mit einem
Schlage bewirkt: eine starke Einschränkung des Schnaps -
Verbrauchs. Deutschland konsumierte
' °J, n ^' ^kt-br. bis 31. .Jan. 1907/08: 854 000 hl Trinkbranntwein,
vorn 1. Oktbr. bis 31. Jan. 1908/09 :• 863 000 hl Trinkbranntwein*
vom 1. Oktbr. bis 31. Jan. 1909/10: 577 000 hl Trinkbranntwein.
Der Verbrauch von Trinkbranntwein ist also u m ein
1) r i 11 e 1 z u r ü c k g e g a n gen, um 286000 Hektoliter binnen
vier Monaten! Die guten Folgen werden sich bald bemerklieh
machen; Krankheiten von der Lebercirrhose bis zum Deli¬
rium tremens, — Vergehen und Verbrechen — von der ein-
geschlagenen Fensterscheibe bis zum eingeschlagenen Schädel —
werden seltener werden. Aber da die plötzliche Mäßigkeit der
Sehnapstrinker nicht auf wirklicher Erkenntnis der Gefahren des
Alkohols, sondern bloß auf Parteileidenschaft beruht, wird sie
voraussichtlich nicht lange andauern. Bisher hatte die. Schnaps-
pest beständig zugenommen, so daß Deutschland unter den
Kulturländern als Branntwein konsumierendes Land neuerdings
an dritter Stelle steht, nachdem es von 1895 bis 1899 noch
an fünfter stand.
Diabetiker-Gebäcke.
Ueber Diabetiker-Gebäcke des Handels (Zusammensetzung
und Anwendung) hat Prof. Dr. A. Magnus -Le vy in der
,,Berliner klinischen Wochenschrift“ vom 7. Februar 1910 eine
höchst lehrreiche, praktisch wichtige Arbeit veröffentlicht. Wir
Ienien daraus erstens, daß der wirkliche Kohlehydrat-(Stärke
Gehalt der Diabetikergebäcke durchweg bedeutend größer ist
:ils die Fabrikanten angeben. Der Kohlehydratgehalt beträgt
z. B. im
wirklich: angeblich:
Rin
[Icmannschen
Diabetikf
sr-Schwarzbrot . .
46°/o
210/0
Rin
[lemannschcn
Diabefik
er-Veil
ßbrot . . .
37o/o
25o/o
Rin
demannschen
lliubelit
;er-Gra
hambrot
46o/o
16 %
Gei
rickes Droit’«
ich -Porte
rbrot
20 °,o
120/0
Gu
mperts Diabf
■tiker-Wi:
■ißbrot
doppelt
370/,,
2 6,5 0/0
Gu
mperls Diabe
tiker-We
ißbrot
einfach . .
42 o/o
34,(5° 0
Kl.
»plers Glidinebrot .
33 %
20° 0
du
mperts Diab.-
liker -Zwieback
doppelt . .
27 0/0
17,8 »/o
Der Autor
folgert
hieraus
mit Recht
: „Be
im Verlaß
a u
f fl i e A n g
abe n di
3 r F a
b r i k ante
n k a n
n der D i a. -
l>o
t i k e r s o m
. it sch
w e r
g e s c h ä d i
g t w
erden.“ —
Zw
eite ns lernen
i wir aus den,
in einer zweiten
Tabelle zu-
sammengestellten, 45 vollständigen Analysen von Brotersat#-
sorten, Diabetikerbroten, Diabei ikerzwiebacken, Diabetiker-
stangen und -Makronen, Diabetikerdelikatessen, Diabetiker¬
mehlen und gewöhnlichen (Nichtdiabetiker-j Gebacken, die
chemische Zusammensetzung jedes Gebäcks genau kennen.
Da aus dieser Tabelle klar ersichtlich wird, daß die eigent¬
lichen Dia b e t i k e r b rote n u r wenig kohlehydrat -.
ä r in e r sind als die gemeinen Brotsorten , möchte
ich annehmen, daß diese Diabetiker-Gebäcke entbehrlich seien.
Magnus - Le vy sagt selbst: ,,Es ist möglich, ohne, sie äuszu-
kommen; Naunyn hat sio fast nie benutzt.“ ln der Tat, da
gemeines Kommißbrot 50, Schwarzbrot 51 und westfälischer
Pumpernickel sogar nur 46°/o Kohlehydrate enthält, hingegen
Aleuronatbrot 44, Rademanns Diabetiker-Schwarzbrot 45,8,
Gumperts Diabetiker-Einfach-Weißbrot 42°/o, so erscheinen
die Unterschiede recht geringfügig. Dazu kommt — drittens —,
daß kein einziges Diabetikergebäck, auch nicht das kohlehydrat¬
reichste, den Wohlgeschmack eines gewöhnlich guten Bäcker¬
brotes erreicht! Trotz alledem zieht Magnus-Le vy nicht
den Schluß, daß diese G’ebäcke völlig entbehrlich s:>ien; er
verlangt aber bessere Garantien bezüglich ihrer Zusammen¬
setzung. — Bei der ungeheuren Verbreitung des Diabetes mellitus
und angesichts des wachsenden Konsums der Diabetiker-Gebäcke
sollte jeder praktische Arzt von der verdienstlichen Abhand¬
lung Magnus-Levys, wenigstens von seinen in der zweiten
Tabelle übersichtlich zusammengestellten wertvollen Analysen
Kenntnis nehmen.
Milch- und Mehlspeisen.
Herabsetzung der Darmfäulnis durch Milch-Mehldiät. Kürz¬
lich ist das berühmte Werk des Professors Combe: „Die in¬
testinale Autointoxikation und ihre Behandlung“, übersetzt von
San.-Rat Dr. C. Wegele, bei Ferdinand Enke in Stutt¬
gart (1909) erschienen. Wir entnehmen diesem anregenden
Buche, das den deutschen Aerzten dringend empfohlen sei,
einige wichtige Angaben. Die Darmfäulnis kann durch eine
spezielle Diät wesentlich beeinflußt werden und zahlreiche, auf
Selbstvergiftung beruhende Kraukheitszuslände können damit
rationell behandelt werden. Gesteigert wird die Darmfäulnis
durch Fleisch und Hülsenfrüchte, in etwas geringerem Maße,
durch Eier, auch durch Fette. Fäulniswidrig wirken Milch
und Milchprodukte, sowie. Mehlspeisen mit Ausnahme der
Hülsenfruchtmehle (Bohnenmehl, Erbsenmehl, Linsenmehl u
Die Milch ist ein fäulniswidriges Nahrungsmittel infolge ihres
Gehalts an Milchzucker, von dem sich durch Einwirkung aerober
Dünndarmbazillen — Bac. coli und lactis aerogenes Milch¬
säure und Bernsteinsäure abspalten. Diese Säuren vermögen
die anaeroben Fäulnisbakterien des Dickdarms in der Zer¬
setzung des Kaseins der Milch und des Eiweißes der stickstoff¬
haltigen Nahrungsmittel, die sich in ihrer nächsten Umgebung
finden, zu behindern. In diesem Sinne gibt man reine Milch,
Magermilch, Molken, Buttermilch, Sauermilch, Quarkkäse; auch
Kumys und Kefir können verordnet werden. Was die mehl-
haltigen Speisen betrifft, so kommt nach Combe in Betracht*
daß ihr Eiweißgehalt geringer ist als der Mcs Fleisches, der
Eier und der Hülsenfrüchte, daß dieses Eiweiß weniger leicht,
fault und daß diese Speisen einen schlechten Nährboden für die
proteolytischen Bakterien abgeben, ferner, daß ihre Verdauung
den Darm wenig in Anspruch nimmt, indem das Ptyalin des
Speichels eine eventuelle Insuffizienz des Pankreas bei der
Amylolyse ersetzen kann. Nach alledem sei die ,,milch-mehl-
haltige Diät die eigentliche fäulniswidrige Diät“. Sie sei
indiziert bei allen auf gastrointestinaler Autointoxikation be¬
ruhenden Affektionen, insbesondere bei gastrischen Krisen,
Cholangitis, bei manchen Fällen von Tachykardie, Arhythmie, pal-
pitante, dyspeptischem Asthma, Neurasthenie, Stirnkopfschmerz,
Gedächtnisschwäche, Migräne, pseudoepileptischen Zufällen,
gastrischer Hypochondrie, intestinaler Psychose, Wachstums-
Störungen, dyspeptischer Albuminurie und bei Anämie, nament -
lieh bei perniziöser Anämie. Die Bedenken, die von verschiedenen
• Seiten gegen die Milch-Mehlspeisendiät erhoben worden sind,
sucht, Combe zu widerlegen. Als solche Bedenken führt er
an: daß eine solche Diät den Kranken nicht genügend kräftige,
ihm zu wenig Flüssigkeit zuführe und dadurch die Harnaus¬
scheidung herabsetze, bei Kindern Barlowsche Krankheit er¬
zeuge, eine Säuredyskrasie hervorrufe, Diabetes mellitus ver¬
ursachen könne, durch Reizlosigkeit den Appetit beeinträchtige
und bei der mit Durchfällen einhergehenden chronischen Ent¬
zündung des Dickdarms und auch des Dünndarms, sowie bei
Dünndarmdyspepsie ohne Entzündung, schädlich sei. Von diesen
vielen Bedenken läßt Combe die letzten beiden Kontra-
indikationen gelten, außerdem die Gefahr der Entstehung einer
S ä u r e d y skrasic als Folge der bedeutenden Milchsäure -
bildung im Darmkanal aus den eingeführten milch zucker-, Stärke¬
mehl- und milchsäurehaltigen Nahrungsmitteln. Er meint aber
diese Gefahr dadurch beseitigen zu können, daß er den
Säuerungsprozeß bei den sauren Milchprodukten, die er reicht,
niemals 24 Stunden überschreiten läßt. I m m e r h i n s c h e i n t
u n s a u c. h diese. Form vegetarisc h e r Diät n i c h t
u nbedenklic h z u sei n.
Militärgesundheitsdienst.
Rcf.: Generaloberarzt a. D. Dr. M. Peltzer. Steglitz.
Die Verhütung der venerischen Erkrankungen im Heere.
Von Privatdozent Dr. V. K. Ruß, k. u. k. Regimentsarzt.
Die Umschau, 1910, Nr. 7, S. 131.
Eine Maßregel, deren Zweckmäßigkeit uns persönlich aus
mehrfachen Gründen zunächst noch zweifelhaft erscheint, ist in
der österreichischen Armee eingeführt. Um die Infektionskeime,
welche der Soldat bei einem Koitus etwa in sich aufgenommen;
hat, „noch vor Beginn ihrer Wirksamkeit aus dem Körper zu
eliminieren oder zu vernichten“ und dadurch der Weiterver¬
breitung der venerischen Erkrankungen im Heere einen Riegel
vorzuschieben, wird in den Kasernen ein Kästchen mit folgen¬
dem Inhalt bereit gehalten; „Ein braunes Glasfläschchen mit
3 proz. Albarginlösung, ein Gefäß mit Vs prom. Sublimatlösung,
in welchem vier Tropfgläschen stehen und zwei Tonschalen,
deren eine mit 1 prom. Sublimatlösung getränkte Tupfer ent¬
hält. während die andere leer ist.“ Dieses Kästchen soll der¬
art auf gestellt sein, daß jeder von einem Ausgange heim-
ISS
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 12
kehrende Mann sich unbeobachtet seine Genitalien desinfizieren
kann. Er zieht mittels eines Tropfglases einige Tropfen Al har-
ginlösung aus dem Fläschchen, bringt sie durch Druck auf die
Gummikappe in die Harnröhrenmündung und hält diese kurze
Zeit mit Daumen und Zeigefinger geschlossen. Dann nimmt er
einen Sublimattupfer, wischt damit den jetzt austretenden.
Albargintropfen ab, reinigt das ganze Genitale und wirft den
gebrauchten Tupfer, in die leere Tonschale. Diese, spätestens
3 Stunden nach dem Koitus durchzuführende Prozedur ist vom
Militärarzt zu demonstrieren. Auch soll der Mann angewiesen
werden, sofort nach dem Koitus zu urinieren und sich die
Genitalien mit Seife und Wasser zu waschen. Wir glauben,
den zahlreichen Bedenken, welche wenigstens bei uns gegen eine
Einführung dieser Maßregel in die Armee sprechen dürften, nicht
erst einzeln Ausdruck geben zu brauchen, sic liegen nach
unserer Ansicht auf der Hand. In - Oesterreich sollen aller¬
dings die venerischen Infektionen danach von ca. 55—62°/ 0 o
der Kopfstärke auf 5Q?/ 0 o, in einzelnen Truppenteilen sogar
auf ein Minimum gesunken sein. Ein endgültiges Erteil be¬
hält sich Verf. noch vor.
Schulzahnpflege.
Durch den vorjährigen, glänzend verlaufenen zahnärztlichen
Kongreß wurde die Aufmerksamkeit der Schulärzte auf die
Wichtigkeit einer guten Mund- und Zahnpflege als Vorbeugungs¬
mittel gegen Infektionskrankheiten und insbesondere Tuber¬
kulose gelenkt. Von ganz besonderem Interesse waren die Vor¬
träge, welche in der Sektion Mundhygiene unter dem Vorsitz
von Professor Jessen in Straßburg über Beziehungen zwischen
Mundleiden und Zahnkrankheiten zu Allgemeinleiden gehalten
wurden. — Es wird jetzt mehr und mehr anerkannt, daß die
Schulzahnkliniken von weittragender Bedeutung sind und es
wendet sich jetzt vielfach die Wohltätigkeit diesem Gebiete zu.
So lesen wir im „Generalanzeiger“ für Mannheim: „Der Stadtrat
beschließt auf Antrag der Schulkommission, vom nächsten
Schuljahr ab an der hiesigen Volksschule —' ausschließlich
Bürgerschule und Fortbildungsschule — die geordnete Zahn¬
pflege in der Weise einzuführen, daß die Untersuchung und
Behandlung der Schulkinder dem hiesigen Zahnärzte verein, unter
dessen Mitgliedern den Behandlungsbedürftigen freie Wahl zu-
steht, übertragen wird. Die Mittel zur Deckung des voraus¬
sichtlich entstehenden Aufwands für 3 /i Jahr in Höhe von
19 958 M. werden in den Voranschlag der Volksschule pro 1910
eingestellt.“
Der rührige Vorkämpfer für die Idee der Schulzahnkliniken,
Professor Jessen, Straßburg, weilt, wie die „Deutsche Zahnärzt¬
liche Zeitung“ mitteilt, zurzeit in Skandinavien, um dort in
einigen großen Versammlungen für seine Ideale einzutreten.
Das uns zugesandte Exemplar der verbreitetsten Tageszeitung
Dänemarks „Politiken“ vom 26. Januar gibt hiervon in Wort
und Bild den weitesten Kreisen Nachricht... Die Abbildung stellt
Professor Jessen auf dem Katheder im großen Sitzungs¬
lokale der Medizinischen Gesellschaft zu Kopenhagen dar, weiter¬
hin den Präsidenten der Gesellschaft Oberarzt Flöystrup und
den Vorstand des Aerztlichen Vereines in Kopenhagen, Dr.
S c h e e 1 , auch Zahnarzt Thorlaksen, welcher eine Schilde¬
rung von den bis jetzt zur Bekämpfung der Karies unter den
Schulkindern in Dänemark unternommenen Schritte gab. Ueber
die Sitzung selbst berichtet „Politiken“: „Es war eine aus¬
nahmsweise notable Versammlung von Kopenhägener Aerzten
und Zahnärzten, welche gestern abend ihrem geehrten Gast,
Herrn Professor Jessen, ein fröhliches Willkommen bot, als
dieser berühmte Arzt und Zahnarzt den Katheder im Saale der
Medizinischen Gesellschaft betrat. Professor Jessen hielt einen
ausgezeichneten Vortrag über Zahnpflege in den Gemeinde-
schulen, unter Vorführung vortrefflicher Lichtbilder, die wir
leider nicht wiedergeben können. Hieran schloß sich eine Dis¬
kussion. Alle Redner waren einig, daß die Errichtung von
Schulzahnkliniken eine wichtige Aufgabe sei, welche immer
dringender wird, man habe aber Angst wegen der Kosten. Mit
Professor Ernst Jessens Besuch hier oben ist der Anstoß
gegeben zu einem neuen Kampf, der Bestrebung, die Zähne der
Aufwachsenden gesund zu halten. Ein jeder, welcher in diesem
Kampf mithelfen will, sollte sich einmelden in den „Dänischen
Verein für Kinderzahnpflege“. —r.
Varia.
Das Saucrstoffbad in der ärztlichen Hauspraxis bespricht
Dr. Julius B a e d e k e r im Februarheft der Therapie der
Gegenwart.
Die Arbeit ist um deswillen besonders beachtenswert, weil
sie zeigt, was der praktische Arzt bei gutem Willen durch¬
führen kann, ohne sich und den Patienten zu belasten. Es ist
sehr erfreulich und voll anzuerkennen, daß der Autor in der
Praxis Messungen des Pulses, Blutdrucks, der Atmung. Herz-
größe, Herztöne, vorgenommen hat und seine Ergebnisse in
einer Tabelle übersichtlich bringt. Auf den Inhalt sei hier
im einzelnen nicht eingegangen, das sei vielmehr Aufgabe des
Lesers, der dabei Freude haben wird. Möchten recht viele,
praktische Aerzte dem Autor nacheifern, dann wird der Wider¬
wille gegen Bäder bei den Laien und damit identisch die
Kontraindikation bei den Aerzten viel seltener werden.
, H a u f f e , Eben hausen.
Reils Qualm- und Feuerbäder vor 100 Jahren. Von Roth,
Halle. Reichs-Medizinal-Anzeiger, 1910, Nr. 3.
Vor einem Säkulum richtete J. G. Reil in dem Witte -
kinder Bade mit Wasserdämpfen geschwängerte Qualm- und
Feuerbäder ein gegen Gicht, Steifheit der Glieder, Ankylosen,
Anschwellung der Beinhaut, Knochenschmerz und die Folgen
„unglückseliger Quecksilber kuren“. Gesunde sollen 1 bis
4 Stunden, Kranke bis zu 12 Stunden ausharren. Die Tempe¬
ratur betrug 100—160° Fahrenheit. Immerhin paßt das Qualm-
bad nicht für solche Personen, die. „zuviel Empfindlichkeit, ein
schlaffes Gewebe der festen Teile und eine Neigung zur Auf¬
lösung der Säfte“ haben. Sehr groß ist die Wirkung der
Qualmbäder „auf das Geschäft der Ausdünstung“. „Müssen nicht
in diesem Zustand alle Residuen der zoochemischen Prozesse
mit Macht ausgestoßen, die Lebensflammen nach außen ge¬
trieben, die Wasseransammlungen zerteilt, die rheumatischen
Affekte getrennt und die Oszillationen des Säftekreislaufes
überall in Gleichgewicht gebracht werden ?
v. R u t k 1 o w s k i, (Berlin.,
Der Einfluß atmosphärischer Veränderungen auf das Be¬
finden. Von Fr. v. d. Velden. Aerztliche Rundschau, 1910,
Nr v . 4.
Die atmosphärischen Schwankungen, nämlich die Verände¬
rungen des Luftdruckes, der Temperatur und der Luftfeuchtig¬
keit, üben, von ihren äußersten Extremen abgesehen, auf das
Befinden des gesunden Menschen keinen Einfluß aus, werden aber
des kranken, halbkranken und empfindlichen Menschen leicht
unangenehm. Diese suchen sich daher ihnen zu entziehen und
vermehren dadurch ihre Empfindlichkeit. Um gesund zu bleiben,
muß man den atmosphärischen Einflüssen Zutritt zu seinem
Körper gewähren, natürlich nur in gewissen Grenzen, jede
Uebertreibung schadet. Hat man erst mittels Kaltwasserproze-
duren eine gewisse Abhärtung erreicht, so tue man dann in
dieser Beziehung des Guten nicht zuviel. Eine leichte, gas¬
durchlässige Kleidung macht hinreichende Wärmeentziehung.
Auch die Annahme, daß im Luftbad die Ausdünstung der Haut,
besser vonstatten geht, als in leichter Kleidung, ist falsch.
Denn die warme Haut perspiriert besser als die durch die
Kälte anämisierte. Auch Sonnenbäder sind schädlich, da unsere
unpigmentierte und unter den Kleidern atrophisch gewordene
Haut nicht ohne weiteres am ganzen Leib der Sonne ausgesetzt
werden kann, ohne darunter zu leiden.
v. Rutk*owski, Berlin..
Der Wert der feineren Pulsuntersuchung in der Praxis.
Von B. Fellner jun., Franzensbad. Reichs -Medizinal-Anzi.,
1910, Nr. 3.
Verfasser ist der Ansicht, daß ein Sphygmogramm niemals
die Höhe der Pulswslle richtig wiedergibt. Er benutzt deshalb
zur Feststellung der Pulsamplitude das Sphygmomanometer von
Riva-Rocci, verbunden mit der auskultatorischen Methode
von Fellner und Korotkoff. Man achtet hierbei auf den.
Gefäßton der Arterie, welcher bei der Kompression derselben
entsteht und bei noch stärkerem Druck wieder verschwindet.
Die beiden Druckgrenzen, innerhalb welcher die Arterie tönt,
entsprechen dem systolischen und diastolischen Blutdruck. Qie
Differnz beider ist das mathematische Maß der Pulsamplitude.
v. Rutkowski, .Berlin.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
189
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Lieber die Behandlung (Heilung?) pseudoleukämischer
Drüsenaffektionen mit Arsazetin. Von Priv.-Doz. Dr. Nae-
gcli, Zürich. Ther. Monatshefte, Februar 1910.
2. Zur Beurteilung des Arsazetins (Ehrlich) und seiner
Einwirkung auf den Sehnerven. Von Dr. Franz Hammes,
Trier. Deutsche med. Wochenschr., 1910, Nr. 6 .
3. Das Glyzerin in der Behandlung der Anguillulose. Von
Dr. L. Preti, Pavia. Ther. Monatshefte, Februar 1910.
4. Ein Beitrag zur Jothiontherapie. Von Dr. Hans
Leyden. Ibidem.
5 . Lieber ambulante Epilepsiebehandlung mit besonderer
Berücksichtigung des Sabromin. Von Dr. Froehlich, Ber¬
lin. Ther. d. Gegenwart, Februar 1910.
1. Naegeli berichtet über drei Fälle pseudoleukämi¬
schen Drüsenaffektionen, bei denen er das Ehrlichsche Ar¬
sazetin angswendet hat, und zwar hei zwei Fällen mit
gutem, bei dem einen sogar mit erstaunlichem Erfolge. Hier
handelte, es sieh um einen 40 jährigen Mann, bei dem anhaltendest
hohes Fieber zur Kachexie und zu drohendem Exitus geführt
iiatte. Eine Probelaparotomie ergab ausgedehnte retroperitoneale
Lymphknotenanschwellung, die als malignes Granulom ange¬
sprochen wurde. Unter interner Anwendung von 4 mal täglich
0,05 Arsazetin in Pulvern trat in 2 Tagen sofortige und an¬
haltende Entfieberung bei dem seit 7 Monaten hoch fiebernden:
Manne ein. Rapid fortschreitende Besserung und Gewichts¬
zunahme von 31 Pfd. in 2 Monaten; vollkommene Hei¬
lung. Die verbrauchte, Gesamtdosis betrug 11,8 g Arsazetin.
ln letzter Zeit waren täglich nur 2 Pulver zu 0,05 g verab¬
folgt worden. Niemals Intoxikationserscheinungen. Auch im
Fall III Besserung bis zu völliger Arbeitsfähigkeit, ohne In¬
toxikationserscheinungen. Im Fall II keine Besserung, auch eine
Zeitlang zeitweilig auftretendes Flimmern in den Augen beim
Sehen in die Weite. Später ist trotz Steigerung der Dosis diese
Erscheinung' nicht wieder aufgetreten. Die. sonst beobachteten
Arsazetinschädigungen i Albuminurie und Sehstörungen ) haben
N. veranlaßt, nicht subkutan das Mittel zu verabreichen. Es
zeigte sieh, daß Dosen von 4X0,05 g und noch kleinere Dosen
außerordentlich wirkungsvoll sind. Die Art der Wirkungsweise
stellt sich N. so vor, daß das Arsazetin auf den Erreger des
malignen Granuloms (einen solchen" nimmt er wegen des
Fiebers, der Leukozytose und vor allem wegen des histologi¬
schen Bildes der Drüsen an) direkt einwirkt, aber in ganz
besonderer und eigenartiger Meise, da. eine gewöhnliche
A l* s e li Wirkung nicht vorlieg't. Denn bei. Arsenreiehung hat
N. in 20 Fällen von malignem Granulom nie Entfieberung und
Gewichtszunahmen oder Heilungen gesehen. Die Beobachtungen
N a eg elis fordern zur Nachprüfung auf.
2. Verf. berichtet über einen Fall von Sehnervenatrophie,
die im Anschluß an Arsazetinverabreichung eingetreten war.
Vier Wochen nach der erstell Injektion bestand vollkommene
Amaurose und Albuminurie. Der Kranke, hatte, jeden 2. Tag
eine Einspritzung einer lOproz. Lösung erhalten, im ganzen
0 8 g Arsazetin. Wegen der üblen Erfahrung, die Verf. gemacht
hat, warnt er die praktischen Aerzte vor allgemeiner An¬
wendung des neuen Präparates, bevor nicht weitere Erfahrungen
gesammelt sind. v — Dazu ist zu bemerken: Der Kranke H.s!
hat vor der Arsazetiukur Injektionen von Natrium arseiiicosnm
in 7 Dosen von 0,2—0,5 mg, im ganzen 2,4 mg erhalten. Im
Verlaufe dieser Einspritzungen trat Herzinsuffizienz mit
Oedemen und hypostatischen Lungenerscheinungen auf, welche
auf Digit alisinf us zurückging'. Die letzte Arseninjektion
wurde sieben Tage vor der erstell Arsazetineinspritzung ge¬
mocht Es fragt sich also, oh nicht etwa eine Kumulation,
oder sonstige Schädigung infolge der voraufgegangenen Arsen¬
kur Vorgelegen hat, und ob nicht etwa die Albuminurie auf'
die vorübergehende Herzinsuffizienz zurückgeführt werden muß,
ße 3 Die Anguillula intestinalis i.Nematodenart.)
ruft, im Darin schwere Veränderungen hervor, Zustände,
die unter dem Namen Anguillulose bekannt sind. Bisher reichten
die Mitt»l nicht aus, den Parasiten völlig ans dem Darm zu
vertreiben, z. B. das Thymol, Ext.r. aeth. lilicis maris. Chloro-
formwasscr usw. Verf. gab 25 g reines neutrales Glyzerin und
UNIVERSITY OF MICHIGAN
gleich danach nochmals 25 g in Gelatinekapseln (zwecks Vor-
Zögerung der Absorption des Glyzerins»; nach 2 Stunden noch
30 g rektal. Dio Patienten empfanden nur leichtes Brennen,
im Schlunde. Diese Behandlung, zweimal wöchentlich vor-
genommen, erzielte völliges Fehlen der Anguillulalarven im
i Stuhle.
4. Bei Nasenschleimhautkatarrhen wandte L e y d e n bei sich
und anderen 5 proz. Jothion-Glyzerin in Form von .Pinselungen
an, wonach momentan diu Atembeengimg unter Auslösung von
Niesreizen nachließ. Bei einem nässenden Hautekzem im Ge¬
siebt eines Kindes brachte folgende Komposition Heilung: Rp.
Jothion 2,5, Alcoh. abs. 10,0, Glyzerin <wasserfrei) ad 50,0.
Frauen mit Fluor alb. unbestimmter Herkunft wandten mit
Erfolg (jeden 2. Abend im Bett einzuführende) Jothion-Globuli
an, die von der Viktoria-Apotheke in Berlin SW. hergestellt
werden und folgende Zusammensetzung haben: ca. 11 g Gelatine
werden in 100 g wasserfreiem Glyzerin durch Erwärmen ge¬
löst. Dann wird 5 g Jothion hinzugesetzt. Die halberkaltete!
Masse wird in Globuli-Form gegossen. Nach 3—4wöchentlicher
Behandlung war meist der Ausfluß beseitigt-; ebenso Erosionen
der Portio.
5. Neben lakto-vegetabilischer, möglichst salzfreier Diät, hei
welcher aber keine Unterernährung stattfinden darf, empfiehlt
Verf. das Sabromin zur Bekämpfung der Epilepsie. Er hat
mit dem Präparat ausgedehnte Versuche vorgenommen und an
14 Kranken 3U> kg verbraucht. Er bezeichnet seine Erfolge als
„geradezu glänzend“ und fand, daß man täglich 3- 4 g geben
muß. Die Tabletten werden zerkaut und mit Wasser her¬
untergespült. Empfindliche Kranke- sollen das Mittel nur bei
gefülltem Magen nehmen. Wichtig ist es, daß das Präparat
Monate hindurch genommen wird. Erst allmählich darf man mit
der Quantität zurückgehen. Verf. hat bei Sabromin nie eine
Bromakne gesehen oder schlechte Bekömmlichkeit des Präpa¬
rates. Trotz der geringen Menge des eingeführten Broms er¬
zielt man gleiche Resultate wie bei den ßromalkalien.
Technische Neuerscheinungen.
Ucber ein neues Instrument zur automatischen
Perkussion verbunden mit einemPhonendoskop.
Von Dr. Franz Rosenfeld.
Spezialarzt für Nasen-, Hals- und Lungenleiden.
Während die Wissenschaft auf allen Gebieten der LJnter-
suchungsmethoden außerordentliche Fortschritte gemacht
hat, während man Mittel und Wege gefunden hat, Instru¬
mente zu benutzen, die mit fast absoluter Sicherheit die
Krankheit erkennen lassen, ist dies auf einem der wich¬
tigsten Gebiete, der Perkussion, nicht der Fall. Ich meine
damit, daß wir noch heute die Perkussion auf dieselbe Art
ausiiben, wie scholl vor vielen Jahrhunderten, entweder
dadurch, daß wir einen .Finger der einen Hand auf die
Brustwand au liegen und mit. einem Finger der andern Hand
die Schallunterschiede zu bestimmen versuchen, oder die
Finger durch .Hammer und Plessimeter ersetzen. Jeder
Arzt perkutiert anders als der andere, der eine laut, der
andere leise, der eine mit dem Finger, der andere mit.
dem Hammer und Plessimeter. Und nirgends finden wir
größere Differenzen in der Bestimmung der inneren Organe,
der Schallunterschie.de .und dadurch auch ofl der Krken-
nung des betreffenden Leidens, als hier.
Wir sind alle Selbsttäuschungen unterworfen. Schon
die Anamnese des Patienten beeinflußt uns leider oft, bei der
nachher vorgenommenen .Untersuchung vielleicht perku¬
torisch Schalldifferenzen .zu finden, die wir sonst nicht
gefunden hätten; schon der Bau des Thorax zwingt uns
oft unwillkürlich, den Finger oder das Plessimeter nicht
unmittelbar auf die Unterlage aufzudrücken, und der Schall
ist dann sofort ein anderer, als er sonst wäre. Jeder
von uns ist ja leicht in der Lage, eine Dämpfung durch
leichtes Anheben des Fingers zu perkutieren, die nie vor¬
handen ist, und so können für den Patienten und auch für
UNIVERSITY OF MICHIGAN
190
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 12
den Arzt aus einer falschen Perkussion Konsequenzen enl-
stehen, die nicht zu übersehen sind, da sie für die Erkenntnis
der Erkrankung und deren Behandlung maßgebend sein
sollen.
Die Perkussion ist eine Kunst, die nicht jeder erlernen
kann, sie soll auch eine Kunst bleiben, selbst wenn man
ihr den subjektiven Charakter nimmt und sie dem
Willen des Arztes entzieht. Ich habe nun auf Grund jahre¬
langer Versuche unternommen, ein Instrument herzustellen,
das u n a b hängig v o n d e in U n t e r s u c h e n d e n den
Schlag stets mit der gleichen Stärke wiedergibt, und uns
somit die Möglichkeit schafft, subjektive Fehler auszu¬
schallen.
Fig. l.
Das Wesentliche des Instrumentes ist also der stets
gleiche Schlag, ausgelösl durch den Druck der Plessi¬
meterplatte.
Mit dem Perkussionsinstrument kann zweckmäßig auch
ein Phonendoskop verbunden werden, so daß der Arzl
auch hiermit auskultieren kann.
Auf der Zeichnung isl der Erfindungsgegenstand in
einer Ausführungsform beispielsweise veranschaulicht.
Fig. 1. Das Instrument in der Ruhestellung.
Fig. 2. Das Instrument in der Benutzungsstellung.
Die Auslösung des Apparates erfolgt durch den beim
Aufsetzen der Plessimeterplatte auf die zu untersuchende
Körperstelle entstehenden Druck. Der an der Platte be¬
festigte Hebel ist um den Festpunkt drehbar, und wird durch
die Feder in der aus der Zeichnung ersichtlichen Eage ge¬
halten. Zusammen mit der drehbar angelegten Gabel dreht
sich der Hebel mit der Achse um einen fixierten Punkt. Die
an der Achse befindliche Kurbel wird mit einer gelagerten
und drehbaren, mit konischer Spitze versehenen Schiebe-
slaiige vorwärts .bewegt, und der an der Gabel befindliche
Hammer vom Stift in dem Augenblicke ausgelöst, wo der
Hebel die höchste Stellung erreicht hat. Gleichzeitig wird
die Gabel durch die um die Achse gelegte Spiralfeder
herunter geschnellt und schlägt dann den Hammerkopf gegen
die Plessimeterplatte, wie aus der punktierten Stellung in
Fig. 2 zu ersehen ist. Durch die Aufwärtsbewegung des
Hebels geht der Ansatz des anderen Hebels nach unten und
schafft so der Gabel freien Raum. Schlägt dann der
Hammerkopf gegen die Platte, so nähert sich auch die
Gabel dem Ansatz des Hebels.
Fig. 2.
Beim Aufhören des Druckes gegen die Platte nehmen
sämtliche Hebel unter Einwirkung einer Feder, die auch
die Spiralfeder auf der Achse zurückdreht, ihre Ausgangs¬
stellung wieder ein. Um ein geräuschloses Arbeiten des
Apparates zu erzielen, schlägt der Ansatz des Hebels gegen
eine Gummirolle.
Um nun auch durch Untersuchungen den Beweis zu
erbringen, daß das von mir konstruierte Instrument den
Anforderungen entspricht, .habe ich bei einer Reihe von
Patienten Bestimmungen der Herzgrenzen augestell! und
dieselben durch Herrn Kollegen Dr. Eugen Jacobsohn
röntgenologisch nachprüfen lassen. Dieselben ergeben
in 'fast allen Fällen beinahe dieselben llerzgrößenbeslim
VERSITl
mungen, wie ich sie durch meinen Apparat vorher fest-
gestelll und auf den Thorax aufgezeichnet hatte.
Das Instrument ist zu beziehen durch die Zentrale
für ärztlichen und Hospital-Bedarf, Berlin, Karlslr. iiß.
Rose u.
Bücherbespreehungen.
Aphorismen und Denksprüche von Chr. W. Hufeland. Hur -
ausgegeben unter Mitwirkung von Prof. Dr. Strauß, Berlin,
von Dr. Otto Ri gier, Leipzig. Mit einem Bildnis Hufe-
lands. Leipzig 1910, bei J. A. Barth, 1,50 M.
Die Gedenktage unserer großen Toten zeitigen gewöhnlich
eine ganze Literatur, die uns von neuem ein Bild des Ver¬
ewigten in Worten und Werken gibt, damit er auf die Nach¬
welt fortwirkt. So ist es auch mit Hufeland, dessen
Namen zu erwähnen wir erst kürzlich bei dem Rückblick auf
die Geschichte der Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militär-
ärztliche Bildungswesen Gelegenheit hatten, dessen Andenken
lebendig gehalten wird in der Hufeland-Gesellschaft, der
weiteren Kreisen aber wohl nur als der Verfasser der Makro¬
biotik oder der Kunst, das menschliche Leben zu verlängern,
sowie als derjenige Arzt bekannt ist, der 1806 nach der Schlacht
bei Jena die königliche Familie auf der Flucht begleitet hat.
Vor uns liegen ,,Bemerkungen“ eines Ungenannten zu der am
1. Februar d. Js. stattgehabten Hundertjahrsfeier der Hiifc-
land-Gesellschaft in der Zeitschrift „Moderne Medizin“, ferner
ein Aufsatz von H. Lungwitz in derselben Zeitschrift,
„Hufeland als Mensch und Arzt“, sowie endlich das oben
angezeigte kleine Buch von Strauß und Rigler, das wir
mit dem größten Vergnügen gelesen haben und dem wir nur
recht viele weitere Leser wünschen können. Wir erwähnen
die „Bemerkungen“ und den Lungwitz sehen Aufsatz, weil
sie eine vortreffliche Einleitung zu dem Ri gl ersehen Büchel¬
chen darstellcn und uns das Verständnis der in diesem gesammelten
Aphorismen und Denksprüche insofern näher bringen und vor-
mitteln, als sic uns vorher einerseits einen Blick- auf die.
Hufeland-Gesellschaft und deren Hundertjahrfeier werfen
lassen, andererseits uns den großen sympathischen Menscheu und
bedeutenden Arzt anschaulich schildern. Beides muß in der
Tat Hufeland gewesen sein, und man hat beim Lesen seiner
Denksprüche unwillkürlich den «Eindruck, als würde man dadurch
selbst gehoben und besser. Möchten ihm recht viele nach-
eifern ! An Interesse gewinnt die R i g 1 e r sehe Festgabe noch
dadurch, daß Rigi e r selbst ein Urenkel H u f e 1 a n d s ist.
Angeregt durch Prof. Strauß hat er zu den vorliegenden
Aphorismen eine Reihe von Aussprüchen Hufelands bei¬
gesteuert, die bisher noch nicht veröffentlicht waren, sich aber
in den hinterlassenen Papieren seines. Riglers, Vaters, eines
Enkels Hufelands, vorfänden. Prof. Strauß, zurzeit
1. Schriftführer der Hufeland-Gesellschaft. hatte hiervon
erfahren, und so kam mit seiner Unterstützung das Buch im
Januar d. Js. zustande. Wir wiederholen: möge es recht viele
Leser finden und möge der Geist Hufelands in uns allen
fortwirken!
Ein hei dieser Gelegenheit ebenfalls warm Von uns emp¬
fohlenes ähnliches älteres Buch ist das von Prof. J. B.
Ughetti: „Zwischen Aerzten und Klienten.“ Erinnerungen
eines alten Arztes. Deutsch von Dr. Giovanni G a 11L
Mit einem offenen Brief von Mantegazza. Wien u. Leipzig
1900, bei W. Braumüller.
Nachtrag. Bei der Korrektur geht uns noch der Abdruck
einer Skizze von Prof. Dr. J. Pagel aus dem in Hartem
deutsch erscheinenden „Janus“, 1910, zu, betitelt „Zur älteren
Geschichte der H\i f e 1 an dsehen Gesellschaft.“
Dr. P c 11 z e r , Steglitz.
Rotters Typische Operationen. Kompendium der chirurgi¬
schen Operationslehre. 8. Aufl. Herausgegehen von A. Schün-
Werth. München 1909, Lehmann. Pr. 8,00 M.
R o 11 e r s kleines Handbuch der typischen Operationen hat
in Aerztekreisen eine weite Verbreitung gefunden und erfreut
sich einer allgemeinen Beliebtheit. Die jetzige Auflage wurde
von S c h ö n w e r t h besorgt. Die Fortschritte der Chirurgie
aus den letzten Jahren wurden berücksichtigt und, soweit es
sieh für ein kleines Handbuch, das doch vornehmlich dem
/ERSITY OF MICHIG
p
Bei Dermatosen (Seborrhoe, Pruritus ela)
Allein. Fabrikant: Arthur Wolff |r., Breslau X
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
praktischen Arzte gewidmet ist, als nötig erweist, rlie neueren
Opera t ionsmethoden besprochen. Was mir an dem Buch so ganz
besonders gefällt, und worauf ich auch bei dieser Neuauflage
hinweisen möchte, das ist die bei jeder Operation gewählte
Einteilung: Ganz kurzer, zusammenfassender Ueberblick, dann
Wiedergabe der Topographie, Ausführung der Operation,
Anatomie der Wunde, Würdigung des Resultates bei verschiede¬
nen Methoden und des Vorteils, den diese oder jene bietet.
Es ist zu erwarten, daß das Buch auch weiterhin sich viele
Freunde erwerben wird, zumal es zu den preiswertesten seiner
Art gehört. Geißler, Neu-Ruppin.
Die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen. Von
F. v. Esmarch. 25. Auflage, 121. Tausend. Leipzig 1910,
F. C. W. Vogel. Pr. 1,80 M.
Auch Bücher haben ihre Jubiläen. Ein solches Jubiläum
ist dem Esmarch sehen Büchlein beschieden, das jetzt in
25. Auflage seinen Weg in die Oeffentlichkeit nimmt. Ein
solches Ereignis spricht eine bessere Sprache als lobende Be¬
sprechungen es vermögen. Und dennoch spreche ich hier aus,
ich kenne kein Buch seiner Art, nach dem man besser unter¬
richten kann und das sich dem Verständnis der Schüler besser
anpaßt. Der Jubiläumsausgabe viel Glück auf den Weg!
Geißler, Neu-Ruppin.
Die diesjährige Generalversammlung des. Zentralkomitees
zur Bekämpfung der Tuberkulose ist auf den 11. Mai fest¬
gesetzt worden. Eine Ausschußsitzung findet am Tage vorher
statt.
Gefährliche Augemverletzungen sind in letzter Zeit durch
das Propellerspiel, welches durch das große Interesse für Luft¬
schiffahrt im vorigen Jahre entstanden ist. verursacht worden,
so daß öffentlich davor gewarnt werden muß.
Daß der praktische Arzt nicht allzu „wissenschaftlich“ auf
alle neuen Errungenschaften schwören soll, lehrt folgende Ge¬
schichte, deren Schauplatz wir aus naheliegenden Gründen nicht
nennen wollen. Eine anämische junge Frau mit etwas Fluor
albus hatte zweimal abortiert. Obgleich sowohl sie als ihr Ehe¬
mann bei genauester Abtastung nirgends verdächtige Drüsen
oder Narben zeigten, auch anamnestisch nicht das geringste
aus dem sehr einfach verlaufenen Jugendleben zu eruieren war,
wollte der Hausarzt doch die W a s's ermann sehe Reaktion
an wenden und siehe — sie war positiv. Nochmals genaueste
Durchforschung und Abtastung auch durch einen erfahrenen
Syphilidologen, aber ohue Resultat. Der ganzen Charakter¬
anlage des jungen Ehemannes nach war ein Verschweigen irgend¬
welcher verdächtiger Affektion undenkbar. Inzwischen war aber
der eheliche Friede untergraben und beide Eheleute der Ver¬
zweiflung nahegebracht. Als nun aber der Arzt äußerte, daß
dann offenbar die Eltern des Ehemannes syphilitisch gewesen
sein mußten, übermannte den ohnehin durch die Gemüts¬
bewegungen der letzten Wochen überreizten Patienten derartig
die Entrüstung, daß er den Arzt ohrfeigte. Ob es deshalb
zu öffentlichen Erörterungen und gerichtlicher Klage kommen
wird, vermag unser Gewährsmann nicht mitzuteilen. Jeden-
Allgemeines
Die Berliner Stadtverordneten-Kommission hat angeblich be¬
schlossen, Stationen II. Klasse in den Krankenhäusern einzu-
richten, und hat nunmehr an die leitenden Aerzte die Anfrage
gerichtet, wie sie sich zur Honorierung durch die Patienten
Die freie Arztwahl ist in Altena bei der städtischen Ge¬
rn e i n d e k r a n k e n k a s s e eingeführt worden; auch die an¬
deren Kassen dieser Stadt dürften sich bald der freien Arzt¬
wahl anschlicßen.
Zur Reichsversicherungsordnung hat die medizinische Fakul¬
tät zu Tübingen eine Eingabe gemacht, in der sie folgendes!
hervorhebt: „Vor allem liegt der Fakultät entsprechend ihrer
Stellung am Herzen, die unersetzlichen Vorteile der freien
Arztwahl für den ärztlich mi Stand zu betonen.“
Der III. Kongreß der französischen Aerzte findet vom 7. bis
10. April in Paris statt. Das Programm umfaßt folgende Ver¬
handlungsthemen: Das Gesetz von 1902 über das öffentliche Ge¬
sundheitswesen. Die Erhöhung der ärztlichen Honorare.
Die Fehlgeburt vom sozialmedizinischen Gesichtspunkt aus. —
Ungesetzliche Ausübung der Medizin; ärztliche Stellvertreter. -
Verwaltungsorganisation der Krankenhäuser im Auslande und in
Frankreich. Das Armen-Hospital. Freie Arztwahl und Ver¬
sicherungsgesellschaften. — Freie Arztwahl und große Ver¬
waltungen. Beschränkung oder Nicht-Beschränkung der Zahl
der Studierenden in den Medizinschulen. Der Conseil Medical
superieur. —
Die Kongreßleitung wird die deutschen Aerzte zur Be¬
teiligung an dem Kongresse einladen. — Alle Anfragen sind
zu richten an den Generalsekretär des Kongresses Herrn Dr.
Leredde , Paris 31, Rue la Boetie.
ln Brütt (Oesterreich) hatte ein Arzt in einem Ehe¬
scheidungsprozesse, wo er als Zeuge geladen war, über eine
Erkrankung seines Patienten eine Auskunft gegeben.
Hieraufhin war gegen den Arzt Klage wegen Verletzung des
Berufsgeheimnisses angestrengt worden; der Gerichtsbeschluß
kam zu einem für den Arzt freisprechendeu Urteil, da der Arzt
verpflichtet sei, auf amtliche Anfrage Auskunft zu geben.
Die Differenz in Prag, wo die ungenügenden Gehaltsver¬
hältnisse die Assistenten (vier Assistenten, von denen nur zwei
besoldet waren, hatten 260 Kranke zu behandeln) der beiden
psychiatrischen Kliniken veranlaßt hatten, zum 1. Januar ihre
Stellung zu kündigen, ist beige legt, nachdem die Gehalts¬
aufbesserungen, welche die Aerzte. verlangten, bewilligt worden
sind.
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Verantwortlich: Für den redaktionellen Teil: Prof. Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35. Für „Kleine Mitteilungen“ und den Inseratenteil: Max Munczinski, Berlin-Rixdorf.
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt.
Originalien:
0. Amrein, Arosa: Einige Erfahrungen bei Asthma bronchiale 193
E. Roth, Halle a. S.: Die Anschauungen über Tuberkulose im
Altertum und in späteren Zeiten.196
Referate:
W. Knick: lieber Kuhns perorale Tubage. Sainmelautoreferat,
II. Teil. 199
Mohr, Bielefeld: Chirurgie.200
H. Lehr, Stuttgart: Orthopädie.201
A. Moeller, Berlin: IAingenkrankheiten.202
Eugen Neter, Mannheim: Kinderheilkunde.203
Kurt Lipschitz, Berlin, und Krüger, Magdeburg: Varia . 203
Mitteilungen über Arzneimittel:
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Allgemeines .. 205
ORIGINALIEN.
Einige Erfahrungen bei Asthma bronchiale.
Von Dr. O. Amrein (Arosa).
Wenn ich im folgenden einige persönliche Erfahrungen
und Beobachtungen über Asthma bronchiale ver¬
öffentliche, so geschieht es aus dem Grunde, weil bei den
so vielfach unberechenbaren Momenten, die einen typischen
Asthmaanfall auslösen und bei den so mannigfachen thera¬
peutischen Versuchen, mit denen man gegen das Leiden zu
Felde zieht und ganz besonders bei den hier speziell in
Frage kommenden individuellen Faktoren immer wieder
neue Gesichtspunkte von Nutzen sein können. Zudem habe
ich im Hochgebirge von Arosa in den letzten zehn Jahren
eine größere Reihe von Asthmatikern behandelt und da¬
durch, daß in meiner eigenen Familie einer der hart¬
näckigsten der mir bekannten Fälle von Asthma vorliegt,
hatte ich Gelegenheit, diesen einen Fall von Asthma über
Jahre hinaus ganz besonders genau zu verfolgen und zu
studieren.
Was nun zunächst die klimatische Behandlung des
Asthmas anbetrifft, so steht nicht in Frage, daß gewisse
Kiimate besonders günstig, andere ganz besonders ungünstig
auf die Asthmatiker einwirken. Es ist dabei, wie überhaupt in
der Beurteilung dieses Leidens, zu unterscheiden der ak u t e
A s | hm aanf a 11 als solcher von den du-ch verschie¬
dene durchgemachte Anfälle entstehenden konsekutiven
Z u stände n. Das Asthma bronchiale wird jetzt wollt über¬
einstimmend als eine Art Neurose aufgefaßt. Der primäre
Sitz der Krankheit ist nicht der Lungen- resp. Bronchien¬
apparat, sondern verschiedene Momente lösen den nervösen
Anfall, der den Spasmus der Bronchiolen zur Folge hat,
aus. Es ist ja häufig diskutiert worden, ob dieser Spasmus
der Bronchiolen- oder Bronchienmuskulatur das Primäre
sei und die Veränderung der Bronchialschleimhaut mit Ab¬
sonderung des zunächst zähen, gallertartigen Sekretes, das
Asthmafäden und -Kristalle enthält, das Sekundäre. (Nach
meiner Beobachtung bilden sich die letzteren, die Asthma¬
krislalle, fast immer erst nach der Entleerung des Sekretes.
Bei direkter mikroskopischer Untersuchung des aus¬
gehusteten Schleimes fehlen sie häufig, um nach kurzer Zeit
an der Luft sich dann zu bilden.) Es gibt auch häufig
Fälle, wo ein vorher bestehender Bronchialkatarrh zur Aus¬
lösung des Asthmäanfalles führt; aber meist tritt der Anfall
als solcher ohne vorhergehende sekretorische Erschei¬
nungen auf. Dieses läßt sich bei vielen Patienten im ein¬
zelnen verfolgen. Mitten in der Nacht tritt ein Kitzeln im
Halse oder ein Hüsteln, oft mitten im Schlafe ein, ein
trockener Reiz, der, wenn zurzeit entdeckt, noch coupiert
werden, kann, wenn sich selbst überlassen, aber zum Spas¬
mus führt, nach welchem dann die Lösung in Form der
Bronchitis, oft über 8, 10 und 14 Tage hinaus andauernd,
auftritl. In diesem Falle waren vorher keine bronchitischen
Erscheinungen dagewesen, kein Auswurf, kein Husten, und
nachher schwinden die bronchitischen Erscheinungen auch
wieder völlig und das nächste Mal setzt der Anfall in
ähnlicher Weise wieder ein.
Nun kann aber statt der rem nervösen Auslösung des
Anfalles auch der Fall eintreten, daß der Patient, mehr
oder weniger stets zu Schnupfen oder Katarrh geneigt, eine
akute Erkältung akquiriert, die in den oberen Luftwegen
anfängt und dann „hinunterrutscht“. Nachdem dann schon
eine Bronchitis da ist, löst diese wieder ihrerseits den
Asthmakrampf aus. Wiederholen sich die Anfälle häufig, so
treten die konsekutiven Veränderungen der mehr oder we¬
niger chronischen Bronchitis, des Lungenemphysems, event.
sogar mit Herzmuskelschwäche verbunden, auf.
Auf diese verschiedenen Zustände wirken nun die ver¬
schiedenen Kiimate in oft überraschender Weise ein. Wenn
auch an dem Satze viel Wahres ist, daß jeder Asthmatiker
sein Privatklima habe, so gibt es doch auch allgemeine
Gesichtspunkte, die bei verschiedenen Patienten zusammen¬
passen. Schlecht sind nach meiner Erfahrung: Einge¬
schlossene Talkessel, Gegenden mit stagnierender Luft, so
Holland (Kanalluft), Venedig (Lagunen), dann dem Föhn¬
wind stark ausgesetzte Gegenden, das schweizerische Rhein¬
tal (Ragaz), die italienischen Seen (speziell Comersee). Sehr
gut dagegen sind offene, dem Winde zugängliche Gegenden,'
Hochebenen (München, Mailand), oft auch große Städte
(London, New (York). Stagnierende Luft beengt den ge¬
sunden Menschen schon in gewissem Maße und löst, bei dem
Asthmatiker ein ßeklemmungs - und Angstgefühl
aus. Dieses Angstgefühl ist. häufig, ja in der Mehrzahl,
unbewußt, aber doch da, und es stellt sich mit Vorliebe
ein, wenn der Patient an einen Ort kommt, wo er schon
einen oder mehrere Anfälle durchgemacht hat. Das be-
194
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 13
sondere Luftgemisch ruft wieder denselben Reiz auf das
Nervensystem hervor, und da bereits hier, an dem Ort,
in dem Haus, in dem /immer, kurz in dem Luftgemisch, ein
Anfall erfolgte, wird durch unbewußtes Angstgefühl um
so leichter wieder ein Anfall ausgelöst. Daß dabei der
Patient, nicht „bewußt“ Angst hat, beweisen mir verschie¬
dene Fälle, wo Patienten, trotzdem sie schon wiederholt an
diesem oder jenem Ort kläglich gelitten hatten, doch wieder
guten Glaubens dorthin gingen und direkte Warnungen in
den Wind schlugen. Dort angekommen, trat dann doch die
Auslösung des nervösen Reizes wieder auf, trotzdem der
Wille, das Öberbewußtsein, dagegen kämpfte; die Orgau-
gefiihle aber setzten im Unterbewußtsein doch wieder den
Angstzustand her. Deshalb sollle auch ein Asth¬
matiker gru n d s ii t z 1 i c h n ich! a n O r 1 e n z u r ii c k -
geh a lt.cn werd e n , wo i n k ur z e r 7 . e i I m eh re r e
Anfälle erfolgte n. Gerade durch Wechseln des Ortes,
manchmal nur wenige Stunden weil, kann hier das Angst¬
gefühl zum Verschwinden gebracht werden. Auf der an¬
deren Seite wirkt überaus günstig der Fall ein, daß ein
Klima, ein Ort gut. vertragen wurde, und es tritt dann
kein Angstgefühl und kein Anfall auf. Asthmatiker lassen
sich durch ihre Organgefühle scharf in der Beurteilung
ihnen zükommender Luftgemische und Gegenden bestimmen.
Sie scheuen meist geschlossene Wälder, niedere Zimmer
usw. Man sollle meinen, solche nervösen Stimmungen,
wie sie dem Asthmaanfall zugrunde liegen, könnten durch
Suggestion, wachend oder in der Hypnose, beeinflußt
werden. Es sind auch in der Tat solche Heilungen
publiziert; aber iri der Mehrzahl der Fälle scheitert diese
Therapie. Sehr häufig verhalten sich die Asthmatiker re¬
fraktär gegen Hypnose.
Um nun wieder auf die klimatische Frage
zurückzukommen, so gehören zu den für Asthmatiker
günstigen Klimafen da.s M e e r - und das G e h i r g s k I i m a.
Von beiden sali ich gute Erfolge und verschiedentlich konnte
ein drohender Anfall durch sofortige Reise ans offene Meer
oder ins Gebirge direkt coupiert werden. In der großen
Mehrzahl der Fälle tritt in diesen beiden Klimafen während
der ganzen Kurdauer kein weiterer Anfall auf oder dann
gelinder. In beiden Irill. dazu poch die spezielle günstige
Beeinflussung der so k u n d ii r e ii k a I a r r h a li¬
sch e n Erscheinungen, der Bronchitis, des Luft-
röhrenkafarrhs mit trockenem Reizhusten. Im Meerklima
wirkt, die weiche, feuchte, salzhaltige Luft, günstig in
dieser Beziehung ein. Im Gebirge ist es die trockene
und reine Luft, das Freisein von Staub. Zudem wirkt das
Gebirgsklima anregend und abhärtend auf die meist
gegen Zugluft und Kälte empfindlichen Asthmatiker. Man
erzielt mit Mochgebirgsbehandlung überraschend günstige
Resultate. Freilich ist ein langer Kuraufenthalt (übrigens'
auch am Meer! notwendig; denn nur zu gern treten hei der
frühen Rückkehr ins Talklima wieder Rückfälle auf, die
aushleihen, wenn eine lange Zeit im Hochgebirge Kur ge¬
mach! wird. Viele Asthmatiker haben sich übrigens dauernd
in Hochgebirgskurorten niedergelassen und sind dort völlig
gesund und arbeitsfähig geworden. So wohl sich meist die
Asthmatiker im Hochgebirge fühlen, so gibt es doch auch
in diesem Klima verschiedene Wittcmngszuslände, die An¬
fälle Hervorrufen können, vor allem der Föb n, der warme
Fallwind, hei dessen Vorherrschen sich jedermann schlaff
und müde fühlt. Ich erblicke in dem schnellen Wechsel
des Luftdruckes und der Lufttemperatur das ursächliche
Moment, das zunächst gerade auf das Nervensystem ein¬
wirkt und hei dem Asthmatiker auch im Gebirge das Angst -
und Beklemmungsgefühl hervorrufl. Der Asthmatiker
muß im ganzen große Kontraste der Tempe¬
ratur und Kontraste der L u f t m i s c h u n g e n v c r-
m cid en. Es ist unglaublich, wie viele schlechte Luft viele
Asthmatiker ertragen. Ich kenne solche, die sich ganz be¬
sonders wohl in der mit Kohlenstaub übersättigten, qual¬
menden Luft der Untergrundbahnen großer Städte be¬
finden, 1 ), .oder die sich gerne im dichten Rauch und Nebel
aufhalten (wenn nicht katarrhalische akute Zustände der
Luftwege vorhanden sind). Wenn sie dann aber aus
wa rm en Lokalen in die f ri s che Luft oder au s
der kalten Luft in ein warmes Zimmer treten,
tritt ein Beklemmungsgefühl, auf, das später zum Asthma¬
anfall führt. Auch bei der Hochgebirgskur rate ich meinen
Asthmakranken sehr, solche Kontrastwirkungen stets zu
vermeiden, im Momente des Sonnenunterganges ins Haus
und später eventl. wieder hinaus zu gehen usw. In
der Kräftigung des Allgemeinbefindens, des
Nervensystems, neben dem günstigen Ein¬
fluß auf die Beschaffenheit der Respirations¬
organe, besteht die Hauptwichtigkeit der Hochgebirgs¬
kur.
Sind klimatische Kuren nicht möglich oder tritt
während solcher hin und wieder Neigung zu Anfällen auf,
so muß doch zu Coupieru ngsmi11e 1 n Z u f 1 uch t
g e no m m e n werden. Der hydrotherapeutisch e
Apparat (warme' Packungen, namentlich auch mit Essig,
heiße Fußbäder, Frottage und Abreibungen) kann von
großem Nutzen sein und wird viel zu wenig angewandt.
Sehr beliebt sind bei den Patienten die R ä u c h e -
rangen mit den verschiedensten Asthmapulvern, Asthma-
papieren (Salpeterpapieren), von denen das Schiffmanri¬
sche und das Neumey ersehe wohl die verbreitetsten
sind. Aber diese Räucherungen reizen die Schleimhäute zu
sehr und die roten, entzündeten Augen der Asthmatiker,
die sie benutzen, sprechen genügend davon. C hl oral -
hydrat und Atropin, letzteres innerlich oder subkutan
in steigenden und wieder zurückgehenden Dosen angewandt,
können in gewissen Fällen sehr wirksam sein, sind aber
doch immer etwas riskiert, und für längere Zeit nicht an¬
zuraten. Von den Inhalationsmitte]n ist der Tuckersehe
Apparat der wirksamste. Er hat in letzter Zeit große Ver¬
breitung gefunden. Leider ist er ein Gehcimmittel und
wird zu unverhältnismäßig hohen Preisen verkauft. Ver¬
schiedene Analysen haben versucht, die Bestandteile des
Mittels genau festzustellen, welches durch einen ganz vor¬
trefflichen Sprayapparat, als feinster Nebel durch die Nase
.eingeatmet wird. Daß Kokain, Atropin, Natrium nitrosum
und daneben Pflanzenalkaloide und -Extrakte in kleinsten
Mengen vorhanden seien, ist behauptet worden. Die genaue
Zusammensetzung ist aber bis jetzt noch nicht, bekannt.
Ich habe durch verschiedene Chemiker die Flüssigkeit analy¬
sieren lassen, aber stets die Antwort erhalten, es handle
sich um Beifügung von Alkaloiden in so kleinen Mengen,
daß sie nicht bestimmt, werden könnten - . Die Zusammen¬
setzung ist nun aber eine äußerst wirksame und von keiner
Nachahmung erreicht. Ich habe bei'vielen Patienten, hei
denen das Tuck ersehe Mittel gewirkt, hat, ein völliges
Versagen anderer, z. B. des ß rüg e 1 m a n n sehen, ge¬
sehen. l ebrigens ist der Tuckersche Apparat trotz der
vom Erfinder ausdrücklich betonten Behauptung, schädliche
Nebenwirkungen seien völlig ausgeschlossen, doch mit. Vor-
1 ) Interessant ist in dieser Beziehung auch die Wahr¬
nehmung', daß Keuchhustenkinder in Untergrundbahnen sich
wohl befinden. Ein mir bekannter Londoner Kollege sagte
mir, daß Kinder aus dem Volke, die an Keuchhusten leiden,
häufig dorthin gebracht werden, wo die Mutter mit ihnen
während halber und ganzer Stunden umherfährt, und daß
dort eine Milderung des Anfalles auftrete. Ich kam darauf
durch den Umstand, daß ich selber in London in der Unter¬
grundbahn mit einem Keuehhustenkind im Coupe zusammentraf'
und die Mutter mir erklärte, da unten sei ihrem Kinde am 1
wohlsten. Die heftigen Anfälle würden dadurch gemildert und
der Hustenreiz lasse überhaupt nach.
- Einhorn gibt folgende Zusammensetzung an: Kokain
nitric. l,028°/o Glyzerin 32,16°/o, Atropin, nitric. 0,581%,
Wasser 66,23°/o.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
195
sicht zu gebrauchen. Bei mäßiger Anwendung kann er ja
allerdings über lange Zeit benutzt werden. Es tritt dann
nur hin und wieder Trockenheit im Gaumen auf, eventl. mit
Schluckbeschwerden, weil die Speichelabsonderung durch
die Atropineinwirkung nachläßt. Bei zwei Patienten sah
ich leichte Augenstörungen infolge. Eindringens dos Ver¬
dunstungsnebels in die Augen. Ein anderer Patient be¬
richtete mir, er hätte den Apparat aussetzen müssen, weil
er ihm heftiges Herzklopfen verursacht hätte. Vor allem
aber muß darauf Bedacht genommen werden, daß nar¬
kotische Mittel daneben nicht oder nur mit größter Vor¬
sicht gebraucht werden.
Ich erlebte diesbezüglich bei einem Patienten eine böse
Geschichte. Derselbe hatte behufs einer kleineren zahnärzt¬
lichen Operation am Nachmittag Kokain ins Zahnfleisch ein¬
gespritzt bekommen, hatte den ganzen Tag über starkes Asthma-
geplänlcel verspürt und benutzte den Apparat von Tucfeer
sehr häufig und sehr lange. Er konnte damit immer wieder
für einige Zeit sich Erleichterung verschaffen, um doch schlie߬
lich in der Nacht von einem heftigen Anfall ereilt zu werdeiu.
Der Hausarzt, der den Patienten seit seiner Kindheit häufig
wegen Asthma behandelt hatte und genau kannte, gab (wie
cs dieser ungemein heftige Anfall immer notwendig machte
eine Morphiumeinspritzung (0,02'. Patient schlief rasch ein,
die Atmung Hörte aber plötzlich auf. Die Angehörigen be¬
richteten dem Arzte aufs neue, der, als er kam, eine völlig^
Apnoe und tiefste Bewußtlosigkeit vorfand mit weiten reaktions¬
losen Pupillen und minimalem Pulse. Während fast zwei
Stunden wurde künstliche Atmung angewandt. Kampfer sub¬
kutan verabreicht. Sauerstoff ansgeströmt, bis die Atmung
wieder einsetzte. Als ich an dem Orte -erschien, war der
Patient wieder im stärksten Asthmasturin drin. Sobald
die Atmung wieder anfing, ging auch das heftige Asthma¬
gepfeife wieder los. In der fast zweistündigen Apnoe hatte
sich der Bronchialkrampf nicht gelöst und der Anfall dauerte
fünf Tage lang wie gewohnt weiter. Einen zweiten ähnlichen
Kollaps erlebte ich mit dem Patienten auf der Reise in Venedig
einige Jahre später. Wieder hatte er den Tag durch den
Tuck er sehen Apparat ziemlich häufig gebraucht und. bekam
in der Lagunenluft Venedigs in der Nacht heftig Asthma. Bei
der zweiten Morphiumeinspritzung am folgenden Morgen trat
dann der Kollaps ein, der aber nach einer Injektion mit
Kampferäther sich sofort verlor.
Ich warne deshalb jetzt stets meine Asthmapatienten,
die einen Tnckcrsehen Apparat, haben, vor übermäßigem
Gebrauch desselben. Er leistet Vortreffliches, wenn er im
Beginn sofort, angewandt werden kann und derselbe wird
deswegen von vielen wie ein Talisman stets in der Tasche
mitgetragen. Dann genügen wenige Inhalationen, um einen
drohenden Anfall zu verscheuchen, ist aber der Anfall
in vollem Anzuge, dann weg mit dem Tuck er scheu
Apparat! Er ist dann auch unwirksam und kann verhängnis¬
voll werden, wenn später doch noch narkotische Mittel an¬
gewandt werden müssen. Es ist sehr schade, daß die
genaue Zusammensetzung des Mittels von dem Erfinder,
resp. clem Geschäftsführer, als Geheimnis behalten wird.
Das Mittel könnte eine viel größere Verbreitung finden und
segensreicher wirken, wenn es der genauen Kontrolle der
Aerzle unterstellt würde, statt nur Gegenstand eines sehr
guten Geschäftes zu sein!
Der heftige und bösartige Asthmaanfall verlangt fast
immer Morphium. Es. liegt mir fern, Morphium früh an¬
zuwenden und ich bin sonst sehr zurückhaltend mit dem
Morphium. Bei den Asthmaanfällen läßt sich aber nichts
anderes machen. Man riskiert nur mehr beim zu langen
Zuwarten. Ich habe Blutbrechen, Bluthusten, akute Herz-
dilalation und nachherige Herzschwäche hei Anfällen be¬
obachtet, die man sich selbst überließ, während eine recht¬
zeitige Morphiuminjektion den Anfall meist leichter ge¬
staltete. In den schwersten Fällen ist es sogar nötig, den
Patienten während einiger Tage ganz unter Morphium
zu halten. Es können dann 2—3 Morphiumeinspritzungen,
eventuell noch mehr, in 24 Stunden nötig sein. Es ist
das mit kleinen und mittleren Dosen sehr wohl möglich.
DUUfed by
u,-. u. w-.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
wenn man sorgfältig darüber wacht, wann die Wirkung
nachläßl und vor der neuen Exazerbation wieder eine
Spritze gibt.. Während 5, 11 und 8 Tagen kann bei den hef¬
tigsten Anfällen jede Nahrungsaufnahme unmöglich sein.
Infolge Lungenblähung und dem dadurch bedingten Tief¬
stand des Zwerchfells und Druck desselben auf den Magen,
tritt häufig fortwährendes Erbrechen ein. Eisstücke, leicht
kohlensäurehaltige Getränke, mit etwas Kirsch oder Kognak
versetzt, oder leichter Tee mit Milchzusatz, werden am
ehesten .vertragen. Ich habe immer gesehen, daß selbst
nach den stärksten Anfällen das Morphium sofort wieder
ausgcselzt werden kann und es tritt keine Angewöhnung an
das Mittel in der kurzen Zeit ein. Sobald sich wieder eine
freie Atmung einsteilt, fühlt sich der arme gequälte Patient
so erleichtert, wenn er auch zerschlagen und mitgenommen
ist, daß er das Aussetzen des Morphiums recht gut verträgt.
Allerdings möchte ich ausdrücklich warnen, die chronischen
Asthmatiker mit Morphium zu behandeln. Es sind dies
die Fälle, die nicht zu den ganz starken Anfällen führen,
die aber auch nie ganz frei werden, die immer und stets
eine leichte Atembeengung haben, meist Fälle mit chro¬
nischer Bronchitis. Hier versagt der Tuckersche Apparat
meist. Hydrotherapeutische und klimatische Kuren wirken
eventuell günstig ein. Hier soll auch. Wenn immer möglich,
kein Morphium verabfolgt, werden, da sonst Angewöhnung
an das Mittel eintritl.
In den anfallsfreien Zeiten kann auch eine metho¬
dische A t. e m g y m n a s t i k von Nutzen sein. Nament¬
lich die bekannte Methode, bei der Aus- und Einatmung
dem Patienten vorzuzäMen, ihn selber nachzählen zu lassen,
und die Inspirations- und Exspirationsphase nach dem
Zählen zu beeinflussen, isi sehr zu empfehlen:
1 — 2 Inspiration.1 — 2 — 3 — 4 Exspiration
1 — 2 — 3 Inspiration . . 1 - - 2 — 3 Exspiration
1 — 2 — 3 — 4 Inspiration. . 1 — 2 — 3 Exspiration
Man kann so die Inspirationsphase gegenüber der ver¬
längerten Exspirationsphase, vergrößern und die Exspira-
t.ionsphase allmählig verkleinern. Doch vertragen das auch
nicht alle Patienten und es kann das Exerzitium direkt zu
einem Anfalle reizen. Was dem einen von Vorteil ist,
versagt bei dem andern häufig. Auch die p n e u in a t i s c h e
Kammer, die vielen gut tut, vermehrt andern, wie mir
verschiedene Patienten berichteten, das Beengungsgefühl.
Durch Zufall kam ich in der letzten Zeit auf eine Art
hygienischer Hebung, die wenigstens in einem, aber be¬
sonders schweren Falle, außerordentlich und überraschend
günstig einwirkte. Es ist das Reiten .Man gestatte mir,
dazu kurz den einen Fall zu schildern:
Trotz aller Vorsichtsmaßregeln und allen möglichen Ver¬
suchen gelang es in diesem Falle 1 in meiner eigenen Familie ’
nie, auch hei bestem Wohlsein und bei an und für sich nicht
ungünstiger Witterung, das Hochgebirge Arosas zu verlassen
und in das Tal zu reisen, ohne daß in der ersten oder in einer
der nächstfolgenden Nächte sich ein heftiger Anfall eingestellt,
hätte. Seihst hei der direkten Reise an das offene Meer, ohne
Unterbrechung 'der Aufenthalt am Meer wirkt sonst gerade
in diesem Falle besonders günstig ein trat einmal ein heftiger
Anfall auf. Wir fanden uns schließlich mit der Tatsache ab,
daß stets für unsere Ferienreise ins Tal auch nach sehr langer
Unterbrechung dieser Tribut eines häßlichen und bösen An¬
falles entrichtet werden müsse und rechneten damit. Im Be¬
griff, eine größere Seereise zu machen, mußten wir uns für
ein bestimmtes Datum und für ein bestimmtes Schiff ein-
schreiben und um nicht durch einen Anfall an der recht¬
zeitigen Einschiffung verhindert zu sein, reiste der Patient
zuerst für vierzehn Tage ins Tal, um dann dort in Gottes 1
Namen den üblichen Asthmasturm durchzumachen und dann
reisjefähig zu sein. Es erfolgte in der ersten Nacht, wir
früher auch schon etwa einmal, kein Anfall, in der zweiten
und in der nächstfolgenden auch nicht, so daß wir andern fast
ungehalten darüber wurden, weil wir dachten, die Tücke des
Schicksals werde uns dann den Anfall kurz vor dem bestimmten
Termin bringen und uns an der Abreise hindern. Da be¬
richtete mir der Patient, er sei schon nach der ersten Nacht
3AN
UNIVER
196
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 13
am folgenden Tage Reiten gegangen, schon lange sei ihm rlas |
Reitenlernen im Kopfe gewesen und da er gerade gute Ge
legcnheit gehabt hätte, reiten zu lernen, hätte, er damit au¬
gefangen. Verschiedene Male, sei er mit. Asthmabeklemmung
hingegangen und hätte Angst gehabt, kaum reiten zu können
und in der Nacht sicher einen Anfall zu bekommen. Es sei
merkwürdig, daß er nach der Reitstunde immer sich so er¬
leichtert und in der Atmung vollständig frei gefühlt habe.
Kurz, ohne jeden Asthmasturm kam der Patient damals zum
ersten Mal seit acht Jahren ins Tal und konnte sich ohne
Anfall akklimatisieren und die. Reise verlief ohne Störung,
außer einem leichteren Anfall während derselben infolge einer
schweren Bronchitis, Im folgenden Frühjahr planten wir wieder
eine größere Reise. Wieder bewährte sich ein tägliches Reiten
während 10 Tagen, um auch wieder ohne Anfall durchzukommen,
und ein drittes Mal im vergangenen Herbst ebenfalls. Dieses,
dritte Mal war ganz besonders interessant und zeigte die
geradezu erstaunliche Einwirkung des Reitens in diesem
speziellen Falle. Schon vor der Abreise, war in Arosa immer
etwas Asthmageplänkel vorhanden gewesen und nach der Reis"
ins Tal in Zürich ganz besonders. Stets aber war der Patient
vom Reiten mit freier Atmung und wohl zurückgekehrt An
einem drückenden, schwülen Föhntage wurde die Reise nach
München unternommen und die Nacht dort war äußerst kritisch,
und nur durch Gebrauch des Tuck ersehen Apparates konnte
ein richtiger Asthmasturm hintan gehalten werden. Das erste
am folgenden Tage war, sich nach einer Reitschule umzu¬
sehen' und völlig bewährte sich auch hier wieder die Stunde
Reiten. Da dann günstigere Wirkung eintrat, fühlte sich der
Patient später auch ohne Reiten wieder wohl. An einem andern
Orte aber drohte wieder ein Anfall durch eine leichte Er-
kältungsbronchitis. Sogar jetzt wurde, der drohende Anfall
durch das Reiten verhindert. Nur mit Hilfe dieses Reitens
hatte' der Patient, alles zusammengenommen, nun über ein
Jahr ohne Anfall verbringen können. Merkwürdigerweise kam
es. dann nach der Heimkehr in Arosa selber zu einem heftigen:
Anfall, weil eine neue Erkältung von der Reise her mitgebracht’
wurde, die, zu einer starken Bronchitis führte. Reiten war hier
aus .äußeren Gründen dann nicht möglich gewesen.
Die Erfahrung in diesem einen Falle beschäftigte mich
in hohem Grade und ich fing an, mich umzusehen, ob das
Reiten in Beziehung auf das Asthma als Verhütungsmittel
desselben schon empfohlen worden sei, fand aber nichts in
der mir zugänglichen Literatur. Hingegen berichtete mir
ein junger österreichischer Edelmann, der wegen Asthma
hier in Arosa in meiner .Behandlung war, daß er merk¬
würdigerweise, trotzdem er seit seiner Kindheit an Asthma
litt, vor einigen Jahren seinen Einjährigendienst in bestem
Wohlsein hätte machen können. Er sei damals stets jeden
Tag geritten und erinnere sich sehr wohl, wie gut ihm dies
bekommen sei. Er hätte aber dem Reiten weiter keine lle-
deutung geschenkt und nach dem Dienst dieses auch nicht
mehr betrieben. Eine uns bekannte an Asthma leidende
Dame berichtete uns, daß sie in Sumatra, wohin
sie geheiratet hatte, zu reiten anfing, da dort alle Damen
reiten und ganz frei von Asthma geworden sei. In München
sagte mir zudem der Reitlehrer, daß er früher einen asthma¬
tischen Offizier unter seinen Klienten gehabt hätte, der
stets zum Reiten in die Reitschule kam, wenn er an Asthma
litt und stets erklärt hätte, wie gut. es ihm lue. Es ist ja
nicht jedermann in der Lage, sich ein Pferd zu halten, aber
in größeren ;Städt.en sind überall Reitinstitute und Reit¬
schulen vorhanden und ein Reitkursus kommt dann noch
bedeutend billiger zu stehen, als ein langer Kuraufenthalt
irgendwo. Ob das Reiten auf künstlichen Appar aten, z. II.
auf dem Reifsattel der Sand ersehen Apparate, auch wirk¬
sam ist, wäre erst noch zu erproben 3 ). Wenn das Reiten,
wie in diesem einen Falle, zur Verhütung von Asthma von
gutem Einfluß ist, so können verschiedene Momente dabei in
Frage kommen. Einmal wirkt das Reiten mechanisch;
das Geschüttel und Gerüttel des trabenden und gallopic-
3 ) Anmerkung bei der Korrektur: Ich habe in der letzten
Zeit angefangen, Asthmapatienten mit Vibrationsmassage zu be¬
handeln; doch berechtigen die wenigen Fälle noch vorläufig zu
keinem Schlüsse.
renden Pferdes mag an und für sich ja gewiß imstande sein,
einen Krampf der Bronchialmuskulalur zu lösen. Wenn
es so wäre, so würde ja. auch ein künstlicher Rcitapparat ge¬
nügen können und die Sache bedeutend verbilligen und ver¬
einfachen. Aber es fragt sich sehr, ob nicht gerade das
Reiten auf einem Pferd, das doch nicht so regelmäßige
Schüttelbewegungen wie ein Apparat machte, bei dem es sich
zudem um ein aufmerksames A u f p a s s e n und ei n
sleles Balancieren handelt, durch die damit gegebene
nervöse Ahle n k ung ganz speziell ein wirkt. Ich glaube,
daß eben beides, die Ablenkung also als rein nervöses
Moment, zusammen mit dem mechanischen Moment des
Geschütteltwerdens, • zu einer Wirkung sich erklären läßt.
Haben die Patienten einige Male mit Erfolg geritten, dann
kommt auch hier wieder der große Vorteil der psychischen
Erfahrung, des .Bewußtwerdens und Bewußtseins, daß das
Reiten gut tue, dazu. Es braucht natürlich etwas energische
Naturen dazu, aber was tut der arme, geplagte Asthmatiker
nicht alles, was für Schätze von Geld gibt er fort, was für
Opfer bringt, er nicht für geheime Mittel und verlockende
Reklamen, für lange, kostspielige Kuren, um von seinem
qualvollen Feinde befreit zu werden. Der Versuch des
Reitens, ohne schädliche Nebenwirkungen, im. Gegenteil
verbunden mit dem bekannten gute n E i n f 1 u ß desselben
auf den .gesamten Stoffwechsel (welcher Faktor
übrigens auch sehr mit in Rechnung zu ziehen ist), ist wohl
wert, weiter geprüft zu werden, und wenn dann auch nur
in einer beschränkten Anzahl von Fällen eine Erleichterung
verschafft werden könnte, so wäre das schon sehr zu be¬
grüßen.
Die Anschauungen über Tuberkulose im
Altertum und in späteren Zeiten»
Von Dr. E. Roth.
Während wir über die Geschichte der Tuberkulose iu
der Gegenwarl und in jiingst verflossenen Jahrzehnten so
ziemlich unterrichtet zu sein pflegen, herrscht in der Regel
eine ziemliche Unsicherheit darüber, wie weit zurück wir
die Kenntnisse in dieser Krankheit zu verfolgen imstande
sind bezw. welche Ansichten die damaligen großen Aerzte
über diese Geißel der Menschheit gehegt haben.
Wohl geben die Werke von L. Waldenburg von
1861) und Predöhl 1888 hinreichenden Aufschluß über
diese Fragen, doch sind sie in der Regel nicht zur Hand oder
zu weitläufig, um durchstudiert zu werden. Als dritte
Quelle nenne ich die Beiträge zur Geschichte von der Lehre
zur Tuberkulose von W. V o i g I , 1890, der bis in die ältesten
Zeiten zurückgeht.
So führt er in bezug auf Hippokrat.es aus: Dieser
unterscheidet drei Arten von Schwindsucht und rechnet
dabei zu der eigentlichen Schwindsucht, der Lungen noch
die des Rückenmarks, weil hierbei eine ähnliche Ab¬
zehrung des ganzen Körpers einzutreten pflegt; wie bei
der vorgenannten. Neben der Schilderung der eigentlichen
Phthise, läuft .aber beständig einher die Schilderung von
der Eiterbrüstigkeit. Eine dieser Kra.nkheitsformen gehl
in die andere über, insofern aus solchen Schwindsüchtigen
Eiterbriistige werden, wenn der Körper nämlich feuchter
geworden ist; umgekehrt werden aus Eiterbrüstigen
Schwindsüchtige, wenn der Körper trockener wird.
Hinsichtlich der Aetiologie spielen die sogenannten
Flüsse eine oder die Hauptrolle; sieben Arten Flüsse gibt
es. Schleim und Galle stehen an der Spitze, wobei für
ersten* die Luftröhre den Weg zur Lunge öffnet. Dieser
Körperteil bemüht sich zwar, den Fremdkörper auszuhusten,
doch setzt sich der Schleim vielfach fest, er wird trocken
und verstopft die Ausgänge, um dann in Kiter überzugehen,
wodurch Geschwüre entstehen und Fäulnis sich einstellt.
Dadurch wird die Temperatur hinaufgesetzt, und die er¬
hitzten Lungen ziehen noch mehr Schleim aus dem Körper.
Die Geschwüre vermehren sich, platzen und bersten.
F MICHIGAN
JNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVER
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
197
Hämoptoe infolge Zerreißen eines Blutgefäßes, ein ver¬
nachlässigtes Aneurysma können weiter ätiologisch wirken,
Arbeit und gymnastische Uebungen lassen zuweilen Blut¬
gefäße zerreißen, heftige Gemütsbewegungen bewirken An¬
sammlungen schlechter Säfte und von Galle; Verwundungen
kommen als ätiologische Punkte in Betracht, Pleuritis und
Pneumonie in ihren Nachwirkungen oder nach schlechter
Heilung.
Als Symptome der Eiterbrüstigkeit und Phthise müssen
nach den Ausführungen von W. Voig I bei Hippokrates
gelten: Schmutzig belegte Zunge, Schmerzen in der Brust,
Husten, eitriger Auswurf, körnig .ausgeworfener Eiter von
harter Beschaffenheit, beklommener Atem, heisere Stimme,
Anschwellung der Knie und Füße, starke Schweißabson¬
derung, hauptsächlich des Nachts, gekrümmte Nägel, und
durchweg gegen das Ende profuse Diarrhöen.
Neben den Eiteransammlungen in der Brust unterscheidet
H i p p o k r a t e s Geschwülste und Geschwüre, cpi^äru undi'teß
tubercula el ulccra der Uebersetzer. Ob freilich damit
Tuberkel im landläufigen Sinne in unserer Umgrenzung ge-
nieinl sind, muß wohl dahin gestellt, bleiben. Ist doch
das ganze Mittelaller hindurch viel die Rede von Tuberkula.
Aber dieser Ausdruck wurde dann lediglich im deskriptivem
Sinne gobrauchl zur Bezeichnung knötchenförmiger Neu¬
bildungen der verschiedensten Abstammung. Unsere eigent¬
lichen Tuberkeln, sagte bereits Waldenburg, waren ent¬
weder gar nicht gekannt oder wurden, wo man sie fand, als
seltene Kuriosa behandelt.
Die Drüsentuberkulose kannte Hippokrates bereits,
wenn auch sein Begriff über diese Gebilde sich mit dem
unsrigen nicht deckt, so sah man damals das Gehirn als die
größte Drüse an, welche überflüssige Säfte nach dem
Körper abführt und abstößt. Diese fließen ab und bilden
so die Grundlage zur Tuberkelbildung.
Möglich ist es gibt weder Beweise dafür noch da¬
gegen , daß Hippokrates bereits größere Knoten in
den Lungen bei Mensch oder Tier gesehen hat, doch hielt
er sicherlich diese Knoten nicht für etwas Besonderes,
sondern betrachtete sie als einfache Eiterherde.
C e 1 s u s , der etwa 30 vor bis 50 nach Christus lebte,
lehnt sich hinsichtlich der Entstehung der Phlhise eng au
Hippokrates an: 707 /« Tubcrkulum erklärt er für ein
dem Furunkel ähnliches Geschwür, nur runder und aus-
gedebnler, so daß eine Uebereinstimmung mit unserem
Tuberkel vollständig entfällt. Dazu kommt, daß Celsus
nichts vom ipl,ua in der Innige erwähnt; nach seinen An¬
sichten isl die Lungtenschwindsucht nur eine Art Tabes oder
Abzehrung.
Klareren Ansichten begegnen wir bei Aretaeus Ca¬
li r a d o x, welcher eine scharfe Unterscheidung zwischen der
eigentlichen Phthise oder Pye und der i/jtuhi. unserem Em¬
pyem, zutage fördert. Erstere besteht in einer EiterarjSamm-
iung in der Lunge, welche diesen Fremdkörper zu entfernen
suclil. Entwickelt sich Liier in der lirusl oder in der
Seile, und bricht er durch die Lungen durch, so hat man
es mit Empyem zu tun; entsteht aber bei diesem Vorgang
ein Geschwür in den Lungen, so tritt wieder die Bezeichnung
tfMets ein. Hatte man bis dahin namentlich auf Grund
hippokratischer Weisheil das verschiedene Verhalten des
Auswurfs' in Wasser und Feuer als ein sicheres dia¬
gnostisches Zeichen der Phthise gehalten, so wies unser
Kapradozicr die Unhaltbarkeit dieser Lehre nach.
Der sonst so große G a 1 e u steht nach W a 1 d e n b u r g,
an Klarheit und Schärfe der Darstellung unserer Krankheit
sowohl Hippokrates, wie Aretaeus bei weitem nach.
Alles, was neuere Forscher mit Tuberkel bezeichnen, ist
diesem Arzte, unbekannt geblieben. Er hat sicher niemals
Knoten in der Lunge gesehen, was ja auch nicht wunder
nipinit, da man an Leichensektionen in größerem Umfange
weder damals noch jahrhundertelang später dachte, wo¬
durch allein eine Vergleichung gesunder und kranker Teile
ermöglicht wird. 1
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Verhärtungen und Knoten in den Lungen des Schlacht¬
viehes waren wohl bekannt, namentlich infolge des jüdi¬
schen Ritus, aber von einem Zusammenhänge zwischen
Knoten und der Phthise wußte man nichts. Man suchte
das Wesentliche der Phthise nur im Geschwür und im
Defekt, wie wir es auch bei Maimonides ausgeführt
I i i ii 1 <-11.
Sn ziehen sich die Anschauungen bis in das Mittelalter
hinein. Neues wird kaum produziert. Man stützt sich auf
die Lehren der Allen. Line durchgreifende' Reform wurde
ja aiu-li i• cst möglich mit dem Aufblühen der Anatomie,
und dieser Teil der medizinischen Wissenschaft fing erst
in Ul und 17. Jahrhundert an, sich zu entfalten und zu
blühen.
Da fielen denn gar bald die Knotern aiuf, welche oftmals
zahlreich in der Lunge sich zeigten. Aber zunächst belegte
man sie a.ucli ferner mit dem gemeinsamen Namen Tuberkel,
veb Ina jedem Klinten gegeben wurde, gleichgültig, welcher
I les 1 1 ; 1 11 fi 1 1 1 eil er vai und welcher Abstammung.
Krsi im Verlaufe des 17. Jahrhunderts tauchte dann hei
Franziskus De lehne Sylvins die Grundidee auf,
dab man nur dann voll einer wahren Phthise zu sprechen
vei möchte, wenn ein I leus pulmonum vorhanden seil Das
l.nngi ngewebc wird verändert oder zerstört, wenn infolge
von Verletzungen die richtige Ernährung dieses Organes ,
aufgehoben isl oder wenn 2. ein I lens erzeugt wird.
Sylvins leihe zum ersten Male mit, wie die harten
Tu In rkeln erweichen, wie sie erst etwas Eiter enthalten,
dann aber vollständig vereitern. Er kennt außer den
größeren Tuberkeln auch kleinere, vielleicht sogar die
V ii m 11 ii dm kein. Er nimnil auch bereits einen anatomischen
und m m lischen Zusammenhang zwischen den Tuberkeln
und ihm Driiseu an, wie er auch als erster anatomische
Liezn Innigen zv Ischen Phthise und der Skrofulöse darstellt;-
leider war dieser leiziere Hinweis geraume Zeit einersegens-
rm< In i Mm Wicklung dm Lehre von der Tuberkulose hiaüer-
li Ii. oliwnbl er bereits Vererbung, wie Ansteckungsinöglich-
keil der Phthise kennt.
Ein ungefährer Zeitgenosse von Sylvins, Thomas
Willis, 1622- 1675, läßt zuerst das Dogma fallen, als ob
Phthise identisch mit Ulcus pulmonum sei. Bei ihm heißt
es: pulmonum phthisis a mala pulmonis confirmationae
orta, alle schlecht oder wenig geheilten Brustkrankheiten
gehen in Phthise über, die auf einer Schrumpfung des
ganzen Körpers beruht, ihren Grund aber in der schlechten
Beschaffenheit der Lungen hat. Für ihn ist die Lehre des
Hippokrates ein überwundener Standpunkt, daß seröse
Flüssigkeit oder irgendeine andere für die Lungen verderb¬
liche Masse vom Gehirn komme und vermittels der Luft¬
röhre in die Lungen eindringe. Entstehen kann die Phthise
aus vielerlei Ursachen. Er führt nähere und entferntere
an. gibt inwendige und answendige an, will angeborene und
fremde gelten lassen.
Sicher hat dann Bonn et. (1620 1689 die Miliar¬
tuberkulose gesehen und sein Bearbeiter .Mangel konnte
deren in Lunge, Leber, Milz und Niere, in den Mesenterial¬
drüsen, wie im Darm nachweisen, ohne daß einer von
ihnen Schlußfolgerungen oder eingehende Betrachtungen
an diese doch immerhin merkwürdigen Gebilde geknüpft
hülle.
1689 erschien dann von Richard Morlon die
Phthisiologie, die etwa ein Jahrhundert später ins Deutsche
übersetzt wurde. Er sah das Wesen der Lungenschwind-
sucln in einer mit Fieber verbundenen Auszehrung des
ganzen Körpers, die von der fehlerhaften Beschaffung und
endlich erfolgenden Schwärung ihren Ursprung nahm,
Ursprünglich isl die Lungenschwindsucht, wenn sie in erster
Linie auf einer .bösartigen Diathese und lllceration der
Lunge beruht, sekundär, insofern die Lunge durch voraus-
gegangenen Eiter bereits affiziert ist. Jedenfalls sondert
sich das wegen fehlerhafter Beschaffenheit scharfe Blut-
UNIVER
N
198
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 13
wasser in den weichen and drüsigen (leweben der Lunge
ab, verstopft sie, entzündet sie und bringt sie endlich zur
Schwärung. Als hauptsächlichstes lirkennungszeichen der
Schwindsucht ist der trockene Husten anzusprechen.
Der große Fortschritt bei Bonnet besteht darin, daß
er die Lungenschwindsucht stets aus Lungenverhärtung und
Tuberkeln, niemals auf andere Weise sich bilden läßt. Zum
ersten Male begegnen wir hier der Anschauung, daß der
Tuberkel eine oder die notwendige Vorstufe der Lungen-
ulceration sei.
Im einzelnen unterscheidet Morton noch 15 Arten
von Schwindsucht, von denen die wichtigste die skrofu¬
löse ist.
Leiden wir auch in der Folgezeit nicht Mangel an
großen und hervorragenden medizinischen Forschern, wie
Sydenham, Boerhave, v an S wi e ten , Mor-
gagni usw., so bleiben doch die Fortschritte auf dem
Gebiete der Phthise so gut wie Null, wenn auch beispiels¬
weise letzterer sich mit der Frage wohl beschäftigt, ob die
Tuberkeln wirklich ganz mit Drüsen zu dentifizieren seien.
Erst einem William Stark, der 1770 starb, war
es Vorbehalten, den Karren etwas weiter zu schieben. Er
hat das Verdienst, die Miliartuberkulose, die bisher immer
nur nebenbei als seltener Befund erwähnt worden war,
zuerst ausführlich beschrieben und ihr einen würdigen
Platz in der pathologischen Anatomie der Lungen ange¬
wiesen zu haben. Der Verfechter seiner Ideen, Reid,
kann dann die Ehre in Anspruch nehmen, die Phthise von
den Skrofeln getrennt zu haben, die Tuberkeln von den
Drüsen.
In dem Hufelandjahr können wir an diesem Arzte
nicht Vorbeigehen, wenn er auch in seiner gekrönten l’reis-
schril't in der Skrofelkrankheit nur erklärt: die Lungenknoten
werden durch Skrofelschärfe auf dieselbe Weise aus
präexistierenden Drüsen erzeugt, wie die Halbskrofeln aus
Zervikaldrüsen.
Einen wirklichen Fortschritt vermögen wir aber erst
wieder bei Mathew B'allie (1774—1816) zu erwähnen,
der die großen Lungenknoten aus dem Miliartuberkel durch
Konfluieren derselben hervorgehen läßt. Er scheidet auch
die durch Konglomeration von Miliartuberkeln entstandenen
Knoten von anderen Einlagerungen. Die bedeutendste seiner
Leistungen besteht wohl aber darin, daß er nicht nur von
den Tuberkeln der Lunge redet und ihr Entstehen aus sehr
kleinen Knötchen sehr genau beschreibt, sondern bereits
die Tuberkulose anderer Organe erörtert. Freilich gibt er
nur locker aneinander gereihte pathologisch-anatomische
Tatsachen an ; an eine genetische und klinische Ver¬
knüpfung der gleichnamigen Affektionen der verschie¬
denen Organe wagt er sich nicht heran. Wenn auch
la phthisie tuberculeuse die gewöhnlichste Erkrankung ist,
so habe man doch auch wohl zu achten auf die Phthisie
granuleuse, Phthise avec melänose, Phthisie ulcereuse, cal-
culcuse, cancereuse. Bei der Lungenschwindsucht habe
man die beginnende, bestehende und Phthise dritten Grades
zu unterscheiden. Bei der ersten schließen die Lungen
eingekapselte und nicht eingekapselte Tuberkeln ein. Bei
der zweiten ist eine gewisse Zahl der Tuberkeln in ihrem
Mittelpunkt schon erweicht oder in Eiterung übergegangen.
Bei der dritten Art sind nur noch wenig rohe Tuberkeln
vorhanden.
Bayle nimmt als Ausgangspunkt seiner Betrachtungen
den Lungentuberkel und gab ihm den Namen Miliar¬
tuberkel, der seitdem in der Wissenschaft erhalten blieb.
Ein ungefährer Zeitgenosse, Portal, schuf dann eine
große, langdauernde Verwirrung in der Lehre von der
Tuberkulose, insofern er die steotomatöse (unsere käsige;
Materie, welche Bayle skrofulöse Materie nennt, mit der
Bezeichnung tuberkulös belegt; sonst äußerte er seine An¬
sicht dahin, daß die Skrofulöse nicht die einzige, sondern
nur eine der verschiedenen Ursache der Phthisis sei.
Als eigentlichen Begründer der Lehre von der Tuber¬
kulose feiert dann L. W a 1 d e n b u r g aber Bayle, dessen
epochemachendes Werk: Recherches sur la phthisie pul 1
monaire 1810 erschien. Er wies zuerst darauf hin, daß
nicht nur die Tuberkeln der verschiedensten Organe eine
gleiche Beschaffenheit und einen gleichen Entwicklungs¬
gang hätten, sondern auch miteinander in einem genetischen
und klinischen Zusammenhang stehen. Die Phthisis tube-
rosa ist kein lokaler, allein auf die Lungen beschränkter
Prozeß ; mehr, sondern eine den ganzen Körper heimsuchende
Allgemeinerkrankung. Durch seine Anschauungen wurde
die Lehre von der Phthisis einer Reform unterworfen, die
fast als ein gänzlicher Umsturz aller bisherigen, seit Jahr¬
tausenden eingewurzelten Doktrinen und als eine vollstän¬
dige Umwandlung aller herrschenden Begriffe betrachtet
werden durfte.
Bayle betont u. a. dabei auch, die Phthisis werde
niemals durch Entzündungen hervorgerufen; weiter geht
dann Laennec, der die Einheit aller Phthisen hervor¬
hebt. Während bisher die Skrofulöse dem weitaus all¬
gemeinen Begriffe entsprach, und die Tuberkulose gleich¬
sam nur als eine Spezies derselben erschien, wird jetzt
umgekehrt die tuberkulöse Diathese zu dem umfassenderen
Begriffe i
‘rhobe
n, von
d ei-
die Drüsenskrofeln gleichsam
nur eine
Abart
sind.
Jetzt;
aber
wird
die
Verwirr
■ung
groß. Während
L a e u n e
c die
tuberkulöse
Materie
für
das Wesentlichste
des Tuberkels
hält,
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jetraehtcl
s
;ein Widersacher
Bröuss
a i s (1
772—18
38
die t u her
kulöse Materie für das
allein Maßgebende. Während Laennec unter Tuberkeln
eine Neubildung versteht und jede andere Ursache der
Phthise, zumal die Entzündung, ausschließt, erklärt
Broussais die Lungenschwindsucht gerade für eine ent¬
zündliche Krankheit und den Tuberkel als ein Produkt der
Entzündung.
Die Mit- und Nachwelt, wußte sich zu helfen und adop¬
tierte dap scheinbar Uebereinstimmende in den Lehren der
beiden großen Meister, sie identifizierte die Phthisis mit
der Tuberkulose.
Ein weiterer Abschnitt — wir näheren uns moderneren,
bekannten Zeiten und können uns kürzer fassen — setzte
dann mit V i 11 e m i n ein, der 1865 der Pariser Akademie
die erste Mitteilung über seine Versuche mit der Ueber-
tragung der Tuberkeln machte. Dieser Arzt schloß nach
der Darstellung von Predöhl aus seinen ersten Versuchen,
die Lungenphthise ist (wie die tuberkulösen Krankheiten
im allgemeinen) eine spezifische Affektion. Ihre Ursache
liegt in einem überimpfbaren Agens. Die Tuberkulose ge¬
hört in die Klasse der virulenten Krankheiten und verdient
in der nosologischen Reihe ihren Platz neben der Syphilis,
steht aber vielleicht dem Rotz und Wurm näher. Die
Tuberkulose ist eine impfbare Krankheit, ihr liegt ein spe¬
zifisches Virus zugrunde. Nur durch dieses und aut keine
andere Weise kann die Tuberkulose hervorgerufen werden.
Es bedarf zur Erkrankung eines von außen kommenden, in
der Atmosphäre befindlichen, das eigentümliche Tuberkel¬
gift enthaltenen Keimes. Als eine. Folge ergab sich dann:
was man früher Skrofulo.se nannte, ist bald Tuberkulose,
bald Skrofulöse.
Die menschliche Tuberkulose ist mit der Perlsucht
des Rindviehs identisch, behauptete Villemin.
Das weitere ist durchschnittlich bekannt. Das Für
und Wider rief eine Unmenge von Arbeiten hervor, eine
Unmasse von Kontrollversuchen wurde angestellt, histo¬
logische Untersuchungen suchten auf ihrem Wege die
Wahrheit zu entdecken, kurz, die experimentelle Forschung
halte alle Hände voll zu tun.
Aber erst unser Robert Koch schuf dann Klarheit,
und Weiteres hinzuzufügen, ist unnötig. Er zeigte, daß die
in den tuberkulösen Substanzen vorkommenden Bazillen
nicht nur Begleiter des tuberkulösen Prozesses, sondern die
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU,
199
Ursachen desselben sind; er machte den Tuberkelbazillus
zum Kriterium der Tuberkulose, er ist der Held, der den
gordischen Knoten zerhieb.
REFERATE.
Heber Kulms perorale Tubage.
Sammelautoreferat von W. Knick.
II. Teil.
1. Dr. E u g e n H o p m a n u , Spezialarzt für Hals, Nasen,
Ohren, Cöln a. Rh.:
.... Ich bin seit Jahren ein überzeugter Anhänger der
peroralen Tubage, die bei allen Operationen an Nase und
Nasennebenhöhlen und im Rachen, besonders bei Basisfibromen,
eine ideale Narkose ermöglicht. Ich habe die Methode auch
mehrmals schon in Diskussionen auf Kongressen unseren Spezial¬
kollegen empfohlen, in Bremen 1907 auf dem Otologentage
zusammen mit Prof. Dr. Kretschmann, Magdeburg . . .
2.Herr Geh. Rat. Prof. Dr. Hopmann, Cöln, ist
ein treuer Anhänger der Methode geworden, deren Vorzüge
ihm besonders bei der Exstirpation einiger Basisfibrome nach
seiner Methode per vias naturales in die Augen gefallen sind . . .
Er faßt sein Urteil folgendermaßen zusammen:
Die perorale Tubage, die ich durch meinen Sohn kennen
lernte, erachte ich als eine schätzenswerte Bereicherung'
des operativen Hilfsmittelapparates; besonders die Sicherheit,
die sic dem Eindringen von Blut in die Luftröhren gegen¬
über gewährt und dann die ungemeine Verminderung der zur
Narkose erforderlichen Chloroformmenge, sowie die ruhige und
schnell eintretende Narkose selbst und die beim Arbeiten nicht
störende Unterhaltung derselben — was bei Gesichtsoperatio¬
nen sich sehr angenehm bemerkbar macht - sind Vorzüge,
denen gegenüber die Unbequemlichkeit der Vorbereitung (Ein¬
führung der Kanüle, Einstopfung usw. • nicht ins Gewicht
fallen.
In einer Arbeit 'Deutsche med. Wochenschr,, 1908, Nr. 39)
,,Ueber’den Wert des Tastsinnes beim Operieren“ publiziert
er folgenden Fall:
Großes, hartes Schädelbasisfibrom mit in die Fossa retro-
maxillaris hineingewachsenem Fortsätze bei einem 17 jährigen
Feldarbeiter. Der Kranke litt schon als Kind an häufigem
Nasenbluten, Nasen Verstopfung und Kopfschmerz, erheblicher
aber erst seit zwei Jahren. Im Januar und März 1907 wurde
er an einer Nasengeschwulst operiert, von der größere Stücke
abgetrennt wurden, ohne daß dadurch die Verstopfung sich
irgendwie besserte; im Gegenteil nahm sie bald noch mehr zu
als vordem; ebenso wurden Nasenbluten und Kopfschmerz
häufiger und stärker.
Bei der Inspektion der Mundhöhle sah man das Velum von
rechts stark vorgewölbt und gerötet; hob man es mit der
Sonde auf, so kam ein Tumor von der gleichen Farbe, wie
in der Nasenhöhle zum Vorschein. Derselbe füllte, wie ge¬
naues Nachforschen mit dem Spiegel und dem Finger ergab,
den ganzen Nasenrachenraum aps, kam aus der rechten Choane,
mit deren oberer Rundung er fest verschmolzen war, zum
Vorschein und verlegte auch die linke Choane.
Die Operation führte ich am 19. September unter An¬
wendung der Kuhn sehen peroralen Tubage aus, die für solche
Operationen warm empfohlen zu werden verdient, nicht nur
wegen ihrer ruhigen Narkose und der bequemen, die Operation
in keiner Weise behindernden Unterhaltung, sondern ganz be¬
sonders noch, weil sie gestattet, den Kranken in aufrechter
Haltung (im Sitzen) zu operieren, während man früher der¬
artige blutreiche Operationen bei hängendem Kopfe, aüsführen
mußte und sie dadurch nur noch blutreicher gestaltete.
Operation.
.... In den folgenden Monaten mußten noch einige
Knochenfragmente und an den Geschwulsträndern hängen -
gebliebene Fetzen bezw. kleinere Gewebsrestchen, die rhino-
sjkopisch festgestellt werden konnten, entfernt werden. Die
Heilung ist, wie eine noch vor wenigen Wochen vorgenommene;
genaue Untersuchung bestätigte, eine ganz vollständige und
keine Spur eines Rezidivs bis jetzt, wo schon fast ein Jahr
nach der Operation verflossen ist, vorhanden.
Der Tumor wog 46 g; seine an der unteren Keilbein¬
fläche inserierende Basis war 9 qcm groß: mit dem aus zwei
Knollen bestehenden Aste hatte er die Größe der Faust eines
12 jährigen Kindes. Die mikroskopische Untersuchung ergab
Fibrosarkom mit vielen erweiterten Gefäßen.
3. Aus der chirurg. Abteilung der Huyssen-Stiftung in
Essen. Dr. Moria n', dirigierender Arzt.
.... Ich teile mit, daß wir die perorale Intubation, seit¬
dem wir sie kennen gelernt haben, gern und mit ausgezeich¬
netem Erfolge anwenden.
Noch dieser Tage tat sie mir, wie in einem gleichen Falle
vor einem Jahre bei einem Fibrosarkom der Schädelbasis i.Fibro-
cartilago basilaris), ausgezeichnete Dienste. Wir haben sie bei
eingreifenden Nasen Operationen, bei'Kiefer- (Ober- wie Unter-»
Resektionen, Zungen-Tonsillen- und Mundbodenkarzinomexstir¬
pationen stets verwandt, auch bei der Gaumenspaltennaht von
halb und ganz Erwachsenen. Sie hat mich in keinem Falle
im Stiche gelassen. Unangenehme Nacherscheinungen traten
wider Erwarten nicht auf. Kurz, ich schätze die perorale
Intubation und möchte sie nicht mehr entbehren, ich fühle
mich dem Erfinder dieser Methode gegenüber in dankbarer
Schuld.
4. Prof. Dr. Habs, Magdeburg, ding. Arzt am städt.
Krankenhaus.
Wir haben hier auf meiner Abteilung seit dem 26. Januar
1907 mit Intubationsnarkosen begonnen und im ganzen die¬
selbe fünfundfünfzigmäl angewandt.
Ich verwende dieselbe jetzt ausschließlich bei Operationen
an Mund, Zunge, Rachen, Gesicht (Kuhn sehe I. Indikation <.
.... Irgend üble Folgen der Intubation habe ich in meinen
Fällen nicht gesehen.
5. Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. Bar denh euer, Cöln,
Direktor des städtischen Krankenhauses.
.... Zur Beurteilung der peroralen Intubation teile ich
Ihnen mit, daß wir die Tubage in passenden Fällen häufig
mit Erfolg brauchen.
6. Dr. med. Reimar, Spezialarzt für Laryngologie,
Görlitz.
Die perorale Intubationsnärkosenmethode hat sich mir bei
Stirnhöhlenaufmeißelungen ausgezeichnet bewährt und hat mir
sehr gute Dienste geleistet. Bbi Aufmeißelung der Stirnhöhle
allein, besonders wenn deren Ausführungsgang eng ist, kann
man Blutungen in die Luftwege ja durch Tamponade des An¬
fanges des Ausführungsganges von der Stirnhöhle her sehr
leicht, verhüten. Muß man aber außer der Stirnhöhle von ihr
aus noch die Siebbeinzellen freilegen, so ist die Methode selbst¬
verständlich durchaus sicher, um Blutungen in die tiefen Luft¬
wege zu verhüten, während die sonst wohl angewandte vorher¬
gehende Tamponade des Nasen inner n unzuverlässig ist, da freie
Arbeiten von Stirnhöhle und Siebbeinzellen in das Naseninnere
hinein sehr behindert' und die Tamponade des Nasenrachen¬
raumes vielleicht auch nicht immer ganz sicher und wegen
der Gefahr von Mittelohrentzündung auch nicht ganz un¬
bedenklich ist.
Ein weiterer großer Vorzug ist der, daß das Operationsfeld
frei ist, und man nicht mit der Narkosenmaske in Kollision
gerät, und daß man das Gesicht sowohl für die Narkosen,-
kontrolle als auch für den Ueberblick über das Operations¬
feld im Verhältnis zum übrigen Gesicht, speziell den Augen¬
höhleninhalt, frei vor sich hat.
Sehr angenehm überrascht ist man von der großen Ruhe
und Gleichmäßigkeit der Narkose.
Als nicht nur unnötig, sondert) eher sogar störend für
die Hörkontrolle und die allgemein freie Beweglichkeit, haben
wir sehr bald den Hörschlauch weggelassen. Das Atemgeräusch
ist. auch ohne, ihn ausgezeichnet gut hörbar.
Die Einführung des Instrumentes, mag ja die ersten Male,
etwas unangenehm sein, besonders für solche Aerzte, die sons'tf
mit dem Kehlkopf nichts weiter zu tun haben, da die Orientie¬
rung bei dem narkotisierten Patienten mittels des eingeführten
Fingers doch ihre Unannehmlichkeiten hat. Auch ich hatte die
ersten Male nicht das Gefühl ruhiger Sicherheit, was zum.
Teil daran lag, daß es gerade unglücklicherweise Leute mit
sehr langem Halse waren, so daß ich trotz meiner langen
Finger nicht sofort den Kehlkopf erreichte. Ohne Narkose
vorher einführen, wollte ich nicht, um dem Patienten un¬
nötige Angst und Belästigungen zu ersparen. Unangenehm ist
es, wenn der Patient spitze kariöse Zähne hat; ich habe
mich da einige Male sehr daran gerissen.
tot*
UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
200
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. lc
An der Gebrauchsanweisung hatte ich zuerst nicht die
Art der Befestigung des Gummischlauches am Kopfe ver¬
standen. Als sehr einfache Befestigung fand ich dann: ich
binde den Gummischlauch an der einen kurzen Metallschleife
mit Schnur fest, gehe dann um den Kopf herum, ziehe den
Schlauch durch die andere kurze Metallschleife und binde ihn
hier mit einer einfachen Schleife fest, die dem Zuge des Gummi,-
schlauches absolut fest standhält, aber andererseits durch Ziehen
an dem freien Ende des Schlauches leicht gelöst werden kann.
Will man einmal rasch den Tubus herausnehmen (.ich habe
cs im Anfang einmal getan, weil ich infolge einer äußeren
Störung, ich kann mich nicht mehr recht genau erinnern, wie
und was es war, geglaubt hatte, daß der Tubus falsch läge;
es zeigte sich aber, daß er richtig gelegen hatte', so braucht
man den Gummischlauch nur einfach über die Metallbügel -
zunge abzuheben. Die Tamponade habe ich so gemacht, daß
ich rechts und links vom Tubus eine lange feuchte Kompresse
in den Pharynx eintamponierte, so daß sie zusammen einen
abschließenden Ring bildeten. Es scheint mir dies einfacher
und leichter als mit einem langen Streifen, bei dessen An¬
wendung ich das erstemal das Gefühl hatte, nicht bequem auf
die andere Seite hinüber zu können, so daß ich darauf verzeichtete
und sofort noch einen anderen Streifen auf die andere Seitq
ein tamponierte.
Ich hatte schon längst vor, über die Methode bei Stirn-
höhleneiterungen zu publizieren, bin aber leider bis jetzt noch
nicht dazu gekommen, nur im hiesigen ärztlichen Verein habe
ich darüber gesprochen und habe auch Kollegen angeboten,
ihnen zur Kenntnisnahme die Instrumente zu leihen.
Wesentliche Nachbeschwerden der Patienten habe ich
nicht erlebt. In der ersten Zeit nach der Operation war manch¬
mal etwas Schluckschmerz vorhanden, der sich aber bald ver¬
lor. Von großem Nutzen dürfte die Methode auch für Septum¬
resektionen bei Kindern sein. Es wird zwar behauptet, daß
die submuköse Nasenseptumresektion auch unter Lokal¬
anästhesie auszuführen möglich sei. Ich glaube dies nicht,
vorausgesetzt natürlich, daß es 1 sich nicht nur um die Resektion
eines kleineren deviierten Knorpelteils, sondern um hoch¬
gradige Deviationen des knorpligen und knöchernen Septums
handelt. Nicht, daß man den Eingriff durch lokale Anästhesie
nicht schmerzlos oder wenigstens erträglich gestalten, könnte;
aber nach meinen Erfahrungen bei zahlreichen erwachsenen
Patienten Ist die Operation in einzelnen Stadien, besonders Ab¬
tragung des Kuochens ganz unten Spina nasal. > und ganz oben,
doch sehr schmerzhaft und unangenehm.
7. Pr. Sturmann, Spezialarzt für Kehlkopf, Nase, usw..
Berlin.
.... Ich verfüge über eine stattliche Erfahrung, da ich
stets bei Nebenhöhlen- und Mundoperationen event. auch einmal
bei Nasenoperationen die perorale Tubage verwende, gleich¬
gültig, ob ich mit Aether oder Chloroform resp. Chloroform-
Sauerstoff narkotisiere. Für die Anwendung des letzteren habe
ich mir ein Schaltstück mit Ventil machen lassen, wie eq
sich an der üblichen Metallmaske befindet. Das die Atemzüge
begleitende Klappern des Ventils ist eine angenehme Kontrolle.
.... Inzwischen habe ich eine Arbeit über meine intra-
nasale Radikaloperation der Kieferhöhle für das ,»Archiv für
Laryngologie“ abgeliefert. Ich habe in dieser Arbeit auch, über
die Tubage gehandelt.Für die Intubationsnarkose mache
ich auch sonst Propaganda und habe Gelegenheit gehabt, sie
einer ganzen Anzahl von Kollegen zu demonstrieren. Jeder,
der Erfahrungen mit der Narkose hat. ist von der Methode
begeistert.
8. Dr. Sagebiel, Spezialarzt-für Kehlkopf, Nase usw.,
Stettin.
.... Mit der peroralen Tubage bin ich sehr zufrieden,
da sie mir sehr gute Dienste geleistet hat. Ich verwende sie
jetzt seit über drei Jahren, wenn es sich darum handelt,
Patienten mit Kieferhöhlen-, Siebbein- und Keilbeinhöhlen-
eiterungen einer größeren Operation zu unterwerfen, wenn
das Leiden allen sonstigen Beeinf 1 usßnngversuchen getrotzt hat.
Die Blutung war mir früher recht oft sehr störend und
die Narkose schlecht, da sie ja bei derartigen Eingriffen oft
unterbrochen werden muß. Seitdem ich jedoch die Tubage an-
wende, werde ich erheblich schneller fertig, da die Narkose
ruhig weitergeht, und die Blutung gar nicht mehr stört. Be¬
sonders hebe ich den geringen Chloroform vor brauch hervor, den
ich in allen Fällen, wo der Tubus eingeführt wurde, beobachtet
habe.
Ich habe die Tubage in über öü Fällen angewandt; nur
zweimal mißlang sie aus mir nicht geklärter Ursache. Es
handelte sich um jüngere Männer, deren Herz etwas suspekt auf
Myodegeneration vor. Sofort, wenn der Tubus cingeführt wurde,
was leicht gelang, traten Krampfzustände und hochgradige
Zyanose auf, die auch nicht nachließen, wenn der Tubus etwas
gelegen hatte, und die etst nach der Entfernung des Tubus]
auf horten. Eine Kokainisierung half auch nichts. Ob Adre¬
nalin-Kokain nicht geholfen hätte? Knick.)
Ich bemerke noch ausdrücklich, daß ich einige Fälle aus
äußeren Gründen ohne Tubage operiert habe. Jedesmal war
der Gegensatz so groß, daß jeder der Kollegen, die mich mit’
Tubage hatten arbeiten sehen, ihren Vorzug anerkennen.
Betreffs der Einführung hat sich mir die Erfahrung auf-
gedrängt, daß eine geringe Kokainisierung der Epiglottis das
Einlegen des Rohres wesentlich erleichtert; desgleichen ist
es sehr zweckmäßig, die Zunge mit der Zungenzange nach vorn
ziehen zu lassen. Es gelingt, dann leicht, auch bei stark ge-,
knickter Epiglottis, in den Larynx hineinzukommen.
Nachteile habe ich nicht beobachtet, abgesehen von
ca. 24 Stunden anhaltendem Schluckschmerz, über den ver¬
schiedene Patienten klagten, und den ich auf die Tamponade
zurückführe. Ich habe sehr oft laryngoskopiert, einen Tag
nach der Tubage. und nie im Kehlkopf Läsionen gefunden.
Ich habe hier im vorigen Jahre im wissenschaftlichen Ver¬
ein einen ausführlichen Vortrag über die Tubage gehalten.
9. Dr. Eduard Schmitt, Karlsruhe i. B.
Wir sind im Besitz des Instrumentariums und haben bis
jetzt in drei Fällen Gelegenheit gehabt, dasselbe anzuwenden.,
Der erste Fall glückte uns nicht; es lag an der noch nicht
einwandfreien Technik; es handelte sich um Halslymphome.
Wir brachten den Patienten trot zMorph.-Scopolaminum kaum
in Narkose. Zwar führten wir das Verfahren ganz durch, aber
es war für den Operateur nicht angenehm.
Die zwei anderen Fälle betrafen Zahnextraktionen umfang¬
reichster und schwierigster Natur. Hier bewährte sich die
perorale Erfindung glänzend. Es wäre nicht möglich gewesen
diese eingreifenden Zahn Operationen so gut auszuführen ohm*
perorale Intubation.
10. Dr. C. R e i nh a‘r d t, aus dem •schlesischen Kranken-
hause zu Teschen. Zur t e m p orären A u f k 1 a p p u n g
beider Oberkiefer nach Koch e r. Zenl ralbla-tt für
Chirurgie, 1908, Nr. 19.
.... Eine prophylaktische Maßnahme zur Verhinderung der
Aspiration bei dieser und ähnlichen Operationen verdient gewiß
alle Beachtung; es ist dies die perorale Intubation nach Kuhn;
sie kann nötigenfalls auch während der Operation ausgeführt
werden.
Chirurgie.
Referent: Dr. Mohr, Bielefeld.
1. Die chirurgische Behandlung der Magengeschwüre. Von
Port, Nürnberg. Die Heilkunde, Separatabdruck.
2. Ueber den Einfluß der Fibrininjektionen auf Karzinom.
Von Bergei, Hohensalza. Med. Klinik, 1910. Nr. 6.
.3. Zur Frage der operativen Behandlung des Morbus Base-
dowii. Von Lowinsky, Berlin. Die Therapie der Gegen¬
wart, Februar 1910.
4. Ueber Omarthritis mit Brachialgie und ihre Behand¬
lung. Von Herzog, Mainz. Therap. Monatsh., Febr. 1910.
5. Zur Behandlung der malignen Gesichtsfurunkel. Von
W. Keppler, Berlin. Münch, med. Wochenschr., 1910, Nr. 7.
6. Gastrotomie wegen Fremdkörper. Von Borchardi,
Berlin. Berliner klin. Wochenschr., 1910. S. 329.
1. Verf. versucht, auf Grund der in der Literatur nieder¬
gelegten Erfahrungen die Grenzen der operativen Behandlung
des Magengeschwürs zu bestimmen. Eine Chirurgie des Magen¬
geschwürs gibt es überhaupt nich't. Was wir chirurgisch an-
greifen, ist nicht das Geschwür, sondern die Stenose, die Stau¬
ung der Ingesta im Magen. Bei Stenosen werden mit der opera¬
tiven Behandlung des Magengeschwürs durchgehend glänzende
Erfolge erzielt, welche sich über Jahre gehalten haben, während
bei den wenigen Fällen ohne Stenose nur Mißerfolge berichtet
werden. Weder die Resektion noch die Gastroenterostomie wirkt
direkt heilend auf das Ulcus, die einzig sichere Wirkung der
Operation ist die dauernde oder zeitweise Beseitigung der die
Ausheilung des Ulcus hindernden Passagestörung. Warum das
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
201
Geschwür nach Beseitigung. der Stenose ausheilt, wissen wir
nicht.
-• Verf. betrachtet clie Entzündung an der Grenze zwischen
krankem und' gesundem Gewebe beim Karzinom als Abwehr¬
bestreben des Körpers, welcher eine schützende Zone gegen
Weiterwucherung und Metastasenbildung zu bilden sucht. Dem¬
entsprechend verursachen auch Infektionen, welche interkurrent
Karzinome oder Sarkome befallen, oft eine Rückbildung des
Tumors. Diesen Vorgang versucht Verf. therapeutisch auszu-
nutzen, indem er durch Fibrin-Einspritzungen in bequemer und
unschädlicher Weise eine dosierbare, aseptische Entzündung her¬
vorruft. Benutzt wurde das sterile, haltbare Präparat von
E. Merck. Nach Vorversuchen an karzinomkranken Hunden,
welche günstig ausfielen, ging Verf v dazu über, auch bei in¬
operablen Karzinomen des Menschen Fibrininjektionen in und
um die Tumoren vorzunehmen. Hierbei zeigte sich, daß die
üurch die Injektionen erzeugte aseptische Entzündung insofern
einen als günstig zu deutenden Einfluß auf das Karzinom aus¬
zuüben vermag, als sie nicht bloß das Wachstum desselben zu
hemmen, sondern auch Rückbildungs- und Nekrotisierungs¬
prozesse des karzinomatösen Gewebes hervorzurufen imstande
ist, und zwar auf eine dem benachbarten gesunden Gewebe und
dem ganzen Organismus nicht schädliche Weise.
3. Daß es zweifellos Fälle von Basedowscher Krankheit
gibt, in denen die Schilddrüse gar keine Rolle spielt, in denen
also von operativer Behandlung keine Rede sein kann, zeigt
ein vom Verf. mitgeteilter Fall, in welchem es sich ursprünglich
um Struma ohne Basedow nach Ansicht des Verf. gehandelt
hat, während zurzeit Basedow ohne Struma vorliegt. Die vor
acht Jahren vorgenommene Strumektomie hat demnach den
Ausbruch der Basedowschen Krankheit mindestens nicht ver¬
hütet.
4. Verf. beobachtete eine Anzahl von Fällen, die zunächst
lange unter der Diagnose ,,Neuralgie“, ,,Neuritis“ gingen, weil
die Schmerzen nie im Schultergelenk, sondern besonders heftig
an der Außenseite des Oberarms empfunden wurden. Die Be¬
handlung blieb erfolglos, bis die Versteifung im Schulter¬
gelenk festgestellt, und durch passive manuelle Bewegungen
zur Heilung gebracht wurde. Aetiologisch kommen für die
Omarthritis, außer Rheumatismus und Gicht, leichte Traumen
des Arms in Betracht, infolge deren der Arm fixiert würde,
und das Schultergelenk durch die Ruhigstellung versteifte.
5. Iv. empfiehlt auf Grund zahlreicher Beobachtungen der
Berliner chirurgischen Klinik bei malignen Gesichtsfurunkeln
eine energisch und konsequent durchgeführte Stauungsbehand¬
lung an Stelle der bisher üblichen radikalen Eingriffe. Ebenso,
wie beim Milzbrandkarbunkel führt ein abwartendes, konser¬
vatives Verhalten zum Ziel, während durch die Inzisionen hier
wie dort oftmals erst die Verschlimmerung und vor allem die
Verallgemeinerung des Prozesses eingeleitct wird. Auch bei
schweren Nackenkarbunkeln, deren Sitz die Anlegung der
Staubinde gestattete,, war die Staubehandlung von Erfolg. Zwölf
K ra nkengeschichten.
6. Zwei Fälle von Gastrotomie wegen Fremdkörper; der
eine betraf einen Nagelesser, es wurden 103 Nägel. 3 Schrauben,
1 Messingkette, 2 Nadeln entfernt.
Orthopädie.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lehr, Stuttgart
1. Indicatio morbi und Indicatio orthopaedica. Von Prof.
Dr.- 0. V ulpius, Heidelberg. Zeitschr. für orthop. Chir..
24. Bd., 1. u. 2. Heft.
2. Einige Urteile über meine vereinfachte mechanische Be¬
handlungsmethode der Coxitis. Zugleich eine Antwort auf
Vulpius’ Artikel ,.Indicatio morbi und Indicatio ortho¬
paedica“.* Von Prof. Dr. A. Lorenz, Wien. Zeitschr. für
orthop. Chir., 24. Bd., 3. u. 4. Heft.
3. Ueber „schnellende Hüfte“. Von Dr. G. Holtmann,
München. Zeitschr. für orthop. Chir., 24. Bd.. 1. u, 2. Heft.
4. Ueber Pneumokokkenarthritiden. Von Denis G. Ze -
sas. Ibidem.
5. Zur Verdickung der Tuberositas tibiae. Von Dr.
G. H o li m a n n , München. Ibidem.
G. Ein weiterer Beitrag zur Abduktionsbehandlung der
Schenkelhalsfraktur. V on Roval W h i t m a n , New York.
Ibidem.
7. Die Periarthritis humero-scapularis. (Duplaysche Krank¬
heit.) Von D e n i s G. Z e s as. Ibidem.
8. Zur Arbeit des Herrn Dr. Blenke, betr. die ortho¬
pädischen Turnkurse in Düsseldorf. Von Med.-Rat Dr.
F. S c h r a k a m p , Düsseldorf. Ibidem.
9. Erwiderung auf die vorstehenden Bemerkungen des Herrn
Mcdizinalrat Dr. Schrakamp zu meiner Arbeit, betr. die
orthopädischen Turnkurse in Düsseldorf. Von Dr. A. Blenke,
Magdeburg. Ibidem.
1. Lorenz hatte in letzter Zeit wiederholt zunächst
im Hinblick auf die Coxitistherapie die Forderung aufgestellt,
zuerst der Indicatio morbi zu genügen, d. h. das kranke
Hüftgelenk durch fixierende Gipsverbände ohne Extension und
ohne Stellungsverbesserung zur völligen Ausheilung zu bringen
und dann nötigenfalls die Indicatio orthopaedica durch Be¬
seitigung (subkutane Osteotomiej etwa entstandener Deformi¬
täten zu erfüllen.
Vulpius verlangt von vornherein Fixation und Ent¬
lastung in korrigierter Stellung leichte Flexion und Ab¬
duktion 1 .
2. Zurückweisung der Angriffe von Vulpius s. voriges
Referat) unter Heranziehung einer Reihe von günstigen Er¬
teilen aus der Literatur, wie sie namhafte Fachleute nach der
Prüfung der Methode aussprechen.
3. Die Erscheinung der schnellenden Hüfte kann zwei ganz
verschiedene Ursachen haben. Das schnappende Geräusch kann
entweder durch die sog. willkürliche Subluxation des Schenkel-
köpf es entstehen, der beim Beugen des Oberschenkels sich über
den hinteren Pfannenrand etwas- verschiebt und beim Strecken
wieder einschnappt oder durch das Hinübergleiten des Tractus
iliotibialis über den Trochanter major beim Beugen des Ober¬
schenkels nach vorne, während er beim Strecken wieder in
seine alte Lage zurückspringt. Die Unterscheidung ist oft nicht
leicht, um so mehr als beide Möglichkeiten kombiniert Vor¬
kommen können. Falls keine subjektiven Beschwerden vor-
'handen sind, ist eine Therapie unnötig. Macht das Geräusch
die Patienten nervös oder werden sie leicht müde, so ist bei
Fällen der zweiten Kategorie die, Vernähung des Stranges hinteij
dem Trochanter zu empfehlen. Diese Operation wurde auch in
dem Fall des Verf. mit gutem Erfolg ausgefühn.
4. Zusammenstellung der Literatur der immerhin seltenen
Erkrankung. Die Pneumokokkenarthritiden können während
oder nach der Lungenaffektion auftreten. In seltenen Fällen
kommen sie vor dem Ausbruch der Pneumonie zur Entwick¬
lung und in ganz vereinzelten Beobachtungen bleiben sie im,
Gelenke lokalisiert, ohne daß eine Lungeninfektion zustande
kommt. Das Schultergelenk wird von der Metastase am meisten
bevorzugt. Von den übrigen Gelenken wird das Kniegelenk
relativ am häufigsten befallen. Die Prognose der Gelenk¬
entzündung ist um so ungünstiger, je frühzeitiger sich die¬
selbe der Pneumonie anschließt. Die therapeutischen Be¬
strebungen sind bisher nur von geringem Erfolg begleitet ge¬
wesen.
5. Beschreibung zweier Fälle von Verdickung der Tubero¬
sitas tibiae, die infolge häufigen Knieens auf harter Unterlage
entstanden waren. Verf. sieht in der durch Inspektion und
Röntgenbild festgestellten Verdickung callöse Massen, die nach
Einknickungen oder Infraktionen entstanden sind. Die Behand¬
lung ist stets eine langwierige. Verf. schützte die schmerz¬
hafte Stelle vor Druck durch ein U-förmiges Stück Sattler¬
filz nach Art der bekannten Hühneraugenringe, der mit Heft¬
pflasterstreifen befestigt wu>'de. Bei heftigeren Schmerzen ist
man genötigt, zu P r i e ß n i t z sehen Umschlägen und event.
zum fixierenden Verband zu greifen.
6. Um bei einer Schenkelhalsfraktur ein gutes funktio¬
nelles .Heilungsresultat zu erzielen, ist ein unmittelbares und
vollständiges Redressement der Deformität notwendig, mag die¬
selbe nun durch vollständige Knochentrennung oder durch Ein¬
keilung des Fragments bedingt sein. Eine sichere Fixation ist
solange erforderlich, bis die Gefahr einer Verschiebung der
Fragmente beseitigt ist. Zur Einrichtung der Fraktur wird
zunächst das gesunde Bein in gestreckter Stellung bis zur
normalen Grenze abduziert. Dadurch daß man dasselbe während
der Dauer der Operation in dieser Stellung halten läßt, wird
das Becken fixiert. Nun wird das verletzte Bein in leichte
Flexion gebracht, bis zur normalen Grenze nach einwärts
rotiert und unter beständiger Traktion abduziert. Gleichzeitig
wird der Trochanter nach unten gedrückt, bis er wieder in
seine normale Linie zur R. N.-Linie tritt. In dieser Stellung
JNIVERSITY OF MICHIGAN
202
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 1 l
wird ein gut anmodellierter Gipsverband von der Achselhöhle
bis zu den Zehen angelegt. In einzelnen Fällen hat Verf.
das Resultat noch durch Eintreiben eines Drillbohrers gesichert.
Die Heilungsdauer beträgt bis zur vollen Wiederherstellung
ein Jahr.
7. Die Erkrankung tritt in akuter und chronischer Form
auf. Die akute ist seltener und zeigt sich mitunter nach,
brüsken Bewegungen des Armes, nach heftiger Torsion des¬
selben oder nach Quetschungen der Schultergegend. Der Kranke
hat dabei das Gefühl, als ob das Gelenk ausgerenkt sei. Es :
besteht eine deutliche, 'druckschmerzhafte Vorwölbung unter
dem Akromion; der Arm steht adduziert und im Ellenbogen -
gelenk flektiert. Seitliche Erhebung des Armes ist aktiv er¬
schwert und passiv nur unter Schmerzen ausführbar; Pendel -
bewegungen und passive Rotationen sind dagegen schmerzlos.
Das Bild der chronischen Form besieht in Abflachung der
Schultergegend, Einschränkung der Abduktion und in
Schwellung und Schmerzhaftigkeit unter dem Akromion. Reibe-
geräusche sind, falls sie vorhanden, prognostisch günstig, da
sie. gegen eine Verödung des affizierten Schleimbeutels sprechen.
Die akute Form erheischt vorerst eine Immobilisation des
Armes, die aber 6—8 Tage nicht überschreiten darf. Sind
starke Schmerzen vorhanden, so helfen P r i c ß n i t z sehe Um¬
schläge und Jodpinselungen. Nachher folgt medikomechanische
Behandlung. In chronischen Fällen ist oft eine Sprengung
v.on vorhandenen Verwachsungen in Narkose notwendig. Nach
kompletter Mobilisation wird der Arm 48 Stunden in einem
Watteverband ruhiggestellt und alsdann wird mit der Nach¬
behandlung begonnen.
8. und 9. Auseinandersetzung beider Autoren, die gegen¬
über der im 3. Jahrg., Nr. 39, der ,,Therap. Rundschau“
bereits referierten Arbeit von Blenke keine neuen Gesichts¬
punkte bringt.
Lungenkraiikheiten.
Referent; Prof. Dr. A. Moeller. Spezialarzt für Lungenleiden,
Berlin.
1. „Disposition oder Exposition.“ Zur Frage der Patho¬
genese der Schwindsucht. Von Dr. S. Unter he r g e r .
§t. Petersburger med. Wochenschr., 1910, Nr. 1.
2. Wie ist nach den bisher gemachten Erfahrungen die
Auslese der Lungenkranken in Volksheilstätten zu treffen?
Von Dr. A. Brio n. Straßburger med. Zeitung, 1910. H. 1.
3. Zur Bestimmung der Zahl der Tuberkelbazillen im
Untersuchungspräparat. Von Dr. E. Brandenburg-
Schöneberg, Sternberg. Med. Klinik. 1910, Nr. 5.
4. Ueber die Lungentuberkulose im Röntgenbilde. Von
Dr. 0. von Dehn, Reval. St. Petersburger med. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 2.
5. Die Umwandlung vom Menschen stammender Tuberkel¬
bazillen des Typus humanus in solche des Typus brovinus. Von
Prof. Dr. Eber. Münchener med. Wochenschr., 18. Jan. 1910.
6. Ist der Nachweis von Tuberkelbazillen im Stuhl von
Phthisikern für die Diagnose Darmtuberkulose verwertbar? Von
F. Klose. Münchener med. Wochenschr., 18. Januar 1910.
7. Theorie und Praxis. Eine Erwiderung. Von P. K.
Pel. Berliner klin. Wochenschr., 17. Januar 1910.
8. Zur Technik der Tuberkulinbehandlung und -Diagnostik.
Von Dr. L. Piesen. Prager med. Wochenschr., 1910, Nr. 4.
9. Ueber Plazentartuberkulose und ihre Beziehungen zur
kongenitalen Tuberkulose. Von Dr. Sitzenfrey, Gießen.
(Frauenklinik, Gießen 1910. 1
10. Die Röntgejnjiagniostik der Lungenkrankheiten. Von
Prof. Dr. Arnsperger. Reichsmedizinal-Anz., 1910, Nr. 3.
1. Verf, führt aus, daß bei der Pathogenese der Schwind¬
sucht die vererbte Disposition die prävalierende Rolle spielt.
Die vererbte Disposition ist nach ihm kein Wort: „pour masquer
notre ignorance“, sondern sie stellt einen Faktor dar, mit.'
dem zu rechnen ist. Er kommt zu dem Schlüsse, daß Exposition,
bei der Entstehung der Schwindsucht nicht gleichbedeutend
mit Disposition ist. Exponiert ist bei der Ubiqultät der
Tuberkelbazillen jeder Mensch, aber es erkrankt an Schwind¬
sucht nur derjenige, der die ausgesprochene Disposition dazu,
ererbt hat. Der historische Mensch trägt in sich Dispositionen!
zu allen Krankheiten in manifester oder latenter Form. Die
Disposition zur Schwindsucht ist nach den neuesten Forschungen
somit jedem Menschen angeboren, aber nicht immer in so hohem
Grade, daß der durch den Bazillus Infizierte sofort an Schwind¬
sucht zugrunde geht. Die angeborene Disposition ist zuweilen
so gering, daß bei einer verhältnismäßig großen Exposition
der Mensch an tuberkulösen Herden, aber nicht an Schwindsucht
erkrankt. Da in ca. 90% alle Menschen Reste überstandener In¬
fektion in den Lungen in sich tragen, so sterben mehr Men¬
schen in i t Tuberkulose als a n Tuberkulose.
2. Brion führt die Aufnahmebedingungen für Lungen¬
kranke in Sanatorien auf; er gibt an, daß es wichtig sei,'
die Frühstadien festzustellen.
3. Verf. hält die Anzahl der Tuberkelbazillen, welche beim
Tuberkulösen im Sputum gefunden werden, für belanglos betr.
der Prognose. Betreffs der Zählmethode verwirft er die
G a f f k y sehe und Gabrilowit s c h sehe Methode der Zäh¬
lung und schlägt vor, folgende Einteilung zu. machen:
Nr. 1 — im ganzen Präparat 1—4 Bazillen,
Nr. 2 = im ganzen Präparat 5—12 Bazillen.
4. Dehn gibt gleich .zu, daß ein katarrhalischer Spitzen¬
prozeß ohne Verdichtung des Parenchyms nie mit Hilfe der
Röntgenstrahlen sich nachweisen läßt. Im Röntgenbilde sind
viele Einzelheiten vorhanden, welche zu Fehlschlüssen verleiten
können. Doch glaubt er, daß wir in den Röntgenstrahlen
ein souveränes Mittel besitzen, zu bestimmen, wie weit ein
Lungenprozeß vorgeschritten ist.
5. Eber gelang es bei seinen Versuchen in 3 von 7 Fällen
menschlicher Lungentuberkulose ein Halten des tuberkulösen
Materials in der Bauchhöhle der Versuchsrinder zu erzwingen.
Er kommt zu folgendem Schlüsse: Durch die Versuche ist dar-
getan, daß es bei geeigneter Versuchsanordnung möglich ist, mitj
vom Menschen stammendem tuberkulösen Materiale, aus dem
Tuberkelbazillen mit den Eigenschaften des Typus humanus zu
züchten sind, durch Uebertragung auf Rinder Veränderungen
hervorzurufen, aus denen Tuberkelbazillen isoliert werden
können, die sich bei Weiterimpfung auf Rinder für diese hoch¬
gradig virulent erweisen und auch im Kultur- und Kaninchen-
versuche wie Bazillen ‘des Typus bovinus verhalten. Als die
zweckmäßigste Form der Ueberimpfung für die Typenumwand-
luug hat sich bei unseren Versuchen die Einimpfung in die
Bauchhöhle, erwiesen. Das Hallen der _voin Menschen stammenden
Tuberkelbazillen in der Bauchhöhle wird durch'” Verwendung'
von Orgauteilen tuberkulöser Meerschweinchen insbesondere der
mit Bouillon verriebenen Milz 1 wesentlich erleichtert. In der
vorstehend mitgeteilten Versuchsreihe ist es gelungen, in 3
von 7 .wahllos zur Verfügung gestellten Fällen von Lungentuber¬
kulose des Menschen Sektionsmaterial 1 eine Umwandlung des
Bazillentypus in dem oben erläuterten Sinne durchzuführen.
Der Ausgang dieser Versuche ist ein weiterer Beweis für die
nahe Verwandtschaft der beim Menschen und beim Rinde vor¬
kommenden Tuberkuloseformen.
6. Klose untersuchte in einer Lungenheilstätte eine große
Anzahl von Fäces Lungenkranker und kam zu dem Ergebnis,
daß in fast allen Fällen, in denen er Tuberkelbazillen im
Sputum fand, ihr Nachweis auch im Stuhlgang des Patienten
glückte. Abgesehen von 6 Fällen, in denen die klinischen,
Symptome die Annahme einer Darmtuberkulose rechtfertigten,
und bei denen die Tuberkelbazillen in den Präparaten auchi
bedeutend zahlreicher auftraten, war bei keinem ande¬
re n' d e r 5 4 Patienten i r g e n d ein Anhalts p u n k t.
d a f ü r v o r h a n d e n. Hier konnten die Tuberkelbazillen also
nur von v erschluc k t e m Sput u m herrühren. Wenn sich
nun also schon bei Heilstätteninsassen ein Versehluckeu von
Sputum und damit ein Auftreten von Tuberkelbazillen im
Stuhlgang mit absoluter Sicherheit, wie die Untersuchungen
zeigen, nicht ausschließen läßt, wie viel weniger wird irfan
es in der Praxis tun dürfen. Er möchte auf Grund dieser Unter¬
suchungen behaupten, daß der Nachweis von Tuberkelbazillen
im Stuhlgang bei gleichzeitig bestehender offener Lungentuber¬
kulose mit positivem Bazillenbefund im Sputum zu der Dia¬
gnose Darmtuberkulose allein in keiner Weise berechtigt, da die
Herkunft der Bazillen aus dem Auswurf nicht bestimmt aus¬
geschlossen werden kann.
7. Der bekannte Kliniker Pel wendet sich in der Erwide-*
rung scharf gegen W o 1 f f - E i s n e r , welcher „sich erlaubt “
habe, in einer Diskussion über Tuberkülinbehandlung zu sagen,
daß Pel die Tuberkulinbehandlung mißachte. Pel sagt, er sei
erstaunt, als „Mißachter der <Theorie“ zu gelten.
8 . Piesen gibt einige praktische Winke bei der Her¬
stellung von Tuberkulinlösungen und der Applikation des
spezifischen Mittels.
1910
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
203
9. Verf. schildert seine in den letzten 3VW Jahren angestellten
Untersuchungen an 26 Plazenten tuberkulöser Mütter; er fand
unter den 26 Plazenten 7 mal tuberkulöse Veränderungen mit
Tuberkelbazillen.
10 Der Aufsatz schildert die Erfahrungen, welche bisher
bei der Röntgendiagnostik der Lungenkrankheiten gesammelt
worden sind. Verf. schließt seine Beobachtungen mit der Be¬
merkung. daß die Röntgenuntersuchung in Verbindung mit den
anderen Methoden wertvolles zu leisten imstande ist.
Kinderheilkunde.
Referent: Kinderarzt Dr. Eugen Neter, Mannheim.
1. Die natürliche Ernährung der Säuglinge in Berlin. Von
Prof. Neumann. Ergebnisse der Säuglingsfürsorge, H. 5.
Verlag von Deu ticke, Leipzig. 95 S., Pr. 3,50 M.
2. Ueber den Wert von Merkblättern in der Säuglings¬
fürsorge. Von Dr. Michaelis. Ebenda.
3. Unterricht in Säuglingspflege. Von Lilie Ober ■
warth. Ebenda.
4. Die Unterstützung der stillenden Mutter und ihr Erfolg.
Von Prof. Neumann. Ebenda.
1. Prof. Neu mann bespricht im ersten Artikel die natür¬
liche Säuglingsernährung in Berlin unter Zugrundelegung der
Volkszählungsergebnisse. Die. auf neuen Gesichtspunkten ge¬
stützte Betrachtung stellt dln seit 1890 fortschreitenden Rück¬
gang des Stillens als nicht so erheblich hin als man vielfach'
annimmt. Unter Einberechnung der Ammenernährung erhalten
jetzt die Kinder der drei ersten Lebensquartale bei allen Be-
völkerungsgruppen annähernd gleich häufig Frauenmilch. Die
natürliche Ernährung unterbleibt bei gewissen Gruppen von
Frauen für fast alle ihre Kinder, und dieses Unterlassen wird
zu einem großen Teile durch körperliche Unzulänglichkeit ver¬
ursacht. In zwei Punkten ist diesen beklagenswerten Ver¬
hältnissen gegenüber ein gewisser Optimismus erlaubt. Erstens
lehrt eine individuelle Beratung und Unterstützung, daß diese
körperliche Behinderung sich vielfach überwinden läßt, und
zweitens ist die Aufklärung über die Wichtigkeit der natür¬
lichen Ernährung im Begriffe, Flüchte zu tragen. Von dem
Jahr 1900 bis zum Jahr 1905 hat bei den Bemittelten die
Darreichung der eigenen Brust zugenommen, und ist bei den
Unbemittelten der Rückgang geringer geworden.
2 . Bei einer Umfrage in der Neuman n sehen Säuglings-
fürsorgestelle kam Michaelis zu folgendem Resultate: Fast
”/,[ der Mütter liest das Merkblatt. Schaden durch etwaige
mißverständliche Auffassung seines Inhaltes wurde nicht kon¬
statiert; hingegen konnte nachgewiesen werden, daß Fehler
in der Ernährung nicht so häufig dort, wo das Merkblatt ge¬
lesen worden war, Vorkommen wie bei jenen Frauen, die von
dem Blatt nichts wußten. Ein Einfluß auf die Häufigkeit des
Stillens ließ sich nicht feststellen. Die Versuchsreihe des Ver¬
fassers ist indessen zu klein, um allgemeine Schlußfolgerungen,
zu ermöglichen.
3. Frau Lilie Ober warth (eine Kollegenfrau er¬
teilte in der N e u m a n n sehen Wöchnerinnenunterkunft Unter¬
richt in Säuglingspflege mit praktischen Hebungen. Die Teil¬
nehmerinnen ' rekrutierten sieh aus allen Bevölkerungskreisen;
mit Rücksicht auf das verschiedene Verständnis und Bedürfnis
wurden zwei Parallelkurse für Bemittelte und Unbemittelte ein¬
gerichtet. Durch eine Rundfrage an die früheren Schülerinnen
versuchte Oberwarth die Wirkung einer solchen Be¬
lehrung festzustellen; und da zeigte sich, daß hinsichtlich!
Selbststillens und Säuglingssterblichkeit man von einem sehr
günstigen Einfluß der Teilnahme an einem solchen Kurs zu
sprechen berechtigt ist. Frau Oberwarth empfiehlt dringend
die Einführung solcher Kurse in die Fortbildungsschulen für
Mädchen.
4. Die Bedeutung der Stillprämien läßt sich nach Neu -
m a n n nicht präzisieren. Der statistische Erfolg ist nur gering
im Verhältnis zu den großen Aufwendungen. Es läßt sich aber
nicht verkennen, daß die materielle Unterstützung 'für viele
Frauen die alleinige Veranlassung abgibt zum Aufsuchen der
Beratungsstellen und dadurch eine, fortlaufende Ueberwachung
des Säuglings ermöglicht.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Varia.
Ein Beitrag zur operativen Behandlung der Epilepsie.
Von Birchner. Zentralblatt für Chirurgie, Bd. 37, Nr. 1.
K rause führte Horsleys Vorschlag, „bei genuiner und
traumatischer Epilepsie das primär krampfende Zentrum aus¬
zuschneiden“, aus und gab eine Operationstechnik an, mit einem
— allerdings sehr komplizierten — Apparat, das krampfende
Zentrum rasch zu lokalisieren. Ein wesentlich einfacheres Ver¬
fahren wandte H. Birchner in der kantonalen Kranken¬
anstalt iu Aarau an und zwar mit gutem Erfolge. Die zur
Operation iu Betracht kommende Gehirnpartie wird durch einen
Wagner sehen Knochen-Periost-Weichteillappen breit frei¬
gelegt, die — meist stark gespannte — Dura mit Kreuzschnitt
eröffnet und zurückgeklappt. Es folgt „das wichtige Prozedere
der Massage“ der freigelegten Gehirnoberfläche, wobei mit dem
Daumen 3—5 Minuten gehörig die ganze Rindenpartie massiert
wird. Hiernach kann die Dura geschlossen oder nach Roche r
zu einer Ventilbildung verwendet werden,
Kurt Lipschitz, Berlin.
Beitrag zur Therapie des Kardiospasmus. Von Frankl.
Fortschritte der Medizin, Bd. 28, Nr. 2, S. 47 ff.
Die medikamentöse Behandlung des Kardiospasmus mit
Brom, Anästhesin etc. hat sich als unwirksam erwiesen, des¬
gleichen Pinselungen des Oesophagus mit Eükain etc. Sonden-
behandlungen hatten da keinen Zweck, wo es darauf ankam, die
Kardia längere Zeit zu dilatieren. Die von Mikulicz emp¬
fohlene Operation birgt nach dessen eigner Ansicht eine eminent
große Gefahr für den Patienten in sich. All diesen Methoden
stellt Verf. die glänzenden Erfolge gegenüber, die er mit dem
Geißlers che li Dilatator iu m erreicht hat. Dieses be¬
steht aus drei Hülsen: Einer inneren, die mit der dickwandigen
Sonde mit kleinen Löchern in Kommunikation steht. Die zweite
Hülse besteht aus dichtem engmaschigen Seidengewebe, welches
die Dehnbarkeit des aufblähbaren Ballons beseitigt, und drittens
aus einer Gummihülse zwecks Ermöglichung der Schlüpfrigkeit.
Durch die Zylinderform des Ballons ist die Lokalisation in der
: Kardia leicht möglich. Ein weiterer Vorzug ist die leichte
Dosierbarkeit des Druckes, mit dem man die Dilatation vor¬
nimmt. Der Geißlerscho Apparat kann mit Recht als Ersatz
des operativen Verfahrens angesehen werden.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Die Prophylaxe der Embolie nach gynäkologischen Operatio¬
nen. Von Veit. Zentralblatt für Gynäkologie, Bd. 34, Nr. 1.
Ohne zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die postoperative
: Lungenarterienembolie eine mechanische oder parasitäre Genese
hat, rät Veit als Prophylaxe gegen die mechanische Embolie
[ das Frühaufstohen nach Operationen und im Wochenbett. Da
er aber auch von der Einwirkung und dem wesentlichen Ein¬
fluß von Fäulnisbakterien fest überzeugt ist und zahlreiche
Fälle von Embolie mit Veneninfektion in Zusammenhang bringt,
| so rät er, die Versorgung der Venen, bevor die operierende Hand
j irgendwie Gefahr gelaufen ist, nicht mehr aseptisch zu sein; auf
' jeden Fall müssen die Venen versorgt sein, bevor man an die.
Eröffnung keimhaltiger Organe geht.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Die operative Behandlung der Thrombophlebitis septica im
Wochenbett. Von Osterloh, Dresden. Fortschr. d. Medizin.
! Bd. 28, Nr. 2.
Osterloh nimmt gegen den Ausspruch B u m m s Stellung,
daß bei der Thrombophlebitis strept. —- falls diese akut auf-
tritt — Unterbindung der Venen ohne Erfolg sei, in chronischen
Fällen dagegen dadurch Heilung erfolgen könne. Eine Folge
dieses Ausspruches sei, daß häufig die Operation zu spät vor-
genommen werde (cf. Koblancks Veröffentlichungen, Zeit¬
schrift f. Geb. u. Gyn., Bd. 161, S. 581 ff.). Osterloh
selbst berichtet über einen solchen Fall, wo man bei zu später
Operation schon die V. hypogastriea thrombosieri findet, so daß
ein mit einer Aneurysmanadel herumgeführter Faden die Wand
einriß und sich aus der Venenwunde schmieriger Eiter ergoß,
so daß man den Exitus nicht mehr verhindern konnte. Im Hin¬
blick auf die Sektion dieses Falles rät Verf. bei sicherstehen¬
der Diagnose ein bis zwei Tage nach der Einlieferung die Ope¬
ration vorzuuehmen, zumal dann noch die Kränke bei verhältnis¬
mäßig guten Kräften ist; ferner sei dann noch nicht a.nzu-
nehmen, daß die Thrombose event. schon bis in die V. cava
vorgeschritten sei und so jeden Operationsversuch von vorn¬
herein illusorisch mache, K u r t Lipschitz, Berlin.
i OF MICHIGAN
universiti
204
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 13
Zum Nachweis von Eiweiß im Harn veröffentlicht
Y. Ogur'o in der ,,Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therap/j
Bd. 7. Heft 1 (Referat in der Pharmaz. Zentralhalle, 1910,
Nr. 7) eine neue Methode: Er säuert 5—6 ccm klaren Urin
mit verdünnter Essigsäure stark an, setzt etwa 1 ccm Jod¬
tinktur zu und schüttelt durch. Darauf wird unter tüchtigem
Schütteln bis zur völligen Entfärbung gesättigte wässerige
Lösung von Natriumbisulfit hinzugefügt. Bei Gegenwart von
Eiweiß wird der Harn trübe oder enthält Flocken.
Zu einer anderen Probe entfärbt man Jodtinktur mit der
Bisulfitlösung und filtriert. Dieses Reagenz ist haltbar. Zu
dem klaren, mit Essigsäure stark ungesäuerten Harn gibt man
etwa V 3 seiner Raummenge vom Reagenz zu und schüttelt
gut durch. Eiweiß wird durch Trübung oder Flocken er¬
kannt. lv r ii g e r , Magdeburg.
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger. Magdeburg.
1. Lieber Thiosinaminvergiftung. Von Dr. Fr. Hayn.
Ass.-Arzt an der Hautklinik in Würzburg. Münch, med.
Wochenschr., 1910, Nr. 7.
2. Ueber Aphrodisiaka. Von Prof. Dr. K a f e m a n n ,
Königsberg i. Pr. Ibidem.
3. Klinische Beobachtungen über die Wirkung des Panto-
pon (Sahli). Von Dr. Heimann, Ass.-Arzt an der Univ.-
Frauenklinik in Breslau. Ibidem.
4. Zur Therapie des Stickhustens: Eine Behandlung mit
Chininsalbe auf dem Wege durch die Nase. Von Dr. Fi. Ber¬
lin e r. Ibidem.
5. Die Wirkung von Narkotikakombinationen. Von Dr.
A. Homburger. Psych. Poliklinik. Heidelberg. Deutsche
med. Wochenschr.. 1910, Nr. 7.
6. Ueber Novojodin und über Oophorin-Yohimbin-Lezithin-
Tabletten. Referat in Pharmazeut. Zentralhalle, 1910, Nr. 7.
1. Das Thiosinamin, bekanntlich ein Derivat des Senföls,
bildet farblose Kristalle von bitterem Geschmack und lauch¬
artigen Geruch, die in kaltem Wasser schwer, in warmem Wasser,
Alkohol und Aether leichter löslich sind. Fibrolysin ist die
in Wasser leicht lösliche Doppelwirkung des Thiosinamins mit
dem Natriumsalizylat, die von Merck in sterilen Ampullen
in den Handel gebracht wird. Die Meinungen über die erfolg¬
reiche Wirkung gehen auseinander; jedenfalls galt das Mittel
bisher wenigstens für unschädlich, und auch in den Merck-
sehen Jahresberichten sind nur wenige Fälle von unangenehmen
Nebenwirkungen ausgeführt, so daß man das Thiosinamin resp.
Fibrolysin im allgemeinen bisher für gefahrlos hielt. Da ist
es dankenswert, wenn jemand den Mut hat, auf Grund einer
größeren Beobachtungsreihe un,d der in" der Literatur an¬
geführten Fälle auch mal eine gegenteilige Ansicht zu äußern,
wie folgt: Verf. berichtet 1. über Arzneiexantheme in Ge¬
stalt eines urtikariaähnlichen, stark juckenden Ausschlages.
Auch masernartige Exantheme wurden beobachtet; 2. über
Auftreten von Fieber; 3; von Kopfschmerzen, Uebelkeit, Er¬
brechen, Mattigkeit; 4. von Erbrechen, hochgradiger Apathie,
Temperatursteigerung von 39,1°, leichten Delirien 6 Stunden
nach der Injektion; 5. über Auftreten von Appetitlosigkeit,
Magendrücken, Gelenksehnierzen nach der 12. und von schweren
Intoxikationserscheinungen nach der 18. Spitze; 6. über Ein¬
treten von Haut- und Schleimhautblutungen. Verfasser be¬
lichtet über einen eigenen Fall von Thiosinaminiutoxikation:
Ein kräftiger Mann erhielt in 2—3 tägigen Pausen 0,2 des
Mittels. Nach 4 Injektionen bekam er jedesmal Fieber mit
Schüttelfrost und hochgradige Schwäche. Diese Beobachtung
ist analog den aus der Literatur bekannten. Demnach scheint
bei Thiosinamin eine wohl charakterisierte Idiosynkrasie vor-
ziukommen, wobei prodromale Kopf- und Gliederschmerzen
nach den ersten Injektionen auf spätere schwere Reaktion hin-
vveisen. Daher ist äußerste Vorsicht bei der Anwendung ratsam.
2. Angeregt durch die Beobachtungen mehrerer Autoren,
daß die Kombination mehrerer Heilmittel, die gleichsinnig oder
in verschiedener Richtung wirken, häufig noch einen Heil¬
effekt erzielt, wo sie in der Vereinzelung versagt, hat Kafe-
ln an n eine Kombination aphrodisischer Stoffe durch die
chemische Fabrik Dr. A. Bernard Nacht. Herstellen lassen,
wobei er folgende Mittel wählte: 1. Ambra, 2. Menthol-
menthylester, 3. Yohimbin, 4. Muira Puama, 5. Calc. glvcerin.
phosphor. Er empfiehlt kurze flüchtige Anwendung der Mittel,
um zu Erfolgen zu gelangen. Genauere Angaben fehlen noch.
3. Pantopon ist das von Sahli empfohlene neue Prä¬
parat, das die Gesamtalkaloide des Opiums enthält und von
der Firma Hoffmann - La Roche & Co. hergestellt wird.
Das Präparat ist wasserlöslich und daher zur subkutanen In¬
jektion zu verwenden. Verf. gab bei postoperativen Zuständen
eine Pravazsche Spritze einer 2 proz. Lösung unter Be¬
nutzung von Ampullen, die 1,1 ccm enthalten. Innerlich kann
man 15—20 Tropfen einer 2 proz. Lösung oder Tabletten zu
0,01 g anwenden.
4. Stfitt interner Darreichung des Chinins oder Ein-
stäubung in die Nase wendet B. Chininsalbe an, und zwar je
nach dem Alter des Kindes 1,0—2,5 auf 10—15 g Adeps suillae,
wovon ein erbsengroßes Stück 3—4 mal täglich mit einem
Glasstäbchen in jedes Nasenloch eingebracht wird. B. beob¬
achtete nach 8 Tagen eine Abnahme der Krampfanfälle.
5. Auch Homburger beobachtete, daß zwei gleich¬
zeitig oder nacheinander eingeführte Narkotika stärker wirken,
als man nach einer einfachen Addition der zwei Einzeleffekte
erwarten würde. Wenn z. B. Dosen von 1—2 g Tri anal oder
0,5—1,0 g Veronal sich nicht als genügend erwiesen, so ge¬
nügten Kombinationen von kleinen Morphiummengen 11 j bis
1 cg; mit kleinen Veronaldosen ! l i V* g \ um Schlaf zu er¬
zielen. und zwar zeigte es sich, daß Auf- und Abwärts¬
bewegungen der Morphiummengen um 4 cg schon von außer¬
ordentlich differenter Wirkung waren. Homburger be¬
stätigt auch die Beobachtung von B|irgi, wonach eine Arznei -
dosis stärker wirkt, wenn man sie in Teilmengen ,,gebrochen“
gibt, als wenn man sie auf einmal verabfolgt. Die sogenannte
kumulative Wirkung der Körper ist so zu erklären, daß eine
sozusagen fraktionierte Resorption stattfindet, eine Resorption
in Teilmengen in gebrochenen Dosen, wobei die Kumu¬
lation durch die summierenden Teilwirkungen vorgetäuscht
wird. H. hat noch weitere Beobachtungen angestellt: Für
Bromsalze Lieberhöhung durch Chloralhydrat, aber 'nicht durch
Morphin: für Chloralhydrat durch Morphin. Die Wirkung von
Veronal und Trional erfuhr durch Phenacetin, Aspirin’ und
Pyramidon keine Steigerung.
6. Wir lesen zwei kurze Referate über neue Präparate,
die wir unseren Lesern nicht vorenthalten möchten:
Novojodin besteht aus gleichen Teilen Talkum und Hexa-
methylentetramindijodid, G,;H U >N 4 J ; .. und stellt ein lockeres,
hellbraunes, völlig geruchloses Pulver dar. Es ist, in allen
Lösungsmitteln fast, unlöslich, läßt sich aber mit Olivenöl»
flüssigem Paraffin, Glyzerin und Kollodium zu 10- bis 20 proz.
Aufschwemmungen verteilen, aus denen es sich nur langsam
absetzt. I 11 Berührung mit Wundausscheidungen oder ge¬
wissen chemischen Stoffen spaltet es Jod und Formaldehyd
ab, und zwar im günstigsten Falle 32 v. H. des erstereri
und 20 v. H. des letzteren. Trocken bei gewöhnlicher Wärme
aufbewahrt ist es vollständig haltbar, auch wenn es dem Lichte
ausgesetzt wird. Dagegen darf es nicht über 80" C. erhitzt
werden. Infolgedessen muß es zu seiner Sterilisation in
24stündigen Zwischenräumen dreimal je eine Stunde auf 70
bis 80° (\ erhitzt werden. Seine Anwendung als Wundanü-
septikum und zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen der
Geschlechtsteile ist eine umfangreiche. Darsteller: Chemische
Fabrik Dr. R. Scheuble und Dr .A. H o c. h s t e 11 e\ r in
Tribuswinkel.
Oophorin-Yohimbin -Lezithin-Tabletten nach Bab werden
zur Beseitigung der infantilen Unfruchtbarkeit verwendet. Jede
Tablette enthält 0,5 g Oophorin (Landau 1 , 0,0005 g salz¬
saures Yohimbin und 0,025 g Lezithin. Darsteller: Dr. Freund
und Dr. Redlich in Berlin NW 6. Zentralbl. f. Gynäkol..
1909, Nr. 45.)
Technische Neuerscheinungen.
Ein praktischer Wärmeerzeuger für Zentral¬
heizungen.
Neuerdings isl inan immer mehr bestrebt, die großen
schmiedeeisernen Kessel der Zentralheizungen durch klei¬
nere aus Gußeisen mit-ganz im Wasser liegender Feuerung
3AN
UNIVERSIT
1910
TTTttftAPttTmsrmR P.TTNTlRnTTATT-
zu ersetzen. Die Gründe hierfür sind ohne weiteres- ein¬
leuchtend. Gußeisen ist ein Material, das jede Konstruk¬
tion ermöglicht und widerstandsfähiger als Schmiedeeisen
und Stahl gegen chemische Einflüsse ist, wie solche bei
der Feuerung eintreten. Durch die Anordnung mehrerer
kleiner gußeiserner Kessel, die, ganz nach, dem verfügbaren
Platz nebeneinander oder voneinander räumlich getrennt,
aufgestellt werden können, fällt die bei den schmiede¬
eisernen Großkesseln so lästige Einmauerung weg. Ihr
Hauptvorzug diesen gegenüber ist aber der, daß mit ihnen
der infolge der Jahreszeiten recht schwankende Wärme¬
bedarf am besten gedeckt, werden kann. Als besonders
praktisch haben sich nun seit, einer Reihe von Jahren die
Original-GIiederkessel der Strebeiwerke in Mann¬
heim erwiesen, bei denen ganz besonderer Wert auf eine
wenig Raum beanspruchende Form und gleichmäßige Ma¬
lerin! Verteilung gelegt ist, wodurch lange Haltbarkeit garan¬
tiert wird. Sie entsprechen all den Anforderungen, 1 die an
einen praktischen Wärmeerzeuger zu stellen sind: rasches
Anheizen, völlige Ausnutzung des Brennmaterials, Dauer¬
brand, bequeme Reinigung, einfache Bedienung und Re¬
paratur. Ein von den Strebeiwerken herausgegebenes Heft
zeigt auf zirka 40 Seiten eine Reihe öffentlicher Gebäude,
in welchen die Original-Strebelkessel batterieweise in¬
stallier! worden sind. Wir sehen darunter u. a. auch ver¬
schiedene größere Heilanstalten, so die städtischen Kranken¬
häuser in Stettin, Hamm i. W., die Königl. Anatomie in
München; die Kesselräume sind im Bilde vorgeführt; sie
zeigen, wie verschieden die Aufstellung der Kessel erfolgen
kann. Sind Raumschwierigkeiten vorhanden, so kann die
Kesselbatterie verteilt in verschiedenen Räumen ungeordnet
werden. Slarke Mauerpfeiler u. dergl. bilden kein Hinder¬
nis mehr, jede Ecke kann zweckmäßig ausgenntzt werden.
Im Selbstverlag der Strebeiwerke ist eine Schrift erschienen,
die sehr klar und erschöpfend das Problem der ,,Heizung
von Heilanstalten“ behandelt und eine Anzahl von Feder¬
zeichnungen von Heilanstalten enthält, die mit Warmwasser¬
heizung bezw. Niederdruckdampfheizung ausgestattet, sind
und mit Original-Strebelkesseln betrieben werden.
R o s,en.
Strömen.
Von Carl Beez, Ingenieur, Berlin, Friedrichstr. 133.
Alle bis jetzt bekannten Hochfrequenz-Apparate haben
den großen Nachteil, daß sie durch den getrennten, um¬
ständlichen Aufbau der einzelnen Teile mul Spulen zu un¬
handlich sind, viel Platz versperren und nebenbei meist
sehr teuer sind. Da in letzter Zeit die lokale Anwendung
der hochfrequenten Ströme auf dem Gebiet der Hautkrank¬
heiten sich vorzüglich bewährt hat und sehr gute Erfolge
erreicht wurden, z. B.' bei Psoriasis, nässendem Ekzem,
Lichen ruber acuminatus, Acne mentagra, Acne pustulosa
usw., so dürfte diese Behandlungsart in kurzer Zeit all¬
gemeine Anwendung finden; umsomehr da der Apparat zur
Erzeugung dieser hochfrequenten Ströme ohne weiteres an
einen vorhandenen Röntgen-Induktor angeschlossen werden
kann. Wie bereits oben erwähnt, sind die bis jetzt be¬
kannten Apparate ziemlich teuer, und glaube ich deshalb
durch Herstellung eines neuen leistungsfähigen und billigen
Apparates einem wirklichen Bedürfnis entsprochen zu
haben. Der oben abgebildete vollständige Apparat, besteht
aus einem großen Standglas, welches innen und außen
belegt, den Kondensator bildet. In dieses Standglas sind
dann sowohl die Induktions- als auch die Resonatorwick¬
lung so zusammengebaut, daß das Ganze einen einzigen
wenig umfangreichen Apparat bildet. Die Entladungsfunken-
strecke ist ebenfalls fest auf dem Deckel des Standglases
angebracht. Die beiden Klemmen der Funkenstrecke
werden durch zwei Leitungsdrähte mit den Sekundär-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
klemmen des Röntgeninduktors verbunden, und der Apparat
ist zur Funktion fertig. Die. Stromabnahme für die Hoch¬
frequenz-Elektroden geschieht mittels isolierter Leit.ungs-
schnur, welche an die am Kopf des Apparates befindliche
Oese angelegt wird. Die verschiedenen nachstehend ange¬
führten Elektroden ermöglichen die Behandlung der er¬
krankten Körperstellen durch Effluven, durch Kontakt¬
wirkung oder mil Vakuumelektroden, welche in Körper¬
höhlen eingeführt werden können. Bei allen Behandlungs¬
arten hat der Patient keine unangenehmen Empfindungen.
Preis des kompl. Apparates. 90 M. R o s en.
Bücherbespreckungen.
Pharmazeutische Produkte der Farbenfabriken vorm.
Friedrich Bayer & Co., Elberfeld und Leverkusen. Ergänzung«-
band, 2. Jahresbericht, 1906—1908..
Die Elberfelder Farbenfabriken bringen über ihre pharma¬
zeutischen Produkte ein 328 Seiten umfassendes Nachschlage -
buch, das eine Uebersicht über die neueren und älteren Präpa¬
rate dieser Firma bietet und so einerseits der Reklame dient
und, indem es die respektable Leistungsfähigkeit der F r.
Bayer sehen Fabrik vor Augen führt, andererseits auch es
dem Arzt 'und dem Apotheker i ermöglicht, über irgend ein
Präparat sich schnell zu. orientieren.. Denn es werden im erstens
Abschnitt über die neueren Präparate die Darstellung, die
physikalisch-chemischen und pharmazeutischen Eigenschaften, die
klinischen Erfahrungen und Indikationen und die An wen dun gs-
weise besprochen, während der zweite Abschnitt kritische.
Sammelreferate der älteren Präparate bringt. Reichliche Lite¬
ratur wird jedem derselben angefügt; zum Schluß folgt ein
Indikationsregister. Wir empfehlen das Buch der Beachtung
der Kollegen. Krüger, Magdeburg.
Allgemeines
Die deutsche Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung
in englischer Beleuchtung. Die angesehene englische Zeitschrift
,,H arper’s Magazin e“ bringt einen Aufsatz von M a d g c
Jenison über die deutsche soziale Gesetzgebung. Auf die
politischen Erörterungen des Verfassers gehen wir nicht ein,
nur auf die sachlichen Betrachtungen, die er an die offiziellen
statistischen Angaben knüpft. ,,Zwölf Millionen Personen sind
gegen Krankheit versichert, vierzehn Millionen gegen Erwerbs¬
unfähigkeit und Alter, neunzehn Millionen gegen Unfall. Wenn
man die Frauen und Kinder mit in Rechnung bringt, die
durch Versicherung des Familienvaters mitgeschützt sind, so
darf man die Anzahl der Deutschen, die der Zwangsversicherung
UNIVERSITY OF MICHIGAN
206 THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU. Nr. 13
Medicinal »Wasser und diätetisches Getränk ersten Ranges.
Bei Nieren- und Blasenleiden,
Harngries, Harnbeschwerden und Gicht,
bei Zuckerharnruhr, bei Catarrhen der
Athmungs- und Verdauungsorgane wird
die Bor® und Lithium “hältige Heilquelle
mit ausgezeichnetem Erfolge angewendet.
Harntreiben de
Wirkung.
Eisenfrei.
Leicht verdaulich.
Angenehmer
Geschmack.
Absolut rei n.
Constante
Zusammensetzung.
tfiNTOR FOft^
Wirksames fräseruatiu
gegen bei
Scharlach
auftreteude Jfiereti-
affektionen.
Besonders jenen Personen
empfohlen, welche zufolge
sitzender Lebensweise an
Karnsaurer Siathese und Hämor¬
rhoiden, sowie gestfirtem Stoff¬
wechsel leiden.
mmmß
Aerztliche Gutachten und sonstige Brunnenschriften stehen gratis und franco zu Diensten.
“SALVATOR“ ist in allen grösseren Mineralwasserhandlungen vorräthig, die Herren Aerzte jedoch,
welche “SALVATOR“ zu persönlichem Gebrauche benöthigen, geniessen Ausnahmepreise und sind
in diesem Falle höf liehst gebeten sich direct zu wenden an
THERAPEUTISCHE RUNESCHATT.
unterworfen sind, auf die Hälfte der Gesamtbevölkerung des
Reichs veranschlagen.“ Die amtlichen Angaben über die Zahl
der Versicherten bezweifelt Jenison nicht, wohl aber die
Angaben über die Höhe der Verwaltungskosten. „Nach dein
Jahrbuch der Statistik des Deutschen Reichs betragen die Ver¬
waltungskosten des Versicherungsdienstes nur sechs Prozent der
jährlich erhobenen Beiträge, aber es ist absolut gewiß, daß
diese Ziffer der Wirklichkeit nicht entspricht. Nach sicheren
Kalkulationen kompetenter Fachmänner absorbieren die Ver¬
waltungskosten vielleicht die Hälfte (?) Tier Einnahmen. Um
den Zwangsversicherungs-Dienst in Gang zu halten, besoldet
der Staat eine Armee von Angestellten jeden Ranges.“ Die
Zwangsversicherungen haben aber nicht nur Legionen von Be¬
amten nötig gemacht, sondern auch zahllose Pro-zesse hach
sich gezogen. Die Unfallversicherung habe bewirkt, daß all¬
jährlich bloß in Berlin sechzehntausend gerichtliche Termine in
Unfallsachen stattfinden. Von dem ganzen staatlichen Ver¬
sicherungswesen hätten Beamte und Rechtsanwälte den Haupt¬
nutzen. Soweit J e n i s o n. Nur e i n Körnchen Wahrheit steckt
in seinen Betrachtungen, nämlich, daß die Unfallversicherung
in ihrer .jetzigen Form zu erschreckend vielen Rechtsstreitig¬
keiten Veranlassung gibt, da jeder Betroffene eine möglichst
hohe Rente herauszuschlagen sucht. Andere Schattenseiten
unserer im allgemeinen höchst segensreich wirkenden Ver¬
sicherungsgesetzgebung sind dem englischen Kritiker ent¬
gangen, z. B. der nachteilige Einfluß auf den Volkscharakter.
Die Krankenversicherung züchtet eine Menge Simulanten,
namentlich in Zeiten der Arbeitslosigkeit, wie jeder Kassen¬
arzt genugsam erfahren hat. Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit
und Selbstvertrauen werden untergraben, weil der Arbeiter sich
darauf verläßt, gegen Krankheit, Unfall und Alter versichert
zu sein. Bedenken erregt auch die schwere Belastung, welche
die genannten obligatorischen Versicherungen der deutschen In¬
dustrie aufgebürdet haben; diese Last kann wohl so lange
getragen werden, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse günstig
bleiben, wird aber unerträglich werden, sobald einmal andauernd
schlechte Zeiten für die Industrie kommen. Alsdann bleibt frei¬
lich der einfache Ausweg, die Versicherungsbeiträge und
-Leistungen herabzusetzen, um unsere Konkurrenzfähigkeit auf
den Weltmärkten aufrecht zu erhalten. Win ekler.
hinzugezogen und ein neues innerliches Wasserstbf'fsuper-
oxydpräparat, das Oxygar der chemischen Fabrik Helfenber£>\
A. G. vorm. Eugen Dieterich, einer eingehenden ex¬
perimentellen Untersuchung unterworfen. Das Oxygar wurde
sowohl irisch wie auch in den älteren Präparaten, also in
den verschiedensten Stärken in Anwendung gebracht. Verfasser
haben nun gefunden, daß gerade das Wasserstoffsuperoxyd ein
hervorragendes Darmdesinfiziens ist und fassen ihre Unter¬
suchungen über das Oxygar als Wasserstoffsuperoxydpräparat
wie folgt zusammen:
„Eingegeben wurde das Oxygar dreimal, täglich eßlöffel¬
weise in etwas Wasser und wurde in dieser Form auch von
sämtlichen Patienten ohne Widerwillen genommen. Auffallend
war in mehreren Fällen die günstige Beeinflussung der sub¬
jektiven Beschwerden, die in einer Rubrik der Tabellen be¬
sonders erwähnt sind.“
Wir verweisen hierbei auf die ausführlichen Tabellen der
‘ÖTiginalarbeit.
„Gehen wir die Untersuchungsresultate im einzelnen durch,
so können wir zunächst feststellen, daß, wie bereits frühem
erwähnt, in sämtlichen Fällen, mit Ausnahme eines für die
Untersuchungen ungeeigneten, mit schweren anatomischen Ver¬
änderungen des Darmes einhergehenden Falles eine zum Teil
nicht unerhebliche Herabsetzung der Gasbildung nach Eingabe
des Mittels, und zwar gewöhnlich 2—3 Tage darauf, eintrat,
eine Herabsetzung, die während der Darreichung des Oxygars
ziemlich konstant blieb und nach Aussetzung dieses Mittels
noch 1—2 Tage, anhielt, um dann wieder einer erhöhten Gas¬
bildung Platz zu machen, die schließlich die früheren Grade
erreichte. Besonders charakteristisch tritt uns diese Wirkung
Kleine Mitteilungen.
Untersuchungen über die Bakterienmenge der Fäces unter
normalen und pathologischen Verhältnissen und ihre Beein¬
flussung durch Kalomel und Wasserstoffsuperoxyd (Oxygar).
Von Dr. F r i-t z B e r g e r , Magdeburg,
und Dr. I w a ho Tsuchiy a aus Tokio.
Verfasser haben es unternommen, vergleichende 'Unter¬
suchungen anzustellen über Darmantiseptika, insbesondere über
Kalomel einerseits und Wasserstoffsuperoxydpräparate anderer¬
seits. Unter Bezugnahme auf ein reichliches Untersuchungs-
material, welches in tabellarischer Form vereinigt ist, fassen
die Autoren ihre Ergebnisse über die Kalomelwirkung folgender¬
maßen zusammen:
,,V ir müssen sagen, daß das Kalomel, wenn es auch den
Darm in einen Reizzustand versetzt, der sich in der Aus¬
scheidung einer eiweißhaltigen Substanz kennzeichnet, trotz
der- dadurch für das Bakterienwachstum an sich geschaffenen
günstigeren Bedingungen eine Herabsetzung der Bakterienmenge
in manchen Fällen herbeizuführen imstande ist, d. h.. daß es
ein Darmantiseptikum von guter Brauchbarkeit ist.
Da aber die erwähnten Reizerscheinungen auf den Darm
eine immerhin unerwünschte Nebenwirkung dieses Mittels sind,
und je nach der Art des Falles in so verschiedener Heftig¬
keit auf treten, daß die gute Wirkung des Kalomel dadurch in
Frage gestellt wird, dürfen wir das Kalomel nicht als das
Ideal eines Darmantiseptikums hinstellen.“
In bezug auf die Untersuchungen der Superoxyde wurde
einerseits das M e r c k sehe Perhydrol in verschiedener Stärke,
weiterhin auch zum Vergleich Formaldehyd- 'und Silberlösung
statt Teer
■ HH I \ L Der Wert unserer geruchfreien, reizlosen Pittylen-Präparate
HM l V'''^ ist überall schnell erkannt worden, und ihre Verwendung in der Haut-
M Therapie an Stelle des übelriechenden, öfter lokale Reizungen und resorptive
n Nebenwirkungen auslösenden Nadelholzteers ist jetzt allgemein.
|—Zahlreiche Herren Aerzte sprechen sich ganz begeistert über die Wirkung der Pittylen-
Präparate aus und betonen besonders, wie schnell das Pittylen bei oft jahrelangen hartnäckigen
Uebeln, die aller Behandlung Trotz geboten haben, seine heilende Wirkung äussert. Ganz speziell
y haben sich die Pittylen-Seifen einer ausgedehnten Verwendung zu erfreuen; die einfache
' Anwendungsform verbunden mit der zuverlässigen schnellen Wirkung findet allgemeinen Beifall.
Wir bitten die Herren Aerzte, welche Pittylen noch nicht angewandt haben, Muster-Kollektionen und Literatur von
uns einzufordern.
Dresdener Chemisches Laboratorium .Lingner.
ilGAN
JNIVERSITY OF MICHIGAN
208
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
mann, Dresden, das Oxygar auch. nach Monaten noch einen
reichlichen entsprechenden Wnsserstoffsuperoxydgehalt zeigt und
also auch nach längerem Lagern, wenn der Wässerstoffsuper¬
oxydgehalt naturgemäß etwas zurückgegangen ist, noch als
durchaus zweckentsprechendes Präparat bezeichnet werden muß.
Vergl. Pharm. Zeitung, 1909, Nr. 85.'
in einem Fall entgegen, bei dem wir zweimal hintereinan,dpr
mit Eingabe und Wiederaussetzen des Mittels Wechsel t°n.
Daß durch das Mittel eine Reizung dos Darmes in keinem
der Fälle stattgefunden hat, geht sowohl daraus hervor, daß
die Konsistenz der Stühle gleichmäßig blieb und nicht weicher
wurde, als auch aus der Tatsache, daß niemals nach Eingabe
des Mittels die geringste Menge gelösten Eiweißes in den in
allen Fällen daraufhin untersuchten Stühlen auftrat.“
,,Wir glauben, das Schwinden des Eiweißes als besten Be¬
weis dafür ansehen zu können, daß das Oxygar nicht nur keinen
Reiz auf die Darmschleimhaut ausübt, sondern sogar im Gegen¬
teil den durch abnorme Gärungen und Zersetzungen bedingten
Reiz zu beseitigen, also heilend zu wirken imstande ist. wie
dies auch cler in vielen Fällen nach Einnahme des Mittels aus
dünnbreiiger, schaumiger, in eine dickbreiige Konsistenz über¬
gehende Stuhl beweist. In den meisten Fällen können wir
auch nach Eingabe des Oxygar ein Zurückgehen des Prozent-
gehalten der trockenen Fäces an trockenen Bakterien beobachten,
während allerdings die absolute, d. h. die während eines Tages
entleerte Bakterienmenge nur in einigen Fällen eine deutliche
Abnahme auf weist.“
Die Gesamtergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
,.Trotz gegenteiliger Behauptung ist es möglich, durch
starke Antiseptika (Kalomel eine Verminderung der Bakterimi-
menge im Darminhalt zu erzielen, wenn auch die durch diese
Mittel hervorgerufene Reizung der Darmschleimhaut eine un¬
günstige Nebenerscheinung ist, die manchmal die Ueberhand
gewinnt.
Wir besitzen in dem HAK, in geeigneter Form Oxvgar-
Helfenberg gegeben, ein gutes Darmdesinfiziens, das frei von
schädlichen Nebenwirkungen auf die Darmschleimhaut ist und
vor allem Darmgärungen auf das Günstigste beeinflußt, unter
gleichzeitiger Herabsetzung der Bakterienmenge.“
In bezug auf die Haltbarkeit des Oxygar möchten wir
npeh berichten, daß nach Untersuchungen von Dr. Hefel-
Das deutsche Haus muß endlich von den Geschmackslosig-
keiten der vergangenen Jahrzehnte befreit werden, diese Forde¬
rung wird und muß immer wieder erhoben werden, denn der
moderne Konkurrenzkampf treibt den Menschen weit mehr wie
früher in die reißenden Lebensstrudel, so daß ihm die welt¬
fernen, lebensunwahren Bilder, mit denen er früher sein Heim
schmückte, nichts mehr bieten können. Sein Auge braucht
farbenkräftige Ausschnitte aus der Wirklichkeit, wenn es nach
der Farbenarmut des heutigen Stadtbildes fähig sein soll, sich
an Kunstwerken zu beleben. Diese Bedingungen erfüllen die
Teubnerschen Künstlersteinzeichnungen, über die ein soeben er¬
schienenes illustriertes Verzeichnis ausführliche Auskunft gibt,
in bester Weise. Friedrich Naumann spricht darin über
das ,.Ansehen der Bilder“, Dr. Karl Storck über „Künstle¬
rische Volkskultur“. Die Steh n Zeichnungen sind nicht Kopien,
sondern Originalwerke von modernen Meistern, die uns lehren
können und sollen, unsere Heimat mit den Augen des Künstlers
zu sehen und zu genießen. Sie haben den weiteren Vorzug,
daß sie in pekuniärer Hinsicht keine Schranken mehr auf-
richten. Ihr Preis von 1 — 6 M. ermöglicht die Anschaffung
auch dem wirtschaftlich Schwachen. Es sei noch bemerkt, daß
die Verlagsbuchhandlung den neuen Katalog, der schon selbst
ein kleines Kunstwerk darstellt, gegen Einsendung von 30 Pfg.
versendet, doch ist er auch in allen besseren Buch- und Kunist';-
handlungen zu haben. Es wird ihn kein Interessent aus der
Hand legen, ohne etwas gefunden zu haben, das seinem persön¬
lichem Geschmack durchaus gerecht wird.
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Eberswalde i. Brdbg.
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Ehrang (B. Trier)O.-K.-K.
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Professor Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5.
Telephon: Amt VI, 17271.
Verlag und Expedition
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI, 3"20.
IV. Jahrgang. Berlin, 3. April 1910. Nr. 14.
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Originalien:
L. Sofer, Wien: Wiener Brief..
P. Greven, Aachen: Erfahrungen mit Aetylmorphinjodid
in der Augenheilkunde.
F. Freudenberg, z. Zt. Brüssel: Etwas über den Eis¬
beutel .
Referate:
C. Bachem, Bonn: Pharmakologie.
Wern. H. Becker. Weilmünster: Neurologie und Psychi¬
atrie .
P. Gr Sven, Aachen: Augenheilkunde.
E. Silbermann, Berlin: Herzkrankheiten.
Inhalt:
209
211
213
214
215
216
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Allgemeines.
218
219
219
220
221
221
ORIGINALIEN.
Wiener Brief.
Von L. Sofer, Wien.
Bernhard Sperk spricht über Kaseinfettdiät.
Eschenca hatte schon im Jahre 1866 auf die Bedeutung
des Zuckers bei den Gärungsvorgängen im Darm hin¬
gewiesen. Auf Grund klinischer Erfahrungen hat Finkel-
stein unabhängig die Rolle des Zuckers für die Ätiologie
der akuten Ernährungsstörungen erkannt. Nach ihm sind
die Darmsymptome rein alimentären Ursprungs. Der Entero-
katarrh der Widerhoferschen Schule geht in den Begriff
des Stadium dyspepticum nach Finkeistein auf. Daher ist auch
die Therapie akuter Ernährungsstörungen bei Kindern
eine Ernährungstherapie und mit Rücksicht auf die Rolle
des Zuckers in der zuckerarmen resp. zuckerfreien Nahrung
gelegen. Nachdem der akute Enterokatarrh eine auf den
Darm lokalisierte Schädigung ist, also der Hauptsache nach
einen Reizzustand des Darmes bedeutet, können die Darm¬
symptome auch als ein Maß für den Zustand und die Reaktion
auf die eingeführte Nahrung gelten. Die Beurteilung des
Stuhles bei der Therapie des akuten Enterokatarrhs ist
demnach ein wichtiges Kriterium für jeden ernährungs¬
therapeutischen Eingriff. Nachdem in schwereren Formen
des akuten Enterokatarrhs die relative Zuckerentziehung in
der Nahrung nicht ausreicht, so muß man häufig zu völlig
zuckerfreier Nahrung greifen. Eine solche stellt das durch
Labung der Kuhmilch gewonnene Kaseinfett, in Sacharintee
oder in Ringer’scher Lösung bis zum entsprechenden
Volumen aufgefüllt, dar. In der allergrößten Anzahl der
Fälle, d. h. in solchen, wo die Fettresorption nicht wesent¬
lich gestört ist, folgen den spritzenden, sauren, dyspeptischen
und schleimigen Entleerungen feste, meist alkalisch rea¬
gierende seltene Stühle. Diese Diät wird nur solange als
unbedingt notwendig beibehalten. In den Fällen von
schlechter Fettresorption und Fettzersetzung (Fettgärung)
muß auch das Fett zum Teile oder gänzlich ausgeschaltet
werden, so daß das Kind nur eine Kaseinaufschwemmung
erhält, also auf reine Eiweißdiät gesetzt wird. Die Gefahr
der längeren Verwendung von Kaseinfettdiät-Tee besteht in
den häufig zu beobachtenden Uebertemperaturen und
j Neigung zu Kollapsen, besonders bei schwer geschädigten
und heruntergekommenen Kindern. Ob es die Entziehung
der Kohlehydrate oder die Einwirkung der Calciumjonen
resp. der Mangel der Natrium-Jonen ist, werden die nächsten
Untersuchungen lehren. Die Prophylaxe des akuten Entero¬
katarrhs besteht in der individuellen Dosierung des Zuckers.
Die Ernährung der Säuglinge im Wiener „Säuglingsschutz 1 ,
erfolgt mit einer zuckerarmen Milch, einer Einheitsmischung.
Die individuelle Dosierung des Zuckers erfolgt durch Zu¬
gaben von Rohrzucker, Milchzucker, Nährzucker in ver¬
schiedener Höhe. Zur bequemen Durchführung dieser
Methode will Sp. die verschiedenen Zucker in Tabletten
pressen lassen, ln der Diskussion bemerkt Erwin
Popper, daß man analoge Erfolge, wie mit der Kaseinfett¬
diät auch mit der sauren Magermilch resp. Buttermilch
ohne jeden Zusatz erreicht. Ursache ist ebenfalls der
geringe Zuckergehalt (ein Teil des Milchzuckers ist
vergoren), wozu bei saurer Magermilch der Vorteil der Fett¬
armut kommt, denn die Ernährungsstörungen sind meist
gemischter Natur, d. h. durch Zucker und Fett bedingt.
Für reine Fälle von Zuckerintoleranz hat die Kasein-Fettdiät
den Vorteil der völligen Zuckerfreiheit gegenüber der sauren
Magermilch, ihr Nachteil besteht in der völligen Entziehung
: der Molke, ist es in einer Salzverarmung und konsekutivem
Wasserverlust des Organismus und in ihrem hohen Fettgehalt.
Im Schlußwort bemerkt Sperk, daß für das Haus die Her¬
stellung von Kaseinfett-Tee etwas schwierig ist. Dafür und
für die Herstellung der Milchmischungen mit verschiedenem
Zuckergehalt eignen sich am besten eigne Milch¬
laboratorien nach amerikanischem System. (Pädiatrische
Sektion des Vereins für Innere Medizin.) Ueber die medi¬
kamentöse Behandlung der Trigeminusneuralgie
sprach Alfred Fuchs: Was das Morphium betrifft, so ist
es ein verläßliches Mittel, um den einzelnen Anfall zu
kupieren; natürlich müssen wir aber mit seiner Anwendung,
namentlich in Form von Injektionen außerordentlich vor¬
sichtig sein; denn wie bei jeder chronischen schmerzhaften
Erkrankung des Zentralnervensystems insbesonders, ist die
Gefahr der Gewöhnung und des Morphinismus eine sehr
große; F. verwendet das Morphium da, wo es nicht zu
umgehen ist, prinzipiell nur am Abend, um wenigstens
einige Stunden Schlafes zu retten, denn bei Schmerzen sind
alle Schlafmittel unwirksam. Sonst geht F. dem Morphium,
210
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 14
wie auch seiner Kombination mit Skopolamin ängstlich
aus dem Weg, eher erwiesen sich „Morphium sparend“, d. h.
die Wirkung des Morphiums fördernd die Inhalation einiger
Tropfen Chloroform. Hingegen empfiehlt F. das Ako¬
nitin. Um einen Erfolg damit zu erzielen, sind
zwei Bedingungen notwendig: I. Die Verwendung eines
wirksamen und gut dosierten Präparates und 2) die
Einhaltung eines Systems, das auf der kombinierten Wirkung
des Akonitins mit einer energischen Abführbehandlung
beruht. Die Beschaffung eines wirksamen P.äparates ist
nicht leicht. Das offiziell erhältliche Präparat tinctura
aconiti radicis (Ph. perman. 0,5—1,5 pro die) ist ganz un¬
verläßlich. Die Wirkungsdifferenz der verschiedenen
Präparate überhaupt dürfte nach Ewald auf dem ver¬
schiedenen Gehalt an unzersetztem, starkwirkenden Akonitin
und den weniger stark wirkenden Spaltungsprodukten
beruhen. Daher sind die Präparate, die das Akonitin
in dosierten, mit einer festen Masse überzogenen Pillen
enthalten, wirksamer. F. benutzt daher Pillen, die 2 /io mg
Akonitin pro Pille enthalten. Sehr verschieden wird die
Maximaldosis für Akonitin angegeben. Ewald nennt nach
der Belgischen Pharmakopoe 4 mg! per dosi, 3 eg per die!
die Maximaldosis F. läßt maximal 2 mg nehmen. Unter
ärztlicher Kontrolle könnte man noch einen weiteren Auf¬
stieg wagen, da die ersten Intoxikationssymptome sehr
prägnant sind, nämlich Parästhesien an der Zunge, den
Lippen und an den Händen (meist im Ulnarisgebiet).
Diese Symptome mahnen dann zum Rückzug; F. hat
Intoxikationssymptome nie beobachtet, fragt aber jedesmal
darnach. Eine kumulative Wirkung ist deshalb nicht zu
befürchten, weil mit der Akonitindarreichung jedesmal eine
energische Abführkur verbunden wird. Der erste, der auf
den großen Nutzen systematischer und forcierter Darm¬
entleerungen bei Trigeminusneuralgie hinwies, war
Gossenbauer. G. empfahl gleichzeitig mit der durch
hohe Eingießungen und Purgantien vorzunehmenden Ent¬
leerung des Darmes eine blande Diät bei Bevorzugung
von Milch. Wagner verschreibt am ersten i age meist
Kalomel in 10 stündlichen Dosen von 0,1, dann wird die
Behandlung mit Bitte, wasser fortgesetzt und zwar früh,
mittags und abends 1 / 2 1 Bitterwasser. In hartnäckigen
Fällen wird aber die Dosis aufs Doppelte und mehr
erhöht. Diese großen Mengen von Bitterwasser werden
anstandslos vertragen; sie erzeugen wasserflüssige Ent¬
leerungen, die nach 1—2 Tagen an Zahl sehr abnehmen,
4—5 mal am Tage erfolgen, gar keine Schmerzen erzeugen
und eminenten Nutzen für die Therapie der Neuralgie
bringen. (Wien. med. Doktoren - Kollegium). Carl
v. Noorden sprach über die Therapie der Gastroptose!
Die beiden früher auseinandergehaltenen Begriffe: Magentox
(resp. Pylorusptose) und Magenatonie lassen sich heute
nicht mehr scharf trennen. Die neueren klinischen, ins¬
besondere die Röntgenbilder, gestatten beide Begriffe mit¬
einander zu verbinden und von „atonischer Pyloroptose“
zu reden. Die Beschwerden, die wir gewöhnt sind, auf
Magenatonie zu beziehen, können sehr häufig nicht be¬
friedigend erklärt werden, wenn schwache Magenspülung
als auch Durchleuchtung zeigen, daß der tatsächliche Ablauf
der Magenentleerung nichts zu wünschen übrig läßt. Die
Beschwerden spielen sich dann nur auf subjektivem Gebiete
ab, es besteht nervöse Dyspepsie. Was nun die Therapie
der atonischen Pyloroptose betrifft, so sind die wichtigsten:
A. Vermeidung starker Belastung des Magens; daher sind
kleinere häufige Mahlzeiten den größeren seltenen vorzu¬
ziehen. B. Erleichterung schneller Magenentleerung durch
Rückenlage nach den Hauptmahlzeiten mit leichter Wendung
des Körpers nach rechts. C. Tonisierende Arzneimittel:
Den Tonus der Magenmuskulatur: Strychnin, Physostigmin,
ferner Pilocarpin. D. Einwirkung auf den gesamten
Nervenstatus des Patienten. Daneben hat es die Therapie
stets im Auge zu behalten, den gesunkenen Magen wieder
anzuheben. In dieser Hinsicht waren besonders früher
stützende Binden beliebt. Hier hat aber N. durch Röntgen
festgestellt, daß die Binden, welcher Art sie waren, gar
keinen Einfluß auf den objektiven Befund haben. Dagegen
geben die meisten Patienten eine subjektive Besserung zu.
Weiter hat N. sehr gute Resultate gesehen von der- Fett¬
anreicherung der Bauchhöhle. Vor allem fiel N. auf,
daß trotz starker und während der Behandlung wachsenden
Beanspruchung des Magens die Entleerungszeiten atonischer
Mägen immer kürzer werden, ebenso nach mehrwöchent¬
licher diätetischer mästender Behandlung. Das Röntgen¬
verfahren gibt uns jetzt die Möglichkeit, viel genauer den
Einfluß der Behandlung auf Stand und Verhalten des Magens
kontrollieren zu können. N. ließ bei 9 Fällen von atonischer
Pyloroptose, die er mit Mastkuren behandelte, die Magen¬
formen vor und nach der Behandlung aufzeichnen. In
allen Fällen wurde eine bemerkenswerte Hebung der Pars
pylorica gefunden. Wo sich vor der Behandlung der an
die Pars pylorica grenzende Magenteil sackförmig unter
der Belastung ausbauchte, war diese Ausbauchung später
verschwunden. Wo man bei der ersten Aufnahme abnorme
Weitung der mittleren Magenparthien und schlechte Um¬
spannung des Inhalts fand, waren diese Verhältnisse später
erheblich besser geworden oder völlig normaler An¬
spannung gewichen. Sicher ist die Fettanreiche&ung der
Bauchhöhle an der Hebung des Magens mitbeteiligt. Der
größte Teil des Erfolges dürfte aber wohl auf die Besserung
der Atonie selbst zurückzuführen sein. (K. K. Gesellschaft
der Ärzte in Wien.)
J. Koschier stellt eine 50jährige Frau mit einem seit
9 Jahren bestehenden Epithelium des Nasen-Rachen-
raumes vor. Die Nase und der Pharynx sind mit teil¬
weise exulcerierten Tumormassen erfüllt, der Nasenrücken
ist aufgetrieben, das rechte Auge ist infolge retrobulbärer
Neuritis amaurotisch und vorstehend. Das Epithelium ist
vom Dache des Pharynx ausgegangen und hat niemals
Schmerzen verursacht. Sehr treffend weist K. darauf hin,
daß der Fall, wenn er nach irgend einer Methode operiert worden
wäre, als ein glänzendes Beispiel von Dauerheilung in der
Literatur geführt worden wäre. (K. K. Gesellsch. d. Aerzte.)
E. Urbantschitsch stellt ein Mädchen mit geheilter
Aktinomykose des Warzenfortsatzes vor. Der Eiter
wurde durch Incision entleert, auf die Wunde unguent
cinereum aufgelegt, und innerlich wurden täglich 8 g Jod¬
kali durch 2 Monate gegeben. In der Diskussion bemerkt
Sternberg, daß er in einem Falle Heilung durch Injection
von Jodtinctur erzielt hat. (Ebenda.)
James Eisenberg berichtet über Schmerzlinderung
bei normalen Geburten: Gauser hat zur Schmerz¬
linderung den Skopolamindämmerschlaf empfohlen, bei
welchem Bewußtseintrübung mit Amnesie eintritt. Bei
Nachprüfungen stellt sich jedoch heraus, daß das Verfahren
gefährlich ist, ungleichmäßig wirkt, durch Schädigung der
Bauchpresse die Geburt verzögert und von hallucinatorischen
Zuständen begleitet ist. Diese Methode eignet sich daher
nicht für das Privathaus. Seit Jahren wird nun im Aus¬
lande eine von Ziemssen im Jahre 1853 angegebene
Methode angewendet. Beim Herannahen einer Wehe
atmet die Gebärende 10—15 Tropfen Chloroform ein, in
den Wehenpausen wird die Maske entfernt. Auf diese
Weise wird der Wehenschmerz auf ein Minimum herab¬
gedrückt, das Bewußtsein bleibt erhalten, die Uteruskon¬
traktionen werden nicht beeinflußt; E. nennt das Chloro¬
formhalbschlaf. Er ist schon bis zu 31 Stunden ausgedehnt
worden, nur in seltenen Fällen werden durch ihn die
Wehen geschwächt. In letzter Zeit hat Hallauer eine Be¬
seitigung des Wehenschmerzes durch Suggestion empfohlen.
Dieses Verfahren ist jedoch nur bei neurotischen Individuen
anwendbar, ferner kann eine lang dauernde Hypnose das
Nervensystem schädigen. E. hat Versuche über den Chloro¬
formdämmerschlaf angestellt.
Nr. 14
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
211
Es wurden auf den Narkosekorb 10—15 Tropfen
Chloroform aufgegossen und durch 1 Minute atmen
gelassen, nach 2—3 Minuten wurde wieder der Narkose¬
korb aufgelegt. Häufig tritt schon nach der ersten Ein¬
atmungsperiode eine Herabminderung oder sogar eine voll¬
ständige Aufhebung der Schmerzempfindung bei erhaltenem
Bewußtsein und erhaltenen Reflexen ein. Die tactile Sensi¬
bilität ist nicht gestört. E. glaubt, daß hier die Suggestion
keine Rolle spielt, da Versuche mit anderen Substanzen
kein Resultat ergeben haben, unangenehme Nebenwirkungen
wurden nicht beobachtet. Stiassny bemerkt in der Dis¬
kussion, daß bei Skopolamin-Morphinnarkose öfters der
Tod der Frucht beobachtet wurde. Q. Lotheissen
empfiehlt zur Erprobung in der Geburtshilfe die Aethyl-
chloridnarkose (ihre Wirkung ist eben zu flüchtig. Anm.
d. Ref.). H. Peham bemerkt, daß die Wehenlinderung bei
uns im Gegensatz zum Ausland deshalb nicht allgemein
verbreitet ist, weil bis jetzt kein gefahrloses Mittel für
dieselbe bekannt ist. Der Chloroformtod kann schon nach
den minimalsten Dosen eintreten. Im letzten Stadium der
Geburt kann man den Chloroformhalbschlaf anwenden.
Die Skopolamin-Morphinnarkose eignet sich nicht zur all¬
gemeinen Einführung, weil sie durch Ausschaltung der
Bauchpresse die Austreibungsperiode verzögert und den
Tod des Kindes verursachen kann. W. Latzko weist
darauf hin, daß die allgemeine Anwendung des Chloro¬
formhalbschlafes wohl möglich ist, das in England und
Amerika im weitesten Maße angewendet wird. Die Todes¬
fälle nach der Einatmung einiger Tropfen Chloroforms sind
nicht auf das Narkosemittel zu beziehen. L. hat von der
Anwendung des Chloroformhalbschlafes keine Nachteile
gesehen; es könnte wohl auch Aether zur Schmerzlinderung
in der Geburtshilfe verwendet werden.
In der Gesellschaft für physikalische Medizin wurde
über die Therapie der Fettsucht debattiert. A. Bum
weist darauf hin, daß, wenn in der Bilanz der Fettsucht¬
behandlung die Diätotherapie den negativen Einnahmequo¬
tienten bedeutet, die Mechanotherapie die leistungsfähigste
Art der Vermehrung der Ausgaben darstellt. Als ernstes
Therapeuticum kommt allein jene Form der Gymnastik in
Frage, die als dosierbare Widerstandsbewegung bezeichnet
wird. Es muß dies angesichts der Tatsache ganz besonders
hervorgehoben werden, daß die Mehrzahl der Aerzte hier
nicht genau differenziert. So angezeigt ungebundene Be¬
wegung, nicht aller intensiver Sport, zu welchem auch das
„Deutsche Turnen“ und der Sport gezählt werden muß, in
der Prophylaxe der Obesitas sind, als Therapeuticum kann
nur die genau dosierbare Tätigkeit bezeichnet werden. Nur
bei jugendlichen Individuen mit leistungsfähigem Herzen
ist unter bestimmten Bedingungen Sportbewegung, nament¬
lich in Form der Rasenspiele, des Schwimmens, Reitens
und Bergsteigens, zu gestatten. Rudern, „Deutsches Turnen“,
Radfahren und Fechten sind minder empfehlenswert. Drin¬
gend muß aber auch dorten, wo der Sport als Prophylacticum
empfohlen wird, vor maximalen Bewegungen und Anstren¬
gungen, wie sie Wettkämpfe, Turniere, Matches bedingen,
gewarnt werden. Die Wage allein gibt den Fettverlust
nicht verläßlich an, da durch dosierte Bewegung Muskel¬
ansatz Zustande kommt; neben der Wage ist daher das
Messband zu benutzen, das bei entsprechender Bewegungs¬
therapie Abnahme des Leibesumfangs zeigt. Eine rasche
eingreifende Entfettung, sei es durch Verringerung der Ein¬
nahmen, sei es durch das Gegenteil oder die Kombination
beider Methoden ist auch bei herzgesunden fetten Personen
abzulehnen. Die bei der Fettsucht geübte lokale Massage,
die nach Laienansicht das Fett an den Praedilectionsstellen,
(Mammae, Bauchdecken, Nates etc.) zum Schwinden bringt,
ist durchaus unbegründet. Nicht aus der grobmechanischen
Wirkung der Massage kann man ihre therapeutische An¬
wendung ableiten, sondern aus der dynamischen die Stick¬
stoffausscheidung durch Anregung der Zelltätigkeit und
Steigerung des Eiweißzerfalls infolge Beschleunigung der
Zirkulation begünstigenden Wirkung der allgemeinen Körper¬
massage, die durch passive Muskelknetung und hierdurch
bedingte Steigerung der Diurese die Wirkung der fraglos über-
Iegenen'Gymnastik unterstützt. Max Kahane bemerkt, daß für
das Zustandekommen starker Fettanhäufung im Organismus
eine erhöhte Arbeitsleistung der hauptsächlich im Dienste
der Fettassimilation stehenden Organe, Leber und Pankreas,
erforderlich ist; aus dieser lange Zeit erhöhten Arbeits¬
leistung lassen sich die häufigen Erkrankungen der Leber
und des Pankreas erklären. Mannigfacher Art sind die
Beziehungen zwischen den Blutdrüsen und dem Fettstoff¬
wechsel. Man beobachtet, daß gesteigerte Tätigkeit mit
wahrscheinlich qualitativer Veränderung des Schilddrüsen-
secrets, z. B. bei Morbus Based. sehr rasch Abmagerung
herbeiführt, ebenso die Darreichung von Schilddrüsenprä¬
paraten in größeren Dosen, während anderseits Schilddrüsen¬
präparate in kleineren Dosen die Fettassimilation begünstigen.
Der reichliche Fettansatz nach Kastration im Klimaktericus
spricht dafür, daß die innere Secretion der Keimdrüsen
einen Schutz gegen abnorme Fettanlagerung gewährt;
Erfahrungen mit Aetylmorphinjodid in der
Augenheilkunde.
Von Dr. Paul Greven, Augenarzt in Aachen.
Im Jahre 1899 machte Wolffberg (Wochenschrift für
Ther. u. Hyg. des Auges, III No. No. 1, 4, 16, 27) seine
ersten Mitteilungen über die lymphagoge Wirkung des
Diains am Auge Dionin ist Aethilmorphinchlorid. Bringt
man von diesem Pulver eine geringe Menge in den Binde¬
hautsack des menschlichen Auges, so erfolgt unter dem
Gefühl von ziemlich heftigem Brennen vermehrte Tränen¬
sekretion und ausgedehnte Injektion der Conjunctiva bulbi et
palpebrarum. Nach einigen Minuten tritt hinzu, manchmal
sehr stürmisch, eine Chemosis der Bindehaut, sodaß diese
in einem wallartigen Wulst, von glasig durchscheinendem
Aussehen, die Hornhaut umgibt. Die Hornhaut selbst
zeigt dabei erhöhten Glanz und bald mehr, bald weniger
herabgesetzte Schmerzempfindlichkeit. In einzelnen, be¬
sonders stürmisch verlaufenden Fällen beteiligen sich auch
die Lider an der Dioninreaktion, indem sie sich röten und
ödematös anschwellen. Alle diese Erscheinungen sind in
der Regel nach 3—6 Stunden abgelaufen, können aber auch
in Ausnahmefällen bis zu 24 Stunden anhalten. Den ganzen
Vorgang bezeichnet Wolffberg als Lymphstauung, die er
so erklärt, daß das Dionin einen besonderen Reiz auf die
Epithelien der Blutkapillaren und dadurch Sekretion des
Blutplasmas in das umgebende Gewebe auslöst. Diese
Lymphüberschwemmung bewirkt eine gesteigerte Vitalität
der Gewebe, besonders der Hornhaut. Und so empfiehlt
denn auch Wolffberg das Dionin als Hülfsmittel besonders
bei der Behandlung von Hornhauterkrankungen, speziell der
traumatischen, skrophulösen und parenchymatösen Keratitis.
In großer Zahl erschienen seitdem die Veröffentlichungen über
die Dioninanwendung am Auge, und es wurde bald für
alle möglichen Erkrankungen des Sehorgans empfohlen, so
bei Hornhautflecken, Iritis, Chorioiditis, Glaukom, ja sogar
bei Neuritis retrobulbaris, Netzhautablösungen und Netz¬
hautblutungen. Vielleicht ist Dionin imstande, seine Wirkung
auch in der Tiefe des Auges zu entfalten, wie aus einer
Beobachtung Arlt’s (Wochenschrift für Ther. u. Hyg. des
Auges XI, 25) bei einer Netzhautblutung hervorzugehen
scheint. Trotzdem aber ist das ursprünglich allzu große An¬
wendungsgebiet des Dionins wesentlich eingeengt worden,
worauf noch jüngst Adam hinwies (Sitzung der Berlin,
ophthalm. Gesellsch. v. 16. XII 1909 und Münch. Med.
Wochenschr. 1910 No. 7). Immerhin bleibt es ein überaus
wertvolles und schätzenswertes Hülfsmittel in der Augen¬
heilkunde. Auch ich habe schon seit Jahren Dionin häufig
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 14
212
angewendet und manchmal sehr gute Erfolge seiner Wirkung
gesehen, besonders auf dem eigentlichen Anwendungs¬
gebiete des Mittels, bei Erkrankungen der Hornhaut.
Freilich blieb in anderen Fällen auch mal jeder Erfolg aus,
wie das ja im ärztlichen Leben bei jedem anderen Medi¬
kament ebenso der Fall sein kann.
Ein Uebelstand bei der Anwendung des Dionins in
der Augenheilkunde ist die Angewöhnung des mensch¬
lichen Auges an dasselbe und dadurch bedingtes Aus¬
bleiben der oben geschilderten Reaktion. Hiergegen muß
man sich schützen durch nicht zu häufige Applikation des
Mittels. Ein weiterer Mißstand ist die anfängliche Schmerz¬
haftigkeit nach der Applikation. Freilich ist diese indivi¬
duell sehr verschieden: so würde ich noch in diesen Tagen
von einer Patientin mit Ulcus corneae gefragt, ob sie die
Dionintropfen nicht häufiger, wie anfangs verordnet, ge¬
brauchen dürfte, da sie nach dem Einträufeln ein deutliches
Nachlassen der Schmerzen, und zwar sofort, verspüre,
während es auf der anderen Seite Patienten gibt, die eine
weitere Dioninanwendung wegen ihrer Schmerzhaftigkeit
nicht mehr gestatten wollen.
Sylla (Wochenschrift für Ther. und Hyg. des Auges
XII, 14) machte nun die Beobachtung, daß Dionin noch
besser wirkte, wenn er gleichzeitig Jodoform einpulverte
(bei Hornhautgeschwüren, -Verletzungen und -Infiltraten),
und er kam auf den Gedanken, ob es nicht möglich wäre,
Dionin mit dem Jod, dem er diese Steigerung der Dionin¬
wirkung zuschrieb, in direkte chemische Verbindung zu
bringen. Diese Erwägungen führten alsbald zur Her¬
stellung von jodwasserstoffsaurem Aetylmorphin, welches
ein weißes Pulver darstellt, schwer in Wasser löslich ist
und behufs längerer Haltbarkeit am besten in dunklen
Gläsern aufzubewahren ist.
-Seit einem halben Jahre habe ich dieses neue Mittel
in zahlreichen Fällen angewendet, besonders bei Er¬
krankungen der Hornhaut, und ich kann im großen und
ganzen die Erfahrungen, die Sylla mit dem Mittel in der
Praxis gemacht hat, bestätigen. Das Einlegen des Pulvers
in den Bindehautsack ruft nicht so heftiges Brennen hervor
wie bei Dionin, und die resorbierende Wirkung scheint
mir, wohl wegen des Jodgehalts, größer zu sein. Zuerst
nahm ich Veranlassung, das neue Mittel zu versuchen in
einem Falle von traumatischem Epitheldefekt der Hornhaut,
der lange Zeit der üblichen Therapie trotzte. Es bestand
außerdem bei dem 75jährigen Patienten narbige Verkürzung
der Lider mit Verschluß der Tränenpunkte, Eversion der
unteren Lider und chronische Bindehautentzündung.
Dionin übte auf die Hornhauterosion keine Wirkung aus.
Aber gleich nach der ersten Anwendung von Aetylmorphin-
jodid trat eine wesentliche Verkleinerung des Epitheldefektes
ein, und in wenigen Tagen war vollständige Heilung ein¬
getreten. Desgleichen sah ich bei ekzematöser Keratitis
der skrophulösen Kinder von Aetylmorphinjodid gute
Wirkung, indem es den Krankheitsprozeß wesentlich ab¬
kürzte. Ebenso bei Ulcus corneae, wo es zu schneller
Reinigung des Geschwürs führte, welches dann bald zur
Heilung gelangte mit einer so feinen und durchsichtigen
Narbe, wie man es sonst meistens nicht gewohnt ist. Noch
vor wenigen Tagen hatte ich einen Patienten in Behandlung,
der mit großem, fast zentralem, eitrig belegten Ulcus corneae
4 Tage nach einer Steinsplitterverletzung bei gleichzeitiger
Dacryocystoblennorrhoea zu mir kam. 2 Tage nach der
ersten Anwendung von Aethylmorphinjodid war das Ge¬
schwür auf die Hälfte verkleinert und zeigte in der anderen
Hälfte eine gereinigte, spiegelnde Oberfläche. 5 Tage nach
der ersten Behandlung (im ganzen drei mal Aetylmorphin¬
jodid) war das Geschwür in eine spiegelnde, epithelisierte
Delle verwandelt, und die zurückgebliebene Trübung dei
Hornhaut ist auffallend licht und durchscheinend. Dabei
muß ich bemerken, daß der betreffende Patient in seiner
Indolenz so weit ging, daß er sich seine Dacryocystoblen-
norrhoe unter keinen Umständen und auf keinerlei Art be¬
handeln lassen wollte, nachdem er vor langer Zeit eine
langwierige Sonderbehandlung durchgemacht hatte.
Des weiteren wurde ich von der Wirkung des Aethyl-
morphinjodids sehr befriedigt in zwei Fällen von Herpes
corneae febrilis. Der eine dieser Fälle kam in meine Be¬
handlung mit sehr starkem Reizzustand des Auges bei
großem, baumartig verästelten Epitheldefekt der Hornhaut,
nachdem er über 14 Tage lang anderwärts mit Unguentum
ophthalmicum behandelt worden war. Am dritten Tage
nach der ersten Anwendung von Aethylmorphinjodid war
der Epitheldefekt kleiner, indem er sich vom oberen Rande
der Hornhaut her regenerierte; 10 Tage nach der ersten Be¬
handlung war der Defekt ganz geschlossen, und das Auge
war nach 3 weiteren Tagen vollkommen reizlos (in ganzen
wurde dreimal Aethylmorphinjodid, natürlich neben Atropin,
in den Bindehautsack gebracht). In dem anderen Falle von
Herpes corneae war der Epitheldefekt am heunten Tage
nach der ersten Einstreuung von Aethylmorphinjodid ver¬
heilt. Auffallend ist also in beiden Fällen die verhältnis¬
mäßig sehr kurze Dauer der Erkrankung, während doch
im allgemeinen das Herpesgeschwür eine langwierige Er¬
krankung ist und etwa 4—8 Wochen zu seiner Wiederher¬
stellung beansprucht.
Auch bei Iritis habe ich verschiedentlich das neue Mittel
versucht. Eine erhebliche Beeinflussung des Krankeits-
prozesses habe ich aber davon nicht gesehen, es hat aber
auch in keinem einzigen Falle geschadet. Bei einem Patienten
glaube ich sogar das schnelle Verschwinden eines Pupillar-
exsudates dem Aethylmorphinjodid zuschreiben zu können,
da sich das Exsudat bei der zuerst allein angewendeten
Atropinanwendung nicht resorbieren wollte, vielmehr während
des Atropingebrauchs erst entstand. Einige Patienten gaben
spontan an, nach der Anwendung von Aethylmorphinjodid
trete ein Nachlassen der Schmerzen ein.
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, daß ich das jodwasser¬
stoffsaure Aethylmorphin noch bei einer alten Neuroretinitis
haemorrhagica (Thrombose der Vena centralis) des Versuches
halber angewendet habe, aber ohne Erfolg. Ich hatte frei¬
lich auch keinen Erfolg von diesem Versuch erhofft; denn
es handelte sich um einen alten vernachlässigten Fall, bei
dem alle übrigen therapeutischen Maßnahmen eine wesent¬
liche Verbesserung nicht hatten herbeiführen können.
Wenn ich nun aus meinen bisherigen Beobachtungen
das Fazit ziehe, so muß ich sagen, daß ich das Aethyl¬
morphinjodid als schätzenswertes Hülfsmittel in der Augen¬
heilkunde betrachte, vor allem auf dem Gebiete der entzünd¬
lichen und traumatischen Hornhauterkrankungen. Dabei
scheint es mir durch seinen Gehalt an Jod eine stark resor¬
bierende und antiseptische Wirkung zu entfalten. Auch ist
seine Anwendung nicht so schmerzhaft wie die des Dionins.
Ich verwende das Aethylmorphin hydrojodicum nur als
Pulver, indem ich eine kleine Menge davon auf die Con-
junctiva des Unterlides bringe, wo es rasch zerfließt.
Nachschrift: Als vorstehender Aufsatz im Manuskript
bereits fertig vorlag, kam mir eine neue Arbeit von Sylla
über: „Dionin und Aethylmorphinjodid“ (Wochenschr. f.Ther.
u. Hyg. des Auges XIII No. 21) zu Gesicht. Meine oben
mitgeteilten Erfahrungen mit Aethylmorphinjodid werden
von Sylla bestäFgt. Ueber Sylla’s weitere Beobachtungen
ist an anderer Stelle dieser Zeitschrift referiert.
Nr. 14
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
213
Etwas über den Eisbeutel.
Von Dr. med. Franz Freudenberg, z. Z. Brüssel.
Die mit der sogenannten Naturheilmethode liebäugelnden
Herren Kollegen haben sich gewöhnt, den Eisbeutel in
Grund und Boden hinein zu verdammen und halten denselben
durch hydriatische Maßnahmen für vollkommen ersetzbar.
Tausend ärztliche Praktiker aber, nicht Anhänger des alten
Schlendrians, sondern Beobachter mit offenen Augen, haben
im Lauf ihrer Tätigkeit von dem Eisbeutel so gute Dienste
erfahren, daß sie denselben um keinen Preis missen möchten.
Natürlich heißt es „unterscheiden“. Die Eisblase, wie jedes
differente Mittel — und indifferente Mittel gibt es ja über¬
haupt nicht, denn, was nicht schaden könnte, kann auch
nicht nutzen — ist ein Messer mit zwei Schneiden. Für
Wirkungen in erheblicher Tiefe ist sie nicht geeignet.
Wollten wir, um auf eine bedeutende Tiefe eine Kälte¬
wirkung auszuüben, uns des Eisbeutels bedienen, so würden
wir durch Kontraktion der oberflächlichen Gefäße vielleicht
gerade diejenigen Gewebe, welche wir entlastet sehen
möchten, in einen hyperaemischen Zustand versetzen und
so das Übel, anstatt zu bessern, verschlimmern. Da aber,
wo wir mit Sicherheit imstande sind, ein erkranktes Organ
vermittels des Eisbeutels zu beeindrücken, hat dieser —
mit seiner gleichmäßigen Kältewirkung — je nach den Ver¬
hältnissen seine vollberechtigte Indikation. Als klassisches
Beispiel führe ich hier nur gewisse entzündliche Zustände
des relativ oberflächlich liegenden Testikels an.
Ich erwähnte des Umstandes der gleichmäßigen
Kälteeinwirkung. Hier hakt mein Vorschlag an, den ich im
Nachstehenden den Lesern unterbreiten möchte. Ich brauche
nicht zu befürchten, daß die Besprechung dieses Gegen¬
standes in einer den Interessen des ärztlichen Praktikers
dienenden Zeitschrift als allzu geringfügig erscheinen dürfte.
Denn dem echten Therapeuten ist auch die kleinste tech¬
nische Verbesserung seines Arbeitsmaterials willkommen.
Die folgende, zuerst in französischen Zeitschriften empfohlene
Modifikation des Eisbeutels habe ich praktisch erprobt und
bewährt befunden. Dieselbe hat vor dem alten Verfahren
eine Reihe von Vorteilen voraus.
Das Eis wird kleingehackt und mit Hanfmehl zu einem
elastisch steifen Brei angerührt. Mit diesem Eisbrei wird
nun die Blase gefüllt. Durch diese Breiform mit ihrer
relativen Konsistenz wird eine weit gleichmäßigere Kälte¬
einwirkung erzielt als bei der alten Füllungsmethode. Bei
dieser kann von einer wirklichen Gleichmäßigkeit nur so
lange die Rede sein, als die Eisstücke noch ungeschmolzen
diese ausfüllen. Sobald nur mehr einzelne Eisstückchen
im Schmelzwasser flottieren resp. sich in den Faltungen
der Gummiwandung ablagern, wird das Bild ein vollkommen
anderes.
Neben dem durch seine größere Gleichmäßigkeit in der
Kälteeinwirkung bedingten Vorteil hat der Eisbrei auch
mechanische Vorzüge. Der von ihm ausgehende Druck ist
ein elastischer; er wird weit angenehmer empfunden als die
mit Eisstücken gefüllte Blase. Noch schärfer vielleicht tritt
diese Differenz beim Fortschreiten des Schmelzungsprozesses
hervor. Der Eisbrei behält diesen Charakter ziemlich kon¬
stant bis zum Schlüsse, während sich bei der alten Methode
alsbald eine ungleiche Belastung geltend macht. Ein fernerer
mechanischer Vorteil ist dadurch geboten, daß sich die mit
dem Eisbrei gefüllte Gummiblase kappenartig um ein zube¬
einflussendes Organ herum legen läßt. Auf diese Weise läßt
sich mit dem Kälteeffekt auch noch der Vorteil einer gleich¬
mäßigen elastischen Kompression verbinden.
Unnötig zu sagen, daß der Eisbeutel, statt mit Stück¬
eis, mit Brei gefüllt, weit besser aufliegt. Wer einmal diese
Modifikation bei Auflegen des Beutels z. B. auf den Kopf
des Kranken versucht hat, der ist für sie gewonnen. Das
ewige in die Stirn Rutschen oder das seitliche Herabgleiten
bei der zunehmenden Schmelzung des Eisbeutelinhaltes hat
ein Ende. Der Brei bleibt Brei. Und statt des flucktuierenden
Schmelzwassers und der in ihm sich verschiebenden Eis-
partikels ist ein gleichmäßiges, ruhiges, seine Form und seine
Lage behauptendes Material geboten.
Und zum Schluß noch ein weiterer Vorzug. Weit ent¬
fernt durch das Zerhacken in winzige Bröckchen rascher
zu schmelzen, als bei der Füllung größerer Stücke in den
Beutel, sichert das Eis in Breiform sogar eine längere Dauer
der Kältewirkung. Es ist bekannt, wie zähe jeder Brei die
einmal innehabende Temperatur festhält. Wiesen doch zur
Zeit die wackern Züricher den Straßburgern ihre Bündnis¬
fähigkeit dadurch nach, daß sie einen Topf mit Brei noch
warm nach Straßburg flößten. Und so langsam, wie Brei
Wärme abgibt, nimmt er sie auch an.
Alles in allem genommen, ich halte die angegebene
Modifikation für eine gute und bei der geringen damit ver¬
bundenen Mühe wohl eines Versuchs in der Praxis wert. —
Literatur.
1. Peukert: Tabes dersalis im Geschlechtsleben der Frau.
Monatsschr. für Geburtsh., 2. H. 09.
2. Sachs: Ueber einen seltenen Befund von intracellularen
Streptocoucohetten im Spinalpunktat. Monatsschr. für Geburtsh. 2. 09.
3. De Suov: Fall von Gehirnabscess. (Pseudoeklampsie).
Niederl. Gesellsch. für Gynäk., Febr. 09.
4. Pelicand: Ueber Meninpitis und die Schwangerschaft. These
de Lyon 08
5. Lafont: Ueber Cerebrospinalmeninpitis im Wochenbett. These
de Paris 08.
6. Planchu: Kaiserschnitt bei einer Epileptischen. Lyon med.
18. 08.
7. E. Martin: Die Sterilisation tuberkulöser schwangerer Frauen
durch die Totalenstirpation des graviden Uterns mit seinen Adnessen.
Münchn. med. Wochenschr. 24. 09.
8. L. Magnetta: Studie über die Evolution der Lungentuberkulose
nach der Geburt und nach dem spontanen oder künstlichen Aboches.
Lyon 08.
9. Rose: Miliartuberkulose im Wochenbett. Münchn. med.
Wochenschr. 38. 09.
10. M. de Malde: Einleitung der Frühgeburt bei krupöser
Pneumonie. Rassegnadi osh. 6. 08.
11. Großkopf: Einfluß der Schwangerschaft, der Geburt und
des Wochenbettes auf die oberen Luftwege. Arch. für Largepol.
Bd. 21. H. 3.
12. Thiery: Ueber Herzerkrankungen in Schwangerschaft und
Wochenbett. Manp. Dirs. Nancy. 08.
13. Wetterpren: Pyclihs während der Schwangerschaft. Hygica.
8. 08.
14. Rissmann: Langdauernder Steinverschluß des Choledochus
und des Diverticulum Valeri. Transduodcuale Operation in der Gravi¬
dität. Zentralbl. für Gynäk. 20. 09.
15. Lemercier M.: Darmverschluß und Schwangerschaft. Gaz.
des hopit. 1. 2. 09.
16. Hilton: Appendicitis des Puerperiums. Surpery V. 4.
17. Delmas: Eitriger Gelenkrheumatismus bei der Schwangeren.
Gaz. des höpit. 91. 08.
18. Atkinson: Tod durch Masern im Wochenbett. Brit. med.
Journ. Anh. 08.
19. Graude: Die Chininsalze und das Euchinin bei Malaria¬
erkrankung in der Schwangerschaft. Gaz. depli. osped. 9. 09.
20. Bataille: Ueber Grippe im Wochenbett. Manp. Dirs.
Nancy. 08.
21. Sire: Infektionskrankheiten und Schwangerschaft. Manp.
Dirs. Matpellier. 08.
22. M. Hirsch: Ueber Syphilis in Schwangerschaft und Wochen¬
bett. Zentralbl. für Gynäk. 35. 09.
23. K. Barsch: Ueber die Vererbung der Syphilis auf Grund
serologischer und baklanologischer Untersuchungen. Münchn. med.
Wochenschr. 38. 09.
24. P. Barund R. Dannay: Studie über die Lerodiagnostik bei
Leberorganen und Neugebornen. L’olstelrigue. 1. 09.
25. Wechselmann: PostcOnceplionelle Syphilis und Wasser-
mannsche Reaktion. Deutsche med. Wochenschr. 15. 09.
26. Bab: Das Problem der Luesübertragung auf das Kind und
die akute Lues der Frau im Lichte der modernen Syphilisforschung.
Zentralbl. für Gynäk. 15. 09.
214
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 14
REFERATE.
Pharmakologie.
Referent: Privatdozent Dr. C. Bachem in Bonn.
1. lieber das Harneisen. Von O.Wolter, Rostock, Biochemische
Zeitschrift, 1910, Band 24, Seite 108.
2. Ueber das Resorptionsvermögen der Haut für Anilin¬
farbstoffe mit und ohne Anwendung des elektrischen Stromes
(Jontophorese) und über Jontophorese im allgemeinen. Von
Jamada und Jodlbauer, Arch. internat. de pharmacodyn. et de
therap., Band 19, Seite 215.
3. Adrenalin, ein Antidot gegen Strychnin? Von Januschke,
Wien. Wiener klinische Wochenschrift, 1910, Nr. 8.
4. Fruchtabtreibung mit Asarum europaeum. Von v. Sury,
Basel. Münchener medizinische Wochenschrift, 1910, Nr. 1.
5. Zur Neuausgabe des Arzneibuchs für das Deutsche Reich
(ohne Angabe des Verfassers). Pharmazeutische Zeitung, 1910, Nr. 18
und 19.
6. Die Vergiftung mit Salzsäure. Von Geissler, Breslau.
Vierteljahresschrift für gerichtliche Medizin, Band 37, Seite 1.
1. Der erste Teil dieser Untersuchungen befaßt sich mit der
Bestimmung des Eisens im Harn, der zweite mit der Menge desselben.
Verfasser konnte feststellen, daß es für eine Reihe verschiedener Tier¬
arten und den Menschen erwiesen ist, daß stets im 24 ständigen Harn
meßbare, aber nicht alle Tage gleichgroße Mengen von Eisen aus¬
geschieden werden. Die chemische Zusammensetzung dieser Eisen¬
verbindung ist nicht bekannt, es erscheint aber nicht als anorganisches,
sondern in nicht ionisierter Form als organisches Eisen. Diese unbekannte
organische Eisensubstanz gehört zu den Kolloiden. Es hat sich ferner
gezeigt, daß das organisch gebundene Harneisen im normalen Harn
verschiedener Tierarten (Hund, Kaninchen, Rind, Hammel, Ziege) aus
zwei Komponenten zusammengesetzt ist: ein Teil ist locker gebundenes,
ein anderer Teil fest gebundenes Eisen, das sich nur in der Harnasche
nachweisen lässt. Die Normalzahl für das Gesamteisen eines 20 kg
schweren Hundes beträgt pro die 1 mg Eisen (als Fe berechnet); sie j
schwankt erheblich mit der Ernährung und geht z. B. bei Brotkost
herab und bei Fleisch- und Blutnahrung in die Höhe.
Im normalen menschlichen Harn kommt locker gebundenes Eisen
meist in nicht meßbarer Menge vor, es wird vielmehr als festgebundes
Eisen ausgeschieden. Durchschnittlich scheidet der Mensch etwa 1 mg
täglich bei gemischter, blutarmer Kost an Eisen aus. Im Menschen¬
harn tritt bei einer Reihe von Krankheiten außer dem festgebundenen
auch locker gebundenes Eisen auf. Bei Blutkrankheiten ist das Eisen
gesteigert, hauptsächlich durch Auftreten von locker gebundenem Eisen.
Beim eisenarm genährten Hunde und beim Menschen läßt sich
eine Steigerung der Eisenausscheidung durch längere Zufuhr arznei¬
licher Eisenpräparate erreichen. Durch Subkutaninjektion selbst kleiner
Mengen von Eisenpräparaten läßt sich bei Tier und Mensch leicht
eine Steigerung der Ausscheidung von Harneisen erzielen, meist jedoch
nur unter Schädigung des Nierenepithels.
2. Die Autoren fassen ihre Versuchsergebnisse folgendermaßen
zusammen. Die sauren Anilinfarbstoffe (Eosin) werden, trotz ihrer
äußerst geringen Lipoidlöslichkeit, von der Haut der Warm- und Kalt¬
blüter absorbiert und finden sich in meßbarer Menge im Blute, in der
Galle und im Harn. Bei Fröschen ist nach 6 ständigem Aufenthalte
in 1/100 mol. Lösung bei Zimmertemperatur im Blute 0,26 mg und im
Harn 0,05 mg Eosin vorhanden. Der Eosingehalt in der Galle ist sehr
schwankend. Bei Mäusen betrug der Eosingehalt nach ebensolangem
Aufenthalt in einer 1/50 mol. Lösung bei Körpertemperatur im Blute
0,004-0,01 mg, im Harn 0,001-0,0015 mg, in der Galle 0,053 mg. Hier¬
aus ist zu ersehen, daß bei den Mäusen das im Blute vorhandene
Eosin sehr rasch mit der Galle zur Ausscheidung gelangt. Durch Ver¬
wendung von elektrischem Strome (Jontophorese) läßt sich die Auf¬
nahme von Eosin durch die Haut bei den Kaltblütern nicht nachweis¬
bar steigern, wohl aber bei den Warmblütern (Mäusen). Diese
vermehrte Aufnahme zeigt sich besonders im Harn (6 fache Menge)
und in der Galle, während das Blut keine oder nur äußerst geringe
Vermehrung des Eosingehaltes aufweist. Sowohl die säuern Anilin¬
farbstoffe (Eosin) als auch die basischen (Safranin, Methylenblau)
werden von der Haut der Kaninchen und insbesondere der Hunde nur
sehr wenig aufgenommen; nur die oberflächlichen Epidermisschichten
zeigen sich selbst nach mehrstündiger Einwirkung gefärbt. Unter dem
Einflüsse des elektrischen Stromes wird die Absorption viel stärker,
was sich einerseits in der intensiveren Färbung, andererseits in der
Tiefenwirkung äußert, entsprechend der Annahme einer Jontophorese
tritt dies bei Eosin als saurer Farbstoff an der Kathode, bei Safranin
und Methylenblau als basische Körper an der Anode auf. Das Wesen
der Jontophorese besteht nicht allein darin, daß die Anionen von der
Kathode aus, die Kationen von der Anode aus in den Körper gewisser¬
maßen hineingetrieben werden; das wesentliche besteht vielmehr in
den durch den Strom bewirkten Hautveränderungen, nämlich Säure¬
bildung an der Anode, Alkalienhäufung an der Kathode. Denn eine
Jontophorese tritt auch dann ein, wenn dem eigentlichen Resorptions¬
versuche die Durchleitung des elektrischen Stromes vorausgeht und
erst dann die Resorption (aber ohne Strom) erfolgt. Es wäre sehr
wohl denkbar nach Ansicht der Verfasser, daß durch die Anwendung
der Jontophorese und die hierdurch hervorzurufende Steigerung der
Aufnahmefähigkeit der Zellen für die Anilinfarbstoffe, die therapeutischen
Erfolge mit den fluoreszierenden (photodynamischen) Stoffen bei Haut¬
erkrankungen sich steigern ließen.
3. Falta und Ivcovic glaubten gefunden zu haben, daß Adrenalin
ein Antidot gegen Strychnin sei. Eine Nachprüfung durch Januschke
ergab dagegen folgendes: Adrenalin ist nicht imstande, beim Frosch
den durch Strychnin geschaffenen Vergiftungszustand des Zentral¬
nervensystems aufzuheben. Solche Adrenalin - Strychninmischungen,
welche bei subkutaner Applikation am Meerschweinchen ungiftig bleiben,
bewirken bei intravenöser Injektion typische Strychninvergiftung. Die
von anderen Autoren betonte Verzögerung der Giftresorption aus
Lymphräumen durch Adrenalin würde hierdurch ihre Bestätigung finden.
Das durch Strychnin in Diastole stillgestellte Froschherz, kann
durch Adrenalin wieder zum Schlagen erweckt werden. Dies ist je¬
doch kein spezifischer Antagonismus, sondern lediglich eine Reiz¬
wirkung; denn den gleichen Erfolg haben auch andere chemische
Reize, wie Kampfer, Barium, Stophanthin und Atropin sowie mechanische
und elektrische Reize.
4. Das zur Familie der Aristolochien gehörige Asarum europaeum
oder der Haselwurz enthält in Wurzeln und Blättern einen giftigen
Stoff, das Asaron (Propenyltrimethoxybenzol), welches emetisch und
kathrtisch wirkt. Als Abortivum dient die Pflanze bei uns selten. Im
vorliegenden Falle handelte es sich um eine Gravida, die eine starke
Abkochung der Pflanze trank. Die Folgen waren starke Gastroen¬
teritis mit Prostration und nach einigen Tagen Ausstößen eines toten
Kindes. Magen und Darm waren noch nach 2 Monaten angegriffen.
5. Die demnächst zu erwartende Pharmacopöa germanica Ed. V.
wird gegen die bisherige Ausgabe, die seit 1901 gilt, wesentliche
Aenderungen und Verbesserungen erfahren. Der Textentwurf, der
bereits vorliegt, weist z. B. unter anderen Neuerungen die Hinzufügung
der chemischen Formeln, der Molekulargewichte, des Zwecks der
Reinheitsproben usw. Alte, in der heutigen Pharmakotherapie über¬
flüssige Mittel sollen gestrichen werden, so u. a. Acidum hydrobromicum,
Albumen ovi siccum, Ammonium chloratum ferratum, Aqua Picis, Elixir
amarum, Ferrum citricum, Ferrum sesquichloratum, Fol. Jaborandi und
Nicotianae, Fructus Papaveris immaturi, Fungus chirurgorum, Herba
Conii, Liquor ammonii acetici, Lithium salicylicum, Oleum Papaveris
und Sirupus Papaveris, Tartarus boraxatus, Vinum Colchici und Vinum
Ipecacuanhae.
Dagegen finden wir eine Reihe von Präparaten, die zur Neu¬
aufnahme vorgeschlagen sind; ich nenne nur: Acetum Sebadillae,
Acid. acetylo-salicylic., Aether chloratus, Aethylmorphium hydrochlor.
(Dionin), Argent. colloidale, Argent. proteinicum, Benzoylaethyldimethyl-
aminopropanolum hydrochlor. (Stovain), Calcium hypophosphorosum,
Chloroformium pro narcosi, Collemplastra (Kautschukpflaster), Cortex
Rhamni Purshian. (Sagrada), Diacetylmorph. hydrochl. (Heroin), Emulsio
olei jecoris aselli comp. Folia cocae, Guajacolum carbonic. Hexamethyl¬
entetramin, Hydrogenium peroxydat. sol. (Wasserstoffsuperoxyd),
Lactylphenetidinum (Lactophenin), Liquor Aluminii acetico-tartarici
(Alsollösung), Liquor Ferri oxychlorati dialysat., Methyleeum ditannicum
(Tannoform;, Natrium acetylo-arsanilicum (Arsazetin), Natrium arsani-
licum (Atoxyl), Natrium nitrosum, Novocain (unter chemischem Namen)
verschiedene Pasten, Phenolphtalein., Pyrazolonum dimethylaminophenyl-
dimethylic. (Pyramidon), Semen Sabadillae, Serum antitetanicum, Solut.
Natrii chlorati physiologica, Spiritus saponis kalini, Tanalbinum, Tanni-
num acetylicum (Tannigen), Theophyliiunum, Traumaticinum, Eukain
(unter chemischem Namen), Tropakokainuni hydrochlor., Unguentum
argenti colloidalis, Urea diaethylmalonylica (Veronal), Vaseliun malbum
und flavum. Außer den genannten noch einige, im Ganzen 76. Die
Maximaldosen stehen ebenfalls vorläufig fest; es hat den Anschein,
als ob man hier zu ängstlich vorgehe, da die allgemein üblichen Dosen
als Maximaldosen sanktioniert werden sollen; so hat man z. B. dem
Laktophenin 0,5 g, dem Veronal die gleiche Menge, dem Dionin 0,03 g
zugedacht.
Dagegen ist es freudig zu begrüßen, daß die neue Pharmakopoe,
ebenso wie die letzte Ph. Helvetica, einen wichtigen Anhang durch die
Nr. 14
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
215
Aufnahme von Reagentien und volumetrischen Lösungen zu ärztlichen
Zwecken erhalten soll.
6. Vorliegende für den Toxikologen dankenswerte Zusammen¬
stellung bringt kasuistische Beiträge zur Salzsäurevergiftung mit klinisch-
und anatomisch-histologischen Untersuchungen sowie experimentelle
Nachprüfungen. Dabei ist die medizin-gerichtliche Bedeutung besonders
gewürdigt. Einige typische Fälle werden durch Abbildungen der
pathologisch-anatomischen Befunde erläutert.
Einzelheiten sind im Original nachzulesen.
Neurologie und Psychiatrie.
Referent: Irrenarzt Dr. Wern. H. Becker, Weilmünster.
1. Zur Tuberkulinbehandlung der Paralytiker, Von Prof.
Dr. Pilcz-Wien. Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift, Nr. 49,
1909/10.
2. Mitteilung über einen Fall von Psychose nach Fleisch¬
vergiftung. Von Dr. Max Raether-Andernach. Deutsche Medizinische
Wochenschrift, Nr. 8, 1910.
3. Die Kriminalanthropologie nach Lombroso. Von Dr. Sofer.
Medizinische Blätter, Nr. 7, Wien, 1910.
4. Die physikalische Behandlung der Ichias. Von Dr. Fürsten¬
berg-Berlin. Medizinische Klinik, Nr. 10, 1910.
5. Die allgemeine Symptomatologie und Therapie der Hirn¬
geschwülste. Von Dr. Bychowski. Deutsche medizinische Wochen¬
schrift, Nr. 10, 1910.
6. Hysterie und moderne Psychoanalyse. Von Hofrat Dr. Fried¬
länder, Hohe Mark i. T. Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift
Nr. 46—50 (Fortsetzung).
7. Hysterischer und spastischer Darmverschluß von Dr. Nord-
mann, Schöneberg. Deutsche medizinische Wochenschrift, Nr. 10, 1910.
8. Das Auftreten der spinalen Kinderlähmung (Heine-Me-
dinsche Krankheit) in Vorpommern. Von Prof. Dr. Peiper, Greifswald.
Deutsche medizinische Wochenschrift, Nr. 9, 1910.
9. Blutschwitzen bei einer Hysterischen. Von Dr. Enge-Lübeck.
Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie, Erstes Märzheft 1910.
10. Zur Kasmistik der sexualen Aetiologie nervöser Symp¬
tome. Von Dr. Marcinowski — Haus Sielbeck. Zeitschrift für Psycho¬
therapie und medizinische Psychologie, Bd. II, Heft 1, 1910.
11. Die Prognose der traumatischen Neurose und ihre Beein¬
flussung durch die Kapitalabfindung. Von Dr. Wimmer, Kopen¬
hagen. Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie, N. F., Bd. 21,
Zweites Februarheft, 1910.
12. Die Aufnahme in Irrenanstalten. Von Dr. F. Sioli, Galk-
hausen. Reichs-Medizinal-Anzeiger, No. 4, 1910.
1. Die rühmlich bekannte Behandlungsweise der Paralytiker mit
Tuberkulininjektionen wird von dem Verfasser, wie schon öfter a. a. O.,
abermals verfochten, und zwar an der Hand von auf der einen Seite
64 nicht injizierten und auf der andern Seite 60 mit Tuberkulin
behandelten, wahllos und sine ira et studio in zwei Lager geschiedenen
Paralytikern. Von den 60 behandelten Paralytikern leben noch 9,
starben im 1. Jahre 19, im 2. 21, im 3. 7, im 4. Jahre 2, zusammen 60.
— Von den 64 nichtinjizierten leben noch 5, starben im 1. Jahre 37,
im 2. 18, im 3. 2, im 4. Jahre 2, zusammen 64.
Hieraus zieht Verfasser den Schluß, daß 1. die Fälle, welche im
1. Jahre des Anstaltsaufenthaltes starben, bei den nicht behandelten
Paralytikern beträchtlich überwiegen, 2. daß von den noch lebenden
paralytischen Kranken die größere Zahl injiziert war. Verfasser berichtet
im Anschluß daran dann noch von einem Fall von matatorischer Form
der Dementia praecor, der auch in auffallender Weise auf Tuberkulin¬
injektionen reagierte und in Heilung überging.
Es spricht tatsächlich vieles für Versuche, diese Behandlungsweise
noch zu prüfen. Es ist dem Referenten nur nicht recht ersichtlich,
weshalb jetzt nur noch von „Tuberkulin“ die Rede ist; früher schrieb
doch die Wiener Schule ausdrücklich hierfür „Alttuberkulin“ vor.
2. In der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt des Rheinlandes wurde
der seltene Fall beobachtet, daß eine Psychose sich an eine Fleisch¬
vergiftung, und zwar den Genuß verdorbenen Pferdefleisches, anschloß.
Nach R.’s Bericht ist in der Literatur der letzten 40 Jahre nur ein
einziger Fall ähnlicher Art beschrieben. Allerdings ist die exogene
Schädlichkeit des Ptomaintoxies in dem Andernacher Fall nicht die
einzige Noxe, die ätiologisch in Betracht gekommen ist. Einem jahre¬
langen Alkoholmißbrauch, vor allem aber einem angeborenen, auch
durch Degenerationszeichen stigmatisierte Imbecillität ist auch eine
gewisse Rolle zuzuschreiben, so daß die Fleischvergiftung nur
ein auslösendes Moment darstellen würde.
VERSITY OF
Abgesehen von einer mehrtägigen stuporähnlichen Benommenheit,
die Verfasser bei seinem Patienten beobachtete, scheint ihm das
Krankheitsbild ziemlich genau identisch zu sein mit denen, die
Kraeplin in seinem Lehrbuch als „Vergiftungsdelirien“ zusammenfaßt.
Der Fall endigte mit Genesung nach 7 wöchentlichem Kranksein; die
ersten 5 Tage war Patient im Hospital zu E. gewesen, dann aber,
nachdem die anfänglichen Magen-Darmerscheinungen mehr zurückge¬
treten, und statt dessen Angst und notorische Unruhe sich gezeigt
hatten, in die Anstalt zu Andernach überführt worden.
3. Der germanistische Professor würde die Sofer’sche Behandlung
des Aufsatzthemas kaum als „genügend“ bezeichnet haben, denn der
Verfasser geht nur etwa im ersten Drittel auf das Thema ein, in den
übrigen zwei Dritteln kehrt der Name Lombroso nicht wieder und ist
auch nicht mehr von Kriminalanthropologie und Kriminalpsychologie
die Rede. Vielmehr geht Verfasser dann zu einer Darlegung seiner
idealen Auffassung des Juristenberufs über, wobei ein langes Zitat aus
einem Pelmannschen Aufsatz und andere Aussprüche diverser Autoren
aller Fakultäten mithelfen. Dennoch ist die Arbeit interessant zu lesen,
und wenn Verfasser sowohl dem Richter, als auch dem psychiatrischen
Sachverständigen die Mahnung erteilt, tief in die Materie einzudringen,
in der Seele des Angeklagten zu forschen und vor allem die Fähigkeit,
derartige Forschung vorzunehmen, mitzubringen an den viel Verant¬
wortung tragenden Richtertisch, so ist dies ebenso, gutzuheißen wie
der treffliche Hinweis, daß die Psychiatrie keine so exakten Lehrsätze,
wie die Mathematik z. B., kennt, sondern abhängig ist von der indi¬
viduellen Auffassung des einzelnen.
4. Nach Aufzählungder hauptsächlichsten arzneilichen Ischiasbehand-
lungs-Methoden, unten Ref. gern noch die blutdruckherabsetzende
Nitroglycerindarreichung erwähnt gesehen hätte, und der größeren
chirurgischen Eingriffe, bespricht Verfasser kurz die Behandlung mit
Radiumamanationen, die Lichttherapie, die Massage, die Diätkuren und
die diversen modernen Injektionsarten. Letzterer souveränen Behand¬
lungsart gleichwertig ist die in Briegers hydrotherapeutischer Universitäts-
an^talt bei Ischias vielerprobte Wasserheilmethode, die bei diesem
Leiden in Gestalt der „wechselwarmen Prozeduren in der Dusche¬
massage und der Bewegungsbäder“ von Brieger und Fürstenberg zur
Anwendung gebracht wird. In akuten Fällen verordnen sie in den
ersten Tagen vollkommene Bettruhe mit heißen Umschlägen am Tage
und erregenden zur Nacht. Dann gehen sie zu Bewegungsbädern und
zur schottischen Douche über; Massage ist erst nach Ablauf der akuten
Erscheinungen angebracht. Leichtere oder schon auf dem Wege der
Besserung befindliche Kranke werden ambulant behandelt, indem sie
3—4 mal wöchentlich ins Institut bestellt werden.
Mit dieser Behandlungsmethode wurden etwa 85°/ 0 Heilungen re¬
spektive sehr gute Besserungen erzielt. Behandlungsdauer 4 bis 6 bis
8 Wochen. Es wurden Fälle hydrotherapeutisch geheilt, die vorher
vergeblich mit Injektionen behandelt worden waren. Über umgekehrte
Fälle fehlt dem Verfasser das Urteil.
5. Die Hirngeschwulst, zu der man aus praktischen Rücksichten auch
Amuryma, Gumma, Hydrocephalus, Parasiten, Tuberkulose u. a. hin¬
zurechnet, wird lebensgefährlich nicht so sehr durch seine spezifische
biologische Eigenschaft, als vielmehr auf Grund der topographischen
Verhältnisse, die dem Carebrum kein Ausweichen gestatten. Metastasen
der Hirngeschwülste kommen kaum vor. Allgemeine Symptome sind
intensive Kopfschmerzen mit charakteristischer Kopfhaltung, Erbrechen,
Konvulsionen, verlangsamter gespannter Puls, Fehlen der Sehnen¬
reflexe und Stauungspapille. Veränderungen im Röntgenbild, psychische
Störungen und Sistieren der Sexualfunktionen können die Diagnose
! stützen. Dazu kommen spezielle Herdsymptome. Die Therapie fordert,
wenn die bedrohlichen Erscheinungen nicht sofortiges chirurgisches
Eingreifen erheischen, den Versuch einer Hg=Kur, aber stets unter
Kontrolle der okulistischen Erscheinungen, deren Zunahme Aussetzen
der Kur und wiederum chirurgische Maßnahmen nötig macht. Aehnlich
I steht es mit der Darreichung von Jodpräparaten. Die Lumbalpunktion
hat sich manchmal als gefährlich erwiesen, eher schon mag man, auch
aus diagnostischen Rücksichten zur Neisser-Pollakschen Gehirnpunktion
greifen. Das zuverlässigste Mittel zur Bekämpfung des erhöhten
Hirndrucks oder eventuellen Tumorexstirpation ist die Trepanation.
„Wo jede lokale Indikation fehlt, vird man die Gegend des physiolo¬
gisch am wenigsten differenzierten rechten Pariatallappens für die
Operation wählen“.
6. Vortragender geht dann näher auf die Frendsche Therapie ein, die
er in ihrer ursprünglichen Form der kathartischen oder Abreaktions¬
methode als „für manche Fälle sehr brauchbar“ ansieht, indem sie, wie
Jung nachher dargelegt hat, bestrebt ist, den normalen lehrest zu
stärken, wie es aber die alte Schule auch schon tat. Dagegen wird
mit Bezzola dagegen polemisiert, daß die Sexualität immer die Grund-
| ätiologie bilden solle, wie Steckei das bedingungslos unterschrieben
/ER
216
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 14
hat. In diesem Falle sei die Frendsche Methode eine wahrhaft heikle.
Nach einigen weiteren Citationen folgt dann die größtenteils ab¬
sprechende Kritik, die die neue psychoanalytische Methode seitens
deutscher Koryphäen der Psychiatrie auf dem II. internationalen Kon¬
greß für Psychiatrie in Amsterdam gefunden hat.
In der nunmehr folgenden Kritik sucht Vortragender zu erklären,
woher die Verschiedenheit der Ansichten und wie speziell die eigen¬
artigen Forschungsergebnisse der Wiener Schule kommen, wobei einer¬
seits Autogestion der Ärzte und andererseits das spezifische durch die
steigende Popolarität der Frendschen Hypothesen in Wien usw. zu¬
sammenströmende Material als Ursachen angenommen werden. Der
Tenor der Zusammenfassung des Vortrages gipfelt in folgenden Sätzen:
Eine Kausale, auf alle Fälle von Hysterie anwendbare Therapie
esitzen wir nicht. Die kathartische (Abreaktions-) Methode von Breuer-
Frend ist theoretisch für die Psychologie der Hysterie sehr fruchtbar
gewesen, praktisch verwendbar ist sie nur für gewisse traumatische
Hysterien. Die psychoanalytische Methode ist sicherlich nicht das
einzige Mittel, um Hysterien günstig zu beeinflussen; sofern sie mit
dem detaillierten Eingehen auf sexuelle Angelegenheiten und Perver¬
sitäten verknüpft ist, wird sie mit Recht von vielen Autoren abgelehnt.
7. „Eine allgemeine Nervenerkrankung, besonders die Hysterie“ sind
nicht selten als das Grundleiden zu betrachten. Drei in der chirur¬
gischen Abteilung des Auguste Viktoria-Krankenhauses beobachtete
Fälle scheinen diesen Satz zu bestätigen.
Fall 1. 25jähriges Mädchen. Diagnose: Hysterischer Ileus.
Therapie: Darmspülungen, Morphium, Umschläge. Geheilt entlassen
nach 17 Tagen.
Fall 2. 45jähriger Herr. Diagnose: Pleus spastikus (ausgebreitete
Sensibilitätsstörungen am ganzen Körper, besonders am linken Bein
und rechten Arm). Therapie: Laporotomie, Morphium, Atropie (Bauch¬
schnitt wegen anfänglichen Peritonitisverdachtes). Geheilt.
Fall 3. 66jähriger Herr. Diagnose: Ileus durch Spasmus der
Darmmuskulatur (keinerlei Nervenerscheinungen), Therapie: Ileostomie,
Tod durch Kräfteverfall und Inanition. Auch die Sektion gab keinen
Aufschluß über das Grundleiden.
Verfasser faßt den Fall 3 als eine Seltenheit auf und nimmt hier
eine Störung in der Nervensteuerung als Grund des Spasmus an
(reflektorischer Spasmus nach Wilms). In allen Fällen soll man
möglichst das Grundleiden zu eruieren suchen und darf hier sehr wohl
auch an Hysterie denken. In diesem Falle kann die Therapie so lange
konservativ sein, als das Allgemeinbefinden des Patienten gut bleibt.
8. Verfasser hat 51 Fälle zusammengestellt, von denen 20 auf die
Stadt Anklam, die anderen auf die ländliche Umgegend kamen. Die
Art der Verbreitung ließ sich nicht eruieren, wenn auch die Infektiosität
der Krankheit zweifellos erscheint, was aber nicht die Kontagiosität
involviert. Aber es ist doch Römer, Marburg, gelungen, das Virus
durch Verimpfung von Gehirnmasse, aus der Ponsgegend stammend,
von einem tödlich verlaufenen Falle von Kinderlähmung durch
intracerebrale Impfung auf einen Affen zu übertragen; von diesem
wieder auf ein zweites Tier. Das Krankheitsbild begann in fast allen
Fällen mit hohem Fieber und Kopfschmerzen, Durchfällen und Brech¬
reiz. Lähmungserscheinungen wurden schon häufig während des
Fiebers beobachtet oder aber erst nach Abfall des Fiebers bemerkt.
Der Tod erfolgte in 11,7 Proz. In 10 Fällen fand Rostitutio ad
integrum statt, in den anderen Fällen blieben Ausfallserscheinungen
zurück. Wegen der mangelnden ätiologischen Klärung schlägt Ver¬
fasser vor, als Sammelnamen lieber die Bezeichnung „Medin-Heine’sche
Krankheit“ zu wählen.
9. Die Hämatohidrosis ist zwar von Binswanger bereits beschrieben
worden, jedoch von ihm als mit Vorsicht den seltenen Hysteriesymptomen
zuzurechnen bezeichnet worden, da nach seiner Beobachtung stets
schwere Stoffwechselstörungen (Nephritis, perniciöse Animie) neben
der Hysterie bestanden hätte. Deshalb hält Verfasser es für im all¬
gemeinen Interesse liegend, wenn er einen neuen, in der Staatsirren¬
anstalt Lübeck einwandfrei beobachteten Fall eingehend wiedergibt.
Die vom Verfasser gestellte Diagnose Hysterie ist wohl kaum an¬
zuzweifeln, einzeln aufgetretene Kotatonische Symptome stoßen die
erstere Diagnose nicht um. Das Blutschwitzen wurde zweimal mit
Sicherheit konstatiert. Unbemerkte Hartverletzungen oder Kunstprodukte
konnten durch längere ärztliche Beobachtung diagnostisch ausgeschaltet
werden. Stoffwechselstörungen ließen sich noch nicht diagnosticieren,
so daß Verfasser die hysterische Basis äls gegeben annimmt.
10. Drei Fälle werden uns vorgeführt, in denen nervöse Krankheits¬
erscheinungen in sexuellen Erlebnissen wurzelten und die durch Auf¬
deckung des Zusammenhangs heilten, also ganz Freud’cher Teorie
entsprechend. In den zwei ersten Fällen handelte es sich um krampf¬
artige Schmerzen im rechten Deltoideus, die beide Male mit mastur-
batrischen Excessen zusammenhingen; im dritten Fall lag eine
I Angstneurose mit Zwangsvorstellungen und mannigfaltigen Phobien
vor, die auf ein psychisches Trauma in der Kinderzeit (großes schauer-
romantisches Bild von einem Lustmord) zurückzuführen war.
Referent muß dem Verfasser beistimmen in dem Betonen, daß
hier nichts „hineinexaminiert“, die Deutung durchaus nicht „gesucht“
sei, er „voraussetzungslos“ die Psychoanalyse vorgenommen habe und
das Resultat ohne seinen oder der Patienten Willen entstanden sei,
und soweit ist überhaupt den Ansichten des Verfassers beizupflichten.
Was aber weniger anspricht, ist zum Schluß die Lobespreisung
| all dessen, was die Freud’sche Schule uns in der letzten Zeit geboten
hat. Bedurfte es der Heranziehung des „etwas drastischen Materials
der Wiener Schule“ und der Verurteilung der Mehrzahl deutscher
Psychiater, die dies Beweismaterial ablehnen, um seine 3 Fälle zur
Anerkennung zu bringen? = Ich meine, sie hätten auch schon für
sich gesprochen.
11. Der Aufsatz ist die Wiedergabe eines Vortrages, gehalten beim
II. Internationalen medizinischen Kongreß für Unfallverletzte in Rom
im vorigen Jahre, und beleuchtet in interessanter Weise, wie der
dänische Staat sich gegen die hohen Forderungen der Unfallneurotiker
wehrt. Ausgehend von der Erfahrung, daß eine Kapitalabfindung die
Prognose der Rentenhysterie wesentlich günstiger gestaltet, als die
Rentenfestsetzung, ist in Dänemark eine vorläufige, relative un.l
partielle Entschädigung gestattet, sobald das Vorhandensein einer
traumatischen Neurose beim Verletzten festgestellt ist. Durch diese
vorläufige Kapitalabfindung wurden bereits 51,9% aller vom Verfasser
beobachteten Fälle geheilt. Wenn aber die nach der zweiten definitiven
Abfindung geheilten traumatischen Neurosen noch hinzu gerechnet
werden, und man die Fälle, die durch das Vorhandensein tatsächlicher
organischer Schädigungen neben den rein psychisch bedingten Symptomen
komplizierterer Natur waren, ausschaltet, dann ergibt sich eine Heilung
von 93,6%. Hieraus zieht W. den Schluß, daß die Furcht vor einer
„Abfindungshysterie“ jedenfalls etwas verfrüht ist, und daß sich durch
die Kapitalabfindung heilen läßt, was eben heilbar ist, d. i. die reine
und unkomplizierte traumatische Neurose. Die Abfindungssumme
betrug bei der ersten Rate etwa 1000, bei der zweiten zirka 1300 Mk.
Das einzige Bedenken, was Verfasser gegen diese Art der staatlichen
Entschädigung hat, ist das, daß viele Proletarier, die bis dahin gewohnt
waren, von der Hand in den zu Mund leben, eine weise Nutznießung
der vorher nie gesehenen großen Summe Kapitals nicht werden auszu¬
üben verstehen. Tatsächlich wurde auch einer der W.sehen Patienten
chronischer Alkoholist.
12. Soll die Arbeit orientieren, insbesondere der praktische Arzt darin
finden, welche Vorbedingungen zu erfüllen sind zur Aufnahme seines
Patienten in eine Irrenanstalt, dann wird leider die Gründlichkeit
vermißt, indem auf die Verschiedenheit der Aufnahmebedingungen in
den Einzelstaaten und den einzelnen preußischen Provinzen zu wenig
eingegangen wird. Noch weniger hören wir von den einzelnen
Krankheitsformen, die unbedingt in die Anstalt gehören oder allenfalls
draußen hausärztlich weiter behandelt werden können.
Soll die Arbeit aber die Aerzte zusammenscharen zu einer Abwehr
der so verderblichen modernen antipsychiatrischen Bewegung, die bald
schreit, daß ein Geistesgesunder unschuldig interniert gewesen sei, ein
Opfer raffinierter Intrigue und mangelnden Gesetzesschutzes, bald über
die zu frühe Entlassung eines noch Gemeingefährlichen sich aufregt,
dann ist der Zweck erfüllt und dieser Nummer des im neuen Ge¬
wände seit Beginn dieses Jahres sich uns darbietenden Reichsmedizinal-
Anzeigers möglichste Verbreitung in Aerztekreisen und unter den diese
Frage interessierenden Laien, inkl. eines gewissen konservativen Abge¬
ordneten, zu wünschen. In dem Wunsche besonders einer gesetzlichen
Regelung der Frage in dem Sinne, daß eine möglichst schleunige Zu¬
führung Geisteskranker zur Anstalt gewährleistet wird und daß deshalb
| der Gesetzgeber von der „Laienkommission“, die das Gegenteil be-
i wirken würde, absehen möge, kann man dem Verfasser, dem Träger
! des Namens eines Sozialpsychiaters von namhaftem Ruf, nur voll und
ganz beistimmen.
Augenheilkunde.
Referent: Augenarzt Dr. Paul Greven, Aachen.
1. Die Entstehung der Kurzsichtigkeit. Von Dr. Georg
Levinsohn, Priv.-Doz. in Berlin. Med. Klinik 1910 Nr. 9.
2. Ueber Beziehungen der Lähmung des Nervus veulo-
motorius zu Krankheiten der Nase, beziehungsweise der Keil¬
beinhöhle. Von San.-Rat Dr. Ziem, Danzig. Ibidem.
3. Mitteilung über die Anwendung von Dionin. Von Dr. Reif,
Ziegenrück, Ibidem.
Nr. 14
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
217
4. Zur Verhütung des Irisprolapses nach der Staroperation
ohne Iridectomie. Von Dr. Franz Geis, Assist, der Universitäts-
Augenklinik, Breslan (Geh. Rat Uhthoff). Berliner Klin. Wochenschr.
1910, Nr. 7.
5. Augenverletzung durch „Rasillit“. Von Dr. Curt Cohen,
Augenarzt in Breslau. Ibidem.
6. Das Farbenbenennungsvermögen als Intelligenzprüfung bei
Kindern. Von Dr. F. Warburg. Die Umschau 1910 Nr. 4.
7. Ein seltener Fall von schwerer perforierender Bulbus¬
verletzung mit Infektion, und Heilung unter Erhaltung von
Visus. Von J. O. Tockel, Med. Praktikant an der Augenklinik Dr.
Treitel , Königsberg i. Pr. Berl. klin. Wochenschr. 1910 Nr. 6.
8. Über die durch rasche Kopfbewegungen ausgelösten
Nystagmusanfälle, ihre diagnostische Bedeutung und ihre
theoretische Erklärung. Von Dozent Dr. Bäräny, Wien, Ass. der
Universitäts-Ohrenklinik (Prof. Urbautschitsch) Wiener Mediz.
Wochenschrift 1910 Nr. 4.
9. Einige therapeutische Beobachtungen. Von Dr. Bruno
Sylla in Bremen. Wochenschrift für Ther. u. Hyg. des Auges XIII
Nr. 20.
1. Die Maßnahmen zur Verhütung der Kurzsichtigkeit, die ja
hauptsächlich auf dem Gebiete der Schule getroffen werden, haben
bisher den gewünschten Erfolg nicht gehabt. Denn der Prozentsatz
der Kurzsichtigen ist nicht bedeutend gesunken. Der Kampf gegen
die Kurzsichtigkeit hat also wohl nicht am richtigen Punkte eingesetzt,
d. h. unsere Auffassung über die Entstehung der Kurzsichtigkeit ist
noch eine ganz unsichere. Es steht nun aber wohl fest, daß die Kurz¬
sichtigkeit durch Naharbeit entsteht, und diese Tatsache hat dazu
geführt, daß man für die Entstehung der Kurzsichtigkeit die bei der
Naharbeit wirksamen Kräfte, d. h. die Akkomodation und die Konver¬
genz, angeschuldigt hat. Man glaubte, daß bei der Akkomodation durch
die Spannung des Ciliarmuskels die Aderhaut angezogen und der Glas¬
körperdruck dadurch vermehrt werde, und daß infolge dieser Druck¬
vermehrung das Auge ausgedehnt, d. h. kurzsichtig werde. Bei der
Konvergenz aber soll diese Ausdehnung des Auges durch Kompression
des Bulbus durch die geraden Augenmuskeln zustande kommen. Beide
Auffassungen sind indessen irrig. Experimente haben ergeben, daß
Akkomodation niemals den Druck erhöht, sondern eher etwas herab¬
setzt, und daß weiterhin auch die Kontraktion der äußeren Augen¬
muskeln niemals eine Druckerhöhung hervorruft. Auch die Stilling’sche
Theorie, die den Obliquus superior für die Ausdehnung des Bulbus
verantwortlich macht, ist irrig. Nun weist Levinsohn in der vor¬
liegenden Arbeit auf die Schädlichkeit hin, die das Auge erfährt durch
die Beugung des Kopfes und des Körpers bei der Naharbeit, wobei
die Schwerkraft auf das Auge einwirkt. Durch Versuche hat Verfasser
festgestellt, daß das Auge bei Beugung des Kopfes und Körpers mit
einer gewissen Kraft nach abwärts gezerrt wird und in dieser Stellung
der Schwerkraft unterliegt. Die Schwerkraft wirkt vertikal ein, der
Sehnerv aber stellt einen Zug dar, der den Bulbus nach oben und
innen zieht. Die Wirkung auf das Auge wird sich demnach in der
Diagonale der beiden Kräfte bemerkbar machen und die Stelle des
Sehnerveneintrittes nach innen und etwas nach oben ziehen, oder die
temporale und etwas nach unten gelegene Begrenzung des Sehnerven¬
eintritts wird dem stärksten Zug ausgesetzt. Das ist aber auch die
Stelle, wo die myopischen Veränderungen fast stets sich zeigen. Ver¬
fasser hat nun auch tatsächlich bei jungen Hunden und Katzen, die
er in eine Lage brachte, daß der Kopf herabhing, eine Erhöhung der
Refraktion erzielt, was bisher nie gelungen ist. Es handelt sich also
um einen Zug, der höchstwahrscheinlich die nachgiebige Skleralkapsel
allmählich verlängert ohne intraokulare Drucksteigerung. Neben der
Kopfhaltung kommt dann noch als Faktor für das Zustandekommen
von Myopie eine gewisse Anlage hinzu und das Alter des Individuums,
da Kurzsichtigkeit so gut wie immer erworben wird während der Zeit
des Wachstums.
2. Ziem berichtet über einen Fall von vorübergehender Lähmung
des Nervus oculomotorius bei gleichseitiger Eiterung der Nasen- und
Keilbeinhöhle. Er glaubt, daß die Anschwellung in der Nasenhöhle
sich nach rückwärts bis in die Keilbeinhöhle fortgesetzt und dann
weiter auch eine Stauung im Gebiete des an der äußeren Wand der¬
selben, an manchen Stellen dicht verlaufenden Nervus oculomotorius
hervorgerufen hat. Interessant ist, daß die Lähmung trotz aller mög¬
lichen Therapie erst zurückging, als der Kranke seine feuchte, modrige
Wohnung mit einer gesunden, luftigen vertauschte.
3. In der Augenheilkunde hat Reif das Dionin besonders zur Er¬
weiterung der Pupillen in Verbindung mit Atropin angewendet. Auf
eine sehr ausgedehnte Anwendung von Atropin scheint R. sehr großen
Wert zu legen, u. a. bei „traumatischem Katarrh“, bei dem eine ener¬
gische Erweiterung der Pupille geboten sei. Nach meiner Ansicht
aber sollte man doch mit Atropin nicht allzu freigebig sein, sondern
dasselbe nur gebrauchen, wenn eine strenge Indikation dazu vorliegt.
Denn man muß doch immer bedenken, daß ein Tropfen Atropinlösung
eine Auge tagelang, ja bis zu einer Woche leistungsunfähig macht für
Naharbeit.
4. An der Breslauer Universitätsaugenklinik verfährt Uhthoff seit
• 2 1 / 2 Jahren bei sämtlichen Katarakextraktionen ohne Iridektomie folgender¬
maßen: Nach der gewöhnlichen einfachen Lappenextraktion mit Binde¬
hautlappen wird, nachdem die Iris gut mit dem Spatel reponiert ist,
und der Bindehautlappen gut liegt, 1-2 Tropfen 1% Eserin in den
Bindehautsack eingeträufelt, um durch kräftige Kontraktion des Sphinkters
dem Irisvorfall vorzubeugen. Am anderen Morgen wird, wenn die
Pupille rund und eng ist, von jeder weiteren Maßnahme abgesehen,
ist jedoch die Pupille etwas verzogen, so wird nochmals Eserin ge¬
geben und eventuell auch noch den folgenden Tag. Atropin wird
niemals vor dem dritten oder vierten Tage eingeträufelt. Auf Grund
der Erfahrungen von 170 Fällen glaubt Verf., daß die Einträufelung
von 1 o/o Eserin unmittelbar nach der Extraktion ohne Iridektomie den
Prozentsatz des Irisprolapses bedeutend herbsetzt, daß diese Eserin¬
einträufelung sicherlich keine schädliche Wirkung auf den Heilungs¬
prozeß ausübt, sondern eher noch diesen günstig beeinflußt, ferner
daß die Anwendung des Eserins nach der Starextraktion ohne Iridek-
tomine auf die erwähnte Art und Weise uns berechtigt, die Indikations¬
stellung zu dieser Operation etwas zu erweitern, daß endlich Diabetes
und Nephritis sicherlich wenigstens keine Gegenindikation bilden.
5. Cohen berichtet über einen Fall von einer ernsthaften arte-
fiziellen Conjunktivitis, hervorgerufen dadurch, daß eine geringe Menge
von „Rassilit“ dem Patienten durch Unvorsichtigkeit ins Auge geriet.
Vor grösserem Schaden wurde Patient bewahrt, weil sein Auge sofort
gründlich ausgespült wurde. Rassilit ist ein Pulver, welches zu einem
Brei angerührt, auf die Barthaare aufgetragen wird und diese ohne
Zuhilfenahme eines Messers in zwei bis drei Minuten hinwegtilgt.
Vor diesem Rasiermittel ist übrigens schon häufiger gewarnt worden.
Tierversuche, die Cohen nach jener Beobachtung anstellte, ergaben,
daß Rassillit für das Auge ein höchst gefährlicher Körper ist und im
wesentlichen dasselbe Bild hervorruft wie eine schwere Kalkverätzung:
Nekrosen der Bindehaut und Hornhaut, narbige Degeneration der
Hornhaut und dadurch bedingte völlige Erblindung. Diese stürmischen
Erscheinungen treten bereits nach etwa 3 Minuten auf. Diese verätzende
Wirkung erklärt sich aus seiner chemischen Zusammensetzung, denn
die Analyse des Rassilits ergibt stark alkalische Reaktion und als
Hauptbestandteile Schwefel, Kalk und Magnesia.
6. Um ein Urteil über die Intelligenz von Kindern zu gewinnen,
benutzte Warburg das Farbenbenennungsvermögen als Prüfung bei
1800 Kindern von Normal- und Hilfsschulen. Das Farbenbenennungs¬
vermögen ist wohl zu trennen von der Farbentüchtigkeit; denn diese
ist fast ausnahmslos angeboren, jenes aber beruht auf der Entwicklung
der Intelligenz. Die Zahl der benannten Farben steht sowohl bei den
Mädchen als bei den Knaben in völligem Einklang mit der Intelligenz.
Die Zahl der richtigen Antworten steigt von Klasse zu Klasse; und
die Intelligentesten einer Klasse wissen die meisten Farbennamen.
Die Resultate der Farbenprobe stimmten meist überraschend mit den
Erfahrungen der Lehrer überein. Am meisten wurde Weiß richtig be¬
nannt, nämlich in 99%, dann in langsam absteigender Reihenfolge
Schwarz, Rot, Gelb, Grün, Blau, Grau, Violett, letzteres in 29%. In
den Hilfsschulen ist die Farbenbenennung bedeutend schlechter wie in
den Normalschulen.
7. Tockel berichtet ausführlich über eine schwere Verletzung des
Auges durch Kuhhornstoß: perforierende Kornealwunde im Limbus
mit Glaskörpervorfall und Infektion. Die eingeschlagene Therapie be¬
stand in Abtragung des Glaskörpervorfalles mit folgender konjunktivaler
Deckung, wodurch das Eindringen neuer Keime durch die Wunde ver¬
hindert wurde. Die Bekämpfung der Infektion wurde durch Dar¬
reichung von hohen Quecksilberdosen in Form von Inunktionen mit
grauer Salbe (2 x tgl. 4 g) und subkonjunktivalen Einspritzungen von
Hydrargyrum oxycyanatum und später von 4% Kochsalzlösung unter¬
stützt. Daneben Schwitzen und strenge Bettruhe. Nachdem das Auge
reizlos geworden war, Ausführung einer Iridektomie zu optisch-thera¬
peutischen Zwecken. Danach konnte der Kranke schließlich Finger in
2 Meter Entfernung erkennen.
8. Die von Barany zuerst beschriebene Erscheinung beruht in folgen¬
dem: Bei einer bestimmten Art von Patienten ruft plötzliche Neigung
des Kopfes nach rückwärts, plötzliches Bücken, plötzliches Neigen des
Kopfes nach rechts oder links, plötzliche Drehung des Kopfes
nach rechts oder links einen Nystagmusanfall mit Schwindel
hervor, der meist ca. % Minute dauert. Die Richtung des Nystagmus
ist von der Richtung der Kopfbewegung bis zu einem gewissen
Grade abhängig: Neigung nach rechts Nystagmus rotatorius nach
218
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 14
rechts Neigung nach links Nystagmus rotatorius nach links. Auch
die Drehung sowie die Neigung nach rückwärts und nach vorn oder
das Aufsetzen aus Rückenlage rufen meist einen rotatorischen Nystagmus
hervor. Diese Schwindel- und Nystagmusanfälle kommen vor in den
ersten Tagen nach akuter Labyrinthzerstörung und bei allen zirkum¬
skripten Erkrankungen des Vestibularapparates, peripheren oder
zentralen Ursprungs.
9. Für die skrofulösen Erkrankungen der Nase, die so häufig auch-
das Auge in Mitleidenschaft ziehen, empfiehlt Sylla die Anwendung
der Bleno-Lenieltsalbe (mit Envaselin hergestellt), oder aber noch besser
die mit Encerimm anhydrium angefertigte Lenieltsalbe (Lenielt ist ein
Präparat von essigsaurer Tonerde), zunächst lOprozentig, später bei
geringer werdender Sekretion 5 prozentig. Man löffelt die Salbe mit
einem Glasstäbchen in ziemlicher Menge in die Nase hinein und ver-
schliesst dann für etwa */ 2 Stunde die Nasenlöcher mit einem Watte
bausch. Ueberhaupt hat sich dar Encerimm auhydrieum Verfasser als
Konstituens für alle vorkommenden Augensalben bestens bewährt.
Als gutes Schwitzmittel in der Augenheilkunde empfiehlt Sylla das
Diaspirin (Bayer). Es ruft nicht die geringsten Beschwerden seitens
des Magens und des Herzens hervor und bewirkt sicher und schnell
ausgiebiges Schwitzen. Die dem Aspirin eigene schmerzlindernde
Wirkung ist bei dem Diaspirin ebenfalls vorhanden.
Herzkrankheiten.
Referent: Badearzt Dr. Silbermann, Kudowa-Berlin.
1. Ueber physikalische Therapie bei Herzkrankheiten. Von
Dr. Erich Plate, Hamburg. Die Therapie des Arztes, Bd. 1.
2. Ein Beitrag zur Therapie der Herz- und Nervenkrank¬
heiten. Von Dr. Josef Jakubec, Wien.
3. Ueber die Herz- und Gefäßwirkung des Strophantins
bei gesunden und kranken Menschen. Von Dr. Otto Vagt,
Tübingen. Med. Klinik 1909, 49, 50, 51.
4. Zur nasalen Beeinflussung der Herzneurose. Deutsch,
med. Woch. 1910, 8.
1. Ohne etwas wesentlich Neues zu bringen, hat Verfasser kurz
die verschiedenen zur Anwendung gelangenden Behandlungsmethoden
zusammengestellt, unter denen er der Gymnastik, Vibratrion und Massage
einen größeren Platz einräumt, als den heute weit mehr angewandten
Kohlensäurebädern. Daß diese „immer eine Anstrengung für das
Herz bedeuten, die gute Reservekräfte voraussetzt“ dürfte eine Ansicht
sein, die nicht allgemein geteilt wird.
2. Verfasser hat in einer grösseren Anzahl von Fällen von Herz-
insufficienz den Syr. Kolaeconys. Hell mit gutem Erfolge gegeben, wie
aus den angeführten Krankengeschichten hervorgeht und empfiehlt
daher dieses Mittel, das bisher bei Herzinsufficienzen noch nicht zur
Anwendung gelangt war, auch für diese Fälle
3. Angeregt durch die Untersuchungen von Gottlieb und Magnus,
die durch Injektion großer toxischer Dosen (1—2 mg pro kg Tier) Stro¬
phantin eine starke Contraktion im Splauchnicusgebiet bei gleichzeitiger
Dilatation der peripheren Gefässe und großer Blutdrucksteigerung
erzielt hatten, hat Verfasser eine Reihe von Versuchen an gesunden
und kranken Menschen vorgenommen, um auch die Wirkung thera¬
peutischer Dosen auf die Gefäße zu prüfen. Zu diesem Zweck werden
gleichzeitig Plethysmogramme ; L vom Vorderarm mittels der Wasser¬
plethysmographen, Blutdruckmessungen mit dem Recklinghausen’schen
Blutdruckapparat und Fachogramme von Truncus anonymus bezw. der
Carolis mit dem Flammentachographen aufgenommen. Besondere Be¬
achtung wurde auch dem psychischen Einfluss derartiger Untersuchungen
auf die Resultate geschenkt und soweit als irgend möglich aus¬
geschaltet.
Zu den Untersuchungen wurde die intravenöse Injektion von 1 mg
Strophantin Bochringer angewandt und zwar zunächst nur an Herz¬
gesunden. Das Resultat war, daß in diesen Fällen eine Beeinflussung
der Gefäßweite in der Peripherie nicht nachweisbar war. Denn die
schon durch die Vorbereitungen zur Injektion stark abgesunkene Ple-
thymograpruckurve zeigte nach der Injektion einen nur noch so ge¬
ringen weiteren Abfall, und erhob sich überdies so rasch wieder zur
Norm, daß von einer Einwirkung des Strophantins in therapeutischen
Dosen auf die Gefäßweite keine Rede sein kann. Dagegen zeigte das
Fachogramm eine charakteristische Veränderung der Herztätigkeit.
Während die Frequenz deutlichTabnahm, nahm das Schlagvolumen zu;
das Fachogramm zeigte neben einer t deutlichem Steigerung des systo¬
lischen Flammenzipfels' auch eine Verlängerung des gesamten Puls¬
bildes. Ebenso zeigte auch der Blutdruck Veränderungen; Maximal¬
druck sowohl als auch Amplitude zeigten z. T. erhebliche, z. T. ge¬
ringere, aber immer noch nachweisbare Erhöhungen, die im wesent-
I liehen auf die Vergrößerung des Schlagvolumens zurückzuführen sein
dürften. Die Blutdruckerhöhungen hielten jedoch nur »/ 4 —1 Stunde
an. Die Untersuchungen am Kranken ergaben die genau gleichen
Resultate wie beim Gesunden, und daß hier die Einwirkung auf das
Herz eine wesentlich intensivere war; Veränderungen in der Gefäss-
weite in der Peripherie konnten auch hier nicht nachgewiesen werden.
Zum Unterschiede vom Gesunden dauerten beim Kranken Blutdruck¬
steigerung und Pulsverlangsamung tagelang an, während dort die
Wirkung des Strophantins schon nach einer Stunde etwa abge¬
klungen war.
4. Koblanck, Berlin, veröffentlicht einen ihm von einem Kollegen
zur Verfügung gestellten eigenen Krankheitsbericht, der die Bedeutung
nasaler Strömungen für die Herztätigkeit zeigt. Patient litt seit längerer
Zeit an Angstzuständen, Beklemmungen, Schmerzen in der Herzgegend,
die sich bis zu schweren anginösen Anfällen steigerten. Dazu gesellten
sich anfangs seltenere, später immer häufigere sehr quälende Extra¬
systolen, kurz die Erscheinungen wiesen, trotz des Vorhandenseins
einer leichten Aorteninsufficienz, auf eine Herzneurose hin. Aufenthalt
in einer Klinik, kohlensaure Bäder, Brom, Valeriana bra hten keine
wesentliche Beeinflussung der Beschwerden; auch die Herzmittel
blieben ohne Erfolg. Die Arbeit von Koblanck über nasale Reflex¬
neurosen brachten dann den Patienten dazu, seine Nase, an der er
schon seit Jahren litt, und die in den letzten Monaten dauernd un¬
durchgängig war, untersuchen zu lassen, wobei sich das Vorhandensein
einer großen Menge Schleimpolypen herausstellte. Nach Entfernung
derselben waren die stenocardischen Anfälle verschwunden und blieben
es auch; auch die Extrasystolen wurden seltener und weniger quälend.
Als dieselben jedoch nach wenigen Tagen wieder in der früheren
Weise auftraten, wurde die Nase nochmals untersucht und am Septum
rechts hinten oben eine abnorme, schwellkörperähnliche Vorwölbung
gefunden. Schon nach leichter Verätzung dieser Stelle wurde eine
deutliche Beeinflussung der Pulsfrequenz konstatiert. Durch Elektro¬
lyse wurde diese Stelle dann vollkommen zerstört, und da infolge
Berührung der Stelle mit gegenüberliegenden Schleimhautstellen die
Arythmic noch nicht vollkommen geschwunden war, wurde auch die
anliegende rechte mittlere Muschel reseciert, worauf nach 12 Stunden
nach Entfernung der vorhandenen Blutgerinnsel fast vollkommene
Heilung der Arythmic eintrat. Den Zusammenhang der Erscheinungen
glaubt Patient auf eine Beteiligung von Sympathicusfasern beziehen
zu dürfen.
Militärsanitätswesen.
Ref.: Generaloberarzt a. D. Dr. M. Peltzer, Steglitz.
1. Die Ausbildung von Desinfektoren in der Armee. Von
Ministerialrat Prof. Dr. Dieudonne, Generaloberarzt ä 1. s. des Sanitäts¬
korps München. Med. Wochenschrift 1910, 1. März.
2. Einfluß des Zahnverlustes auf die Militärdiensttauglich¬
keit. Von Stabsarzt Dr. Arnulf Neuner. Ebenda.
1. Anordnung und Beaufsichtigung der Desinfektion ist Aufgabe
der Sanitätsoffiziere, doch liegt es in der Natur der Sache, daß die
Beaufsichtigung keine dauernde, ununterbrochene sein kann, und daher
viel auf die Gewissenhaftigkeit der die Desinfektion ausführenden
Sanitätsmannschaften ankommt. So groß diese aber auch sein mag,
eine fehlerfreie Durchführung der Desinfektion wird nur durch ein
volles Verständnis der Grundlagen der Desinfektionslehre überhaupt
gewährleistet. Hieraus ergibt sich das Bedürfnis, eine, wenn auch
zunächst nur kleine Zahl von Desinfektoren, diese aber so gründlich
auszubilden, daß sie nicht nur selbständig Desinfektionen vornehmen
und beaufsichtigen, sondern auch ihrerseits wieder anleitend und be¬
lehrend wirken können. Unter diesen Gesichtspunkten sind seit 1905
beim Operationskursus für Militärärzte in München Desinfektorenkurse
für Sanitätsunteroffiziere in Verbindung mit dem schon vorher be¬
standenen Kursus in der Herstellung von Transportverbänden usw.
eingeführt, deren erste von Dieudonne selbst geleitet wurden, und
es ist höchst interessant, zu sehen, in welcher rationellen und metho¬
dischen Weise den Schülern hierbei das Wesen der Infektion und der
Desinfektion zum Verständnis gebracht wird. Um nur ein Beispiel
anzuführen, so wurde zur Veranschaulichung der Kontaktinfektion den
Teilnehmern eine geringe Menge Prodigiosuskultur in die Hohlhand
eingerieben, dann gaben sie sich gegenseitig die Hände, strichen mit
der Hohlhand über eine sterilisierte Kartoffelscheibe, und es machte
einen großen, eindringlichen Eindruck auf sie, als ihnen am nächsten
Tage das Resultat vor Augen geführt wurde. Wir können die Ein¬
führung dieser Methode in der Armee nur befürworten. Eine richtige
Nr. 14
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
219
Desinfektion ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Seuchen¬
bekämpfung, namentlich auch im Kriege.
2. Nach Spalte B, Ant. 1 A der Heerordnung macht der Mangel
sämtlicher Schneide-, Augen- und ersten Backenzähne in einem Kiefer bei
sonst gutem Gebiß und guter Ernährung bekanntlich nur bedingt, d. h.
nur zum aktiven Dienst ohne Waffe oder in der Ersatzreserve
tauglich, offenbar deshalb, weil in diesem Falle die Sprache
undeutlich wird und daher keine deutliche Antwort gegeben, keine
deutliche Meldung erstattet werden kann, der Betreffende im Kriege
aber sehr wohl ein Gewehr tragen kann. Nach den Beobachtungen
Neuner’s bei der Musterung und Einstellung tritt nun aber eine Be¬
einträchtigung der Deutlichkeit der Sprache schon bei einem viel ge¬
ringeren Grade des Zahnverlustes als dem in der H.-O. angegebenen
ein, sodaß er für die Anerkennung der Tauglichkeit bezw. bedingten
Tauglichkeit etwas andere Gesichtspunkte aufstellen zu müssen glaubt-
Dasselbe gilt hinsichtlich bei Spalte D der Anl. 1 A der H.-O., nach
welcher der Mangel sämtlicher Schneide-, Augen- und ersten Backen¬
zähne in einem Kiefer im allgemeinen nur landsturmdienstfähig macht,
wenn gleichzeitig mehrere Zähne in dem anderen Kiefer fehlen oder
der Ernährungszustand sichtlich beeinträchtigt ist. Hier fragt es sich,
von welchem Grade an der Zahnverlust die Ernährung beeinträchtigt.
Um der Lösung dieser Frage näher zu kommen, sah N. die Wägungs¬
ergebnisse von Mannschaften mit verschiedenen Graden von Zahn¬
verlust mit den Wägungsergebnissen des Durchschnitts vergleichen
und ist auf diese Weise zu Resultaten gelangt, die ebenfalls eine
andere Beurteilung als die in der H.-O. vorgeschriebene bedingen
würden. Es wird Sache der Prüfung sein, ob und inwieweit höheren
Orts diesen Forschungen Rechnung zu tragen ist. Uns persönlich
leuchten sie theoretisch ein. Die Prüfung wird dadurch erleichtert,
daß N. seine Vorschläge gleich in die Form bestimmt formulierter
Paragraphen gekleidet hat.
Öffentliches Sanitätswesen.
Ref.: Generaloberarzt a. D. Dr. M. Peltzer, Steglitz.
1. Die Freiverkäuflichkeit von Kampfer-Vaseline und Tama¬
rindensaft. Vierteljahrsschr. für öffentl. San.-Wesen u. gerichtl. Med.,
Januar 1010, S. 119.
2. Kritik der gegenwärtig gebräuchlichen Methoden zur
Verhinderung der Milchverderbnis durch Schmutz und Bakterien
vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege. Von Ober¬
arzt Dr. Kunow, Detmold. Ebenda.
3. Rauch- und Rußplage. Ebenda, S. 222 u. f. f.
4. Zum Nachweis von Blut. Vierteljahrsschrift für gerichtliche
Medizin und öffentliches Sanitätswesen 1910 3. Folge, 39. Band, Suppl.
1. In einer Drogenhandlung wurden 6 Tuben Kampfer-Vaseline
und 4 Flaschen Tamarindensaft, mit Zucker eingekocht gefunden, die
nach Ansicht des revidierenden Kreisarztes im Sinne der Kaiserlichen
Verordnung vom 22. 10. 1901 dem freien Verkehr entzogen sind und
deshalb beschlagnahmt wurden. Es kam darüber zum Prozeß, in
dessen weiterer Folge die wissenschaftliche Deputation für das Medizinal¬
wesen unterm 30. 6. 1909 sich in einem Obergutachten dahin aussprach,
daß die Kampfer-Vaseline als ein zu kosmetischen Zwecken herge¬
stelltes Gemisch von 2, dem freien Verkehr überlassenen Stoffen, die
in den Apotheken ohne Verordnung abgegeben werden dürfen und
weder Kreosot, Phenylsalicylat noch Resorzin enthalten, im Sinne der
genannten Verordnung dem freien Verkehr überlassen ist. Tamarinden-
saft, mit Zucker eingekocht, ist dagegen als eine Zubereitung zu be¬
trachten, die nur in Apotheken feilgehalten werden darf und nicht, wie
behauptet wurde, ein Obstsaft.
2. Die gegenwärtig gebräuchlichen Methoden und Maßregeln zur
Verhütung der Verderbnis der Milch, über welche wir an dieser Stelle
bereits mehrfach referiert haben, werden von Kunow-Detmold a. a. O.
der Reihe nach einer eingehenden Kritik unterzogen. Sie alle zerfallen
bekanntlich in 2 grundsätzlich verschiedene Verfahren, in das anti- und
das aseptische. Ersteres versucht die ohne besondere Vorsichtsma߬
regeln gewonnene Milch nachträglich schmutz- und bakterienfrei zu
machen, letzteres will von vornherein eine einwandfreie Milch gewinnen
und sie in diesem Zustand bis zum Genuß erhalten. Das Resultat,
zu dem K. auf dem Wege seiner Kritik gelangt, klingt für die Gegen¬
wart nicht gerade sehr tröstlich. Die Idealmethode ist natürlich die
aseptische; diese aber soweit auszubauen, daß sie auch für den Gro߬
betrieb, d. h. für die gesamte zum Konsum gelangende Milch, ange¬
wandt werden kann, ist eine Aufgabe, die erst durch Heranbildung
einer Generation von Landwirten zu lösen ist, denen die Grundsätze
der aseptischen Milchgewinnungsmethode in Fleisch und Blut über¬
gegangen sind. Bis dahin wird aber wohl noch viel Wasser - in die
Milch laufen. Wir verweisen außer auf unsere Referate in Nr. 29 u. 37
der Therapeutischen Rundschau von 1909 besonders auch auf das über
Thiersch, Milchställe, in der Zeitschrift für Stadt-Hygiene (Herausgeber
Lungwitz), 1909.
3. Einen nachahmenswerten Schritt zur Bekämpfung der Rauch-
und Rußplage (vergl. hierzu auch unser Referat in Heft 5 der Zeit¬
schrift für Stadt-Hygiene, 1909), hat wie aus einem Erlaß des Kultus¬
ministers an die Regierungspräsidenten (außer Hannover) vom 29.10.1909
hervorgeht, der Verein für öffentliche Gesundheitspflege in Hannover
gethan, indem er ein „Merkbuch in Sachen der Rauch- und Rußplage“
und ein „Merkblatt für die zweckmäßige Behandlung der Kohlen und
Öfen“ herausgegeben und diese Drucksachen durch Vermittelung des
Polizeipräsidenten allen Hausbesitzern der Städte Hannover und Linden
hat zugehen lassen. Die wissenschaftliche Deputation für das Medizinal¬
wesen hat dieselben im allgemeinen als durchaus zweckmäßig aner¬
kannt, worauf dann der Minister mittels des genannten Erlasses mit
Rücksicht darauf, daß einerseits wegen der Verschiedenheit der klima-
I tischen Verhältnisse eine einzige Druckschrift für die ganze Monarchie
sich nicht empfiehlt, andererseits Polizeiverordnungen wenig Erfolg
versprechen, den einzelnen Vereinen für öffentliche Gesundheitspflege
das Weitere überläßt. Dazu würden zweckmäßig Kommissionen ein¬
zusetzen sein, in denen Hygieniker und Techniker nicht fehlen dürfen.
Wir zweifeln nicht, daß das Erscheinen derartiger Merkschriften be¬
sonders auch für Berlin allseitig begrüßt werden würde. Unsere Dienst¬
boten wissen meist mit dem Heizen und der Behandlung der Öfen
wenig Bescheid. Dazu kommt, daß man neuerdings, wenigstens für
Privatwohnhäuser, von der Zentralheizung wieder mehr abzukommen
und zur Ofenheizung zurückzukehren scheint.
4. Zum Nachweis von Blut, oder unter Umständen auch für die all¬
gemeine nicht bloß für die forensische Praxis von Wichtigkeit ist,
speziell über den Nachweis von Blut mittels der van Deen’schen
Guajak-Reaktion, sprach am 2. Sitzungstage der 5. Tagung der Deutschen
Gesellschaft für gerichtliche Medizin in Salzburg (20.—22. 9. 1909)
J. Kratter — Graz. Er kam darauf zurück, daß er bereits 1907 auf
der 3. Tagung derselben Gesellschaft in Dresden über das nämliche
Thema gesprochen und dabei auf die von ihm und seinen Schülern
seit mehr als 30 Jahren geübte hochempfindliche alte und einfache
Methode hingewiesen, diese aber trotzdem anscheinend noch nicht ge¬
nügend Eingang gefunden habe. Die abweichende Beurteilung, die
die Methode mehrfach anderweitig gefunden, habe ihren Grund vor
allem in technischen Fehlern, die er deshalb beleuchtet und denen
gegenüber er die Bedingungen bespricht, von deren Erfüllung der
glatte und unzweideutige Ablauf der Reaktion abhängig ist. Der er-
erwähnte Bericht von 1907 über die von Kratter ausgestaltete
van Deen’sche Guajak-Blutprobe findet sich in den Verhandlungen
der 3. Tagung der Eingangs genannten Gesellschaft. (Vierteljahrsschrift
für gerichtliche Medizin 1908, Suppl.) Aus der Diskussion ergab sich
die Anerkennung des Wertes der Methode. — An demselben Tage
sprach Kalmus — Prag über das von Hoppe-Seyler entdeckte, eben¬
falls zum forensischen Blutnachweis benutzte Hämochromogen und
seine Kristalle im Allgemeinen, ferner Mita speziell über die von ihm
auf Veranlassung Kratter’s im Institut für gerichtliche Medizin in
Graz ausgeführten Versuche darüber, welchen Wert die Hämochromogen-
inethode einerseits an sich, andererseits im Vergleich zu den Hämin-
kristallen als Mittel zum forensischen Blutnachweis habe. Dazu werden
2 Tafeln mit den verschiedenen Formen der Hämochromogenkristalle
aus Pferde-, Katzen-, Rinder- und Menschenblut beigebracht.
Varia.
Die klimakterische resp. präklimakterische Atherosklerose,
eine Folge innersekretorischer Störungen. Von Schuster, Bad
Nauheim. Fortschritte der Medizin, 1910, Nr. 9.
Die klimakterische und präklimakterische Atherosklerose ist als eine
Folge von innersekretorischen Störungen aufzufassen, weil Hyperfunktion
der Ovarien zur Hyperfunktion der Thyreoiden führen kann. Beide,
einzeln oder zusammen, können Hyperfunktion der Nebennieren er¬
zeugen. Und diese ruft, wie man experimentell nachweisen kann, Um¬
stände an den Arterien, besonders an der Aorta hervor, die der Atheros¬
klerose sehr ähnlich sind. v. Rutkowski, Berlin.
Die Essigsäureprobe zur Unterscheidung der Exsudate und
Transsudate. Von M. Engländer, Wien. Wiener med. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 10.
Bei Ascistesflüssigkeiten ist manchmal die Entscheidung, ob
ein Exsudat oder Transsudat vorliegt, mittels der Moritz’schen und
/er
220
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 14
Rivalta’schen Essigsäureproben schwer zu treffen. In diesen Fällen ist
die von Anneberg inaugurierte quantitative Eiweißbestimmung ein
wesentliches Hilfsmittel. Beide Methoden zusammen, also die qantita-
tive Eiweißbestimmung und die Moritz-Rivalta’schen Proben, ergänzen
sich im klinischen Einzelfalle so unterstützend, daß dieselben einen fast
unentbehrlichen Hilfsfaktor ergeben, zumal da mittels der Anneberg’schen
Eiweißdiagnostik auch die klinische Diagnose über die Entstehungart
des Ergusses festgestellt werden kann. v. Rutkowski, Berlin.
Ueber die Wandlungen und den heutigen Stand der Typhus¬
therapie. Von Vogl, München. Münch, med. Wochenschrift, 1910, Nr.9.
In den Jahren 1840—-1860 war bei den Typhuskranken in der Mün¬
chener Garnison, 30%—50% Mortalität bei anfangs eingreifender Be¬
handlung mit Abführmitteln, dann bei mehr exspektativer Behandlung,
aber immer bei höchst unhygienischen Verhältnissen. Die Mortalität
sank auf 25%—15,0% in den Jahren 1860—1868 bei Umgestaltung der
Hygiene und exspektativer Behandlung, ev. mit Chinin. 1868—1882
war die Mortalität zwischen 15% und 5% bei Ein- und Durchführung
der Kaltwasserbehandlung, teils kombiniert mit medikamentöser Anti-
pyrese. Seitdem beherrscht die Hydrotherapie die Behandlung des
Typhus und zwar ist nach Ansicht des Verfassers die Strenge ihrer
Handhabung, die den größten Erfolg sichert. Jeden Kranken im
Jünglings- und Mannesalter läßt Verfasser sofort am Aufnahmetag bei
Typhusverdacht, wenn die Temperatur 39,5° C. in recto mißt, ein kaltes
Bad von 15° R. nehmen von % ständiger Dauer mit nachfolgender
Va ständiger, trockener Packung. Während des Bades wird Hinterhaupt
und Nacken kalt begossen und der ganze Körper gerieben. Während
des Intervalles bis zum Wiederansteigen der Temperatur (in recto(
reichliche Zufuhr von halbkonsister Nahrung. Wiederholung des Bades
nach 2—3 Stunden Tag und Nacht. Nur dann, wenn man aus Oppor¬
tunitätsgründen vom Vollbad absieht, soll als Ersatz ein kalter „Ganz¬
wickel“ dienen. Diese feuchte Einwickelung soll viermal in der Stunde
gemacht werden. Am Schluß der ganzen einstündigen Prozedur ist zur
Beseitigung der Wärmestauung die Anwendung eines flüchtigen Kälte¬
reizes unerläßlich. v. Rutkowski, Berlin.
Ueber die Hydroxylionenkonzentration des pathologischen
Blutes. Von C. Kreibisch,Prag. Wienerklin.Wochenschrift, 1910, Nr.10.
Bezüglich der Hydroxylionenkonzentration resp. Alhelescenz des
Blutes ergeben die Versuche des Verfassers, daß gegenüber Quecksilber
das Blut entweder ohne deutliche Verminderung noch Vermehrung der
Hydroxylionen reagiert, oder mit einer deutlichen Verminderung, die
nach 2 Tagen zur Norm zurückkehrt, oder mit einer Hydroxylionen-
vermehrung, manchmal allerdings erst nach 2 Tagen. Nach Aufnahme
größerer Dosen von Natriumbikarbonat erfolgt eine deutliche Zunahme
der Hydroxylionenkonzentration. Zusammengehalten mit der Alheles-
cenzsteigerung bei Quecksilber lassen die Befunde bei Prarys und Lues
die Annahme zu, daß der Organismus gegen Gifte im weitesten Sinne
mit Alhelescenzsteigerung reagiert, rasch und vorübergehend, wenn ihm
das Gift einmal, langsam und dauernd, wenn ihm dasselbe fortgesetzt
zugeführt wird. v. Rutkowski, Berlin.
Zur Regelung des gemeinärztlichen Dienstes. Von Effler
Danzig. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und Medizin, 1910, Nr. 8/9.
Verfasser will bezüglich des gemeinärztlichen Dienstes Behandlung
von der hygienischen Fürsorge streng getrennt wissen. Er ist für eine
große Zahl von Armenärzten mit freier Arztwahl und für eine möglichst
geringe Anzahl von Fürsorgeärzten. Armenärzte sollen nebenamtlich
angestellt werden, dagegen ist für die Fürsorgeärzte die hauptamtliche
Beschäftigung auf dringendste zu wünschen, v. Rutkowski, Berlin.
Der Arabische- oder Utu-Balsam in moderner Auffassung.
Von Laszky. Therapeutisches Centralblatt, Jahrg. V, Nr. 1, p. 4ff.
Der früher ebenso geschätzte wie schwierig zu gewinnende fast
unbezahlbare Utu-Balsam ist jetzt der Gesamtheit zugänglicher geworden.
Er erfüllt besonders bei Lungenkrankheiten seine doppelte Aufgabe,
den krankhaften Prozeß in der Lunge zu heilen und der Sauerstoff¬
armut des Körpers vorzubeugen.
Nach Prof. Berg ist der echte arabische Balsam ein dünnfließendes
honiggelbes Harz aus der Rinde des Balsamodendron. Da er den Sauer¬
stoff in statu nascendi hat, wirkt er antiseptisch, resorptionsfördernd,
sekretionsbeschränkend, schmerzlindernd und regt die Heilung von Sub¬
stanzverlusten an.
Ferner bildet der Utubalsam ein „Ozonwerk an der krankhaften
Stelle“, und zerstört dadurch die krankheiterregende Keime; außerdem
ruft er eine bedeutende Leukocytose hervor, die selbst wieder Ozon
produziert, so daß die erkrankten Partieen förmlich in Ozon baden.
Bei den chronischen Bronchialkatarrhen, bei Lungengangrän, Bron¬
chitis putrida und Bronchablenorrhoe, spielt sich bei der Balsamkur
derselbe Heilungsprozeß ab, da der Balsam gegen den Staphylo- und
Streptocercus ebenso wirkt, wie gegen den Tuberkelbazillus.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Die Therapie der Appendicitis. Von Zahradnicky, Deutsch-
brod. Medizinische Blätter XXXIII, Nr. 1 und 2.
Nach Erfahrungen des Verfassers recidivieren 3 / 4 aller Appendicitis-
j fälle. Die schwersten Anfälle pflegen nach dem zweiten und dritten
Anfall aufzutreten, wo perforative Peritonitiden eine häufige Erschei¬
nung zu sein pflegen.
Verfasser weist darauf hin, daß das Peritoneum eine große Dosis
Infektion verträgt und diese durch Resorption unschädlich mache, vor¬
ausgesetzt, daß diese Dosis nicht zu stark sei. Er empfiehlt deswegen
die Operation im Anfall, zumal im anfallsfreien Stadium wegen der
starken Adhäsionen, in denen die Appendix eingelagert sei, und wegen
der Abscesse in derselben die Operation zu den kompliziertesten
Bauchoperationen zu zählen sei.
Z. besteht fest darauf, daß die Behandlung der Appendicitis eine
chirurgische sei. Er nimmt die Operation nach folgenden Grundsätzen vor:
1. Im Anfall ist einzig und allein die Frühoperation angezeigt,
außer bei ganz leichten Fällen.
2. Im intermediären Stadium operiert man prinzipiell nicht, sondern
lasse die Entzündung zur Ruhe kommen und operiere im an¬
fallfreien Stadium.
3. Im anfallfreien Stadium operiere man immer, besonders wenn
sich die Anfälle oft wiederholen, und zwar nach jedem Anfall.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Kefyrogen in der Praxis. Von Suchy: Therapeutisches Zentral¬
blatt V No. 1 p. 1 ff.
Die Grundlage einer jeden Ernährungstherapie ist ein ausreichender
Milchgenuß. Ein großer Teil der Patienten ist aber außer stände,
sei es aus psychischen, sei es aus physischen Gründen, längere Zeit ein
größeres Quantum Milch zu sich zu nehmen.
Viel lieber nehmen viele Patienten den wohlschmeckenden, wegen
seiner Kohlensäure kühlenden Kefyr, den man auch „als Vehikel“ für
! viele Mittel (Arsen, Eisen, Kreosot etc.) verwenden kann.
Die umständliche Bereitung des Kefyrs ist in ein neues Stadium
getreten, seitdem die Firma Goedecke & Co. in Leipzig Tabletten-
Kefyrogen herstellt, das ein Kefyrferment von höchster Gährungs-
fähigkeit enthält. Außerdem stellt sich hiermit die Herstellung viel
billiger.
Nachdem Autor die Kur genau beschrieben hat, berichtet er über
die Krankheiten, bei denen er mit Kefyrogen glänzende Erfolge erzielt
hat: Tuberkulose und Skrophulose, nervöse Leiden, Anämie, Chlorose,
Magen- und Darmkrankheiten. Kurt Lipschitz.
Ovarien 472 Jahre nach der Uterusexstirpation. Von Pronai:
Zentralblatt für Gynäkologie, 1910, No. 6, pag. 182ff.
Pronai äußert sich nach Erfahrungen in der Praxis zu der Streit¬
frage, ob es gut sei, nach Exstirpation des Uterus auch gleichzeitig
die Ovarien zu entfernen, und ist nach dem makro- und mikros¬
kopischen Befund der Ansicht, es sollten nicht gleich beide Ovarien
entfernt werden, da sonst der Funktionsausfall zu unvorbereitet und
überstürzt wäre und die Folgen zu schwer seien.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Technische Neuerscheinungen.
Optisches Instrument
zur Untersuchung von Körperhöhlen.
Bei optischen Instrumenten zur Untersuchung von Körperhöhlen
wurden bisher als Verschlußstücke für die Eintrittsöffnungen entweder
plankonvexe oder einfache Glasplättchen verwendet, wenn nicht ein
I Prisma als Verschlußstück diente. Hans Kollmorgen in Berlin ist
für diese Zwecke ein Instrument geschützt worden, welches eine
negative Linse als Verschlußstück hat. Durch diese Anordnung läßt
sich das Gesichtsfeld des optischen Teiles mehr beeinflussen.
O, Wagler.
Nr. 14
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
221
Elektrodenhalter
für elektromedizinische Zwecke, insbesondere
für die Thermopenetration.
Die Neuerung betrifft einen Elektrodenhalter für elektromedizinische
Zwecke, der Verbrennungen der Hautoberfläche beim Kosen der Elek¬
troden dadurch verhindert, daß er den Strom selbsttätig abschaltet,
bevor die Elektroden den behandelten Körperteil verlassen.
Der aus Isoliermaterial bestehende Griff trägt im Innern einen mit
der Leitungsschnur verbundenen Kontakt c. Dem Kontakt c gegen¬
über befindet sich in einer den jeweiligen Spannungsverhältnissen
entsprechenden Entfernung der Kontakt d, mit welchem unter Zuhilfe¬
nahme des Zwischenstückes e die Elektrode f leitend verbunden ist
Eine ständige Verbindung der beiden Kontakte d und c wird durch
eine Feder verhindert, welche die Elektorde stets nach außen drückt. Ein
Herausspringen der Elektrode wird durch einen Ring verhindert.
Wird die Elektrode zwecks Behandlung an einen Körperteil gedrückt,
so wird die Feder zurückgepreßt und die beiden Leiterstücke c und d
kommen miteinander in Berührung, wodurch der Strom eingeschaltet
wird. Bei Abnahme der Elektrode von dem Körperteil wird, bevor die
Elektrode den Körper verläßt, der Strom bei c und d unterbrochen,
wodurch Verbrennungen der Oberfläche des Körpers vermieden werden.
Es ist hierbei vollkommen gleichgültig, ob das Abnehmen der Elek¬
trode absichtlich oder unabsichtlich geschieht, weil der Strom schon
vorher durch den aufgehobenen Druck auf die Feder automatisch
unterbrochen ist.
Werden bei der Behandlung mehrere Elektroden benutzt, so ist es
erforderlich, die selbsttätige Abschaltevorrichtung an jeder einzelnen
Elektrode anzubringen. Zu beziehen durch C. Lorenz Aktiengesellschaft,
Berlin SO. 26.
Dampferzeuger mit Heißwasserapparat.
Wie auf allen Gebieten der Industrie Verbesserungen gemacht
werden, so ist auch von der Firma Moosdorf & Hochhäusler,
Sanitätswerke in Berlin in der Einrichtung von Badeanstalten durch
die Verbindung eines Dampferzeugers mit einem Heißwasserapparat
ein Fortschritt getan worden, durch welchen eine ganz wesentliche
Ersparnis an Zeit, Arbeit und Material eintritt. Der Apparat besteht
aus einem Dampferzeuger, ganz von starkem Kupfer gefertigt, mit
Standrohr, Manometer, Wasserstandsglas, Luft- und Sicherheitsventil
und Zapfhahn für heißes Wasser. Der Dampferzeuger hat hohen gu߬
eisernen Untersalz, in welchem sich die Feuerung befindet. Das Stand¬
rohr mit Standrohrtopf nach polizeilichen Vorschriften bewahrt den
Kessel vor Explosionsgefahr; ferner aus einem Heißwasserbehälter
ganz von starkem Kupfer mit Verschraubung zum Anschluß an die
Wasserleitung und zum Fortleiten des heißen Wassers nach den
Wannen. Er wird auf einen von Ziegeln gemauerten Sockel gestellt,
welcher mit einem Schacht zum Herausnehmen des Russes versehen
ist. Die Flamme geht vom Dampferzeuger durch den Heißwasser¬
behälter. Der durch das Sicherheitsventil entweichende Dampf wird
durch eine in den Heißwasserbehälter eingebaute Rohrschlange ge¬
leitet und dient mit zum Erwärmen des Wassers. Die ganze Höhe
des Apparates ist 230 cm, der Inhalt des Heißwasserbehälters 175 Liter.
Diese Anordnung empfiehlt sich für kleine Kuranstalten für stündlich
3 Wannenbäder und 3 Dampfkasten. Bei solchen Anlagen, wo stündlich
5—12 Wannenbäder und 3—8 Kastenbäder verabreicht werden sollen,
ist der Heißwasserkessel mit einer besonderen Feuerung ausgestattet,
so daß bei forziertem Betriebe beide Feuerungen in Tätigkeit sind,
während bei geringem Bedarf an heißem Wasser das Inbetriebhalten
der Feuerung des Dampferzeugers allein genügt. Falls Dampfbäder
zu gewissen Zeiten garnicht verabreicht werden, der Dampf auch nicht
anderweitig zur Heizung dieses oder jenes Apparates oder Raumes
gebraucht wird, wird man zweckmäßig nur den Heißwasserkessel
feuern. Da der Apparat mit den polizeilich vorgeschlagenen Sicher¬
heitsvorrichtungen ausgestattet ist, so ist derselbe laut Verfügung des
Ministers vom 14. April 1898 konzessionsfrei.
Ein neues Modell eines Untersuchungsstuhles
für das ärztliche Sprechzimmer.
Von Dr. Marx in Worms.
Vor längerer Zeit schon kam man auf die Idee, Untersuchungs¬
stuhl und Chaiselongue miteinander zu verbinden. Es gibt bereits
einige Modelle die beiderlei Anforderungen gerecht werden. Die bis-
Diaitizerf
UNIVERSITY OF MICHIGAN
herigen erschienen nicht einfach genug und blieben deshalb häufig
unbenutzt stehen. Das Untersuchungssofa unterscheidet sich von den
; bisherigen ganz wesentlich dadurch, dass nur die Hälfte des Divans
für den Untersuchungsstuhl benützt wird, der Kopfteil des einen wird
nach Wegnahme eines Kissens, das leicht abknöpfbar ist, zum Sitzteil
des anderen. Sowohl Rückenteil als auch Sitzteil sind in jeder ge¬
wünschten Winkelstellung festzustellen. An Stelle der Fussstützen sind
leicht Kniestützen anzubringen. Der Autor benutzt seit mehreren
Monaten in seiner Sprechstunde diesen Untersuchungsstuhl und ist mit
demselben in jeder Hinsicht zufrieden. Mit einigen wenigen Griffen
hat man aus dem gewöhnlichen Divan den Untersuchungsstuhl her¬
gestellt. Die Möbelfabrik Ciusdorf & Co. in Worms hat ihn an¬
gefertigt und Musterschutz genommen. Münchener Med. Woch.,
! 1910, Nr. 8.
Injektions-Besteck „Universum“
D. R. G. M. No. 409931.
Durch die kleinen Canülen, welche durch ihre verschiedenen
Formen auf beiliegende Spritze aufgesteckt 10 verschiedene Injektions-
Spritzen darstellen und sich zusammen in einem Etui befinden, ist für
jeden Arzt ein praktischer und eleganter Apparat geschaffen, welchen
er zu Haus bequem zur Hand hat und bei ärztlichen Besuchen mit
sich führen kann. Universum ersetzt die gangbarsten Harn-Spritzen,
Ohr-Spritzen, Nasen-Spritzen, Glycerin-Spritzen, Wund-Spritzen, Clystir-
Spritzen. Der Apparat bietet durch seine einfache Zerlegbarkeit eine
leichte und intensive Reinigung, welche durch seinen vielseitigen Ver-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
222
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 14
wendungszweck von hoher Bedeutung ist. Universum bietet jedem
Arzt durch seine angenehme Zusammenstellung und Lagerung be¬
queme und schnelle Handhabe. Universum ist durch die leichte Ab¬
nahme des Gummikolbens ein vollständig aseptischer Apparat. Er ist
bequem und unauffällig in der Tasche zu tragen. Universum ist aus
extra starkem Kaliglas hergestellt und massis gearbeitet, wodurch ein
so häufiges Zerbrechen wie bisher vermieden wird. Dem Besteck sind
eine Anzahl Reserve-Gummikolben beigegeben, so dass bei nächstem
Gebrauch der Stempel stets mit einem neuen Kolben versehen werden
kann. Fabrikant H. Reichel & Co., Cassel.
Bücherbesprechungen.
Die Centralluftheizung und das Einfamilienhaus. West¬
deutsche Verlagsgesellschaft m. b. H., Wiesbaden.
Die Bedeutung der Heizung unserer Wohnräume für die Gesund¬
heit. Wir müssen den größten Teil des Jahres in geheizten Räumen
zubringen und deshalb ist die Heizungsfrage für uns eine sehr wichtige.
Die Centralheizung — schon den Römern bekannt — ist dabei nicht
nur die bequemste, sparsamste, sondern — was die Hauptsache ist —
auch der Gesundheit am zuträglichsten, sie ist ideal, wenn sie uns
unentbehrliche frische Luft ganz rein und mit nötigem Feuchtigkeits¬
gehalt angewärmt in den Raum führt. Der bekannte Kgl. Brunnen¬
arzt Dr. Scheibe behandelt in der uns vorliegenden Schrift „Die
Centralluftheizung und das Einfamilienhaus“. Eine hygienische und
praktische Untersuchung (Preis 60 Pfg. Westdeutsche Verlagsgesell¬
schaft, Wiesbaden) alle diese Fragen in leichtverständlicher Form. Wer
über Mängel der Heizung klagen muß oder eine neue Anlage beab¬
sichtigt, wird dafür Interesse haben. — r.
Wie soll der Kranke im Kurorte leben? Aerztliche Rat¬
schläge von Dr. med. E. Hirsch, Bad Nauheim, Berlin 1909, Alfred
Pulvermacher & Co.
Verfasser hat in diesem Büchlein einen Ueberblick über all die
Verhaltungsmaßregeln für Kurgäste in Badeorten gegeben. Vor allem
ist hervorzuheben, daß vom therapeutischen Winken in anerkennens¬
werter Weise Abstand genommen ist, und nur hygienische
Momente berücksichtigt wurden, sowie allgemeine Punkte, die für alle
Patienten in gleicher Weise zutreffen. Mit Recht hebt Verfasser her¬
vor, daß die Verordnungen für den Aufenthalt im Kurort in erster
Linie von dem behandelnden Arzte am Kurplatze erteilt werden sollen
Zunächst gibt Verfasser einen Ueberblick über die Reise nach dem
Kurort und das Verhalten des Patienten bei der Ankunft im Badeorte.
Was die Vornahme der Kur angeht, so hebt Verfasser mit Recht her¬
vor, daß kein Kranker, wo er auch immer sei, ohne badeärztliche Be¬
handlung seine Kur vornehmen dürfe. Vor allem soll er es nicht
riskieren, Kurmittel differenter Art auf eigene Faust zu nehmen. Ebenso
soll er hinsichtlich der Wohnung auch die größte Sorgfalt walten lassen.
Hinsichtlich der einzelnen Kurorte hebt Verfasser hervor, daß die Luft¬
kurorte nur dann für den Kranken einen Wert haben, wenn ihre Heil¬
faktoren auch genau dosiert und beobachtet würden. Vor allem warnt
er vor übermäßiger Anstrengung während einer Luftkur. Ebenso wie
die Luftkuren sollten auch Seebäder und Salinen mit einer
Lungengymnastik verbunden werden, weil bei ihnen die Inhalation
eine große Rolle- spielt. Bei den Trinkkuren gibt Verfasser an, zu
welchen Tageszeiten sie am besten vorgenommen werden und teilt
moderne Anschauungen über die Ernährung bei den Trinkkuren mit.
Hinsichtlich der Badekuren hebt der Verfasser hervor, daß sie nicht
auf zu nüchternem Magen und ebensowenig auf zu vollem Magen an¬
gewendet werden dürfen. Außerdem sollte der Patient vor und nach
dem Bade möglichst viel ruhen. Es sei besser, kein Bad zu nehmen,
als in Hast und Unruhe. Bezüglich der Diät teilt Verfasser die all¬
gemein akzeptierte Ansicht mit, daß es keine spezielle Diät für einen
Kurort gibt, sondern nur für den Kranken, und plädiert dafür, daß der
Patient in jedem Kurort Gelegenheit haben muß, die ihm vorge-
j schriebene Diät zu erhalten. Verfasser deutet auch in seiner Broschüre
den Trinkzwang an. Es ist aber nicht richtig, wenn er sagt, daß in
den meisten Hotels und Restaurants der Trinkzwang abgeschafft ist.
Im Gegenteil, er herrscht in ihnen noch so stark vor, daß man nicht
begreifen kann, wie Kurverwaltungen eine derartige Unsitte in den
Restaurants, die ihrer Verwaltung unterstellt sind, dulden. Die Bro¬
schüre schließt mit einigen recht guten Bemerkungen über Ver¬
gnügungen und Zerstreuungen, sowie mit Winken hinsichtlich der
Rückreise nnd der Nachkur nach Badekuren. Alles in allem können
wir sagen, daß die Lektüre dieser Broschüre den Patienten* der in
einen Kurort reist, viel Nutzen bringen wird, vorausgesetzt, daß er
sich die darin empfohlenen Ratschläge zu Herz-en '-nimmt und sie
ordentlich ausführt. Autorreferat.
Allgemeines.
Das Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen in
Preußen versendet folgenden Aufruf: Kollegen! Die französische
Aerzteschaft hat die deutschen Aerzte zur Beteiligung an ihrem nächsten
in Paris vom 7.—10. April stattfindenden Kongreß eingeladen. Die
Einladungen sind gerichtet an den Deutschen Aerzte-Vereinsbund, den
Reichsauschuß für das ärztliche Fortbildungswesen und
den Verein der deutschen medizinischen Fachpresse. Die Verhandlungs¬
themen betreffen durchweg wissenschaftliche und wirtschaftliche Fragen,
die den deutschen Aerztestand seit langer Zeit beschäftigen; es dürfte
deshalb vielen willkommen sein, aus eigener Anschauung Kenntnis zu
nehmen, in welcher Weise die Lösung dieser Fragen in unserem
Nachbarlande angestrebt wird. Über dieses sachliche Interesse hinaus
scheint es erwünscht, daß tunlichst zahlreiche deutsche Aerzte der
freundlichen Einladung der französischen Aerzte Folge leisten, um dar¬
zutun: daß die bedeutsamen humanitären und sozialen Aufgaben
unseres Standes das durch keine Landesgrenze gehinderte kollegiale
Zusammenarbeiten der Aerzte aller Nationen notwendig machen.
Bei genügender Beteiligung ist die Veranstaltung einer gemein¬
samen Fahrt geplant. Meldungen sind zu richten an das Büro des
Kaiserin Friedrich-Hauses, Berlin NW. 6, Luisenplatz 2 4.
Der Polizeipräsident von Berlin erläßt unter dem
22. Februar 1910 folgende Bekanntmachung: Nach § 2 Absatz 2
der Dienstanweisung für die Hebammen im Königreich Preußen hat
die Hebamme, wenn bei einer Geburt oder während des Wochenbetts
ein Arzt zugezogen wurde, diesem das Tagebuch zum Einträgen der
geleisteten Kunsthilfe und seines Namens vorzulegen.
Auf eine Eingabe des Vereins Berliner Hebammen hin hat sich
der Herr Minister der Medizinalangelegenheiten damit einverstanden
erklärt, daß in diesen Fällen der Zuziehung eines Arztes Abreiß-
Zettelblocks im Format und mit den 15 Spalten des vorgeschriebenen
Tagebuchs verwendet werden können, und daß die von dem Arzt
unterschriebenen, von der Hebamme vorher vorschriftsmäßig ausge¬
füllten Zettel an den entsprechenden Stellen des Tagebuchs einge¬
klebt werden.
Kathreiners Malzkaffee
enthält kein Koffein, ist auch frei von an¬
deren Reizstoffen und außerordentlich billig.
/
Nr. 14
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
223
Vorschriftsmäßige Blocks mit 48 gummierten Zetteln können von
der Verlagsbuchhandlung von Elwin Staude hier, W. 35, Steglitzer-
straße 11, zum Preise von 60 Pfennigen pro Stück, einschließlich freier
Zusendung, bezogen werden.
Der Polizeipräsident von Berlin erläßt unter dem
22. Februar 1910 folgende Bekanntmachung: Das amtliche Ver¬
zeichnis der zur Annahme von Praktikanten ermächtigten Krankenhäuser
und medizinisch-wissenschaftlichen Institute im Deutschen Reiche ist
im Verlage von Julius Springer hier N. 24, Monbijouplatz 3, in einer
Neuauflage nach dem Stande vom 1. Mai 1910 erschienen.
Vorstehendes bringe ich den beteiligten Kreisen mit dem Bemerken
zur Kenntnis, daß das Verzeichnis den Praktikanten eine gewünschte
Handhabe bei der Wahl einer geeigneten Anstalt bietet.
Alkoholbekämpfung bei der Eisenbahn. Die zur Bekämpfung
des Alkoholmißbrauchs empfohlenen Maßnahmen der preußischen
Staatsbahnverwaltung sind nicht nur weiter durchgeführt, sondern zum
Teil auch dahin ausgebaut worden, daß die Mitwirkung von
Mäßigkeitsvereinen mit gutem Erfolge in Anspruch genommen
und die Unterbringung dem Trünke ergebener Bediensteten in
Trinkerheilstätten durch Gewährung von Unterstützung erleichtert
worden ist. Die Bewilligung der Unterstützungen erfolgt bei einzelnen
Eisenbahndirektionen unter der Verpflichtung der Bediensteten, nach
der Entlassung aus der Heilstätte zur Sicherung des Kurerfolges einem
Enthaltsamkeitsverein beizutreten, bei anderen unter dem Vorbehalt
teilweiser Wiedereinziehung. Die Zahl der wegen Trunkenheit
bestraften Beamten ist erfreulicherweise geringer geworden.
Der Deutsche Kolonialkongreß findet in Berlin voraussichtlich
vom 6. bis zum 8. Oktober 1910 statt. Das Präsidium wird wie j
früher in den Händen des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg
liegen. Die Verhandlungen werden teils im Plenum, teils in Sektionen
stattfinden; es sind folgende Sektionen gebildet und die dabei genannten
Herren zu Obmännern der Sektionen ernannt worden: 1. Geographie,
Ethnologie und Naturkunde der Kolonien und überseeischen Interessen¬
gebiete (Paul Staudinger, Berlin). 2. Tropenmedizin und Tropen¬
hygiene (Geh. Rat Gaffky, Berlin). 3. Die rechtlichen und politischen
Verhältnisse der Kolonien und überseeischen Interessengebiete (Kontre-
admiral z. D. Strauch, Friedenau). 4. Die wirtschaftlichen Ver¬
hältnisse der Kolonien und überseeischen Interessengebiete (Fabrik¬
besitzer Supf, Berlin). 5. Die Besiedlung deutscher Kolonien und
die Auswanderung in fremde Länder (Regierungsrat a. D. Prof.
Dr. Leidig, Berlin). 6. Die weltwirtschaftlichen Beziehungen
Deutschlands und seiner Kolonien (Generalsekretär des deutschen
Handelstags, Dr. Soetbeer, Berlin). Vorträge sind schriftlich bis
zum 15. Mai 1910 beim Vorsitzenden des Vortragsausschusses Paul
Staudinger, Berlin W. 30, Nollendorfstraße 33, anzumelden. Ge¬
schäftsstelle des Kongresses im Bureau der Deutschen Kolonial¬
gesellschaft, Berlin W. 9. Schellingstr. 4.
Verlängerung der Lebensdauer in Deutschland. Im reichs¬
statistischen Amte sind, wie die „Nordd.Allg. Zeitg.“ vom 10. Februar 1910
berichtet, neue Sterbetafeln für das Jahrzehnt 1891 — 1900 berechnet
und in Band 200 der Statistik des Deutschen Reiches veröffentlicht
worden. Der Vergleich mit den Sterbetafeln des Jahres 1887, die aus
den Sterblichkeitsverhältnissen der Jahre 1871/72 bis 1880/81 berechnet
waren, ergibt folgendes Resultat: Die „mittlere“ Lebensdauer des
männlichen Geschlechts ergab in den siebziger Jahren 35,58, in den
neunziger Jahren 40,56 Jahre; für das weibliche Geschlecht entsprechend
38,45 und 43,97 Jahre. Die „wahrscheinliche“ Lebensdauer ist von
den siebziger bis zu den neunziger Jahren bei dem männlichen
Geschlecht von 38,1 bis 48,85, bei dem weiblichen von 42,5 auf
54,9 Jahre gestiegen. Es ist somit eine recht bedeutende Besserung der
Sterblichkeitsverhältnisse in der deutschen Bevölkerung nachgewiesen.
Bei Dermatosen (Seborrhoe, Pruritus etc.)
Canal fA I nßcfl Professor Dr.Blaschko $ Vorschr. 1
z.B. meö.puriss., c.Ol.rusci, c.Sulfur.,
——————— c. Liq. carb. öeterg.,*c. Resurfin etc.
Es sichert angenehmste und wirksamste Applikation J
~SBB
Marke
Dieterich-
Helfenberg.
Jod-Eigone
,,Eigon“ Wortmarke.
Nach den ärztlichen Urteilen (siehe Literatur) sind die Jod-Eigone als jodhaltige
Eiweißkörper empfehlenswerte Ersatzmittel des Jodoform und der Jodalkalien.
I indiziert bei Ekzemen, Erythem, Ozaena,
1. Jod-Eigon ca. 20% gebundenes Jod ( 0(itis usw
2. Jod-Eigon-Natrium ca. 15% gebundenes Jod
3. Pepto-Jod-Eigon ca. 15% gebundenes Jod
indiziert bei Ulcus molle und
durum, Gummata, luetischen
Plaques, Laryngitis, Arterio¬
sklerose usw.
Rp.: Jod-Eigon plv.
(1 Originalglas zu 20, 50 od. 100 g)
D. S. äußerlich.
Rp.: Jod-Eigon-Natrium
oder Pepto-Jod-Eigon
solve in Aqua dest.
5,0
25,0
Rp.: Jod-Eigon-Natr. oder
Pepto-Jod-Eigon
Glycerin 15,0, Aq. dest. 135,0
D. S. 3 X täglich 1 Eßlöffel.
|D. S. 3X tägl. 10—15 Tropfen.
Wissenschaftliche Literatur und Proben gratis und franko.
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Darlehens- und Sterbekasse der L. V.
Der Vorstand der L. V. hat unter diesen Namen eine neue
Wohlfahrtseinrichtung für die standestreue Ärzteschaft geschaffen;
dieselbe bildet eine besondere Abteilung des L. V. und ist mit Rechts¬
fähigkeit ausgestattet. Sie bezweckt, den Mitgliedern in Bedarfsfällen
Darlehen unter kollegialen Bedingungen und ein Sterbegeld zu
gewähren. Mitglied dieser Kasse kann jedes Mitglied des L. V. werden,
das den Verpflichtungsschein des Ärztevereinsbundes oder einen
gleichartigen Revers unterzeichnet hat. An Sterbegeld werden nach
fünjfähriger Wartezeit für je vier Mark Jahresbeitrag je 200 Mark
gewährt, bei einer einmaligen Einschreibegebühr von zwei Mark.
Mitglieder im Alter von mehr als 60 Jahren müssen den doppelten
Jahresbeitrag entrichten. Das Sterbegeld darf 2000 Mark nicht über¬
steigen. Kollegen, welche der Kasse selbst Darlehen geben, erhalten
neben 4%iger Verzinsung ihrer Einlagen für je 500 Mark geliehenes
Kapital 100 Mark Sterbegeld.
Durch Bekanntmachung in den „Ärztlichen Mitteilungen ' lädt der
Verwaltungsausschuss der genannten Kasse die Mitglieder des L. V.
zur Beteiligung ein. Anfragen beantwortet das Generalssekretariat,
Leipzig, Dufourstr. 18.
im März v. J. das Sicco-Präparat in einer Zuschrift an deutsche Ärzte
herabgesetzt. Durch diese Angaben tatsächlicher Art waren die Tat¬
bestandsmerkmale des unlauteren Wettbewerbs gegeben. Der Aktien-
Gesellschaft Hommels Haematogen gelang es nicht, den Wahrheits¬
beweis für die verbreiteten Behauptungen zu erbringen. Infolgedessen
erfolgte kostenpflichtige Verurteilung und Androhung einer fiskalischen
Strafe von 500 M. für jede Wiederholung der herabsetzenden Behaup¬
tungen im Bezirke des Königl. Amtsgerichts II-Berlin, während gleich¬
zeitig der klagenden Firma Publikationsbefugnis in drei Fachzeitungen
auf Kosten der Beklagten zugebillligt wurde.
Mittelschlesien, Waldenburger Gebirge.
Heilkräftig bei: Alkalische Quellen:
Katarrhen der Oberbrunnen und
Ti, Kronenquelle
fitmungsorgane Gebirgsluft — Gurgelhallen — In-
(Nase, Hals, Kehlkopf, halatorien - Pneumatisch Einzel-
i, : \ r apparate und pneumatisch. Kammer.
Bronchien, Lunge) _ ... . , ,, .
Bader (Mineral- u. kohlens.)
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Verdauungsorgane, Fango,
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Milch- u. Molkenkur-Anstalt.
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Prospekte: Fürstliche Brunnen- und Badedirektion und die Annoncen- und
Verkehrsbureaus.
Brunnenversand: Oberbrunnen Firma Gustav Strieboll.
Kronenquelle: Administration der Kronenquelle.
Ende des redaktionellen Teiles.
Kleine Mitteilungen.
Unlauterer Wettbewerb. Patent-Kronen-Haematogen gegen
Hommels Haematogen. (Landgerichts-Entscheidung.)
Vor dem Landgericht II-Berlin gelangte am 20. Januar ein Prozeß
zur Entscheidung, den die Sicco-Gesellschaft gegen Nicolay & Co. bzw.
die Aktien-Gesellschaft Hommels Haematogeri in Zürich wegen un¬
lauteren Wettbewerbs angestrengt hatte. Letztgenannte Firma hatte
Schreiberhau im Riesengebirge
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Verantwortlich: Für den redaktionellen Teil: Proi. Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35. Für „Kleine Mitteilungen“ und den Inseratenteil: Max Munczinski, Berlin-Rixdorf.
Verlag: Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9. Druck: Alliance, Druckerei- & Verlags-Centrale, G. m. h. H., Berlin O. 17, Warschauerstraße 34 36.
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Levy (Berlin), M. Matthes (Köln), L.Mohr (Halle), C. Neuberg
(Berlin), H. Salomon (Frankfurt a. M.), Ad. Sch midt (Halle),
Fr. Steinitz (Breslau), H. Strauss (Berlin), W. Weintraud
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„Deutsch-Ostafrika-
Linie.“
Verband zur Wahrung
der Interessen der Deut¬
schen Betriebskranken¬
kassen (Rhein.-Westf.
Betr.-Krank.-K.-Verb.)
Sitz: Essen (Ruhr).
Bieber, Kr. Offenbach a. M.
Bocholt, Westf.
Bremen.
Brühl (Bez. Köln a. Rh.)
Colditz i. S.
Dresden.
Eberswalde i. Brdbg.
Ebingen, Wttbg. (Arztbez.
Frohnstetten-Heinstetten).
Ehrang (B. Trier) O.-K.-K.
Eimbeckhausen, Hann.
Erkelenz, Rhld.
Falkenberg bei Ahrens¬
felde.
Feilnbach (O.-B.)
Fiddichow i. Pomin.
Frankfurt a. M.
Frechen Bez. Köln a. Rh.
Amrum (Insel).
Aßweiler i. Pfalz.
Berlin u. Umgebung (Ma¬
thilde Rathenaustiftung).
Gebhardshain Westerw.
Geilenkirchen,
Kr. Aachen.
Gera, R. ,Textil-B.-K.-K.
Gielsdorf und Wilken¬
dorf b.Strausberg, Brdbg. i
Ueber vorstehende Orte und alle Verbandsangele;
nachm. 3—5 (außer Sonntags). Kostenloser Nachweis von
Greiffenberg U.-M.
Grünberg, Schles.
Halle (Saale).
Hamburg, B.-K. f. Staats¬
angestellte.
Hamm i. Westf.
Hanau, San.-V.
Hausen (Kr. Limb. ä. L.).
Hohentengen (Wttbrg.).
Hüllhorst, Westf.
Itzstedt, i. Schl.-Holst.
Joachimsthal,
Kr. Angermünde.
Johannisburg, O.-Pr.-Kr.
Kassel -Rothenditmold.
Kemel, H.-N.
Kilianstaedten, H.-N.
Kirchberg-Jagst.
Klein-Auheim, Kr. Offb.
Köln a.Rh. Stadt-u. Landkr.
Köln-Deutz.
Köngen, Wttbg.
Königsberg i. Pr.
Korbach (YValdeck).
Kotzenau i. Schles.
Kupferhammer b.
Eberswalde.
Lindlar, Rhld.
Minden, Westf.
Mohrungen, O.-Pr.
Mülheim (Rhein).
M .-Gladbach.
Münder a. Deister.
Munster, Hann.
Nackenheim, Rhh.
Neu-Isenburg, Kr. Offb.
Neustadt a. d. Wied.
Neustettin i. Pomm.
Niederwürzbach, Pfalz.
Nord germersleben
(Kr. Neuhaldensleben).
Oberbetschdorf i. Eis.
Oberhausen i. Rhld.
Obersept, O.-Els.
Ober- u. Nieder-Ingel-
heim, Rhh.
Oderberg i. Mark.
Pattensen i. Hann.
Penig i. Sa.
Pinne i. Posen.
Puderbach (Kr. Neuwied).
Quint b. Trier.
Rastenburg,
Weisenau b. Mainz.
Weißenfels (Saale).
Wesseling, Rhprov.
Wessling (O.-Bay.).
Westd. Vers.-Kr. u. Unter
stützungs-Zuschuss-Kasse
Köln a. Rh.
Wiesbaden.
Zingst, Pom.
O.-Pr.
;enheiten erteilt jederzeit Auskunft der Generalsekretär G. Kuhns, Arzt,
Praxis-, Auslands-, Schiffsarzt- und Assistentenstellen sowie Vertretungen.
Recklinghausen i. W.
Rhein (O.-Pr.).
Rothenkirchen-
Preßig, Oberfr.
Salzwedel, Prov. Sa.
Schirmeck-Saales i. E.
Schlettstadt, Eis.
Schornsheim (Rhh.).
Schwandorf (Bay.).
Schwarzach i. Ba.
Schweizermühle (Bad),
i sächs. Schweiz.
Soldau O.-Pr.
St. Ludwig, O.-Els.
Stettin, Fab.-K.-K.-Vulk.
Stockstadt, Rh.
Strausberg i. Brdbg.
Strehla a. E.
Tempelburg, Pom..
Templin, Brdbg.
Thalheim i. Erzgeb.
Urft (Schmidtheim) Kr.
Schleiden.
Wallhausen b. Kreuznach. |
Walsheim b. Blieskastel.
Weibern i. Rhld.
Weidenthal, Pfalz.
Weilheim, Bay.
Leipzig, Dufourstraße 18, II, Sprechzeit
Druck: Alliance, Druckerei- <6 Verlags-Centrale, G. in. b. H., Berlin 0.17, Warschauerstraße 34/36.
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Nr. 15. IV. Jahrgang.
10. April 1910.
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Gustav
IV. Jahrgang. Berlin, 10. April 1910.
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das .
den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tagt
4 gespaltene Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen per Tausend 15,— M. Reklamezeile 1,50 M.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt:
Originalien:
Esch, Bendorf: Zu Lahmanns Ernährungsreform .... 225
Ragnar Berg, Dresden: Hartes oder weiches Trinkwasser 227
Adler, München: Ueber die Heilungsaussichten der Tuber¬
kulose beim Menschen.228
Silbermann, Kudowa: Gynoval bei Herzbeschwerden. . 229
Referate:
Wern. H. Becker, Weilmünster: Neurologie und Psychiatrie 229
A. Moeller, Berlin: Lungenkrankheiten. 230
Küster, Freiburg i. B.: Bakteriologie und Serologie . . . 231
Axel Winckler, Nenndorf: Nahrungs- und Genußmittel . 232
ORIGINALIEN.
Zu Lahmanns Ernährungsreform.
Eine Bemerkung zu Wincklers Artikel „Hartes und weiches
Trinkwasser“ in Nr. 9 der Therap. Rdsch.
Von Dr. Esch, Bendorf.
Auf das von Winckler behandelte Thema selbst möchte
ich hier nicht näher eingehen. Dagegen sehe ich mich ver¬
anlaßt, den Passus aus der Arbeit hervorzuheben, der sich
mit einer Anschauung des leider zu früh verstorbenen
Dr. Lahmann beschäftigt. Wincklers Ausführungen be¬
dürfen da nämlich hinsichtlich einiger Punkte der Richtig¬
stellung in medizinisch-historischem Interesse.
W. sagt Folgendes:
„Die Irrlehre, daß wir in unserer Nahrung zu wenig
Kalk vorfänden, wie überhaupt die ganze Legende vom
Nährsalzmangel ist im Lager der Kurpfuscher entstanden
und hat erst nach und nach bei manchen Aerzten Glauben
gefunden, neuerdings sogar einige Gelehrte merklich beein¬
flußt. Der Urheber dieser Irrlehre war ein zu Hermsdorf
unterm Kynast privatisierender ehemaliger Apotheker namens
Julius Hensel, der die Heilkunst und gleichzeitig die
Landwirtschaft reformieren wollte und hauptsächlich als
Erfinder eines Steinmehidüngers bekannt geworden ist.
Dieser geistreiche aber phantastische Autor hat in seinem
1882 zu Philadelphia erschienenen Hauptwerke „Das Leben“
zuerst die These aufgestellt, die gebräuchliche Kost der
Europäer enthalte zu wenig Mineralstoffe. Um diesem
Mangel abzuhelfen, brachte er „physiologische Erden“,
„physiologisches Salzwasser“ und andere mineralische
Spezialitäten auf den Markt. Diese pharmazeutischen Prä¬
parate wurden wenig gekauft, da Hensel sich nicht auf
die geschäftliche Reklame verstand, aber seine Lehre vom
Nährsalzmangel fand unter Sektierern aller Art begeisterte
Anhänger. Sie wurde namentlich von den Naturheilkundigen,
die der beständigen „Wasseranwendungen“ ä ia Prießnitz
müde geworden waren, begierig aufgegriffen und ausgenützt.
Dr. Heinrich Lahmann, Besitzer der Naturheilanstalt
Weißer Hirsch bei Dresden, entwickelte die Hensel sehe
Mitteilungen über Arzneimittel:
Krüger, Magdeburg: Referate . .
K. Försterling, Mors: Chirurgie
M. Peltzer, Steglitz: Militärmedizi
Abramowski, Gilgenburg, v. Ruti
Ebernhausen und Geissler, Nei
Technische Neuerscheinungen:
J. Spanier, München: Selbsttätige Punktionssp
Allgemeines..
Theorie in seinem Buche über „die diätetische Bi
mischung“, freilich ohne Hensel zu nennen. Er versu
diese Lehre exakt zu begründen, was ihm jedoch mißlung
ist. Er nahm nämlich die Kuhmilch, die doch eigentlic.
für das wachsende Kalb bestimmt ist und selbstverständlich
einen großen Kalküberschuß für dessen Knochenbildung
enthalten muß, als Normalnährgemenge für den Menschen
an und verglich ihren Mineralgehalt mit der einer \ili-
kürlich aus gleichen Teilen Fleisch, Roggenmehl, Kartoffeln
und Erbsen zusammengestellten Kost, die er als 'Beispiel
des „gebräuchlichen Nährgemenges“ der europäischen Völker
annimmt, obgleich höchstens die Zuchthäusler eine Kost
genießen, die zu einem Viertel aus Hülsenfrüchten besteht.
Aus solchen gekünstelten Prämissen folgert er, daß u/rsere
gebräuchliche Nahrung an Natron um das Sechsfache, an
Kalk um das Elffache zu arm sei! Ferner vergleicht
er den aus der Tageskost einer Familie berechneten Mineral¬
gehalt wiederum mit dem Mineralgehalt der — Kuhmilch,
und findet natürlich ein Defizit an Kalk und Natron. Dem
naheliegenden Einwurf, weshalb er denn nicht die Frauen¬
milch als Prototyp der menschlichen Nahrung seinen Kalku¬
lationen zugrunde legte, weicht er aus mit der kahlen Aus¬
flucht, daß er „die meisten Analysen der Frauenmilch wegen
der falschen Ernährung des Menschengeschlechts nicht für ,
normal erachten kann“. Man weiß aber aus sämtlichen Analysen
der Frauenmilch, daß sie viel weniger Natron und sehr viel
weniger Kalk enthält als die Kuhmilch, so daß jener künst¬
lich konstruierte Natron- und Kalkmangel illusorisch wird.
Bedenkt man vollends, daß die Frauenmilch nur für das
wachsende Kind bestimmt ist, mithin viel Kalk für die/
Kalzifikation der Knochen liefern muß, während der er¬
wachsene Mensch mit seinem fertigen Skelett nur ein
minimales Kalkbedürfnis hat, so muß man einsehen, daß
man aus der Zusammensetzung irgendwelcher Milch über¬
haupt keinen Maßstab für das Nährsalzbedürfnis eines er¬
wachsenen Menschen entnehmen darf. Lahmanns Ver¬
suche, eine aus Nährsalzmangel abgeleitete Dysämie als
Ursache aller Krankheiten zu statuieren, zeigt, wie einseitig
man wird und zu welchen Uebertreibungen und Fehl¬
schlüssen man gelangt, wenn man alles durch die Brille
einer vorgefaßten Idee betrachtet.“ —
In dieser Darstellung finden sich einige Irrtümer, die
zum Teil allerdings vielleicht darauf zurückzuführen sind,
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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Nr. 15
te,
sei:
chade
ie nicht
_hen Ver-
t, weil die
jroßbetriebe
,t nenne, ist
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Nährgemenge der
darüber folgendes:
idstoffen für unseren
wir nicht, ebensowenig
>vir quantitativ an Eiweiß usw.
spunkt gewährt uns aber ein
Frauen- oder die Kuhmilch, da
ilicher Organismus aufgebaut und
kann. — Auf den ersten Blick
=r 1 ich, daß man die Nahrung
.1 it aer Milch in Vergleich ziehen
ndn aber die prozenttischen Werte
.rgibt sich eine weitgehende Ueberein-
Wasser Eiweißstoffe Fett Zucker Nährsalze
.)■
emnilch . . .
87,0
2,3
3,9
6,2
0,4
nmilch . . .
87,4
3,4
3,6
4,8
0,7
»st. Nahrungsbedarf
des Erwachsenen .
83,0
3,8
2,5
11,9
0,9
(Den 3. Posten findet L. durch Reduktion der von
Moleschott-Vierordt in Landbis’ Physiologie angege¬
benen Zahlen auf 100). Der von Winckler speziell be¬
sprochene Kalkgehalt der Frauenmilch beträgt, wie in der
XV. Aufl. der„Dysämie“ hervorgehoben wird, 16,6% derSalze,
was für eine ca. 4000 g betragende Tagesration des Er¬
wachsenen 3 g ausmachen würde. Diesen 3 g Kalk der Frauen¬
milch stehen 0,9g gegenüber, die in einer Königs „Chemie der
menschlichen Nahrungsmittel“ entnommenen, aus Brot, Fleisch,
Kartoffeln, Milch, Butter, Erbsen zusammengesetzten Tages¬
ration für einen erwachsenen Arbeiter enthalten sind.
Auf diese Tabelle, in der die Erbsen nur den
10. Oewichtsteil einnehmen, paßt aber Wincklers
Vorwurf der willkürlichen Zusammensetzung, der bei
der anderen von ihm erwähnten berechtigt erscheint, durch¬
aus nicht.
Wir sehen also, daß sich ein Kalkdefizit findet, auch
wenn man, wie Fahmann es hier tut, statt der von W.
mit Recht beanstandeten Kuhmilch die Frauenmilch der
Berechnung zu gründe legt.
Aber man l^ann ruhig auch noch den Vergleich der
Frauenmilch mit der üblichen Kost der Erwachsenen preis¬
geben, trotzdem auch die Schule ihn anstellt
*) Zum gleichen Resultat gelangten Siegert und Lungwitz „Stoff¬
wechselversuche über denEiweißbedarf des Kindes“, Halle, Marchold 19 jS:
„Prinzipiell ist zwischen einem Kinde jenseits der Säuglingsperiode
und einem Erwachsenen hinsichtlich der Ernährungsfrage kein Unter¬
schied: Beide leben von gemischter Kost. Natürlich ist bei Bestimmung
der Speisemenge der lebhaftere Stoffwechsel des wachsenden Organis¬
mus zu berücksichtigen, aber, was die Relation der einzelnen Nähr¬
stoffe angeht, so herrscht ein ganz überraschendes Gleichmaß. Das
physiologische Paradigma: Ei weiß 1, Fett 4, Kohlehydrat 7,
wie es in der Frauenmilch gegeben ist, findet bei ver¬
nünftiger Ernährung durch alle Lebensalter hindurch An¬
wendung — wie auch für jedes Tier in derart eigenen Milch die
Verhältniszahlen seiner Ernährung absolut gegeben sind. Man braucht
diese Koeffizienten nur mit der, der Entwicklungsstufe des Individuums
adäquaten, die Quantität bestimmenden Zahl zu multiplizieren, um
das physiologische Ernährungsmaß für jedes Alter zu finden.“
)F MICHIGAN
(s. o. Anm.). - Die grundlegende Bedeutung der
Lahmannschen Ernährungsreform im allgemeinen
ist damit noch keineswegs erschüttert, ja sie ist es
so wenig, daß vielmehr auch die offizielle Medizin nach
langem Sträuben jetzt immer weitgehender in die von ihm
gewiesenen Bahnen gedrängt wird. Ich brauche da nur
an die Arbeiten von Albu, Baelz, Bornstein, Bunge,
Determann, Ewald, Kolisch, Kümmell, Richter,
Ritter, Rubner, Siegert, Teilhaber usw. zu er¬
innern, der französischen Autoren und der von der
„Schule“ mehr oder weniger divergierenden Forscher wie
Bachmann, Bircher-Benner, Chittenden, v. Düring,
Fassbender, Haig, Hindhede, Fiebe, Meyer, Stille
usw. garnicht zu gedenken.
Sie alle bekämpfen mit Fahmann — vielfach aller¬
dings ohne ihn zu kennen bezw. zu nennen, weil seine
Arbeiten „nicht wissenschaftlich“ sind — die bis vor
kurzem herrschende und auch jetzt leider noch sehr weit
verbreitete Eiweißüberschätzung und Ueberfütterungssucht,
sie alle plädieren für Einschränkung der „kräftigen“ Fleisch-,
Ei- und Milchkost zu gunsten einer Ernährungsform, die
den bisher so verachteten Vegetabilien den gebührenden
Platz einräumt, ohne sich von dem Popanz des zu großen
Volumens und der Schwerverdaulichkeit schrecken zu
lassen, der von den einseitigen Eiweiß- und Schonungsthera¬
peuten aufgestellt war.
Der mangelhafte Kalkgehalt der heute üblichen Kost
wird ausser von den letzterwähnten Autoren besonders
deutlich von Kleinsorgen (Ther. Mon. 1905 Nr. 6) hervor¬
gehoben. Er sagt: „Während sowohl die Nahrung der
Karnivoren (Fleisch und Knochen) wie diejenige der Herbi-
voren die nötige Menge Kalksalze enthält, ist die vom heu¬
tigen Kulturmenschen vorwiegend genommene Kost Fleisch,
Brot, Kartoffeln als direkt ungeeignet anzusehen und
muss nicht nur für die Knochenbildung, sondern auch für
den ganzen Organismus Störungen nach sich ziehen. Bleich¬
sucht und andere Schwächezustände sind neben dem Eisen-
auch auf Kalkmangel zurückzuführen. Es muss den Wurzel-
und Blattgemüsen, den Salaten und dem Obst ein weit
breiterer Raum gewährt werden.
Was aber den von Winckler erwähnten Ursprung
dieser Erkenntnis aus Kurpfuscherkreisen betrifft, so be¬
handelt man die, so viele Auswüchse und Schattenseiten
aufweisende volkstümliche Bewegung der Naturheilkunde,
die andrerseits aber doch nur eine Reaktion gegen den
Zeitgeist der,,Ueberexaktheit“ darstellt,m.E. am besten dadurch,
dass man sich, ebenso wie Lahmann das Oute und Berechtigte
von ihr zu nutze macht. Der Ernährungsreform, sagt Deter¬
mann sehr mit Recht, ist es ähnlich gegangen wie der Hydro¬
therapie. Nachdem man die nicht dem Schoße der Schul¬
medizin entsprungenen Methoden anfänglich als indiskutabel
abgelehnt hatte, haben sie sich allmählich doch Anerkennung
errungen.“
Lahmann war einer von den ersten unter den zeit¬
genössischen Aerzten, die die Einsicht besaßen, in dem
besprochenen rationellen Sinne vorzugehen und gerade
darin liegt sein Hauptverdienst, wie das s. Z. Burwinkel
so treffend ausgeführt hat. ln dem Artikel „Lahmanns
Bedeutung für die praktische Heilkunde“ (Deutsche Aerzte-
Zeitung 1906 Nr. 6) weist er auf den in hohem Maße
fördernden Einfluß hin, den Lahmann auf die Entwicklung
unseres Faches ausgeübt hat, indem er es wagte, über
wissenschaftliche Fragen selbständig zu denken. So war
er einer der ersten, die gegenüber dem einseitigen Kon-
tagionismus die Bedeutung der fehlerhaften Konstitution
und der unrationellen Lebensweise betonten ln der
richtigen Ernährung erblickte er das Hauptmittel, um eine
von der Norm abweichende Zusammensetzung des Blutes
und der Körpersäfte zu verhüten bezw. zu verbessern. Er
trat ferner ein für Regelung der Zirkulations-, Oxydations- und
Fvakuationstätigkeit des Organismus durch die physikalischen
UNIVERSIT
HIGAN
Nr. 15
THERAPE
Faktoren der Hydrotherapie, des Luftbades, der Massage,
der durchlässigen Kleidung usw. Ohne je fanatischer
Gegner von „Arznei und Operation“ zu sein, warnte er
vor kritiklosem Operieren, einseitigem Spezialistentum, ge¬
dankenlosem Medizinieren, wie es z. B. in der Antipyrese
zum Ausdruck kam.
Sicherlich werden, so schließt Burwinkel, seine
Ideen und Lehren immer mehr Anerkennung und Ver¬
breitung gewinnen und eine spätere Zeit wird über ihn
gerechter urteilen als die Gegenwart.
ln diesem Sinne sollen die obigen Zeilen wirken, eben¬
so wie die vorjährigen Ausführungen in Nr. 15 der Th. R.,
die der Vollständigkeit wegen hier noch einmal kurz reka¬
pituliert seien:
Mendels Aufsatz: „Die Kochsalzarme Diät als Heilmittel 66 (M. m. W.
1909, Nr. 9 u. 10) ist wiederum ein typisches Beispiel für die,
bereits früher in diesem Blatte (1908, S. 211 und 421) von uns
hervorgehobene Tatsache, daß von Outsidern und anderen
„Ketzern“ vorweggenommene Erkenntnisse, die man offi¬
ziell anfänglich totschwieg oder gar verlachte, nachträg¬
lich von der Wissenschaft neu produziert und als
„moderne Errungenschaften“ gepriesen werden.
Hierhin gehören vor allem die Lehren Lahm an ns. Diesem leider
zu früh verstorbenen Praktiker im weitesten Sinne hat man trotz einiger
Einseitigkeiten und Uebertreibungen bereits in so vielen Punkten Recht
geben müssen, daß die gerade unter den Aerzten so weit verbreitete
Unkenntnis seiner Schriften jetzt nicht mehr wohl zu rechtfertigen
sein dürfte.
Nachdem Lahmanns Kampf gegen unsere falsche Nahrungs¬
zusammensetzung, insbesondere die Eiweißüberschätzung, seitens der
Wissenschaft bereits fsst auf der ganzen Linie Aufnahme und Fort¬
setzung gefunden hat, wird nunmehr auch der von ihm so besonders
betonte Kochsalzmißbrauch in den Bereich der wissenschaftlichen
Untersuchungen gezogen, allerdings wiederum ohne Kenntnis bezw.
Erwähnung der ihm gebührenden Priorität.
Mendel führt folgendes aus: Noch bis vor 10 Jahren herrschte
die Anschauung, daß das Na Ci, wenigstens innerhalb der normalen,
in den Nahrungsmitteln enthaltenen Mengen für den menschlichen Körper
indifferent sei. Aber auch die normale Na Cl-Zufuhr erhöht bei
gesunden Menschen die Flüssigkeitsmenge im Organismus um ein
Quantum, das mehr als '/.'s der gesamten Blutmenge erreichen kann.
Noch vielmehr ruft also übertriebener Kochsalzgenuß das hervor, was
Cohnheim als hydrämische Plethora bezeichnet hat.
Während diese nun an sich noch keine Störungen hervorzurufen
braucht, liegt die Sache ganz anders, wenn zu der Kochsalz-Wasser-
Retention noch weitere, die Zirkulation schädigende Momente hinzu-
kommen, z. B. Gefäßveränderungen, Nephritis, Herzaffektionen,
konstitutionelle Schwäche etc. Diese werden vielfach erst nach
Einleitung einer kochsalzarmen Diät der Therapie zugänglich.
Im einzelnen betont M. folgendes:
Die Ueberfüllung des Organismus mit Na Cl-haltiger Flüssigkeit,
die hydrämische Plethora beeinflußt den Verlauf lokaler Entzündungen
in entscheidender Weise, indem sie deren klinisches Bild nach der
schädlichen Seite hin verändert, es entstehen mächtige Pleuraexudate,
starkeGelenkhydropsien,kolossale nässende Ekzeme, der „Salzfluß“
der Alten, das besonders bei pastösen Kindern auftretende Säuglings¬
ekzem etc.
Im Zusammenhang damit werden die einschlägigen Arbeiten von
Finkeistein, Bohn, Czerny, Feer, Langstein, Mendelsohn
besprochen und zum Teil sehr interessante Belege dafür beigebracht,
daß bei all diesen Leiden Herabsetzung der Na Cl-Zufuhr nicht nur die
Ex- und Transsudation vermindert, sondern auch die Resorption und
Ausscheidung der Krankheitsprodukte beschleunigt. —
Auch Meyer-Bernstadt (Die Verwässerung des
Organismus, München, Gurelin 1909, 0,75 M.) bespricht den
durch übertriebene Fleischzufuhr, Kochsalzmißbrauch
und übermäßige Flüssigkeits-, insbesondere Alkoholaufnahme
gebildeten Circulus octiosus, sowie die leider noch so
vielfach vernachlässigte Tatsache, daß unsere Konstitution
in der Hauptsache durch die Art der Ernährung bedingt ist.
Besondere Anerkennung verdient es, daß Meyer
Lahmanns Priorität in dieser Erkenntnis anerkennt und betont.
Ihig
Vorstand des p
Unter obige
Zeitschrift ein Aui
hat. Nur möchte ic,
zu können, den V
Winckler um freundh
bitten:
1. Nach kurzer Einleitui
Rose und Kionka geht Vei
Menschen ein und sympathisit
von Renvall, Bertram undFi
die Warnung unbekannt gebliebet
an die Untersuchungsresultate vt Hertram
knüpfen: „Das sind nur die Z .ysiologischen
„Minimums“! Man hüte sich abi ern Gebiete der
Stoffwechselforschung in dense r zu verfallen,
der in der sog. Lehre vom Ei na soviel Ver¬
wirrung angerichtet hat. Die les Minimal¬
bedarfs . . . hat wohl hervo Jag ueoretisches
und experimentell-physiologischoo iteresse, für
die Ernährungspraxis aber und auch fü>- Pathologie
und Therapie hat nur die Ermittelung de; normalen
Durchschnittes bei natürlichen Ernährungsver¬
hältnissen (verschiedenster Art) einen brauchbaren
Wert!“
2. Gemäß seiner Auffassung des Kalkbedarfs bestreitet
Verfasser, daß ein Kind hinsichtlich Kalk unterernährt werden
kann, einerlei ob natürliche oder künstliche Nahrung gereicht
wird. Kennt Verfasser nicht die Arbeiten von Förster-),
Zweifel 3 ), Blauberg 4 ) und Schlossmann'), aus denen
einstimmig hervorgeht, daß der kindliche Organismus
trotz der überreichen Zufuhr von Kalk mit Kuhmilch
bei Ernährung mit Muttermilch weit mehr Kalk
absorbiert?
3. Woher weiß Verfasser, daß Lahmann Hensel
plagiiert hat?
4. Verfasser behauptet, Lahmann verfechte einseitig
den Satz, daß wir zu wenig Natr.on und Kalk zu uns
nehmen; weshalb verschweigt Verfasser die Hauptsache
von Lahmann’s Theorie: zu wenig Natron und Kalk im
Verhältnis zu den gleichzeitig eingeführten Säuren?
5. Nachdem Verfasser so Lahmann „widerlegt“ hat,
nimmt er Röse’s Arbeiten, richtiger Arbeit, vor. Weshr h
hat Verfasser, da er so grosses Interesse für die Frage hat,
nicht auch die anderen Arbeiten von Röse geh-sen?
Dann hätte er wenigstens gefunden, daß Röse nicht ein¬
seitig ist.
6. Und wenn Verfasser Röse’s Arbeit „Erdsalzarmut
und Entartung“ zitiert, weshalb hat er sie dann nicht studiert?
7. Wenn Verfasser Rumpf anführt, der bei über
300 Versuchen gefunden hat, daß Kalk „auch in den Fällen
mit Verkalkung der Arterien“ im Körper stark zurückbehalten
wird, weshalb verschweigt er dann, daß diese Versuche bei
Nephritikern und auch Nephritikern mit Arterios¬
klerose ausgeführt wurden, wo die Kalkaus¬
scheidung durch die Nieren schon auf ein
Minimum gesunken war?
8. Wenn tatsächlich bei pathologischen Prozessen (z. B.
Arteriosklerose) abnorme Kalkablagerungen statthaben,
4
ä
1) Physiologie u. Pathologie des Mineralstoffwechsels. Berlin,
Springer, 1906.
2) Mitteil. a. d. Münch, morph. physiol. Gesellsch. 1879, Nr. 3.
3) Aetiologie, Praphylaxis und Therapie der Rachitis, Leipzig 1900.
4) Zeitschr. f. Biologie 19C0, 40.
5) Archiv f. Kinderheilk. 1905, 40.
r
NDSCHAU.
Nr. 15
von Blaii
gehaltenen V ..
„Irrlehre“ auch
„atmvemm-
geschah, um
usw. zu ver-
ei der großen
Kranken Nieren
.eine deutsche, seiner
rbeit der letzten zwanzig
..öse’s und Lahmann’s
^s seren solchen 64 notiert.
ien Gelehrten, „von Hensel
ochweigt Verfasser dann, daß
.rten dieses letzten Dezenniums
ueses entsetzlichen Volkverderbers
vier an einem Tage (März 1908)
nd Little in der Medical Society
en? Weiß Verfasser, daß diese
<vie Tigerstedt „beeinflußt“ hat?
Ueberdie h-.<ungsaussichten der Tuberkulose
des Menschen.
Von Dr. Adler, München.
Die Verhütung der Tuberkulose gehört in das Gebiet
der Hygiene; denn alles, was die Hygiene erstrebt und
ersinnt, ist auch gegen den Erreger der Krankheit, den
Tuberkelbazillus, gerichtet. Es ist ohne weiteres klar, daß
der in der Widerstandskraft minderwertige Organismus
dem vollkräftigen gegenüber leichter erkrankt, und daß die
Gefahr einer Erkrankung um so geringer wird, je früher
eine geeignete Vorbeugung zur Anwendung kommt. Das
Ziel ist daher, dem Körper eine normale Widerstands¬
fähigkeit zu verleihen in Fällen angeborener oder erwor¬
bener Disposition und nach vorausgegangenen schwächenden
Krankheiten. Neben einer regelmäßigen, kräftigen, nicht
übermäßigen Ernährung sind die in Betracht kommenden
Faktoren Körperruhe und Luft, eine zweckmäßige Kleidung,
leichte Muskelarbeit, Atemgymnastik und Abhärtungen
durch Luft und Wasser.
Eine Immunisierung, ähnlich der Immunisierung gegen
die Pockenkrankheit, mit Hilfe von menschlichen und
artverwandten Tuberkelbazillen, vermag bis jetzt keine der
bis jetzt bekannt gewordenen Methoden in sicherer und
gefahrloser Weise zu erreichen. Eine Hauptaufgabe in
der Verhütung liegt natürlich in der Vernichtung des
Tuberkelbazillus. Jeder Mensch entleere deshalb seinen
Auswurf, auch bei einfachen Hustenkrankheiten, möglichst
in ein Spuckgefäß. Der reinliche Tuberkulöse ist für seine
nächste Umgebung durchaus ungefährlich.
Die Behandlung der Tuberkulose ist bis heute auf
Resultate langjähriger Erfahrung angewiesen. Hat diese
doch gelehrt, daß die Quintessenz einer erfolgreichen
Behandlung in der Aufbesserung der Konstitution beruht
und zwar wird diese Kräftigung am besten erreicht durch
die diätetische, hygienische und klimatologische Heilmethode.
Die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, sind Hebung
des Stoffwechsels, Erhöhung der Nahrungsausnutzung,
Verbesserung der äußeren Umgebung, ausgiebiger Genuß
einer reinen Luft und Beeinflussung der Seele. Von alters
her steht daher die Behandlung an geeigneten Kurorten
im Vordergründe.
Was die Ernährung betrifft, hat sich eine leistungs¬
fähige Magen- und Darmverdauung als der beste Schutz¬
apparat im Kampfe gegen die Tuberkulose bewiesen. Eine
der Grundlagen der Behandlung bildet demnach die Zufuhr
einer sehr guten und abwechslungsreichen Kost; jedenfalls
sind häufigere und kleinere Mahlzeiten angezeigt. Wenn
es die Verdauungsorgane gestatten, empfiehlt sich vor
allem Milch und dessen Präparate, unter Umständen
zwischen den Mahlzeiten, vor dem Schlafengehen und auch
während der Nacht zu geben. Sodann ist ein reichlicher
Genuß von Fett, frischer Butter usw. vorteilhaft.
Besonders wichtig ist die Zufuhr einer möglichst
staubfreien Luft und ist die Freiluftbehandlung in ihrer
hohen Bedeutung für die Tuberkulosebehandlung allgemein
anerkannt. Jedoch darf die Kräftigung des Organismus
nur allmählich stattfinden. Wir bestreben uns daher,
möglichst günstige Außenbedingungen zu schaffen, unter
denen der Heilungsprozeß in der Lunge ruhig verlaufen
kann.
Wohl in den seltensten Fällen wird indessen die
hygienisch-diätetische Heilmethode auch nur teilweise ver¬
einbar sein mit dem Berufe und der ganzen Lebensführung
, des Patienten. Die Loslösung aus der bisherigen und
j Versetzung in eine neue Umgebung ist hier erfahrungs¬
gemäß von größter Wichtigkeit.
So empfiehlt es sich von selbst, den Patienten an
| einen nicht zu nahe an seinem Wohnsitz gelegenen Ort
gehen zu lassen, wo er den bisherigen Schädlichkeiten
j entzogen, lediglich seiner Gesundheit leben kann. Natürlich
wird bei der Wahl eines Ortes vor allen Dingen das
Klima bestimmend sein, und es ist entschieden weitge¬
bauten Orten der Vorzug zu geben. Täler und geringe
Höhen im Sommer, Süden im Winter, bieten die Möglichkeit
einer reizarmen, schonenden Behandlung; Gebirge und See
dagegen üben von Anfang an eine an Reizen und An¬
forderungen reiche Wirkung auf den Organismus aus.
Man wird daher immer individualisieren müssen, ob der
schonenden oder der anstrengenden Methode der Vorzug
zu geben ist. Erstere wird hauptsächlich in Frage kommen
bei Beginn der Kur bei schwächlichen Leuten im Anfangs¬
stadium. Die Kur soll hier den Organismus soweit
kräftigen, daß er ohne Schaden den energischer wirkenden
Klimaten ausgesetzt werden kann, die die Aufgabe
definitiver Heilung besser erfüllen als die Ebene. Anders
liegen die Voraussetzungen infolge der Verschiebung der
klimatischen Eigenart für das Hochgebirge im Winter. Denn
im Winter erzielt das Hochgebirge dank seiner intensiven
Besonnung und seiner viel geringeren Luftfeuchtigkeit auch
gute Resultate. Gewiß, der Tuberkulöse kann in jedem
Klima gesunden, vorausgesetzt, daß er seiner Gesundheit
Rechnung trägt, aber eben deswegen kann eine erfolgreiche
Kur nur an solchen Orten durchgeführt werden, die auch
gewissen klimatischen Voraussetzungen in bezug auf Lage,
Bodenbeschaffenheit, Windschutz usw. entsprechen.
Für sämtliche tuberkulösen Prozesse lassen sich auch
mit Vorteil die Mineralwasserkuren in Anwendung bringen
und speziell diese sollten mehr Eingang und Berücksichtigung
finden. Hierdurch wird der Stoffwechsel erleichtert, es
findet eine Aufsaugung der stagnierenden, die Organe über¬
schwemmenden Gewebsflüssigkeiten statt und hierdurch
eine Neubildung widerstandsfähiger Zellen an Stelle der
erkrankten. Das Wasser dient einesteils zur Zuführung
und Anbildung neuen Stoffes, andernteils zur Auflösung
und Ausscheidung der verbrauchten und unbrauchbar ge¬
wordenen Stoffe.
Aber auch die medikamentöse Behandlung werden wir
nicht entbehren können. Jedoch ist diese nur in An¬
wendung zu ziehen, wenn Appetit und Verdauung nicht
beeinträchtigt werden. Mit Vorliebe werden hier Kreosot,
Guajakol, Kreosotal, Sisolin und andere Präparate verordnet,
die erfahrungsgemäß auf die Verbesserung des Appetits
und der Ernährung einen günstigen Einfluß zu haben pflegen.
In den letzten Jahren hat die Behandlung mit Tuber¬
kulin immer mehr Anhänger gefunden. Die Tuberkulin¬
reaktion ist eine spezifische tuberkulöse Reaktion und beruht
auf einer Ueberempfindlichkeit der Tuberkulösen gegen das
/ER:
:] in
Nr. 15 -
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
229
Gift der Tuberkelbazillen. Wenn das Tuberkulin auch kein
universales und radikales Heilmittel ist, so vermag es doch
eine bestimmte Form der Lungentuberkulose in einer solch
günstigen Weise zu beeinflussen, wie dies in gleicher Weise
mit keiner anderen Behandlungsweise möglich ist. Wir
sind dadurch der spezifischen Behandlung näher gerückt.
Zur Anregung des Stoffwechsels, zur Kräftigung und
Erhöhung der Widerstandsfähigkeit sind ferner geeignet
kalte Abreibungen, Duschen, Körperbewegung und Atem¬
gymnastik. Selbstverständlich müssen diese wichtigen Heil¬
faktoren einer steten genauen Kontrolle und Individualisierung
unterliegen. Was den Beginn einer Kur betrifft, so muß
ein Kranker so früh als möglich fortgeschickt, d. h. seinen
häuslichen Verhältnissen entzogen und in geeignete klima¬
tische und Ernährungsverhältnisse versetzt werden, und es
ist daher die wichtigste Aufgabe des Arztes, die Krankheit
so frühzeitig als möglich zu erkennen. In allen Fällen
möge der Kranke nie vergessen, daß die Behandlung der
Tuberkulose eine zielbewußte und konsequent durchge¬
führte Kur erfordert und in der Zeit nicht nach Wochen,
sondern nach Monaten, sogar Jahren zu bemessen ist, aber
dann auch bessere Aussichten auf Erfolg bietet, wie kaum
eine andere chronische Krankheit. Denn die Tuberkulose
ist eine heilbare Krankheit. Ob man einen Kranken nach
einem offenen Kurort oder in eine geschlossene Anstalt
(Sanatorium) schickt, hängt vom einzelnen Falle ab. Die
geschlossene Anstalt bietet den Vorzug strenger Disziplin,
sorgsamer ärztlicher Ueberwachung und einer in der Zeit
genau geregelten, zweckmäßigen Nahrungs- und Luftzufuhr.
Sie ist daher dringend zu empfehlen allen denjenigen
Kranken, die keine genügende Garantie bieten, die klimatisch¬
diätetische Methode mit der nötigen Ausdauer und Strenge
durchzuführen. Jedoch kann auch diese Methode in einem
offenen Kurorte gebraucht werden, nur müßte diese mit-
derselben Gewissenhaftigkeit und Dauer durchgeführt werden
wie in einer Anstalt.
So haben wir gesehen, daß die Tuberkulose bei ent¬
sprechendem Verhalten so gut heilen kann, wie jede andere
Erkrankung, vorausgesetzt, daß sie noch nicht zu weit vor¬
geschritten ist. Daher ist auch die Angst der meisten
Menschen von ihrer Unheilbarkeit meistens unbegründet.
Ist der Krankheitsverlauf der menschlichen Tuberkulose über¬
haupt ein langsamer, so kann eine Neubildung von Binde¬
gewebe den tuberkulösen Prozeß begrenzen, abkapseln und
durch Schwielenbildung zum Stillstand resp. zur Heilung
bringen, was die pathologische Anatomie tagtäglich beweist.
Werden doch an den meisten Menschen, die nicht an
Tuberkulose gestorben sind und während ihres Lebens
entweder gar keine oder nur geringe Gesundheitsstörungen
gezeigt haben, Narben und nur verheilte tuberkulöse Herde
in ihrer Lunge konstatiert.
Gynoval bei Herzbeschwerden.
Von Dr. Silbermann, Kudowa.
Das allgemeine Bestreben an Stelle der Pflanzeninfuse
und spirituösen Extrakte die eigentlich wirksamen Bestand¬
teile der Pflanze zu isolieren und in der Medizin zu ver¬
wenden, um eine reinere, von Nebenwirkungen möglichst
freie gleichmässigere Wirkung zu erzielen, hat auch eine
ganze Anzahl von Baldrianpräparaten gezeitigt, die, im
Prinzip in ihrer Wirkung kaum verschieden, doch durch
irgendwelche Nebenwirkungen dem Patienten nicht gleich¬
mäßig angenehm sind. Während der eine, wie beim Validol
den Mentholgeschmack nicht vertragen kann oder ihn
wenigstens unangenehm empfindet, verursacht bei einem
anderen ein anderes Präparat wiederum Magenbeschwerden,
mit zum Teil sehr lästigem, langandauerndem üblem Auf¬
stoßen und erzeugt dadurch auch eine Abneigung gegen
das Mittel. Und wer erfahren hat, welch großen Einfluß beim
nervösen Patienten die Sympathie für ein Mittel oder Antipathie
dagegen - und diese ist durch unangenehmen Geschmack
oder dergleichen leicht auszulösen — wird in seiner Praxis
die weitestgehende Rücksicht darauf nehmen müssen. Ich
habe es daher freudig begrüßt, als ich in dem Gynoval ein
Mittel kennen lernte, das nur in ganz vereinzelten Fällen
und auch da nur bei sehr empfindlichen Patienten, ein
kurzdauerndes Aufstoßen verursachte. Es hat daher den
Anschein, als ob der Baldrian in der Form, wie es im Gynoval
enthalten ist, den Magen weniger belästigt, als andere
Präparate. Ich habe das Gynoval in einer großen Anzahl
der verschiedensten Fälle angewandt, will mich jedoch hier
nur auf die Fälle nervöser oder organischer Herzerkrankungen
beschränken, in denen symptomatisch das Präparat gegeben
wurde.
Die hauptsächlichste Indication für die Anwendung von
Gynoval gaben Herzklopfen und Angstzustände ab, bei
denen eigentlich in fast allen Fällen eine gute Wirkung
erzielt wurde. Vor allem wurde in den Fällen wo diese
Angstzustände des Nachts eintraten, durch Gebrauch zweier
Pillen vor dem Schlafengehen ein ruhiger, guter Schlaf
erreicht. Aber auch in den Fällen von erhöhter Pulsfrequenz
auf nervöser Basis konnte ein günstiger Einfluß beobachtet
werden, wenn auch derselbe sich nicht immer sofort, sondern
erst nach mehrmaligem Gebrauch einstellte. Im übrigen aber
ist zu berücksichtigen, daß in allen diesen Fällen, in denen
es sich ja nur um ambulatorische Behandlung handelte,
eine genaue Beobachtung nicht möglich war und ich zum
Teil auf die Angaben der Patienten selbst angewiesen war,
die, wie ja bekannt, nicht immer ganz zuverlässig sind,
zumal bei dem weiblichen Teil der nervösen Patienten, der
nur selten völliges Wohlbefinden oder Besserung zugibt.
Andererseits aber ist auch nicht außer acht zu lassen, daß
die Patienten gleichzeitig ihre Badekur machten, und daß
infolgedessen die Grenzen zwischen der Wirksamkeit des
einen und anderen Faktors ein wenig verwischt sind.
Zweifellos aber ist mir nach den Beobachtungen, die ich
direkt machen konnte, daß das Mittel in fast allen Fällen
von guter Wirkung war und zum Mindesten allen anderen
Baldrianpräparaten an Güte und Wirksamkeit gleichsteht;
vielleicht sogar könnte man es wegen der geringeren
Belästigung des Magens über dieselben stellen. Ein Versuch,
auch diese geringen Störungen zu beseitigen durch Be¬
nutzung der erst im Darm löslichen Geloduratkapseln,
erscheint mir nicht sehr glücklich. Denn da es bei der
zumeist symptomatischen Anwendung des Baldrian darauf
ankommt, eine möglichst rasche Wirkung zu erzielen,
können wir das Präparat nicht in Kapseln geben, die erst
im Darm gelöst werden und dadurch eine Verzögerung
des Eintritts der Wirkung um drei bis vier Stunden her¬
beiführen.
Man möge die geringe Wirkung des Gynovals auf
den Magen hoch anschlagen oder nicht, in jedem Falle
wird das Mittel da ^u empfehlen sein, wo aus irgend
welchem Grunde ein anderes Mittel nicht vertragen wird.
REFERATE.
Neurologie und Psychiatrie.
Referent: Irrenarzt Dr. Wern. H. Becker, Weilmünster.
1. Hysterie und moderne Psychoanalyse. Von Hofrat Dr.
Friedländer, Hohe Mark i. T. Psychiatrisch-Neurologisce Wochen¬
schrift, Nr. 45.
2. Beitrag zur Lehre vom Querulantenwahn. Von Dr.
Löwy, Marienbad. Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie,
Erstes Februarheft, 1910.
230
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 15
3. Einige Versuche mit Eglatol in der Psychiatrie. Von
Dr. Wern. H. Becker, Weilmünster. Moderne Medizin.
4. Ueber die häufigsten Berührungspunkte zwischen Neu¬
rologie und Gynäkologie. Von Dr. v. Holst. St. Petersburger
Medizinische Wochenschrift, Nr. 1, 1910.
5. Moralischer Schwachsinn im Kindesalter. Von Prof.
Dr. Stoelzner, Halle a. S.
6. Ueber krankhafte moralische Abartung im Kindesalter.
Von Prof. Dr. Anton, Halle a. S.
1. Der über dieses Thema beim vorjährigen internationalen
mediz. Kongreß in Budapest als Redner aufgetretene Verfasser pole¬
misiert in wohltuender Weise gegen die Kampfesart, mit der gegen¬
wärtig für und wider die Theorien Frends gestritten wird. Wenn
Frend selber seine Gegner „einsichtslose Uebelwollende“ nannte, sein
Anhänger Groß alle, die ohne Frend’sche Methode behandeln, für
Ignoranten erklärte, Sadger die Prüderie der Aerzte schuld sein läßt
an der nötigen Weiterverbreitung derselben, Hellpach die Frend’sche
Hypothesen, „bis zum Ueberdruß“ hat lesen müssen und die „Sieges¬
gewißheit“ der Frend’schen Anhänger ernstlich zurückweist, Förster
die Behauptungen Frends schlecht fundiert und der Publikation unwert
findet, so seien an Stelle der Belehrung und Beweisführung Tempa-
rament und Dogma getreten.
2. An die Veröffentlichung zweier Fälle von Querulanten wird
eine längere Kritik geknüpft der Frage, welchem Krankheitsbild der
Querulantenwahn am besten zugerechnet werde, er, der früher eine
Unterabteilung der» Paranoia war und diesen Platz fest zu behaupten
schien, bis Wernicke denselben als „zirkumscripte Psychose“ bezeichnete.
Heilbronner und Verfasser reihten dann einen Teil der Querulanten
den Neurosen an; Blenler meinte, je nach der Individualität würde der
Querulant hysterisch, paranoisch oder funktionell psychotisch; Spech
hingegen ordnete 1908 den Querulantenwahn dem manisch-degressiven
Irresein ein. Indem denn auch noch Bonhöffer, Mendel und Wil-
manns bzgl. ihrer Stellungnahme zu der Frage zitiert werden, entwickelt
Verfasser seine Ansicht darüber, wohin seine 2 Querulanten zu rechnen
sind. Er zählt sie zu den Neurosen, deren Ursache in dem „uner¬
ledigten Affekt“ liegt.
3. Verfasser hat 20 gr Eglatol, d. i. „entgiftetes Chloralhydrat“, bei
10 Patientinnen der Landesirrenaustalt Weilmünster versuchsweise an¬
gewandt. Es handelte sich um lauter abgelaufene Fälle, bei denen
nur leichte, vereinzelt auch mittelschwere Erregungszustände zu be¬
kämpfen waren. Soweit die wenigen Versuche Rückschlüsse gestatten,
glaubt Verfasser in der Kapselform und in dem teureren Preis einen
Nachteil, in dem Ausbleiben schädlicher Nebenwirkung und in der be¬
deutenden Höhe der wirklich erst toxischen Dosis einen Vorteil des
neuen von Horowitz, Berlin hergestellten Mittels zu sehen. Ueber
etwaige Gewöhnung und daraus resultierender verminderter Wirksam¬
keit konnten bei dem relativ geringen Quantum keine Erfahrungen
gesammelt werden. 1,5 gr Eglatol scheinen 2 gr Chloralhydrat und
4 gr Paraldehyd etwa an hypnotischer Wirkung gleichzukommen.
(Autoreferat.)
4. Das beiden Disziplinen angehörende Grenzgebiet wird in
einem auf dem baltischen Aerztekongreß zu Dorpat gehaltenen Vortrag
eingehend beleuchtet. Menstruationsbeschwerden allerlei Art, oft ver¬
bunden mit migräneartigem Kopfschmerz, aber ohne genügende nach¬
weisbare gynäkologisch-spezialistisch festzustellende anatomische Ver¬
änderungen sind zunächst therapeutische Aufgaben des Nervenarztes,
der diese Molimina als ein zeitweises Versagen des sonst noch zu den
gesunden zu rechnenden Nervensystems anzusehen hat. Die Amenor¬
rhoe stellt häufig ein Frühsymptom einer beginnenden Dementia prae-
racox Kaepelins dar. Eine ähnliche Rolle kann die Menorrhagie spielen.
Das Klimakterium bildet wieder eine gefährliche Klippe für wider¬
standsunfähige Konstitutionen. Bildet sich einmal eine wirkliche Jnvo-
lutionsmelancholie Kraepelins heraus, so ist nur in 32% der Fälle
Genesung zu erwarten. Nervöse Begleiterscheinungen von Schwanger¬
schaft und Wochenbett werden erst dann in Behandlung des Nerven¬
arztes kommen, wenn eine echte Psychose im Spiele ist, sonst mit
Recht dem Frauenarzt Vorbehalten bleiben. Daß sexuelle Abstinenz
des Nervensystem der Frauen schädige, gehört ins Reich der Fabel.
Eher schon kann das frustane sexuelle Erregung, wenn sie sich lange
und oft wiederholt. Gynäkologische Leiden, vor allem die Retroflexio-
uterie, haben längst nicht die Bedeutung für das Nervensystem, die
man ihr früher zusprach; das gilt auch für die kleincystische Degene¬
ration der Ovarien. Die Charkotsche Erklärung der Ovarie ist eine irr¬
tümliche. Wirklich vorhandene gynäkologische Leiden gehören natür¬
lich in Behandlung des Frauenarztes, nicht des Nervenarztes.
5. Moralischer Schwachsinn ist ein relativer Begriff, er ist ver¬
schieden je nach dem Moralbegriff derZeit, nach Volksrasse, nach
Bildungsstufe und nach — Lebensalter; im Kindesalter mit kleinerem
Maßstabe zu messen, als beim Erwachsenen. Die Debilität kann auf
vorwiegend intellektuellen, vorwiegend ästhetischen oder vorwiegend
moralischem Gebiete vorhanden sein. Moralische Defekte machen sich
am unangenehmsten sozial bemerkbar und werden am verhängnis¬
vollsten für die Debilen. Verfasser hält im Kindesalter folgende Symp¬
tome für besonders charakteristisch: „Die Anhänglichkeit an Eltern
und Bekannte ist auffallend gering. Auch haben solche Kinder keine
Freunde, sondern höchstens Kumpane, die ihnen bei der Begehung
ihrer Streiche behilflich sind. Das gesunde Mitgefühl mit anderen
Menschen pflegt nicht nur zu fehlen, es ist oft geradezu in sein Gegenteil
verkehrt.“. Die Prognose ist in allen deutlich ausgesprochenen
Fällen trübe. Therapie: Dressur an Stelle der Erziehung und keine
Hineinpressung in einen „standesgemäßen“ Beruf, sondern Erlernung
eines Handwerks, zu dem die geistigen Fähigkeiten ausreichen.
Ferner müßte die schulärztliche Beobachtung den moralischen Schwach¬
sinn möglichst frühzeitig feststellen und aktenmäßig fixieren. Bei
schwerer oder wiederholter Kollision mit dem Strafgesetzbuch wäre
das zweckmäßigste, dauernde Unterbringung in Arbeitskolonien. De¬
portation, wie sie Weygandt kürzlich vorgeschlagen, verdient eine
Würdigung seitens der maßgebenden Kreise.
6. Gleichzeitig mit dem eben besprochenen Vortrag hat auch
Anton in der Vereinigung Sächsisch-Thüringischer Kinderärzte in
Leipzig am 28. November 1909 dieses Thema erörtert.
A. betont zunächst, daß Tiefstand der Moral und Verödung der
entsprechenden Gefühle nicht mit entsprechende i Intelligenzstörungen
einhergehen muß. Die „moralische Abartung“ kommt, wenigstens
phasenweise, vor: 1. bei den leichteren Formen der Manie, 2. bei der
seroilen Charakteränderung. Aehnliche Phasen finden sich manchmal
„als erstes Wetterleuchten der Paralyse“, bei Alkoholismus, bei Schädel¬
erschütterungen und bei der Epilepsie. Ebenso besteht manchmal eine
moralische Abartung seit früher Jugend. Schlechte Erziehung und
verderbende Eindrücke, Abstammung von trunkfälligen oder epi¬
leptischen Eltern, Inzucht oder allzu oft repartierte Rassenkreuzung in der
Ahnentafel sind häufig ätiologisch zu beschuldigen. Manchmal stellt
sich das Leiden auch erst zur .Pubertätszeit ein. Symptome: Abnormer
Mangel an höheren Gefühlskategorien, Unvermögen zu menschlicher
Einfühlung, krankhafte Impulsivität mit ungehemmtem Triebleben, nega-
tivistische Willensrichtung und andererseits gesteigerte Suggestibilität.
Vortragender erinnerte hierbei an die Aehnlichkeit mit dem katatonischen
Symptomenkomplex.
Der Zustand ist ein andauernder, mitunter lebenslänglicher.
Lungenkrankheiten.
Referent: Prof. Dr. A. Moeller, Spezialarzt für Lungenleiden,
Berlin.
1. Ueber den diagnostischen Wert der Seroreaktion der
Tuberkulose, mit besonderer Rücksicht auf die Kobrareaktion.
Von Dr. Pekanovich. Deutsche med. Wochenschrift 1910, Nr. 4.
2. Ein Beitrag zur Behandlung der Tuberkulose der Lungen.
Von Hofrat Dr. Stepp-Nürnberg. Fortschritte der Medizin 1910, Nr. 6.
3. Mitteilungen über die Behandlung der Lungentuberkulose
mit I. K. Spengler. Von Dr. Roth-Meiningen. Münchener med.
Wochenschrift 1910, Nr. 6.
4. Bemerkungen zur spezifischen Therapie der Lungen¬
tuberkulose. Von Dr. G. Richter in Bonn a. Rh. Münchener med.
Wochenschrift 1910, Nr. 7.
5. Zur Frage der Entstehung des Lungenemphysems. Von
Dr. O. Bruns-Marburg. Berliner klinische Wochenschrift 1910, Nr. 6.
6. Ueber die Bedeutung der Rindertuberkulose für die
Entstehung der Tuberkulose im Kindesalter. Von Privatdozent
Dr. M. Hohlfeld. Münchener med. Wochenschrift 1910, Nr. 5.
7. Der Einfluß von Notjahren auf die Tuberkulosefrequenz
Von Dr. Linden. Die Umschau 1910, Nr. 8.
8. Prinzipien in der Behandlung der Skrophulose am
Strande. Von Dr. Koloman-Szegö. Wiener kl. W. 1910.
9. Miliartuberkulose im Anschluß am Abort. Von Dr. Weil.
Münchener med. Wochenschrift 1910, Nr. 7.
10. Die Infektionsgefahr unter Ehegatten bei Lungen¬
schwindsucht. Blätter für Vertrauensärzte der Lebensversicherung 1910,
Heft 1.
11. Beitrag zur Frage der Beeinflussung des elastischen
Gewebes durch Tuberkulose. Von Privatdozent Dr. Oppenheim.
Wiener klinische Wochenschrift 1910, Nr. 6,
Nr. 15
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
231
12. Ein Fall von Lungenerkrankung im Anschluß an ein
Trauma. Von Dr. Friedrich. Oesterreichische Aerzte - Zeitung
1910, Nr. 3.
13. Zur Frage der Tuberkulose-Infektion des Menschen
durch Perlsuchtbazillen. Von Dr. B. Möllers. Deutsche medizinische
Wochenschrift 1910, Nr. 5.
14. Expiratorisches Keuchen als Symptom der Lungen-
driisentuberkulose im ersten Lebensjahre. Von Dr. Schick.
Wiener klinische Wochenschrift 1910, Nr. 5.
15. Die Sammelforschung des Kaiserlichen Gesundheits¬
amtes über Milchgenuß und Tuberkulose. Von H. Kossel in
Gießen. Deutsche medizinische Wochenschrift 1910, Nr. 8.
L Verfasser schildert zunächst die verschiedenen Theorien und
Methoden des Antinachweises von Tuberkulin. Sodann geht er auf
seine eigenen Untersuchungen ein. Er hat von 62 Tuberkulösen nur
bei 54 ein positives Resultat erhalten (in 87%); der größte Teil der
fehlenden 8 Fälle fällt in das erste Stadium. Diese Reaktion hätte
gerade für die Erkennung des Anfangstadiums der Tuberkulose großen
Wert, zu welcher Zeit noch keine deutlichen physikalischen Symptome
nachweisbar sind. Verfasser fand von den zum 3. Stadium zählenden
Fällen nur bei 60% eine positive Reaktion. — Sodann fand der Verfasser
von 38 sicher nicht tuberkulösen Menschen 10 mal (27,8%) eine
positive Reaktion.
2. Stepp stellt eine 30—40% Mentholsalbe her, welche er einreiben
läßt und hat damit angeblich — erbeschreibt 18 Fälle — gute Resultate
bei der Behandlung von Lungentuberkulose erzielt.
3. Roth hält eine Beeinflussung der Krankheitsprozesse durch I. K.
für ausgeschlossen. Betreffs leichterer Fälle kommt Verfasser zu dem
Resultat, daß eine geringe spezifische Wirkung auf die Krankheits¬
prozesse zwar nicht abzusprechen ist, doch konnte er bei allen seinen
Fällen, die er mit I. K. behandelte, keine Heilerfolge erzielen.
4. Richter empfiehlt die ambulante Behandlung der Tuberkulösen
mit Tuberkulin und wendet sich gegen die Aerzte, welche ihren
Patienten abraten, sich spezifisch behandeln zu lassen.
5. Verfasser teilt seine Ansicht über die Entstehung des Lungen¬
emphysems mit. (Die Arbeit muß im Text gelesen werden, da sie
nicht in Kürze sich referieren läßt.)
6. Verfasser führt zunächst die verschiedenen Ansichten über
Artgleichheit resp. Artungleichheit der Menschen- und Rindertuberkulose
aus. Er sagt, man solle, wolle man die Tuberkulose im Kindesalter
bekämpfen, auch gegen die Perlsucht ankämpfen; freilich in erster Linie
müsse sich der Kampf gegen die Menschentuberkulose richten; denn
der Mensch sei auf diesem Gebiete der größte Feind.
7. Linden weist statistisch auf Grund von Beobachtungen, welche
in Finnland angestellt wurden, nach, daß in den Heimstätten der
Armen mit ihren dunklen Wohnungen die Wirkungen der Notjahre am
besten zu beobachten waren; ungenügende, ungesunde Nahrung neben
sanitären und sozialen Mißverhältnissen bewirkten eine Steigerung der
Tuberkulosefrequenz. Verfasser schließt aus seinen Beobachtungen,
daß die Arbeit zur Bekämpfung der Tuberkulose schon im Kindesalter
zu beginnen hat; Schutz der Proletarierkinder vor der Infektion, Heilung
der Tuberkulose, solange sie noch lokalisiert in den Drüsen sitzt.
8. Verfasser schildert die Behandlung der skrophulösen Kinder
am Strande und zwar liegt der Methode zugrunde die Behandlung mit
Tuberkulin bei Vermeidung lokaler oder allgemeiner Reaktion. Die
Anfangsdosis wird auf Tausendstel eines Milligrammes festgesetzt |
und die Dosis jeden dritten Tag erhöht oder nach Bedarf wiederholt.
Er legt bei Erethisehen größeres Gewicht auf eine langsame und
ausgedehnte Behandlung durch kleine Dosen wie auf einen raschen
Anstieg der Dosen.
9. Verfasser beschreibt einige Fälle, in denen die Tuberkulose des
Uterus zunächst die Ursache des Abortes wurde und dann nach
Eröffnung der Blutbahnen des Uterus auch die Quelle bildete, von der
die Ueberschwemmung des ganzen Körpers, speziell auch der Lungen
ausging; ebenso wie ja im Anschluß an eine Operation an einem ;
tuberkulösen Organ nicht selten eine Miliartuberkulose, ebenfalls durch j
eine Inoculation in die Gefäßbahn, stattfindet. Der Infektionsmodus ist
derselbe wie er beim Eindringen von Streptococcen, Staphylococcen und i
sonstigen pathogenen Bakterien in die Blutbahn stattfindet, sodaß man
in obigen Fällen eine puerperale Tuberkulosesepsis annehmen könnte. !
10. Ebenso wie Gollmer in Gotha hat auch Rüge-Berlin anläßlich '
einer Untersuchung der einschlägigen Erfahrungen der Lebens¬
versicherungsgesellschaft „Nordstern“ gefunden, daß die Infektionsgefahr
in der Ehe betreffs Uebertragung von einem Ehegatten auf dem andern
sehr minimal ist, daß bei solchem Nachweis einer Uebertragung es
sich vielmehr ausnahmslos um Personen handelte, welche schon von
Hause aus nach Heredität, Status oder Anamnese der Prädisposition
zur Tuberkulose verdächtig waren und somit die gegen die Infektion
erforderliche Widerstandskraft vermissen ließen.
11. Verfasser stellte Experimente an und kam zu folgendem
Resultate betreffs der Beeinflussung des elastischen Gewebes durch
Tuberculosie: Eine spezifische, dem Tuberkelbazillus und dessen
Toxinen ausschließlich zukommende Wirkung auf das elastische Gewebe
konnte von uns nicht nachgewiesen werden; ohne Entwicklung von
Zellinfiltraten war eine Schädigung der Elastika nie zu beobachten.
Dabei war die Art der Infiltrate ohne Bela g; Ansammlung von Rund-,
Epitheloid- und proliferierenden Bindegewebszellen veranlaßten die Un¬
möglichkeit, die elastischen Fasern tinktoriell darzustellen. Wir können
daher die Tuberkulose nicht als Ursache für das Fehlen der Elastika
bei den atrophisierenden Dermatitiden ansehen, speziell bei der Der¬
matitis atrophicans maculosa, wo die elastischen Fasern unabhängig
vom Auftreten der Infiltrate zugrunde gehen.
12. Friedrich schildert einen Fall, wo ein aus gesunder Familie
stammendes, selbst gesundes Individuum, welches bis zum Momente des
Unfalles ununterbrochen arbeitete, einen solchen Unfall erlitt, welcher,
ohne die den Brustkorb bildenden Knochen zu verletzen, wahrscheinlich
ein Platzen der Lunge und fortsetzungsweise eine trockene Brustfell¬
entzündung und eine Entzündung des mittleren Lungenlappens verur¬
sachte; einige Monate später trat als Folgeerscheinung des entzündlichen
Prozesses in beiden Lungenlappen eine Schrumpfung und nach dieser
eine Atelektesie ein, welche ihrerseits wieder das Einsinken des
oberen Teiles des Brustkorbes und infolge Verringerung der Atmungsober¬
fläche eine vikaiierende Lungenektesie nach sich zog.
Schlechte Wohnungs- und Ernährungsverhältnisse verursachten,
daß sich zu diesen Veränderungen später im Oberlappen der ander-
seittgen, bisher gesunden Lunge Tuberkulose gesellte.
13. Möllers beschreibt einen Fall von Lungentuberkulose, wobei man
eine Infektion mit Perlsichtbazillen vermutet hatte, die von ihm an-
gestellte Kontrolluntersuchung dagegen den Tuberkelbazillus hominis als
Ursache der Erkrankung eruierte.
14. Verfasser schildert, wie ihm das Symptom des expiratorischen
Keuchens als diagnostisch brauchbares und relativ häufiges Symptom
der Lungendrüsentuberkulose des ersten Lebensjahres aufgefallen sei.
Das Symptom ist charakterisiert durch ein in Ruhe des Kindes meist
weithin hörbares Keuchen in der ganzen Zeit des Exspiriums. Es klingt
am ähnlichsten dem Geräusch bei Asthma bronchiale und kapillärer
Bronchitis. Das Inspirium ist völlig frei. Die Frequenz der Respi¬
ration ist nicht verändert. Die Ursache ist die Kompression eines
Hauptbronchus — meist des rechten — durch eine vergrößerte und
verkäste Lyniphdrüse an der Bifurkationsstelle.
15. Verfasser führt zunächst die vom Kaiserlichen Gesundheitsamt
gefundene Statistik aus und kommt bei seinen Betrachtungen zu dem
gleichen Ergebnis wie Weber: „Die Gefahr, welche dem Menschen
durch den Genuß von Milch und Milchprodukten eutertuberkuloser Kühe
droht, ist im Vergleiche zu der Gefahr, welche der mit offener Lungen¬
tuberkulose behaftete Mensch für seine Nebenmenschen bildet, nur
sehr gering.“
Bakteriolgie und Serologie.
Referent: Privatdozent Dr. E. Küster, Freiburg i. B.
1. Mitteilung über einen Fall von Psychose nach Fleisch¬
vergiftung. Von M. Raether. Deutsche Med. Woch. 1910. Nr. 8.
2. Ueber eine besondere Wirkung der Extrakte tuberkulöser
Organe des Meerschweinchens. Von R. Kraus und R. Volk.
Wiener Klin. Woch. 1910. S. 289.
3. Zur Frage des Zusammenhanges zwischen Wassermann¬
scher Reaktion und Quecksilberbehandlung. Von E. Epstein
und E. Pribram. Wiener Klin. Woch. 1910. S. 290.
4. Ueber eine Typhusepidemie mit initialem hämorrhagi¬
schen Exanthem. Von Hans Curschmann. Münch. Med. Woch.
1910. Nr. 8.
5. Ueber den bakteriologischen Befund bei einem Fall von
Käsevergiftung. Von H. Dold. Deutsche Med. Woch. 1910. Nr. 8.
1. Bei einem imbecillen Menschen, bei dem sich auch einige
Degenerationserscheinungen vorfanden, trat im Anschluß an eine Fleisch¬
vergiftung stuporähnliche Benommenheit ein, die 4 Tage anhielt und
sich dann in weiteren 4 Tagen unter auffallender Somnolenz voll¬
ständig löste, während nervöse Erscheinungen noch etwa 14 Tage an¬
hielten. Bemerkenswert ist noch eine persistierende fast komplette
Amnesie, die sich über etwa 10 Tage erstreckte. Der Autor rechnet
das ganze Krankheitsbild den „Kraepelinschen Vergiftungs-Delirien“ zu.
2. Die Autoren konnten feststellen, daß die Extrakte tuberkulöser
Organe von Meerschweinchen in physiologischer Kochsalzlösung intra¬
venös gesunden Meerschweinchen und Kaninchen infiziert, giftig wirkten.
232
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 15
Die geimpften Tiere gehen entweder sofort nach der Injektion zu
Grunde oder sie verfallen alsbald in einen komaähnlichen Zustand, in
dem sie nach einer halben Stunde verenden. Sektionsbefund negativ.
Gleiche und größere Mengen von Extrakten von Organen derselben
tub. Tiere ohne mikroskopisch nachweisbare tuberkulöse Veränderungen
sowie auch Organextrakte gesunder Tiere sind wirkungslos.
3. Die Autoren konnten feststellen, daß ein Zusatz von Sublimat
von 0,025 mg. zu einem ccm Luetikerserum in vitro imstande ist, die
Komplementablenkung des Serums (die positive Wassermannsche
Reaktion) aufzuheben, Tierversuche und Untersuchungen am Menschen
ergaben weiter, daß die Serumreaktion bei Lues während und un¬
mittelbar nach einer Quecksilberkur durch den Quecksilbergehalt des
Serums beeinfußt wird. Als Erklärung bieten sich folgende Möglich¬
keiten: entweder der Sublimat- oder Quecksilbergehalt des Serums ist
zwar infolge der Gegenwart eines Schutzkolloides nicht imstande Blut¬
körperchen zu lösen, genügt aber, um das hämolysierende System zu
verstärken oder er verändert jene durch die Krankheit erworbene physi¬
kalische Eigenschaft des Luetikerserums, durch welche die Reaktion
bedingt wird.
4. Nach einleitenden Bemerkungen über die Seltenheit hämor¬
rhagischer Typhusexantheme, die auch mit Hautblutungen, Hämor-
rhagien des Zahnfleisches, der Nase, des Darmes, der Nieren und der
serösen Häute einhergehen können, beschreibt C. eine von ihm in
Mainz beobachtete Epidemie, bei der (in mittelschweren Fällen) Petechien
als Initialexanthem auftraten. Die Fälle traten bei einer in kümmerlichen
Verhältnissen lebenden Familie auf und wurden auf den Genuß von
verdorbener Zwetschgenlatwerge zurückgeführt. In sieben Fällen der
gleichen Familie war der Beginn akut, stürmisch, bei den meisten mit
Erbrechen, in zwei Fällen mit heftigem Schüttelfrost einsetzend. Schon
am zweiten bis dritten Krankheitstag traten auf Brust und Schultern,
zweimal auch am Bauch, zahlreiche bläulichrote hanfkorn- bis linsen¬
große Flecken auf; das Fieber stieg sehr rasch, oft an einem Tag bis
zur maximalen Höhe, hatte aber dann einen typischen Verlauf; nur
zwei Patienten litten an Durchfall; Agglutinationsproben nach Ficker
in fünf Fällen positiv. Der Autor glaubt, daß auf Grund dieser
Reaktion und des in zwei Fällen gelungenen Nachweises von Typhus¬
bazillen im Stuhl die Differentialdiagnose Typhus-Fleckfieber endgültig
zu Gunsten des ersteren entschieden sei.
5. In einer Familie von 5 gesunden Personen trat 6 Stunden nach
dem Abendessen (amerikanischer Hartkäse) Uebelkeit, Erbrechen, Leib¬
schmerzen und Diarrhoe auf; Herz- und Sehstörungen waren nicht vor¬
handen. Die chemische Untersuchung des Käses auf metallische Gifte,
auf toxische Proteine, sowie auf Tyrotoxicon fiel negativ aus. Durch
Verfiitterung des Käses an Laboratoriumstieren konnte keine kiank-
machende Wirkung konstatiert werden. Kulturell ließen sich in dem
Käse massenhaft Bakterien mit allen Merkmalen des Bakterium acidi
lactici (Hueppe) = Milchsäurebazillen, nachweisen. Das Bakterium ent¬
faltet bei der Impfung keine pathogene Wirkung, doch bewirkt Ver¬
bitterung von Bouillonkulturen bei Kaninchen Diarrhoen. Bei dem
Fehlen jeder anderen Erklärung müssen durch das massenhafte Vor¬
kommen dieses Bakteriums die Krankheitserscheinungen verursacht ge¬
wesen sein.
Nahrungs- und Genußmittel.
Alkohol beim Diabetes mellitus?
Welche Biere darf der Diabetiker trinken? Ist ihm Alkohol überhaupt zuträglich?
Von Prof. Dr. Axel Winckler, Kgl. dirig. Brunnenarzt am Bade Nenndorf.
Diese Fragen erörtert Dr. med. R. Förster, Oberassistent der Vierteljahrsrundschau 1910, No. 1). Der Autor hat alles zusammen¬
ernährungsphysiologischen Abteilung des Instituts für Gährungsgewerbe getragen, was zu Gunsten alkoholischer Getränke beim Diabetes von
der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin, in einer verschiedenen Klinikern gesagt worden ist und stellt folgende Tabelle
Abhandlung:
So
„Alkohol in der Therapie des Diabetes“ (Aerztliche ; auf:
A
Erlaubt:
Verboten:
ov v. Noorden
1U
i
3
Benedict und
Török
Möglichst kohlehydratfreie Weine % 1 Flasche, bei vollkommenem Ausschluß der Kohlehydrate
eine um %—% größere Menge neben 1—2 Gläschen Cognac, Kirschwasser und dergl. Ev. für
20 g Brot ca. 0,3 1 Lagerbier.
40 g Alkohol, entsprechend ‘/ 2 Liter Rheinwein in den heikelsten Fällen. Die doppelte Menge bei
schwierigen Entziehungskuren; anstelle des Weines können zuckerfreie oder -arme Champagner¬
sorten, extraktarme helle Biere oder Rum in Tee verabreicht werden.
Biere bei strenger Diät.
Naunyn
Bei strenger Fleischdiät Cognac bis 100 g und Branntweine, da diese unter 1 % Zucker enthalten,
speziell für Diabetiker fabrizierte zuckerfreie Champagner und gewisse am Bodensee vorkommende
Weine, welche nicht wie die meisten anderen Weinsorten bis 1 % Zucker und ebenso zucker¬
ergebende Substanzen enthalten, sondern davon völlig frei sind.
Südweine (da bis 11 %
Zuckergehalt), Cham¬
pagner (bis 12% Zucker¬
gehalt).
Seegen
Bordeauxweine, Rhein- und Mosel-, österreichisch-ungarische Tischweine, alle nicht süssen und
nicht übermäßig alkoholreichen Weine. In sehr mäßiger Menge auch Cognac.
Champagner, Obst- und
Fruchtweine, Likör,
Most und süße Biere.
Pavy *)
Cantany *)
Trockener Sherry, Bordeaux, Branntweine und sonstige nicht versüßte Spirituosen, spärlich auch
Burton Ale und nur wenig Portwein.
Wasser oder Selterswasser mit 10—30% rectifiziertem Alkohol mit kleinen aromatischen Zusätzen
von Fenchel, Zimmt- oder Pfeffermünzwasser. In ganz leichten Fällen ein wenig Bordeaux, alte
Rotweine erst, wenn der Urin drei Monate zuckerfrei ist.
Ale, Porter und Biere, alle
süßen Weine und Liköre.
Dickensen *)
Alle ungesüßten Spirituosen, Cognac, Whisky und ungesüßter Wacholderbranntwein (Gin), Rum,
roter und weißer Burgunder (Chablis, Graves), Mosel, sehr trockner Sherry. Bedingt Bitterbier.
Alle übrigen Biere,
Schaumweine, Most, alle
süßen Weine, Portwein,
Madeira und Liköre,
von Mering
40—70 g Alkohol in Form von leichten Weinen (bis zu 1 Liter), Cognac, Aira: usw. Bier in
Fällen von sehr gelindem Verlaufe, dann unter Anrechnung der in 1 Liter Bier enthaltenen 40 g
Kohlehydrate gegen 70 g Brot.
Hirschfeld
In leichten und mittelschweren Fällen 200—400 ccm Rotwein, in schwereren zeitweise 200 g guter
Kornbranntwein von 30—35% Alkohol in 24 Stunden. In besonders hilfsbedürftigen, Fällen eher
in konzentrierter Form und nicht regelmäßig, sondern in Abständen von mehreren Tagen.
*) Nach von Mering.
UNIVERSITY OF MICHIGAN UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nr. 15
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
233
Sodann gibt Dr. Förster Anleitung zur Ersetzung des bei den
Diabetikern am meisten beliebten Pilsener Bieres durch deutsche Biere,
indem er auf die Analysen hinweist, welche Professor Dr. Schönfeld
am Institut für Gährungsgewerbe zu Berlin über Kohlehydrat und
Alkoholgehalt von Bieren angestellt hat. Die Ergebnisse dieser Analysen
sind in folgender Tabelle übersichtlich zusammengestellt:
Kohlehydrate
Alkohol
Grätzer Bier etwa 22—25 g
2-2,4 o/ 0
Lichtenhainer
Berliner Wei߬
bier*) schwä-
chere Sorte „
26—30 „
2,5—2,8 %
stärkere Sorte „
30—35 „
2,8—3,3»/ 0
Helle Biere nach
Pilsener Art „
30—40 „
3,5—4,00/„
Bisweilen aber auch
mehr nämlich „
40-50 „
3,3-3,8 o/„
Echte Pilsener
Biere „
38—43 „
3,7—4,0%
Münchener Biere
u. nach Münch.
Art gebraute
Biere
35—60 „
3-4,0 o/o
Kohlehydrate
Alkohol
Bockbier etwa
60—70 „
4-4,8»/„
Porter „
65—80 „
6,0—7,0 °/o
Für kontraindiziert hält Förster die Alkoholica nur in den seltensten
Fällen von Diabetes, die durch Alkoholismus entstanden seien, außer¬
dem bei Nierenreizung und bei Schwäche des Herzens und der
Gefäße.
Es ist begreiflich, daß Angestellte eines Instituts für Gährungs¬
gewerbe geneigt sind, für den Alkohol zu plädieren; wir dürfen aber
unsere Bedenken nicht unterdrücken: Den von Förster angeführten
Autoritäten stehen andere nicht minder gewichtige Autoritäten gegen¬
über, welche den Diabetikern die Alkoholica im allgemeinen und das
Bier im besondern widerraten. Dujardin-Beaumetz sagt in seinem
Lehrbuche L’Hygiene alimentaire (Paris 1889, p. 183): „Ich glaube —
und das ist auch die Ansicht von Bouchardat — daß man den
Genuß alkoholischer Getränke bei der Zuckerharnruhr möglichst ein¬
schränken muß.“ Williamson, der unzählige Diabetiker behandelt
hat, schreibt im „Practitioner“ (1909, 4.), die Gastwirte seien am
meisten gefährdet, Bier- und Weingenuß seien der Entwicklung
des Diabetes günstig. In dem in Bad Neuenahr verbreiteten, vom
San.-Rat Dr. Teschenmacher verfaßten Diätzettel werden zwar
herbe Weine und reiner Branntwein gestattet, aber keine Biere. Auch
ich würde mich nicht dazu entschließen können, Diabetikern Bier zu
gestatten oder gar zu empfehlen. Nach meinen Erfahrungen verfallen
zahlreiche fette Biertrinker dem Diabetes.
„Odda“.
lieber Verbesserung der Nahrungsausnutzung durch Zugabe
bestimmter Nährstoffe.
Stoff wechselversuche mit Odda MR hat Dr. Karl Born¬
stein in Leipzig, Spezialarzt für Krankheiten der Verdauung und des
Stoffwechsels, einen Aufsatz in der „Medizinischen Klinik“ vom
20. März 1910 veröffentlicht. Bisher war bekannt, daß Odda ein von
v. Mehring erfundenes Kindermehl sei, bestehend aus einer Mischung
von dextrinisiertem Weizen- und Hafermehl, Eidotter und
Kakaobutter. Aus vorliegender Abhandlung erfahren wir, daß die
Sorte MR, für Magenkranke und Rekonvaleszenten bestimmt, noch
etwas „Kakao Prometheus“ beigemischt enthalte.. Bornstein
meint aus zahlreichen sorgfältigen Selbstversuchen, über deren Er¬
gebnisse er ausführlich berichtet, schließen zu dürfen, daß besagtes
Oddapräparat ein gutes Hilfsmittel in der Diättherapie sein müsse. Es
sei leicht einzunehmen, werde fast restlos verdaut, helfe auch die
sonstige Nahrung besser verdauen und wirke so gewissermaßen als
Verdauungspulver. Der Autor gibt an, er habe es mit Nutzen bei
allen möglichen Erkrankungen im Magendarmtraktus, unter anderem
bei Ulcus ventriculi und bei Achylia gastrica angewendet. — Wir hegen
wenig Sympathie für künstliche Nahrungsmittel. Leichtverdauelich
Krankensüppchen aus Weizen- oder Hafermehl mit Eidotter usw.
bereitet jede geschickte Köchin schmackhafter (und billiger). Gegen
die Darreichung halbverdauter Kohlehydrate — dextrinisierten Mehls
— läßt sich ebensoviel einwenden wie gegen die Darreichung halb¬
verdauten — peptonisierten Eiweißes. Wir stimmen Dr. Sternberg
' Mk Digiti:« by
UNIVERSITY OF MICHIGAN
bei, der in seinem Buche über „Kochkunst und ärztliche Kunst“ (Stuttgart,
Verlag von Ferd. Enke, 1907, S. 60) schreibt: „Kein einziges künst¬
liches Nährpräparat ist imstande, den Appetit anzuregen. Kein ein¬
ziges sämtlicher Nährpräparate vermag die Appetitlosigkeit zu beseitigen.
Kein einziges künstliches Nährpräparat besitzt den Wohlgeschmack.
Es gibt nicht ein einziges Nährpräparat, das nicht den Geschmack
der Speisen verderben würde, selbst wenn es schon an sich ganz ge¬
schmacklos wäre“. — Professor Ewald sagt: „Alle die Nutrosen,
Sanosen, und andern osen, ine, oie, one usw. haben eine dreifache
Skala des Geschmacks, nach der sie beurteilt werden: erst kommt
der Erfinder, dem sie stets und unter allen Umständen „vortrefflich“
schmecken, zweitens der Gesunde, der schon zufrieden ist, wenn das
Ding leidlich oder garnicht schmeckt und nicht wie Sand auf der
Zunge liegt, drittens der Kranke, dem bald jedes Nährpräparat wider¬
wärtig ist, sodaß man möglichst viel verschiedene Präparate
zur Hand haben muß“. Von diesem Gesichtspunkt aus kann auch
Odda willkommen geheißen werden.
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Hydrargyrum jodatum pultiforme und Hydrargyrum
bijodatum pultiforme in der Augenheilkunde. Von Oberstabsarzt
Dr. v. Ammon. Münch. Med. W. 1910, Nr. 9.
2. Ueber die Behandlung des Ulcus cruris mit Scharlach¬
rot. Von Dr. Kurt Pein, Berlin. Ther. d. Gegenwart. März 1910.
3. Haben sich in der Rhino-Laryngologie die Ersatzmittel
des Kokain bewährt? Von Medizinalarzt Dr. Max Senator in Berlin.
Münch. Med. Wschr. 1910, Nr. 10.
4. Kurzer Beitrag zur Wirkung des Novaspirins. Von
Dr. Ed. Hartmann. Allg. Wien. med. Zeitg. 1910, Nr. 9.
5. Ueber die Anwendung von Bronchitin-Lüdy während
einer Masernepidemie. Von Dr, Rud. Uhlicz in Schönfeld b.
Karlsbad. Oestreich. Aerztezeitg, 1910, Nr. 5.
6. Bromophor. Von Dr. Linke, Wiederau. Therapeut. Neuheit.
März 1910.
7. Ein Beitrag zur Spirosalwirkung. Von Dr. Walter, Fürth.
Die Heilkunde 1910, Heft 2.
8. Ueber die praktische Verwendung des Sajodins. Von
Dr. O. Kohlbach in Essay. Allg. Wien. med. Zeitg. 1910, Nr. 7.
9. Vioform. Von Dr. Peters, Eisenach. Therapeut. Neuigkeiten
1910, Februar.
10. Cystopurin. Von Dr. Linke, Wiederau. Ibidam.
11. Erfahrungen mit Estonpräparaten. Von Dr. W. Korner,
Wien. Prag. med. Wschr. 1910, Nr. 8.
12. Statistisches zur Hetolbehandlung. Von Dr. Wißmann
Lindenfels. Fortschr. d. Medizin 1910, Nr. 5.
13. Coryfin, ein reizloses Mentholderivat. Von Dr. Brait-
maier, Kiel. Therap. d. Gegenwart, März 1910.
1. Zur Behandlung skrofulöser Augenerkrankungen wird meist die
Pagenstechersche „gelbe Salbe“ benutzt, während die Anwendung
von jodhaltigen Quecksilbersalben aus unbekannten Gründen nicht
beliebt ist, obwohl doch der günstige Einfluß des Jods bei den ge¬
nannten Affektionen klinisch unverkennbar ist. Verf. wandte deshalb
das Hydrargyr. jodat. in Salbenform an, fand aber, daß es zu stark
reizte, weil das Quecksilberjodür, wie sich aus der mikroskopischen
Untersuchung der Salbe ergab, in großen, zum Teil scharfkantigen
Schollen, in derselben ungleichmäßig verteilt war. Dies vermied
v. Ammon dadurch, daß er das Quecksilberjodür auf nassem Wege
gewann und ohne vorherige Trocknung zu einer Salbe verarbeitete.
Ebenso hat er Salben aus schlammförmig gewonnenem Hydrargyr.
bijodat. hergestellt. Ueber die beiden Verfahren muß das Original
nachgelesen werden. Beide Salben enthalten den wirksamen Arznei¬
körper in ungemein feiner Verteilung, die jene des Quecksilberoxyds
in der Pagenstecherschen Salbe noch übertrifft. Nach A.’s Beob¬
achtungen wird das Ung. Hydrafg. jodat. pultiforme (1 Prozent) bei allen
Erkrankungen der Hornhaut, Bindehaut und Lider, die auf krofulöser
Grundlage beruhen, angewandt. Besonders bei den Randphlyktaenen
leistet sie gute Dienste; ferner bei Hornhautphlyktaenen und zwecks
Rückbildung neu entstandener Gefäße. A. sah auch Erfolge bei
Rhagaden am äußeren Lidwinkel bei Blepharospasmus. Das An¬
wendungsgebiet für das Ung. Hydrarg. bijodat. (0,3—0,5 Prozent) ist
3AN
UNIVERSIT
234
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 15
viel enger begrenzt. A. wandte diese Salbe nur bei chronischer
Blepharitis mit stärkerer Schuppenbildung an. Er schildert das Ver¬
fahren eingehend.
2. P. berichtet über seine Erfahrungen mit Scharlachrot bei Ulcus
cruris an der dermatologischen Abteilung des Virchow-Krankenhauses.
Er benutzte Sprozentige Scharlachrotvaseline, die mittels Mullkom¬
pressen auf die Wunden ohne wasserdichten Stoff aufgelegt wurde.
Je alle 24 Stunden wurde ein Verband mit Scharlachrot- und Bor¬
vaseline gemacht. Dadurch wurden stärkere entzündliche Reizungen
vermieden. Die Epithelisierung ging außerordentlich schnell von¬
statten, merkwürdigerweise besonders im Anfänge der Behandlung.
Auch prognostisch ungünstige Fälle heilten gut. Das frische Epithel
ist solide. Während Ulcus cruris gut heilten, übte Scharlachrot auf
Ulcera mollia oder dura und auf Wundflächen operierter Bubonen
keine Wirkung aus, solange das spezifische Virus noch aktiv war.
Erst nach Reinigung durch spezifische Mittel oder Allgemeinbehandlung
trat Heilung ein.
3. Verf. hat oft bei Nasenoperationen beobachtet, daß nach
Pinselungen mit Alypin oder Novokain die Schmerzempfindung
zwar herabgesetzt, aber nicht völlig aufgehoben war, wie man es beim
Kokain sonst nicht gewohnt war. Dieses rief stets genügende
Anästhesie hervor. Bei den submukösen Injektionen hat sich die
Ueberlegenheit des Kokains besonders evident erwiesen. Auch die
durch Adrenalin oder Suprarenin bedingte verzögerte Resorption des
Alypins resp. Novokains vermochte die Wirkung dieser beiden Mittel
nicht zu heben und verbessern. Bei Nasen- und Rachenoperationen
bewirkte eine lOprozentige Kokainlösung stets genügende Anästhesie;
die gleichen Operationen wurden bei Alypin- resp. Novokainästhesie
nicht in der gewohnten und erforderlichen Weise ermöglicht. Dasselbe
beobachte Verf. bei Kehlkopfoperationen, bei Tracheo- und Broncho¬
skopie. Auch die anämisierenden Eigenschaften des Kokains gehen
den anderen Präparaten zum größten Teil ab. Verf. hält das Kokain
für nicht so giftig, wie es immer hingestellt wurde, und hält ferner
die Sterilisation, soweit sie bisher erreicht wurde, für völlig ausreichend.
Im übrigen beruft er sich in dieser Beziehung auf das Urteil seiner
Fachkollegen, die größtenteils der gleichen Ansicht wären.
4. H. berichtet, über seine Erfahrungen mit Novaspirin, einer
Verbindung der Salizylsäure mit Methylenzitronensäure, das von den
empfindlichsten Patienten gut vertragen wurde. Verf. wandte es in
den üblichen Dosen bei Muskel- und Gelenkrheumatismus an; be¬
sonderes bei Influenza brachte es die quälenden Nebenerscheinungen
derselben prompt zum Schwinden.
5. Nach U.’s Ansicht muß der Arzt bei Masern sein Haupt¬
augenmerk auf die Komplikation dieser Infektionskrankheit, und da
wiederum besonders auf diejenigen der Lungen richten, weil sie meist
am folgenschwersten für die Zukunft sind. Ob aber jeder Arzt mit
den Maßnahmen U.’s, die er zu diesem Zwecke trifft, einverstanden
sein wird, ist mindestens fraglich. U. gibt nämlich „in allen Fällen
ein Infusum von Dipitalis und Senna, dem er irgendein Salizylpräparat
hinzusetzt“. Dadurch will er stets eine objektive und subjektive
Besserung des Allgemeinzustandes erreichen; das Expektorans macht
das Entstehen von pneumonischen Herden sehr unwahr¬
scheinlich, sollte jedoch trotzdem eine schwerere akute Lungen¬
erkrankung eintreten, so findet sie ein durch Digitalis ge¬
festigtes, ausdauerndes Herz vor, wodurch wiederum im Falle
dieser ernsteren Komplikation die Prognose eine viel günstigere wird.
Um nun das Eintreten von Tuberkulose zu verhindern, was durch die
erwähnten Maßnahmen allein noch nicht möglich wäre, muß nach U.’s
Forderung — man höre — eine Kreosotverbindung oder ein Derivat
desselben gegeben werden. Und da soll das Bronchitin von
Lüdy & Co. in Burgdorf (Schweiz) angewendet werden; denn es
enthält außer Thiocol noch Extr. Thymi composit. Verf. gab also —
bei 21 Fällen von Masern — von vornherein Bronchitin je nach dem
Alter des Patienten 1—6 Kaffeelöffel, bei Säuglingen V 2 —1 Kaffeelöffel
mit der Tagesration, wenn sie die Flasche kriegen. Das Mittel wird
gern genommen. Der therapeutische Erfolg soll gut sein, besonders
bei prophylaktischer Anwendung.
6. Neuerdings werden Hauterkrankungen lokal mit Harz bedeckt,
dem ein Medikament beigemischt ist. Ein solches Präparat ist
Bromophor, das nach Angaben Eichhoffs von der Firma Chemische
Fabrik Paul Stoepel, Elberfeld, angefertigt wird und Dibromanzinol-
säure ist. Das auf die Haut gepinselte Mittel hinterläßt ein Häutchen,
das 25 Prozent organisches Brom enthält. Es soll nach Eichhoffs
Angaben gegen Pruritus und Wundrose angewendet werden. L. warnt
aber vor seiner Anwendung im Gesicht, da er bei seiner eigenen Frau
die scheußlichsten Schmerzen, die stundenlang anhielten, danach auf-
treten sah. Auch der Preis des Mittels wird nicht erwähnt.
7. W. hat am Krankenhause Fürth bei Muskelrheumatismen und
chronischen Gelenkrheumatismen die neue Spirosallösung verwendet
und in den meisten Fällen eine prompte schmerzstillende Wirkung ge¬
sehen. Die Lösung wurde teils aufgestrichen, teils kräftig eingerieben
und die Stelle mit undurchlässigem Verband bedeckt. Eine Hautreizung
wurde nie beobachtet. Die Spirosallösung (Spirosal 10,0, Spirit,
rectificat. 20,0) ist auch im Handel fertig erschienen. Sie kostet 1 Mk.,
wenn das Rezept den Zusatz (Bayer) trägt und bei vielen Kranken¬
kassen in dieser Form zugelassen.
8. Verf. spricht sich über Sajodin sehr lobend aus, da er bei
vielen Fällen gute Jodwirkung und keine unangenehmen Neben¬
erscheinungen gesehen hat. Er gibt Luetikern jetzt alternierend Jod¬
kali und Sajodin mit bestem Erfolg. Es scheint, als wenn nach
längerem Sajodingebrauch die Empfänglichkeit für Jodismus herab¬
gesetzt und dann Jodkali besser vertragen würde.
9. Peters möchte nachdrücklichst auf die Güte des Vioforms
hinweisen. Dasselbe wird von der Gesellschaft für chemische Industrie
in Basel hergestellt und ist ein Ersatzpräparat des Jodoforms, und
zwar ein Derivat des antiseptischen Chinolins, ein Jodchloroxychiniolin.
Vioforin ist ein graugelbes, sehr voluminöses Pulver von etwas
süßlichem Geruch, luft-, licht- und feuchtigkeitsbeständig, sterilisierbar,
in Wasser gemischt, in Alkohol schwer löslich. Es ist sekretions¬
beschränkend, austrocknend, desodorierend, blutstillend und ungiftig.
Diosynkrasien gegen Vioform sind bisher nicht beobachtet worden.
Es ist Wunden gegenüber absolut reizlos, unbeschränkt haltbar und
im Gebrauch sehr billig. Die Anwendungsweise ist noch vielseitiger,
als die des Jodoforms, schon wegen der Ungiftigkeit, 10 g Vioform
kosten 1,45 Mk.
10. Von der Chemischen Fabrik Joh. A. Wülfling in Berlin W. 48
wird Cystopurin in den Handel gebracht, ein Additionsprodukt von
Hexamethylentetramin und Natriumazetat. Davon kosten 20 Tabletten
zu 0,5 g 1,50 M. Die Tabletten lösen sich in warmem oder kaltem
Wasser. Bei Zystitis wirkt es prompt, wenn der Blasenkatarrh auf
schwere Erkältungen der Unterleibsorgane zurückzufühlen war. Manchmal
schien ein Stillstand in der Besserung einzutreten. L. griff dann zu
seinem Hexamethylentetramin und kehrte nach dessen prompterWirkung
später zum Cystopurin zurück.
11. Verfasser hat Versuche mit Estonpräparaten (Chemische Fabrik
Dr. Friedländer) angestellt und mit allen dreien, dem Formeston, Eston
und Subeston gute Erfolge gesehen. Sie sind der einfachen essigsauren
Tonerde durch ihre trockene Form überlegen und bei längerem
Gebrauch absolut unschädlich. Sie wirken antiseptial, adtringierend,
auftrockend, desodorierend, sind leicht handlich und können oft an¬
gewendet werden, wo eine Anwendung der flüssigen Tonerde nicht
möglich ist.
12. Um den Wert der Heilbehandlung immer von neuem den
Aerzten vor Augen zu führen und dafür Propaganda zu machen, gibt
Wißmann auf Grund der Erhebungen der „Freien ärztlichen Gesell¬
schaft zum Studium der Tuberkulose mit besonderer Berücksichtigung
der Heilbehandlung“ einige statistische Daten über die Erfolge mit
dieser Kur. Danach sind von 643 Fällen 541 mal Erfolge erzielt worden
(== 88%), und zwar wurden 139 Fälle gebessert, 120 seit über einem
Jahre geheilt, 107 seit 2 Jahren, 117 seit 3, 12 seit 4, 46 seit 5 und
mehr Jahren. 75 sind ohne Erfolg behandelt, von 27 fehlen Nach¬
richten. Die Statistik umfaßt alle Arten der Tuberkulose und da
nur solche, welche sicher als Tuberkulose diagnostiriert wurden. W.
setzt hinzu, daß hierbei bei 293 Fällen „die Diagnose durch
Quamuese und physikalische Untersuchung gesichert war“. Ob das
nicht den Gegnern der Heilbehandlung als Waffe dienen kann, indem
sie sagen, von diesen 293 Fällen wäre vielleicht mancher längst aus¬
geheilte Fall noch als aktive Tuberkulose angesehen worden? Noch
ist hinzuzufügen, daß die Beobachtungen sich erst auf das erste Jahr
erstrecken. Es wäre ganz interessant gewesen, zu erfahren, wieviele
Kollegen sich mit der Heilbehandlung befaßt haben, und man wird
auf die nächstjährige Statistik mit Spannung harren.
13. Im Menthol finden wir die Wirkung eines schwachen Anti-
septikynes, Anaesthetikums und Antiphlogistikums. Da aber immerhin
leichte Aetzwirkungen beobachtet sind, die leichte Flüssigkeit zudem
nur eine momentane Wirkung zuläßt, so ist eine Verbesserung des
Menthols, die die genannten Uebelstände beseitigt, zu begrüßen. Eine
solche liegt entschieden im Coryfin vor. Dasselbe ist der Aethyl-
plykosäureester des Menthols und stellt eine farblose, ölige Flüssigkeit
dar, die im frischen Zustande nahezu geruchlos ist. Durch schwache
Alkalien sowie durch die in Berührung mit der Haut hervor¬
gerufene Verseifung tritt der Mentholgeruch hervor. Durch die all¬
mähliche Verseifung tritt eine langsame Resorption des Mittels ein,
und man kann nach einigen Stunden, wenn das Mittel appliziert
' wurde, Mentholplykuronsäure im Harn nach weisen. Infolge der all-
1 mählichen Mentholwirkung merkt man daher direkt nach der Ein-
/EP
Nr. 15
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
235
pinselung mit Coryfin nichts. Erst später tritt das dem Menthol
eigentümliche Kältegefühl auf, dessen schmerzstillende Wirkung aber
protabierter ist, als beim Menthol. Durch die Resorption und Spaltung
des Esters wird eine gefäßverengende Wirkung ausgeübt; es tritt also
eine Abschwellung der Neukosa ein. Nach Verfasser sind Pepin¬
selungen der Stirn bei allen möglichen Arten von Kopfschmerz sehr
wohltuend. Bei Halsentzündungen und Kehlkopfkatarrh sind Inhala¬
tionen von wenigen Tropfen Coryfin auf heißem Wasser sehr an¬
genehm und bringen Erleichterung. Ebenso auch das Zergehenlassen
eines Stückchen Zuckers im Munde, auf das man einige Tropfen Coryfin
geträufelt hat. Verfasser macht auf die in letzter Zeit auf den Markt
gebrachte Neuerung aufmerksam, wodurch einer vielgestaltigen An¬
wendung des Coryfin gewährleistet wird. Das Präparat wird von den
Elberfelder Farbenfabriken in den Handel gebracht. Ein kleines
Fläschchen kostet 1,50 M.
Chirurgie.
Referent: Dr. K. Försterling, dirig. Arzt des Krankenhauses Mörs.
1. Zur Kenntnis des malignen Granuloms. Von Dr. Fabian
(Zürich), Arch. f. klin. Chirurg., Bd. 91, S. 317.
2. Klinische Studie über die Kontusionen und Distorsionen
der Wirbelsäule und ihre Folgezustände an der Hand von
56 Fällen eigener Beobachtung. Von Dr. Müller (Berlin), Ibid. S. 331.
3. Staseblutungen bei Compression der Brust und des
Unterleibes. Von Dr. Koch und Dr. Rönne (Kopenhagen), Ibid., S. 371.
4. Ueber das Ulcus pepticum jejuni nach Gastroenteros-
komie. Von Dr. van Roojen (Amsterdam), Ibid., S. 581.
5. Experimentelles und Kritisches über die bakteriologische
Bedeutung der Hautdrüsen und deren Sekrete bei der asep¬
tischen Chirurgie. Von Dr. Ritchie (Edinburg), Ibid., S. 449.
6. Zur Frage des plastischen Ersatzes der Dura mater. Von
Dr. Kirschner (Greifswald), Ibid., S. 541.
7. Behandlung der Luxationskompressionsfracturen der
Wirbelsäule. Von Prof. Robertson (Santiago), Deutsche Ztsch. f.
Chirurg., Bd. 103, S. 179.
8. Thrombophlebitis migrans der oberflächlichen Venen
bei Thromboangiitis obliterans. Von Dr. Buerger (New York),
Mitt. aus den Gronygeb., Bd. 21, S. 353.
1. Der Name Pseudoleukämie (Morbis Hodgkin) ist ein Sammel¬
begriff, der besser fallen gelassen und durch anatomisch begründete
Namen ersetzt wird. Es sind das: 1. Generalisierte Lymphdrüsen-
tuberkulose, 2. Lymphtosarkomatose, 3. Malignes Granulom. Einen
Fall letzterer Art beschreibt Verfasser. Als Aetiologie kommen im
allgemeinen in Betracht: abgeschwächte Tuberkulose, Syphilis, andere
unklare Noxe. Da dieser Patient eine Lues überstanden hatte vor
zwölf Jahren, die anstandslos heilte und nie wieder Erscheinungen
machte, ist sie als Grund am wahrscheinlichsten. Klinisch resp.
pathologisch-anatomisch fanden sich derartige Granulationsknoten nahe¬
zu im gesamten lymphatischen System, Lungen, Milz, Niere und Wirbel¬
körper. Bestanden hat chronisches wechselndes Fieber, polynukleäre
neutrophile Leucocytose bei Verminderung der Leucocyten. Prognose
ist immer letal.
2. Eine vorzügliche Studie, deren Lektüre dringend zu empfehlen
ist. Verfasser hat 56 Fälle leichtester Wirbelsäulen- resp. Rücken¬
kontusionen zusammengestellt, die nie einen irgendwie nennenswerten
objektiven Befund boten, sondern meist über Schmerzen im Rücken
und Bewegungsstörungen klagten. Ihre Behandlungszeit betrug durch¬
schnittlich neun Monate und noch ca. V 5 Erwerbsbeschränkung blieb
zurück. Die Ursache wird treffend analysiert: Der Verletzte geht meist
erst einige Tage nach dem Unfall zum Kassenarzt. Dieser, übermäßig
beschäftigt, findet zwar nichts Objektives, kann auch aus Zeitmangel
nicht stets wieder genau untersuchen und glaubt die Beschwerden.
Verordnet werden Einreibungen, Umschläge usw. So geht das 13 Wochen
weiter. Nun hat sich bei dem Pat. der Glaube an eine schwere
Verletzung bereits derartig eingenistet, daß er nur schwer zu vertreiben
ist. Verfasser fordert deshalb, daß die Berufsgenossenschaften in
solchen Fällen das Heilverfahren sofort übernehmen und den Kranken
sofort einem entsprechenden Krankenhause oder einer Unfallanstalt
überweisen. Es wird damit sowohl dem Kranken wie den Berufs¬
genossenschaften gedient.
Die Studie spricht von großer Erfahrung und trifft durchweg genau
das Richtige.
3. Sehr erhebliche Stauungsblutung nach Einklemmung der Ober¬
bauchgegend in einen Elevator. Starke Verstärkung und Schwellung
des Kopfes und Oberkörpers. Einige Tage später stellte sich Amau¬
rose auf einem Auge ein, die auch bestehen blieb; Ursache war eine
Opticusatrophie wie sich bei weiterer Beobachtung ergab. Derartige
Augenstörungen sind unter 58 Fällen zwölfmal beobachtet worden.
4. Bericht über 81 teils aus der Literatur, teils aus eigenen Beob¬
achtungen stammenden Fälle. Das Auftreten des Ulcus pepticum jejuni
fällt meist in die ersten zwei Jahre nach der Operation; die Operations¬
art scheint ohne Einfluß auf die Entstehung zu sein. Nach Ansicht
des Verfassers kann das Ulcus entstehen unter dem Einflüsse sauren
Magenbreies auf die durch scharfe oder stumpfe Gewalt lädierte Darm¬
wand bei solchen Leuten, die zu Magengeschwür neigen. Besondere
Disposition schafft nach Atheromatose der Gefäße. Therapeutisch ist
chirurgisch erst einzugreifen, wenn längere interne Behandlung nutzlos
gewesen ist. Es ist das Ulcus weit im Gesunden zu entfernen und
hinterher eine Jehamanfistel anzulegen, um das Ulcus gut heilen zu lassen.
5. Nach seinen experimentellen Untersuchungen ist Verfasser der
Ansicht, daß die Schweißdrüsen der normalen Haut und ihre Aus¬
führungsgänge Bakterien nicht oder wenigstens nicht für längere Zeit
beherbergen; der Chirurg kann deshalb die Schweißsekretion als
Quelle der Reinfektion außer Acht lassen. Auch der Inhalt der Haar¬
follikel hat keine praktische Bedeutung für den Operateur, da er bei
der Reinigung mit entfernt werden kann.
6. Hanel hatte Condomhäutchen hierfür empfohlen. K. rät zur
Benutzung eines frei transplantierten Stückes der Fascia lata, das unter
geringer Spannung an der Dura rings festgenäht wird. Dieses Material
sei stets zur Hand und steril.
7. Verfasser will jede Kompressionsfraktur der Wirbel mit Rücken¬
marksverletzung sofort operiert wissen wenn sie durch Röntgenstrahlen
festgestellt ist. Die Laminectomie allein genügt nicht; es muß an der
Rückseite der Wirbelkörper eine Rinne für das Mark hergestellt
werden. Falls durch die nächstgelegenen Nervenwurzeln das Rücken¬
mark trotzdem in seiner verkrümmten Lage gehalten wird, so sind diese
zu resezieren, um einen geraden Verlauf des Markes zu erzielen. —
Es wird leider nur ein glücklich verlaufener Fall beschrieben, obwohl
anfangs von mehreren die Rede ist. Bei der großen Wichtigkeit der
ganzen Frage wäre es wünschenswert gewesen, alle einschlägigen
Fälle anzuführen. — Bei der traurigen Prognose der Rückenmarks¬
verletzungen ohne Operation sind nämlich alle operativen Eingriffe,
die Erfolg versprechen, durchaus angebracht.
8. Verfasser hat 11 Fälle der Art beobachtet und beschreibt sie
näher. Es handelt sich stets um russische Juden in verhältnismäßig
jüngerem Alter. Er kommt in der Hauptsache zu folgenden Schlüssen:
Die Thromboangiitis obliterans ist häufig mit einer Thrombophlebitis
der oberflächlichen Venen der Arme und Beine verbunden; man achte
deshalb bei letzterer Erkrankung stets auch auch die tieferen Gefäße.
Wahrscheinlich haben beide Erkrankungen dieselbe Ursache; diese ist
jedoch noch vollständig unbekannt; lokale Infektionen, Krampfadern
haben keinen Einfluß darauf. Der Verlauf ist meist sehr langwierig
und endet meist mit Amputation der Gliedmaßen.
Militärmedizin.
Ref.: Generaloberarzt Dr. M. Peltzer, Steglitz.
Ueber Verstümmelungen der Augen zum Zwecke der
Militärdienstentziehung. Von Oberarzt Dr. Günther, München.
Med. Wochenschrift 1910, Nr. 12.
Wir haben s. Z. an dieser Stelle über künstliche Leistenbrüche
referiert, die sich russische Militärpflichtige anlegen lassen, um sich
der Einstellung zu entziehen, wobei auch die Merkmale erwähnt
wurden, an denen solche Artefakte zu erkennen sind. Meist sind es
die in der russischen Armee noch vorhandenen Feldscherer, die sich
gewerbsmäßig mit Herstellung von vom Militärdienst befreienden
Leiden und Gebrechen an denen befassen, die davon befreit sein
wollen, und zwar unter dem Vorgeben, daß sie nach endgültiger Be¬
freiung ihrer „Klienten“ vom Dienst die früheren normalen Verhältnisse
bei ihnen wieder herstellen würden. Sie fabrizieren Geschwülste,
Gelenkversteifungen und andere schöne Dinge. Wie weit diese Ver¬
brechen gehen, dafür liefert die in der Ueberschrift angeführte Ver¬
öffentlichung Günthers aus der Universitätsaugenklinik in Breslau
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Uhthoff) einen traurigen Beleg,
wie denn überhaupt nicht selten vom Dienst befreite junge Russen
in unseren östlichen Kliniken auftauchen, um sich dort von den ihnen
236
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 15
künstlich beigebrachten körperlichen Fehlern womöglich wieder be¬
freien zu lassen (G. war s. Z. Assistent der Breslauer Augenklinik'.
Zwei junge Russen hatten sich von einem Bader eine Hornhautwunde
beibringen lassen, in die dann eine ätzende, vielleicht auch infektiöse
Masse eingerieben wurde. Das Endresultat war beide Male sekun¬
däres Glaukom und völliger Verlust des Auges. Mit dem einen dieser
Patienten waren noch 15 andere junge Leute zu dem Feldscher ge¬
gangen, um sich frei machen zu lassen.
Militärsanitätswesen.
Ref. Generaloberarzt Dr. M. Peltzer, Steglitz.
1. Die Wehrkraft des Deutschen Reiches. Von Robert
Schmidt, München. Soziale Hygiene und Medizin 1910. Nr. 617.
2. Die Erziehung zum Führer. Von Hauptmann Karl Koelsch.
Die Umschau 1910, Nr. 9.
1. Die gegenwärtig in großer Zahl auftretenden statistischen
Arbeiten, welche sich mit der Wehrkraft des Deutschen Reiches be¬
schäftigen, legen Zeugnis dafür ab, wie sehr man bestrebt ist, den
Faktoren nachzugehen, welche nach vereinzelten Angaben neuerdings
geeignet erscheinen, diese Wehrkraft herabzusetzen (Abnahme der
Geburtenziffer und der körperlichen Tauglichkeit usw.). Wir erinnern
in dieser Beziehung an unsere an fieser Stelle erstatteten Referate
über die Arbeiten von v. Vogl, Schwiening, Griesbach, Nicolai,
Claaßen u. a. Aus der vorliegenden Arbeit von R. Schmidt entnehmen
wir mit Genugtuung, daß die Wehrkraft unseres Reiches, auf der wohl
auch zum größten Teil seine Macht und sein Ansehen sich gründet,
Belang ist, ob unsere Soldaten vom Lande oder aus der Industrie
stammen und ob der eine oder andere Reichsteil zu den besseren
Rekrutenquellen zählt, so können wir ihm im allgemeinen darin gewiß
nur zustimmen, vorausgesetzt, daß der Ausfall, den einzelne Teile
unzweifelhaft aufweisen (Bayern, die Industriestädte, die Gymnasien),
nicht zu groß wird, so daß ihn die anderen Teile nicht mehr decken
können. Von diesem Gesichtspunkt aus behalten die Bestrebungen
und Vorschläge v. Vog’s (vergl. Th. R. 1910, NT.'T) ihren Wert.
2. Die Erziehung zum Führer, wie sie in dem vorliegenden
Aufsatz Hauptmann Koelsch in vortrefflicher Weise predigt, ist nicht
nur für den Front-, sondern auch für den Sanitätsoffizier insofern von
großem Interesse und Wert, als auch letzterer nicht nur im Frieden,
sondern besonders auch im Kriege in den leitenden Stellungen, nament¬
lich als Chefarzt und als Divisionsarzt, zu seinem Teil eine Führerrolle
zu spielen berufen ist. Aus eigener Erfahrung können wir den Worten
K.’s beispielsweise nur das Eine hinzufügen, daß, so überraschend es
auf den ersten Blick klingen mag, auch das Befehlen gelernt sein will,
d. h. das Befehlen im militärischen Sinne: kurz, klar, erschöpfend,
zweifelsfrei. Daß mit der Erziehung, wie sie K. im Auge hat und die
wir — in erster Linie allerdings für den Offizier — für die einzig
richtige halten, eine völlige Umwälzung unserer heutigen Jugend¬
erziehung verbunden ist, darüber ist sich Verfasser nicht im Unklaren,
doch mehren sich die Zeichen, welche eine derartige Umwälzung in
nicht zu ferner Zeit in Aussicht stellen. Dahin gehören namentlich
alle neuzeitlichen Sportbestrebungen. Einen sehr hübschen Vergleich
wendet K. bei Erwähnung der sog. Koedukation an, indem er sagt:
„Das heranwachsende Mädchen hat in den Schülerjahren einen anderen
Ausdehnungsgrad des Denkens und Fühlens als der junge Mann.
Werden beide Geschlechter in den gleichen Bildungsgang gezwängt,
so gleichen sie 2 zusammengenieteten Metallstreifen von verschiedenen
Ausdehnungskoeffizienten.“
Varia.
1. Comment se transmet la scarlatine. Von J. Comby.
(Ardives de medicine des enfants, aoüt 1909).
2. Die Behandlung inoporeller Carcinome mit Aceton.
Von Jovey. (Medical Record, Nov. 1909).
3. L’urordaction, diagnostic precoie de la tuberculose. Von
Malmejac. (Pune medic. de Sept. 1909).
4. Le traitement de l’ost^o-arthrite tuberculeuse gapenau,
chez l’enfant, doitetre re’solument conservateur. Von Giovanni
Impallomeni. (Revue d’Orthopedic Nov. 1909).
5. Der Pruritus melis, seine Ursachen und seine Behand¬
lung. Von Hill. (Lancet Octr. 1909).
I 6. Etüde anatonio-pathologique des oreillons.. Von Dopteret
j Repace. (Archives de Medicine experimentale, Bept, 1909).
7. Die Tuberkulose der Wäscher in Mailand. Von Gatti.
S (Gazzetta med. italiano, Octr. 1909).
8. Die Behandlung des Lupus erytheniatoides. Von Morris
Malcolm. (Lancet Sept. 1909).
9. Das Ernährungsreginie bei Typhus. Von Coleman.
| (Journal of the American med. Auci., Octr. 1909).
1. Scharlach ist namentlich beim Ausbruch der Krankheit an¬
steckend und zwar durch die nasalen, buccalen und playngialen Secrete,
welche die Kranken und ihre Umgebung ausscheiden. Verfasser spricht
den Hautschuppen die Rolle der Ansteckungsträger, für die man sie
I bislang immer gehalten hat, ab. Er hält daher die Desinfektion der
Räume für lästig und überflüssig und empfiehlt nur die zeitige Isolierung
des Kranken und die Desinfektion und Vernichtung seiner insektiösen
Secrete.
2. Verfasser empfiehlt die Behandlung inopereller Carcinome mit
Aceton, namentlich eigene sich diese Behandlungsweise beim Uterus
carcinome nach vorhergegangenem Carettement. Die Blutungen hören
in der Regel sofort auf, um nicht mehr wieder zu kehren, die Secochin
wird bald geringer, um schließlich ganz zu verschwinden. Der üble
Geruch ist bald nicht mehr wahrnehmbar. Das Aceton ist nicht an¬
wendbar in den unteren Teilen der Vagina und in der Vulra, da es
hier Schmerzen verursacht, hier ersetzt man es durch Acetonlisulfat,
aus welchem bei der Berührung mit dem Secret, Aceton frei wird.
3. Verfasser hat gefunden, daß der Urin tuberkulöser, wenn man
ihn 14 Tage, ja selbst 3 Wochen der frischen Luft aussetzt seine
Acidität behält. Bewahrheitet sich das, so hätten wir ein Frühdignos-
tikum par exellence für Tuberkulose gewonnen.
4. Die chirurgischen Interrentionen wie Resection, Arthectomie,
Synovectomie, Arthrotomie, sind bei der Ostroasthritis Tuberkulosa des
Kindes auf die Procriptionsliste zu setzen, denn einmal wird der
Knochenwachstum gehindert, sodann abersieht man oft Verschlimmerung
des Leidens, ja oft genug kommt es zur Generalisation. Der Prozent¬
satz der Heilungen ist ein erheblich geringerer als beim konserrativen
Verfahren. Je früher die konserrative Behandlungsmethode einsetzt,
um so befriedigender sind in anatomischer und funktioneller Hinsicht
die Resultate.
5. Der Pruritus analis wird durch Laesionen entweder des Becken¬
ödem oder des Rectum verursacht, welche eine anormale Feuchtigkeit
in der Analgegend hervorrufen. Die häufigsten Ursachen sind folgende:
Ulicechonin und oberflächlich Abräumen der Analschleimhaut (75 0 /,>),
solche des Rectum und der Flexusa signuilla infolge chronischer Obsti-
patrie, ferner Hypertrophie der Analpapillen und Entzündung der
Morgegnischen Krypten, innerliche Haemorrhoiden und Prolaps des
Rectum, endlich kleine Polypen des Analrohres. Die Behandlung hat
für Beseitigung der Ursachen und für Hautpflege zu sorgen in Form
von Salben ferner ist Argentuns nicht unangebracht.
6. Bei einem Soldaten, welcher an Synkope im Verlauf einer mit
Parotittries vergesellschafteten Orchitis zu Grunde ging, wurde in der
Parotis eine interstitielle Entzündung gefunden, eine ödömatöse Ge-
websdurchtränkung, und eine Läsion der Ausführungskanäle, charak¬
terisiert durch Epitteldespurmation. Wenn die Parotis also nur ober¬
flächlich Krankheitsuridneu aufweist, so treten dagegen bei den
Testikeln und der Epilydimis sehr erhebliche Veränderungen auf:
Periarteriitis und Periphletitis, Odem und] Coapulationsnekrose des
Interstitiums und selbst der Epittelien der Samenkanälchen. Alles in
allem sind die Erscheinungen viel stärker als bei der Parotitis.
7. Die Wäscher und Wäscherinnen in Mailand werden nicht zu
häufig von der Tuberkulose befallen (6o/° der Männer und 6,5°/o der
Frauen), während diejenigen von Paris außerordentlich häufig dieser
Krankheit erliegen (75%). Folgendes ist der Grund dieses Unter¬
schiedes: Die Wäscherinnen in Mailand brauchen die Wäsche nicht
eher als bis der sie enthaltende Sack gekocht ist, dann erst wird er
geöffnet und geleert, während dieses in Paris nicht geschieht. Mit
Hilfe dieser einfachen hygienischen Maßnahmen wird vielen Menschen
das Leben erhalten, denn sonst sind die Infektionsmöglichkeiten in
Mailand und in Paris dieselben.
8. Vor allen Dingen vermeide man es das Wort Lupus vor dem
Kranken auszusprechen, man bezeichne sie als langwierige Flechten¬
bildung. Zu verbieten ist: Alkohol, Kaffee, Tee, gewürzte Speisen;
Wenn möglich, soll der Kranke den Winter in einem warmen Klima
zubringen. Die Verdauung ist zu regeln (Salol, Bismuth, Chinin je
nach dem Fall). Ichthyol anuliert gegeben reguliert die Zirkulation
und desinfiziert den Intertinalkanal. Lokale Behandlung: Compunen
von Zinksulfat oder Bleisubacetat. Keine Salben, Ichthyol- oder Heha’sche
Seife, Recorcincollodium, Pyrogallusseife in Pflasterform; das Resorcin
muß vermieden werden, falls entzündete Plagnes vorhanden sind; ferner
Nr. 15.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
237
gebe man Jodliniment, und wende leichte Skarifikationen oder lauteri-
sationen an. Schließlich ist das Radium zu versuchen.
9. Verfasser ist davon überzeugt, daß nach seinen Erfahrungen
das partielle Hungersystem in der Akme des Typhus viel zur Ver¬
schlimmerung der Erkrankung beiträgt. Man muß dem Kranken
genügend Nahrung zuführen. Man kann etwa 40 Kalorien täglich auf
das Kilogramm Körpergewicht nehmen u. z. gebe man Milch, Sahne,
Milchzucker, Eier, leicht verdauliches gebratenes Fleisch und genügend
Butter. Dr. Abramowski.
Kreisassistenzarzt, Gilgenburg.
Die Haftung der Stadtgemeinde für Versehen des Kranken¬
hauspersonals. Von A. Freymuth. Die Heilanstalt. 1910. Nr. 4.
Nach einer Entscheidung des Reichsgerichtes haftet die Stadt¬
gemeinde dafür, wenn ein Kranker in einem städtischen Krankenhause
durch die Schuld des Pflegepersonals zu Schaden kommt.
v. Rutkowski (Berlin).
Ueber normalen Darm und normale Darmentleerung. Von
Dr. S. Federn, Wien. Medic. Klinik. 1909. Nr. 49.
Darmatonie besteht in viel größerem Umfange als gewöhnlich an¬
genommen wird. Um aber die Funktion des Darmes richtig beurteilen
zu können, muß man die bisher wenig genutzte Perkussion des Darmes
mehr pflegen. „Der Darm funktioniert nur dann normal, wenn er den
in einer gegebenen Zeit, z. B. 24 Stunden, gebildeten Kot vollständig
entleert.“ Der Kot soll dauernd im Darm fortbewegt werden, nirgends
länger haften, erst über dem Spincter internus sich ansammeln. Der
Arzt legt leider, je wissenschaftlicher er ist, desto weniger Wert auf
die Darmtätigkeit. Bei jeder Darmatonie ist der Blutdruck erhöht,
umgekehrt hat aus erhöhtem Blutdruckbefund der Autor stets auf
mangelhafte Darmfunktion geschlossen. „Nicht nur bei chronischen
Störungen des zentralen Teiles des Nervensystems- wiefür die peripheren
Teile und für das Gefäßsystem ist die Darmatonie von fundamentaler
Bedeutung, auch für die akuten Krankheiten, z. B. der Gelenkrheuma¬
tismus, wie für diejenigen, welche durch Infektion verursacht werden,
wie die Pneumonie“.
Der Autor steht mit diesen Ausführungen nicht so vereinzelt,
als er meint. Ganz unabhängig von ihm hat Schweninger dem Studium
des wechselnden Füllungszustandes des Darmes stets viel Wert bei¬
gelegt. Und wenn er falsch verstanden wurde und für sein vorzugs¬
weises Beobachten der dicken Bäuche den Zunamen eines Spezialisten
für Fettleibigkeit zudiktiert erhielt, oder gesagt wurde, er könne nur
Neurastheniker behandeln, so teilt er das gleiche Schicksal mit Federn.
Referent hat in seinen Arbeiten über Behandlung der Entzündungen,
Bl. f. kl. Hydrath. (Nr. 9, 1904), Behandlung der Gelenkrheumatiker,
Therapie der Gegenwart (Nr. 2, 1906), mit voller Absicht auf den Wert
der Darmbeobachtung dabei hingewiesen, aber gerade diese Sätze
haben kaum Verständnis gefunden. Referent kann das Studium der
flott geschriebenen Arbeit Federns nur empfehlen und möchte sich
auch dessen Urteil anschließen, daß die kommenden Jahre die Einsicht
der großen Wichtigkeit der Kenntnisse der Darmfunktion für die Be¬
handlung der Kranken uns bringen werden. „Die Medizin kann die
Naturheillehre nur dank ihrer Fortschritte überwinden und dies vor
allem in einer rationellen Behandlung des Darmes, weil ein großer
Teil der chronischen Leiden, die nicht Infektionskrankheiten sind, vor
allem durch Darmstörungen verursacht werden, und auch bei jenen
sind sie, wie bei der Tuberkulose, von großer Wichtigkeit.“
Hauff e (Ebernhausen).
Über die Narkose bei künstlich verkleinertem Kreislauf.
Von R. Klapp. Therap. Monatsh. 1910, Jan. — Die Widerstands¬
fähigkeit gegen Chloroform ist bei den Menschen äußerst verschieden;
sie wird, wie es scheint, durch die verschiedenen Mengen kreisenden
Blutes bedingt, denn man kann beobachten, daß Alkoholiker, die doch
sonst große Mengen Chloroform brauchen, schon auf geringe Mengen
hin einschlafen, wenn sie einen größeren Blutverlust erfahren haben.
Verfasser überträgt diese Beobachtung auf die Praxis, indem er
mehrere Gliedmaßen (beide Oberschenkel) erst kräftig staut und dann
nach Esmarch völlig abschnürt. Bei Aetheranwendung empfiehlt es
sich, mit einer Art Aetherrausch zu beginnen. Beobachtungen an
einem größeren Material haben gezeigt, daß der Verbrauch an Narkose¬
mitteln, besonders Chloroform, ein geringerer ist, ein auffallend
rasches Erwachen aus der Narkose erfolgt und in einem Falle von
Atemstillstand nach Lösung der Binden die Atmung von selbst
wieder regelmäßig einsetzte. Geissler, Neu-Ruppin.
SSaB v • ;
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Technische Neuerscheinungen.
Selbsttätige Punktionsspritze
nach Dr. med. J. SPANIER, München.
Durch die selbsttätige Punktionsspritze ist der Arzt in der Lage,
die Punktion mit nur einer Hand auszuführen, um mit der anderen
den zu punktierenden Körperteil fixieren zu können und so dem Ab¬
brechen der Punktionsnadel durch unvorhergesehene Bewegungen des
Patienten vorzubeugen. Schmerzempfindungen, die durch Ver¬
schiebungen und Zerrungen während des Anziehens des Kolbens bei
der gewöhnlichen Spritze unvermeidlich waren, können vermieden
werden. Das Vordringen der Nadel und die Saugtätigkeit der Spritze
vollzieht sich nahezu gleichzeitig, was den ganzen Akt der Punktion
zeitlich außerordentlich abkürzt; schließlich; tritt bei Oeffnung des
Hahnes die Saugwirkung des ganzen luftleeren Raumes sofort in
Kraft, wodurch sich die Wirkung bedeutend intensiver gestaltet,
als bei den bisher gebräuchlichen Spritzen.
Die einfache Handhabung ergibt sich aus der Zeichnung.
Der Kolben wird bei geschlossenem Hahn angezogen, der Zylinder
auf diese Weise evacuiert. Ein an der Kolbenstange befindlicher Zapfen
wird durch einen Spalt des Spritzendeckels hindurch geleitet und durch
eine Drehung der Kolbenstange um ihre Achse werden Zapfen
und Kolben fixiert, und der Zylinder in evacuiertem Zustand erhalten.
Nach vollzogenem Einstich der Nadel wird durch Druck auf den Hebel
die Oeffnung des Hahnes bewerkstelligt.
Der Spritze dient als Grundlage die im Gebrauche bestbewährte
Record-Spritze« mit 5 ccm Inhalt.
Um die Punktionsspritze auch als Injektionsspritze benützen
zu können, dient ein an der Spritze angebrachter Bügel, der in eine
Rinne am Hebel paßt, und den Hebel und den Hahn im geöffneten
Zustande fixiert. Auf den Normalconus der Spritze paßt jede Record -
Nadel.
Preis M. 20,—. Zu beziehen durch Ludwig Frohnhäuser,
München, Sonnenstrasse 15.
Allgemeines.
Kantonsspital Luzern. An Stelle des verstorbenen Herrn Dr.
Amberg ist vom Regierungsrate Herr Augenarzt Dr. Friedrich Stöcker
in Luzern als Oberarzt der Augenabteilung der kantonalen Kranken¬
anstalt gewählt worden.
Vom 18. bis 21. April wird zu Wiesbaden unter dem Vorsitze
des Herrn Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Fr. Kraus (Berlin der 27. Kon¬
greß für innere Medizin tagen. Die Sitzungen finden im Neuen
Kurhause statt. Das Bureau befindet sich ebendaselbst. Als schon
länger vorbereitete Verhandlungsgegenstände stehen auf dem Pro¬
gramme:
Die spezifische Erkennung und Behandlung der Tuber¬
kulose. Berichterstatter: Herr Schütz (Berlin) und Herr Penzoldt
(Erlangen).
Die Entstehung und Behandlung der sekundären
Anämien. Berichterstatter: Herr D. Gerhardt (Basel).
Weitere Vorträge sind u. a. angemeldet:
Zur Tuberkulose von den Herren: Citron, Engländer, Fischer,
Jessen, Jochmann, Karo, Knoll, Krüger, Marmorek, Mendel, Meyer,
Philippi, Rothschild, Ruppel.
Zur Anämie von den Herren: Hofbauer, Morawitz, Treupel.
NI
238
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 15
Ueber Magenkrankheiten von den Herren: Curschmann,
Eisner, Fleiner, Grafe, Groß, Krehl, Lefmann, Loening, van der Velden.
Ueber Herz und Gefäße von den Her en: Fellner, Groedel,
Kretschmer, Müller, Nenadovicz, Nicolai, Ratner, Schott.
Zur Bekämpfung der Prostitution in Rußland. Eine vom
Medizinalrat eingesetzte Kommission unter dem Vorsitz des Leib¬
medikus L. Berthe ns on hat allgemeine Grundlagen für die Organi¬
sation der Aufsicht über die Prostitution im Reiche aufgestellt, welche
bereits im Januar 1906 vom Medizinalrat gutgeheißen und wesentlich
in folgendem bestehen. Unter der Aufsicht über die Prostitution hat
man eine solche durch ein Gesetz angeordnete Organisation zu ver¬
stehen, die in möglichst vollkommener Weise die Ergreifung sanitärer
und prophylaktischer Maßregeln sicherstellt und zugleich jeden Anlaß
zu Rechtsverletzungen ausschließt. Dementsprechend sind sowohl die
Bordelle zu schließen, deren Fortbestehen vom sanitär-prophylaktischen
Standpunkt nicht zu rechtfertigen ist und den gegenwärtigen humanitären
Anschauungen widerspricht, als auch alle anderen Formen des durch
Reglementierung sanktionierten Zusammenlebens von Prostituierten zu
1. Das Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen
in Preußen veröffentlicht die unentgeltlichen Fortbildungs¬
kurse für praktische Aerzte in Berlin und Provinz Brandenburg
für Sommer 1910.
Bemerkungen für die Teilnehmer. 1. Berechtigung zur Teil¬
nahme. Zur Teilnahme an den Fortbildungskursen ist jeder Arzt
des Stadtkreises Berlin und der Provinz Brandenburg gegen
Lösung nicht übertragbarer Karten berechtigt. Jede Karte gilt für einen
einzelnen Fortbildungskurs und wird gegen eine Einschreibegebühr von
je 2 M. verabfolgt. Diese Einschreibegebühr wird, sofern die Karte aus
irgend welchen Gründen unbenutzt bleibt, nicht zurückerstattet.
2. Art der Meldung. Die Karten sowie die Verzeichnisse
der Fortbildungskurse sind im Bureau des Kaiserin Friedrich-Hauses
für das ärztl iche Fortbildungswesen (Schalter für Kartenausgabe)
zu erhalten, wo auch Auskunft über die Kurse erteilt wird (nur
schriftlich, oder wochentäglich 9—2 Uhr persönlich).
Schriftlichen Bestellungen sind ein frankiertes Couvert
mit der Adresse des Bestellers und die Einschreibegebühr für die
gewünschten Karten beizufügen (nicht in Metallgeld im Couvert).
Alle schriftlichen Bestellungen und Postanweisungen sind zu richten an:
Herrn Kassierer Zürtz: Kaiserin Friedrich - Haus, NW. 6, Luisen¬
platz 2—4.
Persönliche Meldungen werden wochentäglich von 9 Uhr vor¬
mittags bis 2 Uhr nachmittags angenommen. Hierbei ist ein offenes
frankiertes Couvert abzugeben, welches mit der Adresse des Be¬
stellers versehen ist und die schriftliche Bestellung enthält; zugleich ist
die Einschreibegebühr zu erlegen.
Telephonische Bestellungen von Karten und Verzeichnissen
können nicht berücksichtigt werden.
3. Termine der Meldungen, a) bei Vormerkungen.
Es haben diejenigen, welche sich bei einem früheren Zyklus von
Fortbildungskursen für eine bestimmte Disziplin vorgemerkt haben, für
dieselbe am 8. und 9. April das Vormeldungsrecht.
b) Beginn der neuen Meldungen am 11. April.
4. Art der Kartenausgabe. Die Teilnehmerkarten gelangen vom
11. April an täglich nach Schalterschluß zur Versendung. Sofern bis
zum täglichen Schalterschluß (2 Uhr) für einen Kurs mehr Meldungen
eingegangen sind, als Plätze zur Verfügung stehen, werden die zu¬
lässigen Teilnehmer durch das Los bestimmt. Die Uebrigbleibenden
werden für dieselbe Disziplin des nächsten Kurszyklus vorgemerkt und
erhalten die Eingeschreibegebühr zurück.
5. Zuschriften für das Zentralkomitee. Alle Zuschriften sind
zu richten an das: Bureau des Zentralkomitees, N. W. 6, Luisen¬
platz 2—4 (Kaiserin Friedrich-Haus für das ärztliche Fort¬
bildungswesen).
Der internationale Kongreß gegen Lebensmittelverfälschung
zu Paris hat in diesem Jahre eine Menge Bestimmungen getroffen, die
so detailliert sind, daß es uns an Raum zur Wiedergabe mangelt.
Hoffentlich werden die berufenen Stellen — Gesundheitspolizei und
Gesetzgebung — dieses wertvolle Material benützen, um Vorschriften
zu erlassen, die den Nahrungsmittelfälschern ihr Handwerk erschweren.
Ein selbständiges Zentralinstitut für Mikrobiologie und Bak¬
teriologie soll demnächst errichtet werden. Dasselbe soll alle Zweige
der Bakteriologie umfassen und auch das Berliner Institut für Gärungs¬
gewerbe in sich aufnehmen. Ob dies Institut als Reichsinstitut errichtet
werden soll, ist noch nicht definitiv geregelt.
VERSIl
In Rostock findet vom 27.—29. Juni ein Fürsorge-Erziehungstag
statt. Bei dem regen Interesse der Aerzte an diesem Zweige sozialer
Betätigung ist zu erwarten, daß auch von dieser Seite eine rege Be¬
teiligung bevorsteht.
Der Reichsausschuß für das ärztliche Fortbildungswesen
hat in seiner am Sonnabend stattgehabten Sitzung die Ministerial¬
direktoren Förster und Naumann in Anerkennung ihrer verdienst¬
vollen Bemühungen um die ärztliche Fortbildung zu außerordentlichen
Mitgliedern ernannt.
Der Geschäftsausschuß der Berliner ärztlichen Standes¬
vereine beschloß in der am 4. d. M. abgehaltenen Sitzung: die An¬
nahme von Honoraren für die Behandlung von Aerzten und Arzt¬
familien ist nicht als standesunwürdig zu betrachten. Es ist dieser
Beschluß, welcher hoffentlich auch an anderen Orten nachgeahmt
wird, als berechtigt und wohlbegründet zu betrachten.
Ein Spezialkrankenhaus für Lungen- und Kehlkopfleidende
soll in Berlin errichtet werden und zwar für Kranke jeden Alters und
Geschlechts. R. Koch, der Ehrenbürger von Berlin ist, wurde um ein
Gutachten über das Projekt, wie es dem Magistrat zugegangen ist,
gebeten.
Rockefeller (New York) stiftete dem Rockefeller-lnstitut 40 000 M.,
welche Prof. Ehrlich (Frankfurt a. M.) zur Unterstützung seiner Arbeiten
überwiesen wurden.
Ein Ministerialerlaß vom 2). November 1909 verfügt, daß auf die
Reederkreise dahin einzuwirken sei, daß behufs Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten bei Seeleuten den Kapitänen und Schiffs-
Offizieren Anweisungen zu geben seien, dafür zu sorgen, daß die
Mannschaften im Erkrankungsfalle baldigst ärztliche Hilfe haben, resp.
zur Prophylaxe von den Schiffsärzten oder Schiffsoffizieren Belehrung
über das Wesen der Krankheiten erhalten.
Die Krankenhausdeputation ist betreffs der Selbstmord-Affäre
im Rudolf Virchow-Krankenhause auf Grund angestellter Unter¬
suchungen zu dem Ergebnis gekommen, daß die Schwester, welche
sich das Leben nahm, durchaus ordnungswidrig gehandelt hatte und
der Verweis ein berechtigter gewesen ist.
Die Berliner Stadtvertretung genehmigte einen vom Magistrat
gestellten Antrag, daß die Wohnungen der an Lungen- und Kehlkopf¬
tuberkulose Leidenden beim Umzug kostenfrei desinfiziert werden.
Um die besonders in letzter Zeit stark anschwellende Zahl der
Privatdozenten einzudämmen, hat die medizinische Faktultät zu
Berlin beschlossen, die Privatdozentur nur auf 5 Jahre zu verleihen.
Es sollen die Privatdozenten, welche nach Ablauf dieser Zeit nicht von
neuem um die Erlaubnis zur Venia legendi einkommen, von der Liste
gestrichen werden.
Der HamburgerSenat hat beschlossen, eine Versorgungskasse für
Hebammen zu gründen und dieselbe durch einen Zuschuß sicher
zu stellen.
Die Stadt Wilmersdorf hat beschlossen, an die Tuberkulose-
Fürsorgestelle eine Fürsorgestelle für Alkoholkranke anzuschließen. —
Desgleichen wurden einleitende Schritte zur Errichtung eines städtischen
Krankenhauses getan. Es wurde ein Rundschreiben betreffs Not¬
wendigkeit eines eigenen Krankenhauses an alle Aerzte von Wilmersdorf
versandt.
Die Deutsche Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege
ernannte Herrn Stadtrat Marggraff zum Ehrenmitglied. An Stelle des
verstorbenen I. Vorsitzenden Wehmer wurde Geheimrat Schmidtmann
gewählt.
Ein neues Seehospiz an der adriatischen Küste. Die Gesell¬
schaft der Kinderfreunde in Triest hat vor kurzem ihr neuerbautes See¬
hospiz in Valdoltra an der Istrianer Küste eröffnet. Die neue Anstalt,
welche über 1 000 000 K gekostet, ein modernes, allen Anforderungen
der Wissenschaft entsprechendes Kinderspital, ist zur Aufnahme von
Kindern im Alter von 3—15 Jahren eingerichtet und dient speziell zur
Behandlung von skrofulösen, lymphatischen, anämischen Affektionen,
sowie der Tuberkulose der Haut, der Drüsen und der Knochen und
/EF
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
wird besonders auch als Rekonvaleszentenheim nach schweren Krank¬
heiten des Kindesalters, für welche ein Aufenthalt an der Meeresküste
im Süden vorgeschrieben wird, empfohlen.
Zum Schwesternkonflikt im Buckower Krankenhause teilt die
Heilanstalt folgende Einzelheiten mit: Seit der Gründung des neuen
Krankenhauses, die vor einem Jahre erfolgte, bestanden dauernd Un¬
stimmigkeiten zwischen den Schwestern, an deren Spitze die Oberin
Fräulein v. Wittersheim stand,und dem Aerztekollegium. Die Streitigkeiten
wurden hauptsächlich dadurch hervorgerufen, daß die Oberin sich den An¬
ordnungen der Aerzte in den Personalangelegenheiten entgegensetzte
und Beurlaubungen der Schwestern sowie Diensteinteilungen nach
eigenem Gutdünken festsetzte. Da hierdurch oft die Pflege der Patienten
gestört wurde, sah sich die Direktion zu scharfen Maßnahmen gegen
die Oberin und die ihr unterstellten Schwestern veranlaßt, die darin
gipfelten, daß sie der Oberin jede fernere eigenmächtige Handlung auf
das entschiedenste untersagte. Gegen diese Maßnahme protestierten
jedoch die Oberin und 40 von den 50 Schwestern des Krankenhauses
und drohten mit ihrer Kündigung, falls dieser Beschluß der Direktion,
der auf Anraten der Aerzte erfolgt ist, nicht aufgehoben würde. Durch
die Forderung der Schwestern fühlten sich nun die Assistenzärzte
beleidigt und baten ihrerseits den Magistrat Rixdorf um Entlassung.
Der Magistrat ging jedoch nach reiflicher Prüfung der Angelegenheit
auf das Gesuch der Aerzte nicht ein, sondern beschloß die Kündigung
der Oberin und von 18 Schwestern — die übrigen hatten inzwischen
ihr Entlassungsgesuch zurückgezogen — anzunehmen. Darauf verließen
die Oberin und fünf Schwestern das Hospital. Die übrigen Schwestern
haben ihre Stellung am 1. April d. Js. verlassen. Da inzwischen bereits
für Ersatz der entlassenen Schwestern gesorgt ist, dürfte eine Störung
in der Pflege der Patienten nicht eintreten.
Das Leipziger Tageblatt vom 22. März d. Js., bringt folgende
interessante Notiz:
Zehn Milliarden. Die bevorstehende Ausdehnung der Kranken¬
versicherungspflicht auf landwirtschaftliche Arbeiter und Dienstboten und
die geplanle Hinterbliebenenversicherung werden die jährlichen Auf¬
wendungen für die deutsche Arbeiterversicherung sehr erheblich steigern.
Um über diese Aufwendungen ein klares Bild zu bekommen, sind
sowohl die entstehenden neuen Kosten als auch die für den jetzigen
Umfang bereits entstandenen Kosten nach dem Stande des Jahres 1907
errechnet worden. Hiernach ergibt sich nach vollen Millionen gerechnet
folgende jährliche Belastung:
Krankenversicherung (neu) . .
. . 60 Millionen
Hinterbliebenenversicherung .
. . 67
Krankenversicherung (jetzige) .
. . 332
Unfallversicherung.
. . 172
Invalidenversicherung ....
. . 228
Insgesamt.
. . S59
Berücksichtigt man hierbei den jährlichen Zuwachs der Bevölkerung,
so ergibt sich, daß schon in sehr naher Zeit die jährlichen Aufwendungen
für die soziale Gesetzgebung eine Milliarde erreichen! Seit dem
Inkrafttreten der sozialpolitischen Gesetze bis zum Ende des Jahres 1907
sind nun von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und dem Reich Gesamt-
Aufwendungen von über acht Milliarden gemacht worden. Rechnet
man hierzu nach dem gegenwärtigen Stande der Versicherung jährliche
Aufwendungen von 732 Millionen, so ergibt sich, daß die Gesamtkosten
unserer sozialen Gesetzgebung bis zum Ende dieses Jahres zehn
Milliarden erheblich übersteigen. (Winckler.)
Der 111. internationale Kongreß für Schulhygiene findet vom
.2.-7. August d. Js. in Paris statt. Das Programm ist ein sehr reich¬
haltiges. (Auskunft erteilt Prof. Dr. Griesbach in Mülhausen i. E.)
Im Reichsamt des Innern waren 10000 M. in den Etat gesetzt
worden für Förderung des ärztlichen Fortbildungswesens, welches
hauptsächlich sich auf Versicherungswesen, Gewerbehygiene und
Seuchenbekämpfung erstrecken sollte. Es ist nun von der Budget-
Kommission des Reichstages dieser Betrag gestrichen worden mit der
Begründung, daß nicht das Reich, sondern die einzelnen Bundes¬
staaten sich für Förderung des Studiums der sozialen Medizin zu
interessieren hätten.
Im Ministerium werden zur Zeit Beratungen gepflogen betreffs
der Verleihung des Doktortitels an Tierärzte.
Eine außergewöhnliche Beförderung ist Herrn Wirkl. Geh. Ob. Med.-
Rat Prof. Dr. Schmidtmann zuteil geworden; er wurde zum Kurator
der Universität Marburg ernannt.
Die Darlehnskonimission der Aerztekamnier für die Provinz
Brandenburg und den Stadtkreis Berlin hat sich konstituiert; zum Vor¬
sitzenden hat sie S. Alexander gewählt. Es können schon jetzt Ge¬
suche um Darlehen in Höhe bis zu 500 M von Kollegen gemacht
werden, welche im Kammerbezirk ansässig sind.
Im Kaiserin Friedrich-Hause wurden vor kurzem kinomato¬
graphische Vorführungen veranstaltet, die von Aerzten und Nicht¬
ärzten sehr zahlreich besucht waren. Es wurden anschauliche Bilder
vorgeführt, wie z. B. die Herzbewegungen, Spitzenstoß, Wirkungen
von Toximen, wie Nikotin usw. Die sehr instruktiven Vorführungen
fanden reichlichen Beifall.
Bei J. Springer, Verlagsbuchhandlung in Berlin, ist soeben das
Verzeichnis der zur Annahme von Praktikanten ermächtigten
Krankenhäuser und medizinisch-wissenschaftliche Institute im
Deutschen Reiche erschienen; der Preis beträgt 1,40 M. Auch die
an einzelnen Stellen dem Praktikanten gewährten Vergünstigungen
sind aufgeführt.
Der XVII. Internationale medizinische Kongreß soll im Jahre
1913 in London abgehalten werden. Im Sitzungssaal der Royal
Society of Medicine fand eine Versammlung zwecks Vorbesprechung statt.
Eingeborene als „Heilgehilfen“. Der Regierungsarzt Dr. Runge
ii Käwieng hat eine größere Anzahl von Eingeborenen aus ver¬
schiedenen Dörfern im Norden Neu-Mecklenburgs ^der zweitgrößten
Insel des Bismarckarchipels) in der Behandlung von Wunden u ’d in
der Darreichung von Arzneien be den gewöhnlichsten Krankheiten
ausgebildet und sie dann in ihr^ Heimat entlassen mit Medikame iten
und in t der Weisung, ihre Dorfgenossen bei leichteren Krankheiten
zu behandeln und bei schweren Krankheitsfällen auf die Patienten ein¬
zuwirken, daß sie das Hospital aufsuchen. Auf diese Weise wurden
zwo f Mann in verschiedenen Dörfern Nord-Neu-Mecklenburgs stationiert.
Bei einer Kontrollreise fand der Regierungsarzt, daß die Medikamente
durchweg ordnung-gemäß verwendet waren, einer der „Heilgehilfen“
hatte sogar bei den Leuten se'nes Dorfes auf eigene Faust eine Art
Chininprophylaxe ehgeführt. Die Leute fangen an, die europäischen
Heilmittel mehr hochzuschätzen und zu dem Arzt, sowie zu senen eir.-
g borenen Gehilfen Vertrauen zu gewinnen.
Der Vorstand des L. V. hat eine Darlehns- und Sterbekasse
des Leipziger Verbandes ins Leben gerufen; die Kasse beabsichtigt,
den Mitgliedern im Bedarfsfälle Darlehen unter mäßigen Bedingungen
und ein Sterbegeld zu gewähren. Mitglied dieser Kasse kann jedes
Mitglied des Leipziger Verbandes werden, das den Verpflichtungs-
schein des Deutschen Aerztevereinsbundes oder einen gleichartigen
Revers anderen Wortlautes unterzeichnet hat. Die Kasse gewährt
unter Einhaltung einer fünfjährigen Wartezeit bei einer einmaligen
Einschreibegebühr von 2 Mark für je 4 Mark Jahresbeitrag ein Sterbe¬
geld von 200 Mark. Mitglieder, welche bei der Aufnahme das
60. Lebensjahr angetreten haben, müssen den doppelten Jahresbeitrag
entrichten. Kollegen, welche der Kasse selbst Darlehen geben, er¬
halten neben einer vierproz. Verzinsung ihrer Einlagen für je 500 Mark
geliehenes Kapital 100 Mark Sterbegeld.
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240
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 15
Die Vorstände der einzelnen Abteilungen der internationalen
Hygiene-Ausstellung zu Dresden im Jahre 1911 sind vor kurzem zu
einer Vorbesprechung zusammengetreten. Es hatten sich über 200
Herren, Hygieniker, Vertreter der Kunst und Wissenschaft, Regierungs¬
beamte und Interessenten eingefunden, um Programm und Arbeitsplan
zusammenzustellen. Es wurden von Prof. Bumm, Rubner, Renk,
Kommerzienrat Lingner u. a. Vorträge gehalten. Die Stadt Dresden
hat t / 2 Million Mark zur Deckung der Unkosten beigesteuert. Auch
Frankreich hat die Einladung zur Beteiligung an der Ausstellung
offiziell angenommen. Das Wolff’sche Telegraphenbureau verbreitete
die Nachricht, dass der Fürst Albert von Monaco einen Herrn zum Vor¬
trage über die Hygienische Ausstellung befohlen habe (!).
Gelegentlich der internationalen Hygienischen Ausstellung in
Dresden findet der III. internationale Wohnungshygiene-
Kongreß ebenfalls im Jahre 1911 statt.
Für das von der Stadt Aachen eingerichtete Säuglingsfürsorge¬
heim spendete der Geheime Justizrat Springsfeld 40 000 M.
Ueber das Recht des Arztes zur Verweigerung des Zeugnisses
oder Gutachtens. (Urteil des Reichsgerichts vom 8. Oktober 1909.)
Der Arzt Dr. A. hat sein Gutachten gemäß § 76 Abs. 1, § 52 Nr. 3
Str. P. O. unter Berufung auf seine Pllicht zur Verschwiegenheit ver¬
weigert. Das ist nicht zu beanstanden. Denn er durfte sein Gutachten
nicht nur in Ansehung dessen verweigern, was ihm bei Ausübung
seines Berufes mündlich oder schriftlich von Person zu Person anvertraut
war, sondern auch bezüglich anderer Wahrnehmungen, die er
bei der in Frage kommenden Gelegenheit infolge seiner Zuziehung als
Arzt gemacht hatte. Hinsichtlich des Verteidigers (§ 52 Nr. 3 Str. P.O.)
sagen die Motive ausdrücklich, zur Verweigerung des Zeugnisses genüge
es, daß der Zeuge in seiner Eigenschaft als Verteidiger von der betr.
Tatsache Kenntnis genommen habe. Nach dem Zwecke des Gesetzes
muß das gleiche aber auch für Aerzte (§ 52 Nr. 3 Str. P. O.)
gelten.
Ein Volksschullehrer in Cöln erhielt dieser Tage von einem
Apotheker in Bonn einen Prospekt über Verhütung der Empfängnis
zugesandt; er verklagte den Apotheker wegen Beleidigung und er¬
wirkte dessen Bestrafung.
Zu einem höchst peinlichen Konflikt kam es vor kurzem zu Frank¬
furt a. M. beim Kaufmannsgericht, als zwei Aerzte sich unter Berufung
auf das ärztliche Berufsgeheimnis weigerten, über eine Krankheit
einer Patientin Auskunft zu geben; es wurde ihnen mit Haft gedroht.
Die Kranke wollte die Aerzte nicht von der Schweigepflicht entbinden.
Der Konflikt wurde durch einen Vergleich der beiden Parteien be¬
endet, sodaß die Aerzte nicht mehr vorgeladen wurden.
In der Schweiz ist das Prinzip der freien Arztwahl staatlich
anerkannt. Für die vom Bunde einzurichtende Unfallversicherung ist
die freie Arztwahl als Grundsatz aufgestellt worden.
In Franzensbad werden für den Monat Mai d. J. wieder 10 Frei¬
stellen für kurbedürftige Aerzte eingerichtet werden. Bewerbungen
sind an das Präsidium des Aerztekurhauses in Franzensbad zu richten.
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt:
Originalien :
A. Welsh, Sidney: Neue Beobachtungen über Krebs und
Geschwulstwachstuni.241
J. Baedeker, Berlin: Die äußere Salizylbehandlung mit
Spirosal.. 246
Referate:
Mohr, Bielefeld: Chirurgie.248
H. Lohrisch, Chemnitz: Magen-, Darm-und Stoffwechsel¬
krankheiten .248
P. Greven, Aachen: Augenheilkunde.250
Axel Winckler, Nenndorf: Nahrungs- und Genußmittel . 251
H. Busch, Berlin-Halensee: Hals-, Nasen- und Ohren¬
krankheiten .251
Kurt Lipschitz, Berlin: Varia.253
Technische Neuerscheinungen:
Selig, Franzensbad: Ein neuer Blutdruckmeßapparat . . 254
B. Alexander, Bad Reichenhall: Inhalationsapparat mit
Kühler und Kondenswasserverhütung.254
Allgemeines.255
ORIGINALS EN.
Neue Beobachtungen über Krebs und
Geschwulstwachstum.*)
Von A. Welsh, Prof. d. Pathologie an der Universität zu Sidney.
Einleitung.
Von allen Geißeln der Menschheit ist nur eine bisher
durch das wissenschaftliche Studium der Krankheiten, J
welche wir mit Pathologie bezeichnen, unbeeinflußt geblieben. [
Pocken gehören, mit Ausnahme von isolierten Ausbrüchen,
der Vergangenheit an. Die Pyämie, welche einst jede
chirurgische Operation gefährlich gemacht hat, ist anti- j
septischen und aseptischen Maßnahmen unterlegen. Diph- j
therie und Wut haben die Hälfte ihres Schreckens verloren.
Bubonenpest kann, trotz des kolossalen Mißerfolges in
Indien, in einem wohlgeleiteten Staatswesen erfolgreich |
bekämpft werden. Ausbrüche von Typhus und Cholera !
sind im wahren Sinne des Wortes vermeidbar. Das Vor¬
herrschen der Malaria mit ihrer langen Reihe von Ent¬
kräftung und Tod, ist dadurch bedingt, daß den Moskitos
günstige Gelegenheit zur Entstehung gegeben wird. Und
daß Tuberkulose immer noch von allen Krankheiten
menschliches Leben am meisten zu zerstören vermag, ist
eine für Aerzte wie für Laien unglaubliche Tatsache, denn |
sie ist lediglich bedingt durch, die Mißachtung dessen, was J
die Pathologie mit nicht mißzuverstehender Sprache gelehrt |
hat. Doch Krebs und Tumoren sind nach wie vor weit¬
verbreitet. Wenn auf diesem Gebiete eine Aenderung
erfolgt ist, so hat sie sich wahrscheinlich nicht in der
Richtung einer Abnahme vollzogen, und, selbst wenn
eine Abnahme vorliegt, so hat die Pathologie keinen
Teil daran. Man kennt keinen Weg zur Verhütung oder
keine sicheren Maßnahmen zur Heilung. Man kann nur
Erleichterung schaffen und dies wird erreicht durch
sorgfältige, ausgedehnte und schnelle Entfernung - und
auch dies ist im besten Falle unsicher.
The Scottish medical and surgical journal 1906, June. Deutsch von
Dr. v. Boltenstern-Berlin.
Kein Problem in der Pathologie ist demnach so dringend,
kein Problem so trügerisch wie das über die Natur und
den Ursprung des Tumorenwachstums und, bis in die
jüngste Zeit hinein, ist das Interesse ungeschwächt geblieben,
hat man erneute Tätigkeit entfaltet, sie zu erforschen. Unter
dem gnädigen Protektorat Sr. Majestät des Königs ist die
Imperial Cancer Research Fund in einer in der Geschichte
der Medizin ohne Beispiel dastehenden Weise eingerichtet,
während die hervorragendsten Forscher, welche für den
Fortschritt der Wissenschaft geradezu verantwortlich sind,
von dieser einzigartigen günstigen Gelegenheit hervor¬
ragenden Gebrauch gemacht haben. Auch anderswo in
Europa und in Amerika sind ähnliche Einrichtungen ge¬
schaffen, und unter ihren Auspizien sowohl als unabhängig
von ihnen ist manche gute Arbeit geschaffen. Das Ergebnis
ist, daß seit dem letzten Kongreß, als Vorträge über Krebs
von größtem Interesse und Wert von Prof. Allen und anderen
Teilnehmern gehalten wurden, Beobachtungen und Hypo¬
thesen höchst bemerkenswerter und anregender Art ver¬
öffentlicht sind. Noch freilich ist ihre volle Bedeutung
nicht sicher, und ihre noch unbekannte praktische Tragweite
kann nicht das gegenwärtige Interesse an der Aufklärung
von Begriffen noch ihren bleibenden Wert als Stufe zur
Erlangung wissenschaftlicher Wahrheit schmälern. Auf
einige dieser neueren Arbeiten die Aufmerksamkeit zu lenken
ist der Zweck der vorliegenden Arbeit, obwohl der zur
Verfügung stehende Raum nur einen sehr fragmentarischen
Ueberblick gestatten kann.
Es ist unnötig, spitzfindige Definitionen einzuführen
oder die Beziehung des Geschwulstwachstums zu den als
entzündlich bekannten Verhältnissen zu erörtern. Ich brauche
die Ausdrücke Tumor, Gewächs und Neoplasma als durch¬
aus gleichbedeutend, und der Ausdruck Krebs schließt alle
mehr malignen Formen in sich, ohne Rücksicht auf ihre
Struktur. Gelegentlich wird ein allgemeiner Ausdruck
gebraucht anstelle des mehr umschriebenen: Krebs oder
maligne Geschwulst, weil m. E. eine Erklärung der Natur
und des Ursprungs der am meisten malignen Formen (Krebs
und Sarcom) schließlich auch auf die wenigst malignen
(gutartigen) Formen anwendbar sein muß. Die verschiedenen
Grade der Malignität und die verschiedenen Faktoren,
welche die Malignität bedingen, sind nur abhängig von
Eigenschaften, welche allen Neoplasmen gemeinsam sind
SITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
242
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 16
obwohl sie nicht immer im gleichen Grade vorhanden sind,
Die Unterscheidung zwischen malignem und gutartigem
Tumor, so wichtig sie in der klinischen Praxis ist, hängt
nicht von einer wesentlichen Artverschiedenheit ab, da alle
Neoplasmen in gleicher Weise unabhängig von den Bedürf¬
nissen des Mutterorganismus und von den Gesetzen sind,
welche das Wachstum des Muttergewebes regeln, und über¬
dies eine gewisse wechselseitige Unabhängigkeit und eine
echte Vitalität in ihren sie zusammensetzenden Zellen zeigen.
Der Unterschied hängt ebenso von dem Grade, bis zu
welchem sich diese fundamentalen Eigenschaften entwickelt
haben, als auch von gewissen zufälligen Verhältnissen ab,
z. B. von der Leichtigkeit, mit welcher die Zellen des Indi-
vidiums mechanisch durch die Tumormassen verdrängt
werden können, und deren Fähigkeit in die benachbarten
Gewebe einzudringen, sie zu infiltrieren.
Künstliche Erzeugung und Transplantation von
Neubildungen.
Vor fünfzig Jahren begründete der wissenschaftliche
Genius eines Virchow die moderne experimentelle Pathologie
auf zwei allgemein-biologischen Prinzipien: 1. daß jede Zelle
im Körper aus einer praeexistierenden Zelle hervorgegangen ist,
und 2. daß die Reaktionen der lebenden Zellen menschlicher
Gewebe im wesentlichen den Reaktionen anderer tierischer
Zellen gleichen, sodaß man berechtigt ist, aus dem, was
bei Tieren in Erscheinung tritt, auch auf das zu schließen,
was beim Menschen sich ereignet. Diese beiden Prinzipien
sind von fundamentaler Bedeutung hinsichtlich der Krebs¬
forschung, zumal es bekannt ist, daß Tiere an Neubildungen
leiden, deren strukturelle Einzelheiten oft identisch mit denen
der bei Menschen vorkommenden Tumoren sind. Angesichts
dieser Prinzipien und Tatsachen ist es längst anerkannt, daß
die künstliche Erzeugung und Transplantation von Tumoren
auf Tiere einen wesentlichen Punkt für das eigentliche
Studium von Neoplasie oder Tumorenwachstum darstellen.
Zu diesem Zwecke sind unzählige Versuche angestellt,
und als die Forschung unter dem abschreckenden Einfluß
beständig negativer Resultate stand, wurde ein frischer
Stimulus durch die Entwicklung der Bakteriologie gegeben.
Die Aehnlichkeit zwischen Krebsinvasion und anderen
infektiösen Prozessen, welche das Geheimnis ihres Ursprungs
opfern mußten, nährte die Erwartung, daß auch beim Krebs
die Ursache in einer Art von Mikroben gefunden werden
würde. Viele verschiedene Parasiten sind in den Krebs¬
zellen beschrieben, einige wurden in Reinkultur gewonnen,
und wenige ließen, Tieren eingeimpft, Zellproliferationen
entstehen, welche mit Tumoren gewisse Aehnlichkeit
besaßen. Aber diese Aehnlichkeiten waren nur ober¬
flächlich und trügerisch. Ungeachtet der grossen Zahl und
der gelegentlich glänzenden Art solcher Arbeit muß man ge¬
stehen, daß bisher niemand imstande gewesen ist, eine unzwei¬
deutige Neubildung durch die Einwirkung eines Parasiten
hervorzubringen.
Wenn gesundes Gewebe von einem Tier auf ein anderes
übertragen wird, kann die Impfung gelingen oder auch
nicht gelingen. Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges ist
grösser, wenn die Impfung bei einem anderen Tier derselben
Gattung gemacht ist. Eine solche künstliche Uebertragung
kann ein hypertrophisches übermäßiges Wachstum verur¬
sachen, wenn die Transplantation aus einem weniger gefä߬
reichen in eine gefäßreichere Stelle erfolgt ist; doch erwirbt
sie niemals das unabhängige, ungeregelte, charakteristische
Wachstum eines Tumors in dem Sinne, in welchem wir das
Wort gebrauchen. Das oft erwähnte Experiment von Lambert
Lack, welcher 1900 die Ovarialzellen eines Kaninchen über
sein Peritoneum aussäte und mehr als ein Jahr später eine
ausgedehnte karzinomatöse Infiltration der Bauch- und
Brusteingeweide fand, ist auch anderer Interpretation zu¬
gänglich. Dies eigenartige Experiment ist zudem vielfach
mit unzweifelhaft negativem Erfolge wiederholt worden.
Im Juli 1903 habe ich eine Reihe von Transplantationen von
Epithelzellen aus dem Chorion, Ovarium, Thyreoidea,
Nebennieren und Epidermis bei Tieren wie Fröschen,
Meerschweinchen, Katzen und Beutelmardern, auf
einen anderen Teil desselben Tieres, auf ein anderes Tier
derselben Gattung (des gleichen öder entgegengesetzten
Geschlechts und verschieden alt) und auf Tiere verschiedener
Gattung vorgenommen; indes, mit einer zweifelhaften Aus¬
nahme, habe ich nur die lange Reihe von Mißerfolgen, auf
diese Weise Tumoren zu erzeugen, um eine neue bereichern
können. Der Ausnahmefall betraf ein Meerschweinschen, in
dessen Peritonealsack Chorionepithel von einem anderen
Meerschweinchen eingeführt wurde, und welches, als es
später starb, in seinem Becken eine große Menge frisch
extravasierten Blutes aufwies, in welchem proliferierendes
Chorionepithel gefunden wurde.
Wenn die transplantierten Zellen in Tiere verschiedener
Spezies eingeführt werden, so werden sie in der Regel,
aber nicht unbedingt, durch Zytolysine zerstört, indem das
lebende Gewebe ihnen gegenüber wie gegenüber fremdem
Eiweißmolekülen reagiert. Gelegentlich indes werden fremde
Zellen ertragen und können auch als untrennbare Teile in den
neuen Organismus aufgenommen werden. Blutkörperchen
z. B. brauchen nicht unbedingt der Hämolyse zu verfallen,
wenn sie in Tiere verschiedener Art transfundiert werden,
und übertragene Epidermis vom Kaninchen und vom
Hunde kann auf entblößten Oberflächen beim Menschen
anwachsen. Es ist wichtig, diese Tatsache zu wissen,
weil sie beweist, warum nicht Krebse gelegentlich auch
auf fremde Arten übertragen werden sollten. Es ist
bekannt, daß Epitheliome mit Vorliebe im Narbengewebe
von alten Verbrennungen oder auf anderen Geschwüren
entstehen, und es würde interessant sein, sicher zu stellen,
ob diese Fähigkeit größer ist, wenn keine Uebertragung
stattgefunden hat, oder wenn Uebertragungen von einer
anderen Person früheren oder späteren Alters oder von
Tieren, deren Lebensdauer kürzer als die des Menschen
ist, stattgefunden haben, ob in der Tat die Anwesenheit
eines Epithels von verschiedener Lebensbedingung irgend
eine Beziehung zum Auftreten des Epithelioms hat.
Die sekundäre Verbreitung (Metastase) gewisser maligner
Neubildungen kann als ein Vorgang natürlicher Trans¬
plantation angesehen werden, und beweist die Möglichkeit
der Uebertragung derartiger Tumoren auf andere Teile
desselben Individiums. Daß dies gelegentlich bei der Ex¬
zision einer malignen Geschwulst geschehen kann, darauf
ist wiederholt hingewiesen worden. Wenn ein Karzinom
während der Entfernung angeschnitten wird, können Krebs¬
zellen aus der Schnittfläche entweichen oder durch das
Messer in benachbartes Gewebe gelangen. Sie werden hier
implantiert und geben zu einem lokalen Rezidiv Veran¬
lassung. Weiterhin kann eine Geschwulst von beschränkter
Malignität gelegentlich Veranlassung zu einer ausgedehnten
Infiltration geben, z. B. wenn ein Zystenadenom des
Ovariums reißt und die freien Epithelialzellen das Peri¬
toneum infizieren.
Da nun einmal eine natürliche oder künstliche Disse¬
mination gewisser Tumorzellen so leicht in dem Individuum
vor sich gehen kann, in welchem sie ursprünglich wachsen,
kann man auch durchaus erwarten, daß solche Geschwülste
zuletzt auf andere ähnliche Individuen transplantiert werden
können. Indes ist eine solche Erwartung gar weit davon,
realisiert zu werden. Menschliche Neubildungen sind,
soweit meine Kenntnis reicht, niemals auf andere Tiere
übertragen worden, ungeachtet zahlreicherversuche, von denen
Shattock und Ballance eine sehr ausgedehnte Reihe im
Jahre 1890 unternommen haben. Ebensowenig bin ich
von dem sicheren Nachweis der erfolgreichen Uebertragung
einer Neubildung auf ein Tier differenter Art überzeugt.
Auch wenn Impfungen bei Tieren derselben Art gemacht
Nr. 16
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
243
worden sind, so ist, ausgenommen, wenn es sich um gewisse
infektiöseGranulome handelt, welche keine echten Neoplasmen
sind, in der Regel das Ende ein Mißerfolg, und bei
Gelegenheit der letzten Versammlung des Kongresses im
Februar 1902 konnten nur wenige vereinzelte Erfolge erwähnt
werden. Dagegen stellen solche Berichte von Mißerfolgen
die ernsten Hindernisse für die Untersuchung des Geschwulst¬
wachstums vor Augen.
Der Erste, welcher systematisch Erfolge bei der Trans¬
plantation von Tumoren erzielte, war Jensen in Kopenhagen,
dessen Ergebnisse bis 1903 nicht allgemein bekannt ge¬
worden sind, ln demselben Jahre veröffentlichte Borrel
in Paris eine andere Reihe, und 1904 erschien der erste
wissenschaftliche Bericht der Imperial Cancer Research Fund,
in welchem weitere Beispiele angeführt werden. Alle diese
Erfolge sind durch Transplantation von Tumoren von einer
Maus auf eine andere gewonnen. Bei keinem anderen Tier, mit
alleiniger Ausnahme der Ratte, welche demselben Genus wie
die Maus angehört, ist eine erfolgreiche Transplantation eines
Neoplasmas auch von einem anderen Individuum derselben
Spezies ausgeführt. Versuche, maligne Geschwülste des
Pferdes, des Hundes, der Katze, der Ratte und des Karpfens
auf andere Tiere derselben Spezies zu übertragen, haben
nach der Cancer Research Fund nur Mißerfolge aufzuweisen,
obwohl bei Hunden, Katzen und Ratten über 900 Impfungen
vorgenommen wurden. Im Dezember 1904 machte ich den
Versuch, ein sqamöses Epitheliom von einem Beutelmarder
(Dasyurus Viverrinus) durch Impfung auf 15 andere und
zehn Katzen zu übertragen. Doch fast alle diese Tiere
starben innerhalb einer Woche an virulenter Septikaemie
und die wenigen überlebenden zeigten bis heute keinerlei
Anzeichen einer Neubildung.
In demselben Jahre habe ich durch die Güte von
Herrn A. S. Le Soef vom Zoologischen Garten in Sidney,
Krebsfälle von einer Löwin und einer Tigerin erhalten; beide
waren alte Tiere und starben merkwürdigerweise innerhalb
weniger Tage nacheinander. Ich habe jetzt eine Geschwulst
von einem Frosche (Hyla aurea) untersucht, welche ich
wenige Wochen später durch die Güte von Dr. Chapman
erhalten-habe, und mit diesem bin ich imstande gewesen,
andere Frösche zu infizieren, ohne indes bisher entscheiden
zu können, ob es sich um ein echtes Neoplasma oder nur
um eine Form infektiösen Granuloms handelt. Ich habe
bis jetzt noch keine Neubildung bei einer Maus erhalten
können. Indes ist das nicht überraschend, da ja von den
3000 zahmen Mäusen, welche durch die Cancer Research
Found untersucht wurden, nur zwölf mit malignen Neu¬
bildungen gefunden wurden, und nicht alle von diesen
übertragbar waren.
Jensens Originaltumor war ein Epitheliom bei einer
weißen Maus. Bei der Impfung auf andere Mäuse erhielt
er zuerst 30 bis 60 Prozent erfolgreiche Transplantationen,
und das beweist, daß es sich um den am leichtesten über¬
tragbaren aller bisher geprüften Tumoren gehandelt hat.
Er wächst noch, wie eine Reinkultur von Bakterien, in
verschiedenen Laboratorien des europäischen Kontinents,
in England und in Amerika, sodaß er in den nachfolgenden
Mäusegenerationen gedeiht. In seiner Lebensdauer (drei¬
einhalb Jahr) hat er schon die natürliche Lebenszeit einer
Maus überschritten und insgesamt hat er die von vielen
Tausenden von Mäusen bereits übertroffen. Diese große
Kraft und Ausdauer der Geschwulst kommt nur der natür¬
lichen Verbreitung von aufeinander folgenden Mäuse¬
generationen gleich und deutet auf eine enorme potentielle
Vitalität in den Zellen der Neubildung hin, eine Vitalität,
der vergleichbar, welche die Fortdauer der Rasse gewähr¬
leistet. Auch ist dies kein vereinzeltes Phänomen. Die
Erzeugung von Gewebe durch Transplantation von anderen
Mäusekrebsen kann nicht weniger schnell vor sich gehen.
Jensen hat sehr sorgfältig und genau die Bedingungen
der erfolgreichen Transplantation und die Natur des Pro¬
zesses studiert. Seine Resultate sind anderweitig hin¬
reichend bestätigt, vorzüglich durch die Cancer Research
Fund. Er fand, daß die Zellen der Neubildung aus dem
Körper eine geraume Zeit isoliert werden können, ohne
der Kraft, einen frischen Tumor hervorzurufen, verlustig zu
gehen. Unter sterilen Verhältnissen in Eis aufbewahrt,
können die Krebszellen noch zur Entstehung einer neuen
Geschwulst Anlaß geben selbst nach 18 Tagen, während
alle Impfungen fehlschlagen, wenn man sie weniger als 48
Stunden Körpertemperatur aussetzt. „Der von der Cancer
Research Fund von Professor Jensen erhaltene Tumor
wurde durch die Post von Kopenhagen unter sterilen
Vorsichtsmaßnahmen befördert und zur Impfung, 15 Tage
nachdem er Kopenhagen verlassen hatte, benutzt“ (First
Scientific Report). Diese Tatsachen beweisen auch von
einem anderen Gesichtspunkt die hervorragende Vitalität,
mit welcher die Zellen der Neubildung ausgestattet sind.
In ihren allgemeinen Eigenschaften ähneln solche
transplantierten Geschwülste sehr den sekundären (meta¬
statischen) Disseminationen, wie sie natürlich im Verlaufe
vieler maligner Tumoren Vorkommen. Die sie zusammen¬
setzenden Zellen sind die direkten Abkömmlinge der Zellen
der Primärgeschwulst. Handelt es sich um epitheliale
Tumoren, welche allein übertragen worden sind, so
schwankt das Stroma an Menge, es wird durch die
Reaktion des befallenen Gewebes erzeugt. Diese Tat¬
sachen sind ebenso erweislich, wenn es sich um natürliche
Metastasen handelt, wie bei der Entwicklung von emboli-
schen Herden in der Leber. Die längsten Reihen von
Nachimpfungen hindurch besteht jeder nachfolgende Tumor
aus Zellen, welche strukturell mit denen des Originaltumors
identisch sind.
Die Uebertragbarkeit von Neubildungen von Mäusen
ist in bemerkenswerter Ausdehnung durch Rassenunter¬
schiede unter den geimpften Mäusen bedingt. So begegnet
ein ursprünglich in einer deutschen Maus wachsender
Krebs geradezu einem Antagonismus, wenn er einer fran¬
zösischen Maus eingeimpft wird, und gibt einen sehr
niedrigen Prozentsatz von Erfolgen; doch wenn er an die
neue Rasse sich gewöhnt hat, steigt der Prozentsatz der
Erfolge und kann zuletzt dem gleichkommen, welcher
durch direkte Impfung des Originaltumors bei deutschen
Mäusen erzielt wird. Solche spezifischen Unterschiede
zwischen verschiedenen Rassen derselben Spezies zeigt die
Möglichkeit einer noch feineren Reaktion als die durch
spezifische Präzipitine hervorgerufene, welche die ent¬
sprechenden Eiweißmoleküle verschiedener Tierspezies unter¬
scheiden kann, nicht aber die verschiedener Rassen inner¬
halb der gleichen Spezies. (Scientific Report, Nr. 2, T. II.)
Wenn eine Neubildung auf andere Mäuse der gleichen
Rasse verimpft wird, so erscheint die Neubildung unab¬
hängig von Faktoren wie Alter oder Geschlecht der ge¬
impften Mäuse zu sein. Der oft hohe Prozentsatz von
Erfolgen steht in entschiedenem Widerspruch zu der rela¬
tiven Seltenheit von primären Neubildungen bei den
gleichen Tieren. Die für erfolgreiche Transplantation einer
Neubildung erforderlichen Bedingungen können also nicht
mit den für das primäre Wachstum notwendigen identisch
sein, eine Tatsache, welche darauf hinweist, das bei der
Entstehung einer Neubildung die Zellen Eigenschaften er¬
worben haben, welche sie in den Stand setzen, unter ihrer
ursprünglichen Entwicklung verwandten Bedingungen das
Wachstum fortzusetzen.
Erscheinungen von Zellteilung in pathologischen
Neubildungen.
Eine der hervorragendsten Beobachtungen neueren
Datums beim Tumorwachstum bezieht sich auf die Er¬
scheinungen der Zellteilung. Um selbst besser verstanden
244
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 16
zu werden, gestatte ich mir, an die Hauptpunkte dieses
Vorganges zu erinnern, wie er sich in gesunden Geweben
vollzieht.
Ausnahmsweise kann eine Zelle sich durch den
Prozeß der Amitose oder der direkten Teilung sich teilen, bei
welcher der Kern einfach eingeschnürt und in zwei Teile
getrennt wird, indem auch die Zelle sich eingeschnürt und
später in zwei Zellen sich scheidet, deren jede einen Teil
des originären Kerns enthält. Diese Art der Zweiteilung
ist auf sehr hoch spezialisierte oder degenerierende Zellen
beschränkt, wie sie im Drüsenepithel oder in temporären
embryonalen Hüllen sich finden (Wilson).
Die für die Entwicklung von tierischen und pflanz¬
lichen Geweben charakteristischeren Zellteilungen sind
außerordentlich kompliziert und stellen einen Vorgang in¬
direkter Teilung oder Mitosis dar, von welcher nur ein
kurzer Abriß gegeben werden kann. Hier erfährt der Kern
vorläufige Veränderungen in seiner physikalischen und
chemischen Natur, als Vorphasen der Mitose. Das
Chromatinnetz wird allmählich in ein Fadenwerk mit inten¬
siveren Farbreaktionen umgewandelt, das Spirem. Zuerst
fein und dicht verwoben, bildet das Fadenwerk das ge¬
schlossene Spirem; später wird es kürzer und dicker und
bildet das offene Spirem. Zuletzt bricht es in Abständen
durch und gibt zur Entstehung getrennter Chromatinmassen
Anlaß, in der Regel in der Form kurzer gebogener Stäbchen,
bekannt als Chromosomen. Diese Chromosomen werden
rund um die Fäden von spindelförmiger Struktur ange¬
ordnet, welche unterdessen innerhalb der Zellen in Er¬
scheinung getreten sind. Jedes Chroinosoma spaltet sich
der Länge nach (Metaphase) in zwei genau gleiche Frag¬
mente, welche allmählich längs des Spindelfadens sich
abtrennt (Anaphase), so daß die Hälfte jedes Chromosoma j
gegen jeden Pol der Spindel sich wendet. Die Endphase I
oder Telophase besteht in der Teilung der Zelle selbst in
der Aequatorialebene der Spindel, sodaß jede Tochterzelle
eine der Gruppen der Chromosomen enthält, aus welchen
der entsprechende Tochterkern wieder aufgebaut wird. Das
Fundamentalbegebnis bei der Mitose ist die scharfe Tren¬
nung jedes Chromosomas in die Hälfte an jedem Pol der
Spindel, weil es sicherstellt, daß jeder Tochterkern genau
eine Hälfte des ursprünglich in dem Mutterkern enthaltenen
Chromatin enthält.
Von der Zeit der ersten Teilung des befruchteten Eies
an und durch alle Zellteilungen hindurch, welche bis zur
Bildung des Körpers des Embryos vor sich gehen, bleibt
dieser Typus des Mitose bestehen und kann als somatische
Mitose bezeichnet werden. Ueberdies wird die Zahl der
Chromosomen, welche durch jeden die Teilung vor¬
bereitenden Kern gebildet werden, nicht verändert. Sie
bleibt konstant nicht nur während der Entwicklung des
Individuums, sondern durch alle Individuen derselben
Spezies und schwankt auch nicht in der Zahl. So wird
diese Zahl beim Menschen, beim Rind, beim Meerschwein¬
chen und bei der Zwiebel auf 16 angegeben, bei Mäusen,
Salamander, bei der Forelle und der Lilie auf 24, bei eini¬
gen Nematoden ist sie niedriger als 2 oder 4 und bei
gewissen Krustazeen höher als 168 (Wilson).
Doch nicht alle Zellen, welche aus der wiederholten
Segmentierung des befruchteten Eies resultieren, bilden den
Körper des neuen Individuums. Nach einer gewissen
Anzahl von Teilungen werden die jüngst gebildeten Zellen
berufen, verschiedene Rollen zu übernehmen. Einige bilden
den Embryo und gestalten durch kombinierte somatische
Teilungen den Körper des ausgewachsenen Organismus.
Andere bilden die Embryonalhüllen und -Anhänge und
noch andere bleiben, als Vorläufer der reproduktiven Zellen,
frühzeitig abgesondert und werden dem Embryo einverleibt.
Dies ist der Fall bei den Zellteilungen in der dritten
Gruppe, auf welche ich jetzt die Aufmerksamkeit lenken will.
Zuerst vervielfältigen sich die reproduktiven Zellen auf
dieselbe Weise wie die Körperzellen es tun. Indes, wenn
sie sich ihrer Reife nähern, zeigen sie Kernteilungstypen,
welche eigentümlich different sind von den für die Körper¬
zellen festgestellten. Die Mitosen, welche der Reifung der
Sexualelemente vorangehen, sind als Reduktionsteilungen
bekannt, weil einer der deutlichsten Divergenzpunkte in
der Reduktion der Chromosomenzahl auf genau der Hälfte
der für die somatischen Mitosen charakteristischen Zahl
besteht. Von diesen Teilungen gibt es zuletzt zwei und
bei den höheren Tieren nur zwei Mitosen, von denen eine
als die heterotype, die andere als die homotype unterschieden
werden (Fleming). Bei der heterotypen Teilung nehmen
die reduzierten Chromosomen besondere Formen an und
erscheinen oft als Fäden oder Stäbchen oder Kugeln, und
ihre Teilung in der spindelförmig gewundenen Zelle erfolgt
nicht longitudinal, sondern transversal. In weitere Einzel¬
heiten einzugehen bedarf es nicht. Es genügt, die Tat¬
sache zu betonen, daß die Röduktionsteilungen von ge¬
wöhnlichen somatischen Teilungen verschieden sind, daß
sie unter natürlichen Umständen nur in einem Gewebe,
dem reproduktiven Gewebe, auftreten und dort nur zu
einer Phase ihrer Entwicklung gelangen und zwar der,
welcher der Reifung der Sexualzellen voraufgeht.
Daß dies in manchen Punkten nicht verstandene
Phänomen eine wesentliche Vorbedingung für die Fort¬
pflanzung neuer Individuen darstellt, wird durch seine fast
universelle Verbreitung angedeutet. Es ist bei allen unter¬
suchten höheren Organismen gefunden, in gleicher Weise
bei Tieren und Pflanzen, und weist darauf hin, daß es die
Reifung oder ein Endstadium der Reifung der lediglich für
die Reproduktion bestimmten Zellen ist. Bei Tieren ist auf
alle Fälle, wenn alle die entscheidenden Mitosen erfolgt
sind, die Zelle vollauf vorbereitet mit einer reifen Zelle des
entgegengesetzten Geschlechts sich zu vereinigen und bis
diese Vereinigung sich vollzieht kann, abgesehen von ab¬
normen und ausnahmsweisen Verhältnissen, keine weitere
Entwicklung eintreten.
Eine neue Generation wird durch die Vereinigung
zweier reifer Sexualzellen oder Gameten hervorgebracht —
das Spermatozoon und das reife Ei. Jede Gamete enthält
in ihrem Kern die Hälfte, der Chromosomenzahl, welche
für die somatische Mitose des aus ihrer Vereinigung her¬
vorgehenden Organismus charakteristisch ist, und die Ver¬
einigung zweier Gameten stellt die volle Chromosomenzahl
in der resultierenden Zelle — dem befruchtenden Ei -
wieder her, und diese ist die erste einer neuen Generation.
Und durch alle Zellengenerationen des neuen Organismus
wird die volle Chromosomenzahl erhalten, ausgenommen
bei den Reifungsteilungen seiner reproduktiven Zellen,
wenn sie an die Reihe kommen und ihre Endvorbereitungen
für die Vereinigung treffen, welche die nächstfolgende
Generation herbeiführt.
Wir haben jetzt die Erscheinung der Zellteilung, wie
sie beim Krebs oder anderen pathologischen Neubildungen
auftritt, zu betrachten. Zytologen sind seit vielen Jahren
mit der Tatsache vertraut, daß Störungen im Mechanismus
der Mitose bei Krebszellen sehr gewöhnlich sind, und daß
bei Tumoren mit rapidem Wachstum die Vorgänge der
Zellteilung außerordentliche Störungen aufweisen können
(Klebs, Hansemann, Galeotti, erwähnt bei Wilson). Solche
Störungen bedingen asymmetrische Mitosen, indem die
Chromosomen ungleich auf die Tochterkerne verteilt werden,
und multipolare Mitosen, in welchen mehr als eine Spindel
sich bildet. Auch Amitosen oder direkte Teilungen kommen
nicht selten vor. Aehnliche abnorme Mitosen können
künstlich erzeugt werden durch die Wirkung von Reizen
oder Giften, z. B. in den Epidermiszellen des Salamanders
durch Antipyrin, Jodkali usw. (Galeotti, erwähnt von Wilson).
Nr. 16
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
245
Indes blieb es Farmer, Moore und Walker überlassen, j
eine gewisse Ordnung in diesen Störungen festzustellen,
und diese Entdeckung, welche der Royal Society im
Dezember 1Q03 mitgeteilt wurde, war ebenso einfach wie
bedeutsam. Sie fanden, daß an der primären Ursprungsstelle
und in einer Zone hinter dem wachsenden Rand der
malignen Geschwulst, die Tumorzellen sich nach der Art
der heterotypen Mitosen des reproduktiven Gewebes
teilen. Nicht nur die Chromosomen der sich teilenden
Kerne war auf annähernd die Hälfte der somatischen
Teilungen herabgesetzt, sondern die Aehnlichkeit dehnte sich
auch auf andere Punkte und oft auf die geringsten Einzel¬
heiten aus, einschließlich der Anordnung der Chromo¬
somen in Form von Fäden, Stäbchen und Kugeln und ihrer
transversalen Verteilung an der spindelförmigen Zelle. Mit
anderen Worten: sie zeigten in den neugebildeten Zellen der
primären Krebsgeschwulst Vorgänge von Zellteilung, welche
alle biologischen Untersuchungen als charakteristisch für
die Reifung oder als ein Endstadium der Reifung der die
Vereinigung vorbereitenden reproduktiven Zellen erkannt
haben.
Nach der Bestätigung durch die hohe Autorität von
Professor Farmer und seinen Mitarbeitern ist die Aehnlichkeit
des Krebsgewebes in einem gewissen Stadium der primären
Neubildung mit reproduktivem Gewebe eine Tatsache von
höchster Bedeutung hinsichtlich des Tumorwachstums. Das
Auftreten der kritischen Mitosen zeigt an, daß die Zelle in
die Endphase ihrer Existenz als Zelle einer älteren Generation
gelangt ist, und daß sie nun bereit ist, den Beginn eines
frischen Lebenslaufs, eines neuen Wachstums von Zellen,
eines unabhängigen Organismus zu machen. Es bedeutet
noch nicht, daß schon eine neue Zellegeneration entstanden ist.
Eine weitere erhebliche Aehnlichkeit zwischen den
Krebszellen und denen der reproduktiven, gametogenetisehen
Gewebe ist neuerdings von denselben Forschern beschrieben,
ln Krebszellen sind häufig deutliche bläschenartige Körper
eingeschlossen, welche kleine, dunkel sich färbende Granula
enthalten. Doch ihre Natur ist lange ein Rätsel gewesen.
Gelegentlich sind sie als eine Form parasitischer Protozoen
beschrieben, deren Anwesenheit die Zelle zu unverhältnis¬
mäßiger Proliferation reizt und den erregenden Faktor in
der Aetiologie des Geschwulstwachstums darstellt. Die
Anwesenheit solcher Zelleinschlüsse hat die Grundlage für
viele Hypothesen über den parasitischen Ursprung des I
Krebses gebildet. Der von Professor Farmer und seinen
Mitarbeitern angestellte Vergleich schafft eine ganz neue
Lösung. Sie weisen darauf hin, daß in den Endmetamor¬
phosen der Spermatozoen bei den Vertebraten ein blasiger
Körper, eine archoplasmische Blase, welche ein oder mehrere
dunkel sich färbende Granula enthält, neben dem Kern sich
entwickelt und einen solchen Umfang erreichen kann, daß
sie den Kern einkerbt und deformiert. Die Blase mit ihrem
Inhalt persistiert schließlich als sogenannte „Kopfkappe“ des
Spermatozons. Diese Erscheinung ist eine hervorragende
und, soweit bekannt, konstante Eigenschaft der Sperma-
togenesis bei den Vertebraten und hat bekanntlich auch
noch weitere Verbreitung. In seinem allgemeinen Aeußeren ;
ähnelt die archoplasmische Blase genau den blasigen Ein- j
Schlüssen der Krebszellen und, wie andere Autoren daraus I
schließen, „ist es vielleicht nicht reiner Zufall, daß, gerade
wie bei der Zellteilung, so auch bei den Zelleinschlüssen,
ein Parallelismus zwischen den Zellen des reproduktiven
Gewebes und denen der krebsigen Geschwülste gefunden
werden könnte“. Sie betrachten jedoch in dieser Hinsicht
die Krebszellen nicht als identisch mit Sexualzellen.
Von den neuesten Beobachtungen des Imperial Cancer
Research Fund, für welche Bashford und Murray ver¬
antwortlich sind, behandelt die Mehrzahl die Natur und
Verteilung der Mitosen in Krebszellen. Die Arbeiten von
Jensen und von Borrel über die Uebertragbarkeit des Krebses
auf Mäuse und der von Farmer, Moore und Walker über
die Aehnlichkeit zwischen gewissen Krebszellen und denen
der reproduktiven Gewebe eröffneten eine Aussicht, welche
sie selbst auszunutzen sich beeilten. Während sie die
Schwierigkeiten betonten, welche der Interpretation der
zahlreichen Formen abnormer Mitosen in Krebszellen ent¬
gegenstehen, zeigten sie, daß heterotype Formen nicht
nur in Krebsen menschlicher Herkunft Vorkommen, sondern
auch in denen niederer Tiere und selbst bei sehr weit von
einander verschiedenen Typen, wie Pferd, Hund, Rind,
Katze, Maus und Forelle, daß in der Tat die Aehnlichkeit
der Krebszellen in einem gewissen Lebensstadium mit der
Reifung nahen reproduktiven Zellen eine bei allen Krebsen
der Vertebraten vorhandene Erscheinung darstellt.
Während sie so die Beobachtungen von Farmer und
seinen Mitarbeitern bestätigten und erweiterten, lehrten sie
noch andere bedeutende Erscheinungen. Ich meine, daß
nach ihrer Erfahrung somatische Typen von Mitosen, in
welchen die Kernteilung die Höhe erreicht, nichtreduzierte
Chromosomenzahl in vollentwickelten Tumoren gewöhn¬
licher sind als reduzierte Teilungen, und daß ohne Beziehung
zum Alter und zur Ausdehnung des Krebses, gewöhnliche
somatische Mitosen fast durchweg in gewissen Stadien und
unter gewissen Wachstumsbedingungen vorhanden sind.
Die Zellen vervielfältigen sich' am fortschreitenden Rand der
malignen Geschwulst, der primären wie sekundären, und
sie vervielfältigen sich auch, wenn sie, von der Tumormasse
abgelöst, der initialen Proliferation verfallen, welche eine
natürliche Metastase oder eine künstliche Transplantation
auslösen. Nicht allein also das heterotype und postheterotype
Gewebe stellt nur einen kleinen Teil einer ausgedehnten
Neubildung dar, sondern die Zellen, welche der Zeit nach
die jüngsten und der Abstammung nach wahrscheinlich die
ältesten sind, zeigen fast durchweg somatische Mitosen.
Haben sich einmal reduzierte Teilungen im reproduktiven
Gewebe gezeigt, so werden die Zellen, welche der Zeit nach
die jüngsten, der Abstammung nach die ältesten sind, bei
Tieren nur durch die reifen und reifenden Sexualzellen
repräsentiert, und sie vermehren sich bei Tieren wie bei
Pflanzen bekanntlich nur durch Mitosen, in welchen die
Chromosomenzahl auf die Hälfte reduziert ist. Nicht alle
Zellen der Krebsgeschwulst können daher als mit repro¬
duktiven Zellen vergleichbar betrachtet werden. Nach einer
gewissen Zeit muß irgend ein Umstand dazwischen kommen,
welcher die somatischen Mitosen wiederherstellt, und ab¬
gesehen von parthogenetischer Entwicklung, bei welcher das
Ei durch einen der Polarkörper befruchtet wird, ist nur
ein Ereignis bekannt, welches diese Wirkung haben kann.
Es ist, wie wir schon gesehen haben, die Vereinigung
zweier, schon durch die Folge von reduzierenden Teilungen
für die Vereinigung vorbereiteter Zellen, welche die volle
Chromosomenzahl in den resultierenden Zellen wiederher¬
stellt und eine neue Generation begründet. Diese Erscheinung
ist zudem beschrieben worden (Bashford und Murray). Bei
transplantierten Mäusekrebsen, werden dunkler als ge¬
wöhnlich gefärbte, in stumpfen amoeboiden Fortsätzen
endende Kerne gefunden. Häufig legt sich einer dieser
Fortsätze der benachbarten Zellwand dicht an. Gelegentlich
kann der Zellkern in Berührung mit dem einer benachbarten
Zelle. und sichtlich mit ihm in Zusammenhang stehend
gesehen werden. Soweit ich es beurteilen kann, ist diese
Verbindung der Testierenden Kerne nur in gewissen Wachs¬
tums- und Entwicklungsstadien der auf Mäuse transplantierten
Tumoren beobachtet worden. Obwohl sie bisher aber an
der primären Stelle des Krebses noch nicht entdeckt worden
ist, beharrt der Bericht des Cancer Research Fund auf der
Ansicht, daß irgend ein der Konjugation gleichwertiger
Umstand erforderlich wie angemessen ist, um die fragliche
Wachstumserscheinung als verschieden von der Entstehung
des Krebses zu erklären. Es ist bewiesen, daß nur eine
246
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 16
neue Zellgeneration, welche in allen wesentlichen Hinsichten
einen neuen Organismus darstellt, mit dem unabhängigen
und autonomen, für eine Neubildung charakteristischen
Wachstum ausgestattet sein kann.
Farmer wie Bashford ziehen einen Vergleich zwischen
den Beziehungen gewisser Zellgenerationen bei Pflanzen
und der Beziehung einer Neubildung in einem tierischen
Organismus. Ich schlage vor, mehr eine Beziehung zwischen
den rückläufigen Zellgenerationen bei Tieren zu betonen,
welche eine noch bündigere Analogie darstellt. Bei Marsu-
pialier, und in größerer Ausdehnung bei den höheren Tieren
überhaupt, sitzt die neue, das befruchtete Ei hervorrufende
Generation eine Zeit lang vollkommen parasitisch auf der
alten Generation — dem mütterlichen Organismus — und
die Beziehung des fötalen Chorionepithels zur mütterlichen
Dezidua ist im Wesen die einer Neubildung von beschränkter
Malignität, soweit wenigstens lokale Infiltration und unab¬
hängiges Wachstum in Frage kommen.
Das Chorionepithel ist schon eine neue und auch in
Bezug auf den mütterlichen Organismus parasitische Gene¬
ration, aber sein Wachstum ist begrenzt und seine natürliche
Lebenszeit ist auf die Schwangerschaftsperiode der Art
beschränkt. (Fortsetzung folgt.)
Die äußere Salizylbehandlung mit Spirosal.
Von Dr. Jul. Baedeker, prakt. Arzt in Berlin.
Schon seit Jahrzehnten herrscht das Bestreben, die
innere Salizylbehandlung möglichst durch äußere Behand¬
lungen zu ersetzen!
Der Grund hierfür liegt einerseits darin, daß die Er¬
krankungen, gegen die man Salizyl anzuwenden pflegt, zu
den andauernsten gehören, die wir kennen, insbesondere
die rheumatischen Gelenk- und Muskelerkrankungen — und
weil eben mit Recht eine Abneigung dagegen besteht, den
Organismus an ein inneres Medikament zu gewöhnen.
Zweitens hat das Salizyl speziell zahlreiche Nebenwirkungen
— besonders betr. Herz und Magen — die seiner inneren
Medikation Einhalt gebieten. Seit das Salizylsäure Natron
durch Aspirin, Salipyrin usw. ersetzt wird, ist glücklicher¬
weise die Anzahl dieser unerwünschten Nebenwirkungen
bedeutend verringert! Drittens haben wir bei der inneren
Medikation des Salizyls stets den Eindruck, als wenn im
Grunde eine gewisse Verschwendung notwendigerweise
mit dem Medikament getrieben werden müßte! Ueber-
schwemmen müssen wir ja den ganzen Körper mit
Salizyl, lediglich, um eine rein lokale Wirkung mit dem¬
selben nur an einem oder zwei bestimmten Gelenken resp.
Muskeln auszuüben! Aus allen diesen Gründen wendet
man schon längst statt der inneren Salizyltherapie mit Vor¬
liebe die bekannten äußeren Behandlungsmethoden an:
spirituöse Einreibungen, heiße Luft, heißen Wasserdampf,
Lichtbestrahlung usw. — Jedoch gerade in den schwereren
Formen rheumatischer Erkrankungen konnte durch all dieses
das Salizyl nicht ersetzt werden! Da kam man auf den
Ausweg, eben das Salizyl selbst auch äußerlich in
Form von Einreibungen an den erkrankten Stellen zu ver¬
wenden! Das Mesotan der Firma Bayer war wohl das
therapeutisch Beste dieser äußerlich zu gebrauchenden Salizyl-
präparate. Leider tritt so häufig bei Mesotan Hautreizung,
ja bei ungenügenden Kautelen auch Hautentzündung auf,
sodaß der Arzt, dem einmal dies passierte, nur noch ungern
Mesotan anwendet. — Uebrigens wird neuerdings eine
Mesotancreme in den Handel gebracht, bei dem durch
Zusatz von Stearin dieser Nachteil ausgeschaltet sein soll. —
Da trotzdem das Prinzip bei dem Mesotan ein durch¬
aus richtiges war, stellte die Firma Bayer nunmehr ein
Salizylpräparat her, das nicht die hautreizende Componente
des Mesotans besitzt. Dieses Präparat ist das schon ziem¬
lich bekannte „Spirosal“. Freilich wird Spirosal nicht
ganz so gut resorbiert wie das zersetzte Mesotan. Letz¬
teres wird zu 25% von der Haut resorbiert, Spirosal wird
nur zu 16% resorbiert, also etwa ein Sechstel der ein¬
geriebenen Menge kommt bei Spirosal zur Re¬
sorption! Dafür erleben wir bei ihm — sachgemäße An¬
wendung vorausgesetzt — so gut wie nie Hautreizungen,
wenigstens nie bei Spirosal-Einreibung. Es ist desgl.
geruchlos. Spirosal entsteht durch Einwirkung von
Aethylenchlorhydrin auf salizylsaures Natrium und ist
chemisch der Monosalizylsäureester des Aethylenglycols.
Die Tatsache der Resorption ist leicht zu beweisen!
Goß man ein auch nur kleines Quantum auf die intakte
Haut — etwa % Teelöffel der von Bayer in den Handel
gebrachten Spirosal-Alkohol-Mischung genügte dazu —,
und verrieb dieses Quantum ohne jede Anstrengung kurze
Zeit auf der Haut — 1—2 Minuten sind hinreichend
so tritt im Harn, der danach gelassen wird, deutlich die
charakteristische Violettfärbung bei Zugießen weniger,
mit Wasser verdünnter Eisenchloridtropfen auf! Diese
Reaktion ist bekanntlich tür das Vorhandensein von Salizyl
beweisend! Ebenso stellte ich die gleiche Reaktion fest,
wenn ich ohne jede aktive Einreibung lediglich ein Glied
oder Gelenk mit Watte umgab, die mit Spirosal - das
mit Alkohol und Oel verdünnt wird getränkt war, wo¬
rauf diese Watte mit einem impermeablen Stück, etwa
Billroth-Taffet bedeckt wurde! Das Ganze wurde dann
mittelst Binde sanft an die Haut angedrückt!
War so die Tatsache der Salizylresorption an sich
ohne Zweifel, so war doch durchaus nicht in gleicher
Weise gewiß, wenigstens nicht a priori, ob die resorbierten
Salizylmengen zu therapeutischen Erfolgen ausreichten!
Von dem Spirosal wird, wie erwähnt, nur ein Sechstel re¬
sorbiert. Eingerieben aber soll werden nach den bisherigen
Angaben 4 mal täglich 1 Kaffeelöffel der Bayer’schen
Spirosal-Alkohol-Verdünnung! Diese ist nach dem Ver¬
hältnis 1:2 hergestellt! Rechnen wir den Kaffeelöffel zu
6 gr. so enthält derselbe hiernach 2 gr. Spirosal. Danach
würde bei jeder Einreibung nur 1 / a gr. resorbiert, d. h. pro
Tag 1,3 gr.! Bei der inneren Salizylbehandlung werden
aber pro Tag mindestens 3,0 salizylsaures Natron an¬
gewandt. Danach konnte man sehr wohl theoretisch es als
fraglich erscheinen lassen, ob die bisher übliche Spirosal-
Therapie genügend Salizyl an den Organismus abgibt,
um Heilerfolge zu zeitigen! Aus diesem Grunde ersuchte
mich die Fabrik, die das Spirosal herstellt, Bayer in Elber¬
feld, darum, in der Praxis bei den einschlägigen Fällen
Spirosal anzuwenden und so die Heilwirkung desselben
zu erproben.
Der Winter mit seinen zahlreichen an die Influenza
sich anschließenden rheumatischen und neuralgischen Er¬
krankungen, gab mir ein zu einer Kasuistik genügendes Material,
und seien nun im Folgenden einige meiner Resultate mit
Spirosal berichtet:
A. Gelenkrheumatismus.
Fall 1. Karl M., 12 J., Gemeindeschüler. Rheumatism.
articular. in linker Schulter und beiden Kniegelenken, 39,8
Temp., Schwellung und völlige Unbeweglichkeit der ge¬
nannten Gelenke! — Verordnet: 4 mal täglich Einreiben
mit der Bayer’schen Spirosal-Mischung, je 1 Kaffeelöffel,
nachher Bedecken mit Flanell. Nach 2 tägiger Anwendung
gelinde Besserung der Schmerzen, objektiv keine Aenderung.
Danach wird Spirosalbehandlung insofern verstärkt, als ich
dem Einreiben folgen lasse: eine Einwickelung der ge¬
nannten Gelenke mit einem Spirosalverband nach der Art
der reinen Alkoholumschläge. Nach 24 Stunden dieser
Therapie sinkt die Temperatur zum ersten Mal unter 39
und tritt einige Beweglichkeit der Gelenke ein. Nach
8 Tagen dieser Behandlung ^völlige Heilung!
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
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Fall 2. Frieda B., 13 J. Rheumatism. articular. in
beiden Kniegelenken; Purpura rheumatic. Spirosalbehandlung
mit Spirosalverband nach obiger Angabe — Fall 1 —.
Nach 14 Tagen völlige Heilung der Gelenke und der Pur¬
pura. Temperatur ging 1 Stunde nach dem 2. Spirosal¬
verband von 40,2 auf 38,8 herunter.
Fall 3. Elise P., 9 J. Rheumatism. artic. nach Schar¬
lach. Das schon auf 37,4 gesunkene Fieber steigt wieder
bis 38,7. Täglich 4 mal Einreiben des doppelten Quantums
wie Vorschrift. Völlige Heilung.
Fall 4. Berthold B., 31 J. Rheumatism. artic. nach
Influenza. Linker Ellbogen und Handgelenk schmerzhaft
geschwollen, unbeweglich. — Bloßes Einreiben mit Spirosal
und nachfolgende trockne Flanellumwicklung ist fast erfolg¬
los! Nach Spirosalverband analog Fall 1 erhebliche Besse¬
rung der Schmerzen, Schwellung und Bewegungsstörung
bleiben. Nun wird Behandlung unterstützt durch Aspirin
4 mal täglich 0,5 gr. Nach fünftägiger kombinierter Be¬
handlung in dieser Weise beginnende Heilung. Keine
Reizung.
Fall 5. Fr. Auguste F., 33 J. Nach Typhus: Rheu¬
matism. articul. am rechten Knie- und linken Schultergelenk.
Nach Spirosalbehandlung allein — auch mit Spirosalum-
schlag nach Fall 1 — außer geringer Besserung der
Schmerzen kein Erfolg. Dagegen bei Zugabe geringer
Aspirin-Dosen — Aspirin 0,5 fünfmal am Tag — wird
nach dreitägiger Durchführung dieser kombinierten Behand¬
lung deutlich die Heilung eingeleitet; insbesondere ist
nach fünftägiger Behandlung Beweglichkeit des Gelenkes
wiedergekehrt.
Im ganzen wurden 12 Fälle mit Spirosal behandelt,
8 schon bei alleiniger Spirosalbehandlung positiv, die
übrigen 4 Fälle erst bei Kombination mit innerlicher
Aspirinbehandlung erfolgreich.
B. Muskel-Rheumatismus.
Fall 1. Walter S., 36 J. Rheumatismus der Waden¬
muskulatur links, sodaß er vor Schmerz nicht stehen kann.
Seitdem Patient dreimal täglich sich mit Spirosal einreibt und
danach trocknen Flanellverband anlegt, haben die Schmerzen
soweit nachgelassen, daß er auch stehend arbeiten kann,
was vordem unmöglich war.
Fall 2. Fritz O., 39 J. Rheumatismus in der Schulter¬
muskulatur beider Seiten! Völlige Heilung nach fünftägiger
Spirosal-Einreibung; 4 mal täglich 1 Kinderlöffel verrieben.
Im ganzen 5 Fälle mit Spirosal behandelt, 4 positive,
1 negatives Ergebnis.
C. Neuralgie.
Fall 1. Frau Clara G. Ischias. Neuralgie auf neu-
rasthenisch-hysterischer Basis. Nach 4 Tagen Spirosal-
Einreibung völlig geheilt.
Fall 2. Fr. Ottilie O. Trigeminus-Neuralgie. Nur
während des Einreibens selbst leichte Besserung. Kein
nachhaltiger Erfolg der Spirosal-Behandlung.
Fall 3. Frau Agnes S. Intercostal-Neuralgie. Spi¬
rosal allein bewirkt wenig Besserung. Kombination von
Spirosal-Einreibung und warmen hydropathischen Um¬
schlägen bewirkt nach achttägiger Anwendung Heilung.
Fall 4. Frau Johanna G. Subscapularis-Neuralgie.
Nach Spirosal-Einreibung erhebliche Linderung. Heilung
erst nach Kombination von Massage und Spirosal-Behandlung.
Fall 5. Herr Friedrich L. Trigeminus und Occipitalis-
Neuralgieen. Spirosal-Behandlung in jeder Form erfolglos.
Fall 6. Herr Alfred S. Subscapularis-Neuralgie. Nach
Spirosal-Behandlung etwas gebessert, Heilung erst nach
Kombination von Bädern und Spirosal-Behandlung.
Im ganzen 10 Fälle behandelt, 2 zweifellos positiv,
5 nach vorheriger anderer Therapie positiv, 3 negativ.
D. Pleuritis. Nur trockne Pleuritis wurde behandelt.
Fall 1. Herr W. Hermann PI., 32 J. Links Pleuritis
sicca. Ohne Fieber! Nach 8 Tagen Spirosal-Einreibung
mit nachfolgendem Spirosalverband analog A. Fall 1 völlige
Heilung.
Fall 2. Frau Else M., 34 J. R. Pleuritis sicca. 38,4
Fieber. — Spirosal-Einreibung und -Verband erzeugt wesent¬
liche subjektive, doch nicht objektive Besserung. Kombi¬
nation von innerlich Aspirin 5 mal täglich 0,5 und Spirosal-
Behandlung läßt nach zweitägiger Anwendung deutlich be¬
ginnende subjektive und objektive Heilung erkennen, unter
Sinken der Temperatur von 38,3 auf 37,6.
Im ganzen 4 Fälle behandelt. 2 positiv mit Spirosal
allein, 2 positiv bei Kombination mit hydropathischer resp.
innerer Behandlung.
E. Parametritis.
Fall 1. Frau Berta N., 23 J. Rechtsseit. Parametritis
mit geringem, nicht genau der Größe nach zu bestimmenden
Exsudat. Wird durch Spirosal-EinreibungundSpirosal-Verband
nach 3 Tage lang durchgeführter Behandlung wesentlich
gebessert. Exsudat fast völlig geschwunden.
Fall 2. Frau Franziska R., 28 J. Beiderseitige Para¬
metritis ohne Exsudat und ohne Fieber. Nach 3 Tage
lang durchgeführter Spirosal-Behandlung — nämlich Ein¬
reibung 4 mal täglich je 1 Kinderlöffel Spirosal mit nach¬
folgender trockner Flanelleinwicklung — wesentliche
Besserung, sodaß die vorher bettlägerige Frau aufstehen
kann.
Im ganzen 4 Fälle, alle mit positivem Ergebnis behandelt.
Mein Gesamturteil möchte ich etwa in folgenden Sätzen
zusammenfassen:
1. Es ist als festgestellt zu erachten, daß eine äußere
Salizylbehandlung durch Spirosal zwar nicht stets, jedoch
in einem großen Prozentsatz der in Betracht kommenden
Fälle die typischen therapeutischen Erfolge der inneren
Salizylbehandlung hervorruft!
2. Als Indikationen für die äußere Salizylbehandlung
mit Spirosal gelten die gleichen Erkrankungen, bei denen
innerlich Salizyl erfolgreich angewendet zu werden pflegt,
in erster Linie Gelenk- und Muskel-Rheumatismus, trockene
Pleuritis und Parametritis in leichteren Fällen. Neuralgieen
reagieren — außer solchen auf neurasthenisch-hysterischer
Basis — in der Regel erst nach einer Vorbehandlung mit
Massage oder auf hydropathischem Wege (Bäder und Um¬
schläge) auf Spirosal.
3. Um mit der Spirosal-Therapie Erfolg zu haben,
muß darauf Rücksicht genommen werden, daß die zur
Resorption gelangende Salizylmenge nicht zu gering ist.
Sie soll die Hälfte bis zwei Drittel der bei innerlicher
Salizylbehandlung verabreichten Salizylmenge betragen. Ins¬
besondere ist bei Spirosal-Bayer-Mischung das Quantum
von viermal täglich ein Teelöffel meist zu gering. Um
Erfolge zu erzielen, ist, in der Regel wenigstens, ein Quantum
von viermal täglich ein Kinderlöffel = 10 g Spirosal-Bayer-
Mischung zu verreiben. Da die Spirosal-Bayer-Mischung,
wie sie in den Handel kommt, 1 Teil Spirosal zu 2 Teilen
Alkohol enthält, die von Spirosal zur Resorption gelangende
Menge aber y 8 beträgt, so gelangt bei der zuletzt genannten
Behandlung (je ein Kinderlöffel viermal täglich zu verreiben)
pro Dosis
10
3X6
= etwa
0,5;
pro Diel: 2,0 Spirosal durch
Resorption in den Kreislauf. Bei einfacher Spirosal-Ein-
reibungs-Behandlung erlebte ich nie Hautreizung.
4. Wo die Spirosalbehandlung durch Einreibung allein
nicht zum Ziele führt, wird dieses oft erreicht, wenn der
Einreibung ein Verband mit Spirosal folgt. Dieser Verband
ist nach Art der Alkoholverbände auszuführen, d. h. mit
durchlöchertem impermeablen Stoff ist die mit der Spirosal-
verdünnung getränkte und auf den zu behandelnden Körper¬
teil gelegte Watte zu bedecken 1 Hautreizungen kommen
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 16
hierbei vor. Oft kann das in dieser liegende Hindernis
dadurch umgangen werden, daß man einem bestimmten
Zeitraum der Behandlung mit Spirosalverbänden — etwa
je IV 2 bis 2 Tagen — einen Tag ohne Spirosalverband
folgen läßt, an dem die Haut mit Salbe und Puder lindernd
beeinflußt wird. Auch bei der einfachen Einreibungs-
Behandlung ist der Einreibung ein Bedecken der betr. Stelle
mit Flanell oder Flanellbinden folgen zu lassen.
5. Wo Spirosalbehandlung allein in keiner Form genützt,
kann man sie durch innere Salizylbehandlung so unter¬
stützen, daß der gewünschte Heilerfolg eintritt. Die hierbei
zur innerlichen Behandlung heranzuziehenden Quantitäten
von Salizyl sind weit geringer, als sie bei alleiniger innerer
Salizylbehandlung angewandt werden müssen.
6. Die Reihenfolge der therapeutischen Effekte der
Spirosalbehandlung pflegt eine derartige zu sein, daß zuerst
die subjektiv-bessernde schmerzstillende Wirkung eintritt,
und später erst die Beeinflussung der objektiven Symptome,
wie auch die des Fiebers, im günstigen Sinne erfolgt.
REFERATE.
Chirurgie.
Referent: Dr. Mohr-Bielefeld.
1. Zur Technik chirurgischer Operationen unter absoluter
Emanzipation von persönlicher Assistenz. Von L. Meyer, Berlin.
Therap. Monatshefte, 24. Jahrgang, März, 1910.
2. Ein neues Verfahren bei Anästhesien durch Rachistovaini-
sierung. Von A. Poenaru, Craiova. Wiener klin. Wochensclir.
1910, No. 6.
3. Die Heilung des perforierten Magengeschwürs. Von
Martens, Berlin. Berliner klin. Wochenschr. 1910, No. 10.
4. Hysterischer und spastischer Darmverschluß. Von
Nordmann, Berlin. Deutsche Med. Wochenschr. 1910, No. 10.
5. Zur Methode der Dickdarmresektion. Von A. Tietze,
Breslau. Berliner klin. Wochenschr. 1910. 21. Februar.
6. Zur Frage der Myositis ossificans traumatica nach
Luxatio cubiti posterior. Von Rubaschew, Charkow. St. Peters¬
burger Med. Wochenschr. 1910, No. 6.
1. M. erörtert die Frage, welche größeren Operationen für die
Behausung des Kranken in Frage kommen und beschreibt die Methoden
der Anästhesie, Aseptik und Technik, welche mit möglichster Verein¬
fachung des Apparates unbeschadet der Betriebssicherheit ausgeführt
werden können. Eine Anzahl von Instrumenten, welche das Operieren
ohne Assistenz erleichtern, werden abgebildet.
2. Die Ungleichmäßigkeit der Erfolge bei den bisherigen Methoden
der Spinalanalgesie ist nach Verfasser darauf zurückzuführen, daß Stovai'n
sich zersetzt und einen milchigen Niederschlag bildet, wenn es mit
einem alkalischen Medium, ähnlich der Zerebrospinalflüssigkeit, zu¬
sammengebracht wird. Da es nicht möglich ist, die bei jedem
Individuum gefällte Menge Strovain zu kennen, so besitzt man gar
keine Sicherheit über die angewendete Dosis und deren Effekt. Um
diesen Uebelstand zu vermeiden, setzt Verfasser eine geringe Menge
Milchsäure der Adrenalin-Stovainlösung zu. Er erzielte so stets voll¬
kommene Anästhesie ohne Zwischenfälle. Zusammenstellung von
275 Fällen, in denen Verfassers Betäubungsverfahren verwendet wurde.
3. Verfasser erörtert Symptome und Behandlung des perforierten
Magengeschwürs und stellt die Resultate anderer und seine eigenen
zusammen. Von 15 radikal operierten Fällen brachte er 11 zur Heilung.
Viel mehr als auf die Technik kommt es auf rechtzeitige Erkennung
und Indikationsstellung an. Die von ihm geheilten Fälle wurden
2 1 j 2 —26 Stunden nach der Perforation operiert; später Operierte kamen
nicht mehr durch. Wichtig ist geeignete Nachbehandlung. Wenn es
Verfasser gelang, 8 Fälle hintereinander durchzubringen, so beweist
das, daß die Prognose an sich nicht ungünstig ist, wenn rechtzeitig
diagnostiziert und operiert wird.
4. Durch' einen Spasmus in der Muskulatur eines Darmabschnitts
kann ein Darmverschluß entstehen. Die Ursache des Krampfes liegt
zuweilen in einer allgemeinen Nervenerkrankung, besonders in der
Hysterie. Es gibt Fälle, in denen die sorgfältigste Untersuchung des
| Kranken ergebnislos bleibt und weder die Operation noch die Sektion
Aufschluß über das Wesen des Spasmus bringt. Die Therapie kann
beim Vorliegen eines nervösen Grundleidens konservativ sein, solange
das Allgemeinbefinden des Patienten gut bleibt. Wenn es sich ver¬
schlechtert, ist die Enterostomie zur Entleerung der geblähten Schlingen
indiziert, um der Sterkorämie vorzubeugen. Die Prognose des Ein¬
griffs ist bei einem nicht gelähmten Darm gut, besonders wenn ein
Nervenleiden die Ursache des Spasmus ist, dagegen schlecht, wenn
die Darmlähmung, die anscheinend häufig mit dem Spasmus verge¬
sellschaftet ist, nicht zu überwinden ist. Mitteilung mehrerer eigener
Beobachtungen.
5. Verfasser kommt unter Mitteilung seiner Operationsresultate
zu dem Schluß, daß die Behandlung der Dickdarmtumoren im Stadium
des bestehenden Darmverschlusses von der Behandlung der Tumoren
ohne Ileus durchaus verschieden ist. Eignen sich im Ileus die Fälle
überhaupt zur Resektion, so kommt nur ein zweizeitiges Verfahren, am
meisten das von Mikulicz, in Frage. Bei inoperabeln Tumoren versucht
Verfasser auch im Ileus die einfache Colostomie durch Enteroanastomose
zu ersetzen. Von den Tumoren, die ohne Darmverschluß operiert
werden, konkurriert bei Erkrankungen des Blinddarms und aufsteigenden
Kolons das einzeitige Operationsverfahren erfolgreich mit dem von
Mikulicz angegebenen. Die extraperitoneale Versorgung der Dickdarm¬
naht in der Tiefe der Bauchwunde erscheint Verfasser als ein wichtiger
Bestandteil des Verfahrens.
6. Mitteilung von 3 Fällen. Die Knochenmassen entwickeln sich
meist auf dem Boden entzündlicher Prozesse im Muskel. Die Operation
war in zwei Fällen überflüssig, da der Ausgang auch ohnedies
günstig war.
Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Loh risch, Chemnitz.
1. Morbus Basedowii und seine physikalisch-diätetische
Behandlung. Von W. Winternitz, Wien-Kaltenleutgeben. Monats¬
schrift für die physikalisch-diätetischen Heilmethoden. Januar 1910.
2. Diagnose und Therapie des Morbus Basedowii. Von
F. Chvostk. Wiener klinische Wochenschrift 1910. Nr. 6.
3. Intravenöse Chemotherapie der Basedowschen Krank¬
heit. Von F. Mendel. Therapie der Gegenwart 1910. Februar.
4. Ueber Flatulenz und deren Behandlung. Von I. Boas.
Berliner klinische Wochenschrift 1910. Nr. 3.
1. Winternitz hat mit der physikalischen Therapie, insbesondere
mit der Wasserbehandlung beim Morbus Basedowii durchweg recht
gute Resultate erzielt. Die physikalische Behandlung vermag den
meisten beim Morbus Basedowii in Betracht kommenden Indikationen
gerecht zu werden. Hydrotherapie, Mechano- und Elektrotherapie sind
vasomotorische Therapien, und es sind ja beim Morbus Basedowii in
erster Linie vasomotorische Symptome, die wir zu bekämpfen haben:
Herzpalpitationen, Frequenzsteigerung der Herzaktion, ungleichmäßige
Blutverteilung, vasomotorische Hauterscheinungen, Hyperhydrosis,
pulsierende und schwirrende Struma und zum Teil der Exophthalmus
sind als vasomotorische Erscheinungen zu deuten.
Mit Hilfe der Hydrotherapie nun vermag man nahezu mit physi¬
kalischer Sicherheit die Herzaktion auch des Basedowkranken zu
beruhigen und zu verlangsamen, die Blutverteilung in wirksamerWeise
zu beeinflußen, die Schweißsekretion zu vermindern oder zu beseitigen
und die abnorme Hautbeschaffenheit zu verbessern. Auch auf die
nervösen Symptome gewinnen wir oft mit thermischen Eingriffen
Einfluß, ebenso sind Innervationsveränderungen und allgemeine Toni-
sierung damit zu erzielen. Ganz besonders aber vermag man mit
Hilfe der Hydrotherapie die Beschleunigung des Stoffwechsels der
Basedowkranken, mit anderen Worten die Abmagerung, zu vermindern.
Die gewöhnlichen Methoden der Herzkühlung (Herzschlauch, Eis¬
kühler) bleiben beim Basedow öfters unwirksam, ln diesen Fällen
empfiehlt Winternitz kalte Applikationen im Nacken und an der
Wirbelsäule. Es scheint, daß die Abkühlung in der Nähe der Nerven-
zentra im verlängerten Marke viel wirksamer ist als die thermische
Beeinflußung der Herzgegend. Die Kälteeinwirkung auf die Wirbelsäule
wird oft noch einem anderen Symptome gerecht, nämlich dem Zittern
der Extremitäten, weil nach Winternitz die Reflexerregbarkeit durch
langdauernde Kälteapplikationen auf die Wirbelsäule herabgesetzt wird.
Winternitz verwendet Rückenkühler mit durchfließendem Wasser, die
man stundenlang anwenden kann. Man schleiche sich dabei mit der
Wassertemperatur allmählich ein und aus, indem man mit Wasser von
12—14° beginnt, allmählich auf WasSer von 0° herabgeht und dann
Nr. 16
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
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wieder auf 12—15° Wassertemperatur steigt. Die Schläuche werden
stets auf einem feuchten Umschlag, der dem Nacken oder der Wirbel¬
säule angelegt wird, appliziert. Das Ganze wird dann mit einem
trockenen Tuch bedeckt. Der Kranke nimmt ruhige Rückenlage im
Bette ein. Behufs Erwärmung der gekühlten Rückenhaut ist es nach
Abnahme der Schläuche wünschenswert, methodische Rückenhackungen
auszuführen. Danach soll die Pulsfrequenz beträchtlich sinken.
Mit den lokalen Prozeduren werden allgemeine Prozeduren ver¬
bunden. Hier sind vor allem die feuchten Ganzpackungen zu nennen.
Es gibt nach Winternitz keine mächtigere, die Zirkulationsvorgänge
und die Innervation beruhigendere Einwirkung als die methodisch
ausgeführten feuchten Ganzpackungen. Diese müssen durch ein darauf
folgendes kühles Halbbad von etwa 25—30° C. in der Dauer von zwei
bis drei Minuten beendet werden. Zur Verstärkung der Wirkung auf
Herz und Gefäße sind Wechselpackungen zu verwenden. Nach diesen
systematisch angewendeten Packungen hat Winternitz Stillstand der
Abmagerung und Zunahme des Körpergewichtes beobachtet.
Die genannten Prozeduren sind nicht gleich bei jedem Patienten
anzuwenden. Bei sehr Empfindlichen beginne man mit Teil Waschungen
oder wechselwarmen Teil Waschungen oder Uebergießungen oder Halb¬
bädern, bis die Reaktionsart des Kranken genau erforscht und ent¬
sprechend umgestaltet ist.
Gegen die nicht seltenen Diarrhöen bewähren sich kalte Abreibungen,
Sitzbäder und während der Nacht erregende Dunstumschläge um den
Unterleib (Leibbinden), da solche erfahrungsgemäß die Verdauung
bessern und die Ernährung und Assimilation heben helfen.
Die Tagesarbeit des Basedowkranken würde sich also folgender¬
maßen gestalten: Morgens feuchte Einpackung von 1 / 2 —1 ständiger
Dauer, unmittelbar darauf Halbbad von 25—30° C. zwei bis drei
Minuten. Die Reaktion wird danach meist im Bett abgewartet. Vor¬
mittags Rücken- oder Nackenschlauch mit durchfließendem Wasser bis
zu einer Stunde. Nachmittags Wiederholung dieser Prozeduren. Abends
vor dem Schlafengehen einfache oder doppelte feuchte, gut trocken
iiberbundene Leibbinde für die Nacht. Bezüglich der Diät schwärmt
Winternitz nicht für Mastkuren, da in vielen Fällen Magen und
Dann großer Schonung bedürfen. Die Ernährung sei reichlich, ln
manchen Fällen muß mit strengen Milchkuren begonnen werden, die
auch bei Diarrhöen nicht kontraindiziert sind. Die Diarrhöen selbst
erfordern schonende Diät unter Verwendung der natürlichen adstrin¬
gierenden Nahrungsmittel. Die Nahrung soll oft und in kleinen
Mengen gegeben werden. Sehr gut bewähren sich häufig vegetabilische
Diät und die Verabreichung von Milch thyreopriver Ziegen.
2. Der wichtigste Grundsatz in der Behandlung des Morbus
Basedowii ist: Geduld, sowohl von seiten des Arztes als auch von
seiten des Patienten. Nichts ist unzweckmäßiger als ziellos bei nicht
sofortigem Erfolge wieder ein neues Verfahren einzuschlagen, wieder
irgend ein neues Medikament zu versuchen.
Zunächst ist mit allen zu Gebote stehenden Mitteln eine Beruhigung
und Ruhigstellung des Kranken zu versuchen, am besten so, daß der
Kranke aus den häuslichen Verhältnissen herausgebracht und in irgend
einer passenden Heilanstalt untergebracht Wird. Bei schweren Formen
empfiehlt sich absolute Liegekur. Veränderungen, (Genitalaffektionen,
Nerven-, Magen- und Darmaffektionen), die möglicherweise als aus¬
lösendes Moment in betracht kommen, sind gleichzeitig zu behandeln.
Bezüglich der Ernährung befürwortet Verf. eine stark gemischte Nahrung
mit reichlicher Kohlehydrat- und Fettzufuhr, nicht einseitige starke
Fleischernährung. Ueberreichliche Nahrungszufuhr ist im allgemeinen
nicht nötig, doch sind bei stark herabgekommenen Fällen Mastkuren
am Platze. Wenn Milch vertragen wird, so ist diese in häufigen
kleinen Mengen zu geben. Von hervorragendem Einflüsse auf die
Krankheit ist der Aufenthalt im Hochgebirge. Man beginne vorsichtig
mit Höhen von 500 600 m und steige allmählich, gehe aber nicht
über Höhen von 1000—1200 m hinaus. Seltene Fälle, welche das
Höhenklima nicht vertragen, befinden sich oft an der See wohl. Neben
der klimatischen Therapie nimmt die elektrische Behandlung den her¬
vorragendsten Platz ein und zwar die Galvanisation. Der Verf. wendet
die Sympathikusgalvanisatipn an (Anodenplattenelektrode am Sternum,
Kathetenknopfelektrode hinter dem rechten Kieferwinkel, langsames
Einschleichen des Stromes, schwache Ströme, 1—2 Milliampere 1—3
Minuten lang, langsames Ausschleichen) und die Querdurchleitung
durch die Schilddrüse (zwei Plattenelektroden zu beiden Seiten der
Struma in einem Abstande von zirka 5 cm, langsames Ein- und
Ausschleichen des Stromes, 1—2 Milliampere, 1—3 Minuten Dauer,
dann Strom wenden oder Elektrodenwechsel und Wiederholung der
Prozedur). Der Effekt einer solchen Prozedur auf den Puls ist meist
ohne weiteres ersichtlich. Die Pulsfrequenz sinkt oft nicht unbeträchtlich.
Wenn in seltenen Fällen Pulsbeschleunigung auftritt, so ist dann die
Kathode am Sternum und die Anode am Kieferwinkel zu applizieren.
Die Sitzungen finden meistens jeden zweiten Tag, zeitweilig aber
täglich statt. Die Behandlung muß aber mit Unterbrechungen lange
Zeit fortgesetzt werden. Unterstützend kommen hierzu hydriatische
Prozeduren, doch warnt Verf. vor den eingreifenden Prozeduren. Je
milder und indifferenter eine Prozedur, desto besser. Die Anwendung
des Kühlschlauches mit nicht zu kaltem Wasser auf die Herzgegend
und auf die Struma tut oft gute Dienste. Bei Diarrhöen kommt
trockene oder feuchte Wärme auf den Leib. Arzneimittel sind meist
ohne Erfolg. Herzmittel sind nur am Platze, wenn Herzinsuffizienz
besteht. Nicht genug kann vor der Anwendung des Jods und der
Schilddrüsenpräparate gewarnt werden. Das Möbius’sche Serum,
Rhodagen und die Milch thyreopriver Ziegen haben sich dem Verf.
nicht bewährt. Er gibt von Medikamenten bei großer Unruhe höchstens
Veronal in kleinen Dosen ä 0,1 einige Male täglich, eventl. kombiniert
mit Brom.
Mit dieser Behandlungsmethode hat Verf. im allgemeinen recht
gute Erfolge erzielt, doch kann die Behandlung Wochen, Monate und
noch länger dauern.
Ein operativer Eingriff ist dann auszuführen, wenn die interne
Therapie ohne Effekt geblieben ist, wenn die Trachea gedrückt wird,
wenn die Operation aus kosmetischen Rücksichten von Frauen verlangt
wird und ganz besonders wenn eine Abkürzung des Verfahrens aus
sozialen Verhältnissen notwendig ist- Besonders der letzte Punkt ist
wichtig; sind Basedowkranke nicht in der Lage, sich entsprechend
lange zu schonen, die notwendigen therapeutischen Maßnahmen durch¬
zuführen, handelt es sich um rasche Herstellung der Arbeitsfähigkeit
und um Abkürzung des Heilverfahrens, dann ist der operative Eingriff
i am Platze, bei dem aber auch die größeren Gefahren mit in Kauf
genommen werden müssen. Die Gefahren der Operation liegen in
den anatomischen Verhältnissen des Operationsfeldes, in dem Blut¬
reichtum der Basedowstruma, in den Herzveränderungen und den
postoperativ auftretenden pulmonalen Erkrankungen. Ferner müßten
Fälle mit persistenter Thymus völlig ausgeschaltet werden; leider ist
die Diagnose einer neben dem Basedow bestehenden Thymus meist
unmöglich. Recidive nach Operationen kommen vor.
Was die Röntgenbehandlung der Struma betrifft, so sind bisher
die Dauerresultate sicher nicht günstiger als die mit der Galvanisation
der Schilddrüse erzielten. Man hat es bei der Röntgenbehandlung
nicht immer in der Hand, tiefere Strukturveränderungen in der Struma
zu vermeiden.
3. Man unterscheidet eine rein thyreogene Form und eine neurogene
Form des Basedow. Nur diejenige Basedowtherapie wird einen Erfolg
erzielen können, die berücksichtigt, daß die Schilddrüse nicht immer
das primär erkrankte Organ ist, und die deswegen nicht nur auf die
Veränderung der Schilddrüse, sondern auch auf das geschädigte und
. zu Erkrankungen disponierte Nervensystem einwirkt. Dieser Forderung
soll eine von Mendel seit einigen Jahren eingeführte Basedowbehandlung
entsprechen, nämlich die gleichzeitige intravenöse Applikation von Jod
und Arsen, zweier Heilmittel, die in der Therapie des Basedow schon
längst eine Rolle spielen, deren hervorragende Wirksamkeit aber erst
durch ihre Kombination und ganz besonders durch die spezielle Art
ihrer Verwendung bedingt werden soll. Bei der Einführung dieser
| Therapie ging Mendel davon aus, daß die Verteilung der Arzneistoffe
nach Ehrlich im tierischen Organismus keine gleichmäßige ist, sondern
daß viele Medikamente zu bestimmten Funktionen eine besondere
Affinität besitzen und daß sie gerade dieser elektiven Speicherung in
ausgewählten Zelterritorien ihre pharmakologische Wirksamkeit ver¬
danken. Diese normale Verteilung der Arzneistoffe kann durch ver¬
schiedene Umstände verändert werden: Einmal durch pathologische
Vorgänge im Organismus, die imstande sind, die Affinität einzelner
Organe zu bestimmten Arzneistoffen zu erhöhen; ferner können wir
ein Arzneimittel in von uns beabsichtigte Bahnen dadurch lenken, daß
wir es mit einem geeigneten Stoffe verkoppeln, der ihm als Lastwagen
dient und es mit Hilfe seiner Affinität zu bestimmten Organen
dahin bringt, wo es seine Heilwirkung ausüben soll; schließlich ist
| noch die Art der Applikation von Einfluß auf den Grad der Affinität,
insbesondere bewirkt nach Mendel die intravenöse Injektion der
Medikamente eine verstärkte Ablagerung und festere chemische Ver¬
ankerung körperfremder Stoffe in denjenigen Organen, zu denen sie
eine chemische Affinität besitzen. Alle diese Momente müseen zur
Erklärung der Heilwirkung der neuerlichen Mendelschen Behandlungs-
Methode herangezogen werden. Die organischen und funktionellen
Veränderungen der Schilddrüse, die kombinierte Anwendung von Jod
und Arsen und ganz besonders ihre intravenöse Applikation sind
Faktoren, welche die Richtung und Verteilung dieser Medikamente im
Sinne einer verstärkten Thyreotropie und Neurotropie beeinflussen.
Mendel injiziert mittelst der Liebergsehen zwei Gramm-Spritze
mit Platin-Iridiumnadel stets zwei ccm folgender Lösung:
250
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 16
Rp. Atoxyl 1,0
Natr. jodat. 4,0
Aqu. destill. 20,0
MD ad vitr. nigr.
Jede einzelne Dosis enthält dann 0,1 Atoxyl und 0,4 Natrium jodatum
und wird je nach der Intensität der Erkrankung täglich oder alle zwei
Tage und mit fortschreitender Besserung wöchentlich zweimal und
schließlich nur einmal injiziert. Bei dieser Behandlungsmethode hat
Mendel gute Erfolge erzielt. Sie führt zwar in vielen Fällen nicht
zur endgültigen Heilung, aber sie bildet doch immerhin ein wirksames
Palliativmittel selbst bei solchen Erkrankungen, die jeder anderen
Therapie Trotz geboten haben. Am schnellsten weichen die thyreo¬
toxischen Symptome, während die organischen Veränderungen zu ihrer
Rückbildung einer längeren Einwirkung des Medikamentes bedürfen.
Mendel läßt seine Lösung unter dem Namen Jodarsyl in zuge¬
schmolzenen Glastuben steril von der Berliner Firma Bernhard Hadra
in den Handel bringen.
4. Das Wesen der Flatulenz besteht in einem abnorm reichlichen
und dann schmerzlosen Abgang von Gasen oder aber in einer vor¬
übergehenden mit mehr oder weniger Schmerzen verbundenen Gas¬
sperre (Colika flatulenta). Um die Flatulenz richtig behandeln zu
können, ist es nötig, sich vorher in jedem einzelnen Falle über deren
Ursachen zu informieren, deren es eine größere Zahl gibt. Bei der
ersterwähnten Form der Flatulenz kann es sich um exogene Gaseinfuhr
(Luftschlucken bei Schnellessern, gashaltige Getränke und Nahrungs¬
mittel), andererseits um endogene (alimentäre) Gasbildung handeln.
Die alimentäre Flatulenz wird durch gleichzeitige [chronische Obstipation
gefördert, ferner durch Katarrhe des Dünn- und Dickdarmes, kann
auch ihren Ursprung schon im Magen (Achylia gastrika, motorische
Insuffizienz) haben. Viel ernster gestalten sich die Verhältnisse bei
derjenigen Form der Flatulenz, die als Symptom chronischer Darm¬
verengerung auftritt und dann meist mit Kolikschmerzen und aus¬
gesprochen chronischer Darmtympanie verbunden sind. Eine weitere
praktisch wichtige Form der Flatulenz ist die, die sich bei Stauungen
im Unterleibskreislaufe infolge von Herzklappenfehlern, Arteriosklerose
und Sklerose der Baucharterien entwickelt. Nach der verschiedenen
Aetiologie der Flatulenz hat sich naturgemäß die Therapie zu richten.
Handelt es sich um nervöse Schnellesser und Aerophagen, so wird
man nur durch Regelung der Esshygiene und - durch systematische Ein¬
wirkung aut das gesamte Nervensystem Erfolge erzielen. Bei chronischer
Obstipation muß die Behandlung dieser das Ziel sein, so daß jede
Stagnation im Darmbereiche aufs peinlichste verhütet wird. Gelingt
es dabei nicht, die Flatulenz zu bessern, so ist der ganze Diätplan
einer sorgfältigen und systematischen Revision zu unterziehen und
eventl. alle in Frage kommenden Nahrungs- und Genußmittel der
Reihe nach in Bezug auf ihre flatulenzsteigernde Wirkung gesondert
auszupirobieren, was immerhin große Geduld und ruhiges Abwarten
erfordert. Zu dem am häufigsten gasbildenden Nahrungsmittel gehört
die Milch, welche dann eventl. auszuschalten ist; ebenso der Kefir,
die Buttermilch und auch dieYoghurtmilch. Auch Eier und Eierspeisen
wirken häufig stark gasbildend, und man sollte besonders im Winter,
wo keine frischen Eier zu haben sind, bei Kranken mit Darmkatarrhen,
habitueller Obstipation und Flatulenz nur den allervorsichtigsten
Gebrauch davon machen. Von größter Wichtigkeit ist eine weitere
Vorsichtsmaßregel; sie betrifft den Blutgehalt des Fleisches. Bekanntlich
werden alle Eiweißkörper in bezug auf faulige Zersetzung im Darm¬
kanal vom Blute und seinen Bestandteilen übertroffen. Man wird
also eventl. rohes oder roh gebratenes Fleisch aus der Diät ausschalten.
Darmkatarrhe und Erkrankungen des Magens sind zweckmäßig zu
behandeln. Was die medikamentöse Behandlung der Flatulenz betrifft,
so ist man heutzutage von der Ueberschätzung antifermentativer Mittel
mit Recht zurückgekommen. Nach Boas gibt es, abgesehen von den
Abführmitteln, nur ein Mittel, das sowohl bei Magen- als auch bei
Datmgärungen wirklich gute Dienste leistet: das sind die Salizyl-
präparate, von denen Boas besonders die Magnesia salicylica in
Tablettenform 1—2 g dreimal täglich oder als Schachtelpulver ver¬
wendet. Eine Heilwirkung karminativer Tees und ähnlicher Mittel
besteht nicht. Die chronische Flatulenz kann auch mittelst Darmrohren
behandelt werden, die stundenlang ins Rektum eingelegt werden, wofür
Boas Hartgummiröhren mit breiter Ausgangsöffnung empfiehlt. Der
Erfolg derselben ist aber ebenfalls zweifelhaft.
Wo es sich um Passagehindernisse im Darm handelt, die auf
chirurgischem Wege nicht beseitigt werden können, gibt es nur einen
rationellen Weg, die quälende Gasgärung in Schranken zu halten,
nämlich passend gewählte Abführmittel zu verabreichen, z. B. Rizinusöl
und Bitterwasser. Bei Herzfehlern und Stauungen wird man versuchen,
die Flatulenz durch Besserung dieser Leiden zu vermindern; der Erfolg
ist zweifelhaft.
Augenheilkunde.
Referent: Dr. med. P. Greven, Augenarzt in Aachen.
1. Die muskuläre Augenschwäche und ihre Behandlung.
Von Dr. Ernst A. H eimann in Berlin-Charlottenburg. Deutsche
Mediz. Wochenschrift 1910. Nr. 4.
2. Ist Schutz der Augen vor ultraviolettem Licht notwendig?
Von Prof. Dr. Best, Dresden. Mediz. Klinik 1910. Nr. 7.
3. Sonnenblendung durch eine neue zahnärztliche Behand¬
lungsmethode. Von Dr. Wilhelm Feilchenfeld, Augenarzt in
Charlottenburg. Deutsche Mediz. Wochenschrift 1910. Nr. 6.
4. Totale Vereiterung der Hornhaut nach einer Schiei-
Operation. Von Dr. Robert Wirtz, Augenabteilung des Katharinen-
Hospitals in Stuttgart (Chefarzt San.-Rat Dr. Krailsh eimer). Zeitschr.
für Augenheilkunde XXIII. 1.
5. Untersuchungen zur Pathologie des Pemphigus conju-
tivae. Von Dr. C. Adam, Assistent der I. Universitäts-Augenklinik,
Berlin (v. Michel). Ibidem.
6. Neuerungen am Innenpolmagnet. Von Priv.-Doz. Dr.
Otto Hallauer, Basel. Ibidem.
1. Im allgemeinen wenig beachtet ist die häufigste Ursache der
muskulären Augenschwäche, nämlich die Insuffizienz der Konvergenz.
Die hauptsächlichsten Beschwerden dieser Anomalie sind schnelle Er¬
müdung der Augen bei Naharbeit, Drücken und Brennen in den Augen,
auch Tränenfluß und Stirnkopfschmerz. Man sollte daher in jedem
Falle von asthenopischen Beschwerden auf eine Insuffizienz der Kon¬
vergenz fahnden. Man stellt diese Untersuchung an, indem man einen
vorgehaltenen Gegenstand so weit dem Auge nähert, bis die Kon¬
vergenz versagt, d. h. bis Doppeltsehen auftritt. Man muß noch auf
eine Entfernung konvergieren können, die einem Drittel der verlangten
Arbeitsentfernung entspricht. Ferner kommt nun noch die Prüfung
der Gleichgewichtslage des Auges in betracht. Diese bestimmt man
mit Hilfe des Graefe’schen Prismenversuches. Die Beseitigung der
Beschwerden, die eine muskuläre Augenschwäche mit sich bringt,
erreicht man durch Verordnung von Prismengläsern. In ganz hoch¬
gradigen Fällen, wo die Verordnung von Prismengläsern nicht den
gewünschten Erfolg hat, kommt dann noch die Rücklagerung (Tenotomie)
des Rectus externus oder die Vorlagerung des Rectus internus in Frage.
2. In letzter Zeit ist von verschiedenen Augenärzten auf angebliche
Schädigungen der Augen durch ultraviolette Strahlen hingewiesen
worden. Vor allem werden Beschwerden, die gelegentlich durch die
modernen hellen Lichtquellen entstehen, dem ultravioletten Anteil der¬
selben zugeschoben. Da unsere Lichtquellen mit zunehmender Licht¬
fülle auch steigenden Gehalt an ultravioletten Strahlen aufweisen, so
wird die Notwendigkeit eines Schutzes der Augen gegen letztere ge¬
folgert. Ohne die Möglichkeit einer Schädigung des Auges durch ein
Uebermaß von ultravioletten Strahlen zu bestreiten, hält Best den
Fall der Schädigung des Auges durch übermäßige Lichtfülle (d. h. eben
der sichtbaren Strahlung) für weit häufiger gegeben und er fordert
demgemäß Abschwächung des gesamten Strahlenbereichs, besonders
aber der leuchtenden Strahlung. Er widerlegt dann die Ansicht von
der großen Gefährlichkeit lediglich der ultravioletten Strahlen und
kommt zu dem Ergebnis, daß sowohl die ultravioletten, wie diö leuch¬
tenden Strahlen bei sehr hoher Intensität das Auge schädigen können,
daß aber unter gewöhnlichen Bedingungen (künstliche Lichtquellen
inkl. elektrischem Bogenlicht, Tageslicht, Schneelicht, Sonne) die Mög¬
lichkeit der Schädigung durch die sichtbaren Strahlen prävaliert, und
daß wir uns gegen eine zu hohe Strahlungsintensität schützen müssen
durch Brillen, die den gesamten Strahlungsbereich abschwächen, mehr
aber noch den leuchtenden Anteil wie den ultravioletten. Das tun
graue Schutzgläser. Prinzipiell sind davon zu unterscheiden Schutz¬
gläser bei Augenerkrankungen, insbesondere Lichtscheu durch innere
und Netzhautaffektionen. Hier handelt es sich nicht um objektives
Uebermaß von Lichtstrahlung, sondern um Ueberempfindlichkeit der
Netzhaut. Da aber die Netzhaut am stärksten empfindlich ist gegen
den hellsten Spektralbereich im Gelb, so ist die althergebrachte, empirisch
gefundene blaue Schutzbrille hier eher zweckmäßig als selbst die graue.
3. Ein Patient wurde von einem Zahnarzt mit konzentriertem
blauem Sonnenlichte in der Weise behandelt, daß durch einen großen
Trichter mit enger Oeffnung, abgeschlossen durch eine blaue Sammel¬
linse, das grelle Sonnenlicht auf einen Schneidezahn gerichtet wurde,
der nach erkranktem Nerven gebleicht werden sollte. Da das Licht
drei Stunden hindurch einwirken sollte, mußte Patient, wenn die Sonne
den Trichter nicht mehr traf, diesen immer wieder richten, indem er,
mit dem rechten Auge durch die Linse blickend, die Sonne einstellte.
Am Tage nach dieser Behandlung zentrales Skotom auf dem rechten
Auge. Sonst Augenbefund normal. Das Skotom ist auch nach mehr
als drei Monaten noch nachzuweisen. Es muß also, zweifellos infolge
Nr. 16
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
251
der Sonnenbestrahlung, eine Läsion der Netzhaut bestehen, die ophthal¬
moskopisch zwar nicht nachzuweisen ist, und über deren Art sich nichts
Sicheres sagen läßt.
4. Wirtz berichtet über den Verlust eines sehenden Auges im
Anschlüsse an eine Schieioperation (Rücklagerung, verbunden mit Vor¬
lagerung nach Fröhlich). Es handelte sich um eine Patientin, die
aus einem anderen Krankenhause nach dreiwöchentlicher Behandlung
an Angina als geheilt überwiesen wurde. 48 Stunden nach der Opera¬
tion fand sich beim Verbandwechsel eine blennorrhoische Conjunctivitis
mit dem klinischen Bilde der Gonoblennorrhoe, eine diphtheritische
Entzündung der Operationswunde und totale eitrige Infiltration der
Kornea. Die Untersuchung des Eiters ergab: Streptokokkus longus,
der sich ebenfalls in großen Mengen im Rachen fand. Die Patientin
hatte sich also wohl Streptokokken in den Konjunktivalsack gebracht,
wo sie erst nach der Operation günstige Wachstumsbedingungen fanden,
die blennorrhoische Entzündung der Conjunctiva hervorriefen, die
Operationswunde infizierten und auf Blut- und Lymphbahnen in die
Kornea eindrangen. Deshalb ist nach einer Angina vor Operationen
am Auge besondere Vorsicht nötig. Der Ablauf der klinischen Er¬
scheinungen oder die Integrität der Bindehaut erlauben die Operation
noch nicht ohne weiteres. Man muß sich vielmehr durch kulturelle,
bakteriologische Untersuchung über den Keimgehalt derselben unter¬
richten und bei Anwesenheit von Streptokokken vor dem Eingriff eine
desinfizierende Behandlung einleiten.
5. Adam hatte Gelegenheit, einen Pemphigus des Auges an
einem tödlich verlaufenen Falle anatomisch-pathologisch zu untersuchen
und so die wenigen bisher bekannten anatomischen Befunde über
diese Krankheit, die im allgemeinen nicht zum Tode führt, zu ergänzen.
Das Wichtigste aus den Ergebnissen seiner Untersuchungen ist, daß
der Pemphigus des Auges zweifellos als Teilerscheinung des all¬
gemeinen Pemphigus aufzufassen ist. Das Wesentliche am Pemphigus
des Auges ist nicht die Blasenbildung mit ihren Folgeerscheinungen,
sondern eine Entzündung der subepithelialen und adenoiden Schichten
der Bindehaut mit Uebergang in Vernarbung. Die Verkleinerung des
Bindehautsackes ist daher auch auf eine narbige Umwandlung der
lokalen Infiltrationsherde zurückzuführen. Die Hornhaut erkrankt unter
den Erscheinungen einer Abstoßung und unregelmäßigen Regeneration
des Epithels.
6. Hai lau er hat den Innenpolmagnet auf einem fahrbaren Stativ
angebracht, das im ganzen Raum leicht beweglich ist. Magnetextrak¬
tionen können mit dem neuen Modell sowohl am sitzenden, zurück¬
gelehnten als auch am liegenden Patienten ausgeführt werden.
Nahrungs- und Genußmittel.
Von Prof. Dr. Axel Winckler,
Kgl. dirig. Brunnenarzt am Bade Nenndorf.
Konditorwaren.
Gesundheitsschädliche Konfitüren kommen jetzt so reichlich
in den Handel, daß die „Blätter für Volksgesundheitspflege“ eine
öffentliche Warnung erlassen haben, deren Inhalt wir kurz wiedergeben !
wollen. In den letzten Jahren haben sich im Konditorgewerbe Mi߬
bräuche eingeschlichen, die gerügt zu werden verdienen. Erstens:
Bei der Herstellung von Marzipan und Makronen begnügen sich
manche Konditoren nicht mit Mandeln, sonern setzen dem Teig
Bittermandelöl zu, offenbar um an Mandeln zu sparen. Die Zeitung
wundert sich darüber, daß sich Gewerbetreibende ohne Giftschein in
den Besitz einer so gefährlichen Substanz setzen können. Außerdem
begehen sie eine strafbare Nahrungsmittelverfälschung, da das Publikum
Mandeln in dem Gebäck zu genießen glaubt, während das Bitter¬
mandelöl nicht immer durch Destillation aus bitteren Mandeln mit
Wasser gewonnen wird, sondern auch aus ganz anderen Stoffen |
hergestellt wird (z. B. durch Erhitzen von Benzylchlorid mit Bleinitrat
und Wasser, oder durch Zersetzung von Benzalchlorid mittels Schwefel¬
säure).— Zur Ehrenrettung der Konditoren wollen wir doch Pinners !
Repetitorium der organischen Chemie (Berlin 1890, S. 245) zitieren: i
„Bittermandelöl (Benzaldehyd) ist nicht giftig, während das rohe
Bittermandelöl wegen seines Gehalts an Blausäure giftig wirkt.“ Der
Gewährsmann der „Blätter für Volksgesundheitspflege“ führt allerdings
einen Vergiftungsfall aus Berlin an: „Eine Dame erkrankte mit starkem
Erbrechen, Atemnot und schwerer Benommenheit, das Erbrochene
hatte einen ausgesprochenen Geruch nach Mandeln, und als Ursache
des ziemlich schweren, subjektiv mindestens sehr unangenehmen An¬
falls konnte der Arzt eine Blau säure Vergiftung feststellen, veranlaßt
durch den Genuß eines halben Stückes Makronenkuchen, der intensiv
nach Blausäure roch.“ Offenbar hatte der unwissende Konditor rohes
Bittermandelöl seinen Makronen zugesetzt, welches Blausäure mit
enthielt. Die Fachzeitungen der Konditoren sollten ihre Leser über
diese Sache belehren! — Sehr viel bedenklicher erscheint uns
eine zweite Unsitte der Konditoren: das Füllen von Bonbons,
Pralines usw. mit Kognak oder andern Alkohlicis. Das Blatt
sagt ganz richtig: „Die Hauptkonsumenten von Pralines und Süßig¬
keiten sind Frauen und Kinder, also im allgemeinen doch des Alkohols
ungewohnte Personen, wenigstens sollen sie das sein, und wenn man
bedenkt, das der erwachsene Mann nicht mehr als 30 Gramm Aethyl-
alkohol = 60 Gramm Kognak pro Tag zu sich nehmen darf, wenn er
nicht seine Gesundheit in schwerer Weise schädigen will, so wird
man ohne weiteres einsehen, daß die zulässige Grenze bei diesen des
Alkohols ungewohnten Persönlichkeiten noch um vieles tiefer liegt. Wer
die starke Reaktion des kindlichen Organismus auf Alkohol kennt, muß sich
daher entschieden dagegen wenden, daß den Kindern Alkohol in der
Form der Bonbons gereicht wird, und das geschieht oft trotz aller
Vorsicht, da bei gemischtem Zuckerwerk der Verkäufer die einzelnen
Sorten ganz willkürlich zusammenwirft. Jeder Tropfen Alkohol ist für
das Nervensystem des Kindes Gift, und daß selbst Mädchen von bald
20 Jahren solchem versteckten Alkoholmißbrauch erliegen können,
beweist die mehrfach eingetretene Tatsache, daß man solche nasch¬
haften jungen Damen betrunken in ihrem Zimmer gefunden
hat. Wenn die Fabrikanten von Pralines und Bonbons heute tat¬
sächlich mit dieser entarteten Geschmacksrichtung des Publikums
rechnen und Kognak-Pralines fertigen müssen, so sollten diese unter
besonderem Verschluß mit entsprechender Aufschrift gehalten werden,
damit sie wenigstens nicht in die für die Kleinen bestimmten Süßig¬
keiten gelangen; aber auch unsere erwachsenen Töchter sollen von
solchem verderblichen Genuß abgehalten werden; es ist unrichtig,
ihnen mit Bewustsein alkoholhaltige Pralines zu schenken, da auch
für ihr Nervensystem und ihre Entwicklung diese ganz gewiß kein
Vorteil sind.“ — Wenn doch einmal das Sündenregister der Konditoren
aufgerollt werden soll, so könnte man drittens der Verwendung
von Margarine und andern schlechten Fetten zu Kuchen
und Torten gedenken, die vormals nicht in solchem Umfange
gebräuchlich war und gegenwärtig gar manchen schweren Magenkatarrh
verschuldet. Noch andere Gepflogenheiten in der Konditorbranche sind
tadelnswert. Einem gedruckten Plakat, das ein Hamburger Konditor
an seinem Ladenfenster ausgehängt hat, entnehmen wir folgende Mit¬
teilung: Marzipan soll aus gleichen Teilen Mandelmasse und Zucker
hergestellt werden, neuerdings kommen aber schlechte Marzipane in
den Handel, die nur zu einem Viertel aus Mandelmasse, zu drei
Vierteln aus Zucker und Kartoffelsirup bestehen und mit Bittermandelöl
versetzt sind. Diese Mitteilung bestätigt, was wir oben berichtet
haben, ist aber aijßerdem noch interessant durch die Angabe, daß
Kartoffelsirup verwendet wird. Dieser Süßstoff ist so minderwertig
und widerlich, daß seine Verwendung zu Konditorwaren schlechter¬
dings nicht gebilligt werden kann, umso weniger, als Zucker doch
billig genug ist.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Busch, Berlin-Halensee.
1. Zur traumatischen Aetiologie des Nasenscheidewand¬
abszesses. Von Oberstabsarzt Dr. Anderaya. D. m. W. 1910, No.4.
2. Die Behandlung der akuten Entzündung der Rachen¬
wände und der Gaumenmandeln. Von Dr. Haläsz. Aerztl.
Vierteljahrs-Rundschau 1910, No. 1.
3. Die Indikationen zur Aufmeißelung des Warzenfort¬
satzes bei der akuten Otitis media. Von Dr. Wolferz. St. Petersb.
Med. Wochenschrift 1910, No. 3.
4. Die tonsilläre Behandlung der sogen, rheumatischen
Erkrankungen. Von Dr. Sc hichhold. M. M. W. 1910, No. 6.
5. Beziehungen entzündlicher Mandelaffektionen zu In¬
fektionskrankheiten. Von Curschmann. M. M. 1010, No. 6.
6. Tracheotomia transversa. Von Dr. Franck. M. M. W.
1910, No. 6.
7. Die Diagnose und Therapie des Highmorshöhlenempyems.
Von Dr. v. Rimscha. St. Petersb. Med. W. 1910, No. 4.
8. Die Schule für Schwerhörige. Von Prof. Dr. Hartmann.
D. M. W. 1910, No. 5.
9. Die Behandlung der akuten Mittelohrentzündung. Von
Prof. Dr. Hartmann Fortschritte d. Med. 1910, No. 4—5.
10. Ueber Schmerzempfindungen im Bereiche des Gehör¬
organes. Von Dr. E. Ur bantsch its ch. Med. Klinik 1910, No. 6.
1. Die meisten Nasenscheidewandabszesse sind traumatischen
Ursprungs, jedoch kann das Trauma so gering sein, daß es dem
252
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 16
Kranken nicht zum Bewußtsein gekommen ist. Ferner entstehen
Septumabszesse bei Thyphus, Variola, Erysipel und von erkrankten
Schneidezahnwurzeln aus. Die Diagnose wird gestellt aus der blau¬
roten, prallen, fluktuierenden Geschwulst am Septum, die eine erhebliche
Nasenverstopfung machen kann. SJceist ist Fieber vorhanden; sind die
Nasenbeschwerden gering, und unterläßt man es, die Nase zu unter¬
suchen, so kann man zu Fehldiagnosen kommen (fieberhafter Magen¬
katarrh, Influenza). Gewöhnlich ist ein Bruch der knorpeligen Nasen¬
scheidewand nachweisbar. Andereya hat 5 Fälle beobachtet. Die
Therapie besteht in der Inzision des Abszesses und orthopädischen
Maßnahmen, um bleibende Nasenverengerung nach der Knorpelfraktur
zu verhindern.
2. Zur Behandlung der akuten Entzündung der Rachenwände und
Gaumenmandeln empfiehlt Haläsz Pinselungen mit Jodglyzerin,
wodurch die Schluckschmerzen und die Mandelschwellungen sehr schnell
beseitigt werden. Haläsz reibt in den ersten Krankheitstagen täglich
eine stärkere Lösung (Jod. pur. Kal. jodat, ^ 1,0 Glyzerin 25,0) mit
einem Wattepinsel energisch in die Schleimhäute ein und geht, wenn
die Beschwerden geringer geworden sind, zu einer schwächeren Lösung
(Jod. Kal. jodat. äl 0,75 Glyzerin 25,0) über. Gurgelungen und interne
Mittel sind weiter nicht nötig. Diese Behandlung soll in beginnenden
Fällen das Leiden coupieren können.
3. Bei einer Otitis media acuta ist nach Wolferz eine Knochen¬
erkrankung anzunehmen, bezw. die Aufmeißelung indiziert in folgenden
Fällen:
1. Bei Schwellung (Infiltration, nicht Oedem) des Warzenfortsatzes
oder im knöchernen Gehörgang.
2. Wenn die Druckempfindlichkeit nach 1—2 Wochen nicht schwindet
bezw. erst im weiteren Verlaufe eintritt.
3. Bei Temperaturanstieg, wenn anderweitige Erkrankungen ausge¬
schlossen werden können.
4. Bei Facialisparese.
5. Bei bestehender Eiterung und rapider Gehörsabnahme.
6. Beim Auftreten von Schwindel und Nystagmus.
7. Wenn sich bei einer Eiterung nach längerer Zeit das Trommel¬
fell nicht aufhellt.
8. Bei andauernden Pulsationen und Schmerzen im Ohr.
4. &eh i eh hold-nimmt als -feststehend an, daß der Erreger
rheumatischer Erkrankungen in mit Eiter gefüllten Mandelgruben seinen
Sitz hat; bei einer auftretenden Mandelentzündung kämen dann die
Keime oder deren Toxine in den Kreislauf und machten einen rheu¬
matischen Anfall. Auch Eiteransammlungen in anderen Organen,
z. B. kariösen Zähnen, könnten eine rheumatische Erkrankung auslösen.
Man könne Rheumatismus ohne Salizyl oder ähnliche Präparate heilen
durch Entfernung der Mandeln; man müsse sie jedoch völlig mit dem
Conchotom beseitigen, weder Schlitzung der Lakunen noch die
Tonsillotomie mit der Guillotine sei ausreichend. Auch frische Herz- i
komplikationen bei Gelenkrheumatismus sollen günstig beeinflußt
werden. Außer bei Rheumatismus wirke die Tonsillartherapie auch
bei Nierenentzündungen.
5. Curschmann weist auf die Bedeutung hin, welche die Ton- i
sillen als Eingangspforte bei septischen Prozessen haben. Mancher
Fall von sogen, kryptogenetischer Sepsis, gewisse Formen von
Nephritis werden auf primäre Mandelerkrankungen zurückgeführt
werden können. Ebenso bestätigt Curschmann den Zusammenhang
von Tonsillitis und akutem Gelenkrheumatismus bezw. akuter Endo¬
karditis. Wenn auch ein solcher Zusammenhang noch nicht für alle
Fälle feststeht, so rät Curschmann doch, die Mandeln genau zu
inspizieren, insbesondere die oberen Pole der Mandeln nach Zurück¬
ziehen der Gaumenbögen zu betrachten und in Fällen, in welchen eine
Erkrankung gefunden wird, die von Schichhold (vergl. lfd. No. 4)
vorgeschlagene Therapie anzuwenden.
6. Fran ck wendet sich gegen den Längsschnitt bei der Tracheotomie
und befürwortet eine gerade Schnittführung. Die Vorteile sind nach
ihm eine klare Topographie mit peinlicher Gefäßschonung ohne Ver¬
schiebung des Isthmus der Schilddrüse, ferner klafft die Tracheotomie¬
wunde spontan, ohne daß man, abgesehen vom Messer, Instrumente
brauchte, ferner bekäme man eine primäre Heilung der Wunde mit
Erhaltung des Trachealrohres und vor allen Dingen eine unsichtbare,
nicht eingezogene Hautnarbe.
7. v. Rim sch a berichtet zunächst über die Diagnose des
Highmorshöhlenempyems. Es ist durchaus nicht nötig, daß Eiter im
mittleren Nasengang nachgewiesen wird, man findet z. B. bei subjek¬
tiver Kakosmie, ja bei Nasen- und Ohrbeschwerden Kieferhöhlen¬
eiterungen. Deshalb wird man, nicht nur, wenn man Eiter unterhalb
der mittleren Muschel findet, sondern auch bei unsicheren Symptomen
eine Probepunktion der Höhle vom unteren Nasengang machen.
Bläst man dann durch den Troikart Luft ein, so hört man bei einem
Empyem Rasseln, Pfeifen oder Schnurren, je nach der Konsistenz
des Sekretes. In diesem Falle spült man die Höhle aus. Auch bei
Fehlen von Eiter im mittleren Nasengang müssen wir bei recidivierenden
Polypen daselbst oder bei Anschwellung des vorderen Endes der
mittleren Muschel an die Möglichkeit einer Oberkieferhöhleneiterung
denken.
Bezüglich der Therapie muß man zwischen akuten und chronischen
Formen, ferner zwischen Empyemen, die von einer kranken Zahnwurzel
ausgehen und solchen, die nach Infektionskrankheiten, besonders
Influenza, entstehen, unterscheiden. Zahnempyeme heilen meist schon
nach Entfernung des kranken Zahnes, fast immer aber nach einigen
wenigen Spülungen. Akute Influenzaempyeme verlangen Bettruhe,
man verordne Kompressen, leichte Diät, sorge für Stuhlentleerung,
gebe gegen Schmerzen Phenacetin. Diese Maßnahmen genügen meist
zur Heilung. Bei chronischen Zahnempyemen bohrt v. Rim sch a
nach Extraktion des Zahnes die Alveole an (Cowpersche Methode)
und spült die Höhle einige Zeit lang, zuerst mit gekochtem Wasser,
später mit Borsäure. Ist die Zahnätiologie negativ, so empfiehlt der
Autor sofort die Radikaloperation und zwar nach Luc-Caldwell in
der Denkerschen Modifikation. Das Resultat war in allen seinen
Fällen befriedigend, meist sogar recht gut.
8. Hart mann hat in Berlin schon vor 7 Jahren mit Unterstützung
der städtischen Behörden eine Schwerhörigenschule ins Leben gerufen.
Z. Zt. bestehen schon 17 derartige Klassen in Berlin. Die Einrichtung
hat sich recht gut bewährt. Jeder Lehrer, der das Examen für den
Taubstummenunterricht abgelegt haben muß, erhält nicht mehr als
10 Schüler. Die Aufnahme wird in der Weise veranlaßt, daß die
Rektoren der Volksschule diejenigen Kinder, welche wegen unge¬
nügenden Gehörs dem Normalunterricht nicht folgen können, auch
solche Kinder, welche taub geworden sind, aber sprechen können, und
solche, welche mit guten Hörresten nicht sprechen gelernt haben,
zur ohrenärztlichen Untersuchung schicken. Hier konnte häufig durch
Behandlung bestehender Mittelohreiterungen, adenoider Wucherungen,
von Katarrhen durch Politzern eine derartige Hebung des Hörver¬
mögens erzielt werden, daß die Kinder am Normalunterricht weiter
mit Erfolg teilnehmen konnten. Was den Grad der Schwerhörigkeit
betrifft meint Hart mann, daß im allgemeinen Kinder, die auf beiden
Ohren Flüstersprache nur auf 0,5 m und darunter hören, in die Sclnver-
hörigenklasse aufzunehmen sind. In der Schwerhörigenschule muß
besonders auch das Absehen vom Munde geübt werden, ferner müssen
bei mangelhafter Sprache Artikulationsübungen angestellt werden.
Die Schwerhörigenschule hat bisher schon segensreiches geleistet,
viele Kinder, die in der Normalschule wegen ihres mangelhaften
Gehörs für schwachsinnig gehalten wurden, stellten sich in der Schwer¬
hörigenschule als gut begabt heraus und machten schnelle Fortschritte.
9. Bei heftigen Ohrschmerzen gibt Hart mann zunächst Ein¬
träufelungen von 10 'Voigem Karbolglyzerin, welches häufig imstande
ist, die Entzündung zu coupieren. Auch warme Ohrbäder mit Salz¬
wasser, Kamilleninfus, Oel, Prießnitz’sche Umschläge oder Kataplasmen
wirken schmerzstillend. Innerlich verordnet der Autor Aspirin oder
salizylsaures Natron; bei Nasen- und Rachenkatarrh läßt er 2—3mal
einen 1—2%igen Kokainspray anwenden. Nach Paracentese oder Spon¬
tandurchbruch soll der Gehörgang mit einem sterilen Gazestreifen
locker gefüllt und ein steriler Ohrverband gemacht werden, erst am
3.—4. Tage soll das Ohr durch Ausspritzen mit Borsäure oder Wasser¬
stoffsuperoxyd gereinigt werden. Die Paracentese rät Hartmann zu
machen bei hochgradigem Fieber, heftigen Schmerzen, stärkerer Vor¬
wölbung des Trommelfells, wenn Karbolglyzerin, Umschläge und Aspirin
nicht geholfen haben. Bleiben die Schmerzen trotzdem bestehen, so
rät Hart mann zur Eisapplikation auf dem Warzenfortsatz. Zitzen¬
bildungen am Trommelfell müssen abgetragen oder gespalten, Granu¬
lationen durch Betupfen mit Chromsäure geätzt werden.
Nasenrachenkatarrhe, Polypen, adenoide Wucherungen, hypertrophische
Enden der unteren Muscheln sollen entfernt werden. Die Luftdouche
darf erst angewendet werden, wenn die Schmerzen verschwunden und
die Entzündungserscheinungen im Rückgänge sind. Bei Fortbestehen
profuser Eiterung trotz Paracentese, von Schmerzhaftigkeit und ent¬
zündlicher Schwellung des Warzenfortsatzes soll derselbe aufgemeißelt
werden, ebenso bei Durchbruch des Eiters auf die Schuppen oder die
innere Fläche des Warzenfortsatzes oder bei Labyrinthentzündung.
Sinusthrombose, Hirnabszesse müssen entsprechend behandelt werden.
Nach Ablauf der Entzündung muß versucht werden, das Gehör durch
Politzern oder Katheterismus zu bessern.
10. Die Schmerzempfindungen im Bereiche des Gehörorgans teilt
Urbantschitsch ein in Entzündungsschinerz, Irradiationsotalgie, neu¬
rotische Otalgie und traumatischen Schmerz.
Entzündungsschmerzen findet man bei allen Formen der Ent¬
zündung des äußeren | Ohres, bei Komedonen, phlegmonöser
Nr. 16.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
253
Entzündung, Herpes, auch bei Carcinom: therapeutisch sind wirksam Um¬
schläge mit Burow’scher Lösung, Bleiwasser oder 70%igem Alkohol.
Bei Erfrierung verordnet der Autor zunächst Abreibungen mit Schnee,
später Bestreichen mit Jodtinktur oder Jodkollodium, bei Neigungen zu
Recidiven Massage mit Jod Menthol - oder Kampfersalben. Die
durch Insektenstiche hervorgerufene Dermatitis traumatica behandelt er
mit Salmiakgeist.
Schmerzen im Gehörgang treten besonders bei der Otitis externa
auf, die Urbantschitsch mit Tampons behandelt, welche stündlich
mit 4 5 Tropfen 70 %igen Alkohols befeuchtet werden. Darüber
können Umschläge gemacht werden. Reife Furunkel sind zu incidieren.
Bei Schmerzen infolge Trommelfellentzündungen gebraucht der
Autor Lösungen von Kokain (3 5%) Thigenolglyzerin (4 : 20), 5°/q Kar¬
bolglyzerin, welche vorher auf Körpertemperatur zu erwärmen sind.
Dieselben Mittel sind neben Umschlägen bei Schmerzen in Folge von
Mittelohrentzündungen anzuwenden; das beste Mittel bei hochgradigen
Schmerzen ist die Paracentese. Ist der Warzenfortsatz beteiligt, so wirken
schmerzstillend kühle Umschläge oder Einreibungen von Credescher
Silbersalbe, sowie Blutegel. Lassen die Schmerzen nicht nach, so
kommt die Aufmeißelung in Frage. Sind chronisch eitrige Entzün¬
dungsprozesse im Mittelohr mit Schmerzen verbunden, so ist meist die
Operation die einzige Therapie.
Für die Ohrschmerzen, die von anderen kranken Organen irradi-
ciert werden, kommt zunächst die dentale Otalgie in Betracht.
Caries der unteren Backenzähne löst häufig Otalgien aus, auch
von gefüllten Zähnen können infolge thermischer Insulte Ohrschmerzen
ausgehen. Nicht immer läßt sich die Zahnkrankheit sofort nachweisen,
Untersuchung mit Röntgenstrahlen bezw. mit dem Induktionsstrom
wird meist die Diagnose stellen lassen. Andere Irradiationsotalgien
kommen vor bei akuten Entzündungen der Gaumentonsillen und der
Rachenmandel, bei Brechungsanomalieen des Auges, bei Glaukom, bei
Ulcerationen im Rachen und Kehlkopf, bei Zungenkrebs, Entzündun¬
gen des Kiefergelenkes etc, besonders bei Kehlkopftuberkulose.
Unter neurotischer Otalgie versteht Urbantschitsch Ohr-
schnierzen infolge Irritation eines das Ohr versorgenden Nerven. Bei
derartigen Neuralgien muß man nach Konstitutionskrankheiten, (Anämie,
Chlorose), Infektionskrankheiten (Malaria) Intoxikationen durch Metall¬
gifte, Neurasthenie, Hysterie, Tabes, Diabetes, Gicht, Rheumatismus for¬
schen. Neben der Bekämpfung des Grundleidens ist der faradische
Strom anzuwenden, auch Massage und Antineuralgica sind zweckmäßig.
Zu den traumatischen Ohrschmerzen rechnen besonders auch die
durch chirurgische Eingriffe bedingten, z. B. bei der Paracentese. Diesen
Eingriff kann man durch Kokain-Karbolsäurelösung weniger schmerzhaft
gestalten. Gehörgangsfurunkel kann man unter 10° ( o Kokainlösung
mit Tonogenzusatz schmerzlos incidieren, bei periostalen Abszessen
wendet man Aethylchlorid und Infiltration mit Schleichscher Lösung an.
Auch Felsenbeinaufmeißelungen können mit Lokalanästhesie ausgeführt
werden, jedoch nur wenn kein subperiostaler Abszess vorhanden ist.
Bei traumatischem Ohrschmerz durch Insekten im Ohr müssen
letztere durch Eingießen von Wasser oder Oel, durch Chloroform,
Aetherdämpfe oder Tabaksrauch entfernt werden.
Varia.
Die primären, entzündlichen Erkrankungen des Nierenbeckens und
ihre Behandlung. Von Mirabeau. Zentralblatt für die gesamte
Therapie 1910, Nr. 2 p 57 ff.
Bei Nierenerkrankungen ist es vor allem nötig, eine genaue
Differenzialdiagnose zu stellen und die äthiologischen Momente fest¬
zustellen. Dies ist nach Einführung der neueren diagnostischen Hilfs¬
mittel, Cystoskopie, Röntgenstrahlen, Kryoskopie des Blutes usw.,
bedeutend erleichtert worden.
Es wurde experimentell festgestellt, daß eine Niereninfektion
durch Bakterien nur stattfindet, wenn eine lokale Schädigung hinzutritt.
Erfahrungsgemäß ist für die Nierenbecken das schädigende Moment
gewöhnlich die Behinderung des Urinabflusses. Bei Männern kommen
meistens in betracht die Folgezustände der Gonorrhoe, bei Frauen
Uterusverlagerungen (durch Tumoren, Schwangerschaft usw.).
Andere schädigende Momente sind in Traumen, Steinen, Geschwülsten
usw. zu suchen.
Die Differenzialdiagnose hat von der Pyelitis im engeren Sinne
streng zu trennen, ob die Niere selbst miterkrankt ist (Pyelonephritis).
Als Symptome für die akute Pyelitis kommen in betracht:
1. Die Allgemeinsymptome der Infektionskrankheiten. Charak¬
teristisch ist das Verhältnis zwischen Temperatur und Puls, indem
sich die Pulshöhe in niedrigeren Grenzen hält, als der Temperatur
entsprechen würde.
2. Die Schmerzen neben der Wirbelsäule in der Gegend des
M. quadratus lumborum.
3. Die oft festzustellende Anschwellung (perkutorisch, palpatorisch,
Uretherenkatheterismus).
4. Die Urinuntersuchung: (Albuinen, Bakterien, Lymphocyten).
5. Die (schon erwähnte) Harnstauung.
Bei der chronischen Pyelitis handelt es sich meist um ascendierende
Prozesse, die von infektiösen Blasenerkrankungen ausgehen. (Infektion
durch Gonorrhoe, Fremdkörperreizung, zentrale Erkrankungen des
Nierensystems.) Jedoch führt diese chronische Pyelitis meist zur
Pyelonephritis.
Die Behandlung der Pyelitis kann intern, lokal und operativ sein.
Unter Bettruhe, reichlicher Flüssigkeitszufuhr, reizloser Diät gehen
die Erscheinungen oft zurück.
Medikamentös verwendet man gegen die Schmerzen Mörphium-
injektion (IV 2 —2 eg) oder Suppositorien von Opium und Belladonns.
Gegen die Bakterien: Keimtötende Mittel.
Zur Schmerzlinderung kommen noch in betracht: Applikation von
Kälte und Wärme in die Nierengegend.
Zur Desinfektion der Harnwege eignet sich am besten Urotropin
(Hexamethylentetramin).
Nierenreizende Mittel (Balsame usw.) sind streng zu vermeiden,
zur Diurese kommt nur verstärkte Flüssigkeitszufuhr (bis 51) in
betracht (bei intakter Niere).
Zur lokalen Behandlung kommt die Spülung des Nierenbeckens
(durch Katheterismus) in betracht. Ferner alle Maßnahmen, welche
die lokale Urinstauung beseitigen.
In Fällen, wo auch der Uretherenkatheterismus versagt, muß die
Behandlungsmethode eine operative sein (Pyelotomie).
Die Pyelitis ist meistens einseitig. Kurt Lipschitz, Berlin.
Phosphor, Lebertran und Sesamöl in der Therapie der Rachitis.
Von Schabad. Zeitschrift für klinische Medizin 1910. Band 69,
Heft V p. 435 ff.
Phosphorlebertran bewirkt eine starke Kalkretention bei Rachitikern,
ohne Einfluß auf den Kalkstoffwechsel gesnnder Kinder auszuüben.
Hand in Hand damit geht Phosphorretention, sodaß die Patienten
aus dem Stadium der blühenden Rachitis in den der Genesung versetzt
werden'. Die Wirkung kommt durch das Zusammenwirken beider
Bestandteile zu stände. Phosphor allein übt keine Wirkung aus,
Lebertran allein vermehrt die Kalkretention, jedoch nicht in dem Grade
wie die Kombination beider. Sesamöl, das als Ersatz von Lebertran
empfohlen wurde, hat keinen Einfluß auf den Kalkstoffwechsel bei
Rachitis.
Der günstige Einfluß der Kombination aufj die Kalkretention ist
nicht, wie Birk und Freund es behaupten, auf den Einfluß auf die
Seifenbredung im Darm zurückzuführen.
Gibt man aber eine Kombination von Lebertran und Phosphor¬
lebertran, so tritt gleichzeitig mit der Verbesserung der Kalkretentation
auch Vermehrung der Phosphorretentation ein. Die Stickstoff- und
Fettresorption wird entschieden gebessert. Kurt Lipschitz, Berlin.
Höhenklima und Blutbildung. Von Marinz und Morawitz.
Deutsches Archiv für klinische Medizin 1910. Band 98, Heft 4, p. 302.
An sich selbst und an Versuchstieren stellen Verfasser fest, daß
ein Einfluß des Höhenklimas auf die Blutbildung sicherlich vorhanden
ist, daß aber eine bedeutende Zunahme der Blutkörperchen in kurzer
Zeit nicht besteht. Ihre Resultate fassen sie in folgenden Worten
zusammen:
1. Steril aufgefangenes Menschenblut verbraucht unter normalen
Verhältnissen nur sehr wenig Sauerstoff und zwar anscheinend ziemlich
konstante Mengen.
2. Merklich größer wird der Sauerstoffverbrauch nach mäßigen
Aderlässen im Stadium verstärkter Blutbildung.
3. Eine Erhebung um 3000 m bewirkt innerhalb von 10 Tagen
keine merkliche Erhöhung des Sauerstoffverbrauches des Blutes. Die
Blutbildung wird also wahrscheinlich durch eine solche Erhebung
weniger angeregt, als durch Aderlässe von 300—400 ccm.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Ueber puerperale Osteomalakie. Von Vozabova, Prag. Me¬
dizinische Blätter 1910, Nr. 6.
Bei der Osteomalakie (einer Krankheit der Knochen, Muskeln und
Gelenke) ist Gravidität, Menses und Laktation erschwert. Die Therapie
ist eine operative, diätetische, hydrotherapeutische und medizinale.
Bei der internen Therapie verdienen die Adrenalineinspritzungen
Bossis hervorragende Beachtung, das souveräne Mittel bleibt Fehlings
Kastration. Auf Entstehung der Osteomalakie soll nicht nur Ovarium
und Nebenniere, sondern auch die Schilddrüse, Pankreas und andere
Organe Einfluß haben. Kurt Lipschitz, Berlin.
/ERS
VER
254 THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU. Nr. 16
Zur Frage der intravenösen Narkose. Von Kiittner. Zentralblatt
für Chirurgie, 1910, Nr. 7, p. 233 ff.
Verfasser berichtet über 23 Fälle von intravenöser Narkose, die
er nach den Angaben von Burkhardt (Münch, med. Wochenschr. 1909,
Nr. 46) ausgeführt hat. Die glänzenden Vorteile dieser Narkose
werden nach Küttners Anschauungen von der großen Gefahr nichtig
gemacht, daß bei der intravenösen Narkose leicht sich ein Thrombus
bilden kann. Kurt Lipschitz, Berlin.
Manuelle Placentalösung. Von Peters. Zentralblatt für Gynä¬
kologie 1910, Nr. 7, p. 225 ff.
Peters geht davon aus, daß in den Kliniken die manuelle Placenta¬
lösung durch Eingehen der Hand in die Vagina vorgenommen werden
kann, da dort alle Maßnahmen einer gründlichen Asepsis getroffen
werden können.
Dem ist aber nicht so in der Privatpraxis, wo die Hände der
praktischen Aerzte keinen Vergleich aushalten können mit klinisch
desinfizierten Händen, wo häufig der Arzt erst zugezogen wird, wenn
die Hebamme mit nicht einwandfreien Fingern vielleicht schon häufig
untersucht hat usw.
Peters empfiehlt darum für die Privatpraxis, nach der Infektion
der äußeren Genitalien die Portio vor die Vulva herabzuziehen und
dann die Placenta auszuräumen. Ein mehrmaliges Eingehen mit der
Hand müsse, wenn irgend möglich, vermieden werden.
Zu beachten ist auch die Gefahr der Luftembolie.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Technische Neuerscheinungen.
Ein neuer Blutdruckmeßapparat.
Von Dr. Selig (Franzensbad).
Die Forderungen an ein praktischen Zwecken dienendes
Instrument sind: Richtige Wertangaben, leichte Transportier-
barkeit, stete Oebrauchsfertigkeit, Billigkeit. Das Basch’sche
Sphygmomanometer hat den Nachteil, daß die Gummi-
pelotte eine sehr kurze Lebensdauer besitzt, das Taschen¬
sphygmomanometer von Sahli ist leicht transportabel,
muß aber vor dem Gebrauch erst zusammengestellt werden,
der Blutdruckapparat von Riva Rocci ist gegenwärtig der
vollkommenste, doch nicht leicht transportabel und etwas
kostspielig. Nach demselben Prinzip ist auch der Apparat
von Haak und jener von Stille. Während allen diesen
Apparaten das palpatorische Prinzip zugrunde liegt, wird
bei dem Tonometer von Gärtner das Wiedererröten der
vorher anämisierten Fingerbeere als Kriterium angesehen.
Diesem sehr verbreiteten Instrumente haften mehrfache
Fehler an. Einmal sind die Blutdruckverhältnisse in den
einzelnen Arteriae digitalis verschieden, sodaß bisweilen
jeder Finger andere Werte angibt, außerdem spielt das Ver¬
hältnis von pneumatischem Ring zur Fingerdicke eine große
Rolle. Hochgradig anämische, ödematöse, schwielig verdickte,
angiospastische und paralytische Finger sind von der Messung
ausgeschlossen. Nach gleichem Prinzip hat auch Verdin
einen Apparat angegeben. Der Apparat von Herz ist
minimal groß, doch für richtige Messungen unzulänglich.
Prof. Raudnitz hat Vorjahren einen Apparat allerdings
nur für Bestimmungen der Schmerzempfindlichkeit usw. als
allgemeines Tonometer angegeben. Das Prinzip, welches
diesem Apparate zugrunde liegt, ist jenes der Gewichtsbe¬
lastung, welche von Kries 1875, Waldenburg 1880 ver¬
wendet wurde. Bei unserem Apparate wird der Druck
durch Kompression einer Spiralfeder bewirkt, welche auf
einer Skala mittels eines Zeigers den Wert in kg angibt.
Dasselbe Prinzip ist bei der Federwage. Die Aichung der
Skala erfolgte empirisch durch Gewichtsbelastung, wiewohl
nach dem Hookschen Elastizitätsgesetz die elastischen
Deformitäten den sie erzeugenden Kraftmomenten direkt
proportional sind. Die Feder behält auch nach langem
Gebrauche ihre Elastizität, da die Elastizitätsgrenze keines¬
falls überschritten wird. M. Bloch in Paris hat 1888 einen
ähnlichen Apparat konstruiert, doch ist derselbe ganz in
| Vergessenheit geraten. Auf rechnerischem Wege ist es
leicht möglich, unsere Werte in mm Hg auszudrücken.
Denn 1 kg Druck entspricht einer Quecksilbersäule von
76 cm pro 1 qcm. Die Pelotte hat eine Oberfläche von
1,646 qcm.
Vergleiche mit dem Apparate von Riva Rocci zeigen
indessen keine Uebereinstimmung der Quecksilberwerte, da
die Methode der Blutdruckmessung beim Riva Rocci’schen
Apparate durch eine zirkuläre Kompression des Oberarmes,
bei unserem Instrumente durch einen Druck in vertikaler
Richtung erfolgt. Dennoch läßt sich aus den Vergleichs¬
werten mit dem Riva-Rocci'schen Apparate sagen, daß Werte
von 0,5—0,8 kg einem niedrigen Blutdruck (80— 90 mm Hg
nach Riva Rocci), solche von 0,8—1,2 kg einem normalen
Blutdruck (110 mm Hg Riva Rocci) und solche über
1,2 kg einem erhöhten Blutdruck entsprechen.
Die Messung erfolgt an der Radialis durch Kompression
der Feder bis zum Verschwinden des Pulses bei peripher
vom Apparate palpierendem Finger. Bei Ueberdruck durch
Nachlassen der Feder bis zum Einschließen des Pulses.
Die Vorteile des Instrumentes sind: Unnachgibiges Material,
stete Gebrauchsfertigkeit, minimalste Größe und Billigkeit.
Zu beziehen von Hammermüller, Mechaniker am deutschen
physikalischen Universitäts-Institute Prag, Preis 10 K.
(Fortschritte der Medizin 1910, Nr. 10.)
_ Rosen.
Inhalationsapparat mit Kühler und Kondens-
wasserverhütung.
Von Dr. med. Bruno Alexander (Bad Reichenhall).
Musterschutznummer: 367 055.
Der Apparat besteht aus dem gewöhnlichen Dampf¬
erzeuger und Zerstäuber nach Siegle. Zur Abkühlung des
Dampfes ist das Inhalationsrohr durch einen kleinen Kasten
geführt, in welchen Eis und Wasser gebracht wird. Die
Bildung von Kondenswasser am Ende des Inhalationsrohrs
Kathreiners Malzkaffee
entfaltet keinerlei Nebenwirkungen, ist wohl¬
schmeckend und billig.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
sorgen. Insbesondere liegt die Reinigung in den Schulen zum Teil
noch schwer im Argen. Daß gerade die Kinder außerordentlich viel
Schmutz und Staub hineinbringen ist natürlich, sie wirbeln denselben
aber auch vielmehr durcheinander wegen ihrer Lebhaftigkeit. Die
Reinigung ist im allgemeinen nicht genügend unsere Kasernen
werden viel besser gereinigt. Die Städte müßten zur Reinigung der
Schulen große Staubsaugeapparate haben. Ferner käme noch be¬
sonders in einem nassen Winter in Betracht, daß die Kinder nicht
mit nassen Füßen den Unterricht verbringen. So ist uns ein Fall be¬
kannt, wo wir in einer Stadt mit schlechtem Reinigungswesen, jeden
Morgen die Schulkinder durch Pfützen gehen sahen. Den Kindern
der Armen könnten in diesen Fällen Strümpfe und Pantoffeln für die
Schulzeit gewährt werden. Wir können vorerst die Tätigkeit der
Schulärzte mehr als eine prophylaktische auffassen; gerade auf diesem
Gebiete warten ihrer viele Aufgaben, die schließlich auch den Päda¬
gogen über manche Dinge die Augen öffnen werden.
ist dadurch verhütet, daß dieses Ende abgeschrägt ist. Die
schnabelförmige Gestalt des Inhalationsrohrs ermöglicht die
direkte Naseninhalation ohne einen besonderen Nasenansatz.
Der Apparat wird vornehmlich zur Naseninhalation von
physiologischer oder stärkerer Kochsalz-, Alsol- und Resorzin-
iösung empfohlen.
An wendungsweise: Die Anwendungsweise ist ohne
weitere Beschreibung ersichtlich. Der Apparat steht auf
einem Brett und muß durch Unterlagen so hoch gestellt
werden, daß der Inhalierende bequem sitzen kann. Die
Nase wird in das Rohr gehalten, sodaß der Schnabel des
Rohrs dem Nasenrücken aufliegt und bei etwas zurückge¬
bogenem Kopf inhaliert.
Wie bei allen Inhalationsapparaten ist auf gut passende
Winkel und sorgfältige Reinigung und Abtrocknen des
Apparates zu achten. Die Winkel sind durch jedes
Instrumentengeschäft zu ersetzen.
Preis: 20 Mark.
Firma: H. Schenkolewski, Berlin W., Hohenstaufenstr. 44.
(Medizinische Klinik 1010, Nr. 10.)
Rosen.
ln der Sitzung des n.-ö. Landtages vom 18. d. M. sprach Abge-
geordneter Kranister über den Aerztemangel auf dem flachen
Lande. Er führte aus: „Der Staat müsse die Aerzte in solchen Ge¬
meinden, wo sie nicht leben können, ordentlich subventionieren, damit
sie standesgemäß leben können. Bei schweren Geburten sei in der
Regel kein Arzt anwesend, und es komme vor, daß, da die Aerzte der
Umgebung mit Arbeit überbürdet und selten zu Hause anzutreffen seien,
viele Gebärende sterben müssen. Er richte an den Landesausschuß
und den Statthalter, der die ärmlichen Verhältnisse im Waldviertel
genau kenne, die Bitte, zu trachten, daß in diesen Gegenden die Aerzte
eine entsprechende Subvention erhalten.“
Allgemeines
Die Stadt Chemnitz will nach dem R. M. Anzeiger dem Beispiel
anderer Städte folgen und ebenfalls Schulärzte im Hauptamte an¬
stellen. Bisher waren für etwa 42000 Volksschulen in 34 Schulen
17 Schulärzte nebenamtlich beschäftigt. Vom 1. April d. J. an werden
drei Schulärzte von Seiten der Stadt angestellt, die unter Verzicht auf
jede Privatpraxis ihre ganze Zeit und Kraft der Schule widmen sollen.
Die Korrespondenz der deutschen Lehrervereine bemerkt hierzu, daß
eine derartige Sache nur halb sei, solange man sich auf die bloße
Beobachtung und Untersuchung der Schüler beschränkt. Mit der
schulärztlichen Kontrolle allein sei der Gesundheit der zu kontrollierenden
Kinder noch nicht gedient. Sie verlangt, daß den Kindern nach der
schulärztlichen Kontrolltätigkeit unentgeltliche Behandlung zuteil wird.
Es geht aus der Mitteilung nicht klar hervor, ob die genannte Korre¬
spondenz meint, daß die drei Schulärzte selbst die Behandlung über¬
nehmen sollen, was sich wohl durch die Zeit verbieten würde, oder
ob die betreffenden Kinder zwangsweise der Armenbehandlung anheim¬
fallen sollen. Es ist nicht recht ersichtlich, wie sich die Korrespondenz
der deutschen Lehrervereine die Durchführung denkt. Jedenfalls ist
zu wünschen, daß vorerst alle Städte Schulärzte anstellen, die eine
Ueberwachung der Schulkinder und der Hygiene in den Schulen be¬
Auch in Oesterreich sollen jetzt Schulärzte angestellt werden
und zwar in Wien vorläufig probeweise in einem Gemeindebezirke.
Auf je 1500—2ü00 Kinder soll ein Schularzt entfallen. Der Schularzt
wird alle Schulrekruten einer Untersuchung zu unterziehen haben,
wobei die Sinnesorgane besonders berücksichtigt werden sollen. Zwei¬
mal monatlich wird eine Amtsstunde abgehalten werden, um den
Lehrern und Angehörigen der Kinder Auskünfte und Ratschläge zu
erteilen. Eine Behandlung der Schulkinder findet nicht statt, die
kranken Kinder sind an die Aerzte der betreffenden Familien zu
weisen. Nur jene Kinder, die schon derzeit in amtsärztlicher Behand¬
lung stehen, werden weiterhin den Amtsärzten überwiesen. Die Schul¬
ärzte haben über ihre Erfahrungen wissenschaftliche Berichte zu er¬
statten.
Honoraranspruch bei Versäumnis einer verabredeten Kon¬
sultation seitens des Patienten. Urteil des Amtsgerichts Hamburg
(V. Zivilabteilung) vom 22. Juni 1909. („Zeitschrift für Med.-Beamte“
Nr. 24, 1909.)
Der Wert unserer geruchfreien, reizlosen Pittylen-Präparate
ist überall schnell erkannt worden, und ihre Verwendung in der Haut-
256
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 16
Kläger beansprucht 10 Mark, weil die Ehefrau des Beklagten mit
ihm eine „Konsultation“ für eine bestimmte Tagesstunde vereinbart
habe, aber nicht erschienen sei. Es handelt sich zweifellos um einen
Dienstvertrag. Mit der vereinbarten Konsultation ist offenbar gemeint,
daß Kläger sich verpflichtet hat, zu einer bestimmten Zeit seine Dienste
als Zahnarzt zu leisten. Unstreitig ist die Ehefrau des Beklagten mit
der Annahme der Dienste in Verzug geraten. Kläger kann nach
B. G. B. § 115 für die ihr geleisteten Dienste eine Vergütung bean¬
spruchen. Er muß sich jedoch dasjenige einrechnen lassen, was er
infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart, oder durch ander¬
weitige Verwendung seiner Dienste erworben hat. Es war Sache des
Beklagten, einen solchen Abzug nachzuweisen. Dieser Beweis ist
nicht angetreten. Wird berücksichtigt, daß Kläger sich eine Stunde
für die Ehefrau des Beklagten frei gehalten hat, erscheint mit Rück¬
sicht auf den Umfang seiner Praxis eine Vergütung von 10 Mark an¬
gemessen. Die Gesamtkosten trägt der Beklagte.
Vorbeugung und Behandlung der Krankheiten im Kindes¬
alter einschließlich des Säuglingsalters. Der vom Zentralkomitee
für das ärztliche Fortbildungswesen in Preußen in Prof. Dr.
H. Neumann’s Kinderhaus, Blumenstr. 78 vom 30. Mai bis 18. Juni
veranstaltete Kurszyklus umfaßt den nachstehenden Arbeitsplan:
Dienstag, den 31. Mai: Dr. Salomon: Aeußere Augenkrankheiten,
Dr. E. Oberwarth: Natürliche Ernährung (einschließlich der Ernährung
durch Ammen). Donnerstag, den 2. Juni: Dr. S. Kalischer: Organische
Nervenkrankheiten, Dr. E. Oberwarth: Ernährungsstörungen des
Brustkindes. Sonnabend, den 4. Juni: Dr. H. Maaß: Chirurgische
Tuberkulose, Dr. Orgler: Exsudative Diathese und Tuberkulose.
Montag, den 6. Juni: Dr. Schwerin: Ohreiterungen im Kindesalter,
Dr. Orgler: Krankheiten der Niere. Mittwoch, den 8. Juni: Dr.
P. Friedberg: Diagnose und häusliche Behandlung der Skoliose.
Freitag, den 10. Juni: Dr. Schwerin: Erkrankung des Nasenrachen¬
raums, Dr. Orgler: Herzkrankheiten. Dienstag, den 14. Juni: Dr.
Salomon: Refraktionsanomalien, Verschiedenes, Dr. Japha: Syphilis.
Donnerstag, den 16. Juni: Dr. Kalischer: Funktioneile Nervenkrank¬
heiten, Dr. Japha: Ernährungsstörungen des Säuglings. Sonnabend,
den 18. Juni: Dr. H. Maaß: Angeborene und erworbene Verkrümmungen,
Dr. Japha: Rachitis und Säuglingskrämpfe. Meldungen für den Kurs¬
zyklus, der nur Aerzten zugängig ist, sind zu richten an das Bureau
des Kaiserin Friedrich-Hauses, Berlin, N.W. 6, Luisenplatz 2-4.
Oberbürgermeister am Ende- Dresden teilte in derDeutschen
Gesellschaft für Volksbäder folgendes mit: Es wurden in Deutsch¬
land im Jahre 1908 2847 öffentliche Warmbadeanstalten gezählt;
das ist — nach der Bevölkerungsziffer von 1905 berechnet - eine
Badeanstalt auf ca. 21 000 Personen. In diesen 2847 Anstalten waren
insgesamt 18 996 Badewannen, 11111 Brausen und 232 Schwimmbassins
vorhanden. Am günstigsten lagen die Verhältnisse in Bremen (auf
100 000 Einwohner berechnet 1,1 Schwimmbassin, 88,4 Badewannen,
46,3 Brausen); in Anhalt (50,0 Badewannen, 31,0 Brausen); dann
folgen Baden, Württemberg, Sachsen. In Oldenburg ist am wenigsten
in dieser Hinsicht geschehen. Hiernach leben nicht viel mehr als
zwei Fünftel aller Einwohner des Reiches in Orten mit
öffentlichen Warmbadeanstalten, von 1000 Einwohnern nur
425, in Preußen nur 420, in Baden nur 414, in Württemberg nur
389, in Bayern nur 342. Am günstigsten liegen die Verhältnisse im
Königreich Sachsen mit 600 auf 1000. Nach der Volkszählung vom
Jahre 1905 hat sich ergeben, daß von den mehr als 3000 Einwohnern
zählenden Gemeinden 1092 mit einer Gesamtbevölkerung von
6 507 969 überhaupt keine öffentlichen Warmbadeanstalten besitzen.
Bei Dermatosen (Seborrhoe, Pruritus et&
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Verantwortlich: Für den redaktionellen Teil: Prof. Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35. Für „Kleine Mitteilungen“ und den Inseratenteil: Max Munczinski, Berlin-Rixdorf.
Verlag: Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9. — Druck: Alliance, Druckerei- & Verlags-Gentrale, G. m. b. H., Berlin O. 17, WarschauerstrafJe 34/36.
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt:
Originalien:
A. Welsh, Sidney: Neue Beobachtungen über Krebs und
Geschwulstwachstum (Schluß) ..257
Lenne, Neuenahr: Zur Behandlung des frischen Magen¬
geschwürs .262
O. Schenker, Berlin: Manuelle Behandlung und Atmungs¬
gymnastik bei Lungenemphysem und Asthma bronchiale . 262
Referate:
O. Fellner, Wien: Krankheiten und Schwangerschaft . . 263
H. Lehr, Stuttgart: Orthopädie.265
L. Lipmann-Wulf, Berlin: Urologie.266
Grum ach, Berlin: Hautkrankheiten.268
M. Peltzer, Steglitz: Militär-Sanitätswesen.269
Kurt Lipschitz, Berlin: Varia.269
Technische Neuerscheinungen:
H. Trautmann: Ueber Pasteurisierung von Säuglingsmilch 270
Dr. Henschel’slnhalator..* . . . . 271
Bücherbesprechungen:
Jahrbuch der Schlesischen Bäder, Heil-, Pflege- und Kur¬
anstalten mit Anschluß von Oesterreich-Schlesien u. Böhmen 271
Allgemeines.271
ORIGINALIEN.
Neue Beobachtungen über Krebs und
Geschwulstwachstum.*)
Von A. Welsh, Prof. d. Pathologie an der Universität zu Sidney.
(Schluß.)
Die neue Generation — neoplastisch und embryonal
zugleich — wächst unabhängig von den Bedürfnissen des
elterlichen Organismus, doch ist sie zu gleicher Zeit, hin¬
sichtlich der Ernährung, völlig abhängig vom elterlichen
Organismus. Hinsichtlich der wechselseitigen Abhängigkeit
und Unabhängigkeit kann kein Unterschied zwischen der
Neubildung eines Tumors und der Neubildung eines Säuge¬
tierembryo aufgestellt werden. Der grundsätzliche Unter¬
schied zwischen diesen beiden Typen der Neubildung liegt
darin, daß das Wachstum des Embryos und seiner Hüllen
in geregelter Ordnung sich vollzieht, im Gegensatz zum
unregelmäßigen, ohne Ordnung erfolgenden Wachstum des
Tumors. Für diesen Unterschied ist bisher eine Erklärung
nicht gegeben worden. Der Ursprung eines Krebses aus
der Vereinigung von Zellen würde hinreichend seine Unab¬
hängigkeit im oben definierten Sinne erklären, doch
nicht geeignet sein, seine Autonomie zu erklären. Ein neuer
Organismus mit ihm eigentümlichen Wachstumsgesetzen
ist ein unbekanntes Wesen in der ganzen Reihe der nor¬
malen biologischen Entwicklung. Jede neue Generation
unterliegt aufs strengste den Wachstumsgesetzen, unter
denen die Vorfahren gebildet sind, mit Ausnahme von nur
wenigen geringen Schwankungen. Indes in der Entwicklung
eines Krebses finden wir ohne Vorgang die Erscheinung,
daß eine neue Generation von Zellen unabhängig und oft
abweichend von den Gesetzen wächst, welche das Wachs¬
tum des elterlichen Gewebes regelt.
Neue biologische Beobachtungen haben auf eine Einheit
der lebenden Materie über die Zelle, über die Chromosomen
hinaus hingewiesen — und diese Einheit stellt das Chro-
The Scottish medical and surgical journal 1906, June. Deutsch von
Dr. v. Boltenstern-Berlin.
matingranulum dar (Chromomere). Boveri und Brauer
(erwähnt von Wilson) betrachten die Spaltung der Chro¬
mosomen als einen unabhängigen reproduktiven 'Akt des
Chromatins. „Nach meiner Meinung“, sagt Brauer, „sind
die Chromosomen nicht unabhängige Individuen, sondern
nur Gruppen von zahlreichen kleinen Chromatingranula,
welche allein den Wert von Individuen haben“; und Wilson
stimmt dieser Meinung bei mit den Worten: „Diese Beob¬
achtungen leihen sicherlich der Ansicht eine wesentliche
Stütze, daß das Chromatin als morphologisches Aggregat
zu betrachten ist — als Anhäufung oder Kolonie von sich
selbst fortpflanzenden Ernährungsorganismen, welche
der Assimilation, des Wachstums und der Teilung fähig
sind.“ Das Chromatin bildet die vererbte Grundlage,
durch welche die Vorgänge des Wachstums und der
Differenzierung gemeistert werden, von welcher sie den
spezifischen Stempel der Rasse empfangen (E. B. Wilson);
und die genaue Unterteilung des Chromatins in Mitosen
wird gemeinhin als der Mechanismus betrachtet, durch
welchen die genetische Kontinuität und der genetische Be¬
stand aufrecht erhalten wird. In der normalen Entwicklung
des Embryos ist eine abnorme Mitose selten, während bei
einer Neubildung und vorzüglich bei malignen Formen mit
rapidem Wachstum pathologische Mitosen reichlich und in
der Tat so häufig sein können, daß sie die wahre Natur
der Kernteilung verdecken. Wenn ich auch völlig der An¬
sicht bin, daß die Bedeutung von Befruchtung und Mitose
eine der schwierigsten Fragen der Biologie darstellt, so ist
es doch nicht ungerechtfertigt, das geregelte Wachstum des
embryonalen Gewebes mit der genauen Teilung der Chro-
momeren und das ungeregelte Wachstum des Krebsgewebes
mit den häufigen Unregelmäßigkeiten in der Chromatin¬
verteilung in Zusammenhang zu bringen.
Soweit Mitosen beobachtet sind, zeigen sie in trans¬
plantierten Geschwülsten keine Abnormitäten, welche eine
ungleiche Teilung des Chromatins gerade zu den Perioden
gamogenetischer Tätigkeit verursachen könnten, und ferner
die allmählich folgenden neuen Krebszellennester zeigen
während der bis jetzt erreichten längsten Beobachtungszeit
keine Abweichung von der Struktur des ursprünglichen
Nestes und scheinen genau gleichen Wachstumsgesetzen
unterworfen zu sein. Abweichung der Struktur in einem
leichten Grade und Freiheit von ursprünglichen Wa hs-
258
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 17
tumsbeschränkungen in einem höheren Grade hängen daher
wahrscheinlich von der Ausdehnung der ungleichen Ver¬
teilung des bei der Entstehung der primären Generationen
beteiligten Chromatins ab.
Die Beziehung von Neubildung zum Altern
des Gewebes.
Die wohlbekannte Tatsache, daß die Neigung zu
malignen Neubildungen mit dem Lauf der Jahre wächst,
daß der Krebs im großen Ganzen eine Erkrankung des
höheren Lebensalters ist, hat im Lichte der jüngsten
Arbeiten eine neue Bedeutung erworben. Es wird in der
Regel angegeben, daß Sarkome häufiger in jüngeren Lebens¬
jahren auftreten, Krebse dagegen häufiger in späteren.
Es ist interessant zu bemerken, daß der jüngste statistische
Bericht des Imperial Cancer Reaearch Fund darauf hinweist,
paß Sarkome ebenso wie Krebse an Häufigkeit mit steigenden
Lebensjahren zunehmen. Nach meiner eigenen Erfahrung
bin ich von der Tatsache überzeugt, daß Krebse einen viel
größeren Anteil unter den malignen Neubildungen bei jungen
Leuten und gerade bei Kindern ausmachen als, allgemein
angenommen wird. Es scheint daher, daß obwohl jeder
der beiden Haupttypen der malignen Neubildungen im
jugendlichen Alter Vorkommen kann, doch die Häufigkeit
beider mit zunehmenden Jahren steigt.
So oft diese Erscheinung untersucht worden ist, hat
man gefunden, daß diese Zunahme nicht gleichmäßig fort¬
schreitet. Krebse des Magens z. B. treten auf und erreichen
ein Maximum ihrer Häufigkeit viel früher als Hautkrebse.
Uterus- und Mammakrebse sind häufiger in der Zeit des
Klimakteriums als in den späteren Lebensjahren und Krebse
des Chorionepitheliums folgen genau dem Auftreten dieses
Epithels. Also weniger das Alter des Individuums, in
welchem er auftritt, als das Alter des Gewebes, aus welchem
er entsteht, bedingt das Maximum der Krebserkrankungen.
Auch hinsichtlich des Gewebes ist es genau genommen
nicht das Alter, sondern das Altern, welches einen wichtigen
prädisponierenden Faktor darstellt. Gewebe scheinen für
Neubildungen geneigt zu sein, wenn sie eine gewisse Reife
erreicht haben und in die Phase der Dekadenz, der Invo¬
lution eintreten, und diese Phase wird in verschiedenen
Geweben zu verschiedenen Lebensperioden des Organismus
erfeicht. Ja, dasselbe Gewebe, z. B. Mamma, Uterus kann
zu verschiedenen Perioden der Erkrankungszeit der ver¬
schiedenen Tiere erschöpft werden, und dem entsprechend
schwankt die Zeit, in welcher sie vom Krebs befallen
werden. Dies wird von Professor Woods Hutchinson
betont, welcher in seinen „Studien der menschlichen und
vergleichenden Pathologie“ die verhältnismäßige Häufigkeit
der Brust- und Gebärmutterkrebse bei den niedrigen Tieren
mit der Tatsache in Beziehung bringt, daß diese Organe
fast bis zu Ende des Lebens aktiv funktionell bleiben. Mit
anderen Worten, die niederen Tiere überleben diese Organe
nicht in derselben relativen Ausdehnung, wie es das mensch¬
licheindividuumtut. Die Berichte des Imperial Cancer Research
Fund beharren auch auf der Wichtigkeit der Altersgrenze
in der Aetiologie des Krebses und betonen die Tatsache,
daß die gleiche Beziehung des Krebses zur Dekadenz des I
Gewebes beim Menschen und bei anderen Tieren besteht,
obwohl bei letzten mit ihrer kürzeren Lebensdauer die
Periode der relativen Immunität entsprechend verkürzt wird.
Der weithin anerkannte Einfluß der Reizung und der
Schädigung als prädisponierendes Moment beim Tumor¬
wachstum ist begreiflich und wahrscheinlich nur soweit
wirksam, als er das Altern des Gewebes beschleunigt.
Die verhältnismäßige Seltenheit von Neubildungen bei
Tieren gegenüber den Menschen ist wahrscheinlich von
verschiedenen Ursachen abhängig. Wenn ihre kurze Lebens¬
dauer die Periode der vergleichsweisen Immunität verkürzt,
so begrenzt diese noch mehr die Periode des Maximums
der Empfänglichkeit, und ich bin nicht der Ansicht, daß
der Krebs bei kurzlebigen Tieren im Durchschnitt ein
schnelleres Wachstum besitzt. Weitere Gründe für diesen
Unterschied können in der Tatsache gefunden werden, daß
die Gewohnheiten der Tiere nicht so häufig wie beim
Menschen zum vorzeitigen Altern der Gewebe prädisponiert,
und daß Organe, welche bei menschlichen Individuen viele
Jahre vor dem natürlichen Lebensende einer Involution
unterworfen sind, bei Tieren funktionstüchtig bis zum Ende
verbleiben können. Und vorzüglich bei wilden Tieren unter
natürlichen Bedingungen ist es sicher, daß sie entweder an
Altersschwäche zugrunde gehen oder Hungers sterben.
Der wichtigste Punkt ist nicht, daß Neubildungen weniger
häufig bei Tieren als beim Menschen Vorkommen, sondern
daß eine Betrachtung der Ursachen der verhältnismäßigen
Seltenheit nur dazu dient, die Bedeutung des Alterns der
Gewebe als einen Faktor für die Entscheidung von Neu¬
bildungen ins rechte Licht zu setzen.
Aus dieser Beziehung des Zusammenhanges von Neo¬
plasmen mit der Altersgrenze der Gewebsaktivität, haben
Bashford und seine Mitarbeiter eine beachtenswerte Beob¬
achtung hergeleitet. Das Tier, bei welchem Transplantation
von Tumoren von einem Individuum auf das andere am
erfolgreichsten ausgeführt ist, ist die Maus, deren natürliche
Lebensgrenze drei Jahre ungefähr umfaßt. Innerhalb dieser
kurzen Frist kondensieren sich die vitalen Tätigkeiten,
welche beim Menschen mehr als ein halbes Jahrhundert in
Anspruch nehmen können, und die Vorgänge werden ent¬
sprechend abgekürzt. So ist die Schwangerschaft bei der
Maus in drei Wochen vollendet, während sie beim Menschen
neun Monate umfaßt. Indes Neubildungen werden von der
Maus über Generationen von anderen Mäusen über eine
die mittlere Lebensdauer bei Mäusen weit überschreitende
Periode verbreitet. Es war also natürlich, zu erforschen,
wie die Neubildung dazu kommt, mit scheinbar unbegrenzter
Wachstumskraft begabt zu sein, ohne von ihrer ursprüng¬
lichen Struktur abzuweichen. Eine systematische Unter¬
suchung solcher transplantierter Krebse führte zu der Ent¬
deckung, daß das Wachstum nicht beständig ist, sondern
eine Unterbrechung erfährt, daß in periodischen Inter¬
vallen eine Zahl assoziativer Erscheinungen auftritt, ein¬
schließlich der heterotypen Mitosen und Kernver¬
einigungen. Das Einsetzen dieser Erscheinungen wird, wie
ich wohl weiß, nicht auf das Alter des Tieres oder auf die
Dauer des Tumorwachstums in ihm bezogen, sondern
allein auf die Zahl der Zellgenerationen der Neubildung,
welche seit den letzten vorangehenden heterotypen
Mitosen aufgetreten sind, d. h. im strengsten Sinne des
Wortes zum Alter der Neubildung. Gerade wie Mäuse
nach wenigen Jahren ausgestorben sein würden, wenn
nicht durch die Vereinigung von reproduktiven Zellen neue
Individuen geschaffen würden, so wird eine Reifung von
Gameten und ihre Verbindung zu bestimmten wieder¬
kehrenden Zeitintervallen ersichtlich wesentlich für die Aus¬
breitung des Krebses sein. Wenn dies bewiesen werden
kann, so stellt es den striktesten Beweis zur Unterstützung
der Hypothese dar, daß eine Neubildung im Wesen eine
neue Generation von Zellen ist, welche nach der Art eines
neuen Individuums der Spezies entsteht. Indes erheben
sich frische Schwierigkeiten.
Daß das Altern der Zellen der Neubildung der einzig
richtige Faktor bei der Abgrenzung der ganzen Folge
dieser Erscheinungen in transplantierten Tumoren sein soll,
ist überaus beachtenswert. Betrachten wir einen Augenblick,
was das besagt. Es ist hinreichend verständlich, daß redu¬
zierende Teilungen in nichtreproduktiven Geweben nicht not¬
wendigerweise bezeichnend für eine maligne Neubildung
sind. Sie sind nicht nur in benignen Tumoren angetroffen,
sondern auch in Gewebsproliferationen entzündlicher oder
irritativer Natur. Zudem sind sie in gewissen Neubildungen
von unleugbarer malignem Typus nicht beobachtet worden.
Nr. 17.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
259
Soweit'entfernt nun ihre Anwesenheit davon ist, ein Kriterium
der Malignität zu sein, so ist es auch kein Kriterium für j
eine Neubildung überhaupt, noch folgt unvermeidlich ihrem j
Auftreten in einem Gewebe eine Geschwulstbildung. Alles,-
was es bedeutet, ist, daß das Gewebe soweit für den Be¬
ginn einer Neubildung vorbereitet ist, daß gewisse seiner
Zellen auf irgend eine Weise dahin gelangt sind, die Eigen¬
schaften von der Reifung unterworfenen reproduktiven
Zellen zu erwerben. Gibt man also zu, daß das Altern
des Gewebes, natürlich oder künstlich hervorgebracht, im¬
stande ist, für das Einsetzen von reduzierenden Teilungen
entscheidend zu sein, so kann es bei der primären Geschwulst
eines Krebses nimmermehr der einzige ätiologische Faktor
sein, da ja nicht jedes veraltete Gewebe zu einer Neubildung
Anlaß gibt, da ja auch, wenn Reifungsteilungen eintreten,
das Gewebe nicht notwendig einer Neoplasie unterworfen zu
werden braucht. Wahrscheinlich besteht der Nebenfaktor
in einer gewissen Art von Zellverbindung, und diese
wieder erfordert einen gewissen, nicht unveränderlich vor¬
handenen Reiz, auch wenn die Bedingungen, wie sie zum
Altern von Gewebe und zur Reifung von Gameten not¬
wendig sind, erfüllt sind.
Nicht alle Krebse können mit Erfolg transplantiert
werden, aber wenn ich die Beobachtungen richtig deute,
hängt eine erfolgreiche Transplantation nicht von der un¬
mittelbaren Einführung einer neuen Generation von Krebs¬
zellen in das neue Tier ab. Ich weiß sehr wohl, daß die
anfängliche Proliferation einer transplantierten Geschwulst
aus Zellgenerationen besteht, welche mit den vorhergehenden
Zellgenerationen in innigstem Zusammenhang stehen, und
daß, wenn einmal die Krebszellen begonnen haben in einem
neuen Tier zu wachsen, sie nicht mehr aufhören, das
Wachstum in diesem Tier fortzusetzen. Vermutlich also
hat ein transplantierter Krebs niemals unterlassen, neue
Generationen von Krebszellen zu erzeugen, wenn er sich
auch der Altersgrenze für sein Wachstum nähert. Dann
kann die Infektion eines neuen Tieres ausbleiben, aber er¬
sichtlich niemals die Ausbreitung einer neuen Zucht von
Krebszellen, welches Alter oder Geschlecht auch immer
oder welche anderen Bedingungen des Tieres vorliegen
mögen, in welchem der Krebs wächst. Warum die Ent¬
stehung von sekundären Generationen im transplantierten
Krebs von dem so seltenen Zusammentreffen von Be¬
dingungen abhängig sein sollte, welche für das Auftreten
der primären Generation erforderlich sind, ist ein Problem,
welches der Lösung harrt.
Bei der Annahme, daß eine Neubildung aus einer
neuen Zellgeneration besteht, ist es nicht leicht zu ver¬
stehen, warum sie so selten dem primären Auftreten von
reduzierenden Teilungen in somatischen Geweben und so
unvermeidlich der Wiederkehr der reduzierenden Teilungen
in transplantierten Geschwülsten folgen sollte. Dahingegen
schwindet die Schwierigkeit bei der Anschauung, daß eine
Neubildung der Menge der reproduktiven (gametoiden)
Gewebes ähnlich ist. Wenn einmal die primäre Differen¬
zierung aus somatischem zu reproduktivem (gametoidem)
Gewebe geschehen ist, dann kann von der nachfolgenden
Reifung des gametoiden Gewebes erwartet werden, daß es
in periodischen Zwischenräumen in transplantierten Massen
wiederkehrt, sei es nun in demselben oder in anderen In¬
dividuen, und die Seltenheit, daß Neubildungen als Resultat
der primären Differenzierung eine Ausbreitung erfahren,
bietet keine Schwierigkeit hinsichtlich der wohlbekannten
und oft außerordentlichen Verschiedenheit der Zellvitalität.
Professor Farmer und seine Mitarbeiter haben das
Auftreten von somatischen Mitosen in den proliferierten
Zellen des fortschreitenden Randes angeführt, aber, sie haben
sie, da sie zweifellos ähnlich sich teilende Krebszellen auch
anderswo beobachten würden, nicht als Abkömmlinge,
sondern als Vorläufer der Zellen betrachtet, welche redu¬
zierenden Teilungen verfallen. Bis bewiesen ist, daß die
Verbindung der Testierenden Kerne ein konstantes Phänomen
in gewissen Stadien des Zellwachstum ist, ist es nicht
möglich, darzutun, daß die somatisch sich teilenden Zellen
die Produkte der Vereinigung von Gameten sind. Die von
dem Imperial Research Fund zusammengetragenen Daten
über das Auftreten wiederkehrender Reihen von Kernver¬
änderungen in transplantierten Mäuse-Tumoren ist gewisser¬
maßen ein Wahrscheinlichkeitsbeweisfür beide Anschauungen,
denn die Hypothese des Krebsursprungs als neue Generation
stimmt sicherlich mit anderen bekannten Tatsachen des
Geschwulstwachstums überein. Es muß zudem zugegeben
werden, daß die von Bashford und Murray als wirkliche
Kernvereinigungen beschriebenen Erscheinungen auch anderer
Deutung zugänglich sind, insbesondere als unvollendete,
abnorme Teilungsformen oder als abortive Vereinigungen.
Unzweifelhaft muß man weiter einwerfen, daß diese ver¬
meintlichen wirklichen Kernvereinigungen zwischen nicht
nur in demselben Organismus, sondern sogar in demselben
Gewebe gereiften Gameten Vorkommen — ein Umstand,
welcher die Annahme einer phylogenetischen Umkehr er¬
fordert, wie sie in der Biologie keinerlei Parallele findet.
Das gametogenetische Gewebe von Tieren gleicht einer
Neubildung, insofern als seine Zellen in letzter Linie höchst
unabhängige Individuen darstellen — unabhängig von den
Bedürfnissen des Organismus und unabhängig untereinander.
Zudem ist ihr Wachstum, da es nicht ungeregelt und ab¬
weichend wie beim Krebs ist, während der Periode der
reproduktiven Tätigkeit unaufhörlich und wirklich unbegrenzt.
Wenn eine ähnliche zweifache Unabhängigkeit und unbe¬
grenztes Wachstum auch nur für eine gewisse Zeit von
einer Gruppe somatischer Zellen erworben werden würde,
so würde das Produkt nicht gerade erheblich von einem
Krebs mit begrenzter Lebensbedingung verschieden sein.
Und wenn eingeworfen wird, daß das Leben eines Krebses,
soweit wir wissen, unbegrenzt sein kann, so muß daran
erinnert werden, daß ein Kranker eine Neubildung wohl
überleben kann, und auch nicht selten die weniger bös¬
artigen, wahrscheinlich mit einem geringeren Maß von
Vitalität ausgestatteten Formen überlebt.
ln dieser Beziehung will ich nur anführen, daß ein
hervorragender Biologe Professor E. B. Wilson sagt: „So
weit wir es von einem unparteiischen Standpunkt aus
überblicken können, liegt kein Grund vor, warum, Zufällig¬
keiten ausgeschlossen,Zellteilungauf Zellteilungnichtin unend¬
licher Folge im Laufe des Lebens folgen sollte. Es ist möglich,
ja wahrscheinlich, daß dies wirklich bei gewissen einfachen
niederen Formen des Lebens der Fall sein kann, wo eine
Art sexualer Reproduktion nicht bekannt ist. ln der großen
Mehrzahl der Lebensformen indes hat die Zellteilungs¬
reihe die Neigung, in Kreisen sich zu bewegen, in deren
jedem die Teilungsenergie ein Ende erreicht und nur durch
eine Beimischung lebender Materie, welche von anderen
Zellen herstammt, wiederhergestellt wird (Befruchtung), und
er bringt Beweise dafür, daß auch bei einzelligen Tieren,
bei den Infusorien, die Wachstums- und Teilungsvorgänge
früher oder später ihr Ende erreichen, indem ein natürliches
Altern eintritt, welchem nur durch Konjugation entgegen¬
gearbeitet werden kann. Er schließt: „Daß Befruchtung in
der Tat bei höheren Pflanzen und Tieren Teilung und
Wachstum anregt, ist durch unzweifelhafte Beobachtung
erwiesen. Wir wissen außerdem, daß bei Parthenogenesis
das Ei sich ohne Befruchtung entwickeln kann, und wir
wissen nicht, ob die Neigung zu altern, und das Bedürfnis
der Befruchtung primäre Attribute der lebenden Materie
sind.“ Möglicherweise findet man in diesen Stellen gewisser¬
maßen eine Unterstützung für jede der zur Erörterung
stehenden Hypothesen. Nur muß man betonen, daß keine
von ihren Autoren als etwas anderes betrachtet worden
ist, wie ein Versuch, eine Hypothese zu schaffen, welche
260
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 17
man beiseite legt, wenn neue Entdeckungen ihre Unzu¬
länglichkeit dargetan haben, aber meistens gewissermaßen
als koordinierte bekannte Tatsachen, als Führer für die
zukünftige Forschung allgemein gebraucht werden.
In dieser Beziehung möchte ich auch besonders die
Tatsache betonen, daß die Zellen, welche in letzter Linie
das reproduktive Gewebe darstellen, derselben Generation
angehören, wie die, welche die embryonalen Hüllen (Thro-
phoblast) und den Körper des tierischen Organismus bilden.
Sie sind alle Abkömmlinge des befruchteten Eies, aus diesem
hervorgegangen durch wiederholte mitotische Teilung und
zeitweise voneinander nicht zu unterscheiden. Es geht
vielleicht nicht zu weit, anzunehmen, daß Zellen, welche bei
ihrer Entstehung in so intimer Beziehung stehen, soviel
sie sich auch schließlich in ihrer Struktur und Funktion
unterscheiden, gewisse gemeinsame Tendenzen behalten
sollten, und insbesondere, daß gerade wie reproduktive
Zellen, welche der Reifung entgegengehen, Vorbereitungen
ganz spezieller Art für die Vereinigung mit anderen speziell
vorbereiteten Zellen treffen, auch so eine gewisse Tendenz auf
die nicht reproduktiven Zellen übergeht. Es ist nicht von
der Hand zu weisen, daß ein solches gemeinsames Erbe
nur dann zutage treten kann, wenn die anderen vitalen
Tätigkeiten der Zellen aufzuhören anfangen, wenn der
Beginn des Alterns das Bedürfnis für eine fernere Energie¬
erneuerung offenbart. Dies ist mit der Tatsache nicht
unvereinbar, daß je höher die Differenzierung des Ursprungs¬
gewebes ist, desto beschränkter die Differenzierung der Ab¬
kömmlinge in der Form einer Neubildung oder auf andere
Weise erfolgt.
Das gelegentliche Vorkommen von heterotypen Mitosen
in alternden Geweben, mit oder ohne nachfolgender Kon¬
jugation reifer Gameten, kann so als die Erfüllung eines
Naturgesetzes betrachtet werden, als die letzte Realisierung
einer latenten, während des größten Teils des Lebens der
Zelle durch andere verdeckten inneren Kraft, an deren
vitalen Energie zeitweise dringendere Anforderungen ge¬
stellt werden. Es ist nicht unmöglich, daß bewiesen wird,
daß das Tumorwachstum eine natürliche Erscheinung ist,
welche durch eine bestimmte Verkettung natürlicher Um¬
stände hervorgerufen wird, von denen eine das Altern des
Gewebes ist, und daß Natur und Ursprung des Krebses
im wesentlichen ein biologisches und nur nebenbei ein
pathologisches Problem darstellt.
Die Beziehung von chemischen Eigenschaften zum
Tumorwachstum.
Die engen Beziehungen chemischer Eigenschaften zu
biologischen Prozessen ist auf das Treffendste von Loeb
dargetan, dessen Ergebnisse durch Nachprüfungen in reichem
Maße bestätigt worden sind. Als bewiesen ist anzunehmen,
daß die Entwicklung und das Wachstum lebender Zellen
gründlichst durch geringfügige chemische Veränderungen
in ihrer Umgebung beeinflußt werden kann. Vielleicht be¬
trifft die bemerkenswerteste aller dieser Beobachtungen die
Entwicklung der unbefruchteten Eier gewisser Echinodermen,
besonders des Seeigels und des Seesterns. Bei diesen
Tieren sind die Geschlechter getrennt und die Entwicklung
eines neuen Individuums tritt natürlich nur durch die Ver¬
einigung zweier reifer in das Meerwasser hinabhängender
Sexualzellen ein. Loeb war außerdem imstande, durch be¬
stimmte Aenderungen im Salzgehalt des Wassers das un¬
befruchtete Ei zur Segmentierung und Entwicklung zu
bringen, gerade als ob sie durch Spermatozoen befruchtet
wären, und unter passenden Umständen konnten die seg¬
mentierten Eier dazu gebracht werden, aktiv schwimmende
normale Larven zu bilden. Nicht nur bei den Echinodermen,
sondern auch bei den Anneliden (segmentierten Würmern),
bei welchen auch die Geschlechter getrennt sind, kann diese
künstliche Parthenogenesis in ähnlicher Weise erzielt werden,
sodaß freischwimmende Larven aus unbefruchteten Eiern
entwickelt werden. Bei dieser künstlichen Parthenogenesis
wird nur ein Polarkörper abgegeben, sodaß keine Reduktion
der Chromosomenzahl eintritt; dort wird die Reduktion der
Normalzahl bald durch einen Vorgang der Autoregulierung
wiederhergestellt (Delage) 1 ). Daß es möglich sein kann,
durch eine verhältnismäßig geringe Aenderung der che¬
mischen Eigenschaften in den Eiern von sexuell entwickelten
Tieren einen Rückfall in eine nichtsexuelle Entwicklungsart
(Parthenogenesis) hervorzubringen, ist möglicherweise nicht
ohne Bedeutung hinsichtlich der Neubildung.
Diese Erscheinungen sind nicht rein wissenschaftliche
Befunde. Sie erlangen eine neue Bedeutung angesichts der
Arbeit von Professor Moore und seinen Mitarbeitern über
die Reaktion der Magensekretionen bei Fällen von maligner
Krankheit. Wie diese Autoren angeben, ist es unter den
über den Krebs bekannten Tatsachen eine nur gering ge¬
stützte, daß, wenn der Magen der Sitz einer Neubildung ist,
die Sekretion der freien Salzsäure fast immer gehemmt ist,
und es ist auch bekannt, das dies eintreten kann, wenn die
Geschwulst nur geringe Dimensionen annimmt und keine
andere Alteration des Magens erzeugt hat. Ich beabsichtige
nicht, die verschiedenen Annahmen, welche zur Erklärung
dieser Erscheinung vorgebracht sind, noch auch die Beob¬
achtungen über die Wirkungen der Neubildung bei ver¬
schiedenem Sitz im Magen noch das Auftreten verringerter
Azidität bei anderen krankhaften Zuständen zu erörtern.
Professor Moore und seine Mitarbeiter haben unter¬
sucht, ob diese Erscheinung unabhängig vom Sitz des
Krebses sei, und fanden — ich gebe den Befund mit ihren
eigenen Worten wieder — daß die Abwesenheit freier Salz¬
säure beim Magenkrebs nicht von irgend einer lokalen
Wirkung in diesem Organ bedingt ist, da Salzsäure fehlt
oder an Menge erheblich herabgesetzt ist, wo auch immer
im Körper die maligne Geschwulst ihren Sitz hat. Die
Menge der im Mageninhalt vorhandenen freien Salzsäure
wurde in 17 Fällen von malignen Krankheiten in ver¬
schiedenen Körpergegenden, wie Uterus, Mamma, Prostata,
Rektum, Zunge, Gesicht und Mund bestimmt und ungefähr in
Zweidrittel der Fälle wurde die freie Salzsäure als ganz fehlend
gefunden, während in den übrigen Fällen die Menge niedriger
als in der Norm gefunden wurde, da sie nur bis auf Spuren
in allen mit Ausnahme von einem Falle vermindert war, in
welchem sie ein Fünftel der Kontrollbestimmungen an sich
selbst erzielten Durchschnittsmenge erreichte. Da nun diese
Erscheinung unabhängig- von irgend einer lokalen Wirkung
im Magen ist, da sie so ausgesprochen und konstant ist,
soweit man wenigstens aus der geringen Anzahl der Beob¬
achtungen einen solchen Schluß zu ziehen berechtigt ist, deutet
sie sicher auf eine tiefgehende chemische Alteration in den
Körpersäften und, wie die Autoren dartun, kann diese
Aenderung als gemeinsame Ursache für die Geschwulst¬
bildung und das Fehlen der Salzsäure gelten oder sie kann
eine Folge der Geschwust und die. Ursache des Fehlens
der Salzsäure sein. Die Ursache des Fehlens der Salzsäure
ist indes noch nicht entschieden. Es kann sein, daß die
salzsäureabsondernden Zellen atrophieren oder durch eine
toxische Substanz im Blute gehemmt werden, und die An¬
wesenheit eines Fermentes (Malignin) in den Krebszellen,
welches durch ihre Auflösung freigemacht wird, ist be¬
schrieben worden (Petry und Blumenthal). Nichts desto
weniger ist es wahrscheinlicher, daß die Erklärung in der
chemischen Zusammensetzung des Blutes selbst gesucht
werden muß, und daß die Elimination oder Hemmung der
freien Salzsäure vermittels des Mechanismus der Salzsäure¬
zellen ein Zeichen dafür ist, daß die wesentliche Azidität
des Blutes herabgesetzt, die wesentliche Alkaleszenz ge¬
steigert ist. Rennie hat behauptet, daß eine gesteigerte
l ) Diese Mitteilung stammt von Prof. Haswell.
Nr. 17
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
261
Alkaleszenz des Blutplasmas durch irgend eine Störung in
dem für den Stoffwechsel bestimmten nervösen Apparat
hervorgebracht wird, wie sie in dem kontrastierenden Zu¬
stande der Azidosis und des Diabetes zutage tritt. Diese
Tatsachen und Erwägungen beleuchten ferner das weite
Feld der modernen Pathologie und ihre Beziehungen mit,
ihre Begründungen in der Biologie, Chemie und Physik. !
Leider verbietet der Raum andere neuere Beiträge zu er- |
örtern besonders die von Ribbert, von Beard und von den |
vielen Instituten zur Krebsfortschung.
Indikationen für die Behandlung von Neubildungen,
Wenn die Zellen eines Tieres wiederholt in ein zweites j
Tier verschiedener Spezies eingeführt werden, ereignet es J
sich oft, daß antagonistische Stoffe dieser Zellen im Körper |
des geimpften Tieres entwickelt werden. Wenn nun etwas
von dem Blutserum des zweiten Tieres einem Tier der- (
selben Spezies wie das, von welchem die Zellen ursprüng¬
lich genommen sind, injiziert wird, so kann das Serum
eine destruierende Wirkung auf diese Zellen ausüben. Auf
diesem allgemeinen biologischen Gesetz, welches die schließ-
liche Reaktion der lebenden Zellen auf fremde Eiweißmole¬
küle beherrscht, beruhen die Grundsätze zur Immunisierung
gegen Bakterieninfektion.
Mögen wir nun einen Tumor als eine neue Generation
von Zellen betrachten oder nicht, die Tatsache bleibt be¬
stehen, daß er eine Invasion einer Brut von unabhängigen
feindlichen Zellen in den Organismus darstellt, und in dem
von uns definierten Sinne ist es gleichbedeutend mit Infek¬
tion. Es scheint nicht unberechtigt zu hoffen, daß den j
Zellen einer Neubildung antagonistische Substanzen im Blut I
eines anderweitig geeigneten fremden Tieres durch Injek¬
tion von Tumorzellen, wie beim Immunisierungsprozeß ent¬
wickelt werden können, und daß das Blutserum dann mit
Erfolg verwendet werden könnte, um entweder das weitere
Wachstum der Geschwülste desselben Tumors oder das
anderer ähnlicher Tumoren zu hemmen oder aufzuheben.
Die außerordentlich beschränkte Spezifizität der Wirkungen
lebender Gewebe auf Krebszellen, sodaß zwischen eng ver¬
wandten Krebszellen aus derselben Spezies sichtlich ein
Unterschied klar zu Tage tritt, (Scientific Reports Nr. 2,
Part. II.), zeigt eine mögliche Schwierigkeit bei der Her¬
stellung eines antagonistischen Serums gegen eine andere
Neubildung ähnlicher Struktur, wie die bei der Herstellung
benutzten, da ein solcher Unterschied nicht deutlich her¬
vortreten kann, wenn Injektionen bei fremden Tieren ge¬
macht werden. Schon ist auf diese mögliche Entwicklung
in erheblichem Maße die Aufmerksamkeit gerichtet, aber
bisher besteht noch keine Sicherheit, daß das Ziel er¬
reicht wird.
ln der jüngsten Zeit sind durch die Physik hervor¬
ragende Agentien entdeckt und in den Dienst der Heilkunst
gestellt. Ihr Einfluß auf das Geschwulstwachstum ist zum
Gegenstände der Untersuchung gemacht. Die Wirkung des
Radiums auf transplantierte Mäusetumoren ist von der Cancer
Research Fund untersucht worden, und da die Entwicklung
dieser Tumoren etliche Jahre hindurch ständig beobachtet
worden ist, kann das erzielte Ergebnis als frei von den
zahlreichen Fehlerquellen erachtet werden, welche den Wert
rein klinischer Versuche herabmindern. Da außerdem die
experimentellen Resultate die früheren klinischen Beob¬
achtungen bestätigen, so ist eine beträchtliche Menge von
Beweisen zur Stütze der Tatsache geliefert, daß radioaktive
Körper und Lösungen in durchaus überraschender und
scheinbar zufälliger Weise gewisse Gewulstbildungen freilich
nicht alle zum schwinden bringen.
Stücke radioaktiven Bleies, Lösungen von Radium-
remanation und sterile radioaktive Salzlösungen wurden
verwendet. Die Dauer jeder Sitzung schwankte zwischen
drei und 30 Minuten; sie wurden an den folgenden Tagen
in gleicher Zeitdauer wiederholt, ln der zweiten Woche
nach der ersten Sitzung begannen vier von den Tumoren
sich an Größe zu vermindern, während andere zu wachsen
fortfuhren. Zwischen der Sitzungsdauer und der Wirkung
auf den Tumorbestand keine bemerkenswerte Beziehung.
Der absorptionerzeugende Einfluß des Radiums schien auf
die Bindegewebselemente gerichtet, welche einer ausge¬
sprochenen Proliferation unterliegen und den Tumor in kleine
Zellinseln zerlegen. Auch in diesem Stadium schienen die
Tumorzellen gesund, doch in wenigen Tagen waren sie
degeneriert, dann abgestorben, verschwunden, wahrschein¬
lich dank der narbigen Kontraktion des fibrösen Gewebes.
Diese Beobachtungen bestätigen die frühere Arbeit von
Exner und stehen der gewöhnlichen Annahme entgegen,
daß Radium eine elektive Wirkung auf die Tumorzellen aus¬
übt. Die Röntgenstrahlen sind auch für die Krebs¬
behandlung herangezogen, und bei oberflächlichen Formen
ist ein gewisser Erfolg erzielt worden. Ich bin jedoch nicht
davon überzeugt, daß ihr Einfluß einer ebenso strengen
Prüfung unterzogen ist wie sie für das Radium unternommen
worden ist. Durch die ausgedehnten Untersuchungen
Heineckes ist bekannt, daß die Röntgenstrahlen oder
Radium in der Milz und in lymphatischen Drüsen Ver¬
änderungen hervorbringen, und eine Reihe Befunde hat
neuerdings die erfolgreiche Behandlung der Leukozythaemie
mittels Röntgenstrahlen ergeben — ein Zustand, welcher
als der Geschwulstbildung sehr nahe verwandt, wenn nicht
als identisch anerkannt wird.
Ich gehe nicht zu weit, wenn ich manche trügerische
Hoffnung zerstöre und behaupte, daß die Krebsbehandlung
auf andere Weise als durch sofortige Entfernung durch¬
führbar ist. Es ist ersichtlich, daß die Entfernung um
wirksam zu sein, frühzeitig, ausgiebig und sorgfältig ge¬
schehen muß, und daß die beklagenswerte Nichtbeachtung
der einen oder anderen dieser Vorsichtsmaßregeln für
manche Mißerfolge verantwortlich ist. Die Kranken sollten
ermuntert werden, in frühzeitigen Stadien verdächtiger
Tumoren ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und der
Chirurg sollte sich stets daran erinnern, daß das keine
Fälle für exspektative Behandlung oder konservative
Chirurgie sind. Ich will nicht einer unterschiedslosen ope¬
rativen Behandlung das Wort reden, befürworten will ich
aber die dem gesunden Menschenverstand angemessene
Anwendung bekannter Tatsachen und wissenschaftlicher
Methoden in der chirurgischen Behandlung der Geschwülste.
Heutzutage hat man keinen Grund dafür, daß nicht jeder
verdächtige Tumor mikroskopischer Untersuchung unter¬
worfen sein sollte. Wenn man noch im Zweifel ist, ob der Zu¬
stand entzündlicher oder bösartiger Natur ist, soll man den
Patienten von dem Zweifel Vorteil ziehen lassen und die
verdächtigen Massen entfernen. Erinnere man sich stets,
daß prolongierte Reizung zum Altern des Gewebes führt
und zur Neubildung prädisponiert. Wenn man im Zweifel
ist, ob eine Geschwult bösartig oder gutartig ist, erinnere
man sich daran, daß alle möglicherweise bösartig sind, daß
der Unterschied mehr dem Grade nach als der Art nach
besteht, und man zögere nicht, sie zu entfernen. Wenn
man sicher ist, daß ein bösartiger Tumor in Wirklichkeit
vorliegt, erinnere man sich an die Leichtigkeit und Schnellig¬
keit, mit welcher sekundäre Infektionen eintreten können,
und bringe sich nicht in die Gefahr, ein Leben dadurch zu
verlieren, daß man ein unbedeutendes Gewebe oder auch
nur ein kleines Stück zu retten sucht. Das. Messer sollte
niemals am Rande der Neubildung Halt machen, sondern
wenn möglich mehrere Zoll davon entfernt bleiben. Ueber-
flüssig ist es an dieser Stelle vor den Geheimmitteln zu
warnen, welche, entstanden aus Habsucht, genährt durch
die Leichtgläubigkeit, wenn sie nicht durch die Reizung
den Zustand verschlimmern, nur däzu dienen den Patienten
in Sicherheit einzuwiegen, bis die günstigste Zeit zum
operativen Eingriff vorübergegangen ist.
262
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 17
Zusatz.
Seit dieser Aufsatz geschrieben ist, bin ich wiederholt
gefragt, ob ein Grund für den nicht ungewöhnlichen Ge¬
danken. für den Verdacht vorliegt, daß der Krebs konta-
giös oder infektiös sei. Während ich auch von gewissen
mitgeteilten Beispielen der Uebertragung des Krebses von
einer Person auf die andere (Cancer ä deux) und von dem
Bestehen sogenannter Haus- und Distriktskrebse vollkommen
überzeugt bin, so kann ich doch nicht scharf genug die
Tatsache betonen, daß die bei der künstlichen Uebertragung
von Neubildungen eintretenden Schwierigkeiten hinlänglich
den Beweis liefern, daß der Krebs weder kontagiös noch
infektiös ist. Die Hypothese, daß der Krebs durch die In¬
vasion parasitischer Mikroben bedingt wird, ist von einer
Begründung weit entfernt, und auch wenn es später be¬
wiesen werden sollte, daß die Erscheinungen des Krebses
durch eine Parasitenart verursacht werden, so folgt noch
immer nicht daraus, daß der Krebs kontagiös oder infektiös
ist. Im Gegenteil man muß zugeben, daß die Verteilung
des angenommenen Parasiten und die Wirkungsweise ganz
verschieden von der mancher Bakterien oder Protozoen ist,
und daß er insbesondere nicht dazu imstande ist, die
Krankheit bei anderen Personen nach der Art anderer be¬
kannter oder angenommener Krankheitserreger zu erzeugen.
Zur Behandlung des frischen Magengeschwürs.
Von Sanitätsrat Dr. Lenne, Neuenahr.
In den letzten Jahren habe ich gegen Blutungen infolge
Ulkus ventrikuli Gelatine, nach meinem Empfinden, mit
sehr befriedigendem Erfolge angewandt. Diese Behandlung
hat den Vorteil, daß mit der Gelatine gleichzeitig Nähr¬
material, wenn auch in geringen Mengen, eingeführt wird.
Die Gelatine wird zunächst halbstündlich bis stünd¬
lich je nach Intensität der Blutung in dreiprozentiger Lösung
schluckweise verabreicht, wird die Blutung spärlicher oder
sistiert dieselbe, dann lasse ich die Gelatine auch in erstarrter
Form, was manche Kranken vorziehen, teelöffelweise fleißig
weiter nehmen. Zusatz von Fruchtsäften, Fleischbrühe usw.
bildet ein angenehmes Geschmackskorrigens. Daneben
wird alsbald nach dem Stehen der Blutung (24 Stunden)
mit der Nahrungszufuhr begonnen, wie ich dies seit nun¬
mehr fast dreißig Jahren geübt habe und in der Med.
Klinik 1908 im Anschluß an die Veröffentlichung von
Lenhartz, Hamburg, kurz mitgeteilt habe. Die Er¬
nährung besteht in den ersten beiden Tagen aus gekühlter
oder stubenwarmer Milch, schluckweise, aber recht häufig,
etwa stündlich,-selbst halbstündlich, am dritten Tage gibt
es Milch mit Kindermehl, Fleischbrühe mit Haferschleim,
am fünften, sechsten Tage wird Theinhards Hygiama,
gequirlte Eier, Kakes (Reinhardts oder ähnliches) zugesetzt
und vom siebenten, achten Tage ab wird fein zerhacktes
Fleisch (Kalbfleisch, Geflügel), Kartoffel, Reis, Brod usw. ge¬
stattet. Natürlich haben speziell bei der ganzen Beköstigung
die Launen und Wünsche der Kranken eine führende Rolle
und vor allen Dingen die Bekömmlichkeit. Man denke
nur an die Milch, wie manche Menschen vertragen dieselbe
absolut nicht! Nach den ersten zehn Tagen wird der
Speisezettel immer reichhaltiger, jedoch ist strengstens
darauf zu achten, daß die Speisen weich und genügend
zerkleinert, aber nicht gewürzt sind (Salz!), aber schmack¬
haft! Ruhelage wird vierzehn Tage lang strenge inne¬
gehalten, dazu während der Blutungsperiode Eisbeutel,
später hydropathische Wickel, bei stärkerer Empfindlichkeit
der Magengegend: Spirituskompressen. Da die Kranken
sämtlich während der Kurzeit in meine Behandlung ge¬
langen, so wird ihnen sofort nach Stehen der Blutung
Neuenahr Sprudelwasser schluckweise stubenwarm, all¬
mählich leicht erwärmt verordnet. Dasselbe stillt nach den
einstimmigen Aussagen der Kranken ganz vorzüglich den
oft brennenden Durst und wirkt druck- und schmerz¬
lindernd. Wird es ausnahmsweise nicht vertragen, dann
unterbleibt der Genuß desselben selbstverständlich.
Durchschnittlich habe ich drei Blutungen in jedem
Sommer zu beobachten Gelegenheit und in den letzten vier
Jahren nur einmal ein Rezidiv zu verzeichnen gehabt. Die
Magenblutung trat gleichzeitig mit der Regel ein, bei der
nächsten Periode blieb dieselbe aus.
(Aus dein Berliner Ambulatorium für Massage [Meth. Zabludowski]
Leitende Aerzte: Dr. Kirchberg und Dr. Eiger.)
Manuelle Behandlung und Atmungsgymnastik
bei Lungenemphysem und Asthma bronchiale.
Dr. med. D. Schenker, Berlin.
Die Therapie des Lungenemphysems und des Asthma
bronchiale gehört zu den schwierigsten Aufgaben. Es
wurde hier allerlei versucht, und man hatte mit der Aus¬
bildung der mechanischen Theorie des Lungenemphysems
auch die Mechanik in die Therapie dieses Leidens einge¬
führt. Somit glaubte Gerhardt in der Kompression des
Thorax ein Mittel gegen Lungenemphysem gefunden zu
haben, Hofbauer konstruierte wiederum seinen „Expirator“,
Roßbach seinen „Atemstuhl“. Im Laufe der letzten Jahre
hat man Versuche gemacht, dieser Krankheit mit manuell¬
mechanischer und Uebungsbehandlung entgegenzutreten.
Es fehlt nicht an Versuchen, und gerade das Vorhanden¬
sein der vielen Mittel ist der beste Beweis dafür, daß keines
von diesen den Anforderungen entspricht. Der Grund
hierfür ist, daß wir doch die eigentliche Aetiologie des
Lungenemphysems nicht kennen und deshalb die rationelle
Therapie, die die kausale Indikation erfüllen soll, einzuführen
nicht imstande sind. Freund glaubt, eine solche gefunden
zu haben:*) er gab nämlich die Chondroektomie als Mittel
gegen den starren Thorax an, in welchem die Ursache der
übermäßigen Ausdehnung der Lunge liegen soll (wie Freund
selbst zugibt, wohl nicht in allen Fällen). Es erscheint aber
fraglich, ob auch die Freund’sche Theorie richtig sei; ich
bin wenigstens der Meinung, daß es überhaupt gar keinen
direkten, sondern nur indirekten Zusammenhang zwischen
Lungenemphysem und starrer Thoraxdilatation gibt. Die
Untersuchungen, die ich auf Anregung des Herrn Prof.
Wilms anstellte, ergaben, daß dieser Zusammenhang nur
ein indirekter sein kann und zwar vermittels der Intercostal-
muskeln, was ich in meiner Arbeit „Beziehung zwischen
starrer Thoraxdilatation und alveolärem Lungenemphysem“
auseinander gesetzt habe.**)
Nicht die Thoraxerweiterung ist das Primäre, wie Freund
meint, obwohl er diesen Satz für alle Fälle nicht verallge¬
meinert, sondern der Ausgangspunkt ist das Lungenem¬
physem. „Dieses stellt durch Erschwerung des Respirations¬
aktes so erhöhte Anforderungen an die Respirationsmuskeln,
daß sie hypertrophieren müssen. Anfangs kann der Em-
physematiker vermöge seiner hypertrophischen Muskeln
die Respiration noch leidlich durchführen, aber mit der Zeit,
mit dem zunehmendem Emphysem können die Muskeln
die erhöhte Arbeitsleistung nicht bewältigen: sie werden
insufficient durch Atrophie bezw. degenerative Alteration.
Aber mit der Ausbildung eines solchen Zustandes hat die
Sache ihr Ende noch nicht erreicht. Die veränderten Mus¬
keln wirken auf die entsprechenden Rippenknorpel: diese
reagieren, indem ihre normale Struktur in degenerative
*) Freund. Thoraxanomalien als Ursache des Lungenemphysems.
Berlin 1906.
**) Basel 1910.
Nr. 17
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
263
Alterationen, wie sie Freund noch im Jahre 1859 beschrieben
hat,*) übergeht: der Knorpel wird zerfasert, schmutzig ver¬
färbt, deutlich geschichtet, er besitzt verkalkte Stellen, wird
dick, plump, in seinen Dimensionen vergrößert, drückt die
Rippen vom Sternum weg und bringt sie so in Inspirations-
stellung, es kommt zu einer starren Thoraxdilatation.“**)
In letzter Zeit hatte ich Gelegenheit, die Behandlung
des Lungenemphysems und des Asthma bronchiale im
Berliner Ambulatorium für Massage kennen zu lernen.
Um die Zweckmäßigkeit dieses Verfahrens beurteilen zu
können, erscheint es notwendig, zu untersuchen, wie in
diesem Falle die Massage wirkt. „Der Erfolg der geschil¬
derten Behandlung besteht zunächst darin, daß der Patient
durch die Massage des Rückens und des Thorax sich erheblich
erleichtert fühlt; die Atmungsgymnastik zeigt ihm, wie er
durch Verlängerung der Ausatmung gegenüber der Einat¬
mung den Lufthunger wirksam bekämpfen, das beängstigende
Gefühl der dauernden Spannung in ihrem Thorax vermin¬
dern kann und für die Zeit der Anfälle in der geübten und
seinem Willen unterworfenen Ausatmung ein wirksames
Unterstützungsmittel hat; und schließlich wirkt die ganze
Behandlung, längere Zeit durchgeführt, zweifellos vermin¬
dernd auf die Menge der dauernd vorhandenen Residualluft;
diese Methode wirkt doch sicher mindestens einer
weiteren Ausdehnung der Lunge und des Brust¬
korbes entgegen. Später lernt der Patient nur am Schluß
der Ausatmung die Bauchwand kräftig einzuziehen, seine
Atmung selstständig durch Gehör und Gesicht zu kon- |
trollieren. Uebung und Gewohnheit sind eben recht wich- j
tige Faktoren in der Therapie, und selbst wenn dabei eine
Art Autosuggestion mitspielt, darf sich doch der Arzt ihrer j
ruhig bedienen, wenn sie einen besseren therapeutischen j
Erfolg gewährleistet.“***)
Kirchberg erfüllt durch aktive und passive Atmungs¬
gymnastik samt der Massage die beiden von Hofbauer an
die mechanische Behandlung gestellten Anforderungen, !
nämlich: 1. der Patient muß belehrt werden, stets kürzere ]
Einatmungen und längere Ausatmungen aufeinander folgen
zu lassen, un d 2. die auxiliare Muskelkraft der Bauchdecken erst
gegen Schluß der verlängerten Ausatmungsperiode in Aktion
treten zu lassen.
Durch die Atmungsgymnastik, verbunden mit einem j
tönenden Ausatmen, erreicht man den Zweck, daß der Pa- ’
tient seine Aufmerksamkeit auf die Länge der Ausatmung
richtet und so lernt, das Verhältnis der Respirationphasen
zu beobachten und zu regeln, und durch seinen Willen die
Ausatmungsmuskeln in Ruhe zu lassen. Auf diesen letzten
Punkt möchte ich besonders hinweisen. Sollen die An¬
schauungen von Kirchberg richtig sein, so müßten wir in
der Massage der Emphysematiker ein Mittel haben, das
den Respirations-, insbesondere Expirationsmuskeln eine
möglichst dauernde Ruhe verschafft, und eine Methode be¬
sitzen, die den Patienten belehrt, diese Muskeln nur im
äußersten Falle in Tätigkeit zu setzen. Dies alles ver¬
leiht dieser manuell-mechanischen und Uebungsbehandlung,
wie sie Kirchberg in der erwähnten Arbeit genauer be¬
schrieben hat, bei Lungenemphysem eine weitere Stütze
und größere Bedeutung, als nur eine Suggestivbehandlung.
Soll die Ausbildung des starren Thorax bei Emphyse-
matikern von der Ueberanstrengung und Degeneration der
Intercostalmuskeln abhängen, so kann die manuell-mecha¬
nische und Uebungsbehandlung des Lungenemphysems
sehr gute Dienste leisten. Und wenn sie das Leiden selbst
*) Freund. Der Zusammenhang gewisser Lungenkrankheiten mit
primären Rippenknorpelanomalien. Erlangen 1859.
**) Meine Arbeit „Beziehung zwischen starrer Thoraxditalation
und alveol. Lungenemphysem“. Basel 1910.
***) Kirchberg: „Manuell-mechanischeundUebungsbehandlungbei
Asthma bronchiale und Lungenemphysem.“ Therapie der Gegenwart.
Juli 1908.
nicht in Angriff nimmt, so kann sie seine Folgezustände
und Nebenerscheinungen fortschaffen, insbesondere aber
die Ausbildung des faßförmigen Thorax, durch das Belehren
des Patienten, seine Expirationsmuskeln zu schonen, ver¬
hindern.
Aber nicht nur passiv durch die Beseitigung der all¬
zugroßen Muskelarbeit, sondern auch aktiv hilft diese Methode
den Muskeln, indem sie zur besseren Ernährung derselben
beiträgt und die Abbauprodukte der Muskeltätigkeit schneller
wegschafft. Durch diese Faktoren werden von den Mus¬
keln pathologische Alterationen möglichst lange ferngehalten,
und ergo (s. oben) der Ausbildung der starren Thoraxdila¬
tation entgegengewirkt. Auf diesen Punkt, denke ich, muß
man das Hauptgewicht der ganzen manuell-mechanischen-
und Uebungsbehandlung legen.
REFERATE.
Krankheiten und Schwangerschaft.
Sammelreferat von Dr. Otfried O. Fellner, Wien.
I. Nerven- und Geisteskrankheiten.
1. Eine 27 jährige Erstgebärende litt nach Peukert an starkem
Erbrechen, das als Hyperämosis gravidarum gedeutet wurde. Es
traten lancinierende Schmerzen auf, reflektorische Pupillenstarre. Die
Pate larreflexe fehlten. P. ist der Ansicht, daß die Schwangerschaft
ke nen ungünstigen Einfluß auf die Tabes ausiibt, daß daher vor¬
zeitige Beendigung der Schwangerschaft nicht angezeigt ist, da ja
auch die gastrischen Beschwerden nach Beendigung der Schwanger¬
schaft nicht aufhören. Die Kinder sind zumeist lebend und gesund.
2. Sachs untersuchte bei einem Fall von Meningitis im Wochenbette
3 mal die Spinalflüssigkeit. Die ersten 2mal fand er Streptokokken¬
ketten, aber nur wenige extrazelluräre. Die Kerne waren gut färbbar.
Bei der 3. Untersuchung warzn die Ketten viel kürzer und die Kerne
im Verfall begriffen. Es war eine Injektion von Höchstserum in den
Rückenmarkskanal vorgenommen worden. Die Patientin starb am
9. Wochenbettstag.
3. Eine Zehntgebärende De Suro’s, welche seit l ! / 2 Jahren
Ohrenleidend war, erkrankte im 10. Monat der Schwangerschaft unter
den Erscheinungen von Nystagmus und Krämpfen. Es waren 1 %o
Albumen und Oedeme vorhanden. Nach der spontanen Geburt kam
es zu leichten Krämpfen im Wochenbett. Am 8. Tage wurde die
Radikaloperätion des Ohres vorgenommen. 2 Tage später mußte man
die Dura inzidieren. Es wurde ein Gehirnabszeß entleert, worauf
Heilung eintrat.
4. Pelicand berichtet über 8 Fälle von tuberkulöser Meningitis
und 18 von eitriger Meningitis cerebrospinalis. Meningitis findet sich
hauptsächlich am Ende der Schwangerschaft und vor allem bei Mehr¬
gebärenden. Die Schwangerschaft beschleunigt stark den Verlauf der
Erkrankung. Verwechslungen mit Eklampsie sind häufig. Insbesondere
die Lumbalpunktion dient zur Unterscheidung. Die Frucht bleibt
zumeist am Leben bis zum Tode der Mutter. Man soll daher im
Interesse des Kindes die Schwangerschaft beendigen. Möglichst
rasche Uterusentleerung ist die beste Methode.
5. Lafent berichtet über 17 Fälle. Die Schwierigkeit besteht
darin, die Meningitis schon in der Schwangerschaft zu erkennen. In
3 Fällen wurde die Diagnose nicht gemacht. In 4 Fällen falsch. Im
5 war die Diagnose zunächst falsch und wurde kurz vor dem Tode
rektifiziert. Nur in einem Falle wurde gleich die richtige Diagnose
gestellt. Hauptsächlich mit der Eklampsie finden Verwechslungen statt.
Differenzialdiagnostisch ist wichtig, die Temperatur, die Pulsspannung,
das Verhaltens des Urins und entscheidend die Lumbalpunktion.
6. Bei einer 28 jährigen Zwergin mit rhachitischem Becken hatte
Blanchu die erste Entbindung mittels Basiotrypsie beendigt. Nachher
traten epileptische Anfälle auf. Bei der zweften Schwangerschaft wurde
der Kaiserschnitt ausgeführt. Es kam zunächst zu keinem Anfall, wohl
aber während des Stillens, so daß Patientin das Kind absetzen mußte.
264
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 17
II. Lungenkrankheiten.
7. Martin schlägt bei der Sterilisation tubeikulöser schwangerer
Frauen folgende Operationstechnik vor. Umschneiden der Portio,
Abschieben der Blase, Vorwälzen des Uterus, Abklemmen der Liga¬
menta suspensoria ovarii, Ligamenta lata und Abtragung des graviden
Uterus. Dies läßt sich in 3—4 Minuten erledigen. Es ist also ein
geringfügiger Eingriff. 10 Fälle wurden so operiert. Die endgültige
Erholung einzelner dieser Frauen ist zwar etwas langsamer erfolgt als
bei anderen Frauen, es war dies aber bei den schweren Allgemein¬
erscheinungen dieser Frauen auch nicht anders zu erwarten.
8. Stagnetta berichtet, daß in der Hälfte der Fälle die Tuberkulose
in der Schwangerschaft keinen üblen Fortgang nimmt. Hingegen
führte sie in 43 Fällen von 50 zu einer wesentlichen Verschlechterung
nach der Entbindung, und zwar begann die Verschlechterung schon
am 1. Tage nach Weheneintritt. Klinisch ist diese Form der Tuber¬
kulose gekennzeichnet durch das Auftreten von Milliartuberkulose, von
käsigen Bronchopneumonien und käsigen Pneumonien und raschem
Fortschreiten der Erkrankung. Weder künstliche Frühgeburt noch
künstlicher Abort gibt bessere Resultate als die normale Entbindung.
Der künstliche Abort sollte nur in Ausnahmefällen angewandt werden.
9. Eine bisher gesunde Wöchnerin Rose’s erkrankte 2 Tage nach
einer Fehlgeburt unter schweren septischen Erscheinungen; man dachte
an Puerperalfieber, doch konnte man trotz wiederholter Untersuchungen
im Blute keine Krankheitskeime nachweisen. Im weiteren Verlaufe
war dann die Diagnose auf Miliartuberkulose zu stellen, die bei der
14 Tage nach Beginn der Erkrankung vorgenommenen Sektion be¬
stätigt wurde.
10. M. de CI aide berichtet über eine Statistik von 83 Fällen von
krupöser Pneumonie. In den ersten 6 Schwangerschaftsmonaten
starben 18 %, in den letzten 3 Monaten 37 %. Die vorzeitige Be¬
endigung der Schwangerschaft führte in der ersten Gruppe in 37 %, in
der zweiten in 65 % zum Tode. M. berichtet über 2 Fälle von
Pneumonie im 9. und 8. Monate, wo die Schwangerschaft vorzeitig
beendet wurde und Mutter und Kind am Leben erhalten blieben. Er
hält bei kruppöser Pneumonie die Beendigung der Schwangerschaft
für indiziert. (Es braucht wohl nicht erst hervorgehoben werden, daß
bei einer so relativ rasch vorübergehenden Erkrankung die vorzeitige
Beendigung der Schwangerschaft, schon wegen der mit der Geburt
verbundenen Gefahren, kontraindiziert ist. Das geht übrigens auch
aus den obigen statistischen Zahlen hervor. D. Ref.)
11. Großkopf fand bei 50 Frauen Veränderungen in den oberen
Luftwegen, die schon bei Beginn der Schwangerschaft ausbrechen und
allmählich zunehmen und im Wochenbett wieder zurückgehen. Starker
Blutverlust bei der Geburt bedingt anämische Zustände, langdauernde
Geburten, Blutungen in die Schleimhäute. 13 mal fanden sich Ver¬
änderungen am Kehldeckel, 6 mal an den Taschenbändern, 3 mal an
der Hinterwand und 7 mal an den Stimmbändern statt. Diese Veränderungen
erklären den relativ häufigen Ausbruch und die Verschlimmerung der
Tuberkulose.
III. Herzkrankheiten.
12. In der Schwangerschaft ist nach Thiery die Menge des
Blutes, insbesondere die des Serums, verringert, obwohl der Blutabdruck
nicht erhöht ist. Nur während der Wehen und in den ersten Tagen
des Wochenbettes findet sich eine Blutdrucksteigerung. Infolgedessen
wird das Herz, insbesondere bei Mitralinsuffizienz und Nierener¬
krankungen, häufig insuffiziert. Es stellt sich Asystolie und Lungen¬
ödem ein. Die Hydrämie in der Schwangerschaft steigert sich unter
der Geburt. Hierzu kommt in derselben die Wehenarbeit und die
Blutdrucksteigerung. Ist die Erkrankung kompensiert, dann kann man
ein Mädchen heiraten lassen; in der Schwangerschaft ist strengste
Beobachtung notwendig. Asystolie und Lungenödem geben die
schlechteste Prognose. Man behandle intern, wenn dies nichts nützt,
entbinde man rasch. Zange oder Craniotomie sind angezeigt.
IV. Nieren- und Blasenkrankheiten.
13. Wetterpren berichtet von einer 36 jährigen Gebärenden,
welche in der Mitte der Schwangerschaft über häufiges schmerzhaftes
Uriniren klagte. Es trat ein Schüttelfrost auf, und es kam zu Schmerzen
in der rechten Nierengegend. Auf Helmitol besserte sich der Zustand
und nach der spontanen normalen Entbindung trat Heilung auf.
V. Leber- und Darmkrankheiten.
14. Eine Patientin von Rissmann hatte seit einem Jahr Gelbsucht
und schon seit längerer Zeit Kolikanfälle. Der letzte Anfall war
8 Tage vor der Aufnahme. Derzeit befindet sie sich im 6. Monat der
Schwangerschaft. Bei der Laparotomie fand man mehrere Steine am
VERsm
duodemalen Ende des Choledochus. Das Duodenum wurde incidiert
und ein 2% cm langer und 1,6 cm breiter Stein extrahirt. Fortlaufende
Catgutnaht. Der Ikterus nahm ab und die Gravidität ging ungestört
weiter.
15. Der Darmverschluß in der Schwangerschaft ist nach Zemercier
sehr selten. Z. konnte aus der Literatur nur 76 Fälle zusammenstellen.
Dg- Ileus kann verursacht sein durch die Gravidität oder den Geburts¬
akt oder ganz unabhängig von beiden Darmperforationen. Peritonitis
ohne Perforation und Frühgeburten sind die Folge. Die Diagnose ist
sehr schwierig, insbesondere während der Geburt. Verwechslungen
mit Uterusperforationen kommen vor. Die Prognose ist schlecht, 57 %
der Frauen starben. Die Therapie ist natürlich eine chirurgische.
16. Hilton berichtet über 28 Fälle aus der Literatur und einen
eigenen. Der Anfall trat in 66% zwischen dem 2. und 4. Tage auf
und zwar in 33% am 2. Tag. Nur einmal wurde er am 1. Wochen¬
betttag beobachtet. Die übrigen stellten sich auch am 4. Tag ein.
Die Prognose ist schlecht. Von 22 Fällen, die in den ersten
10 Wochenbetttagen zur Beobachtung kamen, starben 45%. Von
diesen hatten 16 Fälle schon Perforativperitonitis. In dem eigenen
handelte es sich um eine Frau, welche am 31. Tage Schüttelfrost und
Fieber bekam. Die Schmerzen wurden als Nachwehen gedeutet, und
die Erkrankung als Puerperalsepsis aufgefaßt. In der 6. Woche machte
H. die Laparotomie und eröffnete den Abscess zu einer Zeit, wo
bereits Pneumonie aufgetreten war. Eine Woche später starb die Frau.
VI. Infektionskrankheiten.
17. Delmas berichtet von einer 24jährigen Schwangeren, welche
am Ende der Schwangerschaft an einem akuten Gelenkrheumatismus
erkrankte. Es trat Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit beider Kniee
und Handwurzelgelenke auf. Die Temperatur war erhöht. Im Scheiden¬
sekret konnten Gonokokken nicht nachgewiesen werden. Die Patientin
nahm Aspirin. Am 3. Tage kam es spontan zur Frühgeburt. Die
Temperatur blieb erhöht, die Gelenkschwellungen gingen aber nicht
zurück, sondern schwanden erst nach Behandlung mittels Ries’scher
Stauung. F. ist der Ansicht, daß es keinen spezifischen Rheumatismus
der Schwangerschaft gibt, und warnt vor dem Gebrauch des Salizyls,
da dasselbe Frühgeburt hervorruft.
18. Eine Patientin Atkinsons kam bei der 14. Schwangerschaft um
1 Monat zu früh nieder. Unter Schüttelfrösten stieg das Fieber un¬
regelmäßig an, es trat Atembeschleunigung ein, und am nächsten Tage
war der Masernausschlag da. Zugleich kam es zu starken Blutungen
aus der Schleimhaut des Mundes, der Lippen und der Wange. Am
7. Tage starb die Frau. Das Kind war einige Tage durch bewußtlos,
die Haut war tief dunkelrot und schälte sich. Das Kind hatte also in
der Gebärmutter die Masern gehabt.
19. Euchinin hat nach Grande gegen Malaria dieselbe gute Wirkung
wie Chinin, aber es fehlen ihm die störenden Wirkungen auf die
Nerven, des Magens und des Unterleibes. Insbesondere wirkt Chinin
auf den Plexus interuums und die Uterüsmuskulatur ein, und hat so
Abortus zur Folge. Euchinin aber hat keine üblen Nachwirkungen und
wird von den Schwangeren gut vertragen.
20. Nach Bataille verläuft die Grippe im Wochenbett ziemlich gut¬
artig, doch kann es auch zu nervösen Lungen- oder eitrigen Kompli¬
kationen kommen. Die Differenzialdiagnose ist sehr schwer. Freilich
ist der Puls am Anfang verlangsamert, steigt aber später oft an. Die
Behandlung ist die gleiche, wie außerhalb der Schwangerschaft.
21. Die Schwangerschaft führt nach Sire weder zu einer Imunität
noch zu einer Praedisposition, andererseits hat die Infektionskrankheit
häufig vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft zur Folge. Be¬
sonders ist dies bei der hämorrhagischen Form der Blattern der Fall.
Die Unterbrechung ist abhängig von der Form der Krankheit und dem
Zeitpunkt der Schwangerschaft. Ungünstigen Einfluß üben Geburt
und Wochenbett. Sehr häufig sterben die Kinder ab oder kommen
gleichfalls infiziert auf die Welt, und sind sie gesund so sind sie häufig
vorübergehend immun. Zur Frühgeburt führen das Fieber, die nervöse
Erregung, die hämorrhagische Endometritis und toxische Einflüsse. Bei
einer Blatternepidemie sollte jede Frau wieder geimpft werden.
VII. Syphilis.
22. Eine 30jährige Patientin, welche M. Hirsch behandelte, hatte
bei ihrer 4. Entbindung Hydramnios, bei einer Temperatur von 38,5
Schüttelfröste. Das Kind war tot, hatte Hydrocephalus, Ascites und
eine große Milz. Die Mutter hatte 4°/ 00 Eiweiß. Nach einem Monat
fiel der Eiweißgehalt, aber die rechte Nieer blieb schmerzhaft. Man
fand ein Leukoderma am Oberarm. Die Achsel- und Leistendrüsen
waren vergrößert, strahlenförmige Narben am Lippenrot und eine
Exsostose an der rechten Tibia. Die Einseitigkeit des Prozesses, die
/ER
Nr. 17
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
265
Schmerzhaftigkeit und Vergrößerung der rechten Niere, die enorme |
Beeinträchtigung des Körpergewichtes und des Allgemeinbefindens, 1
die Tatsache, daß trotz beinahe vierwöchentlicher Bettruhe die Krank- |
heitserscheinungen sich bedeutend verschlechtert hatten, sprach für
Syphilis. Auf Jodkali besserte sich das Allgemeinbefinden und schwand
der Eiweißgehalt.
23. Für die Ermittlung der Vererbungsgesetze der Lues ist nach
Baisch die Wassermann’sche Reaktion allein unzulänglich. Sie muß
mit der bakteriologischen Untersuchung der Frucht und der Placenta
kombiniert werden. Bei negativer Reaktion der Eltern darf nur bei
negativem Streptokokkenbefund des nicht allzusehr macerierten Kindes
Lues ausgeschlossen werden. Die Hämolyse hemmende Substanz
geht nicht durch die placentaren Scheidewände hindurch, weder von
Mutter zu Kind, noch umgekehrt. Das Auftreten der Hämolyse
hemmenden Substanz ist an die Anwesenheit von Spirochäten im
Organismus geknüpft. Als Ursache der Maceration und des vor¬
zeitigen Absterbens des Kindes kommt in 80% der Fälle Lues in
Betracht. Für den Rest ist Nabelschnurumschlingung, Mißbildung der
Frucht, Nephritis der Mutter, vielleicht auch Tuberkulose verantwortlich zu
machen. Der Typus: Habitueller Abortus in den ersten 4 Monaten
gehört nicht zur Symptomatologie der Lues. Etwa 75 % aller Mütter
luetischer Kinder bieten keine oder nur unbestimmte Zeichen von
Syphilis dar. Die Mütter luetischer Kinder sind, wenn sie nicht
positiv reagieren, mit der größten Wahrscheinlichkeit infiziert. Es '
handelt sich in diesen Fällen um Versagen der Reaktion. Das
Colle’sche Gesetz, das die Immunität der Mütter luetischer Kinder
und das Propheta’sche Gesetz, das Immunität luetischer Kinder
statuiert, findet ihre Erklärung darin, daß diese Mütter und Kinder
sich gegen Infektion mit Lues refraktär verhalten, weil sie bereits
syphilitisch infiziert sind. Das Colle’sche Gesetz hat keine Ausnahme.
Die beste Aussicht auf therapeutische Erfolge und Erzielung gesunder
Kinder bildet eine energische und systematische spezifische Kur vor
und besonders während der Schwangerschaft.
24. Bar und Dannay kommen auf Grund von zahlreichen Unter¬
suchungen zu dem Schluß, daß in den Fällen, wo die schwangere
Frau, die früher syphilitisch war und jetzt keine Symptome zeigt, die
Wassermann’sche Reaktion negatives Resultat ergibt. Ein positives
Resultat kann so gedeutet werden, daß eine syphilitische Infektion
zwar besteht, aber daß sie keine offenkundigen Symptome gibt, oder
daß eine fötale Infektion vorliegt, aus welchem Grunde eine Be¬
handlung notwendig ist.
25. Nach Wechselmann sind bei positiver Wassermann’scher
Reaktion die Früchte zu behandeln, bei gleichsinniger Reaktion beider
Teile, ohne Rücksicht auf sonstige Symptome. Nur bei positiver Re¬
aktion der Kinder darf die Mutter das Kind anlegen, während negative
Reaktion Gesundheit aber auch Latenz bedeuten kann. Immer ist eine
fortgesetzte klinische und serodiagnostische Kontrolle notwendig. Das
negativ reagierende Kind darf der positiv reagierenden Mutter nicht
angelegt werden. Die Mutter eines syphilitischen Kindes ist stets
syphilitisch.
26. Nach H. Bab ist die latente Lues des Weibes hervorgerufen
durch das Hineingelangen infektiöser Spermas eines Luetikers in die
inneren Genitalorgane bezw. den Peritonealraum, bleibt meist in den
inneren Genitalien und deren regionären Lymphdriisen bezw. am Peri¬
toneum lokalisiert, führt manchmal jedoch zur Kachexie und Gelenk¬
schmerzhaftigkeit und zu tertiären Symptomen, vielleicht auch zu Tabes
und Paralyse. Ihr Bestehen bedingt eine Unempfänglichkeit für ander¬
weitige Syphilisinfektion, sowie das Auftreten Wassermann’scher Anti¬
stoffe in Milch und Blutserum. Die latente Lues ist beim Geschlechts¬
verkehr wohl meist nicht als infektiös anzusehen, wenngleich die Mög¬
lichkeit, dass Spiroeläten ins Cervikalsekret gelangen und dasselbe
infektiös machen, besteht. Eine Leistendrüsenanschwellung ist oft das
einzig äußere Symptom, aber auch dieses kann fortfallen. Ein Primär¬
affekt kann möglicherweise an den inneren Genitalen ganz fehlen. Die
latente Lues der Frauen kann auf ovogenem, decidualem und placen-
tarem Wege auf die Frucht übergehen. Während aber meist luetische
Frauen 6 bis 10 Jahre lang luetische Kinder bekommen, treten bei
der latenten Lues für gewöhnlich schon früher gesunde Kinder auf.
Eine günstige Beeinflussung durch Quecksilber und Jodkalibehandlung
ist anzunehmen. Etwaige Ausnahmen des Colle’schen Gesetzes könnten
durch ein montanes Erlöschen der latenten Lues erklärt werden. Es
ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß bei den äußerlich so gleichartigen
Geburtsfällen des Colle’schen Typus, sowohl eine latente materne Lues
mit placentarem Modus als auch eine mütterliche Imimität mit sper¬
matischem Typus der Fruchtinfektion vorhanden sein kann.
Orthopädie.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lehr, Stuttgart.
1. Ueber den anatomischen Befund bei kongenitaler Luxa¬
tion des Hüftgelenks. Von Dr. Carl Weih, Breslau. Zeitschr. für
orthop. Chirur. XXIV. Bd., 1. u. 2. Heft.
2. Die moderne Behandlung der angeborenen Hüftluxation.
Von Prof. Dr. Oskar Vulpius, Heidelberg. Med. Klinik 1909, Nr. 48.
3. Diagnose und Behandlung der angeborenen Hüftver¬
renkung im Säuglingsalter. Von Prof. Dr. Joachimsthal, Berlin.
Berl. klin. Wochenschr. 1909, No. 50.
4. Der Einfluß der Entspannung auf gelähmte Muskeln.
Von Prof. Dr. Adolf Lorenz, Wien. Wien. Med. Wochenschr. 10,
Nr. 4.
5. Das Redressement sich deckender oder gekrümmter
Zehen. Von Dr. A. Heermann, Kassel. Deutsch, med. Wochen¬
schrift 1910, Nr. 6.
6. Der Fuß des Neugeborenen und seine Behandlung. Von
Dr. K. Lengfellner, Berlin. Med. Klinik 1910, Nr. 6.
7. Ueber Tibia recurvata im Gefolge der Coxitis. Von Dr. S.
Peltesohn, Berlin. Berl. klin. Wochenschr. 1910, Nr. 4.
1. Kritische Besprechung der zahlreichen Theorien für die Ent¬
stehung der kongenitalen Hüftluxation unter Heranziehung eines eigenen
pathologisch-anatomisch genau untersuchten Falles.
2. Die Erfolge der modernen Luxationstherapie sind heute derart
günstig, daß nur grobe Unkenntnis oder unbegreifliche Verblendung
von der Behandlung abraten können. Eine untere Grenze für den Be¬
ginn derselben gibt es kaum; die obere ist für einseitige Verrenkungen
etwa das 10. und für doppelseitige das 6. Jahr. Da die Behandlung
Sache des Orthopäden sein sollte, so erübrigt sich ein Eingehen auf
technische Einzelheiten. Die Mittel der technischen Orthopädie (auch
der vollkommenste Schienenhülsenapparat) sind völlig nutzlos. Auch
die blutige Einrenkung verwirft Verf. bedingungslos. Ist die
unblutige Einrenkung geglückt, so muß das Resultat 4—6 Monate lang
in technisch sehr vollkommenen Gipsverbänden festgehalten werden.
Nachher folgt eine monatelang durchzuführende medico-mechanische
Nachbehandlung. Ideale anatomische und funktionelle Heilungen hat
Verf. bei einseitigen Verrenkungen in 60—70% und bei doppelseitigen
40—50% erreicht, weitgehende funktionelle Verbesserungen in min¬
destens 90% aller Fälle.
3. Bringt man bei einseitiger Luxation beide Oberschenkel in recht¬
winklige Flexions- und daneben in möglichst gleichmäßige Abductions-
stellung, so gewahrt man einen charakteristischen Unterschied in der
Achsenrichtung beider Oberschenkel. Während auf der normalen Seite
der Oberschenkel die Richtung zum Acetabulum einschlägt, sehen wir
auf der erkrankten Seite die Verlagerung seines zentralen Endes nach
hinten und oben sich durch eine entsprechende Richtungsänderung des
ganzen Oberschenkels ausprägen, ein Unterschied, der durch das
kulissenartige Vorspringen der auf der kranken Seite von der Unterlage
abgehobenen Adductoren noch deutlicher wird. Besonders das letztere
Symptom springt auch bei doppelseitiger Verrenkung in die Augen.
Mit Hilfe dieser Untersuchungsmethode lassen sich Verrenkungen auch
beim Säugling leicht feststellen. Verf. zeigt an der Hand von 4 Fällen
von Säuglingen, daß die Einrenkung sehr leicht (ohne Narkose) von
statten geht und daß die Retention durch etwa 4 wöchentliches Auf¬
binden der Kinder in der üblichen Flexions-Abductionsstellung auf eine
Gipslade zu idealen Dauerresultaten führt.
4. Die poliomyelitische Lähmung ist für die weitaus überwiegende
Mehrzahl der Fälle zunächst dadurch ausgezeichnet, daß nicht aus¬
schließlich ein Muskel oder eine Muskelgruppe betroffen ist, sondern
daß vielmehr alle Muskeln, aber weitaus am häufigsten in verschieden
starkem Grade affiziert sind. Hierdurch wird eine Störung im Muskel¬
antagonismus gesetzt, die sehr häufig zur Deformifätenbildung führt.
Die Deformität wird dann unter dem Einfluß der funktionellen Be¬
lastung in fehlerhafter Richtung weiter verschlimmert, und zwar derart,
daß die schon ursprünglich an der Konkavität der Deformität gelegenen
aktionstüchtigeren Muskeln durch weitere Annäherung ihrer Insertions¬
punkte der Schrumpfung und Verkürzung verfallen. Die aktions¬
schwächeren, schon ursprünglich an der konvexen Seite der beginnen¬
den Verkrümmung gelegenen Muskeln werden dementsprechend durch
Entfernung ihrer Insertionspunkte einer Dehnung und Verlängerung
ausgesetzt sein. Die erste und wichtigste Aufgabe einer paralytischen
Deformität gegenüber ist also keineswegs die sofortige Transplantation,
sondern vielmehr die gründliche Entspannung der gedehnten Muskeln,
d. h. die Beseitigung der Deformität. Schwinden durch diese Therapie
und geeignete Nachbehandlung die Lähmungserscheinungen nicht voll¬
ständig, so tritt die Transplantation eventuell in ihr Recht.
266
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 17
5. Das Redressement sich deckender oder gekrümmter Zehen läßt
sich in vielen Fällen sehr einfach erreichen, wenn man einen Streifen
von etwa 0,5 mm dickem Walzbleiblech und der Breite des untersten
Zehengliedes so anlegt, daß man ihn zunächst unter einer Nachbarzehe
hindurchführt, alsdann über die gekrümmte oder dislozierte Zehe und
dann wieder unter die andere Nachbarzehe. Der weiche und schmieg¬
same Streifen kann wochenlang in jedem Stiefel getragen werden,
umsomehr, wenn man ihn mit Heftpflasterstreifen überkleidet und durch
Heftpflaster ein Verschieben beim Gehen verhindert.
6. Nach den Untersuchungen des Verf. ist der Fuß des Neu¬
geborenen in zirka 75 °/ 0 ein platter resp. gesenkter und in 25 % ein
mit ausgeprägtem Gewölbe versehener. Den angeborenen Plattfuß als
Belastungsdeformität zu erklären ist falsch. Er findet durch phylo¬
genetische Betrachtungen, die im Original nachzulesen sind, seine Er¬
klärung, wie die 25 % mit hohem Gewölbe versehenen, die ein Stehen¬
bleiben auf einer früheren phylogenetischen Stufe bedeuten. Bei beiden
Typen soll einige Monate nach der Geburt mit Massage durch die
Mutter begonnen werden. Senkfüße sollen von dem Augenblick an,
wo die Kinder zu laufen beginnen, mit Einlagen oder orthopädischen
Stiefeln behandelt werden.
7. Für die Diagnose der seltenen Erkrankung, für die Verf. einen
weiteren Fall bringt, zeigt die äußere Besichtigung im Gegensatz zum
genu recurvatum, daß es am liegenden Patienten möglich ist, zwischen
der Hinterfläche des Femur und der harten Unterlage die flache Hand
durchzuführen, ein Symptom, das darin seine Erklärung findet, daß bei
der Strecksteilung des Kniegelenkes die Femurcondylen durch das kurze,
abgeknickte, proximale Tibiastück von der Unterlage abgehebelt werden.
Ferner fühlt man das Fibulaköpfchen im Verhältnis zum Kniegelenksspalt
höher stehen, als auf der gesunden Seite, da die Fibula an der Ab¬
knickung nicht beteiligt ist. Die Deformität findet ihre Erklärung in
den durch die coxitische Ankylose veränderten statischen Verhältnissen
des Beines, ist aber gleichzeitig als ein die Funktion verbessernder,
kompensatorischer Vorgang aufzufassen. Die Prognose ist insofern
günstig, als die Deformität stationär bleibt. Für die Behandlung ergibt
sich, daß wir diese Spontantherapie in keiner Weise durch Eingriffe
irgend welcher Art stören dürfen.
Urologie.
Referent: Dr. L. Lipman-Wulf, Berlin.
1. Ueber Elektrisierung der Prostata mittels intermittirenden
Induktionsstroms. Von G. J. Müller, Berlin. Zeitschrift für Urologie
Bd. IV, 3. Heft 1910.
2. Zur Klinik der Nebennierengeschwülste. Von Prof. Dr.
C. Adrian, Straßburg. Zeitschrift für Urologie, Bd. IV, 2. Heft 1910.
3. Die Harnblase bei der Bilharziakrankheit und ihre Be¬
ziehungen zur Urolithiasis. Von Wilhelm Ebstein, Göttingen.
Zeitschrift für Urologie. Bd. IV. 1. Heft 1910.
4. Die Pyelitis. Von Dr. Kapsammer, Wien. Zeitschrift für
Urologie, Bd. IV, 1. Heft 1910.
5. Experimentelle Beiträge zur Frage der Isolierung der
Ureteren. Von Dr. Th. L. Kobylinski, St. Petersburg. Zeitschrift
für Urologie, Bd. IV, 1. Heft 1910.
6. Traitement de l’incontinence essentielle nocturne d’urine
au moyen de la testiculine. Par la Dr. Serrallach, Barcelone.
Folia urologica Nr. 6, 1909.
7. L’etere Santalilmetilico (Tyresolum) nella terapia dell’
uretrite blenorragica e della cistite. Per il Dottor Nicolö, La
Mensa (Palermo). Folia urologiea Nr. 6, 1909.
8. Die endemische Funiculitis und Bilharzia. Von Dr.
Edwin Pfister, Kairo. Folia urologica Nr. 6, 1909.
9. Beitrag zur Symptomatologie und Diagnose des Prostata-
karcinoms mit besonderer Berücksichtigung der Frühdiagnose.
Von J. F. Salinger, Berlin. Folia urologiea Nr. 6, 1909.
10. Elektrothermophor bei Gonorrhoe. Von Dr. Hans Vörner,
Leipzig. Folia urologiea, Bd. IV, Heft 7, 1910.
11. Ein Beitrag zur Diagnostik der Urachusfistel. Von Karl
Brüggemann, Berlin. Folia urologica, Bd. IV, Heft 7, 1910.
12. Neopyeloplastik bei großen Hydronephrosen. Von Dr.
S. Spasslokukotzky, Saratow. Folia urologica, Bd. IV, Heft 1910.
13. La mia statistica della nefrectomia. Del Prof. J. Tansini.
Folia urologica, Bd. IV, Jan. 1910.
14. Zur Frage des Ursprungs der Phosphaturie bei
Gonorrhoe. (Kritisches und Experimentellen). Von H. Lohnstein,
Berlin. Zeitschrift für Urologie, Bd. IV, 3. Heft 1910.
15. Einige Bemerkungen zur Pyelonephritis. Von Prof. Dr-
Ernst Küster, Berlin. Zeitschrift für Urologie, Bd. IV, 3. Heft 1910.
16. Zur Kenntnis der eingesackten Blasensteine bei der
Frau. Von Dr. Ernst R. W. Frank, Berlin. Zeitschrift für Urologie,
Bd. IV, 3. Heft 1910.
17. Zur Technik galvanokaustischer Operationen bei Irri-
gationsurethroscopie. Von Dr. Kropeit, Hamburg. Zeitschrift für
Urologie, Bd. IV, 2. Heft 1910.
18. Symptomatischer Nachweis eines in die Blase durch¬
gebrochenen Gazetupfers. Von B. K. Roerig, Hannover. Zeit¬
schrift für Urologie, Bd. IV, 2. Heft 1910.
1. Empfehlung der zuerst bei Prostatitis chronica von M. Porosz
angegebenen Faradisation der Prostata. Verfasser bedient sich hierbei
eines sehr einfachen Unterbrechers, der automatisch durch ein Uhrwerk
getrieben wird. „Der Strom wird über eine gerade federnde Stahlbahn
geleitet, die in Ruhestellung an einen metallischen Kontakt angepreßt
liegt (Stromschluß). Neben der federnden Stromstrecke ist ein durch
ein Uhrwerk in Rotation versetztes Rad so angeordnet, daß die an
seiner Peripherie angebrachten Zapfen dieselbe niederdriicken und da¬
durch den Strom öffnen. In dieser Weise wird der Strom in der Mi¬
nute 60 mal unterbrochen, zwar so, daß die Phase des Stromschlusses
3 / 4 Sekunde, der Oeffnung , / 4 Sekunde dauert“. Die eine Elektrode
liegt im Rektum, die andere wird breit auf die Nates beim Uebergang
zum Oberschenkel aufgesetzt. Patient steht in gebückter Stellung. Die Reiz¬
elektrode liegt in der Kathode. Der intermittierende Wechselstrom be¬
wirkt abgesehen von dem mechanischen Effekt rhytmische Erregung
von Kontraktionen der Muskulatur und Expression des pathologischen
Drüseninhalts, ferner eine konsekutive, längere Zeit andauernde Hyper¬
ämie und Tonisierung der Muskulatur.
2. Bei einem 42 jährigen Mann, der vor 3*/2 Jahren eine erste schwere
Haematurie gezeigt hatte, ergab die damals vorgenommene Cystoskopie
Blutung aus dem 1. Ureter. Operation (Freilegung der linken Niere)
wurde verweigert. Jetzt bestand hochgradiger Marasmus, auf der linken
Bauchseite wölbte sich ein kindskopfgroßer, scheinbar der linken Niere
angehÖriger Tumor vor. Abweichend von dem vor ß^Jahren erhobenen
Befunde fanden sich auf der Streckseite beider Unterame kleinste, punkt¬
förmige, unregelmäßig zerstreute Pigmentflecke in großer Anzahl.
Operation war wegen des schlechten Zustandes nicht mehr ausführbar.
Die Autopsie ergab das Vorhandensein eines mächtigen Karzinoms
der linken Nebenniere, das auf die Niere übergegriffen und letztere
fast vollständig zerstört hatte. Die punktförmigen Pigmentationen der
Haut finden sich bei Erkrankungen der Nebennieren und zwar bei
isolierter, beiderseitiger Tuberkulose, bei einfacher Hyperplasie und
bei Karzinom. Unter den Erkrankungen der Niere sind sie bei
den aus Keimversprengungen der Nebenniere hervorgegangenen Ge¬
schwülsten, den Hypernephromen oder Grawitz’schen Tumoren der
Niere beschrieben worden. Sie sind für diese Geschwülste der Nieren
also pathognomonisch. Zur Spezialdiagnose einer Nierengeschwulst
sind sie nur zu verwerten, wenn eine Nebennierenerkrankung auszu¬
schließen ist. Die punktförmigen Pigmentationen können sich mit
diffusen Melanodermien und anderen Symptomen der Addisonschen
Erkrankung vergesellschaften. Es können also Hypernephome und
Nebennierenerkrankungen klinisch gleiche Erscheinungen hervorrufen.
Das Zustandekommen dieser punktförmigen Pigmentationen der Haut
bei dieser Erkrankung ist vorläufig noch ungeklärt. Es bleibt abzu¬
warten, ob die Pigmentflecke sich diagnostisch zur Erkennung von
Nebennieren- oder Nierenerkrankungen, die vorläufig noch latent sind,
verwerten lassen. Nach dem vorliegenden spärlichen Beobachtungs¬
material kommt ihnen eine Bedeutung als Frühsymptom nicht zu.
3. Die Harnblase ist bei an Bilharziakrankheit Leidenden häufig in
Mitleidenschaft gezogen in mehr oder weniger hohem Grade. In den
leichten Fällen findet man durch Distomumeierablagerung ent¬
standene Knötchen in spärlicher Menge, in den vorgeschrittenen Fällen
sind die Knötchen größer und haben das Aussehen von Tumoren, oder
sie markieren sich als Villi oder Fungi. In solchen Fällen finden sich
gewöhnlich Blasensteine, die zu ihrem Ausgangspunkt zurückgebliebene
Eierschalen des Distomum haematobium nehmen. Die Blasenschleim¬
haut ist dann mit Incrustationen bedeckt, deren Kern Haufen von Disto-
mumeiern bilden. Die Häufigkeit des Vorkommens von Blasensteinen
in Aegypten ist auf die Bilharzia zurückzuführen. Verfasser besitzt acht
Blasensteine von an Bilharzia erkrankten Eingeborenen. Es würde
jedoch in den Harnblasen, die in Folge der Bilharziakrankheit in
Mitleidenschaft gezogen wurde, auch bei einem vorhandenen
Steinkern nicht zur Bildung umfangreicher Konkremente kommen,
wenn nicht die zum Aufbau des Gerüstes derselben unbedingt
erforderliche organische eiweißartige Substanz vorhanden wäre. Die¬
selbe wird in der Distomumblase gebildet, wenn der bei ihr sich ent¬
wickelnde entzündliche Prozeß zu einer gewissen Intensität gediehen
ist. Durch ihn wird sodann das Material zum Aufbau des organischen
Gerüstes der Blasensteine geliefert. Fehlt ein solcher Prozeß, so wird,
Nr. 17
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
267
trotz der Anwesenheit eines durch Distomumeier enstandenen Stein¬
kerns keine wirkliche Steinbildung zu Stande kommen. Es würde
dann lediglich eine geringfügige Incrustation des Distomumkernes
eintreten.
4. Verfasser gibt folgendes Resume: „Die isolierte Pyelitis ohne
Erkrankung des benachbarten Nierenparenchyms ist eine nur anatomisch¬
histologisch diagnostizierbare Erkrankung. Für die Pyelonephritis im
allgemeinen ist die haematogene Infektion als Regel anzusehen.
Bakterium coli findet sich sehr häufig bei Pyelitis, ohne deswegen
immer der Erreger der Eiterung zu sein. Man hat zu unterscheiden:
1 primäre Pyonephrose: Der Eiterungsprozeß geht der Erweiterung
des Nierenbeckens voraus, der Ureter ist meist eng, verkürzt, es fehlt
die kompensatorische Hypertrophie der 2. Niere und 2. sekundäre
Pyonephrose: Der Erweiterung des Pyelon geht die Eiterung voraus,
der Ureter ist meist erweitert und verlängert, es besteht meist kom¬
pensatorische Hypertrophie der 2. Niere. Der Umstand, daß bei den
chronischen Formen Symptome von Seiten des Pyelon häufig fehlen,
daß die sekundären Blasensymptome meist im Vordergrund stehen,
zeitigte die falsche Lehre von der regelmäßigen urogenen, ascendieren-
den Infektion und den therapeutischen Nihilimus. Kolikartige Anfälle mit
Blasentenesmus sind im allgemeinen charakteristisch für den akuten
Ureterverschluß; kolikartige Schmerzanfälle ohne Blasentenesmus für
akute Kapselspannung. Eine exakte Diagnose kann sich nur auf dem
Ureterenkatheterismus aufbauen; er gibt aber nur sicheren Aufschluß
über die Seite der Erkrankung; über die Schwere der Erkrankung, über
ihre Ausdehnung auf das Nierenparenchym geben nur die neuen
Methoden der funktionellen Nierendiagnostik eine verläßliche Orientierung.
Die Therapie hat durch den Ureterkatheter eine wertvolle Bereicherung
erfahren; doch ist dabei eine außerordentlich exakte Indikationsstellung
nötig, vor einer kritiklosen Polypragmasie ist zu warnen.“
5. Verfasser untersuchte auf experimentellem Wege, ob und in¬
wiefern die Isolierung einerStrecke des Ureters von dem retroperitonenalen
Bindegewebe und von dem den Ureter bedeckenden Peritoneum bei
Operationen für die Funktion des Ureters und der entsprechenden
Niere von Bedeutung sind. Die makroskopische und mikroskopische
Untersuchung der Ureteren und der dazugehörigen Nieren ergab bei
den Versuchstieren keine bemerkbaren Differenzen zwischen den
isolierten und den intakt gebliebenen Nieren und Ureteren. Die
Erklärung hierfür sieht Verfasser in dem Reichtum und der Multiplicität
der Quellen der Blutversorgung und der Innervation der Ureteren.
6. Die hauptsächlichste Reflexhemmung der Blase stammt vom
Geschlechtsapparat her. Zu diesen Reflexen gehört die Verhinderung
der Harnentleerung während der Ejakulation, sowie einige andere
Störungen derselben bei verschiedenen Protastaerkrankungen. Die
Untersuchungen von Serrallack und Pares haben gezeigt, daß die
Blasenhemmung sexualen Ursprungs in ursächlichem Zusammenhang
mit der inneren Sekretion des Hodens steht. Es erhöht danach der
Hodensaft beim Hunde die Kapazität der Harnblase und führt Zu¬
sammenziehung der Schließmuskeln herbei. Sie verwendeten auf Grund
dieser Entdeckung den Hodensaft in Fällen von Harnbeschwerden, die
mit Verminderung der Blasenkapazität und mit Erschlaffung des
Sphinkters einhergingen. In allen chirurgischen Fällen war die Be¬
handlung ohne Erfolg. Sie erzielten jedoch günstige Resultate in den
meisten Fällen von funktioneller Inkontinenz.
7. Auf Grund ausgedehnter Versuche empfiehlt Verf. das Tyresol
wegen seiner analgetischen und sedativen Wirkung als ausgezeichnetes
Ersatzmittel der gewöhnlichen Balsamica, obwohl es nicht die Wirkung
des reinen, in toto genommenen Santalöls besitzt. Es wird gut von
den Patienten vertragen, ohne subjektive Beschwerden sowie sonstige
gastro-intestinale-, renale-, Haut-Erscheinungen zu verursachen.
8. Bei der in tropischen Ländern, hauptsächlich in Aegypten auf¬
tretenden endemischen Funiculitis ist in erster Linie an einem Zusammen¬
hang mit Bilharzia zu denken, die das ganze Urogenitalsystem von der
Harnröhrenmündung bis hinauf zum Nierenbecken befallen kann. Die
Funiculitis entsteht durch eine bacterielle Secundärinfektion. Die Ueber-
tragung auf den Samenstrang geschieht häufiger auf dem Wege der
Lymphbahnen, lymphaugitische Form, seltener durch Thrombosirung der
Venen, eitrige Phlebitis des Samenstrangs. Als pathogener Micro-
organismus gilt — bis auf weiteres — ein Diplo-Streptococcus. Die
Krankheit ist eine lokale Pyämie, d. h. eine Erkrankung mit ernster
Prognose und häufigem Ausgang in exitus. Die Therapie besteht in
möglichst rascher operativer Entfernung des befallenen Samenstrangs
und des dazugehörigen Hodens.
9. Der Zweck der vorliegenden Arbeit war der Versuch durch
kritische Würdigung der einzelnen Symptome von 21 Fällen von
Prostatakarcinom Anhaltspunkte zur Stellung einer Frühdiagnose zu
gewinnen. Die wichtigsten Ergebnisse waren folgende: Es ist unbe¬
dingt nötig, bei jeder Prostatahypertrophie älterer Leute die Möglich¬
keit eines Karcinoms zu berücksichtigen. Bei der Erhebung der
Anamnese ist mit Rücksicht auf eine schnelle Entwicklung der Krank¬
heit besonderer Wert auf die Zeit der wirklich ersten Beschwerde zu
legen und diese durch geeignete Fragestellung zu eruieren. Das kon¬
stanteste und wichtigste Symptom ist die bei der Rectaluntersuchung
zu fühlende Härte der Drüse oder eines Teils derselben. Daneben
ist auf besonders unregelmäßige knotige Beschaffenheit, auf seitliche
Fortsätze und isoliert neben der Drüse liegende Knötchen zu achten.
Schmerzen bei der Miction, rheumatische Schmerzen, Ischialgie, Haema-
turie, spontan und nach instrumenteilen Eingriffen, fehlen häufig im
Anfangsstadium. Es darf daher das Fehlen nicht gegen die Diagnose
Karcinom verwertet werden. Kachexie fehlt ebenfalls häufig im An¬
fang und tritt erst sehr spät auf. Ebenso wenig sprechen Besserungen
der Miktionsbeschwerden, des Allgemeinbefindens und Gewichts¬
zunahme gegen maligne Neubildung. In allen Fällen von Protasta
hypertrophie, bei denen die Bottini-Operation gemacht worden ist,
sind die Schorfe zu sammeln und histologisch genau zu untersuchen.
Die Exstirpation selbst zunächst nicht verdächtiger Lymphdrüsen zur
histologischen Untersuchung kann diagnostisch von Wert sein. Symp¬
tome, die ebenfalls von Wichtigkeit sind, ist zu Beginn auftretende
Incontinenz ohne größere Retention, bei Ausschluß einer Erkrankung
des Zentralnervensystems; ferner bei der Kystoscopie das Vorhanden¬
sein von nach vorn, d. h. nach der Symphyse zu gelegenen Prostata¬
wulstungen.
10. Die Behandlung der Gonorrhoe durch erwärmte Sonden kann
die sonstige Behandlung fördern. Eine Vernichtung der Gonococcen
durch die erhöhte Temperatur an sich ist aus physiologischen Gründen
ausgeschlossen. Verf. empfiehlt einen von ihm konstruierten Elektro-
thermophor.
11. Eine kystokopische Untersuchung bei der Diagnose Urachus-
fistel ist dann von besonderem Wert, wenn die klinischen Symptome
unklar und zweideutig sind, wenn man keinen Katheter in die Blase
hineinschieben kann, weil der Fistelgang zu fein ist und aus demselben
Grunde wenig oder gar kein Urin aus dem Nabel austritt. Mit dem
Kystoskop sieht man eine Klappe am Blasenvertex oder nimmt wahr,
daß die in den Nabel eingespritzte Flüssigkeit in das Blaseninnere
gelangt.
12. Verfasser empfiehlt auf Grund eines von ihm behandelten Falles
bei großen Hydronephrosen anstatt partieller oft erfolgloser Resektionen
die totale Amputation des ganzen Nierenbeckens zu versuchen. Es
bildete sich in diesem Falle nach der Operation ein neues Nieren¬
becken, in das der Ureter transplantiert wurde.
13. Tansini teilt die Resultate der von ihm ausgeführten Ne¬
phrektomien mit. Unter 47 Operationen hatte er nur einen Todesfall,
d. h. 2,12%, die geringste, die bisher existiert. Verf. meint, für diese
günstigen Resultate mehr die von ihm geübte Technik als die funktionellen
Untersuchungen verantwortlich machen zu können, da er schon vor
Einbürgerung dieser Methode bessere Resultate als andere Operateure
zu verzeichnen hatte. Seine Technik besteht in der Abklemmung des
Hilus, einschließlich der großen Gefäße und des Ureters, und zwar
namentlich in den Fällen, in denen die Sklerose des Hilus und der
Gefäße die Isolierung des Nierenstieles und die Anlegung von Ligaturen
sehr schwierig und gefährlich gestaltet. Außer der Sicherheit der
Haemostase erzielt man mit diesem Verfahren die schnelle Beendigung
der Operation, was von Wichtigkeit ist.
14. Die Einwände Oppenheims gegen die in des Verfassers
früheren Arbeiten geübte Methodik sowie gegen ihre Resultate sind als
nicht stichhaltig zurückzuweisen. Das unmittelbar nach Entfernung der
Blase mittels Ureterkatheterismus aufgefangene Nierensekret reagiert
in der Regel weit weniger sauer als der angesammelte Blasenharn.
In einigen Fällen zeigte es im Gegensatz zu jenem die Merkmale
der latenten resp. manifesten Phosphaturie.
15. Erwiderung auf den in Heft 1, Bd. IV dieser Zeitschrift er¬
schienenen Aufsatz von Kapsammer die Pyelitis. Verfasser weist
den Vorwurf zurück, daß er zu den Forschern gehöre, die die urogene
aszendierende Infektion bei Pyelonephritis für die ausschließlich
vorkommende oder wenigstens prävalierende halten. Schon in seiner
Nierenchirurgie, deren zweites Heft, die Pyelonephritis enthaltend, im Jahre
1902 erschienen ist, hat er im Widerspruch gegen die damaligen Lehren
der Guyonschen Schule die Theorie von der Häufigkeit der aufsteigenden
Infektion möglichst einzuengen versucht. Die Ueberschrift des Aufsatzes
von Kapsammer hätte Pyelonephritis heißen müssen, da in der Regel
das Nierenparenchym mit beteiligt ist. Zu verwerfen ist das von
Kapsammer geprägte neue Fremdwort, das „Pyelon“. Ein solches
Wort gibt es im Griechischen nicht, sondern die Form, die in Pye¬
lonephritis erscheint, lautet fp ueXoc die Wanne.
16. Eine 50jährige Frau, bei der bereits vor mehreren Jahren
Totalexstirpation und später Operationen zum Verschluß bestehender
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 17
Blasenscheidenfisteln gemacht worden war, litt seit längerer Zeit an hoch¬
gradigem Blasenkatarrh mit Abgang kleiner Steinchen besonders beim
Stuhlgang. Die Cystoscopie ergab das Vorhandensein einer Steinkalotte
am Blasenboden, die sich mit dem Cystoscopschnabel nicht bewegen ließ,
sodaß sie scheinbar am Blasenboden fixiert war. Durch hohen Blasen¬
schnitt wurde der Stein entfernt, an seiner unteren Seite fiel ein nach
unten und links gerichteter Sporn auf, welcher eine 7 mm lange und
4 cm breite Bruchfläche auf wies. Man fühlte beim Abtasten des Blasen-
innern 2 cm hinter dem Orificium internum eine starknadelknopf große
Rauhigkeit umgeben von einem harten Narbenrande. Nach Erweiterung
dieses Narbenrandes gelangte man in einen oberhalb des Scheiden¬
gewölbes gelegenen Hohlraum, aus dem zwei große und zwei kleine
Concremente extrahiert wurden. Später wurden mit der Zange des
Operationscystoscop aus drei kleinen Ausbuchtungen dieses apfel¬
großen Divertikels noch drei kleine Steinchen entfernt. Patientin wurde
geheilt.
17. Verfasser hat beim Gebrauch des kaustischen Incisionsmessers
am Goldschmidtschen Irrigationsurethroscop beobachtet, daß diese Ein¬
griffe bei Irrigation mit Borsäurelösung außerordentlich viel Strom
verbrauchten. Er bedient sich deswegen nach Ablauf der Borsäure¬
lösung, die er nur für die Inspektion verwendet, zu den operativen
Eingriffen eines Luftgebläses, welches er mit dem Instrument in Ver¬
bindung bringt. Nach Aufblähung der Blase und der Pars posterior
mit Luft werden die kaustischen Operationen mit geringem Strom¬
verbrauch ausgeführt. Während hierbei bei Beleuchtung von oben
das Dach der Lampe bald zu warm wird, fällt dieser störende Umstand
bei seitlicher Beleuchtung fort.
18. Bei einem durchaus gesunden Arbeiter bestand hartnäckiger
Blasenkatarrh mit häufigem Drang und Schmerzen am Schluß des
Urinierens. Bei Untersuchung auf Stein deutliches Anschlägen der
Sonde. Die versuchte Zertrümmerung gelangt nicht, da die gefaßte
Masse nicht zerbrach und beim Lösen der Schraube die Schnäbel des
Lithotriptors auseinander schnellten. Auf der linken Bauchseite hatte
Patient eine Narbe, die von einer vor drei Jahren stattgefundenen
Bruchoperation herrührte. Neben dieser hatte eine tumorartige Vor¬
wölbung bestanden, die in letzter Zeit verschwunden war. Die vor¬
genommene Sectio alta förderte einen zusammengeballten ganz verfilzten
Tupfer zu Tage. Dieser war bei der Bruchoperation vergessen, nach
längerem Aufenthalt in der Bauchhöhle in die Blase durchgebrochen
und hatte dort den Katarrh hervorgerufen. Die Stelle des Durchbruchs
in die Blase war trotz sorgfältigen Absuchens der Blasenwandungen
nicht aufzufinden.
Hautkrankheiten.
Referent Dr. Grumach, Berlin.
1. Ein neues Verfahren der intravenösen Behandlung der
Varicositäten der Unterextremitäten. Von Dr. P. Scharff. Berliner
Klinische Wochenschrift vom 28. März 1910.
2. Weitere Ergebnisse über die Ausscheidung von Rhodan
im Speichel Syphilitischer. Von cand. med. Joh. Ascher (Dr.
Max Joseph Poliklinik). Dermatologisches Centralblatt 1910, Nr. 6.
3. Die Behandlung der gewöhnlichen harten Warzen, des
Klavus und Tyloma mit Kohensäureschnee. Von Dr. Joh.
Fabry und Dr. Zweig, Städt. Krankenhaus zu Dortmund. Münchener
Med. Wochenschr. Nr. 13.
3. Ein Fall von Darierscher Krankheit. Von Dr. Lipmann-
Wulf. Dermatolog. Zeitschrift Bd. XVII, H. 4, 1910.
1. Verfasser empfiehlt ein übrigens nicht neues, sondern früher
schon angewandtes und seiner Gefährlichkeit wegen verlassenes Ver¬
fahren zur Heilung von Varicen, nämlich die Thrombosierung. Er
geht aus von den Erfahrungen, daß Venen durch eingespritzte Medi¬
kamente häufig thrombosieren und daß kranke Gewebe leichter reagieren
als gesunde.
Er wendet dazu eine 3, später eine 5 0 j 00 ige Lösung von Sublimat
in physiologischer Kochsalzlösung an und spritzt dieselbe je nach dem
Stadium der Behandlung, nach der Reaktionsfähigkeit, dem Krankheits¬
zustand und der Größe der Varicen in Mengen von */ 2 bis 5 ccm zuerst
der 3 °l 00 igen, später der 5 °j 0Q Lösung ein und zwar unter zentralen
Abschluß durch Gummibinde. So bringt er in Etappen von 3—6 Tagen
alle vorhandenen Varicen zur Verödung.
Schmerzen soll das Verfahren nicht machen, auftretende Schmerzen
sollen sogar zeigen, daß die Technik fehlerhaft ist, nämlich, daß die
Nadel sich nicht in der Vene befindet.
Nicht nur die Varicen, sondern auch die dadurch hervorgerufenen
und unterhaltenen Ulcera cruris sollen anstandslos dabei heilen. Die
Dauerwirkung soll eine vollkommene sein, wenigstens will der Ver¬
fasser Recidive nicht beobachtet haben.
Einige geschilderte Fälle illustrieren die theoretischen Darlegungen.
Die Methode ist, wenn sie das hält, was der Verfasser verspricht,
angesichts der Aussichtslosigkeit der bis jetzt angewandten, sicher ein
großer Gewinn. Jedoch kann der Referent einige Zweifel nicht unter¬
drücken. Varicenbildung ist eine aktive Gefäßkrankheit und diese
geht bei Verödung der varikösen Venen erfahrungsgemäß auf die
noch gesunden über. An ein Freibleiben von Recidiven möchte
deshalb Referent vorerst nicht glauben. Sodann kann er den Optimismus
des Verfassers über die unbedingte Gefahrlosigkeit der Methode nicht
teilen. Die Gefahr der Embolie scheint durch die Wahl des anderen
Mittels (Sublimat-Kochsalz statt wie früher Liqu. ferri sesquichlor und
ähnlichen) angesichts der früher vorgekommenen reichlichen Unglücks¬
fälle nicht beseitigt.
Jedenfalls empfiehlt sich die Methode zur Nachprüfung.
2. Max Joseph hat gefunden, daß die bei Gesunden physio¬
logische Ausscheidung von Rhodankalium im Speichel bei Syphili¬
tischen mitunter fehlt, immer aber eingeschränkt ist. Mense will
danach dieses Fehlen von Rhodankalium diagnostisch für Syphilis
verwerten. Der Verfasser hat nun zur Nachprüfung 118 Fälle der
Poliklinik herangezogen, indem er bei ihnen kolorimetrisch den
Rhodankaliumgehalt des Speichels feststellte.
Es zeigte sich nun vorerst, daß Raucher für diese Untersuchung
nicht zu benutzen waren, weil bei ihnen der Rhodankaliumgehalt
sowieso vermehrt ist. Bei den 102 Nichtrauchern, unter denen sich
auch Gonorrhoe-, Ulcusmollekranke und Gesunde befanden, konnte er
allerdings feststellen, daß bei Syphilitikern der Rhodankaliumgehalt
des Speichels bis auf kaum nachweisbare Spuren abnimmt. Bei
Kranken des Stadium I (von wann an, ist leider nicht gesagt) ist die
Reaktion fast negativ, im Stadium II ist sie etwas stärker, im Stadium III
etwa J / 10 der normalen. Die nicht syphilitischen Patienten zeigten
normalen Gehalt.
Aus diesen Untersuchungen zieht Verfasser folgende Schlüsse:
a) Die Rhodanausscheidung ist dem menschlichen Körper phy¬
siologisch ;
b) ein Fehlen bedeutet eine pathologische Beeinflussung des Stoff¬
wechsels und zwar
c) verursacht durch eine luetische Infektion. Eine solche mit
andern Krankheiten hat keinen nennenswerten Einfluß auf die
Rhodomausscheidung.
d) der Rhodangehalt hat beim luetisch Infizierten die Tendenz,
mit den Jahren zu steigen.
a, b und d könnte man sich gefallen lassen, aber c ist denn doch
etwas zu kühn. Der Verfasser hat nur Patienten mit Ulcus molle und
Gonorrhoe untersucht. Zuerst müßte er uns zeigen, daß der
Rhodankaliumgehalt nicht nur bei diesen Krankheiten, sondern auch
bei der Ueberzahl der anderen, vor allen Dingen der chronischen
Krankheiten, z. B. der Tuberkulose, und bei den Zahn- und Mund¬
krankheiten normal ist, ehe auch wir der Meinung wie er werden
können:
„Ich glaube damit beweisen zu können, daß die Annahme Menses,
die Rhodanreaktion zu diagnostischen Zwecken verwerten zu können,
mit Sicherheit bestätigt ist.“
Man kann sich dem Wunsch des Verfassers nach weiteren Unter¬
suchungen danach nur anschließen.
3. Die Verfasser haben die Wirkung des Kohensäureschnees
(Herstellung im Original nachzusehen) auf die Haut zuerst an Tieren
festgestellt und gefunden, daß die Wirkung von einer Minute für die
beabsichtigten Zwecke ausreicht und dabei unschädlich ist. Sie drücken
den in einem Spritzenzylinder, dessen vorderer Ansatz abgeschraubt
ist, befindlichen Schneezylinder 20—50 Sekunden, je nach Größe der
Warzen usw. und dem Alter des Patienten, auf die zu behandelnde
Stelle. Nach einer Stunde entwickelt sich eine Quaddel und nach
etwa 24 Stunden eine Blase, in deren Haut die zu entfernende Neu¬
bildung sich befindet. Mit einer Cooperschen Schere wird die Neu¬
bildung weggeschnitten und die Wunde heilt unter Pulverband in
einigen Tagen. Es können in derselben Sitzung bis zu 20 Neu¬
bildungen entfernt werden. Ob Narben entstehen, wird nicht gesagt.
Die Verfasser schildern das Verfahren als sehr einfach und leicht.
Einfach ist es sicher nicht, denn es gehört dazu, wenn es nicht
Schaden anrichten soll, eine ganz gehörige Erfahrung (zu lange Ein¬
wirkung macht Nekrose). Aber auch leicht ist es nicht, denn wie die
Verfasser selbst zugeben, ist es besonders in der Nähe der Finger¬
spitzen sehr schmerzhaft uud, was doch „tief blicken läßt“, zur Be¬
handlung größerer Partien halten sie Aufnahme ins Krankenhaus für
notwendig.
Bei der Harmlosigkeit der zu behandelnden Dinge und der Fülle
anderer leichter Methoden heißt dies: Mit Kanonen nach Spatzen schießen
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
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4. Verfasser berichtet über einen in seiner Poliklinik beobachteten
Fall jener seltenen Hautkrankheit, welche zuerst im Jahre 1889 von
White und Bo wen als Keratosis follicularis geschildert und von
Darier auf dem internationalen Dermatologenkongreß als klinisch
und histologisch genau charakterisierte besondere Dermatose vorgestellt
wurde. Es sind von der Krankheit einige 40 Fälle bekannt, sie ist
also keine überaus seltene.
Der gegenwärtige Fall bietet kaum Besonderheiten. Es sind
wieder die teils grauen, teils schwarz-braunen, schmierigen, sich fettig
anfühlenden, teils knötchenförmigen, teils plaqueartigen Efflorescenzen,
die häufig auf geröteter Umgebung stehen und einen Hornkegel in
die Tiefe senden. Wie meist, so sind auch hier die tiefen Hautfalten
(Achselhöhlen, große Labien, Analfalten) am meisten befallen; kein
Körperteil ist ganz frei. Auch die Nägel zeigen Risse, Längsstreifung
und Wucherungen des Nagelblattes, wodurch die freien Ränder ab¬
gehoben sind.
Mikroskopisch findet der Verfasser dieselben Merkmale wie in
den anderen Fällen: Der Pfropf besteht aus halb und ganz ver¬
hornten Lamellen, die häufige Zwischenräume zwischen sich lassen;
unter der Plaque Veränderung der normalen Hautstruktur. An der
Grenze zum Stratum corneum liegen jene merkwürdigen großen
runden Zellen mit körnigem, undeutlichem Protoplasma, kleinem Kern
und stark lichtbrechendem kontouriertem Rande, welche D. für Parasiten
(Psorospermien) hielt, die heute aber wohl allgemein als in Ver¬
hornung begriffene Epidermizellen aufgefaßt werden, die allmählich in
die geschilderten Schollen sich umwandeln. Ueber den Charakter der
erwähnten Lücken besteht noch keine Uebereinstimmung. Verfasser
hält sie für Entzündungsprodukte.
Die Therapie ist machtlos.
Militär-Sanitätswesen.
Ref.: Generaloberarzt Dr. M. Peltzer, Steglitz.
Einiges zur Marschfähigkeit. Von Hauptmann Geßner,
Regimentsarzt im 23. (schweizerischen) Infant. Regt. Schweizerische
Rundschau für Medizin 1910, Nr. 13.
Es scheint, daß es in der schweizerischen Armee nicht nur, wie
Geßner selbst zugiebt, mit der Marschtüchtigkeit, sondern auch mit
der Handhabung der Disziplin und des Gesundheitsdienstes, die jene
mitverbürgen, nicht zum Besten und jedenfalls noch nicht so bestellt
ist, wie wir es heut gewohnt sind. Wenigstens schließen wir das aus
den an sich im Allgemeinen durchaus sachgemäßen Vorschlägen, die
G. zur Hebung der Marschtüchtigkeit machen zu müssen glaubt und
die unseren Truppen- ebenso wie unseren Sanitätsoffizieren nachgerade
in Fleisch und Blut übergegangen sind, wobei wir allerdings hinzu¬
fügen müssen, daß wir uns der Zeit entsinnen, wo es auch bei uns
in mancher Beziehung noch nicht viel anders war. Auch bei uns hat
es mancher Arbeit bedurft, ehe wir, unterstützt durch die Erfahrungen
dreier Kriege, soweit kamen, wie wir heute sind. Standen aber bei
uns u. a. hauptsächlich Tradition und Vorurteil dem Fortschritt ent¬
gegen, so ist es in der Schweiz das Milizsystem. Jene waren zu über¬
winden — daß die Schweiz je zum stehenden Heer übergehen wird,
läßt sich nicht erwarten — und die Mängel, die dem Milizsystem nun
einmal anhaften, sind es, die Disziplin in unserem Sinne schwer auf-
kommen lassen. G. geht von den großen Unterschieden aus, die sich
in den „Wiederholungskursen“ der Jahre 1902—1908 in der Zahl der
bei der 11. und 12. Brigade Evakuierten (Marschunfähigen? Ref.) ergab:
bei der 11. Brigade 1902 und 1908 76 bezw. 78, bei der 12. 193 bezw.
245, und sieht einen der Gründe hierfür darin, daß Stadtbataillone im
Allgemeinen überhaupt weniger leistungsfähig sind als solche, die
sich vom Lande rekrutieren. Was soll man aber dazu sagen, wenn,
nach G., den schweizerischen Rekrutierungsbehörden bei der Auswahl
der Leute das eine Jahr möglichste Strenge, das andere möglichste
Nachsicht befohlen wird, weil die Effektivbestände zu klein sind? Daß
dabei und weil die Zeit für die ärztliche Untersuchung des Einzelnen
oft nur sehr kurz ist, oft recht minderwertiges Material eingestellt wird,
liegt auf der Hand. Schwierigkeiten für die Beurteilung ergaben (in
der Schweiz) zudem besonders der Plattfuß und der Kropf, und G.
weist bei Erwähnung dieser auf die auch bei uns nicht unbekannte
Tatsache hin, daß Plattfüßler und Kröpfler als freie Sportsleute oft
alles leisten, was man von ihnen verlangen kann, während sie als
Soldaten auf dem Marsche liegen bleiben. Die Erklärung hierfür
dürfte unschwer zu finden sein. Schwierigkeiten für die Beurteilung
Militärpflichtiger machen ferner Herzfehler und Herzgeräusche — wir
schicken zweifelhafte Fälle zur Beobachtung ins Lazarett, bevor end¬
gültig über sie entschieden wird, ob dies auch in der Schweiz ge¬
schieht, geht aus dem Aufsatz nicht hervor. G. wirft nun die Frage
auf, ob sich gegen die Schwächung der Marschfähigkeit durch diese
3 Fehler: Plattfuß, Kropf und Herzfehler, militärisch etwas tun läßt?
Was die letzteren betrifft, so zieht er hier besonders gegen das sport¬
liche Uebertrainieren schon vor der Einstellung, bezüglich der Ver¬
hütung des Plattfußes gegen unzweckmäßige Strümpfe und unzweck¬
mäßiges Schuhzeug zu Felde — auch bei uns ist lange um den Normal-
! (breiten) Stiefel gekämpft worden. Was dann über Marschhygiene
selbst zur Verhütung von Marschkrankheiten und übler Vorkommnisse
beim Marsch (Wundlaufen, Hitzschlag) sowie über die Psychologie
des Marsches gesagt wird, ist durchaus zutreffend, aber nicht neu.
Neu war uns, daß die schweizerischen Truppenführer beim Marsch an
bestimmte Stundenhalte (Halt nach 50 Minuten) gebunden zu sein
scheinen, daß der Mann „beim Fassen seines Schuhs in der Rekruten¬
schule am Einkleidungsort“ 10 Frcs. und eventuell, wenn diese absolut
nicht passen, später noch einmal 10 Frcs. zahlt, weil das „Zeughaus“
getragene Schuhe nicht zurücknimmt, und daß von „Hosenschonern“
die Rede ist, die, falsch gebunden, zur Entstehung von Sehnenscheiden¬
entzündungen beitragen können. Wir wünschen der Arbeit G’s. besten
Erfolg!
Varia.
Zur Prophylaxe des Puerperalfiebers. Von Pankow. Zentral¬
blatt für Gynäkologie 1910, Nr. 8, p. 273 ff.
Pankow berichtet über Mißerfolge, die er bei prophylaktischer
Injektion von Nukleinsäure erzielt hat. Diese waren aber außer-
I ordentlich schmerzhaft und zeitigten starke peritoneale Symptome, und
eine Vermehrung der Leukocyten blieb völlig aus.
Ebenfalls Mißerfolge traten nach Injektion von Meyers Anti¬
streptokokkenserum ein, das nicht imstande war, die Infektion der
Uterushöhle oder die Ausbreitung der Infektion zu beeinflussen.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Zur Behandlung der Blasenfistel. Von Burmeister. Zentral¬
blatt für Chirurgie 1910, Nr. 6, p. 195.
Bei Burmeister bewährte sich nach intravesikalen Operationen
und nach der Frey er sehen Prostatektomie das „Zukleben der Fistel“.
Ist die Blasenwunde soweit geschlossen, daß noch eine Nelaton-
sonde von etwa Nr. 10—12 Charriere den Wundkanal passiert, so
wird ein Katheter in die Harnröhre eingeführt, die Blase ausgespült
und entleert, die Umgebung der Fistel sorgfältig gereinigt und die
Haut (am besten durch einen warmen Luftstrom) getrocknet. Jetzt
wird die Fistel und Umgebung mit Wederkakeschem Dermagummit
eingepinselt und eine markstückgroße Scheibe Kautschukfolie darauf
gelegt und angepreßt. Dieses Verfahren wird 2—3 mal wiederholt;
dann wird nach Abtrocknung der Kautschukschicht ein Bäuschchen
Verbandmull, darüber eine dicke Lage Watte und schließlich eine
feste Verbandtour angelegt. Jetzt erst wird der Katheter aus der
Harnröhre entfernt. Die Heilung erfolgt in wenigen Tagen.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Ueber die Erfolge der radikalen operativen Therapie der
benignen Stenosen und der Magengeschwüre. Von Jedlicka.
Medizinische Blätter 1910, Nr. 4, p. 37ff.
Die benignen Stenosen usw. werden in 3 Gruppen eingeteilt:
I. Gruppe:
Benigne Geschwülste des Pylorus entzündlichen Ursprungs. Die
Ursache: uleus pylori oder antri pylori oder der Umgebung.
Therapie (in allen Fällen erfolgreich gewesen): Exstirpation des
Uleus mit Pylorektomie.
Gründe für diese Indikation.
1. Die Ulcera sind häufig die Basis eines Carcinoms.
2. Wiederherstellung annähernd normaler anatomischer Verhältnisse.
3. Die Resultate der Operation sind bezüglich der Gefahr als auch
der Dauer des definitiven Resultats besser als bei andern Operations¬
methoden.
II. Gruppe:
Vom Pylorus entfernte Ulcera, 2 Stadien:
a. hyperacide Form, Kombination des Geschwürs mit Pylorus-
sparmus und Hyperacidität.
Therapie: Exstirpation des spartischen Pylorus, Excision des Ge¬
schwürs.
b. Hypacide Form (sive indolente Form) ohne muskuläre
Stenose des Pylorus.
Therapie: Excision des Uleus.
270
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 17
III. Gruppe:
Pylorussparmus oder Gastrosparmus ohne Befund von Geschwüren.
Therapie: Bei gastralem Ursprung: Sphinkterektomie; bei reflek¬
torischem Ursprung, oder hervorgerufen durch andere Krankheiten wie
Wanderniere, Cholelithiasis usw. Konkurrenz der Spinkterektomie mit
Gastroenterostomie und interner Behandlung. Den Einwand, daß die
Magenrerektionen bei benignen Stenosen und bei Geschwüren ein sehr
gefährlicher Eingriff sei, wird durch die Statistik Jedlicka’s widerlegt.
Kurt Lipschitz, (Berlin).
Ueber Schmerzlinderung während der Geburt durch die
Stoeckel-Koblancksche Methode. Von Baum. Zentralblatt für
die gesamte Therapie 1910, Nr. 1, p. lff.
Die Stoeckelsche Methode ist folgendermaßen: Die Kreißende
muß sich mit stark gebeugten Ober- und Unterschenkeln und maximal
angezogenen Knieen auf die linke Seite legen, der Steiß muß mit dem
Bettrand abschneiden.
Damit die Kreißende möglichst wenig spürt, wird die Nadel
während einer Wehe durch die Haut in den Sakralkanal gestoßen und
zwar in das „schwarze Dreieck oberhalb der Gesäßfurche“. Nach der
Durchbohrung der Hiatusmembran muß das Pavillonende nach der
Analfurche etwas gesenkt werden.
Die Nadel muß bei mageren Frauen 4 1 2 ein, bei fetten 6 cm lang
sein, die Injektionsspritze ist am besten eine 10 ccm fassende Rekordspritze.
Die Injektionsflüssigkeit besteht aus
Novakain 0,15
Suprarenin 0,000325
Aqu. dest. ad 3,0
und wird aufgelöst in 30 ccm physiologischer Kochsalzlösung.
Die Kombination besteht nun in der Vereinigung der Sakralanästhesie
mit der Koblanckschen Kokainisierung der Nasenmuscheln.
Mit einem feinen, mit 5 Tropfen einer 20%igen Kakainlösung be¬
feuchteten Wattebäuschchen wird die untere Muschel und das Tuber¬
culum septi jederseits befeuchtet.
Beim Zusammenfassen der Vor- und Nachteile der Stoeckel-
Koblanckschen Methode kommt Verf. zu folgenden Resultaten:
1. Eine deutlich wahrnehmbare Schmerzbeeinflussung ist vorhanden.
2. Die Wirkungsdauer auf eine bis wenige Stunden beschränkt.
3. Eine Störung des physiologischen Geburtsverlaufes findet nicht
selten statt:
a. durch Verschlechterung der Uterusarbeit
(schwächere Wehen, längere Pausen);
b. durch erhebliche Abschwächung der Bauchpresse infolge
mangelnder Schmerzreflexwirkung.
4. Bei Idiosynkrasie der Mutter gegen Kokain können sehr unan¬
genehme Zustände entstehen.
5. Eine Störung des Geburtsverlaufes kann indirekt das Kind ge¬
fährden. Kurt Lipschitz, (Berlin).
Technische Neuerscheinungen.
Ueber Pasteurisierung von Säuglingsmilch.
Von Dr. med. H. Trautmann. (Umschau 1910, Nr. 1).
Der Hauptgrund für die Schwierigkeit, wirklich zuver¬
lässig zu pasteurisieren, ist darin zu erblicken, daß man
gemeinhin Heizquellen mit hoher Eigenwärme zur Er¬
zeugung und Einhaltung verhältnismäßig niederer Wärme¬
grade während einer längeren Dauer verwandt hat. Das
stellt naturgemäß hohe Ansprüche an die Sorgfalt des
Arbeitspersonals, um Ueberhitzung oder auch Unterer¬
wärmung der Milch zu verhüten. Ein weiterer Uebelstand
vieler bisherigen Pasteurisierverfahren ist der, daß allzu
sehr ein Zustand der Ruhe in Milch und Wärmwasser
besteht. Wer Bewegung in die trägen Massen zu bringen
wüßte, müßte seinen Zweck schneller und sicherer
erreichen.
Es ist dringend erwünscht, Säuglingsmilch nur in
trinkfertigen, leicht zu reinigenden Glasflaschen als Einzel¬
mahlzeiten zu bereiten. Die Flaschen sollen zweckmäßig
bei Beginn der Pasteurisierhandlung endgültig verschlossen
werden, um jede spätere Verunreinigung der Milch sicher
auszuschalten. Man muß darauf Bedacht nehmen, daß die
Heizquelle zur Verhütung des gefürchteten, mangelhaft er¬
hitzten Oberhäutchens die Flaschen nicht allein bis über
den Milchspiegel hinauf beeinflusse, sondern auch ihre
Köpfe und die Außenseite der Verschlüsse entkeime. Vor
allem aber bestand ein lebhaftes Bedürfnis nach einer Vor¬
kehrung, welche ihrer inneren Natur nach eine jeweilig
erwünschte, wirksame Temperatur gleichmäßig einzuhalten
gestattete und so eine Ueberhitzung oder Untererwärmung der
Flaschenmilch sicher ausschloß. Zugleich mußte diese Vor¬
kehrung leicht bedienbar und sicher zu beherrschen sein.
War es dann noch möglich, die Einrichtung einem größeren
oder kleineren Betriebsumfang anzupassen, so durfte man
j die wichtigsten Bedingungen als erfüllt betrachten.
Die große untere Trommel des neuen Apparates wird
für die Aufnahme der Milchflaschen verwandt. Die über
ihr aufgebaute kleinere Trommel dient als Wasserbehälter
bzw. Verdampfer. Beide Trommeln enthalten Heizvor¬
richtungen und Sprührohre. Durch Umschaltventil
können sie miteinander verbunden bzw. abgeschlossen
werden. An dem größeren Apparat ist weiter die An¬
ordnung eines Saug-Dampfstrahlgebläses getroffen, wodurch
es möglich ist, in einigen Minuten in beiden Apparaten eine
Luftverdünnung um 600 mm Quecksilber (entspr. etwa
160 mm positiven Druck) und mehr zu erzeugen. Diese
jeweilig gewünschte Herabsetzung des Luftdrucks ist im
Verdampfer ohne irgendwelche Schwierigkeit stets gleich¬
mäßig einzuhalten. Hierdurch wird der entsprechende
Siedepunkt des Wassers im oberen Behälter beliebig bis
hinunter zu 60° C herabgemindert. Der strömende Wasser¬
dampf tritt nun in den Hauptapparat über, umspült fort¬
während gleich warm sich erneuend, die ringsum abge-
schlosssenen Milchflaschen und bewirkt so die Erhitzung
und Entkeimung der Milch.
Für die Milchpasteurisierung sind wir an eine gewisse
Temperaturbreite gebunden, die sich aus der Ueberlegung
ergibt, die Erhitzung nicht unter der sicheren Ab¬
tötungstemperatur der fraglichen Bakterienwuchs-
formen in Milch und, zur Schonung gewisser Milchbe¬
standteile, möglichst wenig über dieser eintreten zu lassen.
Ich rechne daher praktisch mit einer Siedewärme der Milch
von 69—71° C.
In der Umprägung des Begriffes Pasteurisieren, wo¬
durch aus einer Erhitzung der Milch im Zustande der
Ruhe eine solche unter Bewegung der Flüssigkeit wurde,
liegt das grundsätzlich Neue und praktisch Wertvolle
des Verfahrens. Diese Siedewallung schädigt schon rein
mechanisch die Bakterienleiber. Weiter wird infolge der
durch sie erzeugten Bewegung in den Milchsäulen die Bildung
eines ruhigen Oberhäutchens während der Pasteurisation
verhindert. Namentlich aber können niedrigere Wärmegrade
als früher zur Verwendung kommen und gleichzeitig kann,
da ein beständiger Zustrom gleichwarmen Dampfes zu den
Flaschen den Temperaturausgleich beschleunigt, die Dauer
der Vorwärmung, wie die der eigentlichen Pasteurisation
verhältnismäßig verkürzt werden.
Das neue Verfahren ist in ausgedehnten Versuchs¬
reihen im Laboratorium wie in der Praxis geprüft, und hat
sich als durchaus zuverlässig erwiesen, ln mehreren Ver¬
suchen wurde die Beeinflussung der Erreger von Menschen-
und Rindertuberkulose durch das neue Verfahren studiert.
Während die tuberkelbazillenhaltige Milch vor der Behandlung
schon in kleinen Mengen bei Versuchstieren schwere
Tuberkulose hervorrief, blieben die zahlreichen mit der
pasteurisierten Milch geimpften Meerschweinchen ohne
jede Ausnahme völlig frei von tuberkulösen Veränderungen.
Die Tuberkelbazillen gelten als die widerständigsten
Vertreter von Bakterienwuchsformen. Was für sie zutrifft,
Nr. 17
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
271
darf auch für die Erreger von Diphtherie, Typhus und
andern Krankheiten, die gelegentlich in die Milch zu ge¬
langen vermögen, als gültig angenommen werden. Doch
sind auch nach dieser Richtung hin besondere Prüfungen
angestellt worden, indem Reinkulturen aller dieser Bakterien¬
arten der Einwirkung des Verfahrens ausgesetzt wurden.
Auch hier war der Erfolg ein durchschlagender. Bei
keiner der zahlreichen geprüften Reinkulturen konnten über¬
lebende Keime mehr nachgewiesen werden.
Wichtig ist noch bei jedem Erhitzungsverfahren, ob
es den reinen Naturgeschmack der rohen Milch
erhält oder vernichtet. Hinsichtlich des neuen Verfahrens
kann ich darüber berichten, daß Laien, wie auch ich selbst,
niemals einen Unterschied zwischen der behandelten Milch
und der rohen herausgeschmeckt haben. Immerhin gibt es
Milchzungen, die jede höhere Erwärmung der Milch erkennen.
Rosen.
Dr. Hentschel’s Inhalator.
D. R. O. M. 392288.
Dieser Apparat ermöglicht, die Inhalationen so zu ge¬
stalten, daß die zu inhalierenden Flüssigkeiten (Medikamente)
auf das Allerfeinste verteilt werden. Dieser Effekt wird
nicht durch Verdampfung erreicht, sondern auf kaltem
Wege. Durch eine besondere Einrichtung werden die
zunächst durch einen Zerstäuber in eine feine Sprühmasse
aufgelösten Flüssigkeiten derart behandelt, daß sie aufs
neue zerstäubt, besser atomisiert werden, und zwar so
radikal, daß sie sich in eine Art Nebel umwandeln. Etwa
trotzdem noch mitgeführte Wassertropfen werden selbst¬
tätig ausgeschieden, es bleibt also nur noch ein ganz
trockener, temperierter Nebel übrig, der so fein und leicht
ist, daß er in die feinsten Lungenbläschen und Kanälchen
dringt. Der Apparat ist leicht zu handhaben und jederzeit
gebrauchsfertig, deshalb kann er z. B. vom Asthmatiker
immer in der Tasche mitgeführt werden; es sind alle
Inhalationsflüssigkeiten anwendbar. Die Inhalationsflüssigkeit
wird durch einen Glastrichter in die Glaskugel eingefüllt,
und zwar soviel, daß das Saugrohr des Zerstäubers, nämlich
das freischwebende, nicht den Boden berührende Rohr etwa
5 mm in die Flüssigkeit hineinragt. Auf keinen Fall darf
der Zerstäuber, d. h. die beiden Glasröhren, ganz unter
Inhalationsflüssigkeit gesetzt werden. Nach dem Einfüllen
der Inhalationsflüssigkeit ist der Glastrichter aus der Düse
herauszunehmen und letztere wieder durch den Kork fest
zu verschließen; der Apparat wird durch fortwährendes
Drücken auf den mit einem Ventil versehenen Gummiball
in Tätigkeit gesetzt.
Wikö-Werke Dr. Hentschel, G.m.b.H. Rosen.
Bücherbesprechungen.
Jahrbuch der Schlesischen Bäder, Heil-, Pflege- und Kur¬
anstalten mit Anschluß von Oesterreich-Schlesien und Böhmen. Aus¬
gabe 1910. (Medizin. Verlag Alfred Pulvermacher & Co.,
Berlin W. 30).
Zur rechten Zeit ist auch in diesem Jahre unsere baineologische
Literatur durch das Erscheinen des bekannten und bewährten „Jahr¬
buches der Schlesischen Bäder“ bereichert worden. In durchaus objek¬
tiver Darstellung werden in diesem sorgfältig bearbeiteten und recht
ansprechend ausgestatteten Werk nicht nur die einzelnen Bäder und
Heilanstalten mit ihren angewandten Kur- und Heilmitteln sowie
Indikationen wissenschaftlich besprochen, sondern auch die neueste
Forschung der modernen Balneologie wird in diesem Buche durch
interessante Beiträge aus der Feder bekannter Baineologen, wie z. B.
Dr. Hirsch-Kudowa, Dr. Lachmann - Landeck usw., erschöpfend be¬
handelt.
Dieses Spezialwerk bietet somit nicht nur dem prakt. Arzt ein un¬
entbehrliches Nachschlagewerk, sondern auch der leidenden Mensch¬
heit ein vorzügliches Orientierungsmittel bei der Wahl des Kurortes
oder einer Heilanstalt.
Der Verlag ist somit seiner hohen Aufgabe, ein Werk zu schaffen,
welches ein Bindeglied im Verkehr zwischen dem Arzt und Patienten
darstellen soll, voll und ganz gerecht geworden. Moeller.
Allgemeines.
Der Reichsverband österreichischer Aerzteorganisationen
versendet folgende Mitteilung: „Das Präsidium des Reichsverbandes
ersucht alle Organisationen, ja jeden einzelnen Arzt, die bevorstehenden
Parlamentsferien dazu zu benutzen, die in der Heimat weilenden
Abgeordneten über die Forderungen der Aerzte an die Sozialversicherung
unter Darlegung der Gründe aufzuklären; ihnen insbesondere darzulegen,
daß die Erhöhung der Einkommensgrenze über 2400 K für ländliche
Verhältnisse zu hoch gegriffen ist; daß eine Erhöhung der Einkommens¬
grenze den Ruin zahlreicher praktischer Aerzte, die auf die freie Praxis
angewiesen sind, bedeutet, je höher die Einkommensgrenze bestimmt
wird, desto zahlreicheren Aerzten werden die Daseinsbedingungen ent¬
zogen, um so mehr, als es nicht möglich ist, daß jeder Arzt für den
Verlust an freier Praxis durch Erlangung einer Kassenarztstelle auch
nur teilweise entschädigt werde. Ferner wären die Abgeordneten von
den Aerzten ihres ständigen Wohnortes und ihres Wahlbezirkes darüber
aufzuklären, daß die Aerzte einer Versicherung auf Krankengeld und
Begräbniskosten allein in beliebiger Höhe und ohne jede Einkommens¬
grenze in registrierten Hilfskassen und Vereinen nicht das geringste
Hindernis entgegensetzen, sofern nur die Versicherung auf unentgeltliche
ärztliche Behandlung bei Personen mit einem Einkommen von über
2400 K ausgeschlossen wird. Mit dieser Art der Versicherung können
sich solche Personen nicht nur eine ausgibige Aushilfe für den
Krankheitsfall sichern, sondern sie sind dadurch auch in die Lage
versetzt, den Arzt ihres Vertrauens mit ihrer Behandlung zu betrauen.
Dem Einwande, daß die Krankenkontrolle dadurch nicht überflüssig
wird, ist damit zu begegnen, daß die Aerztekammern und die
Organisationen jederzeit bereit sein werden, mit den Kassenleitungen
wegen der ärztlichen Krankenkontrolle ein billiges Abkommen zu treffen.
Es wäre ferner mit Nachdruck zu betonen, daß es für eine Erhöhung
der Einkommensgrenze über 2400 K keine Kompensationen für die
Aerzte in der Sozialversicherung gibt, da die Einkommensgrenze von
2400 K den einzigen Schutz der praktischen Aerzte darstellt, während
alle anderen möglichen Kompensationen einzig und allein den Kranken¬
kassenärzten als solchen nützen können. Es ist auch nicht zu vergessen,
den Abgeordneten klar zu machen, daß die Aerzte bei maßloser
Erweiterung der Versicherung auf unentgeltliche ärztliche Behandlung
in ein Abhängigkeitsverhältnis von den Kassenleitungen geraten,
welches eines akademischen Standes unwürdig ist und demoralisierend
auf den Aerztestand wirken muß. Die Auflehnung der Aerzte gegen
die Erhöhung der Einkommensgrenze über 2400 K bedeutet eine
Mittelstandsbewegung der Aerzte gegen ihre systematische Proleta¬
risierung.
Das Deutsche Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen ver¬
anstaltet im Jahre 1910 zwei Studienreisen. Die Studienreise A, welche
am 19. Juni in Halle beginnt und am 1. Juli in Jena endigt, soll folgende
Orte berühren: Thale, Harzburg (Goslar), Ilsenburg, Wernigerode,
Schierke (Brocken), Ilmenau, Kissingen, Mergentheim, Rothenburg o.
Tauber, Friedrichroda, Tabarz, Bad Sulza, Kosen. Die Studienreise B,
welche am 1. September in Stuttgart beginnt und am 20. September
in Freiburg i. Baden endigt, soll folgende Orte berühren: Ragaz, Flims,
Thusis, Filisur, Davos, Vulpera-Tarasp-Schuls, St. Moritz, Pontresina,
Le Prese, Bellaggio, Lugano, Leuk, Montreux, Evian-les-Bains, Aix-les-
Bains, Bern. Der Preis für die Studienreise A wird ungefähr 175 M.,
! der für die Studienreise B ungefähr 375 M. betragen. Meldungen und
Anfragen sind an das Bureau des Zentralkomitees, Berlin W. 9, Potsdamer
Straße 134 b, zu richten.
Ein hundertjähriger Arzt. In der burgundischen Ortschaft
! Saint-Valerien feierte kürzlich Dr. Bouille seinen hundersten Geburtstag
1 und nahm an einem ihm zu Ehren gegebenen Festmahle fröhlich teil.
Die Mitglieder der Familie Bouille wirkten in St. Valerien seit fast
200 Jahren als Aerzte. Der rüstige Greis ist seit mehr als 60 Jahren
Bürgermeister seines Heimatsortes. Sein Sohn ist auch schon ein
Greis von fast 70 Jahren.
272
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 17
Dem Münchener Pettenkofer Hausverein hat der Prinzregent
von Bayern in Anerkennung seiner dem Dienste der Wissenschaft und
der Förderung der Volksbildung gewidmeten Bestrebungen eine
Spende von 5000 M. bewilligt. Das Pettenkofer-Haus soll ein Heim
für die wissenschaftlichen Vereine Münchens werden.
Die Tuberkulose-Aerzte-Versammlung, welche das Deutsche
Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose alljährlich veranstaltet,
wird in diesem Jahr am 6. und 7. Juni in Karlsruhe stattfinden. Es
wird damit ein Besuch von Baden-Baden und eine Besichtigung der
badischen Lungenheilstätten verbunden sein.
Der Verband der Deutschen Lebensversicherungsgesell¬
schaften hat eine neue Zeitschrift: „Die Blätter für Vertrauensärzte
der Lebensversicherung“ herausgegeben an Stelle der früheren Gothaer
Monatsblätter für die Vertrauensärzte. Es sollen darin Statistik,
Kasuistik für die Versicherungsmedizin etc. Platz finden.
Der II. internationale Kongreß für Kälte-Industrie wird in
Wien vom 6. bis 12. Oktober 1910 stattfinden. Es werden sechs
Kommissionen gebildet, die sich in Sektionen teilen und naturgemäß
auch Fragen aus dem Gebiete der Medizin behandeln. Die eigentlichen
Kongreßarbeiten werden in allgemeinen Versammlungen und Sitzungen
der Fachsektionen, in Exkursionen und Besichtigungen von Kälte-
Industrieanlagen vorgenommen. Das Generalsekretariat befindet sich
Wien I., Biberstraße 22.
Der 5. Jahresbericht des Henry Phipps-Institutes, welches sich
hauptsächlich der Tuberkulose-Forschung widmet, ist soeben erschienen.
Er enthält wiederum interessante Beiträge über Tuberkulose-Arbeiten.
Ende des redaktionellen Teiles.
Kleine Mitteilungen.
Bad Harzburg, Gebirgsluftkurort und Solbad. Unter diesem
Titel ist soeben vom Herzogi. Badekommissariat der diesjährige Führer
herausgegeben worden, der sich wie alljährlich wieder durch hervor¬
ragend hübsche Ausstattung vor seinesgleichen auszeichnet. Besonders
künstlerisch wirken die in Kupferstich-Art gehaltenen zahlreichen Bilder;
sie geben im Verein mit dem umfassenden Text einen anschaulichen
Begriff von dem lieblichen Badeort, der in glücklichem Gemisch mit
der herben Schönheit des Harzes alle Wahrzeichen des vornehmen
Kurortes und zeitgemäßen Solbades in sich vereint. Nachahmenswert
ist die streng durch das ganze Büchlein durchgeführte Ausmerzung der
Fremdwörter. Eine wertvolle Ergänzung des hübschen Führers bildet
das amtliche Wohnungsverzeichnis; es gibt Auskunft über sämtliche
Preise für Vor- und Nachsaison, sodaß jeder sich schon daheim ein
Bild machen kann, wie hoch die Kosten eines Kuraufenthaltes in
Harzburg sind. Beide Bücher werden an unsere Leser auf Wunsch
vom Herzoglichen Badekommissariat in Bad Harzburg sowie in Berlin
vom Internationalen öffentlichen Verkehrsbureau, Unter den Linden 14,
und der Buchhandlung Gsellius, Mohrenstraße 52, kostenfrei versandt
Der heutigen Nummer unserer Therapeutischen Rundschau liegt
ein Prospekt der Firma Heinrich Loewy, Berlin NW. betreffend
Operations- und Wochenbettbinde bei, worauf wir noch besonders
aufmerksam machen.
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Verantwortlich: Für den redaktionellen Teil: Prof. Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35. Für „Kleine Mitteilungen“ und den Inseratenteil: Max Munczinski, Berlin-Rixdorf.
Verlag: Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9. — Druck: Alliance, Druckerei- & Verlags-Cenfrale, G. m. b. H., Berlin O. 17, Warschauerstraße 34/36.
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Zweite Auflage. 8. Mit 2 Tafeln. 1907. 8 M.
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Vergleichend-biologische Studien und Gedanken
von Geh.-Rat Prof. Dr. D. von Hansemann.
1909. gr. 8. UM.
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Bremen.
Greiffenberg U.-M.
Halle (Saale).
Hamburg, B.-K. f. Staats¬
angestellte.
Hamm i. Westf.
Hanau, San.-V.
Hausen (Kr. Limb. a. L.).
Hockenheim, Ba.
Hohentengen (Wttbrg.).
Hüllhorst, Westf.
Itzstedt, i. Schl.-Holst.
Weisenau b. Mainz.
Weißenfels (Saale).
Wesseling, Rhprov.
Wessling (O.-Bay.).
Westd. Vers.-Kr. u. Unter.
stützungs-Zuschuss-Kasse
Köln a. Rh.
Wiesbaden.
Zingst, Pom.
Reedereien:
„Woermaun-Linie“
(Westafrika-Linie).
„Deutsch-Ostafrika-
Linie.“
Colditz i. S.
Diessen a. Ammersee.
Dresden.
Eberswalde i. Brdbg.
Ebingen, Wttbg. (Arztbez.
Frohnstetten-Heinstetten).
Ehrang (B. Trier) O.-K.-K.
Eimbeckhausen, Hann.
Erkelenz, Rbld.
Joachimsthal,
Kr. Angermünde.
Johannisburg, O.-Pr.-Kr,
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der Interessen der Deut¬
schen Betriebskranken¬
kassen (Rhein. - Westf.
Betr.-Krank.-K.-Verb.)
Sitz: Essen (Ruhr).
Kassel -Rothenditmold.
Kemel, H.-N.
Kirchberg-Jagst.
Klein-Auheim, Kr. Offb.
Köln a.Rh. Stadt-u. Landkr.
Köln-Deutz.
Köngen, Wttbg.
Königsberg i. Pr.
Kotzenau i. Schles.
Kupferhammer b.
Eberswalde.
Falkenberg bei Ahrens¬
felde.
Feilnbach (O.-B.)
Fiddichow i. Pomm.
Frankfurt a. M.
Frechen Bez. Köln a. Rh.
Druck: Alliance, Druckerei- & Verlags-Centrale, G. m. b. H., Berlin 0.17, Warschauerstraße 34/36.
Nr. 18. IV. Jahrgang.
1. Mai 1910.
Therapeutische Rundschau
Wochenschrift für die gesamte Therapie des praktischen Arztes.
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Redaktion: Zahnärzte Bernstein. Dallmann. Dr. Julius Misch, Müllcr:5tade. Max Schreiber.
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Zahnarzt Dr. Julius M i s ch, Berlin W. 30.
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Wochenschrift für die gesamte Therapie des praktischen Arztes.
Redaktion:
Professor Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5.
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Verlag und Expedition
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr 37.
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IV. Jahrgang. Berlin, 1. Mai 1910. Nr. 18.
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Originalieu:
Sjenowitsch - Kaschtschenko, Wilna: Neue
Wege in der Frage der Gewinnung von Heil- und
Schutzsera.
Inhalt:
Referate:
A. Moeller, Berlin: Lungenleiden
Kurt Lipschitz, Berlin: Varia .
281
284
Heinrich Goergens: Neue spezifische Mittel
bei der Behandlung der Tuberkulose.
276
Allgemeines:
ORIGINALIEN.
Neue Wege in der Frage der Gewinnung
von Heil- und Schutzsera.
Von Dr. B. A. Sjenowitsch-Kaschtschenko, Wilna.
Dem Andenken meines ersten
Lehrers in der Medizin, meines
teuren Vaters, gewidmei.
Seitdem Behring das antitoxische Diphterie-Heil-
serum entdeckt hat, bleibt die Aufmerksamkeit der Ge¬
lehrten der ganzen Welt dem Toxin und der Gewinnung
verschiedener antitoxischen Sera behufs Anwendung der¬
selben am erkrankten Menschen zugewandt. Zu Schutz¬
zwecken sucht man beim Menschen die Entwicklung von
Bakteriolysinen hervorzurufen. Trotzdem aber diese Me¬
thoden in einigen Fällen glänzende Resultate ergeben haben,
muß man zugeben, daß die aütitoxischen Sera in vielen
Fällen die auf dieselben gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt
haben, und daß die künstliche Erzeugung von spezifischer
Bakteriolyse im Körper des Menschen durch Impfungen nur
eine relative, aber keine absolute Immunität herbeiführt.
Wenn die Bakterien in unserem Körper auf einem rela¬
tiv kleinen Gebiet, wie es beispielsweise bei der Diphtherie
der Fall ist, hausen, vermag das antitoxische Serum seinen
Ruf vollkommen zu rechtfertigen; wenn aber eine fast
einen Quadratfaden betragende Fläche, wie es beispiels¬
weise bei der Cholera der Fall ist, eine Reinkultur von pa-
togenen Mikroorganismen darstellt, wenn eine ungeheure
Quantität freiwerdenden Antitoxins, welche durch die stei¬
gende Höhe des bakteriziden Titres des Serums sich pro¬
gressiv vergrössert, in das Blutbett gelangt, kann man
kaum auf die Zweckmäßigkeit der Anwendung des anti¬
toxischen Serums viel rechnen. Tatsächlich ist der Ver¬
such, solche Sera bei Abdominaltyphus, Cholera und Pest
anzuwenden, vollkommen mißlungen.
Etwas anders verhält es sich mit den Schutzimpfungen,
wenn auch hier die im Blut zur Entwicklung gelangten
Bakterioiysine nur eine relative Immunität schaffen. Eine
Erklärung dafür muß man in dem Umstande suchen, daß
die Bakterien, wie alle lebenden Wesen überhaupt, von
Disiti-estc
UNIVERSITY OF MICHIGAN
den Eigentümlichkeiten der Art abgesehen, auch rein in¬
dividuelle Eigentümlichkeiten besitzen. Mit diesen in¬
dividuellen Eigentümlichkeiten, die nur einzelnen Individuen
der einen oder der anderen Art innewohnen, muß man bei
der Bearbeitung der Kulturen mittelst hoher Temperatur
zum Zwecke der Abtötung derselben sehr häufig rechnen.
So werden wir beispielsweise, indem wir eine Typhus-
bazillen-Kultur innerhalb einer Stunde der Wirkung einer
Temperatur von 60 Grad Celsius aussetzen, in der Mehr¬
zahl der Fälle sämtliche Individuen abtöten. Ich sage „in
der Mehrzahl der Fälle“, weil die Kultur nach einer solchen
Erhitzung doch nicht steril ist, was darauf hinweist, daß
in der Kultur Individuen vorhanden sind, die gegenüber ge¬
wissen, für ihre Genossen tödlichen Momenten eine in¬
dividuelle Widerstandsfähigkeit besitzen.
Diese längst bekannte Tatsache muß man im weiteren
Sinne verstehen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die
Mikroorganismen den Bakteriolysinen gegenüber dieselbe
individuelle Widerstandsfähigkeit entfalten, wie gegenüber
der hohen Temperatur. Wenn man dies annimmt, kann
man sich leicht vorstellcn, daß in der Kultur einer gewissen
Bakterienart einzelne Individuen Vorkommen können, die
sich unter der Einwirkung der für sie spezifischen Bak¬
terioiysine von bestimmtem Titre nicht lösen; hat aber
dieser Titre die gewisse Grenze der individuellen Wider¬
standsfähigkeit der einzelnen Individuen überschritten, so
tritt Lösung der letzteren ein. Wenn in den Körper eine;
Menschen, der einen relativ hohen Titre besitzt, ein Virus
gelangt, dessen Individuen sich sämtlich in einem Serum
lösen, so bleibt er gesund; bleiben aber einige Individuen
von diesem Virus dem ihm innewohnenden bakteriziden
Titre gegenüber widerstandsfähig, so werden sie, indem
sie weitere Generationen ebensolcher widerstandsfähiger
Individuen erzeugen, eine Erkrankung hervorrufen. und
zwar aus dent Grunde, weil sie sich, während der Organis¬
mus seinen bakteriziden Titre steigern wird, in einer solchen
Quantität vermehren würden, daß sie bei der nachfolgenden
Bakteriolyse eine Endotoxinquantität liefern werden, die
schon zur Vergiftung des Organismus ausreicht. Solange
die Endotoxinbakterie nicht gelöst ist, bildet sie für den
Organismus keine Gefahr. Man kann sie mit einer giftigen
Nuß vergleichen, die in eine undurchdringliche Schale ein¬
geschlossen ist. Solche Nüsse kann man ohne jeglichen
VERSITY OF MICHIGAN
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
«* '
274
Schaden in beliebiger Quantität schlucken, man braucht sie
aber nur aufzuknacken, um eine Vergiftung herbeizuführen.
.Wir wollen uns dem Abdominaltyphus zuwenden als
einer Krankheit, die das soeben Ausgeführte am deutlich¬
sten erläutert. Die Typhusbazillen sind in den Körper eines
Menschen eingedrungen, dessen Organismus Bakterio-
lysine zu produzieren wohl imstande ist, dieselben in fer¬
tigem Zustande jedoch noch nicht besitzt. Die Bakterien
vermehren sich und zirkulieren frei im Blut, wobei sie in
sämtliche Gewebe und Drüsen eindringen. Inzwischen
macht der Organismus die Bakteriolysine mobil. Sie sind
bereits im Blut aufgetreten,vorläufig noch in geringer Quan¬
tität, und die am wenigsten widerstandsfähigen Bakterien¬
individuen sind ihnen zum Opfer gefallen. Das Endotoxin
ist in das Blutbett gelangt und beginnt nach und nach den
Organismus zu vergiften: es stellen sich prodromale Er¬
scheinungen ein. Mit jedem Tage steigt der bakterizide
Titre des Serums, und die Bakterien lösen sich in immer
größerer und größerer Quantität auf; dem entsprechend
steigt auch progressiv die Endotoxin-Quantität -'Chuess-
1 ich sammelt sich das Endotoxin in einer solchen Quan¬
tität an. daß dieselbe die Grenze der Erregbarkeit der
wärmeregulierenden Apparate des Organismus über¬
schreitet, und wir beobachten die erste Temperaturwelle.
Trotz der bereits zutage getretenen Tätigkeit der Bakterio¬
lysine zirkulieren die Bakterien noch in großer Quantität
im Blute. Das läßt sich dadurch beweisen, daß man durch
Beschickung von Galle mit Blut nach Cayser-Con-
radi in der ersten Woche des Typhus in 100 Prozent der
Fälle E b e r t h sehe Bazillen in Reinkultur züchten kann
(Mar x). Indem sie mit dem Blutstrom durch den ganzen
Organismus getragen werden, gelangen die Bakterien in die
Lymphdrüsen, bleiben hier wie die Fliegen im Spinngewebe
stecken, gehen zu Grunde, werden von den Bakteriolysinen
aufgelöst, und das frei gewordene Endotoxin reizt die
Drüsenzellen, indem es in denselben, je nach der Quantität,
in der es sich hier angesammelt hat, Erscheinungen von
Hypoplasie und Nekrose erzeugt. Während des Verdau-
ungsprozesses strebt das Blut zu den Verdauungsorganen
und bringt auch die Typhusbazillen mit; zahlreiche Darm-
Lymphdrüsen retinieren, dank der physiologischen Hyper¬
ämie, eine ungehure Quantität Bakterien, die in denselben
durch ihr Endotoxin diejenigen tiefen Veränderungen er¬
zeugen, die man bei Abdominaltyphus gewöhnlich be¬
obachtet. Die peristaltischen Bewegungen und die den
Darm passierenden Kotmassen traumatisieren unaufhörlich
die affizierten Stellen und erschweren noch mehr den Ver¬
lauf des pathologischen Prozesses. Es ist sehr wahr¬
scheinlich, daß auch die Verdauungsfermente der weiteren
Zerstörung der nekrotischen Teile samt der Saprophyten-
flora des Darmes Vorschub leisten. Das Endotoxin übt auf
die Darm-Lymphdrüsen keine elektive Wirkung aus. Es
affiziert die lymphoiden Elemente überhaupt; das wird da¬
durch bestätigt, daß in der Leber und in den Nieren bei
abdominaltyphösen Patienten häufig sogenannte typhöse
Lymphome Vorkommen. Ich beobachtete Fälle von Ab¬
dominaltyphus, in denen man Vergrößerung sämtlicher
der Palpation zugängigen Lymphdrüsen feststellen konnte;
Vergrößerung der Bronchial- und Retroperitonealdriisen,
sowie der Drüsen, die an der Wurzel der Pfortader liegen,
wie man sie bei der Sektion feststellt, ist keine große
Seltenheit. Die besonders schwer zutage tretende Affek-
tion der Dünndarmdrüsen muß auf deren physiologisch¬
anatomische Verhältnisse zurückgeführt werden. Würde
man gleich zu Beginn des Abdomidaltyphus irgendeine
oberflächlich liegende Lymphdrüse wählen, während des
ganzen Verlaufs des pathologischen Prozesses in dieser
Drüse eine gesteigerte Blutzufuhr erzeugen und sie durch
Massage traumatisieren, so hätten wir schließlich in dieser
Drüse sämtliche pathologischen Veränderungen erzeugt,
die denjenigen nahe sind, die gewöhnlich in den Mesen-
VERSI1
Nr. 18
terialdriisen beobachtet werden.
Nun möchte ich zur Temperaturkurve zurückkehren.
Mit derjenigen Quantität Endotoxin, welche die erste Tem¬
peraturwelle hervorgerufen hatte, ist der Organismus leicht
fertig geworden und hat dasselbe eliminiert; die wärme¬
regulierenden Apparate haben sich von der Wirkung des
Endotoxins erholt, und die Temperatur sank. Wenn aber
unter dem Einflüsse der immer zunehmenden Bakteriolyse
das Endotoxin sich in einer solchen Quantität ansammelt,
daß der Organismus nicht mehr imstande ist, dasselbe bis
zur Grenze zu eliminieren, die unterhalb des Reizungs¬
niveaus der wärmeregulierenden Apparate liegt, wenn
diese letzteren nicht mehr imstande sind, sich von der Wir¬
kung des Endotoxins zu erholen, so entsteht ein perma¬
nenter Reizungstyphus, die Periode des Kulminations¬
punktes der Krankheit (stadium fastigii).
Der Harn der Kranken muß in dieser Periode die
größte Quantität Endotoxin enthalten, und infolgedessen
muß seine Toxizität sehr groß sein. Hier drängt sich einem
ganz von selbst die Frage des Zusammenhangs zwischen
der Diazoreaktion und der Endotoxinmenge im Harn auf.
In diesem Krankheitsstadium gelingt es, mittelst Aussaat
aus dem Blute den E b e r t sehen Bazillus nur in einzelnen
Fällen zu züchten. Ob es davon abhängt, daß das Blut an
Bakterien ärmer geworden ist, deren Mehrzahl durch die
Bakteriolysine aufgelöst worden ist, oder davon, daß wir
zur Aussaat die Flüssigkeit nicht in einer für die Ver¬
dünnung der Bakteriolysine ausreichenden Quantität
nehmen, wird die Zukunft lehren. Im Stadium decrementi
sowohl wie im Genesungsstadium tritt bei den Patienten
relativ häufig Bakteriurie ein: Im Harn läßt sich der
Eberthsche Bazillus in ungeheuren Mengen nachweisen.
Unwillkürlich drängt sich einem hier die Frage auf, worauf
diese Bakteriurie zurückzuführen wäre. Die Temperatur¬
steigerung brachten wir mit dem Freiwerden des Endo¬
toxins in Zusammenhang; da aber die Temperatur jetzt fällt
oder bereits zur Norm zurückgekehrt ist, und sämtliche
Krankheitserscheinungen überhaupt abklingen, so hat die
Wirkung des Endotoxins folglich aufgehört. Vielleicht ist
dasselbe mit dem Antitoxin verbunden? Nein. Das Endo¬
toxin ist nicht vorhanden, weil die Wirkung der Bakterio¬
lysine aufgehört hat. Das wird dadurch bewiesen, daß im
Blut von Patienten, die Abdomidaltyphus überstanden
haben, Bakteriolysine nicht vorhanden sind. K o 11 e und
Hetsch äußern sich darüber in ihrem Lehrbuch ungefähr
folgendermaßen:
Nicht nur im Serum aktiv immunisierter Tiere, sondern
auch im Blutserum von Menschen, die kurz vorher Ab¬
domidaltyphus überstanden haben, gelinge es, das Vor¬
handensein von bedeutenden Mengen von bakteriziden Sub¬
stanzen nachzuweisen. Es sei jedoch merkwürdig, daß
diese Antikörper sehr bald nach ihrem Auftreten ver¬
schwinden, während im großen und ganzen eine dauernde,
häufig lebenslänglich anhaltende Immunität erzielt werde.
Die Ursachen dieser auffallenden Erscheinung seien vor¬
läufig noch unbekannt.
Diese Tatsache kann nur insofern auffallend erscheinen,
als es auffallend ist, daß ein Mensch mit kräftigen Zähnen
giftige Nüsse knackt und sich daran vergiftet, während ein
Zahnloser, der nicht imstande ist, sie zu knacken, gesund
bleibt. Im Blute der Genesenden sind doch aber nach den
Angaben derselben Autoren Bakteriolysjne, wenn auch
kurze Zeit, vorhanden, und nichtsdestoweniger geht die
Genesung vor sich; es entsteht augenscheinlich ein Wider¬
spruch mit dem oben ausgesprochenen Gedanken. Ich
glaube jedoch, daß hier kein Widerspruch, sondern nur ein
Mißverständnis vorliegt, welches dadurch entstanden ist,
daß die Autoren ungenügend analysierte Fälle ver¬
allgemeinert haben. Bakteriolysine müssen nicht im Blute
aller Genesenden, sondern nur bei manchen vorhanden sein,
/ERS
Nr. 18
THERAPFJ ITISCHF I?I JNDSGH AI I
97 r,
Bei der Genesung muß man zwei Eventualitäten unter¬
scheiden: erstens tritt die Genesung aus dem Grunde ein,
weil sämtliche Bakterien im Organismus durch die Bak-
teriolysine vernichtet sind und die Gewebe des Organismus
unter der Einwirkung des Endotoxins wesentlich nicht ge¬
litten haben. Im Blute von Genesenden würden nach
diesem Schema Bakteriolysine vorhanden sein, aber keine |
Bakteriurie auftreten, weil das Material für dieselbe ganz
vernichtet ist. Würde aber die Wirkung der Bakterio¬
lysine eher aufhören, als sämtliche Bakterien im Organis¬
mus durch dieselben vernichtet sind, so wird die zweite
Eventualität des Genesungsmechanismus vorliegen, die un¬
bedingt mit Bakteriurie und mit Fehlen von Bakteriolysincn
im Blutserum einhergeht. Infolgedessen ist die Frage von
großer Wichtigkeit, weshalb die Bakteriolysine ihre Tätig¬
keit eigentlich eingestellt haben.
Man kann sich schwer vorstellen, daß eine kompli¬
zierte und so elektive Erscheinung, wie die Bildung von
Schutzsubstanzen in unserem Organismus ohne Mitwirkung
des Nervensystems vor sich gehen könnte. Der Einfluß
des psychischen Traumas auf die Immunität bestätigt das
soeben Gesagte. So wie wir über ein ganzes System von
neuroglandulären Vorrichtungen verfügen, welche die Bil¬
dung und die Eliminierung der Verdauungssäfte verwalten
- Vorrichtungen, deren Arbeit nicht weniger kompliziert
und elektiv ist als die Bildung und die Ausscheidung von
Schutzsubstanzen, so müssen wir über ebensolche neuro-
zellulären Vorrichtungen verfügen, die die Bildung und die
Ausscheidung der Schutzsubstanzen verwalten. Wenn man
die Verdauungssäfte und die Bakteriolysine miteinander
vergleicht, so fällt einem unwillkürlich die Aehnlichkeit
zwischen denselben auf. Die Bildung eines inaktiven
Pepsinogens und Lab-Zymogens ist speziellen neuroglandu¬
lären Apparaten ebenso unterstellt, wie die Ausscheidung
der Salzsäure, die diese Substanzen aktiviert, sie in aktive
Substanzen in derselben Weise verwandelt, wie das
Komplement das inaktive Serum aktiviert. Sowie das
Pepsinogen sich nur dann in Eiweißlysin verwandelt, wenn
es sich mit der Salzsäure verbindet, so entfalten auch die
Bakteriolysine ihre Aktivität nur dann, wenn sich die
Ambozeptoren mit dem Komplement verbinden. Selbst die
auffällige Erscheinung der Abweisung des Komplements
findet gewissermaßen ein Analogon in der Wirkung des
Pepsins auf die Eiweißsubstanzen, Sowie die Ueberladung
des bakteriziden Serums mit Komplementen die Wirkung
der Bakteriolysine unterbricht, so unterbricht der Ueber-
schuß an Salzsäure, die das Pepsinogen aktiviert, die
Lösungsfähigkeit des Pepsins. Das Endotoxin schont, in¬
dem es den ganzen Organismus intoxiziert, auch denjenigen
uns vorläufig noch unbekannten neurozellulären Apparat
nicht, der die Bildung und die Eliminierung der Bakterio¬
lysine regiert, und ruft schließlich eine temporäre oder
lebenslängliche Paralyse desselben hervor. Sobald diese
Paralyse eingetreten ist, hat auch die Eliminierung der Bak¬
teriolysine aufgehört. Ist diese Paralyse eine temporäre,
rasch vorübergehende, so werden wir ein Typhusrezidiv
beobachten; verschwindet sie nach einigen Jahren, so
kann bei dem betreffenden Individuum eine sekundäre
Typhusinfektion zustande kommen; ist sie lebenslänglich
geblieben, so bleibt das betreffende Individuum lebensläng¬
lich gegen Abdominaltyphus immun.
Den Verlauf des Abdomidaltyphus stelle ich mir unter
folgendem groben, jedoch anschaulichen Schema vor. Es
befinden sich im Zimmer der Wirt und ein Arbeiter. Der
Wirt und das Zimmer personifizieren den Organismus, der
Arbeiter personifiziert die Bakteriolysine. Es gelangen in
das Zimmer von außen Gläschen mit toxischer Flüssigkeit
(Typhusbazillen). Der Wirt befiehlt dem Arbeiter, diese
Gläschen zu zerschlagen; der Arbeiter führt diesen Befehl
aus; die freiwerdende Flüssigkeit beginnt durch ihre
Dämpfe sowohl auf den einen wie auf den anderen schäd-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
lieh einzuwirken; da aber ein Teil der giftigen Dämpfe
(Endotoxine) durch das Fenster (Nieren) entweicht, fühlen
sich beide noch relativ wohl. Nun aber haben sich die
Dämpfe in einer solchen Menge angesammelt, daß sie selbst
durch die Lüftung nicht in genügender Quantität entfernt
werden können. Der Wirt und der Arbeiter werden durch
die Dämpfe immer mehr und mehr intoxiziert, und schlie߬
lich fällt letzterer bewußtlos zu Boden. Die Dämpfe sind
durch das Fenster entwichen, neue treten nicht auf, die Luft
hat sich gereinigt. Der weitere Verlauf der Dinge hängt
voll und ganz davon ab, ob der Arbeiter gestorben oder
nur schwer krank ist und sich erst nach einigen Jahren er¬
holen wird, oder ob er sich in einer Ohnmacht befindet. Die
übrigen Kombinationen, welche sich aus diesem Schema er¬
geben, liegen klar auf der Hand.
Eine Bestätigung der These, daß das Nichtvorhanden¬
sein von Bakteriolysinen im Blute als sicherer Index für
Immunität gegen Abdominaltyphus dienen kann, kann mau
unter anderem auch darin erblicken, daß kleine Kinder, bei
denen Bakteriolysine überhaupt nicht oder nur in schi-
schwachem Maße gebildet werden (I. A. Klimov'), nur
in einzelnen Ausnahmefällen an Typhus erkranken; durch
dieselbe Schwäche der Lysine läßt sich auch der ungewöhn¬
lich leichte Verlauf des Abdomidaltyphus bei Kindern er¬
klären, bei denen der Typhus bekanntlich ohne Geschwür¬
bildung verläuft. So wie mit den Jahren der gesamte Or¬
ganismus wächst und kräftig wird, so wachsen und ver-
vollkommenen sich auch die Funktionen seiner Organe. Die
sich mit den Jahren vervollkommnende Tätigkeit des
Magendarmapparates ist dafür eine besonders gute Illustra¬
tion. Bekanntlich stellen die Schwäche der Bakteriolysine
im Kindesalter sowie die Schwäche der Verdauungs-
fermente eine vorübergehende Erscheinung dar, die mit dem
Alter verschwindet, w'obei die Entwicklung der uns vor¬
läufig unbekannten, die Bakteriolyse regierenden Vor¬
richtungen sich sukzessive vollzieht. Jedoch so, wie in der
Entwicklung eines jeden Organs ein Stillstand eintreten
kann, so kann auch in der Entwicklung der die Bakterio¬
lyse regierenden Vorrichtung ein Stillstand eintreten. Ein
Mensch mit einer solchen Mißbildung wird gegen Endo¬
toxinbakterien absolut immun sein; er wird im wirklichen
Sinne des Wortes „bakteriologisch impotent“ sein. Wir
kennen solche Menschen: es sind dies die sogenannten
„Bazillenträger“.
Es versteht sich von selbst, daß auch die Cholera als
eine Krankheit, die durch eine Endotoxinvibrio bedingt
wird, nach demselben Schema verlaufen wird, wie wir es
für den Abdominaltyphus gezeichnet haben. Der Unter¬
schied wird sich nur in Details, nicht aber in den Grund¬
zügen bemerkbar machen. Die soeben erwähnten „Ba¬
zillenträger“, Personen, die unbedingte Immunität gegen
Endotoxinbakterien besitzen, sind auch das Ideal, nach dem
wir streben müssen. Wenn es uns gelingt, die Bakterio¬
lysine rechtzeitig zu binden, so erreichen wir rasche Ge¬
nesung des Kranken. Wenn es uns gelingt, im Organismus
des gesunden Menschen Antibakteriolysine in genügender
Quantität zu erzeugen, so schützen wir ihn sicher vor Ab¬
domidaltyphus und Cholera.
Zum Schluß möchte ich vorstehende Ausführungen
folgendermaßen formulieren:
1. Der Abdomidaltyphus ist eine Bakteriämie; das
klinische Bild und die pathologisch - anatomischen Ver¬
änderungen, die bei Abdomidaltyphus beobachtet werden,
sind das Resultat der Wirkung des unter dem Einilusse der
Bakteriolysine frei gewordenen Endotoxins einerseits auf
das Nervensystem überhaupt und auf die wärmeregulieren¬
den Apparate insbesondere, andererseits auf die Lymph-
drüsen des Körpers.
2. Bei der Genesung von Abdomidaltyphus kommen
zwei Eventualitäten in Betracht: erstens tritt die Genesung
aus dem Grunde ein, weil sämtliche Bakterien im Organis-
JNIVERSITY OF
276
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 18
raus durch die Bakteriolysine zerstört sind, zweitens weil
die Bakteriolysine ihre Tätigkeit vor der Vernichtung sämt¬
licher Bakterien eingestellt haben.
3. Die Baktcriolyse hört wahrscheinlich aus dem
Grunde auf, weil der neurozelluläre Apparat, der die Bil¬
dung und die Eliminierung der Bakteriolysine verwaltet,
infolge der übermäßigen Ansprüche, die an ihn gestellt
werden, sich erschöpft, weil seine Lebensfähigkeit nachläßt
und er vom Endotoxin eher als alle anderen Nervenapparate
des Organismus in Mitleidenschaft gezogen wird.
4. Das Fehlen von Bakteriolysinen im Blute ist eine
conditio sine qua non für die Immunität gegen Abdominal-
typhus.
5. Die Darmgeschwüre sind bei dem Abdominaltyphus
eine sekundäre Erscheinung.
6. Die sogenannten „Bazillenträger“ müssen als „bak¬
teriologisch impotente“ Individuen betrachtet werden.
7. Das Typhusheilserum muß antibakteriolytisch sein.
8. Zum Zwecke der Prophylaxis muß man im Blute
Antibakteriolysine zu erzeugen suchen.
9. Alles, was in bezug auf den Abdominaltyphus gesagt
ist, gilt auch für Cholera, die Punkte 1 und 5 ausgenommen.
Ich weiß, daß die von mir vorgeschlagene Theorie para¬
dox ist, daß sie den allgemein angenommenen Ansichten
und Thesen diametral entgegengesetzt ist und den gegen¬
wärtig in der Frage der Immunität bestehenden Strömungen
zuwiderläuft. Ich weiß sehr wohl, daß meine Theorie, um
angenommen werden zu können, durch Tatsachen bestätigt
werden muß. Leider wird weder meine Kraft noch mein
ganzes Leben ausreichen, um die hier erforderlichen Tat¬
sachen zu erlangen. Ich bin von der Richtigkeit meiner
Theorie und der von mir aufgestellten Thesen, sowie auch
davon fest überzeugt, daß sich unter den Kollegen die¬
jenigen kühnen Menschen finden werden, die sich nicht
fürchten, von einem durch das Licht der Namen von Auto¬
ritäten beleuchteten Wege abzugehen und meinen Weg zn
betreten.
Neue spezifische Mittel bei der Behandlung
der Tuberkulose.
Von Heinr. Qoergcns, cand, med.
Mit der Entdeckung des Tuberkulins durch R. Koch
im Jahre 1891 und der Erkenntnis, daß man mit Hilfe dieses
aus Tuberkelbazillen gewonnenen Produktes Meerschwein¬
chen gegen Tuberkulose immunisieren und bei tuberkulösen
Meerschweinchen das Fortschreiten des Krankheitsprozesses
verhindern könne, waren die Grundlagen zu einer ätio¬
logisch-spezifischen Therapiegeschaffen. Zwar zeitigte das
Tuberkulin dadurch, daß es von unkundigen Händen, ohne
bestimmte Indikationen und in großen und rasch steigenden
Dosen angewandt wurde, anfänglich, wenigstens in thera¬
peutischer Hinsicht, gewisse Mißerfolge, die die Tuberkel¬
behandlung bei Aerzten und Publikum in Verruf brachten.
Aber der unermüdlichen Arbeit Kochs und seiner Schüler
ist es gelungen, die spezifischen Mittel so zu verbessern,
daß heute eine zweckmäßige Tuberkulosebehandlung ohne
spezifische Mittel nicht mehr denkbar ist.
Koch selbst war bestrebt, neuere, bessere Präparate
darzustellen, welche wohl immunisierende, aber keine gif¬
tigen Eigenschaften besitzen. Auch andere Forscher ver¬
suchten mit Erfolg, durch Ausarbeitung exakter Dosierungs¬
methoden, geschickte Kombination der verschiedenen Im¬
munisierungsprodukte, bequeme Verordnungsformen die
spezifische Therapie immer mehr zu vervollkommnen. So
entstanden eine große Reihe von Tuberkelbazillen-Präpa-
raten und Behandlungsmethoden, von denen ich hier einige
ERSITY OF MICHIGAN
herausgreifen will, die besonders aussichtsvoll erscheinen
und klinische Erfolge aufzuweisen haben.
Für die Behandlung mit spezifischen
Mitteln ist es Vorbedingung, daß die Di¬
agnose absolut sicher gestellt ist. Dazu
haben wir neben den klinisch-diagnostischen Methoden in
der Tuberkulinprobe ein äußerst wichtiges Hilfsmittel. Die
diagnostische Verwendung des Tuberkulins stützt sich
bekanntlich auf die Tatsache, welche Koch bereits in
seinen ersten Mitteilungen über das Tuberkulin als wichtig
hervorhob, daß nämlich das Tuberkulin bei subkutaner Ein¬
verleibung für den gesunden Organismus eine völlig in¬
differente Substanz ist, während es für tuberkulös erkrankte
Individuen ein sehr starkes Gift bedeutet. In ausgedehnten
Versuchen wurde nun festgestellt, daß nicht nur Personen,
deren tuberkulöse Erkrankung durch die klinische Diagnose
erwiesen war, auf die subkutane Tuberkulinprobe durch
charakteristische Erscheinungen reagierten, sondern daß
das Tuberkulin auch bei der Konstatierung des Früh¬
stadiums der Tuberkulose und der latenten Tuberkulose,
in denen klinische Symptome meistens fehlen, als das zu¬
verlässigste diagnostische Hilfsmittel zu gelten hat. Gerade
für diese Fälle ist die Tuberkulinprobe von der größten Be¬
deutung, weil jede spezifische Behandlung um so mehr Aus¬
sicht auf Erfolg hat, je früher sie zur Anwendung kommt.
Auch wo es sich um die Differentialdiagnose zwischen
Tuberkulose, Lues und Karzinom handelt, bringt die Tuber¬
kuloseprobe die Entscheidung.
Zu diagnostischen Zwecken wird ausschließlich das
Alt-Tuberkulin Kochs (0,1—0,2 pro Dose) ver¬
wendet. Die Tuberkulinlösung wird mittels der Pravaz-
spritze subkutan eingespritzt, und zwar eignen sich solche
Patienten zur Tuberkulinprobe, bei denen seit einiger Zeit
Temperaturerhöhungen nicht vorgekommeri sind. Direkte
Kontraindikationen sind Fieber, kurz vorher gegangene Blu¬
tungen, Miliartuberkulose, Larynxtuberkulose, organische
Herzleiden, Nephritis, Diabetes, Arteriosklerose, Hysterie
und Epilepsie.
Die charakteristische Tuberkulinreaktion ist eine all¬
gemeine und örtliche. Es erhöht sich im Laufe von
24 Stunden die Temperatur um einen halben Grad und mehr;
es treten Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Schwäche,
Appetitlosigkeit, starkes Durstgefühl, Gefühl von Schwere
auf der Brust auf. Die örtlichen Erscheinungen äußern sich
dadurch, daß an erkrankten Lungenpartien, an denen bei
früheren Untersuchungen unreines Atmen durch die Aus¬
kultation gefunden wurde, auf der Höhe der Reaktion oder
am Morgen darauf deutliche, kleinblasige Rasselgeräusche
auftreten; der Husten und die Expektoration sind vermehrt,
im Sputum lassen sich Tuberkelbazillen nachweisen, die
vorher nicht zu finden waren.
Wenn auch unter allen spezifisch-diagnostischen Me¬
thoden die subkutane Injektion mit ihren unzweideutigen,
manifesten Erscheinungen noch immer die besten Resultate
gibt, so hat sie doch durch die große Zahl der einzelnen Be¬
obachtungen viele Unbequemlichkeiten im Gefolge und ist
namentlich für die ambulante Praxis sehr beschwerlich. Es
sind deshalb in den letzten Jahren neue Methoden von
größerer praktischer Durchführbarkeit ersonnen worden.
Die v. Pirquet sehe Reaktion besteht in der Ein¬
reibung einer 25 prozentigen Glyzerinlösung des Tuberkulins
in die vorher skarifizierte Epidermis, ähnlich wied die Impfung
mit Pockenlymphe. Daneben skarifiziert man, um die Reaktion
zu kontrollieren, eine Hautstelle, ohne Tuberkulin anzu¬
wenden. Es tritt nun an der Stelle der Tuberkulin¬
anwendung Rötung, Oedcm und eine Papel auf, welche
nach 5—6 Tagen wieder verschwindet. Diese Aeußerung
des Organismus ist auf Grund vieler Untersuchungen als
spezifische Reaktion anzusehen. Jedoch waren bei dieser
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nr. 18
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
277
wie bei den folgenden Reaktionen die Resultate sehr wech¬
selnd. Sie lassen sich bezüglich der v. Pirquet sehen
Reaktion folgendermaßen zusammenfassen: Je jünger
das Individuum, desto prompter tritt die Reaktion ein, und
zwar wurde sie bei Kindern, deren Au opsieTuberkulose
ergab, in 94 % der Fälle positiv gefunden. Bei Erwachse¬
nen erscheint die Reaktion in 10 % der Fälle auch bei
solchen, die nicht tuberkulös erkrankt sind. Der positive
Ausfall spricht daher keineswegs für das Vorhandensein
eines tätigen tuberkulösen Herdes.
Eine noch einfachere und wegen ihrer Harmlosigkeit
bequeme Anwendungsart der Tuberkulinprobe hat Moro
angegeben. Er läßt eine Salbe, die aus Tuberculinum
c o c h i i und Lanolinum anhydricum aa. 5 gr be¬
steht, auf der Brust oder dem Unterarm verreiben. Es
bilden sich, wenn die Probe positiv ist, einige kleine Rapeln,
die nach zwei Tagen wieder verschwinden. Der Vergleich
der Moro sehen mit anderen spezifischen Reaktionen ergab,
daß die Moro sehe Probe häufig negativ war, wenn die
anderen Proben positiv ausfielen. Die meisten Autoren
schreiben ihr daher nur einen Wert bei Kindern und in Ver¬
bindung mit anderen Methoden zu.
Nachdem durch die Beobachtungen v. Pirquets die
Ueberempfindlichkeit der Epidermis gegen das Tuberkulin
festgestellt worden war, kam Wolff-Eisner und un¬
abhängig von ihm C a 1 m e 11 e auf den Gedanken, auch die
Konjunktiva tuberkulöser Personen auf ihr Verhalten gegen
Tuberkulin zu prüfen. In der Tat erbrachten sie den Nach¬
weis, daß das Tuberkulin bei Tuberkulosekranken einen
heftigen Reiz auf die Konjunktivenschleimhaut ausübe,
während bei gesunden Personen dieser Reiz ausbleibt. Es
werden bei dieser sog. Ophtalmoreaktion 1—2
Tropfen Tuberkulinlösung auf die Bindehaut, möglichst in
die Nähe des inneren Augenwinkels gebracht. Nach 6—12
Stunden rötet sich die Schleimhaut in charakteristischer
Weise, wobei vielfach ein schleimig-fibrinöses Exsudat
sezerniert wird. Das andere Auge dient zur Kontrolle.
Ebenso wie bei der v. Pirquet sehen und Moro sehen
Reaktion sind Temperaturerhöhungen nur sehr selten be¬
obachtet worden; auch fehlen Herdreaktionen. Nach 36
bis 48 Stunden klingen die Erscheinungen ab.
Wolff-Eisne r rühmt seiner Methode auch eine
prognostische Bedeutung nach. Wenn der Kör¬
per noch im Vollbesitz seiner Abwehrmittel sei, trete die
Reaktion kräftig auf, während sie bei fortgeschrittenen
Fällen schwach ausfalle. Die starke Reaktion gebe dem¬
nach eine günstige, die schwache eine ungünstige Prognose.
Die Calmette-Wolff-Eisner sehe Probe wurde
anfänglich wegen ihrer relativ guten Resultate von der
Aerztewelt mit großem Enthusiasmus aufgenommen. Ihre
Nachprüfung ergab nach einem Resümee von M i t u 1 e s e n
84 % positive Reaktionen bei Tuberkulösen, 55 % bei Ver¬
dächtigen und 10—15 % bei anscheinend Gesunden. Jedoch
mehren sich in letzter Zeit die Stimmen gegen die Oph¬
talmoreaktion, weil sie in einigen Fällen schwere Kompli¬
kationen verursacht hat, wie chronische phlykter.uläre Kon¬
junktivitis, Iritis und Sklero-Keratitis. Mit Recht weist auch
Moeller in seinem „Lehrbuch der Lungentuberkulose“
darauf hin, daß, wenn nach Angabe der Autoren die Oph-
talmoprobe bei Augenaffektionen lieber unterbleibe, die Ver¬
breitung der Augenkrankheiten, an denen nach einer Sta¬
tistik zwei Drittel aller Großstadtmenschen leiden, die
Ophtalmoreaktion den größten Schwierigkeiten begegne.
Um diesen aus dem Wege zu gehen, benutzte
Moeller die Schleimhaut des Pharynx oder der Nase zu
diagnostischen Zwecken. Er nennt sein Verfahren Rhino-
d i a g n o s t i k. Er bringt einen Tropfen einer 2 prozentigen
Tuberkulinlösung auf die untere Muschel und in den mitt¬
leren Nasengang und verreibt ihn mittels eines Wattebäusch-
b>ryiu£EU vy-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
chens mit der Pinzette; zuweilen ließ er auch einen mit
Tuberkulin getränkten Gazestreifen 10—15 Minuten lang
liegen, wodurch die positive Reaktion noch deutlicher zum
Vorschein kommt. Letztere zeigt sich durch eine starke
Rötung und folgende Exsudation, welche wegen der ständig
durch die Nase passierenden Luft allmählich zu einer Borke
eintrocknet, die nach drei Tagen abfällt.
Wenn das Verfahren auch kein vollwertiger Ersatz der
subkutanen Methode ist, so läßt es sich besonders leicht
bei Personen durchführen, die vor der Injektion ängstlich
sind.
Ebenso wie die Diagnose, hat auch die Behand¬
lung der Tuberkulose durch die Einführung
spezifischer Mittel große Fortschritte ge¬
macht. Die Tuberkulinschäden, die durch die Mobili¬
sierung des Bazillus eine Verschlimmerung des Leidens her-
vorrufen sollten, kommen jetzt bei sachgemäßer Durch¬
führung der Kur überhaupt nicht mehr vor. Bekanntlich
gibt es zwei Wege, um dem Organismus im Kampfe um
dieTuberke bazi len und ihre Toxine zu unterstützendender
aktiven und den der passiven Immunisierung. Letz¬
tere besteht darin, daß man schon fertige spezifische
Schutzstoffe antitoxischer, bakteriolytischer und aggluti¬
nierender Art mittels Injektion oder Transfusion von Blut
oder Blutserum dem Körper zuführt. Dasselbe erhält mau
von Tieren, die einer methodischen Impfung mit den
Tuberkelbazillen unterzogen worden sind (Serothera¬
pie). Bei der aktiven Immunisierung werden dem Or¬
ganismus geringe Mengen von Tuberkelbazillen oder
Toxinen verabreicht, um ihn dadurch zur selbsttäti-
g e n Bildung von Antikörpern zu veranlassen (Bakterio-
t h e r a p i e).
Das bekannteste Mittel der Serotherapie ist das von
Maragliano hergestellte Heilserum, das besonders in
Italien sehr große Anwendung findet. Es wird subkutan
injeziert, bei Nichtfiebernden in der ersten Woche jeden
zweiten Tag 1 cm 3 , in der zweiten Woche täglich 1cm“,
in der dritten Woche täglich 2 cm 3 . Bei höher Fiebernden
beginnt M a r g 1 i a n o sofort mit höheren Dosen, und zwar
mit 10 cm 3 . Die Behandlung dauert mehrere Monate. Der
Erfinder will 80 % seiner Kranken mit dem Mittel geheilt
haben. Andere Aerzte bestätigen seine Erfolge. Jedoch
sprechen sich viele Autoren sehr ungünstig über das
Mittel aus.
Großes Interesse bringt man in letzter Zeit dem Serum
Marmoreks entgegen, von dem besonders eine sinn¬
reiche Kombination mit polyvalentem Streptokokkenserum
Aufmerksamkeit verdient. Das Serum wird von Tieren ge¬
nommen, denen ein Toxin von Tuberkelbazillen zugeführt
wurde, die auf einem speziellen leukotoxischen Serum und
Leberextrakt gewachsen sind. Die Kombination mit
Streptokokkenserum stützt sich auf die Beobachtung, daß
einige Krankheiten die Entwicklung der Tuberkulose be¬
günstigen, andere sie erschweren. So stehen die Strepto¬
kokken in einem gewissen Antagonismus zu den Tuberkel¬
bazillen und verhindern beim Zusammenbringen das Auf¬
kommen virulenter Tuberkelbazillen. Da das Serum, sub¬
kutan eingespritzt, eine starke lokale Reaktion zur Folge
hatte, hat Marmorek mit Erfolg die rektale Anwendung
versucht. Die klinischen Ergebnisse waren, besonders bei
der chirurgischen und dir Okulartuberkulose sehr befriedi¬
gend, weniger dagegen bei der Lungentuberkulose. Ma¬
ragliano sowie Marmorek heben die absolute Un¬
schädlichkeit ihrer Mittel hervor. Marx und R u p p e I
behaupten, daß die mit den Sera erzielten Erfolge haupt¬
sächlich auf das in ihnen enthaltene Tuberkulin zurückzu¬
führen seien.
Größere Erfolge als die Sero- hat die Bakteriotherapie
aufzuweisen. Unter allen spezifischen Mitteln gegen Tuber¬
kulose steht das Koch sehe Tuberkulin mit seinen
UNIVERSITY OF MICHIGAN
278
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 18
Verbesserungen noch immer an erster Stelle. Wir unter¬
scheiden zwei Arten von Tuberkulin, das Alt- und das
Neutuberkulin. Ersteres ist im wesentlichen eine
einiache, filtrierte Bouillon, in der der Tuberkelbazillus ge¬
wachsen ist; sie enthält also dielöslichenProdukte
des Bazillenleibes. Das Neutuberkulin umfaßt eine Gruppe
von Präparaten, die alle das gemeinsam haben, daß sie
außer den löslichen Produkten die Sub¬
stanzen des Bazille nleibes in einer resorbier¬
baren Form enthalten. Außer diesem Koch sehen exi¬
stieren noch eine Unzahl von anderen Autoren hergestellter
Tuberkuline, deren einige noch unten näher besprochen
werden sollen.
Obwohl man die Fehler der Anfangsperiode der Tuber¬
kulinbehandlung verlernt hat und sich allgemein anerkann¬
te Grundsätze herausgebildet haben, so wogt über ge¬
wisse Fragen der Tuberkulintherapie der Streit der Mei¬
nungen noch unentschieden hin und her. Vor allem sind
es folgende Fragen, mit denen sich die neuere Literatur
beschäftigt: Wer soll behandelt werden und
wer nicht? Welches ist das beste Präparat?
Welches ist diezweckmäßigste Art des
Applikationsweges? In welchen Dosen und
Intervallen soll das Tuberkulin dar¬
gereicht werden?
Ueberhaupt Abstand nehmen soll man von einer Tuber¬
kulinkur in denjenigen Fällen; in welchen die Tuberkulose
mit anderen Krankheiten kompliziert ist. Vor allem darf,
wenn neben der Lungenerkrankung eine organische Herz¬
krankheit, Diabetes und Nephritis besteht, an eine Tuber¬
kulinkur nicht gedacht werden. Auch bei Hysterie, Neur¬
asthenie und Epilepsie sehe man von der spezifischen Be¬
handlung, da die Erfolge recht zweifelhaft sind, lieber ab.
Dagegen bildet Hämoptoe, Fieber, Menstruation nur eine
zeitweise Kontraindikation. Auch während der Gravidität
kann die Behandlung weitergeführt werden und ist sogar
nach Petruschky sehr geeignet, die Indikation zur Ein¬
leitung des künstlichen Abortus wesentlich einschränken.
Die günstigsten Chancen haben zweifellos die Patienten,
bei denen die Krankheit erst begonnen hat, die vielleicht
noch keine klinischen Symptome, wohl aber eine positive
Tuberkulinreaktion zeigen. Diese können nahezu mit
Sicherheit von ihren Beschwerden befreit werden. Be¬
sonders dankbare Fälle sind auch die lavierten Tuber¬
kulosen der weiblichen Patienten im Pubertätsalter, die
sich unter Klagen von Nervosität, Magenbeschwerden,
Bleichsucht und Blutarmut verbergen. Bei einer zweiten
Gruppe von Kranken, bei denen geringe lokale Veränderun¬
gen, wie Spitzenkatarrhe, geringfügige Infiltrate und bazil¬
lärer Auswurf bestehen, kann die Kur eine bedeutende Bes¬
serung oder Heilung bringen. Rasselgeräusche, Husten,
Auswurf können gänzlich verschwinden. Hoffnungslos sind
nur die Fälle des dritten Stadiums. Es muß betont werden,
daß, bevor man mit einer Tuberkulinkur beginnt, auch bei
leichteren Fällen man durch Allgemeinbehandlung die
Körperkräfte zu heben sucht.
Was nun die Wahl eines Präparates angeht, so lassen
sich hierüber nur Ratschläge ganz allgemeiner Natur er¬
teilen, weil die Diskussion über -die Leistungsfähigkeit der
einzelnen Präparate noch lange nicht geschlossen ist.
Die Initialstadien der Tuberkulose werden wohl am
besten und zweckmäßigsten der Behandlung mit dem
Koch sehen Alttuberkulin unterworfen; für vorgeschrit¬
tene Fälle und solche von mehr chronischem Charakter,
namentlich auch für diejenigen, bei denen das Alttuberkulin
schlecht vertragen wird und jede Injektion eine stärkere
oder schwächere Reaktion (Fieber, Seitenstechen, Husten
und kollapsartige Anfälle) hervorruft, ist die Behandlung
mit einem andeien Tuberkulinpräparat zu empfehlen.
Koch stellte das Neutuberkulin (Tuberkelbazillen-
Emulsion) her, das weniger toxische Eigenschaften besitzt
und nicht die erwähnten Reaktionen verursacht. Ueber
das Neutuberkulin liegen bereits Berichte einer Reihe von
Autoren vor, die alle darin übereinstimmen, daß sie bei
Lungentuberkulose sehr günstige Resul¬
tate erzielt haben, dagegen niemals störende
Nebenwirkungen, wie sie beim Alttuberkulin Vor¬
kommen können, beobachtet haben. Ganz besonders wert¬
voll für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Neu¬
tuberkulins sind die Erfolge, dieDoutrelepont.Napp
und G rouve n bei Lupus, v. Hippel und seine Schüler
bei Iristuberkulose erzielt haben. Die Einwirkung
des spezifischen Mittels war hier so deutlich zu beobachten,
daß nach dem Urteile dieser Autoren das Neutuberkulin
eines der hervorragendsten Mittel zur Bekämpfung der
Hauttuberkulose ist, wenn es auch nicht imstande ist, eine
radikale und definitive Heilung zu ermöglichen. Koch
selbst hat sich wiederholt dahin ausgesprochen, daß der
Tuberkelbazillenemulsion vor allen andern Präparaten der
Vorzug zu geben ist, da in diesem Präparate alle Bestand¬
teile der Tuberkelbazillen enthalten sind, und daher von der
therapeutischen Verwendung desselben zu erwarten ist,
daß es eine Immunität gegen den Tuberkelbazillus selbst
und gegen das Tuberkulin auszulösen vermag. Das Neu¬
tuberkulin hat nach den neuesten Erfahrungen den Nachteil,
daß die Injektion namentlich in größeren Dosen schmerz¬
haft ist und Infiltrate entstehen.
Die Frage, welches von den beiden Präparaten das
bessere ist, ist zurzeit noch ungelöst, da für beide Autori¬
täten von gleicher Bedeutung eintreten. Während man
dem Neutuberkulin eine größere immunisierende und ent-
fiebernde Kraft zuschreibt, will man anderseits die im Alt¬
tuberkulin enthaltenen löslichen Produkte nicht gerne
missen. Da ferner die Immunisierung stets streng spe¬
zifisch zu sein pflegt, bis zu dein Grade, daß, wenn man ein
Tier oder einen Menschen zum Beispiel gegen Alttuberkulin
immunisiert hat, das Tier oder der Mensch nicht notwendig
auch gegen Neutuberkulin immun ist, so schlagen aus diesen
Erwägungen heraus verschiedene Autoren eine kombinierte
Behandlung mit beiden Tuberkulinen vor. Joch mann
schließt an eine Behandlung mit Alttuber¬
kulin eine solche mit Neutuberkulin an.
Citron geht den umgekehrten Weg. Er be¬
ginnt die Behandlung mit sensibilisierter Bazillenemulsion,
bis er unter möglichster Vermeidung von Fieberreaktionen
Dosen von 0,1 bis 1,0 cm 3 erreicht hat, fährt dann mit ein¬
facher Bazillenemulsion fort in Dosen von 0,1 cm 3 , und ver¬
abreicht zum Schluß der Kur noch einige Monate hindurch
in Abständen von 4 Wochen Injektionen von Alttuberkulin,
eine Methode, die an der zweiten Medizinischen Klinik der
Charite in Berlin mit großem Erfolg geübt wird.
Durch diese Art der aufeinanderfolgenden Behandlung
mit verschiedenen Tuberkulinen wird aber nicht nur die
schon an und für sich langwierige Tuberkulinkur noch ver¬
längert, sondern ein Teil der mit dem zuerst angewandten
Mittel erreichten Immunität geht wieder verloren. Infolge¬
dessen kam Wolf-Eisner auf den Gedanken, das so¬
genannte Mischt uberkuli n*), bestehend aus Alt- und
Neutuberkulin, herzustellen. Er schreibt darüber in seinem
„Handbuch der Serotherapie und experimentellen The¬
rapie“: „Da die Kombination von Alt- und Neutuberkulin
keinerlei Gefahren setzt und eine große Reihe von Autoren
vom Alttuberkulin, andere vom Neutuberkulin große Erfolge
*) Zu beziehen durch die Kaiser Friedrich-Apotheke,
Berlin NW. 6.
Nr. 18
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
279
erwarten, so besteht kein Qrund, nicht in der geeigneten
Weise die beiden Präparate zu kombinieren. Ich habe
mit der Kombination von Alt- und Neutuberkulin sehr be¬
friedigende Resultate erzielt. Ich gehe dabei in der Weise
vor, daß ich z. B. 1 / 20 mg mit % cm 3 der Verdünnung
2:200 000 von Neutuberkulin kombiniere und im wesent¬
lichen mich sonst an die S a h 1 i sehen Prinzipien halte.“ Ob
das Präparat besondere Vorzüge vor anderen hat, ist noch
nicht genügend klinisch erprobt.
Eine sinnreiche Kombination der Sero-
und Bakteriotherapie stellt die von Fritz
Meyer und Ruppel erfundene sensibilisierte
Bazillenemu lsio n**) dar. Meyer entnahm Tieren,
die einer leichten Tuberkuloseinfekion unterworfen, geheilt
waren und nachweisbare Schutzstoffe erzeugt hatten, Blut¬
serum. Die im Serum enthaltenen Schutzstoffe wurden
durch ein besonderes Verfahren auf die Tuberkelbazillen
selbst fixiert und zu einer Emulsion mi 40 % Glyzerin und
etwas Karbolsäure verarbeitet. Durch die Bindung der
Schutzstoffe an die Bazillenleiber wurde einerseits die un¬
angenehme Nebenwirkungen erzeugende Serumflüssigkeit
beseitigt, anderseits durch die Wirkung der Schutzstoffe die
Giftigkeit der Bazillenleiber herabgesetzt. Die Resultate,
die Meyer, C i t r o n u. a. mit der sensibilisierten
Bazillenemulsion besonders bezüglich des Ausbleibens
schädlicher Reaktionen erzielt haben, sind derartig günstig,
daß das neue Präparat zur therapeutischen Verwendung
empfohlen werden kann.
Von einem ganz neuen Prinzip geht Karl Spengler
aus. Der Sitz der tuberkulösen Immunkörper sei haupt¬
sächlich nicht das Serum, sondern die roten Blutkörperchen,
von denen aus sie in kleinen Quantitäten sowohl in das
Serum, wie in die Leukozyten übergehen, weswegen die
Immunisierung nicht eine humorale, sondern eine zellular- .
humorale ist. Der gesunde Mensch ist tuberkulose-immun;
seine Blutzellen enthalten eine große Menge der Immun-
Immunkörpern bringt nach Spengler Heilung in Initial¬
körper, die ihn vor der Reininfektion schützen. Wenn aus
verschiedenen Ursachen die Konstitution des Blutes oder
der hämatopoetischen Organe angegriffen wird, vermindern
sich die tuberkulösen Immunkörper, und es kann eine neue
Ansteckung stattfinden. Die tuberkulösen Immunkörper
der tuberkulösen Tiere können in reinem Zustande durch
chemische Vorgänge festgestellt und beim Menschen zur
Immunisierung verwendet werden. Die Behandlung mit
InimunekörpernbringtnachSp ngler klin.Heilung.inlnitia.-
und nicht vorgeschrittenen Fällen. Zur Charakterisierung
der Leistungsfähigkeit mögen folgende Urteile anderer
Aerzte dienen. Während Herzberg von der raschen
Heilwirkung des Mittels, namentlich in schweren Fällen,
geradezu verblüfft war und berichtet, daß Kranke mit vor¬
geschrittener Lungentuberkulose, mit positivem Bazillen¬
befund und Schweißen nach 14—16 Einspritzungen bazillen¬
frei, schweißfrei und hustenfrei, mit Gewichtszunahme und
allerbestem Wohlbefinden als geheilt entlassen werden
konnten, erklärt Kraft, bei 18 Fällen so ungünstige Re¬
sultate gehabt zu haben, daß er es für gewissenlos halte,
wenn er weiter damit arbeiten würde.
Um der durch die spezifische Behandlung in den Hinter¬
grund gedrängten arzneilichen Therapie wieder zu ihrem
Recht zu verhelfen, kombinierten einige Autoren das
Tuberkulin mit den besonders bei der Symptomen-
behandlung wirkungsvollen Arzneimitteln Kreosot,
Arsen und Chinin. Die Arsen-Tuberkulin-Behandlung
wird von Friedmann, Sobatta Cyhulsky und
Mendel empfohlen. Es soll durch die Kombinierung dieser
zwei Stoffe die entzündliche Reaktion und die Abkapselung
gefördert werden. Dazu kommt noch der günstige Einfluß
**) Zu beziehen durch die Höchster Farbwerke,
Höchst a. M.
des Arsens auf Appetit und Allgemeinbefinden und die toni-
sierende Wirkung. Das Tuberkulin erfüllt außer seinen spe¬
zifischen Eigenschaften nach den Anschauungen der Ehr¬
lich sehen Chemotherapie den Zweck, das Arsen an die
erkrankten Stellen hinzutransportieren. Die Chinin-'I'uber-
kulinpräparate (Tuberkinin) wirken insbesondere bei fieber¬
hafter Tuberkulose sehr günstig und werden von Orhan-
B e y und Karo neuerdings empfohlen.
M o e 11 e r ging in einer zweckmäßigen Kombination
verschiedener Tuberkuline und Arzneimittel noch einen
Schritt weiter. Er verordnet eine Komposition von
Tuberkulinemulsion,Thimotheinundamei-
sen saurem Kalzium. Die Ameisensäure, /deren
Heilwirkung bei tuberkulöser Gelenkentzündung bekannt ist,
hat eine exzitierende Wirkung bei Erschöpfungszuständen.
Das Kalzium wurde hinzugefügt, weil bei Tuberkulösen
eine Verarmung des Körpers an Kalksalzen eintritt. Dem
Calcium formic. wird auch eine Erhöhung der Fibrin¬
bildung zugeschrieben, wodurch an den in Heilung begriffe¬
nen Körperstellen ein ausgiebigeres und widerstandsfähi¬
ges Narbengewebe erzeugt wird. Bei dem Zusatz von
Thimotein ließ sich M o e 11 e r von folgendem Gedanken-
gang leiten: Er stellte durch umfangreiche Versuche fest,
daß sich nicht nur durch die Tuberkelbazillen des typus
humanus und ihre Produkte selbst, sondern auch durch
Präparate von ihnen verwandten Arten, z. B. Vogel-,
Fisch- und Blindschleichentuberkelbazillen, der menschliche
Körper immunisieren lasse. Ebenso war dies möglich
mittels der neben den eigentlichen Tuberkelbazillen beim
Menschen vorkommenden Pseudotuberkelbazillen, die sich
durch Säurefestigkeit charakterisieren. M o e 11 e r und
Klemperer fanden, daß die Einverleibung der von
ersterem entdeckten säurefesten Bakterien (Thimothee-
Grasbazillen-M o e 11 e r) einen abschwächenden und hem¬
menden Einfluß auf die tuberkulöse Infektion bei Versuch¬
tieren ausübte und einen Schutz gegen dieselbe gewährte.
Das Thimothein hat außerdem noch den Vorteil, die Giftig¬
keit der Tuberkelbazillenemulsion, mit der es kombiniert
ist, herabzusetzen. Die Behandlung mit einfacher Bazillen¬
emulsion wurde oft durch Ueberempfindlichkeit des be¬
handelten Organismus gestört, welche sich selbst bei gleich-
bleibenden Dosen durch eine hohe Temperatursteigerung
äußerte. Bei der mit Thimothein kombinierten Emulsion
war die eintretende Allgemeinreaktion eine viel mildere.
Moeller schlug auch eine neue und prak¬
tische Art des Applikationsweges vor. Wenn
auch die subkutane Injektion, wie sie bei den bisher er¬
wähnten Tuberkulinen mit Ausnahme der beiden letzten im
Gebrauch ist, noch immer als die zuverlässigste Methode
anzusehen ist, so hat sie dennoch manche Unannehmlich¬
keiten. Bei empfindlichen Personen bewirkt die Schmerz¬
haftigkeit des Einstichs, die Infiltrate, die sich zuweilen
bilden, Schädlichkeiten, die zwar nicht die geringste Be¬
deutung haben, einen solchen Horror, daß die Vornahme der
Tuberkulininjektion einfach unmöglich ist. Dazu kommen
noch Schwierigkeiten, wie die lokale Entfernung des Wohn¬
sitzes der Kranken vom behandelnden Arzt, und die Kosten
der Injektionen, die immer vom Arzt selbst vorgenommen
werden müssen. Für solche Fälle hat Moeller versucht,
das Tuberkulin auf andere Weise dem Organismus einzu¬
verleiben. Es kamen Applikationen per Inhalationen
und per Magenda r mkanal in Betracht. Die In¬
halation ergab zwar positive Erfolge in dem Sinne, daß sie
die typische Störung des Allgemeinbefindens hervorrief,
hatte aber den großen Nachteil, daß eine exakte und in¬
dividuelle Dosierung, wie es gerade das Tuberkulin er¬
fordert, vollständig ausgeschlossen war.
Moeller und Calmette fanden weiter, daß
Meerschweinchen bei stomachaler Einver-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
JNIVE
280
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 18
1 e i b u n g typische Reaktionen ebenso häufig | Kur schon mit 0,1 mg und steigen bis 1,0 gr. Schloss-
zeigen, wie bei subkutaner Injektion. Die mann, Bauer, Engel und Neum ann werden noch
ersten Versuche, die Mo eil er beim Menschen anstellte, viel höhere Dosen an, bei Säuglingen bis zu 20,0 cm 3 Alt-
indem er den Patienten einige Milligramm Tuberkulin zu tuberkulin. Während Koch Reaktionen wünscht Und ver-
Getränkcn zusetzte, schlugen gänzlich fehl. Um die spe- langt, daß mit derjenigen Dosis begonnen wird, die bei der
zifische Wirkung des Tuberkulins zu Heilzwecken für den diagnostischen Injektion eine deutliche Reaktion gegeben
Körper verwendbar zu machen, muß nämlich verhütet hat, vermeiden W r i g h t und Sahli mit peinlicher Vor-
\yerden, daß der Magensaft auf das Tuberkulin ein wirkt, sicht Reaktionen. Wie überall, so liegt auch hier der
Deshalb verordnete M o e 11 e r das T u b e r o i d , wie er sicherste und zweckmäßigste Weg in der Mitte. Es muß
seine Komposition nannte, in Q e I o d u r a t k a p s e I n , d i e aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß sich ein
vom Magensaft nicht aufgelöst werden und bestimmtes Schema für die Tuberkulinbehandlung nicht auf-
erst im Darm voll und ganz zur Resorption kommen. Die stellen läßt, weder in Hinsicht auf die Auswahl der Fälle,
Tuberoidkapseln sind leicht und angenehm zu noch auf die Dosierung. Die T u b e r k u I i n behänd-
nehmen und werden ohne besondere Reaktion vertragen.
Besonders für die Kinderpraxis sind sie sehr zu empfehlen.
Sie sind in folgender kombinierten Dosis hergestellt:
Tuberkelbazillenemulsion 0,0002 cm 1
( = Tuberkelbazillensubstanz: 0,001mg)
Thimothein 0,0001 ein'
Calc. formie. 0,01 gr.“)
Zu Beginn der Kur ist nach der Angabe des Autors an
jedem zweiten Tag eine Kapsel, nach 2—3 Wochen täglich
eine Kapsel zu nehmen. Doch muß die Kur, wie überhaupt
die Tuberkulinbehandlung, von Fall zu Fall individualisiert
werden. Durch gleichzeitige Verordnung von hygienisch¬
diätetischen Maßnahmen ist das Allgemeinbefinden und das
Körpergewicht zu heben. M o e 11 e r empfiehlt die Dar¬
reichung von Tuberoid besonders bei Kindern mit geschlos¬
sener Drüsentuberkulose (Skrophulose), bei den Anfangs¬
stadien der lavierten Tuberkulose, die besonders bei weib¬
lichen Patienten im Pubertätsalter vorkommt und nur durch
die Tuberkulinprobe festgestellt werden kann, sowie bei
tuberkulösen Schwangeren, die sehr empfindlich gegen die
Injektionen sind. Die Erfolge der Tuberoidtherapie bei
diesen Kranken waren hervorragend; der Husten ver¬
schwand, der Nachtschweiß ließ nach, das Sputum wurde
locker und serös, Allgemeinbefinden, Appetit und Körper¬
gewicht hoben sich. Fiebernde wurden durch Darreichung
von Tuberoid öfter entfiebert, Nichtfiebernde erzielten
schnellere Resultate. Meine eigenen Versuche mit
Tuberoid, die noch nicht abgeschlossen sind, brachten ein
sehr günstiges Ergebnis. Bei einer 16 jährigen Kranken, die
bei der ersten Untersuchung deutliches kleinblasiges Ras¬
seln über der linken Lungenspitze zeigte, war schon nach
einer 14 tägigen Tuberoidkur nur mehr unreines Atmen zu
hören. Das Körpergewicht hatte sich wesentlich erhöht,
das subjektive Wohlbefinden war merklich gestiegen. Die
prompten Erfolge, die die Tuberiodtherapie bisher aufzu¬
weisen hat, in Verbindung mit der bequemen Verordnungs¬
form werden ihr sicherlich zahlreiche Freunde erwerben.
Mit der stomachalen Verabreichung des Tuberkulins
haben auch andere Autoren, wie Mit u lesen, Frei¬
mut h, Krause, Köhler, letzterer in 42 Fällen, unter
denen viele relativ vorgeschrittene waren, sehr gute Er¬
folge gesehen, während sich Sokolowski scharf dagegen
ausspricht. Statt der stomachen wählen andere Aerzte, wie
Calmette und Marmorek die rektale Beibringung
des'Tuberkulins des Serums mittels Klystieren. Bequemer
sind die L i 11 a u e rschen Tuberkulinsupposito-
r i e.n , die loakle und allgemeine Reaktion, jedoch weniger
intensiv als bei subkutaner Einverleibung hervorrufen.
Was .die Dosierung angeht, so stehen sich da die An¬
sichten verschiedener Forscher scharf gegenüber. Auf der
einen Seite arbeiten Sahli und W r i g h t mit den mini¬
malsten Dosen von 0,001 mg und weniger und steigen
höchstens bis zu einer Enddosis von 0,01—0,05 mg, auf
der anderen Seite beginnen Koch und seine Schüler die
’*) Zu beziehen durch die Schweizer Apotheke Berlin,
Friedrichstr. 173.
lung muß genau individualisiert und nach
dem jeweiligen Verlaufe der Krankheit al¬
te r i e r t werden.
Im allgemeinen verfahren die meisten Autoren nach
folgenden Grundsätzen: Schwache Reaktionen sind nicht
als schädlich anzusehen, starke Reaktionen sind nach Mög¬
lichkeit zu vermeiden. Jede Reaktion muß erst abklingen,
bevor man weiter Tuberkulin gibt. Man beginne die K llr in
der Regel mit Injektionen von 0,1 mg Tuberkulin und steigere
die Dosen nach dem Verhalten der Körpertemperatur, des All¬
gemeinbefindens und des Gewichtes. Bei schlechtem Ver¬
halten bleibe man bei derselben Dosis oder gehe sogar her¬
unter, bei gutem steige man in geringem Maße, und zwar
jeden dritten oder vierten Tag mit 0,1 -0,2 mg, später,
wenn keine erheblichen Reaktionen eintreten, mit 0,5—1
Milligramm. Das Intervall von 3—4 Tagen ist nötig, um
dem Organismus Zeit und Ruhe zur Bildung der Schutz¬
stoffe zu lassen. Denn man muß immer vor Augen haben,
daß dasTuberkulin selbst kein Schutzstoff ist, s,onder;n nur den
Körper anregen soll, solche zu bilden. Es gilt nicht für rat¬
sam, dieselbe Dosis häufig hintereinander zu geben, da hier¬
durch leicht eine Ueberempfindlichkeit hervorgerufen wird,
die sich in starken Reaktionen äußert. Die Behandlung mit
Alt- oder Neutuberkulin erstreckt sich über 5—7 Monate
und kann als beendet angesehen werden, wenn der Patient
eine Dosis von 0,5 cm 3 ohne besondere Reaktion mehrmals
vertragen hat. Um die Reaktionen zu kontrollieren, wird
am Tage nach der Einspritzung die Temperatur zweistündig
gemessen, an den anderen Tagen zweimal. Wöchentlich
wird durch Wägung das Körpergewicht festgestellt. Es
empfiehlt sich, am Tage nach jeder Injektion sorgfältig zu
auskultieren. Haben die katarrhalischen Symptome stark
zugenommen, so wartet man zur Vermeidung einer Re¬
aktion mit der nächsten Injektion einige Tage.
Petruschky hat darauf hingewiesen, daß man die
Patienten immer bei einer gewissen Immunität halten solle,
und empfiehlt zu diesem Zweck eine sogen. Etappen¬
kur, die mehrmals unterbrochen und nach 3—7 Monaten
mit der Dosis wieder begonnen wird, mit der man am
Schluß der letzten Etappe aufgehört hat. Er steigt aber
höchstens bis 1,0 cm 3 Alttuberkulin.
Bei der Durchführung einer Tuberkulinkur fragt sich
nun: Welche Kriterien haben wir für ihren
Erfolg? Die Versuche, biologische Kriterien zu
schaffen, sind bisher ohne Erfolg geblieben. W r i g h t
glaubt ein solches in der Bestimmung des Opsoninen
Index gefunden zu haben. Er ging dabei von der Be¬
obachtung aus, daß die Fähigekit einer Gruppe von Leuko¬
zyten, der sogen. Phagozyten, Bakterien in sich aufzu¬
nehmen und zu vernichten, bei dem Blute Tuberkulöser sehr
herabgesetzt sei, im Laufe der Tuberkulinbehandlung zu¬
erst sich noch weiter vermindere, dann aber durch die Ver¬
mehrung der sogen. Opsonine steige. Er zählt nun
genau die von einer bestimmten Anzahl Phagozyten ver¬
zehrten Bakterien, vergleicht die phagozytische Fähigkeit
des normalen und des kranken Serums und nennt das Ver-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nr. 18
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
281
hältnis beider zueinander den opsoninen Index. Durch
regelmäßige Kontrolle und Aufzeichnung desselben erhält er
die opsonine Kurve, deren gleichmäßiges
AnsteigenihmeinKriteriumfürdieRichtig-
keitder durch geführten Tuberkulinkur ist.
Aber abgesehen davon, daß die theoretische Erklärung der
Opsonine noch völlig im Dunkeln liegt, da wir bisher von
ihnen nur wissen, daß es die Phagozytose befördernde Sub¬
stanzen sind, hat auch die nach dem opsoninen Index ge¬
leitete Kur mit geringsten Tuberkulindosen praktisch nicht
so viel geleistet, daß sie den 'Vorzug vor anderen verdiente.
Auch würde die Bestimmung des opsoninen Index in der
Praxis wegen ihrer schwierigen Ausführung unmöglich sein.
Biologische Kriterien besitzen wir nicht. Das Kri¬
terium, das wir besitzen, und über dessen
Bedeutung kein Zweifel bestehen kan n, ist
die klinische Besserung: Gewichtzunahme, Besse¬
rung des lokalen Befundes, Fieberabnahme.
Von Zweiflern der Tuberkulintherapie wird manchmal
der Einwurf gemacht, ob die klinische Besserung nicht
eine Folge der hygienisch - diätetischen - hydriatischen
Kur, die immer mit der spezifischen zu verbinden
ist, zuzuschreiben sei. Nun haben aber exakte vergleichende
Versuche bei Tausenden von Patienten, die mit und ohne
Tuberkulin behandelt worden waren, eklatant erwiesen, daß
kombinierte allgemeinspezifische Behandlung weit bessere
Resultate erzielt. So berichtet Moeller, daß er
bei Kranken des 1. Stadiums bei der kom¬
binierten ambulanten Behandlung 59%, bei
der Behandlung ohne Tuberkulin nur 28,1 %
Heilungen erreicht hat. Die entsprechen¬
den Zahlen bei Patienten des 2. Stadiums
sind: Behandlung mit Tuberkulin 2 8,9%,
ohne Tuberkulin 0% Heilungen. Kranke des
3. Stadiums konnten weder mit noch ohne Tuberkulin ge¬
heilt werden.
Eine andere Frage, ob sich die spe¬
zifische Behandlung nicht nur in einer An¬
stalt, sondern auch in der ambulanten
Praxis durchführen läßt, muß nach den heutigen
Erfahrungen und bei Öen bequemen und exakt dosierten
Präparaten unbedingt mit „Ja“ beantwortet
werden. Nach M o e 11 e r s Angabe besteht zwischen der
kombinierten Allgemein - Tuberkulinbehandlung in einem
Sanatorium und in der ambulanten Praxis ein Unterschied
von 1 % zugunsten der ersteren. M i t u 1 e s c u empfiehlt,
in Sanatorien sofort mit der spezifischen Behandlung zu be¬
ginnen, in der ambulanten Praxis zuerst die passiven Mittel
der Serotherapie anzuwenden, dann, nachdem sich der Or¬
ganismus mehr tonifiziert hat und die Tendenz zur Hyper¬
sensibilität geringer geworden ist, mit Tuberkulin-
darreichung auf digestivem Wege fortzufahren und schlie߬
lich zur subkutanen Behandlung überzugehen.
Jedenfalls kann nach dem Urteile der meisten und be¬
deutendsten Autoren die spezifische Therapie unbedenklich
jedem Arzt aufs wärmste empfohlen werden, der sich mit
ihren Vorteilen und Gefahren theoretisch und praktisch ge¬
nügend vertraut gemacht hat.
Literaturverzeichnis :
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Wolff-Eisner, Handbuch der Serotherapie und experimen¬
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Berliner Klinische Wochenschrift 1908. Nr. 17
Möller, Ueber interne Anwendung von Tuberkulin und luber-
kulinähnlichen Präparaten, Münch, med. Wochenschrift 1908,
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handlung der Tuberkulose, Berl. Klin. Wochenschrift 1909
Nr. 32 und 33.
Sokolowsky, Diagnose und Therapie der beginnenden Lun¬
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vom klinischen Standpunkte aus dargestellt. Berl. klin.
Wochenschrift 1909, Nr. 42 u. 43.
John ii. Volhard, Ueber Tuberkulinbehandlung in der Praxis.
Münch, med. Wochenschrift 1908, Nr. 47.
Rothschild, Ueber Mischtuberkulin (Polygene Bazillenemul¬
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N e u m a n n , Tuberkulosebehandlung mit grossen Tuberkulin¬
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Berl. Klin. Wochenschrift, 1909, Nr. 51.
REFERATE.
Lungenkrankheiten.
Referent: Prof. Dr. A. Moeller, Spezialarzt für Lungenleiden,
Berlin.
1. Einige klinische Beobachtungen über die Bedeutung der
Kutanreaktion, besonders beim chirurgischen Material. Von Prof.
Papa i' v anno n. Deutsche mediz. Presse 1910, Nr. 6.
2. Der Tuberkelbazillennachweis mittelst Antiformin und seine
Verwendung für die histologische Diagnose der Tuberkulose. Von
Prof. Merkel. Münchener mediz. Wochenschrift, 1910, Nr. 13.
3. Ueber I.-K. Von Dr. Wallenstein. Berl. Klin. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 14.
4. Beitrag zur Behandlung mit I.-K. Von K. Kerle, Berlin.
Klinische Wochenschrift, 1910, Nr. 4.
5. Ueber Diät bei Erkrankungen der oberen Luftwege, die mit
Fieber und Dyspnoe verbunden sind. Von Dr. Blumenfeld,
Wiesboden. Deutsche Aerzte-Zeitung, 1910, Nr. 7.
6. Zwei Fäfile von Aktinomykose der Lungen. Von Dr.
A 1 k s n e. Deutsche Aerzte-Zeitung, 1910, Nr. 6 u. 7.
7. Die Tuberkulose - Assanierung Berlins. Von Prof. Kayser-
1 i n g. Halbmonatsschrift für soziale Hygiene und Medizin, 1910,
Nr. 10 u. 11.
8. Die Verbreitung der Tuberkulose durch den Phthisiker. Von
Dr. S a n der, St. Blasien.
1. Verf. zieht bezüglich der Konjunktival- und Kutanreaktion
bei den an Tuberkulose in den verschiedenen Stadien Leidenden
folgende Schlüsse:
I. Beim klinisch zwar sicheren, aber noch nicht vorgeschritte¬
nen Stadium der Tuberkulose, d. i. bei den Fällen des ersten Sta¬
diums, tritt fast ohne Ausnahme eine Konjunktivalreaktiion durch
die Methode Wolff-Eisner, sowie durch die v. Pirquets
eine Kutanreaktion ein. Es erscheinen diese Reaktionen jedoch
schnell und regelmässig und verschwinden ohne etwas besonderes
Charakteristisches.
II. Es existiert kein sichtbarer Unterschied zwischen beiden
Methoden der Reaktion, aber scheinbar überragt die Konjunktival-
reaktion die Kutanreaktio,n bezüglich der Intensität, da sie inner¬
halb 24 Stunden zur Entwicklung kommt, ihren Höhepunkt am
2. Tag erreicht und am 3. oder 4. Tage zurücktritt. Nicht selten
hat die Konjunktivitis zur Folge mit Eitersekretion, Lichtscheu,
Anschwellung der Drüsen und ein Brennen.
II. Im zweiten Stadium der Tuberkulose scheint die Kutan¬
reaktion die überwiegende zu sein. Indessen ist die Differenz
UNIVERSITY C
HIGAN
;282
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 18
der Zahl der Fälle unbedeutend und bei zwei Drittelten aller Fälle
sind die Reaktionen positiv.
IV. Bei den Tuberkulosekranken im dritten Stadium ist die
Reaktion in fast allen Fällen negativ; sollte in sehr geringen Aus-
nahmefäken eine Reaktion eintreten, so wird sie immer minimal
und zweifelhaft sein.
2. Merkel führt aus, wie die durch seine Untersuchungen
festgestellte Tatsache, dass sich nicht nur frische Gewebe, sondern
auch die in Alkohol, Kaiserling-Gemisch, Formol - Miil’er - Lösung
fixierten Organstricke, ja sogar die bereits eingebetteten Gewebe¬
stücke mittels der Antiforminme'.ihode noch mit grösserer Sicher¬
heit auf Tuberkelbazillen untersuchen lassen; es ergibt sich somit
eine weitere, praktisch ausserordentlich wichtige Anwendungs-
weise des Antiformins für die Diagnose der Tuberkulose.
3. Verf. hat in allen Fällen, die dem II. Stadium angehören,
zu Beginn der Kur eine prompte antitoxische Wirkung konstatieren
können, die sich in erster Linie durch den Temperaturabfall
äusserte und bei weiterer Behandlung — eine zweifellose Besse¬
rung in allen Beziehungen: völlige oder fast völlige Entfiebe¬
rung, Gewichtszunahme, freies Atmen, Hebung des subjektiven
Besindens, Spulumverminderung und Verringerung der Tuberkel¬
bazillen, zweifellose und rasche Besserung des objektiven Be¬
fundes. Viele Patienten, die mit I.-K. behandelt wurden, sind
völlig entfiebert und vorläufig von Tuberkelbazillcn befreit.
Dabei muss hier ganz besonders auf das entschiedenste betont
werden, dass alle Patienten in der Stadt wohnen, einige unter
sehr ungünstigen Verhältnissen leben und dabei nicht die Mög¬
lichkeit haben, ihre Arbeit aufzugeben. Einige sehr vorgeschrit¬
tene Fälle mit hektischem Fieber sind, trotz ihres schwersten
Zustandes, auf dem Wege der langsamen Besserung. Ob das
i.-K. bei latenter Tuberkulose als Diagnostikern dienen kann, ist
vorläufig nicht zu beurteilen. Stichreaktionen hat er nie be¬
obachtet; dagegen bat er 3 mal bei klinisch absolut tuberkulose¬
freien Patienten, die erblich belastet waren, eine zweifellose
Temperatursteigerung und allgemeines Unbehagen 2—3 Tage
nach der ersten I.-K.-Injektion (0,2 der 7. Verdünnung) be¬
obachtet.
Ist I.-K. polyvalent?
Auf Grund seiner entfiebernden Wirkung in schwersten Fäl¬
len von Lungentuberkulose, wo eine Mischinfektion keinem
Zweifel unterliegt möchte Verf. diese Frage bejahen; dann hat
Verf. oft die Beobachtung gemacht, dass nach I.-K.-Injektionen
deutliche Reaktionen (Schmerzen, Schwellungen) an denjenigen
Stellen auitreten, wo früher ein eitriger Prozess vorhanden war.
4. Verf. kommt zu folgendem Resultat: 11 schwere, pro¬
gnostisch ungünstige Lungentuberkulosen blieben ungebessert;
bei 22 schweren und mittelschweren Fällen waren die Behand¬
lungserfolge nicht günstiger, als sie ohne I.-K. zu erwarten
waren. 2 leichte Tuberkulosen wurden anscheinend sehr gün¬
stig beeinflusst. Schädigungen, Reaktionen, Beeinflussung von
Kehlkopftuberkulosen wurden nicht beobachtet.
Das I.-K. leistet bei schweren Lungentuberkulosen nichts;
ob leichtere Formen beeinflusst werden, müssen wir dänin-
gestellt sein lassen.
5. Blumenfeld stellt folgende Grundsätze, deren Be¬
folgung sich ihm bei. der Ernährung von Kranken mit Fieber und
Dyspnoe sowie gleichzeitiger Dysphagie bewährt haben, im fol¬
genden auf:
I. Die Eiweissmenge soll bei mittlerem Ernährungszustände
im allgemeinen 120 g möglichst nicht unterschreiten.
II. Von den stickstolffreien Nahrungsmitteln sind die leicht
resorbierbaren Kohlehydrate zum Teil aus theoretischen
Gründen, besonders aber, weil sie leicht einzuführen sind,
zu bevorzugen.
UI. Die leimgebenden Substanzen stellen neben den schlei¬
migen Nahrungsmitteln ein vorzügliches Mittel dar, um die
Nahrungsaufnahme, besonders auch bei Dyspnoe und
Dysphagie, zu ermöglichen.
6. Verf. schildert zunächst zwei Fälle von Aktinomykose dar
Lungen und führt dann aus, wie die Behandlung der Lungen-
aktinomykose vorläufig äusserst trostlose Resultate ergeben hat.
R u d n i e w berichtet, dass von 84 erkrankten Personen nur 8
genesen sind. Jedoch gibt es in der Literatur Momente, welche
bessere Zeiten erhoffen lassen, nämlich wenn die f iihzeitige
Diagnose, der Krankheit Gemeingut sämtlicher Aerzte werden
und die Technik der Lun gen Chirurgie eine grössere Vervollkomm¬
nung erfahren wird. Bekanntlich galt das von van Itersou
in die Therapie der Aktinomykose eingeführte Jodkalium beinahe
als ein spezifisches. Mittel. Es wurden Fälle von Hebung
oberflächlicher Erkrankungen einzig und allein unter dem Ein¬
flüsse der innerlichen Anwendung von Jodkalium berichtet. Nach
der Statistik von Lieblein, welche 98 Fälle von Aktinomy-
kose umfasst, wurde in 73 Fällen Genesung bei konservativer
Behandlung erzielt, trotzdem unter den Fällen auch sehr viele
schwere waren. Jedoch haben die Untersuchungen von Ju¬
ri n k a und P r u t z ergeben, dass Jodkalium kein spezifisches
Mittel ist, d. h. dass es auf die Lebensfähigkeit des Pilzes nicht
wirkt. Zweifellose Genesungen und Besserungen lassen sich
durch die Wirkung des Mittels und das Granulationsgewebe er¬
klären, welches einer rascheren Erweichung verfällt. Dadurch
werden raschere Isolierung des Pilzes, Untergang desselben im
Eiter infolge von mangelhafter Ernährung und Ausstossung mit
dem Eiter erreicht. Es versteht sich von selbst, dass mit dieser
Wirkung des Jodkaliums die Bedeutung desselben bei Affek¬
tionen der inneren Organe, namentlich, wenn ausserdem noch eine
gemischte Infektion hinzugetreten ist, wenig versprechend ist.
Die Praxis hat gezeigt, dass die konservative Behandlung der
Lungenaktinomykose sehr traurige Resultate ergibt, trotzdem
das Mittel in grossen Dosen bis zum Gesamtverbrauch von 100
bis 300 g, in einem Falle sogar vom 400 g, gegeben wurde. Ver¬
fassers erster Patient hat Jodkalium während der ganzen Zeit
bekommen, ohne dass dasselbe den Verlauf der Krankheit irgend¬
wie beeinflusst hätte. In dem zweiten Falle war die Beobach¬
tung zu kurz, als dass man sich irgendwie bestimmt äussern
dürfte. Die Berichte einzelner Autoren über vollständige Hei¬
lung von Lungenaktinomykose mit inneren Mitteln muss man
mit grosser Vorsicht aufnehmen, dessen eingedenk, dass vorüber¬
gehende Besserungen des Prozesses als Heilung gedeutet werden
konnten. Unwillkürlich überkommti einem Zweifel, wenn man
liest, dass Netter in 28 Tagen einen Patienten mit 61,0 Jod¬
kalium (tägliche Dosis 6,0) und Butiler aktinomykotische
Nekrose mittels Eukalytusöl (0,3—0,6 in Kapseln alle 4 Stunden,
Tag und Nacht) geheilt haben soll. In dieser Beziehung ist schon
vor längerer Zeit, namentlich von russischen Chirurgen, die Mei¬
nung ausgesprochen, worden, dass die Feststellung der End¬
resultate der Behandlung der aktinomykotischen Lungenaifek-
tionen Aufmerksamkeit und andauernde Nachbeobachtung er¬
heische.
7. Kayserling schildert die Tuberkulose - Assanierung
Berlins, die Fürsorgestätten, Einfluss der schlechten Wohnung etc.
8. Die Verbreitung der Tuberkulose durch den Phthisiker und
deren Verhütung. Verf. schildert eingehend die verschiedenen
modi der Infektion und schliesst daran an die Massregeln, dieser
Gefahr aus dem Wege zu gehen.
1. Zur Behandlung der Phthise. Von Dr. Webe r. Aerzt-
liche Vierteljahr-Rundschau, 1910, Nr. 2.
2. Autoserotherapie bei Bauchfelltuberkulose durch Dauer¬
drainage des Ascites unter die Haut., Von Dr. Evler. Mediz.
Klinik, 1910, 17. April.
3. Der Pneumothorax und seine Behandlung. Von Prof.
Treupel. Deutsche mediz. Wochenschrift], 1910, S. 15.
4. Behandlung der Lungentuberkulose mit künstlichem
Pneumothorax. Von Dr, Baer und Dr. Kraus. Wiener klin.
Wochenschrift, 1910, Nr. 15.
JNI\
UNIVERSITY OF MICHIGAN
f OF MICHIGAN
Nr. 18
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
283
5. Beitrag zur Frage über einen etwaigen Zusammenhang
zwischen Alkoholismus und Stillfähigkeit, Lungentuberkulose,
Zahnkaries. Von Dr. G r e c f. Deutsche mediz. Wochenschrift,
1910, Nr. 15.
1. Verf. schildert die Fl o ersehe Behandlung der Tuber¬
kulose mit Fumiformdämpfen. Kr hebt hervor, wie das Mittel das
Befinden der Kranken durch seine symptomischen Wirkungen an¬
regt, den Appetit hebt, ebenso das Körpergewcht steigert; wie
auch der Patient gegen das Fortschreiten der Krankheit wider¬
standsfähig gemacht wird.
2. Angeregt durch die Drainage bei Hydrozephalus unter die
Subkutis und das tadellose Funktionieren eines durch Rippen¬
durchbohrung erhaltenen Knochenkanals als Dauerdrain für pleu-
ritischen Erguss unter die Haut hat Verf. dieses Prinzip auch bei
wiederkehrendem tuberkulösen Aszites angewendet, und zwar
durch Anlegen eines kleinen von Bauchfell umsäumten Bauch¬
bruchs in der Linea alba. Ausser dem mechanischen Abfluss
findet hierdurch Autoserotherapie statt.
3. Treupel schildert die Gesichtspunkte und Massnahmen,
die bei der Behandlung des Pneumothorax in Betracht kommen.
Bei der Wahl der Methode — ob konservativ oder chirurgisch
— verdient, neben der wohl erwogenen Forderung des Augen¬
blicks der Allgemeinzustand des Kranken und die Natur seines
Grundleidens die sorgfältigste Würdigung.
4. Beide Autoren haben viel Erfahrung gesammelt mit der
Behandlung der Lungentuberkulose mit künstlichem Pneumo¬
thorax. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Behandlung mit
künstlichem Pneumothorax nie eine allgemeine Behandlung der
Lungentuberkulose sein wird. Immer wird sich nur eine kleine
Anzahl Tuberkulöser für dieselbe eignen, immer wird sie nur in
Krankenanstalten mit ihren entsprechenden Einrichtungen und
nicht in der Praxis vorgenommen werden können.
Diese Einschränkung sei gemacht. Aber da wir trotz aller
Fortschritte in der modernen Tuberkulosebehandlung doch vielen
schweren Fällen hilflos gegenüberstehen, so müssen wir uns glück¬
lich schätzen, wenigstens einige Kranke retten zu können, die
sonst sicher verloren wären.
5. Greef iand, dass von 23 Frauen mit nachweislich lungen¬
tuberkulösen Eltern eine jede durchschnittlich 20,7 kariöse oder
fehlende Zähne hatte.
Pharmakologie.
Referent: Privatdozent Dr. C. Bachem in Bonn.
1. Zur Beurteilung des Arsazetins (Ehrlich) und seiner Wir¬
kung auf den Sehnerven. Von Hammes, Trier. Deutsche mediz.
Wochenschrift, 1910, Nr. 6.
2. Versuche über die Wirkung medizinaler Strophanthingaben
auf künstlich erniedrigten Blutdruck. Von Straub, Stuttgart.
Therap. Monatshefte, 1910, Nr. 3.
3. Ueber Verätzung durch Natronlauge infolge Verwechslung
mit Wasserglas. Von Bachem, Bonn. Münch, mediz. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 8.
4. Untersuchungen über den Phosphorhaushalt des wachsen¬
den Hundes. Von Lipschiitz, Göttingen. Archiv für exper.
Pathol. u. Pharm,ak., Bd. 62, S. 210.
5. Zur Pharmakologie der Kreislauf koordination. Von
V. Sonnenkalb, Marburg. Inaug.-Disert., Marburg, 1909.
6. Ein Fall von gewerblicher Arsenwasserstoffvergiftung. Von
Hoff er, Gablonz. Prager mediz. Wochenschrift. 1910, Nr. 13.
7. Ueber den Abbau von Fettsäuren im Organismus und über
die gegenseitigen Beziehungen der Azetonkörper. Von B 1 u m,
Strassburg. München, mediz. Wochenschrift, 1910, Nr. 13.
1. Den bereits beobachteten Fällen von schweren Sehstörungen
nach Arsazetingebrauch kann Hammes einen neuen hinzufiigen.
Einem 66-jährigen Kranken mit Bronchiektasie und sekundärer An¬
ämie wurde jeden zweiten Tag 0,1 g Arsazetin (im ganzen acht¬
mal) eingespritzt. Einige Tage nach der letzten Injektion zeigte
sich am Augenhintergrund eine gewisse Blässe der Papille und
Enge der Gefässe. Nach weiteren, 3 Tagen gab der Patient an,
dass er seit 48 Stunden fast nichts mehr sehe. Die Untersuchung
der Pupillen ergab links absolute Lichtstarre, rechts minimale Re¬
aktion, bei Konvergenz Verengerung. Fingerzählen war nicht
mehr möglich, der Augenhimtergrund zeigte abgeblasste Papille
und sehr enge Gefässe. Die spezialärztliche Diagnose lautete:
toxische retrobuläre Neuritis Nerv, optic. In¬
halationen von Amylnitrit erwiesen sich als erfolglos. Nach eini¬
gen Tagen war die Amaurose vollkommen. Der Harn zeigte
!%*/• Albumen und unter Erscheinungen der Herz- und Kreis¬
laufschwäche trat 5 Tage später der Tod ein.
Auf Grund seiner Erfahrung und' der in der Literatur nieder¬
gelegten Beobachtungen glaubt auch Hammes, den Aerzten
eine grosse Zurückhaltung gegenüber der Anwendung von Mitteln
der Atoxyl- resp. Arsazetingruppe empfehlen zu müssen.
2. Die an narkotisierten Katzen angestellten Versuche ergaben,
dass bei denjenigen Eingriffen, die am Splanchnicusgebiet den
Blutdruck auf eine stationär bleibende Tiefe herabdrücken, mit
Strophanthindosen eben gerade nicht toxischer Grösse keine Stei¬
gerung des Blutdrucks zu erzielen ist. Diese Eingriffe sind Arsen¬
vergiftung, hohe Riickenmarksdurchschneidung und Chloroform¬
narkose mit dosiertem Chloroformluftgemisch.
Eine geringe Steigerung trat ein, wenn der Blutdruck durch
Aderlass erniedrigt wurde. Das spricht indes nicht gegen die
Resultate der ersten Gruppe, da es bekannt ist, dass im Laufe der
Zeit sich der Blutdruck nach selbst grossen Aderlässen spontan
wieder herstellt. Die geringe Blutdrucksteigerung in den Ader¬
lassversuchen wäre wohl auch ohne Strophanthin erreicht worden.
Es zeigte sich also Strophanthin in medizinalen Dosen auch
dann als unwirksam am Blutdruck, wenn dieser durch isolierte
Lähmung des Splanchnicusgebietes künstlich tiefgehalten wurde.
3. In vorliegendem Falle war statti einer Wasserglaslösung eine
26 prozenitige Natronlauge zum Imprägnieren einer Binde um einen
Beckengipsverband benutzt worden. Das damit behandelte Kind
zeigte im Bereich , des Verbandes umfangreiche gangränöse Stel¬
len, die von schwarzem Aetzschorf bedeckt waren. Das weiteren
gibt Verf. einige einfache Proben, mit Hilfe deren der praktische
Arzt leicht Wasserglas von Natronlauge unterscheiden kann.
4. Durch Fütterung von wachsenden Hunden mit Reis und
Hiihnereiweiss gelang es, bei den Tieren einen Zustand relativen
Phosphorhungers zu erzielen und ihre Phosphorbilanz so herab¬
zudrücken, dass sie nur den sechsten bis fünfzehnten Teil der¬
jenigen Menge Phosphor ansetzten, deren der normal ernährte
Hund bedarf. Nach mehrwöchentlicher Fütterung mit der phos¬
phorarmen Nahrung traten bei den Versuchtieren Störungen am
Knochensystem auf, die — dem mikroskopischen Bilde nach —
eine Aehnlichkejt mit den Störungen des Knochensystems auf¬
wiesen, wie man sie bei der Barlow.sehen Krankheit findet. Die
Gewichtsverhältnisse bei den phosphorarm ernährten Tieren zeig¬
ten nichts abnormes. Die Gewichtszunahmen waren niedriger
als bei phosphorreich ernährten Tieren, doch entsprächen sie ganz
den bei beiden Gruppen' verzehrten Nahrungsmengen. Die phos¬
phorarm ernährten Tiere wiesen im Laufe von 7 Wochen eine
Gewichtszunahme von ca. 100% auf. Es erscheint daher wahr¬
scheinlich, dass der wachsende Organismus zur Bestreitung seines
Phosphorhaushaltes (wenn wir vom Knochensystem absehen) nur
ganz geringe Phosphormengen bedarf, die er möglicherweise aus
Reservedepots seines Körpers heranzuziehen weiss.
5. Die Funktionsprüfung des Kreislaufes wurde in der Weise an¬
gestellt, dass bestimmte, genau abzustufende Anforderungen an
denselben gestellt wurden. Der zu Untersuchende wird nachein¬
ander, horizontal liegend, sitzend mit -horizontal gelagerten oder
herabhängenden 'Beinen und stehend mit dem Reckling¬
hausen sehen Tonometer gemessen. In jeder Stellung wurd£
-.V?.. : ! ,:£v. 'V
. Di.'itc-r, S-,
UNIVERSITY OF MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
•284
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nr. 18
der systolische und diastolische Druck, der Puls und zu Anfang
des Versuches auch die Atmung gezählt. Aus diesen Werten ist
es möglich, den in dem Armbezirk herrschenden Gefässtonus, den
arteriellen Mitteldruck, Herzleistung usw. in der Zeiteinheit zu
berechnen.
Zur Untersuchung gelangten einige w ichtige Arzneimittel,
denen gewöhnlich ein Einfluss aui das Zirkulationssystem zu¬
geschrieben wird. Im einzelnen ergab sich folgendes: Kampfer
ist: ein Herz- und Gefässanaleptikum, das eine Kräftigung des
Vasotonus mit kurzer, schnell vorübergehender Uebererregbarkeit
hervorbringt und gleichzeitig die Anspruchsfähigkeit des Herzens
erhöht. (Dosis 1—2 g Ol. camphorat. forte subkutan). Koffein
bewirkt Steigerung des Vasotonus und der Herzenergie, verbunden
mit sehr ausgeprägter Uebererregbarkeit beider Kreislaufkompo¬
nenten (Dosis 0,2 g subkutan). Diuretin macht Gefässerweiterung
mit -wechselnder Erregbarkeitsänderung. Die Herzenergie wird
zuweilen grösser und zeigt einen regelmässigeren Verlauf, die
Aktion wird schwankend (Dosis 1,5—2 g per os). Durch Natrium-
nitrit entsteht Vasodilatation mit geringer Uebererregbarkeit; es
findet keine nachweisbare direkte Beeinflussung des Herzens
statt (Gabe: 0,01 subkutan). Chloralhydrat bewirkt bekanntlich
hochgradige allgemeine Gefässerweiterung bei gleichbleibender
oder in seltenen Fällen kurze Zeit dauernder geringer Uebererreg¬
barkeit'. Eine schädigende Wirkung auf das Herz ist bei kleinen
Dosen (lg per os) nicht naclvweisbar. Morphium ruft eine Vaso¬
dilatation mit geringer Erregbarkeitsherabsetzung beim über¬
erregten Kreislauf hervor. Es bewirkt ferner Erhöhung der Herz¬
energie und der Pulswelle bei Pulsverlangsamung (Dosis 0,005
bis 0,01 g subkutan). Bromural ist wirkungslos am normalen
Kreislauf. Beim Vasomotoriker stellt es normale Verhältnisse her
bei gleichbleibender oder — bei vorher gesteigerter Herzarbeit
•— herabgesetzter Energie des Herzens (Dosis 0,6—1,2 g per os).
Beim Chlornatrium war eine direkte Beeinflussung der Herzarbeit
nicht nachweisbar; manchmal zeigte sich eine Gefässübererreg-
barkeit bei gesteigertem oder gleichbleibendem Vasotonus (Dosis
5—8 g per os).
Die Ergebnisse der einzelnen Versuche sind zahlenmässig in
Tabellen oder graphisch in schematischen Zeichnungen wieder¬
gegeben.
6. Der Fall betraf einen Patienten, der aus anfangs un¬
bekannter Ursache unter unaufhörlichem Erbrechen und grossem
Angstgefühl erkrankte; der Harn war bluthaltig, die Temperatur
etwas erhöht, der Puls beschleunigt und schwach, es bestand
schwere Prostration und der Kranke war mit kaltem SchNveiss
bedeckt. Im Harn fand sich Hämoglobin, jedoch keine Blutkörper¬
chen; am zweiten Tage trat Ikterus, Leber- und Milzanschwel¬
lung hinzu. Der Kranke, ein Gürtlergehilfe, gab an, dass er am
Tage vor der Erkrankung in eine Mischung von Arsenik, Antimon
und Eisen in Salzsäure die zu behandelnden Metaltgegenstände
hineingelegt und letztere (aus technischen Gründen) mit schmalen
Zinkstreifen umwickelt habe. Den dabei sich entwickelnden
Dämpfen sei er 2 Stunden ausgesetzt gewesen. Erst nach 6 Stun¬
den habe die geschilderte Vergiftung eingesetzt. (Diese Erschei¬
nung ist für Arsenwasserstoffvergiftung charakteristisch). Die
Krankheitserscheinungen gingen allmählich zurück, während
Stechen auf der Brust, Kurzatmigkeit und Husten noch nach 6 Mo¬
naten, zeitweilig auftraten.
Obwohl der chemische Nachweis des Arsens in diesem Falle
nicht geführt wurde, spricht sowohl die Aetiologie als auch das
klinische Bild für eine Arsenwasserstoffintoxikation. Verf. führt
eine Reihe anderer Möglichkeiten aus der Technik an, die eben¬
falls zu Arsenwasserstoffvergiftungen führen können oder geführt
haben. Fast überall gab die Kombination von Zink und Säure mit
Arsen den Anlass.
7. Auf Grund seiner an Tieren und Menschen angestellten
Untersuchungen kommt Verf. zu folgenden Schlüssen: Aus Azet-
essigsäure entsteht sowohl beim Hunde als beim Menschen (nor¬
mal oder bei leichtem Diabetes) l-/?-Oxybuttersäure. Beim Abbau
von Fettsäuren, wie Buttersäure, Kapronsäure, Isovaleriansäure,
OF MICHIGAN
tritt beim normalen Tier intermediär Azetessigsäure auf, aus
welcher sekundär l 7 9-Oxybuttersäure entsteht. /9-Oxybuttersäure
wird beim normalen Tier nicht über Azetessigsäure abgebaut. Der
Abbau dieser Säure über die Azetessigsäure hinaus ist wahrschein¬
lich die Folge einer Erkrankung der Leberzellen: der Glykogen-
reichtum der Leberzellen ist hierfür nicht allein massgebend.
Krotonsäure geht: unter Wasseraufnahme in y9-Oxybuttersäurc
über. Ueberlebende Hundeleber vermag Azetessigsäure zu 1-9-
Oxybuttersäure zu reduzieren. Letztere wirkt im Vergleich zu
vielen anderen Fettsäuren nur wenig giftig. Die auf ihre spe¬
zifische Giftigkeit gegründete Theorie des Coma diabeticum lässt
sich mit dieser Tatsache schwer in Einklang bringen.
Varia.
Die Therapie einiger chirurgischer Erkrankungen mittels pas¬
siver Hyperämie nach Bier. Von V a s e k. Therapeutisches
Centralblatt, 1910, Nr. 2.
Die klinischen Untersuchungen V a s e k s stimmen nicht mit
der Ansicht Franzenheims überein, dass die Stauungshyper¬
ämie Biers keinen bakteriziden! Einfluss habe, sondern sogar die
Bildung resp. die Zunahme von Abszessen befördere.
Wunden, die durch Sliaub, Rost oder ähnlich infiziert sind
und schwer behandelt werden können, heilen unter passiver Hyper¬
ämie oft per primam. Beginnende Phlegmonen lassen sich in den
ersten drei Tagen dadurch kupieren.
Furunkel lassen sich höchstens im Beginn durch Hyperämie
unterdrücken.
Sehr effektvoll ist die passive Hyperämie bei circumskripten
Mastitiden nach kleiner Inzision.
Bei Phlegmonen der Sehnen fördert die passive Hyperämie
nach breiten Inzisionen die Ernährung und hindert so die Nekrose.
Bei gonorrhoischen Monarthriden und bei anderen akuten Ent¬
zündungen wirkt sie vor allem als promptes Analgetikum und er¬
möglicht dadurch passive Bewegungen, die ihrerseits wieder
schwere Ankylosen verhindern.
Bei den Fungi bewährt sie sich, wenn noch keine Verkäsung
besteht, bei kariösen Prozessen beschleunigt sie die Regeneration
des Knochens. Kurt L i p s c h i t z, Berlin.
Massnahmen bei Luft- und Fettembolie. Von Lesse r, Leip¬
zig. Zentralblatt für Chirurgie, 1910, S. 313 ff.
L. beobachtete am Versuchstier, dass die Herzklappen in¬
suffizient werden, wenn Luft in die Herzhöhe eindringt. Wegen
der Insufizienz der Ventile wird der abnorme Inhalt des rechte l
Herzens wie ein Pfropfen zwischen der A. pulmonalis und den
Hohlvenen hin und hergeschoben. Die Koronargefässe füllen sich
ebenfalls mit Luft oder Blutschaum. Die Kontraktionen werden
immer schwächer, bis sie aufhören. L. spritzte mit einer feinen
Stichkanüle eine indifferente Flüssigkeit durch das Herzfleisch in
den rechten Ventrikel und sah, dass die Hsrzaktion wieder eintrat.
Wie weit sich dieser Befund praktisch verwerten lässt, weiss
L e s s e r noch nichts
Schanz hat bei Fetitembolie gleichfalls angeregt, in schwe¬
ren Fällen eine Kochsalzinfusion zu machen.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Ueber das postoperative Verhalten nach Lumbalanästhesie.
Von Bondy. Gynäkologische Rundschau, 1910, S. 100 ff.
Für die Wertung der Methode kommen vor allem die Er¬
gebnisse der Lumbalanästhesie für die Anästhesie selbst in Be¬
tracht, und zweitens, wie weit das postoperative Verhältnis sich
von der Allgemeinnarkose unterscheidet.
Die Vorteile der Lumbalanästhesie bestehen in folgendem:
Erschlaffen der Rauchdecken, Vermeidung von Asphyxiem, Fort¬
fall des Erbrechens und Pressens während der Operation, Er¬
sparung eines Assistenten. Nach der Operation Fortfall des
„Katzenjammers“.
Nr. 18
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
285
Als Nachteile bezeichnet Bondy, dass man mehr als bei der
Chloroform- und Aethernarkose von der Güte des Anästhetikums
abhängig ist, ferner die berüchtigten Kopfschmerzen und die ge¬
legentlich auftretenden Lähmungserscheinungen. Die Kopf¬
schmerzen! seien jedoch bei strengster Asepsis (man vermeide
jedoch strengstens schädigende Mittel, wie Soda und Sublimat)
auf ein Minimum zu beschränken. Die Lähmungserscheinungen
selbst verschwinden sehr schnell. Eine glänzende Stellung nimmt
die Lumbalanästhesie den „Lichtenberg sehen postoperativen
Lungenkomplikationen“ gegenüber ein.
Als Injektionsflüssigkeit nimmt Verf. eine Mischung von
Stovain und Adrenalin.
Kurt Lipschitz, Berlin.
lieber einen Fall voii Sectio caesarea bei Placenta praevia.
Von Pinsa. Gynäkologische Rundschau, 1910, Nr. 3, S. 116 ff.
In der Vagina reichliche Blutkoagula, äusserer Muttermund
kaum für die Fingerkuppe durchgängig. Blutung, Placenta prae¬
via. Infolge des Blutverlustes hat die 29 jährige Patientin (Pluri¬
para) einen sehr kleinen, rhythmischen Puls von 140, Dyspnoe,
Ohnmachtsanfälle, Kampferätherinjektionen, Tamponade. Nach
2 Stunden leichte Besserung, Puls von 120, jedoch mehr gespannt,
keine Wehen, fötale Herztöne regelmässig. Es wir der klassische
Kaiserschnitt ausgeführt, Plazenta und Fötus werden extrahiert,
der Uterus exstirpiert. Am 20. Tage verlässt Patientin das Belt,
die Laparotomiewunde heilt per primam.
Die Durchbohrung der Plazenta und die Wendung auf den
Fuss kam nicht in Frage, weil der äussere Muttermund zu klein
war, die Metrenryse musste des Allgemeinbefindens wegen aus¬
geschlossen werden. Ferner schien die Frau bereits durch Vor¬
untersuchungen der Hebamme infiziert, so dass die Exstirpation
des Uterus als geboten schien.
Am Schluss verlangt Verf., dass jeder Praktiker imstande
sein soll, die Sectio caesarea selbst auszuführen.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Ueber die Gewinnung und Wirkung von Typhusheilserum. Von.
L ii d k e. Deutsches Archiv für klinische Mcdicin, 1910, Bd. 98,
S. 395 ff.
L ii d k e brachte den Beweis, dass gegen ein seinem Charakter
nach als Endotoxin zu bezeichnendes Typhusgift ein giftneutrali¬
sierendes Serum hergestellt werden kann. Diesen Erfolg sah er
bei Anwendung beim Versuchstier. Beim Menschen ist ein Erfolg
nur zu verzeichnen bei Einspritzung eines bakterioiytisch und gift¬
neutralisierenden Serums. Diese Wirkung sei jedoch nicht so glän¬
zend wie beim Diphterieserum. Die Einspritzung muss, wenn sie
wirken soll, spätestens am 3. Tage der Erkrankung vorgenommen
werden. Kurt Lipschitz, Berlin.
Die Leistungsfähigkeit der kombinierten Anstalts- und Tuber¬
kulinbehandlung bei Lungentuberkulose. Von Bandelier. Bei¬
träge zur Klinik der Tuberkulose, 1910, Bd. 15, Heft 1.
Bandelier stellte an einem Material von 500 Fällen seine
Untersuchungen an. Zwei Mittel gehören zur Behandlung der
Tuberkulose: Die Verstärkung der individuellen Widerstandsfähig¬
keit und die Einverleibung künstlicher Immunisierungssubstanzen.
Die erste Bedingung erfüllt die hygienisch - diätetische Behand¬
lung (B r e h m e r und D e 11 w e i 1 e r), die Anstaltsbehandlung
der Lungenheilstätten usw., die zweite Bedingung wird durch die
Tuberkulinbehandlung erfüllt. Im folgenden werden dann die
positiven Vorzüge des Tuberkulins besprochen und darauf hin¬
gewiesen, dass die spezifische Therapie der Tuberkulose mit dem
Serum die hygienisch - diätetische Behandlung unbedingt als Vor¬
aussetzung haben muss. Die Dauer der Tuberkulinbehandlung soll
ca. 6 Monate betragen.
Im I. Stadium behandelt Verf. nur dann mit Tuberkulin, wenn
die hygienisch - diätetische Behandlung nicht zum Ziele führte, und
Di§itlze-rll3¥
in Fällen von „offener Tuberkulose“. Positiver Erfolg: 100%.
Voller Erfolg 90,4 %. Im II. Stadium hat Verf. durch die kom¬
binierte Behandlung einen vollen Erfolg von 80,7 % und einen posi¬
tiven von 100% erzielt. Er ist der Ansicht, dass eine gleich
günstige Statistik überhaupt nicht existiere und nur auf die kom¬
binierte Behandlung zurückzuführen sei.
Auch im III. Stadium berichtet er durch die Kombination über
verhältnismässig gute Resultate. Jedoch wurden hier aussichts¬
lose Fälle nicht mitgerechnet.
Voller Erfolg 32,8 %, positiver Erfolg 86,2 %, negativer Erfolg
13 7 %.
Nach dieser Statistik verlangt Bandelier, es solle mit der
kombinierten Behandlung möglichst früh begonnen werden, es
werde durch Tuberkulin der Husten und seine quälenden sekun¬
dären Beschwerden beseitigt, die Wirkung auf den Auswurf sei
eine hervorragende und es trete eine Besserung der objektiven
Erscheinungen auf den Lungen ein.
Eine Kontraindikation für die Tuberkulinbehandlung besteht
nur bei Erkrankungen des Herzens, wenn infolge hoher Fieber-
reaktdonen und Tuberkulinintoxikationen die Gefahr von Kom¬
pensationsstörung und Kollaps besteht.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Klinische Beobachtungen über Meningitis cerebro spinaljs und
die Resultate mit Flexner-Serum in New York. Von Fischer.
Archiv für Kinderheilkunde, 1910, Bd. 52, Heft 4—6, S. 289 ff.
Fischer spricht die Vermutung aus, dass die Verbreitung
der Krankheit nur auf Uebertragung der Infektionskeime zurück¬
geführt werden kann, und zwar durch Nasen- oder Angensekret.
3. .Krankheitsformen werden auigestellt:
I. Leichter Typus mit mässiger Temperatursteigerung, all¬
gemeiner Schwäche, Erbrechen oder Brechreiz.
II. Abortivtypus bei ziemlich kräftigen und gutgenährten
Kindern, welche leicht eine Infektion überstehen können.
III. Schwere Form. Plötzliches Auftreten der schwersten
Symptome. Letaler Ausgang. Schüttelfrost, Hitze und Durst,
Kopfschmerzen mit Uebelkeit und Erbrechen, Temperatur 38,8 bis
40 Grad Celsius im Rektum* Puls variiert, manchmal langsam,
manchmal sehr rapid. .C Key ne Stockesches Atmen, Kopf-
und Genickschmerzen in Frontal- und Onipitalgegend, vaso¬
motorische Störungen, sowie eine rote Wange oder ein rotes Ohr,
Sehnenreflexe sehr empfindlich, Patellarreflexe fehlen meistens,
Babinskisches Symptom (Hyperextension der grossen Zehe)
meist anwesend. Harnretention war einige Male beobachtet
worden, die Gelenke waren in einigen Fällen geschwollen. Die
Lumbal'fliissigkeit, in welcher der Meningococcus intracellularis nie
fehlte, sah trübe aus (klareJFlüssigkeit deutet auf Tbc.). Als Spe¬
zifikum für die Therapie kann das „F1 e xme r sehe Antimenin-
gi'tis zitisserum gelten. Dieses soll die Lebensfähigkeit der Kokken
vermindern und ihre Fähigkeiten zur Phagozytose vermehren. Die
Injektion hat folgendermassen zu erfolgen: Eine möglichst grosse
Menge Cerebraspinal-Fliissigkeit wird entfernt (Lumbalpunktion),
dann werden möglichst grosse Dosen (zeitig!) gegeben.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Ueber die Einwirkung von Seruminjektionen auf die Eosino¬
philen und Mastzellen des menschlichen und tierischen Blutes.
Von Schlecht. Deutsches Archiv für klinische Medizin, 1910,
Bd. 98, Heft 4-—6, S. 308 ff.
Nach Einspritzung von Heilserum bei Diphtheriekranken tritt
— individuell verschieden — eine plötzliche starke Vermehrung
der eosinen Zellen im Blute auf. Dieser Erscheinung kommt jedoch
keine prognostische Bedeutung zu, sondern es handelt sich nur
um die Wirkung des artfremden Serums. Ferner wurde eine
Hyperleukozytose festgestellt. — Tiere reagieren verschieden auf
die Seruminjektionen. So fand Schlecht beim Meerschwein-
MICHIGAN
TY OF MICHIGAN
■1
UNIVERSI
286
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
Nu 18
dien Vermehrung der eosimen und der Mastzellen, während z. B.
beim Hunde nur Eosinophilie (wie beim Menschen) vorhanden ist.
Als Ursache für die Vermehrung ist gesteigerte Arbeit des
Knochenmarks anzusehen. KurtLipschtitz, Berlin.
Zur Hautdesinfektionsfrage. Von Z a b 1 u d o w s k i. Zentral¬
blatt für Chirurgie, 1910, Nr. 8, S. 273 ff.
Zabludowski weist auf die Mängel hin, die den neueren
Desinfektionsmethoden ohne vorhergegangenes Waschen mit
Wasser und Seife trotz ihrer grossen Vorzüge anhaften. So ver¬
ursacht Jodbenzin Gelbfärbung der Hände und reizt sie so, dass
Paraffin beigefügt werden muss, die Desinfektion mit 96 prozenti-
gem Alkohol ist nicht dauerhaftig genug. Alkohol-Azeton oder
Jodallein kommt nur für das Operationsfeld, nicht für die Hände
in Betracht Als ein Mittel, das alle diese Mängel nicht hat,
schlägt Verl die Anwendung einer (5 prozentigen) Alkohol- (93-
prozentigen) Tanninlösung vor. Die Erfolge klinisch und bakterio¬
logisch waren hervorragend.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Dosierung in der Tuberkulindiagnostik nebst Mitteilung der
Erfahrung über lokale Tuberkulinreaktionen bei klinisch ge¬
sunden Erwachsenen. Von Anke van Baien. Beiträge zur
Klinik der Tuberkulose, 1910, Bd. 2, Heft 15, S. 175 ff.
Die Gegner der Tuberkulosediagnostik durch Tuberkulin be¬
achten nicht dass die Empfindlichkeit für Tuberkulin bei den
klinisch Tuberkulösen und den klinisch Gesunden ganz verschieden
ist. Verf. berichtet über die verschiedenen Aeusserungen der
Tuberkulinwirkung: 1. an der Stelle der Anwendung, 2. im All¬
gemeinzustand, 3. im Tuberkuloseherd selbst.
Wirkt das Tuberkulin, so ist sicher Tuberkulose vorhanden.
Bei ganz tuberkulosefreien Menschen und Tieren gibt es keine
Tuberkulin Wirkung; Kinder, welche noch kein Jahr alt sind, geben
nur die Tuberkulinwirkung, wenn sie klinisch nachweisbare
Tuberkulose haben. Wo klinisch keine Erscheinungen waren und
doch Tuberkulinwirkung wahrgenommen wurde, ergaben sich bei
der Sektion tuberkulöse Herde. Da diese latenten Herde auf
grosse Dosen sicher reagieren, ist es nötig, zur Diagnose kleine
zu verwenden. Verf. wandte das Utrechtsche Tuberkulin in
Dosen von 0,01—0,1 mg an. Hierbei zeigten sich schon Infiltra¬
tionen. Die Störungen des Allgemeinbeifindens können den Ge¬
übten mit diesen Infiltrationen den Grad der Tuberkulose erkennen
lassen. Bleibt bei dieser Dosis von 10 mg jede Wirkung aus, so
kann mit Sicherheit Tuberkulose ausgeschlossen werden.
Ueber Blutbefunde bei Lungentuberkulose. Von Steffen.
Deutsches Archiv für klinische Medicin, 1910, Bd. 98, Heft 4—6,
S. 355 ff.
Der häufige Wechsel des Blutbefundes in den verschiedenen
Stadien der Lungentuberkulose ist selbstverständlich, jedoch lässt
sich im grossen und ganzen für jedes Stadium ein' gewisses cha¬
rakteristisches Blutbild erkennen. Verf. will besonders das Ver¬
hältnis der einzelnen Leukozytentormen zueinander herausheben,
mit besonderer Berücksichtigung der Lymphozyten. Hämoglobin
und Erythrozyten halten sich in leichteren Fällen auf normaler
Höhe, bei den schweren Fällen weisen sie sehr hohe Werte auf,
während bei den schwersten akuten und chronischen Prozessen
ein Sinken ihrer Werte konstatiert werden kann. Die eosinophilen
Zellen zeigen bei leichterem erhöhte, mit zunehmender Schwere
verminderte Werte. Die Leukozytienzahl gibt ein Bild der Suffi-
zienz. Meistens ist die Zahl vermehrt, wenig bei den entfieberten
Fällen, viel im Verhältnis der zunehmenden Schwere. Beim Ver¬
hältnis der beiden Hauptformen, der Neutrophilen und der Lympho¬
zyten zueinander wurde festgestellt, dass bei den leichteren
Fällen die Lymphozyten und bei dem, schweren Fällen die Neutro¬
philen vermehrt sind. Verf. weist besonders darauf hin, dass man
an dem Blutbild ein diagnostisches Hilfsmittel hat, ferner, dass
man daraus ersehen kann, wie weit der Prozess schon vor¬
geschritten ist, und drittens auch in gewisser Beziehung die
Prognose stellen kann.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Operativer Eingriff bei Hufessenniere. Von Marti n, o w ,
Moskau. Zentralblatt für Chirurgie, 1910, Nr. 9, S. 314 ff.
M a r t i n o w berichtet über einen Fall, wo bei einer 49 jähri¬
gen Patientin bei einer Hufeisenniere über typische Schmerzen
oberhalb des Nabels geklagt wurde, ferner über unangenehme
pulsierende Empfindungen in der ganzen Bauchhöhle, über starke
Obstipation und über Erbrechen usw.
Bei der Laparotomie wurde die Niere in zwei Teile getrennt
und der Erfolg der Operation war ein guter.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Ueber allgemeine Hedonalnarkose. Von Prof. Fedorow
u. Dr. Jeremitsch. Zentralblatt für Chirurgie, 1910, Nr. 9.
S. 316 ff.
Hedonal ist nach dem Ergebnis des Tierexperimentes ein wirk¬
sames und unschädliches Hypnotikum. Es setzt den Blutdruck
nur in geringem Masse herab und bewirkt eine Beschleunigung
der Herzkontraktionen. Es kann in grossen Dosen allein als Nar¬
kotikum angewandt werden, in kleinen Dosen verbessert es die
ChLoroformnarkose.
Nachdem Verf. diese Angaben experimentell am Versuchstier
bestätigt gefunden hatten, versuchten sie, die intravenöse Nar¬
kose beim Menschen und hatten damit in allen Fällen Erfolg. Die
Technik ist folgende: 1*/•»—2 Stunden vor der Operation werden
3—4 g Hedonal-Bayer per rectum in einer Mischung mit Mukilago-
Gummi arab. gegeben, vor der Operation selbst wird dann eine
Armvene freigelegt und mittels einer Kanüle eine 0,75 prozentige
Lösung von Hedonal in physiologischer Kochsalzlösung ins Blut
injeziert. Die Narkose trat gewöhnlich ein nach Einspritzung von
200—300 ccm Hedonallösung, aufrecht erhalten wurde sie durch
je 50—100 ccm. Im allgemeinen bekamen Patienten 10 g Hedonal,
und zwar 3—4 g per rectum, 3—6 g in das. Blut.
Hedonal wird nur durch die Nieren ausgeschieden, ohne sie zu
reizen. Kurt Lipschitz, Berlin.
Ein praktischer Ausweg für den Arzt
bei der oft schwierigen Frage des Krankengetränkes ist die Verordnung von Kathreiners
Hallkaffee. Dieser ist infolge seiner spezifischen Riech- und Schmeck-Stoffe wohl¬
schmeckend und besitzt gewisse anregende Wirkungen, ohne in irgendeiner Hinsicht schädlich
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JNIVERSITY OF MICHIGAN UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nr. 18
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU.
287
Allgemeines.
Ein eigenartiger Kampf gegen die Tuberkulöse wird binnen
kurzem in den Vereinigten Staaten beginnen: die nationale Ge¬
sellschaft zur Bekämpfung der Schwindsucht wird in allen Bahn¬
höfen und an allen Litfassäulen, der Vereinigten Staaten und wo
immer nur Reklameschilder leuchten, grosse, künstlerisch aus¬
geführte Plakate anbringen, die die Schrecken und die Gefahren
der Tuberkulose vor Augen führen. Insgesamt werden nicht weni¬
ger als eine Million dieser Plakate angeheftet, die 2,75 Meter
breit und 2,15 Meter hoch sind und je einen Wert von 4 Mark
repräsentieren. Die Anregung zu diesem Plane ging von den
amerikanischen Plakatverlegern aus, die der Gesellschaft gegen
die Schwindsucht in 3400 Städten und Gemeinden der Vereinigten
Staaten den nötigen Platz Ifiir die Plakate umsonst anboten. Der
Druckereiverband der Vereinigten Staaten erklärte sich dann
bereit, die Plakate gratis zu drucken, eine Reihe grosser Papier¬
fabriken stiftete das nötige Papier und schliesslich erboten sich
auch eine Anzahl bekannter amerikanischer Künstler, die Entwürfe
für die Plakate zu schaffen. '
Anlässlich der Feier des 290 jährigen Bestehens des königl.
Chariteekrankenhauses beabsichtigt die Direktion, im Sommerhalb¬
jahr 1910 in den Räumen der Charitee eine Ausstellung von Por¬
träts, Bildern und sonstigen Gegenständen zu veranstalten, welche
zur Geschichte des Krankenhauses in Beziehung stehen. Der ärzt¬
liche Direktor der Charitee, Generalarzt Scheibe, ersucht die
Herren Kollegen um Ueberweisung bezw. Namhaftmachung von
geeignetem Material.
Walderholungsstätten — Heilanstalten. In bezug auf Wald¬
erholungsstätten hat der Rat zu Dresden (Gewerbeamt) kürzlich
dahin entschieden, dass Walderholungsstätten, insoweit Pfleglinge
in denselben über Nacht bleiben und ständige ärztliche Aufsicht
gemessen, als Heilanstalten zu gelten haben; die Krankenkassen
müssen deshalb den vollen Verpflegsatz übernehmen.
Am 8. April 1885, d. h. vor 25 Jahren, trat Prof. Robert Koch
als ordentlicher Professor der Hygiene in den Lehrkörper der Ber¬
liner Universität ein. Bekanntlich hat er im Jahre 1890 seine Pro¬
fessur niedergelegt, um die Direktion des neugegründeten Instituts
für Infektionskrankheiten zu übernehmen, die er auch seit einigen
Jahren abgegeben hat, um sich ganz wissenschaftlichen Forschun¬
gen widmen zu können. Er gehört seitdem der Fakultät als
ordentlicher Professor an.
Neu «na von unfehlbarer Wirkung bei Furunkulosis
ist das
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| Ebingen, Wttbg. (Arztbez.)
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Eimbeckhausen, Hann.
I Erkelenz, Rhld.
Falkenberg bei Ahrensfelde. I
Feilnbach (O.-B.
Firtdlchow i. Pomm.
Frankfurt a. M.
Frechen Bez. Köln a. Rh.
Hamburg, B.-K. f. Staats-
an gestellte.
Hamm i. Westf.
Hanan, San.-V.
Bausen (Kr. Limb. a. L)
Hohensolms b. Wetzlar.
Hohenstangen (Wtrbrg.)
HBUhorst, Westf.
Itzstedt i. Schl.-Holst.
Joachimthnl,
Kr. Angermünde
Kassel-Rothenditmold.
Kemel, H.-N
Kirschberg- lagst.
Klein-Anheim, Kr. Offb.
Köln a. Rh Stadt«. Landkr.
Köln-Deutz.
Köngen, Wttbg.
KönlcrsbPi’ir i. Pr.
Korbach (Waldeck).
Kupferhammer bei
I Eberswalde.
Geilenkirchen,
Kr. Aachen.
Gern, R , Textil-B. K.-K.
Greiffenberg U.-M.
Gielsdorf und Wilkendorf
b. Strausberg Brdbg.
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Schlett,stadt, Eis.
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Redaktion.
Professor Dr. med A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5.
Telephon: Amt VI, 17 271.
Verlag und Expedition
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI, 3020.
IV. Jahrgang.
Berlin, 8. Mai 1910.
Nr. 19.
Die Therapeutische Rundschau« erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den
Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalschluß abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen per 1000 15,— M. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt:
Originalien:
San.-R. Pr. Dr. Scherk, Homburg: Die pathologische
Fermentuierung bei Diabetes . ..289
Dr. L. Sofen, Wien: Wiener Brief.290
Referate:
Mohr, Bielefeld: Chirurgie.292
L. Schwab, Berlin-Schöneberg: Rettungswesen . . . 294
W. Krüger: Mitteilungen über Arzneimittel .... 296
W. H. Becker, Weilmünster: Neurologie und Psychiatrie 298
v. Rutkowski, Berlin: Varia.299
Allgemeines: .300
Bücherbesprechungen: . 301
ORIGINALIEN.
Die pathologische Fermentuierung bei
Diabetes.
Von San.=Rat Dr. Scherk, Bad Homburg v. d. H
II.
In No. 11 dieser Wochenschrift habe ich in einem Original¬
artikel mit gleichlautender Ueberschrift die Gründe auseinander¬
gesetzt, nach welchen wir berechtigt sind vom pathogenetischen
Standpunkte aus, die gestörte Fermentuierung im Abbau der
K. H. bei Zuckerkranken heutzutage als aetiologischen Faktor
anzuerkennen. Diese Anschauungsweise hat sich in den letzten
Jahren immer mehr befestigt und es ist ein erfreuliches Zeichen
der freien wissenschaftlichen Forschungsweise, daß die Arbeiten
sich mehren, in denen die Störung der fermentativen Prozesse
als Krankheitsursache gewürdigt wird.
In diesem Sinne kommt Lüthje 1 ) zu dem Resultat,
„daß die mangelhafte Ausnutzung des Zuckers die Folge einer
fermentativen Erschöpfung respektive in den schwersten Fähen
die Folge der mehr oder weniger vollkommenen Verrichtung
der hier in Betracht kommenden Fermentfunktion ist“.
Es ist nicht zu bestreiten, daß die Abwicklung der
Stoffwechselprozesse und der Abbau der Nährsubstanzen durch
die Fermentfunktion unter normalen Verhältnissen einen neuen
Rahmen erhalten hat, welcher dem komplizierten Bilde, wie
es früher bestand, ein übersichtliches Gepräge verliehen hat
und es ist zu verwundern, wie die Forscher ohne Anwendung
der fermentativen Faktoren es dennoch zu beachtenswerten
Resultaten in Erkennung der Stoffwechsellehre gebracht haben.
Durch die Vereinigung der alten Lehren mit den Errungen¬
schaften der physikalischen Chemie ist die Erforschung des
Zellenlebens ein großer Dienst erwiesen und in erster Linie
ist die Bedeutung der fermentativen Vorgänge in den Drüsen¬
zellen heutzutage zu würdigen.
*) Einige Bemerkungen zur Verwertung der Azetonkörper¬
ausscheidung beim Diabetiker, sowie über den Wert der Haferkuren.
(Therapie der Gegenwart. Januar 1910).
Nicht allein die Einwirkung der Hydrolyse auf die dem
Organismus zugeführten Nährsubstanzen, sondern auch die
Verbrennung der letzten durch Oxydasenhaltige Säfte, welche
Produkte der internen Sekretion bestimmte Zellen darstellen,
werden bei dem Abbau der Nährsubstanzen in Betracht zu
ziehen sein und Störungen im Verlaufe dieser Vorgänge
werden unbedingt zu der Entwicklung bestimmter Krankheits¬
formen führen. Es steht fest, daß nur diejenige Dextrose,
welche das Resultat eines normalen Spaltungs- und Um¬
wandlungsprozesses der K. H. darstellt, von den verschiedenen
Zellen als Brennmaterial verwendet werden kann, bei einer
pathologischen Molekülekonfigmation der Dextrose wird nicht
nur der Stoffwechsel der einzelnen Zellen gestört, sondern es
wird auch die im Blutstrome angesammelte Dextrose als
schädigender Ballast, namentlich durch seine hygroskopische
Beschaffenheit auf den Kreislauf einen Einfluß ausüben. —
Daß die Polydipsie eine Folge der Polymie ist, kann nicht
bestritten werden, ebenso wie die verschiedenen Hautaffektionen,
welche bei Zuckerkranken auftreten, mit der abnormen Wasser¬
ausscheidung durch die Nieren in Zusammenhang stehen.
Ein zweites Stadium in der intensiven Schädigung der
Zellernährung wird sich herausbilden, sobald die Glykogen¬
lager in Leber und Muskeln verbraucht sind, und bei der
starken Nachfrage n^ch brauchbarem Brennmaterial die K. H.
Moleküle der Eisensubstanz in Angriff genommen werden.
Bekanntlich läuft der Gehalt von Glykogen in den Muskeln
mit dem Leberglykogen Hand in Hand, es ist jedoch nicht
gerechtfertigt, von einemMuskeldiabeteszusprechen,ebensowenig
wie man bei einer Imitation des Nierenepithels einen Nieren¬
diabetes aufnehmen kann.
Da unter normalen Verhältnissen sowohl der Glykogen¬
gehalt der Leberzellen, wie auch das Muskelglykogen in eine
oxydable Dextrose umgewandelt wird, so wird das Muskel¬
glykogen in seiner Konfigmation von den fermentativen Prozessen
in der Leberzelle abhängig sein, die Leber wacht, wie von
Noorden schon vor Jahren hervorgehoben hat, über die
Regulierung des Zuckerverbrauchs im Organismus.
Beachten wir außerdem, daß die Bildung des Leber¬
glykogens, welches aus den dem Organismus zugeführten
K. H. stammt, mit den hydrolytischen Spaltungsvorgängen der
Pankreas und Darmenzyme in engem Zusammenhänge steht,
so kann man sich eine Vorstellung machen, in welcher Weise
bei fermentativen Störungen aus dem Glykogen eine Dextrose
OF
MICHIGAN
UNIVERSIT
290
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 19
geliefert wird, welche sich durch ihre pathologische Moleküle-
konfigmation von der normalen Dextrose unterscheidet.
Bei den mannigfachen investierenden K. H. Fermenten,
welche im Organismus vertreten sind, wird es darauf ankommen,
welche Fermente in ihrer Wirkungsweise gehemmt sind. Je
mehr spezifische Fermente in ihrer hydrolytischen Einwirkung
auf die K. H. gehindert sind, um so mehr inoxydable Dextrose
wird sich im Blutstrome ansammeln, diese Hyperglykämie
kann nur durch vermehrte Dextroseausscheidung durch die
Nieren temperär modifiziert werden, da immer neue Nachschübe
kommen, sobald K. H. dem Organismus zugeführt werden,
welche unter normalen Verhältnissen von den investierenden
Fermenten umgewandelt werden, bei Diabetikern jedoch eine
Dextrose liefern, welche zu Verbrennungszwecken ungeeignet ist.
Daß diese Faktoren für unsere therapeutischen Vor¬
schriften von enormer Tragweite sind, kann nicht bestritten
werden, und wenn wir erwägen, daß die verschiedenen Stärke¬
mehlarten sich in ihrer morphologischen Konstruktion be¬
deutend von einander unterscheiden, so wird es nicht mehr
auffallend sein, daß z. B. Hafermehl unter besonderen Be¬
dingungen von Diabetikern verarbeitet werden kann, wenn
nämlich das spezifische Ferment seine Aufgabe erfüllt, während
andere Kohlehydrate als Endprodukt ihres Abbaus eine schwer
oxydable Dextrose liefern.
Seit 15 Jahren habe ich mich bemüht, gegen die Ueber-
produktion von Olykose als Ursache der Zuckerkrankheit
Front zu machen, jetzt, wo die gestörte Fermentuirung als
pathogenetischer Faktor sich immer mehr Bahn bricht, können
wir auch von einer fakultativen Ueberproduktion, so z. B.
Glykosebildung aus Fett, absehen, die Normen der Fermen-
tuierung, Spaltung und Oxydation genügen, um eine Er¬
klärung der charakteristischen Dextosurie und des ganzen
diabetischen Symptomenkomplexes zu liefern.
Es liegt auf der Hand, daß wir infolge der ätiologischen
Erkenntnis auch unsere therapeutischen Eingriffe ändern
müssen. Schon in der diätetischen Frage haben sich be¬
deutende Umwälzungen vollzogen, die strenge Abstinenz allen
Kohlehydraten gegenüber ist eingeschränkt, da stets zu beachten
sein wird, welches Ferment in Ausfall kommt und die Ver¬
abreichung von Alkohol, welche früher verpönt war, findet
immer mehr Anhänger. Schon durch die Erkenntnis, daß die
Lävulose bei Diabetes nicht nur unschädlich, sondern sogar
günstig wirkt, hat den ersten Anstoß zur Aenderung der K. H.-
Zufuhr geliefert.
Die Anwendung des Alkohols in der Therapie des Dia¬
betes richtet sich, wie R. Förster 1 ) neuerdings ausgeführt
hat, hauptsächlich nach dem K. H. - Oehalt der verschiedenen
Getränke, welche bei einem hohen Zuckergehalt, wie z. B. bei
Südweinen, zu vermeiden sind. In geeigneter Form hat die
Verabreichung von Alkohol bei Diabetikern große Vorzüge,
alkoholische Exzesse sind dagegen streng zu meiden.
Was die Ausübung der physikalischen Behandlungs¬
methode bei Zuckerkranken betrifft, so ist dieselbe bekanntlich
stets darauf gerichtet, die Oxydationsprozesse zu heben.
Als neues Prinzip müssen wir dagegen die Einverleibung
bestimmter Präparate beleuchten, welche nach den Normen
der Organsafttherapie einen Ersatz liefern, um die gehemmte
Drüsentätigkeit wieder zu heben und das Defizit der hydro¬
lytischen Faktoren womöglich auszugleichen. Da die Spezi-
fizität der Fermente in ihrer Wirkungsweise nicht bestritten
werden kann, so ist nicht zu verwundern, daß viele Mißerfolge
bis jetzt zu verzeichnen sind. So erzielte Umber 2 ) bei einem
Pankreasleiden durch Pankreongaben allerdings eine recht er-
') Alkohol in der Therapie des Diabetes, von Dr.med.R.Förster,
Oberassistent der Ernährungsphysiol. Abt. des Instituts für Gärungs¬
gewerbe, Berlin. Aerztl. Vierteljahrsrundschau 1. 1910.
-) Lehrbuch der Ernährung n. Stoffwechselkrankheiten. Prof.
Dr. Umber. S. 157.
freuliche Besserung der Resorption von Fetten und Eiweiss¬
körpern, doch wurde auf die Glykosurie durch diese Art der
funktioneilen Ersatztherapie nichts geändert.
Erwägen wir, daß Diabetes, Obesitas und Arthritis oft
vikariierend auftreten, so sind wir meiner Ansicht nach be¬
rechtigt, die verschiedenen Prankreasenzyme mit diesen Krank¬
heiten in Verbindung zu bringen, verschwindet beispieilsweise
die Fettsucht und tritt dafür Dextrosurie auf, so können diese
eigenartigen Wechselwirkungen uns möglicherweise einen
Fingerzeig liefern, daß nicht in allen Fällen die funktionelle
Ersatztherapie von Erfolg gekrönt ist. Auch die Hefezellen
enthalten ein hydrolytisches, fettspaltendes, ein invertierendes
K. H.-Ferment und ein peptonisierendes Ferment. Die Analogie
der Pankreasenzyme mit den Hefezellenfermenten ist auf¬
fallend, eine besondere Aufgabe hat in der Hefezelle jedoch
noch die Zymase zu lösen, höchstwahrscheinlich wird dieselbe
den oxydativen Faktor darstellen. Immerhin ist die Anwendung
von Hefezellenpräparaten zur Unterstützung der darnieder¬
liegenden Hvdrolyse der K. H. bei Diabetikern rationell,
und nach den verschiedenen Hefepräparaten, welche jetzt
gegen Diabetes angeraten werden, zu urteilen, scheinen
die Erfolge der Theorie im allgemeinen zu entsprechen.
Außer der Levurinose, ein Bierhefepräparat, wird das Trauben¬
ferment Zyma und antidiabetische Hefe Zyma, sowie die
Fermocyltabletten jetzt angewendet. Die Wirkung der letzteren,
welche von der Firma Via! & Welmann in Frankfurt a. M.
geliefert werden, ist durch Zusatz eines spezifischen Pankrea-
tischen Enzyms wesentlich gesteigert. Auch die Besserungen,
welche bei vielen Zuckerkranken bei Gebrauch bestimmter
Mineralwassertrinkkuren erzielt werden, ist vornehmlich auf
eine Erhöhung der oxydativen Prozesse zurückzuführen.
Wiener Brief.
Von Dr. L,. Sofer (Wien).
Als Thema seiner Antrittsvorlesung wählte O. Loewi
die Beziehung zwischen Pharmakologie und Klinik:
„Den Giften gegenüber erweist sich das erkrankte Gewebe
häufig in gesteigertem Maße empfindlich, die gleiche Dosis
Antipyrin, die beim Gesunden unwirksam ist, setzt beim
Fiebernden die Temperatur leicht um einige Grade herab.
Die Atropindose., die genügt, den krankhaft erregten Darm bei
Bleikolik ruhig zu stellen, ist noch ohne jeden Einfluß auf
die normale Drüsensekretion beim gleichen Individuum. Diese
Erkenntnis ist von großer Wichtigkeit für die Praxis am
Krankenbette. Man verwirft gar oft die Anwendung eines
Arzneimittels, weil eine „Idiosynkrasie“ dagegen bestehe: Idio¬
synkrasie bedeutet aber nichts anderes, als eine gesteigerte
Empfindlichkeit gegenüber Dosen, die bei der Mehrheit noch
nicht giftig wirken. Will man, was oft geboten ist, das Mittel
anwenden, so braucht man mit der Dose herabzugehen; wenn
die Normaldose giftig wirkt, so muß sich eine darunterliegende
finden lassen, die eben die gewünschte Heilwirkung übt. So
kennt L. einen Fall von intensiven, spastischen Koliken des
Dickdarmes. Das zur Erschlaffung des Darmes verordnete
Atropin wirkte in der Normaldosis vom 1 mg deutlich giftig
und wurde darum verworfen. Auf Vorschlag L.’s wurde
'/so m g Atropin angewendet und zwar mit bestem Erfolge.
So selbstverständlich dies klingt, so bedarf die aus der ver¬
schiedenen Empfindlichkeit für Arzneimittel resultierende Not¬
wendigkeit einer individualisierenden Dosierung nach¬
drücklichsten Hinweises; denn sie ist ungebräuchlich, und dies
hat zur Konsequenz, daß wertvolle Mittel unseres Arznei¬
schatzes nicht angewendet werden. Es sind L. verschiedene
Kliniker bekannt, die die Verordnung von Atropin schlechthin
ablehnen, weil es zu „giftig“ sei. Das Chloralhydrat ist
aus den gleichen Gründen in den Hintergrund gedrängt
worden; und doch haben wir keinen Ersatz dafür und be¬
sitzen außer den in ihrem Anwendungsbereich naturgemäß
Nr. 19
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
291
beschränkten Narkoticis kein anderes Mittel, das in gleicher
Weise wie das Chloralhydrat die Empfindlichkeit der Nerven-
zentren abstumpft, und zwar in einer Dose, die von der kreis¬
laufschädigenden weit abliegt. Als weiteres Beispiel wählt L.
die Digitalis; in kleinen Dosen kräftigt sie allein das Herz,
in größeren wirkt sie zugleich kontrahierend auf die peripheren
Gefäße. Letztere Wirkung ist natürlich unerwünscht, weil das
mühsam gebesserte Herz sonst einen größeren Widerstand zu
überwinden hat; dadurch kann leicht der Heileffekt illusorisch
werden. In der Klinik pflegt man nun, falls eine Heilwirkung
bei der üblichen Dose nicht eintritt, mit dieser zu steigen.
Oft ohne Erfolg. Vielleicht wäre es aber besser, bei Versagen
der üblichen Dose mit ihr herabzugehen; denn es ist a priori
gar nicht zu sagen, ob das Ausbleiben des Erfolges nicht
bereits Folge einer schädlichen Gefäßkonstriktion ist. Es hieße
aber den Tatsachen Gewalt antun, wollte man allemal, wenn
beim Kranken die Wirkung eines Heilmittels versagt, dies nur
auf quantitativ geänderte Empfindlichkeit zurückführen; gibt
es doch zahllose Fälle, wo trotz sorgfältigster Durchprüfung
aller Dosen die Wirkung ausbleibt. Hierher gehört der
klassische Koffeindiureseversuch Schröders; gab er Kaninchen
Koffein allein, so hlieb die Diurese, aus. Die Ursache konnte
darin liegen, daß das Koffein durch eine Wirkung auf das
Vasokonstriktorenzentrum die Gefäße auch in der Niere zu¬
sammenzieht; eine solche Wirkung muß auch die Diurese
hindern. Die Voraussetzung erwies sich als richtig, denn als
Schröder zur Beseitigung der Vasokonstriktion die Tiere vor
der Koffeininjektion chloralisierte, trat prompt Diurese ein.
ln der „Gesellschaft der Aerzte, Wien“ sprach N. Schiller
über die Fermentbehandlung kalter Eiterungen und
seriöser Ergüsse. Das Wesen der Fermentbehandlung
besteht darin, daß dem fermentenen Abszesse reine Ferment¬
lösung zugesetzt wird, um das aufgehäufte, nicht resorbierbare
Eiweiß abzubauen und damit die stockende Resorption
anzuregen. Als Fermentlösung benutzte Sch. (und Jochmann)
zunächst nur reines Leukozytenferment, später kamen sie davon
ab, da die weiteren Studien ergaben, daß das Leukozytenferment
sich in seinen chemischen Eigenschaften vollständig mit dem
Trypsinferment deckt. Das von Kahlbaum dargestellte Präparat
ist ein rötlich-graues Pulver, das verhältnismäßig gut wasser¬
löslich ist. Zur Injektion gelangt eine 1% sterile Lösung,
die wegen ihrer geringen Haltbarkeit täglich frisch zu bereiten
ist. Als Lösungsmittel dient physiologische Kochsalzlösung.
Die Technik des Verfahrens ist folgende: Nach vorausgeschickter
Reinigung der Punktionsstelle wird der Abszeß mit Hilfe einer
starken Nadel punktiert und der Inhalt entweder aspiriert oder
exprimiert. Es empfiehlt sich, die Punktionsöffnung seitlich
1 bis 2 cm vom Abszeß entfernt anzulegen, an der abhängigsten
Stelle des Abszesses darf man nicht punktieren, da sich sonst
eine Fistel etabliert, durch welche das neuerlich angesammelte
Sekret kontinuierlich absickert. Kalte Abszesse werden durch
die Fermentbehandlung sehr günstig beeinflußt, zuweilen über¬
raschend schnell geheilt. Es erwies sich als sehr zweckmäßig,
die Abszesse täglich zu entleeren und jeden zweiten Tag mit
Trypsinlösung zu beschicken. Bei Abszessen bis zu Hühnerei¬
größe injizierte Sch. in der Regel 2 cm 8 Trypsin, bei größeren
Abszessai 3 bis 4 cm 3 . Jedesmal wird ein leichter Kompressions¬
verband angelegt, ln der Regel genügen 3—4 Injektionen. Von
tuberkulösen Lymphdrüsen hat Sch. nur erweichte Lymphen
so behandelt, und zwar mit Erfolg. Dagegen erwiesen sich
tuberkulöse Gelenkserkrankungen sehr widerspenstig. Hingegen
werden durch die Fermentbehandlung seriöse Ergüsse in
geradezu ausgezeichneter Weise beeinflußt. Ganglien ver¬
schwinden gewöhnlich auf einmalige Punktion und Injektion.
Das gleiche gilt von der chronischen Schleimhautentzündung
(Bursitis praepatellaris).
W. Denk spricht über die Prophylaxe der hämo-
philen Blutungen. Um den Grad der Hämophilie zu be¬
stimmen, hat Wright folgendes Verfahren ersonnen. Man
saugt einen aus der Fingerbeere entnommenen Blutstropfen
mit einer Kapillarpipette auf und überläßt die Blutsäule im
Wasserbad bei 37 0 C. der Gerinnung. Man erkennt sie daran,
daß sich nach dem Ausdrücken des Blutes aus der Pipette
auf ein Filtrierpapier ein Koagulum gebildet hat. Die nor¬
malen Zeiten bewegen sich zwischen 2' 15" und 2' 45".
Koagulationszeiten von 3 bis 4' sind noch relativ harmlos,
während Verzögerungen über 4 ‘ schon die größte Auf¬
merksamkeit verlangen und eine Operation zu einem recht
gefährlichen Eingriff machen. Wright hat auch zuerst darauf
hingewiesen, daß der Milchgenuß gerinnungsbeschleunigende
Wirkung hat; die Ursache ist der Kalkgehalt der Milch.
Dasselbe Resultat läßt sich durch Verabreichung von Kalk¬
salzen erzielen. Obwohl die Wirkung des Kalkes, besonders
des Kalziumchlorids und des Kalziumlaktats von verschiedenen
Autoren erprobt und empfohlen wurde (Boggs, Löb, Sahli),
fand die Kalkbehandlung wenig Eingang in die Praxis und
wurde durch die Gelatine- und Serumtherapie verdrängt. Mit
Unrecht. Die Gelatinebehandlung erwies sich als recht un¬
sicher. Am bekanntesten ist die von Weil inaugurierte
Serumtherapie der Hämophilie. Aber auch vom Serum sahen
einige Autoren (Bonzani, Mauclair, Baum) vollständige
Mißerfolge. Natürlich mag dies teilweise von der Schwere
der Hämophilie abhängen, aber es kommt auch der von
Morawitz hervorgehobene Umstand in Betracht, daß nach
intravenöser Injektion von Thrombokinese, die ja auch im
Serum enthalten ist, das Blut vollkommen ungerinnbar wird.
Biedl und Kraus beobachteten ähnliche Befunde nach Serum¬
injektionen an Tiere. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß
wir auch beim Menschen durch die Injektion das Gegenteil
erreichen. D. gibt täglich durchschnittlich 3—6 g Calc. lactic.
durch 2—3 Tage, je nach der Schwere des Falles. Da das
Präparat im Wasser löslich und geschmacklos ist, wird es von
Kranken gern genommen. Eine unangenehme Nebenwirkung
hat D. nie beobachtet, nur gelegentlich ein leichtes Druck¬
gefühl im Magen; dies läßt sich vermeiden, w'enn man das
Pulver einige Zeit nach den Mahlzeiten nimmt. Als prompte
Reaktion konnte jedesmal eine deutliche Beschleunigung der
Blutgerinnung konstatiert werden, die einige Stunden nachher
eintrat und 3—4 Wochen anhielt. An der Hand der Koa¬
gulationsbestimmung kann man den Kalk so lange geben, bis
die Gerinnung normal oder annähernd normal ist. In diesem
Stadium kann eine Operation ohne Gefahr einer'BIutung vor¬
genommen werden. Hugo Wens bestätigt diese Aus¬
führungen. Man soll nie zu große Gaben Kalziumlaktat ver¬
abreichen, weil sonst erfahrungsgemäß keine richtige Wirkung
erzielt wird. Das Blut scheint nur eine bestimmte Menge
Kalziumjonen zu binden. Das Optimum liegt bei Erwachsenen
bei 1—2 g pro die, bei Kindern bei l /$ g durch drei Tage.
In der „Gesellschaft für innere Medizin und Kinder¬
heilkunde“ sprach B. Speck über die Gerinnung der
Frauenmilch: Im Gegensätze zur Kuhmilch gerinnt die
Frauenmilch sehr schwer, es war daher bisher nicht möglich,
aus letzterer eine Kasein-Fettnahrung wie aus der Kuhmilch
darzustellen. Der einfache Labzusatz zur Frauenmilch ruft
keine Gerinnung hervor, dagegen tritt eine solche nach Lab-
und Säurezusatz ein, besonders nach vorhergehendem Gefrieren.
B. Bienenfeld wies nach, daß eine optimale Azidität bei .der
Füllung besteht, und daß letztere nicht eine Lab-, sondern nur
eine Säurefüllung sei. Sp. hat gefunden, daß die Ausflockung
des Milchkaseins aus der Frauenmilch durch Lab nach Zusatz
von Chlorkalzium leicht gelingt, dabei braucht man die Milch
nicht zu verdünnen, sondern kann sie sogar im Vakuum ein-,
dampfen. Entfettete Frauenmilch gerinnt besser als fetthaltige.
Die Frauenmilch gerinnt deshalb schlechter als Kuhmilch,
weil sie viel weniger Kalzium enthält als letztere. Wenn man
die Frauenmilch im Vakuum bei 35° eindampft und auf je
20 cm 8 Milch 1 cm 8 10% Chlorkalziumlösung zusetzt, so
gerinnt die Milch im Brutschrank binnen 1 Stunde. Statt
die Milch einzudampfen, kann man sie auch durch eine Ton¬
zelle filtrieren. Das Kasein der Frauenmilch und der Kuhmilch
verhält sich bei Anwesenheit gleicher Kalkmengen gegenüber
1IGAN
UNIVERSIT
292
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 19
Lab gleich. Die Füllung im Magen ist eine kombinierte
Labsäurefüllung. Die Methode Sp. kann zur Darstellung
zuckerfreier Frauenmilch zur Ernährung darmkranker
Säuglinge verwendet werden, indem man die Frauenmilch
durch eine Tonzelle filtriert, wobei nur Salze und Zucker
durch die poröse Wand passieren. Den in der Tonzelle
zurückbleibenden Rest füllt man mit Wasser auf das frühere
Volumen auf. In der Diskussion erinnert Pribsam an das
mit Magerhofer ausgearbeitete Sterilisierungsverfahren für
Frauenmilch, bei welchem 1 — 5°/ 00 Wasserstoffsuperoxyd der
Milch zugesetzt wurden. Es wurde von ihnen auch ein
Milchpulver hergestellt: frische Milch wird mit 10 cm 3
Wasserstoffsuperoxyd pro 1 versetzt, dann rasch eingetrocknet
und der Rückstand zu Pulver zerrieben. Dieses gibt mit
warmem Wasser eine gutschmeckende Milch. Das Eintrocknen
der Milch kann entweder im Vakuumapparat oder in einem
Apparat, durch welchen ein kontinuierlicher Luftstrom durch¬
getrieben wird, erfolgen. Aus 100 cm 3 Milch gewinnt man
11 g Milchpulver.
ln der „Gesellschaft der Spitalsärzte“ in Ofen-Pest
sprachen Karl Hochhalt und Ign. Werner über proba-
torische und therapeutische Injektionen mit Alt¬
tuberkulin. Seit Mai 1909 wenden sie die probatorischen
Einspritzungen bei subjektiven Beschwerden, auf tuberkulose¬
verdächtiger Anamnese, objektiv negativen Zeichen und
febrilem Zustand an. Derlei Patienten bekommen die Ein¬
spritzungen 1. Grades ( 2 / 10 mg), bei Ausbleiben der Reaktion
durch 4-6 Tage die Injektion 2. Grades; war auch die
letztere von keiner Reaktion begleitet, die 3. Grades (5 mg).
Von der usuellen Einspritzung 4. Grades nehmen sie Abstand
aus Furcht vor unangenehmen Zufällen. Positive Resultate
erhielten sie in 37,3 °/ 0 der Fälle, das in 4—36 Stunden,
selten am dritten Tage eintrat. Mit der probatorischen
Injektion kann man fast sicher die initiale Tuberkulose
erkennen, was für die Behandlung von Wichtigkeit ist. Mit
den therapeutischen Injektionen behandelten sie 54 Patienten,
die außerdem auch hygienischen Maßregeln unter¬
worfen wurden. Beginn der Dosierung mit der kleinsten
Menge 1 / 100 mg, nach jeder Impfung eine wöchentliche Pause.
Die' darauffolgende Injektion wird abhängig gemacht von der
Größe der Reaktion, ihrer Dauer, der Gewichtszunahme und
dem allgemeinen Befinden. Jede spätere Dosis wurde nur
mit einer Teilung von 2—3 gesteigert. Bei dieser Behandlung
nahmen die Patienten an Körpergewicht zu, das Fieber
sistierte. Koch wurde negativ oder verringerte sich, des¬
gleichen der Hustenreiz und die Menge des Sputums, ja selbst
der Lungenbefund besserte sich. Das Ergebnis war bei
Patienten im ersten Stadium stets besser als bei solchen im
zweiten Stadium. Die Verabreichung von minimalen Mengen
Tuberkulin in großen Intervallen, die sogenannte Etappen-
beharidlung, verdient den Vorzug. Sie führt zu keiner voll¬
ständigen Immunisierung, sondern nur zur Giftfixierung;
hierdurch können sich die Immunkörper vermehren (Wrights
positive Phase) und erreicht werden, daß die Toxinwirkung
geschwächt wird. In der Diskussion bemerkt Wilhelm
Friedrich, daß er noch kleinere Dosen verwendet. Fr
beginnt mit 0,0001 mg, macht von der Größe der lokalen
Reaktion und dem Fieber abhängig, ob nach 4 Tagen oder
5, 6, 7 Tagen neuerlich geimpft wird; stets impft er erst
nach Abklingen der Reaktion, und auch dann steigt er nur
gradative und vorsichtig auf 0,001, 0,01, endlich 1,0 mg
empor; bei probatorischen Impfungen verwendet er 0,1, später
0,5 mg. Kuthy bemerkt, daß die Erfolge nicht so sehr vom
Präparate, sondern von der richtigen Art der Dosierung
abhängen.
REFERATE.
Chirurgie.
Referent: Dr. Mohr=Bielefeld.
1. Zur Frage der Desinfektion der Hände und des Ge¬
sichtsfeldes. Von Fischer, Prag. Prager med. Wochenschr.
24. 3. 1910. Nr. 12.
2. Ueber die Hautdesinfektion des Operationsfeldes mit
Alkohol und Jod. Von Donati, Turin. Deutsche med. Wochen¬
schrift 1910. Nr. 13.
3. Diagnose und Behandlung der Hirnverletzungen. Von
Tilmann, Köln. Deutsche med. Wochenschr. 1910. Nr. 13.
4. Experimentelle intrathorakale Chirurgie mittels der
Methode von Meitzer und Auer. Von Covell, New-York. Ber¬
liner Klin. Wochenschr. 1910. Nr. 13.
5 Ueber die ambulante Behandlung der traumatischen
Kniegelenksergüsse mit Heftpflasterverbänden. Von Blecher,
Straßburg. Münchener Med. Wochenschr. 1910. Pag. 693.
6. Die Meniskusverletzungen des Kniegelenks. Von
Steinmann, Bern. Schweizerische Rundschau für Med. 1910. Nr. 12.
7. Ueber eine Periost=Knochentransplantation in einen
durch Resektion verursachten Femurdefekt. Von Katzenstein,
Berlin, Berliner klin. Wochenschr. 4. 4. 1910.
8. Erfolgreiche Naht der fast völlig quer gerissenen
Arteria femoralis. Von Sonnenburg, Berlin. Deutsche Med.
Wochenschr. 31. 3. 1910.
9. Die Drainage des hinter den Condylen gelegenen
Kniegelenksabschnitts bei Arthritis purulenta genu. Von
Riedel, Jena. Deutsche Med Wochen-schr. 1910. Nr. 13.
10. Experimentelle Erzeugung und Ursache des Kropfes.
Von Wilms, Basel. Deutsche Med. Wochenschr. 1910. Nr. 13.
11 Die sakrale Vorlagerungsmethode beim hochsitzenden
Rectumkarzinom. Von Kiittner, Breslau. Deutsche Med. Wochen¬
schrift 1910. Nr. 13.
12. Ueber Blutungen nach Appendizitis=Operation. Von
Guleke, Straßburg. Deutsche Med. Wochenschr. 31. 3. 1910.
13. Das Erkennen und die Behandlung des nicht per=
forierten Duodenalulcus. Von Wilms, Basel. Münchener Med.
Wochenschr. 1910. Nr. 13.
14. Zur Behandlung der Varicocele. Von Lameris, Utrecht.
Münchener Med. Wochenschr. 1910. Nr. 13.
15. Die Behandlung der Basedow’schen Krankheit. Von
A. Kocher, Bern. Münchener Med. Wochenschr. 1910. Nr. 13.
16. Einfache plastische Phimosen = Operation. Von
Linhart, Prag. Prager Med. Wochenschr. 1910. Nr. 14.
17. Ein Fall von Wangenfistel, geheilt mit Erhaltung
des Zahns durch einfache Wurzelbehandlung. Von Mayrhofer,
Innsbruck. Wiener klin Wochenschr. 1910. Nr. 14.
1. Eine ideale Aseptik ist ein pium desiderium, das wohl
kaum je erreicht wird. Vernünftige Antiseptik (Nachhilfe mit Anti-
septicis) ist rationeller als eingebildete Aseptik, die es nicht ist.
jeder Chirurg lernt mit der Zeit abzuschätzen, wie lange und wie
er seine Hände behandeln muß, um sie rein zu waschen. Dieses
Ziel ist das Ergebnis individueller Erfahrung. Bayer pflegt die Naht¬
stellen in der Tiefe, nachdem die Naht angelegt ist, mit einem
Sublimattupfer zu desinfizieren und hierauf mit sterilem Jodoform
leicht einzustäuben, um so event. durch die Hände eingebrachte
Keime unschädlich zu machen.
2. Das Verfahren des Verf. stellt eine Kombination der Me¬
thoden von v. Bruns (alleinige Desinfektion mit 96°/„ Alkohol) und
von Grossich (Bestreichung mit 10 bis 12°,„ Jodtinktur) dar, und
besteht bei dringenden Fällen in noch trockenem Rasieren, in
mehrfachem Abreiben und Bestreichen des Operationsfeldes mit
sterilem, in l°/o Jod-Alkohol getauchten Tupfer. Bei nicht dringenden
Fällen wird außerdem 24 Stunden vor der Operation gebadet, feucht
rasiert, mit Jodalkohol bestrichen und trocken steril verbunden. Bei
400 Operationen trat nur einmal Eiterung eiv.
3. Klinischer Vortrag, aus welchem hervorgeht, daß die Be¬
handlung der Hirnverletzungen im allgemeinen durchweg konservativ
ist. Nur bei groben offenen Zertrümmerungen ist eine möglicht
schonende Wundversorgung angezeigt. Sonst gelten für eine Trepa¬
nation dieselben Indikationen wie für alle sonstigen Erkrankungen
des Gehirns: zunehmender Hirndruck infolge Blutung oder Abszeß
oder Encephalitis, sowie andauernde Hirnreizung, die sich in fort¬
gesetzten epileptischen Anfällen äußert.
4. Tierexperimente: Operationen in der Thoraxhöhle unter
Benutzung der kontinuierlichen intratrachealen Insufflation nach
Meitzer und Auer, zu dem Zweck, neue Methoden für die zukünftige
iRSITY OF MICHIGAN
UNIVERJ
Nr. 19
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
293
Chirurgie des Herzens und der Aorta ausfindig zu machen. Der
Apparat, bestehend aus einem Blasebalg, Gummiröhren, die mit
einer Aetherflasche und einem Manometer verbunden sind, und
einem intratrachealen Katheter, hat den Vorteil, die gewöhnlichen
operativen Bedingungen in keiner Weise zu modifizieren, und den
respiratorischen Gaswechsel auch dann noch zu unterhalten, wenn
die normalen Atembewegungen aufgehört haben oder unwirksam
geworden sind. Nähte, Anastomosen und Transplantationen ge¬
langen unter diesen Bedingungen an der Brustaorta gerade so gut,
wie an anderen Gefäßen. Die Versuche, Herzkrankheiten operativ
zu beeinflussen, stehen noch in den Anfängen, jedoch waren einzelne
Experimente (Cordiotomie, Herzwandresektion Anastomosenbildung
zwischen Aorta und Coronararterien) von Erfolg. Verf. glaubt, daß
verschiedene Krankheiten des Herzens und der Aorta durch chi¬
rurgische Methoden geheilt werden könnten, wenn eine adäquate
Technik gefunden werden wird.
5. Verf. hat in 73 Fällen von frischem, traumatischem Blut¬
erguß einen Heftpflasterverband (cf Abbildung) verwendet, welcher
das Gelenk komprimiert, elastisch fixiert und durch Hinaufziehen
der Kniescheibe den Streckmuskel entspannt. Die Kranken gehen
mit diesem Verband, der möglichst sofort angelegt werden muß,
sogleich umher. Bei Verdacht auf blutigen Erguß wird sofort
punktiert, 24 Stunden lang komprimiert und dann der ambulatorische
Heftpflasterverband angelegt. Ist in den übrigen Fällen nach 14Tagen
noch keine wesentliche Verminderung des Ergusses eingetreten, so
muß er durch Punktion entleert werden. Der Verband verhütet
nach den mitgeteilten Resultaten die Atrophie der Streckmuskulatur,
befördert die Resorption und verringert die Zahl der Rezidive.
6. Siebzehn operativ behandelte Fälle von Meniskusverletzung
am Kniegelenk, darunter 14 Zerreißungen des inneren Semilunar¬
knorpels. In 9 Fällen fand Verf. eine Spaltung des Meniskus in
zwei Teile durch einen Längsriß, welcher am vorderen und hinteren
Ansätze Halt macht, eine Meniskofissur, die sog. Meniskusluxation,
ist nach S.’s Erfahrungen durchweg keine Luxation, sondern eine
Meniskusruptur oder Fissur. In einzelnen Fällen findet man bei der
Operation als einzigen Befund nur eine entzündliche Verdickung
am vorderen Ansätze des Meniskus. Bei reiner Meniskusverletzung
wird durch Totalexzision wieder völlige Funktionsfähigkeit des
Beines erzielt, bei Meniskofissur erzielte S. mit der Wegnahme nur
des inneren Schenkels ebenfalls gute Resultate.
7. Nach Resektion eines periostalen Sarkoms des unteren
Femurendes (bei einem 15jährigen Jungen) auf 13 cm Länge wurde
ein entsprechender Periostknochenlappen aus der Vorderfläche der
Tibia von nur 1-2 mm Knochendicke in den Defekt eingepflanzt.
Glatte Einheilung mit bedeutendem Dickenwachstum des Knochens
und beweglichem Kniegelenk. Der Fall lehrt, daß man bei Heilung
von Knochendefekten durch Ueberpflanzung lebender Periostknochen¬
lappen mit äußerst geringem Knochenmaterial auskommen kann.
8. Nach Eindringen eins kleinen Stahlsplitters am Oberschenkel
im Skarpaschen Dreieck traten die Erscheinungen eines Aneurysma
arterio-omosum auf. Die Operation unter Momburgscher Blutleere
zeigte, daß die Vene ein unregelmäßig gestaltetes Loch, die Arterie
einen den größten Teil des Rohrs durchtrennenden Querriß hatte.
Unterbindung der Vene, nach völliger Durchtrennung und An¬
frischung der Arterienenden Arteriennaht nach Carrel-Stich mit
vollem Erfolg bezüglich der Erhaltung der Zirkulation im Bein.
Die Arterie wurde also höchstwahrscheinlich wieder funktionsfähig,
zumal ja auch die Vene unterbunden war.
9. Nach Mitteilung mehrerer Fälle resümiert Riedel: Ein er¬
weitertes Kniegelenk soll aufgeschnitten werden, bevor der Eiter
perforiert. Die typischen Perforationsstellen des Gelenks sind die
Spitze des oberen Recessus und die Bursa poplitea. Schnitte seitlich
neben der Kniescheibe sowie hinten auf die Epikondylen genügen
meist nicht Der hintere Abschnitt des Gelenks bleibt fest ge¬
schlossen, besonders in gestreckter Lage auch wenn hinten seitlich
die Kapsel gespalten ist. Sobald man aber die Lig. lateralia von
den Epikondylen abgetragen hat, sind seitliche Wackelbewegungen
auch in gestreckter Stellung des Beins möglich, die hintere Gelenk¬
kapsel sinkt ganz nach hinten, die Kreuzbänder werden sichtbar,
und man kann in leichter Beugestellung die hinteren Gelenktaschen
ausgiebig drainieren. Die Lig. lateralia treten im Laufe der Zeit
durch Narbengewebe wieder in Verbindung mit den Epikondylen:
seitliche Wackelbewegungen sind bald unmöglich. Die Tibia sinkt
etwas nach hinten, aber sie schließt glatt gegen das Femur, so daß
ausgiebige Beweglichkeit des Gelenks resultiert.
10. Verfasser schließt aus den Feststellungen Bircher’s über
die Beziehungen des Kropfs zur Geologie, daß die Fauna der
Meeresgebiete beim Sedimentieren und Eintrocknen der Meere sich
in den Ablagerungen deponiert haben muß; das Wasser das durch
diese Gesteine durchläuft, kann Zersetzungsprodukte der im Gestein
enthaltenen organischen Substanzen lösen und mitschwemmen.
Diese im Wasser vorhandenen Toxin- oder Fermentstoffe könnten
die Ursache der Kropfbildung sein. Es steht fest, das man mit aus
Kropfbrunnen stammendem Wasser bei Tieren Kropf erzeugen
kann. W.’s Versuche an Ratten sprechen dafür, daß ein Miasma
nicht die Ursache des Kropfs sein kann, sondern eine gelöste
Substanz, ein toxischer Stoff herrührend von organischen Substanzen.
Der Schilddrüse würde dann eine entgiftende Aufgabe zufallen,
indem sie giftige Zersetzungsprodukte organischer Substanzen un¬
schädlich macht.
11. Auf Grund von 10 von ihm operierten Fällen empfiehlt
K. für die schwierige Operation der hochsitzenden Rektum- und
tiefsitzenden Flexurkarzinome wegen ihrer Einfachheit und geringen
Mortalität die sakrale Vorlagerungsmethode: bei ausschließlich
sakralem Vorgehen wird die allseitig ohne Eröffnung des Lumen
isolierte, den Tumor enthaltende Darmstrecke in die sakrale Wunde
vorgelagert, sekundär wie ein vorgelagertes Dickdarmkarzinom ab¬
getragen, und die Vereinigung ebenso wie bei diesem nach An¬
legung der Spornquetsche in einer zweiten Siizung ausgeführt.
Dieser zweite Operationsakt kann bei schlechtem Allgemeinzustande
beliebig lange hinausgeschoben werden, ja im Notfälle ganz unter¬
bleiben. Der Patient behält dann einen durch Pelotte verschlie߬
baren Anus sakralis. Die sakrale Auslösung des Tumors gelingt
auch in den ungünstigsten Fällen, weil auf die Ernährung des
später vorgelagerten Darms kein Bedacht genommen zu werden
braucht und sämtliche Gefäße rücksichtslos unterbunden werden
dürfen.
12. Fall von Nachblutung aus dem retrokolischen Binde¬
gewebe nach einer relativ früh nach dem zweiten Anfall vorge¬
nommenen Appendixoperation. Trotz vorsichtigen Einhaltens der
allgemein üblichen Technik kam diese ambundante Blutung zu¬
stande, welche schon nach 4 Stunden zu Wiederöffnung der Wunde,
Ausräumung der Blutgerinnsel und Tamponade der retrokolischen
Tasche zwang, woselbst aus dem noch entzündlich infiltrierten
Gewebe eine starke parenchymalöse Blutung bestand. Heilung.
G. empfiehlt daher, zur Vermeidung von Nachblutungen in alten
Fällen, in denen die Appendix hinter dem Kolon hochgeschlagen
und hier so fest' fixiert ist, daß die Lösung erhebliche Schwierig¬
keiten macht, besonders aber dann, wenn die entzündlichen Er¬
scheinungen noch nicht völlig abgelaufen sind, die entstandene
Wundhöhle stets zu tamponieren.
13. Auf Grund von operierten Fällen beweist Verfasser, daß
es gelingt, Duodenalulcera nach Lage und Größe bei Palpation von
innen festzustellen mit Hilfe des Einbindens des Fingers in die
vordere Magenwand, daß ferner die Behandlung des Ulcus nicht
mit Gastroenterostomie erfolgen sollte, sondern durch äußeres Ueber-
nähen des Geschwürs, was denselben Erfolg hat wie eine Aus¬
schneidung. Damit sind die Gefahren des Durchbruchs und der
Blutung sicherer ausgeschaltet. Die relative Sicherheit dieses Ein¬
griffs erlaubt bei der schlechten Prognose der perforierten Duodenal¬
geschwüre den Eingriff auf die Fälle auszudehnen, wo trotz interner
Behandlung rezidivierende Blutungen auf ein solches Ulcus auf¬
merksam machen.
14. Verfasser widerlegt auf Grund eines größeren Kranken¬
materials die Behauptung, Varicocele könne an und für sich
Beschwerden verursachen, oder die Erweiterung der Venen des
Plexus pompiniformis könne dem Hoden schädlich sein. Seine
Erfahrungen erlauben den Satz, daß die klinische Indikation zur
Operation der Varicocele an und für sich nicht motiviert werden
kann. Klagt ein Patient mit dieser anatomischen Veränderung über
Schmerzen, welche auf andere Weise nicht erklärt werden können,
so ist eine Ausstülpung des Bauchfells vorhanden. Wird dieser
kleine Bruch entfernt, so genügt das zur Heilung. Den Plexus
pompiniformis kann man unangerührt lassen und ruhig abwarten,
bis die Venenerweiterung spontan verschwindet, oder sich mit der
Tatsache zufrieden geben, daß im Skrotum eine anatomische Ver¬
änderung besteht, welche keine pathologische Bedeutung hat.
15. Referat über die Behandlung der Basedow’schen Krankheit
auf Grund eigener Erfahrungen und solcher anderer Autoren. Die
Schilddrüsen-Operation hat fast ohne Ausnahme eine Besserung der
Krankheit, und, wenn richtig durchgeführt, eine Heilung zur Folge.
Die Bedingung zur Vermeidung von Mißerfolgen und zur
Eizielung möglichst vieler wirklicher Heilungen ist die Frühoperation.
Nach der Operation, welche zur Zeit die einzig befriedigende Be
handlung darstellt, sind Kuren in Höhenluft von 1000 -1500 m,
leichte Hydrotherapie, diätetische Maßregeln (eiweiß- und fettarme
Nahrung), Ruhekur, unterbrochen von regelmäßigen, methodisch zu
steigernden Muskelübungen, innerlich Phosphor, Arsen ev. Eisen
anzuraten. Von lokaler oder kausaler Behandlung der Schilddrüse
ist abzuraten; ebenso von Jod, Thyreoidin, die Serumbehandlung
ist von inkonstanter und niemals von andauernder Wirkung. Gleiches
gilt von der Röntgen- und Elektrisierungsbehandlung Wenn auch
die Organotherapie, vielleicht mit Ausnahme der Thymus- und
Hypophysispräparate, bisher keine Erfolge erzielt hat, so ist es
doch möglich, daß bei besserer Kenntnis der chemisch wirksamen
Bestandteile die pathologische Funktion der Schilddrüse durch
spezifische Drüsenextrakte beeinflußt werden könnte.
16. Verfasser verwendete in 25 Fällen mit gutem Erfolg eine
Abänderung der Schloffer’schen plastischen Phimosenoperation.
Technik (10 Abbildungen) muß im Original nachgesehen werden.
17 Es gibt gutartige Fälle von äußerer Zahnfistel, in welcher
zur Heilung weder die Entfernung des Zahns, noch die Wurzel¬
resektion notwendig ist, in denen vielmehr die gewöhnliche anti¬
septische Behandlung des Wurzelkanals genügt, um die Fistel zur
Vernarbung zu bringen. Verfasser teilt einen derartigen Fall mit.
294
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 19
Rettung-swesen.
Referent: Dr. M. Schwab, Berlin-Scliöneberg.
1. Ueber ärztliche Organisation bei Unfällen und Massen-Ver¬
unglückungen. Von Generalarzt Dr. D ii m s. Zeitschr. f. Ver¬
sicherungsmedizin 1909, Nr. 10. i
2. Unfälle auf dein Gebiete der Luftschiffahrt. Von Stabsarzt
Dr. Flemming (Berlin). Ibid, Nr. 6 u. 7.
3. Pathologie und Therapie der durch Elektrizität Verunglückten.
Von Dr. S. J e 11 i n e k (Wien). Wien. klin. Wchschr. 1908, Nr. 50.
4. Bemerkungen über die Lebenserhaltung Verschütteter. Von
Dr. Ph. S.ilberstern. Wien. klin. Wchschr. 1909, Nr. 8.
5. Selbstmord und Lysolvergiftung. Von Oberamtsarzt Dr.
Weißenrieder (Maulbronn). Württ. Med. Korresp.-Blatt 1909.
6. Hufeland und das Rettungswesen. Von G. Meyer. Beil,
klin. Wchschr. 1910, Nr.6.
Der auf dem Gebiete des Rettungswesens wohlbekannte Autor
gibt, nach einem auf dem internationalen Kongreß für Unfallheilkunde
in Rom 1909 gehaltenen Vortrag eine Uebersicht und einen Ausblick
über die Maßnahmen, die für die ärztliche Organisation bei Einzel-
und- Massenunfällen bereits vielfach in Anwendung sind, resp. noch
einzuführen wären: Bericht des Rettungsarztes an die nachbehan¬
delnde Stelle, Grenzen der ersten Hilfe, Unfallverhütung, Ausbau
der Erfahrungen aus den einzelnen Unfällen, Verbesserung der
technischen Hilfsmittel des Rettungsdienstes, Ausgestaltung der
Kenntnisse von den Folgen der Massenverunglückungen nach ihren
einzelnen eigenartigen Ursachen, was wertvolle Hinweise auf die
in ähnlichen Fällen anzuwendenden Hilfsmaßnahmen geben würde,
Mitwirkung der Faktoren des Rettungswesens bei Epidemien. —
Ueber die eigentliche Organisation der ärztlichen Hilfe bei Massen¬
unfällen (vorbereitende Tätigkeit zur Bereitschaftsstellung aus¬
reichender ärztlicher und Hilfskräfte, Sorge für einheitliche Leitung
der Rettungsarbeiten und rationelle Verteilung der ärztlichen Hilfe
u. dergl. m.), ein Punkt, dessen Berücksichtigung noch vielfach sehr
zu wünschen übrig läßt, ist nichts gesagt.
2. F. bespricht die teils bei allen, teils nur bei einzelnen Arten
von Luftfahrzeugen möglichen Gefahren und deren Konsequenzen.
a) die Gasvergiftung: sie betrifft besonders das mit
der Füllung des Ballons beschäftigte Personal und kommt sowohl
bei Leuchtgas- wie bei Wasserstofffüllung vor; bei letzterer sind die
Vergiftungserscheinungen am schwersten, wenn das Gas nicht
elektrolytisch, sondern auf chemischem Wege hergestellt wird, in¬
dem dann Arsenwasserstoff dem aus Schwefelsäure und Eisen-
spähnen gewonnenen Gase oft in tötlicher Dosis beigemengt ist.
Deshalb sollte chemisch hergestelltes Gas zur Ballonfüllung über¬
haupt ausgeschlossen sein, da es auf chemischem Wege völlig
arsenfrei nur selten gewonnen wird. Vergiftungen durch Leuchtgas-
cinatmung betreffen fast immer nur die Leute, die während der
Ballonfüllung den Füllansatz mit. dem Füllschlauch Zusammenhalten
und dabei meist unter der Ballonhülle liegend, von der frischen Luft
vollständig abgeschlossen sind. Leuchtgasvergiftungen sind stets
vorübergehender Natur gewesen; Todesfälle wurden nicht beob¬
achtet.
b) Entzündlichkeit des Füll gase s: Bei Wasser¬
stofffüllung gehört zu einer Explosion zunächst ein bestimmtes
Mischungsverhältnis mit der Luft und zweitens die Zündung selbst
dazu. Das Gemisch kann sich nur bilden an den natürlichen Oeff-
nungen des Ballons (Füllansatz oder Ventil) oder bei Zerreißen oder
Platzen der Stoffhülle, Fessel- und Freiballons sind bisher (in
Friedenszeiten) nur bei Berührung mit der Erde verletzt, ausnahms¬
weise in der Höhe geplatzt, wenn der Füllansatz absichtlich oder
aus Versehen ganz oder zum Teil geschlossen war, und der Ausgleich
des Innen- und Außendrucks nicht mit der genügenden Schnelligkeit
vor sich gehen konnte. Explosionen erfolgen deshalb selbst beim
Platzen des Ballons bei weitem nicht so leicht, wie gemeiniglich
angenommen wird. — Bei Lenkballons sind jedoch die Gefahren der
Verletzung der Ballonhülle in der Luft einerseits und die Entzündung
des Füllgases anderseits weit größer. Von der treibenden Kraft des
Motors kann eine Verletzung ausgehen, desgl. yon den Wider¬
ständen, die der Wind den mit Eigengeschwindigkeit versehenen
Fahrzeugen entgegensetzt. Bildet sich nach der Verletzung der
Hülle Knallgas, so kann dieses leicht durch Funken, die bei der
Entladung des elektrischen Potentials des Metallgerüstes sich bilden,
oder am Motor selbst entzündet werden. Die Entzündung des
Ballongases durch Blitz ist in Deutschland nur beim Fesselballon
beobachtet. Hier wirkt das gut leitende Stahlkabel genau wie der
Blitzableiter, der, mit der negativen Erdelektrizität geladen, die
positive der freien Atmosphäre oder der Wolken anzieht. Im frei-
schwebenden Ballon dagegen kommt es wohl öfters zu großer
Elektrizitätsansammlung, die sich in sprühenden Funken und
Schlägen den Insassen fühlbar macht, zur Entzündung des Gases
nur ganz ausnahmsweise.
c) Im übrigen werden Unfälle nur bei der Landung be¬
obachtet, und auch nur dort, wo Ungunst der Witterung und des
Landungsortes, Leichtfertigkeit, Ungeschicklichkeit und vor allem
Unorienticrtheit über das Gelände vorhanden war; hierbei handelt
es sich um mechanische Verletzungen aller Art, besonders der
unteren Gliedmaßen: Verstauchungen und Quetschungen des Fuß-
und Kniegelenks. Brüche, namentlich der Knöchel, auch Brüche und
Verrenkungen des Beckens, von Arm und Hand, Schädelbrüche,
Labyrintherschütterungen mit nachfolgender einseitiger Taubheit.
Dies bezieht sich auf Landungen auf der festen Erde; aufsehen¬
erregender sind Landungen im Wasser, die fast stets ungewollte
sind und deshalb die größten Gefahren bringen. Sie sind in erster
Linie Folgen fehlender oder falscher Orientierung, hervorgerufen
durch Nebel oder Wolken, die die Erde verhüllen und die zeitige
Fahrtrichtung des Ballons und seine Geschwindigkeit nicht erkennen
lassen, aber auch bisweilen mangelndes Kartenlesen, sie können
aber auch bei voller Orientierung Vorkommen; es kann sich hierbei
aber immer nur um mehr oder weniger große Seen handeln, wo der
stets noch vorhandene Auftrieb des Gases erhebliche Unfälle
immer noch hat abwenden können. Für alle diese Eventualitäten
werden die Hilfsmittel zur Rettung angegeben.
d) Während der Fahrt imFreiballon kommen Unfälle selten
vor, am häufigsten noch mechanische Verletzungen, die beim Herab¬
lassen des Schleppseils entstehen. Dieses meist 100 m lang und
2—3 Finger dick, übt beim Auslegen über den Korbrand zuletzt einen
solchen Zug aus, daß erfahrungsgemäß selbst Knochenbrüche durch
Einklemmung von Gliedern in einer sich bildenden Schlinge herbei-
geführt wurden. Derartige Unfälle sind leicht zu vermeiden, wenn
das Schleppseil, wie es bei Motorballons üblich ist, klar wie ein
Bindfadenknäuel gewickelt von vornherein außerhalb am Korbe
oder Ringe befestigt ist und sich nach Durchschneiden eines zu¬
sammenhaltenden Fadens von selbst abrollt. Diese Methode hat
außerdem den Vorteil, bei unvorgesehenen Landungen das Schlepp¬
seil sofort in Wirksamkeit setzen zu können.
Zum Schluß folgen statistische Mitteilungen über Mortalität und
Prozentsatz der Verletzungen bei Luftschiffahrten und vervoll¬
ständigen, so die jeweilig durch Beispiele wirklich vorgekommener
Unfälle illustrierten Darlegungen des erfahrenen Verf. zu einem ab¬
gerundeten Bild der Unfälle auf dem Gebiet des noch jungen, aber
doch schon so erfolgreichen Zweiges des modernen Verkehrs.
3. Der bekannte Wiener Elektropathologe gibt in seiner Habili¬
tationsvorlesung eine Zusammenfassung der den Praktiker besonders
interessierenden Fragen der Elektropathologie und von experimen¬
tellen und theoretischen Untersuchungsergebnissen eine Uebersicht
derjenigen Punkte, die zur Klärung gewisser Maßnahmen, z. B.
bei der ersten Hilfe dienen können.
Aus den einzelnen Abschnitten über Aetiologie, Symptomato¬
logie usw. sei als besonders wichtig erwähnt:
a) Auf dem ganzen Gebiet der Aetiologie interessiert am
meisten die Frage: W e 1 ch e Spannung im techn i s eben
Betriebe ist gefährlich? Eine allgemeine Antwort hierauf
etwa in dem Sinne, daß eine Stromspannung von 50 Volt schon als
Gefährlichkeitsgrenze anzusehen sei, ist-nicht präzise; denn es haben
sich Unfälle ereignet, bei denen Spannungen von 1000 bis 5000 Volt
nicht zum Tode führten, während ein anderes Mal die Spannung von
nur einigen hundert Volt zu tödlichen Verunglückungen Anlaß gab.
Es kommt außer der Stromspannung und der Stromart (Einwirkung
von Gleichstrom geht mit Blutdrucksteigerung, Einwirkung von
0F MICHIGAN
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
205
Wechselstrom mit Blutdrucksenkung einher. Und diese Veränderun¬
gen in den Blutdruckverhältnissen spielen neben den psychischen
Momenten [Schreck, Shokwirkingl eine ganz hervorragende Rolle)
noch eine Reihe anderer Faktoren in Betracht, die man in zwei
Gruppen: äußere und individuelle Faktoren einteilen kann. Zu den
ersteren gehören außer der Stromspannung und Stromart die Anzahl
der berührten Pole, die Zeitdauer der Einwirkung und die Strom¬
stärke; die individuellen Faktoren sind zu suchen in der Strombahn
(i. e- menschlicher Körper), in dem Widerstand, im Körperzustand
(Status somaticus) und schließlich im Artfaktor (Tierart).
Bezüglich der Stromspannung verdient außer dem unterschied¬
lichen Einfluß auf die Blutdruckverhältnisse bemerkt zu werden, daß
die von der Gefährlichkeitsgrenze (beiläufig 50 Volt) sich sowohl
auf- als abwärts bewegenden Werte schließlich derart be¬
schaffen sind, daß sie. für den Menschen ganz ungefährlich sind. —
Auch die Bedeutung der Amperezahl (Stromstärke) wird zuweilen
unterschätzt: Viele wollen 1/10 Ampere—100 Milliampere als Grenze
des noch Erträglichen bezeichnen, jede größere Intensität sei tödlich;
die Erfahrungen zeigen jedoch, daß Menschen von weit größeren
Stromintensitäten getroffen wurden und nicht einmal bewußtlos
wurden, während in anderen Fällen Intensitäten von nur einigen
Hundertsteln Ampere zur Lebeusvernichtung führten. — Bezüglich
der Polzahl ist zu beachten, daß doppelpolige Berührung nicht ge¬
fährlicher ist, als die durch Erdschluß entstandene. — Zeitdauer und
Gefährlichkeit stehen nicht unter allen Umständen, wie man bisher
anzunehmen geneigt war, in geradem Verhältnisse, allerdings gilt
dies nur bis zu einer bestimmten Grenze, über die hinaus die durch
den elektrischen Lichtbogen und die Hitzewirkung entstehenden
Verletzungen das Unfallsbild derart komplizieren, daß von einer
einfachen Elektrizitätswirkung nicht mehr die Rede ist. — Länger
dauernde Einwirkung von Wechselstrom ist weniger verhängnisvoll
als eine solche von Gleichstrom, wie überhaupt vom elektropatho-
logischen Standpunkt aus der Gleichstrom als der ge¬
fährlichere angesproch e n werden muß.
Unter den individuellen Faktoren verdient die größte
Beachtung der Widerstand. Von dem Schutzwiderstand des ein¬
zelnen Individuums hängt es ab, ob die Berührung einer Stromanlage
von nösen Folgen begleitet ist oder nicht; diesen Schutzwidersland
bietet die Haut: die harte trockne Sohlenhaut oder die schwielige
Hand des Arbeiters bietet Widerstandsziffern von vielen 100 000 Ohm,
während die Haut des Handrückens, des Gesichtes oder die Bauch¬
haut durch unvergleichlich niedrige Ziffern, z. B. 20 000, 10 000 Ohm
oder noch weniger gekennzeichnet ist. Die Haut der Frauen und
besonders die der Kinder läßt noch geringere Werte erkennen. —
Einen eventuellen Bundesgenossen findet der natürliche Schutz¬
widerstand eines Menschen in der Bekleidung und besonders in den
Widerstandsverhältnissen des Fußbodens- — Von der Bahn des
Stromes im Körperinnern und auf der Oberfläche des Betroffenen
hängt die Lokalisation der Stromdichte ab; außerdem spielt noch die
Lokalisation der Elektroden, d. i. Ein- und Austrittsstelle, eine Rolle.
— Der Faktor des jeweiligen Zustandes (Status somaticus) will be¬
sagen, daß ein großer Unterschied darin gelegen ist, ob jemand be¬
wußt oder unbewußt „elektrisiert“ wird. Es ist oftmals der plötzliche
und unerwartete Einbruch in die Psyche, der einzig und allein ver¬
hängnisvoll werden kann. — Auch zeigen die Menschen nicht die
gleiche Reaktionsweise auf schwache elektrische Ströme, und die
Tiere reagieren ganz verschieden auf Elektrizität: Tauben, Fische,
Krebse, weiße Mäuse, Hunde und besonders Pferde sind sehr emp¬
findlich, Frösche und Schildkröten scheinen immun gegen Elektri¬
zität zu sein.
b) Die Symptomatologie ist abgesehen von der momen¬
tanen Tötung eine ebenso umfangreiche wie abwechslungsvolle. Die
Erscheinungen sind lokaler und allgemeiner Natur.
Die lokalen Veränderungen sind entweder eigenartige Ver¬
schorfungen der Haut oder echte Brandwunden und brandwunden¬
artige Zerstörungen der Haut, Haarversengungen, mechanische Ge-
webstrennungen in Form von Durchlöcherung und Zerreissung der
Gewebe und treten gewöhnlich sofort nach dem Trauma auf.
Die Allgemeinsymptome zerfallen in Früh- und
Späterscheinungen. Im Vordergrund stehen als Früh-
symptome Störungen des Bewußtseins (leichte Ohnmächten oder
DnitCi'; t'. .
UNIVERSITY OF MICHIGAN
tiefe langandauernde komatöse Zustände) und des Zentralnerven¬
systems: Lähmungen oder krampfartige Zustände der motorischen
Sphäre, Beeinträchtigung oder gar Stillstand der Atmungs- und Herz¬
tätigkeit; dazu gesellen sich in manchen Fällen Affektionen der
Magendarmtätigkeit (Meteorismus, kolikartige Schmerzen etc.;, der
Nieren (Nukleo- und Serumalbumin in Spuren), der Leber (in seltenen
Fällen leichter Ikterus), ferner Störungen des Urogenitalapp^rates,
z. B. Incontinentia oder Retentio urinae, Spermaejakulation, Blutun¬
gen aus dem Genitale; des weiteren akute Oedeme, Gelenksergüsse;
bei Stromübergängen in der Nähe des Kopfes eventuell Reizerschei-
nungen seitens des lichtempfindenden Apparates, Schwerhörigkeit,
Ohrensausen, Störungen des Geschmacksinns-
Als echte elektrische Spätsymtome kamen unter
Ausschaltung der in das Gebiet der traumatischen Neurosen fallenden
Krankheitssymptome zur Beobachtung: Sinnesverwirrung mit Ver¬
folgungsideen, Lähmungserscheinungen mit Sensibilitätsstörungen und
kompletter Entartungsreaktion, chronisch atrophisierende, ankylo¬
sierende Gelenkprozesse, Krankheitserscheinungen wie sie bei der
progressiven Paralyse Vorkommen (progressive Demenz mit Silben¬
stolpern, Pupillenstarre, etc.), epileptiforme Anfälle mit Delirien, Stö¬
rungen der Herztätigkeit.
c) Therapie: Zunächst Entfernung des Verunglückten aus
dem Stromkreis, wobei der Retter auf eigene Isolation bedacht sein
muss; entweder wird der Strom abgeschaltet oder der Leitungsdraht
durch eine isolierte Zange zerschnitten oder man trachtet den Be¬
troffenen lozumachen. Horizontale Lagerung des aus dem Strom¬
kreis Befreiten mit erhöhtem Kopf, Lockerung der Kleidung. Geht
Atmung und Puls, so ist beides zu überwachen und nur für Mund¬
pflege zu sorgen; Einträufeln von Flüssigkeit ist überflüssig, sogar
gefährlich, wenn Benommenheit oder Bewußtlosigkeit besteht.
Atmet der Verunglückte nicht, so ist sofort mit der künstlichen At¬
mung nach allen Regeln der Kunst zu beginnen. Da manche Stark¬
stromwirkung mit bedeutenden Blutdrucksteigerungen einhergeht, so
wird in solchen Fällen die künstliche Atmung mit Chlofo^rminhalation
zu kombinieren sein. — Die gestörte Herztätigkeit ist durch Reiz¬
mittel, wie durch Massage, Faradisation der Herz und Halsgegend,
durch Kampfer- und Adrenalinjektionen-intravehös oder subkutan aus¬
geführt etc. zu beeinflussen; ein Versuch wird auch mit einem aus¬
giebigen Aderlaß zu machen sein; nur muß während des Blutabflusses
mit der künstlichen Atmung wegen der Gefahr von Luftaspiration
(Embolie) ausgesetzt werden. Als ganz ungefährlicher Eingriff wäre
die Lumbalpunktion auszuführen, die aus oben erwähnten Gründen
indiziert erscheint und frühzeitig auszuführen wäre. — In den Fällen,
die nach stundenlangen Bemühungen als verloren anzusehen sind,
wäre als Ultima ratio und zwar auf Grund von Tierversuchen eine
neuerliche Einwirkung des tötlichen Starkstroms zu versuchen und
zwar in folgender Anordnung: eine flächenhafte Elektrode (Pluspol)
auf die Herzgegend, die stabförmige Elektrode (Minuspol), die mit in
Kochsalz getauchter Watte zu umwickeln ist, in das Rektum; mehr¬
malige Stromeinwirkung von momentaner bis sekundenlanger Dauer;
nach jedesmaliger Applikation wären Herz und Halsgefäße genau zu
untersuchen.
Nach gelungenem Rettungswerke ist die jeweilige expektätive
symptomatische Theraphie indiziert.
4. Unter allen Formen der Erstickung ist es die durch Ver¬
schüttung, bei der der Tod am langsamsten eintritt. Trotzdem findet
man in den Werken über Samariterwesen wenig oder gar nichts über
dieses Thema, und oft genug setzt nach Verschüttungen die Hilfs¬
aktion zu spät ein, weil niemand an die Rettungsmöglichkeit denkt.
S. teilt deshalb einen Fall mit. in dein es gelang, nach ca. 50 stün-
diger Bergungsarbeit, den Körper des einen Verschütteten (der Tod
des anderen war schon während der Rettungstätigkeit konstatiert
worden) mit Gurten zu umschließen und ihn lebend zutage zu
fördern. Er starb allerdings 4 Tage später. Im Anschluß an die
klinischen Symptome und die Obduktionsbefunde der beiden Fälle
erörtert S, den Mechanismus der bei Verschüttung eintretenden
Rumpfkompression und Aspirationsgefahr, sowie die Bedingungen
für einen günstigen Verlauf einer Verschüttung, der nach Ansicht des
Verfassers durch das Vorhandensein eines mehr oder weniger großen
freien Luftraumes vor den Respirationsöffnungen bestimmt wird.
Durch Veröffentlichung aller einschlägigen Fälle soll dazu beigetragen
UNIVERSITY OF MICHIGAN
296
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 19
werden, daß jedesmal rasche Hilfe geleistet wird, und daß wir die
Asphyxiegefahr Verschütteter in ihrer Prognose und ihren Folge¬
zuständen genauer kennen lernen.
5. An Hand zweier ad exituin gekommener Fälle von Selbst¬
mord durch Lysolvergiftung bespricht Verfasser die Symptomatologie,
Prognose und Theraphie der akuten Lysolintoxikation. Das suve-
räne Mittel bei der Behandlung stomachaler Vergiftungen ist die
Magenspülung, unterstützt durch Exzitantien und künstliche Atmung.
Zur Heilung des Giftes im Magen kann man noch Sirupus calcis,
Magnesia, Carbo animakis und vegetabilis geben; am besten fällend
wirkt nach Kobert Bromwasser, das man solange dem Magen Spül¬
wasser zusetzen darf, als man noch im Ausfließenden einen weißen
Niederschlag danach wahrnimmt. Nach der Resorption nützen diese
Mittel nichts mehr. Es empfiehlt sich Natriumthiosulfat unter die
Haut zu spritzen, wodurch die Bildung ungiftiger Unwaiidlungs-
produkte, der Phenolätherschwefelsäure und der Kresolätherschwefel-
säure, gefördert wird; besonders bei Vergiftungen vom Darm oder
Uterus her wird die letztere Behandlung am Platze sein. (In neuerer
Zeit werden Magenspülungen mit Alkohol, resp. Trinkenlassen von
Alkohol bei somachaler Vergiftung empfohlen, was sehr plausibel er¬
scheint, da Alkohol die Aetzwürkung von Karbol sehr herabzusetzen,
wenn nicht aufzuheben im stände ist. — Refer.).
6. Anläßlich der Zentennarfeier der Hufelandischen Gesellschaft
schildert M. die Beziehungen des berühmten Verfassers der „Makro¬
biotik" zu dem, Ende des 18. Jahrhunderts in seinen ersten Anfängen
stehenden Rettungswesen: Schon die Dissertation, mit der H. am
24. Juli 1783 zum Doktor promovierte, schlägt in dieses Gebiet: sie
betitelt sich: „Usum vis electricae in asphyxia experimentis illu-
stratum", ein auch heute noch zeitgemäßes Thema. 25 Jahre später
erschien das Buch: „Der Scheintod oder Sammlung der wichtigsten
Tatsachen und Bemerkungen darüber“, in dem als einzig sicheres
Zeichen des Todes die Fäulnis angegeben wird, ein Standpunkt, über
den auch wir noch nicht hinausgekommen sind, und der Hufeland
veranlaßt, besondere Anstalten zu verlangen, in denen die Leichen bis
zum Eintritt der Fäulnis liegen können. Hierauf bezieht sich die
Schrift: „Ueber die Ungewissheit des Todes und das einzig untrüg¬
liche Mittel, sich von seiner Wirklichkeit zu überzeugen und das
Lebendigbegraben unmöglich zu machen; nebst einer Nachricht von
der Einrichtung eines Leichenhauses in Weimar“. — Ferner hat H.
eine Haus- und Reiseapotheke angegeben.
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Das neueste Ehrlich-Hatapräparat siegen Syphilis.
Von Prof. Dr. Alt, Uchtsprunge. Münch, med. Woch. 1910, Nr. 11.
2. Unerwünschte Ergotinwirkung. Von Prof. Dr. L. Knapp,
Prag. Ibidem.
3. Ueber Arsenbehandlung organischer Nervenkrank¬
heiten. Von Dr. Hans Willige, Ass.-Arzt, Halle a. S. Ibidem, Nr. 12.
4. Chocosana. Von Dr. Linke, Wiederau. Therap. Neuig¬
keiten, März 1910.
1. Alt veröffentlicht seine aufsehenerregenden Beobachtungen
über ein neues von Ehrlich hergestelltes Syphilispräparat, worüber
er schon im engeren Kreise, in der medizinischen Gesellschaft,
in Magdeburg einen mit größtem Beifall aufgenommenen Vortrag,
den Referent mit anhörte, gehalten hat. Er hat die sämtlichen
Phasen der Behandlung der Syphilis mit Arsen und diesen Derivaten
aus eigener Forderung und Anschauung kennen gelernt und speziell
auch mit Atoxil bezüglich der unangenehmen Nebenwirkungen
schlechte Erfahrungen gemacht. Ebenso mit Arsazetin. Wesentlich
besser sind sie bei Arsenophenylglyzin gewesen, das schlaf¬
kranke Tiere heilt und bei Paralytikern die Wassermannsche Reaktion
zum Verschwinden bringt Aber auch bei diesem Präparat sind
Nebenerscheinungen nicht ganz ausgeschlossen. Uebrigens hat Alt
zum erstenmal bei diesem Präparat die schon von Ehrlich an-
gcstrebte „Therapie sterilisans magna“ angewendet, die darin
gipfelt, daß man versucht, durch eine einmalige konzentrierte Be¬
handlungsweise (an 2 aufeinanderfolgenden Tagen je eine Dose von
0,8—1,0 g intramuskulär injiziert) die Erreger der Syphilis spezifisch
zu bekämpfen bezw. zu vernichten. Bei Paralythikern erzielte Alt
eine rasche, auffällige und langanhaltende Besserung durch die Be¬
handlung mit Arsenophenylglyzin. Schon aber hat Ehrlich
ein neues Präparat hergestellt, das gegenüber jenem Mittel große
Vorzüge aufweist, da es weit wirksamer ist und weit weniger Neben¬
erscheinungen macht. Es ist dies ein Derivat des Arsenobenzols,
ein Dioxydiamidoarsenobenzol, das imstande ist, bei ein¬
maliger Injektion Rekurrens bei Mäusen und Ratten zum Verschwinden
zu bringen. Das Präparat hat noch keinen Namen; es wird be¬
zeichnet „Marke 606“ und ist ein in Vakuumröhrchen versandtes,
schwefelgelbes Pulver. Die Versuche wurden erst angestellt, nach¬
dem die Unschädlichkeit des Mittels an Hunden und an zwei Aerzten
erprobt war. Die Injektionstechnik ist folgende: In ein ca. 50 ccm-
Gefäß wird die Einzeldosis von 0,3 g und 10 ccm steriles Wasser
eingefügt und verrührt, dann soviel Normalnatronlauge (ca. 2 ccm)
hinzugefügt, bis nur ein geringfügiger Rest der Substanz ungelöst
bleibt. Bis zum Strich 20 ccm wird nunmehr steriles Wasser,
eventuell nach vorheriger Beifügung einer Ampulle Eusemin,
hinzugefügt und nunmehr je eine Spritze von 10 ccm in die rechte
und die linke Glutsealmuskulatur unter langsamem Kolbendruck ein¬
gespritzt, am besten, während der Patient auf dem Bauch liegt
und so eine halbe Stunde liegen bleibt. Unangenehm sind die
Schmezen an der Injektionsstelle, die aber nach 12 bis 24 Stunden
verschwinden. Vorübergehend traten Temperatursteigerungen auf,
niemals Abszesse, vereinzelt Kopfschmerz und Erbrechen.
Im Urin fand sich niemals Eiweiß und Zucker. Appetit und Er¬
nährung wurden nicht gestört. Die Ausscheidung des Arsens ist
eine äußerst langsame, über zehn Tage noch vorhanden, während
Atosyl und Arsazetin in zwei Tagen, Arsenophenylglyzin nach 3—5
Tagen ausgeschieden werden. Außerdem findet eine erhebliche
Leukosytose statt. In Uchtspringe wurden bisher 23 Kranke be¬
handelt; 18 mit positiver Wassermannscher Reaktion. Von diesen
verloren die Reaktion gänzlich zwei; ebenso viele zeigten starke,
drei erkennbare Abnahme. Seit 31. Januar 1910 wurden 27 Fälle
mit florieder Lues im Magdeburger Altstädtischen Krankenhaus
mit einmaliger Injektion von 0,3 g „Marke 606“ behandelt. Der
Erfolg war frappant. Fälle, die bisher jeder Behandlung getrotzt
haben, heilten in ganz kurzer Zeit. Am schnellsten gingen die
hartnäckigen, spezifischen Anginen zurück. Außer geringen Tem¬
peratursteigerungen traten keine Nebenerscheinungen auf. Von den
27 Patienten hatten bis zum 7. März vier die Wassermannsche
Reaktion verloren (nach einer Mitteilung Alts in der Mediz. Gesell¬
schaft am 17. März waren es schon — soweit mir erinnerlich —
14. Ref.).
2. Prof. Knapp berichtet über Fälle von unerwünschter Er¬
gotinwirkung. Er ist seit Jahren gewohnt, je 30 Tropfen Ergotinum
dialysatum Golaz unmittelbar nach dem Blasensprung, nach
Ausstoßung der Frucht und nach Abgang der Plazenta zu geben.
Als er einmal statt 30 Tropfen 40 gab, nachdem die Frucht geboren
war, trat krampfhafte Striktur des Muttermundes auf, so daß die
gelöste Plazenta nicht passieren konnte und lebensgefährliche
Blutungen einsetzten.
3. Verf. wendet bei Neurasthenien auf anaemischer Basis das
Natron cacodyl. nach folgendem Rezept an. Rp. Natr. cacodyl. 1,5,
Cocain, mur. 0,1, Acid. carbol. liquefact. gtt III, Aq. dest. ad 50,0.
Davon beginnt er mit subkutanen Injektionen, zunächst mit 4 Teil¬
strichen einer Pravazschen Spritze, steigt täglich um einen Teilstrich
bis 20, bleibt auf dieser Höhe 14 Tage und geht langsam wieder
auf 4 Teilstriche zurück. Darauf eventuell Anwendung einer 5°/ 0 igen
Lösung. Auf Antons Veranlassung werden jetzt an der Hallenser
Klinik organische Nervenleiden mit Acid. arsenicos. behandelt.
Verf. wandte eine 1 °/ 0 ige Lösung an und injizierte täglich 1 mg,
jeden dritten Tag um 1 mg bis zu 7 mg steigend. Auf dieser Höhe
blieb er 3—8 Tage, um dann wieder bis auf 1 mg zurückzugehen.
Nach mindestens 14tägiger Pause wird comt. diese Kur wiederholt.
Nebenerscheinungen wurden nicht beobachtet. Die günstigsten
Erfahrungen machte Verf. bei multipler Sklerose, wo bei 9 von
12 Fällen eine deutliche Besserung konstatiert wurde. Je früher die
Anwendung, desto besser der Erfolg. Mit Fowlerscher Lösung wird
an der Hallenser Klinik Chorea (und Polyneuritis) behandelt, bis
dreimal täglich 15 Tropfen. Die mit Arseninjektion behandelten
Fälle von Polyneuritis zeigten zum Teil auffällige Besserung. Verf.
gibt selbst zu, daß die günstigen Beobachtungen für die therapeu¬
tische Wirkung des Arsens nicht beweisend sind.
4. Chocosana, hergestellt von der Chocosana-Kompagnie in
Stuttgart, ist ein neues Mittel, das den Zweck verfolgt, den Leber¬
trangeschmack zu verdecken und den Tran selbst in einer den
Kindern willkommenen Form ihnen beizubringen. Chocosana besteht
nämlich aus Knusperstangen von Schokolade mit 45 °/ 0 Lebertran;
außerdem enthält es noch Kakao, Zucker, Lezithinphosphorsäure
und phosphorsauren Kalk. Im Handel erscheinen Kartons zu
40 Stangen (M. 3,—), oder 20 Stangen (M. 1.60). Auf Grund
klinischer Beobachtungen wird über erhebliche Gewichtszunahme
und wesentliche Besserung des Allgemeinbefindens schon nach
sechs Wochen berichtet, während gleiche Resultate in den betr:
Kliniken erst nach 3—4 Monaten erzielt wurden. (?)
Nr. 19
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
297
1. Alte und neue Anschauungen über die Quecksilber¬
behandlung der Syphilis von Priv.-Doz. Dr. Hübner, Marburg.
Fortschr. d. Mediz. 1910, No. 13.
2. Zur Arsentherapie mit der Dürkheimer Maxquelle
von Dr. L. Katzenstein, Wiesbaden. Ther. d. Gegenwart 1910, April.
3. Unsere Erfahrungen mit einem neuen Arsen=Eisen=
Präparat von Sekundärärztin Dr. Marie Theimert, Baden b. Wien.
Med.-chirurg. Centralblatt 1910, No. 14.
4. Einige Bemerkungen über Pergenol von Dr. Robert
Meyer. Ther. d. Gegenw. 1910, April.
5. Beitrag zur medikamentösen Behandlung des Diabetes
mellitus von San.-Rat. Dr. Lenne, Neuenahr. Ibidem.
6. Ueber Sarton, ein neues Nährpräparat für Zucker¬
kranke von C. von Noorden, Wien, und Ed. Lampe, Frank¬
furt a. M. Ibidem.
1. Verfasser hält vorläufig das Quecksilber für die beste
Waffe gegen die Syphilis. Es ist aber zu entscheiden, wann
soll die Hg. Kur beginnen und wie oft soll sie wiederholt
werden. Bezüglich der ersten Frage dürfte der Nachweis der
Spirochaete pallida die Indikation zum Beginn der Kur sein. Ob
dieselbe als Schmier- oder Injektionskur gehandhabt wird, ist in¬
different. Die wichtigste Frage bleibt die: Wie oft sollen die
Kuren wiederholt werden? Bei der Entscheidung dieser Frage
entbrannte der Streit um die symptomatische oder chronisch-inter¬
mittierende Behandlung. Beide haben ihre Mängel; die Vertreter
der letzteren (Fournier, Neißer) sind aber dem Ideale der
Syphilistherapie näher gekommen, als sie jetzt fordern, daß solange
mit Quecksilber chronisch-intermittierend behandelt werden muß,
bis die Wassermannsche Reaktion dauernd negativ ist.
2. Bei den bisher bekannten arsenhaltigen Quellen (Roncegno,
Levico, Guberquelle und Val Sinestra) findet man außer Arsen
auch Eisensulfat, das zu Magenbeschwerden und Stuhlverstopfung
führt. Die Dürkheimer Maxquelle ist völlig frei davon; sie führt
im Gegenteil leicht ab. Außerdem besitzt sie die große Menge
von 17,35 mg arseniger Säure im Liter. Ihre Wirkung ist von ver¬
schiedenen Autoren, wie Noorden, Brenner, van der Velden, Kauf¬
mann, Neißer, anerkannt. Der Gebrauch der Quelle bessert das
Allgemeinbefinden und subjektive Beschwerden, erhöht den Haemo-
globingehalt und ruft eine Vermehrung der roten Blutkörperchen
hervor und das Körpergewicht nimmt zu. Die abführende Wirkung
wird durch den Kochsalzgehalt hervorgerufen. Dieser ist neben
der Eisenfreiheit wohl die Ursache, daß das Wasser so gut ver¬
tragen wird. Die Maxquelle wird in steigender Dosis genommen,
und zwar so, daß man täglich 50 ccm nehmen und täglich um
25 ccm bis zur Höchstdosis von 300 ccm steigen läßt. Hierbei
bleibt man 3 Wochen und geht in gleicher Weise wieder rückwärts.
Bei Kindern beginnt man mit 10 bis 20 ccm und steigt bis zu 30
bis 60 ccm. Die Dosen werden in drei Dosen verteilt und nach
dem Essen genommen. Der Geschmack des Wassers ist ein
leicht salziger.
3. Die Arsenhaematose von Apotheker Paul (Wohnort
fehlt! Ref.) soll ein nahezu ideales Mittel« nach Aussprache des
Verfassers sein und stellt eine Kombination von Arsen, Chinin und
Eisen dar. das letztere in leicht assimilierbarer Form. Indikationen;
Anaemie, Chlorose. Der Geschmack ist gut; das Präparat billig.
4- Das feste, haltbare Wasserstoffsuperoxyd-Präparat Per¬
genol. hergestellt von den Chemischen Werken Dr. Heinr. Byk,
Charlottenburg, besteht aus einer Mischung von Natriumperborat
und Natriumbitartrat. Beim Lösen in Wasser entsteht Wasserstoff¬
superoxyd und Borsäure, letztere in Form von Natriumborotartrat.
Die Löslichkeit ist in kaltem Wasser ebenso leicht wie in warmem.
Doch ist in letzterem die desinfektorische Kraft des H 2 0. 2 angeblich
größer. Verfasser hat das Präparat in Fällen von chronischen
Mittelohreiterungen angewendet, um zäh festsitzenden Eiter zu
entfernen, indem er trockenes Pergenolpulver in den Gehörgang
blies und vermittels Sprays verdünnte Borlösung nachspritzte. Da¬
bei entwickelt sich dann Wasserstoffsuperoxyd. Brandschorfe an
Nasenmuscheln lassen sich auf diese Weise leicht entfernen. Da
Pergenol hygroskopisch ist, muß der Pulverbläser sorgfältig gereinigt
werden, sonst könnte er sich verstopfen. Die Pergenoltabletten
gestatten die Herstellung frischer Wasserstoffsuperoxydlösungen.
Die Pergenolmundpastillen läßt der Patient im Munde zergehen.
Anwendung bei Mund- und Rachenerkrankungen. Die Pergenol-
mundwassertabletten liefern in Verbindung mit ihrem Gehalt an
Pfefferminz ein angenehmes Mundwasser.
5. Verfasser hat das Produkt der Chemischen Fabrik Rhenania,
Aachen, Hypophyson, zur Behandlung des Diabetes mellitus
benutzt, ohne eine besondere Wirkung beobachtet zu haben. Viel¬
leicht war der Fall zu weit vorgeschritten. Allerdings wurde bei
dem gleichen Falle ganz zu Anfang eine Verminderung der Zucker¬
ausscheidung und Einschränkung des Eiweißumsatzes beobachtet.
Auch mit dem zweiten Mittel der Rhenania, Trion, hergestellt aus
Leber-, Muskel- und Pankreasextrakt, hat Verfasser keine nennens¬
werten Erfolge bei Diabetes erzielt, Auch mit Atropinum methyl-
VERSIT
bromat. von Merck hat er keine Verminderung der Glykosmie
gesehen.
6. Die vortrefflichen Erfahrungen der Verfasser mit Hafer¬
mehl bei der Behandlung des Diabetes veranlaßten sie, auch andere
Vegetabilien auf ihre therapeutische Brauchbarkeit zu piüfen, so¬
wohl die amylaceenreichen als auch die eiweißreichen. Mit trock¬
nen Bohnen, Linsen und Erbsen machten sie schlechte Erfahrungen,
dagegen gute mit der Sojabohne. Dieselbe ist japanischer Her¬
kunft und heißt Soja hispida, deren Frucht zwischen Erbse und
Bohne dem Aussehen nach steht. Sie hat 30—35% Eiweiß, nur
ca. 6% Gehalt an Stärke und Kohlehydraten. Doch eignet sie sich
wegen ihres unangenehmen Nachgeschmackes nicht für den euro¬
päischen Gaumen. Es fand sich aber eine Methode, denselben zu
entfernen, die für den Haushalt jedoch zu umständlich ist und daher
fabrikmäßig durchgeführt werden muß (Farbenfabriken Elberfeld).
Das Präparat wird jetzt in Pulverform abgegeben und trägt den
Namen Sarton. Dies enthält keine Substanzen, die Stärke ent¬
halten. Die Anwendungsweise ist mannigfach, zu Suppen, Gemüsen.
Für einen Teller Suppe genügen SO g. Bei guter Zubereitung ist
der Geschmack ausgezeichnet. Erfahrungen an über 100 Diabetikern
sind gute, da bei Genuß des Präparates die Zuckerausscheidung
nicht zunahm. Die Sojabohne übt auf die Darmperistaltik einen an¬
regenden Einfluß aus, ohne aber Gasbildung zu befördern. Weitere
Mitteilungen aus der Wiener Klinik bestehen bevor.
1. Zur medikamentösen Therapie der Cholelithiasis von
F. Eichler, Spezialarzt, Berlin-Charlottenburg. Ther. d. Gegenw.
April 1910.
2. Ueber Digistrophan, ein neues Kardiakum, von
Dr. Boelke, Ratibor. Ibidem.
3. Beitrag zur Behandlung der Syphilis mit atoxyl-
saurem Quecksilber von Oswald Boethke, Luisenhospital in
Dortmund. Med. Klinik. 1910. Nr. 15.
4. Untersuchungen über die Wirkung des Quecksilbers
und Jods bei der experimentellen Syphilis von Priv.-Doz,
Dr.Tomasczewski, Berlin. Deutsche Med. Wchschr. 1910. Nr. 14.
5. Zur Jodbenzinfrage von Kreisarzt Dr. Frank in Bublitz.
Münch. Med. Wochensch. 1910. N.\ 12.
1. Verfasser legt bei Gallensteinkoliken sowie bei einfacher
Cholezystitis und katarrhalischem Ikterus darauf, daß neben der
Beseitigung der Schmerzen die Entzündung der Gallenwege durch
geeignete Desinfizientien bekämpft und eine dünnflüssige Galle
produziert wird, ohne daß dabei eine Hypersekretion von Galle
stattfindet. Auf Grund ihrer Versuche schreiben Kuhn und
Usener der Salizylsäure eine desinfizierende Wirkung auf die
Galle zu und einen spezifischen Einfluß auf die Schleimhäute der
Gallenwege. Crewe hat Versuche am Gallenfistelhunde mit
Hexamethylentetramin vorgenommen: Bei Darreichung von
1,0 g per os zeigte die Galle nach 24 Stunden Formaldehydreaktion.
Bei drei Patienten verschwand nach Verabfolgung von 4,5 g des
Mittels der Gehalt der Galle an bakteriellen Elementen völlig.
Hierbei spielt aber die Anlegung der Fistel eine stark begünstigende
Rolle. Verf. hat nun Saliformin, salizylsaures Hexamethylen¬
tetramin, probiert. Es ist dies ein weißes, in Wasser und Alkohol
leicht lösliches, angenehm schmeckendes Pulver. Bei einem Gallen¬
fistelhund trat bald deutliche Verflüssigung der anfangs einge¬
dickten Galle ein, was sich auch in der Abnahme des spezifischen
Gewichtes und der festen Gallenbestandteile sowie in der Er¬
niedrigung des Gefrierpunktes dokumentiert. Die Gärfähigkeit der
Galle nahm über die Hälfte ab Das Wachstum der Bakterien
wurde gehemmt. Verf. hält Dosen von 0,5—0,75 g Saliformin
3—4 mal täglich für geeignet, dünnflüssige Galle zu erzielen, die
antifermentativ und antibakteriell wirksam ist Nach Abklingen der
frischentzündlichen Erscheinungen muß einer neuen Eindickung der
Galle vorgebeugt werden. Als echte Cholagoga haben sich nur
Galle und gallensaure Salze bewährt. Gut ist das gallensaure
Eiweiß (Ovogal), zu verordnen in Gelatinekapseln zu 0,5 g
3 - 4 mal täglich, anfangs zwei, später eine Kapsel; zunächst hinter¬
einander 2 Schachteln zu 50 Kapseln. Nach einigen Monaten
Wiederholung der Kur. Nebenbei Natrium salicyl, Urotropin,
Saliformin. Eine mehrmalige Brunnenkur ist notwendig.
2. Auf B.’s Anregung wird von der Firma Goedecke & Co.,
Berlin, wieder ein neues Herzmittel auf den Markt gebracht, das
eine Kombination voa Digitalis mit Strophantus darstellt, wobei
man sich vorstellte, daß Strophantus die störende Kumulativwirkung
der Digitalis mildern und die Kombination dieser btiden Herz¬
mittel, die längst nicht absolut gleich wirken, eine bessere Heil¬
wirkung erzielen sollte. Da bei Herstellung von Fluidextrakten der
Verlust von wirksamer Substanz nicht zu vermeiden ist, wurde
folgendes Verfahren angewendet: 100 Teile Fol. Digitalis und
50 Teile Semen Strophanti werden in der bekannten Weise zu
einem Fluidextrakt hergestellt. Bei einem Vakuum, das 40° nicht
überschreiten darf, wird das Fluidextrakt mit Milchzucker derart
verdunstet, daß 1000 Tabletten von 0,5 g = 150 g Extrakt ent-
/ERS
298 THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU Nr. 19
sprechen. Jede Tablette enthält also 0,1 g Folia Digitalis und
0,05 g Sem. Strophanti. Neben diesen reinen Digistrophantabletten
werden noch solche hergestellt, die neben 0,1 g Digitalis und 0.05 g
Strophantus noch 0,2 g Natriumazetat, resp. Coffein, natr. acet.
0,35 g enthalten. Bei der Darreichung dieses Mittels beobachtete
Verfasser prompte und konstante Wirkungen. Der Blutdruck stieg
bei Herzgesunden nur wenig; die Pulswelle zeigte aber Digitalis¬
wirkung, die Frequenz des Pulses sank, die Diurese stieg. Neben¬
wirkungen traten auch bei 14 tägiger Darreichung nie auf. Die
günstigen Beobachtungen waren bei Kranken mit Kreislaufstörungen
natürlich noch viel frappanter. Auch bei Verdauungsstörungen
wurde das Digistrophan gut vertragen. Verfasser gab im allge¬
meinen dreimal täglich eine Tablette.
3. Verfasser berichtet über die therapeutischen Versuche
mit dem atoxylsauren Quecksilber, einem von Uhlenhuth und
Manteuffel empfohlenen, von den Vereinigten Chemischen
Werken, A.-G., Charlottenburg, hergestellten neuen Präparat. In
der Medikation hielt sich Verfasser an die Lesserschen Angaben,
ging aber wiederholt über die Gesamtdosis von 0,5 g hinaus. Nie
wurden Veränderungen der Sehnerven beobachtet. Die Erfolge
waren, wie bei anderen Quecksilberpräparaten, im Primär- und
Sekundärstadium gut, im Tertiärstadium schlecht. Dagegen wurde
über sehr große Schmerzempfindlichkeit nach den Injektionen ge¬
klagt. Manche Infiltrationen blieben tagelang bestehen. Gleich¬
wohl wurden wöchentlich 0,1 g in die Glutaealgegend gespritzt.
Ob Radikalteilungen erzielt wurden, ließ sich bei der Kürze der
Beobachtungszeit noch nicht feststellen.
4. Ueber die Wirkung des Quecksilbers auf die experimentelle
Tiersyphilis liegen die Arbeiten einer Reihe von Autoren vor. Aus
ihnen geht hervor, daß tatsächlich Jod und Quecksilber spezifische
Heilmittel sind. Ja. es gelingt auch, mit Hilfe von äußeren örtlichen
Maßnahmen an der Impfstelle die Infektion bei Affen zu verhindern.
Jedoch konnte Neißer eine präventive Wirkung des Hg nicht fest¬
stellen. Eine präventive Wirkung des Jods scheint nach den Ver¬
suchen Neißers bei der Affensyphilis möglich, eine heilende sicher
zu sein. Verfasser hat nun ebenfalls darüber Untersuchungen an¬
gestellt, aus denen Folgendes hervorgeht:
1. Das Quecksilber zeigt bei der experimentellen Kaninchen-
Syphilis eine präventive Wirkung, aber nur bei Anwendung hoher
Dosen.
2. Die Wirkung des Quecksilbers beruht zum Teil auf der
Steigerung der Wehrstoffe des Organismus, zum Teil auf ent¬
wickelungshemmenden Faktoren; in der Hauptsache aber auf
spezifisch-bakteriziden Eigenschaften.
3. Das Jod läßt keine präventive Wirkung erkennen. Affen
und Kaninchen erkranken innerhalb der normalen Zeit, auch
wenn sie vom Moment der Impfung an unter einer kontinuier¬
lichen, intensiven Jodwirkung stehen.
4. Die syphilitischen Erscheinungen solcher Jodtiere heilen
unter Hg-Behandlung in kurzer Zeit.
5. Die Wirkung des Jods ist indirekt, aber nicht näher zu
charakterisieren.
5. Bei der Besprechung der Hautdesinfektion mit Jodbenzin
in der Arbeit von Brewitt war folgendes Rezept angegeben:
Tct Jodi 10,0, gelöst in Benzin 750,0 -|- Paraffin liquid. 250,0. Nach
Verfasser ist dies falsch, weil chemisch unmöglich. Denn der
Spiritus in der Jodtinktur, der kein Alkohol absolut ist, mischt sich
weder mit Benzin noch Paraffin völlig. Wenn die Mischung nach
obigem Rezept gefärbt erscheint, so rührt dies von dem wenigen
im Spiritus gelösten Jod her. Dazu ist nur wenig Jod nötig. Das
übrige bleibt als Jodtinktur getrennt, ungelöst. Wollte man also
beim Bepinseln mit der genannten Mischung von desinfektorischer
Kraft sprechen, so wären das nur homöopathische Dosen. Um
reine Jod Wirkung zu erzielen, muß man 1,0 g reines Jod in Benzin
lösen, was mehrere Stunden dauert, und dann Paraffin zusetzen.
Diese Lösung ist rein violett.
Neurologie und Psychiatrie.
Referent: Irrenarzt Dr. Wern. H. Becker, Weilmünster.
1. Die Melancholiefrage. Von Prof. Dr. Ho che. Zentralblatt
für Nervenheilkunde und Psychiatrie, 2. Märzheft, 1910.
2. Ueber atypische Paralysen. Von Prof. Dr. Näcke,
Hubertusburg. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie, Bd. LXVII,
Heft 2, 1910.
3. Einflüsse meteorologischer Erscheinungen auf epilep=
tische Kranke. Von Dr. Halbey, Ueckermiinde. Allgemeine
Zeitschrift für Psychiatrie, Bd. LXVII, Heft 2, 1910.
4. Zur klinischen Stellung der Paranoia. Von Dr. Wil-
manns. Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie, 2. März¬
heft, 1910.
5. Beitrag zur Ischiasbehandlung und zur physikalischen
Therapie von Oberarzt Dr. Klug. Deutsche medizinische Wochen¬
schrift No. 14, 1910.
6. Die Unterbringung der Geisteskranken mit verbreche=
rischen Neigungen von Dr. Nits che, Dresden. Psychiatrisch-
Neurologische Wochenschrift, No. 2 und 3, 1910-11.
7. Zu den Methoden der Intelligenzprüfung von Dr. Becker,
Weilmünster. Klinik für psychische und nervöse Krankheiten, Bd. V,
Heft 1, 1910.
8. Die diagnostischen Schwierigkeiten in der Psychiatrie.
Von Prof. Alzheimer, München. Zeitschrift für die gesamte
Neurologie und Psychiatrie, Bd. I, Heft 1, 1910.
9. Die psychoanalytische Methode Freuds. Von
Dr. Isserlin-München. Zeitschrift für die gesamte Neurologie und
Psychiatrie, Bd. I, Heft 1, 1910.
1. Auf der 40. Versammlung südwestdeutscher Irrenärzte in
Heilbronn hat der bekannte Freiburger Psychiater das Referat über
obiges Thema erstattet. Er gibt zunächst eine längere geschichtliche
Einleitung. Die Melancholie mit ihren drei Kardinalsymptomen galt
lange als wohlumschriebenes Krankheitsbild, bis Kraepelin als „Hecht
im Karpfenteich“ erschien. Nach etlichen Mauserungen hat die
rührige Kraepelin’sche Schule heute der Melancholie als selbständige
Krankheit den Garaus gemacht und voll und ganz dem manisch-
depressiven Irresein einverleibt. Dem kann Verfasser nicht bei¬
pflichten, ja er lehnt das manisch-depressive Irresein, obgleich der
Name die nahe innere Verwandtschaft der beiden Stimmungsgegen¬
pole theoretisch zum Ausdruck bringt und Verfasser dies als be¬
rechtigt anerkennt als Krankheitseinheit uud als eine diagnostisch
und prognostisch brauchbare Bezeichnung entschieden ab. Wie
aber vorläufig der Wissenschaft die adjektivistischen Formen
„manisch“, „delirant“, „paranoisch“, „katatonisch“ und vielleicht
auch „manisch-depressiv“ als Symptomverkuppelungen erhalten
bleiben werden, so wird auch das Wort „melancholisch“ in der
Psychiatrie unantastbar bleiben. Demnach bleibt die aufgestellte
Frage ungelöst, und sie muß ungelöst bleiben, weil sie hinter der
sehr viel .allgemeineren nach der Existenz reiner klinischer Krank¬
heitseinheiten im alten Sinne nach des Verfassers Ansicht ver¬
schwindet.
2. Die Diagnose der Paralyse stützt sich auf Untersuchung des
Liquors auf Pleopytose, Eiweißvermehrung, Wassermannsche Re¬
aktion in Liquor und Blut, auf das klinische Bild, im Tode endlich
noch Erhebung des groben Hirnbefundes und mikroskopisch der
Alpheimerschen Charakteristikern. In der Praxis wird man sich
mit einem gewissen Sicherheitsgrade der Diagnose begnügen müssen.
Am bewegendsten ist noch Näcke positiver Ausfall der Wasser-
amunschen Neaktion im Liquor oder der histologische Hirnbefund.
Ursache ist eine Vergiftung, und zwar meist durch Syphilis; außer¬
dem nimmt N. noch eine spezifische Prädisposition des Gehirns an.
Die atypischen Paralysen nun teilt Näcke ein in:
1. Fälle, die ganz der Paralyse gleichen, aber keine sind, wie
die Serodiagnostik und Histologie erweisen, die eigentlichen Pseudo¬
paralysen, wahrscheinlich die kleinste Gruppe.
2. Solche, die zwar manche Ähnlichkeit mit Paralyse haben,
aber doch so, daß ohne Serodiagnostik bis zuletzt die Diagnose
schwanken kann. Das ist die größte Gruppe.
3. Endlich solche, die unter ganz anderer Diagnose verlaufen
und am Sektionstische oder vorher durch Serodiagnostik mehr oder
weniger als echte Paralyse befunden werden.
Zu dieser Einteilung, die mir ganz glücklich gewählt zu sein
scheint, liefert N. dann noch fünf Krankengeschichten der Anstalt
Hubertusburg unter ausführlicher Wiedergabe auch der Sektions¬
protokolle und bei einigen der vorgenommenen histologischen Hirn¬
untersuchungen.
3. Verfasser hat an 10 Patienten der Provinzial-Heilanstalt Uecker¬
münde ein ganzes Jahr lang die Ziffern der meteorologischen Regen¬
station der Anstalt mit der Zahl der Anfälle verglichen und kommt
hierbei zu folgenden Resultaten:
1. Die Zusammensetzung der atmosphärischen Luft, die Luft¬
wärme, Licht, Besonnung, Bewölkung. Luftfeuchtigkeit und Nieder¬
schläge haben keinen Einfluß auf die Epilepsie beziehungsweise
die Auslösung epileptischer Anfälle.
2. Luftdruckschwankungen, die plötzlich und unvermittelt auf-
treten, scheinen durchweg in Beziehung zur Auslösung und Häufig¬
keit der Anfälle epileptischer Kranken zu stehen. Die Höhe und
die Tiefe des Luftdruckes ist ohne Beziehung zur Epilepsie ;bezw.
zur Auslösung der epileptischen Anfälle. Es ist möglich, daß der
Grund für die erstere Erscheinung in einer mangelhaften Anpassungs¬
fähigkeit des Gefäßsystems auf barometrische Druckschwankungen
zu suchen ist. Es ist aber anzunehmen, daß noch andere Faktoren
gleichzeitig wirken.
3. Es ist möglich, daß das elektrische Verhalten der Atmo¬
sphäre einen Einfluß auf die Epilepsie bezw. die Auslösung der
epileptischen Anfälle hat, indessen ist darüber bis jetzt noch nichts
Sicheres bewiesen.
Es wird manchen unter uns geben, der sich für diese Art
wissenschaftlicher Forschung wenig erwärmen kann. Immerhin
wird man dem Verfasser dankbar sein müssen, mit wissenschaft¬
lichem Rüstzeug einmal alten, im Volke tiefeingewurzelten Glaubens¬
sätzen zu Leibe gegangen zu sein,
Nr. 19
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
299
4. Die Ausführungen des Verfassers gipfeln in dem Satz, daß
die echte Paranoia, einschließlich des Querulantenwahnsinns im
Sinne Kraepelins, nicht Erkrankungen im engeren Sinne, d. h. nicht
die Aeußerung einer organischen Gehirnveränderung, sondern viel¬
mehr die auf ein mehr oder weniger affektbetontes Erlebnis hin
einsetzende Verirrung der Entwicklung bestimmter Degenerations¬
formen sind.
5. Besonders zu achten ist bei der Ischiasbehandlung auf den
Allgemeinzustand (Diabetes, Gicht, Arteriesklerose, Lues, Intoxikati¬
onen mit metallischen Giften, Alkohol und Nikotin, Koprostase,
Malaria) und ferner auf eine jedesmalige rektale und vaginale und
nötigenfalls Röntgenuntersuchung (Beckentumoren, Erkrankungen des
Mastdarms, des Kreuzbeins und der Lendenwirbel, Abszesse,
Coxitis). Sodann widmet K. an der Hand von 2 Krankengeschichten
eine längere Auseinandersetzung den Beziehungen der Ischias zum
Plattfuß. Von 40 stationär behandelten Ischiaskranken wurden bei
15 = 35°/p Senkfußeinlagen mit Erfolg verordnet. Auch erscheint
es K. erwähnenswert, daß bei 3 seiner fettleibigen Ischiaspatienten
eine Neuritis des N. cutaneus femoralis lateralis festgestellt wurde.
Erscheint nach allen Voruntersuchungen eine allgemeine karsale
Therapie nicht indiziert, so hält K. von den lokalen hydriatische
Prozeduren, denen er sehr das Wort redet, für das erfolgreichste
Mittel, und zwar wendet er systematisch Dampfdusche mit nach¬
folgenden Bewegungsbädern an. Hierbei rechnet K. 85°/ 0 Heilungen
seiner Patienten heraus; er gibt die bequemere Applikationstechnik
nach Lange oder nach Schleich-Alexander zu, auch vielleicht die
durchschnittlich geringere Behandlungsdauer, aber bezüglich des
Fehlens von schädlichen Nebenwirkungen oder der Dauer der Er¬
folge gibt er der physikalischen Theraphie den Vorzug. Es be¬
rührt die Ehrlichkeit des Verfassers sehr angenehm, wenn er offen
ausspricht: „Wir haben häufiger Fälle geheilt, die vergeblich mit
Injektionen behandelt waren; umgekehrt haben wir aber auch durch
Injektionen erst Besserung erzielt in wenigen hartnäckigen Fällen,
die durch physikalische Therapie nicht mehr beeinflußbar waren.“
6. Wir unterscheiden laut Nitsches in der forensisch-psychiatri¬
schen Vereinigung zu Dresden gehaltenen und nachher publizierten
Vortrage verbrecherische Geisteskranke und geisteskranke Ver¬
brecher. Praktisch ist diese Unterscheidung aber belanglos. Man
hat in Preußen, Sachsen, Württemberg und Baden an Strafanstalten
Adnexe für Geisteskranke, unter einem Irrenarzt stehend, angegliedert.
Diese Strafanstaltsadnexe haben den Vorteil leichter Ueberführung
und Rückversetzung, vor allem aber auch den, daß die ungerecht¬
fertigte Härte einer unbeabsichtigt langen Freiheitsentziehung fort¬
fällt. Anderenfalls klagen ihre Leiter, daß darin zu sehr der Geist
des Strafvollzuges walte, die Kranken sich in solchen Anstalten
weniger unbefangen geben als in Irrenhäusern. Im übrigen sind
diese Adnexe ja auch nur für in Strafhaft Erkrankte, nicht für die
Geisteskranken, die infolge verbrecherischer, aber krankhafter Hand¬
lungen mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt gekommen sind. Sie
bilden eine Crux der Irrenanstalten, denn erstens sind sie keine
passende Gesellschaft für die anderen Kranken, und zweitens sind
sie in den modernen Irrenanstalten meist nicht genügend sicher
verwahrt. Will man nun der Forderung einer gesonderten Unter¬
bringung besonders gefährlicher Geisteskranker gerecht werden, so
empfiehlt No. 2 Möglichkeiten: Entweder bei kleiner Anzahl der¬
artiger Individuen die Angliederung eines entsprechend gebauten
Verwahrungshauses an eine der Bezirksanstalten oder eine
psychiatrisch geleitete Sonderanstalt, deren Insassen aber erst die
gewöhnliche Irrenanstalt passiert haben müssen, um zu versuchen,
ob nicht mit dem modernen und humanen No-restraint-System doch
noch etwas bei ihnen zu erreichen ist.
Im allgemeinen entsprechen die Ausführungen No. 6 der
Ansicht der Mehrzahl der deutschen Irrenärzte und sind schon lange
ein Postulat, das von psychiatrischer Seite immer wieder den ein¬
zelnen Verwaltungen unterbreitet wird.
7. Verfasser hat seit Jahren leichte Aufgaben gesammelt, die
wenig Ansprüche stellen an Schulkenntnisse, allgemein verständlich
sind und durch logisches Nachdenken gelöst werden müssen,
wenigstens von Leuten, die an logisches Denken etwas gewöhnt
sind. Diese Aufgaben eignen sich auch zur Intelligenzprüfung bei
Geisteskranken. Verfasser hat eine Anzahl gebildeter oder wenigstens
eine bessere Schulbildung hinter sich habender Patienten der Weil-
münsterer Anstalt mittels seiner Aufgaben auf ihre Intelligenz hin
geprüft, und das Resultat stimmte mit dem durch sonstige Methoden
und den Allgemeineindruck gewonnenen Resultat völlig überein,
woraus Verfasser eine gewisse Brauchbarkeit seiner Methode
herleitet. (Autoreferat)
8. Es ist wohl nicht reiner Zufall, daß der Psychiater, dessen
Name in der Fachwelt schon lange nicht mehr unbekannt ist und
der nach der Umgestaltung des Gauffschen Zentralblattes die
Redaktion des psychiatrischen Teiles der nunmehrigen neuen Zeit¬
schrift übernommen hat, zuerst zu Worte kommt und zwar mit
einem Artikel so aktuellen Inhalts. Denn was war es, was seit
Jahren immer die Spalten psychiatrischer Zeitschriften füllte, seit,
wie Hoche neulich so treffend sagte, Kraepelin „als der Hecht im
Karpfenteich“ erschienen war? Immer und immer wieder die
Nomenklatur, die psychiatrischen Krankheitsbezeichnungen, die
richtige Würdigung und Abgrenzung gewisser Symptomen komplexe.
Alzheimer, bekannt durch seine histologischen Untersuchungen an
Paralytikerhirnen, wodurch ..unsere Paralysediagnose so wertvolle
Stützpunkte erhielt, ist auch aus Kraepelinscher Schule hervor¬
gegangen, weiß aber mit der nötigen Unparteilichkeit und Ueber-
zeugungskraft die neueren Anschauungen Kraepelins, welche ja
entschieden von dem Extremum schon wieder etwas zurückgewichen
sind,, recht gut klar zu legen, so daß man den Wert oder gar die
zwingende Notwendigkeit von der Klassifizierung in Dementia
praecox, manisch-depressives Irresein etc. einzusehen geneigt ist.
Gerade für denjenigen, der in dem Streitgewiihle um Krankheits¬
namen einen Niedergang der psychiatrischen Wissenschaft erblicken
zu müssen glaubt, wird der Aufsatz besonders lesenswert sein, da
er das Durchdringen neuer, auf dieser wissenschaftlichen Erkenntnis
gegründeter Anschauungen, die hoffentlich eine neue Morgenröte
bedeuten werden, mit manchem geschichtlichen Rückblick darlegt.
9. Nach einem historischen Rückblick betont Verfasser, daß wir
„allmählich in einer Flut von Schriften für und gegen Freud“ stehen
und demgemäß uns einer kritischen Stellung nahen und uns nicht ver¬
schließen können. Die Kritik wendet I. in ausgiebiger Weise an,
wobei er, in wohltuender Weise sich gegen manche Kritiker auf
diesem Gebiete abhebend, in Form und Ausdruck maßvoll bleibt
und vor allem nicht Spottlust und Lachneigung seiner Leser als
Waffen mit sich führt. - Doch ist der ganze Aufsatz für die Prak¬
tiker ein wenig zu hoch und setzt zu viel psychologisches Verständnis
voraus. Ich muß mich deshalb auf die Kardinalpunkte des von I'
geführten Beweises beschränken, die ich hier kurz wiedergebe:
Freuds Verfahren ist nicht imstande, zu beweisen, daß es eine Ver¬
drängung von Gedanken in dem von ihm bestimmten Sinne und
Umfange gibt. Falls es eine solche Verdrängung aber dennoch
geben sollte, so hat Freud nicht begründen können, daß seine
analytische Methode mit Notwendigkeit zu dem verdrängten Material
führt. Die psychoanalytische Methode Freuds ist deshalb in ihren
beiden Teilen der einfachen fortlaufenden Associationsmethode und
dem eigentlichen Verfahren der Deutung wissenschaftlich nicht
gerechtfertigt und in ihren Ansprüchen unhaltbar. Diese Unzuläng¬
lichkeiten sollen uns jedoch nicht hindern, die tauglichen Bestand¬
teile der Lehren Freuds zu sehen und zu berücksichtigen. Das
Problem der Verdrängung, die Frage der Gefühlswirkungen un¬
bewußter oder dunkel bewußter Elemente, die Vertiefung in das
Individuelle normaler und abnormer psychischer Erscheinungen, das
Problem des Inhalts der Psychose, das alles sind Werke, die zum
mindesten als Fragestellungen von der fortschreitenden Forschung
werden übernommen werden müssen.
Varia.
Zur Frage der antitryptischen Wirkung des Blutserums.
Von P. Roudoni, Florenz. Berliner klinische Wochenschrift 1910,
No. 12.
Die Untersuchungen des Verfassers ergaben, daß wir noch
nicht ganz sichere Beweise weder für die Antikörpernatur des
Serumantitrypsins, noch für die lipoidale Natur derselben besitzen,
daß die Gütigkeit des Danysz-Dungerschen Kriteriums die Annahme
eines Haptincharakters und einer chemisch definierten Verbindung
mit dem Trypsin nahe legt, ferner daß dieser Charakter nicht
unbedingt die immunisatorische Entstehung voraussetzt, . da wir
wissen, daß im normalen Plasma viele und komplexe Haptine
zirkulieren, daß dieses unbekannte antitryptische Prinzip durch
Seifen, Alkali und Säuren angegriffen und inaktiviert wird, sowohl
für sich allein wie auch, wenigstens im Falle der Alkalis, nach
vorangegangener Bindung an das Ferment.
v. Rutkowski, Berlin.
Ueber Rückenschmerzen. Von v. Criegern, Leipzig. Fort¬
schritte der Medizin 1910, No. 12.
Die Rückenschmerzen können im Rücken entstehen, von Er¬
krankungen der Eingeweide abhängig sein und ihre Ursache in
einer Erkrankung des Nervensystems haben. Zur ersten Gruppe
gehört der Dehnungsschmerz infolge Ueberanstrengung der Rücken¬
muskulatur, der akute und chronische Muskelrheumatismus, der
Rückenschmerz bei Skolive und Erkrankungen und Verletzungen
der Wirbelknochen und Wirbelgelenke. Was die zweite Gruppe
betrifft, so können fast sämtliche Erkrankungen der Brust-, Bauch-
und Beckenorgane, insbesondere des Status enteroptoticus, zu
Rückenschmerzen führen. Von den Erkrankungen des Nerven¬
systems kommen in Betracht: die Meningitis, die Interbostalneu-
ralgien, der perasacrale Kreuzschmerz bei Ischias und die psycho¬
genen Rückenschmerzen. v. Rutkowski, Berlin.
Eine neue Methode zur Bestimmung der (ierinnungs=
fähigkeit des Blutes. Von W. Schultz, Berlin. Berliner klinische
Wochenschrift 1910, No. 12.
Mittels der „Hohlperlencapillare“ kann man den Gerinnungs¬
vorgang des Blutes in seiner Gesamtheit in Stadien zerlegen. Diese
Capillare besteht aus einem Teilstück mit 12 eng aneinander
liegenden, kugeligen Aufblasungen, die in einen kurzen, glatten
300
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 19
Stiel auslaufen. In gemessenen Zeitabständen ( 1 / 3 , 1, 2 Min.)
werden die mit Blut gefüllten Hohlperlen, eine nach der anderen,
abgebrochen und in je 12 mit 1 ccm physiologischer Kochsalzlösung
gefüllten Reagenzgläser geworfen Als Endstadium ist derjenige
Punkt anzusehen, bei welchem die Hohlperle mit Gerinnsel aus¬
gefüllt ist und wo beim Schütteln nur ganz geringe Mengen von
roten Blutkörperchen ausgeschwemmt werden.
v. Rutkowski, Berlin.
Der Sadismus bei den spanischen Stiergefechten. R. Roh¬
leder. Sexual-Probleme, 1910, Heft 4.
Verfasser erweitert den Begriff des Sadismus, jene Perversion
des Geschlechtstriebes, welcher in Züchtigung und Mißhandlung
der geliebten Person ihre geschlechtliche Befriedigung findet, wo¬
nach der Sadist der aktive, die Züchtigung austeilende Teil oder
auch nur Zuschauer solcher Handlungen ist. Nach dem Verfasser
ist auch Sadismus vorhanden, wenn durch den Anblick von an
Tieren geübten Grausamkeiten der Geschlechtstrieb befriedigt wird.
Daher sind Stiergefechte zoosadistische Spiele und speziell die
spanischen Stiergefechte sadistische Orgien. Bei diesen Kämpfen
wird der Stier von den berittenen Picadores durch deren mit eisernen
Spitzen versehene Lanzen verwundet und dadurch wütend ge¬
macht. Dann stoßen die Banderillos 1 m lange, mit Widerhaken
versehene Stäbe dem Stier in den Nacken, wo die Lanzen haften
bleiben. Und hierauf geben die Matadores dem aufs äusserste ge¬
reizten, bluttriefenden Geschöpfe mit einem 1 m langen Degen den
Todesstoß in die Herz- oder Nackengegend. Innerhalb 20 Minuten
spielt sich der Kampf ab. Die Pferde, manchmal 5—6 Stück, liegen
zerrissen in der Arena oder werden halbsterbend, mit heraus¬
hängenden Därmen wieder hineingepeitscht, die Stirn blutüber¬
laufen — ein rohes, widerwärtiges Schauspiel. Auf den vor Er¬
regung glühenden Gesichtern der Zuschauer kann man den Ablauf
des ganzen Sexualspasmus bis zum mit Schluchzen begleiteten
Orgasmus deutlich ablesen. Wie sind solche sadistische 1 Massen¬
belustigungen eines ganzen Volkes von rund 19 Millionen möglich
und erklärlich? Der Grund hierfür liegt einmal in der geistig
niedrigen Kulturstufe, auf der die Spanier stehen. Zwei Drittel der
spanischen Bevölkerung sind Analphabeten, zum nicht geringen
Teil aber auch in der orthodoxen Knechtung der katholischen
Kirche. Denn der katholische Klerus duldet diese herzzerreißenden
Schauspiele, die das Mitleid im tiefsten Keime ersticken müssen,
sie findet diese verrohenden Kämpfe nicht unsittlich, sie segnet
sogar die Stierkämpfer vor ihrem Gang, denn hinter jeder Arena
befindet sich eine Kapelle, an deren Altar die Kämpfer vor dem
Stiergefecht ihre Gebete verrichten. Solange die Kirche mit den
Stiergefechten eng liiert ist, solange wird auch der demoralisierende
Einfluß dieser »fiestas nacionales« nicht nur auf die gesamte Volks¬
psyche vergiftend wirken, sondern auch in sexueller Beziehung
durch Erweckung sadistischer Neigungen en masse dem Volk
seinen verrohenden Stempel aufdrücken.
v. Rutkowski, Berlin.
Ueber die Berechtigung künstlicher Kurmittel in Kur=
orten. A. Winckler, Bad Neundorf. Allgemeine deutsche Bäder-
Zeitung, 7. Jahrg. Nr. 7.
Verfasser warnt davor, in den Kurorten alle möglichen
modernen, oft recht fragwürdigen therapeutischen Novitäten in den
Heilplan aufzunehmen. Den Kurgästen soll man die natürlichen
Heilmittel in sorgfältiger, praktischer und eleganter Ausstattung dar¬
bieten, die künstlichen dagegen den praktischen Aerzten in Stadt
und Land überlassen. v. Rutkowski, Berlin.
Direkte Zuführung der Medikamente in die Blutwege.
G. Baccelli, Rom. Aerztliche Zentralzeitung 1910, Nr. 16.
In all den Fällen, in denen infolge von Schwäche oder
Erschöpfung die Aufsaugung eines Medikamentes nur mangelhaft
ist, schlägt Verfasser vor, das Medikament direkt in die Blutbahn
zu injizieren. Gute Erfolge sah Verfasser von der Einspritzung von
Chininsalzen in die Adern bei Malaria, von Quecksilbersublimat bei
Syphilis und Strophantas bei Techycardia par ossistica.
v. Rutkowski, Berlin.
Lehrerin und Ehe. E. Oppermann. Die Umschau 1910,
Nr. 16.
Wenn eine pflichttreue, erfolgreich wirkende Lehrerin zugleich
tüchtige Hausfrau und treu sorgende Mutter sein will, so geht das
in der Regel über ihre Kräfte und ein frühzeitiges Verbrauchtwerden
ist die Folge. Daher erscheint der Zwang des Zölibates für die
an Schulen angestellten Lehrerinnen angemessen und notwendig.
v. Rutkowski, Berlin.
Ueberdie Bedeutung der Kolloide für die Konkrement¬
bildung und die Verkalkung. L. Lichtwitz, Göttingen. Deutsche
med. Wochenschrift, 1910, Nr. 15.
Die kolloidale Beschaffenheit der Hellen und Säfte des Or¬
ganismus bedingt die abnorme Löslichkeit in Wasser schwer lös¬
licher Stoffe z. B. Harnsäure. Eine Dekomposition der kolloidalen
Lösung verändert die Löslichkeitsbedingungen und führt zu Nieder¬
schlägen, sie kann dadurch eintreten, daß die Kolloide mit anderen,
entgegengesetzt geladenen Kolloiden unter Füllung reagieren, z. B.
Cholesterin-Eiweiß. Es bilden die Fällungsprodukte bei ent¬
sprechender Beschaffenheit der Stoffe die eine Gruppe konkrement¬
fähiger Niederschläge. Eine zweite Gruppe entsteht dadurch, daß
nach Eintritt derartiger und anderer Kolloidfällungen (Verkäsung,
qu. Verfettung) der Kolloidschutz für schwerlösliche Salze abnimmt.
Im Organismus wirken Bezirke mit verschlechterten Löslichkeits¬
verhältnissen wie Kondensatoren. v. Rutkowski-Berlin.
Allgemeines.
Berlin. Das von Prof. Posner gegen sich selbst beantragte
Disziplinarverfahren in Sachen der „russischen Konsultationen“
ist nach eingehender Beweisaufnahme seitens des zuständigen
„Disziplinarhofes für nichtrichlerliche Beamte*' am 29. v. Mts. durch
vollständige Freisprechung erledigt worden.
Die Firma Dr. Heys Rad=Jo Versand in Hamburg hatte
die Behauptung aufgestellt, daß die Königin der Niederlande ihre
so gut verlaufene Entbindung dem Rad-Jo, welches sie dem Arzte
der Königin eingesandt habe, zu verdanken habe und machte nun
ungeheure Reklame mit dem Mittel. Professor Kouwer, welcher
die Entbindung geleitet hatte, und das ihm zugesandte Mittel un¬
beachtet gelassen hatte, hat Klage gegen die Firma erhoben wegen
Beleidigung.
Ein schwimmendes Sanatorium für lungenkranke Kinder
hat die Witwe des verstorbenen Eisenbahnkönigs Harriman in
New York eingerichtet, und zwar kaufte sie einen großen Flu߬
dampfer, welcher für diesen Zweck umgebaut und eingerichtet wurde.
Die Ortskrankenkasse Weimar hat mit dem Prinzip der freien
Arztwahl viel Erfolg gehabt. Aerzte und Kassenvorstand arbeiten
harmonisch zusammen. Das Vermögen der Kasse hatte sich sehr
gehoben; es hat sich um 2 ,' 3 in der Zeit der freien Arztwahl vermehrt.
Für die im Herbst d Js. in Brüssel stattfindende inter¬
nationale Tuberkulose Konferenz haben schon Vorbereitungen
stattgefunden. Der Vorsitzende der Konferenz wird Herr Leon
Bourgois sein. An der Beratung nehmen teil der Vorsitzende der
belgischen Liga Dewez, der Generalsekretär der internationalen
Tuberkulose-Vereinigung Prof. Pannwitz, der Doyen der medi¬
zinischen Fakultät zu Paris Landouzy und der Vorsitzende der Ver¬
sicherungsanstalt Berlin Dr. Freund. Zur Verhandlung in Brüssel
kommen: Vererbung der Tuberkulose, Maßnahmen gegen die Tuber¬
kulose im Kindesalter und die Beteiligung der Frauen an der Tuber¬
kulosebekämpfung. Es wurde beschlossen, die Hygiene-Ausstellung
in Dresden durch Einsendung von Schriften, Präparaten, Flug¬
blättern etc zu unterstützen.
In Davos wurde, wie den „Russkije Wjedomosti“ offiziell mit-
getei’.t wird, der Grundstein zu einem russischen Sanatorium
gelegt, für dessen Einrichtung die bekannte russische Wohltäterin
E. N. Starschenskaja 8000 Fr. gezeichnet hat. Frau Starschenskaja
zeigte schon früher Interesse für die gesunden, aber mittellosen
Studierenden der russischen Jugend und die Emigranten, für die
sie in Lausanne ein Haus mietete mit einer Unterkunft für etwa
20 Personen. Dank ihrer Fürsorge wurde schon jetzt in Davos
vorläufig für ein Jahr ein Haus gemietet, wo russische Lungenkranke
aufgenommen werden, welchen für die hier übliche Behandlung
die Mittel fehlen.
Der Wirtschaftsverband deutscher Apotheken will als Unter-
haltungslektüre in Apotheken eine Monatsschrift herausgeben
für das Publikum, das in den Apotheken auf die Anfertigung der
Arznei wartet. Sie soll u. a. Mitteilungen über alles für das Pub¬
likum im Verkehr mit den Apotheken wichtige enthalten, z. B. über
die Bedeutung der verschiedenen Farben der Etiketten, der ver¬
schiedenen Formen der Flaschen und dergleichen.
Eine Stiftung von 100.000 M. hat die Universität Breslau
von dem Majoratsbesitzer Artur von Baildon-Briestwell auf
Lubie (Kreis Gleiwitz) erhalten, deren Zinsen zur Erforschung der
Entstehung, Behandlung und Heilung von Tuberkulose und Krebs
dienen sollen.
Die St. Petersburger Gesellschaft zur Bekämpfung der
Tuberkulose veranstaltete am 17 Februar im Saal der Adelsver¬
sammlung ein großes Konzert, dessen Reinertrag für den Fond zur
Errichtung von Sanatorien für lungenkranke Kinder verwendet
werden soll.
Der biologische Verein Frankfurt a. M. errichtet sich mit
eigenen und den Mitteln der Speyer-Stiftung ein Biologisches
I nstjtut, das danp in den Besitz der Stadt übergeht,
Nr. 10
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
301
Etwas vom Aerztewesen. Auf je 10000 Einwohner kommen
in den hauptsächlichsten europäischen Staaten Aerzte in
England (1909)
Schottland (1909).
Irland (1909) . .
Frankreich (1906)
Itaien (1904)
7-1
7-9
6-0
4-9
6-3
Dänemark (1908) .
Deutschland (1908)
Norwegen (1903).
Schweden (1908) .
Rußland (1904)
5-2
5-0
4-5
2-4
1-9
end sie in
Für England sind die Militärärzte nicht mitgezählt, wäh
allen anderen Staaten eingerechnet sind. Bei Frankreich sind auch
928 Wundärzte, die aber seit 1890 nicht mehr ausgebildet werden,
einbezogen.
Die „Kölnische Zeitung“ vom 30 Dezember 1909 gibt die
Zahl der Medizinstudierenden, auf den deutschen Universitäten
im laufenden Wintersemester 1909/10 mit 10 135 an. Da im Winter¬
semester 1904/05 die Zahl 5926 betrug, so ist in den fünf Jahren
eine Steigerung um 71 Proz. eingetreten. Auch der Zufluß des weib¬
lichen Geschlechts zum Medizinstudium hat sich sehr gehoben; denn
in diesem Winter studieren bereits 476 Frauen Medizin, gegen 371
im Vorjahre, also ein Mehr von' über 100 Frauen in einem Jahre.
Freilich ist dabei zu berücksichtigen, daß auch die Gesamtzahl der
Studierenden in starker Steigung begriffen ist und gerade im letzten
Jahre so stark wie nie zuvor, von 48 730 auf 52 407, also um 3677,
wovon aber die Hälfte auf die Philologen und etwas über ein Drittel,
1258, auf die Mediziner fällt.
Die Frankfurter Zeitung schreibt über die studierenden
Frauen. In dem laufendem Winterhalbjahre sind an den deutschen
Universitäten insgesamt 1856 Frauen immatrikuliert, gegen 1432
im Sommer, und 1108 im vorigen Winter. Im einzelnen finden wir:
638 in Berlin, 183 in München, 160 in Göttingen, 142 in Heidel¬
berg, 135 in Bonn, 86 in Freiburg, 84 in Breslau, 59 in Leipzig,
49 in Greifswald, 47 in Münster, 46 in Königsberg, 38 in Marburg,
37 in Gießen, 28 in Straßburg. 27 in Halle, 24 in Jena, 23 in
Tübingen, 19 in Erlangen, 18 in Kiel, 10 in Wiirzburg und 3 in
Rostock. Die Zahl der als Hospitantinnen eingeschriebenen
Frauen beträgt zurzeit 1928, gegen 1168 im Sommer und 1772 im
vorigen Winter, also auch hier eine Zunahme. Im einzelnen weisen
auf an Hospitantinnen: Berlin 353, Breslau 195, München 19i, Stra߬
burg 122, Leipzig 114, Bonn 111, Königsberg 107, Halle 88, Würz¬
burg 87, Tübingen 67, Gießen 59 (wozu noch 5 „aufgenommene
Hospitantinnen“ kommen, die so ziemlich den sonst immatrikulierten
Frauen entsprechen), Göttingen 57, Greifswald und Heidelberg
je 50, Jena 48. Freiburg 47, Kiel 46, Münster 41, Rostock 36, Mar¬
burg 31 und Erlangen 22. Insgesamt also, Immatrikulierte und
Hospitantinnen zusammengenommen, haben wir zurzeit an unsern
deutschen Universitäten 3784 studierende Frauen, gegen 2600 im
Sommer und 2880 im vorigen Winter, also wieder eine ganz be¬
trächtliche Zunahme.
Vor zehn Jahren wurde das deutsche Zentralkommitee für
Krebsforschung begründet. Zur Feier dieser Gelegenheit hat der
Vorstand beschlossen, Ende Mai eine Vortragsreihe für Aerzte über
den Krebs zu veranstalten. Der Zutritt zu den Vorträgen steht nur
Aerzten zu. Auf den Namen ausgestellte Karten, die zum Besuch
aller Vorträge berechtigen, sind bei dem Kustos des Langenbeck-
hauses, Berlin, Ziegelstr. 10/11, Herrn Melzer. und Inspektor Schulz
am Pathologischen Institut der Universität in der Charite erhältlich.
Die Vorträge werden im Pathologischen Institut der Universität in
der Charite stattfinden. Außerhalb Berlins wohnende Kolllegen er¬
halten Karten nach schriftlicher Mitteilung an genannten Stellen.
Die Generalversammlung des Deutschen Zentralkomitees
zur Bekämpfung der Tuberkulose findet, wie alljährlich, im
Reichstagshause am 11. Mai d. J. statt. Der Hauptvortrag wird die
Beziehungen zwischen der Wohnung und der Tuberkulose-Ausbreitung
behandeln.
Der Polizeipräsident von Berlin erläßt unter dem
4. April d J. folgende Bekanntmachung: Das Diphtherie-Heil¬
serum mit den Kontrollnummern 206. 207, 209, 210, 211 und 213,
geschrieben: „Zweihundertsechs, Zweihundertsieben, Zweihundert¬
neun, Zweihundertzehn, Zweihundertelf und Zweihundertdreizehn“,
aus der Merckschen Fabrik in Darmstadt, ist wegen Abschwächung
zur Einziehung bestimmt.
Flaschen mit diesen Kontrollnummern dürfen hinfort nicht
mehr in den Apotheken abgegeben und können nach der Verein¬
barung mit dem Laboratorium bei kostenfreier Einsendung kostenlos
gegen ein einwandfreies Serum eingetauscht werden.
Die Deutsche otologische Gesellschaft teilt mit, daß ihre
nächste Sitzung am 13. und 14. Mai in Dresden stattfindet, nicht in
Leipzig, wie anfänglich geplant war. In Dresden tagt auch am
11. und 12. der Verein deutscher Laryngologen.
In Dresden und Leipzig ist ein freiwilliger ärztlicher Sonn=
und Feiertagsdienst eingerichtet worden.
Der Vorsitzende der Kommission für Tropenkrankheiten
Lever, der Besitzer der Sunlight-Soap-Fabrik, hat der Universität
Liverpool 2 Millionen Mark gespendet. Die Stiftung stellt die
Schadenersatzsumme dar, die die „Daily Mail“ und andere Zeitungen
in einem Verleumdungsprozeß an Lever zahlen mußten.
Bücherbesprechung , en.
Höherzüchtung des Menschen auf biologischer Grund¬
lage. Von Dr. med. Paul C. Franze (Bad Nauheim) Leipzig:
Hof-Verlagsbuchhandlung, Edmund Demme. Preis M. 1,80.
Die Geschöpfe der Welt entwickeln sich stetig weiter, höher;
tritt aber keine Höherentwicklung ein, so ist Stillstand gleich Rück¬
stand. Darum muß der Mensch sein Hauptaugenmerk auf die
Gattenwahl richten. Er muß eine Vereinigung herzustellen suchen
zwischen körperlicher Gesundheit, Schönheit, Klugheit und guten
sittlichen Eigenschaften, Gedanken und Hoffnungen eines Idealisten.
Aber Idealismus gehört ja nach der Auffassung des Verfassers auch
zur Höherzüchtung des Menschen. Das Büchlein, das halb philo¬
sophisch und halb naturwissenschaftlich gehalten ist, hat die Vorteile
und Mängel aller ähnlichen Werke: Es bringt sehr einseitige Auf¬
fassungen zum Wort. Im speziellen hätte Verfasser den Anschau¬
ungen seiner Leser etwas mehr Selbstständigkeit gönnen sollen und
nicht seinen „Idealmenschen“ bis ins einzelne festlegen sollen.
Unbedingt als richtig müssen zwar die Anforderungen erachtet
werden, die er an den Charakter etc. des einzelnen stellt; wenn er
aber auf die menschliche Schönheit zu sprechen kommt und in
längerer Abhandlung zu beweisen sucht, daß z. B. die „Idealfrau“
blond sein müsse, so ist er darin eben zu weit gegangen, in dem
er den Fundamentalsatz: „Schön ist, was gefällt“ dabei gänzlich
außer acht läßt, und dem Geschmack des einzelnen viel zu wenig
Konzessionen macht. Etwas anderes, was mir bei der Lektüre auf-
gefallen ist, besteht darin, daß Verfasser zu wenig Rücksicht auf die
Praxis genommen und der Theorie ein viel zu weites Feld ein¬
räumte So möchte ich nur erwähnen, daß die Intelligenz der
Väter und besonders deren Genialität in den seltensten Fällen auf
die Nachkommen übergehen, also absolut keine Gewähr für Ver¬
besserung der Rasse bieten. Auf der anderen Seite muß wiederum
gesagt werden, daß alle diejenigen, die bei ihrer Lektüre gern sich
zum Nachdenken anregen lassen wollen, dies Büchlein zur Hand
nehmen sollen, denn es bietet eine Fülle von Wissenswertem und
eigener interessanter Gedanken des Autors. ...
Kurt Lipschitz, Berlin.
Säuglingsernährung und Säuglingsstoffwechsel. Von
Leo Langstein und Ludwig Meyer. Ein Grundriß für den
praktischen Arzt. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden, 1910.
Das Werk ist Heubner und Finkeistein gewidmet und nimmt
ganz speziell Rücksicht auf die Resultate, die diese beiden gefunden
haben. Es füllt entschieden eine Lücke in der Literatur über
Kinderkrankheiten aus, denn es gibt wenig Bücher, die die Fort¬
schritte der Kinderheilkunde aus der letzten Zeit gleich systematisch
geordnet bringen und dem praktischen Arzt Gelegenheit geben, sich
schnell bis ins einzelnste zu informieren. Das erste Kapitel ist rein
wissenschaftlich der Physiologie des Stoffwechsels im Säuglingsalter
gewidmet und bringt recht ausführliche Tabellen, die nach den
verschiedensten Gesichtspunkten geordnet sind. Im folgenden
finden sich diese Angaben verwertet bei der Ernährung des Brust¬
kindes, des künstlich genährten Kindes und beim „altaitement mixte“,
das noch immer so wenig in Deutschland eingeführt sei: Gleich¬
zeitig wird auf die Ernährungsstörungen Rücksicht genommen und
ganz eingehend besprochen, wie man dementsprechend die
Ernährung einzurichten hat. Am Schluß unterziehen die Verfasser
die wichtigsten Säuglingskrankheiten (Rhachitis, Barlowsche Krank¬
heit, Spasmophile Diathese und Infektionskrankheiten) einer ein¬
gehenden Besprechung, mit besonderer Rücksicht auf die Ernährung.
Das Buch ist leicht durchzuarbeiten und ist von besonderem Wert,
weil es nicht nur die wissenschaftlichen Resultate bringt, sondern
auch eine große Anzahl praktischer Winke gibt, die nicht nur auf
die Behandlung des Säuglings selbst, sondern auch auf die Behand¬
lung dessen — Angehörigen — weisen.
Kurt Lipschitz, Berlin.
(Ende des redaktionellen Teiles.)
Kleine Mitteilungen.
Fermocyl-Tabletten (gesetzlich geschützt) ein neues Präparat
zur Therapie des Diabetes mellitus. Am 6. August 1905 erschien
in No. 35 der „Medizinischen Klinik“ ein Vortrag von Herrn Professor
Lüthje aus der medizinischen Klinik in Erlangen, von welchem
die Einleitung hier wörtlich wiedergegeben sei: »Es ist vor ganz
kurzer Zeit eine sehr wertvolle Arbeit von O. Baum garten aus
der Hallenser medizinischen Klinik erschienen. In derselben wird
der Nachweis geführt, daß eine Reihe von Körpern, die als Abbau¬
oder Oxydationsprodukte des Zuckers anzusehen sind, vom
diabetischen Organismus gut verwertet werden. Dahin gehören
zum Beispiel die d-Glukonsäure, die Zuckersäure, die Schleimsäure
u. a. Auch Körper, die wegen ihrer Aldehydnatur wenigstens äußere
verwandtschaftliche Beziehungen zum Traubenzucker haben, wie
z. B. das Salizylaldehyd und das Vanillin, wurden vom diabetischen
Menschen und Tier vollkommen zu Salizylsäure, respektive Vanille¬
säure oxydiert. Baumgarten schließt aus diesen Versuchen mit
302
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 10
Recht: wenn der Diabetiker höher und niedriger stehende Abbau¬
produkte des Zuckers ohne weiteres und in großen Mengen oxydiert,
auf der anderen Seite aber das intakte Zuckermolekül nicht oder
nur in geringem Maße angreifen kann, so liegt der Gedanke, daß
der Oxydation der Kohlehydrate eine fermentative Spaltung voran¬
gehen muß, sehr nahe. An einem solchen spaltenden Ferment,
das das Zuckermolekül zunächst gleichsam auflockert und erst da¬
durch dem Sauerstoff zugänglich macht, fehlt es dem Diabetiker.
Mag diese Anschauung ganz richtig sein oder nicht, eins erscheint
jedenfalls sicher: alle Erfahrungen der letzten Jahre drängen zu der
Annahme, daß in letzter Linie das Fehlen irgendeiner oder mehrerer
fermentativer Wirkungen die Ursache des Diabetes ist. Und damit
ist auch allen therapeutischen Bestrebungen der aussichtsreichste
Weg gezeigt: es müssen diejenigen Fermente, die normaler Weise
die Zuckerverbrennung bewirken, aufgefunden werden. Ich persönlich
zweifle nicht daran, daß das einmal gelingen wird. Zwar schrieb
damals Professor Lüthje: Vor der Hand sind wir allerdings noch
weit davon entfernt. Die Behandlung des Diabetes ist nach wie
vor eine rein hygienisch-diätetische. Aber auch in der diätetischen
Behandlung sind die Anschauungen erst allmählich zu einem festeren
System ausgewachsen, und zwar vorwiegend in dem Maße, wie
sich die physiologisch-chemischen Kenntnisse entwickelt und erweitert
haben. Außerdem sind einige empirisch gewonnene Tatsachen
neuerdings hinzugekommen. Ferner sei auf die Arbeiten von
E. Roos und E. Hinsberg in No. 28 der Münchener medizinischen
Wochenschrift 1903 hingewiesen, in welchen verschiedene Hefen
und deren Präparate einer eingehenden Prüfung unterzogen wurden.
Die damaligen Studien hatten allerdings nur den Zweck, die Hefe
in ihrer Wirkung auf Obstipation im allgemeinen, nebenbei auch
in bezug auf verschiedene Hautkrankheiten: Furunculose etc zu
versuchen, und ergaben die leicht abführende Wirkung der Hefe,
sowie anch deren vollständige Unschädlichkeit dem Organismus
gegenüber. Bei aller Berücksichtigung der rein diätetischen Gesichts¬
punkte in der Behandlung des Diabetes mellitus ist es aber durch¬
aus angebracht, den Versuch mit einer spezifischen Fermenttherapie
bei dieser Erkrankung zu machen. Hierzu erscheint am geeignetsten
das zuckerspaltende Enzym der Hefe, das eine sehr energische
Spaltung des Zuckers, ohne daß es dem menschlichen Körper
schädlich ist, bewirkt. Es ist natürlich schwer zu entscheiden, ob
die Spaltung des Zuckers in unserem Organismus durch die glyco-
lytischen Fermente auf dieselbe Weise erfolgt, wie die Zucker¬
spaltung im Reagenzglas durch das Hefeenzym, das als außer¬
ordentlich wirksames Ferment in den Fermocyl-Tabletten« enthalten
ist. Es ist auch nicht ohne weiteres die Frage zu entscheiden, ob
das mit der Nahrung verabreichte Enzym lediglich eine Spaltung
des Zuckers im Darmkanal bewirkt, oder auch im Organismus des
Menschen selbst, ähnlich wie im Reagenzglas, wirksam ist. Eine
Tatsache bleibt es aber, daß Diabetiker leichten oder mittelschweren
Grades sich mit Vorteil der Fermocyl-Tabletten insofern bedienen
können, als man dadurch die Zuckerausscheidung beträchtlich her¬
abmindern kann. Einige mit Fermocyl-Tabletten behandelte Fälle,
bei welchen es den Patienten allmählich möglich wurde, von der
üblichen strengen diäten Lebensweise abzuweichen und nach und
nach zur gemischten Kost überzugehen, seien hier angeführt.
Bei der großen Mannigfaltigkeit, die die verschiedenen Formen des
Diabetes in ihrem Verlauf erkennen lassen, ist es von vornherein
wahrscheinlich, daß nicht jeder Diabetiker auf ein und dasselbe
Medikament günstig reagiert und daß somit auch nicht alle Fälle
für Diabetes für die Fermocylbehandlung in gleicher Weise geeignet
sind. Wenn man auch nicht erwarten kann, — was übrigens das
Experiment bestätigt, — daß der nach der Pankreasexstirpation auf¬
tretende schwere Diabetes notwendig durch die Gabe von Fermocyl-
Tabletten paralysiert wird, so erweist sich deren Verwendung doch
gleichviel bei zahlreichen Diabetikern als außerordentlich nützlich.
Die Anwendung dieser Tabletten per Os muß obendrein um so
rationeller erscheinen, als Kudo in seiner Arbeit (Biochem. Zeit¬
schrift 1909) aus dem Laboratorium von Professor Bickel in der
Charitee zu Berlin nachweisen konnte, daß bei Hefepräparaten, die
genau in der Art der Fermocyl-Tabletten hergestellt waren, die
diastatische Kraft am stärksten zum Ausdruck kam, nachdem der
Magensaft zwei Stunden darauf eingewirkt hatte. Wir haben also
durch die Fermocyl-Tabletten (die Tabletten sind in der Apotheke:
Vial und Uhlmann, Inhaber E. Rath, in Frankfurt a/M. zu haben)
ein in der diätetischen Therapie des Diabetes willkommenes Adjuvans
an der Hand, das uns gestattet, die Toleranzgrenze des Diabetikers
für Kohlehydrate zu erhöhen, wodurch, abgesehen von der Erfüllung
einer kausalen Therapie, der Diabetiker mit seinem ausgesprochenen
persönlichen Bedürfnis nach kohlehydratreicher Nahrung leicht zu¬
friedengestellt werden kann.
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fmm a in v Allgemein ist man in Aerztekreisen zu der Ueberzeugung ge-
jg/fi [V \ langt, daß Pittylen einen wirklich wirksamen Ersatz für den übelriechen-
V den, offizinellen Nadelholzteer darstellt. Mehrjährige Erfahrungen in der Praxis
lllslftläl I - haben ergeben, daß dem Pittylen die unangenehmen Eigenschaften des Teers:
*sA%y V' t, penetranter Geruch, lokale Reizungen, resorptive Nebenwirkungen, vollständig fehlen, und
glllttiB y daß es fast niemals versagt, während bekanntlich der Teer infolge seiner wechselnden Zusammen-
/ Setzung unsicher in der Wirkung ist und von der Mehrzahl der Patienten nicht vertragen wird.
Speziell hat sich gezeigt, daß die Pittylen-Seifen durch die Zuverlässigkeit ihrer Wirkung, durch
das Fehlen jeglicher Reizerscheinungen und durch ihren angenehmen Geruch den bisher gebräuchlichen Teerseifen weit
überlegen sind, sodaß sie immer mehr an Stelle der Teerseifen benutzt werden.
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08
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2/9. 08
.1,7 %
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3,3%
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
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Dieterich
A Helfenberg.
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Nach den ärztlichen Urteilen (siehe Literatur) sind die Jod-Eigone als jodhaltige
Eiweißkörper empfehlenswerte Ersatzmittel des Jodoform und der Jodalkalien.
. ) indiziert bei Ekzemen, Erythem, Ozaena,
1. .Fod-Eigron ca. 20% gebundenes Jod j 0titis ugw
1 indiziert bei Ulcus molle und
durum, Qummata, luetischen
Plaques, Laryngitis, Arterio=
Sklerose usw.
Rp.: Jod-Eigon-Natr. oder
Pepto-Jod-Eigon 5,0
Glycerin 15,0, Aq. dest. 135,0
D. S. 3 X täglich 1 Eßlöffel.
2. Jod-Ligoii-Ynlriiim ca. 15% gebundenes Jod
3. lVpto-.Iod-üJg'Oii ca. 15% gebundenes Jod
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(1 Originalglas zu 20,50 od. 100 g)
D. S. äußerlich.
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304
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 19
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und stärkt die Knochen des normalen Kindes. Rachitis und Dispositionen
zu Knochenerkrankungen erfahren bei längerem Gebrauch Besserung
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reichende oder fehlerhafte Nahrung entstehen, insbesondere Drüsen,
Skrophulose, bleibt das Kind mehr als durch jedes andere Gebäck
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zumal im Hinblick auf seinen relativen Nährwert.
ä Pfund 1,25, von 3 Pfund ab franko Nachnahme.
H. O. Opel, Leipzig, Hardenberg - Strasse 54.
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tungen von Autoritäten der Kinderheilkunde in Praxis und klinischen
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sitäts-Instituten experimentell erprobt.
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Berlin, Weiß-Berlin, Landsberg-Berlin, Zibeil-München,
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Stoffwechsels für Aerzte und Studierende
von Professor Dr. Paul Friedr. Richter.
1906. gr. 8. 8 M.
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1910. Gebunden M. 10.
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Atlas der gynäkologischen Cysto skopie
von Prof. Dr. W. Stoeckel.
1908. 14 Tafeln mit Text. Gebunden 12 M.
Deszendenz und Pathologie.
Vergleichend-biologische Studien und Gedanken
von Geh.-Rat Prof. Dr. D. von Hansemann.
1909. gr. 8. 11 M.
Leitfaden zur klinischen Untersuchung des Blutes
von Dr. med. C. S. Engel
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Redaktion.
Professor Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5.
Telephon: Amt VI, 17271.
Verlag und Expedition
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI, 3020.
IV. Jahrgang. Berlin, 15. Mai 1910. Nr. 20.
Die Therapeutische Rundschau« erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den
Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalschluß abbestellt sind. Inserate
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Originalien:
Isenberg, Hamburg: Macrotys und Caulophillin in der
Geburtshilfe .
Schnee, Berlin-Schöneberg: Ueber physikalische Diagnostik
und Therapie.
Kühn, Leipzig: Der Staat und die Gesundbeter ....
Referate:
Greven, Aachen: Augenheilkunde.
Rohleder, Leipzig: Sexualwissenschaft.
Lohrisch, Chemnitz: Magen-, Darm- und Stoffwechsel¬
krankheiten .
Inhalt:
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309
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313
Becker, Weilmünster: Neurologie und Psychiatrie . . .
Französische Literatur.
Dr. Peltzer, Steglitz, Geissler, Neu-Ruppin, v. Rutkowski,
Berlin, Lipschitz, Berlin: Varia.
Technische Neuerscheinungen:
Apparat für Intensiv-Franklinisation des menschlichen
Körpers mit dem Polyelektroid nach Dr. Fisch . . .
Das Pharyngoskop nach Dr. Schmuckert zur Untersuchung
des Nasenrachenraumes und des Kehlkopfes ....
Allgemeines: .
Bücherbesprechungen: . .
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318
319
ORIGINALIEN.
Macrotys und Caulophyllin in der Geburtshilfe.
Von Dr. J. S. N i e d e r k o r n.
Nach dem Original im Eclectic Medical Journal 1910
S. 63, übersetzt aus dem Englischen von Dr. med.
C. D. I s e n b e r g , Hamburg 24.
Unter der ansehnlichen Liste von Mitteln, die in
verschiedenartiger Weise einen direkten Einfluß auf die
weiblichen Beckenorgane während der Entbindung aus-
üben, und die die austreibenden Kräfte des Uterus ver¬
stärken, sind nach meiner Meinung Macrotys (Cimici¬
fuga racemosa) und Caulophyllin an erster Stelle zu
nennen. Auf Grund einer sehr ausgedehnten Anwen¬
dung von Macrotys bei solchen Zuständen habe ich für
dies Mittel eine Vorliebe; doch entgegen meinen Be¬
obachtungen sehe ich sehr positive Angaben, die von
vorsichtigen Praktikern über den relativen Wert dieser
beiden Mittel gemacht sind. Caulophyllin ist darin der
Vorzug gegeben, ihm wird eine bessere unmittelbare
Wirkung auf die austreibenden Kräfte des Uterus und
eine bessere Nachwirkung nachgerühmt. Ich wollte
klar in dieser Frage sehen, und dies durch meine eigenen
Beobachtungen, unbeeinflußt durch die Meinungen an¬
derer. Deshalb wandte ich Macrotys bei 100 und Caulo¬
phyllin bei .100 Geburten an, niemals beide zusammen.
Es sei gleich bemerkt, daß zusammen mit beiden oft an¬
dere Mittel gebraucht wurden, zum Beispiel die
H.-M.-C.-Tabletten, Chloroform und Gelsemium; und
dies geschah in der einen Serie ungefähr ebenso oft als
in der anderen. Viele der Frauen hatten eine vorberei¬
tende Behandlung durchgemacht, einige aber nicht; im
Mittel waren diese Fälle für Macrotys oder Caulo¬
phyllin gleich zahlreich.
Bei den Fällen, wo Macrotys gegeben wurde, wur¬
den die Wehen bedeutend verstärkt, sowohl an Häufig¬
keit als an Kraft, innerhalb 60 bis 90 Minuten nach der
Verabreichung der ersten Dosis, die von 5 bis 10
Tropfen alle 15 bis 20 Minuten variierte; und die Ent¬
bindung war in 1 bis ß Stunden, ln wenigen Fällen naeh
12 Stunden und mehr beendet. Unter Dauer der Ge¬
burt ist hier der Zeitraum verstanden, der begann, als
ich die Kranke zuerst sah, ohne Rücksicht auf das Sta¬
dium der Geburt, bis zur erfolgten Austreibung des
Foetus. Chloroform wurde in 60 pCt.. Gelsemium in
20 pCt., die H.-M.-C.-Tabletten in 20 pC’t. der Fälle ge¬
braucht.
Die Zeit, die zur Entfernung der Plazenta und der
Membranen nötig war, überschritt in keinem Falle 20
Minuten nach der Geburt des Kindes, in 25 pCt. war
keine Hilfe von meiner Seite nötig. Die Zange wurde in
20 pCt. der Fälle angelegt, mit und ohne Chloroform.
Eine schwere puerperale Blutung trat in einem einzigen
Falle auf. bei dem Gelsemium und Macrotys zusammen
gegeben waren und außerdem Chloroform in dem
letzten Teile des zweiten Stadiums. Abgesehen von
sechs Fällen Mastitis traten keinerlei Komplikationen im
Wochenbette auf; bei drei dieser sechs Fälle bestand
ein Dammriß, bei zwei ein Cervixriß. Die erste und
zweite Lage waren vorherrschend, obgleich acht
Schulter-, zwei Gesichts-, zwei Steißlagen und dreimal
partielle Plazenta praevia gefunden wurden. In nur
10 pCt. aller Fälle waren die Nachwehen besonders
schmerzhaft. Unter den Fällen, in denen aucli Gelsemium
(2—3 Tropfen pro Dosis) gegeben wurde, waren na¬
türlich solche, bei denen die Dilatation des Mutter¬
mundes langsam war; die Verbindung wirkt ausge¬
zeichnet und hat keinerlei unangenehme Nach¬
wirkungen.
Bei dem Gebrauche von Caulophyllin erhöhte sicli
die Häufigkeit und Kraft der Wehen, in 75 pCt. der
Fälle 30—60 Minuten nach dem Einnehmen der ersten
Dosis. Diese betrug stets V« grain gleich 0,01 g alle 15
Minuten; die Tablette wurde auf der Zunge zergehen
gelassen oder in heißem Wasser gelöst. Die Frauen
klagten mehr über die Schwere der Schmerzen als die,
bei denen Macrotys angewandt wurde. Eine nur ge¬
ringe Steigerung der Häufigkeit und Kraft der Wehen
trat in 10 pCt., keine merkliche Einwirkung in 15 pCt.
der Fälle auf. Die Geburt war nach 90 Minuten bis
6 Stunden beendet; bei einigen dauerte sie 10 bis 14
Stunden. Der Prozentsatz der Fälle, bei denen Chloro¬
form, Gelsemium und die H.-M.-C.-Tubletten verwandt
wurden, glich ungefähr dem bei Macrotys, In 20 pCj,
306
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 20
verlief eine Stunde, ehe die Plazenta und die Membranen
geboren wurden, und diese hatten meist meine Hilfe
nötig; eine Blutung trat in 30 pCt. aller Fälle auf und
war profus in 10 pCt. Der Uterus blieb nur kontrahiert,
wenn er geknetet wurde, und die Verabreichung von
Secale wurde oft nötig, was kein einziges Mal in den
Macrotysfällen erforderlich war. Wo Caulophyllin und
Chloroform gebraucht wurden, folgte in 30 pCt. der
Fälle mehr oder weniger Blutung; in 50 pCt. traten
keine Nachwehen auf, in 20 pCt. der Fälle waren sie
ungewöhnlich heftig. Die Frauen, denen Gelsemium
und Caulophyllin gegeben war, litten weniger daran als
die, welche Caulophyllin allein erhielten; und die Kon¬
traktion des Uterus nach der Ausstoßung der Plazenta
war kräftiger und zuverlässiger als bei denen, welchen
Chloroform gegeben war. Die Zange wurde in un¬
gefähr 20 pCt. der Fälle mit oder ohne Chloroform an¬
gewandt, und bei denen, welchen Chloroform verab¬
folgt war, war die nachfolgende Kontraktion des Uterus
nicht kräftig, es trat mehr oder weniger Nachblutung
ein. Der Einfluß der H.-M.-C.-Tabletten war so gut wie
jedesmal ein heilsamer, einschließlich der Macrotysfälle,
und mit Ausnahme einiger deliriöser Reden und einiger
schläfriger Frauen wurden keinerlei unangenehme
Nebenwirkungen beobachtet. Klagen über Nachwehen
waren selten, der Kontraktionszustand des Uterus
wurde nicht ernstlich beeinträchtigt, obgleich in sechs
aller H.-M.-C.-Fälle eine ziemlich profuse Nachblutung
auftrat. Angewandt wurden die Tabletten halber
Stärke, und nicht mehr als zwei in einem Falle. Wo
Chloroform außerdem am Ende des zweiten Stadiums
gegeben wurde, erfolgte zuweilen eine Nachblutung.
Die H.-M.-C.-Tabletten arbeiteten stets gut mit Ma-
crotys, besser als mit Caulophyllin, sei es während oder
nach der Entbindung. Die meisten Fälle, bei denen nach
der Anwendung von Caulophyllin eine Nachblutung auf¬
trat, waren Frauen, die zur Fettleibigkeit neigten; die
beste Wirkung des Medikamentes wurde bei mageren,
nervösen Frauen erreicht, obgleich bei diesen Nach¬
wehen häufig stark auftraten und Linderung nötig
machten. Drei Hinterhaupts-, vier Schulter- und eine
Gesichtslage wurden beobachtet, aber mit Ausnahme
einer verlängerten Dauer der Geburt traten keinerlei
üble Folgen bei ihnen auf. Ich habe auch keinerlei puer¬
perale systematische Erkrankungen bei den Frauen ge¬
sehen, die einen Cervix- oder Dammriß hatten, sei es,
daß sie genäht wurden oder nicht.
Kurz, bei Berücksichtigung aller Umstände hat sich
Macrotys mir als das bessere Mittel erwiesen. Meist
war die Geburt von kürzerer Dauer, die Entfernung der
Plazenta benötigte weniger Zeit, die Nachwehen waren
weniger heftig, Nachblutungen selten und traten meist
nur auf, wenn gleichzeitig Chloroform angewandt
wurde. Macrotys wirkt harmonisch im Verein mit
Gelsemium, wenn letzteres indiziert ist, und meist auch
gut mit den H.-M.-C.-Tabletten halber Stärke.
Bei Caulophyllin ließen die Erfolge häufig nichts zu
wünschen übrig, aber im ganzen hatte ich mehr Nach¬
blutungen zu stillen und mehr Nachwehen zu lindern.
Blutungen traten besonders bei den Fällen auf, wo auch
Chloroform gegeben war. Glesemium schien ein wert¬
volles Hilfsmittel im Verein mit Caulophyllin zu sein;
ebenso war es mit den H.-M.-C.-Tabletten halber
Stärke. Caulophyllin wirkte am günstigsten bei Frauen,
die nicht zur Fettleibigkeit neigten, während Macrotys
in seiner Wirksamkeit dadurch nicht behindert zu wer¬
den schien. Nicht jeder Fall, bei dem Chloroform ge¬
geben wurde, hatte eine Nachblutung, aber 75 pCt. der
Fälle mit Blutung hatten Chloroform erhalten, und dies
war stärker ausgesprochen bei den Fällen mit Caulo¬
phyllin als in denen mit Macrotys,
Ich habe stets behauptet, daß ein Arzt den Frauen
während der Geburt große Hilfe leisten kann, nicht nur
durch instrumentellen Beistand oder guten Zuspruch und
gute allgemeine Maßregeln, sondern auch durch die
wohlüberlegte Anwendung therapeutischer Agentien.
Wir können viel tun, die Geburtsschmerzen zu lindern
und die Entbindung zu beschleunigen; jeder Fall steht
für sich selbst da, und ich habe es gelernt, daß uns außer
der vorsichtigen Anwendung von schmerzlindernden
Maßnahmen, Chloroform und der Zange andere Mittel
zu Gebote stehen, die uns kräftig unterstützen, die
schmerzhafte Probe zum glücklichen Ende zu führen.
Auch wenn wir keine Gelegenheit hatten, vor dem Ge¬
burtsbeginn eine vorbereitende Behandlung einzuleiten,
haben wir doch während der Geburt die Möglichkeit,
unserer Patientin viel Hilfe und Erleichterung zu geben.
Sowohl Macrotys als Caulophyllin befinden sich im
Verein mit anderen Mitteln stets in meiner geburtshilf¬
lichen Tasche. Ich möchte keine Geburt leiten, ohne
eines der beiden zu haben. Habe ich außerdem Gel¬
semium, Chloroform, die H.-M.-C.-Tabletten und die
Zange und andere Medikamente nach Wahl, so bin ich
eines güten Ausgangs sicher, wobei mein Ziel stets das
Beste der Patientin ist.
Anmerkung (Dr. I.) Ein paar Notizen über die vor¬
stehend genannten Mittel sind wohl am Platze. Ma¬
crotys oder Cimicifuga racemosa L., Ranunculaceae,
wird hauptsächlich bei Muskelrheumatismus, Neuralgien,
Reflexschmerzen, die auf die muskulösen Organe zu¬
rückzuführen sind, Störungen der Periode, Dysmenor¬
rhoe mit Rückenschmerzen etc. angewandt. Als Partus-
Präparator ist es seit langem im Gebrauch. Einige Au¬
toren schreiben kleine Dosen vor ('ö bis 7 ccm auf 120 g
Wasser), andere raten, namentlich bei akuten Zuständen
die Dosis so groß zu nehmen, als sie vertragen wird.
Treten dabei Kopfschmerzen, Schwindel, Pupillendila¬
tation, Uebelkeit oder Erbrechen auf, muß ausgesetzt
werden.
Caulophyllum thalictroides L. gehört zu den Ber-
beridaceae. Es enthält ein Saponin, ferner ein Glucosid,
das von Lloyd Leontin genannt wurde. Weder Ma¬
crotys noch Caulophyllum enthalten Alkaloide. Caulo¬
phyllin (Abbott Alkaloidal Co.) enthält die wirksamen
Bestandteile in Tablettenform. Flüssige Präparate wer¬
den von Lloyd Brothers, Parke, Davis & Co. und an¬
deren Firmen hergesteilt. Es wird als Partus-Präparator,
bei Dysmenorrhoe, besonders bei mageren anämischen
Frauen, bei asthenischen Individuen mit nervösen Kopf¬
schmerzen, krampfartigen Schmerzen und dergleichen
gebraucht.
Gelsemium sempervirens L., Loganiaceae, eine
schöne Kletterpflanze, deren Blüten einen kräftigen
Wohlgeruch ausströmen, wächst in den Südstaaten der.
U. S. Das Rhizom ist der gebräuchliche Teil; es wird
in frischem Zustande verarbeitet, die getrocknete
Wurzel ist wertlos. Deshalb ist den meisten in Europa
erhältlichen Präparaten großes Mißtrauen entgegenzu¬
bringen. Gelsemium enthält ein Alkaloid Gelseminin,
ferner Gelseminsäure (beta-methyl-aesculetin nach E.
Schmidt) usw. Vergiftung mit Gelsemium ruft allge¬
meine Erschlaffungszustände hervor, lähmt das Rücken¬
mark und setzt die Reflexerregbarkeit und Sensibilität
herab (Liebreich & Langgaard) und erzeugt Pupillen¬
erweiterung, Ptosis und Doppelsehen. Die gebräuch¬
liche Dosis ist Vi» bis 10 Tropfen eines Fluidextraktes,
auch höhere Dosen sind gegeben. Die eklektischen
Aerzte wenden es sehr viel an; in allen Fällen, wo
spastische Zustände und Konvulsionen sich andeuten,
wenn fieberglänzende Augen, kontrahierte Pupillen, ein
stark gerötetes Gesicht, Fieber, Ruhelosigkeit und Reiz¬
barkeit vorhanden sind, Namentlich bpi den fieber-
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 20
307
haften Erkrankungen der Kinder ist es ein sehr beliebtes
Sedativum, und wird stets beim Vorhandensein dieser
Indikationen gegeben. Bei Neuralgien, Schlaflosigkeit
etc., Spasmus der Urethra, des Muttermundes während
der Geburt wird es viel angewandt.
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kaloidal Co.) enthalten Hyosin. hydrobrom. grain V»»o
gleich 0,0003 g, Morphin, hydrobrom. gr. Vs gleich 0,0075
g, Cactin gr. ‘Vas gleich 0,000 447 g. Die Herstellung
dieses Präparates wurde angeregt durch die deutschen
Veröffentlichungen Uber die Anwendung von Scopo-
lamin und Morphium bei Entbindungen. In Amerika
erkennt man, besonders Lloyd, die Identität von Scopo-
lamin und Hyoscin nicht an, weist darauf hin, daß
ersteres mit Atroscin verunreinigt und deswegen ein
sehr gefährliches Präparat sei. Bei Hyoscin seien diese
Gefahren vermieden. Cactin ist ein Herztonicum. Die
Tabletten werden viel zu Operationen und bei Geburten
angewandt. Zu letzterem Zwecke sind sie auch per os
anwendbar. Ich habe die Tabletten auch vorzüglich ge¬
funden zur Schmerzstillung und Erzielung von Schlaf
bei Carcinom im letzten Stadium, besser als Morphium
oder Morphium und Hyoscin. Die Präparate der Abbott
Alkalpidal Co. (Fabrik Chicago) sind in London EC,
14 Holborn Viaduct, zu haben. Die Lloydschen Präpa¬
rate (Specific Medicines, Fabrik Cincinnati, Ohio) bei
der Adler-Apotheke, Hamburg 5.
Die obigen Angaben wurden zum Teil Kings Ame¬
rican Dispensatory von Felter-Lloyd entnommen.
Ueber physikalische Diagnostik und Therapie *).
Von Dr. Adolf Schnee (Berlin-Schöneberg).
Der physikalischen Diagnostik und Therapie
kommt hinsichtlich der Erkennung, Verhütung und Be¬
handlung von Krankheiten zumal in den letzten Jahren
immer mehr Bedeutung zu.
Unter den physikalisch-diagnostischen Hilfsmitteln
stehen die Röntgenstrahlen in ihrer Anwendung für
röntgenoskopische und röntgenographische Zwecke an
erster Stelle.
Bei der technischen Vervollkommnung und weit¬
gehenden Vereinfachung der Röntgenapparate wird die
Röntgenologie immer mehr zum Gemeingut aller
Aerzte. Für das Zustandekommen einwandfreier Zeit-,
Moment-, Fern- und Blitz-Aufnahmen spielt die Be¬
schaffenheit und Funktion des Unterbrechers und In¬
duktors die Hauptrolle. Auf Grund zweijähriger Er¬
fahrungen kann der Vortragende die Benutzung eines
Rotax-Unterb re chers in Verbindung mit
einem Rotax-Intensiv - Funken-Induktor
wärmstens empfehlen, die, in einem als „Rotax -
Typ“ bezeichneten Röntgen-Instrumentarium ver¬
einigt, einen Gebrauchsapparat par excellence bilden.
Dies beweißt eine Reihe von Fern-, Moment- und Blitzauf-
nahmen. Zu letzteren bedient man sich vorteilhaft eines
a u t o m atischenMomentschalters, mit dem
sich Aufnahmen bis von V™ Sekunde Expositionszeit
hersteilen lassen. Der Rotax-Typ zeichnet sich auch
noch dadurch aus, daß er den Operateur vollkommen
vor den schädlichen Einflüssen der Röntgenstrahlen
schützt. Das gleiche gilt von einem Spezialtyp für
Zahnärzte.
Röntgenkinematographische Auf¬
nahmen in Bewegung befindlicher innerer Organe
*) Vortrag, gehalten auf dem Kongreß für innere Medizim
April 1910.
VERSITl
des Menschen haben besonders Kästle, Rieder und
R o s e n t h a 1 mittels geeigneter Apparate vorgenom¬
men und sind vor allem ihre kinematographischen
Magenuntersuchungen hervorzuheben.
Die Elektrokardiographie von Kraus
und Nicolai verdient unter den physikalischen Me¬
thoden der Diagnostik weitgehende Beachtung.
Eine Verbilligung der dazu verwendeten Apparate
liegt im Interesse einer allgemeineren Benutzung durch
Institute und Aerzte, wodurch auch weitere Kreise in
die Lage versetzt würden, Erfahrungen in dieser Hin¬
sicht zu sammeln.
In der Elektrodiagnostik geht das Be¬
streben dahin, auch „dauernde Strömungen“
bezw. die durch dieselben bedingten Widerstandsände¬
rungen des menschlichen Körpers zu verwerten. Clu-
zet,Vigouroux,Courtadon haben ebenso wie
Mann, Toby Cohn, Zimmern, Huet und
L e d u c diesbezügliche Versuche angestellt. Prak¬
tische Resultate sind noch nicht endgültig erzielt wor¬
den, doch zu erwarten. Die Methode kann als „elek¬
trochemische Methode“ bezeichnet werden.
Bei der Verwendung unterbrochener Ströme darf auf
die Kondensatorentladungen Zanietowski's mit
Hilfe seines Kondensatormultostates und
den Leduc’ sehen Strom nicht vergessen werden,
welch letzterer mittels eines Leduc’sehen Unter¬
brechers am besten in Verbindung mit einem Uni-
versal-Anschlußapparat z. B. Multostat erzeugt
wird.
Die physikalische Therapie ist nach Leyden
und Lazarus für den modernen Arzt bei' der Be¬
handlung zahlreicher Erkrankungen durch keine
anderen Mittel zu ersetzen.
Neben den vorbeschriebenen Röntgen-Apparaten
ist unter den physikotherapeutischen Apparaten an
erster Linie der „erdschlußfreie Multostat mit
reiner Galvanisatio n“ nach Eulenburg zu
nennen, dessen vielseitige Verwendungsmöglichkeiten
ihn geradezu für Praktiker wie Spezialisten unentbehr¬
lich machen. Mit einem solchen Apparat lassen sich
auch elektrische Vierzellenbäder appli¬
zieren, die in neuester Zeit erfolgreich mit der Kata-
phorese von Radium-Emanation kombiniert
werden. Das gleiche gilt von Sklerolytkatho-
den, Ekzemalytanoden sowie den sogenannten
Organ-Elektroden, die entweder in Verbindung
mit dem Vierzellenbad oder mit großen sogenannten in¬
differenten Elektroden in Benutzung kommen. — Nicht
nur die Applikation galvanischer Ströme mittels der ge¬
nannten Elektroden, sondern auch die in hydroelektri¬
schen Voll- und Teilbädern sollte aus Gründen der
Sicherheit für Arzt und Patienten lediglich mit „erd¬
schlußfreien Anschlußapparate n“ er¬
folgen.
Galvanische Ströme besitzen, wie Foveau de
Courmelles, Zanietowski, Schatzky und
Römer nachgewiesen haben, auch bakterizide Wir¬
kung. Therapeutisch wurde diese bisher nur bei Tuber¬
kulose verwertet.
Die Applikation strömender Heißluft wird zweck¬
mäßig mit der vom Vortragenden angegebenen Heiß-
1 u f t d u s c h e „F ö n“ vorgenommen und ist besonders
die schmerzlindernde Wirkung des Heißluftstromes be¬
merkenswert. Wechselwarme Luft wird.zur Erhöhung
der Reaktionswirkung mittels des „F ö n - D u p 1 e x“,
einer Wechseldusche mit Mo mentu m-
schaltung, erzeugt.
Um Tiefenwirkungen der Wärme im Or¬
ganismus hervorzurufen, verwendet man Hoch¬
frequenzströme großer Intensität und außerordentlich
/ERSI
HHHI
308
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 20
hoher Schwingungszahl in der Zeiteinheit. Nagel-
Schmidt- Berlin, von Bernd, v. P r e y s und
v. Z e y n e k - Wien und andere haben Apparate zu
diesen Zwecken angegeben. Der Vortragende hat sich
zu Versuchszwecken eines Apparates bedient, der unter
dem Namen „Penetrotherm“ von der E.-G. „Sa-
n i t a s“ hergestellt wird.
Auf dem Gebiet der Mechanotherapie sind
Versuche mit allgemeiner Vibration des Körpers mittels
eines geeigneten Vibrationsstuhles vom Vor¬
tragenden vorgenommen worden. Diese allgemeinen
Körpervibrationen haben bei Schlaflosigkeit, Schwindel¬
anfällen, beschleunigter Herzaktion bei Herzneurosen,
nervöser Dyspepsie etc. gute Resultate ergeben.
Zur Behandlung von Fettleibigkeit, Darmträgheit
und Meteorismus eignet sich ganz vorzüglich ein ak¬
tiver Bauch- Knetapparat von Dr. Erich
Boettcher, Bad Hersfeld.
Schließlich ist noch der „Atmopho r“, eine
transportable Dampfdusche nach Dr.
Fürstenberg - Berlin, zu erwähnen, der sich vor¬
nehmlich zur Behandlung transportunfähiger Patienten
im Bett eignet.
Im Interesse aller Kranken ist es zu wünschen, daß
der praktische Arzt nicht nur die althergebrachten Un¬
tersuchungsmethoden und den reichen Arzneischatz der
Apotheke, sondern auch alle Hilfsmittel der physikali¬
schen Diagnostik und Therapie in gleicher Weise be¬
herrscht.
(Autoreferat).
Der Staat und die Gesundbeter. *)
Von Dr. med. Wilh. K üh n- Leipzig.
Die Tatsache, daß im sächsischen Landtage die Ge¬
sundbeter durch eine Eingabe die staatliche Anerken¬
nung ihrer sog. Religionssekte erzielen wollen, muß not¬
wendigerweise auch die Aerzte auf den Plan rufen.
Wir haben dabei im wesentlichen zu untersuchen, ob
den Gesundbetern überhaupt eine Berechtigung zuzu¬
erkennen ist oder nicht.
Schon in den frühesten Zeiten herrschte unter den
Christen über die Stellung, die man der Medizin gegen¬
über einnehmen sollte, durchaus keine Einmütigkeit,
sondern die Gemeinde spaltete sich bei dieser Frage in
zwei Parteien, die einander gegenüberstanden. Die eine
wollte von der Medizin überhaupt nichts wissen und
ging in ihrem Radikalismus so weit, daß nach ihr bei Er¬
krankungsfällen Arzt w-ie Medizin vollkommen ausge¬
schlossen sein*sollten, die andere Partei dagegen ver¬
langte die Zuziehung eines Arztes, wobei sie allerdings
nicht unterließ, diesen ihren Wunsch durch Berufung auf
gewisse christliche Legenden zu entschuldigen, um ihn
dem intoleranten Flügel der Gemeinde schmackhaft zu
machen.
Die Radikalen behaupteten, daß alle glücklichen und
beklagenswerten Ereignisse, die den Menschen träfen,
wie der Glaube lehrte, unmittelbar aus der Hand des
Höchsten kämen. Deshalb müsse jede Krankheit, vom
kleinsten Unwohlsein bis zur schwersten Erkrankung
als Fügung Gottes betrachtet werden, gegen die mit
irdischen Mitteln zu kämpfen sich nicht passe. Erfolg
könne man sich nur vom Gebet versprechen, und zwar
führte man dabei stets, wie man es auch heute noch tut,
die Stelle im Jakobusbrief, Kap. 5, V. 14—16 an: „Ist
jemand krank, der rufe zu sich die Aeltesten der Ge¬
meinde und lasse sie über sich beten und salben mit Oel
*) Na chdruck aus ,,Nationalliberales Vereinsblatt“, 1910. No. 8
in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens
wird dem Kranken helfen und der Herr wird ihn auf-
riehten usw. usw.“ Neben Gebeten, Oelsalbung und
Händeauflegung konnte auch noch das Evangelienbuch
als Heilmittel verwendet werden. Später benutzte man
sogar Kleider gewisser heiliger Männer, wie aus
Apostelgeschichte Kap. 19, V. 12, hervorgeht, wonach
das Schweißtuch und der Rock des Apostels Paulus hei¬
lende Kraft besessen haben. Nach Kapitel 5, V. 15
wurde sogar der Schatten des Apostels Petrus für medi¬
zinische Zwecke verwendet.
Wir können hier nicht allen den Gründen nach¬
gehen, wodurch die ärztliche Wissenschaft trotzdem,
wenn auch unter schweren Kämpfen, ihr Ansehen be¬
hauptete. Wahrscheinlich ließ der tägliche Umgang mit
Kranken und gebrechlichen Greisen den Diakonen und
Diakonissinnen die ärztliche Hilfe denn doch in einem
anderen Lichte erscheinen als jenen Eiferern,- die über
sie nur von ihrem hyperorthodoxen Standpunkt ur¬
teilten. Die praktischen Erfahrungen lehrten dem christ¬
lichen Krankenpfleger auf das Handgreiflichste, was bei
der Krankenbehandlung der Arzt und was der mit
Gebet, Handauflegen und Oelsalbung operierende Laie
oder Kleriker zu leisten vermochte.
Eine Erschwerung für die ärztliche Wissenschaft
lag dann, vielleicht im Anschluß an die geschilderten
Ansichten, darin, daß man auch die Heiligen in die ge¬
sundheitlichen Verhältnisse hineinzog. In der Haupt¬
sache mußte das Verhältnis zwischen Kranken und Arzt
durch ihr Eingreifen erbeblich beeinträchtigt werden,
denn wenn in schweren Fällen die himmlische Hilfe der
Heiligen wirkt, so braucht man sich nicht zu wundern,
daß das Vertrauen in die Kunst des christlichen Arztes
sinken mußte.
Indes wollen wir die sich hieraus ergebenden
Folgen übergehen, um die Gebetsheilung näher zu er¬
örtern, wie sie die Sekte der Gesundbeter aus Amerika
zu uns gebracht hat. Stets gibt es Zeiten, in denen eine
unnatürliche Steigerung des religiösen Gefühls bei
gleichzeitiger vollständiger Unkenntnis aller Natur¬
erscheinungen eintritt, wobei zu beachten ist, daß die
Kirche an und für sich mit solchen Bestrebungen durch¬
aus nichts zu schaffen hat. Es ist kennzeichnend für
die moderne Gebetsheilung, wenn man in den „Blättern
der Heilung“, das Reklameblatt dieser modernen Hei¬
ligen, liest, daß ganz veraltete organische Verände¬
rungen des Herzens, zerstörte Lungen, zerrissene Ge¬
fäßstämme usw. nur durch brünstige Gebete in den
normalen Zustand zurückgeführt werden können. Man
muß unter solchen Umständen unbedingt zu der Ansicht
kommen, daß der Höhe der hier offenbarten religiösen
Verzückung ein mindestens ebensolcher Tiefstand der
naturwissenschaftlichen Kenntnis entsprechen müsse.
Ganz besonders ist in dieser Beziehung das System
der Mrs. Eddy bekannt. Wenn wir darüber eine kurze
Kritik abgeben wollen, so müssen wir sagen, daß es aus
einem absurden Gemenge von unverdauten, philosophi¬
schen Brocken, von medizinischen Beobachtungen und
krassen Denkfehlern besteht. Es wird von ihr der
Glaube gepredigt, daß die Krankheit keinen realen
Grund in dem Stofflichen des Körpers habe, sondern
ausschließlich aus gewissen Zuständen des Geistes
heraus zu erklären sei. Auch bei ihr zeigt sich eine Art
von Naturphilosophie, die längst überwunden ist. Selbst¬
verständlich hält Mrs. Eddy in ähnlicher Weise,wie wir
schon erw'älmten, von Arzt und Medizin nichts, sondern
die Krankenbehandlung soll derart vor sich gehen, daß
sich der Patient unter AufsichteinerinsolchenDingeü be¬
reits erprobten Person auf das in ihm wohnende geistige
oder göttliche Prinzip besinne,
Nr. 20
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
309
Wie hat man diese modernen Gebetsheilungen zu
erklären und wie haben wir uns zu ihnen zu stellen?
Prof. Dr. Magnus steht in seiner lesenswerten Arbeit:
„Medizin und Religion in ihren gegenseitigen Beziehun¬
gen“ (Abhandlungen zur Geschichte der Medizin, Heft 1)
auf dem Standpunkt, daß das Wiederaufnehmen der Ge¬
betsheilung lebhaft einer Erscheinung aus dem Gebiete
der Vererbungen, dem Atavismus, ähnelt. Unter Ata¬
vismus oder Rückschlag versteht man bekanntlich jenen
Vorgang, bei dem eine anatomische Form von einem
Vererben auf einen Erben nicht direkt übertragen wird,
sondern vielmehr zwischen Vererber und Erben eine
mehr oder minder zahlreiche Reihe von Generationen
steht, die die fragliche vererbte anatomische Eigenartig¬
keit nicht besitzen. Von einer solchen Vererbung wird
man ja allerdings in unserem Falle nicht sprechen
können, wohl aber vielleicht von einem Rückschlag in
eine längst überwundene Epoche unserer geistigen und
kulturellen Entwicklung. Man muß annehmen, daß sich
eine UÜbereinstimmung von Ursachen gebildet hat, die
die Gebetsheilung ursprünglich hervorgerufen haben,
und zwar in der gleichen Form wie früher. Da gleiche
Ursachen immer gleiche Wirkungen haben, so müssen
auch jetzt wieder dieselben Erscheinungen wie früher
erzeugt werden, d. h. die des kulturellen Atavismus.
Nach dieser mehr philosophischen Erklärung wollen
wir uns auf den Standpunkt unseres nüchternen Alltags¬
lebens stellen und von diesem aus die Gesundbeter mit
ihren modernen Gebetsheilungen betrachten. Zunächst
muß einmal festgehalten werden, daß sie reine Privat¬
sache sind, mit denen das Christentum an und für sich
heutzutage nicht mehr das Geringste zu tun hat. Ferner
kann bei ihnen von einer wissenschaftlichen Kritik kaum
noch die Rede sein. Indes muß man sich mit ihnen aus
anderen Gründen beschäftigen. Es fragt sich nämlich
sehr, ob sie nicht von Staats wegen überhaupt zu ver¬
bieten sind. Dazu hat man eine sehr gute Handhabe,
die auch in Nordamerika, in den Vereinigten Staaten,
der Geburtsstätte dieser modernen Gebetsheilungen, in
den letzteren Jahren wiederholt angewandt wurde. So¬
bald man nämlich irgendwie ,nachweisen konnte, daß
der Gesundbeter einen Kranken, der noch zu heilen ge¬
wesen wäre, hingehalten und dadurch dessen Tod ver¬
ursacht hatte, obgleich er durch ärztliche Hilfe noch zu
retten gewesen wäre, wurde er vom Richter unnach-
sichtlich zu hohen Geld- und Gefängnisstrafen ver¬
urteilt. In Deutschland haben wir von einem derartigen
Vorgehen gegen Gesundbeter noch nichts gehört, was
sehr zu bedauern ist. Weiter aber wird man sich mit
der Frage zu beschäftigen haben, ob wir nicht manche
Leute direkt als Betrüger anzusehen haben, denen es
nur um Gelderwerb zu tun ist. Aber selbst in den
Fällen, in denen die Leute von der Wirkung ihrer Gebete
überzeugt sind — das wird wohl keiner unter ihnen ver¬
neinen! — müssen wir uns weiter die Frage vorlegen,
ob bei den Gesundbetern nicht ein geistiger Defekt vor¬
handen ist, und weiter werden wir zu berücksichtigen
haben, inwieweit die Gesundbeterei zu den geistigen
Epidemien gehört, die von Zeit zu Zeit ausbrechen und
sich ebenso von dem einen auf den anderen übertragen,
wie es auch die uns bekannten Infektionskrankheiten
zu tun pflegen.
Fassen wir also die Gebetsheilung auf, wie wir
wollen, immer wird man zu dem Ergebnis kommen
müssen, daß sie zu verwerfen ist und daß der Staat die
Pflicht zum Einschreiten hat, wobei wir noch nicht ein¬
mal den Punkt in Rücksicht ziehen, von dem schon
vorhin die Rede war, daß nämlich das Vertrauen der
Leidenden zu der Kunst der Aerzte schwinden muß,
wenn behauptet wird, daß Krankheiten in so bequemer
Weise zu beseitigen sind.
REFERATE.
Augenheilkunde.
Referent: Augenarzt Dr. Paul Greven y Aachen.
1. Ueber den Wert der Dioninbehandlung bei Augeiierkran-
kungen. Von Dr. C. Adam, Ass. der I. Univ.-Augenklinik, Berlin
(v. Michel). Münch. Med. Wochenschrift 1910 Nr. 7.
2. Dionin und Aethyhnorphinjodid. Von Dr. Bruno SyMa
in Bremen. Wochenschrift für Therapie und Hyg. des Auges
XIII. 21.
3. Ein Beitrag zur Kenntnis der Netzhautveränderungen beim
Skorbut. Von Dr. S. Kitamura (aus Japan) in Dairen (Süd-
Mandschurei). Deutsche Mediz. Wochenschrift 1910 Nr. 9.
4. Probier-Lorgnette. Von San.-Rat Dr. W o 1 f f b e r g , Bres¬
lau. Wochenschrift für Therapie und Hygiene des Auges. XIII.
Nr. 24.
5. Die Behandlung der Entzündungen der Augenhöhle. (Vom
Standpunkte des praktischen Arztes.) Von Professor Dr. med.
A. Birch-Hir Sehfeld, Leipzig. Fortschritte der Medizin.
1910 Nr. 11.
6. Zur örtlichen Behandlung der Iritis. Von Dr. E. H. Oppen¬
heimer, Augenarzt in Berlin. Deutsche Mediz. Wochenschrift
1910 Nr. 12.
7. Ueber Inversio iridis. Poliklinische Vorlesung von Prof.
S. Klei n. Medizinisch- Chirurgisches Centralblatt 1910 Nr. 13.
8. Ueber die Fluoreszenz der Linse. Von Dr. med. Fritz
Schanz und Dr. Ing. Carl Stock hausen in Dresden,
v. Graefe's Archiv für Ophth. 1909, Heft 1.
9. Zur Aetiologie des Glasmacherstars. Von denselben,
v. Graefe’s Archiv für Ophthalmologie, 73. Band, 3. Heft.
10 . Schutzgläser gegen die Wirkung kurzwelliger Lichtstrahlen
auf das Auge. Von denselben. Archiv für Augenheilkunde, 65. Band;
.4. Heft (1910).
11. Weiteres über Blendung. Von denselben, v. Graefe's
Archiv für Ophthalmologie, 73. Band, 3. Heft.
1. Als Analgetikum leistet Dionin, bekanntlich ein Morphin¬
derivat, manchmal gute Dienste, besonders bei denjenigen Affek-
tionen der Hornhaut, die mit einer Verletzung ihrer Oberfläche ein¬
hergehen, d. h. bei Kratzwunden und Herpes corneae. Auch bei
Scleritis und Episcleritis wirkt es besser schmerzstillend als das
Kokain. Bei Iritis ist Vorsicht am Platze, da bei Iritis arterio-
sclerotica nach Anwendung des Mittels Blutungen in die Vorder¬
kammer beobachtet wurden. Ueberhaupt soll es bei Personen mit
schlechten Gefäßen nicht angewendet werden. Eine Druckerhöhung
bei Glaukom bewirkt das Mittel nicht. Bei Anwendung des Mittels
als Analgetikum sind aber vier Uebelstände in Betracht zu ziehen:
1) vertagt das Mittel häufig, 2) tritt leicht eine Gewöhnung ein,
3) verursacht es sehr heftiges Brennen, und 4) bringt es durch die
Chemosis eine Entstellung mit sich. — Eine besondere Wirkung als
Resorbens hat Adam bei abnormem Vorderkammerinhalt (Linsen¬
massen, Präzipitate) nicht konstatieren können. Ebenso waren seine
Beobachtungen, die- er bei der Anwendung van Dionin zur Auf¬
hellung von Hornhauttrübungen bei einigen 50 Fällen machte, nicht
günstig. Mit gutem Erfolg kann aber das Mittel angewendet werden
zur schnelleren Resorption von traumatischen subkonjunktivalen
Blutungen jugendlicher Personen. Adam kommt daher zu dem
Schlüsse, daß das Mittel „in einer Reihe von Fällen als Analgetikum
oder Resorbens gute Dienste leistet, als ersteres ist es aber unzuver¬
lässig, und als Resorbens leistet es schließlich nicht mehr als die
alten Methoden oder die natürliche Resorption“. Uebrigens eine son¬
derbare Logik!
2. Nach Syllas Beobachtungen wirkt Dionin intensiver und ex¬
tensiver als das Aethylmorphinjodid. Die Resorptionsbeförderung ist
bei beiden gleich, wenn nicht wegen des Jodgehaits bei dem Aethyl¬
morphinjodid etwas stärker. Die geringere Schmerzhaftigkeit resp.
Schmerzlosigkeit nach Anwendung des Aethylmorphinjodid im Ver¬
gleiche zum Dionin ist eine eklatante. Eine Angewöhnung tritt bei
beiden Mitteln ein. Das Alter der Pulver beeinträchtigt ihre Wirk¬
samkeit nicht. Eine Einwirkung des Lichtes ist wenigstens bei dem
Aethylmorphinjodid, wenn man dasselbe in weißem Glase längere
Zeit unverhüllt stehen läßt, bald, zumal im Sommer, zu bemerken.
3. Kitamura hatte Gelegenheit, einen Fall von Netzhautverän¬
derungen bei Skorbut mikroskopisch zu untersuchen. Seine Be¬
obachtungen gibt er in vorliegender Arbeit ausführlich wieder.
Außer in der Netzhaut waren in den übrigen Häuten keine Besonder¬
heiten zu finden. In der Netzhaut fand .sich ein ausgesprochenes
Oedem, starke Blutung und zirkumskripte ganglionäre Hypertrophie
der Nervenfasern. Verfasser glaubt, daß die Veränderungen der Re¬
tina auf Toxinbildung im Blute beruhen.
4. Die Probierbrillen zum Einsetzen der Gläser des Brillen-
kastens haben mancherlei Uebelstände, die sieb vermeiden lassen
310
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 20
durch Benutzung einer Probierlorgnette, wie Wolffberg sich eine
solche hat anfertigen lassen. Im übrigen läßt sich auch eine Uni¬
versalprobierbrille leicht in eine Universalprobierlorgnette um¬
wandeln, die für Arzt und Patienten wesentlich angenehmer im Ge¬
brauch ist.
5. Zu unterscheiden sind die chronischen und die akuten Orbital¬
entzündungen. Der langsame im Verlaufe von Wochen oder Mo¬
naten sich ausbildende Exophthalmus kann sowohl durch einen echten
Tumor als auch durch eine chronische Entzündung des Orbital¬
gewebes bedingt sein. Wichtig ist die genaue Untersuchung des
Körpers. Ergibt diese Anhaltspunkte für eine Allgemeinerkrankung,
so ist diese entsprechend zu behandeln. Ist nach einigen Wochen
trotz energischer Allgemeinbehandlung kein Rückgang des Exophthal¬
mus eingetreten oder tritt sogar irgend eine Verschlimmerung
ein, so ist mit einem operativen Vorgehen nicht länger zu zögern.
Ganz besonders ist auf Erkrankungen der Nase und ihrer Neben¬
höhlen zu achten. In sehr vielen Fällen nehmen die Orbitalentzün¬
dungen aus einer Nebenhöhle der Nase ihren Ursprung. Läßt sich
eine Nebenhöhlenerkrankung ausschließen, so empfiehlt sich eine
breite Inzision am Orbitalrand. Man legt das Periost der Orbita frei
und .löst dieses dann stumpf von der Orbitalwand ab. Handelt es
sich um einen subperiostalen Abszeß, dann fließt sofort Eiter ab und
der Exophthalmus geht zurück. -Bei einem periostalen Tumor läßt
sich Sitz und Ausdehnung desselben und die Möglichkeit seiner so¬
fortigen Exstirpation feststellen. Birch-Hirschfeld warnt vor einer
Punktion der Orbita mit dem Schmalmesser durch Bindehaut oder
Lider. Denn eine solche Inzision trifft häufig gar nicht den Sitz der
Entzündung, gewährt keine genügende Uebersicht, verursacht leicht
eine Verletzung wichtiger Teile des Orbitalinhaltes und führt endlich
gar nicht selten eine Infektion des eigentlichen Orbitalgewebes her¬
bei. Bei akuter eitriger Orbitalphlegmone ist schnelles Eingreifen
geboten. Entfernung eines etwaigen Fremdkörpers, ausgiebige Er¬
öffnung und Offenhalten der Orbita durch Einlegung häufig zu
wechselnder^ feuchter Gazestreifen kann schnelle Besserung, Nach¬
lassen der Schmerzen und der Sekretion, Rückgang des Exophtal-
mus, Abfall des Fiebers herbeiführen. In den schwersten Fällen
von Orbitalentzündung, wo meist eine Thrombophlebitis mit mul¬
tipler Abszeßbildung zugrunde liegt, kann zur Abwendung der
Lebensgefahr die operative Ausräumung der ganzen Orbita geboten
sein. Handelt es sich um einen subperiostalen Abszeß der Orbita,
dann ist Freilegung und Entleerung des Eiterherdes mit nach¬
folgender Drainage geboten. Daneben verlangt eine Sinusitis na¬
türlich genaue rhinologische Untersuchungs- und Behandlungs¬
methoden.
6. Oppenheimer gibt in vorliegendem Aufsatze treffliche
Winke zur Behandlung der Iritis, und muß die Lektüre dieser Arbeit
im Original dringend empfohlen werden. Endzweck der örtlichen
Behandlung der Iritis ist die Erhaltung einer runden, verwachsungs¬
freien Pupille. Das souveräne Mittel dazu ist bekanntlich das Atro¬
pin, und zwar empfiehlt O. bei vorhandener Iritis 1 pCt. Atropin¬
lösung, der man bei starker Injektion des Auges zweckmäßig 2 pCt.
Kokain beigibt, um die Diffusion zu erleichtern. Was die Art der
Anwendung des Atropins angeht, so träufelt Oppenheimer bei Er¬
wachsenen alle zehn Minuten einen Doppeltropfen Kokain-Atropin
ein, d. h. einen Tropfen und nach einer Minute wieder einen, damit
das Kokain beim zweiten Tropfen wirken kann. Sind alle
Synechien gerissen, so hört er mit den Einträufelungen auf und
schreibt dann das Mindestmaß an Tropfen vor, die der Patient zu
Hause einträufeln soll. Er geht bis zu acht bis zehn oder mehr
Doppeltropfen, bevor eine leichte Pulsbeschleunigung oder Gesichts¬
röte, bisweilen Unruhe oder Schwächegefühl des Patienten vor der
weiteren Verabfolgung warnt. Verfasser läßt genau die Stunden
einhalten, d. h. er verordnet stets drei- bis fünfstündlich, Tag und
Nacht, einen Doppeltropfen. Ist die Pupille einmal rund, dann geht
man auf das Mindestmaß von Antropin herunter, um eine Wieder¬
verwachsung zu verhüten, was sehr einfach ist. Sowie das Auge
blaß, also nicht gereizt erscheint, läßt man ganz allmählich das
Atropin weg.
7. Klein beschreibt folgenden Fall: 13jähriger idiotischer Knabe
mit beiderseitigem angeborenem Mikrophthalmus. Die Vorder¬
kammer ist auffallend tief. Sie bietet einen überraschenden Anblick.
Die Iris ist nach hinten umgestülpt, sie bildet einen nach vorne ge¬
öffneten Kessel. Die Kuppel der umgestülpten Iris hat ihren Scheitel¬
punkt schätzungsweise ungefähr dort, wo normalerweise der hintere
Pol der Linse sich befindet. Die Tiefe der Vorderkammer beträgt
daher mindestens das Doppelte der Norm. Pupille eng, unregel¬
mäßig, auf Atropin nur wenig sich erweiternd. Die Linse ist kalkig,
geschrumpft, klein, mit dem unteren Pupillenrand verwachsen. Ihr
oberer Rand ist abgelöst, subluxiert, nach hinten in den Glaskörper
hinein frei schwebend. Alle Erscheinungen sind an beiden Augen
ziemlich gleich. Augenspiegeluntersuchung nicht möglich. Seh¬
vermögen wahrscheinlich gleich Null. Die Blindheit besteht seit
frühester Kindheit (wurde im Alter von V *— 3 U Jahren bemerkt) und
entstand vermutlich infolge einer Gehirnhautentzündung. Synechien
und Linsenveränderungen deuten auf Entzündungserscheinungen;
doch neigt Klein zu der Annahme, daß der hier beschriebene Zu¬
stand angeboren ist, aber nicht im Sinne einer Bildungsanomalie,
sondern daß es sich, mindestens zum Teil, um intrauterine Ent¬
zündungsresiduen handelt. Die Erklärung für das Zustandekommen
dieser als Inversio iridis zu bezeichnenden Irislage mit der ungeheuer
tiefen Kammer ist Klein außerstande zu geben. Es ist der einzige
derartige Fall, den Klein in 40jähriger Ophthahnologen-Laufbahn
unter mehr als 150 000 Augenkranken gesehen hat.
8. Nach Versuchen, die Schanz und Stockhausen anstellten,
handelt es sich bei der Fluoreszenz der Linse um eine Umwand¬
lung von kurzwelligem Licht in Licht längerer Wellenlänge. Nicht
nur die ultravioletten, sondern auch blaue und violette Strahlen-sind
daran beteiligt. Den Hauptanteil haben die ultravioletten, vor allem
die Strahlen von etwa 385 >x\x Wellenlänge. Die im Alter auf¬
tretenden Linsenveränderungen stehen in engem- Zusammenhang mit
der Absorption der Strahlen am ultravioletten Enoe des Spektrums.
9. Bei vielen Glasbläsern entwickelt sich meist anfangs der
40er Jahre eine kreisrunde Trübung am hinteren Pol der Linse.
Mit der Zeit bildet sich dann eine Linsentrübung heraus, die vom
hinteren zum vorderen Linsenpol zieht und schließlich das ganze
Linsengebiet ausfüllt, soweit es bei der Arbeit vor dem Glasofen von
den Lichtstrahlen getroffen wird. Die Peripherie der Linse, soweit
sie von der Iris gedeckt wird, bleibt dabei vollständig klar. Es ist
dies eine ganz charakteristische Starform, die sonst nicht vorkommt.
Nach Untersuchungen von Schanz und Stockhausen sind die Eigen¬
tümlichkeiten des Glasmacherstars auf die Wirkung der kurzwelligen
Lichtstrahlen zu beziehen, die von dem Glasofen ausgestrahlt werden,
d. h. der ultravioletten Strahlen von 400 - 350 au. Wellenlänge.
Der Einwirkung dieses Lichtes kann sich der Glasmacher nur aus¬
setzen, weil die kurzwelligsten ultravioletten Strahlen von weniger
als 320 [x'j. Wellenlänge, die eine Reizung am äußeren Auge ver¬
anlassen, in dem Lichte, das von der glühenden Glasmasse aus¬
strömt, vollständig fehlen. Die stark' pigmentierte Iris, die für
Wärmestrahlen gut leitend ist, absorbiert eben wegen ihres Pig¬
mentes die kurzwelligen Strahlen besonders gut. Die Einwirkung
auf die Linse bleibt deshalb auf das Pupillengebiet beschränkt.
10. Ein Schutzglas gegen die schädlichen Wirkungen der kurz¬
welligen Lichtstrahlen ist nach Schanz und Stockhausen das Euphos-
glas, ein gelb-grünliches Glas, welches die sichtbaren Strahlen mög¬
lichst wenig, die kurzwelligen Strahlen aber ausgiebig absorbiert.
Will man gleichzeitig auch die sichtbaren Strahlen schwächen, so
lassen sich graue Euphosgläser verwenden, die nach Art der rauch¬
grauen Gläser die sichtbaren Strahlen möglichst gleichmäßig
schwächen, die ultravioletten Strahlen dagegen möglichst voll¬
ständig absorbieren. Wie Schanz beobachten konnte, sind die
Euphosgläser als Schutz gegen die Wirkung der ultravioletten
Strahlen den grauen und bläuen Gläsern überlegen.
11. Die künstlichen Lichtquellen werden immer reicher an kurz¬
welligen Strahlen, und da diese Strahlen das Auge reizen, so muß
die Beleuchtungshygiene diesem Gegenstand ihre Aufmerksamkeit
widmen. Man kann dem künstlichen Licht die kurzwelligen Strahlen
entziehen durch Glashüllen aus Euphosglas, welches alle derartigen
Strahlen gleichmäßig absorbiert. Die Verwendung dieses Glases als
Beleuchtungsglas wird in vorliegender Arbeit weiter begründet.
Sexualwissenschaft.
Referent: Dr. Rohleder, Leipzig.
Die Homusexualität im neuen Strafgesetzentwurf. Von Dr. jur.
Hans Lieske, Leipzig. Deutsche medizinische Presse
1910, 5—7.
Der Verfasser geht von der sehr richtigen Erkenntnis aus, daß
in der Frage, welche Stellung das zukünftige Recht den Homo¬
sexuellen gegenüber einnehmen soll, dem Arzte die ausschlag¬
gebende Stimme gebührt, daß hier der Jurist dem Arzte sich beugen
solle. Dann zeigt Lieske weiter, wie der Begriff „widernatürliche
Unzucht“ und seine Auslegung ein Unding ist, ein Zwitter, der
schon viel Unheil angestiftet hat. Das angeführte Beispiel, daß das
Landgericht Plauen unlängst zwei Angeklagte, die sich „gegenseitig
in die Hosenschlitze hineingegriffen und umarmt“ hatten, wegen
„widernatürlicher Unzucht“ verurteilte, gibt zu denken. Das
Reichsgericht hat nun entschieden (Erkenntnis vom 23. April 1880);
daß widernatürliche Unzucht durch „beischlafsähnliche Handlungen“
verwirklicht wird; d. h. Berührungen des Körpers des passiven Teils
mit dem entblößten Gliede des Anderen stattgefunden haben. Nun
wird aber jeder zugeben, daß eine Appressio penis ad Corpus
alterius wirklich noch weit entfernt ist von einer „beischlafsähn¬
lichen“ Handlung. Verlangt doch z. B. Reichsgerichtsrat Steng-
lein in seinem „Strafgesetzbuch fürs Deutsche Reich“ S. 423 zum
Tatbestand einer „beischlafsähnlichen“ Handlung resp. widernatür¬
lichen Unzucht eine „Immissio penis in corpus rivum,“ wie meinet¬
wegen in os, in anum etc. und Lieske führt an, daß B i n d i n g
ebenfalls die Begriffe „beischlafsähnliche Handlungen“ für die Ver¬
brechensabgrenzung für unbrauchbar hält, kurz, der Gesetzgeber ist
von dem Laienstandpunkt ausgegangen, daß, weil zwischen gleich¬
geschlechtlichen Personen ein normaler Sexual verkehr nicht
stattfinden kann, derselbe „widernatürlich“ sein muß, ohne Berück¬
sichtigung des Gefühls- und Trieblebens der Homosexuellen.
Nr. 20
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
311
In den Vorarbeiten zum neuen Strafgesetzbuch
ist man trotz der inzwischen erschienenen Literatur (medizinischen
wie juristischen) zu einem höchst verwunderlichen Resultat ge¬
kommen. An der Hand der Vorarbeiten Mittermeyers.be-
handelt L i e s k e die historische Entwickelung der Materien, und
meint, die medizinische Wissenschaft habe noch zu entscheiden, ob
in der Homosexualität eine krankhafte Veranlagung vorliege, dann
habe nach Mitterme y er die Gesetzgebung „dem Umstande
Rechnung zu tragen, daß viele Menschen durch Veranlagung oder
Krankheit zum gleichgeschlechtlichen Verkehr geführt werden.“ Die
2. Alternative schlägt gänzliche Beseitigung des § 175 vor. M i 11 e r -
m e y e r polemisiert im großen und ganzen gegen den § 175,
L i e s k e lobt die unparteiische und überzeugende Sachlichkeit
dieses Autors. Und das Resultat? Eine Strafverschärfung im neuen
§ 250 des Strafgesetzvorentwurfs und Einbeziehung der wider¬
natürlichen Unzucht unter weiblichen Personen, der sogenannten
„lesbischen Liebe“. (Der Begriff „lesbische Liebe“ deckt nicht die
homosexuellen Akte unter Weibern schlechthin, er ist nur ein Teil
derselben, wenn auch der Hauptteil, da er den Tribadismus (Clito-
rismus) unberücksichtigt läßt, wie ich in meinen „Vorlesungen über
das Geschlechtsleben des Menschen“, Bd. II, S. 485 ff. gezeigt.)
Der Vorentwurf läßt also die Urteile so vieler maßgebender
Autoren, ja die Forschungsresultate der Sexualwissenschaft, daß es
sich bei der Homosexualität um einen „unwiderstehlichen, krank¬
haften Naturtrieb“ oder wie wir richtiger sagen müssen, um einen
unverstehlichen Naturtrieb, eine Abart des Sexualempfindens, eine
Konstitutionsabnormität nicht krankhafter Art, ohne Degeneration
handelt, völlig unberücksichtigt-
L i e s k e weist rein sachlich, ohne medizinische Gutachten
heranzuziehen, darauf hin, wie verkehrt es ist, mit Hamm nach
der Polizei zu rufen, wenn die medizinische Wissenschaft für Auf¬
klärung über sexuelle Dinge arbeitet. Ueberhaupt gebührt diesem
Autor das große Verdienst, sein Thema ruhig, sine ira und so recht
klar und sachlich richtig vorzutragen, besonders in jenem Teil, wo
er frägt: „ist die Strafandrohung nach der Erfahrung weitgehend
nutzlos?“ Besser als mancher Arzt zeigt er hier, daß die in Straf¬
anstalten, Konvikten etc. geübten homosexuellen Akte pseudohomo¬
sexuelle sind.
Zum Schluß geht L i e s k e auf die Folgeerscheinungen der
Strafandrohung über, die Chantage, da — verschwindende Aus¬
nahmen abgerechnet — die Erpresser immer mit Androhung des
§ 175 arbeiten. Lieske meint sehr richtig, selbst entgegen Mit¬
te r m e y e r, daß mit Wegfall des § 175 auch das Erpressertum
aufhören würde. Er weist darauf hin, daß auch heute nur Männer,
nie Frauen Objekte für Erpresser sind, eben weil heute der homo¬
sexuelle weibliche Verkehr straffrei ist, und wie ich ihm bestätigen
kann, und es auf den ersten Blick dem Laien unmöglich erscheinen
mag, hat dieser weibliche homosexuelle Verkehr eine Unmenge von
Formen und Arten, die eben nur den Lesbierinnen, den Sapphistin-
nen, den Tribaden und dem sachverständigen Arzt bekannt sind.
Der homosexuelle Verkehr unter Weibern ist selbst in der wissen¬
schaftlichen Welt noch weit weniger erforscht, als der unter Män¬
nern, weil er weit mehr im Verborgenen sich abspielt. Lieske
fragt, welche Tatbestandmerkmale hier die Strafbarkeit begründen
sollen? Ebenso wie beim männlichen Geschlecht die „Beischlafs¬
ähnlichkeit“, denn andere dürften hier ebenfalls nicht in Frage kom¬
men. Solche Tatbestandsmerkmale aber können gegeben sein im
reinen Lesbismus sen Sapphismus, wenn femina genitalia alterius
lambit, es ist dies das Pendant zum Coitus viri in os alterius; es gibt
hier Kennzeichen, die einen gewissen diagnostischen Wert haben;
bei der Tribadin, genitalia alterius fricando, vulvam vel femora ad
alterius vulvam, sei es als Tribadismus externus sen internus, sei es
als Clitoriscorabitation, wie ich diese Dinge wohl als erster in
Deutschland, in ihren medizinischen Details und ihren
Folgeerscheinungen loc. cit. Band- II. Vorlesung 59, S. 466—502
genau geschildert habe.
Tatbestandsmerkmale gibt es also mehr als genügend, und die
homosexuellen weiblichen Akte sind genau so zu treffen, wie die
homosexuellen Akte unter Männern. Mittermeyer und Lieske
irren also gewaltig, wenn sie meinen, daß bei ersteren zwischen
gegenseitiger Onanie und beischlafähnlichen Handlungen kein Unter¬
schied gemacht werden könne.
Der Strafgesetzentwurf hat also nur das eine richtige, daß er
auch den homosexuellen weiblichen Verkehr trifft und dadurch
auch zivilrechtlich beide Geschlechter, nicht bloß strafrechtlich,
gleichstellt. Denn nach dem heutigen § 175, der nur den männlichen
homosexuellen Verkehr bestraft, kann wohl eine Ehefrau gegen den
homosexuell verkehrenden Gatten auf Scheidung klagen, aber nicht
der Ehegatte gegen eine homosexuell verkehrende Frau, weil homo¬
sexueller Verkehr der letzteren heute nicht strafbar ist, also kein
Vergehen wider die Sittlichkeit darstellt, kein „unsittliches Ver¬
halten“, das eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses ver¬
schuldet, daß dem Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zuge¬
mutet werden kann“, wie § 1568 des BGB. bestimmt, wenigstens
müßte man als Laie logischerweise so schließen.
Ob aber der neue Strafgesetzentwurf nun das
Richtige trifft? Für Kenner des wahren Wesens der Ho¬
mosexualität ist jeder Zweifel über die Beantwortung dieser Frage
ausgeschlossen. Ich habe loc. cit. gezeigt, daß hach dem heutigen
Stande der medizinischen Wissenschaft Wegfall des § 175 die einzig
wahre Lösung dieser Frage sein kann und daselbst diese meine An¬
schauung genau begründet. Hier näher darauf einzugehen, würde
viel zu weit führen.
Was aber würde, wenn § 250 des Strafgesetz¬
entwurfs Gesetz werdensollte, erreichtwerden?
Meines Erachtens sicher das eine, daß wir dann 1) ebenso ein weib¬
liches Erpressertum erhalten werden, wie das heutige männliche
und 2) der Mitwelt die Augen geöffnet- werden, daß es ebenso eine
lesbische Prostitution gibt, wie es eine homosexuelle männliche
gibt, daß diese Prostitution aber zum allergeringsten Teile aus wirk¬
lichen weiblichen Homosexuellen, aus Urninden besteht, sondern auch
heterosexuellen Weibern, die nur aus „Geschäftsmaximen“, weil die
homosexuelle weibliche Prostitution besser lohnr, als die hetero¬
sexuelle, ihr verruchtes Gewerbe ausübt.
Nach meiner unmaßgeblichen Kenntnis der weiblichen Homo¬
sexualität werden aber zweifelsohne ein weibliches Erpressertum
und Hervortreten der homosexuellen weiblichen Prostitution, wenn
auch nicht in dem Umfange, wie in der männlichen, eine unabwend¬
bare Folge sein, auch nicht in dem Umfange, daß wie Pareut-
Duchatelet, seinerzeit der hervorragendste Kenner des Pro¬
stitutionswesens von Paris, behauptete, daß „les tribades formaient
le quart de la population generale des prostituees.“
Daher videant consules ....
Vielleicht aber, daß, wenn § 250 des Strafgesetzbuches als Gesetz
diese Folgen zeitigen sollte, man einsieht, wohin die Strafandrohung
des homosexuellen Verkehrs überhaupt führt, daß man so gleichsam
durch Dunkel zum Licht, per aspera ad astra gelangt.
Jedenfalls können Lieskes Ausführungen, in Nr. 5—7 der
„Deutschen medizinischen Presse“, die sich nur auf die rein juristi¬
schen Darlegungen gründen, allen sich dafür interessierenden Aerzten
empfohlen werden. Ich habe selten so klare, reih sachliche, rich¬
tige Auffassungen über die Strafandrohung der homosexuellen Hand¬
lungen seitens eines Juristen gelesen.
Ueber den Einfluß der innersekretorischen Anteile der Ge¬
schlechtsdrüsen auf die äußere Erscheinung des Menschen. Von
Julius Tandler. Wiener Klinische Wochenschrift Nr. 13 1910.
1910.
Die Drüsen mit innerer Secretion wirken auf die äußere Körper¬
erscheinung beeinflußend
a) „als direkt ausgelöste Veränderungen in den betreffenden
Organen“;
b) „als gesetzmäßige Veränderungen einer anderen Drüse mit
innerer Secretion,“ „complementärer“ Drüsen, wie z. B. der Genital¬
drüse und Hypophyse;
c) „als Veränderungen an den Erfolgsorganen, aber erst ausge¬
löst durch die sekundären Veränderungen einer komplementären
Drüse.“ Verfasser teilt die Geschlechtsdrüse in den a) generativen
und b) innersekretorischen Anteil. Der generative ist beim Manne
die Tubuli seminiferi; die Follikel resp. die Ovula beim Weibe. Der
innersekretorische Anteil ist beim Manne repräsentiert durch die
interstitiellen, die Leydigschen Zellen, beim Weibe durch die Zellen
des Stroma ovarii, resp. den Follikel und die Corpora. lutea und
meint nun, daß von diesen innersekretorischen Ele¬
menten alle funktionellen und morphologischen
Veränderungen des Körpers, die als Folgeer¬
scheinungen physiologischer und pathologi¬
scher Vorgänge an den Geschlechtsdrüsen sich
repräsentieren, sowie die normale Entwicke¬
lung und Reizung der generativen Anteile der
Geschlechtsdrüsen abhängig ist.
Die innersekretorische Tätigkeit beruht auf Veränderungen des
Chemismus, nicht auf nervösen und trophischen Einflüssen. Ver¬
fasser meint weiter, daß es gelingt, experimentell den generativen
Einfluß zu zerstören, den sekretorischen zu erhalten, wenn man
z. B. Hoden den Röntgenstrahlen aussetzt, oder in gewissem Grade
durch Ligatur des Ductus deferens bei stehen. Auch der Kryptor¬
chismus soll dafür Belege geben, weil man hier nie Spermatogenese,
hingegen regelmäßige normal entwickelte interstitielle Zellen, d. h.
älso: der kryptorche Testikel ist steril, vermag aber innersekretorisch
wohl tätig zu sein, d. h. funktionell die physiologischen Sexualerschei¬
nungen hervorzubringen. Der bilateral Kryptorche leidet also an
Azoospermie, ist daher steril, hat aber alle primären und sekun¬
dären Geschlechtscharaktere, ist potent (i. e. potentia coeundi nicht
generandi) etc. Die Praxis gibt hier dem Verfasser vollkommen
recht. Diese Tatsache findet aber noch weit mehr Bestätigung bei
der Pferdezucht. Hier ist Kryptochismus relativ häufig und Kastra¬
tion eines einseitigen kryptorchen Hengstes, so daß dieser nur
seinen kryptorchen Testikel behält, ergibt als Folge nur Sterilität.
Sonst behält das Tier völlig die männlichen primären und sekun¬
dären Geschlechtscharaktere, es zeigt kein Hinneigen zum weiblichen
Typus (sogen. „Klopfhengste“).
/ERSIT
312
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 20
Nielsen hat 90 kryptorche Pferdetestikel untersucht, ohne auch
nur ein einziges Mal Sperrnatogenese zu finden. Die Tubuli semini-
feri blieben im embryonalen resp. juvenilen Zustande stehen und
verfallen im Alter der regressiven Metamorphose. Auch ein Fall
von Operation an einem kryptorchen Hengste von White head
bestätigt dies, daß die interstitiellen Zellen als innersekretorische
Anteile der Hoden die Veränderungen des Aeußeren bedingen.
Die gleichsinnigen Erscheinungen am Ovariuin sind viel kompli¬
zierter. Verfasser ist wie Born und Fränkel der Ansicht, daß
das Corpus luteum das auslösende Moment ist für die ziklisch ab¬
laufenden Erscheinungen am weiblichen Genitale. Es beherrsche
durch Hemmung bestimmte innersekretorische Qualitäten des Ova-
riums, dafür spreche auch der Zusammenhang zwischen Ovar und
Hypophyse, welch letztere bei der kastrierten Frau ebenso wie bei
der graviden vergrößert sei.
Besonders schlagend für den Zusammenhang zwischen Corpus
luteum und sekretorischer Ovarialtätigkeit sind aber die Erschei¬
nungen der Hypertrophie des Corpus luteum bei der Kuh; das hier
die Größe einer Nuß erreichen kann. Leidet eine Kuh an einer
solchen Persistenz des Corpus luteum, so tritt die alle 21 Tage sonst
erscheinende Brunst nicht ein, entfernt man aber das Corpus luteum,
so tritt einige Tage post operationem die typische Brunst wieder ein.
Während, der Schwangerschaft beim Weibe, wo das Corpus luteum
persistiert, haben wir ja auch Fehlen der Ovulation.
Tandler meint nun, daß der Einfluß der Keimdrüse auf den
Organismus schon sehr frühzeitig, schon im Embryonalleben seinen
Anfang nehmen müsse, weil man am Embryo morphologisch diese
Zellen schon nachweisen könne, daß man aber schon vor dem Er¬
scheinen derselben eine innersekretorische Tätigkeit der Geschlechts¬
drüsen annehmen müsse, er meint mit Leuhossek, S.c h u 1 z
u. a., daß das Gschlecht schon ab ovo bestimmt sei, daß es also
männliche und weibliche Eier gäbe, daß es also weder eine herma-
phroditische Anlage noch eine hermaphroditische Entwickelungszeit
gebe, ja nicht einmal eine indifferente Anlage oder solche Ent¬
wicklungszeit, eine Annahme, die m. E. zu weit geht, wenn auch
diese hermaphroditische Anlage, wie ich in einem größeren Werke
über die Zeugung in nächster Zeit zeigen werde, nur eine pseudo-
hermaphroditische ist. Tandler meint aber, daß der Müller-
s c h e Gang, der durch den Funktionswechsel des W o 1 f f s c h e n
Ganges beim männlichen Individuum (ursprünglich Exkrationsgang
des Harnapparates, später auch der männlichen Geschlechtsdrüsen)
überflüssig wird, beim männlichen Embryo immer wieder hervor¬
trete, sei nur ein Zeugnis für seine hohe phylogenetische Bedeutung,
nicht für die bisexuelle Anlage- Die sekundären Geschlechtsorgane
muß nun Tandler logischerweise ebenfalls als Beweis für die
ursprüngliche bisexuelle Anlage wegbringen. Er meint nun, daß die¬
selben zunächst Speziescharaktere waren, die mit der Genital¬
sphäre primär nicht im Zusammenhang standen. Die Mamma soll
hervorgegangen sein aus einem „Schweißdrüsenagglomerat“, dessen
ursprüngliche Funktion wir heute nicht mehr erkennen sollen und die
sich erst später in den Dienst einer anderen Funktion gestellt habe,
daher hätten männliches und weibliches Säugetier eine Mamma, des¬
wegen könne dieselbe nicht als beweisend für eine bisexuelle An¬
lage angesehen werden.
Diese Deduktionen sind meines Erachtens völlig mißglückt.
Erstens ist die Annahme der Mamma als ursprüngliche Schweißdrüse
völlige Hypothese, entbehrt jeder Stütze und jedes Anhaltes, und
zweitens die weitere Annahme, daß sie sich „in den Dienst einer an¬
deren Funktion gesteh: habe“ ebenfalls. Wodurch soll ein so außer¬
ordentlich wichtiger Funktionswechsel bedingt gewesen und wie be¬
werkstelligt worden sein? Es heißt das m. E. die bisexuelle Anlage
mit Gewalt hinwegargumentieren. Das ist aber nur ei n sekun¬
därer Geseiilechtscharakter. Als einen solchen Deim Menschen
zieht er noch heran den Bart des Mannes, an ihm soll sekundär Ge-
schlechtscharukter „vielleicht“ nur sein frühes Auftreten und seine
Form sein, er soll mit anderen Behaarungsformen nur ein modifi¬
zierter Speziescharakter gewesen sein, weil die Behaarungsform des
Menschen früher eine ganz andere gewesen sein muß. Dies zuge-
standen. Wer aber will ableugnen, daß auch früher beim vor¬
geschichtlichen Menschen, ja beim Antropoiden die Behaarung eben¬
falls ein sekundärer Geschlechtscharakter gewesen ist, Männchen und
Weibchen hier ebenfalls durch die verschiedene Behaarung gekenn¬
zeichnet waren? Wir wissen jedenfalls nichts darüber.
„Unter diesem Gesichtswinkei betrachtet, sind auch andere so¬
genannte sekundäre Geschlechtscharaktere für die bisexuelle Anlage
nicht verwertbar“ fährt Verfasser fort. Ich möchte sagen „unter
diesem Gesichtswinkel betrachtet“, d. h. sie nur als „Speziescharakter
betrachtet“ kann man unmöglich die sekundären Geschlechtscharak¬
tere, wie Becken, Kopf, Gehirn, Sinne, intellektuelle Organe, innere
Organe, Kehlkopf, Stimme etc. als solche vernichten und damit nicht
die bisexuelle Anlage. Diese Einwände erachte ich für nicht be¬
weisend dagegen.
H u 1 b a u trifft m. E. den Kern der Sache, wenn er „Archiv für
Gynaekologie“, 70. Bd. 1904, Heft II, in seiner Betrachtung über
den Einfluß der Keimdrüsen für die Entstehung der Geschlechts¬
charaktere, wenn er die Geschlechtscharaktere als praeexistent an¬
nimmt und den Einfluß der Keimdrüsen auf die Entwickelung der
.Sexualcharaktere leugnet, ihn aber von Bedeutung hält für die völ¬
lige Entwickelung und Ausgestaltung des übrigen Genitale und der
geschlechtlichen Merkmale, welche Wirkung er als protektive be¬
zeichnet, zurückzuführen auf die innere Sekretion chemischer Sub¬
stanzen. Diese ist protektio, aber nicht formatio, d. h. kein organ¬
neubildender, sondern nur ein quantitativer Reiz. Nach Tandler aber
ist der Einfluß der Geschlechtsdrüsen, schon im Embryonalleben, für
die normale Entwickelung der primären und sekundären Geschlechts¬
organe eine conditio sine qua non. Die Wirksamkeit der Keim¬
drüsen im Embryonalleben soll die Differenz zwischen männlichen
und weiblichen Neugeborenen bedingen, also das Geschlecht be¬
stimmen !
Verfasser betrachtet nun das Skelett als Erfolgs¬
organ der innersekretorischen Tätigkeit der
Geschlechtsdrüsen. Er erinnert daran, daß der kretinische
wie der wahre Zwerg offene Epiphysenfugen haben und trotz der¬
selben nicht weiterwachsen, daß die operative Entfernung der Ge¬
schlechtsdrüsen längeres Offenbleiben der Epiphysenfugen bedingt,
daß Graviditätsveränderungen des Skeletts von der Entwickelung
der Keimdrüse abhängig sind, daß jugendliche Personen während
der Gravidität ein besonderes Längenwachstum haben, daß also
durch die Persistenz des Corpus luteum eine Hemmung einer inner¬
sekretorischen Tätigkeit des Ovariums bedingt ist, daß Hochbeinig¬
keit des Individuums durch späte Geschlechtsreife, Kurzbeinigkeit
durch frühzeitige Geschlechtsreife bedingt ist, daß die Praevalenz der
Oberlänge gegenüber der Unterlänge bei weiblichen Personen ein
Ausdruck der frühen Geschlechtsreife des weiblichen Organismus ist,
daß die sexuelle Spätreife der Nordländer mit dem Längenwachs¬
tum, umgekehrt die geringe Körpergröße der Südländer mit der sexu¬
ellen Frühreife im Zusammenhang stehen, kurz, der Einfluß der
Geschlechtsdrüsen bedingte das Längenwachs¬
tum des Menschen.
Nun darf man nur nicht schließen, daß Mangel der männlichen
Geschlechtsdrüse weibliches Skelett bedingt. Das ist nicht der Fall.
Er bedingt nur Mangel der männlichen Eigenschaften. Mangel der
weiblichen Geschlechtsdrüse, Mangel der weiblichen Eigenschaften
des Skeletts.
Der Einfluß der Keimdrüse auf die Haut und
das Unterhautfettgewebe. Beim Neugeborenen zeigt sich
gleichmäßige Fettansammlung; während der Pubertät schwin¬
det es und lokalisiert sich mehr, an den Nates, beim weiblichen Ge¬
schlecht bekanntlich an den Hüften, an den Extremitäten, zur Zeit
der Menopause, ebenso zeigt der Kastrat bestimmte Lokalisation
des Fettansatzes-, gerunzelte,-durchfurchte-Gesichtshaut etc. „V er-
änderungen der äußeren Decke, Umdimensionie-
i ung des Skeletts, Aenderungen des muskulären
Tonus, sie bestimmen als drei kardinale Eigen¬
schaften Jugendlichkeit und Alter und insofern,
als sie selbst wieder vom physiologischen Ab¬
lauf der innersekretorischen Tätigkeit der Ge¬
schlechtsdrüsen abhängig sind, insofern sind
die Jugend- und Alterserscheinungen Funktio¬
nen der Keimdrüs e.“
Die Wechselbeziehungen zwischen inner¬
sekretorischen Drüsen. Verfasser macht darauf auf¬
merksam, daß experimentell Vergrößerung der Hypophyse nach
Kastration festgestellt ist, ferner während der Gravidität, umgekehrt
bedingen primäre Veränderungen der Hypophyse auch morpho¬
logische Veränderungen des Genitale (z. B. bei der Akromegalie).
Die Hypophyse scheint einen regulierenden Einfluß auf das Knochen¬
wachstum zu haben. „Daß der Kastrat länger werden
kann, verdankt er dem Ausfall der frühzeitigen
Reife. Daß er aber länger wird, verdankt er wohl
der Hypophys e“. Hypofunktion des Ovars als Folge der
Persistenz des Corpus luteum intra graviditatern bediugt Verände¬
rungen der Hypophyse und damit das Skelettwachstum. Die Gra-
viditätsyeränderungen (wie Veränderungen der Lippen etc.) sind das
Resultat der komplementären Einwirkung der Hypophyse.
Bei den Wechselwirkungen zwischen Thyre¬
oidea und Genitale ist der Einfluß der Scheiddrüse auf das
Aeußere die Hauptsache. Bekannt sind die Sterilität der Kretinea.
die Genitalstörungen bei Morbus Basedow, die Veränderungen der
Thyreoidea während der Menstruation, der Gravidität, der Meno¬
pause etc.
Die Beziehungen zwischen Nebennieren und
Genitale zeigt die Impotenz beim Morbius Addisonii, der Mangel
an Sperrnatogenese. und die Veränderungen an den interstitiellen
Zellen dabei, die von Marchand gefundene Nebennierenver¬
größerung bei Pseudohermaphroditismus, die Hypertrophie der¬
selben bei Gravidität und Menstruation. Wahrscheinlich ist hier die
Nebe-nnierenerkrankung das Primäre, die Geschlechtsveränderung das
Sekundäre.
Die Wechselbeziehungen zwischen Genitale
undThymus wird bewiesen durch die Persistenz der letzteren, an
Kastraten und Eunucnoiden. Bei Thymektomie zeigen sich Ver¬
krümmungen der Diaphysen, veränderte Reaktionsfähigkeit der
Knochen auf Frakturen u. a.
Kurz, die schon im Einbryonalleben funktionierenden Drüsen
mit innerer Sekretion formen und modellieren den Körper, seine
Nr. 20
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
313
i
1
I
Proportionen, sein Aussehen, ganz besonders aber die Geschlechts¬
drüse. Sie bestimmt die sekundären Geschlechtscharaktere, die
Veränderungen der gesamten Wachstumsperiode, sie wird „ein be¬
stimmender Faktor für die harmonische Erscheinung des Indi¬
viduums.“
Ich bin absichtlich so ausführlich auf die Tand ler sehe Ar¬
beit eingegangen, um zu zeigen, wie ungeheuer wichtig eine sexual¬
wissenschaftliche Kenntnis und Erkenntnis des Menschen nicht bloß
für die Biologie, sondern auch für die gesamte Medizin und be¬
sonders die Therapie ist, ganz besonders aber noch zu werden ver¬
spricht. Die Arbeit des Verfassers zeigt uns, daß wir im Anfang
einer ganz neuen Erkenntnislehre stehen, des Einflusses des Geni¬
talis physisch — und wie ich noch hinzufügen möchte — psychisch,
auf den gesamten Organismus, daß die heute noch, besonders von
den ordentlichen Universitätsprofessoren so verachtete oder wenig¬
stens so geringschätzend beurteilte „Sexologie“ denn doch nicht so
unwichtig ist, besonders aber, daß ihre Kenntnis nicht, wie mir einer
unserer bedeutendsten Internisten einmal persönlich sagte, jeder Arzt
sich an den Schuhsohlen abgelaufen hat.
Die Arbeit Tandlers ist, abgesehen von seinem meiner
Meinung nach mißglückten Versuche, die embryonale Bisexualität,
resp. die sekundären Geschlechtscharaktere als nicht existierend hin-
Austellen, eine außerordentlich verdienstvolle, ihre Lektüre ein be¬
lehrender Genuß sondergleichen und jedem denkenden Arzte
dringend zu empfehlen.
Magen», Darm= und Stoffwechsel»
krankheiten.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lohrisch, Chemnitz.
1. Lieber den Wasserhaushalt bei Entfettungskuren. Von
E. Reiß und M. Meyer, Frankfurt a. M. Deutsche Medizinische
Wochenschrift 1910 Nr. 6.
2. Alkohol in der Therapie des Diabetes. Von R. Förster,
Berlin. Aertzliche Vierteljahresrundschau 1910 Nr. 1.
3. Experimentelles und klinisches über die Behandlung
von Magenkrankheiten mit Aluminiumsilikaten. Th. Rosen¬
heim und Ehrmann, Berlin. Deutsche Medizinische Wochenschrift
1910 Nr. 3.
4. Kann dem Geschlecht eine prognostische Rolle bei
Diabetes mellitus zugemessen werden? Von Prof. Dr. I. Laache,
Kristiania. Medizinische Klinik 1910 Nr. 13.
5. Die Behandlung der Gicht mit Nebennierenextrakt.
VonDr. Diesing. (Sophien-Krankenhaus in Trebschen.) Medizinische
Klinik 1910 Nr. 13.
6. Die Ausnutzung des Fischfleisches, im Vergleiche mit
der des Rindfleisches und die Wirkung des Fischfleisches auf
die Zusammensetzung des Harnes. Von B. Slovvtzoff. Zeit¬
schrift für physykalische und diätetische Terapie. 14. Bd., 1. Heft,
April 1910.
7. Zur Symptomatologie und Therapie der sekundären
Speicheldrüsenentzündung. G. Wein länder. (Landeskranken¬
haus Klagenfurth.) Wiener klinische Wochenschrift 1910 Nr. 5.
8. Ueber Vorkommen und Behandlung von Erkrankungen
an Oxyuris vermicularis, besonders bei Erwachsenen. W. Zinn.
,— Berlin. Therapeutische Monatshefte. Januar 1910.
9. Ueber Heilungen der chronischen Obstipation und der
akuten Darmlähmung durch das Peristaltikhormon. G.Zuelzer.
— Berlin. Medizinische Klinik 1910 Nr. 11.
10. Ueber das Peristaltikhormon Zuelzer. Von Stabsarzt
Dr. Saar. Berlin. Medizinische Klinik 1910 Nr. 11.
11. Zur Pathologie und Therapie der nervösen Diarrhoe.
Von A. Bickel. — Berliner.klinische Wochenschrift 1910 Nr. 11.
1. Die Milchkur führt, abgesehen von der Einschmelzung von Fett
und Eiweiß, auch zu Wasserverlusten, die besonders im Anfänge der
Kur einen beträchtlichen Teil der gesamten Gewichtsabnahme be¬
dingen. Reichliches Wassertrinken vermindert den Wasserverlust
bei reiner Milchkur nicht. Im Gegensatz hierzu wird bei der Ro¬
se nfeldschen Entfettungskur im allgemeinen Wasser retiniert.
Die Ursache für diese Verschiedenheit im Wasserhaushalt liegt .vor¬
wiegend in dem verschiedenen Kochsalzgehalt beider Kostarten.
Gestaltet man die Milchdiät kochsalzreich und die Rosenfeld-
sche Diät kochsalzarm, so kann das Verhalten der Wasserbilanz
bei den genannten Entfettungskuren umgekehrt werden. Die gegen¬
seitige Abhängigkeit des Wasser- und Salzstoffwechsels wird be¬
dingt durch den Abwehrtrieb gegen anormale osmotische Verhält¬
nisse. Außer durch die Zufuhr von Wasser und Salzen kann auch
durch die Prozesse der Verdauung und des intermediären Stoff¬
wechsels die Wasser- und Salzbilanz beeinflußt werden.
2. Der Alkohol steigert beim Diabetes die Glykosurie nicht, ver¬
mindert mitunter die Acetonurie und ist oft unersetzlich zur Anregung
der Herztätigkeit und zur Erleichterung hoher Fettzufuhr in schweren
Fällen, und wenn es sich darum handelt, einen sehr heruntergekom¬
menen Körper durch reichliche Fettzufuhr wieder hoch zu bringen.
Besonders bei der Komplikation des Diabetes mit der Lungentuber¬
kulose wird der Alkohol gerühmt. Die Zufuhr des Alkohols hat in
Form von ungesüßten Weinen, Cognak, Rum, Arrak zu erfolgen.
Kontraindiziert ist die Alkoholzufuhr bei Diabetes in den seltenen
Fällen, die durch Alkoholismus entstanden sind. Vorsicht ist ferner
nötig bei den Fällen, die mit Naphritis kompliziert sind und bei Ge-
fäßveränderungen.
3. Bei ausgedehnter Verwendung des Aluminiumsilikates Neu¬
tra 1 o n , über das schon früher berichtet worden ist, hat sich fol¬
gendes gefunden: bei allen sekretorischen Reizzuständen des Magens
(Hyperacidität, Hypersekretion), mochten sie primär neurogen sein
oder organische Grundlagen haben resp. mit organischen Schädi¬
gungen vergesellschaftet sein, hat sich das Neulralon vielfach als
säuretilgendes, schmerzberuhigendes, den Ablauf der Digestion
günstig beeinflussendes Mittel bewährt; besonders wurde ein gün¬
stiges Resultat erzielt bei sehr hartnäckiger Hypersekretion, sowohl
der alimentären wie der kontinuierlichen Form, mit mehr oder we¬
niger beträchtlicher motorischer Insuffizienz. Dabei ließ sich objektiv
wiederholt eine Herabsetzung der Sekretionsenergie, also eine Ver¬
minderung der Hyperacidität, wie auch eine Verringerung des Magen¬
saftflusses im nüchternen Zustande erweisen. Dies waren auch die
Fälle, bei denen das Neutraion den Kranken gelegentlich noch Er¬
leichterung schaffte, wo andere fortdauernde gebrauchte Medika¬
mente, insbesondere Alkalien wenig oder gar nichts mehr leisteten.
Einigemale wurde eine gute Wirkung des Neutraions bei allgemeiner
Hyperästhesie der Magenschleimhaut auf dem Boden von Anämie
und Chlorose, bei lästigen Paraesthesien, bei sensiblen Reizzu¬
ständen, die wir sonst auch erfolgreich mit Argentum nitricum zu
behandeln vermögen, beobachtet. Beim Ulcus wurden die von der
begleitenden Labdrüsenirritation abhängigen Säurereizerscheinungen
günstig beeinflußt, aber die prompte Heilwirkung, die Wismut in
großen Dosen, nüchtern genommen, so oft zeigt, wurde bei gleicher
Anwendungsweise des Neutraions nicht in demselben Maße erreicht.
Die Verordnung des Neutraions hat sich am meisten in der Art be¬
währt, daß V*—1 Teelöffel voll mit etwa 100 g Wasser ungefähr
V-•—1 Stunde vor den größeren Mahlzeiten dreimal täglich ge¬
nommen wurde. Auch ganz große Dosen Neutraion wurden, da es
geruchlos und im Geschmacke indifferent ist, stets willig genommen;
nie sahen die Verfasser unangenehme Nebenerscheinungen, besonders
nicht, worauf vornehmlich geachtet wurde, von seiten des Darmes.
Damit ist nicht gesagt, daß nicht eine Wirkung des Aluminium¬
salzes im Darm stattfindet, denn es ist nicht von der Hand zu weisen,
daß Aluminiumchlorid, wie wir theoretisch voraussetzen dürfen, das
Wachstum der Bakterienflora zu hemmen vermag. Die Unter¬
suchungen der Verfasser über die Darmwirkung sind noch im Gange.
4. Von 122 Diabetikern gehörten 63,1 pCt. dem männlichen, 36,9
pCt. dem weiblichen Geschlechte an. Von den männlichen Krankeii
starben 22 pCt., von den weiblichen 40 pCt. Diese anscheinend
größere Mortalität bei den Frauen ist nur eine scheinbare; der Grund
liegt in der Statistik des Verfassers darin, daß unter den Frauen das
3. Jahrzehnt, also ein verhältnismäßig junges mit einer an und für
sich wenig günstige Prognose, verhältnismäßig stark vertreten war.
5. Der Verfasser hat die Gicht mit einem verminderten Schwefel¬
gehalt des Hämoglobins in Verbindung gebracht: Er ist der Ansicht,
daß bei der Gicht infolge Verarmung des Blutes an Schwefel ein
Anreiz zur völligen Verbrennung der Kornsubstanzen fortfällt und
daß es auf diese Weise anstatt zur völligen Verbrennung der Kern¬
substanzen bis zur Endstufe des Harnstoffes und dessen Ausscheidung
durch den Harn zur Ansammlung von Harnsäure in den dazu prä¬
disponierten Geweben kommt. So erklären sich vielleicht zu einem
Teile die Erfolge der Schwefelbäder Aachens in der Behandlung der
Gicht. Der Verfasser hat daher den stark schwefelhaltigen
Farbstoff der Nebennieren in der Behandlung der Gicht
verwendet und hat damit, besonders in Verbindung mit Fango¬
packungen und den üblichen diätetischen Maßnahmen so überraschend
schnelle, vollkommene und anhaltende Erfolge erzielt, daß seiner
Ansicht nach dieses neue Nebennierenpräparat" alle anderen bisher
bei Gicht gebräuchlichen Medikamente übertrifft und in Verbin¬
dung mit den diätetischen und physikalischen Heilfaktoren die wirk¬
samste Behandlung der Gicht darstellt. Das Präparat wird unter
dem Namen Adrenochro m von der pharmazeutischen Fabrik
Dr. Laboschin, Berlin NW. Dortmunderstraße 11/12, hergestellt.
0. Der Ersatz des Fleisches durch frischen gekochten Lisch wirkt
sehr günstig auf die Stickstoffausnutzung. Wenn der Fisch gut ge¬
salzen und geräuchert ist, so wird die N-Ausnutzung schlechter im Ver¬
gleiche mit dem frischen Fisch. Die Ausnutzung wird noch schlechter,
wenn' man anstatt Fleisch gesalzenen Fisch gibt. Der getrocknete
Fisch wird schlechter ausgenutzt als das Fleisch.
7. Pur die Diagnose akuter eitriger Speicheldrüsenentzündung ist
es wichtig, wenn man bei Druck auf die Drüsen aus dem Duktus
Stenonianus Eiter auspressen kann. Dieses Auspressen des ent¬
zündlichen Sekretes ist auch therapeutisch wichtig, denn man sieht
danach oft Besserungen und Heilungen der Erkrankung. Verfasser
empfiehlt daher bei den akuten Speicheldrüsenentzündungen ein
mehrmals täglich vorgenommenes Ausdrücken derselben oder eine
milde Streichmassage neben feuchten warmen Umschlägen als
durchaus ungefährliche Behandlung dieser Zustände.
8 Die Therapie der Oxyuren bezweckt die|Entfernung der jungen
Brut aus dem Dünndarm, Reinigung des Dickdarmes von den er¬
wachsenen Tieren und Schutz des Patienten vor neuer Erkrankung.
314
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 20
Im speziellen gibt Z. folgende Vorschriften für Erwachsene (Kinder
bekommen entsprechend kleinere Dosen):
1. Tag: Leichte flüssige breiige Kost. Nachmittags 3 Uhr
Calomel und Tubera Jalapae ea U,5; 6 Uhr Seifeneinläufe von 1 bis
2 1 /a Liter, warm. Dadurch wird der ganze Darm gut entleert und
für die Einwirkung des Wurmmittels vorbereitet.
2. Tag: Flüssige Nahrung mit 2—4 Buttersemmeln. Früh
1 Tasse schwarzen Kaffee. Vormittags 8, 10 und 12 Uhr je ein
Pulver von Santonin 0,05, Calomel 0,1. Nachmittags 2 Uhr 2 E߬
löffel Rizinusöl. Bei wenig Stuhl um 4 Uhr dieselbe Dosis.
3. Tag: Flüssige und breiige Kost. Früh warmes Vollbad.
Vormittags und nachmittags je ein Einlauf (eventuell in Knieellen¬
bogenlage) mit je 1—2V-> Liter 0,2—0,5% warmer Lösung von Sapo
medicatus.
4. und 5. Tag: Dasselbe. Abends warmes Bad.
Vor und nach jeder Mahlzeit sorgfältiges Waschen der Hände
mit warmem Wasser, Seife und Bürste, danach mit Alkohol oder
Sublimat (1 : 3000). Nach jeder Defäkation sorgfältige Waschung
der Analgegend und der Hände. Die Arzneien werden zu den
Mahlzeiten gegeben. Die Kost sei knapp. Der Patient wird über den
Weg der Ansteckung genau belehrt, so daß er das Wesen der Be¬
handlung versteht. Nach Beendigung der Kur Wechsel der Bett-
und Leibwäsche.
Diese an sich einfache Behandlung ist in der Regel in der
Wohnung schwer durchzuführen. Z. empfiehlt deshalb, den Kranken
für die betreffenden Tage im Krankenhause oder der Klinik unterzu¬
bringen. Die Kur kann mit jedem der gebräuchlichen Abführ- oder
Wurmmittel durchgefiihrt werden per os und per rektum. Der
Zusatz von wurmtötenden Mitteln, wie Extraktum Filic, mar aeth.,
Naphthalin und anderen zu den Klysmen ist ratsam. Das Extraktum
Filic. muß mit dünnem Haferschleim verrührt und allmählich zu
1— 2 V 2 Liter Haferschleim als Klysma aufgefüllt werden, da es sich
sonst nicht mischt.
Auf diese Weise gelingt es oft in wenigen Tagen, die Oxyuren
sicher zu entfernen. Bei Erwachsenen und älteren Kindern genügen
im allgemeinen 5 Tage. Bei jüngeren verlängern die Schwierig¬
keiten der Einläufe die Kur gelegentlich um einige Tage. Hier
empfiehlt sich die Wiederholung nach 8 Tagen, um etwa zurück¬
gebliebene Exemplare zu entfernen. Weitere Wiederholungen sind
nur in Zwischenräumen von 2—4 Wochen ausnahmsweise nötig.
9. Das Peristaltikhormon ist ein von Z. aus der Magenschleimhaut
und neuerdings aus der Milz durch Extraktion hergestellter chemischer
Körper, der auf dem Wege der Blutbahn die Darmmuskulatur er¬
regt. Z. berichtet über 26 Fälle chronischer Obstipation, bei denen
er das Hormon angewendet hat. In 71"/o der Fälle erfolgte auf eine
Einspritzung Heilung, in 29 °/o war ein Mißerfolg zu verzeichnen. Das
Peristaltikhormon wird intramuskulär (Glutäen) in Mengen von
15—20 ccm. eingespritzt. Schon nach wenig Stunden läßt sich
häufig vermehrte Darmperistaltik konstatieren. Nach den Injektionen
treten zuweilen mäßiges Fieber, Kopfschmerzen und Mattigkeit ein,
die aber nur von kurzer Dauer sind. Weitere unangenehme Neben¬
wirkungen hat man bisher nicht beobachtet. Z. hat das Hormon auch
in einigen Fällen akuter Darmlähmung und ileusartiger Zustände
mit Erfolg angewendet.
10. S. berichtet ebenfalls über erfolgreiche Anwendung des
Z u e 1 z e r sehen Peristaltikhormons in einigen Fällen chronischer
Obstipation. Er empfiehlt, die Hormonwirkung durch gleichzeitige
Verabreichung einer reichlichen Dosis Emulsio ricinosa, welche als
Schiebemittel wirken soll, z uuntereützen.
11. B. unterscheidet eine psychogene und eine reflektorische Form
der nervösen Diarrhoe. Für beide Formen des nervösen Durchfalles
ist charakteristisch, daß es immer nur ein bestimmter Reiz ist, der den
Durchfall verursacht, ein Reiz, der anderseits so geringfügig ist, daß
er beim Gesunden absolut wirkungslos bleibt. Die Ursache dieser
abnormen Reizwirkung sucht B. in einer Herabminderung zentraler
Hemmungsprozesse, infolgederen die Darmmuskulatur und Darm-
diiisen leichter erregbar sind.
Hieraus geht hervor, daß Stopfmittel in der Behandlung der
nervösen Diarrhoe zwecklos sind. Im Vordergründe steht die psy¬
chische Behandlung, die vor allem darauf gerichtet sein muß, diese
Kranken von der anatomischen Gesundheit ihrer Verdauungsorgane
zu überzeugen und ihre Aufmerksamkeit von den Verdauungsorganen
abzulenken. Damit Hand in Hand geht eine physikalische und
speziell hydrotherapeutische Behandlung der Kranken. Es kommt
dabei nicht so sehr auf örtliche Applikationen auf die Bauchorgane
an, sondern es ist auf eine allgemeine hydriatische Behandlung das
Hauptgewicht zu legen (kühle Halbbäder, Duschen, Abreibungen).
Der den Durchfall auslösende Reiz ist nach Möglichkeit zu be¬
seitigen. Gleichzeitig hat eine roborierende Behandlung des ganzen
Körpers einzusetzen unter Anwendung von Eisen- und Arsen¬
präparaten und Stahlbädern. Sehr günstig wirkt oft Aufenthalt in
einem Luftkurort mittlerer Höhenlage (1000 m). Ein bestimmtes
Diätschema ist nicht aufzustellen. Hier muß individualisiert werden.
Diätvorschriften haben mehr erzieherischen Zweck als die Beein¬
flussung bestimmter Darmfunktionen zu erfüllen. Häufig ist eine
Sanatoriumbehandlung nicht zu umgehen.
Im akuten Anfalle erweist sich Bettruhe und Wärmeapplikation
auf den Leib als zweckmäßig. In schweren Fällen wird Opium
nicht immer zu umgehen sein.
Neurologie und Psychiatrie.
Referent: Irrenarzt Dr. Wern. H. Becker, Weilmünster.
1. Geistesstörung bei Leprakranken. Von Dr. Moreira,
Rio de Janeiro. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie, Bd. LXVII,
Heft 2, 1910.
2. Zur Aetiologie der Heine=Medinschen Krankheit von
Prof. Bon hoff-Marburg. Deutsche medizinische Wochenschrift,
No. 12, 1910.
1. Neue Fälle teils eigner, teils fremder Beobachtung hat Ver¬
fasser zusammengestellt, wo gleichzeitig Geistesstörung und Aussatz
vorlag. Einen Kausalnexus zwischen beiden Krankheiten erkennt
Verfasser, der offenbar eine große Lepraerfahrung besitzt, nicht an;
insbesondere gibt es keine besondere Form von Geistesstörung bei
Leprösen. In seltenen Fällen zeigte sich nur der Korsakowsche
Syndrom bei der Polyneuritis leprosa. Die Ursache geistiger
Störung ist bei Leprakranken meist in einer Komplikation (Tuber¬
kulose, Streptokokkeninvasion, Arteriosklerose usw.) zu suchen.
2. Je zwei zur Sektion gelangten Fällen von spinaler Kinder¬
lähmung, id est Heine-Medinscher Krankheit, hat Verfasser mit
Sicherheit Kerneinschlüsse in den Neurogliazellen nachgewiesen
und sieht sie für Fremdgebilde an, spezifisch für die in Rede
stehende Erkrankung. Die Organe wurden in Sublimatalkohol
konserviert und die Schnitte nach Mann gefärbt
Sehr erfreulich ist der Fortschritt der Wissenschaft in diesem
bisher noch so unklar gewesenen Krankheitsbild und sehr zu be¬
willkommnen, daß auch einmal ein Hygieniker und Bakteriologe
neben den Klinizisten mit einem Forschungsergebnis hervortritt.
Französische Literatur,
1. Pinard. La menstruation dans ses rapports avec
l’ovulation, la fecondation, la gestation et l’allaitement in
Le Bulletin Medical. 11. Dez. 1909.
2. Comby. Vomissements cycliques chez les enfants in
Le Journal de Medecine et de Chirurgie pratiques. 25. Okt. “1909.
3. Panchet. L’asepsie par l’iode in La Clinique. 1909. No. 53.
4. Audibert u. Monges. L’autoserotherapie de l’Ascite in
La Presse Medicale. 2. Februar 1910.
1. Pinard, Professor der Geburtshilfe in Paris, hat seine be¬
sonderen Ansichten über die Menstruation. Während man allge¬
mein die Menstruation als eine Funktion, folglich als einen normalen
Vorgang betrachtet, hält sie Pinard für eine Komplikation der weib¬
lichen Geschlechtsfunktionen, somit als einen eigentlich nicht nor¬
malen Vorgang. Pinard führt in seinem Artikel eine große Reihe
von Fällen aus seiner enorm reichen Erfahrung an und zieht dann
zum Schlüsse aus denselben seine eigene biologische und philo¬
sophische Auffassung der Menstruation, die sich folgendermaßen
zusammenfassen läßt:
Bis zum Alter, in dem die Menstruation eintritt, ist die Frau
nur ein Stützorganismus für einen in ihren Ovarien liegenden Schatz:
die Primoidialeier. Was die Frau in den Ovarien trägt, ist viel
älter als sie selbst, ist etwas Unsterbliches, ist die Spezies, die in
ihr schlummert. Wenn diese reift, wenn die Primoidialeier sich
entwickeln, so wird der Stützorganismus völlig von der Spezies be¬
herrscht, und zwar um so stärker, je gesünder er ist. Die durch
diesen Motor in Betrieb gesetzte Maschine läuft in harmonischem
Rhythmus verschiedene Phasen durch: Ovulation. Fekundation,
Schwangerschaft, Geburt, Stillen. Dies ist der Zyklus. Die Men¬
struation kommt darin nicht vor. Sie ist ein Zwischenfall, sie ist
der Abortus des unbefruchteten Ovulum. Die Frau im Naturzustände,
die gesunde Frau dürfte nie ihre Regeln haben. Wenn sie sie doch
hat, so ist es eben, weil das Eichen, das sie in sich gebrütet, nicht
befruchtet worden ist, sei es, daß die Frau es so gewollt, oder daß
Umstände dies verhindert haben. Nach dem harmonischen Rhythmus
folgt darauf periodisch ein zweites Eichen und das erste wird durch
die einem Abortus vergleichbare Menstruation ausgestoßen. Die
Menstruation ist also nicht eine Funktion, sondern die Manifestation
einer Fehlovulation.
2. Eine erst in neuerer Zeit beobachtete und beschriebene
Krankheit der Kinder sind die periodischen Anfälle von unstillbarem
Erbrechen, die sich bald in regelmäßigem Intervall, bald unregel¬
mäßig, einstellen. Diese Affektion, die besonders in den späteren
Kinderjahren vorkommt, ist nach Comby ziemlich häufig und steht
in Beziehung zur arthritischen Diathese. Der Anfall tritt plötzlich,
mitten in guter Gesundheit, auf: anfänglich werden Speisen, später
Schleim und Galle erbrochen. Das Erbrechen ist schmerzhaft, die
Kinder nehmen während der Anfälle rapide an Körpergewicht ab.
Bisweilen gehen schwere nervöse Erscheinungen mit dem Anfall
einher, wie Kopfschmerz, Delirium, Krämpfe und Kollaps. Oft wird
daher fälschlich die Diagnose einer Meningitis gestellt. Die meisten
Kinder genesen, einige sterben immerhin im Anfalle.
Während der Krisis selbst ist die Therapie ziemlich machtlos.
Subkutane Kochsalzinfusionen und Gaben von doppeltkohlensaurem
Natron werden empfohlen. In der Zeit zwischen den Anfällen soll
Nr. 20
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
315
der Patient hauptsächlich vegetabilisch ernährt werden, seine Haut¬
tätigkeit soll durch laue und kalte Duschen angeregt werden und
er soll sich möglichst viel in freier Luft aufhalten.
3. In Frankreich erfreut sich gegenwärtig die Jodtinktur einer
großen Beliebtheit als Desinfektionsmittel In dringenden Operations¬
fällen ist sie das Vorzugsmittel zur Hautdesinfektion des Patienten. Die
Jodtinktur ist für die praktischen Aerzte angelegentlichst zu empfehlen
für die Fälle, bei denen ihnen die Zeit fehlt, sich die Hände zu
desinfizieren. Eine rapide Einpinselung der Palmarfläche der Finger
und des Nagelfalzes gibt hinreichende Antisepsis und schützt den
Arzt selbst vor Infektion.
Vor und nach jeder Punktion, Thorakozentese usw. genügt eine
Jodpinselung, es ist dann weder eine Abwaschung voiher, noch
ein Verkleben mit Kollodium nachher erforderlich. Vor jeder Ope¬
ration läßt Panchet die Haut des Patienten in großer Ausdehnung
mit Jodtinktur überpinseln. Nach 3 Minuten wird dies wiederholt,
und sobald die Haut trocken ist, wird operiert. Die Erfolge sind
ebensogut, wie bei der alten Methode, die Bürste, Seife, Wasser,
Aether und Alkohol anwendete, dagegen ist das neue Verfahren
bedeutend einfacher und viel rascher durchzuführen.
4. Zwei Aerzte in Marseille haben eine neue Methode zur Be¬
handlung des Aszites erdacht, sie nennen dieselbe die Autosero¬
therapie; sie verstehen darunter die Verwendung der Aszitesflüssig¬
keit selbst zu therapeutischem Zwecke. Die Aszitesflüssigkeit, be¬
sonders bei Leberkrankheiten, enthält nämlich, wie es hauptsächlich
die gründlichen Untersuchungen von Hoppe-Seyler erwiesen
haben, die zum Blutserum und zum Aufbau der organischen Ge¬
webe erforderlichen Stoffe in reichlicher Menge. Die beiden Autoren
haben sich daher die Frage vorgelegt, ob die direkte Einführung
dieser ihrer chemischen Zusammensetzung nach hochstehenden
Flüssigkeit in den Körperhaushalt nicht geeignet wäre, daselbst
heilsame Reaktionen hervorzurufen. Sie glauben, dies auf Grund
ihrer Versuche bejahen zu können und gelangen zu folgenden
Schlüssen:
Die Aszites-Autoserotherapie ist immer durchaus schmerzlos
und führt zu keiner lokalen Reaktion, sie hat weder auf die Tempe¬
ratur, noch auf die Chlor- und Harnstoffausscheidung einen Einfluß,
dagegen führt sie eine starke Polyurie herbei, die Harnmenge steigt
meist von % auf 1 1 / 2 Liter, und damit geht der Aszites zurück und
das Allgemeinbefinden bessert sich. Es ist empfehlenswert, gleich¬
zeitig die Patienten nur mit Milch zu ernähren, bei Gewährung
fester Speisen muß die Injektionsmenge gesteigert werden. Diese
Menge ist übrigens gering, man beginnt mit 3 ccm und steigt bis
höchstens 10 ccm auf. Die Autoren machen gewöhnlich eine Ein¬
spritzung alle 6 Tage, sie punktieren dazu die Bauchhöhle, ziehen
darauf die Spitze der Nadel der Spritze an der Bauchhöhle, nicht
aber aus den Bauchdecken heraus, in welche hinein subkutan nun
sofort die der Bauchhöhle entnommene paar Kubikzentimeter der As¬
zitesflüssigkeit injiziert werden. Die Autoren empfehlen diese Be¬
handlung besonders für die rezidivierenden Aszitesfälle, wo sie oft
Erfolge hat, wenn alle anderen Methoden im Stiche lassen.
Varia.
Kultur und körperliche Tüchtigkeit. Von Dr. W. Claaßen.
Die Umschau, 1910, No. 3, S. 49.
Im Anschluß an die Veröffentlichung des Oberregierungsrates
Evert über die „Herkunft der deutschen Unteroffiziere und Soldaten“
hat Claaßen neuerdings Untersuchungen darüber angestellt, was
sich Neues über die körperliche Tüchtigkeit des deutschen
Volkes ergeben hat, welche Untersuchungen im wesentlichen die
bereits früher von ihm ermittelten Resultate bestätigten (vergl. Um¬
schau 1907, No. 9). Nach der Rekrutierungsstatistik für 1902-1907 waren
im Durchschnitt der 6 Jahre von ländlichen Rekruten rund 60%,
von städtischen und solchen aus Orten mit mehr als 2000 Ein¬
wohnern nur 50°/ 0 , von den Berlinern nur 1 j 3 kriegsbrauchbar.
Hiernach würde sich also die Kriegstüchtigkeit nach der Ortsgröße
abstufen. Abgesehen davon kommt für die Leistung der einzelnen
Gebiete Deutschlands für die Wehrhaftigkeit der Nation die Frucht¬
barkeit des weiblichen Geschlechts in Betracht. Von Einfluß ist
ferner die Wohnungsdichtigkeit, indem 1885 auf 10000 Einwohner
113,9°/ 0 des Gesamtdurchschnitts an kriegstüchtigen Soldaten aus
Dörfern, 91,0% aus Land-, 85,6% aus Klein-, 82,8% aus Mittel¬
und nur 64,6% aus Großstädten kamen. Die soziale Stellung ist
weniger von Einfluß, indem die meist von Tagelöhnern bewohnten
ostpreußischen Dörfer und Güter am günstigsten dastehen. Sie
liefern 146% des Gesamtdurchschnitts an Soldaten, die süd- und
westdeutschen Bauerndörfer dagegen unter dem Durchschnitt. Alles
in allem: „Die Wehrhaftigkeit steht im umgekehrten Verhältnis zur
Kultur“. Dr. Peltzer, Stegli'z.
Poscharissky. Induratio lienis fibrosa circumscrifta.
(Aus d. Inst. f. path. Anat. der Univ. Odessa.) Univ.-Arch. 198,2.
Verfasser folgert aus einem Untersuchungsmaterial von 9 Milzen,
in denen eigenartige herdweise Veränderungen gefunden wurden,
und die er genauer beschreibt, daß solche scharf umgrenzten
Bildungen von blässerer Farbe als die Pulpa und von mikroskopischer
bis Erbsengroße bei Erwachsenen und den verschiedensten Ver¬
änderungen ungefähr in 3% im Körper gefunden werden. Die
Herde liegen sowohl an verschiedenen Stellen der Pulpa, als auch
in der Nähe der Kapsel. Erstere zeigen häufiger eine runde, die
anderen eine Dreieckform. Sie bestehen aus einem sklerosierten
Stroma, das in ein derbes Bindegewebe umgewandelt wurde, welches
von kavernösen Venen durchsetzt ist, die teils komprimiert, teils von
ziemlicher Weite sind. Diese Herde stellen Bezirke von Herd¬
sklerose des Milzstromas dar. Geißler, Neu-Ruppin.
N. Tcherventzoff. Les modifications du foie dans la
peste bubonique. (Laboratoire d’anatom. path. de lTnstit. Imperial
de medecine experieur et du fort „Empereur Alexandre I“ ä Cron-
stadt, Russie.) Arch. des Sciences biolog. Petersbourg 1908,
Tome XIII, 4. 5.
Makroskopisch ist die Leber bei der Bubonenpest hypertrophisch,
hyperämisch, in akuten Fällen rotgelb, in den mehr chronischen
gelb. Manchmal sieht man Hämorrhagien, meist weiße oder gelb¬
weiße Knötchen. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, daß
Parenchym und Blutgefäße Veränderungen erfahren. Verfasser geht
auf die Beobachtungen früherer Untersucher ein. Sie alle fanden,
daß die mikroskopisch wahrnehmbaren krankhaften Vorgänge sich
an den Parenchymzellen, Gefäßendothelien, Gallengängen und
Bindegewebe abspielten. T. untersuchte die Lebern von Ratten und
Kaninchen aus den verschiedensten Krankheitsstadien. Letztere
Tierart ist für die Krankheit weniger empfänglich als erstere. Je
intensiver bei den Ratten die Krankheit auftrat, desto ausge¬
sprochener waren die Entzündungserscheinungen und ebenso desto
schwerer die albuminoide und fettige Degeneration der Leber¬
parenchymzellen. An den Stellen, wo sich Knötchen aus Leukozyten
bildeten, verloren die Leberbälkchen an Volumen. Die in den
Knötchee liegenden Leberzellen waren destruiert. Aehnliche Vor¬
gänge fanden sich bei den Kaninchen, doch waren hier noch zahl¬
reiche Hämorrhagien vorhanden. Die Unterschiede der beiden
Tierarten bestanden darin, daß bei den Ratten die Erscheinungen
sehr schnell auftraten und bald ihren Höhepunkt erreichten. Bei
den Kaninchen erreichten sie nur dann einen gleich hohen Grad,
wenn die Pestbazillen durch die Vena mesenterica superior in den
Körper eingebracht wurden. Die Heilung bei beiden erfolgte in
der Weise, daß sich neue Leberzellen aus alten durch Teilung
bildeten, ebenso Zellen des Endothels der Gefäße aus erhalten ge¬
bliebenen älteren. Die Knötchen resorbierten sich allmählich und
das Bindegewebe um sie herum nahm zu, ohne daß aber eine
stärkere Narbenbildung entstand. Geißler, Neu-Ruppin.
H. Gotting. Ueber die bei jungen Tieren durch kalk=
arme Ernährung und Oxalsäurefütterung entstehenden
Knochenveränderungen. (Aus dem path. Inst, des Rud. Virchow-
Krankenh. Berlin.) Virch.-Arch. 197,1.
Die Ansichten, ob man durch kalkarme Nahrung oder Säure¬
zufuhr bei Tieren künstlich Rhachitis erzeugen kann, sind bisher
nicht geklärt und es bestehen bei den verschiedenen Untersuchern
auseinandergehende Meinungen. Der Grund für diese Divergenz
beruht auf der verschiedenen Beurteilung und Bewertung des
Krankheitsbildes durch die Beobachter. Verfasser untersuchte
Knochen von Tieren, die teils kalkarm ernährt, teils mit oxalsäure¬
haltiger Nahrung gefüttert waren. Bei Tieren der ersten Art fanden
sich Verbreiterung der Knorpelwucherungsschicht, fast völliges Fehlen
der provisorischen Knorpelverkalkung, geringe periostale Wucherungen
und Osteoporose hohen Grades infolge ausgedehnter lakunärer
Acrosion durch Osteaklasten, also ein der Rhachitis sehr ähnliches
Bild. Eine Abweichung lag in dem Kalklosbleiben des osteoiden
Gewebes. Bei Fütterung mit Oxalsäure bestand eine erhebliche
Verbreiterung der Knorpelwucherungsschicht, fast völliges Fehlen der
präparatorischen Verkalkung, geringe periostale Verdickung und
Osteoporose, normal vor sich gehende Verkalkung, keine Steigerung
der Resorptionsvorgänge. Das erzielte Krankheitsbild war mit
Rhachitis nicht identisch, indem die Verkalkung des neugebildeten
Knochengewebes in normaler Weise erfolgte. Die Ursache für das
Kalklosbleiben des osteoiden Gewebes bei Rhachitis hat man in
der Beschaffenheit dieses Gewebes selbst zu suchen. Verbreiteter
Knorpelwucherungsschicht und periostale Wucherungen sind nur
sekundäre Erscheinungen der Rhachitis, nicht für Rhachitis beweisend.
Geißler, Neu-Ruppin.
Zur Dauerwirkung CO.-haltiger Solbäder bei Kreislaufstörun¬
gen. Dr. Schuster, Bad Nauheim. Medizinische Klinik 1910,
No. 15.
Die Temperatur und chemophysikalische Be¬
schaffenheit COahaltiger Solbäder (29—32° C) rufen zu¬
nächst eine mehr oder weniger starke impulsive Anregung
des Herzens hervor, nach welcher alsbald eine schonende
Entlastung eintritt mit nachfolgender Verlangsamung
der Herzaktion und Erhöhung des Schlagvolums.
Es handelt sich hier nicht bloß um eine direkte periphere,
sondern auch um eine reflektorische, centripetale
316
THERAPEUTISCHE^RUNDSCHAU
Nr. 20
Gefäß Wirkung mit zentralem, kardialem Reiz¬
effekt. Die innigen vitalen Beziehungen zwischen
Herz und Gefäßsystem, die zur gegenseitigen An¬
passung und Regulierung führen, können durch
zweckmäßige Anregung bestehende Kreislauf¬
störungen beseitigen resp. bessern, wie die jahre¬
langen Beobachtungen an zahlreichen Fällen lehren.
Eigenartig sind die im Laufe der Kur auftretenden Reak-
tioirserscheinungen. Die Ausgleichungen spielen sich eben
nicht immer einfach und glatt ab. Erst wenn die Reizwirkungen
gänzlich abgeklungen sind, stellt sich eine gewisse Harmonie und
ruhige Anpassung ein, ein Zustand, den man als „N a c h w i r k u n g“
bezeichnet.
Durch unzweckmäßige Anwendung COshaltiger
. Solbäder können auch Mißerfolge eintreten. Genaue ärztliche
Kontrolle ist deshalb nötig. Leider haben wir bis jetzt noch keine
zuverlässige Methode, um genau festzustellen, welche Patienten für
eine derartige Kur sicher geeignet sind. Die Erfahrung, der prak¬
tische Blick und das Feingefühl des Arztes entscheiden vorerst noch.
Es kommen auffallende Erfolge vor, selbst bei sehr schweren
Fällen, es muß jedoch eine genügende, anregungsfähige
Reservekraft des Herzens vorhanden sein, um unter Mit¬
wirkung des mit dem Herzen vital verbundenen Gefäßsystems gute
und dauernde Erfolge erzielen zu können. — Schwere Er¬
schöpfungszustände des Myokards, bei denen
man keine genügende Reservekraft mehr ver¬
mutet, sind kontraindiziert.
Die Arteriosklerose ist für COahaltige Solbäder ent¬
schieden an gezeigt. Man muß hier nur sein Augenmerk
mehr auf die schonende Wirkung der Bäder richten, indem man die
Temperatur mehr dem Indifferenzpunkte nähert, und durch mildere
Bäderformen die Reizwirkungen nicht zu stark werden läßt (Bad
Nauheim zeichnet sich vor allem durch die Vielseitigkeit und
leichte Dosierbarkeit seiner Bäderformen aus). — Aorten¬
aneurysmen und Arteriosklerose der Koronar¬
arterien mit schweren Anfällen von Angina pec¬
toris und kardialem Asthma sind kontraindiziert.
Bei den Herzneurosen macht sich neben der Herz- und
Gefäßbeeinflussung auch eine das Gesamtnervensystem um¬
stimmende, beruhigende und kräftigende Wirkung der COahaltigen
Solbäder besonders geltend. — Schwere nervöse E r -
regungs- und Erschöpfungszustände sind kon¬
tra i n d i z i e r t. (Autoreferat.)
••
Kur und Körpergewicht. Medizinische Klinik, No. 15, 1910.
Verfasser empfiehlt dem praktischen Arzt die genaue Beobachtung
des Körpergewichtes seiner Patienten. Diese Beobachtung müsse
mehr geübt werden, als es bisher im allgemeinen zu geschehen
pflegt. Als allgemeiner Grundsatz kann gelten, daß die
meisten Krankheiten mit einer Gewichtsverminderung einhergehen,
daß bei Besserung des Befindens sich auch eine Gewichtserhöhung
einstellt. Besonders deutlich treten diese Wechselbeziehungen bei
der Anämie hervor, nämlich Gewichtszunahme und Steigerung des
Hämoglobingehaltes. Eine Ausnahme von der Regel bildet manchmal
die Tuberkulose. v. Rutkowski, Berlin.
Ueber die Dosierung der Stauungshyperämie. Münchener medi¬
zinische Wochenschrift 1910 No. 14.
Die optimale Stauungsstufe fällt mit dem artiellen Minimaldruck
zusammen, liegt also etwas unterhalb der auf auskultatorischem
Wege erhaltenen Minimaldruckzalfl. Eine diesem Druck ent¬
sprechende Stauungsstufe ergibt, wie vergleichende Untersuchungen
zeigen, die größte Blutdrucksteigerung im gestauten Gebiet. Das
zwischen arteriellem Minimal- und Maximaldruck auftretende akusti¬
sche Phänomen ist bei Anlegung der Staubinde der Indikator gegen
ein zu starkes Anziehen der Binde. v. Rutkowski, Berlin.
Ueber Morbus Banti. Straßburger Medizinische Zeitung, 1910,
Heft 3.
Verfasser hatte Gelegenheit, 2 Fälle anatomisch zu untersuchen,
welche beide zunächst eine gewisse Beziehung zum Morbus Banti
zu haben schienen, von denen aber schließlich nur der eine als
Bantische Krankheit angesprochen werden konnte. Verfasser gehört
zu denen, die den Morbus Banti mit der durch den Milztumor
(Fibrosis der Milz) bedingten Anämie und Cirrhoris hepatis aner¬
kennen, aber er ist im Gegensatz zu Banti der Meinung, daß die
Fibrosis der Milz, d. h. die Neubildung des faserigen Bindegewebes
in der Milz, sowie die sonstige Fibrose des Organes in verschiedenen
anderen Erkrankungen auch auf Fibroblasten zurückzu¬
führen ist. v. Rutkowski, Berlin.
Franken stein : Ueber Chloroformnarkose und deren Vor¬
teile durch Ueberdeckung der Maske. Klinisch-therapeutische Wochen¬
schrift 1910, Bd. XVII, Nr. 8, p. 194 ff.
Frankenstein berichtet über eine bedeutende Ergänzung seines
Materials betreffs der „Handtuchmethode“ beim narkotisieren, (cf.
Zentralblatt für Gyn. 1908 Frankenstein, Lotze.) Durch diese Me¬
thode würden einige Hauptforderungen der Allgemeinnarkose be¬
deutend 'besser erfüllt als früher, nämlich weniger Chloroform¬
gebrauch, bedeutende Zeitersparnis bei Einleitung der Narkose, die
geringen Narkosennachwirkungen.
Die Methode selbst ist etwa folgende: Einleitung ca. 3—5 Mi¬
nuten durch Tropfnarkose, dann schnelles Beschicken der Maske mit
10—20 Tropfen und schnelles Bedecken der Maske mit einem doppelt
zusammengelegten Handtuch. Je nach Bedarf wird auf die Maske
frisch aufgeträufelt. Zur Vereinfachung hat Verfasser ein Gestell an¬
gegeben, das ungefähr der Julliardschen Aethermaske entspricht.
Anm- d. Ref.: Bei einer grossen Zahl von Narkosen fand ich
die Angaben Dr. Frankensteins betreffs der Ersparnis von Chloroform
bestätigt, jedoch ist diese Ersparnis nur scheinbar. Denn durch das
Bedecken der Maske wird das Entweichen des ausgeatmeten Chloro¬
forms, wenn auch nicht ganz verhindert, so doch ncdeutend vermin¬
dert, so daß Patient das ausgeatmete Chloroform 2—3 mal wieder
einatmet und dadurch ein erneutes Aufgießen von Chloroform
höchstens hinausgeschoben wird. Die Menge des eingeatmeten
Chloroforms bleibt also für den Patienten immer dieselbe.
Kurt Lipschitz, Berlin.
B o g d a n i k (Krakau). Stärke-Kontentiv-Verband bei Bein¬
brüchen. Therapeutische Wochenschrift, Bd. XVII, 1910. Nr. 11,
p. 270 ff.
Die Vorteile der Stärkebinden gegenüber dem Gipsverband be¬
stehen:
1. in der leichten Beschaffbarkeit und Haltbarkeit des Ma¬
terials,
2. in der Einfachheit des Anlegens und in dem vollständigen
Anlegen an die Körperform.
3. Die Festigkeit der Stärkebinden ist ebensogut wie die der
Gipsbinden und hängt nur von der Zahl der Binden ab.
4. Das Abnehmen des Stärkeverbandes ist ieichter als das des
Gipsverbandes.
Zur Anlegung des Stärke-Kontentiv-Verbandes benutzt Ver¬
fasser womöglich die Extension und den Extensionsverband nach
Bardenheuer. (Wozu dann noch den Stärke-Kontentivverband? Ref.).
Ferner legt Verfasser Wert darauf, daß der Kranke mit ge¬
brochener Extremität frühzeitig das Bei* verläßt.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Technische Neuerscheinungen.
Apparat für Intensiv-Franjdinisation des menschlichen
Körpers mit dem Polyelektroid nach Dr. Fisch.
Das Instrumentarium zur Intensiv-Franklinisation
wird von der Reiniger, Gebbert & Schall A.-G. herge¬
stellt und besteht aus. einer äußerst kräftigen Influenz¬
maschine, welche die Erzeugung von sehr intensiver
und dennoch angenehm empfundener Hochspannungs¬
elektrizität ermöglicht, sowie einem von Dr. Fisch an¬
gegebenen und ebenfalls von der genannten Firma her¬
gestellten sosfenannten Polyelektroid, das zur Aus¬
gestellten sogenannten Poly-Elektroid, das zur Aus¬
strahlung gleichartiger Potentialentladungen hoch¬
gespannter Ströme von über 100 000 Volt dient. Dieses
Polyelektroid besteht (siehe Abbildung) aus zwei Holz¬
reifen, die durch eine größere Anzahl Metalldrähte der¬
art miteinander verbunden sind, daß es, wenn das Ganze
so aufgehängt wird, daß ein Ring unter dem anderen
hängt, einen zylindrischen Käfig bildet. Alle Drähte
haben miteinander leitende Verbindung. Am oberen
Reifen ist eine Aufhängevorrichtung angebracht, von
der eine Leine zweckmäßig über eine an der Decke des
Zimmers befindliche Laufrolle geführt wird. Durch Auf¬
ziehen und Herablassen der Leine kann das Gestell über
den Körper des zu Bestrahlenden gestülpt werden.
Bei Anwendung des Polyelektroids werden durch
Leitungsschnüre der positive Pol der Starkstromin¬
fluenzmaschine mit den dünnen Drähten des Polyelek¬
troids und der negative Pol mit der Erde in Verbindung
gebracht. Hierauf setzt man die Influenzmaschine in
Betrieb und leitet durch Entfernung der beiden Ent¬
ladungskugeln voneinander in ganze Emanation vom
Nr. 20
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
317
positiven Pol zu dem Polyelektroid, von dessen Drähten
sie auf den innerhalb derselben stehenden Patienten aus¬
gestrahlt wird, und zwar in Form eines elektrischen, an¬
genehm empfundenen Windes. Dabei macht sich noch
der Einfluß des besonders intensiven Ozongeruchs
wohltuend geltend.
Die franklinische Behandlung mit dem Polyelek¬
troid verdient den Vorzug gegenüber anderen der¬
artigen Behandlungsmethoden, weil durch das Herab¬
ziehen und das Hinaufziehen desselben einzelne Kör¬
perpartien nach Wunsch entsprechend intensivere Be¬
strahlung erhalten können, und zwar von einer Inten¬
sität, wie sie bisher nur durch die sogenannte franklini¬
sche Douche für den Kopf erzielt werden konnte. Ein
weiterer Vorteil dieser Applikationsform ist außerdem
noch der,, daß dabei in ähnlicher Weise wie bei dem
elektrostatischen Luftbade der Körper mit positiver
Elektrizität stark geladen wird, was sich im Gegensatz
zum elektrostatischen Luftbad ganz deutlich fühlbar
macht. Als Kennzeichen genügender Ladung sträuben
sich z. B. die Elaare bei Annäherung der Hand einer an¬
deren Person oder es lassen sich bei Annäherung des
Fingers Funken aus dem geladenen Individuum ziehen.
Dieser Intensiv-Franklinisation kommt somit nicht bloß
die Wirkung der allgemeinen Franklinisation zu, son¬
dern sie wirkt gleichzeitig wie irgendeine Kontaktappli¬
kation mit deutlich ausgesprochener und objektiv nach¬
weisbarer Reaktion.
Dr. Fisch erzielte mit der Intensiv-Franklinisation
günstige Erfolge in Fällen von Zirkulationsstörungen,
welche zum Teil auf angioneurotischer, zum 'feil auf
arterioskerotischer und zum Teil auf myokarditischer
Basis entstanden. Der Effekt der Intensivbestrahlung
äußert sich zunächst in einer allgemein tonisierendi
und gefäßregulatorischen Wirkung.
Das Pharyngoskop nach Dr. Schmuckert zur Unter¬
suchung des Nasenrachenraumes und des Kehlkopfes.
Das Pharyngoskop dient zur Besichtigung des
Nasenrachenraumes und des Kehlkopfes. Es besteht
(Fig. 1) in der Hauptsache aus dem optischen Apparat,
wie er bei Kystoskopen üblich ist, wobei auf Größe des
Bildwinkels und des Gesichtsfeldes besonders Gewicht
gelegt wurde. Die Optik des Instrumentes ist vorziig-
ITY OF MICHIGAN
UNIVERSI
318
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 20
lieh, da das Fernrohr kurz gehalten und der Durch- I Laryngoskopie mit dem Kehlkopfspiegel schwierig
messer des Rohres verhältnismäßig groß ist. Neben
dem Optikrohr liegt ein zweites Röhrchen, das an sei¬
nem Ende ein ungedecktes Metallfadenlämpchen trägt.
Das optische Rohr ist um seine Längsachse drehbar, so
daß aus derselben Stellung sowohl der Nasenrachen¬
raum (Fig. 2) als auch die Kehlkopfgegend (Fig. 3) be-
Mg. '2.
sichtigt werden kann. Ein Knopf am okularen Ende be 7
zeichnet die jeweilige Stellung des Lupenprismas. Zur
Sterilisation dienen flach ovale auf die Metallröhre gut
passende Glashülsen, weiche leicht auswechselbar sind
und ausgekocht werden können. Diese Art des Sterili-
sierens ist speziell für den poliklinischen Betrieb von be¬
sonderem Wert, da gleichzeitig mehrere Glashülsen
steril gehalten werden können. Als Stromquelle kann
ein Akkumulator (4 Volt) Trockenelemente oder ein An¬
schlußapparat für elektrische Zentralen dienen. Der
Griff des Instrumentes ist umklappbar, so daß es be¬
quem verpackt und in der Tasche transportiert werden
kann. Die Handhabung ist die denkbar einfachste. Die
Bilder überraschen durch ihre Klarheit, Schärfe und
plastische Zeichnung. Das Instrument dürfte für den
vielbeschäftigten Praktiker ein willkommenes Hilfs¬
mittel zur exakten Diagnosenstellung sein. Es gestattet
aber auch den Spezialisten, in Fällen, wo die indirekte
oder unmöglich ist, untersuchen zu können. Besonderen
Wert dürfte es ferner für den klinischen Unterricht
haben. Das Pharyngoskop wird von der Reiniger, Geb-
bert & Schall A.-G. hergestellt.
Rosen.
Allgemeines.
Das Seminar fiir soziale Medizin der Ortsgruppe Berlin des Ver¬
bandes der Aerzte Deutschlands veröffentlicht den Cyklus IX. Vom
18. Mai bis 12. Juni 1910. „Die Mitarbeit des Aiztes an der Säug¬
lings- und Jugendfürsorge.“
Der Arbeitsplan ist folgender:
Mittwoch, den 18. Mai 1910 abends 8 Uhr im Kaiserin-
Friedrichhause fiir das ärztliche Fortbildungswesen Berlin NW.
Luisenplatz 2/4: • Herr Geh. Obermedizinalrat Professor Dr. Diet¬
rich, Vortragender Rat im Ministerium der Geistlichen, Unter¬
richts- und Medizinalangelegenheiten: „Aufgaben und Organi¬
sation der Jugendfürsorge.“
Sonnabend, den 21. Mai 1910 abends 8 Uhr im Kaiserin-
Friedrichhause: „Aerztliche Grundlagen des Säuglingsschutzes.“
Sonntag, den 22. Mai 1910 mittags 12 Uhr: Oeffentlicher Vor¬
trag im Kaiserin Auguste-Victoriahaus, Charlottenburg, Mollwitz-
straße: „Die zweckmäßige Ausbildung der Mütter und des Per¬
sonals in der Säuglingspflege.“
Im Anschluß an den Vortrag Führung durch die Anstalt.
Dienstag, den 24. Mai 1910 abends 8 Uhr im Kaiserin-
Friedrichhause: „Das Zusammenwirken des praktischen Arztes
mit den Säuglings-Fürsorgestellen.“
Donnerstag, den 26. Mai 1910 abends 8 Uhr im Hörsaal der
vormals Lassarschen Klinik Karlstr. 19: „Methoden und Gelegen¬
heiten der Beschaffung statistischen Materials zur Jugendfürsorge
durch den praktischen Arzt.“
Anschließend Fragestellung und Diskussion.
Der Polizeipräsident von Berlin erläßt unter dem 18. Arpril d. J.
folgende Bekanntmachung. Wenn auch die akute Kinderlähmung
(Poliomyelitis acuta infantum) bisher im Landespolizeibezirk noch
nicht epidemisch aufgetreten ist, nehme ich doch Veranlassung, die
Herren Aerzte darauf aufmerksam zu machen, daß im Kaiserlichen
Gesundheitsamte „Ratschläge an Aerzte für die Bekämpfung der
akuten epidemischen Kinderlähmung“ ausgearbeitet sind. Die Rat¬
schläge sind bei der Verlagsbuchhandlung von Julius Springer,
Berlin N 24, Monbijouplatz 3, erschienen und werden zum Preise
von 15 Pfennig, für das Exemplar portofrei abgegeben. Bei Ent¬
nahme von 50 Exemplaren tritt eine Ermäßigung auf 12 Pfennig, bei
Abnahme von 100 Exemplaren eine solche auf 10 Pfennig ein.
Der Polizeipräsident von Berlin erläßt unter dem 11. April
d. Js. folgende Bekanntmachung: Die Diphtherie-Heilsera mit den
Kontrollnummern
986, geschrieben: Neunhundertsechsundachtzig, bis
1001, geschrieben: Eintausendundeins,
aus den Höchster Farbwerken,
178, geschrieben: Einhundertachtundsiebzig, bis
189, geschrieben: Einhundertneunundachtzig,
aus der Merckschen Fabrik in Darmstadt,
128, geschrieben: Einhundertachtundzwanzig, bis
132, geschrieben: Einhundertzweiunddreißig,
aus dem Serumlaboratorium Ruete-Enoch in Hamburg,
220, geschrieben: Zweihundertundzwanzig, bis
223, geschrieben: Zweihundertunddreißig,
aus der Fabrik, vorm. E. Schering in Berlin, sind, soweit sie nicht
bereits früher wegen Abschwächung usw. eingezogen sind, vom
1. April dieses Jahres ab wegen Ablaufs der staatlichen Gewähr¬
dauer zur Einziehung bestimmt.
Flaschen mit diesen Kontrollnummern dürfen hinfort nicht mehr
in den Apotheken abgegeben werden und können nach der Verein¬
barung mit dem betreffenden Laboratorium bei kostenfreier Ein¬
sendung kostenlos gegen einwandfreies Serum eingetauscht werden.
Der Polizeipräsident von Berlin erläßt unter dem 9. April
d. J. folgende Bekanntmachung. Der bisherigen Hebamme
P a u 1 i n e Ne.umann geb. Jung, zurzeit im Siechenhause zu
Rixdorf, ist durch rechtskräftige Entscheidung des Bezirksaus¬
schusses zu Berlin vom 12. Mai 1908 — I. A. No. 5, 1908 — das
Hebammenprüfungszeugnis entzogen worden. Die Genannte ist
daher als Hebamme nicht mehr anzusehen.
In Berlin hat sich ein Komitee gebildet, um dem verstorbenen
bekannten Arzt, Geheimrat v. Renvers ein Denkmal zu errichten.
An der Spitze steht Fürst Biilow. Beiträge sind an das Bankhaus
v. d, Heidt & Co„ Berlin W §4* Behrenstraße 8, einzuzahlen,
m
HIGAN
UNIVEF
Nr. 20
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
319
Mit der Aufstellung eines Denkmals für Rudolf Virchow auf dem
Karlsplatz in Berlin wird nunmehr begonnen. Um die Fundamente,
die bereits im vorigen Herbst gelegt worden sind, wird ein Gerüst
errichtet, mit dessen Hilfe die Aufstellung der Denkmalsanlage
erfolgt.
Das Deutsche Zentral-Komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
versendet soeben die Einladung zur XIV. General-Versammlung am
Mittwoch, den 11. Mai 1910, vormittags 10 Uhr, im Plenar-Sitzungs-
saal des Reichstagshauses, Eingang Portal II. Die Tagesordnung ist
folgende: 1. Geschäftsbericht, Rechnungslegung für 1909 und Vor¬
anschlag für 1910. 2. Wahl zweier Rechnungsrevisoren und zweier
Stellvertreter derselben. 3. Wahl eines Ehrenmitgliedes. 4. Vor¬
trag: „Tuberkulose und Wohnungsfrage“. Berichterstatter: Landes¬
wohnungsinspektor Gretzschel-Darmstadt, Professor Dr. Römer-
Marburg. 5. Vortrag: „Die Tuberkulose-Bekämpfung in Schweden“.
Die Generalversammlung der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie hat auf einstimmigen Antrag des Ausschusses beschlossen,
dem Vorstand der Gesellchaft Vollmacht zu geben, eventuell das
Laugenbeckhaus zu verkaufen und, sei es allein oder in Verbindung
mit der Berliner medizinischen Gesellschaft, ein neues Grundstück
zu erwerben.
Die Bürgerschaft von Hamburg hat den Antrag des Senats auf
Bewilligung von 1 339 300 M. zur Erbauung eines Instituts für Schiffs-
und Tropenkrankheiten (s. vor. No.) einstimmig angenommen.
Hamburg: Professor Dr. Hermann Lenhartz, der Direktor des
Eppendorfer Krankenhauses, ist am 19. April im Alter von 56 Jahren
plötzlich gestorben. Sein Tod ist ein großer Verlust nicht nur für
die Hamburger Krankenanstalten, die unter seiner Leitung Hervor¬
ragendes in Praxis und Theorie leisteten, sondern auch ein schwerer
Verlust für die gesamte interne Medizin. Er war eine kampfes¬
frohe Natur, die rücksichtslos ihre Meinung bekannte, ein überaus
fleißiger Arbeiter mit ursprünglichen und eigenen Gedanken und Ein¬
fällen. In mustergültiger Weise hat er aus seinen großen Kranken¬
hauserfahrungen für die praktische Medizin wertvolle Anregungen
geschaffen. Er war einer von den wenigen Internisten, die zugleich
in der Chirurgie ihren Mann standen.
Eisenach. Wegen Beleidigung eines hiesigen Bahnarztes wurde
ein Drogist zu 10 M. Geldstrafe verurteilt. Er hatte in einem
Schreiben an die Eisenbahndirektion in Erfurt behauptet, daß der
Arzt einen Bahnarbeiter falsch behandelt habe. In der Verhandlung
wurde die Richtigkeit dieser Behauptung erwiesen. Der Arbeiter
war von Dr. B. auf Lungentuberkulose behandelt worden, litt aber
an Magenkrebs, an dem er auch später starb. Die Verurteilung er¬
folgte wegen der beleidigenden Form der Aeußerung.
Vom 10. bis 14. September findet in Brüssel der zweite inter¬
nationale Kongreß für Gewerbekrankheiten statt. Als Beratungs¬
gegenstände sind in Aussicht genommen: 1. Die Frage der Schei¬
dung von Gewerbekrankheiten und Gewerbeunfällen und die unter¬
schiedlichen Merkmale. 2. Das ärztliche Rüstzeug der Bergwerke,
Fabriken, Werkstätten usw. 3. Gegenwärtiger Stand des Kampfes
gegen die Wurmkrankheit. 4. Auge und Gesicht in ihren Be¬
ziehungen zu Gewerbekrankheiten. 5. Arbeit in komprimierter Luft.
6. Gewerbliche Vergiftungen. Auskunft erteilt für Deutschland
Reichstagsabgeordneter Dr. Mugdan, Berlin W., Kurfürsten¬
straße 139.
Aerztliche Schulaufsicht in Frankreich. Der französische Unter¬
richtsminister hat eine im Ministerrat beschlossene Verordnung erlassen,
der gemäß die ärztliche Schulaufsicht geregelt wird. Nach derselben
muß der Arzt die Kinder der seiner Aufsicht unterliegenden Schule
zweimal jährlich einer sorgfältigen Untersuchung unterziehen und
die Ergebnisse derselben in dem Schulkataloge verzeichnen. Auch
ist der Inspektionsarzt verpflichtet, sich von den Fortschritten der
Schüler im hygienischen Unterricht zu überzeugen.
Bücherbesprechungen.
Das Eigenheim des Mittelstandes. Ratgeber für Bau oder Kauf eines
eigenen Hauses mit Garten. Mit über 350 Ansichten und Grund¬
rissen von Einfamilien- und Doppelhäusern nebst Angabe der
Baukosten. Preis 3 M., gebunden 4 M (Porto 30 Pfg.). West¬
deutsche Verlagsgesellschaft m. b. H. in Wiesbaden 35.
Wer bauen lassen oder selbst Pläne entwerfen will, soll sich an
Hand guter Musterbeispiele ein Bauprogramm aufstellen; auch der
Laie, denn der Architekt baut leichter und befridigender, wenn er
die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse seines Bauherrn kennt.
Eine vorzügliche Gelegenheit dazu bietet dieses Buch, das Ansichten
und Pläne für Eigenhäuser in allen Größen und Preislagen enthält.
Der Text ist lehrreich und praktisch, die Hausbeispiele gut ge¬
wählt. Alle erforderlichen Ratschläge und Anweisungen für den
Entwurf, Ausführung usw. sind der heutigen Preislage entsprechend
gegeben. Für die interessierten Kreise ein wirklich zuverlässiges
und brauchbares und angesichts seiner Reichhaltigkeit wohlfeiles
Buch, ein Ratgeber, der sicher viel Freunde finden wird.
—r—
Belastung und Entartung. Ein Beitrag zur Lehre vom kranken
Genie. Von Dr. J. S a d g e r. (1,50 M.) Hofverlagsbuchhandlung
Edmund Demme, Leipzig.
Das „belastete“ Genie in seinen krankhaften Aeußerungen und
Bedingungen will der Autor in seiner jüngsten Arbeit näher be¬
leuchten. Der bekannte Autor trennt' zunächst die „Entartung“
(Degeneration) von der mehr oder minder schweren Belastung. Beim
Genie ist nur die letztere zu finden, andrerseits wieder ist jedes
Genie auch irgend belastet. An einem großen Materiale, vorwiegend
an deutschen Dichtern gewonnen, werden nun die verschiedenen
Stigmata der Belastung herausgearbeitet. Einzelne von ihnen sind
von dem Autor ganz neu entdeckt, die übrigen unter neuen Gesichts¬
punkten gruppiert und zu einer Einheit zusammengeschmolzen und
obendrein noch neue Aufschlüsse gegeben über die anatomischen
Grundlagen der Belastung und Entartung. Den Schluß endlich
bildet ein Vergleich zwischen Verbrecher und Genie, den beiden
Polen der schweren Belastung. — Die hochinteressante Broschüre
kann jedem Gebildeten empfohlen werden.
Handbuch der Serumtherapie. Von Dr. A. Wolff-Eisner,
Berlin. Mit einer Tafel und 9 Kurvenbildern. 1910. (Preis 12 M.,
gebunden 14 M.)
Der Herausgeber hat jedem Forscher den Abschnitt bearbeiten
lassen, der sein eigenstes Gebiet darstellt, wodurch die wissen¬
schaftliche Bedeutung der einzelnen Beiträge von vornherein ge¬
sichert wurde. Den Nachteil einer solchen Verteilung: die fehlende
Einheitlichung der Darstellung, zu vermeiden hat der Herausgeber
sich bemüht und hofft, daß im vorliegenden Werk dieses Bestreben
von Erfolg begleitet war. Die Hauptrichtschnur, die den einzelnen
Mitarbeitern für die Bearbeitung ihrer Abschnitte gegeben wurde,
war die folgende: „Das Werk ist dazu bestimmt, in erster Linie der
Klinik und dem Praktiker die Fortschritte der biologischen Wissen¬
schaften, soweit sie therapeutischer Natur sind, zu vermitteln. Das
Theoretische soll daher nur so weit behandelt werden, als es zum
Verständnis des Therapeutischen erforderlich ist.“ Das Buch kann
jedem Arzte auf das beste empfohlen werden. —r.—
Medizinalarchiv für das deutsche Reich. Herausgegeben von Kurt
von R o h s c h e i d t. Berlin 1910. Verlag von Franz Vahlen.
I. Jahrgang, Heft 1.
Diese unter Mitwirkung einer großen Reihe namhafter Juristen
und Aerzten herausgegebenen Vierteljahrszeitschrift hat es sich zur
Aufgabe gestellt, alles Material zu vereinigen, welches für Recht¬
sprechung und Verwaltung auf dem Gebiete des Medizinalwesens
und der sanitären Fürsorge von Bedeutung ist. Es soll das ge¬
samte für das Gesundheitswesen geltende Recht gesammelt, ge¬
sichtet und systematisch geordnet, fortlaufend dargeboten werden.
Jedes Heft enthält Originalartikel und ferner Gesetze, Entscheidun¬
gen, Erlasse und Verfügungen, welche in 14 Abschnitten unter¬
gebracht sind. In dem vorliegenden ersten Heft z. B. enthält der
VIII. Abschnitt preußische Ministerialverordnungen, betreffend Be¬
kämpfung von Krankheiten und Krankenfürsorge. Abschnitt IX:
Entscheidungen des preußischen Oberverwaltungsgerichtes, betreffend
Ortschafts- und Wohnungshygiene. Die Titel der Abhandlungen
lauten: Fürsorgestellen für Trunksüchtige von von Strauß und
Torney, preußische Polizeivorschriften über Ankündigung von Arznei¬
mitteln von Kronecker, die Umgestaltung der Krankenkassen von
B. Hilse. Die Zeitschrift soll ein übersichtliches Nachschlagewerk
werden. v. R u t k o w s k i, Berlin.
(Ende des redaktionellen Teiles.)
Kleine Mitteilungen.
Bad Salzbrunn bringt mit der Saison 1910 folgende zum Teil
schon in der vorigen Saison begonnene Neuerungen: Eröffnung des
„Grand Hotels“ in eigener Regie der Badeverwaltung mit 190 Betten.
Eröffnung eines weiteren großen Inhalatoriums seitens der Bade¬
verwaltung. Neue Ausstattung der Ausschankstellen für Ober-
brupnen, Kronenquelle und Mühlbrunnen. (Die Kronenquelle ist,
wie die Marthaquelle, von dem Eigentümer des Bades Sr. Durch¬
laucht dem Fürsten von PIeß angekauft.) Die Kanalisation des Ortes
mit obligatorischer Einrichtung von Spülklosetts. Weitere Ausge¬
staltung der Anlagen, Herstellung neuer Fußwege und einer breiten
Allee bis an den Fuß des Hochwaldes. Einrichtung einer regel¬
mäßigen Autoverbindung mit den schönsten Ausflugsorten der Um¬
gebung. Einrichtung eines Reitinstituts. Weitere Aufschließung
des verkäuflichen Villengeländes am Bahnhof. Diese geschaffenen
Neuerungen lassen erwarten, daß die kommende Saison dem Bade
einen überaus reichen Zuzug an Kurgästen und Fremden bringen
wird.
320
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 20
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Hanau San.-V.
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Hockenlieim, Ba.
Hobentcngen (Wttbrg.).
Hüllliorst, Westf.
Berlin u.Emg. (Mathilde
Rathenaustiftung).
Bieber, Kr. Offenb. a. M.
Bocholt, Westf.
Bremen.
Reedereien:
„Woermann-Linie“
(Westafrika-Linie)
„Deutsch-Ostafrika-
Linie.“
Blessen a. Ammersee.
Dresden.
Eberswalde, Brdbg.
Ehrung (Bz.Trier)O.-K.-K.
Eimbeckhausen, Hann.
Erkelenz, Rhld.'
Falkenberg bei Ahrens¬
felde.
Feilnbach (O.-B.)
Fiddicbow, Pom.
Forbacli i. Lothr.
Frankfurt a. M.
Frechen, Bez. Köln a. Rh.
Gebhardshain (Wester¬
wald).
Geilenkirchen (Kreis
Aachen).
Gera, R., Textil-B.-K.-K.
Greiffenberg, U.-M.
Itzsteilt i. Schl.-Holst.
Joacliimstlial, Kreis
Angermünde.
Johannisburg (O.-P.)Kr.
Verband zur Wahrung
der Interessen der
Deutschen Betriebs-
Krankenkass. (Rhein.-
Westf. Bet.-Kr.- K.-Ver-
band)
Essen (Ruhr).
Kassel-Ilot Itcndi imold
Kemel, H.-N.
Kireliberg a. Jagst.
Klein-Anheim, Kreis
Offenbach.
Köln, Rh.,Stadt-u.Landkr.
Köln-Deutz.
Köngen, Wttbg.
Königsberg i. Pr.
Kupfer liammerb.Ebers-
walde.
Amrum (Insel).
Afiwciler i. Pfalz.
Eeipzig, Kr.- u. Sterbe¬
kasse d. H.-Kommis 1858.
Eindlar, Rhld.
Xiinden, Westf.
Xlolirungen, O.-Pr.
Mülheim (Rhein).
W.-Gladbach.
Münder a. Deister.
Munster, Hann.
Xackenheim, Rhh.
Xen-Isenburg (Kr.
Offenb.).
Neustadt (Wied).
Neustettin, Pom.
Niebüll, Schlesw.-Holst.
Niederwürzbacli, Pfalz.
Nordgermerslebeu
(Kr. Neuhaldensleben).
Oberbetschdorf, Eis.
Oberbansen, Rhld.
Ohcr- u. Niedcr-Ingel-
heim, Rhh.
Obersept, O.-Els.
Oderberg i. Mark.
Pattensen, Hann.
Penlg i. Sa.
Pinne i. Posen.
Puderlmch (Kr.Neuwied)
Pulsnitz i. Sa.
Quint b. Trier.
Rastcnbnrg, O.-Pr.
Recklinghausen, W.
Ithein (O-Pr.).
Itheine i. W.
Itotlienkirchen-
Preßig, Oberfr.
Salzwedel, Prov. Sa.
Schlettstadt, Eis.
.Schornsheim (Rhh.).
Schwandorf (Bay.).
Seliwarzaeh i. Ba.
Bad Schweizermühle,
Sachs. Schweiz.
Soldau, O.-Pr.
St. Eudwig, O.-E.
Stettin,Fab.-K.-K.Vulkan.
Stockstadt a. Rh.
Stommeln, Rhld.
Strausberg, Brdbg.
Strelila a. E.
Tempel bürg, Pom.
Templin, Brdbg.
Thal heim i. Erzgeb.
Tondern(Kreis), Schlesw.-
Holst,
Erft (Schmidt heim),
Kr. Schleiden.
Wallliausenjb. Kreuznach
Wal sh ei m l>'. Blieskastel-
Weib ern, Rhld.
W r ci<lenthal, Pfalz.
Wcilhcim, Bay.
Weisenau b. Mainz.
XVeißenfels (Saale).
Wesseling, Rhprov.
W'essling (O.-Bay.).
W r estd.Vers.=Kr. "u.Unter¬
stützungs-Zuschuß-
Kasse, Köln a. Rh.)
Wiesbaden.
Zingst, Pom.
Uebor vorstehende Orte und alle Verbandsangelegenheiten erteilt jederzeit Auskunft der Generalsekretär G. Kulms, Arzt, Leipzig, Dufourstrasse 18, II,.
Sprechzeit nachm. 3—5 außer Sonutags). Kostenloser Nachweis von Praxis-, Auslands-, Schiffsarzt- und Assistentenstellen sowie Vertretungen.
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Therapeutische Rundschau
Wochenschrift für die gesamte Therapie des praktischen Arztes.
Redaktion.
Professor Dr. med A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5.
Telephon: Amt VI, 17271.
Verlag und Expedition
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI, 3020.
IV. Jahrgang. Berlin, 22. Mai 1910. Nr. 21.
Die -Therapeutische Rundschau« erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den
Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalschluß abbestellt sind. Inserate
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt:
Originalien:
Tuszkai, Budapest-Marienbad: Herz und Schwanger¬
schaft .321
A. G. Apostolides: Die Behandlung der akuten
Urethritis auterior und posterior.325
Lengfellner, Berlin: Die Verwendbarkeit von Cellu¬
loid als Material zu Plattfußeinlagen.328
Referate:
Greven, Aachen: Augenheilkunde.330
Schmidt, Berlin: Radiotherapie.331
Busch-Halensee: Hals-, Nasen* undOhrenkrankheiten 332
Lipschitz, Berlin, v. Rutkowski, Berlin, Abramowski,
Gilgenburg: Varia.333
Allgemeines: . 335
ORIGINALIEN.
Herz und Schwangerschaft.
(Entgegnung auf die Kritik „Herzkrankheit und
Schwangerschaft’* des E. Sc.)
von Dr. Ö. Tuszkai (Budapest-Marienbad).
Herr S c i p i a d o hält eine von Animosität und
Vorurteil suggerierte Kritik über meine Arbeit „Kar -
d i o p a t h i e und Schwangerschaft“ (Samm¬
lung Klinischer Vorträge Nr. 407. Gynäkologie Nr. 151)
in derselben Fachschrift. (Gynäkologie Nr. 167).
Er findet in dieser Kritik erstens: daß ich im Tone
„größten Selbstbewußtseins“ (Seite 2) zwei Behaup¬
tungen aufstelle, welche seiner Meinung nach nicht be¬
stehen können.
Die erste Behauptung ist wörtlich richtig zitiert
und bezieht sich auf die Beobachtungen, nach welchen
das Verschwinden der normalen Labilität des Pulses,
resp. die Verminderung der Labilität ein Zeichen der
Herzhypertrophie sei.
ITie zweite Behauptung ist auch in Klammern
„wörtlich zitiert“ (?) aus meinen Schlußfolgerungen
und beschäftigt sich mit meiner Beobachtung bezüglich
der frühen Diagnose einer Inkompensation bei herz¬
kranken Schwangeren, nach welchen: „die Ver¬
größerung der Herzdämpfung, begleitet von der Ver¬
minderung des Blutdruckes und der Rückkehr resp. der
Zunahme'der Labilität, ein Zeichen der Insuffizienz der
Herzmuskulatur ist, beziehungsweise der Dilatation.
WenndieseSymptomeeingetretensind,
muß bei Herzkranken die Gravidität
unterbrochen w erde n. (Siehe S c. Seite 3.)
Es ist mir durchaus nicht zu verargen, wenn ich
von meiner eigenen Meinung durch und durch über¬
zeugt bin, aber ob ich in dem vorgeworfenen Tone ge¬
sprochen habe, sollen meine folgenden Zeilen beweisen:
„Alle meine diesbezüglichen Beobachtungen und Be¬
trachtungen will icli durchaus nicht aisun¬
trüglich a nS e he n und die daraus ge¬
zogenen Schlüsse als Folgerungen ab¬
geschlossener Tatsachen erklären; ich
denke aber, daß dieselben Interesse und Nachprüfungen
verdienen und daß sie die Aufmerksamkeit der Inter¬
nisten und Frauenärzte beanspruchen können.
Ich wäre sicherlich schon glücklich und möchte
meine Bemühungen glänz endbelohn tfüh-
1 e n, wenn es mir gelungen wäre, durch obige
Zeilen die Aufmerksamkeit der Fach¬
männer auf diese F ra ge zu lenken, um
durch viele ßeobaehtungen die Beweise oder
Gegenbeweise zur Klärung der Frage ins Treffen
zu bringen“. (Seite 22.)
Somit entfällt die Basis für die erste
Behauptung des Herrn Sc.
Wie unglücklich Herr Sc. gewesen sein muß, als er
den Befehl bekam, meine Ergebnisse totzuschlagen,
beweist die Waffe, mit welcher er ausgerückt ist und
welche seineKritikvorernstenForschern
keinen Moment bestehen läßt.
Der zweite Punkt lautet in meiner Zusammen¬
fassung folgendermaßen:
„Eine Vergrößerung der Herzdämpfung in Gesell¬
schaft einer Erniedrigung des Blutdruckes und
Wiederkehr resp. Steigerung der Labilität
des Pulses ist das Zeichen der Muskelinsuffiziens des
Herzens (Dilatation)“. (Siehe Seite 22, Punkt 4.)
YVie aus dem Vergleich dieser beiden Zitate zu er¬
sehen ist, hat Herr Sc. den Satz: „Wenn diese
Symptome e i n g e t r e t e n sind, m u ß bei
Herzkranken die Gravidität unterbro¬
chen w erd e n “ e i n fach h i n e i n g.e d i c h t e t,
da dieser Satz nirgends, also weder in
meiner Zusammenfassung, noch irgend
im Texte .vorkommt. Auf diesen hineingesehobenen
Satz baut Herr Sc. seinen ganz ethisch nunmehr ge¬
brandmarkten Angriff auf. da derselbe Satz auf Seite 2,
15. 20, 26 und 27 je einmal, auf Seite 16 und 15. viermal,
zusammen also neunmal wiederholt ist und eine sehr
große Anklage enthält. Er baut die Anklage mit einer
übereifrigen- Phantasie auf: er schreibt (Seite 2):
„Dr. Tuszkai scheint von der Wahrheit seiner Be¬
hauptung tief überzeugt zu sein, dies beweist seine An¬
gabe, daß er auf Grundlage der nach seiner Me-
322
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 21
i Ii o d c aufgestellten Indikation bei li erzkranken
Graviden schon in 2 Fällen künstlichen
A b o r t u s eingeleitet habe“.
Da dieser Satz in meiner Z u s a m m e n f a s s u n g
nirgends vorkonimt, noch ähnliche Sätze
oder Den tu ngen in der Zusammen-
f a ssuugzu findensind, ist es klar, daß ich diese
Konsequenz aus meinen Beobachtungen nie ziehen
wollte, noch g e z og e n habe !
Gegen jede Insinuation einer Selbstüberhebung,
gegen jede Anklage wegen unberechtigten Eingriffes
spricht nicht nur obige Stelle und meine ganze Disser¬
tation, sondern auch folgende Zeilen auf Seite 8:
„Als ich in meinem weiter unten zu beschreibenden
Falle vor der schwierigen Frage stand, mich zu äußern,
ob der gegebene Fall voraussichtlich glatt verlaufen
oder ob wegen Lebensgefahr des Individuums ein
Kunsteingriff notwendig werde, leitete nur das Vor¬
handensein oder Fehlen von Inkompensations¬
symptomen meine Prognose.“
Die Richtung meiner Untersuchungen konstatieren
folgende Zeilen auf derselben Seite:
„Welcher Grad der Inkompensation für ein Herz¬
leiden oder für Beendigung der Geburt noch keine
schlechte Prognose liefert, das konnte bis jetzt noch
nicht beobachtet werden. Außer Zweifel steht es je¬
doch, daß wir sowohl auf das Herzleiden, wie auch auf
die Prognose des künstlichen Eingriffes günstigen Ein¬
fluß ausüben können, wenn wir die Inkompensation in
je früherem Stadium erkennen.“ Weiteres auf Seite 11
und 12: „In solchen Fällen, in welchen das Herzleiden
schon vor der Schwangerschaft bestand, wir
mit Geduld und Ausdauer beobachten
müssen, d a eine normale Geburt erfolgen
kann.“ Seite 22 . Eine andere Erscheinung in der
Schwangerschaft, nämlich-eine Anasarka oder Vari¬
kosität der unteren Extremität werde ich als Folgen
der Muskelinsuffizienz des Herzens und nicht als harm¬
lose Druckerscheinung betrachten, wenn diese Er¬
scheinung in Gesellschaft der Vergrößerung der
Herzdämpfung, Erniedrigung des Blut¬
druckes und Steigerung der Labilität
erschienen ist, und mit allen mir zu Gebote stehenden
Mitteln die Herzinsuffizienz bekämpfen. D e r E r f o 1 g
oder Mißerfolg dieser Therapie wird
mir dann die Prognose der Gravidität
diktieren und ihr gegenüber mein Verfahren lenken.
Es ist klar, daß ich mein Symptom nur etwa als
ein Signal betrachte, welche den Arzt auf die drohende
Gefahr, resp. auf eine Eventualität aufmerksam macht,
und wenn diese Inkompensationserscheinungen tat¬
sächlich weiterschreiten, erst dann haben
wir das Recht, den künstlichen Abortus zu bean¬
tragen. Ich denke noch immer recht früh, um von
der Operation die Besserung des Herzleidens erwarten
zu können. Der Geist meines ganzen Aufsatzes sagt
aber auch ganz klar, daß bei Auftreten meines Puls¬
zeichens noch immer die Möglichkeit eines glatten Ver¬
laufes besteht, da ich nur bei Weiterschreiten
der Erscheinungen die Lage ernst nehme, folglich bei
einem Stehenbleiben der Symptome nur eine genaue
Beobachtung wünsche.
Somit habe ich also auf breiter Basis
bewiesen, daß die Anschuldigung des
Dr. Scipiades weder dem Texte meiner
Arbeit noch dem Geiste nach berech¬
tigt ist.
Wie schwach es mit der Armatur des Angriffes
steht, zeigt auch der Umstand, daß Herr Sc. eine höchst
komisch wirkende Geschichte auf Seite 3 erzählt, in
welcher er der Welt kundgibt, daß die II. geburtshilf¬
liche Klinik die Folgerungen einer meiner Arbeiten über
Zangenoperation nicht deckt! Diese komi¬
sche Entgleisung auf ein ganz heterogenes Gebiet wirkt
noch lächerlicher, wenn man weiß, daß ich diese
Deckung nicht verlangt — sondern dieselbe von
vornherein zu rück gewiesen habe, indem ich am
Schlüsse meiner „Vorbemerkung“ der genannten
Arbeit schreibe:
„Zuletzt muß noch bemerkt werden, daß sich die
in der Arbeit niedergelegten Ansichten und gewon¬
nenen Schlüsse mit denjenigen der II. geburtshilflichen
Klinik, dessen Material mir zu Gebote stand, nicht
decken — daher selbe als unabhängige Anschauun¬
gen zu betrachten sind“.
Niemals ist diese Arbeit — die schon seit 15 Jahren
im Drucke fertig steht und im Jahre 1903 als selbstän¬
diges Heftchen meinen Freunden zugeschickt wurde —
in „deutschen Fachschriften“ erschienen und die von
Professor S t o e c k e 1 und anderen geschriebenen sehr
schmeichelhaften Kritiken in den Fachschriften ent¬
stammen meistens nicht offiziellen Motiven der — An¬
erkennung. Zu Hause erntet man ja sowas nicht —
aber unglücklich bin ich darüber keineswegs. Ohne
Anerkennung der II. geburtshilflichen Klinik kann man
auch was Ordentliches schaffen. Beispiel: Newton,
Galilei, Goethe, Wallace, Lamarck, Kant, Semmelweis
etc. — die alle waren nicht so glücklich, die Anerken¬
nung dieser Geburtsklinik erobern zu können.
Somit bricht die Basis aller bisheri¬
gen Behauptungen des Dr. Scipiades zu¬
sammen : und unter dem Schutt liegt er — der Kri¬
tiker.
Nach all diesem ist es mir eigentlich nicht wichtig,
ob Herr Sc. meine Anschauungen teilt oder nicht, es
freut mich jedoch, daß doch die II. Geburts- und Frauen¬
klinik meiner Bitte die Frage zu untersuchen —
Folge geleistet hat; da aber der Herr Sc. einen verdäch¬
tigen Uebereifer und Animosität dabei beweist, so über¬
lasse ich die Entscheidung dieser Frage — auslän¬
dischen Fachmännern, die mit ebensoviel Be¬
reitwilligkeit, aber objektiv die Frage behandeln.
Zum Schlüsse will ich noch beweisen, daß die Be¬
obachtungen des Herrn Sc. auch noch an schweren
wissenschaftlich - ethischen Uebeln
leiden.
Ich habe in meiner 20 jährigen Praxis viel
mehr Fälle von herzkranken Graviden beobachtet, wie
die Klinik in 6 Monaten, im ganzen aber zu wenig
an Zahl, um aus diesen Beobachtungen weitgehende
Schlüsse, Gesetze oder Indikationen abzuleiten; ich tue
es auch nicht, indem ich die oben zitierten Zeilen
schreibe und denke, daß ich wissenschaftlich ethisch,
streng und korrekt vorgegangen bin! Jeder hat das
Recht zu beobachten — wenn er nur die Fähigkeit
dazu hat — und hat auch demgemäß das Recht, ja die
Pflicht, diese Beobachtungen mitzuteilen; überhaupt
dann, wenn dieselben nicht nur wissenschaftlich inter¬
essant und neu sind, sondern wenn aus denselben für
die leidende Menschheit eine nützliche Konsequenz zu
ziehen ist. — In allen solchen Fällen ist es einerlei,
ob man einen einzigen Fall, oder nur so wenige wie ich
(5—8) gehabt habe. Nur muß man schön beschei¬
den sein und diesen Umstand betonen. Ich habe es
wiederholt bewiesen, daß ich so getan und nie im Tone
„höchsten Selbstbewußtseins“ gesprochen
habe, überhaupt weil ich doch den Irrtum in meinen Be¬
obachtungen zugebe. Ich bitte doch die Fachleute
an größerem Material zu kontrollieren und die „Be¬
weise oder auch Gegenbeweise“ zu bringen.
Die Tat der Textfälschung, welche
eine Anschuldigung enthält, ist also J> e -
Nr. 21
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
323
wiesen, und somit ist diese Tat ange¬
nagelt.
Ich will über weitergehen, wie es meine Pflicht i n
dieser Frage vorschreiben würde, und
bew eisen, daß selbstimT extekeineder-
artigen Andeutungen, wie es mir unter¬
geschoben wird, zu finden sind, und daß
ich die Operation bei einer herzkranken
Schwangeren und nicht auf Grund mei¬
nes Pulszeichens in Gesellschaft und nach Be¬
obachtung eines tüchtigen Internisten auf Basis längst
angenommener Indikation zweimal vorgenommen
habe, und mich auf meine Beobachtung bei
Aufstellung dieser Indikation niemals gestellt,
noch gestützt irgend meine Beobachtung als Indi¬
kation erwähnt habe.
Seite 14 meiner Abh. steht: „Unter Zeichen
schwerer Anämie und Herzerscheinungen habe ich die
blutende Patientin noch 14 Tage in einem hiesigen
Sanatorium beobachtet und, nachdem die Blutung nie
aufgehört hat und Atem not,Cyanose der großen
Lippen, heftige Ohnmächten bei der im Bette
liegenden Patientin auftraten, beantragte
ich auf Basis meiner früheren traurigen Erfahrungen
den künstlichen Abortus auf folgende drei Indikationen:
1. Wegen der mit Herzleiden einhergehenden fort¬
schreitenden Inkompensation.
2. Da ich die Blutung aus der Gebärmutter nicht nur
für eine Stauungserscheinung, sondern für eine placen-
tare Abnormität halten konnte.
3. Da ich die 4'/• Monate lang dauernde unregel¬
mäßige Blutung als zum Abortus führende betrachtete
und glaubte es mit einem inzipienten Prozeß zu tun zu
haben. (Seite 14.)
Also es bestand schwere Anämie und Inkompen¬
sation, welche von einem Internisten auch festgestellt
wurde.
Meine Pulslabalitätserscheinungistals
Indikation niemals und nirgends erwähnt,
nur als einfache Beobachtung, welche ich damals viel¬
leicht zum erstenmal gemacht habe (in einer einzigen
Zeile), daß nämlich die Labalität eine sehr große ist.
Bei derselben Person haben wir nach 8 Monaten die
Operation unter noch schwereren Herzsymptomen aus¬
führen müssen, ohne auch diesmal mich auf meine
Beobachtung bezüglich der Pulslabilität gestellt
zu haben. Sonst habe ich n i e nt a 1 s die Operation auf
Basis von Herzerkrankung überhaupt gemacht, habe
aber öfters Gelegenheit gehabt, meine beschriebene
Pulserscheinung zu beobachten und auch zu sehen, daß
eine Wiederkehr resp. Steigerung der Labilität über¬
haupt in Gesellschaft von Erniedrigung des Blut¬
druckes und Vergrößerung der Herzdämpfung eine sehr
ernste Verschlechterung des Herzleidens während der
Schwangerschaft zu begleiten pflegt und bin auch heute
in der festen Ueberzeugung, daß die Beobachtung
dieser Puls erschein ungen uns in den
Standsetzte.dieseschwerenKomplika-
t i o n e n r e c h t f r ü h zu erkennen und demgemäß die
Prognose stellen zu lassen.
Ich will noch weitergehen und beweisen, daß ich
diese Anschuldigung nicht einmal irgend dem Geiste
nach, was ich geschrieben, verdiene. Auf Seite 10
und 11 schreibe ich nämlich:
„Da ich bloß bei meinen allerletzten Fällen im Be¬
sitze dieses Beobachtungsmittels war und
hier schon ein vorgeschrittenes Stadium vorfand, hatte
ich bloß in einem Falle Gelegenheit, auf Grund dessen
die Unterbrechung der Schwangerschaft zu bean¬
tragen“ („z u beantragen“ das heißt nicht „aus¬
zuführen“). Die arme Frau starb — wie mir später be¬
richtet wurde — im letzten Monat ihres Herzleidens —
unter schweren Inkompensationserscheinungen. Doch
auf Grund der früheren Erfahrungen und Beobachtungen
glaube ich den Satz aufstellen zu dürfen:
Sobald ich bei einer Schwangeren das erste
Symptom der Inkompensation konstatiere, nehme ich
den Standpunkt genauester Beobachtung ein
und beantrage beim Weiterschreiten der
Symptome die künstliche Unterbrechung der Schwan¬
gerschaft.“
Wer nicht mit böser Absicht diese Zeilen liest, wird
selbst in dem Geäste derselben nicht den von mir nie¬
mals und nirgends geschriebenen Satz des Herrn Sc.:
„Wenn diese Symptome eingetreten sind, muß bei Herz¬
kranken die Gravidität unterbrochen werden“ heraus¬
lesen.
Ganz anders steht es mit einem Angriffe, -wel¬
chen sich Herr Sc. erlaubt.
Bevor man sich das Recht e i n r ä u m t, die
Fehler oder den Irrtum eines andern bew-eisen zu
wollen, muß man sich schon auf eine größere Zahl
der Fälle berufen können, wie es Herr Sc.
getan.
Zu einer objektiven Kritik, noch weniger zu einem
Angriff genügen die 5 resp. 8 Fälle der Beobachtung
nicht. Eine große Zahl der Beobachtungen
muß und wird entscheiden, wer Recht hat.
Es zeigt des weiteren auf einen Mangel an Selbst¬
kontrolle des Herrn Sc., daß er nicht entsprechende Be¬
obachtungen zu Kontrolluntersuchungen angestellt hat.
Will man nämlich die Tatsache einer Verminderung,
einer Wiederkehr und Steigerung der Pulslabilität i n
der Gravidität beobachten, muß man die Fälle schon
vor der Gravidität beobachtet haben. Meine Fälle
sind solche, und es ist nicht schwer, solche in der Praxis
zu beobachten. Dies geschah jedoch in k e i n e m Falle
der Kontrollbeobachtungen; so ist es klar, daß dieselben
mangelhaft, resp. zu Gegenbeweisen nicht
entsprechende Beobachtungen sind. Als Zeichen
des Mangels an wissenschaftlicher Gerechtigkeit will
ich nur anführen, daß er die Autoren, die nicht ganz
meiner Meinung sind, gerne zitiert, die große Menge der
anderen aber nicht erwähnt. MitFreudekonsta-
tiereic habe r,da ßseinegegen meine Be¬
haupt ungen aufgestellten Tabellen ge¬
radezu wunderschöne Beiträge zur Be¬
kräftigung meiner Anschauungen liefern.
Die Tabelle I. von Sc. liefert die schönsten
Beispiele dafür, daß in der Schwanger-
schaftundzwarschonamAnfang derselben,
oder auch in allen späteren Monaten die
Pulslabilität eine viel kleinere ist, als
sie normal zu sein pflegt. Wir sehen hier von den
13 Fällen 7 mit 4, 7, 9, 5, 4, 4, 9 Labilität, also selbst
unter 10 pro Minute. 3 mal 14 Labilität, also nahezu
normal und nur bei 3 ist eine Pulsdifferenz von 24. 25
resp. 27. Die Mehrzahl der Fälle von Sc. beweist also,
daß das Herz tatsächlich sicli verdickt
und in diesem Zustande die Labilität eine kleinere wird.
Ich bin sehr dankbar dem Herrn, daß er mir so
schöne Daten geliefert hat. Die übrigen Fälle sind
wahrscheinlich Dilatationen, und ob sie das sind oder
nicht, können wir von der Tabelle nicht ersehen, da
weder das weitere Schicksal derselben, noch die physi¬
kalischen Untersuchungen über die Herzgröße usw. an¬
gedeutet sind. Auch ich habe in einer großen Anzahl
der Beobachtungen der normalen Fälle derlei große
Labilitäten gefunden, und eben der Umstand, daß die
überwiegende Mehrzahl solcher Fälle später alle An¬
zeichen der Kardiopathie zeigten, hat mich zur Auf¬
stellung meiner Beobachtungen bewogen, Natürlich
324
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 21
sind nicht alle mit großer Labilität auf Herzleiden ver¬
dächtig, jedoch ist es ratsam,'in solchen Fällen ge¬
naue Beobachtungen anzustellen, denn
ich wiederhole es, die Mehrzahl derselben zeigt eben
später Herzerkrankungen. Natürlich genügen 13 Fälle
nicht, uni meine Beobachtungen zu widerlegen,
selbst dann nicht, wenn alle Fälle über 14 Labilität ge¬
zeigt hätten, da die Anzahl der Ausnahmen selbst unter
100 Fällen wahrscheinlich dieselbe bliebe.
Daß ich die Pulszählung nach Möglichkeit minu¬
tiös ausgeführt habe und alle Fehlergrenzen psychi¬
scher oder somatischer Natur vor Augen hielt, beweist
nicht nur meine Arbeit, sondern die Stelle auf Seite 9,
wo ich mich diesbezüglich folgendermaßen äußere:
„Daß längere Zeit hindurch beobachtete Patienten eben
infolge des Bewußtseins, beobachtet zu werden oder in¬
folge anderer somatischer psychischer Reize, eben wäh¬
rend der Beobachtung an Zahl und Rhythmus bedeutend
abweichenden Puls aufweisen. Die Kenntnis dieser
Tatsache bewog mich, die Kranken längere Zeit hin¬
durch, womöglich oft und durchschnittlich 5—6 Minuten
lang, wenn möglich noch länger, zu untersuchen.
Wenn also jemand, sei es bei einer herzkranken oder
gesunden, bei einer graviden oder nicht schwangeren
Frau, bei solchen vergleichenden Untersuchungen in
sitzender Lage 5—15 Pulsschläge mehr oder weniger
findet, lasse er sich von weiteren Beobachtungen nicht
abschrecken.
Durch die große Anzahl von Beobachtungen, resp.
durch aus großen Zahlen gewonnene Durch¬
schnittszahlen dachte ich diese Fehler¬
grenzen irgend zu kompensieren, wie ich dies
auch weiter unten anführe. Ich bestimme auch die nor¬
male Labilität von 10—18, die auf Dilatation verdächtige
über .30. Die 3. Fälle also, welche Herr Sc. aufführt,
mit 25, 27 Labilität, sind durchaus nicht störend und
liegen in den Fehlergrenzen der Beobachtung.
Die II. Tabelle von Sc. (Seite 21) bezieht sich auf
vier Fälle, bei denen überall ein schwaches systo¬
lisches Geräusch zu hören war. Die Dämpfungs-
grenzen waren überall normal, die Labilitäts¬
grenzen dieselben wie in der früheren Tabelle, so daß
dieses schwache systolische Geräusch allein dieselben
nicht als Herzkranke annehmen läßt. Die T a b e 11 e
alsoistauchnureinBeweisfürdieRich-
t i g k e i t meiner Beobachtungen und ist bezüglich
der vorher erwähnten Fragen ebenso lückenhaft wie
die erste Tabelle.
Die III. Tabelle zeigt 8 Fälle von organischen Herz¬
erkrankungen. ln den 4 ersten Fällen findet Herr Sc.
10. 17, 18, 18 Labilität. Alle 4 Fälle sind vollständig
kompensierte Herzleiden. Die Herzkrankheit hat
die Graviden auch bezüglich des allgemeinen Befin¬
dens absolut nicht gestört, da dieselbe erst von den be¬
obachtenden Herren entdeckt w r urde. Ohne Zweifel sind
auch hier keine größeren Dilatationserscheinungen, und
eben darum zeigen sie die Richtigkeit meiner Beobach¬
tungen, daß sie keine absolut große Labilität des Pulses
aufweisen. Leider sind auch diese Beobachtungen u n -
glaublich oberflächlich, da wir aus der Ta¬
belle nicht ersehen können, ob diese etwas größere La¬
bilität, verglichen mit derjenigen vorderSchwan-
gerschaft, resp. in der ersten Hälfte der¬
selben, nicht eine Wiederkehr resp. Steige-
r u n g bedeuten. Nach meiner Beobachtung würde ich
dem Falle 1, 2 und 4 eine gute Prognose stellen, da die¬
selben in 7, 8, 9 Monaten der Gravidität sind und trotz¬
dem ist die Labilität nur mäßig hoch: 18, 17 resp. normal
bei Fall 2, d. i. 10. Verdächtig ist mir nur Fall 3, in dem
4. Monat der Gravidität mit 18 Labilität, wobei die Herz-
dämpfung bis zur 5. Rippe nach unten, 1’/» cm über den
rechten Brustbeinrand hinaus nach einwärts reicht. In
diesem Falle möchte ich auf Basis meines Gedanken-
ganges strengstens beobachten, um die ersten Zeichen
der Inkompensation feststehen zu können.
ln einem der ersten 4 Fälle ist nur erwähnt, daß die
Geburt zur regelmäßigen Zeit normal vor . sich ging.
(Fall 1.) Bei den übrigen Fällen sind diesbezüglich
jabsolutkeine Anmerkungen, und so muß ich
annehmen, daß die Beobachtung bezüglich des weiteren
'Schicksales auch hier oberflächlich und lückenhaft war.
Viel anders schauen die letzten Fälle dieser Tabelle
aus. Drei sind nämlich die s c h w e r s t e n Herzer¬
krankungen mit sehr schweren Inkom-
pensationserscheinungen. Nur der erste
Fail (Fall 5) ist gut kompensiert, und nachdem dieser
Fall nur 3 Labilität zeigt, muß ich annehmen, daß die
gute Kompensation durch eine reaktive Hypertrophie
(natürlich ohne Dilatation) entstand und demgemäß die
Prognose bezüglich der Geburt eine sehr gute ist; über¬
haupt auch darum, weil die Gravide bei der Beobach¬
tung im letzten Monate ihrer Schwangerschaft war. E s
ist also auch ein schöner Fall, wie alle
diebisherigen,zumBeweisedessen,daß
ich in dem Benehmen der Pulslabilität
ein überaus interessantes und leicht zu
gewinnendes Zeichen zur Aufstellung
der Prognose bei kardiopathischen
Schwangeren finde.
Niemals habe ich behauptet, daß dieses Puls¬
zeichen allein genügend ist, denn ein Zeichen ist kein
Zeichen, sondern in Zusammenhang mit anderen Er¬
scheinungen. Die Anmerkung beweist auch die Richtig¬
keit meiner Aufstellung, nachdem die Geburt regel¬
mäßig. ohne Beschwerden erfolgt ist.
Die übrigen 2 Fälle in dem schwersten Zustande
der Inkompensation endeten alle letal, und
zwar Fall 6 während der Geburt; Fall 8 zwei Stunden
nachher und Fall 7 am 9. Tage des Kindbettes, ln allen
diesen Fällen, sagt Sc., hätte i c h eine gute Pro-
g nose aufgestellt, da die Labilität eine sehr kleine
war, nämlich, 1, 2_imd 7. Herr Scipiades ist ein sehr
schlechter Prophet! Vor allem hätte ich in den zwei
letal endenden Fällen, in welchen die Labilität sozu¬
sagen verschwunden ist und eine schwere Inkompensa¬
tion bestand, die denkbar ungünstigste Pro¬
gnose gestellt, da doch aus meinen Beobachtungen
und auf Basis derselben klar zu ersehen war, daß hier
trotz größter Anstrengung des Herzens
keine Kompensation, sondern die allerschwerste In¬
kompensation entstand. Diese zu niedrige Labilität
zeigt in meinen Augen die größte Hypertrophie als
Folge der Anstrengung, welche ungenügend war, die
Kompensation aufrecht zu erhalten, weil dieses kranke
Herz jetzt nicht nur mit dem schwergestörten Zirku¬
lationsgleichgewicht der Mutter, sondern auch mit dem¬
jenigen der Frucht und der ganzen Gravidität zu tun
hat (das ist die sogenannte hypertrophische In¬
suffizienz).
Fall 8 stellt im 4. Monat der Schwangerschaft,
wahrscheinlich ward derselbe also in den späteren Mo¬
naten der Schwangerschaft zu einer Hypertrophie, und
die lückenhafte Tabelle sagt nicht, in welchem Monate
der Schwangerschaft die Geburt erfolgt ist.
Wenn ich die Beobachtungsfähigkeit und Wahr¬
heitsliebe der Herren noch irgend etwas schätze, so muß
ich annehmen, daß diese Geburt recht bald nach der Be¬
obachtung erfolgt ist, da das Sektionsprotokoll eine
reine Hypertrophia ventriculi dextri zeigt, also mit
meinen Beobachtungen einen strengen logischen Nexus
beweist.
Nr. 21
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
325
Ich kann mir doch nicht denken, daß die Geburt am
Ende der Schwangerschaft erfolgt ist und die Herren
seit dem 4. Monate der Gravidität niemals weitere Be¬
obachtungen angestellt haben; hätten sie es getan,
hätten sie auf Basis meiner Aufstellungen wahrschein¬
lich später eine enorme Steigerung der Labi¬
lität registrieren können, wenn nämlich eine Dilatation
entstanden wäre. Soll ich annehmen, daß die Geburt
am Ende der Gravidität erfolgt ist und die Herren
darum keine weiteren Aufzeichnungen ihrer Beobach¬
tungen notiert haben, weil die Zustände im 4. Monate in
ihren Augen gegen meine Aufstellung gepaßt haben?
Wiewirsehen, sindsieinjedemFalle
im Irrtum.
Ebenso verhält es sich mit dem Fall 7, wo das Ver¬
schwinden der Labilität mit Inkompensationssymptomen
ein Zeichen der hypertrophischen Herzinsuffizienz war,
also die Prognose als ungünstig erscheinen ließ;
immerhin etwas günstiger, als bei dem vorigen Falle,
da die diktatorische Insuffizienz wahrscheinlich erst in
dem späteren Monate sich einstellte.
Daß ich mich auch sonst solchen Fällen gegenüber
ganz anders verhalten hätte, wie es Herr Sc. in seinem
etwas jugendlichen Uebereifer prophezeit, will ich meine
Auffassung diesbezüglich wörtlich von Seite 8 zitieren:
„Alle Beobachter stimmen darin überein, daß der
Verlauf der Schwangerschaft so lange ein günstiger ist,
als das Herzleiden kompensiert ist. Wenn schon
Oedem, Hydrops, Anasarka, Cyanose, Atemnot, an¬
ginaartige Anfälle vorhanden sind, dann wissen wir
sicher, daß die Prognoseschlechtist; doch
wissen wir auch, daß wir nicht helfen können. Es sind
zwar Fälle mitgeteilt, bei weichen in diesem Stadium
der Inkompensation künstlicher Abort oder Frühgeburt
eine vorübergehende Besserung herbeiführte, doch
kennen wir keinen Fall, wo die Unterbrechung der
Schwangerschaft auf die Kompensation des Herzleidens
von günstigem Einflüsse gewesen wäre. Solche künst¬
liche Geburten haben schon an sich einen sehr gestörten
Verlauf, sind mit häufigen Blutungen verbunden und so
ist auch vom Standpunkte des Geburtshelfers ein Ein¬
griff nicht opportun.“
Diese Fälle gehören wahrscheinlich in die erste
Gruppe meiner Einteilung, worüber ich mich in der Zu¬
sammenfassung auf Seite 23 folgendermaßen äußere:
,,a) In die erste Gruppe gehören jene Fälle, bei
welchen das Herzleiden schon vor der Schwangerschaft
bestand. Die Diagnose dieser Erkrankung ist leicht, da
wir von Beginn der Schwangerschaft an ein ausge¬
sprochenes Herzleiden vorfinden. Die Prognose ist im
allgemeinen schlecht. Das von mir beobachtete Puls¬
zeichen verhält sich derartig, daß die Labilität des
Pulses nur auf sehr kurze Zeit, in den ersten Monaten
der Schwangerschaft verschwindet, um dann
alsbald in erhöhtem Maße im Verein mit den übrigen
Symptomen der Herzdilatation und Inkom¬
pensation wieder zu erscheinen. Der im Anfang
normale Blutdruck sinkt.“
Diese Schilderungen der Dinge zeigen wohl zur
Genüge, daß ich in den ersten 4 resp. 5 Fällen die Pro¬
gnose — trotz Herzerkrankungen — nicht ungünstig ge¬
stellt, folglich keinen Grund zu einem operativen Ein¬
griff gehabt hätte. In den letzten 3 resp. 2 Fällen hätte
ich eine ungünstige Prognose gestellt — im Falle 8 viel¬
leicht eingeschritten, da eine Operation die Prognose
zur Herzerkrankung nur verbessert hätte. Das sind die
Fälle, die ich anderen Ortes als hypertrophische Insuffi¬
zienz bezeichnete, welche Auffassung übrigens von
R o m b e r g stammt.
Meine Beobachtungen — die ich in München, auf
dem Internisten-Kongreß auch vorgetragen habe —
haben auch in diesem Falle der Insuffizienz eine inter¬
essante Pulserscheinung aufgedeckt, nämlich daß im
Gegensatz zu der dilatatorischen Insuffizienz bei einer
hypertrophischen eher eine große Verminderung resp.
Verschwinden der Labiliät neben vorgeschrittener In¬
kompensation zu beobachten ist.
Fall 6 war eine sectio Caesarea, welche während
der Operation zugrunde ging; pflegen denn die Herren
bei ihren Kaiserschnitten letalen Ausganges — etwa
eine Herzerkrankung oder dergleichen zu be¬
schuldigen?
Wenn Herr Sc. die schuldige Loyalität gehabt
hätte, mich zu den Kontrollbeobachtungen einzuladen,
resp. mir Gelegenheit geboten hätte, die Fälle zu sehen,
die er in den Tabellen bespricht, hätte ich ihn durch Auf¬
klärung von den Unannehmlichkeiten seiner jetzigen
Situation verschont, und er hätte seinen Chef und die
Klinik nicht so blamieren müssen.
ich denke, es hätte auch zur schönen Seite einer
vorurteilslosen Kritik gehört, wenn Herr Sc. mich we¬
nigstens auf den Vortrag über meine Abhandlungen auf¬
merksam gemacht hätte, damit ich dort nicht nur so zu¬
fällig erschienen wäre. Den Vortrag haben Sie Ende
Mai abgehalten, also in einer Zeit, wo Sie mich schon
längst auf meiner Sommerstation wähnten. Als ich den
komischen Titel: „Kann man aus dem Verhalten des
Pulses gesunder Graviden auf die richtige Zeit der
Unterbrechung der Schwangerschaft herzkranker Gra¬
viden folgern“ gelesen und den Sinn enträtselt habe,
habe ich den Herrn Vortragenden und andere öfters ge¬
fragt, ob denn in diesem Vortrage meine Beobachtungen
besprochen werden, ich konnte jedoch nur zweideutige
Grimassen, aber nie eine Aufklärung herausbekommen:
Alles in allem, eine lächerliche Geheimtuerei und Ver¬
steckenspiel wie es im, gebildeten Westen nicht Vor¬
kommen kann.
Mit einem Wort: der Kritikerhatzum Ge¬
genbeweise völlig untaugliche Be¬
obachtungen ausgeführt, welche ihm
noch das Unglück geh rächt haben, daß
seine Fälle und Tabellen Ergänzungen
und Beweise für die Richtigkeit meiner
Puls Symptome lieferten.
Ich hoffe, daß er seine beleidigende Art zu kriti¬
sieren nunmehr abgewöhnen wird, die häßliche Art, die
„Wissenschaft“ als Deckmantel für persönliche Angriffe
zu benutzen, verlassen wird; ich hoffe, daß er sich
hüten wird, in Zukunft sich Hereindichtungen zu er¬
lauben und auf selbe „Anschuldigungen“ zu bauen, ich
hoffe, daß er von mir die Lehre annehmen wird, daß
„praeoccupatio impedit aninumi, ne possit ceruere
verum“.
Die Behandlung der akuten Urethritis
anterior und posterior.
Von Dr. Apostolos G. Apostolides, Arzt des Höpital
Civil Ottoman, Smyrna.*)
Vor einigen Monaten habe ich in drei Publikationen
„Ueber die moderne Therapie der akuten Gonorrhoe“
die chemischen Eigenschaften und die verschiedenen
Anwendungsweisen der gegen die Gonorrhoe empfoh¬
lenen Mittel ausführlich zusammengefaßt. Heute will
ich über meine Behandlungsweise der akuten Gonorrhoe
berichten.
*) Apostolos G. Apostolides: Betrachtungen über die neueren
Balsamica. Allg. Med. C-Ztg. Nr. 50, 1908. — Ueber die interne
Behandlung der akuten Gonorrhoe ibid. 1909, Nr. 16-17. — Die
moderne Therapie der akuten Gonorrhoe. Therapeutische Rund¬
schau Nr. 20 ff., 1909.
\\
326
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 21
a) Behandlung der akuten Urethritis anterior.
Kommt ein Patient mit einer Urethritis akuta
auterior in Behandlung und zeigt die mikroskopische
Untersuchung reichlich Gonokokken, so sollte stets
eine Abortiv-Kur durch Injektionen von 20 proz. Pro-
targolglycerinlösung resp. Albargin 20 °/° versucht wer¬
den, d. h. wenn die Gonorrhoe erst kurze Zeit, höch¬
stens zwei Tage alt ist. Statt dieser starken Konzentra¬
tionen kann man auch Abortiv-Spiilungen mit großen
Mengen “/«proz. Protargollösungen nach Janet täglich
1—2 mal vornehmen — (Apostolidis jun. Loc. cit.). Hat
das Abortivverfahren einen negativen Erfolg gezeigt,
so beginnt man mit der Injektionsbehandlung. Sind
starke Reizerscheinungen vorhanden, so verordnen wir
Bettruhe,' kalte oder Bürowsche Umschläge, reiz¬
lose Diät, Regelung des Stuhles, um erst dann zu den
Protargol- oder Novargan-Einspritzungen, d. h. der lo¬
kalen Behandlung überzugehen, andernfalls gehen wir
sofort zu jener über. Die Konzentration dieser Lö¬
sungen richtet sich nach dem Grad der Entzündung und
der Empfindlichkeit der Urethra. Bei stark entzünd¬
lichen Vorgängen und großer Empfindlichkeit beginnen
wir mit Argonin 2 ”/«, um möglichst bald auf Protargol
zurückzukommen. Die Protargol-Therapie wird in der
Weise gehandhabt, daß Patient selbst 4 mal täglich mit
der 0,25 prozentigen Protargollösung sich hinterein¬
ander je 5 Einspritzungen ä 3 Minuten Dauer macht.
Fast in allen Fällen wird diese topische Behandlung
durch die gleichzeitig interne Darreichung von
G o n o s a n täglich 8 Kapseln resp. T h y r e s o 1 unter¬
stützt. In dieser Weise nimmt die Sekretion gewöhn¬
lich vom 6. bis 8. Tage an bedeutend ab, der Urin
führt nur mehr Fäden, die Entzündungserscheinungen
gehen zurück. Diese Protargolbehandlung wird zehn
Tage fortgesetzt. Nach Finger genügt diese Zeit,
um das Sekret gonokokkenfre'i zu machen. 2 ) Aus dem
Fehlen von Gonokokken darf aber hier keineswegs der
Schluß gezogen werden, daß in der ganzen Schleimhaut
keine Gonokokken mehr seien und man mit dieser Therapie
aussetzen dürfe. Am 10. Tage der Behandlung lassen
wir nur zweimal täglich mit Protargol 0,30—0,50“'»
injizieren und machen nebenher ausgiebige Spülungen
der Harnröhre nach Janet (siehe Apostolidis Loc. cit.,
Seite 438) mit Kali permangan. 0,20 Hermophenyl
0,10aq. dest. 1500,0 15 Minuten vor dem Schlafengehen!
Diese Lösung wird fast stets gut vertragen und ruft in
keinem Falle störende Begleiterscheinungen hervor.
Bis zum 15.—20. Tage wird dies fortgesetzt, nach
welcher Zeit das Sekret so vermindert ist, daß im Urin
nur mehr ein paar Fäden zu sehen sind. Die Urethral¬
schleimhaut ist dann nur noch wenig empfindlich, und
es empfiehlt sich nun, die Protargollösung zu ver¬
stärken, oder noch besser, stärker wirkende Mittel,
speziell Albargin resp. Ichthargan oder Novargan III,
anzuwenden, die tiefer als Protargol einwirken (vide:
Apostolidis loc. cit. Therapeutische Rundschau Seite
423). Wir verordnen also: Albargin 0,2—0,4 oder
Novargan 111 0,5 aq. destill. ad. 200,0 „frigide et
recenter parandum" Ds. in vitr. nigr. — Der Patient
macht 2 mal täglich Einspritzungen, abends wird eine
Spülung mit obengenannter und durch Einschleichen
gestiegener Hermophenyl-Kal. permang.-Lösung vor¬
genommen ; dabei täglich 8 Santyl-Kapseln. Für sub¬
akute Formen ist Santyl besser als Gonosan.
Billiger als in Kapseln ist Santyl in Tropfen, 3 mal
täglich 20—30, jeweils mit Urotropin resp. Hel-
mitol oder besser Hetralin - Tabletten ä 0,50.
Einige Autoren verordnen zu dieser Zeit an
Stelle von Albargin das Argyrol in 2—4—10
**) Apostolides: Therapeutische Rundschau 1909, Nr. 20 ff.
prozentigen Lösungen. Diese Methode hat den
Nachteil, sehr teuer zu sein, ohne dabei unser Verfahren
mit Albargin an Wirksamkeit zu übertreffen. Nach
unserer Erfahrung tut man besser, am Abend die
Spülung mit Protargol 0,30“/» resp. Collargol 1 : 100
vorzunehmen, ein Verfahren, welches uns die besten
Resultate gab. Wie lange es bei Anwendung von Al¬
bargin dauert, bis die Gonokokken völlig aus der
Schleimhaut verschwunden sind, läßt sich im allge¬
meinen nicht sagen. Hier muß die mikroskopische
Untersuchung eingreifen. Auf keinen Fall dürfen wir
mit Albargin aufhören, bevor die Gonokokken nicht
längere Zeit abwesend bleiben. Für den Praktiker kann
das „je länger je lieber“ als Grundsatz gelten, weil, wenn
die Kokkenfreiheit der Fäden kein untrüglicher Beweis
ist, die antiseptische Therapie nicht zu früh sistiert
werden darf. Erst wenn nach wiederholter mikroskopi¬
scher Besichtigung (was für den Praktiker nicht leicht
ist) der Befund stets negativ blieb, ist man berechtigt,
zur adstringierenden Therapie überzu¬
gehen, um auch die Fädchen aus dem Harn, speziell
aus dem Morgenharn, zu entfernen, d. h. den Katarrh
zu heilen. Aber auch dann ist es empfehlenswert, vor¬
sichtshalber hier und da morgens Albargin resp. Novar¬
gan III 0,5°/» einspritzen zu lassen. Als Adstringens
empfehlen wir Zinci Soziodol. nach folgendem Rezept:
aa. 0,4
Aluminii sulf.
Zinci sulf.
Chloruret. ammon.
Kal. Nitr.
Aq. destill. 200,0
crudi. aa. 0,25 Aq.
aa.
10,0
Rp. Soziodol. Zinci 2,0 Rp.
Tr. opii simpl. 5,0
Aq. destill. 200,0
Ds. Zur Einspritz.
2 X täglich
Zinci sulfur. Ac. Carbol 1. alum.
destill. 200,0, Ds. zur Einspritzung.
Abends die gewöhnliche Spülung mit Kali permang.
0,20—0,60 Hermophenyl 0,25 : 1000,0. , Wer durchaus
Abwechselung liebt, ersetze das Albargin durch Ich¬
thargan resp. Argyrol zur Einspritzung einmal täglich
und mache eine Spülung abends vor dem Schlafengehen
mit Novargan III 0,15 "/» oder besser mit Collargol. Das
Wesentliche ist, daß man selbst zu dieser Zeit
einer starken antiseptischen Lösung
nie htentraten kann. Etwa^ am 30. Tage der Be¬
handlung höre ich mit den antiseptischen Mitteln auf
und lasse nur noch Largin oder Argentamin einmal
täglich und zwar morgens in .’/*—1 prozentiger Lösung
injizieren, während abends vor dem Schlafengehen eine
Janetsche Spülung gemacht wird mit Kali Hyper-
mangan. 0;60, Hydrargyrum oxycyanat. 0,15, Zinci sul-
furi 1,5, aq. destill. 1000,0.
Zum Schluß lassen wir 1—2 Flaschen einer
Bismuthmischung als „Pansement intra ure-
tral“ in der Harnröhre liegen: Rp. Xeroform oder
Dermatol 5,0, Glycerin 75,0, aq. destill. 25,0, Zinci-Sulfo-
carbol 0,10. M. f. Suspensio. Ds. zur Einspritzung.
Mit der Janetschen Spülung — einmal abends —
fahren wir fort, bis auch jede Spur von Fädchen aus
dem Morgenharn dauernd verschwunden ist. Die
Spülung wird probeweise ausgesetzt und es dürfen
sich nach Biergenuß und Koitus keine Rezidive zeigen.
Man darf also nicht, wie dies auch Finger und
N e i s s e r betonen, zu früh mit der Behänd-
I a n g a u f h ö r e n , da man sonst unliebsame Ueber-
raschungen erleben kann.
Die Behandlungsdauer schwankt zwischen 30 und
40 Tagen. Erscheinungen von Urethritis poste oder
andere Komplikationen treten in keinem einzigen Falle
auf, wenn die Behandlung frühzeitig begonnen und gut
ausgeführt wird. Wir müssen zugeben, daß unsere
Methode etwas kompliziert ist, aber sie hat den großen
Vorteil, eine definitive Heilung zu garantieren, ohne
Rezidive zu zeitigen; in keinem unserer Fälle konnte
Nr. 21
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
327
bestehen. Ob andere Aerzte Gelegenheit hatten, ein I Eine Frage von großer Bedeutung ist einerseits die
schnelleres Verschwinden der Gonokokken zu beob¬
achten, muß ich natürlich dahingestellt sein lassen.
Unter meinen akuten Fällen erwiesen sich etwa 2"/»
refraktär gegenüber der oben beschriebenen Methode.
Diese Mißerfolge können daran liegen, daß die Infektion
von Anfang an diffus war und daß die Gonokokken sich
irr schwer zugänglichen Partien der Harnröhre lokali¬
siert hatten; in derartigen Fällen ist das Endresultat ge¬
wöhnlich ungenügend, ja manchmal negativ.
b) Die Behandlung der perakuten und akuten
posterioren Urethritiden.
Man muß zwischen zwei Formen von akuter
Urethritis post, unterscheiden, jener mit heftigen Ent¬
zündungserscheinungen einerseits (perakuta Urethritis
posterior) und den ohne jedes Anzeichen von Inflamma¬
tion einsetzenden Fällen anderseits, die fast schmerzlos
verlaufen (akute Urethritis posterior), von der Urethritis
chronica post, ganz abgesehen. Bei der ersten Art der
Urethritiden ist eine lokale brüske Behandlung kontra¬
indiziert. Wir müssen also für einige Zeit von jeder
lokalen Behandlung am besten absehen. Nur bei
weniger intensivem Einsetzen der Urethritis posterior
wird eine mildere lokale Behandlung appliziert. So
z. B. raten wir dem Patienten abends vor dem Schlafen¬
gehen eine Janetsche Spülung mit 1 °/«° Protargol-
Lösung vorzunehmen. Dann empfehlen wir: Diät,
Bettruhe, Voll- und Sitzbäder, und suchen durch Balsa¬
mica und Salicylpräparate den Schmerz zu lindern.
Ferner kommen zur Beseitigung der subjektiven Be¬
schwerden Blasenantiseptica wie H e 1 m i t o 1 resp.
Hetralin zur Anwendung. C.onosan ist wegen der Reiz¬
wirkung auf die Schleimhaut nicht indiziert. Wir ver¬
ordnen neben Ruhe und Milchdiät regelmäßig Helmitol
(3 mal täglich 1 Pulver), gelegentlich auch Eumic-
tineLeprince oder S a n t y 1. Sehr häufig wurde
auch Aspirin gegeben. Verschiedene von diesen Mitteln
dienen dazu, den Säuregehalt des Urins zu erhöhen und
den Schmerz zu lindern; die Wichtigkeit des Säure¬
gehalts des Harns haben wir wiederholt hervorgehoben
und betont, daß jede Abnahme derselben ein Unter¬
stützungsmittel für das Zustandekommen einer Cystitis
ist. Dementsprechend verwerfen wir systematisch
den Gebrauch von alkalischen Mineralwässern bei der
Urethritis poster., welcher nach Finger „direkt ein
grober therapeutischer Fehler ist.“ In einer großen
Zahl von Fällen von Urethritis ac. poster. ist der Ge¬
brauch anderer Mittel durchaus entbehrlich, da diäte¬
tische und baineotherapeutische Maßnahmen nebst den
oben genanten Präparaten meist zum Ziele führen, in¬
dem sie die Hyperämie der Sexualorgane und demge¬
mäß Harndrang und Schmerzen bekämpfen. Ist aber
der Harndrang sehr heftig, so suchen wir neben Bett¬
ruhe, kühlenden Ueberschlägen, prolongierten Sitz-
und Vollbädern, durch ITyoscyamus, Morphium oder
durch H e r o i n die Symptome zu beseitigen. Folgende
Formel hat sich recht zweckentsprechend erwiesen:
Rp.: Heroin hydrochloric. 0,005—0,01, Sacch. alb.
0,5, M. d. t. Dos. X, S. Abends vor dem Schlafengehen
ein Pulver zu nehmen.
Auch Injektionen von 0,005 g Heroin haben sich be¬
währt. Gegen die terminale Hämaturie reicht Helmitol
in den meisten Fällen aus, was von verschiedenen Seiten
bestätigt wurde. Auch Calciumchlorid und Ergotin
werden mit Vorteil verwendet.
In neuester Zeit sind Stypticin und Styptol als
blutstillende Mittel in Betracht gezogen worden.
Von Styptol (phthalsaures Cotarnin) haben wir
ebenfalls sehr ermutigende Erfolge gesehen und m. E.
ist das Mittel bei Hämaturie eines Versuches wert.
VERS
Behandlung mit Sedativis zur Bekämpfung der Schlaf¬
losigkeit, der Erektionen und Pollutionen, mit denen
wir es häufig zu tun haben. In dieser Hinsicht leisten
die empfohlenen Kampfer- und Brompräparate relativ
w'enig. Finger verabreicht Natr. bromat. in Dosen von
2—3,0, des Abends vor dem Schlafengehen Camphor.
monobromat. mit Ergotin. M. v. Zeißl hat gute Resul¬
tate bei Verabreichung von Trional gesehen. Man
reicht das Trional an zwei aufeinanderfolgenden
Abenden, dann jeden zweiten Tag.
Besonders Veronal gelegentlich zusammen mit
Codein hat uns zur Bekämpfung der Schlaflosigkeit und
der Erektionen recht gute Dienste geleistet. Veronal
besitzt, außer seiner sedativen, eine diuretische
Wirkung, die nicht zu unterschätzen ist. v. Kaan be¬
vorzugt die Darreichung des Veronals in heißem
Baldriantee. Immerhin ist es zweckmäßig, nach zwei
Tagen mit einem anderen Hypnoticum wie S u 1 f o n a 1,
Trional usw. zu wechseln. Sehr zufrieden war ich
mit Heroin und Dionin, welches hier in abendlichen
Dosen ä 0,01 g innerlich oder in der Form von Suppo-
sitorien (Rp. Heroin hydrochlor. 0,01 resp. Dionin 0.03,
01 Cacao 2,0, M. f. supposit. d. t. dos. X.—S. 1 Zäpfchen
vor dem Schlafengehen) warm zu empfehlen ist. Bei
Darreichung von Heroin lassen die Schmerzen, Erek¬
tionen, Pollutionen prompt nach und die Kranken können
die lokale Behandlung beginnen.
Schließlich haben wir zur Behandlung der Be¬
schwerden bei der Gonorrhoe post, acuta noch zu er¬
wähnen: Die Applikation heißer, großer Wasser-
ktystiere (48—50“) per rectum. Unter dieser Therapie
und der kontinuierlichen Darreichung von Sandelöl¬
präparaten mit Helmitol hören im allgemeinen die sub¬
jektiven Symptome bald auf und die perakute Urethritis
kommt zu einer subakuten Form. Bei den von Beginn
an subakuten Formen oder sobald die starken Reiz¬
erscheinungen zurückgegangen sind, wird sofort mit
der lokalen Behandlung begonnen.
Wir verordnen gewöhnlich Harnröhrewaschungen
mit Protargol-Lösung 0,5 ”/» frühmorgens und mit
(0,02"/») abends vor dem Schlafengehen. Die zweite
Woche Irrigation mit Albargin 0,1 “/• morgens früh. Für
abends dieselbe Permanganatkaliumlösung. Dritte
Woche Albargin (0,15 “M wechselweise mit Argentamin
0,10"/» morgens; abends wie oben. Vierte Woche,
morgens Irrigation mit Argentamin resp. Argent. nitr.
(0,1 “/») oder Albargin (2"/») abends vor dem Schlafen¬
gehen. Von der fünften Woche ab nur eine Spülung
abends mit der oben genannten Lösung, wozu wir noch
Hydrargyrumoxycyanat in einer Konzentration von
0,20 : 10 000 zusetzen. Selbstverständlich setzt der
Patient nebenbei, von Beginn an, seine Injektionen mit
Protargol, nach demselben Prinzip wie bei der
Urethritis anterior, zweimal am Tage bis zu der vierten
Woche fort.
Nach der sechsten Woche soll der Patient nur mit
der oben genannten abendlichen Janetschen Spülung
noch zwei Wochen fortfahren und dann aussetzen, wenn
keine Fädchen sich im Urin befinden, sonst wird bis zum
Verschwinden derselben mit den Spülungen fortge¬
fahren. Selbstverständlich kann man sich auch anderer
Silberpräparate mit Vorteil bedienen. Schließlich
kommen zur Behandlung des postgonorrhoischen ter¬
minalen Katarrhs das Bismutum subnitricum und ähn¬
liche Verbindungen in Betracht. Bei der häufig vor¬
kommenden Prostatitis sind vor allem lokale Massage
und warme Einläufe in Anwendung zu ziehen.
Die unter der Wirkung der beiden oben beschrie¬
benen Methoden, der internen Medikation und lokalen
Behandlung, erzielten, Resultate waren vorzüglich. Ich
/EP
328
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 21
icli die akute Gonorrhoe in 2—3 Tagen heilen;
frühestens nach 10 Tagen gelang es mir, das definitive
Verschwinden der Gonokokken zu konstatieren. Das
Sekret blieb aber noch 15 Tage in Form von Fädchen
konnte bei Kranken ohne schwerere anatomische
Läsionen der Urethra (Drüsenläsionen, periurethrale
Verletzungen, Strikturen usw.) feststellen, daß die akute
Urethritis posterior durchschnittlich in zwei Monaten
heilte,. ohne daß irgendwelche Spuren zurückblieben,
ln allen Fällen haben wir die Patienten erst dann für
geheilt erklärt, wenn der Urin bei wiederholter Unter¬
suchung, und nachdem sich die Kranken körperlichen
Anstrengungen unterzogen hatten, kein Sekret mehr
aufwies.
Welche Schlußfolgerung können wir aus dem Vor¬
hergesagten ziehen: 1. Das Spezifikum für den Tripper,
das alle akuten, einfachen und komplizierten Gonor¬
rhoen, mit absoluter Sicherheit heilt, muß noch gefunden
werden. Zur Zeit sind die Silber-Eiweißverbindungen,
besonders Protargol, Albargin, Argyrol, Novargan,
Ichthargan, die besten Mittel, die dem Ideal Neissers
am meisten nahe kommen. 2. Wir dürfen nicht eher
von wirklicher Heilung sprechen, bevor nicht wenig¬
stens zehn Tage hindurch die mikroskopische Unter¬
suchung zahlreicher Präparate ein negatives Resultat
ergeben hat. Ich betone dies, weil ich fast täglich
Gelegenheit hatte, zu beobachten (besonders in der
Dermatologischen Universitätsklinik zu Athen Professor
Protopoulos), das Prostituierte nach den ersten nega¬
tiven mikroskopischen Präparaten als geheilt entlassen
wurden: die Folgeerscheinung war dann stets ein
heftiger Rückfall, der fälschlich als Neu-lnfektion an¬
gesehen wurde. Welch eminente Gefahr der Be¬
völkerung einer Stadt gerade aus dem Unterbleiben
von sorgfältigen wiederholten Untersuchungen
in diesen Fällen entstehen kann, dürfte ohne weiteres
jedem klar werden.
Die Verwendbarkeit von Celluloid als Material
zu Plattfußeinlagen.
Von Dr. med. Karl Lengfellner, Chirurg und Orthopäde in Berlin
Wer Hunderte von individuellen Einlagen selbst ge¬
macht hat und Tausende bei der Anfertigung beaufsichtigt
hat, der kommt zur Ueberzeugung, daß die Möglichkeiten
der Verwendbarkeit von Materialien zur Herstellung von
individuellen Einlagen sehr beschränkt sind. Unzählige
von Versuchen bewiesen mir diese Tatsache, und ich
würde es als eine ganz undankbare Aufgabe halten, noch
weiter daran zu rütteln.
Celluloid ist sicherlich eine sehr verwendbare Kom¬
position bei Anfertigung von Plattfußeinlagen, speziell
deshalb, weil die Möglichkeit gegeben ist, die Masse dem
individuellen Modell genau anzuschmiegen und anzu¬
passen, aber praktisch erprobt, muß ich sagen, wurden
meine Hoffnungen zum großen Teil enttäuscht. Im fol¬
genden werde ich Ihnen genau mein Urteil über die Art
der Verwendbarkeit des Celluloids mitteilen, und da
meine praktische Erfahrung hierin eine sehr große ist, so
können Sie sich darauf ohne weiteres verlassen.
In zweierlei Form ist Celluloid zu verwenden:
1. als Celluloid-Lösung;
2. in Plattenform.
Ad I. An Stelle von Celluloid kann man auch Nitro¬
cellulose setzen, die aber zu spröde Konsistenz gibt.
Vorteilhaft ist oft eine Mischung von Celluloid und Nitro¬
cellulose. Wie man am besten eine Celluloidlösung her¬
stellt, habe ich in Nr. 41 (1907) der Münchener Mediz.
Wochenschrift dargelegt; dort finden Sie auch Näheres
über Celluloidtechrük verzeichnet.
Die bekannteste Celluloideinlage, die Langesche
Trikot-Celluloideinlage, hat den unbedingten Vorteil der
genauen Anpassung, auf der andern Seite aber eine Reihe
von Nachteilen. Zudem muß ich konstatieren, daß ich
auf Grund der vielen Einlagen, die nach dem Prinzip von
Lange in vielen Kliniken angefertigt werden, gesehen
habe, daß es nur selten gelingt, eine Einlage im Sinne
von Lange zu erzeugen. Meist besteht nur eine entfernte
Aehnlichkeit mit einer Einlage, die von Lange selbst
stammt. Aber auch letztere hat leider folgende Nachteile.
Die Herstellung ist eine langatmige und bedarf natur¬
gedrungen wegen des Trocknens der einzelnen Schichten
mehrfacher Unterbrechungen. Die Festigkeit der fertigen
Celluloideinlage reicht trotz des eingelegten Drahtes nicht
aus, ein Heruntertreten der Einlage außer an der Stelle,
wo der Kork stützt, zu vermeiden.
Der Korkklotz ist heutzutage wohl zur Unmöglichkeit
geworden, abgesehen davon, daß er sich häufig nach
oben und noch häufiger die Sohle nach unten durch¬
drückt. Dazu kommt noch die leichte Zerbrechlichkeit
der Celluloidtrikotränder. Dies sind Erfahrungstatsachen,
die sich nicht von der Hand weisen lassen. Eine weitere
Gefahr besteht noch darin, daß die Einlage so reichlich
ausfällt, daß sie nur in einen Stiefel zu legen ist, der
einem Oderkahn gleicht. Bei der modernen Technik sind
aber Plattfußpatienten derlei plumpes Maßschuhwerk nicht
mehr gewöhnt, sondern beanspruchen — und mit Recht —
daß sie eine Einlage bekommen, die in jeden Lagerstiefel
paßt. (Ich sehe dabei natürlich von Ausnahmefällen mit
besonderen Deformierungen ab.) Will man diese sehr
umständliche Technik überhaupt beibehalten, so muß auf
alle Fälle ein Verfahren gewählt werden, welches die
Sicherheit gibt) däß ein Heruntertreten der Einlage un¬
möglich ist. Ich habe ein solches angegeben,
indem ich vorschlug, zwischen den Trikot-
Celluloidschichten eine genau angetriebene Alu¬
miniumplatte einzufügen und nach dem Trocknen
durch Nieten noch zu verbinden. Durch das Ein¬
betten der Aluminiumplatte in Celluloid zeigte sich, daß
die Widerstandskraft des sonst zerbrechlichen Metalls sehr
erhöht wird. Ferner habe ich das Verfahren noch da¬
durch bedeutend verbessert, daß ich die Aluminiumplatte
zuerst siebartig durchlöchern lasse, so daß das Celluloid
von beiden Seiten durchzudringen imstande ist und zu
einer ganz enormen Festigkeit der Einlage führt. (D.R.P.)
Trotzdem die Einlage — so angefertigt — sehr wider¬
standsfähig ist, ist es doch ratsam, noch eine Spannfeder,
wie ich sie wiederholt angab, anzubringen. Langwierig
ist auch diese Art der Anfertigung von Celluloideinlagen,
aber sie hat zwei ganz wesentliche Vorteile, nämlich, daß
der Kork entbehrt, und die Sicherheit, daß die Einlage
nicht heruntergetreten werden kann.
Drahtgitter einzulegen, rate ich Ihnen auf Grund
meiner Versuche dringend ab.
Stahlbänder einzulegen, wie ich dies früher einmal
angab und noch häufig zu sehen bekomme, ist vollkommen
zwecklos. Einmal senkt sich die Einlage trotzdem überall,
wo das Stahlband nicht wirkt, und dann tritt sich das¬
selbe regelmäßig selbst herunter.
Ich muß gestehen, daß ich von der ganzen Celluloid¬
kleckserei vollständig abgekommen bin, und von den
Tausenden von individuellen Einlagen, die ich im Laufe
des Jahres machen lasse, sind nur wenige dabei, die nach
der von mir angegebenen Modifikation gemacht sind.
Vereinzelt wende ich immer noch meine Celluloid-Schnür¬
einlage und den Celluloid-Schnürstiefel an.
Weit praktischer wäre die Anwendung der
Celluloidplatten, ja dieselben würden das idealste
Material für eine individuelle Einlage darsteilen,
/EF
I
Nr. 21
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
329
wenn nicht einige Schattenseiten gewichtiger
Natur auch hier wieder störend wirken würden.
Man braucht eine Celluloidplatte nur in heißes Wasser
zu stecken, um sie alsbald in weichem Zustande auf das
schönste und einfachste und zudem genaueste dem in¬
dividuellen Gipsmodell überzumodellieren. In einigen
Minuten ist sie wieder hart. Auch Innenrand und Außen¬
rand lassen sich auf diese Weise leicht und genau an¬
passend gewinnen; doch rate ich Ihnen überhaupt ab,
jemals einen Außenrand aus unnachgiebigem Material zu
machen.
Das zu starke Abrutschen nach außen ver¬
meide ich mit bestem Erfolg dadurch, daß ich jeder
Einlage eine kleine schraubenartige Drehung in
dem Sinne geben lasse, daß der äußere Vorder¬
fuß eine Hebung erfährt. Die Trikot-Celluloidränder
sind vollkommen überflüssig geworden, seitdem ich das
Leder überwalken lasse und diese Walklederränder mit
Celluloid oder noch besser einer mir patentierten, dem
Leder fest anhaftenden Masse bestreiche. Diese Ränder
bieten mindestens den gleichen Widerstand, wie die
Trikot-Celluloidränder, sind schnell und einfach zu ge¬
winnen und brechen vor allem nicht.
Selbstverständlich ist eine Einlage, aus einer Celluloid¬
platte hergestellt, wenn sie auch noch so genau paßt,
vollständig unbrauchbar, und man muß sich darüber
wundern, immer wieder derlei Einlagen zu Gesicht zu
bekommen, die von wissenschaftlich orthopädischer Seite
stammen. Auch das Anbringen einer einfachen Spann¬
feder unter der Wölbung bietet noch keinen Sicherheits¬
effekt. Stets kommt es zu einem Durchtreten der ganzen
Einlage, sobald die Fußwärme mit dem Celluloid in Be¬
rührung kommt.
Ich will hier die Möglichkeiten besprechen,
die überhaupt die Verwendbarkeit der Zelluloid¬
platten bei Herstellung von Einlagen gestatten.
Voraussetzung bleibt, daß nur erstklassiges Zelluloid-
platten-Material Verwendung findet; es ist keineswegs so
leicht, wirklich gutes Material in dieser Hinsicht zu er¬
reichen. Trotzdem ich nun sicherlich über ganz aus¬
gezeichnetes Zelluloid in Plattenform verfüge, ist doch
die Verwendbarkeit trotz der mancherlei Hilfsmittel, die
ich Ihnen gleich anführen werde, eine sehr beschränkte.
Wohl kann man das Heruntertreten verhindern, aber die
Federn, die dies erreichen lassen, müssen genietet werden,
und dieses Nieten ist äußerst unvorteilhaft für
das Material, wenigstens wenn schweres Gewicht
die fertige Einlage belastet. Um das Resultat der
praktischen Verwendbarkeit vorwegzunehmen, bilden die
Zelluloidplatten-Einlagen, wie ich sie im Folgenden an¬
geben werde, eine ideale Einlage für Kinder und leichte
Damen, speziell augh fürjKnickfüße, da sich durch die festen,
inneren, genau geformten Ränder großer Halt erzielen
läßt, natürlich nur in Verbindung mit den gleich zu be¬
schreibenden, von mir erfundenen Federn, die leider an¬
genietet werden müssen. Macht auch eine gute Niet¬
technik noch viel zugunsten der Dauerhaftigkeit des
Materials aus, so rate ich Ihnen bei schweren Patienten
auf alle Fälle von Zelluloidplatteneinlagen ab.
Ich mache bereits seit einiger Zeit Versuche
mit nietenloser Feder (D. R. P.). Die Technik
scheint zu gelingen; dann allerdings wird die
Verwendbarkeit eine allgemeine.
Eine Zelluloidplatten-Einlage ist nur dann verwendbar,
wenn sie noch eine Unterstützung erfährt, die durch
eine dünne Metallplatte oder eine der von mir ange¬
gebenen Federn gewährleistet wird. Man kann der
Zelluloidplatte noch eine dünne Aluminiumplatte auf¬
nieten und dann eine einfache Spannfeder anbringen.
Auf diese Weise kommt man zum Ziele. Von den drei
nebenan abgebildeten Federn benutze ich 1 und 2 nur
Fig. 3 (von oben). 7 7 TU
Es zeigte sich ferner noch, daß trotz des sorgsam
ausgewählten Zelluloidplattenmaterials vor allem die
mediale vordere Spitze leicht abbrach. Dies verhindere
Fig. 3 (von unten).
ich dadurch, daß ich von vornherein ein dreieckiges
Stück Aluminium einnieten lasse, wodurch das Einbrechen
dieser medialen Spitze vollkommen vermieden wird.
band ist bedeutend kürzer und bildet nur eine Spann¬
feder für das erste Stahlband und damit für die ganze
Einlage. Es ist natürlich ausgeschlossen, daß das erste
Fig. 2.
Stahlband auf diese Weise auch nur einen Millimeter nach¬
gibt; ich verwende diese Feder (D. R. G. M.) auch
bei meinen Aluminiumeinlagen.
mehr .sehr wenig; ganz vortrefflich aber hat sich 3 be¬
währt. Diese Feder besteht aus 2 Stahlbändern. Das
untere Stahlband stützt die Einlage. Das zweite Stahl-
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 21
Schließlich möchte ich noch einige Worte über
meine neue Stahl-Zelluloid-Einlage berichten, die eine
unzerbrechliche käufliche Einlage darstellen wird (D. R. P.
erteilt). Ein besonders dauerhafter schwedischer Stahl,
der einer besonderen Härtungsprozedur unterworfen
wird, wird siebartig durchlöchert. Dadurch nun, daß auf
beiden Seiten Zelluloid aufgestrichen oder durch Preß-
verfahren aufgepreßt wird, kommt es durch die infolge
der Löcher hergestellte Zelluloidverbindung zu einer
enormen Haltbarkeit des Stahles. Außerdem hat das
Verfahren den Vorteil, daß der Schweiß nicht auf das
Metall einwirken kann. (Figur B erläutert diese Einlage.)
Fig. 1 die Ansicht von oben auf eine Plattfußeinlage,
welche so aufgebrochen ist, daß teils die untere Celluloid¬
schicht, teils das eingebettete Blech, teils die obere
Celluloidschicht sichtbar wird. Ferner zeigt
Fig. 2. den Längsschnitt durch das Metallblech und
Fig. 3 den Längsschnitt durch die gebrauschsfertige
Plattfußeinlage.
ln den Figuren bedeutet 1 eine Plattfußeinlage. Diese
besteht aus einem Metallblech 2, das mit Löchern 3 ver¬
sehen ist. Durch die letzteren hindurch verbindet sich
gemäß der vorliegenden Erfindung eine untere Celluloid¬
schicht 4 fest mit einer oberen Schicht 5, über welche
zweckmäßig eine mit Celluloidmasse bestrichene Brand¬
sohle 6 geklebt wird. Auf diese Weise wird der tech¬
nische Fortschritt erreicht, die obere und untere Celluloid¬
schicht zuverlässig miteinander zu verbinden, so daß ein
Abblättern derselben nicht mehr zu befürchten ist. Dabei
ist die Herstellung eine sehr einfache und billige, bei der
keinerlei Stifte, Schrauben oder dergl. zur Verwendung
gelangen.
REFERATE.
Augenheilkunde.
Referent: Augenarzt Dr. Paul Greven*. Aachen.
1. Pseudotrichiasis. Von Dr. Oppenheimer, Augenarzt,
Berlin, Wochenschr. für Ther. und Hyg. d. Auges, XIII No. 25.
2. The Smith Operation (Extraktion in der Kapsel). Bericht
von San.-Rat Dr. Ohlemann nach dem Ophthalmie Record,
Febr. 1910. Wochenschrift für Therapie und Hygiene des Auges
XIII No. 25 und 26.
3. Ueber „Trachom“ bei Neugeborenen. Von Dr. A. S c h i e 1 e ,
Augenarzt der Kreislandschaft Kursk. Wochenschrift für Ther. und
Hyg. des Auges XIII No. 26.
4. Die Optikerfrage. Von Dr. Franz H e i 1 b o r n , Augenarzt
in Breslau. (Aus dessen Buch: „Die Bedeutung der Augenhygiene
für den Staat mit besonderer Berücksichtigung der Wehrfrage“,
Verlag S. Karger, Berlin.) Wochenschrift für Therapie und Hyg.
des Auges XIII No. 26.
5. Beiträge zur Ophthalmotonometrie. Von Stabsarzt Dr.
F. Langenhan (Universitäts-Augenklinik v. Michel, Berlin*. Zeit¬
schrift für Augenheilkunde XXIII, 3. Heft.
6. Dermoid der Hornhaut mit elastischem Knorpel. Von Stabs¬
arzt Dr. O. Napp, Assistenten der v. Michelschen Univ.-Augen¬
klinik in Berlin. Ibidem.
7. Ein Fall von Linsentrübung im Anschluß an Hornhautver¬
ätzung durch Salzsäure. Von Dr. H e i n T.i c h. S cji m i^d t,, Augen¬
arzt in Wilhelmshaven. ' Ibidem.
8. Ein Fall von Pirquetscher Kutanreaktion mit letaler Kompli¬
kation. Von Dr. E. Wieg m a n n —Hildesheim. Wochenschr. für
Ther. u. Hyg. des Auges XIII No. 27.
9. Zur Behandlung der chronischen Lidrandentzündung (Blepha¬
ritis ciiiaris). Von Dr. Pick, Augenarzt in Königsberg i. Pr. Thera¬
peut. Monatshefte, April 1910.
10. Ueber Europhen in der Augenheilkunde. Von demselben.
Ibidem.
11. Ueber die Operation der Kurzsichtigkeit höchsten Grades.
Von Dr. W. Goldzieher in Budapest. Mediz. Klinik 1910
No. 17.
12. Zur Therapie der Eisensplitterverletzungen der Linse. Von
Prof. Dr. A. E 1 s c h n i g , Prag. (Deutsche Universitäts-Augen¬
klinik). Münch. Mediz. Wochenschrift 1910 No. 15.
1. Mit Pseudotrichiasis bezeichnet Oppenheimer hier den Be-
iuud, daß am Canthus lateralis eine oder mehrere Cilien nach hinten
umgeschlagen sind, ein Befund, der bei Kindern ziemlich häufig ist.
Dieser Zustand verursacht Tränen, leicht eitrige Sekretion, Injektion
der bulbären Bindehaut und Fremdkörpergefühl. Die Behandlung
besteht lediglich in der Reposition der umgelegten Cilien.
2. Ausführlicher Bericht über die Kataraktoperation nach Smith,
die in der Auspressung der Katarakt in der Kapsel besteht. Die
Vorteile dieser Operation sollen sein: 1. Möglichkeit der Operation
in jedem Stadium der Katarakt, 2. Fortfall einer späteren Diszission,
3. große Seltenheit einer postoperativen Entzündung, 4. keine
Kapseleinklemmung, 5. nur einmalige Operation, 6. besseres Seh¬
vermögen. Demgegenüber steht als Hauptnachteil der leichtere
Glaskörperverlust und die größere Schwierigkeit der Ausführung der
Operation. Die Operation wird von Smith und seinen Anhängern
hauptsächlich in Indien ausgeführt, wo Katarakt sehr häufig ist, die
Meinungen über den Wert dieses Operationsverfahrens sind noch
sehr geteilt.
3. Früher wurde, so auch von Graefe und von Arlt, das Vor¬
kommen von Trachom bei Kindern bestritten. Hauptsächlich aber
haben Aerzte in Trachomländern (Aegyten, Rußland) Trachom auch
bei Kindern, ja selbst bei Säuglingen beobachtet. Diese klinische
Beobachtung von Trachom bei Kindern wird jetzt nach Schieies
Ansicht durch das Mikroskop bestätigt. Denn in letzter Zeit sind
in Ausstrichpräparaten bei Fällen von Conjunctivitis blenno-
gonorrhoica Trachomkörperchen und Chlamydozoa gefunden worden.
Auch Schiele hat solche Fälle beobachtet, wo nur Chlamydozoa
und freie Trachomkörperchen vorhanden waren, dagegen gar keine
Gonokokken. Er glaubt daher, daß man im Gegensatz zur Conj.
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nr. 21
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
331
blenn.-gonorrhoica eine neue Form, die Conj. blenn.-trachomatosa
aufstellen müsse, Das Bild der trachomatösen Entzündung der
Conjunctiva der Neugeborenen ist etwas verschieden von dem der
gonorrhoischen. Bei der ersten Form ist das eitrige Sekret nicht
so dickflüssig, die Infiltration der Mukosa ist meist geringer, dem¬
entsprechend tritt auch die Schwellung der Lider nicht so heftig
auf. Während die Conjunctivitis blenno-gonorrhoica in 4—6 Wochen
abläuft, dauert die trachomatöse Form mehrere Monate. Bei den
trachomatiösen Fällen fehlt die Follikelbildung, wohl deshalb, weil
bei den Neugeborenen das adenoide Gewebe der Konjunktiva noch
nicht ausgebildet ist.
4. Eine falsche Brille gleicht einem falsch verschriebenen Medi¬
kament und kann viel Unheil anstiften. Brillen sollen daher nur vom
Arzte verschrieben werden, dem Optiker liegt nur die Ausführung
dieser Verordnung ob, ebenso wie dem Apotheker die Verabreichung
der ärztlich verordneten Medikamente. Heilborn verlangt, daß die
Verabreichung von Konkavbrillen seitens der Optiker, Uhrenhändler
und ähnlicher Gewerbetreibender unter das Kurpfuschereiverbot
gestellt wird, und hält diese Maßregel für dringend nötig. (Diese
Frage ist ebenfalls schon vor Jahren erörtert worden in des Refe¬
renten Arbeit: „Augenarzt oder Optiker?“ von Dr. P. Greven,
Mediz. Klinik 190,5 No. 31, wo statistisch erwiesen wird, daß 27 pCt.
der vom Optiker verordneten Brillengläser falsch sind. — Anm.
des Referenten.)
5. Langenhan berichtet in vorliegender Arbeit ausführlich über
die Resultate seiner tonometrischen Untersuchungen. Das wichtigste
daraus, welches auch für den Praktiker von Bedeutung ist, ist
folgendes: Der Binneridruck des normalen Auges wird durch
Holokain und Atropin nicht wesentlich verändert, durch Kokain
vielleicht in geringem Grade, durch Pilokarpin und Eserin deutlicher
herabgesetzt. Sowohl Tenotomie wie Vorlagerung eines geraden
Augenmuskels haben eine geringe Druckherabsetzung zur Folge.
Hochgradige Myopie bedingt an sich keine Druckverminderung. Er¬
krankungen der Hornhaut und Lederhaut können mit teils sehr aus¬
gesprochener Hypotonie einhergehen. Die Druckschwankungen bei
Iritis und Iridozyklitis zeigen keine Regelmäßigkeit nach zeitlichen
Stadien. Der pathologisch herabgesetzte intraokulare Druck erfährt
durch subkonjunktivale Injektion physiologischer Kochsalzlösung eine
deutliche, aber rasch vorübergehende Steigerung. Die Augen an
Basedowscher Krankheit leidender Patienten neigen zu geringer
Hypertonie. Intraokulare Tumoren gehen im 1. Stadium nicht
selten mit Druckverminderung einher. Die Druckherabsetzung glau¬
komatös erkrankter Augen durch Pilokarpin ist eine schwächere, aber
gleichmäßigere als die durch Eserin. Die stärkste Druckver¬
minderung ist bei beiden Medikamenten meist 3 U —1 Stunde nach
Beginn der Einträufelung erreicht. Die Anwendung des Kokains
ist auch in Kombination mit Mioticis bei der Glaukombehandlung
zu vermeiden. Die Wiederherstellung des 2 Wochen nach der
Staroperation noch stark herabgesetzten Augendruckes erfolgt je
nach dem Zustandekommen der Wundvernarbung in verschiedener
Zeit, bei unkompliziertem Heilungsverlauf meist schon nach einigen
Wochen.
6. Die Dermoide der Hornhaut enthalten nach von Hippel die
charakteristischen Bestandteile der äußeren Haut: Epidermis, Haar¬
bälge, Schweißdrüsen, Fettgewebe, in. seltenen Fällen hyalinen
Knorpel und Knochenstückchen. Napp beschreibt nun ein Dermoid
mit entzündlich gereizter Oberfläche, welches den von von Hippel
Lipodermoid genannten Geschwülsten zuzurechnen ist. Im Gegen¬
satz zu den bisher bekannt gewordenen Befunden enthält diese Ge¬
schwulst jedoch keinen hyalinen, sondern elastischen Knorpel.
7. Guillery veröffentlichte 1909 eine eingehende experimentelle
Arbeit über Hornhautverätzung durch Säuren. Diese Experimente
führten nebenbei zu der unerwarteten Entdeckung, daß nach der Ein¬
wirkung anorganischer Säuren, speziell der Schwefel-, Salz- und
Salpetersäure, sich an die Verätzung der Hornhaut unter Um¬
ständen auch mehr oder weniger schwere Veränderungen in der
Linse anschließen können. Den ersten derartigen Fall aus der
Praxis veröffentlicht jetzt in vorliegender Arbeit Schmidt. Acht
Tage nach einer sonst unbedeutenden Hornhautverätzung durch Salz¬
säure fanden sich in der Kortikalis sehr zahlreiche kleine bis kleinste
grauweiße, runde Trübungen (die größten hatten etwa 0,5 mm
Durchmesser). Sie waren ziemlich gleichmäßig über die ganze
Rinde zerstreut. Am Aequator schienen sie zum Teil zusammen¬
zufließen, so daß sie dann eine mehr längliche Gestalt annahmen.
Diese Linsentrübungen waren nur bei seitlicher Beleuchtung sicht¬
bar: im durchfallenden Lichte ergab sich wohl eine leichte Ver¬
schleierung des Hintergrundbildes, aber distinkte Linsentrübungen
waren nicht zu erkennen. Die Sehschärfe war zunächst 0,7. fünf
Monate später nur noch 0,5. Das nichtverletzte Auge war voll¬
kommen normal. Der Patient war dem Verfasser schon seit Jahren
vor der Verletzung bekannt, aber die Linsentrübungen waren nie,
auch nicht bei seitlicher Beleuchtung, vorher gefunden worden.
Schmidt ist daher der Ansicht, daß mit höchster Wahrscheinlichkeit
ein kausaler Zusammenhang zwischen der Säureverätzung und der
Linsentrübung besteht und hat dies auch in seinem Unfallgutachten
ausgedrückt.
8. Die Pirquetsche Reaktion ist wegen ihrer Ungefährlichkeit
und leichten Ausführbarkeit die beliebteste Methode zum Nachweis
von Tuberkulose im Kindesalter. Sie ist an keine Kontraindikation
gebunden, wie dies bei der subkutanen diagnostischen Tuberkulin¬
injektion sowie bei der Ophthalmoreaktion der Fall ist. Nun erlebte
Wiegmann folgenden Fall: Er stellte bei einem 4 jährigen skrofu¬
lösen Knaben nach nahezu vollendeter Abheilung eines rezidivieren¬
den Uleus corneae und sehr starken, eitrigen Bindehautkatarrhs lege
artis die Kutanreaktion nach von Pirquet an, zugleich auch bei einem
arideren nicht augenkranken Kinde. Die Reaktion an den Impf¬
stellen war nicht übermäßig stark, so daß das Vorhandensein von
Tuberkulose anzunehmen war. Nach zwei Tagen aber erkrankte
das sonst muntere Kind unter dem Zeichen von Meningitis und starb
unter solchen Symptomen am 11. Tage nach der Impfung. Die
Sektion konnte nicht vorgenommen werden. Da erhebt sich nun die
Frage: war diese Meningitis eine ganz zufällige Komplikation,
oder war vielleicht der Tuberkulineinverleibung eine Schuld an dem
Ausbruch dieser Erkrankung zuzuschreiben? Der Umstand, daß so
bald nach der Impfung bei dem sonst munteren Knaben die menin-
gitischen Erscheinungen auftraten, gibt gewiß zu denken. An dem
Präparat konnte die Schuld nicht liegen, denn das zweite, mit der¬
selben Lösung behandelte Kind blieb vor Komplikationen bewahrt.
9. Die Therapie der chronischen Lidrandentziindung hat in erster
Linie eine Neuinfektion zu verhüten. Bei Tränenleiden, Nasenleiden,
Bindehautentzündungen, Lidentzündungen sind diese zu behandeln.
Weiterhin müssen die infizierten Haare epiliert werden, d. h. solche,
deren Wimperboden mit anhaftenden Schuppen bedeckt ist, oder wo
kleine Eiterpusteln die Wimper umgeben. Zur Nachbehandlung emp¬
fiehlt Piek kühlende Umschläge mit Alsol, 3 proz., 1 Teelöffel auf
i Glas Wasser, dreimal täglich 10 Minuten lang, mit Borsäure, Blpi-
wasser usw. Statt der üblichen gelben Salbe lobt Piek folgende
Lidsalben: Acid. salicyl. 0,3 Zinc. oxyd. -1,0 Vaselin^Lanolin aa i%0
und Tumenol 0,3, Zinc. oxyd. 1,0, Vasel. Lanol. aa 5,0. Bei 4er
eitrigen Form ist nach der Epilation der Grund mit Arg. nitr. mite-
Stift auszuätzen.
10. Europhen ist ein stark jodhaltiges, geruchloses Pulver von
gelber Farbe. Piek hat dasselbe bei schweren infektiösen Prozessen
erprobt und mit ihm in einer Reihe von Fällen gute Erfolge erzielt,
so bei perforierenden, schon infizierten Augapfelwunden, ferner bei
schweren Ulcera serpentia in Verbindung mit der sonst üblichen
operativen Therapie.
11. Goldzieher trägt hier seine Ansicht über die Brauchbarkeit
der Myopieoperation vor. Auf Grund seiner Erfahrungen glaubt er,
daß wir nicht das Recht haben, eine Methode, die so viel leisten
kann, endgültig zu verwerfen. Er hält trotz aller gegenteiliger
Vorschläge an der operativen Behandlung in drei Absätzen (1. Linsen-
diszission, 2. Evacuatio lentis linearis, 3. Nachstardiszission) fest.
Was die Gefahr der Netzhautablösung nach der Operation betrifft,
so glaubt Goldzieher, daß die Myopieoperation, vorausgesetzt, daß
alle Vorsichtsmaßregeln gebraucht und die Operation mit der nötigen
Exaktheit tadellos ausgeführt ist, ganz gewiß nicht die Veranlassung
zu einer etwaigen Netzhautablösung ist. Es gehört indessen die
höchste Kunst des erfahrensten Augenarztes dazu, die geeigneten
Fälle auszusuchen und schonend zu operieren. „Es ist vielleicht ein
Segen, daß auf die erste gärende Epoche in der Geschichte dieser
Operationsmethode eine Epoche der Zurückhaltung, ja der Zurück¬
weisung gefolgt ist; denn es werden sich jetzt' so manche Un¬
berufene von der Operation zurückhalten. Man wird sich ihr mit
gereifter Erfahrung und schärferer Kritik wieder zuwenden und sich
überzeugen, daß sie — allerdings nur in geeigneten Fällen — zu den
nützlichsten Eingriffen unserer Kunst gehört, und daß wir sie über¬
haupt in der Operationslehre des Auges nicht missen wollen.“
12. Nur in den seltensten Fällen führt die Anwesenheit eines
Eisensplitters in der Linse nicht zu vollständiger Linsentrübung.
Es scheint dies nur dann der Fall zu sein, wenn die Perforations¬
stelle der Linsenkapsel sich sehr rasch schließt und anderseits der
Splitter an der vorderen Linsenkapsel sitzt und von gewuchertem
Kapselepithel umschlossen wird. In einem Falle von Eisensplitter
in der durchsichtigen Linse, bei dem die Perforationsstelle in der
vorderen Kapsel sich schon fast geschlossen hatte, wurde zum
erstenmal von Elschnig die operative Eröffnung der Linsenkapsel
und Extraktion des Fremdkörpers mit Erhaltung der Durchsichtigkeit
der Linse ausgeführt (S =fast 1). — Die Eisenstare besitzen durch¬
aus nicht die ihnen (besonders von Sattler) zugeschriebene harte
Konsistenz, sondern auch über ein halbes Jahr lang bestehende
können eine beträchtliche Erweichung der ganzen Linse, ja partielle
Verflüssigung der Rinde aufweisen, wie Elschnig an vier Fällen
der letzten zwei Jahre beobachten konnte. Es ist daher bis etwa
zum 40. Lebensjahr die Extraktion durch eine Lanzenwunde indiziert.
Radiotherapie
Referent: Dr. H. E. Schmidt, Berlin.
1. Ueber die Anwendung der ungedämpften elektrischem
Schwingungen (Forestsche Nadel) zu operativen Zwecken
von Dr. Max Cohn, Berlin, Berliner klin. Wochenschrift 1910, Nr. 16.
2. Klinische Versuche mit Rädiumemanation von
Dr. Karl von Klecki, Wiener klin. Wochenschrift 1910. Nr. 15.
3. Röntgenbehandlung und operative Behandlung von
Myomen von Sanitätsrat Dr. Schindler, Görlitz, Deutsche
medizin. Wochenschrift 1910, Nr. 9.
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332
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 21
4. Ueber Operationen mit dem elektrischen Lichtbogen
und Diathermie von Dr. Vincenz Czerny, Heidelberg, Deutsche
medizin. Wochenschrift 1910, Nr. 11.
5. Weitere Erfahrungen über die Glühlichtbehandlung
des Asthma bronchiale von Dr. E. Tobias, Berlin, Deutsche
medizin. Wochenschrift 1910, Nr. 14.
1 Mit der Forestschen Nadel kann man zweierlei erreichen:
1. eine schnittförmige Durchtrennung der Gewebe, ohne daß eine
Blutung eintritt, wenn nicht gerade große Gefäße getroffen werden,
2 eine unblutige Verschorfung des Gewebes durch Einstechen der
Nadel und längeres Verweilen an der Einstichstelle. Mitteilung eines
Falles von Lupus-Carcinom, welches zum Teil mit der Forestschen
Nadel zerstört wurde. Die Narbenbildung war kosmetisch durchaus
befriedigend.
2. Mitteilung von 31 Fällen (chron. Arthritis, Muskelrheuma¬
tismus, Neuralgie, Tabes), die in ausgiebiger Weise mit Radiogen-
Trink- und Badekuren behandelt wurden, ohne daß ein nennens¬
werter Erfolg erzielt wurde.
Referent hat von jeher der ganzen Emanationstherapie sehr
skeptisch gegenüber gestanden, zumal die hauptsächlichste Indikation,
der chronische Gelenkrheumatismus, einen sehr schlechten Prüfstein
für die Wirksamkeit einer Therapie bildet. Dasselbe gilt für die
Tabes und die Neuralgie; bei allen diesen Affektionen kommen ja
bekanntlich spontan häufig vorübergehende Besserungen vor.
3. Mitteilung von zwölf Myomfällen; zwei wurden operativ,
zehn mit Röntgenstrahlen behandelt; Mißerfolg nur in zwei Fällen,
die dann auch operativ behandelt werden mußten. Warme Emp¬
fehlung der Röntgentherapie.
4. Mitteilung technischer Einzelheiten und der Erfolge der
Behandlung von Carcinomen mit der Forestschen Nadel und dem
Diathermieapparat. Mit der Forestschen Nadel kann man schneiden
wie mit einem Messer, ohne daß eine Blutung eintritt, wenn nicht
gerade sehr große Gefäße durchtrennt werden. Auch zur Zerstörung
kleine' - Cancroidc und Lupusherde eignet sie sich
Mitte s der Diathermie gelingt eine unhlut ge Verschorfung
massiger Tumoren Kurzer Bericht iiöer die bisher behandelten
Carcmomfälle. Der Verfass r kommt auf Grund seiner bisher ge¬
sammelten l i fahrungen zu dem Schlüsse, daß die Liclubogenoperation,
Elektrokaustik .und Diathermie M.tlel darstellen, weiche die Krebse
lokal zerstören können, welche aber ge.^en Rückfall nicht mehr
sichern, als die risher gebrauchten Me.hoden Die Hauptgefahr
beruht in den Nachblutungen, die mein fach beobachtet wurden und
in einem Falle zum Ex'His führten. _____
5. Empfehlung der Glühiichtl ade r beim Asthma bronchiale.
Erfolg, frühestens nach vier bis sechs Bädern zu konstatieren; meist
sind mehr erforderlich. Die Methode macht die übrigen Behand¬
lungsarten zwar nicht entbehrlich, ist aber doch ein erfolgreiches
Unterstützungsmittel im Kampfe gegen das nervöse Asthma.
Hals, Nasen= und Ohren=Krankheiten.
Referent: Spczialarzt Dr. H. Busch, Berün-Halensce.
1 Die Bedeutung der Wassermannschen Reaktion in
der Ohrenheilkunde. Von Dr. L Arzt A. f. O. 81. Band,
3. und 4 Heft
2. Ue’'er spontane Arrosion und Ruptur der Carotis
interna nac i Jugular .sunterbmdun r. Von Priv.-Doz. Dr. F.
Nuernberg. A. f. O. 81. Band, 3. und 4. Heft.
3. Beiträge zur Labyrinth Chirurgie. Von Dr. G. Alex¬
ander. A. f. O. 81. Band, 3. und 4. Heft.
4. Zur Mechanik des Mittelohrs. Von Dr. G. Zimmer¬
mann, A. f. O. 81. Band, 3. und 4. Heft.
5 Ueber die Endotheliome des Larynx. Von Paul
Manasse. Z. f. O. 60. Band, 1. und 2. Heft.
6 Zur Aetiologie der brandigen Kehlkopfentzündungen.
Von Dr. W. Schoetz. Z. t. O. CO. Band, 1. und 2. Heft
7. Ueber das Adenom der Nase. Von Piiv -Doz. Dr. H Marx.
8. Gegen die Schluckschmerzen der Phthisiker. Von
Dr. H. Grabower. Z. f. O. 60. Band, 1. und 2. Heft.
9. Ueber die Gefahren der Hir punktion. Von Dr Fr.
Reinking. Z. f. O. 60. Band, 1. und 2. Heft.
10 Beiträge zur otegenen Allgemeininfektion. Von Priv.-
Doz. Dr. W. Utfenorde. Z. f. O. 60. Band, 1. und 2 Heft.
11. Indurierter Schanker der rechten Nasenhöhle. Von
Dr. Georges Dupont. Allg. Wiener med Zeitung 1910, Nr. 13.
12. Mandelentzündung und Rheumatismus. Von Dr.
Pickenbach. Münch, m. W. 1910, Nr. 14.
VERSIl
13. Der akute Mittelohrkatarrh und seine Behandlung.
Von Sanitätsrat Dr. Klau. Therapeut. Monatshefte 1910, März.
14. Ueber die Kehlkopftuberkulose. Von Dr. M. Kikuth.
B. Petersb. med. W. 1910, Nr. 7.
15. Eiterbildungen in der Highmorshöhle. Von Priv.-Doz.
Dr. Kudriaschow. Russ. med Rundschau, VIII. Jahrgg, Heft 2.
16. Die Saugbehandlung bei Erkrankungen des Ohres
und der oberen Luftwege. Von Dr. A. Eitelberg. Deutsche
med. W. 1910, Nr. 14.
1 Arzt hat an der Ohrenabteilung der allgemeinen Wiener
Poliklinik 72 Krankheitsfälle mittels derWassermannschen Reaktion
untersucht, ln 39 chronischen Fällen bekam er neun positive
Reaktionen, darunter befinden sich mehrere Fälle von Erkrankung
des HÖrnerven bezw. Taubstummheit, die also hiernach ätiologisch
auf Lues zuriickzufiihren sind. Bei acht akuten Fällen (Otitis media,
Katarrh) reagierte nur ein Serum positiv. Alle 21 untersuchten
Otosklerosen reagierten negativ. Diese Untersuchungen bringen
also hinsichtlich der luetischen Aetiologie der nervösen Schwerhörig¬
keit eine Bestätigung der vor kurzem erschienenen Arbeit Büschs
(Wassermannsche Reaktion bei nervöser Schwerhörigkeit und Oto-
sklerose in Passows Beiträgen), stellen jedoch im Gegensatz zu
Busch einen Zusammenhang von Otosklerose und Lues in Abrede.
Die Frage erscheint Referenten auch auf Grund dieser 21 Fälle
keineswegs als spruchreif, zumal man, wie Arzt selbst einräumt,
bei seinen Fällen Zweifel hegen kann, ob es sich wirklich um
Otosklerose gehandelt hat. Weitere Nachprüfungen dürften abzu¬
warten sein.
2. Nuernberg hat nach einer Unterbindung der Vena jugularis
eine spontane Arrosion und Ruptur der Carotis interna am Halse
auftreten sehen, wahrscheinlich infolge direkter Infizierung der
Arterienwand durch Kontakt mit dem infizierten Gewebe der Jugu-
lariswunde. Der Fall kam nach Unterbindung der Carotis communis
zur Heilung.
3. Eiterige Labyrintherkrankungen können in einem nicht geringen
Prozentsatz spontan ausheilen, natürlich mit Taubheit und Unerreg¬
barkeit des Vestibulär- und Bogengangapparates, wenn die vom
Labyrinth gegen die Schädelgrube ziehenden präformierten Bahnen
(innerer Gehörgang, Aquädukte) nicht mitbeteiligt werden und der
Knochen zwischen Labyrinth und ScTiädelgrube intakt bleibt. Der¬
artige Fälle, die unter konservativen Maßnahmen, insbesondere
Bettruhe, heilen können, nennt Alexander unkomplizierte La¬
byrintheiterungen. Im Gegensatz hierzu ist bei komplizierten
Labyrintheiterungen, bei denen die Eiterung also die präformierten
anatomischen Bahnen zur Schädelgrube oder den Knochen zwischen
dieser und dem Labyrinth ergriffen hat, ein möglichst frühzeitiger
chirurgischer Eingriff indiziert, d. h. die Radikaloperation mit Re¬
sektion des Labyrinths. Die Diagnose der komplizierten Laby¬
rintheiterungen ist nach Alexander gegeben bei andauernden, auf
den Hinterkopf lokalisierten Kopfschmerzen, Schmerzen bei Rück¬
wärtsbeugung des Kopfes, Druckempfindlichkeit der Halswirbelsäule
evtl, geringe Nackensteifigkeit und Fieber über 38 Grad.
4. Zimmermann vertritt auf Grund seiner neueren Unter¬
suchungen im Gegensatz zu anderen Autoren die Ansicht, daß die
Gehörknöchelchenkette als Weg der Schallzuführung keine Rolle
spielt. Der Schall übertrage sich, ohne die Kette dazu zu benötigen,
direkt durch die Knochen — speziell bei Zuführung von der Luft
des Gehörgangs durch den Knochen des Promontorium — auf die
unmittelbar hinter dem Knochen ausgespannten Fasern des End¬
organs. Die Kette stelle den physiologisch notwendigen Dämpfungs¬
und Akkommodationsmechanismus dar, der dazu dient, das Ohr
gegen die Einwirkungen allzu starken Schalls zu schützen.
5. Manasse hat 4 Fälle von Larynxendotheliom beobachtet
und beschreibt eingehend die histologischen und klinischen Eigen¬
tümlichkeiten seiner Fälle.
6. Fälle von nekrotisierender Phlegmone des Larynx sind selten
und von den durch pyogene Kokken verursachten Entzündungen zu
trennen. Bei zwei Fällen, die Schoetz klinisch beobachtet hat,
fanden sich bakteriologisch Bacillus fusiformis und Spirillum
sputigenum, d. h dieselben Bakterien, die ätiologisch für die Ent¬
stehung der Noma und der Plaut-Vinzentsehen Angina verant¬
wortlich gemacht werden.
7. Die Adenome der Nase teilt Marx ein in kleine papillom-
oder polypenartige Tumoren und große, die ganze Nase ausfüllende
Tumoren von dem Charakter der Drüsengeschwülste. Die großen
wirken durch Druck auf die Umgebung hochgradig destruierend.
Zu den Karzinomen sind diese Adenome nicht zu rechnen, auch
ist ihre Prognose verhältnismäßig gut.
8. Gegen die Schluckschmerzen der Kehlkopfphthisiker hat
Grabower mit gutem Erfolg die Biersche Stauung verwandt.
Er nimmt hierzu eine mit 2 Achselbändern versehene Gummibinde,
die er unterhalb des Kehlkopfes anlegt und bis 22 Stunden lang
tragen läßt. In den von ihm beobachteten 8 Fällen waren durch
/ERS
i
Nr. 21
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
333
die Einwirkung der venösen Hyperämie die Schluckschmerzen nach
wenigen Tagen gewichen.
9. Reinking liefert den Nachweis, daß die explorative Hirn¬
punktion keineswegs ungefährlich ist und nur ausgeführt werden
soll, wenn sie unbedingt nötig ist. Die Gefahren beruhen, nament¬
lich bei zahlreicheren Punktionen, wie sie oft zwecks Auffindung
eines Abszesses ausgeführt werden, in der Zerstörung des Hirn¬
gewebes, in der leichten Infizierbarkeit der Hirnwunde durch die
eitrige Umgebung, in der Verletzung der Seitenventrikel, in der
Möglichkeit, daß größere Gefäße angestochen werden, in dem Auf¬
treten sekundärer Meningitis. Auch das Auftreten von Hirn¬
prolaps und encephalitischen Erweichungsherden ist häufig auf die
Hirnpunktion zurückzuführen. Reinking verbreitet sich dann über
die Art und Weise, wie die angegebenen Gefahren bei Hirnpunk¬
tionen nach Möglichkeit vermieden werden können.
10. Otitische Pyäniie wird nicht nur durch Streptokokken und
Staphylokokken verursacht, sondern auch durch andere Mikro¬
organismen, selbst Saprophyten. Uffenorde unterscheidet vier
Typen der Entstehung der otitischen Allgemeininfektion; erstens
durch Gerinnung der ganzen, dem Infektionsherde entsprechenden
Blutsäule im lateralen Sinus infolge chemotoxischer Beeinflussung
des Blutes, zweitens infolge pari taler Thrombose im Sinus, die als
solche heilen oder zum Exitus führen oder zur obturierenden Throm¬
bose werden kann. Drittens kann durch nekrotisierende Veränderung
der freiliegenden Blutleiterwand ein Uebertreten der Erreger in die
Blutbahn erleichtert werden und so die Allgemeininfektion eintreten
Schließlich kann eine otogene Sepsis auch ohne thrombophlebitische
Veränderungen der Sinuswand zustande kommen. Auch die Mög¬
lichkeit einer Kompressionsthrombose bei hohem Empyemdruck
nach durchbrochener Sulcuswand ist zuzugeben. Als häufigste Form
dieser Thrombosen ist die parietale zu bezeichnen Diese ist ge¬
fahrvoller als die obturierende, weil der vorbeipassierende Blutstrom
viel leichter infektiöse Partikel abreißen und in die Blutbahn bringen
kann. Die parietale Thrombose kommt nicht nur bei chronischen,
sondern auch bei akuten Fällen zur Beobachtung. Ein sehr enges
Antrum oder sehr enge Zellen am Antrum disponieren wegen der
leichter eintretenden Eiterretension zur Thrombophlebitis des Sinus.
11. Primäraffekte in der Nase sind selten, besonders im vorderen
Teil der Nase. Dupont beschreibt einen solchen Fall bei einem
35jährigen Manne. Derselbe hatte neben allgemeiner Roseola und
Plaques muqueuses im Munde eine rote, ulcerierende Geschwulst
auf der vorderen unteren Partie der Nnsenscheidewand, welche sich
hart anfiihlte; in der entsprechenden Submaxillargegend f inden sich
harte, indolente Drüsen.
12. Pickenbach bespricht zwei Fälle von Gelenkrheumatismus
tonsillären Ursprungs (vergl. Sch ich hold. bezw. Curschtnann,
Münch, med W. 1910, Nr. 6), welche nicht nach Salicylmedikation,
sondern erst nach ausgiebiger Behandlung der Mandelaffektion heilten.
13. Klau unterscheidet, wie auch andere Autoren, den akuten
Mittelohrkatarrh von der Otitis media acuta. Seine häufigste Ursache
ist Infektion von Tube und Mittelohr vom Nasenrachen her. Diese
kommt zustande durch Schneuzen, Niesen, Husten, Politzern,
Katheterismus, Spülungen der Nase, ferner bei Kindern mit hyper¬
trophischer Rachenmandel. Heilt ein akuter Katarrh nicht aus, so
kommt es zum Uebergang zu den Adhäsivprozessen, die zur Fixie¬
rung der Gehörknöchelchen und dadurch meist zu irreparabler
Schwerhörigkeit führen. Klau bespricht weiter die Diagnose und
die klinischen Symptome. Die Therapie beruht zunächst in der
Behandlung der ursächlichen Nasen- und Nasenrachenaffektionen;
gegen Schnupfen verwendet Klau Kochsalz- oder Borsäurespray,
Kokainisierung, Einblasung von Sozojodolzink, Pinseln mit ] 2 —1 %iger
Höllensteinlösung. Hypertrophische Rachen- und Gaumenmandeln
sind zu entfernen. Bei atrophischen Katarrhen mit Borkenbildung
müssen die Borken durch Spülungen mit der Clysopompe unter den
nötigen Vorsichtsmaßregeln entfernt werden, darauf behandelt man
mit Lugolscher oder Höllensteinlösung. Hypertrophien beseitigt
man mit Trichloressigsäure, Galvanokaustik oder operativ. Hoch¬
gradige Verbiegungen der Nasenscheidewand, welche die Atmung
behindern, müssen entfernt werden. Den Mittelohrkatarrh selbst
behandelt Klau mit hydropathischen Umschlägen, Bettruhe, Schwitzen,
Abführen, Luftdusche bezw. Katheterismus, eventl. Pneumomassage.
Findet durch diese Maßnahmen dennoch eine Resorption des
Exsudats nicht statt, so muß man dasselbe durch Paracentese entleeren.
14. Kikuth gibt in seinem Referat über die Kehlkopftuberkulose
nach einem ausführlichen geschichtlichen Rückblick Noßzen über
Entstehung, Verhütung, Behandlung und Heilung des Leidens.
Bezüglich der Entstehung weist er außer auf die Sputuminfektion
von den Lungen her auf den Transport der Bazillen auf dem
Lymphwege nach dem Larynx hin Klinisch unterscheidet Kikuth
vier Formen: die Infiltration, das Geschwür, den Tumor und die
miliare Form. Die Behandlung muß in erster Linie hygienisch¬
diätetisch sein. Oertlich hat oft das Curettement mit nachfolgender
Milchsäureätzung guten Erfolg. Bi ersehe Stauung wirkt häufig
schmerzlindernd. Chirurgische Behandlung empfiehlt sich nur bei
nicht vorgeschrittener Lungentuberkulose.
15. Kudriaschow beschreibt Symptome und Aetiologie des
Empyems der Highmorshöhle. Nach seiner Meinung entstehen die
Empyeme fast ausschließlich von kariösen Zahnen her, nasale
pmpyeme sind äußerst selten. Bei der Behandlung bevorzugt
Kudriaschow die oralen Methoden vor den nasalen, besonders
die Anbohrung von einer Alveole aus (nach Cowper, nicht Cooper,
wie Autor schreibt). Kudriaschow befindet sich mit seiner
Meinung bezüglich Aetiologie und Behandlung im Gegensatz zu
den meisten anderen Autoren. Wenn auch das Empyem, welches
von kariösen Zähnen herrührt, eine nicht zu unterschätzende Rolle
spielt, so ist auch der nasale Ursprung, insbesondere bei akuten
Infektionskrankheiten, z. B. Influenza, nicht von der Hand zu weisen.
Therapeutisch kommt man häufig mit der oralen Methode nicht
aus, sondern muß zur radikalen Entfernung der ganzen Kiefer¬
höhlenschleimhaut (z. B. nach dem Verfahren von Luc-Caldwell)
seine Zuflucht nehmen.
16. Eitelbergs Sammelreferat steht dem Referat Spiras über
dasselbe Thema (Die Heilkunde, Monatsschrift f. prakt. Med. 1909)
erheblich nach; wer jedoch Freude an schwungvollem, feuilletonistischem
Stil hat, lese mit einiger Reserve Eitelbergs Publikationen.
Varia.
Cukor: Ueber die Hygiene der weiblichen Genitalien im
Bezug auf den Chemismus der Scheidensekrete. Medizinische
Blätter 1910. Nr. 9 und 10 p 93 ff.
Cukor beklagt es, daß selbst bei besser situierten Frauen so
wenig Wert auf die Hygiene der Scheide gelegt wird. Staub,
Zersetzung der Sekrete des menstruationellen Blutes, Koitususw böten
doch genügend Unreinlichkeiten, von denen sich die Frauen befreien
müßten.
Nun ist von den verschiedensten Autoritäten festgestellt worden,
daß das Vaginalsekret einer gesunden Frau bakterizide Eigenschaft
habe, und Döderlein stellte fest, daß der freien Milchsäure diese
Eigenschaft zukomme. Döderlein gab mit gutem Erfolge bei
Vaginitis eine 1° 0 Milchsäurelösung zur Spülung, jedoch fand diese
Empfehlung in der Gynäkologie wenig Anklang, da die Frauen da¬
nach ein unangenehmes Brennen in der Scheide hatten.
Verf. empfiehlt nun bei gesunden und kranken Frauen eine
rationelle Hygiene der Scheide und ist der Ansicht, daß man zur
Spülung eine 0,5% Milchsäurelösung nehmen solle, die als
souveränes Heilmittel der Katarrhe erkannt worden sei.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Schwab: Beitrag zur Kenntnis des artefiziellen
Abortus. Klinisch-therapeutische Wochenschrift 1910, Bd. XVII.
Nr. 7 p. 170 ff.
Statistisch wurde festgestellt, daß 90%, aller Aborte artefiziell
seien. Diese würden entweder von anderen Personen oder von
der Frau selbst vorgenommen. Als Methoden kommen in Betracht:
1. Einnahme von Medikamenten (meist wirkungslos);
2. heiße Sitzbäder und Spülungen (meist wirkungslos);
3. inslrumentelle Hilfe.
Das Anreißen des Eies mit der Uterusronde ist nicht so
wirksam wie Spülungen des Uterus mittels Gummiballo'S (ev. mit
Schlauch und Hartgummiröhrchen) und einer aseptischen Flüssig¬
keit (Lysol'ösung. abgekochtes Wasser usvv.i
Schwab stellte fest, daß durch das Verschweigen der vor-
genoinmenen Abtreibung Aerzte sich oft täuschen ließen und an
spontanen Abort glaubten, und daß daher eine eingehende Anamnese
vorgenommen werden sollte, wobei man die Frauen auf die Schweige¬
pflicht des Arztes aufmerksam zu machen hätte.
Kurt Lipschitz, Berlin.
Herz (Wien) Zur Prophylaxe der Arteriosklerose.
Klinisch-therapeutische Wochenschrift 1910, Bd XVII. Nr. 4
p. 102 ff
Auf psychischem Wege will Verf. eine Prophylaxe der
Arteriosklerose ausgeübt sehen. Er steht auf dem Standpunkt, daß
die peinlichen Verstimmungen des täglichen Lebens eine vorzeitige
Abnutzung des Gefäßsystems herbeiführen, und verlangt, daß durch
eine rationelle E Ziehung diese Verstimmungen nicht als solche in
diesem Maße empfunden werden sollen So macht er z. B. gegen
den Grundsatz Front, der unserer Jugend lad vom ersten Tage
ihres Lebens eingeiinpft wird, nämlich vom sogenannten .Ernst des
Lebens 1 , von der Verpflichtung gegen die nähere und weitere
Umgebung usw. Denn der Mehrzahl der Menschen stecke das
Pflichtgefühl im Blute, während die Freude am Leben, die Kunst,
zu leben, wirklich gelernt sein will. Dann wendet er sich gegen
den falschen Ehrgeiz, der den Kindern vom ersten Schultage an
beigebracht wird, der sie ihres Lebens nicht froh werden, der sie
im späteren Leben nie zum Genüsse des Erreichten kommen laßr,
und der gewöhnlich in dem frommen Wunsche gipfelt, daß die
Kinder die Früchte genießen mögen.
Denn dieser Wunsch ginge in den seltensten Fällen in Er¬
füllung, da die Kinder entweder Verschwender würden oder in dem
alten Geleise fortführen und so gleichfalls früh verbraucht würden.
Ferner fordert Verf. Ablenkung des Menschen von der Misere
des Alltagslebens und begrüßt f. eudig die gegenwärtigen Bestre¬
bungen, bei der Jngend das Interesse für Sport usw. zu heben.
Auf diesem Wege sollte man anfangen, energisch gegen eine
frühzeitige Arteriosklerose vorzugehen. Kurt Lipschitz, Berlin.
334
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 21
Heymann: Hämaturie. Klinisch - therapeutische Wochen¬
schrift Jhrg. XVIII. 1910, Nr. 2 p. 42 ff.
Verf. verlangt in allen Fällen, wo Patienten wegen Blutbei¬
mischung im Urin zum Arzt kommen, daß die Differentialdiagnose
richtig gestellt wird. Man beginne peripherwärts, sehe zuerst auf
Gonorrhoe; tritt nach dem Urinieren Blut aus oder ist die letzte
Portion des Harnes blutig, so läßt dies auf eine Affektion des
Blasenhalses, der Prostata oder des Blasendreiecks schließen. Für
entzündliche Prozesse spricht außer Schmerzen der in kurzen
Zwischenräumen auftretende Harndrang.
Von den terminalen Blutungen sind solche zu unterscheiden,
die nur bei bestimmten Gelegenheiten (Tumor, Stein) auftreten.
Scheidet all dieses aus, so muß man an Blutungen aus Nieren¬
becken, Niere oder Urether denken. Als Symptom hierfür gilt,
wenn nach Entleerung der Blase und kurzer Spülung die Flüssig¬
keit klar abläuft, um nach kurzer Zeit wieder blutig zu werden.
Bei Verletzungen ist die Diagnose leicht. Anamnese und
Ort des Schmerzes heben alle Zweifel; man denke auch an Ent¬
zündungen und Vergiftungen, ferner ist zu beachten, daß Nephritis
oft mit Blutungen einhergeht. Kurt Lipschitz, Berlin.
Strauß (Nürnberg): Die Karbolsäurebehandlung der
Knochen- und Gelenktuberkulosen. Klinisch-therapeutische
Wochenschrift 1910, Bd. XVII Nr. 4 p. 93 ff.
Nach den unbestrittenen Erfolgen der konservativen Therapie
bei Gelenk- und Knochentuberkulose wird die Gelenkresektion —
besonders bei jugendlichen Individuen — schon vielfach als Kunst¬
fehler bezeichnet.
Phelps hatte auf dem XIII. internationalen Kongreß zu Paris
schon beachtenswerte Erfolge vorgeführt, die er nach Inzisionen
mit Karbolsäurebehandlung erzielt hatte.
Menciere griff dies auf und baute darauf eine eigene Methode
auf, die etwa in Folgendem besteht.
Für die Anfangsstadien der Tuberkulose bildete M. die Pheno-
punktion aus, wozu er ein kleines praktisches Instrumentarium an¬
gab. Die toxische Wirkung der injizierten Karbolsäure verhinderte
er durch nachträgliche Alkoholspülungen.
In fortgeschrittenen Fällen kann man ohne Bedenken die
Gelenkkapsel eröffnen, da die Karbolsäure die Gefahren einer
sekundären Infektion verhindert. Auch bei Osteomyelitis erzielte
M. mit der offnen Phenolisation gute Erfolge.
Verf versuchte diese Methoden selbst und kommt zu dem
Resultat, daß eine Ergänzung der bisherigen Heilmittel durch die
Karbölsäurebehandlung herbeigeführt wird, die in den weitesten
Kreisen Beachtung finden sollte. Kurt Lipschitz, Berlin.
V. Czerny, Heidelberg. Die im Samariterhause Heidel¬
berg geübten Methoden der Krebsbehandlung. (Münchener
med. Wochenschrift 1910, Nr. 17.)
Bei inoperablen Geschwülsten, Karzinomen, Sarkomen und
malignen Lymphomen wendet Verfasser die Röntgen- oder Radium¬
behandlung (Injektion von Radiogenol) an oder die Kombination
beider Methoden. Es gelingt zweifellos mittels der Radiotherapie,
das Wachstum der Tumorzellen zu hemmen und die Ruckbildung
derselben herbeizuführen. Eine wertvolle Bereicherung der Krebs¬
behandlung bildet die Fulguration nach Keating-Hart im Anschluß
an Ausschabung und Exstirpation. Allerdings vermehrt diese
postoperative Behandlungsmethode die Gefahr der Metastasierung.
Um noch tiefer in die Taschen und Nischen der Krebsgeschwüre
einzudringen, benutzt man statt der langen Funken der Fulguration
die kurzen elektrischen Funken des von de Forest eingeführten
Hochfrequenzapparates für sogenannte Kaltkaustik. Derselbe Apparat
läßt sich auch für die Diathermie und Elektrokaustik bnnutzen, d. h.
man kann mit geeigneten Elektroden die Elektrizität durch den
Körper leiten, dort eine lokale Temperatursteigerung hervorrufen
und auf die Geschwulstzellen bei ihrer bekannten Thermolabilität
vernichtend wirken, mit geeigneten Metallelektroden sogar die Er-
h tzung der Gewebe bis zur Koagulation und Verschorfung bringen.
Auf diese Weise können Wunden in beliebiger Ausdehnung elektro-
kauterisiert werden. v. Rutkowski, Berlin.
1. Kawa Mura. Ueber die Milzinfarkte des tuberkulösen
Meerschweinchens. (Virchow’s Archiv, Dez. 1909.)
Man findet infarktähnliche Elemente bei der Milztuberkulose
des Meerschweinchens. Ein zirkumskripter Teil trägt rein nekrotischen
Charakter und wird hervorgerufen durch arterielle Occlusion. Oft
genug haben diese Infarkte auch ein haemorrhagisch-nekrotis:hes
Aussehefl, was auf venöse Alterationen zurückzuführen ist Die
größte Zahl dieser Infarkte ist durch Verbindung von Tuberkulose
und Nekrose des Milzgewebes hervorgerufen, wobei die Nekrose
teils arteriellen (Occlusion), teils venösen «Stasa) Ursprungs ist.
Während der Nekrose wird das Gewebe von neuem durch den
Koch’schen Bazillus infiziert, hiervon rühren die tuberkulösen
Granulationen her. Gewöhnlich bleibt das Gewebe unter der
Kapsel ifltakt, später wird es dann fibrös. In allen Fällen, und in
allen alten und neuen Herden findet man stets Tuberkelbazillen.
Dr. Abramowski, Gilgenburg.
2. Dewar. Schwere prolongierte Haemoptoe durch nor¬
males Serum zum Stillstand gebracht. (British med. Journal,
Dez. 19Ö9.)
Ein Schwindsüchtiger wurde von einer Haemoptoe befallen,
die durch nichts zum Stillstand gebracht werden konnte; dieselbe
hielt 16 Tage an, und Patient wurde total anämisch. Alle Haemo-
styptika wie Calciumchloriir, Adrenalin etc. erwiesen sich als
wirkungslos. Verfasser injizierte 20 ccm normales Serum in die
Radialvene; die Haemorrhagie stand; diese Injektionen wurden
sechs Tage hindurch fortgesetzt. Patient bekam eine generalisierte
Urticariaeruption infolge des Serums, die selbst den Pharynx und
die Epiglottis ergriff, doch trat Heilung ein, d. h. die Blutuung kehrte
nicht wieder. Verfasser schließt hieraus die Unzuverlässigkeit der
Kalziumsalze etc. dem normalen Serum gegenüber.
Dr. Abramowski, Gilgenburg.
3. Shattock und Dudgeon. Beziehungen zwischen der
Vogel- und Menschentuberkulose. (Lancet, Dez. 1909.)
Die Verfasser haben festgestellt, daß der Menschenbazillus sich
nicht auf Vögel durch Impfung übertragen läßt; die Bazillen sind
nicht identisch. Ferner haben sie beobachtet, daß weiße Ratten
gegen die Einspritzungen mit Tuberkelbazillen nicht empfänglich
sind, auch reagieren sie nicht, wenn man sie ihnen per os beibringt.
Dr. Abramowski, Gilgenburg.
4. Bertholet. Die Atrophie der Hoden beim chronischen
Alkoholismus. (Centralblatt f. allg. Path., Dez. 1909.)
Verfasser hat unter Ausschluß namentlich der Syphilis die
Hoden der Alkoholiker studiert und eine Atrophie des Parenchyms
und eine Sklerose des interstitiellen Bindegewebes festgestellt. Die
Spermatogonien sind atrophiert, die Kanälchen kleiner, ihre Basal¬
membran ist sehr verdickt. Die alkoholische Atrophie ähnelt in
keiner Weise der senilen, sie ist sehr viel intensiver. Man kann
daher den schädlichen Einfluß des Alkohols auf die Genitaldrüse
nicht in Abrede stellen. Diese Beobachtungen beziehen sich
auf 39 Fälle. Dr. Abramowski, Gilgenburg.
5. Panichi und Guelfi. Einfluß krebsigen Materials auf
das Endocard. (Virchow’s Archiv, Dez. 1909.)
Es gelingt durch Infusion krebsigen Gewebes Läsionen der
Herzklappen zu erzeugen. Dieselben haben nicht die absolut
exakten der klassischen Endocarditis, aber sie genügen, um zu be¬
weisen, daß es sich um eine Endocarditis handelt.
Dr. Abramowski, Gilgenburg.
6. Munson. Postepileptische Albirunie. (New-York med.
Journal, Nov. 1909)
Man hat in zwanzig Prozent aller Fälle öfters bei Männern als
bei Frauen, öfters nach schweren als nach leichten Epilepsieanfällen
Eiweiß im Urin gefunden. Dieser Befund ist nicht konstant bei«.
demselben Individuum; man findet kein Eiweiß, wenn der Betreffende
anfallsfrei ist. Dem Eiweiß sind ziemlich viel Zylinder beigemengt,
welche länger bestehen bleiben als das Eiweiß selbst, und welche
man auch unabhängig von demselben finden kann, und zwar in der
intermediären Zeit. Man findet es bei Albumen irn Urin in den ersten
2 Stunden nach dem Anfall und kann dasselbe bis zum vierten
Tage nach demselben persistieren. Die Beteiligung von seiten des
Herzens ist dabei eine ganz unbedeutende; bei manchen Kranken
ist der Blutdruck eihöht. Bei der Autopsie zeigt sich senile
Kongestion, von der man wohl annehmen kann, daß sie, sind die
Anfälle sehr häufig, zu chronischer Nephritis führen kann.
Dr. Abramowski, Gilgenburg.
7. Fox. Eine neue, sehr empfindliche Gallenfarbstoff¬
urinprobe. (Rivista critica di clinica medica, dec. 1909.)
Man gießt 10 ccm Urin in ein Reagenzglas und fügt 4 5 ccm
Chloroform hinzu; 3-4 mal stark schütteln. Das Chloroform wird
in ein anderes Röhrchen dekantiert, in welchem 2—3 ccm Schwefel¬
äther enthalten sind; schütteln; dann läßt man die beiden Flüssig¬
keiten sich trennen, hierauf wird der Aether in eine Porzellanschale
entleert und abgedampft. Sowie der Boden derselben trocken ist.
gießt man einen Tropfen rauchende Salpetersäure hinein, worauf
sich konzentrische Ringe bilden. Diese Probe ist sehr viel schärfer
und deutlicher als die Indicanprobe und die nach Gmelin.
Dr. Abramowski, Gilgenburg.
8. Morelli. Klinische Beobachtungen über die Addison’sche
Krankheit. (Gazzetta degli Ospedali, dec. 1909.)
Die Beobachtungen des Verfassers zeigen folgendes: 1. Die
Bronzepigmentierung ist nicht pathognomonisch für die Addison’sche
Krankheit. 2. Die Pigmentierung kann lange Zeit das einzige -
Symptom sein, ohne daß eine suprarenale Insuffizienz besteht. 3 Die v
Tuberkulose ist nicht die einzige Ursache der Krankheit, noch ist
sie zum Zustandekommen derselben notwendig. 4. In manchen
Fällen ist es feststehend, daß die Tuberkulose ei st eine Folge dieser
Erkrankung ist. 5. Der Addisonier kann gesunden, wobei die Prog¬
nose 1* diglich von der Aetiologie der Krankheit und dem Kräfte¬
zustand des Kranken abhängig ist.
Dr. Abramowski, Gilgenburg.
G. Planchor, Konstringierender Kropf als Todesursache bei
einem Neugeborenen. (Societe obstetricale de France, Oct. 1909.)
Es handelte sich um das Kind einer Multipara nach normalem
Geburtsverlauf. Dasselbe zeigte gleich nach der Geburt alle
drohenden Anzeichen des Erstickungstodes. Alle Wiederbelebungs¬
versuche erwiesen sich als vergeblich, Pie Autopsie zeigte einen
Nr. 21
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
335
enormen, die Trachea ganz umgebenden Kropf. In der Umgegend
von Lyon zählen diese Fälle nicht zu den Seltenheiten, aber der
Verfasser geht weiter und empfiehlt bei allen Autopsien Neu¬
geborener, sein Augenmerk ganz besonders auf die Schilddrüse zu
lenken. Dr. Abramowski, Gilgenburg.
J. Trübner in Straßburg i. E., Urban & Schwarzenberg in Berlin
und Wien, Veit & Comp, in Leipzig, F. C. W. Vogel in Leipzig,
Leopold Voß in Hamburg, Zitters Zeitungsverlag in Wien.
(Ende des redaktionellen Teiles.)
Allgemeines.
Die internationale Gesellschaft für Chirurgie veranstaltet
gelegentlich ihres 111.Kongresses eine Ausstellung von Frakturen
(anatomisch-pathologische Präparate, Radiographien, Zeichnungen,
Moulagen usw., Apparate zur unblutigen Behandlung, Präparate usw.
zur Osteosynthese). Anfragen an das Generalsekretariat, 75 avenue
Louise, Brüssel.
Der 11. französische Kongreß für innere Medizin findet
vom 13.—15. Oktober 1910 zu Paris statt. Tagesordnung: Ueber
Bradykardie; Behandlung der symptomatischen Epilepsien; Leber
und Milz in der Pathologie.
Hamm (Westfalen). Unter Leitung des Kreisarztes ist ein
Fürsorgeamt eingerichtet worden, welches die Organisation der
Säuglings-, Kinder-, Trinker- und Tuberkulosefürsorge zur Aufgabe hat.
Bochum. Die Stadt hat die Errichtung einer Säuglings¬
bewahranstalt beschlossen.
Eine Vier=Millionen=Stiftung für Zahnpflege. Der British
Dental Association hat, wie aus London geschrieben wird, ein un¬
genannter Wohltäter die Summe von 4,000.000 Kronen für die Zahn¬
pflege der ärmeren Klassen zur Verfügung gestellt. Dies dürfte
eine der originellsten und zugleich wohltätigsten Stiftungen sein,
denn die Zahnfäule ist nicht nur in Oesterreich, sondern in ganz
Europa die verbreitetste Volkskrankheit. Die Annahme dieser großen
Stiftung soll jedoch, wie Rayner, der Sekretär der Gesellschaft,
erklärt, von zwei Umständen abhängig gemacht werden, die für
die englische Auffassung bezeichnend sind: die Gesellschaft will die
Summe nicht als Schenkung annehmen, sondern die Summe ver¬
zinsen und wenn möglich amortisieren; außerdem soll die Zahn¬
behandlung nicht umsonst erfolgen, sondern zu mäßigen Preisen,
und die Zahnärzte, die sich an dem wohltätigen Werke beteiligen,
sollen dafür bezahlt werden Ein Plan, nach dem in London und
anderen Städten Englands (die Liste zählt deren 300 auf) Institute
für Zahnpflege eingerichtet werden sollen, ist bereits ausgearbeitet.
Ein Teil des Kapitals soll außerdem dafür verwendet werden, in
weiten Schichten der Bevölkerung durch Vorträge und andere Pro¬
pagandamittel auf die Wichtigkeit der Zahnpflege hinzuweisen und
Anweisung zur richtigen Behandlung der Zähne zu geben.
Eingesandt.
Erklärung. Die Unterzeichneten Verleger medizinischer Zeit¬
schriften nehmen zu den von Herrn Professor Dr. Abderhalden
veröffentlichten Plänen folgendermaßen Stellung:
1. Sie erkennen eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des
Referatenwesens als durchaus wünschenswert an.
2. Sie halten die Schaffung einer vollständigen Bibliographie
der Medizin für verdienstvoll, indessen nur dann, wenn die
Höhe der Kosten in keinem zu starken Mißverhältnis zu
dem begrenzten Interessentenkreise steht, der sie benutzen
würde.
3. Sie setzen zur Prüfung dieser Fragen, deren befriedigende
Lösung gleichmäßig im Interesse der Wissenschaft wie des
Verlagsbuchhandels liegt, in Gemeinschaft mit den Redak¬
teuren ihrer medizinischen Zeitschriften eine Kommission
ein, die zu erwägen hat, ob und in welcher Weise das er¬
strebte Ziel durch Verständigung zwischen den bestehenden
Zeitschriften zu erreichen ist.
4. Sie halten eine Angliederung der geplanten Bibliographie
der Medizin an die bestehende und bewährte Uhlwormsche
internationale Bibliographie der Naturwissenschaften und der
Medizin, die eventuell weiter auszugestalten sein würde,
für erwünschter und schon aus finanziellen Gründen für
praktisch aussichtsreicher, als eine Neugründung und werden
sich deshalb mit dem Reichsamt des Innern in Verbindung
setzen.
5. Sie halten die bisherigen Versuche zur Durchführung der
Pläne für ungeeignet, da sie dazu angetan waren, Beun¬
ruhigung in die beteiligten Kreise zu tragen.
Johann Ambrosius Barth in Leipzig, W. Braumüller in Wien,
Oscar Coblentz in Berlin, Fr. Cohen in Bonn, F. Deuticke in Wien,
Wilhelm Engelmann in Leipzig, Ferd. Enke in Stuttgart, Gustav
Fischer in Jena, Martin Hager in Bonn, August Hirschwald in
Berlin, Kurt Kabitzsch in Würzburg, S. Karger in Berlin, Dr. W. Klink-
hardt in Leipzig, B Konegen in Leipzig, H. Laupp’sche Buch¬
handlung in Tübingen, J. F. Lehmann’s Verlag in München, Louis
Marcus in Berlin, Carl Marhold in Halle a. S., Georg Reimer in
Berlin, Julius Springer in Berlin, Georg Thieme in Leipzig, Karl
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anstalt Michaelerbad. (Therapeutisches Zentralblatt Nr. 1 , 1910.)
Die wesentliche Grundlage einer Ernährungstherapie ist eine
ausgiebige Zufuhr von Milch. Diese scheitert aber sehr häufig an
dem Unvermögen der Patienten, genügende Quantitäten Milch zu
sich zu nehmen; Korrigentien, zu dem Zweck zugesetzt, die Milch¬
mengen erhöhen zu können, erweisen sich meist als unwirksam.
Deshalb bedeutet die Einführung des Kefyrs die Anbahnung eines
neuen Weges, um die Patienten zu reichlichem Milchgenuß zu
veranlassen. Kefyr ist ein durch alkoholische Gärung aus Kuh¬
milch gewonnenes, moussierendes Getränk, das an Verdaulichkeit
und Wohlgeschmack die Milch weit übertrifft und durch die kühlende
Kohlensäure besonders gern genommen wird.
Zu einer Verallgemeinerung der Verwendung des Kefyrs zu
Heilzwecken trägt es außerordentlich viel bei, daß man zu seiner
Bereitung im Haushalt nicht auf die sehr umständliche Darstellung
mittels Kefyrpilzen angewiesen ist, sondern sich denselben sehr
bequem und einfach mittels der ,,Kefyrogen“-Tabletten her-
stellen kann. Kefyrogen ist ein durch Deutsches Reichs¬
patent in seiner Herstellung geschütztes Kefyrferment
von höchster Gärungsfähigkeit und außerordentlicher
Konstanz. (Fabrik Goedecke & Co., Berlin.) Es ist unbegrenzt
haltbar. Um einen stets gleichmäßigen Kefyr von absoluter
Reinheit und hohem Wohlgeschmack zu erhalten, ist nur erforder¬
lich, 1 „Kefyrogen“-Tablette in ty a Liter Milch aufzulösen und die¬
selbe an einem trockenen Ort die für den vorliegenden Zweck
erforderliche Zeit von 1 bis 2 bis 3 Tagen stehen zu lassen.
Suchy hat so zubereiteten Kefyr mit vorzüglichem Erfolge an¬
gewandt bei Tuberkulose und Skrophulose, bei Neurasthenie und
Hysterie, bei Anämie und Chlorose und bei gewissen Magen-
und Darmkrankheiten Bei den letzteren ist zu berücksichtigen, daß
eintägiger Kefyr abführt, zweitägiger sich neutral verhalt und drei¬
tägiger stopft.
Mit Kefyrogen zubereiteter Kefyr eignet sich auch sehr gut als
Vehikel für viele Mittel, wie Arsen, Eisen, Kreosot usw. Man setzt
in diesem Falle dem Medikament einen Eßlöffel Kefyr zu und
trinkt dann Kefyr nach.
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wissenschaftlichen Teil:
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sozialpolitischen Teil:
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Die „Zeitschrift für Zahnheilkunde“ erscheint am 5. und 20. jeden Monats. I jährlich, für die übrigen Länder des Weltpostvereins M. 6,— jährlich
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Verlag: Gustav Ehrke Zeitsohriftenvorlag, Berlin W. U. — Druck: K. Boll, Berlin NW.7, Georgenstr. 23.
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt:
Öriginalien:
Jessen, Straßburg: Schulhygiene.337
Adler, München: Suggestion und Hypnotismus als Heil¬
mittel .
Traugott, Breslau: Die Behandlung der nervösen
Schlaflosigkeit.
338
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Referate:
Moeller, Berlin: Lungenleiden.346
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Technische Neuerscheinungen:
Rosen: Umsponnene Irrigatorschläuche.350
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Allgemeines: .351
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ÖRIGINALIEN.
Schulhygiene.
Die Internationale Kommission für öffentliche Mund¬
hygiene und ihre Ziele.
Vortrag in der Sitzung der Federation Dentaire Inter¬
nationale in Paris, Ostern 1910.
Von Professor Dr. Jessen (Straßburg).
Meine Herren! Unsere Zeit steht im Zeichen der
sozialen Wohlfahrtspflege. Nachdem durch staatliche
Gesetzgebung die Richtlinien für die Unterstützung der
wirtschaftlich Schwachen gegeben waren, setzte auf
allen Gebieten eine rege Tätigkeit in der Ausgestaltung
der sozialen Fürsorge ein.
Ihr verdanken wir neben zahlreichen andern Wohl¬
fahrtseinrichtungen die Ferienkolonien, Walderholungs¬
stätten, Soldatenheime, Anstalten für Säuglingspflege,
Mütterheime, Tuberkuloseheilstätten usw.
Dieser Bewegung entspringt auch die Bekämpfung
der Zahnkaries, deren ungeheure Verbreitung den Cha¬
rakter einer Volkskrankheit angenommen hat, so daß
heute in fast allen öffentlichen Organen auf die durch
sie drohende Gefahr hingewiesen wird.
Als wirksamstes Mittel zu ihrer Bekämpfung hat
sich die Errichtung städtischer Schulzahnkliniken er¬
wiesen. Sie bildet eine der wesentlichsten Aufgaben
des „Deutschen Zentralkomitees für Zahnpflege in den
Schulen“, dessen Vorsitz bekanntlich Seine Exzellenz
der Staatsminister von Möller in Berlin inne hat.
Schon vor der Gründung des Deutschen Zentral¬
komitees, die am 1. Februar 1909 erfolgte, hatte die
Federation Dentaire Internationale eine Vereinigung
von Zahnärzten aller Kulturländer, welche sich im Jahre
1900 auf Antrag von Prof. Godon in Paris bei Ge¬
legenheit der damals stattfindenden Weltausstellung zu¬
sammengeschlossen hatte, die systematische Be¬
kämpfung der Zahnkrankheiten im Volke in ihr Pro¬
gramm aufgenommen. Sie bildete ein besonderes
Hygienekomitee. Die Federation Dentaire Internatio¬
nale übernahm vom Tage ihrer Gründung an auch die
Aufgabe, die in Zeiträumen von fünf zu fünf Jahren
stattiindenden Internationalen zahnärztlichen Kongresse
vorzubereiten.
Dies geschah zum erstenmal für den IV. Inter¬
nationalen Kongreß, welcher bei Gelegenheit der Welt¬
ausstellung in St. Louis im Jahre 1904 tagte. Hier er¬
ging im Aufträge der deutschen Zahnärzte durch den
leider zu früh verstorbenen Professor Miller, dessen
Weltruhm als zahnärztlicher Forscher unangefochten
dasteht, die Einladung zum V. Internationalen Kongreß
nach Berlin, wo gleichzeitig das fünfzigjährige Bestehen
des Zentralvereins deutscher Zahnärzte festlich be¬
gangen werden sollte.
Bei den Vorbereitungen zu diesem Kongresse,
welche eine ungeheure Arbeit in sich schlossen, hat sich
die Federation Dentaire Internationale außerordentlich
bewährt. Der Generalsekretär Dr. Schaeffer-
Stuckert in Frankfurt a. M. mußte im Verein mit
dem Arbeitsausschuß und dem Lokalkomitee in Berlin
eine Aufgabe bewältigen, die in ihren Resultaten all¬
seitige Anerkennung fand.
Dem größeren Publikum gegenüber trat das Er¬
gebnis des Kongresses in einer Ausstellung zutage, wie
sie in dieser Reichhaltigkeit bisher noch nicht vor
Augen geführt worden war und wie sie auch in Zu¬
kunft in solcher Vollständigkeit schwerlich wieder zu¬
stande kommen wird. Die Sitzungen des Kongresses
wurden geleitet von dem Vorsitzenden Hofrat Professor
Dr. W a 1 k h o f f in München.
Der Kongreß setzte sich zusammen aus 12 Sek¬
tionen, von denen die Sektion X die „Hygiene“ zu be¬
handeln hatte. Von Schweden aus war schon vorher
der Antrag gestellt worden, ein „Internationales
Komitee für öffentliche Mundhygiene“ zu bilden, das
Aerzte, Zahnärzte, Schulmänner und Verwaltungs¬
beamte aus allen Kulturländern umfassen sollte. Die
Verwirklichung eines so umfassenden, aus so verschie¬
denen Ständen zusammengesetzten Komitees erwies
sich aut einem zahnärztlichen Kongreß als undurch¬
führbar. Statt dessen wurde nach eingehenden Be¬
ratungen die Internationale Kommission für öffentliche
Mundhygiene in ihrer jetzigen Form konstituiert. Das
bereits seit 1900 bestehende Hygienekomitee der Fede¬
ration Dentaire Internationale wurde mit der neu¬
gegründeten Internationalen Kommission verschmolzen.
Die Kommission beschränkt sich ausschließlich auf
die Zahnärzte und umfaßt 20 Landeskomitees. Ver-
■M
(ER:
VEF
338
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 22
treten sind folgende Länder: Belgien, Cuba, Dänemark,
Deutschland. England. Finnland, Frankreich, Holland,
Italien, Luxemburg, Mexiko, Norwegen, Oesterreich,
Portugal, Rußland, Schweden, Schweiz, Spanien,
Ungarn, Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Die einzelnen Komitees haben nach den auf dem
Kongreß formulierten Beschlüssen die Aufgabe, in ihren
Ländern mit der Regierung, mit den schon bestehenden
Vereinigungen für Schulgesundheitspflege und mit ma߬
gebenden Persönlichkeiten in Verbindung zu treten, um
die Ziele der Kommission in die Tat umzusetzen.
Dem Vorstand liegt die Pflicht ob, die Komitees der
einzelnen Länder zusammenzuhalten und ihnen die
Richtschnur für ein einheitliches Vorgehen zu geben.
Demgemäß versendet er von Zeit zu Zeit offene Briefe,*)
in denen sowohl auf die nächstliegenden Aufgaben hin¬
gewiesen wird, als auch die Fortschritte der einzelnen
Landeskomitees zu allgemeiner Kenntnis gebracht
werden. Die Vorschläge legen besonderes Gewicht auf
die Durchführung praktischer Zahnpflege, der eine
systematische Aufklärung in den Schulen — als der
Pflanzstätte jeder Volksbildung — vorauszugehen
hat. Ihre Unterstützung findet die Aufklärungsarbeit in
geeigneten Anschauungsmitteln, deren zweckmäßige
Auswahl sich der Vorstand angelegen sein läßt.
Die ersten erfreulichen Resultate wurden außer in
Deutschland, wo schon seit langen Jahren die Zahnärzte
auf diesem Gebiete erfolgreich tätig waren, in Däne¬
mark und Schweden gezeitigt.
Das Dänische Landeskomitee, das sich aus Pro¬
fessor Carl Christensen und Viggo Wigh-
Kopenhagen sowie M. K i ä r - Svendborg zusammen¬
setzt, trat sofort nach erfolgter Konstituierung in eine
lebhafte Tätigkeit ein und erreichte, daß sich ein „Däni¬
scher Verein für Kinderzahnpflege“ am 17. Januar d. J.
bildete. Derselbe berief den Vorsitzenden der Inter¬
nationalen Kommission nach Kopenhagen, wo er in der
medizinischen Gesellschaft vor eingeladenen Gästen
und am Tage darauf in einer großen Volksversammlung
die Aufgaben und Ziele der eingeleiteten Bewegung und
ihre Wichtigkeit für die Volksgesundheit erläuterte.
Dem dänischen Verein gehören Vertreter aller
maßgebenden Kreise an, so daß der Erfolg in diesem
Lande nicht ausbleiben kann.
Dem Beispiele Dänemarks folgte unmittelbar
darauf Schweden, wo der rührige A1 b i n Len-
hardtson - Stockholm im Verein mit Victor
B e n s o w und Dr. Hjalmar Carlson - Göteborg
den Boden geebnet hatte. Der Aerzteverein in Stock¬
holm veranstaltete eine Versammlung unter dem Vor¬
sitz des Generalstatthalters R. D i c k s o n , zu der Ver¬
treter von Behörden und Fachleuten nicht nur aus
Stockholm, sondern auch aus ganz Schweden und selbst
das finnländische Landeskomitee herbeigeeilt waren.
Auf dieser Versammlung sprachen auch hervor¬
ragende Spezialärzte, die — jeder von seinem beson¬
deren Standpunkte aus — die außergewöhnliche Bedeu¬
tung einer rationellen Zahn- und Mundpflege für die
allgemeine Gesundheit des Körpers betonten.
Unter einstimmigem Beschluß bildete sich der
„Schwedische Nationalverein für Mundhygiene“, dessen
Vorsitz Generalstatthalter D i c k s o n übernahm.
Am Tage vorher war dem Vorstand der Inter¬
nationalen Kommission sowie den Mitgliedern des
Schwedischen Landeskomitees eine Audienz durch
Seine Majestät König Gustaf gewährt, in welcher der¬
selbe das Protektorat über die Internationale Kom¬
mission für öffentliche Mundhygiene huldvollst anzu¬
nehmen geruhte, unter sichtlichem Interesse für die be¬
deutungsvollen Bestrebungen der sich über alle Kultur¬
länder erstreckenden Vereinigung.
Es steht zu erwarten, daß die Internationale Kom¬
mission unter ihrem hohen Protektor die unter so gün¬
stigen Auspizien begonnene Arbeit beharrlich fort¬
setzen wird, und daß recht bald ähnliche Vereinigungen,
wie sie in den skandinavischen Ländern gegründet
wurden, auch in den andern, dem Verbände angehörigen
Ländern entstehen werden.
In Holland und Finnland haben sich auf Veran¬
lassung der Landeskomitees Klinkhamer-Stark-
W i 11 h a u s und Aspelund-Enckell -W e b e r
ebenfalls Nationalvereine für öffentliche Mundhygiene
gebildet. Die gleiche Nachricht für Belgien kommt
soeben von Quintin jn Brüssel.
Meine Herren, die Zahnpflege in der Schule ist das
Fundament, auf dem die Gesundheit des Volkes sich
aufbaut; sie findet ihre Fortsetzung in der Armee, in
den Krankenkassen, Krankenhäusern, inderganzen
Bevölkerung — sie ist von internationaler Be¬
deutung. Sie zwingt uns, die Augen der ganzen Welt
auf Unsern Beruf zu lenken und den der Bedeutung
unseres Standes zukommenden Platz zu erobern.
Suggestion und Hypnotismus als Heilmittel.
Von Dr. Adler (München).
Der Begriff der Suggestion kann in weiterem und
in engerem Sinne gefaßt werden. Im weitesten Sinne
kann man Suggestion definieren als die Uebertragung
einer Vorstellung. Man redet vorzugsweise dann von
Suggestion, wenn bei einem Menschen durch die Ein¬
wirkung eines anderen eine Vorstellung angeregt wird,
an die durch Assoziation der Gedanken sich weitere
Vorstellungen und vielleicht auch Handlungen an¬
schließen. während der Beeinflußte ganz selbständig zu¬
denken und zu handeln glaubt oder wenigstens nicht
klar erkennt, daß diese seine Vorstellungen und Hand¬
lungen nicht aus seiner eigenen Initiative hervorgehen,
sondern durch fremden Einfluß angeregt worden sind.
Von größerer praktischer Bedeutung ist die Unter¬
scheidung nach der Art des Zustandekommens. Man
unterscheidet eine absichtliche und eine zufällige Sug¬
gestion. Bei der absichtlichen Suggestion wird von der
einen Person mit Absicht und Ueberlegung einer anderen
eine Vorstellung beigebracht, die dann weiter wirkt.
Als zufällige Suggestion bezeichnen wir es, wenn
jemand zu einer wirksamen Vorstellung oder Vor¬
stellungsreihe gelangt durch zufällige oder absichtslose
Aeußerungen oder Handlungen eines anderen oder
überhaupt durch die Wahrnehmung irgendwelcher zu¬
fälligen Umstände oder Ereignisse.
Ob eine beabsichtigte Suggestion gelingt oder
nicht, hängt zunächst ab von dem psychischen Ver¬
halten der zu beeinflussenden Person. Die Suggestibi-
lität ist bei den einzelnen Menschen sehr verschieden.
Es gibt Personen, die leicht jede ihnen dargebotene
Vorstellung aufnehmen und weiter verarbeiten,
während andere in hohem Maße widerspenstig und
schwer für Eingebungen empfänglich sind. Meist ist
es erforderlich, daß die aktive Person ein gewisses
geistiges Uebergewicht über die passive habe.
Besonders groß ist die Suggestibilität in der
Hypnose, einem absichtlich hervorgerufenen Zu¬
stande. der dem Schlafe ähnlich ist, insofern dabei das
Bewußtsein in beträchtlichem Maße eingeschränkt und
namentlich das Urteilsvermögen und der Wille herab-
*t Im Mai 1910 ist das erste Heft des Internationalen Archivs
für öffentliche Mundhygiene erschienen, welches fortan die „offenen
Briefe“ ersetzen wird. Es erscheint in zwanglosen Heften, heraus¬
gegeben von dem Vorstand H. C. F. D. I. im Verlag von Ludolf
Baust, Strassburg i. Eis.
Nr. 22
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
339
gesetzt ist. Man kann verschiedene Grade der Hypnose
unterscheiden, von der einfachen Schlaftrunkenheit,
bei der das Bewußtsein und die Urteilsfähigkeit nur
wenig beeinträchtigt ist, bis zum festen Schlaf, bei dem
der Betroffene gewissermaßen zum Automaten und
willenlosen Werkzeug in der Hand des Beeinflussen¬
den wird und nachdem oft keine Erinnerung an das
während des Schlafes Vorgefallene zurückbleibt.
Von vielen Seiten ist schon auf die Gefahren der
Hypnose hingewiesen worden. Und es ist nicht zu
/eugnen, daß ein Mensch, der allzuhäufig der Hypnose
unterworfen wird, dadurch in seinem geistigen Ver¬
halten geschädigt wird. Auf der anderen Seite ist aber
zu berücksichtigen, daß es überhaupt kein wirksames
Heilmittel gibt, das nicht bei unzweckmäßiger und über¬
triebener Anwendung auch schaden könnte. Wir
werden ebensowenig den Alkohol aus der Reihe
der Genußmittel streichen, weil sein übermäßiger Ge¬
brauch so schlimme Folgen hat, und nicht das Morphium
aus der Reihe der Heilmittel, weil sein gewohnheits¬
mäßiger Gebrauch zu den traurigen Zuständen des
Morphinismus führt.
Wo die aktive Person gegenüber der passiven eine
unbedingte geistige Autorität besitzt, wie der Arzt
gegenüber dem Kranken in vielen Fällen bei längerem
Verkehr erlangt, da kann die d i r e k t e Suggestion an¬
gewendet werden, und es ist dabei kaum erforderlich,
die Absicht zu verdecken. Zur direkten Suggestion
rechnet man auch den beruhigenden Zuspruch des
Arztes. Bei der indirekten Suggestion wird die
Absicht mehr verdeckt und die Wirkung zum großen
Teil der Autosuggestion überlassen. Ein außerordent¬
lich wirksames Unterstützungsmittel der Suggestion ist
die Anwendung der Elektrizität. In ähnlicher Weise
sind manche Heilwirkungen der Massage nicht aus¬
schließlich auf ihre organische Einwirkung, sondern
auch auf die damit verbundene Suggestion zu beziehen.
Aehnlich verhält es sich mit der Heilgymnastik. Auch
bei der Heilwirkung mancher Wasserprozeduren und
bei vielen Kuren mit Mineralwässern ist außer der oft
sehr bedeutenden körperlichen auch die psychische
Wirkung in Rechnung zu ziehen.
Die Hypnose wird durch Suggestion hervorgerufen,
und es ist dabei ziemlich gleichgültig, welcher Methode
man sich dabei bedient oder an welches Verfahren die
Suggestion angeknüpft wird. Das Wesentliche ist
immer die direkte oder indirekte Suggestion des Ein¬
schlafens. Einzelne Personen sind leicht in Hypnose
zu versetzen, bei anderen gelingt es nur schwer oder
gar nicht. Wesentlich förderlich ist es, wenn die Ver¬
suchsperson schon an anderen die Wirkung des Ver¬
fahrens gesehen hat.
Die Anwendung der Suggestion und des Hypnotis¬
mus zu Heilzwecken ist so alt wie die Heilkunde über¬
haupt; man kann sagen, daß, seitdem ein Mensch den
Versuch gemacht hat, auf einen anderen Menschen, der
verwundet oder krank war, heilend einzuwirken, auch
die Suggestion zur Anwendung gekommen ist. Kommt
es doch fast täglich vor, daß einem besonderen Ver¬
fahren oder der Anwendung besonderer Arzneimittel
Heilungen zugeschrieben werden, die in Wirklichkeit
nur durch Suggestion erfolgt sind. Der große Fort¬
schritt, den die neuere Zeit in diesem Gebiete gemacht
hat, besteht wesentlich darin, daß wir uns klar ge¬
worden sind über die mächtigen Wirkungen der
Psychotherapie (Seelenbehandlung), daß wir sie mit
bewußter Absicht anwenden und die Anzeichen genauer
festzustellen suchten.
Die Suggestion sowohl in wachem Zustande wie in
der Hypnose wirkt zunächst nur psychisch, es werden
dadurch nur die Funktionen der Zentralorgane des
Nervensystems beeinflußt, der übrige Körper und seine
Funktionen können durch Suggestion nur verändert
werden durch Vermittlung der Zentralorgane. Zu¬
nächst sind von dem Verhalten der Zentralorgane ab¬
hängig die psychischen Funktionen, sowohl diejenigen,
die ich als die höheren bezeichnet habe und die in dem
bewußten Wahrnehmen, Denken und Wollen bestehen,
als auch die zu den niederen psychischen Funktionen
gerechneten, namentlich die dem Bewußtsein etwas
ferner stehenden Gefühle, Stimmungen und Triebe. Es
ist nicht auffallend, wenn wir sehen, daß alle diese
Funktionen der Beeinflussung durch Suggestion in
hohem Maße zugänglich sind. Hieraus ergibt sich auch
die große Bedeutung zweckmäßiger Suggestion für die
Erziehung des noch in der Entwicklung begriffenen
Menschen als auch für die Wiederherstellung des psy¬
chischen Gleichgewichtes bei Kranken, bei denen dieses
gestört erscheint. So werden gute Erfolge erzielt bei
manchen weniger fest haftenden Zwangsvorstellungen,
bei Angstgefühlen, bei melancholischer Verstimmung,
ferner bei der Grübelsucht, der Zweifelsucht und bei
krankhafter Unentschlossenheit. Auch bei moralischen
Gebrechen, wie bei Alkoholismus, Morphinismus, bei
sexuellen Perversitäten ist die erzieherische Suggestion
von großer Bedeutung, und dabei kann in besonderen
Fällen auch der Hypnotismus mit Vorteil angewendet
werden.
Auch die Krankheiten, bei denen vorzugsweise
Störungen der niederen geistigen Funktionen bestehen,
sind der Heilwirkung durch Suggestion in hohem
Maße zugänglich, so die Hysterie, die Hypochondrie und
vor allem die Neurasthenie.
Ferner ist von den Zentralorganen des Nerven¬
systems direkt abhängig die willkürliche Bewegung.
Diese wird ausgelöst durch Vorgänge, die in der Haupt¬
sache in den Zentralwindungen des großen Gehirns
zustande kommen. So können sogenannte psychische
Lähmungen, hysterische Lähmungen, hysterische
Stimmlosigkeit, vollständige Stummheit auf hysteri¬
scher Grundlage und noch andere Formen hysterischer
Lähmungen durch Suggestion und Hypnose beeinflußt
werden.
Ebenso verhält es sich mit den Krämpfen, d. h. un¬
willkürliche Bewegungen im Gebiete der willkürlichen
Muskeln, die durch Vorstellungen in sehr verschiedener
Weise ausgelöst werden. Auch sogenannte koordi¬
nierte Krämpfe, wie Lachkrämpfe, Schreibkrämpfe usw.
gehören ins Gebiet der hypnotischen Behandlung.
Aehnlich verhält es sich bei manchen Fällen von
Stottern und namentlich bei solchen, bei denen das
jedesmalige Auftreten des Sprachfehlens durch die
Angst vor demselben begünstigt wird.
Gleichfalls gehen von den Zentralorganen aus und
sind durch Suggestion zu beeinflussen die bewußte
Empfindung und damit verbunden Empfindungsstörun¬
gen. Ebenso können psychische Blindheit, Taubheit,
Aufhebung des Geschmacks- und Geruchsinns, Verän¬
derungen des Temperatur- und Schmerzsinns durch
Suggestion beeinflußt werden. Anderseits jedoch
können durch Suggestion Empfindungen erregt werden.
So ist die Erfahrung allgemein bekannt daß auch beim
gesunden Menschen ein Gefühl des Juckens sich einzu¬
stellen pflegt, wenn von gewissen Insekten die Rede
ist. Auch ist schon mit Erfolg Schmerzlosigkeit bei
chirurgischen Operationen durch Suggestion erzielt
worden.
Auch die unwillkürlichen Muskeln, obwohl sie dem
Willen entzogen sind, können dennoch von dem
Zentralorgan aus und demnach durch Suggestion in
mächtiger Weise beeinflußt werden. So läßt es bei¬
spielsweise die Abhängigkeit der Erektion von Vor-
340
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 22
Stellungen erklärlich erscheinen, daß die sogenannte
Impotenz in zahlreichen Fällen durch Suggestion ge¬
heilt werden kann. Auch die Regelung der Darm¬
bewegung (Stuhlverstopfung), die nervöse Magen¬
verstimmung und das nervöse Erbrechen werden durch
Suggestion beeinflußt.
Nachträglich seien noch einige Zustände angeführt,
bei denen die Suggestion von Wirkung ist. So ist es
allgemein bekannt, daß ein gewöhnlicher Schluchzer,
der durch den Willen nicht unterdrückt werden kann,
sofort aufhört, wenn der Betreffende erschrickt. In
ähnlicher Weise wird das oft bevorstehende Niesen
abgeschnitten durch eine plötzlich erfolgende Anrede
oder durch eine anderweitige Inanspruchnahme der
Aufmerksamkeit. Ebenso kann die Schlaflosigkeit
durch Suggestion wirksam bekämpft werden. ■
Wo die Grenze für die Suggestionsbehandlung ist,
läßt sich nicht genau bestimmen. Im allgemeinen kann
man jedoch wohl sagen, daß die funktionellen Störungen
der Beeinflussung durch Suggestion zugänglich sind,
nicht aber die, welche auf pathologisch-anatomischen,
sogenannten organischen Veränderungen beruhen.
Natürlich muß man auch da zahlreiche Ausnahmen
gelten lassen. _
Die Behandlung der nervösen Schlaflosigkeit
Von Dr. Richard Traugott, Nervenarzt in Breslau.
Wenn die nervöse Schlaflosigkeit — früher eine
wahre crux nicht nur für die mit ihr behafteten
Patienten, sondern auch für deren Aerzte — jetzt viel
von ihrem Schrecken verloren hat, so ist dies vor allem
auf zwei Ursachen zurückzuführen: einmal auf die Er¬
kenntnis, daß auch die Insomnie, wie so viele andere
nervöse Beschwerden, oft durch psychische Behandlung
ungemein günstig zu beinflussen ist, sodann auf den
Umstand, daß gegenwärtig infolge der Betriebsamkeit
der pharmazeutischen Industrie eine so großeZahl
mehr oder weniger unschädlicher Schlafmittel auf dem
Markt sich befinden. Mag immerhin zugestanden
werden, daß auch heut noch kein wirklich von allen
unangenehmen Nebenwirkungen völlig freies Schlaf¬
mittel existiert, so kann doch bei nur einigermaßen vor¬
sichtigem Gebrauch der Hypnotika durch diese kaum
ein größerer Schaden angerichtet werden, als durch
irgend welche andere Arzneimi'ttelgruppe. Gewisse
Fälle von Idiosynkrasie werden natürlich gelegentlich
immer wieder Vorkommen, nach Schlafmitteln sowohl
wie nach Antipyrin, Digitalis und den meisten anderen
Medikamenten. Aber man bedenke nur, wie z. B. bei
gewissen Fällen von Herzleiden die unerbittliche Not¬
wendigkeit immer und immer wieder den Arzt zur
Verordnung der Digitalis zwingt — trotz offenbar vor¬
handener ungünstiger Nebenwirkung dieses Arznei¬
körpers auf den Intestinaltrakt — weil eben ein anderes
gleichwertiges Herzmittel uns nicht zur Verfügung
steht, während bei der großen Menge der jetzt vor¬
handenen Schlafmittel es stets möglich ist, beim Auf¬
treten von unerwünschten Nebenwirkungen des einen
Mittels ein anderes an dessen Stelle zu setzen.
Der in der praktischen Medizin wichtigste Satz, daß
man sich streng an Indikationen zu halten habe, daß
also dem therapeutischen Handeln eine genaue
Diagnose voranzugehen habe, ist natürlich auch bei der
Behandlung der Schlaflosigkeit im Auge zu behalten.
Das therapeutische Vorgehen muß jedesmal ein anderes
sein, wenn es sich um eine durch fieberhafte In¬
fektionskrankheit oder um eine durch neuralgische
Schmerzen oder um eine auf rein nervöser Basis ent¬
standene Schlaflosigkeit handelt; nur die letztere soll
uns hier beschäftigen. Aber auch die verschiedenen
Arten der nervösen Schlaflosigkeit bedürfen wieder¬
um verschiedener Behandlung.
Es liegt in der Natur der Sache, daß die nervöse
Schlaflosigkeit zumeist im Verein mit einer mehr oder
weniger großen Zahl anderer nervöser Erscheinungen,
wie Kopfschmerz, erhöhter psychischer Reizbarkeit,
Depression, Herzklopfen, Angstgefühl etc., auf tritt; mit¬
unter steht sie auch lange Zeit hindurch gänzlich isoliert
da, so daß man in manchen Fällen sich berechtigt fühlen
könnte, dieser Beschwerde die Bedeutung einer essen¬
tiellen Krankheitsform (Insomnie - Neurose) beizu¬
messen. Zumeist aber liegt die Sache doch so, daß in
dem bunten Kranz der nervösen Erscheinungen die
Schlafstörung eine mehr oder minder große Rolle spielt,
insbesondere auch in dem Sinne, daß beim Anwachsen
der Schlafstörung infolge der damit verbundenen Ver¬
minderung der Resistenzfähigkeit überhaupt, auch die
übrigen nervösen Erscheinungen sich verschlimmern,
während wiederum natürlich auch die Schlafstörung
ihrerseits ungünstig beeinflußt wird, wenn aus irgend
welchen Gründen die anderen nervösen Beschwerden,
insbesondere Reizbarkeit, Angstgefühl in stärkerer
Akzentuation auftreten. So besteht hier ein circulus
vitiosus; und das therapeutische Vorgehen kann sich
einerseits im Interesse des ganzen Status nervosus von
Nutzen 'erweisen, wenn es gelingt, durch Bekämpfung
der Insomnie die Resistenzfähigkeit des Organismus,
die ganze nervöse und psychische Energie zu erhöhen;
anderseits wird die Schlafstörung spontan ver¬
schwinden oder sich doch bessern, wen man es er¬
reicht hat, den Boden, auf dem sie entstanden ist, d. i.
die erhöhte Erregbarkeit, die Angstvorstellungen, oder
um welche nervöse Erscheinungen es sich sonst handeln
mag, durch irgend welche Maßnahme ihr zu entziehen.
Man hat also zwei Möglichkeiten, in den circulus
vitiosus einzugreifen; die Behandlung der Insomnie an
sich und die des ganzen nervösen Grundleidens. Nun
ist es ja natürlich besser, als an den Symptomen zu
kurieren, wenn man ein Leiden an seinen Wurzeln
angreift. Aber die Nervosität und die nervöse Schlaf¬
losigkeit ist in leider allzu vielen Fällen doch nur die
Folge des harten Kampfes ums Dasein: er ist in so
vielen Fällen die eigentliche causa movens und der
struggle vor live bleibt, er kann durch keine psychi¬
schen oder medikamentösen Maßnahmen beseitigt
werden. So können wir oft an die Wurzeln des Uebels
nicht herankommen, w ; eil wir seine ökonomischen und
sozialen Ursachen nicht ohne weiteres beseitigen
können und wir sind gezwungen, w'enn wir über¬
haupt helfen oder wenigstens lindern wollen, das Sym¬
ptom an sich zu bekämpfen.
Bei dem heutigen Stande der Dinge nun ist aber,
wie schon gesagt, das Bestreben, die nervöse Schlaf-,
losigkeit, wenn auch nur palliativ, zu heilen, nicht nur
ein durchaus aussichtsvolles, sondern insbesondere in¬
folge der Rührigkeit der pharmazeutischen Produktion
auch ein für die Patienten relativ gefahrloses Unter¬
nehmen.
Da immerhin sämtliche wirksamen Schlafmittel
zu den „starkwirkenden Arzneien“ gehören, so wird
man selbstverständlich in vielen Fällen zunächst von
milderen Maßnahmen mit Recht Gebrauch machen
w'ollen, wenn nämlich Aussicht vorhanden ist mit
diesen ebenfalls zum Ziel kommen. Zu diesen Ma߬
nahmen gehört in erster Linie die Anwendung der
psychischen oder psychanalitischen Methode. Ihrer
weiteren Anwendung steht vorläufig nur e i n Vor¬
urteil entgegen, nämlich die Anschauung, daß hier eine
Domäne des Spezialarztes, des Neurologen, vorläge —
und doch hat es in vielen Fällen gerade der Hausarzt
so viel leichter, die Psychanalyse vorzunehmen, da er
Nr. 22
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
341
nicht nur das Milieu, sondern auch die seelische Konsti¬
tution seines Klienten soviel besser, kennt, als der
Spezialist, dem es naturgemäß oft ungeheure Mühe be¬
reitet, sich von dem Seelenleben seines Patienten ge-,
nauere Kenntnis zu verschaffen. Und noch ein zweites
Vorurteil ist vorhanden: daß nämlich zu einer wirk¬
samen psychischen oder suggestiven Beeinflussung die
Hypnose notwendig sei, während doch diese zumeist
nur dann von wirklichem Nutzen sich erweist, wenn
die Resultate einer vorangegangenen Psychanalyse
von ihr bis ins kleinste berücksichtigt werden — liegt
aber eine eingehende Psychanalyse bereits vor, dann
kann zumeist das gleiche wie durch die Hypnose durch
einfache Verbal Suggestion erreicht werden. Ein
Beispiel mag das illustrieren: Eine ledige Dame von
26 Jahren, Direktrice in einem großen Geschäft, konsul¬
tierte mich wegen quälendster Schlaflosigkeit, an der
sie seit einigen Monaten laborierte. Sie wäre bereits
von einem Arzt mit Galvanisation des Kopfes, von
einem anderen mit Hypnose — völlig ohne Erfolg —
behandelt worden. Auf eindringliches Befragen ließ
sich schließlich folgender Sachverhalt feststehen: Die
Patientin hatte vor ca. 3—4 Jahren ihren Bräutigam,
der an Lungenschwindsucht gelitten hatte und bis zu
seinem Tode von ihr gepflegt worden war, verloren.
Sie glaubte nun, zumal sie öfters an „Lungenstechen“,
d. i. Rückenschmerzen, litt, sich angesteckt und selbst
ein Lungenleiden acquiriert zu haben. Des Tages über
war sie, wie sie angab, so beschäftigt, daß sie gar nicht
dazu kommen konnte, ihren diesbezüglichen Gedanken
und Befürchtungen nachzuhängen. Des Abends aber,
und besonders nachdem sie sich zu Bett gelegt, konnte
sie sich der peinigenden Angst (die hier also eine ob¬
jektivierte, auf das Erkranktsein an Tuberkulose ge¬
richtete war) nicht erwehren; meist trat, nachdem sie
sich lange im Bett herumgewälzt, ein profuser Schwei߬
ausbruch auf, und unter ängstlichen Träumen fiel sie
schließlich in einen leichten, sie wenig erquickenden
Schlaf. Erst am Morgen wurde der Schlaf tiefer und
oft so fest, daß sie nur mit Mühe erweckt werden
konnte. Schlaftrunken und mit eingenommenem Kopfe
mußte sie sich aus dem Bett erheben und nur mit Auf¬
bietung großer Energie wurde es ihr möglich, des
Morgens zur festgesetzten Stunde auf dem Schauplatz
ihrer Tätigkeit zu erscheinen. Die Untersuchung der
Patientin ergab — abgesehen von einer leichten
Anaemie — durchaus normale Befunde; insbesondere
konnte an den Lungen nichts krankhaftes festgestellt
werden; die wiederholt gemessene Abendtemperatur
überstieg nie 36,8. Da außerdem die Anamnese ergab,
daß weder bei den Eltern, noch bei deren Geschwistern,
noch auch bei den Geschwistern der Patientin selbst
jemals ein chronisches Lungenleiden aufgetreten war,
so konnte der Patientin mit gutem Gewissen die Grund¬
losigkeit ihrer nosophobischen Vorstellungen vor Augen
geführt werden. Die Beseitigung ihrer Angstvor¬
stellungen, die Behandlung der Anaemie mit Eisen¬
präparaten, Massage der Rückenmuskulatur besserten
das Befinden alsbald — innerhalb zwei Wochen — sehl-
beträchtlich; und nach einem dreiwöchigen Aufenthalt
auf dem Lande, also im ganzen fünf Wochen, nachdem
die Patientin zum erstenmal mich konsultiert hatte, er¬
klärte sie, daß sie sich vollständig gesund fühle, ins¬
besondere auch ausgezeichnet schlafe.
Bei seiner übergroßen Empfindlichkeit verspürt der
Neurastheniker eine große Anzahl von Vorgängen in
seinem Körper, die dem Normalen überhaupt nicht zum
Bewußtsein kommen. Er empfindet das Klopfen der
Blutgefäße, den Schlag des Herzens, die Bewegungen
des Magens und Darmes; und alle diese Sensationen
können ihm zur Ursache von Angstvorstellungen noso-
phobischer Natur werden (Furcht vor Herzleiden, Ge¬
hirnschlag, Magenkrebs etc.), insbesondere wenn in der
Stille der Nacht, bei dem Fehlen aller Ablenkung durch
die Reize des geschäftigen Tageslebens die Phantasie
Gelegenheit und Muße hat, einzig und allein der Ver¬
arbeitung derartiger Sensationen sich hinzugeben. In
allen diesen Fällen gibt es für den Patienten nichts
Nützlicheres, als auf Grund einer sorgfältigen körper¬
lichen Untersuchung, deren Genauigkeit und Gewissen¬
haftigkeit aber auch dem Kranken zum Bewußtsein ge¬
bracht werden muß, in eingehendem Gespräche ihn über
die Grundlosigkeit seiner Angstvorstellungen aufzu¬
klären. Oft genug hegen die Wurzeln auch der In¬
somnie-Neurose rein im Psychischen; und es kann auch
dieses Leiden, ebenso wie die Hysterie auf einem aus
dem Oberbewußtsein verdrängten Erlebnisse beruhen,
daß einst die Psyche stark alteriert hat und jetzt noch
gleichsam als unlustbetontes Fremdkörpergebilde von
der Psyche empfunden wird; oder es handelt sich um
dauernd einwirkende Schädlichkeiten psychischer Art
— um „Nadelstiche des Lebens“, wie sie sich aus einem
unangenehmen Dienstverhältnis, . aus einer wenig
glücklichen Ehe etc. ergeben, deren Vorhandensein von
dem Patienten selbst aber keine Bedeutung beige¬
messen wird, oder die er auch geflissentlich übersehen,
aus dem Oberbewußtsein verdrängen will. Wenn es
hier in der Tat oft einer mühe- und zeitraubenden psy¬
chischen Analyse bedarf, um den eigentlichen Sach¬
verhalt aufzuklären, w-enn hier oft gewisse Methoden
nötig sind, über deren Handhabung nicht jeder Prak¬
tiker verfügt (Associationsexperiment nach Jung,
Psychanalyse — insbesondere des Traumes — nach
Freud), so ist aber doch im Auge zu behalten, daß die
Zahl derjenigen neurotischen Erkrankungsformen, die
einer verhältnismäßig recht einfachen Psychanalyse zu¬
gänglich sind, wahrscheinlich die viel größere ist. Und
dann: wenn auch zugegeben werden muß, daß mit Hilfe
der Traumdeutung vieles sonst tief im Schoß der Seele
Verschlossenes ans Tageslicht gefördert wird, so ist
doch anderseits zu bedenken, daß eine Deutungs-
möglichkeit noch nicht mit einer Deutungs-
Sicherheit identisch ist.
Ein Gebiet, das bei der Insomniebehandlung eine
ganz besondere Beachtung verdient, ist die Sexual¬
sphäre; viele Patienten scheuen sich, auch vor dem
Arzte, über sexuelle Dinge sich offen auszusprechen.. 0
Gewmhnt man sich, bei Konsultationen wegen Insomnie,
wenn nicht eine anderweitige causa morbi ohne
weiteres sich ergibt, grundsätzlich das Gespräch auf
dieses Gebiet zu bringen, so erlebt man es ungeheuer
häufig, hier die Wurzel des Uebels zu finden. Oft ist
die Insomnie durch den Coitus interruptus oder reser-
vatus veranlaßt, wenn jedesmal nach dem in dieser
Form vollzogenen Beischlaf der ängstliche Zweifel auf-
tritt, ob der Coitus reservatus auch reserviert genug
ausgeführt worden sei, ob nicht doch etwas Samen in
die Vagina gelangt sei; das Präservativ ist hier das ge¬
gebene Heilmittel, ln nicht seltenen Fällen tritt auch
nach normal vollzogenem Beischlaf ein lang dauernder,
den Schlaf verscheuchender Aufregungszustand auf;
die Verlegung der Cohabitation auf die Zeit vor dem
Aufstehen erweist sich in diesen Fällen oft deshalb nicht
als zweckmäßig, weil gleichzeitig mit dem Aufregungs¬
zustand ein Müdigkeitsgefühl besteht, so daß solche Pa¬
tienten sich dann nur mit großem Widerstreben von
ihrem Lager erheben und mit starkem Unlustgefühl und
geringer Arbeitsfähigkeit an ihre Tagesgeschäfte heran-
gehen. Es ist in diesen Fällen oft nützlicher, vor dem
Schlafengehen ein Sedativum oder ein leichtes Hypriq-
tikum zu geben und den Coitus lieber bald nach dem
Zubettgehen ausführen zu lassen; die hier, wie in zahl-
342
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 22
reichen anderen, auf rein affektiver Grundlage be¬
ruhenden Fällen von nervöser Insomnie, in Betracht
kommenden Medikamente sind die verschiedenen Seda¬
tiva, am besten wohl brausendes Brom salz,
nach dem Abendessen und vor dem Schlafengehen je
ein halb Maßgläschen — also zusammen 3 Gramm oder
Bromkampfer — besonders bei sexuell-psych-
asthenischer Aetiologie — etwa 0,5 pro Tag, in drei
Dosen, zusammen mit Extr. Valerian. in Pillen, ferner
Neuronal und B r o m u r a 1, die schon eine Mittel¬
stellung zwischen den Sedativis und Hypnoticis ein¬
nehmen. Das Neuronal (Bromdiaethylacetamyd)
leistet in Fällen von leichter Schlaflosigkeit auf nervöser
Basis in Dosen von 0,5 bis 1,0 zweifellos recht gute
Dienste; da es in Lösung einen etwas unangenehmen
Geschmack hat, gibt man es am besten in Form von
Tabletten. — 10 Tabletten ä 0,5 = 1,50 M. (Kalle & Co.)
— Ebenso liegen über das Bromural (Monobrom-
isovalerianyl-Harnstoff) bereits eine so große Anzahl
lobender Veröffentlichungen vor, daß auch dieses Mittel
sowohl seiner Gefahrlosigkeit, wie seiner sedativen und
hypnotischen Wirksamkeit wegen dem Praktiker durch¬
aus empfohlen werden kann. Das Bromural scheint sich
insbesondere auch für die Kinderpraxis gut zu eignen.
Man verschreibt es am besten in Form von Tabletten,
die in Wasser leicht zerfallen. (20 Tabletten ä 0,3 =
2 M., Knoll & Co.). Für Erwachsene empfiehlt sich als
Einzeldosis 0,6, für kleinere Kinder 0,1 für größere
bis 0,3 gr.
In den zahlreichen Fällen von nervöser Insomnie,
wo es aus irgend welchen Gründen weder der psychi¬
schen Beeinflussung, noch der hygienisch-diätetischen
oder physikalischen Behandlung (Aufenthalt in freier
Luft, feuchte Rumpfwickel, Fußbäder, Galvanisation des
Kopfes etc. gelingt, eine wesentliche Besserung herbei¬
zuführen, sollte vielmehr als bisher von den arzneilichen
Schlafmitteln, und zwar nicht nur von Sedativis, sondern
auch von den eigentlichen Hypnoticis Gebrauch ge¬
macht werden. Bei vorsichtiger Dosierung und zweck¬
mäßiger Abwechslung in der Anwendung der ver¬
schiedenen Präparate kann ein großer Schaden nicht
angerichtet werden. Der Nutzen aber ist oft ein
enormer, im Hinblick darauf, daß es fast lediglich durch
Beseitigung der Schlafstörung in zahlreichen Fällen ge¬
lingt, den verlorenen Lebensmut, die geschwundene
<J^Arbeitslust und Arbeitskraft wieder herzustellen.
Abgesehen von dem W e c h s e 1 in der Anwendung
verschiedener Medikamente sind es insbesondere fol¬
gende Gesichtspunkte, die bei der Verordnung der
Hynotica zu beachten sind: Von - den eigentlichen
Schlafmitteln soll nur dann Gebrauch gemacht werden,
wenn der Lage der Sache nach von Sedativis (Brom,
Valeriana etc.) kein Erfolg zu erwarten ist, oder wenn
diese sich bereits als nutzlos erwiesen haben. In sehr
zahlreichen Fällen gelingt es, unter gleichzeiti¬
ger Anwendung von Hypnoticis und Sedativis sowie
durch Kombination verschiedener Hypnotica —
z. B. ßromnatrium 2,0 + Veronal 0,2 oder Paraldehyd
1,0 + Trional 0,5 — mit sehr kleinen Dosen von Schlaf¬
mitteln vollen Schlaferfolg zu erzielen. Neben der An¬
wendung möglichst kleiner Dosen, wie sie bei wechsel¬
weisem Gebrauch und bei Kombination der Mittel mög¬
lich wird, verfügen wir sodann namentlich noch über
eine Maßnahme, um unangenehmen Neben- und Nach¬
wirkungen vorzubeugen, d. i. die gleichzeitige Verab¬
reichung von Laxantien. Die meisten Schlafmittel haben
an sich die Wirkung, Obstipation zu erzeugen; die Ner¬
vosität — die verbreitetste Ursache der Insomnie —
disponiert ihrerseits bekanntlich auch sehr zur Obsti¬
pation: Gründe genug, daß es bei dem Gebrauch von
Hypnoticis so oft zu Stuhlverstopfung kommt; so kann
sich, besonders bei Verwendung der schwerlösli¬
chen Hypnotica, lediglich durch Retention der In¬
testina, eine Art Kumulation einstellen, mit ihren un¬
erwünschten und unberechenbaren Nebenwirkungen,
wenn nicht für genügende Entleerung gesorgt wird.
Was den Mechanismus der Wirkung der Hypnotica
anbelangt, so beginnt dieser unserem Verständnis immer
näher zu rücken. Es sind namentlich die experimen¬
tellen Untersuchungen von Overton und Hans Meyer
über die Wirkung der verschiedenen Hypnotica auf
niedere Pflanzen- und Tierarten (Kaulquappen etc.) ge¬
wesen, die die „physikalisch-chemische Theorie der
Narkose“ weit gefördert haben. Folgende Sätze können
wir jetzt als wissenschaftlich gesichert ansehen: 1. Die¬
jenigen chemischen Körper, welche die größte Ver-
besten in den diese Substanz im wesentlichen zu¬
sammensetzenden Gehirnlipoiden lösen, sind
die hypnotisch wirksamsten. Je größer also die Fett¬
löslichkeit ist, um so höher die hypnotische Wir¬
kung. 2. Neben der Fettlöslichkeit spielt die Wasser¬
löslichkeit der betreffenden chemischen Körper nur in¬
sofern eine Rolle, als ohne die Wasserlöslichkeit eine
Verbreitung dieser Körper im Organismus nicht möglich
wäre. Je größer aber die Fettlöslichkeit im Verhältnis
zur Wasserlöslichkeit, umso stärker ist die hypnotische
Wirkung. 3. Bezgl. des Verhältnisses zwischen der
chemischen Konstitution der hier in Betracht kommen¬
den Mittel und ihrer schlafmachenden Wirkung kann
soviel als feststehend betrachtet werden (Baumann,
Käst), daß eine möglichst reichliche Angliederung von
Alkyl- und besonders Aethylgruppen in der Mehrzahl
der hier in Betracht kommenden chemischen Grund¬
körper die hypnotische Wirkung verstärkt. Dies gilt
z. B. für die Gruppe der Disulfone (Sulfonal. Trional),
für die Urethan-Gruppe (Aethylurethan, Hedonal), für
die Harnstoffderivate (Veronal, Proponal).
Nach neueren Untersuchungen, die Mannich und Rosen¬
mund unter Verwendung von Diäthyldiketopiparazin vorgenommen
haben, scheint jedenfalls dem Faktor der Lipoidlöslichkeit eine
größere Bedeutung beizumessen zu sein, als dem Vorhandensein
von Aethyl-Gruppen. — Neuerdings ist übrigens von Frankel
(Wien) nachgewiesen worden, daß es eine Reihe von chemischen
Körpern gibt, die sowohl Aethyl-Gruppen wie Fettlöslichkeit be¬
sitzen und dennoch narkotisch nicht wirksam sind, so daß also
noch eine dritte, bisher unbekannte Eigenschaft für das Zu¬
standekommen hypnotischer Wirkung notwendig erscheint.
Es ist nun in letzter Zeit mehrfach darauf hinge¬
wiesen worden, daß bei der Indikationsstellung zur An¬
wendung der verschiedenen Schlafmittel einerseits die
chemische Konstitution des Hypnotikums, andererseits
die Art der Schlafstörung zu beachten sei. So ist ver¬
langt worden '), daß bei erregten Geisteskranken oder
überhaupt bei motorisch unruhigen Kranken vorzugs¬
weise die leichtlöslichen und leicht resorbierbaren Hyp¬
notica aus der Alkohol- und Chloroform-Gruppe be¬
nützt werden sollen (Dormiol, lsopral, Paraldehyd.
Amylenhydrat etc.), da ihre Wirkung — auf dem Wege
der Betäubung — sehr rasch einträte, ohne daß dem Ein¬
schlafen eine Zeit des Müdigkeitsgefühls voraufgehe. Da
diese Körper jedoch eine lähmende Wirkung auf den
Gefäßapparat ausüben und bei ihrer Verwendung sich
bald die Notwendigkeit, die Dosis zu steigern, heraus¬
stelle, so sollten sie sich nicht zur Bekämpfung der rein
nervösen Schlaflosigkeit bezw. dazu eignen, „einen ver¬
mindert Schlaffähigeil wieder spontan schlaffähig zu
machen“. Dieser Indikation sollten besser die schwer¬
löslichen Körper, also die Disulfone (Trional) und Harn¬
stoffalkyle (Veronal, Proponal) genügen.
Wir glauben nicht, daß es zweckmäßig wäre, diesen
Anschauungen in der Praxis zu folgen. Das rasch Vor-
*) Homburg er, Med. Klinik 1907, S. 1338.
Nr. 22
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
343
übergehende der Wirkung der Körper der Alkohol-
Gruppe und ihre rasche Ausscheidung aus dem Orga¬
nismus ist ein sehr großer Vorteil; infolge des Fehlens
der Kumulation ist hier eine verhältnismäßig genaue
Dosierung möglich, und die Toxizität it eine geringe.
Sind doch z. B. von Paraldehyd 100 gr. auf einmal ge¬
nommen worden, ohne daß die Sache übel ablief,*)
während in einem anderen Falle ein Jahr lang täglich
35 gr. dieses Mittels geschluckt werden konnten —mit
dem Effekt, nur, daß der betreffende Patient sich in
einem permanenten Rauschzustand befand.**) Für die
zahlreichen Fälle von Insomnie bei Alkoholneurasthenie,
aber auch für sehr viele andere Fälle von nervöser
Schlaflosigkeit erschienen uns gerade die dieser Gruppe
angehörenden Hypnotica, insbesondere Paraldehyd,
Atnylenhydrat, Isopral, Dormiol als die geeignetsten
Mittel. — Anderseits ist die schwere Löslichkeit, die
langsamere Resorbierbarkeit und die verzögerte Aus¬
scheidung eines Körpers, wie z. B. die des Veronals, an
sich gewiß nur ein Nachteil. Wir werden auf die Ver¬
wendung dieses sicher wirkenden und bequem darzu¬
reichenden Mittels gerade auch bei der Behandlung
leichterer Formen der nervösen Insomnie nicht ver¬
zichten wollen, werden aber den Umstand, daß es wegen
seiner oben bezeichneten Eigenschaften oft Schläfrigkeit
und Eingenommenheit des Kopfes am Tage nach der
mit seiner Hilfe gut durchschlafenen Nacht hervor¬
bringt, als sehr lästig empfinden. — Bei der Indikations¬
stellung für die Wahl eines bestimmten Hypnotikums
haben wir hingegen meist die Rücksichtnahme auf die
Beobachtungstatsache nützlich gefunden, daß die
Schlafstörung der Nervösen im wesentlichen in zwei
verschiedenen Formen auftritt: entweder klagen die
Patienten darüber, daß sie nur sehr schwer resp. spät
einschlafen können; erst nach stundenlangem Munter¬
sein, nach vielem Hin- und Herwälzen, nach Schwei߬
ausbruch etc. kommt endlich der ersehnte Schlaf; dann
aber können die Patienten, bis sie geweckt werden,
stundenlang gut und fest schlafen. Eine zweite Kate¬
gorie von Kranken gibt hingegen an, daß sie zwar ziem¬
lich bald, nachdem sie zu Bett gegangen, einschlafen
können, daß sie aber bald wieder aufwachen, daß sich
das Spiel : bald einschlafen, bald aufwachen in einer
Nacht ungezählte Male wiederhole, sodaß es zu einem
richtigen erquickenden Schlafe bei ihnen nicht komme.
Nun verfügen wir einerseits über eine Reihe von Schlaf¬
mitteln, die zwar rasch wirken, deren Gebrauch aber
einen langandauernden tiefen Schlaf mit Sicherheit nicht
verbürgt; eben die schon genannten Mittel der Chloral-
hydrat- und Alkoholgruppe: insbesondere Dormiol,
Isopral, Paraldehyd, Amylenhydrat. Von diesen Mitteln
werden wir also naturgemäß und zweckmäßiger Weise
dann Gebrauch machen, wenn wir es mit der zuerst
charakterisierten Art nervöser Insomnie, also mit er¬
schwertem bezw. verzögertem Einschlafen zu tun
haben; andere Hypnotica wieder, wie Sulfonal und
Trional, Veronal und Proponal erzielen keineswegs
einen raschen Eintritt der Schlafwirkung; es dauert bei
ihnen meistens ein bis zwei Stunden, oft noch länger,
bis der Schlaf sich einstellt. Ist der Patient erst einmal
eingeschlafen, so ist auch mit einiger Sicherheit auf
einen tiefen ruhigen, mehrstündigen Schlaf zu rech¬
nen; diese Mittel eignen sich demnach vorzüglich für
die an zweiter Stelle gekennzeichnete Art der Schlaf¬
störung. — Selbstverständlich können sich diese beiden
Insomnie-Formen auch mit einander kombinieren, und
aus ihrer Kombination werden sich im allgemeinen die
schweren Fälle ergeben. Es ist auch möglich noch
zahlreiche andere klinische Formen der Insomnie auf¬
•) Mackenzie, Brit. med. journ. 1891, S. 1255.
**) Krafft-Ebing, Zeitschr. 1. Therap. 1887, Nr. 7.
zustellen, so hat z. B. Lechner *) deren 16 statuiert;
8 Formen der Vorschlafstörung und 8 Formen der Nach¬
schlafstörung; für die Bedürfnisse der Praxis ist es
jedenfalls einerseits ausreichend, aber anderseits auch
notwendig, die beiden oben geschilderten Insomnie¬
formen auseinander zu halten — eben namentlich im
Hinblick auf die verschiedenen Mittel, die zu ihrer Be¬
kämpfung geeignet sind. Auch eine zweckmäßige Ab¬
wechselung im Gebrauch der einzelnen Mittel wird erst
ermöglicht, wenn die beiden Insomnieformen nach Mög¬
lichkeit auseinander gehalten werden. Einem Patienten,
dessen Schlafstörung lediglich im erschwerten Ein¬
schlafen besteht, und bei dem sich z. B. Amylenhydrat
nützlich erwiesen hat, wird man, um mit dem Mittel zu
wechseln, nicht Trional mit seiner stark verzögerten
Schlafwirkung, sondern etwa Dormiol, Isopral, vielleicht
auch Hedonal verordnen. Wo hingegen der Schlaf ein zu
oberflächlicher, durch häufiges Aufwachen unter¬
brochener ist, wo also Trional oder Veronal indiziert er¬
scheinen, wird man vorteilhafter eben diese Mittel in
wechselweise Anwendung bringen, zumal die etwaigen
schädlichen Nebenwirkungen dieser Körper sich auf
verschiedeneOrgane beziehen. Beginnen z. B.
nach längerem Trionalgebrauch die Nieren zu leiden
(Albuminurie, Haematoporphyrinurie), so werden sie
sich unter Fortlassung dieses Medikamentes bei nun er¬
folgender Darreichung von Veronal sehr bald zu erholen
anfangen, da Veronal, das zwar gelegentlich Störungen
an der Haut, am Nervensystem, am Intestinaltrakt her¬
vorruft, doch die Nieren unbehelligt läßt.
Die folgende Zusammenstellung möge dazu dienen,
einen rasch orientierenden Ueberblick über die wich¬
tigsten Hypnotica zu ermöglichen.
Das Chlorhydrat, dessen unangenehme Nebenwir¬
kungen insbesondere in bezug auf den Zirkulations¬
apparat ja bekannt sind, aber vielleicht doch mehr als
nötig scheint, gefürchtet werden, ist neuerdings durch
eine Anzahl ihm nahe verwandter Körper immer
mehr verdrängt worden. Zunächst sei hier das Dor¬
miol genannt, eine Verbindung von 1 Molek. Chloral-
hydrat + 1 Mol. Amylenhydrat; es findet sich als
5U pCt. Lösung und als Kapseln ä 0,5 im Handel; wegen
des schlechten Geschmacks dürfte zumeist die Verord¬
nung von Kapseln vorgezogen werden. Dormiol wird
in Dosen von 0,5 bis 2,0 angewendet und erzeugt oft
schon in Dosen von 0,5 einen ruhigen, festen Schlaf.
Ueber 2,0 hinaus zu gehen, ist zwecklos. Eigentliche
ernste Vergiftungserscheinungen sind bisher kaum be¬
obachtet worden, selbst nicht nach Dosen von 6 gr.,
wenn auch Somnolenz am folgenden Tage, Kopf¬
schmerz, Schwindelgefühl und ähnliche nervöse Be¬
schwerden nach Dormiolgebrauch nicht völlig zu fehlen
scheinen. Dormiol ist billig: eine Schachtel (25 Stück)
Dormiolkapsel ä 0,5 = 2 M. (Kalle & Co.).
Wohl nicht ganz so sicher wirkend wie das Dormiol,
aber immerhin als ebenfalls brauchbares Hypnoticum zu
betrachten ist das H y p n a 1, ein Produkt von 1 Mol.
Chloralhydrat + 1 Mol. Antipyrin (1 gr. Hypnal =
0,45 Chloralhydrat + 0,55 Antipyrin). Man gibt das
Mittel, das sich in Wasser leicht löst, am besten in Do'ken
von 1 bis 2 gr. mit warmer Flüssigkeit zusammen und
läßt des etwas an Chloralhydrat anklingenden Nach¬
geschmacks wegen ein wenig Wasser nachtrinken.
Außer gelegentlichem Erbrechen scheinen bei sonst ge¬
sunden Personen unangenehme Nebenwirkungen kaum
aufzutreten. Dosis: 1 bis 2 gr.; 1 gr. = 30 Pfg.
Durch Hinzufügung des Trimethlxanthins (Koffeins)
und des Carbaminsäurementhylesters (= Urethan) zum
Hypnal wird neuerdings ein unter dem Namen E g 1 a -
t o 1 in den Handel gebrachtes Hypnoticum produziert,
*)Techner, die klin. Formen der Schlaflosigkeit, Leipzig und
Wien 1909.
344
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 22
dessen Vorzug namentlich darin bestehen soll, daß ein¬
mal durch die herzstimulierende Kraft des Koffeins die
toxische Wirkung des Chlorals auf ein Minimum herab¬
gesetzt *), andererseits durch das Hinzutreten des Car-
baminsäurementhylesters (Urethan) die hypnotische
und sedative Wirksamkeit erhöht wird. Im Tierexperi¬
ment ergab sich, daß (beim Kaninchen) von Eglatol,
subkutan injiziert, die tötliche Dosis erst bei 0,461, von
Hypnal schon bei 0,147 lag. Das Mittel soll nicht auf
leeren Magen genommen werden. Als Nervinum-Se-
dativum gibt man davon 0,5 zwei- bis viermal täglich,
und zwar in Kapseln ä 0,5. Eine Originalschachtel ent¬
haltend 20 Kapseln ä 0,5 = 2 M. (chemisch. Institut.
Dr .Horowitz-Berlin).
Ein anderer dem Chloralhydrat nahe stehender
Körper, das I.sopral (Trichlorisopropyl-Alkohol) von
Impens **) 1903 entdeckt und pharmakologisch stu¬
diert, ist viel weniger giftig als das Chloral, jedoch im
Durchschnitt fast zweimal so wirksam wie dieses; ob¬
wohl es auch für das Herz und das Zirkulationssystem
entschieden eine geringere Giftwirkung als das Chloral¬
hydrat besitzt und man es ohne Bedenken auch Herz¬
kranken geben kann, so wird selbstverständlich auch
bei diesem Mittel, ebenso wie überhaupt bei allen Schlaf¬
mitteln, eine gewisse Vorsicht angebracht sein, wenn
diese Medikamente Herzkranken verordnet werden.
(Wiederholte Untersuchung des Herzens und des Urins.)
Die Hauptvorzüge des Mittels entspringen seiner ver¬
hältnismäßig großen Flüchtigkeit und seiner raschen
Resorbierbarkeit: es wirkt rasch — der Schlaf
tritt schon nach 10 Minuten ein — und mit dem Aufhören
des Schlafes ist die Wirkung des Mittels erloschen, d. h.
Nachwirkungen, wie Schwindelgefühl, Kopfschmerz,
Eingenommenheit kommen kaum zur Beobachtung. Bei
einfacher nervöser Schlaflosigkeit genügt meist 0,5 gr.
zur Erzielung eines, wenn auch nicht tiefen, so docli
ruhigen und erquickenden, genügend langen Schlafes;
unbedenklich kann die Dosis in den meisten Fällen auch
auf 1,0 gesteigert werden. Will man gelegentlich be¬
obachtete, unerwünschte Nebenerscheinungen von
seiten des Magens vermeiden, wie Aufstoßen, Brennen,
Magendrücken, so verordnet man das Mittel am besten
in Lösung — seine Wasserlöslichkeit ist eine be¬
schränkte, — etwa 3,0 Isopral ad 150,0 Aqu. menth. und
läßt von der Lösung abends zwei Eßlöffel nehmen, ver¬
dünnt in Wasser oder Bier. Auf nüchternen Magen soll
das Mittel nicht genommen werden. Ganz zweckmäßig
ist die Dragee-Form, in der das Medikament im Handel
ist. Die Dragees (ä 0,25 und 0,5) sind mit Zucker über¬
zogen, der den Geschmack verdeckt und die Verflüchti¬
gung verhindert; sie werden nicht zerkaut, sondern mit
einem Schluck Wasser hinuntergespült. Ein Gramm
Isopral = 40 Pfg., 10 Dragees ä 0,5 = 1,50 M. (Bayer
& Co.).
Das Chloralformamid (auch Chloralamid
genannt), eine molekulare Verbindung des Chlorals mit
Formamid (Methanamid), dessen hypnotische Wirkung
vielleicht eine etwas schwächere als die des Chlorals ist,
besitzt dafür ebenfalls eine geringere Giftigkeit als
dieses. Immerhin ist auch bei Verwendung des Chloral-
formamids, insbesondere bei Herzleiden, eine gewisse
Vorsicht angebracht. Der Geschmack ist kein inten¬
siver. Da es sich bei 60 0 in seine Komponenten zu zer¬
setzen anfängt, so soll das Mittel nicht in heißer Lösung
gegeben werden. Man verabreiche am besten ca. eine
Stunde vor dem Zubettgehen 1 bis 3 gr. des Medika¬
ments, entweder als Pulver trocken, oder besser in
Wasser oder Bier gelöst. 1 gr. == 10 Pfg., 10 gr. =
70 Pfg.
*» Therap. Monatshefte 1903, H. 9 u. 10.
**) Therap. Monatshefte 1903, H. 9 u. 10.
Schließlich seien von Chloralderivaten hier noch
die Chloralose (Verbindung des Chlorals mit
Traubenzucker = Anhydroglykochloral), ein Mittel, das
trotz sehr vieler warmer Empfehlungen besonders von
seiten französischer und italienischer Autoren in
Deutschland nicht recht Fuß zu fassen vermochte (man
gibt es in Dosen von 0,1 =0,3 gr. des Pulvers in Kap¬
seln), sowie das V i f e r r a 1 erwähnt. Das Viferral,
ein aus Chloral und Pyridin von Dr. S. Gärtner, Halle,
dargestelltes Poiychloral, soll nach dem übereinstim¬
menden Urteil der Autoren meist den Eindruck eines
ruhigen, erquickenden Schlafes bewirken, dabei kaum
irgend welche unerwünschte Nebenwirkungen ent¬
falten. Von schwachsaurer Flüssigkeit wird es nicht
zersetzt, also auch vom Magensaft nicht in Chloral¬
hydrat übergeführt. Da der Geschmack kein ange¬
nehmer, soll es entweder in Oblaten oder in Form von
Tabletten gereicht werden. Die Literatur über das
Mittel ist noch einigermaßen spärlich und so sei es einst¬
weilen, zumal es auch von uns selbst noch nicht er¬
probt wurde, noch nicht ohne jeden Vorbehalt emp¬
fohlen. Die mittlere wirksame Dosis beträgt 1 gr.
Es befindet sich in Form von Tabletten ä 0,5 (10 Tabl.
= 1 M., Rieche & Co.) im Handel.
ln der chemischen Konstitution vom Chloralhydrat
sich weiter entfernend, in der klinischen Wirkung ihm
aber recht nahe stehende Mittel sind das Amylen-
hydrat und der Paraldehyd : zwei Körper, von
denen der erstgenannte ein echter Alkohol ist, der
zweitgenannte der Alkoholreihe ebenfalls entstammt.
— Die Aldehyde entstehen bekanntlich aus den pri¬
mären Alkoholen durch Oxydation unter Austritt von
2 Atomen Wasserstoff. Sowohl Anylenhydrat wie
Paraldehyd werden schnell resorbiert, wirken also
rasch und sind daher besonders dort indiziert, wo es
sich um die Bekämpfung des erschwerten Einschlafens
handelt. Beide Mittel sind recht ungefährlich. Das
Amylenhydrat, der tertiäre Amylalkohol, ist
leichter als Wasser; die Lösung, in der er verabreicht
wird, muß also vor dem Gebrauch gut umgeschüttelt
werden, da sonst leicht unkontrollierbare Mengen ver¬
abfolgt werden könnten. Am besten gibt man das
Mittel, um den lästigen Geschmack zu verdecken, in
Bier. Als wirksame Dosis darf die Menge von 3 gr.
gelten. 1 gr. Amylenhydrat = 10 Pfg.
DerP araldehyd, wohl noch ungefährlicher und
etwas milder wirkend als das Amylenhydrat, würde ein
geradezu ideales Schlafmittel genannt werden können,
wenn dem nicht außer dem unangenehmen Geschmack
noch der unangenehme Geruch der Ausatmungsluft
entgegen stünde. Trotzdem wird von diesem Mittel,
wenn auch nicht gerade in der eleganten Damenpraxis,
seiner fast völligen Gefahrlosigkeit wegen mit Recht
ein weitgehender Gebrauch gemacht. Bei bestehenden
Katarrhen der Respirationswege ist wegen seiner
Reizwirkung auf die Schleimhäute eine gewisse Vor¬
sicht nötig (reichliche Verdünnung!). Die Verab¬
reichung erfolgt zweckmäßiger Weise in Wein, Bier
oder Pfefferminzwasser, Pomeranzensirup etc. Die
wirksame Dosis; 3 bis 4 gr. Preis 1 gr. = 5 Pfg.;
10 gr. = 15 Pfg.
Fast ebenso ungefährlich in therapeutischen Gaben
wie die beiden zuletzt besprochenen Mittel, wenn auch
von nicht ganz so sicherer Wirkung als diese, ist das
H e d o n a 1, ein Abkömmling des Urethan. Das Urethan
(Carbaminsäureester), dessen schon oben als eines Be¬
standteils des Eglatols Erwähnung getan wurde, ist
wohl von zu geringer Wirksamkeit, als daß sein Ge¬
brauch eine weitere Verbreitung erlangen könnte. Das
Iledonal (Methylpropylcarbinol-Urethan) dagegen kann
als ein durchaus brauchbares Schlafmittel gelten. In
Nr. 22
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
345
I
I
Dosen von 1,5 bis 2 gr. genommen, bewirkt es, wenn
auch freilich nicht mit absoluter Konstanz, meistens in
ca. einer halben Stunde den Eintritt eines mehrstündigen
ruhigen Schlafes. Unerwünschte Neben- und Nach¬
wirkungen ernsterer Natur sind kaum zu befürchten.
Man reicht das Mittel am besten als Pulver — des un¬
angenehmen Geschmacks wegen evtl, in Oblaten — dar
und läßt etwas Wasser oder noch besser Pfefferminz¬
wasser nachtrinken. 1 gr. = 25 Pfg., 10 gr. = 2 M.;
10 Tabl. ä 0,5 — 1,20 M. (Bayer & Co.).
Außer dem Hedonal existieren noch eine Anzahl an¬
derer Körper der Urethanreihe von hypnotischer Wir¬
kung: das Uralum (Urethan + Chloral) und das Somnal
(Urethan + Chloral + Alkohol). Da jedoch diese Kör¬
per, ebenso wie einige andere hypnotisch wirksame
Substanzen: Methylal, Hypnon, Buthylchloralhydrat zur
Zeit noch nicht als wirkliche und dauernde Bereiche¬
rungen unseres Arzneischatzes angesprochen werden
können, so wollen wir auf dieselben nicht näher ein-
gehen, uns vielmehr zum Schluß zwei Gruppen von
Hypnoticis zuwenden, die in der Tat in eminentem Sinne
eine solche Bereicherung darstellen: den Bisul -
f o n e n und den Harnstoffderivaten. Den
Körpern beider Gruppen ist die Eigenschaft gemeinsam,
daß sie schwer lösbar sind und nur langsam resorbiert
werden; die W'irkung tritt daher nur langsam ein, oft
erst mehrere Stunden nach Einnahme des Mittels; der
Schlaf ist aber fest und meist von ziemlich langer Dauer.
Auf der schweren Resorbierbarkeit beruhen zum großen
Teil auch die Gefahren, die mit dem Gebrauch dieser
Mittel verbunden sind.
Beim S u 1 f o n a 1 (Diaethylsulfondimethylmethan)
insbesondere sind so zahlreiche Intoxikationserschei¬
nungen; lähmungsartige und Aufregungszustände, Haut¬
ausschläge, Stoffwechselerkrankungen, wie Hämato-
porphyrinurie etc., zum Teil mit tätlichem Ausgang, be¬
obachtet worden, daß dieses Mittel doch nur mit großer
Vorsicht verwendet werden sollte; die Vorsichtsma߬
regeln haben vor allem darauf abzuzielen, daß Kumula¬
tion vermieden werde, sie werden also namentlich in'
der Verabreichung von Laxantien und darin bestehen,
daß das Mittel immer in reichlicher warmer Flüssigkeit
gelöst und nur kurze Zeit hindurch gegeben wird; bei
Sulfunalgebrauch sollte auch die wiederholte Unter¬
suchung des Urins nie vergessen werden. Bei Frauen
geht man am besten , nicht über eine Dosis von 1 gr.
hinaus, Männern können 1 bis 2 gr. des Mittels gegeben
werden. Preis: 1 gr. = 10 Pfg.; 10 gr. = 85 Pfg.
Das T r i o n a 1 oder Methylsulfonal (Diäthylsulfon-
rnethylmethan), das eine Aethylgruppe mehr als das
Sulfonal enthält, ist dementsprechend auch von größe¬
rer hypnotischer Wirksamkeit als das Sulfonal. Die
Giftwirkung des Trionals ist aber, obwohl üble Neben¬
erscheinungen und Nachwirkungen auch hier nicht
gänzlich fehlen — auch nach Trionalgebrauch ist
Haematoporphyrinurie etc. beobachtet worden — doch
eine sehr viel geringere als die des Trionals. Das
Trional. hat, ebenso wie alle anderen schwer löslichen
und nur langsam resorbierbaren Hypnotica den Nach¬
teil, daß die Wirkung oft erst sehr verspätet, mitunter
erst nach vielen Stunden, eintritt und daß auch am fol¬
genden Tage oft noch etwas Schlafsucht besteht. Im
übrigen kann es, da es doch mit großer relativer Sicher¬
heit einen mehrstündigen festen Schlaf erzielt, als ein
gutes und durchaus brauchbares Schlafmittel angesehen
werden. Natürlich ist auch bei diesem Mittel eine ge¬
wisse Vorsicht nötig; es sind in dieser Beziehung unge¬
fähr dieselben Gesichtspunkte maßgebend wie beim
Sulfunalgebrauch. Man gibt das Trional — in Dosen
von ca. 1 gr. — am besten zusammen mit recht viel
heißer Flüssigkeit (Baldriantee etc.). Preis 1 gr. =
15 Pfg.; 10 gr. = 1,20 M.
(/ERSITY OF MICHIGAN
Das T e t r o n a 1 (Diaethylsulfondiaethylmethan)
scheint im wesentlichen dieselbe hypnotische wie toxi¬
sche Wirkung zu haben wie das Trional; seiner wei¬
teren Verbreitung steht vielleicht nur sein hoher Preis
entgegen: 1 gr. = 65 oder 70 Pfg.
Von den hypnotisch wirksamen Harnsäurederivaten
ist an erster Stelle das Veronal zu nennen (die
Diaethylbarbitursäure oder der Diaethylmalonylharn-
stoff). Es wurde von der medizinischen Welt mit einem
ungeheuren Enthusiasmus begrüßt; sollte dieses Aller¬
weltsmittels, das nicht nur alsHypnoticum, sondern eben¬
so als Antiemeticum (bei Hyperaemesis gravidarum),
als Antihydroticum, als Antiepilepticum, als Sedativum,
als Mittel gegen Keuchhusten, Seekrankheit usw. die
vorzüglichsten Dinge leisten sollte, in therapeutischen
Gaben doch gänzlich ungefährlich sein. Nachdem nun
ca. 7 Jahre seit der Einführung des Mittels verflossen
und eine Unmenge von Publikationen über dasselbe er¬
schienen sind, kann jetzt wohl soviel als feststehend
gelten, daß das Veronal wenigstens als Hypnoticum in
der Tat als ein ganz vorzüglicher Arzneikörper zu be¬
trachten ist, obwohl auch dieses Mittel nicht ganz
rein von berechtigter übler Nachrede geblieben ist.
Unerwünschte Nebenwirkungen verschiedenster Natur
sind nach Veronalgebrauch in zahlreichen Fällen beob¬
achtet worden; insbesondere handelte es sich um Haut¬
exantheme, um nervöse Ei'scheinungen, um Störungen
am Verdauungstraktus, auch chronischer Veronalismus
ist nicht ganz selten zur Beobachtung gelangt. Er¬
scheinungen von wirklich bedrohlichem Charakter
scheinen aber nach therapeutischen Gaben kaum auf¬
getreten zu sein. Die tötlich verlaufenden Vergiftungs¬
fälle nach Veronal sind jedesmal auf hohe, die Heildosis
weit überschreitende Mengen des Mittels zurückzu¬
führen gewesen. Ebenso wie Sulfonal und Trional
scheint auch das Veronal von Frauen schlechter ver¬
tragen zu werden als von Männern, daher bei den
ersteren kleinere Gaben angezeigt sind. Da das
Veronal zu den schwer löslichen Mitteln gehört, ein
rasches Eintreten der Wirkung also ohnedies nie mit
Bestimmtheit erwartet werden kann, so sollte, um die
Zeit bis zum Eintritt der Wirkung nach Möglichkeit ab¬
zukürzen, nie verabsäumt werden, das Mittel 1. längere
Zeit vor dem Schlafengehen (etwa eine Stunde nach
dem Abendessen) und 2. in viel heißer Flüssigkeit
(Baldriantee) g e 1 ö s t zu verabreichen. Man verordnet
es also besser nicht als Tabletten, sondern als Pulver
ä 0,4 bis 1,0. da die Pulver sich immer noch besser in
der Flüssigkeit auflösen als die Tabletten. Preis:
Meronal 1 gr. = 50 Pf., 10 gr. 3,90 M.; Acid. Di-
aethylbarbituricum: 1 gr. = 35 Pf.
Eine entschieden verbesserte Auflage des Veronals
kann das Veronalnatrium oder M edina 1 (Mo¬
nonatriumsalz der Diaethylbarbitursäure) genannt
werden, obwohl die hypnotische Wirkung dieses
Veronalabkömmlings sogar etwas schwächer als die
des Veronals selbst ist. 1 gr. Veronalnatrium entspricht
etwa in seiner Wirkung derjenigen von 0,9 gr. Veronal.
Während aber das Veronal schwer löslich ist, nämlich
im Verhältnis von ca. 1 : 100 Wasser von 37" C.. ist
das Veronalnatrium ein leicht löslicher Körper; es löst
sich schon in 5 TI. Wasser. Deshalb tritt die Wirkung
nach Veronainatriumgebrauch erheblich rascher ein als
nach Veronalgebrauch und die Darreichung ist eine viel
bequemere. Man kann es rektal (am besten als Suppo-
sitorien), ja auch zu subkutanen Injektionen verwenden
(in 10 "/>• Lösung), man ist nicht darauf angewiesen, es
in Pulver zu verabreichen, die aufgelöst werden müssen,
sondern kann von der bequemen Tablettenform Ge¬
brauch machen. Die Nebenwirkungen scheinen auf
keinen Fall unangenehmere zu sein als beim Veronal.
Will man das Medikament ungelöst hinunterschlucken
/ERSI
346
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 22
lassen, so verordnet man es des schlechten Geschmacks
wegen am besten als Tabletten mit Kakaozusatz. Die
ohne Kakao- resp. Schokoladeüberzug hergestellten
Tabletten (Medinale solubile, Schering) sollen vor dem
Gebrauch in reichlicher Flüssigkeit gelöst werden.
Preise: Veronalnatrium 1 gr. = 50 Pf., 10 gr. = 3,90 M.;
10 Tabletten a 0,5 (mit Kakao) =2,50 M. (Bayer & Co.;
Merck). Medinal solub. 1 gr. = 45 Pf., 10 gr. = 3,50 M.
(E. Schering).
Ebenfalls ein Harnsäurederivat und dem Veronal
nahe verwandt ist das Proponal (Dipropylmalonylharn-
stoff oder Dipropylbarbitursäure). Es ist hypnotisch
wirksamer als das Veronal (0,3 Proponal etwa gleich
der Wirkung von 0,5 Veronal) und dürfte in medizi¬
nalen Dosen (0,15 bis 0,5) kaum unangenehmere Neben¬
wirkungen als dieses hervorzurufen imstande sein.
Nachdem von Mering 0,5 als die höchste medizinale
Gabe des Proponals bezeichnet hatte, ist es von
Ziehen *) als ein Nachteil des Mittels bezeichnet worden,
daß die toxische und medikamentöse Dosis so nahe bei¬
einander liegen. Demgegenüber sei daran erinnert,
daß nach den Berichten einzelner Autoren auch nach
Gaben von 0,75 2 ) bis 1 gr. 3 ) bei körperlich sonst ge¬
sunden Personen üble Nachwirkungen nicht beobachtet
wurden; immerhin wird man gut tun, höhere Dosen
als 0,3 bis 0,5 gr. nicht anzuwenden; es dürfte dies auch
bei der Bekämpfung von einfacher nervöser Insomnie
kaum jemals nötig sein. Da es sich hier um ein sehr
schwer lösliches Mittel handelt, so reicht man es wohl
am besten als Pulver dar, das man mit reichlicher
warmer Flüssigkeit hinunterschlucken läßt. Der An¬
wendung des Mittels in großem Maßstabe steht vor¬
läufig vor allem der hohe Preis im Wege: 1 gr. =
1,25 M. Es befindet sich auch in Tabletten ä 0,1 im
Handel (Bayer & Co.; Merck).
Ebenso wie vom Veronal existiert auch vom
Proponal ein Mononatriumsalz J ) von großer Löslich¬
keit; während Proponal sich im Wasser erst im Ver¬
hältnis von 1 : 1640 löst, löst sich Proponal natri-
um schon im Verhältnis von 1:3; infolgedessen tritt
die Wirkung nach Proponalnatrium rascher ein, es soll
auch schon in etwas geringeren Dosen als Proponal
wirksam sein. Ein zweifelloser Vorteil ist die be¬
quemere und mannigfaltigere Anwendungsmöglichkeit
des Proponalnatriums; man kann es vor allem — was
bei Proponal kaum möglich — gelöst verabfolgen,
außerdem rektal, subkutan. Wo das Proponalnatrium
als solches nicht erhältlich ist, kann man es sich leicht
selbst hersteilen lassen, indem man, nach Steinitz, etwa
folgende Verschreibungsweise wählt: Acid. dipropyl-
barbitur. 0,3; Natr. barbonic. 0,5; Aqu. destill. 10,0
(oder mehr). _
REFERATE.
Lungenleiden.
Referent: Prof. Dr. A. Moeller, Berlin.
1. Klinische Erfahrungen über die Behandlung der Lungentuber¬
kulose mittels künstlicher Pneuinothoraxbildung. Von Prof. Saug-
man und Dr. Hansen. Beiträge zur Klinik der Tuberku¬
lose. 1910.
2. Ueber den Tuberkelbazillennachweis in der Placenta tuber¬
kulöser Mütter. Von Dr. Novak und Ranze). Wiener klinische
Wochenschrift. 1910.
3., Entstehung, Lokalisation und frühzeitige Erkennung der
l.ungenspitzentuberkuiose, Von Dr. Beschorner (Dresden).
Fortschritte der Medizin. 1910, Nr. 16.
*) Deutsch. Med. Wochenschr. 1908, Nr. 14.
2 ) Bresler, Psychiatr. Neurol. Wochenschr. 1909, Nr. 6.
8 ) Strobl, Pester medizin. Chirurg, Presse 1906, Nr. 52.
4 ) Steinitz, München. Med. Wochenschr. 1909, Nr. 41.
4 . Vergleichende serologische Untersuchungen bei Tuberkulose
und Syphilis. Von Dr. Rudolf Müller. Wiener klinische
Wochenschrift. 1910, Nr. 16.
5. Ueber Lungentuberkulosoid. Von Neiße r und Bräu¬
nin g. Berliner klinische Wochenschrift. 1910, 18. April.
6. Beitrag zur Behandlung der auf starrer Ausdehnung des Brust¬
kastens beruhenden Formen von Lungenblähung (Emphysem). Von
Dr. Oskar Rosen thal. Berl. klinische Wochenschrift. 1910,
Nr. 17.
7. Die Statistik der Tuberkulose und ihre Bedeutung für die
Prophylaxe und Therapie der Tuberkulose. Von Dr. Katzen¬
stein. Deutsche Aerzte-Zeitung. 1910, Nr. 8.
8. Eine Ergänzung zu Richters Arbeit über Tuberkulintherapie.
Von Dr. Esch. Münch, med. Wochenschrift. 1910, Nr. 16.
9. Die Behandlung von Angina pectoris. Von Dr. B n o w i n k e 1.
Fortschritte der Medizin. 1910, Nr. 17—18.
10. Nasenverstopfung und Lungenschwindsucht. Von Dr. G 1 o -
gau. Allg. Wiener med. Zeitung. 1910, Nr. 17.
11 . Die Rigidität der Muskeln und die leichte Tastpalpation als
wichtige Zeichen zur Erkennung der Lungenkrankheiten. Von Dr.
Pottenger. Deutsche med. Wochenschraft. 1910, 21. April.
12. Zur spezifischen Diagnostik und Therapie der Lungentuber¬
kulose. Von Fr. Rolly. Münchener med. Wochenschrift. 1910,
Nr. 16.
13. Ueber die Behandlung der Lungentuberkulose mit Tebean.
Von Dr. Steffen. Münchener med. Wochenschrift. 1910, Nr. 16.
14 . Ein neues einfaches Anreicherungsverfahren für Tuberkel-
bazillen. Von Dr. Zahn. Münchener med. Wochenschrift. 1910,
Nr. 16.
1. Verfasser kommen auf Grund vielfacher Nachprüfung der Be¬
handlung der Lungentuberkulose mittels künstlicher Pneumothorax¬
bildung zu folgenden Ergebnissen:
1. Die Behandlung der schweren, überwiegend einseitigen
Lungentuberkulose nach F o r 1 a n i n i ist mit der von Saug m a n
eingeführten Modifikation der Technik gefahrfrei und in geeigneten
Fällen leicht ausführbar.
2. ln etwa einem Fünftel bis einem Viertel sämtlicher Fälle
scheitert die Behandlung wegen ausgedehnter Verwachsungen
zwischen den Pleurablättern.
3. Besonders für die Methode geeignet sind schwere, über¬
wiegend einseitige Prozesse von schlechter Prognose, oder Fälle,
die, wenngleich nicht absolut hoffnungslos, doch nur durch sehr lang¬
wierige, gewöhnliche Kur Heilungsaussichten haben. Schwere tuber¬
kulöse Komplikationen seitens anderer Organe geben für die Behand¬
lung Gegenanzeige, jedoch nicht absolute, ab. Fälle mit allzu florider
Erkrankung haben trotz der Behandlung meistens eine schlechte Pro¬
gnose, jedoch gelingt es auch in diesen Fällen bisweilen, einen
schönen Dauererfolg zu erreichen.
4. Bei der Behandlung in Verbindung mit streng durchgeführter
Sanatoriumkur gelingt es in einer relativ großen Prozentzahl, sehr
schwer angegriffene, teilweise ganz hoffnungslose Kranke zu retten.
Von 24 mit durchgeführter Behandlung haben 11 solche Kranke
einen guten vorläufigen Erfolg erreicht, in den meisten Fällen mit
Aussicht auf dauernd guten Erfolg.
5. Die Tuberkelbazillen verschwinden in vielen Fällen schnell
aus dem Auswurf Ebenso wird Fieber in unkomplizierten Fällen fast
konstant günstig beeinflußt.
6. Nachweisbaren Schaden von der Behandlung haben wir bei
unseren Kranken sehr selten, wenn überhaupt gesehen. In sehr
vielen Fällen entsteht während der Behandlung ein Pleuraerguß, der
oft verhängnisvoll, werden, jedoch in gewissen Fällen einen günstigen
Einfluß auf den Verlauf ausüben kann.
7. Die Behandlung muß sehr lange dauern; in akuten Fällen
kann man sich vielleicht mit einer einjährigen Behandlungsdauer
begnügen, in mehr chronischen muß die Behandlung 2 bis mehrere
Jahre fortgesetzt werden.
2. Verfasser untersuchten 6 Plazenten tuberkulöser Mütter und
fanden in 4 Fällen ein positives Resultat. Sie wandten die von
U h 1 e n h u t h angegebene Antiforminmethode zum Nachweis der
Bazillen an.
3. Beschorner gibt eine Zusammenstellung der Früh¬
symptome der Lungentuberkulose an.
4. Müller fand bei seinen Untersuchungen folgendes:
1. Bei Seris Tuberkulöser, die mit Herzex¬
trakt unvollkommene Bindung zeigen, findet
man ausnahmslos auch Bindung mit Tuberkulin
oder Tuberkelbazillen. Umgekehrt reagieren nur in
seltenen Fällen Sera Tuberkulöser mit Bazillen oder Tuberkulin
positiv, mit Herz völlig negativ. Auch Luessera zeigen oft mit
Bazillen und Tuberkulin Komplementfixation.
2. Die Komplementbindung tuberkulöser
Sera mit Tuberkulin beruht nicht auf Wechsel¬
wirkung von Antikörper und Antigen. Man erhält
vielmehr qualitativ identische Reaktionen, wie
mit Tuberkulin, auch mit Bouillon und Pepton
(Witte).
Diese Reaktion wird nicht durch voraus¬
gegangene Tuberkulinbehandlung bedingt.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
34?
Nr. 22
. Verhalten beider Reaktionen zueinander läßt sich
durch Verfolgung ihrer quantitativen Differenzen folgendes gesetz¬
mäßige Verhalten konstatieren: Luessera zeigen starke
Affinität zu Herzextrakt, relativ schwache je¬
doch zu Tuberkelbazillen, Tuberkulin, Bouillon
und zu Pepton, während die positiv reagie¬
rende I uberkulose fälle quantitativ entgegen¬
gesetzte Affinitätsverhältnisse zeigen.
In praktischer Hinsicht ergibt sich daraus
die Möglichkeit, Fälle unvollkommener Hem¬
mung bei der Wassermannschen Reaktion durch
vergleichende Prüfung mit Peptonantigen mit
Sicherheit als nichtluetische zu erkennen.
5. Verfasser führen über Tuberkulosoid folgendes aus:
Während die pathologische Anatomie sehr genau über die so¬
genannten latenten Fälle der Tuberkulose unterrichtet ist und uns die
Narben dieser abgelaufenen Prozesse oder die noch vorhandenen
Prozesse bei zufällig Verunglückten in Lungenspitzen und Bronchial¬
drüsen nachweist, hat die Klinik bisher noch keine Kenntnis davon,
wie sich diese Tuberkulösen während des Lebens in bezug auf ihren
Herd verhalten haben. Sind diese Herde wirklich immer latent ge¬
wesen oder haben sie ein Stadium von Aktivität besessen? Wir
haben unter den 1900 Besuchern unserer Tuberkulose-Beobachtungs-
siation eine große Anzahl von Fällen kennen gelernt, von denen wir
durch klinische Beobachtung und Nachuntersuchung nach 4—10
Jahren die Ueberzeugung gewonnen haben, daß sie ein derartiges
prälatentes Stadium unter unseren Augen durchgemacht haben.
Wir kennen jetzt einige hundert Menschen, die, während sie
in ihrem Gewerbe wie jeder Gesunde tätig sind, mehr oder weniger
intensive Beschwerden haben, wie sie allgemein, als für die Tuber¬
kulose charakteristisch angesehen werden: Junge Leute zwischen
15 und 30 Jahren, insbesondere aus bestimmten Berufen (Tischler,
Maler, Näherinnen, Kontoristinnen etc.) klagen über Mattigkeit, Ge¬
wichtsabnahme, Nachtschweiße, bisweilen trockenen Husten, Stiche
und Schmerzen in der Brust und zwischen den Schulterblättern. So¬
wohl vrehältnismäßig kräitig aussehende junge Leute, wie besonders
zartere, scheinbar anämische sind hier vertreten,, während der
phthisische Habitus zuriicktritt. Bei der Untersuchung mit klini¬
scher Methodik fand sich bei diesen Leuten eine im allgemeinen er¬
höhte Empfindlichkeit gegen Tuberkulin, labile Körpertemperatur
(ohne ausgesprochenes Fieber) und Druckempfindlichkeit der Bron-
chialdriisengegend (Sondensymptom, Spinalgie). während wir bei
keinem der Fälle, die wir im Auge haben, einen objektiv nachweis¬
baren krankhaften Befund Uber den Lungen erheben konnten.
6. R ose nt ha 1 macht folgende Ausführungen:
Seitdem W. A. Freund im Jahre 1906 seine nie ganz ver¬
gessenen, aber auch nicht in das ärztliche Bewußtsein eingedrun¬
genen Lehren aus den Jahren 1858 und 1859 über die auf starrer Aus¬
dehnung des Brustkastens beruhende Lungenblähung wieder in Er¬
innerung gebracht und zugleich durch den Bericht über den von Hil¬
de b r a n d erfolgreich nach seinen Vorschlägen behandelten
Kraus sehen Kranken gestützt hatte, ist das Wesentliche seiner
Anschauungen so. oft Gegenstand der Erörterung gewesen, daß es
sich bis auf weiteres erübrigt, nochmals näher darauf einzugehen.
Nicht aber erübrigt es sich, bei der geringen Zahl bis jetzt beschrie¬
bener Fälle Uber den Erfolg weiterer Eingriffe zu berichten, zumal,
wenn diese als Dauererfolge der F r e u n dschen Lehre zur Stütze ge¬
reichen. Die bisherigen Veröffentlichungen lassen Uber Dauer¬
erfolge nichts erkennen, teils, weil zwischen Eingriff und Vorstellung
nur eine kurze Zeit lag, teils, weil sich, wie in dem Kraus-Hilde-
b r a n d sehen Falle, schon die Folgeerkrankungen an Herz und
Lungen geltend gemacht hatten und eine dauernde Freude an dem Er¬
folge des gelungenen Eingriffes nicht aufkommen ließen. Ein zwei¬
jähriger Dauererfolg tritt aber bei dem hier beschriebenen Falle,
einem 31jährigen Manne, zutage.
7. Aus den sehr interessanten Angaben Katzensteins
seien folgende Mitteilungen hervorgehoben:
Im Säuglingsalter und im Greisenalter erkranken und sterben
relativ die meisten Menschen an Tuberkulose; die früher angegebenen
hohen absoluten Zahlen der Tuberkulosesterblichkeit in den mittleren
Jahren kommen eben nur dadurch zustande, daß es in diesem Alter
absolut mehr Menschen gibt. So gab es im Jahre 1900 10,6 Millionen
Menschen im Alter von 15—30 Jahren, 17,5 Millionen im Alter von
30—60 Jahren, aber nur 2,8 Millionen 60—70jährige und 1,6 Millionen
Säuglinge; so entstand der Rechenfehler, der merkwürdigerweise
allen Autoren bisher unterlief. Dabei ist noch zu bemerken, daß die
Tuberkulose-Sterblichkeit der Säuglinge im Gegensatz zu derjenigen
anderer Altersklassen, die von Jahr zu Jahr ständig zuriiekgeht, große
Schwankungen zeigt, bald steigt, bald fällt, und in manchen Städten
1902 noch größer war als 1876. Die Tatsache der großen Tuber¬
kulosesterblichkeit im Säuglings- und Greisenalter ist deshalb von
großem" Interesse, weil auch sie zeigt, daß der Tuberkelbazillus in dem
sich im Zustand verminderter Widerstandsfähigkeit befindenden Or¬
ganismus ein besonders leichtes Spiel hat. Aber sie ist besonders auch
darum interessant, weil sie in uns den Gedanken wachruft, daß in
sehr vielen, wenn nicht vielleicht in den meisten Fällen der Tuberkel¬
bazillus schon im Säuglingsalter seinen Einzug in den Menschen hält,
um hier sich, wenn er nicht bald zum Tod führt, entweder in der kind¬
lichen Skrophulose zu äußern oder auch so lange in seinen Wir¬
kungen und seiner Arbeit latent zu bleiben, bis er so stark und der
menschliche Organismus durch andere Umstände so geschwächt ist,
daß er die Oberhand bekommt. Diese Ansicht ist auch in neuester
Zeit von vielen Pathologen ausgesprochen worden. Sie kann uns
auch die häufige tuberkulöse Erkrankung derjenigen erblich belasteten
Individuen erklären, die, obschon ein Zusammensein mit den tuber¬
kulösen Eltern von frühester Jugend an nicht mehr vorhanden war,
docli im späteren Alter an Tuberkulose erkrankten; sie sind eben
schon als Säuglinge mit einer zunächst latenten Tuberkulose von
ihren Eltern infiziert worden. Von praktischer Bedeutung sollte diese
Tatsache der großen Tuberkulosesterblichkeit der Säuglinge für uns
deshalb sein, weil sie uns dafür sorgen lassen sollte, daß weder
durch tuberkulöse Angehörige noch durch die Milch eine Infektion des
Säuglings stattfindet, die entweder gleich im ersten Lebensjahr oder
erst in späteren Jahren zum Tode führt.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß manche Gebietsteile und
manche Länder ständig eine höhere Tuberkulosesterblichkeit zeigen
wie andere. So ist z. B. die Sterblichkeit in den Städten höher wie
auf dem Lande und verhält sich etwa wie 5 : 4; die Gründe hierfür
liegen wohl sicher in der stärkeren Verunreinigung der Luft, in der
größeren Wohnungsdichtigkeit und den meist schlechten Vermögens-
bezw. Ernährungsverhältnissen der Einwohner. Je größer die Stadt,
um so höher die relative Tuberkulosesterblichkeit. Die Städte mit
2Ü 000 Einwohnern verzeichneten 1901 209 Sterbefälle “/ oooo, die¬
jenigen von 20—100 000 Einwohnern 213 und die mit über
100 000 Einwohnern 242 Tuberkulose-Sterbefälle. Unter den ein¬
zelnen Gebieten Deutschlands zeigen nach meinen Untersuchungen
die maritim gelegenen eine viel niedrigere Tuberkulosesterblichkeit
als die kontinental gelegenen. Von 100 000 starben 1906 an Tuber¬
kulose im Ostküstenland nur 176, in der nieder rheinischen Niederung
177, im Nordseeküstenland 185, dagegen wiesen die oberrheinische
Niederung 239 und das süddeutsche Hochland 269 Tuberkulosesterbe¬
lalle auf. Auch der Vergleich der Tuberkulosesterblichkeit Deutsch¬
lands mit der anderer europäischer Staaten zeigt dieselben
Resultate; gegenüber Deutschland, das trotz seiner schon jetzt gro߬
artigen Kampfmittel gegen die Tuberkulose 1906 noch 204 Tuber¬
kulose-Todesfälle °/ oooo hatte, hatten von dem maritim gelegenen
Ländern Belgien nur 140, England nur 164, Dänemark nur 173 und
die Niederlande nur 180 Tuberkulose-Sterbefälle, dagegen die
kontinental gelegene Schweiz 271, Frankreich 350, Spanien 323 und
Griechenland 375 Tuberkulose-Sterbefälle °/oooo. Wenn ja auch noch
andere Faktoren dabei eine Rolle spielen, so zeigen 'doch die nach¬
stehenden Zahlen, wie groß der klimatische bezw. geographische
Einfluß ist. Von den acht größten Städten Deutschlands zeigt
Hamburg mit seinem maritimen Charakter die niedrigste Sterblichkeit
an Lungentuberkulose mit 154 Tuberkulose-Sterbefällen gegen 186
in Berlin und 246 in München. Von den europäischen Großstädten
hatten Edinburg 109, Antwerpen 132, Amsterdam 141, Kopenhagen
147, London 147, Rom 160, Marseille 215, dagegen von den Städten
größerer Kontinentalität Moskau 222, Madrid 275, Wien 289, Budapest
369 und Paris 389 °/oooo Sterbefälle an Lungentuberkulose. Diese
hierdurch statistisch festgestellte Tatsache der geringen Tuberkulose¬
sterblichkeit in Gegenden mit Seeklima ist schon eine längst be¬
kannte Tatsache. Schon lange weiß man, daß unter den Seeleuten
fast nie Tuberkulose vorkommt, bei der englischen Handelsmarine
z. B. nur den 10. Teil soviel wie bei der Landbevölkerung der
gleichen Altersklasse; in Norderney starben 1887 nur 50°/oooo an
Tuberkulose. Ich erkläre mir diese Tatsache damit, daß See¬
bewohner durch den angeregteren Stoffwechsel sich im allgemeinen
in besserem Ernährungszustand befinden und daß die Seeluft staub¬
frei und sehr bakterienarm ist; so wurden sechs Meilen von der
Küste in einem Liter Luft nur 1 Keim gegen 1100 Keime in einem
Liter Pariser Luft festgestellt. Und wo in der Luft noch Bakterien
vorhanden sind, werden sie durch die ultravioletten Strahlen der
Sonne, die an der See besonders zur Geltung kommen, abgetötet.
Von Interesse ist die geringere Tuberkulosesterblichkeit an der See
insofern, als wir aus diesem Grunde versuchen können, initiale
Fälle, die weder an Fieber noch an Hämorrhagien leiden, durch die
Thalassotherapie zur Heilung zu bringen, andererseits aber auch
deshalb, weil wir sehen, einen wie wichtigen Faktor Licht und Luft
bei der Entstehung und der Heilung der Tuberkulose ausmachen.
8. In Nr. 6 der Münch, med. Wochenschr. führt Richter als
Freunde der Tubefkulintherapie Lenhartz, v. Leube, Sahli.
Schloßmann, Ritter, Pickert, Bandelier und
Röpke an. Von den letzterwähnten zwei Autoren hebt er be¬
sonders den Ausspruch'hervor: „Das Tuberkulin muß ein integrieren¬
der Bestandteil des Arzneischatzes jedes Arztes, das A und O
unserer.Tuberkulosediagnostik, -Prophylaxe und -therapie werden“.
Vor allem aber gibt ihm zu denken der Ausspruch von Lenhartz,
daß es ein Kunstfehler sei, wenn das Tuberkulin nicht ange¬
wendet werde. i
Angesichts so weitgehender Forderungen dürfte der Wunsch
„audiatur et altera pars“ nicht unberechtigt erscheinen.
F. Klemperer, der sich mit der Tuberkulintherapie ein¬
gehend praktisch beschäftigt, das Mittel vielfach angewandt hat und
es noch fortgesetzt an wendet, kommt (Therapie d. Gegenwart 1909,
Nr. 1 u. 2) zu dem Schluß: Das Tuberkulin ist kein erwiesenes Heil¬
mittel der Tuberkulose, sondern höchstens ein Unterstützungsmittel
der Tuberkulosetherapie. Gegenüber der Angabe von B a n d e 1 i e r
Nr. 22
und Röpke, daß die Tuberkulintherapie „fest fundiert“ sei und
allgemein empfohlen werden könne, weist er zunächst (ebenso wie
Czerny, Meißen etc.) darauf hin, daß wir es keineswegs mit
einem Tuberkulin zu tun haben, sondern mit einer großen und
immer noch wachsenden Zahl verschiedener Tuberkuline, z. B.
Kochs T, TO, TR, BE, Landmanns „Tuberkulol“, den Präpa¬
raten von Beraneck, Denys, Grabilo witsch, Jacobs,
Jessen, Krehl und Walther, Möller, Spengler etc.
Trotz W rights Theorie sind wir von einem Verständnis der Art
ihrer Wirkung noch weit entfernt.
Ebenso schreiben M e i ß e n (Zeitschr. f. Tuberk., Bd. X, H. 4
und XIII, H. 3) und Schröder (Kasseler Vers.) auf Grund
zahlreicher Beobachtungen dem Tuberkulin höchstens eine an¬
regende, hyperämisierende Wirkung auf die tuberkulösen Herde zu.
Seine experimentelle Wirkung bei künstlich infizierten Tieren
könne nicht ohne weiteres auf die natürlich entstandene Tuber¬
kulose des Menschen übertragen werden; ähnlich Salus (Med.
Klinik 1909, Nr. 14).
Durch diese Aussprüche bekannter Autoren, denen ähnliche
von Bourget, Buttersack, de la Camp, Dluski,
Glaeser, Gottstein, Grawitz, Köhler, Liebe,
Rosenbach, von den Velden, Zangemeister etc.
angereiht werden könnten, dürften die Aerzte, die auf einer „anthro¬
pogentischen Bakteriologie“ (Salus) fußend, gegen skeptischer ver¬
anlagte Kollegen allzu schnell mit dem Vorwurf des „Kunstfehlers“
Vorgehen, im Grunde also eine staatlich vorgeschrie¬
bene, dogmatische Therapie fordern, genügend wider¬
legt sein, soweit die obligatorische Tuberkulintherapie in Frage
kommt.
9. Aus dem wichtigen Aufsatze Bur winkeis heben wir
folgendes hervor:
Die Vorteile der natürlichen Thermen bei Angina pectoris sind
bekannt. Die COä-haltigen Thermalbäder von Nauheim, Oynhausen,
Salzuflen, Kissngen, Orb, Marienbad usw. erfreuten sich bisher all¬
gemeiner Anerkennung. In neuester Zeit macht sich eine Gegen-
_strömung geltend (Huchard), wohl mit Unrecht. Wo überhaupt
noch Bäder nützen können, da ist Nauheim mit seinen mannigfachen
und fein abstufbaren Badeformen sicher am Platz. Aber Art,
Dauer und Temperatur des Bades verlangen genaue Kenntnis und
Dosierung. Im Status anginosus gehört ein Mensch natürlich nicht
mehr nach Nauheim. Zum Ersatz dienen künstliche Nauheimer und
auch Sauerstoff- (Ozet-) Bäder. Auch Wechselstrombäder (35
Milliampere 10—15 Minuten Dauer, 34—33° C), zunächst alle zwei
Tage, dann zwei Tage nacheinander, im ganzen 20—24, bewähren
sich gut. Nach jedem Bade ist Ruhe zu beobachten.
Die in Frankreich viel gebrauchten Hochfrequenzströme (Arson-
valisation) haben keinen merklichen Nutzen, wie Goldscheider
(1. c.) auf Grund systematischer Nachprüfung behauptet.
Hasselbach und Jacobäus (Wien. klin. Wochenschr. 1907)
loben bei Angina pectoris die Kohlenbogenlichter als sehr wirksam:
die Patienten werden zumeist eine Stunde täglich der Einwirkung
einer mächtigen Kohlenbogenlampe von 150 Ampere ausgesetzt. Im
ganzen werden 8—12 Bäder, jeden fünften Tag eines, gegeben.
Das Resultat ist intensive Dermatitis mit Blutüberfüllung der Haut.
Auch das Klima kann als Heilfaktor herangezogen werden.
Ganz mit Unrecht gilt die See bei Angina pectoris als kontra¬
indiziert, der Aufenthalt bekommt meistens recht gut, nur darf nicht
im offenen Meer gebadet und unvorsichtig gelebt werden. See¬
reisen werden gut vertragen. Für die heißen Sommermonate kommt
ein Mittelgebirge (500—800 Meter) in Frage; selbst Höhenlagen bis
zu 1200 Meter können gelegentlich aufgesucht werden. Für die
schlechten Wintermonate sind geschützte Kurorte anzuraten:
Ospedaletti, Bordighera, Mentone, Condamine, Nizza, Nervi usw.
Bei gleichzeitiger Erkrankung der Nieren schicke man die Patienten
noch weiter südlich, nach Assuan, Luxor, Heluan oder nach Biskra
in Algier.
Psychische Erregungen,' besonders anhaltender Kummer und
Sorge, schaffen nicht nur die Dispositon zur Krankheit selbst, sondern
sind auch bedeutungsvoll für die Auslösung des einzelnen Anfalles.
Aufgabe des Arztes ist es unter allen Umständen, beruhigend zu
wirken. Unbedachtes Gerede von „Verkalkung der Herzadern“
raubt alle Hofinung und macht die Leute schwermütig (P a w i n s k i,
Wien. klin. Wochenschrift No. 40, 1907). Inwieweit man den
Kranken über die Natur seines Leidens aufklären soll, hängt von
seinem Charakter und seiner Individualität ab. Alle Kranken mit
Angina pectoris haben ein merkwürdig tiefes Krankheitsgefühl mit
oft ausgesprochener Todesahnung. Sie waren früher me^st sehr
tüchtige und schaffenfreudige Leute, oft sogar Kraftnaturen, die
naturgemäß die Unfähigkeit zur Arbeit doppelt schwer empfinden.
Man lasse sie deshalb nicht ganz ohne Beschäftigung und gestatte
altgewohnte Liebhabereien, die keine besondere Anstrengung be¬
deuten. Seit einem Dezennium kommt ein jetzt 70 jähriger Guts-'
besitzer aus Holstein jährlich nach Nauheim. Trotz der ausge¬
sprochenen Angina pectoris sitzt der alte Herr noch täglich mehrere
Stunden im Sattel; ein Verbot des gewohnten Rittes würde sicher
nur ungünstig wirken, während die liebgewonnene Tätigkeit eine
heitere zuversichtliche Stimmung, das beste Mittel gegen neue An¬
fälle, schafft. Auch Massage des Leibes und der Extremitäten, so¬
wie passive Bewegungen im Zanderinstitut können mit Vorsicht
in Anwendung gezogen werden.
Erfreulicherweise bietet auch der Arzneischatz eine ganze Reihe
sehr wirksamer Medikamente. Auf den Nutzen äußerlich zu ge¬
brauchender Mittel (Rheumasan, Sinapismen, Vesikatore) wurde be¬
reits hingewiesen. Huchard hat den längeren und konsequent
tortgesetzten Gebrauch von .Jodpräparaten empfohlen, die vor allem
bei blassen Leuten mit hohem Blutdruck und bei Kombination mit
Aortenfehlern günstig wirken. Mau beginnt mit kleinen Dosen die
allmählich gesteigert werden. Rp. Natr. jod. 10,0 (bei früherer Lues
Kal. jod.), Pilocarp. mur. 0,06, Aq. dest. ad. 20,0. DS. dreimal tägl.
j e ^ 1 b Ktt. in etwas Milch nach dem Essen. Bei sehr empfindlichen
Leuten verschreibe man Sajodin (dreimal tägl. */s—l 1 /* Tabletten)
Jodghdine oder Jodipin. Nach sechswöchigem Gebrauch wird für
ein Monat pausiert und dann in gleichem Turnus die Medikation
fortgesetzt. Der günstigste Effekt von Jod beruht vermutlich auf
Herabsetzung der Viskosität des Blutes. Bei Andeutung von
Basedow und bei Nierenleiden ist das Mittel kontraindiziert.
Askanazy und Breuer haben Diuretin in die Therapie der
Angina pectoris eingeführt. (Deutsch. Arch. für klin. Mediz. 1895.)
Der Effekt ist meist so prompt, daß man dies Mittel zur Sicher¬
stellung der Diagnose bei unklaren Attacken verwenden kann. Man
gibt: Rp. Theobrom. natr. salicyl. 0,5—0,6 da tal. dos Nr. XX in
caps. amyl. S. dreimal tägl. je 1 Kapsel nach dem Essen. Besteht
gleichzeitig Nervosität, so setzt man jeder Kapsel noch 0,15 Chinin
hydrobrom. hinzu, bei Konstipation 0,005—0,01 Podophyllin. Bei
schweren Anfällen mit Schlaflosigkeit bewährt sich folgende Formel:
Rp. Dmret. (Fheobr. natr. salicyl.) 1,0, Morf. muriat. 0,005, Pulv. fol.
dig. purp. 0,05, Mfpulv. da tal. dos Nr. XX in caps. amyl. S. zweimal
tägl. je 1 Kapsel nach dem Essen. Auch eine Mischung von Diuretin
0,6 mit Natr. jod. 0,15 (Eusthenin nach v. Noorden) ist zu ver¬
werten. Dem Diuretin ähnlich wirken: Theocin. natr. acet. (dreimal
tägl. 0,2), Theophyllin, Agurin, Dyspnon. Sie greifen den Magen
leicht an,vielleicht verhüten dies Geloduratkapseln, in denen man die
Mittel reichen läßt. Lieber das von Romberg und P eis er bei
stenokardischen Schmerzen gerühmte Dionin (0,02 pro dosi) steht
mir keine Erfahrung zu Gebote. Versuchsweise können Anti-
neuraigica (Antipyr. 1,0 od. Phenacetin 0,6) verabfolgt werden.
Folgende Formel ist zweckmäßig: Aspir. 0,6, Pvramidon, 0,3—0,5,
Coffein natr. salicyl. 0,2, Mfpulv. da tal. dos Nr. X in caps. amyl. S.
zwei- bis dreimal tägl. 1 Kapsel.
Machen sich Erscheinungen von Herzschwäche bemerkbar, so
greife man zur Digitalis, gegen die merkwürdigerweise bei Angina
pectoris ein ganz unberechtigtes Mißtrauen herrscht. Rp. Diiiret.
0,6—1,0, Puiv. fol. dig. purp. 0,05—0,1 da tal. dos Nr. XX in caps.
amyl. S. zwei- bis dreimal tägl. je 1 Kapsel nach dem Essen. Bei
niedrigem Blutdruck und beschleunigtem Puls sind kleine Gaben von
Digalen (5—8 gtt. dreimal tägl.) oder von Digit, mit Strophant. von
Nutzen. Rp. Tinct. Digit., Tinct. Strophant., Tinct. nuc. vomic. äa
5,0 Ds. dreimal tägl. 6—10 gtt. nach dem Essen.
Die systematische Behandlung der Angina pectoris mit Nitro¬
glyzerin wird in England und Amerika viel geübt, nachdem es
Murrel warm empfohlen hat. (Lancet 1879 und Therap. Monats¬
hefte, Nov. 1S90.) Das Mittel wird auch von den Homöopathen unter
dem Namen „Glonoin“ viel verwandt. Um ängstliche Leute nicht
durch Worte, wie Nitroglyzerin, was die Vorstellung von „Dynamit¬
tropfen" auslöst, zu erschrecken, verschreibe man: Rp. Trinitrin
0,1, Spir. vin. ad 10,0. Ds. Bei Bedarf 2—3 gtt. zu nehmen; adde ein
leeres Glas von 20 gr. Inhalt. Von dieser alkoholischen 1 prozentigen
Lösung zählt mau 10 Tropfen in das leere Glas ab und füllt Wasser
auf. In diesem selbst präparierten Fläschchen trägt der Patient
seinen Bedarf an Nitroglyzerin in der Westentasche oder sonst in
einer lasche beständig bei sich. Er nimmt daraus sofort einen
Schluck, also den dritten oder vierten Teil (—zwei bis drei gtt. der
ursprünglichen Lösung), wenn er einen Anfall befürchtet. Es ist
viel zu umständlich, jedesmal erst die Tropfen abzuzählen. Es ver¬
fließt kaum eine Minute, bis die wohltuende Wirkung sich bemerkbar
macht. Viele erklären, sie brauchten nur die Zunge zu benetzen.
Die Patienten sind ganz glücklich über dieses Mittel, mit dem sie
die Anfälle beherrschen. Im Vertrauen auf den prompten Effekt
wagen sie ihre Tätigkeit aufzunehmeii und sind öfters imstande,
ein rühriges Geschäftsleben zu führen. Ein Kommandeur bekam
regelmäßig einen stenokardischen Anfall, wenn er sein Regiment
vorführen oder dienstliche Meldung erstatten wollte. Erst
seitdem er stets vorher diese Tropfen nimmt, geht die Sache
immer glatt von statten. Das Mittel hat den großen Vorzug,
daß es jahrelang und auch in größeren Dosen (30—50 gtt. der
1 prozentigen Lösung pro die) genommen werden kann. Als un¬
angenehme Nebenwirkung wird nur ganz selten über Klopfen und
Hitze im Kopf geklagt. Die offizineilen Tabletten ä 0,005 Nitro¬
glyzerin werden wegen des unsicheren Gehaltes und der langsamen
Löslichkeit besser nicht verschrieben.
10. Glogau führt aus, wie die Nasenverstopfung Lungen¬
schwindsucht indirekt verursachen kann.
Zu den nasalen Reinigungsvorrichtungen gehört meiner Ansicht
nach auch das Riechorgan, das die Lungen vor der Beschädigung
durch scharfe Gase und andere übelriechende Substanzen schützt,
wie es — mutatis mutandis — der Geschmackssinn in bezug auf
den Magendarmtrakt tut.
/ERSI
Nr. 22
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
349
Ihre der Alveolenempfindlichkeit entsprechend abgetönte Wärme
und Feuchtigkeit^ erhält die kalte Einatmungsluft durch das Gefä߬
konvolut in den Schwellkörpern der Nasenmuscheln, deren arbeitende
Fläche durch sinnreiche Konstruktion eine äußerst große ist. Weiter
dienen diesem Zwecke die übrige Nasenschleimhaut sowie die eine
große Oberfläche darbietende Auskleidung der Nebenhöhlen der Nase,
ln der Ausatmungsluft, die im Durchschnitt um 15 bis 25° C wärmer
ist als die Einatmungsluft, scheiden wir täglich zirka 540 gr. Wasser
aus. Funktionieren die nasalen Erwärmungs- und Befeuchtigungs-
apparate nicht oder nur unvollständig, so müssen den unteren Luft¬
wegen und dadurch der Zirkulation diese wichtigen Vitalitätsfaktoren
entzogen werden.
Die durch naturwidrige Benützung einer anderen Funktionen
dienenden Oeffnung zustande kommende „perverse“ Atmung führt
die unreine, kalte, trockene, oft mit übelriechenden Gasen und
Substanzen vermengte Einatmungsluft, unter Ausschaltung des
groben Oberlippenschnurrbart-Vibrissaesiebes und der feineren durch¬
siebenden erwärmenden und befeuchtenden nasalen Schutzapparate,
der empfindlichen Alveolenfläche zu. Denn wenn auch neun Zehntel
der Verunreinigungen sich an der Rachenwand und der oberen Kehl¬
kopfhälfte des Mundatmers niederschlägt und, sehen wir von der
nicht zu vernachlässigenden Menge von Verunreinigungen ab. die,
der Schwere folgend, mit Tröpfchen Rachenschleims in den Kehl¬
kopf und von da tiefer hinabsickern, weshalb ja die meisten tuber¬
kulösen Erkrankungen des Kehlkopfes an seiner hinteren Wand ihren
Sitz haben, durch Räuspern oder Husten wieder herausbefördert wird,
so gelangt doch ein Teil derselben auf dem Wege der Inhalation, an
der offenen Stimmspalte vorbei, anstandslos in die großen Bronchien.
Von hier aus geht es — besonders bei Kindern — auf dem Lymph-
wege den Bronchialdrüsen zu, wo die Verunreinigungen sich fest¬
setzen und pathologische Veränderungen hervorrufen können, die
eine Invasion der Blutbahn zu ermöglichen imstande sind. Aber
auch in die Alveolen selbst dringen — unter Ueberwindung des durch
die Mundatmung völlig untergrabenen Widerstandes der Flimmer¬
härchen — die Verunreinigungen ein, um von hier das interstitielle
Bindegewebe aufzusuchen. Die anorganischen Staubteilchen üben
nun als Fremdkörper einen chronischen Reiz aus; die organischen
Bestandteile werden bald in dem durch die perverse Atmung ge¬
schwächten Lungengewebe das ihnen eigentümliche Krankheitsbild
hervorrufen. Der Ansturm von ungenügend erwärmter, verunreinigter
und trockener Luft verursacht beim perversen Atmen eine syste¬
matische Erkältung und Reizung der unteren Luftwege, die sich in
verschiedenen Graden von Katarrhen, Störungen der Blutzirkulation
usw. kundgibt. Auf einem solchen in seiner Ernährung und Funktion
gestörten Boden schlägt jeder Krankheitskeim leicht Wurzel. Be¬
sonders aber gilt dies von jenem schrecklichen Bazillus, dessen Wüten
jährlich hunderttausende von Menschen zum Opfer fallen. Bei der
Bezeichnung zwischen Nasenverstopfung und Lungenschwindsucht
handelt es sich wohl hauptsächlich um die direkte Schwächung des
Lungengewebes, auf dem die durch Stäubchen- und Töpfchen-
inhalation, sowie auf andere Weise eingeführten Tuberkelbazillen
günstigen Boden zur Entwickelung vorfinden. Doch haben wir es
auch mit einer indirekten Wirkung zu tun, die auf die zweite In¬
fektionsmöglichkeit — die Schluckinfektion — Bezug hat: die durch
mangelhafte Sauerstoffversorgung verursachte allgemeine Zirku¬
lationsstörung äußert sich auch in einer Schwächung des Magen¬
darmtraktes. derzufolge Tuberkelbazillen viel leichter aus der auf¬
genommenen Nahrung durch die pathologisch veränderte Schleim¬
haut entweichen und ihren Weg zu den in ihrer Vitalität herab¬
gesetzten Lungen finden können. Dazu kommt noch, daß der Mund-
atmer häufig — besonders in Gesellschaft.— den an der Rachen¬
wand klebenden, oft mit Tuberkelbazillen verunreinigten und den aus
der Nase „aufgezogenen“ Schleim schluckt, der ebenfalls, zufolge der
noch zu besprechenden „forcierten“ Atmung, häufig Tuberkelbazillen
enthält. Die letzteren werden nun ebenfalls leicht durch die patho¬
logisch gelockerte Magendarmschleimhaut ihren Weg zu den Lungen
finden.
Durch die perverse Atmung werden aber auch noch andere In¬
fektionspforten geschaffen. Das tonsilläre Lvmphgewebe wird
durch die an ihm vorbeistreichende rauhe, trockene Luft in einen
Zustand chronischer Entzündung versetzt, der schließlich zur Hyper¬
trophie und Auflockerung desselben führt. Von vielen Autoren
wurden in den hypertrophischen Tonsillen Tuberkelba'dllen nach¬
gewiesen. die von hier zu den regionären Drüsen ihren Weg nehmen
(tuberkulöse Halsdrüsen). Es besteht dabei die Möglichkeit, daß der
Tuberkulosebazillus in die Blutbahn gerät, um so den locus minoris
icsistentiae — die geschwächte Lunge — aufzusuchen.
11. Der hervorragende amerikanische Phthisiotherapeut
Pottenger hat in den letzten Jahren zwei neue, auf Palpation
beruhende physikalische Methoden beschrieben. Vorgekommene
Verwechslungen veranlassen ihn, hier die beiden Methoden und ihre
Unterschiede ganz genau zu beschreiben.
Die beiden Methoden sind folgende:
1. Die Prüfung der Muskelrigidität (1, 2, 3, 4).- Man fühlt eine
Resistenz in den Muskeln, die über entzündeten Teilen der Pleura
oder des Lungenparenchyms liegen.
Die Muskelrigidität beruht entweder auf akutem Spasmus der
Muskeln, wenn der Entzündungsprozeß aktiv (akut) ist, oder auf einer
S. " - -
VERSIT
pathologischen Veränderung im Muskel, wenn die Entzündung
chronisch ist.
2. Ein bei leichter Tastpalpation (light touch palpation) festzu¬
stellendes verschiedenes Widerstandsgefühl über soliden Organen
wie Herz und Leber, beim Vergleich mit lufthaltigem Organ wie
Lunge und Darm, ein analoges differentes Widerstandsgefühl über
Krankheitsherden in Lunge und Pleura, wenn man normale Organe
in Vergleich zieht. Es beruht dieses verschiedene Widerstands¬
gefühl zum Teil auf dem Krankheitsprozeß selbst, zum Teil auf den
oben beschriebenen Veränderungen in der Muskulatur, resp. auf dem
Zusammenwirken beider Prozesse.
Aus der Beschreibung dieser beiden Methoden kann man er¬
sehen, daß beide total verschieden sind, wenn sie auch beide auf Pal¬
pation beruhen. Die Muskelrigidität hängt von pathologischen Ver¬
änderungen ab, während die durch leichte Tastpalpation fest¬
gestellten Gewebsdifferenzen sich auf das physikalische Gesetz zu¬
rückführen lassen, daß in dem palpierenden Finger verschiedene Ge¬
fühlseindrücke entstehen, wenn er (auf der Oberfläche der Haut) über
Gewebe von verschiedener Dichtigkeit hinwegstreicht. Es sind so
beide Methoden in Ursache und Wirkung total verschieden. Beiden
Methoden kommt eine große klinische Bedeutung zu.
12. Rolly hat seine Fälle mit Injektionen von Alttuberkulin
behandelt. Er schließt an seine Ausführungen folgende Betrach¬
tungen:
Von anderen wird dem Neutuberkulin oder auch dem
sensibilisierten Neutuberkulin (d. h. einem mit Anti¬
körpern beladenen Neutuberkulin) der Vorzug gegeben. Wir haben
hier bis jetzt 20 mit Neutuberkulin und 10 (mittlerweile sind es noch
mehr geworden) mit sensibilisiertem Neutuberkulin (Höchst) be¬
handelt, können aber einen Vorzug dieser Mittel gegenüber dem
alten vorläufig nicht sehen. Die Stichreaktion wird bei diesen beiden
meist geringer, besonders bei dem sensibilisierten Neutuberkulin, die
Fieberreaktion bei dem letzteren meist nicht so hoch als bei Alttuber¬
kulin. .Dabei klagen aber die Patienten öfter, wenn auch keine
Stich- noch Fieberreaktion erfolgt ist, über Schmerzen an der Ein¬
stichstelle der Haut, Kopfschmerzen. Ziehen. Reißen im ganzen
Körper usw., was bei dem Alttuberkulin weit seltener ist. Ich bin
deswegen bei solchen Klagen ohne eine objektive Reaktion von
seiten der Patienten öfter unsicherer in der Dosierung beider Mittel,
als bei dem Alttuberkulin, d. h. ich weiß nicht recht in solchen Fällen,
ob ich mit der Dosis steigen soll oder nicht; infolgedessen nehme ich
eine etwas stärkere Stichreaktion, wie ich sie bei dem Alttuberkulin
bekomme, lieber mit in Kauf.
Die Frage, ob wir einen Tuberkulösen mit Tuberkulininjektionen
ambulant behandeln können, möchte ich vorläufig mehr im
negativen Sinne beantworten. Es müßte denn sein, daß es sich
nm einen absolut zuverläßigen Patienten handelt, welcher jeden
3. Tag sein Körpergewicht kontrolliert, seine Temperatur 4stündig
mißt usw. Das Tuberkulin ist ein derartig differentes Mittel, die
ganze Wirkung desselben noch so wenig geklärt, daß ich es einst¬
weilen für verfrüht halte, das Tuberkulin jetzt schon in der Sprech¬
stundenpraxis zu verabfolgen.
Eine andere Frage möchte ich hier noch kurz streifen. Wie
Sie wissen, wird besonders in England auf Grund der Untersuchung
des opsonischen I nd e x die Zeit und die Dosis der Tuberkulin-
injektionen bestimmt. Ich habe Ihnen nun schon vor 2 Jahren hier
auseinandergesetzt, daß nach unseren Untersuchungen die Schlu߬
folgerungen W r i g h t s nicht zutreffen. Ich habe Ihnen dies da¬
mals auf Grund unserer. Untersuchungen bei anderen Infektionskrank¬
heiten, weniger bei Tuberkulose, vortragen dürfen. Heute verfüge
ich auch über ein größeres Material von Opsoninuntersuchungen bei
Tuberkulose und ich kann meine damaligen Schlußfolgerungen heute
vollinhaltlich, auch was die Tuberkulose anlangt, bestätigen.
Ein Unterscheidungsmerkmal ist vielleicht hier bei dem Resultat
der Onsoninuntersuchungen mit den Tuberkelbazillen anzuführen,
nämlich daß der phagozytische Index bei den Tuberkelbazillen keinen
so großen Schwankungen bei den verschiedenen Untersuchungen
an verschiedenen Tagen ausgesetzt ist, wie es bei anderen Bak¬
terien der Fall ist. Wer aber diese phagozytischen Indizes bei den
anderen Bakterien irgendwie anzweifelt, dem muß ich raten, daß er
derartige Untersuchungen auch mit diesen Bakterien öfter an ver¬
schiedenen Tagen ausführt und nicht aus den Resultaten der phago¬
zytischen Indizes bei Tuberkelbazillen auch auf die der anderen
Bakterien Schlüsse zieht; er wird dann zu denselben Resultaten bei
objektiver Beobachtung wie ich gelangen. .
Was also den Wert des opsonischen Index bei Tuberkulösen
anlangt, so muß ich hier auf Grund meiner Untersuchungen bei 22
Patienten behaupten, daß derselbe uns nicht den geringsten Anhalts¬
punkt dafür gibt, ob es einem Patienten gut oder schlecht geht, ob
eine Tuberkulininjektion angezeigt ist oder nicht usw. Nur eins
scheint manchmal aus den Zahlen herausgelesen werden zu können,
daß bei Patienten, welchen es sehr schlecht geht und welche kurz vor
dem Exitus stehen, der opsonische Index sehr niedrig ist. Dies ist
aber auch keineswegs regelmäßig der Fall (unter 10 derartigen Fällen
6 mal). Ich verzichte deswegen auf die Festimmung des opsonischen
Index bei der Tuberkulinbebandlung der Tuberkulose vollständig und
habe dabei die Genugtuung, daß auch fast alle übrigen Autoren
dies tun.
350
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 22
Alles in allem werden Sie sich nach dein Vorgetragenen sagen,
daß die sichtbaren objektiven Erfolge der Tuberkulinbehandlung bis
jetzt noch anscheinend gering sind. Wir dürfen aber die Flinte nicht
ins Korn werfen, da wir ja noch ganz in den Anfängen der Tuber¬
kulintherapie stehen und es nicht ausgeschlossen ist, daß sobald wir
einmal besonders das Wesen der Gewebsimmunität erfaßt haben,
wir dann auch auf diesem Gebiete voraussichtlich weiterkommen
werden.
13. Steffen faßt sein Resultat bei der Behandlung der
Lungentuberkulose mit Tebean folgendermaßen zusammen:
1. Reaktion: Bei kleinsten Dosen Tebean tritt in der
Mehrzahl der Fälle eine Steigerung der Temperatur ein. Die subjek¬
tiven Erscheinungen stehen im Verhältnis zu der Höhe der Reaktion
resp. des Fiebers.
2. Beeinflussung des Fiebers: Im Anschluß an
die reaktive Steigerung der Temperatur am selben oder dem der
Injektion folgenden Tage fällt meist die Temperatur lytisch all¬
mählich entweder zur Norm ab, oder doch auf ein vorher nicht er¬
reichtes Niveau. Durch Wiederholung dieses Vorgangs kann es zur
völligen Entfieberung kommen (Fall 5 und 7).
3. Therapeutisches Resultat: Behandelt wurden
nur ausgedehnte, infiltrierende und käsig pneumonische Prozesse
und progrediente Fälle, bei denen eine längere klinische Behand¬
lung unter klimatisch günstigen Bedingungen keinen Erfolg aufzu¬
weisen hatte, die vielmehr von den verschiedensten Beobachtern
als ».verlorene Fälle“ angesprochen wurden.
Von 9 Fällen scheiden 2 aus, bei denen die Kur aus äußeren
Gründen vorzeitig abgebrochen werden mußte.
In Fall 8 konnte der ungünstige Verlauf nicht aufgehalten
werden. Die übrigen wurden günstig beeinflußt.
3 Kranke mit mehrlappig doppelseitigen, infiltrierenden Pro¬
zessen wurden in bezug auf Temperatur, Körpergewicht, subjektives
Befinden und Auswurf erheblich, aber nur vorübergehend gebessert
(Fall 1, 3 und 4).
Die 3 Kranken mit mehrlappig, vorwiegend einseitigen, käsig-
pneumonischen Prozessen (Oberlappen und Teile des Unterlappens)
wurden 2 (Fall 5 und 7) geheilt, einer wurde Unterlappens) wurden
sämtlich geheilt.
Dieser günstige Verlauf in Fall 5 (schweres Rezidiv) und Fall
7 und 9 (akuter florider Prozeß) übertrifft die Erfolge von unerwar¬
teter Besserung, die spontan im Verlauf der Lungentuberkulose aufzu¬
treten pflegen.
14. Zahn arbeitete mit Calciumchlorid zur Anreicherung der
Tuberkelbazillen und fand dabei folgende Vorzüge:
1. Dem gewöhnlichen Ausstrichverfahren ist es, ebenso wie die
übrigen Anreicherungsverfahren, weit überlegen.
2. Gegenüber dem Biedert sehen Sedimentierungsverfahren
hat es vor allem den Vorzug der ungleich raschen Ausführbarkeit.
3. Den gleichen Vorzug bietet es gegenüber der Ligroinmethode.
4. Es ist ergiebiger als das Biedert sehe und das K r ö n i g -
sehe Verfahren, ermöglicht eine bessere Fixierung des Ausstrichs
auf dem Objektträger und macht eine Zentrifuge entbehrlich.
5. Gegenüber den Antiforminmethoden bietet es den Vorteil,
daß nicht mit virulentem Material gearbeitet wird: hierzu kommt
überdies noch der Wegfall jedes fixierenden Zusatzes sowie unter
Umständen der Zentrifuge.
Referate.
Referent: W. H. Becker, Weilmünster.
Ein Fall’’von chronischen Hautblutungen von Stabsarzt
Dr. Bind er-Berlin. Deutsche medizinische Wochenschrift, No. 13,
1910.
In dem Garnisonlazarett I zu Berlin hat der Verfasser bei
einem 20jährigen Rekruten eine seit dem 17. Lebensjahre bestehende
multiple kommende und wieder vergehende subkutane Hautblutung
beobachtet, deren Antiologie zunächst unklar war. Nach Versuchen
mit Volkmannschen Schienenverbänden, die den Verdacht von Arte¬
fakten ausschlossen, wurde nach hysterischen Symptomen gefahndet
und hierbei Analgesie des ganzen Körpers, Herabsetzung der Haut-
und Sehnenreflexe, sogar Fehlen der Gaumen- und Sohlenreflexe, Er¬
müdungsreaktion der Pupillen und eine starke vasomotorische
Erregbarkeit der Haut gefunden. Daraufhin wurde, trotz des
Fehlens einschlägiger gleicher Fälle in der Literatur, das Haut¬
bluten als hysterisches Symptom gedeutet und der Patient als
dienstunbrauchbar entlassen.
Ueber abnorme Temperaturempfindungen. Ein neues
klinisches Symptom von Dr. Sugar-Budapest. Deutsche medi¬
zinische Wochenschrift, No. 12, 1910
In der dritten medizinischen Universitätsklinik in Budapest
hat Verfasser in 25 Fällen ein neues eigenartiges Symptom gefunden,
das an die Strümpellsche paradoxe Temperaturempfindung erinnert,
aber doch insofern anders ist, als bei sonst normaler Wärme¬
empfindung die Haut einzelne Gebiete besitzt, in denen die Be¬
rührung zweier warmer Reagenzgläser dicht nebeneinander hper-
ästhetisch, also schmerzhaft heiß wirkt. S. fand dies bei 25 an
polyinsulärer Sklerose Leidenden, niemals bei Gesunden sowie bei
Hysterischen und Myalitikern. „Weitere klinische und histologische
Untersuchungen an Rückenmarksleidenden und Nervenkranken
— welche bereits im Gange sind — werden es entscheiden, in¬
wiefern dieses Symptom bei der Differentialdiagnose der polyinsu-
lären Sklerose verwendbar ist. Die bis jetzt erzielten Resultate
sind vielversprechend! »■
Statistik und Vererbung in der Psychiatrie von Dr.
Weinberg-Stuttgart. Klinik für psychische und nervöse Krank¬
heiten, Band V, Heft I, 1910.
In der Vereinigung württembergischer Irrenärzte spricht
Verfasser, obwohl nicht Psychiater, über obiges Thema, mit dem
er sich offenbar viel beschäftigt hat. Ein Fehler in der Behandlung
der Vererbungsfrage sei der, daß jeder Autor seinen eigenen Weg
ginge und sich zu wenig um die Wege anderer kümmere; es läge
also zu wenig Methodik in der ganzen Forschung auf diesem Gebiet.
Mit dieser kritischen Bemerkung beginnend, kennzeichnet sich im
weiteren Verlauf der ganze Vortrag lediglich als Rezension der ein¬
schlägigen Veröffentlichung, ohne eigene Berechnungsergebnisse
und mit allerdings zum Teil wertvollen Hinweisen auf ergiebige
statistische Erhebungen und auf Erforschungen bisher ungelöster
Fragen. In jedem Punkte kann ich allerdings Verfasser da nicht
recht geben. Wenn er z B. meint, daß wir Psychiater die exogenen
Schädlichkeiten zu wenig beachteten gegenüber den endogenen, so
möchte ich dem entgegenhalten daß wir allerdings ein Recht dazu
haben, in den äußeren Gelegenheitsursachen nur den Anlaß für eine
latent bestehende oder wenigstens der Veranlagung nach drohende
Psychose erblicken. Hat die Kritik mir neulich doch sogar über¬
standene Meningitis als lediglich auslösendes Moment oder wenig¬
stens nebensächliche nur seltene Ursache hinstellen wollen! — Auch
kann ich dem Verfasser nicht recht geben, wenn er meint, daß die
nötigen Opfer an Zeit und Geld gering sind bei diesen Forschungen.
Im übrigen enthält der Vortrag manchen wichtigen Punkt und
wirkt besonders erfreulich angesichts der Tatsache, daß auch in
außerpsychiatrischen Kreisen der vorliegenden Frage Beachtung
geschenkt wird.
Technische Neuerscheinungen.
Umsponnene Irrigatorschläuche mit leicht auswechsel¬
baren Gummienden.
Die Vorzüge dieser Schläuche (D. R. G. M.) be¬
stehen darin, daß die beiden aus Gummi bestehenden
Endstücke, die naturgemäß am meisten der Abnutzung
unterworfen sind, mit größter Leichtigkeit von dem
übersponnenen Schlauchteil demontiert und neue End¬
stücke mit gleicher Bequemlichkeit aufgebracht werden
können, wogegen bei den bisher in Handel befindlichen
Schläuchen diese Endstücke mit dem umsponnenen
Schlauchteil fest verbunden sind und nur durch den
Fachmann ausgewechselt werden können.
Dieser Uebelstand ist bei dem neuen Modell voll¬
ständig beseitigt und erst dadurch ist dem ganzen
Schlauch die außerordentliche Dauerhaftigkeit ver¬
liehen, die man bei den umsponnenen Schläuchen vor¬
aussetzt und der sie ihre Beliebtheit verdanken.
Kasseler Gummiwaren-Fabrik H. Nickel & Co., Kassel.
Rosen.
Ein sterilisierbarer Katheterhalter.
Von Dr. Emil Schweinburg (Brünn).
(Wiener klinische Wochenschrift 1910 Nr. 13.)
Wer in seiner Ordination wiederholt den Katheteris¬
mus durchzuführen genötigt ist, wer Gelegenheit hat, zu
sehen, wie Prostatiker einigemal im Tage sich katheteri-
sieren, wird öfter wohl den Wunsch empfunden haben,
statt den Katheter in der gewohnten —- nicht immer
einwandfreien Weise — einzuführen, dies mit einem
Instrumente tun zu können, das den vielfachen Uebel-
ständen abzuhelfen vermag, in erster Linie die Be¬
rührung der Finger ausschließt.
Nr. 22
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
351
Das Instrument, das diesem Zwecke entsprechen
soll, besteht aus zwei je 5 cm langen, 2 1 /« cm breiten
Blättern, die an einer der Längsseiten mittels Schar¬
nieren und einer Spiralfeder verbunden sind; es ist aus
Metall, gleichmäßig stark vernickelt, daher vollkommen
auskochbar. Die Außenflächen sind leicht konvex und
gerifft (um das Festhalten mit den Fingern zu unter¬
stützen), die Innenflächen sind glatt und konkav.
Die Handhabung ist sehr einfach. Der sterile
Katheter wird mit dem sterilisierten Katheterhalter ge¬
faßt, eingefettet und in die Harnröhre eingeführt; ist der
Katheterhalter nahe dem Orifizium, wird er nach auf¬
wärts geschoben (bei halbharten etwas höher, als bei
weichen Kathetern), der Katheter weiter eingeführt,
dieser Vorgang nun solange wiederholt, bis der
Katheter in der Blase ist. Das Einführen vollzieht sich
vollkommen einwandfrei, das Tastgefühl ist in keiner
Weise beeinflußt.
Das Instrument wurde von der Firma Josef &
Ludwig Hlavka in Brünn angefertigt.
Rosen.
Stationär-transportabler Gltihlichtapparat „Universal“
für lokale und allgemeine Behandlung nach Dr. Joseph
Deutsch in Kiew.
Folgende drei Postulate müssen erfüllt werden:
1. Im Glühlichtbade muß während der Behandlung
eine ausgiebige natürliche Ventilation stattfinden, um
die Luft im Apparate möglichst rein und trocken zu
halten.
2. Die strahlende Wärme der Glühlampen, der beim
therapeutischen Effekt die Hauptrolle beizumessen ist,
muß als solche in vorteilhaftester Weise ausgenutzt
werden.
3. Der thermische Reiz des Glühlichts muß ad
libitum dosierbar sein.
Diesen auf wissenschaftlicher Basis stehenden An¬
forderungen entspricht der nach Dr. Deutsch kon¬
struierte stationär transportable Glühlichtapparat „Uni¬
versal“, der im allgemeinen folgende Konstruktion dar¬
stellt:
Ein einfacher Holzrahmen, der mit 5 parallelen, in
allen Richtungen beweglichen Holzleisten versehen ist,
wird während des Gebrauchs auf 4 Füßen aufgestellt
(transport. Typus) oder mittels Scharnier-Kronsteinen
an der Wand befestigt (Station. Typus).
Im Rahmen sind mehrere seitliche Ausschnitte vor¬
handen, die immer offen bleiben, um die natürliche
Ventilation sicherzustellen; der Apparat wird übrigens
während der Funktion locker mit einem leichten Stoffe
bedeckt, so daß der erwärmten Luft nur -minimale Hin¬
dernisse zum Entweichen gestellt werden.
An den erwähnten Holzleisten sind Glühlampen aus
weißem Glas mit parabol. Reflektoren versehen,
armiert, um die strahlende Wärme am zweckmäßigsten
ausnützen zu können.
Der Abstand der Glühlampen von der Körper¬
oberfläche des Patienten ist regulierbar, dank einer
speziellen Vorrichtung, mittels welcher die Holzleisten
in den Ausschnitten des Rahmens angebracht sind.
Im großen und ganzen bietet der Apparat „Uni¬
versal“ mannigfaltige Vorzüge: Einfachheit, Sauberkeit,
Handlichkeit, Billigkeit der Konstruktion und des Be¬
triebes, infolge geringen Konsums elektrischer Energie,
große Bequemlichkeit für die Patienten; schonende Wir¬
kung; Anwendbarkeit für verschiedene Indikationen.
Genaue Dosierung des thermischen Reizes durch Regu¬
lierung des Abstandes der Glühlampen von der Körper¬
oberfläche des Patienten und vor allem: Ausgiebige
natürliche Ventilation des Apparates während der
Funktion, da der erwärmten Luft beim richtigen Ge¬
brauche nur minimale Hindernisse zum Entweichen
gestellt werden. Fabrikant W. Hilzinger - Reiner,
Stuttgart.
Medizinische Klinik 1910 Nr. 18. Rosen.
Allgemeines.
Die Gesellschaft Deutscher Nervenärzte fordert zur Be¬
teiligung an der gelegentlich der diesjährigen in Berlin stattfindenden
Tagung der Gesellschaft Deutscher Nervenärzte in Aussicht ge¬
nommenen Ausstellung anatomischer Präparate aus dem Gebiete
der Neurologie auf. Die Ausstellung findet vom 6.-8. Oktober in
den Laboratoriumsräumen der Nervenklinik der Charitee statt und
soll sich wesentlich auf die Demonstration makroskopischer Präparate
(und von diesbezüglichen Abbildungen, z. B. Röntgenogrammen)
beschränken. Sendungen sind in den letzten Tagen des September
oder den ersten Tagen des Oktober zu richten an Herrn Präparator
Zimmermann, Nervenklinik des Chariteekrankenhauses, Berlin NW. 6,
Schumannstraße 20/21; Anmeldungen und Anfragen an M. Lewan-
dowsky, Berlin Grunewald, Caspar Theysstr. 18.
London. Eine im vorigen Jahr von der Regierung ernannte
„Narkose-Kommission“ hat nach mehr als einjähriger Tätigkeit
ihre Beratungen abgeschlossen, so daß ihr Bericht dem Parlamente
vorgelegt wurde. Aus dem Berichte geht hervor, daß sich die
Todesfälle in oder infolge der Narkose in .bedenklicher Weise häufen“;
von 155 im Jahre 1905 sind sie auf 235 im Jahre 1908 gestiegen
und ,,da eine wesentliche Anzahl hätte vermieden werden können“,
so beantragt die Kommission: 1. Jeder Todesfall während oder
infolge der Narkose sei der Behörde anzuzeigen, die gegebenenfalls
die gerichtliche Untersuchung einzuleiten habe. 2. Es sei nur
qualifizierten Medizinern oder Zahnärzten gestattet, allgemeine Narkose
vorzunehmen. 3. Zahnärzte sollen sich nur des Lachgases als Be¬
täubungsmittel bedienen. 4. Spinalanästhesie sei nur den Aerzten
(Chirurgen) gestattet. 5. Mediziner und zahnärztliche Studenten
müssen einen Narkotisierkursus von mindestens drei Monaten durch¬
gemacht haben und seien im Narkotisieren zu prüfen. 6. An der
medizinischen Fakultät sei eine spezielle Abteilung einzurichten, die
sich mit der praktischen und theoretischen Erforschung der Narkose
und aller einschlägigen Fragen zu beschäftigen habe.
Der Deutsche milchwirtschaftliche Verein (Geschäftsstelle :
Berlin-Friedenau, Friedrich Wilhelm-Platz 2) versendet folgendes
Preisausschreiben: Durch neue Untersuchungen, die zum Teil
wenigstens am Menschen selber vorzunehmen sind, soll der ver¬
gleichende Nährwert der rohen und gekochten Milch (pasteurisierten,
sterilisierten oder getrockneten) festgestellt werden. Falls sich die
Ueberlegenheit der rohen Milch herausstellt, soll die Rolle, die die
Zymasen bei der Ernährung spielen, festgestellt werden.
Die als Antwort auf obige Preisfrage verfaßten Arbeiten sind
an die Hauptgeschäftsstelle der Federation internationale de laiterie,
23 rue David Desvaches, Bruxelles-Uccle (Belgien) bis zum 1. April 1911
einzusenden. Folgende Bestimmungen sind für diese Preisbewerbung
festgesetzt:
1. Es ist ein Preis von 500 Fr. für die beste Arbeit bei Be¬
antwortung einer Frage auf wissenschaftlichem oder technischem
Gebiet, die vom Bureau permanent de la Federation internationale
de laiterie gestellt ist, gestiftet.
2. Die Preisverteilung findet auf den Tagungen des Congres
internationaux de laiterie statt.
3. Die eingesandten Arbeiten zur Beantwortung der Preisfrage
können gedruckt oder mit Schreibmaschine hergestellt und fran¬
zösisch, deutsch oder englisch verfaßt sein. Es müssen jedesmal
fünf Exemplare eingesandt werden.
4. Ein internationales Preisgericht von fünf Mitgliedern wird vom
Bureau permanent zur Beurteilung der Preisarbeiten ernannt werden.
5. Die Preisarbeiten müssen drei Monate vor dem festgesetzten
Termin der Sitzung des Congres international de laiterie an die
Hauptgeschäftsstelle eingesandt werden.
6. Im Fall keine der eingesandten Arbeiten des Preises für
würdig befunden wird, kann die ausgeschriebene Summe für die
nächste Preisaufgabe zurückgestellt werden, wo dann zwei Arbeiten
ausgezeichnet werden können.
352
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 22
Bücherbesprechung’en.
Das Jahrbuch des „Aerzte=Esperanto=Welt=Bumles“ liegt
schon im 2. Jahrgang vor. Aus der Mitgliederliste muß festgestellt
werden, daß sich die Gesellschaft in Jahresfrist nahezu verdoppelt
hat und jedenfalls mit ihren 630 Mitgliedern die respektabelste
internationale Aerzte-Gesellschaft darstellt, die jemals da war!
Neben der Liste enthält das schmucke Bändchen Aufsätze über
„Das Rote Kreuz und Esperanto“, „Medizinische Terminologie“
usw. Zusammen mit der Monatschrift „Voco de Kuracistoj“
(Aerzte-Stimme) ist das „jarlibro“ ein sprechender Beweis dafür,
wie weit im Grunde die Frage der internationalen Hilfssprache in
der Praxis bereits gediehen ist. — r
Ende des redaktionellen Teils.
Kleine Mitteilungen.
Ueber Kefyrkuren mit Kefyrogen. Von Dr. Friedrich Baruch,
gew. Sekundärarzt am k. k. Rudolfsspital in Wien. (Deutsche
Medizinal-Zeitung 1910, Nr. 8.)
„Kefyrogen“ ermöglicht es, im Haushalt auf einfachste und
bequemste Weise zu wohlfeilem Preise einen Kefyr von wohl un¬
übertrefflicher Reinheit herzustellen. Kefyrogen ist reinstes Kefyr-
ferment von höchster Gärungsfähigkeit, für dessen Konstanz seine
durch Deutsches Reichspatent geschützte Darstellung bürgt. Demnach
hat auch der mit diesem Präparat gewonnene Kefyr den für die
Ernährungstherapie ungemein wichtigen Vorzug der stets gleich¬
mäßigen Gärungsentwicklung und Stärke. Vor dem fertig
bezogenen Kefyr hat er noch den bedeutenden Vorteil, daß man
seinen Kalorienwert und damit seinen allgemeinen Nährwert durch
Wahl einer mehr oder weniger fettreichen Milch nach Lage des
Falles selbst bestimmen kann Für Mastkuren wählt man eine fett¬
reiche, wenn die anregende, stimulierende oder diuretische Wirkung
mehr zur Geltung kommen soll, eine fettarme Milch. Unter Um¬
gehung der von dem Autor publizierten Kasuistik seien nur noch
seine Schlußfolgerungen, gekürzt um einige unwesentliche Details,
hier wiedergegeben:
..Aus dieser kleinen Auslese der Kefyrkuren ergibt sich, daß
Kefyrogen überall da angewandt werden kann, wo im allgemeinen
Milchkuren indiziert sind. Die Tendenz der Kefyrkuren geht dahin,
nicht nur ein Nahrungsmittel zugleich zu sein und so zur Hebung
der Ernährung, des Körpergewichts und der Kräfte beizutragen,
sondern auch den öfters daniederliegenden Appetit anzuregen. In¬
diziert sind Kefyrkuren vornehmlich bei Anämie, allgemeiner
Körperschwäche, Erschöpfungszuständen, chronischer
Tuberkulose, im Rekonvaleszentenstadium nach Infektionskrank¬
heiten (Masern, Scarlatina usw.), bei Nervenerkrankungen (Neu¬
rasthenie und Hysterie), Nierenentzündungen, Gicht. Eine besonders
genaue Individualisierung nach Quantität und Alter des Kefyrs —■
ob ein-, zwei- oder dreitägiger — erfordert seine Verwendung bei
Magen-Darmerkrankung, wobei besonders zu berücksichtigen ist,
daß eintägiger Kefyr abführende Wirkung hat, zweitägiger neutral
ist und dreitägiger stopfend wirkt.“
Das „Kefyrogen“ wird von der Firma Goedecke & Co, Berlin,
in den Handel gebracht.
Bad Salzbrunn, das pünktlich am 1. Mai seinen vollen Kurbetrieb
eröffnet hat, erfreut sich eines sehr regen, annähernd doppelt so
starken Besuches wie in der gleichen Zeit des Vorjahres. Die Kur-
musik spielt seit dem 1. Mai regelmäßig 2 bis 3 mal täglich. Am
28. Mai findet die erste große Beleuchtung der Anlagen statt. Am
29. Mai öffnet das ständige Kurtheater unter der alten bewährten
Leitung der Frau Ewers seine Pforten. Unter der Leitung des
Direktors der Breslauer Singakademie Theodor Paul werden durch
ein gut geschultes Ensemble während der diesjährigen Saison größere
Gesangs-Aufführungen veranstaltet werden. Auen in hygienischer
Beziehung hat Salzbrunn einen entscheidenden Schritt vorwärts
getan: die Kanalisation mit biologischem Klärsystem ist mit dieser
Saison endgültig zur Einführung gelangt.
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für die wissenschaftlichen und sozialen Interessen des Zahnarztes
mit den vierteljährlichen Beilagen:
Die zahnärztlich-soziale Fürsorge — Die zahnärztlich-chirurgische Prothese — Die zahnärztlich-therapeutische Revue.
Redaktion: Zahnärzte Bernstein, Dalimann, Dr. Julius Misch, Müllcr=S ade.
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Verantwortlicher Redakteur für den
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Zahnarzt Dr. Julius Misch, Berlin W. 30.
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sozialpolitischen Teil:
Zahnarzt Mülle r = Stade, Charlottenburg 4 .
<> Die,,Zeitschrift für Zahnheilkunde“ erscheint am 5. und 20. jeden Monats. I jährlich, für die übrigen Länder des Weltpostvereins M. 6,— jährlich C#
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heim, Rhh.
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Die irregeführten Aerzte
oder die
mysteriösen „Einheiten”
oder die
Radiumtherapie
eine Tragikomödie.
Ein kleiner Beitrag zur Aufklärung der Aerzte über wirkliche und fiktive
Emanationstherapie, sowie über wirkliche und fiktive Aktivitäts=Einheiten.
Radium-Heil-Gesellschaft m. b. H., Charlottenburg 4.
Broschüren gratis und franko.
„Audiatur et altera pars“.
Ein kürzlich den Aerzten zugesandtes und diversen Zeitschriften beigelegtes Pamphlet einer
Firma, in deren sonderbare Meßmethoden und Oeschäftsüsancen wir mit unseren Publikationen
über die wirklichen Grundlagen der Radium-Therapie wirkungsvoll hineingeleuchtet haben,
und die nun zu offenkundigen Unwahrheiten, Verdächtigungen und Verleumdungen greift, um die
Aufklärung der jahrelang erfolgreich irregeführten Aerzte zu verhindern, zwingt uns zu dieser
öffentlichen Erklärung, damit ein vornehmes Ignorieren dieser sich selbst richtenden Ausfälle nicht
als „qui tacet consentire videtur“ ausgeschlachtet werden kann.
Es ist nicht wahr, das die erwähnte Firma die Emanationstherapie eingeführt hat. Den Anstoss
zur Radiumtherapie hat bereits im Sommer 1903 Herr Dr. Saubermann durch Mitteilungen an den
bekannten Internisten Prof. Schlesinger in Wien gegeben.
Es ist nicht wahr, daß wir uns an das Laienpublikum wenden, denn wir liefern nur auf ärzt-
liche Verordnung Präparate für Radiumkuren.
Es ist nicht wahr, daß wir die über Anderes abgegebenen „günstigen“ Gutachten für uns in
Anspruch nehmen. Wir sagen in unserer Broschüre ausdrücklich, dass die bisherige Radiumtherapie
durch Verschulden jener Firmen, die ihre Präparate mit schwindelndhohen „Einheiten“ zur
Täuschung der Aerzte etiquettieren, diskretiert wurde.
Es ist nicht wahr, daß die von uns im Interesse der Radiumtherapie, also aller ehrlich ar¬
beitenden Radium-Gesellschaften, veranstalteten Vorträge die Emanationstherapie schädigen können.
Denn gerade unsere Enthüllungen haben die Ursache aufgedeckt, warum unter Hundert
Aerzten neunundneunzig nur Mißerfolge erzielen mußten. Es ist unser Verdienst, gezeigt zu
haben, daß die von gewissen Firmen angegebenen Einheiten keine Mache-Einheiten, sondern
eintausendfach kleiner sind.
Es ist nicht wahr, daß der bestens bekannte Radiumforscher Dr. Saubermann in seinen Vorträgen
eigene Heilerfolge anführte, die er selbst durchgeführt habe. Eintausend Aerzte, darunter die her¬
vorragendsten Vertreter der Berliner medizinischen Schule, können bezeugen, daß Herr Dr. Saubermann
nur eine Anzahl von Fällen anführte, die von praktischen Aerzten mit 1000 oder mehr Mache-Ein¬
heiten pro Tag behandelt wurden. Dass wir einen Physiker und zwar einen der ersten, seit 1900
wirkenden Radiumdarsteller und em. Assistenten des Prof. Pictet, und nicht etwa einen Arzt ins
Treffen schickten, hat seinen Grund in den Verhandlungen des 31. Baineologischen Kongresses,
in denen Dr. Weiss und Dr. Löwenthal unter dem Beifalle der Versammlung erklärten, daß man
das entscheidende Wort über die Messmethoden dem Physiker überlassen müsse.
Es ist nicht wahr, daß Uber die Heilwirkung von Radium bei Diabetes keine klinische Arbeit
vorliegt, da wir deren schon eine ganze Anzahl gesammelt haben, übrigens auch alle Fälle von
Diabetes in den Kurorten der richtigen Radiumtherapie anzureihen sind.
Es ist nicht wahr, daß Nephritis eine Kontra-Indikation der wirklichen Radiumtherapie ist,
denn auch in dieser Hinsicht liegen uns überraschende Erfolge vor.
Wahr ist nur, daß die jedem praktischen Arzt bekannten Zufallserfolge wissenschaftlicher
auch ganz wertloser Präparate bei Gicht und Rheumatismus von verschiedenen Seiten dazu be¬
nutzt werden, um eine in der Geschichte der Pharmakopoe beispiellose Ausbeutung des Publikums
zu treiben, die noch hundertfach das übertrifft, was die sozialdemokratische Presse mit Recht als
Medikamentenwucher bezeichnet. Werden doch in Apotheken 10 ccm destilliertes Wasser mit
Gehalt von 1000 Volt (1 Mache-Einheit!) um 50-75 Pfg. verkauft, deren wahrer Wert den
tausendsten Teil eines Pfennigs beträgt.
Hochachtungsvoll
©ie Radiarr)=1^cil--(5csdlscbaft
m. b. H.,
Charlottenburg 4
liefert Apparate zur täglichen Entnahme von rund
1000 $\acbe = Einheiten,
(d. s. über eine Million Volt)
gegen billige Leihgebühr oder für 200 Mk. brutto,
200 Mk. zu 3,6°o Verzinsung entsprechen 2 Pfennig täglich; demnach kosten
diese 1000 Mache-Einheiten
z^ei f)fer)r)i
Zum Vergleich: Andere Firmen liefern höchstens 10,000 Einheiten, das sind
10,000 Volt, demnach 9 Mache-Einheiten für eine Mark; sie verlangen demnach für
1000 ^acbe = Bit)beitet) 110 anl<l
Aerzte, besonders ausserhalb Berlin, die mit angeblich radioaktiven
Wasser trotz schwindelnd hohen Einheiten=Gehalts keine Resultate erzielten,
erhalten kostenlose Auskunft und Aufklärung von der
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Charlottenburg 4, Kaiser Friedrichstr. 52.
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Die Badeorte publizieren die Stärke ihrer Quellen in
Mache=Einheiten!
Alle anderen zur Irreführung der Mediziner und Laien ohne genauere
Bezeichnung angegebenen Einheiten sind bloss Voltabfallzählungen,
ergo in Wirklichkeit
tausendmal kleiner.
1000 (Volt-) Einheiten = 1 Mache=Einheit!
5000 (Volt-) Einheiten = 5 Mache Einheiten!
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
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353
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Roth: Diätetische Pflege der Säuglinge nach J. F.
Zückert 1764 . 354
Engelen, Düsseldorf: Hydrotherapie bei Stoffwechsel¬
erkrankungen .356
Referate:
Moeller, Berlin: Lungenleiden.359
Grumach, Berlin: Hautkrankheiten.360
Winckler, Berlin: Nahrungs- und Genußmittel . . . 362
v. Rutkowski, Berlin, Geißler, Neu-Ruppin: Varia . 363
Technische Neuerscheinungen:
Bösenberg, Berlin: Ein neuer Heißluft-Inhalations¬
apparat .365
Allgemeines: .366
Bücherbesprechungen: . 366
ORIGINALEN.
Schulhygiene.
Zahnpflege in England und Amerika.
Zähne fürs Volk. Zu den zahlreichen Zeichen
körperlicher Vernachlässigung und Entartung, die sich
dem Beobachter bei einer Durchwanderung der
ärmeren Viertel englischer Städte aufdrängen, gehören
schlechte Zähne. Gar oft sieht man z. B. junge
Mädchen mit hübschen, frischen Gesichtern, deren Reiz
völlig vertilgt wird, wenn sie lachen und dabei mi߬
farbiges, geschwollenes Zahnfleisch, Zahnlücken und
schief stehende,, blau angelaufene Zähne enthüllen. In
verständiger Körperpflege ist England, wo das tägliche
Bad den obern Klassen beinahe ein Glaubenssatz, ist,
allen Nationen vorangegangen —einen Schmutz, wie in
den Londoner Slums, findet man dagegen in keiner
deutschen Stadt; so hat England auch zuerst eine regel¬
mäßige Reinigung des Mundes und des Gebisses ein¬
geführt, und doch stellt es, wenigstens in Europa, an
schadhaften Zähnen einen Rekord auf. Sehr schlecht
sind auch die Zähne im angelsächsischen Nordamerika,
wo indessen die Sitte, zwischen heißen Speisen eis¬
kaltes Wasser zu trinken, leicht die Ursache erklärt.
Seit einiger Zeit hat man in England angefangen, die
Kinder der Elementarschulen ärztlich zu überwachen;
die Untersuchungen, die kürzlich in einem Bericht zu¬
sammengestellt worden sind, scheinen jedoch in den
' einzelnen Bezirken mit so verschiedener Sorgfalt ge¬
führt worden zu sein, daß ein auf das Gesamtergebnis
sich stützendes Urteil nur beschränkten Wert hat. Be¬
sonderen Nachdruck legt, wie wir der „Times“ ent¬
nehmen, der Bericht auf die sehr genau angestellten
Untersuchungen in Cambridge. Die Kinder mit ge¬
sunden Zähnen machten dort im dritten und vierten
Lebensjahr etwas über 11 pCt. aus, im sechsten und
siebenten Lebensjahr sank der Prozentsatz auf zwei,
nach dem zehnten Jahre auf Null. Im dreizehnten
und vierzehnten Jahre hatte die Hälfte der Kinder je
neun und mehr hohle Zähne. Es ist heute allgemein
bekannt, daß schlechte Zähne kein reines lokales Uebel
sind, sondern oft durch mangelhaftes Kauen und
faulende Substanzen die Ernährung und damit den Ge¬
sundheitszustand des ganzen Körpers empfindlich
schädigen. So werden im Durchschnitt von 1000
Rekruten 64 wegen „Verlustes oder Schadhaftigkeit
vieler Zähne“ ausgesondert. Was die ärztliche Zahn¬
pflege angeht, so ist für die mittellose Bevölkerung un¬
entgeltliche Behandlung in besonderen Hospitälern
vorgesehen, — nach den auffallend schlechten Zähnen
der untersten Klassen zu urteilen, scheint von dieser
Vergünstigung weniger Gebrauch gemacht zu werden,
als man annehmen sollte. Für die wohlhabenden Leute
sind eine Menge Zahnärzte da, die auf der Höhe ihrer
Kunst stehen. Am schlimmsten ist die Lage der breiten
Schichten, die auf eine unentgeltliche Behandlung
keinen Anspruch erheben können und wollen, die aber
anderseits nicht die Preise durchaus zuverlässiger und
geschickter Zahnärzte erschwingen können. Gute
Zahnärzte schreiben nämlich in England, wie ander¬
wärts, oft Rechungen, die Zähneknirschen erwecken.
Aber wer will den ersten Stein auf die Zahnärzte
werfen, wenn sie so viel nehmen, wie die Kunden ihnen
bezahlen, ohne offen zu revoltieren! Die Folge der von
namhaften Aerzten berechneten hohen Preise ist, daß
viele Leute sich an billige, ungeprüfte Heilkünstler
wenden. Es gibt auch darunter gewiß manche ge¬
wissenhafte und erfahrene Techniker, aber auch sehr
viele Quacksalber, die mit größter Gewissenlosigkeit
ihren Patienten die Zähne ausreißen, um ihnen billige
und schlechte Gebisse aufzudrängen. Die Preise sind
im Verhältnis zu der gewährten Hilfe oft noch höher,
als die der nur mit Guineas rechnenden berühmten
Zahnärzte. Uns ist z. B. ein Fall bekannt, wo ein
Dienstmädchen, verlockt durch die großspurigen
Reklamen eines „volkstümlichen“ Zahninstituts, sich
bereden ließ, in monatlichen Abzahlungen die Hälfte
seines Jahreslohns hinzugeben, um sich das Gebiß durch
radikales Zahnausziehen und Einsetzen miserabler
künstlicher Zähne vollends ruinieren zu lassen. Ein
Menschenfreund, dessen Name bisher noch nicht be¬
kannt gegeben worden ist, hat sich die Zahnschmerzen
seiner minderbemittelten Mitmenschen zu Herzen
gehen lassen und ein Kapital von 4 Millionen Mark be¬
reitgestellt, um eine Besserung herbeizuführen. Wie
der Sekretär der British Dental Association mitteilt,
zetffcy
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UNIVERJ
354
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 23
beabsichtigte der Menschenfreund ursprünglich, die
Summen glatt zu schenken, damit Anstalten zu wohl¬
feiler ärztlicher Behandlung der Zähne eingerichtet
würden; der Sekretär indessen riet hiervon, sowie von
der zinslosen Darleihung des Kapitals ab, da das Unter¬
nehmen sonst von vornherein den Charakter einer
wohtätigen Stiftung tragen und viele Leute abschrecken
würde, die unter den augenblicklichen Verhältnissen
am meisten der Hilfe bedürfen; für den „Zahn des armen
Mannes“ sei schon genügend gesorgt. Eine endgültige
Entscheidung ist noch nicht getroffen; bis jetzt ver¬
lautet, daß das Kapital zu 5 pCt. Zinsen dargeliehen
werden würde und daß, zunächst in London, Kliniken
gebildet werden würden, die gegen mäßige Preise eine
sachgemäße Zahnpflege verbürgten. Zweifelhaft ist es
noch, ob das in seiner Art großartige Unternehmen
sich genügende Beihilfe durch tüchtige Zahnärzte
sichern kann.
Kölnische Zeitung Nr. 406; 15. April 1910.
Diätetische Pflege der Säuglinge nach J. F. Zückert 1764.
Von Dr. E. Roth.
Mehr als ein Drittel derer, die jährlich geboren
werden, müssen in den beiden ersten Jahren ihres
Lebens schon wieder an Krankheiten sterben. Sollte
Gott dieses notwendig also bestimmt haben? Sollte das
dem Lauf der Natur gemäß sein? Oder ist nicht viel¬
mehr eine unablässige Verwahrlosung, eine übertriebene
Pflege, eine übele und verkehrte Anwendung derer
Mittel, die zur Erhaltung des Lebens dienen sollen,
Schuld daran? Es werden in keinem Stücke mehrere
Fehler begangen, als in der diätetischen Erziehung der
Kinder. Meistens folgt man dem Rat guter Freun¬
dinnen, den hergebrachten Gebräuchen, den veralteten
Familiengewohnheiten.
Was das Heiraten selbst anlangt, so sollte ein
eigenes Gesetz keine Verbindungen gestatten, welche
eine Jungfer unter das 18. Jahr und über das 40. und
eine Mannsperson unter das 25. und über das 50. Jahr
tut, denn zu junge und zu alte Eltern zeugen gemeinlich
zarte, schwache, ungesunde Kinder.
Dann kann eine Schwangere durch Unvorsichtig¬
keit und Leichtsinn auf 1000 Arten ihr Kind im Mutter¬
leibe töten. Welche große Menge von erzeugten
Kindern geht nicht durch das Abortieren der Mütter ver¬
loren usw. An den meisten Vorfällen haben die Mütter
lediglich Schuld. Sie tanzen während ihrer Schwanger¬
schaft wie ein lustiges Mädchen, sie erschüttern ihren
Körper durch die gewaltsamsten Bewegungen, sie er¬
hitzen und verderben ihre Säfte, welche auch zugleich
des Kindes Säfte werden, durch heftige Affekten, hitzige
und ungesunde Speisen wie Getränke; sie pressen ihren
Körper gewaltsam ein, und durch alle diese und
mehrere vermaledeite Mittel verhindern sie die ge¬
hörige gute Ernährung ihrer Kinder und stören ihren
ruhigen Aufenthalt im Mutterleibe.
Leider bestätigt die betrübte Erfahrung, daß viele
Hebammen, besonders in den kleinen Städten und auf
dem Lande, sehr unwissende Personen sind, die ent¬
weder durch abergläubische Handlungen Dinge unter¬
nehmen, welche dem Kinde schädlich sind, oder aus
grober Unvorsichtigkeit in der Besorgung der Kinder
gleich nach der Geburt, vieles notwendige versäumen
und unterlassen. Billig sollten alle Eltern von dem ge¬
hörig unterrichtet sein, was mit dem neugeborenen
Kinde vorzunehmen ist.
Gleich nach der Geburt muß man sogleich und ohne
Aufschub seine erste Sorge sein lassen, die Nabel¬
schnur des Kindes ordentlich abzusondern und zu unter¬
binden. Zu nahe am Band darf man nicht abschneiden,
da es sonst abglitschen kann und eine Verblutung ent¬
steht. Die Abschneidung muß auch nicht zu dicht am
Nabel geschehen, weil das zurückbleibende Ende sonst
zu kurz ist, als daß es den Nabel durch seine Zusammen¬
wickelung gehörig könnte zuschließen; auf diese Weise
entsteht leicht Nabelvorschuß oder Nabelbruch. Der
Faden muß nicht sehr rauh sein, damit er nicht durch
Prickeln und Reiben Entzündungen, Vereiterungen oder
andere böse Zufälle mache; Flachs oder Seide eignet
sich am besten dazu. Man muß die Schnur nicht allzu
feste anziehen und von Zeit zu Zeit nach der unter¬
bundenen Nabelschur sehen, ob etwas Blut aus den Ge¬
fäßen ausgeflossen sei.
Sobald die Lösung der Nabelschnur geschehen, muß
das Kind im warmen Wasser gebadet und von allen
äußeren Unreinigkeiten gesäubert werden. Einige
werfen Kräuter in das Wasser; es dürfen aber keine zu
stark riechende sein, welche das Kind betäuben können.
Man nehme sich in Acht, daß das Bad nicht zu warm
sei. Ist das bloße warme Wasser nicht vermögend, die
zähe, klebrige Feuchtigkeit aufzulösen und abzuspiilen,
so muß man das Kind in laulichtem Wein, worin etwas
Butter oder süß Mandelöl zergangen, baden. Nur darf
von dem Wein nichts in die Augen des Kindes ge¬
langen. Das Baden der Kinder muß in den ersten Tagen
täglich, dann mindestens Ta Jahr einen Tag um den
anderen vorgenommen werden. Man muß ferner die
Arme und Beine, welche im Mutterleibe etwas gebogen
sind, durch ein gelindes Ziehen auseinander und gerade
legen, auch dabei nachsehen, ob etwa ein Aermchen
oder Beinchen zerbrochen sei, die Geburtsglieder,
Nasenlöcher und der Hintere gehörig offen seien. Es
ist sehr falsch, wenn die Hebammen vorgeben, daß
allen Kindern das Zungenband müsse gelöset werden.
Eventuell muß ein geschickter Wundarzt zu Rate ge¬
zogen werden. Man muß nicht leiden, daß die Heb¬
ammen mit ihren Nägeln das Zungenband abkneipen.
Den Auswurf der inneren Unreinigkeiten muß man
mit gelinden Arzeneien befördern. Hierzu dienen Rha¬
barber- oder laxierender Rosensaft mit etwas Ipeca-
cuanha, dann und wann etwas laulichter Wein mit
Butter und Honig. Süßes Mandelöl, Frauenhaarsyrup,
Meerzwiebel- und Kreuzbeerensaft pflegen Ekel und
Kneipen zu machen. Den Erbkot führt man den Kin¬
dern alsdann durch die erste Muttermilch aus; sie ist
des Kindes Körper zu reinigen am besten geschickt, in¬
dem sie gelinde laxieret und überdem den Magen des
Säuglings zur Genießung und Verdauung einer wahr¬
haften Milch nach und nach vorbereite.
Gegen das sofortige kalte Baden des Neugeborenen
ist Zückert ganz und gar; es passe sich für Neger, sei
aber in unserem gemäßigten Klima nicht anzuraten.
Was das Windeln des Kindes anlangt, so wäre es
gut, es vorerst ein paar Tage ungewickelt zu lassen
und nur mit einigen weichen warmen Tüchern locker
zu umhüllen. Viele schnüren die Kinder mit so vielen
Binden und Tüchern ein, daß. sie kaum Atem holen
können, und alles Unheil kommt zunächst von dem
heftigen Zuschnüren und Einpressen des Körpers und
der Gliedmaßen. Leicht entsteht der Schade, daß die
Enden der Knochen an den Gelenken platt gedrückt,
zerquetscht, krummgebogen und die Muskeln selbst auf¬
schwellen und dick werden. Liegen die Beinchen mal
unordentlich, so macht das böse Verfahren des Ein-
schnürens die vielen Verrenkungen, schiefen Beine und
Entstehung der englischen Krankheit unvermeidlich.
Man muß die böse Gewohnheit tadeln, die Füße der
Kinder bei dem Windeln dicht aneinander zu legen.
Sollten die Eltern nicht zittern, wenn sie hier überzeugt
Nr. 23
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
355
werden, daß in dem heftigen Einpressen der Kinder in
den Windeln der Grund liege, daß so viele wohl¬
gestaltete Kinder bucklicht werden, Auszehrungen,
Brüche kriegen, so oft zum Brechen geneigt sind, und
daß so viele Mädchen eine enge, schmale, unansehn¬
liche Brust und schwache Lungen, eine bleiche Ge¬
sichtsfarbe und schleimigte Säfte haben. So kommt es,
daß verschiedene Aerzte das Wickeln gänzlich ab¬
geschafft wissen wollen. Richtig ist aber wohl, das
Wickeln beizubehalten, nur befestige die Kinder in
diesen Behältnissen ohne starke Einschnürung, be¬
sonders ohne Einpressung der Brust und des Leibes,
daß noch einiger Raum zur freien Bewegung der Glied¬
maßen und der Brust wie des Unterleibes beim Atem¬
holen bleibt; statt der Nadeln nehme man die nach¬
giebigeren Schnürbänder.
Eine Mütze auf dem Kopf schadet nichts; nur muß
sie nicht fest an den Kopf anschließen, noch weniger
die Ohren zu sehr einpressen.
Zur Nahrung des Neugeborenen schicken sich
weder die festen Speisen, noch Fleischbrühen, noch die
aus Getreidearten ausgezogenen Schleime, die Milch
allein ist dem kindischen Körper am gemäßesten. Die
Frauenmilch ferner ist wegen ihrer Leichtigkeit und den
wenigen groben Teilen, welche sie enthält, zur Nah¬
rung des Kindes aller andern Milch vorzuziehen. Man
begreift ja auch leicht, daß der Schöpfer die Bestand¬
teile und Beschaffenheit der Milch eines jeden Tieres,
und auch der Menschen, nach dem Verhältnis der Kräfte
und Stärke des Säuglings eingerichtet habe. Wenn
es des Schöpfers Absicht gewesen wäre, daß die Kinder
mit Tiermilch sollten genähret werden, so würde er
denen Frauen keine Brüste gegeben haben, welche nach
ihrer Entbindung von Milch strotzen. Das Kind erhält
ferner die Milch, welche es aus den Brüsten der Mutter
säuget, ganz frisch, mit allen kräftigen, subtilen und
spirituösen Teilen desselben und wird dadurch nicht
allein gemildert, sondern auch erquicket und gestärket;
diesen Vorteil hat das Kind bei der Tiermilch nicht. Es
ist bekannt ferner, daß man, wenn das saugende Kind
krank ist, die Milch der Mutter oder Amme durch Arze-
neien verändern und sie dem gegenwärtigen Zustand
des Kindes so gemäß machen kann, daß sie wie eine
Medizin in dem Säugling wirkt.
Wenn vor Alters unter vielen Nationen und vor¬
nehmlich unter den Teutschen, diejenigen Frauen,
welche ihre Kinder nicht selbst stillten, sondern einer
Amme überließen, für unehrlich, gottlos und pflicht¬
vergessen gehalten wurden, so beweist dieses, wie
überzeugend die Mütter damals die große Pflicht ein¬
sahen und ausübten, ihre Kinder mit keiner anderen als
ihrer eigenen Milch zu nähren. Nunmehr aber hält man
es nicht allein nicht für schändlich, sondern vielmehr für
rühmwürdig, löblich und vernünftig, seine Kinder einer
fremden Nahrung und Wartung zu übergeben!
Nun wird aber das Blut der Mutter des Kindes
Blut; auch die Milch der Mutter muß mit den Säften
des Kindes natürlicherweise eine größere Aehnlichkeit
haben, sich leichter vermischen und der Natur des
Kindes gemäßer sein, als die Milch einer fremden Frau.
Da es nun fast unmöglich ist, Ammen zu erlangen, deren
Säfte und daraus abgeschiedene Milch mit den Säften
des Kindes und der Stärke seiner Fasern in gleichem
Verhältnis stehen, und da aus diesem ungleichen Ver¬
hältnis oft viele Krankheiten der Kinder entspringen, so
ist es notwendig, daß die Mütter ihre Kinder selbst
stillen. Die Muttermilch allein bleibet auch immer in
einem gleichen Verhältnis mit dem Alter des Kindes.
Freilich gibt es auch Frauen, welche in der Tat an
sich die größte Grausamkeit begehen, wenn sie ihre
Kinder selbst stillen. Dieses Begehren ist ein wirkliches
Todesurteil vor kränkliche, weichliche, magere, ausge¬
zehrte Mütter; von Frauen, die sehr jung sind oder eine
enge, schmale Brust, kleine Brüste oder wenig Milch
haben — oder wenn sie gleich übrigens gesund sind,
doch zuweilen starke hysterische oder hypochondrische
oder Brust- und Lungenbeschwerden haben. Zum
Trost kann man sagen, daß man doch noch fleißige,
treue, redliche und wohlgesittete Ammen findet, wenn
auch liederliche und gottlose Ammen eine gerechte
Züchtigung vor die Mütter sind, welche in der Wahl
einer solchen Person zu leichtsinnig oder zu unwissend
gewesen sind. Man muß bei der Wahl der Amme auf ihr
Älter, ihren Charakter, die Konstitution ihres Leibes
und ihrer Brüste und auf die Beschaffenheit ihrer Milch
sehen, die Menge und Güte derselben ist wesentlich, man
muß auf die Farbe, den Geschmack und zuweilen auf
den Geruch der Milch Achtung geben; ihre monatliche
Reinigung darf sie unter keinen Umständen besitzen.
Eine Säugende muß sich beständig in einer reinen,
frischen und gemäßigten Luft aufhalten. Ihr wie der
Amme sind nur leichte, dünne, nicht. sehr nährende
Speisen zu geben. Zu meiden sind alle häufig saure
Dinge, die vielen Fleischspeisen, alle süßen, besonders
mit Honig bereiteten Speisen, die gesalzenen, ge¬
räucherten und gepökelten Fleischsorten, scharfe
Speisen wie Rettig, Senf, Knoblauch usw., alle starke
Gewürze; Weine, Liqueurs, Branntweine, Kaffee,
Schokolade sind behutsam zu genießen. Es schicket
sich aber nicht vor alle einerlei Diät, sondern dieselbe
muß nach der Stärke des Kindes, nach der Beschaffen¬
heit und Menge der Milch eingerichtet werden.
Alle Frauen müssen den ehelichen Beischlaf
meiden, so lange sie stillen. Eine Säugende muß alle
heftige und angreifende Lebensbewegungen und das
viele Wachen vermeiden.
Dasneugeborene Kind bedarf in den zwei ersten Tagen
sehr weniger und fast gar keiner Milch als Nahrung.
Später darf es nicht beständig an den Brüsten liegen,
sondern die Milch nur dann bekommen, wenn es hungrig
ist. Man betrügt sich sehr, wenn man das Weinen
eines Kindes allemal vor ein Zeichen seines Hungers
hält. Dabei läßt sich aber unmöglich festsetzen, wie oft
ein Kind den Tag über die Milch bekommen müsse. Bei
manchen Kindern geht die Verdauung leichter und ge¬
schwinder. bei anderen langsamer und später vor sich.
Im allgemeinen gebe man ungefähr alle vier Stunden,
also vier- bis fünfmal an einem Tage die Brust, wobei
es gut ist, die Kinder an festgesetzte Stunden zu ge¬
wöhnen. Es ist aber unrecht, das Kind dann mit Gewalt
aus dem Schlafe zu wecken. Die Menge der Milch,
welche ein Kind jedesmal genießen soll, muß sich nach
der Stärke, nach den Verdauungskräften und dem
Appetit desselben richten. Es ist immerhin besser, ihnen
zu wenig, als zu viel zu geben. Ein krankes Kind muß
natürlicherweise weniger Nahrung bekommen als in
gesundem Zustande.
Einem Säugling muß man niemals sogleich nach der
eigenen Mahlzeit, sondern erst einige Stunden später
die Milch geben. Nur nach Einnahme von Arzneien,
welche das Kind beeinflussen sollen, ist es angebracht,
bald nach deren Genuß die mit den heilsamen Teilen
annoch erfüllte Milch zu geben, ehe sich dieselben ver¬
lieren.
Nicht genug kann sich Zückert wundern, daß es
wirklich noch Aerzte gibt, welche dem Kinde d,ie
Muttermilch entziehen und dasselbe von der Geburt an
mit Mehlbreien nähren und großzuziehen versuchen.
Die Kinder werden fast allemal ein unglückliches Opfer
dieser Anschauungen; man kann nicht genug gegen
diese Neuerungssucht eifern. Das Mehl ist ganz und
gar unnütz in dem Magen eines Kindes, welches nur
356
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 23
erst einige Wochen oder Monate seines Alters zählt.
Der noch schwache Magen des Kindes kann einen
solchen dicken Brei absolut nicht überwältigen, derselbe
bleibt in den Gedärmen meistens unverändert und un¬
verdaut liegen und beschwert sie. Die viele in dem
Mehl enthaltene Luft wird durch die Wärme des Magens
losgemacht und ausgedehnt; davon wird der Leib hart
und gespannt und . es entstehen starke Bauch¬
schmerzen.
Sind die Kinder etwas älter geworden, so schicken
sich Brotkrumen am besten zum Brei für dieselben,
nur müssen sie einige Tage alt sein und der Brei dünn
bleiben. Man gebe zunächst nur eine Portion davon
täglich und zwar abends. Zum Flüssigmachen bediene
man sich des Wassers, der Milch oder auch dünnen
Bieres, aber vor dem achten Monat solle man außer
Milch und zwar Muttermilch am besten nichts anderes
reichen. Dann sind eventuell eine dünne Hafergrütz-
suppe, eine Wassersuppe mit etwas geriebener Semmel,
eine dünne Milchsuppe mit etwas polnischem Grieß,
ein dünnes Butterbrot, etwas Zwieback, Bisquit, eine
mit Reis oder Perlgraupen gekochte dünne, magere
Fleischbrühe, von den Hülsen abgeschöpft, erlaubt.
Alles andere wirkt schädlich und ist direkt zu ver¬
bieten.
Säuglinge und Kinder müssen viel schlafen, damit
sie gut wachsen, die Milch wohl verdauen und Kräfte
und Stärke erlangen. Es ist unverantwortlich, ein
kleines Kind, welches müde ist, durch Hupfen auf dem
Arme und allerlei Spielereien vom Schlaf abzuhalten.
Man muß das Kind auch bei Tage hinlänglich schlafen
lassen, aber demselben immerhin einige Stunden zum
Wachen vergönnen. W'enn das Kind auch bei Tage
erwachet und gleich munter, aufgeweckt, nicht schläfrig
und verdrießlich ist, so erkennt man daran, daß es aus¬
geschlafen ist. Wenn daS Kind rtäch Maßgabe der
Stärke seines Körpers wirklich mal zu lange schlafen
sollte, muß man es mit Behutsamkeit wecken, nicht mit
lautem Geräusch oder Ungestüm aus dem Schlafe
reißen.
Die Wiege dient dem Säugling zur bequemsten
Schafstelle; sie ist das bequemste Mittel, das Kind durch
ein sanftes Schütteln des Körpers und durch die davon
entstehende gelinde Betäubung in einen Schlaf zu
bringen; manche freilich schreien, wenn man die Wiege
in Bewegung setzt. Jedes scharfe Schaukeln ist stets
schädlich. Das Kind muß in der Wiege allzeit mit dem
Kopfe und der Brust hoch, mit dem übrigen Körper
llächer gelegt werden. Das Kind auf die Seite zu legen,
ist recht gut, weil der Speichel auf solche Weise besser
abfließt. Allein man muß nicht die Kinder beständig
auf einer Seite liegen lassen. Man muß die Lage der
Kinder in der Wiege, so oft man sie hineinlegt oder so
oft sie, wenn sie erwachen, darin liegen bleiben sollen,
allemal verändern und sie bald auf die rechte, bald auf
die linke und zuweilen, aber nur seltener, auf den
Rücken legen.
Wenn man die Wiege mit einer Decke bis über
des Kindes Kopf bedecket, um die Kälte und das starke
Licht vom Kinde abzuhalten, so muß man dieselbe nur
nicht zu dicht auf den Kopf und nicht zu enge um die
Wiege legen,sondern sie muß hoch undweitgenugdavon
abstehen, damit die innen eingeschlossene Luft mit der
äußeren Stubenluft Gemeinschaft behalte und die Aus¬
dünstung aus dem Kinde nicht in der verdünnten Luft
bleibe, weil sonst das Atemholen dem Kinde zu schwer
fallen würde. Mehrmals am Tage muß das Kind aus
der Wiege genommen werden; es ist die größte Grau¬
samkeit, wenn man es die ganzen Stunden in der Wiege
liegen läßt. Man muß die Wiege niemals so stellen, daß
das Licht der Sonne oder der starke Schein eines bren¬
nenden Lichts oder einer Lampe von der Seite auf die¬
selbe falle, sondern die Wiege so setzen, daß das Kind
das Licht gerade vor sich sehen kann; nur muß dasselbe
nicht zu hell sein, damit es nicht die schwachen Augen
schwäche.
Im ersten Jahre ist der Säugling nicht aller Luft aus¬
zusetzen, das Kind muß erst nach und nach an die rauhe
Luft gewöhnt werden, wenn die Haut dichter und die
Fasern stärker geworden sind. Deswegen billiget aber
Zückert im geringsten nicht, daß man das Kind im
Winter überaus warm halte und die Stube, worinnen
es liegt, so heiß mache wie eine Backstube. Die Luft
muß in der Stube, in welcher das Kind befindlich ist,
nicht zu warm und nicht zu kalt, sondern gemäßigt und
von allen Dünsten frei und rein sein. Man muß alle
Zugluft vermeiden und die Wiegen niemals an die
Türen oder Fenster setzen. Mit Räuchern in Kinder¬
stuben ist behutsam zu verfahren, stark riechende Ge¬
genstände sollten in keine Kinderstube kommen. Beim
Herausbringen der Wiegen vermeide man die Abend¬
luft, wie windigtes, regnigtes, kaltes Wetter. Gelinde
Luft ist den Kindern zuträglich, doch sollte das Hinaus¬
bringen niemals geschehen, wenn es soeben Milch oder
andere Nahrung genossen hat.
Alle Kinder sind so rein wie möglich zu halten;
sie sind deshalb jedesmal sehr bald von ihren Unreinig¬
keiten zu säubern und zu befreien. Allemal muß man
so einen Vorrat gut getrockneter Windeln haben, die
schon eine Weile gelegen haben.
Schrecken und Zorn schaden der zarten Maschine
des Säuglings am meisten. Ersterer bringt in dem
Kinde allerlei übele Gebräuche zum Vorschein. Auch
solle man sich niemals hinter das Kind stellen, daß es
einen nicht sehe oder gezwungen sei, die Augen zu ver¬
drehen. Dabei muß. ein kleines Kind unter beständiger
genauer Aufsicht sein, niemals allein gelassen und noch
weniger anderen Kindern zur Wartung übergeben
werden.
Alle diese Punkte führt unser Johann Fried¬
rich als Unterricht für rechtschaffene Eltern zur diä¬
tetischen Pflege ihrer Säuglinge aus. Berlin 1764 bei
Mylius, 8 " XII, 152 S. Doch genügt wohl unser Auszug,
um sich ein Bild von den damaligen Zuständen zu
machen.
Hydrotherapie bei Stoffwechselerkrankungen.
Dr. Engelen, Düsseldorf,
Chefarzt der inneren Abteilung des Marienhospitals.
Unter Stoffwechsel versteht man bekanntlich jenen
Verkehr des Körpers mit der Außenwelt, der in der
Aufnahme von Sauerstoff, Eiweiß, Kohlehydraten,
Fetten, Salzen und Wasser aus der äußeren Umgebung
und in der Abgabe von Kohlensäure, Ammoniakver¬
bindungen, Salzen und Wasser besteht. Das Leben ist
an beständige chemische Umsetzungen in dem Stoff-
bestande des Körpers gebunden, der tierische Organis¬
mus kann nur leben auf Kosten anderer Organismen.
Der Körper hat also die Fähigkeit, die mit der Nahrung
aufgenommenen, gespaltenen, resorbierten und dann
wieder aufgebauten Substanzen zu assimilieren, zu ver¬
werten zum Ersatz des verbrauchten Körpermaterials,
weiter die Fähigkeit, die chemische Energie der ab¬
genutzten Körpersubstanz und die chemische Energie
der Nahrung umzuwandeln in mechanische Arbeit und
größtenteils in Wärme, ferner den zu den Oxydations¬
vorgängen nötigen Sauerstoff an die Stätten des Ver¬
brauchs hinzuschaffen und schließlich die Endprodukte
auszuscheiden.
Nr. 23
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
357
Eine umfassende exakte Untersuchung des Ge¬
samtstoffwechsels erfordert, daß in einem über mehrere
Tage sich erstreckenden Zeitraum hindurch genau
die Nahrungseinnahmen quantitativ und qualitativ be¬
stimmt sind, daß die Ausscheidungsstoffe im Urin und
Stuhl und die Kohlensäure der exspirierten Luft durch
Messung, Wägung und Analyse festgestellt sind, daß
schließlich auch die verbrauchte Sauerstoffmenge in
Rechnung gestellt wird. Solche überaus komplizierte
Feststellungen unter Bezugnahme auf die Abänderung
des Stoffwechsels unter dem Einfluß der verschiedenen
hydriatrischen Anwendungen werden wohl kaum jemals
bis in alle Einzelheiten durchgeführt werden können.
Wir müssen uns daher begnügen mit experimentellen
Forschungen über die wichtigsten Einzelvorgänge des
Stoffwechsels, mit Studien über die Beeinflussung des
Gaswechsels, der Körperwärme, der Stickstoffaus¬
scheidung und der übrigen Exkretionen. Die hierdurch
erhaltenen Aufschlüsse genügen vollständig, um unser
praktisches Handeln auf eine rationelle Grundlage zu
bauen.
Ueber den Gaswechsel gibt uns Auskunft der
respiratorische Quotient, das Volumenverhältnis der
ausgeschiedenen Kohlensäure zu dem in gleicher Zeit
aufgenommenen Sauerstoff. Der im Körper verbrauchte
Kohlenstoff erscheint zu über 90 pCt. in der exspirier¬
ten Kohlensäure wieder. Die Lungen sind also das
Hauptsekretionsorgan für den Kohlenstoff, der respira¬
torische Quotient ist daher ein wichtiges Maß für das
Sinken und Steigen der tierischen Lebensprozesse.
Nun ergibt das Tierexperiment, daß beim Warmblüter,
so lange sich die innere Temperatur innerhalb ihrer
normalen Grenzen zu erhalten vermag, der respira¬
torische Gaswechsel um so lebhafter ist. je niedriger
die Umgebungstemperatur, und um so langsanier, je
höher die Außentemperatur. Dieses Verhalten steht
im Widerspruch zu dem sonst allgemein gültigen chemi¬
schen Gesetze, daß Kälte die Oxydationen hemmt,
Wärme sie beschleunigt. Nun hat Pflüger, um die Be¬
dingungen dieses eigenartigen physiologischen Ver¬
haltens zu erforschen, durch Kurare die Mitwirkung der
Muskulatur bei der Temperaturregulation ausgestaltet;
die Kurarewirkung in entsprechender Dosis macht
sich ausschließlich geltend als Lähmung der peripheren
Endapparate der motorischen Nerven der Skelett¬
muskulatur. Unter Kurarewirkung wurde das Tier
zum Kaltblüter insofern, als die Oxydationsprozesse
mit der Außentemperatur gleichsinnig steigen und fallen.
Um weiter zu zeigen, daß nicht eine spezifische Kurare¬
wirkung auf das Wärmezentrum die Ursache dieses
veränderten Verhaltens ist, hat Pflüger durch hohe
Rückenmarksdurchschneidung die Muskulatur ausge-
schaltet. Wieder zeigte sich ein Versagen der Ein¬
richtungen, die zur Konstanterhaltung der Eigen¬
temperatur des Warmblüters gegen die des umgeben¬
den Mediums dienen. Hieraus können wir schließen,
daß die Emanzipation der Homöothermen von der all¬
gemeinen Gesetzmäßigkeit der Beeinflussung chemi¬
scher Prozesse durch die Temperatur auf einem dem
Nervensystem unterstehenden Regulationsmechanis¬
mus beruht, der reflektorisch den Stoffumsatz in der
Muskulatur beherrscht. Nun können im Tierexperiment
auch durch energische Temperatureinwirkungen die
zur Verteidigung der Normaltemperatur dienenden
.selbstregulierenden Schutzvorrichtungen insuffizient
gemacht werden. Jetzt zeigt sich, daß mit sinkender
Körperwärme der respiratorische Gaswechsel abnimmt,
mit steigender Körperwärme lebhafter wird im Gegen¬
satz zu dem bei unveränderter Innentemperatur zu be¬
obachtenden Verhalten, daß Kälte die Oxidationen
steigert, Wärme sie herabsetzt.
Entsprechend Resultate ergibt die Untersuchung
des respiratorischen Gaswechsels beim Menschen
unter dem Einfluß thermischer Einwirkungen. So
lange der Körper seine eigene Wärme zu verteidigen
vermag, wird durch kurze Kaltwasserauwendungen
eine Verschiebung des respiratorischen Quotienten im
Sinne lebhafterer Kohlenstoffverbrennung bewirkt, also
eine Vermehrung der Kohlensäureproduktion und
Kohlensäureausscheidung, auch eine Vermehrung der
Sauerstoffaufnahme. Wir erkennen also wieder die
Zunahme der Oxydationsvorgänge mit sinkender
Außentemperatur, die Abnahme mit steigender Außen¬
temperatur. Dieses Verhalten ändert sich aber, wenn
die Regulationsgrenzen überschritten werden. Wenn
man durch lange und intensive Wärmeentziehung die
Innentemperatur des Menschen herabdrückt, dann wird
die Ausscheidung der Kohlensäure und die Aufnahme
des Sauerstoffs durch Kälte verlangsamt; wird um¬
gekehrt die Körpertemperatur künstlich in die Höhe
getrieben, so geht mit steigender Temperatur eine Be¬
schleunigung der Verbrennungsvorgänge einher, eine
erhebliche Steigerung des Sauerstoffkonsums und der
Kohlensäureproduktion.
Als zweites der wichtigsten relativ einfachen
Maße des Stoffverbrauchs ist experimentell verwertbar
die Stickstoffausscheidung. Der Stickstoffgehalt in
Harn und Kot ist das sichere Maß für den Verbrauch
an Eiweiß, das als Ersatz des Abnutzungsmaterials und
als Energieträger in Betracht kommt. Solche Applika¬
tionen, die die Eigenwärme intakt lassen, sind ohne Ein¬
fluß auf die Stickstoffausscheidung. Auch die in der
Praxis üblichen kühlen Anwendungen steigern den Ei¬
weißzerfall nicht, nur exzessive Wärmeentziehung
durch gewaltsame Kälteapplikationen, so daß eine
forcierte Abkühlung des Körperinneren entsteht,
können beim Menschen eine Steigerung der Stickstoff¬
ausfuhr bewirken. Dagegen ist bei längerer Dauer
oder häufiger Wiederholung solcher Hitzeanwendungen,
die die Eigenwärme künstlich erhöhen, außer der Mehr¬
zersetzung der Fette und Kohlehydrate auch ein er¬
höhter Eiweißzerfall nachweisbar.
Immer wieder haben wir die gesetzmäßigen Be¬
ziehungen zwischen dem Chemismus der Stoffum¬
setzungen und dem Verhalten des Wärmehaushaltes zu
berücksichtigen. Bei normaler Körpertemperatur ge¬
staltet sich der Ablauf der Umsetzungen wesentlich
anders als bei künstlicher Erhöhung oder Erniedrigung
der Innentemperatur. Es bestehen gesetzmäßige Be¬
ziehungen zwischen dem Stoffverbrauch und der
Wärmeproduktion des Organismus. Alle Wärme und
jede Bewegung auf der Erde entstammt in letzter Linie
der Sonne. In den Nahrungsmitteln nehmen wir latente
Sonnenenergie in uns auf, diese verwandelt sich im
Körper wieder in Bewegung und Wärme. Berechnet
man die Gesamtleistungen des Organismus nach ihren
Wärmeäquivalenten, so entspricht die Summe genau
der Wärmemenge, die durch die stattfindenden chemi¬
schen Umsetzungen entwickelt wird. Beim ruhenden
Organismus treten fast die gesamten Arbeitsleistungen
in Gestalt von Wärme auf. Bestimmt man also
kalorimetrisch den Temperaturgewinn beim ruhenden
Organismus, so hat man auf Grund des mechanischen
Wärmeäquivalentes, welches besagt, daß eine be¬
stimmte Kraft immer eine bestimmte Wärmemenge
liefert und daß umgekehrt immer eine bestimmte
Wärmemenge eine bestimmte Arbeitsleistung hervor¬
bringt, das Maß für die Summe der verbrauchten
Spannkräfte.
Dem Nervensystem stehen zur automatischen
Konstanterhaltung der Körpertemperatur außer der
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 23
3 58
Beeinflussung der Oxydationsvorgänge auch physika¬
lische Hilfsmitel zur Verfügung.
Kälteeinwirkung ruft eine energische Kontraktion
der Hautgefäße hervor, so daß nur wenig Blut in die
Peripherie gelangt und das schlechte Wärmeleitungs¬
vermögen der unter der Haut befindlichen Fettschicht
sich geltend macht; so wird durch die verminderte
Wärmeabgabe an die äußere Luft und an die Kleidung
Wärme gespart. Weiter entsteht infolge der Kälte¬
einwirkung reflektorisch eine Erhöhung des Muskel¬
tonus, evtl, stellen sich, sogar in Form von Zittern,
Schütteln, Zähneklappern unwilkürliche klonische
Zuckungen ein, deren erwärmender Einfluß deutlich
dem Gefühl sich kundgibt. Auch ist allbekannt, daß
kalte Außentemperatur zu willkürlicher kräftiger
Muskelaktion anregt, häufig kann man bei strenger
Winterkälte Leute beobachten, die durch Aufstampfen
der Füße, durch schleudernde und schlagende Be¬
wegungen der Arme sich Wärme verschaffen. Die
solcherart durch mechanische Arbeit erzeugte Wärme¬
menge wird durch erhöhten Stoffumsatz gedeckt. Da
der Körper somit jeden Wärmeverlust durch, erhöhte
Produktion kompensiert, so erleidet die Innentempe¬
ratur eines gesunden, nicht fiebernden, unter normalen
Bedingungen stehenden Menschen bei mäßiger Dauer
einer kalten Anwendung niemals eine Herabsetzung,
meist tritt sogar eine leichte Steigerung der Innen¬
temperatur ein.
Der Körper schützt also seine Eigentemperatur
gegen Kälteeinwirkungen in doppelter Weise: durch
automatische Regulation der Oxydationsvorgänge
und durch physikalische Regulation der Wärme¬
ausgaben. Für die praktische Hydrotherapie ist die
Tatsache von großer Wichtigkeit, daß wir willkürlich
in den Ablauf dieser Regulationsvorgänge eingreifen
können. Wenn wir nämlich durch Hautreize, z. B.
durch Frottierungen, Bürsten der Haut, Zuführung von
Kohlensäure oder Sauerstoff, eine vorzeitige Lösung
der durch die Kälte bewirkten peripheren Gefä߬
kontraktion herbeiführen, dann ist die physikalische
Schutzvorrichtung eliminiert, dann ist der Köper ge¬
zwungen, durch Steigerung der Oxydationen die
stärkere Wärmeentziehung auszugleichen. Experimen¬
telle Vergleiche bestätigen, daß durch diese Versuchs¬
anordnung der Gaswechsel erheblich lebhafter wird.
Weiter zeigt sich, daß stickstoffhaltiges Körpermaterial
hierbei zur Deckung des Mehrverbrauchs nicht heran¬
gezogen wird. Ueberhaupt wird durch die in der Praxis
verwertbaren, in Kältegrad und Anwendungsdauer
mäßigen kühlen Prozeduren eine Steigerung des Ei¬
weißzerfalles nicht ausgelöst.
Etwas anders gestalten sich die Regulations¬
bedingungen, wenn dem Körper die Aufgabe gestellt
ist, gegen höhere Außentemperaturen seine Eigenwärme
zu verteidigen. Das Leben erfordert ständigen Stoff¬
umsatz, der Körper kann daher die Oxydationsprozesse
nicht unter ein gewisses Mindestmaß einschränken, es
wird also unausgesetzt Wärme im Körperinneren er¬
zeugt. Die Gegenwehr gegen eine Ueberhitzung des
Körpers fällt daher in erster Linie der physikalischen
Regulation der Wärmeabgabe zu. Solange bei steigen¬
der Außentemperatur dieser unter der normalen bleibt,
wird zunächst durch Erweiterung der Hautgefäße und
durch Steigerung der Pulsfrequenz die Zirkulation be¬
schleunigt und somit die Wärmeausgabe durch Leitung,
Strahlung und Verdunstung gesteigert. Wir können
aber auch Wärmegrade ertragen, die erheblich über
der Körpertemperatur liegen, so daß bei der weiter¬
gehenden Wärmeproduktion die Wärmeabgabe an die
Umgebung fortfallen und eine unnatürliche Innen¬
temperatur entstehen würde, wenn nicht Schwei߬
bildung einträte. Verdunstende Flüssigkeiten erzeugen
Kälte, es wird Wärme gebunden. Damit ein Kilogramm
Wasser verdunste, sind 550 große Wärmeeinheiten
nötig. Die Gesamtproduktion des Körpers an Wärme
beträgt in 24 Stunden etwa 2700 große Kalorien.
Wenige Kilogramm Wasserverdunstung genügen also,
um die ganze erzeugte Wärmemenge zu binden. Wir
ertragen daher bei sonniger, trockner Witterung be¬
schwerdelos erheblich höhere Temperaturen als bei
feuchtigkeitsgesättigter Luft. Daher kann man auch
den Temperaturgrad eines Heißluftbades viel höher be¬
messen, als beim Dampfbade. Wird nun aber die
Wärmeabgabe durch Leitung und Verdunstung be¬
hindert, wie z. B. bei heißen Wasser- und Dampfbädern,
so reicht die Wärmeregulierung nicht mehr aus, es muß
eine Steigerung der zentralen Temperatur erfolgen.
Diese Temperaturerhöhung hält noch etwa zwei
Stunden lang nach Beendigung der Prozedur an. Dabei
sind die Stoffwechseloxydationen sehr beträchtlich ge¬
steigert. Je länger die Dauer der Einzelprozedur be¬
messen wird, je öfter die Erwärmung wiederholt wird,
desto höher werden die Mehrzersetzungen des Körper¬
materials. Außer dem Umsatz der Kohlehydrate und
Fette wird bei diesen Anwendungen auch der Eiwei߬
zerfall gesteigert.
Mit der Erregung starker Transpiration werden
nun auch noch andere Stoffe in erhöhtem Maße aus¬
geschieden. Zunächst verliert der Körper erhebliche
Mengen von Wasser: im Dampfbade etwa “/• kg, im
römisch-irischen Bade etwa 1 kg, im Sandbade bis
3 kg, im Heißwasserbade, wo der Schweiß dem Bade¬
wasser sich beimengt, etwa 2 kg. Das Blut hält nun
mit großer Zähigkeit seinen Wasserbestand aufrecht.
Verarmung des Blutes an Wasser und Salzen regt das
Bestreben an, durch stärkere Diffusion zwischen
Körpergeweben und Gefäßen die Blutzusannnensetzung
intakt zu halten. Es wird hierdurch ein lebhafterer
Säftestrom in den Geweben, eine Ausspülung der Stoff¬
wechselschlacken bewirkt. Dagegen ist die durch
Schwitzprozeduren vermehrte Harnsäureausscheidung
im Urin nicht so beträchtlich, daß ihr praktisch große
Bedeutung beizumessen wäre. Auch die durch Kalt¬
wasseranwendung erzielbare Erhöhung des respira¬
torischen Luftwechsels der Lunge, weiter die durch
jede hautrötende Prozedur gesteigerte Kohlensäure¬
perspiration sind nicht von Bedeutung. Erheblich
wichtiger ist höchstwahrscheinlich, daß gleichzeitig
durch den erhöhten Blutgehalt der Haut die Perspiration
jener noch wenig analysierten Stoffe gesteigert wird,
die den ganz typischen Geruch bei manchen Krank¬
heiten verursachen. Sicherlich erweist sich in der
Therapie der Stoffwechselstörungen die Reinhaltung
und Funktionsanregung der Haut als sehr wertvolles
Behandlungsprinzip.
Aus den physiologischen Darlegungen ergeben sich
die leitenden Gesichtspunkte für die Gestaltung der
speziellen Hydrotherapie bei den Stoffwechselkrank¬
heiten.
Beim Diabetes muß man bei schwächlichen
Patienten sich damit begnügen, durch kühle Abreibun¬
gen den Stoffverbrauch anzuregen und auf die Haut¬
funktion günstig einzuwirken. Hereditär Disponierten
kann man außer täglichen kühlen Waschungen ge¬
legentliche Schwitzbäder anempfehlen. Auch bei noch
leistungsfähigen Erkrankten sind öftere Hitzeproze¬
duren angezeigt, zumal da nachgewiesen ist, daß bei
höherer Außentemperatur im Sommer unter im übrigen
unveränderten Lebensbedingungen die Zuckeraus¬
scheidung abnimmt. Zu täglicher Anwendung eignen
sich ferner bei kräftigen Patienten kurze kalte Voll¬
bäder, die die Oxydation des Zuckers im Blute steigern.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Ebenso kann man bei der Fettsucht, die zumeist in
übermäßiger Nahrungsaufnahme und ungenügender
Körperbetätigung, selten in krankhaft verminderter
Oxydationsenergie ihre Ursache hat, durch häufige
Wärmeentziehung und bei genügend kräftiger Herz¬
tätigkeit durch gelegentliche Schwitzbäder die Oxyda¬
tionsprozesse und damit den Stoffverbrauch, in erster
Linie die Fettverbrennung, steigern. Abreibungen,
Abklatschungen, Frottierungen im kühlen Bade,
Kohlensäurebäder eignen sich zu stärkerer Wärme¬
entziehung. Am empfehlenswertesten sind meist täg¬
liche kühle Schwimmbäder wegen der gleichzeitigen
Muskelanstrengung. Bei der Gicht dient die Hydro¬
therapie hauptsächlich zur Erzeugung eines lokal re-
solvierenden Effektes bei ausgesprochener Gelenk¬
steifigkeit und im akuten Anfall durch wärmestauende
Umschläge und heiße Teilbäder. Allgemeinanwendun¬
gen dienen ebenso wie beim Diabetes insipidus vor¬
wiegend nur zur Hautpflege. Bei Autointoxikationen,
Arthritis deformans, chronischem Rheumatismus dienen
Hitzeprozeduren zur Ausscheidung von krankhaften
Stoffen, toxischen Substanzen und Exsudatresten. Die
Hydrotherapie erweist sich also als wertvolles Adju¬
vans bei der Behandlung von Stoffwechselerkran¬
kungen; ihre Hauptwirksamkeit kann sie dann entfalten,
wenn sie zur Prophylaxe hereditär Disponierter dient.
Dauerresultate dieser Therapie läßt sieh noch nichts Abschließendes
sagen.
2. Bruck führt aus, daß ihm eine passive Uebertragung der
Anaphylaxie durch das Serum von Hauttuberkulosekranken trotz
zahlreicher Versuche niemals gelungen ist. Er schildert dann noch
zwei Fälle von Tuberkulinidiosynkrasie.
3. Verfasser schildert einen Fall, bei- dem nachgewiesen wurde,
daß die Pirquet-Reaktion nicht nur im Inkubationsstadium von
Masern (was ja schon oft nachgewiesen worden ist), sondern auch
im Inkubationsstadium von Scarlatina negativ ausfällt.
4. In allen Fällen ist der Zweck, den man erreichen will, die
Aerotherapie. Dieselbe kann überall realisiert werden, doch liefert sie
häufig bessere Resultate, wenn sie in gewissen Gegenden, besonders
wenn dieselben günstig gelegen sind, bewerkstelligt wird. Soll die¬
selbe jedoch von Erfolg begleitet sein, muß sie, wie bereits oft ge¬
sagt, von hinlänglicher Dauer sein; ein Verweilen durch mehrere
Wochen ist oft unwirksam und unzureichend. Die Kur soll immer
unter der Leitung eines Arztes durchgeführt werden, der mit den
Eigentümlichkeiten des Klimas genau vertraut ist.
E. Allgemeine Hygiene. Ob das tuberkulöse Kind in der
Stadt, auf dem Lande, im Gebirge oder an der See sich aufhält,
immer ist eine bis ins Minutiöse gehende Hygiene notwendig. Das
Kind muß sich der größten Reinlichkeit befleißigen, häufig Bäder
nehmen und alle Tage frottiert werden. Außerdem muß man, wenn
das Kind lungentuberkulös ist, alle Vorsichtsmaßregeln ins Werk
setzen, daß sich niemand von dem Kinde anstecke, wenngleich in
dieser Periode der Krankheit gewöhnlich eine Expektoration nicht
stattfindet. Insbesondere muß man gesunde Kinder von denen,
welche tuberkulös sind, fernhalten. Welche Behandlung auch immer
eingeleitet wurde, erscheint es nötig, wenn bei dem Kinde Besserung
eintritt, dasselbe nicht in schlechte hygienische Verhältnisse zurück¬
kehren zu lassen. Der Nutzen spezieller auf dem Lande gelegener
Schulen und landwirtschaftlicher Kolonien ist unbestritten, um die
Genesung solcher Kinder zu Ende zu führen und Rezidiven vorzu¬
beugen.
5. Verfasser führt aus, daß in der Milch tuberkulöser Mütter
spezifische Antitoxine zirkulieren, und daß es sehr wahrscheinlich
ist, daß diese mit der Muttermilch eingesogenen Schutzkörper nicht
nur für die Zeit des Stillens, sondern über dieselbe hinaus, ja viel¬
leicht für das ganze Leben ihre spezifische Schutzwirkung ausüben.
Hieraus folgt, daß wir einer tuberkulösen Mutter das Stillen ihres
Kindes nicht nur nicht untersagen, sondern ihr die Ausübung dieses
Geschäftes im Gegenteil dringend ans Herz legen sollen; voraus¬
gesetzt wird, daß es ihr der Kräftezustand erlaubt, natürlich darf sie
nicht selber Schaden darunter leiden. Ausgenommen sind nach
Abramowski natürlich vorgeschrittene Fälle von offener Tuberku¬
lose oder solche, bei denen sich tuberkulöse Drüsen an oder in der
Nähe des Brustkörpers befinden.
6. Verfasser führt aus, wie es nicht selten vorkommt, daß bei
einem Patienten höheren Alters eine Kachexie gefunden und auf ein
Karzinom gefahndet wird, bis der Patient stirbt und die Sektion zur
großen Ueberraschung des Klinikers eine Lungentuberkulose ergibt;
ebenso auch wird in emphysematosen Lungen nicht selten Tuberkulose
gefunden. Die Fehldiagnosen sind sehr häufig; solche Altersphthisen
sind nicht so selten. Verfasser schildert dann mehrere solche Fälle.
7. Verfasser fand folgendes-: Bei bedeutender Geschwulst der
Bronchialdrüsen entsteht eine falsche Dämpfung oberhalb der rechten
Lungenspitze, am schwächsten nach innen, nach außen aber zu¬
nehmend. Sie läßt sich von der wahren Dämpfung (Spitzen infiltra-
tion oder Retraktion) leicht durch ihre Lage in der Region und
mittels der sagittalen (Goldscheiderschen) Perkussion wie auch
durch begleitende charakteristische Dämpfung an Brust und Rücken
unterscheiden.
Diejenige Dämpfung, die man bei Leiden des Nasenschlund-
raumes oberhalb der rechten Lungenspitze antreffen kann, und die
zuerst von Krönig beschrieben wurde, ist nicht, wie Krönig meint,
einer Kollapsinduration der Lunge, sondern einer Geschwulst der
Bronchialdrüsen zu verdanken.
8. Verfasser untersuchte in Düsseldorf ärmere Kinder und fand
folgendes: Es reagierten nach seinen Untersuchungen positiv:
von 263 Kindern bei einmaliger cutaner Impfung 47.1 pCt.
, 263 „ „ zweimaliger „ „ 65,7 „
. 233 „ „ Depotreaktion 77
Die absolute Wertigkeit der ermittelten Zahlen hängt natür¬
lich mit der Frage nach der Spezifität’der Depotreaktion innig zu¬
sammen. Auf jeden Fall ist hiermit aber wiederum die starke
Durchseuchung der Proletarierkinder mit Tuberkulose bekräftigt.
Ganz anders liegen die Verhältnisse offenbar in den besser
gestellten Kreisen.
Diese Aeußerung wird gestützt durch eine Untersuchungsreihe
von Schloßmann, der in einer jetzt bald ebenso umfassenden Sta¬
tistik wie diese, bei der es sich aber um Kinder aus der Praxis elegans
handelt, nur etwa 5 pCt. tuberkulös infiziert fand. Für die prakti¬
schen Maßnahmen bei der Bekämpfung der Tuberkulose als Volks¬
krankheit ergeben sich aber aus diesen Tatsachen beachtenswerte
Hinweise. Sicherer als Tuberkulose heilen, können wir Tuberku¬
lose verhüten; die Prophylaxe in der lugend muß mit der grüßten
Aufmerksamkeit gemacht werden. Erkrankte können wir aber um
so eher mit Erfolg behandeln, in je früherem Stadium wir dazu in
der Lage sind.
Lungenleiden.
Referent: Prof. Dr. A. Moeller, Berlin,
1. Rochsalzamie Diät zur Beseitigung des Ascites tuberculosus.
Von Dr. W. Alwens. Die Therapie der Gegenwart, März 1910.
2. Experimentelle Untersuchungen über das Wesen der Arznei¬
exantheme. Von Dr. Bruck, Breslau. Berliner klinische Wochen¬
schrift 1910. Nr. 12.
3. Scarlatina und Pirquet-Reaktion. Von Dr. Brandenburg.
Deutsche Medizinische Wochenschrift 1910. Nr. 12.
4. Einige Betrachtungen über die Behandlung der Tuberkulose
bei Kindern. Von Prof. Dr. N ob e court in Paris. Allgemein.
Wiener medizinische Zeitung 1910. Nr. 12.
5. Sollen tuberkulöse Mütter stillen? Von Dr. Abramowski,
Kreisassistenzarzt, Gilgenburg (Ostpr.). Fortschritte der Medizin
1910. Nr. 10.
6. Uebcr Altersphthise. Von Prof. Dr. S t a e h e 1 i n. Berliner
klinische Wochenschrift 1910. Nr. 9.
7. Ueber falsche Dämpfung in der rechten Lungenspitze. Von
H. d. Bin g. Berliner klinische Wochenschrift 1910. Nr. 9.
8. Ueber die Häufigkeit der Tuberkulose im Kindesalter. Von
Dr. N o t h m a n n. Berliner klinische Wochenschrift 1910. Nr. 9.
9. Die spezifische Diagnose und Therapie der Kindertuberku¬
lose. Von Dr. Engel. Medizinische Klinik 1910. Nr. 10.
10. Dysmenorrhoe und Tuberkulose. Von Dr. G r ä f e n b e r g.
Münchener medizinische Wochenschrift 1910. Nr. 10.
11. Die Anwendung des Tuberkulins bei Lungentuberkulose.
Von Prof. Aufrecht. Berliner klinische Wochenschrift 1910.
Nr. 10.
12. Ein weiterer Beitrag zur Kutomreaktion mit Eisentuber¬
kulin. Von Dr. Thomas. Berliner klinische Wochenschrift 1910.
13. Technik und Erfolge der Atmungsgymnastik beim Bronchial¬
asthma. Von Dr. Hofbauer. Medizinische Klinik 1910. Nr. 11.
14. Zur Biochemie der Tuberkelbazillen. Von Prof. D e y k e.
Münchener medizinische Wochenschrift 1910. Nr. 12.
1. Verfasser führt aus, wie eine kochsalzarme Kost auf den Ascites
tuberkulosus einen sehr günstigen Einfluß ausiibt. Man muß an-
i.ehmen, daß das Blut, welches zur Aufrechterhaltung des osmotischen
Gleichgewichts einen konstanten Kochsalzgehalt braucht, denselben
bei Einschränkung der Kochsalzzufuhr zu ergänzen sucht durch Auf¬
nahme von Kochsalz aus den Geweben. Wenn sich nur im Körper
ein größeres Kochsalzdepot in Gestalt eines tuberkulösen Ascites
vorfindet, so geht von dort die entsprechende Menge Kochsalz ins
Blut über. Dies kann nur in Lösung, also unter Mitnahme von
Wasser geschehen. Die gesunde Niere scheidet erhöhte Urinmengen
in entsprechender Konzentration aus. Die Diurese kommt in Gang;
es wird Wasser und Kochsalz im Urin vermehrt abgegeben. Ueber
OF MICHIGAN
360
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 23
9. Verfasser schildert die Diagnostik und Therapie der Kinder¬
tuberkulose. Von der Tuberkulinreaktion sagt er: Alle einmaligen
Tuberkulinreaktionen, auch die fieberhafte bei subkutaner Ein¬
spritzung (siehe auch später), gestatten nur einen Schluß, nämlich,
daß der Körper Tuberkulose beherbergt. Welcher Art die Erkran¬
kung ist, kann man aus einer positiven Reaktion nicht erkennen.
Anatomisch nur schwer auffindbare Herde geben ebenso eine flam¬
mende Impfpapel wie ausgesprochene Lungentuberkulosen, obsolete
Formen, ebenso wie progressive. Das Tuberkulin ist ein zu feines
Reagens, als daß man aus einer Reaktion differenzierende Schlüsse
ziehen könnte. Ganz besonders gilt das allerdings von der Kutan¬
reaktion, die ich bei diesen Ausführungen besonders ins Auge fasse.
Es wäre ganz verfehlt, wenn man z. B. minder energische Reak¬
tionen auf eine beginnende oder obsolete, starke, dagegen auf eine
progressive Tuberkulose beziehen wollte. Am bedenklichsten ist es
aber, wenn die Hautreaktion, wie es so häufig geschieht, zum Ent¬
scheid darüber herangezogen wird, ob irgend eine Affektion tuber¬
kulöser Herkunft sei oder nicht. Das ist unter allen Umständen un¬
statthaft. Eine positive Reaktion kann wohl gelegentlich zur Ein¬
engung der Diagnose benutzt werden, kann die spezifische Herkunft
eines Leidens wahrscheinlicher machen wie vorher, kann aber nie¬
mals direkt darauf bezogen werden. Bei der Häufigkeit der okkulten
Tuberkulosen ist es niemals ausgeschlossen, daß nicht eine solche
noch neben der fraglichen Affektion besteht. Nur im Säuglingsalter,
wo, wie oben erwähnt, so gut wie alle Tuberkulosen ausgesprochen
progredient, bösartig sind, besagt der Nachweis der vorhandenen
Erkrankung durch die v. Pirquetsche Reaktion gleichzeitig etwas
über die Natur des Leidens. Tuberkulose ist dann fast immer identisch
mit progressiver Tuberkulose.
Die größte Bedeutung hat die Kutanreaktion dann, wenn sie
negativ ausfällt. Bei ihrer großen Empfindlichkeit kann man darauf
rechnen, daß sie fast immer positiv wird, wenn Tuberkulose irgend
vorhanden ist. Im negativen Falle ist es also gestattet, Tuberkulose
mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Erhält man z. B.
in den häufigen Fällen, wo zwar keine lokalen Symptome bestehen,
wo aber doch aus irgendwelchen Gründen eine tuberkulöse Infek¬
tion gemutmaßt wird, keine Impfpapel, so kann man den Verdacht
wohl fallen lassen. Vor nichts kann dringender gewarnt werden,
als einer positiven Tuberkulinreaktion eine allzugroße Bedeutung
beizumessen. Man möge immer daran denken, daß sie jede auch
noch so winzige Veränderung anzeigt.
10. Gräfenberg führt aus, wie die zufällige Beobachtung, daß
durch die spezifische Tuberkulinkur tuberkulöser Frauen auffällig
häufig menstruelle Beschwerden zur Heilung gelangten. Die Auf¬
merksamkeit Eisensteins auf den Zusammenhang der Menstruations¬
anomalie mit Tuberkulose gelenkt wurde. Diese Vermutung wurde
bestätigt durch eine größere Serienreihe diagnostischer Injektionen;
118 Frauen mit Menstruationsstörungen reagierten auf subkutane
Tuberkulininjektionen.
11. Verfasser hatte mit der spezifischen Behandlung vielfach Er¬
folg bei solchen Patienten, welche ein halbes oder ein ganzes Jahr
oder zweimal je ein halbes Jahr in Lungenheilstätten oder Sana¬
torien gewesen waren, ohne irgendeinen Erfolg erzielt zu haben.
12. Thomas ebenso wie Ditthorn und Schultz fanden, daß die
weniger empfindliche Reaktion mit Eisentuberkulin nur bei dem Vor¬
handensein größerer Herde zustande kommt, während die empfind¬
lichere mit Alttuberkulin ja den unbedeutendsten anzeigt. Die Her¬
stellungsweise des Eisentuberkulins ist folgende:
Die Tuberkelbazillenleiber 6—lOwöchiger Bouillonkulturen
werden zunächst einem verschiedenartigen Auslaugungsverfahren
unterzogen.
Bei dem Präparat A wird wie bei der Herstellung des Alt¬
tuberkulin Koch die gut durchschüttelte Bouillonkultur auf den
zehnten Teil ihres Volumens eingedampft und danach die Flüssigkeit
von den Bazillen durch Zentrifugieren und Filtrieren getrennt. Die
Testierende Flüssigkeit enthält hier also die Stoffwechselprodukte
und ausgelaugten Leibessubstanzen der Bazillen sowie die Eiwei߬
stoffe der Nährbouillon.
Beim Präparat B werden die bei A übrig bleibenden Bazillen¬
leiber einem zweiten Auslaugungsverfahren unterzogen. Die Aus¬
laugungsflüssigkeit enthält hier also den von A in den Bazillen noch
übrigen Anteil der wirksamen Substanzen und ist frei von Stoff¬
wechselprodukten und den Eiweißstoffen der Nährbouillon.
Beim Präparat E werden die Bazillenrasen sorgfältig von der
Nährbouillon getrennt und dann ausgelaugt. Die Auslaugungs¬
flüssigkeit enthält also die Leibessubstanzen wie bei A, ist aber frei
von Stoffwechselprodukten und Eiweißkörpern der Nährbouillon.
Ein Präparat 5 gleicht dem Präparat A, nur dient als Nährboden
eine eiweißfreie Flüssigkeit.
Bei dem Präparat S wird die von Bazillen befreite Nährbouillon
auf Vio des Volumens eingedampft. Sie enthält also nur die Stoff¬
wechselprodukte und keine Leibessubstanzen.
Die weitere Verarbeitung geschieht nun so, daß die Auslaugungs¬
flüssigkeit, bei 5 die eingedampfte Bouillon, mit Eisenoxychlorid-
lösung versetzt und der entstehende Niederschlag nach gründlichem
Waschen mit Wasser in Natronlauge gelöst und zur Haltbarmachung
mit Glyzerin versetzt wird,
Daß die Präparate tatsächlich die spezifisch wirksamen Be¬
standteile enthalten, konnten die Autoren mittels der Komplement¬
bindungsmethode im Tierversuch und am Krankenbett naciiweisen.
Für die Kutanreaktion wurden von den 5 Präparaten bisher A,
B und E benutzt, ohne daß sich ein Unterschied in der Wirksamkeit
zeigte. Wir selbst benutzten das Präparat B.
13. Verfasser schildert den günstigen Einfluß von Atmungs¬
gymnastik auf das Bronchialasthma.
14. Deycke kommt betreffs der säurefesten Bakterien zu fol¬
genden Schlüssen:
1. Die säurefesten Bakterien verdanken ihre färberischen Eigen¬
schaften der Anwesenheit von Fettsubstanzen. Unter den Fett¬
körpern sind die eigentlichen Träger der Säurefestigkeit die freien
Fettsäuren, die übrigens schon vor Jahren Robert Koch für diese
Eigenschaft der Tuberkelbazillen in Anspruch genommen hat.
2. Das Neutralfett beteiligt sich nur indirekt an der Säurefestig¬
keit; dagegen ist es der Stoff, der dem Eindringen des Farbstoffes
Widerstand leistet und deshalb die schwere Färbbarkeit der Tuber¬
kelbazillen usw. bedingt. Gleichfalls ist das Neutralfett der Haupt¬
träger der außerordentlichen Resistenz der säurefesten Bakterien.
Hautkrankheiten.
Referent: Dr. Grumach, Berlin.
1. Ueber Rektalgonorrhoe im Kindesalter. Von Dr. Kaum-
h-eimer, Münch. Medizin. Wochenschr. 1910, Nr. 18.
2. Die Segnungen des freien Unzuchtgewerbes. Von
G. Vorberg, Hannover. Münch. Med. Wochenschr. 1910.
Nr. 10.
3. Neuere Anschauungen und Erfahrungen über die
Trichophytie-Erkrankungen. Von C. Bruhns, Charlottenburg.
Berl. klin. Wochenschr. 1910. Nr. 18.
4. Eine seltene Anomalie in der Färbung des Kopfhaares.
Von Dr. Wunsch, Berlin Berlin klin. Wochenschr. 1910. Nr. 18.
5. Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der
lokalen Behandlung auf die Entzündung. Von Professor
Dr. J. Schäffer, Breslau. Berliner klin. Wochenschr. 1910. Nr. 18.
6 Zur Behandlung des Ulcus molle und des Bubonen.
Von Dr. von Zumbusch. Wiener klin. Wochenschr. 1910. No. 18.
7. Ueber die Beeinflussung der Psoriasis vulgaris durch
die Arsentherapie. Von Dr. Ferd. Winkler. Arch. f. Derm. u.
Syph. Bd. 52 H. 1.
8. Ein Fall von Sporotrichose. Von Dr. G. Hügel. Arch.
f. Dermat. u. Syph. Bd. 52 H. 1.
1. Im Anschluß an einen selbst beobachteten Fall von Rektal¬
gonorrhoe bei einem l 3 U Jahre alten Mädchen bespricht Kaumheimer
Wesen und Bedeutung derselben überhaupt. Während bei Frauen die
Rektalgonorrhoe anscheinend häufig ist (24—38 pCt. aller Gonorrhoe-
Fälle), hat man sie selten bei Kindern beobachtet oder bemerkt.
Die Ansteckung erfolgt durch Ueberlaufen des Eiters oder durch
Klystiere. Thermometer, aber wohl kaum je durch das Badewasser.
Die s ub j e k t i v e n Erscheinungen sind selten heftig, meist
fehlen sie ganz. Objektiv sind häufige Defäkation, Abgang eines
Schleimpfropfes oder häufiger Schleimstreifen an den faeces zu be¬
merken, doch fehlen ganz Ulzerationen. Ebenso sind Komplikationen,
wie Periproktitis, Stenosen. Abszesse im Kindesalter nicht be¬
obachtet worden. Gonokokken können regelmäßig nach¬
gewiesen werden, doch ist es notwendig, Sekret aus dem Rektum
durch Platinöse (Spekulum) zu entnehmen. Anderseits beweist das
Vorhandensein von Gonokokken noch keine Rektalgonorrhoe. Fehlen
Entzündungserscheinungen. so kann man nur von Bakterienbefund
sprechen. Gegen Erkrankung durch die Gonokokken ist das
Rektum meist durch die alkalische Reaktion seines Inhalts ge¬
schützt, wohl auch durch eine gewisse Immunität der übrigen
Schleimhäute bei Bestehen einer Vulvovaginitis.
Die Therapie besteht in Einführung von Suppositorien von
Arg. nitr. 0,01, Albargin oder Ichthyol 1.0 oder kleinen Klystieren
(75 g) entsprechender Lösungen. Durch Gonokokken-Untersuchung
ist die Wirkung der Therapie zu kontrollieren. Ins chronische Sta¬
dium geht die R. bei Kindern offenbar nicht über.
Prophylaktisch ist das Ueberfließen des Eiters von der
Vulva her durch häufiges Waschen und Wattetamponade der Vulva
zu verhüten; bei Reinigungsprozeduren, Klystieren, Temperatur¬
messungen ist besondere Vorsicht zu üben.
2. Wegen einer kurzen Bemerkung in Nr. 9 des Jahrgangs
1910 der Münch. Med. Wochenschr., in welcher er nachgewiesen
hatte, daß in Kopenhagen nach Aufhebung der Kontrolle der Dirnen
im Jahre 1906 sich die Zahl der sich selbst zur Behandlung melden¬
den Dirnen bis Ende 1908 auf die Hälfte vermindert, die Zahl der
kranken Männer auf das Doppelte vermehrt habe, war Vorberg von
den Abolitionisten stark angegriffen worden. In einer neuerlichen
Abhandlung wehrt er sich dagegen.
Gegenüber mehreren Ansichten, daß die Zahl der Syphilisfälle
indirekt Zusammenhänge mit wirtschaftlichen Zuständen, führt er die
eklatante Tatsache an, daß in Freiburg i. Br., wo die Syhphilis früher
Nr. 23
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
361
so selten war, daß man manche luetischen Erscheinungen nur in
Moulagen zeigen konnte, nach Aufhebung der Dirnenhäuser (15. 4.
1908) plötzlich soviel Initialsklerosen gezeigt werden konnten, wie
früher nie (Mitt. von Prof. Jacobi). Daß in Deutschland die Dirnen-
Ueberwachung nicht Genügendes leiste, liege an der Sinnlosigkeit
der Gesetzgebung, welche im § 361 des R.-Str.-Ges. die Dirnen-
Ueberwachung fordert, im § 180 aber die Vermieter der Dirnen als
Kuppler bestraft. Das habe sich an München gezeigt. Nach Ein¬
führung der schwereren Auffassung der Kuppelei ins Gesetz, die
früher nur als Uebertretung galt (1. Jan. 1862) habe sich der Ge¬
schlechtskrankenstand außerordentlich vermehrt; das von Bordellen
freie München habe von allen Großstädten die höchste Zahl von
Geschlechtskranken unter den Soldaten Die Bordelle seien zwar
keine Lösung der Prostitutionsfrage, gut überwachte Bordelle aber
seien die am wenigsten gefährlichen Verbreitungsstätten der Syphilis.
Auch das seit kurzer Zeit in Berlin und München eingeführte System
der unentgeltlichen Behandlung der Dirnen durch Privatärzte habe
sich nicht bewährt.
Die Frage müsse überhaupt nach örtlichen Verhältnissen ge¬
regelt werden.
3. Bruhns untersucht in der Arbeit die in den letzten beiden
Dezennien aufgetauchte Frage, ob die verschiedenen klinischen Bilder
der Trichophytie-Erkrankungen durch einen Pilz mit verschiedenen
Erscheinungsformen oder verschiedene Pilze hervor£erufen werden.
Er sucht darüber klar zu werden auf Grund von fünf Kriterien.
Dieses sind:
1. Das klinische Bild der Erkrankung. Da zeigt es sich,
daß verschiedene Pilze wohl verschiedene klinische Bilder erzeugen,
daß aber sicher ein und derselbe Pilz bei demselben Patienten oder
Mitgliedern einer Familie zu verschiedenen klinischen Bildern führt.
2. Das mikroskopische Aussehen des Pilzes im
Krankheitsherd, ob Makrosporie oder Mikrosporie, ob Ektothrix-
oder Endothrix-Formen (wie die in Paris und London beobachteten)
oder Mischformen (wie die bei uns vorkommenden, von Tier
stammenden).
3. Das makroskopische Aussehen der Kultur. Dazu
ist allerdings notwendig, immer denselben Nährboden (Maltose-
Agar), womöglich von demselben Guß zu benutzen. Da zeigen
sich oft ganz scharfe Charakteristika, z. B. Farbe (Trichoph. violac.),
flaumige Beschaffenheit, gipsartig weiße Bestäubung, kraterförmige
zentrale Vertiefung, die einen gewissen Anhalt für die Sonderung
geben.
4. Das mikroskopische Aussehen der Kulturen, vor
allem Art der Fruktifikation, Konidien-Bildung u. s. w , Anschwel¬
lungen (Mikrosporie), schnelle Degeneration (Ekzema margin.).
5. Uebertragung auf Tiere.
Wenn man auch aus einzelnen dieser Kriterien nichts folgern
kann, so gelingt es doch im einzelnen Fall, bei Berücksichtigung
aller fünf Punkte die Pilzart zu diagnostizieren. Die festgestellten
Verschiedenheiten lassen sich nicht anders erklären, als durch die
Annahme wirklich verschiedener Pilzarten, wofür auch die ver¬
schiedene geographische Verbreitung der einzelnen Arten spricht
(trockne flache Trichophytien in Paris und London, Trichoph.
violac. fast nur in den südlichen Ländern, wie Italien, Rumänien).
Geht man bei der Untersuchung von den einzelnen Krankheits¬
bildern aus, so bekommt man recht durcheinandergehende Resultate
Bald werden durch denselben Pilz verschiedene Krankheitsformen
hervorgerufen, wie bei Trichophyton gipseum, das sowohl die be¬
kannten flachen Ring- und Scheibenformen, als auch die tiefen
Formen (das Kerion Cetsi) hervorruft, bald wird dieselbe Er¬
krankungsform erzeugt durch verschiedene Pilze (für die Kopftricho¬
phytien in Paris das Trichophyt. acuminat., in Parma das Tr. violac.).
Manchmal ist die Aehnlichkeit allerdings nur eine äußere. Charak¬
teristisch sind aber die Erkrankungen durch das Epidermophyt in¬
guinale (Ekz. margin.) und durch das Mikrosporon Andonini
(Mikrosporie).
In neuerer Zeit sind noch biologische Untersuchungen mit
Trichophytie - Pilzen gemacht worden, und zwar mit nach Art des
Tuberkulins bereiteten Trichophytinen und mit den Pilzen selbst
zum Zweck von Immunitas-Impfungen. Da zeigte es sich, daß für
erstere Versuche nur Trichophytine zu benutzen waren, die von
tiefsitzenden Trichophytie - Formen stammten und daß sie auch nur
bei tiefsitzenden Formen wirksam waren. Geradezu auffällig ist die
fast prompte Wirkung bei Impfungen nach Art der Pirquet-Reaktion.
Doch, und das ist das wichtigste, es wirkten die Trichophytine aller
Trichophyton-Formen in gleicherweise, und zwar bei allen Tricho¬
phytie-Formen. Endlich ließ sich durch eine Impfung mit dem Pilz
selbst auch Immunität gegen Wiederimpfung erzeugen, aber auch
hier wirkten alle Formen immunisierend gegen alle Formen, so daß
auch hier keine Spezifität besteht.
Somit läßt sich zwar eine Pluralität der Pilzstämme nicht in
Abrede stellen, doch muß eine gewisse Verwandtschaft unter den
einzelnen Arten bestehen.
4. W. stellte in der Hufelandischen Gesellschaft einen sieben¬
jährigen Knaben vor, der im fast schwarzen Kopfhaar Inseln röt¬
lichen Haares von der Größe eines Fünfmarkstückes hatte, die
ihrerseits wieder am Rande einzelne graue Härchen zeigten. Die
Inseln waren scharf abgesetzt, saßön auf rosiger Haut und blieben
im Wachstum gegen die übrigen Haare immer etwas zurück. Der
Vater hatte schwarzes, die Mutter dunkelblondes Haar.
5. Schäffer hat die seit Jahrtausenden empirisch angewandten
lokalen Behandlungsarten der Entzündung experimentell untersucht
und ist dadurch zu geradezu glänzenden Einsichten und Richtlinien
für die Praxis gekommen. Um einen stets gleichen resp. abme߬
baren Entzündungsreiz zu haben, hat er Fäden angewandt, die er
sowohl mit chemischen als mit bakteriellen entzündungerregenden
Mitteln imprägnierte. An zwei entsprechenden Körperstellen des
Versuchstieres hat er sie durch das Gewebe gezogen und je nach
der beabsichtigten Wirkung verschieden lange Zeit liegen lassen.
Er behandelt die eine Seite, während die andere Kontrollstelle bleibt.
Die ganzen Stellen werden dann mit dem Faden, resp. es werden
die ganzen Entzündungsstellen ausgeschnitten und mikroskopisch
untersucht. Die Resultate waren folgende:
A. Wärmetherapie. Die verschiedenen Arten der Wärme¬
anwendung, trockene Hitze, Heißluft, Thermophor, Breiumschläge,
haben sich als vollkommen gleichwerrtig gezeigt.
Fall 1. Faden mit Arg. nitr. getränkt bleibt 8 Stunden
liegen. Wärmeanwendung vom Beginn des Experimentes, also
der Entzündung an. Auf der Kontrollseite liegt der Faden in
einem großen ovalären Infiltrat. Auf der behandelten Seite fehlt
jedes Infiltrat. Doch außerordentlich starke arterielle Hyperämie,
Arterien sehr weit, Lymphgefäße und Lymphspalten strotzend
gefüllt, Gewebe stark lymphatisch durchtränkt. Nur bei starker
Vergrößerung wenige Leukocyten um die Gefäße herum, daneben
„Leukocyten-Schatten“.
Fall 2. Faden mit Arg. nitr getränkt bleibt 6 Stunden liegen,
wird dann entfernt; von da ab auf der einen Seite 6 Stunden
Wärmebehandlung. Auf der Kontrollseite großes, scharf um¬
schriebenes Infiltrat, auf der behandelten die ursprünglich offenbar
starke Eiterung erheblich vermindert und in die Umgebung ver¬
teilt. Im übrigen Zustand wie in Fall 1, ein Lymphsee, wo früher
der Faden gelegen hatte, also am Locus minoris resistentiae.
Dieser Versuch gibt einen Einblick in den Verlauf der
Eiterung unter der Hitzebehandlung. Es kommt unter Hitze¬
behandlung zur einer Lympheanhäufung am Locus min. resist., zur
Bildung eines dünnen Eiters.
Fall 3 zeigt, daß die Hitzebehandlung noch 24, ja 36 Stunden
nachwirkt. Es ist also nicht nötig, die Hitze dauernd anzuwenden,
sondern in Intervallen 1—2 Stunden lang.
Fall 4 unter Anwendung von Staph. pyog. aur. zeigt, daß die
Hitzebehandlung gleich wirkt, welches auch der Entzündungs¬
reiz war.
Fall 5 zeigt, daß eine zu große Wärme (48- 50° C) schädlich
wirkt, indem sie die Hyperämie und Lymphefluxion verhindert,
auch Gewebsschädigung hervorruft. Es sind 41 0 C. bei
feuchter und 45° C. bei trockener Wärme die günstigsten
Temperaturen.
Das stimmt mit der klinischen Empirie überein. Die klinische
Verträglichkeit des Hitzegrades, das Empfinden des Patienten, ist
ein sicherer Maßstab (Schluß folgt.)
6. Z. hat die Wirkung eines neuen Jodoform-Ersatzes (des wie¬
vielten? d. Ref), Novojodin genannt, auf Ulcus molle und Bubo
untersucht. Da dieses Mittel eine Verbindung von Jod und Formal¬
dehyd ist, also eine gewisse chemische Jodoformähnlichkeit hat,
so bringt er ihm besonderes Vertrauen entgegen. Die mit N. be¬
handelten Ulcera mollia (im ganzen erst 30 Fälle) reinigten sich in
kurzer Zeit, auch schien die Heilungsdauer zufriedenstellend. In
keinem Fall trat Hautreizung oder gar Dermatitis ein, auch nie ein
nicht schon vorhandener Bubo, was indes hauptsächlich der Bett¬
ruhe zu danken war. Die Bubonen wurden nach Lang nur klein
inzidiert, durch Aspiration entleert, mit einer 20prozentigen Auf¬
schwemmung von N. in Paraff. liquid, oder Glyzerin gefüllt und
mit Pflaster verklebt. Nur selten war wegen frischer Eiteran¬
sammlung eine zweite Inzision notwendig. Die Heilungsdauer war
meist 2—3 Wochen, aber einerseits 5—8 Tage und in andern Fällen
bis 38 Tage.
7. Winkler hat versucht, das noch unaufgeklärte Wesen der Ar¬
senwirkung — auf die Psoriasis vulgaris in der Weise festzustellen,
daß er elektrophoretisch das Arsen direkt in die Haut einführte.
Bei einer Patientin, welche nur einzelne Psoriasis-Plaques an beiden
Beinen und Armen hatte, behandelte er zuerst das eine Bein (arsen-
trioxyd 5:1000, in Kompresse, negativer Pol, 5 MAL Nach drei
Wochen war die Stelle ganz normal geworden, alle andern un¬
behandelten Stellen waren vollkommen unbeeinflußt. Unter der¬
selben Behandlung heilte dann in derselben Zeit das andere Bein,
während die Arme unbeeinflußt blieben Daiaus ergibt sich, daß das
Arsen spezifisch, aber nicht von innen heraus, sondern rein lokal
wirkt, die dabei eintretende Gefäßverengung an sich kann die Ur¬
sache nicht sein, weil Suprarenin diese Wirkung auf die Psoriasis auch
hat, aber nicht heilt Uebrigens versagt die Arsentherapie bei Rezidiven.
8. Hügel beobachtete bei einem 25jährigen Korbmacher eine
seit Jahren bestehende, das Allgemeinbefinden gar nicht beeinflussende
Hautkrankheit, welche zu gleicher Zeit linsen- bis haselnußgroße
bald mit normaler, bald mit blauschimmernder Haut bedeckte Tu¬
moren, Ulzerationen mit eitrig belegtem Grunde und Narben zeigte.
362
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 23
Aus dem Eiter der aufgestochenen Tumoren konnte er besonders
auf Maltose-Agar das Sporotrichon Beurmanni züchten. Die Krank¬
heit wurde zur Heilung gebracht durch Jodkali (täglich 4 g).
Diese Mykose, die durch de Beurmann 1903 entdeckt wurde und
von der in den nächsten 3 Jahren SO Fälle bekannt wurden, ist
fest nur in Frankreich gefunden worden, wenige Fälle davon in
Amerika und der Schweiz.
Nahrungs= und Genußmittel.
Referent: Prof. Dr. Winckler, Berlin.
1. Alkoholica.
Konsum alkoholischer Getränke. Die „Halbmonatsschrift für
soziale Hygiene und Medizin“ vom 31. März 1910 berichtet, nach
No. 3 des „Reichsarbeitsblatt“, daß bezüglich des Verbrauchs von
Braun tw e i n Deutschland jetzt an zweiter Stelle stehe, doch
gehe dieser Konsum in letzter Zeit zurück (worauf wir bereits auf¬
merksam gemacht haben). Am meisten Branntwein trinken die
Dänen. Im ganzen geht der Branntweingenüß in den Kulturländern
zurück. Auch hinsichtlich des Bierkonsums steht Deutschland
jetzt an zweit er Stelle, England an erster. „Unter allen Um¬
ständen ist der Alkoholgenuß in Deutschland noch recht hoch.“
Durchschnittlich trinkt jeder Deutsche jährlich für 3,86 M. Branntwein
und für 35 M. Bier. Unsere gesamte jährliche Ausgabe für alkoho¬
lische Getränke beträgt drei Milliarden Mark, das ist doppelt soviel
wie sämtliche Ausgaben für Heer und Marine, viermal soviel wie die
gesamte Arbeiterversicherung und fünfmal soviel wie die Ausgaben
für die Volksschulen.
Unsere Arbeiterfamilien geben 4,8 pCt. ihres Einkommens für
Alkohol aus, unsere Beamtenfamilien 2,5 pCt. Das Verhältnis der
Ausgaben für Alkohol zu denen für Nahrungsmittel stellt sich bei
den Arbeitern auf 8,02 pCt., bei den Beamten auf 3,12 pCt. Die
Arbeiterfamilien machen nicht nur relativ sondern auch absolut
höhere Aufwendungen fiir Alkohol als die Beamtenfamilien. Der
deutsche Arbeiter verbraucht mehr Alkohol als der amerikanische. —
Aus den Aufzeichnungen der Leipziger Ortskrankenkasse ergab sich,
daß bei den Alkoholikern im Alter von 35—54 Jahren der Stellen¬
wechsel doppelt so häufig war als der bei der Allgemeinheit. Die
Alkoholiker im mittleren Lebensalter hatten eine höhere Krankheits¬
ziffer als die Greise, auch hatten sie sehr ungünstige Sterblichkeits¬
und Unfallziffern. Uns fällt hierbei einer der „goldnen Sprüche“ des
Pythagoras ein: „Wisse auch, daß die Leiden der Menschen
ihr eigenes Werk sind!“
Das Reichsarbeitsblatt empfiehlt eine zwangsweise Behandlung
der Alkoholiker in eigenen Heilstätten. Schwerlich werden unsere
Gesetzgeber in eine derartige Beschränkung der persönlichen Frei¬
heit der Bürger willigen; man wird bis auf weiteres jedem Trinker
gestatten, sich ad libitum zugrunde zu richten. Indessen führt die
Landesversicherungsanstalt der Rheinprovinz schon jetzt eine aus¬
gedehnte Trunksuchtsbehandlung durch, scheinbar mit volkswirt¬
schaftlichem Nutzen. Schließlich wird auf den unerfreulich großen
Alkoholkonsum in unseren Kolonien aufmerksam gemacht, der eine
Gefahr für unsere ganze Kolonialwirtschaft bedeutet.
2. Yoghurtmilch.
Daß die Yoghurttherapie fast vollständig Fiasko gemacht habe,
aber die Yoghurtmilch das beste Nährpräparat sei, versucht Dr.
Ernst Rosenberg in Bad Neuenahr nachzuweisen (Reichs-Me-
dizinal-Anzeiger vom 4. März 1910). Da eine kleine Menge Yoghurt¬
milch, z. B. ein halbes Liter pro Tag, die Darmfäulnis nicht ver¬
mindert, andererseits große Mengen süßer Milch die Darmfäulnis
ebenso sicher vermindern wie große Mengen (zwei bis drei Liter)
Yoghurtmilch, so ist klar, daß vom Bacillus bulgaricus keine eigen¬
artige therapeutische Wirkung zu erwarten ist. Von einer reinen
Fermentmedikation, von der Darreichung von Kulturen dieses Ba¬
cillus sah Rosenberg weder bei Magen- noch bei Darmkrank¬
heiten irgend welchen Erfolg. Aber durch Yoghurtmilch sollen sich
in zwei von W e g e 1 e behandelten Fällen von Achylia gastrica
sekundäre Darmsymptome (Diarrhoen) gebessert haben, während
Rosenberg durch Yoghurtmilch bei Magen- und Darmleiden
keine nennenswerte Heilwirkung erzielen konnte. Er hält aber die
Yoghurtmilch für das beste Nährpräparat, da sie die Nährsubstanzen¬
mischung der Milch in doppelter Konzentration enthalte und diese
Substanzen in einem Zustande der Vorverdauung seien, welcher sie
leichter verdaulich mache. Der Nährwert von einem Liter Yoghurt¬
milch (aus zwei Liter Milch bereitet) betrage 1400 bis 1500 Kalorien,
die mit Leichtigkeit neben der gewöhnlichen Nahrung täglich zuge¬
führt werden könnten. Deshalb sei die Yoghurtmilch empfehlens¬
wert bei allen Formen der Unterernährung (z. B. bei Anämie, Chlo¬
rose, Tuberkulose, Kachexien), bei harnsaurer Diathese (?), bei
Störungen der Nierenfunktion, bei der Ernährung der Diabetiker und
zur Beihilfe bei Mastkuren. Auch bei Fäulnisprozessen im Magen-
Frrmkanal sei sie anwendbar, wobei aber nicht das Yoghurt¬
bakterium, sondern die Milch als solche wirke, die den im Darm¬
kanal stets vorhandenen Milchsäurebakterien und natürlich auch den
miteingeführten Yoghurtbakterien durch Veränderung des Nähr¬
bodens eine bedeutende Wachtumsenergie verleihe. Uebrigens
meint Rosenberg, daß die ganze Lehre von der gastrointesti¬
nalen Autointoxikation auf schwachen Füßen stehe. Noch ab¬
lehnender verhält sich Ad. Schmidt in Halle gegen diese Lehre.
(„Die Wiederbelebung der intestinalen Autointoxikationslehre in
Frankreich und der „Combismus“. Deutsche Medizinische Wochen¬
schrift 1909 Nr. 49.) Diesem erscheinen die angeblich exakten Grund¬
lagen der (leider mit der Yoghurtempfehlung verquickten) Lehre von
der gastrointestinalen Selbstvergiftung unannehmbar für die wissen¬
schaftliche Forschung; nur soviel sei richtig, daß mancherlei Er¬
fahrungen darauf hindrängen, die Störungen der Darmtätigkeit in
der klinischen Pathologie etwas höher zu bewerten als es gegen¬
wärtig geschehe. Wir können das Werk Combes nicht so ge¬
ring schätzen; seine Lehre verdient, ernstlich studiert zu werden,
obgleich sie nicht auf dem Boden deutscher Forschung gewachsen
ist. Nur die von Metschnikoff gezogenen Schlüsse, ins¬
besondere seine Empfehlung der Yoghurtmilch zum Zwecke der
Lebensverlängerung. lehnen wir ab. Die Langlebigkeit der Yoghurt¬
milchtrinker ist nicht erwiesen; bloße Behauptungen ohne amtliches
statistisches Material sind hierbei nicht maßgebend. Daß Yoghurt¬
milch ein gutes Nahrungsmittel sei, soll nicht bestritten werden,
nachdem Rosenberg so lebhaft dafür plädiert hat; daß es ein
ideales Nahrungsmittel sei, möchten wir aber nicht unterschreiben.
Denn K a t z hat (in der Zeitschrift für physikalische und diätetische
Therapie, August 1908) darauf aufmerksam gemacht, daß bei der
Bereitung sehr leicht schädliche Keime in die Milch gelangen
können. Namentlich Hefe und Soor entwickeln sich gut in Yoghurt¬
milch, ebenso Heubazillen. Es ist also eine irrige Annahme, daß
die orientalischen Saccharolyten die Vermehrung pathogener und
nicht pathogener Mikroorganismen verhindern. Für Säuglinge ist
diese Milch nur ausnahmsweise zulässig; Katz hat bemerkt, daß
sie die Rhachitis meistens ungünstig beeinflußt. Nach alledem wird
der Nimbus der Yoghurtmilch bald verblassen.
3. Alkoholfreies Ersatzgetränk.
„Perplex“, ein alkoholfreier, ähnlich wie Lagerbier schmecken¬
der gehopfter Malzauszug wird von Dr. Juliusburger in
Steglitz den Abstinenten als „Ersatzgetränk“ in der „sozialen
Hygiene und Medizin“, 1910, Nr. 12/13, dringend empfohlen.
Dieses Getränk wird von der „Perplexbrauerei W. Fähndrich
zu Luckenwalde-Berlin“ hergestellt und ist laut Gutachten des
Handelschemikers Df. Paul Jeseri.ch alkoholfrei, wohl¬
schmeckend und reich an Extraktgehalt (9,6 g in 100 ccm,
gegenüber 5,5 g in gewöhnlichen Lagerbieren und 6,5 g in schweren
Exportbieren.) — Es gibt viele Abstinente, die behaupten, daß man
keinerlei „Ersatzgetränke“ anstelle der Alkoholica nötig habe; das
beste Ersatzgetränk sei W a s s e r. Jedenfalls kann man sich in
Gestalt von Suppen, Obst usw. genügend Flüssigkeit einver¬
leiben, ohne zu einem Kunstprodukt seine Zuflucht nehmen zu
müssen. Wir bringen derartigen Präparaten wenig Sympathie ent¬
gegen.
4. Genußmittel iin allgemeinen.
Ueber „Genuß und Genußmittel“ trägt Dr. Wilhelm Sternberg,
Spezialarzt fiir Zucker- und Verdauungskranke in Berlin, in der
„Therapie der Gegenwart“ (April 1910) in Kürze einige Lehren vor,
die er bereits in einem großen Buche ausführlich dargelegt hat. Mit
Recht weist er immer wieder darauf hin, daß der Genußwert
der Nahrung ebenso wichtig sei wie der physikalische
ßre n n wert und der chemische Nährwert. In diesem Sinne
korrigiert Sternberg einige in dem neuesten Werke über Physio¬
logie von Zuntz und Loewy enthaltenen Sätze. Beim Genuß
kommt es nicht auf die Wirkungen schlechthin, sondern auf die Eigen¬
schaften, die örtlichen Reizwirkungen gerade in den ersten
Wegen an. Die gegenteilige Auffassung der modernen Wissen¬
schaft und der theoretischen Forschungen über den Genuß ist
unzutreffend. Wir möchten Sternberg beipflichten.
5. Kaffeeersatz.
„Zipangu.“ Ein neuer Kaffeeersatz, unter Kontrolle des Handels¬
chemikers Prof, Dr. Fr. Schmidt in Hamburg von den dortigen
„Deutschen Zipangu-Werken Wilhelm Thomse n“ fabriziert,
ist ein Gemisch von Bohnenkaffee mit Kaffee-Ersatzmitteln, wor¬
unter ein Präparat aus Kolanüssen. Zipangu enthält nach Angabe
des Fabrikanten ungefähr ebensoviel Extraktivstoffe wie Bohnen¬
kaffee, aber nur halbsoviel Coffein, und wird ebenso zubereitet wie
gewöhnlicher Kaffee. Da der Prospekt als einen besonderen Vorzug
des Zipangu vor den sogenannten Kaffee-Surrogaten rühmend her¬
vorhebt, daß Zipangu Coffein enthalte, scheint das Publikum von der
übergroßen Angst vor dem Coffein, die durch populäre Broschüren
anderer Kaffeesurrogat- und Kaffee-Ersatz-Fabrikanten geflissentlich
verbreitet worden war, bereits befreit zu sein.
6. Schwarzbrot.
Deutsches Schwarzbrot in England. Lord C 1 a u d Hamilton
hat beim Küchenkomitee des britischen Unterhauses beantragt, daß
Nr. 23
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
363
in den Restaurationsräumen des Westminsterpalastes künftig zum
Tee deutsches Schwarzbrot neben dem englischen Weißbrot ver¬
abreicht werden möge. Letzteres, das von den in England einge¬
wanderten Deutschen scherzweise als „Tapetenkleister“ bezeichnet
zu werden pflegt, soll recht minderwertig sein. Noch wünschens¬
werter wäre die Einführung deutschen Schwarzbrotes in Frankreich,
wo fast gar kein anderes Brot als ein sehr weißes Weizenbrot ge¬
gessen wird, während die Engländer. doch nebenbei Hovisbrot,
Grahambrot und andere kleiehaltige Brotsorten kennen. Die
Zugabe eines aus Roggen gebackenen groben Schwarzbrots, welches
die Darmtätigkeit gelinde anregt, ist der Gesundheit entschieden
förderlicher als die ausschließliche Verwendung weißen Weizenbrotes.
Die besten, aus reinem Roggenmehl hergestellten Schwarzbrotsorten
werden in Westfalen, Hamburg und Bremen gebacken. Einen ge¬
wissen Ersatz dafür bietet „gemischtes“ Brot, „Graubrot“. Nicht zu
empfehlen sind die „möglichst ohne Hefe und Sauerteig“ aus Ganz-
inehl hergestellten Schrotbrotsorten der Vegetarier, die krümelig
und schwer sind, schnell verschimmeln und abführend wirken. Sie
enthalten gar zu viele grobe Zellulosesplitter, welche Koliken und
Durchfälle hervorrufen und bei langjährigem Genuß solchen Brotes
zum Mastdarmkrebs disponieren.
7. Verdauungsarbeit und spezifisch-dynamische Wirkung der
Nahrungsmittel
hieß das Thema eines Vortrags, den Geh. Med.-Rat Professor Dr. N.
Z u ii t z im Dezember 1909 in der Berliner physiologischen Gesell¬
schaft gehalten hat und der jetzt in der „Medizinischen Klinik“ (1910,
Nr. 8 und 9) veröffentlicht worden ist. In diesem Vortrage teilte
Z u n t z die Ergebnisse von interessanten Untersuchungsreihen mit,
welche die Tierärzte Dahm und Steck auf seine Veranlassung
angestellt haben. Bekanntlich haben Z u n t z und von Mering
schon vor Jahren ermittelt, daß bei Zufuhr eines bestimmten Nähr¬
materials äquivalente Mengen Körpersubstanz gespart werden, und
Zuntz hat schon 1879 ausgesprochen, was durch neuere Arbeiten
über die Verbrennungswärme der Nährstoffe zur Gewißheit geworden
ist, daß bei dem Wechsel der Brennstoffe der energetische Wert des
Verbrannten nahezu derselbe bleibt. Geringe Steigerungen der Ver¬
brennungsprozesse nach einigen in die Blutbahn gebrachten Sub¬
stanzen deutete Zuntz in dem Sinne, daß die Zufuhr der Nähr¬
stoffe dem Körper ein Mehr an Arbeit auferleee. Wurden dieselben
Substanzen in etwas größeren Mengen in den Magen gebracht, so er¬
folgte eine nennenswerte Steigerung des O-Verbrauchs. Zuntz
schloß daraus, daß eine neue Arbeit im Tierkörner ausgelöst werde,
die in Sekretionen der Darmdrüsen. vermehrter Tätigkeit der Darm-
muskulatur und verstärkter Herzarbeit bestehe. Die Gesamtheit
dieser Arbeitsleistungen nennt er Verdauungsarbeit und
sieht in ihr die wesentliche Ursache der Steigerung der Oxydations-
nrozesse nach Nahrungszufuhr. V o i t und R u b n e r traten dieser
Z u n t z sehen Lehre von der Verdauungsarbeit entgegen. Neuer¬
dings schreibt Rubner der Verdauungsarbeit einen ganz unter¬
geordneten Anteil an der Stoffwechselsteigerung zu und kenn¬
zeichnet diese seine Auffassung durch den neugewählten Namen
der „spezifisch-dynamischen Wirkung“ der Nährstoffe. Scharfen
Widerspruch gegen Z u n t z hat H e i 1 n e r erhoben. Zuntz weist
aber Irrtümer in H e i 1 n e r s Schlußfolgerungen nach. Durch neue
Untersuchungsreihen hat nun Zuntz seine Lehre wiederum ge¬
stützt. Die Eiweißkörper haben das Besondere, daß sie eine erheb¬
lichere Arbeitsleistung der Nieren bewirken, und Barcroft hat
gezeigt, daß jede Anregung der Nierentätigkeit den O-Verbrauch der
Niere beträchtlich steigert. letzt hat Steck auf Veranlassung von
Zuntz den Einfluß der Zufuhr von Harnstoff (und auch von Chlor¬
natrium) auf den Gaswechsel des nüchternen Menschen und Tiers im
Zustande absoluter Ruhe studiert. Das Resultat war: regelmäßige
Steigerung des O-Verbrauchs pro Minute und des daraus zu berech¬
nenden Energieumsatzes. „Da beim Harnstoff jeglicher chemischer
Umsatz der aufgenommenen Substanz sicher ausgeschlossen ist, sind
wir gezwungen, auch einen entsprechenden Bruchteil, wenigstens 20
bis 25 Prozent der Stoffwechselsteigerung nach Eiweißnahrung, auf
die Vorgänge zu beziehen, welche beim Harnstoff allein in Betracht
kommen: auf die Resorption, die Sekretion durch die Nieren und die
Beeinflussung sonstiger Organleistungen durch den Harnstoff.“
Eine andere, vom Tierarzt Dahm angestellte Versuchsreihe betraf
den Anteil der Verdauungsarbeit am Stoffwechsel der Wiederkäuer
und hat ergeben, daß die mechanische Belastung des Verdammes-
apparats den Stoffverbrauch erheblich steigert. Beide Unter¬
suchungsreihen haben also die Zuntz sehe Anschauung bestätigt.
Uns erscheint diese Lehre deshalb wertvoll, weil sie die innere
Arbeit hervorhebt, die bei der Verdauung geleistet wird; eine
Größe, die von den meisten neueren Physiologen unterschätzt wird.
8. Fleisch.
Eine abermalige Zunahme des Fleischkonsums in Preußen er¬
sieht man aus den jetzt abgeschlossenen vorliegenden Ergebnissen
der Schlachtvieh- und Fleischbeschau. Im Jahre 1909 hat die Be¬
völkerung Preußens mehr Fleisch gegessen als jemals zuvor. Aus
den gewerblichen Schlachtungen wurden ihr zur Verfügung gestellt:
im Jahre 1904
aut den Kopf der Bevölkerung
. . . 37,31 Kilogramm Schlachtfleisch.
„ „ 1905
• ■ ■ 36,90
„ „ 1906
■ ■ • 35,34
„ „ 1907
■ • • 39,03 „ „ -
„ „ 1908
■ • • 39,53 „ 1
„ „ 1909
■ ■ • 39.81
Die durch Hausschlachtungen und durch Einfuhr von Fleisch
und Fleischwaren beschaffte Menge soll sich im Jahre 1909 un¬
gefähr in gleicher Höhe gehalten haben wie im Vorjahre. — Von
Schweinefleisch standen zwar über 47 Millionen Kilogramm weniger
zur Verfügung, hingegen wurde von anderem Vieh mehr denn je
geschlachtet, so daß im ganzen im Jahre 1909 über 30 Millionen
Kilogramm Fleisch mehr als im Vorjahre gegessen werden konnten.
— In Frankreich werden nur dreißig Kilo Fleisch pro
Kopf und Jahr konsumiert! Ob unser Konsum von fast vierzig
Kilo pro Kopf und Jahr ein Zuviel bedeute, ist schwer zu ent¬
scheiden, Die Lehren der Ernährungsphysiologie schwanken der¬
artig, daß sie kein sicheres Urteil über die zweckmäßigste Art der
Ernährung ermöglichen. Die von L i e b i g und M o 1 e s c h o 11
inaugurierte, von V o i t geförderte Eiweißschwärmerei ist durch
Professor Chittenden so gedämpft worden, daß manche', ins ent¬
gegengesetzte Extrem verfallend, mit Hindhede meinten: „Viel
Eiweiß ist unnütz, viel Eiweiß ist schädlich!“ und demgemäß den
Genuß des Fleisches, dieses wichtigen Eiweißträgers, auf ein Mi¬
nimum einschränken wollten (Hindhede, Eine Reform unserer
Ernährung, Kopenhagen und Leipzig 1908, S. 108 ff.), bis in jüngster
Zeit wiederum, hauptsächlich durch den Einfluß von Rubner,
eine gewisse Luxuskonsumtion von Eiweißstoffen, besonders von
Fleisch, für zweckmäßig erachtet wird. Adhuc sub judice lis est.
Die Pathologen sind nach wie vor geneigt, einen reichlichen Fleisch¬
genuß als mitwirkende Ursache der uratischen Gicht, der Migräne,
verschiedener Leber- und Nierenaffektionen anzusehen. B u 1 k 1 e y
führt die Psoriasis vulgaris darauf zurück. Andere Autoren beziehen
auch die bedenklich zunehmende Häufigkeit der Karzinome in Eng¬
land und Deutschland auf den zunehmenden Fleischkonsum. Alle
diese Beziehungen bieten der Forschung noch ein weites Arbeits¬
feld. Einstweilen sei die Tatsache registriert, daß das Fleisch¬
essen in Preußen in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat.
Varia.
A. Leppla. Die praktische Bedeutung der Geologie für
die Balneologie. Medizinische Klinik 1910, Nr. 19.
Die Geologie hat für die Balneologie insoweit eine praktische
Bedeutung, als die Tätigkeit des Geologen für die Balneologie im
wesentlichen auf die Erhaltung der Quellen durch Fernhaltung von
verunreinigtem Grund wasser, auf Veredlung sowie auf Neuerschließung
von Mineralquellen durch Nachweis von Kohlensäure in der Tiefe
starker Grundwasseransammlungen und durch Verbindung beider
Medien sowie auf den Schutz der Quellen gerichtet ist.
v. Rutkowski, Berlin.
E. Svobo d a-Prag. Die Taubstummheit — Surdomutitas.
Medizinische Blätter 1910, Nr. 19.
Als ätiologisches Moment für die angeborene Taubstummheit
kommen in Betracht: unhygienische Lebensverhältnisse. Alkoholismus,
psychische Krankheiten, besonders psychische Eindrücke während
der Schwangerschaft. Die Ursache der erworbenen Taubstummheit
sind: Meningitis cerebrospinalis epidemica, Scharlach. Lues herediteria,
Fraktur der Schädelbasis, epidemische Parotitis, bisweilen Typhus,
Masern und Windpocken. Die Prognose ist in allen Fällen schlecht.
Bei der angeborenen Taubstummheit findet sich häufig eine Ver¬
engung des Schädels im sagittalen Durchmesser, die Nasengänge
sind verengt,» das Dach des Nasenrachenraumes ist dem weichen
Gaumen viel näher als in normalen Fällen. Adenoide Wucherungen
begleiten meistens diesen Zustand. Die Therapie der Taubstumm¬
heit besteht in der Beseitigung der pathologischen Ursachen und
in der Behandlung selbst. Subkutane Pilokarpininjektionen (13—15
Injektionen'» wirken direkt auf die Gehörnerven, und bei vielen
Fällen wurden positive Resultate erzielt.
v. Rutkowski, Berlin.
O. Barwinkel-Nauheim. Der Aderlaß, ein unentbehrliches
Heilmittel in der Medizin. Medizinische Klinik 1910, Nr. 19.
Der Aderlaß entlastet das Gefäßsystem und ruft eine Ver¬
minderung des Blutdruckes hervor Zweitens setzt er die Viskosität
des Blutes herab. Drittens wirkt er resorptionsbefördernd und
diuretisch. Viertens erhöht die Venäsektion die Alkaleszenz und
damit die Oxydationskraft des Blutes. Fünftens--bewirkt er eine
Zunahme des Lymphstromes um 10—30—50%. Sechstens kann er
das Blut von torischen Produkten, speziell von C0. 2 -Ueberladungen,
befreien. Siebentens ist er das zuverlässigste Mittel zur Anregung
der mit der Blut- und Hämoglobinbildung betrauten Organe, der
Milz und des Knochenmarkes. Er ist also indiziert: bei beginnender
und ausgesprochener Arteriosclerose, bei inkompensiertsn Herz-
/ERSITY OF
/ER
364
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 23
fehlem, bei Hirnhyperämie und Apoplexie, ferner bei asphyktischen
Zuständen und Hitzschlag, bei Asthma cardiale und Angina pectoris,
bei Polyzythämie, bei Pneumonie, falls eine Ueberlastung des rechten
besteht infolge Stauung im kleinen Kreislauf und bei beginnendem
Lungenödem; ferner bei akuten Vergiftungen, bei Urämie und
Eklampsie und bei allen hartnäckigen Fällen von Chlorose. In der
Dermatologie verdient der periodisch wiederholte Aderlaß eine weit¬
gehende Beiücksichtigung bei Psoriasis, universellem Ekzem,
Furunkulose, Raynaud’scher Krankheit und Urtikaria.
v. Rutköwski, Berlin.
W. Hertel - München. Gummitropakokain zur Lumbal*
Anästhesie. Münchener medizinische Wochenschrift 1910, Nr. 16.
Verfasser wandte zur Lumbal - Anästhesie das Gummitropakokain
Merck an 1 1,2 ccm Gummilösung mit 0,05 Tropacocainum
hydrochloricum pro injectione) und konstatierte, daß die Anästhesie
höher steigt und für die Zentren weniger gefährlich ist, ferner daß
die auftretenden Nebenerscheinungen, Kopfschmerzen und Erbrechen,
zwar nicht ausgeschaltet sind, aber nicht so heftig und gefahrdrohend
auftreten. So wurde die Zahl der Operationen, die mit Lunibal-
Anästhesie und geringen Mengen von Narkotikum ausgeführt
worden, erhöht. Immerhin ist die Lumbal - Anästhesie auch in
dieser Form nicht ohne Gefahr, es muß strengste Indikations¬
stellung geübt werden, aber sie ist ein Mittel, das man nicht gern
entbehren möchte. v. Rutköwski, Berlin.
E. Erhardt, München - Königsberg i. Pr. Ueber das Er=
gebnis histologischer Untersuchungen an menschlichen
Rückenmarken nach Lumbal-Anästhesie mit Tropakokain*
gummi und mit arabinsaurem Tropakokain. Münchener
medizinische Wochenschrift 1910, Nr. 16.
Die Untersuchungen, die an drei Rückenmarken ausgeführt
wurden, ergaben, daß durch Anästhesie mit Tropakokaingummi
oder mit arabinsaurem Tropakokain keine pathologischen Ver¬
änderungen aufgetreten waren. v. Rutköwski, Berlin.
L. Braue r. Respirationskrankheiten. Die chirurgische Be¬
handlung der Lungenkrankheiten. Jahreskurse für ärztliche Fort¬
bildung. 1910, 2.
Der Lungenchirurgie wurde ein größeres Arbeitsfeld ermöglicht
durch die Fortbildung der Diagnose insbesondere mit Hilfe der Durch¬
leuchtung und der verbesserten Sektionstechnik, durch Einzeler-
fährungeh bei Lungenoperationen (zweckmäßige Lagerung der
Kranken, Bekämpfung der Blutungen mit Naht und Glüheisen,
künstlicher Verschluß von Bronchialfisteln), durch das Druckdifferenz¬
verfahren (Sauerbruch), die Lungenkollaps-Therapie, die operative
Beeinflussung des Atemmechanismus bei Emphysem und beginnender
Lungentuberkulose und endlich durch die Bronchoskopie. Unter den
vorstehenden Bedingungen geht die Chirurgie jetzt heran an die
Operation von Lungentumoren, die Entfernung aspirierter Fremd¬
körper, Dilatation von Bronchien bei Stenose, Entfernung von Eiter¬
ansammlungen infolge akuter und chronischer Prozesse, Bekämpfung
ausgedehnterer Tuberkulose in vorwiegend einer Lunge durch künst¬
lichen Pneumothorax oder durch ausgedehnte extrapleurale Thorako-
plastik, Mobilisierung des Brustkorbes bei Emphysem und begin¬
nender Tuberkulose. Die überaus interessante Arbeit zeigt, wie die
moderne Lungenchirurgie so manchem früher als hoffnungslos ange¬
sehenen und aufgegebenen Lungenkranken in weitestem Sinne
Besserung, wenn nicht gar Heilung zu bringen vermag.
Geißler, Neu-Ruppin.
E. Meyer. Blutkrankheiten. Jahreskurse für ärztliche Fort¬
bildung. 1910, 3.
Verfasser bespricht zunächst die älteren Anschauungen über
Plethora und Blutarmut, dann die zahlreichen Methoden, die man er-
sonen hat, um die Gesamtblutmengen zu bestimmen. Als eine echte
Plethora muß man ein Krankheitsbild ansehen, bei dem sicher eine
Polyzythämie besteht. Der Zustand bedarf noch eines genaueren
Studiums. Bei der perniziösen Anämie ist die Gesamtblutmenge
gewöhnlich herabgesetzt, bei der Chlorose kann sie dagegen erhöht
sein. Das Hämoglobin ist beim normalen Menschen, bei Anaemie
und Polyzythämie ein einheitlicher Körper. Somit ist die Mög¬
lichkeit vorhanden, aus der Bestimmung der Lichtextinktion bezw.
der Farbenintensität des Blutes auf seine Sauerstoffaufnahmefähig¬
keit zu schließen. Damit sind die kolorimetrischen Untersuchungs¬
methoden des Hämoglobins in ihr altes Recht wieder eingesetzt und
es bedarf nur noch guter Bestimmungsaoparate. Besonderes Interesse
verdienen die Fälle, in denen der Farbenindex größer als 1 ist,
wobei das einzelne rote Blutkörperchen mehr Hämoglobin enthält
als der Norm entspricht. Diese hämoglobinreicheren Zellen sind
jugendliche Elemente; ihr vermehrtes Vorkommen spricht mit der
Anatomie der blutbildenden Organe zusammen iiir die Auffassung,
daß die Schädigung dieser Organe nicht das Primäre der Krankheit
sein kann. Zwischen myeloider Leukämie und Polyzythämie be¬
stehen, wie Beobachtungen gezeigt haben, einige Beziehungen. Man
l'*>nn diese Form der Polyglobulie zweckmäßig als echte myeloide
Erythrämie bezeichnen.
Geißler, Neu-Ruppin.
N. O r t n e r. Zirkulationskranklieiten. Jahreskurse für ärztliche
Fortbildung. 1910, 2.
1. Funktionelle Herzdiagnostik. Die einfachsten diagnostischen
Mittel sind die Beachtung der Pulsfrequenz und die Blutdruck¬
messung. Zu letzterer verwendet man jetzt allgenfein das Gärtner-
sche 'Ionometer und den Blutdruckapparat von Riva-Rocci. Bei
der Messung kommen in Betracht der Maximal- oder systolische
Druck und die Differenz zwischen systolischem und diastolischem
Blutdruck, die Amplitude oder Pulsdruck. Den Blutdruck beeinflm sen
die verschiedensten Momente. Eine „dosierte“ Muskelarbeit zur
Funktionsprüfung des Herzens heranzuziehen, ist wegen verschie¬
dener Fehlerquellen nicht angängig. Messungen der Pulsfrequenz
nach Körperarbeit können nicht als Maßstab für die- mechanische
Leistungsfähigkeit des Herzmuskels dienen. Die Methode nach
Katzenstein vermeidet fast alle genannten Fehler. Sie wird aus¬
führlich beschrieben. Eine andere sehr brauchbare Methode ist die
von Koranyi. Arythmien beruhen vielfach auf nervöser Grundlage.
Ob Störungen des Herzrhythmus auf organischer oder nervörser Basis
beruhen, kann der Arzt durch eine Atropininjektion entscheiden.
2. Ueber Arteriosklerose. Verfasser bespricht eingehend die
Anatomie, Aetiologie, Symptomatologie und Klinik dieser Krankheit.
Mit besonderer Ausführlichkeit ist der Differentialdiagnose gedacht,
um zu zeigen, wie schwierig die Erkennung des Leidens, dessen Be¬
ginn oft ins früheste Alter fällt, sein kann.
3. Ueber das Kropfherz. Mau unterscheidet ein anatomisch
entstandenes, mechanisches (pneumisches) und ein durch Sekretein¬
wirkung erzeugtes, thyreotoxisches Kropfherz, außerdem einen
Stauungskropf. Beim ersten besteht Dyspnoe infolge der Trachea¬
kompression und Dilatation des rechten Herzens bei mangelndem
systolischen Kollaps der Halsvenen. Auf Hyperfunktion der Schild¬
drüse sind zurückzuführen: Struma basedowiana, Struma basedo-
wificata, das thyreotoxische Kropfherz und der artefizielle Thyreoi-
dismus. Zwischen Morbus Basedowii und Myxoedem bestehen
scharfe Gegensätze. Mitigierter Thyreoidismus und Basedow sind
von einander zu trennen. Symptome des thyreotoxischen Kropf¬
herzens: Kropf, Tachykardie, Zittern, in schwereren Fällen Ver¬
breiterung des Herzspitzenstoßes nach links-
Geißler, Neu-Ruppin.
N e i s s e r und K. S i e b e r t. Haut und Geschlechtsieiden.
Jahreskurse für ärztliche Fortbildung 1910, Nr. 4 .
DieArbeit umfaßt Mitteilungen über die Spirochaete pallida und
die bisherigen Kulturversuche sowie eine Schnellnachweisung, ferner
die Ergebnisse' 'der” bXpehtfrf enteilen Forschung durch den Tier¬
versuch, wobei besonders die Frage der Immunität und Reinfektion
von hohem Interesse ist. Eine Immunisierungsmethode gegen die
Lues ist bisher nicht gefunden, der Versuch hat aber gezeigt, daß es
mit anderen Mitteln gelingt, die Krankheit ganz auszuheilen. Ohne
Erfolg sind bisher die Präventivbehandlung und die Syphilis¬
prophylaxe geblieben. Mit besonderer Ausführlichkeit wird die
Seroreaktion behandelt und hier viel Wert auf die Methodik der
Blutentnahme gelegt, da ja bis jetzt die Ausführungen der Serore¬
aktion leider keine Aussicht hat, Allgemeingut der Aerzte zu werden.
Ihr Wert für die verschiedenen Stadien, auch das Latenzstadium
und ihre Bedeutung auch bei negativer Reaktion ward eingehend be¬
sprochen, auch gezeigt, welche Schlüsse für die Therapie, Ehe¬
konsenserteilung. Ammenwahl und hereditäre Lues aus dem positiven
Ausfall der Reaktion zu ziehen sind.
Geißler, Neu-Ruppin.
G. Klempner. Fortschritte in der Behandlung von Albumi¬
nurie und Nephritis. Jahreskurse für ärztliche Fortbildung. 1910.4
Verfasser zählt auf, unter welchen verschiedenen Umständen
eine vorübergehende Eiweißausscheidung beobachtet werden kann,
deren relative Gutartigkeit durch ihr schnelles Verschwinden nach
Aufhören des ursächlichen Reizes bewiesen ist. Eine Behandlung ist
hier überflüssig, ebenso auch für diejenige Krankheitsgruppe, die man
als orthostatische Albuminurien bezeichnet. Bei den Formen echter
Nephritis ist eine Schonungstherapie erforderlich, eine eiweiß- und
salzarme Diät, bei reichlicher Wasserabscheidung reichliche Wasser¬
zufuhr, bei Oedemen Flüssigkeitsbeschränkung, Anregung der Haut
zum Schwitzen, des Darmes zur Entlastung der Nieren. Die Ver¬
wendung von Pilocarpin (1 ccm einer 1 prozentigen Lösung) wird
empfohlen, um Schweiß- und Speichelabsonderung zu fördern. Diu-
ret'ka sind nur bei geringeren Läsionen der Nieren mit Vorteil zu
gebrauchen, bei schwereren vermehren sie die Oedeme. Verfasser
zählt die modernen Diuretika auf. Versagen sie in schweren Fällen
und treten Oedeme auf, so muß man zu operativen Maßnahmen
greifen. Häufig bringen danach wieder Diuretika Nutzen. Bei
Uraemie kommen in Frage: Aderlaß, subkutane Kochsalzinfusionen,
Rektaleinläufe, schweißtreibende Prozeduren. Klimatische Kuren
können für Nephritiker bisweilen sehr von Nutzen sein.
Geißler, Neu-Ruppin.
H. Vogt. Poliomyelitis und Enzephalitis. — Die En=
zepha Uis der Kinder. Jahreskurse f. ärztliche Forlbi'd. 1910, 5.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der enzephMischen
Lokalisation der Poliomyelitis und gibt ein genaues Bild dieses
Krankheitsprozesses auf Grund der neuesten Forschungsergebnisse,
/ER
I
Nr. 23
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
365
Ausführlich wird, da die Krankheit auch bei Erwachsenen öfter vor¬
kommt, auf die Frage der chronischen Poliomyolitis eingegangen.
Geißler, Neu-Ruppin,
Berger. Organische Psychosen. Jahreskurse f. ärztl. Fort¬
bildung 1910, 5.
Die Besprechung umfaßt die Dementia paralytica, Lues cerebri,
Arteriosklerotischen Psychosen und Dementia senilis. Die Bedeutung
der Wassermannschen Reaktion und der Untersuchung der Spinal-
fliissigkeit nach Nonne zur Sicherung der Diagnose der beiden
ersteren und dann zum Zwecke der Differentialdiagnose den anderen
Krankeitszuständen gegenüber, dann statistische Mitteilungen über
den Zusammenhang von Lues und Paralyse, Trauma und Paralyse,
sowie die pathologisch-anatomischen und histologischen Befunde
bei den verschiedenen Erkrankungen sind eingehend besprochen.
Geißler, Neu-Ruppin.
Edinger, L. Vom Bau und einigen Erkrankungen des
Nervensystems. Jahreskurse f. ärztl. Fortbildung 1910, 5.
Die Arbeit geht auf die zurzeit herrschenden Ansichten über
den feineren Bau des Nervensystems, die Bedeutung des Großhirns
und den „Eigenapparat des Rückenmarks“ ein. Bedeutung und
Wert der Lumbalpunktion werden nach verschiedenen Seiten hin be¬
leuchtet und auch die Wassermannsche Reaktion wird in den Kreis
der Betrachtung gezogen. Neben den Fortschritten auf dem Gebiet
der Rückenmarkskrankheiten sind die neueren Anschauungen über
Tabes, Poliomyelitis und spinale Kinderlähmung besprochen.
Geißler, Neu-Ruppin.
Technische Neuerscheinungen.
Ein neuer Heißluft=Inhalationsapparat
zur lokalen Behandlung von Kehlkopf- und Lungenleiden
sowie zur Einführung medikamentöser Stoffe in den Blut¬
kreislauf durch die Atmungsorgane.
Von Dr. med. Bösenberg, Berlin-Reinickendorf.
Die pharyngo-Iaryngologische Therapie, sowie die lokale
Behandlung chronischer Lungenaffektionen, speziell die der
Tuberkulose, ist für den praktischen Arzt, nicht selten aber
auch für den Spezialisten eine schwierige und zudem recht
undankbare Aufgabe. Die uns zu Gebote stehenden Hilfs¬
mittel der internen Rezeptur sowie hydrotherapeutischen Ma߬
nahmen sind bald erschöpft. Der nächstliegende und aus¬
sichtsvollste, also der zweckmäßigste Weg einer direkten
lokalen Beeinflussung der erkrankten Organe durch Inhalationen,
blieb aber bisher so gut wie unberücksichtigt, da die be¬
kannten, für den Hausgebrauch bestimmten Inhalations¬
apparate Unbefriedigendes leisten. Die Unzulänglichkeit dieser
Apparate hatte ihren Grund vor allem darin, daß ausnahmslos
zu den Inhalationen entweder Wasserdampf oder zerstäubte
Flüssigkeiten benutzt wurden; es ist aber eine allgemein be¬
kannte und anerkannte Tatsache, daß Wasserdampf oder auch
zerstäubte Flüssigkeit niemals in wirksamen Quantitäten in die
feineren Bronchiolen, ja kaum in den Kehlkopf gelangt, viel¬
mehr sich größtenteils aus rein physikalischen Gründen schon
in der Mundhöhle niederschlägt.
Hier bestand also bisher eine große, für unser thera¬
peutisches Handeln recht empfindlich fühlbare Lücke; diese
auszufüllen ist der neue Apparat bestimmt, welcher im folgenden
kurz besprochen werden soll.
Der schon erwähnte Hauptfehler der alten Apparate,
nämlich die Verwendung des Wasserdampfs — durch Spray
zerstäubte Flüssigkeiten sind zur Inhalation ebensowenig ge¬
eignet wie Wasserdampf! — wird dadurch ausgeschaltet, daß
an Stelle des Wasserdampfs heiße Luft zur Inhalation
verwendet wird, und zwar kann diese vermöge der ebenso
einfachen, wie sinnreichen Konstruktion des Apparates sowohl
in ihrer Tempera ur, wie auch in ihrem Feuchtig¬
keitsgehalt genau reguliert, gleichzeitig aber auch
mit medikamentösen Dämpfen der verschiedensten
Art gesättigt werden.
Zu diesem großen Vorzüge des Apparates kommt der
weitere, daß er selbst von dem ungeübten Laien mit wenigen
Handgriffen aus dem Heißluft-lnhaiationsapparat sowohl
'Dia
VERSITl
in einen gewöhnlichen Dampf-Inhalationsapparat, als
auch in eine äußerlich anzuwendende Heißluftdusche um¬
gewandelt werden kann; seine Verwendbarkeit ist also eine
außerordentlich vielseitige und bequeme.
Im Innern des Apparates liegen nebeneinander zwei
Kessel, ein Luft- und ein Wasserkessel, die beide mit je einer
regulierbaren Spiritusfiamme geheizt werden. Die im Luft¬
kessel erzeugte heiße, aber an sich zum Einatmen zu trockene
Luft kann nach Belieben mit Wasserdampf angefeuchtet werden.
Dieser wird im Wasserkessel erzeugt und durch ein kleines
Kommunikationsrohr, an welchem ein von außen regulierbarer
Hahn angebracht ist, in den Luftkessel geleitet. Weiterhin
sind im Wasserkessel zwei Medikamentenbehälter angeordnet;
in diesen werden im Wasserbad die gewünschten Medikamente
verdampft und die Dämpfe direkt in den Luftkessel geleitet.
Durch leicht zu bewerkstelligendes Umwechseln bezw.
Aufstecken einzelner Teile wird der Heißluft-lnhaiationsapparat
in wenigen Augenblicken in einen gewöhnlichen Dampf-
Inhalationsapparat umgewandelt. Es bleibt dann der Luft¬
kessel außer Betrieb und es wird nur der Wasserkessel ge¬
heizt. Läßt man aber umgekehrt den Wasserkessel außer
Betrieb und heizt nur den Luftkessel, so hat man eine Hei߬
luftdusche vor sich, die bei Neuralgien usw. Verwendung
finden kann.
Daß mit Hilfe dieses Apparates die verschiedensteu Medi¬
kamente mit der Atmungsluft in flüchtiger Form direkt in die
feinsten Bronchiolen gebracht werden können, unterliegt keinem
Zweifel. Damit ist aber nicht nur die Möglichkeit gegeben,
den Kehlkopf und die Lungen selbst gewissermaßen lokal zu
behandeln, sondern auch ganz allgemein dem menschlichen
Körper unter Umgehung des Verdauungs-Traktus die ver¬
schiedensten Medikamente einzuverleiben, indem dieselben durch
die Lungenalveolen direkt in die Blutbahn übergeführt werden.
Während die erstere Tatsache von größter Wichtigkeit für die
Therapie der Kehlkopf-, Luftröhren- und Lungen-Krankheiten
ist, dürfte die letztere eine gleich wichtige Rolle für die all¬
gemeine interne Therapie zu spielen berufen sein. Denn bei
der innerlichen Darreichung von Medikamenten stößt der Arzt
bekanntlich insofern sehr häufig auf Schwierigkeiten, als die¬
selbe entweder Verdauungsstörungen hervorruft oder, bei schon
bestehenden Schwäche- bezw. Krankheitszuständen der Ver¬
dauungsorgane, sich von selbst verbietet, ln solchen Fällen
hat die intravenöse, subkutane oder perkutane Therapie Platz
zu greifen, und die Inhalationstherapie dürfte als gleich wichtiges
Glied in dieser Kette therapeutischer Maßnahmen zu be¬
trachten sein.
Berücksichtigt man nun noch, daß der Apparat auch als
Heißluftdusche verwendbar ist, also ein wichtiges therapeutisches
Hilfsmittel bei Neuralgien, Ischias, Gicht und Rheuma sowie
bei manchen Gelenkerkrankungen darstellt, so ergibt sich daraus
die außerordentliche Vielseitigkeit in seiner Anwendung. Da
zudem der Preis ein verhältnismäßig billiger ist, so ist die
Anschaffung des Apparates nicht nur jedem praktischen Arzt
zur Ergänzung seines Instrumentariums, sondern auch jeder
Familie, in welcher eine der genannten Krankheiten herrscht,
warm zu empfehlen. — Der durch D. R. P. Nr. 213 045 ge¬
setzlich geschützte Apparat wird in sehr stabiler und haltbarer
Ausführung von der Firma Richter & Spahn in Essen-Ruhr
hergestellt und unter dem Namen „Heida" in den Verkehr ge¬
bracht. Er kann zum Preise von Mark 15,— überall bezogen
werden, event. direkt von den Fabrikanten. Rosen.
Allgemeines.
Eine interessante Mitteilung hat N. Z u n t z auf der Tagung der
Gruppen Vorsitzenden der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dres¬
den 1911 gemacht. Er berichtet, daß die Absicht besteht, an die von
der Ausstellungsleitung geplanten gymnastischen Darstellungen, an
die sportlichen Leistungen, die vorgeführt werden sollen, anzuknüpfen
möglichst weitgehende Ausnutzungen dieser sportlichen Leitungen in
/er;
wissenschaftlicher Hinsicht, daß erstrebt werden soll, an das Stadion
ein Laboratorium anzugliedern, in dem nach den in neuerer Zeit aus¬
gebildeten Methoden die Einwirkungen der Leibesübungen auf das
Befinden der Menschen möglichst eingehend studiert werden sollen.
Das Laboratorium solle ausgestattet sein mit den Hilfsmitteln, um
mit der Röntgen-Methode, mit Hilfe des Elektrokardiogramms, um
mit Hilfe der chemischen Methode die verschiedenen Seiten des
Stoffwechsels, die Respiration usw. zu untersuchen. Dieses Labora¬
torium soll geeignet sein, das noch immer ziemlich spärliche, exakte
wissenschaftliche Material auf diesem Gebiete zu vergrößern. Zu¬
gleich soll es an den Tagen, an denen es nicht der ernsten Arbeit
dient, ein wertvolles Ausstellungsobjekt für alle sein, die daran
interessiert sind; es soll die betreffenden Untersuchungsmethoden, die
anthropometrischen Methoden der- verschiedensten Art in muster¬
gültiger Zusammenstellung und womöglich auch immer wieder in
praktischer Verwendung, zeigen.
Bücherbesprechungen.
J. Wetterer. Handbuch der Röntgentherapie nebst
Anhang: Die Radiumtherapie. Leipzig 1908. Otto Nemnich.
Pr. geb M. 27,-.
Das vorliegende Werk setzt sich aus fünf Abteilungen zu¬
sammen: einer physikalisch-technischen, einer die biologischen
Grundlagen der Röntgentherapie, Dosierung und Bestrahlungs¬
technik, dann einer dritten die spezielle Röntgentherapie, einer
vierten die Radiumtherapie behandelnden und endlich einer fünften,
die ein umfangreiches Literaturverzeichnis umfaßt. Die erste ist nur
kurz, denn es lag ja nicht in der Absicht des Verfassers, eine aus¬
führliche Röntgentechnik zu geben. Werke, welche dieses Gebiet
behandeln, gibt es in genügender Anzahl, mehrere davon erschienen
in obigem Verlag. Ueber Abschnitt 2 — 4 gibt es die verschiedensten
Arbeiten, sie sind aber überall in Zeitschriften und kleinen
Monographien zerstreut Wetterer hat sich ein ausgezeichnetes
Verdienst erworben, daß er in ein Lehrbuch zusammenfaßte, was
über die Röntgen- und Radiumtherapie bei der Behandlung der
ailerverschiedensten Krankheitszustände bisher bekannt ist. Mit
besonderer Sorgfalt wurde auf die Dosierung und auf die Schutz¬
mittel gegen Schädigungen durch die wunderbaren Strahlen ein¬
gegangen. Abbildungen in großer Zahl, die meist recht gut ge¬
lungen sind — ich erwähne besonders die farbigen Wiedergaben
der verschiedenen Stadien der Röhren (weich, mittelweich, hart) und
von körperlichen Schädigungen durch die Bestrahlung —, fördern
im technischen Teil das Verständnis und zeigen im speziellen Teil
die Erfolge der Röntgen- und Radiumbehandlung. Auf das mit
großem Fleiß abgefaßte, interessante Werk, das nicht nur für den
Dermatologen allein, sondern für die Spezialisten der verschiedensten
Disziplinen sowohl wie für den praktischen Arzt bestimmt ist, sei
nachdriicklichst hingewiesen. Geißler, Neu-Ruppin.
M. Kirchner. Lehrbuch der Militär - Gesundheitspflege.
2. Auflage. Leipzig, 1910. S. H i r z e 1. Preis M. 16,00.
Vor fast 15 Jahren gab der bekannte Verfasser einen Grundriß
der Militärgesundheitspflege heraus, der aber schon seit längerer Zeit
vergriffen ist. Da ist es denn mit Freude zu begrüßen, daß dieses
wertvolle Buch wieder eine Neuauflage erfahren hat. 15 Jahre sind
eine lange Zeit, und in dieser Zeit hat auch die Hygiene außer¬
ordentliche Umwandlungen und Neuerungen erfahren. Im großen und
ganzen fügt sich ja die Militärgesundheitspflege in das große Gebiet
der allgemeinen Hygiene ein, dennoch sind eine nicht ganz kleine
Zahl von Punkten für die militärischen Verhältnisse von ganz be¬
sonderem Wert, so daß es gerechtfertigt ist, von einer „Militär“-
Hygiene zu sprechen und ihr ein besonderes Buch zu widmen.
Solche besonderen rein militärhygienischen Fragen betreffen die Be¬
kleidung, Ausrüstung, Beköstigung, den Dienst, die Kasernen,
Festungen, Lazarette, das Feldlager, die Wasserversorgung im
Kriege, den Schutz der Truppen gegen Seuchen u. a. m. Der vor¬
liegende erste Band enthält die Kapitel über Mikroorganismen,
Boden, Luft, Wasser, Ernährung und Wohnung. Kirschner hat sich
überall größter Kürze und Knappheit befleißigt und das verleiht dem
Buch noch einen ganz besonderen Wert. Die verwendeten Ab¬
bildungen sind klar und deutlich. Möge dem Buch in seiner Um¬
arbeitung eine warme Aufnahme beschieden sein.
G e j ß 1 e r, Neu-Ruppin.
A. S mi t h. Herz- und Gefäßkrankheiten. Neue Wege zu ihrer
Beurteilung und Heilung. Bd. 1. Die Gefäßentartung (Arterio¬
sklerose). Bd. 2. Herzmuskelschwäche und Herzerweiterung und
ihre nervösen Begleiterscheinungen. Berlin, 1910. Verlag für
Volkshygiene und Medizin. Preis M. 2,80 und 1,80.
Der vorstehende bekannte Verlag hat sich die dankenswerte Auf¬
gabe gestellt, über die verschiedensten Fragen aus der Hygiene und
über verschiedene oft vorkommende Krankheitsbilder Aufklärung
herbeizuführen. Die bisher erschienenen fünf Bändchen sind ihrer
Aufgabe voll gerecht geworden. Zwei neue liegen mir jetzt vor.
Das erste behandelt sehr ausführlich, nachdem die normalen Ver¬
hältnisse des Herzens, der Gefäße und des Blutes kurz gestreift
worden sind, die pathologischen Zustände der Gefäße, ihre Ent¬
stehungsursache, Erscheinungen, Gefahren und die Behandlung. In
gleicher Weise werden — nur die pathologischen Veränderungen
bleiben unberücksichtigt — im zweiten Heft zwei häufige Herz¬
krankheiten besprochen. Die Besprechungen sind beide gut ver¬
ständlich. Die Behandlung will von Medikamenten nur in einzelnen
Fällen etwas wissen, wo man ohne sie absolut nicht auskommen
kann, sonst soll sie eine physikalische sein. Verfasser richtet mehr¬
fach scharfe Angriffe gegen die in den Kliniken gelehrten An¬
schauungen. Ich halte es für durchaus unrichtig, solche Fehden in
Büchern auszukänipfen, die für Laien bestimmt sind. Das Vertrauen
zur Aerzteschaft darf, wo überall schon Kurpfuscher die Arbeit so
überaus schwer machen, nicht erschüttert werden. Eine Durchsicht
der beiden Arbeiten in diesem Sinne wird ihren Nutzen mehren und
die erfreuliche Arbeit des Verlages bestens unterstützen.
Geißler, Neu-Ruppin.
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bürg, bei, worauf wir besonders aufmerksam machen.
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wärtigen wissenschaftlichen Standpunktes und der praktischen Erfahrung
entspricht und durch seinen physiologischen Nährwert andere Nährmittel
übertrifft, wie durch zahlreiche Wägungen und Beobachtungen festgestellt
ist. Der Nährzwieback bessert die Ernährung, vermehrt die Körperzunahme
und stärkt die Knochen des normalen Kindes. Rachitis und Dispositionen
zu Knochenerkrankungen erfahren bei längerem Gebrauch Besserung
und Stillstand. Vor den Folgen, welche durch unzweckmäßige, unzu¬
reichende oder fehlerhafte Nahrung entstehen, insbesondere Drüsen,
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BERLIN W.9, Köthenerstraße 37 z
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Verantwortlich für den redaktionellen Teil: Prof. Dr. med. A. Moeller,Berlin W. 35. Für „Kleine Mitteilungen“ und den Inseratenteil: Max Munczinski. Berlin-Rixdorf.
Verlag: Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9. — Druck: R Boll, Berlin NW.7, Georgenstr. 23.
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Druck: R. Boll, Berlin NW. 7, Georgenstrasse 23.
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No. 24. IV. Jahrgang.
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Redaktion.
Professor Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5.
Telephon: Amt VI, 17 271.
Verlag und Expedition
Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI, 3020.
IV. Jahrgang.
Berlin, 12. Juni 1910.
Nr. 24.
Die Therapeutische Rundschau erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den
Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalschluß abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 5U Pf. berechnet. Beilagen per 1000 15,— M. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt:
Originalien:
Müller-Berlin: Die Aktinotherapie der durch Eiter¬
erreger bedingten Hauterkrankungen.369
Krone-Soden a. W.: Die Therapie der Chlorose im
Solbad . ..371
Roth: Frisch Wasser in die Leiber der Menschen, be¬
sonders der Kranken.373
Sofer-Wien: Wiener Brief.375
Referate:
Bachem-Bonn: Pharmakologie.377
Lehr-Stuttgart: Orthopädie.378
Grum ach - Berlin: Hautkrankheiten.378
Loh risch-Chemnitz: Magen-, Darm- und Stoffwechsel¬
krankheiten . 379
Ne t er-Mannheim: Kinderheilkunde.380
Krü ger-Magdeburg: Mitteilungen über Arzneimittel . 380
v. Rutkowski-Berlin: Varia ..380
Technische Neuerscheinungen:
Rosen-Berlin: Wandspucknäpfe.381
Rosen-Berlin: Jodbläser zur Hautdesinfektion etc. . . 382
Bücherbesprechungen: .382
Allgemeines: . 383
ORIGINALIEN.
Aus Dr. G. J. Müllers^Privatklinik f. Hautkrankheiten.
Die Aktinotherapie der durch Eitererreger bedingten
Hauterkrankungen.
Von G. J. Müller, Berlin.
Welche Bedeutung die Entwicklung der Röntgen¬
ologie für die chirurgische Diagnostik genommen
hat, ist so bekannt, daß sich alle weiteren Auseinander¬
setzungen erübrigen. Weniger bekannt dürfte sein,
daß die Röntgentherapie sich, wenn auch vor¬
läufig auf beschränkten Feldern und zurzeit noch
häufig gegen den Widerspruch der Chirurgen, als
erfolgreiche Konkurrentin der chirurgischen Therapie
erwiesen hat. Eines dieser Felder liegt auf
dem Grenzgebiete zwischen Chirurgie und Der¬
matologie und betrifft einige Erkrankungen, bei denen
die chirurgische und im übrigen auch die rein der¬
matologische Therapie häufig nicht recht befriedigt oder
gar versagt; es sind dies die durch Eitererreger hervor¬
gerufenen Erkrankungen der Haut. Die günstige Ein¬
wirkung sowohl der Röntgen- als auch der Lichtstrahlen
auf eitrige Prozesse wollen wir nun in folgendem be¬
sprechen.
Impetigo.
Die oberflächlichste und häufigste Staphylomykose
der Haut ist die Impetigo Bockhardt, gewöhnlich sekun¬
där sich an alle möglichen besonders juckenden [Derma¬
tosen, eitrige Wunden etc. anschließend, kann sie aucli
ein geschlossenes, für sicli bestehendes Krankheitsbild
darstellen, das oft keineswegs harmlos ist und sich
durch Hartnäckigkeit auszeichnet. In solchen Fällen
überziehen dichtstehende Eiterpusteln größere Haut-
gebiete, heftiges Jucken, das von Schmerzen, die durch
Kratzen verstärkt werden, begleitet ist, peinigt die
Kranken. Es kommt durch Reibung der Kleidung und
Kratzen zum Verlust eines Teils der Hornschicht,
starker Wundsekretion, Borkenbildung, kurz einem
recht unangenehmen Status, der die Anlegung und den
öfteren Wechsel größerer Verbände nötig macht,
welche Prozeduren nicht nur umständlich, sondern den
Patienten auch sehr unangenehm zu sein pflegen, ich
kenne kein Mittel oder Verfahren, welches so prompt
das furchtbare Jucken lindert, so rasch die lästige Se¬
kretion einschränkt, austrocknend und entzündungs¬
mildernd wirkt, daher bald die großen Verbände ent¬
behrlich macht, als die Röntgenstrahle n. Selbst
sein - hartnäckige, lange vergeblich behandelte Fälle be¬
dürfen nur mäßiger (Quantitäten Röntgenstrahlen, meist
nicht über '/»E. D. Im Anfänge wird man gut tun, die
übliche Therapie mit Sulfur etc. unterstützend anzu¬
wenden, später genügen einfache Alkoholwaschungen,
Bepuderungen und Schutztücher.
F u r u n k e I.
Die nächste schwere Form der kokkogenen Erkran¬
kungen der Haut sind die Furunkel; das gehäufte Auf¬
treten dieser knotigen, zirkumskripten Cutisabszesse
kann eine für den Träger sehr unangenehme und für
den behandelnden Arzt sehr schwierige Situation be¬
dingen. Hier soll aber nicht die Rede sein von der soge¬
nannten F urunkulose, bei welcher sich die An¬
wendung der Strahlentherapie im ganzen nicht sonder¬
lich bewährt hat, auch nicht bewähren konnte, weil hier
interne Zusammenhänge zu berücksichtigen sind. F.s
handelt sich vielmehr um lokalisierte Formen, welche
sich entweder durch Größe der Einzelexemplare und
Intensität der Entzündung oder durch chronischen Ver¬
lauf und Neigung zu Rezidiven auszeichnen; ich meine
die Furunkel der Achsenhöhle, des Afters, der Scrotums
des Gesichts, des Nackens, wobei ich nicht verfehlen
will zu erwähnen, daß klinisch zu diesen „sogenannten
Furunkeln“ Fälle gezählt sind, welche pathologisch¬
anatomisch Entzündungen der Schweißdrüsen dar¬
stellen. Allen diesen Formen gemeinsam ist die durch
die Lokalisation und Heftigkeit der Inflammation be¬
dingte exzessive Schmerzhaftigkeit, die Neigung zu
Progredienz und Rezidiven sowie das öftere refraktäre
Verhalten gegenüber der chirurgische;] Therapie. Be¬
sonders die analen und axillaren Fälle beweisen ihre
Torpidität durch wiederholtes Rezidivieren subkutaner
Eiterungen und Fistelbildung. Hier habe icl; meine
ersten günstigen Erfahrungen mit Röntgenstrahlen ge¬
sammelt und konnte weiterhin eine beträchtliche An¬
zahl von Fällen, welche wiederholten chirurgischen Ein¬
griffen gestrotzt hatten, definitiv heilen. _ Dabei kommt
man mit mäßigen Dosen aus (Vs —"U E. D.); nur die
Nackenfurunkel erfordern unter Umständen die volle
OF MICHI
UNIVER
i
370
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 24
Erythemdosis. Eine besondere Rolle spielen die Ge¬
sichtsfurunkel, sie gelten als außergewöhnlich gefähr¬
lich und werden von den Chirurgen auch heute noch
mit Kreuzschnitten traktiert, von einigen sogar exzi-
diert. Ich halte diese pessimistische Auffassung für über¬
trieben, daher die Größe des Eingriffs und die dadurch
bedingte kosmetische Störung für absolut ungerecht¬
fertigt. Meine Erfahrungen haben gezeigt, daß Punk¬
tion, Saugung und sofortige Applikation einer Röntgen¬
lichtinenge von V* E. D. zur Einleitung eines gefahr¬
losen Krankheitsverlaufs genügt. Wir leiten die Be¬
sprechung über zu den
Karbunkeln,
welche bisher als unbestrittene Domäne der Chirurgie
galten. Auch ich halte mich auf Grund meiner Erfah¬
rungen nicht für berechtigt, für die Unterlassung eines
größeren chirurgischen Eingriffs einzutreten; dagegen
scheint mir angesichts des gelegentlichen Versagens
der blutigen Therapie und der sicheren Einwirkung,
welche von verschiedenen Autoren (Evler u. a.) ge¬
meldet wird, eine sofortige Anwendung der Röntgen¬
therapie am Platze zu sein; mehr als V> E. D. würde ich
nicht applizieren, da das Gewebe möglicherweise über¬
empfindlich sein könnte.
Folliculitis barbae.
Unter den kokkogenen Dermatosen nimmt einen be¬
sonderen Platz die sogenannte eitrige Bartflechte,
Sykosis, ein. Früher eine crux medicorum wegen der
Schwierigkeit des in den Tiefen der Haarbälge lokali¬
sierten chronischen Entzündungsprozesses Herr zu
werden, wegen der Entstellung verhängnisvoll durch
Berufsstörungen für die Kranken, kann sie heute seit
Inauguration der Röntgentherapie als eine, wenn auch
oft noch recht hartnäckige, im allgemeinen aber heilbare
Affektion bezeichnet werden. Ich habe fast alle Fälle
— auch ganz alte von jahrelangem Bestände — heilen
können. Natürlich wird man oft Geduld haben, von
vornherein mit Rezidiven rechnen müssen und sich ge¬
legentlich nicht scheuen dürfen, an die Erythemdosis
heranzugehen. Die leichten Fälle heilen auch ohne dau¬
ernde Depilation, die ganz torpiden, alten werden nicht
ohne definitiven Haarverlust zu beseitigen sein. Et-
waigeAtrophien werden dort, wo der Krankheitsprozeß
bereits erhebliche Störungen bewirkt hatte, von den
häufig ganz verzweifelten Kranken gern in den Kauf
genommen.
Folliculitis capitis.
Im Anschluß daran seien gleich die Follikulitiden
des behaarten Kopfes besprochen, welche teils klinisch¬
ätiologisch mit der vorgenannten Sykosis barbae iden¬
tische, teils von dieser Gruppe abzutrennende Exan¬
theme darstellen, denen aber zwei Eigenschaften ge¬
meinsam sind: die Neigung zu irreparablen herdför¬
migen Veränderungen der Kopfhaut, welche mit dau¬
erndem Haarverlust verbunden sind und enorme Hart¬
näckigkeit auch den intensivsten Maßnahmen gegen¬
über. Der Therapeut steht hier vor einem unange¬
nehmen Dilemma; oft ist der Haarbestand noch ein so
guter, daß der Kranke selbst keine Neigung haben wird,
eine Methode zu wählen, welche denselben gefährden
kann. Es ist aber nicht nötig, übermäßig zaghaft zu
sein, nachdem die eklatanten Erfolge der Röntgen¬
therapie durch Veröffentlichungen verschiedener
Autoren (Freund,. Kienböck, Schmidt), welche durch
meine eigenen Erfahrungen bestätigt werden, sicher¬
gestellt sind. Leichtere bis inittelschwere Fälle kann
inan auch hier ohne eine Dosierung heilen, die dau¬
ernden Haarausfall bedingt. Bei den ganz schweren
Fällen schadet eine vorher angekündigte Verringerung
des Wachstums nach temporärem Haarmangel nichts
und ist auch bei richtiger Bestrahlungstechnik durch
Gleichmäßigkeit unauffällig.
Folliculitis sclerotisans nuchae.
(Dermatitis papillaris Kaposi.)
Eine Art Folliculitis ist auch das von Kaposi zuerst
beschriebene Krankheitsbild. Diese Affektion, weiche
man früher wohl nur durch Exzision oder rigorose
Thermokaustik heilen konnte, eignet sich ebenfalls sehr
fürRöntgenisation. Mankannhierentwederdenschnellen
Weg wählen und in kürzerer Frist eine Erythem¬
dosis applizieren; der Erfolg wird dann sehr prompt
eintreten, aber man riskiert unter Umständen eine un¬
angenehme und schmerzhafte Dermatitis und muß mit
der wenn auch sehr entfernten Möglichkeit einer Schä¬
digung der Medulla oblongata oder des Halsmarks
rechnen. Ich habe bisher immer die Applikation in re-
fracta dosi vorgezogen, welche Methode, wenn auch
langsamer, jedoch ohne Gefahr zum Ziele führt.
Acne'vulgaris.
Streng genommen gehört die Acne vulgaris nicht
zu dieser Gruppe, weil die Eiterung bei ihr nur eine
sekundäre ist. Immerhin spielen die follikulären Ab¬
szesse und die Pustelbildung doch im klinischen Bilde
eine so große Rolle, daß die Erwähnung an dieser Stelle
gerechtfertigt erscheint. In der Tat beruht auch die
Röntgenwirkung in diesem Falle nicht auf antibakteri¬
ellen Vorgängen, sondern auf Schrumpfung der Talg¬
drüsen, Einschränkung der Hypersekretion von Talg
und Besserung der Hyperkeratose. Es ist selbstver¬
ständlich, daß bei der Therapie eines Leidens, das keine
Beschwerden und funktionellen Störungen verursacht
und lediglich aus kosmetischen Gründen behandelt
wird, die größte Vorsicht walten muß. Ein brüskes
Vorgehen muß unbedingt verworfen werden; es ist
auch völlig unnötig, da eine allmähliche Applikation des
heilenden Agens einen zwar langsam aber gefahrlos
eintretenden und kosmetisch einwandfreien Erfolg ver¬
bürgt. Ich habe in keinem Falle eine Atrophie zu be¬
klagen gehabt, da ich bemüht w'ar, die Funktion der
Drüsen zwar zu reduzieren, ihre völlige Schrumpfung
aber streng zu vermeiden. Es ist kein Irrtum, wenn ich
behaupte, daß eine größere Anzahl der Patientinnen
sogar eine bessere Gesichtsfarbe zeigten, ebenso habe
ich nie die gefürchteten persistenten Pigmentierungen
erlebt, da solche nur nach Erythemen zurückzubleiben
pflegen, die praeerythematösen sich aber zurückbilden.
Ich kenne keine wirksamere Therapie der Acne juve¬
nilis, wenn sie rationell und kombiniert mit Hilfsme¬
thoden nach Maßgabe der Situation angewendet wird.
Ulzerationen und eiternde Wunden.
Die schon lange bekannte, von Fingen und seiner
Schule aber zuerst wissenschaftlich ergründete, anti¬
bakterielle Wirkung der Lichtstrahlen hat für die Be¬
handlung der durch Eiterungen hervorgerufenen Er¬
krankungen keine wesentliche Bedeutung erlangen
können. Soweit die eigentliche Dermatologie in Frage
kommt, erscheint dieser Zustand, wie ich aus eigener
Erfahrung sagen muß, größtenteils begründet, da ich
wie andere Autoren im allgemeinen keine besonders
bemerkenswerten Erfolge erzielen konnte, ausge¬
nommen auf einem kleinen Gebiete, nämlich bei eitern¬
den, infizierten Wunden.
Die meisten Erfahrungen in dieser Richtung ver¬
danken wir den Versuchen des ausgezeichneten
Schweizer Chirurgen Bernard - Samaden, der durch
Lichtbehandlung von Wunden und Geschwüren die
besten Resultate erzielen konnte und in der Lage war,
in seinem Hospital prinzipiell Wundbehandlung mit
systematischer Sonnenbestrahlung zu inaugurieren.
Nr. 24
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
371
deren Erfolge geradezu erstaunlich sind. Freilich
werden solche Erfolge eben nur unter gleichen geo¬
graphisch-klimatischen Verhältnissen zu erzielen sein.
Wir werden uns mit künstlichem Lichte begnügen
müssen und ?um Ersatz das Kohlenbogenlicht oder
Ouecksilberlampenlicht anwenden. Eine absolute In¬
dikation für diese Therapie, die ja natürlich nicht sehr
bequem ist, liegt selbstverständlich nur bei infizierten
Wunden vor, die auf die antiseptische Wundbehand¬
lung nicht reagieren und ferner für die Fälle mit ab¬
normer Reizbarkeit der Haut. Die Lichttherapie er¬
möglicht es nämlich, uns für die zwischen den Licht¬
sitzungen liegenden Zeiten auf die Anwendung von in¬
differenten Okklusivverbänden zu beschränken.
Ein ganz besonderer Fall von infizierter Haut¬
wunde ist nun das sogenannte Ulcus cruris, dessen
Entstehung wir uns ja so zu denken haben, daß durch
ungünstige Zirkulationsverhältnisse einerseits die
Widerstandsfähigkeit der Haut stark herabgesetzt, an¬
derseits „Jucken“ hervorgerufen wird, welches
„Kratzen“ provoziert, wodurch zu gleicher Zeit
Wunden gesetzt und diese mit der Staphylokokkenflora
wenig gepflegter Unternagelräume infiziert werden.
Eine unter anderen Verhältnissen resp. an anderen
Orten befindliche Wunde wird für gewöhnlich trotzdem
spontan heilen; hier kommt es zu Gewebszerfall und ist
erst einmal Bresche geschlagen, so schreitet non ces-
sante causa der Prozeß fort. Ich beabsichtige hier
weder die Therapie des Ulcus cruris zu erörtern, noch
in extenso über meine eigenen Versuche zur Heilung
des Unterschenkelgeschwürs durch physikalische Me¬
thoden zu sprechen, da dies an anderer Stelle geschehen
soll. Hier beschränke ich mich nur auf eine kurze sum¬
marische Mitteilung über den hohen Wert der Aktino-
therapie auf diesem kleinen, aber wichtigen und schwie¬
rigen Gebiete. Nach meinen nunmehr ziemlich bedeu¬
tenden ' Erfahrungen konkurrieren hier Licht und
Röntgenbehandlung.
Für die Lichtbehandlung eignen sich die sehr
großen torpiden Geschwüre, für die Röntgenbehand¬
lung die kleineren mit kallösem oder verrukösem chro¬
nischem Unterschenkelekzem vergesellschafteten.
Die Phlebitis wird sowohl durch Licht-Wärme¬
wirkung, als durch Röntgenstrahlen günstig beeinflußt;
in reizbaren Anfangsstadien wird oft die Lichtwärme¬
bestrahlung mehr am Platze sein, in chronischen rezi¬
divierenden die Röntgenstrahlen; aber es kann auch
einmal anders sein; jedenfalls wird man bei mangelndem
Effekt ruhig wechseln dürfen. Im übrigen fordert die
Therapie klinische Erfahrung, strengste Individuali¬
sierung und großen therapeutischen Takt; rigoroses
Vorgehen und Applikation großer Dosen ist absolut zu
verwerfen. Wir werden in den meisten Fällen in der
Lage sein, die unleidlichen Zustände zu bessern, in zahl¬
reichen das Geschwür dauernd zu beseitigen.
Die Therapie der Chlorose im Solbad.
Dr. Krone, Badearzt in Sooden a. Werra.
Unter den Indikationen für ein Solbad werden wohl
die mit anämischen Zuständen ja häufig verbundenen
Krankheiten — wie Skrofulöse und die Krankheiten der
weiblichen Sexualorgane — an erster Stelle mit ge¬
nannt; aber diejenige primäre oder essentielle Anämie,
die man mit Bleichsucht oder Chlorose bezeichnet, wird
baineotherapeutisch meist nur in Verbindung mit den
Eisenquellen genannt.
Nun ist es zwar nicht zu leugnen, daß die letzteren
zu dem besten therapeutischen Rüstzeug gehören,daswir
für die Bekämpfung dieser Gruppe der allgemeinen Er¬
nährungsstörungen haben, und es soll keineswegs meine
Aufgabe sein, die Bedeutung des anorganischen Eisens
für die Behandlung dieses Krankheitszustandes irgend¬
wie in Zweifel zu ziehen oder herabzusetzen; — ich
möchte nur auf das hinweisen, was unsere Solbäder
in der Therapie der Chlorose zu leisten vermögen, und
möchte sie nur auf Grund meiner Erfahrungen den
Stahlbädern als ziemlich ebenbürtig an die Seite ge¬
stellt wissen.
Da ich mehrere Jahre lang an einem Stahlbade
tätig war und über eine große Reihe von Kranken¬
geschichten Chlorotischer verfüge — und da ich im
ersten Jahre meines Aufenthaltes im Solbade 32 mit
Chlorose behaftete Patientinnen in Behandlung bekam,
so lag es für mich nahe,Vergleiche anzustellen in bezug
auf den therapeutischen Erfolg, den ich im Stahlbad
und den ich im Solbad erzielen konnte.
Die Behandlung der Chlorose hat vor allen
Dingen der Aufgabe zu genügen, die Neubildung des
Blutes nach Kräften zu fördern und zu unterstützen
oder besser gesagt, den Hämoglobinmangel der roten
Blutkörperchen zu heben; denn wir wissen durch
die Untersuchungen von Duncan, Hagem und
Lauche, daß bei der Chlorose die Herabsetzung des
Hämoglobingehaltes wohl das wesentliche ätiologische
Moment ist. Der genannten therapeutischen Forderung
kann nun einmal durch eine Anzahl hygienisch-diäteti¬
scher Maßnahmen, zum andern durch die Verordnung
gewisser Arzneimitel entsprochen werden.
Unter den hygienisch-diätetischen Maßnahmen
nennt nun Strümppel in seiner speziellen „Patho¬
logie und Therapie“ gute Luft und Bäder an erster Stelle,
und er sagt in bezug auf die Bäder „Ueberhaupt scheint
es, daß Bäder bei der Chlorose oft von entschiedenem
Nutzen sind, und wir verordnen daher häufig den Clilo-
rotischen einfache Bäder oder Salzbäder“. Diese
beiden genannten diätetischen Heilmittel können die
Chlorotischen in ausgiebigster Weise fast in jedem Bade¬
orte genießen — ein Grund dafür, daß wohl auch bei¬
nahe jeder Badeort Chlorotische beherbergt—; ich
möchte aber doch zeigen, daß das Solbad in dieser
Richtung vor manchen anderen Badeorten einen nicht
unerheblichen Vorteil hat.
Das für eine Neubildung des Blutes wichtigste
Element, der Sauerstoff, ist, wie bekannt, in der Nähe
der Gradierhäuser als aktiver Sauerstoff oder Ozon in
reicherem Maße vertreten, und so führt denn der aus¬
giebige Aufenthalt an den Gradierhäusern den Kranken
in dem Ozon ein diätetisches Heilmittel zu, wie es durch
kein Medikament ersetzt werden kann.
Da es mir von vornherein darum zu tun war,
therapeutische Vergleiche zwischen den Erfolgen im
Stahlbad und im Solbad in bezug auf die Zusammen¬
setzung des Blutes anzustellen, so habe ich bei einer
großen Reihe von anämischen Patienten, unter denen
sich außer den Chlorotischen auch solche mit Frauen¬
leiden, Skrofulöse, Katarrhen, der oberen Luftwege,
Herzleiden und Rheumatismus befanden, von Zeit zu
Zeit Blutuntersuchungen vorgenommen, und bei diesen
Gesamtuntersuchungen — die speziellen bei Chlorose
folgen — konnte ich feststellen, daß der Hämoglobin¬
gehalt bei denjenigen Patienten, welche die sonstigen
Kurmittel des Solbades (Bäder, Inhalationen, Trinkkur)
gebrauchten, ohne sich ausgiebig an den Gradierwerken
aufzuhalten, durchschnittlich um 4,5 pCt. in 4 Wochen;
der Hämoglobingehalt derjenigen aber, welche außer
dem Gebrauch von anderweitigen Kurmitteln nun
auch noch das Gradierwerk fleißig besuchten, durch¬
schnittlich um 8 pCt. in der gleichen Zeit gestiegen war.
Die günstigsten Erfolge waren dabei bei den Chlo¬
rotischen zu erzielen, ln der Behandlung der reinen
Chlorose verordnete ich einmal den ausgiebigen Auf-
ilGAN
JNIVERSITY OF
372
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 24
enthalt am Gradierwerk — in Abwechslung mit Wald¬
aufenthalt —, daneben aber ließ ich sämtliche Patien¬
tinnen baden und zwar mit einfachen schwach dosierten
Solbädern beginnen, um dann — jedem einzelnen Indi¬
viduum entsprechend — früher oder später zu stärker
dosierten Solbädern sowie zu kohlensauren Solbädern
überzugehen.
Natürliche kohlensaure Solbäder haben wir in
Sooden leider nicht — wir haben 20 Zellen, die nur für
den Kohlensäurebadebetrieb eingerichtet sind, an Biel-
meyersche Apparate angeschlossen. Diese Apparate
haben sich gut bewährt, sie gestatten eine genaue
Dosierung der Kohlensäure und ermöglichen eine exakte
Mischung der letzteren mit der Soleflüssigkeit. (Vergl.
Sippel „Ueber die Herstellung künstlicher Kohlen¬
säure-Solbäder und ihre Anwendungsreihe bei Blut¬
armut, Zeitschrift für Balneologie, 4. 08.)
Wenn wir auch immer noch keine einwandfreie
Erklärung für die Wirkung der CO-Bäder haben, so
steht doch so viel fest, daß vermöge der CO-Bäder
durch Anregung der Zirkulation in der Peripherie eine
gewisse Beeinflussung der Herzaktion eintritt — und
zwar eine Beeinflussung, bei der wir es durch die Dosi-
rung in der Hand haben, ob wir in der Richtung einer
Arbeitsentlastung des Herzens — der Herzschonung —,
oder in der Richtung einer Anregung des Herzens zu
erhöhter Energie — der Herziibung — arbeiten wollen.
Daß wir in dieser Weise auf das durch die Blut¬
armut beeinflußte Herz einwirken können, ist uns ein
wesentlicher Unterstützungsfaktor in der Therapie.
Wir werden also die Zahl und Dosierung unserer Bäder
nach Stärke und Dauer weniger nach dem Stande des
Hämoglobingehaltes als nach dem Befinden des Cor
einrichten; wir haben dabei die Möglichkeit, mit ganz
milden Reizen (einfache Solbäder) sowie mit stärkeren
Reizen, die wir je nach dem indizierten Stärkegrad ein¬
stellen können, zu arbeiten (kohlensaure Solbäder).
Der Hauptsache nach werden die Chlorotischen
im Solbad vom Arzt folgende Verordnungen bekommen:
1. Ausgiebiger Aufenthalt am Gradierwerk, wobei,
dem jeweiligen Blutbefund entsprechend, die Aufent¬
haltsdauer in Ruhe und Bewegung eingeteilt werden
wird. — Um dies durchführen zu können, sollte an den
Gradierhäusern stets Gelegenheit zu Liegekuren vor¬
handen sein; auch unterstützt die in Sooden a. Werra
vorhandene Anlage eines Luftbades am Gradierwerk,
erbaut auf Pfahlbauten über einem Solebassin, die
Therapie der Chlorose jedenfalls wesentlich.
2. Solbäder, vornehmlich unter Zusatz von Kohlen¬
säure. Die Dauer der Bäder bemesse ich nach Mög¬
lichkeit kurz, die Aufeinanderfolge — besonders zu Be¬
ginn der Kur — nicht zu häufig, um nicht die ohnehin
bei diesen Kranken vorhandene Müdigkeit noch zu ver¬
mehren. Die Temperatur des Bades bestimme ich für
jeden einzelnen Fall; bei Zusatz von CO* darf dieselbe
niemals zu hoch sein. Als Kontrolle über die Wirksam¬
keit der Bäder dienen mir neben dem Allgemeinbefinden
vor allen Dingen: Bestimmung des Hämoglobin¬
gehaltes, eigenhändige Kontrolle des Gewichtes
und Untersuchung des Herzens. Nach diesen
jeweiligen Befunden gebe ich auch meine Anordnungen
über das Verhalten der Kranken nach dem Bade, für
das als Regel ausgiebige Bettruhe dienen dürfte.
Die Dauer einer solchen Kur richtet sich natur¬
gemäß nach dem jeweiligen Grade der Erkrankung —
leider fehlt den meisten Patienten Zeit und auch pecunia,
um lange genug auszuhalten; denn nach meinen Beob¬
achtungen schreitet die Besserung — d. h. hauptsächlich
die Steigerung des Hämoglobingehaltes — von der
dritten Woche an meist doppelt schnell vorwärts, wie
die nachfolgenden Tabellen beweisen.
Während der Menses lasse ich nur ausnahmsweise
die Kur unterbrechen; ich verordne während dieser
Zeit, vom zweiten Tage an, tägliche Solsitzbäder, die
fast ohne Ausnahme nicht nur gut vertragen, sondern
zumeist direkt als Wohltat empfunden werden — be¬
sonders bei allen durch die Chlorose bedingten Men¬
struationsbeschwerden. Irgendeine ungünstige Ein¬
wirkung habe ich von dieser Therapie während der
sechs Jahre, die ich sie übe, niemals gesehen. Im
Gegenteil; ich möchte sagen, daß sie häufig sogar neben
der Allgemeintherapie gar nicht entbehrt werden kann;
und viele meiner Patientinnen haben mir später be¬
richtet, daß sie diesen Modus „Sitzbäder während der
Menses“ auch zu Hause beibehalten haben.
3. Endlich haben mich die Versuche Engel¬
manns „Ueber den Einfluß unserer Trinkquellen auf
die Beschaffenheit des Blutes“ (Vortrag, gehalten auf
dem Balneologen-Kongreß 1902), laut deren E.
während einer 19 tägigen Trinkkur eine Erhöhung so¬
wohl des Hämoglobingehaltes des Blutes, wie auch des
osmotischen Druckes des Blutplasmas beobachten
konnte, dazu veranlaßt, meine Chlorotischen auch
Sole trinken zu lassen.
Daß ich im Verlauf einer solchen Kur bei Chlorose
keinerlei Ferrum gebe, brauche ich wohl nicht erst zu
erwähnen; zu Hause allerdings lasse ich viele
Patientinnen noch eine Ferrumnachkur machen.
Es sei mir nun gestattet, an der Hand der nachfol¬
genden Tabellen zu zeigen, welche Resultate ich im
Solbad erzielen konnte — ein Vergleich mit den ent¬
sprechenden Erfolgen einer Stahlbadkur soll dann die
Gleichberechtigung beider Kurarten dartun.
Die Untersuchungen habe ich mit dem Gower-
Sahlischen Hämoglobinometer vorgenommen.
Tabelle über den Hämoglobinbefund bei den 32 im
Solbad mit oben genannter Therapie behandelten
Chlorosen.
Lfd.
Nr.
ZU
Beginn
Hat
n. 10 Tg
der Kur
noglobinge
n. 20 Tg. In. 30 Tg.
der Kur|derKur
halt
n.40Tg.
der Kur
Zunahme
an Hämoglobingehalt
n. 50 TgJ i n 30 Tg. 1 in 40 Tg. [ in 50 Tg.
der Kur 1 der Kur|der Kur der Kur
1
24
29
35
42
_
_
18
_
2
27 .
30
34
39
—
—
i 12
—
—
3
28
32
36
40
46
54
12
18
26
4
33
33
35
39
—
—
6
—
—
5
35
39
45
53
—
—
18
—
—
6
38
42
46
51
60
—
13
22
—
7
39
— ■
'—
50
—
_
11
—
—
8
40
—
48
55
—
—
15
—
—
9
42
—
—
47
—
—
5
—
—
10
43
49
55
65
—
—
22
—
—
11
44
49
54
60
68
_
16
24
—
12
45
49
52
55
—
_
10
. —
—
13
46
50
55
59
66
_
13
20
—
14
46
—
—
57
—
—
11
—
—
15
48
50
54
58
—
—
10
—
—
16
48
51
55
61
69
—
13
21
—
17
48
51
55
60
—
—
12
—
—
18
48
48
50
55
' -
7
—
—
19
49
54
—
62
—
—
13
—
—
20
49
52
55
60
—
—
11
—
—
21
52
55
61
70
—
—
18
—
—
22
52
55
—
61
—
—
9
—
—
23
54
59
64
64
—
—
10
—
—
24
55
—
—
59
—
—
4
—
—
25
55
58
62
66
72
81
11
17
26
26
55
60
—
63
—
—
8
—
—
27
57
.61
64
70
80
—
13
23
—
28
58
62
66
74
—
—
16
—
—
29
58
—
—
68
—
—
10
—
—
30
58
58
62
66
75
—
8
17
—
31
63
65
70
74
—
—
14
—
—
32
66
69
72
77
86
—
11
20
—
Nr. 24
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
373
Aus dieser Tabelle ersehen wir, daß die Zunahme
des Hämoglobingehaltes im Blut betrug:
nach 10 Tagen im Durchschnitt ca. 3,4 pCt.
nach 20 Tagen im Durchschnitt ca. 6,5 pCt.
nach 30 Tagen im Durchschnitt ca. 11,9 pCt.
nach 40 Tagen im Durchschnitt ca. 20 pCt.
je länger die Kurdauer; um so bessere Aussichten.
Wenn ich nun diese Erfolge mit denjenigen ver¬
gleiche, die ich im Stahlbad bei einer Behandlung, be¬
stehend in: „Ausgiebigem Aufenthalt in Waldluft,
kohlensauren Stahlbädern und Trinkkur von Eisen¬
quellen“ erzielen konnte, so ergibt sich aus 248 vor¬
liegenden Krankengeschichten folgendes Ergebnis:
Die Zunahme des Hämoglobingehaltes im Blut
betrug:
nach 10 Tagen ca. 3,6 pCt.
nach 20 Tagen ca. 7,0 pCt.
nach 30 Tagen ca. 12,1 pCt.
nach 40 Tagen ca. 18,8 pCt.
Wir sehen daraus, daß ein nennenswerter Unter¬
schied in dem therapeutischen Erfolg — soweit er
sich auf das Anwachsen des Hämoglobingehaltes be¬
zieht — nicht besteht.
Da meine Erfahrungen bestätigt haben, daß die
übrigen therapeutischen Fortschritte „Verbesserung
des Allgemeinbefindens, Gewichtszunahme usw.“ mit
der Zunahme des Hämoglobingehaltes im großen und
ganzen stets gleichen Schritt gehalten haben, so darf
man wohl alleinnach den vorliegenden Blutuntersuchun¬
gen den Rückschluß ziehen, daß sich eine Behandlung
der Chlorose im Solbad derjenigen im Stahlbad würdig
an die Seite reihen kann.
Wieviel bei einer solchen Kur im Solbad eventl.
auf Kosten des in unserer Sole enthaltenen Radiums
(1 Millionstel mgr. Radium in Substanz im Liter für
Sooden a. Werra) geht, wage ich vorläufig noch nicht
zu entscheiden. Ich kann mich so ohne weiteres dem
Satze, den Traut wein für Kreuznach aufstellt:
„Unsere Solbäder müssen selbst als Radiumbäder gelten
und als solche nach außen verkündet werden“. (Monats¬
schrift für prakt. Wassertieilkunde 1909, Nr. 5) noch
nicht anschließen, denn dazu sind die Arbeiten über
Radium noch nicht weit genug gediehen.
Wir Balneologen kennen die Wirksamkeit, die
unsere Quellen und Bäder in unserer Hand haben; wir
wollen auch nicht aufhören, nach den Gründen dieser
Wirksamkeit zu forschen, doch benötigen wir dazu die
Unterstützung von Klinik und Laboratorium; wir dürfen
aber darum im Interesse unserer Bäder mit der Publi¬
kation unserer empirischen Erfahrungen nicht zurück¬
halten; ganz gleich ob in der Behandlung der Chlorose:
das Ozon oder das Radium bei der Inhalationskur, ob
bei den Bädern katalytische Salzwirkungen, ob Radium
oder ob durch Salzreiz hervorgerufene Stauungshyper¬
ämie das Wirksame und ob endlich bei der Trinkkur
Radium oder Salz der entscheidende Faktor ist.
Frisch Wasser in die Leiber der Menschen, besonders
der Kranken!
Von Dr. E. Roth.
Wasser tuts freilich nicht, sagt ein bekanntes Wort.
Und doch, wie recht hatte schon ein Johann Sieg¬
mund Ha h n , welcher 1743 seinen: „Unterricht von
Krafft und Wiirckung des frischen Wassers in die Leiber
der Menschen, besonders der Kranken bey dessen inner¬
lichen und äußerlichen Gebrauch aus Vernunfft-Gründen
erläutert und durch die Erfahrung bestättiget“ er¬
scheinen ließ, gleichsam eine verbesserte Auflage einer
bereits 1738 herausgegebenen Schrift.
ln der Einleitung heißt es: Die schweren Zeiten
haben gar vielen den Wein- und Bier-Zahn aus¬
geschlagen, auch ihre Beutel außer Stand gesetzet, die
in den medicinischen Küchen bereiteten kostbahren
Assietten und den Aufwand in den mineralischen Ge-
sund-Brunnen zu bezahlen, und sie haben sich desto
eher bewegen lassen bey vorfallenden Unpässlichkeiten
oder auch nur zur Praeservirung die von allen öffent¬
lichen Quellen und Flüssen ihnen umsonst angebothne
Universal-Medicin sowohl mit Trincken als Baden zu
ersuchen, da es sich dann gefüget, dass ihnen solches
am Leibe und Beutel gar wohl bekommen, auch andere
daher ihnen nachzufolgen desto mehr sind ermuntert
worden. Es ist demnach die heylsame Wasser-Fluth
glücklicherweise so sehr eingerissen, und der inner¬
liche und äußerliche Gebrauch des frischen Wassers
beynahe so starck mode geworden, daß man itzt den¬
jenigen vor einen altväterischen, der nicht recht zu
leben wüsste, halten würde, welcher etwan einen
kalten Trunck bescheid zu thun, oder das kühle Wasser
an seinen zärtlichen Leib zu bringen oder andern
solches zu rathen, sich noch etwan scheuen möchte.“
Freilich, so ganz auf eigenen Füßen steht unser
Hahn auch nicht; er bekennt freimütig, daß er der be¬
reits 1702 zu London gedruckten und bei den Deutschen
nicht recht bekannt gewordenen Psychrolusia von
Floyer viel verdanke, welcher 1697 schon über den
rechten Gebrauch der kalten, heißen und temperierten
Bäder in seinem Vaterland eine lesenswerte Schrift
veröffentlichte.
Zunächst macht uns Hahn mit den fürnehmsten
Eigenschaften des Wassers bekannt, von denen auch
alle seine Kräffte herstammen, durch die es alle
Wiirckungen im menschlichen Leibe verrichtet.
Dem innerlichen Gebrauch des Wassers wird der
Vorrang eingeräumt und so erfahren wir denn von der
Krafft des frischen Wassers einzudringen, aufzuquellen,
aufzulösen, zu zertheilen, zu verdünnen. Das Wasser
schickt sich vor allen Liquidis zu der Menschen ordent¬
lichen Tranck. Ob wohl etwan der Wein ihm an Krafft
die Speisen aufzulösen und verdauen zu helfen nicht
gar viel nachgeben möchte, und er, mässig gebraucht,
eine gute Stärckung abgiebt, auch sonsten mancherley
Würckungen besitzt, so ist er doch an ihm Selbsten ein
scharffes, angreiffendes, Hitze und Trockenheit machen¬
des Wesen, welches ohne großen Schaden nicht so
häuffig darff genossen werden ... In Quantität und
ganz allein genossen, würde er unser gantz Geblüte
über die massen erhitzen und wallend machen, wie die
glüenden und zum Teil kupfferigen Gesichter der
Bacchusbrüder bezeugen; er würde unsere Lebens¬
geister in allzu große Bewegung und Unruhe setzen
und gar zerstreuen, die Nerven angreiffen. Glieder-
Schmertz und Zittern, ja noch mehrere böse Zufälle ver¬
ursachen, welche diejenigen nur allzu zeitlich erfahren,
die sich den Rebensafft gar zu wohl schmecken lassen,
denen aber die verniinfftigen und behutsameren Ein¬
wohner der Wein-Länder zuvor kommen, indem sie
ihn mit vielem Wasser, als einem die Schärffe und
Hitze lindernden Fluido vermischen oder begleiten.
Mit dem Biere ist es nicht besser beschaffen . . .
Es ist wohl wahr, daß das Bier viel Nahrung giebt,
aber manche Leiber auch nur allzusehr aufschwemmt,
zu viel und zu starke Säffte zeuget, denen wieder Lufft
zu machen nicht wenige sich an das Aderlässen ge¬
wöhnen ...
Alle diese Ungelegenheiten, so wir vom Bier und
Wein bey dessen häut'figen Gebrauch zu befürchten
374
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 24
haben, sind vom schlechten Wasser keineswegs zu be¬
sorgen, denn es ist viel zu gelinde, als daß es unsere
Glieder angreiffen oder unsere Lebensgeister beunruhi¬
gen sollte, und viel zu subtil, als daß es die geringste
Verstopfung auch in den allerzärtesten Gefässen
machen könnte . . . Zwar finden sich bei dem Wasser-
Trincken, besonders bey den Anfängern, etliche Um¬
stände, welche manchem Bedenken zu machen pflegen.
Nehmlich einige beklagen sich, daß ihnen das frische
Wasser Magen-Beschwer verursache und gar den
Magen schwäche. Nun ist nicht zu leugnen, daß in
mancher Menschen Magen sich öffters ein Wust von
allerley schleimichten, scharffen, saltzigen, irdenen und
anderen mit einander vermischten Dingen befinde. Das
Wasser aber, als ein seiner sehr subtiler Cörper, löset
das im Magen befindliche vermischte schleimichte Wesen
auff und schweifft es von seinen Wänden ab . . .
Andere fürchten sich mit dem Wasser den Magen zu
schwächen, aber es ist nur die bloße Furcht; in der
That geschieht es ganz anders als sie besorgen; denn
wenn man nachfragt, ob sie beym Wassertrincken auch
noch guten Appetit zum Essen behielten, so werden sie
meistens gestehen müssen, dass sie dabey grösseren
Hunger als beym Biere hätten und eine stärckere Mahl¬
zeit verrichteten . . . Noch andere stellen sich vor,
dass sie vom Wasser-Trincken ihre Fettigkeit oder
ihre Gesichts-Farbe verliehren . . . Doch kenne ich
so viel Wasser-Trincker, welche dabey recht wohl bey
Leibe geblieben und eine blühende gesunde Farbe be¬
halten; einige aber, die vorher ein gedunsen, schwäm-
micht und folglich ungesundes Fleisch gehabt, haben wohl
dem Ansehen'nach ein wenig von ihrem aufgestopfften
Wesen verlohren, aber dagegen hat sich bey ihnen ein
festes,- gedrungnes, folglich.gesundes Fleisch angesetzet
usw. Ein wenig mehr hat die Klage derjenigen zu be¬
deuten, welche vom Wasser einige Verhärtung oder
Verstopffung des Leibes wahrnehmen. Es hat die Sache
an sich selbst wohl seine Richtigkeit . . . aber es ge¬
schieht nur im Anfänge . . .
Frisch Wasser ist stets gesünder als Bier, . . . und
wo schlecht Wasser ist, da fällt auch kein gut oder ge¬
sundes Bier, denn die Kochung und Jährung benimmt
wohl dem Wasser einige grobe Unreinigkeit, aber nicht
alle mit demselben intim vermischten Ingredientien, zu
geschweigen, dass in den meisten Wirths-Häusern
mehrmahlen schlecht Bier als schlecht Wasser zu
finden.
Dann kann man nicht genug die lindernde Krafft
des Wassers hervorkehren, sodaß wir dieses einfältige
Geträncke denen Krancken gantz besonders recommen-
diren. . . Hiebey werde es sich gar wohl schicken Vor-
urtheyle zu widerlegen, nehmlich, dass des Nachts¬
und nüchterne Wassertrincken schädlich sey ... Mit
dem Stein behaftete, Podagrische, scorbutische Leute
und auch die Säug-Ammen solten sich diese Lehr wohl
zu Nutze machen.
Wir wollen dann darthun, daß das kalte Wasser vor
die Gesunden sich am besten schicke, nicht nur allein vor
starcke und erwachsene, sondern auch vor zarte und
junge Kinder, welche sowohl als die jungen zarten
Pflantzen vom warmen Wasser verderben,hingegen vom
kalten munter und gesund und in ihrem Wachsthum
befördert werden. . . Es ist ein allgemeiner Trieb aller
Menschen, daß sie kalt Geträncke, auch zur Winterszeit,
verlangen, um die innerliche Hitze zu mässigen und die
Verschwendung der Feuchtigkeiten aufzuhalten . . .
.je dünner und subtiler ein Tranck ist, desto besser
schickt er sich vor unseren Cörper und das so gar feine
Gewebe seiner Gefässgen: Nun haben wir aber ange-
mercket, dass das kalte Wasser viel dünner sey, als
das warme und leichter denn dieses in die allerzärtesten
Dinge eindringen könne. Warm Wasser ist aber nicht
nur selbst gröber, als das frische, sondern es verdickt
auch gar das Geblüte und andere Säffte unseres Leibes.
Heißes Wasser solvirt zwar gut, aber verderbt den
Magen, unser Leib bedarff aber der Abkühlung.
Ob. frisch Wasser auch wegen seiner kühlenden
Krafft sich vor Krancke überhaupt schicke, ist eine
andere Frage. Freilich derAppetit der Patienten könnte
hier die beste Entscheidung geben, denn die meisten
würden das frische Wasser begierig trincken, wenn
sie nicht oftmahls sich eine unbegründete Furcht oder
die strenge Ordre der Medici davon abhalten Hessen.
Dazu besitzen die allermeisten ein weit erhitzteres Ge¬
blüte als Leute, die sich wohl aufbefinden, denn es sind
wenig Kranckheiten, die nicht etwas fieberhafftes bey
sich führen . . . Dann aber ist daran zu erinnern,
dass diejenigen, welche das frische Wasser-Trincken
als eine schädliche Sache verwerffen, sich öfters mit
der That selbst widersprechen, indem ja die meisten
derselben ihre Patienten, auch in solchen Anfällen, da
eben keine sonderliche Hitze eine ausserordentliche Ab¬
kühlung erfordert, in die Brunnen reisen und sie daselbst
das kalte mineralische Wasser in großer Menge bis zur
Schauer eingichten lassen . . . Doch mineralische
Wasser heissen ja Gesund-Brunn, darum müssen sie ja
gesünder seyn, als die, so diesen Nahmen nicht führen!
Thiere trincken die mineralischen Wasser kaum bey
dem heftigsten Durste . . . und mir scheint es wenig¬
stens sehr wahrscheinlich, daß, da die mineralischen
Wasser meist in unwegsame Oerter relegirt sind,
solchen eine vorsichtige Behutsamkeit des allerweise¬
sten Schöpffers andeute . . .
Ungleich größer ist der Nutzen des frischen Wasser-
Trinckens in langweiligen Krankheiten, besonders aber
in der Wassersucht . . ., 'dann aber mit seiner Krafft
zu reinigen und abzuwaschen. Was sie zur Reinlich¬
keit der Haut beytrage, liegt offenbar. Gleichwie aber
das Wasser überhaupt vor anderen Feuchtigkeiten, also
hat besonders das kalte zum Waschen den Vorzug für
den warmen. Darum nun, an statt vom kalten Waschen
Schaden zu befürchten, werden wir erweisen können,
daß es ungemein gute Dienste thue und zwar besonders
zur äußerlichen Reinlichkeit der Haut. Zwar mag wohl
das Wasser die Hesslichen nicht schön machen, noch
die Nähte der zerrissenen und zerfetzten Haut, so wenig
als die Runtzeln der alten Jungfern wieder glatt biegeln
oder die von Natur verzerrten Lineamenten verändern,
aber doch ist es vermögend, die noch gegenwärtige
Schönheit ziemlich zu erhalten, auch nach Beschaffen¬
heit der Zeit und Umstände zu verbessern, nemlich in
so weit die Haut etwas dazu beyträget. Der Brandt¬
wein soll zwar dieselbe glatt anziehen und gläntzend
machen, andere erwählen den Wein zum Waschen, weil
er namentlich die Haut stärken soll, andere versuchen
Jungfern-Milch, aber man verwende lieber zur Reini¬
gung des Cörpers ein solches Wasser, welches auch
zum Kochen und Waschen das beste ist, vornehmlich
ein reines, dünnes, gelindes Fließ- oder Regenwasser,
welches nicht nur den Koth am leichtesten wegnimmt,
sondern auch die Haut gezüge und weich erhält, da sie
vom harten Brunnwasser risch und spröde zu werden
pflegt.
Was aber das frische Waschen in hitzigen und an¬
deren Krankheiten den äußerlichen und innerlichen
Theilen nützet, ist klar zu erweisen und beruht meistens
auf dem Nutzen, den die Haut davon empfindet. — So
geht denn Hahn eine Reihe von Krankheiten im ein¬
zelnen durch und rühmt die Folgen der kalten Waschun¬
gen, die zusammenziehende und stärkende Krafft des
frischen Wassers in mancherley Zufällen, was wir im
einzelnen wohl fortlassen können.
/ER
I/CDCIT
Nr. 24
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
375
Dann aber ist des frischen Wassers Krafft zu ge¬
denken die erkälteten Glieder wieder zu erwärmen. Ist
nun die erwärmende Krafft des kalten Wassers in von
äußeren Ursachen erfrorenen Gliedern nicht zu leugnen,
so werden wir uns auch von ihm guter Dienste zu ver¬
sehen haben, in der Erstarrung und Erkältung derselben
von innerlicher Beschaffenheit des Leibes. Frisch
Wässer härtet ab und das Waschen mit kaltem Wasser
kommt auch im Winter denen, so es gewohnt sind,
besser zu statten als ein Peltz. Und doch hält die
Patienten Nichts mehr vom frischen Wasser mehr ab
als die Furcht, daß sie durch die Haut, vermöge der
Ausdämpfung, oder des Schweißes oder gewisser Aus¬
schläge von der Haut auszutreibenden bösen Feuchtig¬
keiten nicht nur daran verhindern, sondern gar wieder
zurücke in die inneren viel edleren aber desto gefähr¬
licheren Teile treiben und also das Uebel ärger machen
möchten. Das kalte Waschen befördert aber mehr als
es hindere den Ausfluß der bösen Feuchtigkeiten.
Ob zwar das frische Wasser-Trincken auch zur
Dämpffung der äußerlichen Schmertzen, sowie das
äußerliche kühle Waschen zu Stillung der innerlichen
gar oft etwas beyträgt, so ist doch gewiß, daß die
Schmerzlindernde Kraft des Wassers bey innerlichen
Schmertzen am meisten durch das Trincken, gleichwie
bey äußerlichen Wehtun vornehmlich durch das
Waschen befördert werde. Die Schmerzen überhaupt
werden zwar nur allein von den festen Theilen unseres
Leibes empfunden, auch liegt die Ursache zuweilen allein
an ihrer veränderten Beschaffenheit, aber die flüssigen
Theile haben gemeinlich am meisten Schuld, besonders
an den innerlichen Schmertzen. Durch das Frisch¬
wassertrinken werden aber die inneren Säfte verdünnt,
die Wallung und Aufbausung wird beschwichtigt, durch
den Schweiß wird vieles nach außen getrieben und be¬
seitigt usw.
Doch ich bin des Beweisens und Betheuerns über¬
drüssig und wenn jemand die angeführten Gründe noch
nicht zulänglich befindet, ihm seine Furcht vor dem
kalten Wasser zu benehmen und von einen vielfältigen,
ja beynahe allgemeinen Nutzen ihn zu überzeugen, den
will ich auf die Erfahrung verweisen . . . Ich habe
schon mehrmals das Vergnügen gehabt, daß Leute,
welche von dem Wasser und dessen Ocunit vorgenom¬
menen Curen recht lästerlich geredet, wenn sie an ihren
ßekandten dessen Wiirckung augenscheinlich und be¬
ständig wahrgenommen, gantz in der Stille umgekehret
und dieses vorhin so verhaßte Geträncke, ohne daß es
ihnen gerathen worden, sich Selbsten haben belieben
lassen.
Und so wollen wir mit dem Spruch schließen, der
die Titelvignette des Hahn sehen Buches schmückt:
Mann, Weib, Ding kann ohne Schaden
Lustig Trincken, lustig baden.
Wiener Brief.
Von Dr. Sofer, Wien.
Im Wiener medizinischen Doktorenkollegium
sprach Ernst Urbantschitsch über Schmerzem¬
pfindungen im Bereiche des Gehöror¬
gans: An der Ohrmuschel tritt der Schmerz in beson¬
ders heftiger Weise bei phlegmonösen Entzündungen
sowie mitunter bei Herpes und Karzinom auf. Aber auch
z. B. einfache Komedones verursachen ausgesprochene
Schmerzen, weil Knorpel und Haut hier durch kurzes,
straffes Bindegewebe miteinander verbunden sind.
Als schmerzlindernd kommen in erster Linie
kühlende Umschläge in Betracht (mit Burow), ferner
besonders mit 70 pCt. Alkohol; höherprozentiger
Alkohol härtet das Gewebe, wodurch die Tiefenwirkung
beeinträchtigt wird. Bei Karzinom müssen wir oft zur
Morphiumspritze greifen. Von schmerzhaften Er¬
krankungen wären gewisse Dermatiden: Verbrennung
und Erfrierung zu erwähnen. Therapeutisch wäre bei
Erfrierungen davor zu warnen, den erfrorenen Partien
rasch Wärme zuzuführen; Abreibungen mit Schnee
oder kühlem Wasser sind am geeignetsten. Späterhin
kommen Bestreichungen mit Jodtinktur oder Jod-
kolodium, ferner mit Guttapercha (gelöst in Chloro¬
form) in Betracht. Leider neigen einmal erfrorene
Partien sehr zu Rezidiven; das Schmerzgefühl macht
sich dann besonders in der Wärme oder Kälte fühlbar.
Bei derartigen Rezidiven ist vor allem die systema¬
tische Massage mit Jod-, Menthol- oder Kampfersalben
zu empfehlen. Bei Stichen gewisser Insekten (Aas¬
fliegen, Bienen, Wespen) empfiehlt sich eine gründliche
Desinfektion der betreffenden Stelle und die Anwen¬
dung von Ammoniak (Salmiakgeist), oberflächliche
Entzündungen des Trommelfells pflegen ge¬
wöhnlich nicht übermäßige Schmerzen zu erzeugen;
am häufigsten sieht man ihn noch bei Mykosen. Finden
aber Exsudationen in die substantia propria statt oder
liegen interstitielle Abszesse vor, so können die
Schmerzen das Krankheitsbild beherrschen. Gegen
diese Schmerzen empfiehlt U. Kokainlösungen (3 bis
5 pCt.) oder Alypin - Tonogenlösungen (5 pCt.) oder
Thigenolglyzerin (4 : 20). Wichtig ist, daß die Tropfen
vorher auf Körpertemperatur erwärmt und längere Zeit
(etwa 5 bis 15 Minuten) im Ohr belassen werden. Auch
5 pCt. Karbolglyzerin, evt. mit Zusatz von Tinct. opii
simpl. kann den Schmerz lindern, besonders wenn zur
Zubereitung das englische Glyzerin (Glyc. Brit. Pharm.
Be. 31°) verwendet wird, das ein bedeutend größeres
spezifisches Gewicht und daher ein intensives Diffu¬
sionsvermögen besitzt. Gegen Mykosen wirkt häufig
2 pCt. Salizylspiritus. Bei interstitiellen Abszessen muß
man inzidieren.
A. Burn spricht über die Aufgaben des
Arztes in der Unfallversicherung der
Arbeiter. B. präzisiert die Mitwirkung in den drei
Phasen: bei der ersten Intervention, im Heilverfahren
und in der Begutachtung. Der erstintervenie¬
rende Arzt, dem auch die Erstattung der Unfall¬
anzeige obliegt, soll sich einer klaren, unzweideutigen,
den Mechanismus und die Effekte der Verletzung
lückenlos präzisierenden Diktion befleißigen, da hier-
drucli die Aufgabe des Gutachtens erleichtert wird. Die
prognotischen Fragen des Formulars sollen mit aller
Reserve, aber mit Ausschluß hypothetischer Antworten
erledigt werden. Markierung der Grenzen ärztlichen
Wissens ist ihrer Vermischung vorzuziehen. Die
erste Hilfe zeitigt erfahrungsgemäß zuweilen Mi߬
griffe. die die spätere Funktion des verletzten Teiles
beeinträchtigen. Sie betreffen zumeist die Wundver¬
sorgung und resultieren nicht selten aus einer gewissen
Polypragmasie des Helfers (primäre Wundnaht nach
ungenügender Vorbereitung der Wunde, definitive
Blutstillung am Unfallsorte, Vornahme der Sehnennaht),
Maßnahmen, die nach Anlegung eines provisorischen
Verbandes zweckentsprechender im Krankenhause er¬
folgen. Der behandelnde Arzt soll die funktio¬
neile Restitution des Verunfallten neben der anatomi¬
schen Wiederherstellung stets vor Augen haben. B.
kann jedoch eine funktionelle Therapie in der allzu¬
langen Immobilisierung von Gelenks- und Knochen¬
verletzungen ebensowenig erblicken, wie in der
Fixierung verletzter Extremitäten in funktionell un¬
günstiger Stellung. B. empfiehlt daher Extensionsver¬
bände und rechtzeitige Heranziehung mobilisierender
Behandlung. Von großer Wichtigkeit erscheint der
376
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 24
Ausspruch des Heilverfahrensschlusses, I gestattet. Die meisten Gemüse sind erlaubt, sie sind
der zu erfolgen hat, wenn anatomische und funktionelle
Heilung eingetreten ist, wenn die anatomische Heilung
vollständig, die funktionelle nur teilweise erfolgt ist,
jedoch begründete Aussicht besteht, daß die Funktion
in absehbarer Zeit durch die Arbeit selbst hergestellt
oder doch wesentlich gebessert werde, endlich, wenn
keine Aussicht besteht, den Verletzten durch irgendeine
Behandlungsart, zu deren Duldung er gezwungen
werden kann, der Besserung oder Heilung zuzuführen.
Dem begutachtenden Arzt obliegt die präzise Beant¬
wortung zahlreicher Fragen zunächst der Erwerbs¬
fähigkeit. Hierbei wird die Wichtigkeit der näheren
Umstände des Einzelfalles (Mechanismus, Intensität,
Lokalisation der Verletzung, Zeitraum zwischen Be¬
triebsunfall und Auftreten der ersten Unfallsfolgen,
somatisches und psychisches Vorleben des Verun¬
fallten) ebenso besprochen wie das wissenschaftliche
Kriterium seitens des Gutachters, dessen Aufgabe durch
genaue Kenntnis der Literatur der ärztlichen Unfall¬
kunde sowie der „zweifelhaft traumatischen Erkran¬
kungen“ und Verschlimmerung bestehender Krankheit
durch Träumen erleichtert wird. Anderseits hat die
Unfallskunde durch sorgfältige klinische Untersuchung,
genaue Beobachtung und experimentelle Nachprüfung
die Wissenschaft selbst gefördert und manche unauf¬
geklärte, pathologische Erscheinung gedeutet. B. ver¬
weist auf die Kenntnis der posttraumatischen akuten
Osteomyelitis (T h i e m), der traumatischen Lokal¬
tuberkulose (P i e t r z i k o w s k i), der akuten trauma¬
tischen Knochentrophie (Sude k), der traumatischen
Erkrankungen der Muskeln, Faszien und des subkutanen
Zellgewebes (Myositis ossificans und hartes traumati¬
sches Oedem), auf Kümmels traumatische Spondy¬
litis, R o c h e r s Kontusion der Intervertebralscheiben,
andere scheinbar leichte, durch genaue Untersuchung
als Wirbelfrakturen festgestellte Verletzungen der
Wirbelsäule, auf den Zusammenhang zwischen Schädel¬
verletzung und Gehirnabzeß und Spätapoplexie, auf die
traumatische Verschlimmerung systematischer Rücken¬
markserkrankungen, Neurosen und Psychosen. Bei
dem objektiven Befund verweist B. auf die zahlreichen
Imponderabilien, die der Arzt angesichts der mißtraui¬
schen und oft unaufrichtigen Rentenbewerber zu be¬
kämpfen hat und warnt vor Voreingenommenheit und
allzu häufiges Annehmen von Simulation, die er¬
fahrungsgemäß zu den Seltenheiten gehört. Häufiger
sei Aggravation — nicht nur beim Proletariat —, der
zielbewußt zu begegnen sei. Sie ist menschlich und
darum entschuldbar.
In der „Gesellschaft für physikalische Medizin“
sprach Th. R. O f f e r über die diätetische Be¬
handlung der Fettsucht. Die wichtigste For¬
derung bei Entfettungskuren ist, das Körpergewicht
herabzusetzen, ohne den Eiweißbestand des Körpers
zu schädigen. Bei leichter Arbeit sind 35—40 Kalorien
pro Kilogramm Körpergewicht zur Erhaltung not¬
wendig, bei schwerer Arbeit 40—45 Kalorien. Die Ent¬
fettungsdiät ist so zu wählen, daß die überschüssigen
Fettdepots verbraucht werden. Noorden teilt die
Entfettungskuren in drei Grade ein: 1. Es wird aus der
Nahrung alles Fett weggelassen. Gemüse und Mehl¬
speisen sind fettarm, keine Süßigkeiten, Einschränkung
des Bier- und Weingenusses. 2. Mehlspeisen, Milch und
Alkohol sind außerdem verboten. Bei dem 3. Grade
wird die Beschränkung noch weiter getrieben. Auf die
Dauer wird eine leichte Beschränkung der Fettzufuhr
leicht vertragen. Fleisch ist in gekochtem Zustande zu
empfehlen. Eier haben einen großen Fettgehalt,
namentlich das Eigelb, Milch soll ganz verboten oder
eingeschränkt werden. Käse ist verboten, Topfen
/ERSITY OF MICHIGAr
auch wegen ihres hohen Zellulosegehaltes empfehlens¬
wert, weil sie ein Gefühl von Sättigung hervorrufen;
Wurzelgemüse sind einzuschränken, weil sie viel
Kohlehydrate enthalten; die Zubereitung der Gemüse
soll möglichst ohne Fett erfolgen. . Uebermäßige
Flüssigkeitszufuhr ist einzuschränken, ebenso der Ge¬
nuß von Alkohol, weil er ein Fettsparer ist; bei Ent¬
fettungskuren des 2. und 3. Grades ist er ganz zu ver¬
bieten. Im Tage sollen möglichst wenige Mahlzeiten
gehalten werden; besonders bei Zwischenmahlzeiten
sollen Speisen verwendet werden, die sättigen, aber
wenig Nährwert haben; bei den Hauptmahlzeiten muß
die Wage die Kontrolle über die eingeführten Nahrungs¬
mengen übernehmen. Im Laufe der Zeit haben sich be¬
stimmte Entfettungskuren herausgebildet, z. B. Milch-,
Kartoffelkuren usw.; sie bewirken zwar schnell eine
Abmagerung, schädigen aber den Organismus,.weil sie
eigentlich Hungerkuren sind.
Emil Schwarz sprach über die Therapie
des Fettherzens. Beim Mastfettherzen findet
man gewöhnlich einfache Atrophie der Muskelfasern, in
anderen Fällen eine eigentümliche Matschheit derselben.
Die Fettdurchwachsung des Herzens spielt eine ge¬
wisse pathologische Rolle, die Muskulatur wird durch
das Fett auseinandergedrängt und sogar in einzelne
Fasern zerlegt. Außerdem behindert das Fett die
Herzarbeit, weil es als eine nicht kompressible Masse
anzusehen ist. Alle Herzerscheinungen bei Fettleibigen
sind nicht auf die Umwachsung des Herzens mit Fett
zurückzuführen, es schafft auch noch das Körperfett
periphere Widerstände im Kreislauf, so daß ein Mi߬
verhältnis zwischen dem Herzen und der Strombahn
entsteht. Die Fettleibigen neigen auch zu Arterio¬
sklerose. Der Alkohol ist nicht nur ein Fettsparer,
sondern er wirkt auch schädigend auf das Herz und die
Gefäße; reichliche Flüssigkeitsaufnahme bedingt schon
an sich eine Strombelastung für das Herz. Mit der
Diagnose Fettherz ist vielfach Mißbrauch getrieben
worden, man soll bei Fettleibigen nicht früher die
Diagnose auf Herzinsuffizienz stellen, bevor nicht
Arbeitsdysponoe vorhanden ist. Beim Herzen der Fett¬
leibigen ist eine Prophylaxe möglich, die bei einem
mageren Menschen nicht durchführbar ist; bei den¬
jenigen Fällen, die schon in der Kindheit Anzeichen der
erblichen Fettsucht zeigen, kann in der Wachstums¬
periode durch Training die Körpermuskulatur und
damit auch das Herz gestärkt werden. Dabei ist der
Radfahrsport zu meiden, weil bei ihm leicht das Herz
überanstrengt werden kann. Bei anämischen Fett¬
süchtigen ist die Behandlung der Anämie wichtig. Die
Therapie der schon vorhandenen Fettinsuffizienz bei
Fettsucht ist von der Behandlung anderer Herz¬
insuffizienzen dadurch unterschieden, daß die Ursache
behoben werden kann. Rasche Entfettungskuren sind
bei schwachem Herzen kontraindiziert, Flüssigkeits¬
entziehung darf man nicht zu weit treiben, damit nicht
die Viskosität des Blutes gesteigert wird. Methodische
abführende Trinkkuren sind von Nutzen, vielleicht
spielt bei ihnen die Steigerung der Zirkulation in den
Bauchgefäßen eine wichtige Rolle. Der Gebrauch von
Kohlensäurebädern muß ärztlich beaufsichtigt werden.
Steigt der Blutdruck an, die Pulsgröße dagegen nicht,
so ist die Entleerung des Herzens ungenügend. Die
Arbeitstherapie bezweckt die Kräftigung des Herzens
durch die Arbeitsleistung des Körpers; dabei werden
große Anforderungen an das Herz gestellt, und die Blut¬
verteilung ist geändert. Bergsteigen ist zu vermeiden,
dagegen gestattet die Mechanotherapie eine exakte
Dosierung.
Nr. 24
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
377
In der „Gesellsch. d. Aerzte“ sprach E. v. A r 11
über Cuprum citrium solut. und seine An¬
wendung bei Augen- und Hautkrankheiten. Cuprum
citricum gehört zu den schwer löslichen Kupfersalzen.
Seine Löslichkeit wurde mit 1 : 9193 destilliertes Wasser
und 1 : 7700 einer 1 prozentigen Kochsalzlösung er¬
mittelt. A. gelang es, seine Löslichkeit zu erhöhen;
gegenwärtig ist er bei einer 1 prozentigen Lösung an¬
gelangt. Erreicht wurde dieses, therapeutische Novum
durch Zusatz von Chlornatrium und Natr. borocitricum
im Gesamtbeträge von 1,2 bis 3 pCt., je nach der Stärke
der gewünschten Lösung. Es gibt dreierlei derartige
K u s o 1 Präparate: Kusolkollyrium, Kusolsalben und
Kusolpulver. Das Kusolkollyrium ('/a pCt.) erzeugt
keinen Reiz oder Schmerz. Es ist indiziert bei ganz
frischen Trachomen, dann bei alten Narbentrachomen,
dann nach mechanischer Behandlung, ferner bei Conj.
follicul, v. Zeissl hat dieses Mittel (1:350) bei
Urethriden mit Erfolg angewendet.
E. Krau s sprach im Brünner Aerzteverein über
neuere Behandlungsmethoden des Aus¬
flusses bei Frauen. Die bisher geübte Tampon¬
behandlung befriedigt nicht; die in Glyzerin gelösten
Medikamente gelangen fast gar nicht zur Resorption.
Dagegen konnte K. durch Einstäuben von Gips
mittels eines Pulverbläsers in die Scheide Erfolge bei
der symptomatischen Behandlung des Ausflusses er¬
zielen. Nassauer hat Bolus alba zu diesem Zwecke
empfohlen. K. behauptet nun, daß der Gips stärker
austrocknend wirkt als Bolus alba.
REFERATE.
Pharmakologie.
Referent: Privatdozent Dr. C. Bachem, Bonn.
1. Lieber die Wirkung der Colomboalkaloide. Von Biber¬
feld, Breslau. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. Bd. 7, S. 569.
2. Beiträge zur Kenntnis der Wirkung des Arekolins auf den
Darm. Von Pätz, Breslau. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap.
Bd. 7, S. 577.
3. Beiträge zur Urobilinfrage. Von F r o m h o 1 d t, Moskau.
Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. Bd. 7, S. 716.
4. Ueber die Beeinflussung von Narcoticis durch Skopolamin.
Von Hauckoldt, Berlin. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap.
Bd. 7, S. 743.
5. Ueber die Ausscheidung von anorganischem und organisch
gebundenem Brom durch den Urin nach Einfuhr organischer Brom¬
präparate. Von Eva Bermann, Schitkowitschi. Therap. Monats¬
hefte 1910, Nr. 4.
6. Automors und Morbizid im Vergleich zu älteren Desinfek¬
tionsmitteln (Karbol, Lysol, Lysoform). Von Friedländer,
Berlin. Therap. Monatsh. 1910, Nr. 4.
7. Notiz über eine klinische Methode der quantitativen Bestim¬
mung der Harnsäure im Blutserum. Von Roethlisberger,
Genf. Münch, mediz. Wochenschr. 1910, Nr. 7.
8. Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Bismutum subnitricum
und Widerlegung der Irrtiimer L. Lewins auf Grund eigner klinischer
und experimenteller Untersuchungen. Von Schum & Lorey,
Hamburg. Hamburger medizinisch-kritische Blätter, Bd. 1, S. 76.
1. Die Wirkung der drei Colomboalkaloide, Jateorrhizin, Colum-
bamin und Palmatin. ist prinzipiell fast die gleiche, graduell allerdings
verschieden. Sie lähmen bei Fröschen das Zentralnervensystem.
Eigenartig ist die diesen Basen zükommende lähmende Wirkung auf
die Atmung, die ihre Ursache in einer Lähmung des Respirations¬
zentrums haben muß; sie ist sehr deutlich und wird bei kaum
einem Pharmakon (außer Morphin) in gleichem Maße beobachtet.
Palmatin wirkt in dieser Hinsicht sogar noch stärker als Morphin.
Auffallend stark ist — besonders beim Palmatin — die Blutdruck¬
senkung nach intravenöser Injektion; diese ist bedingt sowohl durch
Herzschädigung, als auch durch zentrale Vasamotorenlähmung.
Möglicherweise sind Palmatin und Jateorrhizin Blutgifte und wirken
ähnlich wie Arsenik durch Verlegung der Blutgefäße.
Für die therapeutische Verwendung der Colombowurzel als Mittel
gegen Darmkatarrh haben die B i b e r f e 1 d sehen Versuche keine
neuen Gesichtspunkte ergeben. Die Versuche am isolierten Darm
ergaben nichts, was mit Sicherheit auf eine diesbezügliche Wirkung
hindeutet. Vielleicht darf an eine narkotische Wirkung der drei ge¬
nannten Stoffe gedacht werden.
Jedenfalls ist man, wie Veriasser meint, vorläufig nicht be¬
rechtigt, den Bitter- und Schleimstoffen der Colombowurzel einen
wesentlichen Anteil an der therapeutischen Wirkung abzusprechen.
Ueber die Verwertung der einzelnen Alkaloide (Palmitin) nicht in
anderer Hinsicht therapeutisch benutzt werden können, z. B. auf
Grund ihrer Wirkung auf die Atmung, bleibt weiteren Unter¬
suchungen Vorbehalten.
2. Arekolin wirkt nach den P.schen Versuchen erregend und
zwar die Rhytmizität verstärkend und tonussteigernd auf die intakten
Darmschlingen (von Dick- und Dünndarm), sowie auf Präparate, die
nur den Auerbachschen Plexus enthalten. Eine glatte Dauerkon¬
traktion wird ausgelöst beim plexusfreien Ringmuskel, sowie bei Prä¬
paraten, die nur den Meißnerschen Plexus in Verbindung mit der
Muskularis mucosae enthalten. Das Gift greift demnach sicher
peripher vom Auerbachschen Plexus an.
Bezüglich des Antagonismus zwischen Arekolin und Atropin
ergab sich folgendes: Das Atropin hebt schon in minimalen, den nor¬
malen Darm nicht lähmenden Mengen jede Bew'egungserregung des
Arekolins am isolierten überlebenden Katzendarm auf. Die Energie¬
größe der vorherigen Arekolinerregung ist dabei belanglos. Das
Atropin schw-ächt auch in minimalen, nicht lähmenden Dosen die
Wirksamkeit nachher verabreichten Arekolins dergestalt, daß nur
sehr große Mengen des letzteren einen beschränkten erregenden
Effekt haben. An dem durch Atropin vollständig gelähmten Darme
läßt sich auch durch größte Arekolinmengen keine Bewegungen aus¬
lösende Wirkung erzielen.
Dem Morphin ist keine Einwirkung auf den Grad und den Ablauf
der Arekolinerregung am überlebenden isolierten Katzendarme zuzu¬
schreiben.
Endlich hat Verfasser einige Versuche über die Beziehungen
zwischen Arekolin und Extraktum Opii in ihrer Wirkung auf die
Darmbewegungen angestellt. Das Opiumextrakt kann in kleinen
Dosen den normalen Darm vielleicht erregen. In geeignet großen
Mengen stellt es die automatische Bewegung des normalen Darmes
ruhig. Die Wirkung des Arekolins auf den durch Verabreichung von
Extraktum Opii beeinflußten Darm ist in ihrer Energie bedeutend be¬
schränkt und nur bei Verwendung relativ sehr großer Dosen des
Alkaloids von wesentlichem Erfolge. Der arekolinisierte Darm kann
durch geeignete Mengen Opiumextrakte (ca. 0,5 g in 2 L Ringer-
Lösung) völlig ruhig gestellt werden.
3. Die Ergebnisse der Arbeit gipfeln in folgenden Sätzen:
Das Urobilin ist sicher vom Hydrobilirubin M a 1 y’s verschieden.
Es enthält 5,93 °l o N, während dem Hydrobilirubin ein N-Gehalt von
9,45 °l o zukommt. Wahrscheinlich besitzen beide Pigmente die
gleiche Chromophore Gruppe. Die Urobilinausscheidung durch den
Harn ist großen Schwankungen unterworfen. Die Mengen des aus¬
geschiedenen Urobilins stehen in keinem Zusammenhang mit den
gleichzeitig ausgeführten Mengen Indikan und der Aetherschwefel-
säuren. Es gelingt weder mit Bilirubin- noch mit Hydrobilirubin-
einfiihrung in den Darm, Urobilinurie hervorzurufen oder zu steigern.
4. Das Skopolamin, das für sich allein beim Kaninchen keine
Narkose erzeugt, verstärkt die narkotischen Eigenschaften des
Urethans bedeutend. Kleine, an und für sich zur Narkose nicht aus¬
reichende Urethanmengen werden durch minimale Skopolamindosen
zu narkotischen. Aehnlich wirkt das Skopolamin in Verbindung mit
Morphin.
5. Anschließend an die Untersuchungen von B i 1 i n k i s (ref. diese
Zeitschr. 1910, Nr. 12) hat E. Bermann im Berner Pharmakologi¬
schen Institut die Frage nach der Bromausscheidung bei Zufuhr ge¬
wisser Brompräparate weiter behandelt. Verfasserin gelangt zu dem
Schlüsse, daß organische Bromverbindungen der aliphatischen Reihe
das Brom im allgemeinen vollständig abspalten, so daß es als Brom¬
kali im Harn erscheint. Sie tun das auch dann, wenn die aliphatische
Bromverbindung an einen weiteren aromatischen Kern gebunden
ist (z. B. im Bromvaleriansäureborneolester). Aromatische bromierte
Bromverbindungen, die das Brom im Kern enthalten, wie Bromol
und Brombenzol, spalten überhaupt kein Brom ab. Wahrscheinlich
kommen sie so, wie sie eingeführt werden, wieder zur Ausscheidung.
Bromipin,Bromeigon und Bromokoll verhalten sich durchaus ver¬
schieden. Am wenigsten organisches Brom spaltet Bromokoll ab,
am meisten Bromeigon, das auch am raschesten im Organismus
zerfällt; doch ist auch die Bromabspaltung beim Bromipin eine sehr
ergiebige.
Von Wichtigkeit für die Beurteilung der Wirkung eines Brom¬
präparates ist die Menge (in pCt.) des im Molekül enthaltenen Broms.
6. Zu den Arzneimitteln, die uns im Jahre 1909 mit gewaltiger
Reklame vorgeführt wurden, gehört auch das Desinfektionsmittel
„Automors“. Dieses Präparat entpuppte sich aber sehr bald als stark
schwefelsäurehaltig (ca. 15 °/n) und verbot sich schon allein deswegen
wie auch durch seinen Gehalt an Kresolen als freiverkäufliches Des¬
infektionsmittel. Die Aeußerungen der Fabrik über seine Giftfreiheit,
Geruchlosigkeit und hohe Desinfektionskraft sind nach den Fried¬
ländersehen Untersuchungen nicht zutreffend. Der hohe Säuregehalt
jst m Desinfektion von Wäsche, Metallgegenständen usw- hinder»
378
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 24
lieh. Es steht bezüglich seiner Wirksamkeit dem Karbol und Lysol
nach und ist nach Tierversuchen giftiger als Lysoform.
Des weiteren stellte Friedländer fest, daß Lysoform und Mor-
bizid für die praktische Medizin als Desinfektionsmittel bei Zimmer¬
temperatur überhaupt nicht in Betracht kommen, sie mögen dagegen
zum desinfizierenden Kochen von Wäsche usw. recht brauchbar sein;
allerdings ist ihre Giftigkeit nicht so gering, daß sie übersehen
werden darf.
7. Mittels der Methode des Verfassers gelingt es noch, in einem
Tropfen Blutserum 1—2tausendstel mg Harnsäure nachzuweisen und
so quantitative Resultate zu erhalten, die auf 100 ccm Blutserum be¬
rechnet auf 1—2 mg genau sind. Insbesondere sind die Konzentra¬
tionen von 0,00—0,06 °/o<» im Serum für diese Probe sehr geeignet.
Der Charakter der Reaktion besteht darin, daß an der Stelle, wo das
Serum auf das empfindliche Papier (näheres über dessen Darstellung
s. im Original) aufgetropft worden ist, je nach dem Gehalt desselben
an Harnsäure, ein in der Farbe und der Intensität sich verändernder
Fleck entsteht. Ist Harnsäure vorhanden, so zeigt sich ein gelber
Fleck, der mit zunehmender Konzentration der Harnsäure von gelb
in braunrot und dunkelbraun übergeht.
8. Die Verfasser treten zunächst der Anschauung L. L e w i n s
entgegeji, die darin gipfelt, daß nach großen Bismutum subnitricum
Gaben zu röntgenologischen Zwecken Vergiftungen zustande
kommen können, die allein auf die Wismut-Komponente zurückzu¬
führen und nicht als Nitritvergiftung zu deuten sind. Dieser Ansicht
L e w i n s stehen die Untersuchungen einer Reihe von Forschern ge¬
genüber, die in der genannten Vergiftung eine Nitritintoxikation sehen,
hervorgerufen durch Reduktion der Salpetersäure im Magisterium Bis-
muti. Schum m&Lorey haben verschiedentlich Methämoglobin
(als Folge einer Nitritvergiftung) im Blute intra vitam nachweisen
können. Dagegen zeigte sich bei den benutzten Ersatzpräparaten
Bismutum carbonicum und oxychloratum niemals eine Methämo¬
globinämie.
Weitere eingehende Mitteilungen stellen die Verfasser in
Aussicht.
Orthopädie.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lehr, Stuttgart.
1. Aetiologie der Arthritis deformans. ,Von Privatdozent Dr.
G. A. Wollenberg, Berlin. Zeitschr. für orthop. Chir. XXIV.
3. u. 4. Heft.
2. Gibt es eine genuine Madelungsche Handgelenksdeforinität?
Von Dr. Gängele, Zwickau. Ibidem.
3. Weichteilplastik bei Klunipfußredression. Eine neue Klump¬
fußoperation. Von Doz. Dr. Patrik H a g 1 a n d, Stockholm.
Ibidem.
4. Der obere tuberkulöse Kollumherd. Von Dr. Henning
Waldenström, Stockholm. Ibidem.
5. Ein Fall von angeborenem Riesenwuchs des Zeigefingers.
Von Dr. A. Dreifuß, Hamburg. Ibidem.
6. Beitrag zur Histologie des kongenitalen Riesenwuchses. Von
Dr. E. Bibergeil. Berlin. Ibidem.
7. Ein Fall von kongenitalem Fibidadefekt, kombiniert mit
vollständiger Aplasie der anderen Seite. Von Dr. S. Kofmann,
Odessa. Ibidem.
1. Nach den Untersuchungen des Verfassers wird die Arthritis
deformans durch Ernährungsstörungen infolge unrichtiger Zirkula¬
tionsverhältnisse hervorg'erufen. Weiterhin kommt das mechanische
Moment der Belastung und Bewegung hinzu. Die Belastung ver¬
biegt die weichen Gelenkkomponenten und führt eine plastische
Umformung derselben herbei. Die Bewegung anderseits schleift
den erweichten und zerfallenen Knorpel ab, hyperämisiert den blo߬
gelegten Knochen und führt so seine Sklerosierung herbei. Durch die
Reibung der Gelenkteile aneinander sowie an der Kapsel bezw.
Synovialis wird ein anfänglich kleiner Krankheitsherd auf das ganze
Gelenk ausgedehnt. Ferner befördert die durch die Funktion des
Gelenkes beständig erzeugte Hyperämie die proliferierenden
Prozesse.
2. Veröffentlichung von vier eigenen Fällen Madelungscher
Deformität. Verfasser weist besonders auf die Verschiedenheit der
Aetiologie der einzelnen Fälle hin und betont nachdrücklich, daß die
Deformität für uns nur ein Symptom sein kann und keine Krankheit
sui generis darstelle.
3. Bei einem 8 jährigen Mädchen mit hochgradigstem Klumpfuß
entstand bei dem in der gewöhnlichen Weise vorgenommenen Re¬
dressement auf der inneren Fußseite bis in die Sohle hinein ein tiefer
2—3 Finger breiter Hautriß nach Art des Schnittes der Phelpsschen
Operation. Anderseits war an der lateralen Dorsalseite ein großer
Vorrat von Weichteilen vorhanden. Von hier wurde ein großer ge¬
stielter Lappen mit Vermeidung der Klavi ausgeschnitten und in den
Defekt eingenäht. Eingipsen des Fußes in starker Equinusstellung
als Zwischenstation zur endgültigen Redression. Empfehlung dieser
neuen Operationsmethode, die ein ideales Heilresultat gab.
ERSITY OF MICHIGAN
4. Verfasser zeigt in zehn Fällen, daß ein tuberkulöser Herd im
oberen 'Feil des Kollum femoris sich bei Kindern von etwa 6—8
Jahren zu einem Zustande entwickeln kann, der in vieler Hinsicht
an Coxa vara erinnert. Da der obere Teil des Kollum bis zum
9. Jahre mit einer Knorpelschicht bedeckt ist, die eine direkte Ver¬
bindung zwischen dem Trochanterknorpel und dem Gelenkknorpel
des Kaput bildet, findet ein Durchbruch ins Gelenk statt. Der
tuberkulöse Charakter der Affektion wurde in allen Fällen durch
die Pirquetsche Reaktion festgestellt. Das klinische Untersuchungs¬
resultat ergibt immer Einschränkung der Abduktion, aber außerdem
auch oft Einschränkung anderer Bewegungen bis zur völligen
Fixation. Neben Hochstand des Trochanter findet man im Gegen¬
satz zur Coxa vara, daß der Trochanter mehr eingesenkt liegt als
auf der gesunden Seite. Das Röntgenbild zeigt, daß die Gelenk¬
flächen frei von jeder Destruktion sind und daß die an Coxa vara
erinnernde Deformität durch eine Einschmelzung des oberen Teiles
des Kollum und eines Teiles der Kopfepiphyse bedingt ist. Der
Kopf ist in seiner Gesamtheit abgeplattet und auf den oberen Teil
des Kollums hinausgeschoben. Es handelt sich also um ein
selbständiges Krankheitsbild, das der Coxa vara gegenüber wohl
charakterisiert ist und bei genauerer Prüfung nichts mit ihr ge¬
mein hat.
5. Verfasser hatte Gelegenheit, einen Fall von reinem Riesen¬
wuchs, der besonders den Zeigefinger der rechten Hand betraf, zu
beobachten. Während bei Elephantiasis meist nui die Weichteile
betroffen sind, handelt es sich hierbei um eine gleichmäßige Zu¬
nahme aller, in einem proportionalen Verhältnis zu einander
stehenden Gewebe. Eine gleichzeitig bestehende Abweichung des
Nagelgliedes nach der Ulnarseite wurde durch Operation korrigiert.
6. Die histologische Untersuchung eines Riesenwuchsfingers
von einem vier Monate alten Kind ergab der Hauptsache nach be¬
reits -wohl ausgebildete Knochenkerne in der Epiphyse der Mittel¬
und Endphalanx, Verbreiterung der Knorpelwucherungszone, äußerst
spärliche Kalkablagerung sowie Störungen in der endochondralen
Knochenbildung.
7. Beschreibung einer angeborenen Mißbildung, die in vollstän¬
digem Fehlen des Unterschenkels der rechten und einer hochgradi¬
gen Veränderung des linken besteht. Der linke Unterschenkel ist
in seinem unteren Teile eigentümlich verdreht und stützt sich auf
den Mittelfuß, während die Fußwurzel hoch nach oben, hinten und
außen disloziert ist. Am Fuß fehlen die 4. und 5. Zehe. Die
Röntgenuntersuchung ergab außerdem ein Fehlen der Fibula, des
4. und 5. Metatarsale, des .Talus. und anderer Tarsalia. Durch
operative Eingriffe links und eine Prothese rechts wurde Gehfähigkeit
erzielt.
Hautkrankheiten.
Referent: Dr. Grumach, Berlin.
1. Ist Lupus Riiidertuberkulose? Von C. Engelbretli,
Kopenhagen. Monatsh. f. Prakt. Dermatolog. Bd. 50, Nr. 6.
2. Zinkcuceringelanth bei Intertrigo. Von P. G. U n n a. Monatsh.
f. Prakt. Dermatol. Bd. 50, Nr. 7.
Nach Engelbreth hat die von Koch aufgeworfene Tuberkulose-
Frage deshalb noch immer keine Lösung gefunden, weil alle Forscher
nur immer die interne Tuberkulose untersuchten, die Hauttuberkulose
aber vernachlässigten. Gerade aber diese scheint bei ihrer Mannig¬
faltigkeit besonders hierzu geeignet. Die beiden Haupttypen Lupus
vulgaris und ulceröse miliare Hauttuberkulose sind zwei so verschie¬
denartige Formen, daß z. B. kaposi nur die letztere als eigentliche
Tuberkulose ansah, den Lupus aber trotz der eindeutigen Aetiologie
nicht.
Es ist in der Tat auffallend, daß die Tub. ulcer. nur bei tuber¬
kulösen Individuen, Lupus häufig bei blühenden vorkommt. Besonders
auffallend ist dieser Unterschied bei den Schleimhauterkrankungen:
im Larynx auf der einen Seite das. schwere Bild der Kehlkopftuber-
kulose, auf der andern das verhältnismäßig gutartige des Kehlkopf¬
lupus. Beide Arten werden von den Laryngologen sehr wohl unter¬
schieden und%ollen auch nie in einander übergehen. Interessant ist es
auch, daß im Kopenhagener Finsen-Institut unter 800 Lupus-Fällen
nur 14 °/o Tuberkulöse waren, also nicht mehr als sonst, daß ander¬
seits unter 4000 Phtisikern der Sanatorien kaum ein Lupus-Fall
sich befand.
Im Kopenhagener Finsen-Institut fand E. nun. daß fast alle
Lupuskranken vom Lande stammten oder irgendwie längere Zeit mit
Rindern zu tun gehabt hatten (Melker, Viehhirten etc.). Das brachte
ihn auf die Idee, daß der Lupus eine spezifische Rinder-
tuberkulose sei. Hieraus würde sich der oben erwähnte
strenge Unterschied der Bilder erklären, ferner, daß bei Lupus die
Patienten ihre Fülle bewahren, daß Frauen häufiger erkranken als
Männer, daß der rechte Arm weit häufiger erkrankt als der linke.
Um die Frage zu klären, muß man nach Beweisen suchen:
1. Den sicheren Beweis kann nur eine Reihe
exakter Impfungen von Rinder- und Menschen¬
tuberkulose am Menschen liefern (!) Mangels der¬
selben muß man sich mit Nachforschung über die Ursachen zufällig
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nr. 24
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
379
vorkommender Inokulationen begnügen. Es wird in. jedem Fall
untersucht werden müssen, ob nicht wenigstens eine Art ausge¬
schlossen werden kann (z. ß. die Inokulation bei der Zirkumcision
ist sicher eine mit menschlicher Tuberkulose).
2. Aufnahme einer genauen Anamnese bei Lu-
P ö s e n. Die Verzeichnung des derzeitigen Standes und Aufenthalts¬
ortes genügt nicht, da dieselben oft wegen der Krankheit gewechselt
worden sind. Haase hat auf ausdrückliches Befragen feststellen
können, daß 30 °/o seiner Lupösen zur Zeit des Auftretens der
Krankheit „viel mit Kühen zu tun hatten.“
3. Untersuchung der Länder, in welchen die
Einwohner kein Vieh als Haustiere halten. Die
Eskimos halten kein Vieh: sie leiden viel an Tuberkulose, Lupus
gibt es dort nicht. Auch in Japan komm Lupus selten vor. Die
Japaner halten nur Ochsen als Zugtiere, während sie keine Milch¬
wirtschaft haben.
4. Endlich würde eine spezifische Therapie mit
Tuberkulin gute Aufklärung geben. Wright hat dabei ausge¬
zeichnete Erfolge bei ulcfuröser und fungöser Hauttuberkulose gehabt,
bei Lupus nicht. Die Erklärung liegt nach E. darin, daß humanes
Tuberkulin angewandt wurde. Man muß bei Lupus bovinen Typus
anwenden und Bandelier hat einen Fall von Lupus so geheilt.
Jedenfalls spricht vieles für die Richtigkeit der Hypothese, doch
ist eine eingehende Forschung zur Klarstellung durchaus notwendig.
2. Das isolierte intertrigenöse Genitalekzem der Säuglinge ist
harmlos und meistens leicht durch die bekannten Mittel (Trocken¬
halten, Ekzempasten und -Puder) zu heilen, aber schwer heilbar,
wenn es Teilerscheinung eines universellen Ekzems ist. Um die er¬
krankten Stellen trocken zu halten und zu heilen, hat man sie mit
ekzemheilenden Firnissen bedeckt; aber wasserunlösliche reizen,
wasserlösliche lösen sich ab. Nach Unna hat sich nun ausgezeichnet
folgender Leim bewährt:
Zinc. oxydat. 50,
Eucerini 25,
Gelanthi 25
(N. B. Gelanth ist eine Mischung von Traganth mit überhitzter
Gelatine).
Sofort nach dem Aufstreichen dieses kühlenden gelee-artigen
Firnisses wird derselbe getrocknet und wasserunlöslich gemacht
durch Aufpudern folgenden Pulvers:
Acid. tannic
Magn. carbon. aa 25.
Hierbei brauchen die Kinder nicht öfter als sonst trocken gelegt
zu werden. Beim Wechseln der Windeln bleibt der Firnis ein- bis
zweimal intakt und muß bei Lösung erneuert werden. Dabei heilen
die Ekzeme schnell ab.
Verfasser empfiehlt das Verfahren auch zur Verhütung des
Decubitus.
Magen=,
Darm= und Stoffwechselkrankheiten.
Referent: Dr. H. Lohrisch, Chemnitz.
1. Die diätetische Behandlung der Cholelithiasis. R u d.
Kolisch, Wien, Karlsbad. Medizinische Klinik 1910, Nr. 14.
2. Die Behandlung der chronischen Dickdarmkatarrhe mit heißen
Gelatineeingießungen. Dr. L. v. Aldor, Karlsbad. Therapeuti¬
sche Monatshefte. April 1910.
3. Ueber purgo-antiseptische Beeinflussung des Darminhaltes.
Br. Dreuw. Medizinische Klinik 1910, Nr. 3.
4. Beitrag zur Klinik und Therapie der chronischen Diarrhöe.
Hugo Goldmann, Ödenburg. Deutsche Aerztezeitung 1910,
Heft 8.
5. Die Therapie des Kardiospasmus- Theodor Frankl.
Prager medizinische Wochenschrift 1910, Nr. 16.
6. Zur therapeutischen Bewertung der diabetischen Azidose in
der Praxis. Von Privatdozent Dr. L. B 1 u m. Therapie der Gegen¬
wart. März 1910.
1. Die Behandlung der Cholelithiasis soll keine cholagoge sein,
sie soll auch nicht bezwecken, die Gallensteine durch den Darm zu
entleeren. Dies geschieht nur in einem kleinen Teil der Fälle mit
ganz kleinen Steinen unter sonst für den Abgang der Steine günstigen
Verhältnissen. In weitaus den meisten Fällen verbleiben die Steine
in der Gallenblase, und es ist nur die Aufgabe der inneren Therapie,
die Krankheit in ein latentes Stadium zu brin¬
gen, Katarrhe, Entzündungen. Hydrops usw., die
die Beschwerden der Gallensteinkoliken hervorrufen, zu heilen
und da rn i t Ruhe im Gallensystem herzustellen
resp. dauernd zu erhalten. Am meisten ist in dieser Be¬
ziehung mit der Diät zu erreichen. Die Diät muß einmal eine
leberschonende sein. K. supponiert für viele Fälle von
Cholelithiasis eine entweder angeborene konstitutionelle oder erwor¬
bene Schwäche der Leberfunktion, die dann nicht imstande ist, die
ihr auf dem Wege der Blutbahn zuströmenden Toxine resp. Bakterien
unschädlich zu machen. Die Diät muß fernerhin eine da r iri¬
sch o n e n d e sein und vor allen Dingen chronische Darmkatarrhe
sorgtaltigst berücksichtigen. Was die Schonung der Leber betrifft,
so kann reichlich Fett gegeben werden. Eiweißkörper sollen ein¬
geschränkt werden; es muß jede Ueberschwemmung der Leber mit
Eiweißzerfallsprodukten vermieden werden. Das tägliche Eiwei߬
quantum soll in kleinen Portionen über den Tag verteilt werden.
Streng zu vermeiden sind alle ptomainhaltigen Speisen, Würste,
Pökelfleisch, altes Wild, ferner stark purinhaltige Körper und scharfe
Gewürze. Zu bevorzugen sind frische und frisch zubereitete Fleisch¬
sorten, besonders mageres Fleisch von Fischen, Hühnern, Kälbern,
Eier und Milch. Die Kohlehydrate sind reichlich in leicht verdaulicher
Form zu geben. Bei der Diät der Cholelithiasiskranken sind vor allen
Dingen auch starke plötzliche Abkühlungen zu ver¬
meiden. Es sind daher mindestens Va Jahr nach dem Anfall alle
kalten Speisen und Getränke zu verbieten. Dagegen ist von warmem
Kompott und heißen Getränken reichlich Gebrauch zu machen.
Gleichzeitig sind durch 2—3 Monate täglich 2—3 Stunden nach der
Hauptmahlzeit heiße Umschläge auf die Lebergegend zu
machen. Darmstörungen werden sehr gut durch Irrigationen
mit heißem Karlsbader Sprudel beeinflußt. Die
Karlsbader Trinkkur wirkt in den meisten Fällen von
Cholelithiasis wohl nur deshalb so günstig, weil sie Darmkatarrhe
günstig beeinflußt. Während der Karlsbader Kur brauchen sich die
Kranken durchaus nicht Bewegung zu machen, sondern können sehr
viel ruhen.
2. Verfasser empfiehlt zur Behandlung schwerer Dickdarm¬
katarrhe folgendes Verfahren: Der Kranke bekommt 1 Stunde vor
der Gelatineeingießung ein Reinigungsklysma mit 1 /a Liter 25—28° C.
Wasser, nach dessen womöglich vollständigem Abfluß der Kranke,
'/a—- 3 /i Stunde ruhig liegend, das Aufhören der durch das Reinigungs¬
klystier verursachten Darmirritationen abwartet. Die Gelatineein¬
gießung wird in. linker Seitenlage gemacht, und zwar so, daß
40—80 ccm 10 pCt. Gelatine in 500—800 ccm Karlsbader Sprudel
von 45—52° C. gelöst in den Darm eingelassen werden. Der Kranke
liegt danach während 2 Stunden mit einem heißen Leibumschlag
auf dem Rücken und vermag dabei meistens ohne Schwierigkeiten
die eingegossene Flüssigkeit vollständig zurückzuhalten. Das Darm¬
rohr ist bei Anwendung heißer Einläufe wenigstens 11—13 cm hoch
hinauf zu führen, weil die Sphinktergegend gegen Wärme empfind¬
lich ist. Benutzt wird Mercksche 10 pCt. sterile Gelatine, aber
auch selbst zubereitete Gelatinelösung. Der Verfasser empfiehlt
dieses Verfahren ausschließlich bei hartnäckigem mit Diarrhöen ein¬
hergehenden schweren Fällen des chronischen Dickdarmkatarrhs und
gibt 7 Krankengeschichten, aus denen der günstige Erfolg der
Gelatinebehandlung hervorgeht.
3. Verfasser empfiehlt das Aluminiumsubacetat, die
pulverförmige schwerlösliche essigsaure Tonerde, zur Behandlung
der Verstopfung und infektiöser Erkrankungen des Magendarm¬
kanals. Das Aluminiumsubacetat ist ein reizloses, ungiftiges und un¬
schädliches Mittel von antiseptischer desodorisierender und aus¬
trocknender Wirkung. Es soll imstande sein, ohne nennenswerte
Schädigungen der Darmwände eine starke Sekretion des Magendarm¬
saftes und daran anschließend eine leichte und angenehme Entleerung,
verbunden mit Desinfektion des Darminhaltes, hervorzurufen. Die
antiseptische Wirkung wird bedingt dadurch, daß die Bakterien einer¬
seits infolge der eintretenden Darmsekretion aus den Nischen und
Schlupfwinkeln herausgedrängt und weggeschwemmt werden, ander¬
seits durch die chemischen rein' antiseptischen Wirkungen, vielleicht
unter Abspaltung von Essigsäure, abgetötet werden. Das Alumi¬
niumsubacetat enthält chemisch 10 pCt. Aluminiumsultat. wird jedoch
auch durch ein besonderes Verfahren ohne Aluminiumsulfat als reines
Aluminiumsubacetat hergestellt. Das sulfathaltige Präparat hat nicht
nur eine größere antiseptische Wirkung, sondern auch eine größere
Löslichkeit als das nichtsulfathaltige. Verabreicht werden 2—5 gr.
pro Tag in Tabletten.
4. Verfasser empfiehlt zur Behandlung chronischer Diarrhöen
in diätetischer Hinsicht besonders den dreitägigen Kefir, der
in Mengen von'1—3 Liter pro Tag gegeben werden kann. Von
Medikamenten empfiehlt er besonders das I c h t h o f o r m. Dieses
ist eine Kombination des Ammonium sulfoichthyolikum und des
Formaldehyd. Es ist ein braunes, in Wasser unlösliches, fast ganz
geschmackloses und ungiftiges Pulver. Es wirkt stark antibakteriell
und desinfizierend. Im Darm bringt es Gärungsvorgänge zum
Stillstand, tötet die Bakterien ab und verhindert derart einen die
Peristaltik erhöhenden Reiz, der von-den Bakterien und den Toxinen
ausgelöst wird. Erwachsene bekommen Ichthoform in Dosen von
0 , 5 , 3_4 mal täglich in Oblaten. Jüngere Personen und Kinder be¬
kommen 0,25—0.3 gr. 2—3 mal täglich in Oblaten oder als Schiittel-
mixtur. Auch Säuglingen kann die Schüttelmixtur in folgender Form
verabreicht werden:
Rp. Ichthoform 3,0
Aqu. Menth, pip.
Aqu. destill. aä 50,0—75,0
S. Schüttelmixtur
3—4 mal täglich 1 Kaffeelöffel.
Das Ichthoform wirkt auch auf Magengärungen, Hypersekretion
und Hyperazidität günstig.
5. Verfasser empfiehlt zur Behandlung des Kardiospasmus die
1908 von G e i s 1 e r angegebene Dilatationssonde. Die
JNIVERSITY OF MICHIGAN UNIVERSITY OF MICHIGAN
380
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 24
Sonde besteht aus folgendem: 4 cm oberhalb des unteren Endes einer
sehr dickwandigen Sonde wird eine 10 cm lange anliegende Gummi¬
hülse luftdicht an der Sonde befestigt. Auf diese folgt eine zweite
Hülse von 14 cm Länge, die aus einem gestrickten seidenen und
ziemlich engmaschigen Netz besteht. Auf diese an den Enden gut
befestigte Hülse folgt eine dritte wieder aus Gummi, die möglichst
fest anliegt und bezweckt, die Einführung der Sonde zu erleichtern,
ln die innerste Gummihülse wird durch eine am Ende der Sonde
gebrachte Doppelventilspritze Wasser eingepumpt. Die Sonde wird
so eingeführt, daß der mit Gummi armierte Teil in die Kardia zu
liegen kommt und dann aufgetrieben. Man kann damit eine aus¬
giebige Dehnung der Kardia erzielen. Schon nach wenigen Sitzungen
tritt Besserung resp. Heilung ein. Die Dauer der einzelnen Dehnung
beträgt etwa 10 Minuten.
6. Die von Lüthje verlangte Behandlung der Diabetiker im
Krankenhaus unter täglicher quantitativer Kontrolle der Azidose ist
nicht immer durchführbar. Verfasser empfiehlt, zur Beurteilung
des Grades der Azidosis die Mengen von Alkali zu bestimmen, die
zur Erzeugung einer alkalischen Reaktion des Harnes nötig sind. Je
größere Mengen Natrium bicarbonicum hierzu gegeben werden
müssen, um so stärker ist die Azidose.
Kinderheilkunde.
Referent: Kinderarzt Dr. Eugen Neter, Mannheim.
1. Die Behandlung des Keuchhustens und anderer Luftröhren¬
katarrhe durch die Bauchniassage. Von Dr. Hönck. Fortschritte
der Medizin 1910, 7.
2. Pathologie und Therapie der Pertussis. Von Dr. T o e p 1 i t z.
Beiheft 3, 1910 zu Medizin. Klinik.
3. Ueber Lymphdrüsenschwellungen im Inkubationsstadium der
Masern. Von Dr. Foessner, München. Med. Wochenschr. 1910, 12.
4. Zur Aetiologie der epidemischen Kinderlähmung, resp. Polio¬
myelitis und Tonsillitis epidemica. Von Dr. L 1 e b 1. Oesterreich.
Aerztezeitg. 1910, 7.
5. Durstfieber bei Säuglingen. Von Dr. Müller. Berl. Klin.
Wochenschr. 1910, 673.
1. H ö n c k geht von dem Zusammenhang aus, der durch Vagus und
Sympathicus zwischen den Abdominalorganen und den Atmungs¬
organen besteht. In einer Reihe von Fällen konnte der Verfasser
durch Bauchmassage einen Katarrh der oberen Luftwege zur raschen
Heilung bringen. Diese Beobachtung verwandte Hönck bei der Be¬
handlung der Pertussis und ähnlicher Formen von Krampfhusten und
erzielte in einer großen Zahl von Fällen sehr baldiges Nachlassen,
resp. Verschwinden des Hustens. Die Angaben Höncks verdienen
Nachprüfung.
2. Toeplitz gibt in dem Beiheft eine kurze monographische
Darstellung über Pertussis. Die Art und Weise, wie Verfasser an
manchen Stellen über andere Autoren urteilt, berührt nicht sym¬
pathisch. (Neumann empfiehlt übrigens die Aethernarkose durch die
Mutter (! nach T.) bei Pertussis nicht, wie man es aus dem Zitat von
T. vermuten könnte: Neumann spricht von solcher Narkose nur bei
durch Pertussis bedingten schweren Krämpfen.) Bei der Therapie
empfiehlt T. das Chin. tann. 1,0/100,0 2stdl. lKffl.; wo das Chinin
versagt. Bromoform oder Pyrenol.
3. Foessner will im Inkutationsstadium der Masern leichte
Schwellung bei verschiedenen Lymphdriisen beobachtet haben und
fordert zur Nachprüfung auf.
4. L i e b 1 faßt die Poliomyelitis als eine Auto- Intoxikation auf
Grund kryptogenetischer Pyämie auf; ähnliche Erscheinungen will
er auch bei der Tonsillitis epidemica beobachtet haben.
5. Interessant ist Müllers Notiz vom Durstfieber bei Säug¬
lingen. Er fand bei zwei Säuglingen, daß Flüssigkeitsenthaltung
und Temperatursteigerung (bis 39°) zeitlich zusammenfielen, ebenso
wie Temperaturabfall und Zufuhr von Flüssigkeit (Tee).
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referate.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Zur Antitoxinbehaudiung des Tetanus. Von Dr. A. Heil¬
maier in Rottenbuch. Münch, med. Wochschr. 1910, Nr. 12.
2. Ein Beitrag zur Bewertung von Medikamenten. Von Prof.
Chodounsky, Prag. Wien. Klin. Wochschr. 1910, Nr. 14.
3. Theolaktin. Von Dr. Linke, Therap. Neuigkeiten.
April 1910.
1. Verfasser berichtet über einen schweren Fall von Tetanus,
den er durch wiederholte subkutane, zuletzt subdurale und lumbale
Injektionen von Antitoxin zur Heilung brachte. Er hält es für be¬
sonders wichtig, daß nach universeller Ausbreitung des Tetanus
lumbal-subdurale Einspritzungen vorgenommen werden. Die lokale
Behandlung erfolgt nach den bekannten chirurgischen Grundsätzen.
P, spricht sich gegen die oft kritiklose Anwendung von Heil¬
mitteln aus, die sich auch bei der Herstellung gewisser chemischer
Präparate breit macht. Er belegt seine Behauptungen mit Aus¬
führungen, die drei Arbeiten aus seinem Laboratorium betreffen:
1. Strychnin, das als Bittermittel und Tonikum der Magen-
und Darmmuskulatur gebraucht wird. Wie Polak aber durch Ver¬
suche an Fröschen und Kaninchen nachweisen konnte, ist es nicht
gelungen nachzuweisen, daß Strychnin irgendeinen Einfluß auf den
Tonus und die Magen-Darm-Peristaltik ausübt. Dagegen ist zu er¬
wägen, ob es so völlig gleichgültig ist, bei den Magen-Darmleiden,
die eine längere Behandlung erfordern, fortgesetzt Strychnin zu ver¬
ordnen — - selbst wenn es wahrscheinlich wäre, den betreffenden
Muskeltonus günstig beeinflussen zu können.
2. K a I o m e 1. Es sind Fälle genug bekannt, wo nach durchaus
therapeutischen Dosen von Kalomel tödliche Vergiftungen eintraten.
Bei diesen Fällen ergab die Sektion stets Quecksilbervergiftung.
Noch viel häufiger sind die Fälle, wo die Kranken nach leichterer
oder schwererer Intoxikation mit dem Leben davonkommen. R y b ä,k
konnte nach therapeutischen Gaben bei Hunden und Kaninchen
schwerste Blutungen im ganzen Darmkanal, in Leber und Nieren
nachweisen. Das in Wasser kaum lösliche Kalomel wird demnach
wahrscheinlich im alkalischen Darmsaft bei Gegenwart von Galle,
Eiweiß und Fett durch Pepsin in saurer Lösung in resorbierbare Ver¬
bindungen umgewandelt. Diese Vorgänge kann der Arzt nicht be¬
herrschen und sie sind um so gefährlicher, je protrahierter die kleinen
Dosen sind. Große Gaben vergiften schneller, falls ihre abführende
Wirkung versagt. Daher dürfte bei dem Vorhandensein so vieler
guter Abführmittel Kalomel als solches entbehrlich sein. Seine
Antisepsis auf den Darmkanal (Typhus, Cholera, Dysenterie) ist
höchst zweifelhaft. Als Cholagogum bei Leberkrankheiten ist es
unbrauchbar, da es die Gallenabsonderung vermindert. Als Anti-
syphilitikum ist es durch andere Mittel ersetzt. Als Diuretikum sollte
es nur bei intakten Nieren, und wenn kein anderes Mittel imstande
ist, den Hydrops zu beseitigen, angewendet werden.
Magisterium B i s m u t i und basische Wismutsalze. Wis¬
mut wird als Magendarm-Antiseptikum und beim Magengeschwür
zu Verhinderung weiterer Arrosion angewendet. Es soll als basisches
Salz in Wasser unlöslich sein; seine Ungiftigkeit wird immmer wieder
betont. Nach Bouceks Untersuchung wirken die basischen Wismut¬
salze bei Dyspepsien nur störend auf die Magenverdauung. Die
antiseptische und adstringierende Wirkung kommt ihnen nur zu,
wenn sie in lösliche Verbindungen gespalten werden. Dieser Prozeß
ist therapeutisch unbeherrschbar: Es kann zu gar keiner Wirkung,
es kann zu Aetzungen kommen. Eine ausreichende styptische
Wirkung auf den Darm ist kaum denkbar und würde sogar gefährlich
sein.
3. Das Theolaktin (Theobromin-Natrium — Natrium Lac-
ticum) der Firma Vereinigte Chininfabriken Zimmer & Co.,
Frankfurt a .M. (ein Präparat, dessen Wirkungen ich vor
mehreren Jahren an einem großen Krankenmaterial während meiner
Assistententätigkeit studiert habe. Ref.) wird neuerdings von L.
als Diuretikum empfohlen. Wegen des schlechten Geschmackes
muß es aber in Oblaten oder in Lösung zu gleichen Teilen mit Aq.
menthae piperit. gegeben werden. Manchmal verdirbt es den
Appetit; deshalb ist seine Anwendung per rectum angebracht.
Varia.
J. P 1 e s c h , Berlin. Zur Prophylaxe und Therapie der Pre߬
lufterkrankungen. Berliner klinische Wochenschrift 1910, Nr. 16.
Die Caissonkrankheit tritt nur bei der Dekompression auf, und
zwar dann, wenn bei zu schneller Dekompression der physikalisch ab¬
sorbierte Stickstoff unter dem geringeren Druck sich nicht mehr in
gelöstem Zustande in der Körperfliissigkeit befindet, sondern frei wird
und ein Volumen einnimmt, das zur Druckdifferenz im umgekehrten
Verhältnis steht. So geschieht es, daß der frei gewordene Stickstoff
teilweise dadurch, daß er als freie zirkulierende Blase die Gefäße ver¬
stopft, teilweise dadurch, daß er durch seine Expansion Gewebe zer¬
reißt, die Zirkulation und Blutversorgung hindert. Da die Ent-
schleusung eine zeit- und geldraubende Arbeit ist, müssen alle Mittel
angewandt werden, die eine rasche und vollkommene Entgasung
fördern. Vor allem ist es aber auch Aufgabe der Prophylaxe, daß
auf die normale Zirkulation der beschäftigten Arbeiter geachtet wird.
Besonders 6 Gruppen von Kranken müssen von der Preßluftarbeit
ausgeschlossen werden, die sich sonst zu anderen Arbeiten eignen
würden: 1. Fettleibige; 2. Menschen mit Herzfehler oder vasomo¬
torischer Schwäche (Neurasthenie, Hysterie); 3. Chlorotische, primär
und secundär Anämische; 4. Patienten mit Erkrankungen des Zentral¬
nervensystems; 5. Oedematöse Individuen, sowie auch Nephritiker
ohne Oedeme; 6. Ohrenkranke, bei denen die Durchgängigkeit der
Tuba pustachii geschädigt ist, weil dann ein Druckausgleich zwischen
der Außenluft und dem Mittelohrraum nicht erfolgen kann. — Bei
eingetretener Erkrankung ist das einzige wirksame Mittel-die Re-
kompression. Diese geschieht mittels der Sanitätsschleusen, welche
den Erkrankten sofort nach Auftreten der Krankheitserscheinungen
unter denselben Druck setzen, bei welchem er gearbeitet hat, resp.
bei welchem Druck sich sein Körper mit Stickstoff gesättigt hat.
v. Rutkowski, Berlin,
Nr. 24
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
381
Technische Neuerscheinungen.
Wand-Spucknäpfe.
nach Professor Dr. W. Silberschmidt in Zürich.
Es bestand die Aufgabe, einen neuen Spucknapf
zu schaffen, der besonders gut sich eignet für solche
Lokale, wo viele Menschen verkehren oder beisammen
sind, wie Schulen, Postbureaus, Bahnhöfe, Fabriken,
Werkstätten, Wirtschaften, Hotels, Bureaus, usw. usw.
Ein solcher Spucknapf hat weitgehenden An¬
sprüchen zu genügen, da er für die Personen aller
Stände, Gebildete und Ungebildete, an Sauberkeit Ge¬
wöhnte und Unachtsame dienen und für alle gleich
leicht zugänglich sein soll. Sein Aussehen soll nie¬
manden verletzen und seine Benutzung niemanden ab¬
stoßen oder gar Ekel erregen. Eine äußerliche Be¬
schmutzung des Gefäßes selbst oder seiner Umgebung
soll nicht stattfinden können.
Diese Anforderungen können nur durch einen
Wand-Spucknapf erfüllt werden, der in passender Höhe
(70—80 cm vom Boden) und richtiger Entfernung von
der Wand angebracht und dadurch dem Munde mög¬
lichst nahe gerückt wird.
Boden-Spucknäpfe mit Trichter, wie sie bisher
hauptsächlich verwendet wurden, werden allzuleicht
beschmutzt, müssen es sogar bei der Mehrzahl werden.
Das ist von großem Nachteil. Es ist kaum möglich, in
die kleine Oeffnung zu spucken und eine Beschmutzung
der Umgebung — Wand und Fußboden — ist nicht zu
vermeiden. Die Reinigung selbst bietet eine weitere
größere Gefahr. Es ist daher begreiflich, daß niemand
sich zu dieser ebenso ekelhaften wie gefährlichen Arbeit
hergeben will. —
Der Silberschmidtsche Wand-Spucknapf umgeht
alle diese Uebelstände und erfüllt einwandfrei alle
obigen Anforderungen an einen idealen Spucknapf.
Das Gefäß ist so groß, daß es ausgeschlossen ist,
daß das Sputum nicht sicher in den Topf gelangt, die
Handhabung ist einfach; der Handgriff ist derart nach
hinten verlegt und über einen an der Wand befestigten,
glatten, kleinen Dorn gestülpt, daß eine Beschmutzung
beider Teile beim Spucken unmöglich wird.
Dieser Handgriff hat auch noch den Vorteil be¬
quemer Handhabung und des leichten Transportes
mehrerer Spucknäpfe miteinander.
Es ist daher keine unangenehme Aufgabe, das
Gefäß vom Dorn abzuheben, den Inhalt auszuleeren
und durch Spülung das Gefäß zu reinigen. Eine An¬
steckungsgefahr ist dabei durchaus ausgeschlossen.
Da das Gefäß eine gefällige Form besitzt und sein
Inhalt von außen unsichtbar ist, so begegnet die An¬
bringung desselben in allen Lokalen keinem Wider¬
willen.
In dasselbe wird etwa 5 cm hoch eine desinfizie¬
rende Lösung gegeben, die die Tuberkelbazillen sicher
abtötet.
Nach den Versuchen von Herrn Dr. Geilinger
eignet sich dazu vorzüglich eine 5 prozentige Karbol¬
säurelösung, die eine gewisse Entfärbung des Sputums
bedingt, wodurch dasselbe dann nicht so unappetitlich
aussieht.
An denjenigen Orten, wo der Geruch der Karbol¬
säure zu auffallend und widerwärtig ist, empfiehlt es
sich, Hausmanns Servol für Spucknäpfe in 5 prozentiger
Lösung zu verwenden. Servol ist eine starke und
wirksame Formalin-Seifenlösung, die mit Wasser ver¬
mischt, eine milchweiße, angenehm riechende und
sauber aussehende Lösung gibt, die das Sputum ein-
hüllt und dasselbe unsichtbar oder wenigstens unkennt¬
lich macht. Diese Lösung hält sich auch bei längerem
Stehen gleichmäßig milchig. Es ist daher auch beim
Gebrauch kein Widerwille oder Ekel zu befürchten.
Beide Lösungen genügen, um die Tuberkelbazillen
im Sputum in ca. 12 Stunden abzutöten. Wird also
morgens in der Frühe das Gefäß entleert, so kann mit
Sicherheit die Zerstörung aller giftigen Keime ange¬
nommen werden.
Der Silberschmidtsche Spucknapf besteht aus zwei
Teilen: einem einfachen glatten, weiß emaillierten Topf
mit abgebogenem Handgriff und einen einfachen glatten
Dorn, der an der Wand befestigt wird. Der Boden des
Topfes ist zwecks guter Reinigung schön abgerundet.
Der hohle Handgriff dient zum Aufstecken und Be¬
festigen des Topfes an dem Dorne.
Dieser einfache Spucknapf kann für sich allein ver¬
wendet werden und ist sein Preis der billigste.
Vorzuziehen sind die Spucknäpfe mit Deckel, wie
wir sie in 2 Modifikationen erstellen. Der Abschluß ist
nicht allein dazu da, um den Inhalt zu verbergen,
sondern auch um die Fliegen, die die Tuberkelbazillen
verschleppen, vom Inhalte des Topfes fernzuhalten.
Des Preises wegen sind 2 verschiedene Deckel
konstruiert, ein einfacher, abhebbarer, weiß "emaillierter
HAUSMANN A-£
Fig. 1. Fig. 2.
Deckel (wie Fig. 1 zeigt) und ein seitlich abscliiebbarer,
von selbst schließender, vernickelter Deckel (siehe
Fig. 2, 3 und 4).
Während der erstere seines billigen Preises wegen
für die Allgemeinheit dienen soll, ist der zweite für die
Verwendung in besseren Lokalen berechnet. Der
Deckel sowohl wie deren Träger sind Hochglanz poliert
und vernickelt und sieht daher der ganze Apparat sehr
schön aus.
Fig. 2 zeigt einen Silberschmidtschen Spucknapf
mit automatisch schließendem Deckel, von der Seite
Fig. 3. .
aus aufgenommen, in geschlossenem Zustande. Fig. 3
einen vollständig geöffneten und Fig. 4 einen in seine
drei Teile zerlegten, um zu zeigen, wie leicht derselbe
auseinander genommen und wieder zusammengefügt
und wie gründlich jedes einzelne Stück gereinigt und
eventuell ausgekocht werden kann. Für Hotels,
382
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 24
Bureaus und Warteräume, in besseren Häusern und
Geschäften, sowie für schöne Wohnräume ist dieser
Spucknapf unentbehrlich. — Die Leichtigkeit, mit der
der glänzend saubere Deckel an seinem kleinen Vor¬
sprunge auf die Seite geschoben werden kann, sowie
die Unsichtbarkeit des Sputums bei richtiger Bedienung
werden auch die empfindsamsten Personen veranlassen,
sich gerne dieses Modelles zu bedienen, ohne dabei
irgendwelches unangenehme Gefühl zu haben.
Hausmann A.-G.,
Schweiz. Medizinal- und Sanitätsgeschäft. St. Gallen.
Preise:
Emaillierter Spucknapf ohne Deckel Fr. 3,70, mit
emailliertem Deckel Fr. 4,—mit automatisch schließen¬
dem vernickelten Deckel Fr. 10,25. Rosen.
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Hautdesinfektion und Wundbehandlung mit Joddampf
nach Dr. Jungengel.
Die Applikation von Jodtinktur auf Wundflächen
hat die unangenehme Nebenwirkung des Alkohols,
welcher die Gewebe koaguliert. Auch neigt Jodtinktur
zur Zersetzung. Es bildet sich dabei Jodwasserstoff¬
säure, ein heftiges Aetzmittel. Sogar von verhältnis¬
mäßig frischer Jodtinktur können, schlimme Ekzeme
entstehen. Diese Nebenerscheinungen bei Verwen¬
dung der Jodtinktur sind aber nicht eine Wirkung des
Jodes an sich, sondern seiner Lösungsmittel, ganz be¬
sonders aber seiner Zersetzung in denselben. Ein so
different wirkendes Mittel, wie Jod sollte nicht in starker
Konzentration, sondern nur in feinst verteiltem Zustande
verwendet werden. Dieser Bedingung entspricht der
durch hohe Hitzegrade erzeugte Joddampf. Durch An¬
wendung desselben wird es ermöglicht, den Mundflächen
Jod ohne die Nebenwirkung eines Lösungsmittels
direkt zuzuführen, und auf der äußeren Haut bei gleich-
.
DF MICHIGAN
zeitigem Aufträgen eines Lösungsmittels Lösungen in
statu nascendi, also sicher vor jeder Zersetzung, und
besonders wirksam entstehen zu lassen.
Das Instrument, Fig. 1, welches zur Erzeugung
und Auftragung des Joddampfes gehört, wird von der
Firma Reiniger, Gebbert & Schall A.-G. Berlin-Er¬
langen gefertigt. Es besteht aus einer Glaskammer,
welche mittels einer metallnen Zwinge an einem Hand¬
griff befestigt ist. Im Zentrum des Griffes befindet sich
ein mit einem Gummigebläse verbundenes luftzuführen¬
des Rohr.- Ferner ist noch im Griff die Stromzuleitung
zu. der am Ende desselben befindlichen Platinspirale
untergebracht. Die Glaskammer hat eine konische
Bohrung, in der das Jod eingebracht wird und welche
mit einem gut eingepaßten Stöpsel verschließbar ist.
Wird mit dem Gebläse ein Luftstrom erzeugt, so nimmt
derselbe seinen Weg an dem spiralig aufgewickelten
Platindraht vorbei, wird stark erhitzt und tritt durch
eine kleine Bohrung in den das Jod enthaltenden Raum
ein, wodurch dasselbe verdampft. Der Joddampf wird
dann durch ein feines Platinsieb getrieben und tritt an
der Spitze des Instrumentes ins Freie aus. Zur
Jodierung von Hohlräumen, Fisteln und dergl. können
verschiedene Sondenkanülen, die auf der Spitze des
Instrumentes aufzustecken sind, verwendet werden.
Den Anforderungen, welche an einen Apparat zur
therapeutischen Verwendung von Joddampf zur Wund¬
behandlung gestellt werden, entspricht der angegebene
Apparat vollständig. Die mit Joddampf behandelten
akzidentellen Wunden zeigen schon am nächsten Tage,
während die Gelbfärbung der Epidermis allmählich ver¬
fliegt, frische rosige Farbe der umliegenden Haut, die
tagelang anhält. Dabei erfolgt weder Sekretion noch
Retention. Nach wenigen Tagen ist die Heilung voll¬
endet. Die Narben verschwanden später immer mehr.
Außerordentlich wertvoll erweist 'sich' dre~ Jodbehand¬
lung bei großen Wundhöhlen, nach Operationen, nach
Inzisionen großer Abszesse, ausgedehnter Phlegmonen,
bei Fisteln und Knochenhöhlen.
Rosen.
Bücherbesprechungen.
E. P i ü 1 f. Die Panik im Kriege. München 1909. Gmelin.
Preis M. 1,20.
An der Hand zahlreicher Beispiele aus der Kriegsgeschichte
schildert der Verfasser das Phänomen der Panik, das für den Arzt
und Offizier ein gleich großes Interesse hat. Es sind manchmal
ganz geringfügige, nichtige Dinge, die den Anstoß zu der so gefürch¬
teten und oft so verhängnisvollen Erscheinung geben. Nicht bloß bei
der geschlagenen Truppe, nein sogar bei einem Heere, das vor
kurzem noch siegreich war, wird sie beobachtet. Die mancherlei Ur¬
sachen für die Panik werden beleuchtet, es wird aber auch gezeigt,
wie ihr zu begegnen, sie überhaupt zu verhüten ist. Straffe Disziplin,
Hebung der Volksgesundheit, Erziehung eines in jeder Hinsicht ge¬
sunden, nervenstarken Geschlechtes sind die Hauptmittel. Das Buch
verdient weitgehendes Interesse.
Geißler, Neu-Ruppin.
H. J a e g e r. Die Bakteriologie des täglichen Lebens, in acht¬
zehn gemeinverständlichen Vorträgen. Hamburg 1909. L. Voß.
Preis M. 8,00.
Während seiner Tätigkeit in Königsberg und später in Stra߬
burg hielt der Verfasser für Zuhörer aller Fakultäten, wiederholt auch
in Volkshochschulen Vorlesungen über die Bakterien und was zu
ihnen gehört. Es gibt nur wenige Gebiete, denen das große Publikum
so viel Interesse, aber auch so viel unklare Auffassungen entgegen¬
bringt. Darum muß man es dem Verfasser aufrichtig danken, wenn
er seine Vorträge, die doch immerhin nur einer beschränkten Zu¬
hörerschaft zugänglich waren, jetzt durch Drucklegung der Allge¬
meinheit überreicht. Die Vorträge machen uns mit allen Fragen
aus der Bakterienkunde bekannt. Wir erfahren von der großen
Bedeutung dieser winzigen Gebilde fiir den Haushalt der Natur, aber
auch von ihrer Gefährlichkeit und den Kampfmitteln gegen sie. Die
verschiedenen Formen mit ihren besonderen Lebenseigenttimlich-
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ni*. 24
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
383
keiten marschieren vor uns auf. Den Methoden des Nachweises und
der Züchtung, der Erkennung ist eine ausführliche Behandlung zu
Teil geworden. Krankheitsübertragung, Absterben der Baktetfen,
der Einfluß von Licht und Giften auf sie waren weiter beantwortens-
werte Fragen. Sehr eingehend wird der Tuberkulose, ihres Wesens
und ihrer Bekämpfung gedacht, ebenso auch des wichtigen Um¬
standes, den gute Wasseranlagen bei der Bekämpfung von Volks¬
seuchen spielen. Das Buch bietet eine Fülle von Anregungen und
eine Fülle des Interessanten. Es ist in hervorragender Weise zur
Aufnahme in Volks- und Schulbibliotheken geeignet, umsomehr als
sein Anschaffungspreis ein sehr niedriger und ihm zahlreiche er¬
läuternde Abbildungen beigegeben sind.
Geißler, Neu-Ruppin.
G. N o r s t r ö in. Der chronische Kopfschmerz und seine Be¬
handlung durch Massage. 2. Aufl. Leipzig 1910. G. Thieme. Preis
Mk. 1,80.
Nach Verfassers Ansicht und Untersuchungen gibt es einen
Kopfschmerz entzündlichen und muskulären Ursprungs. Es können
auch bei ihm Erscheinungen auftreten, die denen bei Migräne
gleichen, daher hat auch eine scharfe klinische Scheidung der beiden
so ähnlichen Krankheitszustände ihre großen Schwierigkeiten. Der
Autor geht der Schwierigkeit aus dem Weg, indem er sich der Be¬
zeichnung Kopfschmerz bedient. Ursachen der Krankheit sind die¬
selben, die rheumatische Aifektionen hervorrufen, wie Zugluft, feuchte
Jahreszeit, Witterungswechsel. Auslösend für den Anfall können
sein: nahende kalte oder feuchte Witterung, starke Körperbewegung,
physische und psychische Ermüdung, Ueberanstrengungen u. a. m.
Die Untersuchung ergibt entzündliche Knoten in den verschiedensten
am Kopf inserierenden Muskeln. Massage kann sie und damit auch
den Kopfschmerz beseitigen. Verfasser illustriert die Richtigkeit
seiner Lehre durch eine Reihe von Beispielen, in denen durch ver¬
schieden große Zeiträume schwere Anfälle von Kopfschmerz auf¬
getreten waren.
Geißler, Neu-Ruppin.
H. Neuman n, CI. B i r n b a u m , E. Michaelis, E. u.
L. Ober w a r t h. Aus der Berliner Säuglingsfürsorge. (Ergeb¬
nisse der Säuglingsfürsorge Heft 5) mit Anhang: Thiersch.
Die ärztliche Schweigepflicht bei Syphilis. Wien 1910. Deuticke.
Preis M. 3,50.
Das vorliegende Heft umfaßt eine größere Anzahl von Einzel¬
arbeiten über die verschiedensten Gebiete. So wurden berück¬
sichtigt: die natürliche Ernährung in Berlin, Schwangere und Wöch¬
nerin im Entwurf einer Reichsversicherungsordnung, die Hauspflege
und ihre Bedeutung für Wöchnerin und Säugling, über den Wert von
Merkblättern in der Säuglingsfürsorge,,Unterricht in Säuglingspflege,
Unterstützung der stillenden Mütter und ihr Erfolg, die unehelichen
Kinder in der Säuglingsfürsorgestelle, Familienpflege für obdachlose
Wöchnerinnen und ihre Kinder, verbesserte Säuglingsfürsorge in
Heim- und Außenpflege, Kritik der Fürsorge für die unehelichen
Säuglinge in Berlin. Aus den mit einem reichen Zahlenmaterial
belegten Arbeiten geht hervor, daß das Stillen in Berlin einen recht
niedrigen Stand hat. Schwangere und Wöchnerinnen werden
durch die bisherigen Fürsorgegesetze nur mangelhaft bedacht.
Hauspflege erfahren ständig mehr Wöchnerinnen, die Organisation
derselben, ihre Ausdehnung und. Erfolge und die Lage der Pfleg¬
linge werden aufgefiihrt. Merkblätter über Säuglingsfürsorge wirken
gutes, ebenso der Unterricht in Säuglingspflege; gleiches läßt sich
auch von der Gewährung der Stillprämien erwarten. Traurig ist
immer noch das Los der unehelich geborenen Kinder. Die zur
Besserung desselben gemachten Vorschläge kann man nur gut¬
heißen. Die in der Anhangsarbeit aufgeworfenen Fragen über die
ärztliche Schweigepflicht bei der Syphilis werden dahin beantwortet,
daß die Schweigepflicht erlischt, wenn für dritte Personen die Gefahr
der Uebertragung der Krankheit besteht, so von Amme auf Kind
und umgekehrt, von einem Ehegatten auf den andern, vom Stief¬
kind auf Stiefvater oder -Mutter und von Pflegefrau auf das Pflege¬
kind und umgekehrt. Die Arbeit schildert genauer, welche beson¬
deren Verhältnisse noch möglich sind und wie der Arzt mit Takt
Vorgehen soll, um Konflikte zu verhüten. Die vorgenannten Arbeiten
sind wert, das Interesse größerer auch Laienkreise wachzurufen.
Geißler, Neu-Ruppin.
A. ,C o r n e 1 i u s, Die Nervenpunktlehre. Eine neue Erklärung
der nervösen Leiden und ein Mittel, ihnen erfolgreich entgegenzu¬
treten. 1. Band. Mit einem Anhang: Die Nervenmassage. Leipzig
1909. G. T h i e m e. Preis M. 3,60.
Die Nervenpunktlehre ist für einen sehr großen Teil der Aerzte-
schaft immer noch eine terra incognita, wenngleich der Verfasser
sich über dieselbe schon mehrfach in Arbeiten ausgelassen hat. Eine
das ganze Gebiet umfassende Arbeit — fortgelassen sind theore¬
tische und historische Betrachtungen sowie eine Zusammenstellung
von Krankheitsfällen, die einen zweiten Band bilden sollen — bietet
die vorliegende. Sie kann als Belehrung im großen bezeichnet
werden. Es wird auseinandergesetzt, was man unter Nerven¬
punkten versteht, wie sie die vielgestaltigen nervösen Beschwerden
erklären. Sie sind als Narben vorausgegangener Erkrankungen an¬
zusehen. Die Beseitigung darf um so früher erwartet werden, je
eher man mit der Behandlung beginnt. Die Feststellung der Nerven¬
punkte besorgt der tastende Finger: Der Kranke fühlt einen typischen
Schmerz, der Arzt eine ausgesprochene Muskelspannung bezw.
Zuckung. Die Nervenmassage ist eine rein mechanische Reizung
aller Nervenpunkte, die methodisch durchgeführt, schließlich zur Be¬
seitigung der letzteren und so zur Heilung führt. Sie setzt eine ge¬
naue Kenntnis des Organismus voraus, ferner praktische ärztliche
Erfahrung, ihre Ausübung darf daher nur dem Arzte überlassen
werden. Ausführlich wird in dem Buch auf das Zusammenarbeiten
von ihr mit den älteren physikalischen Behandlungsmethoden ein¬
gegangen. Die Massage erreicht um so schneller einen Erfolg,
wenn man den Kranken aus den ihn umgebenden, für ihn ungünstigen
Verhältnissen entfernen kann. Sie darf nur ausgeführt werden, wenn
die vorhandenen Nervenpunkte frei von akuten, entzündlichen Vor¬
gängen sind. Diejenigen Krankheitszustände, in denen man bei der
Behandlung mit Mißerfolgen rechnen muß, werden aufgeführt. Im
Anhang findet sich eine für die Patienten bestimmte allgemein ver¬
ständliche Darstellung der Nervenmassage. Ich empfehle das Buch
angelegentlichst dem Studium der Kollegen. Es wäre hocherfreu-
iich, wenn recht viele das neue Verfahren prüften und zum Wohle
der vielen armen Nervösen verwenden könnten.
Geißler, Neu-Ruppin.
Allgemeines.
Die Tuberkulose-Aerzteversainrnlung, welche das Deutsche
Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose alljährlich veran¬
staltet, tagt in diesem Jahr am 6. und 7. Juni in Karlsruhe. Auf der
Tagesordnung stehen folgende Themata:
1. Kurzer Bericht über die Tuberkulose und ihre Bekämpfung im
Großherzogtum Baden, 2. die Bedeutung der v. Pirquetschen
Reaktion im Kindesalter, 3. die ambulante Nachbehandlung mit
Tuberkulin nach der Heilstättenbehandlung, 4. Beschäftigung und
Atemübung in Lungenheilstätten, 5. Ehe und Tuberkulose, 6. Tuber¬
kulose und Schwangerschaft, 7. die physikalische Untersuchung bei
Einleitung und Beendigung des Heilverfahrens.
An die Versammlung schließt sich ein Besuch von Baden-Baden
und die Besichtigung der badischen Lungenheilstätten Friedrichsheim
und Luisenheim (Badenweiler), des Friedrich-Hiiaa-Genesungsheim
(Obenveiler) und des Sanatoriums Ebersteinburg an.
Aerzte, welche deu Versammlung beiwohnen wollen, erhalten
Einladungen in der Geschäftsstelle des Zentralkomitees, Berlin W.,
Königin Augustastraße 11.
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Eberswalde, Brdbg.
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felde.
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wald).
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Hüllhorst, Westf.
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Joachimsthal, Kreis
Angermünde.
Johannisburg (O.-P.)Kr.
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Kemel, H.-N.
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Klcin-Aulieim, Kreis
Offenbach.
Köln, Rh.,Stadt-u.Landkr.
Köln-Deutz.
Köngen, Wttbg.
Königsberg i. Pr.
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walde.
Eeipzig, Kr.- u. Sterbe-
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Eindlar, Rhld.
Ulinden, Westf.
Mohrungen, O.-Pr.
Mülheim (Rhein).
M.-Gladbach.
Münder a. Deister.
Mnnster, Hann.
Nackenheim, Rhh.
Neu-Isenburg (Kr.
Offenb.).
Neustadt (Wied).
Neustettin, Pom.
Niederwürzbach, Pfalz.
Nordgermerslebcu
(Kr. Neuhaldensleben).
Oberbetschdorf, Eis.
Oberhanscn, Rhld.
Ober- u. Nieder-Ingel-
heim, Rhh.
Obersept, O.-Els.
Oderberg i. Mark.
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Pattensen,. Hann.
Penig i. Sa
Pinne i. Posen.
Puderbach (Kr.Neuwied)
Pulsnitz i. Sa.
Quint b. Trier.
Rastenburg, O.-Pr.
Recklinghausen, W.
Rhein (O-Pr.)..-
Rheine i. W.
Kothenkirchen-
Preßig, Oberfr.
Salzwedel, Prov. Sa.
Schlcttstadt, Eis.
Schornsheim (Rhh.).
Schwandorf (Bay.).
Schwarzaeli i. Ba.
Bail Schweizermühle,
Sachs. Schweiz.
Soldau, O.-Pr.
St. Ludwig, O.-E.
Stettin,Fab.-K.-K.Vulkan.
Stockstadt a. Rh.
Stommeln, Rhld.
Straßbnrg, Eis.
Strausberg, Brdbg.
Strehla a. E.
Strelitz, -Alt, i. Mecklbg-
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Templin, Brdbg.
Thalheim i. Erzgeb.
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Wallliausenib.Kreuznoch.
Walshcim b. Blieskastel..
Weibern, Rhld.
Weida, Thür.
Wcidcnthal, Pfalz.
Weillieim, Bay.
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Weißenfels (Saale).
Wcssling (O.-Bay.).
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Faradisation
(mit Meyer’schem Pendelunterbrecher)
♦ ♦
Sinusoidale Faradisation
Voltaisation
(pulsierender Gleichstrom)
♦ ♦
Vibrations=Massage
Gleichstrom=Universo für Nervenärzte.
V PIP A = WP R K P Vereinigte Elektrotechnische Institute
i t<ll TT LIVIVL Frankfurt — Aschaffenburg m. b. H.
ASCHAFFENBURG i. B.
Centralbureau.
WIEN IX/2.
— Aschaffenburg
FRANKFURT a. NI.
Therapeutische Rundschau
Wochenschrift für die gesamte Therapie des praktischen Arztes.
Redaktion. Verlag und Expedition
Professor Dr. med. A. Moeller, Berlin W. 35, Am Karlsbad 5. Gustav Ehrke Zeitschriftenverlag, Berlin W. 9, Köthenerstr. 37.
Telephon: Amt VI, 17271. Telephon: Amt VI, 3020.
IV. Jahrgang. Berlin, 19. Juni 1910. Nr. 25.
Die Therapeutische Rundschau- erscheint jeden Sonntag und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 30 Pf. Zu beziehen durch den
Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalschluß abbestellt sind. Inserate
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhalt:
Originalien:
Virchow-Berlin: Ueber Konservierungsmittel .... 385
Referate:
Greven-Aachen: Augenheilkunde.389
Silbermann-Bad Kudowa: Herzleiden.390
Lehr-Stuttgart: Orthopädie.390
Peltzer-Steglitz: Militär-Sanitätswesen.391
Geißler-Neu-Ruppin: Pathologische Anatomie . . . 391
Geißler-Neu-Ruppin: Krankenpflege.392
ORIGINALIEN.
Ueber Konservierungsmittel.
Von Dr. C. Virchow, Berlin.
Eine Aufklärung über das Wesen, die Notwendig¬
keit resp. Zulässigkeit der Konservierungsmittel ist von
hervorragender Bedeutung sowohl an und für sich, als
aucli deswegen, weil sie seit einer Reihe von Jahren in
durchaus unsachlicher Weise, nämlich aus rein schutz-
zöllnerischen und chauvinistischen Motiven, und zwar
von seiten der amerikanischen, französischen und deut¬
schen Regierung bekämpft werden. Man hat zu unter¬
scheiden zwischen älteren und neueren Konservierungs¬
mitteln. Die Gegnerschaft richtet sicli ausschließlich
gegen die neueren, größtenteils durch die chemische
Industrie geschaffenen Konservierungsmittel.
Auch in den Sitzungen des Reichstages am 3. und
4. März d. J. verhielt sich bei der Diskussion über die
Konservierungsmittel der Präsident des Kaiserlichen
Gesundheitsamtes durchaus ablehnend den neueren
Konservierungsmitteln gegenüber.
Die deutsch-agrarische Agitation hat seinerzeit be¬
sonders der Borsäure, die vornehmlich zur Kon¬
servierung amerikanischer Fleischwaren benutzt wurde,
den Krieg erklärt und ohne berechtigten Grund durch¬
gesetzt, daß das vorzügliche und allgemein beliebte
Büchsenfleisch (Corned beaf) vom deutschen Markt ver¬
schwand, wofür die deutsche Industrie trotz heißen Be¬
mühens einen Ersatz bisher nicht zu schaffen ver¬
mochte; vom Preise ganz abgesehen, der so hoch ist,
daß diese Präparate als Volksnahrungsmittel nicht mehr
in Frage kommen.
Die Salizylsäure wurde vornehmlich von
seiten Frankreichs aus chauvinistischen Gründen be¬
kämpft; die Agitation richtete sich vornehmlich gegen
Deutschland. Die Salizylsäure war nämlich von dem
bekannten deutschen Chemiker Kolbe auf chemischem
Wege (synthetisch) hergestellt worden.
Aeltere Konservierungsmittel sind folgende; Salz
und Rauch; Salpeter und Borax unzweifelhaft
G rum ach-Berlin: Hautkrankheiten.393
Krüger-Magdeburg: Mitteilungen über Arzneimittel . 394
Geißler - Neu-Ruppin, Pinczower- Berlin-Tempelhof
Varia.395
Technische Neuerscheinungen:
Rosenfeld: Ein neues Instrument zur automatischen
Perkussion, verbunden mit einem Phonendoskop . . 397
Bücherbesprechungen: . . .397
Allgemeines: .398
auch in Ländern mit bedeutenden Lagerstätten dieser
Mineralien (Südamerika und Rußland); auch Luft und
Sonnenwärme ist hierher zu rechnen, insofern sie
zum Trocknen gewisser Nahrungsmittel dienen, so wird
in Amerika und in anderen Ländern seit altersher
Fleisch getrocknet, um es zu konservieren. S e ii w e f -
1 i g e Säure (erzeugt durch Verbrennen von Schwe¬
fel) in Ländern mit reicher Schwcfclausschcidung
(z. B. Sizilien). Das Schwefeln wird beispiels¬
weise schon von Homer erwähnt. Später kamen
hinzu die G e w ii rze und harzigen Sub¬
stanzen für die Kulturvölker. Die Urvölker (die so¬
genannten „Wilden“) in den tropischen Ländern sind
für letztere die eigentlichen Pfadfinder und haben sie,
wie auch zahlreiche Medizinaldrogen, wohl schon viele
Jahrhunderte vor den sogenannten Kulturvölkern, die
sie von ihnen erst erhielten, gekannt und benutzt.
Die neueren Konservierungsmittel, die wir haupt¬
sächlich der Chemie und der durch dieselbe befruch¬
teten Industrie verdanken, sind:
Alkohol, Zucker (Rohr-, Trauben-, Stärkezucker,
letzterer auch Kapillärsirup genannt), Essigsäure,
Ameisensäure, Salizylsäure, Benzoesäure, Borsäure,
Alaun, Fluorwasserstoffsäure, Holzessig, Kreosot.
Formaldehyd, Phenylalkohol, Guajakol, Naphthol.
Wasserstoffsuperoxyd, Einhüllungsstoffe (gereinigter
Leim, auch Gelatine genannt, Paraffin, Fett, Oel) und
eine große Anzahl anderer Stoffe, deren fortwährend
neue auftauchen.
Viele, oft ohne jedes Sachverständnis hergestellte,
Mischungen verschiedener Stoffe werden von der In¬
dustrie angepriesen.
Um zu einer gerechten Würdigung der Konser¬
vierungsmittel zu gelangen, muß man zunächst zweierlei
feststellen:
1. Wie wirken sie und was bezwecken sie?
2. Verdienen die Stoffe an sich die Angriffe, die
gegen sie gerichtet sind?
Auf die erste Frage ist zu antworten, daß die Kon¬
servierungsmittel das Verderben der Nahrungsmittel
verhindern oder wenigstens möglichst lange aufhalten
386
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 25
sollen. Die Konservierungsmittel wirken in ähnlicher
oder gleicher Weise, wie die Desinfektionsmittel, d. h.
der Hauptsache nach antibakteriell; einige Konser¬
vierungsmittel sind gleichzeitig auch Desinfektions¬
mittel, nur mit dem Unterschiede, daß von letzteren we¬
sentlich größere Mengen verwendet werden müssen,
um die gewünschte Wirkung zu erzielen (z. B. Holz¬
essig, Kreosot, Formaldehyd, Wasserstoffsuperoxyd).
Ueber das Wesen der Wirkung, d. h. den Zusammen¬
hang zwischen Wirkung und Konstitution, ist noch
wenig bekannt.
Die meisten Desinfektionsmittel sind als Konser¬
vierungsmittel nicht anwendbar wegen ihrer großen
Giftigkeit (vom unangenehmen, widerlichen Geschmack
ganz abgesehen); erwähnt seien Karbolsäure, Lysol,
Chlorkalk, Sublimat.
Es muß nun darauf aufmerksam gemacht werden,
daß die Haltbarkeit der verschiedenen Nahrungsmittel
eine verschieden große ist. In den Urzeiten allerdings
hat es sich zweifellos für die Völker der gemäßigten und
kalten Klimate nur um Fleisch, also ein dem Verderben
sehr ausgesetztes Nahrungsmittel gehandelt. Die Kul¬
tur hat aber allmählich eine große Fülle von Nahrungs¬
mitteln geschaffen, von denen viele verhältnismäßig
wenig dem Verderben ausgesetzt sind, so die Fette und
alle trockenen, besonders dem Pflanzenreich entstam¬
menden Nahrungsmittel. Aus diesen bilden sich, bevor
sie nicht weiter, z. B. durch Kochen, zubereitet und ver¬
ändert worden sind, selten schädliche Stoffe. Alle aus
dem Tierreich stammenden Nahrungsmittel dagegen
liefern beim Verderben mehr oder weniger schädliche,
ja oft tödlich wirkende Stoffe, obenan stehen Hacke¬
fleisch, Fische, Austern, Muscheln, Krebse, Wurst (be¬
sonders ungeräuchert, außerdem mit Mehl- oder Wei߬
brotzusatz), Sülze, Mayonnaisen, dann folgen Fleisch der
Haustiere und des Wildes, gewisse Käsesorten, Milch.
Die Konservierungsmittel haben erst eine wirkliche
Bedeutung gewonnen, seitdem es eine Nahrungsmittel¬
industrie gibt, und diese wieder hatte zur Voraussetzung
die Forschungsresultate der Bakteriologie und der
Physiologie. Das Wesentliche der durch diese Wissen¬
schaften gewonnenen Erkenntnis besteht darin, daß das
Verderben der Nahrungsmittel bewirkt wird durch die
außerordentlich starke und schnelle Vermehrung von
bestimmten Bakterien und niederen Pilzen, welche die
in entsprechender Menge oder Konzentration gesund¬
heitsschädigend bis tödlich wirkenden Ptomaine
und Toxine erzeugen.
Die wichtigsten Verfahren, welche durch die Emp¬
fehlung der Bakteriologie in den Großbetrieb eingeführt
wurden, sind das Sterilisieren mittels Dampf (ge¬
spanntem, überhitztem, strömendem). Erhitzen im
Dampfbade (auch Pasteurisieren genannt). Diese haben
sich zu brauchbaren ai sarbeiten lassen für Fleisch-, Ge¬
müse- und Obstkonserven, in sehr beschränktem Grade
für Flüssigkeiten, am wenigsten für Milch; bei letzterer
leidet entweder der Geschmack bedeutend, oder sie
wird hochgradig zersetzt. Milch wird aber mit Vorteil
durch Eindampfen im Vakum (kondensierte Milch und
Trockenmilch) konserviert. Fleisch kann durch Sterili¬
sieren (Erhitzen in hermetisch geschlossenen Blech¬
büchsen im Autoclaven auf 110—120") auf Jahre haltbar
gemacht werden, doch verteuert das Verfahren das
Fleisch außerordentlich. Ein entschiedener Fehler der
meisten Konservenfabrikanten besteht darin, dem
Fleisch zuviel Salz und Salpeter zuzusetzen. Ein weite¬
res Konservierungsverfahren besteht in der Anwendung
von Kälte (Eis oder unter Null Grad abgekühlter Luft).
Diese ist sehr wirksam, solange die Nahrungsmittel der¬
selben ausgesetzt sind, aber sie tötet die vorhandenen
Keime (Sporen) nicht, sondern hält nur ihr Wachstum
auf, und sobald sie beseitigt ward, entwickeln sich die
Keime weiter, und Eisfleisch verdirbt sogar, wenn es
gewöhnlicher Temperatur ausgesetzt wird, verhältnis¬
mäßig schneller als frisches.
Die deutsche Gesundheitsbehörde steht auf dem
Standpunkt, daß die neueren Konservierungsmittel als
„Fremdkörper“ und „Giftstoffe“ zu verwerfen sind,
während die älteren gestattet werden.
Motiviert wurde dieser Standpunkt bisher weder
durch logische Gründe, noch durch stichhaltige Ver¬
suche. Aber innerhalb gewisser, enger Grenzen ist das
Streben, die Konservierungsmittel auszuschalten, be¬
rechtigt, für die Fälle nämlich, in denen die Nahrungs¬
mittel schnell verbraucht werden sollen und können. In
Frage kommen hauptsächlich Fleisch. Fleischwaren,
Milch und wohl auch leicht verderbende Früchte, wie
Bananen und Apfelsinen.
Die auch vom wirtschaftlichen (Preis) Standpunkt
aus zum Frischhalten anwendbaren Maßregeln sind .we¬
sentlich vorbeugende. Da die ursprünglichen Stoffe
(z. B. Fleisch, Milch) Keime nicht oder nur in ver¬
schwindender Menge enthalten, so ist durch pein¬
lichste Sauberkeit und schnelles Arbeiten in möglichst
staub- und keimfreien Räumen dafür zu sorgen, daß
Keime von den Nahrungsmitteln nicht aufgenommen
werden können. Die Weiterentwickelung der etwa
vorhandenen ist durch kalte Luft in gut schließenden
Räumen oder Behältern (Kellern, Kammern, Eis¬
schränken) zu verhindern. Bei Getränken, besonders
Milch, Bier, Wein, kommt die Filtration als äußerst
wirksamer Schutz hinzu. Das Flaschenbier der großen
Brauereien ist jetzt stets hefefrei. Die Kühlung wird
meist durch sogenannte Flächenkühler besorgt. Die
Technik der Milchbehandlung sowie des Transportes
und Vertriebes ist vorzüglich ausgearbeitet und funk¬
tioniert, bei sachlicher und gewissenhafter Ausführung,
durchaus befriedigend. In Amerika nennt man solche
in vorschriftsmäßiger Weise gewonnene Milch „zerti¬
fizierte“. Weit schwieriger gestaltet sich die Frisch¬
haltung des Fleisches und der Fleischwaren von der
Verarbeitung an bis zum Verkauf und Konsum.
Kommen wir nach diesen aufklärenden Vorbemer¬
kungen zur Besprechung des Wesens und der Wirkung
der neueren Konservierungsmittel.
Wie schon bemerkt, besteht das Wesen der Kon¬
servierungsmittel darin, die Weiterentwickclung von
Keimen zu verhindern. Auch eine schon begonnene
Zersetzung kann durch sie aufgehalten werden; aber
es werden damit nicht die schon gebildeten Gifte zer¬
stört, ebensowenig die etwa entstandenen schlecht
(fade) schmeckenden Stoffe (z. B. bei gegorenen
Flüssigkeiten) beseitigt. Es geht hieraus hervor, daß
der Zusatz eines Konservierungsmittels nur einen Sinn
hat, wenn es dem zu konservierenden Nahrungsmittel
in vollkommen frischem und unverdorbenem Zustande
zu"crctzt wird. Somit muß eine von den vorhin ge¬
schilderten Maßregeln zur Frischhaltung auch für den
Fall des Zusatzes des Konservierungsmittels zur An¬
wendung kommen. Und es zeugt von wenig Ver¬
ständnis, zu behaupten, daß Konservierungsmittel nur
zugesetzt werden, uni schlechtgewordener Ware den
Schein einer besseren Beschaffenheit zu geben. Aber
zweifellos wird auch viel Mißbrauch mit ihrer Verwen¬
dung getrieben, wo oft gänzlich mangelnde Kenntnis
mit Gewissenlosigkeit Hand in Hand geht.
Nr- & _ THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 387
Fragen wir weiter, ob die neueren Konservierungs¬
mittel die gegen sie gerichteten Angriffe verdienen. Sie
beruhen, wie schon erwähnt, teilweise auf Vorurteil.
Die Gegner haben in den meisten Fällen keine Gründe,
sondern nur Vermutungen beigebracht.
Die „wissenschaftlichen“ Versuche derselben an
Tieren und Menschen sind vielfach fälsch angelegt und
die daraus gezogenen Schlüsse natürlich infolgedessen
unbrauchbar. So wurden beispielsweise verschiedent¬
lich übertrieben große Mengen der Mittel verabreicht,
wie sie in der Praxis gar nicht zur Anwendung kommen.
Die Gegner bezeichnen die Konservierungsmittel als
Gifte und Fremdkörper. Mit Recht ist dagegen zu be¬
merken, daß es keinen Stoff gibt, der absolut giftig, so¬
wie keinen, der absolut ungiftig ist. Der Begriff des
Giftigen ist immer ein Qualitätsbegriff. Die (für Men¬
schen) am giftigsten wirkenden Stoffe (z. B. Strychnin,
Blausäure) sind in einem gewissen Verdünnungsgrade
nicht mehr giftig. Die Blausäure ist übrigens ein regu¬
lärer Bestandteil verschiedener Fruchtkerne, z. B.
Pflaumen, Kirschen, bitteren Mandeln usw.
Aber die gebräuchlichsten als Konservierungs¬
mittel verwendbaren Substanzen können im Vergleich
zu den bekannten starken Nervengiften sowie den so
außerordentlich gefährlichen Fleischgiften in der 50- bis
100-fachen Menge ohne Schaden genommen werden.
Die für unsere Verdauung durchaus nötige Salz¬
säure wirkt im allgemeinen schon schädlich, wenn sie
0,6 pCt. des Magensaftes übersteigt, trotzdem be¬
zeichnen wir sie in der geringen physiologischen Menge
nicht als Gift. Auch die „alten“ Konservierungsmittel,
wie die Bestandteile des Rauches und das Kochsalz, sind
über ein bestimmtes, relativ geringes Maß hinaus durch¬
aus nicht unschädlich. Ja sogar Nahrungsmittel (na¬
türlich unverdorbene) sind nicht als in jeder Beziehung
unschädlich zu betrachten, wobei es auch hier wieder
auf die Menge der genossenen Nahrung ankommt (z. B.
Milch, schweres Brot, Hülsenfrüchte usw.). Aber-trotz¬
dem paßt der Ausdruck „giftig“ ebensowenig für die
Nahrungsmittel, wie für die Konservierungsmittel.
Eine weitere unlogische Behauptung der Gegner
der Konservierungsmittel ist die, daß, weil sie in
großen Dosen giftig wirken, sie es auch im kleinen tun
müßten. Nach diesen Trugschlüssen müßten beispiels¬
weise auch die Weinsäure, Zitronensäure, Essig (ver¬
dünnte Essigsäure) Gifte sein, da sie doch in großen
Dosen schädlich, ja tödlich wirken. Bekannt sind übri¬
gens die schweren Schädigungen, die durch übertrie¬
benen Zitronensäuregenuß (Mittel gegen Gicht) wieder¬
holt herbeigeführt worden sind. Vor Essiggenuß ist so¬
gar von Aerzten wiederholt gewarnt worden. Eine
weitere Behauptung der Gegner, die auf grober Un¬
kenntnis beruht, ist die, daß die Konservierungsmittel
die Verdauung störten, weil dieselbe ein Verdauungs¬
vorgang sei. Sie verwechseln Enzyme, die die Verdau¬
ung besorgenden „ungeformten“ Fermente, die durch
Konservierungsmittel nicht verändert werden, und „ge¬
formte“ Fermente, deren Tätigkeit durch Konser¬
vierungsmittel unterbrochen wird.
Die in Deutschland gestatteten Konservierungs¬
mittel sind Salz, Salpeter, Essig, Alkohl, Zucker, die Ge¬
würze, Rauchgase, schweflige Säure und schweflig¬
saures Natron, Einhüllungsstoffe (Leim, Paraffin, Fett,
Oel).
Aber diese Konservierungsmittel sind erfahrungs¬
gemäß nicht imstande, Nahrungsmittel und Getränke
für längere Zeit und für den Export haltbar zu machen,
was für Großbetriebe erforderlich ist.
Von diesen wirkt Salz nur in großen, ge-
schmacks- und auch gesundheitsstörenden Mengen
konservierend. Der Gebrauch von Salpeter ist
durch die relative Giftigkeit desselben beschränkt. Das
„Pökeln“, das nebenbei auch den Zweck hat. die rote
Farbe des Fleisches zu erhalten, ist wirtschaftlich nicht
rationell, da ein beträchtlicher Prozentsatz des Eiweiß
des Fleisches, durch Auflösung in der Pökelbrühe, ver¬
loren geht. Die Verwendung von Essig und Al¬
kohol ist aus Geschmacks- und hygienischen Rück¬
sichten beschränkt. Z u c k e r ist in reichlicher Menge
ein gutes Konservierungsmittel, kann aber leicht ge¬
schmackstörend wirken, ist also aus diesem Grunde für
die meisten Nahrungsmittel nicht anwendbar. Von den
Gewürzen kommt hauptsächlich Pfeffer in Be¬
tracht; seine konservierende Kraft ist wenigstens in un-
zerkleinertem Zustande eine relative, er wirkt aber
schon in verhältnismäßig nicht sehr großen Mengen ge-
schmacks- und gesundheitsstörend. Die Räuche¬
rung wirkt, selbst bei sachverständiger Ausführung,
besonders bei Fischen begrenzt; zu stark darf nicht ge¬
räuchert werden, weil die Ware hierdurch austrocknet,
hart wird und einen unangenehmen, strengen Ge¬
schmack erhält. Die Räucherwaren müssen nach dem
Räuchern noch, um nicht zu verderben, bis zum Verkauf
in geeigneter Weise (in Eisschränken, Kellern, Fässern
oder sonstwie verpackt) aufbewahrt werden. Das
Wesentliche ist auch hier: frisch schnell verarbeiten und
gegen Luft-(Bakterien-)Zutritt geschützt verpacken
und verwahren.
Das schwefligsaure Natron ist ein ziem¬
lich unwirksames und deswegen besonders bedenkliches
Mittel, weil es eine bessere Beschaffenheit der Ware Vor¬
täuschen kann; es vermag nämlich unter Umständen die
rote Farbe des Fleisches (es handelt sich hauptsächlich
um Hackefleisch) noch zu erhalten, wenn Fäulnis¬
prozesse schon eingetreten sind. Die schweflige
Säure wird nicht als solche verwendet, sie gelangt
vielmehr durch Schwefeln (Verbrennen von Schwefel)
in die zur Aufbewahrung der betreffenden Nahrungs¬
mittel und Getränke (getrocknete und eingemachte
Früchte, Bier, Wein) dienenden Gefäße. Ihre konser¬
vierende Kraft ist ebenfalls unbedeutend, zudem ver¬
leiht sie den Konserven oft einen unangenehmen Bei¬
geschmack, benimmt Früchten ihr feines Aroma und
verändert die Farbe. Die Einhüllungsstoffe
sind sehr wirksam, falls die betreffenden Nahrungs¬
mittel sich im Moment des Einhüllens in tadellos frischem
Zustande befanden. Oel (Olivenöl) wurde schon.im
Altertum als Schutz-(Konservierungs-)Flüssigkeit für
Wein verwendet (über denselben geschichtet).
Die Häufigkeit von schweren Vergiftungen durch
Nahrungsmittelgenuß beweist, daß die Vorschriften und
Vorkehrungen zur Verhütung derartiger Unglücksfälle
nicht ausreichen, wenn auch Nichtbefolgung derselben
und Fahrlässigkeit dabei eine Rolle spielen.
Das Streben, Konservierungsmittel anzuwenden,
erscheint nun erklärlich, nachdem sich herausgestellt
hat, daß die vorhin erwähnten Verfahren vielfach ver¬
sagen, und aus dem berechtigten Wunsch heraus, etwas
absolut Konservierendes (das natürlich nicht gesund¬
heitsschädlich sein darf) zu finden, ferner aus der Er¬
wägung, daß eine Haltbarmachung der Nahrungsmittel
durch Konservierungsmittel sich voraussichtlich we¬
sentlich billiger stellen würde, als durch die Sterili¬
sierungsverfahren.
Wir kommen zu den positiven Beweisen für die
Unschädlichkeit der benannten Konservierungsmittel.
388
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 25
Einen absoluten Maßstab der zulässigen Mengen
der einzelnen Konservierungsmittel für eine erwachsene
Person pro Tag gibt die medizinische Maximaldosis.
Dieselbe liegt pro Tag und erwachsene Person für
das neutrale schwefligsaure Natron zwischen
1,8 und 3,6 gr., für Salizylsäure zwischen 0,9 und
3,6 gr., für Borsäure zwischen 0,6 und 1,8 gr., ebenso
für B e n z o e s ä u r e, für Naphthol bei 0,06 gr. Die freie
schweflige Säure, erhalten durch Verbrennen
von Schwefel, dient seit altersher zum Schwefeln der
Fässer (von Bier und Wein); die gestattete Höchstzahl
von schwefliger Säure für Wein ist 80 mgr. im Liter.
Das schwefligsaure Natron wird fast aus¬
schließlich für Fleischkonservierung verwendet, die ge¬
stattete Höchstzahl ist 2 gr. auf 1 Kilo Fleisch. Die
Salizylsäure wird gebraucht zur Konservierung
von Wein, Bier, Fruchtsäften, alkoholfreien Getränken,
gequetschten Früchten, Gelees, Marmeladen. Die
Borsäure dient hauptsächlich zum Konservieren
von Fleisch, Speck, Austern, Fischen, Butter, getrock¬
neten Früchten.
Wenig verwendet werden Formaldehyd und
Wasserstoffsuperoxyd, sie wirken beide sehr stark anti¬
septisch (also auch konservierend). Die wirksamen
Höchstmengen sind genau nicht festgestellt, für Formal¬
dehyd dürfen sie etwa angenommen werden im Ver¬
hältnis wie 1 : 2000 bis 3000.
Verboten in Deutschland sind die Salizylsäure,
Benzoesäure, Borsäure, Formaldehyd, also alle wich¬
tigen neueren Konservierungsmittel.
Die konservierend wirkenden Mengen der Konser¬
vierungsmittel betragen pro Pfund durchschnittlich
0,06 gr., liegen also in den meisten Fällen bedeutend
unter den medizinischen Maximaldosen.
Zugunsten der Salizylsäure ist noch besonders zu
bemerken, daß Salizin, Aspirin, Salol (alles Salizylsäure¬
präparate) von Aerzten häufig als Desinfizienta und
Antiseptika gegen Bakterien usw. in Magen und Darm
unbedenklich verordnet werden, da schädliche Neben¬
wirkungen durch die klinischen Vorversuche im all¬
gemeinen nicht konstatiert worden sind.
Wie schon erwähnt wurde, sind auch die Gewürze
(vielfach Derivate der Salizylsäure, Benzoesäure und
Zimtsäure) Konservierungsmittel; ferner sind die beiden
erstgenannten Stoffe in fast allen unserer eßbaren
Beeren und Früchten enthalten. Daß für längere Halt¬
barmachung von Getränken und Fruchtsäften mit
niedrigem oder fehlendem Alkoholgehalt Zusätze von
Konservierungsmitteln absolut erforderlich sind, ist all¬
gemein anerkannt.
ln bezug auf Borsäure und Borax will ich mich auf
einige charakteristische Bemerkungen beschränken.
Zur genaueren Orientierung sei auf das Buch;
„Borax und Borsäure als Arznei- und Konservierungs¬
mittel". Herausgegeben vom Bunde deutscher
Nahrungsmittel-Fabrikanten und -Händler. E. V. Nürn¬
berg. 1903. hingewiesen.
Berechtigtes Aufsehen machten seinerzeit die Ver¬
suche von Prof. O. Liebreich im Jahre 1900, durch
welche er die vollkommene Unbrauchbarkeit der¬
jenigen des Dr. Annett bewies, dessen Katzen nicht an
Borsäure, sondern an Nahrungsmangel zugrunde gingen.
Derselbe Forscher empfahl die Borsäure zur Konser¬
vierung von Seefischen, indem er gleichzeitig ihre Un¬
schädlichkeit nachwies.
Zusammenfassend ist zu sagen: Die alten Konser¬
vierungsmittel reichen für eine längere Erhaltung der
Nahrungsmittel und Getränke nicht aus. Das Konser¬
vieren durch Dampf (Sterilisieren, Pasteurisieren) ist
nicht überall anwendbar, besonders fällt ins Gewicht,
daß diese Art; die Konservierung in Büchsen und
Gläsern, immer nur in ziemlich kleinen Quantitäten aus¬
führbar ist. Große, in Fässern zu verpackende Massen
können nur durch Konservierungsmittel vor dem Ver¬
derben bewahrt werden; die Probe ist jahrelang mit
positivem Erfolge mit großen Uebersee-Fleischsendun-
gen gemacht worden.
Bei sofortigem Verbrauch der Waren nach Ankunft
kann man sich auch der Kühlschiffe und Kühlwagen be¬
dienen; und das scheint jetzt in sehr großen Dimensionen
zu geschehen. Weine und Fruchtsäfte werden in Ge¬
schmack und Qualität geschädigt, in ihnen enthaltene
Fermente werden zerstört.
Das Unternull-Kühlen hält nur solange vor, als die
betreffenden Stoffe im Kühlraum sind.
Wohl die einfachste, aber nur beschränkt anwend¬
bare Methode des Konservierens ist die des Trocknens;
mit ihrer Hilfe werden teilweise vorzügliche und sehr
haltbare Präparate (hauptsächlich getrocknete Früchte)
gewonnen.
Zurückkommend auf die Bemerkung der Gegner
der neueren Konservierungsmittel, die sie als Gifte be¬
zeichnen, so muß man die merkwürdige Logik bewun¬
dern, Stoffe als „Gifte“ zu bezeichnen, die mit Recht als
„Heilmittel“ empfohlen werden und als solche allgemein
bekannt sind. Die als gut erkannten neueren Konser¬
vierungsmittel sind keine „Gifte“ und keine „Fremd¬
körper“, da einige von ihnen integrierende Bestandteile
fast aller unserer Obstarten und eßbaren Beeren sind.
Die „Natur“ gab sie uns als „Heilstoffe“, also dürfen sie
auch nicht als „Giftstoffe“ und „Fälschungen“ gebrand¬
markt werden.
Wie wir gesehen haben, sind in Deutschland alle
wichtigeren neueren Konservierungsmittel verboten.
'Gewiß soll die Behörde keine voreiligen Be¬
schlüsse fassen, anderseits aber ist sie verpflichtet,
wenn sie Stoffe, die von zahlreichen, gewissenhaften
und tüchtigen Forschern als gut und brauchbar erkannt
sind, verbieten will, Versuche in umfassendster und
vorurteilsfreiester Weise teils selbst ausführen zu lassen,
teils von anderen ausgeführte objektiv zu kontrollieren.
Das Streben, die Konservierungsmittel auszu¬
schalten, ist vom theoretischen Standpunkt aus gewiß
zu rechtfertigen, und es ist auch unbestreitbar, daß die
Technik der „Konservierungsverfahren ohne Konser¬
vierungsmittel“ in den letzten Jahrzehnten eminente
Fortschritte gemacht hat. Aber da die Konservierung
durch Konservierungsmittel sich voraussichtlich we¬
sentlich billiger stellt, als diejenige durch die vorhin er¬
wähnten Verfahren, so ist es auch von diesem Gesichts¬
punkt aus die moralische Pflicht der zuständigen
Behörden, die Frage der Zulässigkeit der Konservie¬
rungsmittel ernstlich ins Auge zu fassen. Die durch die
Prüfung der Nahrungsmittel auf Konservierungsmittel
bezw. deren quantitative Bestimmung notwendig wer-
c\ l.’r höhere Belastung der Nahrungsmittelkontrolle ist
natürlich kein Grund des Verbotes.
Inzwischen ist es wichtig, das große Publikum über
die Resultate der vorurteilsfreien Wissenschaft aufzu¬
klären, so daß es in der Lage ist, unabhängig von bureau-
kratischer Bevormundung und Polizeiaufsicht die Kon¬
servierungsmittel sachgemäß im Haushalt zu ver¬
wenden.
Nr. 25
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
389
REFERATE.
Augenheilkunde.
Referent: Dr. med. Paul Greven, Augenarzt in Aachen.
!• lieber Ammoniak-Verätzung des Auges und der äußeren
Haut. (Eine klinische und experimentelle Studie nebst einem Vor¬
schläge zur operativen Behandlung des verletzten Auges.) Von
Dr. A 1 e x i us Pichler, Augenarzt in Klagenfurt. Zeitschrift
für Augenheilkunde XXIII. Heft 4.
2. Zwei seltene Fälle von Eisensplitterverletzungen des Auges.
Von Dr. A. Erb, Lugano. Ibidem.
3. Ein Fall von Varicenbildung auf den Papillen. Von Privat-
dozentDr. Paul Knapp, Basel. Ibidem.
4. Einige Beziehungen von Dermatosen zu Augenkrankheiten.
Von Prof. Dr. S. Ehr mann , Wien. Aerztliche Standeszeitung
1910. Nr. 9.
5. Beitrag zur Vaccine-Impferkrankung des Auges. Von Hofrat
Prof. Wicherkiewicz. Aerztliche Fortbildung, Wissen¬
schaft). Beilage der Aerztl. Standeszeitung, 1910. Nr. 9.
6. Die Beteiligung des Auges bei Erkrankungen des Gesaint-
organismus und fremder Organe. Vortrag, gehalten von Dozent
Dr. R. Possek, Graz. Ibidem.
7. Beitrag zur Kenntnis der Verletzungen der Sehnerven bei
Nasenoperationen. Von Dr. O. Purtscher, Klagenfurt. Ibidem.
8. Leber den Einfluß der subkonjunktivalen Injektionen von
Sol. Natrii jodici und Sol. Kalii jodati und anderer Medikamente auf
die Aufhellung der Katarakt. Von Dr. A. Schiele, Augenarzt
der Kreislandschaft Kursk, Rußland. Wochenschrift für Therapie und
Hygiene des Auges 1910, XIII. Jahrgang. Nr. 28 u. 29.
1. Aus der vorliegenden Arbeit, die sich in der Hauptsache auf
Krankengeschichten und Versuchsmaterial der Czermakschen Klinik
aufbaut, seien für die Praktiker am wichtigsten folgende Sätze mit¬
geteilt, zumal sonst in der augenärztlichen Literatur über die
Ammoniakverletzung nicht viel zu finden ist. Die Bindehaut des
Auges wird von Ammoniak in der Weise angegriffen, daß in leichten
Fällen ein Katarrh mit Rötung, geringer Schwellung und starker
Tränenabsonderung, dem sich Lichtscheu hinzugesellt, die Folge ist.
Die Wiederherstellung erfolgt in wenigen Tagen. Wurde die Binde¬
haut stärker betroffen, so bilden sich weiße oder weißgraue,
brüchige Membrane, die sich leicht abziehen oder abwischen lassen
und unter denen' man die gerötete, des Epithels entblößte Binde¬
haut, häufig von Blutungen durchsetzt, findet. Stets ist die ver¬
änderte Partie der Bindehaut sehr ausgedehnt. Ist die Hornhaut ge¬
troffen, — und dies dürfte wohl in den meisten Fällen Vorkommen —
so zeigt sich in den leichten Fällen Mattigkeit und Trübung, ja teil¬
weise oder totale Abstoßung des Epithels, worauf bald vollständige
Wiederherstellung zu folgen pflegt. Häufig kommt es aber zu
einer allmählich sich entwickelnden, diffusen, rauchigen Trübung,
die langsam zu eitriger Einschmelzung der Hornhaut und Durch¬
bruch derselben führt. Diese schwere, leider nicht seltene und oft
erst sehr spät aultretende Komplikation ist stets verbunden mit Iritis
und Eiteransammlung in der Vorderkammer. Auch das Bild der
Panophthalmie kann sich entwickeln. Bemerkenswert ist der
schleppende Verlauf und der traurige Ausgang, den viele Fälle trotz
anfangs gut scheinender Prognose nehmen. Die Behandlung der
Ammoniakverätzungen des Auges feiert leider keine großen
Triumphe. Sie beschränkt sich im wesentlichen auf Reinigung des
Bindehautsackes durch reichliche Ausspülungen und symptoma¬
tische Bekämpfung der Folgeerscheinungen an Bindehaut, Hornhaut
und Regenbogenhaut. Die schwereren Verätzungen führen fast stets
zu einem traurigen Endausgange. Um nun aber auch eine Ent¬
giftung des Augeninneren herbeizuführen, wohin sicher sehr bald
% und vorwiegend das Gift eindringt, schlägt Pichler vor, in jedem
Falle von schwerer Ammoniakverätzung rasch eine Punktion der
Vorderkammer vorzunehmen und dieselbe allenfalls mehrmals zu
wiederholen. Die Erfolge dieses Verfahrens bleiben abzuwarten.
2. Erb berichtet über zwei interessante Fälle von Eisensplitter¬
verletzung des Auges. In dem ersten Fall wurde die richtige
Diagnose erst 4 Monate nach der Verletzung gestellt. Es fehlte
eben jede sichtbare perforierende Verletzung, und der Fremdkörper
saß im Ziliarkörper, so daß er auch bei maximal weiter. Pupille nicht
sichtbar war. Das Auge blieb äußerlich fast reizlos, und eine sich
bildende diffuse Glaskörpertrübung wurde symptomatisch be¬
handelt. Schließlich wurde aber mit dem Augenspiegel
die Kuppe eines in den Glaskörper vorragenden gelblich¬
weißen Exsudates, das sich um den Fremdkörper bildete, sichtbar,
weshalb Erb das Vorhandensein eines Fremdkörpers vermutete.
Diese Vermutung wurde dann auch durch den Versuch mit dem
•Mellinger-Klingelfußschen Innenpolmagneten bestätigt, der sich auch
jij diesem Falle vorzüglich bewährte, indem er den Splitter lockerte
und zwischen Iris und Linse in die Vorderkammer zog, von wo er
durch einen Hornhautschnitt mit dem Hirschbergschen Magneten end¬
gültig extrahiert wurde. Das schließliche Sehvermögen von T 'U <>
kann bei der Schwere der Verletzung, der Größe des Fremdkörpers
(4 mm lang, 1 mm dick und 0,0332 gr schwer) und dem langen Ver¬
weilen desselben im Auge als ein sehr günstiges betrachtet werden.
Der zweite Fall ist deshalb bemerkensw ert, w^eil hier der Eisensplitter
die Linse total perforierte, ohne daß eine Totalkatarakt danach folgte.
Die nächste Umgebung des Durchschlagskanals in der Linse war ge¬
trübt, und diese Trübung verschmälerte sich nach hinten. Dagegen
war in der hinteren Kortikalis ein rosettenförmiger hinterer Kortikal¬
star zu sehen. Dieser letztere verschwand allmählich wieder voll¬
ständig nach Entfernung des Splitters mit dem Innenpolmagneten.
Schließliche Sehschärfe = 5 /i«— 5 /n.
3. Es handelt sich in der Arbeit von Knapp um ein eigenartiges
Leiden, dessen Beginn offenbar schon einige Jahre zurückzudatieren
war. Klinisch machte es sich bemerkbar links in einer starken
Herabsetzung der zentralen Sehschärfe mit relativem zentralen
Skotom, rechts hauptsächlich in erheblicher Hemeralopie, para¬
zentralem Skotom und Einschränkung der peripheren Gesichtsfeld¬
grenzen. Ophthalmoskopisch fand sich als Ursache dieser Störungen
eine auffallende karminrote Verfärbung beider Papillen und auf den¬
selben Konvolute von gröberen venösen, stark geschlängelten Ge¬
läßen, also gewissermaßen das Bild von Naevi vasculosi auf beiden
Papillen. Da die Patientin nebenher seit Jahren über drückende
Kopfschmerzen zu klagen hatte, so glaubt Verfasser das ganze
Krankheitsbild erklären zu können mit wahrscheinlichem Vorhanden¬
sein ausgedehnter Venektasien im Gehirn und ihre Weiterver¬
breitung auf Sehnerven und Papillen.
4. Ehrmann macht auf die Tatsache aufmerksam, daß der ent¬
wicklungsgeschichtliche Zusammenhang von Haut, Bindehaut und
Hornhaut sich auch im Uebergange mancher Dermatosen auf die
dermalen Bildungen des Auges äußert. So ist z. B. eine der häufig¬
sten Erkrankungen der Lidhaut die Seborrhoea sicca. Ferner können
bei Acne rosacea Lidhaut, Bindehaut und in seltenen Fällen auch
die embryologisch zur Haut gehörigen Schichten der Kornea mit
affiziert werden, ebenso bei Syphilis, Psoriasis und Lichen ruber.
5. Vorliegende Arbeit behandelt die durch Vakzination ver¬
ursachten Augenerkrankungen. Die Infektion kommt meist durch
Uebertragung aus der geimpften Stelle auf das Auge desselben
oder eines anderen Individuums zustande. Sitzt die sekundäre
Pustel auf der Lidhaut oder am Lidrande, dann erscheint das Lid
bretthart, infiltriert, die Präaurikutardrüsen sind stark angescHwollen
und schmerzhaft. Vom Lidrande kann sich alsbald die Infiltration
auf die Bindehaut fortsetzen, oder der gegenüberliegende Lidrandteii
wird mitaffiziert. Auch kann sich die Erkrankung auf die Hornhaut
fortsetzen oder diese von vornherein ergreifen. So wird die Krank¬
heit verschiedenartig verlaufen. Sie kann spurlos vorübergehen
oder aber mit Hornhautnarben, Ektropium, Entropium, Blepharo-
phimosis, Symblepharon usw r . endigen. Auch Perforation der Horn¬
haut mit ihren Folgen kann eintreten. Der in prognostischer Hinsicht
so verschiedenartige Verlauf hängt wohl davon ab, ob die Infektion
ein Individuum trifft, welches nach der ersten Vakzination noch
immun geblieben ist, oder ein solches, welches nicht mehr immun
ist, (da es nicht revakziniert wurde) oder weil es überhaupt nicht
vakziniert worden war. Auch kann eine Mischinfektion eintreten
und einen deletären Verlauf verursachen. Sieben lehrreiche Fälle
aus seiner Praxis beschreibt Verfasser des näheren. Aus der Zu¬
sammenstellung dieser Fälle geht hervor, daß Augenerkrankungen
teils infolge von Vakzineinfektion, sowohl der geimpften Individuen,
als auch derjenigen, die mit jenen in Berührung kommen, nicht
gerade zu den Seltenheiten gehören. Verfasser möchte daher die
Impfärzte anregen, die Umgebung ihrer Impflinge auf die Gefahr der
Infektion der Augen fürs Kind und die Angehörigen aufmerksam zu
machen. Es dürfte doch w r ohl leicht sein, durch geeigneten Verband
des geimpften Gliedes prophylaktisch dieser Aufgabe gerecht zu
werden.
6. Eine gedrängte Uebersicht über den so häufigen Zusammen¬
hang von Augenkrankheiten -mit Allgemeinleiden. Ein kurzes Referat
würde der Arbeit nicht gerecht werden, es muß vielmehr auf das
Original verwiesen werden.
7. Eine Patientin hatte sich einer Nasenoperation unterzogen,
und zwar der Entfernung zweier Polypen (Eingriff mit Schlinge an
der mittleren Nasenmuschel). Gleich nach der Operation bemerkte
sie eine Sehstörung am rechten Auge, etwas später auch am Jinken.
Die Augenuntersuchung nach etwa einem halben Jahre ergab fol¬
gendes: Komplete bi temporale Hemianopsie. Es fehlt aber außer¬
dem rechts noch der ganze obere innere Quadrant; ferner besteht
erhebliche Einengung der peripheren Grenzen des einzig noch nach¬
weisbaren unteren inneren Quadranten. Endlich fehlt ein an die
vertikale Trennungslinie des Gesichtsfeldes unten innen angren¬
zender Keil des inneren unteren Quadranten. Aber auch am linken
Gesichtsfelde besteht ein Uebergreifen des temporalen Defektes
nach unten innen in Form eines peripheren Keils. Nach den be¬
stimmten Angaben der intelligenten Patientin hatte Verfasser keinen
Anhaltspunkt, einen innigen Kausalnexus zwischen dem operativen
Eingriff in der Nase und der höchst charakteristischen Sehstörung
zu bezweifeln. Es muß also in diesem Falle eine sagittale Durch-
390
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 25
V'
trennunsr des Chiasma stattgefunden haben. Da aber rechts auch
Hemianopsia Superior bestand, mußte auch eine völlige Zerstörung
der unteren Partie des rechtsseitigen ungekreuzten Bündels stattge-
iunden haben, ferner eine minder tief greifende beiderseitige, doch
rechts ausgedehntere Läsion der oberen Partien der ungekreuzten
Fasern.
8. Schiele bietet hier hauptsächlich eine Zusammenstellung
der in der Literatur veröffentlichten Beobachtungen von Beein¬
flussung der Katarakt mit Medikamenten, ein Thema, über welches
ich in letzter Zeit auch in dieser Zeitschrift schon mehrmals referiert
habe. Schiele selbst will Besserangen der Sehschärfe, ja Auf¬
hellungen der Katarakt gesehen haben nach subkonjunktivalen In¬
jektionen von Sol. Natrii iodici. Diese Lösung, im Verhältnis von
1 : 1000, bei Zusatz von 1—2 Tropien Akoin lprozentig, spritzt er
in der Quantität eines Kubikzentimeters unter die Conjunktiva bulbi,
täglich oder alle 2—3 Tage, je nach der Reaktion.
Herzleiden.
Referent: Dr. Silberniann, Bad Kudowa.
1. Einiges zur Behandlung der Herzschwäche bei fibrinöser Pneu¬
monie. Von Dr. E. Bachmann, Zürich. Schweiz. Rundschau
f. Medizin.
2. lieber einen Fall einer geheilten Stichwunde des Herzens. Von
Dr. Leopold Renner, Donawitz. Deutsch, med. Woch.
1910/10.
3. lieber die Bedeutung der Funktion der peripheren Blutgefäße
beim inkompensierteu Kreislauf und über die sogenannte periphere
Kompensation. (Incompensatio et Compensatio peripherica.) Von
Dr. Mary an Franke. Wien. klin. Woch. 1910/10.
4. Ziele und Grenzen der Arteriosklerosetherapie. Von Dr.
Rudolf U h 1 i r z, Schönfeld. Zentralblatt für Herzkrankheiten
1909/9—12.
1. Verfasser hat in etwa 200 Fällen die besten Erfolge bei zum
Teil sehr schweren Kollapsen mit subkutanen Injektionen von
Coffein natr. salicyl. und intramuskulären von Digalen gesehen.
Das Coffein gibt er in einer Lösung von Coffein, Glyzerin und
Aq. dest. aa 5,0, davon 1—2, ccm pro dosi bis zu 3 mal pro die.
Vom Digalen werden bis zu 4 Injektionen in 24 Stunden zu 2 ccm
gemacht. Eine direkte Beeinflussung der Infektion durch Venae-
sectio und nachfolgende Kochsalzinfusion hält er nicht für möglich,
glaubt aber einen Erfolg dieser Behandlungsweise nicht in Abrede
stellen zu können bei starken Wasserverlusten durch Schweiß.
Empfohlen werden ferner bei Gefäßkollapsen Injektionen von Ergotin
neben Coffein und 1 °/oo Lösung von Adrenalin intravenös.
2. Verfasser berichtet über einen Fall einer schweren Verletzung,
die er durch sofortige Operation behandelt hat. Patient hatte
zwei Wunden, eine 3 cm lange im V. I. R., eine 8 cm lange im VI.
I. R., Atmung oberflächlich, jagend. Puls nicht fühlbar; vollkommen
verblutet. Sofortige Kochsalzinfusion von 1000 ccm, Operation
’/a Stunde nach Einlieferung. Nach Erweiterung der Wundränder
gelangt man direkt in Bauch- und Brusthöhle. Das Herz liegt direkt
dem Magen auf; im Herzbeutel eine Wunde, die erweitert wird. An
der Wand des linken Ventrikels zeigt sich nunmehr eine 2 cm tiefe
Verletzung, die stark blutet. Die Wunde im VI. I. R. wird bis zum
Sternum verlängert und der Knorpelansatz der 6.—3. Rippe durch¬
schnitten und der Lappen nach oben gezogen. Das Herz schlägt
arythmisch, flatternd, kein richtiger Herzschlag, nur Zuckungen sind
wahrnehmbar. Es werden 4 tiefliegende Seidennähte der Ventrikel-
vvand gelegt, dann wird die Pericardwunde bis auf 1 cm durch
Naht geschlossen, worauf die Blutung steht. Das Zwerchfell. ist
dicht am Ansatz des Thorax durchtrennt, und infolgedessen stark
zurückgezogen; die Naht ist daher sehr schwierig, und die Oeffnung
kann nicht vollkommen geschlossen werden. Verfasser näht daher
in dieselbe den unteren Lappen der stark collabierten Lunge ein
und vernäht die Pleura bis auf 2 cm . In diese wie auch ins Pericard
werden Drains eingelegt. Der anfangs nach der Operation
nicht fühlbare Puls bessert sich allmählich unter reichlichen Koch-
salzinfusionen (2 mal tgl. 1400 ccm). Nach etwa 8 Wochen kann
Patient entlassen werden und nimmt nach etwa 4V» Monaten seine
Arbeit wieder auf.
Im Anschluß an diesen Fall empfiehlt Verfasser für so schwere
Herzverletzungen den Interkostalschnitt, und auch ohne Verletzung
des Zwerchfells Annähung der Lunge an dasselbe, da sich die Lunge
so viel schneller wieder ausdehnt.
3. Man hat bisher die Ursache der Dekompensation nur im Herzen
selbst, besonders in dem Verhalten des Herzmuskels gesucht, und
hierbei die Bedeutung der peripheren Gefäße fälschlicherweise nicht
berücksichtigt. Verfasser macht daher darauf aufmerksam, daß die
Zirkulationsstörungen bei akuten Infektionskrankheiten nicht auf
einer pathologischen Veränderung des Herzmuskels beruhen, sondern
auf Lähmungserscheinungen, besonders auch der peripheren Gefäße.
Zur Erhaltung des normalen Kreislaufs tragen neben dem Herzen
V/ERSIT
in hohem Grade auch die peripheren Gefäße bei und zwar als
aktiver treibender Faktor vermöge ihrer reichlichen Muskulatur. Es
ist wichtig, daß die Menge der Gefäßmuskeln peripherwärts zu¬
nimmt; besonders kräftig ist die Gefäßmuskulatur in den kleinen
Arterien des Intestinaltraktus, wo sie besonders als treibender Faktor
für die Blutsäule dienen. Die Venen haben im allgemeinen eine
geringe Muskulatur, nur die der unteren Extremität haben stärker
entwickelte Muskeln. Dagegen besitzt die Pfortader und deren Aeste
ein sehr stark entwickeltes Muskelsystem, das auch hier als Trieb¬
kraft für die Blutsäule dient. Die Kapillaren haben eigentlich keine
Muskulatur, doch haben die sie umgebenden Korbzellen die Rolle
der Muskeln übernommen, so daß sich auch die Kapillargefäße aktiv
kontrahieren und dilatieren können. Die peripheren Gefäße können
also aktiv eine Druckwirkung ausiiben, während die Saugwirkung
der Venen nur eine geringe ist. Die Bewegung, die in den Gefäßen
stattfindet, ist eine peristaltische. An der Stelle, wo die größten
Zirkulationswiderstände bestehen, ist ein System kräftiger Blutge¬
fäße vorhanden, gewissermaßen ein zweites, peripheres Herz, das
mit dem zentralen Herzen in Einklang steht und mit ihm zusammen
arbeitet; beide bedingen die normale Zirkulation. Dementsprechend
können Zirkulationsstörungen hervorgerufen sein 1. durch Stö¬
rungen des Herzens und des peripheren Gefäßsystems, 2. des
Herzens allein, 3. des Gefäßsystems allein,, es kommt somit neben
der zentralen auch eine periphere Kompensation bezw. Inkompen¬
sation in Betracht. Verfasser erwähnt mehrere Fälle schwerer Ver¬
änderungen des Herzens (Trikuspidalstörungen bei Degeneration
des Herzmuskels), ohne daß in vivo Dekompensation vorhanden
war. Diese Fälle sind nur zu erklären durch periphere Kompen¬
sation. Umgekehrt gibt es auch Fälle von Dekompensation, auch
mit tödlichem Ausgang, wo Veränderungen des Herzens bei der
Sektion nicht nachweisbar waren. Hier handelt es sich um periphere
Kompensationsstörungen, zu denen man vielleicht auch die Zirku¬
lationsstörungen nach Infektionskrankheiten rechnen kann. Diffe¬
rential-diagnostische Hilfsmittel für zentrale und periphere Störungen
haben wir noch nicht. Vielleicht beruht die günstige Wirkung von
Massage, Heilgymnastik und Bädern bei Kompensationsstörungen
auch mehr auf einer Beeinflußung des peripheren Systems als des
Herzens.
4. Verfasser bespricht zunächst kurz die Aetiologie der Arterio¬
sklerose. erwähnt den Einfluß der Rasse, der Lebensweise, toxischer
Stoffe (Blei, Quecksilber etc.), ferner den Einfluß der Lues und der
Infektionskrankheiten. Bezüglich der Therapie unterscheidet er die
prophylaktische und die symptomatische Behandlung. Da in den
meisten Fällen, Blutdrucksteigerungen bestehen, muß die Therapie
besonders die Herabsetzung desselben anstreben. Mäßigkeit in
Speise und Trank, am besten laktovegetabile Kost. Doch empfiehlt
Verfasser, da durch dieselbe häufig eine Belastung des Intestinal¬
traktus hervorgerufen wird, einmal täglich eine Fleischmahlzeit.
Traubenkur und Mineralwasserkur sind manchmal empfehlenswert,
ebenso auch hydriatische Prozeduren zur Blutdruckherabsetzung, be¬
sonders warme Bäder und solche Duschen, mitteldicke Moorbäder,
Sauerstoff-Wasserbäder sowie kohlensaure Solbäder, besonders
warme über 37° C. (!! Ref.), kohlensaure Gasbäder sind kontra¬
indiziert, Luftbäder gestattet, dagegen keine Sonnenbäder.
Wechselstrombäder und Hochfrequenzströme sind nach Verfasser
nicht sehr nachhaltig, ebenso auch der Faradische Pinsel. Von
Medikamenten kommt in erster Linie das .lod in seinen verschieden¬
sten Verbindungen in Betracht, ferner Theobromin. Von gutem
Erfolge soll auch die Kombination dieser beiden sein. Da eine
Restitutio ad integrum nicht möglich ist, legt Verfasser den Haupt¬
wert auf die Prophylaxe. Subjektive und objektive Besserungen
sind zu erzielen, sind jedoch nie von Dauer.
Orthopädie.
Referent: Spezialarzt Dr. H. Lehr, Stuttgart.
1. Ueber die Form der Wirbelsäule. Von Dr. M. Böhm,
Berlin. Berl. klin. Wochenschr. 10, Nr. 2.
2. Ein Korsett zur Korrektur der Lordose bei lordotischer Albu¬
minurie. Von Dr. Th. W o h r i z e k , Prag. Med. Klinik 10. Nr. 18.
3. Probleme der Skoliosenbeliandlung. Von Dr. Muskat,
Berlin. Reichs-Med.-Anzeiger 10. Nr. .6
4. Ueber Insuificientia vertebrae. Von San.-Rat Dr.
A. Schanz, Dresden. Die Heilkunde 09. Nr. 11.
5. Allmähliches Redressement des Pottschen Buckels. Von
Dr. B. Lange, Straßburg. Straßburger med. Zeitung 10. Nr. 1.
6. Zwei Fälle von Arthritis deiormans nach Typhus, ein Beitrag
zur Kenntnis der Aetiologie der Arthritis deiormans. Von Dr.
J. Rothschild. Berl. klin. Wochenschr. 10. Nr. 4.
7. Zur Behandlung der habituellen Schulterluxation. Von Dr,
E. Marcuse» Berlin. Berl. klin. Wochenschr, 10. Nr. 15.
/ERS
Nr. 25
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
391
8. Ueber die Luxation im Lisfrancschen Gelenk. Von Dr.
P. Ewald, Hamburg, ßerl. klin. Wochenschr. 10. Nr. 15.
1. Untersuchungen über Lage und Form des Promontoriums an
anatomischen Präparaten haben Verfasser belehrt, daß das Promon¬
torium von seiner normalen Lage zwischen 24. und 25. Wirbel über
den 24. Wirbel rückt, wenn der letzte Lendenwirbel sakralen
Charakter annimmt, und daß er seine Lage unter dem 25. Wirbel
nimmt, wenn der erste Kreuzbeinwirbel lumbalen Charakter trägt.
Diese numerische Variation verursacht in ihren höchsten Graden
zwar ein abnorm gelegenes, aber wohlausgebildetes, in ihren mitt¬
leren und niederen Graden dagegen ein doppeltes, wenig ausge¬
bildetes oder ganz flaches Promontorium. Dem flachen Promonto¬
rium entspricht nun eine Abflachung der Lendenlordose. Diesen
wichtigen Gesichtspunkt müssen wir den als bestimmend für die
Form der Lendenlordose bekannten Momenten (Alter, Geschlecht,
Rasse, Beruf) hinzufügen. Durch diese Untersuchungen erhalten wir
Aufschluß über Wesen und Ursache des flachen Rückens und finden
ferner die Erklärung der Tatsache, daß flacher Rücken und Skoliose
eng verwandt sind in dem assymmetrischen Auftreten der numeri¬
schen Variation.
2. Verfasser erreichte in einem Fall durch ein modifiziertes
Hessingkorsett eine subjektive und objektive Besserung des Leidens.
Die Eiweißabsonderung hörte, während der Patient das Korsett trug,
auf, kehrte aber nach Ablegung desselben rasch wieder.
3. Neben der kosmetischen Frage, die eine psychische Bedeutung
zu beanspruchen hat, ist zu bedenken, daß schwer Skoliotische
inneren Erkrankungen besonders von seiten des Herzens und der
Lungen weit mehr ausgesetzt sind und meistens früh sterben. Diese
Erwägungen haben bei dem häufigen Vorkommen des Leidens und
der Unzulänglichkeit der therapeutischen Mittel in vorgeschrittenen
Fällen eine ernste Bedeutung in prophylaktischer Beziehung.
Die Lagerung der Kinder soll eine gerade sein, beim Führen der¬
selben durch Erwachsene ist darauf zu achten, daß nicht eine Schulter
hochgezogen wird. Zu frühes und einseitiges Tragen ist zu be¬
kämpfen. In der Schule soll der Unterricht nach Möglichkeit gekürzt
und die Pausen verlängert werden. Zwischen d'e Stunden sollen
Freiübungen eingeschaltet werden, bei denen der Hauptwert auf
Atemgymnastik zu legen ist.
4. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule stoßen wir häufig auf
ein Krankheitsbild, das sich objektiv in Empfindlichkeit der ganzen
Wirbelsäule oder einzelner Stellen (Prädilektionsstellen sind die
Partie zwischen den Schulterblättern und die Lendenwirbel) von
wechselnder Intensität beim Beklopfen oder bei Druck auf die
Lendenwirbelkörper vom Abdomen her sowie in Erhöhung der
Patellarsehnenreflexe zeigt. Als subjektive Symptome werden in
erster Linie ausstrahlende Schmerzen nach Brust, Magen, Leib,
ischiasartige Beschwerden und dergleichen und in nur seltenen Fällen
Rückenschmerzen angegeben. In der Anamnese werden häufig
Krankheiten irgendwelcher Art. die den Allgemeinzustand herab-
gedriickt haben, und mitunter auch Traumen angegeben. Die Er¬
krankung hat einen ausgesprochen chronischen Charakter. Ihre
Ursache liegt in einem Belastungsmißverhältnis der Wirbelsäule, was
sich vor allem aus ihrem sehr häufigen Auftreten bei der als typische
Belastungsdeformität anerkannten Skoliose -ergibt. Die Behandlung
besteht bei leichten Fällen in körperlicher Ruhe und Rückenmassage.
Für mittelschwere Fälle kommt ein Stützkorsett und anhaltende An¬
wendung von Thermophoren hinzu. Schwere Fälle erfordern außer¬
dem eine Liegekur eventuell im Gipsbett, und ersr nach Eintritt einer
Besserung kommen die übrigen Heilmittel in Frage.
5. Verfasser wendet zur Beseitigung der spondylitischen Defor¬
mität neben entsprechender Allgemeinbehandlung zunächst bis zur
Dauer von Via Jahren das Reklinationsgipsbett an. Der völlige
Ausgleich des Buckels wird dann innerhalb 1—lV* Jahren im Gips¬
verband erreicht. Es folgt ein Reklinationslederkorsett und zum
Schluß zur Erhaltung des erreichten Resultates ein leichter Gerade¬
halter. Abszesse werden punktiert und es wird eine Jodoform¬
glyzerininjektion angeschlossen. Lähmungen pflegen im Gipsbett
zurückzugehen.
6. Beschreibung zweier Fälle, bei denen in unmittelbarem An¬
schluß an Typhus eine Erkrankung des Hüftgelenks auftrat, die nach
vieljährigem, kaum schmerzhaftem resp. ganz schmerzfreiem Verlauf
zu hochgradiger anatomischer Läsion des Gelenkapparates führte.
Das Röntgenbild zeigte in der Hauptsache zahlreiche knollige
Exkreszenzen, die die untere Hälfte des Schenkelkopfes sowie den
Schenkelhals bedeckten. Nachdem Massage und Heißluftbehandlung
nur einen vorübergehenden Erfolg gezeitigt hatten, wurde in Narkose
die Flexions-Adduktionsstellung des Beines beseitigt und das Bein
für drei Wochen in korrigierter Stellung in einen Gipsverband ge¬
legt. Es wurde ein guter Dauererfolg erzielt.
7. Von einer Behandlungsmethode der habituellen Luxation des
Schultergelenks müssen wir verlangen, daß sie den Eintritt der
Luxation mit Sicherheit verhütet und der Muskelatrophie vorgebeugt.
Prof. Karewski sucht dieser Anforderung durch einen kleinen Apparat
zu genügen. Derselbe besteht aus einem mit weichem Leder ge¬
fütterten Metallring, der um den Hais getragen wird und von dem
auch im Ruhezustände gespannte Gummizüge vorn und hinten über
das Schultergelenk ziehen. Diese werden am Arm mit Leukoplast-
Streiren befestigt. Auf der anderen Seite ist an dem Halsring ein
Gegenzug angebracht, welcher die gerade Achselhöhle umgreift und
in einem Schenkelriemen endigt. Sein Zweck ist, zu verhindern,
daß sich die Bandage bei Bewegungen der Arme verschiebt.
8. Verfasser hatte Gelegenheit, einen Patienten zu beobachten,
bei dem vor 14 Jahren infolge eines schweren Unfalles eine reine,
dorsolaterale Totalluxation im Lisfrancschen Gelenke eingetreten
war. Eine Einrenkung hatte nicht stattgefunden. Auffallend ist, daß
sich trotz der bedeutenden Dislokation allmählich ein gutes funktio¬
nelles Resultat herausgebildet hatte. Daraus ergibt sich in Ueber-
einstimmung mit den Erfahrungen anderer Beobachter der Schluß,
falls nicht sofort nach der Verletzung eine Einrenkung möglich war,
nicht operativ einzugreifen, da die auf diesem Wege erzielten Er¬
folge wesentlich weniger befriedigend zu sein pflegen.
Militär=Sanitätswesen.
Referent: Generaloberarzt a. D. Dr. Peltzer, Steglitz.
Forensische Psychiatrie in der Armee. Von Stabsarzt Dr.
Th. Becker, Metz. Deutsche med. Wochenschr. v. 21. 4. 1910.
In Nr. 44 der Therap. Rundschau vom vorigen Jahre erwähnten
wir einen Aufsatz von Oberarzt Dr. Mönkemöller, Hildesheim, den
dieser unter dem Titel „zur Kasnistik der forensischen Psychiatrie in
der Armee“ im Juli- und Oktoberheft der Vierteljahrsschrift für ge¬
richtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen veröffentlicht hatte
und in dem er an der Hand von 18, durch Militärgerichte der Hildes¬
heimer Anstalt überwiesenen Fällen den gegenwärtigen Stand des
genannten Zweiges unserer Wissenschaft in der Armee besprach.
Wenn wir uns damals im allgemeinen zustimmend zu dem Artikel
äußerten (vergl. das Referat), so schließt dies nicht aus, daß wir uns
heut Becker anschließen, der sich gegen einzelne Aeußerungn M.’s
wendet, und zwar soweit diese geeignet sind, ein wenig günstiges
Licht auf die forensische Psychiatrie in der Armee zu werfen. Auf¬
recht erhalten wir, daß nicht jeder einzelne Sanitätsoffizier gewisser¬
maßen auch ein Psychiater sein kann — das von B. an den Aus¬
führungen und Schlußfolgerungen M.'s Abgelehnte lehnen auch wir
ab. Abgesehen davon, daß, wrie B. zutreffend bemerkt, das Material
von 18 Fällen gerade nicht sehr groß ist, so ist es auch nicht richtig,
daß von Militärgerichten die Frage der etwaigen Unzurechnungs¬
fähigkeit des Angeschuldigten im allgemeinen erst von dem Ver¬
teidiger angeregt wird, nicht richtig, daß wir uns meist wenig be¬
haglich fühlen, wenn wir ein psychiatrisches Gutachten erstatten
sollen. Ferner wird gerade die Anamnese, im Gegensatz zu M.'s
Ansicht, auf das gründlichste erhoben. Daß neben den Lazarett¬
gehilfen am meisten dem Polizeiunteroffizier die psychiatrische Be¬
obachtung im Lazarett zufallen soll, bedarf keiner Widerlegung.
Daß es übrigens auch früher mit der Psychiatrie in der Armee nicht
gar so schlecht bestellt gewesen sein kann, geht daraus hervor, daß,
wie wir im Sinne B.'s hinzufügen, die Beförderung zum Oberstabs¬
arzt von der Ablegung des Physikats- (jetzt Kreisarzt-) Examens
abhängig gemacht war. Waren psychiatrische Kenntnisse in der
Armee demnach auch schon lange vor Errichtung des Sanitätskorps
vertreten, so werden diese heut durch längere Kommandierungen
zu psychiatrischen Kliniken sowie durch die Errichtung besonderer
Abteilungen für Geisteskranke bei den größeren Garnisonlaza¬
retten, z. B. Posen, schon der jüngeren Generation unserer Sanitäts¬
offiziere zugänglich gemacht. So verbirgt die srraffe militärische
Organisation, die dem Zivilmedizinalwesen naturgemäß fehlt, dem
Militärsanitätswesen manchen Fortschritt und manchen Vorsprung,'
den zu erreichen jenem, wenn überhaupt, erst später möglich ist.
Pathologische Anatomie.
Referet: Stabsarzt Dr. Geißler, Neu-Ruppin .
H Chiari. lieber die Eingangspforten der Tuberkulose vom
pathologisch-anatomischen Standpunkte aus. Straßburg. med. Ztg.
1910, Januar.
In neuerer Zeit wurde die Latenz des Tuberkelbazillus im
lymphatischen System oft nachgewiesen und gezeigt, daß die
Gegenwart von Tuberkelbazillen in Lymphdrüsen lediglich eine
Hyperplasie des Gewebes bedingen kann, wobei weder makro- noch
mikroskopisch von Tuberkulose etwas zu sehen ist und nur durch
das Tierexperiment am Meerschweinchen die Bazillen nachgewiesen
wurden können. Dies „lymphoide“-Stadium der Tuberkulose kann
lange bestehen und von solchen Drüsen aus erst später eine mani¬
feste Tuberkulose, z. B. in den Lungen entstehen, die eigentlich
sekundär und dennoch als einzig manifest, als primär imponieren
kann. Diese Entdeckung fordert zur größten Vorsicht auf bei Be¬
stimmung der Eingangspforte der Bazillen. Man muß stets auf das
lymphatische System achten und namentlich bei Qrüsenschwullung
durch das Tierexperiment nach ihnen suchen. Nach den Eingangs¬
pforten werden allgemein unterschieden: die aerogene, die ente-
rogene, die Impftuberkulose, die kongenitale (germinative und durch
392
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 25
Plazenta vermittelte) und als besondere Form die kryptogenetische
Tuberkulose. Aerogene und enterogene Form haben zum Teil die¬
selbe Eintrittspforte. Tuberkulose in Nase. Pharynx, oberer Bron¬
chialbaum, Tonsillen, sind selten; kleinere Bronchien werden häufig
betroffen. Die Lungentuberkulose nimmt ihren Ausgang vom Lun¬
gengewebe, nicht von den Bronchien. Vom Oesophagus und Magen
dringen selten Bazillen in den Körper ein, wohl aber vom Darm.
Der Genuß roher Kuhmilch spielt für die Darmtuberkulose sicher eine
wesentliche Rolle. Baumgarten hält die kongenitale Tuber¬
kulose für die häufigste Form. Bei 20 tuberkulösen Frauen konnte
C h i a r i 9mal Plazentartuberkulose nachweisen. Impftuberkulosen
sind selten, ebenso kryptogenetische, denn eine sorgfältige Sektion
wird meist noch irgendwo einen alten Herd ergeben.
H. R o 1 1 e 11. Leber Dilatation des Sinus coronarius cordis
bei Stenose des linken Herzostiums. Wien. klin. Wochschr. 1910, 4.
Verfasser beschreibt einen Fall von exquisiter Stenose* des linken
venösen Ostiurns mit starker Dilatation des Sinus coronarius cordis
bei einem 23jähr. Arbeiter. Als Erklärung für die Entstehung der
Vorgefundenen Verhältnisse ergab sich die Kombination einer be¬
kannten Anomalie der Venenanlage mit exquisiter, durch das Vitium
erworbener Vorhofdilatation. Der Sinus coronarius cordis ist schon
normaliter von sehr verschiedener Größe, unter pathologischen Ver¬
hältnissen vermag er an einer starken Dilatation des rechten Vor¬
hofes teilzunehmen und sogar, wenn auch in geringem Maße, zu
hypertrophieren. Im vorliegenden Fall, in dem er als ein mächtiger
Anhang des rechten Vorhofes erschien, umschlang er den linken
Vorhof von hinten her. Sein abnormes Verhalten erklärte sich durch
eine Persistenz der linken oberen Hohlvene. Die Frage, ob eine so
exquisite Vergrößerung des Sinus durch Stauung infolge Beeinflußung
der Zirkulation in der Herzwand auch physiologisch oder klinisch
von Bedeutung sein kann, findet keine Beantwortung.
W. A c h e 1 i s u. Munoka w a. lieber eine wesentlich in der
Pars lumbosacralis des Rückenmarks lokalisierte Meningitis tuber-
culosa mit klinischen Erscheinungen von zerebrospinaler Meningitis.
Münch, med. Wochschr. 1910, 4.
Bei einer 46jährigen Patientin wurde klinisch Nephritis und
tuberkulöse Meningitis diagnostiziert, da sie mäßige Mengen Eiweiß
und Zylinder hatte und zuerst ein eigenartig erregtes Wesen, dann
aber Nackensteifigkeit, linksseitige Ptosis und Facialisparese sowie
das K e r n i g sehe Phänomen der latenten Beugekontraktur der
Unterschenkel zeigte. Bald wurde sie benommen, ließ sich nieder
und starb am 6. Tage nach der Aufnahme... Die Sektion ergab ge¬
ringe aTfe lulferku löse Herde der Lungen, dann starke tuberku¬
löse Veränderungen der Nieren, nämlich käsig-eitrige Prozesse und
zum Teil verkalkte Käsemassen auch im rechten Ureter und den
Nebennieren. Der Nierenbefund ließ an urämische Zustände bei der
Kranken denken, doch war diese Erklärung keine sichere. Eine
Lösung der Frage brachte die Sektion des Rückenmarks, ,nämlicl]
im lumbosakralen Teil starke Verdickungen und Hyperämie der
inneren Meningen, wie die histologische Untersuchung ergab, und
ferner auch kleinste tuberkulöse Entzündungsherde im obersten
Halsmarke. Vielleicht waren solche Herde auch in den Meningen der
Hirnbasis vorhanden gewesen, leider war hier eine Untersuchung
unterlassen.
C. B a y e r. Adenoides Gewebe und Krebs. Prag. med. Wo-
chenschr. 1910, 1.
Geschwülste können durch Ulzeration partiell oder total zu
Grunde gehen und so eliminiert werden. Der Grad der Nekrose ist
ausschlaggebend. Durch Fortleitung der septischen Entzündung von
der Nekrose her kann es auch zum Untergang mitaffizierter Lymph-
driisen kommen. Therapeutisch wurden diese Beobachtungen ver¬
wendet bei der künstlichen Nekrose mit Terpentin- und Erysipel-
Impfung, zwei Verfahren, die aber nicht ungefährlich sind. Neuere,
weniger gefährliche Methoden, wie Brennen, Aetzen, Bestrahlen,
Fulguration sind nicht sicher wirksam. Die Lymphdrüsen besitzen,
wie beobachtet worden ist, zweifelsohne die Fähigkeit, ein gewisses
Quantum Geschwulstgift zu vernichten. Bei histologischen Unter¬
suchungen fand Verfasser Bilder, die den Untergang von Krebszellen
in Lymphdrüsen deutlich zu demonstrieren schienen. Er schildert
seinen Befund genauer; sie deuten auf ein höchst aktives Verhalten
des adenoiden Gewebes. Seine Beobachtung wurde durch den
Versuch bestätigt. Er fand, daß, wenn man auf karzinomkranke
Organe Milz aufbrachte und längere Zeit liegen ließ, das Karzinom¬
gewebe in teilweisen Zerfall geriet.’ Bisher hat der Verfasser in
5 Fällen stets das gleiche Resultat gefunden.
O. I, u b arsc h. Allgemeine Biologie und Pathologie. Jahres¬
kurse für ärztliche Fortbildung 1910, Januar.
Das Eingangsheft der neuen, im Lehmann sehen Verlage
in München erscheinenden Monatsschrift bringt eine Uebersicht über
den in der jüngsten Zeit gewonnenen Standpunkt einer Reihe in¬
teressanter Fragen. Zur Besprechung gelangen: Die Vererbung,
wobei eingegangen wird auf die Frage der Uebertragung erworbener
Eigenschaften, dann der Träger der Vererbung. Man muß auf Grund
zahlreicher Beobachtungen annehmen, daß für die Vererbung der
Arteigenschatt die Eizelle entscheidend ist und die Samenzelle ent¬
behrt werden kann. Für die Vererbung der Individualeigenschaften
sind beide Zellen annähernd gleichartig. Die Mendel sehen Regeln
werden genauer besprochen, ebenso die Martins sehe Ansicht
von der Bedeutung der Vererbung für die Krankheitsentstehung und
künstliche Befruchtungsvorgänge. Einen weiteren Raum nehmen
die Erörterungen über normales und pathologisches Wachstum ein, die
zum Geschwulstproblem überleiten. Verfasser zeigt, wie von ver¬
schiedenen Autoren der Begriff Geschwulst definiert wurde, welche
Beziehungen zwischen Gewächsen und Mißbildungen bestehen und
wie man eine Verallgemeinerung der Theorie von der Entstehung
der Blastome durch Entwicklungsstörungen nicht gutheißen kann.
Er gibt dann einen Ueberblick über den Stand des Tierversuchs,
Teratome und Teratoide zu erzeugen, die Wachstumsfähigkeit er¬
zeugter Teratome zu steigern und Blastome künstlich hervorzurufen.
Mit einer Betrachtung der katabiotischen oder degenerativen
Störungen des zellulären Fett- und Kohlehydratstoftwechsels schließt
seine interessante Arbeit.
Krankenpflege.
Referent: Stabsarzt Dr. Geißler, Neu—Ruppin.
E. K a n d z i a. Die Pflege bei Delirium tremens. Deutsch.
Krankenpfl.-Ztg. 1910, 4.
Die erste Bedingung für das Pflegepersonal ist ein festes, be¬
sonnenes, ruhiges Auftreten. Für die Unterbringung sind verschie¬
dene Punkte zu berücksichtigen. Läßt man die Kranken im Hause,
so führe man im Krankenzimmer keine zu beträchtlichen Aende-
rungen herbei oder sorge in irgendeiner Weise bei Entfernung von
auffallenden Gegenständen für atrappenartigen Ersatz, z. B. für einen
Spiegel nehme man mit Silberpapier überzogene Pappe. Scharfe
Beobachtung der Kranken ist zu unterlassen, ebenso festes Anpacken,
Ausreden von Wahnvorstellungen, gewaltsame Ernährung. Für das
Verhalten bei Wutausbrüchen sind schwer Regeln zu geben. Bei
komplizierenden Erkrankungen ist Bettruhe nötig, ev. muß man den
Kranken für einige Zeit binden. Die Ernährung ist oft sehr schwierig
und erfordert viel Geduld. Bei vorausgegangener Erregung lasse
man nicht dritte Personen das Zimmer betreten. Oberflächliche
Pflege verlängert die Krankheit, eine gewissenhafte, scharf beobach¬
tende führt zu baldiger Genesung.
J. C h o m s e. Zur Pflege Suizidverdächtiger. Ztschft. f.
Krankenpfl. 1909, Dez.
In der Rekonvaleszenz kommt bei manchen Geisteskrankheiten
auch noch die Neigung zum Selbstmord vor, es werden daher auch in
dieser Zeit an das Personal große Anforderungen gestellt. Viele
Kranke klammern sich an den Arzt mit ihrer ganzen Hoffnung, zumal
dann, wenn er ihnen von Anfang an ein größeres Interesse widmet.
Läßt dieses scheinbar nach, so kann der Drang zum Selbstmord auf-
treten. Pfleger und Pflegerinnen können durch Takt und Hingabe
die gleiche Zuneigung gewinnen, so daß den Kranken eine gefährliche
Klippe erspart bleibt. Ueberaus schwierig gestaltet sich die Pflege
bei Entziehungskuren. Die Ausgestaltung der Räume, manche kleine
Bequemlichkeit, Blumen am Fenster, laue Bäder u. a. m. können
die Pflege erleichtern. Paralyse und Melancholie stellen die
meisten Selbstmordversuche. Kranke beider Krankheitsformen ge¬
hören in geschlossene Anstalten. Bei Neurasthenie und Hysterie
kann man nicht eigentlich'von Selbstmord sprecnen, sondern nur
von Zwangshandlungen, ebenso auch bei manchen Fällen von.
Epilepsie und den Erscheinungen des „unerklärlichen Selbstmords“.
Bei diesen verschiedenen Zuständen erscheint eine Verhütung des
Suizids fast ausgeschlossen, nur vielleicht während eines zufälligen
Krankenhausaufenthalts möglich. Tüchtige Pflegei und Pflegerinnen
sehen den kommenden Selbstmordversuch vielleicht mal voraus und
bauen vor.
A. Orzellitzer. Ueber Blindenpflege. Ztschft. für
Krankenpfl. 1910, 3.
Am schwersten sind Erblindende zu pflegen; da bei ihnen leicht
die Neigung zum Selbstmord auftritt, müssen sie sorgfältig über¬
wacht werden. Den Erblindeten soll man an sein Schicksal nicht
erinnern, da Blinde meist heiterer Stimmung sind. Ueber ihre Um¬
gebung sind sie besser orientiert, als wir denken, hilflos sind sie nur
in fremder Umgebung. Ein Teil der Pflege besteht darin, ihnen in
ihrem Heim die Orientierung nicht zu erschweren. Blinde trachten
nach möglichster Selbständigkeit, ständiges Bemuttern würde sie
ihm beeinträchtigen. Schwierig ist .noch immer die Auswahl des
Berufes. Neuerdings hat man für sie die Ausbildung als Masseure
wegen ihres feinen Gefühls vorgeschlagen. Sehr wertvoll ist für die
Blinden die kürzlich erfundene Schreibmaschine, die äußerst leicht
zu handhaben ist. Von großer Wichtigkeit ist reichlicher Aufenthalt
im Freien, ferner Zimmergymnastik. Ehen zwischen Blindgeborenen
sind, wenn irgend angängig, mit Rücksicht auf den Nachwuchs zu
verhüten. Die Zahl der Blinden nimmt ständig ab. In Preußen
kommen auf 10 000 1905 5,8 gegen 9,3 im Jahre 1871.
O. G o 11 n e s t. Die Pflege Typhuskranker im Privathause.
Deutsch. Krankenpfl.-Ztg. 1910, 6.
Bei Pflege Typhuskranker im Privathause empfiehlt es sich,
als Krankenzimmer einen Raum in der Nähe des Baderaumes zu
wählen wegen der so erleichterten Desinfektion von Wäsche und
Nr. 25
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
393
dergl. Ins Krankenzimmer gehören ein zweites Bett oder Chaise¬
longue. Die Bettstellen sind wenn möglich aus Eisen, die Matratzen
aus Roßhaar, Unterbetten vermeide man. Das Bettlaken steckt man
lest, damit sich keine Falten bilden. Luftring oder Wasserkissen
verwende man rechtzeitig. Entleerungen werden 2—3 Std. lang mit
Lysol- oder Kreolinlösung desinfiziert, dann fortgeschüttet. Die
Wäsche bleibt 24 Std. in 3°/« Lysollösung. Badewasser muß desin¬
fiziert werden. Die Badeeinrichtung darf von Gesunden nicht be¬
nutzt werden. Die Pfleger tragen Waschkleidung, die sie beim
Verlassen des Kranken ausziehen. Zum Waschen im Kranken¬
zimmer dient Sublimat. Genaue Beobachtung des Kranken ist er¬
forderlich. alles Wichtige zu notieren und dem Arzt zu melden.
Unruhige Kranke sind vor dem Herausfallen, sich beschmutzende
vor dem Durchliegen zu schützen. Die Herrichtung des Bades und
die Ausführung desse[ben sowie die Bereitung von Packungen wird
genau besprochen. Sehr wichtig ist die Mundpflege. Von der an¬
geordneten Diät darf niemals abgewichen werden. Bei Verab¬
reichung der Nahrung ist wegen der Möglichkeit des Verschluckens
Vorsicht geboten. Vor Lungenstauungskatarrh schützt öfterer Lager¬
wechsel. Aengstliche Fürsorge gebührt dem Rekonvaleszenten.
Nach beendeter Krankheit ist gründliche Desinfektion des Kranken¬
zimmers und aller vom Kranken gebrauchten Gegenstände nötig.
Hildebrand t. Moderne Krankenhausbauten. Deutsch.
Krankenpfl.-Ztg. 1910, 3/4.
Die verschiedenen Bauarten — Korridorsystem, Pavillonsystem,
Baracken, gemischtes System — werden einer ausführlichen Be¬
sprechung unterzogen und zum besseren Verständnis für jede Art
einer Krankenhausanlage genauer beschrieben. Die erforderlichen
Nebengebäude werden aufgezählt. Zahlenbeispiele zeigen, auf wie¬
viel Einwohner ein Krankenhausbett kommt, wieviel Quadratmeter
pro Bett nötig sind, wieviel Betten ein Krankenhaus im Höchstfall
haben soll, wie hoch sich die Baukosten stellen, wie hoch die täg¬
lichen V e r wa 1 tu n gskoste n.
Schönstedt. Krankenzimmer, Krankenbett, Krankenbeob¬
achtung. Deutsch .Krankenpfl.-Ztg. 1910, 2.
Das Krankenzimmer soll hell, sonnig, ruhig, gut lüftbar, gut heiz¬
bar und frei von überflüssigen Möbeln sein. Vorrichtungen zur
künstlichen Verfinsterung, zweckmäßigen Beleuchtung mit abblend¬
baren Lampen sind nötig. Besonderes Interesse verdient das Bett,
per moderne Sprungfederrahmen mit Roßhaarmatratze und darauf¬
liegendem Billrothbatist ist das. Erstrebenswerte. Glatte, ungeflickte
Laken sind erforderlich. Das Kopfkissen - sei mit Roßhaaren gepol¬
stert, die Bettwäsche weiß. Bei sitzenden Kranken gehören Kissen
in den Rücken und Stützen an die Füße, sowie ins Bett eine Vor¬
richtung zum Aufrichten. Das Bett soll frei im Zimmer stehen.
Dauernder Beobachtung sind zu unterwerfen Schlaf, Atmung, Puls,
Körperwärme, Ausscheidungen und besondere Ereignisse. Verfasser
führt aus, wie man sich bei diesen verschiedenen Fragen verhalten
soll. Seine kleine Arbeit ist für die Belehrung des Pflegepersonals
bestimmt.
H. Z i m m e r m a n n. Aufzug-Vorrichtungen in Krankenan¬
stalten. Zeitschr. f. Krankenpflege 1910, Jan., Febr.
Der horizontale Transport Kranker wird am besten durch den
Jacobsohnsehen Krankenbettfahrer besorgt, den vertikalen leisten
in modernen Krankenhäusern Fahrstühle teils mit Druckwasser-,
teils mit elektrischem Antriebe. Verfasser schildert, -wie ein solcher
Fahrstuhl für die Krankenbeförderung eingerichtet sein muß, um auch
gut gereinigt und desinfiziert werden zu können, und weist auf ver¬
schiedene bauliche Fragen hin, auf die einzugehen der Kaum nicht
gestattet.
C. L e c h 1 e r. Speisenwärmung über der Lampe. Zeitschr. f.
Krankenpflege 1910, Januar.
Die neue Vorrichtung ist so konstruiert, daß sie über jede
Küchen- oder andere Lampe gestellt werden kann. Sie besteht aus
einem Dreifuß und einem in der Höhe-beliebig verstellbaren Ober¬
teil, welcher gestattet, den aufgesetzten Topf der Lampe beliebig zu
nähern und von ihr zu entfernen, je nachdem stärkeres Anwärmen
der Speisen oder nur Warmhalten gewünscht wird. Der Verfasser
in Jagstheim bei Crailsheim gibt genauere Auskurut über die Vor¬
richtung.
G. Bernhard. Elektrische Speisenbereitung. Ztschft. f.
Krankenpfl. 1910, 3.
Verfasser empfiehlt die Elektrizität als Heizquelle bei der Her¬
stellung von Speisen. Er bespricht die verschiedensten Geräte zum
Kochen, Braten, Backen, bei denen die elektrische Kraft zur An¬
wendung kommt, ferner auch Apparate, die zu mechanischen
Arbeiten dienen, wie Zerkleinern, Schälen, Stampfen, Mischen usw.
Zugegeben, daß alle diese Geräte äußerst sauber arbeiten, etwas,
woran aber ihre ausgedehntere Verwendung scheitern wird,- sind
ihr hoher Preis und die nicht unbeträchtlichen Betriebskosten.
Verhaltungsmaßregeln bei Erkrankungen an ansteckenden
Krankheiten. Deutsch. Krankenpfl.-Ztg. 1910, 5.
Zuerst werden die anzeigepflichtigen Krankheiten aufgezählt und
gezeigt, wie man sofort die Ansteckungsgefahr verringern kann,
nämlich durch Isolierung und Desinfektion. Besonders ausdrücklich
wird hingewiesen auf die Gefahr der Uebertragung ansteckender
Krankheiten durch Bücher und Zeitschriften. Die Pflichten der
Pfleger werden beleuchtet. Alles was mit dem Kranken in Be¬
rührung kommt, muß desinfiziert werden. Die verschiedenen Ver¬
fahren werden aufgezählt. Wie sich der Genesende verhalten und
wie die Versorgung und der Abtransport Verstorbener erfolgen soll,
wird eingehend geschildert.
L. Meyer. Ein Taschen-Suspensorium. Zeitschr. f. Kranken¬
pflege 1910, Februar.
Verfasser zeigt, in welcher Weise ein Suspensorium angefertigt
sein soll, um den Anforderungen, die an dasselbe gestellt werden,
gerecht zu werden. Die bisherigen hatten alle eir.e;i Mangel. Sie
verhüteten nicht, daß das in hängender Lage befindliche, mit Watte
nicht verdeckte Glied die Wäsche beschmutzte. Diesem Mangel
wurde dadurch abgeholfen, daß vor dem Hodensackbeutel eine 12
cm lange, 10 cm breite, oben anknöpfbare Tasche angebracht wurde,
in die das Glied hineinhängt. Ist die Tasche vom Eiter durchfeuchtet,
wird sie gegen eine andere ausgewechselt. Der Preis mit mehreren
Taschen beträgt für die Bandage 2.00—2,50 M. Bezugsquelle ist
A. Laboschinski, Berlin, Neue Köiiigstr. 5.
H. Schröder. Ein neues Augentropfglas. Zeitschr. f. Kran¬
kenpflege 1910, Februar.
Das Gläschen besteht aus einem Flüssigkeitsbehälter, der
Augenspitze mit aufgeschliffener Schutzkappe und einer Gummi¬
membran auf einer trichterförmigen Oeffnung, durch welche die
Flüssigkeiten eingefüllt werden. Durch Druck auf die Membran
wird aus der Spitze tropfenweise Flüssigkeit entleert. Der Apparat
ist leicht sterilisierbar, die Flüssigkeit in ihm bleibt steril und kann bis
zum letzten Tropfen verbraucht werden. Pr. 0,75 M. Bezug durch
Chemisch-pharmazeutische Handelsgesellschaft in Frankfurt a. M.,
Mainzerlandstr. 193.
P. Jacobsohn. Der Krankenpflege-Nachweis in Berlin.
Zeitschr. f. Krankenpflege 1910, 1.
Akute fieberhafte Infektions-Krankheiten und. im Verlauf chro¬
nischer Erkrankungen eintretende lebensgefährliche Erscheinungen
machen oft plötzlich das Herbeiholen von Pflegekräften ins Privat¬
haus nötig. In Berlin gibt es zahllose Vereinigungen für Kranken¬
pflege teils mehr offizieller, teils rein privater Natur. Infolge dieser
großen Zahl besteht naturgemäß eine Zersplitterung. Die große Zahl
gestattet auch nur einen mangelhaften Ueberblick über die Güte des
Personals. 1902 rief, um diesen Mängeln abzuhelfen, der Verfasser
einen Zentral-Krankenpflege-Nachweis ins Leben. Seine vorliegende
Arbeit schildert die Organisation und den Betrieb der Einrichtung.
Erwähnenswert ist, daß auch unbemittelte Kranke versorgt werden,
ebenso Krankenkassenmitglieder, und daß für Krankenanstalten,
Kliniken und Sanatorien ein geeignetes Personal bereitgestellt und
eine dauernde Verbindung mit Bädern und Kurorten angebahnt ist.
Hautkrankheiten.
Referent: Dr. Gm mach, Berlin.
1. Neuere Methoden der Dermatotherapie. Von Dr. Walter
Pick. Medizinische Klinik, Jahrg. IV 1910, Nr. 15.
2. In welcher Weise wirkt das Quecksilber bei der antilue-
tischen Behandlung auf den Ausfall der Seroreaktion? Von Dr.
Aug. Brauer. Münch, medizin. Wochenschr. 1910, Nr. 17.
3. Die Wassermannsche Reaktion und der prakt. Arzt. Von
Priv.-Doz. Dr. F. Plaut. Münch, med. Wochenschr. 1910, Nr. 16.
1. In einem in der Sitzung des Wiener Doktorenkollegiums
vom 20. 12. 09 gehaltenen Vortrage läßt P. die verschiedenen
neueren Methoden der Dermatotherapie Revue passieren:
Die Röntgentherapie ist zwar nicht neu, ist aber jetzt
erst durch die Gefahrlosigkeit ihrer Dosierung Allgemeingut der
Therapeuten geworden. Um die Methode vor Diskreditierung zu
schützen, warnt er vor zu ausgedehnter Anwendung in allen mög¬
lichen von den Büchern über Radiologie angegebenen Fällen. Er
unterscheidet absolute und relative Indikationen.
Zu den absoluten, denjenigen, bei denen die Röntgen¬
therapie als einziges wirksames Mittel in Betracht kommt, rechnet er
1. Die parasitären Erkrankungen der Kopf¬
haut (Favus, Trichophytie, vergessen ist Mikro¬
sporie), bei denen die Röntgentherapie alle bisherigen, teils
recht rohen therapeutischen Eingriffe aus dem Felde geschlagen hat.
2. Die lymphatischen Erkrankungen der Haut
(die prurigenösen Exantheme und Tumoren der Haut bei Leu¬
kämie und Pseudoläukämie, auch Mycosis fungo-
ides und Sarcoma idiopathicum Kaposi), bei denen
die Wirkung fast irnrner nur symptomatisch, aber doeh schätzens¬
wert ist,
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
394
Zu den relativen Indikationen, bei denen die Rönt¬
gentherapie nur zuweilen oder in Kombination mit andern Methoden
wirkt, rechnet er nur sehr wenige Leiden: Kleine massen¬
hafte Tumoren der Haut (Lymphangio-endotheli-
oma, Adenoma sebaceu m), nicht Verrucae vulgares. Bei
Lupus vulgaris käme sie entweder gar nicht oder nur zur Vor¬
bereitung bei exulcerierten lupösen Flächen in Betracht. Weitere
Indikationen sind follikuläre Eiterungen (Sycosis non
p a r a s it a r i a, Acne nuchae).
E r w a r n t vor Anwendung bei Lupus erythematodes,
Psoriasis, wobei die Rezidive schneller kämen als sonst, Ekzem
(nach Meinung des Referenten mit Unrecht, da bei chronischen
besonders den tylotiformen und rhagadiformen die Röntgen¬
therapie vorzügliche Erfolge hat), Sclerodermie, sonstigen Tu¬
moren, abgesehen von der oben genannten Hypertrichose des
Gesichts, bei der häufig sogar durch Auftreten von Pigment- und
Gefäßflecken ein kosmetischer Schade hervorgerufen wird.
Für letztere empfiehlt er als einzig in Frage kommend die
Elektrolyse, besonders mit dem Kromayerschen Apparat, der 5 bis
fast an die Spitze isolierte Nadeln enthält.
Bei Acne vulgaris wirkt die Röntgentherapie nicht mehr
als andere Entzündung herbeiführende Methoden, wirkt jedenfalls
nicht nachhaltig. Da sehr häufig Anämie die Ursache ist, empfiehlt
er innerlich Eisen und äußerlich weiße Präzipitatsalbe sowie Ver¬
meidung jeglicher Reize. Bei knotigen Formen empfiehlt er die
Heißluftdusche.
Die Radium- Behandlung empfiehlt er gegen Hautepi¬
theliomen, bei denen sie souverän ist. Auch bei pigmen¬
tierten und behaarten Naevi führt sie zu narbenloser Hei¬
lung. Für diese ihrer hohen Kosten wegen immerhin nur ausnahms¬
weise anzuwendende Methode tritt neuerdings in dem letzteren Falle
die von Pusey eingeführte Behandlung mit hohen Kälte¬
graden (flüssige Luft und noch bequemer Kohlen¬
säureschnee) ein. Ihre Domäne sind die Gefäß-Naevi. Mit
dieser Methode erreicht man bei gehöriger Vorsicht und bei Geduld
Abheilung von Gefäß-Naevi, welche halbe Gesichtshälften ein¬
nehmen. Er empfiehlt, um Schaden zu vermeiden, vorerst ganz
kurze Applikation, nur etwa 10 Sekunden lang, und erst, wenn man
durch langsames Steigen die Dosis festgestellt hat, die Anwendung
dieser auf der ganzen Fläche.
Kontraindiziert ist diese Methode bei Lupus vul¬
gär i s und Lupus erythemat o d es.
2. Brauer untersucht, wie die zuerst von Citron festgestellte Tat¬
sache zu erklären sei, daß durch eine Quecksilberkur die positive
Wassermann-Reaktion in eine negative verwandelt wird. Er
schlägt dazu nicht, wie einige andere Autoren es versucht haben,
den Weg des Tierexperimentes oder gar den des chemischen Rea¬
gensglasversuches ein, welche in der Tat Schlüsse auf, die natür¬
lichen Vorgänge im Menschen wegen der noch ganz dunklen Kon¬
stitution der komplementbindenden Substanz nicht zulassen, sondern
den der physiologischen Untersuchung am Patienten.
Drei Möglichkeiten existieren nach Brauer für die Umstim¬
mung der Reaktion.
1. Das Hg kann das Serum hämolytisch machen.
2. Das Hg kann die im Luesserum vorhandenen komplement¬
bindenden Substanzen zerstören oder paralysieren.
3. Das Hg kann die Produktionsstätten der komplementbin¬
denden Substanzen direkt angreifen oder auf das Virus selbst ein¬
wirken.
Fall 1 ist schon durch die Tatsache widerlegt, daß bei Hg-In-
toxikation nie eine Hämolyse (Hämaturie) zustande kommt. Wenn
Fall 2 zutrifft, so muß, meint Brauer, die Reaktion in einer Be¬
ziehung stehen zur Intensität der Hg-Resorption. Für die Größe dieser
glaubte er einen Maßstab zu haben in der Größe der Hg-Ausschei-
dung im Urin. In 68 Fällen, deren Reaktion und Hg-Ausscheidung
er teils während, teils sofort, teils längere Zeit nach der Kur ver¬
glich, konnte er feststellen, daß keinerlei Beziehungen zwischen
Reaktion und Hg-Resorption bestehen.
Ferner sagte er sich, daß in Fall 2 das Hg-haltige Serum von
behandelten die aktive Reaktion des Serums von unbehandelten
Luetikern abschwächen müsse. In 37 Versuchen geschah das nie¬
mals.
Dazu kommt noch die klinisch festgestellte Tatsache, daß es
in alten Luesfällen viel schwerer gelingt, eine positive Reaktion in
eine negative umzuwandeln, während man, da die komplement¬
bindende Substanz in beiden Fällen die gleiche sein muß, auch die
gleiche Umwandlungsmöglichkeit dieser Substanz durch Hg er¬
warten sollte.
Aus den Versuchen und aus der angeführten klinischen Tat¬
sache schließt Brauer, daß die Umwandlung der Reaktion nicht zu¬
stande kommt durch Beeinflussung der komplementbindenden Sub¬
stanz, sondern durch Angreifen des Syphilisvirus selbst.
3. Plaut wendet sich scharf gegen v. Düngern, welcher eine
sehr vereinfachte Methode der Wassermann r Reaktion zum Ge¬
brauch des prakt. Arztes empfohlen hat. Die Methode deckt sich so
ziemlich mit der von Noguchi empfohlenen und verwendet aktives
Patientenblut, enthaltend Serum- und Blutkörperchen (für das hämo-
i'ERSIPi
Nr. 25
lytische System), Meerschwcinchcnserum-Filtrierpapier (als Kom¬
plement), Antimenschen-Kaninchenserum (zur Hämolyse) auf Fil¬
trierpapier und flüssiges Meerschweinchen - Extrakt als Antigen.
Gegenproben mit einem sicher positiven und einem sicher negativen
Serum, wie sie Noguchi noch empfohlen, hält er für unnötig.
Somit weicht die Methode von der Originalmethode in
3 Punkten ab:
1. Durch Aenderung der Reagentien (einfaches Extrakt statt
luetischen), Patienten-Blutkorperchen.
2. Durch Konservierung der Reagentien mittels Eintrock¬
nens auf Filtrierpapier.
3. Durch Aufgabe der Kontroll-Technik.
Plaut weist nun an der Hand von Erfahrungen vieler bekannter
üntersucher nach,
1. daß die Ersatzreagentien (einf. Extrakt) minderwertig
sind, die aktiven Sera und die Patienten-Blutkorperchen häufig
ganz unbrauchbare Resultate ergeben,
2 daß auf Filtrierpapier eingetrocknete Reagentien ver¬
derben, mindestens aber nach einiger Zeit frisch austitriert werden
mußten,
3. daß der Wegfall aller Kontrollen fälschlich negative Re¬
aktion bei Luetikern (unwirksames Extrakt) und fälschlich posi¬
tive bei Gesunden (selbst für sich hemmendes Extrakt) zustande
bringen und so zu geradezu verwirrenden Konsequenzen führen
könnte.
Dadurch könne die Reaktion aus einem Segen zu einer ernsten
Gefahr werden. Die Verhandlungen der Berl. mediz. Ges. vom
16. Juni geben Plaut mehr als Recht.
Mitteilungen über Arzneimittel.
Referent: Dr. W. Krüger, Magdeburg.
1. Ueber die Wirkung des neuen Arsenpräparates (606) Ehr-
lichs bei Rekurrens von Jul. I versen in Petersburg. Münch.
Med. Woclienschr. 1910, Nr. 15.
2. Die Behandlung der diffusen eitrigen Peritonitis mit Iprozen-
tigem Kampferöl. Von Priv.-Doz. Dr. G. Hirschei in Heidel¬
berg. Ibidem.
3. Ueber „Dr. Scholviens Präservativlösung“, ein neues Anti-
konzipiens und Prophylaktikum. Therap. Ratgeber, Nr. 9. 1910.
4. Therapeutische Erfahrungen mit Almatein. Von Dr. Ertl
in Binz. Die Heilkunde 1910. p. 124.
5. Einige mit Lezithinsanguinal behandelte Fälle. Von Dr. S.
Riegelhaupt, Krh. Wieden. Wien. Aerztl. Vierteljahrsrund¬
schau, Nr. 2. 1910.
1. Verfasser hat das neue Arsen Präparat 606 E h r 1 i c h s
(s. Ref. Nr. 19 dies. Wochenschr.) bei Rekurrens angewendet. Das
hellgelbe, in Vakuumröhrchen eingeschmolzene Pulver muß vor
jedesmaliger Anwendung in das Natriumsalz übergeführt werden.
Davon wurde eine V*—2prozentige wässrige Lösung angewandt;
doch hält Verfasser die lprozentige Lösung für die beste. 24—48
Stunden nach der Injektion in die Glutaeen wurden sehr schmerz¬
hafte reaktive Infiltrate beobachtet, die tagelang das Sitzen behin¬
derten, ohne jedoch in Abszesse überzugehen. Die injizierte Menge
betrug 10—20 ccm der Lösung (= 0,05—0,4 der Substanz). Die
Einspritzungen wurden am 4. oder 5. Krankheitstage gemacht. Die
großen Dosen von 0,4 gr Arsenobenzol haben 52 Rekurrenskranke
erhalten, 37 im ersten, 11 im zweiten Anfall intramuskulär, 4 im
ersten Anfall intravenös. Bei allen 52 Fällen erfolgte ein kritischer
Temperatursturz und Verschwinden der Spirochaeien. Der Tem¬
peraturabfall erfolgte unter heftigem Schweißausbruch ohne Kol¬
laps in 7—14—20 Stunden, während 3—4 Stunden nach der Injektion
meist ein Schüttelfrost eintritt. In der Krisis verschwanden alle
subjektiven Symptome, nach ihr fühlen sich die Kranken gesund.
Nach 2—3 Tagen trat die Schmerzhaftigkeit de» Injektionsstellen
mit neuerlicher Temperatursteigerung auf, ohne daß wieder Spiro¬
chäten im Blute vorhanden waren. I n 92 pCt. der Fälle
traten keine Rezidive ein. In anfallsfreier Zeit injiziert,
verhütet das Arsenobenzol ein Rezidiv. Die Schmerzhaftigkeit der
intramuskulären Injektion wird verhütet, wenn man intravenöse
Einspritzungen macht. Verfasser zieht aus seinen Beobachtungen
folgende Schlüsse:
1. Das Natriumsalz des Dioxydiamidoarsenobenzols, einem
Rekurrenskranken eingeführt, ist imstande, an beliebigem Tage
eines beliebigen Anfalles, innerhalb 7—14, aber spätestens in
20 Stunden den Anfall zu kupieren und in 92 pCt. aller Fälle
einen weiteren Anfall zu verhüten, d. h. eine einzige Injektion
dieser Substanz sterilisiert das Blut eines mit Rekurrensspiro-
chäten infizierten Menschen.
2. Die therapeutische Dosis für Rekurrens beträgt 0,2 bis
0,3 dieser Substanz,
/ERSI
Nr. 25
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
395
3. Nach Injektion einer solchen Quantität des Mittels ver¬
schwinden die Spirochäten innerhalb 4—10 Stunden aus dem
Blute vollständig und können nicht mehr nachgewiesen werden.
4. Die Temperatur fällt nach der Injektion sukzessive im
Verlauf von 7—14 Stunden, spätestens aber nach 20 Stunden meist
unter profusem Schweiß ohne Kollaps bis unter die Norm,
(«leichzeitig schwinden alle subjektiven Beschwerden.
5. Das Dioxydiamidoarsenobenzol übt in den meisten Fällen
an den Injektionsstellen einen lokalen Reiz aus, der sich in
Schmerzhaftigkeit und Infiltraten äußert, welche individuell sehr
variabel sind und in manchen Fällen längere Zeit bestehen.
6. Die intravenöse Injektion dieser Substanz ist vollständig
schmerzlos, wird von keinen unangenehmen Nebenerscheinungen
begleitet, und die Wirkung tritt 3—4 Stunden schneller . als bei
intramuskulärer Injektion ein.
2. Bei schweren Formen von diffuser Peritonitis (Ursache 6mal
perforierter Appendix, lmal perforiertes Magenulkus, lmal perfo¬
rierte Gallenblase, lmal Pfählung) hat H. lprozentiges Kampferöl
in die Bauchhöhle gebracht. Von diesen 9 hoffnungslosen Fällen
genasen 5. Die Operation wurde so ausgeführt, daß erst der Ort
der Perforation aufgesucht und versorgt, und der Eiter möglichst
vollständig entfernt wurde. Dann wurde das vorher erwärmte steri¬
lisierte Iprozentige Kampferöl in Mengen von 100—300 g in die
Bauchhöhle gebracht und mittels der mit einem Gazebäuschchen be¬
waffneten Hand überall in die Bauchhöhle zwischen die Därme
und parietal im Douglas etc. verteilt. Dann wurde lumbal eine
Gegeninzision gemacht. Nach G 1 i m m , der diese Methode zuerst
bei Tieren erprobte, nimmt Verfasser an, daß durch das Oel die
Lymphbahnen verstopft werden und dadurch eine weitere bakte¬
rielle Resorption verhindert wird. Dabei hat die Zugabe des
Kampfers eine analeptische Wirkung. Bei 2 am 5. und 15. Tage
verstorbenen Fällen waren die Därme glatt und glänzend; Adhä¬
sionen und Verklebungen fehlten. Die sonstige Behandlung der
Kranken entsprach den heutigen Grundsätzen: Reichliche Flüssig¬
keitszufuhr subkutan oder rektal oder intravenös: Magenaus¬
spülungen.
3. Im Beiblatt des Aerztl. Zentralanzeigers vom 23. April 1910
wird ein neues Antikonzipiens und Prophylaktikum, die Dr. A.
Scholviensche Präservativlösung empfohlen. Dieselbe besteht aus
konzentrierter Borlösung in Verbindung von Formaldehyd und dem
Hauptbestandteil des rohen Holzesseigs. Unter dem Mikroskop
stellten Spermatozoen auf Zusatz eines Tropfens dieser Lösung
sofort ihre Bewegung ein und nahmen sie auch ’nlciit wieder auf.
Dieselbe Wirkung hatte die Lösung in größerer Verdünnung (in
welchem Prozentsatz, wird nicht gesagt. Ref.). Daraus wird ge¬
schlossen, daß eine Befürchtung nach auch nur oberflächlicher Aus¬
spülung der Vagina nach dem Akt niemals eintreten könne. Das
Mittel soll vollständig unschädlich sein — wenn es in der vorge¬
schriebenen Verdünnung angewandt wird. Und daß dies immer
geschieht, ist mindestens zweifelhaft. Auch ist die Wirkung des
Formaldehyds, wenn es so verdünnt wird, auch nur eine proble¬
matische, denn wenn es, wie dem Mittel auch zugeschrieben wird,
auch gegen ansteckende Geschlechtskrankheiten wirken soll, darf
es nicht in homöopathischen Dosen zur Anwendung kommen.
Leider fehlt auch die Angabe, wie es gebraucht werden soll.
4. Ein von dem Chemiker Dr. L e p e t i t in Mailand entdecktes
Antidiarrhoikum, Styptikum und Antiseptikum wird auf den Markt
gebracht, das aus dem Kondensationsprodukt des Formaldehyd mit
Haematoxylin synthetisch hergestellt ist. Verfasser verwandte
das Mittel bei Schwangeren und Wöchnerinnen als Stopfmittel und
fand, daß bei Verabfolgung von täglich 3—6 Pastillen Almatein
ein prompter Erfolg erzielt wurde. Auch mehrere Tage hinter¬
einander gegeben, zeigte das Mittel keine unangenehmen Neben¬
erscheinungen. Da das Pulver zinnoberrot ist, wird der Speichel
rot gefärbt, und man muß die Rotfärbung durch Nachtrinken von
Wasser entfernen lassen. Bei besonders schmerzhaften Diarrhöen
kann die Wirkung des Almatein durch Verabreichung von 15—20 Tr.
Tct. opii spl. erhöht werden.
5. Verfasser hat besonders bei Chlorose das Lezithinsanguinal
mit gutem Erfolge angewendet. Die Pilulae Sanguinalis cum Leci-
thino enthalten in jeder Pille 0,025 gr Lezithin und werden in Dosen
von 3 mal 3 Stück verabfolgt. Aus den beigegebenen Kranken¬
geschichten erweist sich Zunahme des Gewichtes, der roten Blut¬
körperchen und des Haemoglobingehaltes. Aber auch nach schweren
Krankheiten, besonders Influenza, zeigte sich eine hervorragende
Wirkung. Verfasser beobachtete in einigen Fällen Regelung des
Stuhlganges.
Varia.
H. L ü t h i e. Stoffwechselkrankheiten. Jahreskurse für ärztl.
Fortbildung 1910, 3.
Die Arbeit bringt einen Ueberblick über die chemischen und
physiologischen Grundlagen der Stoffwechsellehre. Eiweiße, Fette
und Kohlehydrate werden hinsichtlich ihres Schicksals, das sie im
Körper erfahren, betrachtet, und die genetischen Wechselbeziehungen
/.wischen ihnen, die dynamische Bedeutung der Nahrungsstoffe, die
Mischung der Nahrung und das Gesetz der Isodynamie besprochen.
Aus der Zahl der Stoffwechselkrankheiten wurde der Diabetes zur
Besprechung gewählt. Hier stehen im Vordergründe des Interesses
die Hyperglykämie, der eine größere Bedeutung zukommt als der
Glykosurie, dann der Wert einseitiger Kohlehydratkuren, speziell
der Haferkuren für die Hebung der Toleranz des Diabetikus. und die
Behandlung der Acidosis. Geißler, Neu-Ruppin.
P. Sch ii 11 e. Zematone-Räucherungen in der Asthma-
Iherapie. Ztschft. f. Krankenpfl. 1910, 3.
Verfasser hat das Zematone-Asthma-Pulver ausgeprobt. Er be¬
schreibt die Art, in der er es verwendet, und spricht sich über die
Wirkung des Mittels sehr anerkennend aus. Bei auftretenden dys¬
pnoetischen Erscheinungen am Abend empfiehlt es sich, noch vor
dem Schlafengehen einige Räucherungen vorzunehmen. Bei prophy¬
laktischer Anwendung soll man nicht zu viel und nicht zu lange ein-
atmen. Das Pulver kann auch in Form von Zigaretten verwendet
werden. Einige Krankengeschichten erläutern die Bedeutung des
Mittels. Geißler, Neu-Ruppin.
W. V y s i n. Leichte Scharlachiälle als gefährliche Infektions¬
quelle. Oesterreich. Krankenpfl.-Ztg. 1910, 2.
Die sog. leichten Scharlachiälle besitzen eine große epidemiolo¬
gische Bedeutung. Da die Krankheit nur geringe Symptome zeigt,
erfolgt keine Trennung der Kinder, die Eltern behalten die Kranken
zu Hause, auch selbst dann, w r enn der Arzt die Krankenhausaufnahme
vorschlägt. Fälle, in denen der Ausschlag schon abgeblaßt ist,
können auch dem Arzt verborgen bleiben. Wegen der Gefahr der
Uebertragung sollten die breitesten Volksschichten über solche
leichten Fälle belehrt, diese ins Krankenhaus überführt oder doch
mindestens streng isoliert werden. Geißler. Neu-Ruppin.
W. F 1 e i n e r. Morphologie und Physiologie des Magens und
ihr EinüuB auf die funktionelle Diagnostik. Jahreskurse für ärztliche
Fortbildung 1910, März.
Die zu besprechende Arbeit gehört in das Kapitel: „Ver¬
dauungskrankheiten“, das Fl. in den in Lehmanns Verlag monatlich
erscheinenden Heften über ärztliche Fortbildung (jährlich 12 Hefte
— 16,00 Mark) bearbeitet. Sie berichtet über die neuesten Unter¬
suchungsergebnisse aus der Entwicklung der Verdauungsorgane,
ihrer Innervierung, Form, Größe und Lage. Man ist erstaunt, wie
so ganz anders der Magen ist, als es früher gelehrt wurde, wie seine
Muskulatur.angeordnet ist wie sich eine Rinne an der kleine'Kurvatur
bildet, um Flüssigkeiten ohne Aufenthalt zum Pylorus fortlaufen zu
lassen. Viel hat zur Gewinnung der neuen Ansichten, besonders
auch hinsichtlich der Magenbewegung, die Durchleuchtung beige¬
tragen. Das Studium über die Magensaftsekretion wurde gefördert
durch den Tierversuch von Pawlow und seinen Schülern. Unter¬
suchungen an Tieren brachten weiter Klarheit über Sedimentierung
und Schichtung im Magen und Magenverdauung. Auf den ge¬
wonnenen Resultaten bauten sich Neuerungen bei der klinischen
Untersuchung auf. Verfaser zeigt ausführlich, auf welche Momente
es hierbei ankommt. Die motorische wie die sekretorische Funktion
findet eingehende Besprechung. Einige Bemerkungen über die
Sensibilität des Verdauungstraktus beschließen die Arbeit.
Geißler, Neu-Ruppin.
J. Schnitzler. Einige Bemerkungen zur Pathologie und
Therapie des Furunkels. Oesterr. Aerzte-Ztg. 1910, 1.
Zum Zustandekommen eines Furunkels gehört meist ein, wenn
auch ganz geringes Trauma und die Anwesenheit von Eitererregern.
Schließen sich an die Infektion forcierte Bewegungen an, so kann vom
Furunkel eine allgemeine Sepsis ausgehen. Für die Aetiologie der
Multiplizität des Furunkels kommt wohl die Annahme von Disposition
in Frage. Zwischen dem Zustandekommen von Paranaphritiden
und Furunkeln, selbst wenn letztere schon weiter zurückliegen,
scheint ein Zusammenhang zu bestehen. Es bilden sich durch Ver¬
schleppung miliare Abszesse in der Niere, konfluieren und platzen
schließlich. Forcierte Bewegungen begünstigen auch in diesen Fällen
die Verschleppung. Auch sonst kann es beim Vorhandensein von
Furunkeln zur Bildung von Abszessen im Körper kommen, nament¬
lich wenn ein Trauma hinzukommt Therapeutisch empfiehlt Ver¬
fasser bei kleinen Furunkeln feuchte oder trockene Wärme und den
Galvanokaustor, bei größeren nicht den Kreuzschnitt, sondern Bildung
eines größeren Defektes im Zentrum, ev. Exzision des ganzen Infil¬
trates. Namentlich soll man bei alten, dekrepiden Leuten nicht
ängstlich, sondern energisch sein. Das Bi ersehe Verfahren sieht
Verfasser nicht als bestes Behandlungsmittel an.
Geißler, Neu-Ruppin.
E. Roth. Ansteckungsgefahr durch Bücher und Desinfektion
derselben. Zeitschr. f. Krankenpflege 1910, Januar.
Verfasser vergleicht die Sauberkeit beim Essen und bei der Be¬
nutzung von Büchern und zeigt, wie ungünstig der Vergleich für
letztere ausfällt. Kranke sowohl wie Pfleger bringen an die von
ihnen gebrauchten Bücher massenhaft Keime heran und kleben sie
durch Benetzen der Finger beim Umschlagen fest, nehmen aber
auch bei diesem Verfahren — natürlich ebenso auch Gesunde —
leicht Keime in sich auf. Schon die Schule sollte auf das Ekelhafte
dieser Angewöhnung fihnveisen. Pie verschiedenen Verfahren, von
396
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
Nr. 25
Kranken benutzte Bücher zu desinfizieren, werden aufgezählt. Das
G ärtner sehe ist das einfachste.
Geißler, Neu-Ruppin.
R. T i s c h n e r. Aiigeiikrankheiten und Psyche. Zeitschr. f.
Krankenpflege 1910, Februar.
Psychische Erregungen sind imstande, Augenkrankheiten her¬
vorzurufen, z. B. das Glaukom. Diese Erregungen müssen nicht
immer unangenehmer Art sein, auch freudige Anlässe kommen in
Betracht. Bei Neurasthenikern und Hysterischen führt manchmal
die psychische Disposition zu funktionellen und seltener zu orga¬
nischen Störungen. Auf Hysterie zurückzuführen sind öfters Krampf
der Sehmuskulatur, Lähmung der Augenmuskeln, Ueberempfindlich-
keit gegen Licht, Sehschwäche, Störungen des Farbensinns, Ein¬
engung des Gesichtsfeldes. Dasselbe Grundleiden verleitet bis¬
weilen zu Verletzungen der Hornhaut, künstlicher Erzeugung von
Konjunktivitis. Eine beträchtliche Zahl von Klagen über Augen¬
leiden ist auf traumatische Neurose zurückzuführen, zumal wenn die
Rentensucht eine Rolle spielt. Verfasser gibt Ratschläge, wie den
genannten Zuständen entgegenzutreten ist. Früher führten bisweilen
die langdauernden Dunkelkuren zu psychischen Störungen. Die mo¬
derne Behandlung hat sie verhüten gelernt. Den Zusammenhang
zwischen Augenerkrankungen und Delirium tremens, Epilepsie und
tiefem Coma streift Verfasser ganz kurz.
Geißler, Neu-Ruppin.
S i e g f r i e d W e i ß. Die gesetzliche und freiwillige Kinder-
milchkoiitrolle. Wiener klinische Wochenschrift 1910, Nr. 12.
Nach eingehender Darstellung der in Deutschland und Oester¬
reich zum Schutze der Kindermiich getroffenen Maßnahmen kommt
W. zu dem Schluß, daß die zurzeit vorhandenen Bestimmungen und
Kontrollmaßregeln wohl für die Milch als Handelsware, nicht aber
für diejenige, die zur Säuglings- und Krankennahrung bestimmt ist,
hinreichen. Es muß vielmehr ein Zusammenarbeiten der ma߬
gebenden Vertreter der angewendeten Hygiene, Kindermilchprodu¬
zenten und Aerzten statthaben. Derartige Milchkommissionen be¬
stehen bereits in Amerika, wo 50 pCt. aller Säuglinge mit Kuhmilch
genährt werden. In Europa sind freiwillige Kindermilchkontrollen
durch Milchkommissionen bereits eingeführt, in Hannover und
Kopenhagen, sie sind in Vorbereitung in London, Leipzig und
Düsseldorf. Wegen der Einzelheiten betr. die Entwicklung und Ein¬
richtung der amerikanischen Milchkommissionen sei auf das
Original verwiesen.
P i n -c z o w e r , Tempelhof.
H. Gräf. Versuche mit dem Luftreiniger „Longlife“. Deut¬
sche medizinische Presse 1910, Nr. 4.
Der von der Internationalen Hygienischen Gesellschaft in
Dresden hergestellte Apparat, der zur Verbesserung der Zimmerluft
dienen soll, wurde von G. während mehrerer Monate im Sprech-,
Wohn- und Schlafzimmer aufgestellt. Es ergab sich, daß mittels der
üblichen Methoden eine Ozonproduktion durch den Apparat nicht
nachzuweisen war. Hingegen zeigte sich eine erhebliche des¬
infizierende Wirkung des Apparates, dessen Füllung mit Salzen
nicht bekannt ist. Die Feststellung geschah durch Zählung der Keime
aut Agarplatten. Die Keimzahl wurde durch Longlife stets erheblich
herabgesetzt. Die Wirkung war bis auf 6 m Entfernung vom Apparat
ersichtlich. Ebenso konstatierte Verfasser eine sehr wirksame Deso¬
dorierung, die durch den Apparat erzielt wird. Er hält ihn
daher für Privatwohnungen, Büro-, Kontorräume, Klosetts usw.
für geeignet.
Pinczower, Tempelhof.
Kister. Die Rauch- und Rußplage in Großstädten. Die
Umschau 1910, S. 183.
Die Größe des Kohlenverbrauchs bestimmt den Grad der Rauch-
und Rußplage. London verbraucht jährlich ca. 16 Millionen, Berlin
und Hamburg ca. 3 Millionen, Königsberg ca. 5000 tons Kohlen.
Nach der Berechnung wurde in Berlin im Jahre 1896 die Luft durch
32,6 Milliarden Kubikmeter Verbrennungsgase verunreinigt. Die in¬
dustriellen Betriebe trugen zur Verunreinigung der Luft weniger bei
als die Haushaltungen, weil die Feuerungen der ersteren besser ge¬
baut sind. Denn es kommt auf die Art der Feuerung und des Mate¬
rials erheblich an. Auch die klimatischen Verhältnisse spielen eine
große Rolle, am schlechtesten sind die Städte mit feuchter Witterung
dran. Der Kohlenrauch begünstigt die Nebelbildung. In London hat
(von 1870—1890) während des Winters die Zahl der Nebeltage dem
Kohlenverbrauch entsprechend zugenommen. Die Großstädte er¬
halten weniger Sonnenschein als ihrem Klima entspricht. Die
Schädigungen, die so resultieren, beziehen sich auf das seelische
und körperliche Wohlbefinden. Der schädliche Einfluß auf die
Atmungsorgane ergibt sich aus statistischen Erfahrungen im In¬
dustriegebiet sowie aus dem Tierversuch. Hierzu kommt eine er¬
hebliche Schädigung der Pflanzenvegetation. Will man Vergleiche
über den Grad der Rußbildung bezw. des Dunstes anstellen, so kann
das sicher durch einfache photographische Aufnahmen geschehen.
Renk, Dresden, hat folgende Vorrichtung angegeben. Eine Papier¬
scheibe von 9 cm Durchmesser wird in eine Metalldose mittels eines
Metallringes derart befestigt, daß eine Fläche von 5 cm Durchmesser
der Luft ausgesetzt bleibt. Durch diese Fläche wird die zu untere
suchende Luft mittels einer Pumpe hindurchgesaugt. Auf dem
Papierfilter zeichnet sich nach dem Versuche die berußte Fläche
von dem weißgebliebenen Rande ab. Durch Vergleichsstreifen mit
bekannten Rußmengen läßt sich dann der Rußgehalt pro Kubikmeter
Luit berechnen. Andere Methoden beruhen auf der Tatsache des
Aufsaugens von Ruß in Oel oder Wasser. Derartige Bestimmungen
haben gezeigt, daß die Helligkeit und Durchsichtigkeit der Luft in
Anhängigkeit von deren Rußmenge steht. Die Rußmenge ist zu ver¬
schiedenen Tagesstunden verschieden, in der Nacht am geringsten,
an Sonntagen ist die Menge durchschnittlich geringer. In den
Wintennonaten hat die Luft mehr Ruß als im Sommer. Bei dunstig
nebligem Wetter ist die Rußmenge größer, nach Niederschlägen ge¬
ringer. Der Einfluß der Winde ist erkennbar. Der größere Ru߬
gehalt im Winter erklärt sich auch durch den Mehrverbrauch an
Kohlenmaterial der Haushaltungen. — Außerdem treten mit den
Rauchgasen schweflige Säure bezw. Schwefelsäure in die Luft über.
Die schweflige Säure wird sehr bald zu Schwefelsäure oxydiert.
In den Niederschlägen konnte neben schwefliger Säure auch
Schwefelsäure und Ammoniak nachgewiesen werden. — In Hamburg
enthält die Luft mehr Ruß als in Berlin, weniger als in Dresden
und vielen englischen und amerikanischen Großstädten. In Hamburg
besteht ein Verein für Feuerungsbetrieb und Rauchbekämpfung.
Pinczower, Tempelhof.
R. V e h 1 a. Ueber die desinfizierende Bedeutung des Biigelns
in der Prophylaxe der ansteckenden Kranhlieiten. Aerztliche
Centralzeitung. Wien 1910, Nr. 15.
Verfasser stellte Bügelversuche an, deren Zweck war, zu er¬
mitteln, inwieweit durch das Bügeln eine Desinfektion der Kleider
und Wäsche zu erzielen ist. Die Methode hat besonders Bedeutung
bei der Sterilisation der Kleider des Arztes selbst. Die Erhitzung
des Bügeleisens geschah durch ein Eisenstück (Bolzen) durch Holz¬
kohle, mit einer Gasflamme, mit einem Spiritusbrenner. Die
Resultate waren in allen Fällen die gleichen. Die Versuchsstoffe
(dünne und dicke Leinwand, waschbare Damenstoffe, dicker Flanell,
Samt, Tuch) werden infiziert (Streptokokken, Staphylokokken,
1 yphustazillen, B. diphtheriae). Die Kontrolle der Infektion und die
Prüfung auf Sterilisation der Stoffe geschah durch Agarkulturen. —
Fährt man mit dem Bügeleisen einmal über den befeuchteten Stoff,
so wird dessen Oberfläche steril, der Effekt nimmt nach der Tiefe
hin ab. Dünne Stoffe sind durch einen einzigen Zug steril ge¬
worden. Stärkere Stoffe (z. B. russische Stoffe zu Mänteln ver¬
wandt) müssen auf beiden Seiten mindestens mit zwei Zügen ge¬
plättet werden. Beim •Umwenden muß das Brett durch einen Zug
des Biigeleisehs ebenfalls sterilisiert werden, um eine neue Infektion
der bereits sterilisierten Fläche zu vermeiden. Tuche, die durch
Bügeln leiden, behandelt man derart, daß man das Tuch durch einen
dünnen Stoff hindurch so lange bügelt, bis dieser trocken wird.
Pinczower, Tempelhof.
Edmund S a a I f c I d. Hautkrankheiten und moderne
Kleidung. Medizinische Klinik 1910, Nr. 9.
Verfasser weist auf einige Schädigungen (Hautaffcktionen) hin,
deren Entstehung auf unhygienische Kleidung zurückzuführen ist.
Die in die Damenkragen eingenähten Fischbeinstäbchen erzeugen
häufig, durch den ständigen Reiz, den sie durch Druck ausüben, eine
chronische Entzündung der Haut, deren Endresultat eine Lichen-
infikation sein kann. Bei Männern wird die Mode der hohen und
steifen Kragen zur Ursache von Furunkeln an der vorderen Hals¬
partie und der hinteren Halsnackengegend. — Hohe und vor allem
zu enge Kragen geben hier und da zu streifenförmigen Chloasma
arri Halse, dessen Beseitigung schwer ist, Anlaß. — Auch bei
Damen war in zwei Fällen ein solches Chloasma traumatikum —
durch Fischbeinstäbchen verursacht — zu beobachten. Nacken-
lurunkulose kann auch durch Verwendung der Bartbinde entstehen;
das der Hinterhauptnackengegend anliegende aus Blech verfertigte
Schloß der Binde setzt durch häufige Verletzungen der Haut Ein¬
gangspforten für die Staphylokokken. Alle diese Schädigungen
lassen sich bei rationeller Bekleidung leicht vermeiden.
Pinczower, Tempelhof.
G. H e r z f e 1 d. Die Eisenbahnhyglene im Jahre 1909.
Deutsche medizinische Wochenschrift 1910, Nr. 5.
Aus der hygienischen Uebersicht, die der Vertiauensarzt der
Eisenbahndirektion Halle in dieser Arbeit gibt, sei folgendes be¬
sonders Interessante hervorgehoben: Zur Vorsorge für die Betriebs¬
sicherheit wurden Versuche in der Weise angestellt, daß ein Stark¬
strom von 6000 Volt auf die Decke eines Personenwagens geleitet
und Kurzschluß herbeigeführt wurde. Es ergab sich, daß der Strom
über das Bekleidungsblech des Wagens geht, ohne Personen zu ge¬
fährden. — Zur Beseitigung des Staubes werden die Wagen mit
Bronil (Gittelstem & Co.) bestrichen. Zur Verhütung von Infek¬
tionen sollen die Gläser bei den Büfettwagen besser gespült werden,
in der Bekämpfung der Tuberkulose der Bahnbediensteten sind glän¬
zende Erfolge zu verzeichnen. Die Notwendigkeit der Einleitung
eines Heilverfahrens hat sich um 19,7 pCt. verringert. — Dem
Rettungswesen hat die Behörde weiter große Aufmerksamkeit ge¬
widmet. Aus der Unfallstatistik seien folgende Zahlen wieder¬
gegeben: Preußen-Hessen mit einer Betriebslänge von 35 836 km
Nr. 25
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU
2732 Unfälle, Bayern mit einer Betriebslänge von 6527 km 477 Un¬
fälle, Baden mit einer Betriebslänge von 1745 km 170 Unfälle,
Württemberg mit einer Betriebslänge von 1963 km 168 Unfälle,
Reichslande mit einer Betriebslänge von 2016 km 135 Unfälle.
Pinczower, Tempelhof.
J. N. Boecale. Ueber eine neue Trichinenepidemie in
Bayern. Münchener medizinische Wochenschrift 1910. Nr. 12.
In Bayern gab es in letzter Zeit Trichinenepidemien, in Rothen¬
burg o. T., Markterlbach, Lorenzen, Gallinkofen. — Zwei ausführ¬
liche Krankengeschichten. — Besonders die ersten Fälle einer
Epidemie bieten häufig große diagnostische Schwierigkeiten und
werden in milden Fällen verkannt. Als wichtiges diagnostisches
Hilfsmittel kommt die Eosinophilie der weißen Blutkörperchen in
Betracht, welche sich bei Typhus abd. niemals findet. Von mancher
wird besonderer Wert auf das Kernig'sche Phänomen und das Fehlen
der Patellarreflexe gelegt. Als wichtigste prophylaktische Ma߬
nahme fordert Verfasser die obligatorische Trichinenschau für
Bayern, zum mindesten in allen Gemeinden mit öffentlichem
Schlachthof, an Plätzen mit regem Fremdenverkehr, in Kur- und
Sommerfrischen. Die durch die Trichinenschau verursachten Kosten
betragen kaum einen Pfennig pro Pfund.
Pinczower, Tempelhof.
Q u a d f 1 i e g. Eine sterilisierbare Aethermaske. Deutsche
medizinische Wochenschrift 1910, Nr. 8.
Verfasser hat der Czernyschen Aethermaske, die er für prak¬
tischer hält als alle anderen Systeme (Wagner-Longard, Sudeck
Thole, Juillare), eine sterilisierbare Form gegeben. In ein metal¬
lenes größeres Außengehäuse, daß dem Gesicht passend gefertigt ist,
wird das Drahtgestell, auf das in parallelen Zügen eine Flanell¬
binde gewickelt ist, leicht eingeschoben. Nach jeder Benutzung
kann die Maske wieder sterilisiert werden. Die Maske gestattet die
Inhalation eines reichlich mit Luft durchmischten Aethers. Der
Verbrauch an Aether ist nicht höher als bei andern Masken; er kann
noch herabgesetzt werden, wenn vor der Narkose zwei subkutane
Injektionen von 0,0003 Skopolanin (bei der zweiten Dosis + 0,001
Morphium) appliziert werden.
Pinczower. Tempelhof.
Technische Neuerscheinungen.
Ein neues Instrument zur automatischen Perkussion,
verbunden mit einem Phonendoskop.
Von Dr. Franz Rosenfeld,
Spezialarzt für Hals-, Nasen- und Lungenleiden.
Das wesentlichste des Instrumentes liegt darin, daß
das Auslösen des Hammers lediglich durch das Auf¬
setzen der Plessimeterplatte auf den zu untersuchenden
Körperteil geschieht und so die absulute Gewähr dafür
gegeben wird, daß das Instrument unabhängig von der
subjektiven Empfindung des untersuchenden Arztes ist
und in allen Fällen den gleichen Schlag gibt.
Mit dem Perkussionsinstrument kann zweckmäßig
auch ein Phonendoskop verbunden werden, so daß der
Arzt auch hiermit auskultieren kann. Auf der Zeich¬
nung ist der Erfindungsgegenstand in einer Ausfüh¬
rungsform beispielsweise veranschaulicht.
Die Auslösung des Apparates erfolgt durch den
beim Aufsetzen der Plessimeterplatte auf die zu unter¬
suchenden Körperteile entstehenden Druck. Der an der
Platte befestigte Hebel ist um den Festpunkt drehbar
und wird durch die Feder in der aus der Zeichnung er¬
sichtlichen Lage gehalten. Zusammen mit der drehbar
angelegten Gabel dreht sich der Hebel mit der Achse
um einen fixierten Punkt. Die an der Achse befindliche
Kurbel wird mit einer gelagerten und drehbaren, mit
konischer Spitze versehenen Schiebestange vorwärts
bewegt. Durch die konische Spitze der Stange wird
der Sperrkegel bewegt und der an der Gabel befind¬
liche Hammer vom Stift in dem Augenblick ausgelöst,
wo der Hebel die höchste Stellung erreicht hat. Gleich¬
/ERSIT
297 '
zeitig wird die Gabel durch die um die Achse gelegte
Spiralfeder heruntergeschnellt und schlägt dann den
Hammerkopf gegen die Plessimeterplatte, wie aus der
punktierten Stellung in Abbildung 2 zu ersehen ist.
Durch die Abwärtsbewegung des Hebels geht der An¬
satz des anderen Hebels nach unten und schafft so der
Gabel freien Raum. Schlägt dann der Hammerkopf
gegen die Platte, so nähert sich auch die Gabel dem
Ansatz des Hebels.
Beim Aufhören des Druckes auf die Platte nehmen
sämtliche Hebel unter Einwirkung einer Feder, die auch
die Spiralfeder auf der Achse zurückdreht, ihre Aus¬
gangsstellung wieder ein. Um ein geräuschloses Ar-
Abbildung 1. Abbildung 2.
Das Instrument Das Instrument
in der Ruhestellung. in der Bonutzungsstollung.
beiten des Apparates zu erzielen, schlägt der Ansatz des
Hebels gegen eine Gummirolle.
Um nun auch durch Untersuchungen den Beweis zu
erbringen, daß das von mir konstruierte Instrument den
Anforderungen entspricht, habe ich bei einer Reihe von
Patienten Bestimmungen der Herzgrenzen angestellt
und dieselben durch Herrn Kollegen Dr. Eugen Jacob¬
sohn röntgenologisch nachprüfen lassen. Dieselben er¬
gaben in fast allen Fällen beinahe dieselben Herzgrößen¬
bestimmungen, wie ich sie durch meinen Apparat vorher
festgestellt und auf den Thorax aufgezeichnet hatte.
Das Instrument ist zu beziehen durch die Centrale
für ärztlichen und . Hospitalbedarf, Berlin NW., Karl¬
straße 36.
Bücherbesprechungen.
J. Hann. Handbuch der Klimatologie. (Bibliothek geographi¬
scher Handbücher.) II. Band. 1. Teil. 3. Aufl. Stuttgart 1910.
Engelhorn. Preis M. 14,00.
Das vorliegende Werk beschäftigt sich mit dem Klima der
Tropenzone. In einem kurzgehaltenen Ueberblick werden Tempe¬
raturverhältnisse, Luftdruck, Luftströmungen, tropische Regenzeiten,
Luftfeuchtigkeit und Bewölkung und die Wirkungen des Tropen¬
klimas auf den Menschen besprochen, dann folgt, eingeteilt in vier
Bücher, eine genaue Besprechung des Klimas des tropischen Afrika
(Westafrika, Ostafrika und Sudan), der Monsungebicte von Asien
und Nordaustralien, der Inseln des Stillen Ozeans und des amerikani¬
schen Tropengebietes (Mexiko, Mittelamerika, Westindien, tropisches
Südamerika). Bei dem steigenden Interesse iiir tropenhygienische
Fragen in Aer/.te-, aber auch in Laienkreisen ist es mit Freude zu
begrüßen, daß das Buch ausführlich der klimatischen Verhältnisse
einer großen Zahl der deutschen Schutzgebiete gedenkt. Es ist be¬
dauerlich, daß man aus der Fülle des Interessanten, das das Werk
birgt, in einem Referat nicht mehr wiedergeben kann, als einige
kurze Hinweise auf den Inhalt. Das Studium des Buches kann aufs
wärmste empfohlen werden. Geißler, Neu-Ruppin.
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J
3Öä THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU Nr. 25
K n e p p e r. Weiche Bestimmungen des Invalidenversicherungs-
gesetzes muß der Arzt kennen? Düsseldorf 1910. Schwann.
Preis M. 1,00.
Verfasser behandelt in seiner kleinen Schrift, die einem vor¬
handenen Mangel abhilft, die Mitwirkung des Arztes bei der Ge¬
währung und Entziehung der Invalidenrente. Es wird berichtet über
das Verhältnis des behandelnden Arztes und des Vertrauensarztes
zur Landes-Versicherungsanstalt, und der Gutachtertätigkeit kurz
gedacht, die beim Rentenverfahren mit Bezug auf Rentenfeststellung
und Rentenentziehung und beim Heilverfahren eine wesentliche Be¬
deutung hat. Das Schriftchen wird der beabsichtigten Beantwortung
der im Titel wiedergegebenen Frage voll gerecht.
Geißler, Neu-Ruppin.
E. K r o m a y e r. Repetitorium der Haut- und Geschlechts¬
krankheiten. 3. Aufl. Jena 1910. Fischer. Preis M. 4,20 gebd.
Das bekannte kleine Buch ermöglicht bei aller Kürze eine gute
Kenntnis der Krankheiten der Haut sowohl wie der Geschlechts¬
organe. Ganz besonders ausführlich hat der Verfasser das erste
Kapitel behandelt; hier ist wohl keine Erkrankung, die dem prakti¬
schen Arzt mal begegnen kann, fortgelassen. Die Therapie hat weit¬
gehendste Berücksichtigung gefunden, die neueren Behandlungs¬
methoden mit Licht, Radium, Röntgen, dann die für einige Krank¬
heiten wertvolle Kromayersche Stanzmethode sind beschrieben.
Ein Repetitorium im besten Sinne des Wortes liegt vor uns, dem
als Nachschlagebuch ein Platz auf dem Arbeitstisch eines jeden prak¬
tischen Arztes gebührt. Geißler, Neu-Ruppin.
Weinhaum-Sarderhan n. Wer soll und wer dari Arzt
werden. 7. Aufl. (Verband der Aerzte Deutschlands, Veröffentlch.
18.) Leipzig 1910. Verlag des Verbandes.
Arzt soll und kann nur werden, wer aufrichtig Lust dazu verspürt,
praktisch ist und ein guter Mensch ist mit festem Charakter und
Willenskraft, wer weiter die nötigen Mittel, die recht beträchtlich
sein müssen — bis zur Niederlassung 22 000 M. — besitzt. Die kleine
Schrift zeigt außerdem, wie sich der Studiengang gestalten soll und
der junge Arzt nach beendetem praktischen Jahr seine Tätigkeit ein¬
richten soll. Sehr lesenswert ist, was Verfasser über Lebens¬
versicherung, Einkommen der Aerzte, Zahl der vorhandenen Aerzte-
stellen, Niederlassung, Verkehr mit Kollegen, Laufbahn der Militär¬
ärzte sagt. Die wegen ihrer Kürze zu lobenden Ausführungen
führen zu dem Schluß, daß das Medizinstudium als aussichts¬
reiches Brotstudium nicht angesehen werden kann und daß marrvor
ihm warnen muß. Geißler. Neu-Ruppin.
K. F r a n c k e. Mein Instrumentarium der inneren Medizin.
Rixdorf 1910. G. Koch. Preis gebd. M. 3,00.
Das vom Verfasser nach eigenen Angaben zusammengestellte
Instrumentarium umfaßt mehrere Modelle von Erschiitterungs-
hammern, Gummifinger mit kurzem und langem Griff, Schnepper
zur Blutentnahme aus der Fingerbeere, Pupillenmesser, Hörglocke,
Nadel zur Prüfung der Hautempfindlichkeit, Stempel der Haupt-
nervenstämme und Lungenspitzen, Blutdruckmesser, Hautdunst¬
messer. Ob alle diese Dinge wirklich nötig sind? Ich glaube, daß
viele Aerzte auch mit einer kleinen bescheidenen Anzahl von In¬
strumenten bei der Diagnose auskommen, ohne dadurch zu schlech¬
teren Resultaten zu kommen.
Geißler, Neu-Ruppin-
H. B a b. Die Pathologie der infantilistischen Sterilität und ihre
Therapie auf alten und neuen Wegen. Volkmanns Sammlung
Klin. Vortr. 538/540. Leipzig 1909. A. Barth. Pr. 2,25 M.
Der fast regelmäßige Grund für die Sterilität der Frauen — an
Unfruchtbarkeit der Ehe tragen in der übergroßen Zahl die Männer
die Schuld — ist der Infantilismus der inneren Geschlechtsorgane.
Verfasser gedenkt der Momente, die für die Genese der Ent¬
wicklungshemmungen von Bedeutung sind. Nacheinander bespricht
Bücherbesprechung 2
er die infantilistischen Zustände der Ovarien, Tuben, Uterus, Vagina
und Vulva und geht besonders ausführlich auf die modernen Behand¬
lungsmethoden ein. Als solche möchte ich erwähnen die Organ¬
therapie, die künstliche Befruchtung, die Anwendung des Yohimbins.
Die fesselnd mit vielem Fleiß geschriebene Arbeit verdient ein leb¬
haftes Interesse in den Kreisen der praktischen Aerzte, treten doch
nur wenige Fragen, wie die berührte, mit solcher Häufigkeit an sie
heran. Geißler, Neu-Ruppin.
T i 11 i ß. Moderne Behandlung der Herzkrankheiten- Berlin
1910. Brenzinger. Pr. 1,00 M.
Nach des Verfassers Ansicht bilden die wirklichen Herzfehler
nur eine kleine Prozentzahl- der Herzerkrankungen, die große Zahl
derselben ist anzusprechen als Fälle von Herzschwäche, für die
ursächlich die verschiedensten Momente in Frage kommen. Wie die
Diagnose zu stellen ist unter Berücksichtigung moderner Verfahren,
. wird kurz berührt. Die bisherigen Behandlungsweisen hält T. für
falsch, er verlangt Behandlung mit elektrischen Strömen und syste¬
matische Kräftigung des Herzens, beides unter ständiger ärztlicher
Aufsicht. Ich möchte die Frage aufwerfen, wie viele Patienten in
der Lage sein können und wollen, sich der genannten Behandlung zu
unterziehen. Vielleicht erfreut der Verfasser die Aerztewelt mal mit
einem vereinfachten Verfahren, das nicht nur in der Heilanstalt
durchgeführt werden kann und des komplizierten Dreizellenbades mit
dreiphasischen Wechselströmen bedarf.
Geißler, Neu-Ruppin.
Carl Bruno Sch ii rmaye r. Harnuntersuchungen und
ihre diagnostische Verwertung. Zweite gänzlich umgearbeitete und
vermehrte Auflage. 1910. Wiesbaden. I. F. Bergmann.
Verfasser hat mit eindringlicher und doch einfacher Art der
Darstellung seiner kritischen Auffassung ein überaus instruktives
Lehr- und Hilfsbuch der Harndiagnostik geschaffen. Der Kliniker,
der über eine der neuen oder alten Methoden — sei es nach der
Theorie und Bedeutung oder nach der praktischen Ausführung hin —
Auskunft sucht, wird sie in dem Buche schnell erschöpfend finden.
Die Ergebnisse der Physiologie und physiologisch-chemischen
Forschung sind in vollstem Maße berücksichtigt; ebenso sind die
physikalischen Untersuchungsmethoden (Spektroskopie, Polarisation,
Kryoskopie usw.) eingehend abgehandelt. Das Buch kann auch
in seiner neuen Gestalt sowohl dem Internisten wie dem Chirurgen
warm empfohlen werden; es gewährt rasche Orientierungsmöglich¬
keit und hilft, nach den Worten des Autors, dazu von der mehr und
mehr ins chemisch-physiologische Laboratorium hinübergleitenden
„Harnuntersuchung“ möglichst viel für den Praktiker zu retten.
Pinczower, Tempelhof.
Allgemeines.
Klinik fiir Arbeiterkrankheiten in Mailand. Die Eröffnungs¬
feier der Klinik für Arbeiterkrankheiten in Mailand fand am 20. März
d. J. in dem sehr geräumigen, auf das modernsre ausgestatteten
Hör- und Repräsentationssaale der Klinik statt, welcher von Gästen
dicht besetzt war. Nachdem Senatore Manfredi, der Präsident der
klinischen Institute, die Anwesenden begrüßt und die Geschichte,
Gründung und Einrichtung der Klinik kurz geschildert hatte, sprach
Senatore Panizzardi, Präfekt von Mailand, namens der Regierung.
Prof. Devoto, welcher darauf das Wort ergriff, schilderte in einer
längeren, meisterhaften Rede die Ziele und Zwecke des neu¬
geschaffenen Instituts, wobei er ein weitausblickendes Arbeits¬
programm für die gewerbehygienische Wissenschaft entwarf. Auch
hob er anschließend an die Worte Rambouseks hervor, daß das ge¬
gebene Beispiel bereits gezündet habe, da Ungarn die Errichtung
eines gleichartigen Instituts in Budapest im großen Maßstabe in
Aussicht genommen hat.
Die 9 .Internationale Tuberkulose-Konferenz findet am 5. bis
8. Oktober 1910 in Brüssel statt. Am Nachmittag des 5. Oktober
werden die verschiedenen ständigen Kommissionen ihre Sitzungen
abhalten. Am Donnerstag, den 6. Oktober, ist um 10 Uhr die feier¬
liche Eröffnungssitzung, dann folgen die Verhandlungen. Zunächst,
nach dem Vorschläge von Landouzy-Paris über Klinisch-experimen¬
telle Studien und zwar a) über Tuberkuloseinfektion auf dem Wege
der Zeugung, b) über die zu Tuberkulose besonders disponierten
Regionen. Auf der Tagesordnung des dritten Tages stehen Schutz
der Kinder gegen Tuberkulose, Tuberkulose und Schule, die Tuber¬
kulosebekämpfung und die Frauen. Der Nachmittag ist angemeldeten
Vorträgen Vorbehalten. Am Sonnabend, den 8. Oktober, in der
Schlußsitzung, werden die Kommissionsberichte erstattet, und die
Berichte über den Stand der Tuberkulosebekämpfung in den ein¬
zelnen Ländern.
Woran Aerzte sterben. Die Aerzte, deren Beruf es ist, das Leben
ihrer Mitmenschen nach Kräften, zu verlängern, genießen in der
Wirklichkeit nur wenig Nutzen ihres Könnens und ihres Wissens;
die Statistik zeigt, daß die Jünger des Aeskulap nicht länger leben,
als ihre Klienten; ja die Zahl derer, die ein hohes Alter erreichen,
ist nur gering und keinesfalls größer als die der anderen Sterblichen.
Eine französische medizinische Wochenschrift hat eine Statistik
aufgestellt, die darüber Aufschluß gibt, an welchen Arten von Krank¬
heiten die meisten Aerzte sterben. Danach finden wir nicht weniger
als 44 pCt. aller Aerzte durch Herzleiden ihren Tod, 20 pCt. erliegen
nervösen Krankheiten, 20 pCt. der Morphiummanie, 7 pCt. der
Schwindsucht und nur 9 pCt. anderen Krankheiten oder Alters¬
schwäche. Auffällig ist die große Zahl der Mediziner, die an dem
übertriebenen Genuß von Morphium zu Grunde gehen. Als Aerzte
kennen sie die furchtbaren Wirkungen des schmerzstillenden Giftes
besser wie andere Menschen, aber sie zögern doch nicht, es oft und
immer wieder anzuwenden, um Schmerzen zu betäuben, bis sie
schließlich den Folgewirkungen des Morphiums erliegen.
Nr. 25
Therapeutische Rundschau
339
Kleine Mitteilungen.
lieber Digistrophan, ein neues Kardiakum. Von Dr. O. B ö 1 k e ,
dirigierender Arzt der inneren Abteilung des städtischen Kranken-
hauses in Ratibor.
Die angestrengten und verdienstvollen Versuche, die starke Wir¬
kung von Digitalis auf das Herz genau dosierbar und gleichmäßig zu
gestalten, haben mit der Schaffung des Digistrophan der Firma
Goedecke & Co., Berlin, einen neuen glänzenden Erfolg errungen.
Die Anregung dazu ging von Dr. O. Bölke, dem dirigierenden Arzt
der inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses in Ratibor,
aus. Wir besaßen bisher feste Extrakte von Strophantus und Digi¬
talis mit vollwertiger Wirksamkeit noch nicht. Um Verlust der
wirksamen Substanz zu vermeiden, ist bei Digistrophan folgender
Weg^eingeschlagen worden: Es werden 100 Teile Fol. Digitalis und
50 Teile Sem. Strophanti in der in den Pharmakopoen üblichen
Weise zu einem Fluidextrakt hergestellt. Diese wird im Vakuum
bei einer Temperatur, die 40 Grad nicht überschreiten darf, derart
verdunstet, daß das erhaltene feste Extrakt entsprechend dem Ge¬
wicht der Drogen eingerichtet ist. Jede einzelne Tablette entspricht
genau 0,1 gr. Fol. Digital und 0,05 gr. Sem. Strophanti von so voller
und konstanter Wirksamkeit, wie sie die frische Droge niemals bieten
kann.
Für die Vereinigung von Digitalis mit Strophantus war der Ge¬
sichtspunkt leitend, daß Strophantus im gewissen Sinne die Kumu¬
lationswirkung der Digitalis mildert und daß die Kombination zweier
Herzmittel von nicht absolut gleichwertiger Wirkung einen besseren
Heileffekt erzielen müsse.
Neben diesen reinen Digistrophan -Tabletten sind für
bestimmte Zwecke — Verstärkung der Diurese — auch solche Ta¬
bletten hergestellt worden, die neben 0,1 gr. Digital und 0,05 gr. Stro¬
phantus noch 0,2 gr. Natriumacetat (Digistrophan. diuretic. Nr. 1)
respektive Coffein-Natr. acetic. (Digistrophan. diuretic. Nr. 2).
Kardiakum und Diuretikum können hier also in
denkbar bequem st er Weise in einer Tablette
verabfolgt werden.
Bölke hat ungemein sorgfältig und geradezu erschöpfend die
Wirkungsweise des Digistrophan erprobt. Zuerst erwies es eine
prompte tonisierende Wirkung am isolierten Kaltblüterherzen, dann
an 10 gesunden kräftigen Männern und daraufhin wurde es bei allen
geeigneten Herz- und Gefäßkranken unter genauer Registrierung von
Blutdruck, Pulskurve, Pulszahl und Stärke, sowie Diurese eingehend
geprüft. Es kamen im Verlauf von 10 Monaten 85 Fälle zur Be¬
handlung und zwar 44 organische Klappfehler, 18 Herzmuskel¬
erkrankungen, eine Herzbeutelverwachsung, 3 Fälle von schweren
Störungen der Herzarbeit durch Raumbeengung im Brustkörbe und
19 Fälle von Herzermüdung bei akuten Infektionskrankheiten, vor¬
nehmlich bei Typhus abdominalis.
Die Arbeit bringt weiter eine Reihe sehr instruktiver Fälle mit
zahlreichen Puls- und Blutdruckkurven, deren Wiedergabe hier aus
Raummangel unmöglich ist, deren genaue Lektüre aber jedem
Arzt nur dringend empfohlen werden kann. Zusammenfassend
äußert sich Bölke über die Wirkungsweise des neuen Kardiakums
wie folgt: Erhöhung der Schlagtiefe und Herabminderung der Schlag¬
zahl des Herzens, Verschwinden der Arythmie in denkbar weitestem
Maße. Der Blutdruck (gemessen nach Riva-Rocci mit Rickling-
hausenscher Manschette) wird konstant und entsprechend einer guten
Digitaliswirkung erhöht. Bei der Beobachtung einiger Myorkaditiden
konnte das auch von anderen Autoren als paradox bezeichnete Ver¬
halten — erhöhter Blutdruck bei außerordentlich kleiner Pulswelle —
bestätigt werden; es erfuhr unter der Therapie eine Einstellung auf
die Norm, d. h. trotz Kräftigung des Pulses und Erniedrigung der
Schlagzahl mit schwindender Arythmie sank der ursprünglich er¬
höhte Blutdruck in mehreren Fällen infolge der gebesserten Herz¬
arbeit auf die Norm ab. Konform der Besserung der Herztätigkeit
war stets eine Steigerung der Diurese auf resp. über die Norm zu
verzeichnen, die sich durch die Darreichung von Digistrophan diu-
reticum noch erhöhen ließ. Betont muß bei der Digistrophantherapie
der schnelle Eintritt und die relativ lange Dauer
der Wirkung werden, zwei Faktoren von großem
therapeutischen Werte. Das Digistrophan wird
von den Verdauungsorganen auch bei schweren Infektionskrankheiten
stets gut vertragen; es hat keinen schädigenden Einfluß, vor allem
picht auf die Nieren.
Täglich dreimal 1 Tablette genügt für die Mehrzahl der Fälle;
wo es nötig ist, erhöhen 4 Tabletten diese Wirkung und werden gut
vertragen.
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(Sonderausgabe der AUgem. medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dr. H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
A'erlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Arat VI, No. 3302
IV. .Tain-gang «erlin, 2. .Tuli 1910 No. 27
Die „Therapeutische Rundschau" erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden filr die 4gosp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt bewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
L. Wissenschaftliche Mitteilungen. Dreuw: Universal-
Dampfsterilisator zur Sterilisierung und gleichzeitigen Trocknung
von Verbandstoffen.
Wirtz: Ueber Elimination im Säuglings- und späteren
Kindesalter. -—Marre: Ueber Eiweiß im Urin von Säuglingen..
— Fischer: Ueber juvenile Paralyse. — Neumark: Ueber
das Verhalten der Leukocyten bei Masern. — Eommeler:
Ueber Typlnisverscbleppung durch Säuglinge. — Koch und
Eissling: Studien zur Aetiologie der Tolhvut. — Heisler
und Toinor: Altes und Neues zur Behandlung der tuberkulösen
Hämoptoe —Kretschmer: Die Vielgestaltigkeit der visceralen
Lues. — Krebs: Thyresoltabletten als Unterstützungsmittel
der lokalen Gonorrhoetherapie. — Erdös: Die Behandlung der
Gonorrhoe mit inneren Medikamenten. — Kaum heim er: Ueber
Rektalgonorrhoe im Kindesalter. — Brauser: Zur Gonorrhoe¬
flage. — Hartmann: Kurzer Beitrag zur Wirkung des Nov-
aspirins. — Schilling: Die Röntgentherapie bei chronischer
Bronchitis und Bronchialasthma. — Mayer: Die klinische
Diagnostik der Hämoglobinurie. — Traumann: Ein Fall von
Indigurio. —Axisa: Das Verhalten der Purinkörper bei einem
Falle von wahrscheinlicher Lcbervenenthrombose. — Zabel:
Eiterüberschwemmung des Magendarmkanals aus Nasenneben-
höhlüneinpyemcn, nebst eiuer Bemerkung über die Bedeutung
des Flagellat,enbefundes im Magen.— Knoke: Die Grosxichscbc
Methode der Hautdesinfektion. — Sippel: Die Nierenent¬
kapselung bei puerperaler Eklampsie. Zangemeister: Ueber
eklamptischo Oligurie, zugleich eine Kritik der Nierendekap-
sulation bei Eklampsie. Eisen reich: Ueber Dekapsulation
der Nieren bei Eklampsie.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 1. Juni 1910. —
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom
20. Juni 1910. — 27. Kongress für innere Medizin in Wiesbaden
vom 18.—21. April 1910. (Schluß.) — XIX. Versammlung der Deut
sehen Otologischen Gesellschaft. Sitzung vom 13.—14. Mai 1910
III. Therapeutische Notizen. B raun: Ueber synthetischesSuprarenin.
— Bosse: Ein neues Keuchhustenmittel „Eulatin“.
IV. Bücherschau. Tobias: Anwendungsformen und Wirkungs¬
weise der Hydrotherapie bei den Verdauungs- und Stoffwechsel¬
krankheiten. — Kurz: Der Radiumvorrat der Natur. — Sarason
Jahreskurse für ärztliche Fortbildung.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesctz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Gerichtliches.
AU. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Aus Dr. Dreuws Poliklinik für Haut- und Harnleiden, Berlin.
Universal-Dampfsterilisator zur Sterilisierung
und gleichzeitigen Trocknung von Verbandstoffen.
Von
Dr. Dreuw (Berlin).
Bei den namentlich in der Privatpraxis gebrauchten
kleineren Dampfsterilisationsapparaten kommen die ste¬
rilisierten Verbandstoffe meist in feuchtem Zustande zum
Vorschein. Um vollständig trockene und sterile Verband¬
stoffe zu erhallen, habe ich einen Apparat konstruiert, der
folgende Zusammensetzung hat:
W ist der Wasserbehälter, der nach oben zn (a)
doppelwandig den Sterilisationsraum G umgibt.
E = Bunsenbrenner oder Spiritusbrenner.
D =i Dreifuß.
G = Dampfraum für die Verbandstoffe. Der Dampf
entweicht aus dem Wasserbehälter durch einen
Ventilhahn
H = in den Verbandstoffraum G.
V = Spannungsventil.
C = ein aus dem Inneren des Verhandstpffraumes j
herausführendes mit einem Hahn b versehenes
Kondenswasserabfln ßrohr.
L - eine von außen durch einen Ventilhahn ver¬
schließbare und in das Innere des Katheter-
raumes führende Oeffnung.
Im Innern des Raumes G stehen 3—4 Sehimnielbusch-
biiehsen übereinander. (In Abbild. 1 nicht gezeichnet.)
Der Vorgang beim Sterilisieren der Verbandstoffe ist
folgender:
Der Dampf des kochenden Wassers W entweicht durch
den Ventilhahn H in den Verbandstoffsterilisationsraum Gr.
Schließt man, nachdem die Verbandstoffe sterilisiert sind
(nach etwa 15—30 Min.), den Ventilhahn H ab, so wird der
Dampf von dem Sterilisationsraum G abgesperrt. Der
Dampf zirkuliert infolgedessen in dem Raum aa, erreicht
eine bestimmte durch das Ventil regulierbare Spannung
(1—2 Atmosphären) und entweicht dann durch das
Ventil V. Hierdurch wird die Luft in dem Innenraum G,
in dem sich die feuchten Verbandstoffe befinden, auf 103°
erhitzt und bringt das den Verbandstoffen anhaftende
Kondenswasser zum Verdunsten, das durch die Oeffnung L
und eine im Deckel angebrachte Oeffnung entweicht. Ein
Teil des Wassers fließt durch das Kondenswasser-Abflu 1.1-
robr C ab, nachdem der Hahn b geöffnet ist. 10—15 Minu¬
ten, nachdem die Sterilierung beendet ist, sind die Ver¬
bandstoffe vollständig steril und trocken und lassen sich
natürlich tage-, Wochen-, monate- und jahrelang voll¬
ständig steril aufbewahren.
418
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 27.
Der im vorstehenden beschriebene Apparat sterilisiert
nml trocknet die Verbandstoffe zu gleicher Zeit, und zwar
gellt die Zeit, die zur Trocknung gebraucht wid, für die
Sterlisierung der Verbandstoffe nicht verlören. Wie durch
eine Reihe von praktischen Versuchen festgestellt worden
ist, bedarf es zum Sterilisieren nicht eines kontinuierlich
die Verbandstoffe durchströmenden Wasserdampfes, son¬
dern es genügt, wenn die Spannung des gesättigten
Wasserdampfes erhalten bleibt, so daß er in die Verband¬
stoffe eindringen kann. Stellen wir z. B. ein Reagensglas
mit einem Agar-Agar-Nährboden in einen Dampftopf, so
durchströmt der Wasserdampf nicht das Innere des Rea¬
gensglases, und trotzdem wird der Nährboden steril. Dies
ist auch der Pall, wenn wir die bekannten Schimmelbusch-
Büchsen in den Sterilisationsraum stellen. Hier findet
kein Durchströmen, sondern nur ein Eindringn des
Dampfes statt. Wenden wir dieses desinfizierende Prinzip
des die Verbandstoffe zwar nicht durchströmenden, aber
in sie eindringenden, auf 103° erhitzten und in Spannung
gehaltenen Wasserdampfes auf den oben beschriebenen
Apparat an, so ergibt sich folgendes: Wenn man nach
15 bis 30 Minutn der Wasserdampf Zuführung durch das
Rohr H den Hahn zudreht, so befindet sich im Inneren
des Verbandstoff raumes G und auch in den daselbst de¬
ponierten Verbandstoffen Kondenswasser. Dieses Kon-
denswasser wird nun durch die auf 100 0 erhitzte Um¬
gebung aa wieder in Dampf verwandelt, und dieser
Wasserdampf ist. ebenfalls imstande, die Verbandstoffe zu
durchdringen und die Sterilisierung noch weiter fortzu¬
setzen, so daß tatsächlich die Zeit, welche zum Trocknen
der Verbandstoffe verwandt wird, nicht verloren geht, in¬
dem der aus den Verbandstoffen entweichende Wasser-
dampf die schon begonnene Sterilisierung vollendet, wäh¬
rend zu gleicher Zeit Trocknung der Verbandstoffe eintritt.
Fig. 2 zeigt die äußere Ansicht des Apparates der in
verschiedenen Größen von der Firma Louis & H. Lö¬
wenstein, Berlin, Ziegelstraße, hergestellt wird.
Der Apparat läßt sich auch in bequemster Weise zur
Sterilisierung und gleichzeitigen Trocknung von Kathe¬
tern benutzen. Zu diesem Zwecke ist er hoch und nicht
wie gewöhnlich in querer Richtung auf gebaut.
Die Katheter und Sonden hängen in einer perforierten
abnehmbaren Platte (M). Die event. nicht mit Kathetern
versehenen Oeffnungen dieser Platte werden durch keil¬
förmige Metallsonden von etwa 2—3 cm Länge ver¬
schlossen.
In der Platte hängen noch 2 oder auch 3 längliche
gläserne Katheterbehälter d, welche so konstruiert sind,
daß sie in ihrem Inneren 6—8 Katheter aufnehmen können
oder auch 6—8 filiforme Bougies. Nach der Sterilisie¬
rung und Trocknung der in diesen Behältern befindlichen
Katheter wird der Behälter oben durch einen Gummi-
| stöpsel geschlossen, so daß man in diesem kleinen Behälter
vollständig dicht verschlossen und jederzeit erreichbar
trockene und sterile Katheter hat. Für TTreteren-Katheter
ist ein gebogenes Glasrohr konstruiert, das die Ureteren-
Katheter aufnimmt.
Da der Apparat nur einen geringen Raum einnimmt,
andererseits für alle Zwecke der Sterilisierung von Ver¬
bandstoffen, Kathetern, Nährböden, zur Feucht- und nach-
herigen Trockensterilisierung von Seide, Düritgummi, bak-
! teriologischen Glaswaren, Instrumenten etc. zu verwenden
ist, so bewährt er sich als Universaldampfsterilisator
namentlich in der Privatpraxis. Bei Zentraldampfanschluß
in größeren Instituten, Sanatorien, Krankenhäusern etc.
sind besondere Modelle konstruiert, die ebenfalls zunächst
feuchte und dann trockene Sterilisierung bewirken.
Dr. August Wii'tz (Cöln): lieber Rumination im Säuglings- und
späteren Kindesalter. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 18.)
Die Erscheinung des Wiederkäuens, der Rumination, beim
Menschen ist nicht ganz selten; in der Literatur sind etwa
170 Fälle veröffentlicht. Vorwiegend handelt es sich dabei um
erwachsene Personen, und zwar überwiegt das männliche Ger
schlecht ganz erheblich. Nach einer Zusammenstellung waren
unter 145 Fällen nur 10 weiblich. Was das Kindesalter an¬
belangt, so fand Verf. im ganzen 46 mal in der Literatur An¬
gaben über Wiederkäuen bei Säuglingen und älteren Kindern.
Es scheint, daß die Rumination selten im späteren Alter beginnt,
sondern am häufigsten im Alter von 5—15 Jahren. Aber auch
im Säuglingsalter tritt die Rmnination schon auf. Verf. be¬
richtet eingehend über einen derartigen in der akademischen
Kinderklinik zu Cöln beobachteten Fall. Es handelte sich um
ein bei seiner Aufnahme neun Monate altes, sehr herunter¬
gekommenes Kind männlichen Geschlechts, welches vier Monate
in der Klinik verpflegt wurde und während dieser Zeit etwa
1600 g an Gewicht zunahm. Das Wiederkäuen wurde während
dieser Zeit allmählich immer seltener und hörte schließlich
ganz auf, nachdem es etwa acht Monate bestanden hatte. Ob es
dauernd fortbleiben wird, läßt sich vorläufig natürlich nicht be¬
urteilen. Das Wiederkäuen erschien während der Beobachtungs¬
zeit als ein müheloser, mit Behagen verbundener unwillkür¬
licher Akt. auftretend sowohl sofort nach der Mahlzeit, wie kurz
vor der folgenden, und zwar immer wenn Nahrung, nicht blos
Magensaft im Magen vorhanden. Die Körperlage (Liegen oder
Sitzen) war ohne Einfluß auf das Wiederkäuen; nur beim Her¬
umtragen und beim Spielen mit dem Kind schien eine Ab¬
lenkung statthaben zu können. R. L.
Dr. M. Francis Marre (Paris): lieber Eiweiß im Urin von Säug¬
lingen. (Revue d’hygiene et de medecine infantiles, Bd. IX.
Heft 12.)
Aus einer größeren Zahl einschlägiger Beobachtungen
ergeben sich folgende Schlüsse: Eiweiß findet sich bei Neu¬
geborenen und Säuglingen nur unter pathologischen Verhält¬
nissen. Leidet die Mutter während der Schwangerschaft an
Nephritis, so findet man gewöhnlich beim Neugeborenen Eiweiß
im Urin. Es gibt auch bei Säuglingen eine Nephritis, die aber
ebenso wie bei größerem Kindern und Erwachsenen aus den
verschiedensten Ursachen sekundär entsteht. Während man
bei leichten Erkrankungen von Säuglingen kein Albumen findet,
tritt Eiweiß leichter bei denen auf, die eine gewisse Nieren¬
schwäche haben (infolge von Nephritis der Mutter). J. R.
Dr. Jakob Fischer, Primararzt des ungarischen Staatskranken-
hauses zu Pozsony: Ueber juvenile Paralyse. (Wiener
med. Wochenschrift, 1910, No. 17.)
Die ursächlichen Momente, welchen man bei der Paralyse
von jeher größere Bedeutung beigelegt hat, sind in erster Linie
Syphilis, dann Exzesse in Baccho et Venere und auch geistige
Ueberbürdung. Auf welche Weise die Syphilis diese schwere
Erkrankung des Zentralnervensystems hervorruft, ob durch
endarteritische Veränderungen an den Gefäßen, die eine
Minderernährung des Gehirns zur Folge hat, oder ob durch
Bildung von Toxinen, die auf das Gehirn und Rückenmark ver¬
heerend einwirken, ist noch nicht aufgeklärt. Doch daß Syphilis
nicht die alleinige Ursache der Paralyse sein kann, beweist der
Umstand, daß in Gegenden — speziell im Süden — wo die
Syphilis viel ausgebreiteter ist als bei uns, die Fälle von Para¬
lyse doch seltener zur Beobachtung gelangen. Auch steht die
Zahl der Paralytiker zu denjenigen, die eine Lues akquiriert
haben, um vieles zurück. Es müssen daher auch andere Momente
mitspielen, durch welche die Paralyse zum Ausbruch kommt.
Hereditäre oder durch Mißbrauch von Alkoholicis, durch
sexuelle Exzesse etc. erworbene Disposition scheint einen
günstigen Nährboden für die syphilitischen Toxine zu bereiten.
Inwieweit und auf welche Weise auch geistige Ueberanstren-
gung, materielle Sorgen und sonstige auf das Gemütsleben
deprimierend und dadurch indirekt auf das Geistesleben hem¬
mend einwirkende Zustände eine Rolle spielen, ist noch ein¬
gehender zu untersuchen. Nicht ohne Interesse für die Be¬
wertung der oben angeführten ätiologischen Momente sind jene
Fälle von progressiver Paralyse, deren Auftreten in einem so
jugendlichen Alter geschieht, daß wir weder von einer Snätform
von Syphilis, noch von geistigen Ueberanstrengungen, mate
riellen Sorgen etc. sprechen können, in denen auch starke
Exzesse in Baccho et Venere noch keine, wenigstens keine be¬
deutende Rolle spielen. Die Zahl dieser sogenannten juvenilen
Paralysen, welche bisher veröffentlicht wurden, ist eine relativ
kleine. Bei mehreren dieser Fälle konnte man eine hereditäre
Syphilis insofern nachweisen, als Vater oder Mutter Syphilis
überstanden hatten. Der Verlauf dieser juvenilen Paralysen
unterscheidet sich nur wenig von der progressiven Paralyse Er¬
wachsener, da ja die beiden Hauptsymptome, progressive
Demenz und progressive Lähmungen, bei beiden gleich
sind und auch der letale Ausgang bei beiden gleich
sicher ist. Nur die bekannten Größemvahnideen treten
bei juveniler Paralyse mehr zurück. dafür ist der
geistige Verfall ein auffallend rascher. Die Diagnose einer
iuvenilen Paralyse bietet bei ausgesprochenen Symptomen keine
Schwierigkeiten. Tm Anfang wäre eine Verwechselung mit
einer schweren Dementia praecox, wo schon einzelne kata-
No. 27.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
419
tonische und negativistische Erscheinungen in den Vordergrund
treten, möglich. Doch würden in diesen Fällen die anamnesti-
schen Daten klärend wirken können, wenn uns nur halbwegs
anamnestische Daten immer zur Verfügung ständen. In dem
vom Verfasser mitgeteilten Falle, der einen 21jährigen Tag¬
löhner betraf, fehlten jegliche diesbezüglichen Daten. K r.
Käthe Neumark (Düsseldorf): Ueber das Verhalten der Leuko¬
zyten bei Masern. (Archiv für Kinderheilkunde, Bd. 53,
S. 122.)
Im allgemeinen wird bei Masern eine Leukocytose an¬
genommen. Die an 26 Fällen vorgenommenen Untersuchungen
lehren aber, daß bei dieser Krankheit eine Leukopenie das
Gewöhnliche ist. Am meisten herabgesetzt ist die Zahl der
weißen Blutkörperchen bei Beginn des Exanthems; sie hält etwa
vier bis sechs Tage an. Findet sich eine Leukocytose, so treten
zu den Masern Komplikationen hinzu, wobei man aber auch
andere Leukocytose hervorrufende Faktoren nicht übersehen
darf. (So ruft z. B. der Uebergang von Brusternährung des
Säuglings zur Kuhmilchdarreichung eine Vermehrung der
Leukocyten hervor.) — Die klinische Bedeutung der Leuko-
cytenzählung liegt also darin, daß sie prognostische und (diffe¬
rential-) diagnostische Schlüsse zuläßt. J. R.
Oberarzt Dr.j Rommeler (Neunkirchen): Ueber Typhusver-
schleppung durch Säuglinge. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 18.)
Wie es scheint, erkranken Kinder nicht häufiger an Typhus,
als Erwachsene, aber der leichte Krankheitsverlauf des Kinder¬
typhus erschwert die Erkennung und rechtzeitige Einleitung
der Bekämpfungsmaßregeln sehr. In ganz besonderem Maße
ist die Typhusinfektion der Säuglinge geeignet, zur Ver¬
schleppung des Typhus beizutragen. Denn bei den Säuglingen
sind die subjektiven und objektiven Typhussymptome kaum
wahrnehmbar. Verf. berichtet nun über eine Beobachtung,
welche beweist, daß eine latente Typhusinfektion beim Säug¬
ling eine ganze Reihe von Typhuserkrankungen im Gefolge
haben kann. Eine 26 jährige Frau erkrankte am Typhus und
kam ins Krankenhaus. Ihr Säugling wurde von der Mutter
angesteckt und unmittelbar nach der Krankenhausüberführung
der Mutter zu fremden Leuten ins Haus gebracht. Bald darnach
erkrankten die Pflegemutter und ihre drei Kinder, eine drei¬
jährige Nichte, endlich eine 20 jährige Verwandte, die zur
Pflege ins Haus kam. Die letztere starb nach sechs Tagen. —
Wenn Mütter, die ihr Kind selbst stillen, an Typhus erkranken,
erscheint es dringend geboten, Mutter und Säugling gleichzeitig
in das Krankenhaus aufzunehmen, um Weiterverschleppung des
Typhus zu verhüten. R. L.
J. Koch und P. Rissling, Institut für Infektionskrankheiten
(Berlin): Studien zur Aetiologie der Tollwut. (Zeitschrift für
Hygiene und Infektionskrankheiten, 1910, Bd. 65, H. 1.)
Mit der Färbung nach H e i d e n h a i n ist es den Verff. ge¬
lungen, in der grauen Substanz des Ammonshorns einer Reihe
von Hunden, die einer natürlichen oder experimentellen
Straßenwut erlegen waren, sowie zweier an Tollwut verendeten
Rinder feine kokkenähnliche Gebilde nachzuweisen. Sie durch¬
setzen kleinere oder größere Bezirke der grauen Substanz oft
in ungeheurer Anzahl und kommen auch in den im Ammons¬
horn gelegenen großen Ganglienzellen vor; dabei können
N e g r i sehe Körperchen entweder ganz fehlen oder nur spärlich
vertreten sein. Die größten Formen erscheinen vielfach halbiert,
durch Teilungslinien zuweilen in vier Teile geteilt, manchmal
auch aus einzelnen winzigen Kügelchen zusammengesetzt. In
verschiedenen Fällen konnten die Verff. neben N e g r i sehen
Körperchen eine große Anzahl dieser Formen in den Ganglien¬
zellen nachweisen, die mit der Eosin-Methode ungefärbt blieben.
Bei den Kontrollhunden haben sie sie nicht gefunden.
Auch die graue Substanz der Großhirnrinde erwies sich oft
überschwemmt von feinen schwarzgefärbten, punktförmigen
Gebilden von wechselnder Größe, die in Gestalt und Aussehen
die größte Aehnlichkeit mit den im Ammonshorn vorkommen¬
den Gebilden zeigten, ebenso die Formen, die in den Gefäßen
verkommen.
In den veränderten Ganglienzellen des Gehirns und Rücken¬
markes, besonders des Lenden- und Halsmarkes an Straßen¬
wut erkrankter Tiere haben die Verff. sowohl in frühen als
auch in den späteren Stadien der Erkrankung endozelluläre
Bildungen, „Einschlüsse“ mit der Heidenhainfärbung nachweisen
können. Sie präsentieren sich als feinste Punkte, öfters als feine
Diploformen oder auch als kurze Stäbchen. Charakteristisch
für sie ist eine helle Zone oder ein Hof, der sie unigibt. Die
Ränder der Einzelindividuen erscheinen meistens unscharf und
unregelmäßig. Diese Deformierung ist wohl als eine Folge der
sie beherbergenden Zelle anzusehen. In Größe und Gestalt
stimmen sie mit den Innenformationen der N e g r i sehen
Körperchen überein.
Bei der Untersuchung der Großhirnrinde von Passagekanin¬
chen fanden sie in einzelnen Fällen ähnliche Formen wie die¬
jenigen in der grauen Substanz des Ammonshorns.
Es liegt nahe, an diese Befunde weitergehende Schlußfolge¬
rungen zu knüpfen. Die Deutung begegnet jedoch erheblichen
Schwierigkeiten, so daß große Vorsicht geboten ist.
Da diese kokkenähnlichen Gebilde außerordentlich klein
sind, fast gar nichts Charakteristisches an sich haben und in
ihrer Größe stark differieren, ist dort, wo sie frei im Gewebe
oder grauen Substanz der Hirnrinde Vorkommen, nicht viel
über ihre Bedeutung auszusagen. Zudem ist die Gefahr, sie
mit anderen in normalen und pathologisch veränderten Ge¬
hirnen vorkommenden Körnchen und Zerfallsprodukten zu ver¬
wechseln, außerordentlich groß. So ist z. B. in der normalen
Großhirnrinde eine granuläre Schicht vorhanden, ferner können
beim Zerfall des Chromatins der Ganglienzellen und der Zell¬
fortsätze allerlei Körnchenbildungen im Gehirn auftreten, die
mit der Heidenhainfärbung sich in gleicher Weise färben.
Wo aber die kokkenartigen Gebilde in Beziehungen zu
Zellen oder zu bestimmten Gewebsarten treten, von denen, sie
leicht unterschieden werden können, wie es in einer Reihe von
Fällen an den Ammonshörnern der der Tollwut erlegenen Tiere
beobachtet wurde, wenn sie Zellen und die graue Substanz
gleichmäßig durchsetzen, wenn durch die Größe der Formen
Einzelheiten an ihnen sichtbar werden, die sie als parasitäre
Gebilde charakterisieren, — da läßt sich mit großer Wahrschein¬
lichkeit vermuten, daß es sich hier um derartige Bildungen
handelt. Als solche fassen die Verff. die ln der grauen
Substanz des Ammonshorns gefundenen feinen kokkenartigen
Gebilde auf, die sie in Photographie und Zeichnung auf drei
Tafeln vorführen.
Die N e g r i sehen Körperchen selbst deuten sie als Reak¬
tionsprodukte der Ganglienzellen des Ammonshorns auf den ein¬
gedrungenen Parasiten; sie teilen die Ansicht von N egri, daß
das Körperchen ein Protozoon ist, nicht, und schließen sich viel¬
mehr auf Grund ihrer Beobachtungen der von B a b e s ver¬
tretenen Auffassung an. Während die Zellen des Rückenmarks
und der Großhirnrinde durch den Wutparasiten meist zerstört
werden, erweisen sich die großen Zellen des Ammonshorns
ihm gegenüber als sehr widerstandsfähig. Diese Zellen sind
imstande, den eingedrungenen Parasiten, dfe Innenkörperchen,
nicht nur zu deformieren, sondern ihn auch durch eine hyaline
Entartung des Zellprotoplasmas gewissermaßen einzukapseln.
Mühlschlegel.
Dr. August Heisler und Dr. Ernst Tomor (Lungenheilstätte
Belzig): Altes und Neues zur Behandlung der tuberkulösen
Hämoptoe. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 17.)
Bei der tuberkulösen Hämoptoe empfehlen die Verfasser
auf Grund theoretischer Erwägungen sowie praktischer Er¬
fahrungen eine halbsitzende Lage im Bett als im allgemeinen
am zweckmäßigsten. Von sonstigen allgemeinen Maßnahmen
ist die Beruhigung der Psyche, sowie das Verbot des Sprechens
wichtig. Die Diät ist am besten eine flüssige in lauwarmem
Zustand. Die Darmtätigkeit ist durch Darreichung salinischer
Abführmittel zu regeln. Dabei wird durch stärkere Blutfüllung
im Splanchnicusgebiet der kleine Kreislauf entlastet und einer*
eventuellen Sekundärinfektion des Intestinaltraktus (durch
Verschlucken von Caverneninhalt etc.) nach Möglichkeit vor¬
gebeugt, auch die stärkere Benutzung der Bauchpresse mit ihren
Nachteilen (Drucksteigerung im Brustraum) eingeschränkt.
Ebenso ist die regelmäßige Urinentleerung zu überwachen
(eventuell katheterisieren). — Was nun die sonstige Behand¬
lung anlangt, so ist in erster Linie die medikamentöse
zu nennen, vor allem kommen die Narkotica in Frage; die Ver¬
fasser empfehlen subkutan in Lösung: Morphin, hydrochl. 0,01,
Atropin, sulfuric. 0,0002. Eventuell ist Morphium-Scopalamin
anzuwenden; bei länger dauernden Blutungen sind mit
Morphium abwechselnd Codein 0,03, Heroin 0,0003, Dionin 0,02
zu geben. In manchen Fällen wirkt die Einatmung von
Amylnitrit (einige Tropfen auf ein Taschentuch gegossen)
günstig. Die Blutstillung wird durch Darreichung von Gela¬
tine gefördert, am besten subkutan (40 ccm einer sterilisierten
10 proz. Lösung Merck). Sehr bewährt hat sich auch die
rektale Darreichung von heißen Kochsalz-Gelatine-Klysmen
(5 g Gelatine in 100 g physiol. Na Cl-Lösung), mehrmals täglich.
Ferner ist Kochsalz ein altbewährtes Mittel; v. d. Velden
gibt 3—5 ccm einer 10 proz. Kochsalzlösung intravenös oder
5 g Kochsalz, resp. 2—4 g Bromnatrium oder Bromkalium
per os; nach seinen Untersuchungen erhöhen die Salze die Ge¬
rinnungsfähigkeit des Blutes. Als ein weiteres Blutstillungs¬
mittel ist neuerdings die Einspritzung von reinem sterilen
Pferdeserum empfohlen worden. Von dem Gebrauch des
Ergotins, des Styptols, Stypticins und ähnlicher
Präparate raten die Verfasser grundsätzlich ab; desgleichen ist
vor der Anwendung des Adrenalins als Blutstillungsmittel
bei Hämoptoe zu warnen. — Von physikalischen Hilfs¬
mitteln werden verschiedene in der Therapie der Lungen-
420
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
blutungen verwendet. An erster Stelle ist die Eisblase zu
nennen, am zweckmäßigsten in der Herzgegend. Der Nutzen
der innerlich gereichten Eispillen ist dagegen sehr zweifelhaft.
Die Anwendung der Wärme ist eine weit vielseitigere; ihre
Wirkung beruht auf der Entlastung des Gefäßsystems der Lunge,
durch Ableitung des Blutes in andere Körperregionen. Dies
kann geschehen durch warme Einpackungen der unteren Extre¬
mitäten unter Verwendung von Wärmeflaschen und Wärme¬
krügen. Um das Blut nach dem Splanchnicusgebiet abzuleiten,
empfehlen die Verfasser (im Krankenhausbetrieb) die Ver¬
wendung der Glühlichtteilbäder. Ein anderer Weg,
um die Lunge zu entlasten, besteht in der Abschnürung eines
einzelnen oder mehrerer Gliedmaßen. Um endlich die
der blutenden Stelle entsprechende Thoraxhälfte zu immo¬
bilisieren, dient der Niednersehe Heftpflasterver¬
band. An letzter Stelle kommen operative Eingriffe in Frage.
Hier ist zunächst die Anlegung eines künstlichen
Pneumothorax (Forl^nini, S c'h midt, Brauer
u. a.) zu nennen. Dieser ist nur für Fälle von profuser initialer
Blutung zu empfehlen, bei denen man mit einiger Wahrschein¬
lichkeit auf einen freien Pleuraraum rechnen kann, und wo
andererseits nicht die Gefahr droht, daß man auch auf der
anderen erkrankten Seite durch Hyperämie eine Blutung aus¬
löst oder daß gar die Anämie der Pneumothoraxlunge bei stark
ulcerativen Formen zur partiellen Gangrän führt. In ver¬
zweifelten Fällen kann auch ein ausgiebiger Aderlaß als
ultimum refugium gute Dienste leisten. Liegt der Verdacht
nahe, daß der Patient größere Blutmengen aspiriert hat, dann
soll man reichlich Expektorantien, eventuell Brechmittel geben.
Tritt Kollaps ein, so ist dieser zu bekämpfen, am besten mit
subkutanen Kampferinjektionen.
Dr. J. Kretschmer (Berlin): Die Vielgestaltigkeit der visceralen
Lues. (Deutsche med. Wochenschrift, No. 18.)
Verfasser teilt einige Fälle mit, welche zeigen, daß die
tertiäre Lues, wenn sie die Bauchorgane befällt, ganz ver¬
schiedene Krankheitsbilder hervorrufen kann. Es ist unmöglich,
ein bestimmtes klinisches Krankheitsbild der visceralen Lues
zu Zeichnen, es herrscht bei den luetischen Erkrankungen der
Bauchorgane eine solche Vielgestaltigkeit des Symptomen-
komplexes, daß die verschiedenartigsten Aflektionen vor¬
getäuscht ■werden können. Die spezifischen Veränderungen
treten, vom Rektum abgesehen, in Leber, Milz, Nieren, sehr
selten auch im Magen auf. Auch das anatomische Bild ist sehr
mannigfaltig: Gummibildungen, diffuse entzündliche Infiltra¬
tionen, Schleimhautkatarrhe, Ulcerationen, bindegewebige
Narbenblutung kommen nach- und nebeneinander vor. Von den
Fällen des Verfassers verlief einer unter dem Bilde chronischer
profuser Diarrhöen mit sekundärer Anämie und Abmagerung,
Milz- und Leberschwellung sowie chronischer Nephritis; er
wurde durch Quecksilber und Jod geheilt. Bei einigen anderen
Fällen standen die Veränderungen der Leber (chronische Hepi-
tatitis interstitialis) im Vordergrund der Erkrankung, und zwar
handelte es sich dabei um kongenitale Lues. In einem anderen
Falle bestand ein chronischer Milztumor, ein anderer Fall, der
.zur Operation kam und tötlich endete, bot das Bild der syphili¬
tischen Zuckergußleber und chronischen adhäsiven Peritonitis.
— Aus diesen Erfahrungen ergibt sich, daß man bei unklaren
oder ganz atypischen Krankheitsbildern der Bauchorgane, ins¬
besondere bei Kombination von Erkrankungen verschiedener
Organe, stets auch die Lues als ätiologisches Moment in Er¬
wägung ziehen soll. Die Diagnose „viscerale Lues“ ist aber
nur da berechtigt, wo nicht nur die Anamnese und etwa die
Wassermann sehe Reaktion sie wahrscheinlich macht, son¬
dern auch die klinischen Erscheinungen in Ungezwungenei
Weise nicht anders zu erklären sind. R. L.
Dr. med. Krebs (Leipzig): Thyresoltabletten als Unterstützungs¬
mittel der lokalen Gonorrhoetherapie. (Fortschritte der
Medizin, 1910, No. 8.)
Sämtliche 60 Patienten, die sich ausschließlich aus der
Privatpraxis rekrutieren, haben nicht ein einziges Mal über
schlechte Bekömmlichkeit des Präparates geklagt, was um so
bemerkenswerter ist, als eine ganze Reihe das Mittel mehrere
Wochen durch täglich in Dosen von acht bis zehn Stück ge¬
nommen hat. Es waren dies fast ausschließlich Kranke, die
wegen zu starker Reizerscheinungen der Schleimhaut, wegen
Prostatitis oder Epididymitis nicht lokal behandelt werden
konnten; dann auch auswärtige Patienten, die wegen Unmöglich¬
keit einer Sprechslundenbehandlung auf längere Zeit hinaus die
äußere mit der inneren Behandlung zweckmäßig verbinden
sollten. Da die gute Bekömmlichkeit die Grundlage für die
therapeutische Bedeutung eines Medikamentes ist, zumal wenn
es längere Zeit hindurch gebraucht werden soll, so gebührt dem
Thyresol ein erster Platz unter den internen Arzneistoffen zur
Unterstützung der lokalen Gonorrhoebehandlung. Viel Gutes hat
Verf. von der Einwirkung des Thyresols bei Erkrankung der
hinteren Urethra, speziell bei Prostatitis acuta gesehen. Dabei
No. 27.
erwies sich die den Thyresoltabletten zugeschriebene Regulie-
| rung der Defäkation als ein großer Vorteil. Bei zirka der Hälfte
, aller Fälle handelt es sich um akute Gonorrhoe, bei denen ein
I feil von jeglicher lokalen Behandlung ausgeschlossen war. In
den allerwenigsten Fällen war es schon nach vier bis fünf Tagen
möglich, die Lokalbehandlung vorzunehmen, aber auch während
derselben wurde dann Thyresol, viermal täglich zwei Tabletten,
weiter gebraucht. Am wohltuendsten hat sich Verf. die An¬
wendung der Thyresoltabletten bei Prostatitis erwiesen, da ab¬
gesehen von der günstigen Beeinflussung des quälenden Urin¬
dranges, hier besonders die Regelung des Stuhlganges an¬
genehm empfunden wurde. B.
Dr. Adolf Erdös (Nagyvärad): Die Behandlung der Gonorrhoe
mit inneren Medikamenten. (Pester med.-cüir. Presse, 1910,
No. 15.)
So sehr es einerseits verfehlt ist, die lokale Behandlung zu
vernachlässigen und der inneren Behandlung den Vorzug zu
geben, so wäre es ebenso unrichtig, die inneren Mittel bei Seite
legend, die lokale Behandlung in den Vordergrund zu stellen.
Entsprechende lokale Behandlung und zweckmäßige innere Be¬
handlung müssen um so mehr Hand in Hand gehen, als in einer
gewissen Periode von einer anderen als inneren Behandlung gar
keine Rede sein kann. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß sich
der Tripper im anfänglichen Stadium der reichlichen Sekretion,
sich selbst überlassen (von einer lokalen Behandlung kann
natürlich keine Rede sein), nicht bessert, sondern im Gegenteil
verschlimmert; dagegen erfolgt bei Verabreichung von Bal¬
samica, wenn schon keine Besserung, so doch wenigstens keine
Verschlimmerung. Wenn wir von den Balsamica keine andere
Wirkung zu erwarten hätten, als daß sie durch ihre auf die
Nieren ausgeübte Wirkung eine erhöhte Harnsekretion und so
eine häufige Entleerung der Blase veranlassen, so könnten wir
auch damit zufrieden sein, denn eine häufige Ausspülung der
Harnröhre ist von der größten Wichtigkeit für die Verhinderung
von Komplikationen. Verf. hat versuchsweise einigen seiner
Patienten, die nach ihrer eigenen Aussage zu jeder Zeit im¬
stande waren, spontan zu urinieren, im Anfangsstadium ihres
Trippers, als er vor dem Urinieren am Morgen aus ihrer Harn¬
röhre dicken, zähen, gründlichen Eiter herausdrücken konnte,
keinerlei Balsamica verschrieben, aber er trug ihnen strengstens
auf, womöglich jede halbe Stunde und wo dies unausführbar
wäre, stündlich zu urinieren. Parallel mit diesen Fällen ver¬
schrieb er in ebenso vielen anderen Fällen, nebst Ver¬
ordnung des stündlichen Urinierens, gleichzeitig Balsamica;
das Resultat war in beiden Fällen günstig. Diejenigen
der Zatienten, die keine Balsamica einnahmen, klagten (nach
4 bis 6 Tagen) nicht mehr über Schmerzen beim Urinieren, der
Prozeß verbreitete sich bei keinem nach rückwärts, hingegen
veränderte sich die Qualität des Sekrets nicht; während bei den¬
jenigen Patienten, die auch Balsamica nahmen, neben der
Besserung der oben genannten Symptome der auffallendste Er¬
folg die Veränderung der Qualität des Sekrets war. Die quali¬
tative Veränderung des Sekrets war auch mikroskopisch nach¬
weisbar; der dicke, grünliche Eiter hatte sich in dünnen, wei߬
lichen verwandelt und die Anzahl der Gonokokken unter dem
Mikroskop war bei weitem geringer geworden. — Verfasser ver¬
ordnet besonders gern das Allosan, welches außer seinen Vor¬
zügen, daß es geschmacklos ist, die Mundschleimhaut und
Magenwand nicht reizt, gleichzeitig auch sämtliche Vorteile der
übrigen Balsamica besitzt. K r.
Dr. L. Kaumheimer (München): Ueber Rektalgonorrhoe im
Kindesalter. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 18.)
Die Rektalgonorrhoe tritt in einem Teil der Fälle. von
gonorrhoischen Vulvovaginitis als Komplikation auf. Auch bei
an Vulvovaginitis erkrankten Kindern ist sie nicht ganz selten.
Verfasser berichtet aus dem Gisela-Kinderspital zu München
über einen derartigen Fall, welcher ein 1% Jahre altes Mäd¬
chen betraf. Der Fall zeichnete sich durch seine Hartnäckigkeit
aus; noch nach drei Monaten konnten Gonokokken im Sekret
des Rektums nachgewiesen werden. Schließlich gelang es
Heilung zu erzielen. Da Spülungen uud auch das Auswischen
mit 1 proz. Arg. nitr.-Watte infolge Widerstandes des Kindes
und leichter Blutung sich nicht gut durchführen ließen, wurden
zunächst kleine Einläufe mit 1 proz. Tannin (50—75 ccm) ver¬
sucht, stets nach einer Stuhlentleerung. Da Tannin ohne
Wirkung blieb, wurde Albargin (0,16 proz.) angewendet. Wegen
Reizung der Darmschleimhaut wurde später eine Woche damit
ausgesetzt und dann wieder mit etwas geringerer Konzentration
(0,1 proz.) begonnen. Zuletzt wuirde Thyresol (3 mal täglich
% Tablette) verabreicht. R. L.
Brauser (München): Zur Gonorrhoefrage. (Zentralbl. f. Gynä¬
kologie, 1910, No. 13.)
Die Frage, ob im einzelnen Fall den Mann eine Schuld an
der Erkrankung der Frau trifft, wird selten von der Pat. dem
Gynäkologen, viel häufiger von dem betreffenden Mann dem
Urologen vorgelegt. Ihre Beantwortung ist schwer und ver-
No. 27.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
antwortungsvoll. In den meisten Fällen finden sich beim Mann
nur Filamente im klaren Harn. Die Bedeutung ihres bloßen
Vorhandenseins darf nicht überschätzt werden, da sie nach den
Untersuchungen des Verfassers bei 50—70% aller Männer Vor¬
kommen und sicher nicht immer durch Gonorrhoe bedingt sind.
Häufige mikroskopische Untersuchungen mit negativem Gono¬
kokkenbefund sind keine sichere Gewähr für das Nichtvor¬
handensein der Erreger, Provokation und Kulturverfahren
lassen ebenfalls häufig im Stiche. Dazu kommt die weitere
Frage: Sind die Restkatarrhe der männlichen Urethra, auch
wenn sie sicher keine Gonokokken mehr führen, oder aber
andere entzündliche Harnröhrenerkrankungen des Mannes
wirklich ganz harmlos für die Frau? Speziell ist sie bei der
Urethritis non gonorrhoica zu erwägen, deren Krankheitsbild
beim .Manne ziemlich scharf abzugrenzen ist, über deren In¬
fektiosität wir aber so gut wie nichts wissen. Alle diese Fragen
sind vom Urologen allein kaum zu beantworten. Es wäre daher
sehr wünschenswert, wenn es durch Zusammenarbeiten mit den
Gynäkologen ermöglicht würde, eine möglichst große Anzahl
von Parallelbeobachtungen bei Mann und Frau zu gewinnen.
Verf. verhelt sich die Schwierigkeiten der Durchführung
seines Vorschlages nicht, glaubt aber doch an dessen Durch¬
führbarkeit, natürlich nur unter ausdrücklichem Einverständnis
beider Teile. Kr.
Dr. med. Ed. Hartmann: Kurzer Beitrag zur Wirkung des Nov-
aspirins. (Allgem. Wiener med. Zeitung, 1910, No. 9.)
Mit Ausnahme des Antipyrins hat keines der neueren
Arzneimittel in der ärztlichen Praxis so rasch Aufnahme ge¬
funden,' wie das Aspirin. Im Vergleich zu dem Natrium
salicylic. wird Aspirin im allgemeinen gut vertragen. Wir
dürfen uns aber nicht verhehlen, daß bei einzelnen Personen
eine Idiosynkrasie besteht, die sich in Magenbeschwerden
äußert; sie sind nach den derzeitig herrschenden Anschauungen
einerseits auf eine Anazidität, andererseits auf eine Hyper¬
azidität zurückzuführen. Es muß aber auch an dieser Stelle
betont werden, daß oft genug jene Erscheinungen auf die Acetyl¬
salicylsäure zurückgeführt werden, die nicht immer in tadel¬
loser Qualität geliefert wird, während sie dann nach Dar¬
reichung von Aspirin nicht beobachtet werden. Wo jedoch
solche auch beim Aspirin auftreten, kann eine andere Verbin¬
dung der Salicylsäure für die Medikation herangezogen
werden, nämlich das Novaspirin, eine Verbindung von
Salicylsäure mit Methylenzitronensäure. Sie wird selbst
von den empfindlichsten Patienten gut vertragen und ist
für die Nieren absolut reizlos. Die Wirkung des
Mittels reicht zwar nicht an die des Aspirins heran, so daß
eine etwas höhere Dosierung erforderlich ist, anderer¬
seits ist die schweißtreibende Wirkung merklich schwächer,
für Phthisiker ein beträchtlicher Vorteil. Auf Grund von
20 Fällen, die Verfasser sammelte, bestätigt er die vorzügliche
Verträglichkeit des Novaspirins, das vor allem bei den Er¬
scheinungen der Influenza verwandt wurde. Es vermochte
nicht nur antipyretisch im Sinne des Aspirins zu wirken, sondern
auch die üblichen Begleiterscheinungen der Influenza, die
quälenden Kopf- und Muskelschmerzen prompt zum Ver¬
schwinden zu bringen. Aus diesen Gründen kann das Nov¬
aspirin ohne Bedenken auch Kindern verabreicht werden, denen
man drei- bis viermal täglich 0,5 verordnet, während man
Patienten von mehr als zwölf Jahren zwei- bis dreimal täglich
1 g gibt. A. H.
Dr. Theodor Schilling (Nürnberg): Die Röntgentherapie hei
chronischer Bronchitis und Bronchialasthma. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 18.)
Verf. berichtet über eine Anzahl von Fällen, aus deren
Verlauf sich ergibt, daß man bei chronischer Bronchitis und bei
Bronchialasthma mittels Röntgenbestrahlung selbst in jahrelang
bestehenden Fällen Besserung und Dauerheilung erzielen kann.
Besonders schlagend sind die Erfolge bei Kindern. Auch
Bronchiektasien können, wenigstens in klinischem Sinne, geheilt
werden. Die in manchen Fällen auffallend prompt auftretende
Beeinflussung läßt vermuten, daß manche Formen der ge¬
nannten Krankheitszustände durch das Vorhandensein von
Bronchialdrüsen oder Hilusdrüsen bedingt sind, welche durch
die Röntgenstrahlen verkleinert werden. Auch akute, nicht
fieberhafte Bronchitiden scheinen sehr schnell gebessert zu
werden. Schädigungen lassen sich nach Verfasser, Kenntnis
der Technik vorausgesetzt, sicher vermeiden. R. L.
Paul Mayer: Die klinische Diagnostik der Hämoglobinurie.
(Dissertation, Gießen 1909.)
Schlüsse: 1. Die Farbe des Harns der Haustiere läßt bei
bloßer Betrachtung in vielen Fällen die Gegenwart von Blut
oder Blutfarbstoff nicht vermuten. Ganz besonders trifft dies
zu beim Harn des Pferdes, wo selbst größere Mengen von Blut
oder Blutfarbstoff noch .keinerlei pathologische Farben hervor¬
zurufen brauchen.
421
“• nouicne, oraunncne und blutrote Harne aller Haustiere,
nach dem Gebrauch von gewissen Medikamenten entleert, weben
ohne genaue chemische Untersuchung leicht zur Verwechslung
mit lilut- oder blutfarbstoffhaltigen Harnen Anlaß.
3. Die Hämoglobinurie, das Auftreten von gelöstem Hämo¬
globin im Harn, läßt sich am schärfsten chemisch, viel weniger
genau spektralanalytisch und am undeutlichsten mikroskopisch
nachweisen.
4. Für die Zwecke der tierärztlichen Praxis und des
klinischen Unterrichts eignen sich unter den chemischen
Methoden am besten diejenigen nach Schlesinger und
Holst (Benzidinprobe) und die nach Schümm Guajak-
tei pentinölprobe). Beide übertreffen alle Nachweismethoden
an Schärfe und zeigen Blutfarbstoff im Harn der Haustiere selbst
noch in einer Verdünnung von 1:10 000 an.
5. Die Benzidinprobe nach Schlesinger und Holst
wird folgendermaßen ausgeführt: Man bringt eine Messerspitze
voll Benzidin (Benzidinum puriss. Merck) in 2—3 ccm Eisessig
zur Auflösung; 12 Tropfen dieser stets frisch herzustellenden
Benzidin-Eisessiglösung mischt man mit 2—3 ccm 3 proz.
Wasserstoffsuperoxyd und gibt hierein 2 ccm des filtrierten
Harns. Wenn Hämoglobin zugegen ist, so entsteht sofort eine
Blau- oder Grünfärbung, die bei starkem Blutfarbstoffgehalt fast
schwarz wird.
6. Die Guajakterpentinölprobe nach Schu m in kommt wie
folgt zur Anwendung: Zu 5 ccm des filtrierten, mit Essigsäure
schwach angesäuerten Harnes gießt man unter fortwährendem
Schütteln 5 Tropfen frische, filtrierte Guajaktinktur und
20 Tropfen ozonisiertes Terpentinöl und läßt das Reagensglas
einige Zeit ruhig stehen. Bei Anwesenheit von Blutfarbstoff
nimmt die oben sich abhebende Terpentinölschicht eine blaue
Farbe an, die nach Zusatz einiger Tropfen Alkohol noch deut¬
licher wird.
7. Der negative Ausfall der spektralanalytischen Methode
schließt die Anwesenheit von Blutfarbstoff nicht aus. Die
spektroskopische Untersuchung beginnt bereits bei einer Ver¬
dünnung des Blutes im Harn von 1 :500 zu versagen.
8. In differentialdiagnostischer Hinsicht kommt im filtrierten
Harn bei den beiden chemischen Proben nur die Anwesenheit
von Fermenten in Betracht. Kocht man daher in Zweifels¬
fällen den Harn vorher ab und nimmt dann erst die Reaktion
vor, so erhält man völlig eindeutige Resultate. F.
Dr. Traumann (Ilildesheim): Ein Fall von Indigurie. (Deutsche
med. Wochenschrift, 1910, No. 17.)
Es kommt nur selten vor, daß sich im Urin Indigo spontan,
d. h. ohne Zusatz chemischer Reagentien, aus dem vorhandenen
Indikan bildet. Verf. hatte Gelegenheit, einen derartigen Fall
zu beobachten. Ein 13 jähriges gesundes Mädchen ohne objek¬
tive und subjektive Krankheitserscheinungen entleerte seit
einigen Wochen Urin von grasgrüner Farbe. Die durch Verf.
vorgenommene Untersuchung ergab, daß es sich um Indigoblau
handelte. Auch die Indikanprobe fiel sehr stark aus. Nach
einigen Wochen hörte sowohl die Indigoausscheidung wie die
Indikanvermehrung im Urin auf. Eine Ursache für das Auf¬
treten des Indigo im Urin ließ sich nicht ermitteln. R. L.
Primararzt Dr. Edgar Axisa (Alexandrien, Aegypten): Das
Verhalten der Purinkörper hei einem Falle von wahrschein¬
licher Lebervenenthrombose. (Zentralblatt für innere
Medizin, 1910, No. 5.)
Es wird heute allgemein angenommen, daß alle nuklein-
reichen Organe befähigt sind, sowohl Harnsäure zu bilden als
auch zu zerstören. Die Leber, welche bei Vögeln und Reptilien
als Ort der Bildung der Harnsäure betrachtet wird, scheint beim
Säugetier und speziell beim Menschen keine besondere Rolle
im Purinstoffwechsel zu spielen. Untersuchungen von mehre¬
ren Autoren, wie Horbaczewsky, Shapiro, Wein-
traud, v. Noorden usw. bei Lebercirrhose, akuter gelber
Leberatrophie und Gallenstauung haben, was die U-Ausschei-
dung anbelangt, keine besonderen Abweichungen von der Norm
ergeben. Bei einem Falle von wahrscheinlicher Lebervenen¬
thrombose, wo neben der nachweislichen hochgradigen anatomi¬
schen Läsion der Leber auch eine fortschreitende Abnahme des
Gallenfarbstoffes der Fäces, der Harnstoffausscheidung im Urin
mit entsprechender NH. n -Vermehrung, hochgradige Lävulosurie
und alimentäre Glukosurie nachgewiesen wurden, wurde in über
neunzig Untersuchungen das Verhalten der U und der Basen,
bei purinarmer und purinreicher Nahrung, bei Darreichung
von methylierten Xanthinen, Guanin, Hypoxanthin und Harn¬
säure geprüft. Diese verschiedenen Untersuchungen ergaben
eine bedeutende Beeinträchtigung der Fähigkeit des Organismus,
Harnsäure zu bilden und zu zerstören. Es wurde nachgewiesen:
1. mangelhafte Bildung von U aus gebundenen und in einer
späteren Periode auch aus freien Basen, 2. mangelhafte Zer-
störungsfähigkeit der im Ueberlluß gebildeten U, 3. U-Bildung
aus M-Xanthinen und aus Guanin. K r.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 27.
422
Dr. Erich Zabel (Rostock): Eiterüberschwemmung des Magen-
darmkanals aus Nasennebenhöhlenempyemen, nebst einer
Bemerkung über die Bedeutung des Flagellatenbefundes im
Magen. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 17.)
Verf. hat in einigen Fällen von chronischen Eiterungen
der Nasennebenhöhlen größere Mengen von Eiter aus dem
Magen der Patienten ausgehebert. In einem Falle fanden sich
im Mageninhalt auch zahlreiche Megastomen. Als Nutzanwen¬
dung aus derartigen Beobachtungen ergibt sich, daß bei.makro¬
skopischen oder mikroskopischem Eitergehalt des Morgens
nüchtern exprimierten Mageninhalts dessen Provenienz nach¬
zuforschen und u. a. an die Möglichkeit einer Nasennebenhöhlen¬
eiterung als Ursache zu denken ist. Umgekehrt wird bei Ver¬
dacht aut Nasennebenhöhleneiterung die Mageninhaltsunter¬
suchung in die Reihe der diagnostischen Hilfsmittel treten.
Das Fehlen von Eiter im Mageninhalt ist natürlich diagnostisch
nicht zu verwerten. Größere Bedeutung denn als diagnostisches
Hilfsmittel kommt dem Eiter im Magen in pathologischer Hin¬
sicht zu. Stets ist bei reichlicher Eiterabsonderung aus Nasen¬
nebenhöhlen Aufmerksamkeit zu schenken den subjektiven
Klagen, dem Verhalten des Magens, dem Darmkanal, speziell
dem Blinddarm, dem objektiven Allgemeinzustand. In thera¬
peutischer und prophylaktischer Hinsicht erscheint es not¬
wendig, bei profusen Eiterungen aus Nasennebenhöhlen, wie
bei allen Eiterungen, die zu Infektionen der Tonsillen Anlaß
geben können, eine desinfizierende Behandlung der Mundhöhle
sowie des Magendarmkanals anzustreben. Für den ersteren
Zweck empfiehlt Verf. Gurgeln mit schwacher Lysollösung
(wenige Tropfen auf 1 Glas Wasser). Zur Antisepsis des
Magens bei allen Affektionen, die mit Verschlucken von eitrigen
und fötiden Massen verbunden sind, dient die Salzsäure in
nicht zu kleinen Dosen. Auch der Darmkanal ist durch die
bekannten Mittel zu desinfizieren. Die eiternden Höhlen sind
jeden Abend auszuspülen. Für regelmäßige Darmentleerung
ist natürlich ebenfalls zu sorgen.
Marine - Oberstabsarzt Dr. Knoke (Kiel): Die Grossichsche
Methode der Hautdesinfektion. (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 18.)
Verfasser ist auf Grund einer Erfahrung bei 350 Opera¬
tionen mit der von Grossich angegebenen Methode der Haut¬
desinfektion außerordentlich zufrieden. Die Methode besteht
bekanntlich darin, daß die Haut des Operationsgebiets einfach
mit Jodtinktur bestrichen wird. Vorheriges Waschen der Haut
mit Wasser und Seife ist nicht nur nicht nötig, sondern direkt
schädlich, weil es die Haut aufquellen läßt und ein Eindringen
des Jods in sie verhindert. War die Haut aus irgend einem
Grunde (z. B. zum Zweck des Rasierens) vorher mit Wasser
und Seife behandelt, so ist sie vorher mittels Benzins zu trock¬
nen und dann erst die Jodpinselung vorzunehmen. Man muß
natürlich peinlich darauf achten, daß die unjodierte Haut nicht
ins Operationsgebiet fällt. Ferner dürfen zwei jodierte Haut¬
flächen nicht aneinander liegen, weil es dann zu Schwellungs¬
und Entzündungszuständen der Haut kommen kann (z. B. am
Skrotum bei Hernienoperationen). R. L.
Prof. Dr. Albert Sippel (Frankfurt a. M.): Die Nierenentkapse¬
lung bei puerperaler Eklampsie. (Zeitschr. f. gynäkol. Uro¬
logie, 1910, Bd. II, No. 2.)
Prof. W. Zangemeister (Königsberg): Ueber eklamptische Oli¬
gurie, zugleich eine Kritik der Nierendekapsulation bei
Eklampsie. (Ebenda.)
Dr. Otto Eisenreich, Assistent der Universitäts-Frauenklinik
München: Ueber Dekapsulation der Nieren bei Eklampsie.
(Ebenda.)
Der Ideengang, welcher seinerzeit zur Einführung der
Nierenentkapselung für ganz bestimmte Fälle puerperaler
Eklampsie führte, war die logische Konsequenz der mit wenigen
Ausnahmen allgemein geteilten Auffassung dieser Erkrankung
als Äutointoxikation des Organismus. Die sonstige, durch die
zahlreichen neueren Arbeiten festgelegte moderne Therapie der
Eklampsie wird durch die Nierenentkapselung nicht beeinflußt.
Sie besteht nach wie vor sowohl in ihrer Indikationsstellung,
wie in ihrer Ausführung in vollkommener Berechtigung weiter.
Rasche Entleerung des Uterus zur Beseitigung der Giftquelle
und Anregung der natürlichen Ausscheidungsvorgänge des
Körpers zur Entfernung der im Körper angehäuften Giftmassen
bleiben die wesentlichen Aufgaben eines zielbewußten Handelns.
Nur für diejenigen Fälle, bei denen die seitherige Therapie
nicht ausreicht, so daß sie trotz derselben zugrunde gehen
müssen, soll die Entkapselung in Frage kommen. Sie soll also
lediglich eine Ergänzung der seitherigen Therapie bedeuten.
Aus dem Gesagten ergibt sich von vornherein eine Beschrän¬
kung der Operation au die puerperalen Fälle von Eklampsie.
Nicht angezeigt ist sie während der Schwangerschaft, weil alle
jene Ursachen, welche zu der Eklampsie und den Veränderun¬
gen an den Nieren geführt haben, gerade in der Schwanger-
I Schaft selbst begründet sind und fortbestehen bleiben, so lange
I diese besteht. So verschieden die Voraussetzungen sind, von
denen aus die Autoren die Operation vorgeschlagen haben, so
übereinstimmend sind andererseits in letzter Instanz die Ab¬
sichten, welche man damit verfolgte. Die Entkapselung wird
nur empfohlen, um die stark herabgesetzte oder völlig dar¬
niederliegende Diurese durch Herstellung besserer Zirkulations¬
verhältnisse in den Nieren zu steigern oder hervorzurufen.
Durch diese Feststellung erfolgt eine weitere Präzisierung der
Indikationsstellung, Voraussetzung für dieselbe ist der Nach¬
weis einer Schädigung der Nierenfunktion. Die Indikation für
die Entkapselung der Nieren Eklamptischer besteht dann, wenn
die sonstigen Maßregeln: Entleerung des Uterus, Anregung der
Diurese und Diaphorese, versagt haben, wenn Krämpfe oder
Koma nach der Geburt unverändert fortbestehen, und wenn
eine erhebliche Beeinträchtigung der Nierenfunktion nachweis¬
bar ist. Was hat nun die Nierenentkapselung bei Eklamptischen
bis jetzt geleistet? Im ganzen sind Sippel bis jetzt
46 Fälle bekannt geworden. Von diesen starben 20. Vier von
diesen Todesfällen erfolgten nachträglich aus anderen Ursachen,
nachdem die Eklampsie schon geheilt war. Demnach wurden
unter 46 Fällen 30 von der Eklampsie geheilt, 16 nicht. Das
ist nach S. ein sehr wertvolles Resultat. — In welcher Weise
hat sich nun die Wirkung der Operation auf die Nierensekretion
betätigt? Es wurde in weitaus den meisten Fällen durch die
Entkapselung der Nieren eine rasche und ausgiebige Hebung
der stark oder völlig gehemmten Diurese erzielt. Aus den er¬
reichten Erfolgen dürfen wir nicht nur die Berechtigung ab¬
leiten, die Dekapsulation in Zukunft weiter auszuführen,
sondern wir müssen nach S. sogar die Verpflichtung an¬
erkennen, dies jedesmal zu tun, wenn die oben aufgestellten
Bedingungen vorhanden sind. Denn wenn wir nicht operieren,
gehen sämtliche Kranken zugrunde. Die Kasuistik legt uns
jedoch auch die Notwendigkeit nahe, mit dem Eingriff nicht zu
lange zu warten. Auf welche Weise kommt nun die günstige
Wirkung der Nierenentkapselung auf die Diurese zustande?
Die Entkapselung wirkt nach Sippel durch die Herbeiführung
einer besseren Zirkulation in den beiden Kapillargebieten der
Niere. Die Hebung der Zirkulation durch die Entkapselung
muß eine momentane sein, weil der diuretische Erfolg ein
momentaner ist. Zum Schluß macht Sippel auf die inter¬
essanten Ausblicke aufmerksam, welche die Erfolge der Ent¬
kapselung auf die Aetiologie der Eklampsie eröffnet. Wenn
die Anregung der Diurese zur Heilung genügt, dann kann
wenigstens bei der puerperalen Eklampsie die Krankheits¬
ursache nicht in einer fortgesetzten pathologischen Giftbildung
oder in einem Wiederfreiwerden und in die Zirkulation¬
gelangen irgendwo gebundener Gifte begründet sein, sondern
lediglich in einer pathologischen Retention.
Zangemeister vermag weder aus der Veränderung
der Harnsekretion, noch aus der Mortalität der bisher dekapsu-
lierten Fälle einen Heilerfolg herauszulesen. Ein einwands¬
freier Beweis wäre nach Z. erst dann erbracht, wenn die Mor¬
talität einer großen Serie operierter Fälle nur ebenso groß ist,
als die Mortalität überhaupt, oder wenigstens besser ist, als die
Sterblichkeit der Fälle mit Oligurie insgesamt, d. h. 27%. Auch
die Indikationsstellung zur Dekapsulation wird vor der Hand
nach Z. immer eine mißliche Sache bleiben. Denn operiert
man frühzeitig, so wird die Prognose schon dadurch eine bessere
werden, daß dann erst recht eine Anzahl an sich günstig ver¬
laufender Fälle mitbehandelt werden. Wartet man aber ab,
ob die Erkrankung nicht doch bald von selbst wieder aufhört,
so wird man — selbst unter der Voraussetzung eines inten¬
siven Heileffektes der Operation — sicher häufig zu spät
kommen. Im Hinblick auf die von Z. nachgewiesene günstige
Prognose der puerperalen Oligurie, ohne daß zugleich noch
Anfälle p. part. auftreten, fällt hier jede Berechtigung zur
Dekapsulation weg. Da aber auch die mit Anfällen kombinierte
puerperale Oligurie noch verhältnismäßig günstige Aussichten
bietet, wird man sich auch hier im einzelnen Fall reiflich über¬
legen müssen, ob man der Patientin einen Eingriff zumuten soll,
der zwar nachteilige Folgen direkt meist nicht zu haben scheint,
über dessen Einwirkung auf das spätere Wohlbefinden der
Operierten uns aber noch jede Kenntnis fehlt. Die Möglichkeit,
durch die genannte Operation einen Einfluß auf den eklamp¬
tischen Symptomenkomplex zu gewinnen, will Z. nicht ganz
leugnen, aber es kann ein solcher Einfluß nicht auf dem Um¬
wege der Nierensekretion, sondern allenfalls auf einer mecha¬
nischen Einwirkung auf die Nebenniere, die sympathischen
Nervengeflechte oder dergleichen beruhen.
Eisenreich zieht auf Grund des Materials der
Münchener Universitäts-Frauenklinik den Schluß, daß die Fälle,
in denen mit der Dekapsulation eine Rettung der Patientin
erzielt werden kann, nicht häufig sein werden. Gerade des¬
wegen wird es Aufgabe der Zukunft sein, die Indikation zur
Dekapsulation noch schärfer zu präzisieren. Dabei wird vor
allem die qualitative und quantitative Funktionsprüfung der
Nieren noch mehr als bisher zu berücksichtigen sein. In An-
No. 27.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
423
betracht der von anderer Seite erzielten Erfolge wäre es jedoch
falsch, die Operation ganz zu verwerfen. Wie berechtigt dieser
Satz ist, beweist der folgende Fall: Die 24jährige Ipara
hatte mittags 1 Uhr spontan entbunden. Nach leichten
Prodromen trat um 6 Uhr abends der erste eklamptische Anfall
auf, dem im Laufe der Nacht bis früh 9 Uhr zwölf weitere
schwere Anfälle folgten. Harnmenge während dieser Zeit
120 ccm. Essbach 15“/oo. Tiefes Koma. Patientin ist stark
cyanotisch. Nach den Anfällen ist intensive künstliche Atmung
notwendig. In Anbetracht der schweren Oligurie und des sich
stets verschlimmernden Allgemeinzustandes wurde um 9 Uhr
30 Min. früh Dekapsulation beider Nieren vorgenommen. Die
Wirkung der Operation war eine außerordentlich günstige.
Die Anfälle sistierten sofort, das Koma schwand so schnell, daß
Patientin bereits eine Stunde nach der Operation dargebotene
Flüssigkeit schluckte. Der ganze Allgemeinzustand war voll¬
ständig verändert. Harnmenge eine Stunde post operat. 150 ccm,
in den ersten 24 Stunden 400 ccm, am zweiten Tage 1500 ccm,
am dritten 3300 ccm. Eiweiß nahm rapid ab, war am dritten
Tage nur noch als schwache Trübung nachzuweisen. Wund-
•verlauf normal. Kr.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Centräl-Zeitung“.!
Sitzung vom 1. Juni 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Der Vorsitzende widmet dem am 27. Mai verstorbenen
Robert Koch einen tiefempfundenen Nachruf. Das Hin¬
scheiden Robert Kochs bedeutet einen schmerzlichen Ver¬
lust für die ganze medizinische Welt, besonders aber für die
Berliner Medizinische Gesellschaft, der er 20 Jahre lang als
Ehrenmitglied angehört hat. Die Medizinische Gesellschaft war
es, in der er eine Reihe seiner grundlegenden Arbeiten zuerst
vorgetragen hat. Er war ein Pfadfinder ersten Ranges, es sei
nur erinnert an seine Arbeiten über Wundinfektionskrankheiten,
über den Tuberkelbacillus, die Darstellung des Tuberkulins, den
Kommabacillus, über die Tsetse- und Schlafkrankheit; jede
einzelne derselben hätte schon genügt, seinen Namen mit höch¬
stem Ruhmesglanz zu umgeben. Er deckte die Ursachen der
Seuchen und Volkskrankheiten auf, lehrte die Wege ihrer Ver¬
breitung und Uebertragung kennen und gab Mittel und Methoden
zu ihrer Bekämpfung an. Dieser Wohltäter der Menschheit und
alle überragende Heros war dabei von seltener Bescheidenheit;
er, der sich von den kleinsten Anfängen emporgearbeitet, der
sich der Bedeutung seiner Arbeiten bewußt war, liebte es nicht,
in derOeffentlichkeit hervorzutreten, hat nie nach äußeren Ehren
und Auszeichnungen gestrebt, gleichwohl sind ihm diese in
reichstem Maße zuteil geworden. Seine Bescheidenheit gab er
auch auf dem Sterbebette kund, indem er den Wunsch aus¬
sprach, in aller Stille, und ohne Pomp beigesetzt zu werden.
Unter den Großen ist der Größten einer dahingegangen. Sein
Stern wird glänzen an dem leuchtenden Himmel der medizini¬
schen Wissenschaft in aller Ewigkeit. (Erheben von den
Plätzen.)
Vor der Tagesordnung:
Herr Weski demonstriert einige Fälle von Elephantiasis
gingivae. Es handelt sich um eine Hypertrophie des Zahn¬
fleisches, welche sich hier dadurch charakterisierte, daß sie erb¬
lich auftrat. Das Zahnfleisch ist zunächst in bandartiger Hyper¬
trophie den Zähnen umlagert, wuchert dann mehr und mehr, bis
es eine rüsselförmige Gestalt annimmt. Die Affektion ist als
harmlos anzusehen; der eine Patient ist 70 Jahre alt und füllt
seinen Beruf vollständig aus. Die Therapie besteht in Exzision
und Abbrennen mit dem Paquelin, um das Lockern und Aus¬
fallen der Zähne zu verhüten.
Herr O. Maas zeigt eine Patientin mit Symptomen der
Apraxie. Die Untersuchung lehrt, daß die Apraxie nicht auf
mangelhaftem Verständnis beruht, die Patientin vermag eine
Reihe von Ausdrucksbewegungen mit der rechten Hand gut
auszuführen, während sie mit der linken apraktischen dazu nicht
imstande ist. Aus der Vorgeschichte ist zu bemerken, daß
Patientin vor 12 Jahren einen Insult hatte, infolgedessen sie
14 Tage lang der Sprache beraubt war.
Vor neun Jahren trat ein neuer Schlaganfall auf mit vor¬
übergehender Sprachstörung, gleichzeitig stellte sich eine links¬
seitige Lähmung ein. Bemerkenswert ist, daß bei doppelseitigen
Bewegungen keine apraktischen Symptome auf der linken Seite
zu bemerken sind. Die Patientin zeigt auch eine Reihe von
bemerkenswerten Sensibilitätsstörungen im Gebiete der
Schmerz- und Tastempfindung.
Herr Hans Hirschfeld zeigt einen Patienten mit isolierter
Lähmung des N. musculocutaneus, die, wie es gewöhnlich der
Fall ist, traumatischen Ursprung hat. Er stürzte im Oktober v. J.
mit dem Tinken Arm in eine Maschine, wobei er sich eine
Zerrung des linken Arms zuzog. Drei Wochen trug er den Arm
in einer Mitelia, nach Abnahme der letzteren bemerkte er, daß
er den Arm nicht beugen konnte. Das besteht auch jetzt noch
und zwar ist die Beugung nur bei abduziertem Arm nicht mög¬
lich, wohl aber bei proniertem Arm. Der Umfang des linken
Arms ist bedeutend geringer als derjenige des rechten, der
linke Biceps ist dünn und schlaff, außerdem sind typische Sensi¬
bilitätsstörungen vorhanden. Aus all diesen Erscheinungen
muß auf eine Verletzung des N. musculocutaneus geschlossen
werden. H. riet zu einem chirurgischen Eingriff, bestehend in
Anfrischung und Naht des Nerven.
Tagesordnung:
Diskussion über den Vortrag der Herren
Finkeistein und L. F. Meyer.
Herr Langstein hat die Eiweißmilch in dem von F i n k ei¬
st e i n und Meyer genannten Indikationsgebiet angewendet
und ist von dem Erfolg überrascht gewesen. Bei Kindern im
Stadium der Dekomposition hörte der Gewichtsabsturz auf, viel¬
mehr nahm die Gewichtskurve einen aufsteigenden Verlauf an
und das Interessante war, daß, während solche Kinder sonst
ein langes Reparationsstadium gebrauchen, hier das Gedeihen
der Kinder ungestört von statten ging. L. verfügt über 20—30
klinisch gut beobachtete Fälle, welche ihm unzweideutig gezeigt
haben, daß wir in der Eiweißmilch eine wertvolle Bereicherung
der diätetischen Behandlung besitzen. Bei der Dosierung der
Eiweißmilch sind zwei Etappen zu unterscheiden, je nachdem
man sie als Medikament oder als Mastkurmittel verwendet. Der
Vorteil der Eiweißmilch im zweiten Stadium besteht darin, daß
man nun nicht mehr gezwungen ist, Kinder hungern zu lassen.
L. hat die Kinder vom ersten Tage an auf geringe Mengen Ei¬
weißmilch gesetzt (10 X 5, 10, 20 g und gesehen, daß so viel
bessere Erfolge erzielt werden als bei dem früheren Vorgehen.
Die Verwendung der Eiweißmilch hat uns gelehrt, daß es nicht
darauf ankommt, einen Nährstoff herauszugreifen, sondern daß
es auf die Korrelation ankommt, in der die Nährstoffe angeboten
werden. Die Eiweißmilch müssen wir als einen enormen Fort¬
schritt in der Diätetik der Ernährungsstörung bezeichnen.
Herr Balirdt zeigt einige Kurven von Kindern, die in der
Langstein sehen Abteilung mit Eiweißmilch behandelt
worden sind. Es hat sich gezeigt, daß • bei Infektionen er¬
nährungsgestörter Säuglinge die Anwendung der Eiweißmilch
günstig gewirkt hat; selbst bei schwersten Infektionen wurden
die sonst beobachteten Gewichtsstürze vermißt.
Herr Patschkowski macht auf eine Methode aufmerksam,
die er schon in den achtziger Jahren, als eine große Kindersterb¬
lichkeit infolge akuten Magen-Darmkatarrhs herrschte, auf
Empfehlung eines New Yorkers Forschers mit gutem Erfolge
verwandte. Er gab verdünntes Eiweiß und zwar bei Neigung
zu Erbrechen alle fünf Minuten einen Teelöffel voll. War die
Brechneigung ganz verschwunden, dann gab er größere Mengen
Eiweißlösung alle zwei bis drei Stunden, dann allmählicher
Uebergang zu anderer Nahrung.
Herr Noeggerath: Im Anfänge ergab die Prüfung der Ei¬
weißmilch bei den Säuglingen der H eub ne r sehen Klinik
einen etwas wechselnden Erfolg. Es stellte sich heraus, daß es
viel auf kleine technische Details bei der Herstellung der Ei¬
weißmilch ankommt. Befolgt man diese, dann erhält man sehr
erfreuliche Resultate. Er hat auch sehr gute Erfolge bei paren¬
teralen Infektionen, bei Dyspepsien nach Masern und Keuch¬
husten.
Herr Rott berichtet über gute Erfolge, die in der Poliklinik
der Charite mit Eiweißmilch erzielt worden sind. Länger als
acht bis zehn Wochen hat er in keinem Falle die Eiweißmilch
zu geben brauchen. Was die Gewichtsschwankung bei Er¬
nährung mit Eiweißmilch betrifft, so hat R. durch Parallelver¬
suche gefunden, daß der initiale Gewichtsabst'urz einhergeht
mit einer Wasserverarmung, die Gewichtszunahme mit einer
Aufnahme von Wasser. Es handelt sich dabei um eine Ver¬
schiebung des Wasserhaushaltes. Der enorme praktische Wert
der Eiweißmilch besteht also darin, daß es ein Mittel darstellt,
einem beträchtlichen Wasserverlust Einhalt zu tun.
Herr Schaps weiß von guten Erfolgen der Eiweißmilch¬
anwendung bei einem ambulanten Säuglingsmaterial zu berich¬
ten. Er hat eine Milch zusammengesetzt, die der Eiweißmilch
sehr nahe steht, bestehend in Buttermilch, welcher er 1 bis 2 pCt.
Fett zusetzt. Der Erfolg war sehr befriedigend.
Herr Wolff-Eisner bemerkt, es sei auffällig, daß eine Milch,
die der Muttermilch gerade entgegengesetzt zusammengesetzt
sei, so gute Resultate ergebe. Demgegenüber hebt er als Grund¬
gesetz der Immunitätslehre hervor, daß körperfremdes Eiweiß
ein Gift darstelle.
Herr Orgler teilt seine poliklinischen Erfahrungen bezüglich
der Eiweißmilch aus einer Fürsorgestelle mit. Von 61 Fällen
seiner Beobachtung scheiden 20 aus, weil die Kinder wegblieben
oder der Verlauf durch interkurrente Krankheiten gestört war.
Bei den Testierenden 41 Kindern sind vorwiegend günstige Be¬
obachtungen gemacht worden. Im allgemeinen läßt sich sagen,
daß die Eiweißmilch günstig wirkte bei Säuglingen, die nach
424
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 27-
mehrwöchiger, ausschließlicher Mehlernährung in die Poliklinik
kamen, oder bei solchen, die nach Zuckerzulage vermehrte
Stühle bekamen. Allerdings beobachtete man in einigen dieser
Fälle eine ziemlich starke Gewichtsabnahme, manche Fälle
zeigten sich refraktär. Vielleicht ist der Mißerfolg in einigen
Fällen von Brechdurchfall auf die unrichtige Dosierung zurück¬
zuführen. Er empfiehlt mit 50 g anzufangen, dann auf 100 und j
mehr überzugehen. Auch einige Fälle von Dekomposition sind
bei Eiweißmilch nicht vorwärts gekommen, so daß zu Frauen¬
milch übergegangen werden mußte.
Herr Birk: Im Augusta-Viktoriahaus in Charlottenburg
wurde die Eiweißmilch an 30 klinischen Fällen versucht, im 1
allgemeinen hatte man recht günstige Erfolge. Es gab auch |
einige Mißerfolge, bedingt wohl teilweise durch Verabreichung !
zu geringer Nahrungsmengen; einmal versagte die Eiweißmilch
gänzlich, einmal hat sie geschadet und im späteren Verlauf der
Behandlung zum Tode geführt. Die erste auffallende Verände¬
rung bietet der Stuhlgang, es erscheinen typische alkalische, j
grauweiße Seifenstühle, unter der neuen Nahrung entstehen j
leichte einige Tagen anhaltende Temperatursteigerungen, das
Körpergewicht nimmt erst ziemlich stark ab. — Zunächst
steigere man die Nahrungsmenge bis 1 / 5 des Körpergewichts und
nachher erst setze man Kohlehydrate zu. Sechs bis acht Wochen
setze man die Eiweißmilchernährung durch, dann bleibt nichts
mehr zu tun übrig. Dann hört die Körpergewichtszunahme
auf und man steigere weder die Menge noch den Zuckerzusatz, |
sondern gehe zu Milch über. Bei längerer Darreichung von Ei- {
weißmilch stellen sich Störungen ein, wie Meteorismus, Er¬
brechen, Unruhe. Indiziert ist die Eiweißmilch bei akuten Er¬
nährungsstörungen, ferner bei allen chronischen Ernährungs¬
störungen, wo eine Intoleranz gegen Kuhmilch besteht.
Herr Schindler spricht sich im allgemeinen lobend aus über
die Eiweißmilch auf Grund poliklinischer Beobachtungen. Ge¬
legentlich habe er einige Mißerfolge gehabt. Die Dyspepsiefälle
heilten sehr schnell ab, die Durchfälle hörten auf, die Gewichts¬
kurve stieg an. In manchen Fällen wurde die Eiweißmilch j
20 Wochen lang ohne jeglichen Schaden verabreicht. Einen
günstigen Eindruck habe er von der Eiweißmilch als Diaeteticum
bei Durchfällen gewonnen.
Herr Finkelstein und Herr Meyer (Schlußwort).
Britzmann.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der „Afigem. Medic. Central-Zeitung“.)
Sitzung vom 2 0. Juni 1910.
Vorsitzender: Herr A. Fränkel.
Tagesordnung:
Ueber den wechselnden Gehalt der Atmosphäre an Radium¬
emanation. (Ein Beitrag zur Erklärung klimatischer Einflüsse
auf biologische Vorgänge.)
Herr Grabley hat 1908 auf den Zusammenhang zwischen
Radiumgehalt der Luft und bestimmten nervösen und
chronischen Krankheiten hingewiesen. Angeregt wurde er
durch G e i t e 1 in Braunschweig, der vergleichende Messungen
über Klima und Radiumemanation angestellt hat. Das
Klima ist dadurch unterschieden, daß der Gehalt an ionisierten
Substanzen überhaupt von den Küsten nach dem Hochgebirge
hin beständig zunimmt. Höherer Gehalt an Radiumemanation
ist also ein Faktor des Höhenklimas. 1907 und 1908 hat Vortr.
häufiger Messungen des Gehaltes der Luft an Radiumemanation
vorgenommen. Für den beschäftigten Praktiker ist das aus
Mangel an Zeit und sachverständiger Hilfe nicht immer möglich.
Zuerst ist es schwer, die Krankheitsvorgänge als solche zu
rubrizieren. Bei Gicht, Rheumatismus usw. werden die
Störungen zweifellos durch Radium beeinflußt, ebenso ist es bei
nervösen Menschen. Vortr. benutzte Gichtiker, Rheumatiker
und sensible, nervöse Menschen, besonders solche, die an
Schlaflosigkeit litten. 1907 hatte er vom März bis zum Mai
regelmäßig die Aktivierungszahlen bestimmt, um die Verhält¬
nisse von Woltersdorf festzustellen. Grund und Boden besteht
aus Sand, darunter liegt Kalk sowie Moosschichten in den Seen.
Die Kurve der Aktivierungszahlen steigt meist gegen die Voll¬
mondsnächte an, aber nicht immer, nämlich dann nicht, wenn
die Nächte viel Niederschläge bringen. Ob das immer stimmt,
weiß Vortr. nicht. Das Maximum betrug 24,5, die mittlere
Größe 12,6, das Minimum 2. Vortr. hat dann 1908 und 1909 die
höchsten und niedrigsten Größen eingetragen und das Mittel
berechnet. Die Minima erheben sich bis zum August. Sie sind
1907 niedriger als 1908. Er glaubt, daß wir 1907 im Mai und
Juni höhere Zahlen hatten, weil diese Monate ziemlich trocken
waren; 1908 war der August trocken. Die. Niederschläge ver¬
hindern wohl das Austreten der Emanation aus dem Erdboden,
weil sie die Poren verstopfen. Ob diese höhere Ausstrahlung
an Emanation vielleicht mit dem Vollmond selbst zusammen¬
hängt, weiß er nicht.
Vortr. hat dann an den kritischen Tagen der Kranken
Messungen veranstaltet. Die Ladung des Elektroskops wurde
abgelesen. Es waren Fälle von Gicht, Neurasthenie mit vaso¬
motorischen Störungen und Hysterie. Die kritischen Tage sind
solche Tage, wo die Kranken unter hygienischen und überaus
vorsichtigen Lebensbedingungen doch plötzlich Anfälle zeigen,,
und zwar die Gichtiker Schmerzanfälle, die Neurastheniker
Aufregungszustände.
Es zeigte sich, daß immer an den Tagen die Aktivierungs¬
zahl weit über dem Mitei liegt, nur einmal lag sie unter dem'
Mittel. Ein Gichtiker erfährt immer unter dem Einfluß der
Behandlung mit Emanation Steigerung der Beschwerden. Diese
Untersuchungen sind noch zu erweitern, wenn man gleichzeitig
mit den Messungen der Außenluft auch solche der Luft in den
Kellern einer Anstalt verbindet. Diese hat einen höheren
Gehalt. Hier hatten diese Kranken stärkere Erscheinungen.
Interessant war es bei der Hysterie, daß die Erregungszustände
manchmal um die Zeit der Vollmonde auftrat und besonders,
die Menses verstärkt waren.
Daß nervöse Menschen in der Vollmondszeit erregter sind,
wissen wir. Es ist also nicht der Mond selbst wirksam, sondern
die zu dieser Zeit größere Ausstrahlung der Emanation aus dem
Boden. Immerhin ist es wahrscheinlich, daß mit dem wech¬
selnden Befinden die Emanation der Bodenluft in Beziehung
steht.
1910 stellte Vortr. neue Experimente an. Er lud die Per¬
sonen auf einem genügend isolierten Sitz mit einer gewissen
negativen Spannung, die Luft war mit der Atmosphäre aus¬
geglichen. Er setzte sie der unmittelbaren Einwirkung einer
Influenz-Maschine aus; er benutzte die gewöhnliche Maschine.
Die Kranken standen zwar unter psychischer Einwirkung,
waren aber nicht über die Ziele seiner Beobachtungen orien¬
tiert. Danach traten Unruhe, besonders Herzklopfen, Kribbeln,
Hitzegefühl und schlechter Schlaf ein. Diese Prozedur wurde
vormittags angestellt. Täglich wurde bei 5000 Volt negativer
Spannung isoliert, einmal zur Kontrolle mit Ableitung zur Erde..
Schließlich untersuchte Vortr. die Einwirkung der verstärkten,
induzierten Becquerelstrahlen auch an sich selbst. Nach einer
halben Stunde hatte er jedesmal nach dieser Exposition ein er¬
höhtes Wärmegefühl auf der ganzen Haut; vielleicht ist das
nur subjektiv, aber es war ebenso, wie bei den Erscheinungen
der Kranken.
Es ist anzunehmen, daß die Radioaktivität der Bodenluft
bezw. der Atmosphäre die Causa movens klimatischer Ein¬
flüsse sein kann.
Einzelne Kollegen haben Vortr. mitgeteilt, daß sie bei Ge¬
witterbildung sich ungemütlich fühlen. Das sind nicht bloß
elektrische Spannungsdifferenzen. Denn die elektrische Differenz
zwischen —Erde und +Atmosphäre ist ziemlich groß, ohne daß
jedesmal Gewitter eintritt. Vortr. nimmt eine höhere negative
Spannung an. Der Mensch ist höher aktiviert. Setzt sofort
reichlicher Regen ein, so wird die Ausstrahlung beschränkt; die
Poren schließen sich. Daher besteht stärkeres Mißbehagen vor
als nach den Niederschlägen. Vortr. glaubt, daß die Ionen-
rnenge der Atmosphäre, besonders die Menge der Emanation
und die Höhe des Potentials den klimatischen Einfluß ausmacht.
Die Becquerelschen Strahlen enthalten auch a- und y-, d. h.
exzitierende und lebenfördernde Strahlen. Es ist also wahr¬
scheinlich, daß die Radiumemanation den eigentlichen Faktor
des Klimas darstellen kann; und daß der gesunde Mensch nicht
sichtbar reagiert, ist nicht verwunderlich. Denn erst der ge¬
störte Körper zeigt dies deutlich. Der Gesunde ist adaptiert; er
reagiert erst bei Krankheit und bestimmter Konzentration der
Emanation. Aehnlich ist es ja mit der Wirkung der Sonnen¬
strahlen.
Diskussion:
Herr Gudzent: Der Vortr. hat eine Reihe von Vorgängern
gehabt, zuletzt Dr. Müller in Augsburg, der systematisch
seine Krankenhauspatienten beobachtete und den Barometer¬
stand berücksichtigte; er hat einen Zusammenhang zwischen
niedrigem Barometerstand und schlechtem Befinden bei Gicht,
Rheumatismus und Nervosität angenommen. Damals kannte
man noch nicht die Erscheinungen des Radiums und die
Hypothese von der elektrischen Spannung. Nun ist zu be¬
grüßen, daß Vortr. als Schüler von G e i t e 1 und E1 s t e r sich
an das Studium dieser Frage in exakter Weise herangemacht
hat. Auch in der zweiten medizinischen Klinik beschäftigt sich
Redner ebenfalls mit dem Studium der Radiumemanation. Er er¬
zeugt sie künstlich und setzt die Kranken derselben aus. Da
wo das Experiment klar ist, ist es eine alltägliche Erscheinung,
daß die Kranken darauf so glatt reagieren, wie es Grabley
geschildert hat; am zweiten Tage tritt Fieber bis 38° auf, sowie
alle Erscheinungen, die uns die Laien bei schlechtem Wetter
schildern. Man sieht, wie das abklingt und die klinische
Wirkung eintritt.
Herr Grabley sollte seine Untersuchungen fortsetzen.
Noch manches würde sich dabei erklären. Aber einige Kritik
ist nötig. Die Strahlen, die aus dem Zerfall des Radiums
stammen, haben eine starke Wirkung. Auch Redner fand, daß sie
z. B. die leukocytäre Infiltration verhindern. Aber Grabley
No. 27.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
425
(Solle bedenken, daß diese Produkte des Radiums kurze Lebens¬
dauer haben. Das Radium b schickt keine Strahlen aus, hat
aber lange Lebensdauer. Ein Teil der Wirkungen im Reagens¬
glas beruht aut Radium b.
Herr Grabley (Schlußwort): Die Messungen von Barometer¬
stand und Spannungsdifferenz hat er jahrelang ohne positiven
Befund vorgenommen. An Tagen, wo allgemeine Schwan¬
kungen im Gesundheitszustand der Kranken auftraten, hat
Vortr. gemessen und manchmal niedrigen Barometerstand bei
hoher Aktivitätszahl gefunden; aber ebenso oft war es auch
anders. Es ist jedenfalls die Emanation am Boden von dem
Barometerstände nicht abhängig. Aber Niederschlagsmengen
verstopfen die Poren des Erdbodens und hemmen die Emana¬
tion. Die flüchtigen Radiumstrahlen wirken unmittelbar und
zerfallen rasch, während die persistierenden Substanzen sich
nachweisbar niederschlagen und lange wirken.
Ueber Nierenwassersucht. (Referat.)
Herr P. F. Richter will nicht auf alle Einzelheiten dieses
wichtigen Themas eingehen; er stellte sich nur die Aufgabe, in
großen Umrissen ein Bild von dem zu geben, was auf dem Ge¬
biete der Nierenwassersucht seit B r i g h t von dem Alten übrig¬
geblieben und durch die Fortschritte der physikalischen Chemie
zu dauerndem Besitze der Wissenschaft geworden ist. Es folgt
eine Uebersicht über die verschiedenen Theorien von dem Ent¬
stehen der Nierenwassersucht. Das Ergebnis sagt, daß die
Gründe für ihre Bildung in den Nieren und in den Geweben
zu suchen sind. Es sind renale und extrarenale Momente.
Am nächstliegenden ist es, in der Störung der Nieren¬
funktion die Ursache der Wasserretention zu sehen (Bartels
und Stuart). Unsere modernen Anschauungen haben einen
anderen Modus angenommen. Es sind osmotische Austausch¬
vorgänge zwischen Blut und Geweben, die erst sekundär zur
Zurückhaltung von Wasser führen.
Alexander von Koranyi hat zuerst die Wasser¬
retention als eine Art Ausgleich für die Zurückhaltung der ge¬
lösten Moleküle angegeben. Welcher Art sind diese? Er hatte
ursprünglich nur die Abblauprodukte von Eiweiß gemeint.
A c h a r d hat dann dem Kochsalz und dem Harnstoff bei der
Wasserretention die wesentliche Rolle zugeschrieben. In den
Vordergrund ist das Na CI unter den gelösten Produkten durch
die Arbeiten von Widal und Strauss getreten. Der
klassische Versuch stammt von Widal und Jauer: ein
Kranker verlor die Oedeme bei Milchkost; sie erschienen sofort
wieder, sobald er dazu täglich 10 g Kochsalz nahm. Damit
-schien der Beweis geliefert zu sein, daß die Na Cl-Entziehung
oder -Zulage den Grad der Oedeme bestimme. Mit dem
Schwinden der Oedeme verließ Na CI in vermehrter Menge den
Körper. Das ist vielfach seither bestätigt worden. Welche Be¬
weise liegen vor?
Es ist festgestellt, daß es bei Nierenkranlien auch eine
Na Cl-Retention gibt. Die Ursache liegt in den Nieren. Denn
bei einseitiger Nierenerkrankung ist der Urin auf der kranken
Seite an Na CI ärmer, als auf der gesunden. Komplizierter ist
die Deutung bei doppelseitiger Nierenerkrankung, besonders
akuter und chronisch-parenchymatöser Art. Es wird sehr
wenig Na CI hier ausgeschieden. Eine Mehrgabe von
Na CI steigert oft nicht die Na CI-Ausscheidung, sondern die
Retention. Und die Entziehung des Na CI führt umgekehrt
häufig zur Verstärkung der Ausscheidung. Aber es ist immer
möglich, an dem Schema festzuhalten. Es gibt auch Fälle, wo
das Ausscheidungsvermögen der kranken Niere völlig erhalten
bleibt und umgekehrt bei Cl-Reichtum dem Kochsalz den Weg
nach außen eröffnet.
Sicher ist also folgendes: Die Fälle, wo Insuffizienz der
Niere gegen Kochsalzbelastung besteht, gehen mit Oedemen
einher. Die verschiedenen Varietäten der Kochsalzausschei¬
dung hängen von dem Kochsalzbestande des Organismus ab.
Um zu unterscheiden, wie weit Störungen der Kochsalz¬
ausscheidung, die durch die Niere bedingt sind, mit einer be¬
stimmten Läsion derselben Zusammenhängen, ist das Tier¬
experiment benutzt worden. Das histologische Bild dei
Nephritis variiert sehr; bald sind mehr die Glomeruli, bald die
Epithelien, bald beide betroffen. Gerade das Wechselvolle der
Ausscheidung, das typisch für die Nephritis ist, erklärt sich
nach Senator durch die verschiedene anatomische Lokalisa¬
tion des Prozesses. Ribbert hat die topisch-funktionelle
Diagnose angestrebt. Für Na CI hat er bei gesunden Nieren
den tubulären Apparat als Ausscheidungsort gefunden. Syste¬
matische Untersuchungen hat Schlayer angestellt. Er hat
bei tubulärer wie vaskulärer Nephritis weitgehende Schädi¬
gungen gesehen, gleichgültig, durch welches Gift der Na Cl-
Stoffwechsel erheblich beeinträchtigt worden ist. Wichtig ist
die Tatsache, daß unter den Nierengiften mit tubulärer Schä¬
digung nur eines konstant Nephritis mit Oedemen erzeugt : das
Uran. Bei Sublimat- und Aloinvergiftung entstehen sie über¬
haupt nicht, bei Chromvergiftung selten.
Bei rascher Läsion, die durch Uran erzeugt wird, sinkt der
Kochsalzwert schneller ab. Alsa das eine Mal wird hydropigene
Wirkung beobachtet, das andere Mal nicht. Wird nun hier Na CI
primär zurückgehalten und sekundär Wasserretention bewirkt,
oder findet beides gleichzeitig statt? Es ist verschiedenes
möglich: entweder ist die Wasserretention Folge der Salz-
retentiou oder umgekehrt, oder beide sind voneinander un¬
abhängig. Das letztere kann bei Ausscheidung von Wasser und
Salzen Vorkommen; denn ersteres scheiden die Glomeruli,
letztere die Tubuli aus. Es gibt also Stadien, wo nur eines von
beiden ausgeschieden wird. Für beide hat man das zeitliche
Verhältnis als entscheidend angesehen.
Strauss fand, daß die Elimination des Wassers meist
früher als die des Na CI stattfindet. Ferner bleibt zu unter¬
suchen, ob zwischen Kochsalz- und Wasserausscheidung, Ent¬
chlorung und Entwässerung Gesetze bestehen, die dem Prozeß
entsprechen. In 1 Liter Oedemflüssigkeit sind 6—7 g Na Ci
vorhanden. Gehen die Oedeme zurück, so bleibt das Verhältnis
das gleiche. Aber zahlreiche Beispiele ließen sich anführen,
wo die Zahlen nach oben und unten beträchtliche Schwankungen
aufweisen. Diese Ausnahmen sind aber zu erklären, wenn
neben dem zirkulierenden CI in den Gewebssäften von den
Geweben Organ-Cl aufgenommen und festgehalten wird; das¬
selbe wird erst später ausgeschieden. Freilich ist diese
trockene Cl-Retention mehr dem vaskulären als dem epithelialen
Prozeß eigentümlich.
Den Hauptbeweis für den Zusammenhang von Na CI- und
Wasserretention bei Nephritis bilden die zahlreichen Er¬
fahrungen, wonach die Zufuhr von Na CI Wasserretention er¬
zeugt oder vergrößert. Ein Zweifel ist nicht mehr möglich.
Eine Beweiskraft für das Gegenteil ist nur da möglich, wo
1. Hydrops sich längere Zeit unabhängig von der Na Cl-Aus-
scheidung konstant erhielt, 2. Bettruhe, Milchdiät und Diuretica
auf diesen ohne Einfluß waren, 3. die Flüssigkeitszufuhr genau
geregelt ist.
Es gibt keine Methode, um die Gesamtmenge des Na CI
im Körper zu messen. Wie viele Irrtümer können also von
alimentären Versuchen ausgehen, wenn auf ihnen therapeu¬
tische Maßnahmen aufgebaut werden! Wichtig ist eben die
gleichzeitige Regelung der Wasserzufuhr. Das Tierexperiment
zeigt, daß auch ohne Darreichung von Na CI die Ueber-
schwennnung des Organismus mit Wasser völlig genügt, um
Oedeme zu erzeugen. Welche anderen Salze spielen hierbei
eine Rolle ? Na CI prävaliert gegenüber den anderen Elektro¬
lyten im Organismus, es steht mit 74% gegenüber 26% anderer
Salze, insbesondere Natronkarbonat und Natrouphosphat. Sie
sind Bestandteile der Nahrung und des Zellplasmas und immer
vorhanden. Für das Natronbikarbonat hat Blum gezeigt, daß
die Darreichung größerer Mengen in sechs Tagen bei Dia¬
betikern deutliche Oedeme an Beinen und im Gesicht hervorrief.
Für das Phosphat hat L. Meyer am Säugling ebenfalls
Wasseraufspeicherung, wenn auch nicht deutliche Wassersucht,
nachgewiesen. Er nahm an, daß der hydropigene Effekt Eigen¬
schaft sowohl des CI wie des Na ist und daß beide, zusammen¬
genommen, stärkere Wirkung haben. Bei der kranken' Niere
wurde im Tierversuch eine ausgesprochene steigernde Wirkung
des Natronphosphat auf wässerige Ergüsse gefunden.
Die Phosphate spielen eine geringe Rolle gegenüber den
Chloriden; ferner sind die Ausscheidungsverhältnisse ver¬
schieden. Auch bei starker Nephritis ist das Vermögen der
Ausscheidung für die Phosphate ziemlich gut. Das Gleiche gilt
für die Karbonate; ferner steht noch der Weg durch den Darm
offen. Auch Schloss fand, daß bei Säuglingen die Wirkung
der Natronverbindungen stärker als die der Verbindungen von
Ca usw. ist. Fleischer und L ö b zeigten, daß Ca CU die
Bildung des Ascites bei Nephrektomie stark vermehrt.
Für Na CI liegen die Verhältnisse wegen der Wasser¬
retention wesentlich anders. Sie treten stärker wegen der
großen Wassermengen in Erscheinung. Die Wasserretention
ist lediglich Salzwirkung. Die Wasseranziehung ist nicht gleich¬
bedeutend mit Wassersucht. Erstere ist die Ursache der letz¬
teren. Es gibt Wassersucht ohne Hydrämie und umgekehrt.
Es gibt mechanische Hydrämie, z. B. infolge von Anurie; letztere
war in einem Falle von Carcinom durch Druck der Tumor¬
knoten auf die Ureteren bedingt.
Allerdings ist die völlige Wasserretention seitens der
Nieren kein Beweis für hydrämische Plethora. Denn es können
andere Wege für die Ausscheidung durch die Niere in Anspruch
genommen werden; es kann die Wasseraufnahme eingeschränkt
werden und die Bildung von Wasser eine Verminderung er¬
fahren. Wir wissen hierüber noch wenig; nur die Störungen
der Wasserausfuhr sind, so weit sie renal sind, bekannt. Wie
weit Störungen der Wasserbildung bei Nephritis bestehen, ist
noch nicht bekannt; es ist ein Punkt, der bei den zahlreichen
einschlägigen Untersuchungen noch zu wenig berücksichtigtest.
Die experimentelle Plethora hydraemica als Ursache der
Wassersucht ist also noch nicht bedingungslos bewiesen
(Cohnhei m). Andere Autoren konnten sie allerdings unter
Zuhilfenahme von Modifikationen erzeugen. Gärtner sah
bei langsamer Infusion von Wasser in die Blutbahn Anasarca
426
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 27.
eintreten; durch Inlusion von Na CI traten Oedeme auf (Albu
und Brandenburg). So riesige Wassermengen, wie hier
in die Blutbahn hineingebracht wurden, kommen bei Nephritis
nicht in Frage. Will man den Einfluß der Retention auf Oedeme
prüfen, so muß man den menschlichen ähnliche Verhältnisse
erzeugen und die Aufnahme vom Darm aus geschehen lassen.
Gegenüber dem renalen Moment der Plethora hydraemica
hat Cohnheim die extrarenalen Faktoren betont. Nach ihm
erklärt eine Entzündung der Gewebe der Haut die Wassersucht.
Senator hat dann unter dem Einfluß von Schädlichkeiten die
Nierengefäße, die Kapillaren der Glomeruli, erkranken lassen,
später sollen die übrigen Gefäßapparate der Haut und der
serösen Häute erkranken. Also diese Erkrankung der Gefäße
wäre die primäre Ursache der Wassersucht bei Nephritis.
Haben wir Beweise für die Cohnheim- Senator sehe
Theorie? Es ist sicher möglich, am Tiere einen Zustand zu
erzeugen, der dem Zustand der Wassersucht bei Nephritis
gleicht. Es gelingt mit Hilfe der Urannephritis. Eine große
Zahl von Forschern hat daran gearbeitet und nachgewiesen,
daß die experimentelle Urannephritis vor anderen toxischen
Nephritiden Besonderheiten darbietet, daß gerade bei dieser
die Neigung zu Oedembildung besteht. Man hat zur- Erklärung
pathologisch-anatomische Verschiedenheiten annehmen wollen,
aber ohne jeden Erfolg. Es gibt kein bestimmtes Substrat
dieser Störung; bald sind die Glomeruli, bald die Epithelien
betroffen, zumal in den chronischen Stadien. Die Uran¬
nephritis bedingt besonders die Erkrankung der Harnkanälchen.
Trotzdem unterscheidet sich die Urannephritis wesentlich durch
ihren hydropigenen Effekt. Es wäre aber denkbar, durch das
Studium der Funktionen der Niere einen Zusammenhang auf¬
zuklären. Diesen Weg haben Schlayer und K a j a s o be¬
treten. Ihnen verdanken wir eine wesentliche Erweiterung
unserer Kenntnisse von der Nierenwassersucht. In einem
Punkte unterscheidet sich die Urannephritis von den anderen
toxisch-experimentellen, nämlich durch die plötzlich auftretende
Insuffizienz der Ausscheidung gegen erhöhte Zufuhr von
Wasser. Es ist eine Schädigung der Nierengefäße, eine Ver¬
änderung ihrer Durchlässigkeit. Es kommt zu starker Retention
von Wasser und Elektrolyten. Es ist aber möglich, daß noch
Veränderungen der serösen Häute und Störung der Wasser¬
verteilung unabhängig von den Gefäßveränderungen Vor¬
kommen. Dafür traten Koranyi und seine Schüler ein.
Nach ihnen geht ein Strom von Geweben zu den Gefäßen. Es
liegen Störungen in den Geweben bei Hydrops vor. Für Er¬
schwerung der Zirkulation und Erleichterung der Transsudation
liegen Befunde vor. Die Oedembildung ist von einer Abnahme
der Blutmenge nicht begleitet. Es zeigt sich auch ohne Wasser¬
zufuhr von außen Zunahme der Blutmenge auf dem Höhepunkt
der Oedeme. Aber gerade bei der künstlichen Nephritis, die
mit Wassersucht einhergeht, müßte man schon bei Beginn der
Versuche ein Gleichbleiben oder eine Zunahme der Blutmenge
verlangen. Das ist nicht der Fall. Daher kann man eine
Stromrichtung des Wassers aus den Gefäßen heraus, also eine
Schädigung der letzteren, nicht ohne weiteres bestätigen.
Kann die Cohnheim-Senator sehe Theorie zu Recht
bestehen? Man hat versucht festzustellen, ob nach Ausschaltung
der Niere doch Hydrops durch Gifte erzeugt wird, und gesehen,
daß nach Nierenexstirpation auch die Ödeme fortfielen. Aber
das beweist nichts; denn die Haut wird auch hier geschädigt.
Auch bei Nierenexstirpation kommt es zu Oedemen. Das Uran
trifft also nicht gesunde, sondern kranke Gewebe. So ist die
Entstehung von Nierenwassersucht durch extrarenale Momente
noch zu beweisen.
Schlayer versuchte sie durch direkte Schädigung zu be¬
weisen. Er fand, daß die Hauptgefäße bei experimenteller
hydrämischer Plethora durchlässiger werden, aber nicht etwa
in der Art, daß die gedehnten Kapillaren reißen, sondern erst
wenn die Nierengefäße Zeichen von Funktionsschädigung
zeigen. Also beides geht parallel. Schlayer und seine Mit¬
arbeiter kommen zur gleichen Auffassung wie Senator:
Das Ursprüngliche ist die Schädigung der Nierengefäße infolge
fortschreitender Erkrankung des Nierengefäßsystems bei zu¬
gleich fortschreitender Vergiftung der Hautgefäße. Also weder
Kochsalz- und Wasserretention allein, noch Vergiftung allein
genügt. Die Kombination beider Faktoren würde den Prozeß
erklären. Schlayer und Hedinger weisen auf den Unter¬
schied zwischen dem Zwischen- und dem Endstadium der Uran¬
nephritis hin. Im Zwischenstadium entsteht kein Oedem; es
ist erst im Endstadium deutlich. Also inzwischen ist Läsion der
Gefäße und Permeabilität hinzugetreten.
Es kommt eine wenig feine Reaktion bei dieser Art
Versuchen zu Stande. Vortragender hat sich bemüht, einen
anderen Weg ausfindig zu machen. Er versuchte erst
die Gefäße zu schädigen ' und untersuchte dann die
Permeabilität. Wenn die Cohnheim-Senator sehe
Theorie zutrifft, dann müßte es überall da möglich sein, Oedeme
zu erzeugen, wo die Erscheinung der Niereninsuffizienz, die
Retention, besteht. In der intravenösen Injektion von Amyl-
nitrit fand Vortr. ein solches Mittel. Hier wirkt die Kombina¬
tion der Gefäßmittel mit verschiedenen Nierengiften. Hier
kommen ausgesprochene Oedeme zustande. Die hydropigene-
Wirkung des Urans wird außerordentlich verstärkt. Bei völliger
Einstellung der Nierenfunktion durch Nephrektomie kommt bei
Reizung der Gefäße ebenfalls Hydrops zustande. Neigung zur'
Oedembildung ist nur dann vorhanden, wenn gleichzeitig
Gefäßschädigung besteht. Diese ist also der wichtigste und
immer gleichbleibende Faktor. Die anderen Momente wirken
alle nur, wenn gleichzeitig Gefäßschädigung besteht oder mjt
ihnen verbunden ist. Es wird dann die Durchlässigkeit der
Gefäße so groß, daß nicht einmal die Retention von Wasser nötig
ist, um Wasseraustritt zu erzielen.
Auch nach anderer Richtung wurde der Beweis geführt.
Gelingt es, ein Nierengift zu finden, das Wasser aus den Ge¬
weben und dem Blut zieht, so muß auch das zu Oedemen und
Hydrops führen. Das ist das Glyzerin, wenn es subkutan in¬
jiziert wird. Im Stadium der Albuminurie und Hämaturie
macht es ausgesprochene Oedeme und Höhlenhydrops. Das
ausgetretene Wasser wird dem Blut entzogen. Es läuft also,
ein Wasserstrom aus dem Blut in die Gewebe.
Was die Giftwirkung bei nephritisehem Hydrops anbelangt,
so ist wahrscheinlich, daß es Giftwirkungen gibt, die die Ge¬
fäße schädigen. Magnus-Levy fand im Chloralhydrat eine
solche Substanz, die zum Wasseraustritt aus den Gefäßen führt.
Es ist wahrscheinlich, daß die erkrankte Niere selbst Gifte
liefert. Bei fortgesetzten Adrenalineinspritzungen kommen
Oedeme vor. Vielleicht spielen auch diese Momente eine ge¬
wisse Rolle. Bei Nephrektomie wird bei Behandlung mit Koch¬
salzlösungen die Neigung zu Oedemen verstärkt. Endlich
könnten die retinierten Salze die Gefäße schädigen. Beweise
liegen noch nicht vor. Ca CI» kann allein Oedeme und Ascites
erzeugen.
Das Fazit aller Ausführungen ist folgendes: Im allgemeinen
spielen bei dem Zustandekommen der Nierenwassersucht mit:
1. anatomisch-funktionelle lokalisierte Schädigungen der Niere
mit Retention von Salz und Wasser, 2. Hydrämie, 3. Schädigung
der Gefäßwände. Aber diese drei Faktoren sind nicht gleich¬
wertig. Die Ursache ist die Schädigung der Niere und der Ge¬
fäße. Die Retention von Salz und Wasser ist nur die Ver¬
anlassung der Wassersucht, begünstigt und löst sie aus. Allein
macht die Retention keine Wassersucht. Nur bei Säuglingen
scheinen Wasserretention und Wassersucht allerdings in¬
einander überzugehen. Nach Senator sind wahre Ergüsse-
bei Säuglingen immer eitrig.
So wenig Ergebnisse sich theoretisch gewinnen ließen,
immerhin ist es wichtig, daß es mit ihrer Hilfe möglich ist, den
Grad der Wassersucht therapeutisch zu beeinflussen.
Mode.
27. Kongress für innere Medizin in Wiesbaden
vom 18.—21. April 1910.
Berichterstatter: K. Reicher (Berlin).
(Schluß.)
Herr Schlayer (Tübingen): Untersuchungen über die
Funktion kranker menschlicher Nieren.
Oligurie ist immer die Folge einer vaskulären Läsion ln
der Niere; in allen Fällen von Oligurie ist auch die Milchzucker¬
ausscheidung stark verlängert. Die Polyurie bei Schrumpf¬
niere ist als Reizerscheinung, als Symptom der beginnenden
Gefäßschädigung zu deuten. Das wichtige an S c h.’s bekannten
neuen funktionellen Untersuchungen liegt in der Möglichkeit,
uns jederzeit bis zu einem gewissen Grade über die anatomi¬
schen Veränderungen der kranken Niere orientieren zu können.
Herr Hedinger (Badenweiler): Ueber die Wirkungsweise
von Nieren- und Herzmitteln auf kranke Nieren.
Bei der Cantharidinvergiftung, also der vaskulären Form
der Nephritis wirken schon wenige Stunden nach der Intoxika¬
tion die Diuretica nicht mehr, ebensowenig in den Endstadien
der tubulösen Nephritis, weil dann sekundär auch die Nieren¬
gefäße geschädigt sind. Bei der reinen tubären Form der
Nephritis hingegen haben Theophyllin und ebenso Na CI eine
enorme Harnflut und-starke Erweiterung der Nierengefäße zur
Folge. Aehnlich wirken Digitalispräparate.
Herr Lichtwitz (Göttingen): Die Konzentrationsarbeit der
Niere.
Die Konzentrierung des Chlors kann isoliert geschädigt
sein, in manchen Fällen gehen N-Anstiege parallel mit P»0 5 -
Vermehrung. Die Eigenschaft der Diuretica, der Purinderivate
sowohl wie der Salze, kolloidfällend zu wirken, führt L. dazu,
die Konzentrations- und Sekretionsarbeit der Nieren auf
kolloidchemische Vorgänge zu beziehen. Die in die Zelle ein¬
tretenden Stoffe bewirken eine Fällung von Zellkolloiden
(Granulabildung), die durch Adsorption die gelösten Stoffe fest-
halten und damit konzentrieren. Diese Granula werden sezer-
niert und bedingen die Existenz der Harnkolloide. Der Durch¬
tritt von Wasser durch die Zellen erfolgt durch Quellung und
Entquellung. ■
No. 27.
427
THERAPEUTISCHE
. Herr, H. Philippi (Davos): Ueber Entfieberungen bei
Lungentuberkulose durch kleinste Dosen Tuberkulin.
P h. hat mit ungeheuer kleinen Dosen, Millionstel Milli¬
gramme T. 0. A., Entfieberungen bei Tuberkulösen erzielt und
die auffallendsten Erfolge bei Patienten des dritten Stadiums
(70 pCt. gegen 45,8 pCt. der nicht spezifisch behandelten) ge¬
sehen.
Herr Lommel (Jena): Zur Pathogenese der Lungen¬
emphysems.
L. untersuchte bei den Glasbläsern, welche bedeutende
exspiratorische Anstrengungen leisten, die verschiedenen Kom¬
ponenten des Lungenluftwechsels und fand die Totalkapazität
ihrer Lungen annähernd normal, ebenso die absoluten Werte
der Mittellage. Die Menge der Residualluft war verschiedent¬
lich sehr hoch, das Verhältnis der Residualluft zur Totalkapazi¬
tät, welches bei Gesunden 30 pCt. beträgt, betrug wiedernolt
45 und 56 pCt., also eine Vermehrung des funktionell nicht
brauchbaren Restes wie bei Emphysematikern, und es fehlten
Herz- und Kreislaufstörungen. Aus diesen interessanten Unter¬
suchungen ergibt sich, daß bei chronischer exspiratorischer An¬
strengung der Lungenluftwechsel häufig in derselben Richtung
von der Norm abweicht wie beim echten Emphysem. Darin
scheint ein pathogenetisch begünstigender Faktor für das echte
Emphysem zu liegen.
Herren Bittorf und Forschbach (Breslau): Ergebnisse
spirometrischer Untersuchungen.
Der gesunde Mensch reagiert auf die verschiedensten auch
außerhalb des Atmungsvorganges gelegenen Reize (chemische,
mechanische und in höheren Zentren lokalisierte) mit einer
vermehrten mittleren Füllung der Lunge (Erhöhung der Mittel¬
lage). Die Untersuchungen an Gesunden, Herzkranken und
Emphysematikern ergaben aber keine Stütze für B o h r s An¬
schauung, daß es sich dabei stets um einen zweckmäßigen Vor¬
gang zur Verbesserung des Gasaustausches in der Lunge
handle.
Herr Ephraim (Breslau): Lieber entlobronchiale Therapie,
besonders bei der chronischen Bronchitis und beim endo-
bronchialen Asthma.
E. hat einen biegsamen Spray konstruiert, den man durch
das Bronchoskop einführen und mit dem man beliebige Stellen
wirklich endobronchial behandeln kann. Bei chronischer
Bronchitis bewirkt ein- oder mehrmalige Einstäubung von
Novocain-Suprarenin eine erhebliche Steigerung und Erleichte¬
rung der Expektoration, welche die Beseitigung der katarrhali¬
schen Beschwerden einleitet. Ebenso erzielte E. bei 44 Fällen
von Bronchialasthma regelmäßig eine unmittelbare, meist
dauernde Behebung der asthmatischen Erscheinungen.
Bei einer langjährigen Bronchektasie erreichte E. nach
Aspiration des Sekrets unter lokaler Behandlung mit Terpentin
und Aoua picea eine bedeutende Verminderung des Auswurfs.
Diskussion:
Herr Kraus (Berlin) hat bei gewöhnlicher, mehrere Tage
fortgesetzter Inhalation von 1 ccm der Adrenalinstammlösung
auch bei Asthmatikern auffallende Besserungen gesehen. Das
Vorgehen von Ephraim bedeutet jedenfalls einen Fortschritt.
Herr Kuhn (Biebrich a. Rh.): Physikalische Behandlung
des Asthma bronchiale.
An Stelle der schädlichen Ausatmungsübungen der Emphy-
sematiker sind Einatmungsübungen zu setzen, und zwar muß
man praktischerweise die Einatmung erschweren, wodurch
eine Verlängerung derselben zustande kommt. In dem Sinne
hat sich die Kuhn sehe Lungensaugmaske, welche eine thera¬
peutische Abstufung der Erschwerung gestattet, außerordentlich
bewährt.
Herr Köhler (Wiesbaden): Demonstration eines einfachen
Gestelles für Teleröntgenographie.
K. demonstriert ein zusammenlegbares, einfaches Gestell
mit Präzisionseinstellvorrichtung, welches eine fehlerfreie Er¬
mittlung von Herzgröße und Form gewährleistet und sich auch
für Thorax- und Darmuntersuchungen eignet.
XIX. Versammlung der Deutschen Otologischen
Gesellschaft.
Am 13. und 14. Mai 1910 fand in Dresden die 19. Versamm¬
lung der Deutschen Otologischen Gesellschaft statt, an der laut
Präsenzliste 136 Aerzte teilnahmen.
Nach Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden. Herrn
Geheimrat Schwabach (Berlin) begrüßte Herr Prof. Klimmer
die Gesellschaft im Namen der Gesellschaft für Natur- und Heil¬
kunde in Dresden, Herr Dr. Baron als Vertreter der Aerzte-
kammer und des ärztlichen Bezirksvereins Dresden.
In der Geschäftssitzung gedachte der Vorsitzende zweier
Mitglieder, die die Gesellschaft im vergangenen Jahre durch den
Tod verloren: Katz (Berlin) und Zaufal (Prag). Der Schatz¬
meister berichtete über den Stand des Vermögens, der Schrift¬
führer über die Aufnahme von 27 Mitgliedern; die Mitgliederzahl
stieg dadurch auf 470. Prof. Denker legte die VII. Liefe¬
rung der von der Gesellschaft herausgegebenen „Anatomie der
RUNDSCHAU 1910.
Taubstummheit“ vor, enthaltend Arbeiten von (J u i x und
Brouwer,Üffenorde,. Schoeneman n und D e n k e.r.
Als Ort für die XX. Versammlung wurde Frankfurt a. M.
gewählt, als Zeit Freitag und Sonnabend vor Pfingsten 1911.
Die wissenschaftliche Sitzung wurde durch das Referat von
Malusse eröffnet.
Herr Manasse (Straßburg i. E.): Die Folgezuständc der
Verletzungen des Schläfenbeins.
M. teilt die Folgezustände der Verletzungen des Schläfen¬
beins in drei Gruppen:
I. Fälle, die direkt durch das Trauma zugrunde gehen;'
II. Fälle, die indirekt, also an den weiteren Folgen des
Traumas, das Leben einbüßen;
III. Fülle, die mit dem Leben davonkommen.
Die I. Gruppe ist für das Referat ohne Interesse, die 11.
wird kurz besprochen, zu ihr gehören die Fälle, die an eitriger
Meningitis, selten an Sinusthromben oder Hirnabscessen zu¬
grunde gehen. Man könnte sie bezeichnen als „entzündliche
Erkrankungen des Hirns und seiner Häute nach Felsenbein¬
traumen“. ■ I
Das größte Interesse beansprucht die 111. Gruppe, welche
diejenigen Patienten umfaßt, die an ihrem Felsenbeintrauma
weder direkt noch indirekt zugrunde gehen. Sie werden ein¬
geteilt in
A. solche, die auch funktionell zur völligen oder fast völligen
Heilung kommen.
a) Leichte Fälle (R h e s e) mit normalem oder fast normalem
Gehör, aber sonst deutlich nachweisbaren Labyrinth¬
störungen, bedingt durch Commotio labyrinthi.
b) Schwere Fälle von typischer Basisfraktur, die trotzdem
auch zur funktionellen Heilung kommen (ziemlich selten).
B. Fülle mit dauernder schwerer Schädigung der Funktion:
traumatische Taubheit oder Schwerhörigkeit.
a) Zufolge von Felsenbeinfraktur.
b) Zufolge von Commotio labyrinthi, beide nur anatomisch,
weniger klinisch zu unterscheiden.
Herr Rudolf Panse: Präparate von geheilter Meningitis nach
Ohreiterung infolge Schläfenbeinbruchs.
33 jährige. Ohnmacht, Fall. Fieber, Ohrenschmerz, scharfes
Zischen. Schwindel, Erbrechen, Taubheit. .Trommelfellschnitt,
Aufmeißelung fördert wenig Eiter. Dauerndes Fieber, Hinter¬
kopfschmerz, kein Patellarreflex. Oeffnung des Labyrinthes
ohne Nystagmus, beider Schädelgruben, ohne Eiter zu finden.
1 Jahr später Tod an Frauenleiden. Verwachsungen zwischen
linker Kleinhirnhemisphäre und Oblongata. Glatte Hirnhaut¬
narben. Blut zwischen Dura und Knochen.
Pyramide mit Bindegewebe gefüllt, in dem ein Sequester
eingeheilt ist, Schnecke knöchern ohliteriert.
Diskussion:
Herren Busch, Kümmel, Voss. R u 11 i n, R h e s e ,
H aike, Frey, Denker, Bäräny,Wagener, Habe r-
m ann.
Herr Dennert: Zur Physiologie der Schallauslösung im Ge¬
hörorgane.
Vortragender war nach seinen früheren in dieser Versamm¬
lung in Hamburg und Bremen mitgeteilten Untersuchungen zu
dem Schluß gelangt, daß der Schall auf drei Wegen, dem
Paukenhöhlenapparat, dem Knochen und dem runden Fenster
in das innere Ohr gelangt, daß aber der Weg durch den Pauken¬
höhlenapparat zweckmäßiger für diese Aufgabe von der Natur
entwickelt sei als die beiden anderen W T ege, und wurde durch
diese Untersuchungen zugleich auch der Gedanke nahegelegt,
daß der normale Vorgang der Schallübertragung im Ohr ein
molekulärer sei.
Um nun weiter die molekuläre Theorie in bezug auf ihre
Bedeutung zu studieren, prüfte er an der Hand experimenteller
Versuche nach beiden Richtungen, nach der Seite der moleku¬
laren wie der massalen Theorie, ihre größere oder geringere
Zweckmäßigkeit. In bezug auf die molekuläre Theorie konnte
er an der Hand sehr instruktiver Versuchsanordnungen ent¬
wickeln, daß der Vorgang sich hier nach dem allgemeinen
physikalischen Gesetz der Mitteilung und Leitung des Schalls
vollzieht und daß dieses Gesetz sehr geeignet sei, den Vorgang
der Schall Übertragung im Ohr auf molekularem Wege in ein¬
fachster Weise zu erklären, während der ganz besonders als
Paradigma ins Feld geführte Versuch mit dem Phonographen
infolge seiner ganzen Konfiguration, seiner sehr viel geringeren
Leistungsfähigkeit gegenüber dem Ohr. und weil sich seine
Fünktion in gleichem Medium, die des Ohrs in verschiedenen
Medien. Fett und Flüssigkeit, vollzieht, nicht als solches gelten
kann. In bezug darauf, wie die Bedingungen im Ohr selbst für
die beiden Theorien entwickelt seien, konnte der Vortragende
für die molekuläre Theorie die anatomische und physio¬
logische Zweckmäßigkeit der Einrichtungen im Ohr ent¬
wickeln, während die von Helm hol tz mit großer geistiger
Schärfe entwickelte massale, Theorie bei seinen Voraus¬
setzungen in bezug auf die Einrichtungen im Gehörorgan und
428
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
an der Hand des Kirchhoff-d’Ale m bert sehen Prinzips
und seiner mathematischen Entwicklungen zwar anscheinend
begründet sei, seine Voraussetzungen aber aus theoreti¬
schen, anatomisch-histologischen Gründen und namentlich auch
infolge von Beobachtungen an Ohrenkranken begründete Zweifel
an ihrer Stichhaltigkeit aufkommen ließen. Was nun den
schwierigsten Punkt, die Auslösung des Schalles im Ohr an-
betrifft, so gibt der Resonanzvorgang, der sich zwischen zwei
Körpern gleicher Schwingungsperiode vollzieht und sich
nach seinen Untersuchungen als Teilerscheinung des all-
genjeinen physikalischen Gesetzes von der Mitteilung und
Leitung des Schalls erwiesen hat. einen deutlichen Fingerzeig
für die Lösung dieser Frage auf molekularem Wege, wobei
der Vortr. die resonatorische Eigenschaft nicht wie Helm-
li o 11 z in den Fasern der Memb. cort., sondern in der inneren
Anordnung der Moleküle und Atome, den inneren Kräften, der
spezifischen Energie der Hörzellen sucht. Es vollziehe sich somit
die Schallübertragung wie die Schallauslösung von der Schall¬
quelle bis einschließlich zu den Hörzellen, das ist auf moleku¬
larem Wege, nach dem allgemeinen physikalischen Gesetz der
Mitteilung der Leitung des Schalls und seiner speziellen An¬
wendung, der Resonanz. Unsere als zweckmäßig erkannten
Maßnahmen wie unsere physiologischen Kenntnisse, spez. über
Akkommodation, Dämpfung und die Funktion des runden
Fensters, stehen im Einklang mit dieser Theorie, und sie bietet
weitere Ausblicke nach beiden Richtungen.
Herr E. Waetzmann (Breslau): Die akustischen Eigen¬
schaften der Membrana basilaris.
Es werden die Konsequenzen der an anderer Seite be¬
gründeten Annahme erörtert, daß die Resonatoren im Ohre
für den mittleren Teil der Tonskala etwa die gleiche Abklinge¬
zeit haben. Diese Hypothese vermag eine Reihe von Erschei¬
nungen zu erklären, denen die H eil m h ol t z sehe Annahme,
daß alle Ohrresonatoren etwa gleich stark gedämpft sind, nicht
gerecht zu werden vermag.
Hierher gehört die Tatsache, daß in den tiefen Oktaven
weitere Intervalle von Primärtönen noch Schwebungen geben
als in den hohen Oktaven; ferner, daß die Zonen völliger Ver¬
schmelzung zweier Primärtöne zu einem Zwischenton in den
höheren Oktaven relativ enger sind als in den tieferen. Die
erwähnte Hypothese gestattet auch physiologische Aequivalente
für eine ganze Reihe von Regeln aus der Harmonielehre anzu¬
geben, sowie die Helm holt z sehe Theorie der Konsonanz
und Dissonanz rechnerisch zu verifizieren.
Zum Schluß wird darauf hingewiesen, daß die in den letz¬
ten Jahren an Meerschweinchen angestellten Versuche über
Schädigungen des C o r t i sehen Organs bei Einwirkung lang¬
dauernder, starker Töne durchaus zugunsten der Resonanz¬
theorie als solcher zu deuten sind.
Derselbe: Ueber Differenztöne höherer Ordnung.
Es wird gezeigt, daß die Differenztöne höherer Ordnung
nicht als Sekundärerscheinungen eines der Primärtöne und
eines Differenztones niedrigerer Ordnung aufzufassen sind,
sondern daß sie direkt aus den Primärtönen entstehen, ebenso
wie der Differenzton erster Ordnung.
Des weiteren wird gezeigt, daß die H el m hol t z sehe
Theorie der Kombinationstöne den experimentellen Befund über
die Eigenschaften der Differenztöne höherer Ordnung in be¬
friedigender Weise wiedergibt, w r oniit rückwärts ein Beweis für
die Richtigkeit der Helmholtz sehen Theorie erbracht ist.
Diskussion:
Herren Brünings, Zimmermann, Kümmel,
v. Ei ck en.
Herr Denker (Erlangen): Zur Funktion der Schnecke und
des Vorhofbogengangapparates.
In seinen Ausführungen nimmt der Vortragende Stellung
zu der von Lticae aufgestellten Theorie daß der Schnecke nur
die Perzeption der ultramusikalischen Töne, d. h. der Töne von
der 5. oder 6. Oktave an aufwärts zukomme, daß die
musikalischen Töne von den Christae ampullarum und
die farblosen Geräusche von der Macula utriculi und
sacculi perzipiert werden. Nach den Ergebnissen seiner
Untersuchungen gelangt D. zu der Ansicht, daß die
l.ucae sehe Theorie durch die von dem Autor selbst
ins Feld geführten Gründe nicht genügend gestützt erscheint,
und daß die Resultate der experimentellen Untersuchungen am
Tierohr ebenso wie die Befunde bei Taubstummen fast aus¬
nahmslos gegen die Richtigkeit der Lucae sehen Lehre
sprechen. Es müsse deswegen an der Funktion der Schnecke
als Organ der Hörperzeption festgehalten werden; ob dem Vor¬
hofbogengangapparat ein gewisses, geringes Schallperzeptions¬
vermögen zukomme, lasse sich nicht ganz ausschließen, sicher
festgestellt sei es aber noch nicht. .
Herr Bäräny berichtet über seine Versuche, die Wirkung
des künstlichen Trommelfells zu studieren und zu erklären.
Unter künstlichem Trommelfell versteht man eine bei Zer¬
störung des Trommelfells im Mittelohr auf die Gegend des Steig¬
bügels oder des runden Fensters gelegte, paraffingetränkte
No. 27.
Wattekugel, die eine Hörverbesserung zur Folge hat. An
Stelle der Wattekugel kann man auch Silberpapier oder eine
Gummiplatte verwenden.. Die Wirkung dieser Prothesen war
bisher nicht erklärt. Bäräny hat, um diese Wirkung zu ver¬
stehen, Versuche mit Eingießen von Quecksilber vorgenonnnen.
Dazu eignen sich nur Patienten, bei denen die Tuba Eustachii
verschlossen und die Trommelhöhle vollkommen epidermisiert
ist. Schüttet man in einem derartigen Falle einen Tropfen
Quecksilber ins Ohr, so tritt in dem Momente, wo das Queck¬
silber die Nische zum runden Fenster bedeckt, die Hörverbesse¬
rung auf. Dieser Versuch läßt sich beliebig oft hintereinander
wiederholen und auf diese Weise gelingt es, genau die Art der
Hörverbesserung mit Stimmgabeln zu studieren und auch die
Ursachen derselben aufzudecken. Der Quecksilbertropfen be¬
wirkt nämlich nichts anderes, als daß er die Schallwellen aut
ihrem Wege zur Membran des runden Fensters aufhält. Ist das
Trommelfell zerstört, so gelangen, die Schallwellen zu gleicher
Zeit zu den Membranen des runden und ovalen Fensters und
versuchen zu gleicher Zeit beide einwärts zu drücken. Nun
ist aber das Labyrinth von einer inkompressiblen Flüssigkeit
erfüllt. Infolgedessen würde bei gleicher Größe der beiden
Fenstermembranen überhaupt kein Schall in das Labyrinth
einzudringen vermögen da sich die auf die beiden Membranen
einwirkenden, gleich großen und entgegengesetzt gerichteten
Kräfte aufheben würden. Da die runde Fenstermembran
aber größer ist als die ovale, so wird doch noch etwas, aber
wenig gehört. Verschließt man aber dem Schall den Weg zu
einer der beiden Membranen, so kann er nun ungehindert die
eine in Schwingung versetzen, während die andere lediglich als
Ausweichstelle fungiert. Damit tritt daher sofort eine Hörver¬
besserung auf. Auf Grund dieser Ueberlegungen ist es ver¬
ständlich warum die Fixation des Steigbügels wie sie bei der
Otosklerose. diese Krux der Ohrenärzte, auftritt, eine so große
Schwerhörigkeit verursacht. Es fehlt eben jetzt eine Ausweich¬
stelle. Daß überhaupt noch gehört wird beruht wahrscheinlich
darauf, daß die Blutgefäß? des Labyrinths ein? gewisse Aus
Weichsmöglichkeit ergeben. Bäräny zieht aus seinen Versuchen
den Schluß daß ps durch Anlegen einer Labyrinthöffnung an
einem gegen das Eindringen der Luftschallwellen geschützten
Punkte gelingen müsse in Fällen mit Fixation des Steigbügels
den Patienten das Gehör wiederzugeben.
Diskussion:
Herren Nadoleczny. Rudolf Panse. Herzog,
Nager. Scheibe, Gomperz, Dennert. Hegener,
Bäräny.
Herr E. Waetzmann (Breslau): Vorschlag zu einer exakten
Methode der Ibirschärfehestimmllmr.
Die Methode beruht auf der Interferenz des Schalles. Es
werden mehrere Interferenzvorrichtungen in der Weise ge¬
koppelt, daß sie gleichzeitig und um gleichviel verstellt werden
können. Dadurch ist die Möglichkeit geneben, einen Ton in
beliebigen Abstufungen und in meßbarer Weise zu schwächen.
Als besondere Vorzüge der Methode gegenüber Bestim¬
mungen mittels der Stimmgabel werden erwähnt: Sämtliche
Obertöne der Klangnuelle können mit Sicherheit ausgeschlossen
resp. ertötet werden: die sehr schwierige Bestimmung der Ab-
klinguneskurve der Klangniielle. z B. der Stimmgabel, fällt fort.
Der Moment des Verschwindens des Tones, der bei abklingen
den Klangnuellen (Stimmgabel! sehr schwer zu bestimmen ist,
kann in aller Ruhe festgestellt werden da der beschriebene
ApDarat gestattet, jede beliebige Intensität des Tones beliebig
lange konstant zu halten Ins der Hörende mit Sicherheit auszu-
sagen vermag, ob er den Ton noch hört oder nicht.
(Fortsetzung folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
Prof. Dr. Braun (Zwickau) wendet das von den Höchster
Farbwerken hergestellte synthetische Sunrarenin seit einigen
Monaten in der gleichen Form und in den gleichen Dosen wie
bisher das Organsuprarenin an und hat keinen Unterschied in
der Wirkung finden können. Sein Testobjekt bei derartigen
Prüfungen pflegt die Radikaloperation des doppelseitigen
Leistenbruches zu sein. Er anästhesierte die eine Seite mit der
gewohnten Novokainlösung, die eine bestimmte Menge Organ¬
suprarenin enthielt, die andere Seite mit der gleichen Menge
Novokainlösung, welche die gleiche Menge des zu prüfenden
Präparates enthielt. So war er in der Lage, beim ersten Ver¬
such die Identität des synthetischen Suprarenins mit dem Organ¬
suprarenin zu erkennen. Für die Praxis ist dieses Ergebnis
der chemischen Industrie keineswegs ohne Bedeutung. Demi
die Reinheit und Gleichmäßigkeit eines synthetischen Präpa¬
rates kann weit besser garantiert werden als die eines aus den
Organen von Schlachttieren hergestellten Präparates. Das
synthetische Suprarenin ist gegen Alkalien natürlich ebenso
empfindlich, wie das Organsuprarenin. Es empfiehlt sich daher,
der zur Herstellung von Lösungen bestimmten physiologischen
No. 27.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
429
Kochsalzlösung eine Spur Salzsäure (zwei bis drei Tropfen
offizineile verdünnte Salzsäure auf den Liter) zuzusetzen. Solche
Lösungen vertragen dann jede Sterilisation und sind einige
Zeit haltbar. Die für die Lokalanästhesie bestimmten Novo- i
kaintabletten der Höchster Farbwerke werden in Zukunft an- j
statt des bisher ihnen zugesetzten borsauren Organsuprarenins j
die entsprechende Menge weinsaures synthetisches Suprarenin ]
enthalten. Tabletten, welche 1 mg reines synthetisches j
Suprarenin enthalten, dienten Verfasser zur Herstellung reiner
Suprareninlösung, die er zur Blutstillung bei T h i e r s c h sehen
Transplantationen und zur intravenösen Injektion bei Kollaps¬
zuständen anwendet. Die noch vielfach übliche Dosierung dieses
so überaus differenten Mittels durch Tropfen fertiger Lösung
kann Verfasser nicht mehr für zulässig halten, nachdem nun
alle Wege zu einer besseren Dosierung geebnet sind. (Zentral¬
blatt für Chirurgie, 1910, No. 16.) K r.
Dr. Bruno Bosse, leitender Arzt der Heimstätte Berlin N.20,
berichtet über klinische Erfahrungen mit dem neuen Keuch¬
hustenmittel „Eulatin“. Die günstigen Erfolge, welche
.mit dem Eulatin anderwärts erzielt sein sollten, veranlaßten
den Verfasser, Versuche mit den Tabletten anzustellen. Das
Präparat versucht nur, wie man aus seinen Komponenten
(Amidobenzoesäure, Brombenzoesäure und Antipyrin) ersehen
kann, symptomatisch zu wirken. Das Antipyrin fungiert darin
als anti infektiöses, die Benzoesäure als antikatarrhalisches und
exzitierendes Mittel, das Brom als Nervinum. Uebereinstimmend ;
mit den Erfahrungen anderer Autoren konnte Verfasser be- j
stätigen, daß vou dem Moment der Verabfolgung des Eulatins j
ab das Gesamtbild sich sofort änderte. Bei den meisten Kindern !
trat sofortige Verminderung der Zahl der Anfälle und Ab- |
Schwächung der Intensität derselben, besonders auch nachts, j
ein. Ohne Zuhilfenahme eines anderen Narkoticums oder J
irgendwelcher anderer Maßnahmen ließ das Erbrechen nach, {
die schweren Fälle gingen bald in das Stadium decrementi über, !
die Kinder sahen frisener aus, spielten wieder und nahmen da
an Gewicht zu, wo sie vorher abgenommen hatten. Das zähe
Sekret verflüssigte sich und lief mühelos aus Nase und Mund;
der konvulsivische Charakter der Anfälle ging in kurzem ver¬
loren. Nur pfeifende Inspirationen und der katarrhalische
Husten erinnerten gelegentlich noch an das Grundleiden. Ver- |
lasser behandelte im ganzen etwa 30 Fälle mit Eulatin. Das
Mittel wird von I)i'. Ludwig Oestreicher, Berlin W. 30,
hergestellt. (Centralblatt für Kinderheilkunde, 1910, Heft 4.)
L.
IV. ßücherscliau.
Anwendungsformen und Wirkungsweise der Hydrotherapie bei
den Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Von Ernst
Tobias (Berlin). Sammlung zwangloser Abhandlungen
aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoffwechselkrank¬
heiten, II. Band, Heft 5. Halle a. S. 1910, CarlMarhold,
' Verlagsbuchhandlung. 53 S. 1,40 M.
In der vorliegenden Abhandlung gibt der Verfasser eine
übersichtliche Zusammenstellung aller hydriatrischen Ma߬
nahmen, welche sich ihm bei den verschiedenen Verdauungs¬
krankheiten und Krankheiten des Stoffwechsels bewährt haben.
Von vornherein sei bemerkt, daß der Autor den Nutzen der
Hydrotherapie bei den in Rede stehenden Krankheiten in durch¬
aus objektiver Weise beurteilt und den hydriatrischen Proze¬
duren im allgemeinen mehr eine zweite Rolle neben den sonsti¬
gen therapeutischen Maßnahmen zuweist. Die langjährige aus¬
gedehnte Erfahrung auf dem Gebiet der praktischen Hydro¬
therapie befähigt den Autor, nur solche Maßnahmen zu empfeh¬
len, welche er als brauchbar erprobt hat. Die Darstellung ist
nach den einzelnen Krankheitsgebieten gegliedert; der erste
Teil ist den Krankheiten der Verdauungsorgane (Speiseröhre,
Magen, Darm), der Leber und des Bauchfells gewidmet, der
zweite Teil beschäftigt sich mit der Fettsucht, der Gicht und
dem Diabetes mellitus. Die nützliche Schrift sei allen Kollegen
bestens empfohlen.
Der Radiumvorrat der Natur. Von Dr. phil. Karl Kurz, Privat¬
dozent der Physik an der kgl. technischen Hochschule in
München. München, Verlag der ärztlichen Rundschau, Otto
Gmelin. 31 S.
In dieser kleinen Abhandlung werden die wichtigsten Tat¬
sachen der Radioaktivität, speziell das interessante Gebiet der
radioaktiven Umwandlungen recht klar und präzis, aber trotz¬
dem allgemeinverständlich behandelt; Da Verfasser nur die
wesentlichsten Forschungsergebnisse in großen Zügen dar¬
stellen will, geht er auf Einzelheiten, Meßmethoden, Experi¬
mente und dergleichen nicht ein. Er bespricht den Gegenstand
vorwiegend vom energetischen Standpunkt. 'Die Bedeutung der
radioaktiven Stoffe für die Medizin streift er nur gelegentlich.
Trotzdem empfehlen wir die Schrift auch den Kollegen zur
Lektüre; sie bietet frotz ihrer Kürze manche Belehrung.
Jahreskurse für ärztliche Fortbildung in zwölf Monatsheften.
Herausgeber: Profi, von Bruns, E. Bumm, Erb, von Grober.
v. Noorden, v. Strümpell, Redakteur: Dr. D. Sarason (Berlin).
München, Mai 1910, .1. F. Lehmanns Verlag. 5. Heft.
2,50 M. Preis des vollständigen Jahrgangs 16 M.
Das vorliegende Maihefl des Unternehmens ist den Nerven¬
krankheiten und der Psychiatrie gewidmet. Bearbeitet ist das
Gebiet der Nervenkrankheiten von Prof. E ding er (Frank¬
furt a. M.) und Prof. H. V o g t (Frankfurt a. M.), Autoren, welche
infolge ihrer Arbeiten auf dem Gebiet der Neurologie eine
autoritative Geltung genießen. E d i n g e r gibt eine allgemeine
anatomisch-physiologische Einleitung über das Rückenmark, be¬
spricht im Anschluß daran die Lumbalpunktion und ihre
diagnostische Bedeutung und referiert über die neuesten Fort¬
schritte hinsichtlich einiger Rückenmarkskrankheiten, ins¬
besondere der akuten Kinderlähmung. Vogt schildert ein¬
gehend die neuesten Forschungsergebnisse bezüglich der Polio¬
myelitis und der Encephalitis, besonders der Encephalitis der
Kinder. — Der psychiatrische Teil ist von Prof. Binswanger
und Prof. Dr. H. B e r g e r , beide in Jena, bearbeitet. Sehr an¬
regend behandelt Binswanger die ' allgemeinen
Grundlagen der Psychiatrie, wobei er insbesondere
auf die Grundfragen der Psychologie, die Beziehungen zwischen
Physischem und Psychischem sowie auf die, Vererbungslehre in
ihrer Bedeutung für die Psychiatrie eingeht, Berger gibt
einen Ueberblick über die neuesten Ergebnisse hinsichtlich der
organischen Psychosen (Dementia paralytica, Lues cerebri,
arteriosklerotische Psychosen), ein Gebiet, auf welchem die
letzten Jahre mancherlei neue Erkenntnis gebracht haben. Diese
Inhaltsangabe zeigt, daß in dem vorliegenden Heft ein ziemlich
reichhaltiger Stoff auf einen engen Raum zusammengedrängt ist;
für die Trefflichkeit der Darstellung sprechen die Namen der
Bearbeiter. R. L.
V. TagesgescMchte.
Standesangelegenheiten , Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
B e r 1 i n. Das Zentralkomitee für das ärztliche
Forthildungswesen in Preußen hielt agi 25. Juni unter
dem Vorsitz von Geheimrat Waldeyer seine zehnte
Generalversammlung ab. Nach einigen einleitenden
Worten des Vorsitzenden erstattete der General¬
sekretär Prof. Dr. Kutn er den Jahresbericht. Nach diesem be¬
stehen gegenwärtig in Preußen 28 örtliche Vereinigungen für
ärztliche Fortbildung, in 35 Städten ist Fortbildungsgelegenheit.
In ganz Deutschlang haben 14 Staaten Komitees, im ganzen
findet in 55 Städten unentgeltliche ärztliche Fortbildung statt.
Im vorigen Jahre wurde im Anschluß an den Budapester Aerzte-
kongreß ein Internationales Komitee für ärztliche
Fortbildung begründet. Dieses wird eine Sammelforschung über
die akademische Ausbildung und Fortbildung in allen Ländern
veranstalten, eine internationale Auskunftei errichten und Listen
über die Fortbildungskurse aus allen veröffentlichen. Gelegent¬
lich der Hundertjahrfeier der Berliner Universität soll eine
Sitzung stattfinden, in der besonders über die wissenschaftliche
und praktische Gleichwertigkeit der Ausbildung und Fortbildung
der Aerzte in den verschiedenen Ländern beraten werden soll.
Von einzelnen Orten erstatteten Prof. Tillmann Bericht über
die Akademie in Cöln, Prof. L u bars c h über die Akademie in
Düsseldorf, Prof. Alt über Sonderkurse in der Anstalt Ucht-
springe. Es folgte dann eine sehr ausgedehnte Erörterung über
das praktische Jahr in seiner Beziehung zur ärztlichen
Fortbildung. Hierzu erstatteten zunächst Prof. Kutner, Prof.
Hoff mann (Düsseldorf) und Prof. Peiper (Greifswald)
Referate. Sie kamen alle zu dem Schluß, daß sich das praktische
Jahr in seiner jetzigen Ausführung nicht bewährt habe. Auch
Prof. Alt (Uchtspringe) und Prof. Lubarsch (Düsseldorf)
sprachen die gleiche Ansicht aus. Prof. Leunhoff (Berlin)
berührte die Ausbildung in der sozialen Medizin, die er
vorwiegend dem praktischen Jahr zuweisen will. Wenn die
Aerzte aus sich heraus Seminare für soziale Medizin gegründet
hätten, so sei dieses eben nur geschehen, weil es bislang hierfür
an jeder anderen Ausbildungsmöglichkeit gefehlt habe. Be¬
schlüsse über die Phage wurden in der Versammlung nicht ge¬
faßt. Sie wählte zum Schluß den Kultusminister v. Trott z u
Solz und den jetzigen Kurator der Universität Marburg, Geh.
Rat Schmidt m ann, früheren Vortragenden Rat im Kultus¬
ministerium, zu außerordentlichen Mitgliedern. Es fand dann
eine Besichtigung der im Kaiserin Friedrich-Hause unter¬
gebrachten und von Prof. Holländer neugeordneten histori¬
schen Universitätssammlung medizinischer Instrumente statt,
die jetzt gerade hundert Jahre besteht.
Cöln. Das Ehrengericht der Rheinischen Aerzte-
kammer in Coblenz hatte im Januar 1909 gegen acht Cölner
Aerzte, die mit dem Krankenkassenverband in Cöln Verträge
abgeschlossen hatten, wegen Bruches des Ehrenwortes auf Ver-
430
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 27.
weis und Geldstrafen von je 300 M. erkannt und die Veröffent¬
lichung des Urteils in der „Kölnischen Zeitung“ und der „Kölni¬
schen Volkszeitung“ angeordnet. Der ärztliche Ehren¬
gerichtshof für Preußen, der von den Verurteilten als Be¬
rufungsinstanz angerufen worden war, hat am 7. Juni d. J. das
Urteil im wesentlichen bestätigt und nur insofern eine Milderung
angeordnet, als von der Veröffentlichung des Urteils in den ge¬
nannten Zeitungen nunmehr abgesehen wird.
Universitätswesen, Personalnachrichten.
B e r 1 i n. Die Rechte der außerordentlichen Professoren
innerhalb des Lehrkörpers der preußischen Universitäten sind
erweitert worden. Wie die Tageszeitungen mitteilen, ist vor
kurzem eine königliche Verordnung erlassen worden, die folgen¬
des bestimmt: 1. daß hinfort die etatsmäßigen außerordentlichen
Professoren, welche ein in ihrer Fakultät nicht vertretenes
Spezialfach bekleiden, in dieser Fakultät Sitz und beschließende
Stimme haben, wenn es sich um Angelegenheiten ihres Spezial-
faches handelt; 2., daß an den Universitäten zu Berlin, Bonn,
Breslau, Greifswald, Halle, Kiel, Königsberg und Marburg sowie
an dem Lyceum Hosianum zu Braunsberg fortab auch den etats¬
mäßigen außerordentlichen Professoren das Recht zusteht, den
Rektor aus der Mitte der ordentlichen Professoren zu wählen,
jedoch mit der Maßgabe, daß die Gesamtzahl der hiernach wahl¬
berechtigten außerordentlichen Professoren die Hälfte der Ge¬
samtzahl der etatsmäßigen ordentlichen Professoren nicht über¬
steigen darf. Wird diese Beschränkung wirksam, so steht das
Wahlrecht den der Annciennität nach ältesten etatsmäßigen
außerordentlichen Professoren zu. Daß bei der Aufzählung
der Universitäten, bei denen die außerordentlichen Professoren
das aktive Wahlrecht erhalten, Göttingen und Münster nicht ge¬
nannt sind, dürfte wohl darauf zurückzuführen sein, daß an
diesen Universitäten schon von jeher den Extraordinarien das
aktive Wahlrecht zusteht.
— Nachdem Prof. K r ö n i g in Freiburg i. Br. ab¬
gelehnt hat, hat Prof. Döderlein in München einen Ruf als
Nachfolger B u m m s für das mit der gynäkologischen Charite-
ldinik verbundene Ordinariat der Frauenheilkunde erhalten. Ob
er demselben Folge leisten oder in München bleiben wird, hängt
davon ab, ob die bayerische Regierung den dringend erforder¬
lichen Neubau der Frauenklinik nach Döderleins Vor¬
schlägen bewilligen wird.
— Ein früherer Arzt und Anthropologe, der Literarhisto¬
riker Dr. Max Morris, hat soeben für seine Verdienste als
Literaturforscher die Goethe-Medaille erhalten, eine
neue Auszeichnung, die in diesem Jahre von der Goethe-
Gesellschaft "anläßlich ihres Jubiläums zum ersten Male
zuerkannt wurde.
F rankfurt a. M. Als Nachfolger des kürzlich verstorbe¬
nen Sanitätsrats Dr. Max Hirschberg ist der Spezialarzt
für Chirurgie Dr. Ernst Siegel zum leitenden Arzt der
äußeren Abteilung des israelitischen Gemeindehospitals er¬
nannt worden.
— Dr. Adolf Friedlaender, Leiter des Sanatoriums
Hohe Mark in Oberursel (Obertaunuskreis) hat den Professor¬
titel erhalten.
Erlangen. Dem ersten Assistenten am Pathologischen
Institut Prof. Dr. H. Merkel ist durch Ministerialentschließung
vom Wintersemester 1910/11 ab ein Lehrauftrag für gerichtliche
Medizin erteilt worden.
Heidelberg. Der Professor der Chirurgie in Basel
Dr. Wilms hat einen Ruf als Nachfolger des in den Ruhestand
tretenden Prof. Dr. N a r a t h erhalten und wird ihm vermutlich
Folge leisten. — Der Direktor der medizinischen Klinik Prof.
Dr. K r e h 1 hat entgegen der ursprünglichen Mitteilung den Ruf
nach Leipzig als Nachfolger Curschmanns abgelehnt.
T ü b i n g e n. Staatsrat Prof. Dr. v. Bruns ist anläßlich
seines Rücktritts von der Leitung der chirurgischen Klinik zum
Geheimen Rat ernannt worden.
Innsbruck. Im Hörsaal des Pathologischen Universi¬
tätsinstituts kam es in der vorigen Woche gegen den Professor
der pathologischen Anatomie P o m m e r , der nach Ansicht der
Studenten beim Examen zu streng gewesen war, zu Kund¬
gebungen nach Pariser Muster, infolge deren der Pro¬
fessor sofort seine Vorlesung abbrach.
Budapest. Der Privatdozent der Pädiatrie Dr. Felix
v. Szontägh ist zum außerordentlichen Titularprofessor er¬
nannt worden.
Bern. Dr. Ries hat sich für Psychologie habilitiert.
Gerichtliches.
B e r 1 i n. Der Badeanstaltsbesitzer und Naturheilkundige
Sch. zu Erkner, war vom Schöffengericht zu Rüdersdorf wegen
fahrlässiger Körperverletzung zu 1% Jahren Gefängnis verurteilt
worden. Es hatte dem erkrankten Sohn eines Schiffers, den
der Angeklagte einige Zeit hindurch mit Umschlägen, Salben¬
einreittungen usw. behandelt hatte, schließlich ein Bein exarti¬
kuliert werden müssen. Die Fahrlässigkeit wurde darin er¬
blickt, daß Sch. durch seine Behandlung einen rechtzeitigen
chirurgischen Eingriff, der dem bedauerswerten Knaben das
Bein erhalten hätte, verteitelt habe. Auf die gegen das Urteil
eingelegte Berufung hatte die 3. Strafkammer des Land¬
gerichts III die Strafe auf sechs Monate Gefängnis ermäßigt. Das
Kammergericht hob, als die Verteidigung Revision beantragte,
das landgerichtliche Urteil auf, weil es die Frage nicht für ge¬
nügend geklärt ansah, ob nicht schon zu der Zeit, als die Eltern
des Patienten diesen zu dem Angeklagten brachten, die Zeit zu
einem erfolgreichen operativen Eingriff verpaßt gewesen war.
Nach ärztlichem Gutachten hatte bei dem Knaben akute
Knochenmarkentzündung Vorgelegen. Nach abermaliger um¬
fangreicher Beweisaufnahme in der erneuten Verhandlung
wurde der Angeklagte wiederum zu sechs Monaten Ge¬
fängnis verurteilt.
— Die Saniagesellschaft in Erfurt, welche •
chemisch-pharmazeutische Präparate herstellt, hatte ein Heil¬
mittel „A n t i d i a b e t i n“ gegen die Zuckerkrankheit in den
Verkehr gebracht. Nach einer Auskunft des Nahrungsmittel¬
untersuchungsamts handelt es sich um eine bräunliche Ab¬
kochung von Chinarinde, welcher Salicylsäure, bittere Pflanzen¬
säfte und Kochsalz beigemengt sind. Der Wert des Mittels
soll 30 Pfg. betragen, verkauft wurde es für 6 M. Wegen Be¬
nachteiligung der Käufer warnte der Regierungsprä¬
siden t F. vor dem Ankauf dieses Mittels, welches keine spezi¬
fische Wirkung habe. Die erwähnte Gesellschaft behauptete,
das fragliche Mittel sei von außerordentlicher Wirkung, wie
zahlreiche Aerzte und Patienten bekundet hätten, und verklagte
deshalb den Regierungspräsidenten auf 3000 M. Schadenersatz.
Ehe es aber zu einer Entscheidung kam, erhob der Minister
des Innern zugunsten des Regierungspräsidenten den Kon¬
flikt, da eine Ueberschreitung von Amtsbefugnissen nicht vor¬
liege. Der Regierungspräsident habe die Warnung erlassen,
nachdem von sachverständiger Seite erklärt worden war, daß
das Mittel die beigelegte Wirkung nicht habe und daß eine
Schädigung des Vermögens und der Gesundheit der Käufer zu
besorgen sei. Das Oberverwaltungsgericht erklärte
auch den Konflikt für begründet und stellte das gerichtliche
Verfahren ein, indem u. a. ausgeführt wurde, ein Konflikt sei
dann begründet, wenn unzweifelhaft feststeht, daß Beamte sich
einer Ueberschreitung oder Unterlassung einer ihnen obliegen¬
den Amtshandlung nicht schuldig gemacht haben. Eine solche
Ueberschreitung oder Unterlassung einer dem Regierungspräsi¬
denten obliegenden Amtshandlung sei im vorliegenden Falle
nicht vorhanden. Nach der Regierungsinstruktion vom 23. Ok¬
tober 1817 liege den Regierungspräsidenten die Pflicht ob, alles
zu entfernen, was dem Staat oder seinen Bürgern Nachteil
bringen könne. Dem Regierungspräsidenten stehe als sachver¬
ständiger Berater der Medizinalrat zur Seite; auf diesen, welcher
dem Mittel die behauptete spezifische Wirkung absprach, durfte
er sich verlassen und war deshalb befugt, die fragliche Warnung
zu erlassen. (Entscheidung vom 17. Juni 1910.)
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VI. Amtliche Mitteilungen.
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Bayern.
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Amt Hassfurt.
Baden.
N i e d e r g e 1 a s s e n: Dr. L e o M ü 11 e r als Oberarzt der inne¬
ren Abteilung des städtischen Krankenhauses in Baden-
Baden, Dr. H. Teufel in Uehlingen, Dr. Otto Müller in
Kürnbach, Di-. Gutowitz in Bühlertal, Dr. Heinrich
Engel in Kippenheim; Dr. Mayerle in Karlsruhe, Dr.
Le11au in Lörrach, Dr. Meitzen in Badenweiler, Dr.
W e 11 z in Nordrach, Dr. Adolf Schwarz in Gengenbach,
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Technik, Leipzig 1900, Bd. 1, Heft 2/3, S. 200. Kompendium der Röntgenographie, Leipzig 1905, S. 252,
253 u. 209, Manuel Pratique de Radiologie Medicale. Bruxelles 1905, S. 41. Verhandlungen der Deutschen
Röntgengesellschaft, Hamburg 1908, 8. 97, Deutsche Medizinische Wochenschrift, Berlin 1908. S. 1472.
Orthoröntgenographie, München 1908, Zeitschrift für medizin. Elektrologie u Röntgenkunde, Leipzig 1908,
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Redaktion:
Dr, H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
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Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
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IV. Jahrgang Berlin, 9. Juli 1910
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Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buclhandlungen und Posi&mter. Aboniieiiieuts gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Qnartalssclilnss ahbestellt sind. Inserate
werden fflr die 4gcsp. Zeile oiler deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
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I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Siebold: GynovaL
Flu: Beobachtungen während der Gelbfieberepidemie. die
vom Dezember 1908 bis Februar 1909 in Paramaribo herrschte.
— Grau: Ueber den Zusammenhang von Rauchoinatraiing und
croupöser Pneumonie — Huber: Hautblutungen im Verlauf
von Typhus abdominalis. — Reenstj er na: Fa'l von Costo-
chondralabsceß mit Bacterium pnratyphi. — Hofbauer: Zur
Emphysemfrage. — Amrein: Einige Erfahrungen bei Asthma
bronchiale. — Boellke: Ueber Digistrophan, ein neues Kar-,
diacurn. — Lin zenmeier: Ueber innerliche Anwendung von'
g-Strophanthin (Thoms), klinische und pharmakologische Unter¬
suchungen. — Bühl er: Ueber die Lymphocytose bei Basedow¬
scher Krankheit und bei Basedowoid. — Mo mm: Ein Beitrag
zur Ban tischen Krankheit. — Caan: Ueber Komplement¬
ablenkung bei Hodgkin scher Krankheit — Beuster: Ueber
einen Fall von akuter traumatischer NiereninSuffizienz. —
Hnatek: Die nichtparasitäre Chylurie. — Riebold: Ueber
rasch vorübergehende cerebrale Hemiplegien. — Müller:
Klinische Studie über die Kontusionen und Distorsionen der
Wirbelsäule und ihre Folgezustände an der Hand von 56 Fällen
eigener Beobachtung. — Strub eil: Opsonisches über Staphylo¬
kokkenimmunität. — Küll: Ein Fall von Kiemengangeiterung.
— Baum: Der Wert der Joddesinfektion, geprüft an einem
großen Hernienmaterial. — Klauber: Gallenbronchus-Fistel;
Laparotomie; Heilung. — Maetzke: Die Ruptur von Bauch-
narbenhernien. — Hinz: Ueber Chyluscysten — Krüger:
Klinische Beiträge zur Gefäßchirurgie. — Turan: Zur Be¬
handlung des habituellen Abortus. — Cholmogoreff: Extra :
peritonealer Kaiserschnitt nach Latz ko. — Bayer: Zur Therapie
der Blennorrhoe mittels der Blennolenicetsalbe. — Chalupecky:
Seltene traumatische Erkrankungen der Hornhaut. — Deutsch-
mann: Zur Kenntnis der Netzbautablösung und ihrer Be¬
handlung — Sy 11a: Einige therapeutische Beobachtungen. Das
Diaspirin als Schwitzmittel. — Stocher und Wacker: Ein
weiterer Beitrag zur Erzeugung atypischer Epithelwucherungen
mit Eiweißfäulnisprodukten. — Bildwinkel: Der Aderlaß ein
unentbehrliches Heilmittel in der Medizin. — Siebelt: Kur
und Körpergewicht.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 8. Juni 1910 —
XIX. Versammlung der Deutschen Otologisclien Gesellschaft
(Fortsetzung 1 .
III. Therapeutische Notizen. Feis: Wärmeapparat für vaginale
Anwendung. — Schnitter: Die diuretische Wirkung des
Fibrolysins.
IV. Bücherschau. Goldschmidt: Asthma. — Kinzcl: Wie
reist man in Oberbayern und Tirol? Kinzel: Sommerfrischen
und Standquartiere in Oberbayern und Tirol — Brorström:
Akute Kinderlähmung und Intiucnza und deren Auftreten im
Bezirk Tingsryd in Schweden.
V. Feuilleton. Heeg er: Das Königliche Bad Oeynhausen in
seiner jetzigen Entwicklung.
VI. Tagesgeschichte. Standesangelegeuheityn, Medizinnl-Gcsetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. Gericht¬
liches. — Verschiedenes
Erklärung.
VII. Amtliche Mitteilungen. Zu besetzende Stellen von Medizinal¬
beamten. — Personal ia
1. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Gynoval.
Von
Dr. med. W. Sicbold, St. Petersburg.
Die Wirkung der Valerianapräparate wird bekannt- |
lieh von den verschiedenen Beobachtern sehr ungleich¬
mäßig eingeschätzt; während erste Autoritäten, wie
Kuss m a u 1 , keine Bedenken trugen, den Baldriantee
zu empfehlen, stehen viele Praktiker auf dem Standpunkt,
die Valeriana sei so gut wie wirkungslos, zum mindesten be¬
ruhe der Effekt in der Hauptsache auf Suggestion. Diese
Meinungsverschiedenheit läßt sich vielleicht ohne
Schwierigkeit daraus erklären, daß man erstens über die
wirksamen Prinzipien der Baldrianwurzel kaum etwas
Positives wußte und daher a priori geneigt war, eine
Wirkung zu verneinen, und daß zweitens offenbar die
Valeriana tatsächlich verschieden wirkte. Durch Kion- |
k a. s Untersuchungen wissen wir, daß die in der frischen
Wurzel enthaltenen wirksamen Substanzen sein- veränder¬
lich und zersetzlicli sind, sogar schon beim Trocknen und
Lagern. Wie bei einem galenischen Präparat nicht anders |
zu erwarten, schwankt, wie Tierversuche beweisen, der [
Gebalt an aktiven Prinzipien in weiten Grenzen, ebenso
sind die Valeriana-Infuse, Tinkturen sowie das Baldrianöl
sehr veränderlich und wegen der wechselnden Zusammen¬
setzung unzuverlässig. Sn lange man die Valerianwirkung
auf die Valeriansäure bezog, konnte man nicht zur Bein¬
darstellung von brauchbaren Baldrianpräparaten ge- 1
langen, denn die Valeriansäure au sich besitzt die thera¬
peutisch gewünschte Wirkung, wie jetzt überall zugegeben ,
wird, n i c h t.
Wirksam dagegen ist, wie man sich durch Versuche
an Katzen überzeugen kann, das Baldrianöl, welches zwei
Terpene (Pinen, Camphen), Borneo], Isoborneol und zahl¬
reichen Ester der Ameisen-, Essig-, Baldrian- und Tso-
valeriansäure enthält. Bei entsprechender Dosis und
bei richtiger Auswahl der Versuchstiere sieht man
eine reflexherabsetzende Wirkung, sowie eine Ver¬
minderung des Blutdrucks und der Herzschläge, zu¬
weilen nach vorangehender Reflexsteigerung. An der
Valerianwirkung sind mindestens zwei Komponenten
beteiligt: der sekundäre Alkohol Borneol und die
Ester der Valeriansäure resp. die Isoverbindungen
dieser Körper. Das neueste der modernen Baldrian¬
präparate, das Gynoval (Tsovaleriansänre-Ispborneolester'l
enthält nun beide aktiven Prinzipien, riecht nicht wider¬
lich, besitzt einen annehmbaren, mildöligen Geschmack
und wird, soweit ich die Literatur übersehen habe, überall
als brauchbar empfohlen, namentlich bei Hysterien,
Neurasthenien, nervösen Erregungszuständen und vor
allem nervösen Herzaffektionen. Auch hei nervösen Be¬
schwerden im Klimakterium wird es geloht.
Ich habe Gelegenheit genommen, daß Gynoval bei
einer großen Reibe von Patienten, besonders solchen mit
Herzneurosen zu versuchen, und kann nur sagen, daß ieb
das Mittel weiter verordnen werde, weil cs meinen Er¬
wartungen entsprochen bat.
Zahlreiche kasuistische Belege, die leicht ermüden,
hier zu bringen bat wohl keinen Zweck.
Ich beschränke mich darauf, liier etwas ausführlicher
nur über 2 Fälle zu berichten, bei welchen ich eine sugge¬
stive Wirkung ansscliließen möchte und welche deshalb
den Wert des Gynoval gut beleuchten, weil sie an Kranken
gemacht sind, die sieb unter besondersartigen Verhält¬
nissen (im Zellengefängnis) befanden.
Fall 1. Junger Mann von zirka 24 Jahren, leidet an
starkem Herzklopfen, Angstgefühl, Schlaflosigkeit. Es besteht
Unvermögen geistig zu arbeiten, leichtes Erschrecken. Außer¬
dem klagt Patient über ein sonderbares Gefühl in der Herz¬
gegend, sowie über Stiche in derselben. In der Nacht ver¬
schlechtert sich der Zustand. Bisher ist Patient vollkommen
gesund gewesen (kein Rheumatismus), Untersuchungsbefund:
Lunge gesund, Herztöne reih, kein organischer Herzfehler,
Puls 160—180. Diagnose: Neurosis cordis. Es wurden Brom
432
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 28.
Präparate verordnet, doch olme jeglichen Erfolg. Darauf erhielt
der Kranke Tinct. Valeriaii. Simplex, die eine Erleichterung
brachte, aber des Geruches und Geschmackes wegen schlecht
vertragen wurde. Schließlich verweigerte der Patient den
weiteren Gebrauch. Nun ordinierte ich dreimal täglich eine
Perle Gynoval. Das Präparat wurde ausgezeichnet vertragen,
der Patient merkte nicht einmal, daß er ein Valeriana-Präparat
nahm. Schon nach drei Tagen war eine wesentliche Besse¬
rung im Allgemeinbefinden bemerkbar, Patient war bedeutend
ruhiger. Allmählich wurde auch das Herzklopfen geringer, der
Kranke konnte wieder lesen, der Schlaf wurde besser und
nach 14 tägigem Gebrauch stieg die Pulsfrequenz nicht über
80—90 in der Minute. Ein sehr gutes Resultat, wenn man die
Verhältnisse, in denen sich der Patient befand, in Betracht
zieht Beim Verlassen des Gefängnisses fühlte er sich voll¬
kommen wohl.
Fall 2. Junger Mann, zirka 20 Jahre alt. Als ich in der
Nacht gerufen wurde, lag Patient vollkommen entkräftet auf
dem Bett, sein Gesicht drückte Angst aus, er zitterte am ganzen
Körper, gab verwirrte Antworten, konnte kaum sprechen, Puls
kaum zu fühlen. Es wurde Brom mit Valeriana verordnet. Am
anderen Tag fühlte sich der Kranke ein wenig besser, Brom
wurde weitergegeben. Nach einigen Tagen konnte ich eine
genauere Untersuchung vornehmen. Patient klagt neuerdings
über starkes Herzklopfen, zeitweilig vollkommenes Aussetzen
der Herzaktion. Angstgefühl. Schmerzen und Stiche in der
Herzgegend, die in den Rücken und linken Oheraum aus¬
strahlen. Absolute Schlaflosigkeit. Jedes Geräusch, Oeffneu
der Tür, Hereinbringen des Essens in die Zelle regt ihn sehr I
auf, verschlechtert bedeutend sein Befinden. Vor dem Schlafen¬
gehen verschlimmert sich der Zustand enorm, das Angstgefühl
wird sehr stark; Manipulationen, die er sich ausgedacht um
den Zustand zu erleichtern, helfen nicht, die Angst wird immer
größer, zuletzt wirft er sich fast entkräftet aufs Bett; kein Schlaf.
Am Morgen steht er ganz erschöpft wie zerschlagen auf. In
der Gegend des Zwerchfelles ein „sonderbares“ Schmerzgefühl,
hauptsächlich linkerseits. Darm träge. Bei der Untersuchung
Herztöne rein, kein organischer Herzfehler. Bis jetzt ist Patient
vollkommen gesund gewesen, hat sogar die gewöhnlichen
Kinderkrankheiten nicht durchgemacht. Puls über 200 (bis
240) manchmal kaum zu zählen. Das Atem ist unregelmäßig,
durch starke Inspiration unterbrochen. Diagnose; Neurasthenia
cordis, Phrenocardia. Da Brom und Tinct. Valeriana sich als
wenig wirksam erwiesen, wurde Gynoval verordnet, und zwar,
dem Zustande entsprechend, dreimal täglich zwei Perlen. Am
nächsten Tag war noch keine Veränderung des Zustandes zu
bemerken. Von da an aber rasche Besserung. Mit
jedem Tage wurde Patient ruhiger; es stellte sich Schlaf ein,
Angstgefühl und Schmerzen schwanden allmählich gänzlich,
Puls 150—120—90. Patient fühlte sich sehr gut und ist für das
Mittel sehr dankbar. Er verträgt es sehr gut und gebraucht das
Präparat schon den vierten Monat, wobei gar keine unan¬
genehmen Nebenerscheinungen auftreten. (Aufstoßen etc.) Auf¬
regungen wirken auf den Patienten nicht mehr mit derselben
Stärke; doch ohne Gynoval kann er nicht mehr
bleiben. Tinct. Valerian. simplex, versuchsweise verordnet,
ruft Uebelkeit und Aufstoßen hervor, desgleichen Unlust zum
Essen.
Außerdem habe ich Gynoval in der Privatpraxis in
Fällen von allgemeiner Nervosität, Schlaflosigkeit etc. so¬
wohl bei Frauen, als auch Männern verordnet und durch¬
weg sehr günstige Resultate erzielt. Das Mittel wurde von
allen Kranken gern genommen, ausgezeichnet vertragen,
nie wurden unangenehme Nebenerscheinungen beobachtet,
auch nicht bei längerem Gebrauch und in höheren Dosen.
Man verordne im allgemeinen:
Rp. Gynovalperlen No. XXV ä 0,25 g
(Originalpackung Bayer)
S. 3 mal täglich 1—2 Perlen nach dem Essen
(bei nervöser Schlaflosigkeit 2 Perlen vor dem
Schlafengehen) oder
Rp. Gynoval 10,0 (Originaltropfflasche Bayer)
S. 3 mal tägl. 12—24 Tropfen zu nehmen (auf
Zucker oder in Pfefferminztee). (Bei nervöser
Agrypnie 24 gtt vor dem Schlafengehen.)
Flu: Beobachtungen während der Gelbfiebcrepidemie, die vom
Dezember 1908 bis Februar 1909 in Paramaribo herrschte.
(Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 1910,
Bd. 65, H. 1.)
Bei einer sorgfältigen Vergleichung dieser Gelbfieberfälle
mit perniziösen Malariaformen hat sich bei der Epidemie der
enorme Unterschied zwischen gelbem Fieber und perniziöser,
biliöser Malaria gezeigt.
Gemeinsam ist beiden Krankheiten nur der Ikterus und
die Temperaturferhöhung; aber der Ikterus ist bei Febris flava
niemals so stark; die Kranken zeigen im Lehen niemals die
zitronengelbe Farbe der Kranken an biliöser Malaria.
Abgesehen von dem großen Werte der Blutuntersuchung
wird die Differentialdiagnose olme Mühe zu stellen sein, wenn
man auf das Folgende acht gibt:
Beim gelben Fieber sieht man. daß der Kranke leicht
ikterisch ist. aber rote Lippen und Schleimhäute hat: der Hämo¬
globingehalt des Blutes ist ja normal! Bei perniziöser Malaria
dagegen besteht, wenn Ikterus vorhanden ist, ein hoher Grad
von Anämie, die Lippen und die Schleimhäute sind bleich, da
der Hämoglobingehalt sehr vermindert ist.
Auch die allgemeinen Erscheinungen unterscheiden sich so
sehr bei beiden Krankheiten daß es rätselhaft ist, wie es immer
wieder vorkommt, daß bei Gelbfieberfällen die Diagnose Febris
perniciosa biliosa gestellt wird.
Am Ende des Berichts weist Verfasser darauf hin, von wie
großem Nutzen eine ernstlich angefangene und streng durch¬
geführte Moskitobekämpfung für die Volkssesundheit sein kann.
Mühlschlegel.
Dr. II. Grau. Assistent der med. Klinik'der Akademie zu Düssel¬
dorf: Ueber «len Zusammenhang von Raueheinatmung und
croupöser Pneumonie. (Medizinische Klinik, 1910, No. 12.)
Wir pflegen seit Jürgensen die crouoöse Pneumonie
als eine Infektionskrankheit anzusehen. Gewöhnlich verstehen
wir unter croupöser Pneumonie im engeren Sinne die eigent¬
liche typisch verlaufende Pneumonie, nämlich die durch
Pneumokokken verursachte. Die Aetiologie der fibrinösen
Pneumonie ist aber keineswegs eine einheitliche. Oft genug
findet sich bekanntlich der Diplobacillus pneumoniae Fried-
1 ander, ferner sind Streptokokken verschiedener Art.
Staphylokokken, auch Kolibacillen. Influenza-, Typhus- und
andere Bacillen, oft mit Pneumokokken gepaart, als wahrschein¬
liche Erreger der Erkrankung nachgewiesen worden. Es darf
Irotz der entgegenstehenden Resultate einiger Forscher jetzt als
sicher angenommen werden, daß normalerweise die Lunge
in gesundem Zustand nicht keimfrei ist. Fast alle Bakterien
die eben als Errege« der Pneumonie angesprochen wurden, fand
Dürck in einer Reihe von absolut gesunden Lungen. Man
kann aus diesem Vorkommen mit Recht schließen, daß der
Köi'per normalerweise gegen das Eindringen dieser Entzün-
| dungserreger gefeit ist und daß zum Zustandekommen eine«'
| Lungenentzündung noch eine weitere Ursache tätig sein muß.
Wir kommen damit auf die’ Reihe der Gelegenheitsursachen.
Man hat von jeher vor allem die Erkältung als wichtigen Faktor
hingestellt. Weitere etwas vage Begriffe sind: Körpei'liche
Ueberanstrengung, geistige' Aufregung. Die Bedeutung des
Traumas, die Jürgensen nicht anerkannte, in diesem Sinne
ist von Stern und anderen sichergestellt. Wenn wir einmal
das Voi-handensein normaler Schutzmittel für den Organismus
als einen Grund ansehen, weshalb die saprophytischen Bak¬
terien nicht in jedem Falle zur Pneumonie führen, so müssen
wir folgerichtig sagen, daß die Vei'minderung dieser Abwehr¬
kräfte, das Vorhandensein von Reiz- oder Krankheitszuständen
zur Entstehung einer Pneumonie führen kann. Diese Frage
| kann besonders in der Unfallbegutachtung von großer Bedeu¬
tung werden, wie folgender Fall zeigt: Der Anstreicher D. B.
war vom 1. Dezember 1908 ab in einem Walzwerk tätig, und
zwar zunächst in einem Teile, der Anlage, in dem gute Luft
herrschte. Dann, vom 18. Januar ab, arbeitete er in einer Neu¬
anlage mit mehreren Arbeitern zusammen am Anstriche der
Dachkonstruktion. Er war dabei direkt über Wärmöfen tätig,
bei deren Bedienung es zum Aufsteigen sehr unangenehmer
Rauchgase kam. B. hat sich seinen Mitarbeitern gegenüber
mehrfach über diese Gase heftig beklagt. Weiter geht aus den
Aussagen der Mitarbeiter hervor, daß B. in der Zeit vom'25. bis
30. Januar einmal bewußtlos hingesunken ist, danach Blut-
spucken gehabt und von da an über Kopf schm ei'zen geklagt hat.
Das Blutspucken soll sich wiederholt haben. B. hat dann noch
bis zum 2. Februar 1909 in demselben Raume gearbeitet. An
diesem Tage war er gerade über den Oefen beschäftigt und
bei ungünstiger Windrichtung ganz in Rauch gehüllt. Er soll
nach Angabe seiner Frau an diesem Abend mehrfach über Un¬
wohlsein geklagt und gebrochen haben. Vom 3. bis 5. Februar
arbeitete B. dann in einem anderen Teil des Werkes, in dem
bessere Luft herrschte. An diesen Tagen soll er von Husten¬
anfällen nicht belästigt worden sein. Vom 5. Februar an ist
B. dann zunächst zwei Tage krank zu Hause geblieben. Am
8. Februar hat er nach einem vergeblichen Arbeitsversuch den
Arzt aufgesucht, der einen ziemlich ausgedehnten Luftröhren¬
katarrh feststellte, ohne dadurch die voi-handene Atemnot, die
die große Unruhe des Kranken und die Kleinheit des Pulses
erklärt zu finden. Vom 8. bis 11. Februar war B. zeitweise
außer Bett, war aber völlig verwirrt. Am 11. Februar fand ihn
der Arzt besinnungslos und stellte 1 eine Lungenentzündung fest.
Nach der Ueberführung ins Krankenhaus starb B. doi't am
No. 28.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
433
folgenden Tage. Da die Frau den Tod ihres Mannes auf Gas¬
vergiftung zurückführte, wurde die Sektion der exhumierten
Leiche vorgenonnnen. Diese ergab schwer trennbare Ver¬
wachsungen zwischen Lunge und Brustwand beiderseits, linke
Lunge lufthaltig und stark wässrig durchtränkt, rechte Lunge j
ausgedehnt verdichtet. Die chemische Untersuchung einer |
Blutprobe auf Kohlenoxyd hatte ein negatives Ergebnis. Ein
Zusammenhang des Todes mit der Einatmung wurde daher vom
Gutachter Dr. P. abgelehnt. Daraufhin ließ die Witwe des Ver- j
storbenen den Gedanken der Gasvergiftung fallen, führte aber
die Lungenentzündung des Mannes auf die Einwirkung von
Rauchgasen zurück. Dieser Zusammenhang zwischen der
Raucheinatmung und dem Tode des Mannes wurde von dem
Schiedsgericht für Arbeiterversicherung auf Grund folgenden
Gutachtens anerkannt: B. hat infolge heftiger Raucheinatmung
eine Tracheobronchitis erworben. Diese ist weiterhin die
Gelegenheitsursache zur Entstehung einer echten fibrinösen
Pneumonie geworden. K r.
Dr. Adolf Huber (Blumenbach in Mähren): Hautblutungen im
Verlauf von Typhus abdominalis. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 19.)
Verf. hat in den letzten 13 Jahren ungefähr 600 Fälle von |
Unterleibstyphus in seiner Praxis beobachtet, darunter traten
dreimal Hautblutungen im Verlauf der Krankheit auf. Zwei j
dieser Fälle endeten letal, der dritte ging in Genesung aus. Die j
drei Fälle ergeben: Hautblutungen können sowohl bei klinisch J
von vornherein schweren, als auch bei leicht verlaufenden I
Fällen von Typhus abdominalis auftreten; sie erscheinen auf
der Höhe der Erkrankung und brauchen nicht unbedingt mit j
Darmblutungen kombiniert zu sein. Bei Stellung der Prognose
hat der Arzt nicht ausschließlich auf die Blutungen zu sehen,
sondern auf den ganzen Fall; doch gestalten zahlreiche Blu¬
tungen die Prognose ungünstig.
John Reenstjerna (Stockholm): Fall von Costochondralabsceß
mit Bacterium paratyphi. (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 19.)
Bei einer 41 jährigen Patientin, welche im Jahre 1906
einige Wochen hindurch an Fieberanfällen gelitten hatte, ent¬
standen im Anschluß daran Schmerzen in der linken Seite, in
der Gegend der Milz; allmählich bildete sich eine Ausbuchtung
am linken unteren Brustkorbrand, welche mit der Zeit größer
wurde. Schließlich wurde die Stelle eröffnet; an der Vorder¬
seite eines Rippenknorpels lag eine haselnußgroße Höhlung,'
gefüllt mit einem gelbgefärbten, geleeartigen Inhalt; durch den j
Rippenknorpel ging von dieser Höhlung eine Fistel nach einer
hinter dem Knorpel liegenden kleineren Höhlung, die mit ähn¬
lichem Inhalt wie die vorige gefüllt war. Der Weichteilabsceß
wurde exzidiert. In den medialen Teil der Wunde wurde eine |
Drainage nach Mikulicz eingelegt. Der laterale Teil wurde
mit Silkworm verschlossen. Nach etwa zwei Wochen wurde die
Patientin geheilt entlassen. Der Absceßinhalt wurde unmittel- |
bar nach der Operation bakteriologisch untersucht. Das mikro- j
skopische Präparat zeigte zahlreiche typhusähnliche Stäbchen.
Die genaue Untersuchung ergab dann, daß es sich um den J
Bacillus paratyphi B handelte. Der Absceß ist daher als post j
paratyphöse Affektion aufzufassen, obgleich keine bindenden
Beweise vorliegen, daß die frühere Krankheit der Patientin
ein Paratyphus war. R. L.
Dr. Ludwig Hofbauer (Wien): Zur Emphysemfrage. (Berliner
klinische Wochenschrift, 1910, No. 12.)
Die Entstehung der Lungenblähung ist nicht an anatomische
Vorbedingungen (wie Verengerung der luftzuführenden
Bronchienverteilungen oder Schwäche der elastischen Fasern
der Lunge) gebunden, wie das Auftreten des vikariierenden
Emphysems an den gesunden Teilen der Lunge bei Fällen von
Pleuritis, Bronchuscarcinom usw. erweist. Vielmehr ist für die
Lungenblähung der eigentümliche Atemmechanismus verant¬
wortlich zu machen, welcher bei Lufthunger, aus welcher Ur- |
Sache immer entstanden, in Aktion tritt. Bei Vertiefung der
Atmung wird nämlich die Einatmung viel mehr verstärkt als
die Ausatmung, Das hierdurch veranlaßte Mißverhältnis
zwischen In- und Exspiration geht soweit, daß ein Teil der j
eingeatmeten Luft in der Lunge zurückbleibt und Ueberdehnung
der Alveolen bedingt. Bei röntgenographischer Beobachtung des
Zwerchfells läßt sich feststellen, daß bei Atemvertiefung das
Diaphragma in der Mehrzahl der Fälle dauernd vom Thorax¬
zentrum sich entfernt. Die Einatmung war zwar viel stärker
geworden, das exspiratorische Höhertreten des Zwerchfells aber
nicht dementsprechend gesteigert. Ebenso bleibt die knöcherne
Brustwand beim Einsetzen der tiefen Atmung weiter vom
Thoraxzentrum entfernt, wie die pneumographische Unter¬
suchung des Cheyne-Stokes Atmen aufweisenden Urämi-
kers erwies. Die Uebereinstimmung dieser mittels verschiede¬
ner Untersuchungsmethoden gewonnenen gleichsinnigen Resul¬
tate schien zu der Annahme zu berechtigen: Bei jeder Atmungs¬
vertiefung rücken die Wände des Brustkastens weiter vom Zen¬
trum desselben hinweg. Es entsteht vermehrter Luftgehalt der
Lungen, d. h. Lungenblähung. Diese Erfahrung, sagt Verfasser,
scheint für das Verständnis der Pathogenese von Lungenblähung
und Lungenemphysem nicht ohne Wert. Nun veröffentliche in
allerjüngster Zeit Bruns eine Arbeit, in welcher die Frage
aufgeworfen wurde: „Dürfen wir mit Hof bauer annehmen,
daß jede Atemvertiefung zu Ueberdehnung der Lunge, zu
Lungenblähung führe und daß infolgedessen bei Zuständen mit
längere Zeit anhaltender Atemnot echtes Emphysem sich ein¬
stellt? Ich glaube kaum . . . Eine Schätzung der Füllungszu¬
nahme der Lunge ist ohne Spirometer nicht möglich." Dadurch
wurde H. veranlaßt, die Ergebnisse der radiologischen und
pneumographischen Untersuchungen auch noch durch spiro-
metrische ergänzend zu überprüfen. Dieselben wurden mittels
eines Bohr sehen Spirometers durchgeführt. Diese Unter¬
suchungen ergaben aber in voller Uebereinstimmung mit den
vorherigen Versuchsresultaten, daß bei der Mehrzahl der
Menschen die Vertiefung der Atmung fast ausschließlich als
eine Verstärkung der Inspiration sich darstellt.
Dr. 0. Amrein (Arosa): Einige Erfahrungen bei Asthma
bronchiale. (Therapeutische Rundschau, 1910, No. 13.)
Verfasser spricht zunächst von der Wirkung des Klimas auf
Asthmatiker. Wenn auch an dem Satze viel Wahres ist, sagt
Verfasser, daß jeder Asthmatiker sein Privatklima habe, so
gibt es doch auch allgemeine Gesichtspunkte, die bei verschie¬
denen Patienten zusammenpassen. Schlecht sind nach Ver¬
fassers Erfahrung: Eingeschlossene Talkessel, Gegenden mit
stagnierender Luft, so Holland (Kanalluft), Venedig (Lagunen),
dann dem Föhnwind stark ausgesetzte Gegenden, das schweize¬
rische Rheintal (Ragaz), die italienischen Seen (speziell Comer-
see). Sehr gut dagegen sind offene, dem Winde zugängliche
Gegenden, Hochebenen (München, Mailand), oft auch größere
Städte (London, New York). Stagnierende Luft beengt schon
den gesunden Menschen in gewissem Maße und löst bei dem
Asthmatiker ein Beklemmungs- und Angstgefühl aus. Zu den
für Asthmatiker günstigen Klimaten gehören das Meer- und
das Gebirgsklima. Von beiden sah Verfasser gute Erfolge
und verschiedentlich konnte ein drohender Anfall durch so¬
fortige Reise ans offene Meer oder ins Gebirge direkt coupiert
werden. In der großen Mehrzahl der Fälle tritt in diesen beiden
Klimaten während der ganzen Dauer kein weiterer Anfall auf
oder wenn, dann gelinder. In beiden tritt dazu noch die spezielle
günstige Beeinflussung der sekundären katarrhalischen Er¬
scheinungen, der Bronchitis, des Luftröhrenkatarrhs mit trocke¬
nem Reizhusten. Im Meerklima wirkt die weiche, feuchte, salz¬
haltige Luft günstig in dieser Beziehung ein. Im Gebirge ist es
die trockene und reine Luft, das Freisein von Staub. Zudem
wirkt das Gebirgsklima anregend und abhärtend auf die meist
gegen Zugluft und Kälte empfindlichen Asthmatiker. Man er¬
zielt mit Hochgebirgsbehandlung überraschend günstige Resul¬
tate. Freilich ist ein langer Aufenthalt (übrigens auch am Meer)
notwendig. Sind klimatische Kuren nicht möglich oder tritt
während solcher hin' und wieder Neigung zu Anfällen auf. so
muß zu Coupierungsmitteln Zuflucht genommen werden. Der
hydrotherapeutische Apparat (warme Packungen, namentlich
auch mit Essig, heiße Fußbäder, Frottage und Abreibungen)
kann von großem Nutzen sein und wird nach Verf. viel zu wenig
angewandt. Sehr beliebt sind bei den Patienten die Räuche¬
rungen mit den verschiedensten Asthmapulvern, Asthma¬
papieren (Salpeterpapieren), von denen das Schiff mann-
sche und das Neumeyer sehe die verbreitetsten sind. Aber
diese Räucherungen reizen die Schleimhäute zu sehr. Chloral-
hydrat und Atropin, letzteres innerlich oder subkutan in steigen¬
den und wieder zurückgehenden Dosen angewandt, können in
gewissen Fällen sehr wirksam sein, sind aber doch immer etwas
riskant und für längere Zeit nicht anzuraten. Von den Inhala¬
tionsmitteln ist der Tucker sehe Apparat der wirksamste. Er
hat in letzter Zeit große Verbreitung gefunden. Er leistet Vor
treffliches, wenn er im Beginn sofort angewandt werden kann
und er wird deswegen von vielen wie ein Talisman stets in der
Tasche mitgetragen. Dann genügen wenige Inhalationen, um
einen drohenden Anfall zu verscheuchen. Ist aber der Anfall
in vollem Anzuge, so ist er unwirksam und kann verhängnisvoll
werden. Der heftige Asthmaanfall verlangt fast immer
Morphium. In den schwersten Fällen ist es sogar nötig, den
Patienten während einiger Tage ganz unter Morphium zu halten.
Es können dann zwei bis drei Morphiumeinspritzungen, even¬
tuell noch mehr, in 24 Stunden nötig sein. In den anfallsfreien
Zeiten kann auch eine methodische Atemgymnastik von Nutzen
sein. Namentlich die bekannte Methode, bei der Aus- und
Einatmung dem Patienten vorzuzählen, ihm selber nachzählen
zu lassen und die Inspirations- und Exspirationsphase nach dem
Zählen zu beeinflussen, ist sehr zu empfehlen:
1—2 Inspiration .... 1—2—3—4 Exspiration
1—2—3 Inspiration . ... 1—2—3 Exspiration
1—2—3—4 Inspiration.1—2—3 Exspiration
434
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 28.
Man kann also die Inspirationsphase gegenüber der ver¬
längerten Exspirationsphase vergrößern und die Exspirations¬
phase allmählich verkleinern. Doch vertragen auch das nicht alle
Patienten und es kann das Exerzitium direkt zu einem Anfalle
reizen. Was dem einen von Vorteil ist, versagt bei dem andern
häufig. Auch die pneumatische Kammer, die vielen gut tut,
vermehrt andern das Beengungsgefühl. Durch Zufall. kam
Verfasser in der letzten Zeit auf eine Art hygienischer Uebung,
die wenigstens in einem, aber besonders schweren Falle, außer¬
ordentlich günstig einwirkte. Es ist das Reiten.
Dr. 0. Boellke, dirigier. Arzt der inneren Abteil- d. städt. Kran¬
kenhauses in Ratibor: Ueber Digistrophan, ein neues Kar-
diaeum. (Die Therapie der Gegenwart, April 1910.)
Das auf Verfassers Anregung von der Firma Goedecke
& Co., Berlin, nach einem patentierten Verfahren dargestellte
Digistrophan ist ein Herzmittel, welches alle wirksamen Bestand¬
teile bester Digitalisblätter und Strophanthussamen enthält und
dabei doch störende Kumulation vermeidet. Das Herstellungs¬
verfahren sichert dem Mittel neben absoluter Haltbarkeit und
bequemster Dosierbarkeit eine dauernde Konstanz und Intensi¬
tät der Wirkung, welche der der Droge weit voransteht. Infolge
dieser Vorzüge verdient das Digisti'ophan, bei allen geeigneten
Herzkranken in Anwendung zu gelangen. Kr.
Georg Linzenmeier (Innere Abteilung des Bürgerhospitals
Colmar): Ueber innerliche Anwendung von g-Strophanthin
(Thoms), klinische und pharmakologische Untersuchungen.
(Inaugural-Dissertation, Heidelberg 1909.)
Bei schweren Dekompensationszuständen scheint man mit
Strophanthin Thoms per os nicht zum Ziel einer Entwässerung
und vollständigen Herstellung der Kompensation zu kommen.
Um in solchen Fällen günstige Wirkungen und nennenswerte
Beeinflussungen zu erzielen, muß man Dosen von 30—40 mg
pro die längere Zeit geben; diesen Dosen sind Reizwirkungen
auf den Magen-Darmkanal und die Gefahren der Kumulation
eigen. .Auch wenn man diese Nebenwirkungen mit in den Kauf
nehmen wollte, kann man durch eine längere Anwendung von
g-Strophanthin in wirksamen Dosen nicht die bekannten typi¬
schen Wirkungen bei schwerer Herzinsuffizienz erzielen, die
man auf unschädliche und sichere Weise mit hochwertigen und
konstanten Digitalispräparaten, wie etwa mit Extr. digit.
depurat. (Digipurat) erzielen kann. Der einzige Vorsprung
des g-Strophanthins vor andern intern verabreichten Digitalis¬
präparaten ist der, daß Strophanthin schon nach wenigen Stun¬
den das quälende Symptom, die Dyspnoe, bessern kann, wäh¬
rend diese Wirkung auf das subjektive Befinden unter den
üblichen Digitalispräparaten erst nach 1—2 Tagen einzutreten
pflegt. Wenn überhaupt, kann bei schweren Fällen von
Dekompensation des Herzens das g-Strophanthin per os höch¬
stens zur Einleitung von Digitaliskuren, dort, wo die Dyspnoe
im Vordergrund der Beschwerden steht, versucht werden. Die
Hauptbedeutung und ein Vorzug interner Anwendung des
Strophanthins zeigt sich bei einmaliger Anwendung in wirk¬
samen Dosen von 30—40 mg in Fällen leichterer Grade von
Herzinsuffizienz. Man kann daher schon nach einigen Stunden
eine günstige Wirkung besonders auf die Dyspnoe erzielen,
und es kami unter Umständen eine einzige Dosis zur Her¬
stellung der Kompensation genügen. Diese durch innere An¬
wendung des Strophanthins günstig beeinflußbaren Fälle sind
dieselben, bei denen auch kleine Dosen von Digitälis-
präparaten, wenn auch nicht so rasch, zur Erleichterung des
Kranken und seiner Wiederherstellung führen. In solchen
Fällen günstiger Wirkung des g-Strophanthins per os tritt die
Wirkung wohl rascher ein als die eines galenischen Digitalis¬
präparates, aber sie ist nicht so prompt und nicht so stark und
nachhaltig wie die einer intravenösen Injektion. Man kann die
interne Anwendung des g-Strophanthins nur für bestimmte
Fälle als Ergänzung der üblichen Digitalistherapie per os an-
sehen; einen Ersatz für die intravenöse Anwendung von Stro¬
phanthin in Fällen akuter oder bedrohlicher Herzschwäche wird
sie wohl nicht bieten. F.
Dr. Max Biihler (Tübingen): Ueber die Lymphocytose bei
Basedowscher Krankheit und hei Basedowoid. (Münchener
med. Wochenschrift, 1910, No. 19.)
Verschiedene Autoren haben neuerdings über die Verände¬
rungen des Blutbildes bei Basedow scher Krankheit berich¬
tet. Insbesondere hat Kocher eine Lymphocytose auf Kosten
der polynukleären Leukocyten, eine gewisse Leukopenie und
in den Strumen von Basedowkranken Lymphocytenhäufchen
gefunden. Verfasser hat im Laufe des vorigen Jahres in der
Tübinger medizinischen Klinik eine Reihe von Basedowkranken
und von sogenannten Basedowoidfällen auf die Veränderungen
ihres Blutbildes untersucht. Es kamen 20 ausgebildete Base¬
dowfälle zur Untersuchung und 70 Fälle, welche in die Rubrik
der Formes frustes fallen. Verfasser kann die angegebenen
Befunde der früheren Autoren im wesentlichen bestätigen. Bei
echtem Basedow und bei den ausgeprägten Formen von Base¬
dowoid ist eine relative Lymphocytose so gut wie konstant vor¬
handen. Ferner kommt er zu dem Ergebnis, daß die Zugehörig¬
keit eines zweifelhaften Falles zu den auf thyreotoxischer Basis
beruhenden Krankheitsfällen sehr wahrscheinlich ist, wenn
eine prozentuelle Vermehrung der Lymphocyten gefunden wird.
Das Vorhandensein einer Lymphocytose ist also in diesen
Fällen von differentialdiagnostischer Bedeutung. Das Fehlen
der Lymphocytose in einem Fall von Basedow oder Basedowoid
berechtigt jedoch an sich nicht zur Ablehnung dieser Diagnose.
Dr. Moinm (Düsseldorf): Ein Beitrag zur Bantischen Krankheit.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 17.)
Verf. berichtet über einen Fall von B a n t i scher Krankheit
bei einem 30 jährigen Manne, der nach mehrjähriger Dauer der
Krankheit durch die Exstirpation der Milz geheilt wurde. Der
Fall ist deswegen bemerkenswert, weil die Krankheit mehrere
Wochen nach einem stumpfen Trauma, welches den Unterleib
getroffen, begonnen hatte. Verf. kommt bei seiner kritischen
Besprechung des Falles zu nachstehenden Schlußfolgerungen:
Bei der Banti sehen Krankheit lassen sich nicht immer drei
Stadien unterscheiden, insbesondere kann der Ascites schon
recht frühzeitig auftreten. Der Ascites wird höchstwahrschein¬
lich durch die abnorme Blutbeschaffenheit und besonders durch
Verlegung der Lymphwege infolge Schwellung der Mesenterial-
und Retroperitonealdrüsen hervorgerufen. Es empfiehlt sich
nicht, die Talmasche Operation der Splenektomie anzu¬
schließen. Bisweilen kommt ein Trauma ätiologisch in Betracht.
Die klinische Differentialdiagnose zwischen Milzvenenthrombose
und Banti scher Krankheit kann heute noch nicht gestellt
werden.
Dr. Albert Caan (Heidelberg): Ueber Komplementablenkung
bei Hodgkinscher Krankheit. (Münch, med. Wochenschrift,
' 1910, No. 19.)
In vier Fällen von Hodgkin scher Krankheit (Pseudo¬
leukämie. malignen Lymphomen) bei Männern im Alter von 28
bis 43 Jahren, bei denen sich weder durch die Anamnese noch
durch den klinischen Befund ein Anhaltspunkt für das Vor¬
handensein einer syphilitischen Infektion ergab, fand sich eine
Komplementablenkung im Blute. Bei zwei Patienten war diese
nur eine vorübergehende. Die Untersuchung geschah sowohl
mittels der von Landsteiner modifizierten Wasser-
m a n n sehen Reaktion wie nach der durch v. Düngern und
.Hirschfeld modifizierten N o g u c h i sehen Methode. Beide
Verfahren ergaben übereinstimmende Resultate. — Irgend
welche weiteren Schlußfolgerungen will Verfasser aus diesen
Beobachtungen nicht ziehen.
Dr. Wilhelm Beuster (Berlin): Ueber einen Fall von akuter
traumatischer Niereninsuffizienz. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 18.)
Verfasser berichtet über einen vom Standpunkt der Unfall¬
kunde bemerkenswerten Fall, welcher im städtischen Kranken¬
hause am Urban zu Berlin beobachtet wurde. Ein 30 jähriger
Straßenbahnschaffner erlitt bei einem Zusammenstoß des
Straßenbahnwagens mit einem Automobil einen Stoß, konnte
aber noch zwei Tage nachher seinen Dienst versehen. Seit
einem halben Jahre hatte er mitunter über Kopfschmerzen ge¬
klagt. Bald nach dem Unfall begannen kurze Anfälle von Be¬
wußtlosigkeiten und Konvulsionen, die anfangs selten, dann
immer häufiger auftraten, so daß der Patient seinen Dienst ein¬
stellen mußte. Fünf Tage nach dem Unfall wurde der Kranke
im bewußtlosen Zustand in das Krankenhaus eingeliefert. Die
Krämpfe bestanden fort; der durch Katheter entleerte Urin
enthielt Eiweiß in Spuren, keinen Zucker, granulierte und
hyaline Zylinder. Temperatur etwa 39° C. Blutgefrierpunkt
ö = — 0.75° C. Es wurde die Diagnose Urämie gestellt und
durch Venaesectio 400 ccm Blut abgelassen; ferner wurden
durch Lumbalpunktion mehr als 15 ccm Liquor cerebrospinalis
entleert. Jedoch hatten diese Maßnahmen keinen Erfolg, zwei
Tage nach der Aufnahme starb der Patient. Die Obduktion
ergab in der Hauptsache: Doppelseitige hypostatische Pneumo¬
nie, frische Tuberkulose beider Lungenspitzen; Verkäsung der
bronchialen, portalen und mesenterialen Lymphdrüsen. Die
mikroskopische Untersuchung der Nieren ergab außer Ver¬
fettung und teilweiser Nekrose der Epithelien der gewundenen
und geraden Harnkanälchen beider Nieren keine pathologischen
Veränderungen. Offenbar handelte es sich hier um eine
urämische Intoxikation infolge Niereninsuffizienz; eine chro¬
nische Erkrankung der Nieren hatte dem Ergebnis der Autopsie
zufolge vorher nicht bestanden; als ursächliches Moment kann
nur das Trauma gelten, welches indirekt wohl eine Läsion
beider Nieren bewirkt hatte. Unerklärt und ohne Analogie ist
nach Verfasser die Tatsache, daß so geringfügige anatomische
Veränderungen der Niere eine derartig schwere Insuffizienz
auszulösen vermochten. Jedenfalls ist nach Verfasser der Tod
als Folge des Unfalls anzusehen und somit eine Entschädigungs¬
pflicht anzuerkennen.
No. 28.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
435
Prol. Dr. J. Hnatek (Prag): Die nichtparasitäre Chylurie. i
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 17.)
Verf. berichtet über folgenden Fall: Eine 33 jährige, bis j
dahin gesunde Frau bemerkt plötzlich eine milchige Ver¬
färbung des Urins und den Abgang zottenförmiger Gerinnsel
unter Schmerzen, die Nierenkoliken ähnlich sind. Der chyl-
urische Harn enthält im Liter 7,73 g Eiweiß. Die Chylurie hat
einen nächtlichen Typus, der Tagesharn ist ganz normal. Aber
in Rückenlage war auch bei Tage der Harn chylös und enthielt
bei gleichbleibender Kost die 123 fache Fettmenge des im Gehen
entleerten Urins. Die Sondierung der Ureteren erwies, daß die
linke Niere viermal so viel Fett sezernierte, als die rechte.
Zucker fehlte konstant im Urin. Die Ursache der Chylurie
konnte nicht ermittelt werden.
Dr. Georg Riebold (Dresden): Ueher rasch vorübergehende
cerebrale Hemiplegien. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 20.)
Verfasser kommt auf Grund einiger Beobachtungen zu
folgender Auffassung: Leichte, rasch vorübergehende cerebrale
Hemiplegien können beim Vorhandensein einer lokalen Er¬
krankung der Gehirngefäße durch zeitweise mechanische Be¬
hinderung der Blutzufuhr und infolgedessen momentan un¬
genügende, sich aber rasch wieder ausgleichende Blutver¬
sorgung wichtiger Gehirnabschnitte ohne anatomische Läsionen
zustande kommen. Sie können weiterhin bei Embolie oder
Thrombose kleiner und kleinster Gehirngefäße durch das
rasche Eintreten eines genügenden Kollateralkreislaufes sich
erklären, wie er bei dem normalen Vorhandensein von
Anastomosen zwischen den kleinsten Aestchen auch der
Arteriae fossae Sylvii sich jederzeit ausbilden kann. Mög¬
licherweise sind manchmal zwischen den Aesten der Art.
fossae Sylvii größere anastomotische Verbindungsäste vor¬
handen, durch deren Eintreffen auch schwere cerebrale Hemi¬
plegien nach Verschluß eines Hauptstammes der Art. fossae
Sylvii sich sehr rasch zurückbilden können. R. L.
G. Müller: Klinische Studie über die Kontusionen und Distor¬
sionen der Wirbelsäule und ihre Folgezustände an der Hand
von 56 Fällen eigener Beobachtung. (Archiv für klinische
Chirurgie, Bd. 91, H. 2.)
M. entwirft auf Grund von 56 eigenen Beobachtungen ein
charakteristisches Bild der Rückenquetschung, wie es wohl
jedem Praktiker mehr oder weniger geläufig ist: Ein bis dahin
gesunder, voll erwerbsfähiger Mensch wird von einem verhält¬
nismäßig geringfügigen Trauma (Fall von der Treppe, Auf¬
fallen eines Sackes gegen den Rücken etc.) betroffen. Er
arbeitet zunächst weiter, geht dann am folgenden Tage oder
noch später zum Kassenarzt und wird vom ihm 13 Wochen lang
mit Einreibungen, Umschlägen usw. behandelt. Nach Ablauf
der Karenzzeit übergeben die Berufsgenossenschaften den
Kranken einer mit allen Hilfsmitteln für Nachbehandlung aus¬
gestatteten Spezialheilanstalt. Die objektive Untersuchung fällt
fast durchweg negativ, aus. Subjektiv wird über Schmerzen
in der Wirbelsäule, sowohl spontan als auch bei Beklopfen be¬
klagt. Die Bewegungen des Rumpfes sind schmerzhaft und ein¬
geschränkt. Nach einer verhältnismäßig langen, nach Müllers
Erfahrungen durchschnittlich neun Monate dauernden Behand¬
lung wird das Heilverfahren beendet und der Verletzte bleibt
noch um zirka 1 / 5 in seinem Erwerbe beeinträchtigt.
M. vertritt den Standpunkt, daß es sich bei diesem von ihm
als „Vertebralgie“ bezeichneten Symptomenkomplex um eine
vorwiegend psychogene, erst durch das Unfallversicherungs¬
gesetz gezüchtete Affektion sui generis handelt. Aber nach des
Ref. Ansicht sehr zu Unrecht wird von M. die kassenärztliche
Behandlung beschuldigt, zur Entwickelung des Leidens beizu¬
tragen. Der Patient liest auf dem Krankenschein, daß er an
einer Verstauchung der Wirbelsäule leidet und nun meint Verf.,
daß sich auf Grund dieser Kenntnis allmählich bei dem Ver¬
letzten das Bewußtsein, eine schwere Verletzung erlitten zu
haben und das Verlangen nach Rente in das Unterbewußtsein
einschleiche. Und wodurch will M. das verhüten? Durch
Ausschaltung der kassenärztlichen Karenzzeit, durch sofortige
Uebemahme des Heilverfahrens seitens der Berufsgenossen¬
schaften. Und worin besteht die „zielbewußte systematische,
streng individualisierende“ Behandlung in den berufsgenossen¬
schaftlichen Heilanstalten? ln Massage, nervenstärkenden und
kräftigenden Mitteln, Hydrotherapie, Gymnastik und Elektrizi¬
tät. „Ein lokaler Wert kommt aber diesen therapeutischen
Faktoren nur in beschränktem Maße zu, die Hauptsache war
doch meist, daß der Stoffwechsel angeregt, das Allgemein¬
befinden gebessert, das Selbstbewußtsein gehoben und die
Krankheitsvorstellung verdrängt wurde.“
Nach meiner Kenntnis der berufsgenossenschaftlichen
Heilanstalten sind dieselben ein denkbar ungeeigneter Ort,
derartigen Indikationen gerecht zu werden. Durch Ansamm¬
lung derartiger an ..Begehrungsvorstellungen" leidender
Kranken in einer Anstalt erreicht man keine Verdrängung der
Krankheitsvorstellung, sondern das gerade Gegenteil. Ebenso
verfehlt erscheint die Applikation von Stützkorsetts, von
welchen Müller ausgezeichnete Erfolge gesehen haben will.
Wenn dies der Fall ist, so dürfte es sich wohl kaum um rein
psychische Beschwerden gehandelt haben, denn bei letzteren
steigert das Korsett das Krankheitsbewußtsein und ist weit
schädlicher, als die von M. zu Unrecht beschuldigte kassenärzt¬
liche Diagnose auf dem Krankenschein, durch welche angeb¬
lich der Patient erst krank wird. Meines Dafürhaltens sind
die Wirbelkontusionen und ihre Folgezustände nicht blos ein
Produkt der sozialen Gesetzgebung. Man beobachtet diese
überaus hartnäckigen Folgen auch bei Verletzten, welchen
keinerlei Rentenansprüche zustehen. Der Unterschied besteht
blos darin, daß letztere durch den Kampf ums Dasein, die dira
necessitas zur möglichst baldigen Wiederaufnahme der Arbeit
trotz ihrer Schmerzen gezwungen werden und so die schwere
Zeit überwinden, während der Unfallverletzte Arbeiter mit
einem gewissen Recht annimmt, daß ihm die staatliche Für¬
sorge zu Hilfe kommen müsse. Sache des erfahrenen Arztes
ist es, durch sorgsam abgeschätzte Uebergangsrenten dem Ver¬
letzten allmählich wieder das Vertrauen zu sich und die
Wiedergewöhnung an die Arbeit zu ermöglichen. Daß die be¬
rufsgenossenschaftlichen Heilanstalten dieser Aufgabe besser
gewachsen seien, als der praktische Arzt, muß bestritten
werden. Adler (Pankow-Berlin).
Privatdozent Dr. A. Strubcll (Dresden): Opsonisches über
Staphylokokkenimmunität. (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 18.)
Verfasser berichtet über weitere experimentelle und prak¬
tische Erfahrungen bezüglich der opsonischen Verhältnisse der
Staphylokokken. Nach seinen, allerdings nur auf eine Zeit von
einer halben Stunde sich beziehenden Untersuchungen bewirkt
die induzierte Phagocytose in vitro gegen hochvirulente
Staphylokokken keine nachweisbare Abtötung der Keime. Die
Giftigkeit der standardisierten Staphylokokkenvaccine „Opsono-
gen" an Meerschweinchen, Hunden und Kaninchen geprüft, er¬
wies sich bei den genannten Tieren, selbst bei der Verwendung
außerordentlich hoher Dosen, als ganz gering. Der opsonische
Index gegen Staphylokokken schwankte bei Gesunden in 81 pCt.
der Fälle innerhalb 0,90 und 1,10, während er bei an Staphylo¬
kokkeninfektionen erkrankten Patienten nur in 41,1 pCt. der
Fälle innerhalb der Norm sich bewegte. Auch in einem von
Verf. neuerdings beobachteten, unglücklich verlaufenen
schweren Fall von Staphylokokkensepsis erwies sich die Be¬
stimmung des opsonischen Index als ein gutes Kriterium für
den jeweiligen Stand der Immunität des Patienten und verhielt
sich umgekehrt proportional zur Höhe der Fieberkurve. Die
von Verf. vor Jahresfrist unabhängig von, aber in Ueberein-
stimmung mit W r i g h t empfohlene Vaccinebehandlung der
lokalen Staphylokokkenerkrankung ohne die Indexbestimmung
hat sich auch weiterhin bewährt. In der Mehrzahl der Fälle
wird ein Erfolg leicht erzielt und erspart dem Patienten
schmerzhaften Verlauf und chirurgische Behandlung. Verf. be¬
richtet beispielsweise über zwei mit Erfolg behandelte Fälle
von rezidivierender Furunkulose. Die Herstellung individueller
Vaccinen ist ein Auskunftsmittel für die prozentual geringe An¬
zahl von Fällen, in denen die Heilwirkung des Opsonogen
zögernd eintritt oder sogar ausbleibt. Doch Ist eine solche
individuelle Vaccinetherapie wohl nur in Universitätskliniken
oder bei sehr wohlhabenden Patienten möglich. Für die ärzt¬
liche Praxis kommt im allgemeinen nur die in der Mehrzahl
der Fälle zum Ziele führende Behandlung mit fabrikatorisch
im großen dargestellten Vaccinen in Betracht. R. L.
Dr. Max Kiill, Arzt in Radevormwald: Ein Fall von Kiemengang-
eiterung. (Medizinische Klinik, 1910, No. 15.)
Verfaser wurde zu einem drei Tage alten Kinde gerufen,
an dessen linker Seite des Halses er neben dem Kehlkopfe
eine kleinwallnußgroße, rundliche, feste, glatte, verschiebliche
Geschwulst fand, die Aehnlichkeit mit einer vergrößerten
Lymphdrüse hatte. 14 Tage später wurde ihm das Kiud wieder
vorgeführt, und er fand es nun bis zur Unkenntlichkeit ver¬
ändert. Es war enorm abgemagert, während die Geschwulst
mächtig gewachsen war. Sie war prall-fluktuierend und nahm
die Gegend zwischen Unterkiefer und Brust von Ohr zu Ohr ein.
ln ihrer Mitte deutete eine Furche an, daß sie aus zwei ge¬
trennten Säcken bestand; auch griff die Fluktuation nicht von
einer Halsseite auf die andere über. Bei Druck auf die linke
Halsseite entleerte sich unter dem linken seitlichen Zungen¬
rande Eiter in reichlicher Menge in die Mundhöhle. Aus beiden
Säcken entleerte sich nach dem Einschnitte eine Menge gelben,
rahmigen, äußerst stinkenden Eiters. Die Absonderung aus
den großen Höhlen ließ nun schnell nach, so daß schon nach
einigen Tagen.der drainierende Gazestreifen fortbleiben konnte
und die Wunde bald verheilt war. Das Kind erholte sich nun
außerordentlich schnell. Kr.
Privatdozent Dr. E. Willi. Baum, Oberarzt der königlich chirur¬
gischen Klinik zu Kiel: Der Wert der Joddesinfektion, ge¬
prüft an einem großen Hernienmaterial. (Medizinische
' Klinik, 1910. No. 12.)
Unter den Errungenschaften auf dem Gebiete der Desinfek¬
tion bedeutet die von Grossich inaugurierte Joddesinfektion
436
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 28.
den bemerkenswertesten Fortschritt: Verzicht aui mehr oder
■weniger komplizierte Reinigung des Operationsfeldes, die durch
Pinselung der Haut mit Jodtinktur ersetzt wird. Genügt diese
so ungemein einfache Wundvorbereitung allen Anforderungen
an strenge Asepsis und leistet sie das, was ihr Urheber ihr
nachsagt, so kann sie eine ideale Methode genannt werden.
Von jeher ist der beste Prüfstein für den Wert eines Sterilisa¬
tionsverfahrens der Heilverlauf einer Hernienoperation ge¬
wesen. Gelingt es, in der gefährdeten, jeder Desinfektionsart
schwer zugänglichen Leisten- und Skrotalregion Heilung per
primam zu erzielen, so bewährt sich die Methode. Verfasser
hat nun in diesem Wintersemester bei allen Radikaloperationen
des Leisten- und Schenkelbruches die Jodpinselung ausnahms¬
los angewandt und berichtet in vorliegender Arbeit über die
Ergebnisse: Im ganzen sind es 91 Radikaloperationen, die an
68 Patienten in der Zeit vom 1. Oktober 1909 bis 15. Februar
1910 vorgenommen wurden. Fast stets wurde nach B a s s i n i
operiert; als Nahtmaterial diente für die tiefen Gewebe wie
auch für die Haut dünne Seide, niemals Katgut. Unter den
91 Fällen befinden sich sieben Kranke mit incarceriertem
Bruch, zwei mit Hernia permagna. Von den incarcerierten
Hernien sind alle per primam geheilt, von den letzten beiden
hat der eine, ein 61 jähriger Mann, der in Lokalanästhesie
operiert wurde, eine zirkumskripte Nekrose der Aponeurosis
externa davongetragen, die nach Entfaltung einiger Hautnähte
in kürzester Zeit ohne Abstoßung von Seidenfäden ausheilte.
Die Auflockerung der an sich sehr dünnen Fascie durch die
Novokaininjektion und das Alter des Kranken sind wenigstens
als prädisponierende Momente für die Wundstörung anzusehen.
Bei den Testierenden 82 Hernienoperationen hat Verfasser drei¬
mal eine umschriebene oberflächliche Hautinfektion erlebt, die
in keinem Fall eine Verzögerung des Krankenlagers nach sich
zog. Neben der eben erwähnten Fasciennekrose ist somit im
Heilverlauf von 91 Radikaloperationen dreimal eine geringe
Störung der Asepsis zu verzeichnen; alle übrigen Fälle ver¬
liefen ohne jede Infektion. Da das Jod der einzig konstante
Faktor, alle anderen Faktoren aber, die für die Wundheilung
in Frage kommen (Hände der Operierenden, Instrumente,
Nahtmaterial und Verbandstoffe) variieren, so liegt es näher,
einem von diesen und nicht dem Jod die Schuld an der lokalen
Infektion zuzuschieben.
In gleicher Weise wie die Hernien hat Verfasser die
anderen großen und kleinen Operationen fast ausnahmslos mit
der Jodpinselung vorbereitet. Hier kann er von noch günstige¬
ren Resultaten berichten, denn alle aseptischen Laparotomien,
Trepanationen, Knochenimplantationen, Knochen- und Gelenk¬
operationen, Strumen- und Mammaamputationen konnten einer
normalen, völlig aseptischen Wundheilung entgegengeführt
werden. Sömit hat die Joddesinfektion ihre Feuerprobe be¬
standen. Sie ist nach Verf. dank ihrer unbestreitbar großen
Vorzüge wert, allgemeine Verbreitung zu finden; speziell der
praktische Arzt sollte sich ihrer als einer sicheren, schnell
und einfach ausführbaren Sterilisationsmethode auf allen Ge¬
bieten der kleinen Chirurgie bedienen. K r.
0. Klauber: Gallenbronchus-Fistel; Laparotomie; Heilung.
(Archiv für klinische Chirurgie, Bd. 91, FI. 2.)
K. berichtet über drei Fälle von Leberechinococcus, welche,
ohne palpable Tumoren zu erzeugen, unter dem klassischen
Bilde der Cholelithiasis verliefen: heftige Koliken, Ikterus,
Acholie der Fäces. Erst die Operation klärte den Tatbestand.
Der Choledochusverschluß war durch Kompression seiner Wand
oder durch Eindringen der Echinococcusblasen in die Gallen¬
wege zu erklären. Der erste Fall ist dadurch noch besonders
bemerkenswert, daß der Echinococcus infolge von Perforation in
den rechten Bronchus zu einer hartnäckigen Gallengangs¬
bronchusfistel mit reichlicher Expektoration von Galle geführt
hatte. Alle drei Fälle wurden geheilt; der Fall von Bronchus¬
fistel erst nach dreimaligem Eingriff. Echinococcushaken oder
Membranen waren im Sputum nicht nachzuweisen.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Jlaetzke (Seidenberg): Die Ruptur von Bauchnarben¬
hernien. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 18.)
Narbenbrüche in Laparotomien-Narben sind nicht gerade
selten und kommen besonders bei Angehörigen der arbeiten¬
den Stände, welche sich in bezug auf körperliche Arbeit nicht
schonen können, vor. Dagegen ist es eine große Seltenheit, daß
die Bauchwand über derartigen Brüchen durch Dehnung
schließlich so dünn wird, daß die Narbe platzt und Bauchein¬
geweide austreten. In der Literatur finden sich 17 derartige
Fälle.,alle bis auf einen betreffen Frauen. Unter diesen Fällen
finden sich zwei, in denen die Bauchnarbenhernie von einer
früheren Sectio caesarea herrührte. Verfasser ist in
der Lage, diesen zwei Fällen einen von ihm beobachteten an¬
reihen zu können, der noch die Besonderheit bietet, daß bei
der Frau zwei Kaiserschnitte vorausgegangen waren. ES
handelt sich um eine jetzt 39 jährige Frau, welche im Februar
1902 und im April 1904 in der Breslauer Provinzialhebammen¬
lehranstalt (Dr. Baum m) durch Sectio caesarea entbunden
worden war. Nach dem ersten Kaiserschnitt, der ganz glatt
verlaufen war, trat noch keine Narbenhernie auf, erst nach
dem zweiten, wo ein Bauchdeckenabsceß eine vollständige
Heilung per primam hinderte, bildete sich eine solche und zwei
Jahre nach dem Kaiserschnitt platzte gerade an der Stelle, wo
der Absceß damals seinen Sitz hatte, der Bauchbruch. Es ge¬
lang dann dem hinzugezogenen Kollegen, Sanitätsrat
R. Schindler (Görlitz) nach Erweiterung des Bruchrings
und Eröffnung des Abdomens die vorgefallenen Därme zu
reponieren und die Bauchhöhle exakt zu verschließen. Die
Heilung verlief bis auf eine geringfügige Stichkanaleiterung
glatt. Nach sechs Wochen verließ die Frau das Krankenhaus,
bekam eine Leibbinde und nahm wieder ihre landwirtschaft¬
liche Arbeit auf. Seitdem hat sie keinerlei ärztliche Hilfe
nachgesucht. R. L.
R. Hinz: Ueber Chyluscysten. (Archiv f. ldin. Chirurgie, Bd. 91,
No. 3.)
H. beschreibt zwei seltene Fälle von Chyluscyste. Der erste
Fall wurde unter der Diagnose Ovarialtumor operiert. Es fand
sich eine mannsfaustgroße Mesenterialcyste, welche aus den
Mesenterium des Dünndarms ausgeschält wurde. Der Fall ver¬
lief letal. Der doppelfaustgroße cystische Sack war innen glatl-
wandig und enthielt zirka 300 ccm Chylusflüssigkeit. Der zweite
Fall wurde unter der Diagnose appendicitischer Absceß oder
Mesenterialcyste operiert. Auch in diesem Fall handelte es sich
um eine im Mesenterium des Dünndarms liegende zirka 600 ccm
Chylus enthaltende Retentionscyste, welche nach Spaltung des
Mesenteriums ausgeschält wurde. Heilung. Manche Autoren
halten die Cysten, von welchen nach Klein bisher etwa
52 Fälle bekannt sind, nicht für einfache Retentionscysten,
sondern für echte Chylangiome. Jedenfalls kann man durch
Unterbindung von Lymphgefäßen echte Lymphcysten experi¬
mentell erzeugen.
Krüger: Klinische Beiträge zur Gefäßchirurgie. (Archiv für
klinische Chirurgie, Bd. 91, H. 2—3.)
Seit den Publikationen von Carrel, Stich. Fischer.
W i e t i n g, Trendelenburg u. a. ist die Frage der Ge¬
fäßnaht ein aktuelles Thema geworden. Zwar befriedigen die
bisherigen Resultate noch keineswegs, da häufig Thrombosen
nachträglich noch den Erfolg der gelungenen Gefäßnaht ver¬
eiteln. Immerhin bedeutet die Ausgestaltung der Technik der
Gefäßnaht einen großen Fortschritt. Krüger hat nun das
große Material der Jenenser chirurgischen Klinik aus den
Jahren 1889—1909 in bezug auf die in das Gebiet der Gefä߬
chirurgie gehörigen Fälle gesichtet und konnte insgesamt
46 Fälle zusammenstellen, w'elche sich auf 19 Aneurysmen und
27 Verletzungen und Erkrankungen verteilen. Gefäßnaht
wurde einmal gleichzeitig an der Art. und Vena femoralis aus¬
geführt, einmal an der Vena femoralis allein und einmal an
der Vena jugularis interna. In einem Falle von angioskleroti-
scher Gangrän wurde eine Anastomose zwischen Art. und Vena
femoralis nach W i e t i n g — ohne Erfolg — ausgeführt. Alle
übrigen Fälle wurden mit Ligatur behandelt. Bei kritischer
Sichtung seiner Fälle kommt Verfasser zu dem Schlüsse, daß
von den ausführlich mitgeteilten Fällen 23 überhaupt für eine
Naht gar nicht in Frage kommen konnten, sondern nur für eine
Ligatur. Darunter finden sich 17 glatte Heilungen, während
in sechs Fällen Gangrän eintrat. Unter den 15 Fällen, in
welchen eventuell eine Naht hätte ausgeführt rverden können-,
wurde elfmal durch Ligatur Heilung erzielt, viermal trat
Gangrän ein. Von 15 nachuntersuchten Fällen waren fünf ganz
beschwerdefrei, bei zehn bestanden noch Schmerzen, Parästhe-
sien, Paresen, Ankylosen etc. in verschiedenen Graden wahr¬
scheinlich infolge mangelhafter Wiederherstellung des Collate-
ralkreislaufes. Es bleibt vorläufig noch fraglich, ob in Zukunft
die häufiger an Stelle der Ligatur anzuwendende Gefäßnaht
bessere Resultate zeitigen wird. A d 1 e r (Pankow r -Berlin).
Dr. Felix Turan (Franzensbad): Zur Behandlung des habi¬
tuellen Abortus. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 18.)
Es gibt Fälle von habituellem Abort, in denen eine lokale
oder konstitutionelle Ursache sich nicht ermitteln läßt. Man
nimmt in solchen Fällen eine allgemeine körperliche oder auch
eine Schwäche der Gebärmutter als Ursache an und die Be¬
handlung besteht dann gewöhnlich in Verordnung von Ruhe,
Salz- und Moorbädern, Eisen, roborierender Diät. Der Erfolg
dieser Verordnungen ist aber unsicher. Verfasser hat nun in
zwei Fällen von habituellem Abort, in denen gar keine Krank¬
heit oder abnormer Zustand nachweisbar war und bei welchen
die üblichen Behandlungsmethoden bereits wiederholt erfolg¬
los angewendet worden waren, durch ein neues Mittel Erfolg
erzielt, indem bei beiden Frauen nach einer Gravidität von
normaler Dauer die Geburt je eines gut entwickelten Kindes
erfolgte. Die Behandlung bestand neben den üblichen Moor-
ünd Stahlbädern, welche eine aktive Hyperämie der Becken-
No. 28.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
437
orgape bewirken, in der Anwendung einer direkten intraute¬
rinen Ansaugung, welche eine passive Blutüberfüllung der Ge¬
bärmutter hervorruft. Bäder wurden zirka 22 genommen, etwa
ebenso oft wurde die intrauterine passive Hyperämisierung an¬
gewendet. Es dient dazu eine von Verfasser schon früher be¬
schriebene intrauterine Kanüle, die behufs Ansaugung mit
einem 10—12 cm langen Gummirohr versehen ist. Es wird ein
negativer Druck von 30—50 mm Hg erzeugt. Dann wird der
Schlauch abgeklemmt, mittels einer Sicherheitsnadel an der
Leibwäsche der Patientin befestigt und nun die Kanüle 5 bis
10 Stunden liegen gelassen. Die Patientin kann damit un¬
gehindert gehen und verspürt weder Schmerzen noch irgend ein
Fremdkörpergefühl im Unterleib, nur in der ersten halben
Stunde nach der Einführung der Kanüle empfindet sie ein
krampfartiges Gefühl daselbst, das aber das subjektive Be¬
finden nicht stört. Nach 5—10 Stunden wird der Katheter
entfernt, der mit mäßig tingiertem Schleim gefüllt ist. R. L.
S. Cholmogoreff, Direktor der kaiserl. Gebäranstalt zu Moskau:
Extraperitonealer Kaiserschnitt nach Latzko. (Zentralblatt
für Gynäkologie, 1910, No. 16.)
Die Bestrebungen, den Kaiserschnitt extraperitoneal zu
machen, fallen schon in den Anfang des 19. Jahrhunderts. In
letzter Zeit wurde die Frage von F r a n k im Jahre 1907 wieder
aufgenommen. Seine Methode kann jedoch nicht als „extra¬
peritoneal“, sondern muß als „transperitoneal“ bezeichnet wer¬
den. Im vollen Simie des Wortes für „extraperitoneal“ kann
die Methode von S e 11 h e i m gehalten werden. Leider wurden
beim Operieren nach dieser Methode nicht selten Blasenver¬
letzungen beobachtet. Nur durch die Methode des extraperito¬
nealen Kaischnittes, die Latzko vorschlug, ist der richtige
Weg vorgezeichnet. Da diese Operationen verhältnismäßig
selten gemacht werden, so berichtet Verfasser über einen von
ihm operierten Fall, der eine 38 Jahre alte Frau betraf. Verf.
bezeichnet die Operation als ziemlich schwer, besonders wenn
sie mit dem klassischen Kaiserschnitt verglichen wird. Bei der
geringsten Unvorsichtigkeit kann die Blase verletzt oder das
Peritoneum eröffnet werden. Am leichtesten läßt sich die
Operation dann ausführen, wenn volle Eröffnung eingetreten
ist und die Geburt sich etwas verzögert. Dann ist die Plica
vesicovaginalis leicht abzuschieben. Diese späte Operationsvor¬
nahme kann als Vorzug des extraperitonealen Kaiserschnittes
bezeichnet werden, da sie dann vorgenommen werden kann,
wenn die Zeit zum klassischen Kaiserschnitt schon verpaßt ist.
Die Operation muß gemacht werden, wenn die Infektion auf
Grund mehrfacher innerer Untersuchungen nur geahnt werden
kann. Wenn die weiteren Beobachtungen die erwähnten Be¬
dingungen feststellen, so bekommt der extraperitoneale Kaiser¬
schnitt nach Latzko ohne Zweifel eine große Verbreitung,
jedenfalls aber nur in gut eingerichteten Gebäranstalten und
Kliniken. K r.
Dr. H. Bayer (Straßburg i. E.): Zur Therapie der Blennorrhoe
mittels der Blennolenicetsalbe. (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 19.)
Verfasser hat in der Straßburger Universitäts-Augenklinik
12 gonorrhoische Augenentzündungen (bei zwei Neugeborenen,
neun Kindern im Alter von 3—11 Monaten, eine Frau von
68 Jahren) mittels der von C. Adam empfohlenen Blenno¬
lenicetsalbe behandelt; die Resultate waren aber sehr un¬
günstig, denn eine Anzahl von Augenerkrankten litt während
der Behandlung so schwer an Hornhautkomplikationen, daß
sie erblindeten. Viel bessere Erfolge gab die bisherige an der
Klinik geübte Methode: zweimal täglich Touchieren mit Arg.
nitric. (2proz.) Spülungen mit Kal. hyperm., fünfmal täglich
Protargol, zwei Stunden Eisaufschläge, eine Stunde Pause. Von
18 auf diese Weise in der gleichen Zeit behandelten Fällen
heilten 17 glatt, nur einmal entstand ein Ulcus bei einem
Patienten, der zuvor schon an Trachom gelitten hatte. Unter
den 18 Fällen waren neun, zum Teil sehr schwere, von Blennor-
rhoea adultorum. — Auf Grund seiner traurigen Erfahrungen
warnt Verfasser direkt vor der Blennolenicetsalbe bei blennor-
rhoischen Erkrankungen der Augen. R. L.
Prof. Dr. H. Chalupecky (Prag): Seltene traumatische Erkran¬
kungen (1er Hornhaut. (Wiener klin. Rundschau, 1910,
No. 9—12.)
Verf. stellt in seinem Resümee folgende Punkte auf:
1. Außer den eitrigen Entzündungen der Hornhaut nach infi¬
zierten Verletzungen derselben gibt es noch einige seltenere
traumatische Erkrankungen, zu denen man zählen muß:
a) Nichtentzündliche tiefe Trübungen nach Kompression der
Cornea bei der Zangenentbindung; b) den Uebergang von
diesen zur entzündlichen Form bildet vielleicht die sogeuannte
Infractio corneae nach starker Durchbiegung; c) von Entzündung
begleitet sind: Die Keratitis traumatica recidivans, charakteri¬
siert durch die Bildung von Pusteln, die nach der Heilung von
Zeit zu Zeit wiederkehren; dieser Form verwandt ist die Kera¬
titis stellata, während die Keratitis striata, das Ergebnis einer
ungleichmäßigen Spannung der Cornea nach deren Durch¬
schneidung, eher mit der erwähnten Infractio corneae auf eine
Stufe zu stellen wäre. — Eine zweite entzündliche Form ist die
Keratitis disciformis, die dem Hornhautabsceß verwandt ist. —
Am wichtigsten unter allen ist die echte Keratitis parenchyma-
tosa, die früher angezweifelt wurde. 2. Die Abschätzung der
Unfallschäden ist nur bei der Keratitis parenchymatosa einiger¬
maßen strittig. Die einseitige Affektiou dürfte nach Erwägung
der Momente des Nachweises des Unfalls, des Intervalls, der
Kontinuität heutzutage wohl kein Unfallsarzt mehr ablehnen.
Schwieriger ist die Entscheidung bei beiderseitiger tiefer Ent¬
zündung nach Verletzung nur eines Auges. Hier wird es haupt¬
sächlich auf eine sorgfältige Erwägung aller in Betracht
kommenden Umstände, kurz auf eine strenge Individualisie¬
rung in jedem einzelnen Falle ankommen. Soviel aber geht aus
der Erwägung des Verhältnisses des verletzten Auges zum un¬
verletzten hervor, daß wir nicht berechtigt sind, die beider¬
seitige Erkrankung ohne weiteres zu verwerfen. K r.
Prof. R. Deutschmann (Hamburg): Zur Kenntnis der Netzhaut¬
ablösung und ihrer Behandlung, (v. Gr a e f e s Archiv für
Ophthalmologie, 1910, Band 74, Leber-Festschrift.)
Verfasser skizziert in der vorliegenden Arbeit in Kürze
seine derzeitigen Anschauungen bezüglich der Pathogenese
und Therapie der Netzhautablösung auf Grund seiner Erfahrun¬
gen an 260 Patienten mit 345 an Ablatio retinae erkrankten
Augen. Wir wollen hier nur die die Therapie und ihre Erfolge
betreffenden Angaben des Verfassers mitteilen. Er hat
I 267 Augen mittels des von ihm angegebenen Verfahrens opera¬
tiv behandelt; von diesen wurden geheilt 26,1 pCt., gebessert
35.2 pCt., ungeheilt blieben 38,7 pCt., es sind allerdings hier¬
unter 42 Augen einbegriffen, die von vornherein aussichtslos nur
auf Wunsch der Patienten operiert wurden; zieht man diese
ab, so werden die Prozentzahlen: Geheilte 31,1 pCt., gebessert
41.3 pCt., ungeheilt 27.6 pCt. Was die übliche Behandlung an¬
langt, so steht Verfasser auf dem Standpunkt, daß bei
frischer Netzhautablösung jede Therapie nutzlos ist; er hält
das übliche Schwitzen, das Monate hindurch fortgesetzte Liegen,
womöglich im Dunkelzinnner, den konsequenten Druckverband,
die Jod- und Quecksilberkuren für unnütze Maßnahmen, die
den Kranken physisch und psychisch erschöpfen. Diese Ab¬
lösungen, welche bei solcher Behandlung heilen, wären auch
ohne jede Therapie geheilt; denn, allerdings sehr selten, kom¬
men bekanntlich Spontanheilungen der Netzhautablösung vor.
Verf. läßt demnach frisch an Netzhautablösung Erkrankten jede
mögliche Bewegungsfreiheit und warnt sie nur vor übermäßigen
körperlichen Anstrengungen, vor Bücken und dergl., sowie vor
Nahrungs- oder Genußmitteln, die ihnen erfahrungsgemäß leb¬
hafteren Blutandrang nach dem Kopf machen. Dabei vollzieht
sich die Senkung des subretinalen Ergusses schneller, even¬
tuelle Spontanrupturen in der oberen Netzhauthälfte können
heilen und die Chance für die Operation wird günstiger. Bei
frischen Netzhautablösungen operiert Verfasser nicht, jeden¬
falls nicht, so lange das subretinale Exsudat sich nicht gesenkt
hat. R. L.
Dr. Bruno Sylla (Bremen): Einige therapeutische Beobachtun¬
gen. Das Diaspirin als Schwitzmittel. (Wochenschrift für
Therapie und Hygiene des Auges, 1910, H. 20.)
Die Beobachtung, daß das Diaspirin eine stärkere Schwei߬
produktion herbeiführt als das Aspirin, nützte Verfasser überall
dort aus, wo ihm an einer Schwitzprozedur gelegen war und er
substituierte das von ihm sonst bevorzugte Atropin durch das
Diaspirin angesichts mancher Nebenwirkungen, die dem Atro¬
pin zukommen. Verfasser leitet das Schwitzen durch Diaspirin
mit einem heißen Fußbade, dem alten guten, bei Augenleiden
bewährten Ableitungsmittel ein und kombiniert dieses Ver¬
fahren mit heißem Fliedertee. Er läßt stets am Abend
schwitzen. Um 6 Uhr nimmt Patient 1 g Diaspirin (2 Tabl.
ä Vz g) mit einem großen Glase warmem Wasser oder warmer
Zitronenlinionade, um 7 1 i Uhr ein heißes Fußbad von 10 bis
15 Minuten Dauer. Während Patient im Fußbade sitzt, nimmt
er wiederum 2 Tabletten ä V 2 g, trinkt dazu zwei Tassen Flieder¬
tee, dann legt er sieh in eine wollene Decke gehüllt, daß nur
der Kopf herausguckt, ins Bett. Gewöhnlich tritt dann nach
5—10 Minuten Schweiß auf. Nötigenfalls nimmt dann Pat. noch¬
mals ein drittes Gramm mit Fliedertee. Der sich absondernde
I Schweiß ist dann ein profuser. Dieses Verfahren eignet sich
nicht nur bei der akuten Iritis, sondern auch bei anderen akuten.
Augenerkrankungen, besonders bei den durch Erkältung even¬
tuell durch Influenza hervorgerufenen Bindehautentzündun¬
gen u. ä.; auch kommt es nach Beendigung der Schmierkur zur
besseren Ausscheidung des Quecksilbers in Betracht. Die dem
Aspirin eigene schmerzlindernde Wirkung ist bei dem Diaspirin
ebenso vorhanden. Für die ambulante Praxis besitzen wir
demnach in dem Diaspirin ein recht brauchbares Mittel. A. H.
438
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 28.
Dr. H. Stoeber und Dr. L. Wacker (Würzburg): Ein weiterer
Beitrag zur Erzeugung atypischer Epithelwucherungen mit
Eiweißfäulnisprodukten. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 18.)
Die Verfasser versuchten, ob Substanzen, die im tierischen
Organismus unter physiologischen oder pathologischen Ver¬
hältnissen als Spalt- oder Fäulnisprodukte des Eiweiß ent¬
stehen, in das Kaninchenohr injiziert eine dem Scharlachöl
ähnliche Wirkung ausüben. Nach den bisherigen Erfahrungen
haben nur organische Substanzen basischen Charakters diese
Eigenschaft, und zwar nur solche, welche fettlöslich sind.
Positive Resultate wurden erzielt mit Pyridin (2- und 5 proz.)
in Olivenöl, Indol (5 proz.) in Kaninchenfett und S k a t o 1
(5 proz.) in Kaninchenfett. Es erwies sich als vorteilhaft, nicht
blos einmal unter Druck zu injizieren, sondern nach 1—2 Tagen
ein wenig nachzuspritzen. Die schönsten Wucherungen wurden
mit Indol erzielt, wenn mit etwas Skatol nachgespritzt wurde.
Sie erreichten in einem Falle die Größe einer kleinen
Haselnuß und entwickelten sich innerhalb 15 Tagen. Die durch
Pyridin erzeugten epithelialen Neubildungen waren weniger
charakteristisch, als die durch Indol und Skatol hervorgerufenen.
Die letzteren gleichen durchaus in morphologischer Hinsicht
dem Plattenepithelkrebs. R. L.
Dr. Burwinkel (Bad Nauheim): Der Aderlaß ein unentbehr¬
liches Heilmittel in der Medizin. (Therapeutische Monats¬
hefte, Aprilheft 1910.)
B. hielt in der 31. Versammlung der Baineologischen Ge¬
sellschaft (28. Januar bis 1. Februar in Berlin) einen höchst
bemerkenswerten Vortrag über die Notwendigkeit der Wieder¬
einführung des Aderlasses, in welchem er zu folgenden
Schlußsätzen kommt: Der Aderlaß wirkt: 1. Durch Herab¬
setzung des Blutdruckes, 2. durch Verminderung der Viskosi¬
tät des Blutes, 3. durch Erhöhung der Alkaleszenz und damit
der Oxydationskraft des Blutes, 4. durch Entgiftung des Blutes
speziell bei C0 2 -Ueberladung, 5. durch Förderung des Lymph-
stromes, 6. durch Steigerung der Diurese und 7. durch An¬
regung der blutbildenden Organe. Der Aderlaß hat seine ganz
bestimmte Indikation bei einer großen Reihe der verschieden¬
artigsten Krankheiten, speziell bei Kreislaufstörungen: |
Plethora, Arteriosklerose in allen Stadien, Asthma eardiale, :
Angina pectoris, Aortenaneurysma, bei Stauungsherzfehlem
und bei Störungen infolge Emphysems, Asthma, Kyphoskoliose,
Pleurasynechien. Bei allen asphyktischen Zuständen bei j
Polycythämie, beim Hitzschlag hat er sich vorzüglich bewährt, j
Bei Hirnhyperämie und Apoplexie ist eine sofortige Venae- |
sectio stets am Platze. Man venaeseziere frühzeitig bei Poly- j
arthritis rheumatica, Pneumonie und vor allem bei Vergiftungen
(Kohlenoxyd, Urämie, Eklampsie). Migräne, Epilepsie,
Schrumpfniere, Gicht, Arthritis deformans, klimakterische Be-
schwerden, chronische Hautleiden reagieren vorzüglich auf
Blutentziehungen. Sehr zu empfehlen ist der periodisch wieder¬
holte Aderlaß bei Chlorose. Der Präservativ-Aderlaß verdient
weitgehende Anwendung gegen Senium praecox und früh
einsetzende Arteriosklerose. Ueble Nebenwirkungen hat dieser
einfache und prompt wirkende Eingriff nie; er kann in jedem
Lebensalter vorgenommen werden, auch bei Säuglingen.
Dr. Siebelt (Bad Flinsberg): Kur und Körpergewicht. (Medizin.
Klinik, 1910, No. 15.)
Im allgemeinen kann als Grundsatz gelten, daß die meisten
Krankheiten mit einer Gewichtsveränderung einhergehen, ganz
besonders gilt dies von allen denen, welche den Verdauungs¬
kanal in Mitleidenschaft ziehen und von vermehrten Ausschei¬
dungen begleitet sind. In der Regel wird also die Gewichts¬
zunahme als Besserung anzusprechen sein. Wir besitzen daher
in der Wägung ein Mittel, welches Schlüsse in therapeutischer
und prognostischer Beziehung zuläßt. So kann man das Körper¬
gewicht als eine Art von Index für das Wohlbefinden seines
Trägers ansehen. Am deutlichsten wird uns das, wenn wir
an das Säuglingsalter denken. Hier gilt der Satz fast unein¬
geschränkt, daß eine stetige Gewichtszunahme von etwa 125 g
in der Woche das beste Anzeichen für eine gesunde und normale
Entwicklung des Kindes ist; Störungen machen sich sofort, wenn
sie nicht anderweitig bemerkbar werden, durch auffallende
Schwankungen kenntlich. Aber auch für das spätere Jugend-
alter, namentlich die Entwicklungszeit beider Geschlechter,
deren Gesundheitsstörungen einen Hauptteil der therapeuti¬
schen Tätigkeit des Arztes in den Stahlquellen- und klimatischen
Kurorten beanspruchen, ist die genauere Beobachtung des Ver¬
hältnisses zwischen Körperlänge und Körpergewicht wertvoll
und geeignet, einen Einblick in den Körperhaushalt zu gestatten.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß sich die Tuberkulose gerade
im Jugendalter schon oft durch anämische Zustände verbunden
mit stetiger Gewichtsverminderung ankündigt, lange bevor phy¬
sikalische -wie bakteriologische Untersuchungsmethoden ein
positives Ergebnis beibringen können. Von welcher Bedeutung
dieser Gesichtspunkt auch heute noch im Zeitalter der Heil¬
stättenbewegung werden kann, ist unschwer zu ermessen. Aller¬
dings gibt es hier Ausnahmen von der Regel. Gerade die Tuber¬
kulose täuscht manchmal, wenn man sich auf das Ansteigen,
des Körpergewichtes allein verläßt, Erfolge vor, welche der
Wirklichkeit leider nicht entsprechen. Allein aus seiner
Görbersdorfer Zeit kennt Verfasser eine ganz Anzahl von
Fällen, in denen es gelang, das Körpergewicht in einigen
Monaten um ein ganz Erhebliches zu steigern, gelegentlich bis
an 100 kg heran; trotzdem war das Ende nicht aufzuhalten.
Wenn sich bei der Tuberkulose nicht mit der Gewichtszunahme
die Abnahme der Bacillen und eine stetige Besserung des All¬
gemeinbefindens vergesellschaften, dann hat leider die erstere
nicht allzu viel zu bedeuten. — Mancherlei Wahrnehmungen
haben Verfasser schon längst dazu geführt, dem Körpergewicht
seiner Patienten die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Man
macht dabei, sagt er, manchmal ganz eigentümliche Beob¬
achtungen, namentlich in der Richtung auf Zunahme desselben.
Ganz außerordentlich hohe Werte erreicht sie gelegentlich bei
Leuten, welche aus sehr ungünstigen hygienischen Verhält¬
nissen kommen. Uni ein genaueres Bild zu bekommen, ob sich
die Gewichtszunahme irgendwie gesetzmäßig bewegt, hat Verf.
die Gewichte von 219 möglichst gleichartigen Patienten, welche
sämtlich unter mehr oder minder schweren Zeichen von Anämie
litten, verglichen. Dabei ergab sich, daß 207 von ihnen bei
einem Durchschnittskuraufenthalt von 3,74 Wochen um je
1,64 kg, wöchentlich also um 0,43 kg ihr Körpergewicht erhöht
hatten. 12 Patienten hatten nicht zugenommen, sondern an
Körpergewicht verloren; die entsprechenden Ziffern ergaben
bei ihnen 4,25 Wochen als Durchschnittsaufenthalt, je 0.86 kg
Gewichtsabnahme während der ganzen Zeit, somit 0,20 kg für
die einzelne Woche. Es lag nahe, die Körpergewiehtsverhält-
nisse mit einer anderen Beobachtung in Beziehung zu setzen,
nämlich der Prüfung des Blutes auf seinen Hämoglobingehalt.
Dabei ergab sich für die erste Gruppe, daß in der übergroßen
Mehrzahl der Fälle auch dieser nach und nach höhere Werte
aufwies, wenngleich durchaus nicht etwa den höchsten Ge¬
wichtszunahmen auch die höchsten Hämoglobinwerte ent¬
sprachen. K r.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“.)
Sitzung vom 8. Juni 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Tagesordnung:
Ueber die Azidität des Magensaftes. (Nach gemeinschaftlichen
Untersuchungen mit Herrn Heinrich Davidsohn.)
Herr Leonor Michaelis: Die Messung der Azidität des
Magensaftes ist bisher ausschließlich durch Titration erfolgt,
indem festgestellt wurde, wieviel Kubikzentimeter einer
Normalnatronlauge erforderlich sind, um 10 ccm des Magen¬
saftes zu neutralisieren. Diese Methode ist, wie Vortragender
auseinandersetzt, auf Grund neuer physikalisch-chemischer
Untersuchungen unzuverlässig. Das Maß für die wirkliche
Azidität wird allein durch die Bestimmung der H-Ionenkonzen-
tration festgestellt. Die Methode, nach der man die H-Ionen-
konzentration mißt, ist die Gaskettenmethode nach Nernst.
(Beschreibung derselben.) Vergleicht man die Resultate der
H-Ionenkonzentrationsbestimmung mit denen der Titratious-
azidität, so sieht man, daß im großen und ganzen die Werte
parallel gehen, im einzelnen ergeben sich aber auffallende
Differenzen; so findet man, daß Flüssigkeiten mit gleichen
H-Ionen eine verschiedene Titrationsazidität zeigen. — Vor¬
tragender sucht zu erklären, wie es kommt, daß die Pepsin¬
wirksamkeit an eine bestimmte H-Ionenkonzentration gebunden
ist. Die optimale H-Ionenkonzentration des Magensaftes für
Pepsin liegt bei 0,017, dabei hat das Pepsin den Charakter
einer Säure, die untere Grenze liegt bei 0,0033, die obere bei
0,033. Die neue Methode ist für die allgemeine Durchführung
etwas umständlich, wenn auch absolut sicher. Es wäre daher
vorteilhaft, eine Annäherungsmethode zu haben. Eine solche
haben wir und benutzen wir seit langem, ohne uns dessen be¬
wußt zu sein: Die Prüfung des Magensaftes mit Tropäolin,
Methylorange. Kongo etc. Früher meinte man, diese Methode
gebe nur qualitative Aufschlüsse, sie gibt uns aber quantitative
Aufschlüsse. Die Indikatoren sind Farbstoffe, die bei verschie¬
dener Azidität verschiedene Nuancen haben. Aus den Farben
können wir quantitative Schätzungen bezüglich der Menge der
im Magensaft enthaltenen H-Ionen vornehmen. Vortragender
zeigt an einer Zusammenstellung von Farbstoffen (Methyl¬
violett, Kongorot, Tropäolin, Methylorange, Lakmus), wie diese
sich bei bestimmter Aenderung der H-Ionenkonzentration des
Magensaftes auch in ihren Farbennuancen ändern; so nimmt
z. B. Methylviolett bei 10— 1 eine blaue, bei 10 —- eine bläuliche,
bei 10— 3 eine violettblaue und bei 10—° eine violette Fär¬
bung an.
Vortragender empfiehlt daher, in Zukunft auf die Titration
nicht zu viel Rücksicht zu nehmen, sondern die Prüfung mittels
Indikatoren vorzuziehen.
No. 28.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
439
Diskussion:
Herr Kraus fragt, ob die Untersuchungen des Magensaftes
nach Eiweißmahlzeiten oder nach dem gewöhnlichen Probe¬
frühstück gemacht worden sind. •
Herr Stadelmann fragt, ob er richtig verstanden habe, daß
es bei Ausführung der neuen Methode nicht nötig sei, ein Probe¬
frühstück zu geben und daß es gleichgültig sei, welche Nahrung
man gebe. Unsere Anschauung bestände doch wohl zu Recht,
daß verschiedene Nahrungsstoffe auf die Verdauung des Pepsins
einen verschiedenen Einfluß ausübten.
Herr Michaelis: Die Uebereinstimmung bezüglich der
H-Ionenkonzentration kann nur gelten, wenn wir einen Magen¬
inhalt nehmen, der auf der Höhe der Verdauung steht.
Herr Fuld betont den Wert des Probefrühstücks.
Herr Boas: So hoch er den Wert der M i c h a e 1 i s sehen
Untersuchungen auch anschlage, so glaube er doch, daß die
Titrationsmethode vom Vortragenden unterschätzt werde. Man
vergesse nicht, daß man es bei der Titrierung mit Vergleichs¬
werten zu tun hat, und der Vortragende sprach ja auch von
relativen Werten. Allerdings sei es von großer Wichtigkeit,
daß man imstande ist, ohne Zugrundelegung einer bestimmten
Mahlzeit in jedem Falle die H-Ionenkonzentration zu bestimmen.
Es dürfte nur noch festzustellen sein, inwieweit die Beimischung
gewisser Stoffe auf die Bestimmung der H-Ionen einen Ein¬
fluß hat.
Herr Michaelis (Schlußwort): Seine Methode solle nicht die
altbewährten Verfahren ersetzen. Er wollte nur einen Einblick
in Verhältnisse vermitteln, die bisher nicht berücksichtigt
worden sind.
Eine Mahnung zur Vorsicht der diagnostischen Verwendung
der Wassermannschen Syphilisreaktion.
Herr Albert Freudenberg: Daß die W a s s e r m an n sehe
Reaktion einen wesentlichen Fortschritt in wissenschaftlicher
und praktischer Hinsicht bedeutet, steht fest. Trotzdem er¬
scheint Vortragendem auch ihr gegenüber eine gewisse Vorsicht
gerechtfertigt, wie er an zwei Fällen erfahren hat. Ein
40 jähriger Beamter, der vor Jahren Lues und Schmierkur
durchgemacht hatte, erkrankte eines Tages an Syphilis, die bald
heilte. Da er gleichzeitig über Kopfschmerzen klagte, empfahl
Vortragender, die Wassermannsche Reaktion prüfen zu
lassen. Diese ergab ein negatives Resultat. Da die Kopf¬
schmerzen nicht nachließen, w'urde eine nochmalige Prüfung
an anderer Stelle vorgenommen, diese fiel positiv aus. Einige
Monate später kam Patient wieder mit einer ausgesprochenen
Abducenslähmung. Sodann wurde nochmals dem Patienten
Blut entnommen und an drei verschiedene Untersuchungs¬
stellen zur Untersuchung geschickt; das Resultat war zweimal
positiv, einmal negativ.
In dem anderen Falle, in dem es sich um eine zweifelhafte
Ulceration am Penis nach Phimosenoperation handelte, war das
Ergebnis der Blutuntersuchung erst positiv, sodann einige Tage
später, von anderer Stelle ausgeführt, negativ. Vier an ver¬
schiedene Stellen verschickte Blutproben des Patienten hatten
teilweise ein positives, teilweise ein negatives Resultat.
Darauf stützt sich Vortragender in seiner Mahnung, vor¬
sichtig zu sein bei der Wassermann sehen Reaktion. Man
gebe sein Urteil erst ab, wenn zwei Untersucher das gleiche
Resultat angegeben haben und das Blut mit verschiedenen
Extrakten untersucht worden ist. Für falsch hält es Vortragen¬
der, wenn man die Wassermann sehe Reaktion so in den
Vordergrund stellt, daß man darüber die sonstigen klinischen
Anzeichen vernachlässigt.
Diskussion:
Herr Hans Mühsam macht auf die möglichen Fehlerquellen
bei der Wassermann sehen Reaktion aufmerksam, die
einen verschiedenen Ausfall bei verschiedenen Unter¬
suchungen bedingen können. Von den künstlichen Extrakten
empfiehlt M., das wässerige Extrakt allen übrigen vorzuziehen;
besser sei natürlich noch das wirkliche Extrakt aus syphilitischer
Fötalleber. Eine weitere Fehlerquelle kann im Komplement
liegen, in der Beschaffenheit der anzuwendenden Hammelblut¬
körperchen und in der Verwendung des Hämolysins. Bevor die
Reaktion endgültig bestimmt wird, müssen verschiedene
Kautelen erfüllt sein. Auch die schwach positiven Resultate
sind zu berücksichtigen.
Herr L. Michaelis: Ueber technische Einzelheiten wolle er
nichts weiteres sagen. Jeder ist auf seine eigene Methode ein¬
gearbeitet, und wer Erfahrung und Veranlagung besitzt, wird
es richtig machen. Es sei die Tatsache nicht zu leugnen, daß
verschiedene Untersucher bei gleichen Fällen verschiedene
Resultate geben. Die Beurteilung, ob positiv, ob negativ, unter¬
liegt einem gewissen Grad der Willkür. In zweifelhaften Fällen
neige man sicher mehr nach der negativen Seite.
Herr F. Lesser gaubt, daß die Hauptkalamität in den
Organextrakten liege. Sie enthalten oft Stoffe, welche die
Reaktion beeinträchtigen. Alle Fälle, die verschieden aus¬
fallende Wasserma n n sehe Reaktion ergaben, seien immer
Syphilitiker. Ob auch Nichtsyphilitiker einen positiven Wasser¬
mann haben können, diese_ Frage ist wissenschaftlich nicht zu
entscheiden; denn wir können nie sicher entscheiden, daß
jemand nicht syphilitisch ist. Wir können aus vereinzelten Be¬
obachtungen allerdings sagen, daß fieberhafte Krankheiten,
Scharlach, die Narkose, Lepra, zuweilen eine positive Reaktion
auch bei Nichtsyphilitischen hervorrufen. Das malmt zur
Vorsicht.
Herr Saalfeld: Es würde sich empfehlen, ein Institut zu
schaffen, in dem eine absolut sichere Kontrolle ausgeübt wird.
Herr Abel: Ein 24 jähriges Mädchen von gesundem Aus¬
sehen konsultierte ihn wegen hartnäckiger Obstipation; sie
hatte vorher viel Abführmittel bekommen und war zeitweise
14 Tage lang verstopft. Bei der vaginalen Untersuchung fand
A. eine Härte des Mastdarms, bei der rektalen Exploration
stellte er fest, daß das ganze Rektum 4 cm oberhalb des
Sphincter externus in einer Ausdehnung von 10 cm in ein
starres Rohr verwandelt war. Die Diagnose schwankte zwischen
Carcinom, Sarkom und Lues. Vortragender ließ nun durch
Herrn Michaelis die Blutprobe anstellen. Letzterer fand
erst stark positive Reaktion, nach einigen Tagen war die Blut¬
probe aber negativ; auch eine dritte Prüfung fiel negativ aus.
Die mikroskopische Untersuchung ausgekratzter Stückchen des
erkrankten Mastdarms ergab keinen Anhalt für Carcinom oder
Sarkom. A. beabsichtigt daher, die Patientin schmieren zu
lassen. 7
Herr Blaschko: Es gibt Fälle, in denen die Reaktion so
schwach ausfällt, daß man als Resultat der Prüfung „zweifelhaft'“
angeben kann. Die meisten Untersucher scheuen sich aber, eine
solche Auskunft zu geben, und daher kommen die Differenzen,
die rein subjektiver Natur sind. Für verfehlt hält es Redner,
dem Patienten die Antwort über den Ausfall der Wasser-
m a n n sehen Reaktion in die Hand zu geben.
Britzmann.
XIX. Versammlung der Deutschen Otologischen
Gesellschaft.
(Fortsetzung.)
Herr Hinsberg (Breslau) berichtet über die praktische Ver¬
wendbarkeit des Waetzmannschen Apparates für Hörprüfungen.
Als Tonquelle wurden für tiefe Töne Orgelpfeifen, für mittlere
und hohe angeblasene Flaschen benutzt. Die Hörprüfung ist
leicht und schnell auszuführen und verdient wenigstens für
wissenschaftliche Untersuchungen der Vorzug vor den Stimm¬
gabelprüfungen.
Diskussion:
Herren Frey, Bäräny, V ohsen, Brünings,
Q u i x.
Herr Hcgencr (Heidelberg): Kritische Untersuchungen
zur oberen Hörgrenze.
Die sichere Erzeugung genau gemessener, reiner, sehr
hoher Töne macht erhebliche physikalische Schwierigkeiten,
die erst alle (Aufzählung in der Arbeit) zu überwinden sind,
ehe die Methode der Untersuchung als einwandfrei gelten kann.
Ebenso sind die Angaben des Untersuchten durch die Verwen¬
dung verschiedener Tonquellen zu kontrollieren.
Die älteren Untersuchungen von Savart, Pr eye, Lord
Ray 1 e igh und Pauchon, welche erheblich über 21 000
v. d. als obere Grenze angeben, entsprechen den physikalischen
Bedingungen nicht.
Von neuesten Untersuchungen ist sicher, daß Wanners
Untersuchte durch niedrige Schneidentöne der Galtonpfeife,
deren Tonbildung auch jetzt nicht verbessert ist, getäuscht
worden sind. Die Untersuchungen Wilbergs leiden an der
Einseitigkeit der Tonquelle (nur Monochord), die Täuschung
dürfte durch das Reibungsgeräusch hervorgerufen sein.
Nach Untersuchungen mit sechs kontrollierten Tonquellen
ergab sich H. bei 100 Normalhöreuden des 1.—4. Lebensjahr-
zehntes, daß die Grenze durchschnittlich bei 20 000 v. d. liegt,
niemand über 22 000 sicher hörte. Schalleitungshindernisse
setzen je nach Intensität der Tonquelle um 1000—3000 v. d.
herab. (Demonstration eines verbesserten Monochords.)
Diskussion: Herr Wilberg.
Herr Bäräny: Demonstrationen.
1. Vortragender demonstriert eine neue Methode
zum Nachweis der Simulation einseitiger
und doppelseitiger Taubheit. Läßt man einen
Normalhörenden aus einem Buche vorlesen und setzt ihm
währenddessen je einen der von Bäräny konstruierten
Lärmapparate in die beiden Ohren, so wird im Moment, wo die
Lärmapparate betätigt werden, die Stimme des Vorlesenden be¬
deutend lauter, ohne daß der Vorlesende selbst etwas bemerkt.
Bei einseitiger Taubheit genügt das Einsetzen eines Lärmappa¬
rates in das gesunde Ohr. um das Phänomen hervorzurufen.
Bei Simulation einseitiger Taubheit hat das Einsetzen des Lärm¬
apparates in das gesunde Ohr keine Verstärkung der Stimme
zur Folge, wohl aber die Einsetzung des zweiten Apparates in
das angeblich taube Ohr. Bei’ Simulation doppelseitiger Taub-
440
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 28.
heit tritt bei Wirkung beider Lärmapparate die Stimmver¬
stärkung ein, die bei wirklicher Taubheit fehlt.
2. Worttabellen zur exakten Hörprüfung.
Bei den bisherigen Methoden der Prüfung konnte man
zwischen Hören und Erraten nicht unterscheiden. B ä r ä n y
wählt nun zur Prüfung Worte, die sich lediglich durch einen
Konsonanten oder Vokal unterscheiden, z. B. Wabe, Wade,
Wage, Ware, Vase, Waffe, Wanne etc. oder Sonne, Senne, Sinne
etc. und stellt die Hördistanz fest, in welcher der von ihm sogen.
„Wechsellaut“ jedesmal richtig gehört wird. Auf diese Weise
ist ein Erraten unmöglich gemacht.
Diskussion: Herr Q u i x.
Herr Frey (Wien): beschäftigt sich in seinem Vortrag mit
der Mechanik des Schalleitungsappparatcs.
Seine anatomischen Untersuchungen haben ergeben, daß
bei vielen Säugetieren die Hammer-Amboßverbindung kein Ge¬
lenk, sondern eine echte Ankylose ist; hei allen anderen steht
die Verbindung einer Ankylose ziemlich nahe und ist wenig¬
stens für die physiologische Inanspruchnahme als fest zu be¬
trachten. Demgemäß ist jede Schalleitungstheorie, die eine
gegenseitige Beweglichkeit der Knöchelchen voraussetzt, als
unzutreffend anzusehen, da es nicht anzunehmen ist, daß bei
verschiedenen Säugern die Schalleitung in verschiedener Weise
vor sich geht und an der sicheren Ankylose bei einer Anzahl
von Tieren nicht zu zweifeln ist. Er beweist auch, daß für keine
der physiologisch vorauszusetzenden Betätigungen der SchalL
leitungskette eine gegenseitige Beweglichkeit der beiden
Knöchelchen notwendig ist. Endlich kritisiert er noch den Teil
der Helmholtz sehen Theorie, der sich mit dieser Frage
befaßt und zeigt, daß sie in dieser Beziehung korrigiert werden
muß. Insbesondere der von Helmholtz angenommene
„Sperrzahnmechanismus“ entspricht nicht den tatsächlichen
Verhältnissen.
Herr Herzog (München): Demonstration von Präparaten
experimentell erzeugter Labyrinthitis.
Als Versuchsteire dienten Affen; die Schädigung erfolgte
durch Eröffnung des horizontalen Bogenganges und Plombierung
der Lumina mit Zement. Pathologisch-anatomisch ist eine Ab¬
nahme des entzündlichen Substrates von der Reizstelle aus
gegen entferntere Bezirke unverkennbar. In einem Falle ist
sogar eine deutliche Abgrenzung der Entzündung im horizon¬
talen Bogengang festzustellen, während Vestibulum und
Schnecke kaum sichtbare Spuren von Gerinnungen zeigen.
In Anbetracht der groben mechanischen Schädigung und
der verhältnismäßig geringen Propagation darf wohl bei
schonenderer Infektion des Labyrinths (menschliche Pathologie)
eine vollkommene Abgrenzung des Entzündungsprozesses er¬
wartet werden. Durch diese Experimente hält H. den Bpweia
für die Möglichkeit zirkumskripter Labyrintheiterungen für er¬
bracht.
Herr W. Uffenorde (Göttingen):
1. Ein weiterer Fall von Labyrintheiterung nach akuter
genuiner Mittelohreiterung (mit Demonstration von den histo¬
logischen Präparaten des entzündeten Labyrinths).
2. Ein weiterer Fall von zirkumskripter Labyrintheiterung
mit Saccusempyem, Kleinhirnabsceß, Leptomeningitis nach
chronischer Mittelohreiterung (Cholesteatom). Demonstration
von histologischen Präparaten des Saccusempyems und eines
Felsenbeines mit der eigenen Labyrinthoperationsmethode.
ad 1. Es ist der 6. Fall von Labyrintheiterung nach akuter
genuiner Mittelohreiterung, abgesehen von anderen namhaft ge¬
machten und hierher gehörigen Fällen, die im letzten Jahre
veröffentlicht sind. Also sind diese Fälle nicht mehr als seiten
anzusehen. Oefters sind die Fälle mangels genauer funktioneller
Prüfung und histologischer Untersuchung nicht richtig erkannt.
Die funktionelle Prüfung ist um so wertvoller, als gerade die
gefährlichen Fälle ohne jedes ausgesprochene Symptom seitens
des Vestibulum entstehen zu können scheinen. Die Eiterung
geht durch die intakten Fenster aufs Labyrinth über, die Fistel¬
bildung entsteht erst sekundär durch die Ernährungsstörung.
Bei diesen Labyrintheiterungen soll man zunächst, auch bei
Reaktionslosigkeit und Taubheit des Labyrinths, abwarten, sowie
aber Fieber, Kopfschmerzen oder irgendwelche endokranielle
Symptome auftreten, ist gleichzeitige Totalaufmeißelung der
Mittelohrräume und des Labyrinths nach der Methode des Vor¬
tragenden mit Eröffnung des Fundus des inneren Gehörgangs
dringend angezeigt. Die Operationsmethode ist entgegen der
oft geäußerten Ansicht für den Facialis bei genügender Technik
ungefährlich und hat sich bereits in einer Reihe von Fällen be¬
währt.
ad 2. Der Fall zeigt, daß ein gutes Gehör keineswegs die
Möglichkeit einer Eiterung im Vestibulum ausschließt, daß also
eine umschriebene Eiterung im Labyrinth sehr wohl möglich
ist, wie Vortr. in einem früheren Falle schon durch histologische
Untersuchung nachweisen konnte. Also muß man auch u. a.
bei Vorhandensein von gutem Gehör das Labyrinth operativ
angreifen, wenn sichere Symptome seitens Vestibulum und
schon seitens des Cerebellum dazu auffordern. Trotzdem das
ganze Vestibulum wohl schon mindestens seit einem Jahr etwa
eitrig entzündet war, bestand in beiden Blickrichtungen leb¬
hafter Nystagmus nach der gesunden Seite gerichtet. Beim Ein¬
haken in die Fistel am Tuber ampullare bei der Operation wurde
typische Bewegung des Bulbi oculorum beobachtet.
Diskussion:
Herren Neumann, Bondy, Scheibe, Ruttin,
Voss, Ritter, Mann, E. Urbantschitsch.
Herr Brühl (Berlin) zeigt Präparate von drei Felsenbeinen,
in denen Spongiosierungsherde sind, ohne daß der Steigbügel
ankylosiert ist. Klinisch war nervöse Schwerhörigkeit vor¬
handen und dementsprechend fand sich Labyrinthatrophie. Aus
drei weiteren Fällen von „typischer Otosklerose“, d. h. Spongio-
sierung mit Stapesankylose, schließt B., daß die Knochenalte¬
rationen, die zur Stapesankylose führen, klinisch wie anato¬
misch anders zu bewerten sind als die histologisch ähnlichen
Knochenalterationen, die zuweilen bei Labyrinthatrophie und
Mittelohrprozessen gefunden werden, ohne daß der Stapes
ankylosiert ist. Ueber die Bedeutung derselben können zurzeit
noch keine Schlüsse gezogen werden.
Diskussion:
Herren Manasse, Panse, Scheibe, Frey.
Herr Otto Mayer (Wien): Endemische Schwerhörigkeit.
An Diapositiven werden die wichtigsten mikroskopischen
Befunde von vier Fällen demonstriert, bei welchen sich neben
verschiedengradiger Schwerhörigkeit auch Zeichen kretinischer
Degeneration fanden.
Uebereinstimmend wurde bei allen Fällen konstatiert:
1. Massenzunahme des Knochens der Pyramide, wodurch
es zu einer Aenderung der Konfiguration an der medialen
Paukenwand kam. Namentlich war die Nische des runden und
des ovalen Fensters verengt, erstere in einem Falle sogar voll¬
kommen durch Knochen abgeschlossen;
2. fand sich in allen Fällen eine Verödung der Fenster¬
nischen durch Schleimgewebe, Bindegewebe und Fettgewebe.
Andere Befunde waren: Verdickung der Gehörknöchelchen,
Verwachsung derselben, so des hinteren Steigbügelschenkels
mit der hinteren Nischenwand und des absteigenden Ambo߬
schenkels mit der Antrumschwelle, Atrophie des C o r t i sehen
Organes etc.
Da dieselben Befunde auch für das Gehörorgan von Kretinen
typisch sind, da ferner in zwei Fällen eine Struma, in einem
Falle eine kolloide Entartung der Schilddrüse und in zwei
Fällen Schwachsinn vorhanden war und sämtliche Fälle aus
Steiermark stammten, und zwar gerade die beiden hochgradig¬
sten Fälle aus Gegenden, wo Kretinismus in den typischsten
Formen vorkommt, sieht Mayer diese Fälle als Uebergangs-
formen zum echten Kretinismus und zur kretinischen Taub¬
stummheit an.
Diskussion: Herr Habermann.
(Fortsetzung folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
Einen Wärmeapparat für vaginale Anwendung zum Er¬
zeugen von aktiver Hyperämie in der Scheide hat Dr. Oswald
Feis (Frankfurt a. M.) konstruiert. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 19.) Der Apparat besteht im wesentlichen aus einem
länglichen, zylinderförmigen Metallkörper, der mittels Bajonett¬
verschlusses, auf einem Handgriff befestigt, leicht abgenoinmen
und sterilisiert werden kann. Im Inneren des Metallzylinders
befindet sich eine aus einer Glühlampe bestehende elektrische
Heizvorrichtung. Man kann verschiedene Glühlampen, ent¬
sprechend den verschiedenen zur Verfügung stehenden Span¬
nungen anwenden; durch einen Vorschaltwiderstand kann man
auch die Temperatur regulieren. Bei 120 Volt lassen sich
Temperaturen von 33—80° C. erreichen; in der Praxis wird man
über 50—60° kaum gehen. Bei Anwendung des Apparats be¬
obachtet man zunächst eine schmerzstillende Wirkung (bei
Perimetritis und Oophoritis), die über Stunden anhält und nach¬
haltiger wirkt, als die heißen Irrigationen. (Der Apparat ist
unter der Bezeichnung Kolpotherm von B. B. Cassel in
Frankfurt a. M. zu beziehen.) R. L.
Auf die diuretische Wirkung des Fibrolysins,
welche bisher weniger beachtet zu sein scheint, macht Dr.
Schnitter (Offenbachl aufmerksam (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 19). Verfasser führt acht Fälle an, in denen diese
Wirkung deutlich hervortrat. Die Patienten bekamen 2,3 ccm
steriles Fibrolysin (Me rck), eine Dosis, die auf mindestens
zwei aufeinander folgende Tage verteilt wurde. In allen dieseu
Fällen erstreckte sich die Wirkung über längere Zeit hin; die
täglichen Harnmengen sinken nach dem Höhepunkt der Diurese
ganz allmählich auf die Beträge vor der Injektion ab. R. L.
Nn. 28.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
441
IV. ßücherschau.
Asthma. Von Hofrat Dr. Sigismund Goldschmidt (Bad Reichen¬
hall). Zweite, völlig umgearbeitete Auflage. München 1910,
Verlag der ärztlichen Rundschau (Otto Gmelin). 106 S.
2,80 M.
ln der vorliegenden Monographie schildert der Verfasser
das Symptomenbild des Asthma wesentlich vom Standpunkt der
Erfahrung. Verfasser sagt ausdrücklich, daß er sich darauf
beschränken will, die Krankheit so zu schildern, wie sie dem
Arzt nach ihrem Verlauf entgegentritt; das eigentliche Wesen
des Asthma ist nach seiner Meinung noch nicht ergründet, alle
Angaben hierüber haben nur den Wert von Hypothesen. Verf.
geht zwar kurz auf die von anderen Autoren aufgestellten
Asthmatheorien ein, aber nur, um sie alle als unzureichend
abzulehnen. Vom klinischen Standpunkt aus unterscheidet er
folgende Unterarten des Asthmas: 1. das Asthma epilepticum
s. nervosum, 2. das Asthma bronchiale s. catarrhale paroxys¬
male, 15. das Asthma catarrhale chronicum, 4. das Asthma
catarrhale permanens. Hieran schließt Verfasser noch das
Krankheitsbild des Asthma psychicum und suggestivum, wel¬
ches er aber nicht als echtes Asthma anerkennt. Ebenso skep¬
tisch wie in bezug auf die Asthma-Theorien verhält sich Verf.
hinsichtlich der Therapie. Man kann zwar teils durch medika¬
mentöse, physikalische und klimatische Behandlung, teils durch
operative (z. B. intranasale) Eingriffe vorübergehende Erfolge
erzielen, Heilungen auf Zeit; aber eine dauernde radikale
Beseitigung des Asthmas gelingt in den wenigsten Fällen. G.
hat in einer 26 jährigen Praxis in Bad Reichenhall seine Er¬
fahrungen an etwa 9000 Asthmatikern gesammelt, darum ver¬
dient dieses sein Urteil über die Asthmatherapie besondere
Beachtung. Was die Therapie gegen die einzelnen Symptome
heim Asthma zu leisten vermag, stellt Verfasser in ziemlicher
Vollständigkeit zusammen. In einem Anhang gibt er
eine historische Uebersicht über die Entwicklung der Asthma-
Theorien. Die Monographie ist recht anregend geschrieben;
der Verfasser vertritt überall, auch Autoritäten gegenüber,
ungeschminkt seine eigenen Ansichten, und so können wir die
Schrift allen Kollegen als interessante Lektüre empfehlen.
Wie reist man in Oberbayern und Tirol? Ein Buch zum Lust-
und Planmachen. Von Prof. Dr. K. Kinzel. Mit sechs Stadt¬
plänen, zwei Grundrissen, einer Karte und Titelbild. Neunte
umgearbeitete und vermehrte Auflage. Schwerin i. M.,
Verlag von Fr. Bahn, Hofbuchhändler. Geb. 3 M.
Sommerfrischen und Standquartiere in Oberbayern und Tirol.
Ausgewählt und beschrieben von Prof. Dr. Karl Kinzel. Mit
Titelbild und vier Stadtplänen. Dritte vermehrte Auflage.
Schwerin i. M.. Verlag von Fr. Bahn, Hofbuchhändler.
Biegsam kartoniert. 1,75 M.
Angesichts der jetzt beginnenden Reisezeit, in welcher
vielen erholungsbedürftigen Kollegen gerade das Gebirge ein
seit jeher bevorzugtes Ziel zu sein pflegt um sich in der er¬
habenen Einsamkeit der Berge von den aufreibenden Mühen
des Berufs zu erholen, machen wir auf diese beiden uns zu¬
gesandten Reiseführer aufmerksam, für deren Brauchbarkeit
die hohe Zahl der Auflagen spricht. Besonders die weniger
im Reisen erfahrenen Kollegen werden die kleinen, bequem in
der Tasche mitzuführenden Bücher mit Nutzen zu Rate ziehen.
Wie der Prospekt besagt, haben diese von einem erfahrenen
Schulmann, der seit langen Jahren in den Ferien die Alpen
durchwandert hat, verfaßten Bücher ein ganz bestimmtes Publi¬
kum im Auge: die erholungsbedürftigen Männer des Mittel¬
standes, die einige Wochen ausspannen wollen, um in der
schönen Natur Leib und Seele zu erquicken, und zwar womög¬
lich zusammen mit der Gattin. Dieser Gesichtspunkt ist von
Anfang an festgehalten; auf das Wandern mit der Frau sind
die vorgeschlagenen Touren berechnet. Während das erste
Buch ein Führer für größere Touren sein will, ist das zweite
Buch für solche bestimmt, welche gemächliche Wanderungen,
ruhige Landaufenthalte und kleine Spaziergänge vorziehen.
_R. L.
Akute Kinderlähmung und Influenza und deren Auftreten im
Bezirk Tingsryd in Schweden. Von Th. Brorström, Leipzig
1910, Verlag von Georg T li i e m e. Preis 6 M.
Der Verfasser, Provinzialarzt in einem ca. 19 000 Ein¬
wohner umfassenden Bezirk Schwedens, hat in dem Buch seine
klinischen Beobachtungen und Erfahrungen an über 800 Fällen
von sogen. „Kinderlähmung“ niedergelegt, die er in den Jahren
1905, 1906, 1907 und im Frühjahr 1908 behandelt hat. Literatur,
bakteriologische Untersuchungen, kurz der ganze moderne
wissenschaftliche Apparat standen ihm nur in äußerst be¬
schränktem Maße zur Verfügung. Sehr viele seiner Fälle
zeigten Lähmungserscheinungen. Influenza (Respirationserkran¬
kungen). Dieses Zusammentreffen ist nach B. kein zufälliges,
sondern die Krankheit, die heute offiziell als akute Poliomyelitis
bezeichnet wird, ist eine Influenza mit Komplikation seitens des
Nervensystems, d. h. mit Lähmungen. Der Nachweis von In¬
fluenzaerregern ist in den wenigen Fällen, wo er unternommen
ist, nicht immer geglückt, übrigens ruft nach Verf. nicht der
Bacillus, sondern die Toxine die Schädigung des Nervensystems,
die Lähmungen, hervor. Wenn auch die Ansichten des Ver¬
fassers von den heute gültigen durchaus abweicheu, so regt die
Lektüre doch zum Nachdenken an, und man darf wünschen, daß
eine Prüfung der Theorien mit modernen wissenschaftlichen
Hilfsmitteln gegebenenfalls erfolgen möge. Eine sein- reiche
Kasuistik aus des Autors Beobachtungen beschließt das Buch.
J. R.
V. Feuilleton.
Das Königliche Bad Oeynhausen in seiner
jetzigen Entwicklung.
Von
Eduard Felix Heeger (Greifswald).
..Heil dir Oeynhausen, Kleinod in Westfalen:
Wie eine Blume sprießt zur Maienzeit,
So blüh'st du auf im Glanz der „Sonnenstrahlen“.
Der „roten Erde" Zier und Herrlichkeit:
Du scheuchst mit heil'gem C^uell der Krankheit Schmerzen
Und spendest Segen stets mit reicher Hand,
Du füllst mit Dankbarkeit viel tausend Herzen,
Du Born des Heils im deutschen Vaterland".
(Paul Baehr.l
Unter den vielen segensreichen Schöpfungen F r i e d r i c h
Wilhelms IV. nimmt das Bad Oeynhausen in West¬
falen eine der ersten Stellen ein. Seit dem Jahre 1829, wo
die erste Quellenbohrung begann, hat sich das kleine Dörfchen
zu einem Bade mit Weltruf entwickelt, und man sieht daraus,
was Menschenhände schaffen können, wenn königliche Muni-
fizenz, reger Eifer, Intelligenz hoher und höchster Behörden
und eine richtige Erkenntnis des Volkes Hand in Hand gehen.
Ursprünglich ein Salzwerk, verdankt es seine Entstehung einem
Versuche des königlichen Berghauptmanns vonOeynhausen
zu Dortmund, ein Steinsalzlager zu erbohren. Statt dessen er¬
schloß er eine warme, stark kochsalz- und kohlensäurehaltige
Quelle, welche Anlaß gab, daß im Jahre 1845 durch Kabinetts¬
ordre König Friedrich Wilhelm» IV. die Kon¬
zession zur Eröffnung des Badebetriebes erteilt und am
3. September 4848 dem sonst nach dem nahen Dorfe Reh m e
oder dem „Solbad bei Neusalz wer k“ benannten Bade
zu Ehren seines hochverdienten Begründers der Name Oeyn¬
hausen gegeben wurde. Herrlich ist die landschaftliche Lage
des Badeortes und wunderbar sein Kurpark, der in den letzten
Jahren bedeutend vergrößert und gärtnerisch derart ausgebaut
wurde, daß er den Vergleich mit den besten im Reiche aus-
halten kann. Wahrhaft großstädtisch hat sich der Ort ent¬
wickelt. Zahlreiche neue Villenstraßeu sind entstanden, die
in modernem Landhausstil mit entzückenden Vorgärten das
Auge des Besuchers erfreuen.
Daß aber Oeynhausen zu einem Kur- lind Badeort ersten
Ranges geworden ist, das verdankt es in erster Linie den Vor¬
zügen seiner Bäder. Unter den Kurgästen ist stets eine Anzahl
solcher, die aus eigener Wahl zu wiederholten Malen nach
Oeynhausen kommen, weil es ihnen so gute Dienste geleistet.
Verfasser dieses, der im Sommer 1909 in Bad Oeynhausen tätig
war, konnte des öfteren die Erfahrung machen, daß skrofu¬
lös-anämische Kinder und Kranke mit mannigfachen
Spinalirritationen und Paresen, allgemeiner
Nervenschwäche usw. schon nach einem mehl-wöchent¬
lichen Gebrauch der Bäder sich augenscheinlich erholten, so
daß sie sich der Rollwagen viel seltener bedienten, die Krücken
mit einem einfachen Stock vertauschten und körperlich und
geistig an Kraft und Lebensfrische gewannen. Ja, gar mancher
wurde bei seiner Ankunft in Oeynhausen im Rollstuhl ins
Badehaus gefahren und konnte bei seiner Abreise den Weg
zum Bahnhof auf eigenen Füßen machen.
Die Entwicklung des Bades wird am besten aus nachstehen¬
der Tabelle ersichtlich:
Im Jahre
Personen
Bäder
1845
—
16081
1855
2145
48 460
1865
2308
46 584
1875
3275
63 210
1885
4877
75 960
1895
7902
107118
1905
12 685
187 019
1907 zählte man 16 500 Kurgäste und über 20 000 Passanten.
Die Zahl der verausgabten Bäder betrug 235 000.
Die Indikationen für eine Badekur in Oeynhausen sind im
allgemeinen dieselben wie für andere Solthermen:
1. Ernährungsstörungen nach schweren Krankheiten, sowie
durch Bleichsucht, Harnruhr, Gicht usw.
2. Skrofulöse in allen ihren verschiedenen Aeußerungen.
3. Muskelrheumatismus.
4. Chronische Gelenkentzündungen infolge von Ver¬
letzungen und anderen Ursachen.
442
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 28.
5. Chronischer Gelenkrheumatismus.
6. Deformierende Gelenkentzündungen.
7. Lähmungen nach Schlaganfällen.
8. Chronische Entzündungen des Rückenmarks und der
Rückenmarkshäute.
9. Funktionelle Erkrankungen des Zentralnervensystems
(Hysterie, Nervenschwäche usw.).
10. Die durch Verletzung und Schreck (Eisenbahnunfall,
Sturz usw.) entstandenen Störungen des Nervensystems.
11. Die durch akute Krankheiten, Erkältung, Verletzung.
Druck usw. hervorgebrachten Entzündungen und Lähmungen
peripherer Nerven.
12. Neuralgien (Ischias) usw.
13. Muskelschwund, progressive Muskelatrophie usw.
14. Herzkrankheiten (Klappenfehler, Fettherz, Herzmuskel¬
schwäche usw.).
15. Exsudate (Ausschwitzungen) infolge von Entzündungen
des Brustfelles, der Beckenorgane, der Wirbel usw.
16. Chronische Entzündungen der Gebärmutter und ihrer
Anhänge.
Das Spezifische der Oeynhauser Bäder liegt jedoch in ihrem
bedeutenden Reichtum an Kohlensäure (1082 ccm auf 1 Liter),
vielleicht auch in der Temperatur von über 33° C. und in einem
geringen Gehalt an Eisenoxydul. In ihrer Gesamtwirkung
dürften daher die Thermalbäder in der Mitte stehen
zwischen einfachen Solbädern und Seebädern. Die
Kohlensäure entweicht nun nicht in großen Blasen schäumend,
sondern ganz allmählich in fein verteilten Perlen, wodurch
eine konstante Einwirkung auf den Körper während der ganzen
Dauer des Bades bedingt ist und dadurch die Wirkung zu einer
besonders nachhaltigen sich gestaltet. Die sich ferner gleich¬
zeitig am Kurorte bietende Gelegenheit zum Gebrauche ein¬
facher Solbäder mit gradierter Sole, 12pCt. Chlor natrium
enthaltend, machen es erklärlich, daß hier fast alle chronischen
Krankheiten vertreten sind.
Die Analysen der Thermalquellen, sämtlich von Professor
Dr. Finken er (Berlin) ausgeführt, ergeben folgende Werte:
Quelle I
Quelle IV
£
Chemische Bestandteile
Oeyn¬
hausen-
Quelle II
Quelle III
Kaiser
Wilhelm-
Sprudel
Sprudel
In 100
Gramm Sole sind enthalten:
Gramm
Gramm
Gramm
Gramm
1
Kieselsäure.
O.004!»
0,0029
0,0034
0.0034
2
Tonerde.
0.0008
0,0004
Ü.OCOH
0,0006
3
Arsensäure ......
0,00001
0,00001
0.(30001
0,< 002
4
Chlornatrium . . . .
8.1(i7
3,458
3.228
3.477
•”)
Chlorlithium.
0,0001
0,0005
0,0005
0,00048
fi
Brom natrium.
0.00015
0.00013
0,00016
0,00055
7
Jodnatrium.
0,00005
0.00002
0,00001
0,00003
8
Schwefel sau res Natron
0,293
0,000
0,153
0,3876
(1
Schwefelsnures Kali . .
0,027
0.030
0,025
0.050
I()
Schwefelsaurer Kalk . .
0,341
0,446
0,385
0 2147
11
Chlormagnesium . . .
0,145
0,125
0,122
0,1452
12
Kohlensäure Kalkerde
0,102
0,079
0,088
0,1197
13
Kohlensaures Eisenoxyd
0,011
0,006
0,004
0/067
In 1 Liter Thermalsole sind also enthalten:
Quelle I
Quelle IV
Oeyn
hausen-
Quelle II
Quelle III
Kaiser
Wilhelm
Sprudel
Sprudel
Summe d. festen Bestandteile
14 92 gr.
42.07 gr.
40.10 gr.
44,06 gr.
Kochsalz.
31,07 ..
34,58
32,28 „
34.77
Absb. Köhlens, i. 1 L.
1082 ccm
737 ccm
768 ccm
1090 ccm
Ab
<h. Stickstoff i. 1 L . .
22 „
14 „
21
31
Spezifisches Gewicht . .
1,0333
1,0283
1,026
1,034
Mittlere Temperatur am Aus-
bei 19« C
fi
uß nach C. .
33,25»
24.2°
24,9°
33.42°
Es finden sich in den Thermalsolen Oeynhausens nicht
unter 4,09 pCt. feste Bestandteile, und da diese in erster Linie
durch Kochsalz und ihm verwandte Verbindungen repräsentiert
werden, so ergibt sich daraus ein Salzgehalt von annähernd
einem Drittel Zentner Kochsalz in jedem einzelnen Bade. Bad
Oeynhausen verfügt also nicht über Thermalbäder in dem all¬
gemein gebräuchlichen Sinne des Wortes, der für gewöhnlich
den indifferenten Wildbädern zuerteilt wird, sondern es sind
kohlensäurehaltige naturwarme (d. i. Thermal-)
Solbäder, die dort zutage treten.
Die Gesamtmenge des verfügbaren Thermalwassers beträgt
etwa 3000 Liter in der Minute. Der natürliche innere Druck,
unter dem die Quellen I, IV und V stehen, beträgt etwa zwei
Atmosphären; das Wasser wird daher beim Verlassen des
Erdbodens in einem stolzen 12—15 cm dicken Strahle 8—10 m
in die Höhe geschleudert. Die Tiefe, aus denen die Quellen
entspringen, ist eine sehr beträchtliche, bei Quelle I sind es
709 m, bei Quelle IV 688,74 m.
Quelle 1. IV und V sind diejenigen, welche vorwiegend
zum Baden benutzt werden, da ihre Beschaffenheit sich am
besten für die hier zur Behandlung kommenden Krankheits-
formen eignet. Quelle 11 und III kommen in den lallen in Be¬
tracht, in denen es sich darum handelt, Badeflüssigkeiten von
kühleren Temperaturen herzustellen. Diese Möglichkeit ist
insofern außerordentlich wichtig bei der Verordnung der Bäder,
als man dadurch Süßwasser und Eis aus Süßwasser als Ab¬
kühlungsmittel entbehren kann, eine unerwünschte Verdünnung
des Bades infolgedessen vermeidet.
Kommt nun noch hinzu, daß es durch Anbringung von
Dampfheizung in einer Reihe von Badewannen ermöglicht ist,
die Temperatur der Thermalsole beliebig zu steigern, so er¬
geben sich daraus Verhältnisse, wie sie vollkommener für die
Verwendung nicht gedacht werden können und auch in der Tat
von keinem anderen Bade in dieser idealen Weise erreicht
werden. Der Individualisierung ist der weiteste Spielraum
gelassen, da man in der Lage ist, Bäder aller Temperaturgrade
bis 18" R. herab zu verabfolgen, ohne daß eine Differenzierung
der mineralischen und Gasbestandteile notwendig gemacht
wird.
Die Thermalbäder in Oeynhausen gehören allerdings zu
den kräftig erregenden, bei mangelnder Vorsicht leicht über¬
reizenden, aber es beruht sicher auf Irrtum und Vorurteil, wenn
man ihren Gebrauch zu den eingreifendsten, ja selbst gefahr¬
vollen Kuren zählt. Wo bei sonst nicht kontraindizierten
Bädern (wie z. B. bei Kranken mit Gehirnerweichung, bei psy¬
chischen Exaltationen, bei Herzkranken mit sehr straffem
Aortensystem usw.) ihr Gebrauch nachteilig einwirkt, Schwin¬
del Herzklopfen Mattigkeit und dergleichen erzeugt, da ist es
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Schuld der Patienten
die entweder proprio märte sich ihren Kurplan entwerfen,
zumal wenn sie schon häufiger am Kurorte waren, oder sonst
von den individuell gebotenen Vorsichtsmaßregeln abweichen,
indem sie das Bad zu unpassender Tageszeit, zu kühl, zu heiß,
zu lange dauernd, in zu rascher Aufeinanderfolge nehmen.
Darum ist auch die alte, unter den dort Heilung Suchenden so
weit verbreitete Ansicht als ganz verwerflich anzusehen, die
gebotenen Heilmittel so ausgiebig und konzentriert, wie nur
möglich, zu gebrauchen, nach dem Sprichwort: ..Viel hilft viel!"
Diesen Kranken ermangelt jegliches Verständnis der Grund¬
prinzipien und der Wirkungsweise einer Badekur in Oeyn¬
hausen. Nicht gewaltige Einzelwirkungen und Parforcekuren
können dem Gros der dortigen Kranken helfen, sondern eine
größere Zahl kleiner Einzelerregungen ist es, die sich nach und
nach zu einer erfolgreichen Gesamtwirkung vereinigen müssen.
Am allgemeinsten werden die früheren Morgenstunden bei nicht
völlig leerem Magen in Anspruch genommen und mit Recht, da
die Bäder zu dieser Tageszeit wohl zur kräftigsten Reaktion
führen. Vielen ist die natürliche Temperatur des Thermal¬
wassers zu kühl; doch durch Erniedrigung einer anfänglich
höheren Temperatur um % Grad von Bad zu Bad tritt bald Ge¬
wöhnung ein. Für das ne quid nimium muß stets die ärztliche
Anordnung sorgen, da eine zu hohe Temperatur das. was durch
die Kohlensäure Spi^ifisches geboten wird, vollständig para¬
lysieren kann.
In der Regel ist es ratsam, die ersten Bäder kurz abzu¬
brechen, 5—10 Minuten, und sie im allgemeinen nicht über
20 Minuten auszudehnen. Ein Gefühl von erfrischendem Wohl¬
behagen und behaglicher Wärme, ein rötlicher Anflug der Haut,
tritt schon nach wenigen Minuten ein. Wer schon häufiger ge¬
badet hat, hat bald von selbst ein subjektives Gefühl, daß die
Badezeit von selbst verstrichen sei. und jedenfalls ist es hohe
Zeit das Bad zu verlassen, sobald sich ein leises Frösteln
einstellt.
Wenn auch im Einzelfall die Zahl de rBBder natürlich
vom behandelnden Arzt bestimmt wird, so läßt sich doch im
allgemeinen sagen, daß 24—30 Bäder als die Mittelzahl für eine
Kur zu betrachten sind. In den Kreisen der Badegäste be¬
gegnet man hier oft der Ansicht, daß man stets eine un¬
gerade Anzahl Bäder nehmen müsse, eine Ansicht, die
selbstverständlich als Aberglaube zu bezeichnen ist.
Die Thermalbäder lassen drei Arten des Badens zu: das
ruhige, wo die Wanne sich vom Boden aus füllt und das
Wasser unbewegt bleibt; das bewegte, in welchem das Zu¬
leitungsrohr nicht geschlossen wird und das Wasser durch eine
Seitenöffnung in der Wanne wieder abfließt, und endlich das
Schaumbad, in welchem von oben der Wasserstrahl in
die Wanne stürzt. Nach dieser Richtung hin herrscht unter
Laien gar oft das Vorurteil, als ob die bewegten Bäder die
kräftigsten wären, während das Gegenteil der Fall ist.
Je ruhiger sich der Badende im ruhigen Bade verhält, um
so weniger entweicht die Kohlensäure in die Luftschicht über
dem Wasserspiegel; um so kräftiger ist die Reaktion auf die
Haut, auf das Blut- und Nervensystem, um so weniger be¬
lästigend für die Lungen und das Gehirn, während im bewegten
Bade, am meisten im Schaumbade, ein reichliches Ausströmen
des Gases aus dem Wasser zu mannigfachen Belästigungen
führt, und der Kranke bald genug von der momentan eintreten¬
den kräftigeren Erregungen des Körpers und des physischen
Eindrucks enttäuscht werden wird.
Das einfache Solbad ist ebenfalls gut eingerichtet,
und der Komfort dieser Badehäuser wird bescheidenen wie
No 28.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
448
den : verwöhntesten Ansprüchen gerecht. Diese Solbäder in
verschiedener Stärke (0—9 pCt.) werden namentlich von
skrofulösen Kindern und dem weiblichen Ge¬
schleckte am meisten in Anspruch genommen, während
die erfrischende, kühle, mit Salzteilen imprägnierte Luft aii
den Gradierwerken eine beliebte Morgen- und Abendprome¬
nade für alle, oder Ruheplätze für sehr schwächliche Kurgäste
darbietet. Man unterscheidet unter den Solquellen die so¬
genannte Schachtsole und die sogenannte Bohr¬
loch s o 1 e. Beide werden in eine m Schacht gewonnen, die
erstere in dem oberen Teile desselben, wo sich die aus dei
Tiefe heraufsteigende Sole mit den oberflächlicheren süßen
Wässern vermischt, die zweite in der Tiefe in unverdünntem Zu¬
stande. Die Bohrlochsole ist daher das ursprünglichere Produkt,
sie enthält 9 pCt. Kochsalz, während sich in der Schachtsole, nur
3 pCt. befinden. In den Bädern mit reiner 9proz. Sole sind
78 Pfund Kochsalz in der Badewanne enthalten. Infolgedessen
eignen sich die Solbäder Oeynhausens zum Gebrauch für die
oben erwähnten Krankheitsformen in hervorragendem Maße
und werden von den Solen nur weniger Bäder übertroffen,
von den meisten aber bei weitem nicht erreicht.
Es ist schwer verständlich, daß de -r artig
kräftige, allen Indikationen gerecht wer¬
dende Solbäder bei den so außerordentlich
günstigen örtlichen Verhältnissen so wenig
nach außen hin in weiteren Kreisen gekannt
u li d g e w ü r d i g t s i n d. Esliegtumsom ehr Grund
vor, dies hier zu betonen, als des öfteren
Patienten zum Gebrauch der kohlensäure¬
haltigen Thermalbäder nach Oeynhausen ge¬
schickt werden, während deren Angehörige,
Frauen oder Kinder, auf Anordnung des¬
selben Arztes ein anderes Solbad besuchen.
Ja, es werden sogar Patienten nach Oeyn¬
hausen gesandt mit der ärztlichen Verord¬
nung, dort Moor- und Schlammbäder zu
n e li m e n. ,
(Schluß folgt.)
VI. TagesgescMchte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Qesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Die Aerztekammer für die Provinz
Brandenburg und den Stadtkreis Berlin hatte
in ihrer letzten Sitzung ihren Vorstand beauftragt, an den
Reichskanzler und den preußischen Medizinalminister eine Ein¬
gabe in der Angelegenheit des vom Kreiskrankenhause
zu Britz wegen seiner Konfession zurückgewiesenen jüdi¬
schen Medizinalpraktikanten zu richten. (Vgl. Allg. med.
Central-Ztg., 1910, No. 5, S. 69.) Auch im preußischen Ab¬
geordnetenhause ist die leidige Affäre mehrmals zur Sprache
gebracht worden. (Allg. med. Central-Ztg;, 1910, No. 20, S. 276.)
Nach alledem durfte man erwarten, daß die Regierung schleu¬
nigst Maßregeln treffen würde, um die Möglichkeit eines der¬
artigen mit den verfassungsmäßigen Garantien in Widerspruch
stehenden Vorgangs für die Zukunft zu verhindern. Es ist aber
anders gekommen. Bereits unter dem 13. Mai d. J. ist, wie
merkwürdigerweise erst jetzt aus den „Amtlichen Mitteilungen
der Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den Stadt¬
kreis Berlin“, No. 6 u. 7, vom 1. Juli d. J. bekannt geworden ist,
dem Vorstand der Aerztekammer folgender Bescheid des Ober¬
präsidenten der Provinz Brandenburg zugegangen:
„Auf die an den Herrn Reichskanzler und den Herrn
Minister der Medizinal-Angelegenheiteu gerichtete Eingabe
vom 2. Februar d. J. eröffne ich dem Vorstande im Aufträge
des Herrn Ministers, daß dem Anträge, dem Kreiskranken-
hause in Britz wahrend der jetzigen Leitung das Recht zur
Annahme von Medizinalpraktikanten abzuerkennen, nicht
stattgegeben werden kann da der in der Eingabe erwähnte
Vorgang außerhalb der Erwägungen und Gesichtspunkte
liegt, die für die Ermächtigung des Krankenhauses zur Be¬
schäftigung von Praktikanten und folgeweise auch für deren
Wiederentziehung maßgebend sind. Die Begründung der Ab¬
weisung in dem Schreiben des Krankenhausleiters vom
1. Mai 1909 bietet allerdings zur Beanstandung Anlaß, zumal
aus dem amtlichen Verzeichnisse der zur Annahme von
Praktikanten ermächtigten Krankenanstalten nicht hervor¬
geht, daß das Kreiskrankenhaus in Britz rein konfessionellen
Charakter hat.“
Der vorstehende, höchst bedauerliche Bescheid umgeht ge-
flissentlich die prinzipielle Seite der ganzen Frage und zeigt
somit, daß die Aktion der Aerztekammer und die Erörterungen
der Affäre im Landtag völlig ergebnislos verlaufen sind. Es
wird nunmehr Sache der Interessenten sein, die Angelegen¬
heit sobald angängig vor das Forum des Reichstages zu bringen,
um dadurch den Bundesrat zur Ausarbeitung revidierter
Vorschriften über die Ableistung des praktischen Jahres zu
veranlassen. Denn nach dem gegenwärtig von der preußischen
Regierung vertretenen Standpunkt hat kein Mediziner die
Sicherheit, nach Absolvierung eines sechsjährigen Studiums und
Ablegung der Staatsprüfung in absehbarer Zeit rite die
Approbation als Arzt erwerben zu können. Dem Leipziger
Verbände aber empfehlen wir, seiner „Warnung vor dem
Studium der Medizin" noch ein diesen absonderlichen Zustand
beleuchtendes Kapitel anzufügen.
Zwickau. Die städtischen Kollegien haben die An¬
stellung eines Stadtbezirksarztes beschlossen, wie ihn von säch¬
sischen Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz be¬
reits besitzen.
London. Auch in England blühte seit langem die Kur¬
pfuscherei, ohne jedoch bisher von den Aerzten sonderlich be¬
achtet zu werden, da sie deren wirtschaftliches Gedeihen nicht
merkbar beeinträchtigte. Das scheint jedoch in leizier Zeit
anders geworden zu sein, denn auf Anregung des britischen
Aerztevereins wird dem Parlament eine Vorlage zur
Bekämpfung des Kurpfuschertums vorgelegt werden, mit deren
Ausarbeitung eine Kommission betraut wurde.
Universitiitswesen, Personalnachrichten.
Berlin. Die preußische Akademie der Wissenschaften
hat Prof. Dr. Abderhalden (Berlin) zu Versuchen über
Ernährung mit vollständig abgebautem Eiweiß 1000 M„ Dr.
Otto Kalischer (Berlin) zur Fortführung seiner Unter¬
suchungen über die Hörsphären des Großhirns etc. 600 M. be¬
willigt.
— Der Generaloberarzt Dr. Vollbrecht, Divisions¬
arzt in Allenstein, ist als Chefarzt der türkischen Armee
zur Neuorganisation ihres Sanitätswesens nach deut¬
schem Vorbild nach Konstantinopel berufen worfen.
Kiel. Der Direktor der chirurgischen Klinik, Prof. Dr.
Willy Anschütz, hat einen Ruf nach Tübingen als Nach¬
folger von Geheimrat v. B r u n s erhalten, ihn jedoch abgelehnt.
— Der als beurlaubt dem Lehrkörper der hiesigen Universität
noch angehörige Privatdozent Prof. Dr. Wandel, leitender
Arzt der inneren Abteilung des Stadtkrankenhauses zu
Plauen i. V., ist zum leitenden Arzt des im Bau begriffenen
Stadtkrankenhauses St. Georg in Leipzig gewählt worden.
Bonn. Dr. G. Stertz hat sich für Psychiatrie und
Neurologie habilitiert.
B r a u n s c h w e i g. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Schul z in
Braunschweig, der langjährige Oberarzt der medizinischen Ab¬
teilung des Herzoglichen Krankenhauses, ist am 1. Juli in den
Ruhestand getreten.
P laue n. Dr. Breitung, chirurgischer Oberarzt am
Stadtkrankenhause, hat den Professortitel erhalten.
Jena. Der Privatdozent der Chirurgie Dr. W. Roepke
ist zum außerordentlichen Professor ernannt worden.
Münche n. Prof. Döderlein hat den Ruf nach Berlin
endgültig abgelehnt, nachdem ihm vom bayerischen Kultus¬
ministerium der von ihm gewünschte Neubau der Klinik zu¬
gesichert worden ist.
Würzburg. Der Professor der pathologischen Anatomie
an der deutschen Universität in Prag hat einen Ruf an die
hiesige Universität als Nachfolger von Borst erhalten; er ge¬
denkt ihm Folge zu leisten.
Erlangen. Der außerordentliche Professor der Physio¬
logie Dr. Richard Fuchs ist von der kaiserlichen Leopol-
dinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher in Halle a. S.
zum Mitglied ernannt worden.
Heidelberg. Der Privatdozent der inneren Medizin
Dr. S. Schönhorn ist zum außerordentlichen Professor er¬
nannt worden.
S t r a ß b u r g i. E. Dr. med. Hans Vogt, bisher Privat-
dozenl an der Universität Breslau, wurde zum Oberarzt an der
Kinderklinik der hiesigen Universität ernannt, wohin er seinem
bisherigen Chef Prof. Ä. C z e r n y gefolgt ist; er wird demnächst
auch in den Lehrstuhl der Straßburger medizinischen Fakultät
eintreten.
Prag. Dr. F r. Votruh a hat sich an der tschechischen
Universität für innere Medizin habilitiert.
Krakau. Der Privatdozent Dr. Adam Wrzosek ist
zum außerordentlichen Professor für allgemeine und experimen¬
telle Pathologie ernannt worden. Der Professor der Geburts¬
hilfe an der Hebammenlehranstalt Dr. Stanislaus Dohro-
w o 1 s k i und die Privatdozenten Dr. F ranz No w 0 t n y und
Dr. Max Rutkowski haben den Titel „außerordentlicher
Universitätsprofessor“ erhalten.
Zürich. Der ordentliche Professor und Direktor des
Hygienischen Universitäts-Instituts Dr. O. Wyss tritt mit Ende
dieses Sommersemesters vom Lehramte zurück.
Paris’ Am College de France ist mit den Mitteln einer
privaten Stiftung eine Professur fiir Versicherungsmedizin be¬
gründet und Herrn Eduard Fester, einem aus der Juris¬
prudenz hervorgegangenen Gelehrten, übertragen worden.
T u r i n. Am 15. Juli werden die wissenschaftlichen
Institute „Angelo Mosso“ auf dem Monte Rosa eröffnet.
444
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 28.
Von den 19 Arbeitsplätzen stehen zwei für Deutschland (Reichs¬
amt des Innern) zur Verfügung. Bewerbungen sind unter Bei¬
fügung der Genehmigung der Regierung au Prof. A. Mosso,
Turin, Corso Raffaello 30, zu richten. Auskunft erteilt der
Direktor Dr. A. A g g a z o 11 i in Turin.
Neapel. Der jetzige Leiter der hiesigen Zoologischen
Station, Dr. Reinhard Dohm, Sohn des vor kurzem ver¬
storbenen Begründers, ist von der preußischen Regierung zum
Professor ernannt worden.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Leipzig. Hierselbst wurde am 27. Juni die Jahres¬
versammlung der Freien Vereinigung sächsischer Orts¬
krankenkassen abgehalten. Unter anderem beriet man über
einen Antrag der Ortskrankenkasse Leipzig, bei der
Regierung um Errichtung eines Lehrstuhls für Natur¬
heilkunde an der Universität Leipzig zu peti¬
tionieren. Dieser Antrag war schon in den Jahren 1895
und 1890 gestellt, jedoch nicht angenommen worden. Der
Referent führte aus, daß inzwischen ein großer Wandel in den
Anschauungen über die Naturheilmethode eingetreten sei. Diese
habe immer mehr Anhänger gewonnen. Für die Kassen käme
hauptsächlich die materielle Seite in Betracht. Es w ü r d e
zweifellos bedeutend an Medikamenten ge¬
spart. Jetzt mußte sich der Kranke Medikamente verschreiben
lassen, aber vielfach nehme er sie nicht, weil er Gegner der
medizinischen Behandlung sei. Man müsse solchen Kranken
die Möglichkeit gewähren, auch die Naturheilkunde pflegende
Aerzte zu konsultieren. Der Antrag wurde einstimmig an¬
genommen. — Wir glauben, daß sich die Kassenvorstände in
Bezug auf die Wünsche der Kassenklientel in einer großen
Täuschung befinden. Es sind nämlich, wie jeder Kassenarzt
mit einiger Erfahrung weiß, gar nicht die verhältnismäßig billig
herzustellendeu häuslichen Wasserapplikationen, nach denen
es die Kassenpatienten gelüstet, sondern die von Medizinern
und Nichtmedizinern in den letzten Jahren in so reicher Zahl
in die Therapie eingeführten meist recht teuren physikalischen
Prozeduren, deren Wirkungen obenein im allgemeinen doch
recht unsicher sind. Nachgiebigkeit der Aerzte und Kassen¬
leitungen gegen diese Wünsche der Kranken würde die
Krankenkassen in kürzester Zeit dem Bankerott zuführen, wäh¬
rend der Ordination der einfachen Prozeduren der älteren
Hydrotherapie bei den Patienten wahrscheinlich bald dasselbe
Schicksal blühen würde wie den viel geschmähten „Medizinen".
Die sächsische Regierung wird es sich auch aus anderen Grün¬
den noch eine Weile überlegen, ehe sie auf die Petition der
Kassen eingeht; denn eine Naturheilkunde als abgeschlossene
Lehrdisziplin, wie sie in den Köpfen der Kassenvorstände offen¬
bar herumspukt, gibt es nicht und wird es nicht geben, und es
dürfte daher die „Professur der Naturheilkunde“ bis auf weite¬
res ein frommer Wunsch jener großen Klasse von Halbgebilde¬
ten bleiben, deren Denken weniger durch Sachkenntnis als
durch die Schlagwörter des Tages bestimmt wird.
Gerichtliches.
Leipzig, ln einem Zivilprozeß, den ein ehemaliger
festangestellter Kassenarzt, der w e g e n beruf¬
licher Unfähigkeit von der Leipziger Ortskrankenkasse
vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist entlassen worden
war, gegen diese Kasse angestrengt hatte, hat das Reichsgericht
als letzte Instanz am 1. Februar d. J. dem Kläger Recht gegeben,
indem es ausführte, daß ein einmaliger Kunstfehler eines
Kassenarztes nicht ohne weiteres einen Grund zur kündigungs¬
losen Entlassung darstelle. (Korresp.-Blatt d. kgl. sächs. Aerzte-
vereine 1910, No. 13, S. 248.)
Verschiedenes.
Berlin. Am Vormittag des 29. Juni hat nun endlich die
feierliche Enthüllung des vielumstrittenen Denkmals für Rudolf
Virchow stattgefunden. Das Monument steht auf dem Karls¬
platze, d. h. an der Kreuzung der Karl- und der Luisenstraße,
also inmitten des medizinischen Viertels. Die medizinische
Fakultät war fast vollständig erschienen; die städtischen Be¬
hörden und die Stadtvertretung hatten ihre Spitzen entsandt.
Für die Staatsregierung war der derzeitige Medizinalminister
mit vielen seiner Räte erschienen, das Sanitätskorps der Armee
wurde durch den Generalstabsarzt Prof. v. S ch j e r n i ng und
zahlreiche andere Sanitätsoffiziere repräsentiert, die Reichs¬
behörden durch den Präsidenten des Gesundheitsamtes
Bumm; außerdem nahmen zahlreiche andere Notabilitäten
sowie Vertreter von studentischen Korporationen an der Feier
teil. Für die Mitglieder dter Familie Virchow mit der
greisen Witwe Rudolf V i r c h o w s an der Spitze war eine
besondere Tribüne errichtet. Die Festrede hielt Geheimrat
W a 1 d e y e r; er zeichnete in großen Zügen ein Bild von dem
Wirken des Gefeierten. Darauf sprach der Stadtverordneten¬
vorsteher M i c h e 1 e t, der vorwiegend auf die kommunale und
politische Tätigkeit V.irchows einging. Nachdem nunmehr
die Hülle von dem Denkmal gefallen war, ergriff der Ober¬
bürgermeister Kirschnfer als Vertreter der städtischen Be¬
hörden das Wort, wobei er hauptsächlich die Universalität von
Virchows Wirken hervorhob. Mit der Niederlegung von
Kränzen seitens einer großen Reihe von wissenschaftlichen Ge¬
sellschaften, Vereinen usw. an den Stufen des Denkmals und
mit einem Schlußgesang erreichte darauf die Feier ihr Ende.
Fraukf u r t a. M. Eine Augenklinik ist beim Städti¬
schen Krankenhause am 1. Juni eröffnet worden; ihr Direktor
ist Dr. Schnaudigel.
Wien. Der Internist Hofrat Prof. Dr. L. 0 s e r hat die ihm
zum 70. Geburtstag übergebene Ehrengabe von 20 000 K
der Israelitischen Kultusgemeinde als Stiftung übertragen, mit
der Bestimmung, alle zwei Jahre Subalternärzte der Allgemei¬
nen Poliklinik und des Israelitischen Spitals, ev. Rigorosanten
der Medizin ohne Unterschied der Konfession mit Prämien für
wissenschaftliche Arbeiten und Reisestipendien zu unterstützen.
Erklärung.
Herr Prof. W. Heubner in Göttingen hat in einem in der
Juni-Nummer der „Therapeutischen Monatshefte“ veröffentlich¬
ten Artikel „Reklame durch Sonderabdrucke“ sich
gegenüber einer Bemerkung von Prof. Klemperer, daß die
Redaktion der „Therapeutischen Monatshefte“ in der Frage der
Sonderabdrucke selbständig vorgegangen sei, ohne sich an das
berufene Forum, die Freie Vereinigung der deutschen medizini¬
schen Fachpresse, zu wenden, in folgender Weise geäußert:
„Diese Vereinigung hat bereits im Jahre 1908 diese Frage dis¬
kutiert und ist zu dem Resultate gekommen: Es dürften .weiter¬
hin Separata an industrielle Firmen geliefert werden. Somit er¬
schien ein Appell an diese Vereinigung von vornherein ziemlich
aussichtslos. Auch darf es zweifelhaft sein, wieweit bei dieser
Entscheidung der Einfluß der pharmazeutisch-chemischen Gro߬
industrie beteiligt war, deren Vertreter ja zu gewissen Beratun¬
gen der Vereinigung der medizinischen Fachpresse hinzu¬
gezogen wird. Ich halte mich für berechtigt, diesen Zweifel
auszusprechen, da ich Beweise dafür in der Hand habe, daß von
seiten der Großindustrie versucht worden ist, sogar den redak¬
tionellen Teil wichtiger Publikationsorgane in ihrem Sinne zu
beeinflussen.“ Gegen diese Ausführungen, die bei uneingeweih¬
ten Lesern den Verdacht erwecken können, daß der von Herrn
Heubner erwähnte Beschluß der Vereinigung vom Jahre 1908
durch eine unzulässige Beeinflussung seitens der pharmazeu¬
tisch-chemischen Grohßindustrie zustande gekommen sei, legt
der Unterzeichnete Ausschuß der Freien Vereinigung der deut¬
schen med. Fachpresse im Namen ihrer Mitglieder nachdrück¬
liche Verwahrung ein. Wäre Herr Heubner Mitglied unserer
Vereinigung, so müßte er wissen, daß der Vertreter der phar¬
mazeutisch-chemischen Großindustrie bei Sitzungen, der Ver¬
einigung lediglich informatorisch zugegen ist, zu dem Zwecke,
die med. Fachpresse in ihrem Kampfe gegen die Arzneimittel-
Soldschreiber mit geeignetem Material zu versehen. Nur dieser
Unterstützung hat die deutsche med. Fachpresse es zu ver¬
danken, daß sie innerhalb kurzer Zeit den Reinigungsprozeß
so erfolgreich durchführen konnte.
Wenn Herr Heubner ferner auf Versuche der pharma¬
zeutisch-chemischen Großindustrie, wichtige Publikationsorgane
in ihrem redaktionellen Teil zu beeinflussen, hinweist, so er¬
warten wir von ihm das belastende Material zur weiteren Ver¬
folgung.
Der Ausschuß der Freien Vereinigung der Deutschen
medizinischen Fachpresse.
Dr. B. Spatz.
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Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N. f Friedrichstrasse 131 B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin.
Verlag von Oscar Coblentz. Kxpeditionsbureau: Berlin W. 30, Maassenstrasse 13. — Druck von Carl Marschner. Berlin SW., Alexandrinenstrasse 110.
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Uebermüdungen und für Rekonvaleszenten.
Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefel¬
präparats hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche
nicht identisch mit unserem Präparat sind und welche oben¬
drein unter sich verschieden sind, wofür wir in jedem einzelnen
Falle den Beweis antreten können. Da diese angeblichen Ersatz¬
präparate anscheinend unter Mißbrauch unserer Marken,,Ichthyol“
und „Sulfo-ichthyolicuin“ auch manchmal fälschlicherweise mit
Ichthyol
oder
♦
Ammonium sulfo-ichtliyolicum
gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur
unser spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klini¬
schen Versuchen zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten
wir um gütige Mitteilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn
irgendwo tatsächlich solche Unterschiebungen stattfinden.
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fibromyome u. Blutungen (cfr. Arbeit a »s der l'niversitäts-
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schon von unseren Voreltern überkommen ist, nämlich die Er¬
nährung mit einfachsten, natürlichsten Stoffen, hat viele jener
mit Posaunenstössen der Welt verkündeten, selbst unter dem
empfehlenden Protektorate der Berühmtheiten auf den Markt
gebrachten künstlichen Nährmittel überdauert. „Simplex veri
sigillum“ (Das Kennzeichen des Wahren und Guten ist die Ein¬
fachheit). So ist es denn gekommen, dass bei der Ernährung
von Schwachen, von Rekonvaleszenten, Greisen oder
Magenleidenden neben Bouillon mit Graupen oder Haferschleim,
neben Gelees und Flammeries, neben Pürees von Hühner- und
Taubenfleisch und starken alten Süssweinen sich als tägliche
Kost der schlichte, altgewohnte Milchzwiebackbrei immer als das
Beliebteste erwiesen hat. Ihn findet man in der ärmsten Hütte
wie im Palast, überall wo Kinder oder Kranke leicht und doch
genügend ernährt werden sollen, und gerade diesem Umstande
hat auch das Nestle’sche Kindermehl, ursprünglich nur für Kinder¬
ernährung bestimmt, welches ja nichts anderes als ein exquisit
feines „Milch-Zwieback-Pulver“ ist und sein will und dessen
Zubereitung nur heisses Wasser erfordert, seine unerschütterte,
immer zunehmende Beliebtheit zu verdanken.
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gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur
unser spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klini¬
schen Versuchen zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten
wir um gütige Mitteilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn j
irgendwo tatsächlich solche Unterschiebungen stattfinden.
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Cordes, Hermanni & Co.
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Haemorrhoiden.
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Therapeutische Rundschau
(Sonderausgabe der Allgem. medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dp« H. Lohnstein und Dr. Th. LohnsteEn
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedriclistr. 131B
Fernspreck-Amt UI, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprecli-Amt VI, No. 3302
IV. .Tain-gang ReiTin, 16. .Tnll 1910
Xo. 29
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie siimtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnement« gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor ({uartalssciiliiss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
I nhaltsü h ersieht.
1. Wissenschaftliche Mitteilungen. Aufrecht: Experi¬
mentelle Untersuchungen über die Resorbierbarkeit des „Feo-
lathan“.
Doevenspeck: Nephritis haemoglobinurica (Senator) bei
Pneumonie. — Steinhaus: Beobachtungen über die Tuber-
kulosehäufigkeit an Dortmunder Volksschulkindern im Schul¬
jahre 1906/07. — Fodor: Ungleiche Reaktion der Pupillen
gegen Lichtreiz als Frühsymptom der Lungentuberkulose. —
Klose und Vogt: Tuberkulose und Neubildung. — War¬
schauer: Zur Genese der Lebercirrhose. — Fleisch: Ueber
Carcinommetnstasen im Gehirn — Barth: Ueber die Bezie¬
hungen der Migräne zu anderen Nervenkrankheiten. — Kausch:
Die Behandlung des Hydrocephalus mit konsequenter Punktion
— Pollak: Zur Hirnpunktion. — Hovesi: Beitrag zur opera¬
tiven Behandlung der angeborenen Gliederstarre (Littlesche
Krankheit) mit Resektion hinterer Rückenmarks wurzeln. —
Strauss: Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Scharlach R
auf das Epithelwachstum. — Peel Ritchie: Experimentelles
und Kritisches über die bakteriologische Bedeutung der Haut¬
drüsen und deren Sekrete bei der aseptischen Chirurgie. —
Staffel: Ueber die schnellende Hüfte. — Rüge: Zur Patho¬
logie und Therapie der Nabelhernien der Erwachsenen. —
Stii hm er: Ueber die Hernien der Bauchwand seitlich der Mittel¬
linie unter besonderer Berücksichtigung dnr Hernien der Linea
semilunaris (Spigelii). — Senator: Gelenkrheumatismus nach
operativem Trauma. — Wassermann: Ueber die kosmetische
1. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Aus dem chemischen lind bakteriologischen Institut
von Dr. Aufrecht, Berlin.
Experimentelle Untersuchungen über die
Resorbierbarkeit des „Feolathan“.
Von
Dr. S. Aufrecht.
Von der Firma Goed ecke & Co., Chemische Fabrik,
Berlin, wird seil einiger Zeit unter der Bezeichnung „Feola-
than“ ein Eisenpräparat in den Handel gebracht, welches nach
den Angaben der genannten Firma durch Sättigung von
Ammon- und Eisenhydroxyd mit Milchsäure hergestellt wird
derart, daß auf 4 Moleküle Milchsäure je ein Molekül Eisen
und Ammonium kommen. DasPräparat ist als ein chemisch
einheitlicher Körper und zwar als Doppelsalz analog dom
schwefelsauren Eisen-Ammon (FeS0 4 [NHJ 2 S0 4 -j-6 HoO)
gedacht.
Ueber die Zusammensetzung und Eigenschaften dieses
Körpers finden sich weder in der medizinischen noch in der
pharmazeutisch-chemischen Literatur irgend welche An¬
gaben vor.
Meine eigenen Untersuchungen haben folgendes Re¬
sultat ergeben: Das Präparat stellt eine grünliche, mus-
artige, äußerst hygroskopische Kristallmasse vor, welche
sich in Wasser und Alkohol mit zeisiggrüner Farbe löst.
Die wässerige Lösung ist geruchlos und besitzt einen
metallisch herben Geschmack.
in Aethor, Chloroform, Benzin und Schwefelkohlen¬
stoff ist das Präparat fast unlöslich. Beim Stehen an der
Luft, zersetzt sich allmählich das Präparat, was sich schon
äußerlich durch eine Bräunung der Kristallmasse bemerkbar
macht. Die einführende Firma bringt daher das Mittel in
Pillenform auf den Markt.
Beim Erhitzen des Präparates verkohlt die Substanz
und hinterläßt eine rotbraune Asche, weiche ausschlie߬
lich aus Eisenoxyd bestellt.
Die wässerige Lösung (1:10) reagiert sauer und gibt auf
Zusatz von Kaliumferricyanidlösung selbst in stärkster Ver¬
dünnung eine tiefblaue Farbreaktion:
Durch Kaliumferrocyanid entstellt nur eine hellblaue 1
und therapeutische Anwendung des Paraffins auf dem Gebiete
der Nasenkrankheiten. — Mayer: Pfählungsverletzuug in der
Gravidität mit günstigem Ausgang für Mutter und Kind. —
Weber: Beiträge zur Therapie der Nachgeburtsblutungen. --
Wunsch: Ueber ring- und kugelförmige Pessare bei der
Behandlung des Scheidenvorfalls.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 15. Juni 1910. —
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom
4 Juli 1910. — XIX. Versammlung der Deutschen Otologischen
Gesellschaft.
III. Therapeutische Notizen. Zickgraf: Die Anwendung von
Limonen bei Lungenkranken.
IV. Bücherschau. Schwalbe: Therapeutische Technik für die
ärztliche Praxis. — Pritsch: Die Krankheiten der Prauen für
Aerzte und Studierende. — Huxley: Grundzüge der Physio¬
logie. — Levy: Neurasthenie et neuroses. — Wachenfeld:
Der Stoffwechsel und die Krankheiten des Herzens und der
Gefäße.
V. Feuilleton Heeg er: Das Königliche Bad Oeynhausen in
seiner jetzigen Entwicklung. (Schluß.)
VI. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinäl-Gesotz-
gebung, soziale Medizin etc. — Oniversitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
VII. Amtliche Mitteilungen. Personalia,
Färbung. Mit Natronlauge gekocht, spaltet sich Ammoniak
ab. Wird die wässerige Lösung mit rauchender Salpeter¬
säure erhitzt, hierauf Ammoniak im Ueberschuß heigefiigl
und filtriert, so erhält man ein farbloses Filtrat, welches
beim Eindampfen auf dem Wasserbade einen sirupartigen
Rückstand hinterläßt. Beim Glühen desselben im Platin -
scliälchen bleibt keine Spur eines wägbaren Rückstandes
zurück.
Durch Analyse wurden gefunden:
Hygroskopisches Wasser 17,70%
Gebundenes Wasser 24,30 ,,
Milchsäure 48,34 „
Ammonium 2,54 „
Eisen 7,12 „
LTm mich davon zu überzeugen, ob däs Eisen des
„Feolathan“ vom Organismus gul resorbiert wird, habe ich
eine Reihe von Versuchen angestellt, deren Ergebnisse fol¬
gende sind.
Für die ersten beiden Versuche benutzte ich 2 mittel¬
große Hunde im Gewichte von zirka 8 bezvv. 9>/» kg.
Die eingeführte Nahrung wurde sorgfältig kontrolliert ;
sie bestand in dem einen Falle aus Pferdefleisch und
Wasser, im anderen Falle aus Pferdefleisch, Speck, Brot
und Wasser. Nach einer mehrtägigen Vorperiode erhielten
die Hunde außer dieser Nahrung noch bestimmte Mengen
„Feolathan“ (in Wasser gelöst.). Ich schicke liier gleich
voraus, daß die beiden Versuchstiere während der ganzen
Versuchsdauer von diarrliöischen Stühlen und sonstigen
krankhaften Zuständen befreit blieben; ebenso wenig war
in dieser Zeit eine Abnahme der Freßlust zu beobachten.
Der im Käfig über Nacht eingetrocknete Urin wurde
hei der Untersuchung nicht berücksichtigt, da es sich nur
um verschwindend kleine Urinverluste handelte, welche
auf das Gesamtergebnis keinen nennenswerten Einfluß aus¬
üben konnten. Die Bestimmung des Eisens erfolgte in der
Asche der bei 105° Celsius getrockneten Fäces bezw. des
eingedampften Urins mittels Titration mit Uebermangan-
siiure. Der Eisengehalt der Nahrung wurde gleichfalls
in der Asche in bekannter Weise bestimmt.
Sämtliche Analysenwerte bilden das Mittel aus min¬
destens zwei gut untereinander übereinstimmenden Re-
s ul taten.
446
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 29.
In der ersten Versuchsreihe wurde ein zirka 8 kg
schwerer Hund benutzt. Seine tägliche Nahrung bestand
aus 200 g Pferdefleisch und zirka i/4 Liter Wasser (Lei-
tungswasser). Vom vierten Tage ab erhielt das Tier noch
0,5 g „Feoiathan“ (in Wasser gelöst) pro die.
Tabelle I.
Versuch I.
Dauer des Versuches 7 Tage; Nahrung des Hundes pro die 200 g
Pferdefleisch.
Ver¬
suchs¬
tag
Eisengehalt
der
Nahrung
Harn-
Menge
Eisen
im
Harne
Kotascho
Eisen
in der
Asche
Gesamt¬
menge des
abge¬
schiedenen
Eisens
1
0,014 g
280 ccm
0,0020 g
1,85 g
0,018 g
2
0,014 „
195 .,
0,0020 ,,
2,07 „
0,017 „
3
0,014 „
260 „
0,002 > ,.
2,30 „
0,014 „
4
0,014 „|=|?
220 „
0,0020 „
2,57 „
0,025 „
5
0,014 „Ui!
225 „
0,0030 „
2,52 „
0,027
-0,120g
0
0,014 „ 5
270 „
0,0025 „
2,84 „
0,025 ,,
7
0,014 ., US“
260 „
0,0075 „
2,70 „
0,028 „
Körpergewicht zu Beginn des
Versuches. 7850 f
Körpergewicht bei Beendigung
des Versuches. 7870 ,
Eingeführt wurden . . .= 0,1948 ,
Mit Harn und Eaeces wurden
abgeschieden. 0,1200 ,
Mithin wurden resorbiert bezw.
in den Organen abgelagert
gleich. 0,0748
Versuch II.
= 38,4 pCt. Fe.
In dem folgenden Versuche erhält ein mittelgroßer Hund acht
Tage hindurch täglich 125 g Pferdefleisch, 30 g Speck, 50 g Schwarz¬
brot und Wasser nach Belieben; vom neunten Tage ab außerdem
1 g Feoiathan pro die._
Ver¬
such s-
tag
Eisengehalt
der
Nahrung
g
Körper¬
gewicht
£
Harn¬
menge
ccm
Eisen-
im
Harn
g
Kotasche
g
Eisen
in der
Asche
g
Gesamt¬
menge des
abgeschie¬
denen Fe.
g
1
0,03
7730
235
0,0016
2,50
0,016
2
0,03
7730
270
0,0014
2,47
0,018
3
0,03
7730
210
0,0020
1,90
0,018
4
0,03
7750
225
0,0018
2,66
0,018
0,139 +
5
0,03
7760
280
0,0016
2,47
0,015
0,240
G
0.03
7750
185
0,0020
2,42
0,020
7
0,03
7780
270
0,0020
2,78
0,016
8
0,03
7760
265
0,0018
2,40
0,018
9
0,5 Feol.
7780
280
0,0018
2,90
0,042
10
0,5 „
7780
310
0,0018
2,47
0,060
11
0,5 „
7800
270
0,0020
2,60
0,070
0,0050
Eingeführt wurden = 0,282 g Fe.
Abgeschieden wurden = 0,177 g Fe.
Mithin wurden resorbiert bezw.
in den Organen abgelagert = 0,105 g = 37,23 pCt. Fe.
Aus diesen beiden Versuchen ergibt sich, daß rund
60 pCt. Feolothan mit den Fäces wieder abgeschieden
wurden, während die Testierenden 40 pCt. im Körper ver¬
bleiben.
Es bleibt somit noch die weitere Frage zu beant¬
worten, ob und inwieweit das aus dem Darmkanale resor¬
bierte Eisen einen Einfluß auf die Hämoglobinbildung aus¬
übt. Um diese Frage zu klären, habe ich eine weitere
Reihe von Versuchen ausgeführt, zu denen ich ausschlie߬
lich Kaninchen verwendete.
Der Hämoglobingehalt dieser Tiere schwankte bei Be¬
ginn der Versuche zwischen 47—60 pCt.
V ersuch III.
Beginn des Versuches am 5. Januar 1910. Kaninchen, 1500 g, erhält
täglich 0,15 g Feoiathan in Wasser gelöst
Hämoglobingehalt = 00 pCt.
Datum
Körper¬
gewicht
Feoiathan
Hämoglobin¬
gehalt
Bemerkungen
5.
Jan
1910
1560 g
0,15 g
60 pCt.
Der Hämoglo¬
6.
„
1910
—
0,15 „
-r-
bingehalt stieg
7.
1910
—
0,15 „
—
somit im Verlauf
8.
„
1910
1575 g
0,15 „
62 pCt.
der Versuchs-
9.
?»
1910
—
0,15 „
—
Periode lim
10.
>»
1910
—
0,15 „
—
10 pCt. und er¬
11.
„
1910
—
0,15 „
—
hielt sich bei
12.
1910
1600 g
0,15 „
65 pCt.
weiterer Darrei¬
13
„
1910
—
0,15 „
—
chung von Feo-
14.
„
1910
• —
0,15 „
—
lathan auf dieser
15.
„
1010
1620 g
0,15 „
70 pCt.
Höhe.
17.
i)
1910
—
0,15 „
—
18.
V
1910
—
0,15 „
—
24.
1910
1620 g
0,15 „
70 pCt.
Körpergewichtszuuuhme ~ 00 pCt.
wesamtdosiö — 2,1 pCt.
Zunahme des Hämoglobins = 10 pCt.
Beginn des Versuohes am 20. Dezember 1909. Kaninchen 1870 g.
Hämoglobingehalt — 52 pCt.
Datum
Körper¬
gewicht
Feoiathan
Hämoglobin¬
gehalt
Bemerkungen
20. Dezember
1870 g
0,1 g
52 pCt.
21. „
0,1 „
—
22. „
—
0,1 „
—
23.
—
0,1 „
—
24
—
0,1 „
52 pCt.
25.
—
0,1 „
—
Zunahme 13pCt.
27.
—
0,1 „
—
28.
—
0,1 „
—
29. „
—
0,1 „
—
—
0,1 ,.
—
31.
1875 g
0,1 „
65 pCt.
Beginn des Versuches am 3. Januar 1910 Kaninchen 2020 g.
Hämoglobiugehalt = 47 pCt.
Datum
Körper¬
gewicht
Feoiathan
Ilämoglobin-
geli alt
Bemerkungen
3
2020 g
0,15 g
47 pCt.
4
—
0,15 „
—
5
_
0,15 „
_
0
_
0,15 „
Der Hämoglo¬
0,15 ,,
bingehalt liat
8
0.15 „
innerhalb der
9
_
0,15 „
_
Versuchs¬
10
2050 g
0,15 .,
54 pCt
periode eine Zu¬
11
_
0,15 „
_
nahme um
12
—
0,15 „
—
19 pCt. erfahren.
13
—
0,15 „
—
14
—
0,15 „
—
15
2050 g
0,15 „
66 pCt.
Beginn des
Versuches am 10. Januar 1910. Kaninchen 1800 g
Hämoglobingehalt — 55 pCt
Datum
Körper¬
gewicht
Feoiathan
Hämoglobin¬
gehalt
Bemerkungen
10. Jauuar
1800 g
0,2 g
55 pCt.
11.
0,2 „
—
12. „
—
0,2 „
—
13 „
—
0,2 „
—
Das Tier ver¬
14 „
—
0,2 „
—
endet am 21. Ja¬
15. „
—
0,2 „
—
nuar. Todes-Ur-
17. „
1780 g
0,2 „
53 pCt.
sache: Tuber¬
18.
0,2 „
—
kulose.
19. „
—
0,2 „
—
20.
—
0,2 „
—
21.
—
0,2 „
—
Beginn des Versuches am 24. Januar 1910. Kaninchen 1020 g.
Hämoglobingehalt — 52 pCt.
Datum
Körper¬
gewicht
Feoiathan
Hämoglobin¬
gehalt
Hämoglobin-
zunahme
24. Januar
1620 g
0,2 g
52 pCt.
—
25. „
—
0,2 „
—
—
26.
—
0,2 „
—
—
27 „
—
0,2 „
—
—
28. „
—
0,2 „
—
—
29.
—
0,2 „
—
—
1. Februar
—
0.2
—
—
2 . „
1650 g
0,2 „
64 pCt.
—
3. „
—
0,2 „
—
—
4-
—
0,2 „
—
—
5- „
—
0,2 „
—
—
7. „
—
0,2 „
—
—
8 .
1650 g
0,2 „
70 pCt.
18 pCt.
Aus meinen Untersuchungen ergeben sich folgende
Schlüsse:
1. Das Eisen des Feoiathan wird leicht und rasch im
Tierkörper resorbiert; der Uebersehuß an Eisen wird
größtenteils mit den Fäces wieder ausgesc.hiedon.
2. Die Darreichung von Feoiathan- hat zur Folge, daß
der Hämöglohingehalt der Versuchstiere nicht unwesent¬
lich gesteigert wird.
3. Eine ungünstige Beeinflussung des Allgemein¬
befindens der Versuchstiere nach Darreichung selbst re¬
lativ großer Gaben von Feoiathan konnte ich in keinem
Falle beobachten.
Zum Schluß möchte ich noch mit wenigen Worten
darauf hinweisen, daß ich weit davon entfernt bin, aus
den angestellten Tieroxpcrimentcn. Rückschlüsse auf die
Wirkung des T'oolathan am Menschen zu ziehen. Ich bin
mir der Mängel, welche mit solchen Versuchen verknüpft
sind, wohl bewußt; immerhin dürfte es sieh mit Rücksicht
auf den günstigen Verlauf der Tierversuche empfehlen,
Versuche mit dem Mittel an geeigneten Kranken in
größerem Umfange apzusteRen.
No. 29.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
447
Di-- Wilhelm Doevenspeck (Essen): Nephritis haemoglobinurica
(Senator) bei Pneumonie. (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 20.)
Verfasser beobachtete in drei Fällen von croupöser Pneu¬
monie, welche er im vorigen Jahre behandelte, das Auftreten
von vorübergehender Hämoglobinurie. Die betreffenden Patien¬
ten waren 38, 17 und 70 Jahre alt, sämtlich Männer; die Krank¬
heit endigte in allen drei Fällen in Heilung. Die Untersuchung
des Urins ergab in den drei Fällen, daß es sich um echte Hämo¬
globinurie handelte; das Zentrjfugat enthielt Leukocyten, Nieren-
epithelien, vereinzelte hyaline und granulierte Zylinder, ganz
vereinzelte Erythrocyten (Schatten), außerdem massenhafte, bei
schwacher Vergrößerung schwarz bis dunkelbraun, bei starker
bräunlichgelb aussehende körnige Zylinder, dazu reichlich
Schollen und Detritus von derselben braungelben Farbe., Die
filtrierten Urine enthielten Eiweiß (bis 0,2 pCt. Esbach); die
Blutsera von zwei darauf untersuchten Patienten erwiesen sich
rötlich gefärbt. Es handelt sich in diesen Fällen nach Verf. um
eine Nephritis haemoglobinurica im Sinne von Senator.
R. L.
Steinhaus: Beobachtungen über die Tuberkulosehäufigkeit an
Dortmunder Volksschulkindern im Schuljahre 1906/07. (Cen-
tralblatt für öffentliche Gesundheitspflege, 1910, H. 1/2.)
Verfasser hat die dortige Tuberkulosehäufigkeit nach dem
Ergebnis der Obduktionen, nach dem Ergebnis der Mortalitäts¬
statistik und nach dem Ergebnis der klinischen Erfahrungen hin
untersucht und kommt zu folgenden Schlußsätzen:
1. Die Lehre Nägel is von der Verbreitung der Tuber¬
kulose bedarf für das kindliche Alter auf Grund der neueren
Forschungen der Ergänzung nach folgenden Richtungen hin:
a) Das Säuglingsalter ist nicht frei von Tuberkulose.
b) In dem Zeitabschnitt vor Eintritt der Pubertät kommen
ausgeheilte, latent inaktive Tuberkulosen vor.
c) Die Infektion mit Tuberkulose erfolgt in der bei weitem
größten Zahl der Fälle nicht im Pubertäts-, sondern im
vorschulpflichtigen und ganz besonders im schulpflich¬
tigen Alter durch Kontakt.
2. Die Erfahrungen, die an Obduktionen kindlicher Leichen
gesammelt sind, lehren, daß etwa 75 pCt. der Kinder, die im
schulpflichtigen Alter sterben, tuberkulöse Veränderungen auf¬
weisen.
3. Durch die neuesten Untersuchungen darf es als Tatsache
angesehen werden, daß mindestens 50 pCt. aller schulpflichtigen
Kinder als tuberkuloseinfiziert anzusehen sind. Damit ist un¬
gefähre Uebereinstimmung mit den bei Obduktionen ermittel¬
ten Zahlen gewonnen.
4. Die Tuberkulose des Kindesalters hat nach Einleitung
einer rationellen Bekämpfung seit einigen Jahren — von 1905
ab — eine bemerkenswerte Abnahme in der Mortalität gezeigt.
5. Die an Lebenden in Ergänzung der Obduktionsbefunde
und der Berechnung der Mortalität ermittelten Zahlen lehren,
daß die kindliche manifeste, mit Veränderungen an den Lungen
verbundene Tuberkulose, wie die der Erwachsenen, lokal eine
ganz verschiedene Verbreitung hat; die Zahl der untersuchten
eingeschulten kranken Kinder schwankt zwischen 1 und 17 pCt.
(Grancher); soweit es sich um infizierte kranke Kinder
handelt.
6. Die Tuberkulose in ihren verschiedenen Formen ist die
für die Schule bedeutsamste Kinderkrankheit. Die von Verf.
für 1906/07 aufgestellte Statistik hat eine Erkrankuhgsziffer an
Tuberkulose von 50 pCt. sämtlicher Krankheitsfälle ergeben.
7. Das Dortmunder Material bestätigt die auch anderwärts
festgestellte Tatsache, daß die weibliche Jungend prozentual
häufiger an Tuberkulose erkrankt, woraus die Forderung ab¬
geleitet werden muß, ihr ganz besondere Aufmerksamkeit zuzu¬
wenden.
.8. Die Sanierung der Bevölkerung gegenüber der Tuber¬
kulose wird größere Erfolge zeitigen, wenn die Bekämpfung
mit allen zu Gebote stehenden Mitteln im Kindesalter einsetzt
und bezüglich der direkten Behandlung der Erkrankungsfälle
durch Errichtung von Kinderheilstätten und den Ausbau der
Waldschulen eine Erweiterung erfährt.
9. Der Schule fallen große Aufgaben zu bei dem Kampfe
gegen die Tuberkulose. Insbesondere ist die schulärztliche
Organisation berufen, bei dieser Aufgabe große Dienste zu
leisten. Den Gemeinden erwächst die Pflicht, an diesem
Kampfe sich zu beteiligen durch die Einrichtung von Schularzt¬
stellen in den Landesgebieten, wo sie bis jetzt nicht vorhanden
sind. Eine von Verf. zusammengestellte Statistik ergibt, daß
in ganz Deutschland nur etwas mehr als 1000 Schularztstellen
bis zum 1. April 1909 vorhanden waren. Mühlschlegel.
Dozent Dr. Geza Fodor (Abbazial: Ungleiche Reaktion der
Punillen gegen Lichtreiz als Frühsymptom der Lungentuber¬
kulose. (Wiener med. Wochenschrift. 1910, No. 11.)
Die Pupillendifferenz als eine Begleiterscheinung der halb¬
seitigen Lungentuberkulose ist zwar längst bekannt, wird aber
in den meisten Lehrbüchern entweder überhaupt nicht oder nur
flüchtig erwähnt, und zwar aus dem Grunde, weil sie verhält¬
nismäßig selten beobachtet und nicht genügend verläßlich ge¬
funden wurde, um zu diagnostischen Zwecken benützt werden
zu können. Mit Rücksicht darauf, daß bei dem Verdachte einer
Lungentuberkulose alle jene Symptome, welche leicht nach¬
weisbar sind und dabei eventuell die Frühdiagnose der Krank¬
heit ermöglichen, eine große Bedeutung haben können, unter¬
suchte Verfasser die Frage näher. Auf Grund dieser Beob¬
achtungen ist er nun zu der Ueberzeugung gekommen, daß das
Symptom — wenn auch nicht in jedem einzelnen Falle — aber
doch in der überwiegenden Mehrzahl vorhanden ist und bisher
der Aufmerksamkeit wahrscheinlich nur deshalb entging und
so selten beobachtet wurde, weil es überhaupt nur dann mit
Sicherheit nachgewiesen werden kann, wenn die Untersuchung
unter besonderen Kautel en ausgeführt wird. Nach Verfassers
Erfahrungen kann die Pupillendifferenz entweder gar nicht
oder nur selten nachgewiesen werden, wenn die Beobachtung
der Pupillen bei zu hellem Lichte, z. B. am Tage zu nahe beim
Fenster oder abends bei greller Beleuchtung, geschieht, wenn
also die durch den Lichtreiz mehr oder minder verengten
Pupillen verglichen werden; sie wird aber leicht erkennbar,
wenn die Untersuchung in einem minderbeleuchteten Raume
vorgenommen wird. In diesem Falle können wir uns überzeu¬
gen, daß die der erkrankten Lungenseite entsprechende Pupille
sich lebhafter und bedeutender erweitert und am Ende der
Reaktion weiter wird als die andere, bei nachfolgender Licht¬
einwirkung dagegen schwächer reagiert, sich langsam verengt,
der anderen Pupille gegenüber zurückbleibt.
Verfasser erklärt sich das ungleiche Verhalten der Pupillen
gegen den Lichtreiz bei einseitiger Lungentuberkulose dadurch,
daß der Brustteil des Sympathicus gereizt wird und dadurch an
derselben Körperseite eine spastische Mydriase entsteht. Es
ist klar, daß die Erscheinung nicht nur durch die halbseitige
Lungentuberkulose allein, sondern auch durch alle übrigen
Erkrankungen der einen Brusthälfte (Tumoren, Aneurysma,
Pleuritis etc.) hervorgerufen werden kann, welche durch die
Reizung des Brustsvmpathicus eine halbseitige Pupillenerweite¬
rung auslösen können. Auf Grund seiner Erfahrungen glaubt
Verfasser jedoch, daß die ungleiche Reaktion der Pupillen
gegen den Lichtreiz als leicht nachweisbares und verläßliches
SyniDtom — unter Berücksichtigung der übrigen Krankheits¬
erscheinungen — sich in den meisten Fällen mit Vorteil ver¬
weilen läßt, um — auch bei negativem Lungenbefund — eine
beginnende Lungentuberkulose zu erkennen, und uns sogar
ermöglicht, schon frühzeitig auch den Sitz der Erkrankung fest¬
zustellen.
Dr. H. Klose und Prof. Dr. H. Vogt (Frankfurt a. M.): Tuber¬
kulose und Neubildung. (Beiträge zur klinischen Chirurgie,
1910, 66. Bd., H. I.)
Dr. H. Klose berichtet über einen Fall, in welchem er.
das koinzidierende Wachstum von Tuberkulose und Adeno-
carcinom in einem und demselben Organe, der Brustdrüse,
eindeutig konstatieren konnte. Rokitansky leugnete be¬
kanntlich, daß Tuberkulose und Krebs ein Individuum be¬
fallen könnten, obwohl schon Cruveilhier ein konkretes
Argument liefern konnte. Später fiel man in das entgegen¬
gesetzte Extrem und behauptete, die Tuberkulose bereite dem
Carcinom einen günstigen Boden. Jetzt weiß man, daß Tuber¬
kulose gemeinsam mit Carcinom in drüsigen Organen äußerst
seltene und daher wichtige Vorkommnisse darstellen. Franco,
der sich neuerdings mit der Kasuistik dieser Fälle befaßt hat,
konnte nur 11 Fälle ans der älteren Literatur beibringen, denen
er zwei eigene, die Brustdrüse betreffend, hinzufügt. Zwei
weitere sind von Davis und Poncet-Leriche beschrie¬
ben worden Auch Orth besitzt Präparate eines solchen
Falles von Adenom und Tuberkulose der Mamma. Verfassers
Beobachtung vermehrt die Zahl der einwandfreien Fälle gleich¬
zeitiger Entwicklung von Tuberkulose und Tumor in der Brust¬
drüse auf 17. Ju K.'s Fall war bei der Operation das Adeno-
carcinom so weit vorgeschritten, daß ein Kausalitätsverhältnis
zwischen beiden Prozessen nach irgend einer Richtung anato¬
misch nicht statuiert werden kann.
Vogt berichtet im Anschlüßen Kloses Beobachtung über
einen Fall, der eine Kombination von Tumor und Tuberkulose
im Bereich des Kleinhirns betrifft. Es handelt sich dabei um
die Tatsache daß zu einem offenbar schon lange Zeit bestehen¬
den Gliom des Kleinhirns sich eine Tuberkulose hinzuent¬
wickelte. Es hatten in dem Fall schon sehr lange Zeit gering¬
fügige statische Störungen bestanden, bis sich schließlich in der
Begleitung einer verbreiteteren Tuberkulose über einen größe¬
ren Teil der Körnerorgane auch Erscheinungen einer intensiver
werdenden Kleinhirnerkrankimg zeigten. So ist schon aus dem
klinischen Bild der tuberkulöse Prozeß als der jüngere anzu-
sorechen. und es ist dies auch anatomisch wahrscheinlich, da
das Glioma cerebri sicherlich zu den am langsamsten wachsen¬
den Tumoren gehört, die wir kennen. Kr.
Dr. Ott« Warschauer /Frankfurt a. M.): Zur Genese der Leber-
cirrliosc. (Deutsche med. Wochenschrift. 1910. No. 20.)
Ueber die Genese der Lebercirrhose sind wesentlich zwei
Theorien aufgestelt worden: nach der einen liegt eine Hepatitis
interstitialis, eine primäre entzündliche Wucherung des peri-
448
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 29.
portalen bezw. perilobulären Bindegewebes mit sekundärem
Zugrundegehen des Parenchyms vor; nach der anderen Theorie
ist die Schädigung des Parenchyms das Primäre, die Wucherung
des periportalen Bindegewebes ist ein sekundärer, kompen¬
satorischer Vorgang. Verfasser hatte nun Gelegenheit, bei
einer Frau, welche infolge von Myodegeneratio cordis und
doppelseitiger Nephritis interstitialis starb, bei der Sektion eine
beginnende Lebercirrhose zu finden und mikroskopisch zu
untersuchen. Dabei ergab sich keine nennenswerte Schädigung
der Parenchymzellen, keine Bindegewebsneubildung innerhalb
der Acini, dagegen lebhafte Neubildung und Wucherung des
interazinösen, periportalen Bindegewebes. Der Fall zeigt nach
Verf. jedenfalls, daß die in neuerer Zeit sich immer mehr Gel¬
tung verschaffende Lehre, daß die Lebercirrhose durch primäres
Zugrundegehen des Leberparenchyms und regenerative sekun¬
däre Wucherung des interlobulären Bindegewebes entsteht,
nicht für alle Fälle zutrifft. Für einige ist es notwendig, an
der alten Lehre von der primären BindegeweOsneubaldung
festzuhalten. R. L.
P. Fleisch; Ucbcr Carcinommctastascn im Gehirn. (Dissertation,
Jena 1909.)
Bei jedem klinisch als primärer Hirntumor imponierenden
Leiden muß stets an ein eventuell vorhandenes sekundäres
Hirncarcinom gedacht werden; zur Sicherung der Diagnose sind
folgende Gesichtspunkte maßgebend:
1. Berücksichtigung des ganzen Krankheitsbildes (rapide
Abmagerung, Kachexie, hohes Alter).
2. Beachtung eventuell vorhandener geringfügiger Sym¬
ptome von seiten anderer Organe, besonders derjenigen Organe,
welche bei primärer Carcinomerkrankung am häufigsten
Metastasen im Gehirn machen.
3. Besondere Beachtung verdient der ganze Komplex der
Herdsymptome als solcher in bezug auf die Heterotopie der
jedem einzelnen Herdsymptome entsprechenden Herde im Ge¬
hirn; die Berücksichtigung der eventuell vorhandenen Rücken¬
markssymptome.
4. Das Fehlen oder schwache Ausgesprochensein der all¬
gemeinen Hirnsymptome kann gelegentlich zur Verstärkung
der Diagnose verwertet werden (Fehlen der Stauungspapille,
Verwaschenheit der Sprache etc.).
Georg Barth: Ueber die Beziehungen der Migräne zu anderen
Nervenkrankheiten. (Inaugural-Dissertation, Leipzig 1909.)
Auf Grund seiner Krankengeschichten und der ein¬
schlägigen Literatur kommt Verfasser zu den folgenden Schlu߬
sätzen :
1. Eine Umwandlung der Migräne in eine andere Nerven¬
krankheit scheint in äußerst seltenen Ausnahmefällen zu er¬
folgen und zwar in die ihr pathogenetisch mutmaßlich nahe¬
stehende Epilepsie.
2. Das Zusammentreffen der echten Migräne mit anderen
Nervenkrankheiten ist meist ein rein zufälliges, oft in der ver¬
erbten neuropathischen Anlage begründetes (Hysterie, Epilep¬
sie, Neurasthenie). Zumeist gehen beide Krankheitsprozesse
nebeneinander her, ohne ineinander einzugreifen (Epilepsie,
Hysterie, Neurasthenie, Tumor cerebri, Lues cerebri). Nur von
der Tabes und der Paralyse wird die Migräne in ihren Er¬
scheinungsformen verändert.
3. In allen Fällen, wo Migränefälle mit Symptomen anderer
Nervenkrankheiten gepaart auftreten, hat man stets an die früher
unterschätzte Häufigkeit des symptomatischen Auftretens der
Migräne zu denken (bei Epilepsie, periodischer Oculomotorius¬
lähmung, Tabes dorsalis, progressiver Paralyse, Lues cerebri,
Tumor cerebri). F.
YV. Kausch: DieBehandlung des Hydroccphalus mit konsequen¬
ter Punktion. (Mitteilungen aus den Grenzgebieten der
Medizin und Chirurgie, Bd. 21, H. 2.)
Verfasser bringt in dieser Arbeit seine technischen Er¬
fahrungen und seine klinischen Erfolge resp. Mißerfolge bei
der Behandlung des Hydrocephalus mit konsequenter Punktion
an der Hand von zwei Fällen. Er warnt vor den komplizierten
Methoden bei der operativen Behandlung des Hydrocephalus,
weil die kleinen elenden Kinder dem schweren Eingriff fast
ausnahmslos zum Opfer fallen, und glaubt auf Grund seiner
Erfahrungen der einfachen Methode der Ventrikelpunktion das
Wort reden zu müssen.
Im 1. Falle wurden durch 13 Ventrikelpunktionen innerhalb
44 Tagen 3035 ccm entleert. Der Kopf verkleinerte sich be¬
deutend. Das Kind ging leider an Enteritis zugrunde.
Im 2. Faile wurden durch 9 Ventrikelpunktionen 857 ccm
entleert. Es trat zunächst eine evidente Besserung ein. Der
Tod dieses Kindes muß auf die allzu energisch vorgenommene
Punktion gesetzt werden.
Seine Erfahrungen faßt er in folgende Leitsätze zusammen:
1. Bei weit offenem Schädel soll die Ventrikelpunktion
energisch von den offenen Stellen aus vorgenommen werden.
2. Stets ist der Druck am Anfang und Ende der Punktion
zu bestimmen.
3. Beim ersten Male sind in schweren Fällen bis 100 ccm
abzulassen, der erhöhte Druck soll um etwa 20 cm Wasser, aber
nicht tiefer als auf + 5 cm sinken; verträgt das Kind dies gut,
so soll der Druck beim nächsten Male auf 0, später auf minus
gebracht werden. Die einmalig abgelassenen Quanten können
schließlich mehrere 100 ccm, bis 300 ccm betragen.
4. Die Punktion ist jedenfalls zu wiederholen, sobald wieder
ein positiver höherer Druck vermutet wird; wenn erforderlich
täglich, sonst nach einigen Tagen, so lange bis der Schädel nor¬
male Größe erreicht.
5. Bei negativem Druck, ferner bei infolge der Entleerung
abstehenden Schädelknochen ist die Kompression anzuwenden.
6. Lumbal punktiere man bei offenem Schädel nur in leich¬
teren Fällen oder in schweren später, wenn durch Ventrikel¬
punktionen erhebliche Besserung erzielt wurde und das Ab¬
lassen großer Quantitäten nicht mehr in Betracht kommt.
7. Je weiter der Schluß des Schädels fortgeschritten ist. uni
so vorsichtiger sei man besonders im Herbeiführen negativen
Druckes; letzterer übersteige nicht die Fontanellenbreite.
8. Bei geschlossenem Schädel ist sehr vorsichtig vorzugehen,
negativer Druck völlig zu vermeiden, auch jede stärkere Herab¬
setzung des erhöhten Druckes in einer Sitzung, man lasse
häufiger und jedesmal weniger all. Zunächst ist hier die konse¬
quente Lumbalpunktion zu versuchen. Erreicht sie nichts, so
ist auch hier die konsequente Ventrikelpunktion von kleinen
Bohrlöchern aus vorzunehmen, am besten in der Stirngegend.
9. Die komplizierten Operationsmethoden sollen bei offenem
wie bei geschlossenem Schädel erst versucht werden, wenn die
konsequente und energische Punktion nicht zum Ziele führt.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Kurt Pollack (früher Oberarzt am städtischen Krankenhause
zu Stettin): Zur Hirnpunktion. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 20.)
Verfasser bespricht unter Mitteilung von einigen Fällen
seiner Beobachtung einige Gesichtspunkte, welche bei der
diagnostischen Hirnpunktion nach Neisser (Stettin) in Be¬
tracht kommen. Zunächst zeigt er an einigen Beispielen die
Bedeutung der Hirnpunktion für die Diagnose des Hvdro-
cephalus acquisitus beim Erwachsenen, sDeziell ermöglicht das
Ergebnis der Hirnpunktion oft. einen Hirntumor mit Sicher¬
heit auszuschließen; gleichzeitig ist die Hirnpunktion in
manchen Fällen von Hydrocephalus internus acquisitus von
therapeutischem Nutzen, da es Fälle gibt, in denen nach der
durch die Punktion bewirkten Entleerung des überschüssigen
Liouor dauernde Heilung eintritt. Verfasser teilt einen der¬
artigen Fall mit. — Ein weiteres Gebiet, auf welchem die Hiru-
nunktion oft von Nutzen ist sind die oberflächlichen 'lokalen
Flüssigkeitssammlungen in der Schädelhöhle; es kommen hier
in Betracht: 4. die umschriebenen entzündlichen Prozesse der
Meningen mit ihrem Produkt, dem serösen, eventuell eitrigen
Exsudat; 2. die Meningealcysten und die davon teilweise
schwer trennbaren Zysten der Oberflächlichsten Gehirnschich¬
ten; 3. die extra- und intraduralen Hämatome. In diesen
Fällen ist die Hirnpunktion nicht nur von diagnostischem Wert,
sondern sie genügt unter Umständen auch, um einen Rückgang
der Erscheinungen herbeizuführen und erspart die sonst not¬
wendige Operation. Verfasser teilt z. B. einen Fall einer ober¬
flächlich im Kleinhirn oder über diesem gelegenen Cyste mit,
in welchem bei einem moribund erscheinenden Patienten durch
einmalige Punktion sofortiger Rückgang der Erscheinungen und
nach sechs nochmaligen späteren Punktionen dauernde Heilung
eintrat. Ferner berichtet Verfasser über zwei Fälle von trau¬
matischen Hämatom der Dura, in denen durch die Punktion
Heilung erzielt wurde. — Von Wichtigkeit hat sich die Hirn¬
punktion schließlich erwiesen für die Diagnose des Hirn-
abscesses. sowohl nach der positiven wie negativen Seite hin.
Auch hierfür führt Verfasser einige Beispiele an, welche zeigen,
daß man ohne die Hirnuunktion zu ganz falschen Annahmen
bezüglich der Diagnose kommen kann, daß manchmal nur die
Hirnpunktion das Fehlen oder Vorhandensein eines Abscesses
aufdeckt, was für die Behandlung natürlich von der größten
Wichtigkeit ist.
Dr. .T. Hcvesi (Klausenburul: Beitrag zur oncraiiven Behand¬
lung der angeborenen Gliederstarre tlJttleselie Krankheit)
mit Resektion hinterer Rückenmarks wurzeln, (Deutsche
med. Wochenschrift. 1910, No. 19.)
Auf Grund theoretischer Ueberlegungen hat vor einigen
Jahren der Breslauer Neurologe O t f r i e d Foerster vor-
vorgeschlagen. bei gewissen SDastisch-nareti.schen Zuständen,
insbesondere bei der L i 111 e sehen Krankheit, um den Spasmus
zu beseitigen, die hinteren Rückenmarkswurzeln zu durch-
schneiden. Die zu durchtrennenden sensiblen Wurzeln ge¬
hören denselben Rückenmarkssegmenten an welche die spina¬
len Kerne der affizierten Muskelgrunnen beherbergen Bei
Paraplegien der Beine kommen lumbale und saarale Hinter¬
wurzeln in Fraue. Die erste derartige Oneration führte im
Mai 1907 Prof. Tietze auf Foersters Anregung aus. und
der funktionelle Erfolg entsprach dem Erwartungen. Verfasser
No. 29.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
449
hatte nun ebenfalls Gelegenheit, die Foerstersehe Opera¬
tion auszuführen, und zwar bei einem 11 jährigen Mädchen mit
einer schweren spastischen Paraplegie beider Beine. Beide
untere Extremitäten waren in den Hüftgelenken in Flexion,.
Adduktion und Innenrotation, in den Kniegelenken in mittlerer
Flexion, in den Sprunggelenken in Mittelstellung fixiert; die
Sehnenreflexe waren stark erhöht. Ohne Stütze konnte das
Kind nicht gehen, und sich nur mühsam einige Schritte fort¬
bewegen. "Verfasser machte die Operation: Laminektomia und
Rhizectömia spinalis posterior lumbosacralis im Januar d. J.
Bauchlage, Beckenhochlagerung, vorwiegend Aethernarkose,
nur im Exzitationsstadium wenige Tropfen Chloroform. Die
Domfortsätze des 1.—5., die Bögen des 2.-5. Lendenwirbels
sowie die hintere Wand des oberen Teiles des Sacralkanals
wurden mittels einer L ü e r sehen Zange abgekniffen. Nach
Durchschneidung der Ligamenta interspinalia und des sonsti¬
gen darüber liegenden Bindegewebes wurde die Dura ge¬
spalten und dann links die 2., 3., 5. lumbale und zweite sacrale
hintere Wurzel, rechts die 2. und 4. lumbale und die erste
sacrale Wurzel reseziert. Es wurde die Wunde jetzt vorläufig
geschlossen und die endgültige Wundversorgung (Verschluß der
Dura, Vereinigung der Muskulatur, Hautnaht usw.) erst am
nächsten Tage gemacht. Der weitere Verlauf war gut. — Un¬
mittelbar nach der Operation trat ein Nachlassen der MuskeL-
rigidität ein; ebenso ging die Steigerung der meisten Reflexe
zurück. Passive Bewegungen konnten sofort ausgeführt werden.
Im Laufe der nächsten Wochen wurden sowohl die passiven
wie auch die willkürlichen Bewegungen immer ausgiebiger
vollzogen. Um die bestehenden Schrumpfungskontrakturen zu
überwinden, wurde die Patientin von der fünften Woche an
nachts auf ein Gipsbett mit gespreizten, gestreckten und aus¬
wärts gerollten Beinen festgebunden. Von der sechsten Woche
an wurde das Stehen und Gehen geübt; im Anfang mit Unter¬
stützung durch zwei Personen, dann im Laufbarren. Von der
siebenten Woche an kann das Kind gehen, wenn auch noch lang¬
sam und zögernd mit etwas gebeugten Knien und Hüftgelenken.
Gröbere Sensibilitätsstörungen sind nach der Operation nicht
eingetreten, ebensowenig Erscheinungen von Ataxie. Die
Patientin wurde nach acht Wochen aus der Klinik entlassen;
durch Uebungstherapie muß die Funktion der Muskulatur der
Beine noch weiter verbessert werden.
Dr. M. Strauss (Nürnberg): Beitrag zur Kenntnis der "Wirkung
des Scharlach R auf das Epithelwachstum. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 19.)
Verfasser berichtet über seine Erfahrungen bei der Ver¬
wendung des ScharlachRin der Wundbehandlung. Er ver¬
wendet die Substanz in Salbenform, gewöhnlich in 8 proz. Kon¬
zentration; die Salbe wird so hergestellt, daß man Scharlachrot-
Grübler in Chloroformöl löst und das Gemenge frei verreibt, bis
alles Chloroform verdunstet ist. Aus der übrigbleibenden
öligen Lösung wird mit Vaselin, flavum eine 8 proz. Salbe her¬
gestellt; eine solche wird auch fertig von der B r etschnei¬
de r sehen Apotheke in Berlin geliefert. Bei jugendlichen
Personen oder bei sehr zarter empfindlicher Haut, vor allem
im Bereich des Gesichts und der Achselhöhle, gebraucht er auch
eine 4 proz. Salbe. Die Salbe wird messerrückendick auf eine
vierfache Lage Verbandsmull gestrichen, dessen Größe un¬
gefähr der Ausdehnung der Wunde entspricht. Nur Wunden
mit guten Granulationen, d. i. reine, frischrote, flache, nicht
ödematös gequollene Flächen sollen mit der Salbe verbunden
werden. Bei unreinen, jauchenden Wunden oder solchen mit
eitrigen Belägen ist die Salbe wertlos. Die Salbe soll im all¬
gemeinen nicht länger als 24 Stunden auf der Wunde bleiben,
da sie anfangs oft Reizerscheinungen im Bereich der Wunde
und ihrer Umgebung bedingt. Wenn diese fehlen, kann der
folgende Verband ebenfalls wieder mit Scharlachsalbe gemacht
werden, bei vorhandenen Reizerscheinungen ist ein feuchter
Verband mit essigsaurer Tonerde oder ein solcher mit Borsalbe
anzulegen, der dann mit dem Scharlachsalbenverband alter¬
nieren kann. Die ersten Scharlachsalbenverbände bedingen in
allen Fällen einen feinen, grauweißen Belag auf den Granu¬
lationen und eine etwas stärkere Sekretion. Wenn die Salbe
keine Reizerscheinungen macht, kann der Verband auch zwei¬
mal 24 Stunden liegen bleiben. Ein zeitweise angelegter feuch¬
ter oder Borsalbenverband ist jedoch im Interesse einer guten
Wirkung der Scharlachsalbe notwendig. Die Hauptwirkung
der Scharlachsalbe besteht in der Beförderung der Epitheli¬
sierung, die in einzelnen Fällen T h i e r s c h sehe Transplan¬
tationen unnötig macht, sowie in der Bildung eines derben,
dicken Epithels, das vor allem bei Wunden im Bereich der
Gelenke wertvoll ist. Ferner werden auch Kontrakturen und
Narbenspannungen vermieden. Deshalb ist die Schariachsalbe
in erster Linie für Brandwunden indiziert, die auffallend rasch
zur Vernarbung gelangen. Ferner erzielte Verfasser gute Er¬
folge bei Unterschenkelgeschwüren, bei den Granulationen nach
Karbunkeln usw. Ein schädlicher Einfluß auf die Wunde wurde
bei geeigneter Verwendung bisher nicht beobachtet. Zum
Schluß bemerkt der Verfasser, daß die wirksame Komponente
im Scharlach R das Amidoazotoluol ist, welches neuer¬
dings ebenfalls in Salbenform (8 proz. Konzentration) unter de)'
Bezeichnung Scharlachsalbe für die Wundbehandlung in ■ den
Handel gebracht wird. K. l
L. C. Peel Ritchie: Experimentelles und Kritisches über die
bakteriologische Bedeutung der Hautdrüsen und deren
Sekrete bei der aseptischen Chirurgie. (Archiv für klinische
Chirurgie, Bd. 91, H. 2.)
R. sucht auf Grund erneuter Experimente die bisher all¬
gemein verbreitete Mikulicz sehe Lehre zu widerlegen, nach
welcher die Schweißdrüsen und Ausführungsgänge der nor¬
malen Haut Keime beherbergen. Der fettige Sekretstrom ver¬
hindert die Ansiedlung von Bakterien. Nur unter abnormen
Bedingungen, z. B. an einer sehr trockenen rauhen Haut, welche
der natürlichen fetten Schutzdecke entbehrt, sowie durch Ein¬
reiben der Mikroorganismen können wohl Keime in die Aus¬
führungsgänge eindringen, sie werden aber sehr rasch wieder
eliminiert. Jedenfalls kann die Chirurgie das Schweißsekret
als eine Quelle der Reinfektion außer Betracht lassen. Auch
in die Haarfollikel können Mikroorganismen nicht leicht ein¬
geführt werden und nie soweit, daß deren Entfernung auf
mechanischem Wege nicht möglich wäre. Künstlich in die
Haarfollikel durch Einreiben eingeführte Keime dringen nicht
in die Drüsen ein und werden rasch wieder eliminiert, so daß
also auch der Inhalt der Haarfollikel für die Durchführung der
chirurgischen Asepsis Kaum eine praktische Bedeutung hat.
F. Staffel: Ueber die schnellende Hüfte. (Archiv für klinische
Chirurgie, Bd. 91, H. 1.)
Unter den Namen schnellende Hüfte, schnappende Hüfte,
Hanche ä ressort, Luxatio tractus ileofemoralis ist in den letzten
Jahren mehrfach eine Erscheinung beschrieben worden, welche
darin besteht, daß sich beim Vorwärts- und Rückwärtsbewegen
des Oberschenkels im Hüftgelenk ein sehniger Strang über dem
Trochanter major hin- und herbewegt. Es handelt sich hier
streng genommen nur um die Uebertreibung eines physiologi¬
schen Vorganges. In der Mehrzahl der bisher publizierten
11 Fälle bestanden weder Beschwerden noch Funktionsstörun¬
gen. Immer handelt es sich um den Teil der Fascia lata, ins¬
besondere des M a i s s i a t sehen Streifens, welcher von der
Crista ilei abwärts über dem Trochanter major herabzieht und
sich sogar über das Kniegelenk hinaus bis in die Untersehenkel-
fascie erstreckt. Aus diesen anatomischen Verhältnissen er¬
klärt sich auch die Tatsache, warum bei gebeugtem Knie, d. i.
verminderter Spannung des M a i s s i a t sehen Streifens das
Schnappphänomen in der Regel nicht zu erzielen ist. Der von
Staffel beobachtete Fall gehört nun zweifelhaft zu den patho¬
logischen. Denn das Phänomen war hier in ziemlich unmittel¬
barem Anschluß an einen Fall auf die Hüfte aufgetreten. Legte
man die Hand auf den großen Rollhügel und ließ den Patienten
in stehender Haltung das Hüftgelenk bewegen, so konnte man
deutlich fühlen, wie bei Bewegung und Streckung ein strang¬
artiger Körper unter schmerzhaftem Schnappen sich über den
großen Rollhügel nach vorn bezw. hinten bewegte. Noch nach
vier Jahren bestanden Schmerzen, hinkender Gang und eine
fühlbare Verdichtung des M a i s s i a t sehen Streifens. In drei
bisher publizierten Fällen ist durch operative Anheftung des
Stranges an das Periost des Trochanter major Heilung erzielt
worden. ' In der Mehrzahl der Fälle, in welchen es sich wie
gesagt mehr um einen übertriebenen physiologischen Vorgang
handelt, erübrigt sich eine besondere Behandlung.
E. Rüge: Zur Pathologie und Therapie der Nabelhernien der
Erwachsenen. (Archiv für klinische Chirurgie, Bd. 91, H. 1.)
R. berichtet auf Grund des großen Materiales von Körte
über 79 Fälle von Nabelbruchoperationen. Die große ätiolo¬
gische Bedeutung der Fettleibigkeit geht schon daraus hervor,
daß 72 von diesen 79 Kranken fettleibig waren. 60 mal han¬
delte es sich um Frauen und nur 19 mal um Männer. Während
die angeborenen Hernien der Kinder auf mangelhaftem Ver¬
schluß des Nabelringes brühen, entstellen diese erworbenen
Hernien infolge von Dehnung und Durchwachsung der Fascien-
lamellen der Bauchwand infolge der zunehmenden Fettentwick¬
lung. Wiederholte Schwangerschaften begünstigen die Entwick¬
lung ohne Zweifel.
Die Nabelhernie verursacht im Beginn wenig Beschwerden
und so entschließen sich die Kranken meist dann erst zur Ope¬
ration, wenn sekundäre Veränderungen des Bruchinhaltes oder
exzessives Wachstum desselben sie dazu zwingen. Dabei
ist die Gefahr der Incarceration bei den Nabelhernien ganz be¬
sonders groß. Zwei Drittel der 79 Fälle, über welche R. berich¬
tet, waren incarceriert, neun davon sogar mit kompletter Gan¬
grän. Hieraus erklärt sich auch die relativ hohe Mortalität der
Operation (18 pCt.); von den neun Fällen mit bereits eingetrete¬
ner Gangrän des Darmes starben allein 7, während bei den
übrigen 47 eingeklemmten Hernien die Mortalität nur 16 pCt.
beträgt und von 27 nicht eingeklemmten Nabelbrüchen kein
Fall tötlich endigte. Die Gefahren der Radikaloperation der
Nabelbrüche liegen mehr in dem Allgemeinzustand der fett-
460
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
süchtigen Patienten, als in den eventuellen lokalen Kompli¬
kationen. Findet man den Nabelbruch kompliziert durch Fett¬
herz, Myokarditis, Zirkulationsstörungen, Bronchitis, Dyspnoe,
so empfiehlt sich eine auf Besserung dieser Komplikationen ab¬
zielende Vorbehandlung.
Je besser die Muskulatur der geraden Bauchmuskeln er¬
halten ist, um so größere Chancen hat die Radikaloperation,
welche prinzipiell darin zu bestehen hat, daß die Muskulatur
der oft weit auseinandergewichenen Musculi recti abdominis
wieder aneinander gebracht und vernäht wird. Diese Methode
bringt bei einigermaßen kräftigen Leuten der mittleren Jahre
einen Dauerheilungsprozentsatz von 93 pCt.
Ist, wie leider so häufig der Fall, die Degeneration und
Auffaserung der Muskulatur so weit vorgeschritten, daß eine
Naht derselben sich nicht mehr ausführen läßt, so sinkt sofort
die Aussicht auf Radikalbeseitigung der Hernie um ein be-
trächliches, auch wenn es gelingt, die vordere und hintere
Rektusscheide isoliert in Etagen zu nähen. Die auf diese Weise
erzielten Dauerheilungen betragen 70 pCt.
Die weitere Erfahrung aber ist ebenfalls zu beachten, daß
es im allgemeinen nicht genügt, die operierten Patienten einige
Monate nach der Operation zu beobachten, um sie dann An¬
dauernd geheilt zu erklären. Solange die schwere Fettleibig¬
keit, an welcher die meisten von ihnen leiden und welche
in der Aetiologie der Nabelbrüche die aus¬
schlaggebende Rolle spielt, fortbesteht, ist jederzeit
die Gefahr des Rezidivs vorhanden. Rüge konnte nachweisen,
daß noch nach sieben Jahren trotz gelungener Operation bei
Fettleibigen Rezidive auftreten können.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Alfred Stühmer, Assistent der chirurgischen Klinik zu Bres¬
lau: Ueber die Hernien der Bauchwand seitlich der Mittel¬
linie unter besonderer Berücksichtigung der Hernien der
Linea semilunaris (Spigelii). (Beiträge zur klinischen
Chirurgie, 1910, Bd. 66, H. 1.)
Sieht man von Traumen ab, so können nur zwei Momente
zur Entstehung solcher Brüche führen, nämlich entweder an¬
geborene Lücken in den muskulären oder aponeurotischen Be¬
standteilen der Bauchdecken oder Gefäßlücken, die durch
irgendwelche Einflüsse ausgeweitet werden. Wenn nun auch
nicht bestritten werden kann, daß gelegentlich auch einmal ein
kleiner Defekt zur Bildung einer Hernie der Bauchwand führen
kann, so ist doch eine andere Art der Entstehung sicher die
weitaus häufigste. Es ist dies die Ausweitung der Kanäle, die
normalerweise nur den Gefäßen und Nerven den Durchtritt
gestatten. Die wichtigsten Blutgefäße, die in Betracht kom¬
men, sind die Verzweigungen der Art. epigastrica inferior, die
Art. circumflexa ilium prof., die Art. epigastrica superior und
die untersten der Art. intercostales und lumbales. Irgend eine
konstante Beziehung dieser Gefäßlücken zu der Linea semi¬
lunaris (Spigelii) konnte Verf. nicht feststellen, und er glaubt
daher, daß es nicht berechtigt ist, diese Hernienform von den
übrigen abzutrennen, namentlich da eine besondere nur ihr
zukommende Aetiologie nicht nachzuweisen ist.
Was die Gelegenheitsursache betrifft, die bei der Ent¬
stehung unserer Hernien mitwirken, so kann jede abnorm starke
Dehnung der Bauchdecken das Erscheinen von Brüchen be¬
dingen. Solche Dehnungen sind ganz gewöhnlich bei wieder¬
holten Schwangerschaften. Starke Fettleibigkeit wirkt ebenfalls
begünstigend, indem besonders in den Gefäßkanälen sich reich¬
lich Fettgewebe ablagert und als minder widerstandsfähig dem
Vordringen von Hernien weniger entgegenwirkt. Besonders
wenn dann durch irgendwelche Umstände eine starke Abmage¬
rung eintritt, läßt sich dieser Mechanismus verstehen. Viel
wesentlicher ist jedoch die Rolle, die jene kleinen subperito¬
nealen Lipome bei der Ausweitung der präformierten Gefä߬
lücken spielen, die auch so häufig zur Entstehung anderer Her¬
nien, besonders der epigastrischen führen. — Pathologisch¬
anatomisch bieten diese Hernien manches Interessante dar.
Ihre Größe ist außerordentlich verschieden. Weitaus am häufig¬
sten handelt es sich um anfangs unsichtbare Vorwölbungen, die
dann allmählich oder gelegentlich der Einklemmung eine ziem¬
lich ansehnliche Größe gewinnen. Die Form des Bruchsackes
weist eine außerordentliche Mannigfaltigkeit auf, die hauptsäch¬
lich bedingt ist durch den Weg, den die Hernie bei allmählicher
Vergrößerung zwischen den einzelnen Schichten der Bauchwand
nimmt. Bei den meisten Fällen handelt es sich um rundliche,
oder eiförmige Vorwölbungen, aber auch schräg zwischen den
Schichten der Bauchwand verlaufende würfelförmig lang¬
gestreckte Bruchsäcke sind mehrfach beschrieben worden. Die
Beschaffenheit der Bruchpforte bei den einzelnen Fällen ist
typisch zu nennen. Alle Autoren beschreiben sie als kreis¬
runde oder etwas mehr querovale Ringe. Die Größe der Bruch¬
pforten ist im ganzen wechselnd, doch fällt auf, daß ganz kleine
Oeffnungen von etwa 5—10 Pfennigstückgröße bei weitem vor¬
herrschen. Die Tatsache läßt es begreiflich erscheinen, daß
erstens diese Brüche einen auffallend hohen Prozentsatz von
Incarcerationen auf weisen und daß zweitens die Incarcerationen
No. 29.
sehr schnell zu schweren Veränderungen des eingeklemmten
Teiles führen. Jene engen fibrösen Ringe, wie sie meist vor¬
liegen, bewirken sofort eine außerordentlich feste Umklamme¬
rung mit völliger Sistierung der Zirkulation in dem betroffenen
Darm. Dazu kommt die eigenartige Beschaffenheit der Ränder
dieser an sich schon sehr engen ßruchpforten. In der Regel
zeigen die Ringe eine scharfe Umgrenzung von derben fibrösen
Zügen, die nur sehr geringe Elastizität besitzen. Außerordent¬
lich häufig machen diese Brüche lange Zeit gar keine Symptome,
so daß der Träger keine Ahnung von seinem Leiden hat. Die
meist nur kleinen Vortreibungen bleiben in dem gerade in den
Bauchdecken so reichlichen Fettpolster so lange völlig unbe¬
merkt, bis bedrohliche Komplikationen die Aufmerksamkeit des
Untersuchers darauf lenken. Unbestimmte ziehende oder
stechende Schmerzen im Abdomen, Verdauungsstörungen und
leichte Störungen des Allgemeinbefindens können lange Zeit die
einzigen Anzeichen einer bestehenden Hernie sein. In den
meisten Fällen wird ein vorhandener Bruch dem aufmerksamen
Beobachter nicht entgehen, sofern dieser überhaupt an die
Möglichkeit des Vorliegens einer so seltenen Erkrankung denkt.
Die Palpation ergibt dann in der Regel eine rundliche Vor¬
wölbung an der Stelle des Schmerzpunktes. Therapeutisch
gelten für diese Hernien genau wie für alle anderen die ge¬
bräuchlichen Regeln. Prognostisch ist das Bestehen eines
Bruches von der in Rede stehenden Art nicht sehr günstig zu
beurteilen, da die Gefahr der Einklemmung eine große ist. Man
wird gut tun, dem Patienten in jedem Falle zur operativen Be¬
seitigung zu raten, die im allgemeinen für gefahrlos erklärt
werden kann. Die Prognose der Incarceration ist insofern un¬
günstig, als die enge Einschnürung schon sehr schnell schwere
Veränderungen hervorruft.
Dr. Max Senator, Spezialarzt in Berlin: Gelenkrheumatismus
nach operativem Trauma. (Medizinische Klinik, 1910, No. 8.)
Der Zusammenhang von akutem Gelenkrheumatismus und
Affektionen des Halses, besonders den verschiedenen Formen
der Angina, ist bekannt. Weniger geläufig ist die Kenntnis vom
Auftreten des Gelenkrheumatismus nach Affektionen oder Lä¬
sionen in anderen Teilen der oberen Luftwege. In vorliegendem
ist von den Läsionen der Nase als eventuellen Eingangspforten
die Rede. Verf. erlebte folgenden Fall: Ein junges, sonst ge¬
sundes Mädchen von 21 Jahren wurde von ihm wegen Schleim¬
hauthypertrophie beider Nasenhälften operiert. Zuerst wurde
an der linksseitigen unteren Muschel mittels schneidendem
Konchotom eine polypenartige Schwellung entfernt, der
Heilungsverlauf war in örtlicher und allgemeiner Hinsicht völlig
gut und ohne jede Störung. Nach acht Tagen wurde auf der
anderen, rechten Seite teils mit der kalten Drahtschlinge, teils
ebenfalls mit dem schneidenden Konchotom an der unteren
Muschel ein ähnlicher Eingriff vorgenommen, der unter gleich¬
langer Tamponade wie bei der ersten Operation (16—17 Stun¬
den) wiederum ohne jeglichen Zwischenfall ablief. Nach weite¬
ren acht Tagen wurden nochmals auf der bereits vor vierzehn
Tagen erstmalig operierten linken Seite einige Reste der
Muschelschwellung mit der kalten Drahtschlinge und dem
Konchotom abgetragen. Abgesehen von einer etwas stärkeren
Blutung, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf die noch vor¬
handene Reaktion der Gewebe zu beziehen war, verlief auch
diesmal vorerst alles gut. Die mäßige Blutung ließ sich ohne
weiteres durch die übliche wiederum 16—17 Stunden dauernde
Tamponade mit steriler Gaze zum völligen Stillstand bringen.
Indessen nach ungefähr fünf bis sechs Tagen erkrankte die
Patientin an akuter fieberhafter Polyarthritis rheumatica der
Knie- und Fußgelenke, nebst leichter, aber deutlicher Endo¬
karditis. Der Verlauf war ein sehr hartnäckiger und lang¬
wieriger. Kr.
Dr. M. Wassermann (München): Ueber die kosmetische und
therapeutische Anwendung des Paraffins auf dem Gebiete
der Nasenkrankheiten. (Münch, med. Wochenschr., 1910,
No. 20.)
Verfasser bespricht kurz seine Erfahrungen auf dem Gebiet
der Paraffininjektionen bei Deformitäten und Krankheiten der
Nase. Die der Methode anhaftenden Gefahren sind verschwun¬
den, seitdem es der Technik gelungen ist, Spritzen zu kon¬
struieren, welche gestatten, Paraffin von höherem Schmelzpunkt
als Körpertemperatur in kaltem Zustand und fester Form dem
Organismus einzuverleiben. Verfasser bedient sich seit drei
Jahren der Lermoyez-Mahnsehen Spritze. Sie gestattet
ein Paraffin vom Schmelzpunkt 42—45° in starrer Konsistenz
einzuspritzen. Solches Paraffin ist nach Verfasser besonders
zum Gebrauch geeignet, wenn es durch Mischen von Vaselin
mit härterem Paraffin dargestellt wird. Selbstverständlich muß
es vor der Injektion fraktioniert sterilisiert werden und die Ein¬
spritzung selbst unter aseptischen Kautelen stattfinden. Die
Injektion kann man unter Lokalanästhesie vollständig schmerz¬
los ausführen. In geeigneten Fällen kann man nach Eck¬
stein das Paraffin in entsprechende Stücke geschnitten nach
Durchtrennung der Weichteile implantieren. Die früher so ent-
No. 29.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
451
stellenden Stirnhöhlenradikaloperationen haben seit der
Paraffinmethode recht befriedigende Resultate, insofern tief ein¬
gesunkene Knochenlücken mit Leichtigkeit ausgefüllt werden
können. Eine besonder Domäne für die ParafEininjektionen
sind die Sattelnasen, die teils angeboren, teils traumati¬
scher Natur, teils durch Syphilis verursacht sind. Bei einer
bestimmten Affektion haben sich die Paraffininjektionen auch
therapeutisch nützlich erwiesen, nämlich bei der Ozaena.
Verfasser hat in etwa 30 Fällen von Ozaena eine entschiedene
Besserung durch wiederholte submucöse Einspritzungen in das
Nasenseptum, in die untere Muschel und in den Nasenboden be¬
obachtet. Allerdings ist nicht jeder Fall von Ozaena durch diese
Therapie beeinflußbar oder für dieselbe geeignet. Wenn näm¬
lich die Schleimhaut infolge sehr hochgradiger Atrophie
schon vollständig morsch ist, gelingt es nicht, Paraffin sub-
mucös zu injizieren. Die Wirkung der Paraffininjektion bei
Ozaena besteht darin, daß der bekannte üble Geruch ganz zu¬
rückgeht oder sehr gering wird. Dies beruht wahrscheinlich
darauf, daß die Schleimhaut infolge der Injektion wieder eine
gewisse Turgeszenz annimmt, so daß die Borkenbildung auf¬
hört oder in sehr geringen Grenzen bleibt. Daneben spielt
auch die durch die Injektion bewirkte räumliche Verengerung
der Nase und der dadurch bedingte heftigere Exspirationsstrom
beim Entfernen der Sekrete eine Rolle. Denn bei der Ozaena
stagnieren die Borken und Sekrete um so mehr, je weiter die
Nase ist.
Dr. K. Mayer (Posen): Pfähliingsvcrletzuiig in der Gravidität
mit günstigem Ausgang fiir Mutter und Kind. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 20.)
Eine 23 jährige Schwangere im zehnten Monat der Gravidi¬
tät stürzt rittlings auf die Lehne eines umkippenden Stuhles, auf
dem sie gestanden hatte. Sie blutete stark, wurde von einem
Arzt tamponiert und in die Klinik gebracht. Es fand sich, daß
der Scheideneingang von seiner Umgebung fast vollständig ab¬
gerissen war, das äußerste Ende der Urethra in einer Aus¬
dehnung von 1 cm mit dem Urethralwulst desgleichen, in der
Vagina selbst fanden sich mehrere blutende Risse. Das untere
Scheidenende wurde an den Scheideneingang angenäht, die
Urethra wurde nach Resektion des abgerissenen Endes an der
Stelle der Harnröhrenmündung angenäht und ein S k e n e scher
Pferdefußkatheter eingelegt, die übrige Vagina wurde fest tam¬
poniert, da die Blutung durch Umstechungen sich nicht stillen
ließ. Als nach drei Tagen die Tamponade entfernt wurde, be¬
gann die Blutung von neuem, weswegen von neuem tamponiert
wurde. Am fünften Tage nach der Verletzung begannen Wehen,
der Katheter wurde jetzt entfernt; am nächsten Tag trat der
Blasensprung ein; es wurde bei völlig erweitertem Muttermund
in leichter Chloroformnarkose ein großer Schuchardt scher
Schnitt angelegt und mittels Zange langsam das Kind extrahiert,
worauf der Schnitt vernäht wurde. Die neugebildete Mündung
der Harnröhre, ebenso die Naht am Scheideneingang blieben
intakt. Das Kind, 48 cm lang, 2600 g schwer, blieb am Leben.
Das Wochenbett verlief vollständig fieberfrei, die Mutter stillte
selbst. Nach einem Monat wurde sie mit verheilten Scheiden¬
wunden entlassen.
Dr. Franz Weber (München): Beiträge zur Therapie der Nach-
geburtsblutungen. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 20.)
Zur Behandlung der Nachgeburtsblutungen ex Atonia uteri
stehen dem Arzt eine ganze Reihe von Hilfsmitteln zur Ver¬
fügung. Geringere Grade solcher Blutungen beherrscht man m
der Regel durch Massage des Uterus und heiße Uterovaginal-
duschen mit 1 Liter 50° C. warmer 1 proz. Lysoformlösung.
Führt dieses Mittel nicht zum Ziel, so bleibt als zuverlässigstes
Mittel die Tamponade des Uterus und der Scheide mit steriler
Jodoformgaze nach Dührssen. Man hat zwar verschiedene
andere Methoden zur Stillung der atonischen Postpartum-
Blutungen angegeben, indessen stehen alle an Zuverlässigkeit
der Wirkung weit hinter der Tamponade nach Dührssen
zurück. Natürlich muß die Technik der Tamponade richtig
gehandhabt werden. Die Scheide wird mit breiten Platten-
speculis freigelegt, die Muttermundslippen mit Winter sehen
Zangen, angehak't, herabgezogen und dann wird auf dem Specu-
lum der Uterus mittels eines Stopfinstrumentes fest mit steriler
Jodoformgaze austamponiert. Man muß darauf achten, die
beiden Tubenecken fest mit Gaze anzufüllen, überhaupt im
Uterus keinen leeren Raum zu lassen. Von 82 Fällen, bei
welchen in 9 Jahren in der Münchener Universitätsfrauenklinik
die Uterustamponade angewendet wurde, starben im ganzen
12, darunter acht an Verblutung, bei denen die Blutung zwar
prompt stand, aber die Tamponade viel zu spät gemacht worden
war, drei an interkurrenten Erkrankungen, einer an septischer
Endometritis. Nur dieser eine Todesfall ist auf Rechnung der
Tamponade zu setzen. Nur in fünf Fällen war ein Mißerfolg
hinsichtlich der Blutstillung zu verzeichnen; in diesen Fällen
führte die äußere Tamponade bei gleichzeitiger Verstärkung
der Vaginaltamponade zum Ziele. Seit kurzem ist in der
M o in b u r g sehen Umschnürung ein neues Hilfsmittel zur Be¬
herrschung der Uterusblutungen hinzugekommen, welches von
den Geburtshelfern schon in einer Reihe von Fällen mit Erfolg
verwendet worden ist. Die Technik kann als bekannt voraus¬
gesetzt werden. Schädigungen sind bisher kaum beobachtet
worden. Auch in der Münchener Universitätsfrauenklinik wurde
im letzten Jahre die M o m b u r g sehe Umschnürung in zahl¬
reichen Fällen angewendet, ohne irgendwelche Nachteile. Zu¬
nächst handelt es sich elfmal um Fälle, in denen nach der Ge¬
burt des Kindes der Uterus nicht genügend sich kontrahierte
und die Blutung bei noch teilweise adhärenter Placenta jedes¬
mal beträchtlich war. Die Blutung stand sofort, der Uterus
wurde in kürzester Zeit steinhart und im Laufe der nächsten
Viertelstunde wurde die Placenta ohne nennenswerte Blutung
bei noch liegendem Schlauch ausgestoßen. Gleich günstig war
die Wirkung in 32 Fällen von atonischer Blutung des Uterus,
bei denen die Atonie erst nach Ausstoßung der Placenta auf¬
getreten war; in allen Fällen wurde durch die Umschnürung
in kürzester Zeit Stillstand der Blutung und gute Kontraktion
des Uterus erzielt. Ferner leistete die Umschnürung gute
Dienste bei der manuellen Lösung der Placenta und bei der
Naht von Cervixrissen. In fünf Fällen versagte die Um-
1 Schnürung, viermal bei atonischen Nachblutungen, einmal bei
einer manuellen Placentarlösung und Naht eines großen Cervix¬
risses. In derartigen Fällen bleibt als letztes Hilfsmittel die
Uterovaginaltamponade nach Dührssen. R. L.
Dr. Max Wunsch, Arzt in Berlin: Ueber ring- und kugelförmige
Pessare bei der Behandlung des Scheidenvorfalls. (Medi¬
zinische Klinik, 1910, No. 8.)
Verfasser hat die alte Methode des Kugelpessars, die nur
noch wenig geübt wird, für gewisse Fälle sehr brauchbar ge¬
funden. ln der Tat gelingt es oft, z. B. durch einen einfachen
Gummiball (ohne jede Bandage), selbst größere Vorfälle zu¬
rückzuhalten. Dieser Ball, der vor der Einführung mit Vaseline
eingefettet wird, muß zwei Bedingungen erfüllen. 1. Er darf
nicht zu weich sein, muß also ziemlich prall mit Luft gefüllt
sein. 2. Der Ball muß genügend groß sein, um nicht durch die
Bauchpresse herausgedrängt zu werden. (Für Prolapse mittle¬
ren Grades genügt für gewöhnlich ein Ball von 7—8 cm Durch¬
messer.) Die Vorzüge des Balls vor dem Ring bestehen darin,
daß die Patientin bei Anwendung des Balls fast stets vor Druck¬
nekrosen, bewahrt bleibt, wie wir sie bei der Ringbehandlung
öfters erleben, speziell bei der senilen Involution der Scheide.
Obwohl nun der Ball die Scheide nur gering belastet und dabei
(bei entsprechender Größe) häufig imstande ist, den Prolaps
zurückzuhalten, so ist er trotzdem nicht ohne weiteres als Ersatz
für den Ring zu betrachten. In folgenden Fällen ist der Gummi¬
ball bei der Behandlung des Vorfalles zu empfehlen: 1. Bei
Frauen in der Menopause (falls kein stärkerer Fluor besteht).
2. Versuchsweise in denjenigen Fällen, wo der Ring nicht mehr
imstande ist, den Vorfall zurückzuhalten, und wo das Tragen
eines Hysterophors als sehr lästig empfunden wird. Mit ande¬
ren Worten: Der Ball ist kontraindiziert bei Frauen, die noch
menstruieren, respektive an Fluor leiden. Um den in der
Scheide liegenden Ball bequem herausnehmen zu können, hat
Verfasser an dem Ball einen kleinen Griff anbringen lassen.
Ein solcher Ball ist zu erhalten in dem Gummiwarengeschäft
von P o 11 e i, Berlin C., Rosenthalerstr. 44. K r.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung".)
Sitzung vom 15. Juni 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Diskussion über den Vortrag des Herrn Freu¬
denberg: Eine Mahnung zur Vorsicht bei der
diagnostischen Verwertung der Wassermann-
sehen Syphilisreaktion.
Herr Toby Cohn: Redner kann die Erfahrung Freuden¬
bergs über die gelegentliche Diskrepanz bet gleichzeitiger
mehrfacher Untersuchung des gleichen Serums aus eigener
Erfahrung bestätigen. Er möchte ferner noch 2 Pimkte an¬
führen, die nach anderer als der vom Vortragenden gewiesenen
Richtung bei der praktischen Verwendung der Wasser-
m annsc.hen Reaktion zur Vorsicht mahnen. Einmal müßte bei
der großen, diagnostischen und therapeutischen Tragweite,
welche die Reaktion für die praktische Neuro-Pathologie hat,
verlangt werden, daß die Serologen ihre Scheu, zweifelhafte
Resultate anzugeben, ablegen. Den anderen Gesichtspunkt illu¬
striert Redner an einem Beispiel. Ein Herr erkrankt unter den
Erscheinungen eines Tumors des Kleinhirnbrückenwinkels. Die
Operation wird angeraten, von seiten des Patienten aber ab¬
gelehnt. Von anderer Seite wird die W a s s e r m a nn sehe
Reaktion angestellt, und da sie positiv ausfällt, eine Schmier¬
kur durchgeführt. Es tritt erhebliche Besserung ein, aber nach
Jahresfrist kehren die Symptome wieder. Nun ist der Zeit¬
punkt der Operation verpaßt, gleichwohl findet sie statt und
452
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1940.
No. 29.
Patient stirbt. Die Sektion ergibt einen nicht syphilitischen
Tumor. Pipen ähnlichen Fall hat Redner bei einem älteren
Fräulein erlebt. Man muß sich also klar machen, daß das Vor¬
handensein der Wassermann sehen Reaktion nicht immer
für die syphilitische Natur eines gerade vorliegenden Krank-
lieitsbildes spricht; beobachtet mau dies nicht, so gelangt man
zu schweren Irrtümern. — Von serologischer Seite ist ferner
versucht worden, die Wasserman nsche Reaktion als thera¬
peutisches Agens gegen die Syphiliphobie zu empfehlen. Nun
ist zwar nicht zu leugnen, daß es in einzelnen Fällen möglich
ist, durch den negativen Ausfall der Reaktion jemand den
Zwangsgedanken, er sei syphilitisch, auszureden. Der Zwangs¬
gedanke ist aber der Ausdruck einer Krankheit, die im all¬
gemeinen durch ein oder mehrmaligen negativen Ausfall der
W a ss e r m annschen Reaktion nicht beseitigt werden kann;
denn es handelt sich um eine Konstitutionskrankheit. Was
würde geschehen, wenn nun die Reaktion positiv oder zweifel¬
haft ausfiele?
Herr Citron: Es fragt sich, ob es bei einwandfreier Technik
Vorkommen kann, daß sicher syphilitische Fälle eine negative
und umgekehrt nicht syphilitische Fälle eine positive Wasser-
m a n n sehe Reaktion ergeben. Was den einen Punkt betrifft,
so ist einer dieser Fälle bereits erwähnt worden. Es gehören
hierher jene Fälle mit zweifelhafter (+)-Reaktion, deren
Existenz nicht zu leugnen ist. Es machte sich nun der oppo¬
sitionelle Standpunkt geltend, daß die +-Reaktion nichts be¬
weise und daß ein solcher Befund als negatives Resultat zu be¬
zeichnen sei. Demgegenüber betont Redner, daß es nicht zweck¬
mäßig ist, die (pF)-Reaktion auszuschalten. Es ist wichtig zu
wissen, daß sie nicht für oder gegen die Syphilis spricht, son¬
dern daß sie nur nach einer Reihe gedanklicher Ueberlegungen
verwendet werden kann. Ein Ulcus molle kann 4- -Reaktion
geben, ein Gesunder dagegen nie, ferner kommt eine + -Reak¬
tion bei fast allen Infektionskrankheiten, bei Tumoren, Diabetes,
schweren Tuberkulosen und auch bei Urämie vor. Trotzdem
ist die +-Reaktion in diagnostischer Beziehung verwertbar.
Syphilis gibt positive Reaktion, nach der Behandlung + -Reak¬
tion. Daraus kann man schließen, 1. daß die Behandlung ge¬
wirkt hat; 2. das sie noch nicht das gewünschte Ziel erreicht
hat. Bei der Differentialdiagnose zwischen Mediastinaltumor
und Aneurysma kann die Reaktion den Auschlag geben. Die
Erfahrung lehrt, daß Aneurysmen gewöhnlich stark positive
W.a ssermann sehe Reaktion geben, fällt sie + aus, so han¬
delt es sich wahrscheinlich um einen anderen Tumor; Befund
und Anamnese müssen die weitere Aufklärung bringen. — In
der Literatur aus der ersten Zeit ist die irrtümliche Behauptung
aufgestellt worden, daß Lues cerebri einen negativen Ausfall
gibt; das ist falsch, sie gibt gewöhnlich einen positiven Ausfall
der Reaktion. Die negativen Befunde beruhten auf Unter¬
suchungen der Lumbalflüssigkeit. Die Fälle, in denen neben
Syphilis ein maligner Hirntumor vorliegt, bieten nichts Ueber-
raschendes. Redner erwähnt aus früherer Zeit einen Fall von
Lungentumor, bei dem die Wassermann sehe Reaktion +
ausgefallen war, obwohl Lues auf das bestimmteste bestritten
wurde. Auf Grund dessen lautete die Diagnose: maligner
Tumor. Die Sektion ergab Carcinom, gleichzeitig aber schwere
Lebersyphilis. In einem Fall von spastischer Spinalparalyse
bei einer Frau fand sich nichts von Lues, obwohl der über¬
weisende Arzt den Verdacht auf Lues geäußert hatte. Die Reak¬
tion war negativ. Es wäre nun falsch, deshalb Lues auszu¬
schließen. C. griff zu einem Hilfsmittel, indem er den gesunden
Ehemann untersuchte, dieser ergab eine stark positive Reaktion.
— Kann eine nicht syphilitische Krankheit ein positives Resul¬
tat geben? Redner hatte verschiedentlich beobachtet, daß bei
Carcinom und Sarkom die Sera positiv reagierten und bei der
Sektion nichts Syphilitisches festgestellt werden konnte. Bei
genauerer Prüfung mit verschiedenen Extrakten gelingt es
jedoch, diese Fälle von Lues zu unterscheiden. Die positive
Reaktion beweist, wenn sie einwandsfrei geprüft ist. in fast allen
Fällen Lues. Die negative Reaktion schließt Syphilis im all¬
gemeinen nicht aus, macht sie aber höchst unwahrscheinlich.
Bei -( -Reaktion ist es von höchster Bedeutung, die Angehörigen
des Patienten zu untersuchen.
Herr Dreuw erwähnt zwei Fälle eigener Beobachtung, in
denen der verschiedene Ausfall der zu gleicher Zeit angestellten
Blutuntersuchung nach Wassermann zu verschiedenen
Resultaten geführt hat. Wenn auch an dem wirklichen Wert
der Wassermannschen Reaktion nicht zu zweifeln ist, so
mahnen derartige Fälle doch zur Vorsicht. Die Ursache der
Differenzen liegt teils an technischen Fehlern, teils an der Fahr¬
lässigkeit bei der Anstellung der Reaktion.
Herr Isaak: Auf Grund der Erfahrung über die praktischen
Resultate stehe er auf dem Standpunkt, daß die Wasser-
m a n n sehe Reaktion ein Kardinalsymptom der Lues ist, wel¬
ches das am häufigsten vorkommende und wichtigste vorstellt.
Bezüglich der Frendenberg sehen Fälle betont I., man solle
die W a s s e r m ann sehe Reaktion nicht in Fällen anwenden,
wo es sich um die Differentialdiagnose zwischen Ulcus molle und
Syphilis handelt. Hier entscheidet die klinische Untersuchung
und der SpiroehäteubefuuJ. Vor 1% Jahren behandelte Redner
einen Patienten mit frischer Gonorrhoe und, da diesei;, den
Typus eines gesunden Menschen bot, sollte er al§ negativer
Kontrollfall bei Anstellung einer Wassermann sehen Reak¬
tion benutzt werden. Die Reaktion fiel fiel indes positiv aus
und blieb es trotz mehrfacher Wiederholung der Prüfung im
Verlauf mehrerer Wochen, ohne daß sich syphilitische Sym¬
ptome zeigten. Da erschien im Ulcus coronarius ein kleines
Geschwür, nun wurde die Reaktion negativ, um mit dem Auf¬
treten des Exanthems wieder positiv zu werden. Aehnliche
Beobachtung hat auch Neisser an experimenteller Affen¬
syphilis gemacht.
Herr Ledermann hält es für wünschenswert, daß man sich
bei der Serumprüfung nicht auf e i n Extrakt beschränkt, son¬
dern mit mehreren untersucht; dann klärt sich das Bild auf.
Am zuverlässigsten hat sich ihm das wässerige Extrakt aus
fötaler syphilitischer Leber erwiesen. Unter den 1000 Fällen,
die er untersucht hat, fanden sich nur wenige, in denen die
serologische Untersuchung nicht mit dem klinischen Befunde
übereinstimmte. Man vermeide es Sera von Fiebernden zu
untersuchen, hier kann Hemmung auftreten, ohne daß Lues be¬
steht. Ein Uebelstand sei es, daß viel zu wenig auf die klini¬
schen Symptome geachtet wird. Sind die letzteren positiv und
die W a s s e r m a n n sehe Reaktion negativ, so leite man die
Kur ein; im umgekehrten Falle warte man ab, bevor man sich
zu therapeutischen Maßnahmen entschließt. Redner schlägt vor,
zur Klärung der Sachlage eine statistische Sichtung eines großen
Krankenmaterials vorzunehmen.
Herr Rosenthal: Es sind noch weitere Erfahrungen über
mögliche Fehlerquellen zu sammeln. So gibt z. B. Blut, das
während der Narkose entnommen ist, ein positives Resultat,
nachher ein negatives. Die Anstellung der Wassermann-
schen Reaktion ist eine Sache der Technik, die jeder erlernen
kann und besonders jeder Syphilidologe beherrschen sollte.
Maßgebend ist die Zuverlässigkeit des Untersuchers. Das nega¬
tive Resultat ist nur in sehr bedingter Weise verwertbar, im
therapeutischen Vorgehen lasse man sich durch die negative
Reaktion nicht beeinflussen. Maßgebend ist allein der klinische
Befund, die Reaktion stellt nur ein wertvolles Adjuvans in der
Hand eines Klinikers dar.
Herr Wossidlo hat die Frage nach dem Werte der
Wassermann sehen Reaktion vom Standpunkt des Prak¬
tikers zu klären gesucht und hat in 21 Fällen das Blut in den
sieben serologischen Instituten Berlins untersuchen lassen. Von
den Resultaten scheidet einer aus, da zu wenig Blut geschickt
wurde. Es bleiben 20 Fälle, von diesen hat er nur in sieben
Fällen übereinstimmende, in den übrigen 13 Fällen hingegen
widersprechende Angaben erhalten. Von sechs Nichtsyphili¬
tischen bekam er in vier Fällen ein übereinstimmendes nega¬
tives Resultat, in zwei Fällen widersprechende Resultate. Bei
14 Syphilitischen erhielt er nur dreimal übereinstimmende und
11 mal widersprechende Angaben. Unter den letzten 11 Fällen
befanden sich fünf mit manifesten Erscheinungen. Ohne sich
ein Urteil über die Methode zu erlauben, glaube er jedoch da¬
nach sagen zu müssen, daß derselben noch erhebliche Fehler¬
quellen anhaften müssen, die bei weiterer Forschung auszu¬
schalten seien. Vorsicht bei der praktischen Verwertung der
Wassermann sehen Reaktion sei geboten.
Herr Schütz 'berichtet über die Erfolge der Wasser-
m annschen Methode bei der Rotzkrankheit der Pferde. In den
letzten Jahren ist die Methode mit ausgezeichnetem Erfolge an
der tierärztlichen Hochschule angewandt worden. Unter Be¬
achtung der Prüfung sei nie ein Mißerfolg zu verzeichnen ge¬
wesen. Redner weist auf den großen Vorteil hin, den die
Methode für die Landwirtschaft bietet, da man mit deren Hilfe
jetzt schon in kurzer Zeit entscheiden kann, ob ein Tier rotz¬
krank ist oder nicht.
Herr Citron macht Angaben über die Herstellung eines zu¬
verlässigen Antigens.
Herr v. Wassermann: Heute über den Wert der Sero¬
diagnostik der Lues zu sprechen, sei überflüssig, heute handle
es sich nur darum, Vorsicht anzuwenden gegenüber den Stellen,
wo die Reaktion ausgeführt wird. Er hält nur die Ausführung
der Methode für die Wassermann sehe, die nach seinen An¬
gaben angestellt wird. Er habe vor Abänderungen und Ver¬
feinerungen der Methode gewarnt, da wir für die Praxis grobe
Ausschläge gebrauchen, die eine totale Hemmung ergeben. Auf
Grund eigener Erfahrung, die sich über 10 000 Fälle erstrecke,
müsse er sagen, daß die ursprüngliche Methode auch nicht ein
einziges Mal zu einer MeinungsdiHerenz gegenüber dem Kliniker
geführt habe. In den dänischen Instituten und bei Ehrlich
seien ebenfalls nie Differenzen vorgekommen. Die Differenzen
bei uns könnten nur beseitigt werden, wenn man sich ent¬
schlösse, einheitlich zu arbeiten, wenn die Reagentien von einer
Zentralstelle geprüft und abgegeben würden. Die Serodiagnostik
der Lues sollte nur durch Aerzte ausgeführt werden und nur
auf ein ärztliches Rezept. Redner erläutert eingehend das
Wesen der Luesreaktion, legt da, woher es kommt, daß ver¬
schiedene Untersuoher verschiedene Resultate bekommen und
schildert die Methode, die er für die einzig zuverlässige hält.
No. 29.
THERAPEUTISCHE
,. § err E - Lcsscr spricht seine Genugtuung darüber aus, daß
die Kopenhägener und das Ehrlich sehe Institut so gute
Resultate erzielt haben, da sie mit einem Serum arbeiten, das
von ihm hergestellt sei.
Herr Freudenberg (Schlußwort). B r i t zm a n n.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“.)
Sitzung vom 4. Juli 1910.
Vorsitzender: Herr Kraus.
Tagesordnung:
Diskussion zu dem Vortrage des Herrn
P. F. Richter: Ueber Nieren Wassersucht.
Herr Bönniger: Herr R i c h t e r hat betont, daß Na CI- und
Wasser-Retention parallel laufen, daß es aber Ausahmen gibt;
er hat auch von organisch gebundenem CI gesprochen. Redner
bezweifelt, daß dieses bei der überwiegenden Menge des freien,
im Serum befindlichen Na CI eine Rolle spielt. Es wird nicht
berücksichtigt, daß es sich bei den Organen um komplexe Ge¬
bilde handelt, die aus Zellen, Gerüstsubstanzen, Zwischen¬
flüssigkeit und einem Rest von Blut bestehen und daß Menge
und Konzentration der Flüssigkeit auf den CI- und Wassergehalt
der Organe großen Einfluß haben müßten. Bei Oedemen ist die
Zwischenflüssigkeit vermehrt, damit der Cl-Gehalt. Die Zellen
zeigen wechselnden Gehalt der Trockensubstanz. Es gibt
Cl-bindende Zellen; das sind die Magenzellen. Aber das ist eine
spezifische Sekretion. Sie ist nicht auf andere Körperzellen zu
übertragen. Wir. können aber Körperzellen exakt analysieren,
z. B. die roten Blutzellen. Redner hat bei Nephritis ohne
Oedeme CI- und Wassergehalt der roten Blutzellen bestimmt;
es hat sich ergeben, daß der Cl-Gehalt ziemlich konstant
zwischen 0,1 und 0,2 Volumen-Prozent sich bewegt, also kaum
die Hälfte des Na Cl-Gehaltes des Serums beträgt; der Wasser¬
gehalt ist bei Hydrops nicht vermehrt; also die roten Blutzellen
nehmen an einer Schwellung nicht teil; sie behalten normale
Größe. Das alles können wir nicht auf andere Zellen über¬
tragen. Es besteht immer die Möglichkeit, daß da für den
Wasserhaushalt ausschlaggebende Einflüsse sich geltend
machen.
Herr Ehrmann hat mit Herrn Richter zusammen Ver¬
suche angestellt; es zeigte sich, daß, wenn man Na CI subkutan
oder per os gibt und es zu Oedemen kommt, hier die Nieren
nur wenig oder gar nicht geschädigt sind; es ist also ein strikter
Beweis, daß das Wesentliche an der Entstehung des Hydrops
das Erhaltensein des Endothels in den Gefäßen ist.
Ueber die diagnostische Bedeutung der im Urin und Sputum
ausgeschiedenen mikroskopisch sichtbaren Lipoide.
Herr Fritz Munk (a. G.): Es handelt sich um morphologische
Gebilde, die bei der Degeneration Vorkommen, ähnlich wie die
Fettkörnchen. Bei der Untersuchung der Nebennieren sah
Virchow im Mark neben dem Nebennierenfett noch andere
Kügelchen, die stark lichtbrechend -waren. Er nannte sie
Myelin-Körner. Sie färben sich wie Fett. Es besteht Schwierig¬
keit, sie vom Fett zu differenzieren. Lange Zeit hat man ihnen
keine Bedeutung zugemessen. Erst Kaiserling entdeckte,
daß diese Körner sich im Polarisations-Mikroskop als anisotrop
erweisen. Kaiserling und 0 r g 1 e r haben nun die ver¬
schiedensten Organe des Körpers darauf untersucht; sie konnten
das Myelin in der Nebenniere zuerst beständig finden; nur bei
Kachexie, bei Tuberkulose etc. waren die Körper in geringerer
Zahl vorhanden oder fehlten ganz; ferner fanden sie sie in der
zurückgehenden Thymus, den Corpora lutea, bei starker Athe-
romatosis der Aorta in der Intima, liei zerfallenden Tumoren
und ihren Metastasen, in den Alveolen der Lunge und bei ver¬
schiedenen Formen der chronischen Nephritis. Asch off sah
sie im Epithel der Gallenblase, im Rückenmark bei Dementia
paralytica, ebenso in der Gehirnrinde, Vortr. im Uterus. Er
konnte sie in Organen, die zur Degeneration neigen, Leber- und
Herzmuskelzellen trotz starker Verfettung nie sehen.
Welche Bedeutung haben sie? Es ist bekannt, daß im
Stoffwechsel auch Lecithine, Cholesterin und Protagon eine
große Bedeutung haben. Albrecht sah zuerst, daß die Kerne
von dem Zeilleib durch eine feine Membran lipoider Natur ge¬
trennt werden. Wie das Fett in der Zelle in der Norm nicht zu
sehen ist, so ist das bei Lipoiden erst in der Zeit der Störung
möglich. Erst bei Schädigung der Zelle treten Fett und Lipoide
in Erscheinung. Daher ist es heute Gebrauch geworden, neben
der fettigen von einer lipoiden Degeneration zu sprechen.
In einer früheren Preisarbeit über diesen Gegenstand kam
Vortr. zu folgender Zusammenfassung: Die fettige Degeneration
ist der Ausdruck funktioneller Störung der Zelle; das Fett kann
aus der Zelle oder aus dem Säftestrom (Ribbert) stammen
oder durch chemisch-physikalische Zerstörung entstehen. Nur
bei allmählichem Absterben der Zelle kommen die Lipoide zu¬
stande.
RUNDSCHAU 1910.
Während die Lipoide im allgemeinen nur ein Symptoni der
Degeneration sind, scheinen die Nebennieren eine Ausnahme zu
machen. Die Nebenniere ist ein Zentrum des Lipoid-Stoffwech¬
sels. Nicht alle Formen zeigen die Doppelbrechung. Dietrich
sah in den Zellen der in Autolyse begriffenen Organe Myelin-
Schollen auftreten, die das Licht nicht doppelt brechen.
Bei Nieren-Erkrankungen sali Kaiserling, daß das Fett
der Niere nicht fett, sondern häufig lipoid ist. Störck ist
ihm gefolgt. Klemperer hat dies ebenfalls bestätigt.
Vortr. hat 1906 eine große Anzahl Nieren untersucht. Seit¬
her hat er das Urinsediment systematisch untersucht. Er hat
im allgemeinen die Lipoide im normalen Urin nicht gefunden,
ebenso wenig bei Veränderungen der Blase und der Nieren¬
becken, auch bei chronischen Prozessen der letzteren sind sie
nicht aufgetreten. Es stammen also die Lipoide des Urins, be¬
sonders die in Zylinderform angeordneten, aus der Niere.
P o s n e r hat nachgewiesen, daß auch die Körnchenkugeln- der
Prostata unsere Lipoide enthalten.
Wenn nun auch von der akuten Nephritis bis zur Granutar-
atrophie die Befunde eine fortlaufende Kette bilden, so ist es
doch hinsichtlich der Therapie und Prognose geboten, zwischen
den verschiedenen Formen der Nephritis zu unterscheiden. Ein
Maßstab ist die Menge des ausgeschiedenen Urins, des Eiweiß-
und Blutgehaltes und der Formenelemente. Aber bei der akuten
und der chronischen parenchymatösen Nephritis ist das Urin¬
sediment oft identisch, indem alle Formen von Zylindern, be¬
sonders die Fettkörnchen-Zylinder in beiden Vorkommen.
Es ist nun möglich, mit Hilfe des Polarisations-Mikroskops
zwischen akuter und chronischer Nephritis zu unterscheiden,
indem die Fettröpfchen bei der chronischen meist doppelt¬
brechendes, bei der akuten meist isotropes Fett darstellen. Ein
solcher Lipoid-Zylinder bildet unter dem Mikroskop eine hell¬
glänzende Gruppe von feinen Körnchen.
Das Auftreten der Lipoide gerade bei chronischen Pro¬
zessen, d. h. das Zustandekommen der Doppelbrechung ist nur
möglich, wenn eine Zelle im Körper allmählich abstirbt; es ist
also ein nekrobiotischer Prozeß. Aber bei akuter Nephritis mit
starker Hyperämie werden die Zellen zu rasch abgestoßen.
Hier können sie die Lipoidkörper nicht bilden. Bei akuter
Nephritis sieht man zuerst zahlreiche Zylinder, die nie die
Doppelbrechung aufweisen. Allmählich nehmen die klinischen
Erscheinungen ab, desgleichen der Eiweißgehalt und die
Formen-Elemente. Entdecken wir aber das Auftreten von
Lipoiden, so wird die Prognose ungünstiger, weil wir mit Sicher¬
heit annehmen können, daß nach der Entzündung Degeneration
eingesetzt hat. Es ist eine chronische Nephritis geworden. —
Damit ist die Verwendbarkeit der Doppelbrechung für die
Diagnose nicht erschöpft; sie ist auch bei der Schrumpfniere
möglich. Auch bei der sekundären Schrumpfniere kommen die
Lipoide vor. Aber auch bei dem sofort interstitiell einsetzenden
Prozeß der genuinen Schrumpfniere finden wir die Lipoide; sie
haben nicht mehr Zylinderform, sondern sind meist in größe¬
ren Formen zusammengeschlossen, welche die Leukocyten an
Größe übertreffen. Mitunter sind sie in die Reste zerfallender
Epithelien eingeschlossen. Bei älteren Leuten kommen Lipoide
auch in der Norm vor, die wahrscheinlich aus den Gefäßen
stammen, wie z. B. bei sclrwerer Arteriosklerose.
Gerade bei der Schrumpfniere ist sehr oft das Sediment und
der Befund sehr gering. , Hier ist wichtig, daß die mikro¬
skopische Untersuchung wertvollen Aufschluß gibt.
Bezüglich der Lipoide im Sputum kommt dem mikro¬
skopischen Befunde nicht entscheidende Bedeutung zu; aber
immerhin bietet auch er einen interessanten Beitrag zur Dia¬
gnose. Diese Lipoide entstammen den Epithelien der Alveolen
und Bronchien. Sie finden sich bei Bronchiektasie, Cavernen,
auch ohne Andeutung von Sputum besonders bei Bronchitis
sicca im zähen Schleim. Eine merkwürdige Art wird bei Asthma
bronchiale im ersten Stadium in ungeheurer Menge im Schleim
produziert, sie sind in Ketten angeordnet und auch einzeln vor¬
handen. Die Ketten sind vvohl Ausgüsse der feinsten Bronchien.
Dem Asthmaanfall ist also eine Degeneration von Bronchial-
Epithel vorangegangen. Die Myelinkugeln sind nicht immer
doppeltlichtbrechend. Vor dem Anfall werden die Epithelien
von ihrer Unterlage abgehoben und damit die Kugeln aus¬
gestoßen. Bisher ist das Phänomen chemisch von Panzer
und Ascher untersucht worden. Sie nahmen Cholesterin an.
Schmidt und Müller nahmen an, daß der Urin reich an
Myelin und Protagon sei; aber die Substanz war nicht doppelt¬
brechend.
Vortr. konnte nach Salkowskischer Methode eine Sub¬
stanz herstellen, die alle Reaktionen des Cholesterins gab. Durch
andere Methoden wurde Lecithin gefunden. Wahrscheinlich
sind die Lipoide zum Fett gemischt. Zuerst wurde danach das
Fett abgerahmt, dann die Lipoide. Mischen sie sich zum Fett,
so entstehen die flüchtigen Kristalle, welche die Doppelbrechung
zeigen.
Die vorläufig kärgliche Kenntnis des chemischen Charakters
der Lipoide tut ihrer diagnostischen Bedeutung keinen Ab-
454
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 29.
brach; es kommt eben auf die physikalisch-chemische Eigen¬
schaft der Doppelbrechung des Lichtes an.
Diskussion:
Herr Kaiserling demonstriert an Präparaten der großen
bunten und weißen Niere gelbweiße Flecke, welche auf Lipoide
deuten; bei allen sind Reste der renkulären Zeichnung vor¬
handen. Dann gibt es Formen, wo die Markstrahlen, die geraden
Kanälchen oder Henl eschen Schleifen die Verfettung dar¬
bieten. Bei den Schrumpfnieren enthalten gleichzeitig die
Kanälchen und Glomeruli die Fettzeichnung. Dann gibt es
Formen, wo die Lipoide in dem interstitiellen Gewebe sitzen;
eigentümliche Zellformen treten dann auf. Pick sah ähnliches
in den Tuben. Das sind keine Epithelien; nun können aus
diesen Zellen Lipoide in die Harnkanälchen gelangen. Sie
treten aber nur als Körnchenkugeln durch. Es muß nicht jedes
Lipoid aus den Epithelien stammen, sondern kann aus den
Körnchenkugeln (Leukocyten) entstehen.
Redner fand in einem Fall von Bronchitis im Sputum leb¬
haft bewegliche Körper, die an Amöben erinnerten; er unter¬
suchte dann weiter und fand, daß es nur Leukocyten-Körnchen-
kugeln waren; hierin war die Substanz enthalten; es waren
Myelin-Figuren, die aber im Wasser Quellung zeigten. Diese
Zellen bewegten sich durch Diffusion ganz wie Protozoen.
Mit der Chemie ist es hier schwierig. Wie bekommt man
die Dinge auseinander? Eine Anzahl von Lipoiden brechen das
Licht nicht doppelt. Was sind sie? Das ist schwer zu sagen.
Körper, die sich in fettlösenden Stoffen lösen, aber keine Fette
sind. Nun haben schon Weigert und Dietrich gesehen,
daß man diese Körper chromieren (mit saurer Chromlösung
behandeln) und unlöslich machen kann. Man kann sie dann in
Xylol und Paraffin einbetten und zum Studium färben. Das
frisch im Polarisations-Mikroskop sichtbare Lipoid gehört nicht
dazu.
Eine Verfettung ist das nicht. Wir haben Hyalin und
Amyloid, die voneinander verschieden sind. Ebenso sind die
Nicht-Fette nicht Fette, sondern heißen Lipoide im weitesten
Sinne. Redner unterscheidet daher Lipoidosis und Liposis. Es
ist also möglich, die Lipoide durch Chromieren zu gruppieren.
Die Lipoidosis ist sehr häufig bei Tuberkulose, in den Riesen¬
zellen etc. findet sich Lipoid, auch wenn es nicht doppelt¬
brechend ist. Diese Frage ist noch nicht gelöst. Der Pathologe
muß eben mit dem Kliniker Zusammengehen. Sonst kommt
für die Praxis nichts heraus. Es ist ein Teil des Stoffwechsels;
welcher Art derselbe ist, ist zweifelhaft. Körnchenkugeln findet
man auch im Gehirn und im Rückenmark. Die Lipoide sind
übrigens trotz der Munk sehen Preisarbeit auch in Leber und
Herzmuskel enthalten.
Herr Pick kann nur sagen, daß die Lipoide nicht doch dazu
Veranlassung geben, ohne weiteres chronische Nephritis anzu¬
nehmen; er hat schwerste Pyelitis und Ureteritis mit kolossalen
Myelin-Mengen gesehen. Sie entstammen nicht den pyogenen
Membranen, sondern alten, chronischen Prozessen; es ist eine
gelblichweiße Schicht, welche die Organe auskleidet. Dann
findet man eben die großen Zellen, welche eine Struktur Vor¬
täuschen.
Redner hat seine Angaben nicht blos als für die gynäko¬
logischen Präparate gültig gemacht, sondern für alle gleichen
Fälle; das sind aber diejenigen, bei denen die chronischen Eite¬
rungen außerordentlich lange anhalten. Redner kann jetzt
zeigen, warum in der Radix mesenterica eine merkwürdig große
Menge dieser lichtbrechenden Substanz ausgebildet ist.
Herrn Posners Erfahrungen stimmen mit denen Munks
überein. Er bestätigt, daß im gewöhnlichen Urin und meist bei
Pyelitis keine Lipoide gefunden werden. Eine Ausnahme bildet
die Prostatitis. Dagegen findet man sie bei chronischer Nephritis
als Zylinder häufig und zahlreich. Redner verfügt über sechs
Fälle. Reichliches Vorkommen von Lipoiden bedeutet starken
Zellzerfall. Einmal stellte Redner einen zeitlich nahen Zu¬
sammenhang mit einem urämischen Anfall fest; so hat er zwei¬
mal die Prognose stellen können. Das deckt sich nicht ganz
mit den M u n k sehen Ausführungen, denn auch bei akuteren
Fällen kommen Lipoide vor. Einmal stellte Redner die Diffe¬
rentialdiagnose zwischen Epilepsie und Eklampsie bei einer
Wöchnerin.
Bei genuiner Schrumpfniere sah er nie Lipoide.
Herr Munk (Schlußwort) hat Lipoide in Zylinderform bei
Schrumpfniere nie gesehen, sondern nur in beträchtlicher
Größe in Körnchenkugeln. Eine vier Jahre alte Pyelitis hat er
vier bis fünf Tage lang untersucht und nie Lipoide gefunden.
(Schluß folgt.)
XIX. Versammlung der Deutschen Otologischen
Gesellschaft.
(Fortsetzung.)
Herr Ernst Urbantschitsch (Wien): Zur Aetiologie der
Taubstummheit.
Verfasser teilt, analog der Einteilung von Hammer-
schlag, die Taubstummheit in zwei große Gruppen: in er¬
worbene und kongenitale. Die erworbene kann intrauterin
oder postfötal entstanden sein. Zur ersteren gehört neben den
verschiedenen Entzündungsformen die Lues hereditaria.
E. Urbantschitsch untersuchte nun 125 Taubstumme und
zum Teil deren Angehörige mittels Wassermann scher
Seroreaktion, und zwar mit folgendem Resultat: negative oder
spurweise Reaktion: 86,4 pCt., mittelstarke 6,4 pCt. (Grenzfälle);
7,2 pCt. fast oder ganz komplette Reaktion.
Da Verfasser unter „hereditär-degenerativer Taubstumm¬
heit“ (Hammerschlag) jene Fälle versteht, in denen die
Ursache der Taubstummheit in der Keimesanlage gelegen ist,
wenn auch mitunter eine scheinbar auslösende Ursache hinzu¬
tritt, wodurch die „latente“ Disposition „manifest“ wird, wäh¬
rend in anderen die Disposition von Beginn an manifest er¬
scheint, so teilt er die hereditär-degenerative Taubstummheit
in eine „manifeste“ und in eine „latente“; für die Berechtigung
dieser Einteilung erbringt Verf. Beweise aus seiner Erfahrung.
Mitunter kann eine schwere Konstitutionskrankheit im¬
stande sein, den degenerativen Charakter einer Familie auszu¬
lösen. Hierzu gehören unter Umständen Syphilis und Tuber¬
kulose (Anführung von je zwei Beispielen aus dem Beob¬
achtungsmaterial des Verf.).
Die Konsanguinität der Eltern als solche übt nur einen
sehr geringen Einfluß auf das Zustandekommen von Taub¬
stummheit aus; es muß sich vielmehr um eine konsanguine Ehe
in einer hereditär-degenerativen Familie handeln. Verf. beob¬
achtete unter 400 Taubstummen (hiervon 390 Katholiken!) nur
zweimal Konsanguinität, und in einer dieser konsanguinen
Ehen ist außerdem die Blutsverwandtschaft nicht als auslösendes
Moment für das Zustandekommen der Taubstummheit zu be¬
trachten. Dieser geringe Koeffizient dürfte seine Erklärung in
der Seltenheit konsanguiner Ehen unter Katholiken finden.
Von Wichtigkeit kann zur Beurteilung des degenerativen
Charakters in einer Famile der Nachweis anderweitiger körper¬
licher Abnormitäten sein, von denen Verf. eine ganze Reihe
aus seinem Beobachtungsmaterial anführt und zwei sehr seltene
Formen (Ektro- und Syndaktylie an den Füßen, Verschmelzung
zweier Gaumenbogen) im Bilde vorführt.
Zum Schluß gibt Urbantschitsch noch eine schema¬
tische Einteilung der Taubstummheit:
Taubstummheit
erworben kongenital
intrauterin postfötal heredit.-degen. endemisch
manifest latent
Diskussion: Herr Denker.
Herr Quix (Utrecht) demonstriert farbige Mikrophoto¬
gramme von Taubstummenohren.
Herr W. Uffenorde (Göttingen): Beiträge zur Pathogenese
des sekundären Cholesteatoms. (Vorläufige Mitteilung.)
Vortr. hat einen Fall von sekundärem Cholesteatom in der
Nasenhöhle selbst — den ersten Fall — behandelt; auf dem
Cholesteatom hatte sich ein Rhinolith gebildet. Die Matrix be¬
stand aus papillären Exkreszenzen, auf deren Kuppen Epithel¬
metaplasie eingetreten war, während in den Nischen Zylinder¬
epithel erhalten war. Der beweisende Fall von Habermann,
Cholesteatom des Mittelohrs, weist große Aehnlichkeit mit dem
vorliegenden auf, so daß leicht entgegen der Theorie der Ein¬
wanderung der Gehörgangsepidermis in die Mittelohrräume,
die vom Autor aufgestellt wurde, die Annahme der Metaplasie
— alte meist verlassene Theorie von v. Tröltsch — danach
gemacht werden kann. Vortr. hat daraufhin in 20 Fällen aus
der Göttinger Ohrenklinik die bei den Totalaufmeißelungen
kürettierten Schleimhautpartikel histologisch untersucht und
gefunden, daß man meist sicher Metaplasie des Epithels nach-
weisen könnte. Diese wurde vom Vortr. auch bei seinen histo¬
logischen Untersuchungen der hyperplastischen Rachenmandel.
Nasenpolypen u. a. gefunden, wie auch von anderer Seite
häufig derselbe Befund erhoben wurde. Auch klinische Er¬
fahrungen lassen sich für die Annahme der Metaplasie geltend
machen.
Man muß also danach die fast als dogmatisch geltende
Auffassung bezüglich der Genese des sekundären Cholestea¬
toms, und zwar die Theorie des Hineinwanderns von Epidermis
des Gehörgaugs resp. des Gesichts auf jeden Fall einschränken
und der alten Theorie der Epithelmetaplasie von v. Tröltsch
mehr Berücksichtigung schenken.
Diskussion: Herr Hoff mann (Dresden).
Heri' Brünings (Jena): Ueber die sogenannte Knochen¬
leitung als Grundlage der qualitativen Hörprüfung (Mit Demon¬
stration.)
Zunächst wird die Haltlosigkeit der zahlreichen bisherigen
Hypothesen über das Wesen des Weber sehen und Rinne¬
schen Versuches diskutiert. Richtig ist, daß eine dem Knochen
mitgeteilte Schallschwingung zum Teil auf den Luftleitungsweg
des Ohres übergeht (Politzer, Lucae) und durch diesen
perzipiert wird, doch läßt sich sowohl experimentell wie
klinisch beweisen, daß auch die Knochenschwingung als solche
No.. 29.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
455
dem C o r t i sehen Organ zugeführt wird und eine Schallempfin¬
dung auslöst.
Es handelt sich demnach bei der sogen, kranio-tympanalen
Leitung um das Phänomen der erzwungenen Mitschwingung,
bei der immer eine Phasenverschiebung gegenüber dem er¬
regenden Ton eintritt. Vortr. weist an mehreren Beispielen
nach, daß diese Phasenverschiebung unter bestimmten Bedin¬
gungen zu einer völigen Phasenopposition (Interferenz) führt
und demonstriert ein Ohrmodell, bei dem das durch eine
Knochenschwingung erregte Trommelfell in entgegengesetzter
Phase mit dem Knochen schwingt. Vereinigt man die Schwin¬
gungen beider Leitungswege durch einen geteilten Gummi¬
schlauch, so wird der Ton immer stärker, wenn man das künst¬
liche Trommelfell vernichtet oder an der Schwingung hindert.
Hierin liegt eine vollständige Erklärung des Rin ne sehen
Phänomens, indem jede Beeinträchtigung des Luftleitungsweges
den Knochenleitungston verstärken muß, da die durch Phasen¬
opposition bewirkte Abschwächung im C o r t ischen Organ ver¬
mindert oder aufgehoben wird..
Vortr. demonstriert dann einen auf dieser Theorie auf¬
gebauten neuen Stimmgabelapparat zur qualitativen Hör¬
prüfung, der sich auf das Prinzip der Phasenverschiebung
zwischen Luft- und Knochenschwingung gründet und die Inter¬
ferenz beider im C o r t i sehen Organ der Messung zugrunde
legt.
Diskussion:
Herren Denker, Frey, v. Eicken.
Herr Bloch (Freiburg): Bemerkungen zu der von der
internationalen etc.
Bloch bespricht die Prüfung mit der Sprache und den
R inn e sehen Versuch, wie diese beiden Methoden in der
obigen Formel vorgeschlagen sind. Er ist der Ansicht, daß
beide, wie noch andere Methoden, nicht ganz dem heutigen
Stand unserer diagnostischen Anschauungen entsprechen.
Diskussion:
Herren Panse, Jörgen Möller, Habermann,
Sieben mann, Bäräny, Voss.
Herr Brünings (Jena): Ueber quantitative Funktions¬
prüfung des Vestibularapparates. (Mit Demonstration.)
Vortr. bespricht zunächst die besondere klinische Bedeu¬
tung, welche einer zuverlässigen quantitativen Funktionsprü-
fung des Vestibularapparates im Gegensatz zu den bisherigen
qualitativen Methoden zukommt, und die Fehler, die bei den
bisherigen Versuchen in dieser llichtung gemacht wurden. Als
Grundlagen für die quantitative Prüfung eignet sich nur das
kalorische Reizverfahren und die zeitliche Feststellung des
Nystägmusbeginnes. Dazu ist Einhaltung einer bestimmten
Blickrichtung erforderlich, was durch den vom Vortr. an¬
gegebenen Spiegelfixator erreicht wird.
Um den kalorischen Reiz — dessen Wirkungsweise be¬
sondere Versuche klarstellen — quantitativ verwendbar zu
machen, ist zunächst eine ganz bestimmte Kopfstellung erforder¬
lich, bei welcher der horizontale Bogengang vertikal steht.
Diese wird durch das „Otogoniometer“ des Vortr. erreicht.
Das „Otokalorimeter“ erfüllt alle Bedingungen einer quanti¬
tativen kalorischen Reizung: Konstante Temperatur, konstante
Stromstärke, konstanter Strömungsweg im Ohr. Es ist so ein¬
gerichtet, daß die bis zum Eintritt der Reaktion verbrauchte
Wassermenge an der Skala des Meßgefäßes ohne weiteres den
Grad der Erregbarkeit in Bruchteilen oder Multipla des Nor¬
malen angibt. Die Normalzahl wurde an 72 gesunden Ohren
ermittelt und wies nur geringe Schwankungen auf. Die bis¬
herige klinische Anwendung des Otokalorimeters lieferte sehr
zahlreiche Beobachtungen über quantitative Abweichungen der
Vestibularreaktion, welche a. a. 0. publiziert werden.
Vortr. kann nach seinen bisherigen Erfahrungen sagen, daß
die neue Methode einfacher und bequemer ist und den Kranken
weniger belästigt als das bisherige Abspritzverfahren und daß
sie zuverlässige vergleichbare Werte auf einheitlicher Grund¬
lage liefert.
Diskussion:
Herren Bäräny, Ruttin, v. Urbantschitsch,
Marx, Quix, Schoenemann.
(Fortsetzung folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
Dr. Zickgraf (Bremerhaven) berichtet über die Anwendung
von Limonen bei Lungenkranken (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 20). Das Limonen wurde 1903 von Robert als
Ersatz für das Terpentinöl empfohlen. Es zeichnet sich von
diesem durch seinen angenehmen Geruch und Geschmack aus
und hat eine sechsmal so große Desinfektionskraft wie Terpen¬
tinöl. Indiziert ist das Limonen in erster Linie bei allen Pro¬
zessen in der Lunge, die mit Absonderung von übelriechendem
Auswurf einhergehen, also Bronchitis foetida, Bronchitis
bronchiectatica foetida, Lungengangrän und tuberkulösen Caver-
nen. Man läßt es am besten inhalieren, wofür der kleine
Sänger sehe Apparat am zweckmäßigsten ist, und kann es
daneben auch innerlich nehmen lassen (dreimal täglich 10 bis
20 Tropfen auf Zucker oder mit Wasser). Eine Nierenreizung
verursacht das Limonen nicht. Nach des Verfassers Erfahrun¬
gen ist das Limonen dem Tepentinöl in seiner Wirkung be¬
deutend überlegen. Es übt nicht nur eine desodorierende, son¬
dern auch eine erheblich sekretionsbeschränkende Wirkung
aus. Darum kann man es auch bei unkomplizierter einfacher
Bronchitis mit reichlichem Auswurf verwenden. Anstatt des
natürlichen Limonen, welches als Nebenprodukt bei der Her¬
stellung terpenfreier Oele, wie des Orangen- und Kümmelöls,
gewonnen wird, kann man auch ein „Limonen künstlich rein“
benutzen, welches bei der Fabrikation von Kampfer gewannen
wird. Es ist viel billiger als das natürliche Limonen, hat aber
im übrigen die gleiche Wirkung. R. L.
IV. Bücherschau.
Therapeutische Technik fiir die ärztliche Praxis. Ein Hand¬
buch für Studierende und Aerzte. Unter Mitwirkung zahl¬
reicher Gelehrten herausgegeben von Prof. Dr. Julius
Schwalbe. Mit 537 Abbildimgen. Zweite verbesserte und
vermehrte Auflage. Leipzig' 1910, Georg Tliiem e.
979 S.
Die immer mehr um sich greifende Neigung der modernen
Aerzte, sich auf eine Spezialität zu beschränken, ist keineswegs
allein durch materielle Gründe bedingt. Die kolossale Ent¬
wicklung, welche die ärztliche Technik auf sämtlichen Spezial¬
gebieten erfahren hat, bringt es mit sich, daß die Erlernung und
sachgemäße Ausführung vieler Spezialgebiete nur möglich ist,
wenn man seine Tätigkeit auf sie beschränkt. — Unter diesen
Umständen würde der allgemeine Praktiker zum Kommissionär
für Spezialisten herabsinken, wenn er nicht wenigstens die
wichtigsten technischen Methoden der einzelnen Spezialgebiete
beherrschte. — Wie groß die Anforderungen sind, welche selbst
bei äußerster Beschränkung in der Auswahl der Methoden an
ihn gestellt werden, zeigt eine Durchsicht des Schwalbe-
schen Buches, dessen zweite Auflage nunmehr vorliegt. Ihr
schnelles Erscheinen, kaum drei Jahre nach der ersten Auflage,
lehrt gleichzeitig, wie groß das Bedürfnis nach einem derartigen
Werk in den Reihen der Praktiker ist. — Gegenüber der ersten
Auflage hat das Werk nicht nur rein äußerlich an Umfang ge¬
wonnen. Dadurch, daß es dem Herrn Verfasser gelungen ist
für die Bearbeitung einzelner Spezialgebiete, deren Autoren
inzwischen verstorben sind, vollwertigen Ersatz zu schaffen
(an Stelle von Hoffa, Vierordt und E n g 1 i s h sind
Rieder, Riedinger und Zuckerkandl getreten), ist
der wissenschaftliche Wert einzelner Abschnitte sicherlich noch
erhöht worden. Zweifellos trifft dies bei dem Kapitel
Harnorgatie und männliche Geschlechtsorgane zu, dessen Be¬
arbeitung Zuckerkandl in geradezu mustergültiger Weise
besorgt hat. — Außerdem sind der Zusammenstellung ganz
neue Kapitel eingefügt worden: Die Technik der Ernährungs¬
therapie, um deren Bearbeitung sich kein Geringerer als unser
Kliniker F. Kraus (in Gemeinschaft mit B rüg sch) verdient
gemacht hat. Weiterhin die Technik der Haut- und venerischen
Krankheiten aus der Feder von Bettm ann (Heidelberg).
Im übrigen ist die Anordnung des Stoffes die gleiche
geblieben wie in der ersten Auflage. Neuerscheinungen,
soweit sie keine allzu subtile Technik voraussetzten, sind, soweit
wir dies bei der Duchsicht des Buches verfolgen konnten, über¬
all gebührend berücksichtigt worden. Rein äußerlich tritt dies
durch die Vermehrung der Abbildungen von 465 auf 537 hervor.
— Das Werk, welches einem dringenden Bedürfnis entspricht
und dessen Autoren ausnahmslos durch klare Darstellung der
Technicismen besonders mit Rücksicht auf weniger geübte Kol¬
legen ihre Aufgabe mustergültig gelöst haben, ist jedem Kol¬
legen aufs angelegentlichste zu empfehlen. Lohnstein.
Die Krankheiten der Frauen für Aerzie und Studierende. Von
Prof. Dr. med. Heinrich Fritsch (Bonn). 12. vielfach ver¬
besserte Auflage. — Leipzig 1910, S. Hirzel. 664 S.
Wiederum ist eine Neuauflage des Fritschschen Lehr¬
buches notwendig geworden, der beste Beweis dafür, in wie
außerordentlichem Maße es sich der Gunst der ärztlichen Welt
und ihres Nachwuchses erfreut. — Und dies mit vollem Recht 1 .
— Gehört doch Fritsch zu denjenigen, welche niemals altern,
sondern alle Neuerrungenschaften ihrer Spezialwissenschaft,
wenn auch mit der nötigen Kritik und dem Verständnis, welches
nur der ausgereiften Erfahrung eigen ist, zu würdigen wissen.
Sehr bezeichnend für seine Stellungnahme gegenüber neuen
Richtungen in der Gynäkologie sind die einleitenden Worte zu
seinem Buche, in welchem er die Entwicklung seiner Spezial¬
disziplin zur allgemeinen Abdominalchirurgie des Weibes
schildert, und ihr gebührend Rechnung zu tragen verheißt, wenn
er auch, wie es scheint, dieser Richtung etwas ablehnend gegen¬
übersteht. —n -
4B6
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Grundzüge der Physiologie. Von Thomas H. Huxley. Neu be¬
arbeitet von Prof. Dr. J. Rosenthal (Erlangen). Mit
101 Abbildungen im Text. Hamburg und Leipzig, Verlag von
Leopold Voss.
Wir haben schon mehrfach Gelegenheit gehabt, uns über
die Vorzüge dieses Werkes auszusprechen. — In erster Linie
für gebildete Laien geschrieben, ist es doch auch geeignet,
solchen Kollegen, welche weder Zeit noch Gelegenheit haben,
ihre physiologischen Kenntnisse aufzufrischen, vermöge seiner
leicht faßlichen Darstellung als Informationsstelle für Gebiete,
deren Kenntnis lückenhaft geworden ist, zn dienen. — Dem
Zweck des Buches entsprechend, ist natürlich von Formelent¬
wicklung, Darstellung chemischer Konstitutionsformeln etc.
ganz abgesehen. — Auch diese neue Auflage, in welcher den
inzwischen neu erworbenen Errungenschaften der Physiologie
zweckentsprechend Rechnung getragen worden ist, kann nur
empfohlen werden. Lohnstein.
Neurasthenie et neuroses. Leur guerison definitive en eure
libre par le docteür Paul Emil Levy (Paris). Zweite Auf¬
lage. Paris 1910, Fel. A1 c an. 4Ö7 S.
Verfasser ist ein Anhänger der „freien“ Behandlungs¬
methode der Neurosen (Hysterie, Neurasthenie etc), welche
durch methodische Erziehung und Beeinflussung in dem Milieu
des Kranken, nicht in Sanatorien, mit demselben Erfolge zu be¬
handeln sind. Wie aus der verhältnismäßig schnell nötig ge¬
wordenen zweiten Auflage (die erste, auch von mir besprochene
erschien erst Juli 1908) ersichtlich, haben die Ausführungen des
Verfassers, auch wenn man ihnen nicht überall beistimmen
kann, großes Interesse erweckt. — Wir empfehlen das elegant
geschriebene Werkchen besonders den Neurologen, welche ja
in ihrer Mehrzahl auf einem dem des Verfassers entgegen¬
gesetzten Standpunkte stehen. H. L.
Der Stoffwechsel und die Krankheiten des Herzens und der
Gefäße. Von San.-Rat. Dr. Wachenfcld (Bad Nauheim).
Erster Teil. München 1909, Verlag der ärztlichen Rund¬
schau (Otto Gm ei in). 56 S.
In unserer forschungsfreudigen Zeit wird oft an Theorien
gerüttelt, welche der Mehrzahl der Aerzte schon nahezu als
Tatsachen galten, werden Behauptungen aufgestellt, welche ge¬
eignet sind, bekannte Krankheitsbilder in einem ganz anderen
Lichte erscheinen zu lassen: so erwecken Bang und Forss-
m a n n Zweifel an der Richtigkeit der Ehrlich sehen Seiten¬
kettentheorie, so erklärt neuerdings Emmerich die Cholera
asiatica als eine Salpetrigsäurevergiftung.
W. stützt seine aus den Ernährungsvorgängen des embryo¬
nalen Lebens sowie aus Beobachtungen am Krankenbette ge¬
wonnene Hypothese, daß „den Lymphbahnen eine
viel größere. Bedeutung beim Stoffwechsel
beigemessen werden müsse, als bishe r“, da¬
durch, daß er gewisse physiologische Tatsachen hervorhebt,
welche die Präsumption umfangreicher Stoffwechselvorgänge
innerhalb der Blutbahnen als unzulässig erscheinen lassen.
Daß die Sauerstoifspaimung der Lymphe höher als die der
Atmosphäre, ihre Kohlensäurespannung niedriger als die des
venösen Blutes ist, fand Strassburg schon 1872, und ein
Forscher von der Bedeutung E. Abderhaldens spricht sich
folgendermaßen aus: „Ob in der Lymphe selbst bedeutende Um¬
setzungen vor sich gehen, ob sie die dem Blute entnommenen
Stoffe selbst modifiziert und den jeweiligen Verhältnissen an¬
paßt, sie umbaut und vorbereitet, darüber wissen wir gar nichts.
Hier liegt noch ein ganz gewaltiges Forschungsgebiet un-
beackert vor uns!“
Andererseits hat derselbe Forscher schon früher (Zeitschr.
f. Biol., 1900) festgestellt, daß beispielsweise Eisen (gleich¬
gültig, ob es in anorganischer oder in organischer Form ein¬
verleibt worden) in und jenseits der Darmwand sich
stets in salzartiger anorganischer Form findet; diese anorga¬
nischen Eisensalze müssen demnach, weils sie innerhalb der
Blutbahnen giftig wirken würden, zweifellos sehr bald und
noch innerhalb der Lymphbahnen in organische Zu¬
sammensetzungen umgewandelt werden.
Ferner enthält selbst normale Lymphe gewisse andere
Stoffwechselprodukte, w’elehe, direkt in die Blutbahnen ein¬
geführt, gleichfalls zu Störungen führen können (Asher, Ab¬
derhalden); auch diese Produkte müssen also noch inner¬
halb der Lymphbahnen modifiziert werden.
W. hebt weiter hervor, daß auch die Entwicklung von In¬
fektionskeimen, die zum allergrößten Teil durch den Darm in
den Körper gelangen, in den Lymphbahnen stattfindet, und daß
jedenfalls aus seiner Hypothese vieles, was heute noch dunkel
erschien, sich genügend erklären lasse. In der Tat erkennt ja
auch u. a. der bekannte französische Kliniker H u c h a r d
(Paris) die dominierende Bedeutung alimentärer Intoxikationen
für die Entstehung von Arteriosklerose und anderen „arte¬
riellen“ Krankheiten an, und der auf einer veränderten Zu¬
sammensetzung der Lymphflüssigkeit beruhende Hydrops
toxicus Quinckes, wie beispielsweise auch das „Haferödem“
No. 29.
v. N o o r d e n s erscheinen gleichfalls durchaus geeignet, die
Hypothese des Lymphbahnstoffwechsels zu unterstützen.
Denn abgesehen von den beiden großen Eingangspforten
des Duct. thoracic, und Duct. dexter, durch welche von den
Lymphbahnen aus Krankheitskeime in die Blutbahnen ge¬
langen können, bestehen noch Kommunikationen zwischen den
Lymphgefäßen des Colon desc. und der Flexura sigm. einer- und
den hinter beiden liegenden Venae iliacae andererseits, und
auch in der Leistengegend sind direkt in die Venen einmün¬
dende Lymphgefäße vorhanden, so daß auf diesem Wege
(z. B. bei Operationen eingeklemmter Brüche) Thrombophlebi¬
tiden leicht entstehen können.
Nachdem er eingangs (S. 15) der im ganzen flott und an¬
regend geschriebenen Broschüre „das normale Herz und seine
und der Blutgefäße normale Tätigkeit“ kurz besprochen hat,,
beschreibt Verf. die Funktionsstörungen des gesunden Herzens
und der gesunden Gefäße, wie sie zustande kommen durch
1. mangelhafte,
2. unzweckmäßige Ernährung; ferner
3. durch (infolge von mangelhafter Bewegung der Körper¬
muskulatur) abnorm langsame,
4 . durch (infolge von längerem Aufenthalte in Höhen von
mehr als 1000—1500 m über dem Meeresspiegel) abnorm
schnelle Stromgeschwindigkeit der Lymphflüssigkeit; endlich
5. durch zu reichlichen Genuß von Reizmitteln (Kaffee,
Tee, Alkohol, Tabak).
Es folgen Erörterungen über „Die Neurosen des Herzens“,
über „Perikarditis“ und „Myokarditis“, sowie über den zwischen
Lymphstoffwechsel und Pathogenese dieser Krankheitszustände
bestehenden Zusammenhang.
Bei Schilderung der Myokarditis nimmt W. die Gelegenheit
wahr, in durchaus zutreffender Weise die bei der Therapie der
Herzkrankheiten zu Recht bestehende Suprematie der Nau-
heimer Bäder ins Licht zu stellen.
Ueberall, besonders auch bei der Kritik der besten Ernäh¬
rungsweise der Herzkranken, finden sich Bemerkungen und
Winke, die den bewährten Praktiker verraten. Die „Endo¬
metritis“ und „Die Sklerose der Gefäße“ bilden den Schluß
des Werkchens, dessen Lektüre Ref. jedem Kollegen ange¬
legentlich empfehlen möchte, der über die hier besprochenen
Dinge sich ein selbständiges Urteil bilden will.
Dr. O. Fr. Alberts (Friedenau).
Y. Feuilleton.
Das Königliche Bad Oeynhausen in seiner
jetzigen Entwicklung.
Von
Eduard Felix Heeger (Greifswald).
(Schluß.)
Die bekanntesten Solbäder des nordwestlichen Deutsch-
lands sind:
feste
darunter Kochsal;
Bestandteile
auf 1 Liter
1. Kreuznach.
17,638
14.153
2. Oldesloe.
24,105
23,30
21,824
3. Nauheim (entgaster Sprudel)
26,353
4. Eimen.
29,7
26,17
5. Salzuflen.
41,916
33,978
6. Kosen.
49,58
43,43
7. Kolberg . . .
51,038
43,037
8. Königsborn.
65,25
50,158
9. Harzburg.
65,2
61,10
10. Oeynhausen.
100,29
90,73
11. Salzungen.
265,08
256,59
Aus dieser Aufstellung ergibt sich, daß Oeynhausen an
zweiter Stelle steht und über eine Sole verfügt, die für alle Fälle
ausreicht und nicht benötigt, zu Kunstprodukten, wie Herstellung
von Mutterlaugen usw. zu greifen.
Die genauen Analysen der beiden Solquellen von Prof.
Dr. Finke ne r (Berlin) lauten:_
Lfd. Nr
Chemische Bestandteile
Schacht-Sole | Bohrloch-Sole
vom Bülowbrunnen
| In 1 Liter Sole s. enthalten:
1
Kieselsäure . . . . . . . . .
0,023
0,033
2
Tonerde.
0,006
0,008
3
Arsensäure .
0,0001
0,0002
4
Chlornatrium.
27,32
90,73
5
Chlorlithium.
0,004
0,006
6
Bromnatrium.
0,0013
0,0028
7
Jodnatrium.
0,0002
0,0005
8
Schwefclsaures Natron.
2,39
2,12
9
Schwefel saures Kali.
0,18
0,42
10
Schwefelsaurer Kalk.
—
3,81
11
Chlormagnesia.
0,50
1,70
12
Kohlensaures Magnesia ....
0,37
—
13
Kohlensaurer Kalk.
1,32
1,35
14
Kohlensaures Eisenoxydul . . .
0,08
0,11
Summa feste Bestandteile
32,19
| 100,29
457
No. 29. THERAPEUTISCHE
Wenige Bäder dürfen sich des Besitzes ghMch schöner
monumentaler Badehäuser erfreuen, wie Oeynhausen, sowohl
was innere Ausstattung, wie äußere Form anbetrifft. Es gibt
deren fünf.
Das I. T h e r m a 1 b a d e h a u s, nach den Angaben
König Friedrich wilhelms IV. erbaut und im Jahre 1855
in Betrieb genommen, ist als architektonisches Kunstwerk be¬
kannt und enthält 78 Zellen.
D a s II. T h e r m a 1 b a d e h a u s ist 1899/1900 im norwegi¬
schen Holzstyl errichtet, mit Vorrichtung für Bäder während
der Winterkur versehen und enthält 68 Zellen. (Unter dem
vorherrschenden Einfluß westlicher Luftströmungen, welche auf
der kurzen Strecke von zirka 150 Kilometer ihren maritimen
Charakter nicht verlieren, erfreut sich Bad Oeynhausen kühler
Sommer mit bewegter Luft und milder Winter. Hierauf fußend
hat sich dort in dem letzten Jahrzehnt auch eine Winterkur aus¬
gebildet, die von Jahr zu Jahr sich mehr entwickelt hat.)
Das III. oder kleine Thermalbadehaus ent¬
hält 42 Badezellen.
Das I. oder neue Solbadehaus ist ein im Jahre
1885 vollendeter prächtiger Renaissancebau. Es ist zurzeit un¬
streitig eins der schönsten und am zweckmäßigsten eingerichte¬
ten Solbadehäuser Deutschlands. Im Erdgeschoß enthält es
119 Badezellen, sowie neben der großartigen Wartehalle im
linken Flügel ein mit den neuesten Einrichtungen versehenes
Röntgenkabinett und im ersten Stock einen großen Inhalations¬
raum. i
Im II. oder alten Solbadehause befinden sich
155 Badezellen. Wie das kleine Thermalbadehaus dient das
alte Solbad zur Benutzung für Minderbemittelte.
Des weiteren steheu Schwimmbäder, gespeist von
dem Wasser der Werre, in der städtischen Badeanstalt, die im
Sommer 1909 errichtet wurde, zur Verfügung. Oertlich mit
dieser ist ein Luft- und Lichtbad verbunden.
Nachdem die von den Aerzten Oeynhausens angestellten
\ ersuche ergehen haben, daß die Thermalsole in der nötigen
Verdünnung ein hervorragendes innerliches Mittel darstellt zur
Hebung und Bekämpfung von Krankheiten der Verdauungs-
nrgane. der Leber und Nieren, von Blutstockungen der Unter¬
leihsorgane und auch bei allen Zuständen bei denen eine
Durchspülung des Körpers von Vorteil ist, so hat sich die König¬
liche Badeverwaltung auf Antrag der Aerzte bereit finden
lassen, eine Anstalt zu errichten, in der das Thermalwasser mit
koblensanrem Süßwasser gemischt und in dieser Form zum
kurgemäßen Gebrauch abgegeben wird. Der Zufall hat es ge¬
fügt, daß die Oeynhauser Thermale bei einer 4 fachen Ver¬
dünnung dem Kissineer Ragoczy und hei einer 9 fachen Ver¬
dünnung der Pynnonter Salz-Ouelle entspricht und zwar ist
die Gleichartigkeit der chemischen Zusammensetzung derartig,
daß die wichtigeren Bestandteile bis zur 2. Dezimale in beiden
Wässern fast genau übereinstimmen. Das Wasser kann durch
Wärmevorrichtung auf jede beliebige zum Trinken geeignete
Temneratur gebracht werden. Es bedeutet diese Neuerung für
Oeynhausen einen, gewaltigen Schritt nach aufwärts; der be¬
handelnde Arzt entbehrte bisher des inneren Mittels, welches
den Gebrauch der Bäder von der Blutbahn aus unterstützen
und ergänzen muß, um zu einem gedeihlichen Gesamtresultat
zu führen. Man war gezwungen, die Wasser anderer Kurorte
heran zu ziehen, was für die Patienten vielfach ein pekuniäres
Onfer bedeutete. Heute werden sie hiervon in den ineisten
Fällen absehen können und werden in der Lage sein, bei nötig
erscheinenden Trinkkuren mit unseren eigenen Kurmitteln aus¬
zukommen.
Molke und Milch werden in der herrlich gelegenen Milch¬
halle dargeboten. Der Stall wird alljährlich mit Holländer
Kühen besetzt. Die Tiere stehen unter tierärztlicher Kontrolle.
Werfen wir nun noch einen Blick auf den Kurort selbst,
seine lokalen und sozialen Verhältnisse, so zeichnet sich der¬
selbe in vielen Beziehungen vor vielen, selbst romantischer Ge¬
legenen Salinen auf das Vorteilhafteste aus.
Die Stadt Oeynhausen bildet kein regelrecht anein¬
ander geschlossenes Ganze, sondern eine freie Zusammen-
fügung von schönen, stattlichen, z.mn größten Teil elegant her¬
gestellten und eingerichteten städtischen Gebäuden und länd¬
lichen Wohnungen, von Gärten. Wiesen und Feldern umgeben,
überall gefällig in die Augen snrmpend und für die verschieden¬
sten Ansprüche zweckmäßig eingerichtet. Die ganze Landschaft
bietet einen Wechsel von Bergen. Tälern, Ebenen, Wiesen,
Büschen und Feldern und verleiht derselben einen eigentüm¬
lichen Reiz, der in dem benachbarten Wesergebirge (Porta
Westfalica) seinen Glanzpunkt findet. Sie bietet in der Um¬
gehung, nahe und fern, die angenehmsten Ausflüge, von denen
ich nur die wunderbare Allee nach dem Siel.' die wenige
Minuten vom Kurpark entfernt liegenden idyllischen Anlagen,
-die Oeynhau eener Sch w e i z“, die reizenden Partien
nach dem Siekertal. nach Melbergen, nach Berg¬
kirchen. nach der Porta, nach dem Kappen berge
nach V ] o t Ii o . nach der Residenz Bückeburg, hervor¬
heben will, die teils zu Fuß, teils durch leicht und billig zu be-
RUNDSCHAU 1910.
schaffende Fuhrwerke, teils mit der Eisenbahn zu erreichen
sind. Mittels letzterer bietet eine kleine Exkursion nach
Bielefeld, sowie nach dem Herniannsdenk m a 1 eine
angenehme Zerstreuung und lohnende Aussichten auf eine
weite, reich bevölkerte Ebene.
Für die Badeanlagen und die Bequemlichkeit der Bade¬
gäste ist in Oeynhausen viel geschehen und alljährlich werden
neue Opfer gebracht. Nachdem erst im Jahre 1908 das mit
einem Kostenaufwands von 1 1 - Millionen Mark erbaute neue
Kurhaus eingeweiht wurde, waren im vorjährigen Etat der
preußischen Bergverwaltung wiederum 700 000 Mark aus¬
geworfen für den Badeort, und zwar 600 000 Mark für ein
neues Kurtheater, der Rest für eine Wandelhalle
und eine Polizeibeamtenwohnung am Siel.
Das neue K u r h aus, ein Prachtbau, ist unstreitig eines
der schönsten lind vornehmsten im Reiche, und wer nach Oeyn¬
hausen kommt, sollte es nicht versäumen, dieser herrlichen
Anlage einen Besuch abzustatten. Schon die H auptein-
gangshalle gibt ein beredtes Zeugnis von dem echt künst¬
lerischen Hauch, der das gesamte Werk durchweht. Die grau¬
warmen, marmorähnlichen Tönungen der Wände werden durch
die in tiefem Violett gehaltenen, aus reicher Stuckverzierung
gebildeten Teilungen der Wandfelder wirksam gehoben. Diese
Farbenharmonie, sowie die reich vergoldeten, herrlich ge¬
schwungenen Festons bringen die Malerei der Decke zur höch¬
sten Geltung: klar lind scheinbar unendlich wölbt sich der
Aether über dem schön gestalteten Kamme, lind in seinem
wolkenlosen Blau schwebt als Sinnbild von Macht und Stärke
ein gekrönter Aar, das Wappen des königlichen Hauses gleich¬
sam" symbolisierend. Im anstoßenden Konzertsaal, dem
Schmuckstück des Hauses, ist symbolisch die Musik als
Herrscherin zur Darstellung gelangt.
Von überraschender Wirkling ist ein Blick in die beiden
Wandelhallen, wo das zarte Blaugrau der Wandelfelder durch
die dunkelroten Marmorsäulen prächtig gehoben wird. Die
Flächen der Decken, belebt durch gemalte Spaliergitter und
reiches Blumengeranke, bilden hier eine Fortsetzung der im
herrlichsten Flor prangenden Gartenanlagen.
Im schönen Tonnengewölbe des Erfrischungsraumes wird
durch eine vollendete Farbenabstimmung die Kunst des Bau¬
meisters in höchst wirkungsvoller Weise betont: Reiche Rosen¬
zweige unterbrechen hier die übersichtliche Teilung der Decke
und schließen sich zu einem üppigen Kranz, die über dem
ganzen Raum schwebende, in idealster Auffassung dargestellte
Figur des blumenstreuenden Frühlings duftig umrahmend.
Der große Speisesaal ist in geradezu klassischer Weise
ausgestaltet. Die Umrahmung des großen glatten Plafonds
bildet eine Fassettierung mit besonders originellen und inter¬
essanten Motiven, ein wirksamer Hintergrund für große, in
Grisaille gemalte Kartuschen. Diese gestatten einen Durchblick
in den blauen Aether und auf die. auf Postamenten malerisch
angeordneten Figuren in freier Gewandung. Tn die breiten
Balkenunterzüge der Decke des Rauchzimmers sind auf echtem
Silbergrund reiche farbige Rankenverzierungen angebracht,
einen wirksamen Gegensatz zu den gatten Putzflächen der
Decken bildend. Die großen Wandflächen um den Kamin sind
belebt durch charakteristische Figuren und Darstellungen, das
Rauchen in den verschiedenen Jahrhunderten darstellend.
Das daneben liegende Damenzimmer ist in leicht bläu¬
lichen Tönen gehalten Kleine ornamentale Verzierungen auf
dunklem Grund unterstützen die plastische Teilung der Decke,
deren auf dunkelviolettem Fond angebrachten Beleuchtungs¬
körper durch hellgemalte Perlenschnüre symmetrisch ver¬
bunden sind.
Die Farbenharmonie des Lesesaales erhöht den Eindruck
von Ruhe und Sammlung, der bei der Ausstattung des Raumes
das leitende Motiv war. In dem von reich vergoldetem Rahmen
umschlossenen Deckengemälde bewegen sich symbolische
Sternenhilder um das feurige Heliosgesnann und um den silber¬
nen Sichelwaeen der Göttin Luna Einzigartig auch wirkt die
elektrische Beleuchtung.
Ebenso schön wie eigenartig ist die Malerei im Winter¬
garten. Entsprechend seiner Bestimmung ist er bis zu zwei
Dritteln seiner Höhe mit Fliesen belegt deren blauviolette
Tönung mit dem Grün der Pflanzen herrlich harmoniert. An
einer Längswand über dem Brunnen findet der langjährige Be¬
sucher von Oeynhausen eine liebe alte Erinnerung: das Bild
des alten ..Goldfischteiches“, auf dessen Grund und Boden das
neue Kurhaus entstanden ist. Mit reicher, auf die Bestimmung
des Raumes hindeutender Malerei ist der obere Teil der Wand
geschmückt: Sumpf- und Stelzvögel, reiche Ornamente und
Blumengehänge, gaukelnde Libellen und zartfarbige Wasser¬
rosen schließen sich in geschickter Reihenfolge zu einem lieb¬
lichen Reigen um die in tropischer Fülle prangenden Pflanzen-
grupnen.
Da das Spielzimmer mit einer gewölbten Decke versehen
ist wurde hier der Hauptwert auf die Dekoration der Wände
gelegt. Reiches BhunPiigersnke bildet reizende Rähmchen um
die in wunderbarer Technik' und in effektvoller Anordnung
wiedergegebenen Bilder des Kartenspiels, .
458
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Das Billardzimmer mit seiner reich gemalten Kassetten¬
decke und seinen Pflanzen- und Tiermotiven wirkt trotz seiner
geringen Höhe äußerst einheitlich; der auf grauvioiett ge¬
stimmte Grundton und der tiefgoldgelbe Wandstoff erhöhen im
Verein mit der dunkelvioletten Färbung des Holzwerkes auf
das beste seine intime Wirkung.
Und dann Küche und Keller: die Küche ein Prachtbau
mit zwölf Riesenherden, der Keller ein Lagerraum für eine
große Weinhandlung.
Vor dem Kurhaus dehnt sich die geräumige Terrasse aus, |
auf der sich nachmittags und abends die gesamte Badewelt
versammelt und „halb Oeynhausen“ sich ein Rendezvous gibt.
Wahrlich, hier ist ein Plätzchen, das an die Schönheiten der j
größten modernen Badeorte erinnert. Ein Abend auf den
Terrassen, wenn die vortreffliche Kurkapelle ihre Weisen er¬
tönen läßt, die farbenreiche Leuchtfontäne plätschert, der
Scheinwerfer die umliegenden Partien des Parkes in Tageshelle
zurückruft und der berauschende Duft des Rosengartens vor
der Molkerei hier vorüberflutet, gehört zu den schönsten An¬
nehmlichkeiten des reizenden Badeortes.
Alles in allem: Bad Oeynhausen ein Eldorado
für Kranke und Gesunde. Wer aber bei blauem Hirn- j
mel und klarer Luft in den Morgenstunden in den Kuranlagen
weilt, der steige hinauf zum Turm-Ausguck des Kurhauses und j
halte Umschau über das Land: Sein Auge übersieht den Rücken
des ganzen Wiehengebirges von der Porta Westfalica bis hinauf
gen Osnabrück, es erblickt das Lippische Bergland und die
Weserkette und sieht den Lauf der Werre und den der Weser
in zahlreichen Windungen. Ich schließe mit den Worten des [
Dichters Paul Baehr:
„Darum, ihr Kranken, kommt zur Heilung schnell!
Hier ist der Port, hier blüht das höchste Gut.'
Holt euch Genesung aus dem Zauberquell,
Stärkt eure Glieder in der Wunderflut,
Und dieses Lenzluft atmende Gefild’
Wird eurem Herzen neue Hoffnung geben, —
Bald ist der Leiden tiefe Qual gestillt,
Ihr führt mit neuer Kraft.ein neues Leben!“
VI. Tagesgeschichte,
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale [
Medizin etc.
B e r 1 i n. Für die weitere Gestaltung der wirtschaftlichen [
und sozialen Lage der deutschen Aerzte sind die Verhandlungen
von der größten Bedeutung, welche in der vom Deutschen
Reichstag eingesetzten Kommission zur Beratung des Entwurfs
der Reichsversichcrungsortlliung in der vergangenen Woche
stattgefunden haben. Zur Beratung standen die Paragraphen
1177 fl., welche die näheren Bestimmungen über die ärztliche
Versorgung der Krankenkassen enthalten. Die §§ 377 u. 378
lauten in der Fassung des Regierungsentwurfs folgendermaßen:
§ 377. Die rechtlichen Beziehungen der Krankenkassen
und der Aerzte, die sich aus der ärztlichen Behandlung der
Kassenmitglieder ergeben, werden durch Vertrag zwischen den
Kassen und den Aerzten geregelt. Der Vertrag wird entweder
als allgemeiner oder als besonderer Arztvertrag abgeschlossen.
Den allgemeinen Arztvertrag schließen die Kassen nach
Bestimmung der §§ 389 bis 395 mit den Aerzten ihres Be¬
reichs ab. Ist ein solcher Vertrag geschlossen, so kann jeder
approbierte Arzt, der im Bereiche der Kasse wohnt,
1. Kassenmitglieder behandeln, wenn er dem Vertrage
schriftlich beitritt,
2. vom Beitritt nur ausgeschlossen werden, wenn ein wich¬
tiger Grund vorliegt.
Der Kassenvorstand kann beantragen, daß ein Arzt vom
Beitritt zum allgemeinen Arztvertrag ausgeschlossen wird.
Ueber den Antrag entscheidet der Vertragsausschuß (§ 378).
Der ausgeschlossene Arzt und der Kassenvorstand haben die
Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde. Diese ent¬
scheidet endgültig.
Die Satzung kann den Vorstand ermächtigen, den Ver¬
trag als besonderen Arztvertrag nur mit bestimmten Aerzten
zu schließen und. von dringenden Fällen abgesehen, die Be¬
zahlung anderer abzulehnen. Dabei soll jedoch den Mitgliedern,
soweit es ohne erhebliche Mehrbelastung der Kasse möglich
ist die Wahl zwischen mindestens zwei Aerzten freibleiben.
Ein Wechsel des Arztes ohne Zustimmung des Vorstandes
während desselben Geschäftsjahres oder derselben Krankheit
darf ausgeschlossen werden.
§ 378. Um die Unterlagen für die Verträge festzusetzen,
den Abschluß von Verträgen zu erleichtern oder herbeizuführen
sowie Streitigkeiten aus den Verträgen zu schlichten, werden
für den Bezirk des Oberversicherungsamts ein Vertragsaus-
schuß für allgemeine und einer für besondere Arztverträge
gebildet. Jeder Vertragsausschuß besteht aus gewählten Ver¬
tretern der Kassen und der Aerzte in gleicher Zahl.
No. 29.
... P le oberste! Verwaltungsbehörde des Bundesstaates kann
tur dessen Gebiet oder Teile davon die Bezirke für die Ver¬
tragsausschüsse anders begrenzen.
Die Kosten des Vertragsausschusses werden auf die be¬
ledigten Krankenkassen und Aerzte nach Bestimmung der
obersten Verwaltungsbehörde umgelegt. Diese kann be-
stim inen,
1. daß die Kassen und die Aerzte je die Kosten ihrer Ver¬
treter selbst zu tragen haben,
2. daß die Kosten nach einem anderen Maßstab verteilt oder
_ von den Krankenkassen allein getragen werden,
3. wie die zur Deckung der Auslagen erforderlichen Vor¬
schüsse zu leisten sind,
4. daß für das Verfahren vor dem Vertragsauschuß Ge¬
bühren erhoben werden; sie werden zur Deckung der
Kosten verwendet.
Diese Bestimmungen wurden, wie früher an anderer Stelle
mitgeteilt, auf das schärfste von der im Deutschen Aerztevereins-
bund vertretenen deutschen Aerzteschaft bekämpft, weil sie die
von den deutschen Aerzten mit Recht erstrebte allmähliche Ein¬
führung der freien Arztwahl bei den Krankenkassen so gut
wie illusorisch machen. Ueberlassen sie doch die Wahl des
Kassenarztsystems wie bisher der Willkür des Kassenvor¬
standes. Die daraus für das wirtschaftliche, sittliche und wissen¬
schaftliche Niveau des Aerztestandes zu befürchtenden Folgen
sind ja bekannt genug und brauchen hier nicht von neuem
beleuchtet zu werden. Trotz aller Resolutionen des Deutschen
Aerztevereinsbundes, der in letzter Stunde auf dem im April
einberufenen Aerztetag seine Bedenken gegen die Bestim¬
mungen des Entwurfs in aller Schärfe zum Ausdruck brachte,
hat die Kommission die §§ 377 und 378 mit unerheblichen Ab¬
änderungen angenommen. Gegen die Paragraphen
stimmten nur die Vertreter der fortschrittlichen
Volkspartei und ein Mitglied der Nationalliberalen. Für
die Regierungsvorlage stimmten alle übrigen Kom¬
missionsmitglieder, also neben Konservativen, Zentrumsleuten,
Nationalliberalen, Antisemiten usw. vor allem die Sozial¬
demo k r at e n, die seit etwa 10 Jahren in der Kassenarztfrage
einen merkwürdig reaktionären Standpunkt einnehmen, trotz¬
dem die meisten sozialdemokratischen Aerzte mehr als ein¬
mal für die Forderungen der ärztlichen Organisation, vor allem
für die organisierte freie Arztwahl öffentlich eingetreten sind.
Die Freunde der Regierungsvorlage griffen natürlich
die deutschen Aerzte im allgemeinen und die Standesver-
tretungen im besonderen, vor allem aber den bösen Leipziger
Verband, auf das schärfste an. Der böse Leipziger Verband!
Was hat er denn bisher so Schlimmes gegen die Kassen unter¬
nommen? Konnte er die Vorgänge in Cöln und Bocholt
verhindern, wo die einheimischen Aerzte ausgesperrt sind und
auswärtige Aerzte die gesamte Kassenpraxis versehen.
Sind irgendwelche Kassen im Deutschen Reich durch den
Leipziger Verband ohne Aerzte? Vorläufig stellt der Leipziger
Verband nur eine große Unterstützungsorganisation der deut¬
schen Aerzte dar, die nach Möglichkeit die willkürliche Aus¬
sperrung von Aerzten durch Krankenkassen verhüten will
und nach Kräften dadurch brotlos gemachte ärztliche Exi¬
stenzen über Wasser zu halten bemüht ist. Das nennen die
Aerztegegner, u. a. der Staatssekretär Dr. Delbrück, einen
Terrorismus schlimmster Art. Ein anderer Redner
drückte sich noch geschmackvoller dahin aus, der Leipziger
V e r b a-n d wolle alle Aerzte unter seine Knute
bringen! Tn zweiter Linie wurden die ärztlichen Ehrengerichte
angegriffen, auch von seiten der Regierungskommissare, weil
sie angeblich ihre Tätigkeit ganz einseitig im Sinne des Leip¬
ziger Verbandes ausübten. Jeder, der die einschlägigen Ver¬
hältnisse kennt, besonders die Entscheidungen des Ehrengerichts¬
hofes, weiß, daß nichts weniger gerechtfertigt ist als dieser
Vorwurf Eine Entscheidung des Ehrengerichtshofs hat einmal
sogar einen Arzt verurteilt, der — angeblich in unzulässiger
Weise und um sich materielle Vorteile zu verschaffen — f ür d i e
freie Arztwahl agitiert hatte. Hingegen wurden gewisse
Hauptgegner der freien Arztwahl, deren Verhalten bei Ver¬
tragsabschlüssen mit den Krankenkassen dem Ehrengericht
unterbreitet worden war. ‘jedesmal freigesprochen! Trotzdem
die immer wiederkehrende Behauptung, die Ehrengerichte ur¬
teilen einseitig im Sinne des Leipziger Verbandes! Auf die
Angriffe der Regierungsvertreter gegen die ärztlichen Ehren¬
gerichte kündigte schließlich, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, ein
Vertreter der fortschrittlichen Volkspartei (wir vermuten, der
Abgeordnete San.-Rat Dr. M u g d a n.) an, er werde seine
Parteigenossen im Preußischen Abgeordnetenhause ver¬
anlassen- einen Initiativantrag auf Abschaffung der ärztlichen
Ehrengerichte und Standesvertretung einzubringen und ihn mit
den Ausführungen zu begründen, die die Vertreter des Reichs¬
amts des Innern in dieser Kommission gemacht hätten. Hoffent¬
lich folgt diesen Worten die Tat: denn positive Leistungen zum
Nutzen der Aerzte hat die Standesvertretung bisher nicht auf¬
zuweisen; Beschlüsse der Aerztekammern in ärztlichen Fragen
werden von den Regierungsbehörden fast grundsätzlich nie-
No. 29.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
459
mals beachtet. Warum also die Aerztekammem bestehen
lassen? — Ebensowenig orientiert wie über die Recht¬
sprechung der ärztlichen Ehrengerichte zeigten sich, wie sich
bei der Beratung schließlich herausstellte, die maßgebenden
Regierungsvertreter trotz jahrelanger Vorbereitung des Gesetz¬
entwurfs über das Wesen und die Einrichtung der organisierten
freien Arztwahl. Man ist sich, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt,
in Regierungskreisen jetzt darüber klar geworden, daß die
Verträge, auf denen gegenwärtig in Leipzig, Berlin, Frank¬
furt a. M., München die freie Arztwahl beruht, im Sinne des
S 1177 ebenfalls besondere Aerzteverträge seien und daß die
algemeinen Arztverträge des Entwurfs, wenn dieser Gesetz
würde, voraussichtlich nur -auf dem Papier existieren wür¬
den. Der Staatssekretär Delbrück soll deshalb erklärt
haben, er sähe es selbst jetzt ein, daß die Paragraphen so,
wie in dem Entwurf, unmöglich bleiben könnten und in der
zweiten Lesung einer gründlichen Umarbeitung bedürften. —
Im weiteren Verlauf der Beratung wurde der Entwurf bis
zum § 403 mit einigen mehr oder minder wesentlichen Äende-
rungen angenommen. Der § 380 lautete im Regierungsentwurf
folgendermaßen:
§ ^380. Die Wahlen zu den Ausschüssen für allgemeine
und für besondere Arztverträge finden gesondert statt.
Die Kassenvertreter werden von den Vorständen der be¬
teiligten Krankenkassen gewählt. Wählbar jst jedes Vor¬
stands- oder Auschußmitglied sowie jeder Beamte oder An¬
gestellte einer beteiligten Krankenkasse.
Zur Wahl der Arztvertreter stellt die höhere Verwaltungs¬
behörde für jeden Vertragsausschuß eine Liste auf. In diese
Liste kann sich jeder Arzt eintragen lassen, der im Bezirke
des Vertragsausschusses wohnt und nachweist, daß er mit
einer beteiligten Krankenkasse in einem Vertragsverhältnisse
der entsprechenden Art steht oder innerhalb der letzten zwei
Jahre vor der Wahl gestanden hat. Eine Woche vor der Wahl
wird die Liste geschlossen. Jeder in die Liste eingetragene
Arzt ist wählbar und wahlberechtigt. Die Arztvertreter werden
nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt.
Die Arztvertreter sind durch die für den Bezirk zuständige
ärztliche Standesvertretung zu wählen, wenn die in die Liste
eingetragenen Aerzte es einstimmig beantragen.
Der § 380 erhielt den Zusatz: Jeder Arzt kann sich nur in
eine Liste eintragen. Soll hierdurch eine dauernde Spaltung in
die Aerzteschaft hineingetragen werden? Zum Schluß der Be¬
ratung über die Aerzteparagraphen erklärte nach der „Voss.
Ztg.“ Staatssekretär Delbrück, daß die Frage, ob freie
Arztwahl oder Kassenarztsystem, durch die Debatte in der
Kommission und in der Presse vollkommen dahin geklärt sei,
daß weder das eine noch, das andere allein möglich sei. Wenn
man an der vollen Selbstverwaltung der Kassen festhalte und
einen Vertragsausschuß schaffe, könne man die Regelung der
Frage ganz der Praxis überlassen, und alle speziellen Bestim¬
mungen (§§ 377 fl.) seien überflüssig. Darin muß man dem
Staatssekretär eigentlich beistimmen; mit dieser Bemerkung,
wenn sie dem Sinne nach richtig in dem uns vorliegenden Be¬
richt wiedergegeben ist, hat er aber den Gesetzentwurf, für
welchen er verantwortlich zeichnet, teilweise selbst desavouiert.
Soviel geht aus der bisherigen Beratung hervor, daß die Aerzte
in ihrem Ringen um eine standeswürdige Stellung bei den
Krankenkassen von der Regierung ünd dem Reichstag keine
Hilfe zu erwarten haben. Entweder bleibt alles beim Alten
oder die Lage der Aerzte wird durch das neue Gesetz noch
verschlechtert. Nach wie vor ist die deutsche Aerzteschaft auf
Selbsthilfe angewiesen. — Vorläufig ist abzuwarten, welche
Metamorphosen die Reichsversicherungsordnung in den weite¬
ren Lesungen schließlich erfahren wird. Eine endgültige Be¬
deutung hat ja diese erste Beratung auf keinen Fall, wie aus
den Aeußerungen einiger Kommissionsmitglieder zu ent¬
nehmen war.
Halle a. S. Hier scheint wieder ein Konflikt zwischen
den Aerzten und Krankenkassen bevorzustehen. Die Aerzte
der kaufmännischen Ortskrankenkasse haben ihre Verträge ge¬
kündigt, um freie Arztwahl bei angemessenen Honorarsätzen
zu erreichen, aber erst dann, als die Aerzte erfuhren, daß die
Kasse mit einzelnen Aerzten hinter dem Rücken der anderen
feste Verträge abzuschließen versuchte. Es wird dann weiter
berichtet, daß die anderen dem Halleschen Kassenverband an¬
gehörenden Krankenkassen sich dem Vorgehen der kaufmän¬
nischen Kasse anzuschließen beabsichtigten und ebenfalls neue
Aerzte anstellen wollten. Von anderer Seite wird dies jedoch
bestritten; die übrigen Hallenser Krankenkassen sollen mit
dem Vorgehen der kaufmännischen Kasse nicht einverstanden
sein. Eine Vertreterversammlung des Hallenser Kranken¬
kassenverbandes faßte nämlich folgenden Beschluß: „Um die
Friedensliebe der hiesigen Krankenkassen und den Wunsch
derselben zu dokumentieren, die leidige Angelegenheit zu
einem für Aerzte wie Krankenkassen annehmbaren Abschluß
zu bringen, wird der Vorstand beauftragt, unter Hinzuziehung
je eines Vertreters der im Verbandsvorstande nicht vertretenen
Krankenkassen Verhandlungen mit der ärztlichen Vertrags¬
kommision anzubahnen und dieselbe zu ersuchen, zu diesen
Verhandlungen auch bisherige Kassenärzte heranzuziehen.“
Universitätswesen, Personalnachrichten.
— An den 21 Universitäten des Deutschen Reichs befinden
sich im laufenden Sommerhalbjahr 54 845 immatrikulierte Stu¬
dierende, worunter 2169 Damen, gegen 51 700 im Sommer des
Vorjahres und 33 700 vor zehn Jahren. Außer diesen imma¬
trikulierten Studierenden haben diesen Sommer noch 2680
Männer und 1226 Frauen als sog. „Gastzuhörer“ die Erlaubnis
zum Besuch von Universitätsvorlesungen erhalten, so daß die
Gesamtzahl der Berechtigten 58 755 beträgt, gegenüber 55 554
im Vorjahre. Von der derzeitigen eigentlichen Studentenzalfl
sind 27 577 an den zehn preußischen Universitäten ein¬
geschrieben gegen 25 638 im Vorjahre; an den drei bayerischen
befinden sich 9269 gegen 9074, an den zwei badischen 5297
gegen 4931 und an den übrigen sechs einzelstaatlichen (ein¬
schließlich der reichsländischen) 12 602 gegen 12 057. Stark
die Hälfte des Zuwachses entfällt auf die Philosophen, Philo¬
logen und Historiker, die 15 475 zählen, gegen 13 911 im vor¬
jährigen Sommerhalbjahr und etwa 6000 vor fünf Jahren.
Auch die Mediziner weisen eine Steigerung von 9462 auf
10 682 auf. Auf die einzelnen Universitäten verteilen sie sich:
Berlin 7902 Studierende gegen 7194 im Sommer 1910; München
6890 (6547), Leipzig 4592 (4581), Bonn 4070 (3801), Freiburg
2884 (2760), Halle 2451 (2310), Breslau 2432 (2347), Heidel¬
berg 2413 (2171), Göttingen 2353 (2239), Marburg 2192 (2134),
Tübingen 2061 (1921), Münster 2007 (1760), Straßburg 1964
(1935), Jena 1817 (1606), Kiel 1760 (1593), Würzburg 1429
(1369), Königsberg 1381 (1293), Gießen 1334 (1271), Erlangen
1050 (1158), Greifswald 1029 (967), Rostock 834 (743).
Berlin. ,Dr. Georg Finder, Oberarzt an der Uni¬
versitätsklinik für Nasen- und Kehlkopfkrankheiten in der
Charite unter Geheimrat B. Fraenkel, hat den Professor¬
titel erhalten.
— Das Padersteinstipendium ist für dieses Jahr von der
Berliner medizinischen Fakultät dem Assistenten am anato¬
mischen Institut daselbst Dr. Friedrich Hein zuerkannt
worden.
Rostock. Der Kliniker Prof. M a r t i u s ist für das kom¬
mende Studienjahr zum Rektor gewählt worden.
Göttingen. Zum Nachfolger des Prof. Verworn auf
dem Lehrstuhl der Physiologie und in der Leitung des physio¬
logischen Instituts wurde der Breslauer Privatdozent Professor
Dr. med. Paul Jensen berufen.
Leipzig. Als Nachfolger Curschmauns in der
Leitung der medizinischen Universitätsklinik ist jetzt Professor
vonStrümpell (Wien) berufen worden; er wird dem Rufe
Folge leisten und hat sich bereits von seinen Wiener Hörern
verabschiedet. Er gehörte bekanntlich schon 1883—1886 der
Leipziger medizinischen Fakultät als außerordentlicher Pro¬
fessor und Direktor der medizinischen Poliklinik an; er hatte
auch in Leipzig seine Studien beendigt und war 1876—1882
Assistent an der medizinischen Klinik unter Wunderlich
und E. Wagner gewesen.
Dresden. Der Assistenzarzt der städtischen Heil- und
Pflegeanstält Dr. Klengel wurde zum Stadtarzt von Leipzig
gewählt. — Der bisherige Oberarzt der II. inneren Abteilung
der Stadtkrankenhauses Friedrichstadt Prof. Dr. Rostoski
wurde zum Oberarzt der inneren Abteilung des Stadlkranken¬
hauses Johaimstadt ernannt.
Kiel. Der Marine-Generalarzt Dr. Paul
Arendt, Flottenarzt der Hochseeflotte, ist an einem Nieren¬
leiden gestorben. Er gehörte der Marine seit 1885 an und wai
1890 Marine-Stabsarzt geworden. Seit 1907 war er Marine-
Generalarzt. I I ■ . 1
Breslau. Prof. Filehne w’urde von der Academie
de Medecine in Paris zum auswärtigen Mitglied gewählt.
Würzburg. Prof. Kretz in Prag hat den hui als
ordentlicher Professor der pathologischen Anatomie an Stelle
von Prof. B o r st angenommen.
Tübingen. Nachdem Prof. Anschutz (Kiel) den Rut
als Nachfolger von Prof. Bruns abgelehnt hat, ist Prof.
Payr (Greifswald) berufen worden; er hat aber dem ver¬
nehmen nach ebenfalls abgelehnt. Für Tropenheilkunde wird
sich Dr. Olpp, 2. Direktor des tropenärztlichen Instituts, haln-
litieren. , . . , , .
Prag. Der ordentliche Professor der Chirurgie der deut¬
schen Universität, der im 61. Lebensjahre stehende Professor
Anton W ö 1 f 1 e r, ein Schüler B i 11 r o t li s, tritt wegen
Krankheit von seiner Lehrtätigkeit zurück.
Budapest. Zum ordentlichen Professor der Derma¬
tologie wurde der a. o. Professor Dr. Ludwig Nekam er¬
nannt. Diese Berufung hat, wie wir der „Wiener med. Wochen¬
schrift“ entnehmen, eine Vorgeschichte, in welcher politische
und konfessionelle Momente eine Rolle gespielt haben. Del
Privatdozent l)r. Adolf Onodi wurde zum außerordent¬
lichen Professor für llhinologie Und Laryngologie ernannt.
460
No. 29.
THERAPEUTISCHE
Hasel. Dr. Ernst Hagenbach-Merian habili¬
tierte sich für das Fach der Chirurgie. Am Jubiläumstage er¬
nannte die medizinische Fakultät zu Ehrendoktoren den Zoo¬
logen Prot. Zschokke aus Basel und Prof. Schöne aus
Greifswald, letzteren wegen seiner Arbeiten zur Geschichte der
ältesten griechischen Medizin; die philosophische Fakultät den
Fabrikanten und Ingenieur Friedrich Klingelfuß aus
Basel, der durch systematisch-wissenschaftliche Untersuchungen
auf dem Gebiete der elektrischen Induktoren und der Röntgen¬
strahlen für die Physik und die Medizin wertvolle Hilfsmittel
geschaffen hat.
Pari s. Der seit Jahren hier lebende Ophthalmologe Prof.
Richard Liebreich, bekanntlich der ältere Bruder des
vor 2 Jahren verstorbenen hervorragenden Berliner Pharma¬
kologen Oscar Liebreich, feierte am 30. Juni d. J. seinen
80. Geburtstag.
Kongreß- und V ereinsnaclirichten.
Königsberg i. Pr. Die 82. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte, die im September d. J. in Königs¬
berg i. Pr. tagen wird, plant eine Rundfahrt mit Sonderdampfer
in der Ostsee. Die Fahrt beginnt am 5. September in Swine¬
münde, berührt Wisby auf Gotland, Stockholm (Aufenthalt
zwei Tage), Helsingfors, Wyborg (zum Besuch der Imatrafälle),
Petersburg (Aufenthalt drei Tage), Riga und endet in Pillau
am 18. September früh. Es ist Sorge getragen, daß die Teil¬
nehmer der Fahrt rechtzeitig zur Eröffnung der Versammlung
in Königsberg i. Pr. eintreffen. Schleunige Anmeldung zur
Teilnahme ist dringend erwünscht. Nähere Auskunft erteilt der
Vorsitzende des Verkehrsausschusses der 82. Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte, Herr C h r. B o t h e , Kö¬
nigsberg i. Pr., Schleusenstraße.
Gerichtliches.
Dresden. Im Gegensatz zu der kürzlich hier mitgeteil-
ten Entscheidung des königlich sächsischen Ober¬
in n d e s g e r i c h t s (vgl. Allg. med. Central-Ztg. 1910, No. 25,
S. 347) hat die königliche Amtsanwaltschaft zu Dresden kürzlich
beschlossen, ein gegen einen Arzt, der sich auf seinem Türschild
als „Dr. med. K., approb. Arzt, Spezialarzt für Zahn- und Mund¬
krankheiten, Zahnersatz“ bezeichnete, wegen Vergehens gegen
die Gewerbeordnung § 147, Ziffer 3 eingeleitetes Strafverfahren
einzustellen, da „einerseits eine allgemein als Arzt approbierte
Person (Vollmediziner) berechtigt ist, sich einen Titel beizu-.
legen, der auf ein spezielles Gebiet der Heilkunde hinweist, wie
„Spezialarzt für Zahn - und Mundkrankheiten“,
und da andererseits die von Dr. K. gewählte Bezeichnung
nicht besage, daß er speziell als Zahnarzt approbiert sei.“
Das „Ivorresp.-Bl. d. kgl. sächs. Aerztevereine“ (1910, No. 13,
S. 249) bemerkt zu vorstehender Mitteilung: „Auffallend ist, daß
an demselben Gerichtsort die erste Instanz der Strafbehörde
trotz wiederholter Entscheidungen der höchsten Instanz eine
entgegengesetzte Ansicht vertritt. Welche Ansicht ist nun die
richtige ?“
Stuttgart. Ein hiesiger Arzt hatte bei der württem-
bergischen Baugewerbsberufsgenossenschaft eine Honorar-
forderung erhoben, gegen die Verjährung geltend gemacht
worden war. Der Arzt sandte darauf dem Vorstand der Ge¬
nossenschaft einen Brief, in dem er drohte, die Angelegenheit
im ärztlichen Verein zur Sprache zu bringen und eine Sperrung
der Gutachten zu beantragen. Das Königl. Medizinalkollegium
hatte die Honorarforderung als zu hoch bezeichnet. Die Ge¬
nossenschaft erhob darauf Klage wegen Erpressung, und der
Arzt wurde zu acht Tagen Gefängnis verurteilt. — Der Fall
mahnt die Kollegen aufs neue, bei Geltendmachung von Ho-
uoraransprüehen mit der größten Gewissenhaftigkeit und Vor¬
sicht, besonders auch in der Form, vorzugehen.
Verschiedenes.
Elsaß-Lothringen. In den Nachrichten des Statisti¬
schen Landesamts für Elsaß-Lothringen werden die Ergebnisse
einer Untersuchung über den Anteil der ärztlich Behandelten
unter den Gestorbenen veröffentlicht, die zum erstenmal über
die Häufigkeit der Beiziehung ärztlicher Hilfe in Elsaß-Loth¬
ringen Aufschluß geben. „Demnach sind rund 8000 Personen,
also mehr als ein Viertel aller Gestorbenen, im Jahre 1909
verschieden, ohne daß ihnen ärztliche Hilfe zuteil geworden
ist. In den Städten ist die Beiziehung eines Arztes in Krank¬
heitsfällen naturgemäß häufiger als auf dem Lande. In der
Stadt sind 94,6 pCt. aller Gestorbenen in ärztlicher Behandlung
gewesen, in der Stadt Mülhausen waren es sogar 95,6 pCt. Von
den Bezirken weist Oberelsaß die günstigsten Zahlen auf. Im
Bezirk Unterelsaß bleiben die Kreise Weißenburg, Erstein,
Schlettstadt und Zabern hinter dem Durchschnitt zurück. Auf¬
fallend gering ist der Anteil der ärztlich Behandelten unter den
Gestorbenen im Bezirk Lothringen. Sieht man von der Stadt
Verantwortlic.h für den redaktionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin
Verlag von Oscar Coblentz. Expeditionsbureau: Berlin W. 30, Maasseustr
RUNDSCHAU 1910.
Metz ab, so ergeben sich für den Bezirk Lothringen nur 60,3 pCt.
aller Todesfälle als ärztlich behandelt. Die Durchschnitts¬
zahlen für das Land sind im ganzen in Elsaß-Lothringen etwas
günstiger als in Bayern und Würtemberg, bleiben dagegen
hinter Baden zurück. Jedoch mußten für Württemberg und
Baden die Zahlen für das Jahr 1907 zum Vergleich heran-
gezogen werden, während die für 1908 wohl etwas höher sein
würden.
BewYor k. Aus Anlaß des 80. Geburtstages des deutsch¬
amerikanischen Arztes Dr. Abraham Jacobi, des be¬
kannten Paediaters, hat Frau Anna Wörishöf er eine Stif¬
tung von 100 000 Dollars zur Errichtung eines Kinderpavillons
im Deutschen Hospital in New York gemacht.
VII. Amtliche Mitteilungen,
Personalien.
Auszeichnungen: Brillanten zum Roten Adle r-
Orden 2. Kl. mit der Kröne: Leibarzt Generalarzt
Dr. v. 11 b e r g.
Königl. Kr on en-O r d en 2. Kl.: Geh. Med.-Rat Dr. Bier
in Berlin.
Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: Oberstabsarzt z. D.
Prof. Dr. S a 1 z w e d e 1 in Schöneberg.
Roter Adler-Orden 4. Kl.: Dr. G. Linde mann in
Hannover, Dr. Hirschfeld in Brisbane.
Kreuz der Ritter des Königl. Hausordens.von
H o h e li z o 11 e r n: Leibarzt Oberstabsarzt Dr. N i e d n e r.
Rote Kreuz-Medaille 3. Kl.: Prof. Dr. S t i e d a in
Halle, Dr. Ad. v. Chamisso de Bonc.ourt in Stargardt
in Pommern.
Charakter als Medizinalrat: den Kreisärzten Dr. F r,
Bachmann in Harburg, Dr. M. H o p m a n n in Briesen, Dr.
A. Dietrich in Rixdorf, Dr. K. Lachmann in Gels, Dr.
F. B a n i k in Schlochau und Dr. A. Bartels in Husum,
sowie den Gerichtsärzten Dr. G. K e f e r s t e i n in Magdeburg
und Dr. H. Martini in Breslau.
Charakter als Geheimer Sanitätsrat: San.-Rat
DDr. Mer sc heim in Essen.
Prädikat Professor: den Stabsärzten Dr. N a p p und Dr.
Momburg in Berlin, und Dr. Friedländer in Hohe
Mark.
Ernennung: Kreisassistenzarzt Dr. P a 11 e s k e in Stral¬
sund zum Kreisarzt in Greifenhagen, Dr. S e i t z in Borgholz¬
hausen zum Kreisassistenzarzt in Halle i. W.
Versetzungen: Kreisarzt Dr. Engels von Gummersbach
nach Saarbrücken, Kreisarzt Dr. Gross von Greifenhagen
nach Gummersbach.
Niederlassungen: Arzt R. Eden in Berlin, Aerztin Dr.
Fr. Leuss in Charlottenburg, Dr. Liebrecht in Berlin,
Dr. Mertens und Dr. Schenk in Charlottenburg, Dr. W.
S c h u 11 z e , Dr. Sieber und Dr. S t ö 11 in Berlin, Dr. A.
Strobel in Charlottenburg, Dr. V o r d t r i e d e in Berlin,
Dr. Ascher in Landsberg a. W„ Dr. Hartmann in Dem-
min, Dr. Kahl in Stralsund, Dr. Philip pi in Trier, M.
L i 1 i e n t h a 1 in Danzig, Buchmann in Riemertsheide,
K. Goldammer in Hohndorf, Dr. Wolf in Merseburg,
G. Albert und R. Jäger in Halle a. S„ Dr. F r. W.
Schmidt in Frankfurt a. M., Dr. F. C o b n in Kolberg.
Verzogen: San.-Rat Dr. Heinrich und Dr. Eimann von
Posen nach Neuburg a. D. bezw. Gera, Generaloberarzt a. 1).
Dr. Haertel von Krotoschin nach Krappitz, Dr. Mahlo
von Jutroschin nach Prittisch, Dr. P u p k e von Prittisch nach
Bentschen, Dr. Thenne von Posen nach Schmiegel, J. M a j
von Kazmierz nach Wronke, Dr. Gensero wski von
Zduny nach Krotoschin, Prof. Dr. Czerny von Breslau nach
Straßburg, Dr. Herschei m e r von Straßburg und Dr.
S a m e 1 s o n von Karlsruhe nach Breslau, Dr. H e n k e von
Breslau nach Königsberg i. Pr., Dr. Scholz von Nietleben
nach Breslau, Dr. Fr. Müller von Breslau nach Liegnitz,
Dr. Davidson und Dr. Rupprecht von Breslau nach
Hannover bezw. Dresden, Dr. Clingst e in von Würzburg
und Dr. Hertel von München nach Breslau, Dr. Fundne r
von Zillerthal nach Altheide, Dr. Lagreze von Arosa nach
Kudowa, Dr. Ortlop von Untersteinbach nach Waldenburg,
Dr. Flemming von Habelschwerdt nach Salzbrunn, Dr.
Kins eher von Peterwitz nach Breslau, Dr. Höhlmann
von Görlitz nach Liegnitz, Dr. Berndt von Wigandsthal
nach Görlitz, Dr. Blumensath von Hirschberg nach
Blankenburg, R. S t o e z von Hohenwiese nach Kutzenberg,
Dr. R o n g e von Berthelsdorf nach Görlitz, Dr. A r m and
von Lauban nach Altenburg, Dr. Born von Bolkenhain nach
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mit Posaunenstössen der Welt verkündeten, selbst unter dem
empfehlenden Protektorate der Berühmtheiten auf den Markt
gebrachten künstlichen Nährmittel überdauert. „Simplex veri
sigillum“ (Das Kennzeichen des Wahren und Guten ist die Ein¬
fachheit). So ist es denn gekommen, dass bei der Ernährung
von Schwachen, von Rekonvaleszenten, Greisen oder
Magenleidenden neben Bouillon mit Graupen oder Haferschleim,
neben Gelees und Flammeries, neben Pürees von Hühner- und
Taubenfleisch und starken alten Süssweinen sich als tägliche
Kost der schlichte, altgewohnte Milchzwiebackbrei immer als das
Beliebteste erwiesen hat. Ihn findet man in der ärmsten Hütte
wie im Palast, überall wo Kinder oder Kranke leicht uiid doch
genügend ernährt werden sollen, und gerade diesem Umstande
hat auch das Nestle’sche Kindermehl, ursprünglich nur für Kinder¬
ernährung bestimmt, welches ja nichts anderes als ein exquisit
feines „Milch-Zwieback-Pulver“ ist und sein will und dessen
Zubereitung nur heisses Wasser erfordert, seine unerschütterte,
immer zunehmende Beliebtheit zu verdanken.
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Redaktion:
Dr< H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131B
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Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
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IV. Jahrgang Berlin, 33. Juli 1910 IVo. 30
Die „Therapeutisclie Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie siimtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 60 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Dölliug: Landarzt- I
liehe Blutantherapic.
Iiaubitschek: Ueber moderne Raumdesinfektion. — He-
dinger: Ueber Verkalkung der Leber. — Wiesner: Früh¬
zeitige allgemeine Verknöcherung der Rippenknorpel — eine
Röntgenschädigung? — Alexandroff: Ueber die analeptische
Wirkung des Alkohols hei pathologischen Zuständen. — Kisch:
Ueber plötzliche Todesfälle in den Kurorten. — Benczür:
Die wahre Bedeutung des sogenannten maximalen Blutdrucks.
— Funck: Ueber Transthermie und die Therapie mitAether-
wellen. — Segel: Ein Beitrag zur Therapie des Asthma bron¬
chiale. — da Gradi: Ueber den Verlauf der Kehlkopftuber¬
kulose bei der mit künstlichem Pneumothorax behandelten Lungen¬
schwindsucht. — Riehl: Zur Behandlung der Bauchwasser¬
sucht mit Kollargol. — Gross: Eine Duodenalröhre. — Ber-
nouille: Ueber den Wert der Cammidge-Reaktion für die
Diagnose von Pankreaserkrankungen, — Siebke: Beitrag zur
Frage des Niereudiabetes. — Hauptmann: Ein Fall von pri¬
märem Milzsarkom — Kuchendorf: Zwei Fälle von Base¬
dowscher Krankheit durch Röntgenstrahleu sehr günstig beein-
flußt. — Siegmund: Schilddrüserisch wache und Zuckerhunger.
— v. Niessl-Mayendorf: Die linke dritte Stirnwindung spielt
keine Rolle im Mechanismus der Sprache. — Nägeli: Nach¬
untersuchungen bei traumatischen Neurosen. — Cluss: Ueber
Dauererfolge der operativen Behandlung der traumatischen |
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Landärztliche Blutantherapie.
Von
Dr. med. Max Dölling, prakfc. Arzt, Wolkonbuog a. d. Mulde.
Im Anschlüsse an die bereits früher seit längeren Jahren
gebräuchlichen Liquores Ferro Manganici., welche
jedoch alkoholhaltig sind, ist seitens der Chemischen
Fabrik Helfenberg A.-G., vorm. Eugen Dieterich in
Helfenberg i. Sa. seit mehreren Jahren das Dr. K. Die¬
terich sehe „B1 u t a n“ in den Handel gebracht worden.
„Blutan“ ist ein gänzlich alkoholfreier Liquor Ferro
Mangani Peptonati mit Äcid. Albumin. Vermöge
seiner Imprägnierung mit Kohlensäure (D. R.P.) erweist sich
„Blutan“, auch ohne Alkoholzusatz/ von vorzüglicher lang¬
andauernder Haltbarkeit. Das „Blutan“ ist ein bewährtes
Eisenpräparat, welches Dr. K. Dieterich der modernen
Abstinenzbewegung in geschickter Weise ajfgepaßt hat. Es
liegen bereits eine ganze Reihe von ärztlichen Mitteilungen
vor, die für den therapeutischen Wert des „Blutan“
sprechen.
Auch die vorliegende Abhandlung, die sich auf die
praktischen Erfahrungen des Verfassers in mehrjähriger
Landpraxis stützt, soll dazu dienen, dem „Blutan“ das
allgemeine Interesse zuzuwenden und demselben neue
Freunde zuzuführen. Der Gebrauch von „Blutan“ ist in allen
Fällen indiziert, in denen überhaupt ein wohlpräpariertes
Eisenpräparat mit Vorliebe gebraucht wird, also vor allem
bei Schwächeerscheinungen jeder Art und Gattung, bei
Unterernährungszuständen, hei Erscheinungen der Phthisis
pulmonum, Rachitis, ' Skrofulöse, ferner bei Anämie,
Chlorose, Amenorrhoe, Dysmenorrhoe usw. Als Dar¬
reichungsmodus erscheint es am besten, von „Blutan
3 mal täglich, im direkten Anschluß an die Nahrungs¬
aufnahme, i/ 2 —1 Likörglas voll in Milch nehmen zu lassen.
Streng kontraindiziert ist, analog dem Gebrauche jedweden
anderen Eisenmittels, der Genuß saurer oder auch fetter
Speisen und Getränke dieser Art, da sich im anderen Falle
im menschlichen Magen-Darmtraktus Nebenerscheinungen
zeigen können. Bezüglich der Kardinalfrage, ob man denn
Jacksonsclieu Epilepsie. — Ulrich: Weitere Mitteilungen
über die praktische Verwendung des Kochsalzes in der Behand¬
lung der Epilepsie. — Fi ekler: Atropinwahnsinn bei einem
Asthmatiker —Grossich: Zu meinem Desinfektionsverfahren
der Haut des Operationsfeldes mittels Jodtinktur. Einige Be¬
merkungen und Berichtigungen. — Franke: Narkosen be^
künstlich verkleinertem Kreislauf. — von den Velden: Di(-
prophylaktische Blutstillung bei Operationen. —Bibbert: Ueber
Knochennekrose durch Gefrieren. — Papaioannou: Ein Fall
von zirkulärer Arteriennaht. — Tiegel: Experimentelle Studien
über die Chirurgie des Bronchus. — Koväcs: Die operative
Behandlung der kindlichen Leistenbrüche.—F rank: Die Bilharzia-
krankheit der Harnblase.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 22. Juni 1910. —
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom
4. Juli 1910. — Freie Vereinigung für Mikroboliogie. —XIX. Ver¬
sammlung der Deutschen Otologischen Gesellschaft.
III. Therapeutische Notizen. Boer: Ueber flüssige Seifen.
IV. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal-
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Ver¬
schiedenes.
V. Amtliche Mitteilungen. Bekanntmachungen. — Personalia
unbedingt ein absolut alkoholfreies Medikament bevor¬
zugen solle, sei darauf hingewiesen, daß sich bei manchen
Erkrankungsformen der Gebrauch von Alkoholicis ganz und
gar verbietet, so z. B. bei gewissen Herzleiden, bei gewissen
Nierenleiden, bei. der Harnsäuregicht (Arthritis urica), bei
Gelenkrheumatismus mit Herzkomplikationen, bei Neur¬
asthenie, Hypochondrie, Melancholie nsw. Viele dieser
Leiden basieren erfahrungsgemäß erst auf dem Abusus
der Alkoholica. Selbstredend darf man einem solchen
Patienten nicht ein alkoholhaltiges Roborans
darreichen wollen. Ebenso gilt auch in der Kinderpraxis
mit vollstem Rechte der Grundsatz, den Alkohol gänz¬
lich zu meiden, und ebenso empfiehlt sich die Ver¬
meidung inderallgemeinen Kassenpraxis aus
dem Grunde außerordentlich, daß sehr viele Patienten
nur zu sehr geneigt sind, mit den alkoholhaltigen
Eisenliquores einen großem Mißbrauch, im
Sinne von Alkoholvöllerei, zu treiben.
Daß in manchen Fällen, wobei der Alkohol im Sinne
eines Herzanregungsmittels (Analepticums) ge¬
braucht wird, auch die beieits erwähnten alkoholhaltigen
Eisenliquores ihre berechtigte Bedeutung haben,
und wohl auch stets behalten werden, ist ebenso
selbstverständlich.
Aus der weit größeren Anzahl der vom Verfasser in
eigener Landpraxis beobachteten, mit „Blutan“ behandelten
Erkrankungsfällo seien die nachfolgenden besonders hervor¬
gehoben :
1. Ein zehnjähriger landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter geriet
mit seiner linken Hand zwischen die beiden Messer einer
Häckselschnittmaschine und erlitt beim Unfälle einen größeren
Blutverlust, der sich auf dem Wege nach Verfassers Wohnung
noch wesentlich vergrößerte. Nach der Amputation des ersten
Gliedes des Kleinfingers der linken Hand, galt es, dem armen
verunglückten Knaben bald wieder zu Kr-äften zu verhelfen.
Verfasser erzielte in diesem Falle mit „Blutan“, in Darreichung
von drei Likörgläsern in Milch pro die, einen beachtenswert
guten Erfolg. Der kleine Patient erholte sich in kurzer Zeit
völlig zur Genesung.
2. Eine Landmagd, 24 Jahre alt, aus kränklicher und unter¬
ernährter zahlreicher Familie stammend und von schwächlicher
Konstitution, litt an anämisch-chlorotischer Blutbeschaflenheit,
462
No. 30.
THERAPEUTISCHE
welche es zu beheben galt. „Blutan“ bewies sich im besten
Sinne als „Roborans-Diäteticum-Tonicu m“, es
führte nach Verbrauch von drei Flaschen, im Laufe von mehre¬
ren Wochen, eine ganz erfreuliche Besserung des
anämisch-chloroti sehen Zustandes herbei. In¬
folge des „Blutan“ bekam Patientin mehr Lust zum Essen, mehr
Lust zur Arbeit und es machte sich eine wesentliche Er¬
höhung der Lebensenergie in bester Weise geltend.
3. Eine im 32. Lebensjahre stehende Patientin, welche
infolge früher wiederholt stattgefundener spezialärztlicher
größerer und kleinerer Operationen an ausgesprochenen
neur asthenisch-neurotischen Herzbeschwer¬
den und allgemeiner Neurasthenie litt, brauchte,
auf des Verfassers Veranlassung, „Blutan“ und erreichte eine
allgemeine Hebung und Besserung ihrer Ge¬
samtkonstitution. Insbesondere wurde „Blutan“ wäh¬
rend dreiwöchentlicher Kurdauer stets gern, ohne jede mi߬
lichen Nebenerscheinungen gebraucht. Patientin fühlte sich
durch die Kur weit wohler.
4. Einem 56 jährigen Fabrikarbeiter, welcher wiederholt,
besonders während der Aequinoktien-Perioden des Jahres an
ausgesprochenen Symptomen der Arthritis urica zu leiden hatte,
verordnete Verfasser, von dem Wunsche geleitet, diesem Manne
den Wert der „abstinenten Lebensführung“ zu be¬
weisen, das alkoholfreie „Blutan“. Verfasser machte die sehr
erfreuliche Bemerkung, daß diesem Manne „Blutan“
sehr gut bekam und daß er Gefallen an solcher alkoholfreien
Eisenkur fand.
5. Ein im 42. Lebensjahre stehender Patient, der in früheren
Jahren als Student mehrere Jahre „Studierens halber auf
Deutschlands hohen Schulen aufhältlich“ gewesen war und der
sich infolge allzueifriger Befolgung der von Goethe stammen¬
den Aufmunterung „Ergo bibamus“ die Arthritisurica und
Dilatatio cordis zugezogen hatte, litt besonders zu
den Aequinoktien sehr viel unter deii Symptomen seines Leidens
und bedurfte daher eines zweckmäßigen alkoholfreien
Stärkungsmittels, als welches Verfasser mit bestem
Erfolge „Blutan“ anwandte. Verfasser hat die Ueberzeugung,
daß gerade in solchen Fällen das „Blutan“ eine
recht wesentliche Rolle zu spielen berufen ist.
6. In einem Falle eines 65 jährigen Patienten, welcher
Neurastheniesymptome, Melancholie und H y -
RUNDSCHAU 1910.
pochondrie äufwies, trug das „Blutan“ zur Hebung des Ge¬
samtwohlbefindens wieder sehr wesentlich mit bei. Auch in
diesem Falle zeigte sich ein großer praktischer Nutzeffekt
in bestem Lichte.
Es hieße „Eulen nach Athen tragen“, wollte ich noch’
weitere Fälle beifügen; ich meine den praktischen Nutz¬
wert durch die mitgeteilten Fälle genügend dargetan zu
haben. Es sei noch erwähnt, daß außer dem „Original-
Blutan“ noch als Kombinationspräparate „Brom-, Jod-,
Diabetiker- und China-Blutan“ im Großbetriebe hergestellt
werden. Ueber „China-Blutan“ ist, eine recht ausführliche
Arbeit seitens des Herrn Kollegen Dr. Ludwig Ries,
em. Selumdararzt des K. K. Allgemeinen Krankenhauses
in Wien, erschienen. Mein Resume geht dahin aus, daß
sich das „B 1 u t an und seine K o m b i. n a t i o n e n“ den
vielen, bereits früher bekannten wirksamen Präparaten der
Chemischen Fabrik Helfenberg A.-G. in würdiger
Weise anreiht und daß es den bisherigen günstigen
Begutachtungen nach besonderer Beachtung wert ist.
Litteratur.
Dr. Alb. Kaiser (Dresden), Therapeutische Monatshefte,
1906, No. 4.
Dr. Z o r e f (Wien). Medizinische Blätter, 1906, No. 17.
Dr. Klautsch (Halle). Repertorium der praktischen Medi¬
zin, 1906, No. 5.
Dr. Bliimel (Görbersdorf), Medizinische Klinik, 1906, No. 32.
Dr. Hugo Gerber (Wien), Medizinische Blätter, 1906, No. 31.
Dr. Weissmann (Lindenfels), Aerztliche Rundschau. 1906,
No. 36.
Dr. Ferrua (London), Le Mödecin, Brüssel, 1906, No. 42.
Dr. J. Kraus (Wien), Medizinische Blätter, 1907, No. 8.
Distrikts-Bahnarzt Med. univ. Dr. Richard Fuchs (Bloi-
stadt), Reichs-Medizinal-Anzeiger. 1907, No. 9 u. 10.
Dr. Riess (Wien), Klinisch-therapeutische Wochenschrift.
1908, No. 8.
Dr. R. Meissner (Wien), Oesterreichischc Aerzte-Zeituusr,
1908, No. 11.
Dr. C. Kabis ch (Frankfurt a. M.L Medizinische Blätter. 1908
No. 36.
Dr. Rudolf IJ h 1 i r z (Schönfeld b. Karlsbad), Oester-
reichische Aerzte-Zeitung, 1909, No. 16.
Sanitätsrat Dr. Hugo Raubitschek (Czernowitz): Ueber moderne
Raunnlesinfektion. (Wiener med. Wochenschrift, 1910,
No. 11.)
Verfasser zeigt, daß die Kaliumpermanganatmethode nach
Doerr und Raubitschek nicht nur eine wertvolle Be¬
reicherung und Ergänzung unserer bisherigen Desinfektions¬
praxis ist, sondern zurzeit auch die einzige Methode „auf kaltem
Wege“ zu sein scheint, die, was desinfektorischen Effekt anlangt,
vollauf mit den vielfach erprobten Formalinapparaten kon¬
kurrieren kann. Sie übertrifft jedoch alle gebräuchlichen Appa¬
ratverfahren, weil sie 1. in Verhältnissen anwendbar erscheint,
wo Apparate überhaupt nicht oder nicht in genügender Anzahl
vorhanden sind, 2. keine Feuersgefahr involviert, wie zahllose
diesbezüglich angestellte Versuche von vielen Seiten beweisen,
3. keine spezielle Abdichtung der Räume erfordert, 4. die
billigste aller Methoden ist, da eine Anschaffung spezieller
Apparate entfällt, 5. auch Laien überlassen werden kann, 6. die
Mengenverhältnisse der zu verwendenden Quantitäten der ein¬
zelnen Reagentien einfach und leicht zu merken sind und alle
Tabellen etc. ersparen, 7. auch den extremsten militärischen
Forderungen, durch den Ersatz des flüssigen Formalins durch
Festoform, gerecht wird. Das genannte Verfahren beruht auf
dem Phänomen, daß beim Liebergießen von reinem kristalli¬
sierten übermangansauren Kali und der doppelten Menge
einer zur Hälfte mit Wasser verdünnten Formalinlösung eine
stürmische Entwicklung von Formaldehydgas und Wasserdampf
stattfindet. Die Masse braust unter starker Erhitzung stürmisch
auf und stößt dichte Schwaden von Formaldehydgas aus. Diese
Reaktion ist in kürzester Zeit beendet und es bleibt nur eine
trockene braune Masse zurück. Der Raum selbst wird wie zu
jeder anderen Formalindesinfektion hergerichtet; schließen
Fenster imd Türen exakt, so ist eine besondere Abdichtung des
Zimmers nicht erforderlich, nur Ofentüren müssen des starken
Zuges wegen verklebt werden. Der Kubikinhalt des Raumes
wird ungefähr bestimmt, da sich selbstverständlich nach dem¬
selben die erforderlichen Mengen der Reagentien richten.
Tloer r und Raubitschek schlagen vor, für 100 cbm Raum
2 kg kristallisiertes Kalium hypermanganicum, 2 kg Formalin
und 2 Liter Wasser zu verwenden, eine sehr einfache Formel,
welche die komplizierten Tabellen der früheren Apparate über¬
flüssig macht. In ein oder besser mehrere recht große Gefäße
aus Metall oder Holz (Blecheimer, Waschsechter, Kochkessel,
Badewannen, alte dichte Fässer etc.) wird zunächst das Kalium¬
permanganat hineingeschüttet, sodann das Formalin (mit
Wasser gemischt). Man hat dann wohl einige Sekunden Zeit,
das Lokal zu verlassen, die Türe zu schließen, wenn nötig, von
j außen abzudichten. Da die Masse sehr heftig aufschäumt, so
I darf man in ein Gefäß, das zirka 25 Liter faßt, nicht mehr als
1 kg von jedem Reagens (Kal. permang., Formalin, Wasser)
einfüllön. Nach sechsstündiger Einwirkung ist die Desinfektion
beendet, die Türen und Fenster werden geöffnet, der Formalin¬
dampf durch Lüftung oder durch Ammoniakneutralisation ent¬
fernt. Die Kosten einer Desinfektion nach diesem Verfahren
nach Doerr und Raubitschek betragen zirka 4 K
= 3,40 M. pro 100 cbm, sind also ganz bedeutend billiger als
Autan (zirka 7 mal).
Prof. Dr. med. Ernst Hedinger (Basel): Ueber Verkalkung der
Leber. (Correspondenz-Blatt für Schweizer Aerzte, 1909,
No. 24.)
Verkalkungsprozesse der Leber sind, wenn man von der
relativ häufigen Chalicosis nodularis hepatis absieht, sowohl in
der menschlichen wie in der Pathologie der Haustiere außer¬
ordentlich selten beobachtet worden. Verfasser kennt nur drei
einschlägige Beobachtungen aus der Literatur. Der von ihm
beobachtete Fall von Leberverkalkung betrifft einen 36 jährigen
Mann, der bei der Autopsie neben einer ausgedehnten Osteo-
malacie mit Cysten im rechten Humerus und im zwölften Brust¬
wirbelkörper eine genuine Schrumpfniere aufwies. Die mikro¬
skopische Untersuchung ergab eine ausgedehnte Kalkablage-
rung in dem Myokard, den Lungen, den Nieren und der Leber.
Verfasser beschränkt sich hier auf die Wiedergabe der Leber¬
verkalkung. Es handelt sich ganz vorzugsweise um phosphor¬
sauren Kalk. Der Fall bleibt in manchen Beziehungen unklar.
Diese Unklarheit ist der Ausdruck unserer mangelhaften Kennt¬
nisse des Kalkstoffwechsels unter pathologischen Verhältnissen.
Ein gewisser Zusammenhang dieser Verkalkungsprozesse mit
Nephritiden scheint nach den bisherigen Mitteilungen wahr¬
scheinlich. K r.
Dr. B. Wiesner (Aschaffenburg): Frühzeitige allgemeine Ver¬
knöcherung der Rippenknorpcl — eine Röntgenschädigung?
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 21.)
Bei vier Männern im Alter von 28, 32, 34, 45 Jahren, welche
sich berufsmäßig eine Reihe von Jahren viel der Wirkung
von Röntgenstrahlen (u. a. häufige Durchleuchtungen des
Thorax) ausgesetzt hatten, fanden sich starke Verknöcherungs¬
prozesse der Rippenknorpel. Bei Leuten, welche wenig
No. 30.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
463
oder nicht der Wirkung der Röntgenstrahlen aiisgesetzt waren,
fanden sich derartige Veränderungen nicht. Verfasser vermutet
deswegen, daß es sich hier um eine Wirkung der Röntgen¬
strahlen handelt. R. L.
Emilie Alexandrolf (Zürich): Ueber die analeptische Wirkung
des Alkohols bei pathologischen Zuständen. (Correspon-
denz-BIatt f. Schweizer Aerzte, 1910, No. 15.)
Verfasserin stellte sich die Aufgabe, die Wirkung des Al¬
kohols an kranken Tieren zu studieren. Versuche dieser Art
sind bis jetzt nur in geringer Zahl angestellt worden. Solche
Versuche können uns viel eher über den Wert des Alkohols
aufklären, als Versuche an gesunden Tieren, denn wir wissen,
wie verschieden das kranke und das gesunde Herz auf Phar¬
maka reagieren. Was speziell den Alkohol betrifft, so wissen
wir z. B., daß eine Kranke mit Puerperalfieber ohne Trübung
des Bewußtseins eine bis zwei Flaschen starken Weines täg¬
lich verträgt, eine Menge, die sie zu anderer Zeit in schweren
Rausch versetzen würde. Die Verschiedenheit in der Wirkung
des Alkohols, welche die verschiedenen Beobachter konsta- ■
tierten, läßt sich gewiß zum größten Teil aus den ganz ver¬
schiedenen Bedingungen erklären, unter denen derselbe zur
Anwendung gelangte. Hierüber ins Klare zu kommen, wäre
beim Menschen nur an der Hand von sehr großen Statistiken
möglich, wie sie der einzelne kaum ausführen kann; dagegen
bietet uns das Experiment am kranken Tier den Vorteil des
klaren, scharf umschriebenen und namentlich genau dosierten
Krankheitszustandes, wie er eben in der menschlichen Patho¬
logie nicht geboten ist. Als solche Zustände hat Verfasserin
gewählt: 1. Die Diphtherievergiftung; 2. den Erschöpfungs¬
zustand; 3. die Infektion mit Heujauche als Typus der Misch¬
infektion; 4. Mischungen dieser einzelnen Schädigungen mit¬
einander. Die größte Aufmerksamkeit schenkte Verf. der
Diphtherievergiftung. Wie bekannt, ist das Diphtherietoxin ein
Gift, welches das Herz schwer schädigt, und oft genug ist die
akute Herzschwäche bei Diphtherie die Ursache des letalen
Ausgangs. Um dem vorzubeugen, wird von mancher Seite als
eines der besten Mittel Alkohol vorgeschlagen, ein Mittel, wel¬
ches, wie Verfasser zeigt, den mit ihm verknüpften Hoffnungen
kaum entspricht.
Als Versuchsobjekte dienten ausschließlich Kaninchen; im
ganzen wurde an 36 Tieren experimentiert. Bei der Diphtherie¬
intoxikation erwies sich der Alkohol als ein mächtiges An¬
regungsmittel für die Atmung, welche um 42,5 pCt. des Anfangs¬
volumens gesteigert wurde; dagegen wird die Zirkulation nach
jeder Richtung hin ungünstig beeinflußt, indem der Blutdruck
sinkt, die Pulszahl sich gleich bleibt, die Amplitude abnimmt,
somit also das Minutenvolumen ganz bedeutend abnehmen muß.
Bei Erschöpfungszuständen ist der Einfluß des Alkohols ein
geringer; die Atmungsgröße wird wenig gesteigert, die Zirku¬
lation bleibt sich ungefähr gleich, indem das Absinken des Blut¬
drucks in einigen Fälen durch Vergrößerung der Amplitude
etwas kompensiert wird, so daß die Organe annähernd gleich
viel Blut erhalten; wir können also sagen, der Alkohol wirkt
hier weder günstig, noch schädlich. Bei der Jauchevergiftung
steigt die Atmungsgröße wenig, aber regelmäßig etwas an; da¬
gegen fällt der Blutdruck fast so stark, wie bei der Diphtherie,
indessen unterscheidet sich dieser letztere Zustand von der
Jaucheinfektion dadurch, daß bei dieser fast regelmäßig eine
Zunahme der Amplitude und dementsprechend auch des Ampli-
tudenfreqenzproduktes eintrat, da die Pulsfrequenz nur mäßig
abnimmt. Es wird also jedenfalls die Zirkulation viel weniger
affiziert, als bei der Diphtherie, möglicherweise bleibt auch hier
die die Organe durchströmende Blutmenge gleich groß infolge
Zunahme der Amplitude. Die Mischversuche haben insofern
ein interessantes Resultat ergeben, als sich bei ihnen die Einzel¬
heiten der verschiedenen pathologischen Zustände wieder¬
holten, je nachdem die einzelne Schädigung überwog. Am
stärksten zeigte sich hierbei das Diphtheriegift, indem die Ver¬
stärkung der Atmung bei der Mischinfektion fast so intensiv war,
wie bei den reinen Versuchen. Bei Zutritt von Jauchevergiftung
zu anderen Zuständen nimmt im allgemeinen die Tendenz zur
Vergrößerung der Amplitude zu. — Objektiv haben die experi¬
mentellen Ergebnisse am Tier kein günstiges Bild der Alkohol¬
wirkung ergeben; denn wir dürfen bei der Bewertung der Er¬
gebnisse die Verbesserung der Atmung nicht so hoch ein¬
schätzen, wie die Verschlechterung der Zirkulation; denn jene
ist doch bis zu einem gewissen Grade willkürlich zu regulieren.
Trotzdem möchte Verfasserin aus diesen negativen Ergebnissen
keine gänzliche Verneinung der Alkoholtherapie ableiten, denn
wir dürfen, sagt sie. nicht vergessen, daß „der Wein des
Menschen Herz erfreut“; es wird also abzuwägen sein, ob eine
Herbeiführung von Euphorie mit ihren Nebenwirkungen durch
Alkohol dem 'Patienten unter Umständen nützlicher sein kann,
als die somatische Schädigung durch denselben.
Prof. E. Heinrich Kisch (Prag-Marienbad): Ueber plötzliche
Todesfälle in den Kurorten. (Med. Klinik, 1910, No. 11.)
Tst schon unter gewöhnlichen Verhältnissen der plötzliche
Tod eines Menschen, dessen Täge noch nicht gezählt zu sein
scheinen, ein Ereignis, welches im Bekanntenkreise Schreck
und Entsetzen hervorruft, so bildet ein solcher Fall von Mors
subita inopinata im Kurorte, wo es so leicht zur Massen¬
suggestion kommt, den Gegenstand tiefer Erschütterung unter
den Kurgästen und scharfer Urteile über das prognostische
Wissen der Aerzte, wie über die Gefährlichkeit der örtlichen
Heilquellen. Bei der überwiegenden Mehrzahl der plötzlichen
Todesfälle aus natürlichen Ursachen handelt es sich erfahrungs¬
gemäß um eine plötzlich eingetretene Herzlähmung infolge einer
schon vorhandenen Herzerkrankung. Dieser Fundamentalsatz
läßt es schon im allgemeinen begreiflich und erklärlich finden,
daß besonders an jenen Heilquellen, an denen sich Herz¬
leidende in großer Zahl zusammenfinden, der Prädilektions-
ort für das Vorkommen plötzlicher Todesfälle gegeben ist, be¬
sonders wenn daselbst auch leicht unmittelbar Anlässe zum
Eintritt dieser Ergebnisse gegeben sind. Verfassers Unter¬
suchungen über Mors subita der Herzkranken haben ergeben,
daß es bestimmte Altersverhältnisse der letzteren, sowie be¬
stimmte lokalisierte Erkrankungen des Herzens und der Ge¬
fäße sind, welche den plötzlichen Tod befürchten lassen, daß
jedoch die alte Anschauung, das über jedem Herzkranken das
Damoklesschwert des plötzlichen unvorherzusehenden Todes
schwebt, als zu verallgemeinernd unrichtig ist. Nach den Ob¬
duktionsbefunden plötzlich verstorbener Herzkranker wie auch
klinischen Beobachtungen hat Verf. konstatieren können, daß
die Mors subita besonders bei zwei Gruppen von Personen
mit Herzbeschwerden eintritt: bei hochgradig lipomatösen In¬
dividuen und bei Personen mit allgemeiner bedeutender
Arteriosklerose. Speziell das Zusammentreffen von Biku-
spidalinsuffizienz mit Endarteritis und Insuffizienz der Aorta
muß als eine verhängnisvolle Kombination nach der bezeichne-
ten Richtung betrachtet werden, wenn die Untersuchung vor¬
geschrittene fettige Degeneration des Myokards und starke
Dilatation des linken Ventrikels erweist. In rund 15 pCt. der
hier betrachteten plötzlichen Todesfälle war teils durch die
Untersuchung am Lebenden, teils durch die Obduktion dieses
Zusammentreffen von Bikuspidal- und Aorteninsuffizienz nach¬
weisbar. Weiter spricht die Kombination von hochgradiger
Lipomatosis mit Arteriosklerosis für die Wahrscheinlichkeit,
daß über kurz oder lang plötzlicher Tod eintreten wird, zumal
wenn chronischer Alkoholismus als ätiologisch nachzuweisen ist.
Ferner muß in allen Fällen von hochgradigem Aortenaneurysma
der plötzliche Exitus durch Ruptur des Aneurysma als ein zu
erwartendes Ereignis betrachtet werden. Es sind weiter häufig
wiederkehrende schwere Anfälle von Angina pectoris, die mit
Sklerose der Koronararterien in Verbindung gebracht werden
müssen, bei hochgradig Fettleibigen und Personen im Alter
über 60 Jahren ein Alarmsignal, daß in absehbarer Zeit ein
plötzlicher Tod droht. Und endlich ist auch das kombinierte
Vorkommen von Lungenemphysem mit derartigen Herzerkran¬
kungen ein den plötzlichen Exitus begünstigendes Moment, der
Tod erfolgt zuweilen während des Hustenanfalles. Die Frage
aber, unter welchen Umständen der plötzliche Tod bestimmt zu
befürchten ist und in welchem Zeitpunkte derselbe eintreten
muß, harrt noch immer einer genaueren Präzisierung. Wir
wissen jedoch, daß bei Herzkranken gewisse scheinbar ganz
geringfügige Anlässe den unmittelbaren Anstoß zum plötzlichen
Tode geben können. Seelische Erregungen können das Ereignis
herbeiführen, ebenso wie die verschiedensten den Blutdruck
steigernden ätiologischen Momente. Solche Anlässe sind in
den Kurorten nicht selten dann gegeben, wenn die Kranlien
ohne ärztliche Beratung oder trotz dieser, recht unpassend
hygienisch und diätetisch leben. K. hat als solche Anlässe der
Mors subita bei Herzkranken starke körperliche Anstrengungen,
Bergsteigen, reichliche Mahlzeit, Genuß alkoholischer Getränke,
Vollziehung des Koitus, Absetzen harten Stuhles, Darmkolik
usw. aufgezeichnet.
Es wurde bereits hervorgehoben, welche mißliche allge¬
meine Folgen ein Fall von Mors subita inopinata für den Kur¬
ort und den Kurarzt haben kann. Wie soll dieser letztere sich
nun dem Ereignisse gegenüber stellen? Verf. hat das Prinzip,
in allen Fällen, wo ihm die genaue Untersuchung des Patien¬
ten die Befürchtung des Eintrittes einer plötzlichen letalen
Katastrophe naherückt, dies einem Angehörigen oder näheren
Bekannten des Kurgastes mitzuteilen und diesen selbst
schonend, aber ernst darauf aufmerksam zu machen, daß er
kein gewöhnlicher Dutzendfall sei, sondern daß die Nichtbeach¬
tung der ärztlichen Vorschriften in bezug auf Trinken, Baden,
Essen und Bewegen die ernstesten Folgen haben kann. Von
Seiten der Badeverwaltungen wäre an die Kurgäste eine ernst¬
liche Mahnung zu richten, die Kurprozeduren nicht ohne ärzt¬
liche Beratung zu gebrauchen. Es ist erwünscht, daß in den
Kurorten eine genaue Statistik der Fälle von Mors subita inopi¬
nata geführt und eiue möglichst eingehende Obduktion der Be¬
troffenen vorgenommen werde. Es wird dazu beitragen, manches
unberechtigte Vorurteil gegen die Badeärzte und Badeorte zu
beseitigen. K r.
464
No. 30.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Dr. J. v. Bencziir (Budapest): Die wahre Bedeutung des so¬
genannten maximalen Blutdrucks. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 22.)
Legt man am Oberarm einer Person die Manschette des
Recklinghausen sehen Apparates an und erzeugt in dieser
einen dem maximalen Blutdruck entsprechenden Druck, und
bestimmt man an einem Finger derselben Extremität den Blut¬
druck nach Gärtner, so ergibt sich, daß der Gärtne r sehe
Blutdruck nur unbedeutend abnimmt, wenn auf dem Oberarm
ein dem maximalen entsprechender Druck lastet. Aus diesen
Erfahrungen folgt, daß ein auf den Arterien lastender Druck,
bei welchem die Fortpflanzung der Pulswelle eben aufgehalten
wird, das Lumen der betreffenden Arterie keineswegs ver¬
schließt, sondern durch die künstlich erzeugte Stenose nur einen
Widerstand einschaltet, au dem die Pulswelle erlischt und wel¬
cher eben genügt, um den Blutstrom in einen kontinuierlichen
zu verwandeln. Bei einigen Krankheiten ist der Unterschied
zwischen dem maximalen Blutdruck und demjenigen Druck in
der Manschette, bei welchem der Gärtner sehe Blutdruck be¬
seitigt wird, verschieden. So ist dieser Unterschied bei Herz¬
kranken im Stadium der Dekompensation auffallend gering.
Wird dann die Kompensation durch Digitalis hergestellt, so
nimmt der Unterschied von Tag zu Tag sehr stark zu. R. L.
■
Dr. C. Funck (Cöln-Braunsfeld): Lieber Transthermie und die
Therapie mit Aetherwellen. (Deutsche med. Wochenschrift.
1910, No. 22.)
Verfasser hat sieben Fälle mit der Transthermie (Thermo-
penetration) behandelt. Bei einem Falle von Arthritis urica
und einem Falle von Arthritis chronica deformans war nach
14- bezw. 20 tägiger Behandlung ein deutlicher Einfluß nicht zu
erkennen. In zwei weiteren Fällen wurde die Behandlung
nach 10 Applikationen unterbrochen, es handelte sich dabei
um eine Brachialneuralgie, die durch Verwachsungen bedingt
war, und eine Tabes, deren lanzinierende Schmerzen zu sehr
wanderten, als daß die Therapie ihnen hätte folgen können.
Der fünfte Fall, ein seit 7—8 Wochen bestehender Muskel¬
rheumatismus des Oberarms, der in den ersten fünf Wochen
seines Bestehens ohne Erfolg mit Salicyl und Hitze behandelt
worden war, wurde durch Transthermie in sechs Sitzungen von
je 12 Minuten geheilt, der sechste Fall, eine seit neun Monaten
bestehende typische Ischias wurde in 22 Sitzungen von je
18 Minuten derartig gebessert, daß der Patient Spaziergänge
bis zu zwei Stunden unternehmen kann. Der letzte Fall betrifft
eine sehr benigne Tabes mit seit neun Jahren am rechten Knie
bestehenden Arthralgien. Der Kranke ist früher mit Medika¬
menten verschiedenster Art, Injektionen von Arsacetiu, Hänge¬
kur, Radiogen, Katalyse, galvanischem und Leducschein
Strom, d’Arsonvalisation, Röntgenstrahlen, Blaulicht, Hydro¬
therapie etc. fast ohne jeden Erfolg behandelt worden. Der
Kranke wurde jetzt an der betreffenden Stelle 18 mal im An¬
fang zweimal täglich, mit Thermopenetration behandelt; die
Schmerzen ließen schon nach den ersten Sitzungen merklich
nach, nach der 12. Sitzung sind sie fast verschwunden und seit¬
her nur einmal zwei Tage hindurch schwach aufgetreten; im
übrigen ist der Patient sechs Monate hindurch am Knie ohne
Beschwerden. Die anderen Symptome der Tabes sind stationär
geblieben. — Verfasser ist der Ansicht, daß bei der Thermo¬
penetration durch ungedämpfte Schwingungen die im Gewebe
entstehende Wärme nicht der alleinige Heilfaktor ist, sondern
daß auch die durch elektrische Oscillation verursachte mole¬
kulare Erschütterung der Gewebe eine wichtige Rolle spielt.
Er sucht diese seine Ansicht durch längere theoretische Er¬
örterungen zu stützen, wobei er auch auf die Wirkungen der
anderen Arten von Aetherschwingungen eingeht. R. L.
Dr. J. Segel (Wien): Ein Beitrag zur Therapie des Asthma
bronchiale. (Zentralblatt für innere Medizin, 1910, No. 211.)
v. Jagic berichtete vor einiger Zeit aus der Klinik
v. Noorden über einige Fälle von Asthma, die er nach dem
Beispiel amerikanischer Autoren mit Adrenalininjektionen be¬
handelte. Er sah in allen seinen Fällen promptes Coupieren
des asthmatischen Anfalles; schädliche Nebenwirkungen irgend¬
welcher Art konnte er bei keinem seiner Kranken beobachten.
S. wurde durch diesen Erfolg veranlaßt, hei Asthmatikern eine
kombinierte Sauerstoff-Adrenalintherapie in Anwendung zu
bringen. Er erwartete im Vorhinein die bekannte gute Wirkung
des Sauerstoffs plus der von v. J a g i c festgestellten des Neben¬
nierenextraktes. Verfasser hatte Gelegenheit, diese Methode
in zwei sehr schweren Fällen in Anwendung zu bringen. Das
Leiden trat in beiden Fällen in frühester Kindheit auf und hatte
jeder erdenklichen Behandlungsmethode hartnäckig getrotzt.
Durch die kombinierte Sauerstoff-Adrenalinbehandlung wurden
beide Fälle ebenso rasch wie günstig beeinflußt. Be¬
sonders hervorgehoben zu werden verdient, daß die kombinierte
Sauerstoff-Adrenalinbehandlung mit keinerlei Unannehmlich¬
keiten für den Kranken verbunden ist, daß die Prozedur mit
dem Sauerstoffapparate dem Patienten vielmehr außerordentlich
angenehm ist. Ein Versuch mit dieser Methode ist nach Verf.
in jedem Falle von Asthma geboten. Kr.
Dr. A. da Gradi (Pavia): Ueber den Verlauf der Kehlkopf-
tuberkulose bei der mit künstlichem Pneumothorax be¬
handelten Lungenschwindsucht. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 22.)
Verfasser berichtet über drei Fälle von vorgeschrittener,
mit Kehlkopftuberkulose komplizierter Lungentuberkulose, in
denen von Forlanini die Behandlung mittels künstlichen
Pneumothorax vorgenommen wurde. Diese Beobachtungen er¬
geben, daß bei dieser Behandlung, wenn der Lungenprozeß
geheilt oder weitgehend gebessert wird, auch die Kehlkopf¬
erkrankung, selbst wenn sie sehr vorgeschritten und ausgedehnt
ist, geheilt oder ganz erheblich gebessert werden kann. Es
wurden daneben nur einfache lokale Maßnahmen, wie Inhala¬
tionen und Pinselungen angewendet. In einem der Fälle konnte
.Verfasser eine vollständige Heilung der Kehlkopftuberkulose
konstatieren, die jetzt mehrere Jahre besteht.
Dr. Riehl (München): Zur Behandlung der Bauchwassersucht
mit Kollargol. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 21.)
Verf. berichtet über einige Fälle aus der Münchener medi¬
zinischen Universitätspoliklinik, in denen ausgedehnte Flüssig-
keitsansammlungen in der Bauchhöhle (bei traumatischer Peri¬
tonitis oder bei andern Krankheitszuständen) bei Einreibung
des Abdomens mit der Crede sehen Kollargolsalbe zum Ver¬
schwinden gebracht oder doch vermindert wurden. Gleichzeitig
trat eine vermehrte Diurese ein. Verfasser nimmt eine Reiz¬
wirkung des Silbers auf die Nierenepithelien an. Auch andere
Autoren haben schon die diuretische Wirkung des Kollargols
bemerkt. Bei einem gesunden Manne konnte Verfasser bei
Kollargolanwendung eine mäßige Vermehrung der täglich aus¬
geschiedenen Urinmenge feststellen. Außerdem ließ sich auch
in allen Fällen eine Wirkung auf den Darm konstatieren. Einige
Zeit nach Beginn der Salbeneinreibungen traten breiige oder
flüssige Stuhlentleerungen auf. Die Behandlung geschah in der
Weise, daß 3—4 g Unguentum Crede 15—20 Minuten lang in
die durch ein einfaches Vollbad oder ein Schwitzbad gut ge¬
reinigte Haut des Leibes eventuell auch des Rückens des
Kranken fest eingerieben wurden. Ueber die eingeriebene
Fläche wurde dann gewöhnlich eine Schicht Watte mit Billroth-
batist gelegt. Die Einreibungen wurden gewöhnlich jeden
dritten bis vierten Tag wiederholt. Am besten eignen sich für
diese Therapie, Funktionstüchtigkeit von Herz und Nieren vor¬
ausgesetzt, entzündliche Bauchergüsse.
Dr. M. Gross (New York): Eine Duodenalröhrc. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 22.)
Verfasser hat einen Schlauch konstruiert, welcher es er¬
möglicht, vom Magen aus den Pylorus zu überschreiten und aus
dem Duodenum Inhalt zu aspirieren. Der Apparat besteht aus
einer Bleikugel von etwa Doppelerbsengröße als Endstück,
daran anschließend aus einer etwa % cm im Durchmesser
starken und 125 cm langen, nicht leicht collabierbaren, in
10 cm geteilten Röhre, aus einem Auffangsgefäß und aus einem
Mundstück, wenn man selbst aspirieren will, oder einem Aspi¬
rationsballon. Der Patient bekommt des Morgens eine Probe¬
mahlzeit, bestehend aus einem Glase zur Hälfte mit Wasser
verdünnter Milch. Etwa eine halbe Stunde später wird die
Duodenalröhre eingeführt. Der Patient schlingt die wohl ein-
gespeichelte Kugel bis etwa 45 cm herunter, dies fast ohne
Schwierigkeit. Durch leichtes Hineinblasen macht man den
Schlauch frei in die Magenhöhle hineinhängend. Der Patient
legt sich nun hin, und zwar auf die rechte Seite. Nach einigen
Minuten läßt man die Röhre bei halb geöffnetem Munde des
Patienten von selbst, ohne Schlingbewegung, bis etwa 60 cm
heruntergleiten, einfach dem Zuge der kleinen Kugel folgend.
Nach weiteren 10—15 Minuten aspiriert man zum ersten Male
und wird oft schon jetzt eine gelbliche Verfärbung des Magen¬
inhalts finden, als Zeichen der vollendeten Einstellung. Der
Patient liegt dabei noch immer mit halbgeöffnetem Munde, dem
Schlauche Gelegenheit gebend, noch tiefer hineingesogen zu
werden. Nach einiger Zeit kann man 65—70 cm am Schlauch
ablesen. Jetzt aspiriert man wieder und findet fast regelmäßig
eine gleichmäßig trübe, eidottergelbe, nicht mehr von Kasein¬
flocken der Milch durchmischte Flüssigkeit, von saurer oder
schwach saurer Reaktion. Nach 10—15 Minuten und nach ge¬
legentlichem Aspirieren gelingt es in normalen Fällen, den
charakteristisch gallig gelben, wässerigen Inhalt des Duode¬
nums zu bekommen, von deutlich neutraler oder alkalischer
Reaktion. Die ganze Prozedur dauert %—% Stunde. Beim
Entfernen des Schlauches findet man manchmal eine deutliche
Resistenz am Pylorusring, die ohne weiteres überwunden wird.
In einer Reihe von Fällen gelingt es nicht, den Pylorus zu über¬
schreiten. Die Ursache kann in Stenosen und Tumoren des
Pylorus liegen, ferner in länger dauernden Pyloruskontrak-
No. 30.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
tionen, welch letztere aber durch kurzes Abwarten oder durch
Aufsitzenlasseh des Patienten oft überwunden werden können.
Ist man wegen der Reaktion der aspirierten Flüssigkeit im
Zweifel, ob man in das Duodenum gelangt ist, so muß man
zweimal aspirieren, einmal in situ und darauf nach Heraus¬
ziehen des Schlauches bis etwa zur Marke 50 cm, nachdem der
Patient vorher schwarzen Kaffee getrunken hat, wobei der
Unterschied in der Farbe der nacheinander aspirierten Flüssig¬
keiten jeden Zweifel beheben wird. R. L.
Dr. Eugen Bernouilli: Ueber den Wert der Canunidge-Reaktion
für die Diagnose von Pankreaserkrankungen. (Correspon-
denzblatt für Schweizer Aerzte, 1910, No. 10.)
In der Frage nach dem praktischen Wert der Cammidge-
reaktion gehen die Ansichten noch sehr auseinander; das ist
nicht zu verwundern, wenn wir berücksichtigen, wie leicht
Fehler beim Anstellen der Probe gemacht werden können.
Cammidge fand in 200 durch Sektion kontrollierten Fällen
75 positive Reaktionen, denen jedesmal eine Erkrankung des
Pankreas (65 mal chronische Pankreatitis) entsprach. M a a s s
sah in 20 Fällen, die zur Sektion kamen, 14 mal positiven, sechs¬
mal negativen Ausfall der Reaktion. 15 mal stimmten Reaktion
und histologischer Befund am Pankreas überein. Bei fehlen¬
der Erkrankung des Pankreas wurden in der Regel negative
Proben gefunden. Es gibt jedoch eine große Anzahl Erkran¬
kungen, bei denen positive Reaktionen gefunden werden
können. Besonders häufig scheint das der Kali zu sein bei
Carcinomen des Verdauungstraktus, seltener bei Lebererkran¬
kungen, Infektionskrankheiten, Herz- und Gefäßerkrankungen,
Blutkrankheiten, chronischer Arthritis, Magen- und Darm¬
erkrankungen, Erkrankungen der Gallenwege etc. Selbst beim
Gesunden sind neben vielen negativen einzelne Proben positiv
ausgefallen. Die Untersuchungen beim Diabetes mellitus haben
stark wechselnde Befunde ergeben, jedoch mehr negative.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß die Cammidge-
reaktion keineswegs spezifisch für Pankreaserkrankungen ist;
wir übersehen aber noch nicht, wie häufig sie mit solchen zu¬
sammen vorkommt. Für den praktischen Wert der Probe
kommt dann noch in Betracht, daß sie ziemlich umständlich und
schwierig ist. Wird sie aber mit allen Kautelen ausgeführt, so
läßt sie sich nach Verfasser als ein die Diagnose einer Pankreas¬
erkrankung unterstützendes Moment neben anderen Symptomen
bei kritischer Würdigung des gesamten Untersuchungsbefundes
heranziehen. K r.
Dr. Siebke (Magdeburg): Beitrag zur Frage des Nierendiabetes.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 22.)
Verfasser berichtet über einen Fall, welcher nach seiner
Ansicht als Nierendiabetes zu deuten ist. Es handelte sich um
einen 54 jährigen Mann, welcher wegen einer chronischen Pyelo¬
nephritis in das Krankenhaus aufgenommen wurde und nach
22 Tagen starb. Der Urin enthielt 4—7 pro Mille Eiweiß, und
ständig, ganz unabhängig von der Art der Nahrung, 0,1 bis
0,2 pCt. Traubenzucker. Außerdem reichlich Leukocyten, wenig
Erythrocyten, keine oder nur spärliche granulierte Zylinder;
Tuberkelbacillen waren auch mittels der komplizierteren
modernen Anreicherungsverfahren nicht nachzuweisen. Früher
waren im Urin Tuberkelbacillen gefunden worden. Die Lungen¬
spitzen waren infiltriert. Eine Sektion konnte nicht gemacht
werden. Auch der Blutzuckergehalt wurde nicht bestimmt.
R. L.
F. J. Hauptmann (Prag): Ein Fall von primärem Milzsarkom.
(Medizinische Klinik, 1910, No. 7.)
Die bisher publizierten Fälle von primärem Milzsarkom
sind nicht sehr zahlreich. Verfasser berichtet deshalb über
einen von ihm in der Prager Medizinischen Universitätsklinik
(v. J a k s c h) beobachteten Fall, der einen 39 jährigen Sammet¬
fabrikarbeiter betrifft. Als klinisch bedeutsam zeigen sich in
diesem Falle zwei Umstände: nämlich das relativ lange Be¬
stehen des Tumors, ohne daß dieser Schmerzen verursacht,
ferner der fast normale Blutbefund. Der erste Umstand findet
Analogien in den Fällen von Wagner und von Asch und
anderen, bei denen eine Schmerzhaftigkeit gar nicht oder sehr
spät beobachtet wurde. Was die Blutbefunde betrifft, so waren
diese in den beiden soeben erwähnten Fällen, sowie in einem
von Simon veröffentlichten Falle normal und in keiner der
ihm zugänglichen Arbeiten fand Verf. ausdrückliche Erwähnung
eines abnormen Blutbefundes. Allerdings ist in dem vor¬
liegenden Falle eine geringe Vermehrung der Lymphocyten
(27 pCt.) gegenüber der von R. v. J a k s c h für Lymphocyten
angenommenen und festgelegten Normalzahl (22—25 pCt.) zu be¬
merken. Auch der fast fieberfreie Verlauf der Krankheit ist
erwähnenswert. Schließlich ist noch der terminal aufgetretene
leichte Ikterus hervorzuheben, der durch Metastasenbildung zu¬
stande kam. K r.
465
Oberstabsarzt Dr. Kuchendorf (Posen): Zwei Fälle von Basedow ¬
scher Krankheit durch Röntgenstrahlen sehr günstig beein¬
flußt. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 21.)
Verfasser berichtet über zwei Fälle von Basedowscher
Krankheit, in welchen er eine günstige Einwirkung der Rönt¬
genbestrahlung beobachtete, ln dem ersten Falle handelte es
sich um einen Sergeanten, bei welchem schon die partielle
Strumektomie gemacht worden war. Die Untersuchung der
exstirpierten Drüse ergab, daß es sich um eine Struma maligna
handelte. Der zurückgebliebene Rest der Geschwulst wucherte
weiter, die Wunde zeigte keine Tendenz zur Heilung. Es wurde
deshalb ein.Versuch mit Röntgenbestrahlung gemacht. Zwei
Bestrahlungen wurden gemacht, in einem Intervall von 14 Tagen.
Zwei Wochen nach der letzten Bestrahlung hatte die Wunde
sich vollständig geschlossen, es trat dann vollständige Heilung
ein, so daß der Patient wieder dienstfähig wurde. Der zweite
Fall betrifft eine Frau, welche seit sechs Jahren an Basedow-
Symptomen leidet. Die Patientin war allmählich in einen ziem¬
lich bedenklichen Zustand geraten. Es wurde von einer Opera¬
tion Abstand genommen, vielmehr machte Verfasser sofort einen
Versuch mit der Röntgenbestrahlung. Es wurden viermal die
einzelnen Lappen der Schilddrüse bestrahlt (jedesmal V 2 Ery¬
themdosis, Intervalle von 14 Tagen). In der Zwischenzeit wurde
je eine Herzbestrahlung ausgeführt, ebenfalls im ganzen vier
Bestrahlungen. Durch diese Behandlung wurde sowohl der
Umfang der Schilddrüse verringert, als auch die sämtlichen
übrigen objektiven und subjektiven Symptome sowei t beseitigt,
daß die Frau jetzt wieder völlig arbeitsfähig ist und ihrem
Haushalt in vollem Umfang vorstehen kann.
Dr. Arnold Siegmund (Berlin-Wilmersdorf): Schilddrüsen¬
schwäche und Zuckerhimger. (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 21.)
Auf Grund einer Reihe von 'Beobachtungen stellt Verf. fol¬
gende Theorie auf: Es gibt (bei Kindern) einen krankhaften,
durch eine bestimmte Art von Schilddrüsenschwäche verursach¬
ten Zuckerhunger. Diese Zuckergier ist durch eine Thyreoidin-
kur (Thyreoidin vom Scha’fe) heilbar. Zur Herstellung des er¬
forderlichen Zuckerhaushaltes im Körper ist .die Gesundheit der
Schilddrüse eine wichtige Voraussetzung. Zuckergierige Schild¬
drüsenschwächlinge vertragen lange Zeit sehr große Zucker¬
mengen, ohne Zucker im Harn auszuscheiden. Solchen Kranken
ist nach Verf. Zucker nach Belieben zu gewähren, so lange
eine Thyreoidinbehandlung nicht möglich ist. Denn Zucker
mindert die Folgen der Schilddrüsenschwäche solcher Kranken
etwas. Die Zuckergier ist eine Schutzeinrichtung bei einer ge¬
wissen Form von Schilddrüsenschwäche.
Privatdozent Dr. v. Niessl-Mayendorf (Leipzig): Die linke dritte
Stirnwindung spielt keine Rolle im Mechanismus der Sprache.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 21.)
Verfasser versucht auf Grund einer sorgfältigen Analyse
der in der Literatur vorliegenden für die Frage in Betracht
kommenden Fälle, sowie auf Grund eigener histologischer
Untersuchungen den Nachweis, daß die bisher geltende
Broca sehe Lehre, nach welcher die linke dritte Stirnwindung
das motorische Sprachzentrum enthält, aufgegeben werden muß.
Vielmehr ist diese Rolle der Rinde der vorderen Zentral¬
windung, und zwar ihrem unteren Abschnitt, wahrscheinlich
aber auch dem unteren Abschnitt der hinteren Zentralwindung
zuzuweisen. Auf die Einzelheiten der schwierigen Darlegungen
des Verfassers können wir nicht eingehen. R. L.
Privatdozent Dr. Nägeli (Zürich): Nachuntersuchungen bei
traumatischen Neurosen. (Correspondenz-Blatt f. Schweizer
Aerzte, 1910, No. 23.)
Die traumatische Neurose hat jederzeit aus praktischen wie
aus wissenschaftlichen Gründen ein ganz besonderes Interesse
für den praktischen Arzt, wie für die Spezialisten gehabt, bald
stand diese, bald jene Einzelfrage mehr im Vordergründe der
Aktualität., Zuerst handelte es sich um die Existenz der Krank¬
heit selbst; dann um die Abgrenzung gegenüber der Simulation.
Nachher beschäftigte man sich ganz besonders mit den Sym¬
ptomen und dem diagnostischen Wert derselben. Später be¬
trafen die Erörterungen die Pathogenese und das Wesen der
Krankheit und jetzt stehen im Vordergrund die Therapie und
die Prognose. Verf. erörtert in vorliegendem speziell die Pro¬
gnose des Leidens. Seine Nachuntersuchungen sollen ein ob¬
jektives Bild wiedergeben, was aus derartigen Patienten nach
der Erledigung aller rechtlichen Ansprüche wird. Sie zeigen,
daß die traumatische Neurose nicht die schwere Krankheit ist,
als die sie vielfach hingestellt wird. Bei definitiver Erledigung
aller Rechtsansprüche tritt rasch bleibende volle Erwerbs¬
fähigkeit ein. Gesundheitliche Störungen sind in manchen
Fällen zwar noch nachzuweisen, sie sind aber nicht schwer,
führen nie zu Rezidiven oder gar zu noch schwereren Zuständen
und haben keinen ersichtlichen Einfluß auf die Erwerbsfähig-
466
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
keit. Es kann daher eine bleibende Erwerbseinbuße in Zu¬
kunft bei traumatischer Neurose nicht mehr angenommen
werden, sondern nur eine vorübergehende. Vorsicht ist be¬
sonders geboten in der Beurteilung aller schweren chirurgi¬
schen Verletzungen, besonders des Schädels, aber nicht wegen
der gleichzeitigen Neurose, sondern wegen der chirurgisch be¬
dingten Folgezustände. Der Arzt wird in Zukunft dem Patien¬
ten seine Heilung mit einer Sicherheit Voraussagen könpen,
die er vorher nicht besitzen konnte. Auch das, schließt Verf.,
dürfte für die Vermeidung vieler Neurosen von großer Bedeu¬
tung werden.
Dr. K. C'luss, Assist, d. chir. Klinik zu Tübingen: Uebcr Dauer¬
erfolge der operativen Behandlung der traumatischen
Jacksonschen Epilepsie. (Beiträge zur klin. Chir., 19f0,
66. Bd., 2. Heft.)
Schlußfolgerungen: 1. Zur Feststellung der Dauerheilung
der traumatischen Jackson sehen Epilepsie ist eine Nach¬
beobachtung von mindestens 3 Jahren nach der Operation er¬
forderlich, da selbst nach einem anfallsfreien Zeitraum von
3 und 5 Jahren noch vereinzelte Rezidive aufgetreten sind.
2. Eine günstigere Prognose gibt ein jüngeres Lebensalter bei
der Operation. 3. Die Länge der Latenz und die Dauer der
Epilepsie ist ohne Einfluß auf die Prognose. 4. Das Stadium der
Latenz ist größer, wenn das Trauma in frühester Kindheit oder
in der Jugend erfolgt ist. 5. Die Aussicht auf Erfolg der Ope¬
ration ist größer bei Vorhandensein greifbarer örtlicher Ver¬
änderungen, als bei Fehlen von solchen. 6. Zur besseren Uebec-
sicht der vorhandenen Veränderungen empfiehlt sich die
temporäre Schädelresektion. Die Dura ist unter allen Um¬
ständen zu spalten. 7. Zur Dauerheilung ist eine Ventilbildung
in der Schädelkapsel nicht erforderlich. 8. Ebensowenig muß
in allen Fällen das krampfeude Zentrum der Gehirnrinde ent¬
fernt werden. 9. Lähmungen nach der Operation im Anschluß
an Exstirpation von Gehirnsubstanz gehen meistens fast völlig
zurück. 10. Anfälle, welche unmittelbar nach der Operation
wieder auftreten, können selbst nach einigen Monaten und
Jahren noch dauernd ausbleiben. ' K r.
Dr. A. Ulrich (Zürich): Weitere Mitteilungen über die prak¬
tische Verwendung des Kochsalzes in der Behandlung der
Epilepsie. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 22.)
Hans v. Wyss hat nachgewiesen, daß durch die Brom¬
salze künstlich ein Chlordefizit im Körper herbeigeführt wird
und daß auf diesem Chlormangel auch die Wirkung des Broms
beruht. Vergiftuugserscheinungen bei mit Brom gefütterten
Tieren ließen sich rasch und sicher mit Kochsalz bekämpfen.
Durch diese Ergebnisse wurde Verfasser veranlaßt, das Koch¬
salz zur Bekämpfung der Bromintoxikationserscheinungen zu
versuchen, welche bei mit Brom behandelten Epileptikern auf¬
treten. Die Erfahrungen des Verfassers waren sehr befriedi¬
gende. Na CI beseitigt rasch und sicher die motorischen, sen¬
siblen und psychischen Erscheinungen des akuten Bromismus.
Auch die durch das Brom hervorgerufenen Hautaffektionen
werden durch Na CI (innerlich sowie auch in Form von Bädern,
und Umschlägen) zum Verschwinden gebracht. Das Na CI muß
nach Verfasser als einziges Gegenmittel des Bromismus gelten,
indem es den durch die Bromsalze künstlich erzeugten Chlor¬
hunger sofort stillt. Na CI ist somit allen bisher gegen den
Bromismus empfohlenen Mitteln vorzuziehen. Bei bromisierten
im Ladungszustand befindlichen Epileptikern lassen sich mit
Na CI Anfälle provozieren. Um die anfallprovozierende
Wirkung des Na CI während der therapeutischen Verwendung
bei Hautaffektionen zu paralysieren, wurde mit Erfolg Chloral-
hydrat in Dosen von 1—2 g pro die gegeben. Das Na CI gibt
Verf. meist in Dosen von 15—20 g pro die. Den Bromisierten
verordnete er gegen den Foetor ex ore 1 proz. Na Cl-Lösung als
Mundwasser. Ferner gibt er Na CI in Dosen von 1—2 g vor
dem Essen als Stomachicum bei an Verdauungsstörungen
leidenden bromisierten Epileptikern. Auch verordnet er
Na CI regelmäßig als Zusatz zu Bädern.
Dr. Alfred Fickler (Kosten): Atropinwahnsinn bei einem
Asthmatiker. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 22.)
Ein nüchterner, 40 Jahre alter Mann aus gesunder Familie,
leicht erregbar und alkoholintolerant, nahm wegen Bronchial¬
asthma acht Wochen lang mit zwei Unterbrechungen von 14 und
10 Tagen Atropin in maximaler Dosis, die letzten acht Tage
1 mg darüber. Er bekam, nachdem er schon in der sechsten
Woche Sehstörungen, Trockenheit im Munde und Bewegungs¬
störungen verspürt hatte, in der achten Woche starke Schling¬
beschwerden, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Stuhlverstopfung,
Sehstörungen, maximale Erweiterung und Ileaktionslosigkeit
der Pupillen, Pulsbeschleunigung, dann nach einer 2—3 tägigen
heiteren Erregung eine akute Halluzinose in sämtlichen Sinnes¬
gebieten und daraus resultierend Unruhe, Angst und Wahnvor¬
stellungen. In den ersten acht Tagen der Psychose machte er
den Eindruck eines Alkoholdeliranten, dann schwanden die Ge-
No. 30.
Sichtstäuschungen, während die übrigen Sinnestäuschungen und
ihre Folgeerscheinungen weiter bestanden. Sie ließen allmäh¬
lich an Intensität nach und hörten, am letzten die Gefühls¬
täuschungen, 11 Wochen nach Beginn der Psychose ganz auf.
Seitdem ist der Manu wieder gesund. Er hat also eine akute
halluzinatorische Paranoia von einer Dauer von 11 Wochen
durchgemacht, die nach Verfasser jedenfalls eine Wirkung des
Atropins war. r ]
Dr. Anton Grossich, Primarchirurg am stiidt. Hospital in Fiume:
Zu meinem Desinfektionsverfahren der Haut des Operations¬
feldes mittels Jodtinktur. Einige Bemerkungen und Berich¬
tigungen. (Zentralblatt für Chirurgie, 1910, No. 21.)
Die meisten Chirurgen gehen genau nach Verfassers An¬
gaben vor, einige wenige davon raten jedoch, vor der Anwen¬
dung der Jodtinktur die Flaut mit Benzin, Alkohol oder Aether
zu reinigen. Verfassers Erfahrung sowie jene der meisten
Chirurgen beweisen zum Ueberfluß, daß die Jodtinktur für sich
allein imstande ist, die Haut so herzustellen, daß eine Infektion
von ihrer Seite vollkommen ausgeschlossen ist. Das von G. an¬
gegebene Verfahren ist einfach, schnell und absolut sicher; die
von einigen Seiten angeratenen erwähnten Modifikationen kom¬
plizieren also die Methode ohne Not und ohne Nutzen. Dr.
G. H e s s e in Dresden wendet statt der offiziuellen Jodtinktur
eine Verdünnung derselben (200 ccm der offizinellen Jodtinktur,
800 ccm Alkohol) an und glaubt, daß auch Verfasser in seinen
Publikationen nicht die offizineile Jodtinktur, sondern eine
10—12 proz. Verdünnung derselben gemeint habe. Verfasser
hebt jedoch hervor, daß er von Anfang an die in Fiume offizi¬
neile 10 proz. Jodtinktur unverdünnt angewendet hat. Verf.
gibt die Möglichkeit zu, daß auch durch eine schwächere Lösung
gute Resultate zu erzielen seien; doch hat er selbst keinen
Grund, seine ursprüngliche Methode irgendwie zu modifizieren.
— Die Angst vor Ekzemen und Dermatiten ist nach Verfassers
Ansicht übertrieben, und zweifellos mehr aus theoretischen
Vorurteilen, als aus praktisch beobachteten Tatsachen ent¬
sprungen. K r.
Stabsarzt Dr. Paul Franke (Berlin): Narkosen bei künstlich
verkleinertem Kreislauf. (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 21.)
Verfasser hat die von Klapp angegebene, von Ziegner
und zur Verth experimentell geprüfte Methode der Narkose
bei künstlich verkleinertem Kreislauf in einer Reihe von Fällen
angewendet. Hierbei wird das zirkulierende Blut durch Ab¬
schnürung einer oder beider unteren Extremitäten verringert,
was zur Folge hat, daß man mit einer geringeren Menge des
Narkoticums, meist Chloroform, auskommt. Die Abschnürung
nahm' Verfasser zu Beginn der Narkose in der von Klapp
angegebenen Weise mit einer festeren, umsponnenen elastischen
Binde nach Esmarch vor. Die Verwendung elastischer
Schläuche ist zu diesen Gliedabschnürungen nicht statthaft, des¬
gleichen ist auch eine Bier sehe Staubinde ungeeignet. Nach
Anlegen der Binde tritt eine geringe Anschwellung und leicht
blaurote Verfärbung des Gliedes auf. Tritt eine stärkere
Schwellung und venöse Stauung oder deutliches Hervortreteu
von Krampfadergeflechten auf, so liegt die Binde ungenügend
und ist noch einmal nach Abnahme mit etwas stärkerem An¬
ziehen umzulegen. Oft genügt die Abschnürung nur eines
Beines. Die Ergebnisse waren folgende: Es erfolgte stets, so¬
wohl bei Aether- wie bei reiner Chloroformnarkose, ein
ruhiges Einschlafen. Exzitationen waren während der ganzen
Narkose außerordentlich selten. Weder Zyanose noch Speichel¬
fluß traten auf. Die Atmung war immer regelmäßig, zuweilen
etwas oberflächlich und verlangsamt, aber niemals in bedroh¬
licher Weise. Der Puls pflegte nach Anlegen der Binde an
Frequenz und Höhe um ein geringes zu steigen. Nach Abnahme
der Umschnürung trat eine deutliche Beschleunigung des Pulses
auf. Diese Erscheinungen waren jedoch im allgemeinen nach
10—12 Minuten wieder ausgeglichen. Niemals erfolgte Er¬
brechen, weder während der Narkose, noch nachträglich. So¬
wohl . von Aether wie von Chloroform wurde viel weniger ge¬
braucht als bei Narkose ohne Abschnürung. Das Erwachen aus
der Narkose erfolgte auffällig rasch, niemals später als 10 bis
15 Minuten nach Beendigung der Narkose. Die Wiedereinschal¬
tung des kohlensäurebeladenen Blutes der unteren Extremi¬
täten in den Kreislauf übt einen durch tiefe Atemzüge unmittel¬
bar erkennbaren Einfluß auf die Respiration aus. Niemals
wurde über Schmerzen infolge der Abschnürung geklagt. In
einem Falle beobachtete Verfasser eine leichte vorübergehende
Nervenstörung im rechten Bein, hier hatte die Binde zwei
Stunden lang gelegen. Die Abschnürung der Arme hält Ver¬
fasser aus verschiedenen Gründen nicht für ratsam. Bei Leuten
mit ausgedehnteren Varicen und Ulcera c.ruris (wie häufig bei
Frauen) ist die Methode kontraindiziert, ebenso bei Arterio-
sklerotikern; überhaupt sollte sie nur bei kräftigen und ge¬
sunden Extremitäten angewendet werden. R. L.
No. 30.
THERAPEUTISCHE
I 1 ivatdozent Dr, R. von den Velden, Oberarzt der medizinischen
Klinik der Akademie für praktische Medizin zu Düsseldorf:
C. lc . 'ablisi'lli* Blutstillung bei Operationen. (Zentral-
blalt für Chirurgie, 1910, No. 21.)
Verfasser macht den Vorschlag, bei Operationen, bei denen
man parenchymatöse Blutungen zu erwarten oder es mit einem
schlechtgerinnenden Blute (Ikterus, Kachexie, Hämophilie in
ihren leichteren, weniger ausgeprägten Formen) zu tun hat,
zur Blutstillung bereits prophylaktisch oder auch nach Bedarf
wahrend der Operation intravenös Na CI zu verabreichen, eine
Prozedur, die man eventuell nach % Stunde oder auch öfters
noch in dem gefährlichen Stadium der postoperativen Blutun¬
gen zu wiederholen hat. Verfasser hat durch zahlreiche tier¬
experimentelle wie klinische Untersuchungen nachweisen kön¬
nen, daß man durch Konzentrationsänderungen des Blutes eine
Verbesserung der Blutgerinnungsfähigkeit erzielen kann. Und
zwar gelingt dies am stärksten und schnellsten, wenn man durch
stomachale oder intravenöse Zufuhr von Na CI eine vorüber¬
gehende Störung des osmotischen Gleichgewichts des Blutes
hervorruft. Es wird bei dem sofort regulatorisch einsetzenden
„Stoffaustausch“ zwischen Gewebe und Kreislauf eine ge-
rmnungsbefördernde Substanz, die Thrombokinase, in das Ge¬
fäßsystem hineingeschwemmt, so daß es zu einer starken Er¬
höhung der Gerinnungsfähigkeit kommt bei gleichzeitiger
mäßiger Hydrämie. Dieser Zustand ist natürlich nur ein
passagerer, doch dauert er z. B. nach intravenöser Zufuhr von
3—5 ccm einer sterilen 5 proz. Na Cl-Lösung etwa 30—50 Minu¬
ten, kann aber durch wiederholte Gaben immer wieder erneuert
werden.
Prof. Dr. Hugo Ribbert (Bonn): Ueber Knochennekrose durch
Gefrieren. (Klinisch-therapeutische Wochenschrift, 1910,
No. 6.)
Verf. hat einige Versuche über die Nekrose der Knochen
durch Gefrieren angestellt, die für die Frage der Knochen¬
transplantation, insbesondere für die Verpflanzung ganzer
Diaphysen von Interesse sind. Es ist bekannt, daß transplan-,
tierter Knochen ganz oder bei gleichzeitiger Mitübertragung des
Periostes bis auf kleine unter diesem gelegene Abschnitte ab¬
stirbt, daß er aber trotzdem in der Lücke, in die er eingepflanzt
wird, fixiert wird und hier in gewissem Sinne einheilt. Das
geschieht dadurch, daß das angrenzende lebende Periost und
Mark auf den transplantierten toten Knochen, der gleichzeitig
sehr langsam resorbiert wird, und in die in ihm enthaltenen
Lücken neue Knochensubstanz abscheidet. So vermag er dann
den an ihn gestellten mechanischen Anforderungen zu genügen.
Es ist bemerkenswert, daß die lebenden Gewebe die umfang¬
reichen toten Körper ohne lebhaftere Reaktion ertragen, sie nicht
wieder ausstoßen. Wir dürfen dieses Verhalten nach R. wahr¬
scheinlich daraus ableiten, daß es sich eben um Knochen, um
ein ziemlich differentes Gewebe handelt, das auf die Umgebung
nur sehr wenig entzündungserregend einzuwirken vermag.
Diese- Deutung wird durch die Gefrierversuche bestätigt. Sie
wurden zurerst von Kleinschmidt auf R.’s Veranlassung
vorgenommen und beschrieben. Er ließ die Extremitäten von
Ratten und Kaninchen durch den Kohlensäurestrom gefrieren
und untersuchte die Beine nach wechselnden Intervallen bis zu
58 Tagen. Ribbert selbst hat, um eine gleichmäßigere und
weniger intensive Kältewirkung zu erreichen, die Extremitäten,
nachdem er sie durch Umschnürung blutleer gemacht hatte, bis
zum Oberschenkel in eine Kältemischung (Eis und Kochsalz)
getaucht und 10 Minuten darin gelassen. Darm waren die
Beine steinhart. Sie wurden langsam aufgetaut und zeigten in
den ersten Tagen ein oft sehr hochgradiges Oedem, so daß
sie nicht gebraucht, sondern nur nachgeschleppt wurden. Diese
Erscheinungen schwanden im Verlauf von 8—14 Tagen ganz
und nun benutzten die Tiere die Extremität
wieder, wie wenn nichts geschehen wäre. In
einzelnen Fällen starb die eine oder die andere Zehe ab und
wurde mumifiziert. Die mikroskopische Untersuchung ergab
nun wie in den Versuchen von Kl ein Schmidt, daß die
Knochen der Fußwurzel und des Unterschenkels größtenteils,
zumal im Vergleich der Diaphyse, insofern abgestorben waren,
als sich in ihnen keine Kerne mehr färben ließen. Das ist
aber für uns der Ausdruck des Todes der Gewebe. — Ver- i
fassers Versuche lehren also, daß der Knochen durch Ge¬
frieren seiner Zellen beraubt, also im gewöhnlichen Sinne
nekrotisch wird, daß er aber trotzdem funktionell durchaus
brauchbar bleibt. Auf Grund der aus diesen Erfahrungen sich
ergebenden Gesichtspunkte wird uns die Möglichkeit einer
Transplantation und funktionellen Einheilung toten Knochen¬
gewebes leichter als bisher begreiflich. Kr.
Prof. Dr. Th. Papaioannou (Athen): Ein Fall von zirkulärer
Arteriennaht. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 22.)
Verfasser berichtet über einen Fall von querer Durch¬
trennung der Arteria brachialis oberhalb der Ellenbeuge, in
welchem er 12 Tage nach der Verletzung die Arteriennaht vor¬
nahm. Es wurde nach Anfrischung der Enden der Arterie die
RUNDSCHAU 1910. 467
zirkuläre Naht der Arterie End zu End gemacht. Daim folgte
das Nähen der Muskeln und Weichteile zur Deckung der
Arterie und die partielle Hautnaht mit kleiner Drainage im
unteren Wundwinkel. Aseptischer Verband und Erhaltung des
Armes in permanenter hoher Temperatur durch Thermophor.
Eist /2 Stunden nach Vornahme der Naht fühlte man schwachen
1 uls an der Art. radialis als Zeichen, daß die Blutzirkulation
wieder begonnen hatte. jj. l
Dr. Max 'Tiegel, Sekundärarzt der chirurgischen Abteilung des
Luisenhospitals zu Dortmund: Experimentelle Studien über
die Chirurgie des Bronchus. (Beiträge zur klinischen
Chirurgie, 1910, Bd. 66, II. 2.)
Die hier erörterten Versuche haben die schon früher vom
Verfasser geäußerten Bedenken (Experimentelle Studien über
Lungen- und Pleurachirurgle, Mitteilungen a. d. Grenzgebiet
dei Medizin und Chirurgie, 1907) gegen die durchgreifende
Bi onchusnaht ausnahmslos bestätigt, die gegenteiligen Behaup¬
tungen Danielsens aber als nicht haltbar erwiesen. Verf.
kann daher die schon früher gezogenen Schlußfolgerungen nur
im wesentlichen wiederholen und sagen: 1. Soweit bisher das
Tierexperiment entschieden hat, ist als der von vornherein
haltbarste und darum beste Verschluß einer Bronchuswunde
die peribronchiale Naht anzusehen. Die durchgreifende Naht
steht in der ersten Zeit nach der Operation an Haltbarkeit weit
hinter jener zurück. 2. Die den Knorpel durchgreifende Naht
führt fast stets auch zur Verletzung der Schleimhaut und ist
darum auch wegen der daraus entstehenden Infektionsgefahr
zu vermeiden. 3. Die plastische Deckung der Naht durch Lunge
ist für die Haltbarkeit derselben keine Grundbedingung; doch
ist sie eine wertvolle Sicberheitsmaßregel, die bei ihrer ein¬
fachen und schnellen Ausführbarkeit in praxi daher nicht unter¬
lassen werden sollte. j 4r
P. Koväcs: Die operative Behandlung der kindlichen Leisten¬
brüche. (Archiv für klinische Chirurgie, Bd. 91, H. 1.)
Nach K. ist eine Spontanheilung angeborener Hernien bei
Kindern jenseits des Säuglingsalters nur noch ausnahmsweise
zu erwarten. Er berichtet über 253 binnen zehn Jahren aus¬
geführte Radikaloperationen an Kindern, darunter befinden
sich nicht weniger als 21 eingeklemmte Hernien, von welchen
drei letal verliefen, während von den 232 operierten mobilen
Hernien nur ein Fall infolge eines technischen Fehlers des un¬
geübten Operateurs zugrunde ging (Einriß des Bruchsackes,
Einklemmung). Bei 144 Fällen konnte das Dauerresultat durch
schriftliche Auskunft oder persönliche Nachuntersuchung ge¬
prüft werden mit dem erfreulichen Ergebnis, daß 143 Fälle
rezidivfrei und gesund sind.
Nach K. ist der Standpunkt, man solle Kinder mit Hernien
nicht operieren, heutzutage nicht mehr haltbar. Er versucht
vielmehr an der Hand seines Materiales nachzuweisen, daß die
Heilungsaussichten gerade bei Kindern besonders günstig sind.
Was die Technik anlangt, so wurde stets die B a s s i n i sehe
Methode mit einigen unwesentlichen Modifikationen angewandt.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Ernst R. W. Frank (Berlin): Die Bilharziakraiikheit der
Harnblase. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 20.)
Verfasser hatte Gelegenheit, in London drei an der Bil-
harziakrankheit leidende Patienten zu sehen und zwei davon
cystoskopisch zu untersuchen. Er schildert hier den dabei in
der Blase erhobenen Befund unter Beifügung von Abbildungen.
Die Veränderungen betreffen hauptsächlich den Blasenboden
und die Blasenwände. Die nicht erkrankten Partien der Blasen-
schleimhaut sehen vollkommen normal aus. Auf einem Bild,
welches mehr den früheren Stadien der Krankheit entspricht,
erscheint die Blasenschleimhaut derb und verdickt, stellenweise
ist sie mit ganz feinen zottigen Granulationen bedeckt und samt¬
artig anzusehen. Der größte Teil dieser feinen Granulationen
erscheint blendend weiß, wie mit Kalk inkrustiert. Im oberen
Teil des Gesichtsfeldes fanden sich kleine hahnenkämmartige
Exkreszenzen und in der Mitte und seitlich einzelne kleinere
breit aufsitzende Tuberositäten, ferner eine Gruppe von kleinen,
weiß schimmernden pustelartigen Gebilden; es sind das solche
Stellen, an welchen die Eier des Distomum haematobium frei
werden und ins Blaseniimere gelangen. In einem anderen Bilde
findet sich eine Gruppe von größeren, breit aufsitzenden Tube-
rositäten von Erbsen- bis Hasehmßgröße, die über diesen be¬
findliche Schleimhaut ist etwas verdickt, zeigt stellenweise nor¬
male Gefäßinjektion und Gruppen kleiner weißer Narben,
welche wie Auflagerungen aussehen und deutlich verkalkt sind;
sie stellen offenbar das Resultat oberflächlicher Ulcerationen
dar. Auf einem dritten Bild erscheint die Blasenschleimhaut
in der Umgebung der rechten Harnleitermündung stark ver¬
dickt, stellenweise hypertrophisch; man nimmt zahlreiche durch
Farbe und Form deutlich erkennbare Narbenstränge wahr. Auch
an solchen Stellen findet man noch Distomumeier, die zu neuen
Schüben Veranlassung geben können. R. L. .
468
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“)
Sitzung vom 2 2. Juni 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Tagesordnung:
Ueber die Behandlung der Syphilis mit Dioxy-Diamidoarseno-
benzol. (Mit Krankenvorstellung.)
Herr \Y. Wechselmann berichtet über seine Versuche mit
dem neuen Ehrlich-Hata sehen Syphilismittel Dioxy-
diamidoarsenobenzol, das nach einmaliger Injektion die patho¬
genen Parasiten töten sollte. Es unterliegt nach ihm keinem
Zweifel, daß das neue Mittel ein Spezificum gegen Syphilis in
allen Formen darstellt, und so rapid und gründlich wirkt, wie
keins der bisher bekannten Präparate. Vortr. hat es in 80 Fällen
erprobt und demonstriert einige geheilte Patienten, sowie Mu-
lagen geheilter Patienten. Die leichteren Fälle mit Erosionen und
erodierten Papeln werden in sehr kurzer Zeit hergestellt. Aber
auch Patienten mit schweren ulcerösen Plaques im Munde und
Drüsenpaketen am Halse sind nach einer vor 8 Tagen aus-
geführteu Injektion von ihrem Leiden befreit worden. Fälle
schwerer hereditärer Syphilis krustösen Charakters, die an¬
fangs April gespritzt wurden, befinden sich jetzt in verschie¬
denen Heilungsstadien. Kleine papulöse und tuberöse Syphilide,
welche der Hg-Kur großen Widerstand leisten, sind durch Hata-
Einspritzung in wenigen Tagen zum Verschwinden gebracht
worden. Um die Ueberlegenheit des neuen Präparates zu
zeigen, führt Vortragender mehrere' Fälle von krustösen ulce¬
rösen Syphiliden an, die kurze Zeit nach vollendeter Hg-Kur
Rezidive bekamen; eine Injektion mit dem E h r 1 i c h sehen
Mittel führte in kurzer Zeit zur Heilung. In einem Falle von
Syphilis maligna wurde nur 0,25 injiziert, es zeigte sich in¬
sofern eine Besserung, als die großen Geschwüre sich danach
verkleinert hatten. Der Patient verließ die Klinik und kam erst
heute wieder zurück. Die verabreichte Dosis war eben zu klein
gewesen und muß wiederholt werden. Mit Recht warnt Ehr¬
lich vor einer kleinen Dosis. Man gibt jetzt bis 0,6 des Mittels,
was anstandslos vertragen wird. Rezidive sind bisher nicht be¬
obachtet worden, doch ist die bisherige Beobachtungszeit noch
zu kurz, um ein endgültiges Urteil abgeben zu können. Im
ältesten Falle beträgt die Beobachtungszeit 3 Monate. Einen
Anhaltspunkt hat man an dem Verhalten der Wassermann-
schen Reaktion. Bei stärkerem Ausfall schwindet sie langsamer,
bei schwächerem schneller, sie schwindet aber regelmäßig.
Eine toxische Wirkung des Mittels ist in keinem Falle bisher
beobachtet worden, weder eine üble Wirkung auf den Darm
oder das Herz, weder Eiweiß- noch Zuckerausscheidung. Im
Laufe der Zeit wurden auch Tuberkulöse, Nephritiker und
Schwangere ohne Schaden gespritzt, alle haben an Gewicht zu¬
genommen. Auch bei einer Kranken mit perniziöser Anämie
nach frischer Lues hat das Mittel nicht schädlich gewirkt. Schä¬
digungen des Sehnerven und des N. vestibularis sind nicht beob¬
achtet worden. Nach seinen Tierversuchen hält Ehrlich die
Gefahr für Gesicht und Gehör nicht für wahrscheinlich. Was
die Behandlung hereditär luetischer Kinder betrifft, die gewöhn¬
lich sterben, so war es Vortragendem gelungen, 2 Kinder mit
Pemphigus syphiliticus durch Behandlung mit dem Hata-Prä-
parat zu retten. Immerhin sind solche Kinder sehr gefährdet,
wenn die Ernährungsfrage nicht gut geregelt ist. Sache weiterer
Forschung wird es sein, eine genauere Indikation für die An¬
wendung des neuen Präparates festzustellen; immerhin kann
man heute schon sagen, daß es eine große Schlacht ge¬
wonnen hat.
Diskussion:
Herr L'. Michaelis demonstriert 2 mit dem E h r 1 i c h sehen
Präparat behandelte Fälle, die insofern interessant sind, als sie
die Ueberlegenheit des neuen Mittels gegenüber dem Queck¬
silber dartun. Der eine Patient, der die Syphilis 1906 akqui¬
rierte, hatte bisher 6 Hg-Kuren durchgemacht, 15 Atoxylinjek-
tionen und auch wiederholt Jodkali bekommen. Trotzdem
traten seit 1907 Geschwüre im Halse auf, von denen eins an
der Uvula so groß war, daß die letztere abzufalleu drohte.
Nach einer Hata-Einspritzung vor 8 Tagen erkemit man jetzt
noch gerade, daß Geschwüre vorhanden gewesen sind. Bei
dem andern Fall bestand Idiosynkrasie gegen Hg. Nach einer
Injektion von 0,3 des neuen Mittels war von dem vorher vor¬
handenen papulösen Syphilid nichts mehr zu sehen.
Herr Alt (Uechtspringe): Daß die Psychiater ein beson¬
deres Interesse an dem Mittel haben, ist nicht verwunderlich,
da sie Kranke zu Gesicht bekommen wie die idiotischen Kinder
und die epileptischen, bei denen Lues in der Anamnese in
einem erheblichen Prozentsatz vorkommt. Bei der progressiven
Paralyse vollends handelt es sich nach der heutigen Anschauung
nur um eine Nachkrankheit der Syphilis. In Deutschland gehen
jährlich gegen 3000 Menschen im besten Alter an Paralyse zu¬
grunde. Vortragender berichtet zunächst über seine Versuche,
No . 30,
die er mit Arseno-phenylglycin an Idiotischen angestellt hat;
diese bekamen bis zu 1,0 an einem Tage, am nächsten Tage
noch 1,0 g. Es kommt bei dieser Therapie darauf an, den
Feind zu erspähen, die richtige Munition zu wählen und ihn
mit einem Schuß zu erlegen. Eine ganze Reihe von Verände¬
rungen bei chronischen Kranken, die von unverkennbar spezi¬
fischer Natur waren, wurden beeinflußt. Es erfolgte eine erheb¬
liche Vermehrung der Leukocyten, die zehn Tage anhielt. Der
Lecithinstoffwechsel wurde wesentlich beeinflußt. Bei 16 pCt.
ging die Wassermann sehe Reaktion gänzlich verloren, bei
27 pCt. wurde sie geändert. Dieses Resultat wurde eine längere
Zeit hindurch kontrolliert. Seit November v. J. hat Vortragender
das neue nach Ehrliche Tierversuchen noch wirksamere
Mittel erprobt, nachdem er erst Versuche an höheren Tieren
angestellt, ohne schädigende Wirkungen zu erhalten. 2 Kollegen
hatten sich selber 0,1 eingespritzt, ohne davon einen Schaden
zu haben. In allen Fällen wurden genaue Stoffwechselbestim¬
mungen und Feststellungen über die Arsenausscheidung ge¬
macht. In einem Falle, der das Mittel in die Glutäen erhielt
und aus einem anderen Grunde ad exitum kam, konnte Arsen
14 Tage nach der Injektion im Muskel nachgewiesen werden.
Anders bei intravenöser Injektion, hier ist die Ausscheidung
schon in 2 Tagen vollendet. Bei Fällen selbst schwerster Lues
hat Vortragender eine unverkennbare, rasch einsetzende Wir¬
kung nach Applikation des Mittels gesehen, ln einem Falle von
schwerstem syphilitischen Ikterus mit makula-papulösem Aus¬
schlag waren 9 Tage nach der einmaligen Injektion alle Er¬
scheinungen zurückgegangen. Bei 6 Fällen frischer Tabes
konnte ein wesentlicher Rückgang der subjektiven und objek¬
tiven Symptome beobachtet werden. Eine ganze Anzahl von
Epileptikern konnte erheblich gebessert werden. In 2 Fällen
wurde intravenös injiziert mit verblüffendem Erfolge; bei einem
derselben waren die Anfälle gänzlich ausgeblieben. Ob es sich
um eine endgültige Heilung handelt, das wird die weitere Be¬
obachtung lehren.
Herr Schreiber (Magdeburg) betont, es sei auch ihm auf¬
gefallen, daß schwere Fälle ausgezeichnet auf das Präparat
reagieren, und zwar auch viele von ihnen, die schon lange
vorher energisch mit Hg behandelt worden waren und
immer rezidivierten. Derartige Patienten konnten bereits
14 Tage nach der Injektion mit dem neuen Präparat als geheilt
vorgestellt werden. Bisher hat Redner 150 Fälle behandelt, und
zwar 128 intramuskulär, 22 intravenös. In allen Fällen wurde
promptes Zurückgehen der Erscheinungen konstatiert; bei
10 Fällen von den 128 hatte indes die Dosis nicht genügt, da
schon nach 4 Wochen neue Erscheinungen auftraten. Die an¬
fängliche Dosis betrug 0,4 g; in letzter Zeit sind aber nur Dosen
von 0,6—0,7 angewandt worden. Irgend welche unangenehmen
Nebenerscheinungen wurden nicht beobachtet, auch 2 Gravide
wurden ohne Schaden gespritzt. Bei 2 Patienten trat am 10. Tage
nach der Injektion ein Arzneiexanthem auf, das bald zurück¬
ging, bei einem anderen ein geringer Temperaturanstieg. 1 Fall
kam ad exitum. Es handelte sich um eine luetische Idiotin
mit schwerer Hirn- und Nervenstörung und schwerer Herz¬
dilatation. Es ist notwendig, daß man die gelegentlich nach der
Einspritzung beobachteten Erscheinungen genau analysiert. Die
beschleunigte Herzaktion nach der Einspritzung dürfte auf den
Schmerz zu beziehen sein. Temperatursteigerungen scheinen
bei intravenöser Injektion auszubleiben. Auch bei Anwendung
stärkster Konzentration findet eine Zerstörung des Hämoglobins
nicht statt. Es sind im ganzen bisher etwa 600 Fälle gespritzt
worden, bei keinem Falle hat sich etwas Unangenehmes er¬
eignet. Redner betont, daß wir bei der neuen Medikation nur
von einem Zurückgehen der syphilitischen Erscheinungen und
noch nicht von einer Heilung sprechen können.
Herr Ehrlich, mit Beifallsäußerungen empfangen, dankt für
den Beifall, der mehr seinen Vorrednern gebühre. Es sei eine
einfache Sache, ein neues Mittel zu finden, schwerer aber sei
es, die Einführung eines solchen Mittels in die Praxis zu be¬
wirken. Was die klinische Verwertung des Präparates betrifft,
so seien ihm auch von anderer Seite, nämlich aus Bosnien,
günstige Resultate berichtet worden. Betreffs der theoretischen
Begründung des Mittels weist E. auf den wesentlichen Punkt hin,
daß bei den Tierversuchen die heilende Dosis nur einen kleinen
Teil der toxischen Dosis darstellt. Gerade solche Mittel ver¬
dienen es, beim Menschen angewendet zu verden. Was die Art
der verschiedenen Einführung des Mittels in den Körper betrifft,
so bemerkt Vortragender dazu, daß ein Huhn, dem man die
Substanz in den Brustmuskel einspritzt, 30—40 Tage gegen die
Spirillose gefeit ist, weil sich dabei ein Depot bildet, das lang¬
sam resorbiert wird; gibt man das Mittel intravenös, so wird es
nach 3—4 Tagen ausgeschieden und daun gelingt bei Hühnern
die Infektion mit Spirillen.
Herr Senator regt an, einen kürzeren Namen für das Mittel
vorzuschlagen.
Herr Kromayer hat das Ehrlich sehe Mittel in 15 Fällen
versucht und sich von der wunderbaren Einwirkung desselben
überzeugt. Ausgezeichnete Erfolge hat er in solchen Fällen
schwerster Art erzielt, bei denen das Hg versagt hat. Ueber-
No. 30.
469
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
raschend war esjrī s.ejien, wie sich die syphilitischen Infiltrate
zurückbildeten und die vielfach sehr tief gehenden Ulcerationen
sich überhäuteten. Sehr guten Erfolg brachte das Mittel in
einem Falle von Psoriasis vulgaris, dem mit keinem anderen
Mittel beizukommen war.
Herr Tomaszewski berichtet im Aufträge des Herrn
Lesser über die Erfolge mit dem Ehrlich sehen Präparat
an der Hautklinik der Charite. 17 Fälle wurden gespritzt, alle
mit gutem, einer mit verblüffendem Erfolg. Als unangenehme
Nebenwirkung sei die Schmerzhaftigkeit der Injektion anzu-'
sehen, die bis 14 läge anhalten kann, ferner die Temperatur¬
steigerung, die gewöhnlich einige Tage andauert. Ob der thera¬
peutische Erfolg von Dauer ist, muß die Zukunft lehren.
_ Britzmann.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“.)
Sitzung vom 4. Juli 1910.
Vorsitzender: Herr Kraus.
(Schluß.)
Ucber die Genese der Urininfektion beim Abdominaltyphus.
(Mit Demonstrationen.)
Herr L. Pick: Die bakteriologische Untersuchung lehrt das
Vorkommen von Bakteriämie bei Typhus in der ersten Woche.
Es dringen also die Bacillen mit dem Blut in alle Organe. Der
ganze Körper ist mit allen seinen Se- und Exkreten infektiös.
Stuhl und Urin spielen bei der Weiterverbreitung der Infektion
die Hauptrolle.
Die Frage der typhösen Bakteriurie ist sehr bedeutsam.
Es gibt keinen Fall, ohne daß Bacillen im Urin enthalten sind,
unabhängig von der Schwere des Falles. Sie treten auch schon
vor dem Erscheinen der Roseola auf und kommen in großen
Mengen vor. Unbehandelt sistiert die Bakteriurie gewöhnlich
nicht. Beschmutzungsflecke brauchen nicht sichtbar zu sein.
Die Gefahr dieser Bakteriurie ist erwiesen. Man keimt Typhus-
bacillen-Träger und -Dauerausscheider. Diese Frage ist mit
Rücksicht auf die Darmentleerung untersucht worden. Aber
man muß auch an anderes denken.
Sicher ist, daß nach Typhus monatelang Bakterien aus¬
geschieden werden können. Die Ausscheidung kann aufhören
und wieder beginnen. Aber es gibt solche Fälle, die viele
Jahre lang Bacillen entleeren. In einer Kaserne in Wesel, wo
mehrfach Epidemien mit vielen schweren z. T. tötlichen Fällen
vorkamen, wurde ein Sergeant ermittelt, der vor 31 Jahren
Typhus gehabt hatte. Seine Fäces waren frei, aber im Urin
schied er kolossale Massen Bacillen aus. Es ist durch ver¬
schiedene Methoden nicht gelungen, die Kot-Typhus-Bacillen-
Träger zu sterilisieren, während wir für die Bekämpfung der
Bakteriurie im Urotropin ein souveränes Mittel besitzen.
Aus der Gallenblase läßt sich regelmäßig der Typhus-
Bacillus züchten; seine Ansiedlung ist dort auf dem Blutwege
zustande gekommen. Die Dauerausscheider haben in der
Gallenblase Steine und alte Entzündungsreste. Man hat ge¬
sagt, dies sei in solchen Fällen der Schlupfwinkel. Förster
in Straßburg hat deswegen die Verödung der Gallenblase und
die Cholecystektomie vorgeschlagen, die in einigen Fällen
auch schon ausgeführt wurde. Doch haben diese Be¬
mühungen Fiasko gemacht. Denn ebenso kommen auf
dem Blutwege die Bacillen in den Choledochus, Cysticus, Hepa-
ticus und seine Aeste; auch hier sind natürliche Schlupfwinkel
gegeben. Es ergibt sich so die hepatogene und die hämatogene
Möglichkeit der Infektion. Die Dauerinfektion kann von dem
ganzen System der galleabführenden Wege ausgehen.
Was wir von der Infektion des Urins wissen, ist wenig,
meist nur Hypothese. Man hat zunächst die Niere herangezogen.
Die klinischen Verhältnisse der Niere hei Typhus sind wech¬
selnd; bald spricht man von Nephrotyplius, bald macht sie wie¬
der geringe oder gar keine Erscheinungen. Andererseits wer¬
den Bacillen in keinem Falle vermißt und dann kann eine ge¬
sunde Niere nie pathogene Bacillen passieren lassen.
Daraus folgt: Es muß die Niere in jedem Falle Verände¬
rungen zeigen, die in klinische Erscheinungen treten können
und den Durchtritt einzelner Bacillen zulassen. Was sind
das für Veränderungen? Kon ja j eff hat vor 20 Jahren ge¬
lehrt, die Bacillen kämen beim Auftreten der Roseola mit dem
Blut in die Nieren und erzeugten hier subkapsuläre Nekrosen;
aus diesen könnten die Bacillen in den Urin kommen oder es
kapseln sich die Herde ab und die Bacillen treten zu irgend¬
einer Zeit aus. Dagegen bestehen eine ganze Reihe von Be¬
denken. Die Typhusbacillen erzeugen in Kapillaren durchaus
keine Nekrose. Ihr Erscheinen ist nicht an die Roseola ge-
bundeu. W a s i 1 i e w hat lymphomatöse Herde bei Typhus
erzeugt. Aber sie sind nicht immer vorhanden und dann lassen
sie sich auch durch Toxininjektionen erzeugen.
Des Vortr. Untersuchungen weisen ganz diffuse Verände¬
rungen des Parenchyms infolge von toxischen Wirkungen auf;
sie ermöglichen den Durchtritt einzelner Bacillen. Auch das
Tierexperiment bestätigt das. Gibt man Tieren Typhusbacillen
per os, so erscheinen sie im Urin nur nach Schädigung der
Nieren durch Staphylokokken.
Oft treten Zeichen der Cystitis und Pyelitis auf ohne Ne¬
phritis. Wir müssen annehmen, daß diese Affektion urinogen
eintritt. Es gibt aber auch Steine in der Niere oder Harnblase,
wo sekundär diese loci minoris resistentiae hämatogen infiziert
werden. Die Infektion des Urins kommt also in zweifacher
Weise zustande, einmal durch die Niere oder extrarenal in den
ableitenden Harnwegen selbst auf dem hämatogenen Wege.
So lassen sich die meisten Fälle von Bakteriurie erklären;
bei saurer oder schwach saurer Reaktion bleiben die Bacillen
im Urin wochenlang virulent. Wo Cystitis oder Pyelitis
besteht, kann der Befund jahrelang bleiben, bis der Chirurg
den Stein beseitigt oder Urotropin die Bakterien ableitet.
Eine Reihe Befunde erklärt sich nicht so, z. B. da, wo
plötzlich im 2. Monat Bacillen auftreten, verschwinden oder
wieder auftreten, auch ohne daß Cystitis oder Pyelitis besteht.
Das kann jahrelang so gehen wie bei dem Sergeanten. Sie
haben keine Bacillen in Blut, Niere oder Gallenblase. Woher
kommen sie?
Hier müssen sie in den appendikulären Brutstätten der
Harnwege wie in den Anfängen der Gallenblase abgelagert
werden, aus denen sie jederzeit abgestoßen werden können.
Vincent hat das einen lokalen typhösen Prozeß der Harn¬
blase genannt. Vor allem kommen die Drüsen des Urogenital-
apparates, Prostata, Samenblasen, heim Weibe 1 die parure-
thraien Ductus etc. in Betracht; in ihnen können sich die
Bacillen einnisten. Bei Prostatitis ist hämagotene Entstehung
wahrscheinlich.
Es ist schwer, diese Ausführungen zu beweisen, weil Sek¬
tionen derartiger Bacillenausscheider Sache des Zufalls sind.
Es ist nötig, zu exakten Untersuchungsergebnissen zu kommen,
indem man auf typhöse Infektionen in Prostata und Samen¬
blase regelmäßig fahndet. Vortr. hat das systematisch verfolgt,
weil er für die epidemische Genickstarre eine Infektion der
Samenblase fesigestellt hat.
Nur ein Fall von Prostatitis typhosa ist bisher in Amerika
festgestellt worden. Vortr. hat 32 Typhusfälle seziert; zweimal
sah er akut eitrige Entzündung der Samenblasen und der Pro¬
stata, die über ihre hämatogene Entstehung geringen Zweifel
aufkommen ließ. In einem Fall von Spermatocystitis purulenta
war die Samenblase total mit Eiter gefüllt; im anderen Falle
bestand Prostatitis mit reichlichen Bacillen. Vortr. hat die
größte Vorsicht angewendet. Die Bacillen sind nicht etwa aus
dem Preßsaft oder Blut der Organe, sondern aus dem freien
Eiter gezüchlet worden; es fanden sich hier Bacillen im Ge¬
webe und auch innerhalb der Kapillaren, dagegen keine Spur
von Nekrose, aber ziemlich reichlich entzündlich-eitrige Ein¬
schmelzung.
Es ist selbstverständlich, daß diese Beobachtungen nur
zeigen, daß infektiöse Prozesse in Prostata und Samenblase
Vorkommen können. Vortr. kann schon jetzt sagen, daß es sicli
nicht um regelmäßige Vorkommnisse handelt, denn er hat
systematisch untersucht. Aber es sind doch unsere Kenntnisse
von Dauerausscheidung spärlich gesät. Alle einschlägigen
Fälle sind daher klinisch und bakteriologisch zu prüfen. Erst
kürzlich sah Vortr. einen Mann, der seit Monaten Bakteriurie
zeigt; nach Urotropingebrauch zessiert sie, um dann plötzlich
wieder aufzutreten; die Fäces sind frei. Man müßte einen
Druck auf Prostata und Samenblase ausüben und nachsehen,
ob größere Mengen von Typhusbacillen im Urin enthalten sind.
Bei Cystitis und Ureteritis kann der Urin desinfiziert wer¬
den, al>er nicht in diesen Schlupfwinkeln, wie Samenblase etc.
Es besteht also ein deutlicher Parallelismus zwischen
Gallen- und Urininfektion, ein weiterer Parallelismus in der
Lokalisation der Dauerinfektion, nämlich im gesamten System
der ableitenden Wege beider Organsysteme. Es läßt sich für
die akute typhöse Infektion, für das Vorkommen einer typhösen
Cystitis und Prostatitis ein exakter Nachweis bringen.
Diskussion:
Herr Fiirbringer kann sich trotz seiner literarischen Be¬
schäftigung nicht erinnern, einem ähnlichen Befunde begegnet
zu sein. Sind auch die Hoden und Nebenhoden untersucht wor¬
den? Denn die Franzosen sprechen häufig von Orchitis und
Epididymitis mit Typhusbacillenbefund. Ist das Sperma im
Vergleich zum Urin ein günstiger Nährboden für die Bacillen?
Die Kohabitation solcher chronischen Bacillenträger ist wohl
nicht bedenklich. Aber Typhuspatienten leiden häufig und
leicht an Pollutionen; sie können Anlaß zur Infektion geben.
Die Aussichten der Therapie sind sehr trübe. Ein Medikament,
welches auf den Inhalt der Samenblase oder der Prostata wirkt,
kennen wir nicht. 01) wir mit einem Serum Erfolg Haben wer¬
den, ist zweifelhaft. Eine Exstirpation der Samenblase ist wohl
nicht angängig und berechtigt. Die Prostata können wir nicht
exstirpieren.
Herr Pick (Schlußwort) hat an Hoden und Nebenhoden
nichts gefunden. Würde man aus den Organen auf Druck
Typhusbacillen entleeren, so könnte der Einwand erhoben wer-
470
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 30.
den, daß sie nicht im Organ, sondern im Blut sitzen. Gerade
weil in Hoden und Nebenhoden die Entzündungen nicht selten
sind, darum hat Vortr. mit Zuversicht in Samenblase und Pro¬
stata darauf gefahndet. Er hat auch auf die Gefahr des Spermas
hingewiesen. Es kann bei jedem das Sperma mit Bakterien ge¬
impft werden. Das ist aber nicht unbedenklich für den Koitus
bei Menschen, die wie die Dauerausscheider sonst vollkräftig
sind. Die Gefahr ist wohl unwahrscheinlich, aber möglich.
Was die Therapie anbetrifft, so hatStabsarzt Niepraschk
bei dem Sergeanten in Wesel Urotropin und Hetralin, dann
ßorpvertin gegeben; letzteres in solcher Menge, daß erhebliche
Einwirkungen auf den Körper entstanden. Er magerte ab,
wurde hinfällig. Dann verschwanden schließlich auch die Ba¬
cillen aus dem Urin. Immerhin läßt sich vorstellen, daß, wenn
man den ganzen Körper mit Borsäure etc. durchtränkt, die I
Stellen sterilisiert werden, die sonst Bakterien in den Urin¬
strom ausscheiden. Mode.
Freie Vereinigung für Mikrobiologie.
4. Tagung vom 19.—21. Mai 1910 im Kgl. Institut für Infektions¬
krankheiten in Berlin.
1. Tag 19. Mai 1910.
Vorsitzende: Herren Kirchner, Flügge, Löffler.
Herr Friedemann (Berlin)': Referat über Anaphylaxie.
Alle Anaphylaxie erzeugenden Stoffe sind Eiweißkörper
aus dem Pflanzen- oder Tierreich, gleichgültig ob sie in gelöster
Form oder als Zellen organisiert angewandt werden. Die Vor¬
gänge heim Kaninchen, Menschen und größeren Fleischfressern
einerseits und dem Meerschweinchen andererseits sind ver¬
schiedenartig und erfordern gesonderte Betrachtung. Beim
Kaninchen, das sich am besten zum Studium der Anaphylaxie
eignet, gelingt auch die passive Anaphylaxie am besten durch
Uebertragung des Antigens und Antikörpers, eine Mitwirkung
der Zellen des Organismus findet nicht statt. Bei der durch
Injektion von Erythrocyten erzeugten Anaphylaxie sind nach
Friedemanns Versuchen der anaphylaktische Reaktions¬
körper und die Hämolysine identisch. Die Giftwirkung beruht
nach Friedemann auf einer durch das Komplement be¬
wirkten Abspaltung eines Giftes aus der Vereinigung von An¬
tigen und Antikörper. Als charakteristisch für die Meer¬
schweinchenanaphylaxie betrachtet Friede mann 1. die
minimalste Menge, die zur Sensibilisierung ausreicht, sowie die
lange Dauer dieses Zustandes; 2. bei der passiven Anaphylaxie
wird der fertige Antikörper übertragen; 3. die Erscheinungen
der „Antianaphylaxie“, die aber noch experimentell geklärt
werden müssen. Die Natur des anaphylaktischen Reaktions¬
körpers ist unaufgeklärt. Friede mann glaubt, daß das
Komplement zum Zustandekommen des Symptomenkomplex
nötig ist. Die Erscheinungen der Anaphylaxie fügen sich den
Erscheinungen der Immunität ein.
Herr Doerr (Wien): Referat über Anaphylaxie.
Die Erscheinungen der Anaphylaxie bei den verschiedenen
Tierarten sind als einheitliche aufzufassen. Doerr bevorzugt
das Meerschweinchen als Versuchstier, dem an Reaktionsfähig¬
keit der Mensch am nächsten steht. Als Antigen wirkt art¬
fremdes Eiweiß, dessen Injektion die Bildung des anaphylak¬
tischen Reaktionskörpers veranlaßt, neben der Bildung der ge¬
wöhnlichen Immunkörper, z. B. der Präzipitine, mit denen nach
Doerr der anaphylaktische Reaktionskörper identisch ist. Die
Mitwirkung des Komplements ist zur Auslösung der anaphy¬
laktischen Symptome notwendig. Doerr glaubt, daß in
Friedbergers gewaschenen Präzipitaten der giftige Stoff
gefunden ist. Die Symptome der Anaphylaxie können durch
präventive Gaben von Atropin, sulfur. verhütet werden. Der
von Kraus als typisch angegebene Krampf der Bronchial¬
muskulatur genügt Doerr nicht zur Charakterisierung des
anaphylaktischen Befundes. Doer r betont nochmals die voll¬
ständige Analogie zwischen der Anaphylaxie und den bis jetzt
schon wohlbekannten Antikörpern, speziell den Präzipitinen.
Herr Bicdl (Wien): Fieber Anaphylaxie.
Die Verhältnisse sind noch recht unklar. Als Kriterium
ist der von Kraus angegebene Lungenbefund anzusehen.
B i e d 1 hält das Friedberger sehe Anaphylatoxin nicht für
die Ursache des anaphylaktischen Shocks. Auch die Salz¬
versuche Friedbergers seien nicht eindeutig beweisend.
Die Identität von Präzipitinen und anaphylaktischem Reaktions¬
körper sei keineswegs bewiesen.
Herr Weichardt (Erlangen): Ueber einige Befunde der
modernen Eiweißcheinie in ihrer Beziehung zur Bakteriologie
und Immunitätsforschung; mit besonderer Berücksichtigung der
Anaphylaxie.
Das von W. 1901 gewonnene Synzitiotoxin ist ein Ana¬
phylatoxin. Störungen im Stickstoffgleichgewicht von Hunden
sind als Kriterium der Anaphylaxie zu verwenden, während die
Untersuchung mit dem Polarisationsapparat versagt. Die von
W. gefundene Veränderung des osmotischen Druckes bei An-
tigen-Antikörperreaktion hat möglicherweise etwas mit den
anaphylaktischen Störungen zu tun.
Herr Friedberger (Berlin): Ueber Anaphylatoxin und pri¬
märe Serum-Anaphylaxie.
Das Anaphylatoxin wird nach F r. so gewonnen, daß man
normales Meerschweinchenserum auf ein Eiweiß-Antieiweiß-
Präzipitat einwirken läßt und dann abzentrifugiert. Durch in¬
aktiviertes Meerschweinchenserum oder physiologische Koch¬
salzlösung läßt sich kein Gift gewinnen, es handelt sich also
um eine dem Komplement des frischen Serums zukommende
Eigenschaft. Die optimale Giftwirkung erhält man bei Anwen¬
dung mittlerer Dosen von Antigen und Antikörper, sowie erst
nach einer gewissen Zeitdauer der Einwirkung. Bei Anwen¬
dung von Erythrocyten als Antigen gelten diese Verhältnisse
nicht, da hierbei die Giftwirkung des Hämoglobins mit in Tätig¬
keit tritt. F r. faßt die Ueberempfindlichkeit als humoralen
Vorgang auf. Es gelang ihm nachzuweisen, daß schon Antisera
an sich bei nicht vorbehandelten Tieren Giftwirkung äußern
können, z. B. hat ein vom Kaninchen gewonnenes Antihammel¬
serum, zu geeigneter Zeit entnommen und in geeigneter Menge
eingespritzt, akut toxische Wirkung beim nicht vorbehandelten
Meerschweinchen. Ein Uebergreifen der Antikörperreaktion ist
bei der großen Verschiedenheit von Hammel und Meerschwein¬
chen nicht wahrscheinlich, überdies wirkt ein gewöhnliches
Typhusantiserum ganz analog. Die primäre Giftigkeit des Anti¬
serums hängt von dem Intervall zwischen letzter Antigenzufuhr
und Serumentnahme ab. (Kurvendemonstration.) Als Erklä¬
rung nimmt F r. an, daß im Antiserum immer noch Antigen¬
reste enthalten seien. Die aktive und passive Anaphylaxie sind
nach F r. nur besondere, durch quantitativ geänderte Anord¬
nung bedingte Spezialfälle. Bei der Verwendung von solch
primär giftigen Seris beim Menschen ist die Zeit der Entnahme
zu beachten, um die Giftwirkung zu vermeiden.'
Herr Lockemann und Thieß (Berlin): Ueber Anaphylaxie
durch fötales Serum.
Die Injektion von fötalem Kaninchenserum bei Kaninchen
wirkt toxisch. Die erste Injektion ist bei 33 pCt. der Tiere
giftig, wovon der größere Teil auf trächtige Tiere entfällt. Die
wiederholte Injektion wirkt bei 71 pCt. toxisch, bei trächtigen
schwerer wie bei nichtträchtigen. Diese Versuche und kli¬
nische Analogien zwischen Eklampsie und Anaplilylaxie lassen
an einen Zusammenhang zwischen beiden denken.
Herr Hailer (Groß-Lichterfelde): Die praktische Verwert¬
barkeit der Anaphylaxiereaktionen.
Zur Untersuchung von Nährpräparaten wurde die Ana¬
phylaxie herangezogen. Wegen der auf verschiedene Eiwei߬
abbauprodukte übergreifenden Gruppenreaktion sind praktisch
verwertbare Resultate nicht erhalten worden.
Herr Haendel und Steffcnhagen (Groß-Lichterfelde): Aus¬
wertung von Antieiweißseris.
Die Austitrierung des gleichen Antieiweißserums mit der
Präzipitation, Komplementbindung und Anaphylaxie gibt stark
abweichende Titres. Die 3 Stoffe sind nach Haendel ver¬
schieden. Komplementbindende und anaphylaktische Stoffe
sind zeitlich vor den Präzipitinen im Serum nachzuweisen.
Diskussion über Anaphylaxie:
Herren Gröber, Pfeiffer, Sachs, Friede¬
mann, Friedberger, Kraus, Weichardt, Pri-
bram, Uhlenhuth, Biedl, Haendel, Doerr,
Thiess, Sobernheim, Löffler, Wassermann.
Herr Doerr (Schlußwort):
Herr Weber (Dresden) macht Mitteilungen über die nächst¬
jährige Hygieneausstellung in Dresden und bittet um Anmel¬
dungen.
Diskussion:
Herren Löffler (Greifswald), Weber (Dresden).
Herr Reichenbach (Bonn): Zur Theorie der Desinfektion.
Bei der Desinfektion durch Chemikalien und Hitze sterben
die Bakterien nicht gleichzeitig ab. R. versuchte den Hergang
auf mathematischem Wege zu verfolgen. Die Desinfektion ver¬
läuft in einer Exponentialkurve und folgt dem Gesetz der mono¬
molekularen chemischen Reaktionen. Die Kurve ist für jede
Bakterienart konstant, gleichgültig ob mit Sublimat oder Hitze
desinfiziert wird.
Herr Lentz (Berlin): Vorschlag einer einfachen Bezeich
nung des Wertes von spezifischen Serumreaktionen.
Bei der Identifizierung von Bakterien ist die Angabe des
Agglutinationswertes ungenügend, wenn nicht zugleich der
Titer des Testserums angegeben wird. Ein Agglutination von
1:4000 ist bei einem Serum vom Titer: 1:5000 anders zu be¬
werten als bei einem von 1 :50 000. Lentz schlägt vor, die
Angaben in Form eines Bruches zu machen, bei dem im Zähler
der enthaltene Agglutinationswert, im Nenner der Titer des
Testserums steht. Ifgggg würde bedeuten: Ein Serum vom
Titer 1: 5000 agglutiniert in dem betreffenden Fall 1:1000. Auch
für andere Serumreaktionen lassen sich die Werte analog an¬
geben, z. B. für die Bakteriolyse.
Diskussion: Herr Löffler (Greifswald).
Herr Heim (Erlangen): Schutzstoffe aus Organen.
In Kochsalzlösung, mit der die entbluteten Kaninchen
| durchspült wurden, waren keine Schutzstoffe nachzuweisen.
No. 30.
THERAPEUTISCHE
Dagegen fanden sie sich in der Leber, die durch Verdauungs-
fermente aufgeschlossen war.
Herren Kraus und Amiradzibi (Wien): Ueber den Mecha¬
nismus der Antitoxinwirkung bei der Heilung.
Versuche über die Frage, ob das Antitoxin und Toxin sich
innerhalb oder außerhalb der Zelle vereinigen. Nach Kraus
kann Antitoxin nicht in gesunde Zellen eintreten, dagegen
tritt bei Diffusionsversuchen das Toxin durch die Membran zum
Antitoxin. Nach Kraus tritt im Körper das Toxin aus der
Zelle in die Umgebung heraus und wird hier vom Antitoxin
neutralisiert.
Diskussion: Herr Weichardt (Erlangen).
Herr Liefmann (Berlin): Ueber das Komplement.
Versuche, die Bestandteile des Komplements durch Li¬
poide zu ersetzen. Der Albuminteil läßt sich durch Lipoide
gar nicht vertreten, beim Ersatz des Globulinteiles durch Oel-
säure tritt die Komplementwirkung ein, doch zeigt es sich, daß
die Oelsäure allein dieselbe Wirkung hatte (Hämolyse), daß
also auch hier ein.Ersatz des Globulinteiles nicht gelingt.
Herr Liefmann (Berlin): Der Horror autotoxicus bei der
Hämolyse.
Das Serum einer Tierart wirkt nicht als Komplement,
wenn es sich darum handelt, Blutkörperchen der eigenen Art
aufzulösen. Ersetzt man aber in diesem Serum den Albumin-
teil durch Albumin eines artfremden Serums, so tritt Hämo¬
lyse ein.
Diskussion: Herr Landsteiner (Wien).
Herren Steffenhagen und Andrcjew (Groß-Lichterfelde):
Haltbarkeit von Mikroorganismen und Immunkörpern in Blut¬
egeln.
Die Blutegel enthalten a priori keine pathogenen Keime.
Mit dem Blut aufgenomene pathogene Mikroorganismen halten
sich im Blutegel von 14 Tagen bis zu 3 Monaten und noch länger
lebend und infektiös. Präzipitierende, agglutinierende und
hämolytische Immunkörper gehen in ca. 30—50 Tagen zugrunde.
Keimübertragung ist demnach bei öfterem Gebrauch ein und
desselben Egels denkbar.
(Fortsetzung folgt.)
XIX. Versammlung der Deutschen Otologischen
Gesellschaft.
(Fortsetzung.)
Herr Brünings (Jena): Ueber neue Gesichtspunkte in der
Diagnostik des Bogengangapparates. (Mit Demonstration.)
Diskussion:
Herren Bäräny, Neu mann.
Herr Hansberg (Dortmund): Zur Frühoperation der
akuten otogenen Sepsis.
H. empfiehlt an der Hand von 15 beobachteten Fällen
akuter otogener Sepsis die Frühoperation. In allen seinen
Fällen bestanden äußerlich keine Veränderungen am Warzen¬
fortsatz, 8 mal fehlte sogar eine Empfindlichkeit auf Druck.
Eiter wurde in allen Fällen im Warzenfortsatz gefunden, 5 mal
fand sich 4 Tage nach dem ersten Auftreten der Mittelohr-
erkrankung bereits eine Thrombose im Sinus resp. krankhafte
Veränderungen an der Wand desselben.
Als Operation kommt zunächst die Eröffnung des Warzen¬
fortsatzes, dann die Freilegung des Sinus, event. mit Eröffnung
desselben in Betracht. H. hat gewöhnlich sehr frühzeitig ope¬
riert, 2 mal iy 2 , 4 mal 3, 4 mal 4, je 1 mal 6 resp. 10 Tage
nach dem ersten Auftreten der Mittelohrerkrankung, in 3 Fällen
wurde im Verlaufe von Angina resp. Scharlach operiert.
Die Diagnose ist in den Frühstadien sehr schwierig, aber
nicht unüberwindlich, von großer Bedeutung sind Temperatur¬
erhöhung, Schlummersucht, Empfindlichkeit am Warzenfortsatz.
Aus der Höhe des Fiebers läßt sich nicht immer ein Schluß
ziehen auf die Schwere der Erkrankung.
Jeder Fall muß streng individualisiert werden, die The¬
rapie muß immer dem jeweiligen Fall angepaßt sein. Ueber
den Zeitpunkt, wann eingegriffen werden soll, lassen sich keine
bestimmten Regeln aufstellen, Erfahrung und Takt des Ope¬
rateurs entscheiden.
Von den Fällen H.s wurden 13 geheilt, 2 starben.
Diskussion: Herr Mayer (Wien).
Herr Wittmaack: Zur Frage des Tubenabschlusses bei der
Totalaufmeißelung.
W. schlägt vor, die durch Offenbleiben der Tube bei Total¬
aufmeißelungen bedingten nachteiligen Folgezustände dadurch
zu vermeiden, daß man am Schluß der Totalaufmeißelung das
tympanale Tubenostium durch Aufheilung eines gestielten
Hautläppchens zum Verschluß bringt. Dieses Verfahren, dessen
Technik im einzelnen ausführlich beschrieben wird, hat sich
in einer Reihe von Fällen bereits so gut bewährt, daß W. es
zur weiteren Nachprüfung empfehlen zu können glaubt.
Diskussion:
Herren Siebenmann, H insberg, Pr ey sing,
E. Urbantschitsch, Habermann, Passow.
Winckler, Ritter.
RUNDSCHAU 1910. 471
Herr 0. Voss (Frankfurt a. M.): Meningitis serosa otogener
Genese mit eigenartigem Verlauf.
V. teilt einen Fall von Sinusphlebitis mit konkomitierender
Meningitis serosa der hinteren Schädelgrube mit, in dem es
während der Rekonvaleszenz unter plötzlichem Auftreten von
Kreuzschmerzen und Kernigscher Kontraktur zu einer In¬
fektion der spinalen Häute kam. V. führt dieses Vorkommnis
auf Zerreißung von Adhäsionen im Bereich der hinteren
Schädelgrube zurück, ehe der Prozeß hier vollkommen ab¬
geklungen war und gibt dem zu frühen Aufstehen des Patienten
schuld hieran. Er knüpft hieran die Mahnung zu striktester
Innehaltung von Bettruhe bis zu dem Momente, in dem das
letzte Anzeichen der entzündlichen Exsudation vollkommen
verschwunden ist.
Herr Herzog (München): Mechanik des Fistelsymptoms.
Nach kurzen einleitenden Bemerkungen über die Art und
Richtung des Nystagmus beim Fistelsymptorn weist H. darauf
hin, daß für die Erklärung der klinischen Erscheinungen fol¬
gende Tatsachen vorausgesetzt werden:
1. Der Luftdruck greift immer den Labyrinthwanddefekt an.
2. Durch die einwirkende Kraft wird eine genügend starke
Strömung im Labyrinthwasser erzeugt, um die Nervenendigun¬
gen des Vorhofbogengangapparates zu reizen.
An der Richtigkeit dieser Voraussetzung zweifelt H. haupt¬
sächlich aus zwei Gründen. Einmal, weil die klinischen Be¬
funde hiermit keine vollkommen befriedigende Erklärung
finden und dann insbesondere, weil bei unkomplizierten chro¬
nischen Mittelohreiterungen kein Fistelsymptom auslösbar ist,
obowohl das runde Fenster einen idealen Labyrinthwanddefekt
darstellt.
Auf Grund von rechnerischen Ueberlegungen und unter
Verwertung der bei manometrischen Untersuchungen am
Präparate gewonnenen Resultate gelangt H. zur Ansicht:
Die durch den Druck mit dem Schlauchballon erzeugte
Kompresion des Labyrinthwassers (= Strömung) genügt nicht,
um die Nervenendstellen zu reizen.
Durch den Druck wird eine Verschiebung des Labyrinth¬
wassers bewirkt, und zwar zwischen Labyrinthwanddefekt und
rundem Fenster (bezw. eines zweiten Defektes).
Der Angriffspunkt der Druckwirkung ist dort, wo die Kraft
senkrecht auftritt. Ob dies einmal der Labyrinthwanddefekt,
das andere Mal das runde Fenster ist, hängt von individuellen
anatomischen Verschiedenheiten (Lage des runden Fensters)
und von jeweils verschiedenen pathologischen Zuständen in
der Umgebung des Labyrinthwanddefektes ab.
Aus diesem Grunde ist es begreiflich, daß bei gleicher
Lage des Labyrinthwanddefektes entgegengesetzte klinische
Symptome beobachtet wurden.
Aus diesem Grunde ist auch eine Lokalisation des Laby¬
rinthwanddefektes aus der Art und Richtung des Nystagmus
beim Fistelsymptom nicht statthaft.
Diskussion:
Herren Neumann, E. Urbantschitsch.
Herr Scheibe (München): „Fistelsymptom“, postoperative
Labyrinthitis und Verhütung derselben.
Die postoperative Labyrinthitis hat in den letzten Jahren
an Zahl plötzlich bedeutend zugenommen. Die Zunahme fällt
zusammen mit dem Bekanntwerden des sogen. Fistelsymptoms.
Obwohl dauernde Taubheit in der Hälfte der Fälle die Folge
der Aufmeißelung des Mittelohres ist, nehmen alle Autoren
ausnahmslos diese Komplikation als etwas Selbstverständliches
hin. Scheibe wirft deshalb die folgenden beiden Fragen auf:
Erstens: Ist in den Fällen mit Kompressionsnystagmus oder,
was ziemlich gleichbedeutend ist, Bogengangsusur — nicht
..Fistel“, wie unberechtigterweise allgemein die Bezeichnung
lautet! — die Aufmeißelung des Mittelohres notwendig? Auf
Grund von 4 konservativ behandelten Fällen und unter Ver¬
wertung seines gesamten in 17 Jahren konservativ behandelten
Materials, bei dem in keinem einzigen Falle Taubheit ein¬
getreten ist, kommt er zu dem Schlüsse, daß das Fistelsymptom
oder, wie es richtiger heißt. Drucksymptom an und für sich
keine Indikation zur Aufmeißelung ist.
Zweitens ini Falle aus einem anderen Grunde die Auf¬
meißelung notwendig ist, läßt das Auftreten der postoperativen
Labyrinthitis sich verhüten? Da als auslösendes Moment haupt¬
sächlich das Suchen nach der sogen. Fistel in Betracht kommt,
während die Meißelerschütterung und die Tamponade weniger
von Bedeutung sind, rät er dringend, das so wichtige Druck-
svmptom in den Fällen mit funktionsfähigem Labyrinth nicht
als Wegweiser anzusehen, sondern als Warnungstafel, auf der
die zwei Sätze stehen: „Halt, hier ist eine Usur!“ und „Nil
nocere!“
Diskussion:
Herren Ruttin, Habermann, Bondy, Voss,
Wagner.
Herr v. Gyergyay (Klausenburg): Demonstration einer
neuen, direkten Methode zur Untersuchung und Behandlung der
pharyngealen Tubenmündung und des Innenraumes der Ohr¬
trompete.
472
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 30.
Herr Morian (Karlsruhe): Beitrag zur klinischen Kenntnis
der Neuritis acustica alcoholica.
Die Neuritis acustica alcoholica äußerte sich in den bis
jetzt bekannt gewordenen Fällen (8 Beobachtungen aus der
Literatur, 3 eigene Beobachtungen) in einer meist sehr plötz¬
lich auftretenden Schwerhörigkeit ins Taubheit, verbunden mit
sehr heftigen subjektiven Geräuschen, und außerdem in einem
Teil der Fälle mit mehr oder weniger heftigen Schwindel¬
erscheinungen. Neuritische Erscheinungen von andern Seiten
des Nervensystems vervollständigen das Krankheitsbild, dessen
Prognose quoad restit. als zweifelhaft bezeichnet werden muß.
Therapeutisch kommt in erster Linie eine strikt durchgeführte
Abstinenz in Betracht.
III. Therapeutische Notizen.
Flüssige Seifen finden seit jeher in der Dermato-
therapie ausgedehnte. Verwendung, insbesondere wird die
tlüssige Glyzerinseife für die Haut- und Haarpflege viel ge¬
braucht. Neuerdings hat Apotheker Böer eine flüssige Glyzerin
seife hergestellt, welche sich durch ihre absolute Neutralität
auszeichnet und in dieser Hinsicht den Anforderungen des
Deutschen Arzneibuches mehr als genügt. Weitere Vorzüge
dieser hellblonden „Böers flüssigen Glyzerinseife“ sind große
Schaumkraft, Sparsamkeit im Gebrauch und absolute Haltbar¬
keit, so daß die Seife selbst in der Kälte klar bleibt. Auch zur
Herstellung von medikamentösen Seifen ist Böers flüssige
Glyzerinseife sehr geeignet. So kann sie alsTräger vonFormalin,
Sulfur colloidale dienen. Ganz besonders hinzuweisen ist auf
das mittels der Glyzerinseife hergestellte Präparat: S a p o
anthracisdetergensliquid. Böer mit Steinkohlenteer¬
extrakt, das ebenfalls absolute Neutralität besitzt. Diese Seife
ist den üblichen Teerseifen an Reinheit und an Wirksamkeit
überlegen und wird auch als Toiletteseife gern verwendet. Be¬
währt hat sich Böers flüssige Teerseife bei der Psoriasis vul¬
garis, bei Ekzemen des Kopfes und der Extremitäten, bei Hyper-
keratosis der Fußsohlen. Speziell für die Pflege des Haares
und der Kopfhaut verwendet man Böers flüssige Teerseife
auf folgende Art: Auf den mit Wasser angefeuchteten Kopf¬
schwamm gießt, man etwa einenFingerhut voll von der Seife und
verreibt sie 2—3 Minuten lang auf dem Kopf. Alsdann taucht
man den Schwamm in lauwarmes Wasser, schäumt den Kopf
damit einige Minuten lang ab und wäscht nachher die Haare
wie gewöhnlich aus. In dieser Weise 1 —2 mal wöchentlich an¬
gewendet, stellt die Böer sehe flüssige Teerseife ein gutes
Prophylaktikum für die Kopfhaut dar, indem sie die Schuppen¬
bildung und den dadurch bedingten Haarausfall verhütet. Zum
Einfetten der Haare verwendet man am besten 2 proz. Salicylöl
oder reines Olivenöl. (150 ccm von Böers flüssiger Glyzerin¬
seife kosten 1 M., die Doppelflasche 2 M.; zu beziehen ist sie
von Böers Apotheke, Berlin NO. 18, Gr. Frankfurterstr. 103.)
IV. TagesgescMchte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Die Reichstagskommission für die
Reichsversicherungsordnung hat bis zum Juli getagt und wird
ihre Beratungen erst am 20. September wieder aufnehmen.
Nachdem die das Verhältnis der Aerzte zu den Krankenkassen
betreffenden Paragraphen, wie in der vorigen Nummer mit¬
geteilt, erledigt oder eigentlich nicht erledigt waren, kam die
Frage der Arzneiversorgung der Krankenkassen an die Reihe.
Die betreffenden Paragraphen haben in der ersten Lesung der
Kommission folgende. Fassung erhalten:
§ 404. Die Satzung kann den Vorstand der Kasse ermächti¬
gen, wegen Lieferung der Arznei Vorzugsbedingungen mit ein¬
zelnen Apothekenbesitzern oder -Verwaltern zu vereinbaren
und, von dringenden Fälle abgesehen, die Bezahlung anderer
abzulehnen, wenn sie sich nicht bereit erklären, zu den gleichen
Bedingungen zu liefern.
Die Verträge sind binnen einer Woche dem Versicherungs¬
amt und außerdem spätestens eine Woche, bevor sie den
Kassenmitgliedern bekanntgegeben werden, allen Apotheken¬
besitzern und -Verwaltern des Kassenbereichs mitzuteilen.
Genügt die von einer Kasse gewährte Arzneiversorgung
nicht, so gilt § 400 entsprechend.
Soweit die freigegebenen Arzneimittel in Betracht kommen,
dürfen die Kassen auch mit Drogisten, die die Erlaubnis zum
Giftverkauf haben, Verträge abschließen.
§ 405. Die Apotheken haben den Krankenkassen für die
Arzneien nach näherer Bestimmung der obersten Verwaltungs¬
behörde einen Abschlag von den Preisen der Arzneitaxe zu ge¬
währen.
Die Höchstpreise von einfachen Arzneimitteln, die ohne
ärztliche Verschreibung (im Handverkauf) abgegeben zu wer¬
den pflegen, sind von "der höheren Verwaltungsbehörde unter
Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der im Hand¬
verkauf üblichen Preise festzusetzen. Die Höchstpreise dürfen
die nach Absatz 1 sich ergebenden Beträge nicht überschreiten.
Die oberste Verwaltungsbehörde kann näheres bestimmen,
auch der nach § 406 bestimmten Stelle die Festsetzung über¬
tragen. i«.
§ 406. Die oberste Verwaltungsbehörde kann zur Herbei¬
führung und Erleichterung von Verträgen und zur Schlichtung
von Streitigkeiten zwischen den Kassen und den Apotheken¬
besitzern oder -Verwaltern ähnliche Einrichtungen anordnen,
wie sie dieses Gesetz für das Verhältnis zwischen den Kassen
und Aerzten vorsieht.
Der § 407, der den Landesregierungen gestatten will, für die
Betriebskassen des Reiches oder der Bundesstaaten hinsichtlich
der Verträge mit Apothekern und Aerzten Ausnahmen zu ge¬
statten, wurde nach kurzer Debatte abgelehnt.
Der erwähnte § 400 ermächtigt, wie zur Erläuterung bemerkt
sei, im Falle ungenügender ärztlicher Versorgung und Kranken¬
hauspflege durch die Krankenkassen das Oberversicherungsamt
einzugreifen und auf Kosten der Kasse das Erforderliche zu ver¬
anlassen. — Auf die übrigen Beschlüsse der Kommission,
welche die Krankenversicherung in erster Lesung so ziemlich
erledigt hat, wollen wir an dieser Stelle vorläufig nicht ein-
gehen, schon aus Raummangel, und weil die Beschlüsse nur
vorläufige sind. — Die Beschlüsse der Kommission, in bezug
auf die kassenärztliche Versorgung der Krankenkassen, haben,
wie vorauszusehen, in den weitesten Kreisen der deutschen
Aerzte große Erregung hervorgerufen. Ihren offiziellen
Ausdruck findet diese Stimmung in folgender Erklärung der
Krankenkassenkommission des Deutschen Aerztevereinsbundes,
die am 10. Juli in Eisenach tagte:
„Die Verhandlungen der 16. Reichstagskommission über
die die Aerzte berührenden Paragraphen des zweiten Entwurfes
einer Reichsversicherungsordnung haben bei der Regierung
und bei den Vertretern der meisten Parteien eine völlige Un¬
kenntnis der elementarsten Tatsachen der Arztfrage und eine
unverhüllte Feindseligkeit gegen den ärztlichen Stand bewiesen
und müssen die allgemeine Entrüstung der deutschen Aerzte
erregen. Die Kommissionsbeschlüsse bedeuten eine erhebliche
Verschlechterung des an sich schon unbrauchbaren Entwurfs;
ihre Erhebung zum Gesetz müßte den unbeugsamen Widerstand
der organisierten Aerzteschaft zur unabwendbaren Folge haben.
Nachdem nun aber der Herr Staatssekretär im Reichsamt des
Innern und Vertreter sämtlicher Parteien die über das Ver¬
hältnis der Krankenkassen zu den Aerzten (§§ 377 ff.) gefaßten
Beschlüsse selber für unhaltbar und deren völlige Umgestaltung
in der zweiten Lesung für notwendig erklärt haben, so muß
erwartet werden, daß dabei die ärztlichen Forderungen endlich
in vollem Umfange Erfüllung finden. Allerdings vermag nach
dem bisher Vorgefallenen die Aerzteschaft dep kommenden
Verhandlungen nur mit dem stärksten Mißtrauen entgegenzu¬
blicken.“
Aber trotz dieser die ärztlichen Forderungen so vollständig
ignorierenden Beschlüsse der Kommission sind die extremen
Aerztefresser auf der Krankenkassenseite durch das Gesetz in
seiner vorläufigen Fassung keineswegs zufriedengestellt. Im
Gegenteil, sie sehen darin eine Begünstigung der Aerzte. Dies
kam u. a. auf dem Verbandstag der Ortskrankenkassen Deutsch¬
lands, der in der vergangenen Woche in Regensburg tagte, zum
Ausdruck. Hier hatte der aus dem Cölner Krankenkassenstreit
bekannte Herr Brachei das Referat über die Aerzte- und
Apothekerfrage. Nach dem Bericht der „Vossischen Zeitung“
führte er etwa folgendes aus: Die Vorschläge des Regierungs¬
entwurfs seien für die Kassen ungünstig. Hinter der freien
Arztwahl verstecke sich nur nackter Egoismus anti¬
sozialer Aerzte. Der Leipziger Verband lasse Ethik und
Moral außer acht. Die Krankenkassen dürften kein Aus¬
beutungsfeld für den Aerztestand auf Kosten der wirtschaftlich
Schwächeren sein usw. Immer dieselben oft gehörten Schlag¬
worte. Also der Ruf der Aerzteschaft nach freier Arztwahl hat
seinen Grund in antisozialen Motiven? Weiß Herr
Brachei nicht, daß gerade die Führer der Aerzte im Kampf
für die freie Arztwahl für die soziale Förderung der
Versicherten jederzeit, und zwar nicht nur mit Worten,
sondern auch mit Taten durch Schaffung der Walderholungs¬
stätten, Fürsorgestellen usw. eingetreten sind? Daß der Ver¬
ein der freigew 7 ählten Kassenärzte zu Berlin
zuerst hygienische Vorträge für Kassenmit¬
glieder ins Leben gerufen hat? Daß derselbe Verein eine
Einrichtung geschaffen hat, welche es den Versicherten ermög¬
licht, sich in Unfallsachen unter billigen Bedingungen Gutachten
durch selbstgewählte Spezial-Aerzte gegenüber den Vertrauens¬
ärzten der Berufsgenossenschaften zu verschaffen? Männer,
welche alle diese Einrichtungen ins Leben gerufen haben, kann
man doch unmöglich als antisoziale Egoisten be¬
zeichnen! Haben dagegen die fixierten Kassenärzte jemals
No. 30.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1010.
473
eine derartige soziale Initiative, gezeigt ? Der Egoismus, will
sagen die Honorarfrage ist für den Kampf um die freie Arzt¬
wahl überhaupt von keiner Bedeutung mehr, jetzt, wo, wie jeder
Sachverständige weiß, die Kassen bei jedem Arztsystem un¬
gefähr das gleiche Pauschale für die ärztliche Behandlung aus-
. geben. Viele Kassen mit fixierten Aerzten zahlen sogar ein
höheres Pauschale als die Kassen mit freier Arztwahl. Darum
sind solche agitatorischen Schlagworte wie Ausbeutung der wirt¬
schaftlich Schwächeren durch die Aerzte gegenüber den durch¬
aus bescheidenen Forderungen der deutschen Aerzteschaft
wirklich nicht am Platze. Es handelt sich für die Aerzte, wie
neulich Mermann (Mannheim) ausführte, nur um die Frage:
Aussperrungssystem oder Zulassungssystem. Diese Frage ist
jetzt um so mehr eine Lebensfrage für die deutsche Aerzte¬
schaft, als ja durch die neue Vorlage der Kreis der Zwangs¬
versicherten sehr erheblich erweitert ist, nicht nur durch Auf¬
nahme der Landarbeiter, Dienstboten, kleinen Gewerbetreiben¬
den, sondern zuletzt auch durch die Heraufsetzung der Ein¬
kommensgrenze von 2000 auf 2500 M.
Universitätswesen, Personalnachrichten.
Berlin. Der außerordentliche Professor in der juristi¬
scher Fakultät der hiesigen Universität Dr. W. Kahl, ist von
der Universität Erlangen zum Dr. medicinae honoris causa er¬
nannt worden.
— Geheimrat Prof. Dr. Waldeyer, Direktor des anato¬
mischen Instituts, ist von der Academia dei Lincei in Rom zum
auswärtigen Mitglied ernannt worden.
—• Der Oberstabsarzt und Regimentsarzt Prof. Dr. Otto
• H u b e r ist im Alter von 44 Jahren gestorben. Er war früher
Arzt an der Charite und zwar an der Leyden sehen Klinik
gewesen.
— Den von ddr H u f el and sehen Gesellschaft ausge¬
schriebenen Al varenga - Preis, für welchen dieses Jahr das
Thema lautete: „Die Blutdrucksteigerung vom ätiologischen und
therapeutischen Standpunkt“ hat Dr. Hasebroek in Ham¬
burg erhalten.
Bonn. Der bisherige Privatdozent der Physiologie in
Göttingen Dr. Fröhlich hat sich in der hiesigen Fakultät
habilitiert.
Göttingen. Prof. Jensen (Breslau) hat die Berufung
als Nachfolger Verworns auf den Lehrstuhl der Physiologie
angenommen. — Der Privatdozent der Chirurgie Prof. Dr.
A. Jenckel tritt von seiner Dozentur zurück und übernimmt
die Stellung eines Chefarztes am Krankenhaus zu Bremen.
Marburg. Der Direktor der hiesigen medizinischen
Klinik Professor Dr. Ludolph Brauer hat einen Ruf nach
Hamburg als Direktor des allgemeinen Krankenhauses in
Eppendorf an Stelle des dahingeschiedenen Lenhartz
erhalten.
Frankfurt a. M. Geheimrat Prof. Paul Ehrlich,
Direktor des Instituts für experimentelle Therapie, wurde vom
Bundesrat zum Mitglied des Reichsgesundheitsrats gewählt.
Dresden. Der Altmeister der deutschen Kinderärzte,
Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. Eduard Henoch, welcher bis
1893 die Kinderklinik der Berliner Charite leitete, feierte am
16. Juli seinen 90. Geburtstag. Er war an der Berliner Univer¬
sität seit 1850 Privatdozent, wurde 1858 außerordentlicher Pro¬
fessor und 1872 Direktor der Charite-Kinderklinik. Nachdem
er 1893 in den Ruhestand getreten war, lebte er anfangs in
Meran und seit 1899 in Dresden. Während er in der ersten
Hälfte seiner wissenschaftlichen Laufbahn das Gesämtgebiet
der inneren Krankheiten bearbeitete, wandte er sich später aus¬
schließlich der Kinderheilkunde zu. Sein pädiatrisches Haupt¬
werk sind die „Vorlesungen über Kinderkrankheiten“. Das
Werk erschien erstmalig 1881 und schon 1899 war die 10. Auf¬
lage nötig. In der Tat war es früher das populärste Lehrbuch
der Kinderheilkunde in deutscher Sprache.
Würzburg. Der Privatdozent der Augenheilkunde Dr.
Wessely hat den Titel außerordentlicher Professor erhalten.
Dr. Wessely war, bevor er sich in Würzburg habilitierte, eine
Reihe von Jahren in Berlin als Augenarzt tätig.
Mülhausen i. Eis. Dem Chefarzt des hiesigen
Bürgerspitals Dr. Alfred Kleinknecht wurde vom
Kaiserlichen Statthalter der Titel Professor verliehen.
Zürich. Prof. Dr. Krönlein hat aus Gesundheitsrück¬
sichten um seine Entlassung als akademischer Lehrer und als
Direktor der chirurgischen Klinik gebeten.
Innsbruck. Nach Beendigung dieses Sommersemesters
tritt der Vorstand der Lehrkanzel für angewandte medizinische
Chemie in Innsbruck, Hofrat Dr. W. F. L ö b i s c h, in den
Ruhestand. Die Fakultät hat folgenden Ternovorschlag für die
Neubesetzung der Universität beschlossen: Primo loco Dr.
Richard von Zeynek, Vorstand des medizinisch-chemi¬
schen Instituts in Prag, secundo und aequo loco die außerordent¬
lichen Professoren Dr. Fritz P r e g 1 in Graz und Dr. Otto
Ritter von Fürth in Wien; tertio loco Abteilungsvorstand
der zoologischen Station in Neapel, Dr. Richard Buria n.
Kraka u. Der Privatdozent Dr. AdamWrzosek wurde
zum außerordentlichen Professor für allgemeine und experi¬
mentelle Pathologie ernannt. Der Privatdozent der Chirurgie
Dr. Max Rutkowski erhielt den Titel eines außerordent¬
lichen Professors.
Kopenhagen. Prof. M. Tscherning ist zum Pro¬
fessor der Augenheilkunde und Direktor der Augenabteilung
des Reichshospitals ernannt worden.
T o k i o. Hier fand kürzlich eine große Gedächtnis¬
feier für Robert Koch statt. An der Feier, die im Shinto-
Ritus abgehalten wurde, nahmen außer dem Unterrichtsminister
Komatsubam, dem Minister des Innern I chiki und
mehreren Vizeministern sämtliche Professoren der medizini¬
schen Fakultät in Japan — darunter der Schüler Kochs, Prof.
Kitasato — und die in Tokio anwesenden Stabs- und
Marineärzte teil. Der W'itwe Prof. Kochs wurde eine photo¬
graphische Aufnahme der Trauerfeier übersandt.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
— Der Internationale Kongreß für Radiologie und Elektri¬
zität findet vom 13.—15. September ds. Js. in Brüssel statt. Das
Programm umfaßt das ganze Gebiet der Elektrizität, der Rönt¬
genstrahlen und der Radioaktivität, sowie ihre medizinischen
Anwendungen. Es wird beabsichtigt, in einer gemeinsamen
Sitzung der physikalischen und der medizinischen Gruppe die in
letzter Zeit zu allgemeiner Bedeutung gelangte Frage einer Ma߬
einheit radioaktiver Strahlungen, sowie der Methoden zu ihrer
experimentellen Bestimmung international zu regeln. Mit Rück¬
sicht auf die große Bedeutung der auf dem Kongresse zur Ver¬
handlung kommenden Gegenstände ist eine zahlreiche Beteili¬
gung deutscher Physiker und Mediziner sehr zu wünschen. An¬
meldungen zur Teilnahme, sowie von Vorträgen, sind an Pro¬
fessor Dr. Krüger in Danzig-Langfuhr für die physikalische,
an Dr. Loewenthal in Braunschweig für die medizinische
Gruppe zu richten.
Verschiedenes.
— Die medizinische Klinik der Akademie für praktische
Medizin in Düsseldorf hält im Herbst d. J. vom 17.—25. Oktober
1910 in Verbindung mit dem Institut für allgemeine Pathologie
und experimentelle Therapie einen Kursus der Pathologie,
Diagnostik und Therapie der Erkrankungen des Kreislaufes ab.
Anmeldungen an das Sekretariat, Moorenstr. 5. Anfragen an die
Medizinische Klinik, ebenda. Es wird eine Einschreibgebühr
von 10 M. erhoben.
Bad Reichenhall. Die Errichtung eines Denkmals
für Dr. Georg Frhr. v. Liebig, den Sohn Justus Liebigs,
wird in Bad Reichenhall geplant. Georg v. Liebig war seit
1859 lange Jahre als Arzt in Bad Reichenhall tätig und hat sich
um die Entwicklung des Kurortes große Verdienste erworben.
Straßburg. Nach Abschluß der Sammlung für die
Recklinghausen-Stiftung sind nahezu 15 000 M. Herrn Professor
Recklinghausen gleichzeitig mit einer Adresse über¬
geben. Wahrscheinlich wird eine von Universität und Fakultät
unabhängige Stiftung zu medizinisch - wissenschaftlichen
Zwecken begründet werden.
V. Amtliche Mitteilungen.
Bekanntmachung.
Die Diphtherie-Heilsera mit den Kontrollnummern 1002 bis
1015 aus den Höchster Farbwerken,
190 und 191 aus der Merckschen Fabrik in Darmstadt,
133—136 aus dem Serum-Laboratorium Ruete-Enoch
in Hamburg,
224 und 225 aus der Fabrik vorm. E. S c h e r i n g in Berlin
sind, soweit sie nicht bereits früher wegen Abschwächung pp.
eingezogen sind, vom 1. Juli d. Js. ab wegen Ablaufs der staat¬
lichen Gewährdauer zur Einziehung bestimmt.
Das Diphtherie-Heilserum mit den Kontrollnummern 214,
216, 219 und 258 aus der M e rckschen Fabrik in Darmstadt ist
wegen Abschwächung zur Einziehung bestimmt.
Zu besetzende Stellen von Medizinalbeamten.
Die Kreisarztstelle des Stadt- und Landkreises
Kattowitz, Regierungsbezirk Oppeln, mit dem Amtssitz in
Kattowitz (Gehalt nach Maßgabe des Dienstalters 3000—7200 M.,
800 M. Wohnungsgeldzuschuß und 750 M. Amtsunkostenentschä¬
digung jährlich).
Die Kreisarztstelle des Kreises Rosenberg in
Oberschlesien, Regierungsbezirk Oppeln, mit dem Amtssitz in
Rosenberg, O.-Schl. (Gehalt nach Maßgabe des Dienstalters 2100
bis 3900 M., Stellenzulage von 900 M. und 240 Amtsunkosten¬
entschädigung jährlich). (Veröffentlicht am 15. Juli.)
474
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.:
Oberstabsarzt a. D. Dr. Radünz in Gießen, Dr. S t u d t -
m a n n in Hannover, Oberstabsarzt Dr. Pritsche in Dres¬
den, Dr. Georg Lindemann irr Hannover, Dr. Hirsch-
f e 1 d in Brisbane.
Königl. Kronen-Orden 3. Kl. mit der Zahl 60: Dr.
Heck in Oberlahnstein.
Ernennung: der Leiter der bakteriologischen Typlnisstation
in Idar, Dr. Neu mann, zum Kreisarzt in Westerburg.
Versetzung: Kreisarzt Med.-Rat Dr. Schröder von
Kattowitz in den Kreis Teltow.
Niederlassung: Dr. Asch und Dr. K. Singer in Char¬
lottenburg, Dr. Broschwitz, Dr. R. Gross, Dr. W. Is¬
rael, Dr. Koppel, Dr. Lissauer, Dr. E. Mayer, Dr.
Mühlfelder, Dr. 0 p p, Dr. Philipsborn, Aerztin
Dr. H. Prager, Dr. Silbersiepe, Arzt M. Stein-
k Uhler, Dr. Unna und Dr. W i 11 i g in Berlin, Dr. D a -
v i d s o h n und Dr. Graf enberg in Schöneberg, Dr.
Scholinusin Hagen, Dr. T ü r k in Witten, Dr. Holter¬
dorf in Dortmund, Dr. Escherer, Dr. Heuser und
Arzt B. Schneider in Aachen, Arzt F. J. Kauert in
Düren.
V erzogen: Dr. Nieberg von Ahrweiler nach Berge, Dr.
!•’ r ech von ■ Coblenz nach Neuwied, Dr. Lehr ecke von
Herrischried nach Rengsdorf, Dr. K r ü 11 von Freiburg i. B.,
Arzt A. Mülberger von Frankfurt a. M., Dr. Forjahn
von Rendsburg, Dr. Florange von Cöln, Dr. Star¬
gar d t e r und Dr. Rosenfeid von Straßburg .und Arzt
J. Oberdörffer von Niederweiler nach Düsseldorf, Dr.
Falls cheer von Groß-Lichterfelde nach Duisburg, Arzt
F. K a t z von Münster und Dr. B a u in a n n von Wiesbaden
nach Essen, Dr. E. B1 u m e n t h a 1 und Dr. Pinczower
von Düsseldorf nach Berlin, Dr. Huch und Arzt A. D e 11 -
m e r von Düseldorf nach Hannover bezw. Mülheim a. Ruhr,
' Dr. Bartsch von Heilsberg nach Eppelborn, Dr. R u -
d o 1 p li i von Sien nach Honnef, Dr. Martin von Lobenstein
nach Sien, Dr. Kuczinski von Jucha nach Oberwiesenthal,
Oberarzt Dr. Starke von Lötzen nach Potsdam, Dr. P a g e 1 s
von Berlin nach Bromberg, Dr. P. Michaelis von Leipzig
und Prof. Dr. Freiherr v. Pirquet nach Breslau, Dr. Kin-
scher von Breslau nach Peterwitz, Aerztin Dr. K. Brei-
t i n g e r von Eßlingen nach Herrnprotsch, Dr. Hansen von
Westrhauderfehn nach Bielefeld, Dr. B e i t z von Berlin nach
Oeynhausen, Dr. Bauer von Friedrichsheim nach Sende, Dr.
F. W o 1 f f und Dr. Jaenicke von Cöln nach Wartha bezw.
Essen, Dr. D a n d e 1 s k i von Posen, Dr. H e 11 w i g von
Lyck und Dr. Wolfsohn von Breslau nach Berlin, Dr.
FritzSchulze von Münster, Dr. Barth von Dresden und
Dr. S t e n d e m ann von Neustrelitz nach Frankfurt a. M.,
Dr. Schmielau und Dr. Stehr von Wiesbaden nach
Spandau bezw. Münster a. St., Dr. Schneider von München
und Oberarzt Dr. Tiedemann nach Wiesbaden, Artur
Pomppe von Ruppertsheim nach Naurod, Stabsarzt Dr.
Kuhn von Mahl nach Biebrich, Dr. Abee von Naurod nach
München, Dr. Martin von Oberursel nach Ahrweiler,
Dr. Bresler von Lublinitz nach Lüben, Dr. Adelt von
Lüben nach Lublinitz, Dr. M a e n e 1 von Neutomischl nach
Oppeln, Dr. L. Müller von Erfurt nach Recklinghausen,
Dr. L o t z e von Gelsenkirchen nach Suderwich, II. Fries
und Dr. J e h n von Freiburg i. B. nach Marburg, Dr. Stein-
meye r von Straßburg i. E. nach Oberkaufungen, Dr. Stur m
von Würzburg nach Melsungen, Dr. Kannegiesser von
Frankfurt a. M. nach Südwestafrika, Dr. Bloch von Berlin,
Dr. L i e b 1 von Togo, Dr. B r ö t z von Freiburg, Dr. Lö¬
we n s t e i n von Baden-Baden, Aerztin Dr. A. H o h 1 b a u m
von Basel, Dr. Schmuckert von Freiburg i. B. nach
Frankfurt a. M., Dr. Schild von Frankfurt a. M. nach
Berlin, Dr. Michail von Birkenwerder nach Homburg v. d. H.,
Dr. Ensgraber von Wiesbaden nach Darmstadt, Dr.
Müller von Hütten und Dr. Kohl nach Wiesbaden, Dr.
Schröder von Aachen nach Rendsburg, Dr. Moser von
Langenenslingeu nach Stuttgart, San.-Rat Dr. Lange von
Pr.-Stargard nach Zoppot, Dr. Herse von Schwetz nach
Neustadt i. Westpr., Dr. Adler von Berlin nach Paretz, Dr.
B ecke r von Halle nach Berlin, Dr. Dünzelmann von
Berlin nach Leipzig, Dr. Hess von Schöneberg nach Frie¬
denau, Dr. Huisking von Berlin nach Iburg, Dr. I s a a c
von Leipzig nach Wilmersdorf, Dr. Reiter von Berlin nach
Groß-Lichterfelde, Dr. M. Rosenbaum von Berlin nach
Amerika, Dr. Wittkugel von Charlottenburg nach Zoppot,
Dr. Gronarz von Gießen, Dr. Cohn von Kiel und Dr.
K o c h nach Greifswald, Dr. Wilde von Schleusenau nach
Schwedenhöhe, Dr. 1) o m a n s k i von Culm nach Lobsens,
Dr. Voigt von Halle und Dr. H u 11 von Hamburg nach
Görlitz, Dr. Sprenger von Falkenhayn nach Birkenhof,
No. 30.
Dr. Ö p p i t z von Kosten nach llohenwiese, Stabsarzt Dr.
Otto von Neiße nach Jauer, Oberstabsarzt Müller von
Jauer nach Oppeln, Dr. R e t h g e von Mikultschütz nach
Hultschin, Dr. Becker von Magdeburg nach Potsdam,
J. Schwalb von Rostock nach Magdeburg, Oberstabsarzt
a. D. Dr. Schöpwinkel und Stabsarzt a. D. Dr. The 1 e-
mann von Berlin nach Wernigerode, Dr. Campe von Nie-
derndodeleben nach Gönningen, Dr. Oehmig von Altscher¬
bitz nach Jerichow, Dr. K ü n z e 1 von Leipzig nach Altscher¬
bitz, Dr. Lange nach Zeit, Dr. W o h 1 w i 11 von Hamburg
nach Halle a. S., Prof. Dr. Hofimana und Dr. Blumen¬
thal von Halle nach Bonn.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes:
Dr. Hantschel, Dr. Grimm und Dr. Noltenius von
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reich von Rixdorf, Dr. Putsch von Charlottenburg, Hans
Sachs von Berlin, Dr. Spiegelberg von Wilmersdorf,
Dr. Umbreit von Berlin, Dr. Pencker und Di’.
Preusse von Greifswald, Erich Wedekind von Rix¬
dorf, Dr. Tschirschwitz von Birkenhof, Dr. Breuer
von Halberstadt, Dr. G r i e b 1 i n g von Heddernheim, Dr.
N o t h m a n n von Düsseldorf, Dr. Rust und Dr. F ö c k 1 e r
von Bad Oeynhausen, Dr. Lampe von Cöln, Aerztin
Dr. M. Dupre, Dr. Dunkel, Dr. Haupt n er und
Dr. Zimmer m ann von Kirchheilingen.
Gestorben: R. Kitze in Pilgramsdorf, Dr. Mi eck in
Dilingen, Dr. Klapp in Zoppot, Geh. San.-Rat Dr. Ewer
in Berlin, Geh. San.-Rat Dr. Volborth in Berlin, Geh.
San.-Rat Dr. Wanjura in Berlin, Dr. Ragotzky in Burg,
Dr. S c h m i d t in Tuchebrand, Dr. C ö r n e r in Görlitz, San.-
Rat Dr. L o t h in Erfurt, Dr. Mensinga in Flensburg,- Dr.
S t o t e in Göttingen, San.-Rat Dr. Audrae in Goslar, Dr.
Oswald in Löhnde, San.-Rat Dr. Wulff in Worpswede,
San.-Rat Dr. T h o 1 e in Borgloh, Dr. Beisheim in Salz¬
schlirf, Dr. J. Müller in Niederbreisig, Dr. Allgayer in
Achberg, Dr. v. Plewkiewicz in Znin, Geh. San.-Rat
Dr. F r e u n d t in Münsterberg, A. Berkenkamp in
Hiddenhausen, Geh. San.-Rat Dr. E1 p e n in Lötzen, Dr. H a -
n e 1, Dr. Korn und Geh. San.-Rat Dr. L e m p in Berlin, Dr.
Heuser in Dortmund.
Mecklenburg-Strelitz.
Gestorben: Dr. J ü h 1 k e in Strelitz.
Mecklenburg-Schwerin.
Ernennung: San.-Rat Dr. Dannien in Malchin zum
Kreisphysikus ebenda.
V erzogen: Prof. Dr. J. Müller von Rostock nach Düssel¬
dorf.
Gestorben: Kreisphysikus Med.-Rat Dr. M o z e r in Malchin.
Sachsen-Weimar-Eisenach.
Niederlassung: Dr. Brocke in Berga a. E.
Sachsen-Coburg-Gotha.
Niederlassung: Dr. Schlick in Coburg.
Verzogen: Dr. Meyer von Gotha.
Sachsen-Meiningen.
Verzogen: Dr. Emil Otto Br ehme von Jüchsen.
Gestorben: Dr. Kost in Hildburghausen.
Bayern.
Ernennungen: Dr. Gustav Borger in Helmbrechts
zum Bezirksarzt in Illertissen und Dr. Eduard Schultz
in Landau (Pfalz) zum Bezirksarzt in Teuschnitz auf ihr An¬
suchen in etatmäßiger Eigenschaft.
Verzogen: Dr. Justus Sehmauser von Regensburg
nach Röttingen, Dr. Friedrich Herbst von Nürnberg
nach Schwabach.
Württemberg.
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folge v. Periostitis. Pulpitis, Neuritis u.
solchen, die nach Freilegung der Pulpa
lind Einlagen von Aetzpasten auftreten.
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Arten von schmerzhaften Wunden und
Hautentzündungen, bei tuberkulösen u.
syphilitischen Larynx- u. Pharynx-Ge¬
schwüren, Ulcus u. Carcinoma ventriculi,
Voraitus gravidarum, Hyperästhesie des
Magens, Seekrankheit etc. Dosis int.
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Stunde nach dem Essen.
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hydrochloric.
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wirks. Prinzip d. Nebennieren zeichnet
sich d. absolute. Reinheit, zuverlässige,
konstant bleibende Wirkung und gute
Haltbarkeit seiner Lösungen aus. —
Synthet. Suprarenin ist demnach in
allen Fällen den anderen, aus. Organen
gewonnenenNebennierenpräparatenvor-
znzieben. Orig. - Gläs.: Sol. Supraren.
liydrochl. synth. 1:1000 u. Tabl. Supr.
hydrochl. synth. 20 ä 0,001 g.
Tumenol
ist. in der
Ekzemtherapie
ein unersetzliches Mittel, desgleichen zur
Behandlung juckender Dermatosen. Mit
Erfolg angewandt bei allen Arten von
Hauterkraukungen. Tumenol- A nimonium
ist le'cht wasserlöslich, ungiftig, rea¬
giert neutral und verursacht keine Reiz¬
erscheinungen. Tumenol-Ammonium läßt
sich gleich gut zu Salben, Pasten und
Pinselungen verarbeiten. Dieselben wir¬
ken juckmildernd u. leicht austrocknend.
Valyl
zeigt die
Typische Baldrianwirkung
in verstärkt. Masse. Die Valyl-Perlen
lösen sich erst im Darm u. verursachen
keinerlei Beschwerden von Seiten des
Magens. Indiziert als vorzügliches Anti-
dysmenorrhoikum, ferner b.Beschwerden
während der Gravidität und des Klimak¬
teriums u. b. nervös. Störungen jed. Art.
Dos.: 2—3 Valyl-Perl en, 2—3mal tägl.
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Vei&Ltrvörtlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N., Friedrichstrasse 181 B„ für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin.
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(Sonderausgabe der Allgem. medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dr< H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz v Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
IV. Jahrgang Iterlin. 30. Juli 1910
Wo. 31
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buc.i handlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor (Junrtalsschliiss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp Zeile oder deren Raum mit öl) Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissende haftliche Mitteilungen. Bircher: Zur Wirkung
der Tliyreoidintabletten auf das normale Knochenwachstum. —
Ibrahim: Zur Behandlung schwerer Bronchopneumonien des
frühen Kindesalters. — Brückner: Ueber die Bedeutung der
ambulanten Typhusfälle im Kindesalter bei der Weiterverbreitung
des Abdominaltyphus. — Schöne: Ueber Infektionen mit Para¬
typhusbacillen des Typhus A und Befunde von verwandten Bak¬
terien. — Br e k le: Beitrag zur Fleischvergiftung, bedingt durch
den Bacillus enteritidis Gärtner. — Heuser: Zur Frage nach
der Pathogenität der beim Menschen, bei Tieren und in ge¬
sund aussehenden Fleischwaren nachgevviesenen Bakterien der
Enteritis-Gruppe. — Schmidt: Die Tuberkulose bei Volks-
schullehrern — Roepke: Ueber die Wohnuugsdesinfektion bei
Tuberkulose. — Rüge: Dauererfolge nach 10 Jahren bei Lungen¬
tuberkulose im Hochgebirge. — K ö h 1 er: Die Bedeutung Aegyptens
in der Behandlung unserer Lungentuberkulosen. — Karewski:
Ueber die neueren Methoden chirurgischer Therapie der Lungen¬
tuberkulose. — Benind e: Zur Frage der ambulauten Tuberkulin¬
therapie. — H offmau n: Erfolgreiche Uebertragung von Syphdis-
spiroc bäten auf Meerschweinchen. — Ivänyi: 157 neuere Fälle von
extragenitaler Syphilisinfektion. — Hof bauer: Technik und Er¬
folge der Atmungsgymnastik beim Bronchialasthma. —Herz: Die
Herzbeschwerden der Adoleszenten. — Günther: Die Orexin-
probe zur Feststellung der Salzsäuresekretion des Magens —
Hauser: Zur Frage der krebsigen Entartung des chronischen
Magengeschwürs —Fränkel: Die Salomon sehe Probe und der
Nachweis von Hämolysinen im Magensaft beim Magencarciuom,
Beitrag zur Frühdiagnose des Magen carcinoms. — Funck:
Weitere Beiträge zur Kausaltherapie bei GJykösurie und Diabetes.
— Huber: Ueber Behandlung schwerer Anämien mit Blut¬
injektionen. — Schumburg: Neue Erfahrungen mit der
Alkoholdesinfektion der Hände ohne vorheriges Seifen. —
Heerfordt: Bemerkungen über die Bedeutung der Suturtechnik
für die Wundaseptik. — Ewald: Ueber unsere Erfahrungen
mit der Lumbalanästhesie. — Röpke: Ueber akute primäre
1. Wissenschaftliche Mitteilungen.
E. Bircher: Zur Wirkung der Thyreoidintabletten auf das nor¬
male Knochenwachstum. (Archiv für klinische Chirurgie,
Bd. 91, H. 3.)
Aus zahlreichen klinischen und experimentellen Befunden
(Bayou, V e i 11 o n , S t e in 1 in u. a.) geht unzweifelhaft
hervor, daß die Thyreoideapräparate einen entschiedenen Ein¬
fluß auf die Wachstumsprozesse in den Knochen haben, daß
dieser Einfluß aber nicht spezifisch für gewisse Störungen im
Knochenwachstum, wie Myxödem und Kretinismus ist, sondern
daß er auch am normalen, im Wachstum befindlichen
Knochen sicli geltend machen kann.
Zur Entscheidung der Frage, ob auch das normale Wachs¬
tum an der Epiphysenlinie durch Thyreoidinzufuhr eine Beein¬
flussung erfährt, hat B. an jungen Hatten, deren Stillungszeit
durch die Mutter schon abgelaufen war, Fütterungsversuche mit .
Thyreoideatabletten vorgenommen. Die Resultate bei all’ diesen
Versuchen fielen derartig eindeutig aus, daß an einem sicheren
und geichmäßigen Einfluß nicht mehr gezweifelt werden kann.
Die Tiere blieben schon vom zweiten Monat ab im Wachstum
zurück und dieser Unterschied gegenüber den Konfrontieren
war im vierten Monat, als die Tiere getötet wurden, ein sehr
auffallender. Letztere hatten um 15 g an Gewicht abgenommen,
die Konfrontiere um zirka 40'g zugenommen. Während die
Kontrolltiere noch eine breite deutliche Epiphysenlinie zeigten,
konnte an den Versuchstieren die Linie nur noch undeutlich als
schmaler Streifen erkannt werden. Die unverkennbare Ein¬
wirkung der Thyreoideafütterung hat also nicht zu einem
exzessivem Lungenwachstum geführt, wie erwartet wurde, son¬
dern die Ablagerung von Kalksalzen und die Calcincierung der
Epiphysenlinien ist so rasch vor sich gegangen, daß das Längen¬
wachstum mit diesem Prozesse nicht Schritt halten konnte und
der zum Wachstum notwendige Knorpel an der Epiphysenlinie
Typhlitis. — Lampe: Die Anregung der Peristaltik nach
Laparotomie wegen Appendicitis mit freier Peritonitis. — Franke:
Ein Fall von sechs Jahre lang bestehender Fistel an ungewohnter
Stelle bei chronischer Appendicitis. — Mühsam: Zur Operation
des perforierten Magengeschwürs. — Spas okukozky: Volvulus
intestiuorum als Krank heit des hungernüen Menschen. — Spitz er:
Ueber Harnröhren Verätzungen mit chemischen Substanzen. —
Ehrmann: Eine neue Verwendung von Pyrogallolderivaten
(EugalloJ) auf Schleimhäuten, besonders der männlichen Harn¬
röhre. — Berg: Zur Diagnose und Therapie der Blasensteine
beim Kinde. — F r a n ken s t e i n: Zur Laparotomie bei Hetrotiexio
Uteri gravidi fixata. — Basch: Ueber experimentelle Milch-
auslösung und über das Verhalten der Milchabsonderung bei
den zusammengewachsenenSchwesternBLazek.—Engelmann:
Ueber die Aufnahme von Radiumemanation durch die Haut. —
Saalfeld: Hautkrankheiten und moderne Kleidung. —Krüger:
Zur Aetioiogie des Lupus vulgaris. — Salus: SchwarzesKammer-
wasser.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom Z9. Juni 1910. —
Freie Vereinigung für Mikrobiologie. (Fortsetzung und Schluß.)
— XIX. Versammlung der Deutschen Otologischeu Gesellschaft.
(Schluß.)
IIT. Therapeutische Notizen. Müllern-Aspegren: Ueber
Zinkpernydrol bei der Behandlung von Ulcus molle. — Ebe ling
und Döliing: Ueber Brausau-ßader.
IV. Bücherschau. Perez: Leciones de Giuecologia. —Sarason:
Jahreskurse für ärztliche Fortbildung in zwölf Mouatskursen.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Ge¬
richtliches. — Verschiedenes.
VI. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
vorher anfgebraucht war. Die beigefügten Röntgenbilder
illustrieren gut diese Verhältnisse. Somit beeinflußt die Schild-
drüsendarreichung bei Kretinen und Myxödematösen, bei wel¬
chen der Calcificationsprozeß und der Wachstumsprozeß da¬
niederliegt, beide Prozesse günstig. Bei normalen Verhält¬
nissen jedoch bewirkt die Thyreoideadarreichung nur eine vor¬
zeitige Verkalkung der Epiphyse, während das Längenwachs¬
tum unbeeinflußt bleibt. Adler (Berlin-Pankow).
Privatdozent Dr. J. Ibrahim (München): Zur Behandlung
schwerer Bronchopneumonien des Iriihcn Kindesalters.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 23.)
Verfasser hat bei der Behandlung der schweren Broncho¬
pneumonien des Kindesalters einige physikalische Heil¬
methoden besonders wertvoll gefunden. Eine Hauptrolle spielen
die hydrotherapeutischen Prozeduren. Von vielen
Aerzten werden alle Pneumonien mit Wickeln und feuchten
Packungen behandelt; in dieser schematischen Form stiften
sie jedoch nach Verf. bei schweren Bronchopneumonien der
ersten Lebensjahre, speziell bei Rachitikern, mitunter mehr
Schaden als Nutzen. Sie behindern die Inspiration; außerdem
bedingt ein regulärer Prießnitzumschlag mit undurchlässiger
Einlage für liochfiebernde Kinder stets die Gefahr der Wärme-
stauung; vor allem bei spasmophilen Kindern, die zu Hyper¬
thermien besonders disponiert sind. Verf. rät, von den Priess-
n i t z sehen Packungen bei höher fiebernden Pneumonikem
ganz abzusehen und die Wickel überhaupt nur da anzuwenden,
wo man eine Äntipyrese erzielen will, dann aber so, daß man
die undurchlässige Einlage ganz wegläßt und alle 10—20 Mi¬
nuten (höchstens V 2 stündlich) die mit zimmerwarmem Wasser
getränkten und mit einfachem Wolltuch bedeckten Umschläge
(Rumpfwickel oder Ganzpackungen) so oft wechselt, bis der ge-
wünsche Effekt erzielt ist. Auch die Heubnersche Senf-
packung ist bei schweren kontluierten Bronchopneumonien nur
476
THERAPEUTISCHE
mit großer Vorsicht und Auswahl anwendbar. Dagegen sind
warme Bäder mit nachfolgender kühlerer Uebergießung in der
Regel sehr wirksam und nützlich, namentlich als expektorie-
rende Maßnahme, wo viel feuchtes Sekret vorhanden ist, z. B.
häufig bei Masernpneumonien, auch wo das Sensorium getrübt
ist. Zum Abguß verwendet Verf. Wasser von 28°—22 " C. Diese
Bäder müssen natürlich im warmen Zimmer vorgenommen wer¬
den. Wo Herzschwäche zu befürchten ist, speziell bei Influenza-
pneumonien, sind kurze, heiße (35—37" C.) Bäder mehr am
Platz; sie empfehlen sich auch bei jüngeren Säuglingen. Bei
trockenem Husten, zähem Sekret ist die Feuchterhaltung der
Luft eine Hauptaufgabe. Man erreicht dies am besten durch
den „Brouchitiskessel". — Neben den hydriatrischen Maßnahmen
sind nach Verf. besonders wirksam regelmäßige Sauer¬
stoffinhalationen, die in Fällen mit großer Atemnot und
dauernder Zyanose ausgiebig angewendet werden sollten. Sie
üben eine sehr günstige Wirkung auf die Herztätigkeit aus und
erleichtern den nicht infiltrierten Luugenabschnitten ihre Auf¬
gabe sehr. Allerdings müssen die Sauerstoffinhalationen mög¬
lichst ausgiebig angewendet werden. Verf. läßt in schweren
Fällen stündlich 1 Viertelstunde, sogar halbstündlich 10 Mi¬
nuten einen schwachen Sauerstofi'strom neben dem Gesicht des
Kindes über das Bett hinströmen, und zwar bei Tag und Nacht.
Wo die künstliche Sauerstoffzufuhr nicht angängig ist, da ist
die natürliche Sauerstoffzufuhr nach Möglichkeit zu fördern.
Daher läßt Verf. Kinder mit ausgebreiteten katarrhalischen
Lungenentzündungen, wenn das Wetter es zuläßt, täglich mehr¬
mals wohlverpackt x /% Stunde oder länger spazieren tragen (auf
dem Arm der Pflegerin, nicht fahren). — Von Wichtigkeit ist
auch die Ernähr u n g der Kinder, welche bei Bronchopneu¬
monien oft große Schwierigkeiten macht. Hierbei leistet die
Schlundsonde (beim kleinen Kinde nimmt man hierzu
einen Nelatonkatheter, der durch Mund oder Nase ein¬
geführt wird) ausgezeichnete Dienste. Oft genügt es, 2 oder
3 Mahlzeiten künstlich zuzuführen und den Rest mit Löffel oder
Flasche zu verabreichen. In einzelnen Fällen war Verf. ge¬
nötigt, die Schlundsondenfütterung wochenlang durchzuführen.
Um Gasauftreibungen zu verhüten, wird man die Zufuhr
größerer Mengen von Kohlehydraten (Mehl und Zucker) ver¬
meiden. Von Medikamenten haben sich die Herzmittel bewährt,
subkutan Kampfer und Coffein, innerlich D i g a 1 e n (3 mal
2—3 Tropfen bei Säuglingen).
Dr. G. Brückner (Straßburg i. E.): Ueber die Bedeutung der
ambulanten Typhusfälle im Kindesalter bei der Weiter¬
verbreitung des Abdominaltyphus. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 23.)
Die neueren epidemiologischen Untersuchungen haben in
bezug auf den Abdominaltyphus ergeben, daß die explosiv aus¬
brechenden Epidemien fast immer durch Wasser oder Milch
bedingt werden, während bei den allmählich beginnenden,
aber lange sich hinziehenden Epidemien und bei der Endemie
es sich im allgemeinen um eine Uebertragung von Person zu
Person handelt; dabei kann natürlich auch die Uebertragung
durch Zwischenglieder erfolgen, es braucht nicht gerade eine
direkte Kontaktinfektion vorzuliegen. Eine besondere Bedeu¬
tung für die Weiterverbreitung der Typhusinfektion haben die
Kinder, bei denen häufig die Krankheit so leicht und wenig
ausgesprochen auftritt, daß sie als Typhus nicht erkannt wird;
daher werden keine Vorsichtsmaßregeln getroffen; außerdem
bedingen typhuskranke Kinder deswegen eine viel größere
Gefahr, weil sie sich und ihre Umgebung häufig mit Kot und
Harn beschmutzen. Neuere Beobachtungen haben ferner er¬
geben, daß die Kinder das Hauptkontingent bei Typhusepi¬
demien abgeben. Verf. führt als Beweis hierfür neueres statisti¬
sches Material an. Verf. schildert w r eiter drei in kleinen Städten
des Elsaß in den letzten Jahren aufgetretene Typhusepidemien,
bei welchen die Art und Weise der Verbreitung genauer unter¬
sucht wurde. Bei zwei dieser Epidemien ist das Kindesalter
in besonders hohem Maße an den Erkrankungen beteiligt und
erfolgte die Verbreitung der Krankheit durch Kinder. — Diese
Beispiele zeigen wieder, daß der ambulante Kindertyphus zu¬
weilen das auslösende Moment mehr oder weniger zahlreicher
Erkrankungen an Typhus und sogar von Epidemien ist. Die
Bekämpfung dieser leichten Kindertyphen ist daher für die
Typhusbekämpfung von besonderer Bedeutung, wobei vor allem
die Schulärzte und Lehrer mitwirken müssen. Ebenso müssen
die praktischen Aerzte diesen larvierten typhösen Erkrankungen
besondere Aufmerksamkeit zuwenden und namentlich bei
fieberhaften Erkrankungen der Kinder mit zweifelhafter Dia¬
gnose die Hilfe der bakteriologischen Untersuchungsanstalten
in Anspruch nehmen. R. L .
Schöne: Ueber Infektionen mit Paratyphusbacillen des
Typhus A und Befunde von verwandten Bakterien. (Zeit¬
schrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 1910, Bd. 65,
H. 1.)
Diese Befunde bilden gewissermaßen eine Ergänzung der
von Morgan mitgeteilten (Brit. Med. Journ. 1905). Derselbe
RUNDSCHAU 1910. No. 31.
isolierte Stämme, die zwar alle wesentlichen kulturellen, aber
keine serologischen Reaktionen mit Paratyphus A-Bacillen ge¬
meinsam hatten, Verfasser dagegen solche mit umgekehrtem
Verhalten.
Als wesentliches Ergebnis kann die Tatsache gelten, daß
es Bakterien gibt, die in gleicher Weise mit den gemeinen Coli-
und den Paratyphusbacillen vom Typhus A verwandt und mithin
als Zwischenstufen zwischen beiden anzusehen sind, und daß
mit diesem Nachweis auch das im Einklang steht, was wir über
die Pathogenitätsverhältnisse der hier in Frage stehenden Bak¬
terien sagen können. Müssen die Paratyphus A-Bacillen im
allgemeinen als nicht eben gefährliche Krankheitserreger,
immerhin als Krankheitserreger gelten, hingegen die gewöhn¬
lichen Colibacillen nicht, so gibt es Zwischenstufen, deren
Pathogenität für Menschen noch nicht erwiesen und, wenn über¬
haupt vorhanden, sehr gering sein muß. M ü h 1 s c hl e g e 1.
Dr. Brekle (Stuttgart): Beitrag zur Fleischvergiftung, bedingt
durch den Bacillus enteritidis Gärtner. (Münchener med.
Wochenschrift, 1910, No. 23.)
Verf. berichtet über eine Fleischvergiftungsepidemie,
welche im März 1909 in Zazenhausen, Oberamt Cannstatt, aus¬
brach. Im ganzen erkrankten 13 Personen, von denen 2 starben.
Als Ursache wurde ermittelt, daß die betreffenden Personen
das Fleisch eines notgeschlachteten Kalbes gegessen hatten,
welches zum Verkauf nicht zugelassen war. Die Krankheit ver¬
lief mit zum Teil ausgesprochenem typhösen Charakter, sie be¬
gann meist 18—24 Stunden nach Aufnahme des Fleisches mit
Uebelsein, Erbrechen, Schwindelgefühl, Schüttelfrost und hohem
Fieber; bald stellten sich Kolikanfälle und profuse Diarrhöen
ein, der Puls wurde fadenförmig; in 2 Fällen bestand an Stelle
der Diarrhöen hartnäckige Obstipation. Die Fiebererscheinun¬
gen dauerten im allgemeinen 4—6 Tage, dann trat langsame
Rekonvaleszenz ein. Sowohl in den Entleerungen der Kranken
wie in den Organen der Gestorbenen, sowie in den untersuchten
Kalbfleischproben wurde ein zur Gärtnergruppe gehöriger Ba¬
cillus enteritidis nachgewiesen. Von Wichtigkeit war die Beob¬
achtung, daß das Kochen und Braten des Fleisches durchaus
nicht die Giftwirkung aufhob, im Gegenteil waren die Krank-
heitserscheinungen am schwersten bei denjenigen Personen, die
das Fleisch gekocht und gebraten genossen hatten. Der Grund
ist der, daß das Toxin des Gärtner sehen Bacillus der Siede¬
hitze widersteht, abgesehen davon, daß durch das Kochen und
Braten im Innern des Fleisches nicht diejenige Temperatur er¬
reicht wird, die zum Abtöten aller Bacillen nötig ist. R. L.
Heuser: Zur Frage nach der Pathogenität der beim Menschen,
bei Tieren und in gesund aussehenden Fleischwaren nach¬
gewiesenen Bakterien der Enteritis-Gruppe. (Zeitschrift für
Hygiene und Infektionskrankheiten, 1910, Bd. 65, H. 1.)
Durch die Tierpassage wurde bei Bakterien der Hogcholera-
gruppe eine deutliche Anpassung an weiße Ratten und Viru¬
lenzsteigerung beobachtet. Weitere Untersuchungen müssen
lehren, ob es auf diesem Wege auch gelingt, die betreffende
Tierart durch Fütterung zu infizieren.
Mit der beobachteten Pathogenitätssteigerung durch Tier¬
passage geht auch eine Virulenzsteigerung Hand in Hand. Um¬
gekehrt sinken die Tierpathogenität und Virulenz gleichzeitig,
wenn die Enteritisbakterien unter ungünstigen Lebens¬
bedingungen, z. B. in der künstlichen Kultur, gehalten werden
Ferner scheinen die angestellten Versuche mit Bouillon¬
kulturen und Bouillonfiltraten darauf hinzuweisen, daß die in
die Nährmedien abgegebenen Toxine und Endotoxine das Zu¬
standekommen der Infektionen mit Bakterien der Enteritis¬
gruppe erleichtern.
Schließlich üben, wie auch aus den Fütterungsversuchen
an Mäusen mit sterilem Fleisch hervorgeht, offenbar die ver¬
schiedensten Momente, ungeeignete Ernährung, äußere Schädi¬
gungen (Erkältung?), einen disponierenden Einfluß auf ein
empfängliches Individuum aus, und ebnen so auch bei schwer
empfänglichen Arten der Paratyphusinfektion den Weg.
Schmidt: Die Tuberkulose fyei Volksschullehrern. (Klinisches
Jahrbuch, 1910, Bd. 22, H. 4.)
Verfasser nimmt mit anderen Autoren an, daß für die Ver¬
breitung der Tuberkulose in der Schule weniger die Kinder
selbst, bei denen die offene Tuberkulose verhältnismäßig sehr
selten angetroffen wird, als die Lehrer und die Lehrerinnen in
Betracht kommen. Nach seinen Feststellungen, die er auf die
amtsärztlichen Gutachten über das pensionierte Lehrpersonal
gründet, ist die Tuberkulose im Volksschullehrerstande in er¬
heblichem Umfange verbreitet; seine für den Stadtkreis Düssel¬
dorf gewonnenen Zahlen ergaben bei den Lehrern in 13,3 pCt.,
bei den Lehrerinnen sogar in 22 pCt. die frühzeitige Pensio¬
nierung oder den Tod infolge dieser Krankheit. Das Mehr auf
Seite der Lehrerinnen wird auf die geringere Widerstandskraft
des weiblichen Organismus zurückgeführt. Bei der Verhütung
der Tuberkulose unter der Lehrerschaft kommt es auf folgende
No. 31.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Gesichtspunkte an: Sorgfältige Auswahl bei dem Eintritt in die
Präparanden- bezw. Seminaranstalt und bei dem Eintritt in den
Schuldienst, Ueberwachuiig des Gesundheitszustandes in den
Ausbildungsanstalten und eventuell auch im Schuldienst, Ein-
lichtung der Prapärändeil- und Sehlinaränstalteli, söwie der
Schulgebäude nach modernen hygienischen Grundsätzen, Ver¬
ringerung des Arbeitsstoffes an den Seininarien, rechtzeitige
rursorge für gefährdete oder bereits erkrankte Lehrpersonen
und Ausschaltung derjenigen, die an offener Tuberkulose
“* ld Wünschenswert hält es Verfasser, daß in den ärztlichen
Fortbildungskursen auf die spezialistische Untersuchungs-
techmk mehr Wert gelegt wird.
Rtiepke: lieber dl« Wohiltuigsdesinfcktioli bei Tuberkulose.
(Zeitschrift für Tuberkulose, 10Ö9, Bd. 14, H. 5.)
.... . ft* d '. e Bekämpfung der Tuberkulöse notwendige
hygienisch-prophylaktische Maßnahme der WöhHungsdds'lnfek-
tioit wird nur dann in dem wünschenswertem Umfange hei
I uberkuloseerkränkungen und Wohnungswechsel Tuberkulöser
uurchführbar, wenn sie auf die Anwendung des strömenden
7 assei 'dampfes verzichtet. Die Verdampfung flüssigen Forma-
bns ist zurzeit das billigste und wirksamste Verfähfe».
Ituge: Dauererfolge nach 10 Jahren bei Lungentuberkulose im
Hochgebirge. (Zeitschrift für Tuberkulose, 1910, Bd. 15,
H. 1.)
.. Von 113 Lungentuberkulosen, die vor 10 Jahren im Sana-
töriuih Arösä in Behandlung wafeii und unter welchen sich
44 im dritten Stadium befanden, leben jetzt flöfiti Sicher 52,
das sind 46 pCt; gestorben sind 57 (= 50,5 pCt.), üflaüfflöd-
bar vier.
Bei 33,6 pCt. ist jetzt nach 10 Jahren die Leistungsfähigkeit
nicht oder wenig beeinträchtigt.
Bei 30 Patienten ist die Annahme berechtigt, daß sie die
Krankheit gänzlich überwunden haben oder noch überwinden
werden und dann als völlig geheilt zu betrachten sind; darunter
sind zwei Patienten des dritten Stadiums.
Bill, ungünstiger Einfluß der tuberkulösen Belastung auf
die Heilungsresultate ist nicht zu erkennen.
Köhler: Die Bedeutung Aegyptens in der Behandlung unserer
Lungentuberkulosen. (Zeitschrift für Tuberkulose, 1909,
Bd. 14, II. 5.)
l)äs Klimä Aegypteiis kattü Unter gewissen Umständen für
wohlhabende, mit eitler gewissen Festigkeit des Gemüts und
einem gesunden Öisziplihierungsvermögeii ausgerüstete Leicht¬
tuberkulöse unverkennbaren Nutzen bringen, sofern diese die
Eigenheiten des Klimas wie die Schädlichkeiten, welche im
Städteleben begründet sind, gewissenhaft beobachten und zu
vermeiden suchen, besonders wenn die leichte Tuberkulose
mit reichlichem Sekret verbunden ist, keine Neigung zu Er¬
kältungen, Kehlkopfaffektionen und sonstiger Organtuberkulose
zeigt. Tuberkulöse mit trockenen Katarrhen und Herzkompli-
kationen, Tuberkulöse mit Ansätzen zu fortschreitender Tuber¬
kulose, Kavernen, Temperaturlabilität lind reizbarem Nerven¬
system — dessen Beeinflussung durch das ‘Klima Aegyptens
zweifellos keiner Regel unterliegt und individuell betrachtet
werden muß — sind unbedingt fernzuhalten.
Karewski: Ueber die neueren Methoden chirurgischer Therapie
der Lungentuberkulose. (Zeitschrift für Tuberkulose, 1909,
Bd. 14, H. 6.)
Chirurgische Behandlung der Lungenschwindsucht hat eine
Berechtigung nur dann, wenn alle anderen Allen der medika¬
mentösen, diätetischen und physikalischen Behandlung ohne
Nutzen erschöpft sind und der Prozeß unaufhaltsam Fort¬
schritte macht.
Direkte Eingriffe in das Lungenparenchym sind prinzipiell
verwerflich, können aber ausnahmsweise unter besonderen
Umständen erlaubt und vorteilhaft sein.
Alle übrigen operativen Maßnahmen setzen Intaktheit oder
doch mindestens nur geringe Aflektion der anderen Seite
voraus.
Die Freund sehe Methode der Pseudarthrosenbildung
an der ersten Rippe ist bei schweren zirkumskripten Spitzen-
herden angezeigt, wenn dieselben mit Engigkeit und Starre
der oberen Brustapertur vergesellschaftet sind; sie intendiert
die Ermöglichung besserer Lungengymnastik, d.. h. bessere
Durchlüftung und Durchblutung der kranken Stelle.
Ausgedehnte Infiltrationen mit oder ohne kavernösen Zer¬
fall bei Kranken, die sich in gutem Allgemeinzustand befinden,
keine anderen tuberkulösen Herde haben, bei denen Zeichen
narbiger Schrumpfung vorhanden sind, können durch Immo¬
bilisation und Kompression vorteilhaft beeinflußt werden.
Die Ruhigstellung und der Kollaps der Lunge wird auf fast
ungefährlichem Wege durch den künstlichen Pneumothorax
herbeigeführt. Dieser kann aber nur bei voller oder relativer
Gesundheit der Pleura erzeugt werden.
Bestehen ausgedehnte Verwachsungen der Brustwand mit
der Lunge, oder hat der künstliche Pneumothorax nicht den
gewünschten Effekt gehabt, so ist die totale Entknochung der
kranken Thoraxhälfte ohne Eröffnung der Brusthöhle angezeigt.
Mühlschlegel.
Kreisarzt Dr. Bciiinrie (Liebenwerda): Zur Frage der ambulan¬
ten Tube rk iilili tlie rapie. (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 23.)
Verfasser berichtet über die Erfahrungen, welche er
inbetreff der ambulanten Durchführbarkeit der Tuber-
kuliiilhsrapie gemacht hat. Er hat in Liebenwerda ein
Ambulatoriülil für Tuberkulindiagnostik und Tuberkulin¬
therapie eingerichtet, welches vom November 1908 bis zum
1. Mai 1910 von 208 Personen aufgesucht wurde. Es werden
nur solche Personen behandelt, welche von ihren Aerzten über¬
wiesen werden. 39 wurden zur Diagnosenstellung, 169 zur Be¬
handlung geschickt. Unter den 169 Patienten sind drei ge¬
storben, drei zur Lungenheilstätte abgegeben, 18 ohne Grund
weggebliebeil, sechs verzogen, sieben aussichtslos aufgegeben,
im klinischen Sinne vorläufig geheilt 61, noch ln Behandlung
77 Patienten. Lungenbhitungen traten während der Behand¬
lung bei 14 Patienten auf, wovon 12 schon vorher an Bildungen
gelitten hatten. Verfasser erklärt auf Grund seiner Erfahrungen
die ambulante Tuberkulinbehandlung auch unter den Verhält¬
nissen der Kleinstadt und des flachen Landes für durchführbar.
Marinestabsarzt Dr. Hoffman« (Berlin): Erfolgreiche Uebcr-
tragung von Syphiflsspirochäten auf Meerschweinchen.
(Deutsche med. Worhenschrift, 1910, No. 22.)
Verfasser gelang es, bei drei Meerschweinchen . durch
Üeberträgung syphilitischen Gewebes von einem Kaninchen
(Ueherptlafizüilg unter die Haut des Hodensacks) schankerartige
Geschwüre zu erzeugen. Nach fünf Tagen zeigten die Ge¬
schwüre im allgemeinen Neigung zur Heilung; nur ein Geschwür
hatte sich vergrößert, zeigte wallartig verdickte Ränder und
einen harten Untergrund. In dem Reizsaft dieses Geschwürs
waren im Dunkelfeld reichliche, sehr gut bewegliche Spirochä¬
ten vom Aussehen der Pallida nachweisbar, in jedem Gesichts¬
feld mehrere, bis 15—20. R. L.
Dr. Ernö Ivanyi, Assistent der Abteilg. f. Haut- u. vener. Krank¬
heiten des St. Stephan-Spitals in Budapest: 157 neuere Fälle
von extragenitaler Syphilisinfektion. (Pester med.-chir.
Presse, 1910, No, 24.)
Der praktische Wert solcher von Zeit zu Zeit erscheinenden
Artikel ist einleuchtend. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf
sich und halten sie wach. Auf diese Weise wird auch der we¬
niger erfahrene Arzt gelegentlich an die extragenitale Syphilis¬
infektion denken, die Therapie auf die richtige Bahn lenken
und dermaßen deren Weiterverbreitung verhindern. Wir
wissen, welche geringe Bedeutung die mit extragenitaler In¬
fektion Behafteten ihrer Affektion beilegen, während sie, wenn
sie sich an den Genitalien zeigt, sofort zum Arzt gehen. Seit
der Entdeckung der Spirochaete pailida kann die Diagnose der
an verschiedenen Stellen des menschlichen Körpers erscheinen¬
den Primär-Sklerosen mit Gewißheit gestellt werden. Aus
den vorliegenden Daten ersehen wir, daß die extragenitale Sy¬
philis nicht gar so selten ist. Was die anamnestischen Angaben
betrifft, war bei den meisten Patienten der Kuß, der Biß der
Vermittler; sexuelle Perversität konnte nur in wenigen Fällen
ermittelt werden. Von den drei mit Anussklerose Infizierten
gestanden 2 die pasive Päderastie ein; von den mit Zimgeu-
sklerose infizierten zwei Männern gestand der eine Cunni-
linguus ein. Von den an den Fingern Infizierten waren 2 Heb¬
ammen, eine Pflegerin. Von den an der Brust Infizierten wurde,
mit Ausnahme zweier, bei welchen das Beißen die Ursache
war, die Infektion durch das Stillen kranker Kinder verursacht.
Der Patient muß über seine Krankheit genau aufgeklärt wer¬
den. Nur wenn er im Bewußtsein des Ernstes und des Wesens
seiner Krankheit ist, wird er sich vor jeder solchen Handlung
hüten, welche die Infektion seiner Nebenmenschen zur Folge
bat. Von großer Wichtigkeit ist, daß der Arzt jedem Syphilis¬
kranken eine gedruckte Instruktion in die Hand gibt, aus
welcher er die ansteckende Natur erfahren und wissen soll, daß
sie heilbar ist und daß ihre Heilung eine längere Zeit in An¬
spruch nimmt; er muß darüber im klaren sein, was er sowohl
während der Behandlung als auch außer derselben tun darf
und was ihm verboten ist. Wenn das Uebel auch nicht ganz
ausgerottet werde kann, tragen wir in jedem Falle doch sehr
viel zur Verminderung der Erkrankungen bei.
Dr. Ludwig Hofbauer (Wien): Technik und Erfolge der At¬
mungsgymnastik beim Bronchialasthma. (Medizin. Klinik,
1910, No. 11.)
Das Bronchialasthma ist dadurch charakterisiert, daß im
Anfalle die Ausatmung erschwert und lange andauernd sich
gestaltet. Trotz aller Anstrengung des Patienten gelingt es ihm
478
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 31.
nicht, soviel Luft auszutreiben, als er einatmet. Daher weist
der Asthmatiker nach Abklingen des Anfalles ein Herabrücken
seiner unteren Lungengrenzen und eine teilweise Ueberlage-
rung seiner Herzdämpfung durch hellen Lungenschall auf; es
entwickelt sich die konsekutive Lungenblähung. Die mangel¬
hafte Ausatmungsmöglichkeit bewirkt aber auch das Er¬
stickungsgefühl während des Anfalles. Dementsprechend be¬
zweckt die Atmungsgymnastik, dem Patienten die Ausatmung
in genügendem Ausmaße möglich zu machen. Durch theoreti¬
sche Feststellungen wurde erwiesen, daß Erleichterung der
Ausatmung behufs Verbesserung der Ausatmungstechnik vor
allem durch entsprechende Verlängerung der Ausatmungsdauer
sich bewerkstelligen läßt. Der Patient wird aufgefordert, ohne
jede Kraftanstrengung die Ausatmung möglichst lange andauern
zu lassen. Erst dann, wenn es ihm unmöglich geworden ist,
weiterhin zu exspirieren, darf er die auxiliären Muskelkräfte
zu Hilfe nehmen. Behufs Erfüllung dieser Postulate hat Verf.
einen Apparat konstruiert, den er als „Exspirator“ bezeichnet.
Der Patient bekommt die Aufgabe, entsprechend dem Rhyth¬
mus, den der Exspirator angibt, tönend auszuatmen. -Der Ex¬
spirator läßt nämlich seine Schnarre infolge seines eigentüm¬
lichen Rädermechanismus streckenweise tönen und in den
Zwischenzeiten verstummen. Der Patient bekommt die Auf¬
gabe, dieses Aufeinanderfolgen von Tönen und Stummsein dem
Apparat nachzuahmen. Wenn er mit dem Apparat seine Stimme
ertönen läßt, so muß er dabei selbtsverständlich Luft ausstoßen.
Einatmen kann er nur während der Zeit, wo der Apparat ruhig
ist. Nun hat der Apparat durch entsprechende Konstruktion
die Eigentümlichkeit, daß stetig die Zeitdauer des Tönens sich
länger gestaltet, als die zwischenliegenden Ruhepausen. Schon
dadurch ist garantiert, daß die Ausatmungsdauer immer größer
ist als die Einatmungsdauer. Durch leicht ausführbare Varia¬
tionen der Einstellung läßt sich dieses Prävalieren der Exspi¬
rationsdauer in genügendem Ausmaße verstärken. Anfänglich
wird der Atemtypus des Patienten möglichst vollständig be¬
rücksichtigt, so daß er gar keine wesentliche Veränderung
seines Atemrhythmus merkt. Er gewinnt dadurch Zutrauen
und lernt seine Atmung entsprechend den Apparatsignalen
regeln, den Anforderungen bezüglich der Ausatmungsdauer an¬
passen. Ueberdies wird er aufgefordert, zu Hause die Uebun-
gen zu imitieren, respektive durch Zählgymnastik zu unter¬
stützen. Es werden dabei je drei, vier und mehr Zahlen tönend
aufeinanderfolgend gesprochen und dann ein Zeitraum, der
einer folgenden Zahl entspricht, zur Einatmung benützt. Da bei
Verwendung des Exspirators von seiten der Patienten öfter
über nervöse Erscheinungen als Folge des Schnarrens geklagt
worden ist. hat Verf. den Mechanismus des Exspirators dahin
umändern lassen, daß man statt der Schnarre eine matte elek¬
trische Lampe als Zeichen für die Exspirationszeit verwenden
kann. Der Patient muß solange tönend ausatmen, als die
Lampe leuchtet und darf nur dann einatmen und solange, als
die Lampe erloschen ist. Hat dann der Patient mit Hilfe dieser
Uebungen eine genügend lange Ausdauer für seine Ausatmung
erlernt, so wird er darüber belehrt, daß eine Verstärkung der
Luftaustreibung durch Muskelkräfte am Ende der Ausatmung
nicht nur erlaubt, sondern sogar zweckdienlich ist. Die beste
Methode der muskulären Exspiration nun ist die der Hoch-
treibung des Zwerchfells. Bei dieser Behandlung ergab sich
empirisch die Tatsache, daß nicht bloß die Lungenblähung zu¬
rückgeht. sondern auch die asthmatischen Anfälle immer selte¬
ner werden, um nach relativ kurzer Zeit schon dauernd zu
verschwinden, sogar bei solchen Fällen, welche mit Hilfe aller
anderen Methoden vergeblich behandelt worden waren.
Privatdozent Dr. Max Herz (Wien): Die Herzbeschwerden der
Adoleszenten. (Wiener med. Wochenschr., 1910, No. 22.)
Die Entscheidungen, sagt Verf., die wir zu treffen haben,
wenn uns ein junges Individuum vorgestellt wird, das an Herz¬
beschwerden ieidet, sind von der weittragendsten Bedeutung.
Ein Irrtum von unserer Seite kann in solchen Fällen die ver¬
hängnisvollsten Folgen zeitigen. Gewöhnlich handelt es sich
um die Entscheidung, ob der junge Mensch herzkrank sei oder
nicht. Beantworten wir diese Frage irrtümlich mit einem Ja,
dann belasten wir auf Jahre hinaus die Eltern mit einer schwe¬
ren Sorge, beeinflussen die Erziehung in einer für die Entwick¬
lung des Charakters höchst bedeutungsvollen Weise und ver¬
hindern eventuell eine den Anlagen und Neigungen des Pa¬
tienten entsnrechende Berufswahl, d. h. wir greifen mit un¬
geschickter Hand in den Gang eines Menschenschicksals ein.
Da es nun so überaus häufig vorkommt, daß während der Ent¬
wicklungsjahre eine Reihe von subjektiven und auch objektiven
Symptomen'bloß den Schein einer organischen Herzerkrankung
hervorruft, der nach erlangter Mannbarkeit bis auf den letzten
Rest verschwindet, sind wir verpflichtet, im vollen Bewußtsein
unserer großen Verantwortlichkeit in jedem Falle, der nicht
mit einer jeden Zweifel ausschließenden Bestimmtheit ein ätio¬
logisch sichergestelltes, in allen klinischen Details einer ge¬
weblichen Herzläsion entsprechendes Bild darbietet, die
äußerste Vorsicht walten zu lassen und unsere endgültige Ent¬
scheidung so lange hinauszuschieben, bis eine längere Beob¬
achtung uns eine volle Gewißheit über die Natur des Leidens
verschafft.
Die Symptome hängen mit verschiedenen Faktoren zu¬
sammen, welche in der Pubertätszeit zur Geltung kommen.
Da sie nun dieser und nicht den, früheren oder späteren Ent¬
wicklungsperioden eigentümlich sind, geht man nicht fehl, wenn
man annimmt, daß hier eine Aeußerung der geschlechtlichen
Ausreifung des Organismus vorliegt. Verf. unterscheidet zwei
verschiedene Arten unter den maßgebenden Momenten, und
zwar die rein vegetativen, welche sich aus den spezifischen
Wachstumsvorgängen, den äußeren und inneren Umformungen
der verschiedenen Organe, der Drüsen, des die Lage des Her¬
zens bestimmenden Brustskelettes, sowie des Herzens und der
Gefäße selbst ergeben und welche dem Uebergang von der
Kindheit zum Jünglingsalter eigentümlich sind, und zweitens
die psychischen, welche in den anfangs unverstandenen sinn¬
lichen Regungen und später in den durch die mangelhafte Be¬
friedigung derselben hervorgerufenen Gemütsalterationen
wurzeln.
Die Symptome, welche wir als Herzbeschwerden der Ado¬
leszenten zu bezeichnen haben, teilt Verf. in folgende Gruppen
ein: erstens in solche, welche gemeinhin von dem Kranken
selbst und seiner Umgebung auf Störungen der Herztätigkeit
bezw. der Zirkulation bezogen werden, ohne daß wir mit
Sicherheit entscheiden können, ob dies mit Recht oder Un¬
recht geschieht, und zweitens in zweifellose Herzsymptome,
die sich naturgemäß wieder in subjektive und objektive ein¬
teilen lassen. Unter den Allgemeinsymptomen dominieren die
Schwächegefühle, eine allgemeine Mattigkeit, leichte körper¬
liche und geistige Ermüdbarkeit, welche eine Unlust zum
Lernen zeitigt, zu häuslichen Konflikten und eventuell zur
Unterbrechung begonnener Studien führt. Häufig, besonders
bei Mädchen, treten Exazerbationen bis zu Ohnmachtsanfällen
auf. All dies pflegt nicht nur von den Laien als Herzschwäche
gedeutet zu werden. Als Herzangst erscheinen die so gewöhn¬
lichen Angstgefühle in der Pubertätszeit,, die wahrscheinlich
denjenigen der sexuellen Neurosen analog sind. Sie stören ge¬
wöhnlich auch die Nachtruhe dadurch, daß sie sich in sehr be¬
klemmenden Verfolgungsträumen äußern, welche gernezueinem
jähen Erwachen führen, nach welchen stets eine sehr erregte
Herzaktion und subjektives Herzklopfen zu konstatieren ist.
Sie werden in hohem Grade durch die Körperlage beeinflußt,
die der Kranke im Bette einnimmt. Unfehlbar treten sie auch
bei sonst gesunden Individuen in der Rückenlage auf. Da auch
das Liegen auf der linken Seite, der „Herzseite“, unmöglich ist,
gewinnt für den Patienten die Annahme einer Herzaffektion
sehr an Wahrscheinlichkeit. Verf. glaubt, daß in letzterem
Falle die Verlagerung des Herzens in die engen Teile des
ohnehin flachen Brustkorbes und die innigere Anpressung der
vorderen Fläche des Herzens an die Brustwand durch die
Schwere den Eintritt dieser Erscheinungen begünstigt. Ist der
Verdacht einer Herzkrankheit rege geworden, dann werden
auch die Appetitlosigkeit und das gelegentliche Erbrechen
leicht auf eine Zirkulationsstörung bezogen.
Unter den Herzbeschwerden im engeren Sinne dominiert
die Trias der Phl-enokardie, Herzklopfen, Schmerzen in der Ge¬
gend unterhalb der linken Mamille und eine charakteristische
Behinderung der Atmung, die Verf. als Atemsperre bezeichnet.
Dabei ist die Herztätigkeit außerordentlich erregt und sehr labil.
Das erstere ist an einem eigentümlichen systolischen Schwirren
zu erkennen, welches entweder über der Gegend des Spitzen¬
stoßes oder über der ganzen Herzdämpfung zu tasten ist. Die
Herzdämpfung ist dem Tropfenherzen entsprechend zumeist
lang und schmal. Die Auskultation ergibt fast ausnahmslos die
eigentümlich vibrierende Beschaffenheit des ersten Tones, die
wir gewöhnlich bei den Herzneurosen anzutreffen gewohnt sind
und die so häufig irrtümlich zur Annahme eines systolischen
Geräusches Veranlassung gibt. Nicht selten aber ist ein echtes
systolisches Geräuch zu hören, bald nur auf die Spitzengegend
konzentriert, bald auch an der Basis, besonders über der Pul-
monalis hörbar.
Die Prognose des Leidens kann unter allen Umständen als
gut bezeichnet werden. Die Therapie der Herzbeschwerden
der Adoleszenten ist sehr dankbar, wenn sie den Allgemein¬
zustand berücksichtigt, also durch diätetische und allgemein¬
hygienische Maßregeln den Organismus zu beruhigen und zu
kräftigen sich bestrebt. Ferner muß sie suggestiv sein, und
zwar ebenso für den Patienten wie für seine besorgte Um¬
gebung. K r.
Willy Günther: Die Orexinprobe zur Feststellung der Salz¬
säuresekretion des Magens. (Inaugural-Dissertat., Jena 1910.)
Das Orexin. tannic. ist an sich imstande, die Salzsäure-
absc.heidung der Magenschleimhaut anzuregen und zu fördern.
Bei Appetitmangel und ungenügender Salzsäureproduktion
dürfte dieses Mittel einen nicht zu unterschätzenden Bestand¬
teil des Arzneischatzes bilden. Darauf beruht auch die Verwend¬
barkeit der Orexinprobe zu diagnostischen Zwecken. Die
No. 31.
THERAPEUTISCH? RUNDSCHAU 1910.
479
Orexihprobe ist imstande, Aufschluß über die Salzsäuresekre¬
tionsfähigkeit der Magenschleimhaut zu geben. Sie ist ein
brauchbares Hilfsmittel nicht zur Sicherung der Diagnose Car-
cinom, sondern auch zur Feststellung anderer Magenleiden.
F.
Prof. Dr. G. Hauser (Erlangen): Zur Frage der krebsigen Ent¬
artung des chronischen Magengeschwürs. (Münchener med.
Wochenschrift, 1910, No. 23.)
Verf. berichtet zunächst über einen Fall, welcher von
Wichtigkeit für die Frage der gegenseitigen Beziehungen
zwischen Magencarcinom und Magengeschwür ist. Eine 63 jäh¬
rige Frau, welche erst seit wenigen Wochen an Magenbeschwer¬
den erkrankt war, die auf Magencarcinom hinwiesen, starb,
nachdem sie nur einige Tage in der Klinik gewesen war, unter
den Erscheinungen einer Perforationsperitonitis. Die Sektion
führte zu folgender Diagnose: Ulcerierter Scirrhus des Pylorus
mit Stenose, großes, frisches Magengeschwür (5% cm im Durch¬
messer) mit Perforation in die Bauchhöhle, verschorfter frischer
hämorrhagischer Infarkt der Magenwand mit beginnender Ab¬
stoßung, diffuse Peritonitis mit enormer Hyperämie des ganzen
Bauchfells, reichlicher Mageninhalt in der Bauchhöhle. Außer¬
dem Gallensteine mit Schrumpfung der Gallenblase,; hyposta¬
tische Hyperämie beider Unterlappen, geheilte Tuberkulose der
rechten Lungenspitze, Sklerose der Aorta und der Arteriae
coronariae. Aus dem von Verf. im einzelnen mitgeteilten Er¬
gebnis der makroskopischen und mikroskopischen Unter¬
suchung geht hervor, daß hier die Kombination eines schon vor¬
her bestehenden Scirrhus des Magens mit frischem Ulcus
pepticum vorlag. Die beiden einfachen Geschwüre sind nach
Verf. jedenfalls erst am letzten Tage des Lebens aufgetreten,
und zwar wahrscheinlich zuerst das große perforierte. Von
besonderem Interesse ist auch, daß die Geschwüre sich bei
völligem Salzsäuremangel entwickelten. — Verf. erörtert im
Anschluß an den Fall die Frage der gegenseitigen Beziehungen
zwischen Ulcus ventrieuli und Magenkrebs. Während der be¬
schriebene Fall beweist, daß in Fällen von scheinbar sekun¬
därer Krebsentwicklung im Anschluß an ein Ulcus wohl auch
das umgekehrte Verhältnis vorliegen kann, ist es jedenfalls viel
häufiger, daß ein Carcinom auf dem Boden eines Ulcus oder
einer Geschwürsnarbe sich entwickelt, wahrscheinlich viel
häufiger, als es pathologisch-anatomisch oder klinisch fest¬
gestellt werden kami. Der Umstand, daß das Ulcus rotundum
und das Magencarcinom für ihre Lokalisation durchaus die
gleichen Prädilektionsstellen haben, legt die Vermutung nahe,
daß dieser Zusammenhang zwischen Ulcus und Magencarcinom
keineswegs selten ist. R. L.
Ernst Fränlsel: Die Salomonsche Probe und der Nachweis von
Hämolysinen im Magensaft heim Magencarcinom. Beitrag
zur Frühdiagnose des Magencarcinoms. (Dissertation,
Breslau 1910.)
1. Positiver Ausfall der Salomon sehen Probe spricht
für Magencarcinom. 2. Positiver Ausfall mit dem Esbach-
schen Reagens ist dabei häufiger als N-Werte über 20 mg. Des¬
halb ist, abgesehen von der größeren Bequemlichkeit, diese
Probe mit dem Esbach sehen Reagens empfehlenswerter.
3. Positiver Ausfall der Hämolysinprobe fand sich zwar häufi¬
ger beim Magencarcinom, war aber auch bei anderen Er¬
krankungen nicht selten. Oft waren die Resultate nicht ganz
eindeutig. Deshalb ist die Probe diagnostisch nicht so gut ver¬
wertbar. 4. Der negative Ausfall einer oder beider Proben
spricht nicht gegen Magencarcinom. 5. Der positive Ausfall
der Salomon sehen Probe ist nicht allein von der Größe der
Ulcerationsfläche abhängig, vielleicht spielt daneben auch der
Grad der Retention eine Rolle. F.
Dr. C. Funck (Cöln-Braunsfeld): Weitere Beiträge zur Kausal¬
therapie hei Glykosurie und Diabetes. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 23.)
Verf. ist durch eine Reihe von Beobachtungen zu der Ueber-
zeugung gekommen, daß der Diabetes mellitus in einem Teil
der Fälle auf Störungen des Magens und Darms be¬
ruht und daß man durch eine gegen diese Störungen
gerichtete Behandlung auch die Glykosurie heilen kann.
Es ist daher in jedem Fall von Glykosurie und Dia¬
betes eine genaue funktionelle Untersuchung der Magen-
und Darmverdaung vorzunehmen; von dem Ergebnis dieser
hängt die anzuwendende medikamentöse und diätetische
Behandlung ab. In derartigen Fällen,, wo z. B. dem Diabetes
eine Gastritis oder Enteritis zugrunde liegt, wird man durch
eine schematische antidiabetische Diät keinen Erfolg erzielen,
dagegen durch eine gegen den Magen- resp. Darmkatarrh ge¬
richtete entsprechende "diätetische, physikalische, medikamen¬
töse Behandlung. Verf. berichtet über 4 derartige Fälle. In
einem Falle wurde ein seit 4M? Jahren bestehender Diabetes
durch vorzugsweise diätetische Behandlung der gleichzeitig be¬
stehenden Gastritis chronica geheilt, d. h. er erlangte wieder
eine Toleranz für Kohlehydrate in einer das gewöhnliche Kost¬
maß überschreitenden Menge. Im zweiten Falle bestand eine
Enteritis chronica mit Eiweißfäulnis, im dritten Falle lag schein¬
bar ein mit Kohlehydrat-Gärung verbundener Darmkatarrh
vor, der sekundär zu Koliken, Meteorismus, Durchfällen etc.
geführt hatte. Ein darauf gerichtetes Regime (Eiweißdiät) hatte
aller keinen Erfolg, und nun wurde unter Wiedereinführung
der Kohlehydrat-Diät die scheinbar sekundäre Motilitätsstö¬
rung des Darmes in ihrer Ursache, d. h. der Sympathicusneu-
rose, und daneben die allgemeine Neurasthenie behandelt mit
dem Resultat, daß die Darmstörung in kurzer Zeit verschwand
und zugleich der Diabetes zur Heilung gelangt;:. In dem vierten
Falle handelte es sich um eine Gastritis chronica, zu der sich
ab und zu enteritische Störungen gesellten. In diesem Falle
verursachte Fleischeiweiß eine bedeutend stärkere Glykosurie
als Kohlehydrate gleicher Kalorienwerte. Auch in diesem Falle
wurde durch eine entsprechende Hafermehl-Milchdiät die
Zuckerausscheidung beseitigt. Zum Schluß hebt Verf. hervor,
daß es voll Wichtigkeit ist, den Prädiabetes, d. h. den be¬
ginnenden Diabetes, rechtzeitig zu erkennen und nach den dar-
gelegten Gesichtspunkten, d. h. durch Beseitigung der eventuell
zugrunde liegenden anderweitigen Funktionsstörung, zu be¬
handeln.
Dr. O. Huber (Schöneberg-Berlin): Ueber Behandlung schwerer
Anämien mit Blutinjektionen. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 23.)
Verfasser berichtet über die Ergebnisse von Versuchen,
welche er mit der Injektion von defibriniertem Blut bei
schweren, insbesondere „perniziösen“ Anämien gemacht hat.
Er wählte die intraglutäale Methode, weil hier eine schnellere
Resorption anzunehmen ist und weil sie relativ schmerzlos er¬
tragen wird. Es gelingt leicht, 20 ccm Blut zu injizieren; in
manchen Fällen konnten sogar 50 ccm injiziert werden. Zum
Defibrinieren benutzt Verfasser ein Erlenmeyerkölbchen mit
Glasperlen; derartige Kölbchen muß man sich steril vorrätig
halten, um sie stets zur Verfügung zu haben. Zur Blutentnahme
benutzt man eine gewöhnliche Venenpunktionsnadel, die mit
einem etwa 25 cm langen Schlauch versehen ist. Bei der
Punktion wird der Schlauch mit dem Glasrohr des Defibrinier-
kolbens verbunden und letzterer während des Abfließens des
Blutes leicht geschüttelt. Das Schütteln des Blutes muß 10 bis
15 Minuten fortgesetzt werden, dann filtriert man durch Leine¬
wand. Das defibrinierte Blut hat Verf. gewöhnlich Va—1 Stunde
bei Stubentemperatur stehen lassen, bevor er es zur Injektion
benutzte. Bei der Auswahl der Blutspender wurde kein Unter¬
schied zwischen älteren und jüngeren Personen gemacht.
Fiebernde oder Leute mit positiver Wassermann scher
Reaktion sind natürlich auszuschließen. Verfasser berichtet
über fünf mit Blutinjektionen behandelte Fälle. Davon waren
vier schwere perniziöse Anämien; in einem Falle handelte es
sich um eine schwere Anämie und Chlorose. Die einzelnen
Injektionen wurden meist in Intervallen von 5—7 Tagen ge¬
macht. Daneben wurden die Patienten mit geringen Arsen¬
dosen (3 mal 5 Tropfen Sol. Fowleri), eventuell auch mit lacto-
vegetabiler Diät, Darmspülungen behandelt. In einem Falle
wurde eine der Heilung nahekommende Besserung erzielt, der
Hämoglobingehalt stieg von 18 pCt. auf 92 pCt., die Zahl der
Erythrocyten von 1,2 auf 4,8 Millionen; das mikroskopische
Blutbild wurde fast normal. Nach einigen Monaten trat jedoch
ein Rezidiv ein, welchem die Patientin bald erlag. Bei einem
fast moribund eingelieferten Patienten, welcher neun Injek¬
tionen innerhalb neun Wochen erhielt, stieg der Hämoglobin¬
gehalt von 20 auf 90 pCt., die Zahl der Erythrocyten von 1,46
auf 5,2 Millionen, das mikroskopische Blutbild wurde voll¬
kommen normal; der Patient ist wieder arbeitsfähig, allerdings
hat sich der Zustand nach Aussetzen der Injektionen wieder
verschlechtert. In einem zweiten Falle, der noch in Behand¬
lung ist, wurde ebenfalls Besserung erzielt. Ein vierter Fall
war schon zu weit vorgeschritten, hier trat der Exitus nach vier
Wochen ein. Gut war der Erfolg auch in dem Falle von Chloro-
Anämie. — Die Nebenwirkungen der Injektion sind verschieden.
Insbesondere variiert die Schmerzhaftigkeit. Temperatur-
Steigerungen auf 37,5 " treten häufig auf, seltener solche auf 38 °.
Ernstere Nebenwirkungen kamen bisher nicht vor. Als
Dosis empfiehlt Verfasser für den Anfang 10—20 ccm, später
20—40 ccm. Die Injektionen sind alle 5—8 Tage zu wieder¬
holen.
Generaloberarzt Prof. Dr. Schumburg (Straßburg i. E.):,Neue
Erfahrungen mit der Alkoholdesinfektion der Hände ohne
vorheriges Seifen. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 23.)
Verf. hat in früheren Versuchen folgendes gefunden: Das
Waschen und Bürsten der Hände mit Seile und heißem, sterilen
Wasser beseitigt, selbst wenn es 15—20 Minuten lang intensiv
fortgesetzt wird, gar nicht oder nur zum geringsten Teil die
an der Gebrauchshand haftenden Keime. Dagegen können
480
THERAPEUTISCHE
durch Waschen der Hände mit möglichst absolutem Alkohol
fast ausnahmslos 99 pCt. und mehr der Handbakterien unschäd¬
lich gemacht werden. Zu einer Waschimg genügen 200 ccm Al¬
kohol, der mit Mullbäuschchen oder mit Watte auf die Hand
gebracht wird. Statt des absoluten Alkohols kami mit genau
dem gleichen Erfolg der gewöhnliche denaturierte Brennspiritus
Anwendung finden. Wie Verf. jetzt mitteilt, haben die neueren,
von der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums angestellten
Untersuchungen diese Ergebnisse in jeder Hinsicht bestätigt.
Daher empfiehlt Verf. neuerdings sowohl für den Betrieb in
der Klinik wie für den praktischen Arzt die einfache Alkohol¬
desinfektion — ohne jede vorherige Waschung mit Seife. Auch
der grobe Schmutz wird mit Alkohol beseitigt; Blutreste werden
eventuell mit Wasserstofisuperoxydlösung vorher entfernt.
R. L.
C. F. Heerlordt: Bemerkungen über die Bedeutung der Sutur-
technik fiir die Wundaseptik. (Archiv für klinische
Chirurgie, Bd. 91, H. 1.)
H. macht eine Reihe beherzigenswerter Vorschläge zur Ver¬
besserung der Suturtechnik und Aseptik des Nähmateriales. Das
letztere soll steril, nicht antiseptisch sein. Seine Oberfläche muß
glatt, seine Substanz solide sein. Unter sonst gleichen Um¬
ständen ist resorbierbares Material dem nichtresorbierbaren
vorzuziehen. Demgemäß empfiehlt H. als bestes Material
Metalldraht und Kochkatgut. Nadel und Faden werden ge¬
brauchsfertig eingefädelt, auf einem besonders hierfür kon¬
struierten Metallrahmen ausgespannt und dann erst sterilisiert.
Der Operateur kann von hier die Nadel direkt mit dem Nadel¬
halter abnehmen, so daß jede Berührung mit den Fingern ver¬
mieden wird. Auch bei Knotung der Naht läßt sich bei einiger
Uebung eine Berührung des mittleren Teiles des Fadens, wel¬
cher in der Wunde liegen bleibt, sicher vermeiden.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Karl Ewald, Primararzt am Sophien-Spitale in Wien: Ueber
unsere Erfahrungen mit der Lumbalanästhesie. (Wiener
med. Wochenschrift, 1910, No. 20 und 21.)
E. faßt seine Ansichten über die Lumbalanästhesie folgen¬
dermaßen zusammen:
• 1. Die Lumbalanästhesie ist eine berechtigte Methode und
soll von jedem Arzte, der sich operativ betätigt, gekannt werden.
2. Das Indikationsgebiet ist noch nicht scharf abgegrenzt.
Zumeist wird man die Lumbalanästhesie anwenden, wenn man
keinen verläßlichen Narkotiseur zur Verfügung hat. Außerdem
gibt es aber noch eine kleine Zahl von Fällen, in denen man
die Narkose wegen Krankheiten des Herzens, der Lunge oder
Nieren fürchtet und da wird die Lumbalanästhesie einen guten
Ersatz bieten. Potatoren, die eine unruhige Narkose gewärtigen
lassen, wird man auch besser mit der Lumbalanästhesie vor¬
bereiten. Kommt es auf eine sehr vollständige und lange
dauernde Entspannung der Bauchdecken an, dann ist dieses
Verfahren ebenfalls am Platze.
3. Die Lumbalanästhesie ist zu widerraten, wenn man
Kinder oder an septischen Krankheiten Leidende zu operieren
hat, andererseits erzielt man bei Greisen mit ihr die besten
Erfolge.
4. Die Gefahren der Lumbalanästhesie erscheinen mir eher
kleiner als die der Narkose. Wenn man nicht über einen ver¬
läßlichen Narkotiseur verfügt, dann halte ich die Lumbal¬
anästhesie entschieden für weniger gefährlich als die Narkose.
5. Die Erfolge des Verfahrens sind unsicher. Die Punktion
kann mißlingen, es kann Blut statt Liquor kommen, oder man
kann keinen Liquor finden. Die Anästhesie kann aber auch
ausbleiben, weim alles bis dahin nach Wunsch ging. Manch¬
mal dauert die Anästhesie nur eine Viertelstunde, oder sie ist
unvollkommen, oder sie setzt verspätet ein. Man muß mit
mindestens 10 pCt. Mißerfolgen rechnen.
6. Adrenalinzusatz wirkt auf den Darm anregend zur
Peristaltik. Diese kann so stürmisch sein, daß Darmnähte ge¬
fährdet werden, sobald mau die Klemmen abnimmt. Andere
Male hat der Zusatz den Vorteil, daß der Darm sich während
der Operation durch Abgang von Gasen und Stuhl entleert, der
geblähte Darm sich verengt, leichter in der Bauchhöhle zurück¬
zuhalten ist.
7. Eine vor der Lumbalinjektion gegebene subkutane In¬
jektion von 0,001 Skopolamin und 0,02 Morphin verbessert das
Verfahren erheblich, weil der Schmerz des Einstiches genom¬
men wird, Aufregungszustände und dunkle Empfindungen, die
manchmal trotz gelungener Lumbalanästhesie auftreten, ge¬
mindert werden. Diesen Vorteilen gegenüber sind die Nach¬
teile — übermäßige Exzitation, die sogar zur Narkose nötigen,
kann — selten, zu selten, als daß man das kombinierte Ver¬
fahren deshalb aufgeben sollte. Kr.
W. Röpke: Ueber akute primäre Typhlitis. (Archiv für klinische
Chirurgie, Bd. 91, H. 1.)
Die große Zahl der Appendektomien, welche heutzutage
ausgeführt wird, gibt Gelegenheit zur Untersuchung der Be-
RUNDSCHAU 1910. _ No. 81.,.
schaffenheit des Typhlon. Da dasselbe so gut wie nie oder doch
höchstens nur sekundär bei der Appendicitis erkrankt gefunden
wird, so herrscht heute die Ansicht vor, daß die primäre
Typhlitis, welche einst eine so große Rolle gespielt hat, de facto
gar nicht existiert (Sonnenburg, Sprengel). Dieser
Standpunkt ist zu radikal. Primäre Typhlitiden kommen vor,
sind aber überaus selten. R. beschreibt vier einschlägige Fälle,
welche unter der irrigen Annahme einer Appendicitis zur
Operation kamen und erst bei der Operation erkannt wurden.
Es handelte sich um mehr weniger ausgedehnte Entzündungen
und Verwachsungen; für tuberkulösen Ursprung lag kein Anhalt
vor. Lösung der Verwachsungen, Resektion der Geschwüre
und Naht führten in allen vier Fällen zur Heilung; der Wurm¬
fortsatz wurde mit entfernt, aber nachträglich als intakt be¬
funden. Eine klinische Unterscheidung dieser seltenen Fälle
von der Appendicitis dürfte kaum möglich sein. Die Operation
■ ist unbedingt indiziert, wenn die Erscheinungen nur in der
rechten Darmbeingrube lokalisiert sind.
Adler (Berlin-Pankow).
Oberarzt Dr. R. Lampe: Die Anregung der Peristaltik nach
Laparotomie wegen Appendicitis mit freier Peritonitis.
(Zentralbl. f. Chirurgie, 1910, No. 21.)
Zur Anregung der Peristaltik bedienen wir uns im all¬
gemeinen der Darmeinläufe, ferner kommt die Injektion von
Eserin in Betracht, und schließlich steht uns die Enterotomie
zur Verfügung; man wird aber gut daran tun, letztere nur bei
den schwersten Fällen zur Anwendung zu bringen; denn der
Verschluß der Fistel erfordert eine Nachoperatioü, und die
1 Adhäsionen, welche sich zwischen der zur Anlegung benutzten
Schlinge und dem parietalen Bauchfell zu bilden pflegen,
können späterhin verhängnisvoll werden. In vorliegender Ar¬
beit empfiehlt Verf. ein Mittel zur Anregung der Darmtätigkeit,
das ihm wenigstens bei den frühen Formen der freien Perito¬
nitis gute Dienste geleistet hat: er trägt in diesen Fällen die
Appendix nicht durch Abquetschen an ihrer Basis ab, er am¬
putiert sie vielmehr mit einem Scherenschlage und benutzt
nun die Oeffnung des Coecum dazu, um mit einer B o z e -
mann sehen Zange einen Nelaton-Katheter, dem er dicht
oberhalb seiner Oeffnung noch eine zweite beigegeben hat,
durch die Bauhinsehe Klappe etwa 10 cm weit in das Ileum
einzuführen. Diese Manipulation gelingt beim Erwachsenen
verhältnismäßig leicht, beim Kinde ist sie mitunter etwas müh¬
sam. ln der Wand des Coecum wird der Katheter auf einer
Strecke von 5—6 cm im Sinne W i t z e 1 s übernäht. Die Lapa¬
rotomiewunde wird nunmehr geschlossen unter Offenlassen
einer Lücke im unteren Wundwinkel für das bis in das kleine
Becken reichende Glasdrain und einer solchen im mittleren
Teil für die Herausleitung des Katheters; letztere. wird zur
Verhütung des Herausgleitens aus dem Darm an den Wund¬
rand der Haut mit einer Naht fixiert. Noch auf dem Operations¬
tisch werden nun Einläufe durch den Katheter in den Dünn¬
darm gemacht, und man erhält sofort ein gewisses Urteil über
über den Grad der Darmlähmung; in den schweren Fällen
läuft das Wasser ohne vis a tergo wieder ab; es wird zum
Teil stoßweise entleert, sobald die Peristaltik noch wach ist.
Eine gewisse Stuhlentlerung gelingt so hin und wieder un¬
mittelbar nach Anlegung dieser „Ileocoecalfistel“. Im Bett wird
der durch einen Gummischlauch verlängerte Katheter in eine
Ente geleitet und nun halbstündlich das Einlaufenlassen von
Kochsalzlösung wiederholt; zweckmäßig ist es auch, von Zeit
zu Zeit 300 bis 400 ccm Flüssigkeit langsam einzuführen und
diese durch Abquetschen des Katheters längere Zeit im Dann
zu belassen. Während bei den sonstigen Maßnahmen die Stuhl -
entleerung per rectum gewöhnlich erst im Laufe des 2. Tages
p. op. einzutreten pflegt, hat Verf. sie durch diese Dünndarm¬
fistel zunächst schon gegen Ende des 1. Tages, in einigen Fällen
schon nach 6—12 Stunden erzielt. K r.
Dr. Carl Franke (Heidelberg): Ein Fall von sechs Jahre lang
bestehender Fistel an ungewohnter Stelle bei chronischer
Appendicitis. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 21.)
Bei einem 34 jährigen Manne, welcher der Heidelberger
chirurgischen Universitätsklinik zur Begutachtung überwiesen
wurde, ergab die Anamnese folgendes: Vor sechs Jahren wurde
er wegen plötzlicher Schmerzen im Leib bettlägerig. Im Ver¬
lauf von etwa vier Wochen bildete sich dann eine starke
Schwellung und Rötung des rechten Oberschenkels; es wurde
am Oberschenkel inzidiert, die Wunde heilte. Noch in dem¬
selben Jahre trat eine Schwellung in der rechten Leistengegend
auf. Es wurde wiederum inzidiert und nun blieb eine Fistel
zurück. Wenn diese sich vorübergehend schloß, stellten sich
Kopfweh, Verstopfung, Leibschmerzen und zuweilen Erbrechen
ein. Es fand sich am rechten Oberschenkel etwa handbreit
unterhalb der Spina anterior superior eine alte Narbe, und dicht
unterhalb der Mitte des P o u p a r t sehen Bandes eine zweite
Narbe mit einer Fistel. Zwischen lateralem Rektusrande, Pou-
| partschem Bande und der Verbindungslinie des Nabels mit der
No. 31.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
481
Spina anterior superior fühlte man eine derbe wenig druck¬
empfindliche, nicht verschiebliche, etwa apfelgroße Resistenz;
beim Druck auf diese entleerte die Fistel einige Tropfen Eiter.
Es wurde eine chronische Appendicitis diagnostiziert und ope¬
riert. Dabei zeigte sich, daß die Fistel oberhalb des Leisten¬
bandes die Bauchdecken durchsetzte. Die Aponeurose des
Obliquus externus wurde in der Faserrichtung gespalten, Obli-
quus internus und transversus quer zur Faser durchtrennt und
auf die zu fühlende Resistenz eingegangen. Der Wurmfortsatz
wurde nicht gefunden; die Wunde, lose tamponiert, blieb voll¬
ständig offen. Bei einem Verbandwechsel sah man acht Tage
später in der Tiefe der Wunde einen kleinfingerdicken Wulst,
der bei näherer Untersuchung sich als Wurmfortsatz erwies. In
einer zweiten Operation wurde dieser abgetragen. Er war in der
Nähe der Kuppe perforiert. Die Heilung erfolgte ungestört.
Dr. Richard Mühsam (Berlin): Zur Operation des perforierten
Magengeschwürs. (Deutsche med. Wochenschr., 1910, No. 23.)
Verf. berichtet über seine Ergebnisse bei der operativen
Behandlung des perforierten Magengeschwürs. Zunächst teilt
er 3 Fälle mit, in denen durch die Operation die Patienten ge¬
heilt wurden. Diese 3 Kranken kamen wenige (2, 3 und 7)
Stunden nach Eintritt der Perforation zur Operation. In einem
Falle exzidierte Yerf. die ganze, das perforierte Ulcus enthal¬
tende Partie der Magenwand; in den beiden anderen Fällen
wurden die Ulcera, welche in der Nähe des Pylorus saßen, über¬
näht und daran eine Gastroenterostomia retrocolica posterior
angesehlossen. Außerdem wurde die Bauchhöhle in den 3 Fällen
ausgiebig gespült, die Laparotomiewunde wurde vernäht und
2 Glasdrains in die Flankengegend eingelegt. Der Verlauf war
nur in einem Falle durch eine doppelseitige Bronchopneumonie
sowie durch eine einmalige Blutung, möglicherweise aus einem
Duodenalgeschwür, gestört. In dem ersten Falle, bei dem die
Exzision der Ulcus-Partie gemacht wurde, ging es der Pat. in den
ersten Monaten nach der Operation sehr gut; es bildete sich je¬
doch, wie die Röntgenaufnahme deutlich zeigte, eine Stenose an
der Stelle der Exzision aus, so daß ein Sanduhrmagen entstand,
welcher schließlich die Nahrungsaufnahme unmöglich machte.
Daher mußte eine zweite Operation gemacht, werden. Die bei¬
den durch die Stenose getrennten Magenhälften wurden durch
eine 5 cm breite Gastrogastrostomie mit dreifacher Nahtreihe
vereinigt. Der Verlauf nach der Operation war glatt. Die Pa¬
tientin ist vorläufig von ihren Beschwerden befreit. Außer den
3 geheilten Patienten hat Verf. in den letzten 4 Jahren noch
9 Patienten wegen perforierten Magengeschwürs operiert, und
zwar operierte er auch, wenn der Zustand hoffnungslos erschien.
Diese 9 Patienten starben sämtlich. Verf. gibt eine Zusammen¬
stellung auch dieser Fälle. Als Operationsverfahren empfiehlt
Verf. die Uebemähung des Geschwürs eventuell unter Zuhilfe¬
nahme von Netz. Die Exzision ist möglichst zu beschränken,
sie ist nur in den Fällen angezeigt, in denen wegen harter Be¬
schaffenheit der Ränder die Naht nicht sicher ist und durchaus
kein anderer Verschluß des Loches erzielt werden kann. Oh
eine Gastroenterostomie gemacht wird, hängt davon ab, ob eine
Verengerung des Pylorus vorliegt. Die Bauchhöhle ist
durch reichliche Mengen Kochsalzlösung zu spülen, der Ab¬
fluß von Exsudat durch Einlegen von Glas- oder Zelluloiddrains
in die Flanken zu fördern, die Laparotomiewunde wird am
besten ganz geschlossen. Tamponade derselben ist nur dann
am Platze, wenn die Naht des Geschwürs nicht möglich oder
unsicher war. R. L.
S. Spasokukozky: Volvulus intestinonim als Krankheit des
hungernden Menschen. (Archiv für klinische Chirurgie,
Bd. 91, H. 1.)
S. beobachtete an dem Semstwo-Krankenhause in Smolensk
binnen 11 Jahren unter 96 Ileusfällen nicht weniger als 47 Fälle
von Volvulus und zwar war der Sitz desselben 18 mal das
S romanum, 1 mal das Coecum und 28 mal der Dünndarm. Dies
auffallend häufige Vorkommen des bei uns in Deutschland
seltenen Dünndarmvolvulus bezieht Verfasser auf die Eigen¬
artigkeit seines Krankenmateriales. Es handelt sich meist um
russische Bauern, welche nur in ziemlich großen Pausen essen
und eine sehr grobe vegetarische Kost genießen. Dadurch wird
der Dünndarm oft leer und bei erneuter voluminöser Nahrung
senken sich die obersten Darmschlingen über die leeren hin¬
weg nach unten. S. beruft sich auch auf die Gewohnheit <Jer
afrikanischen Karawanenführer, nach langem Hungern die
Nahrung nur in kleinsten Portionen mit Pansen zu sich zu
nehmen und während der Hungerbeschwerden eine sogenannte
Hungerbinde um den Leib zu tragen. S. führt ferner die Tat¬
sache an, daß Tiere, wenn man sie hungern läßt, leicht Volvu¬
lus bekommen. Fünf Fälle werden ausführlich mitgeteilt.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr.Ernest Spitzer (Wien): lieber Harnröhrenverätzungen mit
chemischen Substanzen. (Wiener med. Wochenschrift, 1910,
No. 19.)
Eine Hauptstellung unter diesen chemischen Agentien
nehmen alle jene Medikamente ein, die bei der Behandlung der
Gonorrhoe in Verwendung stehen. So finden wir häufig im
Anschluß an eine Gonorrhoe noch lange Zeit ein eitriges
Sekret, aus dem die Gonokokken schon längst geschwunden
sind und wo die Reizerscheinungen ein'zig und ailein auf der
forcierten Injektionsbehandlung beruhen. Mit dem Aussetzen
dieser Reizung schwindet auch prompt der Katarrh. Zu diesen
Mitteln, die im Uebermaß angewendet schaden, gehören nicht
nur alle antiseptischen Silberpräparate, sonderen auch: das
adstringierend wirkende Cuprum und Zincum sulfuricum.
Starke entzündliche Reizungen mit Nekrotisierung der Harn¬
röhre wurden in früherer Zeit öfters durch die Lallemand-
sche Kauterisation der Pars posterior mittels Argentum nitri-
cum in Substanz herbeigeführt. Solche Reizungskatarrhe der
Urethra häufen sich in letzter Zeit, seitdem die Abortivkuren
gegen Gonorrhoe von Aerzten öfters vorgenommen werden und
von den Patienten präventiv, unmittelbar post coitum stark
konzentrierte, bakterientötende Lösungen in die Harnröhre in¬
jiziert oder eingeträufelt werden. Es kommt hierbei öfter zur
Abstoßung größerer Schleimhautpartien der Harnröhre; manch¬
mal konnte Verfasser auch ganze membranöse Ausgüsse der
Harnröhre finden. Auf dem Boden einer solchen ursprünglich
oft sterilen, chemisch erzeugten Schleimhautentzündung siedeln
sich dann schon nach 1—2 Tagen Kolonien des von außen ein¬
gewanderten Bacterium coli oder der in der Harnröhre normal
lebenden Bakterien an. Diese Reizungskatarrhe sind recht
hartnäckig. Manchmal bringt man sie durch Spülungen mit
Kalium permanganatum- oder Hydrargyrum oxycyanatüm-
Lösungen zur Heilung. Am schnellsten verschwinden sie aber
noch ohne jede Behandlung. Eine verhältnismäßig seltene Ur¬
sache für die Entstehung einer durch chemische Agentien her¬
beigeführten Urethritis bieten unglückselige Verwechselungen
von Injektionsflüssigkeiten. Verfasser sind Verätzungen durch
Injektionen mit Alcohol absolutus, Sublimatlösungen, Karbol¬
säure und Jodtinktur bekannt geworden. Das Einspritzen von
Alcohol absolutus in die Harnröhre ist zwar recht schmerzhaft,
erzeugt aber keine lang andauernden Veränderungen. Jod¬
tinktur wurde einmal durch Verwechselung mit Protargollösung
injiziert und erzeugte sehr starke Verätzungen. Verätzungen
mit Sublimatlösungen in der Konzentration von 1—2 pCt. wurde
von Ullmann und Burkhardt beobachtet, von letzterem
auch eine solche durch 5 proz. Karbolöl. Verecs beschreibt
drei Fälle von Urethritis traumatica nach Injektionen stark
ätzender Flüssigkeiten, wobei große nekrotische Schleimhaut¬
felzen abgestoßen wurden. W e r 1 e r erwähnt vier Fälle von
Periurethritis im Gefolge von scharfen Injektionen.
M. v. Z e i s s 1 zitiert ein Experiment Swediaurs, der durch
Einspritzung von Ammoniak einen hartnäckigen Ausfluß der
Harnröhre erzeugte, ln letzter Zeit berichtet Grandjean
über zwei Fälle, wo sich Frauen zwecks Herbeiführung eines
Abortus Essig und Essigalkohol irrtümlicherweise in die Harn¬
blase einspritzten, was eine Abstoßung der verätzten Mucosa
zur Folge hatte. In vorliegender Arbeit beschreibt Verfasser
zwei eigene Beobachtungen solcher Harnröhrenverätzungen,
deren eine durch Aether sulfuricus, die andere durch Salmiak¬
geist entstand.
Dr. Oskar Ehrniann (Mannheim): Eine neue Verwendung von
Pyrogallolderivaten (Eugallol) auf Schleimhäuten, besonders
der männlichen Harnröhre. (Therapeutische Monatshefte,
Mai 1910.) I
Verfasser empfiehlt an Stelle der nach ihm nur in reniten¬
ten Fällen empfehlenswerten Abtragung chronischer Epithel¬
wucherungen der Urethra mit schneidenden oder schabenden
Instrumenten die medikamentöse Reduktion durch Eugallol.
Seine praktischen Versuche mit Eugallol zeigten folgende
höchst frappanten Sonderwirkungen des Mittels auf der
Schleimhaut: 1. Oberflächliche Anätzung in Form dünnen
Aetzschorfs mit Weißfärbung der Mucosa (Epithel¬
trübung durch Koagulation). 2. Schmerzlosigkeit der
Verschorfungsfläche resp. kurzes, Bruchteile einer Minute
dauerndes schmerzhaftes Initialstadium, gefolgt von kompletter
Lokalunempfindlichkeit der Applikationsstelle von längerer
Dauer. 3. Mehr im Einklang mit der bekannten Hautwirkung
stehende, Epithelproliferation reduzierende Wirkungen inten¬
siver Art bei starker Anwendung (Eugallol pur.) oder milder
Art bei schwacher Anwendung (Oelverdünnung mit Ol. Ricini
zu gleichen Teilen). Die Eugallol-Anästhesie resp.' schmerz¬
lose Aetzung tritt am deutlichsten bei der typischen, unverdünn¬
ten Eugallol-Starkwirkung in Erscheinung. Es zeigte sich Verf.
hier und da die pharmakologisch interessante Tatsache, daß
wässerige Verdünnungen mehr irritative Eigenschaften boten
auf Schleimhäuten als unverdünnte Substanz, allerdings erst
nachträglich. Die den neuesten Versuchen des Verfassers zu¬
grunde liegende ölige Verdünnung scheint an Reizlosigkeit
nichts zu wünschen übrig zu lassen und die Oelvermischung ein
geeignetes Abstufungsmittel der Eugallolwirkung ohne irrita¬
tive Nebeneigenschaften zu sein. In dem hochprozentigen
Eugallol-Oelgemisch haben wir für Schleimhäute eine Modifika-
482
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 31.
tion des Eugallols, in der die verscliorfenden Oberflächen-
wirkungen weniger zur Geltung kommen können — ohne Be¬
hinderung der reaktiven Wirkungen — auch aut tieferen Ge-
websschichten ohne die irritierenden Nebenwirkungen gleich¬
artigerer wässeriger Mischungen. Je nach Art und Sitz des
pathologischen Schleimhautprozesses ist mehr pures oder ölig
verdünntes Eugallol indiziert. Im allgemeinen ist ersteres mehr
für rein lokalisierte, letzteres auch für ausgedehntere Anwen¬
dung zu empfehlen. Für proliferierende Schleimhautkatarrhe
stärkeren Grades ist Eugallol (unverdünnt) am Platze. — Die
Anwendungstechnik für die vordere Harnröhre bestand in
Pinselungen mit dem Ultzmannsehen Hartgummi-Pinsel¬
apparat oder dem Silber-Pinselapparat nach Leistikow, für
die hintere Harnröhre (neben gelegentlichen Instillationen nach
Giiyon) in Pinselungen mit dem urethroskopischen Pinsel¬
apparat nach Wossidlo unter Beleuchtung (Urethroskop
Valentine) im Tubus für hintere Harnröhrenbeleuchtung
nach Wossidlo (Collicuspinselungen). Für die allgemeine
Praxis genügt der bekannte und billige Hartgummi-Pinsel¬
apparat nach Ultzmann (ev.. auch Watteträger, einfache
Drahtpinsel im Tubus eingeführt u. a.). Kr.
Dr. Georg Berg (Frankfurt a. M.): Zur Diagnose und Therapie
der Blasensteine beim Kinde. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 20.)
Verfasser berichtet über einen Fall, in welchem er bei
einem 12 jährigen Mädchen einen sehr großen Blasenstein ent¬
fernte. Das Kind litt seit einem halben Jahr an Urinbeschwer¬
den und entleerte trüben Urin. Der Stein wurde sowohl mittels
Katheter wie durch ein ganz feines Cystoskop (sogen. Salpingo-
skop), als auch radiographisch nachgewiesen. Die Entfernung
geschah mittels Sectio alta. Der Stein lag mit seiner oberen
Hälfte in einem großen Divertikel der hinteren oberen Blasen¬
wand, während er mit dem übrigen Teil in das Blasencavum
hineinragte, welches er zum größten Teile ausfüllte. Es gelang,
den Stein ohne Schädigung der Wundränder zu entfernen. Seine
Dimensionen waren 4,2 :8,2 :2 cm, sein Gewicht 55 g in trocke¬
nem Zustand. Der Kern bestand im wesentlichen aus oxal-
saurem Kalk, der Mantel aus phosphorsaurer Ammoniak-
Magnesia. Die Blase wurde partiell geschlossen, ein Drain kam
ins Cavum Retzii, außerdem wurde ein Dauerkatheter(P ezzer)
eingelegt, durch welchen stündlich Blasenspülungen gemacht
wurden. Nach einigen Zwischenfällen (u. a. Thrombose im
linken Bein) trat Heilung ein. — Die Lithotripsie bietet* bei
Kindern nach Verfasser besondere Schwierigkeiten, um so
größere, je jünger das Kind und je größer der Stein ist; bei
adhärentem Stein ist die Sectio alta jedenfalls die Operation
der Wahl. Die totale Blasennaht ist fast immer ein Risiko und
kürzt den Heilungsverlauf nur in den seltensten Fällen ab. Der
Dauerkatheter soll so lange als möglich, jedenfalls aber bis zum
Schluß der Blasenwunde, beibehalten w-erden.
Dr. Curt Frankenstein (Cöln): Zur Laparotomie bei Retroflexio
uteri gravidi fixata. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910.
No. 22.)
Verfasser berichtet über einen Fall, in welchem er — es
handelte sich um eine 23 jährige Frau, die zweimal geboren
hatte — wegen lucarceration des retroflektierten, im dritten
Monat graviden Uterus, nachdem Repositionsversuche erfolglos
verlaufen waren, die Laparotomie machte und den Uterus nach
Lösung der hinteren Adhäsionen im kleinen Becken in die
richtige Lage brachte. Der weitere Verlauf war gut, die Frau
koimte nach 20 Tagen mit erhaltener Schwangerschaft entlassen
werden. Etw'a vier Wochen später trat jedoch Abort ein, jeden¬
falls war dieser nicht durch die Operation bedingt, möglicher-
w'eise absichtlich von der Frau herbeigeführt. — Nach Verfasser
ist die Laparotomie indiziert bei allen Fällen von Retroflexio
gravidi fixata, bei denen eine Reposition mit den gebräuchlichen
Mitteln unmöglich und die Blase noch nicht soweit in Mitleiden¬
schaft gezogen ist, daß septische Zustände nach der Operation
befürchtet werden müssen. Es ist dabei nach Verfasser gleich¬
gültig, ob es schon zu einer wirklichen Incarceration gekommen
ist oder nicht. Eine Antefixation des Uterus nach der Reposi¬
tion hält Verfasser für unnötig, eventuell wäre die Alexan¬
der-Adams sehe Operation in der von Wert angegebenen
Modifikation, d. h. von einem tief angelegten Fascienquerschnitt
aus, das geeignetste und ungefährlichste Operationsverfahren.
Dr. Karl Basch (Prag): Lieber experimentelle Milchauslösung
und über das Verhalten der Milchabsonderung bei den zu-
sammengewachsenen Schwestern Blazek. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 21.)
Die experimentellen Untersuchungen des Verfassers über
Auslösung der Milchabsonderung bei Tieren haben ergeben,
daß das Wachstum der Brustdrüse durch Reizkörper veranlaßt
wird, die im befruchteten Ovarium enthalten sind, während die
Auslösung der Milchabsonderung durch Reizkörper geschieht,
die aus der ausgestoßenen Placenta gewonnen werden können.
Es konnte unabhängig von der Schwangerschaft sowohl bei
Tieren, die geworfen haben, als auch bei jungfräulichen Tieren
Milchabsonderung erregt werden. In Uebereinstimmung mit
den Ergebnissen der Tierversuche ist die Erscheinung, daß nach
der Entbindung der einen der beiden zusammengewachsenen
Schwestern Blazek auch bei der nicht graviden Schwester Milch¬
sekretion auftrat, dahin zu erklären, daß es sich um zwei in
Parabiose lebende Individuen handelt, bei welchen von der
Schwangeren her durch die gemeinsame Blutmasse die zur
Auslösung der Milchabsonderung notwendigen Reizkörper auch
auf das zweite Individuum mit Erfolg übertragen wurden.
R. L.
Dr. W. Engelmaim (Bad Kreuznach): lieber die Aufnahme von
Radiumemanation durch die Haut. (Berliner klinische
Wochenschrift, 1910, No. 22.)
Die Ansichten über die Art imd Weise der Aufnahme von
Radiumemanation in den Körper sind immer noch geteilt. Die
sehr verbreitete Anschauung, daß die Emanation durch die
Lungen und nur durch die Lungen aufgenommen und ausge¬
schieden werde, kann nicht befriedigen, wenn man die ein¬
deutigen therapeutischen Erfolge nach Bädern, Packungen und
Umschlägen mit radioaktiven Wässern, sei es natürlichen, sei
es künstlichen, sieht. Obwohl es feststeht, daß die in den
Körper aufgenommene Emanation zum weitaus größten Teile
durch die Lungen ausgeschieden wird, gibt es doch nirgends
systematische Messungen, welche die Frage entscheiden, ob
nicht auch nach radioaktiven Bädern die Ausatmungsluft
emanationshaltig sei, weiterhin, ob Emanation in der Aus¬
atmungsluft auch dann noch nachzuweisen ist, wenn Inhalation
ausgeschlossen war. Damit würde dann auch die Frage be¬
antwortet: Wird Emanation durch die Haut aufgenommen?
Nach theoretischen Erwägungen darf man aimehmen, daß
Emanation durch die Haut in den Körper eindringe. Emana¬
tion wird als ein flüchtiges Gas charakterisiert. Nun werden
aber sowohl Gase durch die Haut aufgenomen, wie Winter-
n i t z bei Kohlensäurebädern nachweisen konnte, als auch
flüchtige Substanzen, wie Schwenkenbecher festgestellt
hat. Verfasser hat nun in der medizinischen Klinik zu Bonn,
wo die Radiumemanation auf der Abteilung von Prof. J.Stras-
burger in ihren verschiedenen Formen (Bäder, Packungen,
Umschlägen und Trinkkuren) therapeutisch Anwendung findet,
eine Reihe von Messungen vorgenommen, welche die Frage
beantworten sollten: Wird die Emanation durch die Haut auf¬
genommen? Die Anordnung der Versuche war folgende: Ge¬
sunde Versuchspersonen erhielten Emanationsbäder. Vor und
nach denselben wurde die Ausatmungsluft auf das Vorhanden¬
sein von Emanation hin geprüft und gemessen. Dieselben Ver¬
suche wurden wiederholt, während die Versuchsperson im zu¬
gedeckten Bade sitzend, mittelst eines Ventilschlauches emana¬
tionsfreie Luft von außen her einatmete, so daß also eine In-
halierung der Emanation des Bades und des Baderaumes völlig
ausgeschlossen war. Die Ergebnisse der Messungen waren kurz
folgende: Nach Emanationsbädern konnte, wie anzunehmen war,
in der Ausatmungsluft Emanation mit Sicherheit nachgewiesen
werden. Die weiteren Messungen, welche die Möglichkeit der
Inhalierung bei sonst gleicher Versuchsanordnung ausschließen
sollten, ergaben nun ebenfalls die Tatsache, daß Emanation in
der Ausatmungsluft sich befand, und zwar stieg der Emanations¬
gehalt ganz erheblich, wenn die Bäder stärker radioaktiv ge¬
macht wurden. Die Emanation wird also durch die Haut auf¬
genommen. Diese Tatsache ist für die Frage der Anwendungs¬
weise der Radiumemanation, ob zweckmäßig innerlich oder
äußerlich, nicht unwichtig.
Dr. Edmund Saalfeld (Berlin): Hautkrankheiten und moderne
Kleidung. (Medizinische Klinik, 1910, No. 9.)
Verfasser hatte Gelegenheit, am Halse von Damen Ekzeme
zu beobachten, als deren Ursache ausschließlich die in die
weichen Kragen eingenähten Fischbeinstäbchen anzusehen
waren. Die Stäbchen haben die Aufgabe, die Kragen eng¬
anliegend erscheinen zu lassen und hochzuhalten. Diese Fisch¬
beinstäbchen üben bei jeder Bewegung des Halses einen Reiz
aut die entsprechenden Hautstellen aus, und so ist es erklär¬
lich, daß sich bei einer empfindlichen Haut auch eine chro¬
nische Entzündung derselben ausbildet. Auch bei Männern
rufen die hohen, steifen Kragen nicht selten eine Hautreizung
am Halse hervor, die häufig zu hartnäckiger Furunkelbildung
führt. Einige Male beobachtete Verf. bei jungen Leuten am
Halse ein streifenförmiges Chloasma, dessen Ursache ebenfalls
in zu hohen und zu engen Kragen lag. Aber nicht allein un¬
zweckmäßige Kragen sind bei Männern Veranlassung für F’u-
runkulose, sondern auch die Bartbinde ruft Furunkeln hervor.
Hier ist es das aus Blech bestehende Schloß der Binde, welches
der Hinterhauptnackengegend straff anliegt und durch häufigen
Druck und oft wiederholte Reibung der Haut leichte Epidermis-
verletzungen verursacht und auf diese Weise den Staphylo¬
kokken eine Eingangspforte schafft und so Veranlassung zum
Auftreten von Furunkeln gibt. Kr.
No. 31.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
483
Dr. Max Krüger (Altona): Zur Aetiologie des Lupus vulgaris.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 22.)
Bekanntlich ■ gelingt es nur selten, im lupösen Gewebe
mittels der gewöhnlichen Methoden Tuberkelbacillen nach¬
zuweisen; findet man solche, so sind sie meist nur in so ge¬
ringer Zahl vorhanden, daß sich der Verlauf der Infektion nicht
recht erklärt. Dagegen ist es schon mehrfach gelungen, mit*
lupösem Gewebe, das mikroskopisch bacillenfrei erschien, Ver¬
suchstiere tuberkulös zu infizieren. Daraus geht hervor, daß
Tuberkulosevirus in infektiös tüchtigem Zustand im lupösen
Gewebe vorhanden ist, wemi auch nicht in Form von nach
Z i e h 1 färbbaren Tuberkelbacillen. Verf. vermutete deshalb,
daß im Lupus die Muchsche Form des Tuberkelbacillus sich
finden würde, und untersuchte ein Material von 13 Lupus¬
fällen auf das Vorhandensein der genannten Bacillen. Er be¬
diente sich dabei der Antiforminmethode. Ein etwa bohnen¬
großes Stück lupösen Gewebes wurde mit steriler Schere zer¬
kleinert und im sterilen Mörser zu Brei zerdrückt; dieser Brei
wurde in einer 10 proz. Antiforminlösung 8—24 Stunden im
Brutofen stehen gelassen. Dann wurde 1—2 Stunden zentri¬
fugiert, wobei zu einigen Gläschen 1 / 6 Volumen Alkohol hinzu¬
gesetzt wurde. Das Zentrifugat wurde auf sterile Objektträger
gebracht. Nach dem Trockenwerden Fixieren in der Flamme,
Färbung. 1. 2 Minuten hindurch in frischer Methylviolettlösung
(5 ccm alkoholisch gesättigte Methylviolettlösung + 45 ccm
2 proz. Phenollösung, nochmaliges Filtrieren), unter häufigem
Aufkochenlassen über der Flamme. 2. Zwei Minuten L u g o 1 -
sehe Lösung. 3. Eine Minute 5 proz. Salpetersäure. 4. 10 Se¬
kunden 3 proz. Salzsäure. 5. Azetonalkohol (ää) bis zur Ent¬
färbung. 6. Abspülen mit Wasser. 7. Kurze Gegenfärbung
(2—5 Sekunden) in 1 proz. Safraninlösung. 8. Abspülen mit
Wasser. 9. Trockenlassen, Zedernöl. Durch diese Methode,
konnte Verf. in den 13 Lupusfällen im exzidierten Gewebe stets
das nach Gram färbbare Tuberkulosevirus nachweisen, wäh¬
rend daneben der säurefeste Tuberkelbacillus nur in 3 Fällen
gefunden wurde. Die gefundenen granulierten Gramstäbchen
und die gleichzeitig vorhandenen anderen Formen waren der
Zahl nach so gering, daß sie auch von geübten Untersuchern
meist erst nach längerem Suchen gefunden wurden. Es fanden
sich zwischen verschiedenen Fällen deutliche quantitative
Unterschiede; am zahlreichsten waren die Stäbchen in einigen
Fällen mit tiefgehenden Veränderungen. — Es handelt sich
nach den Ergebnissen des Verf. beim Lupus vulgaris um eine
wahre Tuberkulose, welche hier meist in der von Much ent¬
deckten Form auftritt.
Dr. R. Salus (Prag): Schwarzes Kammerwasser. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 20.)
Bei der Extraktion der kataraktösen Linse einer 39 jährigen
Frau, welche an Diabetes mellitus litt, entleerte sich nach dem
Linsenaustritt aus der Wunde eine dünne, schmutzig grau¬
schwarz gefärbte Flüssigkeit. Der Heilungsverlauf war glatt,
trotzdem der Sphincter iridis oben leicht eingerissen, die Regen¬
bogenhaut brüchig war. Die Heilung erfolgte mit kreisrunder
Pupille. Ein Ausstrichpräparat der tintenartigen Kammer¬
flüssigkeit zeigte fast nur massenhafte Pigmentkörnchen, stellen¬
weise große, gequollene Zellen mit undeutlichen, oft unter¬
brochenen Grenzen, spärlich pigmentführend. Die Färbung
rührt also von Pigment her, welches aus dem brüchigen
Pigmentepithel der Regenbogenhaut ausgetreten ist. Mit weni¬
gen Ausnahmen ist dieses Auftreten von schwärzlichem Kam¬
merwasser nur bei Kataraktoperationen an Diabetikern gesehen
-worden. Verfasser führt ähnliche Beobachtungen aus der
Literatur an und gibt einige theoretische Erörterungen über die
Ursache der Erscheinung. R. L.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medie. Central-Zeitung“.)
Sitzung vom 29. Juni 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Vor der Tagesordnung:
Herr Leonor Michaelis demonstriert ein wochenaltes Kiml
mit hereditärer Lues, das vorgestern mit 6 cg des neuen E h r -
lieh sehen Mittels gespritzt worden ist. Er hofft das Kind,
welches ein ausgedehntes makulo-squamöses Exanthem an
Stirn, Wangen, Infiltration und Schuppung an den Extremitäten,
Koryza und Milzschwellung aufweist und eine stark positive
W a s s e r m a nn sehe Reaktion ergeben hatte, in 8 Tagen als
geheilt vors teilen zu können. Schon jetzt, am 3. Tage nach der
Injektion, ist eine Heilwirkung zu erkennen.
Herr A. Baginsky berichtet über 2 interessante Fälle aus
seiner Klinik. Im ersten Falle handelte es sich um eine
Appendicitis, die von den Krypten der Tonsillen
ausging und unter den Erscheinungen einer schweren Sepsis
schon am nächsten Tage nach der Aufnahme zum letalen Ende
führte. Bei der Sektion zeigten sich die Tonsillen geschwollen;
als man sie anschnitt, quoll aus hundert Stellen wie aus einem
Siebe der Eiter hervor. In der Bauchhöhle fand sich die Ap¬
pendix verdickt und .geschwollen, von etwas Eiter umgeben.
Die bakteriologische Untersuchung des Blutes und die der Ap¬
pendix ergab Pneumokokken. — Im zweiten Falle handelte es
sich um ein Kind mit schwersten Erscheinungen einer Tetanie.
Das Kind zeigte eine Colicystitis und ging ebenfalls unter sep¬
tischen Symptomen zugrunde. Als überraschender Befund bei
der Sektion ergaben sich bronchopneumonische Herde der
Lunge, die sich aus Soor zusammensetzten. Beide Fälle be¬
anspruchen nach B. ein Interesse nach der Richtung der Tuber¬
kulosefrage. In den Fällen der ersten Art passiert es nicht
selten, daß man käsige, viszerale Lymphdrüsen findet. Aus dem
2. Falle, der zeigt, daß Soor in die Lunge eindringen kann,
wird man verstehen, daß Tuberkelbacillen auch inhaliert wer¬
den können.
Tagesordnung:
Antrag: 3 Referenten zu wählen üb er das Thema:
Die ärztliche Berufstätigkeit in juristischer
Beleuchtung unter besonderer Berücksichti¬
gung der Vorlage des neu zu schaffenden
Strafgesetzbuches.
Herr A. Baginsky begründet seinen Antrag unter Hinweis
auf einen bestimmten Fall auf dem letzten Tuberkulosekongreß.
Bei der Beratung über die Frage, ob man die Pirquet sehe
Reaktion beim Kinde ausführen dürfe, wurde von angesehener
Seite geäußert, daß nur mit Zustimmung des Patienten dieser
Eingriff vorgenommen werden dürfte. Diese Forderung kann
irgendwo und wann zu Konflikten mit dem Strafgesetzbuch
führen und rechtfertigt es, daß die medizinische Gesellschaft
sich mit dieser Angelegenheit befaßt.
Diskussion:
Herr Alexander äußert seine Bedenken sowohl in ma-
.terieller als auch formaler Richtung gegen den Antrag und
'bittet ihn abzulehnen. Das Erforderliche sei vom Ausschuß der
Aerztekammer schon eingeleitet, mit einer Vielheit von An¬
trägen könnte der Sache nur geschadet werden.
Herr Munter bekräftigt die Ausführungen des Vorredners.
Der Antrag wird abgelehnt.
Ein neues Verfahren zum direkten Nachweis der freien Säure
im Magen.
Herr E. Fuld: Das Verfahren ist ein einfaches, leicht aus¬
führbares und direktes. Pat. bekommt ein Probefrühstück, eine
Stunde darauf einen Schluck Natron ins Wasser. Wenige Augen¬
blicke später auskultiert man den Magen an Stelle einer unteren
Grenze und vernimmt, falls freie Salzsäure vorhanden ist, das
knisternde Krepitieren der Kohlensäureblasen. Es entsteht
perkutorisch nachweisbare Tympanie, auf dem Röntgenbilde
kann man die Gestalt des Magens erkennen. Vor Anstellung
der Probe überzeuge man sich, daß kein etwa durch Gärungen
hervorgerufenes Geräusch im Magen bereits besteht. Bei dem
Versuch, die Methode feinfühliger zu machen, kam F. zur
Ueberzeugung, daß alle Zusätze das Knacken leiser machen.
Durch Fraktionierung der einzuführenden Dosis vermag man
auch die Quantität der vorhandenen Salzsäure einigermaßen ab¬
zuschätzen.
Vortragender empfiehlt seine Methode nicht etwa um den
Magenschlauch entbehrlich zu machen, sondern wünscht sie
dort als bequemes Notbehelf angewendet zu sehen, wo der
Magenschlauch verweigert wird oder nicht angezeigt ist. Die
Statistik lehrt, daß das Magencarcinom das am häufigsten vor¬
kommende von allen Carcinomen ist (bei Männern in 50 pCt.,
bei Frauen in 33 pCt.) und daß jährlich tausende davon zu¬
grunde gehen; und wenn man auch das Fehlen der Salzsäure
nicht pathognomonisch ist für Carcinom, so stellt es doch das
häufigste Symptom des Magencarcinoms dar; mindestens drei
Viertel der zur Operation kommenden Fälle weisen es auf.
Bei der Häufigkeit des Magencarcinoms ist es wohl angezeigt,
diese Methode zur Vervollständigung der Untersuchung in jedem
Falle zur Anwendung zu bringen. .
Diskussion:
Herr L. Michaelis: Die Methode F u 1 d s ist praktisch recht
brauchbar, sie stößt aber auf theoretische Schwierigkeiten. Es
fragt sich, ob nicht auch andere Säuren imstande sind Kohlen¬
säure auszutreiben. Alle diejenigen Säuren treiben Kohlen¬
säure aus, deren Dissoziationskonstante stärker ist als die der
Kohlensäure (Essigsäure und Milchsäure). Trotzdem ist die Me¬
thode berechtigt, da Essigsäure nur vorkommt, wo Gärung vor¬
handen ist, und die Milchsäure, wo schon eine starke Säuerung
besteht. Das Wesentliche ist, daß die Salzsäure an Stärke alle
anderen im Magen vorkommenden Säuren so sehr überwiegt,
484
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 31.
daß ein schnell aultretendes Blasenknistern nach Natronwasser
auf Salzsäure zu beziehen sein wird.
Herr Rosenheim: Die Schwierigkeit der Einführung der
Sonde möchte er nicht so hoch bewerten, wie Herr F u 1 d.
Immerhin kommt sie vor und eine Methode die Sondeneinfüh-
rung überflüssig zu machen, ist daher von Wert. Die Methode
F u 1 d s ist brauchbar, der klinische Gewinn dürfte aber nur
ein beschränkter sein. Ein positiver Ausfall mag, wenn exakt
ausgeführt, das Vorhandensein freier Salzsäure beweisen, aber
was besagt der negative Ausfall, wie er hei rascher Beförderung
des Mageninhalts, hei Achylie, und bei Nervösen mit normaler
Sekretion vorkommt?
Herr Mosse gibt zu bedenken, ob das eingeführte Natron
nicht reizt und ein akustisches Phänomen nicht auch dort er¬
zeugt, wo keine Salzsäure vorhanden ist.
Herr UUmann: Mit dem Nachweis von freier Salzsäure sei
für die Diagnose sehr wenig gewonnen. Ist Salzsäure da, so
sagt das nichts über die Größe der Störung aus, daher ist für
die Diagnose nervöser Leiden nichts gewonnen. Für die funk¬
tioneile Diagnostik des Magens wird man die Ausheberung des
Magens nie entbehren können. Es gebe nur wenige Fälle, die
der Ausheberung nicht zu unterwerfen sind, etwa 15—20 unter
1000. Die Einführung von Alkali in den Magen ist wegen der
Reizwirkung nicht ohne Bedenken.
Herr Senator bemerkt, daß es nicht gleichgültig sei, ob
man die Patienten nach einem Probefrühstück oder nach irgend¬
einer Mahlzeit mit der F u 1 d sehen Methode untersucht. Wenn
der Patient eine Mahlzeit genommen hat, die an sich schon
Milchsäure enthält oder Käse und Milch, so gibt das schon eine
reiche Kohlensäureentwicklung.
Herr Fühl (Schlußwort) betont, daß er die Anwendung des
Magenschlauches durchaus nicht einschränken wolle. Die Me¬
thode soll im wesentlichen angeweudet werden um nachzusehen,
oh Salzsäure vorhanden ist oder nicht, sei es, daß der Magen¬
schlauch anwendbar ist oder nicht. Man vermeidet die Ver¬
wechslung mit einer Gärung dadurch, daß wir kein gärungs¬
fähiges Material als Probefrühstück verabfolgen. Untersuchen
wir einen Patienten, ohne daß er vorher ein Probefrühstück
bekommen, so können wir uns ja vor Anstellung der Probe
überzeugen, ob eine Gärung vorhanden ist. (Schluß folgt.) 1
Britzmann.
Freie Vereinigung für Mikrobiologie.
4. Tagung vom 19.—21. Mai 1910 im Kgl. Institut für Infektions¬
krankheiten in Berlin.
(Fortsetzung und Schluß.)
2. Tag.
Vorsitzende: Herren Pfeiffer, Kraus.
Vor der Tagesordnung: Herren Friedberger (Berlin),
Kraus (Wien): Nacht ragzurDiskussionüber Ana¬
phylaxie.
Herr Hartmann (Berlin): Referat über Chlamydozoen.
Name und Begriff stammt von Prowazek und betrifft die
filtrierbaren Erreger von Variola, Trachom, Molluscum conta¬
giosum und Geflügelpocken. Die ursprünglich als Parasiten
angesehenen Guarnieri sehen, N e g r i sehen pp. Körper
sind Reaktionsprodukte der Zellen und bestehen aus Nukleolar-
und Chromatinsubstanzen. Durch die von Prowazek und
Halberstädter ausgeführte Uebertragung des Trachoms
auf Affen konnte eine gewisse Entwicklung der Chlamydozoen
festgestellt werden. (Initialkörperchen, Elementarkörperchen.)
Bei Variola und Molluscum contagiosum scheint die Spezifizität
sicher, bei Trachom ungewiß. Die Auffassung der Chlamy¬
dozoen als spezifischer Krankheitserreger sieht Hartmann
als Hypothese an, die fruchtbar sein kann.
Herr Flemming (Berlin): Referat über Chlamydozoen.
Uebersicht über die Anschauungen der Autoren in der
Chlamydozoenfrage. Aus klinischen Gründen hält F 1 e m m i n g
die Trachomübertragung noch nicht für sichergestellt. Die ätio¬
logische Bedeutung der Chlamydozoen scheint ihm zweifelhaft,
jedenfalls sei ein abschließendes Urteil nicht zu fällen.
Herren Schuberg und Schubotz (Groß-Lichterfelde): Zur
Frage der Geflügelpocken.
Molluscum contagiosum und Geflügeldiphtherie sind iden¬
tisch. Die „Pockenkörperchen“ halten Vortragende, weil sie
im ungefärbten Präparat fehlen und wegen ihres Verhaltens
Säuren, Alkalien und Aceton gegenüber, für Produkte der Prä¬
paration.
Diskussion über Chlamydozoen:
Herren Heymann (Breslau), Czaplewski (Cöln),
Lipschütz (Wien), Jacobsthal (Hamburg), Uhlen-
huth (Groß-Lichterfelde), Neufeld (Groß-Lichterfelde),
Czaplewski (Cöln), Sticker (Berlin), Hey mann
(Breslau), Schubotz (Groß-Lichterfelde).
Herren Hartmann (Berlin), Flemming (Berlin): Schlußwort.
Herr Kraus (Wien): Ueber Poliomyelitis.
An jungen Kaninchen konnten durch Impfen mit mensch¬
lichem Virus eigentümliche nervöse Störungen erzeugt werden,
die wahrscheinlich Poliomyelitis sind. Sicherheit besteht aller¬
dings nicht. Rückimpfung von solchen Kaninchen auf Affen ge¬
lang nicht. Kraus hält aktive Immunisierung mit karbolisier-
tem, filtriertem, fein suspendiertem und verdünntem Affenvirus
für eine praktische ausnützbare Schutzimpfung beim Menschen.
Herren Lentz und Huntemüller (Berlin): Ueber Polio¬
myelitis.
Bei Kaninchen, die höchstens 600 g schwer sein dürfen,
gelang die positive Uebertragung der Poliomyelitis mit Er¬
zeugung von mäßigen pathologisch-anatomischen Verände¬
rungen im Rückenmark durch intravenöse Injektion. Auch die
Rückimpfung auf Affen gelang. Es hat den Anschein, als wenn
durch Konservierung in Glyzerin auf die Dauer die Infektiosi¬
tät des Virus leidet.
Diskussion:
Herren Römer (Marburg), Landsteiner (Wien),
Neisser (Frankfurt), Meinicke (Hagen), Kraus (Wien),
Selter (Bonn), Lentz (Berlin), Landsteiner (Wien),
Römer (Marburg), Krause (Bonn), Huntemüller
(Berlin), Neisser (Frankfurt), Meinicke (Hagen).
Herr Wechselmann (Berlin): Chemotherapie bei Syphilis.
Mitteilungen über Erfolge in der Syphilistherapie mit dem
Ehrlichschen Arsenpräparat „606“ (Dioxy-diamido-arseno-
benzol). Bei 300 Fällen keine schädliche Wirkung, keine
Neuritis optica. Einmalige intramuskuläre Injektion von 0,3 bis
0,4 ccm erzielt überraschendes, sehr rasches Schwinden lueti¬
scher Symptome. Die Wassermann sehe Reaktion schwindet
bei der Behandlung bis jetzt nicht. W. glaubt, daß das Mittel
„606“, falls es sich um Dauererfolge handelt, von souveräner
Bedeutung sein wird. (Krankenvorstellung.)
Diskussion:
Herren Uhlen huth (Groß-Lichterfelde), Hoff mann
(Bonn), Tomaczewski (Berlin), Ehrlich (Frankfurt),
Wechsel mann (Berlin), Wassermann (Berlin), H o f f-
m a n n (Bomi), Ehrlich (Frankfurt), Schereschewski
(Göttingen).
Herr Josef Koch (Berlin): Studien zur Aetiologie der
Tollwut.
Im Ammonshorn, dem Nuclöus caudatus und andern Teilen
des Gehirns fand K. bei zwei an Lyssa gestorbenen Kindern,
11 Kühen sowie bei experimentell mit Lyssa infizierten Hunden
eigentümliche kokkenähnliche Gebilde. Die in normalen und
pathologischen Hirnen mit der K r o g h sehen Färbung nach¬
weisbaren Gebilde sind zwar ähnlich, aber doch zu unter¬
scheiden. IC hält die Gebilde nicht für Degenerationsprodukte,
läßt aber ihre Deutung offen. (Demonstration.)
Herren Trautmann und Dale (Hamburg): Beitrag zum
Formenkreis des Diphthcriebacillns.
Bei 21 Fällen von Diphtherie fanden T r. und D. eine eigen¬
tümliche gigantische Form des Diphtheriebacillus, die nach
mehrfachen Umzüchtungen in die gewöhnliche Form überging.
(Demonstration.)
Diskussion: Herr Löffler (Greifswald).
Herr Lipschütz (Wien): Ueber einen mikroskopischen Be¬
fund bei Pemphigus vulgaris.
L. fand im sterilen Blaseninhalt bei Pemphigus vulgäris
extrazellulär liegende, sich hantelförmig abschnürende, nach
Giemsa und Heidenhain färbbare Gebilde, die er Cysto-
plasmen nennt. Die Bedeutung dieser Befunde ist noch un¬
sicher.
Herr Conradi (Neunkirchen): Chemotherapeutische Ver¬
suche .bei Typhus.
Werden Kaninchen mit 1 Oese Typhusbacillen pro Kilo¬
gramm infiziert, so tritt eine Ueberschwemmung des Körpers
mit Typhusbacillen ein, die 14 Tage andauert. Nach dieser Zeit
finden sich Typhusbacillen nur noch in der Gallenblase. Durch
rektale Einführung eines Gemenges von 0,5 Chloroform, in
Milch und Rahm verrührt, an 5 aufeinanderfolgenden Tagen,
sind die Typhusbacillen auch aus der Gallenblase verschwun¬
den. Versuche am Menschen, durch 6 X 0,5 g Chloroform pro
die in Geloduratkapseln Typhusbacillenträger von ihren
Typhusbacillen zu befreien, sind im Gange, aber noch nicht ab¬
geschlossen.
Diskussion:
Herren v. Drigalski (Halle), Jakobsthal (Ham¬
burg), Kraus (Wien), Jos. Koch (Berlin), Finkler
(Bonn), Pribram (Wien), Conradi (Neunkirchen), v. D r i-
galski (Halle).
Herren Schuberg und Kuhn (Groß-Lichterfelde): Ein¬
heimische Stechfliegen als Krankheitsüberträger.
Durch Versuche konnte nachgewiesen werden, daß auch
einheimische Stechfliegen, besonders die Stomoxys, Hühner-
spirochätose, Dourine, Geflügelpocken und Schlafkrankheit
übertragen können.
No. 31.
THERAPKUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
485
Diskussion:
Herren Uhlenhuth (Groß-Lichterfelde), Bongert
(Berlin). :
Herren Kraus, Ranzi und Ehrlich (Wien): Experimentelles
über Tumoren.
Demonstration von Rattensarkomen (Impfung am Rücken).
Herren Uhlenhuth, Haendel und Steffenhagen (Groß-
Lichterfelde): Ueher Rattensarkom.
Wurde bei Ratten der primäre Tumor operativ entfernt, so
blieb eine Reinfektion erfolglos, wenn die Entfernung so radikal
war, daß an der Stelle des primären Tumors kein Rezdiv auf¬
trat. Kam ein Rezidiv, so ging die Reinfektion an.
Diskussion zu den zwei letzten Vorträgen:
Herren Sticker (Berlin), Haendel (Groß-Lichterfelde),
Uhlenhuth (Groß-Lichterfelde), Küster (Freiburg).
Herr Sobernheim (Berlin): Das agglutinatorische Verhalten
der Enteritisbakterien.
Mit sicher echten Gärtnerstämmen hergestellte Sera agglu-
tinieren nur den homologen und noch einen andern Stamm,
andere ließen sie unbeeinflußt. Neu gewonnene Stämme liefer¬
ten andererseits ein Serum, das die alten echten Gärtnerstämme
unbeeinflußt ließ. S. nimmt an, daß sich die Differenzen mit
der Zeit ausgleichen werden. Auch bei Paratyphusstämmen
kommen solche Unregelmäßigkeiten vor, die aber ohne prak¬
tische Folgen sind.
Herren Zwick und Weichsel (Groß-Lichterfelde): Ueber
den Bakteriengehalt des Fleisches gesunder Schlachttiere.
Mitteilungen über Massenuntersuchung von Schlachtfleisch
nach verschiedenen bakteriologischen Methoden.
Diskussion über die beiden letzten Vorträge:
Herren Seligmann (Berlin), Selter (Bonn), Fischer
(Kiel), Kuhn und Riin p au (Groß-Lichterfelde), Lentz
(Berlin), v. Drigalski (Halle), Conradi (Neunkirchen),
Uhlenhuth (Groß-Lichterfelde), Tie de (Cöln), Lentz
(Berlin), Uhlenhuth (Groß-Lichterfelde), Conradi (Neun¬
kirchen), Sobernheim (Berlin).
3. Tag.
(Im Kaiserlichen Gesundheitsamt Groß-Lichterfelde.)
Vorsitzende: Herren Uhlenhuth, Fischer, Gärtner.
Herren Kraus und Volk (Wien): Ueber Tuberkulose.
Es gelang bei Affen eine tuberkulöse Hautentzündung zu
erzeugen. Nach deren Abheilung war keine Immunität gegen
eine Reinfektion vorhanden.
Tuberkulöse Meerschweinchen geben bei Injektion von
Tuberkulin eine spezifische Reaktion. Eine gleiche Reaktion
erhält man bei Behandlung mit kleinen Mengen von Tuberkel¬
bacillen des Typus humanus und bovinus, gleichgültig ob die
Tiere vorher mit Bacillen des Typus humanus oder bovinus in¬
fiziert waren. Die mit Bacillen vom Typus gallinarum infizier¬
ten Tiere gaben dagegen nur Reaktionen mit Hühnertuberkel¬
bacillen.
Aus den tuberkulösen Organen ließ sich ein Gift gewinnen.
Herr Römer (Marburg): Die tuberkulöse Reinfektion.
Es gelang durch subkutane Ifnpfung mit lebenden Tuberkel¬
bacillen Tiere (Meerschweinchen und Schafe) gegen eine
spätere intravenöse Reinfektion mit lebenden Bacillen des
Typus bovinus zu schützen, während gesunde Kontrolltiere der
Impfung erlagen. Die von den Immuntieren geworfenen
Lämmer zeigten keine Immunität, aber auch keine gesteigerte
Empfänglichkeit. Eine Infektion mit menschlichen oder Perl¬
suchtbacillen gibt Immunität gegen diese beiden Typen, nicht
aber gegen den Typus gallinarum.
Herr Ungermann (Groß-Lichterfelde): Ueber Tuberkulose-
opsonine.
Die normalen Opsonine des Menschen- und Rinderkörpers
geben gegenüber den Tuberkelbacillen des Typus humanus
und bovinus keine Differenz. Bei Immunisierungen von Tieren
stieg der opsonische Titer. Mit dem gewonnenen Serum ließ
sich aber auf diese Weise keine Differenz der Bacillen des
Typus humanus und bovinus feststellen.
Herr Titze (Groß-Lichterfelde): Zur Epidemiologie der
Rindertuberkulose.
Tuberkelbacillen werden nur von Rindern mit offener
Tuberkulose im Kot ausgeschieden. Durch diesen Kot kommt
dann eine Weiterinfektion zustande. Diese Tiere müssen daher
ausgemerzt werden. Der Nachweis der offenen Tuberkulose
ist sehr schwierig zu führen. Tiere, die auf Tuberkulinimpfung
reagieren, müssen abgesondert und mit Tuberkulin weiter be¬
handelt werden.
Herr Zwick (Groß-Lichterfelde): Ueber die Beziehungen
zwischen Säugetier- und Hühnertuberkulosc, insbesondere über
das Vorkommen von Hiihnertuberkulosebacillen bei Pferden.
Die aus Pferden gezüchteten Tuberkelbacillen zeigten
meist den Typus gallinarum. Doch kamen auch Bacillen vom
Typus humanus und bovinus vor. Es gelang nicht sicher,
Bacillen vom Typus bovinus in den Typus gallinarum umzu¬
züchten.
Diskussion:
Herren Reichenbach, Sobernheim, ßongert,
Kraus, Römer, Sticker,' Pfeiffer, Löffler,
Petruschky, Uhlenhuth, Hahn.
Herren Haendel und Böing (Groß-Lichterfelde): Demon¬
stration von Blutpräparaten.
Herr Schellak (Groß-Lichterfelde): Demonstration von
Spirochäten.
Herr Reichenow (Groß-Lichterfelde): Demonstration von
Hämogregarinen der Schildkröte.
Herr Selter (Bonn): Das Dysenterietoxin.
Das Dysenterietoxin enthält mehrere Komponenten, eine
ist für Kaninchen toxisch, nicht aber für Meerschweinchen. Aber
auch für Meerschweinchen finden sich in den Bacillen tötliche
Gifte. (Zeitschrift für Immunitätsforschung, Bd. V, H. 4.)
D i s k u ss i o n:
Herren Kraus, K o 11 e, Pfeiffer, Hahn, Selter.
Herren Uhlenhuth und Mulzer (Groß-Lichterfelde): Zur
experimentellen Kaninchensyphilis.
Es gelang Infektion durch subkutane Impfung am Kanin¬
chenhoden, sowie durch intravenöse Injektion von infektiösem
Material. Bei einem Affen ließ sich durch intravenöse Impfung
von syphilitischem Kaninchenhoden ein papulöses Syphilid er¬
zeugen. Heilversuche mit Atoxyl und atoxylsaurem Queck¬
silber gaben gute Erfolge.
Diskussion:
Herren Schereschewski, Tomaczewski,
Holle, Uhlenhuth, Mulzer, Hoff mann.
Herren Finkler und Selter (Bonn): Von Papageien auf den
Menschen übertragbare Erkrankungen (Psittakosis).
Eine Reihe zum Teil tötlich verlaufener Erkrankungen an
Pneumonie in der Nähe von Bonn ließen ihren Ausgang auf ein
Zimmer zurückführen, in dem Papageien gehalten wurden und
das die Erkrankten auf kurze Zeit betreten hatten. Es ließen
sich aus zwei Sittichen und aus verschiedenen menschlichen
Leichen Streptokokken züchten, die der Vortragende für-
identisch hielt. Eine Kontagiosität der Krankheit war auszu¬
schließen.
Diskussion:
Herren Finkler, Czaplewski, Lentz, Selter.
Herren Mayer und Waldmann (München): Untersuchungen
über Genickstarre, speziell über Keimträger.
Es läßt sich ein merkwürdig gleichmäßiges Steigen und
Fallen der Genickstarreerkrankungen bei den verschiedenen
Armeen, wie der bayerischen, preußischen, französischen etc.,
feststellen, der Gipfel und der tiefste Stand dieser Kurven
fallen ungefähr zusammen.
Die Zahl der Bacillenträger bei den Truppenteilen ist ziem¬
lich gleich, mag der Truppenteil von der Erkrankung ergriffen
sein oder nicht. Die höchste Prozentzahl fand sich bei einem
Truppenteil, bei dem gar keine Fälle vorkamen. Sonst fanden
sich Kokkenträger in etwa 1—2 pCt. der Fälle.
Diskussion:
Herren Trautmann, Jäger, Scheller, Mayer.
XIX. Versammlung der Deutschen Otologischen
Gesellschaft.
(Schluß.)
Herr Winckler (Bremen): Sind die bei Totalaufmeiße¬
lungen oder Antrotomien gesetzteil Defekte der Schädelhöhle
als irrelevant zu bezeichnen?
Diskussion: Herr B r i e g e r.
Herr Winckler (Bremen): Modifikation des Schnittes für
die Trepanation der Fossa eanina.
Herr Ruttin: Zur Pathologie der Taubstummheit.
R. zeigt Präparate der Labyrinthe eines albinotischen
tauben Hundes. In den Schnecken fehlen die C o r t i sehen
Organe. Der Aquaeductus cochleae ist mit Bindegewebe aus¬
gefüllt, das wahrscheinlich als Rest des embryonalen Binde¬
gewebes aufzufassen ist. Der Vestibularapparat ist normal.
Dieser Befund hat prinzipielle Bedeutung da der Hund vorher
funktionell geprüft worden ist. Wenn der Vestibularapparat
trotz des Verschlusses des Aquaeductus cochleae normal sein
kann, so beweist dies, daß die Perilymphe nicht das für den
Vestibularapparat funktionell wichtige Medium sein kann.
Nach der Helmholtzsehen Theorie ist für die Funktion der
Schnecke eine Ausweichungsmöglichkeit der Labyrinthflüssig¬
keit nötig. Dies ist aber nur für die Perilymphe der Fall, da¬
gegen ist die Endolymphe vollständig abgeschlossen, um s6
mehr, wenn wir die Ansicht Schönemanns akzeptieren,
daß der Ductus reuniens normalerweise geschlossen ist. Es
würde also für die Schnecke das funktionell wichtige Element
die Perilymphe sein, für den Vestibularapparat die Endo¬
lymphe. Dies erklärt eine pathologisch wichtige Tatsache. Bei
der serösen Labyrinthitis ist immer zunächst die Funktion der
Schnecke geschädigt; es gibt nun weiter Fälle von seröser Laby¬
rinthitis mit totalem Verlust der Funktion des Vestibularappa-
486
THERAPEUTISCHE
rates, aber keine Fälle von Verlust der Funktion des Vesti-
bularapparates bei erhaltener Funktion der Schnecke. Wir
haben das früher mit einer größeren Läsibilität der Schnecke
erklärt. Nach meinen Ausführungen aber ist dies einfach me¬
chanisch zu erklären. Jede Labyrinthentzündung ergreift ja zu¬
erst den der primären Mittelohreiterung zunächst liegenden
perilymphatischen Raum, daher ist stets zunächst das funktionell
wichtige Medium der Schnecke geschädigt und erst bei weiter¬
greifender Entzündung auch die Endolymphe, das funktionell
wichtige Element des Vestibulums. Besteht daher bei einer
serösen Labyrinthitis Taubheit bei erhaltener Funktion des
Vestibularapparates, so handelt es sich um eine seröse Peri¬
labyrinthitis, ist bei einer serösen Labyrinthitis die Funktion
der Schnecke und des Vestibularapparates ausgefallen, so han¬
delt es sich um eine seröse Endolabyrinthitis, die selbstver¬
ständlich eine seröse Perilabyrinthitis vorausetzt.
Herr Hugo Stern (Wien): Fortschritte in der Ausbildung
und Fortbildung der Taubstummen.
■ Schon im vorschulpflichtigen Alter muß man systematische
Stimmübungen vornehmen, wozu adäquate Vorbilder (gleich¬
altrige hörende Kinder) heranzuziehen sind. Große Beachtung
ist der Kehlkopfstellung und Kehlkopfbewegung zuzuwenden,
ferner der Verbesserung der Vibrationsempfindlichkeit und
einer richtigen Atemtechnik. Im allgemeinen bewährt es sich,
beim Artikulationsunterricht nicht vom einzelnen Laut, sondern
von Silben auszugehen. Vortr. verweist weiter auf die Wichtig¬
keit der Vornahme der Hörübungen (U r b a n t s c h i t s c h) in
geeigneten Fällen, auf die phonetische Schrift Gutzmanns,
auf das Häufigkeitswörterbuch K ä d i n g s und Koliraks
mimische Schrift — alles Hilfsmittel für ein rascheres und
sichereres Absehenlernen. Das größte Gewicht ist auf eine
weitere Fortbildung der Taubstummen in stimmlicher und
sprachlicher Hinsicht zu legen, um eine reine und modulations¬
fähige Sprache zu erzielen.
Diskussion:
Herren P a s s o w, E. Urbantschitsch, Kümmel.
Herr Kretschinann (Magdeburg) spricht über drei Fälle
von Osteomen.
Das erste hatte seien Sitz aii der medialen Wajid der
rechten Orbita bei einem 16 jährigen jungen Manne. Wegen
Tränenträufeln wurde ärztliche Hilfe gesucht; weiter keine
Klagen. Freilegen der medialen Orbitalwand, Abmeißeln des
Tumors, der in der Tiefendimension 4 cm, in der Höhe 3 cm,
in der Dicke 2 cm betrug. Glatte Heilung. Die Knochen¬
geschwulst zeigt den Bau der Elfenbeingeschwülste. Sie gehört
zu den gutartigen.
Fall 2. Rechts Exostose bei einem 20 jährigen jungen
Mädchen, das auf dem gleichseitigen Ohre eine chronische
Mittelohreiterung hatte. Der Tumor ist halbkugelig, mißt in
Basis und Höhe 2% cm und sitzt fest auf. Er befindet sich auf
dem Nahtzwickel, der durch das Zusammentreffen von Scheitel-,
Schläfen- und Hinterhauptboden gebildet wird. Er stammt
wahrscheinlich aus dem Schädelknochen und hat die Struktur
der Elfenbeingeschwülste.
Fall 3. Rechts harter Tumor bei einem 19 jährigen ohr¬
gesunden jungen Mädchen hinter der Wurzel des Warzenfort¬
satzes. Bei der Ausschälung läßt sich das Periost von der
Geschwulst nicht ablösen, weil es fest mit ihr verwachsen ist.
Der Tumor selbst ist breit gestielt. Mit Abtragung eines Stückes
der Tabula externa wird er in toto entfernt. Aul dem Durch¬
schnitt zeigen sich in ein Bindegewebslager eingebettet eine
große Anzahl Stecknadelkopf- bis reiskorngroßer, harter, regel¬
mäßiger, glatter Körper, die an das Aussehen von Zähnen er¬
innern. Mittels mikroskopischer Schnitte erweisen sich diese
harten Körperchen als gesonderte Knochengeschwülstchen von
sehr regelmäßiger lamellöser Schichtung. In einzelnen dieser
Osteomchen finden sich Gefäße, die zwischen die Lamellen
dringen und nicht wie beim Haversi scher Typus von be¬
sonderen Lamellen umgeben sind. Auch Andeutungen von
Markhöhlen finden sich in einzelnen Gebilden. Eingelagert
sind die Osteome in ein Stroma von bindegewebiger Struktur.
Zwischen den Lamellen kann man bei starker Vergrößerung
Fasern verlaufen sehen, die als S h a r p e y sehe angesprochen
werden müssen. Es handelt sich in dem vorliegenden Tumor
um eine Kolonie von kleinen Osteomen, deren Abstammung
von dem Periost wohl mit Sicherheit anzunehmen ist.
Herr Claus (Berlin): Zur Diagnostik der Kleinhirnbrücken¬
winkeltumoren.
C. berichtet über zwei Fälle von Kleinhirnbrückenwinkel¬
tumor, die selbst in vorgeschrittenem Stadium noch gutes Ge¬
hörvermögen besaßen. Dagegen war bei beiden der Vestibular-
apparat in keiner Weise zu erregen. Der eine Fall kam zum
Exitus während der Beobachtungszeit und die Autopsie ergab,
daß der Acusticus nur gedehnt oder im inneren Gehörgang
komprimiert worden ist durch ein vom Tentorium cerebelli aus¬
gehendes Sarcoma psammosum endotheliale. Es ergibt sich
daraus die Forderung, bei Verdacht eines Tumors der hinteren
Schädelgrube stets nicht nur den Ivochlearis, sondern auch den
Vestibularis einer genauen Prüfung zu unterziehen.
RUNDSCHAU 1910. No. 31.
Herr Wanner (München): Die Neuregelung der Taub¬
stummenstatistik im Königreich Bayern.
Diskussion: Herr Passow.
Herr Ernst Urbantschitsch (Wien): Ueber den Einfluß der
Kopfstellung auf die im Ohr befindlichen Sekrete.
E. Urbantschitsch fand durch experimentelle Unter¬
suchungen und zahlreiche Beobachtungen an Patienten folgende
praktisch wichtige Tatsachen: 1. die mitunter benützten „Ohr¬
mandeln“ können nur dann auf weiter nach innen gelegene
Teile des Gehörorgans eine Wirkung entfalten, wenn der Pat.
mindestens 45 Minuten konstant auf dem gesunden Ohr liegt.
— 2. Gelatineohrmandeln mit 12 pCt. Gelatinegehalt können
keine medikamentöse Wirkung ausüben. — 3. Freie Flüssig¬
keit (wie Eiter etc.) sammelt sich in den Warzenzellen leichter
an, wenn der Patient auf gesundem, als wenn er auf krankem
Ohr liegt. — 4. Bei einseitigem Ohrenschmalzpfropf läßt sich,
wemi keine Reinigungsversuche vorausgegangen sind, der
sichere Schluß ziehen, daß der betreffende Patient nachts auf
zerumenfreien Ohr zu liegen pflegt. — 5. Bei beiderseitigem
Ohrenschmalzpfropf pflegen die Patienten abwechselnd rechts
und links zu schlafen, welliger häufig auf dem Rücken. — 6. In
manchen Fällen von akut eitrigen Mittelohrentzündungen läßt
sich durch konstant eingenommene, dem kranken Ohr ent¬
sprechende Seitenlage des Kopfes zuweilen der Entzündungs¬
prozeß auffallend gut beeinflussen. — 7. Eine Reihe von anam¬
nestischen Angaben, wie gesteigerter oder verminderter Aus¬
fluß während der Nacht und dergl., hängt mit der Lage des
Patienten während des Schlafes zusammen.
Herr Brünings (Jena): Demonstration von steno-röntgeno-
graphischcn Schnellaufnahmen des Felsenbeins am Lebenden.
Herr Schoenemann (Bern): Ueber den Einfluß nach¬
giebiger Trommelfallnarben auf die durch chronische katarrha¬
lische Prozesse bedingte Mittelohrschwerhörigkeit.
Diskussion: Herr Krebs.
Herr Bäräny berichtet über seine Untersuchungen, welche
die Beziehungen zwischen Vestibularapparat und Kleinhirn be¬
treffen. Die bei Erkrankung des Vestibularapparats auftretende
Ataxie unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von der
Ataxie der Kleinhirnkranken. Erst genauere Untersuchung er¬
gibt, daß bei der Ataxie der Vestibularkranken bestimmte Be¬
ziehungen zum Nystagmus und zur Kopfstellung bestehen, die
bei Kleinhirnerkrankungen fehlen. Auf Grund dieser Tatsachen,
sowie auf Grund physiologischer und hirnanatomischer Ueber-
legungen verlegt Bäräny die Entstehung der vestibulären
Reaktionsbewegungen des Kopfes in den Deiters sehen Kern,
der Reaktionsbewegungen des Körpers in die Kleinhirnrinde.
Bäräny weist nach, daß diese Annahme in vortrefflicher
Weise durch die Anatomie und Histologie des Kleinhirns resp.
durch bereits bekannte Verbindungen des Nervus vestibularis
mit dem Kleinhirn gestützt wird. Es wird künftig nötig sein,
in jedem Falle von Verdacht auf Kleinhirnerkrankung eine
genaue Prüfung des Vestibularapparats nach den von Bäräny
eingeführten Methoden vorzunehmen, da, wie B. gefunden hat,
sich bereits in den Anfangsstadien der Kleinhirnerkrankung
Störungen in dem außerordentlich komplizierten Mechanismus
der im Kleinhirn zustandekommenden vestibulären Reaktions¬
bewegungen ergeben.
Herr Ruttin berichtet über Elephantiasis des Ohres, die
durch Mißhandlung, „Ausdrehen des Ohres“, entstanden war.
Die Ohrmuschel und der Gehörgang sind stark verdickt, der
Gehörgang kollabiert. Durch eine von R. angegebene Plastik
wurde der Kollaps des Gehörgangs beseitigt, die Verunstaltung
zum Teil gehoben. Die Aetiologie des Falles ist offenbar so zu
erklären, daß durch das Trauma alle zu den das Ohr umgeben¬
den Lymphdrüsen gehenden Bahnen auf einmal abgeschnitten
wurden.
Herr 0. Voss (Frankfurt a. M.): Demonstration eines ein¬
fachen und koinpendiösen Wasserstrahlgebläses.
V. demonstriert ein Wasserstrahlgebläse, das im wesent¬
lichen aus einer Glashohlkugel mit einem Wasser- und Luft¬
zuführungsrohr sowie einem Wasserablaufs- und Luftaustritts¬
rohr besteht. Es kann ohne weiteres mit jedem Wasserhahn
in Verbindung gesetzt und in Betrieb genommen werden. Wegen
seiner einfachen und kompendiösen Form sowie wegen seines
billigen Preises (8 bezw. 12 M.) erscheint das Gebläse berufen,
alle bisher für Zwecke der Katheterisation in Gebrauch befind¬
lichen Apparate zu ersetzen. Zu beziehen durch Dr. Bach¬
feld & Cie., Frankfurt a. M., Kaiserstr. 33.
III. Therapeutische Notizen.
Ueber Zinkperhydrol bei der Behandlung von Ulcus molle
berichtet Dr. Müllern - Aspegren (Stockholm) [Dermatolog.
Centralbl., 1910, No. 7]. Auf der Stiche nach einem vollkommen
geruchlosen, jedoch wirkungsvollen Streupulver für die Trocken¬
behandlung nicht mit Bubo oder schwerer Lymphangitis kom¬
plizierter Geschwüre hat Verfasser das Zinkperhydrol (Zink-
No. 3!.
487
THERAPEUTISCHE
Superoxyd Merck angewandt und die Resultate mit denen
>ei Anwendmig an d erer gebräuchlicher Pulver verglichen. Die
Benandlungsweisa ist folgende: Unmittelbar nach gründlicher
Aetzung mit Zinc. chlorat. wird das betreffende Pulver dick auf-
gestreut und darüber Watte, und wenn nötig eine Binde, auf¬
gelegt. 2—3 mal täglich reinigt der Patient das Geschwür mit
antiseptischer Lösung und verbindet wieder mit Pulver. Er¬
weist sich das Geschwür bei der ärztlichen Kontrolle neuerdings
virulent, so wird wieder geätzt. Die Reinigungszeit, innerhalb
der das virulente Geschwür avirulent wurde, betrug bei Zink-
perhydrolanwendung durchschnittlich 5 bezw. 4,3 Tage, bei
Europhen 5,86, bei Calomel 5,14, Jodoformogen 6,82 Tage. Nur
einmalige Aetzung erforderten von den mit Zinkperhydrol be¬
handelten Fällen 89,2 pCt., gegenüber 70,25 pCt. der mit
Europhen, /1,5 pCt. der mit Calomel und 76,9 pCt. der mit Jodo-
formogen behandelten Fälle. Die Heiluugsdauer betrug bei
Benutzung von Zinkperhydrol durchschnittlich 10,95 Tage, bei
Europhen 14,83, bei Calomel 15,9 und bei Jodoformogen
16,2 tage. Der Autor glaubt, daß das Zinkperhydrol auch eine
stimulierende Wirkung auf die Epidermisierung der reinen Ge¬
schwüre ausgeübl habe. Sehr große Geschwüre sind bisweilen
geradezu erstaunlich'schnell geheilt. Er schließt: Zinkperhydrol
erweist sich als Streupulver bei Ulcus moile mindestens
ebensogut wie die verschiedenen Ersatzmittel des Jodo¬
forms, ja den besten von ihnen sogar überlegen, zumal es ge¬
ruchlos, farblos (weiß) ist und niemals reizt. M.
Die im Handel befindlichen künstlichen Kohlensäurebäder
haben als Ersatz der natürlichen Bäder eine große Reihe von
Nachteilen. Vor allen Dingen enthalten die meisten der künst¬
lichen Kohlensäurebäder zu viel Kohlensäure, die Entwicke-
lung geht zu schnell und zu stark vor sich, und der Badende
wird durch den Ueberschuß der Kohlensäure sehr belästigt. Das
Haupterfordernis ist als Nachahmung des natürlichen Bades die
Gewinnung eines gleichmäßigen Gasstromes einerseits und die
Erzielung einer sehr fein verteilten, kleinperligen Kohlensäure
im Badewasser andererseits. Die „Bräusan-Bäder“ zeigen nun
die oben erwähnten Nachteile nicht, wohl aber haben sie große
Vorteile, die sie in die Reihe der künstlichen Kohlensäurebäder
stellen, die den natürlichen möglichst nahe kommen. Vor allen
Dingen ist die komprimierte haltbare Brikettform und die Ent¬
wickelung eines gleichmäßigen Kohlensäurestroms aus diesen
dein natürlichen Sprudelbad entsprechend, und der Körper von
einem direkten Kohlensäurestrom umspült (Kältegefühl!). Nach
der Entwickelung der direkt strömenden Kohlensäure aus den
Brausan-Briketts bleibt eine genügende Menge Kohlensäure im
Badewasser in feinperliger Form gelöst, und der Körper wird
nun noch — auch dem natürlichen Bad entsprechend — einer-
ganz fein verteilten, möglichst gelösten Kohlensäure ausgesetzt!
Durch diese beiden Phasen: Direkte Umströmung mit Kohlen¬
säure und Einwirkung der feinperligen, gelösten Kohlensäure
tritt das nach den Kohlensäurebädern zu beobachtende Müdig¬
keitsgefühl sehr bald ein, außerdem wird, was wesentlich ist,
die Badedauer herabgesetzt und der Badende nicht durch un¬
nötige Mengen von überflüssiger Kohlensäure, welche sich auf
dem Badewasser ablagern, belästigt oder geschädigt. Die
Brausan-Briketts stellen — dem natürlichen Vorgang ent¬
sprechend — die Kohlensäurequellen dar, durch welche der
Strom zuerst direkt als solcher und dann später im Wasser
verteilt und gelöst als kleinperlige Kohlensäure wirkt. Die
ätzenden Säuren. Flaschen, Einlagen, Kissen kommen voll¬
kommen in Wegfall: die chemischen Entwickler sind haltbar
komprimiert; außerdem kommen als Entwickler nur solche
Säuren in Anwendung, welche auf den Körper nicht nur keine
schädliche, sondern im Gegenteil eine heilende Wirkung aus¬
üben. Es findet Borsäure als Säure und die im Brausepulver
verwendete, bekannte, vollkommen unschädliche organische
Weinsteinsäure Anwendung. Aus der Borsäure bildet sich bei
Umsetzung mit dem doppeltkohlensauren Natron Borax, welcher
bekanntlich eines der besten Hautpflegemittel darstellt. Die
Haut ist nach dem Brausebad weich und geschmeidig, und der
Badende kann auch mit Wunden, Ekzemen und Verletzungen
ruhig in das Badewasser hineinsteigen, ohne Nebenwirkungen,
wie bei anderen Bädern, befürchen zu müssen. Die Bade¬
wannen selbst werden durchaus nicht angegriffen. Von großer
Bedeutung ist noch, daß die bequeme Brikettform das Mit¬
nehmen der Kohlensäurebäder auf die Reise gestattet, ohne
großen Platzbedarf. Man kann sich also in jedem Hotel sein
Kohlensäurebad selbst hersteilen. Der Preis einer Original¬
packung der Brausanbäder mit 3.50 M. für zwei Bäder ist in
Rücksicht auf die großen Vorteile derselben als bedeutend
billiger zu bezeichnen, als bei anderen Handelspräparaten. Die
Brausanbäder werden hergestellt: 1. ohne Zusatz, 2. mit
Schwefel, 3. mit Jod. 4. mit Eisen. In den letzteren Formen ist
das Jod wie der Schwefel, wie das Eisen, in der Haupt¬
sache in gelöster Form und organischer Bindung (Jod-Eigon-
Natrium, Thiozonid-Schwefel und Eisendextrinat) vorhanden.
Die betr. Lösungen für die Brausebäder mit Schwefel, Jod,
Eisen werden in separaten Flaschen abgegeben.
RUNDSCHAU 1910.
Unter den kritischen Besprechungen der „Brausan“-KohIen-
säurebäder sind besonders die von Dr. Martin Ebeling (Berlin)
[illustrierte Reise- und Bäderzeitung, 1910, No. 495] und die
von Dr. med. Max Diilling (Wolkenburg) [Eine neue Modifika¬
tion des „künstlichen Kohlensäurebades“ und seine therapeu¬
tische Bedeutung für die ärztliche allgemeine Praxis] hervor¬
zuheben. Beide sprechen sich sehr anerkennend über die
,,Brausan“-Bäder aus. Sie bewährten sich nach ihnen besonders
bei Neurasthenie und Neurosen, bei Arthritis urica und defor-
mans, bei Menstruationsanomalien, Metritis, Endometritis und
Katarrhen der Vagina, bei Ermüdungszuständen nach erschöp¬
fenden Leiden, nach Operationen, sowie auch insbesondere bei
Herzkomplikationen. „Brausan“ wird hergestellt von der che¬
mischen Fabrik Helfenberg A.-G. " K r.
IV. ßücherschau.
Leciones de Gineeologia por Ernestina Perez, Doctora en me-
dicina. Berlin 1910, Breitkopf & Härtel, Verlags¬
buchhandlung. 167 S. gr. 8”. (Preis nicht angegeben.)
Die Verfasserin, welche seit 20 Jahren in Chile die frauen-
ärztliche Praxis ausübt und sich vielfach an europäischen Kli¬
niken, u. a. auch der Landau sehen Klinik in Berlin, weiter¬
gebildet hat, gibt in dem vorliegenden in spanischer Sprache
geschriebenen Grundriß eine zusammenfassende Uebersicht
über die Gynäkologie nach ihrem heutigen Standpunkt. Das
Buch ist nicht für Spezialisten, sondern für Allgemeinpraktiker
und Studierende der Medizin bestimmt; der Inhalt des Buches,
welches in sehr großem Format gedruckt ist, ist etwa der eines
Kompendiums von 300 Seiten gewöhnlichen Formats; alles We¬
sentliche ist kurz und bündig dargestellt; die Verfasserin hat
nicht den Ehrgeiz, eigene Ansichten wiederzugeben, sie ver¬
folgt nur den Zweck, über das sicher feststehende und praktisch
verwendbare Wissen in der Gynäkologie zu orientieren, theo¬
retische Fragen sind daher nur gestreift. Auf Vollständigkeit
macht die Darstellung keinen Anspruch; im Kapitel über die
Dysmenorrhoea z. B. vermissen wir die Erwähnung der nasalen
Aetiologie und Behandlung nach F1 i e s s u. a.. Die typographi¬
sche Ausstattung des Buches verdient alles Lob, nicht weniger
als 22 Tafeln mit vorzüglich ausgeführten Abbildungen er¬
gänzen in glücklicher Weise die Darstellung. Geheimrat Prof.
L. Landau in Berlin, in dessen Klinik die Verfasserin ihr
Werk fertiggestellt hat und dessen Anschauungen das Buch
natürlich beeinflußt haben, schickt ihm ein empfehlendes Geleit¬
wort voraus. .
Jahreskurse fiir ärztliche Fortbildung in zwölf Monatskursen.
Systematisch angeordnete Lehrvorträge über den jährlichen
Wissenszuwachs der gesamten Heilkunde. Herausgeber
Proff. v. Bruns (Tübingen), E. Bumm (Berlin), Erb
(Heidelberg), v. G r u b e r (München), v. Noorden (Wien),
v. Strümpell (Wien). Redakteur: Dr. D. Sarason
Berlin. Heft 6. München, Juni 1910, J. F. Lehmanns
Verlag. Einzelpreis 2,20 M.
Das vorliegende sechste Monatsheft des regelmäßig an
dieser Stelle angezeigten Unternehmens ist der K i n d e r.h e i 1 -
künde gewidmet, einem Gebiet, auf welchem jeder Arzt, der
allgemeine Praxis treibt, bis zu einem gewissen Grade Spe¬
zialist sein muß, wenn er sich in dem Kampf um die ärzt¬
liche Existenz in Ehren behaupten will; darum hat die hier
gegebene Darstellung der jüngsten Fortschritte auf wichtigen
Gebieten der Pädiatrie einen ganz besonderen Anspruch auf
die Beachtung eines jeden Kollegen. Die Bearbeitung dieses
Heftes haben zwei durch eigene Forschungen und als klinische
Lehrer bestens bewährte Autoren übernommen, Professor
M e i n h' a r d P f a u n d 1 e r und Privatdozent Ernst Moro,
beide an der Münchener Universität tätig, der erstere als Di¬
rektor, der zweite als Oberarzt an der Münchener Universitäts¬
kinderklinik. Pfaundler stellt die neueren Lehren
von der Pathologie und Therapie der Ernäh¬
rungsstörungen im S ä u g 1 i n g s a 11 e r in übersicht¬
licher, kritisch referierender Darstellung zusammen, wobei er
besonders die Lehren der Finkeistein sehen Schule berück¬
sichtigt, entsprechend der Bedeutung, welche diese, die gründ¬
lich mit alten Anschauungen aufräumten und vielfach neue Ge¬
sichtspunkte sowohl hinsichtlich der Theorie wie für die The¬
rapie der Ernährungskrankheiten der Säuglinge brachten, in
kurzer Zeit in der Kinderheilkunde sich errungen haben.
Pfaundler hat es verstanden, einen umfangreichen Stoff
auf verhältnismäßig knappem Raum zu bewältigen. Moro be¬
handelt die neueren Forschungsergebnisse auf
dem Gebiet der Tuberkulose im Kindesalter,
und zwar bespricht er wesentlich die modernen diagnostischen
Hilfsmittel zur Erkennung der Tuberkulose; in erster Linie die
kutanen Methoden, an deren Ausbau er sich selbst durch Ein¬
führung der Tuberkulinsalbenprobe beteiligt hat. Er beschreibt
488
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 31.
zunächst die Technik dieser Methoden und erörtert im An¬
schluß daran die neuen Erkenntnisse, welche uns diese so¬
wie die übrigen klinischen Methoden in bezug auf die Tuber¬
kulose des Kindesalters gebracht haben. In beiden Abschnitten
finden die Kollegen ein Material in konziser Form zusammen¬
gestellt, welches bisher nur durch Zeitschriftenabhandlungen
oder größere teurere Spezialbücher zugänglich war. Es sei
zum Schluß darauf hingewiesen, daß durch die Liberalität der
Verlagsbuchhandlung diese Hefte auch einzeln zu kaufen sind,
was den Interessenten die Anschaffung besonders erleichtert.
R. L.
V. Tagesgeschichta
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Anläßlich des Wechsels in der Leitung des
Ministeriums des Innern, der kürzlich stattgefunden,
war die Befürchtung aufgetaucht, daß die früher beschlossene
Angliederung der bisher dem Kultusministerium zugehörigen
Medizinalabteilung an jenes nunmehr wieder auf unbestimmte
Zeit vertagt werden würde. Demgegenüber wird jetzt offiziös
mitgeteilt, daß es bei dem früheren Beschluß bleibt und daß
bereits vom 1. April 1911 ab die Medizinalabteilung ein Teil¬
ressort des Ministeriums des Innern bilden wird.
— Zahnärztliche Vereinigungen haben infolge der Kom-
missionsbeschlüsse des Reichstages betreffend die §§ 135 und
136 der Reichsversicherungsordnung in Frank¬
furt, Breslau, Karlsruhe, Barmen und vielen anderen Städten
Einspruchsversammlungen abgehalten. Die Zahnärzte prote¬
stierten energisch gegen die Kommissionsbeschlüsse, da nach
deren Gesetzwerdung die zahnärztliche Hilfeleistung der Ver¬
sicherten durch Zulassung von Nichtapprobierten herabgedrückt
und auch der gapze zahnärztliche Stand mit großer Wahrschein¬
lichkeit zurückgehen werde.
— Zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten in Kur-
lind Badeorten haben die Minister für Handel, für Kultus, für
Landwirtschaft und des Innern folgende Verfügung er¬
lassen: ,.Es ist von sachverständiger Seite mehrfach in An¬
regung gebracht worden, das königliche Staatsministerium möge
auf Grund der §§ 5, 7 und 11 des Gesetzes, betreffend die Be¬
kämpfung übertragbarer Krankheiten, vom 28. August 1905 die
in den §§ 1 bis 4, 6 Abs, 1 und § 8 des Gesetzes enthaltenen
Bestimmungen über die Anzeigepflicht, die Ermittlung
und die Schutzmaßregeln in allen Orten, die Fremde zum Ge¬
brauch ihrer natürlichen oder künstlichen Kurmittel einladen
oder zulassen — Kur- und Badeorten —, für die Zeit der Kur¬
oder Badesaison auf Keuchhusten oder Masern ausdeh¬
nen, wenn und solange diese Krankheiten dort in epidemischer
Verbreitung auftreten. Eine generelle Anordnung dieser Ma߬
regel erscheint gesetzlich nicht zulässig. Damit jedoch den un¬
leugbaren Gefahren, welche der Ausbruch einer der beiden
genannten Krankheiten in einem Kur- und Badeorte für die
Kinderwelt im Gefolge hat, womöglich vorgebeugt, jedenfalls
aber rechtzeitig tatkräftig entgegentreteu werden möge, er¬
suchen wir Sie, Vorsorge zu treffen, daß Sie von dem Aus¬
bruche von Keuchhusten und Masern in einem der in Ihrem
Bezirke belegenen Kur- oder Badeorte stets umgehend unter¬
richtet werden, um für den Fall, daß eine dieser beiden Krank¬
heiten in einem Kur- oder Badeort epidemische Verbreitung
erlangt, unverzüglich, gegebenenfalls telegraphisch, bei mir,
dem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalange¬
legenheiten, die Ausdehnung der Anzeigepflicht usw. auf die
betreffende Krankheit für den betreffenden Ort zu beantragen.“
. — Der preußische Ministerialerlaß vom 12. Oktober 1908
betr. einheitliche ärztliche Leitung der Krankenanstalten hat
zu Mißverständnissen Veranlassung gegeben, so daß durch einen
Erlaß vom 2. Juni d. Js. bestimmt wird: 1. Mit dem Grund¬
sätze, daß in jeder Krankenanstalt eine verantwortliche ärzt¬
liche Leitung für den allgemeinen Krankendienst und für die
gesundheitlichen Maßnahmen vorhanden sein solle, ist nicht
beabsichtigt in die Haushalts- und Wirtschaftsführung der An¬
stalt einzugreifen. Deshalb ist nichts dagegen einzuwenden, daß
die Haushalts- und Wirtschaftsführung der von dem Vorstand,
Besitzer und Unternehmer der Krankenanstalt dazu bestellten
Persönlichkeit (Oberin, Verwaltungsdirektor, Inspektor etc.)
verbleibt. Doch erscheint es erforderlich, dieser sowohl wie
dem leitenden Arzte eine ausreichende Selbständigkeit in ihrem
Tätigkeitsbereich zu gewährleisten. 2. Der Erlaß vom 12. Ok¬
tober 1908 hat auch nicht beabsichtigt, auf die klösterliche Ord¬
nung oder die durch Stiftungssatzungen festgelegte Eigenart der
Anstalt abändernd einzuwirken. Von einer Einwirkung dahin,
daß der leitende Arzt im Verein mit der Oberin die Verteilung
des Pflegepersonals und Versetzungen auf andere Abteilungen
anordnet, wird daher überall da abzusehen sein, wo die Ver¬
fassung der Anstalt dies Recht der Oberin allein vorbehält.
Im Interesse der Krankenfürsorge muß jedoch Wert darauf ge¬
legt werden, daß durch den Wechsel des Pflegepersonals die
Versorgung der Kranken nicht leidet ulld daß sich deshalb die
Oberin vor der Anordnung des Wechsels mit dem leitenden
Arzte ins Benehmen setzt. 3. Der Grundsatz, daß in allen
größeren öffentlichen Krankenanstalten auch für die Kranken-
behandlung ein Arzt an leitender Stelle stehen soll, schließt
nicht aus, daß die Kranken der I. und II. Klasse solcher An¬
stalten mit Genehmigung des Verstandes sich von einem andern
Arzte ihres Vertrauens behandeln lassen können. Aber auch
für diese Fälle wird vorauszusetzen sein, daß der leitende Arzt
für die Hygiene des Hauses und für die Ausbildung und Ueber-
wachung des Pflegepersonals beim Krankendienst verantwort¬
lich und zuständig ist.
Leipzig. Der Antrag des Aerztlichen Bezirks¬
vereins Leipzig-Land, der verlangt, daß die Aerzte
ihre ärztliche Fachtätigkeit für gemeinnützige Unternehmungen,
und zwar auch für Säuglingsfürsorge, Rotes Kreuz, Samariter¬
ausbildung u. dergl., nur gegen Bezahlung ausüben
(vergl. Allg. med. Central-Zig., 1910, S. 139 und 166), hat
den übrigen sächsischen Aerztlichen Bezirksvereinen zur Be¬
ratung Vorgelegen. Von 29 Vereinen haben 18 den An¬
trag abgelehnt, 3 ihn angenommen; 3 Vereine haben es
für wünschenswert erklärt, daß die Frage auf dem Aerztetag
verhandelt werde, 1 Verein hat dies gegenwärtig für nicht
zweckmäßig erklärt. 4 Vereine haben keine Stellung genommen.
Universitätswesen, Personalnachrtchten.
Berlin. Ueber die Erweiterung der Rechte der außer¬
ordentlichen Professoren an denpreußischfeüUüiyh'rsitätehhäbeh
wir bereits vor kurzem berichtet. Die davöft Berührte)) sind jetzt
von der durch königl. Erlaß erfolgten Verbesserung ihrer Stel¬
lung innerhalb des Lehrkörpers offiziell in Kenntnis gesetzt
worden. Danach haben nunmehr die etätsmäßigen außerordent¬
lichen Professoren, die ein in ihrer Fakultät nicht vertretenes
Spezialfach bekleiden, in dieser Fakultät Sitz und beschließende
Stimme, wenn es sich uni Angelegenheiten ihres Spezialfaches
handelt. Die Bestimmung darüber, welches Fach als berech¬
tigtes Spezialfach in diesem Sinne anzusehen ist, steht detu
Kultusminister zu. Ferner haben in Zukunft auch diü
etatmäßigen außerordentlichen Professoren das Rechi, Üeil
Rektor aus der Mitte der ordentlichen Pröfessöreft mitzuwähleii,
jedoch mit der Maßgabe, daß die Gesamtzahl der hiernach wahl¬
berechtigten außerordentlichen Professoren die Hälfte der Ge¬
samtzahl der etatsmäßigen ordentlichen Professoren nicht über¬
steigen darf. Wird diese Beschränkung wirksam, so steht das
Wahlrecht den dienstältesten außerordentlichen Professoren zu.
Durch die neuen Bestimmungen wird den außerordentlichen
Professoren zum ersten Male eine Teilnahme an der Selbst¬
verwaltung der Universität zugestanden.
— Wie mehrere Tageszeitungen berichteten, hat die Re¬
gierung gegen die Beibehaltung der von der medizini¬
schen Fakultät der hiesigen Universität vor Jahresfrist
beschlossenen geheime Abstimmung über die Zu¬
lassung von Privatdozenten Einspruch erhoben und öffentliche
Abstimmung verlangt. Die Fakultät wird sich dem Wunsche
des Kultusministeriums fügen. Die Haltung des Kultusministe¬
riums in dieser Frage ist durch die Erwägung bestimmt, daß
die öffentliche Abstimmung der Stellung eines akademischen
Lehrkörpers mehr entspricht, als die geheime.
— Dem Professor der Chirurgie Geh. Med.-Rat Dr.
A. Bier ist von der Universität Edinburgh für seine Ent¬
deckung der Rückenmarksanalgesie der Cameron-Preis zu¬
erkannt worden.
— Dem Gynäkologen Geheimrat Prof. Dr. R. 01 s h a u s e n,
der vor kurzem das 75. Lebensjahr vollendet hat und mit dem
Schlüsse dieses Semesters von seinem Lehramt zurücktritt, ist
aus diesem Anlaß der erbliche Adel verliehen worden.
— Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Waldeyer ist zum Ehren¬
mitglied der R. Accademia dei Fisiocritici in Siena ernannt
worden.
— Im 61. Lebensjahre starb in Steglitz, wohin er sich nach
Niederlegung seiner Praxis zurückgezogen hatte, der Geh. Sani¬
tätsrat Dr. Ferdinand Plehn, der, einer der ältesten
Schüler Schweiggers, als Augenarzt lange Jahre im Zen¬
trum Berlins eine umfangreiche Tätigkeit ausgeübt hat. In
seinen Mußestunden beschäftigte er sich mit Astronomie und
ist auf diesem Gebiet auch publizistisch hervorgetreten.
Marienfelde b. Berlin. Hierselbst starb der Oberstabs¬
arzt a. I). Dr. Tiburtius, ein bekannter, lange Zeit in
Groß-Berlin praktizierender Arzt, der sich auch auf dem Ge¬
biete des plattdeutschen Schrifttums einen Namen gemacht hat.
Göttingen. Die kürzlich gebrachte Mitteilung von der
Ernennung des hiesigen. Privatdozenten Prof. Dr. A. J e n c k e 1
zum Chefarzt des Krankenhauses in Bremen trifft neueren
Nachrichten zufolge nicht zu.
— Hierselbst gelangt demnächst wieder das Blumen-
bachsche Reisestipendiuin (1980 Mark) zur Verleihung.
Bewerbungsberechtigt sind unbemittelte, befähigte Doktoren
No. 31.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 191Ö.
489
der Medizin; Gesuche sind vor Ablauf eines halben Jahres an
die medizinische Fakultät in Göttingen zu richten nebst Disser¬
tation, etwaigen sonstigen Publikationen, Führungs- und Ver¬
mögenszeugnissen und einem Plan über Umfang und Zweck der
stiftungsgemäß vorzunehmenden % jährigen Reise.
Marburg a. L. Professor Brauer teilt mit, daß die
Nachricht, er habe einen Ruf an das Eppendorfer Krankenhaus
zu Hamburg erhalten, unzutreffend ist.
Dresden. Der Direktor der Landes-Heil- und Pflege¬
anstalt Sonnenstein, Medizinalrat Dr. 11 b e r g, ist zum ordent¬
lichen Mitglied des sächsischen Landesmedizinalkollegiums er¬
nannt worden.
Jena. Der als Verleger medizinischer Fachwerke be¬
kannte Verlagsbuchhändler Dr. med. et phil. hon. c. Gustav
Fischer ist gestorben.
Heidelberg. Prof. Feer, Direktor der hiesigen Uni¬
versitäts-Kinderklinik, hat primo et unico loco einen Ruf als
Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Prof. W y s s an
die Kinderklinik in Zürich erhalten.
T ü b i n g e n. Dr. R e i c h hat sich für Chirurgie habilitiert.
Wien. Das Professorenkollegium der medizinischen
Fakultät hat für die durch das Ableben Professor Dr. Emil
Zuckerkandis erledigte Lehrkanzel für deskriptive und
topographische Anatomie dessen Schüler und langjährigen
Assistenten Prof. Dr. Julius Tandler unico loco iil Vor¬
schlag gebracht. Prof. Tandler hat Zucke rkandl schon
während seiner letzten Krankheit vertreten und ist gegenwärtig
mit der provisorischen Leitung des anatomischen Institutes
betraut.
— Prof. Dr. M. Sternberg, Dozent für innere Medizin,
hat auch die Venia legendi für soziale Medizin, Dr. D. Ga¬
la 11 i eine Berufung als Professor der Kinderheilkunde nach
Athen erhalten.
Graz. Die Privatdozenten Prof. Dr. Th. Pfeiffer
(innere Medizin) und Dr. FI. Pfeiffer (gerichtliche Medizin)
sind zu außerordentlichen Professoren ernannt worden.
Prag. An Stelle des in den Ruhestand tretenden Hofrates
Prof. Dr. W ö 1 f 1 e r ist der Professor der Chirurgie an der
Innsbrucker Universität, Dr. Hermann Schlöffe r, primo
et unico loco in Vorschlag gebracht worden.
Budapest. Dr. M. P a u n c z hat sich für Nasen-, Rachen-
und Kehlkopfkrankheiten habilitiert.
Zürich. Zum ordentlichen Professor der Hygiene und
Bakteriologie an der Universität und zum Direktor des Hygiene¬
institutes ist der bisherige außerordentliche Professor Dr.
William Silber Schmidt in Zürich ernamit worden.
Paris. Der. Professor der allgemeinen Therapie Dr.
A. G i 1 b e r t ist an Stelle von Prof. D i e u 1 a f o y zum Pro¬
fessor der medizinischen Klinik ernannt worden.
— Der verdienten Radiumforscherin Frau Curie ist
für die Entdeckung des Radiums von der Royal Society of Arts
in London die Albert-Medaille verliehen worden.
P a v i a. Der bekannte Pathologe Prof. M. A s c o 1 i hat
einen Ruf auf den Lehrstuhl für spezielle Pathologie innerer
Krankheiten an der Universität Catania angenommen und wird
im Herbst dahin übersiedeln.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
— Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege.
Nach einer Mitteilung des ständigen Sekretärs, Prof. Dr. Pröb¬
sting in Cöln a. Rh., wird die diesjährige Jahresversammlung
des Vereins in den Tagen vom 14. bis 17. September in Elber¬
feld stattfinden, unmittelbar vor der am 18. September begin¬
nenden Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in
Königsberg. Folgende Verhandlungsgegenstände sind in Aus¬
sicht genommen: 1. Die Errichtung einfacher Krankenhäuser
zur Aufnahme von Leicht- und Chronischkranken. Referent:
Prof. Dr. Grober (Essen). 2. Die hygienische Verbesserung
alter Stadtteile. Referent: Stadtbaurat Voss (Elberfeld).
3. Die Ueberwachung des Nahrungsmittelverkehrs. Referent:
Geh. Medizinalrat Dr. Abel (Berlin). 4. Neuere Erfahrungen
über die Behandlung und Beseitigung der gewerblichen Ab¬
wässer. Referent: Geh. Regierungsrat Prof. Dr. König
(Münster). 5. Aufgaben und Ziele der Rassenhygiene. Referent:
Dr. A. Ploetz (München).
Gerichtliches.
Dresden. Ueber die Verurteilung ei ne s
Arztes wegen vorsätzlicher Körperverletzung durch eine
Operation entnehmen wir der „Voss. Ztg.“ nachstehenden Be¬
richt: Der praktische Arzt Dr. med. et phil. T. aus
Cassel hielt im vorigen Jahre in mehreren Städten Vorträge
über Wucherungen der Nasen- und Rachenschleimhäute. Einem
in Werdau gehaltenen Vortrage hatte die Ehefrau eines Post¬
assistenten beigewohnt. Sie litt an chronischem Schnupfen und
bat den Arzt, sie am nächsten Tage zu untersuchen, erklärte
aber ausdrücklich, daß sie sich keiner Operation unterziehen,
überhaupt nichts mit sich geschehen lassen wolle, was irgend¬
wie Schmerzen bereiten könne. Der Arzt kam, untersuchte die
Frau, ließ sich mehrere Schüsseln mit Wasser geben, ersuchte
den anwesenden Ehemann, die Hände seiner Frau festzuhalten
und fuhr, ehe es sich die Frau versah, durch beide Nasen¬
löcher mit einer Sonde, die im Munde wieder zum Vorschein
kam. Zugleich hielt er der Frau den Mund mit seiner Hand
zu. Dickes Blut drang alsbald aus Mund und Nase, die Frau
schrie vor Schmerzen, aber mit den Worten „halbe Sache mache
ich nicht!“ griff er der Patientin zum zweiten Male in den
Mund und zerdrückte ihr mit dem Daumen beide Mandeln.
Der Arzt gab der Patientin noch einige Verhaltungsmaßregeln,
steckte das Honorar von 20 M. ein und ging seiner Wege.
Die Familie ließ nunmehr ihren Hausarzt kommen, der über
die von seinem Werdauer Kollegen vorgenommene Operation
aufs höchste überrascht war. Die sofort vorgenommene Unter¬
suchung ergab, daß die Nasenschleimhäute zerrissen, die Man¬
deln schwarz-brandig waren, und im Gaumen hing ein Haut¬
fetzen, der bereits in Fäulnis übergegangen war. Durch das
Dazwischentreten des Hausarztes wurde rechtzeitig folgen¬
schweren Komplikationen vorgebeugt. Der Operateur wurde
wegen vorsätzlicher Körperverletzung zur Anzeige gebracht und
vom Landgericht Zwickau zu 150 M. Geldstrafe und 100 M.
Buße verurteilt. Die beim Oberlandesgericht eingelegte Re¬
vision wurde kostenpflichtig verworfen. Der oberste sächsische
Gerichtshof fühlte folgendes aus: Ein Mensch, der einen Arzt
hole, habe auch Vertrauen zu ihm, und der Arzt habe das
Recht, zu tun, was er für recht halte. Aber wenn der Patient
nichts von einer Operation wissen wolle, habe der Arzt diesen
Willen zu respektieren. Im vorliegenden Falle habe die Pa¬
tentin dem Angeklagten dreimal gesagt, daß sie nichts von
einem operativen Eingriff wissen wolle, er habe aber trotzdem
die Sonde durch beide Nasenlöcher geführt. Der Angeklagte
habe sich der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht
und in bezug auf seine angeblich vortreffliche Methode in Ueber-
hebung gehandelt.
Verschiedenes.
Berlin. Zur Erinnerung an das 200 jährige Bestehen des
Charitekrankenhauses ist im Gebäude der alten Charite
eine historische Ausstellung eröffnet worden. Sie enthält in großer
Zahl alte Pläne von Berlin, Bilder und Grundrisse des Charite¬
geländes. Sie sind zum großen Teil von der Stadt Berlin her¬
geliehen. Es folgen weiter Bilder der meisten hervorragenden
Chariteärzte, der alten Generalärzte und Regimentschirurgen,
die in dem Krankenhause Dienst getan haben. Die Bilder aus
neuerer Zeit stammen zum Teil von den bedeutendsten Malern
wie Lenbach, Israels etc. Die Ausstellung ist bis zum 10. August
täglich von 12—2 Uhr geöffnet.
— In der letzten Sitzung der Deutschen che¬
mischen Gesellschaft machte Herr O. Hahn Mittei¬
lung über die Herstellung sehr hochwertiger radio¬
aktiver Substanzen aus Thoriumoxyd, die als
Ersatz für das Radiumbromid zu dienen bestimmt sind. Wir
entnehmen der „Voss. Ztg.“ folgenden Bericht über den Inhalt
dieses wichtigen Vortrages. Das bisher in der Medizin
als Quelle radioaktiver Strahlung fast ausschließlich be¬
nutzte Präparat war Radiumbromid. Nun läßt sich dieses
nach dem bisherigen Stand unserer Kenntnisse nur aus
Uranerzen (Pechblende, Bröggerit, Carnotit) hersteilen, und
die zugänglichen Vorräte an Uranerzen sind sehr beschränkt,
namentlich besitzen wir hier in Deutschland zurzeit keine
nennenswerten Lagerstätten solcher Erze mehr (in Deutsch¬
ostafrika sind allerdings Vorkommen aufgefunden worden, die
vielleicht eine Ausbeutung erlauben werden). Dazu kommt,
daß aus sehr großen Mengen von Uranerz nur verschwindende
Mengen Radiumsalz erhalten werden können; die Gesamtmenge
des Radiums, das in absehbarer Zeit der Menschheit für wissen¬
schaftliche und für praktische Zwecke zur Verfügung stehen
wird, dürfte etwa 10 g nicht übersteigen, bei dem außerordent¬
lichen Interesse, das den radioaktiven Erscheinungen zukommt,
ein verschwindender Betrag. Herr O. H a h n hat nun schon
vor mehreren Jahren gefunden, daß Thoriumsalze von selbst
in eine radioaktive Substanz, das Radiothor, zerfallen, die
ganz ähnliche Eigenschaften besitzt wie das Radium. Allerdings
besitzt es eine sehr viel kürzere Halbierungszeit als dieses
(zwei Jahre gegen 1750 Jahre). Das Radiothor bildet sich aus
den gewöhnlichen Thorsalzen nur in sehr geringer Menge und
läßt sich von diesen nicht ohne weiteres isolieren, da es ganz
ähnliche chemische Eigenschaften besitzt wie das gewöhnliche
Thorium. Nun fand Hahn weiter, daß das Radiothor nicht
direkt aus Thorium entsteht, sondern daß bei dem Zerfall des
Thoriums zunächst gleichfalls in sehr geringer Menge ein in¬
aktives Zwischenprodukt auftritt, das seinerseits (Zerfallshalb¬
periode 5,5 Jahre) erst das Radiothor liefert. Dieses Produkt
kann also als Träger für Radiothor dienen, und da es chemisch
vom Thorium hinreichend unterschieden ist, erlaubt es eine
Isolierung bezw. Anreicherung. Hahn hat diesem Körper,
490
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 191Ö.
der als ein chemisches Element anzusehen ist, den Namen
Meso-Thorium gegeben. Scheidet man ihn von dem gewöhn¬
lichen Thorium ah, so erhält man Produkte, die bei gleichem
Gewicht eine mehrfach so große Strahlungsstärke an a- und
^-Strahlen besitzen, als sie Radiumbromid hat; und zwar nimmt
die Strahlungsstärke in den ersten zehn Jahren zu, um dann
in weiteren zehn Jahren auf ungefähr die Hälfte zu sinken.
Herr Hahn hat in Verbindung mit der bekannten Thorium-
Firma 0. Knöf ler, Plötzensee, die Frage der fabrikatorischen
Herstellung des Meso-Thoriums aus Thoriumrückständen prak¬
tisch gelöst und gibt an, daß es dieser Industrie leicht möglich
sein werde, hochstrahlende Meso-Thor-Präparate zu einem an¬
nehmbaren Preise jährlich in einer Menge zu liefern, die 5 g rei¬
nen Radiumsalzes entspricht. Die Einzelheiten der Herstellung
sind vorläufig noch Fabrikgeheimnis. Die Strahlung der neuen
Präparate ist ihrer Art nach mit der Radiumstrahlung völlig
identisch. Ihre /3-Strahlen sind sogar noch etwas leichter ab¬
sorbierbar, als die des Radiums, was ihre medizinische Wirk¬
samkeit nur erhöhen kann.
— Durch preußischen Ministerialerlaß vom 29. Juni ist
wegen der Gefahr der Einschleppung der Cholera
durch den Eisenbahnverkehr aus Rußland an¬
geordnet worden, daß bis auf weiteres die Bestimmungen zur
Bekämpfung ansteckender Krankheiten im Eisenbahnverkehr
für Ost- und Westpreußen, Posen, Schlesien, Pommern und
Brandenburg wieder in Kraft treten. Eine Ueberwachung der
Reisenden an der Grenze w'ird zurzeit nicht beabsichtigt. —
Der R e i c h s k a n zier hat unterm 1. Juli verfügt, die aus
den russischen Häfen des Schwarzen und Asowschen Meeres
nach einem deutschen Hafen kommenden Schiffe und ihre
Insassen im Hinblick auf die Gefahr der Choleraein¬
schleppung bis auf weiteres vor der Zulassung zum freien
Verkehr ärztlich zu untersuchen.
— Das Verzeichnis der von der Dozenten-Vereinigung zu
Berlin im Oktober abgehaltenen Ferienkurse ist jetzt erschie¬
nen; es ist durch Herrn Melzer (Berlin N., Ziegelstr. 10/11)
zu beziehen.
Hambur g. Ueber Geheimmittelwcsen und Kurpfuscherei
im Jahre 1909 macht der Hamburger Medizinal¬
bericht folgende Angaben: „Die Ueberwachung des Arznei¬
verkehrs, des Geheimmittelwesens und der Ausübung der
Heilkunde durch nichtapprobierte Personen führte noch im
vergangenen Jahre eine Reihe von Bestrafungen herbei. Unter
anderem wurden wegen Führung arztähnlicher Doktortitel und
wegen unbefugter Führung ausländischer Doktortitel fünf Per¬
sonen, wegen fahrlässiger Tötung eine und wegen fahrlässiger
Körperverletzung unter Außerachtlassung der Berufspflicht
auch eine Person bestraft. Von den Redaktionen Hamburger
Zeitungen und von Privaten wurden 543 Anpreisungen von
Krankenbehandlern und von Arznei- und Geheimmitteln dem
Medizinalkollegium zur Begutachtung vorgelegt. 291 von ihnen
wurden beanstandet; die Veröffentlichung der übrigen konnte
nicht verhindert w r erden. Am Schlüsse des Jahres 1908 blieb
ein Bestand von 802 Personen, die sich auf Grund der Ver¬
ordnung vom 11. April 1904 über die Ausübung der Heilkunde
durch nichtapprobierte Personen bei dem Medizinalamt ge¬
meldet hatten. Im Jahre 1909 kamen 88 solcher Personen zur
Anmeldung und 127 in Abgang, so daß am Schlüsse des Jahres
1909 ein Bestand von 769 Personen blieb. 468 von ihnen waren
Männer, 295 Frauen.“
Dresden. Das sächsische Ministerium des Innern hat
an die Amtshauptmannschaften des Königreiches Sachsen eine
Verordnung erlassen, in welcher die Behörden angewieen wer¬
den, den zahlreichen Ausschankstelleu und Restaurants für
alkoholfreie Getränke ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwen¬
den und den dort-zutage tretenden Mißständen energisch ent¬
gegenzutreten. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß in zahl¬
reichen alkoholfreien Ausschankstellen auch alkoholhaltige
Getränke, und zwar Wein und Spirituosen verschänkt worden
sind und daß es in diesen Lokalen nicht immer ganz einwand¬
frei zugegangen sein soll.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 3. Kl. mit
der Schleife: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Kuhnt in Bonn.
Roter Adler-Orden 4. Kl.: Stabsarzt Dr. Breuer in
Deutsch-Ostafrika, Dr. Bar in Gorze.
König!. Kronen-Orden 3. Kl.: Generaloberarzt Dr.
Schmidt in Berlin, Oberstabsarzt Dr. M e i x n e r in
Deutsch-Ostafrika, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. H i s in Berlin.
Königl. Kronen-Orden 4. Kl.: Dr. Rum bäum in
Brieg.
No._3l.
Charakter als Geheimer Medizinalrat: Med.-
Rat Prof. Dr. Reinhold und San.-Rat Prof. Dr. Schlange
in Hannover.
Prädikat Professor: Dr. Finder in Berlin.
Ernennung: Regierungs- und Med.-Rat Dr. Finger zum
Geh. Med.-Rat und vertragenden Rat im Kultusministerium.
Niederlassung: Dr. S o w k a in Lübbenau, Dr. Kallas
in Jannowitz, Dr. S u d h o f f in Ahlen, Dr. Henze in Buer,
Dr. Menche in Cassel.
V erzogen: Privatdozent Dr. Lesser von Halle a. S.
nach Mannheim, Dr. L o t h von Hannover und Dr.
Kleider von Löbau nach Erfurt, E. Tschoepe von
Lauter nach Altona, Dr. Halleur von Reinbek nach Süd¬
ende, Dr. Hartmann von Gütersloh nach Plön, Dr. Fröh¬
lich von Göttingen nach Bonn, Dr. Haipersohn von
Magdeburg nach Hildesheim, Dr. Wallbaum von Elend
nach Alexisbad, Dr. Ludwig von Hänigsen nach Glauchau,
Dr. R ö p k e von Grohn nach Leipzig, San.-Rat Dr. Har m s
von Norden nach Carolinensiel, Dr. Boecker von Cassel
nach Bochum, Dr. Plessum von Düsseldorf nach Frede-
burg, Dr. Suntheim von Leipzig nach Brackei, Dr.
V e z i n von Heesen nach Dortmund, Dr. P r e i n von Ham¬
burg und Dr. Junkermann von Rauxel nach Dortmund.
Dr. Kowallek von Schlitz nach Salzschlirf, Dr. Koch
von Sterbfritz nach Zeitlofs, Dr. Noll von Blankenese nach
Hanau, Dr. Bilfinger von Detmold nach Langenöls, Dr.
F. Schulze von Münster, Dr. Barth von Dresden und
Dr. Stendemann von Neustrelitz nach Frankfurt a. M.,
Dr. Schneider von München und Oberarzt Dr. T i e d e -
m ann nach Wiesbaden, Dr. S ch m i e 1 a u von Wiesbaden
nach Spandau, A. Pompe von Ruppertshain nach Naurod,
Stabsarzt Dr. Kuhn von Mainz nach Biebrich, Dr. Abee
von Naurod nach München, Dr. Martin von Oberursel nach
Ahrweiler, Dr. Friedrichsen von Zanzibar nach Neuen¬
ahr, Dr. Stehr von Wiesbaden nach Münster a. St., Dr.
H. Fischer und Dr. Hirsch von Berlin nach München
bezw. Grunewald, Dr. Rothschild und Dr. Schilling
von Berlin nach Breslau, Dr. Hans von Königsberg nach
Schöneberg, Dr. Gorodiski von Bremen, Prof. Dr.
Pfister von Wiesloch und Dr. K. P o 11 a c k von Breslau
nach Charlottenburg.
Königreich Sachsen.
Niedergelassen: In Dresden: Dr. Johannes Alfred
Hofmann, Dr. J. B. E. R u p p r e c h t, Dr. E. M. B. Gün¬
ther, Oberstabsarzt a. D., H. Rail, Oberstabsarzt, in
Laubegast, Dr. Kurt Ehregott Zimmermann in
Großschirma, Dr. Joseph W e i s s in Leißnig, Dr. Mör-
b i t z in Zwenkau, Dr. Roederer in Quasnitz, Dr. A do¬
rn- e i t, Dr. Uterhardt und Dr. H. F. C. E b e 1 i n g in
Leipzig und Dr. F. O. Giesing in Leipzig-Eutritzsch.
Angestellt: In Dresden: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Fried¬
rich Renk als Präsident des Königl. Sächsischen Landes-
Medizinal-Kollegiums, Ober-Med.-Rat Dr. J. F. V. L u f f t als
Hilfsarbeiter im Königl. Ministerium des Innern, Ober-Med.-
Rat Dr. R u d. Th. W. Streit als medizinischer Rat bei
der Königl. Kreishauptmannschaft Dresden, Med.-Rat Dr.
R. O p p e 11 als geschäftsführendes Mitglied des Königlich
Sächsischen Landes-Medizinal-Kollegiums, Med.-Rat Dr. J. H.
F. T h i e r s c h als Bezirksarzt für den Medizinalbezirk
Dresden-Altstadt, Dr. Ernst Schümann, Hilfsarzt am
Stadtkrankenhaus Johannstadt, ist zum II. Arzt der chirurgi¬
schen Abteilung des genannten Krankenhauses befördert
worden.
Praxis hat aufgegeben: Dr. K. H. J. Goebel in
Leipzig.
Verzogen: Von Dresden: Dr. Max K ä r c h e r nach Kai¬
serslautern, Dr. O. S i n a p i u s nach Chemnitz, Dr. E. T h.
M. Schöning nach Mainz, Dr, K. H. Barth nach Frank¬
furt a. M., Dr. 0. Kleider nach dem Ausland, Dr. Rö¬
der er von Großschirma nach Quasnitz bei Lützschena
(Leipzig), Stadtarzt San.-Rat Dr. J. H. F. Thier sch von
Leipzig und Dr. W. Petzei von Zwenkau.
Gestorben: Geh. Rat Prof. Dr. H. J. W. Curschm ann
und Dr. E. Keyssner in Leipzig, Geh. Rat Dr. A. L.
Buschbeck, Präsident des Königl. Sächsischen Landes-
Medizinal-Kollegiums, in Dresden, Dr. H. Kleeberg in
Cossebaude, Dr. W. Anger in Kötzschenbroda.
Bayern.
Niederlassung: W. Rüth in Weitnau, Bez.-A.
Kempten; F. Söldner in Türkheim, Bez.-A. Mindelheim; Dr.
Josef D essloch in Würzburg; Dr. C a r o s s a in Nürnberg;
Dr. S c h u h in Nürnberg.
Verzogen: A. Noder von Türkheim nach München;
Dr. Häusler von Solnhofen nach Abbach bei Regensburg.
Württemberg.
Niedergelassen: Dr. L. Schäffler in Obermarchtal.
Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein , Berlin N., Friedrichstrasse 131 B.. für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin.
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mit Pösaunenstössen der Welt verkündeten, selbst unter dem
empfehlenden Protektorate der Berühmtheiten auf den Markt
gebrachten künstlichen Nährmittel überdauert. „Simplex veri
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fachheit). So ist es denn gekommen, dass bei der Ernährung
von Schwachen, von Rekonvaleszenten, Greisen oder
Magenleidenden neben Bouillon mit Graupen oder Haferschleim,
neben Gelees und Flammeries, neben Pürees von Hühner- und
Taubenfleisch und starken alten Süssweinen sich als tägliche
Kost der schlichte, altgewohnte Milchzwiebackbrei immer als das
Beliebteste erwiesen hat. Ihn findet man in der ärmsten Hütte
wie im Palast, überall wo Kinder oder Kranke leicht und doch
genügend ernährt werden sollen, und gerade diesem Umstande
hat auch das Nestle’sche Kindermehl, ursprünglich nur für Kinder¬
ernährung bestimmt, welches ja nichts anderes als ein exquisit
feines „Milch-Zwieback-Pulver“ ist und sein will und dessen
Zubereitung nur heisses Wasser erfordert, seine unerschütterte,
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nicht identisch mit unserem Präparat sind und welche oben¬
drein unter sich verschieden sind, wofür wir in jedem einzelnen
Falle den Beweis antreten können. Da diese angeblichen Ersatz¬
präparate anscheinend unter Mißbrauch unserer Marken,, Ichthyol“
und „Sulfo-iehthyolicum“ auch manchmal fälschlicherweise mit
Ichthyol
oder
Ammonium sulfo-ichthyolicum
gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur
unser spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klini¬
schen Versuchen zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten
wir um gütige Mitteilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn
irgendwo tatsächlich solche Unterschiebungen stattfinden.
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dr H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernspreeh-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
IV. Jahrgang Berlin, 6. August 1910 Xo. 32
Die „Therapeutische Rundschau 1 erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Dreuw: Herabsetzung
der Schmerzen bei Hg-Injektionen.
Mayer: Zur Epidemiologie und Bakteriologie der Pseudo-
dySenterien. — Jessen und ßabinowitsch: Ueber das Vor¬
kommen von Tuberkelbacillen im kreisenden Blut und die prak¬
tische Bedeutung dieser Erscheinung. — Fein: Halsschmerz
und Halsdrüsenschwellung. — Stern: Ueber den Einfluß der
Zittmannsehen Kur auf den Ausfall der Wassermannschen
Reaktion. — Stern: Ueber die sogenannten Verfeinerungen der
Wassermann schon Reaktion. — v. Tabora: Ueber den Ader¬
laß bei Kreislaufstörungen und seinen unblutigen Ersatz. —
Herz: Genußmittel als Heilmittel bei Herzkranken. — Aschen¬
heim: Ueber familiären hämolytischen Ikterus. — Mayer:,
Ueber biliäre Lebercirrhose infolge von Gallensteinerkrankung
und ihre Bedeutung für die Indikation operativer Eingriffe. —
Strü be: Ueber die Magenspülung auf neuen Indikationsgebieten
und in modifizierter Anwendungsform. — Schnee: Ueber das
Schrothsche Heilverfahren. — Suntheim: Ueber konjugale
Tabes und Paralyse. — Schäfer: Ueber die familiären und
konjugalen Fälle von progressiver Paralyse und Tabes dorsalis.
— Siovers: Ein Fall von Pseudobulbärparalyse durch Schu߬
verletzung. — Schultze: Zur Frage der postoperativen Psy¬
chosen.— Ewald: Zur Aetiologie der Myositis ossificans trau¬
matica. — P ul Im an n: Ein neues Meßinstrument für Ex¬
tremitäten. — Freund: Die Röntgenbehandlung der Kröpfe.
— Dumont: Rekurrensläsionen bei Strumaoperationen. —
Ny ström: Kritische Bemerkungen zu einigen neueren Arbeiten
über die Sensibilität der Bauchorgane. — Oehlecker: Patho¬
logische intraperitoneale Harnblasenruptur. — Kiellenthner
Ueber die Behandlung der Prostatahypertrophie. — Zange¬
meister: Ueber die Verbreitung der Streptokokken im Hinblick
auf ihre Infektiosität und ihre hämolytische Eigenschaft. —
Zade: Studien über immunisatorische, insbesondere phagocytäre
Vorgänge am Auge. — Salus: Das Verhalten des Corpus cili¬
are zu Antikörpern. —Neuhann: Zur operativen Behandlung
der rezidivierenden ekzematösen Hornhautentzündung. — Her¬
zog: Ueber die Natur des Trachomerregers. — von Schjcr-
ning: Sanitätsstatistische Betrachtungen über Volk uud Heer.
— Kon rieh: Zur Bewertung des Bacterium coli im Wasser.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzungen vom 29. Juni 1910
(Schluß) und 6. Juli 1910.
III. Therapeutische Notizen. Schreiber und Hoppe: Ueber
die Technik der Behandlung mit dem neuen Ehrlich-Hata-
schen Arsenpräparat. — Schlüter: Ueber die Erfolge der
Uterusspülungen bei Fieber im Wochenbett.
IV. Bücherschau. Baumgarten: Die Kneippsche Hydro¬
therapie. — Küsel: Das Trachom in Ostpreußen.
V. Feuilleton. Heeger: Zur Geschichte der Medizin.
VI. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Ge¬
richtliches. — Verschiedenes.
VII. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Aus Dr. Dreuws Poliklinik für Haut- und Harnleiden.
Herabsetzung der Schmerzen bei Hg-Injektionen.
Von
Dr. Breuw (Berlin).
Die bisherigen Bestrebungen, die Schmerzhaftigkeit
während und nach Hg-Injektionen herabzusetzen, waren
hauptsächlich chemischer Natur. So entstanden eine Reihe
von Hg-Präparaten, die letzten Endes nicht das hielten,
was sie versprachen. Ich habe nun versucht, auf . rein
physikalischem Wege dem Ziele zuzustreben, von dem
Gesichtspunkte ausgehend, daß die Schmerzen größtenteils
durch das plötzliche Ausbreiten des Hg-Präparates an einer
Stelle im Gewebe entstehen. Denn wenn man mit einer
gewöhnlichen Pravaznadel eine Dosis von z. B. Hydrarg.
salicyl. in Paraffin, liquid, verteilt injiziert, so wird das
Medikament durch die Spitzenöffnung der Nadel an einen
einzigen Punkt im Gewebe suspendiert. Hierdurch wird [
das Gewebe gewaltsam auseinandergedrängt, es findet ein
Druck auf die in der Nähe liegenden Nerven statt, die
j Resorption wird beeinträchtigt und die Infiltratbiidung be¬
günstigt. Würde es gelingen, auf einen weiteren Raum
so das Medikament zu verteilen, so würde ein Teil der er¬
wähnten Umstände wegfallen. Diese weiter gehende Ver¬
teilung wird nun erreicht durch eine Kanüle (Abbild.), deren
EK r —
Spitze zugelötet ist. Die Inj ektionsflüssigkoit wird infolge¬
dessen gezwungen, durch etwa 5—10 feine Oeffnungen,
die seitwärts angebracht sind, nach allen Richtungen der
Windrose ins Gewebe einzudringen und sich hier zu ver¬
teilen.
In der Tat hat die Anwendung der Kanüle bei Hydrarg.
salicyl. - Injektionen die Schmerzen sowohl während als
nach der Injektionen herabgesetzt, wenn auch nicht voll¬
ständig beseitigt. Auch bei allen anderen subkutanen In¬
jektionen (Morphium, Kampferöl etc.) wird eine feinere
Verteilung und eine größere Resorptionsfläche erzielt.
Otto Mayer: Zur Epidemiologie und Bakteriologie der Pseudo¬
dysenterien. (Klinisches Jahrbuch, 1910, Bd. 23, H. 1.)
Bei einer 'durch Pseudodyseiiteriebacillen hervorgerufenen
Epidemie wurden 22 klinisch als Ruhr diagnostizierbare
Krankheitsfälle und 31 Darmkatarrhe in der Umgebung der¬
selben beobachtet. Bei 52 dieser insgesamt 53 Krankheitsfälle
wurde die Diagnose Pseudodysenterie bakteriologisch ge¬
sichert. Bei einem Kalle, der klinisch als Ruhr diagnostizier¬
bar war, konnte die bakteriologische Bestätigung nicht er¬
bracht werden.
Außer bei Kranken wurden Pseudodyseiiteriebacillen noch
bei 22 Bacillenträgern gefunden, welche sich als vollkommen
gesund augaben.
Die Beimengung von Schleim und Blut im Stuhle trat in
verschiedenen Fällen erst sehr spät auf, am 16. bis 40. Tage
von der Lazarettaufnahme.
Ein Mann, der als gesunder Bacillenträger dem Garnison-
lazarett zur Beobachtung und Isolierung überwiesen worden
war, bekam am neunten Beobachtungstag blutige Durchfälle.
Die Darmkatarrhe in der Umgebung der Ruhrfälle waren
bei dieser Epidemie als echte Pseudoruhrerkrankungen auf¬
zufassen, wie teilweise die klinischen Beobachtungen, vor allem
aber die bakteriologischen Stuhl- und Blutuntersuchungen be¬
wiesen.
Es lag nahe, die Entstehung der Epidemie auf den Genuß
infizierter Tierleber zurückzuführen; jedoch konnte der Be¬
weis für diesen Entstehungsmodus nicht einwandfrei erbracht
werden. Eine Reihe von Fällen ließ sich als sichere Kontakt¬
infektionen nachweisen.
Das Wiederaufflackern der Epidemie nach fast einmonat¬
lichem ruhrfreien Intervall war mit-größter Wahrscheinlich¬
keit auf einen Ruhrrückfall und einen zu früh als bakterien¬
frei entlassenen Rekonvaleszenten zurückzuführen.
'
492
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 32.
Der in der „Anweisung zur Bekämpfung der Ruhr“ § 15
Abs. 5 angegebene Termin, daß Ruhrkranke nach klinischer
Gesundung entlassen werden dürfen, sobald zwei in ein¬
wöchigem Zwischenraum ausgeführte bakteriologische Unter¬
suchungen negativ ausgefallen sind, erwies sich als zu kurz.
Bei Einhaltung desselben würden 44,4 pCt. der Rekonvales¬
zenten nach Ruhr, 36,3 pCt. jener nach Darmkatarrh in der
Umgebung der Ruhrkranken als unverdächtig entlassen
worden sein zu einer Zeit, in der sie noch lange nicht bacillen¬
frei waren.
Nur bei den Bacillenträgern ohne vorangegangene Krank¬
heitserscheinungen hätte die Anweisung zur Bekämpfung der
Ruhr genügt.
Leute, die nach vorhergegangener Krankheit Pseudo¬
dysenteriebacillenträger wurden, schieden noch zirka zwei
Monate lang verhältnismäßig große Mengen von Pseudoruhr¬
bacillen in festen Stuhlentleerungen aus. Ohne klinisch be¬
merkbare Resultate trat nach zweimonatlichem bacillenfreien
Intervall eine mehrere Tage anhaltende Ausscheidung von
Pseudodysenteriebacillen ein.
Innerhalb der ersten vier Wochen genasen bakteriologisch
nur 70 pCt. Von 28 schwerer Kranken schieden zwischen 5
und 16 Wochen aus 31,14 pCt. Von 25 unter dem Bilde des
gewöhnlichen Darmkatarrhs Erkrankten schieden zwischen 5
und 12 Wochen aus 28 pCt.
Von den 22 Bacillenträgern genasen bakteriologisch in der
ersten Woche der Feststellung 81,8 pCt und schieden je zwei
Wochen und je vier Wochen Pseudodysenteriebacillen aus
je 9 pCt.
Für die Gefährlichkeit eines Pseudoruhrbacillenträgers
waren nicht klinische Gesichtspunkte oder die Beschaffenheit
des Stuhles (fest oder nicht fest), sondern lediglich der bak¬
teriologische Stuhluntersuchungsbefund maßgebend.
Der Bekämpfungserfolg bei der fraglichen Ruhrepidemie
schien von der möglichst rasch und umfassend ausgeführten bak¬
teriologischen Untersuchung und der auf Grund dieser durch¬
geführten Isolierung abzuhängen. Die Isolierung der klinisch
Ruhrkranken allein wäre nur eine halbe Bekämpfungsmaßregel
gewesen. Es empfiehlt sich demnach bei Pseudodysenterie,
Rekonvaleszenten mindestens drei Monate lang, von der klini¬
schen Genesung an gerechnet, als Bacillenträger zu behandeln
und innerhalb dieser Zeit wöchentlich zu untersuchen.
Bei allen Ausscheidern wurde der gleiche Bacillenstamm
gefunden. Er stand nach den kulturellen Merkmalen dem
Pseudodysenteriestamm D Kruse sehr nahe, war aber sero¬
logisch von diesem verschieden. Gruber-Widalsehe Re¬
aktion auf Pseudodysenterien wurde bei Ruhrkranken, Durch¬
fallkranken und Bacillenträgern nur gegenüber dem bei dieser
Epidemie isolierten Stamm gefunden, und zwar in Serum¬
verdünnung 1 :50, bei Kranken gewöhnlich 1 :200. Die Reak¬
tion trat ungefähr vom 8. Krankheitstage ein; sie verschwand
in einigen Fällen schon nach Verlauf von wenigen Wochen.
Mühlschlegel.
Prof. F. Jessen (Davos) und Lydia Rabinowitsch (Berlin): Ueber
das Vorkommen von Tuberkelbacillen im kreisenden Blut
und die praktische Bedeutung dieser Erscheinung. (Deutsche
med. Wochenschrift, 1910, No. 24.)
Erst seit wenigen Jahren ist durch exakte Untersuchungen
nachgewiesen, daß nicht nur bei Miliartuberkulose, sondern
auch schon bei beginnender Lungentuberkulose Tuberkel¬
bacillen im strömenden Blut sich finden. Die Verff. haben in
dem Sanatorium von Jessen in Davos diese Angaben nach¬
geprüft und berichten nun über ihre Ergebnisse. Das zur
Untersuchung gelangende Blut wurde in einer Menge von
5—10 ccm durch Venenpunktion entnommen und daraus durch
Zentrifugieren das Material zur Untersuchung gewonnen. Die
Präparate wurden sowohl nach Ziehl-Neelsen wie nach
Gram gefärbt. Die näheren Einzelheiten der Methodik seien
hier übergangen. Von 36 Patienten wurde das Blut unter¬
sucht. Unter 12 Fällen des ersten Stadiums fanden sich 2 mal
Tuberkelbacillen und Granula im Blut, unter 12 Fällen des
zweiten Stadiums. 5 mal Tuberkelbacillen und einmal nur
Granula. Die Verff. erörtern dann die Frage, ab der Nachweis
von Tuberkelbacillen im strömenden Blut auch diagnostische
Bedeutung gewinnen kann. Dies ist in der Tat der Fall. Es
gibt Fälle, in denen allgemeine Krankheitserscheinungen wie
Fieber, Schweiße, nervöse Störungen den Verdacht auf Tuber¬
kulose erwecken, ohne daß durch Husten, Auswurf oder den
physikalischen Lungenbefund sich sichere Anhaltspunkte für
Tuberkelbacillen ergeben. Die Verff. verfügen über 2 derartige
Fälle; es ließen sich in beiden Bacillen und Granula im Blute
nachweisen. Bei Kranken mit bestimmten allgemeinen Ge¬
sundheitsstörungen wird man also durch die Blutuntersuchung
unter Umständen eine Tuberkulose feststellen können. Hin¬
gegen scheint für die Prognose der Befund von Tuberkel¬
bacillen von geringerer Bedeutung zu sein, denn sie wurden
auch bei leichter Erkrankten gefunden, welche sich später gut
erholten. R. L.
Privatdozent Dr. Johann Fein (Wien): Halssclnnerz und Hals-
driisenschwellung. (Wiener medizin. Wochenschrift, 1910,
No. 25.)
Der Hals ist sehr häufig der Sitz abnormer Sensationen,
deren Ursachen nicht sofort erkennbar sind. Verf. hebt in vor¬
liegender Arbeit nachdrücklich hervor, daß katarrhalische
Affektionen ganz leichten Grades auftreten, welche entweder gar
nicht bemerkt werden oder nur eine unbedeutende Belästigung
verursachen und daß erst nach Ablauf dieser Affektionen,
welche vielleicht nur 1—2—3 Tage bestanden und kaum eine
Erinnerung zurückgelassen hatten, der von der regionären in¬
fizierten Drüse ausgehende Schmerz dem Patienten zum Be¬
wußtsein kommt und daher als die eigentliche Krankheit auf¬
gefaßt wird. In diesen Fällen erhebt der Facharzt auch nach
sorgfältigster Untersuchung des Rachens und der Nase einen
vollkommen negativen Befund und ist dann genötigt, sich mit
der Annahme einer Neurose oder dergleichen zu begnügen.
Der Ursprung des Leidens erscheint aber bloß deshalb rätsel¬
haft, weil in der Regel bei der Untersuchung es unterlassen
wird, genauer auf den eigentlichen Sitz der angegebenen
Schmerzen einzugehen, indem die Palpation des äußeren Halses
vernachlässigt wird. Wenn wir nun nach durchgeführter gründ¬
licher innerer Untersuchung des Rachens und seiner Nachbar¬
organe die Palpation des äußeren Halses folgen lassen, dann
werden wir in vielen Fällen eine Aufklärung für die angegebe¬
nen Schmerzempfindungen auffinden. Diese Untersuchung zeigt
nämlich bei den in Rede stehenden Krankheitsfällen einen auf
Druck schmerzhaften Punkt an einer bestimmten Stelle. Die
Stelle liegt ungefähr in der Höhe des Zungenbeins am vorderen
Rande des Kopfnickers und entspricht jener Drüse, welche ihre
Lage konstant, in dem Dreieck hat, das von der Jugularis, der
Vena facialis und dem lateralen Biventerbande gebildet wird
und entsprechend der Bezeichnung von H e n 1 e zur Gruppe
der Glandulae cervicales profundae (auch Glandulae jugulares
internae genannt) zu rechnen ist. Die Drüse ist leicht unter
der Haut und dem Platysma zu tasten, wenn die Decke da¬
durch zur Entspannung gebracht wird, daß der Kopf des
Kranken gegen die untersuchte Seite gebeugt wird. Wenn der
tastende Finger die Drüse etwas nach aufwärts, median- und
rückwärts drückt, wird der Kranke konstant Schmerz angeben
und auf Befragen bestätigen, daß dieser Schmerz sowohl in
seiner Qualität als auph in bezug auf seine Lokalisation mit
demjenigen Schmerzgefühl identisch ist, welches den Schluck¬
akt begleitet. Mit diesem Palpationsergebnis haben wir den
Sitz des Leidens und die Diagnose festgestellt. Es kann uns
nicht überraschen, daß die Drüse auch bei der Ausführung
von Schluckbewegungen von den umgebenden Muskeln ge¬
drückt wird und Schmerzen verursacht. Daß entsprechend der
Lage der Drüse die starre Unterlage des Zungenbeins hierbei
eine Rolle spielt, ist zweifellos.
Die Therapie der geschilderten Affektion besteht in erster
Linie in Dunstumschlägen. Die Empfindlichkeit der Drüse
schwindet dann rasch, die Verkleinerung des Volumens geht
langsamer vor sich. Zweitens kann bei Drüsen, welche nicht
mehr allzu druckempfindlich sind, eine sanfte Massage geübt
werden. Wird das Leiden nicht richtig erkannt und imaginäre
entzündliche Veränderungen der Rachenschleimhaut für die
Ursache desselben angesehen, dann wird — wie die Erfahrung
lehrt — planlos das Allheilmittel aller Halskrankheiten, Pinse¬
lung mit irgendeinem Medikament, angewendet und wochen¬
lang fortgesetzt. Nichts ist besser geeignet, den anfänglich un¬
bedeutenden Reizzustand der affizierten Drüsen zu einem
dauernden Schwellungszustand umzugestalten, als die im Quell¬
gebiete der Drüsen ausgeführten, mechanisch insultierenden
und irritierenden Pinselungen. Während die Drüsenaffektionen
in der Regel, wenn sie keine Behandlung erfahren, in wenigen
Tagen ablaufen, wird ihr Entzündungszustand dadurch gestei¬
gert, daß in kritikloser Weise der Rachen als Sitz des Schmerzes
oder des Unbehagens angesehen und zum Schauplatz der Be¬
handlung ausersehen wird.
Dr. Karl Stern, Assistent der Heidelberger Universitäts-Haut¬
klinik: Ueber den Einfluß der Zittmannschen Kur auf den
Ausfall der Wassermannschen Reaktion. (Medizin. Klinik,
1910, No. 23.)
Für die Beurteilung der Güte und Zuverlässigkeit einer
Behandlung der Syphilis ist die Wassermann sehe Reaktion
ein Maßstab geworden. Wenn dieser Satz auch nur mit einer
gewissen Reserve vertreten werden darf, so ergibt doch durch¬
schnittlich die serologische Kontrolle der Syphilitiker, die wir
Quecksilberkuren unterwerfen, gewisse Gesetzmäßigkeiten, die
für die hohe Bewertung dieser Kuren Ins Gewicht fallen. Für
die Mehrzahl der Fälle stimmt es, daß durch eine rite durch¬
geführte Quecksilberkur eine positive Wassermann sehe
Reaktion negativ wird, daß das Abklingen der Reaktion bis
zum vollkommenen negativen Eintritt im Verhältnis zu der
Intensität der Behandlung steht, und daß bei den Fällen, bei
denen die Reaktion unter der Quecksilberbehandlung positiv
blieb, schnellerer Eintritt und stärkere Häufung der Rezidive
No. 32.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
493
zu erwarten steht. Aber nicht nur bei Quecksilber, sondern
auch bei anderen Heilmethoden der Syphilis ist das Verhalten
der Wassermann sehen Reaktion für die Bewertung der
Kuren untersucht worden, so z. B. beim Jodkali, Atoxyl und
Arsenophenylglyzin. Verf. war es nun interessant, den Ein¬
fluß der Zittmann sehen Kur zu studieren. Das Z i 11 -
mann sehe Dekokt gehört zu den Mitteln, die von Kurpfuschern
ganz speziell auf Kosten der Quecksilberbehandlung empfohlen
werden. Eine große Reihe von Kurpfuscherbroschüren und
Schriften weiß von dieser Behandlung die großartigsten Wir¬
kungen auf die Lues in allen Stadien der Erkrankung zu er¬
zählen. Die wissenschaftlichen Erfahrungen - stimmen damit
nicht überein. Doch verdient die Zittmann sehe Kur unter
bestimmten Voraussetzungen auch heute noch Berücksichtigung.
Nach den Erfahrungen in der Heidelberger Klinik empfiehlt
sich die gelegentliche Verwendung, erstens bei maligner Lues,
die sich gegen Quecksilber resistent zeigt, zweitens bei tertiärer
Lues, die aus irgendwelchen Gründen keine Quecksilber- und
Jodbehandlung gestattet oder sich dagegen refraktär zeigt,
drittens bei schwerer Stomatitis niercurialis, die zur Unter¬
brechung der Quecksilberkur zwingt. Gerade bei der malignen
Lues scheint der augenblickliche Erfolg der Zittm annschen
Kur manchmal überraschend. Doch gibt es auch Fälle genug,
In denen sie völlig versagt.
Das Material nun, das Verfassers Untersuchungen zugrunde
lag, war nicht nach den oben gegebenen Indikationen aus¬
gewählt. Für ihn war die Fragestellung vielmehr die, wie
wirkt unter den verschiedensten Bedingungen die Zittmann-
sche Kur auf die Wassermann sehe Reaktion? Die Unter¬
suchungen erstreckten sich im ganzen auf 14 Fälle, die sämtlich
vor der Behandlung positiv reagierten. Von diesen waren 10
noch im primären oder sekundären Stadium der Krankheit.
Bei den Fällen mit Primäraffekt und makulopapulösem Syphilid
schien es, als ob in den ersten Tagen nach Beginn der Kur
Besserung einträte. Aber bald brach der in Heilung begriffene
Schanker wieder auf und das Exanthem wurde wieder deut¬
licher. Was nun die Wirkung dieser Kur auf die Wasser¬
mann sehe Reaktion betrifft, so ist sie in 13 von den 14 Fällen
unverändert stark positiv geblieben. Es ist das um so mehr
hervorzuheben, als eben die verschiedensten Formen der
Krankheit Vorlagen, frische Lues, Lues recidiva, tertiäre Lues.
Die Ergebnisse, die Verf. mit der Z i t tm a nn sehen Kur ge¬
macht hat, sind also sehr unbefriedigend. Die Kur ist nicht
■zu empfehlen, wenn wir absehen von jenen Notfällen, in denen
wir auf jede Quecksilberbehandlung verzichten müssen. Es
zeigt sich zugleich in Verfassers Ergebnissen, daß sich die
klinische Beobachtung sehr gut mit dem Resultat der serologi¬
schen Untersuchung deckt. K r.
Dr. Carl Stern (Düsseldorf): Ueber die sogenannten Verfeine¬
rungen der Wassermannschen Reaktion. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 24.)
Verf. erörtert eingehend auf Grund seiner eigenen Erfah¬
rungen an ca. 3000 serologischen Untersuchungen sowie der in
der Literatur sich findenden Berichte die Fehlerquellen der
Wassermann sehen Reaktion und ihrer Modifikationen. Er
kommt u. a. zu dem Ergebnis, daß etwa 2 pCt. aller Menschen
eine positive Wassermann sehe Reaktion aufweisen, ohne
daß sie Syphilis haben. Die Wassermann-Neisser-
Bruck sehe Reaktion ist nach Verf. demnach nicht absolut für
die Syphilisdiagnose entscheidend, sondern stets nur als Er¬
gänzung der klinischen Diagnose bezw. der Anamnese anzu¬
wenden. Auf Grund einer einmaligen Untersuchung ist in
zweifelhaften Fällen bei positiver Reaktion die Diagnose Sy¬
philis nur mit Vorsicht zu stellen, vielmehr die Reaktion nach
einigen Wochen zu wiederholen. Sämtliche Modifikationen der
Wassermann sehen Reaktion, sofern sie grundsätzliche Ab¬
weichungen von der Originalmethodik bedeuten, sind nach Verf.
lediglich zur Orientierung bei sicher Syphilitischen anzuwenden.
Zur einwandsfreien Diagnose zweifelhafter Fälle genügen die
Modifikationen nicht.
Privatdozent Dr. D. v. Tahora (Straßburg): Ueber den Aderlaß
bei Kreislaufstörungen und seinen unblutigen Ersatz.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 24.)
Nach Verfasser ist man bisher bei der therapeutischen
Verwendung des Aderlasses nicht richtig vorgegangen. Vor
allem sind die von verschiedenen Aerzten bei der Venae sectio
entleerten Blutmengen ziemlich willkürliche gewesen. Die
einen entleerten kleinere Mengen, die anderen größere; im
Durchschnitt gelten 200 ccm als Normalmenge. Ferner mangelt
es an bestimmten Grundsätzen für die Indikationsstellung. In
dieser Beziehung will Verfasser nur bestimmte Grundlagen
schaffen. Auf Grund seiner Untersuchungen stellt er den Satz
auf: Der Aderlaß, bezw. sein unblutiger Ersatz, das Ab¬
binden der Glieder, ist bei bestehender Kreislaufstörung nur
dann indiziert, wenn der Venendruck erhöht ist.
Der Venendruck wird in der V. mediana mittels des Phlebo-
tonometers des Verf. gemessen. Der Aderlaß hat, wenn
er in ausreichendem Maße geübt wird, die Wirkung, den
Venendruck herabzusetzen, daneben verringert er auch die
Viskosität des Blutes. Aber es hat sich gezeigt, daß kleinere
Blutentleerungen, von 150—200 ccm, einen erhöhten Venen¬
druck nur ganz unbedeutend herabsetzen; eine ausreichende
Wirkung läßt sich nur durch Entnahme größerer Blutmengen,
die 6—10 pCt. der Gesamtblutmenge betragen, also 300 bis
500 ccm, erreichen. Am zweckmäßigsten macht man den Ader¬
laß unter Kontrolle durch Messung; Verfasser bestimmt mit
dem Phlebotonometer in der Mediana des einen Armes den
Druck fortlaufend, während aus der Vene des anderen das Blut
abfließt; man muß bestrebt sein, den Venendruck tunlichst bis
zum Normalwert auf etwa 60—80 ccm Wasser zu reduzieren,
wo das nicht angeht, muß man ihn jedenfalls nach Möglichkeit
erniedrigen. In manchen Fällen kann man sogar ohne Ge¬
fahr mehr als 500 ccm Blut entleeren. — Ist man bei anämi¬
schen Kranken genötigt, jeden Blutverlust zu vermeiden, so
bietet das Abbinden der Glieder einen Ersatz für den Aderlaß.
Die größte von Verfasser durch Abbinden beobachtete Druck¬
herabsetzung betrug 143 mm Wasser (von 217 mm auf 74 mm).
Das Abbinden der Glieder wirkt jedoch langsamer als der
Aderlaß; wo Gefahr im Verzüge liegt, ist daher dem letzteren
ceteris paribus der Vorzug zu geben. Die Binden muß man
mindestens 1—2 Stunden liegen lassen und dann ganz allmäh¬
lich und vorsichtig lösen, um Kollapse zu verhüten. Verfasser
bedient sich des Abbindens nicht nur zum Ersatz, sondern oft
auch zur Ergänzung der Venaeseetio, in Fällen, in denen ein
ausreichender Aderlaß dem Patienten nicht zugemutet werden
kann; es wird dann an eine Venaeseetio von zirka 300 ccm
ein Abbinden angeschlossen. Die beiden Methoden zur Ent¬
lastung des nervösen Systems hat Verfasser bei zwei Gruppen
von Kreislaufstörungen in Anwendung gebracht, bei kar¬
dialen Dekompensationen und bei Pneumonien mit
Kreislaufschwäche. Besonders wirksam erweist sich in
schwereren Fällen von Dekompensation die Kombination der
Digitalistherapie mit einer der genannten Methoden, ln
manchen Fällen konnte die Digitalis Wirkung erst nach der
Venaeseetio sich überhaupt entfalten. Während bei primärer
kardialer Dekompensation eine Erhöhung des Veuendruckes
eine frühzeitige Erscheinung ist, fehlt sie in der Regel bei der
pneumonischen, auf Vasomotorennachlaß beruhenden Kreis¬
laufstörung. Tritt sie hier doch auf, so weist sie auf das Hin¬
zutreten von Herzschwäche hin und kann dann ebenfalls einen
Aderlaß indizieren. Doch mahnt ein schlechter Puls bei der
Ausführung eines Aderlasses speziell bei der Pneumonie zur
Vorsicht. R. L.
Privatdozent Dr. Max Herz (Wien): Genußmittel als Heilmittel
bei Herzkranken. (Medizin. Klinik, 1910, No. 22.)
Verfasser zeigt, daß Genußmittel in großem Umfange die
Rolle von Heilmitteln übernehmen können. Speziell bei Herz¬
kranken hält Verfasser es stets für einen Vorteil, wenn er die
letzteren durch die ersteren zu ersetzen vermag. Wir ent¬
gehen dadurch der oft so lästigen Häufung von Medikamenten,
führen dem Organismus Stolle zu, für deren Aufnahme von
vornherein eine instinktive Neigung besteht, deren Wirkungen
uns genauer bekannt sind, als diejenigen irgend eines Medika¬
mentes, deren Gebrauch erfahrungsgemäß durch Jahrzehnte
ohne Schaden fortgesetzt werden kann und die schließlich für
den Kranken noch viel mehr als für den Gesunden dadurch
von unschätzbarem Werte sind, das sie, sagt Verfasser, ihm
in das Grau des Alltagslebens einen, wenn auch noch so
blassen Strahl jener Sonne werfen, auf die all unser Sehnen ge¬
richtet ist, des Glückes. Verfasser berücksichtigt in erster
Linie den Alkohol, den Kaffee, den Tee und den Tabak. Das
strikte Verbot dieser Genußmittel bei Herzleiden aller Art
bildet eine für den Kranken derzeit so selbstverständliche
Maßnahme, daß der Arzt, der seiner Autorität nicht ganz sicher
ist, sich nur schwer zu Konzessionen nach dieser Richtung ent¬
schließt, auch dann, wenn ein Verbot ihm selbst nicht dringend
angezeigt oder gar bedenklich erscheinen mag. Die Aversion
gegen die Genußmittel bei Herzkranken ist vor allem darin
begründet, daß man sich in Ermangelung einer anderen, sicht¬
baren Aetiologie vielfach bemüßigt sieht, ihren Abusus für
die Entstehung hauptsächlich der Herzmuskelerkrankungen
und der Arteriosklerose verantwortlich zu machen. Nach
Verfassers Ansicht geht man hierbei viel zu weit, weil man
kein Recht hat, aus den besonderen Eigentümlichkeiten, welche
die derzeitigen Lebensgewohnheiten des männlichen Ge¬
schlechtes darbieten, ohne weiteres einen Schluß auf die Ent-
slehungsweise derjenigen Krankheiten zu ziehen, welche das
männliche Geschlecht bevorzugen. Die Kenntnis der even¬
tuellen Giftwirkung läßt sich nicht einmal als Argument für
die gänzliche Entziehung eines Stoffes bei einem an ihn ge¬
wöhnten Organismus verwerten, denn es ist wohl bekannt, daß
bei einem plötzlichen Wegfall einer durch lange Zeit — und
hier handelt es sich um Jahrzehnte — dem Körper konti¬
nuierlich einverleibten Substanz pathologische Erscheinungen
494
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 32.
der heftigsten Art auftreten können, die Abstinenzsymptome,
die das Wohlbefinden des Kranken stark beeinträchtigen, ja
in Anbetracht der Labilität seiner Herzfunktion in weiterer
Folge sein Leben in Frage stellen können. Von den ver¬
breiteten Genußmitteln möchte Verfasser am Krankenbette
vor allem den Alkohol nicht missen. Seine Verwendung als
Analeptikum wird mit Unrecht bei Herzkranken vernach¬
lässigt. Freilich ist hier eine genaue Individualisierung sehr
am Platze. Es muß in jedem Falle festgestellt werden, ob und
in welchem Umfange der Kranke an den Alkoholgenuß ge¬
wöhnt ist und ob es sich nicht um eine jener Personen handelt,
welche schon auf minimale Mengen sehr heftig besonders mit
Kongestionen und Herzklopfen reagieren. Sehr häufig kann
uns der Alkohol außerordentlich wertvolle Dienste leisten,
wenn es sich um die Bekämpfung eines Symptomes handelt,
das nur zu wenig gewürdigt zu werden pflegt, obwohl es den
größten Einfluß auf die Entwickelung eines chronischen Herz¬
leidens auszuüben vermag, nämlich die dauernde peinliche
psychische Verstimmung. Auch als Schlafmittel, steht der
Alkohol bei Herzkranken dem Verfasser näher als manches
der gebräuchlichen Präparate. Ein ganz ähnliches Anwen¬
dungsgebiet findet der schwarze Kaffee, weniger der Tee. Er
bewährt sich gleich dem Kampfer als ein ausgezeichnetes
Herztonikum und Analeptikum. Schließlich bespricht Verf.
die hohe Bedeutung der Zigarre für den herzkranken Raucher.
Kr.
Dr. Erich Aschenheini (Heidelberg): Ueber familiären hämo¬
lytischen Ikterus. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 24.)
Verf. lenkt die Aufmerksamkeit auf ein in Deutschland
weniger als in Frankreich beachtetes Krankheitsbild, welches
in einem auf Hämolyse beruhenden familiären Ikterus besteht.
Der von Verf. beobachtete Fall betrifft einen 6% jährigen
Knaben, welcher eine gelbliche Gesichtsfarbe hat, die seit
einigen Jahren besteht, auch leicht gelblich verfärbte Skleren.
Der Knabe leidet an häufigen Fieberanfällen, bei der Auf¬
nahme war die Temperatur 38,3", sie fiel in einigen Tagen
zur Norm ab. Leber und besonders die Milz sind erheblich ver¬
größert. Der Kot war stets cholisch. Im Urin war die Probe
auf Urobilin und Urobilinogen stets stark positiv. Der Vater
des Knaben, 45 Jahre alt, leidet ebenfalls, angeblich seit
seiner Geburt, au Ikterus und bietet, abgesehen von den Fieber¬
anfällen, im wesentlichen den gleichen Befund wie sein Sohn.
Beide haben einen sehr herabgesetzten Hämoglobingehalt im
Blut, der Knabe 30—50 pCt., der Vater 55 pCt. Was im übrigen
die Blutbeschaffenheit anlangt, so besteht eine Resistenzvermin¬
derung der Erythrocyten; der Färbeindex ist herabgesetzt.
'Dauernd besteht hochgradige Anisocytose (Megalocyten und
Mikrocyten). Stets finden sich granulierte Erythrocyten (bei
Vitalfärbung). Veränderungen zeigen auch die Leukocyten,
doch sind diese weniger charakteristisch. Ihre Zahl ist leicht
vermehrt, die Vermehrung betrifft vorwiegend die poly¬
nukleären neutrophilen, es finden sich fast immer, vorwiegend
im granulierten System, einige jugendliche Formen. — Eine
ändere Bezeichnung für das Leiden ist: chronischer achol-
urischer Ikterus. Das Wesen der Krankheit scheint darin zu
bestehen, daß es aus vorläufig unbekannten Ursachen zu einem
vermehrten Zerfall der Erythrocyten kommt. Dies führt zur
Pleiochromie, als deren Folge tritt Stauung in den Gallen¬
kapillaren und Ikterus auf. Auch der Milztumor ist. auf den
vermehrten Abbau der Erythrocyten zurückzuführen. R. L.
Ernst Mayer: Ueber biliäre Lebercirrhose infolge von Gallen¬
steinerkrankung und ihre Bedeutung für die Indikation
operativer Eingriffe. (Dissertation, Straßburg 1909.)
Der sichere Nachweis einer fortgeschrittenen biliären
Cirrhose bei Cholelithiasis, insbesondere das Auftreten von
Ascites, verschlechtert bedeutend die Proguose einer sonst gut
gelingenden Operation. Man muß annehmen, daß in solchen
Fällen die Leber nicht mehr imstande ist, ihrer Funktion als
Exkretionsorgan zu genügen und das Blut von den Gallen¬
bestandteilen zu befreien, die für die Cholämie verantwortlich
zu machen sind. Es ist daher in solchen Fällen eine Operation
nur als allerletztes Mittel zu betrachten, von dem nur in den
wenigsten Fällen, in denen die Leber noch nicht zu hochgradig
geschädigt ist, ein Erfolg zu erwarten ist, das aber in den
meisten Fällen nicht imstande ist, den tötlichen Ausgang zu
verhindern. Hieraus ergibt sich, daß man nicht zu lange mit der
Operation warten soll, wenn man einen Choledochusverschluß
konstatiert hat, um solche Komplikationen zu verhindern, die
in kürzester Zeit auftreten können. F.
Indikationsgebieten und in modifizierter Anwendungsform.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 23 u. 24.)
Verf. teilt in der vorliegenden Arbeit eine Reihe von
Krankengeschichten mit, welche beweisen sollen, daß das An¬
wendungsgebiet der Magenspülungen erheblich weiter als bis¬
her ausgedehnt werden muß, da eine ganze Reihe von Krank-
I heitszuständen, abgesehen von den eigentlichen Magenkrank¬
heiten, durch methodisch geübte Magenspülungen geheilt oder
wenigstens gebessert werden. Verf. fand, daß durch die Magen¬
spülung die resorptive Tätigkeit der Magenschleimhaut ge¬
fördert wird. Eine Steigerung der Resorption ist aber ohne
Steigerung der Zirkulation nicht möglich; die Magenspülung
fördert also den Blut- und Lymphstrom in der Magenwamf.
Dadurch wird zunächst auf anatomische und funktionelle
Krankheitszustände des Magens selbst günstig eingewirkt, in
zweiter Linie aber auch auf die dem Magen benachbarten
Bauchorgane. Hier kommt vor allem das Pankreas in Be¬
tracht. ln der Tat gelingt es nach Verf. eine Reihe von Dia¬
betesfällen durch methodische Magenspülungen zu heilen oder
zu bessern. Solche Formen von Diabetes sind nach Verf. als
sekundäre anzusehen, hervorgerufen durch dauernde Schädi¬
gung des Pankreas von seiten erkrankter Nachbarorgane. We¬
nige Spülungen können genügen, um einen Patienten, der mo¬
natelang Zucker ausschied, dauernd zuckerfrei zu machen, wenn
auch das zugrunde liegende Leiden zunächst noch weiter be¬
steht. Verf. hat allerdings auch in einer ganzen Zahl von
Fällen bei Diabetikern durch Magenspülung keine Besserung
erzielt. Ferner erzielte Verf. durch die Magenspülungen bei
Krankheiten der Leber und insbesondere bei Cholelithiasis
gute Erfolge, indem der Gallenfluß angeregt und dadurch
der Abgang von Steinen befördert wird. Günstig wirkte die
Magenspülung auch bei manchen chronischen Gastroenteri¬
tiden, bei Cholera nostras, bei Pruritus ani, bei Dickdarm¬
katarrhen. Manchmal wurde eine langjährige Acne, die wahr¬
scheinlich auf chronischer Gastritis beruhte, durch Magen¬
spülungen beseitigt. Ein weiteres Indikationsgebiet stellen die
Anämien und Chlorosen junger Mädchen dar, die nach Verf.
teilweise auf einer peptischen Insuffizienz des Magens be¬
ruhen, welche durch die Ablenkung des Blutes von den Ver¬
dauungsorganen zur Zeit der Periode hervorgerufen wird.
Häufig wurden allgemeine psycho-neurotische Störungen und
Entkräftungszustände durch Magenspülungen gebessert, soweit
ihnen nämlich Magenaffektionen zugrunde liegen. Endlich er¬
zielte Verf. auch bei Asthma Besserungen oder Heilungen
durch Magenspülung. — Zum Schluß erwähnt Verf. einige
von ihm eingeführte Modifikationen der Technik der Magen¬
spülung. Er hat an seinen Magenschläuchen neben den üb¬
lichen 2 Sondehfenstern noch 10—12, auf eine Strecke von
10 cm von der Spitze aus verteilte Löcher von 3—4 mm Durch¬
messer mittels einer glühenden Nadel eingebrannt. Diese
Löcher verhindern das Einsaugen von Magenschleimhaut in.
die Sondenfenster. Deswegen lassen sich auch größere Druck¬
differenzen im Magen erzielen, wie solche für die Anregung
der Zirkulation wichtig sind, ohne daß man dabei Schleimhaut¬
verletzungen zu befürchten hätte. Man läßt das Wasser unter
mäßigem Druck einfließen und senkt dann den Trichter so tief
wie möglich, um einen recht raschen Rückfluß zu erzielen. Zur
leichteren Einführung des Schlauches gibt Verf. seinen Patien¬
ten ein Hartgummimundstück zwischen die Zähne, von Gestalt
eines rechteckigen Klotzes, aus dem eine die Dicke des
Schlauches etwas überragende Längsrinne herausgearbeitet
ist. Vorne rechts trägt es einen kleinen Handgriff, der mit
Daumen und Mittelfinger gehalten wird. R. L.
Dr. Adolf Schnee (Berlin): Ueber das Schrothsche Heilver¬
fahren. Aus der stationären Abteilung der Universitäts-
Anstalt für Hydrotherapie zu Berlin. (Zeitschrift für phy¬
sikalische und diätetische Therapie, 1910, Bd. 14, H. 3.)
Der Autor weist auf die Entwickelung der Hydrotherapie
hin, die heute den ersten Platz unter den physikalischen Heil¬
methoden einnimmt, bis vor nicht allzulanger Zeit aber noch
als Kurpfuscherei par excellence betrachtet wurde. Daher
verlohnt es sich auch, das S c h r o t h sehe Heilverfahren unter
die kritische Lupe der Wissenschaft zu nehmen. Nach einem
kurzen historischen Rückblick werden die bisher über diese
Kurmethode erschienenen Publikationen zeitlich geordnet be¬
sprochen und besonders bei jenen von Jürgensen und
Sandoz länger verweilt, aus denen einige markante Ab¬
schnitte im Wortlaut zitiert werden. Neben diesen beiden hat
sich besonders Möller (Dresden) des Schrothschen Ver-
1 fahrens angenommen. Seine Angaben sollen die Grundlage
für die vorzunehmenden Versuche bilden. Hierauf folgen
genaue Daten und Tabellen über einen während mehrerer
Wochen an der stationären Abteilung der Universitätsanstalt
für Hydrotherapie zu Berlin beobachteten und eine gewisse
Zeit der S c h r o t h sehen Kur unterzogenen Fall von Adi¬
posität, der durch Lungenemphysem und linksseitige Ischias
kompliziert war.
Aus der Beobachtung dieses einzigen Falles läßt Bich
natürlich kein abschließendes Urteil fällen, doch darf man sich
auf Grund des vorliegenden Materials wohl dahin aussprechen,
daß eine Kur nach den S c h r o t h sehen Vorschriften nur mit
größter Vorsicht und unter steter Kontrolle durchgeführt
werden sollte, da sie einen sehr energischen Eingriff bedeutet.
No. ü'2.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
4! >5
Die Unterernährung und hauptsächlich die Wasserentziehung
führen zu einer rapiden Gewichtsabnahme, greifen den Ge-
samjorganismus an und werden selbstverständlich besonders
schon vor Einleitung einer solchen Kur geschwächte Organe
■von geringerer Widerstandsfähigkeit beeinflussen.
ln der Folge sollen genaue Stoffwechselversuche in einer
Reihe von Fällen weiteren Aufschluß geben, welchen reellen
Wert wir dieser Behandlungsmethode beizumessen haben.
A. S.
Erich Suntheim: Ucber konjugale Tabes und Paralyse. Aus
der neurologischen Abteilung des Eppendorfer Kranken¬
hauses. (Inaugural-Dissertation, Leipzig 1909.)
Der Arbeit Suntheims liegen 23 Fälle von konjugaler
Tabes und Paralyse zugrunde. Die systematische Durch¬
musterung einer größeren Zahl von Familien, in denen ein
Mitglied an Tabes oder Paralyse leidet, hat den überraschend
hohen Prozentsatz von 9 pCt. konjugaler Erkrankung ergeben.
Auffallend groß ist die Zahl konjugal (sekundär oder primär)
erkrankter Ehemänner, wenn die Frauen wegen Tabes Auf¬
nahme gefunden haben (18 pCt.). Die Verteilung der beiden
Krankheiten auf beide Gatten entspricht den'bisher gemachten
Beobachtungen. Es wird ferner bestätigt, daß meist der Mann
zuerst erkrankt; daß die Frau häufig eine kürzere Latenzzeit
•zwischen Infektion und nervöser Erkrankung zeigt. Die Er¬
krankung des zweiten Gatten an Tabes zeigt auch hier einen
piogredienteren Verlauf der primären gegenüber; dagegen
nimmt die Paralyse des zuerst erkrankten Gatten den rapide¬
ren Verlauf. Lues kann auffallenderweise für beide Erkran¬
kungen in noch nicht 50 pCt. der Fälle festgestellt werden.
•Gut die Hälfte der Fälle zeigt genügende Behandlung, die
■entgegen den bis jetzt gemachten Beobachtungen die Erkran¬
kung des Nervensystems nicht zu beschleunigen scheint. Der
in der Literatur oft betonte ähnliche Beginn und weiterhin
Aehnlichkeiten im ganzen Bild beider Gatten konnte nicht
besonders häufig beobachtet werden. Eine Ausnahme mach¬
ten Pupillenveränderungen, Romberg sches Symptom, Ge¬
dächtnisschwäche. Auch unter den vorliegenden Fällen von
Paralyse überwog die demente Form; an zweiter Stelle fand
sich beim Mann vorwiegend verändertes Wesen, Größenideen;
bei der Frau die depressiven Formen. Die wenigen Fälle mit
dreifacher Erkrankung zeigten einmal auffallende Aehnlich-
keit bei den an 2. und 3. Stelle Erkrankten, keine Aehnlichkeit
mit dem zuerst erkrankten Teil (dem Mann). In zwei anderen
Fällen traten je drei ganz verschiedene Krankheitsbilder auf
(Paralyse-Taboparalyse-Tabes). Sehr wesentlichen Einfluß
scheint Paralyse der Eltern auf den Gesundheitszustand der
Kinder zu haben; über 50 pCt. sind Fehlgeburten, deren Zahl
bei Tabes die Durchschnittszahl von 10 pCt. fast nicht über¬
steigt. Der Kinderreichtum einer Ehe ist nur um ein geringes
herabgesetzt. Kinderlose Ehen finden sich bei der Tabes in
28 6 pCt., gegen 15 pCt. der Norm; bei Paralyse beider Eltern
scheint Kinderlosigkeit (22,2 pCt.) nicht häufiger zu sein als bei
Paralyse nur eines Teiles (23,2 pCt.).
Pclcr Schäfer: Ueber die familiären und konjugalen Fälle von
nrogressiver Paralyse und Tabes dorsalis. (Inaug.-Dissert.,
Berlin 1909.)
Zur Erklärung des familiären und konjugalen Vorkom¬
mens von Paralyse und Tabes glaubt Verfasser nicht eine be¬
sondere Luesvarietät annehmen zu dürfen, sondern neben dem
exogenen Faktor, der Syphilis, noch ein endogenes Moment,
eine funktionelle Schwäche des zentralen Nervensystems, bei
den später an Paralyse und Tabes Erkrankenden voraussetzen
zu müssen. Diese Schwäche oder Minderwertigkeit von Gehirn
oder Rückenmark kann angeboren sein oder im Laufe des
Lebens durch Vorgänge erworben, wie sie z. B. in E d i n g e r s
Ersatztheorie gemeint smd. Und die definitive Erkrankung
scheint dem Verfasser dann durch von den Spirochaeten pro¬
duzierte giftige Substanzen und deren Wirkung auf das ge¬
schwächte zentrale Nervensystem erklärt zu werden. F.
Kotiertet! Sievcrs: Ein Fall von Pseudobulbärparalyse durch
Schul!Verletzung. (Mitteilungen aus den Grenzgebietender
Medizin und Chirurgie, Bd. 21, H. 1.)
Verfasser teilt einen Fall von Schädelschuß mit, der neben
einem eigenartigen Schußverlauf einen recht interessanten
Komplex von cerebralen Ausfallerscheinungen aufzuweisen
hotte. Es handelte sich um einen Patienten, der am Unfalls¬
tage unter mittelschwerer Shockwirkung bei klarem Bewußt¬
sein mit einer schweren Beeinträchtigung des Sprachvermögens
eingeliefert wurde. Die Diagnose lautete wegen der enormen
Zertrümmerung des Gehirns auf Tangentialschuß. Das Pro¬
jektil sollte im Cerebrum stecken. Die Parese der linken
körperhälfte erklärte sich aus dem Sitz des Einschusses in der
■Gegend der rechten motorischen Region.
Auffallend blieb die Sprachstörung. Es handelt sich um
die Deutung dieser Sprachstörung. Das Wortverständnis war
intakt, nur die äußere Sprache versagte, es war keine Spur
von Lautbildung vorhanden. Daneben besteht doppelseitige
Facialis- und Hypoglossuslähmung, Lähmung resp. Schwäche
der Pharynx- und Kehlkopfmuskiilatiir. Die Diagnose
schwankte zwischen der von Wernicke beschriebenen als
subcorticale, von D e j e r i n e als rein motorische Aphasie be-
zeichneten Form der Sprachstörung und zwischen einer An-
arthrie. Letztere Annahme erwies sich später als die richtige.
Dieser Symptomenkomplex ist als Pseudobulbärparalyse be¬
kannt. Daneben bestanden Augenmuskelstörungen, die sich
nicht hi das Schema einfügen lassen. Es bestand assoziierte
Blicklähmung nach links und oben kombiniert mit doppel¬
seitiger Ptosis.
Es handelt sich nun darum, diesen Symptomenkomplex
mit dem Sektionsbefund in Einklang zu bringen. Die spastische
Hemiparese der linken Extremitäten bereitete der Lokalisation
keine Schwierigkeit. Schwieriger ist schon der Symptomen¬
komplex der Pseudobulbärparalyse zu erklären. Verfasser
bewegt sich bei diesen Erklärungen auf Wegen, die, wie er
selbst sagt, nur Hypothesen bleiben.
E. Schnitze: Zur Frage der postoperativen Psychosen. (Deutsche
Zeitschrift für Chirurgie, Bd. 104, H. 584.)
An der Hand von 12 Beobachtungen schildert S c h. Genese,
Verlauf, Prognose und Therapie des Kraukheitsbildes. In einer
großen Zahl der Fälle handelt es sich um prädisponierte bezw.
belastete Individuen. Meist ist die Psychose keine idiopathische,
sondern sie ist mittelbar verursacht durch die das Grundleiden
begleitenden Erscheinungen, wie Fieber, Intoxikationszustände,
Ikterus, Inanitions- und Schwächezustände. Somit hat sich die
Therapie in erster Linie die Beseitigung dieser ursächlichen
Momente zur Aufgabe zu machen und Sch. weist überzeugend
an seinen Fällen nach, wie nach Beseitigung von Infektions¬
und Intoxikationsherden die Psychose prompt zurückging. In
der Mehrzahl der Fälle ist die Prognose günstig, nur die Minder¬
zahl behält dauernd geistige Defekte.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. P. Ewald (Hamburg-Altona): Zur Actiologie der Myositis
ossificans traumatica. (Zentralblatt für Chirurgie, 1910,
No. 22.)
Es ist schon von vielen Autoren, die über die Myositis
ossificans nach einmaligem Trauma gearbeitet haben, aufge¬
fallen, daß diese Knochenbildung einzelne Stellen des Körpers
bevorzugt: am häufigsten wird der M. brachialis internus, dann
der Quadriceps femoris, insbesondere der yastus extern, er¬
griffen, ganz selten sind die Gefäßmuskeln, der Deltoideus,
der Coracobrachialis, der Masseter befallen. Verschiedene
Erklärungsversuche sind gegeben worden: Muskelruptur,
llächenförmige Ausbreitung der in Frage kommenden Muskeln,
stumpfes Trauma ohne Knochenverletzung, starke Irritation
des Muskels (z. B. durch Repositionsversuche nach Luxatio
| cübiti post.), oder auch durch frühzeitige Massage und Gym¬
nastik, Hämatombildung im Muskel innerhalb lind außerhalb
des Periosts. Als Ursachen für die Entstehung werden das
Periost und das Muskelbindegewebe in Betracht gezogen.
Einige Autoren lehnen strikt den einen oder anderen Ent-
stehimgsmodus ab, die meisten nehmen jedoch beides an.
Nicht beantwortet wird aber trotz aller Erklärungsversuche die
Frage, warum gerade ein paar Stellen im menschlichen Körper
Piädilektionssiiz der Affektionen sind, während doch jeder
Teil des Rumpfes und der Extremitäten genügend oft starken
Stößen ausgesetzt ist. Immer sind die Muskeln in der Nähe der
Gelenke Sit? der Myositis ossificans traumatica. Ein Fall von
Muskelverknöcherung nach Hüftverrenkung nach hinten ließ
Verfasser diese Frage naher untersuchen. Auch dieser Fall
weist aul eine Beteiligung irgendeiner Gelenkkomponente hin,
wie ja auch die Myositis ossificans nach reponierter und nicht
reponierter Luxatio cubiii post, etwas recht Häufiges ist. Von
den einzelnen Gelenkteilen, die die Gewebe zur Knochenbil¬
dung in der Art der Ausbreitung und Entwicklung, wie wir
sie bei der Myositis ossificans beobachten, beeinflussen können,
kommt nur die Synovia in Betracht: sie kann sich in die Muskel-
interstitien ergießen und Veranlassung zu dem schalenförmi¬
gen Bau der Verknöcherung geben, sie läßt auch — als ent-
wicklungsgeschlchtlich eng verwandt mit dem Knochen-
Knorpelgewebe — die Vorstellung zu, daß sie einen Reiz auf
das Muskelbindegewebe ausüben kann. Für diese Annahme
spricht auch das häufige Rezidiv nach zu frühzeitig vorge¬
nommener Operation, dafür auch der oft angegebene Befund
von Cysten im Tumor mit bernsteinheller (synoviaähnlicher?)
Flüssigkeit. — Zur Herausbildung einer Myositis ossificans
scheint aber immer zu gehören, daß ein fleischiger, breiter
Muskel der verletzten Gelenkstelle aufliegt, und daß dieser
erheblich gequetscht oder zerrissen ist. K r.
496
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 32.
Dr. Willy Pullmann (Ollenbach): Ein neues Meßinstrument für
Extremitäten. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 24.)
Um genaue Messungen der Länge der Extremitäten, be¬
sonders der unteren, vornehmen zu können, muß man einer¬
seits immer zwischen den gleichen Knochenvorsprüngen messen
(z. B. Spina ant. superior und Malleolus ext.), andererseits
muß die Messung von der verschieden starken Entwicklung
der Weichteile (Haut, Muskulatur) unabhängig sein. Bei der
Messung mittels eines Meßbandes läßt sich dies nicht erreichen.
Verfasser iiat deshalb ein Instrument, konstruiert, welches
aus Metall besteht und in seiner Einrichtung sich an die bei
Tischlern und Schlossern gebräuchliche Schublehre anlehnt.
Es besteht aus einem Maßstab mit Zentimeterteilung, der in
einer Doppelschiene verschiebbar ist. Rechtwinklig angebrachte
Fortsätze mit stumpfen Enden dienen zum Anlegen an die
maßgebenden Knochenpunkte und bewirken, daß die Messung
durch die Weich teile nicht behindert wird. (Der Apparat
wird von dem Mechaniker der chirurgischen Universitätsklinik
zu Greifswald, Herrn Karbow, angefertigt.) R. L.
Privatdozent Dr. Leopold Freund, Assistent d. Klinik. Prof.
Finger in Wien: Die Röntgenbehandlung der Kröpfe.
(Wiener med. Wochenschrift, 1910, No. 21.)
Verf. hat, seitdem die Röntgentherapie der Kropfes auf¬
kam, im ganzen 23 Fälle nach dieser Methode behandelt. Da¬
von betrafen 6 Fälle Basedow-Kranke. Von letzteren war
wiederum 1 Fall rasch und stürmisch unter hochgradigem
Exophthalmus bedeutender Schilddrüsenvergrößerung, außer¬
ordentlich rascher Pulsfrequenz, Dyspepsie, Abmagerung,
Schlaflosigkeit, nervösen Störungen aufgetreten. Der Verlauf
der fünf anderen Basedow-Fälle war milder und chronischer.
Die übrigen 17 Fälle von Kropf betrafen durchweg Fälle der
parenchymatös-kolloiden Form in den verschiedensten Graden,
welche entweder bloß als kosmetischer Defekt oder auch
wegen hochgradigster Behinderung der Atmung, die sie ver¬
ursachten, zur Behandlung kamen. Was die Resultate bei den
echten Strumen anlangt, so war unmittelbar oder kurze Zeit
nach der Röntgenbestrahlung, welche immer im „Kreuzfeuer“,
d. h. unter solchen Bedingungen stattfand, daß die Strahlen¬
energie bei geringer Reizung der Oberfläche im Innern der Tu¬
mormasse konzentriert wurde, bei 11 von 17 Fällen eine geringe
Volumenverkleinerung des Kropfes zu konstatieren, die sich
den Patienten darin dokumentierte, daß sie nunmehr Hemd¬
kragen, die ihnen bis vor der Behandlung zu eng gewesen
waren, leicht tragen konnten. Objektiv gemessen, betrug die
Verkleinerung der Halscircumferenz zumeist (bei sieben
Fällen) höchstens 2 cm, nur bei drei Fällen konnte Verf. eine
Verkleinerung des Halsumfanges um 3—4 cm konstatieren.
In einem einzigen Falle, bei einer 46 Jahre alten Dame, bei
welcher eine anscheinend rein parenchymatöse Struma ohne
Kolloidknoten bestand, der rechte Schilddrüsenlappen apfel¬
groß und auch der Isthmus beträchtlich hypertrophisch war,
war der unmittelbare Erfolg noch wesentlicher. Verf. hat die
Dame zwei Jahre später wieder zu Gesicht bekommen; der
Kropf war wieder fast vollständig zurückgekehrt. Ob dies da¬
mit zusammenhing, daß die Röntgenbehandlung zu wenig ra¬
dikal war oder daß die Patientin in ihre alten Lebensbedin¬
gungen zurückkehrte, kann Verf. nicht entscheiden. Er be¬
strahlte die Patientin wieder, und zwar nach gleicher Methode,
wie vor zwei Jahren. Der Kropf wurde wieder kleiner, aber
nicht mehr in demselben Maße wie nach der ersten Behand¬
lung. Bei 6 von diesen 17 Patienten hatte die Bestrahlung
keine nachweisbare Verkleinerung der Schilddrüsen zur Folge.
Bei den sechs Basedow-Fällen trat nach der ersten Behand¬
lung durchweg eine Besserung des Allgemeinbefindens, der
Stimmung, des Schlafes, des Appetits, bei zwei Fällen auch
eine Erhöhung des Körpergewichtes auf. Der Exophthalmus
wurde aber in allen sechs Fällen, gar nicht, die Struma und
die rasche Herzaktion hei je einem Falle geringfügig beein¬
flußt, trotzdem die Bestrahlung so intensiv war, als es über¬
haupt zulässig erschien. Verf. hat von seinen 23 Fällen später
14 wiedergesehen. Sowohl bei den Fällen von parenchymatös-
kolloidem Kropfe, als auch bei den Basedowikern mußte Verf.
feststellen erstens, daß der Erfolg der ersten Behandlung nicht
nachhaltig war, zweitens, daß bei der zweiten und den fol¬
genden Behandlungen der Effekt immer mehr nach¬
ließ. Die Resultate, über die Verf. verfügt, sind demnach im
großen und ganzen nicht besonders begeisternd. Soweit Verf.
die Literatur übersieht, stehen diese Erscheinungen mit jenen,
welche andere Autoren an einem größeren Beobachtungs-
material gewonnen haben, nicht im Widerspruch. Trotzdem
sollte nach Verfassers Ansicht die Röntgenbehandlung der
Kröpfe nicht überhaupt und gänzlich aufgegeben werden. Sie
hat in manchen Fällen unzweifelhaft einen, wenn auch nicht
bedeutenden und andauernden, so doch immerhin nachweis¬
baren günstigen Einfluß. Von dieser Wirkung sollte man
speziell "in einem ganz besonderen Falle nicht absehen, und
zwar bei jenen durch Kröpfe bewirkten Stenosen der Luft¬
röhre von Leuten, welche wegen sehr hohen Alters, wegen
Myokarditis, Arteriosklerose, stenokardischen Anfällen u. dgl..
nicht mehr operiert werden können. Gerade in solchen Fällen,
hat Verf. von der Röntgenbehandlung den allergrößten Nutzen
gesehen. K r.
F. L. Dumont: Uekurrensläsionen bei Strumaoperationen..
(Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie, Bd. 104, pag. 386.)
Nach eingehender Schilderung der anatomischen Verhält¬
nisse und der von Roux geübten Technik der Strumektomie
berichtet D. über 16 operative Rekurrenslähmungen, welche
bei 1148 Strumektomien binnen 22 Jahren in der Klinik von
Roux beobachtet worden sind. 9 mal handelte es sich um
Durchschneidung oder Ligatur des Rekurreus, 7 mal um leichte
Zerrungen oder Quetschungen des Nerven, dessen Parese nur
vorübergehender Natur war. Bei den kompletten Durchschnei¬
dungen pflegt die Stimme dauernd klanglos zu bleiben, wenn
auch durch die Ueberkreuzung des gesunden Stimmbandes
ein Teil der Störung kompensiert wird. Am sichersten schützt
vor der Rekurrensverletzung die von Roux geübte Enuklea¬
tionsmethode mit vorheriger Unterbindung der Arteriae thy-
reoideae sup. et inf. Die Ligatur der Art. thyr. inferior ist-
möglichst zentral von ihrer Kreuzung mit dem Nerv, recurrens,
auszuführen.
G. Nyström: Kritische Bemerkungen zu einigen neueren Ar¬
beiten über die Sensibilität der Bauchorgane. (Mitteilungen
aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie, Band 21,
Heft 1.)
Als früherer Assistent Lennanders wendet sich Ver¬
fasser gegen einige neuere Arbeiten über die Sensibilität der
Bauchorgane, die mit den Erfahrungen Lennanders in
Widerspruch zu stehen scheinen. Nach Lennander ist das-
Peritoneum parietale intensiv schmerzempfindlich, dagegen be¬
sitzen Magen, Darm, Omentum, Gallenblase, Leber, Pankreas,
Milz, Nierenparenchym, innere weibliche Genitalien und
die Serosa der Harnblase keine Empfindung für Schmerz, Be¬
rührung, Wärme und Kälte. Ueber die Empfindlichkeit der
Mesenterien ist man noch nicht einig.
Im Gegensatz zu Lennander haben sehr umfassende
Untersuchungen von Melzer und Käst, allerdings nur bei
Hunden ergeben, daß der Magen- und Darmkanal Schmerz¬
empfindung besitzt; die vermeintliche Analgesie der Organe
beruht auf dem injizierten Kokain.
Dagegen konnte L. R. Müller bei entsprechenden Tier¬
experimenten keine Schmerzempfindlichkeit der Bauchorgane
nachweisen. Karl Ritter bestätigte wiederum die Angaben
von Melzer- Käst. Verfasser kommt auf Grund eigener
exakt ausgeführter Versuche zu den Schluß, daß die Erfah¬
rungen, die aus dem Tierexperiment gewonnen wurden, nicht
auf. den Menschen übertragen werden konnten.
Ebensowenig ist trotz zahlreicher Hypothesen die Ent¬
stehung der Bauchschmerzen geklärt. Auch hier steht Leu¬
nander in Opposition gegen allgemeine Auffassungen..
Nothnagel erklärte sie einfach durch Zusammenpressen
der Darmnerven bei den gewaltigen Kontraktionen. Als die
Erklärung durch Lennanders Untersuchung als unrichtig
zurückgewiesen wurde, meinte er, daß die Schmerzen durch
die entstehende Ischämie ausgelöst würden. Auch diese Er¬
klärung hielt einer genaueren Prüfung nicht stand. Len¬
nanders Erklärung fußt auf der Schmerzempfindung des
Mesenteriums bei Zugwirkung und auf dem durch die harten
Dannschlingen ausgeübten Druck auf die Bauchwandserosa.
Wilms konnte auch diese Erklärung nicht für stich¬
haltig ansehen und griff wieder auf die auf das Mesenterium
geübte Zugwirkung zurück.
Der Streit drehte sich nun hauptsächlich darum, ob die
Schmerzempfindung nur den spinalen Nerven zukomme, ob
demnach der N. sympathicus überhaupt keine schmerzemp¬
findlichen Fasern besitzt.
L. R. Müller meint, daß die bisherigen Beobachtungen
nicht als endgültig beweisend angesehen werden können. Er
meint vielmehr, daß Schmerzen auch durch die sympathischen
Nerven auf das Zentralnervensystem übertragen werden.
Jedenfalls entbehren alle bisherigen Angriffe gegen Len¬
nanders Hypothesen einer hinreichenden Begründung.
Adler (Pankow-Berlin).
Dr. F. Ochleckcr (Hamburg-Eppendorf): Pathologische intra¬
peritoneale Harnblasenruptur. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 24.)
Verf. berichtet über einen Fall, in welchem eine spontan
eingetretene Ruptur der Harnblase bei einem 70 jährigen Mann
mit Erfolg operiert wurde. Der Kranke kam erst 4 Tage nach
Eintritt der Perforation in das Krankenhaus; er war fast mori¬
bund, hatte seit 4 Tagen keinen Stuhlgang und keine Urin¬
entleerung gehabt. Vor der Operation wurde angenommen,
daß es sich um ein Carcinom des Colons oder des Rektums
mit Perforation in die Blase und Peritonealhöhle handelte. Nach
No. 32.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
497
Oeffnung der Bauchhöhle erst wurde der wahre Sachverhalt
erkannt. Es .fand sich an der Hinterfläche der Blase an der
linken Seite ein schräg verlaufender, etwa 5—6 cm langer,
unregelmäßiger Riß, aber kein Tumor. Der Riß wurde mit
Katgut doppelt vernäht. Da außerdem Zeichen beginnender
Peritonitis bestanden, wurde die Bauchhöhle mit 60—70 Litern
physiologischer Kochsalzlösung ausgespült, die Bauchwunde
bis auf eine Lücke für das Drainrohr vernäht, und ein Dauer¬
katheter in die Blase gelegt. Der Zustand des Patienten war
an den beiden ersten Tagen nach der Operation sehr bedroh¬
lich, dann trat eine rasche Besserung ein. Die Kryoskopie des
bald nach der Operation entnommenen Blutes ergab den Ge¬
frierpunkt — 0,66 °, am dritten und vierten Tage fand sich der
Wert von —0,59", dann wurde er normal —0,56". Am
8. Tage nach der Operation setzten dann von neuem Erschei¬
nungen von Peritonitis ein; die Bauchhöhle wurde deshalb
durch linksseitigen Pararektalschnitt von neuem geöffnet; die
Blasennaht hatte gehalten, aber die Darmschlingen waren mit
eitrig fibrinösen Massen bedeckt. Die Bauchhöhle wurde mit
physiologischer Kochsalzlösung ausgespült und dann bis auf
eine Drainagestelle geschlossen. Auch diesen Eingriff über-
tand der Patient. Er konnte schließlich nach 3 Monaten geheilt
entlassen werden. Die Blase hielt wieder 400 ccm Urin. Bei
der cystoskopischen Untersuchung fand sich jetzt mäßiger
Grad von Balkenblase. Die Narbe an der Rißstelle war kaum
zu erkennen, ln mäßigem Grade fand sich Hypertrophie des
Mittellappens der Prostata. — Während die meisten Blasen¬
rupturen durch ein plötzliches Trauma hervorgerufen werden,
handelte es sich hier um eine spontane oder, was Verf. für
eine richtigere Bezeichnung hält, pathologische Harnblasen¬
ruptur. Der Kranke hatte schon seit 3—4 Jahren erschwerte
Urinentleerung gehabt; in der letzten Zeit mußte er alle halbe
Stunde, manchmal noch häufiger urinieren. Schließlich war
die Ruptur eingetreten, als er eine Viertelstunde im Bett lag
und sich auf die andere Seite drehen wollte. In der Literatur
finden sich einige Fälle von Ruptur der bei Prostatahyper¬
trophie oder bei Harnröhrenstrikturen überdehnten Blase.
Ferner körnen bei Neubildungen der Blase, ulcerativen Pro¬
zessen etc., Spontanperforationen vor. Im vorliegenden Falle
lag die Ursache der Perforation wohl in Ueberdehnung der
Blase bei partieller Wandschwäche. Bemerkenswert waren die
Erscheinungen von Urinintoxikation in den ersten Tagen nach
Eintritt der Perforation, die sich in dem Ergebnis der Blut-
kryoskopie zeigten. Die Urinsalze wurden in der Bauchhöhle
resorbiert und erhöhten wahrscheinlich die Salzkonzentration
des Blutes.
Dr. Kiellenthner (München): Ueber die Behandlung der Pro¬
statahypertrophie. (Münch, med. Wochensehr., 1910, No. 21.)
Verf. gibt einen Ueberblick über die in der Gegenwart
dem Arzt zu Gebote stehenden Methoden zur Behandlung der
Prostatahypertrophie. Er bespricht zunächst die allgemeinen
Grundsätze, welche bei der Prophylaxe des Leidens im Auge
zu halten sind und wesentlich darauf hinauslaufen, Kon¬
gestionszustände der Beckenorgane zu verhüten. Dann geht
Verf. auf die Behandlung über. Er erwähnt u. a. die Behand¬
lung der Prostata mit Röntgenstrahlen. Bei manchen Kranken
verlieren sich danach die Beschwerden, andere, dagegen rea¬
gieren mit einer heftigen Exazerbation der Schmerzen, wieder
andere werden gar nicht beeinflußt. Nach Verf. sind die
weichen Formen der Hypertrophie am besten der Röntgen¬
behandlung zugänglich. Eine wirkliche Heilung durch Rönt¬
genbehandlung hat er allerdings niemals gesehen. Verf. be¬
spricht darauf die Katheterbehandlung, die ja die wichtigste
Rolle in der Therapie der Prostatahypertrophie spielt, und geht
dann zu den operativen Methoden über. Kurz erwähnt er
B o 11 i n i s galvanokaustische Behandlung, deren Nachteile er
hervorhebt; sie ist in den letzten Jahren fast ganz durch die
rein chirurgischen Methoden der Prostatektomie verdrängt
worden. Die Prostatektomie kann sowohl auf perinealem
Wege wie auch transvesikal ausgeführt werden; die transvesi-
kale Methode ist besonders durch den englischen Chirurg
Frey er ausgebildet worden. Verf. schildert die Technik so¬
wohl der perinealen wie der transvesikalen suprapubischen
Prostatektomie, und bespricht auch die Nachbehandlung. In
bezug auf die Frage: perineale oder transvesikale Methode?
gibt Verf. folgende Regel: Ist die Prostata klein, vernarbt
oder vereitert, so wird man die subtotale perineale Prosta¬
tektomie machen; ist sie sehr groß, gegen die Blase entwickelt
und hat sich ein sogen. Mittellappen gebildet, so wird man
die transvesikale Prostatektomie ausführen. In bezug auf die
Indikation zur Prostatektomie steht Verf. auf folgendem Stand¬
punkt: Solange die Katheterbehandlung sich ohne Gefahr
durchführen läßt, ist die Operation nicht nötig. Erst Störungen
der Harnentleerung, die eine Gefahr mit sich bringen, und die
durch die gewöhnlichen Maßnahmen nicht zu beeinflussen
sind, bedingen die Operation. Hierher sind infizierte Fälle
zu rechnen, bei denen der Harn durch regelmäßiges Kathete-
risieren sich nicht unter 300 ccm herabdrücken läßt, ferner I
Fälle, bei denen es unter dem Einfluß des Residualharns zur
aufsteigenden Infektion des Nierenbeckens und der Nieren zu
kommen droht, endlich Fälle, bei denen die Ausführung des
Katheterismus auf besondere Schwierigkeiten stößt (Schmerz¬
haftigkeit, Blutungen, Strikturen, fälsche Wege). Ferner ist die
Operation indiziert bei Hämaturien, die aus der die Prostata
bedeckenden Schleimhaut oder aus dem übrigen Harnapparat
ohne jede Veranlassung auftreten können, einmal, weil sie oft
eine ganz außerordentliche Heftigkeit erreichen, und dann
auch, w'eil sie unter Umständen auf beginnendes Carcinom
der Drüse hinweisen, das natürlich so früh als möglich entfernt
werden sollte. Endlich würde Verf. auch bei solchen Patienten
die Prostatektomie machen, die bereits verschiedene Male eine
Lithötripsie durchgemacht haben und bei denen es immer
wieder im Recessus prostaticus zur Bildung von Konkrementen
kommt. Die Operation kann unter Lumbalanästhesie gemacht
werden. Schwerere Nierenerkrankungen stellen im allgemei¬
nen eine Kontraindikation gegen die Operation dar.
Prof. W. Zangemeister (Königsberg i Pr.): Ueber die Verbrei¬
tung der Streptokokken im Hinblick auf ihre Infektiosität
und ihre hämolytische Eigenschaft. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 24.)
Verf. kam bei seinen Untersuchungen im wesentlichen
zu folgenden Ergebnissen: Streptokokken finden sich am ge¬
sunden Menschen häufig. Im Mund kommen sie in ca. 62 pCt.
der Fälle vor, im Rektum und in der Scheide fand Verf. sie
bei Kreißenden in etwa 30 pCt. An der äußeren Haut sind
sie relativ selten. Die Umgebung von Mund, Anus und Vagina
ist erheblich reicher an Streptokokken (25 pCt.) als die übrige
Haut (ca. 15 pCt.), wobei aber die Haut der Hand namentlich
solcher Personen eine Ausnahme macht, welche viel mit
Streptokokken in Berührung kommen (Hebammenhand:
42 pCt.). In der Frauenmilch fand Verf. sie unter 10 Fällen
nur einmal, hier waren aber Rhagaden vorhanden. Alle diese
Streptokokken sind anhämolytisch, entweder handelt es sich
dabei um den Streptococcus anhaemol. vulgär, oder den virid.
In der Umgebung des Menschen nehmen sie rapid ab, so daß
man den Menschen als den Verbreiter der Streptokokken an-
sehen muß. Verf. hat in der Königsberger Frauenklinik alle in
Betracht kommenden Räume auf Streptokokken untersucht und
dabei festgestellt: Wände, Fußböden, Möbel, Vorhänge etc.
waren fast stets — selbst auf der Infektionsabteilung — strepto¬
kokkenfrei, ebenso Abgüsse, Abwässer und dergl. Ausnahms¬
weise fanden sich Streptokokken an solchen Gegenständen,
welche viel mit den Händen oder anderen streptokokkenhal¬
tigen Körperteilen oder Sekreten in direkte Berührung kom¬
men (Türklinken, Griffe von Sterilisatoren, Sterilisiertrom¬
meln, Untersuchungsstühle etc.). In der Luft ließen sich
Streptokokken fast nie nachweisen. Nur w r eim unmittelbar vor¬
her und in nächster Nähe gesprochen worden war, fanden sich
Streptokokken in der Luft, und zwar unter solchen Umständen
recht häufig. — Im Gegensatz zu diesen relativ spärlichen
Streptokokkenbefunden am gesunden Menschen und in seiner
Umgebung zeigte die Nachbarschaft von Kranken mit strepto¬
kokkenhaltigen Infektionssekreten einen geradezu verblüffen¬
den Streptokokkenreichtum. Bettgestelle, Bettwäsche waren
auch, wenn eine sichtbare Verunreinigung mit den Sekreten
gar nicht stattgefunden hatte, mit kultivierbaren Streptokokken
übersät. Diese waren anhämolytisch, wenn ein Sekret
mit anhämolytischen Streptokokken abgeschieden wurde, hä¬
molytisch, wenn das Sekret der betreffenden Patienten hämo¬
lytische Streptokokken enthielt. Streptokokken ließen sich
jederzeit durch Eintrocknen (z. B. an Seidenfäden) einige
Wochen lebend erhalten. Von derartigen Kranken und ihrer
Umgebung geht also eine Gefahr aus, die allerdings lediglich
dort in Betracht kommt, wo andere Kranken mit frischen
Wunden behandelt werden. Diese Gefahr wächst erheb¬
lich, wenn die klinischen Erscheinungen auf den Strepto¬
kokkenreichtum eines Wundsekretes nicht oder nicht mehr
hinweisen, wie dies bei manchen normalen Wöchnerinnen oder
nach bereits abgelaufener Streptokokkeninfektion der Fall ist.
Dr. Martin Zade (Jena): Studien über immunisatorische, ins¬
besondere phagocytäre Vorgänge am Auge. (v. Graefes
Archiv für Ophthalmologie, Baud 75, Heft 1.)
Die Untersuchungen des Verf. haben zu folgenden Ergeb¬
nissen geführt: 1. Die Tränenflüssigkeit enthält weder bakte-
ricide Substanzen noch Opsonine. 2. Das Vorderkammerwasser
normaler, nicht gereizter Augen (Kaninchen, Hund und Mensch)
enthält keine baktericiden Stoffe und keine Opsonine. Nach
einmaligem Ablassen des Kammerwassers tritt in dem zweiten
Ersatzkammerwasser baktericide und opsonische Kraft zutage.
Ebenso treten Opsonine in die vordere Augenkammer bei den
verschiedensten Reizzuständen des Auges über. Diese durch
Reizung hervorgerufene Ansammlung von Opsoninen steht
quantitativ erheblich zurück hinter der opsonischen Kraft des
Blutserums. Dioninreizung ruft geringere opsonische Wirkung
im Kammerwasser hervor als subconjunctivale Kochsalzinjek-
498
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 32.
tionen. 3. Die Abtölung von Pneumokokken in der Bauchhöhle
des Meerschweinchens und im Glaskörper des Kaninchens kann
ohne nachweisbare Phagocytose allein durch Bakteriolyse her¬
beigeführt werden. 4. Bei zwei sicher wirkenden Immunseris
ließ sich weder im Tierkörper noch im Reagensglas eine bak-
teriotrope Wirkung feststellen. 5. Die nach Hornhaut- und Glas-
körperinjektionen auftretenden Opsonine sind nicht spezifisch.
Dr. Robert Salus (Prag): Das Verhalten des Corpus ciliare zu
Antikörpern. (v. Graeies Archiv für Ophthalmologie,
Band 75, Heft 1.)
Die Versuche des Verf. haben u. a. folgende Resultate er¬
geben: Von den Antikörpern gehen in das unbeeinflußte
Kammerwasser am leichtesten die Agglutinine und Antitoxine
(bei passiver Immunisierung), etwas schwieriger die Bakterio-
lysine, in geringster Menge die Hämolysine über. Komplemente
s : nd im ersten Kammerwasser nicht nachweisbar. Nach Punktion
der Kammer nimmt der Gehalt des Kammerwassers an Anti¬
körpern sehr stark zu, ohne jedoch den gleichzeitigen Gehalt
des Serums zu erreichen. Die Eiweißpräzipitine nehmen eine
Sonderstellung ein, indem für dieselben von Seite des nor¬
malen Ciliarkörpers eine absolute Retention besteht. In bezug
auf den Uebertritt in das nach der Punktion neu angesammelte
Kammerwasser verhalten sich dagegen diese Antikörper wie
alle übrigen. Die Abfuhr der in das zweite Kammerwasser
übergehenden Präzipitine erfolgt sehr rasch, vielleicht rascher
noch, als die der anderen Antikörper. Das Auftreten stärkere]'
Hämolyse im lebenden Körper ist durch Rotfärbung des
Kammerwassers, besonders des nach Punktion sich wieder an¬
sammelnden, ausgezeichnet erkennbar. In bezug auf die ma-
kroskopisoh sichtbare Präzipitation verhält sich die Vorder¬
kammer wie ein Reagensglas, indem bei geeigneter Versuchs¬
anordnung diese Reaktion in der Vorderkammer in charak¬
teristischer Weise auftritt. R. L.
Augenarzt Dr. Neuhann, Arzt der Provinzial-Augenheilanstalt
Münster i. W.: Zur operativen Behandlung der rezidivie¬
renden ekzematösen Hornhautentzündung. (Medizinische
Klinik, 1910, No. 4.)
Verf. nimmt Stellung zu der in No. 52 der „Medizinischen
Klinik“, 1909, erschienenen Arbeit von Schultz-Zeh den
(Berlin), in der die Blepharotomie respektive Kanthoplastik
als sicheres Mittel empfohlen wird, der rezidivierenden Binde¬
hautentzündung sofort Einhalt zu gebieten und Rückfälle zu
verhindern. Es läßt sich nach N. nicht leugnen, daß in einer
Reihe von Fällen nach der Operation der Verlauf der Erkran¬
kung eine günstige Wendung nimmt. Oft genug konnte aber
Verf. sich überzeugen, daß die Kanthoplastik nicht imstande
ist, Rückfälle zu verhüten, was nach der Art der Erkrankung
auch von vornherein anzunehmen ist. Verf. hält die Kantho¬
plastik bei ekzematösen Hornhauterkrankungen für indiziert,
wenn gleichzeitig die Lidspalte verengt ist und ein starker
Lidkrampf besteht, der jeder medikamentösen und Hydro¬
therapie widersteht. Mit letzterer kommt man immer aus, wenn
klinische Behandlung möglich ist. Kann aber aus irgend einem
Grunde klinische Behandlung nicht stattfinden, so kann man
die Grenzen für die Operation ruhig etwas weiter ziehen. Der
operative Eingriff läßt sich ganz gut ambulant ausführen.
Kinder mit ekzematöser Bindehautentzündung --- auch rezi¬
divierender — sollten in keinem Falle der Kanthoplastik
unterzogen werden. K r.
Prof. Dr. H. Herzog (Berlin, z. Z. Triest): Ueber die Natur des
Trachomerregers. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 23.)
Wie Verfasser mitteilt, ist es ihm gelungen, den Nachweis
zu führen, daß die Elemente der Trachomkörper mit gewissen
zur Zeit noch nicht gekannten Involutionsformeu des Gono-
coccus Neisser identisch sind und daß die Infektion mit dem
Trachom dadurch zustande kommt, daß diese bisher unbekann¬
ten Wachstumsformen des genannten Keimes auf Grund einer
symbiotischen Anpassung an einen intraepithelialen Parasitis¬
mus sich fortdauernd innerhalb der Epithelzellen der Conjunc-
tiva vermehren, hierselbst die bekannten als Trachomkörper
bekannten Zoogloeen bildend. Es ist Verfasser möglich ge¬
wesen, die gleichen Wachstumsformen durch fortgesetzte Züch¬
tung von Reinkulturen des Gonococcus Neisser auf Wert-
heim-Agar kulturell zur Entwickelung zu bringen und mit Hilfe
der Giemsafärbung darzustellen. Verfasser nennt diese Invo¬
lutionsformen des Gonococcus Mikrogonokokken. Nach Verf.
gehört somit der Trachomerreger nicht zu den Protozoen, son¬
dern zu den Bakterien. Er hat auch bei zweifelloser Gono¬
blennorrhoe mit dem Rückgang der akut entzündlichen Er¬
scheinungen das völlige Verschwinden der typischen Gono¬
kokken und das Auftreten der Involutionsformen mit Bildung
typischer Trachomkörper beobachtet. Bei typischem frischen
Trachom fanden sich intraepithelial noch Mikrogonokokken
vom Habitus der normalen Gonokokken, sogen. Uebergangs-
formen der Mikrogonokokken, gleichzeitig . mit typischen
Trachomkörpern. Endlich ist es Verf. auch in einem Falle, bei
einem an Glaucoma absolutum erblindeten Auge, gelungen,
durch Verimpfung einer Reinkultur des Gonococcus auf die vor¬
her gesunde Conjunctiva 14 Tage nach der Impfung die Ent¬
wicklung typischer Trachomkörper zu erzielen. R. L.
von Schjerning: Sanitätsstatistische Betrachtungen über Volk
und Heer. (Bibliothek v. Coler-v. Schjerning, 1910,
Band 28.)
Verfasser, der Generalstabsarzt der Armee, versteht es
ausgezeichnet, die Zahlen, die die Statistik haufenweise um ihn
antürmt, zu ordnen, zu gestalten und mundgerecht vorzusetzen.
Es ist eine helle Freude, die Betrachtungen zu lesen und zu
ersehen, wie vielfach, fest und innig die Beziehungen sind, die
Volk und Heer zum Besten der Nation verknüpfen. Das Heer
ist ein Teil des Volkes, aus den kräftigen, wehrfähigen Söhnen
des Volkes zusammengesetzt, und von der Volkski'aft und der
Volksgesundheit ist die Beschaffenheit des Heeres abhängig.
Wie ein Sohn seinem Vater ähnelt, so ähnelt die Armee dem
Volke, aus dem sie stammt, und wie der Sohn gewisse Eigen¬
tümlichkeiten, bestimmte Züge und Charaktereigenschaften vom
Vater ererbt, so weist auch das Heer in seiner Zusammen¬
setzung und Beschaffenheit, in seiner körperlichen und psychi¬
schen Art Aehnlichkeiten mit der Gesamtbeschaffenheit und
mit dem Gesamtcharakter des Volks auf. Und umgekehrt
wirkt die Armee auf das Volk und das Volkswohl und die
Volksbeschaffenheit ein. Sie ist ein Erziehungsfaktor der Nation
geworden, sie bildet und formt die Söhne des Volkes, die zu
den Fahnen gerufen sind, zu Soldaten, sucht sie gesund zu er¬
halten, an Geist und Körper harmonisch auszubilden, erzieht
sie zur Hygiene und in der Hygiene und bestrebt sich, sie ge-
kräftigt nach vollbrachter Dienstpflicht ihrem bürgerlichen Be¬
ruf zurückzugeben, damit sie — gesund und geformt — hier
wirken und selbst ihren Herd und ihre Familie gründen
können.
Verf. teilt seine Arbeit in 3 Abschnitte:
■ I. Die Grundlagen der deutschen Wehrkraft;
II. Gesundheitszustand des Heeres, nach Krankenzugang
und Sterblichkeit;
III. Einfluß des Heeres auf das Volk.
ln Anbetracht des allgemeinen Interesses und der ma߬
gebenden Persönlichkeit des Verfassers halte ich es für das
Beste, die Endergebnisse unverkürzt wiederzugeben.
I.
1. Die Wehrkraft ist bisher in Deutschland noch nicht er¬
heblich gesunken; aber.es wird aller Anstrengungen bedürfen,
sie auf der Höhe zu halten oder zu bessern.
2. Die Wehrkraft ist abhängig von der Geburtenziffer und
der Säuglingssterblichkeit.
3. Die Säuglingssterblichkeit übt auch Einfluß aus auf Zahl
und Beschaffenheit der Tauglichen, indem in Gegenden mit
hoher Säuglingssterblichkeit auch die Ueberlebenden vielfach
körperlich minderwertig sind; alle Maßnahmen zur Bekämpfung
der Säuglingssterblichkeit sind daher auch im Interesse der
Wehrkraft des Volkes lebhaft zu unterstützen.
4. Der Beruf der Militärpflichtigen an sich ist von ver¬
hältnismäßig geringerem Einfluß auf ihre Körperbeschaffen¬
heit und Militärtauglichkeit, als Herkunft und Abstammung
(Stadt- und Landbevölkerung).
5. Die Zahl der aus der Armee entlassenen Dienstbrauch¬
baren und Invaliden (Rentenempfänger) ist zwar gewachsen,
läßt aber die Annahme eines schlechter werdenden Ersatzes
nicht ohne weiteres zu, da vielfache Umstände, z. B. die Ein¬
führung der zweijährigen Dienstzeit, strengere Anforderungen
im Dienst, größere Milde bei den Invalidisierungen usw., diese
Zunahme der Entlassungen begründen.
6. Ueber die wirkliche Ursache der Untauglichkeit ent¬
scheiden die bei den Gestellungspflichtigen gefundenen Fehler
und Gebrechen. Bei den Gestellungspflichtigen sowohl wie bei
den zum einjährig-freiwilligen Dienst berechtigten Militärpflich¬
tigen steht die allgemeine Schwächlichkeit als Untauglichkeits¬
grund obenan (bei etwa V., aller Untauglichen). Bei den ersteren
folgen in absteigender Reihenfolge die Fehler an den Glied¬
maßen, Herzfehler, Plattfußzustände, Refraktionsfehler, Krampf¬
adern, Verkrüppelungen, Ohrenleiden, Lungenkrankheiten,
Narben und Geisteskrankheiten. Bei den zum einjährig-frei¬
willigen Dienst Berechtigten ist die Reihenfolge: Herzfehler,
Refraktionsfehler, Fehler der Gliedmaßen, Lungenkrankheiten,
Unterleibsbrüche, Krankheiten der Ohren, Plattfuß, Narben,
Fettleibigkeit, Krampfadern.
Bei den Einjährig-Freiwilligen über wiegen hiernach die
eigentlichen Organerkrankungen, während bei den übrigen
Militärpflichtigen die äußeren Körperschäden im Vordergründe
stehen.
7. Der Einfluß der Schule auf die Militärtauglichkeit zeigt
sich in folgendem:
No. 32.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
499
a) Von den höheren Schulen (mit der Berechtigung zur |
Ausstellung von Belähigungszeugnissen für den einjährigen I
Dienst) haben die meisten Tauglichen geliefert die Landwirt¬
schaftsschulen; es folgen die Privatschulen, Seminare, Handels¬
schulen, Oberrealschulen, Realprogymnasien, Realschulen, In¬
dustrieschulen, Progymnasien, Realgymnasien und endlich die
Gymnasien.
b) Je länger der Schulbesuch gedauert hat, desto geringer
ist die Zahl der Tauglichen unter den Schülern.
c) Die Tauglichkeit nimmt aber noch stärker ab, je mehr
Zeit zwischen dem Verlassen der Schule und der Meldung zum
Dienst verflossen ist.
Es ist also namentlich die Zeit nach der Schule, welche
sich für die körperliche Entwicklung der jungen Leute als be¬
sonders ungünstig erweist.
Es ergibt sich hieraus, daß — neben der Vertiefung und
Ausgestaltung schulhygienischer Maßnahmen — mehr als bis¬
her alle Bestrebungen zur gesundheitlichen Förderung der j
männlichen Jugend nach dem Verlassen der Schule gefördert
werden müssen. ,
8. a) Soweit verwertbares Material vorliegt, ist bei einer
großen Reihe von europäischen Staaten in den letzten Jahr¬
zehnten eine Zunahme der Körpergröße der militärpflichtigen
Jugend nachweisbar — eine Tatsache, die jedenfalls gegen
einen körperlichen Niedergang der heutigen Bevölkerung
spricht.
b) Die zum einjährig-freiwilligen Dienst Berechtigten in
Deutschland sind durchschnittlich größer als die anderen Mann¬
schaften.
c) Die Körpergröße ist abhängig von der Größe der Ge¬
burtsgemeinde, die durchschnittlich kleinsten Leute stammen
aus den Städten von 2000—10 000 Einwohnern, der Anteil der
kleineren und mittleren Leute nimmt mit der Größe der Ge¬
meinden prozentual ab, der der großen Leute erheblich zu.
d) Je größer die Leute sind, desto geringer ist die Zahl
der Militärdienstuntauglichen unter ihnen; nur die ganz
großen Leute (über 180 cm) haben eine etwas geringere Taug¬
lichkeitsquote, als die mittelgroßen und großen Leute.
9. Internationale Vergleiche der Rekrutierungsstatistiken
verschiedener Staaten und damit der körperlichen Tüchtigkeit
der betreffenden Völker sind undurchführbar, da die gesetz¬
lichen Vorschriften hinsichtlich der Diensttauglichkeit, der vor¬
handene Ersatz von dienstpflichtigen jungen Leuten und die
Art der statistischen Erhebungen zu verschiedenartig sind, um
zu vergleichbaren Ergebnissen führen zu können.
II.
1. Der Gesamtkrankenzugang hat in der preußischen Armee,
einschließlich der sächsischen und württembergischen Kontin¬
gente in den letzten 35 Jahren um 35,2 pCt. abgenommen, durch¬
schnittlich jährlich um 1 pCt.
2. Nur Geistes- und Ohrenkrankheiten haben — die ersteren
erheblich, die letzteren um ein geringes — zugenommen, beides
nachweisbar durch die Zunahme in der bürgerlichen Bevölke¬
rung und bessere Diagnosenstellung bedingt.
3. Gegenüber den Heeren der übrigen europäischen
Staaten ist der Gesundheitszustand des preußischen bezw. deut¬
schen sehr günstig.
4. Als ein besonders günstiges Ergebnis hygienischer Ma߬
nahmen ist der Stand der Typhuserkrankungen im Heere zu
betrachten.
a) Von allen europäischen Armeen hat das deutsche Heer
fast dauernd den niedrigsten Zustand an Typhus gehabt. Am
ungünstigsten stehen das französische und das russische Heer.
Alle Heere weisen aber einen erheblichen Rückgang der
Typhuserkrankungen im Laufe der letzten Jahrzehnte auf.
b) Das preußische Heer hat eine geringere Typhussterb¬
lichkeit als die männliche Zivilbevölkerung der entsprechenden
Altersklasse (von 20—25 Jahren).
c) Die Ursachen zu den meisten Typhuserkrankungen im
Heere werden nachweisbar aus der Zivilbevölkerung ein¬
geschleppt.
5. Besondere Beachtung beanspruchen die venerischen
Krankheiten in der Armee.
a) In fast allen Heeren ist im Laufe der Jahre eine zum
Teil beträchtliche Abnahme der genannten Krankheiten ein¬
getreten; sie ist am größten in der preußischen und bayerischen
Armee gewesen.
b) Die großen Städte liefern die meisten venerischen Er¬
krankungen, auch die weitaus meisten geschlechtskranken Re¬
kruten.
c) Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, deren
Ausbreitung in der Zivilbevölkerung und Armee aufs engste
Zusammenhängen, ist für Volk und Heer eine Lebensaufgabe.
6. a) Die' Todesfälle haben in der Armee in den letzten
35 Jahren um 73,1 pCt. abgenommen, im jährlichen Durch¬
schnitt um 2,1 pCt.
b) Gegenüber den fremden Armeen weist die deutsche
Armee hei weitem die niedrigste Sterbeziffer auf.
c) Auch die Sterblichkeit, bezogen auf die Zahl der Be-
I handelten (Letalität), hat im preußischen Heere beträchtlich
abgenommen.
7. a) Die Selbstmordhäufigkeit hat sich im preußischen
Heere in den letzten Jahrzehnten erheblich verringert.
b) Gegenüber den fremden Heeren wird trotzdem das
preußische Heer nur von der österreichisch-ungarischen Armee
in der Höhe der Selbstmordziffer übertroffen.
c) In der Selbstmordbewegung gibt es viele Aehnlichkeiten
zwischen Volk und Armee. Die meisten Selbstmorde erfolgen
in den gleichen territorialen Gebieten, in der gleichen Jahres¬
zeit, bei den Angehörigen gleicher Konfessionen, aus gleichen
Beweggründen.
d) Die Zahl der Selbstmorde bei den Mannschaften des
preußischen Heeres ist in der letzten Zeit nicht mehr höher,
als ihre Zahl in der gleichaltrigen männlichen städtischen Zivil¬
bevölkerung.
e) Die Mittel zur Bekämpfung der Selbstmorde sind für
Volk und Heer die gleichen; ihre Wirkung ist aber nicht so¬
bald zu erwarten, da die Selbstmordhäufigkeit ein Ausfluß des
Volkscharakters ist.
111 . .
1. Der Einfluß der Armee auf das Volk ist ein erziehlicher
in gesundheitlicher und geistiger Beziehung.
2. Der günstige Einfluß der Armee auf die Zivilbevölkerung
ist zahlenmäßig an den Sterbetafeln nachzuweisen. Die Sterb¬
lichkeitskurven der männlichen Bevölkerung sinken in den
20 er bis 30 er Lebensjahren durch die Wirkung des militäri¬
schen Lebens.
3. Auch unmittelbar ist der Einfluß fühlbar: bei der Hilfe
des Sanitätskorps bei ausgebrochenen und drohenden Epi¬
demien; durch Aufdeckung körperlicher Fehler usw. der bei
der Aushebung untersuchten Militärpflichtigen und Zuführung
der Erkrankten in geeignete Behandlung; durch Aufdeckung
gesundheitlicher Schäden und Mängel in bestimmten Gegenden,
Berufsgruppen usw.
4. Die Dienstzeit wirkt nachweisbar günstig ein auf die
geistige Entwicklung der Mannschaften durch Erziehung zu
größerer geistiger Regsamkeit, Klarheit und Entschlossenheit im
Denken und Handeln. Mühlschlegel.
Konrich: Zur Bewertung des Bacterium coli im Wasser.
(Klinisches Jahrbuch, 1910, Bd. 23, H. 1.)
Die Colibacillen finden sich überall auf der Erde, und
zwar um so zahlreicher, je intensiver ein Land unter Kultur
genommen ist. Sie leben sehr lange in der Erde und ver¬
mehren sich wohl auch darin; jedenfalls dauert es lange Zeit,
bis ein mit Colibakterien mfiziertes Land wieder colifrei wird.
Dient eine Fläche als Niederschlagsgebiet für eine Wasserver¬
sorgung oder wird deren Grundwasser benutzt, so wird das
Wasser um so mehr Colikeinte enthalten, je mehr von seinem
Niederschlagsgebiet Kulturland ist, und je durchlässiger die
Erdschichten sind. Einige Gegenden haben daher durchweg
colireiche, andere coliarme oder vielleicht auch colifreie
Wässer. Grundsätzlich Wässer zu verwerfen, die auch in
Mengen von etwa 1,0 ccm noch Colibacillen enthalten, ist un¬
möglich; manche Gegenden haben eben kein anderes Wasser.
Wollte die Hygiene Coligrenzzahlen für die Wasserbegut¬
achtung aufstellen oder gar verlangen, daß ein Trinkwasser
überhaupt keine Bact. coli enthalten solle, so würde sie in der
wichtigen Frage der Beurteilung von Wässern vom gesund¬
heitlichen Standpunkte aus unfruchtbar werden; sie muß zu
Kompromissen bereit sein.
Wie weit sie aber darin gehen darf, wieviel Colibacillen
im gegebenen Falle als gleichgültig betrachtet werden dürfen,
darüber gibt einzig und allein die örtliche Besichtigung der
Wasserentnahmestelle Auskunft. Nur auf diesem Wege kann
ein Urteil darüber gewonnen werden, ob ein Wasser infizier¬
bar ist; niemals auf Grund des Colibefundes.
Zu der grundsätzlichen Unzulänglichkeit der Coliprobe
hinsichtlich der Frage, ob ein Wasser infizierbar sei, kommt
noch ihre sehr große Unzuverlässigkeit und Unregelmäßigkeit
hinzu. Wohl ist es vielleicht möglich, daß jemand an oft unter¬
suchtem Wasser und mit „seiner“ Methode sich ein Urteil
über die jeweilige Güte des Wassers bilden kann; aber die
einfache Keimzählung leistet ganz unzweifelhaft dasselbe und
hat den großen Vorzug der Einfachheit. Neu in Gebrauch
zu nehmendes Wasser aber nach dem Coliverfahren beurteilen
zu wollen, auch dann, wenn der Untersucher auf „seine“
Methode auf das gründlichste eingearbeitet ist, erscheint Verf.
nicht möglich. Von den Untersuchungsmethoden für Trink¬
oder Gebrauchswässer, als welche benutzt werden können:
physikalisch-chemische, bakteriologisch-keimzählende, ort¬
besichtigende und Coliprobe, ist die letzte die bei weitem un¬
zuverlässigste, die für die Praxis kaum Wert hat. Ihr Ergebnis
macht die Ortbesichtigung nicht entbehrlich, sondern erst recht
notwendig. Die Coliprobe leistet nicht mehr als eine ganz
grobe Orientierung über die Ursprungsgegend eines Wassers;
500
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 32.
darüber hinaus versagt sie. Sie in die Methodik der Wasser-
begutachtung einführen, heißt die Methodik zu komplizieren,
ohne sie zu verbessern. Man wird deshalb gut tun, bis auf
bestimmte Fälle die Coliprobe für die Praxis abzulehuen.
Mühlschlegel.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“.,'
Sitzung vom 29. Juni 1910. (Schluß.)
Vorsitzender: Herr Senator.
Die „Hand“ als Instrument des Geburtshelfers.
Herr W. Liepmann: Die „Hand“ als Instrument des Ge¬
burtshelfers wird in der Praxis viel zu wenig berücksichtigt,
obwohl man vermöge verschiedener methodischer Handgritfe
imstande ist, viele Geburten im Privathause zu Ende zu brin¬
gen, die gewöhnlich der Klinik überwiesen werden. Der
Peter Müller sehe Handgriff ermöglicht es in der Schwan¬
gerschaft die Größe des kindlichen Kopfes abzuschätzen, in¬
dem man sich bemüht, den Kopf ins Becken zu pressen. Später¬
hin in der Geburt vermag man bei engem Becken oft durch
diesen Handgriff (H o f m e i e r) den Kopf ins Becken zu
bringen und den Wehen einen Teil der Arbeit abzunehmen.
Vortragender wurde zu einer Erstgebärenden mit anscheinend
rachitisch verengtem Becken (Conjugata vera 9 cm) gerufen,
weil die Geburt keine Fortschritte machte. Er brachte die
Frau in die Walcher sehe Hängelage und führte unter Nar¬
kose den Hofmeier sehen Handgriff aus, darauf erfolgte
nach einer halben Stunde die spontane Entbindung. — Auch
wo die Indikation drängt, die Operation der hohen Zange aus¬
zuführen, sollte dieser Handgriff, der in vielen Operations¬
lehren gar nicht erwähnt ist, Anwendung finden. Ebensowenig
geübt wird ungerechterweise der Martin-Wiegand-
Winckelsche Handgriff, der bei nachfolgendem Kopfe an¬
gewendet werden soll, und zwar wenn dieser über dem Becken
stehen bleibt. — Bei Gesichtslage empfiehlt sich vielfach der
Dohm sehe Handgriff, der darin besteht, daß man die eine
Hand an den kindlichen Kopf legt, während man mit der an¬
deren an die Bruslseite des Kindes geht und versucht aus der
Gesichtslage eine Flexionslage zu machen; gleichzeitig läßt
mau durch die Hebamme den Steiß nach unten pressen. Vor¬
aussetzung ist 1. daß Mutter und Kind gesund sind, 2. daß keine
Ausziehungserscheinungeu vorhanden sind und 3. daß der
Kopf beweglich ist. Der Handgriff ist auch bei Stirnlage indi¬
ziert; bei dieser ist es notwendig, die Stirnlage in eine Ge¬
sichtslage zu verwandeln, sobald es nicht gelingt, eine Flexions¬
lage herbeizuführen. Ein wichtiges Gebiet stellen die falschen
Drehungen des Kopfes dar. Wenn bei Gesichtslage das Kinn
sich nach hinten drehen will, gehe man mit der Hand ein, um¬
fasse den Kopf und suche das Kinn nach vorn zu schieben.
Die Zange als Drehinstrument anzuwenden, wäre hier grund¬
falsch und gefährlich. Bei Vorfall der Nabelschnur ist die
Hand das beste Instrument für die Reposition. Desgleichen ist
die Hand das schonendste Instrument für die Erweiterung der
Cervix, allerdings muß das Dilatieren mit der Hand geübt
werden.
Bei Placenta praevia wird die Wendung mit 2 Fingern
nach B raxton Hicks oder die Metreuryse und Extraktion
empfohlen. Vortragender hält die Ausführung der ersteren
für sehr schwierig; die Metreuryse erfordert eine gewisse
Uebung. Die Wendung mit der ganzen Hand wiederum ist
nicht ohne Gefahren, daher bleibe in der Praxis oft nichts
übrig, als den Fall an die Klinik abzugeben. Ganz vorzüglich
ist in diesem Falle, wenn die Blase noch steht, die Methode
Strassmanns. Diese besteht 1. in der äußeren Wendung,
2. im Herabholen des Fußes mit 2 Fingern. Zum Schluß
empfiehlt Vortragender den sogenannten Kegelkugelhandgriff,
den er in einem Falle, und zwar bei einer Kreißenden mit
schwerem Herzfehler erprobt hat. Der Muttermund war drei¬
markstückgroß, weichsäumig, der Kopf stand im Beckeneingang
fest, die Wehen waren gut. Er ging mit 2 Fingern in den
Muttermund und massierte ihn, jetzt erkannte er, daß der Kopf
nicht groß war, umfaßte ihn wie eine Kegelkugel und konnte
durch Zug von innen und Druck von außen innerhall) 5 Mi¬
nuten das Kind gewissermaßen an den Haaren herausziehen.
Im allgemeinen ist dieser Handgriff nur bei kleinen Früchten
ausführbar und soll ausgeführt werden, wenn die Beendigung
der Geburt indiziert ist.
Sitzung vom 6. Juli 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Vor der Tagesordnung:
Herr L. Michaelis stellt das vor 8 Tagen gezeigte Kind
nach der Behandlung mit dem Ehrlich sehen Syphilismittel
als geheilt vor. Alle Erscheinungen sind bis auf die Koryza
zurückgegangen. Die Behandlung bestand in einer einmaligen
Einspritzung von 0,06 g. Vortragender fügt noch einige de¬
taillierte Angaben über die Herstellung der zur Injektion
dienenden Lösung hinzu.
Tagesordnung:
Diskussion über den Vortrag des Herrn
W. Liepmann: Die „Hand“ als Instrument des
Geburtshelfers.
Herr Hammerschlag drückt seine Zustimmung dem Vor¬
tragenden gegenüber darin aus, daß die operative Geburtshilfe
im wesentlichen auf manueller Geschicklichkeit beruhe. Darin
müsse er dem Vortragenden widersprechen, daß der Veit-
S m e 11 i e sehe Handgriff bei über dem Becken stehenden
Kopfe nicht auszuführen sei. Auf der anderen Seite eigne sich
der Wiegand-Martin-Winckelsehe Handgriff für viele
Fälle. Was die Ausführung desselben betrifft, so würde Redner
im Gegensatz zum Vortragenden Vorschlägen, das Kinn auf
die Brust herabzuziehen. Ist der Beckeneingang nicht über¬
mäßig verengt, dann geht der Kopf ohne weiteres hindurch,
ist er verengt, so können allerdings Impressionen erzeugt
werden. Wenn man das Kinn nicht hinünterzieht, läuft man
aber die größere Gefahr, die Schädelbasis zu verletzen oder
die Schuppe des Hinterhauptbeins von den Partes condyloideae
abzusprengen. Ferner kann H. dem Vortragenden darin nicht
beipflichten, was er bezüglich der Schwierigkeit der kombi¬
nierten Wendung bei Placenta praevia gesagt hat. Diese
Schwierigkeit bleibt auch daun bestehen, wenn man vorher
die äußere Wendung auf den Steiß gemacht hat. Was den
Kegelkugelhandgriff betrifft, so ist ja die Kombination der
Kristeller sehen Expression von außen mit der Erweite¬
rung des Muttermundes von innen ein gutes Verfahren und soll
angewendet werden, wo es möglich ist. Sie ist aber nicht für
alle Fälle brauchbar, so z. B. nicht, wenn die Weichteile nicht
eröffnet sind. Die Erweiterung der Weichteile hat ihre Grenze;
bei rigidem Muttermund der Ertsgebärenden und bei nicht
verstrichenem Cervicalkanal ist die Dehnung des Muttermundes
im Innern nicht einfach und nicht ungefährlich.
Herr W. Liepmann (Schlußwort): Wenn das Mißverhältnis
nicht sehr groß ist, kann man auch bei über dem Becken
stehenden Kopf den Veit-Smellie ausführen. Die Wendung
nach Braxton Hicks muß L. nach seinen Erfahrungen
in Aerztekursen für eine schwierige Operation halten. Die
Schwierigkeit des Heraushebens des Fußes nach voraus¬
gegangener äußerer Wendung möchte L. dagegen nicht so
hoch anschlagen. Ferner sucht L. auseinanderzusetzen, daß bei
dem Kegelkugelhandgriff die Hand als das schonendste In¬
strument anzusehen ist. In einem Fall von Gesichtslage und
dringender Indikation zum Eingriff bei einer Erstgebärenden
— Muttermund erweitert, Gesicht quer im Beckeneingang, Wen¬
dung nicht ausführbar, Blase gesprungen — versuchte L. den
Handgriff als Extraktor, und es gelang ihm, den Kopf bis über
die Beckenmitte hinunterzuziehen, so daß er dann im schrägen
Durchmesser die Zange anlegen konnte.
Herr Waldeyer macht einige Mitteilungen über das Pro¬
gramm für das am 26. Oktober stattfindende 50. Stiftungsfest
der medizinischen Gesellschaft. 1. Festsitzung im Laufe des
Tages, 2. in der Philharmonie um 8 Uhr Festkommers, 3. Fest¬
spiel, für das Herr Peyser sorgen wird. Die Ausgabe der
Teilnehmerkarten zum Preise von 2 Mark findet bereits am
1. Oktober bei Herrn Melzer statt. Britzmann.
(Schluß folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
Ueber die Technik der Behandlung mit dem neuen Ehr-
lich-Hataschen Arsenpräparat No. 606, dem Dioxyd ia-
midoarsenobenzol, wird in einer Arbeit von Schreiber
und Hoppe (Münchener med. Wochenschrift, 1910, No. 27)
folgendes angegeben: Das Dioxydiamidoarsenobenzol ist nur
als Dichlorat haltbar. Da es aber als doppeltsaizsaures Salz
nicht eingespritzt werden darf, wird es kurz vor der Injektion
durch Zusatz von Natronlauge in das Mono- oder Dinatrium-
salz übergeführt und gelöst. Diese Lösung ist aber nur kurze
Zeit haltbar, muß also stets frisch hergestellt werden. Die
Verff. verfahren folgendermaßen: ln einen Mischzylinder von
150 ccm wird die Einzeldosis 0,6—0,7 g und 0,5 Methylalkohol
hineingetan. Sobald die Substanz durchfeuchtet ist. wird etwa
10 ccm steriles Wasser hinzugefügt und ordentlich durch-
| geschüttelt. Dann wird soviel sterile Normal-Natronlauge
hinzugesetzt, daß höchstens ein kleiner Rest der Substanz
| nach längerem kräftigen Durchschütteln imgelöst bleibt, man
j braucht dazu ungefähr 3(4—4 ccm Normal-Natronlauge. Dann
wird Wasser bis zum Teilstrich 60 aufgefüllt und von der so
erhaltenen Lösung werden je 30 ccm durch eine feine Kanüle
unter möglichst langsamem Druck in die rechte und in die
linke TJlutäalmuskulatur eingespritzt. Eine Neutralisation der
Lösung mit 1 proz. Essigsäurelösimg hat sich nicht bewährt.
501
No. |2. ___THER APE UTISCHE
Geheimrat Ehrlich gibt jetzt folgende abgeänderte Vor¬
schrift: Man löst unter gutem Verreiben mit einem Glasstab
0,6 g Substanz in 3 ccm Glykol, Zusatz weniger Tropfen
Wassers erleichtert die Lösung. Nun gibt man 12 ccm Wasser
hinzu, schüttelt um und versetzt auf einmal mit 10,3 ccm
’/r. normal NaOH. Beim Umschütteln entsteht eine klare Lö¬
sung, die mit Wasser auf 60 ccm ergänzt wird. Verdünnte Lö¬
sungen für intravenöse Injektionen werden folgendermaßen
bereitet: Lösung A: 0,6 g Substanz, 0,3—0,5 ccm Methylalkohol
oder 3 ccm Glykol. Lösung B: 240 oder mehr ccm physiolo¬
gischer NaCl-Lösung, 10,3 ccm V r , NaOH. Unter gutem Um¬
rühren wird Lösung A in Lösung B eingegossen. Nach der
Injektion bleibt der Patient einige Zeit auf dem Bauch liegen.
Meistens halten die Schmerzen nach der intraglutäalen Injek¬
tion mehrere Stunden an, es bleibt dann ein dumpfes Gefühl
in der Muskulatur zurück, welches noch mehrere Tage an¬
dauern kann. Es empfiehlt sich, die Patienten 4 Tage im Bett
liegen zu lassen. Die intravenösen Injektionen sind, abgesehen
von dein Einstich, schmerzlos; Zwischenfälle sind dabei bis
jetzt nicht vorgekommen. R, L.
Hermann Schlüter beschreibt in seiner Arbeit über die
Erfolge der Uterusspülungen hei Fieber im Wochenbett die an
der Straßburger Klinik übliche Technik der Uterusspülungen:
Lagerung der Wöchnerin auf das Querbett; vor Beginn der
Gebärmutterirrigation Sekretentnahme aus der Uterushöhle,
wo die Portio ohne irgendeine vorhergehende Desinfektion der
Patientin mit hinterer und vorderer Rinne eingestellt und mit
Muzeux angehakt wird. Abimpfen und Abschaben mit Döder-
1 e i n scher Röhre, die geschlossen in den Uterus eingeführt und
deren Spitze von den mit sterilen Tüchern belegten Bauch¬
decken her durch Auflegen der Hand kontrolliert wird. Die
Röhre wird alsdann geöffnet und bei fortgesetzter Kontrolle, von
außen die Uteruswand mehrmals vorsichtig abgeschabt, worauf
die Röhre geschlossen herausgeleitet wird. Sodann Einführen
des doppelläufigen B i s c h o f f sehen Uteruskatheters und Ein¬
laufenlassen von 2—3 Liter Spülflüssigkeit. Gespült wurde mit
1 —2 proz. Lysollösung, manchmal auch mit 5—10 proz. Wasser¬
stoffsuperoxydlösung, seltener mit Formalin und Alkohol. For¬
malin wurde in einer Verdünnung von 5—7 pCt., Alkohol 6proz.
angewandt. Nach den gewonnenen Resultaten ist die Wertein¬
schätzung dieser Irrigationen inder Klinik von dem Befund
der bakteriologischen Untersuchung des aus der Gebärmutter
steril entnommenen Sekrets abhängig; bei positivem Strepto¬
kokkenbefund sind die uterinen Ausspülungen kontraindiziert,
doch möchte sie Verf. nicht missen in den Fällen von Puerperal¬
fieber, in denen die geimpften Platten entweder steril blieben
oder andere Kolonien als Streptokokken aufkeimen ließen.
Der praktische Arzt dagegen, der im allgemeinen eine bakterio¬
logische Lochialuntersuchung nicht machen kann, wird gut
tun, wenn bei Fieber im Wochenbett Scheidenspülungen und
Ergotindarreichung nicht von Erfolg sind, eine Uterusspülung
zu machen und erst dann, wenn er beobachtet, daß auch diese
ohne Erfolg bleibt, von weiteren solchen Irrigationen Abstand
zu nehmen, in der Annahme, daß es sich um Streptokokken-
Endometritis handelt, bei der eine Uterusspülung nichts nützt,
sondern eher Schaden bringen kann. (Diss., Straßburg 1910.)
F.
IV. Bücherschau.
Die Kncippschc Hydrotherapie. Von Dr. Alfred Baumgarten,
Dr. med. und prakt. Arzt. Mit 109 Holzschnitten, 13 Zink¬
ätzungen, 78 Tabellen und 567 Sphygmogrammen. Wöris-
hofen 1909, Buchdruckerei und Verlags-Anstalt Wöris-
hofen. 895 S.
Das dickleibige, fast 900 Seiten starke Buch bietet in sehr
breit geratener Darstellung eine Schilderung der von Kneipp
geschaffenen, von dem Verfasser, seinem ärztlichen Nachfolger,
in manchen Punkten modifizierten Hydrotherapie. Der erste
Teil ist der allgemeinen Hydrotherapie gewidmet, d. h. der
Erörterung der physiologischen Wirkungen der hydrothera¬
peutischen Prozeduren, wobei Verf. mittels der Hilfsmittel der
Thermometrie, Kalorimetrie und Sphygmographie dem
Kneipp sehen System eine wissenschaftliche Grundlage zu
geben sucht. In derselben Weise bespricht Verf. in dem
zweiten Teil die einzelnen hydriatrischen Prozeduren auf
Grund zahlreicher thermometrischer, sphygmographischer und
kalorimetrischer Messungen. Auf Einzelheiten wollen wir hier
nicht eingehen. Der ärztliche Leser wird in dem Buch nicht
wenige Ansichten finden, die zum Widerspruch herausfordern;
vor allem wird, wer als Arzt Hydrotherapie treibt, sie nach selb¬
ständigen Erwägungen auf Grund seiner physiologischen
Kenntnisse und seiner im ärztlichen Leben gewonnenen Er¬
fahrungen ausüben. Aber als ausführliche Darstellung der
Technik der Kn ei pp sehen Hydrotherapie aus ärztlicher
Feder dürfte dieses mit großem Fleiß ausgearbeitete Buch doch
RUNDSCHAU 1910.
die Beachtung der Kollegen, welche sich für die physikalischen
Heilmethoden interessieren, verdienen. Die Ausstattung des
Werkes ist eine recht gediegene.
Das Trachom in Ostpreußen. Kurzgefaßte Darstellung seiner
Pathologie und Therapie. Von Dr. Kiisel, Stabsarzt in Gum¬
binnen, ehemaligem Oberarzt der Königl. Universitäts¬
augenklinik in Königsberg. Sammlung zwangloser Abhand¬
lungen aus dem Gebiete der Augenheilkunde, VIII. Band,
Heft 2. Halle a. S. 1910, Carl Mar hold Verlagsbuch¬
handlung. 80 S. 1,80 Mk.
Der Verfasser der vorliegenden Monographie hatte in
seiner früheren Tätigkeit in der Königsberger Universitäts¬
augenklinik Gelegenheit, sich mit der Pathologie und Therapie
des Trachoms eingehend zu beschäftigen; er stellt nun auf
Grund der Erfahrungen der Königsberger Klinik die Klinik
des Trachoms zusammenfassend dar, speziell mit Rücksicht auf
die Bedürfnisse der praktischen Aerzte. Nach einer historisch¬
geographischen Einleitung, in der er die Geschichte und Ver¬
breitung der Körnerkrankheit schildert, bespricht er weiter
die Aetiologie, den Krankheitsverlauf des Trachoms im all¬
gemeinen, ferner geht er auf Besonderheiten im Verlauf (Re¬
zidive usw.), sowie auf die Komplikationen ein, die zum
Trachom hinzutreten können; zum Schluß bespricht er die
Diagnose und Prognose sowie die pathologische Anatomie der
Krankheit. Der Therapie ist kein besonderes Kapitel, auch
keine kurze Besprechung gewidmet; Verf. erwähnt nur ge¬
legentlich die operative Behandlung, ohne sie zu beschreiben,
die nichtoperativen Methoden berücksichtigt er überhaupt
nicht. Deswegen ist es nicht recht zu verstehen, daß im Titel
der Abhandlung von der Therapie die Rede ist. Im übrigen
bietet aber die Abhandlung den Kollegen gute Belehrung und
sei deshalb zum Studium empfohlen. R. L.
V. Feuilleton.
Zur Geschichte der Medizin.
Der ärztliche Stand in Rom in den ersten Jahrhunderten
des Kaiserreiches.
Von
Eduard Felix Ileeger (Greifswald).
In den altersgrauen Hallen der Geschichte besitzt auch
die Heilkunde ihre eigene große Kapelle, die nicht ein zu¬
fälliger Anbau, sondern ein wesentlicher Bestandteil des er¬
habenen Tempels ist. Denn dieses Gebäude ist ein Archiv,
welches auf ehernen Tafeln von allem Kunde enthält, was die
Zeit in den Reichen der Natur und des Geistes zutage förderte,
deren Harmonie der Mensch hier erkennen lernen soll. Die
vollkommenste Verschmelzung von Natur und Geist ist die
Menschheit, und die nach dem Ratschlüsse des höchsten Geistes
geleitete Entwicklung derselben die erhabene Aufgabe, deren
Lösung der Forscher in diesen Hallen zu linden strebt. Wenn
nun die Menschheit ihre Entwicklung vorzugsweise durch
Kunst und Wissenschaft betätigt, Kunst und Wissenschaft aber,
wie mannigfach auch gegliedert, ein großes organisches Ganze
bilden, dessen Metamorphosen die Geschichte verfolgt und
verzeichnet, so darf die Heilkunde nicht fehlen, welche, den
Menschen allseitig auffassend, von der Entwicklung seines
Geistes das sprechendste Zeugnis ablegt. Da die Heilkunde
nur ein Fragment ist aus dem großen Ganzen der Wissen¬
schaften, deren Fäden in sie verlaufen, so hängt mit der Ge¬
schichte derselben ihre eigene Geschichte auf das engste zu¬
sammen. Zuerst steht sie mit der Weltgeschichte im innigsten
Verhältnis. Das Leben der Staaten und Völker spiegelt sich
im Leben der Wissenschaften wieder, und was das Schicksal
über jene verhängt, das läßt auch diese nicht unberührt. Große
welthistorische Begebenheiten haben daher immer irgendeine
bedeutende Entwicklungsepoche der Heilkunde im Gefolge;
große Völkerbewegungen, mächtige Heereszüge, Kriege zu
Land und See, Aufschwung und Verfall der Staaten, neu er-
öffnete Handelswege erweitern nicht nur materiell das Gebiet
der Heilkunde, sondern rufen auch andere intellektuelle
Formen derselben hervor. Eine andere sehr nahe Beziehung
hat die Geschichte der Medizin zur Kulturgeschichte des
Menschengeschlechts und zur Bildungsgeschichte der einzelnen
Völker, von welcher sie selbst ein wichtiges Moment ist. Sie
muß daher aufgefaßt werden im Verhältnis zur Religion, zu
den Gesetzen, den Sitten, der Industrie und dem daraus er¬
zeugten Nationalcharakter, welcher den Wissenschaften bei den
verschiedenen Völkern ein verschiedenes Gepräge aufdrückt.
Auf diese Weise erhält die Heilkunde eine volkstümliche Ge¬
stalt, die sich nicht nur bei Völkern mit schärfer ausgeprägter
Physiognomie, wie bei Aegyptern, Griechen, Arabern, sondern
selbst in der Medizin der durch europäische Kultur sich so
verwandten Franzosen, Engländer, Italiener und Deutschen
erkennen läßt. Endlich steht die Heilkunde im innigsten
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No..32.
50 2
Bunde mit der Philosophie. Durch sie erhält jede Wissen¬
schaft erst ihr eigentliches Leben, ihre Bedeutung und Würde,
und neben der Selbständigkeit das Bewußtsein ihrer organi¬
schen Verbindung mit den übrigen Wissenschaften. Drum
schmiegt sich auch die Heilkunde kindlich dieser Mutter alles
Wissens an, aus deren Hand sie die Fackel der Erkenntnis und
den Schlüssel zu den Schatzkammern der Erfahrung erhält.
Wie demnach die Systeme der Philosophie wechselten, wan¬
delten auch die Theorien der Heilkunde sich um; wie dort
das Licht der Vernunft sich verdunkelte oder durch trübe
Mittelkörper gebrochen zu einem undeutlichen Farbenspektrum
ward, so artete auch die Heilkunde aus, wenn zügellose Spe¬
kulation oder Schwärmerei sich ihrer bemächtigte und sie zu
unwegsamen Höhen mit sich fortriß, oder sie unter der Schwere
des Stoffes entgeistet in bodenlosem Abgrund versank.
Das Studium der Sittengeschichte Roms nun gewährt uns
einen klaren Einblick in die sozialen Zustände des Weltreiches
und gestattet uns eine Vergleichung der damaligen Verhält¬
nisse mit den unsrigen.
Von höchstem Interesse für jeden Gebildeten wird es
darum sein, bekannt zu werden mit dem staatlichen und bürger¬
lichen Leben im alten Rom, welches zahlreiche Anknüpfungs¬
punkte bietet zu Betrachtungen über die Zustände der Neuzeit.
Besonders hat es ein Schriftsteller, Professor Ludwig
Friedländer in Königsberg, mit Erfolg unternommen, die
Sittengeschichte des römischen Kaiserreiches in den ersten
Jahrhunderten nach Christus darzustellen 1 ), und ich glaube
im Einverständnis mit den Lesern dieser Zeitschrift zu handeln,
wenn ich einiges über den ärztlichen Stand in damaliger Zeit
hier mitteile.
Griechenlands Blütezeit war längst vorüber, als bei den
Römern, die sechshundert Jahre hindurch fast kein anderes
Streben als Krieg und Eroberung gekannt hatten, die Ent¬
wicklung geistiger Fähigkeit kaum sich zu regen begann. Aus
Etrurien und Großgriechenland drangen zwar früh einige
Schimmer der Kultur nach Rom, aber sie konnten das Dunkel
des Aberglaubens und der Unwissenheit nicht verscheuchen.
Strenge einfache Lebensweise machte dem kräftigen Volke die
Heilkunde fast entbehrlich, deren wahres Bedürfnis auch erst
in der Zeit ausartender Sitten entstand. Einstweilen befragte
man in Zeiten der Not und der Seuchen die sibyllinischen
Bücher, oder rief Gottheiten an, die ihren Namen von körper¬
lichen Uebeln oder gewissen Hilfeleistungen erhielten (F e -
b r i s, Fessonia, Prosa, Postverta, In tersidona,
Cama, Ossipaga), bis der Dienst des griechischen
Asklepios nach Rom verpflanzt wurde und Aesculap
seinen Wohnsitz auf der Tiberinsel aufschlug. Gewinnsucht
lockte allmählich griechische Abenteurer, meistens Bader,
Jatralipten und Pharmakopolen, oder Sklaverei brachte sie in
den Dienst einiger Großen nach Rom, wo sie dann als Frei¬
gelassene ihr rohes ärztliches Gewerbe in Marktbuden trieben,
in denen die Krankheit Hilfe suchte und der Müssiggang Kurz¬
weil fand. Noch bis in die späteste Zeit wurde der ärztliche
Beruf von Freigelassenen und Sklaven ausgeübt 2 ). Die freien
Aerzte in Rom waren zum größten Teil Ausländer, nament¬
lich Griechen und Orientalen, besonders Aegypter,
denen Cäsar, wie den Lehrern, wenn sie sich dort ansiedelten,
das Bürgerrecht verlieh, und welche auch zur Heilung ge¬
wisser in ihrer Heimat endemischer Krankheiten, eigens nach
Rom berufen wurden. Römer, sagt Plinius, befaßten sich
mit der ärztlichen Kunst nur ausnahmsweise 3 ). Die Patienten
hatten zu Ausländern mehr Vertrauen, doch gab es auch nam¬
hafte und gesuchte römische Aerzte, namentlich unter den Hof¬
ärzten der ersten Kaiserzeit. Seitdem Antonius Musa,
den Augustus glücklich durch eine kühne Kaltwasserkur
gerettet hatte, nachdem er von den übrigen Aerzten schon auf¬
gegeben war 4 ), stieg das Ansehen der kaiserlichen Leibärzte,
von denen Andromachos durch Nero zuerst den Titel
eines Archiater erhielt und so die Archiatri pala-
t i n i entstanden, deren Rang späterhin der Fürstenwürde
gleichkam. Außerdem hatte zu der Zeit jede Stadt je nach
ihrer Größe eine bestimmte Anzahl öffentlicher, von der Mu¬
nizipalität gewählter Aerzte, die ein eigenes Kollegium bil¬
deten, ansehnliche Besoldung und Befreiung von vielen öffent¬
lichen Lasten genossen, aber dafür die Aufsicht über das ge¬
samte ärztliche Personal führen, Prüfungen abhalten, Arme
unentgeltlich behandeln und junge Leute in der Heilkunde
unterrichten mußten. Viele Aerzte fanden bei Gladiatoren¬
schulen, eine sehr große Anzahl bei den Truppen aller Gat¬
tungen Anstellung.
Da es aber im Altertum keine Prüfungen und nur eine
sehr beschränkte Verantwortlichkeit der Aerzte gab, so dräug-
') Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit
von August bis zum Ausgang der Alt t o n i n e. Von Ludwig
Friedländ.er. Professor in Königsberg. Sechste, neu be¬
arbeitete und vermehrte Auflage, I, Leipzig 1888, Hirzel.
2 ) Marauardt: Privatleben der Römer, I., 156, 9.
3 ) Plinius: N. h„ XXIX, 17,
4 ) Friediähder: 886.
ten sich viele Unberufene zur Ausübung der Kunst, die im
Falle des Gelingens sehr einträglich war. Schuster, Zimmer-
leute, Färber, Schmiede 5 ) gaben ihr Handwerk auf und wurden
Aerzte und unter diesen Pfuschern nahmen die Verfertiger
von Salben und offizinellen Waren einen hohen Rang ein.
Galen versichert, daß die meisten, die sich zu seiner
Zeit dem ärztlichen Berufe widmeten, nicht einmal gut lesen
konnten, und warnt seine Kollegen, sich im Gespräch mit ge¬
bildeten Patienten vor Sprachfehlern zu hüten"). Aerzte
wiederum, denen es nicht glückte, wurden Leichenträger odei
ergriffen das Gladiatorenhandwerk; wenigstens witzelt M a r -
t i a 1 über solche, die nun in ihren neuen Gewerben dasselbe
taten, was sie in ihrem alten getan hatten').
Der Zudrang steigerte sich, seit Thessalus von
T r a 11 e s , selbst roh und ungebildet, erklärte, daß sechs Mo¬
nate zut Erwerbung der erforderlichen medizinischen Kennt¬
nisse hinreichend seien und daher einen Troß von Schülern
aus dem gemeinsten Pöbel hinter sich herzog, mit welchen er
seine Kranken besuchte, damit eine Unsitte einführend, die
M a r t i a 1 s ) in folgenden Worten geißelte:
Elend war ich und krank, da kämest sofort Du von hundert
Schülern rüstig gefolgt, Symmachus, eilends zu mir.
Hundert Hände, von Frost erstarrt, befühlten den Puls mir;
Hatt’ ich das Fieber noch nicht, Symmachus, hab’ ich es jetzt!
Vielleicht hat das handwerksmäßige Betreiben der Heil¬
kunde zur Vermehrung der Spezialärzte beigetragen, deren
wenigstens, abgesehen von den ärztlichen Gehilfen, ziemlich
viele beiläufig erwähnt werden: nicht nur Zahnärzte, Ohren-
und Augenärzte (und besonders Augenoperateure) und
Aerztinnen für Frauenkrankheiten, sondern auch Aerzte,
welche sich speziell mit der Behandlung von Brüchen, Fisteln,
Krankheiten des Zapfens beschäftigten"). Nichtchirurgen ent¬
hielten sich in Rom in der Regel der Behandlung chirurgischer
Fälle. (Schluß folgt.)
VI. Tagesgeschichte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Qesetzgehung, soziale
Medizin etc.
Graudenz. Bei der Bewerbung um die Stelle eines
Gefängnisarztes in Graudenz war von der Vertragskom-
mission der Aerztekammer eine Bestimmung des
Anstellungsvertrages beanstandet worden, nach der sofor¬
tige Entlassung ohne weitere Ansprüche
möglich sein sollte, wenn der Arzt sich wei-
gerlt, den Anordnungen des Regierungsprä¬
sidenten nachzukommen. Die Vertragskommission
war der Ansicht, ein Arzt dürfe keine Verpflichtung eingehen,
auf Grund deren er unter Umständen Anordnungen zu be¬
folgen habe, die er vom ärztlichen Standpunkt aus für schäd¬
lich und als gegen seine ärztliche Pflicht verstoßend ansehe.
Ein Militärarzt hatte trotzdem die Stelle angenommen und des¬
halb sein Abschiedsgesuch eingereicht. Es war damals wegen
der Einleitung eines ehrengerichtlichen Verfahrens zu einem
Konflikt zwischen dem Vorsitzenden der Aerztekammer und
dem Oberpräsidenten gekommen. Die Angelegenheit zog noch
weitere Kreise dadurch, daß der nunmehrige Gefängnisarzt
gegen den Redakteur des „Aerztl. Vereinbl.“ Sanitätsrat Dr.
H e i n z e in Leipzig, der die Sache in seiner Zeitschrift kri¬
tisch beleuchtet hatte, eine Beleidigungsklage anstrengte. In
zwei Instanzen wurde dementsprechend Dr. Heinze zu
300 Mark Geldstrafe verurteilt und dem Privatkläger die Be¬
fugnis, das Urteil im „Aerztl. Vereinsbl.“ und im Graudenzer
I „Geselligen“ zu publizieren, zugebilligt. In der Begründung
des Urteils erklärte das Schöffengericht den Vertrag für ein-
wandsfrei. In der Begründung hieß es u. a.:
„Die Disziplin in der Strafanstalt erfordert, daß der be¬
treffende Arzt den Anordnungen des Regierungspräsidenten,
und zwar auch in Angelegenheiten, die auf das
ärztliche Gebiet hinüberspielen, wie die Ent¬
ziehung der Nahrung, des Schlafes und Lichtes, unbedingt
Folge leistet.“ T .
Auf denselben Standpunkt stellte sich die zweite Instanz,
die dritte Strafkammer des Landgerichts in Graudenz:
„Die Disziplin in einer solchen Anstalt erfordert, daß alle
Beamten sich einem ihrer Vorgesetzten unbedingt unter-
ordnen, und daß bei dem Anstaltsarzte, selbst
dann, wenn es sich um rein Wissenschaft-
liehe, sein Fach betreffende Fragen handelt,
eine Ausnahme nicht gemacht werden kann.“
5 ) Galen: De meth. med.. 1. 1. eil K. X.. p.
•) Galen: Comm. in Hippokr. epid, IV.,
2, p. 146.
7 ) Martial: I.. 30, VIII.. 74, I., 47.
8 ) Martial: Epigr. lib. V.. 9.
“) Friedländer: 340—41.
5.
9 ed K. XV
II.,
'No. 32.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
503
Durch diese von der Regierung unter Approbation der Ge¬
richte bekundete Auflassung wird die Annahme einer Ge-
fängnisarztstefie solchen Aerzten, die als Richtschnur für ihr
ärztliches Handeln einzig ihre wissenschaftliche Ueberzeu-
gung anerkennen, geradezu unmöglich gemacht.
Eupen. Wie wir in der „Pharmäc. Ztg.“ lesen, hatten
die hiesigen Aerzte beschlossen, eine organisierte Sonntags¬
ruhe einzuführen in der Weise, daß sie nur früh eine Sprech¬
stunde abhalten wollten, für den übrigen Teil des Tages aber
stets ein Arzt für Notfälle zur Verfügung stehen solle. Die
Durchführung dieses Beschlusses ist indessen bei den Kran¬
kenkassen auf Widerstand gestoßen, weil er den zwischen
Aerzten und Kassen bestehenden Verträgen angeblich wider¬
spreche.
R o m. Die italienische Deputiertenkammer hat im Juni
ein neues Sanitätsgesetz angenommen. Nach diesem Gesetze
dürfen für die Zukunft in Italien nur solche ausländische
Aerzte Praxis ausüben, welche das italienische Staats¬
examen rite abgelegt haben, oder deren Staat auch den
italienischen Aerzten ohne Ablegung eines besonderen Exa¬
mens die Ausübung der Praxis gestattet. Als Uebergangs-
beStimmung ist im Gesetz der Passus aufgenommen
worden, daß diejenigen ausländischen Aerzte, welche seit
3 Jahren in die Steüerrollen eingetragen sind und während
dieser Zeit ein Einkommen aus ihrer ärztlichen Praxis in
Italien besteuert haben, das Recht behalten, weiter zu prakti¬
zieren.
ifcjJTJ .
Universitätswesen, Personalnachrichten.
Berlin. Am 30. Juli fanden an der hiesigen Universität
zwei Abschiedsvorlesungen statt, die von zwei der hervor¬
ragendsten Hochschullehrer, dem Gynäkologen Prof. Robert
v. Olshausen und dem Internisten Prof. Hermann Se¬
nator, gehalten wurden. Beide haben ihr Lehramt wegen vor¬
gerückten Alters bei noch ungeschwächter geistiger Kraft und
in körperlichem Wohlbefinden niedergelegt, v. Olshausen
zog in seinen Darlegungen eine historische Parallele zwischen
dem gynäkologischen Unterricht vonheute und dem vor58 Jahren,
als er selbst seine Studien begann. Nachdem er seine inter¬
essanten Ausführungen geendet, sprach namens der jetzigen
Assistenten Oberarzt Dr. Jolly, namens der früheren Pro¬
fessor Koblanck, dem Lehrer Dank aus, darauf sprachen
im gleichen Sinne zwei Studenten. Namens des Rektors der
Universität und der medizinischen Fakultät, deren ordentliche
Professoren fast vollzählig erschienen waren, würdigte der
Dekan Geh. Medizinalrat Prof. B u m m , der Nachfolger Ols-
hausens, dessen Lehrtätigkeit. Zum Schluß der Vorlesung
wurde den Hörern ein kleines Schriftchen verteilt, „Sententiae
controversae aus der Gynäkologie und Geburtshilfe, meinen
Schülern gewidmet“, in dem v. Olshausen einige wichtige
Lehren in knappen Worten seinen Schülern noch einmal ans
Herz legt.
Wenige Stunden später hielt Senator seine letzte Uni¬
versitätsvorlesung, ebenfalls unter großer Beteiligung seitens
früherer Schüler und Fakultätskollegen. Für die Schüler und
Assistenten hielt zunächst Prof. Dr. P. F. Richter eine An¬
sprache, dann sprach ein Vertreter der Studierenden und end¬
lich nahm Prof. Kraus als engerer klinischer Kollege S e -
nators das Wort zu einer warmherzigen Würdigung des
Scheidenden. Nunmehr erhob sich Senator selbst, um nach
Dankesworten an die Vorredner einen Rückblick auf seinen
Entwicklungsgang zu werfen, wobei er interessante Streiflichter
auf die Geschichte der Medizin in den letzten 50 Jahren und
die Wandlungen in der Wertung des ärztlichen Standes in
diesem Zeitraum fallen ließ.
— Als Nachfolger B u m m s ist Prof. Dr. Franz, der
erst seit kurzem den gynäkologischen Lehrstuhl in Kiel inne
hat, zum Direktor der geburtshilflich-gynäkologischen Klinik
der Charite ernannt worden.
— Mit dem Schlüsse des Sommersemesters hat Geheimrat
Prof. Dr. v. Leyden wegen andauernder Kränklichkeit die
Leitung des Instituts für Krebsforschung nieder¬
gelegt. Ueber seinen Nachfolger bezw. das fernere Schicksal
des Instituts ist bisher noch nicht entschieden.
Breslau. Der Privatdozent der pathologischen Ana¬
tomie an der hiesigen Universität, Dr. Davidsohn, ein
früherer Assistent Virchows, siedelt am 1. Oktober als
Prosektor des neuen Reinickendorfer Krankenhauses nach
Berlin über.
— Der außerordentliche Professor der Physiologie Dr.
R. Fuchs in Erlangen hat einen Ruf an die hiesige Univer¬
sität erhalten und angenommen.
Bonn. Der vor kurzem mit Prof. Verworn aus Göt¬
tingen hierher übergesiedelte Privatdozent der Physiologie Dr.
Friedrich F r o e h 1 i c h hat den Professortitel erhalten.
Saarbrücken. Dem Chefarzt am Lazarett des Saar¬
brücker Knappscliaftsvereins Dr. med. Wilhelm Nötzel
in Völklingen ist der Professortitel verliehen worden.
Frankfurt a. M. Dem Stabsarzt Dr. W i 1 h e 1 m
Bergbaus, wissenschaftlichem Mitgliede am hiesigen In¬
stitut für experimentelle Therapie, ist der Professortitel bei¬
gelegt worden.
R o s t o c k. Den Privatdozenten Dr. Meine rtz, Ober¬
arzt der medizinischen Poliklinik, und Dr. Winterstein,
Assistent des physiologischen Universitätsinstituts, ist der Pro¬
fessortitel verliehen worden. Professor Winterstein wird
im Winter-Semester 1910/11 die Vertretung des erkrankten
Ordinarius Professor Nagel übernehmen.
W eima r. Prof. Heinrich Hertz, der langjährige
Amsterdamer geschätzte Kliniker,, der schon 1896 aus Gesund¬
heitsrücksichten sein Amt niedergelegt und seit einer Reihe
von Jahren seinen Wohnsitz in Weimar aufgeschlagen hat,
feierte in der vorigen Woche sein 50 jähriges Doktorjubiläum.
Er war, ehe er sich dem medizinischen Studium zuwandte,
bereits 7 Jahre im Buchhändlerberuf tätig gewesen. Schüler
von Niemeyer und G r o h e und mit V i r c h o w eng be¬
freundet, wurde er 1868 nach Amsterdam zuerst als Professor
der pathologischen Anatomie berufen, um zwei Jahre später
den Lehrstuhl der inneren Medizin zu erhalten. Er steht jetzt
im 79. Lebensjahre.
J e n a. Der außerordentliche Professor der Pharmakologie
und Direktor des pharmakologischen Universitätsinstituts Dr.
H. Kionka hat die Uebernahme der Leitung des in Frank¬
furt a. M. begründeten Balneologischen Instituts abgelehnt.
— Als Nachfolger des Geh. Rats Prof. Wagen m a n n
ist der außerordentliche Professor Dr. Stock in Freiburg i. B.
als Ordinarius der Augenheilkunde und Direktor der Univer¬
sitätsaugenklinik hierher berufen worden.
Dresden. Zum Oberarzt der II. inneren Abteilung des
hiesigen Stadtkrankenhauses wurde Prof. Dr. Arnsperge r
in Heidelberg gewählt.
München. Dr. Edens hat sich für innere Medizin,
Dr. Schmincke, bisher Privatdozent der pathologischen
Anatomie in Würzburg, für eben dieses Fach hier habilitiert.
Bayreuth. Im Alter von fast 90 Jahren starb Ende
Juni Medizinalrat Dr. Karl Hermann Landgraf, auch
in weiteren Kreisen bekannt als langjähriger Arzt und Ver¬
trauter Richard Wagners.
Heidelberg. Prof. Feer hat den Ruf als Ordinarius
der Kinderheilkunde nach Zürich angenommen, wird aber
seine neue Stellung erst am 1. April n. J. antreten.
Tübingen. Dr. E. R e i s s hat sich für Psychiatrie und
Nervenkrankheiten habilitiert.
Metz. Im Alter von 51 Jahren erlag der auch literarisch
hervorgetretene Generalarzt Dr. Adolf Steinhausen,
Korpsarzt des 16. Armeekorps, ohne vorhergegangene Krank¬
heit einem Herzschlage.
Innsbruck. Dr. G. Bayer hat sich für allgemeine
und experimentelle Pathologie habilitiert.
Lausann e. Der Professor der Ophthalmologie Prof.
Dr. Marc Dufour ist gestorben.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Berlin. Die 4. Jahresversammlung der Gesell¬
schaft Deutscher Nervenärzte wird vom 6. bis 8. Oktober 1910
hierselbst stattfinden. Die wissenschaftlichen Sitzungen finden
am 6. und 7. Oktober von vormittags 9 Uhr bis nachmittags
5 Uhr im Physiologischen Institut, Hessische Straße 3/4, statt.
Für den 8. Oktober, vormittags 9% Uhr, sind klinische
und anatomische Demonstrationen im Auditorium der
psychiatrischen und Nervenklinik der Charite in Aus¬
sicht genommen. Desgleichen ist eine Ausstellung ana¬
tomischer Präparate aus dem Gebiete der Neurologie
geplant, die in den Laboratoriumsräumen der Nerven¬
klinik der Charite stattfinden soll. Diese Räume sind den
Teilnehmern der Versammlung täglich von 10—2 Uhr geöffnet.
Auch Nichtmitglieder der Gesellschaft sind als Teilnehmer an
der Versammlung willkommen, werden aber ersucht, sich in
die Präsenzliste einzutragen. Das geschäftsführende Vorstands¬
mitglied für Berlin ist Prof. Dr. H. Oppenheim, W. 10,
Königin Augustastraße 28. Referate: 1. Ueber die neueren
Fortschritte in der topischen Diagnostik der Erkrankungen des
Pons und der Oblongata; Referenten: A. Wallenberg
(Danzig) und Marburg (Wien). 2. Die Pathologie und The¬
rapie der nervösen Angstzustände; Referenten: H. Oppen¬
heim (Berlin) und A. Ho che (Freiburg i. B.). Es sind bis¬
her 31 Vorträge und Demonstrationen angemeldet.
Dresden. Die „Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten“ hat beschlossen, auf der inter¬
nationalen Hygieneausstellung Dresden 1911 einen Sonder¬
pavillon zu errichten und zu diesem Zwecke die .Summe von
4000 M. bewilligt. Aus Anlaß der Ausstellung wird die Ge¬
sellschaft ihren IV. Kongreß im nächsten Sommer
in Dresden abhalten.
Brüssel. Zu der ersten Jahresversammlung des Inter¬
nationalen Vereins für medizinische Psychologie und Psycho-
504
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 32.
therapie, die am 7. und 8. August im unmittelbaren Anschluß
an den Kongreß der französischen Irrenärzte und Neurologen
in Brüssel stattlindet, sind zahlreiche Vorträge angemeldet.
Eröffnungrede Professor Raymond (Paris); Diskussionen:
1. Ueber das Problem der Suggestion auf Grund eines Referates
des Herrn Prof. Jan et (Paris). 2. Theorie und Praxis der
Psychoanalyse a. Gr. eines Referates des Herrn de Montet
(Vevey). Referate werden erstatten: 1. Prof. Forel
(Yvorne): Die Psychologie und die Psychotherapie auf der
Universität. 2. Dr. 0. Vogt (Berlin): Neue hirnanatomische
Erkenntnisse und das Lokalisationsproblem. Vorträge:
1. Prof. H.Bemhei m (Nancy): Der grundlegende Unterschied
zwischen den Psychoneurosen (inklusive der Hysterie) und der
Neurasthenie. 2. Dr. Bonjour (Lausanne): Die Notwendig¬
keit der Hypnose in der Psychotherapie. 3. Dr. Kohn-
stamm (Königstein): Die Bedeutung der hypnotischen Expe¬
rimente für das psycho-biologische Theorem. 4. Prof. Dr.
A. Meyer (New York): Psychedynamik in der Dementia
praecox. 5. Dr. Mohr (Coblenz): Ueber die Benützung ad¬
äquater physikalischer und chemischer Reize in der Psycho¬
therapie. 6. Dr. Oesterreich (Berlin): Zur Psychopatho¬
logie des Selbstbewußtseins. 7. Dr. L. S e i f (München): Ueber
Wert und Bedeutung der Psychoanalyse für die Diagnose und
die Neurosen. 8. Prof. Dr. Semo n (München): Assoziation
als Teilerscheinung der mnemischen Grundgesetzmäßigkeit.
9. Dr. Tr ö inner (Hamburg): Ueber Vorgänge beim Ein¬
schlafen. Die Sitzungen im Maisou des Medecins (Grande place)
sind öffentlich. Die Diskussionen finden in deutscher und
französischer Sprache statt, die Diskussionsäußerungen werden
sofort verdolmetscht. Die Diskussionsreferate werden in deut¬
scher und französischer Sprache in Druck gelegt.
Gerichtliches.
Berlin. Der Verlagsbuchhändler Georg Hart¬
mann, Mitinhaber der Firma Ad. Haussmann, in deren
Verlag die „Berl. Aerzte-Correspondenz“ erscheint, der wegen
schwerer, durch eine Ohrfeige herbeigeführter Körperverletzung,
begangen an dem russischen Mediziner Dr. med. S. L i -
pliawski, zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt worden war
(vergl. Allgemeine Medizin. Central-Zeitung, 1909, S. 642)
und sich außerdem auf dem Wege gütlicher Vereinbarung zur
Zahlung einer etwa 100 000 M. betragenden Entschädigung an
den Verletzten verstanden hatte, ist vom Kaiser zu drei Mo¬
naten Festungshaft begnadigt worden. Bei dieser Gelegenheit
teilt die „Voss. Ztg.“ mit, daß sich L. inzwischen erheblich er¬
holt hat und bereits wieder Kongresse besucht.
— Das Kammergericht hat kürzlich entschieden, daß
das Gesundbctcn eine gewerbsmäßige Ausübung
der Heilkunde darstellt. Gesundbeter haben sich also
beim Kreisarzt zur Eintragung in das bezügliche Register zu
melden. Gewerbsmäßige Ausübung der Heilkunde liege vor,
wenn jemand gewerbsmäßig die Heilbehandlung bestimmter
Personen übernehme, die wirklich oder angeblich an körper¬
lichen Uebeln oder sonstigen Schäden litten oder wegen
körperlicher Funktionen sachverständiger Unterstützung be¬
dürften oder zu bedürfen glaubten. Dies liege beim Gesund¬
beten vox-, bei dem eine Einwirkung auf die Seele des Kranken
durch gemeinsames Beten beabsichtigt sei. Zur Gewerbs-
mäßigkeit genüge, daß der Gesundbeter überhaupt Geld
nehme; es sei nicht nötig, daß er etwas fordere.
(Apotheker-Ztg.)
Güstrow. Vom hiesigen Schöffengericht wurde der
Schäfer und Rattenfänger Z., der sich als Wunderdoktor und
Nachfolger von Schäfer Ast ausgab, wegen Betruges zu
3 Wochen Gefängnis verurteilt. Er verschrieb weiblichen Per-
sonen Medikamente, Tee, Kräuter und Pillen, die er sich weit
über den Preis bezahlen ließ.
Cassel. Die hiesige Strafkammer verurteilte wegen
Betrugs den 71 Jahre alten „Naturheilkundigen“ A., welcher
bereits 28 mal vorbestraft ist, mit Rücksicht auf sein gemein¬
gefährliches Treiben und die vielen Vorstrafen zu einem Jahr
drei Monaten Zuchthaus. Der Verurteilte hatte gewöhn¬
liche Kräuter als wertvolle Medikamente in den ländlichen
Kreisen Hessens zu teuren Preisen verkauft.
C.ö 1 n. Ueber einen mit dem hiesigen Krankimkassen¬
konflikt zusammenhängenden Zivilprozeß von prinzipieller
Wichtigkeit, über den weder die uns zugänglichen Tages¬
zeitungen noch die ärztlichen Standesorgaue bisher etwas ge¬
bracht haben, entnehmen wir der „Pharmac. Ztg.“ folgende
Mitteilung: Ein Arzt halte sich gegen Zahlung von 3000 Mk.
bestimmen lassen, sich dem Leipziger Verbände
gegenüber auf Ehre n w o r t und gegen eine Konven¬
tionalstrafe von ebenfalls 3000 M. zu verpflichten, inner¬
halb 10 Jahren an keinem Ort in Deutschland, wo Streitig¬
keiten zwischen Aerzten und Krankenkassen entstehen würden,
ärztliche Tätigkeit auszuüben. Trotzdem ließ sich der Arzt
im Februar 1909 in Cöln nieder und wurde Krankenkassen¬
arzt. Nun klagte der Leipziger Vei-band beim Landgericht in
Leipzig die Konventionalstrafe ein. Das Gericht ent¬
schied abei-, daß der Vertrag, in welchem der Arzt seine
Freiheit verkauft habe, den guten Sitten zu¬
wider 1 a u f e und deshalb ungültig sei. Dai-aufhin vei-klagte
der Verband den Arzt beim Cölner Landgericht auf Heraus¬
gabe der als Gegenleistung für diese Verpflichtung gezahlten
3000 M., denn wenn der Vertrag ungültig sei, habe der Arzt
diese 3000 Mk. unrechtmäßig erhalten. Das Gericht wies aber
den Verband auch hier ab. Es liege zwar, so sagt das Urteil,
auf beiden Seiten ein Verstoß gegen die guten Sitten vor. Das
B. G.-B. bestimme aber für einen solchen Fall beiderseitigen
unsittlichen Vex-haltens nach § 817, daß die Rückforde¬
rung des Geleisteten ausgeschlossen sei. (Im
gewerblichen Leben ist es etwas ganz Gewöhnliches, daß An¬
gestellte von Firmen im Anstellungsvertrag unter Festsetzung
von Konventionalstx-afen zu Einschränkungen ihrer Bewegungs¬
freiheit verpflichtet werden — s. g. Konkurrenzklausel! Nach
der reproduzierten juristischen Deduktion müßten auch derlei
Abmachungen ungültig sein, und doch sind sie unseres Wissens
mehrfach in Streitfällen von den Gerichten als zu Recht be¬
stehend anerkannt worden. Red.)
Essen. Wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde der
Krankenbehandler O. vom hiesigen Landgericht zu 150 Mark
Geldstrafe verux-teilt.
Verschiedenes.
St. Petersburg. Seit der vorigen Woche ist hierselbst
die Ckoleraepidemie wieder aufgeflammt und hat bereits
mehrere hundert Opfer gefordert.
Paris. Hierselbst sind zurzeit Bemühungen zur Errich¬
tung eines Radiuminstitutes im Gange, das im Lateinischen
Viertel von Paris an der Ecke der Rue Ulm und der Rue Nou-
velle seinen Platz finden soll. Es soll den Namen „Institut
Curie“ ti-agen und nach den Plänen der ähnlichen Institute
gebaut werden, die bereits in London und Wien bestehen. Es
soll ein Amphitheater für Vorlesungen, ein Laboratorium und
eine Bibliotliek enthalten.
VII. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen: Krone zum Roten Adler-
Orden 2. Kl. mit Eichenlaub: Geh. Med.-Rat Dr.
Mann köpf in Marburg.
Stern zum Roten Adler-Orden 2. Kh mit
Eichenlaub und Krone: Geh. Med.-Rat Prof. Dr.
H e n o c h.
Roter Adler-Orden 4. KL: San.-Rat Di-, Schied-
g e s in M.-Gladbach, Prof. Dr. W i e t i n g in Konstantinopel,
Geh. Med.-Rat Dr. B r i e g e r in Berlin, Kreisarzt Di-.
F’ e i g e in Marienbui-g.
Koni gl. Kronen-Orden 3. Kl.: Geh. San.-Rat Dr.
W o 1 f f in Zabrze, Regierungs- und Geh. Med.-Rat Dr. See¬
mann in Danzig.
Rote Kreuz-Medaille 3. KL: Kreisarzt Geh. Med.-Ral
Dr. Jaenicke in Spandau.
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D. Hilleisohn in Adlershof, Arzt P. Kühl in Pankow,
Dr. Degener in Lankwitz, Dr. Hansen in Britz, Dr.
P o 1 z i e n in Wolgast.
Gestorben: San.-Rat Dr. Tre n k m a n n in Eilsleben, Dr.
F’ i c k in Neuteich, Geh. San.-Rat Dr. S t u m p f f in Wolden-
berg, Dr. Reich m ann in Glogau, San.-Rat Dr. Benne-
mann und Dr. Holtermann in Ahlen, San.-Rat Dr.
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und Prof. Dr. Sclioltz, Königsberg, „Therap. Rundschau“ Jahrg. 1909, Hel't 12 u. 13
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Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein , Berlin N., Friedrichstrasse. 131 B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin.
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IV. Jahrgang Berlin, 13. August 1910 \o. 33
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Bucthandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Redaktion:
Dp- H. Lohnstein und Dp. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Holdheim: Biocitin
als Unterstützungsmittel für ambulatorische Tuberkulinkuren.
Keller: Fachlich ausgebildete, beamtete Helferinnen in der
Säuglingsfürsorge. —E ngelmann:U eber dieGelatinebehandlung
bei Malaenaneonatorum. — Brandenberg: Polyarthritis chronica
progressiva primitiva im Kindesalter. — Grober: Zu der Frage
der Infektionswege und zum Verlauf der Pneumokokkeumenin-
gitis. — Möllers: Welche Gefahr droht dem Menschen durch
das tuberkulöse Tier? — Deutsch: Tuberkulose und Stillen.
— Lang, Zinsser, Wichmann und Gottschalk: Die
Behandlung des Lupus. — Zickgraf: Ueber therapeutische
Auwendung von Projodin. — Weiss: Eine eigenartige
Gelenksaffektion, geheilt durch Sajodin. — Sahli: Ueber
Pantopon. — Schiemann: Ueber quantitative Eiweilibestim-
mimgen nach Tsuchiya. — lioubitschek: Zur Kenntnis der
Obstipationsalbuminurie. — Zironi: Experimenteller Beitrag
zur Pathogenese des Ulcus rotundum des Magens. — Miln er:
Die entzündlichen Pseudo-Carcinome des Wurmfortsatzes. —
Fabian: Fremdkörper im Bruchdarm als Ursache schwerer
Komplikationen. —Berensnegowsky: Ueber die Pathologie
und Therapie des Mastdarm Vorfalles. — Crede: Die Talma-
sche Operation. — Heitler: Herzstörungen durch Reizung des
Perikards. Vorschlag zur Kokainisierung des Perikards bei
Operationen am Herzen. — Wiesner: Beitrag zur nichtkompli¬
zierten traumatischen Sehnenluxation. — Momburg: Ein neues
Prinzip in der Plattfußbehandlung. — v. Herff: Serres fines
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Biocitin als Unterstützungsmittel für ambula¬
torische Tuberkulinkuren.
Yon
Dr. W. HoliUieiin, Spezialarzt für Lungeuleiden in Berlin.
Bei der täglich allgemeiner werdenden Anerkennung des
Tuberkulins als vielleicht einziges spezifisches Mittel im
Kampfe gegen die Tuberkulose, hat sich die Notwendigkeit
immer mehr ergeben, daß auch der Arzt der freien Praxis
sich mehr als bisher mit ihr beschäftige und ihre Anwendung
sich aneigne.
In früheren Arbeiten sowohl 1 ), wie in verschiedenen
Vorträgen 2 ) habe ich darauf 'hingewiesen, daß. sich die
Tuberkulinbehandlung bei einigermaßen sorgfältiger Beob¬
achtung des Kranken und Auswahl der Fälle ohne jede Ge¬
fahr in der ambulanten Praxis durchführen läßt, ein Stand¬
punkt, ider auch von dem Begründer der Therapie, Robert
Koch, eingenommen wurde 3 ).
Auf die meist vorzüglichen Resultate dieser Behand¬
lungsmethode, welche die in Heilstätten erzielten Erfolge
bezgl. ihrer Dauer noch' übertreffen, möchte ich an dieser
Stelle ebensowenig wie auf die von mir geübte Methode ein-
gehen, da ich sie an anderer Stelle 1 ) bereits mehrfach
beschrieben habe.
Bei dem großen, mir in meiner spezialärztlichen Praxis
sowohl privat als auch besonders in ,der kassenärztlichen
Tätigkeit zur Verfügung stehenden Material hat sich jedoch
im Laufe der Zeit bei der langen Dauer der meist 5 Ins
7 Monat in Anspruch nehmenden ambulatorischen Tuber¬
kulinkuren ein Uebelstand bemerkbar gemacht, der einer be¬
sonderen .Würdigung bedarf. Es konnte nämlich oft die
1) cf. Zeitschrift f. ärztl. Fortbildung, 1905, No. N; Medic. Klinik,
1907, pg. 1521; Wiener Hin-therap. Wochenschrift, 1909, No. 1.
2 ) Naturf.- und Aerzte-Vers. in Breslau 1904 u. Stockholm 1909;
VIII. Internat. Tuberkulose-Konferenz; endlich XVI. Internat. Aerzte-
Kongreß in Budapest 1909, Sekt. V.
3 ) cf. Einleitung zur 3. Auflage des Lehrbuches der spez. Diagn.
und Therapie der Tuberkulose von Bandelier und Roepke. Würz¬
burg 1909, Stübers Verlag.
*) 1. cit,
oder Michelsche Klammern. — Mayer: Zur Diagnose des
übergroße retroplacentaren Hämatoms. — Rethi: Zur Frage der
vollständigen Entfernung der Gaumenmandeln (Tonsillektomie).
— Gutmann: Augensymptome bei Erkrankungen der Stirnhöhle
und Siebbeinzellen. — Lutz: Ueber einige weitere Fälle von
Heterochromia iridum. — Juselius: Experimentelle Unter¬
suchungen über die Regeneration des Epithels der Cornea unter
normalen Verhältnissen undunter therapeutischen Maßnahmen. —
Flemming: Zur Keratomalaciefrage unter besonderer Berück¬
sichtigung des Allgemeinleideus und des Ausganges. — Best:
Ist Schutz der Augen vor ultraviolettem Licht notwendig? —
Robitschek: Ein Mundkühler.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 6. Juli 1910. (Schluß )
III. Therapeutische Notizen. Hamm: Das Alypinum nitricum
als lokales Anästheticum in der kleinen Chirurgie.
IV. Bücherschau. Sommer: Klinik für psychische und nervöse
Krankheiten. — Helwig: Das kranke Kind und das Seeklima.
— Zeitschrift für Säuglingsschutz. — Feldmann: Die ärztliche
Mission.
V. Feuilleton. Heeger: Zur Geschichte der Medizin. (Schluß.)
VI. Tagesgeschichte. StandesaDgelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätsw’esen, Personal-
nachrichten. — Gerichtliches. — Verschiedenes.
VII. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
1 Beobachtung gemacht werden, daß manche Patienten be¬
sonders dann, wenn leichte Reaktionen, welche trotz vor¬
sichtigster Dosierung des Mittels nicht immer zu vermeiden
sind, ötter .auftraten, unter der Kur nicht unerheblich litten.
Es stellte sich Abgeschlagenheit, .Mattigkeit, Unlust, bis¬
weilen Unfähigkeit izur Fortführung ihrer Arbeit ein; der
Appetit nahm ab und es ließ sich, trotz deutlich nachweis¬
barer Besserung des physikalischen Lungenbefundes, oft
nachweisen, daß das subjektive Befinden der Patienten hier¬
mit nicht Schritt hielt.
Um diesen unangenehmen Zwischenfällen, welche bis¬
weilen die ganze Durchführung einer Tüberkulinkur in Frage
stellen, aus dem Wege zu gehen resp. ihnen zu begegnen,
erschien mir das Lecithin, welches seit zirka 10 .Jahren
eine ausgedehnte therapeutische Anwendung besonders im
Anslande gefunden hat, außerordentlich geeignet. Es galt
jedoch ein Präparat zu finden, das bei nicht zu hohem Preise
einen möglichst großen Prozentgehall an physiologisch
reinem Lecithin besitzt. Als solches hat sich mir am besten
das, nach einem Verfahren des Hofrat Professor Haber¬
mann, Direktor des chemischen Instituts an der k. k. tech¬
nischen Hochschule in Brünn, gewonnene Biocitin .be¬
währt. Es enthält nach der Analyse von Altmann
10,7 pCL physiologisch reines Lecithin. Ich verwandte dak-
' selbe bisher in zirka 20 Fällen mit ausgezeichnetem Er¬
folge. Es gelang überall, die oben geschilderten unange¬
nehmen Begleiterscheinungen der Tuberkulinkur einzu¬
dämmen resp. ganz zu vermeiden. Das Biocitin wurde
seines guten Geschmackes wegen stets gern genommen und
gut vertragen, so daß mir von einigen meiner Patienten,
welche vorher kein Lecithinpräparat bekommen hatten,
spontan gesagt wurde, daß ihnen die Purchführung der
Tuberkulinkur ohne gleichzeitigen Gebrauch des Biocitins
ganz unmöglich gewesen wäre. Es sei mir erlaubt, in.
Folgendem des Näheren auf die einzelnen Fälle einzugehen:
1. A. B., 25 Jahre alt, Buchhalter in einem großen kauf¬
männischen Betriebe, wurde von mir wegen einer gelegent¬
lich der Untersuchung für eine Lebensversicherungs-Gesell¬
schaft entdeckten doppels. Phthis. pulm. mit steigenden Dosen
Alt-Tuberkulin behandelt. Klagte schon nach wenigen Ein-
I Spritzungen über Mattigkeit und verminderte Eßlust, ohne daß
| Temperatursteigerungeu oder irgendwelche Zeichen einer Re-
506
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 33.
aktion vorhanden waren. Vom Schlüsse des ersten Monats der
Kur ab erhält er Biocitin dreimal täglich einen Teelöffel. Be¬
reits nach Verlauf eines Monats gibt Patient spontan an, sich
viel frischer zu fühlen; Appetit ist wesentlich besser geworden.
Er hat bei Durchführung der Tuberkulinbehandlung unter
gleichzeitiger Darreichung des Biocitins wesentlich an Gewicht
zugenommen und fühlt sich heute, nach Verlauf von fünf Mo¬
naten, wieder völlig wohl und arbeitsfähig.
2. I. L., 34 Jahre alt, selbständiger Kaufmann, war bereits
zweimal wegen eines doppelseitigen Lungenkatarrhs verbun¬
den mit häutigen schmerzhaften Pleurareizungen in einem Sa¬
natorium in Davos und wurde mir von dort am 14. IX. 1909 zur
weiteren Behandlung zugeschickt. “Patient ist ein sehr schmäch¬
tiger, elend aussehender Herr, dessen Lungenuntersuchung
einen doppelseitigen Spitzenkatarrh mit geringen katarrhali¬
schen Erscheinungen und eine deutlich nachweisbare pleuri-
tische Schwarte R. H. U. zeigt. Er wurde von mir in der ge¬
wohnten Weise ambulatorisch mit Alt-Tuberkulin behandelt
und nimmt seit Oktober wegen starker nervöser Störungen, die
ihn ab und zu nötigten seine Tätigkeit zu unterbrechen, Bio¬
citin in der oben angegebenen Menge. Seitdem hat sich sein
Zustand trotz einer interkurrenten Laryngitis und Bronchitis
wesentlich gebessert. Gewichtszunahme 4 Pfund. Patient fühlt
sich kräftig und kann seiner Tätigkeit den ersten Winter
wieder in Berlin nachgehen. Appetit, der früher sehr mangel¬
haft war, ist erstaunlich gebessert.
3. Reg.-Assessor v. M., 31 Jahre alt, wegen eines doppel¬
seitigen Lungenspitzenkatarrhs seit 22. VIIL in Behandlung,
wird nach positiver diagnostischer Tuberkulinprobe therapeu¬
tisch mit Tuberkulin behandelt. Patient klagt seit Mitte Ok¬
tober sehr über Mattigkeit, Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit
und Unlust zum Arbeiten. Erhält deshalb Biocitin. Gewicht
im Beginn der Kur 69 kg. Bei strenger Durchführung seiner
Kur und bei anstrengender gleichzeitiger Tätigkeit — Patient
kommt erst 7 Uhr abends zum Mittagessen — Gewichtszunahme
bis Anfang Februar 4 kg. Subjektives Wohlbefinden, macht
allabendlich große Spaziergänge und fühlt sich am Morgen
nach gutem Schlaf durchaus gekräftigt und munter.
4. Frau A. M., Witwe, 32 Jahre alt, wurde von mir von
Juni bis September 1909 wegen einer zuerst mit hohem Fieber
verbundenen Pleuritis nach Influenza behandelt. Hieran
schloß sich ein deutlich nachweisbarer Spitzenkatarrh, wes¬
wegen am 22. IX. mit einer ambulatorischen Tuber¬
kulinkur begonnen wurde. Gewicht damals 54,5 kg. Da die
Patientin sich sehr matt fühlte, und durchaus nicht zum Essen
zu bewegen war, erhielt sie seit Mitte Oktober Biocitin. Seit¬
dem nimmt sie, trotz der stetig fortgeführten Tuberkulinkur,
an Gewicht zu und wiegt Ende Januar 1910 58,5 kg.
5. K. W., 27 Jahre alt, Kaufmann, erblich belastet, war
bereits in Reichenhall und Leysin wegen eines rechtsseitigen
Lungenkatarrhs in Behandlung. Zeigt bei Beginn der Tuber¬
kulinkur deutliche katarrhalische Erscheinungen der rechten
Lungenspitze bis 4. Proc. spin., R. V. bis zur zweiten Rippe. Zur
Unterstützung seiner angestrengten Berufstätigkeit in einem
Detailgeschäft erhält er seit Ende Oktober Biocitin und ver¬
trägt die ihm anfänglich schwer durchführbare Kur unter
ständiger Gewichtszunahme bei glänzendem Appetit vor¬
züglich.
6. Frl. K. Z., 35 Jahre alt, wird w'egen eines doppelseitigen
Lungenkatarrhs von einer Aerztin im August zur Tuberkulin¬
kur überwiesen. Sie verträgt die Kur bis zu einer Dosis von
0,5 g Tuberkulin recht gut, fühlte sich aber seitdem recht matt
und elend, klagte über Appetitmangel und große Müdigkeit
im Geschäft. Sie erhält deshalb Biocitin dreimal pro die.
Seitdem geht es ständig besser. Appetit und Gewicht haben
sich gehoben, die Mattigkeit ist fast ganz geschwunden.
7. Frl. E. St., Verkäuferin, 23 Jahre alt, wird sei Mai 1909
mit Alt-Tuberkulin wegen eines doppelseitigen katarrhali¬
schen Lungenprozesses ambulatorisch behandelt. Sie verträgt
dasselbe zunächst recht schlecht, reagiert häufig und es ge¬
lingt schwer, zu höheren Dosen zu gelangen. Die Patientin
klagt viel über Kopf- und Rückenschmerzen, Mattigkeit und
Appetitlosigkeit. Sie erhält deswegen seit Mitte Oktober Bio¬
citin. Seitdem nimmt sie ständig an Gewicht zu, konnte die
Kur bis zu 500 mg Tuberkulin ungestört fortführen und hat
trotz fortdauernder geschäftlicher Tätigkeit 3 kg Gewichts¬
zunahme zu verzeichnen.
8. A. R., 24 Jahre alt, Kaufmann, kommt wegen einer ini¬
tialen Hämoptoe im November v. J. in meine spezialärztliche
Behandlung. Die Untersuchung ergab einen deutlich nach¬
weisbaren tuberkulösen Katarrh beider Spitzen, besonders
rechts, wo die Veränderungen von oben bis zum sechsten
Dornfortsatz reichten. Da Patient sehr abgemagert ist, über
Appetitlosigkeit und Mattigkeit klagte, erhält er sofort zur
Unterstützung der Tuberkulinkur Biocitin. Er verträgt die
Kur ausgezeichnet, nimmt unter ständig größeren Tuberkulin¬
dosen andauernd an Gewicht zu. und hat deutlich nachweis¬
baren, objektiven wie subjektiven Erfolg der Kur aufzuweisen,
obwohl er nach w'ie vor seiner Tätigkeit nachgeht.
Sind die Erfolge in den oben geschilderten Fällen aus
der privatärztlichen Tätigkeit schon recht gute zu nennen,
so hat sich die Anwendung des Biocitins in der kasseti,-
ärztlichen Praxis zur Unterstützung der Tuberkulinkuren
noch bedeutsamer gestaltet. Handelte es sich doch hier
u'm ein wesentlich anderes Publikum, teils Arbeiter großer
Berliner Betriebskrankankassen wie der Großen Berliner
Straßenbahn und der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft,
teils um Frauen, deren Emährungs- und Kräftezustand durch
häusliche Sorgen, schwere Arbeit, viele Geburten ein wesent¬
lich minderwertigerer war, als bei den bisher geschilderten
Patienten. In Folgendem seien auch einige derartige Fälle
aus meinem kassenärztlichen Ambulatorium mitgeteilt:
9. Frau H. K., 30 Jahre alt, Gattin eines Straßenbahn¬
fahrers, ist seit Herbst 1908 lungenkrank und hat seitdem
5 kg an Gewicht abgenommen. Seit August 1909 wird Pa¬
tientin von mir mit Tuberkulin behandelt, klagt jedoch im
Verlaufe der Kur sehr über zunehmende Schwäche und
Mangel an Appetit. Sie erhält deswegen seit Anfang .No¬
vember Biocitin. Seit Ende Januar ist die Kur der Patientin
beendigt. Auf den Lungen sind Geräusche nicht mehr nach¬
weisbar; die Schwäche, die Patientin zuerst fühlte, hat voll¬
ständig nachgelassen; ihren Appetit bezeichnet die Patientin
als „unheimlich“. Gewichtszunahme seit November 6 kg.
10. Frau W. K., 35 Jahre alt, Wäschenäherin, schwer erb¬
lich belastet, Lues überstanden, wird Ende Juli 1909 w'egen
doppelseitigen Lungenkatarrhs meiner Poliklinik zur Behand¬
lung überwdesen. Es fanden sich über beiden Spitzen katarrha¬
lische Geräusche bei vesico-bronchialem Atmen nebst
Dämpfung über beiden Spitzen. Seit Anfang August wird die
Patientin mit Alt-Tuberkulin gespritzt; Ende Oktober erhält
sie, da sie seit längerer Zeit über Kopf- und Schulter¬
schmerzen, große Müdigkeit und Unfähigkeit zum Arbeiten
klagt, Biocitin. Seitdem nimmt der Appetit wesentlich zu.
Patientin arbeitet seil Mitte Dezember wieder ständig und
fühlt sich nach beendeter Tuberkulinkur zurzeit außerordent¬
lich wohl.
11. R. H., 21 Jahre, Friseur, wegen eines doppelseitigen
Lungenleidens seit Mitte September 1909 in Behandlung, rea¬
gierte bei Beginn der Tuberkulinkur sehr häufig und fühlte
sich deshalb, da auch der Appetit nachließ, recht elend. Seit
30. X. erhält Patient Biocitin. Seitdem ungestörter Ver¬
lauf der Tuberkulinkur, Appetit sehr gut, objektive Krank¬
heitserscheinungen zurzeit nicht mehr nachweisbar.
12. E. Sch., 35 Jahre, Plätterin, hereditär belastet, seit
3 Jahren lungenleidend, ist bei Beginn der Kur sehr elend,
zeigt objektiv tuberkulöse Veränderungen in beiden Spitzen,
Appetit sehr wenig vorhanden, weshalb Patientin verschie¬
dene Stomachica erhält. Seit 23. XI. nimmt Patientin
täglich dreimal Biocitin; seitdem ist der Appetit wesentlich
besser geworden; Patientin fühlt sich zurzeit recht kräftig und
arbeitet in ihrem Berufe.
13. Frl. M. Sp., 30 Jahre alt, Näherin. Vor drei Jahren
Pneumonie, vor einem Vierteljahr von anderer Seite mit po¬
sitivem Erfolge probatorisch mit Tuberkulin gespritzt. Klagt
über Rücken- und Kreuzschmerzen, will in kurzer Zeit über
10 kg abgenommen haben. L. H. vesico-bronchiales Atmen
mit spärlichem klingenden Rasseln bis 3. Proc. spin. R. V.
derselbe Befund mit zahlreicheren kleinblasigen Rassel¬
geräuschen. Patientin wird seit Ende Oktober mit Tuberkulin
behandelt und erhält seit Mitte November Biocitin zur Unter¬
stützung ihrer Ernährung. Patientin fühlt sich nach. Verlauf
von vier Monaten wieder vollkommen munter und arbeitsfähig,
hat 10 kg an Gewicht zugenommen.
14. Frau M. K., 33 Jahre, Ehemann Straßenbahnschaffner,
seit Anfang November wegen Stichen im Rücken, Husten,
Auswurf, Appetitmangel in Behandlung, zeigt tuberkulöse
Veränderungen über beiden Lungenspitzen, rechts mehr als
links, und wird sofort mit Alt-Tuberkulin behandelt. Da die
Patientin über große Schwäche’ klagt, der Appetit auch trotz
Stomachica sich nicht besserte, erhält sie seit Anfang De¬
zember Biocitin. Schon nach 4 Wochen gibt Patientin an, sich
nicht mehr so müde wie anfangs zu fühlen. Der Appetit hat
sich wesentlich gehoben, so daß Patientin zurzeit ihren
Pflichten im Haushalt wie in gesunden Tagen nachkommen
kann.
15. L. M., 35 Jahre alt, Arbeiter bei der A. E. G., ist seit
1906 lungenkrank, war 18 Wochen in der Heilstätte Loslau und
kommt wegen Husten, blutigem Auswurf, Nachtschweiß,
starker Gewichtsabnahme und Appetitlosigkeit In mein Am¬
bulatorium zur Behandlung. Mitte November wird gleichzeitig
mit Einleitung der Tuberkulinkur Biocitin gegeben. Schon
Mitte Dezember gibt Patient an, wesentlich besseren Appetit
zu haben, muß jedoch leider Ende Dezember wegen eines
Gelenkrheumatismus die Kur unterbrechen. Appetit seiner¬
zeit recht gut, Husten und Auswurf fast völlig verschwunden.
16. Frl. E. Sch., 18 Jahre alt, Kontoristin, wegen Lungen¬
katarrhs im vorigen Jahre im städtischen Krankenhause
No. 33.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
507
Friedrichshain in Behandlung gewesen, klagt zurzeit über
Stiche, Schmerzen in den Schultern, hat seit 3 Monaten 7 Pfund
abgenommen. Deutlich nachweisbarer rechtsseitiger Lungen¬
spitzenkatarrh. Patientin wird deshalb seit Anfang August
1909 mit Alt-Tuberkulin behandelt. Da sie im Verlaufe der
Kur über vermehrte Müdigkeit, Kopfschmerzen, Unfähigkeit
zum Arbeiten klagt, erhält sie seit Ende Oktober Biocitin, unter¬
dessen ständigem Gebrauch sich Appetit und Kräftezustand
schnell erheblich besserten, so daß die Patientin, welche seit
Anfang Februar ihre Kur beendet hat, zurzeit völlig arbeits¬
fähig ist und ca. 10 Pfund an Gewicht zugenommen hat.
Auf Grund obiger Fälle, deren Anzahl sich leicht noch
steigern läßt, glaube ich sagen zu dürfen, daß wir im
Biocitin ein außerordentlich wertvolles Unterstützungsmittel
bei der Durchführung langdauernder ambulatorischer Tuber¬
kulinkuren besitzen, dessen Anwendung vermöge seiner
leichten Verdaulichkeit und seines angenehmen Geschmackes
mit gutem Erfolge überall da anzuraten ist, wo der Ivräfte-
zusiand -daniederliegt, der Appetit ein schlechter ist und
nervöse Erscheinungen die Ausführung einer Kur unmöglich
machen resp. sehr erschweren würden.
f
I
*
Artur Keller: Fachlich ausgebildete, beamtete Helferinnen in
der Säuglingsfiirsorge. (Zeitschrift für Säuglingsschutz,
II. Jahrgang, Heft 5.)
Der Magistrat in Charlottenburg hatte die Absicht, zwei
besoldete Gehilfinnen für die Kontrolle der Pflegekinder und
Mündel anzustellen. Dieser Antrag, der durch die guten Re¬
sultate einer Umfrage in 29 Städten, wo Berufspflegerinnen an¬
gestellt sind, gestützt wurde, hat in den Kreisen der ehrenamt¬
lichen Pflegerinnen eine gewisse Erregung hervorgerufen, die
in dem Vorgehen des Magistrates ein unberechtigtes Mißtrauen
gegen ihre bisherige Tätigkeit erblickten. In dem vorliegenden
Aufsatz nimmt nun Keller Stellung zu der Frage, die viel¬
leicht auch in anderen Städten aktuell ist, oder es sehr rasch
bei der gegenwärtigen, fast allzu raschen Ausdehnung der
Säuglingsfürsorge werden kann, und aus diesen Gründen sei
auf den Aufsatz auch an dieser Stelle aufmerksam gemacht. —
Verfasser tritt unbedingt für besoldete Pflegerinnen mit fach¬
licher Vorbildung ein, dabei muß die Organisation der Für¬
sorge einheitlich sein. Die Pflegerin ist in erster Linie Ge¬
hilfin des Fürsorgearztes, ohne die der Arzt überhaupt nicht
arbeiten kann; denn in ihrer Hand liegt die Fürsorgetätigkeit
weit mehr als in der des Arztes, sie muß hei ihren sehr wesent¬
lichen Hausbesuchen die Ausführung der ärztlichen Anord¬
nungen überwachen bezw. den Müttern die notwendigen An¬
weisungen geben. Sie ist nach der Hebamme die nächste Be¬
raterin der Mütter, wenn sie überhaupt zeitig genug eingreifen
kann. Aber hierzu gehört eine reiche praktische Erfahrung
und gründliche Vorbildung, zumal die Fürsorgepflegerin viel¬
fach selbständig eingreifen muß, sei es aus prophylaktischen
Gründen, sei es zu therapeutischen Zwecken. Neben der ärzt¬
lichen Pflichten soll eine beamtete Pflegerin auch soziale er¬
füllen, also mehr im eigentlichen Sinn Fürsorge treiben, wie
sie die Polizei, Armendirektion, Vormundschaftsbehörde und der
Waisenrat ausübt. In dieser Weise soll eine beamtete Berufs¬
pflegerin tätig sein. Einwände dagegen sind nach Keller
leicht zu widerlegen. Solche Einwände sind, daß eine bezahlte
Pflegerin nicht Einfluß habe wie eine ehrenamtliche, daß die
letztere bezüglich der Hausbesuche nicht so an die Zeit ge¬
bunden sei, daß die Besuche einer bezahlten Pflegerin, die
große Bezirke zu kontrollieren habe, von den Müttern mit ziem¬
licher Richtigkeit vorausgeahnt würden, daß endlich eine be¬
zahlte Pflegerin ihre Tätigkeit sehr rasch schematisch ausübe.
Wenn auch eine besoldete Pflegerin „beamtet“ sei, so dürfe
man nicht glauben, daß „Schematismus“ und „Bureaukratis-
mus“ in die Fürsorge käme. Eine Berufspflegerin gewinne
sehr rasch das Vertrauen der Leute in ihrem Bezirk, sie sei
dadurch genau orientiert und erfahre daher das Notwendige
(Entbindungen) viel rascher, als ehrenamtliche Pflegerinnen
auf dem Instanzenweg. — Aus diesem kurzen Auszug ist zu
ersehen, daß die Frage, ob berufliche oder ehrenamtliche Pfle¬
gerin, keineswegs geklärt ist. Es muß auffallen und verdient
vermerkt zu werden, daß Keller die Fürsorgetätigkeit durch
die Pflegerin in der Familie höher anschlägt als durch den Arzt
in der Fürsorgestelle. J. R.
Dr. W. Engelmann (Bad Kreuznach): Ueber die Gelatine-
behandlung hei Melaena neonatorum. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 24.)
Verf. berichtet über einen Fall von Melaena neonatorum
bei einem 3 Tage alten gesunden Kind, welches leicht ge¬
boren werden war. Verf. machte 2 Gelatineinjektionen; er in¬
jizierte in beide Oberschenkel je 10 ccm der sterilen Merck-
schen Lösung. Nach der Injektion erfolgte kein weiterer Blut¬
abgang, weder per anum, noch aus Mund und Nase. Das Kind
blieb am Leben und entwickelt sich jetzt gut. Rechtzeitige
Gelatineinjektionen führen, soweit es sich um in der Literatur
mitgeteilte Fälle handelt, fast stets zum Erfolg. Verf. fand in
der Literatur von 1903 an 43 mit Gelatineinjektionen behan¬
delte Fälle mit 40 Heilungen.
Dr. Fritz Brandenburg (Winterthur): Polyarthritis chronica
progressiva primitiva im Kindesaltcr. (Münchener med.
Wochenschrift, 1910, No. 24.)
Verf. hatte Gelegenheit, diese Fälle von Polyarthritis chro¬
nica progressiva primitiva im Kindesalter zu beobachten.
Dieses Krankheitsbild wurde vor wenigen Jahren von H o f f a
aufgestellt; sie ist durch eine frühzeitige Atrophie der Knochen
und Muskeln charakterisiert. Die Krankheit beginnt meist in
den kleinen Fingergelenken; die Gelenke sind spindelförmig
aufgetrieben, die Gelenkenden verdickt. Das Röntgenbild zeigt
neben der Knoehenatrophie Schwund des Knorpels, die Ge¬
lenkenden werden aufeinander gepreßt, durch eine plastische
Veränderung des Knochens entsteht eine scheinbare Verbrei¬
terung desselben. Diese Veränderungen der Gelenke werden
durch die Schrumpfung der Gelenkkapseln bedingt. Die
Streckmuskeln atrophieren schneller als die Beugemuskeln,
daher entstehen meist Beugekontrakturen. Die Krankheit ist
durch ihren progressiven Verlauf charakterisiert. In den drei
von Verf. beobachteten Fällen handelte es sich um Mädchen
von 14, 9 und 13 Jahren. Bei dem 14 jährigen Mädchen er¬
zielte Verf. eine erhebliche Besserung durch Fibrolysininjek-
tionen, so daß die Patientin, welche 'seit IV 2 Jahren das Bett
nicht hatte verlassen können, wieder gehfähig wurde, wenn
auch nur in beschränktem Maße. Ausnahmsweise treten bei
der Krankheit die dem akuten Gelenkrheumatismus eigenen
Komplikationen von seiten des Herzens und der serösen Häute
auf. Salicylpräparate und Badekuren sind meist wirkungslos.
Die Behandlung zielt aut eine Kräftigung der Muskulatur im
allgemeinen und speziell der atrophischen Muskeln hin; Pendel-
und Widerstandsapparate sollen teils die Muskeln kräftigen,
teils einer Ankylose der Gelenke entgegenwirken. Droht eine
Ankylose einzutreten, so ist eine Fibrolysinkur zu versuchen,
unterstützt von heilgymuastischen Uebuugen. Bei Kontrakturen
sind nach H o f f a Schienenhülsenapparate anzuwenden.
Prof. Dr. J. Grober (Essen): Zu der Frage der Iniektionswege
und zum Verlauf der Pneumokokkenmeiiiugitis. (Münch,
med. Wochenschrift, 1910, No. 25.)
Di Pneumokokkenmeningitis kann auf verschiedenen In¬
fektionswegen entstehen, ln der vorliegenden Arbeit berichtet
Verf. über 3 Fälle, welche die verschiedenen Infektionswege
deutlich erkennen lassen. Im ersten Falle handelte es sich um
einen 37 jährigen Mann, welcher unter pneumonischen Er¬
scheinungen erkrankte, zu denen sich bald meningitische
Symptome gesellten. Bald nach der Aufnahme des Patienten
im Krankenhaus trat Bewußtlosigkeit ein. Die Spinalpunktion
ergab trübe Flüssigkeit, in welche Pneumokokken nach¬
gewiesen wurden. Es wurde deshalb zuerst subkutan, dann
intraspinal Pneumokokkenserum (R ö m e r) injiziert, jedoch
ohne Erfolg, wenige Tage nach der Aufnahme starb der Pa¬
tient. Die Autopsie bestätigte die klinische Diagnose. Im
zweiten Falle handelte es sicli um einen 26 jährigen Mann,
der nach einem Fall aut den Hinterkopf unter meningitischen
Symptomen erkrankte und nach wenigen Tagen starb. Auch
hier waren im Lumbalpunktat Pneumokokken nachgewiesen
und deshalb das Römer sehe Serum injiziert worden. Hier
ergab die Autopsie das völlige Fehlen pneumonischer Erschei¬
nungen, 'dagegen eine leichte Infraktion des Schädeldachs an
der rechten Seite des Hinterkopfes, von welcher eine Fissur
nach vorn fast bis zur Nasenwurzel ausging. Unter der In¬
traktionsstelle waren die Hirnhäute stark blutig verfärbt. Eine
eigentliche Basisfraktur konnte nicht nachgewiesen werden.
Im dritten Falle handelte es sich um ein 8 jähriges Mädchen,
welches an ausgesprochener schwerer Meningitis erkrankte.
Im Lumbalpunktat wurden wieder massenhaft Pneumokokken
nachgewiesen. Dieser Fall gelangte zur völligen Heilung;
es wurden 3 mal 10 ccm resp. 20 ccm des Römer sehen Se¬
rums intradural injiziert, im Anschluß an Lumbalpunktionen.
— Wie weit das Serum an der Heilung beteiligt ist, will Verf.
seihst nicht entscheiden. Nach Verf. ist die Infektion der
Meningen in dem ersten Falle von den pneumonisch er¬
krankten Lungen, und zwar vielleicht auf dem Blutwege, zu¬
stande gekommen. Im zweiten Falle kann man annehmen,
daß das Schädeltrauma in abnormer Weise Verbindungen
zwischen lymphatischen Räumen hergestellt hatte, durch
welche dann die Infektion vielleicht von der Nasenrachen-
höhle aus erfolgte. Im dritten Falle handelte es sich wohl
um eine Infektion von der Rachentonsille aus, vermutlich auf
dem Lymphwege. Lungenerscheinungen waren klinisch nicht
nachweisbar. R. L.
5U8
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 33.
Oberarzt Dr. B. Möllers: Welche Gefahr droht dem Menschen
durch das tuberkulöse Tier? (Berliner klin. Wochenschrift,
1910, No. 19.)
Im Vordergründe des Interesses steht hier die Frage nach
der Bedeutung der Perlsuchtbacillen. Daß dem Menschen eine
gewisse Gefahr durch den Genuß perlsuchthaltiger Nahrung,
insbesondere der rohen Milch von eutertuberkulösen Kühen
droht, haben, abgesehen von den früheren Berichten anderer
Autoren, die beiden positiven Fälle von Perlsuchtinfektion in
der Sammelforschung des Gesundheitsamts von neuem be¬
wiesen. Der Umstand, daß in beiden Familien, trotz der zur
Infektion so günstigen Bedingungen, nur das jüngste Kind
unter zusammen 10 Geschwistern erkrankt, zeigt in Ueberein-
stimmung mit den Tuberkuloseforschungen der letzten Jahre,
daß durch perlsuchtbacillenhaltige Nahrungsmittel in erster
Linie Kinder gefährdet sind, und zwar, wie es scheint, in
höherem Grade, je jünger sie sind. Jedenfalls aber ist es auch
ein Beweis für die nur geringe Gefährlichkeit der Perlsucht¬
bacillen für den Menschen, daß die in beiden Fällen schon im
Säuglingsalter erworbene Persuchterkrankung einen so milden
Verlauf nahin, während die durch den humanen Typus be¬
dingte Säuglingstuberkulose in der Regel tötlich verläuft. Mit
vollem Recht kann daher Weber das Resultat der Sanunel-
ferschung in den Satz zusammenfassen: „Die Gefahr, welche
dem Menschen durch den Genuß von Milch und Milchprodukten
eutertuberkulöser Kühe droht, ist im Vergleich zu der Gefahr,
welche der mit offener Lungentuberkulose behaftete Mensch
für seine Nebenmenschen bildet, sehr gering.“ Ueber ähnliche
Feststellungen wie die deutsche Sammelforschung hat kürzlich
A. F. Hess berichtet, der die Marktmilch der Stadt New York
auf das Vorkommen von Tuberkelbacillen untersuchte und
unter 107 Proben in 17 Fällen, d. i. in 16 pCt., durch den Tier¬
versuch einen positiven ßacillenbefund feststellen konnte. Von
der bacillenhaltigen Milch hatten in 10 Familien insgesamt
18 Kinder im Alter von % bis 9 Jahren längere Zeit in rohem
Zustande getrunken. Die Untersuchung des Gesundheits¬
zustandes dieser Kinder, welche ein Jahr lang beobachtet wur¬
den, ergab, daß alle gesund geblieben waren und nur ein zwei¬
jähriges Kind an Halsdrüsenschwellung litt. Das letztere zeigte
positive Ophthalmo- und Pirquetreaktion und befand sich in
schlechtem Ernährungszustände. Die Ergebnisse der bis¬
herigen Untersuchungen stützen daher in vollem Maße die An¬
schauung Robert Kochs, daß im Kampfe gegen die Tuber¬
kulose die Maßregeln gegen die Uebertragung von Mensch zu
Mensch, nicht aber die Bekämpfung der Rindertuberkulose die
ausschlaggebende Rolle spielen. Die letztere ist aus landwirt¬
schaftlichen und ökonomischen Gründen gewiß notwendig, und
alle Maßnahmen, welche die Versorgung mit einwandfreier
Milch bezwecken, sind lebhaft zu unterstützen. Diese an sich
sehr nützlichen Maßnahmen sollten aber nicht bei der Be¬
kämpfung der menschlichen Tuberkulose in den Vordergrund
gestellt werden. Der Hauptangriffspunkt für alle Maßnahmen
der menschlichen Tuberkulosebekämpfung muß der tuberku¬
löse Mensch sein, der durch seinen Auswurf die Tuberkel¬
bacillen auf seine Umgebung überträgt. Die Bekämpfung der
Tiertuberkulose kommt erst in zweiter Linie in Betracht und
hat für die menschliche Tuberkulose bei weitem nicht die
praktische Bedeutung, die ihr früher vielfach zugeschrieben
wurde. K r.
Dr. A. Deutsch (Frankfurt a. M.): Tuberkulose und Stillen.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 23.)
Die Frage, ob tuberkulöse Frauen stillen sollen oder nicht,
ist nicht leicht zu beantworten. Wenn man jede latente Tuber¬
kulose als Kontraindikation gegen das Stillen ansieht, so wür¬
den die Bestrebungen, der natürlichen Säuglingsernährung
möglichste Verbreitung zu verschaffen, offenbar schwere Ein¬
buße erleiden. Zwei Punkte sind in der Frage zu erwägen,
welchen Einfluß hat das Stillen auf die tuberkulös erkrankte
Mutter, sodann, besteht für den von der tuberkulösen Mutter
gestillten Säugling eine erhöhte Gefahr an Tuberkulose zu er¬
kranken? Da noch wenig gesichertes Material zu der Beant¬
wortung dieser Fragen existiert, unternahm es Verf., einen
Beitrag dazu zu liefern, wobei er das Material der Säuglings¬
fürsorgestelle am Hospital der israelitischen Gemeinde zu
Frankfurt a. M. verwertete. Er konnte 74 Mütter mit 77 Säug¬
lingen beobachten; von diesen waren 30 sicher lungengesund,
14 als verdächtig zu bezeichnen, 30 waren als sicher tuber¬
kulös anzusehen, und zwar 1.8 davon als aktiv tuberkulös. Es
waren durchweg Spitzen- und Oberlappenerkrankungen; alle
waren fieberfrei. Es fand sich nun, daß 18 Frauen mit aktiver
Tuberkulose 20 mal geboren und 16 mal gestillt hatten; ein
Vergleich mit gesunden Frauen ergab, daß die Fähigkeit zu
stillen, und zwar mit gutem Ernährungseffekt zu stillen, durch
die Tuberkulose nicht im mindesten zu leiden braucht. Die
nächste Frage ist, wie den stillenden aktiv-tuberkulösen Müt¬
tern das Stillen bekommen ist. Dabei ergab sich, daß an Ge¬
wicht nur 2 Frauen zugenömmen haben eine um 3 kg, eine
um Vi kg, daß die große Mehrzahl aber abgenommen hat, und.
zwar mehrere bis 6 kg. Der Lungenbefund hat sich in 1 F'all
gebessert, ist 7 mal ungefähr gleich geblieben, hat sich in.
den meisten Fällen, in einigen Fällen bedeutend, verschlech¬
tert. Eine Primipara verschlimmerte sich nach halbjährigem.
Stillen akut und starb. Jedenfalls überwiegen Schädigungen.
Auch bei den lungengesunden Frauen seines Materials fand
Verf. mehr Gewichtsverluste als Gewichtszunahmen, und zwar
bei den Nichtstillenden ebenso wie bei den Stillenden; aber
Neuerkrankungen und Schädigungen während und nach der
Stillzeit kamen nicht vor. Das Stillen scheint also auf die
Tuberkulose meist einen ungünstigen, zuweilen einen dele¬
tären Einfluß auszuüben, Während Geburt und Puerperium an.
sich der Heilung oder dem Stillstand der Phthise nicht im
Wege zu stehen scheinen. Was nun die Kinder anlangt, so
finden sich unter 77 Kindern der Beobachtungsreihe 4 sichere
Todesfälle an Tuberkulose, 2 verdächtige Todesfälle, 2 sichere
und 2 höchstwahrscheinliche Erkrankungen an Tuberkulose,,
also 10 Infektionen. Unter den 16 von aktiv tuberkulösen
Müttern gestillten Kindern waren 2 Todesfälle an Tuberkulose
(2 Todesfälle an „Pneumonie“), 1 sichere Erkrankung an Tuber¬
kulose, 2 positive Lokalreaktionen. Unter den 4 nicht ge¬
stillten Kindern tuberkulöser Mütter kam keine Infektion vor.
Unter 8 Kindern inaktiv tuberkulöser Mütter, die von diesen
gestillt wurden, fand sich 1 Todesfall an Tuberkulose, 1 Er¬
krankung an Tuberkulose. Alles in allem ergab sich: Gerade
die tuberkulös infizierten Kinder waren alle gestillt, und zwar
7 unter 8 (vielleicht 9 unter 10) von einer tuberkulösen Mutter,
während die nicht gestillten Kinder auch bei familiärer Be¬
lastung, bis jetzt alle verschont geblieben sind. — Daß es sich
um Uebertragung der Tuberkulose direkt durch die Mutter¬
milch handelt, ist nach Verf. nach unserem heutigen Wissen
und auch nach dem Verlauf der Erkrankung bei den Kindern
(vor allem Fehlen von Darm- und Mesenterialtuberkulose)
nicht anzunehmen. Möglicherweise handelt es sich um in¬
direkte Schädigung, Resistenzverminderung durch die Milch
tuberkulöser Mütter. In praktischer Hinsicht folgert Verf. aus
seinen Ergebnissen, daß Müttern mit deutlichen tuberkulösen
Lüngenerkrankungen in ihrem eigenen Interesse wie im
Interesse der Kinder das Stillen unbedingt zu verbieten ist;
Mütter mit verdächtigen Veränderungen dürfen nur unter ärzt¬
licher Ueberwachung das Stillen versuchen.
Die Behandlung des Lupus. Referate, erstattet auf Ersuchen:
des Vorstandes der Lupus-Kommission des Deutschen
Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose in der
Sachverständigen-Sitzung vom 12. Mai 1910 in Berlin.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 25.)
I. Hofrat Prof. Dr. Lang (Wien): Die chirurgische Be¬
handlung des Lupus. Der Vortr. hat seit 1892 mit zunehmen¬
dem Erfolg die chirurgische Behandlung des Lupus ausgeführt.
Diese Behandlung besteht in der Exzision der erkrankten
Hautpartien und plastischer Deckung der entstandenen Defekte
mittels ungestielter oder gestielter Lappen gesunder Haut,
eventuell auch mittels Thierschscher Läppchen. Die Me¬
thode ist auch bei sehr ausgedehnten Lupusherden, selbst
solchen im Gesicht, anwendbar; die Behauptung, die von
manchen aufgestellt wird, daß die Exstirpation des Gesichts-
lupus nur dann angezeigt sei, wenn der Krankheitsherd die
Größe eines Fünfmarkstücks nicht überschreite, ist durch die
Erfahrungen von L. widerlegt; unter den von ihm operierten
Kranken hatten 95 Gesichtsherde, welche größer als ein Fünf-
markstück waren. Bis Ende 1909 wurden von Lang bezw.
in der Wiener Heilstätte für Lupuskranke im ganzen 441 Lu¬
puskranke der Radikaloperation unterzogen, und zwar 311
Frauen, 130 Männer, 87 Kinder. Bei den meisten Kranken
bestand die Krankheit schon viele Jahre, bei etwa der Hälfte
der Fälle 5—20 Jahre. Die Höchstdauer war 55 Jahre. Bei
den 441 Kranken wurden zum Teil auch mehrere Herde ex-
stirpiert. Die größte Anzahl der bei einem Kranken operierten
Herde betrug 26. Im ganzen wurden bei 441 Kranken 745 Lu¬
pusherde exstirpiert; davon waren 250 Gesichtsherde. Lang
hatte Gelegenheit, 308 operierte Patienten wiederholt zu unter¬
suchen, er fand 256 rizidivfrei, die Beobachtungsdauer liegt
dabei zwischen 16 Jahren und einem halben Jahr; bei weiteren
17 Patienten wurde ein kleiner Rezidivherd durch einen un¬
bedeutenden chirurgischen Eingriff behoben und die Be¬
treffenden sind danach ebenfalls als geheilt zu betrachten.
Somit ist der Bruchteil der durch die Operation dauernd Ge¬
heilten sehr bedeutend. Nur 10 von den 308 Patienten boten
gelegentlich neuerlicher Revision inoperable Rezidive. Nach
Einsen behandelte Stellen wurden im ganzen 9 mal operiert.
Meist war die Indikation durch tiefen Sitz der Lupusknötchen
gegeben, einzelne Kranke wünschten die Operation, weil sie
durch die lange Dauer der Finsenbehandlung ungeduldig ge¬
worden waren. L. stellte im ganzen bei der anschließenden
Demonstration 15 geheilte Patienten vor. Diese Erfolge zeigen,
daß der operativ-plastischen Metiiode in jeder Lupusheilstätte
der breiteste Raum zuzuweisen ist. Die Methode ist gegen-
No. 38.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
509
über der Lichtbehandlung als äußerst billig zu bezeichnen,
welcher Gesichtspunkt ja auch in Frage kommt.
II. Prof. Dr. Zinsser (Cöln): Die Behandlung des Lupus
nach Finsen. Verf. gibt zunächst eine Statistik über die bis¬
herigen Ergebnisse der Finsenbehandlung des Lupus. Das
Finsen-Institut in Kopenhagen verfügt bisher über 800 Fälle;
davon sind etwa 90 pCt. unbedingt durch die Behandlung
günstig beeinflußt. Geheilt wurden kleine Herde 73 pCt.,
mittelgroße Herde 58 pCt, große 37 pCt., ausgebreitete 23 pCt.
Aehnlich sind die von anderen Finsen-Instituten erzielten Er¬
folge. Zinsser selbst hat von Dezember 1904 bis Dezember
1909 im ganzen 142 Fälle behandelt, davon 116 nach Finsen,
teils in Verbindung mit anderen Methoden, teils (36) aus¬
schließlich mit Licht. Die Gesamtzahl der Finsenbestrahlungen
betrug 11 633; es kommen also 100 Bestrahlungen im Durch¬
schnitt auf jeden Fall. Verf. teilt die Fälle in 4 Gruppen ein:
I. Ganz schwere, II. schwere, II. mittelschwere, IV. leichte
Fälle. In Gruppe 1 wurden 14 pCt., in II 16 pCt., in III
34,7 pCt., in IV 85,2 pCt. geheilt entlassen, darunter rezidi-
vierten aber einige später, bei anderen ist die Beobachtungs¬
zeit noch zu kurz, um ein endgültiges Urteil zu gestatten, einige
endlich konnten nicht weiter beobachtet werden. Aus der
Betrachtung der Statistiken geht nach Z. hervor, daß die
Finsenmethode imstande ist, bei leichten Fällen eine Heilung
geradezu zu versprechen, wenn die Behandlung wirklich
durchgeführt wird, daß man auch bei schweren Fällen eine
gewisse Aussicht auf vollkommenen Erfolg hat, und daß auch
bei ganz schweren Fällen eine Besserung erzielt werden kann.
Z. präzisiert die Indikationen der Finsentherapie folgender¬
maßen : 1. Die kleinen Fälle von reinem Hautlupus ohne
Schleimhautkomplikationen in der Ausdehnung bis etwa Fünf¬
markstückgröße sollten, namentlich wenn sie im Gesicht
sitzen, nur der Finsentherapie unterzogen werden. In diesen
Fällen kann man, wenn die Behandlung wirklich durchgeführt
wird, nach Z. 100 pCt. Heilung erwarten, und zwar eine Hei¬
lung mit glatter, im Niveau der gesunden Haut sitzender, nor¬
mal gefärbter, weicher, fast unsichtbarer Narbe. Nach Z. ist
das kosmetische Resultat in diesen Fällen besser als bei der
Exzisionsbehandlung, wenngleich in bezug auf die Heilung
letztere das gleiche leistet. Die Mehrkosten der Finsenbehand¬
lung dürfen wegen der Vorzüglichkeit des kosmetischen Re¬
sultats daher nicht zu beanstanden sein. Die Quarzlampe da¬
gegen scheint nur die ganz oberflächlichen Formen günstig zu
beeinflussen; sie ist daher nur zur Vorbereitung der Finsen¬
behandlung zu gebrauchen. Sitzen die kleinen umschriebenen
Lupusherde an anderen Körperstellen' als im Gesicht, und
kommt es mehr darauf an, sie rasch zu beseitigen, als ihre
Spuren möglichst zu verwischen, dann wird die Exzision oft
der Finsenbehandlung vorzuziehen sein. 2. Für Fälle mit
größerer Ausdehnung, aber ohne Komplikationen gilt im we¬
sentlichen dasselbe, was von den kleineren Fällen gesagt
wurde. Wegen der langen Dauer der Finsenbehandlung und
der Kosten wird öfter der chirurgischen Therapie in diesen
Fällen der Vorzug gegeben. Um die Behandlungsdauer mög¬
lichst abzukürzen, wird schon bei den mittleren Fällen manch¬
mal die Anwendung anderer Methoden, die der Finsenbestrah-
lung Vorarbeiten, in Betracht kommen. Als vorbereitende Be¬
handlung für mittelgroße Fälle bevorzugt Verf. die Pyro-
gallusbehandlung. Sie wirkt rasch und gründlich, freilich mit
ziemlichen Schmerzen, verschont das gesunde Gewebe leid¬
lich gut und hinterläßt weiche Narben, welche der anschließen¬
den Finsenbehandlung keine Hindernisse bereiten. 3. Bei den
ganz ausgedehnten und tiefen Fällen mit mehr oder weniger
schweren Komplikationen wird die Finsenbehandlung schon
außerordentlich mühsam und langwierig. Was man hier durch
andere Methoden beseitigen kann, sollte man nicht mit der
Finsenlampe behandeln. Z. zieht auch hier die Pyrogallus-
therapie anderen Methoden vor und scheut sich nicht, auch
ausgedehnte Flächen damit zu behandeln. Hier empfiehlt es
sich auch nach Z. die Pyrogailusbehandlung mit einer Röntgen¬
behandlung zu kombinieren, die man in diesen schweren
Fällen getrost etwas herzhafter anwenden darf. Ulceraiionen
schließen sich unter dem Einfluß der Röntgenstrahlen meist
ziemlich rasch, und hypertrophische Lupusformen sinken meist
in verhältnismäßig kurzer Zeit zusammen. Ist das Schlimmste
beseitigt, so bleiben oft glatte Lupusflächen übrig, die für die
Finsentherapie geeignet sind. — Die Schleimhäute, namentlich
die der Nase, sind freilich für die Finsentherapie fast ganz
unzugänglich. Auch an den Ohren ist die Finsenbehandlung
aus technischen Gründen nicht gut zu verwenden. Es ist hier
nach Verf. zweckmäßiger, entweder zu exzidieren öder mit
Heißluftkauterisation oder Pyrogallus das Kranke zu zer¬
stören. Die Kosten der Finsenbehandlung berechnet Verf. auf
1.50 M. pro Bestrahlung, wobei zu bedenken ist, daß die
schweren Fälle Hunderte von Bestrahlungen erfordern.
III. Dr. Paul Wichmann (Hamburg): Die Behandlung des
Lupus mit Radium. Gegen die Radiumtherapie des Lupus wird
gewöhnlich eingewendet, sie wirke zu oberflächlich, oder es
trete bereits eine starke Zerstörung der Oberfläche ein, ehe
eine genügende Tiefenwirkung erzielt ist. Es hängt dies zu¬
sammen mit der Tatsache, daß die Radiumstrahlung nicht
homogen ist, sondern aus verschiedenen Strahlen ungleicher
Absorbierbarkeit («-, ß-, ^-Strahlen) besteht. Die leichter ab¬
sorbierenden Komponenten (a-Strahlen, /i-Strahlen z. T.),
welche die Hauptmasse der Strahlung ausmachen, führen nun
in den oberflächlichen Hautschichten bereits zur Nekrose, ehe
die in geringer Anzahl vorhandenen tiefer wirkenden Kompo¬
nenten eine hinreichende Tiefenwirkung entfalten können.
Wenn man aber die oberflächlich wirkenden Strahlen durch
geeignete Filter unschädlich macht, kann man ohne Gefahr
die Applikation solange ausdehnen, bis die erwünschte Tiefen¬
wirkung erzielt ist. Mit dieser von ihm angegebenen Filter¬
methode hat W. gute Erfolge gehabt. Im ganzen hat er 30 ver¬
schiedene Lupusfälle mit Radium bestrahlt, wobei dieses ent¬
weder allein oder in Kombination mit anderen therapeutischen
Faktoren zur Anwendung kam. Von diesen 30 Fällen war bei 3
die Kontrolle nicht durchführbar, 4 hatten Rezidive, die übri¬
gen 23 sind 1—4 Jahre rezidivfrei geblieben. Der kosme¬
tische Erfolg ist durchaus befriedigend. Die Radiumbehand¬
lung ist nach W. besonders angezeigt a) bei kleinen Lupus¬
herden, disseminierten Knötchen in der Haut, falls eine tief¬
greifende, weit im Gesunden zu umgrenzende Exzision wegen
schwieriger Lokalisation oder sonstiger Gründe nicht durch¬
führbar ist, eine derartige Exzision mit nachfolgender Plastik
in kosmetischer Beziehung ungünstig ins Gewicht fallen würde,
b) bei Schleimhautlupus. Notwendige Vorbedingungen einer
erfolgreichen Radiumbehandlung des Lupus ist a) Verwen¬
dung von Präparaten höchster Aktivität (von mindestens
500 000 Uraneinheiten an), deren biologische Leistungsfähigkeit
empirisch festgestellt ist, b) Anwendung geeigneter Filter.
IV. Dr. Gotischalk (Stuttgart): Die Behandlung des Lupus
nach anderen Methoden. Verl, bespricht in erster Lmie die
Röntgenbehandlung des Lupus, von welcher er sehr gute Er¬
folge gesehen hat. Allerdings wendet er sie meist nicht aus¬
schließlich, sondern in Kombination mit der Lichttherapie an,
deswegen verfügt er nur über 6 Fälle, welche ausschließlich
durch die Röntgentherapie geheilt sind. Was die Methode an¬
langt, so empfiehlt G. ein sehr vorsichtiges Vorgehen, Bestrah¬
lung bis zum Stadium der Hyperämie, er benutzt jetzt zur Kon¬
trolle der Strahlenmenge das Kienböck sehe Radiometer.
Was die Röhren anlangt, so kommen nach G. für die Zwecke
der Lupusbehandlung nur mittelharte Röhren (von 4—8 Weh-
nelt-Einheiten) in Betracht. Hat man das Stadium der Hyper¬
ämie erreicht, so empfiehlt es sich, dieses möglichst lauge
zu erhalten. Ist das Gewebe aber durch die vorhergehende
Behandlung unempfindlich gegen die Röntgenstrahlen ge¬
worden, so muß man es sensibilisieren; dieses geschieht durch
Erzeugung von Hyperämie, und zwar beim Extremitäteu-
Lupus durch Vorbehandlung im B i e r sehen Heißluftkasten,
beim Lupus des Gesichts durch Gesichtsdampfbäder öder
durch Scheinwerfer-Blaulicht-Vorbehandlung. Auch den Lu¬
pus der Schleimhaut kann man mittels besonderer Bleiglas¬
ansätze an den Konzentrator mit Röntgenstrahlen behandeln.
Wie schon erwähnt, kombiniert G. die Röntgenbehandlung
meist mit der Finsentherapie. Zusammengefaßt vertritt G. in
bezug auf die Indikationsstellung bei der Lupusbehandlung
folgende Grundsätze: Bei kleinen, umschriebenen Herden
und möglichst exogener Entstehungsursache empfiehlt er die
Exzision und Plastik, bei ausgedehnteren Prozessen aber jeg¬
licher Lokalisation und jeglicher Entstellungsursache tritt als
Hauptfaktor die kombinierte Röntgen- und Finsenbehandlung
auf den Plan, wobei je nach den individuellen Umständen
bald in die Röntgentherapie, bald in die Finsenbehandlung
der Schwerpunkt zu legen ist. Ausschlaggebend ist die je¬
weilige klinische Form des Lupus. Bei den ulcerierten, intu-
mescierten und verrucösen Formen des Lupus kommt der
Röntgenbehandlung eine weit mehr als vorbereitende Bedeu¬
tung zu, während bei den flachen, nicht ulcerierten Formen
die Finsenbehandlung im Vordergründe steht. Aber auch bei
den zuerst genannten Formen hat die Behandlung stets vor¬
sichtig zu bleiben, um sekundären Hautveränderungen vor¬
zubeugen und der folgenden Lichtbehandlung den Weg für
die definitive Heilung offenzuhalten und zu ebnen. Von der
unterstützenden Tuberkulinbehandlung hat G. keinen wesent¬
lichen Nutzen gesehen. Im ganzen hat er 167 Lupusfälle nach
den auseinandergesetzten Grundsätzen behandelt; kosmetische
oder soziale Heilungen erzielte er in 70 pCt., klinische Hei¬
lungen in 52 pCt. der Fälle. Ueber 2 Jahre geheilt blieben
bis jetzt 48 pCt. der Fälle. Die Zahl der Rezidive betrug bis
jetzt 15 pCt. Die Behandlungsdauer lag zwischen 1 Monat
und 33 Monaten. R. L.
Dr. med. Goswin Zickgraf (Bremerhaven): Ueber therapeuti¬
sche Anwendung von Projodin. (Zentralbl. f. innere Me¬
dizin, 1910, No. IT.)
Es ist eine noch viel zu wenig bekannte, Tatsache, daß in
verhältnismäßig vielen Fällen von Lungentuberkulose, die
früher eine Lues durchgemacht haben, die luetische Erkrankung
610
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 38.
einen merkbaren Einfluß auf die tuberkulöse Lungenerkran¬
kung ausübt. Verf. ist durch eine Reihe von Erfahrungen dazu
gekommen, in jedem Falle, wo anamnestisch Lues zu eruieren
war, und wo ihm die durchgemachten antisyphilitischen Kuren
nicht genügend erschienen, Jod in irgendeiner Form wochen¬
lang zu verabfolgen. Er konnte in vielen so behandelten Fällen
ein viel rascheres Schwinden eines Teiles der Lungenverände¬
rungen konstatieren und jedenfalls eine bedeutend raschere
allgemeine Erholung und erheblichere Gewichtszunahme er¬
zielen. Als Jodmedikamente verwandte Verf. Jodkalium und
Jodipin subkutan und per os. Im Sommer 1909 begann er
Versuche mit einem neuen Präparat, dem Projodin (Dr. W o 1 f f
[Bielefeld]) zu machen. Das Projodin ist eine Milcheiweiß-Jod¬
verbindung, die nach den Angaben des Fabrikanten das Jod
zu 5 pCt. intramolekular gebunden enthält. Das Präparat
wurde unter dem früheren Namen Laktojod von Stanjeck
einer Prüfung unterzogen. Aus den Stoffwechseluntersuchun¬
gen Stanjecks ging hervor, daß das Laktojod-Projodin un¬
giftig ist, die Resorption prompt eintritt, und daß ein relativ
großer Teil des Jods im Organismus längere Zeit in Wirksam¬
keit bleibt. Die klinischen Versuche, die an einem schwer
luetischen Material gemacht wurden, ergaben, daß dem Lakto¬
jod-Projodin eine milde Jodwirkung eigen ist. Störende Neben¬
wirkungen zeigten sich nicht; mit der Jodwirkung vereint sich
ein dem Präparat als Milcheiweiß zukommender Nährwert, der
seinen Ausdruck in einer in den meisten Fällen erheblichen
Gewichtszunahme fand. Die in der Stanjeck sehen Arbeit
hervorgehobene milde Jodwirkung (ohne lästige Nebenerschei¬
nungen des Jodismus zu erzeugen), wird von einer Reihe von
modernen Jodpräparaten zwar behauptet, ohne daß es aber
bei gegen Jod sehr empfindlichen Menschen immer gelingt,
Joderscheinungen fernzuhalten. V erf assers Beobachtungen
stimmen mit denen Stanjecks überein. Nach ihm ist das
Projodin nicht nur ein äußerst mildes und doch sicher wir¬
kendes Jodpräparat zur Behandlung der Krankheiten, die für
die Jodtherapie meist in Betracht kommen, sondern kann auch
ohne Bedenken bei Lungentuberkulose angewendet werden,
wo es in vielen Fällen günstige symptomatische Erfolge auf¬
zuweisen haben wird, und wo die Anwendung der dem Pro¬
jodin als Eiweißverbindung innewohnenden Nährkraft an¬
gezeigt erscheint. K r.
Dr. Armin Weiss, Bezirksarzt in Nagyhalmagy: Eine eigen¬
artige Gelenksaffektion, geheilt durch Sajodin. (Pester me¬
dizinisch-chirurgische Presse, 1910, No. 12.)
Die gute Verträglichkeit des Sajodins bei prompter Jod¬
wirkung kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden,
hierüber ließe sich etwas Neues nicht sagen. Dagegen hatte
Verfasser Gelegenheit, eine vorzügliche Wirkung des Sajodins
zu beobachten, die ihm interessant genug erscheint, um sie
weiteren Kreisen bekannt zu geben. Dieser Fall hat insofern
größeres Interesse, als er der Familie des Verfassers ent¬
stammt. Der Schmerz an einem Finger rührte allem Anschein
nach von einem äußeren Insult her und war bedingt durch
eine Zerrung und Verbrennung im Gelenk. Der bis zum
Schultergelenk ausstrahlende Schmerz, der zunächst bekämpft
werden mußte, ging auf die üblichen Medikamente nicht zu¬
rück, im Gegenteil, der Finger nahm immer größeren Umfang
an, wurde blaurot und empfindlicher, war heiß und hart an¬
zufühlen. Später wurde durch Röntgenbeleuchtung Beinhaut¬
entzündung mit Knochenfraß festgestellt. Da eure Amputation
vorgeschlagen wurde, griff Verfasser in seiner Verzweiflung
zu einer Jodkur und benützte als internes Heilmittel das Sa¬
jodin. Nach 8 Tagen wurde der Finger dünner, die Haut dar¬
über schälte sich ab, nach weiteren 8 Tagen verlor sich der
Schmerz und die Entzündung verschwand. Die Heilung ver¬
dankt Verf. der Medikation mit Sajodin. Trotz der langen Ver¬
wendungszeit trat niemals eine Störung des Appetites oder eine
Belästigung des Magens auf. Am besten ist das Mittel eine
Stunde nach den Mahlzeiten zu nehmen und die Tabletten sind
im Munde zu zerkauen. Dr. S r.
Prof. H. Sahli (Bern): Ueber Pantopo». (Münchener med.
Wochenschrift, 1910, No. 25.)
Verf. berichtet über weitere Erfahrungen mit dem’ von
ihm in die Therapie eingeführten Pantopon. Im Pantopon sind
die Alkaloide des Opiums als leicht lösliche, rasch resorbie-
bare Chloride vorhanden, völlig von Harzen und sonstigen
störenden Substanzen befreit; das Pantopon ist ein gelbbraunes
Pulver, welches aus den Gesamtalkaloiden des Opiums in
Form ihrer salzsauren Salze besteht. Das Präparat ist in
kaltem Wasser leicht (in ca. 12 Teilen) löslich, noch leichter
in heißem Wasser; die Lösung reagiert auf Lakmus schwach
sauer. Verf. hat das Pantopon seit mehreren Jahren in seiner
Klinik in ständigem Gebrauch; es kann sowohl innerlich wie
subkutan gegeben werden. Für beide Zwecke dient eine Lö¬
sung, welche 2 pC't. Pantopon in einer Mischung von 75 Teilen
Wasser und 25 Teilen Glyzerin gelöst enthält. Diese Lösung
braucht nach Vei'f. auch für die subkutane Injektion nicht
sterilisiert zu werden, da das Glyzerin als Antisepticum wirkt.
Die Lösung hält sich unbegrenzt. Zum einmaligen Gebrauch
ist diese Lösung ungefähr so zu dosieren wie die offizineile
Opiumtinktur. Sie dient in der Dosis 5—20 Tropfen nament¬
lich zur Behandlung peritonitischer Affektionen (Perityphlitis
etc.) und zur symptomatischen Stillung von Durchfällen, peri-
staltischer Unruhen und Krampfkoliken. Bei leerem Magen
gegeben, wirkt die Pantopon-Lösung in der Dosis von 10 bis
20 Tropfen sehr prompt symptomatisch antidiarrhoisch, rascher
als die entsjjrechende Dosis Tinct. Opii. In subkutaner In¬
jektion wird das Pantopon in des Verf. Klinik vielfach mit
vorzüglichem Erfolg als schmerzstillendes Mittel und Schlaf¬
mittel, letzteres besonders bei schmerzhaften Affektionen, ver¬
wendet ; die gewöhnliche Dosis ist dabei 1 ccm der 2 proz.
Lösung; oft genügt auch die Hälfte. Auch als Zusatz zu
Hustenmedizinen und pulverförmigen antikatarrhalischen Me¬
dikationen wird das Pantopon mit Erfolg verwendet, z. B.
0,03—0,04 g Pantopon als Zusatz zu Lösungen von 200 ccm
oder als Pulver in 3 maliger Dosis von 5 mg. Auch D o w e r -
sehe Pulver werden mit einem Gehalt von 5 mg Pantopon in
Tablettenform hergestellt. — In einem Falle hatte eine In¬
jektion von 0,02 Pantopon und 0,1 g Hyoscinum hydrobrom. bei
einem Alkoholdeliranten eine prompte schlafbringende Wir¬
kung. R. L.
Dr. 0. Schiemann, Volontärassistent d. med. Klinik zu Königs¬
berg i. Pr.: Ueber quantitative Eiweißbestimmungen nach
Tsnchiya. (Zentralbl. f. innere Medizin, 1910, No. 31.)
Verf. hat in vorliegender Arbeit den Eiweißgehalt von
14 Urinen, 3 Exsudaten, 4 Transsudaten vergleichend nach der
Methode von Tsuchiya und Esbach bestimmt und die
Ergebnisse durch das Wägungsverfahren kontrolliert. Seine
Untersuchungen haben folgendes ergeben:
I. Urinuntersuchungen: Bei den mittleren Eiwei߬
mengen, die gemeinhin bei den Urinuntersuchungen in Frage
kommen, leistet das Tsuchiya- Verfahren nicht mehr als
die seit langen Jahren in der Klinik eingebürgerte Esbach-
Methode. Bei der Bestimmung großer Eiweißmengen ist es
der Esbach- Methode überlegen. Für die Bestimmung
kleinster Eiweißmengen ist das neue Verfahren im Gegensatz
zu den Angaben des Autors schlechter als das Esbach sehe,
denn die Ausfällung an sich, wenn der abzulesende Wert falsch
ist, ist nach Verfassers Meinung eine Verschlechterung einem
Verfahren gegenüber, bei dem Fällungen ausbleiben, aber auch
keine Täuschung möglich ist. II. Untersuc h unge n v o n
Transsudaten und Exsudaten: Für derartige Unter¬
suchungen ist das Tsuchiya sehe Verfahren ebenso unbrauch¬
bar wie das Es hach sehe Verfahren. — Unter diesen Um¬
ständen, schließt Verf., fragt es sich, ob es einen wesentlichen
Vorteil für die klinische Untersuchung bedeuten würde, wenn
man an Stelle des alten Esbach- Verfahrens die T s ri¬
eh i y a - Methode einführen wollte. Nach Verfassers Meinung
ist dies nicht der Fall, da der einzige eventuell erreichte Vor¬
teil eine größere Genauigkeit in der Ablesung der seltener sich
findenden Eiweißwerte jenseits von 6 0 /»o im Urin wäre.
Dr. Roubitschek (Karlsbad), Assistent von Prof. Dr. Rosen¬
heini in Berlin: Zur Kenntnis der Obstipationsalbuminurie.
(Berliner klm. Wochenschrift, 1910, No. 18.)
Durch die Arbeiten von Kobler, Wasserthal und
Epstein ist neuerdings wieder auf eine besondere Abart
der Albuminurie, nämlich die infolge Obstipation entstehende,
die Aufmerksamkeit gelenkt worden. Es handelt- sich in den
genannten Mitteilungen um die Frage: Woher entsteht bei
Obstipation eine Eiweißausscheidung und weshalb kommen
bei dieser Zylinder im Harne vor? Man hat die Frage experi¬
mentell untersucht, und in Wallersteins Versuchen, bei
denen den Tieren (Kaninchen) der Mastdarm zugenäht wurde,
trat bereits am zweiten Tage Albuminurie auf, die sich in
den folgenden Tagen noch bedeutend steigerte. Diese Me¬
thode, die den sicheren Vorteil hat, die Darmpassage voll¬
kommen abzusperren, hat allerdings den Nachteil, den- natür¬
lichen Verhältnissen, wie solche bei der Obstipation bestehen,
nicht Rechnung zu tragen. R. hat nun versucht, bei Kaninchen
Verstopfung auf natürliche Weise herbeizuführen. Durch die
Nahrung allein gelang es nicht. Die Tiere wurden daher durch
Opium (10—15 Tropfen) und Tamialbin (lg pro die) obstipiert.
Die Dauer der 4 einzelnen Versuche betrug 14—22 Tage,
länger ertrugen die Tiere die Obstipation nicht. Bei allen Ver¬
suchen trat die Eiweißausscheidung ungefähr am 4. bis 6. Tage
auf. Das Auftreten von Zylindern fällt in die Zeit des 6. bis
9. Tages. Gleichzeitig erscheinen im Harn rote und weiße
Blutkörperchen.
Die Ursachen für die Albuminurie infolge Obstipation sind
nicht ganz klar. Man könnte an zweierlei denken: erstens an
die Wirkung toxischer Stoffe, die im Darme Zurückbleiben
und bei ihrer Resorption die Niere schädigen. Zweitens können
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
511
No. 38.
reflektorische Vorgänge, die vom Darme ans den Nierenkreis¬
laut beeinflussen und daselbst zu einer venösen Stauung
führen, eine Rolle spielen. Daß die venöse Stauung die Ob¬
stipationsalbuminurie steigert, beweist Verfassers letzter Ver¬
such, der von den früheren insofern abweicht, als er bei den
Kaninchen eine Binde um das Abdomen legte, welche dieses
ziemlich fest einschnürte. Hierbei begann die Eiweißmenge,
die bis dahin ziemlich konstant geblieben war, zu steigen, ein
Umstand, der sich gleichfalls im Sinne einer vermehrten
Stauung im Kreisläufe mit folgender Mehrausscheidung von
Eiweiß deuten läßt. Demnach kommt Verf. zu folgendem Re-
sume: Die künstliche Obstipation bei Tieren bedingt wahr¬
scheinlich eine venöse Stauung, die zu Eiweißausscheidung
führt; diese Albuminurie ist gekennzeichnet durch das Auf¬
treten anfangs geringer, später größerer Eiweißmengen. Im
Harnsedimente treten zuerst rote und weiße Blutkörperchen,
dann einzelne granulierte und epitheliale Zylinder, schließlich
vereinzelte hyaline auf. Ihre Erklärung finden diese in dem
mikroskopischen Bilde, welches durch starke Blutungen und
trübe Schwellungen der Epithelien gekennzeichnet ist.
Im Anschluß hieran berichtet Verf. kurz über drei Fälle
von Obstipationsalbuminurie aus eigener Beobachtung:
1. Frau v. K., 29 Jahre alt, anämisch; seit 3 Jahren hart¬
näckige Obstipation; im Harn, der ein spezif. Gew. von 1025
zeigt, Eiweiß in Spuren nachweisbar, vereinzelte hyaline Zy¬
linder. Pat. beginnt die Brunnenkur, die Defäkation regelt
sich innerhalb 8 Tage, von da an jede Spur Eiweiß sowie
Zylinder verschwunden.
2. H. G., 19 Jahre alt, legt eine mehrtägige Reise mit
kurzen Unterbrechungen zurück. Stuhlgang bisher stets nor¬
mal. Während der Reise 4 Tage Obstipation. Bei der sofort
nach der Ankunft des Pat. vorgenommenen Untersuchung zeigt
der Harn deutliche Eiweißreaktion und vereinzelte hyaline Zy¬
linder, die prompt nach erfolgter Defäkation verschwinden.
3. H. K., 50 Jahre alt, war bisher stets gesund und rüstig.
Keine Zeichen von Arteriosklerose. Seit 2 Monaten andauernde
Obstipation. Pat. leidet an Schwindel und Müdigkeit. Der
Stuhlgang erfolgt nur mühsam durch Irrigation, die einzelnen
Scybala werden als Kugeln abgesetzt. Die Ausnutzung der
Nahrung ist eine sehr gute. Im Harn Spuren von Eiweiß, die
dauernd konstant bleiben. Gleichzeitig manchmal hyaline
Zylinder nachweisbar. Nach Regelung der Diät erfolgt Besse¬
rung und gleichzeitig schwinden aus dem Harn Eiweiß, sowie
Zylinder. K r.
G. Zironi: Experimenteller Beitrag zur Pathogenese des Ulcus
rotundum des Magens. (Archiv f. klin. Chirurgie, Band 91,
Heft 3.)
Nach kritischer Besprechung der großen Reihe der für
die Entstehung des runden Magengeschwürs aufgestellten
Theorien kommt Verfasser auf Grund zahlreicher Tierversuche
zu dem Schlüsse, daß die subdiaphragmatische Vagusresektion
imstande ist, ein Magengeschwür zu erzeugen, dessen makro-
und mikroskopische Erscheinungen sich denjenigen des runden
Geschwürs beim Menschen stark nähern. In 63 pCt. der von
ihm operierten Tiere fand er solche Geschwüre, welche nur
in sehr seltenen Fällen eine Neigung zur Ausheilung zeigten.
Man findet das Geschwür schon am dritten Tag nach der Ope¬
ration und fand es noch, als die Tiere 9 Monate nach der Ope¬
ration behufs Untersuchung getötet wurden. Zahlreiche Ver¬
suche, durch künstlich hervorgerufene Anämie ein Geschwür
zu erzeugen, schlugen fehl, wohl aber verschlimmerte diese
Anämie den Zustand der durch Vagusresektion erzeugten Ge¬
schwüre. Die künstlich anämisierten Tiere erkrankten durch
die Vagusresektion nicht häufiger an Magengeschwür als die
gesunden Tiere, dagegen zeigte das Geschwür bei den anämi¬
schen eine größere Intensität. Adler (Pankow-Berlin).
Dr. R. Milner (Leipzig): Die entzündlichen Pseudo-Carcinome
des Wurmfortsatzes. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 25.)
Am Wurmfortsatz kommen nicht selten, meist in oder nahe
der Spitze, aber auch an anderen Stellen, besonders in Strik-
turen, Knoten von Stecknadelkopf- bis Erbsen- und Bohnen¬
größe vor, die wegen ihres mikroskopischen Baues bisher
immer für Carcinome oder von einzelnen auch für Endo-
theliome erklärt worden sind, während Verf., wie er schon
in früheren Mitteilungen ausgeführt hat, sie für Produkte einer
entzündlichen Wucherung hauptsächlich des adenoiden Ge¬
webes der Mucosa und des Lymphgefäßendothels aller anderen
Wandschichten des Wurmes und sogar des Mesenteriolum an¬
sieht. In der vorliegenden Arbeit faßt er noch einmal die
Gründe zusammen, welche für diese Auffassung sprechen; ins¬
besondere weist er auf die ausnahmslose Gutartigkeit dieser
kleinen Tumoren hin sowie auf die Tatsache, daß die Patienten,
bei denen man sie gefunden hat, in relativ jugendlichem
Lebensalter stehen (im Durchschnitt etwa 25 Jahre).
Dr. Erich Fabian: Fremdkörper im Bruchdarm als Ursache
schwerer Komplikationen. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 25.)
Verf. berichtet aus der Bonner chirurgischen Klinik über
einen von ihm beobachteten und operierten Fall, der in das
Gebiet der durch Fremdkörper bedingten Bruchkoniplikationen
gehört. Es handelt sich um ein 17 Monate altes Mädchen mit
einem seit der Geburt bestehenden Nabelbruch, welcher seit
1 Tag nicht mehr zurückgebracht werden konnte. Es be¬
stand mäßige Temperaturerhöhung (38,6°); die Gegend des
Nabels war in der Größe eines kleinen Apfels vorgewölbt, der
Nabel selbst verstrichen, die Haut gerötet, stark gespannt; die
Vorwölbung war von prall elastischer Konsistenz. Das übrige
Abdomen weich, nirgends druckschmerzhaft. Bei der Ope¬
ration in Aethernarkose wurde nach einem Längsschnitt über
die Höhe des Tumors schichtweise in die Tiefe gegangen, bis
der Bruchsack eröffnet wird, aus dem sich einige Tropfen
einer gelbbräunlichen, wenig getrübten Flüssigkeit entleeren.
Im Brucksack ein Netzzipfel, der keinerlei Verfärbung zeigt,
und ein Darmwandstück, in welchem man einen festen Körper
fühlt. Der Darm wurde nach Spaltung der Bruchpforte gegen
oben ganz vorgezogen. Es fand sich gegenüber dem Mesen¬
terialansatz ein iy 2 cm langer Längsriß, rechts davon ein stark
nadelkncpfgroßes Loch. Serosa in der Umgebung fibrinös be¬
legt, Darmwand ödematös, aber nicht blau verfärbt, keine
Zeichen von Schnürung. Durch den Riß entleert sich ein
Pflaumenkern, der quer zur Bruchpforte stand. Die beiden Risse
wurden in gerader Richtung übernäht, Netz auf der lädierten
Darmschlinge mittels einiger Knopfnähte befestigt; der Bruch
reponiert, dann erfolgte die Naht des Peritoneums, der Fascie
und Haut. — Das Kind hatte 2 Tage vor der Operation einen
Pflaumenkern verschluckt. Trotzdem 4 Tage nach der Ope¬
ration das Kind an Masern erkrankte, war der weitere Verlauf
bis auf eine geringfügige Stichkanaleiterung ungestört. —
Verf. stellt im Anschuß an den Fall Mitteilungen aus der Lite¬
ratur zusammen, in denen sich Fremdkörper in Brüchen fanden.
R. L.
N. Berensnegowsky: Ueber die Pathologie und Therapie des
Mastdarmvorfalles. (Archiv für klin. Chirurgie, Band 91,
Heft 3.)
Verfasser hat eine Reihe sorgfältiger Experimente an
Kinderleichen angestellt und konnte durch Einpumpen von
Luft oder Wasser in die Bauchhöhle unter einem Druck von
1 - 2 Atmosphären das klinische Bild des Mastdarmvorfalles
hervorrufen. Hierbei zeigte sich, daß die entscheidende Rolle
für das Zustandekommen des Vorfalles weder der Darm und
sein Gekröse, noch die Afteröffnung, sondern einzig und allein
der Beckenboden spielt. Solange der Boden des Beckenbauch¬
felles nicht unter die Linie sinkt, welche das Ende des Stei߬
beines mit der Symphyse verbindet, tritt ein Mastdarmvorfall
nicht ein. Somit wäre der Mastdarmvorfall als eine Art Hernie
des Beckenbodens und demgemäß alle Operationsmethoden,
welche am Darm angreifen, als prinzipiell verfehlt anzusehen.
Der kausalen Indikation genügt vielmehr nur eine Methode,
welche den Beckenboden so verstärkt, daß er dem abnorm ge¬
steigerten intraabdommellen Druck hinreichenden Widerstand
zu leisten vermag. Selbst die von Napalkow angegebene
Methode, bei welcher durch einen Querschnitt über den Darm
die heruntergetretene Bauchfelltasche nach Art eines Bruch¬
sackes abgetragen wird, genügt nicht, weil sie den Becken¬
boden bloß verkleinert, ohne ihn zu verstärken. Verfasser hat
deshalb diese Methode dahin erweitert, daß vom freien Rande
der Musculi glutaei maximi je ein Muskellappen abgetrennt und
in der Tiefe der Dammwunde vor dem Mastdarm vereinigt
werden. Verfasser teilt zum Schluß einen nach dieser Methode
operierten Fall mit, welcher ein gutes funktionelles Resultat
ergeben hat. Der Patient war noch 3 Jahre nach der Operation
frei von Rezidiv. Wie Verfasser selbst hervorhebt, kommt diese
| eingreifende Methode nur für die schwereren Fälle in Be¬
tracht. Adler (Pankow-Berlin.)
Dr. Benno Crede (Dresden): Die Tahnasche Operation. (Beil.
klin. Wochenschr., 1910, No. 18.)
Talma veröffentlichte seine Operation, die in der Haupt¬
sache bei Lebercirrhose angezeigt ist, im Jahre 1904 unter dem
Titel: „Chirurgische Oeffnung neuer Seitenbahnen für das
Blut der Vena portae.“ Seitdem ist diese Operation von vielen
Chirurgen ausgeführt worden, und Verf. hat etwa 120 Fälle in
der Literatur auffinden können, von denen angeblich 40 pCt.
geheilt sein sollen. Dieses Resultat kann sich nach Verf. nur
auf vorübergehende Besserung beziehen, denn seiner Beurtei¬
lung nach sind keineswegs mehr als 20 pCt. der Fälle dauernd
geheilt worden. Er hatte bis jetzt fünfmal Gelegenheit, die
Operation auszuführen. Zweimal hatte er keinen Erfolg, zwei¬
mal eine auffallende Besserung für 6 bezw. 8 Monate, und ein¬
mal, glaubt er, wird man von einem Dauererfolg reden können.
Woran liegt es nun, fragt Verf., daß die Erfolge dieser logi-
512
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 33.
sehen und berechtigten Operation noch so geringe sind? Veit,
ist überzeugt, daß er den günstigen Verlaut seines letzten
Falles durch sein gegen früher viel radikaleres operatives
Vorgehen erreicht hat und glaubt dasselbe aus diesem Grunde
empfehlen zu können. Er glaubt die Mißerfolge zum Teil dar¬
auf schieben zu sollen, daß nicht genug und nicht genügend
große Gefäße sich hatten bilden können. Er hat deshalb die
vordere Fläche des großen Netzes in der Ausdehnung fast einer
Hand mit der Schere energisch wund geschnitten, ebensoweit
das Bauchfell von den Muskeln abgelöst und dann die große
blutende Wundfläche durch Steppnähte mit Silberkatgut in
der ganzen Fläche miteinander vereinigt. Verfassers Ansicht
nach haben wir bei dieser Ausbildung der Operation und den
schon vorliegenden Erfahrungen jetzt bereits die Pflicht, ge¬
eigneten Kranken die Tal m a sehe Operation anzuempfehlen,
namentlich auch deshalb, weil wir die Mortalität bei derselben
mit gutem Gewissen als gleich 0 pCt. bezeichnen können und
andere Behandlungsarten bisher meistens erfolglos geblieben
sind.
Prof. Dr. M. Heitler (Wien): Herzstiirungcn durch Reizung
des Perikards. Vorschlag zur Kokainisierung des Perikards
hei Operationen am Herzen. .(Medizin. Klinik, 1910, No. 25.)
Verf. fand bei seinen an Hunden ausgeführten Versuchen,
daß die mechanische und elektrische Reizung des Perikards
(Epikard) Arhythmie erzeugt und daß die Arhythmie nicht ein-
tritt, wenn das Perikard vor der Reizung mit einer 10 proz.
Kokainlösung bestrichen wird. Außer Störungen des Rhyth¬
mus traten bei Reizung des Perikards noch weitere intensive
Störungen auf, welche die Bedeutung des Perikards für die
Vitalität des Herzens dartun. Bei mechanischer Reizung des
Perikards wurde das Herz nach einer gewissen Dauer der
Reizung größer und blieb größer. Bei allen Versuchen mit
mechanischer Reizung starb das Herz frühzeitig ab. Nach
einer gewissen Dauer des Versuches trat plötzlich ein Sinken
der Energie der Herztätigkeit ein, Verringerung der Anzahl
der Kontraktionen, Arhythmie, und das Herz starb unter
diesen Erscheinungen ab.
Pulsverlangsamung ist bei Perikarditis beim Menschen
im Beginne der Erkrankung im Einklang mit dem Tierversuch
— Auftreten von Pulsverlangsamung nach Bestreichen des
Herzens mit Krotonöl — beobachtet worden; die Arhythmie
im Beginne der Perikarditis, insbesondere von Bamberger
hervorgehoben, findet ebenfalls im Tierversuch befriedigende
Erklärung; auch manche schwere Erscheinungen im Verlauf
der Perikarditis, welche man aut’ Mitbeteiligung des Herz¬
muskels bezieht, sind wahrscheinlich mit der Reizung des
Perikards in Zusammenhang zu bringen. Schnitzler, der
mehrere Male Operationen am Herzen ausgeführt hat, und den
Verf. über das Verhalten des Herzens beim operativen Ein¬
griff, insbesondere beim Anlegen der Naht fragte, bemerkte,
daß das Herz sehr unruhig sei, es tanze. Diese fortwährende
Unruhe, die unregelmäßige Aktion des Herzens, wie sie beim
Tiere bei rasch hintereinander folgenden Reizungen des Peri¬
kards mit einer Nadel beobachtet wird, ist offenbar auch hier
durch Reizung des Perikards durch die operativen Manipu¬
lationen hervorgerufen, und Verf. hat Schnitzler emp¬
fohlen, in einem nächsten Falle zur Hintanhaltung der die
Operation erschwerenden Störung das Perikard zu kokaini-
sieren. Aber nicht dieses Moment allein, die beim Tiere bei
Reizung auftretenden schweren Herzerscheinungen und die
Wahrscheinlichkeit analoger Verhältnisse beim Menschen, das
Nichtauftreten derselben bei Kokainisierung des Perikards
lassen es als zweckmäßig erscheinen, bei operativen Ein¬
griffen am Herzen das Perikard zu kokainisieren. Mau ver¬
wende eine 10 proz. Lösung; eine 5 proz. erwies sich bei Ver¬
fassers Versuchen als zu schwach; wurde das Perikard mit
einer 5 proz. Lösung bestrichen, so blieb bei Reizung desselben
die Arhythmie nicht aus. Nach Vollendung der Operation kann
das Kokain mit physiologischer Kochsalzlösung w'eggewaschen
werden.
Regimentsarzt Dr. .T. Wiesner: Beitrag zur nichtkomplizierten
traumatischen Sehnenluxation. (Der Militärarzt, 1910,
No. 13.)
Ein Reservist meldete sich im Frühjahr 1909 gelegentlich
seiner Einrückung zur Ableistung einer Waffenübung mit
Schmerzen im linken Kniegelenke, welche beim Gehen auf¬
traten, krank. Er gab an, daß dieselben die Folge eines Un¬
falles seien, welchen er im Sommer 1906 durch Sturz vom
Heuboden erlitten habe. Das linke Kniegelenk soll damals an
der Innenseite stark angeschw'ollen gewesen sein. Er konnte
nicht auftreten und war zwei Monate bettlägerig. Die Unter¬
suchung ergab zunächst den gänzlichen Mangel eines Merk¬
males einer stattgefundenen äußeren Verletzung. Bei der In¬
spektion fiel die Stellung der linken unteren Extremität auf.
Dieselbe wurde im Kniegelenke leicht flektiert gehalten, ging
jedoch, wenn man den Mann aufforderte, das Knie zu strecken,
schnellend, wie eine Feder, in Hyperextension, über, so daß
der Unterschenkel mit dem Oberschenkel einen ausgesproche¬
nen, nach vorne offenen Winkel bildete. Dabei sah und fühlte
man deutlich, wie das Sehnenbündel, welches sich aus den
Sehnen des M. sartorius, M. semitendinosus und M. gracilis zu¬
sammensetzt, mit einem Rucke auf die vordere Seite des unte¬
ren Femurrandes sprang und hier einen deutlichen Wulst bil¬
dete. Pat. fühlte in diesem Momente einen „Knacks“ und
leichten Schmerz. Der Gang hatte durch das schnellende
Uebergehen in die Hyperextension große Aehnlichkeit mit dem
schleudernden Gange eines Tabikers. Operation verweigert.
Stabsarzt Dr. Momburg (Berlin): Ein neues Prinzip in der
Plattfußbehaiullung. (Zentralbl. f. Chirurgie, 1910, No. 29.)
Die zahlreichen Mittel, die zur Beseitigung des Plattfußes
und seiner Beschwerden vorgeschlagen werden, sind durch¬
weg unzulänglich, weil sie auf falschen Prinzipien beruhen.
| Die Hauptstützpunkte des Fußgewölbes sind der Calcaneus
und die Köpfchen des II. und III. Metatarsale. Von diesen
wird beim gewöhnlichen Stehen der Calcaneus fast ganz allein
vom Körpergewicht belastet. Das Primäre des Plattfußes ist,
daß der Calcaneus nach außen abweicht und in Pronations¬
stellung gerät, das Gewölbe also nicht mehr senkrecht, sondern
von der Seite her belastet wird, wie bei jedem Knickfüße sehr
schön zu sehen ist. Alle weiteren Veränderungen sind sekun¬
därer Natur. An diesem primären Abweichen der Hauptstütze
des Fußgewölbes muß die Therapie anfassen. M. hat nun ge¬
funden, daß, wenn man den Calcaneus in Supinationsstellung
bringt, daß dann sich das Gew'ölbe von selbst wieder herstellt.
Von diesem Prinzip ausgehend hat M. eine Plattfußeinlage
konstruiert, bei der das ganze Gewicht auf die Supiuations-
stellung des Calcaneus gelegt und auf die Hebung des Ge¬
wölbes verzichtet wdrd. Bei Herstellung dieser Einlage glaubt
M. alle Mängel, welche den bisherigen Einlagen und Schuhen
anhaften, berücksichtigt zu haben. Sie sollte 1. uns frei vom
Schuhmacher machen, 2. in jedem Schuh zu tragen sein, 3. den
Schuh nicht entstellen, 4. für jeden Fuß passend sein
(4 Größen), 5. dauerhaft und daher billig sein, 6. einfach, am
besten fabrikmäßig herzustellen sein. Die einzige Bedingung
ist, daß ein Schnürschuh mit breitem, niedrigem Absatz ge¬
tragen wird. M. empfiehlt die Einlage, die sieh seit einem
Jahre an der Königlichen Klinik bewährt hat. K r.
Prof. Otto v. Hcrif (Basel): Serres fines oder Michelsche Klam¬
mern. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 24.)
Verfasser empfiehlt als Ersatz der Mi che Ischen Klam¬
mern sogenannte „Serres fines“. Er hat durch die Firma
C. Stiefenhofer (München) ein neues zweckmäßiges
Modell hersteilen lassen, dessen Brauchbarkeit für die Haut¬
naht bei Laparotomien er bisher in 100 Fällen erprobt hat.
Die neuen Agraffen lassen sich ebenso leicht wie die Michel-
schen Klammern anlegen und halten die Wundränder sehr
fest; der Hauptvorzug der neuen Agraffen besteht darin, daß
sie sich sehr leicht und rasch, ohne jede Belästigung des
Kranken, entfernen lassen (mit den Fingern oder einer
Pinzette). Dieselbe Klammer kann sehr oft (30—50 mal) ver¬
wendet werden; dadurch stellen sie sich in der Praxis billiger
als die Michel sehen Klammern.
Privatdocent Dr. August Mayer (Tübingen): Zur Diagnose des
übergroßen retroplacentaren Hämatoms. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 25.)
Verf. bespricht eine Komplikation der Nachgeburtsperiode,
der in den Lehrbüchern der Geburtshilfe im allgemeinen zu
wenig Beachtung zuteil wird; es handelt sich um das abnorm
große retroplacentare Hämatom. Die Merkmale dieser Ano¬
malie sind: Keine Blutung nach außen; schon bald nach der
Geburt des Kindes häufige, kräftige, schmerzhafte Nachwehen,
die man am Stöhnen der Patientin weithin erkennen kann, so
daß alles in bester Ordnung zu sein scheint. Auch der Zu¬
stand des Uterus trügt: Er entleert auf mäßigen Druck kein
Blut nach außen, ist wohl auffallend dick und groß, aber in
typischen Fällen fest, ja sogar hart, so daß man zunächst an
eine große Placenta denkt und abwartet. Plötzlich klagt die
Frau über Uebelsein, die Gesichtsfarbe wird auffallend blaß,
der Radialpuls merklich schlechter. Unter heftigem Drang
wird, wenn man nicht eingreift, meist nicht allzu lange nach
der Geburt die Placeuta mit einem sehr großen retroplacen¬
taren Hämatom ausgestoßen. Damit ist meist auch die Blutung
zu Ende. Das retroplacentare Hämatom stellt so ziemlich den
Gesamtblutverlust während des bisherigen Verlaufs der Nach¬
geburtsperiode dar. Häufig ist es im Eihautsack so gut ein¬
geschlossen, daß kaum ein wenig Blut verschmiert wird und
genaue Gewichtsbestimmungen leicht auszuführen sind. Verf.
hat retroplacentare Hämatome bis zu 900 g beobachtet. Für
die Differentialdiagnose stellt Verf. folgendes Schema auf:
Bei gelöster Placenta ist der Hochstand des Fundus aus¬
gesprochen, die Wand des Uterus hart, der Dickendurch-
No. 33.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
513
messer des Uterus gering. Bei retroplaeentarem Hämatom:
Hochstand, des Uterus ausgesprochen, Wand hart resp. ge¬
spannt, Dickendurchmesser groß. Bei freier innerer Blutung:
Hochstand des Uterus ausgesprochen, Wand des Uterus weicn,
Dickendurchmesser groß. Erkennt man das Vorhandensein
eines übergroßen retroplacentaren Hämatoms, so wird man
die Placentarperiode nicht weiter ausdehnen, sondern die Pla-
centa exprimieren. Damit spart man einen unnützen weiteren
Blutverlust. R. L.
Prof. Dr. L. Rethi (Wien): Zur Frage der vollständigen Ent¬
fernung der Gaumenmandeln (Tonsillektomie). Wiener
med. Wochenschrift, 1910, No. 28.)
Während man früher nur jenen Teil der Mandeln ent¬
fernte, der über das Niveau der Gaumenbögen vorsprang,
wird jetzt vielfach die vollständige Auslösung der Mandeln
aus der Nische, die Enukleation, ausgeführt. Die Tonsillo¬
tomie führt zwar in den meisten Fällen zum Ziele, d. h. die
akuten Entzündungen, welche gewöhnlich den Anlaß zu
einer derartigen operativen Behandlung geben, stellen
sich dann selten oder gar nicht wieder ein; dennoch gibt es
Fälle, in denen diese mehr oder weniger konservative Me¬
thode nicht ausreicht. Es kommt vor, daß die Entzündungen
nach Ablauf von 2—3 Jahren wieder anfangen häutiger auf¬
zutreten; in diesen Fällen führt dann eine neuerlich vorgenom¬
mene Schlitzung zumeist definitiv zum Ziele. Ist jedoch auch
dieser Eingriff nicht von bleibendem Erfolge begleitet oder stellt
sich im Gefolge der Angina eine Allgemeinerkrankung, eine
Gelenkentzündung etwa ein, so tritt die Enukleation der Ton¬
sille in ihre Rechte, d. h. wenn es sich darum handelt, den
Kranken vor der Gefahr allgemeiner Erkrankungen (verschie¬
dener septischer Prozesse, Nephritiden) und insbesondere vor
Gelenkentzündungen zu behüten, so muß die Mandel voll¬
ständig entfernt werden. Diese Fälle geben eine absolute In¬
dikation für die Vornahme der Tonsillektomie. Die Gefahr
starker Blutungen bei der Tonsillektomie ist im allgemeinen
nicht wesentlich größer als bei der Tonsillotomie.
Daß durch die Tonsillotomie funktionelle Störungen, etwa
Beeinträchtigung der Singstimme, hervorgerufen werden
könnte, ist bisher nicht beobachtet worden; dennoch fürchten
die Sänger die Tonsilloomie häufig gerade aus diesem Grunde.
Es gibt Sänger, die außerordentlich große, weit nach innen
vorspringende Gaumenmandeln haben, bei denen die Sprech-
und Singstimme gepreßt und klosig klingt, die an oft wieder¬
kehrenden und berufsstörenden Halsentzündungen leiden, die
sich aber trotzdem, zu einer Abkappung nicht entschließen
können, weil sie fürchten, daß dadurch die Stimme leiden
könnte; während sie tatsächlich dadurch nur gewinnen können,
weil die Stimme dann größer und freier wird. Was aber die
Tonsillektomie betrifft, so ist allerdings bei’ Sängern besondere
Vorsicht am Platze und Verf. weist auf 2 Fälle mit Stimm¬
beeinträchtigung hin, die er kurz nacheinander gesehen hat.
Handelt es sich bei der Vornahme der Tonsillektomie um
Sänger, so muß man sie ganz besonders darauf aufmerksam
machen, daß die Singstimme möglicherweise eine Beeinträch¬
tigung, eine Verminderung der Klangfarbe, Verringerung der
Ausdauer etc. erfahren könnte. K r.
Dr. Adolf Gutmann (Berlin): Augensymptome bei Erkrankun¬
gen der Stirnhöhle und Siebbeinzellen. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 25.)
Verf. bespricht an der Hand einer Reihe von Fällen die
durch Nasennebenhöhlenaffektionen bedingten Augenaffektio¬
nen. Bei Orbitalphlegmone nach perforiertem Stirnhöhlen¬
empyem ist ein pralles, rundliches, durch das Oberlid fühl¬
bares Zellgewebsinfiltrat im oberen Orbitawinkel vorhanden
und die Lidplilegmone auf das Oberlid beschränkt, bei Frei¬
bleiben des Unterlides. Eine Ablenkung des Augapfels erfolgt
regelmäßig temporalwärts und nach unten. Wenn Doppel¬
bilder nachzuweisen sind, sind es begrenzte mit stark aus¬
gesprochener Höhendifferenz. Bei Orbitalphlegmone nach per¬
foriertem Siebbeinempyem besteht eine abgegrenzte' Infiltration
des Orbitalzellgewebes nahe dem Canthus internus, Ablenkung
des Bulbus temporalwärts ohne Abweichung von der Hori¬
zontalebene. gekreuzte Doppelbilder ohne Höhendifferenz,
ferner Lidphlegmone, die sich gleichzeitig auf das Ober- und
Unterlid erstreckt und am stärksten nasal ausgesprochen ist.
Wenn ein Kieferhöhlenempyem auf das Orbitalzellgewebe
überzugehen droht, läßt sich als Frühsymptom isoliertes Unter¬
lidödem nachweisen, ferner pflegt in diesen Fällen die Con-
iunctivalentzündung zuweilen zur Chemosis gesteigert, haupt¬
sächlich in der unteren Bulbushälfte ausgesprochen zu sein. Bei
Verwertung dieser differentialdiagnostischen Momente ist es
dem Augenarzt möglich, durch einen operativen Eingriff von
der Orbita aus, eventuell unter Gebrauch der Sonde, bis zur
Ursprungshöhle zu gelangen und durch Ausräumung der er¬
krankten Schleimhaut und Tamponade kausal vorzugehen,
wenn es sich um perforierte Stirnhöhlen- oder Siebbein-Em-
pyeme handelt. Bei perforierten Kieferhöhlen-Empyemen sind
rhinologische Eingriffe (eudonasale oder alveoläre) notwendig.
— Auch nach ausgeführter Radikaloperation der Stirnhöhle
können Augensymptome Zurückbleiben. Wenn nach der
Jansen sehen Kadikaloperation die Vernarbung am stärksten
nach dem inneren oberen Orbitawinkel erfolgt, wird das Ober¬
lid schief nach innen oben gezogen, und es erhält die Lidspalte
eine Schiefstellung und Schlitzform. Nach der Kil Manschen
Radikaloperation können Doppelbilder im Sinne einer iso¬
lierten Trochlearislähmung entstehen. Obwohl dabei die Stelle
der Trochlea mit ihrer knöchernen Unterlage geschont wird,
kann es bei der Abmeißelung des Stirnhöhlenbodens zu
Knochenfissuren in der Gegend der Trochlea kommen, die
später durch Callusbildung oder periostale Verwachsungen Be¬
wegungshemmung hervorrufen können. — Verf. berichtet
weiter über einige Fälle von Erkrankung der vorderen Sieb¬
beinzellen mit leichteren Augensymptomen, welche nach na¬
saler Eröffnung des Empyems heilten. In 2 Fällen von Er¬
krankung der hinteren Siebbeinzellen und der Keilbeinhöhle
waren Sehnervensymptome (Neuritis optica resp. horizontale
Hemianopsie) entstanden, welche nach operativer Heilung der
primären Nebenhöhlenerkrankung zurückgingen. Hier war
also die Entzündung auf das Periost des Canalis opticus und
den Sehnerven übergegangen. In einem anderen Falle kam
es im Anschluß an ein rechtseitiges Stirnhöhlen- und Kiefer¬
höhlenempyem zu Sehnervenatrophie rechts trotz rhinologischer
Behandlung, ln einem anderen Falle trat Sehnervenatrophie
bei polypöser Hypertrophie der mittleren Muschel mit reich¬
licher Polypenbildung der Siebbeinzellen ein. R. L.
Dr. Anton Lutz (Zürich): Ueber einige weitere Fälle von
Heterochromia iritlum. (Deutsche med. Wochenschr., 1910,
No. 24.)
Unter Heterochromie versteht man die Erscheinung, daß
bei demselben Individuum das eine Auge eine hellere Iris be¬
sitzt als das andere, z. B. das eine eine blaue, das andere eine
braune, es können auch die Unterschiede weniger frappant
sein, z. B. hellbraun und dunkelbraun, oder hellblau und
dunkelgraublau. Auf Grund seiner Studien an dem Material
der Züricher Universitätsaugenklinik kommt Verf. bezüglich
dieser Anomalie zu folgenden Ergebnissen: Die Heterochromia
iridum ist selten, sie fand sich bei etwa 0,2 pCt. der Patienten.
Sie stellt eine Entwicklungsstörung dar und kann auf 3 Arten
entstehen: a) das eine Auge bleibt 1 schon in den ersten Tagen
nach der Geburt in der Pigmentation zurück; b) das eine Auge
bleibt erst in den späteren Jahren (5.—15.) in der Pigmen¬
tation zurück, c) das eine Auge verliert nachträglich an
Pigment. Zur Erklärung ihrer Entstehung ist in erster Linie
die Vererbung der elterlichen Augenfarben heranzuziehen; es
muß jedoch eine weitere Störung (vielleicht eine anormale
embryonale Gefäßentwicklung) angenommen werden, einmal
zur Erklärung des Verlustes der Korrelation der Augenfarben
und dann zur Erklärung der auffallenden Häufigkeit der Er¬
krankung der helleren Augen. Solche heterochrome Augen
zeigen Komplikationen; entweder atypische oder zufällige, wie
z. B. Colobome, die sich deshalb auch in jedem der beiden
Augen finden können, und typische, die sich stets auf der Seite
des helleren Auges finden. Vielleicht ist zu diesen letzteren
auch die Sympathicusparese zu zählen, die sich in etwa der
Hälfte der Fälle findet, der jedoch keine praktische Bedeutung
zukommt, sicher ist die Cyclitis, die sich in mindestens der
Hälfte der Fälle findet, eine typische Komplikation. Diese
Cyclitis ist äußerst chronisch, erstreckt sich mindestens über
Jahre und zeichnet sich aus durch das Fehlen jeglicher In¬
jektion, durch die strenge Einseitigkeit, die Feinheit der Be-,
Schläge, die Rarefizierung des Pupillarsaumes, den Mangel an
Synechien, die häufige Kataraktbildung, die Schwierigkeit thera¬
peutischer Beeinflussung und die günstige Heilungsprognose bei
Kataraktoperation. Die Cyclitis beginnt frühestens zu Anfang
des zweiten Dezenniums, meist erst gegen Ende desselben und
macht die Hauptbesclnverden im dritten und vierten Dezen¬
nium. Verschiedene Momente sprechen gegen ein Entstehen
von Heterochromie und Cyclitis aus gemeinsamer Ursache.
Die Cyclitis entwickelt sich nur auf dem Boden des mangel¬
haft pigmentierten Auges. Infolge der Entwicklungsstörung
neigt das Auge eher zu einer Erkrankung, seine Widerstands¬
kraft wird im Kampfe mit den äußeren Schädigungen früher
aufgebraucht.
Dr. Emil Juselius (Wiborg, Finnland): Experimentelle Unter¬
suchungen über die Regeneration des Epithels der Cornea
unter normalen Verhältnissen und unter therapeutischen
Maßnahmen, (v. Graefes Archiv für Ophthalmologie,
Bänd 75, Heft 2.)
Verf. stellte im Laboratorium der Freiburger Universitäts¬
augenklinik Versuche an Kaninchen, z. T. auch an Katzen
und Hunden an, um über die Frage der Regeneration des Horn¬
hautepithels nach Verletzungen näheren Aufschluß zu erhalten.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 33.
514
Hierbei erwiesen sich Trepandefekte als geeignetste Unter¬
suchungsobjekte. Verf. kam zu folgenden Resultaten: 1. Die
normale Regeneration geht so vor sich, daß sogleich nach der
Entfernung eines Epithelstückes aus dem Zentrum der Cornea
als Vorbereitung eine mitotische Teilung fern vom Defekt an
der Corneoskleralgrenze zentripetal beginnt, welche nach
2 Stunden den Defekt erreicht hat (karyokinetische Reaktions¬
welle). Nach 8—12 Stunden findet in der Hornhautperipherie
Karyokinese nicht mehr statt. 2. Die eigentliche Regeneration
des Defekts beginnt erst 4 Stunden nach der Verletzung in den
randständigen Zellen. Die primäre Ueberhäutung geht mit einer
Durchschnittsschnelligkeit von etwa 1 mm in 12 Stunden bei Ka¬
ninchen vor sich. 3. Eine passive Gleitung, ein Hinausgeschoben¬
werden des ursprünglichen Epithels vom Rande in den Defekt
hinein ist nicht vorhanden. 4. Unter den Medikamenten wirkt
Cocainum muriaticum auch in verdünnten Lösungen hemmend
auf die Regeneration. Die Reaktionswelle bleibt aus und die
Vitalität der Zellen ist herabgesetzt. Konzentrierte Lösungen
(mehr als 4proz.) schädigen sie erheblich. 5. Subconjunctivale
Injektion von physiologischer Kochsalzlösung beschleunigt die
Regeneration etwas, mehr noch die’2proz.; während die 4proz.
und noch mehr die 6proz. Lösung hemmend oder direkt schä¬
digend wirkt. 6. Sublimatlösung in einer Konzentration von
1:10 000 subconjunctival injiziert wirkt beinahe wie Kochsalz,
aber unregelmäßiger. Sublimatlösung 1:2000 subconjunctival
injiziert wirkt dagegen schädigend. 7. Dionin in lOproz. Lö¬
sung eingetropft, wirkt als feuchte Wärme, beschleunigt die
Epithelregeneration, während Kälte als Eiskompresse hem¬
mend wirkt. — In praktischer Hinsicht weist Verf. darauf hin,
daß das Kokain aus der Therapie der Hornhautepithelver¬
letzungen in mäßiger Konzentration nicht vollständig verbannt
zu werden braucht, sondern in Kombination mit anderen re¬
generationsbefördernden Maßnahmen, z. B. feuchter Wärme,
subconjunctivaler Injektion geeigneter Kochsalzlösungen (1 bis
2 proz.) verwendet werden kann. R. L.
Georg Flemmiug: Zur Keratomalacieirage unter besonderer
Berücksichtigung des Allgemeinleidens und des Ausganges.
Aus der Universitätsaugenklinik zu Breslau. (Dissertation,
Breslau 1909.)
Auf Grund der bei 30 Fällen gewonnenen Erfahrungen
kommt Verfasser zu dem Schluß, daß die Keratomalacie nur
einen geringen Prozentsatz. (etwa 0,05—0,1 pCt.) aller Augen¬
erkrankungen ausmacht. Sie ist eine Erkrankung des frühe¬
sten Kindesalters und befällt weitaus am häufigsten Kinder
in den ersten neun Lebensmonaten. Bei Erwachsenen kommt
sie sehr selten vor. Die Ursache ist in mangelhaftem Er-
nährungs- und Kräftezustand zu suchen. Im einzelnen kommt
das Leiden hauptsächlich bei den Erkrankungen des
Digestionsapparates des Säuglings vor, ferner bei Krankheiten
der Lungen, bei allgemeiner Tuberkulose, kongenitaler Lues,
bei schweren Infektionskrankheiten, bei Erkrankungen des Ge¬
hirns und der Gehirnhäute, ferner bei ausschließlicher vege¬
tabilischer Ernährung, bei lang anhaltender Agonie und bei
plötzlich auf einen schon schwächlichen, anämischen Körper
einwirkenden, mit größeren Blutverlusten verknüpften
schwächenden Einflüssen (z. B. Entbindungen). Schon vor¬
handene, selbst leichte Erkrankungen der Augen begünstigen
die Entstehung der Keratomalacie. Den Xerosebacillen kommt
keine ätiologische Bedeutung zu. Sie sind harmlose Schma¬
rotzer des Conjunctivalsackes. Die Prognose ist bei ganz
kleinen Kindern schlecht, die Mortalität beträgt etwa 50 pCt.
Mit zunehmendem Alter bessert sich die Prognose quoad
vitam. Die Keratomalacie befällt fast stets beide Augen. In
4 /s der Fälle bleiben starke Trübungen der Hornhaut, größten¬
teils mit Einheilung der Iris in dieselbe, zurück. Die Behand¬
lung hat in erster Linie eine Hebung des Ernährungs- und
Kräftezustandes durch entsprechende Diät zu erstreben. Die
lokale Behandlung erfolgt nach denselben Grundsätzen wie
bei den anderen Augenleiden. F.
Prof. Dr. Best (Dresden): Ist Schutz der Augen vor ultra¬
violettem Licht notwendig? (Medizin. Klinik, 1910, No. 7.)
In letzter Zeit ist von verschiedenen Augenärzten auf an¬
gebliche Schädigungen unserer Augen durch ultraviolette
Strahlen aufmerksam gemacht worden. Vor allem werden Be¬
schwerden, die gelegentlich durch die modernen hellen Licht¬
quellen entstehen, dem ultravioletten Anteil derselben zu¬
geschoben. Da unsere Lichtquellen mit steigender Lichtfülle
auch zunehmenden Gehalt an ultravioletten Strahlen auf¬
weisen, so wird die Notwendigkeit eines Schutzes der Augen
gegen letztere gefolgert. Die Anschauung von der Gefährlich¬
keit ultravioletter Strahlen gründet sich auf folgende Experi¬
mente und Erfahrungen. Zuerst wurde von Widmark und
von Schul ek gezeigt, daß die ultravioletten Strahlen eine
schmerzhafte äußere Augenerkrankung hervorrufen können,
die sogenannte elektrische Ophthalmie, sowie die Schneeblind¬
heit; ferner, daß man bei Tieren durch konzentrierte lang¬
andauernde Einwirkung Star erzeugen kann. Hess hat er¬
wiesen, daß es vor allem die ganz kurzwelligen ultravioletten
Strahlen sind, welche bei diesen Versuchen zur Katarakt¬
bildung wirksam sind. Demi das einfache Zwischenschalten
einer Glasplatte genügte, um die Linse der Tiere zu schützen.
Glas läßt Strahlen unter etwa 300 ,u,u nicht passieren. Weiter¬
hin hat Birch- Hi r schfeld die Entstehung einer leichten
Bindehautentzündung unter dem Einfluß des Lichtes der
Uviollampe beobachtet. Durch wiederholte Bestrahlungen
vermochte er bei Tieren eine dem Frühjahrskatarrh ähnliche
Erkrankung der Bindehaut zu erzeugen. Alle diese Erfah¬
rungen im Verein mit gelegentlichen sonstigen Erkrankungen
und Störungen des Auges, die ohne exakte Beweisführung den
ultravioletten Strahlen zugeschrieben werden, haben bei einer
Reihe von Autoren die Vorstellung aufkommen lassen, daß
die ultravioletten Strahlen an sich schädlich seien. Infolge¬
dessen haben sich Schulek, Fieuzal, Hailauer,
Schanz und andere mit der Herstellung von Gläsern be¬
schäftigt, welche die ultraviolette Strahlung möglichst restlos
absorbieren sollen. Es ist nun die Frage, ob und in welchen
Fällen diese Schutzgläser notwendig sind. Sie wird verschieden
beantwortet, je nachdem man die Tragweite der Schädigung
durch ultraviolette Strahlung einschätzt. In der einen Rich¬
tung am weitesten gehen vielleicht Schanz und Stock-
hausen, die es für nötig halten, alle intensiven künstlichen
Lichtquellen mit Euphosglas zu versehen, außerdem Schutz¬
brillen aus diesem Glas bei Augenerkrankungen zu verwen¬
den. Die entgegengesetzte Ansicht vertritt Verfasser vor¬
liegender Arbeit. Ohne die Möglichkeit einer Schädigung des
Auges durch ein Uebermaß von ultravioletten Strahlen zu be¬
streiten, hält B. den Fall der Schädigung des Auges durch
übermäßige Lichtfülle (d. h. eben durch die sichtbare Strah¬
lung) für weit häufiger gegeben und fordert demgemäß Ab¬
schwächung des gesamten Strahlenbereichs durch unsere
Schutzgläser, besonders aber der leuchtenden Strahlung.
Dr. Max Robitschek, gew. Sekundararzt des Allgem. Kranken¬
hauses in Wien: Ein Mundkühler. (Wiener med. Wochen¬
schrift 1910, No. 19.)
Anläßlich eines Typhus, den Verf. durchmachte, kostete
er am eigenen Leibe aus, welch’ quälende Symptome bei
schweren Fieberkranken in der Mundhöhle auftreten können
und wie ohnmächtig unsere Therapie diesen abnormen Hitze¬
empfindungen der Mundschleimhaut und der trockenen Zunge
gegenübersteht. Weder Pinselungen mit Glyzerin (ekelhaft
durch den süßlichen Geschmack), noch Eispillen, noch Reini¬
gung des Mundes mit Menthol-Perhydrolmundwässern, Eibisch¬
wurzelabkochungen etc. sind imstande, auch nur für wenige
Minuten über ihre Anwendung hinaus Erleichterung zu schaffen.
Dasselbe gilt auch für das Gurgeln mit eisgekühltem Mineral-
resp. Sodawasser, welch’ letzteres Verf. noch für das an¬
genehmste Mittel hält. Welcher Schwerkranke findet die Kraft,
kontinuierlich zu gurgeln und in eine Schale zu spucken? Er¬
mattet sinkt er in die Kissen, um nach wenigen Minuten
wiederum allein oder mit Hilfe der Wartung den Versuch zu
machen, sich Linderung der qualvollen Sensationen im Munde
durch kühlende Flüssigkeit zu verschaffen. Verf. übergibt nun
der Oeffentlichkeit einen von ihm konstruierten Mundkühler
zur Nachprüfung, der aus einem plattgedrückten, die Konturen
emes S-förmig gebogenen Zungenspatels nachahmenden Doppel¬
rohre aus Hartglas besteht, welches nach dem System der
Leiter sehen Kühlapparate mit einem Zu- und Abflußschlauch
aus leichtem Weichgummi armiert, durch strömendes Wasser
mit oder ohne Eiszusatz kontinuierlich auf zirka 8 0 R. gekühlt
wird. Eine Fixierung ist jederzeit durch ein um den Mund¬
kühler geknüpftes Band, das an beiden Enden mit Sicherheits¬
nadeln am Kopfpolster befestigt wird, möglich. Im Anschluß
an diesen Mundkühlapparat konstruierte Verf. eine noch ein¬
fachere Mundkühlflasche. Sie besteht aus einer mit einem iso¬
lierenden Material (Asbest, Stroh, Watte etc.) umgebenen
Flasche und einem Mundstück aus Metall. Die Flasche wird zu
drei Viertel- mit einer Kältemischung aus Eis, Wasser und Salz
gefüllt, auf derselben das Mundstück mittels eines Gummidrains
befestigt und die Mundkühlflasche ist gebrauchfertig. Die Kälte¬
entwicklung ist eine intensive und kann jederzeit durch Nach¬
füllung der Flasche erneuert werden. Die federnde Verbin¬
dung zwischen Mundstück und Flasche ermöglicht die bequeme
Anwendung dieses Mundkühlapparates auch in liegender
Stellung.
Bezugsquelle: Instrumentenmacher R. Thürriegel,
Wien, IX., Schwarzspanierstr. 15. K r.
No. 33.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
515
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“.)
Sitzung vom 6. Juli 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
(Schluß.)
Die Beziehungen der Appendicitis zu den Erkrankungen der
Adnexe und zur extrauterinen Gravidität.
Herr Heinz WohlgemutirDie Ueberzeugung scheint noch j
nicht genügend. Boden gewonnen zu haben, daß bekn Weibe j
die Diagnose der Erkrankungen in der rechten Regio hypo-
gastrica, ob Appendicitis oder rechtsseitige Adnexerkrankung
vorliegt, oft ihre großen Schwierigkeiten hat, ja oft unmöglich
ist, wenn eine Komplikation der Appendicitis mit Erkrankun¬
gen der Beckenorgane vorhanden ist. Daß auch eine viszerale
Hystero-Neurasthenie umgekehrt eine Appendicitis oder |
Adnexerkrankung Vortäuschen kann, ist häufig beobachtet !
worden. Eine genaue Untersuchung per vaginam und per
rectum ist daher unbedingt erforderlich. Von Wichtigkeit sind
die anamnestischen Angaben, ob es sich um einen ersten An¬
fall handelt, ob eine Geburt oder ein Abort vorausgegangen, '
um zu entscheiden, ob nicht etwa eine Parametritis, Perimetri¬
tis, Pyosalpinx oder Tubengravidität vorliegt. — Vortragender !
berichtet über einen Fall, der ein 26 jähriges Mädchen betrifft.
Dieses erkrankte im Januar an einem ersten Anfall, der 10 Tage
anhielt und vorüberging. Ende Mai trat ein zweiter Anfall
auf, der ebenfalls durch Bettruhe und Eisumschläge ausheilte.
Es ging dann alles gut bis zum November, wo ein dritter An¬
fall auftrat, der aber nicht zurückging. Die blasse und zarte
Patientin, welche ihre Menses erwartete, bekam Fieber (38 “)
und Schmerzen. Der Puls betrug 96 Schläge. Bauchmuskel¬
rigidität bestand beiderseits unten, während Hypochondrium
und Epigastrium nicht sehr empfindlich waren. In der unteren
Bauchgegend ließ sich beiderseits eine diffuse Resistenz nach-
weisen. Die Operation ergab, daß die Darmschlingen in großer
Ausdehnung verklebt und hochrot verfärbt waren. In der Tiefe
fand sich eine braune, nußfarbige, mit grauer Membran be¬
legte Masse. Von den rechten Adnexen war nichts zu sehen.
Nach Säuberung des Beckens zeigte sich an der rechten
Beckenwand eine geplatzte Tubargravidität, dje Appendix war
stark gerötet. Vortragender setzt nun auseinander, daß es sich
bei dem 2. Anfall in der Anamnese um eine Tubenruptur ge¬
handelt haben muß, an die sich später auf Grund einer frischen
Appendicitis die Infektion des Hämatoms angeschlossen hat.
Vortragender betont zum Schluß, daß man bei jeder Laparo¬
tomie wegen Erkrankung der Genitalorgane die Appendix
fortnehmen solle, weim sich die geringsten pathologischen Ver¬
änderungen an ihr finden. Bei Frauen behandle man die
Appendicitis mit Rücksicht auf die eventuellen schweren Kom¬
plikationen, die sich anschließen können, weniger exspektativ,
vielmehr greife man sie operativ an. Vor einer periappendici-
tischen Punktion zwecks Auffindung des Abscesses hüte man
sich, m obigen Fällen hätte sie das Schicksal der Patientin
sofort besiegelt.
Diskussion:
Herr Israel berichtet über einen seltenen Fall aus seiner
Praxis. Eine 30 jährige Frau hatte vor ca. 1 Jahre eine Appen¬
dicitis, die unter schweren Erscheinungen verlief, aber schlie߬
lich ausheilte. In der Sexualsphäre war nie etwas Abnormes
vorgekommen, die letzte Menstruation hatte vor 14 Tagen statt¬
gefunden. Nun erkrankte sie in der Nacht mit heftigen Leib¬
schmerzen, die sich am nächsten Morgen steigerten, so daß
die Patientin von ihrem Arzt in die Klinik geschickt werden
mußte. Redner stellte eine Perityphlitis fest und schritt zur
Operation. Bei Eröffnung des Peritoneums stürzten ihm große
Mengen geronnenen und flüssigen Blutes entgegen und er
dachte an eine Extrauteringravidität; das war es aber nicht.
Nach Ausräumung der Koagula fand sich eine Appendicitis
höheren Grades, ein langer, prall gespannter Wurmfortsatz
mit starrer, verdickter Wand und Ekchymosen auf der Schleim¬
haut. Als Quelle der Blutung ergab sich das nicht vergrößerte
rechte Ovarium, welches an einer Stelle eine kirschgroße ge¬
platzte Cyste aufwies. Die Untersuchung des Ovariums lehrte,
daß es sich um eine Blutung in ein Corpus luteum handelte,
Diese Blutung wäre bestimmt tötlich geworden, falls die Ope¬
ration nicht rechtzeitig stattgefunden hätte. Nach der Heilung
erzählte die Frau, sie habe in jener Nacht eine ungewöhnlich
leidenschaftliche Kohabitation gehabt, dabei habe sie unter
heftigsten Schmerzen das Gefühl empfunden, als ob etwas an
ihrem Genitalapparat gerissen wäre. Dann seien die Schmerzen
gewichen, um am nächsten Morgen in erneuter Stärke auf¬
zutreten. Die Deutung des Falles ist nicht leicht; J. glaubt
das gemeinsame Moment in der Kongestion zu den Becken¬
organen unter dem Einfluß des Orgasmus zu erblicken. Durch
sie sei es zur Blutung im Corpus luteum und zum Aufflackern
einer chronisch und latent verlaufenden Perityphlitis ge¬
kommen.
Herr Gottschalk hat vor 2 Jahren darauf aufmerksam ge¬
macht, daß, wo eine follikuläre Blutung zur Zeit der Men¬
struation eine Attacke auf der rechten Seite ähnlich wie bei
akuter Appendicitis auslöst, es sich stets um eine entzünd¬
liche Verwachsung des rechten Ovariums handelt. In diesem
Falle ist das Ovarium frei von Adhäsionen gewesen. — Die
Schwierigkeit des in Rede stehenden Gegenstandes besteht
darin, daß häufiger Appendicitis als umgekehrt eine Genital¬
affektion vorliegt. Die Stiltorsion des Ovariums gibt häufiger
Veranlassung zu stürmischen, an Appendicitis erinnernden
Erscheinungen als die Pyosalpinx. Bei genauer kombinierter
Untersuchung wird man die Natur des Leidens feststellen
können, die Pyosalpinx isf ja auch meist doppelseitig. Bei der
Extrauteringravidität liegt das Blut so dicht dem Uterus an,
wie etwa der Eiter bei der Appendicitis; auch das Abtasten
von festem und flüssigem Blut ist für Extrauteringravidität
charakteristisch. — Was den Fall des Vortragenden betrifft, so
glaubt G., daß dort der Bluterguß zur Verwachsung der Ad¬
nexe mit der Appendix geführt hat.
Herr Wohlgemuth (Schlußwort). Britzmann.
III. Therapeutische Notizen.
Als lokales Anästheticum in der kleinen Chirurgie emp¬
fiehlt Dr. Hamm (Braunschweig) das Alypinum nitricum.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 25.) Das Mittel wird
in 5 proz. Lösung am Orte der beabsichtigten Inzision einfach
subkutan eingespritzt. Es genügt schon — je nach Ausdeh¬
nung des krankhaften Herdes — y 2 —1 Pravazspritze, um für
Spaltung von Furunkeln, Abscessen, kleineren Phlegmonen
eine auch in die Tiefe gehende ausreichende Anästhesie zu
erzeugen. Man muß nach der subkutanen Injektion noch 10 Mi¬
nuten' warten, ehe die Wirkung erreicht ist. Die lokale An¬
ästhesie hält längere Zeit an. Sehr brauchbar sind die für
diesen Zweck in den Handel kommenden zugeschmolzenen
Glasröhrchen mit 1,3 g Aiypinlösung, die der praktische Arzt
bequem überall mit sich führen kann. R. L.
IV. Bücherschau.
Klinik fiir psychische und nervöse Krankheiten. Herausgegeben
von Robert Sommer, Dr. med. et ph.il., o. Professor an der
Universität Gießen. V. Band, Heft 1. Halle a. S. 1910,
Carl Mar hold Verlagsbuchhandlung.
Das vorliegende Heft des bekannten Unternehmens ent¬
hält eine Reihe von Arbeiten verschiedenen Umfangs, von
denen wir als besonders interessant hervorheben eine Mittei¬
lung von W. H. Becker (Weilmünster): Zu den Methoden
der Intelligenzprüfung, Weinberg (Stuttgart): Statistik und
Vererbung in der Psychiatrie, Berliner (Gießen): Zur
Klinik und Pathogenese der traumatisch bedingten Epilepsie.
Außerdem gibt der Herausgeber einen kurzen Bericht über die
Verhandlungen der psychiatrischen Sektion des vorjährigen
internationalen medizinischen Kongresses zu Budapest.
Das kranke Kind und das Seeklima. Eine biologische Be¬
trachtung für Aerzte und Eltern. Von Dr. Helwig, Ostsee¬
bad Zinnowitz. Verlag P. Christiansen, Wolgast.
103 S.
In klarer, auch für gebildete Laien verständlicher Dar¬
stellung schildert der Verfasser die therapeutische Bedeutung
der an unseren nördlichen Küstengegenden gelegenen See¬
bäder für kranke und schwächliche Kinder. In einem ausführ¬
lichen Kapitel über das Seeklima zeigt er, welche Faktoren für
dieses im Gegensatz zum binnenländischen Klima wesentlich
sind, ferner geht er auf die klimatischen Unterschiede zwischen
unseren Nord- und Ostseebädern ein; er nimmt hierbei Ge¬
legenheit, irrige Ansichten richtigzustellen und hebt beson¬
ders hervor, daß eigentlich jedes einzelne Seebad ein indi¬
viduelles, durch seine Lage, Bodengestaltung, Bewaldung etc.
bedingtes Klima besitzt, dessen Kenntnis durchaus notwendig
ist, wenn für den einzelnen Fall die zweckmäßigste Wahl des
zu verordnenden Seebades getroffen werden soll. In dieser
Hinsicht wird viel gesündigt und dann nicht selten Schaden
statt Nutzen gestiftet. So z. B. darf man nach Verf. die Ostsee¬
bäder durchaus nicht alle in einen Topf werfen und als „mild
ansehen. Die richtige Würdigung der einzelnen klimatischen
Faktoren bildet, wie Verf. weiter zeigt, die Grundlage der
allgemeinen Indikationsstellung für die Seebadekuren speziell
im Kindesalter. In Betracht kommen vorwiegend Skrofulöse,
leichtere Tuberkulosen, Anämie, allgemein schwächliche Kon¬
stitution. Auch die Bedeutung der Winterkuren im Seebad, die
neuerdings mehr und mehr in Aufnahme kommen, hebt Verf.
hervor, ferner gibt er eingehende Anweisung über die Art der
No. 33.
516 _^ _ _THERAPEUTISCHE
Ernährung, über die Kleidung, über den Gebrauch voii See¬
bädern durch Kinder, wobei er einen äußerst vorsichtigen
Standpunkt einnimmt. Da der Verfasser bei seinen Dar¬
legungen sich nicht nur auf die allgemeine praktische Erfah¬
rung stützt, sondern auch auf eigene physiologische Unter¬
suchungen über die Wirkung des Seeklimas sich berufen kann,
so verdient die Schrift, obwohl allgemeinverständlich abgefaßt,
doch auch die Beachtung ärztlicher Leser, für welche sie, wie
der Titel besagt, gleichzeitig bestimmt ist. R. L.
Zeitschrift für Säuglingsschutz. Verlag von Georg Stilke,
Berlin NW. 7. Preis des Doppelheftes Mk. 1,20.
Die jetzt im zweiten Jahrgang unter der Redaktion von
Prof. Dr. Arthur Keller erscheinende Zeitschrift bringt in
ihrer neuesten Nummer (Doppelheft* Juni/Juli 1910) einen aus¬
führlichen interessanten Bericht (stenographisches Protokoll)
über die Verhandlungen des zweiten Kongresses für
Säuglingsfürsorge in München am 20. und 21. Mai
1910.
Die ärztliche Mission. Blätter zur Förderung der deutschen
missionsärztlichen Bestrebungen. Zugleich Organ des Deut¬
schen Instituts für ärztliche Mission und der deutschen
Vereine für ärztliche Mission. Herausgegeben von Dr. med.
H. Feldmaim. 5. Jahrg. 1910. Jährlich (i Hefte mit Illustra¬
tionen. Preis d. Jahrg. 1,60 Mk., mit Porto 1,90 Mk. Verlag
von C. Bertelsmann in Gütersloh.
Von dieser Zeitschrift liegen uns die Hefte 2 und 3 des
laufenden Jahrgangs vor, aus deren Inhalt wir nur folgende
Aufsätze hervorheben wollen: „LTeber die Bedeutung des
Sprachstudiums für die Missionsärzte“ von Dr. M. Schnei¬
der, „Stellung und Tätigkeit der Missionsärzte in unseren Ko¬
lonien“, „Das neue China und die ärztliche Mission“ von Dr.
Wittenberg, „Die medizinische ärztliche Hochschule für
christliche Frauen in Ludhiana“ von Dr. Feldma n n. — Ab¬
gesehen von ihrer eigentlichen Tendenz verdient die Zeit¬
schrift wegen des interessanten medizinisch-ethnographischen
Materials, das sie bringt, die Beachtung ärztlicher Leser. T.
V. Feuilleton.
Zur Geschichte der Medizin.
Der ärztliche Stand in Rom in den ersten Jahrhunderten
des Kaiserreiches.
Von
Eduard Felix Heeger (Greifswald).
(Schluß.)
Die Honorare und Einnahmen gesuchter Aerzte, welche
ihre Praxis in der Aristokratie Roms hatten, waren sehr hoch 111 ).
Pli ui us erwähnt zweimal eines Honorars von 200 000 Se¬
sterzen (7250 Mark), welches für den Fall des Gelingens der
Kur im voraus festgesetzt war; Galen erhielt von dem Kon¬
sularen und späteren Statthalter von Palästina Boethus für
die Wiederherstellung seiner Gemahlin 400 Goldstücke
(8700 Mark) 11 ). Die Gehälter der Hofärzte waren sehr hoch.
Stertinius erwarb durch die Stadtpraxis jährlich 600 000
Sesterzen (21 750 Mark). Crinas aus Massilia hinterließ
10 Millionen (2175 000 Mark), nachdem er die Mauern seiner
Vaterstadt und andere Mauern für eine kaum geringere Summe
hatte erbauen lassen 12 ). Nicht das Anstandsgefühl der Aerzte,
sagt P1 i n i u s , sondern allein die Konkurrenz ermäßigte ihre
Honorarforderungen, zu deren Bewilligung sie die Kranken
überdies oft im Augenblick der Gefahr zu bestimmen wußten;
„das raubsüchtige Feilschen unter dem Schweben der Todes¬
verhängnisse“ nennt es P1 i n i u s in seiner schwülstigen
Sprache 13 ).
Ueber das ganze Verhalten der Aerzte dem Patienten
gegenüber gibt Galen sehr ausführliche Vorschriften").
Die ärztliche Charlatanerie wurde in allen Formen geübt,
vom bedenklichen Hinaufziehen der Augenbrauen bei den
unbedeutendsten Fällen bis zur Ausführung von Operationen
im Theater vor einer Menge von Zuschauern 15 ). Eine gewisse
Oeffentliehkeit bei Ausübung der ärztlichen Praxis war aller¬
dings durch die Gewohnheiten des öffentlichen Lebens be¬
dingt. Die Aerzte erteilten ihren Rat, verkauften und ver¬
abreichten ihre Mittel und machten selbst Operationen in
Buden und Läden, welche nach der Straße hin offen waren,
und die Unwissendsten unter ihnen waren am meisten darauf
bedacht, ihre Lokale mit elfenbeinernen Büchsen, silbernen
Schröpfköpfen und Messern mit vergoldeten Grillen aus-
10 ) Friedländer: 342.
u ) Galen: XIV., p. 647.
ls ) Plinius: N. li. XXIX., 8, 9.
“) Plinius: N. h. XXIX., 21: F r i e d 1 ü n d e r: 344.
”) Galen: XML. 6, 1 44 152.
15 ) P1 u t a.r c h: De adulat. et nmiro, 32, p. 70.
RUNDSCHAU 1910.
zuschmücken 1 "). Epictet sagt, in Rom sei es be¬
reits so weit gekommen, daß die Aerzte die Patienten zum
Eintreten ;bei sich einlüden 17 ). — Uebrigens scheinen auch
Aerzte nicht selten in großen Hörsälen öffentliche Vorträge
gehalten und mit Demonstrationen begleitet zu haben, wie
Galen im Tempel des Friedens.
Auch der Verkauf der Heilmittel, welche die Aerzte zum
großen Teil selbst bereiteten, war für sie eine Quelle der Ein¬
nahme, besonders da der Glaube verbreitet war, daß die
teuersten Mittel die wirksamsten seien.
Die Bereitung gesuchter Medikamente wurde ohne Zweifel
geheim gehalten. Von den Stempeln, mit welchen die Behält¬
nisse bezeichnet wurden, haben sich mehr als 70, zufällig sämt¬
lich von*Augenärzten herrührend, erhalten. Doch Plinius
klagt, daß die Bereitung der Heilmittel, dies eigentlichste Ge¬
schäft der Heilkunde, bereits bei den Aerzten im Abnehmen
begriffen sei, daß sie fertige Salben und Pflaster von Händlern
und Fabrikanten kauften und mit schlechter Ware betrogen
würden 18 ). Viele Aerzte mißbrauchten ihre Kunst nicht nur
zu kosmetischen Zwecken, sondern auch zu angeblicher
Zauberei und Giftmischerei. Andererseits war auch die Be¬
reitung von Gegengiften (die von vielen als Präservativ regel¬
mäßig gebraucht wurden) ein Gegenstand eifriger Bemühungen
der Aerzte.
Es ist selbstverständlich, daß ein Stand, zu welchem der
Zutritt niemandem verwehrt wurde und dessen Mitglieder
starken Versuchungen ausgesetzt waren, sehr viele unlautere
Elemente enthält. Außer der Giftmischerei wurden die Aerzte
besonders des Ehebruchs geziehen 111 ). Dazu kamen die Vor¬
würfe Jer Habsucht und Erpressung, der Streitsucht, des Brot¬
neides, der durch die Größe der zu gewinnenden Einnahmen
in Rom mehr Nahrung erhielt, als anderwärts und nicht bloß
gehässige Verleumdungen und Verfolgungen, sondern selbst
Morde veranlaßte, und manche, wie Galen, aus Rom ver¬
trieb; endlich die Charlatanerie, die Unwissenheit und hand¬
werksmäßige Verachtung aller wissenschaftlichen Bildung. An
dem Betragen der Aerzte wurde einerseits Hochmut und Grob¬
heit getadelt, durch die sie sich den Kranken verhaßt, anderer¬
seits sklavenartige Untertänigkeit, durch die sie sich verächt¬
lich machten 20 ).
Auch die unaufhörlichen Neuerungen in Systemen und
Heilmethoden (unter denen die Kaltwasserkur wiederholt in
Rom Mode wurde, unter Nero durch Charmis aus
Massilia), hatten zum Teil ihren Grund in dem Bestreben
der Aerzte, Aufsehen zu erregen und Kranke anzulocken.
Askl e pia d e s 2l )aus Bithynien, der in der letzten Zeit
der Republik in Rom zuerst als Lehrer der Beredsamkeit auf¬
getreten war und sich, weil seine Einnahmen ihn nicht be¬
friedigten, plötzlich auf die Medizin warf, brachte es durch
eine ganz neue, hauptsächlich auf zweckmäßiger Diät be¬
ruhende 'Methode, durch Akkomodation an die Launen der
Patienten und durch unerhörte Charlatanerie dahin, daß, wie
Plinius sagt, fast die ganze Menschheit die Gesetze be¬
folgte, wfelche er ihr gab, um seine Kasse zu füllen 22 ). Er be¬
hauptete,” Kräuter zu kennen, durch welche man Seen und
Flüsse austrocknen, alles Verschlossene öffnen, feindliche
Heere ini die Flucht schlagen, sich alle Dinge in Ueberfluß
verschaffen könne usw. 23 ).
Ueberhaupt stand die Magie mit der Medizin in
vielfachem Zusammenhänge; sie wurde von Aerzten
keineswegs bloß aus Charlatanerie, sondern vielleicht
ebensooft in gutem Glauben angewendet. Gewisse Worte,
sowohl gesprochene als geschriebene, sowie gewisse Figuren
und Zeichen besaßen eine eigentümliche Gewalt über die Dä¬
monen (die alle Krankheiten bewirken sollten), und konnten
daher vor ihnen schützen oder sie austreiben. Unter den
Worten waren es die chaldäischen und hebräischen
vor allem, weil sie den ältesten Völkern, den Erfindern der
Magie, angehörten und daher den Dämonen am geläufigsten
waren. Doch ging man sogar soweit, zu behaupten, gerade die
unverständlichsten Worte seien die kräftigsten. Galen war
einer der Wenigen, die sich von diesem Unsinn freihielten und
dagegen sprachen; aber er klagt, daß er zu seiner Zeit schon
Mode geworden sei, alle Arzeneien babylonisch oder
ägyptisch zu benennen. Und Lucian berichtet, daß mau
sich eine! arabischen Gedichtes zur Kur von Krank¬
heiten bedient habe, und daß ein angeblicher Orakelspruch
in ganz unverständlichen barbarischen Worten als Mittel gegen
die Pesfjan den meisten Türen der italienischen Städte an¬
geheftet* War. Dör Leibarzt des Kaisers Septimius Se¬
verus (193—211) erlangte einen besonderen Ruf durch das
10 ) F r i e d 1 ä n d e r: 347.
17 ) Ep ist et: III.. 23, 27.
“) Plinius: N. h. XXXIV., 108.
10 ) F r i e d 1 ä nder: 358.
2 “) Galen: XIV., 600. und XIX., 15.
21 ) Friedländer: 360.
22 1 Plinius: N. li. XXVI., 12.
23 ) Plinius: N. li. XXIX., 1—11; F r i e Wan d e r: 360.
IJWIVFRSITY OF MICHIGAN
No. 33.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
517
Wort A b r a c a d a b r a, das er als Amulet zur Heilung des
Fiebers gebrauchte 2 ' 1 ). Außer dem allgemeinen Glauben an
die gute oder schlimme Bedeutung der Wochentage, an die
geheimnisvolle Macht der Planeten und Gestirne und an die
von diesen beeinflußten Metalle, waren ss vor allem die Edel¬
steine, denen man wunderbare Kräfte zutraute: der D i a -
m ant, am linken Arme getragen, sollte gegen Gift und
böse Geister schützen, der Smaragd die Epilepsie
heilen, der Chrysolith die Melancholie, der Berg¬
kristall den Schwindel vertreiben. Es wäre ge¬
wiß sehr zeitgemäß, diesen heilsamen Stein
wieder recht in die Mode zu bringen!
Selbst diejenigen, die alle Zaubermittel verwarfen, stellten
doch nicht leicht den Wert astrologischer Berechnungen in Ab¬
rede, welche besonders in Aegypten der Therapie;zugrunde
gelegt wurden und vielen Aerzten und Nichtärzten als unent¬
behrlich galten.
Die ungesunde Lage Roms ist allgemein bekannt; die
Straßen waren eng und gewunden, die Häuser sehr hoch.
Ganz Rom, sagt M a r t i a 1, war eine große Taberne geworden,
alle Straßen von Händlern und Krämern, Fleischern, Schenk¬
wirten und Barbieren in Beschlag genommen, man sah keine
Hausschwellen mehr. Hier hingen am Pfeiler der Schenke an¬
gekettete Weinflaschen, dort schwang mitten im dichtesten Ge¬
dränge der Barbier sein Schermesser, dampfende, ru߬
geschwärzte Garküchen nahmen die ganze Breite einer Straße
ein, so daß die Prätoren gezwungen waren, durch den Kot des
Fahrdammes zu wandeln 20 ). Die öffentliche Gesundheitspflege
ließ daher viel zu wünschen übrig. Schon die ältesten An¬
siedler hatten dem Gotte des Fiebers Altäre errichtet 20 ) und
das Fieber herrschte daselbst zu allen Zeiten endemisch.
Hierzu kam, daß sich in einer so gedrängt wohnenden Bevöl¬
kerung zahlreiche schädliche Einflüsse erzeugten und fortwäh¬
rend vermehrten. Eine ungesunde Blässe" war die Gesichts¬
farbe der Städter. M a r t i a 1 27 ) schreibt an einen Freund
D o m i t i u s, der nach Oberitalien reiste:
Et venies albis non agnoscendis amicis
Livebitque tuis pallida turba genis!
Sed via quem dederit, rapiet cito Roma colorem,
Niliaco redeas tu lizet ore nigro.
Eine schwere Luft lagerte über der Stadt, von den Ge¬
rüchen unzähliger rauchender Küchen geschwängert, deren
verpestete Dämpfe sich mit Staubwolken vermischten; sobald
man die Stadt im Rücken hatte, fühlte man sich erleichtert 28 ).
Im kaiserlichen, wie im republikanischen Rom haben
große Epidemien, oft in erschreckend kurzen Zwischen¬
räumen einander folgend, zahllose Opfer hingerafft. Bei der
großen Seuche im Jahre 65 nach Christus blieb kein Ge¬
schlecht, kein Stand noch Alter verschont, die Häuser waren
voll von Leichen, die Straßen von Leichenzügen. In die
Bücher der Todesgöttin Libitina wurden während
dieses einen Herbstes 30 000 Bestattungen eingetragen.
Auch auf den Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 folgte
eine verheerende Volkskrankheit in Rom, wie es kaum je eine
gegeben hatte 2 "). Doch die furchtbarste, weil am längsten
dauernde und am weitesten verbreitete aller Epidemien nicht
bloß Roms, sondern der alten Welt überhaupt, ward von dem
mit L. V e r u s aus dem Orient zurückkehrenden Heere (160)
in den Westen eingeschleppt, wütete im ganzen römischen
Reiche, und ergriff endlich Rom, wo sie vermutlich in den fol¬
genden Jahren bald schwächer, bald stärker auftretend, unter
Commodus (180—192) mit furchtbarster Heftigkeit aus¬
brach. In dieser Zeit sollen in Rom an einem Tage oft 2000
Personen gestorben sein. (Welcher Art von Seuchen die da¬
mals herrschende und die auch im Altertutme von Hippo-
krates und anderen Aerzten beschriebenen angehört haben,
läßt sich aus den Schilderungen schwer ermitteln; soviel steht
fest, daß sie mit der Bubonenpest nichts gemein hatten 00 ).
So zahlreiche, mannigfache und furchtbare Uebel erin¬
nerten auch in dem „goldenen, heiligen, ewigen“
Rom immer von neuem an das Wort Var ros: „Das Land
ist göttlichen Ursprungs, die Städte von Menschenhand ge¬
baut“ 21 ).
2 *) Dr. J. Möller: Zur Geschichte des Aberglaubens in der
Heilkunde, p. 10 u. 20. Königsberg, 1872.
20 ) Marti al: VII., 61; Friedläuder: 10.
2Ö ) Preller: Römische Mythologie, II., 240.
27 ) Martini: X., 12.
28 ) Horat: C. 111.. 19. 12; Friedländer: 38.
s0 ) Fried län der: 39.
00 ) Hirsch: Handbuch der historisch-geographischen Patho¬
logie, I. >
01 ) Varro: E. r. III.. 1, 4; Cowper Poems, London 1800.
Vol. II., p. 41: God niade the country and man made the town;
Friedländer: 41.
YI. TagesgescMchte.
Standesangelegenh eiten, Medizinal-Gcsetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Nach längerer Pause hört man wieder einmal
von dem vor jetzt 2Va Jahren zuerst der üeffentlichkeit
zugänglich gemachten Entwurf des Kurpfuschereigesetzes. Wie
die „voss. Ztg.“ mitteilt, ist der abgeänderte Entwurf nach
seiner Fertigstellung im Reichsamt des Innern nunmehr auch
vom preußischen Staatsministerium verabschiedet worden. Die
Vorlage werde dem Bundesrat in den nächsten Wochen zu¬
gehen, und es dürfe mit Sicherheit angenommen werden, daß
der Gesetzentwurf im Reichstage nocn in diesem Jahre zur
Vorlage gelangen wird. Die an dem ersten Entwurf geübte
Kritik hat die Grundlage für eine Neubearbeitung der ganzen
Vorlage gebildet. Wenn auch an ihren wesentlichen Urund-
zügen festgehalten ist, ist doch an Einzelheiten eine ganze
Reihe von Abänderungen vorgenommen worden.
Leipzig. Seit Jahren sind wir gewohnt, in Schrift und
Wort, besonaers auf Krankenkassenkongressen, die Behaup¬
tung zu hören, die freie Arztwahl sei schon aus finan¬
ziellen Gründen für die Kassen nicht annehmbar; erst
auf dem letzten Verbandstage der Deutschen Ortskranken¬
kassen ertönte wieder dies alte Lied. Demgegenüber ist es
von ganz besonderem Wert, wenn auch einmal eine Kranken¬
kasse für die so oft ohne sachliche Unterlagen angegriffene
Institution Zeugnis ablegt. Dies hat vor kurzem die hiesige
Ortskrankenkasse getan, der man gewiß keine Vorein¬
genommenheit für die ärztlichen Forderungen nachsagen kann,
da sie sich im Jahre 1904 nur durch einen von der Regierung
ihr aufgenötigten Vergleich zu Einführung der freien Arztwahl
verstand. Diese Kasse, mit gegen 180 000 Mitgliedern und Fa¬
milienversicherung die größte Deutschlands, die bei einem
Beitrag von nur 3y 2 pCt. des Einkommens die höchsten Leistun¬
gen bietet, hat in No. 168 der „Leipziger Volkszeitung“ eine
scharfe Erklärung gegen die Behauptungen des Referenten auf
dem Krankenkassentage erlassen, in der es heißt: „Dia
Gegnerschaft gegen die gesetzliche Festlegung der freien Arzt¬
wahl überhebt objektive Beurteiler nicht der Pflicht der Ge¬
wissenhaftigkeit, die bisher unter dem System der vertrag¬
lichen freien Arztwahl gewonnenen Ergebnisse sachlich und
ohne Voreingenommenheit zu würdigen, gleichviel, ob eine
solche Würdigung den Gegnern der freien Arztwahl ä tout prix
nun aiigenehm ist oder nicht. Es verträgt sich auch nicht mit
den Grundsätzen der Gerechtigkeit, solche Betrachtungen ledig¬
lich im stillen Kämmerlein anzustellen, zumal wenn solche
Ergebnisse im großem Umfange von großen Kassen, in diesem
Falle von einer Kasse gewonnen werden, die gegenwärtig
mehr als 180 000 Mitglieder exklusive der Familienangehöri¬
gen umfaßt. Es wäre einfach eine Pflichtversäumnis einer
solchen Kasse, das von ihr gewonnene und für die Beurteilung
der ganzen Arztfrage zweifellos nicht unwichtige Material der
Ceilentlichkeit vorzuenthalten. Aus diesem Pflichtgefühl her¬
aus und gestützt auf die in Leipzig gewonnenen Ergebnisse
haben Leipziger Kassenvertreter wiederholt auf Kassentagun¬
gen, zuletzt in Regensburg, ihrer Ueberzeugung dahin Aus¬
druck gegeben, daß die vertragliche freie Arztwahl, der als
Korrelat eine sachgemäße Kontrolle der einzelnen behandeln¬
den Aerzte zur Seite steht, sehr wohl in Einklang gebracht
werden kann mit den Fiuanzinteressen der Krankenkassen.“
Die Behauptung, daß, wenn die freie Arztwahl Bestand habe,
dies nur auf Kosten der Mitglieder möglich sei, wird als un¬
begründet erwiesen. An der Hand von Zahlen wird ausein¬
andergesetzt, daß in Leipzig die aufgezwungene freie Arzt¬
wahl sich durchaus für die Kassenverwaltung und die Ver¬
sicherten bewährt hat, nachdem die Kasse, sich auf den Boden
der Tatsachen stellend, ein gutes Einvernehmen mit den
Aerzten gesucht und gefunden hat, und daß der Vorstand jetzt,
wo der Zwangsvertrag zu Ende geht, freiwillig mit den
Aerzten den Vertrag verlängern wolle. Die Er¬
klärung schließt mit den Worten: „Die Wahrheit ist, daß die
Leipziger Ortskrankenkasse ihren Mitgliedern Leistungen
bietet,' wie keine andere Ortskrankenkasse Deutschlands, und
zwar trotz und mit dem jetzigen Arztsystem!“
Darm stadt. Im vorigen Jahrgang (S. 656. u. S. 715)
hatten wir zu berichten, daß im Großherzogtum Hessen bei
der zur Beratung stehenden Neuordnung der Gewcrbebesteuc-
rung nach dem Wunsche mancher Kreise auch die Aerzte dieser
Steuer unterworfen werden sollten. Zum Glück ist es dem
energischen Protest der Aerzteschaft gelungen, diesen auf voll¬
ständiger Verkennung wesentlicher Seiten des ärztlichen Be¬
rufs beruhenden Bestrebungen vorerst einen Riegel vorzu¬
schieben. Die zweite Kammer der Landstände des Großherzog¬
tums Hessen hat in ihrer Sitzung vom 29. Juni d. J. den be¬
treffenden Passus des Regierungsentwurfes mit allen gegen
1. Stimme in einer Fassung angenommen, nach der die Aerzte
nicht zur Zahlung einer Gewerbesteuer herangezogen werden.
618
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 33.
Nur wenn, wie bei den Sanatorien, teilweise ein gewerblicher
Betrieb vorliegt, unterliegen die Inhaber, auch wenn sie Aerzte
sind, für den betreffenden Teil ihres Einkommens der Ge¬
werbesteuer. Das neue Gesetz hat zunächst eine Geltungs¬
dauer von 7 Jahren (es gilt von 1912 bis 1919); nach Ablauf
dieser Zeit wird sich die jetzt erledigte Frage also vielleicht
von ueuem erheben.
Universitätswesen, Personal nach richten.
Berlin. Der Privatdozent der Dermatologie Dr. Julius
Heller, der dem Lehrkörper der Universität seit 1901 an¬
gehört, ist zum Professor ernannt worden und hat damit eine
Auszeichnung erhalten, die ihm wegen seiner ausgezeichneten
wissenschaftlichen Leistungen schon seit langem gebührte.
— Der Chirurg Dr. M. Katzen stein hat vom College
of Physicians in Philadelphia den Alvarengapreis für seine
Arbeiten über den Kollateralkreislauf der Niere erhalten.
Halle a. S. Mit dem Schlüsse des Semesters ist der
ordentliche Professor der Ohrenheilkunde Geh. Medizinalrat
Prof. Dr. Sch w a rtze in den Ruhestand getreten.
Leipzig. Der außerordentliche Professor der physio¬
logischen Chemie Dr. Max Siegfried ist von der hiesigen
medizinischen Fakultät zum Ehrendoktor ernannt worden.
Jena. Der ordentliche Professor der Chirurgie und Di¬
rektor der chirurgischen Universitätsklinik Dr. Riedel ge¬
denkt aus Gesundheitsrücksichten sein Lehramt niederzulegen.
München. Dr. W. Gilbert hat sich für Augenheil¬
kunde habilitiert.
(Prag. Dr. Hans R o t k y , Assistent au der medizini¬
schen Klinik des Prof. v. Jaksch, hat sich an der deutschen
Universität für innere Medizin habilitiert.
Koloszvär (Klausenburg). Dr. Ludwig Goth hat
die Venia legendi für gynäkologische Infektionskrankheiten
erhalten. (So weit ist bei uns die Spezialisierung auf
dem Gebiete des Universitätsunterrichts leider noch nicht ge¬
diehen! Red.)
Wien. Dr. Artur Foges hat sich für Geburtshilfe und
Gynäkologie habilitiert.
Zürich. Für die Nachfolge des in den Ruhestand
tretenden Chirurgen Prof. Dr. Krönlein hat die medizi¬
nische Fakultät an erster Stelle die Herren Dr. Kourad
Brunner, Hospitalarzt in Münsterlingen und Prof. Payr in
Greifswald, an zweiter Stelle Prof. Perthes (Leipzig) in
Vorschlag gebracht.
Gerichtliches.
Berlin. Im vorigen Jahre hatte Dr. H. Lungwitz,
damals Redakteur der „Therap. Rundschau“, in dieser Zeit¬
schrift über die Präparate der Firma Dr. Volkmar Klopfer
in Dresden-Leubnitz einen Aufsatz veröffentlicht, der eine
unberechtigte Kritik an ihnen übte und zu einer Privatklage
des Herrn Dr. Klopfer gegen Dr. Lungwitz führte. Die
Klage ist jedoch nicht zum gerichtlichen Austrag gekommen,
da sich der Verklagte bereits vor dem Termin zur Abgabe
nachstehender Erklärung bequemte: „Ich erkläre, daß ich
die Behauptungen, die ich über die Fabrikation der Firma Dr.
Volkmar Klopfer (Dresden-Leubnitz) in der „Thera¬
peutischen Rundschau“, August 1909, gebracht habe, n a c. h
reiflicher Ueberlegung und Prüfung der
Sachlage zurücknehme, da ich mich überzeugt habe,
daß die Dr. Klopfer sehen Präparate die von mir erhobenen
Vorwürfe nicht verdienen. Ich bedaure es ebenfalls, daß ich
Herrn Dr. Klopfer durch meine Veröffentlichung beleidigt
habe und erkläre, daß ich nicht die Absicht gehabt habe, ihm
persönlich zu nahe zu treten. Sämtliche gerichtlichen und An¬
waltskosten werden von mir getragen, Dr. med. et phil.
Lungwitz, Herausgeber der Zeitschrift „Moderne Medizin“,
früher Herausgeber der „Therap. Rundschau“.
Bocholt. In der vorigen Nummer hatten wir über eine
Niederlage zu berichten, die der Leipziger Verband in
einem gerichtlichen Streit über die Rechtsgültigkeit eines
ihm ausgestellten Verpflichtungssciieines erlitten hat. Im
Gegensatz dazu können wir heute einen Sieg des Ver¬
bandes in einer ähnlichen Angelegenheit vermelden. Ein
jetzt in Bocholt bei den Krankenkassen angestellter Arzt
hatte früher, vom Leipziger Verband eine Unterstützung er¬
halten gegen die Verpflichtung, eine gepiante Niederlassung
dem Verband mitzuteilen und ohne dessen Genehmigung keine
Stelle als Arzt bei einer Krankenkasse, Berufsgenossenschaft
usw. anzunehmen. Auch war ausdrücklich festgelegt, daß die
Genehmigung nur unter genau bestimmten Bedingungen ver¬
weigert werden dürfe. Als der Arzt dieser Verpflichtung zu¬
wider gehandelt hatte, erhob er auf die Klage des Leipziger
Verbandes den Einwand gemäß § 138 des B. G.-B. (Un¬
gültigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Verstoßes gegen die
guten Sitten). In der Entscheidung vom 20. Juni 1910 betont
aber das Gericht, daß dieser Verpflichtungsschein nicht gegen
die guten Sitten verstoße. Die Niederlassung an einem be¬
liebigen Orte Deutschlands sei in die freie Entschließung des
Arztes gestellt geblieben. Er sei lediglich verpflichtet, dem
Leipziger Verband von der geplanten Niederlassung Mitteilung
zu machen. Die Bestimmung, daß unter genau vorgesehenen
Bedingungen einzelne Stellen ohne vorherige Genehmigung
nicht angenommen werden dürften, lasse die Freiheit des ärzt¬
lichen Berufs in ihrem Kern unberührt und betreffe nur die
juristische Form und den wirtschaftlichen Effekt der Honorie¬
rung. („Voss. Ztg.“)
Verschiedenes.
Berlin. Die städtische Armendirektion hat mit dem Ku¬
ratorium des Kaiserin Auguste Viktoria-Hauses
zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen
Reiche eine vertragliche Vereinbarung getroffen, daß arme,
der klinischen Behandlung bedürftige Schwangere, Wöchne¬
rinnen und Säuglinge in die genannte Anstalt aufgenommen
und dort ärztlich auf Kosten der Armendirektion behandelt
w 7 erden. Die Aufnahme erfolgt auf Grund von Krankenhaüs-
Aufnahmescheinen.
Düsseldorf. Der Verein fiir Säuglingsfürsorge im Re¬
gierungsbezirk Düsseldorf veranstaltet auf viel¬
fachen Wunsch in diesem Jahre unter Leitung des Herrn Prof.
Schlossmann noch einen zweiten 14tägigen Kursus, der
das gesamte Gebiet der Pathologie, Therapie und
Hygiene des Säuglingsalters sowie die Säug¬
lingsfürsorge umfaßt. Als Lehrer wirken ein Teil
der Professoren und Dozenten der Düsseldorfer Akademie, so¬
wie andere namhafte Kräfte mit. Der Kursus beginnt am
3. Oktober und endigt am 15. Oktober 1910. Ausführliches Pro¬
gramm mit genauem Stundenplan ist durch die Geschäftsstelle
des Vereins, Düsseldorf, Werstenerstr. 150, zu beziehen.
C ö 1 n. Auf dem vor kurzem abgehaltenen achten rhei¬
nischen Gemeindetag wurde von Bürgermeistern lebhaft
Klage darüber geführt, daß es nicht gelingen will, auf
dem Lande Aerzte zu erhalten, da die Anstellung
vom Leipziger Aerzteverband hintertrieben werde. Gegen
diese Maßnahme des Leipziger Verbandes w'urde eine scharfe
Protestresolution angenommen, die an verschiedene Ministe¬
rien, an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz und an den
leipziger Aerzteverband gesandt werden soll. Diese von uns
der „Voss. Ztg.“ entnommene Mitteilung könnte in Laienkreisen
den Glauben erwecken, daß der Leipziger Wirtschaftliche Ver¬
band aus taktischen Gründen einen Aerztemangel auf dem
Lande herbeizuführen suche. In Wirklichkeit macht er mit
Hilfe seines ausgezeichnet organisierten Informationsdienstes
nur erfolgreich von seinem guten Rechte Gebrauch, die Aerzte
von,der Niederlassung in Orten abzuhalten, die ihnen trotz viel
verheißender Annoncen kein lohnendes Tätigkeitsfeld bieten
können.
VII. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Preußen.
Verzogen: Oberarzt Dr. C o 1 e r von Cöln und Dr. Ritter
nach Uchtspringe, Dr. Fenne r von Gießen und Dr. Jae-
nicke von Cöln nach Dortmund, Dr. Koehne von Gelsen¬
kirchen nach Hörde, Dr. Frankenberg von Göttingen
nach Osnabrück, Dr. Schröder von Aachen nach Ham¬
burg und Dr. Oehler von Dresden nach Aachen, Dr.
L i 1 i e n t h a 1 von Danzig nach Neuteich, Dr. M r o -
czynski von Strasburg nach Graudenz, Oberstabsarzt Dr.
Weniger von Cassel und Dr. Hahn von Wilhelmshagen
nach Cottbus, Dr. Börngen von Lübbenau nach Breslau,
San.-Rat Dr. Nückel von Braschen nach Lauenau, Assi¬
stenzarzt Wimmel von Wittenberg nach Köslin, Ober¬
arzt Dr. Lichthorn von Köslin nach Berlin, J. Zemke
von Zanow nach Rummelsburg, Dr. P r e n h z e von
Berlin und Dr. Happe von Freiburg nach Breslau, Dr.
He'rtel von Breslau nach München, Dr. Herr mann von
Oranienburg nach Kudowa, Dr. Rima n n von Gera und Dr.
R o s e n o w von Berlin nach Liegnitz, Dr. P i t s c h von Bonn
nach Sagan, Oberarzt Kröger von Sprottau nach Posen,
Dr. Spiegel von Hannover und Dr. Spr.engeier von
Bantorf nach Linden, Dr. Storch und Dr. Reimer von
Lage nach Lüneburg, Dr. Steingröver von Oranienburg
nach Worpswede, Dr. Bo ekler von Großenbuseck nach
Wilhelmshaven, Dr. H o 11 z e r von Charlottenburg nach
Bocholt, Dr. Fresen nach Recklinghausen, Dr. Herrn-
johanknecht von Werne nach Bottrop.
Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N., Friedrichstrasse 131 B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin.
Verlag von Oscar Coblentz. Expeditionsbureau: Berlin W. 30, Maassenstrasse 13. — Druck von Oarl Marschner. Berlin SW., Alexandrinenstrasse 110.
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33.
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mit diesen neuen Präparaten angestellt wurden, be¬
richtete l)r. Hahn aus (1er Breslauer Königl. Uni-
versitätshautklinik („Allg. Med. C.-Ztg.“ No. 32, 08):
Als beste Anwendungsart dieser Seife hat sich uns
ein Einreiben des mit Wasser geschlagenen Schaumes
auf die erkrankte Haut erwiesen. Dasselbe geschieht
so lange, bis sich die Haut mit einem Ueberzuge
des braunen Seifenschaumes bedeckt hat. Dieser
Ueberzug bleibt nunmehr längere Zeit auf. den er¬
krankten Partien, unter Umständen die ganze Nacht
und wird dann mit warmem Wasser abgewaschen.
Bereits einige Stunden nach der Application sieht
man eine Rötuug und Spannung der Haut eintreten;
bald beginnen die einzelnen Stellen sich zu schälen,
bis schließlich nach genügender Fortsetzung der Kur
eine kräftige Schäl Wirkung . eintritt. Dabei sind die
häufig unangenehmen Nebenwirkungen der Schäl¬
pasten, starkes Brennen oder gar schmerzhaftes
Spannungsgefühl fast garnicht vorhanden, nicht ein¬
mal bei der wirksamsten Form der Anwendung, die
in mehrfachem, alle 10 Minuten etwa 4—5 mal wieder¬
holtem Einreiben der Seife bestand.
Wir haben auf diese Weise eine sehr große
Anzahl poliklinischer sowie klinischer Patienten mit
Acne vulgaris behandelt und bald völliges Ver¬
schwinden, bald wenigstens eine solche Besserung
hersteilen können, wie sie mit starken Schälpasten
in derselben Zeit auch nicht deutlicher eingetreten
wäre. Bei ganz besonders starken, großpustulöseu
Acne-Eruptionen haben wir die Seife als Unter¬
stützungsmittel für Schälpasten angewandt, indem
abwechselnd einen Tag für mehrere Stunden eine
Schälpaste, den nächsten die Seife aufgetragen wurde.
gez. Professor Dr. Neisser.
■ii
Seife
Salbe
Den seit uralten Zeiten bekannten Schwefel in wasserlöslicher Form zur
Verwendung in der Heilkunde zu bringen, ist seit langen Jahren eifriges
Bemühen der chemischen Großindustrie. Die Wasserlöslichkeit des Schwefels
ist darum erstrebenswert, weil mit ihr eine bei weitem erhöhte Resorbierbarkeit
des Schwefels verbunden ist. Wir kennen von bisherigen fein verteilten Schwefel¬
formen, abgesehen von dem präzipitierten, noch den kolloidalen, doch ist auch
dieser nicht wasserlöslich. Es ist uns nun gelungen, nach einem vom Deutschen
Reichspatentamt patentierten Verfahren, ein Präparat zu erhalten, welches den
Schwefel nicht fein verteilt, sondern wasserlöslich enthält, und bringen dasselbe
unter der Bezeichnuug „Pyonin-Seife“ und „Pyonin-Salbe“ in den Verkehr.
Die inzwischen weiter ausgeführten prak¬
tisch - therapeutischen Versuche von Herrn
Geheimrat Prof. Dr. Neisser selbst ergaben
nachstehendes Resultat:
„Die mir übergebenen Pyonin-Präparate
wurden in der mir unterstellten Klinik und
Poliklinik, sowie auch in meiner Privatpraxis
längere Zeit angewendet und geprüft Ich
kann hiernach bestätigen, daß diese nach dem
patentamtlich geschützten (D. R. - P. 164322)
Vei'fahren hergestellten Präparate (ich ver¬
weise auf die Arbeit des Herrn Dr. Hahn in
der „Allgemeinen Medizinischen Central-Zei-
tung“ 1908, No. 32) sich als gute brauchbare
Schwefelpräparate erwiesen haben. Es ent¬
sprechen demgemäß auch die Indikationen
und die'Anwendungsweise vollständig denen
der an Schwefelpräparaten gemachten Er¬
fahrungen. Die ungemein feine Verteilung
der Schwefelpartikelchen läßt vielleicht sogar
auf eine Ueberlegenheit dieses Präparates
vor gewöhnlichen Schwefel-Suspensionen und
Salben schließen. Die reine unverdünnte
Pymnin-Salbe enthält 66°/ 0 löslichen Schwefel;
es entspricht demgemäß eine 15°/ 0 ige Pyonin-
Salbe einer 10°/ 0 igen Schwefel-Salbe.“
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dr« H. Lohnstein und Dp. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
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Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
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werden fiir die 4gosp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Neisser: Ueber das
neue Ehrl ic lisclie Mittel. — Kalb: Ueber eine neue Spirochäten¬
färbung. Müller: Neues Vorfahren zur frühzeitigen Diagnose
und Verhütung der Lungenblutungen. — Bittner: Beitrag zur
Röntgendiagnose bei Pneumonie. — Boos, Newburgh und
Marks: Erfahrungen mit Digipuratum. — Smith: Ein Fall
von lange bestehendem kardialen Hydrops, der mit Digipuratum
und Diuretin behandelt wurde. — Jagic und Neukirch: Ueber
das Auftreten großer mononukleärer ungranulierter Zellen im
Blute chronischer Myelämien. — Morawitz: Untersuchungen
über Chlorose. — Stierlin: Der Einfluß des Sennainfuses auf
die Verdauungsbewegungen beim Menschen. — Vorpahl: Ueber
einseitige orthostatische Albuminurie. — Doeven speck:
JuveDileMuskeldystrophie infolgeUeheranstrengung.-Kuckro:
Einige seltene Fälle von chronischer Chorea. — Bürker: Eine
neue Theorie der Narkose. — Kutscher: Zur Frage der Steri¬
lität der Novacain-Suprarenintabletten. — Kausch: Zur Jod-
tinkturdesinfektion nach Grossich. — Langemak: Zur Hände-
desinfektion. — Hoffmann: Die Ursachen der Bauchdecken-
spannung. — v. Bökay: Ueber die chirurgische Behandlung
des chronischen und angeborenen Hvdrocephalus internus des
Kindesalters. — Flörcken: Zur Behandlung tabischer Krisen
mit Resektion der hinteren Wurzeln — Codivilla: Ueber die
Förster sehe Operation (Resektion der hinteren Nervenwurzeln)
bei der spastischeu Paralyse. — Kafemann: Ueber eine
wichtige Verwendungsmöglichkeit der Elektrolyse in den oberen
Luftwegen im Anschluß an einen geheilten Fall von Epithelial-
carcinom der Basis cranii. — Süssmann: Doppelseitige Tubar-
schwangerschaft. — Hofmeier: Zur Behandlung der Placenta
praevia. — Russo: Styptol in der Frauenpraxis. — Marx:
Ueber eine seltene rhinologische Ursache von Epiphora. —
Prof. A. Neisser (Breslau): Ueber (las neue Ehrlichsche Mittel.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 26.)
Verfasser berichtet in einem „offenen Brief an den Heraus¬
geber“ ganz kurz über seine bisherigen Ergebnisse mit dem
Dioxydiaminoarsenobenzol bei der Syphilisbehandlung. Zu¬
nächst konstatiert er, daß das neue Mittel eine überraschende
Einwirkung auf die Spirochäten wie auf die Syphilisprodukte
selbst ausübt. Die Spirochäten verschwinden in vielen Fällen
schon nach 24—48 Stunden aus Primäraffekten und Condylomen,
in denen sie vor der Darreichung reichlich vorhanden waren.
Ein Beweis für die direkte Einwirkung der Substanz auf die
Spirochäten ist nach Verfasser in dem Auftreten ganz besonders
deutlicher örtlicher Herxheimer scher Reaktionen um
maculöse und papulöse Effloreszeuzen herum zu erblicken.
Primäraffekte, papulöse Syphilide, speziell ulceröse Prozesse,
besonders der malignen Syphilis gehen in vielen Fällen so
rapide zurück, daß über die Spezifizität des Mittels kein Zweifel
herrschen kann. Jedoch wird nach Verf. eine wirkliche Aus¬
tilgung der Syphilis nur in wenigen Fällen erreicht; Verf. hat
nur in etwa 10 pCt. der mit dem Mittel behandelten Fälle ein
Umschlagen der positiven W a s s e r m a n n sehen Reaktion in
die negative gefunden. Auch Rezidive sind beobachtet worden.
Dies liegt möglicherweise daran, daß die bisher von Verf. an¬
gewendete Dosis zu klein ist, er hat höchstens 0,4 eingespritzt.
Wenn irgend möglich, macht er die Einspritzung intravenös.
Im Anschluß an diese entstehen allerdings manchmal Tempe¬
ratursteigerungen bis 39,5° und Erbrechen;*jedoch gehen diese i
Erscheinungen nach wenigen Stunden zurück. Die intramusku¬
lären Injektionen machen dagegen, da das Präparat stets in
ziemlich bedeutenden Quantitäten einer stark alkalischen
Lösung (mindestens 20 ccm) eingespritzt werden muß, in den
meisten Fällen erhebliche örtliche Schmerzen und harte Infil- |
träte, Erscheinungen, die in 6—8 Tagen zurückgehen. Verf.
glaubt, daß das Mittel bei ganz frischen Fällen imstande
ist, die Syphilis wirklich im Keime zu ersticken. Bei schweren
ulcerösen Fällen wird man wahrscheinlich viel schneller eine
Heilung erzielen als bisher mit Quecksilber und Jod. In vielen
Fällen wird man langwierige Quecksilberkuren durch eine ein¬
jung: Ein Beitrag zu den’Beziehungen zwischen Sehnerven¬
entzündung und Nasenerkrankung. — Ohly: Die Anwendung
der Sedativa bei Augenoperationen. — Busse: Beitrag zur
Tuberkulinbehandlung bei tuberkulösen Augenerkrankungen. —
Davids: Ueber metastatische Conjunctivitis bei Gonorrhoikern.
— Thiemich: Ueber die Leistungsfähigkeit der menschlichen
Brustdrüse. — Brüning: Ueber Kropfblutungen. —Lorand:
Ursachen der Schläfrigkeit und Schlaflosigkeit. — Hunt und
Seidell: Studien über die Schilddrüse. — Schneider: Beitrag
zur Organtherapie der postoperativen Tetanie. — Hart und
Nordmann: Experimentelle Studien über die Bedeutung der
Thymus für den tierischen Organismus. — Rössle: Beiträge
zur Pathologie der Nebennieren.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 13. Juli 1910.
III. Therapeutische Notizen. Read: Ueber die Behandlung
der akuten Gonorrhoe mit Santyl. — Galler: Ueber Veronal-
natrium bei Seekrankheit. — Reif: Ueber die Anwendung von
Dionin.
IV. Bücherschau. Erben: Handbuch der Sachverständigen¬
tätigkeit. Die Vergiftungen. — Rin gier: Leiden und Freuden
eines Landarztes. — Davidsohn: Ueber den derzeitigen Stand
der Frage der Radiumemanation. — Bäumer: Aeltere und
neuere Methoden der Quecksilberbehandlung. — Sarason:
Jahreskurse für ärztliche Fortbildung.
V. Feuilleton. Rahow: Dr. David Gruby.
VI. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizin al-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Ver¬
schiedenes.
Personalia.
malige oder wenigstens ganz selten zu wiederholende Injektion
des Dioxydiaminoarsenobenzols ersetzen können. Endlich hat das
neue Mittel seinen Platz bei allen Syphilisfällen, die entweder
sich refraktär gegen Quecksilber verhalten oder bei denen
wegen Quecksilberidiosynkrasie die Hg-Behandlung überhaupt
nicht durchführbar ist.
Dr. Richard Kalb (Frankfurt a. M.): Ueber eine neue Spiru-
chätenfärbung. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 26.)
Verfasser verwendet zur Darstellung der Spirochäten ein
Gemisch von Eosin und Triacid: Eosin B. A. 0,5, Alkohol
(70 proz.) 50, Triacid 30. Triacid enthält bekanntlich Methvl-
grün, Säurefuchsin und Orange. Die fertige Lösung muß klar
sein und darf keine Niederschläge oder sonstigen corpus-
culären Elemente enthalten; vor dem Gebrauch empfiehlt es
sich, die Farblösung zu schütteln. Das Untersuchungsmaterial
entnimmt Verfasser auf folgende Weise: Bei nässenden Papeln
genügt es, dieselben ein wenig mit einem Tupfer zu reiben,
das aussiekernde Serum wird dann auf einen Objektträger
gleichmäßig aufgetragen. Verdächtige Ulcera, Erosionen etc.
werden zuerst mit einem scharfen Löffel abgekratzt, das Blut
mehrmals abgetupft, hierauf eine Glocke angesetzt lind so lange
getupft und gesaugt, bis das Serum leicht blutig ist. Das Präpa¬
rat wird durch die Flamme gezogen oder man kann es luft¬
trocken werden lassen. Dünne, nur Reizserum ohne Blut ent¬
haltenden Präparate müssen vorher gut fixiert werden, weil
sonst der Ausstrich nicht haftet. Ist jedoch ein wenig Blut bei¬
gemengt, so fällt die Fixierung aus. Nun werden einige Tropfen
der angegebenen Farbstofflösung mit einem Tupfer aufgetragen,
das Präparat 1—2 mal zum Aufdampfen über der Flamme kurz
erhitzt. Das so behandelte Präparat wird zuerst mit Wasser,
dann mit einer größeren Menge schwacher Essigsäure (1 Teil
Essigsäure auf 10 Teile Wasser) 2—3 mal vom Rande vorsichtig
übergossen. Nach einmaligem Uebergießen kann man mit der
Konzentration steigen. Bei Präparaten, die dicker aufgetragen
sind oder viel Blutbeimengungen enthalten, wird man noch
mehr mit Essigsäure nachbehandeln und einige Tropfen Alko¬
hol abs. kurz einwirken lassen. Man kann jedes Präparat
eventuell zur Klärung mit 20 proz. wässeriger Tanninlösung
differenzieren. Das Präparat wird dami zwischen Filtrier^
. I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
VII. Amtliche Mitteilungen.
520
No. 84.
THERAPEUTI SCHE
papier getrocknet. Das Präparat ist, wenn es gelungen ist,
klar und muß rosarot bis blaßrot erscheinen, speziell am
Rande. Die Bakterien und Spirochäten erscheinen weiß (un¬
gefärbt), während der Untergrund rötlich bis blaßrot gefärbt
ist. Ist das Präparat überfärbt, d. h. sind die Spirochäten durch
Farbe verdeckt oder rotgefärbt und dadurch schwer zu sehen,
so muß man nach der oben angegebenen Art noch weiter nach¬
behandeln. — Die Vorteile dieser Methode sind die kurze
Dauer (V2 —1 Minute) und die leichte Anfertigungsart. R. L.
Dr. Wilhelm Müller, dirigir. Arzt der Lungenheilanstalt Tätra-
häza: Neues Verfahren zur frühzeitigen Diagnose und Ver¬
hütung der Lungenblutungen. (Wiener medizin. Wochen¬
schrift, 1910, No. 29.)
Die Symptome, welche den tuberkulösen Lungenblutungen
vorangehen, sind meistens so wenig charakteristisch, daß man
eine eintretende Lungenblutung darauf nicht begründen kann.
So war man bisher nicht in der Lage, prophylaktisch einzu¬
greifen. d. h. solche Maßregeln zu treffen, durch die eine Blutung
verhindert oder wenigstens hinausgeschoben werden konnte.
Verfasser ist es gelungen, den drohenden Eintritt von Lungen¬
blutungen durch Blutdruckmessungen vorherzusagen. Vor
jeder Blutung kann man die Erhöhung des Blutdruckes regel¬
mäßig feststellen. Wenn die tonometrischen Messungen auf
eine Zunahme des Blutdruckes, d. h. auf eine nahe bevorstehende
Hämoptoe hinweisen, so muß der Kranke vollständige körper¬
liche und psychische Ruhe haben, im Bette bleiben und Medi¬
kamente nehmen (Digitalis und Morphin). Diese Behandlungs¬
methode wird solange fortgesetzt, bis die Messungen die Er¬
niedrigung des Blutdruckes zeigen, und somit die Gefahr eines
Bluthustens nicht mehr vorhanden ist. Durch dieses Verfahren
vermochte Verfasser in 98 pCt. der Fälle die Blutungen zu ver¬
hindern.
Med.-Stud. J. Bittner, Demonstrator der deutschen medizin.
Klinik in Prag: Beitrag zur Rönlgenrtiagnosc bei Pneumonie.
(Prager medizin. Wochenschrift, 1910, No. 29.)
Die vom Verfasser mitgeteilte Krankengeschichte zeigt
ganz eklatant, daß die radiologische Untersuchungsmethode
nicht blos eine sichere Diagnosenstellung — Beweis hierfür
ist die Kongruenz zwischen dem klinischen und anatomischen
Befunde —, sondern auch unter Umständen eine sichere Pro¬
gnosenstellung ermöglicht Die pneumonische Infiltration
setzte im Unterlappen der linken Lunge ein. begann nach dem
Befunde am Röntgenschirm alsbald an Intensität abzunehmen,
um auf den Mittellappen der rechten Lunge überzugreifen, ohne
daß mit Hilfe der physikalischen Methoden eine diesbezügliche
Veränderung nachzuweisen gewesen wäre. War die Prognose
bis zu dem Augenblicke, so lange der Prozeß auf den Unter¬
lappen der linken Lunge beschränkt blieb, immerhin noch
zweifelhaft, so wurde sie in dem Momente, in dem am Röntgen¬
schirm bereits die Veränderungen an der rechten Lunge nach¬
gewiesen werden konnten, gewiß infaust, und der spätere
physikalische Befund und der weitere Verlauf der Krankheit
konnte nur noch die Bestätigung hierfür sein. K r.
Dr. W. F. Boos, Dr. L. II Newburgh und Dr. H. K. Marks
Massachusetts, General Hospital): Erfahrungen mit Digipu-
ratum. (The Boston Medical and Surgical Journal, 1910.
No. 6.)
Digipuratum, ein physiologisch eingestelltes Digitalis¬
blätterextrakt, das von den Substanzen frei sein soll, die Magen-
und Darmstörungen verursachen, wurde in 20 zum Teil ziem¬
lich schweren Fällen von Herzleiden an den beiden medizini¬
schen Abteilungen des Massachusetts General Hospital ge¬
braucht. Das Mittel schien schneller als irgend ein anderes
internes Digitalispräparat zu wirken, da die Kompensation in
vielen Fällen schon nach vier Tagen eingetreten war. Das
Digipuratum wurde von allen Patienten gern genommen und
rief niemals die geringsten Magen- oder Darmstörungen hervor.
Der Einfluß auf die Diurese wird besonders hervorgehoben.
Trotzdem das Mittel in großen Dosen wiederholt wurde, traten
doch keine Vergiftung'serscheinungen infolge Kumulation ein,
in den wenigen Fällen, in denen Digipuratum versagte, wurden
auch alle • anderen Mittel ebenfalls ohne Erfolg angewandt.
— 1 .
Dr. W. H. Smith: Ein Fall von lange bestehendem kardialen
Hydrops, der mit Digipuratum und Diuretin behandelt
wurde. (The Boston Medical and Surgical Journal, 1910,
No. 6.)
Ein 67 jähriger Patient bekam vor sechs Monaten allmäh¬
lich zunehmende Dyspnoe, Schwindel und geschwollene Beine,
seit fünf Monaten hat er Orthopnoe, Husten und zeitweilig
Blutspeien. Dyspnoe und Orthopnoe waren drei Tage vor der
Einlieferung auf dem Höhepunkt. Bei seinem Eintritt in die
Anstalt litt er an Arteriosklerose, deutlicher Kompensations¬
störung, Hydrcthorax, Ascites und starken Oedemen der Beine.
RUNDSCHAU 1910,
Blutdruck 185, Temperatur 34,8“ C., Puls 95, Atmung 50. Er
erhielt Digipuratumtabletten in fallenden Dosen, den ersten
Tag vier, am zweiten und dritten Tag je drei und dann die
folgenden Tage zwei Tabletten. Die Urinmenge, die anfangs
verhältnismäßig klein war, stieg am vierten Tag auf 5,380 1.
Damit trat eine deutliche Besserung m seinem Befinden ein,
die Oedeme der Beine verschwanden, die Herztöne wurden
lauter, obgleich der Rhythmus nur wenig geändert wurdfe.
Leider kann man nicht sagen, daß diese ausgesprochene
schnelle Besserung auf Digipuratum allein zurückzuführen ist,
da er vom dritten Tag an alle vier Stunden 1 g Diuretin er¬
hielt. Nach seiner Entlassung erhielt Patient noch einige Zeit
Digitalis. K.
N. v. Jagic und P. Neukirch (Wien): Ueber das Auftreten großer
mononuldeärer ungranulierter Zellen im Blute chronischer
Myelämien. (Berl. klin. Wochenschr., 1910, No. 19.)
Zusammenfassung:
1. Neben typischen Myeloblasten (Naegeli) treten im
Blute mit Röntgenstrahlen behandelter Fälle von chronischer
myeloischer Leukämie große ungranulierte mononukleäre
Zellen auf, die die Kriterien der Myeloblasten (Oxydasenreak-
tion, Basophilie des Protoplasma, Nukleolen u. a.) nicht auf¬
weisen.
2. In eben diesen Fällen findet sich im Blute nach mehre¬
ren Bestrahlungen neben vermehrten, nach allen Methoden
ungranulierten Zellen, auch eine überwiegende Anzahl solche]',
die mit Triacid und nach Romanowsky in der gewöhnlichen
Weise distinkte Granula aufweisen, die jedoch die Oxydasen-
reaktion entweder ganz vermissen lassen oder nur in verringer¬
tem Maße zeigen.
3. Verff. fassen diesen Vorgang des Verlustes der Oxydasen-
reaktion als funktionelle Schädigung (Oxydasenschwund) der
Granulocyten auf. In weiterer Folge der Schädigung tritt dann
auch morphologisch vollkommener Granulaschwund auf.
4. Die Beobachtungen der betr. Fälle lassen einen Zu¬
sammenhang der Röntgenbestrahlung mit der erwähnten
Schädigung der Granulocyten möglich erscheinen.
5. Eine stete Kontrolle des Blutbildes auch mit Hilfe der
Oxydasenreaktion während der Röntgenbestrahlung ist um
Ueberstrahlungen zu vermeiden, zu empfehlen. K r.
Prof. P. Morawitz (Freiburg i. B.): Untersuchungen über Chlo¬
rose. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 27.)
Verfasser hat an einer Anzahl von chlorotischen Mädchen
gefunden, daß der Hämoglobingehalt des Blutes meist nur wenig
herabgesetzt ist, er liegt fast immer über 80 pCt.; trotzdem sind
die subjektiven Beschwerden oft ziemlich schwere. Diese aus¬
gesprochenen Fälle von Chlorose mit normalem oder nahezu
normalem Blutbefund werden durch Eisen ebenso günstig be¬
einflußt wie Chlorosen mit deutlicher Anämie. Die 'Anämie
ist also nicht das Kardinalsymptom der Chlorose, das alle
übrigen beherrscht, sondern nur ein Symptom unter anderen.
Menstruationsstörungen, Nonnensausen. Wasserretentionen bei
Chlorose sind nicht immer von einer Anämie abhängig, eben¬
sowenig die Mehrzahl der subjektiven Erscheinungen. Es ist
nach Verfasser nicht bewiesen, ja sogar unwahrscheinlich, daß
die heilende Wirkung des Eisens bei Chlorose als Reizwirkung
auf die blutbildenden Organe, speziell als Reiz für reichlichere
Hämoglobinbildung zu deuten ist. Die Nutzlosigkeit des Eisens
bei fast allen nicht chlorotischen Anämien (im Gegensatz zum
Arsen) spricht, abgesehen von anderen Beobachtungen, gegen
die Existenz einer solchen Reizwirkung. Der Angriffspunkt
des Eisens bei Chlorose ist wohl überhaupt nicht allein in den
blutbildenden Organen zu suchen, sondern an der noch unbe¬
kannten Wurzel des gesamten Krankheitsbildes der Bleich¬
sucht.
Dr. Eduard Stierlin (Basel): Der Einfluß des Sennainfuses auf
die Verdauungsbewegungen beim Menschen. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 27.)
Verfasser untersuchte mittels Röntgenaufnahmen die Ein¬
wirkung des Sennainfus auf die Darmbewegung. Versuchs¬
personen waren drei Knaben von 8, 9 und 10 Jahren, welche
eine normale Verdauung und gewöhnlich einmal täglich Stuhl¬
gang hatten.. Die Knaben bekamen morgens nüchtern 20 g
Bismut. carbonic. in 400 ccm Wasser; es wurden bei jeder Ver¬
suchsperson Aufnahmen erst bei gewöhnlicher Lebensweise, ein
zweites Mal nach Einnahme von Sennainfus gemacht. Der Ver¬
gleich beider Serien ergab folgende Tatsachen: Das Sennainfus
wirkt beim Menschen im wesentlichen nur auf die Dickdarm¬
peristaltik, auf Magen- und Dünndarmperistaltik hat es keinen
oder nur einen ganz unbedeutenden Einfluß. Die Wirkung auf
den Dickdarm besteht darin, daß erstens, sobald das Senna¬
infus in Coecum und Colon ascendens eingetreten, eine Ent¬
leerung fast des gesamten Coloninhalts stattfindet, zweitens
diese Entleerung sich ein bis mehrere Male wiederholt, so
lange noch Senna im Darm vorhanden resp. ins Coecum über-
No. 34.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
521
tritt. Das Verharren des Chymus in Coecum und Colon ascen-
dens, das physiologischerweise zum Teil bis 24 Stunden und
länger dauert, fällt unter der Einwirkung des Sennainfus weg.
Das Sennainfus hebt also, wie es Magnus radioskopisch bei
Katzen nachgewiesen hat, die sehr wahrscheinlich auch dem
menschlichen Colon ascendens physiologisch eigentümliche
Antiperistaltik auf. Man kann demnach, sagt Verf., das Senna¬
infus als ein ideales Abführmittel bezeichnen. R. L.
Dr. Kurt Vorpahl, Assistent der inneren Abteilung des städti¬
schen Krankenhauses Stettin: Ueber einseitige ortho-
statische Albuminurie. (Berlin, klin. Wochenschrift, 1910,
No. 18.)
Verfasser reiht den grundlegenden Untersuchungen
J e h 1 e s eine Beobachtung an, die eine Abweichung vom
•fehle sehen Typus darstellt und dennoch gerade in ihrer
Eigenart die Auffassung der Albuminurie durch diesen Autor
bestätigt. Es handelt sich um ein 12 jähriges Mädchen. Seit sechs
Monaten klagte es oft über Kopfschmerzen, Schmerzen im
Rücken, Gliederschmerzen, Mattigkeit und schlechten Appetit.
Vor etwa einem Jahre hatte die Mutter zum ersten Male eine
Rückgratverbiegung bei dem Kinde bemerkt, die sich im Laufe
der Zeit verschlimmerte. Die Harnuntersuchungen führten zur
Diagnose einer echten orthostatischen Albuminurie. Das Haupt¬
interesse nahm die krankhafte Form der Wirbelsäule in An¬
spruch. Es war eine erhebliche habituelle Skoliose vorhanden.
Wie gewöhnlich bei dieser Form der Skoliose bestand die Ver¬
krümmung in einer linkskonvexen Lumbalskoliose und einer
kompensatorischen rechtskonvexen Dorsalskoliose. Es lag
nahe, im. Hinblick auf die J e h 1 e sehen Untersuchungen diese
Skoliose zu der vorhandenen orthostatischen Albuminurie in
ursächliche Beziehungen zu bringen. Um sich darüber Klar¬
heit zu verschaffen, ob die Skoliose nicht bloß ein an sich
wirkungsloser Nebenbefund sei, während die Lordose, wenn
sie auch nur gering war, möglicherweise doch die eigentliche
Ursache der Albuminurie sein konnte, suchte Verf. festzu¬
stellen, ob die Skoliose bei gänzlicher Ausschaltung der Lor¬
dose allein imstande sei, Albuminurie zu erzeugen. Geeignet
zur Beantwortung dieser Frage schien Verfasser die sitzende
Stellung, bei der die lordotische Krümmung völlig wegfiel,
während die skoliotische keine sichtbare Aenderung erlitt. In
der Tat gab nach halbstündigem Sitzen der vor dem Versuch
eiweißfreie Urin deutliche Eiweißreaktionen, ein Beweis, daß
in diesem Falle die Lordose nicht, oder doch gewiß nicht allein
die Albuminurie hervorrief. Vielmehr war das Auftreten von
Eiweiß im Ham von dem Vorhandensein der Skoliose ab¬
hängig, entsprechend der stehenden und sitzenden Körper¬
haltung; das Eiweiß fehlte im Urin bei horizontaler Lage und
bei Suspension an den Armen, wobei die Skoliose ausgeglichen
würde. Von weit größerem Interesse war aber die Prüfung
folgender Frage: Wenn bei der vorliegenden Albuminurie
analog den J e h 1 e sehen Fällen eine statische Ursache im
Spiele war, so lag es nahe, daran zu denken, daß die hier vor¬
handene Skoliose eine einseitige Wirkung ausübte, so daß
möglicherweise nur die eine Niere albumenhaltigen Harn aus¬
schied, die andere nicht. Um dies zu prüfen, wurde bei dem
Kinde der doppelseitige Ureterenkatheterismus vorgenommen,
nachdem vorher durch fünfminutenlanges Stehen eine deut¬
liche Albuminurie herbeigeführt worden war. Das Ergebnis
war, daß der Urin der linken Niere völlig eiweißfrei war, daß
dagegen der Urin der rechten Niere deutliche Eiweißreaktionen
aufwies. J e h 1 e nimmt als direkte Ursache der lordotischen
Albuminurie eine statisch bedingte Stauung im Nierenkreislauf
an, und zwar gilt als selbstverständliche Voraussetzung die
Doppelseitigkeit dieser Albuminurie, wie das bei der gerad¬
linigen Lordose ohne weiteres einleuchtet. Verfassers Beob¬
achtung einer einseitigen Albuminurie bei dem skolioti-
schen Kinde scheint nun für die Frage des Zustandekommens
der orthostatischen Albuminurie nicht ohne Bedeutung zu sein.
In erster Linie bestätigt dieser Fall, so eigenartig er an sich
ist, die Annahme von J e h 1 e , daß die gewöhnliche Ursache
der orthostatischen Albuminurie in einer abnormen Gestalt
der Wirbelsäule zu suchen ist, daß mithin die Albuminurie von
rein statischen Störungen abhängig ist. In seinen Fällen be¬
wirkte das Auftreten der Lordose in dem vorliegenden Falle
das Auftreten der Skoliose den Eintritt der Albuminurie, die
dagegen nach dem Ausgleich der Wirbelsäule zur normalen Ge¬
stalt auch in orthotischen Haltungen, verschwindet. Gerade
aber die Einseitigkeit der Albuminurie spricht mit für die
Richtigkeit der Annahme einer statischen Störung und gegen
die Annahme einer funktionellen Nierenschädigung; denn die
skoliotische Wirbelsäule kann ihre albuminurieerzeugende
Wirkung, falls diese mechanischer Natur ist, nicht auf beide
Nieren in gleicher Weise ausüben, sondern es wird nur eine
Niere unter ihrer Wirkung leiden, da sie ja der einen Niere
ihre konvexe, der anderen ihre konkave Seite zuwendet. .Es
bleibt jedoch noch zu erklären, in welcher Weise die skolio¬
tische Wirbelsäule auf die eine Niere wirkt. Nach Verfasser
ist es durchaus denkbar, daß die skoliotische Wirbelsäule an
den Gefäßen (Arterie und Vene) derjenigen Niere, welche auf
ihrer konkaven Seite gelegen ist, nicht unerheblich zerrt. Diese
Zerrung kann eine Zirkulationsstörung zur Folge haben, sei es,
daß sowohl in der Arterie, wie in der Vene der Zufluß bezw.
Abfluß behindert wird, oder sei es, da hauptsächlich in der
widerstandslosen Vene der Blutabfluß gehemmt wird. Daß
aber Zirkulationsstörungen in der Niere, sowohl im Sinne einer
Anämie, als auch im Sinne einer Stauung zur Eiweißaus¬
scheidung führen, ist bekannt. K r.
Dr. Doevcnspeck (Essen a. Ruhr): Juvenile Muskeldystrophie
infolge Ueberanstrengung. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 26.)
Verfasser berichtet über einen Fall von juveniler Muskel¬
dystrophie vom Erb sehen Typus bei einem 25 jährigen Tage¬
löhner, bei welchem wesentlich die Brustschulteroberarm-
muskulatur beiderseits betroffen war. Das Bemerkenswerte
des Falles besteht darin, daß als einzige wesentliche Ursache
Ueberanstrengung ermittelt wurde; der Patient mußte als
14 jähriger, schwächlicher, schlecht ernährter Knabe über ein
Jahr lang mit dem Dreschflegel dreschen oder die Dresch¬
maschine drehen; danach fing dann das Leiden an, sich zu ent¬
wickeln, so daß er diese Arbeit aufgeben mußte. Die Dystro¬
phie ist anscheinend seit dem 15. Lebensjahr stationär ge¬
blieben. R. L.
Dr. Kuckro, Assistent der I. inneren Abteilung des städtischen
Krankenhauses Friedrichshain in Berlin: Einige seltene
Fälle von chronischer Chorea. (Medizin. Klinik, 1910,
No. 25.)
Verfassers Mitteilung findet ihre Rechtfertigung in der
Seltenheit dieser Erkrankung. Die Fälle boten außerdem
mancherlei Besonderheiten dar und zeigten bemerkenswerte
Abweichungen von dem gewöhnlichen Krankheitsbilde. Den
chronischen Fällen schickt Verf. die Krankheitsgeschichte einer
Chorea voraus, die zw'ar nicht dauernd bestand, aber sehr
häufig rezidivierte und durch positiven Babinski interessant
war. Der Babinskische Reflex deutet darauf hin, daß
die Chorea doch in gewissem Sinne als Herderkrankung anzu¬
sprechen und jedenfalls als eine organische Erkrankung anzu¬
sehen ist. Interessant ist noch, daß ein Bruder dieses Patienten
zu gleicher Zeit auf der zweiten dimeren Abteilung des
Krankenhauses Friedrichshain mit Chorea minor lag und eben¬
falls linksseitigen, allerdings nicht immer auslösbaren,
Babinski aufwies. Eine echte Herderkrankung als Ursache
der Chorea zeigt der zweite Fall, bei dem im Anschluß an eine
vor drei Jahren erfolgte Apoplexie eine Hemichorea dextra
auftrat. Den Herd muß man im linken Thalamus opticus oder
im Brückenarm vermuten. Der dritte Patient bot ein Krankheits¬
bild dar, das infolge des akuten Beginns und ganzen Verlaufs
äußerst eigenartig ist. Hier trat der Veitstanz im sechsten
Lebensjahr ganz apoplektiform auf und bestand ohne Unter¬
brechung bis ins höhere Lebensalter. Um die von H u n t i n g -
t o n zuerst beschriebene hereditäre Chorea handelte es sich
nicht; denn es fehlt vollkommen das Moment der Heredität.
Diesen chronischen Fällen ohne Erblichkeit in der Familie
fügt Verfasser noch zwei weitere hinzu. Der eine betrifft einen
62 jährigen Schuhmacher, bei dem die Erkrankung vor etv'a
20 Jahren begann. Zuerst stellten sich Zuckungen und Unruhe
in den Beinen ein, allmählich wurde aufsteigend der ganze
Körper befallen. Seit zehn Jahren kann Verfasser sein Hand¬
werk nicht mehr ausüben. Irgendeine Ursache für diesen
chronischen Veitstanz war nicht zu eruieren. Der andere Fall
betrifft einen 45 jährigen Schriftsetzer. In diesem Fall trat das
Leiden mit 42 Iahren auf; ein Jahr vorher hatte Bleikolik und
Bleilähmung bestanden. Als ursächliches Moment ist wahr¬
scheinlich, da Heredität mit Sicherheit nicht vorhanden ist, die
chronische Bleiintoxikation anzusehen. Einen analogen Fall
hat Verfasser in der Literatur nicht gefunden. K r.
Prof. Dr. K. Bürker (Tübingen): Eine neue Theorie der Nar¬
kose. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 27.)
Verfasser stellt, ausgehend von den Theorien von
H. Meyer und Overton, sowie von Verwora folgende
modifizierte Theorie der Narkose auf: Die Narkose kommt da¬
durch zustande, daß sich zunächst das Narcoticum seiner großen
Lipoidlöslichkeit wegen insbesondere im Nervensystem an¬
häuft. Diese Anhäufung allein aber genügt nicht, es kommt
vielmehr zur chemischen Reaktion, indem das Narcoticum den
aktiven Sauerstoff der nervösen Substanz mit Beschlag belegt.
Dadurch wird der Sauerstoff dieser so sauerstoffgierigen Sub¬
stanz entzogen, worauf es zu temporärer Erstickung derselben,
verbunden mit Lähmung der physiologischen Funktion kommt.
Die bei der Oxydation des Narcoticums entstehenden Produkte
erklären zum Teil die Säuerung des Organismus und indirekt
die vermehrte Ammoniakbildung, die als ein Neutralisierungs¬
vorgang aufzufassen ist. Die mobilisierten und weiterhin zer¬
setzten Fette und Lipoide können als Quelle des gegenüber der
522
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 34.
Norm reichlich gebildeten Azetons angesehen werden. Der
veränderte Stoffwechsel überhaupt, der bei einer chemischen
Indifferenz des Narcoticums gar nicht zu verstehen wäre, läßt
die üblen Nachwirkungen der Narkose begreiflich erscheinen:
Verfasser macht noch darauf aufmerksam, daß bei der Narkose
der Stoffwechsel im gleichen Sinne wie beim Diabetes ver¬
ändert ist, woraus sich auch erklärt, warum der Diabetiker so
schlecht die Narkose erträgt. Als experimentelle Stütze seiner
Theorie dient dem Verfasser folgende Tatsache: Er hat eine
Reihe von Narcotica mittels Elektrolyse untersucht und ge¬
funden, daß, je stärker ein Narcoticum wirkt, es um so inten¬
siver den Sauerstoff bei der Elektrolyse zu seiner Oxydation
beansprucht.
Stabsarzt Dr. K. H. Kutscher (Berlin): Zur Frage der Steri¬
lität der Novocain-Suprarenintabletten. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 24.)
Unter 54 von den Höchster Farbwerken hergestellten
Novocain-Suprarenintabletten fanden sich 4 = 8 pCt. mit
sporenhaltigen Bacillen infiziert. An den Wattestopfen der
Tablettenröhrchen waren unter 4 Fällen zweimal Gelatine
nicht verflüssigende Kokken nachweisbar. Die von den
Höchster Farbwerken geübte Methode der Sterilisation der
Tabletten (fraktioniert au 3 Tagen je eine Stunde bei 60" im
Trockenschrank) ist nach Verf. zur Erzielung einer sicheren
Sterilität nicht geeignet. Da die Tabletten selbst bei dem
jetzigen Stand der Technik nicht steril hergestellt werden
können, empfiehlt Verf. zur Vermeidung etwaiger Infektionen
(z. B. Tetanus) die Tabletten vor dem Gebrauch zu lösen und
die Tablettenlösung durch Aufkochen zu sterilisieren. Die Zer¬
setzung des Suprarenins würde hierbei, nach Angabe von
Braun, durch einen geringen Salzsäurezusatz eventuell zu
vermeiden sein. R. L.
Prof. Dr. W. Kausch: Zur Jodtinkturdesinfektion nach Grossich.
(Medizinische Klinik, 1910, No. 25.)
Verfasser weicht in mancher Hinsicht von G r o s s i c h ab
und beschreibt deshalb sein Vorgehen. Er läßt den Patienten
tags zuvor, 24 Stunden vor der Operation, baden und rasieren;
nur dringende Fälle werden trocken rasiert und gleich darauf
mit Jodtinktur angestrichen. K. sieht nicht ein, warum man
prinzipiell trocken rasieren soll, wie G r o s s i c h schreibt.
Grossichs Patient liegt beim ersten Jodanstrich nackt auf
dem Tisch. K. sieht den Grund hierfür nicht ein; für den
Kranken, sagt er, ist dies doch unangenehm. Selbst wemi ein
wenig Jod in die Wäsche gelangt, schadet das nichts, bei der
nächsten Wäsche oder nach der Sterilisation ist es wieder ver¬
flüchtigt. — Das Operationsgebiet wird in großem Umfange mit
offizineller 10 proz. Jodtinktur bestrichen. Ueber die Stärke
der Jodlösung besteht keine Einigkeit. Hesse emp¬
fiehlt eine Verdünnung auf 10 bis 20 pCt. (1 bis 2 pCt.
Jod). K. warnt davor, mit der schwachen Jod¬
lösung das Operationsgebiet nur kurz auzustreichen;
etwas anderes wäre es, wenn man die Haut energisch
fünf Minuten lang damit wüsche. Wenn Hesse mit dieser
schwachen Jodlösung gute Erfolge erzielte, so beweist das
nach Verfassers Ansicht nur, eine wie geringe Aseptik in den
meisten Fällen genügt; reicht doch, sagte er, oft einfache Seifen¬
waschung aus oder selbst das Unterlassen jeder Waschung und
Desinfektion. Von Zeit zu Zeit erfolgt dann aber doch eine
schwere Infektion, die man bei strenger Aseptik vermieden
hätte. Den ersten Anstrich macht Verfasser recht intensiv. Er
nimmt dazu meist einen Tupfer, den er mit einer Kornzange
anfaßt und in die T ink tur taucht. Verfasser glaubt, daß manche
eine zu starke Jodtinktur nehmen; wird die Tinktur z. B. in
eine Schale mit breiter Oberfläche gegossen, so verdunstet der
Alkohol schnell, es fällt Jod aus, die Tinktur wird jedenfalls
konzentrierter, und so erklärt Verfasser manche Ekzeme, die
er und andere erlebten. Nachdem die Jodtinktur auf der Haut
vollständig eingetrocknet ist, legt er eine sterile Kompresse
lose über das Operationsgebiet. Jetzt wird der Patient an¬
narkotisiert und in den Operationssaal, gefahren. Die Kompresse
wird entfernt, das engere Operationsfeld wird ein zweites Mal
mit Jodtinktur bestrichen — zwischen dem ersten und zweiten
Jodanstriche sollen wenigstens zehn Minuten liegen — und,
nachdem die Haut wieder trocken, wird ein großes, mit einem
Schlitz versehenes steriles Laken über den ganzen Patienten
gelegt. Am Kopfende des Tisches befindet sich der Kocher-
sche Schutzbügel, an ihm wird mit Klemmen das Laken be¬
festigt. Nach Vollendung der Operation entfernt K. mit sterilen
Tupfern, die in Alkohol getränkt sind, die Jodtinktur nach Mög¬
lichkeit vom ganzen Operationsfelde. Nur im Bereiche der
Nahtlinie, in etwa 1 cm Entfernung, läßt er die Tinktur und
bestreicht sogar die Nahtteiie nochmals mit ihr. Verband mit
sterilen in Mull eingenähten Holzwollekissen, die mit Mastix¬
lösung befestigt werden. Bei jedem Verbandwechsel wird die
Nahtlinie mit Jodtinktur angestrichen. Grossich tut dies
nur innerhalb der ersten acht Tage, Schanz hat es auch noch
für später empfohlen; E. hat durchaus den Eindruck, als ob die
Narben dadurch feiner würden. — Ob Grossichs Methode
sich dauernd erhalten wird, ob die Jodtinktur wirklich dem
reinen oder verdünnten Alkohol, dem Seifenspiritus und den
zahlreichen anderen Mitteln, auch abgesehen von der Zeit¬
ersparnis, überlegen bleiben wird, können nur weitere Er¬
fahrungen zeigen.
Dr. Langemak, Spezialarzt für Chirurgie in Erfurt: Zur Hände-
desinfektion. (Zentralblatt für Chirurgie, 1910, No. 29.)
L. berichtet über die Erfahrungen, die er an 250 Fällen
mit der abgekürzten und vereinfachten Hautdesinfektion ge¬
macht hat. Die Grossich sehe Methode hat ihn niemals im
Stich gelassen. Es gibt aber Fälle, in denen man es als lästig
und noch zu langwierig empfinden wird, nicht nur das Opera¬
tionsgebiet, sondern auch die von dem Operateur eventuell zu
berührende Umgebung mit Jod einpinseln zu müssen, z. B. bei
Operationen an den Händen und Fingern; in diesen Fällen hat
Verf. die von Zabludowski empfohlene 5 proz. Alkohol
(95 pCt.)-Tanninlösung mit nachfolgendem Jodanstrich des
eigentlichen Operationsgebietes mit sehr gutem Erfolge ver¬
wendet, und zwar in der Weise, daß nach trockenem Rasieren
die Haut 1 Minute lang mit Tanninalkohol abgerieben wird und
nach Abdecken des Operationsfeldes noch ein einmaliger Jod¬
anstrich desselben folgt. L. hat mit dieser kombinierten An¬
wendung der beiden Methoden so vorzügliche Heilungen ge¬
sehen, wie bei keiner anderen. Das Desinfektionsverfahren
hat bei seiner kurzen Dauer noch den Vorzug, daß die vor¬
herige Anwendung von Wasser und Seife nichts schadet, falls
dieselbe z. B. zum Rasieren oder aus anderen Gründen not¬
wendig oder wünschenswert sein sollte. , K r.
Privatdozent Dr. Adolf Hoffmann (Greifswald): Die Ursachen
der Bauchdeckenspannung. (Deutsche med. Wochensclu.,
1910, No. 26.)
Auf Grund von klinischen Beobachtungen sowie von Tier¬
versuchen stellt Verf. folgende Sätze auf: 1. Bauchdecken¬
spannung bei abdominalen Affektionen tritt nur ein bei Reizung
des parietalen Peritoneums und wird vermittelt durch die
Nervi intercostales, lumbales, sacrales. 2. Bauchdecken¬
spannung kann eintreten bei Reizung dieser Nerven an jeder
beliebigen Stelle ihres Verlaufs. 3. Auch bei gesundem Perito¬
neum kann Bauchdeckenspannung bei schwerer (basaler)
Pleuritis durch Irradiation zustande kommen, auch bei Pneu¬
monie. Vorbedingung ist hierbei ehre starke Reizung der
Pleura parietalis (durch Toxine). 4. Bei Querdurchtrennung
des Markes in Höhe des oberen und mittleren Brustabschnittes
tritt bei Reizung des pai’ietalen Peritoneums Bauchdecken¬
spannung ein. R. L.
Prof. Dr. Johann v. Bökay, Direktor des Budapester Stefanie-
Kinderspitales: Ueber die chirurgische Behandlung des
chronischen und angeborenen Hydrocephalus internus des
Kindesalters. (Wiener medizin. Wochenschrift, 1910, No. 26
und 27.)
Verfasser präzisiert auf Grund seiner literarischen Studien,
sowie seiner eigenen Erfahrung seinen Standpunkt bezüglich
der chirurgischen Behandlung des chronischen und angebore¬
nen Hydrocephalus int. des Kindesalters in folgendem: 1. Die
bisher angewandten komplizierten operativen Eingriffe haben
keine nennenswerte praktische Bedeutung. 2. Durch Ver¬
fassers längere Zeit hindurch beobachteten Fälle wird die
exquisit heilende Wirkung der systematischen Lumbalpunk¬
tionen nach Quincke unzweifelhaft nachgewiesen, und zwar
für alle jene Fälle, wo die Kommunikation zwischen den Ge-
hiruventrikeln und dem Subarachnoideal- bezw. Subdural¬
räumen des Gehirns und Rückenmarks ungestört besteht. 3. Für
alle jene Fälle, wo diese Kommunikation gestört oder voll¬
kommen aufgehoben ist, sind die direkte bezw. indirekte, mit
Craniotomie verbundene Seitenventrikelpunktion, sowie der
Bramann-Anton sehe Balkenstich jene chirurgischen
Eingriffe, welche von Wirksamkeit sein können. 4. Hoch¬
gradige offene oder bedeutende geschlossene interne Hydro-
cephali sind durch kein chirurgisches Verfahren beeinflußbar.
5. Die systematische Lumbalpunktion nach Quincke kann
bei offenem internen Hydrocephalus Jahre hindurch ohne
Schaden fortgesetzt werden. 6. Die systematische Lumbalpunk¬
tion ergibt um so bessere Ergebnisse, je früher die Fälle zur
Behandlung kommen und je weniger die Gehirnsubstanz in¬
folge des gesteigerten Intrakranialdruckes gelitten hat. 7. Die
Lumbalpunktion soll nicht in kürzeren Intervallen als 4 bis
6 Wochen angewendet werden, ferner soll die einmalige Liquor¬
menge nicht mehr als 50 ccm betragen. K r.
Dr. H. Flörcken (Würzburg): Zur Behandlung tabischer Krisen
mit Resektion der hinteren Wurzeln. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 27.)
Die Resektion der hinteren Wurzeln wurde schon in einigen
Fällen von gastrischen Krisen mit Erfolg vollführt. Verfasser
No. 34.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
523
berichtet üjrer einen Fall von Tabes, in welchem er ebenfalls ,
die Operation ausführte, aber nicht wegen gastrischer Krisen, j
sondern wegen neuralgischer Schmerzanfälle im Bereich der |
Brustwirbelsäule und des Thorax. Das schmerzhafte Gebiet
bei dem 49 jährigen Patienten entsprach dem 5. bis 9. Dorsal¬
segment, deshalb wurde die Resektion der 5. bis 9. hinteren
Dorsalwurzel beschlossen. Der Eingriff wurde bei Morphium-
Skopolamin-Chloroformnarkose gemacht. Der 4. bis 9. Pro¬
cessus spinosus wurde abgemeißelt; die Wirbelbögen wurden
in derselben Ausdehnung teils mit Meißel, teils mit Luer scher
Zange entfernt. Es gelang nach Spaltung der Dura in der Mittel¬
linie. mit einiger Mühe die sensiblen Wurzeln von den motori¬
schen zu isolieren; es wurde darauf jederseits die 5. bis
9. hintere Thoracalwurzel teils durchschnitten, teils in geringer
Ausdehnung reseziert. Nach sorgfältiger Säuberung wurde der
Duralsack mit fortlaufender Katgutnaht geschlossen. Der
Liquorabfluß war nicht stark, die Eröffnung des Duralsacks ohne
jeden Einfluß auf den Puls, der während der ganzen Operation
kräftig und gleichmäßig blieb. Es folgte die Naht der Musku¬
latur mit Katgutknopfnähten, Drainage, Hautnaht. Der weitere
Verlauf war gut. Die Wirkung auf die Schmerzen war eine
frappierende; die Schmerzanfälle sind vollständig verschwun¬
den. Das Allgemeinbefinden hat sich sehr gehoben, das Ge¬
wicht zugenommen. Nur tritt zuweilen noch ein Zucken im
rechten 5. Intercostalraum auf.
Prof. Dr. A. Codivilia (Bologna): Ueber die Förstersche Opera¬
tion (Resektion der hinteren Nervenwurzeln bei der spasti¬
schen Paralyse). (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 27.)
Verfasser berichtet über einen Fall, in welchem er die
Förster sehe Operation wegen spastischer Paralyse gemacht
hat. Es handelt sich um ein 15 jähriges Mädchen, bei welchem
die Diagnose: Paraplegia spinalis spastica wegen Sklerose der
Seitenstränge lautete. Die Operation wurde zweizeitig gemacht.
Das erste Mal (8. Mai 1909) wurde die Laminektomie aus¬
geführt. Die Laminae der Lendenwirbel (II. bis V.) und der
Processus spinosus des I. Kreuzbeinwirbels wurden exstirpiert.
Die Blutung war ziemlich profus. Die Wunde wurde voll¬
ständig geschlossen. Am 31. Mai 1909 erfolgte dann der zweite
Eingriff: Eröffnung der Dura, Resektion der hinteren Wurzeln,
rechts der II. sakralen, V. und III. lumbalen, links der
II. sakralen und der V. lumbalen. Die III. lumbale Wurzel
war links wegen eines abnorm hohen Ursprungs nicht erreich¬
bar. Naht der Dura mater, der Muskulatur und der Haut. In
der ersten Zeit nach der Operation klagte das Mädchen über
spontane Schmerzen in den Extremitäten und über Schmerzen
bei aktiven und passiven Bewegungen. Am ersten Tage be¬
stand Harnverhaltung. Die Schmerzen verschwanden nach
und nach und waren nach 12 Tagen völlig verschwunden. Am
11. Tage wurden die Hautnähte entfernt. Die Reflexphänomene
an der unteren Extremität, die vorher vorhanden gewesen
waren, sind verschwunden. Der schließlich erreichte Erfolg
ist folgender: Das Gehen ist eine kurze Strecke auch ohne
Stock möglich. Der Gang ist noch immer spastisch, die Fu߬
sohlen streifen auf dem Boden mit ihrer ganzen Fläche und die
Beine erscheinen in ihren Gelenken, besonders im Hüftgelenk,
etwas steif. Die Hüften und die Knie sind leicht gebeugt, die
Oberschenkel adduziert. Die Beine streifen bei jedem Schritt
aneinander. Eine nicht unwesentliche Besserung in funktio¬
neller Beziehung wurde in diesem Falle erreicht. Jedoch
glaubt Verfasser, daß man durch die gewöhnlichen peripheri¬
schen Eingriffe, wde Verlängerung der Achillessehne, Myoto¬
mien, Tenotomien, Ruhigstellung in korrigierter Lage, in diesem
Falle -wohl dasselbe erreicht haben würde. Verfasser ist der
Ansicht, daß man den Eingriff nach Stellung der nötigen Indi¬
kationen nur an muskelstarken und gut genährten Individuen
vornehmen darf, und daß die Resektion selbst nicht zu aus¬
gedehnt sein sollte. Die Förster sehe Operation stellt einen
schweren Eingriff dar. Unter den bis jetzt 16 operierten Fällen
sind zwei Todesfälle zu verzeichnen. Verf. meint, daß, wenn
man die Operation von der lumbo-sakralen auf die dorso-lum-
bale Gegend übertrage würde, so daß man nicht die Cauda
equina, sondern den letzten Teil des Rückenmarks freilegt, die
Operation sich leichter und ungefährlicher gestalten würde.
Prof. Dr. R. Kafemann (Königsberg i. Pr.): Ueber eine wichtige
Verwendungsmöglichkeit der Elektrolyse in den oberen
Luftwegen im Anschluß an einen geheilten Fall von
Epithelialcarcinom der Basis cranii. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 26.)
Ein sehr weit vorgeschrittenes Epithelialcarcinom des
Nasenrachens bei einem 38 jährigen Manne mit zahlreichen
Drüsenmetastasen auf beiden Seiten des Halses wurde in der
Königsberger chirurgischen Universitätsklinik unter tempo¬
rärer Oberkieferresektion entfernt. Schon nach drei Monaten
rezidivierte es ziemlich stürmisch; da eine nochmalige Opera¬
tion seitens der chirurgischen Klinik abgelehnt wurde, curet-
tierte Verfasser unter Leitung des Spiegels das Rezidiv und be¬
handelte die Stelle, wo der Tumor saß, darauf mittels Elektro¬
lyse (Stromstärke 20—25 Milliampere), worauf die Tumorzellen
an dem primären Herd ihre Rezidivfähigkeit anscheinend ein-
gebüßt hatten, da zwei Jahre später ein neues Rezidiv sich
nicht mehr eingestellt hat. — Verf. erörtert im Anschluß an
die Mitteilung des Falles die Frage, inwieweit man berechtigt
ist, das Ausbleiben des Rezidivs auf Rechnung der elektro¬
lytischen Behandlung zu setzen.
Dr. Fritz Süssmann (Hermannstadt): Doppelseitige Tubar-
schwangerschaft. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 25.)
Bei einer 30 jährigen Frau, welche wegen einer Hämato-
cele infolge von Ruptur einer linksseitigen Tubargravidität
operiert wurde, fand sich bei der Operation nach Abbindung
der linken Tube und Versorgung des Stumpfes auch die rechte
Tube kleinhühnereigroß angeschwollen und am abdominalen
Ostium verdickt. Auch diese Tube wurde reseziert, das nor¬
male Ovarium zurückgelassen. Der weitere Verlauf war durch
einen Bauchdeckenabscefi und beiderseitige Bronchitis gestört,
so daß sich die Heilung verzögerte. Die genauere Unter¬
suchung der beiden entfernten Tuben ergab, daß es sich links
um eine Ruptur des abdominellen Endes der Tube handelte,
rechts dagegen ein Tubarabort abgelaufen war. In der Lite¬
ratur sind nur 8 sichere Fälle von doppelseitiger Tubargravi¬
dität veröffentlicht, der vorstehende Fall wäre dann der neunte.
Prof. M. Hofmeicr (Würzburg): Zur Behandlung der Placcnta
praevia. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 26.)
Die neuere chirurgische Richtung der Geburtshilfe hat bei
der Placenta praevia zur Empfehlung des Kaiserschnittes resp.
der Kolpo-Hysterotomie geführt. Demgegenüber vertritt Verf.,
gestützt auf seine ausgedehnten Erfahrungen, den Standpunkt,
daß, soweit die Resultate für die Mütter iji Betracht kommen,
von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, kein Grund vorliegt,
von den bisher gebräuchlichen und auch in der Praxis durch¬
aus durchführbaren Methoden der Behandlung der Placenta
praevia: Blasensprengung, kombinierte Wendung, Hystereuryse
abzugehen. Die Ausnahmefälle würden etwa solche sein, wo
bei ziemlich reifem und lebenden Kinde und noch völlig er¬
haltener Cervix, bei völligem Fehlen von Wehen und bei
völliger Ueberlagerung des inneren Muttermundes durch
Placentagewebe die Aussichten für die baldige glückliche Be¬
endigung der Geburt sehr schlecht sind, ln solchen Fällen
käme am ehesten der Kaiserschnitt in Frage; in ganz sauberen
Fällen in Form des klassischen Kaiserschnittes, in zweifel¬
haften Fällen in Form des extraperitonealen Kaiserschnittes.
Verfasser hat in 100 Fällen von Placenta praevia, welche er in
seiner Klinik und Poliklinik mittels der oben angegebenen
konservativen Methode behandelt hat, im ganzen acht Frauen
verloren, von denen aber fünf ausscheiden, weil sie teils an
anderen Komplikationen zugrunde gingen, teils schon völlig
pulslos eingeliefert wurden; soweit es sich also um die Be¬
urteilung der Methoden handelt, ist die Mortalität 3 pCt. Aber
auch hinsichtlich des Lebens der Kinder, welches bei Placenta
praevia nach Verfasser erst in zweiter Linie in Frage kommt,
waren die Resultate bei dem konservativem Verfahren nicht
schlecht, Verfasser rechnet etwa 60 pCt. lebender Kinder. Alles
in allem findet Verfasser es um so weniger angebracht, an den
bisherigen klinischen geburtshilflichen Methoden zu rütteln,
als sie auch von den Geburtshilfe treibenden praktischen
Aerzten sehr wohl und mit gutem Erfolg geübt werden können,
so daß auch in bezug auf die Placenta praevia die klinische Ge¬
burtshilfe von der häuslichen nicht abzuweichen braucht.
R. L.
Dr. V. Russo, Stadtkrankenhaus in Cefalü: Styptol in der
Frauenpraxis. (Rassegna Sanitaria di Roma, 1910, No. 3.)
Verfasser verwandte das Styptol unter anderem bei
Menorrhagien mit sehr zufriedenstellendem Erfolg. Bei einer
Patientin traten in der Menopause außerordentliche starke
Blutungen auf, so daß eine lebenbedrohende Anämie entstand.
Nachdem unter anderem Ergotin und Hydrastininchlorhydrat
erfolglos angewandt waren, ließ Russo täglich sechs Styptol-
tabletten nehmen; hierdurch wurde die Blutung zum Stehen
gebracht und ein chirurgischer Eingriff überflüssig. Auch die
sedative Wirkung des Styptols zeigte sich in diesem Falle bei
der sehr aufgeregten Patientin in kurzer Zeit. Bei Dysmenorrhoe
wurden gleichfalls gute Erfahrungen mit Styptol gemacht. Von
besonderer Wichtigkeit ist die Beobachtung, daß das Styptol in
zwei Fällen, in denen ein Abort unvermeidlich schien, Blutun¬
gen während der Gravidität stillte, so daß die Schwangerschaft
ihren normalen Verlauf nehmen konnte. Trotzdem das Styptol
zum Teil in sehr hohen Dosen längere Zeit gegeben wurde,
traten unangenehme Nebenwirkungen niemals auf. —o—
524
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 34.
Privatdozent Dr. II. Marx (Heidelberg): Ucber eine seltene
rhinologische Ursache von Epiphora, (v. G r a e f e s Archiv
für Ophthalmologie, 1910, Bd. 74.)
Eine der häufigsten Ursachen des pathologischen Tränens
stellen krankhafte Veränderungen der Nase dar. Kuh nt fand
in einer statistischen Zusammenstellung, daß über 90 pCt. aller
Erkrankungen des tränenableitenden Apparates rhinogenen
Ursprungs sind. Verfasser berichtet über zwei Fälle von
Tränen, in denen dieses auf eine bis jetzt noch nicht beob¬
achtete rhinologische Ursache zurückzuführen war. In beiden
Fällen war das Tränen hervorgerufen durch eine Zahncyste,
welche den Nasenboden hochwölbte, das Cavum narium in
seinem unteren Teil verlegte und so ein mechanisches Hinder¬
nis für die Tränenabfuhr darstellte. Nach operativer Beseiti¬
gung der Zahncyste hörte in beiden Fällen das Tränen auf. Die
Fälle zeigen aufs neue, wie wichtig in allen Fällen von hart¬
näckigem, durch die gewöhnliche augenärztliche Behandlung
nicht zu beseitigenden Tränen die rhinoskopische Unter¬
suchung ist.
Dr. J. Jung (Cöln): Ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen
Sehnervenentziindung und Nasenerkrankung. (v. G r a e f e s
Archiv für Ophthalmologie, 1910, Bd. 74.)
Den engen Beziehungen zwischen den Erkrankungen der
Nase und ihrer Nebenhöhlen und den Augenerkrankungen hat
man in den letzten Jahren besondere Beachtung geschenkt,
wenn auch die Abhängigkeit von Augenerkrankungen, speziell
Amaurosen, von Erkrankungen der Stirn- und Kieferhöhlen
einzelnen Aerzten schon in der vorophthalmoskopischen Zeit
nicht entgangen war. Verf. bringt in der vorliegenden Arbeit
einen Beitrag zu der Frage, in dem er zwei Fälle von doppel¬
seitigen Sehnervenentzündungen mitteilt, welche durch Erkran¬
kung der hinteren Siebbeinzeilen bedingt waren. In dem ersten
Falle verlief die Erkrankung unter dem Bilde einer Stauungs-
papillitis, in dem anderen Falle war der ophthalmoskopische
Befund normal (retrobulbäre Neuritis); in dem einen Falle be¬
stand bei der Aufnahme hochgradige Amblyopie, in dem
zweiten schon vollständige Amaurose. In beiden Fällen wurde
durch rhinologische Behandlung, und zwar auf nicht operativem
Wege, Heilung mit annähernder Wiederherstellung des nor¬
malen Sehvermögens erzielt. Die Behandlung bestand in Be-
pinselung der Nasenschleimhaut mit Kokain-Suprarenin, wo¬
durch der Eiter zum Abfluß gebracht wurde, in dem einen Falle
wurde noch durch Saugen die Entleerung des Eiters befördert.
Wo derartige Maßnahmen nicht genügen, muß man natürlich
operativ die Ausräumung der betreffenden Nebenhöhle vor¬
nehmen. R. L.
Dr. J. H. Ohl y (Brooklyn): Die Anwendung der Sedativa bei
Augenoperationen. (American Medicine, Januar 1910.)
Bei Augenoperationen sind die Patienten oft sehr ängst-
sieh, da die meisten Eingriffe unter Lokalanästhesie vorgenom¬
men werden, und die Kranken häufig haben erzählen hören,
daß auf eine unvorsichtige Bewegung während der Operation
der Verlust eines Auges zurückzuführen sei. Derartige
Patienten sind natürlich sehr erregt und finden Tag und Nacht
vor der Operation keine Ruhe.
Auch nach einer Operation ist es häufig erwünscht, den
Patienten eine Zeit lang ruhig zu halten z. B. nach Staropera¬
tionen. Gerade bei letzteren, wenn der Kranke mindestens
24—48 Stunden mit verbundenen Augen liegen muß, treten oft
Fälle von großer Unruhe, die sich bis zur Raserei steigern
können, auf.
Verfasser tritt dafür ein, bei aufgeregten Patienten beson¬
ders vor Kataraktoperationen Sedativa oder milde Schlafmittel
anzuwenden.
Morphin und C o d e i n sind dann angezeigt, wenn es
sich um große Schmerzen handelt und man weiß, daß der Patient
diese Mittel verträgt, sonst kann man z. B. nach Morphin
häufig Aufregungszustände beobachten. Auch die Brom-
alkalien eventuell in Verbindung mit Chloralhydrat sind
zu versuchen. Sehr gut bewährte sich dem Verfasser das
Bromural, das er vor allem bei intraokulären Operationen
verwandte, und das keine Magen- und Darmerscheinungen
oder irgendwelche unangenehme Nebenwirkungen zeigte. Die
Patienten erhielten 4—5 Tage vor der Operation dreimal täg¬
lich 0,3 g und abends 0,6 g, am Tage der Operation und auch
noch am folgenden Tage eine etwas größere Dosis.
In schweren Fällen gibt'man Trional oder Veronal zu
0,5 bis 1,0 g. K.
—P*^. - - v» — -i' - 1 ■
Dr. A. Busse (Bremerhaven): Beitrag zur Tuberkulinbehand¬
lung bei tuberkulösen Augenerkrankungen, (v. G r a e f e s
Archiv für Ophthalmologie, 1910, Bd. 74.)
Verfasser hat in einer Anzahl von Fällen bei schleichend
verlaufenden Augenerkrankungen, die auf Tuberkulose ver¬
dächtig erschienen, zunächst Probeeinspritzungen mit Alttuber- '
kulin gemacht und die positiv reagierenden Fälle einer metho¬
dischen Tuberkulinbehandlung unterworfen. Er verwendete
anfangs das TR, später die Bacillenemulsion. Die Tuberkulin¬
behandlung wurde in den meisten Fällen ambulant vorgenom¬
men. In bezug auf die Dosierung folgte Verfasser den von
v. Hippel gegebenen Vorschriften; anfangs spritzte er jeden
zweiten Tag; später machte er die Injektionen nur alle fünf
bis acht Tage und bei den höheren Dosen nur alle 12 bis
14 Tage. Bei den größeren Pausen wurde das Tuberkulin
besser vertragen, und die Resultate waren entsprechend
bessere. Im ganzen behandelte Verfasser 36 Fälle mit Tuber¬
kulin, und zwar handelte es sich dreimal um Hornhaut¬
geschwüre, siebenmal um Keratitis parenchymatosa und Kera¬
titis profunda, sechsmal um Skleritis, 13 mal um Iritis und
Iridocyclitis, siebenmal um Choroiditis. Die von Verfasser
teilweise im einzelnen mitgeteilten Fälle zeigen, daß die Tuber¬
kulinbehandlung in vielen dieser zum Teil recht schweren Er¬
krankungen, bei denen vorher schon andere Methoden
(Schmierkur und dergl.) ohne Erfolg versucht worden waren,
unerwartet günstige Erfolge erzielt. Bei Kindern und jugend¬
lichen Individuen empfiehlt es sich nach Verfasser, die An¬
fangsdosis recht niedrig zu nehmen und langsam zu steigen;
in einigen Fällen war die Anfangsdosis 0,0001 mg Trockensub¬
stanz. R. L.
Dr. Hermann Davids, Augenarzt in Münster i. W.: Ueber
metastatische Conjunctivitis bei Gonorrhoikern. (Medizin.
Klinik, 1910, No. 25.)
Man muß zwei Arten von Bindehautentzündungen bei
Tripper unterscheiden: Einmal die schwere durch Sekretüber¬
tragung entstandene Form, bei der sich stets Gonokokken nach-
weisen lassen, und dann die in vorliegender Arbeit in Frage
kommende leichte Entzündung, die auf dem Wege der Metastase
zustande kommt, und bei der Gonokokken nicht gefunden
werden. Im Gegensatz zur Blennorrhoea conjunctivae hat die
metastatische Conjunctivitis keine charakteristischen Merk¬
male, an denen sie ohne weiteres erkannt werden könnte. Sie
wird öfter bei Männern als bei Frauen gefunden und tritt auf
unter den Zeichen einer mehr oder weniger heftigen Binde¬
hautentzündung, die stets beiderseits auftritt und besonders
die Uebergangsfalten ergreift. Das Sekret ist schleimig-
eitrig, meist nicht sehr reichlich; Gonokokken lassen sich in
ihm nicht nachweisen. Die Erkrankung heilt gewöhnlich glatt
innerhalb 8 bis 14 Tagen, neigt jedoch, wie Vossius und
andere Autoren hervorheben, zu Rezidiven. Aus dem Bilde
der Conjunctivitis allein kann die Diagnose also nicht gestellt
werden, vielmehr ist dazu die Berücksichtigung der weiteren
Symptome, unter denen die Erkrankung auftritt, notwendig.
Das' zeigt auch der vom Verfasser mitgeteilte Fall. Die Art
der Metastase ist noch unklar. Gegen eine echte Gonokokken¬
metastase spricht das klinische Bild, vor allem aber der bak¬
teriologische Befund. Mehr Wahrscheinlichkeit scheint nacli
den bisherigen Erfahrungen die Annahme für sich zu haben,
daß es sich bei der metastatischen Conjunctivitis um die
Wirkung von Toxinen der Gonokokken oder um Ansiedlung
anderer, gleichzeitig in der Harnröhre vorhandenen Erreger
handelt. K r.
Prof. Thiemich (Magdeburg): Ueber die Leistungsfähigkeit der
menschlichen Brustdrüse. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 26.)
Verfasser berichtet über die Erfahrungen, welche er be¬
züglich der Milchsekretion an einer größeren Anzahl von
Frauen (zirka 150) gemacht hat. Die höchste Leistung, die
eine Frau einige Wochen hindurch bot, betrug 2600 g Milch
pro Tag, einige andere Ammen lieferten zwischen 2000 und
2400 mehrere Wochen hindurch. Eine weitere beträchtliche
Zahl produzierte 1500—2000 g monatelang, und die über¬
wiegende Mehrzahl der guten Ammen ebenso lange 1000 bis
1500 g. Die meisten Frauen nehmen dabei in den ersten
Wochen um mehrere Kilogramm an Körpergewicht zu und
halten sich in der Folgezeit unter Schwankungen auf diesem
Gewicht oder nehmen auch etwas ab, aber niemals bis zu dem
Aufnahmegewicht herunter. Eine enge Beziehung zwischen
Milchproduktion und Körpergewicht läßt sich nicht erkennen.
Schwächliche Frauen liefern manchmal verhältnismäßig große
Milchmengen, während kräftig gebaute weniger Milch produ¬
zieren. Als Kost erhielten die Frauen die Kost des Unter¬
personals und außerdem 1%— 2 Liter Milch täglich. Sehr viel
kommt es auch auf den guten Willen an. Wo überhaupt von
einer Brustdrüse Milch abgesondert wird, da ist der stärkste
und unter allen Umständen unentbehrliche Reiz, der die Funk¬
tion anregt und steigert, die immer wiederholte, möglichst voll¬
kommene Entleerung der Brust, die zwar durch Abdrücken
oder Absaugen der Milch mit Hilfe einer der vielen Milch¬
pumpen unterstützt, aber in erster Linie doch nur durch das
Anlegen des hungrigen Kindes vollkommen bewirkt wird.
Die zahllosen „Lactagogu“ üben nach Ansicht des
No. 34.
THERAPEUTISCHE
Verfassers keine spezifische Wirkung auf die Milchsekretion
aus, meist wirken sie nur suggestiv. Im allgemeinen kann man
sagen, daß die Stilltauglichkeit der Frauen nicht in allen
Gegenden und bei allen Ständen gleich ist; aber soviel ist
sicher, neben milchreichen mühelos und lange stillenden
Frauen gibt es überall mehr oder Weniger zahlreiche still¬
schwache Frauen, bei denen es nur mit bestem Willen und bei
sachverständiger Leitung gelingt, die Laktation auf eine aus¬
reichende Höhe zu steigern, und Mutter und Kind davor zu be¬
wahren, daß ein vorzeitig vorgenommenes „Allaitement mixte“
zum schnellen Versiegen der Sekretion führt. R. L.
F. Brüning: Ueber Kropfblutungen. (Archiv f. klin. Chirurgie,
Band 91, Heft 3.)
Die Struma führt relativ häufig durch rasches Wachstum
oder entzündliche Vorgänge zu Erscheinungen von Atemnot,
seltener durch Blutungen innerhalb des Kropfes. Deshalb ist
ein von Brüning mitgeteilter Fall von Interesse, in welchem
durch den Rückstoß eines abgeschossenen Gewehres gegen die
Brust und die damit einhergehende Erschütterung eine be¬
trächtliche Kropfblutung mit hochgradiger Atemnot eintritt. In
diesem Falle gingen die Erscheinungen unter Morphium
und antiphlogistischer Behandlung zurück und die sekundär
vorgenommene Strumektomie bestätigte die Richtigkeit der
Diagnose. Aus den spärlichen mitgeteilten analogen Fällen
aus der Literatur geht hervor, daß derartige Kropfblutungen
unter Umständen zum Erstickungstod führen können. In
solchen Fällen gefahrdrohender zunehmender Blutung ist
selbstverständlich die sofortige Operation angezeigt, während
die leichteren Fälle zweckmäßig erst nach Abklingen der Er¬
scheinungen operiert werden. Die Unterscheidung derartiger
Zustände von der Kropfentzündung ist nicht immer leicht, doch
wird in der Regel das bei letzteren vorhandene hohe Fieber,
die Rötung und das entzündliche Oedem der Haut die Dia¬
gnose ermöglichen. Adler (Pankow-Berlin).
Dr. Lorand (Karlsbad): Ursachen der Schläfrigkeit und Schlaf¬
losigkeit. (Fortschritte der Medizin, 1909, No. 36.)
L. tritt für einen Zusammenhang zwischen Schilddrüsen¬
degeneration und Schläfrigkeit bezw. zwischen Schlaflosigkeit
und erhöhter Tätigkeit der Thyreoidea ein. Er beobachtete
z. B., daß mehrere Hunde nach Schilddrüsenexstirpation fort¬
während schliefen und selbst auf den lautesten Lärm nicht
reagierten. Als fernerer Beweis dienen ihm vor allem die Tat¬
sachen, daß wir 1. die Schläfrigkeit als charakteristisches
Symptom einer Schilddrüsendegeneration, so im Myxödem, und
Schlaflosigkeit als ein solches der Uebertätigkeit der Schild¬
drüse, so bei der Basedowschen Krankheit, auftreten sehen
lind daß, als ein noch wichtigerer Umstand, wir 2. die Schlaf¬
losigkeit mit dem Serum oder der Milch entkropfter Tiere, die
Schläfrigkeit dagegen mit Schilddrüsentabletten (Thyraden) zu
bekämpfen imstande sind.
Die Schläfrigkeit ist eine so charakteristische Erscheinung
des Myxödems, daß sie von P i 1 c z unter den vier Kardinal¬
symptomen dieser Krankheit angeführt wird. Auch findet man
sie nicht selten bei der endogenen Fettsucht. So schlief z. B.
einer der wohlbeleibten Patienten des Verf. im Theater, Kon¬
zert und in der Kirche stets mit Sicherheit ein. Durch Be¬
handeln solcher Fälle mit T h y r a d e n tabletten konnte Verf.
eine Besserung des Zustandes erreichen. Auch bei einem an
Schlafkrankheit leidenden Kolonialoffizier wurden durch
Thyradentabletten die Krankheitserscheinungen, die mit den
Symptomen eines myxödematösen Zustandes identisch waren,
wie mit einem Schlage beseitigt. L. ist schon früher dafür ein¬
getreten, daß die Schlafkrankheit nur die auf Degeneration der
Schilddrüse beruhende Nach krankheit der vorausgegangenen
Trypanosomiasis sei.
Reid Hunt, Direktor des Pharm. Inst., und Atherton Seidell,
Assistent: Studien Uber die Schilddrüse. (Arbeiten aus dem
Gesundheitsamt der Vereinigten Staaten von Nordamerika,
Washington 1909.)
Die Verlf. stellten fest, daß die Giftwirkung des Azeto-
n i t r i 1 s bei bestimmten Versuchstieren durch Schild¬
drüsentherapie bedeutend herabgesetzt werden kann,
und zwar verhält sich die giftneutralisierende Wirkung der ver¬
schiedenen Schilddrüsen und Schilddrüsenpräparate proportio¬
nal dem Jodgehalt; jedoch mit der Ausnahme, daß auch jod¬
freie Schilddrüsen die genannte Fähigkeit bis zu einem gewissen
Grade besitzen. So vermag z. B. die jodfreie Schilddrüse des
Alaska-Bären die Giftwirkung des Azetonitrils bei Mäusen bis
zu einem gewissen Grade zu neutralisieren, allerdings be¬
deutend weniger als das Thyraden, das 0,085 pCt. Jod ent¬
hält. Die jodfreie Schilddrüse des Mähnenschafes war augen¬
scheinlich weniger wirksam als die des Alaska-Bären. Auch
die Schilddrüse des schwarzen Leoparden (0,01 pCt. Jod) war
nicht wirksamer als die des letztgenannten. Die Versuche mit
den Schilddrüsen von Katzen und Hirschen zeigten gleichfalls,
RUNDSCHAU 1910. 525
daß dieWirkung bei der Entgiftung des Azetonitrils proportional
dem Jodgehalte ist. Bei einem Vergleich zwischen verschiede¬
nen Proben von Thyraden und einer getrockneten, frischen
Hammelschilddrüse von gleichem Jodgehalte zeigte sich, dal»
die physiologische Wirksamkeit gegenüber Azetonitril gleich
war. Merkwürdigerweise reagieren Ratten gerade umgekehrt
nach Verfütterung von Schilddrüse, indem die Resistenz gegen
das Gift bedeutend herabgesetzt wird; und zwar ist hier die
Verminderung der Resistenz ebenfalls proportional dem Jod¬
gehalt der Schilddrüse.
Die Verfütterung von Schilddrüsensubstanz ruft ferner eine
Erhöhung der Empfindlichkeit gegen Morphin hervor und
zwar verhält sich auch hier die physiologische Wirksamkeit der
einzelnen Präparate genau entsprechend dem Jodgehalt. Die¬
selben Versuche mit Azetonitril einerseits und Morphin ande¬
rerseits wurden endlich mit den Schilddrüsen solcher Hunde
angestellt, bei denen durch Verfütterung von Jodkalium oder
Jodoform der Jodgehalt der Schilddrüse erhöht war; auch hier
trat die Vermehrung bezw. Verminderung der Resistenz der
Versuchstiere gegenüber den angegebenen Giften proportional
dem Jodgehalt ein.
Aus ihren Untersuchungen ziehen die Verfasser den Schluß,
daß für die physiologische Wirksamkeit der Schilddrüse der
Jodgehalt maßgebend ist, oder mit anderen Worten: das Jod
bedingt die physiologische Wirksamkeit, es ist nicht das Er¬
gebnis der Tätigkeit der Schilddrüse. K.
Schneider: Beitrag zur Organtherapie der postoperativen Te¬
tanie. (Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. 104, pag. 403.)
Bei einer 46jährigen Frau mußte wegen einer Struma ma¬
ligna (Sarkom) die totale Thyreoidektomie von Wiesinger
(Hamburg) ausgeführt werden. Um Ausfallserscheinungen
vorzubeugen, wurde unmittelbar nach der Operation mit Dar¬
reichung von Thyreoideatabletten (Burr. Wellcome 2 pro Tag)
begonnen. Trotzdem setzten am sechsten Tage die typischen
Symptome der Tetanie ein, welche auch durch das Merck-
sche Präparat nicht gebessert wurden. Erst nach Verab¬
reichung frischer Pferde-Nebenschilddrüse gingen die schweren
Symptome prompt zurück, und zwar binnen 6 Tagen. Nach
dieser Erfahrung ist die spezifische Wirkung reiner Neben¬
schilddrüsensubstanz wohl kaum zu bestreiten und der Fall
bietet eine Stütze der Lehre von der parathyreopriven Ent¬
stehung der Tetanie. Der günstige Erfolg läßt aber auch die
an sich verpönte Totalexstirpation der Schilddrüse in Fällen
maligner 'Erkrankung gerechtfertigt erscheinen, wofern man
nur sofort nach der Operation mit Darreichung frischer Neben¬
schilddrüse beginnt, welche am leichtesten vom frisch ge¬
schlachteten Pferde zu gewinnen ist.
Adler (Pankow-Berlin).
C. Hart und 0. Nordmann (Berlin): Experimentelle Studien
über die Bedeutung der Thymus für den tierischen Organis¬
mus. (Berliner klin. Wochenschrift, 1910, No. 18.)
Was das Gesamtresultat der Versuche betrifft, so ver¬
hehlen sich die Verff. keineswegs, daß sie viel positive Er¬
gebnisse nicht gehabt haben. Ueberall sind sie auf Mut¬
maßungen angewiesen und das Studium der überreichen, aber
widerspruchsvollen Literatur schafft nicht Klarheit, sondern im
Gegenteil nur noch größere Unsicherheit. Sie behalten sich
eine spätere ausführliche Mitteilung ihrer noch im Gange be¬
findlichen Studien vor. Als positive Ergebnisse ihrer Ver¬
suche betrachten sie die folgenden Feststellungen: Die Thy¬
mus ist ein für die Wachstumsepoche des Organismus wich¬
tiges, vielleicht sogar unerläßlich nötiges Organ. Es steht in
Beziehung zur Nahrungsassimilation und zur Regulation der
Herzarterienaktion und ist wahrscheinlich bedeutsam für die
Widerstandskraft des 0%anismus gegenüber bakteriellen Ein¬
flüssen. Die Entwicklung der Keimdrüsen steht gleichfalls in
Beziehung zur Thymus. Nur die totale, nicht aber die partielle
Exstirpation löst krankhafte Erscheinungen aus, die sich als
ein langsames Versiegen der Lebenskraft kennzeichnen. Ein
Ueberschuß von Thymus resp. ihren Stoffwechselprodukten
ruft Intoxikationserscheinungen hervor, die nach dem Schwin¬
den des Ueberschusses sich gleichfalls schnell verlieren.
Kr.
Prof. Dr. R. Rössle (München): Beiträge zur Pathologie der
Nebennieren. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 26.)
Verfasser bespricht eine Reihe von Befunden, welche er
gelegentlich von Sektionen an Nebennieren erhoben hat. Zu¬
nächst erwähnt er einen Fall von sogenannter Apoplexie der
Nebennieren bei einem Neugeborenen, das am 12. Lebenstage
starb. Es handelte sich um ein frühgeborenes weibliches Kind,
welches unter Schwierigkeiten am Beckenende extrahiert wor¬
den war. Die Sektion ergab die Nebennieren in blutgefüllte
Cysten verwandelt, die homogene gelbrote Wand bestand aus
vollständig nekrotischer Rinde. — Hypoplasien derNebennieren
sind sehr häufig. Dabei ist nach Verfasser zu beachten, daß
526
No. 34.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
die Nebenniere des Erwachsenen durchschnittlich nur 1,65 mal
so schwer ist als die des Neugeborenen. Völlige Aplasie der
Nebennierenrinde bei vorhandenem Mark scheint nicht vor¬
zukommen. Partielle Defekte der Rinde sieht man häufiger.
Alleinige Hypoplasie des Marks wird häufig beim Status lym-
phaticus gefunden. Ebenso wie hypoplastische Zustände kom¬
men auch Hypertrophie der Nebennieren vor, und zwar schon
angeboren bei Neugeborenen, und auch bei Erwachsenen. Das
Durchschnittsgewicht der Nebennieren des Erwachsenen be¬
trägt 5,6 g. Verfasser fand in einigen Fällen hypertrophische
Nebennieren von 25—30 g. Ferner kommen nicht selten ein¬
seitige vicariierende Hypertrophien der Nebenniere vor, bei
Hypoplasie des Organs der anderen Seite; Verf. erwähnt sechs
derartige von ihm beobachtete Fälle; in einem Fall fand sich
vicariierende Hypertrophie der rechten Nebenniere bei abge¬
kapseltem alten Käseherd der linken Nebenniere, also gewisser¬
maßen einem geheilten Morbus Addisonii (es bestand auch
graubräunliche Verfärbung der Haut der oberen Körperhälfte).
Größenunterschiede zwischen den beiden Nebennieren sind an
sich sehr häufig, der Unterschied beträgt nicht selten 2,5 g. —
Die vicariierende Hypertrophie kann auch von accessorischen
Nebennieren ausgehen. Ferner kommen accessorische Neben¬
nierenkeime von Rindencharakter vor; diese können bekannt¬
lich zu sogenannten Grawitz sehen Tumoren führen. Aber
sie können auch zu tötlichen spontanen Blutungen des Nieren¬
lagers Veranlassung geben. Verfasser berichtet über einen
derartigen Fall, wo ein sehr beträchtliches suprarenales Häma¬
tom der rechten Seite bei einem 28 jährigen Mädchen zum Tode
führte, bei der Sektion fand sich eine ganze Anzahl flacher,
accessorischer lipoider Nebennierenkeime zwischen kleinen
verkalkten Herden des Bauchfells. — Verfasser bespricht dann
weiter die Bedeutung der Hypertrophie des Nebennierenmarks.
Die Fälle, in denen er besonders starke Hypertrophien des
Nebennierenmarks fand, betrafen Personen, die an Geschwüren
des Magens und Duodenums, an ulceröser Lungentuberkulose,
an chronischen Nierenleiden, an idiopathischer Herzhyper¬
trophie oder auch an Klappenfehlern zugrunde gegangen
waren. Das Gemeinsame aller dieser Fälle war, daß diese
Personen während ihrer Krankheit wiederholt größere oder
fortgesetzt kleinere Blutungen erlitten hatten. Ferner vermutet
Verfasser, daß anfallsweise auftretende starke Wassersucht be¬
sonders mit Oedemen und hydropischen Ansammlungen, die
künstlich entleert werden, ferner chronische Durchfälle und
häufiges Erbrechen in der Aetiologie der Nebennierenmarks¬
hypertrophie als unterstützende Momente in Frage, kommen.
Der Zusammenhang zwischen Blutverlusten und Nebennieren¬
markshypertrophie ist vorläufig noch dunkel; zu seiner Auf¬
klärung sind nach Verfasser experimentelle Untersuchungen
erforderlich. R. L.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften,
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“)
Sitzung vom 13. Juli 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Vor der Tagesordnung:
1. Herr Ledermann stellt zwei Fälle von Sclerodermie und
einen Fall von ungewöhnlich großem Ulcus cruris gummosum
und starker Varicenbildung vor. Der letzte Patient wurde zum
ersten Male im August 1906, nachdem er sich drei Monate
vorher infiziert hatte, in schwer krankem Zustande aufgenom¬
men. Er erhielt 51 g Hg eingerieben und wurde im Oktober
entlassen. Zwei Jahre später erneute Aufnahme wegen syphili¬
tischer Erscheinungen, die nach Einreibung von 119 g Hg
wieder schwanden. Seit Juli v. J. litt ef an einem ausgedehnten,
handgroßen spezifischen Unterschenkelgeschwür (scharf be¬
grenzter Rand, in der Nähe ein Gumma), das der gewöhnlichen
Behandlung einen großen Widerstand entgegensetzte. Er erhielt
daher am 25. Juli eine Injektion von 0,5 g des neuen E h r 1 i c Ir¬
schen Mittels, die er gut vertrug. Schon am nächsten Tage stieß
sich der nekrotische Schorf von der Wunde ab und zwei Tage
darauf fing vom Rande des Geschwürs die Epithelialisierung
an fortzuschreiten, so daß am 12. Tage nach der Injektion die
Hälfte des Geschwürs bereits epithelisiert war. Im Laufe
weniger Tage wurde es dann vollends geheilt. (Demonstration.)
2. Herr F. Lesser demonstriert einen Patienten, der
eine schwere Lungensyphilis durchgemacht hat und dank dem
neuen Präparat in sehr kurzer Zeit gebessert worden ist. Die
Infektion lag acht Jahre zurück. Die ersten Erscheinungen
schwanden nach einer Spritzkur; sieben Jahre blieb die Syphi¬
lis latent. Im Januar d. J. wurde ihm Patient wegen multipler
gummöser Geschwüre zugeführt. Eine Schmierkur mußte mit
Vorsicht und mit Unterbrechungen durchgeführt werden, da
Patient außerdem an chronischer Nephritis litt. Zwei Ge¬
schwüre blieben trotz der Behandlung bestehen. Vor 17 Tagen
wurde ihm Patient "on neuem zugeführt. Er war seit Ende
März d. J. mit Husten und Atemnot erkrankt, es traten Er¬
stickungsfälle auf, die sich in letzter Zeit häuften. Im Auswurf
waren keine Bacillen nachzuweisen, dagegen reichlich elasti¬
sche Fasern. Es bildete sich eine Atelektase des linken Ober¬
lappens aus. Die Diagnose lautet auf Lungensyphilis. Patient
erhielt 0,3 g des Ehrlich- Hata sehen Präparates. Die
rapide Wirkung blieb nicht aus. Nach 24 Stunden hörte die
Atembeklemmung auf, am dritten Tage hörte man bereits über
dem linken Oberlappen stellenweise Atemgeräusch, vom fünf¬
ten Tage an traten keine Hustenanfälle mehr auf, am zehnten
Tage konnte man bereits, wie auch heute, vesikuläres Atem¬
geräusch über der affizierten Lungenpartie wahrnehmen. Der
Eiweißgehalt des Harns betrug am fünften Tag 0,5 p. nt., wäh¬
rend er anfänglich 6 p. m. betragen hatte. Das größere der
beiden Gummen ist jetzt deutlich abgeheilt, es besteht nur
noch eine nekrotische Partie tu der Gegend des Sternum.
Außer der Schmerzhaftigkeit an der Injektionsstelle waren
| keine Nebenwirkungen 'aufgetreten.
Diskussion:
Herr Senator hält den Fall für sehr bedeutungsvoll, da
Ehrlich vor der Injektion seines Mittels bei Nierenentzün¬
dung gewarnt hat.
Herr L. Michaelis: Nephritis bildet keine Kontraindikation.
Bei bestehender Nephritis habe er sogar eine Besserung der
Nierensymptome beobachtet. •
3. Herr Mosse: Bei Carcinomkranken soll nach amerikani¬
schen Autoren eine Aufschwemmung von roten Blutkörperchen,
die man subkutan injiziert, nach 6—8 Stunden eine Rötung der
betreffenden Hautstelle hervorrufen und dadurch die Diagnose
auf Carcinom ermöglichen. M. hat diese Probe an 10 Patienten
angestellt, ist aber noch zu keinem endgültigen Resultat gelangt.
Diskussion:
Herr Wolfsohn bemerkt, er habe bereits im vergangenen
Jahr eine Anzahl von Fällen mit der Probe untersucht; dabei
stellte es sich heraus, daß die Reaktion nicht spezifisch ist, und
daher in diagnostischer Beziehung nicht verwendet werden
kann.
Tagesordnung:
Zur Biologie der Tuberkelbacillen.
Herr Hans Aronson: Im Anschluß an die aufgestellten
Präparate erinnert Vortragender an einige neuere Forschun¬
gen über den Tuberkelbacillus und erörtert drei verschiedene
Punkte, die für die Lehre von dem Tuberkelbacillus bedeu¬
tungsvoll sind. 1. Die Frage nach der Ursache der spezifischen
Färbung der Tuberkelbacillen. 2. Die nach der Bedeutung
der Much sehen Granula. 3. Das Problem der Auflösung der
Tuberkelbacillen, ad 1. ist seit langem bekannt, daß die
Tuberkelbacillen sich auszeichnen durch einen großen Gehalt
an in Aether löslichen Substanzen. Durch Extraktion der fil¬
trierten und mit Wasser gewaschenen Bacillen erhält mau eine
Substanz, die vom Vortragenden als Tuberkelwachs bezeichnet
worden ist; daß es sich tatsächlich um ein Wachs handelt,
läßt sich durch Verseifen feststellen. Bei der Verseifung mit
Alkohol und Kalilauge bleibt ein unverseifbarar Teil zurück.
A. hat ferner festgestellt, daß dieser höhere Alkohol allein
für sich die spezifische Säurefestigkeit der Tuberkelbacillen
bedingt, ad 2. Much hat vor einigen Jahren gefunden, daß
die Tuberkelbacillen außer den nach Z i e h 1 färbbaren noch
andere nach Gram darstellbare Substanzen enthalten: die
sogenannten Much sehen Granula. Much hält sie für eine
neue von ihm entdeckte Form des Tuberkelvirus. Nicht nur
bei der Extraktion der Tuberkelbacillen in fettlösenden Sub¬
stanzen, sondern auch beim Schütteln mit Antiformin bleiben
diese Körper färbbar. Vortragender hat nun ein Mittel ge¬
funden, das Entwaschen der Tuberkelbacillen deutlicher "zu
machen. Schüttelt man Tuberkelbacillen mit Trichloräthylen,
so bleibt nach zwei Tagen nicht nur keine säurefeste Substanz
zurück, sondern auch die Much sehen Granula sind in Lösung
gegangen, es findet sich bei Gram scher Färbung nichts von
violetten Körperchen. Das beweist; daß die Granula nicht aus
Eiweißsubstanzen bestehen können. Die Much sehen Granula
verdanken ihre Färbbarkeit einer Fettsubstanz und ihre Be¬
deutung als besondere Art des Tuberkelvirus ist hinfällig.
Ehrlich hat schon gezeigt, daß in den jungen Tuberkel¬
bacillenkulturen ein großer Teil der Bacillen nicht säurefest
ist; man sieht aber auch bei der Untersuchung, daß die jüng¬
sten Tuberkelbacillen weder nach Gra m noch nach Z i e h 1
färbbar sind. Wenn die Körnchen anfangen, sich'auszubilden,
dann werden sie säurefest. Hand in Hand mit der Säurefestig¬
keit geht die Frage nach der Auflösung der Tuberkelbacillen.
Diese lösen sich nicht in Antiformin, auch die Granula nicht.
Diese Nichtlöslichkeit beruht auf der Anwesenheit jener Sub¬
stanz. Es hatte Aufsehen erregt, als aus Hamburg mitgeteilt
wurde, es gelänge Tuberkelbacillen mit einer 25 proz. Lösung
von Neurin aufzulösen. Es stellte sich aber heraus, daß nicht
alle Bacillen gelöst werden. Es ist möglich, daß die voll¬
ständige Entwachsung der Tuberkelbacillen durch Trichloräthy¬
len (1 proz.) späterhin eine praktische Bedeutung gewinnt.
No. 34.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
527
Diskussion:
Herr Reiter demonstriert Much sehe Granula, die er aus
einem Sputum nach einem einfachen Verfahren dargestellt hat.
Herr Aronson (Schlußwort) gibt technische Angaben zur
Darstellung der Granula.
Ueber Virchows Leontiasis ossea und Pagets Osteitis deformans.
(Mit Demonstrationen von Präparaten und Lichtbildern.)
Herr Max Koch: Die Bezeichnung Leontiasis ossea stammt
von V i r c h o w. Er verfügte damals über keinen Fall eigener
Beobachtung dieser seiteneu Erkrankung und seine Darstellung
in der Vorlesung über die krankhaften Geschwülste bezog sich
auf eine gewisse Reihe berühmter Schädel, die sich im Laufe
der Zeit in den Sammlungen zusammengefunden hatten. Bei
der Bezeichnung Leontiasis ossea war für V i r c h o w ma߬
gebend die äußere Aehnlichkeit, und das Wesen des Prozesses
sah er in periostitischen Vorgängen, die durch Eiterungen her¬
vorgerufen, zu elephantiastischen Verdickungen des Knochens
führten. Die Leontiasis ossea blieb also eine Erkrankung sui
generis, bis 1876 Paget die Osteitis deformans beschrieb und
das Leiden als eine Entzündung des Knochens bezeichnete, i
das oft mit Verkrümmungen der Extremitäten und der Wirbel¬
säule, Abnahme der Kopfhöhe und Zunahme des Schädel¬
umfanges einherging. P a g e t hat dann aber selbst den Krank¬
heitsbegriff erweitert, indem er auch die großen porösen
Schädel zum größten Teil zur Osteitis rechnete. Er beschränkte
sich jedoch darauf, nur diejenigen Schädel zu reklamieren, bei
denen keine Beeinträchtigung des Schädelinnerns, keine Ver¬
engerungen der Oeffnungen und keine Exostosen vorhanden
waren. Dies hat sich aber nicht aufrecht erhalten lassen, seit¬
dem man die Fälle auch mikroskopisch zu untersuchen be¬
gonnen hatte.
Vortragender berichtet über einen hierhergehörigen Fall,
eine Patientin, die im Juni 1907 in der Medizinischen Gesell¬
schaft von Herrn T o b y Cohn vorgestellt, und schon damals
auf Veranlassung des Herrn v.Hansema n n als Osteitis defor¬
mans Paget diagnostiziert worden ist. Die Patientin war früher
nie krank gewesen und hatte als Kind keinen abnorm großen
Kopf. Mit 20 Jahren bemerkte sie Zunahme des Kopfumfanges
und Entstellung des Gesichts. Ihre Klagen bezogen sich auf
Ohrensausen, Kopfschmerzen, Schwindel, Abnahme des Ge¬
sichts und Gehörs. Die Intelligenz war bis kurz vor dem Tode,
der infolge eines auf arteriosklerotischer Grundlage beruhen¬
den apoplektischen Insults eintrat, ungestört. Bei der Obduk¬
tion fanden sich eine große fibromatöse Geschwulst an der
rechten Brust, Adenome in der rechten Niere, Kyphose der
Wirbelsäule, allgemeine hochgradige Arteriosklerose; die
Weichteile des Kopfes sehr dünn, die Knochenhaut nicht ver¬
dickt, die Knochenoberfläche, im allgemeinen glatt, überall
mit feinen Poren für den Durchtritt der Gefäße versehen. Die
Farbe des Knochens mit Ausnahme des Unterkiefers bläulich¬
rot. Das Gewicht des uneröffneten Schädels betrug 5200 g.
Die größte Dicke des leicht durchzusägenden Schädels be¬
fand sich am Stirnbein und betrug hier 6 cm. Die rechte Stirn¬
beinhöhle enthielt schleimig-eitrigen Inhalt, die Hirnhaut war
unverändert, das Gehirn war plattgedrückt und wog nach
Formalinhärtung 1250 g, das Volumen des Schädelinneren be¬
trug 1280 ccm. Der Unterkiefer war gar nicht, die Proc.
zygomatici und condyloidei und die Gehörknöchelchen und die
Schädelbasis weniger beteiligt. Die Oeffnungen an der Schädel¬
basis waren alle verengt. Die mikroskopische Untersuchung
ergab eine typische Osteitis fibrosa. Der Fall ist insofern be¬
merkenswert, als die Veränderungen nicht auf die Knochen
des Hirnschädels beschränkt sind und auch eine Verdickung
einiger Gesichtsknochen (Nasen- und Jochbeine) vorhanden ist,
ein Umstand, der früher für die Osteitis fibrosa Paget in Ab¬
rede gestellt wurde. Ueber die Aetiologie läßt sich nichts
sagen, die Anamnese gibt keine Anhaltspunkte. Vortragender
ist dafür, daß die Bezeichnung Leontiasis ossea als Krankheits¬
spezies fallen gelassen werde; man begnüge sich bei der
Osteitis deformans von einer Hyperostosis leontiastica zu
sprechen. (Demonstration.)
Diskussion:
Herr Bockenheimer demonstriert einige Schädel mit
diffuser Exostose, die er in den Jahren 1903—1906 in der
v. Bergman n sehen Klinik beobachtet und behandelt hat. (In
einem Falle Knochenabtragung am Proc. alveolaris des Ober¬
kiefers und Prothesenbehandlung). Die Untersuchung ergab,
daß es sich um Osteitis fibrosa handelte; es fand sich fibröses
Fasermark in den langen Röhrenknochen, Verdünnung der
Corticalis, marmorseifenartige Veränderung der Knochenhöhle.
Was die Aetiologie betrifft, so spricht der klinische Verlauf
dafür, daß es sich bei der Ostitis fibrosa um eine Krankheit
handelt, die angeboren oder in früher Jugend erworben ist.
Herr Koch "(Schlußwort). Britzmann.
III. Therapeutische Notizen.
In seiner Arbeit „die akute Gonorrhoe beim
Manne, ihre Dauer und Heilung“ empfiehlt Dr.
J. Sturdivant Read (Brooklyn), Assistent im Long Island Col¬
lege Hospital, zur Unterstützung der örtlichen Behandlung die
interne Behandlung mit S a n d e 1 ö 1, das am besten in der
Form des Santyls zu nehmen ist. Es ist geruchlos und rief nur
in zwei von 100 Fällen Magenstörungen hervor. In seiner
Wirkung scheint es dem reinen Sandelöl gleich zu kommen.
(Long Island Medical Journal, 1910, No. 2.) . K.
Ueber Veronalnatrium bei Seekrankheit berichtet
Schiffsarzt Dr. Galler (Therapie der Gegenwart, 1910, II). Ver¬
fasser hat das zuerst von Schepelmann empfohlene Vero-
nal ebenfalls längere Zeit als Sedativum bei Seekrankheit ver¬
wendet und gefunden, daß die Natriumverbindung, das Veronal¬
natrium, noch vorteilhafter ist. Dessen leichtere Löslichkeit
und damit zusammenhängende schnellere Resorbierbarkeit und
Wirksamkeit sind von größtem Wert, wenn infolge ständigen
Brechreizes, w ie bei der Seekrankheit, alles in den Magen Ein¬
geführte wieder erbrochen zu werden droht. Veronalnatrium
kann schon mit ganz geringer Flüssigkeitsmenge verabfolgt
werden, die das Erbrechen nicht begünstigt. Bei länger dauern¬
dem schlechtem Wetter gab Galler innerhalb 24 Stunden
zweimal 0,5 g in wenig Wasser. Gelingt es dem'Patienten, was
mit wenig Ausnahmen der Fall ist, das Mittel zirka zehn
Minuten bei sich zu behalten, so hat er sicher für die nächsten
10—12 Stunden Ruhe. In leichten Fällen genügt einmalige
Anwendung abends nach dem Zubettgehen. — Man kann auch
mit Veronalnatrium den Eintritt der Seekrankheit nicht immer
verhüten oder die Erscheinungen absolut beseitigen, es bringt
aber „relativ in den häufigsten Fällen den Seekranken eine
bedeutende Erleichterung von allen Beschwerden“. —r—
Ueber die Anwendung von Dionin berichtet Dr. Reif
(Ziegenrück). Als Ersatz des Morphiums angewendet war
Dionin stets frei von Nebenwirkungen. Es rief weder Uebelkeit
noch Erbrechen hervor, auch die zuweilen beklagte Einge¬
nommenheit des Kopfes nach Morphiumverabreichung fiel bei
Dionin fast ganz fort. — In der Augenheilkunde emp¬
fiehlt sich die Verwendung von Dionin in Verbindung mit
Atropin, wenn energische Erweiterung der Pupille geboten ist,
z. B. bei traumatischem Katarrh, schwerer lridocyclitis. Ver¬
fasser verfährt so, daß er einen Kristall Atropin auf der Con-
junctiva des Unterlids langsam zergehen läßt, während der
Tränensack zugehalten wird, und nach genau sieben Minuten
ein halbhirsekorngroßes Stück Dionin ebenfalls im Conjunc-
tivalsack zergehen läßt. Die Wirkung ist schneller und ener¬
gischer, als nach wiederholten Atropin-Kokaiu-Einträufelungen.
Bei deutlicher Arteriosklerose und Patienten über 60 Jahren
wird Dioninanwendung am Auge vermieden. — Erwähnt wird
ferner die besonders gute Wirkung des Dionins auf seröse
Häute. Pleuraschmerzen nach Rippenbrüchen und Reizzu¬
stände des Pelveoperitoneums ließen nach Darreichung des
Mittels prompt nach. (Med. Klinik, 1910, No. 9.) —r—
IV. Bücherschau.
Handbuch der Sacliverständigentätigkeit. — Die Vergiftungen.
Klinischer Teil. Zweite Hälfte. — Die organischen Gifte.
(Therapie, semiotische Uebersicht.) Von Dr. Franz Erben.
1245 S.
Dieser Abschnitt des groß angelegten Werkes ist eine
spezialisierte Aufzählung sämtlicher als Gifte wirkender orga¬
nischer Körper, welche gelegentlich zu Schädigungen des
Organismus führen können. Der erste Hauptabschnitt gibt eine
Zusammenstellung derSymptomatologie sow'ie der ätiologischen
Bedingungen, unter denen eine Vergiftung durch Zufall, Ab¬
sicht oder durch eine Selbstschädigung beobachtet worden
ist. — Hervorzuheben ist die Vollständigkeit, mit welcher die
Literatur verwertet worden ist, so daß gerade dieser Abschnitt
für Sachverständige ganz unentbehrlich sein dürfte. — Für den
Praktiker von großer Wichtigkeit ist der zweite Abschnitt, in
welchem die Therapie der verschiedenen Vergiftungen eine
systematische Darstellung erfahren hat. Sie gliedert sich in
einen allgemeinen Teil, in welchem die kausale Behandlung
je nach der Natur des Giftes und dem Organe, in welchem die
Giftwirkung zuerst erfolgt, Gegenstand der Besprechung ist,
und einen symptomatischen Abschnitt, in w'elchem die Behand¬
lung der Hauptsymptome bei dem einzelnen Gifte erörtert wird.
— Entsprechend dem Zwecke des Ganzen, ein schnell orien¬
tierendes, das gesamte Gebiet erschöpfendes Nachschlagewerk
für die Sachverständigen zu sein, ist die Darstellung möglichst
knapp gehalten. Daß trotzdem der Umfang des Werkes ein so
großer geworden ist, spricht für die Vollständigkeit des
528
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 34.
hier mit einem ungeheuren Fleiße und einer überaus großen
Sorgsamkeit zusammengetragenen Materials, welches in dieser
Beziehung seinesgleichen suchen dürfte. H. L.
Leiden und Freuden eines Landarztes. Bilder nach dem Leben
gezeichnet von Dr. Ernst Ringier, gew. Arzt in Kirchdorf
(Kanton Bern). Verlag von Huber & Co. in Frauenfeld,
1909. 127 S. 3 M.
Der Schweizer Kollege, welcher seine selbständige land¬
ärztliche Tätigkeit kurz nach 1870 begann und bis vor wenigen
Jahren in seinem Heimatort ausgeübt hat, bietet den Kollegen
kurze autobiographische Aufzeichnungen über sein Werden
und Wirken als Landarzt, wobei er wohl hauptsächlich junge
Kollegen als Leser im Auge hat. Eine zufriedene, religiöse Natur
spricht aus diesen Skizzen; auch wer nicht die Weltanschauung
des Verfassers teilt, wird seine Erinnerungen mit Interesse
lesen; zeigen sie doch, daß der Beruf des Landarztes, von einem
Berufenen ausgeübt, reiche innere Befriedigung gewährt.
Leider ist dieses Landarzt-Idyll, wenigstens bei uns, im Aus¬
sterben begriffen; die sozialen Kämpfe, das Krankenkassen¬
wesen lassen den seelischen Kontakt zwischen Arzt und
Patienten nicht mehr aufkommen, der für eine befriedigende
Ausübung der landärztlichen Tätigkeit Vorbedingung ist.
Ueber den derzeitigen Stand der Frage der Radiumemanation.
Von Dr. Felix Davidsohn. Arzt für Lichtbehandlung in
Berlin. (Berliner Klinik, Heft 263, Mai 1910.) Berlin W. 35,
Fischers med. Buchhandlung (H. Kornfeld). 22 S.
0,60 M.
Bei der Bedeutung, welche die radioaktiven Stoffe für die
Therapie gegenwärtig erlangt haben, ist die Kenntnis
der Haupttatsachen dieses Gebiets für jeden Arzt notwendig.
Für die allgemeine Praxis kommt vorläufig fast nur die Radium¬
emanation in Betracht, welche in Form von Badekuren, In¬
halationskuren und Trinkkuren dem Organismus zugeführt
werden kann. Da einige Fabriken die Herstellung von emana¬
tionshaltigem Wasser (Radiogen-Wasser) im großen betreiben,
ist jeder Kollege in der Lage, in geeigneten Fällen die Radium¬
emanation zu versuchen. Die vorliegende kleine Schrift gibt
eine brauchbare theoretische und praktische Anleitung hierzu.
D'er Verfasser sucht dem physikalisch nicht vorgebildeten Leser
zunächst das Wesen der Radiumemanation klar zu machen, er¬
geht dann kurz auf die einfachen in der Praxis anwendbaren
Methoden zur Messung der Stärke der Radioaktivität ein und
berichtet zum Schluß über seine therapeutischen Ergebnisse
bei der Verwendung der Radiumemanation. Er empfiehlt
Trinkkuren bei Gicht und anderen Stoffwechselstörungen, bei
rheumatischen Erkrankungen, bei Neuritiden und Neuralgien,
Inhalationskuren bei Katarrhen der oberen Luftwege, Bade¬
kuren bei Frauenkrankheiten, besonders Beckenexsudaten und
Menstruationsanomalien. Seine eigenen Erfahrungen erstrecken
sich allerdings fast nur auf rheumatische Affektionen, bei denen
er sehr gute Erfolge gesehen hat.
Aeltere und neuere Methoden der Quecksilberbehandlung. Von
Dr.' Eduard Bäumer, Spezialarzt für Hautkrankheiten in
Berlin. (Berliner Klinik, Heft 264, Juni 1910). Berlin
W. 35, Fischers med. Buchhandlung (H. Kornfeld).
18 S. 0,60 M.
Gegenwärtig, wo das Ehrlich-Hatasehe Präparat
seinen Siegeszug durch die Welt, in der man sich mit der Be¬
handlung der Syphilis abquält, angetreten hat, erscheint eine
Abhandlung über die Methoden der Quecksilberbehandlung
nicht recht zeitgemäß, es ist also nicht ersichtlich, aus welchem
Grunde Verfasser diese Schrift gerade jetzt veröffentlicht hat;
wesentlich Neues bringt er nicht, abgesehen von einem kurzen
Bericht über das neueste Hg-Präparat, Asuro'l, das ein
Doppelsalz aus Quecksilbersalicylat und amidooxybuttersaurem
Natron darstellt. Deswegen möge auf die Schrift hingewiesen
werden.
Jahreskurse für ärztliche Fortbildung in 12 Monatsheften. Syste¬
matisch angeordnete illustrierte Lehrvorträge über den jähr¬
lichen Wissenszuwachs der gesamten Heilkunde, heraus¬
gegeben von den Professoren v. Bruns (Tübingen),
E. Bumm (Berlin), Erb (Heidelberg), v. Gr über
(München), v. Noorden (Wien), v. Strümpell (Leip¬
zig). Redakteur: Dr. D. Sarason (Berlin). Heft 7. J. F.
Lehmanns Verlag, München.
Das vorliegende 7. Heft (Juli) dieser Vorträge ist der
Gynäkologie und Geburtshilfe gewidmet. Den
gynäkologischen Teil hat Prof. Dr. Veit, Direktor der Univer¬
sitätsfrauenklinik in Halle a. S., bearbeitet. Er bespricht die
Fortschritte der Gynäkologie in den letzten
Jahren in der Weise, daß er eine Reihe für die allgemeine
Praxis besonders wichtiger Einzelfragen kritisch auf Grund der
Literatur sowie eigener Erfahrungen erörtert. Die einzelnen
Abschnitte betreffen die Anwendung der Röntgenstrahlen in
der Gynäkologie, besonders in der Behandlung der Uterus¬
myome, die operative Behandlung des Uteruscarcinoms, die
Frage der Endometritis und uterinen Blutungen, das Frühauf-
stehen nach Operationen, ferner Einzelheiten wie den duode¬
nalen Ileus, die postoperative Peritonitis, die Behandlung der
Inversio uteri, endlich die Behandlung der Vorfälle und der
Retroflexio uteri, zum Schluß die Frage der Appendicitis in
ihren Beziehungen zu den Erkrankungen der Adnexe. Die
Darstellung Veits hält gut die Mitte zwischen kritikloser
Ueberschätzung und prinzipieller Verwerfung der zahlreichen
besprochenen Neuerungen und ist daher recht geeignet, dem
praktischen Arzt als Führer bei der objektiven Würdigung der
Fortschritte der Frauenheilkunde zu dienen. In mehr subjek¬
tiver Weise behandelt im zweiten Teil des Heftes Professor
Franz, der neuernannte Direktor der Berliner Charite-
Frauenklinik, die Neuerungen auf dem Gebiet der
Geburtshilfe. Die chirurgische Aera der letzten Jahre
hat hier ziemliche Umwälzungen hervorgebracht; trotzdem die
neuen geburtshilflichen Operationen im allgemeinen wohl der
Klinik vorzubehalten sind, konnten die sich überstürzenden
Neuerungen doch nicht ohne Einwirkung auf die Anschauungen
der Allgemeinpraktiker bleiben und haben unstreitig eine ge¬
wisse Unsicherheit in die geburtshilfliche Indikationsstellung
hineingetragen. Die Darstellung von Franz ist gut geeignet,
über die bisherigen Erfolge der „chirurgischen Geburtshilfe“
zu orientieren. Er kommt zu dem Ergebnis, daß Hebosteotomie
und cervicaler Kaiserschnitt wegen ihrer Gefahren und tech¬
nischen Schwierigkeiten keine Operation für den praktischen
Arzt sind, daß dagegen der klassische Kaiserschnitt ohne Be¬
denken von ihm ausgeführt werden kann. Was die konser¬
vative Behandlung des engen Beckens anlangt, so verwirft
Franz die hohe Zange und die prophylaktischen Operationen
(prophylaktische Wendung und künstliche Frühgeburt). Er
berücksichtigt hierbei wohl zu wenig die Verhältnisse der all¬
gemeinen Praxis. Auch der vaginale Kaiserschnitt, der haupt¬
sächlich bei Placenta praevia und Eklampsie indiziert ist, kann
nach Verfasser im allgemeinen nicht als Operation des prak¬
tischen Arztes angesehen werden. Zum Schluß bespricht Ver¬
fasser kurz die Anwendung der Morphium-Skopolamin-Narkose
zur Linderung des Geburtsschmerzes, die er vorerst für die
allgemeine Praxis widerrät, und die Frage des Frühaufstehens
der Wöchnerinnen. — Wie man sieht, sind im vorliegenden
Heft trotz des nicht großen Umfangs (42 S.) ziemlich viele
aktuelle Fragen aus dem Gebiet der Frauenheilkunde und Ge¬
burtshilfe behandelt. Auf den billigen Preis (1,50 M.) des auch
einzeln käuflichen Heftes sei noch besonders hiiigewiesen.
R. L.
V. Feuilleton.
Dr. David Gruby.
(20. August 1810 — 13. November 1898).
Zur Erinnerung an seinen hundertsten Geburtstag
Von
Prof. Dr. S. Rabow (Lausanne).
Am 20. August jährt sich zum hundertsten Male der Tag,
an dem David Gruby das Licht der Welt erblickte. Wer
dieser Mann war, wissen heute nur noch wenige. Und doch hat
Dr. Gruby bei Lebzeiten als bahnbrechender Forscher, an¬
regender Lehrer, bedeutender Arzt und Philanthrop lange
genug viel von sich reden gemacht. Nach seinem Tode
ist er, obgleich kein geringerer als Professor Ra plliael
Blanchard 1 ) in Paris ihm eine, seinen Verdiensten ent¬
sprechende, ausgezeichnete Biographie gewidmet hat, rasch der
unverdienten Vergessenheit anheimgefallen. Der bevorstehende
hundertste Geburtstag Gruby’s ruft die Erinnerung an ihn
wieder wach, so daß es angebracht erscheinen dürfte, der
gegenwärtigen Generation noch einmal in kurzen Zügen das
Leben und Wirken dieses seltenen, wunderlichen Mannes vor
Augen zu führen. Sein Werdegang weicht in schroffer Weise
von allem Herkömmlichen ab. Hervorgegangen aus ärmlichen,
ungebildeten Kreisen, kämpfend mit den widrigsten Verhält¬
nissen und gröbsten Vorurteilen, ist es Gruby durch glück¬
liche Forschergabe und ungewöhnliches Lehrtalent auffallend
schnell gelungen, sich zu ansehnlicher Höhe emporzuringen
und sich einen wissenschaftlichen Namen zu machen. Er zählte
jahrzehntelang zu den gesuchtesten Aerzten und unermüdlich¬
sten Wohltätern der französischen Kapitale. Dabei war er ein
Sonderling, ein „Outsider“ in des Wortes wahrster Bedeutung,
der manche mißliebige Bemerkungen über sich ergehen lassen
mußte. Es fehlte nicht an übelwollenden Kollegen, die den
Dr. Gruby wegen seines absonderlichen Auftretens und Ge-
bahrens und vornehmlich seiner geradezu verblüffenden Ver-
9 Raphael Blanchard, Arch, de Parasitol, 1899, Tom 2.
No. 34.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1010.
ordnungsweise für verrückt hielten; andere bezeichneten ihn
als einen schlauen Charlatan. Aber er ertrug Hohn und Spott
mit bewundernswerter Gleichgültigkeit und ließ sich durch
nichts von dem einmal betretenen Wege und der ihm eigenen
Lebensweise abbringen.
DAVID GRÜBY
f la a—j /gfd - n Mrtri* fj .
Werfen wir nun einen Blick auf den Entwickelungsgang
und das arbeitsreiche Leben dieses Mannes. Ueber seine Jugend
ist nicht viel zu sagen. Gruby entstammt einer jüdischen
Familie. Er wurde am 20. August 1810 zu Kis-Ker in Süd-
Ungarn geboren, woselbst seine Eltern und Geschwister ihr
sehr bescheidenes Auskommen durch Betrieb von Ackerbau
gewannen. Für diese Beschäftigung zeigte der heranwachsende,
wißbegierige Knabe wenig Neigung und Geschmack. Sein Sinn
war auf Höheres gerichtet. Er wollte Kenntnisse erwerben,
studieren. Der Vater mußte schließlich den Gedanken aui-
geben, diesen Sprößling zu einem tüchtigen Bauern heranzu¬
ziehen, und erbittert forderte er ihn eines Tages auf, Elternhaus
und Heimatdorf zu verlassen und in der Ferne sein Glück zu
versuchen. So zog der Knabe, ausgerüstet mit nichts weiter
als einem Barbestände von 50 Kreuzern zu Fuß in die unbe¬
kannte, weite Welt hinaus. Das Ziel seiner Wanderung war
Pest. Da er in den vielen von ihm passierten Ortschaften
arbeiten mußte, um etwas zu verdienen, dauerte diese Reise
ziemlich lange. —
In Pest war er so glücklich, bei Glaubensgenossen, in einer
sogenannten Garküche Beschäftigung zu finden. Er hatte da¬
selbst jeden Abend die Rechnungen zu schreiben und erhielt
als Gegenleistung Verpflegung und Nachtlager. Tagsüber blieb
ihm genügend Zeit und Muße, für sich zu arbeiten und sich weiter
zu bilden. Aber — in einer christlichen Schule konnte damals
ein Jude nicht Aufnahme finden — und einen Lehrer zu be¬
zahlen, fehlten die erforderlichen Mittel. Da verfiel der von
Wißbegierde beseelte Junge auf den Gedanken, sich jeden
Morgen an eine Schule heranzuschleichen und mit gespannter
Aufmerksamkeit, außerhalb der Klasse, an der Türe den Worten
des Schulmeisters zu lauschen. In dieser Situation wurde er
eines Tages von dem Lehrer überrascht und ausgefragt. Dieser,
ein gutmütiger Priester, fand Gefallen an dem aufgeweckten
Wesen des armen, strebsamen Burschen und gestattete ihm auf
eigene Verantwortung die regelmäßige Teilnahme am Klassen¬
unterricht. Damit war dem Knaben der Weg für seine spätere
Laufbahn geebnet. Er machte rapide Fortschritte und gewann
auch bald durch Erteilen von Nachhilfestunden soviel Geld, daß
er sich nach einigen Jahren zum Studium der Medizin nach
Wien begeben konnte.
Daselbst schlug er in einem uralten, verfallenen Hause,
das nur ganz unbemittelten Studenten zum Obdach diente, sein
Domizil auf. Von anderen lebenden Wesen sah man dort nur
den Gerichtsvollzieher ein- und ausgehen. Auch Gruby’s
wegen mußte derselbe sich zuweilen dorthin begeben. Um der
unbehaglichen Amtstätigkeit des allgemein gefürchteten Mannes
einen Damm entgegenzusetzen, pflegte G r u b y bei seinem Her¬
annahen in aller Eile Chlorgas in solcher Menge zu entwickeln,
daß dem geborenen Peinigei- der akademischen Jugend Hören
und Sehen vergingen und er sich schleunigst dem Bannkreise
der irrespirablen Atmosphäre zu entziehen suchte. Und er
sowohl wie das übrige kleine Völkchen von Hungerleidern
konnte wieder freier atmen! —
Aber nicht nur mit solchen scherzhaften und nützlichen
chemischen Experimenten verbrachte der junge Gruby seine
Zeit. Er widmete sich mit Fleiß und Eifer dem Studium der
Medizin. Unter Rokitansky’s anregender Leitung be¬
schäftigte er sich unausgesetzt mit pathologischer Anatomie und
529
Histologie; außerdem zog ihn das Studium der Augenheilkunde
an. Dabei zeichnete er sich in so hervorragender Weise aus,
daß man ihn als „Operationszögling“ zuließ, ein Grad, der
bisher seinen Glaubensgenossen niemals zugänglich gewesen
war.
Am 18. März 1839 erhielt David Gruby sein Doktor¬
diplom. Bald darauf erteilte er Kurse über Anatomie, Physio¬
logie und Ophthalmologie, die sich einer ganz ungewöhnlichen
Beliebtheit zu erfreuen hatten. Er verstand es, seine Vorträge
so anregend und interessant zu gestalten, daß immer größere
Scharen von Zuhörern herbeiströmten. Zu dieser Zeit erschien
auch schon sein groß angelegtes Werk: „Observationes micro-
scopicae ad morphologiam physiologicam.“ Dasselbe erregte
so viel Aufsehen, daß die Wiener Universität ihm eine außer¬
ordentliche Professur anbot, allerdings unter der Bedingung,
daß er dem Glauben seiner Väter entsagte. Letzteres Ansinnen
wies er jedoch ohne weiteres zurück, weil er es nicht fertig be¬
kam, seinem Intellekt das geforderte Opfer zu bringen. In¬
folgedessen verließ er Oesterreich, um in einem Lande mit
liberaleren Grundsätzen sein Heil zu versuchen. Er ging zu¬
nächst für kurze Zeit nach England und schlug dann Ende 1840
seinen festen Wohnsitz in Paris auf.
Hier hat er nun während seines langen Lebens ein halbes
Jahrhundert rastlos gearbeitet und seine erfolgreiche Tätigkeit
nach den verschiedensten Richtungen entfaltet. In seinem Da¬
sein lassen sich mehrere genau abgegrenzte Perioden unter¬
scheiden.
Nachdem er in Paris festen Fuß gefaßt und französischer
Untertan geworden war, widmet er sich während der ersten
18 Jahre ausschließlich ernsten wissenschaftlichen Forschungen,
besonders auch mikroskopischen Untersuchungen und mit
wahrem F'euereifer dem ihn vor allem anziehenden Lehrfache.
Er macht in rascher Folge bedeutsame Funde und publiziert
wertvolle Arbeiten. An seinen Namen heftet sich alsbald die
Entdeckung des Soorpilzes, ferner des Trichophyton tonsurans
und vieler anderer pflanzlicher parasitärer Gebilde, deren Be¬
kanntwerden für die Beurteilung und Behandlung verschiedener
Haut- und Haarkrankheiten von eminent praktischer Bedeutung
geworden ist. G ruby ist auch der erste, der in Frankreich die
photographische Wiedergabe mikroskopischer Bilder in An¬
wendung bringt. Die vergleichende Anatomie hat ihn lebhaft
interessiert, und seine Präparate und Abbildungen bilden noch
heute eine Zierde des Musee Orfila. Eine ganze Sammlung
solcher von Gruby angefertigter Abbildungen besitzt mein
Freund, Professor G a 11 i - V a 1 e r i o in Lausanne. Kurze Zeit
vor G r u b y ’ s Ableben hatte Professor R. Blanchard Ge¬
legenheit, dessen auf der Höhe des Montmartre errichtetes
Observatorium zu besuchen. Er war nicht wenig überrascht,
daselbst gleichzeitig ein naturwissenschaftliches Museum zu
finden, das wahre Schätze barg. Die meisten Präparate waren,
obgleich sie vor einem halben Jahrhundert angefertigt waren,
noch gut erhalten. Beim Anblicke der 15 000 mikroskopischen
Präpaiate und der 2000 nach einem von Gruby erfundenen
Verfahren hergestellten photographischen Aufnahmen konnte
B. sein Bedauern nicht unterdrücken, daß dieser bewunderns¬
werte, schaffensfreudige Mann den wissenchaftlichen Teil seiner
Karriere so früh- und vorzeitig abgeschlossen. Er, der sich
rühmen durfte, Flourens, M i 1 n e Edwards, Claude
Bernard, Magendie und andere weltberühmte Gelehrte
zu seinen Schülern zu zählen, würde zweifellos noch Hervor¬
ragendes als Lehrer und Forscher geleistet haben. Aber —
Gruby wendet sich mit einem Schlage von seiner bisherigen
rühm- und erfolgreichen wissenschaftlichen Tätigkeit ab, nach¬
dem er eine kränkende Zurücksetzung erfahren, indem ihm bei
der Bewerbung um eine Professur an der Tierarzneischule ein
geborener Franzose vorgezogen wurde.
Von diesem Zeitpunkte an widmete Gruby sich aus¬
schließlich der ärztlichen Praxis — und auch hier gelang es
ihm bald, fabelhafte Erfolge zu erringen. In dem kleinen,
dicken, eigenartigen Manne hatte sich eine Summe nicht ge¬
wöhnlicher Talente vereinigt, und in bezug auf Wissen und
Können stand er keinem Fachgenossen seiner Zeit nach. Seine
Heilmittel schöpfte er aus keiner der vorhandenen Pharma¬
kopoen, sondern stets aus seinem phantasiereichem Kopfe.
Und je phantastischer und tollkühner seine Verordnungen
waren, desto wirksamer erwiesen dieselben sich, desto größer
wurde der Zulauf des ihm blindlings vertrauenden Publikums.
Dasselbe setzte sich aus den erlesensten Gesellschaftskreisen
zusammen. Wir begegnen unter diesen Klienten Träger welt¬
bekannter Namen. So sehen wir Georges Sand, Hein¬
rich Heine, Alexander Dumas (Vater und Sohn),
Alphonse Daudet, Chopin, Liszt, Mac M a h o n und
die angesehensten Vertreter der Diplomatie und Finanzwelt bei
Dr. Gr u b y ärztlichen Rat und Hilfe suchen. Sie alle schworen
auf ihn, dessen eigenartige, einer komischen Mystik nicht ent¬
behrende Behandlungsmethode fast immer half und niemals
schadete. Anders urteilten natürlich viele Fachgenossen,
welche für den „Verrückten Charlatan“, den „alten Heil-
derwisch“ gewöhnlich nur ein verächtliches Achselzucken
530 THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910. No. 34.
hatten. Sein ganzes Auftreten und Gebaren schien allerdings
gegen den gesunden Menschenverstand zu verstoßen. Die
Räume, in denen der absonderliche Hagestolz hauste, fielen I
durch ihre, jeder Beschreibung spottenden Unordnung auf. Die
Fenster waren mit Büchern derart vermauert, daß sie dem
Tageslicht nur wenig Zutritt gewährten. Auf den Stühlen, selbst
iin sogenannten Sprechzimmer lagerten Stöße von Folianten.
Ausgestopfte Tiere, exotische Pflanzen und die sonderbarsten
Gegenstände standen durcheinander da. Auch der Wagen, in
dem der wunderliche Doktor umherfuhr und sich den Parisern )
zeigte, war ebenso auffallend wie sein Besitzer. Es existierte
kein Seitenfenster, sondern nur eine Lichtöffnung im oberen
Teile. Durch diese steckte der kleine Herr, seinen mit einem
Fez versehenen großen Kopf hinaus, um mit dem Kutscher zu
verhandeln oder zu sehen, wohin derselbe ihn geführt. — Und
nun erst sein Verhalten im Verkehr mit den Patienten!
Die folgenden Beispiele mögen zeigen, in welcher origi¬
nellen Weise Dr. G r u b y ordinierte.
Ais Alexander Dumas (Vater) infolge geistiger
Ueberanstrengung hochgradig erschöpft, den Dr. G r u b y in
der Sprechstunde konsultierte, erteilte dieser ihm folgende Ver¬
ordnung: „Sie verlassen früh um 6 Uhr Ihre Wohnung, begeben
sich zu dem in der X.-Straße wohnenden Krämer Dupuis,
um drei Aepfel zu kaufen. Dann gehen Sie weiter und ver¬
zehren den ersten Apfel am Fuße des Triumphbogens, den
zweiten am Quai Orsay und den dritten am Place de la Made¬
leine.“ Diese Lebensweise sollte er 14 Tage hindurch genau
einhalten und dann wiederkommen.
Als D u m a s nach Ablauf der vorgeschriebenen Zeit sich
wieder vorstellte, war er ein ganz anderer geworden und völlig
genesen.
Ein anderes Mal klagte D u m a s (wie er selbst erzählt)
über hartnäckige Schlaflosigkeit. Gruby empfahl ihm. zur
Bahn zu gehen, den ersten nach Versailles fahrenden Eisen¬
bahnzug' zu besteigen und mit dem nächsten Zuge nach Paris [
zurückzukehren. Während der Rückfahrt würde er fest schlafen.
Diese Verordnung erschien selbst dem vertrauensseligen
Dumas doch zu unsinnig, daher wollte er sie nicht weiter be¬
achten. — Auf dem Heimwege hatte er sich jedoch unwillkür¬
lich dem Bahnhofe genähert. Und da er nun einmal an Ort und
Stelle war, wollte er es auch auf einen Versuch ankommen
lassen. So .dampfte er denn in der Tat nach Versailles ab.
Auf dem Rückwege wurde er schläfrig und bei seiner Ankunft
mußte er aus tiefstem Schlafe aufgerüttelt werden.
Einem andern, über unzählige Leiden klagenden, unbe¬
schäftigten, zur ebenen Erde wohnenden Hagestolz gebot
Gruby, eine neue Wohnung in einem entfernten Stadtteile
zu mieten. Als unerläßliche Bedingung galt dabei, daß dieselbe
im fünften Stock und nach Südwesten gelegen sein müsse.
Außerdem sollten sämtliche vier Zimmer mit vom Patienten
selbst ausgewählten grünen Tapeten (jedes Zimmer in einem j
besonderen Farbenton) neu ausgestattet werden. Das" Aus¬
suchen der Wohnung und der vorgeschriebenen Tapeten
nahmen Zeit und Gedanken des Neurasthenikers so sehr in
Anspruch, daß er von seinem Leiden abgelenkt, die Krankheit
vergaß und nach einigen Wochen bei seinem erneuten Besuche
völlig wiederhergestellt zu sein schien.
Eine an nervösem Asthma leidende kranke Dame mußte
mehrere Stunden in einem Kräutersacke stecken und aus dem¬
selben hinauskriechen, sobald der erste Glockenschlag der
mitternächtlichen Stunde ertönte. Das half wie kein anderes
Mittel.
Einem anderen wohlhabenden Kranken war geraten
worden, zu einer bestimmten Tageszeit eine halbe Stunde auf
allen Vieren zu kriechen und abends zwei rohe Eier, jedes mit
47 Salzkörnern zu essen.
Dieser kleinen Auslese könnte ich noch manche amüsante
Beispiele vonGruby’s Behandlungsmethode anreihen, die mir
von seinen früheren Patienten oder Pariser Kollegen berichtet
worden sind. Doch die oben angeführten reichen bereits hin,
zu zeigen, wie er auf seine Leute einzuwirken verstand und
welche wichtige Rolle Suggestion und diätetisch-hygienische
Maßnahmen bei der Behandlung so vieler nervöser Beschwerden
spielen. Auffallen und geradezu imponieren muß es hierbei,
daß Dr. Gruby trotz der großen Anzahl der ihn Konsultieren¬
den sich nie wiederholte, sondern für jeden Fall ein eigenes
Heilverfahren ersann.
Natürlich hatte der berühmte Heilkünstler auch zuweilen
Mißerfolge zu verzeichnen. Unter diesen ist besonders der
folgende Fall, über den Dr. Schöbe r-) aus Paris berichtete,
bekannt geworden. Gruby hatte einer reichen, alten Frau,
die ihn wegen heftiger Magenschmerzen um Rat anging,
dringend empfohlen, ihr Leben auf einem Dampfschiffe zuzu¬
bringen, das beständig zwischen Lyon und Avignon die Rhone
auf- und abfahre. Sie sollte zu den Mahlzeiten die Musik
spielen lassen — und im Takte der Musik essen. — Die Dame
2 ) Schober, Deutsche med. Wochenschr., 1900, No. 7.
verfuhr genau nach Vorschrift, aber der erwartete Erfolg blieb
aus, denn — sie hatte ein Magencarcinom 1 —
Was unser Heilkünstler dem bedauernswerten H e i n r i c h
Heine in seiner schweren Krankheit verordnet hat, ist nicht
weiter bekannt geworden. Wir wissen nur, daß er ihm nicht
viel geholfen hat, denn das Leiden war bereits zu weit vor¬
geschritten und unheilbar, als Gruby’s Rat und Hilfe in An¬
spruch genommen wurde.
In seinen Mußestunden beschäftigte der mit der Zeit zu
Wohlstand gelangte Gruby sich gern mit meteorologischen
Studien und der Herstellung von Präzisionsapparaten der ver¬
schiedensten Art. — Zu diesem Zwecke hatte er mit großem
Kostenaufwande ein Observatorium auf dem Montmartre einge¬
richtet, in dem mit Fleiß und Eifer gearbeitet wurde. Die dort
gemachten Beobachtungen wurden in der uneigennützigsten
Weise andern dortigen wissenschaftlichen Instituten zur Ver¬
fügung gestellt.
Bei dem ihm eigenen Interesse und Geschick für mecha¬
nische Fertigkeiten gelang es ihm, viele recht brauchbare Appa¬
rate und Instrumente herzustellen. So hatte er u. a. eine Uhr
angefertigt, die, ohne aufgezogen zu werden, drei Jahre ging.
Mit Vorliebe beschäftigte er sich auch mit der Konstruktion
von Transportmitteln • für Kranke, und manche zweckmäßige
Krankenwagen und -Zelte verdanken ihm ihre Entstehung. Im
Ersinnen derartiger Apparate vermochte er Erstaunliches zu
leisten, und seine mit Rädern versehenen Tragbaren und zer¬
legbaren Krankenbetten wurden später auf Ausstellungen mit
den ersten Preisen bedacht.
Bei Ausbruch des großen Krieges 1870/71 verlegte Gruby,
der sein Adoptivvaterland über alles liebte, den Schwerpunkt
seiner Tätigkeit auf die Pflege der Verwundeten. Mit raschem
Blicke hatte er erfaßt, wie viel auf diesem Gebiete zu tun not¬
wendig war. Wo Not am Mann war, da fand man ihn hilfsbereit
in der vordersten Reihe. Er richtete auf eigene Kosten Laza¬
rette ein, sorgte für schleunigste Unterbringung und geeignete
Behandlung der Verwundeten und zeigte sich unermüdlich in
der raschen Herstellung von Apparaten zur Linderung der
leidenden Soldaten. Denselben hat übrigens Dr. Gruby,
was sich gewiß der allgemeinen Kenntnis entzieht, auch dadurch
einen nicht hoch genug anzuschlagenden Dienst geleistet, daß
er bereits in der vorantiseptischen Aera. in richtiger Erkennt¬
nis ihrer Schädlichkeit, die bis dahin für unentbehrlich ge¬
haltene Charpie aus der Wundbehandlung streng verbannte.
Für diese befreiende Tat kann ihm nicht genug Lob und An¬
erkennung gezollt werden.
Die ärztliche Tätigkeit hatte sich für Dr. G r u b v einträg¬
licher gestaltet als für so viele seiner Kollegen. Er hatte, da
jahrzehntelang die wohlhabendsten Leute seinen Rat in An¬
spruch genommen, große Einnahmen gehabt, aber er hing durch¬
aus nicht am Gelde. Er gab geräuschlos und mit vollen Händen,
wenn es sich um wohltätige oder wissenschaftliche Zwecke
handelte. In dieser Beziehung kann die letzte Phase seines
langen Daseins ohne Uebertreibung als die rein philanthro¬
pische bezeichnet werden. Wenigen Personen war es bekannt,
daß er mehr als 20 wohltätigen Vereinen als aktives Mitglied
angehörte. Der einsam und zurückgezogen lebende, für seine
Person bedürfnis- und anspruchslose Mann w r ar stets hilfsbereit
und unermüdlich im Geben. Niemand klopfte vergebens an
Dr. David Gruby’s Tür.
So floß das Leben dieses eigenartigen, arbeitsamen Maimes
dahin, das zuerst voll und ganz der wissenschaftlichen Forschung
gewidmet war und dann in der Ausführung praktischer und
wohltätiger Werke seine Befriedigung fand. Der Wert und die
Bedeutung dieses so lange verkannten, von manchen für einen
Tollhäusler gehaltenen Mannes scheint später doch noch von
hoher Stelle erkannt worden zu sein. Am 14. Juli 1890, als
Dr. David Gruby die Achtzig schon überschritten hatte,
wurde ihm eine besondere Ehrung zuteil, indem man ihm das
Kreuz der Ehrenlegion anhing. Es wäre gewiß interessant, zu
erfahren, welchen Eindruck eine derartige Ovation auf einen
Mann vom Schlage David Gruby’s gemacht hat. Darüber
schweigt jedoch des Sängers Höflichkeit. Dagegen hat Gruby
uns bei seinem, Tode gezeigt, daß er nicht gewüllt war, wie
andere gewöhnliche Menschen aus der Welt zu scheiden.
Als der fast 89 jährige, sich schwächer werden fühlte und
das Herannahen seines Endes merkte, zog er sich in sein Schlaf¬
zimmer zurück, daß außer ihm nie eine Menschenseele betreten
durfte. Hier wollte er ohne Zeugen sterben. Von Zeit zu Zeit
wurde ihm etwas Nahrung hereingereicht. Als er am 13. No¬
vember 1898 seinem Diener auf mehrfaches Klopfen nicht mehr
antwortete, wartete dieser, wie ihm zuvor von seinem Herrn
angeordnet worden war, noch 24 Stunden und benachrichtigte
alsdann die Polizei. Dieselbe sprengte die Tür und fand den
Dr. Gruby, nur mit einem Heinde bekleidet, leblos am Boden
liegen. Sein Gesichtsausdruck war ruhig und friedlich. In
dem Zimmer, das seit 35 Jahren außer Gruby niemand be¬
treten hatte, herrschte eine unbeschreibliche Unordnung. Neben
vielen Stücken zerbrochenen Geschirrs sah man nichts weiter
No. 34.
THERAPEUTISCHE
als einen durcheinander geworfenen Haufen von Kissen ver¬
schiedener Form und Größe, die dem eigenartigen Manne seit
vielen Jahren an Stelle eines Bettes als Lagerstätte gedient
hatten.
Am 18. November 1898 wurde Dr. David Gruby auf
dem Kirchhofe Montmartre in Paris zur letzten Ruhe bestattet.
An dem Leichenbegängnisse des hartgesottenen Freidenkers
durfte die Geistlichkeit sich nicht beteiligen.
Die in zahlreichen Tageszeitungen erschienenen Nachrufe
brachten, wie zu erwarten war, viele amüsante Anekdoten und
Schnurren aus dem Leben des alten, komischen Heilkünstlers.
Sein absonderliches Verhalten und Gebaren hatte oft genug
das Gesprächsthema gebildet und auch Veranlassung dazu ge¬
geben, ihn mit der Lupe des Psychiaters zu betrachten. Er
wurde im wissenschaftlichen Sinne für einen Degenere
oder „Desequilibre“ erklärt. Wer sich jedoch ein¬
gehender mit dem Leben und Wirken dieses ungewöhnlichen
Mannes beschäftigt, wird unbedingt zu der Erkenntnis gelangen
müssen, daß Dr. David Gruby auf keinen Fall als ein
„Minderwertiger“ anzusehen ist. Man wird ihn im Gegenteil
für einen sehr „Hochwertigen“ halten müssen, dem die Wissen¬
schaft und die Menschheit ungemein viel zu verdanken hat.
Mich wenigstens will es bedünken, daß der alte Doktor Gruby
in bezug auf Wert und Bedeutung weit höher eingeschätzt zu
werden verdient als viele zeitgenössische Jünger Aeskulaps,
deren gesteigertes Selbstbewußtsein und Aufgeblasenheit im
umgekehrten Verhältnis zu ihren Leistungen zu stehen pflegt
und die mit ihrem heutzutage so erstaunlich leicht erhältlichem
Professortitel dem Publikum zu imponieren suchen.
Vf. TagesgescMchte.
Standes angelegen beiten, Medizi nal-Qesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Das preußische Zentralkomitee für das ärztliche
Fortbildung»wesen wird hier im November und Dezember einen
Vortragszyklus über die Grundzüge der modernen
Psychologie ugd Psychiatrie veranstalten.
Schwerin. Durch Verordnung vom 1. Juli 1910 ist für
das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin eine neue
Taxe für die Kreisärzte eingeführt worden.
Universitätswesen, Personalnachrichten.
Berlin. Der Vortragende Rat im preußischen Ministe¬
rium der geistlichen usw. Angelegenheiten Dr. Rudolf Abel
ist zum Geheimen Obermedizinalrat ernannt worden. Er hat
eine ungemein rasche Laufbahn gemacht. 1890 als Arzt appro¬
biert, war er mehrere Jahre Assistent an der von Prof. Löff-
1 e r geleiteten Universitätsanstalt für Hygiene in Greifswald.
1897 wurde er Assistent der Hygieneanstalt in Hamburg und im
folgenden Jahre Physikus daselbst. Im Jahre 1901 wurde er
zum Regierungs- und Medizinalrat beim Polizeipräsidium in
Berlin ernannt, und 1903 kam er in gleicher Eigenschaft an die
Regierung in Oppeln. 1905 wurde er nach dem Ausscheiden
P i s t o r s als Hilfsarbeiter in die Medizinalabteilung des Kul¬
tusministeriums berufen und im Februar 1906 zum Geheimen
Medizinalrat ernannt. Seit einigen Monaten leitet er auch als
Nachfolger Schmidtmänns die Prüfungsanstalt für Wasser¬
versorgung und Abwässerbeseitigung.
— Der Direktor des städtischen Krankenhauses Moabit
Prof. Dr. Georg Klemperer, der seit 1889 der Berliner
medizinischen Fakultät als Privatdozent angehörte und seit
1897 den Professortitel führte, ist zum außerordentlichen Pro¬
fessor und als Nachfolger Ernst v. Leydens zum Leiter
des Krebsinstituts der Charite ernannt worden.
Königsberg i. Pr. Dr. A. Lin ck hat sich für Ohren¬
heilkunde habilitiert.
Kiel. Dem Oberarzt der chirurgischen Universitätsklinik
Privatdozenten Dr. Ernst Baum ist der Professortitel ver¬
liehen worden. — An Stelle des nach Berlin berufenen Prof.
Franz ist Prof. Dr. Walter Stoeckel aus Marburg als
ordentlicher Professor der Gynäkologie und Geburtshilfe hier¬
her versetzt worden.
Braunschweig. Zum Nachfolger des in den Ruhe¬
stand getretenen Oberarztes der inneren Abteilung des Herzog¬
lichen Krankenhauses, Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Richard
Schulz ist der Oberarzt am städtischen Krankenhaus zu
Frankfurt a. M. Dr. Adolf Bingel berufen worden.
Gießen. Als Nachfolger des zurückgetretenen Prof.
L e u t e r t ist der außerordentliche Professor Dr. v. E i c k e n
in Freiburg i. Br. zum Professor der Oto-Laryngo-Rhinologie
ernannt worden.
Tübingen. Der außerordentliche Professor der
Chirurgie in Leipzig, Dr. Perthes ist zum Nachfolger des
Herrn Geheimrat Prof. v. Bruns berufen worden.
RUNDSCHAU 1910. 53 !
Schömberg. Die ärztliche Leitung der Heilanstalt für
Lungenkranke „Schwarzwaldheim“ in Schömberg bei Wildbad
ist dem durch das mit Roepke herausgegebene Lehrbuch
bekannten Dr. Bandelie r, z. Z. in Görbersdorf, übertragen
worden.
Zürich. Der hervorragende Chirurg Dr. I< oiira d
Brunner in Münsterlingen, ein Self-made-man, hat den an
ihn ergangenen Ruf als Nachfolger des zurücktretenden Prof.
Krönlein ausgeschlagen, weil er vor den Schwierigkeiten
zurückschreckte, die dem bisherigen Inhaber der Professur sein
Lehramt verleidet haben. Nunmehr ist mau mit Prof. Payr
in Greifswald wegen der Uebernahme des Lehrstuhls in Unter¬
handlung getreten.
— Der ordentliche Professor der Agrikulturchemie an dem
hiesigen Polytechnikum Dr. Ernst Schulze ist anläßlich
seines 70. Geburtstages wegen seiner Verdienste um die bio¬
logische Chemie von der medizinischen Fakultät der Universi¬
tät Heidelberg ehrenhalber zum Doktor promoviert worden.
Budapest. An der hiesigen Universität haben sich
habilitiert: Dr. Geza Mansfeld für experimentelle Phar¬
makologie, Dr. Desider Navratil für Rhinolaryngologie,
Dr. Sigmund, Ilitoök für Krankheiten des Zirkulations¬
systems, Dr. Elemer S c i p i a d e s für die Pathologie der
Schwangerschaft und der Geburt und Dr. Rudolf B ä 1 i n t
für systematische Pathologie. (An Spezialisierung sind uns
die ungarischen Kollegen entschieden über! Red.)
London. Sir Alfred D. Fripp ist zum Ehren-
Chirurgen des Königs ernannt worden.
Kongreß- und Vereinsnaehriehten.
D r e s d e n. Anläßlich der hier im nächsten Jahr statt-
finjdenden Internationalen Hygieneausstellung sind bis jetzl
über 150 Kongresse angemeldet, die alle in Dresden innerhalb
5 Monaten (also pro Tag 1 Kongreß! Red.) tagen werden. —
Selbst wenn der Druckfehlerkobold in vorstehende Zeitungs¬
nachricht eine Null eingeschmuggelt haben sollte, wäre das ein
bischen viel, doch warten wir in Ruhe die Entwickelung der
Dinge ab!
Erlangen. Hier hat sich eine Vereinigung der
außerhalb des Senats stehenden Mitglieder
des Lehrkörpers (etatsmäßige und nichtetatsmäßige
Extraordinarien, sowie Privatdozenten) als „Nichtordinarien¬
verband“ unter dem Vorsitz des außerordentlichen Professors
der Chirurgie v. K r y g e r gebildet und sich den an den meisten
übrigen deutschen Universitäten bereits bestehenden ent¬
sprechenden Vereinigungen angegliedert.
Augsburg. Auf dem vor kurzem hier abgehaltenen Kon¬
greß der Internationalen esperantistischen Aerzte-Gcsellschaft
waren vertreten Frankreich, Rußland, Schweden, Polen,
Deutschland, Oesterreich und England. Der Vorsitzende der
Gesellschaft Professor Dr. Henri Dor (Lyon), ehemaliger
Rektor der Universität Bern, eröffnete die Sitzungen, deren
im ganzen fünf stattfanden, durch das Verlesen eines Be¬
grüßungsbriefes des Esperanto-Erfinders Dr. Zamenhof
und zahlreicher Telegramme aus verschiedenen Ländern.
In der 1. Arbeitssitzung wurde das Referat von
Dr. Uhlman n (Huttwil, Schweiz) über medizinisch-
technische Terminologie durchberaten. Es wurde beschlossen,
eine Kommission einzusetzen. in welcher alle in
der „TEKA“ vereinigten Nationalitäten durch je zwei Aerzte
vertreten sind, um die Schaffung eines medizinischen techni¬
schen Wörterbuches in die Wege zu leiten. Chybczyniki
(Warschau) referierte über medizinische Fortbildungskurse in
Esperanto in den verschiedensten Universitätsstädten, ln Ver¬
tretung des verhinderten Dr. llogelio Perez Domingo
Huermezas (Bnrgos in Spanien) verlas Kabauo w
(Warschau) den Entwurf einer neuen Organisation, welche
Aerzten praktische Hilfe und Auskunft ermöglichen soll. Der
Bericht des Generalsekretärs über die Entwicklung der Ver¬
einigung, zeigte ein erfreuliches Resultat. Die Zahl der
„TEKA“-Mitglieder beläuft sich auf fast 700, von denen 110 in
den verschiedensten Weltteilen die Bürde eines Delegierten
aui sich genommen haben, und die auch nicht esperantistischen
Ärzten jede gewünschte Auskunft geben. Sehr lebhaft ge¬
staltete sich die Diskussion über das Vereinsorgan, Voce de
Kuracistoj, das schon drei Jahre existiert und nunmehr laut
Beschluß der Versammlung einer Reorganisation unterworfen
werden soll, welche eine wesentliche Bereicherung und Ver¬
besserung der Zeitschrift herbeiführt. Den interessantesten Teil
der Tagesordnung bildete ein wissenschaftlich-medizinischer
Vortrag in Esperanto, von Dr. R 0 b i n (Warschau) über eine
neue Methode zur Erkennung von Krankheiten
des Darmes. In der lebhaften Diskussion tauschten die
verschieden-sprachigen Aerzte mühelos ihre Ansichten und Er¬
fahrungen aus. Schließlich wurde als nächster Kongreßort
Antwerpen gewählt.
Wiesbaden. Die dritte Konferenz des Vereins für Er¬
ziehung, Unterricht und Pflege Geisteskranker findet vom 13.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 34.
Ö32.
bis 16. September.in Wiesbaden statt. Am Abend des 13. Sep¬
tember findet im Kurhause eine Vorversammlung statt, in der
die geschäftlichen Angelegenheiten erledigt werden. Die
llauptverhandlungen sind im Paulineuschlößchen. Auf der
Tagesordnung stehen für den 14. September: „Die geistig
Minderwertigen im Strafvollzug.“ Referent: Oberarzt Dr.
Meitzer (Waldheim). „Grundlegung und Gestaltung des
Anfangsunterrichtes bei Schwachsinnigen mit besonderer Be¬
rücksichtigung der den Idiotenanstalten erwachsenden Auf¬
galten.'' Referent: Direktor Pastor Broistedt (Neuerkerode).
„Die Organisation (der innere und äußere Betrieb) der An¬
stalten und Schulen für Geistesschwache in Ungarn.“ Referent:
Hilfsschuldirektor Eltes-Ellenbach (Budapest). Abends
wird in einer öffentlichen Versammlung Oberarzt Dr. Keil-'
ner (Aistendorf) über „Die Gruppierung der Insassen einer
Anstalt für Schwachsinnige mit Bezug auf ihre körperlichen
Gebrechen and Demonstration der verschiedenen Gruppen
durch Lichtbilder“ sprechen. Die Themata des 15. September
lauten: „Zur Technik heilpädagogischer Spezialübungen“, Refe¬
rent Dr. phil. Gron (Heidelberg). „Mein Anschauungsunter¬
richt bei Geistesschwachen auf der untersten Stufe streng nach
dem Prinzip des Selbsttuns", Referent Anstaltslehrer Gürt¬
ler (Chemnitz-Altendorf). „Der Zeichenunterricht bei Geistes¬
schwachen“, Referent Anstaltslehrer Schlegel (Dalldorf).
Am 16. September nach Idstein: Besichtigung der Arbeits¬
kolonie Altenheim und der Anstalt Idstein; Unterricht in
allen Klassen; in der Turnhalle der Anstalt historische Aus¬
stellung der Entwicklung des Schwachsinnigen-Bildungswesens;
Ausstellung der Arbeiten der Schwachsinnigen und der Lehr¬
mittel der Anstalt.
Brüssel. Vom 7. bis zum 11. August hat hierselbst der
zweite internationale Anatomenkongreß unter dem Vorsitz von
Wa 1 d ey er (Berlin), Henneguy (Paris), Ro nu t i (Pisa),
Paterson (Dublin), Piersol (Philadelphia) stattgefunden.
Die Anatomische Gesellschaft, die Anatomen aller Länder zu
ihren Mitgliedern zählt, hatte sich, wie im Jahre 1905 zum ersten
Male in Genf, mit der Association des Anatomistes, der Anato-
mical Society ot Great Britain and Ireland, der American
Association of Anatomists und der Unione Zoologica Italiana
zu einem Kongreß vereinigt. Von allgemein interessierenden
Verhandlungsgegenständen seien folgende erwähnt: v. ß a r d e-
leben (Jena) hat seine Erhebungen über die Linkshändigkeit
fortgesetzt und teilte mit. daß die großherzoglich sächsische
Regierung zugesagt habe, eine statistische Erhebung über den
Prozentsatz der Linkshänder unter den Schulkindern in die
Wege zu leiten und unterstützen zu wollen. Auf den Vorschlag
der amerikanischen Gesellschaft wurde beschlossen: wie vor
zehn Jahren das große und schwierige Werk der anatomi¬
sche n Nomenklatur geregelt wurde, so soll nunmehr die
Embryologie eine internationale Nomenklatur er¬
halten, die die internationale Verständigung erleichtern und
den medizinischen Unterricht fördern wird.
Verschiedenes.
Berlin. Das Institut für Infektionskrank¬
heiten hat sich an die Stadt Berlin mit dem Ersuchen ge¬
wendet, einen Pavillon des Rudolf V i r c h o w - Kranken¬
hauses zur Behandlung von tuberkulösen
Kranken mit Tuberkulin-Präparaten zur Verfügung zu
stellen. Der Magistrat hat dem Anträge entsprochen. Der
Direktor des Instituts für Infektionskrankheiten, Geheimrat
Prof. Dr. G a f f k y, wird die Leitung der Behandlung bei den
Versuchen übernehmen.
— Nachdem neuerdings die Gebühr für die Prüfung
ärztlicher Thermometer auf den Betrag von 50 Pfg.
für das Stück herabgesetzt worden ist, hat der preußische
Kultusminister die Regierungspräsidenten ersucht, darauf hin¬
zuweisen, daß in den Krankenanstalten und seitens der be¬
amteten Aerzte und der Hebammen künftig allgemein nur noch
amtlich geprüfte Fieberthermometer verwendet werden.
— Ueber Nachtkuren in Walderholuugsstätten entnehmen
wir der „Voss. Ztg.“ folgende interessante Mitteilungen. Im
Jahre 1906 berichtete Dr. Klebs (Chicago) auf der Inter¬
nationalen 1 uberkulosekonferenz im Haag über eine eigenartige
Verwendungsart der von Deutschland übernommenen Wald¬
erholungsstätten. Während Wolf Becher diese für arbeits¬
unfähige Kranke aus dem Arbeiterstande bestimmt hatte, damit
diese, statt sich in den Wohnungen und auf den Straßen der
Großstadt aufzuhalten, bei Tage in guter Luft Erholung
finden können, hat man sie in Amerika auch für
arbeitsfähige Kranke nutzbar gemacht, derart, daß diese
tagsüber arbeiten, des Nachts aber im Walde in der offenen
Liegehalle schlafen. Nach dem Bericht des Regierungsrats Dr.
H a m e 1 vom Reichsgesundheitsamt, den dieser im vorigen
Jahre über seine Studienreise in Amerika erstattete, hat sich
dort inzwischen diese Einrichtung, night-camps, so verbreitet,
daß auf ihr in den Vereinigten Staaten zu einem erheblichen
Teil die Tuberkulösebehandlung beruht. Schon seit langer
Zeit war der Vorsitzende des Volksheilstättenvereins vom Roten
Kreuz, Kammerherr v. d. Knesebeck, bemüht, die Berliner
Walderholungsstätten für die neue Idee nutzbar zu machen.
Dr. Iiohardt (Pankow) berichtet nunmehr in der Zeitschrift
„Das Rote Kreuz“ über deu ersten Versuch, den er in der Wald¬
erholungsstätte für Frauen in Schönholz angestellt hat. Es isl
bemerkenswert, daß die weiblichen Kranken viel bereitwilliger
zu dem Versuch waren, als Männer. Ohne große Umstände,
darin liegt ein wesentlicher Vorteil der neuen Einrichtung,
konnte man an den Versuch herangehen. Es galt, die Liege¬
halle in einer Weise auszustatten, daß die Benutzung für die
Tagespatienten nicht behindert wurde, Betten, die dort Platz
wegnehmen, konnten also nicht aufgestellt werden. Darum be¬
schaffte mau eine Vereinigung von Hängematte und Schlafsack,
außen Segeltuch, innen Kamelhaardecke, die abends in der
Liegehalle aufgehängt und morgens zusammengerollt beiseite
gelegt wird. Zu innerst ist ein abknöpfbarer Leinenbezug,
der für sich gewaschen werden kann. Außerdem tragen die
Patientinnen Nachtanzüge aus Flanell. Sie sind hierdurch aus¬
reichend gegen Kälte geschützt. Zum Aus- und Ankleiden
genügt bisher ein mit Vorhang und Waschgefäßen versehenes
Abteil der Liegehalle. Abends von 6 Uhr an kommen die
Patientinnen in die Erholungsstätte, sie erhalten dann warmes
Abendbrot, bringen noch eine Weile in der stillen Waldesruhe
zu und schlüpfen dann in ihre Schlafsäcke. Morgens erhalten
sie. Frühstück und begeben sich zur Arbeit. Vorläufig sind zehn
solcher Schlafgelegenheiten eingerichtet und seit dem Mai in
Benutzung. Die bisherigen Erfahrungen sind sehr befriedigend,
die Patientinnen machen von .der neuen Einrichtung gern Ge¬
brauch. Auch die letzte Regenzeit hat nicht störend gewirkt.
In Amerika werden die night-camps Sommer und Winter be¬
nutzt, bei uns muß erst versucht werden, ob ein ununterbroche¬
ner Betrieb während des ganzen Jahres möglich isl. Auf alle
Phile verdient dieser Versuch großes Interesse, denn wenn er
sich bewährt, wäre die Einrichtung überaus ausdehnungsfähig
und damit ein neues wichtiges Mittel zur Hebung der Volks¬
gesundheit geschaffen.
Stuttgart. Unter dem 13. Juli d. J. hat der württem-
bergische Minister des Innern eine Verordnung über die Be¬
kämpfung der Geschlechtskrankheiten erlassen.
Prag. Ueber ein beklagenswertes Vorkommnis bei dem
neuen Desinfektiousverfahren mit Jod melden Tageszeitungen
Bei einer Operation in einem hiesigen Krankenhaus wollte der
Arzt die Hand eines zehnjährigen Mädchens mit Jodbenzin des¬
infizieren. Die Dämpfe explodierten und die Flamme ergriff
die Kleider des Kindes, das leider nicht mehr gerettet werden
konnte.
Wien. Durch einen Ministerialerlaß vom 7. Juli ist die
gewerbsmäßige Ausführung der Wassermannschen Reaktion
in privaten Untersuchungsanstalten ohne besondere Be¬
willigung verboten worden. (Bei uns wäre ein solches Verbot
nicht minder wünschenswert, da sich die Nichtapprobierteu
auch hierzulande bereits des populär gewordenen Verfahrens
zu bemächtigen begonnen haben. Red.)
Petersburg. Die Cholera herrscht hierselbst noch mit
ungeschwächter Heftigkeit, da die Durchführung hygienischer
Maßregeln durch die auf Rußland seit Jahren lastende Ungunst
der innerpolitischen Verhältnisse ungemein erschwert wird.
Auch im Innern des Reiches hat die Seuche eine bedenkliche
Ausdehnung gewonnen. In dem kurzen Zeitraum von kaum
drei Wochen sind im Donezgebiet nach amtlichen Angaben
4532 Arbeiter erkrankt und 1962 gestorben. Die Panik unter
der Bevölkerung ist unbeschreiblich.
VII. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Preußen.
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedriclistr. 131 B
Fernspreeli-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Femsprec.h-Amt.VI, No. 3302
Berlin, '£ 7 . August 1910
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und, kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sümtl. Buci handlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor ({nartalssclilnss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen'wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
Wissenschaftliche Mitteilungen. W eitere Erfahrungen mit
dem Ehrlich-Hataschen Syphilismittel: Loeb: Erfahrungen
mitEhrlichs Dioxydiamido-arsenobenzol. Treupel: Erfahrun¬
gen und Erwägungen mit dem neuen Ehrlich-HataschenMittel
bei syphilitischen und metasyphilitischen Erkrankungen Spatz:
Vorläufige Mitteilungen über die mit der „Therapia sterilisans
magna“ (Ehrlich-Hata-Präparat) behandelten syphilitischen
Fälle.. Michaelis: Ueber die Anwendung des Ehrlich-Hata¬
schen Syphilisheilmittels in neutraler Suspension. Wechsel¬
mann und. Lange: Ueber die Technik der Injektion des Dioxy-
diamidoarsenobenzol. — Bi ach: Psoriasis vulgaris und Wasser-
mannsche Reaktion. — Meirowsky: Ueber einfache Methoden
zur schnellen Färbung lebender Spirochäten. — Strauss: Zur
Diagnose und Therapie der Stauungsdermatosen. — Heilig:
Zur Frage der Coupiernng der Gonorrhoe. — Hoffmann:
Anwendung des Uhlen huch sehen Verfahrens zum Nachweis
spärlicher Tuberkelbacillen in Ge wehsstücken — Hart: Ueber
sekundäre Infektion mit Tuberkelbacillen und deren saprophy-
tisches Wachstum nebst einigen Schlußfolgerungen. — Käppis:
Beitrag zur traumatischen Tuberkulose. — v. Zebrowski:
Ueber die subkutanen Lymphdrüsen des Thorax bei Lungen¬
tuberkulose. — Thiemann: Chirurgische Tuberkulose der
Mesenterial- und Bronchialdrüsen. — Winkler: Versuche über
die Beeinflussung des intrakraniellen Volumens durch einige
Arzneimittel. — Teubert: Ueber Arsentriferrin. — Naegeli:
Ueber verkannte Leukämien. — Grau: Gelatine und Blut¬
gerinnung — Stringari: Bandwurmkur mit Filmaron. -
Silva: Experimentelle Beobachtungen mit Diplosal. — Görner:
Ueber die Anwendung von Radium bei rheumatischen Er¬
krankungen. — Ramsauer und Caan: Ueber Radiumaus¬
scheidung im Urin. — Liertz: Die radiographische Darstellung
des Wurmfortsatzes. — Schnee: »^Elasto-Massage.“ — Kanto-
rowicz: Die Therapie der nervösen Impotenz — Hilbert:
Arznei-Ausschlag nach Gebrauch von Hexamethylentetramin. —
Henssen: Ein Fall von taschenartiger Erweiterung der Ohr¬
speicheldrüse. — Momburg: Eine auf einem neuen Prinzip
begründete Plattfußeinlage. — v. Frisch: Untersuchungen über
den normalen Kniestreckapparat mit Rücksicht auf die hei der
Patellarfraktur bestehenden mechanischen Verhältnisse. — Rüge:
Zahlreiche freie Gelenkkörper bei isolierter Arthritis deformans
der Fossa cubitalis — v Förster: Novojodin als Jodoform¬
ersatz. — Werner und Caan: Ueber die Wirkung von Röntgen¬
strahlen auf Geschwülste. — Müller: Eine neue Behandlungs¬
methode bösartiger Geschwülste. — zum Busch: Ein Beitrag
zur Erkennung und Behandlung der nicht perforierten Duodenal¬
geschwüre. — van Royen: Ueber das Ulcus pepticum nach
Gastroenterostomie. — Urban: Ueber Pneumatosis cystoides
intestinorum. — Kostlivy: Ueber die Enderfolge.der Operation
der Wanderniere nach Kukula. — Pick: Spontanblutungen iu
das Nierenlager — Fabian: Zur Kenntnis des.malignen Gra¬
nuloms. — v. Möller: Zur Frage der operativen Behandlung
der Lungenverletzungen. — Ungar: Ueber einen mit Anti¬
streptokokkenserum behandelten und geheilteu Fall von Strepto¬
kokkensepsis. — Hindenberg: Zu dem Kapitel der uner¬
wünschten Ergotin Wirkung.
II. Therapeutische Notizen. Ljaschenko: Pul Vermischung
gegen den chronischen Darmkatarrh kleiner Kinder. — Frame:
Ueber Angiua pectoris. — Juliusburger: „Perplex“, ein
alkoholfreies Ersatzgetränk.
[II. Bücherschau. Grosse: Die Erkrankungen der Harnorgane.
— Burwinkel: Die Gicht. Engel: Die Nierenleiden. —
Gaupp: Ueber den Selbstmord. — Gasters: Volksgesundheit
und Industrie.
IV. Vermischtes Puppe: Alkoholischer Eifersuchtswahn. —
Bertholet: Ueber Atrophie des Hodens bei chronischem
Alkoholisrnus. — Dennig: Ueber den Einfluß des Alkohols
auf den Blutdruck.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichteu. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
VI. Amtliche Mi|tteilung'en. Personalia.
1. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Weitere Erfahrungen mit dem Ehrlich-Hataschen
Syphilismittel:
Heinrich hoch (Mannheim): Erfahrungen mit Ehrlichs Dioxy-
diamido-arsenobenzol. (Münch, med. Wochenschr., 1910,
No. 30.)
Prof. Dr. G. Treupel (Frankfurt a. M.): Erfahrungen und Er¬
wägungen mit dem neuen Ehrlich-Hataschen Mittel hei
syphilitischen und metasyphilitischen Erkrankungen.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 30.)
Nachdem seit einigen Monaten zahlreichen Krankenhäusern
in Deutschland und im Ausland das Ehrlich-Hatasehe
Präparat zur Prüfung überlassen wurde, beginnen jetzt die
Mitteilungen über die Ergebnisse in den medizinischen Zeit¬
schriften sich zu häufen. Die Resultate sind fast durchweg
glänzend, wenn auch nicht überall gleichmäßig. Loeb
brachte das Mittel in 35 Fällen zur Anwendung. Die Technik
der Injektion änderte er einige Male; zuletzt verfuhr er nach
einer neuen Vorschrift von Ehrlich: 0,4—0,5 g des Präpa¬
rates werden mit V 2 —1 ccm Methylalkohol angerührt, in Wasser
gelöst, mit 5—8 ccm NaOH gemischt und auf 25—30 ccm
aufgefüllt; man hat jetzt eine völlig klare, hellgelbe Lösung,
die sich leicht injizieren läßt; in jeden Glutaeus spritzt man die
Hälfte ein. Diese Lösung verursacht bei der Injektion nur
wenig Schmerzen. Am zweiten bis dritten Tage tritt dann eine
mehr oder minder starke Schmerzhaftigkeit auf; die Nates wer¬
den infiltriert und druckempfindlich, das Gehen ist erschwert
und das Sitzen behindert. Nach 5—8 Tagen bilden sich die
Beschwerden zurück, eine gewisse Empfindlichkeit bleibt
öfters noch einige Tage bestehen. Temperatursteigerungen
von 37,5—38,5° werden in den meisten Fällen beobachtet, ein¬
mal stieg die Temperatur auf 39,8". Bald nach der Injektion
wurde meist eta erster Anstieg beobachtet, dem am zweiten
oder dritten Tage ein zweiter, höherer, länger dauernder folgte.
Die Pulskurve verlief gewöhnlich parallel der Fieberkurve.
Intoxikationserscheinungen wurden in keiner Form beobachtet.
Dagegen trat zuweilen die sogen. H e r x h e i m e r sehe Reak¬
tion in den Fällen mit Roseola in bisher nie beobachteter
Stärke ein. Die heilende Wirkung der Injektion zeigte sich
sehr rasch. Bereits nach einem Tage begannen die Sklerosen
lind nässenden Papeln sich zu überhäuten, die Roseolen bla߬
ten ab, Papeln und Condylome begannen zusammenzufallen;
Kopfschmerz und periostitisc.he Schmerzen schwanden; etwas
langsamer, immerhin schneller als sonst, bildete sich das sklero¬
tische Infiltrat sowie die Drüsen zurück. In 6—12 Tagen
waren die Symptome meist verschwunden. Die angewandte
Dosis betrug 5—8 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Ein
Rezidiv wurde nur in einem Falle beobachtet, der eine zu
kleine Dosis (0,14 g) intravenös bekommen hatte. Einige Be¬
obachtungen zeigten, daß nach Anwendung des neuen Präpa¬
rats eine folgende Quecksilber- resp. Jodbehandlung sehr
schnell alle Symptome zum Verschwinden brachte. Die
Wassermann sehe Reaktion wurde in L o e b s Fällen
wenig beeinflußt, in symptomatischer Beziehung erreicht man
also mit einer einzigen Injektion des neuen Präparates minde¬
stens das Gleiche wie sonst mit einer 5—6 Wochen dauernden
Schmierkur. In zwei Fällen sah L. gleichzeitig bestehende
Hautaffektionen (Verrucae planae juveniles und Lichen Sim¬
plex Vidal) nach der Injektion prompt zurückgehen.
Treupel spricht sich zunächst über die Indikations¬
stellung aus. Er hält es nur dann für gerechtfertigt, das Prä¬
parat anzuwenden, wenn durch die uns jetzt zur Verfügung-
stehenden Methoden das Vorhandensein einer syphilitischen
oder metasyphilitischen Erkrankung sichergestellt ist, ferner
dann, wenn trotz mehrfacher lege artis ausgeführten Hg-Kuren
doch immer wieder Rezidive auftreten. Bezüglich der Technik
befolgt er die Anweisungen von Ehrlich (cf. oben und
Therap. Notiz, No. 32, pag. 442 der Ztg.). Er hat anfangs 0,3
534
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
bis 0,325 g, später 0,4—0,5 g Substanz injiziert. Die Injektionen
macht er entweder intramuskulär, in die Glutäen, oder intra¬
venös, bei letzterem Vorgehen wird nach Ehrlich scher Vor¬
schrift die Injektionsflüssigkeit mit 1 , 1 physiologischer NaCl-
Lösung verdünnt. In bezug auf die lokalen und allgemeinen
Erscheinungen nach der Injektion sind Treupels Erfahrun¬
gen dieselben wie die von Loeb und anderen. Andere Neben¬
wirkungen hat er nicht beobachtet. Nach der intramuskulären
Injektion dauert, wie die chemischen Harnuntersuchungen er¬
geben haben, die Ausscheidung des Arsens mindestens 12 bis
13 Tage. In bezug auf den unmittelbaren therapeuti¬
schen Erfolg sind die Erfahrungen Treupels im wesent¬
lichen die gleichen wie die von Schreiber, Alt, Wechsel-
m a n n usw. berichteten. Die spezifische Wirkung auf die
syphilitischen Exantheme, Papeln, Geschwüre und Schleimhaut¬
prozesse ist zweifellos und setzt sofort nach der einmaligen
Injektion ein. Die vorher positive Wassermannsehe Reak¬
tion wird nach Treupel oft in den nächsten Wochen bis
zum 60. Tage nach der Injektion negativ. In bezug auf den
Dauererfolg spricht sich Treupel vorläufig reserviert aus;
um darüber ein Urteil zu gewinnen, ist natürlich eine jahre¬
lange Beobachtung der betr. Patienten nötig. R. L.
Regimentsarzt Dr. Alexius Spatz, Chefarzt der Abteilung für
Haut- und venerische Krankheiten des Garnisonspitales
No. 17 in Budapest: Vorläufige Mitteilungen über die mit
der „Therapia sterilisans magna“ (Ehrlich-Hata-Präparat)
behandelten syphilitischen Fälle. (Wiener med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 27.)
Verfasser hat die Ehr lieh sehe Behandlung der Syphi¬
lis bisher in neun Fällen angewendet. Neben latenter Syphilis
wurden auch floride Fälle und Initialsklerosen dieser Injek¬
tionstherapie zugeführt. Verfasser ist voll Lobes für die neue
Methode. Die geschwürigen Sklerosen waren in sechs Tagen
überhäutet und- erweicht, die nässenden Papeln eingetrocknet
und abgeflacht, die Schleimhautplaques epidermisiert, die
kleinen makulösen Ausschläge vollkommen verschwunden. Die
Injektion erfolgte in die beiderseitige Gesäßmuskulatur (je
10 ccm). Die Injektionen . hatten sowohl lokale, als auch
allgemeine, ziemlich turbulente Reaktionen zur Folge. Lokale
Reaktionen: Heftige, spannende und prickelnde Schmerzen,
welche schon eine Stunde nach der Injektion auftraten und oft
auch drei Tage anhielten, in solchem Grade, daß die Patienten
die Oberschenkel kaum zu beugen vermochten; die Schmerzen
wurden sehr oft auch in der Steißbeingegend lokalisiert. Die
allgemeine Reaktion äußerte sich in. Erhöhung der Körper¬
temperatur, welche jedoch nicht über 12 bis 16 Stunden an-
hielt und 39,2° C. nie überschritt, ferner nach Ablauf von
24 Stunden bereits in jedem Falle zwischen 36,8 bis 37,2° C.
schwankte. Unmittelbar eine Stunde nach der Injektion betrug
die Temperaturdifferenz 1,2 bis 1,5° C. Oefters stellten sich
heftige Kopfschmerzen, Brechreiz, große motorische Unruhe
ein, hauptsächlich aber klagten die Patienten über quälendes
Durstgefühl, welches nicht allein durch das Fieber bedingt sein
konnte, weil es selbst bei Kranken mit 37,5“ C. mit derselben
Intensität auftrat. In einem Falle waren arhythmische Herz¬
aktion, beschleunigter Puls und allgemeines Unwohlsein die
auffallendsten Symptome. In einem anderen Falle traten sechs
Stunden nach der Injektion am ganzen Körper, sowie am Ge¬
sichte krönen- bis fünfkronenstückgroße juckende, hellrote, er¬
habene nesselausschlagartige Infiltrate auf, welche nach zwei
Stunden spurlos verschwanden. Auffällig war noch die drei
bis vier Tage anhaltende Harnflut, die tägliche Urinmenge
überstieg 2 1. In einem Falle gesellte sich zum kleinmakulösen
Ausschlage sowie zu den Papeln der Mandeln, der Analfalten
und des Hodensackes eine über die behaarte Kopfhaut und
über die charakteristischen Stellen des Gesichtes und der Ex¬
tremitäten verbreitete Schuppenflechte, welche am vierten Tage
nach der Injektion auffallend rasche Abschuppung zeigte, so
daß am 13. Tage die Flechte vollkommen geschwunden und
die darunter liegende Haut gelbrot, weich, leicht in Falten ab¬
hebbar war. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, daß der
Erreger der Schuppenflechte auch zu der Art der Spirochäten
gehört. Unter neun Fällen hat Verf. sechsmal die Wasser¬
mann sehe Reaktion am zwölften Tage nach der Injektion
wiederholt, und hiervon erwies sich in zwei Fällen die vorhin
stark positive Reaktion vollkommen negativ, wogegen sie in
drei Fällen noch immer stark positiv war, während in einem
Falle — geschwürige Initialsklerose — mit positivem Spirochä¬
tenbefund bei noch negativem Wassermann, letzterer auch nach
der Injektion negativ blieb. K r.
Prof. Leonor Michaelis (Berlin): Ueber die Anwendung des
Ehrlich-Hataschen Syphilisheilmittels in neutraler Suspen¬
sion. (Berl. klin. Wochenschrift, 1910, No. 30.)
Sanitätsrat Dr. Wechselmann und Dr. Carl Lange (Berlin):
Ueber die Technik der Injektion des Dioxydiamidoarseno-
benzol. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 30.)
Nach der übereinstimmenden Erfahrung fast aller Beob¬
achter sind die Injektionen des Ehrlich-Hataschen Prä¬
No. 35.
parats, wenn sie nach der von Ehrlich und A11 gegebenen
Vorschrift geschehen, ziemlich schmerzhaft und von Infiltrat¬
bildung gefolgt. Um nun die Injektion weniger schmerzhaft
zu gestalten, bemühte sich Michaelis, einen Modus der
Injektion ausfindig zu machen, bei welchem die Flüssigkeit in
neutraler Reaktion zur Anwendung gelangt. Hierbei bleibt
das Dioxydiamidoarsenobenzol nicht in Lösung, sondern ist in
feiner gleichmäßiger Suspension verteilt. Die Vorschrift ist fol¬
gende : 0,3—0,6g des salzsaureii Salzes werden in einem breiten,
50 ccm fassenden Meßzylinder in 16 ccm sterilen, sehr heißen
Wassers gelöst, indem die Substanz in das Wasser geschüttet
und mit Hilfe eines dicken Glasstabs gut zerdrückt und zerrollt
wird. Nach eingetretener Lösung werden 3—5 ccm normaler
Natronlauge zugegeben, gut umgerührt, dazu 3 Tropfen einer
% proz. alkoholischen Lösung von Phenolphthalein, und dann
wird mit normaler Essigsäure bis zur völligen Entfärbung des
Phenolphthaleins zurücktitriert. Dabei entsteht eine feine,
gelbe Suspension des Präparates. Schließlich wird mit einigen
Tropfen Natronlauge eine leichte eben beginnende Rötung des
Phenolphthaleins wiederhergestellt, die ganze Suspension in
eine Schale ausgegossen und mit einer Spritze intramuskulär
auf beide Glutäen verteilt. Man muß dazu eine sehr dicke
Kanüle, etwa von der Stärke einer Pleurapunktionsnadel,
nehmen. Unmittelbar danach lasse man den Patienten aufstehen
und 2—3 Minuten die Oberschenkel energisch heben und
senken, zur schnellen Verteilung der Substanz. Dann ist ab¬
solute Bettruhe erforderlich. Diese Injektionen sind zunächst
absolut schmerzlos, ln einem Teil der Fälle treten jedoch nach
%—1 Tag Schmerzen an der Injektionsstelle, bisweilen auch ein
derberes Infiltrat auf.
Etwas anders verfahren jetzt nach mannigfachen Vorver¬
suchen Wechselmann und Lange. Das Präparat wird
im Mörser in 1—2 ccm käuflicher Natronlauge gelöst; durch
tropfenweisen Zusatz von Eisessig fällt ein feiner gelber
Schlamm aus, der mit 1—2 ccm Aqua destillata steril aufge¬
schwemmt und nun durch Zusatz von '/To Normalnatronlauge
oder 1 proz. Essigsäure je nach der Reaktion genauestens mit
Lakmuspapier neutralisiert wird. Von der Genauigkeit hängt
die Schmerzlosigkeit ab. Die Aufschwemmung wird in die
Spritze gesogen und nun unterhalb des Schulterblattes s u b k u-
t a n an vorher desinfizierter und mit Jodtinktur bestrichener
Stelle langsam injiziert. Manchmal tritt für einige Minuten ein
geringer Injektionsscbmerz ein, auch gelegentlich am zweiten
oder dritten Tag eine geringe Anschwellung. Irgendwelche
nennenswerten Beschwerden oder Temperaturerhöhungen sind
bei diesem Vorgehen bisher nicht beobachtet worden. Die
Wirkung des Mittels ist bei dieser Technik dieselbe wie bei der
früheren Art der Injektion. Diese Technik bietet auch den
Vorteil, daß man bei etwa auftretendem Arsenizismus das ge¬
setzte Depot leicht ausräumen kann. R. L.
Dr. Moriz Biach, Assistent der Abteilung für Syphilis und
Hautkranke der Wiener Allgemeinen Poliklinik: Psoriasis
vulgaris und Wassermannsche Reaktion. (Wiener med.
Wochenschrift, 1910, No. 20.)
Trotz der meist einfachen Differentialdiagnose zwischen
Lues und Psoriasis vulgaris begegnet man mitunter Fällen, bei
denen die Unterscheidung auf einige Schwierigkeiten stößt,
besonders dann, wenn der Verdacht besteht, daß beide Er¬
krankungen vorliegen; in neuerer Zeit gibt es jedoch fast nie
einen Fall, bei dem diese Schwierigkeit durch die Wasser¬
mann sehe Reaktion nicht völlig beseitigt werden könnte. Es
überraschte Verfasser daher, daß in einer jüngst erschienenen
Arbeit ( von Dr. Gjorgjevic und Paul Savnik, Wiener
klin. Wochenschrift, 1910, No. 17) die Brauchbarkeit der
Wassermann sehen Reaktion für die Differentialdiagnose
zwischen Lues und Psoriasis vulgaris in Abrede gestellt wurde.
Bei der großen praktischen Bedeutung dieser Frage sah Verf.
sich veranlaßt, das Material der Allgem. Wiener Poliklinik und
der Finger sehen Klinik in Wien in dieser Beziehung einer
Sichtung zu untersuchen. Im ganzen standeu B. die Resultate
von 40 Fällen in den verschiedensten Stadien der Psoriasis
zur Verfügung. Die Untersuchung führte zu folgenden Ergeb¬
nissen: völlig negativ reagierten 29 Fälle; nicht negativ reagier¬
ten 11 Fälle. Von diesen jedoch in der für Lues spezifischen
Dosis nur fünf komplett positiv; in diesen fünf Fällen war Lues
anamnestisch oder klinisch nachweisbar; inkomplett, aber stark
positiv reagierten zwei Fälle, einer davon hatte vor fünf Jahren
50 Injektionen erhalten; beim zweiten Falle fehlen Anhalts¬
punkte für Lues. Diese beiden Fälle wären diagnostisch als
Grenzfälle aufzufassen, bei denen man die Diagnose nach
keiner Richtung mit Sicherheit stellen kann. In vier Fällen
zeigte sich eine Spur oder schwache Hemmung, ein Ausfall,
der mit fast völliger Sicherheit gegen bestehende Lueserschei¬
nungen des Sekundärstadiums spricht, da hier, wenn nicht Be¬
handlungen vor kurzer Zeit vorausgegangen sind, in fast
100 pCt. komplett positive Reaktionen zu finden »ind. Im Gegen¬
satz zu den Resultaten von Gjorgjevic mußte Verfasser
No. 35.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
daher konstatieren, daß die Wassermann sehe Reaktion
eine wertvolle Unterstützung der klinischen Untersuchung
bildet und daß sie bei Verwendung der richtigen Technik in
der für Lues charakteristischen Stärke nie positiv reagiert,
wenn nicht gleichzeitig Lues besteht. K r.
Dr. Meirowsky (Cöln a. Rh.): Ueber einiache Methoden zur
schnellen Färbung lebender Spirochäten. (Münch, med.
Wochenschrift, No. 27.)
Wenn man sich aus Methylviolett (Grübler) und einigen
Tropfen physiologischer Kochsalzlösung einen Farbstoffbrei
herstellt und diesen in einen ulcerierten Primäraffekt oder in
ein ulceriertes Condylom kräftig einreibt, so enthält das nach
einigen Minuten entnommene Reizserum die Spirochäte pallida
und die Spirochäte refringens* mehr oder weniger intensiv
violett gefärbt. Die Intensität der Färbung hängt von der
Konzentration der angewendeten Farbstofflösung und von der
Intensität der Einreibung ab und ist erkennbar an der Färbung
der linoiden Hülle der roten Blutkörperchen. Diese muß tief¬
blauviolett gefärbt sein, wenn die Färbung gelungen ist. Im
Gegensatz zu der hellvioletten Färbung der Spirochäte pallida
ist die Refringens intensiv blauviolett tingiert. Nicht bei
allen Spirochäten iedoch bei einer gewissen Anzahl läßt sich
ein leicht ovales, blauviolett gefärbtes Körperchen nachweisen,
welches stets seitlich von der Mitte der Spirochäte gelegen ist.
— An Stelle des Methylvioletts kann man auch das Kristall¬
violett verwenden. Es genügt, einen Kristall dieses Farbstoffs
in die ulcerierte Papel oder in den ulcerierten Primäraffekt ein¬
zureiben. Dabei löst das Serum den Farbstoff. Die Spirochäten
sind sogleich gefärbt, allerdings wird bei dieser Methode nicht
so intensive Färbung erzielt wie bei dem ersten Verfahren.
Endlich kann man auch so Vorgehen, daß man das Reizserum
auf dem Objektträger mit einigen Körnchen Kristallviolett ver¬
reibt; man erhält auch dann die Spirochäten lebend gefärbt,
aber am schwächsten. Mit allen drei Methoden findet man die
Pallida häufig in Gruppen von sechs oder noch mehr Exem¬
plaren, die manchmal mit einander verflochten sind.
Dr. med. Paul Slrauss (Hannover): Zur Diagnose und Thera¬
pie der Stauungsdermatosen. (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 28.)
Auf Grund von Stauung in den Venen der unteren Extremi¬
täten treten bekanntlich Hauterkrankungen auf, die sich durch
ihre Vielgestaltigkeit auszeichnen. Solche Erkrankungen der
Haut können sowohl von den oberflächlichen Varicen, als auch
durch die tiefliegenden Krampfaderbildungen hervorgerufen
werden, sie treten bald als die frühesten und einzigen Merk¬
male der Varicenbildung überhaupt, bald im weiteren Verlauf
derselben als Begleiterscheinung fortgeschrittener Erkran¬
kungsformen. insbesondere des Ulcus cruris auf. Infolge langer
Dauer der Erkrankung bieten sie oft das Bild einer Kombina¬
tion der verschiedensten Formen von Hauterkrankung dar;
wird die Grundursache, die Stauung nicht erkannt, so ist oft
jede Behandlung nutzlos. Verfasser hatte Gelegenheit, einen
derartigen Fall zu beobachten. Es handelte sich um einen
34 jährigen Mann, bei dem das betreffende Hautleiden im Laufe
von 25 Jahren sich entwickelt hatte. An beiden Unterschenkeln
fanden sich an den Streckflächen und in der Wadengegend
mehrere über handtellergroße und zahlreiche kleinere bis
bohnengroße, scharf umschriebene, unregelmäßig vorsprin¬
gende Herde von graurotem, schmutzigem Aussehen; im Be¬
reich derselben fanden sich zahlreiche tiefe Wunden und Ver¬
letzungen, durch Kratzen infolge auälender Juckanfälle hervor¬
gebracht mit teils eitrig-grauem, teils frisch blutigem Grunde.
Die einzelnen Plaques fühlten sich äußerst derb, lederartig an.
Die zwischen den einzelnen Herden liegende Haut zeigte sich
unverändert, besonders war von oberflächlichen Varicenbildung
nichts zu sehen. Der Patient hatte schon alle möglichen Mittel,
die verschiedensten Kuren, ohne Erfolg versucht, zuletzt
Röntgenstrahlen. Verfasser stellte die Diagnose Lichen chroni¬
cus simplex (Vidal), bei dem wahrscheinlich Krampfader¬
bildungen im Gebiet der Venae femorales, also der Venen der
tieferen Gewebsschichten, zu einer mit Vermehrung und . Ver¬
dichtung des Gewebes einhergehenden Dermatose geführt
hatten, während die oberflächlichen Venen keine Veränderun¬
gen zeigten. Eine kühlende Salbe und darüber angelegter
Kompressionsverband linderte die Beschwerden sofort; die
weitere Behandlung bestand demnach nur in Anlegung von
Komnressionsverbänden in Verbindung mit Ichthyol, Teer etc.
zur Bekämpfung der Dermatose: dadurch wurde der Patient
im Laufe von acht Wochen vollständig geheilt. R. L.
Dr. med. Heilig (Straßburg i. E.): Zur Frage der Coupierung
der Gonorrhoe. (Medizin. Klinik, 1910, No. 25.)
Das von Lcsser angegebene Protargolprophylakticum
zur Verhütung beziehungsweise Coupierung der Gonorrhoe
wird in der ärztlichen Praxis ziemlich häufig angewendet.
535
Einige Tropfen einer Lösung von Protargol 2,0 und Glyzerin 8,0
werden möglichst bald nach suspektem Coitus vorsichtig in die
Urethra injiziert und dort kurze Zeit belassen. Das Verfahren
ist sehr schmerzhaft und hat öfters unangenehme Reizerschei¬
nungen zur Folge. In einer ziemlichen Zahl von Fällen hat
FI. bei nachweislich höchst suspektem Coitus das Ausbleiben
gonorrhoischer Erkrankung nach dieser prophylaktischen Be¬
handlung konstatieren können, in zwei Fällen auch da, wo an
der in Betracht kommenden Infektionsquelle Gonokokken ge¬
funden wurden. Trotzdem war Verfasser der objektive Wert
des Verfahrens aus verschiedenen Gründen schon längst
zweifelhaft, zumal immer die Möglichkeit offen blieb, daß in
den Fällen scheinbarer Coupierung, auch da, wo überhaupt
noch keine makroskopischen, klinischen Erscheinungen zu Tage
getreten waren, in Wirklichkeit durch irgendwelche zufälligen
Ursachen, zu denen Verfasser nicht zum geringen Teil die
Mictio post coitum rechnen zu dürfen glaubt, überhaupt keine
Infektion stattgefunden hatte. Ein Fall, den er kürzlich zu be¬
obachten Gelegenheit hatte, scheint Verfasser auf die Frage
nach dem Wei t der genannten prophylaktischen Methoden ein
besonders helles Licht zu werfen. Der Fall zeigt, das Gono¬
kokken in die Urethra übertragen werden können beziehungs¬
weise in ihr vorhanden sein können, ohne daß eine Gonorrhoe
zum Ausbruch kommt. Ein positiver Wert und damit eine
sichere Indikation der prophylaktischen beziehungsweise
coupierenden Methode wird daher erst erwiesen sein, wenn
statistisch gezeigt werden könnte, daß trotz Vorhandenseins von
Gonokokken und beginnenden Reizerscheinungen die Gonor¬
rhoe im klinischen Sinne häufiger nach Anwendung der ge¬
nannten Methode ausbleibt als ohne sie. K r.
Marinestabsarzt Dr. Hoffmann (Berlin): Anwendung des Uhlen-
huthschen Verfahrens zum Nachweis spärlicher Tuberkel¬
bacillen in Gewebsstiicken. (Deutsche med. Wochenschr..
1910, No. 28.)
Verfasser verwendet zum Nachweis von Tuberkelbacillen
in Gewebsstücken das Antiformin in folgender Weise: Man
zerquetscht ein linsen- bis erbsengroßes Stück des zu unter¬
suchenden Gewebes mit einer dicken Pinzette, verreibt es auf
dem Objektträger und läßt es leicht antrocknen. Darauf wird
der ganze Objektträger mit 15—20 proz. Antiforminlösung über¬
schichtet und bis zum nächsten Tage in den Brutschrank bei
37" gelegt. Das Gewebe ist dann aufgelöst, die Flüssigkeit
unter Bildung von Kristallen auf dem Objektträger eingetrock¬
net. Nun werden vorsichtig einige Tropfen Wasser hinzu¬
gefügt, in denen das Salz sich schnell auf löst, die überstehende
Flüssigkeit läßt man ganz langsam vom Rand ablaufen. Dann
wird der Objektträger mit Karbolfuchsin übergossen, man er¬
hitzt in der gewöhnlichen Weise, entfärbt mit salzsaurem oder
salpetersaurem Alkohol und färbt mit Methylenblau nach. Verf.
stellte in dieser Weise an einer Reihe meist von Meerschwein¬
chen. stammender tuberkulöser Gewebsstücke Untersuchungen
an, wobei zum Vergleich jedesmal ein anderes Gewebstück auf
den Objektträger ausgestrichen und ohne Antiforminbehand¬
lung in der gewöhnlichen Weise auf Tuberkelbacillen unter¬
sucht wurde. Während auf den gewöhnlichen Ausstrichen in
der Regel gar nicht oder nur nach langem Suchen Tuberkel¬
bacillen aufgefunden wurden, ließen sich in den mit Antiformin
behandelten Ausstrichen regelmäßig ziemlich zahlreiche
Tuberkelbacillen nachweisen.
Dr. Carl Hart (Schöneberg-Berlin): lieber sekundäre Infektion
mit Tuberkelbacillen und deren saprophytisches Wachstum
nebst einigen Schlußfolgerungen. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 27.)
Verfasser berichtet über einen bemerkenswerten Obduk¬
tionsbefund. Es handelte sich um einen 51 jährigen Mann, der
seit einigen Jahren hustete, aber erst kurz vor seinem Tode
stark abgemagert war. Klinisch wurde eine im Bereich des
rechten Mittellappens lokalisierte Dämpfung als Tuberkulose
aufgefaßt, weil der Patient einmal eine Hämoptoe hatte und sich
einige Male ganz vereinzelt im Sputum Tuberkelbacillen fanden.
Die Ophthalmoreaktion mit 2 proz. Tuberkulinlösung fiel nega¬
tiv, mit 4 proz. Lösung schwach positiv aus, die Kutanreaktion
nach v. Pirquet war ganz schwach positiv. Bei der Sektion
fand sich an Stelle der angenommenen Lungentuberkulose ein
Bronchialkrebs im Bereich des rechten Mittellappenhaupt¬
bronchus, ferner waren im unteren mittleren Teil des Ober¬
lappens die Bronchien teilweise recht beträchtlich erweitert
bei makroskopisch normaler Wandbeschaffenheit und mit
dickem, rahmigem Eiter erfüllt. Das Lungengewebe des Ober¬
lappens zeigte überall guten Luftgehalt und nirgends eine Spur
älterer oder frischer Herde, der Unterlappen verhielt sich in
jeder Hinsicht normal, ebenso die linke Lunge. Ein tuber¬
kulöser Herd wurde nirgends im Körper gefunden. Als Quelle
der im Sputum nachgewiesenen Tuberkelbacillen erwies sich
der bronchiektatische Eiter des rechten Oberlappens, obwohl
makroskopisch keine tuberkulöse Veränderung an den Bronchi-
536
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
ektasen zu erkennen war. Verfasser deutet den Fall so, daß
sich zu einem primären Bronchialkrebs eine sekundäre An¬
siedlung von Tuberkelbacillen in dem stagnierenden Sekret
der komprimierten Bronchien hinzugesellt hat. Offenbar können
die Tuberkelbacillen im menschlichen Körper unter gewissen
Verhältnissen ein saprophytisches Dasein führen, wobei mög¬
licherweise einfache Toxinresorption ohne spezifisch tuber¬
kulöse Gewebsveränderungen anaphylaktische Erscheinungen
auslöst. Auf diese Weise nur kann man nach Verfasser die
in dem Fall beobachtete schwache Ophthalmoreaktion und
kutane Reaktion erklären. Ferner weist Verfasser noch darauf
hin, daß die Feststellung einer extrem hohen Häufigkeit der
Tuberkulose im Kindesalter mittels der Tuberkulinreaktion
im Widerspruch steht zu seinen eigenen sorgfältigen anatomi¬
schen Untersuchungen, denn.es gelingt mit Annäherung an die
Pubertät immer seltener der Nachweis eines auch nur gering¬
fügigen tuberkulösen Herdes. Die Ergebnisse der Wiener
Schule (v. Pirquet, Hamburger) und von Schloss¬
mann sind vielleicht im Sinne einer Toxinresorption von
saprophytischen Tuberkelbacillenansiedlungen aus zu erklären.
Dr. A. Käppis (Magdeburg): Beitrag zur traumatischen Tuber¬
kulose. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 28.)
Ein 25 jähriger, bis dahin vollkommen gesunder resp.
arbeitsfähiger Dachdecker erlitt durch Sturz vom Dach eine
schwere komplizierte Fraktur des rechten Oberschenkels, wo¬
bei zunächst in der Wunde durch Mischinfektion mit Strepto-
und Staphylokokken sich eine schwere Eiterung entwickelte,
wozu später ein eitriger Erguß im rechten Kniegelenk sowie im
Knochen eine Osteomyelitis mit Sequesterbildung hinzutrat,
Komplikationen, welche im Laufe der nächsten Monate eine
Reihe von Eingriffen erforderlich machten. Nach einem dieser
Eingriffe gelangte Granulationsgewebe aus dem Bereich der
Wundhöhle zur Untersuchung und erwies sich als tuberkulös.
Da der Zustand immer bedrohlicher wurde, die Eitersekretion
nicht nachließ und die Frakturstelle nicht heilte, wurde schlie߬
lich acht Monate nach der Verletzung die Amputation des
Femur im Schenkelhälse vorgenommen. Infolge einer dabei
durch Abgleiten des Schlauches auftretenden Blutung starb der
vorher schon sehr geschwächte Patient unmittelbar nach der
Amputation. Die Sektion ergab in den Lungenspitzen alte und
frische tuberkulöse Herde, im Darm ein frisches tuberkulöses
Geschwür; außerdem in der amputierten Extremität eine aus¬
gedehnte Weichteiltuberkulose. Verfasser nimmt an, daß hier
von einem latenten tuberkulösen Herd aus der schwer ver¬
letzte rechte Oberschenkel sekundär mit Tuberkulose infiziert
wurde und daß später infolge der Entkräftung des Patienten
die alte Lungenspitzentuberkulose wieder aufflackerte und
schließlich noch ein tuberkulöses Darmgeschwür hinzutrat.
Privatdozent Dr. E. v. Zebrowski (Kiew): Uebcr (lie sub¬
kutanen Lymphdrüsen des Thorax bei Lungentuberkulose,
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 28.)
Verfasser faßt die von ihm an einem großen Material ge¬
machten Beobachtungen in folgenden Sätzen zusammen: 1. An¬
nähernd in 20 pCt. der Fälle von Lungentuberkulose bei Er¬
wachsenen gelangt eine Vergrößerung der im vierten und fünf¬
ten Intercostalraum in der Linea axillaris media gelegenen
unteren seitlichen Thoraxlymphdrüsen (Lymphoglandulae
thoracales laterales inferiores) zur Beobachtung. 2. Bei Lungen¬
tuberkulose ist die Vergrößerung dieser Drüsen durch spezi¬
fische Veränderungen bedingt, die in ihnen durch den aus dem
Innern des Thorax verschleppten Tuberkelbacillus hervor¬
gerufen werden. 3. Bei Personen ohne Anzeichen einer Er¬
krankung der Lungen oder der Pleura wird eine Vergrößerung
der unteren seitlichen Thoraxdrüsen in 2,58 pCt. der Fälle an¬
getroffen, sie kann durch verschiedene Erkrankungen folgen¬
der Organe verursacht sein a) der Hautdecken des Thorax,
b) der oberen Extremität, c) der Brustdrüse, d) der Thorax¬
wand, e) der Brusthöhlenorgane, nämlich, Bronchiallymph-
drüsen, Organe des hinteren Mediastinums, des Oesophagus
und der um denselben gelegenen Drüsen. 4. Die Vergrößerung
der Glandulae thoracales laterales inferiores wird in der
Mehrzahl der Fälle auf der mit der betroffenen Lunge gleich¬
namigen Seite angetroffen. 5. In vereinzelten Fällen von
Lungentuberkulose, besonders bei latenten Formen mit un¬
klaren Spitzensymptomen, kann die Vergrößerung der unteren
seitlichen Thoraxlymphdrüsen bis zu einem gewissen Grade
zur Erkennung der Erkrankung beitragen, indem sie die Auf¬
merksamkeit auf eine bestimmte Lungenspitze lenkt. R. L.
H. Thiemann: Chirurgische Tuberkulose der Mesenterial- und
Bronchialdrüsen. (Archiv für klin. Chirurgie, Bd. 91, H. 2.)
Unter 1000, während der letzten 10 Jahre in der chirurgi¬
schen Universitätsklinik Jena beobachteten Fällen «von chirur¬
gischer Tuberkulose fand sich sechsmal eine primäre, isolierte
Tuberkulose der mesenterialen Lymphdrüsen. Im ganzen fand
No. 35,
T h. 26 einschlägige Fälle unter dem eigenen Material der
Klinik, abgesehen von solchen Fällen, in welchen diese tuber¬
kulösen Drüsen einen rein zufälligen Nebenbefund darstellen.
Die überwiegende Mehrzahl der Fälle betrifft die lleocoecal-
gegend, in welcher auch die tuberkulösen Darmgeschwüre am
häufigsten ihren Sitz haben. Entsprechend dem anatomischen
Verlauf der vom Coecum und unterstem Ileum ausgehenden
Lymphbahnen finden sich die oft recht mächtige Tumoren dar¬
stellenden Drüsenpakete in einem Dreieck, dessen Basis das
Coecum und das unterste Ileum bildet und dessen Spitze am
zweiten Lendenwirbel liegt. Je weiter der Prozeß vorge¬
schritten ist, desto mehr verwischt sich das typische Bild. Im
Anfang machen derartige Drüsenschwellungen wenig klinische
Symptome. Mit dem zunehmenden Wachstum kommt es aber
zu Verwachsungen mit den Därmen, Strangbildungen, Absce-
dierungen etc. und dementsprechend zu schweren Passage¬
störungen bis zum vollkommenen Bilde des Ileus. Verstopfung,
Durchfall, Abmagerung, Erbrechen, Fieber, Anämie sind nicht
selten. Meist ist ein Turner in der Tiefe des Abdomens fühl¬
bar, bei verkästen und verkalkten Drüsen ist er sogar durch
das Röntgenbild nachzuweisen. In der Mehrzahl der Fälle
wurde aber die richtige Dignose erst intra operationem ge¬
stellt. Die operative Behandlung ist unbedingt geboten bei
Ileussymptomen und gut abgegrenzten Drüsentumoren, nicht
aber bei disseminierter Drüsentuberkulose, welche überdies
unter günstigen Allgemeinbedingungen spontan ausheilen kann.
Von 15 Fällen isolierter Ileocoecaltuberkuose sind 13 durch die
Operation geheilt, von acht Fällen mit gleichzeitig ausgeführten,
zum Teil recht beträchtlichen Darmresektionen heilten sechs.
Die operative Mortalität beträgt 15,4 pCt bei allen 26 Fällen.
In zwei Fällen konnte Dauerheilung, in zwei Heilung nach
einem Jahr bezw. 2V? Jahren konstatiert werden.
Elf Krankengeschichten werden mitgeteilt.. Im Anschlüsse
hieran berichtet T h. über eine mit Erfolg durch Operation vom
Lungenhilus entfernte verkäste Bronchialdrüse. Es handelte
sich um eine nach tuberkulösem Empyem zurückgebliebene
Eiterfistel am rechten Stemalrand, welche erst nach Entfernung
einer taubeneigroßen am Lungenhilus sitzenden verkästen
Drüse zur Heilung gebracht werden könnte. Sie saß 6—7 cm
von der vorderen Brustwand entfernt. Völlige Heilung.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Ferdinand Winkler: Versuche über die Beeinflussung des
intrakraniellen Volumens durch einige Arzneimittel. Aus
dem Laboratorium von Prof. Dr. v. Basch. (Wiener med.
Wochenschrift, 1910, No. 25—26.)
Verfasser registrierte das Gehirnvolumen bei kurarisier-
ten Hunden nach der von v. Z e i s s 1 angewandten Methodik.
Die Zunahme des Volumens des Schädelinhaltes kann mehr¬
fache Ursachen haben; entweder wird der arterielle Zufluß
vermehrt oder der venöse' Abfluß vermindert oder der Inhalt
der Gehirnventrikel nimmt zu oder es tritt eine Flüssigkeits-
durchtränkung des ganzen Gehirns ein. Von Arzneimitteln
kamen zunächst jene Substanzen zur Verwendung, von denen
die tägliche Erfahrung lehrt, daß sie bei Kopfschmerzen günstig
einwirken, also vor allem Antipyretica. Ferner wurden
einige Vasomotorenmittel untersucht. Es zeigte sich, daß z. B.
nach Injektion von D i u r e t i n das Gehirnvolumen stark an-
steigt. Die Messung der Druckverhältnisse und die Berech¬
nung des H ü r t h 1 e sehen Quotienten zeigt, daß der Quotient
vermindert ist, daß sich also die Gehirngefäße erweitert haben.
Ergotin und Cotarnin bewirken zuerst eine geringe
Verengerung der Gehirngefäße, auf welche dann eine Er¬
weiterung folgt. Auch die Phtalsäure bewirkt eine Vergröße¬
rung des Hirnvolumens, die auf Gefäßerweiterung zurückzu¬
führen ist.
Aus den Untersuchungen geht hervor, daß jene Sub¬
stanzen, die bei Kopfschmerzen analgetisch wirken, das Gehirn¬
volumen vermehren; ferner ergibt sich, daß solche Mittel, die
das Hirnvolumen steigern, aber bisher noch nicht als Kopf¬
schmerzmittel verwandt wurden, in dieser Richtung zu ver¬
suchen sind.
Dr. A. Teubert (Hamburg): Ueber Arsentriferrin. (Beil. klin.
Wochenschrift, 1910, No. 28.)
Das Arsentriferrin wurde bei der Behandlung blutarmer
und bleic.hsüchtiger Patienten mit gutem Erfolg angewandt.
Was die Wirkungsweise des Mittels im allgemeinen betrifft,
so ließ sich in allen Fällen eine Zunahme des Körpergewichtes
feststellen, die zwischen ein bis fünf Pfund in der Woche
schwankte.
Es gelang sogar in mehreren Fällen bei Tuberkulose den
Kräfteverfall durch Anwendung des Arsentriferrins für einige
Zeit zum Stillstand zu bringen, ein Beweis dafür, welche stark
roborierende Wirkung dem Mittel zukommt. Die ausge¬
sprochen anregende Wirkung auf die Blutbildung und der
Ansatz von Körpereiweiß und Fett ließ sich im besonderen
bei einer Reihe von Rekonvaleszenten nach schweren Krank-
No. 35.
THERAPEUTISCHE HUNDSCHAU 1910.
537
heilen beobachten. Ferner schien hei juckenden Hautkrank¬
heiten und hei skrofulösen Hautaffektionen mit Beteiligung des
lymphatischen Apparates der Rückgang der Drüsenschwellun¬
gen und der lästigen Hautempfindungen unter der Einwirkung
des Medikamentes beschleunigt werden.
Bei weitem die auffallendsten Erfolge zeigten sich aber
bei der Behandlung solcher Nervenleiden, bei denen anatomisch
nachweisbare, schwere Krankheitsprozesse des Nervensytems
nicht Vorlagen, so bei Chorea minor, Neurasthenie und den ver¬
wandten nervösen Erschöpfungszuständen, ganz besonders aber
bei der Hysterie.
Nach den Erfahrungen des Verfassers vereint das Arsen-
triferrin die therapeutischen Wirkungen des Eisens und Arsens
in einer besonders zweckmäßigen Form, es schmeckt ange¬
nehm, wird gern genommen und übt selbst bei schweren Fällen
von Chlorose mit lästigen, subjektiven Mägenempfindungen,
in denen andere Präparate schon nach wenigen Tagen Druck,
Schmerz und seihst Erbrechen auslösten, keine Reizwirkung
auf den Magen aus.
Bei der Behandlung von Schwächezuständen nach Krank¬
heiten, bei Anämie und Chlorose, bei Hautkrankheiten und Er¬
krankungen des lymphatischen Apparates und besonders bei
funktionellen Nervenerkrankungen verdient das Arsentriferrin
bei seiner stark hausierenden und roborierenden Wirkungs¬
weise durchaus Beachtung. —1.
Privatdozent Dr. Naegeli: Ueber verkannte Leukämien. (Korre-
spondeuzblati für Schweizer Aerzte, 1910, No. 3.)
Die Leukämie gilt im allgemeinen für ein leicht erkenn¬
bares Leiden, charakterisiert durch mächtige Vergrößerungen
von Milz- und Lymphdrüsen und durch einen typischen Blut¬
befund mit starker Vermehrung der weißen Blutkörperchen.
Dennoch werden viele Fälle nicht erkannt, und zwar besonders
die akut verlaufenden. Dies erklärt sich daraus, daß in solchen
Erkrankungen jede palpable Vergrößerung von Lymphknoten
und Milz fehlen kann und auch der Blutbefund oft keine starke
Vermehrung der Leukocyten ergibt. Man muß daher die Auf¬
merksamkeit der Aerzte auf diese vom gewöhnlichen Bilde
abweichenden Fälle lenken und zeigen, bei welchen Sym-
ptomenkomplexen an Leukämie gedacht werden muß. Seit
längerer Zeit wissen wir, daß manche akute Leukämie sich
unter dem Bilde einer hämorrhagischen Diathese verbergen,
zumeist mit hohem Fieber verlaufen kann und dann gewöhnlich
als Morbus maculosus Werlhoffii oder Skorbut und Purpura
fulminans bezeichnet werden. Gerade in diesen Fällen fehlt
meist jede Vergrößerung von Milz und Lymphknoten, und auch
die Leukocytenzahl ist sehr oft nur mäßig vermehrt. Die Er¬
kennung der Leukämie ist möglich durch die genauere Ana¬
lyse der weißen Blutzellen, von denen gewöhnlich die Mehr¬
zahl aus pathologischen Formen (dominierend große patho¬
logische Lymphocyten oder hoher Prozentsatz kleiner Lympho-
cyten, 90 und mehr pCt., oder bei der myeloischen akuten
Form sehr zahlreiche Myelocyten und Myeloblasten) zusammen¬
gesetzt wird. — Bisher nicht bekannt war, daß auch bei chro¬
nischer lymphatischer Leukämie ohne jede Lymphknoten-
und Milzschwellung (20—30,000 weiße Zellen mit 75—80 pCt.
Lymphocyten) eine regionäre hämorrhagische Diathese
(Nierenblutungen wegen leukämischer Nierenbeckeninfiltrate)
als Frühsymptom Vorkommen kann. Eine zweite Gruppe
solcher vielfach verkannten Leukämien verrät sich durch
gangränös-ulceröse Prozesse der Mundhöhle. In einer dritten
Gruppe von Leukämien dominiert die Anämie und Kachexie.
In einer vierten Kategorie verkannter Leukämien lagen iso¬
lierte, nicht allgemeine Lymphknotenschwellimgen vor (Cer-
vical- und Mediastinaldrüsen) oder isolierter mäßig großer
oder großer Milztumor ohne Lymphknotenvergrößerung. — Be¬
sonderes Interesse beansprucht folgender Fall, in welchem das
E hl-1 i c h sehe Arsenpräparat Arsacetin Wunder tat. Es
handelt sich um einen 40 jährigen Mann, dessen Leiden lange
Monate nicht diagnostizierbar blieb. Es bestanden täglich
Fieber bis über 39,0". dann Schweiße, immer mehr fortschrei¬
tende Kachexie. Im Blute starke neutrophile Leukocytose, um
20 000, so daß immer an Infektion oder Eiterung gedacht wurde.
Die sorgfältigsten Untersuchungen konnten die Natur des Pro¬
zesses nicht feststellen. Sechs Monate nach Beginn des Fiebers
wurde die Diagnose Leberabsceß gestellt. Die Operation er¬
gab völlig normale Leber, aber ausgedehnte retroperitoneale
Lymphknotenschwellungen. Im Verein mit den klinischen
Erscheinungen Fieber, Schweiße. Abmagerung, Kachexie,
Leukocytose und Diazoreaktion ließ sich jetzt die Diagnose
malignes Granulom der Lymphdrüsen (Lymphosarkom im
Sinne V i r c h o w s) stellen. Nach der Operation verfiel der
Patient immer mehr, konnte nicht mehr stehen, die Fieber
erreichten täglich 39" und mehr und der Kranke wurde von
allen Aerzten aufgegeben. Der Exitus schien nahe bevor¬
stehend. Von Prof. Krönlein aufgefordert, jetzt die Be¬
handlung zu übernehmen, verordnete -Verl das neue Ehr¬
lich sehe Arsenpräparat Arsacetin, viermal täglich 0,05, weil
dieses Präparat sich gegen parasitäre Infektionen als sein-
wirksam erwiesen hatte, und das maligne Granulom unzweifel¬
haft eine Infektionskrankheit mit noch nicht bekanntem Er¬
rege]- ist. Die Wirkung war geradezu wunderbar. Nach zwei
Tagen völlige Entfieberung, die eine dauernde geblieben ist.
Rasche Erholung. Rapide Zunahme des Körpergewichts, in
2 ‘,2 Monaten 30 Pfund, und vollkommene Heilung. Leukocytose
verschwunden. Patient erklärt, jetzt, 4U Monate nach der
Entfieberung, sich gesünder als je zuvor zu fühlen. Gewichts¬
zunahme 36 Pfund, das Körpergewicht betrug damit sechs Pfund
mehr als vor Beginn des Leidens. K r.
Dr. H. Grau (Düsseldorf): Gelatine und Blutgerinnung. (Deut¬
sche med. Wochenschrift, 1910, No. 27.)
Die in der Literatur sich findenden Angaben über den Ein¬
fluß der subkutan injizierten Gelatine auf die Blutgerinnung
widersprechen einander. Verfasser stellte deshalb neue Ver¬
suche über diese Frage an, und zwar an 10 geeigneten Per¬
sonen. Er bestimmte bei diesen die Gerinnungszeit mittels der
Methode von Bürker unter gewöhnlichen Verhältnissen und
nach Injektion von Gelatine; unter gewöhnlichen Verhältnissen
beträgt die durchschnittliche Gerinnungszeit beim Menschen
4V 2 Minuten. Bei den Versuchen wurde die sterile 10 proz.
Merck sehe Gelatine verwendet und in einer Menge von 40
resp. 30 und 25 ccm subkutan injiziert. Dann wurde die Ge r
rinnungszeit zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Injektion
bestimmt. Das Ergebnis sämtlicher Versuche war. daß durch¬
schnittlich 2—4 Stunden nach der Injektion der Gelatine eine
Erhöhung der Gerinnungsfähigkeit einsetzte, die von Stunde zu
Stunde stärker wurde und etwa 10—12 Stunden nach der In¬
jektion ihren Höhepunkt erreichte. Von da nimmt sie in der¬
selben Weise allmählich ah und erreicht in 24 Stunden dabei
ihren normalen Wert. Meist ging die Gerinnungszeit von
4 ] /a Minuten auf etwa 1V 2 Minuten herunter; in einzelnen Ver¬
suchen betrug die Senkung sogar 85 pCt. des normalen Wertes.
Diese Erhöhung der Gerinnungsfähigkeit nach Gelatineinjek¬
tion wurde in 9 von 10 Fällen beobachtet. R. L.
Dr. F. Stringari: Randwurinkur mit Filmaron. („L’Italia Sani-
taria“, 1910, VI, No. 6.)
Seit vier bis fünf Jahren gebrauchte Verfasser für Band¬
wurmkuren das von der Firma C. F. Böhringer & Söhne
in Mannheim-Waldhof hergestellte Filmaron und lernte es
als ein ausgezeichnetes und zuverlässiges Bandwurmmittel
kennen, das leicht einzunehmen, von prompter Wirkung und
somit allen anderen bis jetzt angewandten Mitteln überlegen
ist. Mit dem Präparat, das in drei Gelatinekapseln enthalten
ist, die in der üblichen Weise auf nüchternen Magen genommen
werden und denen eine Stunde später ein Abführmittel (Rici-
nusöl) nachgeschickt wird, wird innerhalb von nur drei Stunden
stets die Abtreibung des Bandwurmes mit Kopf beobachtet und
so die völlige Heilung des Patienten erzielt. Unerwünschte
Nebenerscheinungen hat Verfasser nie beobachtet. L.
Dr. Umberto Silva, Assistenzarzt am Ospedale Civile in Padua:
Experimentelle Beobachtungen mit Diplosal. („11 Cesalpino"
[Arezzo] No. 6, 1910.)
Verfasser berichtet über experimentelle Untersuchungen,
welche die günstigen Resorptionsverhältnisse und die langsame
Ausscheidung des Diplosals bestätigen. Ferner stellte er fest,
daß der Harn nach dem Diplosalgebrauch in keiner Weise ver¬
ändert wird, ein Beweis dafür, daß das Präparat keine Reiz¬
wirkung auf die Nieren ausübt. Dagegen hat das Diplosal
eine ausgesprochene harntreibende Wirkung, indem es ohne
Brennen und stärkeren Harndrang eine leichte Diurese (Ver¬
mehrung der 24 ständigen Harnmenge um zirka 100 ccm) her¬
vorruft. Silva hat auch die therapeutischen Wirkungen des
Diplosals geprüft und erzielte in allen Fällen von Gelenk- und
Muskelrheumatismus (akute Formen) Heilung; er illustriert
die prompte und von Nebenwirkungen freie Wirkung des Prä¬
parates durch die genauen Angaben von 12 Krankengeschich¬
ten. Der Autor schließt seine Beobachtungen folgendermaßen:
..Das neue Salicylpräparat ersetzt aufs beste die anderen vom
Praktiker gewöhnlich gewählten Derivate, da es in bezug auf
Dosierung und Wirkung überlegene Eigenschaften aufweist.“
B.
Dr. Gürner (Dresden): Ueber die Anwendung von Radium bei
rheumatischen Erkrankungen. (Münch, med. Wochensehr.,
1910, No. 27.)
Verfasser berichtet aus dem Stadtkränkenhause Dresden-
j Friedrichstadt über die von ihm mit der Radiumbehandlung
j hei rheumatischen Erkrankungen gemachten Erfahrungen. Zur
Verwendung kamen sowohl Präparate, deren Wirkung auf
ihrem Gehalt an Emanation beruht, wie auch Präparate, deren
Gehalt an radioaktiver Substanz selbst die Heilwirkung be¬
dingen soll. Von Präparaten der ersten Art wurden versucht:
538
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 35.
das Radiogenwasser aus den Emanationen der Radiogengesell¬
schaft in Charlottenburg zu Trink- und Badekuren, ferner die
Keil sehen Inhalations- und Badetabletten zu Inhalations- und
Badekuren. Als Vertreter der zweiten Gruppe wurden’ ver¬
wendet: 1. Uranpecherzrückstände aus den Gruben von
Joachimsthal, 2. ebensolche aus den Kgl. sächsischen Blau¬
farbenwerken zu Niederscldeina, 3. feingestampftes Joachims-
thaler Uranpecherz in Substanz, 4. eine von Leopold
Marcus (Berlin) in den Handel gebrachte radioaktive
Kompresse. In erster Linie wurden subakute und chronische
Rheumatismen der neuen Therapie unterworfen. Außer Rheuma¬
tismen kamen eine Anzahl von chronischen Ischiasfällen zur
Behandlung. Was nun die Resultate anlangt, so hat Verfasser
eine gewisse Enttäuschung erlebt. Bei Trinkkuren mit
Radiogenwasser, welche gewöhnlich sechs Wochen und länger
durchgeführt wurden (die tägliche Dosis betrug bis zu 30 000
Einheiten), wurden niemals solche Wendungen im Krank¬
heitsverlauf beobachtet, die man als einigermaßen einwands¬
freie Erfolge hätte auffasseu können. Der häufig wechselnde
Verlauf der subakuten Polyarthritis blieb unverändert be¬
stehen. Irgend welche Schädigungen durch die Nachkur wur¬
den auch nicht beobachtet. Ein wenig günstiger waren vielleicht
die Resultate bei Anwendung von Radiogenbädern. Einem
Wannenbad wurden 100 000 indizierte Emanationseinheiten aus
den Badeemanatoren der Radiogengesellschaft oder zwei bis
vier Keil sehe Badetabletten zugesetzt. Irgendwelche be¬
weisende Heilerfolge kamen aber auch bei den Radiogenbade-
kureu nicht zur Beobachtung. — Daß die natürlichen radioak¬
tiven Heilquellen eine viel günstigere Wirkung ausüben, ist
nach Verfasser einmal eine Folge ihres größeren Gehalts an
radioaktiver Kraft, andererseits dadurch zu erklären, daß die
Baderäume selbst mit Emanation gesättigt sind, welche mit der
Luft eingeatmet wird. Dies war für Verfasser die Veran¬
lassung, bei einer größeren Anzahl von Rheumatikern Inhala¬
tionskuren mit Keil sehen Inhalationstabletten zu versuchen.
Aber auch hierbei w'urden keine Erfolge erzielt, die man der
Therapie als solcher hätte zuschreiben können, wenn auch die
Erfolge um ein geringes besser schienen als bei Trinkkuren.
Endlich stellte Verfasser noch Versuche mit Säckchen an, in
welche radioaktive feste Substanzen (s. oben) eingenäht wur¬
den; die Säckchen wurden dann für eine Anzahl Wochen mög¬
lichst anschmiegend auf die erkrankten Gelenke gelegt. Als Er¬
satz dafür wurden später die radioaktiven Kompressen von
L. Marcus verwendet. Diese Kompressen bestanden aus
einem Gewebe, welches mit einer hochwertigen radioaktiven
mineralischen Substanz imprägniert ist. Dieses Gewebe ist mit
einer dünnen durchlässigen Stoffschicht überzogen und läßt
sich auch bei ambulanter Behandlung beauem dauernd auf
den erkrankten Gelenken tragen. Die Prüfung einer solchen
Kompresse von 18X9 Fläche ergab einen Voltabfall von
28 000 V. im Eugler-Sieveking sehen Apparat. Mittels
dieser Art von Radiotherapie hat Verfasser bisher die relativ
besten Erfolge erzielt, so daß hier vielleicht eine spezifische
Wirkung vorliegt.
Privatdozent Dr. phil. C. Ramsauer und Dr. med. Albert Caan
(Heii'lberg): Ueber Radiumausscheidung im Urin. (Münch,
med. Wochenschrift, 1910, No. 27.)
Bei der Einverleibung von radioaktiven Substanzen in den
Organismus zu therapeutischen Zwecken ist es auch von Wich¬
tigkeit zu wissen, was aus diesem radioaktiven Material wird,
d. h. auf welchem Wege und in welcher Zeit es aus dem Körper
ausgeschieden wird. Die Verfasser untersuchten diese Frage
gemeinsam, indem sie bestimmten, eine wie große Menge radio¬
aktiver Substanz die mit radioaktiven Substanzen behandelten
Patienten im Urin ausscheiden. Der physikalische Teil der
Untersuchung wurde im radiologischen Institut, der medizi¬
nische Teil im Institut für experimentelle Krebsforschung zu
Heidelberg ausgeführt. Zunächst untersuchten die Verfasser,
ob nach dem Genuß von emanationshaltigem Wasser Emana¬
tion im Urin nachzuweisen ist; sie kamen dabei zu einem posi¬
tiven Resultat. Allerdings sind die gefundenen Werte sehr
klein. Bei zwei Patienten, welche auf mehrere Wochen verteilt
im ganzen 1800 resp. 1600 ccm Radiogenwasser (Voltabfall pro
Liter und Stunde 1 300 000) erhielten, waren die Aktivitätswerte
des nach der Behandlung entleerten Urins 91 resp. 68 Voltabfall
pro Liter und Stunde. Von größerer Wichtigkeit ist die Frage
nach dem Verbleib von festen, direkt injizierten radioaktiven
Substanzen (Radiumpräparaten). Bei einem Patienten, dem
38 ccm Radiogenol eingespritzt worden war, wurde eine Aktivi¬
tät des Urins von 360 Voltabfall pro Liter und Stunde fest¬
gestellt, was eine entsprechende Beladung des gesunden Blutes
mit Emanation und eine ständige Ablagerung der Emanations¬
zerfallprodukte in allen Gefäßen bedeutet. Hierbei hatte die
Urinentnahme zirka zwei Monate nach der letzten Einspritzung
stattgefunden. Die Verfasser untersuchten ferner bei einer
Anzahl von Patienten nach der Injektion von radioaktiven Sub¬
stanzen den Gehalt größerer Mengen von Urin an fester radio¬
aktiver Substanz im durch Eindampfen und Verwaschen er¬
haltenen Trockenrückstand. Die injizierten radioaktiven Sub¬
stanzen waren: Radiogenol (Charlottenburger Radiogen¬
gesellschaft) in Tuben, welche durchschnittlich 2 ccm einer
2proz. Emulsion von Radiumbaryumcarbonat in Paraffinum
liquidum mit Bismut. subnitricum als Schwemmittel enthiel¬
ten. Die Aktivität des Präparats wurde auf 10 500 Voltabfall
pro Trockenrückstand aus 1 ccm Radiogenol bestimmt. Hoch¬
wertiges Radiol (Dr. Aschoff, Bad Kreuznach); Aktivität
entsprechend gemessen 3000 Voltabfall pro Stunde. Bei den
Patienten wurde die Aktivität des gesamten veraschten Rück¬
standes des Urins gemessen, indem der Voltabfall pro Stunde
bestimmt wurde. Die erhaltenen Werte waren: 7—70,5 Volt¬
abfall pro Stunde. Diese Zahlen entsprechen aber nicht der
wirklichen Radioaktivität der untersuchten Substanz, sondern
sind erheblich zu klein, da bei der Bestimmung ein größerer
Teil der ausgesandten X-Strahlen durch Absorption in dem
Präparat von vornherein nicht zur Messung gelangt. Durch
eine besondere Untersuchung ließ sich dieser nicht zur Wirkung
kommende Teil der Radioaktivität annähernd bestimmen. Die
wirkliche Aktivität beträgt z. B. statt 16,9 V. 127 V-, statt 70,5 V.
244 V. usw., es kommt wesentlich auf die Schichtdicke der auf
einer Fläche ausgebreiteten zur Untersuchung gelangenden
Substanz an. Auf Grund der 30 ermittelten Zahlen sowie der
bekannten physikalischen Konstanten des Radiums lassen sich
auch die Mengen des wirklich einverleibten Radiums und die
Mengen des pro Tag ausgeschiedenen Radiums berechnen. Die
Mengen sind so klein, daß sie in Einheiten von 10— 9 ange¬
geben werden müssen. Bei 1600 10—" einverleibtem Radium
betrug z. B. die Menge des im Urin pro Tag ausgeschiedenen
Radiums 0,96 10—", bei 6640 10—" einverleibtem Radium die
pro Tag ausgeschiedene Menge 0.66 10—". Die Gesamtausschei¬
dung im Urin würde also in absehbarer Zeit erfolgen, in dem
einen Fall in 1670, in dem anderen Falle in 10 060 Tagen, wobei
von der Ausscheidung durch Schweiß, Ausatmungsluft und
Fäces, ganz abgesehen wird, die Zahlen sind also als Maximal¬
zahlen anzusehen. Jedenfalls findet eine fortwährende Aus¬
scheidung radioaktiver Substanz im Urin statt und zwar in
solcher Größe, daß sie bei gleich bleibender Stärke imstande
ist, das Gesamtmaterial der Radiumdepots in absehbarer Zeit
aus dem Körper zu entfernen. Außerdem findet während dieser
Zeit eine fortwährende Emanationsentwicklung statt, so daß
der Urin und das Blut der Patienten, denen ein Radiumpräparat
injiziert ist, beständig mit Emanation beladen ist.
Rhaban Liertz: Die radiographische Darstellung des Wurmfort¬
satzes. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 27.)
Verfasser gelang es in verschiedenen Fällen, den Wurm¬
fortsatz nach Eingabe von Wismutbrei im Röntgenbild zur Dar¬
stellung zu bringen. Es konnte in einem Falle radiographisch
auch eine habituelle Darmträgheit nachgewiesen werden. Dabei
blieb der Wurmfortsatz noch ganz mit Wismut gefüllt, als das
Wismut aus dem distalen Abschnitt des Coecum schon längst
verschwunden war. Dies wurde bei verschiedenen Aufnahmen
immer wieder gefunden. Die habituelle Retention von Darm¬
inhalt in der Appendix schien somit noch stärker zu sein als
die im Coecum. Dies stimmt auch mit der Erfahrung überein,
daß häufig von Personen, die an Eoityphlitis erkrankt sind,
anamnestisch -eine konstitutionelle Darmträgheit angegeben
wird. Verfasser kommt auf Grund dieses und anderer Befunde,
sowie im Hinblick auf die Ergebnisse von Aschoff zu dem
Schluß, daß der primäre und wesentliche Faktor bei der Ent¬
stehung der Epityphiitis durch mechanische Verhältnisse, be¬
sonders Lageanomalien des Wurmfortsatzes gebildet wird; erst
an zweite!- Stelle, sowohl zeitlich als auch an Wichtigkeit,
kommt die bakterielle Infektion. Auf die Art der Bakterien
kommt es dabei weniger an, jedenfalls liegt kein Grund vor,
einen spezifischen Erreger anzunehmen. R. L.
Dr. Adolf Schnee: ..Elasto-Massage.“ Eine neue Massage-
Methode. (Med. Klinik, 1910, No. 30 und 31.)
Der anerkannte therapeutische Wert der Massage braucht
nicht besonders betont zu werden. — Bisher ist es nur gelungen
die Vibrationsmassage durch zweckmäßig konstruierte Vibra¬
toren mit Hand- oder elektrischem Betriebe auszuüben, — alle
anderen Manipulationen wie Streichung, Reibung, Knetung und
Klopfung blieben die unbestrittene Domäne der manuellen
Massage. Verfasser ist es nach mehrjährigen Bemühungen ge¬
lungen, einen Apparat zu konstruieren, der die Ausführung
allgemeiner Streich-, Reib-, Knet- und Klopfmassagen nicht nur
in einwandfreier Weise ermöglicht, sondern in vielen Fällen
bezüglich der Wirkung die Handmassage sogar bei weitem
übertrifft. Dieser Apparat. ,.E 1 a s t o" genannt, besteht
aus einem massiven Handgriff, an dem die eigentliche
Elasto-Massagevorrichtung abnehmbar befestigt ist. Die Elasto-
Massagevorrichtung wird von einem Metallgehäuse gebildet das
siebartig durchlöchert ist- In der Oeffnung befindet sich in
besonderer Führung ein elastisch federnder, an seinem unteren
Ende gleichmäßig abgerundeter, ganz glatter Metallstempel. Je
No. 35.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
539
nachdem bei.Vornahme der Massage auf Streichung und
Reibung oder auf Knetung mehr Gewicht gelegt wird, wählt
man den „Elasto 11“ mit zahlreichen dünnen oder den
„Elasto III“ mit wenigeren dicken Stempeln. Für Gesichts-,
Kopf-, Nacken- und Halsmassage, sowie für die Massage einzel¬
ner Muskeln oder Nerven dient der „Elasto I“ in kleinerer
Ausführung, der sich durch besondere Zartheit seiner Stempel-
'federung auszeichnet. Ebenso einfach wie die Konstruktion ist
auch die Handhabung des Elasto.
An der Hand zahlreicher Abbildungen werden zunächst die
einzelnen Handgriffe bei der Streichung, Reibung, Knetung,
Walkung und Klopfung demonstriert und darauf hingewiesen,
daß die Elasto-Massage lediglich den dritten Teil an Kraftauf¬
wand erfordert als die manuelle Handmassage. Trotzdem die
Elasto-Massage von durchgreifenderer und intensiverer Wir¬
kung ist als letztere, was schon durch die bei ihrer Anwendung
eintretende starke Hyperämie der Haut und der darunter liegen¬
den Gewebe bewiesen wird, verursacht sie doch keinerlei
Schmerzempfindung, sondern ruft vielmehr ein wohliges, an¬
genehmes und beruhigendes Gefühl hervor. Es soll nicht ge¬
sagt sein, daß die Elasto-Massage jede manuelle Massage über¬
flüssig macht, wohl aber daß sie dort, wo sie angewendet wer¬
den kann, vorzuziehen ist. ln hygienischer Hinsicht ist
der Wegfall jedes direkten Kontaktes zwischen Masseur und
Patient bei Behandlung mit der Elasto-Massage von Wichtigkeit,
wozu noch die Möglichkeit leichtester Reinigung mittels einer
mit wenigen Tropfen Benzin befeuchteter Bürste oder der
Sterilisierung des Apparates in kochendem Wasser kommt. Die
Massage der einzelnen Körperteile wird im zweiten
Abschnitt der Arbeit ausführlich beschrieben und dabei vor
allem der Kopfmassage, der kombinierten Streichungen und
Reibungen des Rückens und der allgemeinen Körpermassage
Erwähnung getan, welch letztere bei der Behandlung der Adi¬
positas vorzügliche Dienste leistet.
Der Elasto eignet sich auch zur Therm o- und Elektro-
Massage, worüber der Autor später ausführlich zu berichten
verspricht. S.
Dr. E. Kantorowicz (Berlin): Die Therapie der nervösen Impo¬
tenz. (Medizin. Klinik, 1910, No. 26.)
Die Therapie der nervösen Impotenz kann eine lokale und
allgemeine sein. Die lokale Therapie möchte Verfasser auf
diejenigen Fälle beschränkt wissen, in denen es sich um lokale,
leicht zu beeinflussende Veränderungen handelt. In der Haupt¬
sache käme hier die chronische Gonorrhoe in Frage. Die all¬
gemeine Therapie der Impotenz ist eine psychische, hygienisch¬
diätetische und medikamentöse. Namentlich die psychische
Behandlung muß in den Vordergrund gestellt werden und muß
auch bei Anwendung der übrigen Heilmethoden stets mit
diesen in Fühlung bleiben. Der Arzt muß sich völlig in das
Krankheitsbild des Einzelfalles versenken, und der Kranke
muß die Empfindung haben, daß er unter der Obhut des Arztes
sicher geborgen ist. Handelt es sich um psychische Hemmun¬
gen, so wird man das Vertrauen des Patienten auf sich selbst
zu stärken haben und ihn dahin zu bringen suchen, eine mög¬
lichst unbefangene Auffassung der Situation sich zu eigen zu
machen. Als zweites wertvolles Mittel zur Kräftigung des
ganzen Nervensystems und damit auch der genitalen Sphäre
steht uns der gesamte hygienisch-diätetische Heilapparat zur
Verfügung. Körperpflege und -Übung bilden eine Hauptstütze
des einzurichtenden ärztlichen Regimes. Morgens eine Ein-
seifung des ganzen Körpers mit nachfolgender Abbrausung,
abends kühle Waschungen vor dem Zubettgehen werden ihre
wohltätige Wirkung nicht verfehlen. Mit aller Energie ist auf
eine geregelte sportliche Betätigung hinzuwirken. Der Sport
wirkt nicht allein kräftigend auf die trainierten Muskeln, auch
das Kraftgefühl und Selbstbewußtsein erhöht sich, und
die Umgebung der Sportgenossen schafft die nötige geistige
Ablenkung und verhindert ein Zurückfallen in gedrückte
Stimmungen. Eben darum sind auch solche Sportarten zu be¬
vorzugen^ die nicht allein, sondern in Gesellschaft betrieben
zu werden pflegen, und es ist, wenn irgend möglich, zu raten,
einem Sportverein beizutreten. Sportarten, wie Lawntennis,
Kricket, sind wegen der Damengesellschaft und der damit ver¬
bundenen Möglichkeit geschlechtlicher Erregungen zu meiden,
Radfahren und Reiten nur dann zu gestatten, wenn keine
sexuelle Hyperästhesie vorhanden ist, bei der der Druck auf die
Dammgegend schädlich wirken könnte. Reiten soll nur im
englischen Trab oder im Schritt erfolgen. Das Ideal eines die
gesamte Körpermuskulatur durcharbeitenden Sportbetriebes
bildet der Rudersport, und der Eintritt in einen Ruderklub
empfiehlt sich durchaus. Der Einzelne hat weder die Willens¬
kraft noch vor allem die Kenntnisse und Erfahrung, die nötig
sind, um zu jenem Höchstmaß von Leistungen zu gelangen, die
die sachliche Schulung durch einen geübten Trainer und der
Stachel des Wettbewerbes mit den Sportkameraden aus ihm
herausholt. Was besonders den Rudersport auszeichnet, ist,
neben dem Aufenthalt in der reinen, bewegten Luft, die Gleich¬
mäßigkeit und Ruhe, das Taktmäßige seiner Ausübung. Im
Winter suche man das Sportbedürfnis durch Schlittschuhlaufen,
Turnen und Fechten zu befriedigen. Mit der elektrischen Be¬
handlung kann jedenfalls ein Versuch gemacht werden, ohne
daß man sich übertriebenen Erwartungen über den Erfolg hin-
! geben soll. Für die Fälle von Spinalirritation empfiehlt sich
am meisten eine Galvanisation des Rückenmarkes mit Strömen
I von 0,5—2 M.-A. Man nehme ziemlich große Elektroden, von etwa
| 100 qcm Fläche, und vermeide plötzliche Stromschwankungen
und Wendungen. In den seltenen Fällen der Impotenz infolge
lokaler Anästhesie des Penis ist auch die faradische Pinselung
angebracht. Die medikamentöse Therapie spielt im Rahmen
der Gesamtbehaudlung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Als
Tonica, die fortlaufend eine Zeitlang zu gebrauchen sind,
empfehlen sich Chinin und Arsen, entweder einzeln oder in
Kombination miteinander. Bei vorgeschrittenen Erschöpfungs¬
und Lähmungszuständen gibt K. Strychnin, eventuell mit Sekale
kombiniert, während er bei Hyperästhesie und Spinalirritation
Brom verordnet, am liebsten in Form eines Brausesalzes. Was
bis vor kurzem unter dem Namen Aphrodisiaca bekannt war,
ist wenig vertrauenswürdig. Verf. bedient sich als Aphrodi-
siacum, mit dem er außerordentlich zufrieden ist, einer von
ihm angegebenen Komposition von Yohimbin, Muira-puama
und Kolanuß, die von der Fabrik in Originalflaschen unter dem
Namen „Libidol“ in den Handel gebracht wird. K r.
Sanitätsrat Dr. R. Hilbert (Sensburg): Arznei-Ausschlag nach
Gebrauch von Hexamethylentetramin. (Münch, med. Wochen
schrift, 1910, No. 28.)
Bei Gebrauch von Urotropin resp. Hexamethylentetramin
scheint man bisher noch keine Arzneiexantheme beobachtet zu
haben. Verfasser hatte nun Gelegenheit, einen derartigen Fall
zu sehen. Eine 36 jährige, leicht nervöse, im dritten Monat der
Schwangerschaft stehende Frau, welcher wegen eines Blasen¬
katarrhs eine 5 proz. Lösung von Hexamethylentetramin ver¬
ordnet worden war, bekam schon nach 1 Eßlöffel des Medika¬
ments einen heftig juckenden Ausschlag auf dem ganzen
Körper, verbunden mit Kopfschmerz und Tränenlaufen. Das
Exanthem bestand aus ziemlich dicht stehenden, etwa linsen¬
großen, urticariaähnlichen Quaddeln, die etwa das Aussehen
von Mückenstichen hatten. Auch die behaarte Kopfhaut war
befallen, nur Handteller und Fußsohlen blieben frei. Die Lider
waren geschwollen, die Bindehäute gerötet. Nach Ablauf von
acht Stunden war der ganze Symptomenkomplex verschwunden.
Es mußte selbstverständlich auf den Weitergebrauch des Hexa¬
methylentetramins in diesem Falle verzichtet werden.
Dr. Hensscn (Sonnenberg): Ein Fall von taschenartiger Er¬
weiterung der Ohrspeicheldrüse. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 27.)
Bei einem 43 jährigen Manne, von Beruf Glasbläser, besteht
seit zwei Jahren folgende Anomalie: Beim Aufblasen der
Backen wird die Luft mit einem ziemlich lauten, fauchenden
Geräusch in die Ohrspeicheldrüsen hineingetrieben und dort
zurückgehalten, auch wenn die Backen nicht mehr aufgeblasen
sind. Vor beiden Ohren ist dann eine walnußgroße Geschwulst
sichtbar. Durch Streichen mit dem Finger gelingt es, die Ge¬
schwulst zu beseitigen, wobei sich sehr reichlicher, schaumiger
Speichel durch den Ausführungsgang der Drüse entleert. Der
Patient wird durch diese Anomalie in seinem Beruf behindert.
Denn sobald er die Pfeife an den Mund setzt, um zu blasen, ent¬
weicht die unter hohem Druck stehende Mundluft zum 'Peil in
die Ohrspeicheldrüsen und treibt diese so weit auf, daß
Schmerzen entstehen und die Drüsen erst mit dem Finger ent¬
leert werden müssen, ehe das Glasblasen von neuem beginnen
kann. Deswegen beansprucht der Mann sogar Rente.
Stabsarzt Prof. Dr. Momburg (Berlin): Eine auf einem neuen
Prinzip begründete Plattfußeinlage. (Deutsche medizinische
Wochenschrift, 1910, No. 27.)
Verfasser hat eine Plattfußeinlage konstruiert, bei der das
ganze Gewicht auf die Supinationsstellung des Calcaneus ge¬
legt und auf die Hebung des Gewölbes verzichtet ist. Die Ein¬
lage besteht aus dem Hauptteil, einem keilförmigen, von innen
nach außen abfallenden und nach vorne spitz zulaufenden
Gummistück, einer unter dieser liegenden Stahlfeder und einem
Lederstück. Das ganze wird durch zwei Nieten zusannnen-
gehalten. Das Leder dient dazu, die Einlage im Schuh an rich¬
tiger Stelle zu halten, es überragt den Hackenteil des Gummi¬
teils etwas. Dieser überragende Teil des Leders kann abge¬
schnitten werden, wenn er für den Schuh zu groß ist. Die ein¬
zige Bedingung für die Plattfußeinlage ist, daß ein Schnürschuh
mit breitem, niedrigem, 2 cm hohem Absatz getragen wird.
Die Einlage wird in vier Größen hergestellt. (Fabrikant: Firma
M. Pech, Berlin.) R. L.
640
No. 36.
THERAPEUTISCHE
0. v. Krisch: Untersuchungen über den normalen Kniestreck¬
apparat mit Rücksicht auf die hei der Patellarfraktur be¬
stehenden mechanischen Verhältnisse. (Archiv für klm.
Chirurgie, Bd. 91, H. 1.)
Auf Grund überaus sorgfältiger anatomischen Untersuchun¬
gen und Messungen an Leichen kommt F. zu dem Schlüsse, daß
von den fünf während der Kniebewegung im Streckapparat
auftretenden Winkeln (Sehnenwinkel, PatelJarwinkel, Liga-
tnentwinkel, Tuberositas- und Apexwinkel) für die Entstehung
der Patellarfraktur nur jene zwei in Betracht kommen, an
deren Bildung sich die Kniescheibe direkt beteiligt. Die Kom¬
bination dieser beiden Winkel gibt in ihrer Veränderung wäh¬
rend der Kniebeugung eine charakteristische Kurve, welche
unter dem Einfluß zweier erst während der Bewegung in be¬
stimmten Phasen auftretender Winkel, des Sehnen- und Liga¬
mentwinkels, steht. Die Beobachtung der ganzen Kniescheibe
in bezug auf ihre Bewegung ergiebt, daß letztere von der
Streck- zur Kippstellung vorwiegend in einer Gleitbewegung,
von hier zur spitzwinkligen Bewegung mehr in einer Drehung
um eine frontale Achse besteht. Die Dimensionen der Patellen,
speziell das Verhältnis ihrer Höhe zur Länge unterliegen
ebenso wie die Form ihrer Berührungsflächen mit der Troehlea
und die Winkelkurven des ganzen Sehnenapparates ziemlich
großen individuellen Schwankungen. Nach dem Ergebnis der
Untersuchungen des Verfassers ist somit gegen die von
San so n -Lossen aufgestellte Theorie des Biegungsbruches
der Patella bei mäßiger Bewegung im Kniegelenk ein be¬
gründeter Einwand nicht zu erheben. Vielmehr sprechen die
hei dieser Stellung obwaltenden mechanischen Verhältnisse
in gleicher Weise wie die begleitenden Umstande vieler Knie-
scheibeubrüche durchaus im Sinne jener Erklärung.
E. Rugc: Zahlreiche freie Gelenkkörper bei isolierter Arthritis
deformans der Fossa cabitalis. (Archiv für klin. Chirurgie,
Bd. 91, H. 1.)
R. beschreibt den seltenen Fall einer isolierten Arthritis
deformans cubiti bei einem 26 jährigen Maler. An einer ganz
zirkumskripten Stelle des Gelenkes in der Fossa cubiti entstand
ein degenerativ-produktiver Prozeß. Erst ging der Knorpel
und Knochen an dieser Stelle zugrunde, dann entwickelten sich
Zottenwucherungen und zahlreiche freie Geienkkörper, deren
radikale Entfernung durch Operation zur Heilung und Wieder¬
erlangung der vollen Gebrauchsfähigkeit des Armes führte.
Instruktive Köntgenbilder illustrieren die Lage und große Zahl
der Ge.lenkmäuse. Neuropathische Gelenkerkrankung war
ausgeschlossen. Adler (Pankow-Berlin).
R.-A. Dr. Friedrich Ritter v. Förster (Wien): Novojodin als
Jodoformersatz. (Wiener med. Wochenschrift, 1910, No. 30.)
Novojodin ist nach dem Prospekte der Firma Chemische
Fabrik Dr. R. Scheuble & Dr. A. Hochstetter in
Tribuswinkel bei Baden, Nied.-Oesterr., ein Gemisch, bestehend
aus gleichen Teilen Talkum und Hexamethylentetramindijodid,
letzeres Produkt aus zwei hoch antiseptisch wirkenden Körpern
— Jod und Formaldehyd — zusammengesetzt, jedes für sich
von hochgradig baktericider Wirkung. Das Novojodin stellt
ein gelbbraunes, vollkommen geruchloses Pulver dar, welches
sich bei Licht nicht zersetzt, im Alkohol und Aceton löslich,
im Wasser und Aether unlöslich ist; dagegen läßt es sich mit
Oleum oliv., Paraffinum liquidum, Glyzerin, Kollodium in 10 bis
20 proz. Suspensionen vereinigen. Seine Wirkung besteht
darin, daß es bei Berührung mit Wundflächen Jod und
Formaldehyd abspaltet und zwar derart, daß bei vollständiger
Zersetzung 20 pCt. Formaldehyd und 32 pCt. Jod abgegeben
werden. Von den dem Verf. zur Verfügung gestellten Formen
dieses Präparates wurden Novojodinpulver, Novojodinsalbe,
Novojodin in Oelemulsionen, 20 proz. Novojodingaze, Novojodin-
stäbchen und Novojodin-Kollodium in Anwendung gebracht.
Diese besteht teils in äußerer Applikation, teils in Form
von Injektionen. Aeußerlich als Streupulver und als
Salbe, Injektionen besonders bei Tuberkulose, wo es
sich als spezifisches Heilmittel erwies. Bei der äußer¬
lichen Anwendung erweist sich das Pulver, besonders
bei großen Wundflächen, z. B. Verbrennungen, als ein
ausgezeichnetes Mittel, indem die Wundflächen wenig, fast
gar nicht näßten und sich sowohl vom Rande her als auch von
der Mitte aus rasch zarte Epidermisinseln bildeten und durch
Konfluierung sich vereinten. Die Gaze wurde zur Tamponade
infizierter Wunden verwendet, besonders bei solchen phleg¬
monöser Natur. Sie zeigt ein hohes Aufsaugungsvermögen, die
Wunden reinigten sich bald, die Wundränder wiesen rasch
schöne Granulation auf. Im weiteren Verlaufe wurde Novo¬
jodinsalbe in Anwendung gebracht, unter welcher die meisten
Wunden rasch vernarbten. Besonders vorteilhaft erscheint
der Umstand, daß die sich sonst meist bildenden Schorfe an
den Wundrändern, die gern eine Sekretstauung bewirken,
ferner Hypergranulation bei Anwendung des Novojodins unter¬
blieben und dadurch auch die Narbenbildung in kosmetischer
RUNDSCHAU 1910,
Hinsicht eine zufriedenstellendere wird. Nicht missen möchte
Verfasser das Präparat bei allen tuberkulösen Erkrankungen
der Weichteile und Knochen, Verfasser verwendet bei tuber¬
kulösen Abscessen nach kleiner Stichinzision Novojodinöl zur
Injektion, eventuell Tamponade mit in Novojodinöl getränkter
steriler Gaze. Ein Vorteil gegenüber der sonst verwendeten
10 proz. Jodoform-Glyzerinlösung besteht darin, daß die Emul¬
sion sich vollständig zersetzt: das Sekret, anfangs milchig, dick¬
flüssig, wird rasch seröser Natur, bis es in verhältnismäßig
kurzer Zeit gänzlich verschwindet. Bei tuberkulösen Fistel¬
gängen, besonders bei vereiterten Lymphdrüsen des Halses,
erweisen sich Novojodinstäbchen als äußerst praktisch und
leicht verwendbar. Die Sekretion wird bald eine geringere,
die Fistelgänge granulieren rasch und schließen sich bald. Das
Präparat ist vollkommen reizlos und zeichnet sich ferner durch
Billigkeit aus. K r.
Privatdozent Dr. Richard Werner und Dr. Albert Caan (Heidel¬
berg) : Ucber die Wirkung von Röntgenstrahlen auf Ge¬
schwülste. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 26 und
27.)
Die Verfasser berichten zusammenfassend über die Ergeb¬
nisse, welche im Heidelberger Institut für Krebsforschung bei
der Röntgenbehandlung bösartiger Tumoren erzielt wurden.
Zugrunde liegen die in der Zeit vom 1. Januar 1908 bis zum
1. Mai 1910 zur Beobachtung gekommenen Fälle; sie umfassen
255 maligne Tumoren (204 Carcinome, 36 Sarkome, 14 maligne
Lymphome sowie eine Stuma maligna) und 5 benigne Strumen,
außerdem einige andere Fälle. Von den bösartigen Tumoren
standen an erster Stelle der Zahl nach die Mammacarcinome,
dann folgten die Magencarcinome, gering an Zahl waren die
Carcinome der Zunge, des Uterus und des Rektums. In bezug auf
alle Einzelheiten muß auf die Arbeit verwiesen werden. Wir
wollen hier nur die allgemeinen Ergebnisse der Arbeit wieder¬
geben. Ein gesetzmäßiges Verhalten der Tumoren den Röntgen¬
strahlen gegenüber hat sich nicht ergeben. Jedoch ist nach den
Erfahrungen der Verfasser bei einem großen Prozentsatz der
malignen Tumoren ein günstiger Einfluß der Röntgenstrahlen
unverkennbar, wenn sie .auch kaum je als ein zuverlässiges
Heilmittel bezeichnet werden dürfen. Selbst bei den scheinbar
günstigsten Objekten können sie im Stich lassen, während man
in einzelnen, selbst desolaten Fällen von ihrer Wirkung über¬
rascht ist. Operable Tumoren sind unter allen Umständen
chirurgisch zu entfernen, doch ist die Röntgentherapie als Nach¬
behandlung, selbst wenn andere Hilfsmethoden (z. B. Fulgu-
ration oder Thermopenetration) verwendet wurden, durchaus
empfehlenswert. Die Bestrahlung in eine offene Wunde
scheint wirksamer zu sein als die perkutane Belichtung
des Operationsfeldes. Die Röntgenisierung exstirpierbarer
Geschwülste wird aber trotzdem vorgenommen werden müssen,
wenn der chirurgische Eingriff aus besonderen Gründen (Stoff¬
wechselerkrankungen, Herzschwäche, Messerscheu des
Patienten) unmöglich ist. Unter diesen Bedingungen wird
die Röntgenbestrahlung mit rücksichtsloser Energie durchzu¬
führen sein, wenn die chirurgische Kontraindikation eine ab¬
solute ist, sonst aber ist ein Verfahren, das zu stärkerer Ver¬
änderung der Haut führt, zu vermeiden, da bei weiterer Pro¬
gredienz des Tumors die Operation doch noch manchmal
riskiert wird und dann der Wundverlauf durch eine voraus¬
gegangene Ueberexposition leicht gefährdet werden könnte.
Das Gleiche gilt von Tumoren, die an der Grenze der Operabili¬
tät stehen und mit Röntgenstrahlen vorbehandelt werden sollen,
in der Absicht, ihre Beweglichkeit zu erhöhen und dadurch die
Exstirpation zu erleichtern. Bei sicher inoperablen Tumoren
ist die Röntgenbehandlung in jedem Falle zu versuchen, da es
ein sicheres Kriterium für die Radiosensibilität nicht gibt und
Ueberraschungen nach der günstigen Seite hin nicht ausge¬
schlossen sind. Wenn aber nach der ersten Bestrahlungsserie
eine Verschlechterung auftritt, erscheint die Fortsetzung der
Röntgentherapie kontraindiziert. Ein anfänglicher Erfolg ist
keineswegs ein Beweis für die Möglichkeit einer vollständigen
Heilung. Am meisten enttäuschten in dieser Hinsicht die
Melanosarkome, bei denen dem Schein einer glänzenden Besse¬
rung eine deletäre Propagation des Leidens folgte, sowie einige
Fälle von Lymphosarkom, die sich anfangs überraschend zu¬
rückbildeten, um schließlich in eine Form überzugehen, die den
weiteren Röntgenbestrahlungen trotzte. Ueberexpositionen, die
zu tiefgehenden Nekrosen führen, sind als zwecklos und schäd¬
lich zu vermeiden. Das Endziel der Röntgentherapie besteht
in einer möglichst elektiven Schädigung der pathologischen
Zellen, welche diese zu' einer resorptionsfähigen Form ab¬
sterben läßt, unter Anregung des benachbarten Gewebes zu
einer Proliferation, die zum Ersatz der entstehenden Substanz¬
verluste führt. Die Hauptschwierigkeit bei der Röntgenbestrah¬
lung scheint darin zu liegen, daß die einzelnen Gebiete des¬
selben Tumors verschieden radiosensibel sind; die Empfind¬
lichkeit kann fast von Zelle zu Zelle wechseln. Nur die nicht
zahlreichen Fälle, in denen die Tumoren eine gleichmäßige
No. 35.
541
therapeutische
Radiosensibilität besitzen und in dieser Beziehung die Nach¬
barschaft deutlich überragen, sind ein dankbares Objekt für die
Röntgentherapie. Eine große Bedeutung haben jedenfalls die
Röntgenstrahlen für die palliative Behandlung. Meist wird die
systematische Behandlung der Tumoren durch mittlere Dosen
entweder durch Verminderung der Schmerzen oder durch Ein¬
dämmung des Fortschreitens der Erkrankung, Hebung des
Körperzustandes und der Gemütsstimmung Nutzen stiften.
Außerdem wird die Röntgentherapie als Adjuvans anderer
Behandlungsmethoden, mit denen sie kombiniert werden kann,
noch weiter an Bedeutung gewinnen.
Br. Christoph Müller (Immenstadt): Eine neue Behandlungs¬
methode bösartiger Geschwülste. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 28.)
Verfasser berichtet über eine von ihm ausgebildete
Methode der Behandlung bösartiger Geschwülste, welche in
einer kombinierten Verwendung verschiedener physikalischer
Agentien besteht. Dr Hauptsache nach handelt es sich um
eine kombinierte Verwendung von Hoch-
frequenzströmen und Röntgenstrahlen. Den
Hochfrequenzströmen kommt nach Verfasser eine spezifisch
anämisierende Wirkung zu, welche sich auf einige Zentimeter
Tiefe erstreckt. Da nun nach G. Schwarz die Haut durch
Anämisierung weniger empfindlich gegen Röntgenstrahlen
wird, müssen auch die Hochfrequenzströme die Empfindlichkeit^
der Haut gegenüber Röntgenstrahlen herabsetzen. Man kann
daher bei Kombination von Röntgenstrahlen mit Hochfrequenz-
strömen ohne Gefahr größere Mengen von Röntgenstrahlen auf
den Tumor applizieren; es gelingt so, mehrfache Erythemdosen
ohne irgendwelche Hautreizung zu geben. Außerdem kommt
vielleicht der günstige Effekt beider Energieformen zur Geltung.
Die dabei verwendete Technik ist folgende: Das zu behandelnde
Gebiet wird zunächst mit Hilfe einer Kondensatorelektrode
unter den Einfluß schmerzloser, mittelstarker Hochfrequenz¬
entladungen gebracht, indem diese möglichst gleichmäßig über
das zu behandelnde Gebiet durch Bestreichen verteilt werden.
Nachdem einige Minuten die Hochfrequenzströme eingewirkt
haben, wird die Röntgenröhre in gewöhnlichem Abstand und
unter mittlerer Belastung unter Belassung der Hochfrequenz¬
entladungen in Tätigkeit gesetzt. Nach Abstellen der Röntgen¬
röhre wird die Hochfrequenz noch eine Weile betätigt. Die
von Verfasser verwendeten Hochfrequenzströme werden von
einem Apparat geliefert,dessen primärer Schwingungskreis aus
einem mit Gleichstrom und Unterbrecher betriebenen Induk-
torium gespeist wird. Dieser Schwingungskreis ist elektrisch
und schwach magnetisch gekuppelt mit einem Resonanzkreise,
nach Art der 0 u d i n-S 1 a b y sehen Resonatoren. Die Kom¬
bination ist so getroffen, daß nicht der Kuppelungsfaktor ver¬
ändert wird, sondern die Amplitude der Welle in bezug auf die
Elektrode verschoben werden kann. Die Kondensatorelektro-
deu sind so gebaut, daß ihr Inneres mit Graphit- oder Metall¬
belag versehen ist. Es werden von diesem Instrumentarium
stark gedämpfte Schwingungen geliefert. Was die Röntgen¬
strahlen anlangt so eignen sich nur solche für den beabsichtig¬
ten Zweck, welche weichen, mittelweichen oder eventuell noch
mittelharten Röhren entstammen, ferner können nur solche
Strahlen zerstörend auf das Tumorgewebe wirken, welche von
dem Tumor absorbiert werden. — Verfasser teilt nun eine
Reihe von Fällen mit, welche er erfolgreich mit seiner Methode
behandelt hat. Völlig geheilt sind fünf Fälle; 1 Mammacarci-
no®, 1 Zungencarcinom, 1 Hautcarcinom am Nasenansatz mit
.Ulcenation, 1 Fall von multiplen haselnuß- bis taubeneigroßen
Sarkomen am Schädel und Gesicht, ein kindskopfgroßes Sar¬
kom ans Hinterkopf. Dann teilt Verfasser einige Fälle mit,
in denen .eine günstige Beeinflussung, aber keine vollständige
Heilung erreicht wurde. In manchen Fällen ist zuerst eine
rgünstige Wirkung der Behandlung unverkennbar, dann aber
tritt ein Stillstand in der Rückbildung ein. Verfasser nimmt an,
daß die Tumorzellen in solchen Fällen hochgradig unempfind¬
lich gegenüber den Röntgenstrahlen geworden sind. Man muß
dann versuchen, die Tumorzellen wieder zu sensiblisieren, dies
erreicht man nach Verfasser durch eingeschaltete Anwendung
der Thermopenetration, welche eine hyperämisierende
Wirkung hat. Dabei werden die Elektroden entsprechend dem
größten Tumordurchmesser angelegt und entweder gleichzeitig
mit der kombinierten Behandlung oder zeitlich gesondert von
ihr der Strom durchgeleitet. Die Stellen, an denen die Elek¬
troden anliegen, sind so zu wählen, daß sie bei der späteren
Röntgenbestrahlung gemieden werden können, sonst hat man
Verbrennungen an dieser Stelle zu gewärtigen. In manchen
Fällen treten bei dem Zerfall des Tumors stürmische Resorp¬
tionserscheinungen auf, dann ist die Behandlung auszusetzen.
Die iiadiumbehandlung eignet sich nicht zur Kombination mit
des Verfassers Methode, wie einige Versuche ergeben haben.
Bei vorhergegangener einfacher Röntgenbestrahlung ist eine
besondere Vorsicht nötig, weil sie die Widerstandsfähigkeit
der Haut gegenüber den Strahlen-sein' herabsetzt.
RUNDSCHAU 1910.
Dr. .1. P. zmn Busch (Lolidon): Ein Beitrag zur Erkennung und
Behandlung der nicht perforierten Duodenalgeschwüre.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 28.)
Während in Deutschland das Duodenalgeschwür als selten
gilt und demgemäß selten diagnostiziert wird, wird nach den
Erfahrungen des Verfassers in England und Amerika das
Duodennalgeschwür weder zu den seltenen noch den schwer
erkennbaren Krankheiten gerechnet; Blutung ist in der Mehr¬
zahl der Fälle als Spätsymptom aufzufassen, ln England hat
besonders Moynihan (Leeds) im letzten Dezennium die
Diagnostik des Ulcus des Duodenums gefördert. Meist werden
Männer im mittleren Lebensalter vom Duodenalulcus befallen.
Die Symptome sind sehr charakteristische und entwickeln sich
allmählich zu immer größerer Heftigkeit. Gewöhnlich wird
über ziehende und nagende Schmerzen im Epigastrium geklagt.
Das Charakteristische an diesen Schmerzen ist, daß sie nicht
gleich nach dem Essen auftreten, sondern meist 2—6 Stunden
nach der Mahlzeit; flüssige Kost verkürzt den Zwischenraum,
feste Kost verlängert ihn. Häufig geben die Kranken an, daß
der Schmerz beginnt, wenn sie wieder hungrig werden; Nah¬
rungsaufnahme beseitigt oft sehr rasch die Schmerzen oder
bessert sie wenigstens. In manchen Fällen sind die Schmerzen
fast unerträglich, sie strahlen dann oft in die rechte Seite und
den Rücken aus. Nicht selten beendet ein starkes Aufstoßen
von Gasen oder saurer Flüssigkeit den Anfall. Erbrechen ist
selten und tritt meist erst auf, wenn es schon zur Duodenal-
j Stenose mit ihren Folgeerscheinungen am Magen gekommen
ist. Der Appetit bleibt lange gut, abgesehen davon, daß sich
die Kranken wegen der zu erwartenden Schmerzen oft vor dem
Essen fürchten. Die eben geschilderten Beschwerden bestehen
häufig nicht andauernd, sondern können durch Wochen und
Monate dauerndes völliges Wohlbefinden unterbrochen sein:
auch dieser Wechsel zwischen Wohlbefinden und Krankheit
ist beim Duodenalgeschwür typisch. Bei genauem Abtasten des
Bauches findet man schon nach einiger Zeit eine Rigidität des
rechten Muse, rectus abdominis und einen entsprechenden
Druckschmerzpunkt. Auch Blut wird bei genauer Unter¬
suchung des Stuhls zuweilen in kleinen Mengen gefunden. Zu
den Spätsymptomen gehören außer den stärkeren Blutungen
besonders die infolge der Stenosenbildung auftretende moto¬
rische Insuffizienz und Dilatation des Magens. Aus der Anam¬
nese und den geschilderten Beschwerden kann man in vielen
Fällen schon das Ulcus duodeni diagnostizieren. Am leichtesten
dürften Verwechselungen mit Magengeschwür, mit Gliolelithia-
sis und deren Folgen sowie mit einer chronischen Appendicitis
Vorkommen; auch können zwei oder drei dieser Krankheiten
zugleich bestehen. Besonders Magen- und Duodenalgeschwüre
kommen häufig zusammen vor; Moynihan fand bei 137 ope¬
rierten Männern 30 mal beide Organe ulceriert, bei 49 operier¬
ten Frauen 17 mal im Magen und Duodenum gleichzeitig Ulcera.
Moynihan hat von 1900—1909 in 228 Fällen wegen chroni¬
scher, nicht perforierter Ulcera duodeni operiert und nur vier
Fälle verloren. Die letzten 116 Fälle verliefen ohne Todesfall.
78 mal wurde nur die hintere Gastroenterostomie gemacht,
84 mal die hintere Gastroenterostomie mit Einstülpung und
Uebernähung der Geschwüre, 3 mal wurde ein Duodenalulcus,
einmal ein gleichzeitig bestehendes Magenulcus exzidiert. Verf.
selbst hat in 19 Fällen ein Ulcus duodeni diagnostiziert und in
14 Fällen operiert; er teilt seine Fälle in extenso mit. Von den
operierten Kranken starb einer und zwar in der vierten Woche
nach der Operation bei völlig geheilter Wunde und guter Magen¬
darmfunktion an einer septischen Pneumonie mit Pleura¬
empyem. Ein Patient, der gleichzeitig an Magen- und Duodenal¬
geschwüren litt, blieb 5 1 - Jahre völlig gesund, dann erlag er
einem Magenkrebs, das Duodenalgeschwür war völlig aus¬
geheilt. Ein Kranker mußte zweimal später wegen Ulcera
peptica jejuni, die in den Rektus durchgebrochen waren, ope¬
riert werden. Es bestand gleichzeitig Tabes und alte Lues. Im
ganzen zeigten drei Fälle das gleichzeitige Vorkommen von
Duodenal- und Magengeschwüren. In zwei Fällen bestand eine
chronische Perforation des Geschwürs. Im einen davon wurde
das große in der vorderen Duodenalwand sitzende Geschwür
durch Aufnähen der Gallenblase und des Netzes gedeckt, im
zweiten Falle wurde das Duodenum reseziert, ln einem Falle
wurde eine zirkuläre Resektion vorgenommen, weil noch bei
der Operation ein Carcinom angenommen wurde. Der weitere
gute Verlauf widerlegte diese Diagnose. In 14 Fällen wurde
eine Gastroenterostomie gemacht und zwar 10 mal die vordere
mit Braun scher Anastomose und viermal die hintere mit
möglichst kurzer Schlinge; zweimal wurde gleichzeitig eine
zirkuläre Resektion des Duodenums ausgeführt. Die Dauer¬
resultate waren in den Fällen, die länger beobachtet werden
konnten, fast stets gut. Ein großes Gewicht ist auf sorgfältigste
Nachbehandlung zu legen. R. L.
P. H. van Royen: Ueber «las I leus pepticuni nach Gastroenter¬
ostomie. (Archiv für klinische Chirurgie, Bd. 91, H. 2.)
An der Hand von 12 Beobachtungen aus den Kliniken von
R o t g a n s , O i d t m a n n, II o m b o u t s und K o r t e w e g,
542
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 35.
sowie 77 weiteren aus der gesamten Literatur zusammen¬
gestellten Fällen entwirft tt. ein anschauliches Bild des Ulcus
pepticum. R. unterscheidet klinisch fünf verschiedene Formen
imd zwar:
1. Ulcera ohne bestimmte Symptome, welche spontan heilen.
2. Ulcera mit unbestimmten lokalen und allgemeinen Er¬
scheinungen. '
3. Ulcera, welche zu akuter perforativer Peritonitis führen.
4. Ulcera, welche durch chronisch adhäsive Peritonitis
Tumoren, Banehwandinfiltrate, Abscesse und Darmfisteln her-
vorrufen.
5. Ulcera, welche eine Kommunikation zwischen Jejunum
und Colon transversum hervorrufen.
Das Ulcus pepticum jejuni kann entstehen unter dem Ein-
llusse und der Einwirkung sauren Magenbreies auf eine durch
scharfe oder stumpfe Gewalt lädierte Darmwand bei Indivi¬
duen, welche eine Prädisposition für Magengeschwür haben, am
leichtesten bei solchen, welche eine durch Atheromatose der
Gefäße oder gestörte Funktion der Gefäßmotoren besonders
vulnerable Darmschleimhaut besitzen.
Leichte Fälle von Ulcus pepticum können durch ent¬
sprechende Ulcusdiät, Darreichung von Magnesia, Atropin¬
injektion, zeitweilige Rektalernährung zur Ausheilung gebracht
werden. Schwerere Fälle erfordern die Operation, welche je
nach der Ausdehnung des Geschwürs in Üebernähung, Exzi¬
sion des Geschwürs, Resektion, Anlegung einer neuen Anasto-
mose. besteht. In prophylaktischer Hinsicht ist Vermeidung
jeder Schleimhautläsion durch Klemmen etc. bei der Operation,
antacide Behandlung und Ulcusdiät auch nach der Operation
zu empfehlen. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Karl Urban, Primararzt am Krankenhause der Barm¬
herzigen Schwestern in Linz: lieber Pneumatosis cystoides
intestiuorum. (Wiener medizin. Wochenschr., 1910, No. 90.)
Unter Pneumatosis cystoides intestiuorum, auch Emphy-
sema bullosum intestinale genannt, versteht man eine eigen¬
tümliche Veränderung des Darmes, welche in der Bildung zahl¬
reicher erbsen- bis haselnußgroßer, in der Wand des Darms
sitzender, mit Luft gefüllter Bläschen besteht. Diese Anomalie,
welche bei Schweinen nicht so selten vorkommt und in der
Veterinärmedizin Luftblasengekröse genannt wird, wurde beim
Menschen zuerst von K1 e b s und Bang beschrieben und sind
bisher erst 12 Fälle publiziert. Verfasser beobachtete einen
einschlägigen Fall, dessen Krankengeschichte er mitteilt. Es
handelt sich um ein 13 jähriges Kind. Auf Grund des klini¬
schen Befundes wurde eine tuberkulöse Peritonitis angenom¬
men. Bei der Laparotomie entleerte sich ein halber Liter
klarer seröser Flüssigkeit von 1020 spezifischem Gewichte, von
der erwarteten Knötchenbildung am Darm oder Peritoneum
war nichts zu sehen, dagegen war der ganze Dünndarm, das
Coeeum und ein zirka 20 cm langes Stück des Colon ascendens
stark gebläht, die Wand von zahllosen erbsen- bis haselnu߬
großen, durchscheinenden, untereinander nicht kommunizieren¬
den Bläschen durchsetzt, welche die Serosa vorwölbten und ihr
ein höckeriges Aussehen verliehen. Beim Anstechen kolla¬
bierten die Bläschen unter Entleerung eines geruchlosen, an¬
scheinend nicht brennenden Gases. Das Mesenterium sowie
das Peritoneum parietale war vollständig frei von Bläschen.
Die Mesenterialdrüsen wareii erbsen- bis bohnengroß, nicht
verkäst. Mit Rücksicht auf die Ausdehnung des Prozesses
wurde von einem weiteren Eingriffe (Enterostomie, Resektion)
abgesehen und nach Exstirpation mehrerer Cysten samt Darm¬
wand, behufs weiterer mikroskopischer und bakteriologischer
Verarbeitung, die Bauchhöhle geschlossen. Nach Heilung der
Wunde wurde mit einer Schmierseifen- und Arsenkur begon¬
nen. Das Kind erholte sich zusehends, der Bauch wurde
kleiner, Erbrechen trat nicht mehr auf. Einen Monat nach der
Operation wurde eine Probepunktion des Abdomens vor-
genommen und zirka 4 ccm klarer, seröser Flüssigkeit, aber
keine Luft aspiriert und hierauf das Kind in häusliche Pflege
entlassen. Drei Wochen später wurde es von der Mutter wieder
gebracht mit der Angabe, daß es ihm im allgemeinen gut gehe,
daß das Erbrechen nicht mehr aufgetreten sei, daß aber der
Bauchumfang in letzter Zeit wieder zunehme. Verfasser fand
das Abdomen stark aufgetrieben. Es war kein Zweifel, daß es
sich um eine Luftansammlung in der freien Bauchhöhle handle,
die beim Fehlen aller übrigen Symptome einer Darmperfora¬
tion nur von den geplatzten Bläschen herrühren konnte. Bei
der Laparotomie entleerte sich in der Tat eine große Menge
vollständig geruchloser Luft und das Abdomen sank sofort zu¬
sammen. Sehr überraschend war der Befund an den Ge¬
därmen. Die sich vordrängenden Dünndarmschlingen waren
nicht merklich gebläht, von dem Bläschen war nichts mehr zu
sehen, dagegen war die Serosa mit einer Unmasse grieskorn¬
großer, heller Knötchen bedeckt, welche die Stelle der frühe¬
ren Bläschen einnahmen. Nur ein zirka 50 cm langes Stück
des unteren Jejunum war mit Cysten dicht besetzt und gegen
den übrigen Darm ganz scharf abgegrenzt. Da dieser Darm-
absclmitt anscheinend keine rechte Neigung zur Rückbildung
zeigte, schaltete Verfasser ihn durch die Enteroanastomose aus.
Am Mesenterium das Colon ascendens und Coeeum, an welchem
ebenfalls die Bläschen mit Hinterlassung der beschriebenen
Knötchen geschwunden waren, war die Serosa in Form einer
faustgroßen einkammerigen Blase abgehoben. Letztere ist
zweifellos durch Konfluenz am Coeeum und Colon entstanden.
Ein ähnlicher Vorgang dürfte sich, sagt Verfasser, auch am
Dünndarm abgespielt und das Platzen dieser Blasen zur Gas-
ansammlung in der freien Bauchhöhle geführt haben. Die
Bauchhöhle wurde wieder geschlossen, die Heilung der Wunde
war ungestört. Nach 14 Tagen machte U., da der Bauch wieder
mehr aufgetrieben war, eine Punktion und wiederholte sie noch
einmal in einem Intervall von 14 Tagen und zwei Monaten,
wobei sich jedesmal zirka % 1 Gas entleerten. Die Analyse
einer Gasprobe ergab neben 5,23 pCt. Kohlendioxyd 7,66 pCt.
Grubengas. Die Frage nach dem Entstehungsmodus der Pneu-
matose und deren Ursache wird verschieden beantwortet.
Dupray und Oster tag halten an der mikroskopischen An¬
schauung fest; ersterer glaubt einen Coccus liquefaciens und
Colibacillen, letzterer Hefezellen in den Cysten gefunden zu
haben, ohne daß deren Züchtung gelang. Die meisten Autoren
sind der Anschauung, daß es sich bei der Pneumatosis intesti-
norum um eystische Erweiterungen der Lymphspalten und
Lymphgefäße handle. Auch seinen Fall glaubt Verfasser mit
Rücksicht auf den absolut negativen bakteriellen Befund, die
Lage der Cysten in der Submucosa, dem Hauptsitze der Lymph-
gaföße, und ihre Auskleidung mit kontinuierlichem Epithel
am ungezwungensten in diesem Sinne auffassen zu dürfen.
Wie die Luft in die Cysten gelangt, ist allerdings noch nicht
aufgeklärt. Angenommen wird, daß sie aus dem Darme
stamme und durch feinste Risse in die Darmwand eindringe.
Auffallend ist jedenfalls die Tatsache, daß in fast allen bisher
beobachteten Fällen von Pneumatosis intestinorum lange Zeit
vorher bestandene gastrointestinale Störungen mit Erbrechen
angegeben werden und auch in Verfassers Fall seit Jahren
häufiges Erbrechen bestand. Bemerkenswert ist ferner das
häufige Zusammentreffen der Pneumatosis mit Tuberkulose
des Darmes oder der Lunge. Auch in vorliegendem Falle be¬
steht mit Rücksicht auf den klinischen Befund und den positi¬
ven Ausfall der Pirquetsehen Kutanreaktion eine, wenn
auch derzeit latente, tuberkulöse Affektion der Lungen. K r.
S. Kostlivy: Ueber die Enderfolge der Operation der Wander¬
niere nach Kukula. (Archiv für klin. Chirurgie, Bd. 91,
H. 1.)
Die Ausführung der von Kukula im Jahre 1902 ange-
gegebeneu Operatiousmethode der Wanderniere gestaltet sich
folgendermaßen: Hinterer Längsschnitt nach Simon, Frei¬
legung und Längsspaltung des Muse, quadratus lumborum in
einer Ausdehnung von 6 cm. ln die so geschaffene Muskel¬
lücke wird der freigelegte und von der Fettkapsel entblößte
untere Nierenpol hineingezogen und zwar so, daß die Niere mit
ihrem kleinsten Umfang in dem Muskelschlitze reitet. Letzterer
wird dann durch Nähte verkleinert, eventuell die Nierenkapsel
noch durch einige Nähte am Winkel befestigt, so daß die Niere
nicht mehr entweichen kann. Verfasser berichtet nun über
21 nach dieser Methode operierte Fälle. Ausgeschlossen von
der Operation blieben einerseits die Fälle mit nur gering¬
fügigen Beschwerden, andererseits Fälle mit ausgedehnter all¬
gemeiner schwerer Entereptose und Fälle, bei welchen die
hysterischen Allgemeinsymptome im Vordergrund standen. In¬
dessen geht Verfasser doch nicht so weit, daß er alle Fälle
mit nervösen Symptomen grundsätzlich von der Operation aus¬
schließt. Am meisten geeignet für die Operation sind die
Falle mit vorwiegend urogenitalen bezw. gastro-intestinalen
Beschwerden und die Kombination dieser beiden Zustände
(Brechreiz, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Abmagerung, Kreuz¬
schmerzen, Blasenbeschwerden, Polyurie etc.). 18 mal war die
rechte Niere betroffen. Unter diesen 21 Operierten befindet
sich ein Todesfall an akuter Magendilatation (arterio-mesen-
terialer Darmverschluß). Alle übrigen Patientinnen haben den
Eingriff gut überstanden. 14 konnten nachuntersucht w'erden.
Die absolut feste Fixation der Niere ist in allen diesen 14 Fällen
erreicht worden. 12 Patientinnen sind subjektiv mit dem Er¬
folg zufrieden und auch objektiv frei'von Störungen. Bei zwei
Fällen soll wegen Beschwerden der linken Seite sekundär auch
die linke Niere fixiert werden. Der definitive Erfolg trat durch¬
schnittlich erst 4—5 Monate nach der Operation ein. Die große
Mehrzahl der operierten Fälle wurde wieder vollkommen
arbeitsfähig. Die Beobachtungsdauer der 14 Fälle schwankt
zwischen einem und sechs Jahren. Die 21 Krankengeschichten
werden kurz mitgeteilt. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Paul Pick, Sekundärarzt der chirurgischen Abteilung des
Krankenhauses Wieden in Wien: Spontanblutungen in das
Nierenlager. (Medizinische Klinik, 1910, No. 25.)
Blutergüsse in der Umgebung der Niere sind gar nicht
selten und in der Literatur sind' zahlreiche pararenale Massen-
No. 35.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1010.
543
blutungen im Anschluß an ein Trauma bekannt. Sehr selten
jedoch konmit.es zur Bildung eines pararenalen Hämatoms ohne
das Moment des Traumas und die Fälle von spontaner Massen-
blutung in das Nierenlager sind nur äußerst spärlich vertreten.
Im ganzen würde bisher über acht Fälle von spontan entstande¬
nen pararenalen Hämatomen berichtet, von denen sechs Fälle
zur Operation kamen. Ad exitum kamen vier Operierte und die
beiden nicht operierten Fälle. Verfasser berichtet über einen
weiteren Fall dieser Art, der mit Erfolg operiert wurde. Es
handelte sich um eine 53 jährige _Frau, die vor acht Jahren
einen Anfall von Cholelithiasis (Schmerzen, Ikterus, acholischer
Stuhl) durchgemacht hatte und nun plötzlich mit heftigen
Schmerzen in der rechten Bauchseite erkrankte. Da Patientin
leicht ikterisch, die rechte Oberbauchgegeend etwas vorge¬
trieben und leicht druckempfindlich, überdies unter dem rech¬
ten Rippenbogen eine Resistenz undeutlich palpabel war, stellte
man die Diagnose auf Cholelithiasis, und erst während der
Operation wurde klar, daß es sich um ein retropei'itoneales,
dem Nierenlager angehöriges Hämatom handle. Die Symptome
waren hier wie in den früher publizierten Fällen: starke,
krampfartige Schmerzen, die von solcher Heftigkeit waren, daß
sie einen Kollaps zur Folge hatten, ferner hochgradiger
Meteorismus, Druckempfindlichkeit der rechten Bauchseite und
ein daselbst undeutlich palpabler Tumor. Auch das Auftreten
des Ikterus, wie er hier vorhanden war, wurde schon von
anderen Beobachtern beschrieben. Die mit einem Ikterus ver¬
bundene Erkrankung, welche die Pat. vor acht Jahren durch¬
gemacht hatte, ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Chole¬
lithiasis gewesen, da Pat. bestimmt angibt, es wäre der Urin
ganz dunkel und der Stuhl hellgrün gefärbt gewesen. Das
spricht dafür, daß der bei der damaligen Erkrankung aufge¬
tretene Ikterus hepatogener Natur war. Im Gegensatz dazu
war der Ikterus bei der pararenalen Massenblutung hämato¬
gener Natur.
Die Therapie bestand in Inzision und Ausräumung des
Hämatoms mit nachfolgender ausgiebiger Tamponade und
Drainage des Blutsackes. Eine vor wenigen Wochen vorge¬
nommene neuerliche Urinuntersuchung ergab bei der Patientin
Spuren von Aibumen und im Sediment spärlich hyaline Zylin¬
der. Die Chromozystoskopie zeigte ein deutliches Zurück¬
bleiben der Indigo-Karminausscheidung durch die rechte
Nephritis mit vorwiegender Beteiligung der rechten Niere, ein
Umstand, auf dessen Koinzidenz mit pararenalen Blutungen
Lenk aufmerksam gemacht hat. Patientin befindet sich seit
ihrer Entlassung objektiv ganz wohl und ist vollständig be¬
schwerdefrei.
Die Diagnosestellung der pararenalen Blutung ist nicht
leicht. Plötzlich auftretende heftige Schmerzen in einer
Bauchseite, von der Nierengegend gegen den Darmbeinkamm
oder den Rücken ausstrahlend, mit einer in derselben Bauch¬
seite mehr oder weniger deutlich palpablen Resistenz und aus¬
gesprochenem Meteorismus werden an eine pararenale Blutung
denken lassen, aber erst eine auffallende Anämie des Patienten
oder in der Nierengegend auftretende Suffusionen sichern die
Diagnose. Differentialdiagnostisch wird oft eine von der Appen¬
dix ausgehende retroperitoneale Eiterung oder eine Chole¬
lithiasis in Erwägung zu ziehen sein.
Die Aetiologie der spontan pararenalen Blutungen ist
ziemlich unklar. Auffallend ist es, daß in fast allen publizier¬
ten Fällen chronische Nephritis vorhanden war; auch vorliegen¬
der Fall bestätigt diese Beobachtung:
Die Prognose der nicht zur Operation gelangenden Fälle
ist bei einer wirklichen pararenalen Massenblutung unbedingt
schlecht, und nur die rechtzeitige Operation kann Hilfe bringen.
Der Exitus trat immer unter septischen Erscheinungen ein, und
die Sepsis ist es, die das ganze Krankheitsbild in den späteren
Stadien beherrscht. Die Gefahr der Vereiterung des Hämatoms
weist der Therapie den Weg, die unbedingt eine chirurgische
sein muß. Wird die Diagnose auf pararenale Blutung noch vor
der Operation gestellt, dann ist jedenfalls eine funktionelle
Nierenprüfung vorzunehmen, um, wenn sich während der Ope¬
ration eine Nierenexstirpation als zweckmäßig erweisen sollte,
dieselbe ruhig vornehmen zu können. Liegt ein großer Blutsack
vor, dann ist er zu indizieren, die Blutmassen müssen
ausgeräumt und die Höhle ausgiebig tamponiert und drainiert
werden. Sieht man aber an der Niere eine makroskopische
Quelle der Blutung, dann ist die Blutung unbedingt zu stillen,
eventuell, wenn alle anderen Mittel versagen, durch Exstirpa¬
tion der betreffenden Niere. Findet man die Niere eingebettet
in schichtweise übereinander gelagerte Feit- und Cruormassen,
dann sind sie zu exstirpieren, um einer Vereiterung der Cruror-
inassen vorzubeugen. Hierauf ist gleichfalls ausgiebig zu
tamponieren und zu drainieren. K r.
E. Fabian: Zur Kenntnis des malignen Granuloms. (Archiv
für klin. Chirurgie, Bd. 91, H. 2.)
F. berichtet ausführlich die Krankengeschichte und den
Autopsiebefund eines Falles von malignem Granulom, welcher
unter dem Bilde einer fieberhaften, generalisierten, mit Kachexie
und Anämie einhergehenden Affektion des lymphatischen
Systems (thoracale, abdominale, inguinale und axillare Lymph-
drüsen) mit Bildung gleichartiger Knoten in der Lunge, Leber,
Milz, der linken Niere und den Wirbelkörpern letal verlief.
Von besonderem Interesse ist der Blutbefund: geringfügige,
späterhin deutliche polynukleäre neutrophile Leukocytose bei
Verminderupg der Lymphocytenzahl. Histologisch fanden sich
in den Lymphdrüsen epitheloide Zellen, spindlige Zelielemente,
Riesenkeimzellen. Plasma-. Mast- und eosinophile Zellen; viel¬
fach nekrotische Zellen mit hyaliner Degeneration.
Therapeutisch erwiesen sich .Jodkali, Quecksilber, Arsen,
Antipyretica als völlig wirkungslos.
v. Möller: Zur Frage der operativen Behandlung der Lungen
Verletzungen. (Archiv für klin. Chir., Bd. 91, H. 2.)
Die Behandlung der penetrierenden Thorax- bezw. Lungen¬
verletzungen war bis vor wenigen Jahren allgemein eine
konservative abwartende. Sie bestand meist in Bettruhe. Dar¬
reichung von Morphium. Eisblase. Die Wunde wurde mit ein¬
fachem Okklusivverband bedeckt, eventuell auch erwei¬
tert und tamponiert oder vernäht. Seit einigen Jahren wird
nun von manchen Chirurgen, insbesondere von Gar re, einem
mehr aktiven Vorgehen das Wort geredet und Stuck ey geht
sogar so weit, daß er bei jeder penetrierenden Stichverletzung
des Thorax, welche innerhalb der ersten 12 Stunden ins
Krankenhaus kommt, zumal bei Verdacht auf Lungenverletzung
die Thorakotomie und Naht der Lunge für indiziert erachtet.
Verfasser erbringt nun an der Hand des großen Materials
des Urbankrankenhauses in Berlin (Körte) den Nachweis,
daß ein derartige radikales Vorgehen, wie es Stuckev
empfiehlt, nicht nur unnötig, sondern auch unzweckmäßig ist,
daß vielmehr die meisten derartigen Verletzungen unter ein¬
fachem Okklusivverband zur Heilung gelangen, daß es aber ver¬
einzelte schwere Fälle gibt, in welchen ein Eingriff, Freilegung
und Versorgung der Lungenwunde berechtigt ist. Das mit¬
geteilte Material von 90 Lungen- bezw. Pleuraverletzungen um¬
faßt 48 Verletzungen durch Schuß, 19 durch Stich oder Schnitt
und 23 subkutane Lungenzerreißungen. Die sicheren klini¬
schen Zeichen der Lungenverletzung sind Blutauswurf, sekun¬
därer Pneumothorax, Hämothorax; auch der Verlauf des Schu߬
kanals und das Röntgenbild ermöglichen die Diagnose. In
75 pCt. der Schußverletzungen und in 37 pCt. der Stichver¬
letzungen war die Lunge mitverletzt. Die Behandlung, be¬
schränkte sich im Prinzip auf Verband, bei Stichwunden wurde
zuweilen der Stichkanal erweitert und tamponiert. Größere
Pleuraergüsse wurden nach 1—2 Wochen durch Punktion ent¬
leert und nur in drei Fällen wurden wegen Verletzungen an
der Lunge, am Perikard, Zwerchfell, Magen, Leber. Milz etc.
größere Eingriffe unternommen. Von den 67 Fällen pene¬
trierender Thoraxverletzungen sind sieben gestorben und zwar
wurde als Todesursache festgestellt: zweimal Empyem, einmal
Hämoperikard, einmal Hämothorax und Hämoperikard, einmal
Blutung in den Rückenmarkskanal einmal Hämopneumothorax.
einmal Hämopneumothorax mit Herzschuß. Verfasser weist
nun noch, daß vielleicht in drei dieser Fälle die Thorakotomie
bei richtiger Diagnosenstellung hätte in Betracht kommen
können; ob mit Erfolg, erscheint mehr als zweifelhaft. Auch die
subkutanen Lungenverletzungen eignen sich in der Regel nicht
zur chirurgischen Behandlung. Die Gesamtmortalität bei
Stuckev, welcher alle penetrierenden Thoraxverletzungen
operiert, beträgt 36 pCt., während sie bei K ö r t e s konser¬
vativem Standpunkt 31.8 pCt. beträgt. Unumgänglich nötig
wird die Operation bei sehr schweren primären, bei andauern¬
den und wiederholten Blutungen, bei schwerem Pneumothorax
und Zellengewebsemphvsem, bei sekundärem Pneumo¬
thorax. Die Operation besteht in breiter Eröff¬
nung des Thorax durch Tntercostalschnitt oder Rippen¬
resektion, Hervorziehen der Lunge und wenn möglich Naht
der Lungenwunde. Bei schwerer Zertrümmerung der Lunge
Resektion bezw. Einnähen der Lungenwunde in die Pleura¬
öffnung und Tamponade. Schluß der Wunde mit oder ohne
Drainage. Das Ueberdruckverfahren kam fünfmal zur An¬
wendung. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. K. Ungar (Hermannstadt): Lieber einen mit Antistrepto¬
kokkenserum behandelten und geheilten Fall von Strepto¬
kokkensepsis. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 5.)
Während Versuche mit dem M e n z e r sehen Serum bei
Erysipel keine greifbaren Einfluß auf die Erkrankung erkennen
ließen, wurde es in einem Falle schwerster Sepsis nach Abort
mit ausschlaggebender Wirkung verwendet. Die Kranke wurde
eingeliefert mit Temp. 40,6“. Intensiver Frost. Puls klein,
jagend, von geringer Spannung, regelmäßig. Auf den Lungen
bronchitische Geräusche. Herztöne rein, Milz deutlich ver¬
größert. Meteorismus. Eiteriges Scheidensekret. Urin konzen¬
triert, Spuren von Eiweiß, kein Zucker. Eine durch Kochsalzinfu¬
sionen, Digitalis und Alkohol erreichte Besserung von Puls
544
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Nu. 35.
und Kräftezustand wurde durch tägliche Schüttelfröste wieder
zunichte. Bakteriologische Blutuntersuchung positiv. Prognose
absolut infaust. Intravenöse Injektion von 15 ccm Menzers
Serum bei einer Temperatur von 41", daneben Herztonira,
Alkohol, Kochsalzinfusionen. Eklatanter Erfolg. Fallen der
Temperatur, kein Schüttelfrost, sichtliche Erholung. Nach
mehreren Tagen neuer Anstieg auf 41° und Schüttelfrost, große
Hinfälligkeit. 10 ccm Serum intravenös. Temperaturabfall
auf 37,2. Eine sieben Tage später angestellte Blutprobe war
negativ. Nach Punktion eines Pleuraexsudates, Inzision rechts¬
seitiger Parotitis, Entleerung zweier durch die Kochsalzinfu¬
sionen entstandener Abscesse allmähliche Erholung der
Patentin und Genesung. Die intravenöse Injektion hatte auch
nach der Wiederholung keine üblen Symptome zur Folge.
M.
Dr. Hindcnherg (Strelitz i. M.): Zu dem Kapitel der uner¬
wünschten Ergotinwirkung. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 28.)
Die Darreichung von Secalepräparaten in allen Stadien vor
der Nachgeburtsperiode ist deshalb kontraindiziert, weil Ergo-
tin zu einem unerwünschten Spasmus des Uterus führen kann.
Daß aber selbst noch im Früh Wochenbett das Ergotin einen
Spasmus des Uterus mit nicht unbedenklichen Nebenerschei¬
nungen hervorrufen kann, beweist der hier vom Verfasser mit¬
geteilte Fall. Hier trat am dritten Tage des Puerperiums nach
Verabreichung von dreimal täglich 25 Tropfen tOproz. Ergotin-
lösung bei einer 40 jährigen Fünftgebärenden plötzlich 39.8"
Fieber auf, welches sich als durch Sistierung des Lochienab¬
flusses infolge von Spasmus uteri bedingt erwies. Nach Aus-
setzen des Ergotins und Darreichung von Morphin, muriatic
ließ die Kontraktion des Uterus nach, die Lochien gingen wieder
ab und die Temperatur fiel wieder zur Norm. Man wird nach
Verfasser in ähnlichen Fällen von Fieber im Puerperium ohne
ersichtliche Ursache immer an die Möglichkeit einer Sistierung
des Lochienflusses denken müssen. R. L.
II. Therapeutische Notizen.
Gegen den chronischen Darmkatarrh kleiner Kinder (von
1 Jahr ab) empfiehlt Ljaschenko (Charkow) folgende Pulver¬
mischung:
Rp. Tannalbin.0,3
Guajacol. carbonic.0,05
Pulv. Doweri .0,005
Sacchar.0,2
M. f. p. D. tal. dos. N. 15.
S. Alle drei Stunden (5- bis 6 mal am Tage) 1 Pulver.
(Prakt. Wratsch, 1910, S. 461.)
Bei Angina pectoris empfiehlt Dr. P. C. Franse (Bad Nau¬
heim) subkutane Anwendung von Morphin neben gleichzeitiger
Anwendung von Hand- und Fußbädern oder das Einatmen von
Amylnitrit oder Nitroglyzerintabletten. Eine
sehr wertvolle, weniger bekannte Ordination ist ferner folgende:
Rp. Fol. digital, pulv.0,1
Coffein pur.0,2
Diuretin (Knoll).0,5
Morphin, m ur.0,005
M. f. pulv. D. tal. dos. No. V. in caps. amylac.
S. Beim Anfall 1 Kapsel, evtl., nach 14 Stunde eine weitere.
(Folia Therapeutica, April 1910, No. 2.)
—o—
Zur Frage der alkoholfreien Ersatzgetränke bringt
Dr. Juliusburger (Steglitz) einen Beitrag, in dem er die Wichtig¬
keit dieser Frage betont und die Notwendigkeit begründet, für
wohlfeile, wohlschmeckende und hygienisch einwandfreie Er¬
satzmittel der alkoholischen Getränke zu sorgen. Als ein sehr
empfehlenswertes alkoholfreies Getränk empfiehlt er, besonders
für Kranke, das Getränk ..Perplex“, das die Perplex-Brauerei
in Luckenwalde bei Berlin herstellt. Nach den chemischen Ana¬
lysen ist es absolut alkoholfrei, hingegen beträgt der Extrakt¬
gehalt 9,6 g in 100 ccm, ist also ein recht hoher, da er in gewöhn¬
lichen Lagerbieren nur 514 g und in schweren Exportbieren
6' i g in 100 ccm beträgt. Der Geschmack ist rein und gut. Die
chemische Zusammensetzung kommt dem des Lagerbieres sehr
nahe, nur fehlt jeglicher Alkoholgehalt. Der Nährwert ist durch
den hohen Extraktgehalt ein ganz beträchtlicher. (Halbmonats¬
schrift f. soziale Hygiene und Medizin, 1910, No. 12/13. F.
,
yiii /Sersity
III. ßücherscliau.
Die Erkrankungen der Harnorgane. Gemeinverständliche Dar¬
stellung ihres Wesens, ihrer Ursachen und ihrer Behand¬
lung nebst eingehender Unterweisung im aseptischen Selbst¬
katheterismus. Von Dr. Otto Grosse, Spezialarzt für Uro¬
logie in München. Mit fünf Abbildungen im Text. München
1910, Verlag der ärztlichen Rundschau (Otto Gmelin).
64 S. 1,40 M.
Die vorliegende Schrift gehört einer unter dem Gesamt¬
titel „Der Arzt als Erzieher“ herausgegebenen Sammlung an,
deren Zweck es ist, in allgemein verständlichen Einzel¬
darstellungen einzelne wichtige Kapitel der praktischen Medi¬
zin zu behandeln, um so richtige, wissenschaftlich begründete
Anschauungen über das Wesen und die Behandlung von Krank¬
heiten in nichtärztlichen Kreisen zu verbreiten. Das den
Erkrankungen der Harnorgane gewidmete Heft ist dieser Ten¬
denz durchaus angepaßt; im allgemeinen kann man mit der Art
der Darstellung einverstanden sein. Nur wäre in bezug auf
manche Fragen der Therapie in einer derartigen für das große
Publikum bestimmten Schrift eine größere Zurückhaltung ge-
; boten. Wenn z. B. Verfasser sagt, daß bei einseitiger Nieren-
j tuberkulöse und sonstigem guten Allgemeinbefinden die opera-
[ tive Entfernung der erkrankten Niere unbedingt geboten ist,
| so ist demgegenüber daran zti erinnern, daß neuerdings einige
Urologen auch bei Tuberkulinbehandlung Heilungen von
Nierentuberkulose beobachtet haben.
Die Gicht. Ihre Ursachen und Bekämpfung. Gemeinverständ¬
lich von Dr. med. 0. Burwinkel, Kurarzt in Bad Nau¬
heim. Dritte und vierte vermehrte und verbesserte Auf¬
lage. München 1910. Verlag der ärztlichen Rundschau
(Otto Gmelin). 45 S. 1,20 M.
Die Nierenleiden, ihre Ursachen und Bekämpfung, gemeinver¬
ständliche Darstellung von Dr. H. Engel, Kurarzt in, Helouan
(Aegypten). Dritte und vierte vermehrte und verbesserte
Auflage. München 1910, Verlag der ärztlichen Rundschau
(Otto Gmelin). 81 S. 1,40 M.
Diese beiden Monographien gehören ebenfalls der Samm¬
lung „der Arzt als Erzieher“ an. Ihre Tendenz ist damit ge-
I geben. Die beiden Verfasser entledigen sich der ihnen ge¬
stellten Aufgabe in sachgemäßer Weise. Daß die Schriften An¬
klang gefunden haben, geht aus der Tatsache hervor, daß von
beiden neue Auflagen vorliegen.
Ueber den Selbstmord. Von Dr. Robert Gaupp. Professor an
der Universität Tübingen. Zweite vermehrte Auflage.
München RHO, Verlag der ärztlichen Rundschau (Otto
Gmelin). 32 S. 1 M.
Der bekannte Psychiater bespricht in der fesselnd ge¬
schriebenen Abhandlung klar und präzis das Problem des
Selbstmords. In dem ersten Kapitel gibt er statistische Daten
j über die Häufigkeit des Selbstmords früher und jetzt und über
j seine verschiedene Häufigkeit zu verschiedenen Jahreszeiten,
bei verschiedenen Völkern usw. Im zweiten Teil untersucht er
auf Grund eigener Feststellungen bei Gelegenheit mißglückter
j Selbstmordversuche die Frage, welche tieferen Ursachen und
| speziellen Motive zum Selbstmord zu führen pflegen. Geistige
Erkrankung oder wenigstens psychopathische Anlage lassen
sich fast immer nachweisen.
| Volkgesundheit und Industrie. Von Dr. Gastcrs, Kreisarzt in
Mühlheini a. Ruhr. Veröffentlichungen des Deutschen Ver¬
eins für Volkshygiene. Heft XVIII. München und Berlin
1910, Druck und Verlag von It. OldenboUrg. 27 S.
0,30 M.
Verfasser gibt in diesem populären Vortrag einen Ueber-
j blick sowohl über die allgemeinen aus der fortschreitenden
Industrialisierung für die Volksgesundheit erwachsenden Ge¬
fahren wie auch die wichtigsten speziellen, in einzelnen Zwei¬
gen der Industrie den Arbeiter bedrohenden Schädigungen.
Nachdem er in dieser Weise die der Volksgesundheit aus der
Industrie drohende Gefährdung geschildert hat, zeigt er. daß
es dank der fortschreitenden wissenschaftlichen Erforschung
der Gewerbekrankheiten sowie den Fortschritten der allge¬
meinen Hygiene bereits gelungen ist, einen großen Teil dieser
Gesahren wirksam zu bekämpfen, daß aber auch die Auf¬
klärung der Arbeiterbevölkerung selbst über diese Gefahren
und ihre Erziehung zum hygienischen Leben, zur Reinlichkeit
eines der stärksten Hilfsmittel im Kampf gegen die erwähnten
Gefahren ist. Aus diesem Grunde verdient auch die vorliegende
populär gehaltene Schrift Verbreitung in den Kreisen der In¬
dustriebevölkerung. R. L.
IY. Vermischtes.
Alkoholischer Eifersuchtswahn. Professor Dr. Puppe
in Königsberg i. P. hat bei 50 Trinkern, die er für die Königs¬
berger A 1 k o h o 1 - W o h 1 f a h r t s s t e 11 e untersucht hat,
No. 35.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
545
11 mal, also in 22 pCt. der Fälle, Eifersuchtswahn ge¬
funden. Es ist aber möglich, daß er noch häufiger vorhanden
gewesen ist, weil die Angaben der untersuchten Trinker natür¬
lich mit Vorsicht aufzunehmen sind. Einer der von Verf. be¬
obachteten Fälle zeigt die außerordentliche Gemeingefährlich¬
keit der mit Eifersuchtswahn behafteten geisteskranken
Trinker. Es handelte sich um einen Mann mit Eifersuchtswahn¬
vorstellungen, die ihn zum Mordversuch gegen seine Ehefrau
und 13 Jahre später zum Morde seiner Konkubine getrieben
haben. Neben den Eifersuchtsvorstellungen fanden sich bei
jedem Mordversuche Vergiftungsvorstellungen: das Essen sei
vergiftet usw. Bei dem 13 Jahre später ausgeführten Morde
hatten die Vergiftungsvorstellungen die eigentümliche Um¬
wandlung erfahren, daß sich der Täter von seiner Konkubine
absichtlich mit Tripper infiziert wähnte. Daß die Eifersuchts¬
vorstellungen alkoholische waren, wurde durch das Bestehen
einer Neuritis alcoholica in den Beinen bewiesen. (Ver. f.
wissensch. Heilkunde in Königsberg i. P. 1909.)
Ueber Atrophie des Hodens hei chronischem Alkoholismus
hat Dr. E. Bertholet. Assistent am pathologischen Institute in
Lausanne, Untersuchungen angestellt. Er untersuchte die
Hoden von 75 Männern, die im Alter von 15—91 Jahren ge¬
storben waren, und fand dabei eine Atrophie der Hoden bei
chronischem Alkholismus. Unter den 75 Personen waren
39 Gewohnheitstrinker, über deren Lebensweise B. sichere Er¬
kundigungen hatte einziehen können. In 37 Fällen (Syphilis
konnte ausgeschlossen werden) fand sich bei der mikroskopi¬
schen Untersuchung mehr oder weniger verbreitete Atrophie
des Hodenparenchyms und Sklerose des interstitiellen Binde¬
gewebes. Nur in zwei Fällen fehlten die Veränderungen im
Hoden. Die stärksten Veränderungen wurden bei den an
Lebercirrhose oder Tuberkulose verstorbenen Alkoholikern ge¬
funden. . Vollständige Atrophie wurde schon bei einem Trinker
von 24 Jahren beobachtet. In anderen Fällen war die Atrophie
nicht so vollständig, es konnten hier und da vereinzelte Sperma-
tozoen gefunden werden. Doch läßt sich feststellen, daß zwar
unbedeutende Veränderungen der Membrana propria der
Hodenkanälchen auch bei Nichtalkoholikern gefunden werden,
so weit vorgeschrittene und frühzeitige Atrophie der Hoden
aber nur bei Alkoholikern nachweisbar ist. Der schädliche
Einfluß des chronischen Alkoholismus auf die Geschlechts¬
drüsen kann daher nicht geleugnet werden. (Zentralblatt f.
allg. Path. u. pathol. Anat., XX. Band, S. 1062.)
Ueber den Einfluß des Alkohols auf den Blutdruck und die
Herzarbeit in pathologischen Zuständen, namentlich beim
Fieber hat Prof. Dr. Dennig mit seinen Assistenten Dr. Hinde¬
lang und Grünbaum im Krankenhause zu Pforzheim
Untersuchungen sowohl am Kranken als auch am Versuchstiere
angestellt. Die Zahl der an 62 Patienten vorgenommenen
Messungen betrug 956; sie erfolgten größtenteils nach der von
Sahli angegebenen Methode. Die Menge des dargereichten
Alkohols schwankte zwischen 6 und 35 ccm pro dosi. Meistens
handelte es sich um fiebernde Kranke mit Pneumonie, Abdo¬
minaltyphus, Scharlach, Sepsis, Rheumarthritis acuta usw. Das
Ergebnis war in den allermeisten Fällen ein Sinken des Blut¬
drucks, nur sehr selten wurde ein Steigen beobachtet und zwar
bezog sich das Sinken meist auf alle Blutdruckfaktoren, näm¬
lich Maximaldruck, Minimaldruck, Amplitude und Mitteldruck.
Die bifferenzen waren sowohl in den positiven als auch in den
negativen gering und betrugen 6—10 mm. Kleinere Alkohol¬
dosen hatten ein geringeres, größere ein merklicheres Sinken
zur Folge.
Dasselbe Ergebnis hatten die an fiebernden Tieren vor¬
genommenen Versuche, bei denen der Blutdruck in der Arteria
femoralis gemessen wurde. Er zeigte nach kleiner Dosis ein
sehr rasch vorübergehendes (nur eine Minute anhaltendes)
Steigen und dann ein etwa % Stunden dauerndes Fallen, nach
mittleren Mengen sofort Fallen des Druckes.
10 Kranke wurden mit dem Sphygmobolometer nach
S a Ii 1 i untersucht. Dabei ergab sich Sinken der Oszillations¬
größe, Sinken der Druckhöhe und Sinken der vom Pulse
geleisteten Arbeit! Außerdem fiel eine Veränderung der Puls¬
form auf. Die Pulsfrequenz war nicht verändert. Dennig
kommt zu dem Schlüsse, daß das Sinken des Blutdrucks und
der sphygmobolometrischen Werte zum Teile durch die Er¬
weiterung der peripheren Arterien bedingt ist.
Auf Grund seiner Untersuchungen glaubt er bei fieber¬
haften Krankheiten vom Alkohol einen sparsameren Gebrauch
machen zu müssen als es bisher der Fall war. (Deutsch.
Archiv f. klinische Medizin, Bd. 96, S. 153.)
V. Tagesgeschichte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Durch Uebereinkommen zwischen den preußi¬
schen und der oldenburgischen Regierung vom 18. März d. .T.
(Preußische Gesetzsammlung, 25, No. 11 058) sind die Aerzte
der oldenburgischen Fürstentümer L ü b e c k und Birken¬
feld den Aerztekamraern der preußischen Provinzen Schles¬
wig-Holstein bezw. der Rheinprovinz angeschlosscn
worden.
Dresden. Ueber die Zahl der Aerzte und Kurpfuscher
im Königreich Sachsen gibt das „Korr.-Bl. d. ärztl. Vereine d.
Kgr.' Sachsen“ folgende Zusammenstellung: Nach den Feststellun¬
gen des kgl. Landesmedizinalkollegiums waren Anfang 1909 im
Königreiche Sachsen 2129 Zivilärzte (1900: 1864). 129 Militär¬
ärzte (1900: 118), 193 Zahnärzte (1900: 114), 1829 Hebammen
(1900: 1857) tätig. Die Zahl der Kurpfuscher hat im König¬
reiche Sachsen in den Jahren stetig zugenomineu. Sie betrug
1900: 748. 1903: 100S, 1906: 1132, 1907: 1207, 1908: 1227 und
1909: 1337. Die meisten Kurpfuscher zählt die Stadt Dresden,
nämlich 374, während in Leipzig 142 und in Chemnitz 95 an¬
sässig sind. In der Kreishauptmannschaft Dresden wurden am
1. Januar 1909 (ohne die Stadt Dresden) 210. Kreishauptmann¬
schaft Chemnitz 154, Kreishauptmannschaft Bautzen 127. Kreis¬
hauptmannschaft Zwickau 122 und in der Kreishauptmanu-
schaft Leipzig 113 Kurpfuscher ermittelt.
Universitätswesen, Personalnachrichten.
Berlin. Der Direktor des Instituts für Infektionskrank¬
heiten. Geh. Obermedizinalrat Prof. Dr. Georg Gaffky. ist
zum ordentlichen Honorarprofessor an der hiesigen Universität
ernannt worden.
— Der Oberarzt am klinischen Institut für Frauenkrank¬
heiten und Geburtshilfe Privatdozent Dr. Rudolf Jolly hat
den Professortitel erhalten,
— Bei der hiesigen medizinischen Fakultät wurde am
Schlüsse des Sommersemesters ein Araber, der Scheich
Hamed Waly aus Aegypten. Lektor der arabischen Sprache
am orientalischen Seminar, summa cum laude zum Doktor pro¬
moviert. Es war der erste Fall dieser Art. Die Inaugural¬
dissertation behandelt ein Thema aus der Geschichte der ara¬
bischen Medizin, Unser neuer Kollege, der im 39. Lebensjahre
steht, hatte seine Lektorstellung seit 1901 inne und während
dieser Zeit seine medizinischen Studien gemacht. Von der
ägyptischen Regierung jetzt zum Sanitätsinspektor ernannt,
wird er im Oktober in seine Heimat zurückkehren.
— An der hiesigen Universität haben im verflossenen
Universitätsiahre 17 Damen den medizinischen Doktor¬
grad erworben: der Mehrzahl nach sind es Russinnen. Auch
Universitätsstellungen haben bereits eine ganze Anzahl
von Frauen erlangt, die meisten in den medizinisch-
naturwissenschaftlichen Fächern. Am weitesten hat es in
dieser Hinsicht wohl Frau Dr. Stephanie Lichten¬
stein gebracht, die als Assistentin in dem von Geh. Rat
Prof. Dr. Rubner geleiteten physiologischen Institut tätig
ist. Sie steht der neuen bakteriologisch-mikrobiologischen
Abteilung des Instituts vor. Im neurobiologischen Labora¬
torium wird die Kontrolle bei der Anfertigung der normalen
und pathologischen menschlichen Schnittserien mit Mark¬
scheidenfärbung von Cecile Vogt ausgeübt. In dem vom
Geh. Rat Orth geleiteten pathologischen Institut ist eine
größere Zahl von Damen beschäftigt. In der bakteriologi¬
schen Abteilung hat Frau Dr. Lydia Rabiuowitsch-
Kempner ein besonderes Arbeitszimmer. Vielfach wurden
wissenschaftliche Arbeiten von Damen als Institutsarbeiten ver¬
öffentlicht. so. z. B. im zoologischen Institut Prof. Schutzes
von Frl. Dr. Katharina Samson.
Marbu rg. Für die Stelle des nach Kiel versetzten Ordi¬
narius der Gynäkologie Prof. Dr. W. Stoecke! sind aeouo
loco vorgeschlagen Prof. Dr. E. Kehrer in Bern Prof. Dr.
E. Opitz in Düsseldorf und Prof. Dr. W a 11 h a r d in Frank¬
furt a. M.
— Ein Denkmal für Wilhelm Roser, den im Jahre
1888 gestorbenen Marburger Chirurgen, soll hierselbst errichtet
werden. Eine Reihe von hervorragenden deutschen Chirurgen
hat zu diesem Zwecke einen Aufruf veröffentlicht.
Jena. Prof. Dr. Erich Lex er, Ordinarius der
Chirurgie in Königsberg, hat einen Ruf als Nachfolger des in
den Ruhestand tretenden Geheimrats Bernhard Riedel
erhalten und angenommen.
Freiburg i. B. Dr. v. S z i 1 i hat sich für Augenheil¬
kunde habilitiert.
Ludwigshafen. Im Alter von 46 Jahren starb hier-
selbst Dr. Ludwig Scherer, der sich als Vorkämpfer in
Standesangelegenheiten, speziell durch sein Eintreten für die
freie Arztwahl und seine Propaganda für den Leipziger Ver¬
band. erhebliche Verdienste erworben hat.
Wien. Der außerordentliche Professor der inneren Medi¬
zin Dr. Leopold.Oser ist gestorben. 1839 zu Nikolsburg
in Mähren geboren, hat er in Wien studiert und dort 1862 seine
ärztliche Approbation erworben. 1866 erhielt er für seine erfolg¬
reiche Tätigkeit bei der Bekämpfung der Cholera mne beson¬
dere Anerkennung. 1872 wurde er Primärarzt am Rothschild-
546
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 35.
Spital und gleichzeitig Abteilungsvorstand an der Wiener Allge¬
meinen Poliklinik; um dieselbe Zeit habilitierte er sich an der
Universität für innere Medizin. 1873 wurde Oser zum Mitglied
des niederösterreichischen Landessanitätsrats ernannt. 1885 er¬
hielt er das Extraordinariat; später wurde ihm dazu der Titel
eines ordentlichen Professors verliehen. — Die wissenschaft¬
lichen Publikationen 0 s e r s haben größtenteils die Krank¬
heiten des Magens und des Darms zum Gegenstand; außerdem
publizierte er über Flecktyphus und Cholera. An Noth¬
nagels Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie hat
sich Oser mit seiner Monographie über die Krankheiten des
Pankreas beteiligt.
Zürich. Nach Dr. B r u n ners Ablehnung hat der
Regierungsrat endgültig den Greifswalder Professor der
Chirurgie Dr. Erwin Payr zum ordentlichen Professor der
Chirurgie au der hiesigen Universität gewählt.
Budapest. Dr. AdolfJuba hat sich für Schulhygiene
habilitiert.
London. Einige Monate nach Vollendung ihres
90. Lebensjahres ist die hochverdiente Philanthropin Miß
Florence N i g h t i n g a 1 e gestorben. Als freiwillige
Krankenpflegerin und Organisatorin der Krankenpflege im
Krimkriege hat sie sich Weltruhm erworben. Auch seit jener
Zeit hat Frl. Nightingale ihre Kraft und ihr ererbtes
großes Vermögen noch vielfach in den Dienst humanitärer
Bestrebungen gestellt.
Athen. Infolge der in Griechenland herrschenden poli¬
tischen Wirren war u. a. der Lehrstuhl der Gynäkologie an der
hiesigen Universität vakant geworden. Auf ihn ist jetzt der
Dozent an der Wiener Universität Dr. ConstantinBucura
berufen worden, der aber als Annahmebedingung die Ge¬
nehmigung zur Beibehaltung seiner österreichischen Staats¬
angehörigkeit fordert.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Berlin. V. Internationaler Kongreß fiir medizinische
Radiologie und Elektrologie vom 13.—18. September 1910 in
Barcelona. Die bisherigen Anmeldungen seitens deutscher
Aerzte lassen die Annahme zu, daß Deutschland auf diesem
Kongreß zahlreich vertreten sein wird. Es bietet sich den Teil¬
nehmern des Kongresses und deren Angehörigen eine nicht so
bald wiederkehrende Gelegenheit, auf bequeme und billige
Weise Spanien kennen zu lernen. Die Gesellschaft „Voyages
pratiqües“. rue de Rome 5, Paris, hat nämlich eine Reihe von
Gesellschaftsreisen in Spanien zusammengestellt, welche am
Tage nach Schluß des Kongresses ihren Anfang nehmen, und
je nach ihrer Länge 6—21 Tage dauern. Die schönsten und
berühmtesten Städte Spaniens sollen besucht werden, so z. B.
Saragossa, Madrid. Granada, Malaga, Rouda, Gibraltar, Alge-
siras, Tanger, Cadix, Sevilla, Cordoba, Toledo, Burgos, Mira¬
flores, las Huelgas, Irun. Die Preise der Reisen, in denen Ver¬
pflegung, Logis, Ausflüge etc. inbegriffen sind, bewegen sich
zwischen 110 und 985 Fr. für die erste Klasse, für die zweite
Klasse dementsprechend billiger; es gibt auch Billetts für die
dritte Klasse, doch empfiehlt es sich nicht, von denselben Ge¬
brauch zu machen. Das Bureau der „Voyages pratiqües“ ist
gerne bereit, eventuelle diesbezügliche Anfragen umgehend zu
beantworten. Alle sonstigen Anfragen sind an den Schrift¬
führer des deutschen Komitees, Dr. I m melmann, Berlin W.,
Lützowstrasse 72, zu richten.
Wien. Der Verein für Psychiatrie und Neuro¬
logie in Wien veranstaltet am 16. und 17. Dezember d. J.
in Wien den vierten österreichischen Irrenärztetag. Das
Programm enthält Referate über den Entwurf des Irren¬
fürsorgegesetzes mit anschließender Diskussion und
Demonstrationen und Vorträge aus dem Gebiete der Psychia¬
trie. Anmeldungen zu solchen werden bis Mitte Oktober an
die Schriftführer (Doz. Dr. Raimann und Doz. Dr. 0. Mar-
b u rg) erbeten.
— Vom 27. bis 30. September d. J. wird hierselbst der
VII. internationale Physinlogen-Kongrcß unter dem Vorsitze
des Hofrates Prof. Dr. Sigm. Exil er tagen. Dieser Kongreß
findet alle drei Jahre statt, seine Versammlungsorte waren bis¬
her: Basel, Lüttich, Brüssel, Turin, Bern und Heidelberg. Bis¬
her sind mehr als 175 Vorträge und Demonstrationen von Ge¬
lehrten aus aller Herren Länder angemeldet. Obwohl täglich
vormittags und nachmittags Sitzungen sein werden und die Zeit
eines Vortrages beschränkt sein wird, müssen, um die Fülle
des Stoffes zu bewältigen, gleichzeitig zwei bis drei Sitzungen
abgehalten werden. Dieselben werden im Physiologischen, im
Pharmakologischen und im Anatomischen Universitäts-Insti¬
tute stattfinden. Die offiziellen Sorachen des Kongresses sind
Deutsch. Englisch, Französisch und Italienisch. Die Eröffnungs¬
und Schlußsitzung, in denen keine Demonstrationen vorgeführt
werden, finden im Hause der Gesellschaft der Aerzte statt. Bei
ersterer wird Ch. Rieh et (Paris) einen Festvortrag halten:
..L’humorisme aneien et l’humorisme moderne“, bei letzterer
wird Dr. V: Ebner v. Rosenstein (Wien) eine Gedenk¬
rede aus Anlaß des 100. Geburtstages von Th. Schwann,
dem Entdecker des zelligen Baues der tierischen Organismen,
halten. Am Vorabend des Kongresses findet eine zwanglose
Zusammenkunft statt, zu welcher von seiten der Stadt Wien die
Volkshalle des Rathauses zur Verfügung gestellt wurde. Am
nächsten Abend ist der Kongreß zum Bürgermeister Dr. Neu-
mayer geladen. Am 29. September findet ein Festbankett
im Hotel Metropole statt, und am 30. September sollen sich im
Anschlüsse an den korporativen Besuch der biologischen Ver¬
suchsstation im Prater die Teilnehmer zu einem letzten ge¬
meinsamen Abend in der Jagd-Ausstellung treffen. Auch ein
Damen-Komitee hat sich gebildet, das die Führung der Damen
der Gäste übernimmt.
Salzburg. Der VI. Kongreß der Balneologen Oester¬
reichs findet hierselbst vom 7.—10. Oktober d. J. statt. Die
Anmeldungen zu demselben sind sehr zahlreich, das Programm
ist ein reichhaltiges und dürfte der Kongreß daher stark be¬
sucht werden. Es sind bereits 54 Vorträge zur Anmeldung
gekommen; ein Teil derselben behandelt die modernsten
Ergebnisse auf dem Gebiete der Balneologie. Eine Reihe von
Forschern, welche außerhalb der Balneologie stehen und an
welche das Kongreß-Komitee mit der diesbezüglichen Bitte her¬
angetreten ist. haben der Bitte Folge geleistet und werden zum
Kongreß erscheinen. Alle Aerzte, welche sich für den Kon¬
greß interessieren und welche die Zuschriften nicht erhalten
haben, können sich diesbezüglich an das Bureau des VI. Kon¬
gresses der Balneologen Oesterreichs, Wien IX, Lazarett¬
gasse 20, wenden, woselbst auch Anmeldungen, Vormerkungen
für Zimmer etc. durchgeführt werden. Von seiten der Salz¬
burger Aerzte ist eine Reihe von Veranstaltungen geplant. Die
Stadt Salzburg gibt einen Festabend im Theater; ein gemein¬
sames Bankett und verschiedene Ausflüge, so nach Reichen¬
hall und Gastein sind in Aussicht genommen. Für die Damen
der Kongreßteilnehmer wird von seiten des Salzburger Damen-
komitees ein eigenes Vergnügungs-Programm aufgestellt. Von
seiten der k. k. Staatsbahnen werden den legitimierten Teil¬
nehmern Ermäßigungen gewährt.
Gerichtliches.
Berlin. Der in Oesterreich als Vollarzt approbierte Dr.
med. W. K L, der hier als Zahnarzt praktizierte, hatte sich
kürzlich wegen unlauteren Wettbewerbs und Vergehen gegen
das Gewerbeordnungsgesetz zu verantworten. K L, früher
österreichischer Regimentsarzt, hatte schon in Wien als Zahn¬
arzt praktiziert und nach seiner Uebersfedelung nach Berlin
vorsichtshalber beim Polizeipräsidium angefragt, ob er sich
als „Zahnarzt Dr. Kl., approbiert in Wien“ bezeichnen dürfe,
worauf er die Antwort erhalten hatte, daß gegen diese Charak¬
terisierung keinerlei Bedenken vorliege. Ein zahnärztlicher
Kollege erstattete dennoch gegen KL. der mehrere Jahre sein
Schild mit dem angegebenen Inhalt unbeanstandet geführt hatte,
Anzeige bei der Aerztekammer, wobei er sich hauptsächlich
darauf stützte, daß die Worte „approbiert inWien“ etwas kleiner
als die übrige Schrift gehalten waren. Die Aerztekammer gab die
Angelegenheit an das Gericht weiter, und so wurde das Straf¬
verfahren gegen Dr. Kl. eingeleitet. Nach längerer Verhand¬
lung erkannte das Gericht jedoch auf Freisprechung und
Uebernahme der Kosten auf die Staatskasse, da weder ein
unlauterer Wettbewerb noch ein Gewerbevergehen nachweis¬
bar sei.
— Das hiesige Landgericht hatte den Naturheilkun¬
digen Dr. med. S., welcher sich in öffentlichen Anzeigen als
Dr. med. S., praktischer Naturheilkundiger, bezeichnete, auf
Grund des § 147 der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe ver¬
urteilt, da er sich unbefugt einen ärztlichen Titel beigelegt habe.
Der Angeklagte hatte zwar den Doktortitel rechtmäßig erlangt,
das Staatsexamen als Arzt aber nicht bestanden. Das Kammer¬
gericht wies die Revision des. Angeklagten als unbegründet zu¬
rück und erachtete es nicht für rechtsirrtümlich, wenn der
Vorderrichter annehme, daß das Publikum zur Ansicht ge¬
langen müsse, Dr. S., welcher sich „Dr. med. S.. praktischer
Naturheilkundiger“, nannte, sei eine geprüfte Medizinalperson.
(Aerztl. Sachverst.-Ztg.)
Hannover. Das hiesige Landgericht verurteilte kürz¬
lich den Kurpfuscher P. in Hannover, der durch unrichtige Be¬
handlung den Tod einer achtzehnjährigen, an Caries des
linken Oberschenkels erkrankten Haustochter in Hannover-
Wülfel herbeigeführt hatte, wegen fahrlässiger Tötung zu zwei
Monaten Gefängnis. Die ärztlichen Sachverständigen sagten
übereinstimmend aus, daß ihnen kaum jemals ein so empören¬
der Fall gewissenloser Kurpfuscherei vorgekommen sei (der
Angeklagte hatte die Patientin mit einer Salbe behandelt).
Aerztliche Behandlung habe in diesem vorgeschrittenen Sta¬
dium die Kranke nicht mehr retten können. Als mildernd
wurde berücksichtigt, daß die Gestorbene sich dauernd der vor¬
her von ärztlicher Seite angeordneten Operation widersetzt
hatte. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte \V> Jahre
Gefängnis beantragt.
No. 8S.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Verschiedenes.
Berlin. Ein Hospital für verbrecherische Kinder soll,
wie die „Vossische Zeitung“ berichtet, in Berlin errichtet wer¬
den. Es bildet eine Ergänzung der Jugendgerichte und
ist für Kinder bestimmt, bei denen die Verhandlungen des
Jugendgerichts seelische oder körperliche Defekte
ergeben haben. Die Erkenntnis, daß zahlreiche jugendliche
Verbrecher körperlich entartet und in psychischer Hinsicht
erblich belastet sind, hat zu dem Entschluß geführt, durch eine
zweckmäßige ärztliche Behandlung einen großen Teil der ver¬
brecherischen Jugend der allgemeinen Kriminalität zu ent¬
ziehen. Das Höchstalter der in das Hospital aufzunehmenden
Kinder ist auf das 16. Jahr festgesetzt.
— Wegen Ausbruchs der Pest in Odessa hat der Reichs¬
kanzler bestimmt, daß die Untersuchung der aus Odessa nach
einem deutschen Hafen kommenden Schiffe sich auf die Gefahr
der Pesteinschleppung zu erstrecken hat, wobei der Möglichkeit
des Auftretens von Rattenpest besondere Aufmerksamkeit zu¬
zuwenden ist.
S t o 1 p. Der Stadtkreis S t o 1 p hat eine amtliche Trinker¬
fürsorge eingerichtet. Die unmittelbare Fürsorge wird durch je
einen Trinkerfürsorger und je eine Fürsorgerin für die be¬
stehenden vierzehn Armenbezirke ausgeübt. Die Trinkerpfleger
werden gemäß Ortsgesetzes von der Stadtverordnetenversamm¬
lung auf Vorschlag der Armendirektion gewählt und haben die
gleiche ehrenamtliche Stellung wie die Armenpfleger. Mit dem
Vermerk .,vertraulich“ versehene Mitteilungsformulare an die
Armendirektion über eine dem Trünke ergebene oder im Ver¬
dachte der Trunksucht stehende Person sind kostenlos an
Lehrer, Armen- und Waisenpfleger, Verein vom blauen Kreuz,
Guttemplerloge, Schulleiter und Freunde der Sache verteilt
worden und stehen allen zur Verfügung; nachdem ein solches
Formular ausgefüllt eingegangen ist, wird der Name der ange¬
zeigten Person in die sogenannte blaue Liste eingetragen und
die Mitteilung dem zuständigen Trinkerpfleger zum eingehen¬
den formularmäßigen Bericht zugesandt. Je nach Ausfall eines
oder gegebenen Falles mehrerer Berichte werden in angelegten
Sammelakten die jeweiligen geeigneten Maßnahmen getroffen,
wie insbesondere eindringliche mündliche Verwarnung und
Aushändigung von Schriften über die Folgen der Trunksucht,
mitunter im Beisein eines Familienmitgliedes, oder eine und
eine zweite schriftliche Verwarnung. 'Weiter wird der Ver¬
such gemacht, einen schriftlichen Verzicht auf die Abhebung
und Verwaltung des Arbeitsverdienstes zugunsten eines Ange¬
hörigen — meistens der Ehefrau — herbeizuführen durch Aus¬
füllung einer Abtretungsurkunde. Haben diese milden Ma߬
regeln keinen Erfolg, so wird das Entmündigungsverfahren ein¬
geleitet oder Entziehung der Elternrechte beantragt oder Be¬
strafung' mit dem Ziele auf Unterbringung im Arbeitshause her¬
beigeführt. Auch die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt
und die polizeiliche Erklärung als Trunkenbold werden als
wirksame Maßregeln im Auge behalten. Von dieser Einrich¬
tung, bei der die Mitwirkung der Polizei nach Möglichkeit aus-
geschaltel werden soll, damit die Fürsorge mehr hinter dem
Vorhang der Oeffentlichkeit und auf gütlichem Wege sich ab¬
spielt, wird bester Erfolg für die Volksgesundheit der Ein¬
wohner und den städtischen Armensäckel erwartet.
Darmstadt. Das hiesige Polizeiamt hat folgende
Warnung vor einem Krankenbehandler erlassen:
„Im Juni d. J. hat sich ein Naturheilkundiger H. R e p p
dahier niedergelassen und sich in einer Anzeige in einer hiesi¬
gen Tageszeitung zur Behandlung aller Krankheiten erboten.
Er hat dabei „absoluten Schutz“ gegen „Puerperal- und Infek¬
tionsfieber“ und „Hilfe jedermann“ versprochen. Es steht fest,
daß R e p p, der früher Kaufmann war, bis Mitte Mai d. J. als
Naturheilkundiger überhaupt noch nicht tätig war. Gleichwohl
hat er zu diesem Zeitpunkt — ungeachtet des Mangels wissen¬
schaftlicher Vorbildung und jeglicher praktischer Erfahrung —
erklärt, daß er imstande sei, jederlei Krankheit zu heilen, bei
der organische Zerstörungen noch nicht stattgefunden haben.
Der Inhalt seiner Geschäftsanzeige macht es ferner wahrschein¬
lich, daß es R e p p auch auf Heilbehandlung auf schriftlichem
Wege ohne persönliche Untersuchung der Kranken (Fern¬
behandlung) abgesehen hat, eine Art der Heiltätigkeit, die
durch Polizeiverordnung vom 2. Oktober 1905 unter Strafe
gestellt ist. Wir warnen davor, in Krankheitsfällen die Hilfe
Sepps in Anspruch zu nehmen.“
Düsseldorf. Die Düsseldorfer Akademie
für praktische Medizin veranstaltet im Winter¬
semesters 1910/11 Fortbildungskurse für Aerzte und zwar
einen Kurs der Fortschritte der gesamten Medizin mit beson¬
derer Berücksichtigung der Magen- und Darmkrankheiten,
3.—15. Oktober; 2. einen praktischen Kurs der Bauchchirurgie
für chirurgisch-gynäkologische Spezialärzte, 3.—15. Oktober;
3. einen Sonderkurs der Pathologie, Diagnostik und Therapie
der Herzkrankheiten, 17.—25. Oktober; 4. einen Kurs der Un¬
fall- und sozialen Medizin, 16. bis 26. November und 5. Sonntags¬
vorträge aus den verschiedenen Gebieten, vom 6. November
1910 bis 13. März 1911,. nachmittags 4—6 Uhr.
04?
München. Vom 24. Oktober bis 12. November findet in
der hiesigen psychiatrischen Klinik ein psychiatrischer Fort¬
bildungskurs statt. Als Dozenten werden sich daran beteiligen:
A11 e r s (München): Pathologische Chemie der Geistesstörung.
A1 z h e i m e r (München): Normale und pathologische Hirn¬
rinde. Brodmann (Berlin): Topographische Histologie der
Hirnrinde. I s s e r 1 i n (München): Psychodiagnostik und
Psychotherapie. Kraepelin (München): Klinische Kranken¬
demonstrationen. Experimentalpsychologie, v. M o n a k o w
(Zürich): Lokalisation im Großhirn mit besonderer Berück¬
sichtigung der asemisehen Störungen. Plaut (München):
Serodiaguostik und Zytodiagnostik. Krankhafte Geisteszustände
bei Jugendlichen und ihre praktische Beurteilung. Rüdin
(München): Tatsachen und Probleme der Entartung. Foren¬
sische Demonstrationen. Weiler (München): Physikalisch¬
psychiatrische Untersuchungsmethoden. — Der Kurs umfaßt
etwa 100 Stunden. Honorar 60 M. Beginn 24. Oktober, vor¬
mittags 9 Uhr. Anmeldungen an Prof. Alzheimer
(München), Nußbaumstr. 7.
Rom. In Apulien, besonders in der Stadt T r a n i,
ist eine große Zahl von Erkrankungen an Cholera vorgekom-
men. Bei dem hygienischen Tiefstand dieses Teils von Italien
ist mit einer weiteren Ausbreitung der Seuche zu rechnen.
Petersburg. Die Cholcraepidemie in Rußland ist
noch immer in der Ausbreitung begriffen. Die Morbidität in
der Hauptstadt innerhalb der letzten Wochen dürfte das zweite
Tausend wohl überschritten haben und die Zahl der an Cholera
Gestorbenen zirka Tausend betragen. — Nach amtlichen Zu¬
sammenstellungen, die sicherlich nur eine untere Grenze dar¬
stellen, sind seit dem Wiederaufflackern der Cholera in diesem
Jahre in ganz Rußland zirka 113 000 Menschen an der Seuche
erkrankt und zirka 50 000 daran gestorben. — Von der Art und
Weise, wie die leitenden Personen Rußlands sich dieser
Seuchenplage gegenüber verhalten, zeichnet folgende Korre¬
spondenz der „Voss. Ztg.“ aus der vorigen Woche ein Bildchen,
das trotz seiner Skizzenhaftigkeit grelle Schlaglichter auf die
kaum noch zu überbietende "hygienische Verwahrlosung wirft,
die in den letzten Jahren in Rußland Platz gegriffen hat:
Zu der Cholera, die jetzt so ziemlich in ganz Rußland
wütet, hat sich in O d e s s a noch die P e s t gesellt. Trotzdem be¬
antragte das Stadtoberhaupt von Odessa, General Tol-
matschew, beim Ministerium des Innern die Schließung
einer seit fünfzig Jahren in Odessa bestehenden Klinik. Ais
Begründung führte er an, daß die Klinik jüdische Aerzte bevor¬
zugt, die sich seines Erachtens mit Politik beschäftigen, statt
den Nebenmenschen Hilfe zu leisten. Gleichzeitig erließ T o 1-
matschew eine Verordnung, worin unter anderem bestimmt
wird, daß sich das Publikum bei sonstiger empfindlicher Strafe
jeder Kritik der von der Regierung gegen die Cholera angeord¬
neten Maßregeln zu enthalten habe. — In Kurs k bestand ein
musterhaftes Krankenhaus. Der Stadtrat von Kursk, dessen
Mehrheit aus den Mitgliedern des Verbandes echter Russen be¬
steht, entließ neulich drei der besten Aerzte dieser Anstalt,
weil ihm deren politische Gesinnung mißfiel. Daraufhin reichten
auch die übrigen fünf Aerzte, da sie die nun einge¬
tretene Mißwirtschaft nicht ertragen konnten, ihren Abschied
ein. Jetzt ist zum Leiter des Krankenhauses der — Steno¬
graph des Stadtrates ernannt worden. — Unweit der Wolga
liegt das kleine Städtchen Sarepta, das sich dadurch aus¬
zeichnet, daß es von der Cholera verschont zu bleiben pflegt.
Wenn die Cholera überall in den Wolgagouvernements wütet,
kommt in Sarepta selbst kein einziger Cholerafall vor. Professor
Zabolotnyj antwortete auf eine Frage nach der Ursache
dieser wunderbaren Erscheinung lakonisch mit Achselzucken:
„Sarepta ist eben von Deutschen bewohnt,“ womit er die deut¬
sche Ordnung und Reinlichkeit hervorheben wollte.“
Bei dieser Sachlage kann wohl als sicher angenommen
werden, daß der auf Ende September angesetzte inter¬
nationale Gynäkologenkongreß noch in letzter
Stunde abgesagt wird.
Sidney. Ueber die gegenwärtige Verbreitung der Lepra
in Australien macht die „Voss. Ztg." nach dortigen Blättern
folgende Angaben: Auf den Loyalitätsinseln z. B., einer
seit 1864 unter französischer Herrschaft stehenden Inselgruppe
östlich von Neukaledonien, fordert die furchtbare Krankheit
unter der völlig heruntergekommenen Bevölkerung unzählige
Opfer. Im Jahre 1907 zählte man 115 Leprakranke, jetzt ist die
Zahl schon auf 221 gestiegen, trotzdem der Tod reiche Ernte
unter ihnen hält. Alle Versuche' der Behörden, der Seuche
Einhalt zu tun, scheitern an dem Starrsinn und der Gleich¬
gültigkeit der Eingeborenen. Die Kranken bleiben den Fami¬
lien überlassen, oder sie irren heimatlos umher. Auf ihren
kleinen Booten fahren sie von Insel zu Insel und tragen so die
Krankheit weiter. Den europäischen Aerzten werden die ersten
Erscheinungen der Krankheit sorgfältig verheimlicht, jede Hilfe
wird abgelehnt, und so geht die Urbevölkerung unaufhaltsam
dem Untergange entgegen. Besser sieht es auf dem Festland
Australiens aus, wenn auch namentlich Queensland und Neu¬
südwales noch erhebliche Zahlen von Leprakranken aufweisen
548
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 191Ö.
No. 35.
— zumeist Chinesen und Kauaken. Die australische Bundes¬
regierung hat sich kürzlich entschlossen, die Sorge für die Aus¬
sätzigen den einzelnen Staaten abzunehmen und Einheitlichkeit
in die Bekämpfung dieser Geißel der Menschheit zu bringen. Die
Staaten sind gern bereit, auf diesen Plan einzugehen; Queens¬
land ist sogar damit einverstanden, die beiden Inseln Strand¬
brook und Dayman, welche den Aussätzigen als Wohnort an¬
gewiesen sind, an die Bundesregierung abzutreten.
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Personalia.
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J. Lassen in Hannover, Dr. L. v. W e h d e in Twistringen,
Dr. H. Kruse in Neuenkirchen, Dr. H. C r e m e r in Older¬
sum, Dr. K. Leineweber in Wadersloh, Dr. 0. Edel¬
brock in Bocholt, Dr. D. Callmeyer in Hausberge, Dr.
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Cassel, Dr. L. G r e g e r in Cassel, Dr. E. Petersen in
Frankfurt a. M., Dr. E. Bcihmer in Wiesbaden, Dr.
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nach, Dr. T h. Feld m ann in München-Gladbach, Dr.
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E. W e s s e 1 in Düsseldorf, Dr. K. Boose in Lüttringhausen,
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. CentralrZeitung)
Redaktion:
D r t H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
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IV. Jahrgang Berlin. 3. September 1910 Ko. 30
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., fiir das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tuge vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
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Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
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Fernsprech-Amt VI, No. 3302
Inhaltsübersicht.
1. Wissen schafftliche Mi tteilungen. Jsaac, Pick, We chsel-
mann, Herxheimer, Hoffmann, Glück und Fischer und
Hoppe: Weitere Arbeiten über das Ehrlich-Hatasche Prä¬
parat.— Zweig: Färbung der Spirochaeta pallida in vivo nach
E. Meirowsky. — Stürapke: Welche Beziehungen bestehen
zwischen Jod (Jodkali) und dem Ausfall der Seroreaktion? —
Bröking: Vergleichende Untersuchungen über die Ausschei¬
dungsverhältnisse stomachal zugeführten anorganisch und or¬
ganisch gebundenen Jodes beim Menschen. — K oh Ibach:
Ueber die praktische Verwendbarkeit des Sajodins. — Fischer:
Ueber Jodtropon. — Reicher: Tuberkelbacillenuachweis im
Sputum nach der Uhlenhuthsehen Antiforminmethode. —
Niehans: Die Rolle der isolierten Muskelatrophie als dia¬
gnostisches Symptom zur Lokalisation von tuberkulösen
Knochenherden. — J. Cronheim und W. Cronheim: Weitere
Untersuchungen über die Bedeutung des Lecithins für den
Stoffwechsel des Säuglings. —Rösler: Ueber die Resorptions¬
fähigkeit der Haut und des Unterhautzellgewebes für ein
Milchkaseinpräparat. — Berblinger: Ueber traumatische in¬
komplette Herzruptur und Mitralsegelzerreißung. — Hause:
Ein Fall von lordotischer Albuminurie mit urämischen Anfällen.
— Riehl: Ueber Kohlehydratverdauung und Diastasepräparatc.
— Grawitz: Ueber myogene Leukocytose — Storath: Habi¬
tueller Chloroformmißbrauch. — Mugdan: Ein Beitrag zu
der Lehre von den zirkulären Psychosen —Wrede: Die kon¬
servative Behandlung der Gesichtsfurunkel. — Klingmüller:
Ueber Wucherungen bei Gonorrhoe. — Selbiger: Coryfin in
der Rhino-Laryngologie. — Lanz: Zur Vereinfachung der Haut¬
desinfektion. — Lau per: Konservative Kniegelenkseröffnung.
— Schwarz: Der Nachweis des Coecum mobile mittels der
Röntgenstrahlen. — Heddäus: Kasuistischer Beitrag zu den
Darmverletzungen im Bruchsack. — Hoffmann: Die Ergeb¬
nisse der neueren Krebsforschung. — Redlich: Pseudo¬
hermaphroditismus masculinus externus, ein Fall von Erreur de
sexe. — Czerwenka: Zur Technik der Laminariadilatation. —
Kownatzki: Adrenalin und Osteomalacie. — Krönig und
Gauss: Wie weit wird durch die Röntgenbehandlung unsere
operative Therapie bei Uterusblutungen und Myomen beeinflußt?
II. Therapeutische Notizen. Britz: Mucusan, ein neues
Antigonorrhoicum.
III. Büch erschau. Rosen heim: Die Erkrankungen der Flexura
sigmoidea. — Eschle: Ernährung und Pflege des Kindes, -r-
Major: Unser Sorgenkind, seine Pflege und Erziehung. —
Tugendreich: Die Mutter- und Säuglingsfürsorge.
IV. Vermischtes Ueber die Bekämpfung der Tuberkulose in
Dänemark.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnacbrichtcn. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes
VI. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
1. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Weitere Arbeiten über dis Ehrlieh-Hatasehe Präparat.
Die große Bedeutung des neuen von Ehrlich und H a t a |
aufgefundenen Arsenpräparats „Dioxydiamidoarsenobenzol“ [
in der Behandlung der Syphilis zeigt sich darin, daß jetzt
gleichzeitig von den verschiedensten Seiten Mitteilungen über
die Ergebnisse der klinischen Prüfung des Mittels erscheinen,
welche in der großen Mehrzahl nur über günstige Resultate
berichten. Wir wollen über einige-neuere Arbeiten an dieser
Stelle im Zusammenhang referieren. Sanitätsrat Dr. Hermann
Jsaac in Berlin, der jetzige Leiter der vormals Lassarschen
Klinik, bespricht in der „Bert. klin. Wochenschrift“, 1910, No. 35,
seine an 27 Fällen gewonnenen Erfahrungen. Die von ihm
erzielten Erfolge an teilweise sehr schweren Fällen sind zum
Teil ganz erstaunliche. Es wurden im Laufe von drei Monaten
behandelt: Zwei Genitalschanker ohne Allgemeinerscheinun¬
gen, zwei Lippenschanker mit beginnendem Exanthem, ein
Schanker am Labium majus mit allen konsekutiven Erschei¬
nungen der Lues; zwei indurative Präputialödeme mit Allge-
meinerscheinungen in Form von großmakulösen und tuberösen
Exanthemen bei Befallensein der Mundschleimhäute; ein Fall
von Harnröhrensklerose mit tuberösem Syphilid; drei Fälle
von großmakulopapulösem Syphilid mit allen sonstigen Er¬
scheinungen der Allgemeinlues; vier Fälle von tuberoulcerösen
Syphiliden; zwei Fälle von tuberoulcerösen Syphiliden mit
Befallensein des Kehlkopfs, der eine mit zerfallenen Papeln,
der andere mit Gummi am Kehlkopfdeckel; zwei Fälle von
tertiärer Syphilis, der eine mit einem Gummi in der linken
Oberarmmuskulatur und serpiginösem Syphilid auf dem Ellen¬
bogen, der andere ein Fall von tuberösem Spätsyphilid
40 Jahre nach der Infektion; ein Fall von latenter Lues mit
neurasthenischen Beschwerden und zunehmender Körper¬
schwäche, ein Fall von Lichen urticans; mehrere Fälle bei
Frauen ohne sichtbaren Primäraffekt in Form von makulo¬
papulösen Syphiliden und zerfallenen Papeln, ein Fall von
-schwerster Lues mit tiefen Zerfallsgeschwüren, Pemphigus
syphiliticus auf dem Stamm und den Extremitäten und gro߬
knotigem Exanthem auf dem Kopf und an den Genitalien. Ein
Teil der Fälle war vorher ohne Erfolg mit Hg und Jodkali be¬
handelt worden. Unter den Patienten befand sich eine 20 jäh¬
rige Kranke, welche in geradezu hoffnungslosem Zustand in
die Klinik eingeliefert wurde. In diesem Falle wirkte die In¬
jektion geradezu lebensrettend; nach 14 Tagen konnte die
Patientin, bei welcher u. a. die Tonsillen, Uvula und Kehl¬
deckel von spezifischen Geschwüren stark zerfressen waren,
geheilt entlassen werden. Erstaunlich war bei sämtlichen
Fällen die außerordentlich schnelle Einwirkung des Präpa¬
rates auf die Krankheitserscheinungen; im Durchschnitt konn¬
ten die Patienten bereits am 10. Tage als befreit von selbst sehr
schweren Symptomen der Krankheit angesehen werden. Am
raschesten ist die Einwirkung auf die Schleimhautaffektionen,
die Plaques und Kondylome schwanden schon nach einigen
Tagen. Während makulöse Exantheme unter einer leichten
Pigmentbildung schwinden, heilen die papulösen, tuberösen
und ulcerösen Formen in der Weise, daß schon nach kurzer
Zeit eine trockene psoriasisähnliche Abstoßung der betroffenen
Hautpartien eintritt und gewöhnlich am achten Tage nach der
Injektion nur noch eine leichte Abschilferung die Stellen zeigt,
wo die Eruptionen gesessen haben. Bis auf zwei Fälle haben
alle Patienten das Mittel gut vertragen und wurden in ihrem
Allgemeinbefinden nur wenig beeinträchtigt. Die intravenöse
Injektion ist nach J. weniger wirksam als die intramuskuläre,
weil das Arsenik dabei zu schnell ausgeschieden -wird. Die
Schmerzhaftigkeit nach der intramuskulären Injektion ist
großen individuellen Schwankungen unterworfen. Mädchen
und Frauen vertrugen ausnahmslos die Injektionen ohne be¬
sonders lebhafte Schmerzreaktionen; sie waren zuerst imstande,
schon nach 1—2 Tage nach der Einspritzung aufzustehen und
herumzugehen. Die Männer dagegen waren verhältnismäßig
viel empfindlicher gegen die Injektion. Die meisten Patienten
konnten jedoch etwa 10 Tage nach der Einspritzung die Klinik
verlassen und ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Einzelne
klagten noch längere Zeit nachher über Schmerzen und Taub¬
heitsgefühl in den Beinen. Bei zwei Patienten waren die Be¬
schwerden so groß, daß Morphiuminjektionen nötig wurden.
Was die Herstellung der Lösung zur Injektion anlangt, so ver¬
fuhr J. im wesentlichen nach der Vorschrift von E h r 1 i c h,
jedoch setzt er zum Schluß einige Tropfen Essigsäure hinzu.
Die Frage der zweckmäßigsten Dosierung läßt sich nach J. vor¬
läufig nicht mit Sicherheit beantworten. Er hat in manchen,
zum Teil schweren Fällen mit der Dosis 0,3 g gleiche Erfolge
erzielt wie in anderen Fällen mit 0,4 und 0,6 g. Die Frage, ob
Rezidive nach der Einspritzung eintreten können, muß vorläufig
in suspenso bleiben; J. selbst hat bisher bei keinem der von
ihm mit dem Ehrlich-Hata-Präparat behandelten Fälle
neue Symptome der Syphilis auftreten sehen. Was den Ein¬
fluß der Injektion auf die Wa s s e r m a nn sehe Reaktion an¬
langt, so blieb diese bei fast allen Patienten voii J. vorläufig
auch nach Abheilung ihrer syphilitischen Krankheitserschei-
nungen positiv, ganz im Gegensatz zu den Hg- und Jodkuren,
650
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 36.
bei welchen oft nach 4—6 Wochen die vorher positive Reaktion
in eine negative umgewandelt wird, um allerdings in den
meisten Fällen später wieder positiv zu werden. Jedoch ist
nach J. zu erwarten, daß auch seine mit dem Ehrlich-
Hata - Präparat geheilten Fälle nach einiger Zeit nach
Wassermann negativ reagieren werden. Alles in allem
sieht ,J. in dem neuen Präparat ein Heilmittel von unschätz¬
barer Bedeutung, welches durch die rasche Verheilung der
Sklerosen, der Schleimhauterscheinungen sowie der zerfalle¬
nen Kondylome, ebenso durch die schnelle Vernichtung der
Spirochäten zweifellos die Uebertragungsmöglichkeit der
Syphilis sehr vermindern wird.
Aehnlich den von J s a a c erhaltenen Ergebnissen sind die
von Privatdozent Dr. Walter Pick in der Hautabteilung der
„Rudolfstiftung“ in Wien erhaltenen, über welche er in der
„Wiener klin. Wochenschrift“, 1910, No. 33, berichtet. Er be¬
handelte 120 Fälle mit dem Ehrlich -H ata sehen Präparat.
Darunter waren 10 Fälle mit Primäraffekten vor Ausbruch des
Exanthems und 10 Fälle mit Sklerosen bei bereits manifesten
sekundären Erscheinungen. Von den 10 Fällen, welche vor
Ausbruch des Exanthems zur Behandlung' kamen, blieben sechs
auch nach Spitalsaustritt in Beobachtung und bei keinem dieser
Fälle konnten bis jetzt (nach 4—12 Wochen) sekundäre Er¬
scheinungen nachgewiesen werden. Die Einwirkung der In¬
jektion auf die Sklerosen war außer Frage; durch lange Zeit
bestehende exulcerierte Sklerosen epithelisierten sich oft inner¬
halb weniger Tage, die Sklerosen werden weich und ver¬
kleinern sich, ein Indurationsrest bleibt noch lange nachweis¬
bar, man hat nach P. deshalb den Eindruck einer nur unvoll¬
kommenen Heilung. Mit sekundärer Lues kamen 64 Fälle zur
Behandlung. Im allgemeinen schwanden makulöse Exantheme
am 3.—4. Tage nach der Injektion und in der gleichen Zeit
überhäuten sich nässende Papeln. Diese Wirkung- ist eine
ganz prompte. Etwas unsicher ist die Wirkung auf mikro¬
papulöse Exantheme; im allgemeinen aber heilen auch papu¬
löse Exantheme der Haut des Stammes in 6—10 Tagen ab.
Etwas ungleichmäßig verhalten sich die Drüsen im Sekundär¬
stadium, sie blieben in vielen Fällen noch lange nach Abklingen
aller sonstigen Erscheinungen nachweisbar; in anderen Fällen
schwanden sie bald nach dem Abklingen der Hauterscheinun¬
gen, welche in einigen Fällen schon am Tage nach der Injek¬
tion nicht mehr nachweisbar waren, in keinem Falle aber über
den vierten Tag hinaus bestehen blieben. Diese Wirkung zeigt
sich auch in hartnäckigen Fällen, welche trotz fast kontinuier¬
licher Quecksilber- und Jodbehandlung jahrelang immer
wieder Schleimhauterscheinungen aufweisen. So wurde in
einem Falle ein den ganzen harten und einen großen Teil des
weichen Gaumens einnehmendes ulceröses Syphilid, das trotz
energischer Quecksilber- und Jodbehandlung fast acht Jahre be¬
stand. bereits drei Tage nach der Injektion gereinigt und war
acht Tage später vollkommen epithelisiert. Ebenso eklatant
war die Wirkung in einigen Fällen von Lues maligna, in denen
schon kurze Zeit nach der Infektion ausgedehnte ulceröse
Syphilide und Gummata auftraten. Von Spätformen der Lues
kamen 10 Fälle zur Behandlung; auch hier war die Einwirkung
des Präparats auf die Erscheinungen eine ganz deutliche. Rela¬
tiv am hartnäckigsten verhielten sich tubero-serpiginöse Syphi¬
lide, doch zeigten auch diese eine sofort nach der Injektion ein¬
setzende Heilungstendenz, insofern Krusten abfielen, die Ge¬
schwüre sich epithelisierten und die Tubera sich abflachten.
In einzelnen Fällen war auch hier die Heilung nur eine inkom¬
plette, insofern Reste der Infiltrate noch mehrere Wochen nach
der Injektion nachweisbar waren. Von Lues hereditaria kam
nur ein Fall (Säugling von vier Wochen) zur Behandlung; hier
wurde 0,06 g injiziert, worauf in wenigen Tagen die Erschei¬
nungen zurückgingen. In 27 Fällen von Nervenlues oder viel¬
mehr metasyphilitischen Erkrankungen des Nervensystems
(meist handelte es sich um weit vorgeschrittene Tabes und pro¬
gressive Paralyse) wurde auf Wunsch der betreffenden Kran¬
ken das Mittel ebenfalls versucht, jedoch war hier eine günstige
Einwirkung im allgemeinen nicht nachzuweisen. Nur bei Lues
cerebri war eine bessernde Wirkung unverkennbar. Rezidive
wurden von Pick nur in zwei Fällen beobachtet. (In dem
einen davon spricht P. von einer Neuritis optica, ohne genauere
Angaben zu machen.) Ueber das Verhalten der Wasser-
m a n n sehen Reaktion gibt er an. daß das Umschlagen der
positiven Reaktion in die negative in den meisten Fällen nach
vier Wochen stattfand. Ein Wiederpositivwerden einer negativen
Reaktion konnte bisher nicht beobachtet werden, auch in jenen
Fällen nicht, wo die Erscheinungen wiederkehrten oder nicht
ganz abgeklungen waren. Was die Technik der Injektion an¬
langt, so machte P. zuerst die Injektion meist in die Glutäal-
muskulatur, neuerdings ist er zu der Methode von Wechsel-
m a n n (vergl. vorige Nummer) übergegangen. Ernstere
Schädigungen wurden in keinem Falle beobachtet; das Fieber
nach der Injektion erreichte nur in einem Falle die Höhe von
39,8“'. An der Injektionsstelle trat häufig ein sich in den
nächsten Tagen ausbreitendes Erythem auf und bei sekundären
Syphiliden war auch häufig die H e r x h e i m e r sehe Reak¬
tion nachweisbar. Sehr oft wurde während der ersten 4 bis
6 Tage eine Herabsetzung der Harnquantität beobachtet, in
einigen Fällen bis auf 400—500 ccm bei relativ nicht hohem
spezifischen Gewicht. Gleichzeitig bestand in diesen Fällen
auch eine gewisse Appetitlosigkeit und ein Trockenheitsgefühl
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In der „Deutschen medizinischen Wochenschrift“, 1910,
No. 32, gibt San.-Rat Dr. Wechselmann (Berlin) neuerdings
einen Ueberblick über seine nunmehrigen Erfahrungen an 503
mit Dioxydiamidoarsenobenzol behandelten Kranken. Wesent¬
lich Neues bringt die Mitteilung kaum; auch Wechselmann
hebt wieder einerseits die nach der Injektion schnell ein¬
tretende Wirkung des Mittels auch auf die subjektiven Sym¬
ptome hervor, andrerseits die allen Beobachtern auffallende
Tatsache, daß gerade die malignen oder vorzeitig uloerösen
Formen die glänzendsten Resultate ergeben. Dieser Unter¬
schied erklärt sich nach Wechselmann aus dem anatomi¬
schen Bau; ist die charakteristische plasmazellenreiche Infil¬
tration sowie die Wucherung der fixen Bindegewebszellen um
die Spirochäten von durchgängigen Gefäßen, wie bei den
weichen Formen, erfüllt, so werden durch das Mittel die Spiro¬
chäten vernichtet, und es kommt leicht zum Zerfall und zur
Aufsaugung der reaktiven Gewebsveränderungen; wo jedoch
die Gefäße durch Endokarditis verstopft, ja eventuell auch die
Vasa vasorum, wie bei der Venensyphilis, verlegt sind, kann
das Mittel an die in den thrombotischen Massen gelagerten
Spirochäten durch das Blut nicht transportiert werden. Jedoch
hält es Wechselmann für wahrscheinlich, daß die Leuko-
cyten diese spirochätenerfüllten Gebilde annagen und auch
selbst etwas von dem tötlichen Gift an die Parasiten heran¬
bringen, dafür spricht das Verschwinden der derben Papeln
der Haut nach 2—3 Wochen, noch mehr aber die Wirkung einer
nach etwa vier Wochen wiederholten Injektion. Vielleicht er¬
klären sich auch so nach W. die sechs refraktären Fälle, welche
er gesehen hat und welche zum Teil der zweiten Injektion
prompt wichen, soweit sie schon zum zweiten Male behandelt
sind. Ganz ausschließen kann man nach W. zurzeit noch nicht,
ob nicht bestimmte Spirochätenstämme gegen das Mittel fest
sind. Durch die erste Injektion wird jedenfalls nicht, wie man
anfangs fürchtete, eine derartige Festigkeit erzeugt. Eben¬
sowenig tritt eine Ueberempfindlichkeit ein, wie die Fälle, in
denen die Injektion nach vier Wochen bis drei Monaten wieder¬
holt wurde, zeigten. — Bei einigen Fällen von cerebraler Lues
sah W. eine günstige Wirkung der Injektion; bei einigen Fällen
von Tabes war eine schnelle Besserung der Pupillenstarre deut¬
lich erkennbar. Auch wurden bei Tabikern die subjektiven
Symptome zum Teil sehr gebessert. Ob es sich in diesen Fällen
um wirkliche objektive und dauernde Erfolge handelt oder nur
die suggestive und die stark exzistierende und roborierende
Wirkung des Mittels eine Rolle spielt, läßt sich vorläufig noch
nicht entscheiden. Dies gilt ebenso von den bei den Anfangs¬
stadien der progressiven Paralyse beobachteten subjektiven
Besserungen. Bei vorgeschrittenen Fällen ist ein Erfolg nicht
zu erwarten. Nur ist daran zu denken, daß bei der Paralyse
und der Tabes neben den einer Reparation nicht mehr zugäng¬
lichen Prozessen auch noch syphilitische Läsionen speziell ein¬
zelner Gefäße, Gummata, meningitische Wucherungen vor¬
handen sein können und daß besonders unter den atypischen
Formen der Tabes sich manche Pseudotabes befindet. — Un¬
glücksfälle, welche im Zusammenhang mit dem Mittel standen,
hat W. nicht beobachtet, auch Schädigungen der Sehnerven
kamen nicht vor, obwohl auch einige Fälle mit nicht ganz in¬
takten Sehnerven und drei vorher mit Atoxyl, zwei vorher mit
Arsacetin behandelte Patienten auf ihren Wunsch mit dem
neuen Präparat behandelt wurden. In einigen wenigen Fällen
traten vorübergehend bedrohliche Erscheinungen auf, welche
aber wieder zurückgingen.
Prof. Karl Herxheimcr (Frankfurt a. M.) kommt in seiner
Mitteilung (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 33) im
wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen wie Jsaac,
W ec h sei mann und die übrigen Autoren, die über das
Ehrlich-Hatasehe Präparat berichtet haben. Auch er be¬
obachtete eine prompte Wirkung der Injektion bei der großen
Mehrzahl der von ihm mit dem Mittel behandelten 83 Fälle.
Von den Patienten mit Primäraffekten und im sekundären
Stadium der Lues blieben nur zwei durch das Mittel unbeein¬
flußt. Drei Fälle mit maligner Syphilis reagierten ganz ausge¬
zeichnet. Gleich gut waren die Erfolge bei den Späterschei¬
nungen der Syphilis. In fast jedem Falle konnte eine Steige¬
rung des Gewichts und eine Besserung des Allgemeinbefindens
konstatiert werden. Der Spirochätenbefund wurde vor und
nach der Injektion genau festgestellt. Es fand sich kein Fall,
in welchem die Spirochäten persistierten, sie verschwanden
aus dem Reizserum spätestens nach 48 Stunden. Was das Ver¬
halten der Wassermann sehen Reaktion anlangt, so hatte
Herxheimer, wie einige andere Autoren, keine einheit¬
lichen. Ergebnisse. Tn vier Fällen von Primäraffekten mit
negativer W a s s e r m a nn scher Reaktion wurde die Reaktion
positiv 4, 6, 9, 28 Tage nach der Injektion. Zwei Fälle von
Primäraflekten mit positive!- Reaktion wurden nach 7 bezw, Wir .erwähnen weiter den Bericht von Dr. Alexander Glück
20 Tagen negativ, ln fünf fällen von sekundärer Lues wurde (Sarajewo) über 10!) mit dem neuen Präparat behandelte Lues-
nach 1—2 Wochen die Reaktion negativ, tu vier Fällen sekun- fälle (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 31). Seine Er¬
da rer Lues wurde die negative Reaktion nach 1 — 1'c Wochen fahrungein entsprechen im wesentlichen den von anderen Beob-
positiv. In 15 Fällen von sekundärer Lues erlitt die W a s s e r- achtern berichteten, sowohl hinsichtlich der Nebenwirkungen
mann sehe Reaktion durch die Injektion keine Beeinflussung, wie des therapeutischen Erfolges. Die Injektionen wurden in
ln zwei Fällen von maligner Lues blieb die Reaktion positiv. der Regel intramuskulär in beide Glutäalgegenden gemacht,
Von den fällen von Spätlues erfuhren zwei bezüglich der die Dosis betrug 0,3—0,5 g; die Lösungen wurden nach den
W a s s e r m a nn sehen Reaktion durch die Behandlung keine | Angaben von Ehrlich mittels Methylalkohol und NaOH her-
Veränderung. Bei den übrigen konnte aus äußeren Gründen gestellt (vergl. die früheren Referate). Außer .Infiltratbildung
das Resultat nicht festgestelli werden. Es wurden ferner fünf und Temperatursteigerung traten in einigen Fällen nach der
Fälle von Lues latens mit dem neuen Mittel behandelt, wovon Injektion Urticarien und Erytheme auf. Sonstige ernstere
drei positiv nach Wassermann reagierten; alle drei rea- Nebenwirkungen wurden niemals beobachtet. Im allgemeinen
gierten nach 1—2 Wochen negativ. Rezidive kamen in Herx- war der therapeutische Effekt bei den größeren Dosen schneller
Reimers Material nicht vor. An einigen Fällen verglich und ausgesprochener als bei den geringeren Dosen. Die
Herxheim er die Wirkung von Calomel-Injektionen mit Initialsklerosen kamen im allgemeinen in wenigen Tauen zur
denen des K h r 1 i c h - H a t a scheu Präparats, wobei er den Heilung. Die Schwellungen der Inguinaldrüsen gingen natür-
Etndruck gewann, als ob die Schleimhautsymptome und ebenso lieh etwas langsamer zurück, nach wenigen Wochen waren sie
die Hautet scheinuugen uurch das neue Mittel viel rascher be- aber auch verschwunden. Nur in einem Fall (Sklerose der
einflußt werden als durch die Calomelinjektioneii. Oberlippe) wurde durch eine Injektion kein Erfolg erzielt, iu-
Etwas vorsichtiger in der Bewertung des neuen Präparates dein die Sklerose unverändert blieb und danach noch eine
als die übrigen Autoren ist Prof. Erich lloffmann (Bonn), wel- Angina specifica und Plaques auf den Tonsillen dich zeigten,
eher über seine Erfahrungen in der „Med. Klinik", 1910, No. 33, Auf eine zweite Injektion von 0,4 g schwanden jedoch alle Er¬
berichtet. Er gibt keinen vollständigen Ueherblick über seine scheinuugen binnen sieben Tagen. Drei Fälle von Primär-
sämtlichen Fälle, sondern teilt nur einzelne besonders be- affekten der Portio brauchten zu ihrer Heilung drei Wochen,
merkenswerte genauer mit. Er hält es für zweifei- Von 10 makulösen Exanthemen gingen acht in drei Tagen zu¬
haft, ob eine einmalige Injektion von 0,3—0,6 g genügt, um die | rück, die beiden anderen brauchten dazu fünf resp. acht Tage;
Sypnilis sicher zur heilun^ zu bringen. Er hat aucn in einer . acht makulo-papulöse Syphilide verschwanden binnen drei
Reihe von Fällen gesehen, daß die Spirochäten an der über- \ bis fünf Tagen nach der Injektion. Aehnlich verhielten sich
Räche von Papeln und Plaques schon nach 24 stunden bis drei | einige makulo-pustulöse und zwei rein pustiilöse Exantheme
lägen verschwinden, aber er hat andererseits Fülle gesehen, | sowie die sonstigen Exantheme der Sekundärperiode. Ebenso
wo"sie noch nach acht Tagen auf Genital- und Tonsillarpapeln j schnell gingen luetische Efttoreszenzen der Kehlköpfschleini-
iu voller Beweglichkeit blieben. Was die klinische Wirkung , haut und der Rachenschleimhaut zurück. Sehr rasch ver-
anbetriht, so sah auch Hoff manu die gewöhnlichen syphi- ] schwanden auch die Kondylome der Skrotal- und Penishaut.
Iitischen Erscheinungen, wie Anginen, Schleimhautplaques, i Etwas renitenter verhalten sich die Kondylome ad anum; die
Genital- und Analpapeln, ohne jede örtliche Behandlung oft | Heilungsdauer betrug hier 7—17 Tage. Aehnlich ist es mit
schnell zurückgehen. Ebenso war die Verkleinerung der indu- ■ den Papeln am weiblichen Genitale. Gute Erfolge sah Verf.
rierteu Drüsen und zum Teil auch der Primäraflekte mehrfach | auch in einigen Fällen von luetischen Augenerkrankungen
sehr bemerkenswert und trat schon nach wenigen Tagen ein. i (Keratitis parenehyniatosa, Iritis). — Die tertiär-syphilitischen
Die Exantheme zeigten häufig eine sehr deutliche lokale Reale- 1 Eruptionen (Uleerationen und Gummen der Haut) erforderten
tion und meist schnelle KücKüildung, einige stärkere papulöse I im allgemeinen etwas längere Zeit zur Heilung; bei Dosen von
Exantheme gingen indessen so langsam zurück, däß eine Hg- , 0,4—0,d g war die zur Heilung erforderliche Zeit bis zu fünf
Kur allgeschlossen werden mußte. Dagegen war die Wirkung j 'lagen. Eine Gonitis luetica kompliziert mit Periostitis tibiarum
besonders günstig in je einem Falle von Lues maligna und sehr und Hautgummen schwand in sechs Tagen spurlos. Zerfallende
ausgedehntem tertiären ulcerösen Syphilid des Gesichts. Verf. j Gummiknoten des harten und weichen Gaumens heilten mit
berichtet genauer über vier Falle, im ersten Fäll erfolgte eine ! Uebernarbung der Geschwüre und Schwinden des Infiltrats
sehr günstige Wirkung des Mittels auf eine außerordentliche i in sechs bis zehn Tagen. Bei drei Fällen von Laiyiixgummen
schwere Ozaena syphilitica mit ausgebreiteten Zerstörungen 1 war die Injektion geradezu-lebensrettend. — Die Wass er¬
det- Knochen; jedoch ist die Heilung anscheinend nicht voll- | mannsche Reaktion wurde nur in 20 Fällen geprüft, in fünf
ständig. Im zweiten Falle handelt es sich um eine bisher stets Fällen war sie 35 40 Tage negativ, in 15 Fällen (8—21 Tage
als Lupus angesehene tertiäre Lues des Gesichts, welche nach l nach der Injektion) noch positiv. Die Spirochäten versclnvan-
einer Injektion von 0,36 des Mittels schnell zur Heilung ge- den in fast allen daraufhin untersuchten Fällen ih 24--4S Stun-
Uuigte. Der dritte Fall zeigt eine nicht ausreichende Wirkung j den. Bei schon mit Quecksilber behandelten Fällen konnte
auf ein hochgradiges papulöses Syphilid und beweist gleich- 1 kein wesentlich rascheres Schwinden der luetischen Erschei-
zeitig, daß das Auftreten einer negativen Phase der Wasser- , innigen konstatiert werden. Rezidive kamen bisher nicht zur
m a nuschen Reaktion in solchen Fällen ganz bedeutungslos | Kenntnis.
ist; ferner zeigte dieser Fall, daß, trotz Einleitung einer Zum Schluß sei auf die Untersuchung von Dr. Pli. Fischer
Schmierkur etwa 14 Tage nach Injektion des Ehr lieh sehen j und Dr. J. Hoppe (Uchtspringe). über das Verhalten des Ehr-
Mittels, doch sehr bald ein Rezidiv folgen kann und daß der I i c h - H a t a sehen Präparates im menschlichen Körper
Spirochätennachweis nicht selten schon zu einer Zeit gelingt, I (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 29) hingewiesen,
wo die W a s s e r m a n n sehe Reaktion noch völlig negativ j Dj e Verfasser untersuchten an einigen Kranken die mit
ist. Der vierte Fäll endlich ist deswegen bemerkenswert, weil dem Diamidoarsenobenzol behandelt wurden, das Verhalten
hier nach einer Injektion von 0,3 g des Präparats eine enibo- dieser Verbindung im menschlichen Organismus. Bei Paralyii-
lische zentrale Pneumonie mit konsekutiver Pleuritis auftrat, kern, welchen 0,1 bezw. 0,3 g der Substanz subkutan injiziert
die, wie H o f f m a n n vermutet, ihren Ursprung in einem durch wurde, war in 10—14 Tagen die Ausscheidung von Arsen
die Injektion in der Glutäalmuskulatur erzeugten Thrombus durch den Urin beendigt, und zwar wird nur ein Teil des .Arsens
gehabt hat. ln diesem Fälle wurde die Injektion nach der durch die Nieren ausgeschieden, der noch dazu bei den ein¬
ursprünglichen Vorschrift von Ehrlich (Lösung im Mörser zelneu Individuen ziemlich verschieden ist; bei 0,3 g Diamido-
nach Zusatz weniger Tropfen Methylalkohol in 10 ccm destillier- t arsenobenzol (mit 0,12 Arsen) lag die im Urin ausgescliiedene
teil Wasser, Zusatz von 2 ccm ‘/io normal NaOH, Auffüllen auf Arsenmenge zwischen 0,02 und 0,07 g. Bei Epileptikern mit
20—25 ccm mit destilliertem Wasser) gemacht. In zwei aude- guter Nierenfunktion erfolgt die Ausscheidung nach subkutaner
reu Fällen hat Hoff m a n n nach Injektion dieser Lösung eine Einverleibung viel schneller, sie ist in fünf Tagen beendigt. Bei
nicht unbeträchtliche Störung der Herztätigkeit (starke Puls- j kräftigen Syphilitikern liegt die entsprechende Ausscheidungs¬
beschleunigung, systolisches Geräusch der Spitze usw.) beob- datier zwischen 5 und 10 Tagen. Nach intravenöser Injektion
achtet, welche eine Reihe von Tagen anhielt und sich dann erfolgt die Ausscheidung viel schneller, sie ist in drei Tagen
langsam völlig zurückbildete. Einmal beobachtete H. eine beendigt. Ein Teil des Arsens nach Einverleibung des Enr-
leichte Albuminurie nach der Injektion, niemals aber Sehädi- 1 i c h - FI a t a sehen Präparats wird durch deu Darm nusge-
gungen des Sehnerven. Neuerdings macht H. die Injektion schieden; nach intramuskulärer Injektion ließ sich noch am
nach der neuen W e c hs e 1 m a n n sehen Vorschrift in neu- zehnten Tage Arsen im Kot nachweisen. Auch nach der intra-
traler Aufschwemmung und hat danach derartige ernstere venösen Einspritzung war noch am 5. und 6. Tage Arsen im
Störungen niemals gesehen. Zürn Schluß teilt Hoff manu Stuhlgang vorhanden. Schließlich.ergaben einige Bestimmungen
mit, daß er letzthin Versuche einer Abortivbehandlung der all kurze Zeit nach der Injektion an anderen Krankheiten ge-
Sypltilis aufgenommen hat, wobei er folgendermaßen vorgeht: storbenen Personen, daß sich in den injizierten Muskeln Arsen
Nach Stellung der Diagnose durch den Spirochätenbefund lange Zeit in erheblichen Mengen findet, während es in
macht er eine Injektion von 0,3—0,6 des Ehrlichsten ü en übrigen Organen nicht ttachgew.iesen werden kann. Aus
Mittels, am dritten Tag (nach Verschwinden der Spirochäten (j em ppp sc heint das Arsen etwa in der gleichen Zeit wie aus
tut der Otterfläche) exzidiert er den Primäraffekt und beginnt fjnn und Kot zu verschwinden,
eine kräftige Ilg-Kur. Uelier den Erfolg dieser Versuche läßt
rh natürlich vorläufig noch nichts mit Sicherheit angeben.
m
662
THER APEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Dr. med. L. Zweig, I. Assistent der dermatol. Abt. der städt.
Krankenanstalten zu Dortmund: Färbung der Spirochaeta
pailida 111 vivo nach E. Mcirowsky. (Medizin. Klinik 1910
iNo. 21.)
v erfasser hat die von E. M eirowsky (Cöln) angegebene
neue Darstellungsmethode der Spirochaeta pailida in vivo ge-
puirt und glaubt, daß von allen bisher angegebenen Methoden
die Dunkelteidinethode vielleicht ausgenommen — keine so
schone und vor allen Dingen innerhalb so kurzer Zeit zu er¬
reichende Bilder gibt wie die Meirowsky sehe. Verfasser
vei iuhi tolgendermaßen: ln die vorher mit physiologischer
Kochsalzlösung gut gereinigten Stellen - Ulcera dura, Papeln,
Condylomata lata — preßt man mit einem Glasstab einen Brei
von Methylviolett, den man sich jedesmal Irisch bereiten muß.
(Man nimmt einige Körnchen Methylviolett und verrührt diese
mit einigen Tropfen Wasser zu einer breiigen Masse.) Nach¬
dem dieser Brei eingepreßt ist, wartet man 2—3 Minuten und
entnimmt dann mit dem B i e r sehen Sauger das Saugserum.
Emen Tropfen des Serums, das jetzt ganz violett gefärbt ist"
vermischt man auf dem Objektträger mit einem Tropfen Aqua
destillata, bedeckt das Ganze mit einem Deckglas und unter¬
sucht dann mit Oelimmersion. Soll die Färbung richtig sein,
so müssen die roten Blutkörperchen eine tiefduukelblau fin¬
gierte Hübe zeigen; die Leukocyten, Epithelzellen, sonstige
Kokken und Bakterien sind ebenfalls tief violett ge¬
färbt. Die Spirochaeta pailida ist deutlich, aber zartblau ge¬
lacht, zum Unterschied von der Spirochaeta refringens, die viel
gröber hervortritt. Man sieht deutlich die rotierende Bewegung
der Pailida. Sein- störend wirkt oft, besonders wenn man etwas
viel Flüssigkeit genommen hat, die Molekularbewegung, die
jedoch bald, wenn das Wasser etwas verdunstet ist, nachläßt.
■ iI. .. . Kr.
No. 36.
VOn ' ocl statt ’ Abgesehen hiervon zeigt sich hin¬
sichtlich der zeitlichen quantitativen Ausscheidungsverhältnisse
eine ziemliche Aehnlichkeit mit dem Verhalten des Jodivals-
nur sind die absoluten Zahlen entsprechend dem fünfmal gerin¬
geren Jodgehalt bei Verabfolgung gleicher Mengen beider Prä¬
parate entsprechend kleiner. Mit den Fäces werden 3 bis 4 pCt
des aufgenommenen Jodes ausgeschieden.
Die Jodfettsäureverbindungen J o d i p i n und S a j o d i n
zeigen hinsichtlich ihrer Ausscheidungsverhältnisse weitgehend»
physiologische Verschiedenheiten gegenüber dem Jodkalium
wie auch gegenüber den vorher besprochenen Jodverbindungen.
Der Beginn der Ausscheidung setzt, wenigstens bei Verali-
reichung der Präparate in Tablettenform, später ein, durch¬
schnittlich nach einer Stunde; die Ausscheidungsdauer ist aul-
tallend lang, so sind beim Sajodin nach Aufnahme von 3 g noch
nach lo Tagen quantitative Jodmengen im Urin nachweisbar.
Die Jodabspaltung ist sehr gleichmäßig, nach einmaliger Ver-
abreichung ldemerer Mengen (1 g) dieser Präparate findet bis
zu 40 Stunden eine fast gleiche Jodausscheidung in der Zeit¬
einheit statt Die Menge des im Urin zur Ausscheidung ge¬
machten Jodes beträgt beim Jodipin ca. 55 bis 70 pCt., beim
Sajodin 35 bis 50 pCt. der aufgenommenen Dosis; mit den
4aces gehen bei Verwendung von Tabletten durchschnittlich
{ „ P u - unausgenutzt, größtenteils als ätherlösliche Jod-
fettverbindung verloren. Bei beiden Präparaten, insbesondere
bei Sajodin, ist entsprechend der geringen Ausscheidungsmenge
eine stärkere Depötbildung von Fettverbindungen im 'Organis¬
mus anzunehmen. '
Dr Oscar Kohlbach: Ueber die praktische Verwendbarkeit des
Sajodins. (Allgemeine Wiener medizinische Zeitung 1910
No. 7.) h
Dr. Gustav Stiimpke (Kiel): Welche Beziehungen bestehen
zwischen Jod (Jodkali) und dem Ausfall der Seroreaktion 7
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 29.)
Verfasser stellte Untersuchungen über die Frage an, in¬
wieweit .Jodkali resp. Jod das Ergebnis der Wasser ma n n -
sehen Reaktion beeinflußt, und zwar stellte er einerseits
Reagensglasversuche an, andererseits prüfte er auch die
Wirkung des Jods im Organismus auf den Ausfall der Reak-
iion. Seine Ergebnisse faßt er in folgenden Sätzen zusammen:
-I- J<niKali r('s[>. Jod ist imstande, in einem hämolytischen
System eine komplette Hemmung liervorzurufeh. 2. Diese
Wirkung ist an bestimmte Konzentrationen des Medikaments
gebunden. 3. Auch die Sublimathämolyse wird durch Jodkali¬
zusatz innerhalb gewisser Grenzen verhindert. 4. Im Kaninehen-
serum kann nach Einverleibung hoher Joddosen ein positiver
Wassermann auftreten. 5. im Menschenserum läßt sich
ein diesbezüglicher Einfluß nicht feststellen. 6. Dieses letzte
Ergebnis isl analog der Feststellung, daß der Hg-Gehalt des
menschlichen Organismus keinen direkten Einfluß auf den Aus¬
fall der W a s s e r in a n n sehen Reaktion besitzt. R. L.
Dr. E. Bröking, Assistenzarzt der Med. Klinik Düsseldorf: Ver¬
gleichende Untersuchungen über die Ausscheid ungsverhält-
nisse stomachal angeführten anorganisch und organisch ge¬
bundenen Jodes beim Menschen. (Zeitschr. f. exper. Path
und Therap., 1910, Bd. VIII, H. 1.)
Auf Grund seiner Beobachtungen und Untersuchungen
kommt Verf. zu folgenden Ergebnissen:
Das Jodkalium wird im Dünndarm schnell und fast
vollständig resorbiert; die Ausscheidung durch den Urin be¬
irügt durchschnittlich ca. 80 pCt. der aufgenommenen Menge.
Hie beginnt einige Minuten nach der Aufnahme und ist bei ein¬
maliger Verabreichung kleinerer Mengen im Maximum nach
00 Stunden beendet. Die Hauptausscheidung findet in den
ersten Stunden nach der Aufnahme statt, innerhalb der ersten
12 Stunden sind etwa 75 pCt. des überhaupt ausgeschiedenen
Jodes im Urin nachweisbar. In den Fäces ist Jodkalium nur
in Spuren nachweisbar. Nach mehrmaliger Verabreichung
kleinerer Mengen scheint die relative Ausscheidungsgröße zu
steigen.
Beim Jodival findet durch die Magen- und Darmver¬
dauung keine wesentliche Jodäbspaltung statt. Der Beginn der
Ausscheidung des Präparates geht mit der gleichen Schnellig¬
keit wie beim Jodkalium vor sich. Die Gesamtausscheidungs-
größe beträgt wie beim Jodkalium etwa 80 pCt., innerhall) der
Zeiteinheit ist die quantitative Ausscheidung gleichmäßiger als
bei der Verabreichung von Jodkalium. Die längere Dauer der
Ausscheidung und die größere Gleichmäßigkeit derselben tritt
vor allem bei der dreimal über einen Tag verteilten Dar¬
reichung deutlicher zutage. Der Jodverlust mit den Fäces be¬
trägt ca 2 pCt. ln der jodierten Pflanzeneiweißverbindung
Jodglidine ist das Jod nur zum Teil gebunden, ein sehr
großer Teil derselben als lose angelagert resp. beigemengt auf-
zufassen. Schon durch Einwirkung des Tageslichtes, in stär¬
kerem Maße durch Magen- und Darmsaft findet eine erhebliche
\eif. hat mit Sajodin ziemlich viele Versuche gemacht
und war besonders in zw'ei Fällen von Fettherz, in zwei Fällen
von Asthma bronchiale, vier Fällen von Arteriosklerose und bei
Abwechselung mit Jodkali in mehreren Fällen sekundärer und
tertiärer Lues sehr zufrieden damit, die Wirkung war eine
ra! ^ U ' e ‘ °^ me die unangenehmen Begleiterscheinungen des
Jodkahum. Verf. gibt daher jetzt seinen Syphilitikern bei vor¬
liegender Indikation alternierend Jodkali und Sajodin und ist
mit dem Erfolge sehr zufrieden. Es scheint, daß durch das
Sajodin auch die Verträglichkeit für Jodkali gesteigert wird
wie dies auch von anderer Seite wiederholt liervnrwlioben
wurde. Sajodin ist somit ein vorzügliches Ersatzmittel der
Jodalkalien, da es wegen seiner Geschmack- und Geruchlosig¬
keit auch sehr gern genommen w’ird. _ r- ”
Dr. Franz Fischer, Assistent an Sanitätsral Dr. Max Josephs
Poliklinik für Hautkrankheiten in Berlin: lieber Jodtrupon
(Derjnatologisches Zentralblatt, 1910, No. 9.)
Verfasser.stellte sich die Aufgabe, zu untersuchen, ob das
Jcdtropon das wegen seiner Nebenwirkungen oft nicht ver¬
wendbare Jodkalium bei der Behandlung der Syphilis er¬
setzen könne. Im ganzen behandelte er damit 40 Fälle und
zwar gab er es:
I. Zur Unterstützung der Quecksilberkuren (14 Fälle):
a) da die Quecksilbermedikation bei der Schwere der syphiliti¬
schen Krankheitsprozesse nicht ausreichend erschien (3 Fälle),
b) weil die Symptome zu langsam zurückgingen (5 Fälle), c) bei
Bestehen starker Kopf-, Rücken- oder Gelenkschmerzen
(6 lalle), il. Als Zwischenkur, sobald das Quecksilber wegen
Stomatitis oder Fieber ausgesetzt werden mußte (4 Fälle).
III. Als Nachkur (13 Fälle). IV. Bei gummösen Prozessen
(6 Fälle). V. Bei syphilitischen Ulcera cruris (3 Fälle). •
Als Resultat seiner klinischen Beobachtungen konnte Verf.
folgendes feststellen:
1. Die Einwirkung erfolgte langsamer als heim Jodkalium;
sie war aber bei ausschließlicher Anwendung von Jodtropon
gegenüber den gummösen Prozessen und den syphilitischen
Unterschenkelgeschwüren unverkennbar. Nur bei • einem
60,jährigen Kranken, bei dem aber auch Jodkalium nichts half,
versagte das Jodtropon vollständig.
2. Von allen Kranken wurde das Jodtropon vorzüglich ver¬
tragen. Nicht ein einziger klagte über Magenbeschwerden, ja
es war der Appetit nicht einmal vermindert, selbst wenn über
200 Tabletten genommen wurden. Patienten, welche be.i Ein¬
nahme von Jodkalium stets über Magenbeschwerden klagten,
verspürten nach Jodtropon nicht die geringste Unbehaglichkeit.
3. Zeichen von Jodismus (Akne, Schnupfen, Gedern der
Augenlider, wurden nicht beobachtet. Bei einem Manne ging
das Oedem der Augenlider, das nach Jodkaliumeinuahme sich
entwickelt hatte, trotz ständiger Darreichung von Jodtropon in
•wenigen Tagen zurück. Jodtropon ist danach für diejenigen
Fälle, in denen eine langsame, aber länger dauernde Wirkung
erzielt werden soll, dem Jodkalium vorzuziehen, Handeil es
sich aber darum, schnelle Erfolge zu erzielen, so ist Jodkalium
trotz seiner unangenehmen Nebenerscheinungen doch wohl am
Platze. Was die wirksame Dosis anbctrilTl . so gab Verf. im
No. 36.
553
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
allgemeinen 6 Tabletten täglich, die 0,3g Jod enthalten, während
in der bei Jodkalium üblichen Tagesdosis von 2 g 1,5 g Jod ent¬
halten ist. Durch Harnuntersuchungen, die auf Verfassers Veran¬
lassung in einem chemischen Laboratorium ausgeführt wurden,
wurde festgestellt, daß nach Einnahme von Jodtropon noch
18 Stunden Jod im Urin nachweisbar ist, und zwar verläßt auf
diese Weise im ganzen 50 pCt. des eingeführten Jod wieder den
Körper; in manchen Fällen erfolgt die Ausscheidung noch lang¬
samer; von aufgenommenem Jodkalium werden dagegen be¬
reits am Tage der Aufnahme 80 pCt. des darin enthaltenen Jod
wieder mit dem Harn eliminiert. Durch diese Resultate wird
verständlich, warum man mit dem jodarmen Jodtropon in mil¬
der Weise meist die gleichen Resultate erzielt wie mit dem jod-
reichen, stürmisch wirkenden Jodkalium. L.
Ur. K. Reicher (Berlin): Tuberkelbacillenuachweis im Sputum
mich der lihlcnliuthschen Antiforminmethode. (Medizin.
Klinik, 1910, No. 21.)
Verfasser hat die von U h 1 e n h u t h vorgeschlagene Anti¬
forminmethode in der von Hüne angegebenen Modifikation an
einem Material von über 100 Tuberkulösen der Schöneberger
städtischen Auskunft»- und Fürsorgestelle Für Tuberkulöse
einer Nachprüfung unterzogen Das Ergebnis ist folgendes:
Die U h 1 e n h u th sehe Antiforminmethode ergibt in der
II ün eschen Modifikation durchschnittlich um 27.5 pCt. mehr
positive Bacillenbefunde als die gewöhnlichen Methoden, liefert
daher zur Stellung der Diagnose überhaupt, wie besonders bei
der Unterscheidung zwischen offener und geschlossener Tuber¬
kulose, viel exaktere Resultate. Sie zwingt zu einer Aenderung
der Auffassung bezüglich jahrelang als geschlossen angesehener
Fälle und gibt uns eine scharfe Kontrolle zur Beurteilung der
Heilstättenerfolge in die Hand. Verfasser möchte nach seinen
günstigen Erfahrungen die Uhlen huth sehe Methode einer
allgemeinen Nachprüfung empfehlen.
Prof. Dr. Niehans weil. Chefarzt am Inselspital in Bern: Die
Rolle der isolierten Muskelatrophie als diagnostisches Sym¬
ptom zur Lokalisation von tuberkulösen Knochenherden
(Zenlralbl. für Chirurgie, 1910, No. 25.)
Verfaser hat es sich angelegen sein lassen, das Verhältnis
der Atrophie der Muskulatur heim Vorhandensein tuberkulöser
Knochenherde klarzulegen und zu ergründen, ob eine gewisse
Gesetzmäßigkeit in dieser Erscheinung zu finden ist, die auch
in diagnostischer Hinsicht wertvoll wäre. Die Beobachtungen
sprechen in der Tat für eine solche Deutung: Einem Knochen¬
herd entspricht jeweilen die deutliche Atrophie eines einzelnen
Muskels oder einer Muskel gruppe, die im betreffenden Knochen¬
segment inseriert oder ihren Ursprung nimmt. Um eine In¬
aktivitätsatrophie handelt es sich nicht. Da Verfasser in solchen
Fällen nie eine Veränderung der gesunden dunkelbraunen
Muskelfleischfärbung wahrnehmen konnte, so liegt es nahe, viel¬
leicht eine toxische Einwirkung als Ursache der eigentümlichen
Atrophie anzunehmen. Sehr deutlich tritt dies zutage bei
Calcaneustuberkulose, wo der Triceps surae in seinem Verlauf
im Muskel hauch sich deutlich atrophisch zeigt im Vergleich
zur gesunden Extremität. Besteht nicht eine diffuse tuberkulöse
Erkrankung des Calcaneus jüngeren Datums, sondern ist schon
eine länger dauernde dichtere Herdausgestaltung vorhanden,
so ist die Herdstelle meist schon nach dem klinischen Befunde
vorauszusagen und auch im Röntgenbilde unschwer nachweis¬
bar. Diese Orientierung ist von großer Wichtigkeit bezüglich
der Wahl des örtlichen Eingriffes, da vor der Röntgenkontrolle
nicht selten der Talus exzidiert wurde in der Meinung, der
selbe beherberge den tuberkulösen Knochenherd, während er
nur der Sitz einer diffusen Erweichung war, aber keine spezielle
Herderkrankung darbot, welche vielmehr im Calcaneuskörper
oder in einem der Fortsätze desselben enthalten war. Ein
weiteres sehr prägnantes klinisches Beispiel ist die auffallende
Atrophie des Muse, triceps brachii bei diffuser tuberkulöser
Erweichung des Corpus ulnae. Am Humeruskopf ist die Er¬
kennung eines tuberkulösen Herdes auf dem Wege des Atro¬
phiebildes ebenfalls frühzeitig zu deuten (Insertion des
M. supraspinatus, teres major). In derselben Weise ist die Deu¬
tung des Vastusmuskels am Femur zu verwenden für die
Diagnose eines Herdes im Tibiakopfe (medial, lateral) und
ebenfalls zur Diagnose von Patellarherden, sobald die Atrophie
gleichmäßig auf den gesamten Quadriceps und speziell auf den
Rectus femoris hinweist. K r.
Dr. med. J. Cronheim und Dr. phil. W. Cronheim (Berlin):
Weitere Untersuchungen über die Bedeutung des Lecithins
für den Stoffwechsel des Säuglings. (Zeitschrift für physi¬
kalische und diätetische Therapie, Bd. 14, H. 5, August 1910.)
Die Verfasser berichten ausführlich über Stoffwechselunter-
puchungen, welche sie inbetreff der Bedeutung des Lecithins für
den Stoffwechsel an zwei Säuglingen des Kinderasyls Wilmers¬
dorf-Berlin angestellt haben. Der chemische Teil der Arbeit
wurde im tierphysiologischen Institut der königlichen landwirt¬
schaftlichen Hochschule in Berlin ausgeführt. Das Lecithin
wurde in Form des bekannten Präparates Biocitin darge¬
reicht. Das im Biocitin enthaltene Lecithin wird nach dem
yerfahren von H a b e r m a n n und Ehre n f e 1 d durch Extrak¬
tion von Eidotter mit einem Aceton-Benzolgemisch gewonnen,
wobei ein von Cholesterin freies Lecithin resultiert. Dieses
wird in Mengen von etwa 10 pCt. einem Gemisch von Vitellin
und Magermilchpulver zugesetzt. Das Biocitin stellt ein schwach
gelbes, einheitliches, feines Pulver von angenehmem biskuit-
artigen Geruch dar, das sich mit Flüssigkeiten leicht emulgieren
läßt. Die Stoffwechselversuche wurden an zwei etwa acht Monate
alten Säuglingen angestellt, und zwar mit Hilfe des bewährten
: Apparates von B e n d i x •• F i n k e 1 s t e i n , welcher das voll-
I ständige und getrennte AufsaUgen von Urin und Kot ermöglicht.
Jeder Versuch bestand ans zwei Perioden von je fünf Tagen;
i in der ersten Periode bestand die Nahrung pro 'Pag aus 870 ccm
j Milch, 10 g Gries, 10 g Zucker, in der zweiten Periode aus
I 790 ccm Milch, 10 g Gries, 10 g Zucker, 6 g Biocitin und 3 g
Butter. Die Nahrung der beiden Perioden wurde stickstoff¬
äquivalent gestaltet. Die Butter wurde in der Bioeitinperiode
zugesetzt, um den Energiewert der Tagesnahrung in beiden
I Perioden gleich zu machen, ferner wurde durch Zusatz von ab¬
gekochtem Leitungswasser die Flüssigkeitsmenge der Biocitin-
periode auf die gleiche Höhe gebracht wie in der Milchperiode.
— Was nun die Hauptergebnisse anlangt, so wurde von dem
einen Kind in der Milchperiode 0,6061 g N, in der Biocitiu-
periode dagegen 0,9944 g N angesetzt. Die bessere Assimila¬
tion des N in der zweiten Periode deuten die Verfasser als
Wirkung des Biocitins. Sehr deutlich zeigte sich hei diesem
Kind die bereits früher gemachte Beobachtung, daß der orga¬
nisch gebundene Phosphor die Ausscheidung' des N im Urin
herabdrückt; denn die Menge sank von 19,48 auf 18,79 g. Dem¬
entsprechend beruhte die bessere Verwertung des Stickstoffs
hier wesentlich auf der geringeren Ausscheidung im Urin. Bei
dem anderen Kind wurde diese Wirkung durch die schlechtere
Ausnutzung in der Bioeitinperiode überkompensiert, es zeigte
sich eine Assimilation von 1,02 g N in der Milchperiode gegen¬
über einer solchen von 0.9 g in der Bioeitinperiode. Dieses
Kind entleerte in der zweiten Periode viel mehr und viel öfter
Kot, dadurch wurde die Ausnützung des N herabgedrückt. Das
Fett wurde von dem einen Kind gut, von dem anderen weniger
gut ausgenützt; beide Male ist die Ausnützung des Fettes in der
Bioeitinperiode die weniger gute; doch ist diese schlechtere
Ausnutzung nach Ansicht der Autoren nicht auf die Darreichung
des Biocitins zairückzuführen, sondern auf die Zugabe der
Butter, welche nach früheren Untersuchungen von Säuglingen
weniger gut resorbiert wird. — Was den Phosphorstoffwechsel
anlangt, so zeigte sich bei beiden Kindern die schon früher
beobachtete bessere Verwertung des Lecithinphosphors gegen¬
über dem Phosphor in anderer organischer Bindung. Die
Werte waren bei dem einen Kind 50,5 pCt. in der Biocitin-
periode gegen 46,5 pCt. in der Milchperiode, bei dem anderen
Kind 45.2 pCt. in der Bioeitinperiode gegen 31 -pCt. in der
Milchperiode von dem Betrag des eingeführten Phosphors. Der
Gesamtgehalt des Kotes an Phosphor war in der Bioeitinperiode
stets geringer, es wurden demnach in den Körper erheblich
größere Mengen von Phosphor aufgenommen. Auch auf die ge¬
samte Mineralstoff bi lanz scheint das Lecithin einen Einfluß zu
haben. Während die Gesamtmenge der Mineral Stoffe in der
Milchperiode nicht unbeträchtlich höher war als in der Biocitin-
periode, fand sich bei beiden Kindern in der Bioeitinperiode
eine bessere Assimilation der Mineralstoffe. — Im ganzen er¬
gab sich also auch in diesen Versuchen mit Biocitin ein günsti¬
ger Einfluß des darin enthaltenen Lecithins auf die Assimilation
des N und P. Die Verfasser sind der Ansicht, daß bei ent¬
sprechend höheren Gaben von Biocitin die Ergebnisse sich noch
wesentlich günstiger gestalten würden. — Zum Schluß berichten
die Autoren noch über einige klinische Beobachtungen. Längere
Zeit beobachtet.wurde die Wirkung des Biocitins in 18 Fällen,
worunter noch drei Säuglinge. Es handelte sich durchweg um
schlechternährte Patienten, die zum größten Teil leichte tuber¬
kulöse Affektioneu aufwiesen. In 15 von diesen 18 Fällen
wurde eine gute Gewichtszunahme konstatiert. Eine solche
Gewichtszunahme war vorher nicht zu konstatieren. In der
allgemeinen Ernährung war nichts geändert worden, da es sich
durchweg um ärmere Patienten handelte, die dafür nicht mehr
ausgeben konnten. In allen Fällen war neben der Gewichts¬
zunahme eine Besserung des subjektiven Befindens zu ver¬
zeichnen, vor allem eine erhebliche Steigerung des Appetits.
R. L.
Regimentsarzt Dr. Karl Hösler (Brück a. M.): Ueber die Resorp¬
tionsfähigkeit der Haut und des Unterhautzellgewebes für
ein Milchkaseinpräparat. (Wiener med. Wochenschr., 1910,
No. 20.)
Verf. hat mit Sanatogen Versuche angestellt, um statt Eisen
oder Arsen dem geschwächten Organismus direkt Eiweißkörper
zuzuführen und dadurch zu erfahren, ob die Ausnutzung resp.
Resorption des Eiweißkörpers durch die Haut selbst nicht ratio¬
neller wäre als die Verabreichung per os, die ja oft durch den
554__ THERAPEUTISCHE
Widerwillen des Patienten, der in dein unangenehmen Ge-
schmarke fies betreffenden Nährpräparates seinen Grund hat,
illusorisch gemacht wird. Oie Resorptionsfähigkeit dieses Prä¬
parates von den Schleimhäuten ist in einer größeren Anzahl
von Arbeiten wissenschaftlich festgelegt. Um nun auch das
Unterhautzellgewebe auf seine Resorptionsfähigkeit zu prüfen,
wurden unter die Rückenhaut 20 ccm einer 2 proz. Kaseinlösung
des Sanatogens eingespritzt. Eine derartige Sanatogenlösung
laßt sich sehr leicht sterilisieren, wenn man sich an die Vor¬
schrift der Fabrik hält. Die Versuche ergaben, daß
die eingespritzten 20 ccm schon nach 6 bis 7 Stunden voll¬
kommen aufgesaugt waren. Ueber Schmerzen oder irgend¬
welche Sensationen wurde nicht geklagt. Da bekanntlich durch
Druck die Hautresorption noch gesteigert wird, wurden
10 proz. Salben mit Vaselin, Lanolin und Mitin hergestellt und
mit diesen Massagen durchgeführt. Es zeigte sich, daß sich
diese Salben in kürzester Zeit vollkommen in die Haut ein¬
reiben ließen. Alle diese Versuche dokumentierten, daß die
Haut wie das Unterhautzellgewebe eine nicht unbedeutende
Resorptionskraft für das verwendete Milchkaseinpräparat hat,
daß auch diese Organe dasselbe wie die Schleimhäute gut auf-
saugen und vertragen. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß
sich diese Verwendung auch in der Therapie solcher Fälle an¬
wenden läßt, wo es sich darum handelt, Eiweißkörper an be¬
stimmten Stellen zur Resorption zu bringen, wie es oft in der
Massage gewünscht wird. Ebenso interessant wäre der Ver¬
such, Neuralgien (Ischias, Trigeminusneuralgie) mit sterilisier¬
ten Sanatogeninjektionen zu behandeln, oder Inaktivitätsatro¬
phien, sei es mittels dieser Massage oder durch derartige Injek¬
tionen oder mit beiden Methoden anzugehen. K r.
Dr. W. Berblingcr (Zürich): Ueber traumatische inkomplette
Herzruptur und Mitralsegelzerreißiiug, (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 28.)
Von besonderer Wichtigkeit für die Unfallheilkunde sind
solche traumatisch entstandenen Herzrupturen, hei denen es
möglich ist, kurz nach dem sicher festgestellten Trauma durch
die Obduktion die Folgen desselben am Herzen zu kontrollieren
und den Nachweis zu führen, daß die Verletzungen an einem
gesunden Herzen mit nicht krankhaft veränderten Klappen zu¬
stande gekommen waren. Verfasser berichtet über einen der¬
artigen Fall. Ein 50 jähriger Mann war aus einer Höhe von
etwa 8 tu vom Dach gestürzt und zwar auf die linke Brustseite
und eine Stunde nach dem Unfall gestorben. Die Obduktion er¬
gab eine Fraktur der Schädelbasis, ein subdurales Hämatom,
verschiedene komplizierte Frakturen der Extremitäten, eine
Fraktur der linken obersten Rippe ohne Verletzung der Pleura.
Am Herzen fand sich das Epikard an der Außenfläche des
rechten Ventrikels in der Gegend des Conus pulmonalis blutig
durchtränkt. Dieser Stelle entsprechend war an der Innen¬
fläche an der vorderen Zirkumferenz des Conus pulmonalis
eine 2.5 cm lange, 1.5 cm breite Zerreißung des Myokards und
Endokards; der Einriß reichte bis dicht an das Epikard, welches
seihst unverletzt war. Unterhalb der Spitze des linken Herz¬
ohrs findet sich eine suhepikardiale bis zur Kante des linken
Ventrikels und 2 cm nach abwärts reichende Blutung. Das
vordere Mitralklappensegel zeigte in der Milte seiner Ansatz-
stellp einen runden totalen Riß mit etwas zackigen, durchblute¬
ten Rändern. Außerdem fand sich noch eine Leberruptur,
sowie starke Fettembolie der Lungen. — Die mikroskopische
Untersuchung ergab keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß vorher
irgend eine Erkrankung des Herzens bestanden hatte; es war
hier also die Ruptur hei einem gesunden Herzen eingetreten.
R. L.
Dr. Heinrich Hanse: Ein Fall von lordotischer Albuminurie mit
urämischen Anfällen. (Wiener med. Wochenschrift, 1910,
No. 21.)
Del' Fall betrifft ein 11 jähriges Mädchen, das einen unge¬
wöhnlich hohen Grad von Lordose zeigte und seit 2 Monaten an
eklainptischen Anfällen litt. Die bestehende hochgradige Lor¬
dose im Lenden- und Kreuzsegmente der Wirbelsäule veran-
laßte Verfasser zu einer genauen und wiederholten Harnunter¬
suchung, die unmittelbar nach jedem Anfall, ferner nach
längerer Seiten- oder Bauchlage, sowie nach zehn Minuten
langem Knien in vermehrter oder Stehen in gewöhnlicher
Lordosestellung vorgenommen wurde. Dabei war in der an¬
fallsfreien Zeit sowie nach Seiten- resp. Bauchlage niemals
Albuinen nachzuweisen, stets aber unmittelbar nach dem An¬
fälle sowie nach längerem Stehen in gewohnter Haltung oder
nach dem Knien. Die stete Unruhe, welche sich z. B. in leich¬
ten choreatischen Bewegungen der oberen Extremitäten
äußerte, sowie die hochgradige nervöse Reizbarkeit des Kindes
könnten die Anfälle als hystero-epileptisehe deuten lassen. Die
nachgewiesene orthotische Albuminurie spricht aber mehr für
eine urämische Basis. Bei der kürzlich vorgenommenen
Röntgen-Untersuchung ergab sich an der Wirbelsäule im obe¬
ren Teile des Kreuzbeines der interessante Befund eines
Fehlens der Dornfortsätze desselben und einer deutlichen
RUNDSCHAU 1910. No. 36.
Dehiszenz an deren Stelle. Es stellt dies sicher eine ange¬
borene,'der Spina bifida ähnliche Anomalie dar, welche F u c h s
bei Kindern mit Enuresis nocturna als pathognomonisch hin¬
gestellt hat. Die Patientin hat bis auf die bei den Anfällen
eingetretene spontane Harnentleerung nach Angabe der Eltern
nach dem 5. Lebensjahre nicht an Enurese gelitten. Immer¬
hin sollte man nachforschen, ob bei anderen Fällen von ortho-
tisclier Albuminurie derselbe Befund zu erheben wäre. K r.
Dr. M. Riehl (München): Ueber Kohlchydratverdauimg und
Diastasepräparate. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 29.)
Bekanntlich wird ein kleiner Teil der Kohlehydrate in der
Mundhöhle, der weitaus größte Teil im Dünndarm der Ferment¬
wirkung unterworfen; vom Dünndarm aus erfolgt fast aus¬
schließlich die Resorption der Kohlehydrate. Es kommt nun,
wie Ad. Schmidt nachgewiesen hat, eine isolierte Störung
der Kohlehydratverdauung vor. Hierbei werden die Kohle¬
hydrate im Dünndarm nicht hinreichend gelöst und resorbiert,
es kommt dann bald zur Gärung und Fäulnis des Darminhalts,
weiter zu Flatulenz, Meteorismus und Stuhlverstopfung; später
stellen sich Durchfälle ein, d. h. das Stadium der intestinalen
Gärungsdyspepsie geht in das des Dünndarmkatarrhs mit
häufigen Schmerzanfällen über. Die Stühle zeigen nach Probe¬
kost weichbreiige Konsistenz, hellbraunes, schaumiges Aus¬
sehen, saure Reaktion. Makroskopisch finden sich kleine,
sagokornartige Kartoffelreste; mikroskopisch reichliche Kar¬
toffelzellen mit durch Jod sich blau färbendem Inhalt,
positiver Ausfall der Gärungsprobe. Die Therapie besteht zu¬
meist in dem Verbot aller Kohlehydrate, besonders zellulose¬
haltiger Nahrungsmittel; wird diese Diät eine Zeitlang durch¬
geführt, so verschwinden oft alle Beschwerden. Schmidt
empfahl auch Salicylmilch (0.2 g Arid, salicyl. auf 1 Liter Milch)
und neuerdings Oxygar, ein Agar-Agar mit zirka 12 proz.
H-O,-. Dieses gibt im Darm langsam Sauerstoff ah und wirkt
dadurch gärungs- und fäulniswidrig. Ein weiteres therapeuti¬
sches Hilfsmittel besteht in der Darreichung von Diastasc-
präparaten. Verfasser untersuchte speziell die Wirkung von
Takadiastase und Diamalt. Takadiastase ist ein Fer¬
ment. welches Stärke in Dextrin, Dextrose und Maltose um¬
wandelt; sie wird aus dem Eurotium Oryzae gewonnen, einer
Pilzart, die den Japanern zur Reisweinfabrikation dient; Taka¬
diastase ist ein hellbraunes, fast geruchloses Pulver. leicht lös¬
lich in Wasser. Diamaltextrakt ist eine sirupartige braune
Flüssigkeit von großem Diastasegehalt. Die von Verfasser an-
gestellten Versuche erwiesen, daß Takadiastase und Diamalt¬
extrakt unter geeigneten Bedingungen sehr großeMengen Stärke
in Zucker zu verwandeln vermögen, ln neutralen oder schwach
salzsauren (0.14 proz.) gekochten Stärkelösungen wandelt die
Diastase das 300 fache ihres eigenen Gewichts in Maltose um.
Stärkere Acidität (0 5 pCt.) setzt die Fermentwirkung beträcht¬
lich herab. Da Werte von 0.4—0 45 pCt. Salzsäure im Magen sehr
selten sind, entfaltet die Takadiastase ihre Wirkung gleich¬
mäßig in der Mundhöhle, iin Magen und im Dünndarm. Diamalt¬
extrakt verliert in allen salzsauren Lösungen an Kraft der
Diastasewirkung. Seine Hauptwirkung entfaltet es im Mund
und im Dünndarm. Nur durch die Verordnung von Taka¬
diastase hat Verfasser die Beschwerden nicht weniger Dyspep-
tiker. die durch Salzsäure-Pepsin-Medikation etc. nicht gebessert
wurden, rasch schwinden sehen. Die Verordnung von Diastase-
nräparaten empfiehlt sich vor allem in den Anfangsstadien der
Kohlehydratdyspepsie. R. L.
Prof. E. Grawitz (Charlottenburg): Ueber myogene Leukoeytose,
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 29.)
Ein seit langem bekanntes Phänomen ist die nach starker
Muskelanstrengung, z, B. forcierten Marschleistungen, auf¬
tretende Vermehrung der Leukoeytose des zirkulierenden
Blutes. Es herrschte bisher die Ansicht, daß es sich hierbei
um eine veränderte Vex-teilung der Leukocyten im Gefäßsystem
handle, also um eine nur scheinbare Leukoeytose, in dem
Sinne, daß die Leukocyten infolge der Muskelkontraktionen in
den Capillargebieten aufgehäuft würden. Diese Ansicht kann
nach Verfasser nicht richtig sein; denn da nach Ludwig der
Gesamtnuerschnitt der Capillaren des Körpers etwa 500 mal so
groß ist wie der Querschnitt der Aorta, so müßte bei einer
Anhäufung von 20 000 Leukocyten pro Kubikmeter im Capillar-
gebiet eine annähernd vollständige Leukocytenlosigkeit in den
großen Gefäßen eintreten. was nicht denkbar ist. Verfasser
gelang es auch, im Verein mit seinem Mitarbeiter Dr. Wag¬
ner die Unhaltbarkeit der bisherigen Ansicht experimentell
nachzuweisen. Es wurden vor und nach stärkerer Muskel¬
arbeit Leukocytenzählungen gleichzeitig am Capillärblut aus
einem Hautschnitt und aus dem Blut einer größeren nicht ge¬
stauten Vene vorgenommen. Es fanden sich hierbei in jedem
Falle Leiikocytenvermehrungen. anscheinend relativ höhere bei
schwächlichen Menschen als hei kräftigen, ln jedem Falle er¬
folgte die Vermehrung durchaus gleichsinnig In dem Blut aus
No. 36.
THERAPEUTISCHE
der Haut wie aus der Vene. Es handelt sich also bei der
myogenen Leukocytose um eine echte Leukocytose. Die Leuko-
cytenzahl steigt auf das Doppelte bis Vierfache, bei Gesunden
ist die Vermehrung proportional der Stärke der Muskelarbeit.
Diese Vermehrung geht in wenigen Minuten vor sich; sie wird
nach Verfasser in erster Linie durch Einwirkung der Muskel¬
kontraktionen auf die Lymphbahnen und vermehrten Ueber-
tritt von Ductuslymphe mit vermehrten • Zellen des, lymphati¬
schen Systems bewirkt. Es findet sich in der Mehrzahl der
Fälle zumal bei Gesunden nach starker Muskeltätigkeit zu¬
nächst eine starke Vermehrung der Lymphocyten, die meist
schon bei längerer Dauer der Arbeit und nach der Ruheperiode
in eine neutrophile Leukocytose übergeht. Verfasser meint,
daß die myogene Leukocytose den Zweck hat, die Stoffwechsel¬
produkte der gesteigerten Muskelarbeit zu neutralisieren, auf-'
zunehmen und zu transportieren. Aus der Tatsache, daß die
anfangs stark ausgeprägte Lymphocytose bald in eine neutro¬
phile Leukocytose übergeht, zieht er den Schluß, daß wenig¬
stens ein Teil der Lymphocyten sich zu granulierten Zellen ent- j
wickelt. Von Interesse ist auch die Beobachtung, daß bei schon
bestehender entzündlicher Leukocytose eine weitere Vermeh¬
rung durch Muskelarbeit nicht eintritt. und ferner, daß bei
einigen erschöpften Personen nach längerer Bettlägerigkeit
beim Arbeitsversuch keine Leukocytose eintrat, deren Leuko- |
cytenbildung also augenscheinlich insuffizient war.
Dr. Storath (Mainz): Habitueller Chloroformmißbrauch. (Deut¬
sche med. Wochenschrift, 1910, No, 29.)
Verfasser berichtet über einen Fall von habitueller Chloro¬
formmißbrauch. Es handelt sich um ein jetzt 51 jähriges Fräu¬
lein. von nsychopathi scher Veranlagung, welche seit 15 Jahren
fast täglich mit kurzen Unterbrechungen Chloroform aus 40 bis
HO g Chloroformspiritus (01. Chloroform. Spiritus Sä) einatmete.
Sie goß sich die Mischung in 2—3 Portionen auf das Taschen¬
tuch und legte dieses auf die Nase. Die Mischung war ihr ur¬
sprünglich vom Arzt zur Einreibung der Stirn wegen heftiger
Kopfschmerzen verordnet worden Durch die Einatmung führte
sie Narkose mit nachfolgenden Schlummer herbei. Dauernde
körperliche oder psychische Veränderungen, die direkt auf den
Chloroformmißbrauch zurückgeführt werden konnten, sind bis¬
her nicht aufgetreten. Auch war keine Gewöhnung in dem
Sinne eingetreten, daß progressiv größere Mengen zur Er¬
zielung des gleichen Effekts nötig geworden wären. Nach
brüsker, vollständiger Entziehung des Chloroforms traten nicht
die geringsten Abstinenzerscheinungen auf. Um derartige
Fälle von Chloroformmißbrauch zu verhüten, empfiehlt sich
nach Verfasser die Vermeidung von Chloroform in irgend
einer Anwendungsweise zu Einreibungen im Gesicht. R. L.
Franz humlan: Ein Beitrag zu der Lehre von den zirkulären
Psychosen. (Dissertation, Freiburg i. Br. 1910.)
Das alternierende Irresein ist eine unter schweren Sym¬
ptomen verlaufende Psychose mit guter Prognose, das zirkuläre
Irresein eine unter leichten Symptomen verlaufende Psychose
mit zum mindesten sehr dubiöser Prognose. Dieses Verhalten
der beiden Krankheiten seht hervor aus dem Prozentgehalt der
ieweils Geheilten, der Häufigkeit der Halluzinationen und
Wahnideen sowie aus der Zahl der Einzelanfälle. Dies
wird durch folgende zahlenmäßigen Angaben illustriert:
Von den alternierend kranken Frauen sind rund 86 pCt- von
den alternierend kranken Männern rund 89 pCt. gesund ge¬
worden, während die Heilungsziffer bei den zirkulären Frauen
42 pCt., bei den zirkulären Männern 47 pCt. beträgt. Die unge-
heilten zirkulären Patienten befinden sich in der überwiegen¬
den Mehrzahl in einem chronischen zirkulären Dauerzustände,
der meist überhaupt keine Affektbezeichnung mehr verdient,
sondern in einer ciuerulierend-hypochondrischen Form auftritt
deren Genese nur ab und zu noch durch eine kurze Periode
heiterer oder zorniger resp. depressiver Verstimmung illu¬
striert wird. Einen sehr merkwürdigen.Verlauf und Ausgang
hat das zirkuläre Irresein bei zwei Geschwistern gezeigt. Zu¬
nächst fiel auf. daß bei beiden die Psvchose in ganz analoger,
atypischer Weise verlief — ein treffendes Beispiel für die
Gleichartigkeit der Vererbung im allereugsten Sinne. Beide
Patienten erkranken zwischen dem 15. und 20. Lebensjahre zum
ersten Mal. bekommen dann in mehrjährigen Intervallen
häufige zirkuläre Anfälle und geraten beide nach etwa fünfzehn¬
jähriger Krankheitsdauer in einen Dauerzustand mit hypochon¬
drischen Querulationen hinein, während Hessen eine allmäh¬
liche intellektuelle Reduktion eistritt. Das Endbild ist bei
beiden etwa das gleiche, wie es ein Imbeziller in einem chro¬
nischen Erregungszustand darbietet. Trotz dieses Ausganges
der Erkrankung — der in Anbetracht des Lebensalters der
beiden Patienten keinesfalls etwa auf ein Hinzutreten sklero¬
tischer Hirnveränderungen zu beziehen ist — ist die Diagnose
..zirkuläres Irresein“ in keinem der beiden Fälle zu bezweifeln.
Die einzige diagnostische Möglichkeit, die liier überhaupt noch
in Betracht käme, nämlich eine in Schüben verlaufende Hebe-
nhrenie. ist auf Grund der klinischen Beobachtungen mit
Sicherheit a uszuschliesen.
RUNDSCHAU 1910.
Sinnestäuschungen und Wahnideen sind bei den alter¬
nierend Kranken zugleich häufiger als bei den Zirkulären, eine
Illustration der allgemeinen Tatsache, daß die Intensität der
Erkrankung bei jenen größer ist als bei diesen. Bei der alter¬
nierenden Psychose ist fast stets jedes der drei determinieren¬
den Kardinalsymptome in voller Entwicklung vorhanden, wäh¬
rend bei den Zirkulären die Symptome häufig nur in rudimen¬
tärer Ausbildung zu beobachten sind. Dies gilt vor allem auch
gerade für den Affekt; bei den Zirkulären ist oftmals überhaupt
nicht zu sagen, ob heitere oder depressive Stimmung vorliegl.
Man kann auch die Stimmungslage nur zirkulär nennen, denn
der Affekt wechselt momentan zwischen Heiterkeit und Traurig¬
keit, zwischen Zorn und Demut, zwischen Schroffheit und An¬
schmiegsamkeit. Auch ist der Affekt bei vielen. Zirkulären
psychologisch stark beeinflußbar, was bei den alternierenden
Kranken so gut wie nie zu beobachten ist.
Auch aus der Zahl der Anfälle erhellt, daß das zirkuläre
Irresein eine ungleich schwerere Psychose darstellt als das
alternierende. F.
Prof. Dr. Wredo (Königsberg): Die konservative Behandlung
der Gcsichtsfurunkcl. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 29.)
Im Gegensatz zu Keppler, der vor kurzem die Stau¬
bindenbehandlung der malignen Gesichtsfurunkel empfohlen
hatte, hält Verf. die Staubehandlung für schädlich, schon
darum, weil sie eine gehörige Ueberwachung des Fortschreitens
der Affektion, speziell der Entstehung und Ausbreitung einer
Thrombophlebitis der Vena facialis nicht gestattet. Trotzdem
rät auch Verfasser ein konservatives Vorgehen. Der Gesichts¬
furunkel ist in den allermeisten Fällen ein harmloses Leiden,
das ganz von selbst ausheilt, ohne große Belästigung des Er¬
krankten. wenn man ihn nur in Ruhe läßt. Man verbiete alles
Betasten, Herumdrücken usw. und verordne Ruhe der Gesichts¬
muskulatur. Empfehlenswert ist eine vorsichtige Entfernung
der Pusteldecke auf der Höhe des Furunkels mit nachfolgender
Bedeckung durch einen .Salbenlappen, welcher mit Heftpflaster
befestigt wird. Mehr bedarf es nicht, um in sehr vielen Fällen
eine glatte Heilung mit gutem kosmetischen Erfolg zu erzielen.
Zum Messer braucht man nur zu greifen, wenn Abscedierung
aufgetreten ist. wenn ausnahmsweise starke Schmerzen be¬
stehen. wenn fortschreitende Thrombose auftritt. Den Absceß
eröffnet man durch einen kleinen Einschnitt: Jodoformgaze¬
docht oder Drain ist meist unnötig. Tritt vorzeitige Verklebung
ein. so genügt rechtzeitiges Wiedereröffnen mittels einer
Pinzette. Zwingt ein Furunkel im Gesicht ausnahmsweise
durch starke Schmerzen zu besonderen Maßnahmen, so ist er
durch einen Schnitt zu öffnen und mit Jodoformgaze zu drai-
nieren. Ist schließlich eine Thrombose da. so hängt es von
ihrem Fortschreiten und dem Allgemeinzustand des Patienten
al>. ob man inzidiert oder abwartet. Auch Thrombosen können
ohne Inzision Halt machen und abheilen. Nach diesen Grund¬
sätzen behandelt Verfasser seit 1907 in der chirurgischen Uni¬
versitätsklinik zu Königsberg die Gesichtsfurunkel, meist poli¬
klinisch- Nur wenn höheres Fieber und Thrombose vorhanden
ist, erfolgt die Aufnahme in die Klinik. Der Erfolg war stets
ein guter. Die Behandlungsdauer betrug hei den leichteren
Furunkeln und furunkulösen Abscessen 5—7 Tage, bei Furun¬
keln mit ausgebreitetem Infiltrat oder mit Thrombose 9 bis
10 Tage.
Prof. Dr. Victor Klingmüller (Kiel): Ucber Wucherungen bei
Gonorrhoe. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 28.)
Verfasser berichtet über einige Fälle, bei denen auf Grund
gonorrhoischer Infektion Gewebswucherungen entstanden, ln
einem Falle handelte es sich um eine kirschgroße Geschwulst
am Präputium mit einigen Stecknadel köpf- bis Tinsengroßen Ge¬
schwüren. in denen sich Gonokokken auch durch Kultur
nachweisen ließen. Die Geschwulst Wurde unter Tnfil-
trationsanästhesie exstirpiert und histologisch untersucht.
Ferner macht Verfasser darauf aufmerksam daß man
in der Umgebung des Anus hei Frauen oft kondylom¬
ähnliche Wucherungen beobachtet, deren Aetiologie zu¬
nächst unklar ist. Verfasser beobachtete im Laufe eines Jahres
derartige Wucherungen in acht Fällen. Vier davon konnte ‘‘r
genauer untersuchen und berichtet über seine Befunde. Es
bandelt sich um Wucherungen am Anus oder Damm. Diese
Wucherungen, welche nach Angabe der Frauen in einigen
Wochen entstehen, sind kammartige, ziemlich derbe Gebilde
von blaßrötlicher bis rötlicher Farbe, etwa 1—2 cm lang, ’/i bis
1 b cm breit. 1 ■—lA/> cm hoch. Sie sitzen der Haut breit auf,
verschmälern sich öfter nach der freien Oberfläche zu, hallen
eine glatte Oberfläche und sind am freien Rand etwas einge-
kerbt. Entweder findet sich nur eine solche Wucherung oder
mehrere. Oefters ist die innere, nach der Analöffnung zu ge¬
richtete Seitenfläche erodiert oder mit flachen, wenig Eiter
sezernierenden höchstens linsengroßen Geschwülsten beset/.l.
Schmerzen entstehen nur im entzündlichen Stadium c.der wenn
Geschwüre vorhanden sind. Durch Sekretion aus den Ge-
556
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 86.
schwüren kann auch das Gewebe maceriert werden und da-
durch ein Interfrigo entstehen, ferner können die Geschwüre,
namentlich beim Stuhlgang, bluten. Bei oberflächlicher Be¬
handlung machen diese Wucherungen den Eindruck von organi¬
sierten Hämorrhoiden oder breiten oder spitzen Kondylomen.
Das histologische Bild der Wucherungen, welche nach der
Exzision untersucht wurden, war in allen fünf Fällen ungefähr
gleich. Sie sind zusammengesetzt aus einem wuchernden, zell¬
reichen Bindegewebe mit haufenförmigen oder länglichen Ein¬
lagerungen von Plasmazellen und polynukleären Leukocyten.
Die Zellhaufen werden nach der Epidermis zu dichter und je
nach ihrer Massigkeit kommt es zur Vergrößerung und Ver¬
breiterung der Papillen und zu unregelmäßigen Wucherungen
des Epithels. Die Gefäße sind stark beteiligt, entweder be¬
stehen nur Anhäufungen von polynukleären Leukocyten in
ihnen, oder sie sind mehr oder weniger thrombosiert. Gono¬
kokken siiid in den Wucherungen nur sehr spärlich nachweis¬
bar oder nicht zu finden. In drei der Fälle fanden sich gleich¬
zeitig Ulcerationen im Rektum, welche zweifellos gonorrhoischer
Natur waren; in zwei Fällen wurden Gonokken auch mikro¬
skopisch in den Ulcera des Rektums nachgewiesen. R. L.
Dr. Selbiger. Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenleiden in Berlin:
(’oryfin in der Rhino-Laryngologic. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 18.)
Verfasser nimmt Bezug auf die Publikationen von
Dr. Robert Meyer über Coryfin (Bayer) in der „Deut¬
schen med. Wochenschrift“, 1909, No. 41, und äußert sich über
die Wirksamkeit dieses Mentholersatzes in folgender Weise:
Das Präparat zeichnet sich durch eine langsame und all¬
mähliche Mentholabspaltung aus, die eine protrahierte Menthol¬
wirkung zur Folge hat, ohne daß ein Reiz auf die Schleimhaut
ausgeübt wird. Verf. hat in einer großen Reihe von Fällen Ver¬
suche mit dem Coryfin angestellt, das sich bei hypertrophischer
Rhinitis und Stirnhöhlenkatarrhen außerordentlich bewährt hat.
Es trat nach Applikation des reinen Coryfin auf der Nasen¬
schleimhaut ein erheblicher Rückgang der Schwellung derselben
auf. Ferner hat Verf. es zu Injektionen in den Larynx ver¬
wandt und konnte, selbst wenn es unverdünnt appliziert wurde,
keine erheblichen Reizerscheinungen beobachten. Von der
Mehrzahl der Patienten wurde in übereinstimmender Weise die
durch die langsame Mentholabspaltung bedingte protrahierte
Kältewirkung, die mit einer erheblichen Anästhesierung der
lokal behandelten Stellen einherging, -sehr angenehm empfun¬
den, doch scheint dem Verf. das Coryfin selbst in konzentrierter
Lösung schwächer zu wirken als eine 20- bis SO proz. Menthol¬
lösung. Bezüglich des Geschmackes ist eine Coryfin-Pa¬
raffin-Mischung einer Lösung des Menthols in Olivenöl
überlegen.
Verf. verwendet im allgemeinen zu Larynxinjektionen eine
50 proz. Coryfin-Para t' f i n - M i s c h u n g mit einem Zu¬
satz von Ol. Eucalypti nach folgender Formel:
Rp. Coryfin
Paraffin, liquid.ää 10,0 g
01. Eucalypti. 1,0 g
— n.
Prof. Lanz (Amsterdam): Zur Vereinfachung der Ilautdesinfek-
tion. (Zentral!)], f. Chirurgie, 1910, No. 25.)
Verf. bespricht zunächst in Kürze die Wandlungen der Des¬
infektionsmethoden im allgemeinen, um dann speziell die Be¬
deutung des Vorgehens von Grossich zu erörtern. Verf.
ist bereits vor 1900 in ähnlicher Weise vorgegangen, hat jedoch
den Jodanstrich aufgegeben wegen gelegentlicher Ekzeme,
weil die Jodtinktur seine Conjunctiva reizte und die Operations¬
wäsche verdarb. Da L. damals aber die Haut vor dem Jod¬
anstrich gewaschen hatte, und dies nach Grossich ein
Fehler ist, hat er das G r o s s i c h sehe Verfahren klinisch
und bakteriologisch nachgeprüft. Die Behauptung Gros-
sichs, seine Methode stelle die beste Hautdesinfektion vor
und bewirke vollkommene Sterilisation, ist nach L. nicht richtig.
Vielmehr möchte er aus seinen Untersuchungen folgende
Schlußfolgerung ziehen:
1. Wie die B i e r sehe Lumbalanästhesie zweifellos für
gewisse Fälle große Vorteile bietet, aber nicht als Normalver¬
fahren auftreten darf, ebensowenig dürfte die bloße Impräg¬
nation der Haut mit Jodtinktur als Normalverfahren für die
Hautdesinfektion anzusehen sein.
2. Insbesondere ist bei Operationen, wo die strengste chi¬
rurgisch-bakteriologische Asepsis Vorbedingung des Gelingens
ist (Gefäßchirurgie), die alte F ü r b r i n g e r sehe der Gros¬
sich sehen Methode vorzuziehen.
3. Für spezielle Indikationen jedoch:
a) Notfall- und Kriegschirurgie:
b) in Regionen, denen schwer beizukommen, oder
in Fällen, wo die mechanische Reinigung der
Schmerzhaftigkeit wegen unmöglich;
. c) bei dekrepiden Pat.. wo jede Abkühlung ver¬
mieden werden muß;
d) für das Tierexperimeut, wo. das Rasiermesser
durch die gesetzten Schürfwunden Hautaffek¬
tionsgelegenheiten schafft,
bedeutet die Gros sich sehe Methode einen Gewinn.
4. Das Geheimnis tadelloser Wundheilung liegt allerdings
weniger in der Haut des Pat., als in der Hand des Chirurgen.
Das französische „chercliez la femme“ heißt ins Chirurgische
übertragen „cherchez la main“.
Dr. 0. J. Lauper (Interlaken): Konservative Knicgclenkscrüff-
nung. (Zentralbl. f. Chirurgie, 1910, No. 24.)
Für konservative Kniegelenkseröffnungen, zur Exstir¬
pation von Gelenkmäusen, zur Entfernung von losgelösten
Menisken; von Fremdkörpern, zur partiellen Abtragung der
Kondylen vermißte Verfasser mehrfach eine Methode, die den
beiden Hauptforderungen gerecht wird: tadellose Uebersicht
übei' das ganze Gelenk zu geben und den Bandapparat in seiner
Gesamtheit sowohl wie den Streckapparat zu schonen. Bei
einem 23 jährigen Manne, der seit mehreren Jahren über leichte
Schmerzen beim Gehen in der Gegend des Condylus internus
femoris klagte, ohne daß objektiv etwas nachzuweisen war, wo
aber der Röntgenapparat ein partiell losgelöstes Knorpel-
Knochenstück von zirka Markstückgröße am hinteren Umfang des
Cond. int. femoris zeigte, erreichte Verf. seinen Zweck in folgen¬
der Weise: Schrägschnitt auf der Innenseite von hinten oben nach
vorn unten von 12 cm Länge, fingerbreit von der Patella nach
innen durch Haut, Fettgewebe und Fascie, leichtes Einkerben
der untersten Fasern des Vastus int., Eröffnung der Kapsel nur
über dem Condylus femoris ohne die Gelenklinie zu berühren
und stumpfes Abheben des Periosts und der Kapsel (samt
Bursa subnuadricipitalis) mit Raspatorium über dem Femur
nach vorn bis etwas über die Mittellinie hinaus, nicht jedovh
nach hinten und nicht an der Tibia. Nun gelingt es unter kräfti¬
gem Zug, die Patella nach außen zu luxieren, ohne Drehung
derselben, d. h. sie durch Zug über den Condyl. extern, nach
außen zu schieben. Bei vollständiger Beugung läßt sich das
Gelenk leicht in toto übersehen, die beiden Femurkondylen, die
innere Gelenkfläche der Tibia, die beiden Kreuzbänder, der
Meniscus medialis.
Mit großer Leichtigkeit kann nun das besagte vom Knochen
losgelöste (1 1 ■ cm dicke), am Knorpelrand jedoch noch fest¬
haftende Stück des Cond, femoris medialis mit einem Elevato-
rium nach kleiner Inzision abgehebelt und entfernt werden.
Ausschaben der ziemlich glatten, nicht blutenden llöhle, Ab
runden der Ränder und Einreiben von Jodoform. Bei Streckung
des Beines reponiert sich die Patella von selbst wieder. Kapsel¬
naht, Einführen von Glasdrain in die Bursa subnuadricipitalis,
gründliche Fascienuaht mit Seide, Hautnaht. Drain entfernt
nach zwei Tagen, vollständige Heilung mit vollständig festem
Kniegelenk in 14 Tagen. Gelenk schmerzlos. An mehreren
Leichenversuchen überzeugte Verfasser sich seither weiter von
den Vorteilen des beschriebenen Schnittes.
Dr. Gottwald Schwarz. Leiter des Röntgen-Instituts der
1. medizin. Universitätsklinik in Wien: Der Nachweis des
Coceum mobile mittels der Röntgen-Strahlen. (Wiener med.
Wochenschrift, 1910, No. 23.)
W i 1 m s hat eine Arbeit veröffentlicht, die den Titel führt:
„Das Coecum mobile als Ursache mancher Fälle von soge¬
nannter chronischer Appendicitis.“ In dieser Arbeit, die ein
Material von 40 Fällen umfaßt, gibt W ilms au, daß man sehr
häufig bei wegen chronisch-appendicitischer Beschwerden Lana-
rotemierten einen normalen Wurmfortsatz finde. Nach Ex¬
stirpation desselben schwinden gewöhnlich die. Beschwerden
nicht. Es handelt sich nach seiner Beobachtung hierbei eben
gar nicht um einen erkrankten Wurmfortsatz, sondern um ein
abnorm langes und bewegliches Coecum, das durch Zerrungen
an seinem Mesenterium und dem Mesenterium der Appendix
die Schmerzempfindung hervorrufe. Wilms appendektomirt
in solchen Fällen nicht, sondern macht eine Fixation des Coe-
cums und hat damit seiner Angabe nach überaus günstige
Erfolge. Das Schwierige in dieser Frage ist nun aber die
Diagnose. Wilms stellt sie erst intra operationem, wenn er
eine abnorm leichte Hervorwälzbarkeit des Coecums mitsamt
dem Wurmfortsatz findet. Klinische Zeichen sind unsicher,
doch führt er an: lautes Gurren in der rechten Bauchseite, Hin-
und Herschiebbarkeit des kontrahierten Coecums. Sch. zeigt
nun, daß man in den Röntgenstrahlen ein sehr bequemes Hilfs¬
mittel besitzt, um diese und einschlägige Fragen auch bei uner-
öffneten Bauchdecken zu studieren. Gibt man einem Kranken
die bekannte mit 40 g kohlensaurem Wismut versetzte Milch¬
speise nach Rieder, so verläßt diese alsbald den Magen,
läuft rasch durch den Dünndarm und gelangt nach ca. vier
Stunden ins Coecum, das nun rasch angefüllt wird. Von der
siebenten Stunde an sieht man dasselbe, sowie das Colon ascen-
dens auf dem Röntgenschirm sehr gut als wurstförmigen Schat¬
ten. Dabei kann die Mobilität leicht kontrolliert werden. Verf.
tut dies, indem er ein Orthodiagramm in aufrechter und in
linker Seitenlage des Patienten helstellt, wobei das Coecum
No. üö.
THERAPEUTISCHE
seiner Schwere nach die Tendenz hat, gegen die Mittellinie
zu sinken. Dieser Tendenz wird es uni so besser folgen
können, je geringer seine Fixation ist. Verl hat nun auf diese
Weise zunächst mehrere Personen ohne appendicitische Be¬
schwerden untersucht. Das Coecum reichte bei diesen in der
Seitenlage entweder gar nicht oder nur um ein geringes
(ca. 1 cm) gegen die Mittellinie. Dagegen reicht es mehr oder
minder (bis zu 6 cm) kopfwärts. lin Gegensatz hierzu hatte
Verl nun auch Gelegenheit, ein 20 jähriges Mädchen mit einer
typischen chronisch-appendicitischen Anamnese zu untersuchen.
Dabei zeigte es sich, daß das Coecum mit dem offenbar wegen
seiner abnormen Weite gut fühlbaren Wurmfortsatz bei der
linken Seitenlage um ca. 5 cm weit gegen die Mittellinie sich hin
verschob. Hier schien es sich also um ein Wilmssches
Coecum mobile zu handeln. Kr.
Ib'. A. Heddäus (Heidelberg): Kasuistischer Beitrag zu den
Darmverletzungen im Bruchsack. (Münch, lued. Wochen¬
schrift, 1910, No. 29.)
Verfasser berichtet über einen seltenen Fall von Fremd¬
körperverletzungen. Einem 19 jährigen Schlosser war beim
Hämmern ein etwa linsengroßes Stück Eisen von dem großen
Hammer abgesprungen und durch die Kleidung in seinen aus¬
getretenen und nicht durch Bruchband geschützen rechtsseiti¬
gen Leisteobruch eingedrungen. Da sehr bald peritonitische
Symptome sich zeigten, wurde der Verletzte von einem Arzt
der Klinik überwiesen, wo er 12 Stunden nach Eintritt des Un¬
falls anlangte. Aeußerlich fand sich ein gänseeigroßer rechts¬
seitiger Leistenbruch, auf dessen Kuppe eine zirka 5 mm lange
Schnittverletzung sichtbar war, aus der Blut sickerte. Es wurde
sofort zur Operation geschritten. Nach Freilegung und Eröff¬
nung des Bruchsacks entleert sich schaumige, trübe Flüssigkeit;
der Bruchsack ist leer, der Darm in die Bauchhöhle zurüek-
geglitten. Nach Reinigung des Bruchsacks wird der Hautschnitt
nach oben verlängert und die Bauchhöhle eröffnet. Unmittel¬
bar oberhalb der ßruchpforte liegt eine Darmschlinge vor, aus
der durch einen freien Schlitz an der dem Mesenterialansatz
gegenüberliegenden Fläche schaumige bräunliche Flüssigkeit
uervorsickert; dicht neben dieser Oeftnung fand sich der Eisen¬
splitter; er ist 8 mm lang, 6 mm breit und etwa 2 mm dick. Die
Darinschlinge wurde vorgezogen und die Oeffnung übernäht.
Es fand sich noch eine zweite Oeffnung in der Darmschlinge
am Mesenterialansatz, welche ebenfalls übernäht wurde. Ferner
fanden sich in dem Mesenterium der vorgezogenen Dami¬
sch linge an zwei Stellen Durchbohrungen von Mesenterial¬
gefäßen, welche stark bluteten und mittels Umstechungen ver¬
sorgt wurden. Soweit die Därme sich übersehen ließen, waren
sie mit fibrinösem, peritonisiertem Belag bedeckt ohne
schützende Verklebungen. Die in der Bauchhöhle ange¬
sammelte Flüssigkeit wurde nach Möglichkeit ausgetupft, der
vorgezogene Darm mit Kochsalzlösung abgewaschen und repo-
uiert. Drainage mittels Glasdrain. Verkleinerung der
Wunde, Exstirpation des Bruchsacks, Hautnaht des Skrotums.
Die peritouitischen Erscheinungen dauerten noch 2 Tage, dann
gingen sie zurück und es erfolgte glatte Heilung. Das Eisen-
stück hatte den in den Bruchsack ausgetretenen Darm offenbar
doppelt durchschlagen und weiter das Mesenterium durchsetzt,
der Darm hatte sich später über den Fremdkörper in die
Bauchhöhle zurückgezogen. R. L.
Marinestabsärzt Dr. Hoffmann (Berlin): Die Ergebnisse der
neueren Krebsforschung. (Berl. klm. Wochenschrift, 1910,
No. 21.)
Unter den Lehrmeinungen über die Entstehung der bös¬
artigen Geschwülste haben immer noch das meiste Gewicht,
fast eine herrschende Stellung, diejenigen, die gestützt auf die
Lehren und das Ansehen Rudolf Vir cho w s die Ursachen
für die Entstehung der Geschwülste in innern Ursachen der
Zellen und Gewebe suchen. Aber die Forschung der letzten
Jahre hat den Beweis erbracht, daß wir mit unserer Frage¬
stellung an der Zelle und ihren Veränderungen nicht Halt
machen dürfen, sondern daß auch darüber hinaus noch wichtige
Funde für das Verständnis und damit selbstverständlich auch
für die Behandlung der Krankheiten zu erwarten sind. Be¬
sonders auf zwei Dinge hat man zunächst geachtet: auf die
Bedeutung äußerer Reize und Verletzungen und Einwirkungen
der verschiedensten Art und auf die Entstehung der Ge¬
schwülste durch belebte Erreger. Daß solche äußeren Reize
für die Entstehung der Geschwülste in Frage kommen konnten,
ist nicht ganz neu. Man kennt seit langem eine Reihe von Ein¬
flüssen, denen man ziemlich allgemein eine ursächliche Be¬
deutung für manche Neubildungen zuschrieb. Zahlreiche Be¬
obachtungen sind hinzugekommen, die diese Erscheinungen be¬
stätigten. Namentlich langwierige Entzündungszustände ver¬
schiedenster Art, alte Narbenbildungen, Einwirkungen von Ver¬
letzungen, von bestimmten reizenden Stoffen, besonders den
aus Teer gewonnenen, sind imstande, in diesem Sinne zur Ge¬
schwulstbildung zu führen. Auch die Schwangerschaft übt auf
die Entstehung und Verschlimmerung bösartiger Geschwülste
RUNDSCHAU 1910. 657
einen unverkennbaren Einfluß aus. Neuerdings ist eine Be¬
obachtung hinzugekommen, die früher nicht bekannt war, näm¬
lich die Entstehung bösartiger Geschwülste durch Einwirkung
von Röntgenstrahlen. Ganz besonders eifrig hat sich die neuere
Forschung zur Auffindung belebter Erreger für die Geschwülste
gestaltet, und eine Reihe von Keimpilzen, höheren Pilzen,
Spirochäten, Urtieren ist in Geschwülsten uachgewieseu und
als Erreger angesprochen worden, ohne daß es freilich gelungen
wäre, Umstände anzuführen, die als beweisend für den Zu¬
sammenhang anzusehen wären oder auch nur ihn besonders
wahrscheinlich machen könnten. Von großer Bedeutung für
die Geschwulstforschung war es, daß es gelang, bei Tieren,
namentlich bei Mäusen, Geschwülste künstlich zu übertragen,
die ihrem ganzen Verhalten nach den menschlichen Geschwül¬
sten an die Seite gestellt werden konnten, und die es ermög¬
lichten, vielen Fragen in Versuchen näher zu treten, so lange
die Verimpfung menschlicher Geschwülste auf Tiere nicht mög¬
lich ist. Die auffälligste Tatsache, die bei diesen künstlichen
Uebertragungsversuchen festgestellt wurde, war die, daß aus
übertragbaren Krebsgeschwülsten nach einigen, oft schon nach
der zweiten Uebertragung sich ganz andere Geschwülste ent¬
wickelten, nämlich Adenome und sogar Sarkome. Für viele
lag darin ein Beweis der Tätigkeit eines belebten Erregers, der
einmal einen Krebs, ein andermal ein Sarkom erzeugte. Es
gibt aber noch andere Erklärungsmöglichkeiten; beweisend für
einen belebten Erreger ist diese Beobachtung nicht. Zweifel¬
los wirft diese vielfach bestätigte Umwandlungsmöglichkeit auf
die ganze Geschw'ulstfrage ein neues und ganz eigenartiges
Licht. — Nachdem die Aufmerksamkeit der ärztlichen Welt
sich mehr auf die Krebsfrage und auf die Notwendigkeit der
planmäßigen und mit großen Mitteln arbeitenden Krebs¬
bekämpfung gerichtet hat, ist man eifrig bestrebt gewesen,
unsere Hilfsmittel zur Erkennung und ganz besonders zur mög¬
lichst frühzeitigen Erkennung des Krebses zu verbessern. Schon
die Röntgendurchleuchtung stellte auf diesem Gebiete einen
wesentlichen Fortschritt dar. In den letzten Jahren ist von
von vielen Seiten versucht worden, die Untersuchungsverfahren,
die auf dem Gebiete der durch belebte Erreger hervorgerufenen
ansteckenden Krankheiten von so fruchtbringender Wirkung ge¬
wesen sind, besonders die Verfahren der Komplementbindung,
der Eiweißausfällung und der Blutkörperchenlösung auch für
die Erkennung bösartiger Neubildungen nutzbar zu machen.
Von manchen Seiten ist über brauchbare Ergebnisse berichtet,
von anderen aber sind diese Ergebnisse mit derselben Be¬
stimmtheit bestritten worden, so daß wir tatsächlich mit diesen
Verfahren für die allgemeine Anwendung noch nicht rechnen
können. — Was die Behandlung betrifft, so sind die Erfolge, die
mit dem Messer erreicht sind, heutzutage durch keine andere
Behandlung auch nur annähernd erreicht werden. Die blutige
Entfernung muß vorläufig unbedingt das Verfahren der Wald
bei allen Krebsen bleiben. Dennoch ist eine Reihe von Ver¬
suchen gemacht, auf andere Weise die Krebswucherung zu be¬
einflussen. Insbesondere ergab sich diese Aufgabe für solche
Fälle, bei denen eine Heilung durch vollständige Entfernung,
der Geschwulst nicht mehr möglich war, das Leiden der
Kranken aber unter allen Umständen Linderung verlangte.
Wir haben in der Tat eine Reihe von Mitteln, die uns gestatten,
unter Umständen die Krebszellen zu vernichten. Sie beruhen
auf der Tatsache, daß die Krebszellen im Verhältnis zu ge¬
sunden Zellen in ihrer Lebensfähigkeit und Widerstandsfähig¬
keit gegen äußere Einflüsse mehr oder weniger beschränkt sind.
Bestrahlungen verschiedener Art, Röntgenstrahlen, Radium¬
strahlen, später die Blitzbehandlung nach de Keating-
Hart, ganz neuerdings das von Czerny beschriebene Ver¬
fahren der Entfernung der Krebse mit dem Lichtbogen, auf An¬
wendung von Strömen von höchster Schwingungszahl beruhend
— sie alle sollen diese Wirkung ausüben können. Andere
Verfahren sind darauf gerichtet, im Blut des Kranken Stoffe
zu erzeugen, die auflösend auf die Krebszellen wirken sollen;
teils handelt es sich um verschiedene giftig wirkende Arznei¬
mittel, teils um Auszüge aus verschiedenen Keimpilzen oder
Geweben, selbst um lebende Keimpilze, teils um verschiedene
Sera und Fermente. Bemerkenswerte Erfolge sind bisher
durch keines dieser neueren Verfahren erzielt. — Bei der
großen Verbreitung der Krankheit und der scheinbar immer
noch zunehmenden Ausbreitung des Leidens sinnt man auf
Maßregeln, wie dieser Zunahme vorzubeugen ist. Insbesondere
ist man in den letzten Jahren mehr als früher der Frage der
Ansteckungsfähigkeit des Krebses näher getreten; und wenn
auch kein Beweis dafür beigebracht ist, so mehrt sich doch
namentlich die Zahl derjenigen, die es für zweckmäßig halten,
so zu verfahren als ob die Ansteckungsfähigkeit vorläge.
Namentlich auch bei der Entfernung von Krebsen hat man
neuerdings wiederholt von der unvorsichtigen Verschleppung
von Krebskeimen durch den Eingriff gewarnt. Unter den all¬
gemeinen Maßregeln zur Verhütung der Krebskrankheit und
ihrer unheilvollen Wirkungen steht eine oben an. von der sich
alle Forscher große Vorteile versprechen, das ist die weit¬
gehende Aufklärung des Voikes und nicht minder auch der
558
THJSRAPhUT'lSCtilÜ RÜNDSÖHAÜ iöiö.
No. 3t>.
Aerzte über die Früherscheinungen der Krebskrankheit, damit
die ersten Zeichen nicht übersehen werden, und damit so früh¬
zeitig wie möglich das Leiden mit dem Messer angegriffen und
mit größter Wahrscheinlichkeit geheilt werden kann.
Itr, Walter Redlich, Sekundärarzt der gynäkol. Abt. des Aller¬
heiligenhospitals zu Breslau: Pseudohermaphroditismus
inasculinus externus, ein Fall von Erreur de sexe. (Zen-
tralbl. f. Gynäkologie, 1910, No. 29.)
Das vierjährige Kind wurde bei der Geburt als Mädchen
gemeldet und als solches erzogen. Die penisartige Entwick¬
lung der Klitoris und das Auftreten langer, dunkler Scham¬
haare am Ende des 2. Lebensjahres veranlagte die Eltern da¬
mals, das Kind von gynäkologischer Seite untersuchen zu lassen,
wobei sie den Bescheid bekamen, das Kind werde sich wahr¬
scheinlich in Zukunft männlich entwickeln. Die jetzige Unter¬
suchung ergab folgendes: Die Genitalien imponieren ganz als
die eines männlichen Scheinzwitters. Der Penis ist gut ent¬
wickelt, etwa 3)4 cm lang. Eine Spaltbildung an der skrotalen
Penisfläche ist nur angedeutet durch eine in der Medianlinie
verlaufende strichförmige, seichte Rinne, an deren Boden sich
mehrere knapp stecknadelkopfgroße Vertiefungen befinden, die
sich nicht sondieren lassen. Die Harnröhre tritt gar nicht in
das Corpus penis ein, sondern mündet, von einer halbmond¬
förmigen Hautspalte von untenher überdeckt, unterhalb der
Peniswurzel. Von hier aus nach dem Damm verlaufend findet
sich jederseits ein mit mäßigem Fettpolster unterkleideter brei¬
terer Hautwulst, in toto ähnlich großen Labien. In der Mittel¬
linie laufen aber die beiden Gebilde zu einer rinnenförmig ver¬
tieften, etwa 1)4 mm breiten Raphe zusammen, und die Haut
dieser Wülste zeigt die charakteristische Querfältelung und
Runzelung der Skrotalhaut, die bei Kältewirkung noch zu¬
nimmt. Irgend einen tastbaren Inhalt weist keine dieser Skro-
talhälften auf, und auch in der Umgebung des Leistenringes
ist kein Gebilde, das als deszendierte Geschlechtsdrüse aufzu¬
fassen wäre, zu finden. Außer der Harnröhrenmündung ist
nirgends ein Ostium, das etwa in die Vagina oder einen vagina¬
artigen Blindsack führen könnte, vorhanden. Eine Unter¬
suchung der Beckenorgane per rectum ergibt keinen ganz deut¬
lichen Befund. Sicher scheint kein Uterus vorhanden zu sein;
undeutlich tastbar ist jederseits, nach der seitlichen Becken¬
wand zu gelegen, ein derbes, rundliches Gebilde, das Verf. als
nicht deszendierte Testis auffassen möchte. Ist letztere Auf¬
fassung richtig, so haben wir es mit einem Fall von Pseudo¬
hermaphroditismus rnasc. ext. zu tun, speziell mit doppel¬
seitigem Kryptorchismus. Das Zusammentreffen dieser beiden
Merkmale macht den Fall zu einem relativ seltenen. Gerade
diese letzteren Fälle sind es, die am häufigsten zur irrtüm¬
lichen Geschlechtsbestimmung des Neugeborenen führen. Ein
sicherer Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung des vor¬
liegenden Falles würde erst im Nachweis von Hodengeweben
bezw. von Spermatozoen liegen. Bleiben die Testes retrahiert
und ist die Untersuchung von Ejakulat in der Folge nicht mög¬
lich, so müßte schließlich zum sicheren Nachweis männlicher
Geschlechtsdrüsen zur Probelaparotomie geschritten werden,
um eine genügende Unterlage zum Antrag auf gerichtliche
Aenderung der Geschlechtseintragung zu erhalten.
Dr. Karl Czerwenka (Wien): Zur Technik der Laminariadila-
tation. (Zentralbl. f. Gynäkologie, 1910, No. 29.)
Daß die Dilatation des Cervicalkanals mit dem Laminaria-
stift die schonendste Methode ist, steht außer Zweifel. Ist doch
die Entstehung von Einrissen bei diesem Verfahren nahezu aus¬
geschlossen. Da nun aber Keimfreiheit des Cervicalkanals
sehen in Hinsicht auf den azinösen Bau seiner Drüsen und
eventuell intrazellulär liegende Kokken nicht zu erreichen ist,
so gewährleistet nur jenes Verfahren die geringste Infektions¬
möglichkeit, welches keine Infektionspforte, das ist Schleim¬
hautrisse, setzt. Solche Risse werden bei der langsam fort¬
schreitenden Dehnung des quellenden Laminariastiftes sicherer
vermieden als bei der raschen und brüsken Erweiterung mit
dem H e g a r sehen oder einem anderen Dilatatorium. Der Ein¬
wand, daß eine vollkommene Sterilisierung des Laminaria¬
stiftes unmöglich ist, besteht nicht zu Recht. Durch kurzes
Einlegen in 1 proz. Sublimatalkohol mit folgendem gründlichen
Abspülen in absolutem Alkohol läßt sich vollkommene Keim¬
freiheit erzielen, welche bei Aufbewahrung der Stifte in Jodo¬
formäther sicher erhalten bleibt. Uebrigens sind heutzutage
in zugeschmolzenen Glasröhren sterilisierte Stifte erhältlich. Ein
weiterer Vorteil der Cervixdilatation durch den Laminariastift
ist die relative Schmerzlosigkeit. Verfasser hält daher die
Methode der Laminariadilatation für unentbehrlich. Die Nach¬
teile des Verfahrens: das Hineinschlüpfen ins Uteruskavum und
die Schwierigkeiten der Entfernung lassen sich aber vermeiden
bezw. sehr vermindern. Das Hineinschlüpfen ist nur bei gra¬
videm Organ zu befürchten, wo die Dehnbarkeit des Gewebes
in der Gegend des inneren Muttermundes eine abnorm große
ist, so daß der Stift rasch eine Kegelform mit nach unten ge¬
richteter Spitze annimmt. In diesen Fällen ist die Verwendung
des Laminariastiftes fehlerhaft. Da ist eben das Hegar sehe
Dilatatorium oder der Gebrauch von Jodoformgaze (S e h auta)
angezeigt. Beim nicht graviden Uterus ist ein Emporgleiten des
Laminariastiftes so gut wie ausgeschlossen. Es erübrigt also
nur noch, die Schwierigkeit bei der Extraktion zu beheben. Zur
Vermeidung dieses Nachteiles sind mehrfache Vorschläge ge¬
macht worden, die aber alle nicht befriedigen. Verfasser hat
nun, um bei der Dilatation sehr enger und unnachgiebiger
I Cervicalkanäle mit dem Laminariastift eine Einklemmung zu
vermeiden, ein Verfahren angewendet, welches die intra-uterine
Kegelquellung verhindert bezw. sehr vermindert und bedient
sich dazu eines Materials, das billig ist und bei eventl. Abgleiten
leicht entfernt werden kann, der Seide. Mit einem sterilen,
mittelstarken Seidenfaden wird das uterine Stiftende im trocke¬
nen Zustand umwickelt, und zwar in einer Länge von '/■>—% cm.
Der Faden wird über diese Touren geknüpft, jedoch nicht ab¬
geschnitten, sondern das.freie Ende an der bei jedem Stifte
durch ein Ohr geführten Fadenschlinge angeschlungen, damit,
falls einmal das scheinbar unmögliche Abgleiten des Fadens
eintreten sollte, der das Stiftende umkreisende Seidenfaden
leicht entfernt werden kann, also nicht zurückbleibt. K r.
Dr. Kownatzki (Straßburg i. E.): Adrenalin und Osteomalacie.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 29.)
B o s s i hat bei Osteomalacie vor einigen Jahren zuerst das
Adrenalin angewendet. Er gab von der 0,1 proz. Adrenalin¬
lösung 0,5—1 ccm 1—2 mal täglich und erzielte glänzende Er¬
folge. Bei der Nachprüfung dieser Therapie durch andere
Aerzte waren die Ergebnisse durchaus nicht einheitlich, nur
wenige sahen ebenso günstige Erfolge wie B o s s i, manche
sahen sogar direkt Schaden von der Adrenalintherapie. Verf.
selbst ist in der Lage über einen F’all zu berichten, in welchem
er einen glänzenden Erfolg mit der Adrenalintherapie erzielte.
Es handelte sich um eine 21 jährige Frau, welche im vierten
Monat ihrer Gravidität an Osteomalacie erkrankte, die rasch
einen progressiven Charakter annahm. Nachdem zuerst Phos¬
phorlebertran ohne Erfolg angewendet worden war, entschloß
Verfasser sich dazu, die Adrenalinbehandlung zu versuchen.
Er fing mit der Dosis 0,25 ccm pro die der 0,1 proz. Lösung an
und stieg in einigen Tagen auf 0,5 ccm pro die (in subkutaner
Injektion). Daneben wurde Phosphorlebertran weiter, später
auch Nukleogen gegeben. In einigen Wochen wurde Heilung
erzielt, so daß die Patientin wieder gehfähig wurde. Sie gebar
am normalen Ende der Schwangerschaft ohne Kunsthilfe ein
kräftiges Kind und ist auch jetzt noch gesund und kräftig, so
daß sie ihr Kind selbst stillen kann.
Prof. Krönig und Privatdozent Dr. Gauss (Freiburg i. B.): Wie
weit wird durch die Röntgenbehandlung unsere operative
Therapie bei Uterusblutungen und Myomen beeinflußt?
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 29.)
Die Verff. haben in den letzten vier Jahren bei Uterus¬
blutungen auf Grund von Myomen und solchen bei Metropathia
haemorrhagica neben der operativen Therapie auch die Röntgen¬
bestrahlung angewendet. Auf Grund ihrer dabei gewonnenen
Erfahrung sind sie der Ansicht, daß die Radiotherapie die In¬
dikationsstellung zu operativen Eingriffen bei Myomen und
hämorrhagischen Metropathien bestimmt einschränken wird.
Alle diejenigen Fälle, bei denen die Radikaloperation auch
heute noch eine gewisse Lebensgefahr für die Patienten in sich
schließt, wie starke Entblutung, Myodegeneratio cordis, starke
Adipositas, Katarrhe der Bronchien, wird man in Zukunft der
Röntgenbehandlung unterwerfen müssen. Bei kräftigen Indi¬
viduen wird die operative Behandlung im allgemeinen auch
heute noch das Verfahren der Wahl sein, weil sie bei solchen
sehr lebenssicher ist und weil die Nachwirkungen bei Zurück¬
lassung der Ovarien entschieden geringer sind als bei einer
durch Röntgenbestrahlungen erreichten Amenorrhoe. Unter
diesen Bedingungen wird die Operation dann um so mehr indi¬
ziert erscheinen, wenn es sich um sozial weniger gut gestellte
Individuen handelt, denen es auf eine möglichst schnelle
Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit ankommt. Die
Röntgenbehandlung nimmt mehr Zeit in Anspruch und macht
auch nicht geringe Kosten, da der Röhrenverbrauch nicht un¬
beträchtlich ist, daher wird sie vorläufig hauptsächlich auf besser
situierte Frauen sich beschränken müssen. Der Röhrenver¬
brauch wird sich möglicherweise durch Verbesserung des In¬
strumentariums vermindern lassen. R. L.
II. Therapeutische Notizen.
Mit dem Namen Mucusan wird ein neues Antigonor-
r hoi cum bezeichnet, das Dr. Britz (Berlin) in die Therapie
eingeführt hat. (Fortschritte der Medizin, 1910, No. 27.) Es ist
das von Dr. F o e 1 s i n g dargestellte ZinksalzderOrtho-
o x y 1) e n z o ('■ S ä u r e , das in Form von Tabletten in den
Handel kommt. Die örtliche Behandlung mit diesem Mittel
No. 36,
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
559
wird folgendermaßen ausgeführt: Ist nur die vordere Harn- i
röhre erkrankt, so genügt eine dreistündliche Behandlung mit
Mucusanlösung, welche man warm (1 Tablette auf
100 Wasser) einspritzt und jedesmal 5 Minuten lang in der !
Harnröhre beläßt. Noch wirksamer und bei gleichzeitiger Er- j;
krankung der hinteren Harnröhre sogar unbedingt nötig ist die
Irrigation (nach J a n e t) der ganzen Urethra mit 300 bis |
400 ccm Mucusanlösung (4, Tabletten auf 1 Liter warmen I
Wassers). Letztere Prozedur wird, wenn angängig, täglich zwei- j
mal vorgenommen, morgens und abends; es gelingt auf diese j
Weise im allgemeinen, das entzündliche Sekret in 14 Tagen j
gonokokkenfrei zu machen. Anstatt des Irrigators bedient man j
sich bei diesen Durchspülungen zweckmäßig einer großen
(100 ccm fassenden) Spritze, die man also mehrmals anzusetzen
hat; man kann so leichter den Widerstand des Sphinkters über¬
winden. Bei sehr empfindlichen Patienten, speziell bei erst¬
maliger Gonorrhoe, injiziere man vor der Irrigation 2 proz. I
Eukainlösung und lasse sie 5 Minuten auf die Schleimhaut j
wirken. Nach mehreren Tagen ist diese Vorbereitung der
Prozedur meist nicht mehr nötig. Verfasser belegt seine Mit¬
teilung durch einige Krankengeschichten. T.
III. Bücherschau.
Die Erkrankungen der Flexura sigmoidea. Von Prof. Dr.
Th. Rosenheim (Berlin). Sammlung zwangloser Abhand¬
lungen aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoffwechsel-
Krankheiten, II. Band, Heft 6. Halle a. S. 1910, Carl
M a r h o 1 d, Verlagsbuchhandlung. 78 S. 1,80 M.
Die genauere Erforschung der Erkrankungen der Flexura
sigmoidea gehört erst den letzteren Jahren an. Die Verbesse¬
rung der allgemeinen diagnostischen Hilfsmittel, die Konstruk¬
tion spezieller endoskopischer Apparate zur Untersuchung der
untersten Darmabschnitte haben dazu beigetragen, in dieses
bisher ziemlich wenig beachtete Gebiet etwas mehr Licht zu
bringen. Der Verfasser der vorliegenden Monographie hat das
Verdienst, an der Erschließung dieser Terra incognita in her¬
vorragendem Maße mitgewirkt zu haben und unternimmt es
hier wesentlich für den Allgemeinpraktiker einen zusammen¬
fassenden Ueberblick über den gegenwärtigen Stand unserer
Kenntnisse auf diesem kleinen Teilgebiet der Magen-Darm-
krankheiten zu geben. Die hauptsächlich hier in Betracht kom¬
menden Affektionen sind: erstens die entzündlichen Prozesse
an der Flexura sigmoidea: Sigmoiditis (Perisigmoiditis) acuta
und Sigmoiditis (Perisigmoiditis) chronica mit den Unterabtei¬
lungen Sigmoiditis simplex, gravis, membranacea, zweitens der
Krebs der Flexura sigmoidea; ferner die gutartigen Ge¬
schwülste (Polypen) und die infektiösen geschwürigen Pro¬
zesse (Dysenterie, Lues, Tuberkulose); endlich funktionelle
nervöse Störungen im Gebiet der Flexura sigmoidea: Colica
mucosa, Kolospasmus, Hypersekretion, chronische Kotlaufhem¬
mung, atonische Dilatation. Zum Schluß sind als seltene Affek¬
tionen die H i r s c h s p r ung sehe Krankheit und der Vol-
vulus der Flexura sigmoidea behandelt. Verf. bespricht diese
verschiedenen Erkrankungstypen in lichtvoller Darstellung mit
besonderer Hervorhebung der praktisch wichtigeren Krank¬
heitsbilder, die er auch durch einzelne Krankengeschichten
erläutert, und unter eingehender Berücksichtigung der Diffe¬
rentialdiagnose und der Therapie. Die Monographie sei allen
Kollegen, die sich über das Gebiet orientieren wollen, bestens
empfohlen. R. L-
Ernährung mul Pflege des Kindes mit besonderer Berücksichti¬
gung des ersten Lebensjahres. Von Medizinalrat Dr. Franz
C. R. Eschle (Sinsheim a. E.). 5. vollst. umgearbeitete und
vermehrte Auflage. Leipzig i909, Verlag von B e n n o Ko¬
ne g e n. Preis 2,50 M.
Neu hinzugefügt sind in der vorliegenden Auflage ein
Kapitel ,.Der Onkel Doktor“, in dem sich der Verfasser gegen
das Spezialistentum wendet, ferner ein Abschnitt über die see¬
lische Entwicklung und die erste Erziehung des Kin,des. Ein
ausführliches Register erleichtert ein rasches Nachschlagen.
Mit dem Inhalt des Buches kann man sich bis auf Einzelheiten
einverstanden erklären. Hierzu rechnet Ref. u. a.: das Stillen
nachts, ferner die Angabe, daß es nur auf dem Wege des Steri-
lisierens mit dem Soxhlet-Apparat gelinge, die Milch voll¬
ständig keimfrei zu machen (!)
Unser Sorgenkind, seine Pflege und Erziehung. Von Gustav
Major, Direktor des medizinisch-pädagogischen Kinderheims
Sonnenblick Zirndorf bei Nürnberg. Leipzig 1910, Verlag
OttoNemnisch. Preis geb. 8 Mk.
In den letzten Jahren haben die Forschungen auf dem
Gebiete der kindlichen Psychopathologie sich ungemein aus¬
gedehnt. Wir haben mancherlei Ursachen der geistigen Stö¬
rungen kennen gelernt,und damit gingen unsere therapeutischen
Bestrebungen Hand in Hand. Zahlreiche Anstalten sind ge¬
gründet worden, um den Sorgenkindern zu helfen. Verfasser,
der erfolgreiche Leiter einer Erziehungsanstalt für geistig
anormale Kinder, erstrebt in dem vorliegenden Buche durch
möglichst genaue und durchsichtige Analyse und Besprechung
vieler Fälle die Eltern und, Erzieher in den Stand zu setzen,' die
abnormen Erscheinungen im kindlichen Seelenleben zu er¬
kennen und die Kinder richtiger, sachgemäßer und dadurch er¬
folgversprechender zu behandeln. Diesen Zweck erfüllt das
Buch. Es sei neben Pädagogen und Eltern auch den Kollegen
empfohlen, die manchen interessanten Fall in der Kasuistik
finden werden.
Die Mutter- und Säuglingsfürsorge. Kurzgefaßtes Handbuch.
Von Dr. Gust. Tugendreich, leitendem Arzt der städtischen
Säuglingsfürsorgestelle V in Berlin. Mit Beiträgen von
Amtsgerichtsrat J. F. Landsberg in Lennep und Dr.
med. W. .Weinberg in Stuttgart. Mit 2 Tafeln, 13 Text¬
abbildungen und zahlreichen Tabellen. Stuttgart 1910, Ver¬
lag von Ferdinand Enke. Geh. 12 Mk., in Lehrwand
geb. 13,40 Mk.
Der jetzt vorliegende zweite Teil der II. Hälfte enthält zu¬
nächst das Kapitel der offenen, allgemeinen Säuglingsfürsorge,
m welchem eingehend die Tätigkeit der Mütterberatungsstellen
au dem Paradigma der dem Verf. unterstehenden Stelle dar¬
gestellt ist. Betreffs der Stillprämien ergibt sich, daß sie viel¬
leicht ein Lockmittel zum Stillen sind und eigentlich nur
eine Bezahlung für den Besuch der Beratungsstellen darstellen.
Der nächste Abschnitt bringt die sehr wichtige „Versorgung der
Säuglinge mit Kuhmilch“, in welcher Frage der Verfasser einen
Standpunkt einnimmt, der soweitI Produzenten wie Konsu¬
menten gerecht wird und sich von Utopien fernhält, wie mail
sie leider in den letzten Jahren wiederholt lesen mußte. Die
weiteren Kapitel umfassen: die anstaltliche Mutterfürsorge, die
Fürsorge für Kinder, deren Mütter tagsüber außerhäuslich er¬
werbstätig sind und die anstaltliche Versorgung kranker Säug¬
linge (Asyle, Spitäler etc.), weiter die Fürsorge für besonders
gefährdete Säuglinge, Ziehkinder-, Ammenwesen. Der Schlu߬
abschnitt erläutert die sehr wünschenswerten Zentralisations¬
bestrebungen. — Mit dem vorliegenden Heft ist das Handbuch
vollständig geworden. Es muß wiederholt anerkannt werden,
daß der Verfasser mit großem Fleiß und Sachkunde das so sehr
umfangreiche Material zusammengetragen und verarbeitet hat.
So ist das Buch im Augenblick ein guter Führer und Wegweiser
für alle Fragen, die die Fürsorge für Mutter und Kind an-
gehen und verdient die volle Beachtung derjenigen, die der
Fürsorge wärmeres Interesse entgegenbringen. H.
IV. Vermischtes.
Ueber die Bekämpfung der Tuberkulose in Dänemark wird
in der „Tuberculosis“, 1910, No. 6, berichtet. Der Kampf gegen
die Tuberkulose wird dort sehr energisch betrieben. Auf 1244
Einwohner kommt ein Heilstättenbett. Von den Behandlungs¬
kosten zahlt der Staat %, der Kranke selbst oder meistens die
Kommune ';. Aus öffentlichen Aemtern werden die Tuber¬
kulösen entfernt und erhalten -j 3 , oder bei Arbeitsunfähigkeit
% ihres Einkommens als Pension. Die Untersuchung des Aus¬
wurfs geschieht auf Kosten des Staates. Erhebliche Geldmittel
werden durch Verkauf von Wohltätigkeitsmarken und Herbst¬
blumen aufgebracht. Die Tuberkulose in den Ställen ist durch
Fütterung der Kälber und Schweine mit pasteurisierter Milch
sehr zurückgegangen. Mühlschlegel.
V. Tagesgeschichte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Die Versicherungskasse für die Aerzte
Deutschlands a. S. zu Berlin hat soeben ihren Jahres-
'bericht erscheinen lassen. Danach ist das Geschäftsjahr
1909 hinsichtlich des Verlaufes der Schaden fälle
in der Invalidenkasse erheblich günstiger gewesen,
wohingegen die Krankenkasse eine noch stärkere
Inanspruchnahme wie bisher zeigte. Es wurden hei
einer Gesamtprämieneinnahme von 394 735,85 M. (54535 M.
mehr als im Vorjahre) insgesamt 130 351,55 M. ausgezahlt. Der
Ueberschuß betrug 82 799,54 M. (im Vorjahre 29 634.60 M.),
so daß eine Dividende von 22 pCt. (im Vorjahre 1 pCt.) ver¬
teilt werden kann. Der Zinsertrag des Vermögens betrug
87 945,57 M. (im Vorjahre 76939,70 M.). (Die Dr. E. Sylvia
Müller- Stiftung wird z. Zt. noch nicht von der Kasse ver¬
waltet.) Der Kasse gehörten am 31. Dezember 1909:
2060 Aerzte an, davon 308 durch Vereinsversicherung. Ins¬
besondere ist das Interesse an letzterer (obligatorische Sterbe¬
kassenversicherung der gesamtenMitglieder eines Vereins, einer
Gesellschaft und dergl.) in erfreulichem Wachstum begriffen.
Dem Grundfonds flössen im vergangenen'Jahre u. a. 1000 M.
■
560
No. 36.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
von der Berlin-Brande li burgischen Aerzte-
k a m ui e r als Beitrag für deren stiftende Mitgliedschaft zu. —
Durch den Aushilfefonds wurden satzungsmäßig mit ins¬
gesamt 2049,20 M. 12 Mitglieder mit Kurbeihilfen, Prämienüber-
nahme etc. und bedürftige Hinterbliebene früherer Mitglieder
unterstützt.
— Ueber die Zahl der amtlich gemeldeten nichtappro-
liierten Krankenbchandler einschließlich der Zahntech-
n i k e r in Preußen gibt der vor kurzem erschienene Bericht
über ..das Gesundheitswesen des Preußischen Staates im Jahre
1909“ Auskunft. Die Zahl dieser Krankenbehandler betrug im
Jahre 1908 7549. Seit dem Jahre 1902, wo sie 4104 betrug, ist
ihre Zahl stetig gewachsen; von 1907 zu 1908 hatte sie um
676 zugenomemn. ln 26 Regierungsbezirken war eine Ver¬
mehrung, in 9 eine Verminderung der nichtapprobierten Heil¬
beflissenen zu konstatieren. Ihre Zahl war in den sechs öst¬
lichen Provinzen etwas größer als in den sechs westlichen
(3991 gegen 3558). Berechnet man das Verhältnis der Kranken-
behaudler zu den approbierten Aerzten und Zahnärzten, so
findet man für den ganzen Staat den Wert 36,29 pCt.; berechnet
man es für die einzelnen Provinzen, so ergeben sich große
Schwankungen, zwischen 19 pCt. (Hessen-Nassau) und
61 pCt. (Posen). Die einzelnen Regierungsbezirke weisen in
dieser Hinsicht noch größere Differenzen auf; als äußerste
Grenzen ergeben sich hier 9 pCt. (Marienwerde r) und
85 pCt. (Liegnitz). — Die schwersten Bestrafungen unter
den zahlreichen gerichtlichen Ahndungen, die sich die Kranken-
behandler in dem Berichtsjahre zuzogen, erlitten zwei Kur¬
pfuscher, die wegen Fruchtabtreibung zu 5 bezw. 6 Jahren
Zuchthaus verurteilt wurden. — Eine bisher nicht be¬
kannte Art von Kurpfuscherei wird nach dem Be¬
richte des Kreisarztes von Landeshut (Reg. Liegnitz)
mitgeteilt. Eine Frau machte dort öffentlich bekannt, "daß sie
das von der verstorbenen Frau T. geübte „Sennen“ wieder auf¬
nehme. Das „Sennen“ (verderbt aus „saigner“) wurde von
jener Frau im Mai jeden Jahres in der Weise ausgeführt, daß
sie mit einer nicht sterilisierten Lanzette Säuglingen und Er¬
wachsenen an Armen und Beinen unter gewissen Beschwörungs¬
formeln leichte Schritte beibrachte. Die so von ihr Behandel¬
ten sollten für ein Jahr gegen alle Krankheiten geschützt sein.
Die Frau hatte natürlich stets großen Zulauf.
München. Im Sanitätsoffizierskorps der bayerischen
Armee sind, wie die „Münch, med. Wochenschrift“ mitteilt, z. Z.
über 40 Stellen zu besetzen, so daß die Beförderungsaussichten
für junge Aerzte, die sich dem militärärztlichen Berufe widmen,
gegenwärtig besonders günstig sind. Auch wird diesen bei
Eignung zum Sanitätsoffizier vom 1. September laufenden Jah¬
res ab statt der bisherigen Studienkostenentschädigung von
300 M. eine solche von 500 M. für jedes Jahr einer 3—5 jährigen
Dienstverpflichtung außer dem Kapitulationsjahr gewährt. — ln
Bayern scheint somit jetzt dieselbe Kalamität zu bestehen, die
wir seit Jahren in Preußen als eine ständige Erscheinung beob¬
achten können. Gelegentliche Erörterung im Abgeordneten¬
bause vermochte nicht viel daran zu ändern. Bei den schlechten
Aussichten, die der Beruf des Zivilarztes heute bietet, dürften
die Gründe des von der „Münch, med. Wochenschrift“ beklagten
Mißstandes schwerlich in der geringen Anziehungskraft der
militärärztlichen Laufbahn liegen. Vielleicht unterziehen sich
die betreffenden Heeresverwaltungen einmal der Mühe, den
wirklichen Ursachen des Mangels an Sanitätsoffizieren etwas
nachzugehen; es würde ihnen dann sicher nicht schwer fallen,
binnen kurzem wirksame Abhilfe zu schaffen.
Universitätswesen, Personalnachrichten.
B e r 1 i n. Von der preußischen Akademie der Wissen¬
schaften sind zu korrespondierenden Mitgliedern gewählt wor¬
den der ordentliche Professor der Patholgie in Leipzig Ge¬
heimer Medizinalrat Prof. Dr. FelixMarchand, der ordent¬
liche Professor der Anatomie in Göttingen Geheimer Medizinal¬
rat Dr. Friedrich Merkel, der ordentliche Professor der
Anatomie in Straßburg Dr. Gustav Schwalbe und der
ordentliche Professor der Pharmakologie in Straßburg Dr.
Oskar Schmiedeberg.
H a 1 1 e a. S. Am 20. August d. J. ist hierselbst Geh. Medi¬
zinalrat Prof. Dr. Hermann Schwartze, der langjährige
Inhaber des Lehrstuhls für Ohrenheilkunde, gestorben, nach¬
dem er erst vor wenigen Wochen in den Ruhestand getreten
war. 1837 als Sohn eines Landwirtes geboren, machte er seine
medizinischen Studien in Würzburg und Wien. 1859 promo¬
viert und 1860 als Arzt approbiert, war er zunächst zwei Jahre
Assistent am pathologisch-anatomischen Institut in Würzburg
unter August Foerster. Darauf ließ er sich in Halle a. S.
als Arzt nieder und begann sich sofort im Anschluß an die
Arbeiten der Engländer Toynbee und Wilde mit dem
Studium der Ohrenkrankheiten zu beschäftigen. 1863 habili¬
tierte er sich als Privatdozent für dieses Fach an der Universität
in Halle und rief alsbald eine private Ohrenklinik ins Leben,
aus der 1884 die Universitäts-Ohrenklinik hervorgegangeu ist.
1869 erhielt Schvyartze als erster Ohrenarzt in Deutschland
das Extraordinariat. 1887 Geh. Medizinalrat, wurde er 1896 zum
ordentlichen Honorarprofessor und endlich J903 als erster Dozent
der Otologie in Preußen zum ordentlichen Professor ernannt.
Schwa rtze gehört zu den Begründern der modernen Ohren¬
heilkunde ; er hat sich besonders um die Ausbildung der opera¬
tiven Otologie große Verdienste erworben. Von Schwartzes
wissenschaftlichen Veröffentlichungen seien hier aufgeführt:
Praktische Beiträge zur Ohrenheilkunde (Würzburg 1864);
Paracentese des Trommelfells (1868); Pathologische Anatomie
des Ohres (1877 in Klebs Handbuch der pathologischen Ana¬
tomie) ; Lehrbuch der chirurgischen Krankheiten des Ohres
(1884—1885 als Teil von Billroth-Lückes Deutscher
Chirurgie); Handbuch der Ohrenheilkunde (2 Bände; 1892 und
1893). Grundriß der Otologie (1905). Seit 1873 redigierte er
das 1864 von ihm mit Troeltsch, Politzer begründete
Archiv für Ohrenheilkunde.
Breslau. Der Vorsteher der Breslauer königlichen
Tollwutstation Privatdozent Prof. Dr. H e y m a n n ist
in gleicher Eigenschaft an das hygienische Institut der Universi¬
tät Berlin berufen worden.
Kiel. Der Marinegeneraloberarzt Prof. Dr. med. Rein-
hold Rüge, Privatdozent für Geschichte und geographische
Pathologie an der hiesigen Universität, ist mit der Wahr¬
nehmung der Geschäfte des Inspektionsarztes bei der Inspek¬
tion des Bildungswesens der Marine beauftragt worden.
Münster. Der bisherige Assistent und Prosektor am
Anatomischen Institut und Museum der hiesigen Universität
Privatdozent Dr. J. Brod’ersen ist zum Abteilungsvorsteher
ernannt worden.
Dresden. Am 27. August starb hierselbst der lang¬
jährige frühere Professor der Kinderheilkunde der Berliner
Universität Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Eduard Henoch,
nachdem er noch vor wenigen Wochen anläßlich der Vollendung
seines 90. Lebensjahres Gegenstand vielfacher Ehrungen ge¬
wesen war. Wir verweisen deshalb heute auf die damals ge¬
brachten biographischen Notizen (Allg. Med. Central-Ztg., 1910,
No. 30, S. 419).
— Der Frauenarzt Sanitätsrat Dr. Meinert, ein bekann¬
ter und verdienter Vorkämpfer der antialkoholistischen Be¬
wegung, ist im Alter von 63 Jahren gestorben.
Erlangen. Bei der hiesigen medizinischen Fakultät ist
ein Extraordinariat für Pharmakologie errichtet worden, das
dem bisherigen Titularextraordinarius Privatdozent Prof. Dr.
Robert Heinz übertragen wurde.
Münche n. Bei der hiesigen medizinischen Fakultät sind
zwei neue etatsmäßige Extraordinariate errichtet worden, näm¬
lich ein solches für Dermatologie und venerische Krankheiten,
das dem bisherigen Titularextraordinarius Privatdozent Prof.
Dr. Karl K o p p , und ein solches für chirurgische Erkrankun¬
gen des Kindesalters, das dem bisherigen Titularextraordina¬
rius, Privatdozent Prof. Wilhelm Herzog übertragen
wurde.
Freiburg. Der Privatdozent der Gynäkologie Dr.
K. Hegar ist zum außerordentlichen (Titular)-Professor er¬
nannt worden.
Straßburg. Der emeritierte Professor der pathologi¬
schen Anatomie an der hiesigen Universität Friedrich
Daniel v. Recklinghausen ist im 77. Lebensjahre ge¬
storben. 1833 in Gütersloh geboren, studierte er von 1852 bis
1855 in Bonn, Würzburg und Berlin Medizin, promovierte 1855
und legte 1856 die ärztliche Staatsprüfung ab. Er arbeitete
darauf mehrere Semester bei dem soeben nach Berlin zurück¬
berufenen Rudolf Virchow, vervollständigte seine wissen¬
schaftliche Ausbildung noch durch eine Studienreise nach Wien,
Rom und Paris, wurde nach seiner Rückkehr Assistent bei
Virchow und verblieb in dieser Stellung bis 1864, in wel¬
chem Jahre er als ordentlicher Professor der pathologischen
Anatomie nach Königsberg berufen wurde. Schon das nächste
Jahr sah ihn in gleicher Stellung in Würzburg, wo er sieben
Jahre blieb, um dann an die reorganisierte Straßburger Hoch¬
schule überzusiedeln. Dort hat er bis zu seiner 1906 erfolgten
Emeritierung mit großem Erfolg seines Lehramtes gewaltet,
v. Ree kl inghausen hat sich durch mehrere grundlegende
Entdeckungen einen dauernden Namen in der Geschichte seiner
Wissenschaft gesichert. Er stellte zuerst das Wanderungsver¬
mögen der Leukocyten im Gewebe fest, wies ihre Identität mit
den Eiterzellen nach, erforschte ihre Beteiligung an den Ent¬
zündungsvorgängen näher, beschrieb zuerst die Pliagocytose
usw. Es gelang ihm ferner, das Verhältnis der Lymphgefäße
zum Bindegewebe klarzulegen und die Existenz der Stomata
im Bauchfell nachzuweisen. Seine Hauptschriften sind: Die
Lymphgefäße und ihre Beziehung zum Bindegewebe (Berlin
1861). Mikrophotographien nach pathologisch-anatomischen
Präparaten (mit P. Meyer, Straßburg 1878); über die mul¬
tiplen Fibrome der Haut und ihre Beziehung zu den multiplen
Neuromen (Berlin 1882); Handbuch der allgemeinen Pathologie
des Kreislaufs und der Ernährung (als Teil der Billroth-
Lu eck eschen Deutschen Chirurgie. Stuttgart 1883); Unter¬
suchungen über die Spina bifida (Berlin 1886).
5GI.
No. 36. THERAPEUTISCHE
Wien. Der hiesigen Bureaukratie ist ein kleines Mi߬
geschick passiert, wie es ähnlich vor einigen Jahren auch in
Preußen einmal vorkam. Unter den aus Anlaß des
80. Geburtstages des Kaisers dekorierten Aerzten befindet sich
nämlich der Name des bereits im Januar 1909 verstorbenen
Chefarztes Dr. AdolfLostorfer (cf. Allg. Med. Central-Ztg.,
1909, S. 43).
Basel. Zum Nachfolger des nach Heidelberg gehenden
Prof. Dr. Wilms ist Prof. Dr. Fritz de Quervain in
La Chaux-de-Fonds berufen worden.
Zürich. Professor Payr (Greifswald) hat die Berufung
als Nachfolger des Chirurgen Krönlein abgelehnt.
Genf. Der Präsident des Internationalen Komitees vom
Roten Kreuz Gustav Moynie r ist im Alter von
84 Jahren gestorben. Seit der durch die Genfer Konvention
1864 erfolgten Gründung des internationalen Komitees vom
Roten Kreuz führte er dessen Vorsitz.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Berlin. Die „Freie Vereinigung der Deutschen medizi¬
nischen Fachpresse“ hält am 17. September d. J. im Sitzungs¬
saale der Medizinalabteilung des königlichen Kultusministe¬
riums ihre Generalversammlung ab. Folgende Refe¬
rate stehen auf der Tagesordnung: 1. Reformen im medizini¬
schen Publikationswesen (Referent Prof. Dr. C. Oppen¬
heimer, Korreferent Prof. Dr. P o s n e r). 2. Die Zulässigkeit
der Abgabe von Sonderdrucken zu Propagandazwecken (Refe¬
rent Prof. Dr. R. L e n n h o f f). 3. Bericht der Kommission zur
Bearbeitung der Autoren- und Zeitschriftenliste (Referent Prof.
Dr. J. Schwalbe). 4. Eine einheitliche Zitiermethode in
medizinischen Publikationen (Referent Sanitätsrat Dr.
H. Jo a c h i m).
— Gleichzeitig mit dem Internationalen Kongreß
zur Fürsorge für. Geisteskranke wird am 4. und 7. Oktober in
der Psychiatrischen Klinik hierselbst" die Internationale Liga
zur Bekämpfung der Epilepsie tagen.
Augsburg. Der 7. Deutsche Abstinententag findet vom
29. September bis 3. Oktober in Augsburg statt.
München. Der 7. Deutsche Samaritertag wird vom 7.
bis 9. Oktober d. J. in München abgehalten werden. Tages¬
ordnung: Ueber die Behandlung der kleinen Verletzun¬
gen (Ref. Prof. Dr. A. Schmitt [München]), Rettungs-
dienst in Bergwerken (Ref. Bergwerksdirektor Meyer
|Herne]), Rettungsdienst im Gebirge (Ref. Dr. Ühl
[München]), Automobil-Krankentransport in den Städten (Ref.
Dr. Tempel [München]), die Entwicklung des modernen
Rettungswesens (Ref. Prof. Dr. Wörner [Leipzig]):
Paris. Das Programm der vom 1.—5. Oktober in Paris
statlfindenden II. Internationalen Krebskonferenz ist jetzt ver¬
sandt worden. Die Konferenz steht unter dem Protektorat des
Präsidenten der französischen Republik. Vorsitzender ist
Czerny (Heidelberg). Zur Teilnahme berechtigt sind die
ordentlichen Mitglieder der Landeskomitees, welche der Inter¬
nationalen Assoziation für Krebsforschung angegliedert sind,
gegen einen Beitrag von 25 Frs. Nichtmitglieder können zu¬
gelassen werden mit Zustimmung des zuständigen Landes¬
komitees (für Deutschland: Prof. Dr. George Meyer,
Berlin W., Bendlerstr. 13). Der Mitgliedsbeitrag ist an den
Schatzmeister der Französischen Vereinigung, Dr. H.deRoth-
s c h i 1 d, 6, Rue St.-Philippe-du-Roule, Paris VIII, einzuzahlen.
Jedes ordentliche Mitglied der Konferenz erhält ein Exemplar
der gedruckten Verhandlungen der Konferenz. Die offiziellen
Kongreßsprachen sind Französisch, Deutsch und Englisch. Die
Verhandlungen finden in 6 Abteilungen statt. Es sollen haupt¬
sächlich die seit dem Jahre 1906 erreichten Fortschritte auf
dem Gebiete der Krebsforschung berücksichtigt werden, um ein
Bild von dem gegenwärtigen Stand der einschlägigen Fragen zu
geben. Neben den auf Grund der Referate zu besprechenden
Themen sollen weitere Vorträge nicht zugelassen werden.
Petersburg. Das hiesige Organisationskomitee des
bevorstehenden internationalen Gynäkologen-Kongresses ist
wegen der Cholera um das Zustandekommen des Kongresses
besorgt und bemüht sich daher eifrig, die Cholerafurcht als un¬
begründet hinzustellen. Wir hoffen, daß ihm das nicht gelingen
wird, denn es wäre durchaus kein Unglück, wenn der Welt das
Schauspiel erspart bliebe, die Hauptstadt Rußlands als Ort einer
internationalen Kulturveranstaltung zu sehen. Angeblich sind
jetzt auch Unterhandlungen im Gange, um jüdischen Gynä¬
kologen die Teilnahme am Kongreß zu ermöglichen. Wozu
die Bemühungen? Glaubt denn jemand, daß ein sich selbst
achtender jüdischer Arzt unter den gegenwärtigen Verhält¬
nissen ohne zwingende familiäre oder berufliche Verpflichtung
einen Fuß nach Rußland setzt?
Gerichtliches.
Berlin. Die Frage nach der Verpflichtung der
Krankenkassen, in sogenannten dringenden Fällen für die
Honorierung eines zugezogenen Nichtkassenarztes auf¬
RUNDSCHAU 1910.
zukommen, hat schon oft zu Zivilprozessen Veranlassung ge¬
geben. Einen Fall dieser Art hat vor kurzem die „Berl.
Aerzte-Korrespondenz“, 1910, No. 33, veröffentlicht. Der sprin¬
gende Punkt war dabei, da über die Dringlichkeit des Falles
zwischen den streitenden Parteien eine Meinungsverschieden¬
heit nicht bestand, der, in welchem Umfange die verklagte
Kasse an der Honorierung des Fremdarztes teilzunehmen hätte.
Die preußische Gebührenordnung für approbierte Aerzte vom
15. Mai 1896 zeigt in dieser Hinsicht eine gewisse Unklarheit.
Sie schreibt nämlich zwar die niedrigsten Sätze der Gebühren¬
ordnung für den Fall vor, daß die Zahlung aus den Mitteln
einer Arbeiterkrankenkasse zu leisten ist, unterläßt aber eine
Festsetzung darüber, ob die Kasse auch jedesmal Auftrag¬
geberin des zu honorierenden Arztes gewesen sein muß. Ferner
gibt sie keine nähere Umschreibung des Begriffs „Arbeiter¬
krankenkassen“, so daß z. B. ein Zweifel darüber besteht, ob
auch kaufmännische Hilfskassen mit versicherungspflichtigen
Mitgliedern bei der Anwendung der Gebührenordnung als
Arbeiterkrankenkassen zu behandeln sind, ln der Tat haben
die Gerichte mehrfach, so auch in dem vorliegenden Fall,
den zugezogenen Nichtkassenärzten ein die Mindestsätze der
Taxe übersteigendes Honorar zugesprochen. Es handelte sich
um eine verheiratete Frau, die der Krankenkasse des kauf¬
männischen Verbandes für weibliche Angestellte, eingetragene
Hilfskasse, als Mitglied angehörte. Bei ihrer letzten Entbindung
sah sich der behandelnde Arzt, ein Nichtkassenarzt, der als
Hausarzt in der Familie der Klägerin fungierte, gezwungen,
einen Professor zuzuziehen, da ein operativer Eingriff nötig
wurde. Der Professor beendete mit Hilfe eines Assistenten,
den er zur Narkose telephonisch herbeigerufen hatte, die Ent¬
bindung durch zweimalige Anlegung der Zange unter gleich¬
zeitiger Inzision in die Weichteile. Unmittelbar darauf suchte
der Ehemann der Entbundenen den zuständigen Kassenarzt auf
und ließ sich von diesem die Notwendigkeit der fremdärztlichen
Hilfeleistung bescheinigen. Der Professor liquidierte als Hono¬
rar für sich und seinen Assistenten 350 M.; als die Kranken¬
kasse zur Begleichung dieser Liquidation aufgefordert wurde,
wendete sie ein, sie hätte nach der Gebührenordnung nur die
Minimalsätze zu zahlen, was im vorliegenden Falle 30 M. er¬
gäbe. Daraufhin verklagte die Entbundene ihre Krankenkasse
auf Uebernahme der gesamten Liquidation von 350 M. Bei der
Verhandlung bot die verklagte Kasse 56 50 M., die sie jetzt als
berechtigte Honorarforderung anerkannte; das Gericht ver¬
urteilte sie, sich mit 100 M. an der Honorierung des Professors
zu beteiligen. Nach den Kraiikenkassenstatuten war die
Krankenkasse verpflichtet, in dringenden Fällen die Kosten
für die erste Behandlung durch einen fremden Arzt zu er¬
statten, vorausgesetzt, daß der Kassenarzt die Notwendigkeit
und die Angemessenheit der Rechnung bescheinigt. Es handelte
sich also im vorliegenden Falle ausschließlich um die Fest¬
stellung des „angemessenen“ Honorars. Der gerichtliche Sach¬
verständige stellte sich auf den Standpunkt, daß die Kasse
als eine Arbeiterkrankenkasse anzusehen sei und daher die
Mindestsätze der Gebührenordnung zur Anwendung zu kommen
hätten; dieser seien alle Aerzte, auch die Professoren,
unterworfen. Je nach der Vermögenslage des Zahlungspflich¬
tigen würde nach der Taxe in einem Falle wie in dem vorliegen¬
den das Honorar zwischen 56,50M. als Mindestsatz und 193M. als
Höchstsatz schwanken. Da die Kasse auf die niedrigsten Sätze
Anspruch habe, so sei 56,50 M. als angemessenes Honorar zu
erachten. — Das Gericht (12. Zivilkammer des Landgerichts I
zu Berlin) folgte den Ausführungen des Sachverständigen n u r
teilweise, indem es annahm, daß nicht in Frage komme,
welchen Betrag die verklagte Krankenkasse als Auftraggeberin
zu zahlen hätte, sondern welches Honorar der Klägerin a u f
Grund der Gebührenordn u n g nach ihren Vermögens¬
verhältnissen billiger Weise von dem zugezogenen Spezial¬
arzt abgefordert werden konnte; letzteres habe die Kranken¬
kasse nach ihrem Statut der Klägerin zu ersetzen. Nach den
Einkommensverhällnissen der Klägerin setzte das Gericht das
fragliche Honorar dann auf 100 M. fest. — Die Kosten wurden
der klägerischen und der beklagten Partei im Verhältnis 2 :1
verteilt, da die schließliche gerichtliche Entscheidung einen
Nichterfolg der beiderseitigen Anträge darstellte.
Hannover. Wegen unlauteren Wettbewerbs hatte sich
kürzlich eine Frau vor dem hiesigen Landgericht zu verant¬
worten. Sie hatte u. a. in Inseraten Tropfen angeboten, von
denen sie behauptete, daß sie bei Erkältungen und anderen
Erkrankungen unfehlbar heilend wirkten. Das Gericht ver¬
urteilte sie zu 50 M. Geldstrafe.
Cöln. Ueber einen eigenartigen Strafprozeß wegen fahr¬
lässiger Tötung gegen einen Arzt, der mit der Frei¬
sprechung des Angeschuldigten endigte, berichtete kürzlich
die „Voss. Ztg.", allerdings in so lückenhafter Weise, daß eine
kritische Würdigung des Falles vorerst nicht möglich erscheint.
Es handelt sich um einen Kassenarzt, der durch Pinseln
mit fünfprozentiger Höllensteinlösung den Tod
eines Kindes herbeigeführt haben sollte. Es waren zehn Sach¬
verständige geladen, die vom Verteidiger und dem Angeklag-
■Mi
_THERAPEUTISCHE
ten abgelehnt wurden. Der Angeklagte war nämlich einer der
mi vorigen Jahre neu augestellten Kassenärzte. Die Sachver¬
ständigen waren zum größten Teil Mitglieder des Leipziger
Verbandes, dessen Cölner Ortsgruppe Beschwerden gegen die
Kassenärzte einsammelt. Von diesen Aerzten war nach Be¬
hauptung des Angeklagten die Mutter zur Erhebung der An¬
klage veranlaßt worden. Das Gericht stimmte indes nur der
Ablehnung eines der Sachverständigen zu. Es sprach
im Urteil aus, daß die angewandte Behandlungs¬
methode nicht richtig war, inan könne aber an die
Leistungen eines Arztes mit gewöhnlicher Praxis nicht den¬
selben Maßstab anlegen, wie an die eines Spezialisten von
höchster wissenschaftlicher Bildung und Erfahrung. In ande¬
ren Fällen der Art haben die Gerichte oft einen anderen Stand¬
punkt eingenommen, indem sie es als eine Berufspflicht des
Arztes erklärten, sich wenigstens soweit in allen Zweigen der
Medizin auf dem Laufenden zu erhalten, daß er in schwierigen
Fällen die Grenze seines Könnens zu erkennen und für recht¬
zeitige Zuziehung eines geeigneten Spezialisten zu sorgen in
der Lage ist.
Verschiedenes.
Berlin. Das große Ereignis der Saison, die Bekanntgabe
von Ehrlich-Hatas neuem Syphilismittel, wird auch in den Tages¬
blättern des In- und Auslandes eifrig besprochen, wobei auch
absprechende Urteile laut geworden sind. So hat kürzlich der
bekannte Chirurg Dr. Doyen in Paris im „Matin" eine Be¬
sprechung über Ehrlichs Mittel gebracht, in der er dem
deutschen Gelehrten Voreiligkeit und Unbesonnenheit vorwirft
und gleichzeitig für sein eigenes Syphilismittel Reklame zu
machen versucht. In entgegengesetztem Sinne hat sich Dr.
Salmon vom Hospital du Midi im „Journal“ geäußert. Dr.
S a 1 m o n hat das Mittel bisher bei 74 Syphilitikern angewen¬
det, seine Erfahrungen decken sich vollständig mit denen der
deutschen Autoren. Dr. Salmon spottet über die Kollegen,
die das Mittel noch ablehnen, weil man bisher die Syphilis ja
auch recht gut hätte heilen können. Er fügt seinen anerkennen¬
den Mitteilungen noch äußere Gründe hinzu, die das Mittel als
wertvoll erscheinen lassen: Zeitersparnis für den Kranken,
Geldersparnis für die Armenverwaltungen, Arbeitsersparnis für
den Arzt. Uebrigens suchte inzwischen auch der „Matin“ den
schlechten Eindruck, den er durch die Veröffentlichung der An¬
griffe des Dr. Doyen hervorgerufen hat, wieder gut zu
machen. Er veröffentlichte kürzlich an der Spitze. seiner
Nummer ein Interview mit Ehrlich üiid fügte Bemerkungen
hinzu, die als eine Entschuldigung angesehen werden können.
Die „Voss. Ztg.“, der wir vorstehende Mitteilungen entnommen
haben, brachte außerdem noch folgende etwas dunkel klingende
Nachricht: ln den letzten Tagen hieß es, daß es Geheimrat
Ehrlich gelungen sei, ein neues Präparat herzustellen, das
noch bessere Dienste als das „Ehrlich 606“ leiste. Dieses Prä¬
parat heiße „6 0 6 Hyperideal" (? Red.) und zeichne sich
vor dem älteren dadurch aus, daß es ungiftig sei und daher
in wesentlich stärkeren Dosen angewendet werden könne. Tier¬
experimente und Versuche hätten dies ergeben. Der Wiener
Arzt Dr. Hugo Glaser, der kürzlich bei Ehrlich zu Be¬
such war, wandte sich an den Gelehrten um Mitteilungen über
„Hyperideal“ und erhielt darauf aus Frankfurt eine
Depesche, in der Ehrlich mitteilt, daß das neue Präparat
lediglich eine Verbesserung von „Ehrlich 606“ und ausschlie߬
lich für den internen Dienst (? Red.) und nicht für die All¬
gemeinheit bestimmt sei. — Wie nachträglich bekannt wird,
hat Geheimrat Ehrlich in der Tat eine verbesserte Form
seines neuen Mittels, an der er jetzt arbeitet, im Gespräch
scherzweise als „Hyperideal“ bezeichnet, und es sind dann wie
üblich diese seine Aeußerungen, als Sensationsnachricht aus¬
geputzt, in die Tagespresse gebracht worden.
Prag. In No. 34 (S. 478) berichteten wir über einen durch
eine Desinfektion mit Jodbenzin herbeigeführten Unglücksfall
mit tötlichein Ausgang. Bei der Wichtigkeit der Sache teilen wir,
da die betreffende einer Tageszeitung entnommene Notiz nichts
über die Bedingungen enthielt, die in jenem Falle die Explosion
herbeiführten, nachträglich noch folgende jetzt bekannt ge¬
wordenen Einzelheiten mit. Es handelte sich um eine’Wucherung
an der Hand, die dem Kinde in dem Ambulatorium der czechi-
schen Kinderklinik durch Galvanokaustik entfernt werden sollte.
Nach erfolgter Desinfektion mit Jodbenzin begann der Arzt
offenbar zu schnell mit dem Eingriff; es befand sich daher über
dem Operationsfeld in zu großer Konzentration noch Benzin¬
dampf, der alsbald durch die glühende Drahtschlinge in Brand
gesetzt wurde.
Bologna. Die hiesige Akademie der Wissen¬
schafte n hat einen Preis von 3000 Lire für die beste Arbeit
über folgende Themata ausgeschrieben: Funktionen der Thy¬
reoidea, Hypophysis und Glandula pinealis; Funktionen des
Herzens, der Herznerven und Vasomotoren; Ohrlabyrinth und
seine Funktionen. Zuschriften sind an Prof. Ercole G i a -
RUNDSCHAU 1910. No. 36.
comini Bologna, Via Zamboni 33) bis 1. Mai 1911 zu
richten.
Cholera-Nachrichten. Leider scheint es nicht gelungen zu
sein, die Cholera ganz von unseren Grenzen fernzuhalten.
In unmittelbarer Nähe Berlins, in Spandau, sind Ende
voriger Woche zwei Erkrankungsfälle vorgekommen, die
klinisch unter dem Bilde der echten Cholera verliefen. Es
handelt sich um ein Ehepaar, das nicht etwa von außerhalb
zugereist, sondern in Spandau ansässig war. Die Frau er¬
krankte vorigen Freitag plötzlich schwer unter Symptomen, die
der zugezogene Arzt zunächst als Fleischvergiftung deutete. Als
sie jedoch bereits in der folgenden Nacht der Krankheit erlag,
vermutete der Arzt das Vorliegen von Cholera und benach¬
richtigte daher die Polizei und den zuständigen Kreisarzt,
welche das Nötige anordneten und das erforderliche Unter¬
suchungsmaterial nach dem Institut für Infektionskrankheiten
sandten, wo dann die, bakteriologische Diagnose „Cholera
asiatica“ gestellt wurde. Der Ehemann erkrankte kurz darauf;
er wurde am Sonntag früh in desolatem Zustande in die
Baracke gebracht. Es wurden sofort alle Maßregeln (Isolierung
von Personen, Desinfektionen usw.) getroffen, um die Weiter¬
verbreitung der Krankheit zu verhindern. Eine vom Ministe¬
rium entsandte Kommission unter Führung des Herrn Geheim¬
rat Prof. Dr. Abel kontrollierte kurz darauf die getroffenen
Anordnungen. In S ü d i t a 1 i e n hat sich die Cho¬
lera nicht weiter 'ausgebreitet, dagegen sind Ende voriger
Woche in Oesterreich-Ungarn einige Krankheitsfälle
vorgekommen, die auf den Donauschiffen entstanden sind. Die
zwei Fälle kamen zunächst in W i e n zur Kenntnis, ein dritter
in Preßburg, alle betrafen Personen, die auf Donauschiffen
gereist wrnren. Tötlieh endeten unter diesen Fällen zwei.
— Die Reichsregierung hat mit der schwedischen Regierung
über die gesundheitspolizeiliche Behandlung der Fähr¬
schiffe der Linie Saß nitz-Tr elleborg im Falle ein¬
tretender Choleragefahr Maßnahmen vereinbart, die sich auf
Besichtigung der Reisenden, Quarantäne, Desinfektion etc. be¬
ziehen.
VI. Amtliche Mitteilungen,
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.:
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lottenburg, Dr. G. Messerschmidt in Vietz, Dr.
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Essen, Dr. J. Klein in Cöln.
Ernennungen: Geh. Med.-Rat u. vortr. Rat im Kultus¬
ministerium Dr. Abel zum Geh. Ober-Med.-Rat, Kreisarzt
Med.-Rat Dr. M e y e n zum Regierungs- u. Med.-Rat in Allen¬
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nicht identisch mit unserem Präparat sind und welche oben¬
drein unter sich verschieden sind, wofür wir in jedem einzelnen
Falle den Beweis antreten können. Da diese angeblichen Ersatz¬
präparate anscheinend unter Mißbrauch unserer Marken,,Ichthyol“
und „Sulfo-ichthyolicum 46 auch manchmal fälschlicherweise mit
Ichthyol
oder
Ammoniuni snlfo-ichtliyolicum
gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur
unser spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klini¬
schen Versuchen zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten
wir um gütige Mitteilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn
irgendwo tatsächlich solche Unterschiebungen stattfinden.
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schmerzen. Spezifikum b. Schmerz, in¬
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solchen, die nach Freilegung der Pulpa
und Einlagen von Aetzpasten auftreten.
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Arten von schmerzhaften Wunden und
Hautentzündungen, bei tuberkulösen u.
syphilitischen Larynx- u. Pharynx-Ge¬
schwüren, Ulcus u. Carcinoma ventriculi,
Vomitus gravidarum, Hyperästhesie des
Magens, Seekrankheit etc. Dosis int.
0,3—0,5 g 1—3 mal tägl. vor d. Mahlzeit.
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zeigt die typische Baldrianwirkung in verstärktem Masse.
Indiziert bei Hysterie, Neurasthenie, nervösen Herzbeschwerden, bei Schlaflosigkeit infolge von Nervosität. Bei Störungen und Be¬
schwerden während der Menstruation oder des Klimakteriums; auch bei Wallungen (Gravidität) werden die Schmerzen
im Unterleibe und regelmässig auch die bestehenden Kopfschmerzen beseitigt.
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sich (1. absolute Reinheit, zuverlässige,
konstant bleibende Wirkung und gute
Haltbarkeit seiner Lösungen aus. —
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allen Fällen den anderen, aus Organen
gewonnenen Nebennierenpräparaten vor¬
zuziehen. Orig. -Gläs.: Sol. Supraren.
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Technik, Leipzig 1906, Bd. 1. Heft 2/3, S. 200. Kompendium der Rüntgenographie,- Leipzig 1905, S. 252,
253 u. 269, Manuel Pratique de Radiologie M**dicale. Bruxelles 1905, S. 41, Verhandlungen der Deutschen
Riintgengesellsehaft, Hamburg 1908, S. 97, Deutsche Medizinische Wochenschrift, Berlin- 1908/S. 1472,
Orthoröntgenographie, München 1908, Zeitschrift für medlzln. Elektrologie u Röntgeukuude, Leipzig 1908,
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
H. Lohnstein und Dp. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
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Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprecli-Amt YI, No. 3302
IV. Jahrgang
Berlin, IO. September 1910
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Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor (Jnnrtalsscliluss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Zur gef). Beachtung!
Unsere Abonnenten, welche die Zeitung’ direkt vom Verlage durch das K. Post-Zeitungsamt über¬
wiesen erhalten, bitten wir im Interesse der regelmässigen Zustellung der Zeitung folgendes zu beachten.
Abbestellungen sind rechtzeitig, spätestens bis zum 15. September, an den Verlag zu richten. Spätere Abbestellungen können nicht
mehr berücksichtigt werden, da die K. Post einbezahlte Gebühren nicht zurückbezahlt.
Adressänderungen sind stets dem Verlage zu melden, welcher einmalige Ueberweisungen pro Quartal kostenfrei besorgt. Für
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Weise die Nachlieferungen bedeutend schneller erfolgen können, als durch den Verlag.
Wiederholte Unregelmässigkeiten bitten wir stets direkt dem Verlage mitzuteilen, welcher in solchen Fällen immer umgehend
Abhilfe schaffen wird.
Zahlungen für Exemplare, welche vom Verleger der Post zur Beförderung übergeben werden, sind stets direkt au (len Verlag, nicht
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zu machen, da sonst doppelte Lieferung entsteht.
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(Verlag der „Allgem. medicin. Central-Zeitung“).
Inhaltsübersicht.
1. Wissenschaftliche Mitteilungen. Mohr: Ueber moderne
Könfgeneinrichtungen in Land- und Schilfslazaretten mit Berück¬
sichtigung des ökonomischen Betriebes und der erforderlichen
Schutzmaßregeln für Arzt und Bedienungspersonal.
Iversen: Ueber die Behandlung der Syphilis mit dem Prä¬
parat „öOü“ Ehrlichs. — Hauptmann und Hössli: Erweiterte
Wassermann sehe Methode zur Differentialdiagnose zwischen
Lues cerebrospinalis und multipler Sklerose. — Abramowski:
Stillen und Tuberkulose. — Bartel: Ueber Tuberkulose und über
Kombination von Tuberkulose mit anderweitigen pathologischen
Prozessen. — Hisel: Ueber kranke Brustkinder und vom Allaite-
ment raixto. — Dreyer: Beitrag zur Behandlung der Variola.
— Koelsch: Zur Behandlung des Milzbrandes. — Mayer,
Waldmann, Fürst und Gr über: Üobor Genickstarre, be¬
sonders die Keim trägerfrage. — Schenk: Olintal und seine
Wirkungsweise. — Sowastianoff: Zur Frage des Durch-
dringungsvermögens der R. Koch sehen Choleravibrionen durch
die Darmwand in die Gewebe und Organe. — Axisa: Die
Behandlung der Amöben-Dysenterie. — Weiland und San-
delowsky: Dio Brauchbarkeit der Sahli scheu Desmoidreaktion
in Klinik und Praxis. — Unna: Ueber Klystier-Ersatz-Therapie.
— Walter: Ein Beitrag zur SpirosalWirkung. — Biesalski:
Grundsätzliches zur Behandlung der Litt laschen Krankheit.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Ueber moderne Röntgeneinrichtungen in Land- und
Schiffslazaretten mit Berücksichtigung des ökonomi¬
schen Betriebes und der erforderlichen Sehutzmassregeln
für Arzt und Bedienungspersonal.
Von
Marinestabsarzt Dr. Mohr.
Um auf wissenschaftlicher Basis ein Röntgeninstrumen
tariuro zusammenzustellen, ist es notwendig, sich über die
Art der Entstehung der Röntgenstrahlen klar zu werden.
Wie bekannt, bildet sich in Röhren mit geringem Luft¬
gehall, durch die ein elektrischer Strom geleitet wird, das
sogenannte Geislerlicht, ein mehr oder weniger breiles Licht¬
band von der Anode zur Kathode. Je höher die Röhre eva¬
kuiert wird, um so mehr rückt der Lichtbogen von der Ka¬
thode weg zur Anode, dafür aber entstehen an der Kathode
neue Strahlen, die sogenannten Kathodenstrahlen, die be¬
stimmte physikalische Eigenschaften haben. Für das Auge
dokumentieren sie sich dadurch, daßi sie Fluoreszenz in der
Röhre hervorrufen. Zu den physikalischen Eigenschaften
der Kathodenstrahlen gehört unter anderm, daß sie beim
Aufprall auf einen festen Körper innerhalb der Röhre eine
neue Strahlenart. entstehen lassen, nämlich die von
— Hauber: Migräne und Schmerzdämmerzustünde. — Hirsch ¬
feld: Schwangerschaft und Zuckerkrankheit. — Gasis: Zur
Auffindung der Spermatozoon in alten Spermaflecken. — Suter:
Ueber die Indikationen zur Prostatektomie. — Voeckler: Zur
Technik des-ffanrlfritcrkatheterisimis. — Grunert: Bruch des
Processus posterior tali. — Potzsche: Ueber die Verwendbarkeit
der Blunkschen Blutgefäßklemme zur definitiven Blutstillung.
— Lehmann: Otitis media acuta mit perisinuösem Abseoß
und Abduconsläbmung.
II. Therapeutische Notizen. Maetzke: Heilung schwerer
Chorea durch Sabromin. —Krecke: Hie Tamponade und Drai¬
nage der Bauchhöhle mittels Zigarettendrain. — Gockel: Er¬
folge mit Oleum Chenopodii anthelminthici bei Askariden.
IU. Bücherschau. Herbst: Atlas und Grundriß der zahnärzt¬
lichen Orthopädie. — Flie ss: Ueber den ursächlichen Zusammen¬
hang von Nase und Geschlechtsorganen. —Fürstenau: Leit¬
faden der Röutgenphysik.
IV. Tagesgeschichte. Standesangeiogenheiten, Mediziual-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichteu. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes r _ , r
V. Amtliche Mitteilungen. Zu besetzende Stellen von Medizinal¬
beamten. — Bekanntmachung. — Personalia.
I Röntgen entdeckten X-Strahlen, die in ihrem Wesen
(Menge, Penetrationsfähigkeit, Richtung) von der Beschaffen¬
heit der Kathodenstrahlen abhängig sind.
Um also X-Strahlen zu erzeugen, bedürfen wir einer
| Stromquelle, die in einer möglichst großen Anzahl von
Stromstößen durch eine besonders konstruierte Röhre gehen
muß, welche eine Anode, Kathode und der Kathode gegen¬
überliegende Antikathode haben und bis zu einem gewissen
sehr hohen Grade evakuiert sein muß. Wir müssen, um.
diese Stromquelle richtig konstruieren zu können, zunächst;
die Vorgänge in der Röntgenröhre betrachten.
Je höher eine Röhre evakuiert, ist, desto größeren
Widerstand setzt sie dem sie passierenden Strom entgegen.
Die Stromstärke aber ist nach dein Olim scheu Gesetz
Ampere = p. Potentialdifferenz zwischen -f- und
Uhm
Pol dividiert durch Widerstand. In der Röhre selbst
also arbeiten wir infolge des hohen Widerslandes mit nur
‘wenigen Bruchteilen ;eines Ampere, während die Sl.rom-
spannung eine sehr erhebliche sein muß, damit der Strom
die Röhre passieren kann. Je größer der Widerstand in der
Röhre ist, um so größer wird nun die Intensität der Ka¬
thodenstrahlen, und wenn diese Kathodenstrahlen nun von
der Kathode möglichst zentriert auf die im Brennfleck ( nicht
Punkt!) gelegene Antikathode fallen, entstehen hier pro-
564:
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 37.
portional. der -M@nge und-Intensität der Kathodenstrahleo ■
geradlinige X-Strahlen, die,-für das Auge unsichtbar, eine
Anzahl später zu besprechender Eigenschaften haben.
Wir brauchen demnach eine Stromquelle, die
1. Ströme von genügend hoher Spannung liefert, um den
hohen Widerstand in der Röntgenröhre zu überwinden..
2. soll die Intensität des die Röhre passierenden Stroms
relativ möglichst groß sein, daß recht viele Röntgenstrahlen:
entstehen,
3. müssen die Stromstöße gleich gerichtet sein.
Ströme von hoher Spannung, wie sie zur Ueberbrückung;
des Widerstandes in der. Röntgenröhre nötig sind, erhält
inan am einfachsten durch ein Induktorium. Das Wesen der
Induktion aber beruht darauf, daß in einem Solenoid bei
jeder Veränderung eines in der Nähe befindlichen magneti¬
schen Kraftfeldes ein Strom entsteht, und zwar ist die
Spannung annähernd proportional der Windungszahl des
Solenoids. Ein Induktorium besteht nun bekanntlich aus
der Primärspule mit dem Einsenkern und der Sekundärspule;
wie soll das Induktorium für Röntgenzwecke nun gebaut
sein?
Vor etwa 10 Jahrenwar diese Frage aktuell geworden,
als im Gegensatz zu Wialter (Hamburg) Und Albers-
Schönberg Boas und besonders Dessauer zum ersten
Male darauf aufmerksam machten, daß Induktorien von
sogenannter großer Funkenlänge nicht nur unökonomisch
wegen ihrer großen Kosten, sondern auch irrationell seien.
■ Warum dies?
Betrachten wir zunächst den Vorgang bei der Induktion.
Durch die Primärspule geht ein pulsierender Strom.
Beiin Schließen des Stromes, der ja den Leitungswiderstand
der Primärspule überwinden und außerdem den in seinem
Inneren liegenden Eisenkern magnetisieren muß, entstehen
in der Primärspule und dem Eisenkern ständig zunehmende
Kraftfelder, beim Oeffnen durch den umgekehrten Vorgang
abnehmende Kraftfelder. Es entsteht also in der sekundären
Spule bei Schließung des Primärstroms ein Induktionsstrom
entgegengesetzter Richtung, bei Oeffnung des Primärstroms
ein solcher gleicher Richtung. Da aber die Primärspule
selbst ein Solenoid ist, entstehen in ihr selbst. Induktions¬
ströme (Selbstinduktion) derselben Art, die dem Primär¬
strom bei Schließung des Stroms entgegengesetzt, bei Oeff¬
nung aber in der Stromrichtu-ng verlaufen und so die Zeit,
des Anwachsens bezw. Abklingens des Primärstromes ver¬
zögern.
W'ir erhalten also in der Sekundärspule einen Wechsel¬
strom. Zur Erzeugung von X-Strahlen aber wollen wir
einen Gleichstrom haben. Da sich dies in idealer Weise mit.
einem Induktorium nicht erreichen läßt, müssen wir ver¬
suchen, in der Sekundärspule. Ströme von möglichst un¬
gleicher Spannung zu erzielen. Wir müssen also den Strom
in der Primärspule nach Möglichkeit langsam ansteigen,
aber schnell abreißen lassen. Dies zu erreichen, ist Sache
der Konstruktion des Unterbrechers. Aber ein gut Teil
hängt auch vom Induktorium selbst ab, das durch seine
Selbstinduktion der Primärrolle hindernd wirkt. Die Selbst¬
induktion aber ist naturgemäß um so größer, je größer die
sekundäre Wicklung ist infolge ihrer Wirkung auf die Primär¬
spule. Wir werden demgemäß die Spannung auf das Maß
reduzieren, das empirisch als zur Erzeugung von Röntgen¬
strahlen ausreichend gefunden ist. Damit aber verzichten
wir auf Induktorien von großer Funkenlänge und begnügen
uns mit dem Maß, das gerade noch in der Röntgenröhre
Röntgenlicht, erzeugt. Dies aber sind Induktorien von 18
bis 25 oder 30 cm Funkenlänge.
In Wirklichkeit, werden heutigentags auch nur noch
solche Induktorien gebaut, indem alle Induktorien mit großer
Funkenstrecke durch die sogenannte Walter-Schaltung der
Primärrolle auf das vorgeschriebene Maß reduziert werden.
Noch ein anderer Grund bestimmt uns. Der durch die
Primärspule geleitete Strom wird in der Sekundärspule in
eine andere Spannung und Form gebracht, wobei ein kleiner
Teil in Wärme umgesetzt wird, ein Faktor, der für uns wenig
in Betracht kommt, es handelt sich also um eine Energie-
trarisformation, bei der nichts gewonnen, aber auch nichts
verloren werden kann, d. h. also die Wattzahl der Sekundär¬
rolle, die ja aus Volt und Ampere sich zusammensetzt, kann
nicht größer sein als die Wattzahl in der Primärspule.
In der Primärspule läuft, ein Strom von geringer Span¬
nung und großer Stärke, in der Sekundärspule von großer
Spannung und geringer Stromstärke. Die Stromstärke aber
ist abhängig von dem Widerstand' in' dem Leiter. Der
Widerstand aber ist abhängig von dem .Querschnitt und
der Länge des Leiters. Daraus ergibt sich, daß'Querschnitt
mal Länge des Leiters, d. h» also das Gewicht des Leiters
in der Sekundär- und P.rimärspule,, annähernd das
gleiche sein muß.
Mit dem Gewicht der' 'Sekundärspule zur Erzeugung
großer Funkenstrecken nimmt' also auch das der Primär¬
spule zu. Mit der Primärspule aber auch der Eisenkern,
der immer, in einem gewissen Verhältnis zur .Primärspule
stehen muß, um sich möglichst günstig zu magnetisieren und
zu entmagnetisieren. Mit zunehmender Größe wächst aber
das Trägheitsmoment des Eisenkerns. Und damit wird die
Zahl der' Stromstöße erheblich herabgesetzt. Wir wollen
aber möglichst viel Stromstöße in kurzer Zeit erzielen.
Also mit Rücksicht auf das Trägheitsmoment des Eisen¬
kerns werden wir auf zu große Induktorien verzichten, auch
wenn dieselben durch Walter-Schaltung auf das zulässig gün¬
stigste Maß der Funkenlänge reduziert sind.
Bei der Konstruktion eines für Röntgenzwecke zu ver¬
wendenden Induktoriums werden wir auch auf den Eisen¬
kern zu achten haben. Da dieser ja im Zentrum der Kraft¬
feldeinwirkung liegt, so muß auch in ihm ein Strom ent¬
stehen, der nach seinem Entdecker Foucault-Strom oder
Wirbelstram genannt wird. Dieser Strom aber wird in
Wärme .übergeführt und wirkt außerdem seinerseits
wiederum als neues Kraftfeld, ist daher aus beiden Gründen
sehr schädlich.
Es handelt, sich also darum, einen Eisenkern zu kon¬
struieren, der keinen Strom aufkommen läßt, und dies ist
am idealsten nach Boas Vorgang durch gegeneinander gut
isolierte dünne Eisenblechscheibchen zu erzielen, sogenannte
geteilte Eisenkerne.
Auch hiermit ist aber die Möglichkeit eines guten In-
duktorbauies nicht erschöpft. Wir haben ja in der Primär¬
spule auch bei bestem Bau des Induktoriums immer noch
eine gewisse Selbstinduktion, die bei. Unterbrechung des
Stromes.in der Richtung des Primärstromes läuft, also die
Unterbrechung verzögert. Diesen. Strom nach Möglichkeit
unschädlich zu machen, dazu dient der-Kondensator,
Das Prinzip des Kondensators beruht darauf, daß mit
ungleichartiger Elektrizität geladene Körper sich anzieheu,
gleichartige sich abstoßen.' Wenn man also zwei mit un¬
gleichartiger Elektrizität geladene Körper gut voneinander
isoliert zusammenbringt, so ziehen sie sich gegenseitig an
und binden ihre Elektrizität, Das Aufnahmevermögen der
geladenen Flächen ist aber um so größer, je näher sie an¬
einanderliegen. Daraus ergibt sich der Bau des Konden¬
sators. Es werden dünne Stanniolplatten mit möglichst
dünner,aber . guter Isolierung , übereinander gelegt
und zwar so, : daß; 1, 3, 5 ,usw., ebenso 2, 4, 6 usw. mit¬
einander verbunden, - aber gegeneinander isoliert werden.
Die/ beiden Pole des Kondensators werden mit dem be¬
weglichen Teile d'es Unterbrechers.verbunden und säugen so
die sich bei _der Oeffnung des Stromes bildende Selbst¬
induktion an ihrer Entstehungsstelle ab. Bei Schließung
des 1 Unterbrechers, geht! dann der Selbstinduktionsstrom aus
dem, Kondensator als Stromverstärker des Primärstromes
wieder heraus.
Der Kondensator muß demnach eine so große Kapazität,'
d. h. Aufnahmefähigkeit haben, daß der größte sich bildende
Selbstinduktionsstrom- voll und ganz aufgenommen wird.
Als; Nebenteil ist am Induktorium noch eine sogenannte
Funkenstrecke angebracht,. d. h. der negative und positive
Pol der Sekundärspule ist als Nebenkreis abgeleitet und
hat am ‘ positiven Pol eine verschiebliche, in eine Spitze
auslaufende Nadel, die gegen eine feste, mit dem negativen
Pol verbundene Fläche verschoben werden kann. Mit dieser
Nebenleitung kann man die Funkenlänge des Apparates
feststellen, d. h. die Strecke, welche vom Strome durch die
atmosphärische Luft, hindurch überbrückt wird.
Beim Bau des Induktoriums handelt es sich nun darum,
daß die einzelnen Teile in sich tadellos gebaut sind, daß
besonders die Isolationen der-beiden Induktionsrollen exakt
gearbeitet sind, so daß auch nicht das geringste Luftteilchen
zwischen den einzelnen Drahtschichten sich befindet. Die
Sekundärrollen werden heutigentageS so gebaut, daß die
Solenoide in einzelnen Scheibchen aufgerollt, und diese
Scheibchen dann miteinander verbunden und untereinander
durch kochende Insolationsmasse unter negativem Druck der
Luftpumpe isoliert werden. Wenn auf diese Weise die
No. 37.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Sekundäirolle fertig ist, wird die Primärrol-leunit dem Eisen¬
kern eingesetzt and das Ganze mit,.einer Kautschükhüile um¬
geben" und darauf das InduktoriuTh- unter großer Ueher-
lasIlTiig-SlutiäeMamg betrieben; 1 Auf diese Weise • wird die
Isolation der Sekündärrolle geprüft
Im Anfang der Arbeit haben wir die drdi 1 Fortleriirige'n
aufgestellt, die an das Tostrimlentärium gestellt werden
müssen, urt in der Röntgenröhre 'X-Strahlen: entstehen 1 zu
lasSÖri und im Anschluß 11 daran den' 1 Induktorbatt beu
sprächen; Als 'Stromquelle haben-wir bisher- stets den
Gleichstrom angenommen; •; der itv eiaz.elnfen Stößen dureb
die Primäriolle des Induktoriu-ms 1 geschickt wird. Um diesen
Gleichstrom stoßweise durch deir Apparat zu schicken,
müssen wir ihn Unterbrechen.
Weiche Anforderungen sind nun an den Unterbrecher
zu stellen?
Da in der Sekundärspule eine hohe Anzahl von Strom¬
stößen gleicher Richtung verlangt wird, andererseits beim
Induktionsvorgang in 'der Sekundärrolle Ströme verschie¬
dener Richtung entstehen, müssen wir fordern, daß die
entstehenden Ströme verschieden gespannt, sind, so daß nur
der eine Strom den Widerstand der Röntgenröhre über¬
brücken. kann. Dies wird dadurch erzielt, daß der Unter¬
brecher so konstruiert wird, daß der Primärstrom nach 1 lang¬
samer Erzeugung des größten magnetischen Kraftfeldes mög¬
lichst plötzlich unterbrochen wird und so dies Kraftfeld vom
Höhepunkt auf Null zusammensinkt, außerdem aber die
einzelnen Stromstöße rasch aufeinanderfolgen, um den Cha¬
rakter eines Stromes möglichst nahe zu kommen. Wir
wollen also nur die möglichst große Oetffnungsinduktion aus¬
nutzen, die Schließungsinduktion klein halten und nach
Möglichkeit ausschalten.
Sodann sollen die Sekundärimpulse möglichst intensiv
sein. Dazu gehört, daß in der Primärrolle das Kraftfeld-
maximum ein möglichst hohes sein muß, bevor es, abfällt.
Um dies zu erreichen, müssen wir durch die Primärrolle
die für sie möglichst größte Anzahl von Amperes schicken.
Es muß somit der Unterbrecher imstande sein, große Strom¬
stärken plötzlich zu unterbrechen.
Für die dritte Forderung an das Instrumentarium, näm¬
lich Ströme hoher Spannung zu liefern, kommt der Unter¬
brecher nicht in Betracht, das ist, wie wir gesehen haben,
Sache des Induktoriums.
Die älteste Art, den elektrischen Strom zu unterbrechen,
stellt der bekannte Wagner sehe Hammer dar. Er unter¬
bricht den Strom im Augenblick der Entfernung der
schnellenden Feder von der Platinspitze, aber er hat den
Nachteil, daß die Unterbrechungszahl eine nur geringe ist.
Die abgeänderte Form des W a g n e r sehen Hammers, der
Deprez-Unterbrecher, vermehrt zwar durch eine sinnreiche
zweite Kontaktanbringung die Unterbrechungszahl auf das
Doppelte, aber beiden Unterbrechern haftet als Nachteil an,
daß die Stromintensität nur eine geringe ist, da starke
Primärströme die geringe Luftstrecke am Unterbrecher über¬
brücken. So ist also seine Verwendung naturgemäß nur für
bestimmte Instrumentarien rationell. Dies trifft auch für
den D e s s au e r,sehen Platinunterbrecher zu.
Eine zweite Art der Unterbrecher stellen die Motorunter-
brecher dar. Das Prinzip besteht darin, durch einen ro¬
tierenden Motor den Strom zu unterbrechen und wieder zu
schließen; es war Boas’ Verdienst, dies Prinzip aufzu-
stollen und mit seinem Quecksilberturbinenunterbrecher
damit zuerst auf dem Markt zu kommen. Seine Konstruk¬
tion bestand, darin, aus der Tiefe eines Gefäßes Quecksilber
durch Rotation anzusauge'n und durch die Flugkraft gegen
einen, mit -Metallzähnen besetzten. Ring in dem, Gefäße zu -
schleudern,: wodurch der , Stromkreis , abwechselnd ge-,
schlossen; und wieder geöffnet; wurde.. ,
! ln der Folgezeit entstanden dann viele,Modifikationen,/:
denen aber stets derselbe. Gedanke zugrunde, liegl und die,
daher .auch.in.ur wenig! praktische, Verbesserungen; .bieten..;
Eine ökonomisch wertvolle Abänderung .ist dpr. Queck-
silbergleitkontaktunterbiecher von Hins C h m a.n n .(Berlin),
der. nur wenig: QuecksilberIverbraucht. s .;
Da Quecksilber durch den Unterhrechungsfunken. all¬
mählich verbrennen würde,,,müssen diese Quecksilbermoloxv
Unterbrecher eüme Deckflüssigkeit haben zum Löschen des
Funkens, W assor,. Alkohol oder Petroleum. Sie, haben, den
Nachteil,.stark zu verschlammen, müssen.daher, oft, gereinigt
werden. ■■ . .
Bezüglich der Forderungen, die an den . Unterbrecher:
565 .
zu 'stellen sind, haben-sie eine hohe Frequenz der Unter¬
brechungen Und können auch sehr hohe Stromstärken unter¬
brechen. Dagegen, ist- die Differenz zwischen Oeffnmigs-
. und Schließ,ungsinduktion erheblich geringer wie beim Plnt-Ln-
Unterbrecher- (W.ag n ersehe, Hammer usw„). ; ,, ...
Beide-Arten von. Unterbrechern bedürfen des. Konden¬
sators .zur Ableitung des , .Selbstinduktionsstroms in der
rfMipärJeitung, wie: schon .früher, erörtert wurde. ,
Einen bedeutenden Fortschritt im Unlerbrocborturu
"machte Dessanet durch diö.Konstruktion des Devjations-
unterbrecheirs. Auch er ist ein Qiieeksilbermotoruntei-
' brechdr, aber ohne- die Fehler der alten Konstruktionen.
Ein rotierender Topf setzt, etwasi Quecksilber mit .Deckflüssig¬
keit in Bewegung. Im Topfirmern -ist ein runder Vorsprung .
angebracht (Deviator), über den das rotierende, Quecksilber,
zentrifugiert wird. Außerdem rotiert in dem Gefäß in gleicher
Richtung ein Halbring selbständig, der den von, Quecksilber
bespülten Deviator streift. Dieser Halbring enthält in kleinen
Abständen Metallzähnchen, die unterfeinander durch Wider¬
stände darstellende Drähte verbunden sind: Sobald der.erste
Zahn des Halbrings in das Quecksilber am Deviator taucht,
ist der Strom geschlossen, infolge der Länge 1 und des Wider¬
standes der die Zähne verbindenden Drähte erscheint er
in der Primärrolle nur ganz schwach, mit jedem; neuen Zahn
stärker werdend, um endlich am Ende in voller,-Stärke,
plötzlich unterbrochen zu werden. Wir erzielen also, bei
einer großen Zahl von Unterbrechungen starke Differenzen
zwischen Oeffnungs- und Schließungsinduktion und können
dabei große Stromstärken unterbrechen. Damit ist : aber
praktisch die Schließungsinduktion vernichtet; , ..,
Durch die sehr große Zentrifugalbewegung, fies Queck¬
silbers und der 'Deckflüssigkeit wird .übrigens noch die Ver¬
schlammung des Quecksilbers praktisch gleich Null, s0 daß
im Deviatortyp ein Unterbrecher entstanden ist, der bisher
unübertroffen dasteht. . , . ,
Eine dritte Art der Unterbreche!;. wird durch .den
elektrolytischen Unterbrecher dargestellt, der von W o h nett
entdeckt, und zuerst auf den .Markt gebracht wurde. •
Wenn man in ein Gefäß mit verdünnter Schwefelsäure
eine sehr große und eine sehr kleine-Elektrode mintan-cht
und einen Strom von beträchtlicher Spannung sp hindurch¬
leitet, daß die große Elektrode den negativen, die- kleine den
positiven Pol darstellt, entsteht am positiven Pol bei Strom¬
schluß eine Gasblase, welche die Anode umschließt. Da¬
durch wird der- Strom unterbrochen. Befindet sich nun die,
Primärspule eines Induktoriums in diesem Stromkreis ein¬
geschaltet, so bildet sich bei dieser plötzlichen Unterbrechung
in der Primärspule ein starker Selbstiuduktjonsstrom, (Exlra-
strom), der die Gasblase durchschlägt und so den Primär¬
strom wieder herstellt. Dies Wechselspiel wiederholt sich
nun mit fabelhafter Geschwindigkeit, so daß 3000-- 5000
Unterbrechungen in der Sekunde erzielt werden gönnen, je
nachdem die Platinanode mit großer oder kleiner : Fläche in
die Flüssigkeit hineinragt. Praktisch wird man allerdings mit
einer so großen Zahl von Unterbrechungen nicht , arbeiten.
Der Elektrolytunterbrecher bedarf, nun infotgp:seiner,
Eigentümlichkeit keines Kondensators, da ( d,er,Ext.rasti'oiii
im Elektrolyt kondensiert wird. Die, Vorteile- des Elektro¬
lyten sind also die große Zahl der, Unterbrechungen des
Primärstromes und außerdem die Möglichkeit, , Ströme zu
unterbrechen, die erheblich stärker sind als.öei, den yorge--
nannten Unterbrecherarten. Der große Nachteil aber besteht
darin, daß die Kurve des Primärstromsi eine steile ist. so
daß zwischen Oeffnungs- und Schlicßung&induktion kein
großer Unterschied besteht. Es werden also, heim Durchgang
des Sekundärstroms durch die Röntgenröhre viele und sein-
intensive Röntgenstrahlen gebildet, es werden aber anderer- ,
seits durch die-Schließungsinduktion viel; Röhren verbraucht,
wenn nicht besondere. Vorsichtsmaßregeln, getroffen werden, ,
um den - Schließungsstrom, auszuschalfeiv... , .
Bezüglich der Konstruktion des Wehnelt-Unterbrechors ■
ist nur von Bedeutung;, ob man den.ursprüngUfihen Wehnqlf.
bevorzugt,.-bei dem die Platinano.de aus dem sje umgebenden,
Porzellanzylinder von obun nach unten heraustritUodcr dien,
modifizierten U-förmigen Elektrolyten.- von Dessauor wählt,
bei dem die Platinanode nach der F-lüssigkoitsoherfläche bin-,
sieht. Der Vorteil der letzten, Konstruktion berußt darauf,
daß die Luftblase schon durch ihren eigenen Auftrieb von
der Anode fortstrebt und -also auch- bei nur sehr schwachem
Extrastrom die - Anode - freigibt, ■ Und wir erstreben ja kon¬
struktiv möglichst geringe Extraströme- Die Zahl der Unter-
566
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 37.
brechungeu regelt sich durch die Länge und Dicke der aus
dem Porzellanrohre ragenden Platinanode. Arbeitet, man
viel mit Röhren verschiedener Qualität, so empfiehlt es
sich aus Bequemlichkeitsrücksichten, einen mehrstiftigen
Wehneltunterbrech'er zu haben, dessen Stifte auf verschie¬
dene liriterbrechungszahlen eingestellt sind.
Bezüglich aller Unterbrecher ist stets zu erwägen, ob
sie laut oder geräuschlos arbeiten, beim Wehnelt noch, daß
schweflige Säure frei und dementsprechend Metall 'änge-
griffen wird, und so also die Aufstellung der Unterbrecher
eventuell in einem Nebenraum in Frage kommt.
Bevor wir auf die Röhren eingehen wollen, müssen wir
noch kurz des Schaltbretts oder Tisches gedenken. Zu¬
nächst soll die Schalteinrichtung stets möglichst weit von
dem Platze sein, an dem die Röhre arbeitet, um zwischen
Röhre und dem das Schaltbrett Bedienenden die später zu be¬
sprechenden Schutzvorrichtungen bequem stellen zu können.
Die Schalteinrichtung muß zunächst den Hauptschalter
für den Strom haben. Ist der Apparat mit mehreren Unter¬
brechern verbunden, z. B. einem Quecksilbermotor- und
einem Wehnelt-Unterbrecher, so muß zum Einstellen des
Motorunterbrechers noch ein besonderer Einschalter vor¬
handen sein, der zuerst den Motor in Bewegung setzt, und
erst wenn der Motor läuft und die erforderliche Touren¬
zahl macht, darf der Strom durch die Primärrolle geschickt
werdet».
Bei Molorunterbrechern sind ferner Widerstände ein-
und auszuschalten, um die Schnelligkeit des Motors zu
regeln. Beim Wehneltunterbrecher wird der Strom sofort
durch Apparat und Unterbrecher geschickt, beim mehr-
stiftigen Wehneltunterbrecher ist vorher die Anode einzu¬
schalten, mit der gearbeitet werden soll.
An zweiter Stelle müssen noch Widerstände vorhanden
sein, welche die Stromstärke der Primärrolle regulieren
lassen, denn wir wissen ja, daß von der Anzahl der Amperes
der Primärrolle bei ricWI/igcr Konstruktion die Feldstärke
und so die* Intensität der Sekundäriildukticm. abhängt. Um
sie abiesen zu können, ist/ in den Primärstromkreis das
Amperemeter eingebaut, das uns über den Verbrauch der
Amperes und damit über die Intensität des Sekundärstroms
Aufklärung gibt. Doch wäre es falsch, zwei verschiedene
Apparate nach der Größe des Ampereverbrauchs zu beur¬
teilen, da die Zahl der Amperes des Primärstroms für jedes
Iriduktorium eine andere sein kann, ohne daß, die Leistung
der Sekundärrolle eine Verschiedenheit aufzuweisen braucht.
Die Zahl der Amperes der Primärrolle hängt bei gleicher
Leistung von dem Bau der Primärrolle ab, der Länge und
Stärke des Leiters und ist für uns nur wichtig für die Be¬
urteilung des jeweiligen Apparates, da ja durch Ein- und
Ausschalten der Widerstände in dem in Frage kommenden
Apparat die Ampereszahl herabgesetzt wird bezw. steigt,
somit ein Kriterium für die Intensität des Sekundärstroms
des betreffenden Apparates ist. •
Oft sieht man auch ein Voltmeter am Schaltbrett an¬
gebracht; dies ist nicht nötig, wenn der Strom von einer
Kraftzentrale geliefert wird, deren Spannung wir kennen,
nötig, wenn eine Akkumulatorenbatterie das Induktorium
speist oder wir selbst den Strom (durch eine Dynamo er¬
zeugen.
Niemals fehlen darf am Schaltbrett eine einfache oder
doppelte Sicherung, die eine Ueberlastung des Apparates
verhindert. Sehr angenehm ist es, wenn sich am Schaltbrett
ein oder zwei Lampen befinden, die mit Einschaltung des
Hauptstroms brennen und von denen die eine mit
Einschaltung des Primärstromes erlischt, während die andere
durch Extraschalter abgestellt werden kann. Für Durch¬
leuchtungen ist diese Einrichtung von Wichtigkeit.
(Fortsetzung folgt.)
Dr. Julius Iversen (St. Petersburg): Ueber die Behandlung der
Syphilis mit den» Präparat „606" Ehriichs. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Verfasser, welcher schon früher das Ehrlich-Hata-
sche Präparat bei der Rekurrens mit großem Erfolg angewen¬
det hat, hat es im Verlauf der letzten Monate bei 60 Syphilis¬
patienten geprüft und berichtet hier über seine Erfahrungen.
Was seine Technik aulangt, so geht er folgendermaßen vor:
Nach Anfeuchtung mit Glykol oder Methylalkohol wird das
Pulver verrieben, mit 15 ccm Wasser vermischt und gelöst,
darauf werden einige Kubikzentimeter Normalnatronlauge zu¬
gesetzt und der Ueberschuß an Natronlauge wird mit 1 proz.
Essigsäure neutralisiert. Darauf wird die klare Lösung mit
Aq. destili. bis zu 1 pCt. Stärke verdünnt und in die Glutäen
gespritzt. Die Schmerzen können durch vorhergehende Novo-
oaineinspritzung gemildert werden. Behufs intravenöser Ein¬
spritzung wird die erwähnte klare Lösung des Präparats zu
250 oder mehr steriler physiologischer Kochsalz.lösung ge¬
gossen und direkt in die Cubitalvene injiziert. Dies geschieht
mittels einer sterilen graduierten Flasche, welche einerseits
mit einem Gummiballon armiert ist, andererseits mit der Hohl¬
nadel in Verbindung steht. Nach der intravenösen Injektion
ist die Ausscheidung des Arsens schon in vier Tagen beendigt,
was für die Behandlung der Syphilis nicht wünschenswert ist;
bei der intramuskulären Injektion dagegen erfolgt die Aus¬
scheidung in etwa 14 Tagen, was eine länger dauernde Wirkung
garantiert. Bei der Behandlung der Syphilis verfährt Verfasser
daher so. daß er erst intravenös 0,4—0,5 und nach 48 Stunden
intramuskulär in die Glutäen 0.3—0.4 Arsenobenzol injiziert.
Auf diese Weise erhalten die Patienten 0,75—0.8 g. Die neuer¬
dings von Wechselmann angegebene subkutane Methode
hat Verfasser ebenfalls versucht und findet sie sehr zweck¬
mäßig. Nach der intravenösen Injektion tritt gewöhnlich nach
2—3 Stunden ein halbstündiger Schüttelfrost ein, der von einer
Temperatursteigerung und manchmal von Gliederschmerzen
gefolgt ist; auch kommt es manchmal zu einmaligem Erbrechen
und flüssigem Stuhlgang. Was nun die Wirkung des Arseno-
benzols auf die Symptome der Syphilis anlangt, so deckeir sich
die Erfahrungen des Verfassers so ziemlich mit denjenigen
der übrigen Autoren, die über das Präparat berichtet haben.
Die Dosis von 0,35—0 4 erwies sich in einigen Fällen als nicht
ausreichend, um die syphilitischen Erscheinungen zum
Schwinden zu bringen, so daß eine Wiederholung der Injek¬
tion notwendig wurde, ln Uebereinstimmung mit anderen
Autoren fand Verfasser, daß die Spirochäten wenige Tage nach
der Injektion aus dem Serum resp. Drüsensaft verschwinden.
Die Wassermann sehe Reaktion wurde meist 20—40 Tage
nach der Injektion negativ, in zwei Fällen schon am 8- und
10. Tage.
Dr. A. Hauptmaim und Dr. H, Ilössii (Hamburg-Eppendorf)):
Erweiterte Wassermannsche Methode zur Differential
diagnose zwischen Lues cerebrospinalis und multipler
Sklerose. (Münch, luedl Wochenschrift, 1910, No. 30.)
Nach den Untersuchungen der Verfasser rührt das Fehlen
der Wassermann sehen Reaktioir im Liquor cerebro¬
spinalis hei den meisten Fällen von syphilitischen und meta-
syphilitischen Cerebrospinalerkrankungen daher, daß in der
bei der ursprünglichen Wassermann sehen Methode an¬
gewendeten Liquormenge von 0,2 ccm zu wenig Hemmungs-
korper vorhanden sind. Man bekommt aber, wenn man die
mehrfache Menge von Liquor anwendet, meist eine positive
Reaktion. Wenn dieses Ergebnis sich weiter bestätigen sollte,
so würde man mit dieser erweiterten Wassermann scheu
Methode zwischen multipler Sklerose und Lues cerebrospinalis
auch da unterscheiden können, wo die klinischen Symptome
eine sichere Diagnose nicht zulassen und wo die anderen Unter¬
suchungsmethoden nicht eindeutig zu verwertende Resultate
ergeben. R. L.
Abramowski (Gilgenburg): Stillen und Tuberkulose. (Tuber¬
culosis, 1910, No. 6.)
Nach Verfasser soll man einer tuberkulösen Mutter, vor¬
ausgesetzt, daß sie selbst keinen Schaden dadurch nimmt, das
Stillen ihres Kindes nicht nur nicht verbieten, sondern
dringend anraten. Die Erfahrung lehrt, daß Frauen, welche
an nicht offener Tuberkulose leiden, das Stillen ohne jeden
Nachteil ertragen, ja sich genau so wohl dabei fühlen wie ge¬
sunde Mütter, was auch daraus hervorgeht, daß sie bei der
nötigen Pflege nicht abnehmen. Im Interesse des Kindes muß
man einer solchen Frau raten, dasselbe weder zu küssen, noch
es anzuhusten. Eine absolute Kontraindikation bildet offene
Tuberkulose und das Vorhandensein tuberkulöser Drüsen an
oder in der Nähe des Brustdrüsenkörpers; letztere ist bei Frauen
(im Gegensatz zur Eutertuberkulose der Milchtiere) ein exzessiv
seltenes Ereignis.
Bartel (Wien): Ueber Tuberkulose und iiher Kombination von
Tuberkulose mit anderweitigen pathologischen Prozessen.
(Tuberculosis, 1910, No. 6.)
Die alten Lehren von dem Gegensatz zwischen Tuber¬
kulose und anderen pathologischen Prozessen besitzen, eine Be¬
rechtigung. Sie lassen sich nicht erklären durch den Zufall
größerer oder geringerer Gelegenheit zur Infektion. Unbe¬
schadet des Standpunktes über die Bedeutung einer Tuber¬
kuloseinfektion müssen es doch tiefei’e Ursachen sein (pri¬
märer wie sekundärer Natur), welche zur Erklärung eines
solchen „Antagonismus“ herangezogen werden können. Ein
spezielles Augenmerk ist hierbei auf konstitutionelle Momente
No. 37.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
567 ■
gelenkt, die in Beziehung zu Vorgängen einer Immunität unter
den Bedingungen des natürlichen Aiblaufs der Dinge geeignet
sind, einiges Licht in die .viellach noch dunklen Vorstellungen
und Ueberzeugungen zu bringeni
Wenn es auch dermalen nicht möglich ist, die, geschilder¬
ten Verhältnisse in ihrer größeren oder geringeren Bedeutung
abzuschätzen, so hält es Verfasser doch lür beweisend genug,
darauf aufmerksam zu machen, diesen Beziehungen, unter
diesen speziell dem Lymphatismus in seinen eigenartigen
Wechselbeziehungen, nachzugehen. Wie bei den Beobachtun¬
gen des „Antagonismus“ erhöhte Resistenz gegen Tuberkulose-
i nf ektion erschlossen werden kann, gibt es — auch darauf haben
schon alle Autoren verwiesen — Gesetze einer Kombination
verschiedenartiger pathologischer Prozesse im Sinne einer er¬
höhten Disposition zur Entwicklung rasch fortschreitender
Tuberkulose. Auch da scheinen dem Verfasser Studien in der
angedeuteten Richtung geeignet, einen Fortschritt der Erkennt¬
nis zu vermitteln. Mühlschlegel.
llr. Hans Itisel (Leipzig): Ueber kranke Brustkinder und vom
Allaitement mixte. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 30.)
Verfasser führt folgendes aus: Die Säuglinge des Prole¬
tariats entsprechen in ihrem Gedeihen, auch wenn sie gestillt
werden, nur zum kleineren Teil dem Begriff des Brustkindes. Es
finden sich unter ihnen viele Kranke, bei denen der sonst be¬
stehende Unterschied zwischen Brustkind und krankem
Flaschenkind fast völlig schwindet. Die Krankheit dieser Kin¬
der bedingt durch Stauung eine sekundär-mangelhafte Milch¬
produktion und führt auf diesem Wege in der ambulanten Be¬
handlung am häufigsten zum Absetzen, nicht aber primäre Un¬
fähigkeit der Frauen zum Stillen. Die Beobachtung der
Kranken auf den Säuglingsabteilungen zeigt, daß sie wegen
ihrer Hinfälligkeit unfähig sind, die Milchsekretion zu erhalten
oder gar wieder in Gang zu bringen. Sie trinken an den voll
funktionierenden Brüsten der Stationsammen nur ungenügende
Milchmengen, die immer mehr sinken, je mehr man versucht,
die fehlende Kalorienzahl durch Flaschenfütterung zu decken.
Es ergibt sich daraus für Kinder außerhalb des Krankenhauses,
daß ein Allaitement mixte bei kranken Säuglingen nur schwer
mit Erfolg durchführbar ist, und das Dilemma, daß mit Ein¬
führen der Flaschenfütterung ihnen die Gefahren der künst¬
lichen Ernährung drohen, bei Vermeidung der Flasche aber
die Schädigungen der Unterernährung. Da letztere aber
weniger bedenklich erscheinen als die ersten, wird man den
Kindern die Brust möglichst lange zu erhalten versuchen, in¬
dem man die Mütter die Technik der Sekretionsunterhaltung
der Brust lehrt und versucht, sie zum Anlegen eines anderen
Kindes zu bewegen, die Flaschenfütterung aber hinausschiebt,
bis sich ein wirklich ausgesprochener Milchrückgang zeigt.
Dr. W. Dreyer (Kairo): Beitrag zur Behandlung der Variola.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 31.)
Verf. hat im Hospital für Infektionskrankheiten zu Kairo
seit längerer Zeit die Rotlichtbehandlung der Pocken durch
eine chemische Methode ersetzt, nämlich die Bepinselung des
Körpers mit einer Kaliumpermanganatlösung. Man bereitet
sich eine gesättigte wässerige Lösung von Kaliumpermanganat
und überstreicht mit dieser mit Hilfe eines weichen Pinsels
oder eines Wattebausches alle Teile des Körpers, welche Pu¬
steln, Blasen oder Papeln aufweisen, unter besonderer Berück¬
sichtigung des Gesichtes sowie der Arme und Hände. Am ersten
Tage und manchmal auch am zweiten muß die Pinselung 3- bis
4 mal wiederholt werden, um eine tiefbraune Färbung der Haut
zu erzielen, später genügt 1 maliges Anstreichen täglich, die
anfänglich braune Farbe macht nach einigen Tagen einer fast
schwarzen Platz. Die Verfärbung der haut wirkt einerseits
ähnlich wie das rote Licht, indem die Eiterung herabgesetzt
wird, andererseits wird durch die Wirkung des Kalium liyper-
manganic. die stinkende Zersetzung des Eiters ganz bedeutend
vermindert. Am besten der Behandlung zugänglich sind die¬
jenigen Fälle, welche mit dem Ausbruch des Exanthems oder
noch vor dessen Ausbruch in Behandlung genommen werden.
Die Eiterung wird auf ein Minimum reduziert, das Fieber der
Höhe und Dauer nach eingeschränkt. Wenn die Kranken an¬
fangen zu schuppen, löst sich die Oberhaut in dicken, schwarzen,
trockenen Krusten ab, unter denen die frische Haut ganz frei
von Sekretion zutage tritt. Die Nachbehandlung wird ebenfalls
vermindert. — Die Schwere des Infektionsverlaufs wird im
übrigen nicht beeinllußt. Einige Vorsicht in der Anwendung
des Kaliumpermanganats ist in den Fällen geboten, in denen
größere Herzschwäche besteht.
Dr. Koelsch (kgl. bayer. Landgewerbearzt): Zur Behandlung
des Milzbrandes. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 31.)
Bei der Behandlung des Milzbrandes ist an die Stelle der
früher bevorzugten aktiv chirurgischen Methoden — Exzision
oder Kauterisation des Milzbrandkarbunkels •— gegenwärtig
mehr das expektative Verfahren getreten. Zunächst dürfte
sich absolute Bettruhe empfehlen mit Ruhigstellung und
Suspension des befallenen Körperteiles, innerlich kräftige Diät,
Kampfer, Alkohol. Die Pustel selbst und deren Umgebung er¬
hält in -leichteren Fällen feuchte Umschläge, etwa mit essig¬
saurer Tonerde oder Pyocyanase; v. Bramann hat graue
Salbe empfohlen. Falls höhere Grade von Oedem oder starke
erysipelatöse Rötung und Schwellung sowie Beteiligung der
regionären Lymphdrüsen vorhanden sind, dürfte nach B a r -
lach (Neumünster) eine einfache quere Spaltung der Pustel ev.
mit folgender Umkreisung derselben mittels eines Thermokauters
empfehlenswert erscheinen. Bei schweren Formen hat Bar¬
lach mit gutem Erfolg Jodinjektionen angewendet. Er spritzt
seine Jodtinktur mittels einer mit dünner Kanüle versehenen
Pravazspritze ein, und zwar 1—2 Tropfen in Abständen von
5—10 cm zirkulär an der Grenze zwischen gesunder Haut und
Erysipel bezw. bei größerer Ausdehnung auch in die entzündete
Haut; im ganzen V 2 .—114 Spritzen. Neuerdings ist zu den bis¬
herigen Behandlungsmethoden die Serumtherapie hinzugetre¬
ten. In Italien hat Sclavo (Siena) ein Milzbrandserum her-
gestellt, mit welchem günstige Erfolge erzielt worden sind; in
Deutschland ist Sobernheims Milzbrandserum mit Erfolg
in der Tiermedizin und auch schon in einigen Fällen beim Men¬
schen zur Anwendung gelangt. Die Anwendung erfolgt zweck¬
mäßig intravenös in mehrfachen Dosen von 10 ccm unter kon¬
servativer Lokalbehandlung. (Das Serum wird von der Firma
Herek in Darmstadt in den Handel gebracht.)
Dr. Georg Mayer, Dr. Waldmann, Dr. Fürst und Dr. G.
B. Gruber (München): Ueber Genickstarre, besonders die
Keimträgerfrage. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 30.)
Die Verfasser berichten über die Ergebnisse der Unter¬
suchungen, welche sie über die Verbreitung der Meningo¬
kokkenträger in der bayerischen Armee, speziell auch in ge¬
nickstarrefreier Periode auf Veranlassung des bayerischen
Kriegsministeriums angestellt haben. Es fanden sich in ge¬
nickstarrefreier Zeit bei 9111 gesunden Personen 1,73 pCt.
Meningokokkenträger bei einmaliger Untersuchung, während
sie während des Herrschens von Genickstarre bei 1911 mehr¬
mals untersuchten gesunden Personen auch nur 2,46 pCt.
Meningokokkenträger gefunden hatten. Nach diesen bei 11 022
Gesunden gemachten Erhebungen ist also der Meningococcus
in der Rachenschleimhaut des Menschen ubiquitär und scheint
bei etwa 2 pCt. aller Gesunden vorhanden zu sein, gleichgültig,
ob Genickstarre herrscht oder nicht. Die Isolierung der
Träger hatte auf den Fortgang der Erkrankungen keinen Ein¬
fluß. Epidemiologisch beweisende Beziehungen zwischen
Meningokpkkenträgern und Kranken waren nur ganz vereinzelt
und dann nicht mit der Sicherheit festzustellen, wie dies bei
Typhus oder Cholera der Fall ist. Die Anwesenheit zahlreicher
Kokkenträger unter den Truppen führte seit Frühjahr 1910 zu
keinen Erkrankungen mehr,auch nicht bei den neu eingestellten
Mannschaften. Die mühsame kulturelle Eruierung der Kokken¬
träger und der mit ihr verbundene enorme Aufwand von Zeit,
Material und Arbeitskräften verliert daher an Wert. Sie muß
auf Grund der berichteten Untersuchungsergebnisse als nicht
mehr notwendig, und als praktisch undurchführbar bezeichnet
werden. Zur Bekämpfung sind vorläufig allgemeine hygieni¬
sche Maßnahmen, Desinfektion der Zimmer und Gebrauchs¬
gegenstände der Erkrankten, körperliche Schonung der den
Kranken umgebenden Personen, gute Ernährung, gute Unter¬
kunft, vielleicht Ortswechsel, und zwar soweit, daß Klima¬
wechsel erfolgt, heranzuziehen. Die Kranken, vielleicht be¬
sonders Leichtkranke, scheinen die Hauptrolle bei der Ver¬
breitung der Genickstarre zu spielen, sie sind daher in
Krankenhäusern zu isolieren. Die bisherigen Maßnahmen zur
Unterdrückung der Genickstarreepidemien haben keinen rich¬
tigen Erfolg gehabt; die Epidemien sind eigentlich von selbst
erloschen. Vorläufig sind die Ursachen der Entstehung von
Genickstarreepidemien noch nich^rkannt. R. L.
Dr. Schenk (Cöln): Olintal und seine Wirkungsweise. (Zeu-
tralbl. f. innere Medizin, 1910, No. 32.)
Seit die Behring sehen Serumeinspritzungen sich ein¬
bürgerten, glaubte man alle früheren Behandlungsmethoden der
Diphtheritis vergessen zu dürfen. Nicht nur bei echter Diphthe-
ritis, sondern bei allen Anginen, welche einen Belag zeigen,
wird im allgemeinen unterschiedslos gespritzt. Es ist Mode ge¬
worden, und das Publikum verlangt es! Wenn auch, sagt Verf.,
zugegeben werden muß, daß ernstere Gefahren mit diesen Se¬
rumeinspritzungen nicht verbunden sind, so ist doch die Tat¬
sache nicht aus der Welt zu schaffen, daß trotz der Einspritzun¬
gen noch immer eine große Zahl von Diphtheritiskranken dem
Tode anheimfällt. Da tritt an einen jeden, der einem Diphthe¬
ritiskranken eine Einspritzung gemacht, die wichtige Frage
heran, ob er nun seine volle Schuldigkeit getan habe oder nicht
auch lokale und interne Behandlung anderer Art in Anwen-
^568 'THERAPEUTISCHE
düng ziehen müsse. Nachdem Ströll zuerst im Jahre 1893
(Allgem. Med. Centralzeitung, 1893, No. 30) seine Erfahrungen
bei der Behandlung von Diphtheritis mittels Myrrhentinktur be¬
kanntgegeben, hat Verf. vorliegender Arbeit alle ihm vor-
gekommenen Falle von Anginen und Diphtherieerkrankungen
mit Myrrhentinktur behandelt und nur in zwei Fällen zum Se¬
rum gegriffen: Die Erfolge waren in den langen Jahren über¬
aus zufriedenstellend; Todesfälle sind fast ganz ausgeschlossen.
Der Zweck vorliegender Arbeit soll nun der sein, den Kollegen
ein vom Verf. angegebenes Myrrhenpräparat aufs wärmste zu
empfehlen, welches er in seinen Grundsubstanzen seit fast
10 Jahren ständig in seiner Praxis zur Anwendung gebracht
hat. Es handelt sich um eine flüssige Myrrhenseife mit einem
Gehalt von ca. 2,8 pCt. Myrrhe, welcher 0,5 pCt. Kampher und
0,5 pCt. Menthol zugesetzt sind. Dieses Präparat — Oliutal mit
Namen — hat den Vorzug, neben angenehmem Geruch und
Geschmack, in Wasser klar löslich zu sein, es ist alkalisch
und kann innerlich, zu Inhalationszwecken und zum Gurgeln
gebraucht werden. Auch bei Phthisis und croupöser
Pneumonie hat es vorzügliche Dienste geleistet. Die
Dosierung des Olintals ist folgende: innerlich für Er¬
wachsene 4 mal täglich 1 Teelöffel in einem Glase Zucker¬
wasser, für Kinder 20—50 Tropfen auf Zucker oder in
Zuckerwasser; zu Inhalationszwecken und zum Gurgeln % Tee¬
löffel auf ein Glas Wasser. Bei Halsaffektionen läßt Sch. auf
die Kehlkopfgegend Kompressen auflegen, die mit y 2 Teelöffel
unverdünnten Olintals getränkt sind. Bei Kindern, die nicht
gurgeln können, kann man das Gurgelwasser durch Zerstäu¬
bung in Anwendung bringen.
Olintal wird hergestellt in dem Chemischen Institut von
Apotheker EugenvondenDrieschin Aachen und kostet
in Originaltlaschen von 100 g 1,25 Mk. K r.
Sewastianoff: Zur Frage des Durchdringungsvermögens der
R. Kochschen Choleravibrionen durch die Darmwand in die
Gewebe und Organe. (Zeitschrift für Hygiene und Infek¬
tionskrankheiten, 1910, Bd. 65, H. 1.)
1. Bei der Untersuchung von Leichen von Menschen, die im
algiden Stadium der Cholera während der Epidemien der Jahre
1907/8 gestorben sind, fanden sich Choleravibrionen bei einigen
Leichen in allen Organen, und zwar in der Leber und Gallen¬
blase, in der Milz, Niere, im Blut, in der Herzhöhle, in der
Speiseröhre, in den Mesenterialdrüsen, in den Lungen, in der
Cerebrospinalflüssigkeit verbreitet.
2. In allen Fällen, wo der Choleravibrio im Darm gefunden
wurde, war er auch in den inneren Organen vorhanden; dort
aber, wo die Choleravibrionen aus dem Darm einige Tage vor
dem Tode verschwunden waren, waren dieselben auch in den
inneren Organen nicht enthalten.
3. In der Gallenblase werden Choleravibrionen bisweilen
in Reinkultur angetroffen; in den übrigen Organen kommen
neben Vibrionen auch andere Mikrobien vor.
4. Je rascher nach dem Exitus die Sektion vorgenommen
wird, desto eher kann man Choleravibrionen in Reinkultur er¬
halten.
5. Bei Experimenten an Meerschweinchen findet man
Choleravibrionen, die in den Magen in einer Quantität von
5—10 ccm einer 24 ständigen Bouillon- oder schrägen Agar¬
kultur eingeführt worden waren, durch die Schleimhaut des
unverletzten Darmes in das Blut und in die inneren Organe
übergegangen.
6. Diese Passage durch den Darm beginnt bei Meerschwein¬
chen schon in den ersten Stunden nach der Infektion nach
R. Koch.
7. Hinsichtlich der Frequenz der Choleravibrionen zeichnet
sich kein einziges Organ besonders aus, d. h. es ist eine be¬
sondere Affinität der Choleravibrionen zu bestimmten Organen
nicht wahrgenommen worden.
8. Choleravibrionen werden, in den Verdauungstraktus
nach R. Koch eingeführt, vom Magen-Darmkanal aus in das
Blut und in die Organe innerhalb langer Zeit (bis zu sieben
Tagen), und zwar solange aufgenommen, als sie im Darm vor¬
handen sind.
9. Bei der Fütterung von Meerschweinchen mit Cholera¬
agarkultur, d. h. bei der Einführung der Choleravibrionen per
os ohne vorangehende Neutralisierung des Magens, entwickelt
sich in manchen Fällen eine tötliche Infektion, wobei die
Vibrionen in den inneren Organen und auch im Herzblute,
hauptsächlich und vor allem jedoch in den submaxillaren
Lymphdrüsen nachgewiesen werden können.
10. Bei der Einführung von großen Quantitäten von Cholera¬
vibrionen durch den Anus mit Verklebung desselben mittels
Kollodiums nach Nasaroff und Jurgelunas kann man
bei Kaninchen gleichfalls eine tödliche Mischinfektion hervor-
rufen, wobei die Choleravibrionen sowie die übrigen Darm¬
bakterien in sämtliche inneren Organen eindringen und das
Tier in 1—2 Stunden zugrunde geht. Ohne Verklebung des
Anus gelingt es nicht, eine Infektion herbeizuführen.
RUNDSCHAU 1910. No. 37.
11. Bei der Infektion nach R. Koch erhält man in der
Regel eine Reinkultur des, Choieravibriod.
12. Bei der Einführung von geringen Quantitäten, z. i>.
einer Plätinöse (0,002 g oder. 0,1 g einer Agarkultur), gelingt
es in den Fällen mit später Sektion (24 Stunden nach der
Infektion) nicht, das Vorhandensein von Choleravibrionen in
den inneren Organen und im Blute nachzuweisen.
13. Bei der Einführung von geringen Quantitäten in den
M^gen von Kaninchen, aber bei f r ü h e r Sektion (ein bis sechs
Stunden nach der Infektion) findet man Choleravibrionen in
einigen inneren Organen und im Blute.
14. Mit dem ersten Tag nach der Infektion beginnend, wer¬
den die Choleravibrionen, in den Darm nach R. Koch einge¬
führt, in einigen Experimenten mit dem Harn ausgeschieden
und sind in demselben schon in den ersten Stunden nach der
Infektion nachzuweisen, während sie andrerseits über zwei
Tage lang (in einem Falle sogar sieben Tage lang) ausge¬
schieden wurden.
15. Die Reaktion des Harns war in der Mehrzahl der Fälle,
und zwar bei 15 untersuchten lebenden und getöteten Meer¬
schweinchen, die zuvor mit Cholerabacillen sowohl mit, wie
auch ohne vorangehende Neutralisierung des Magens mit Soda
infiziert worden waren, alkalisch, dreimal neutral, einmal
schwach sauer.
16. Vorangehendes 24 ständiges Hungern fördert die In¬
fektion.
17. Die Ausbreitungswege der Choleravibrionen sind die
Lymphspalten und -gefäße der Darm wand; dann werden die
Vibrionen in den entsprechenden Lymphdrüsen festgehalten,
und zwar bei der Infektion per os in den Submaxillardrüsen,
bei der Infektion vom Darm aus in den Mesenterial- und Ileo-
coecaldrüsen.
18. Bei der Untersuchung des Harns von Cholerakranken
wurden in sechs Fällen von 31, und zwar bei drei Männern und
drei Frauen, Choleravibrionen darin nachgewiesen.
19. Bei der Aussaat des Blutes von cholerakranken
Menschen hat Verfasser in 30 Fällen negative Resultate erzielt.
Mühlschlegel.
Dr. Edgar Axisa, Primararzt am österreich.-ung. Spital in Ale¬
xandrien, Aegypten: Die Behandlung der Amöben-Dyscn-
terie. (Die Therapie der Gegenwart, Juni 1910.)
Die bis jetzt bei Amöbendysenterie angewendeten Behand¬
lungsmethoden geben in der großen Mehrzahl der Fälle sehr
wenig befriedigende Resultate. Das von vielen als Spezificum
gepriesene Ipeca ruft bei Amöbendysenterie höchstens Brech¬
neigung oder Erbrechen hervor. Purgantien üben auf den
Krankheitsprozeß gar keine Wirkung aus, dasselbe gilt von
den Adstringentien und vom Opium. Von französischen Ko¬
lonialärzten ist in die Therapie der Dysenterie das „Kossam“
eingeführt worden. Die Aerzte aber, welche das Mittel versucht
haben, sind über den Wert desselben sehr verschiedener Mei¬
nung, da das „Kossam“ bei einigen Fällen eine sichtbare Heil¬
wirkung ausübt, ebenso frappant, wie das Chinin bei der Ma¬
laria, bei anderen dagegen zu versagen scheint. Die Ursache
dieser Mißerfolge liegt nach Verf. darin, daß bei der Wahl der
Behandlung die Aetiologie des Falles nicht in Betracht gezogen
wird, daß man sich nicht vor Augen hält, daß es nicht „eine“
Dysenterie gibt, sondern verschiedene dysenterische Erkran¬
kungen, welche durch ganz verschiedene Erreger hervorgerufen
werden, und daß demnach von einer einheitlichen Therapie der
Dysenterie keine Rede sein kann. Das Kossam wirkt hauptsäch¬
lich bei Amöbeirdysenterie, und zwar bei unkomplizierten
Fällen. Bei derselben beobachteten wir nach Verf. bei Kossam-
therapie, selbst in den schwersten Fällen, nach wenigen
Tagen das vollständige Verschwinden des Blutes aus den
Fäces, und nach ungefähr drei Wochen nach Beginn der Be¬
handlung sind die Stühle von normaler Beschaffenheit. Auch
die heftigen subjektiven Erscheinungen erfahren nach kurzer
Zeit eine bedeutende Besserung, um bald gänzlich nachzulassen.
Die spezifische Heilwirkung des „Kossam“ ist aber besonders
bei chronischer Dysenterie ersichtlich. Das „Kossam“ ist der
chinesische Name des öligen Samens von „Brucea Sumatrana“,
einer Simarubee, und ist in Tonkin, Cochinchina und Annam ein
Volksmittel gegen Dysenterie. Das Mittel kommt in den Handel,
in Form von „Tabloids“ hergestellt, durch die Firma „Colli n“
in Paris. Das wirksame Prinzip des „Kossam“ soll das von
Bertrand im Institut Pasteur dargestellte Glukosid „Kosa¬
mine" sein. Das „Kossam“ wirkt vor allem hämostatisch, es
scheint direkt die Amöben zu vernichten. Unter 37 Stühlen,
die Verf. systematisch darauf untersucht hat, waren nach 8 bis
12 Tagen der Behandlung meist keine Amöben mehr in den
Fäces nachweisbar. Bei nicht dysenterischen Durchfällen
ist das „Kossam“ vollständig wirkungslos. Bei der akuten
Amöbendysenterie bekommt der Patient stündlich 1 bis 8 Stück
Tabloids. In den 2—3 ersten Tagen der Behandlung ist eine
Besserung, besonders dann, wenn die Therapie in voller ulce-
rativer Periode eingesetzt hat, kaum ersichtlich. Am 4., späte¬
stens am 5. Tage der Behandlung nehmen die subjektiven Be-
No. 37.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
schwerden ab, die Stühle erfolgen weniger häufig. Die Be¬
schaffenheit der Stühle fängt an/ sich zu ändern. Nun geht es
der Besserung rapid entgegen; nach Weiteren 5—6 Tagen ist
makroskopisch meist kfein ßliit mehr vorhanden. Die Anzahl
der Stühle sinkt auf 4—6, die subjektiven Beschwerden haben
aufgehört. Der Pat., welcher sich bis jetzt bei reiner Milchdiät
befand, verlangt stürmisch nach Nahrung. Es empfiehlt sich
jetzt, ein Purgans zu reichen, Kalomel 1 g oder Natr. sujfur.
ISO g. Darauf wieder „Kossam“, 8 Stück. Als Diät Milch, Hier 1 ,
Tapioka- oder Griessuppen und später leichte Kartoffel-,
Erbsen- und Linsenbreie. Nach weiteren 10—12 Tagen ist der
Stuhl geformt, ohne jede Schleimbeimengung. Bevor ein Fall
als geheilt entlassen wird, bekommt derselbe ein Purgans, und
die Fäces werden sorgfältig auf Amöben untersucht. Gegen die
Leibschmerzen kann man warme Kataplasmen auflegen. Bei
dieser Behandlung sah Verf. in einer ganzen Reihe von Fällen
nach wenigen Tagen das ulcerative Stadium, welches sonst
Wochen und Wochen anhielt, abklingen, und nach spätestens
3 Wochen konnte Patient gänzlich geheilt entlassen werden, was
bei sonstiger Behandlung nicht vor 6—8 Wochen erzielt werden
konnte. Bei subakuten Fällen verwendet Verf. „Kossam“ und
Darmspülungen zur mechanischen Reinigung des Darmes, bei
Bestehenbleiben dünnflüssiger Stühle ohne Schleim und
Amöben und bei weichgewordenem Darme Adstringentien, ist
dagegen der Darm noch verdickt und schmerzhaft, Eingießun¬
gen von 21 0,5- bis 1 proz. Tanninlösung. Bei chronischer Dysen¬
terie „Kossam“ und Darmspülungen, Ichthyol und später Ein¬
gießungen von 0,5 proz. Tanninlösung.
Dr. Weilantl und Dr. Sandelowsky: Die Brauchbarkeit der
Sahlischen Desmoidreaktion in Klinik und Praxis. (Die
Therapie der Gegenwart, Juni 1910.)
Die Verfasser haben 145 Fälle mit der Desmoidreaktion
untersucht und haben dazu ohne Ausnahme alle Magen-
erkrankungen, die während einer bestimmten Zeit in der
Klinik behandelt wurden, benutzt. Sie kommen zu dem Resul¬
tat, daß die S a h 1 i s c h e Desmoidreaktion eine brauchbare
Methode zur Untersuchung der Magenverdauung ist. Ihre An¬
wendung ist als ergänzende Untersuchung zur Magensondie¬
rung zu empfehlen; sie kann die Magensondierung in gewissem
Sinne ersetzen, wenn äußere Umstände die Sondierung unmög¬
lich machen, oder der Zustand des Kranken eine solche kontra¬
indiziert. In 70pC't. der Fälle fanden die Verfasser absolute
Uebereinstimmung der Resultate der Sondierung und Desmoid¬
reaktion, in 24 pCt. widersprechende Resultate, die sich aber
bei Ausschaltung der Fehlerquellen aufklärten, und in 6 pCt.
war eine sichereUebereinstimmung nicht vorhanden. Bei wider¬
sprechenden Resultaten ergab eine angestellte Wiederholung
stets Uebereinstimmung mit dem Ausheberungsresultat; oder
eine verabreichte Probemahlzeit ergab entsprechende Säure¬
werte. Um zu brauchbaren Resultaten zu gelangen, muß man
sich genau an Sahlis Vorschriften halten. Das Prinzip der
Methode beruht darauf, daß nach der Anschauung von A d.
Schmidt rohes Bindegewebe nur im Magen verdaut wird.
Sahli gibt also dem verdauenden Magen solches Binde¬
gewebe in Gestalt eines Katgutfadens; diesen schlingt er um
eine Gummimembran, in der eine methylenblau- oder jodo¬
formhaltige Pillenmasse verschlossen ist. Erfolgt in dem
Pepsinsalzsäuregemisch des normalen Speisebreis die Auf¬
lösung des Katguts, so tritt die Resorption des eingeschlossen
gewesenen Methylenblaus respektive des Jodoforms ein, und
diese Körper werden mit Hilfe einfacher chemischer Reak¬
tionen im Urin respektive Speichel nachgewiesen. Die zur
Herstellung der Desmoidbeutelchen erforderlichen Materialien
sind Gummimembranen aus feinstem Paragummi, die als
„Cofferdam“ in der Zahnheilkunde Verwendung finden; ferner
feinstes Katgut und Pillen mit der Vorschrift:
Rp. Jodoform.. . . 5,0
Succi liquir. depur. et pulv. liq. ää . . . 2,0
M. f. p. No. 50.
Rp. Methylenblau < t .2,5
Succi liquir. depur. et pulv. liq. aa . . 2,0
M. f. p. No. 50.
Die Pillen, die Sahli neuerdings empfiehlt, die mit
einem Wismutzusatz versehen sind, damit sie auch in einem
dickflüssigen Magensaft untertauchen, halten die Verfasser
nicht für empfehlenswert, weil sie zu groß und zu weich sind
und sich ihr Verschluß durch den feinen Katgutfaden nicht so
sicher und einwandfrei hersteilen läßt, wie bei den kleineren
Pillen von festerer Konsistenz. Die Materialien können von
der Firma Hausmann A.-G., Sanitätsgeschäft, St. Gallen,
bezogen werden. Die Pillen werden in ein etwa 16 qcm
großes Stück Kautschukmembran, das vorher mit Talkum resp.
Reismehl eingerieben ist, so eingeschlagen, daß sich die Mem¬
bran über der Pille spannt und etwas glänzend wird. Während
die linke Hand Beutelchen und Pille fixiert, schlingt man mit
der rechten den vorher in Wasser aufgeweichten Katgutfaden
um den Hals de^ Bputelchens in drei parallel nebeneinander
669
liegenden Touren; dann knüpft man einen Doppelknoten, ohne
die Spannung der Membran zu verändern. Die überstehendeu
Ecken des Kautschuks werden dicht über dem Faden abge¬
schnitten, dieser selbst etwa auf 2—3 mm vom Knoten ge¬
kürzt. Zur Prüfung auf Brauchbarkeit wird die Pille in Wasser
geworfen, in dem sie untersinken soll, ohne daß Methylenblau
sich dem Wasser mitteilt. Diese Probe ist nötig zur Prüfung
der Schwere, da die Pille, um verdaut zu werden, auch im
Magen untersinken soll, und der Dichtigkeit des Verschlusses,
weil sonst Methylenblau auch ohne Verdauung des Katgut¬
fadens in den Mageninhalt Übertritt und resorbiert wird. Die
vorschriftsmäßig hergestellten Pillen werden am besten zu
einem gewöhnlichen Mittagessen oder etwa 1 '■> Stunde nachher
gegeben; Sahli selbst empfiehlt, sie nach der Suppe zu
nehmen; sie sollen ungekaut mit einem Schluck Wasser her¬
untergeschluckt werden. Es empfiehlt sich, die Patienten nicht
rechte Seitenlage einnehmen zu lassen, um zu verhüten, daß
die Pille zu früh den Magen verläßt. In Abständen von je
zwei Stunden sollen die Patienten Urin lassen resp. den
Speichel in ein Reagensglas entleeren. Gewöhnlich tritt die
Anwesenheit von Methylenblau durch Grünfärbung des Urins
in die Erscheinung. In Fällen, wo der Urin ungefärbt bleibt,
kann man durch Kochen unter Zusatz von einigen Kubik¬
zentimetern konzentrierter Essigsäure die Leukobase, als
welche das Methylenblau wieder ausgeschieden wird, in die
grüngefärbte saure Lösung überführen. Der Nachweis des
Jodoforms geschieht durch Stärkereaktion oder dadurch, daß
man den Urin respektive Speichel mit Chloroform ausschüttelt,
dann einige Tropfen 1 proz. Natriumnitritlösung und 1 ccm Acid.
sulf. dil. puriss. zusetzt. Bei Anwesenheit von Jod tritt eine
sehr schöne Rosafärbung auf. Sahli äußert sich über die mit
seiner Methode erzielten Resultate in dem Sinne, daß ein posi¬
tiver Ausfall ein Beweis für das Vorhandensein eines pepsin-
lind salzsäurehaltigen Magensaftes und für den normalen Ver¬
lauf des Magenchemismus sei. Bleibt die Reaktion negativ,
so hat keine genügende Magenverdauung stattgefunden, d. h.
es ist entweder der Chemismus des Magens gestört oder seine
Motilität gesteigert. Verspätete Desmoidreaktion läßt auf zwar
vorhandene, aber herabgesetzte Pepsinwirkung schließen. Ein
Reagens auf freie Salzsäure ist die Desmoidreaktion nicht; und
wenn bei fehlender HCl im ausgeheberten Mageninhalt die
Desmoidreaktion positiv ausfällt, so erklärt'dies Sahli damit,
daß die Verdauung eines gewöhnlichen Probefrühstückes eine
willkürliche, ziemlich leichte Aufgabe für den Magen sei, die
gar nicht die normalen Säureverhältnisse wiedergebe, die
durch die gewöhnliche Nahrung erzielt würden; außerdem er¬
hält man durch die Ausheberung nur den Einblick in den
Stand der Magenverdauung zu einem bestimmten Zeitpunkt;
dabei können die Verhältnisse vorher und nachher ganz andere
sein. ' K r.
Dr. W. Unna, Assistenzarzt der inneren Abteilung des jüdi¬
schen Krankenhauses zu Berlin: Ucber Klysticr-Ersatz-
Therapie. (Die Therapie der Gegenwart, Juni 1910.)
Unter den für die Erleichterung der Defäkation empfohle¬
nen Danneingießungen erfreuen sich die von Fl einer in
die Therapie eingeführten Oeleinläufe besonderer Beliebtheit.
Aber auch die Oelklysmen haben gewusse Schattenseiten (Be¬
schmutzung der Wäsche etc.). Deshalb ist ein Ersatzmittel für
Oelklystiere, das deren zweckdienliche Eigenschaften aufweist,
ohne gleichzeitig mit ihren Nachteilen behaftet zu sein, als ein
Fortschritt auf diesem Gebiete herbeizuwünschen. In diesem
Sinne hat nun H. Strauss Versuche mit großen Supposi-
torien aus Ol. Cacao angestellt. Er ging dabei von der Vor¬
aussetzung aus, daß sich solche Zapfen, wenn deren Schmelz¬
punkt niedriger ist als die Körpertemperatur, im Mastdarm
auflösen müssen, und daß dfe von ihnen gelieferte Oelmenge
ausreichen müßte, um die Darmwand und Kotmassen ge¬
nügend schlüpfrig zu machen und ein leichtes Durchgleiten
der letzteren durch das Rektuni 'zu ermöglichen. Die Zapfen
haben eine konische Form, sind 8 cm lang (d. h. nicht länger
als der Längsdurchmesser der Ampulle!) im Durchmesser
1%,—2 cm breit und an ihrem vorderen Ende etwas zugespitzt.
Sie w'erden in einem eigenen Suppositorienapparat aus je 15
bis 20 g erwärmtem Ol. Cacao hergestellt. Nach dem Erkalten
haben sie eine genügend feste Konsistenz, um sich — an der
Spitze mit etwrns Oel oder Vaseline eingefettet — mühelos in
deu After einführen zu lassen. Die Zapfen wurden zunächst
in solchen Fällen angewendet, in denen es darauf ankam, die
Reibung des Kotes zu vermindern, wozu schon ein geringes
Quantum von Oel völlig ausreichen muß, also vornehmlich in
den Fällen von sog. Proctitis ampullaris und Proctitis sphincte-
rica, in denen die Proktosigmoskopie eine entzündlich gerötete,
feucht glänzende oder auch auffallend trockene, granulierte
eventuell auch erodierte oder mit Schleim belegte Mukosa vor
Augen führt. In derartigen Fällen kommt es in erster Linie
darauf an, traumatische Insulte der Schleimhaut zu verhüten,
durch die das Leiden unterhalten werden kann. Ihr Indika-
570
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 37.
tionsgebiet laßt sich aber durch verschiedene Zusätze zum Ol.
Cacao beliebig erweitern. So wird in solchen Fällen, in wel¬
chen gleichzeitig noch eine adstringierende Wirkung aut die
Schleimhaut der Ampulle und der Pars sphincterica erwünscht
ist, den Stuhlzapfen noch eine Beimischung von 0,5—0,1 g des
nach ■ den Angaben von Strauss hergestellten zuckerfreien,
neutralen, kalk- und. mentholhaltigen Heidelheerextraktes ge¬
geben. Auch Ichthyolbeimengungen (0,1 g) mit oder ohne
Eukain (0,03 g) und Extr. Beilad. (0,03 g) wurden mit Erfölg
angewandt. Eine ekkoprotische Wirkung erzielt man durch
Zusatz von Glyzerin, Seife usw. Für diejenigen Fälle, in wel¬
chen ein die Peristaltik anregender Zusatz erwünscht schien,
wurde 0,1 bis 0,2 g Choisäure beigemengt. Die Cholsäure-
zapfen sind in solchen Fällen zu empfehlen, wo zur Schonung
des Magens auf die Verabreichung eines Abführmittels ver¬
zichtet werden muß und in welchen die gleichzeitige Anwen¬
dung eines Aperitiv- und Gleitmittels angezeigt erscheint.
. Kr.
Dr. Walter: Ein Beitrag zur Spirosalwirkung. (Heilkunde, 1910,
No. 2.)
Die lokale epidermatische Salicylbehandlung besitzt ohne
Frage Vorzüge vor der internen. Das für diesen Zweck empfoh¬
lene M e s o t a n darf, um keine Hautreizungen hervorzurufen,
nur mit Oel aufgepinselt oder in Form von Mesotansalben
25 proz. mit Vaseline verwendet werden.
Das durch die Utersuchung von Impens in die Therapie
eingeführte S p i r o s a 1 ruft keine Hautreizungen hervor. Verf.
hat das Präparat bei einer Anzahl Fälle von Muskel- und chro¬
nischem Gelenkrheumatismus verwendet und konnte in den
meisten Fällen eine prompte schmerzstillende Wirkung erzielen.
Bei akuten und subakuten fieberfreien Rheumatismen war nach
kurzer Zeit ein deutlicher Rückgang der Schwellungen und
Schmerzen zu beobachten. Auch bei schweren Polyarthritiden
wurden die Schmerzen erheblich gemildert. Die Anwendung
geschieht durch kräftiges Einreiben mit Spiro.sal, die
leidende Stelle wird mit einem undurchlässigen Verband be¬
deckt. Recht handlich und preiswert ist die von Dengel ange¬
regte Originallösung Bayer, die eine Mischung aus 10 Teilen
Spirosal und 20 Teilen Spiritus rectificatiss. darstellt. B.
Dr. ßiesalski (Berlin): Grundsätzliches zur Behandlung der
Littleschen Krankheit. (Münch, med. Wochenschr., 1910,
No. 31.)
Verfasser bespricht die Aussichten der Förster sehen
Operation (Resektion hinterer Rückenmarkswurzeln) bei der
1, i 111 e sehen Krankheit und die übrigen Hilfsmittel bei deren
Behandlung. Zunächst weist er darauf hin, daß mau ver¬
schiedene Gruppen der Krankheit zu unterscheiden hat. Es
gibt erstens Formen des Little, welche, solange sie im Bett
liegen, nur einen mäßigen Spasmus zeigen und aktive Be¬
wegungen, nämlich diejenigen, welche den Bewegungen des
Gehens entsprechen, im Groben, wenn auch paretisch, aus¬
führen können. Stellt man diese Kinder auf den Fußboden,
so wirken die aufrechte Haltung, die Belastung, der Reiz der
kalten Diele in dem Sinne, daß die spastische Komponente
plötzlich kolossal anschwillt und die Kinder unfähig sind, eine
von den Bewegungen auszuführen, welche sie im Bett ganz gut
zu leisten vermochten. Zweitens gibt es Fälle, bei denen un¬
abhängig davon, ob die Kinder in oder außer dem Bett smd,
der spastische Anteil der Krankheit in auffälliger Weise wäh¬
rend eines kürzeren oder längeren Zeitraums wechselt. Drittens
gibt es sehr schwere Fälle, bei welchen der Spasmus dauernd
so hochgradig ist, daß die betroffenen Glieder wie in Gelenk¬
ankylose unbeweglich fixiert sind. Diese Fälle sind nun nach
Verfasser die einzigen, welche primär für die Förster sehe
Operation in Betracht kommen. Auf Grund dieser Indikations¬
stellung hat Verfasser trotz der großen Zahl von Little-Fällen,
welche er in seiner Abteilung (Berlin-Brandenburgische
Krüppel-Heilanstalt) hat, erst, zweimal Gelegenheit gehabt, die
Förster sehe Operation auszuführen, bei einem Knaben von
fünf Jahren und einem Mädchen von sechs Jahren. In beiden
Fällen wurden die hinteren Wurzeln des zweiten und vierten
lumbalen und des ersten sacralen Segments reseziert. Der
erste Fall wurde zweizeitig operiert, die zweite Operation
■wurde zirka sechs Wochen nach der ersten ausgeführt; schon
nach dem ersten Eingriff war Eiterung aufgetreten, jedoch war
Heilung eingetreten. Nach dem zweiten Eingriff ging das Kind
nach 13 Tagen unter meningitischen Symptomen zugrunde. Bei
dem Mädchen von sechs Jahren wurde in einer Sitzung operiert.
Hier war der Wundverlauf vollständig glatt. Bei beiden Kin¬
dern konnte beobachtet werden, daß unmittelbar nach der
Operation die Spasmen nachließen, und zwar war dies in den
ersten Tagen noch mehr der Fall als späterhin. Als bei dem
zweiten Kind mit aktiven Uebungen begonnen werden sollte,
bestand ein schwerwiegendes Hindernis in der Verkürzung
großer Muskelgruppen, z. B. der Adduktoren, der Kniebeuger
und der Plantaillevoren. Diese sekundären Verkürzungen
und Schrumpfungen der Weichteile machen bei der Little¬
schen Krankheit zum Teil d‘4Ä Effekt der Förster sehen
Operation illusorisch. Man muß deshalb entweder nach der
F ö r.s t e r sehen Operation durcR sekundäre Operationen diese
Verkürzungen zu beseitigen suchen, oder noch besser: man
müßte diese sekundären Operationen vor der Förster sehen
Operation machen, ln Vielen Fällen erreicht man nämlich,
wie die Erfahrung zeigt, durch diese Hilfsoperation allein mit
naclÄeriger medikomechauischer Behandlung, Schienenhülsen¬
apparaten etc. bei der Little sehen Krankheit, daß die Kin¬
der gehfähig werden. Oberster Grundsatz muß nach Verf.
bei der Behandlung sein, den Muskeln keine Ruhe zu lassen:
rücksichtslose Bekämpfung der sekundären Veränderungen,
unaufhörliche Uebungen der Muskeln führen manchmal zu un¬
gewöhnlichen Erfolgen. — Die Resektion der hinteren Rücken¬
markswurzeln sollte man nach Verf. erst dann folgen lassen,
wenn alles übrige versagt hat. R. L.
Franz Haubcr: Migräne und Schmcrzdäininerzustände. (Disser¬
tation, Berlin 1909.)
Viele als Migränepsychosen bezeichnete Geistesstörungen
kommen der Migräne als solcher nicht zu, sondern sind Mani¬
festationen anderer Neurosen, vor allem der Hysterie und Epi¬
lepsie. Das Vorkommen reiner Migränepsychosen ist nicht ab¬
zustreiten. Dieselben können durch die Intensität des Schmerzes
hervorgerufen werden und würden dadurch der sogenannten
neuralgischen Dysphrenie naherücken; sie sind eventuell aber
auch bedingt durch vasomotorische Störungen, durch Kontrak¬
tion oder Erschlaffung der Gefäßwandungen und dadurch ge¬
setzte Zirkulationsstörungen, z. B. Anämie oder Hyperämie des
Gehirns, ähnlich den schon bekannten kongestiven und
angiospastischen Dämmerzuständen. F.
Prof. Dr. Felix Hirschfeld (Berlin): Schwangerschaft und
Zuckerkrankheit. (Berl. klin. Wochenschr., 1910, No. 23.)
Die Ergebnisse dieser Arbeit faßt Verf. in folgenden Sätzen
zusammen: Unter dem Einfluß der Schwangerschaft beobachtet
man mitunter bei zuckerkranken Frauen, zumeist im Beginn
des 3. und 4. Monats, eine Verschlimmerung der diabetischen
Funktionsstörungen. Im hohen Grade tritt dies hervor bei der
Ausscheidung der Acetonkörper (Acidosis), in etwas geringerem
Maße bei der Glykosurie. Ein Coma diabeticum tritt in der
Regel nicht während der Gravidität und auch zumeist nicht un¬
mittelbar im Anschluß an die Entbindung auf. Die Verschlim¬
merung kann dauernd werden, sie kann sich aber auch nach
der Entbindung allmählich zurückbilden. Das so häufig un¬
mittelbar nach der Entbindung beobachtete Verschwinden der
Glykosurie hängt zumeist von der unter diesen Verhältnissen
üblichen knappen Diät ab. Schon aus der Feststellung der Tat¬
sache, daß die Schwangerschaft den Diabetes verschlimmert,
wird man a priori die Berechtigung zu einer relativ günstigen
Prognose der während der Schwangerschaft entstandenen Fälle
von Zuckerkrankheit herleiten dürfen. Die vorhandenen Beob¬
achtungen sprechen für die Richtigkeit einer solchen Schlu߬
folgerung. Unzweifelhaft ist während der Schwangerschaft bei
nicht zuckerkranken Fraueti entweder bei allen oder bei der
großen Mehrzahl die Fähigkeit, die genossenen Kohlehydrate
zu verbrennen, verringert, wie dies aus den Versuchen über
die Zuckerausscheidung nach Genuß von 100 g Zucker hervor¬
geht. Wenn bisher bei einem nicht unerheblichen Prozentsatz
der schwangeren Frauen — etwa 10 pCt. — eine gelegentliche
Glykosurie sogar während der gewohnten Ernährungsweise ge¬
funden wurde, so scheint hierbei außer einer Anlage zum
Diabetes auch eine nervöse Disposition besonders begünstigend
zu wirken, soweit sich aus den wenigen bisher vorliegenden
Beobachtungen dies Urteil abgeben läßt. Zwischen den leich¬
testen Formen dieser Glykosurie und den unzweifelhaft als Dia¬
betes zu bezeichnenden Formen besteht unverkennbar eine
Reihe von Uebergängen. Um auf ein vollständiges Verschwin¬
den der Glykosurie rechnen zu können, muß die Krankheit
der milden Form angehören, so daß von den genossenen Kohle¬
hydraten nicht mehr als ein kleiner Teil als Zucker aus¬
geschieden wird. In solchen Fällen sind die eigentlich diabeti¬
schen Symptome zumeist gar nicht oder nur wenig aus¬
gesprochen; ferner wird meistens kem ungünstiger Einfluß auf
die Entwicklung des Kindes ausgeübt, ebenso wie bisher bei
den gelinden Fällen von Zuckerkrankheit eine nachteilige Ein¬
wirkung des in geringer Menge ausgeschiedenen Zuckers auf
die Lebensdauer sich nicht nachweisen läßt. Selbst das ge¬
legentliche Auftreten von Acetessigsäure rechtfertigt alsdann
noch nicht die Stellung einer ungünstigen Prognose. Die Auf¬
stellung einer besonderen alimentären Glykosurie in der Gra¬
vidität im Gegensatz zu dem unheilbaren Diabetes mag prak¬
tisch nützlich erscheinen, sicher begründet ist sie nicht, da kein
einziges Merkmal vorhanden ist, um eine klar erkennbare
Grenze zwischen diesen beiden Krankheitsformen zu ziehen.
Kr,
No. 37.
571
THERAPEUTI SCHE
Dr. Demetrius Gasig (Athen): Zur Auffindung der Sperma
tozoen in alten Spermaflecken. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 29.)
Um in trockenen Sperniafleeken die Sperinatozoen nach¬
zuweisen, empfiehlt Verfasser eine Lösung von Quecksilber¬
chlorid (1 :1000), der einige Tropfen von i Salzsäure (bis zur
ausgesprochen sauren Reaktion) zugesetzt sind. In dieser
Flüssigkeit halten sich die Sperinatozoen sehr gut, sogar sechs,
bis acht Tage, ohne irgdenwie in ihrer Form geschädigt zur
werden. Es ist also das Quecksilberchlorid ein ausgezeichnetes
Konservierungsmittel für die Sperinatozoen; vielleicht beruht
dies auf Bildung eines Quecksilberalbuminates, welches die
Sperinatozoen gegen die weitere Maceration schützt. Zur
Färbung der Sperinatozoen benutzt Verfasser dann das Eosin;
das Quecksilberchlorid ist nämlich ein ausgezeichnetes Beiz-
inittel für das Eosin. Zur eventuellen leichten Entfärbung dient
dann eine 1 proz. wässerige Lösung von Kaliumjodid, welche
bei momentaner Einwirkung eine Entfärbung der übrigen Be¬
standteile des Präparats bewirkt, während die Färbung der
Sperinatozoen unverändert bleibt. Gewöhnlich pflegt man die
den Spermafleck aufgelagerten trockenen Schüppchen zur
Untersuchung zu nehmen, in der Voraussetzung, daß sie reich¬
liche Sperinatozoen enthalten, dies trifft indes nach Verfasser
selten zu, da diese Schüppchen meist aus dem Präputialsack
stammen und hauptsächlich aus Fett bestehen. Man darf sich
daher nicht auf die Untersuchung dieser Schüppchen be¬
schränken, sondern muß auch die Fasern des Gewebes mit
heranziehen; ferner soll man nicht nur ein zentrales Stück
aus dem Fleck untersuchen, sondern auch Stücke aus der
Peripherie, da gerade dort häufig sich zahlreiche Sperinatozoen
finden. Verfasser verfährt deshalb folgendermaßen: An ver¬
schiedenen Stellen zwischen der Peripherie und dem Zentrum
des Spermafleckes werden Stückchen abgeschnitten, fein ver¬
teilt und in die Macerationsflüssigkeit (1—2 ccm davon) zwei
bis fünf Minuten gelegt, dann mit einem Glasstab ausgepreßt.
Ein Tropfen der Flüssigkeit wird auf den Objektträger ausge-
breitet, bei leichter Flamme getrocknet und eine Minute lang
in 1 proz. wässeriger Eosinlösung gefärbt. Dann wird einige
Sekunden lang, bis das Präparat eine leichte Rosanuance an-
nimmt, in 1 proz. wässeriger Jodkalilösung entfärbt. Wenn im
Präparat keine Sperinatozoen gefunden werden, gehe man in
folgender Weise vor: Die abgeschnittenen Stückchen aus dem
Spermafleck werden in 10—20 ccm der Macerationsflüssigkeit
gelegt und fünf Minuten darin stehen gelassen, dann mittels
eines. Glasstabes gepreßt und herausgenommen. Eine halbe
Stunde später beim Stehenlassen oder auch sogleich, wenn man
zentrifugiert, finden sich im Bodensatz der ausgepreßten
Flüssigkeit die Spermien in Haufen beisammen. Die Färbung
kann man bei beiden Arten der Untersuchung auch fortlassen
und das Präparat frisch untersuchen. R. L.
Dr. F. Suter. Dozent f. Urologie in Basel: Ueber die Indikatio¬
nen zur Prostatektomie. (Korrespondenz-Blatt f. Schweizer
Aerzte, 1910, No. 22.)
Verf rekapituliert kurz die allgemeinen Indikationen zu
therapeutischen Eingriffen bei der Prostatahypertrophie, um
dann über die für ihn maßgebenden Indikationen zur Ope¬
ration zu berichten und als Illustration kurz über die von ihm
im letzten Jahre operierten Fälle zu referieren, die eine Vor¬
stellung von den Erfolgen geben, die man mit der Operation
erzielt. Im allgemeinen treten die Prostatiker, sagt Verf., in
ärztliche Behandlung, wenn entweder ein sehr häufiges Miktions¬
bedürfnis vorhanden ist, oder wenn sich Schwierigkeiten für
die Entleerung der Blase einstellen. Bei der Untersuchung
findet man bei solchen Kranken dann die vergrößerte Drüse
und in der Mehrzahl der Fälle einen Residualham. Manchmal
fehlt dieser auch. Bei dieser Kategorie von Kranken sind die
therapeutischen Indikationen verschieden: Da wo ein Residual¬
ham fehlt (I. Stadium der Prostatahypertrophie), besteht eine
Indikation für den Katheterismus nicht. Solche Patienten sind
hygienisch-diätetisch und mit Hydrotherapie zu behandeln. Für
Fälle mit Harnretention (II. Stadium) von 100 ccm und mehr
mit starken Beschwerden (häufige, den Schlaf störende nächt¬
liche Miktionen, Schwierigkeiten der Emission) kommt die Eva-
kuation des Residualharns, also der Katheterismus in Frage.
Da. wo eine akute Harnretention das erste oder zweite Stadium
unterbricht oder einleitet, ist die Indikation zum Katheter klar.
Einveder kehren solche Fälle dann wieder zum Ausgangspunkt
zurück, oder es bleibt die chronische totale Retention bestehen.
Eine letzte Gruppe von Prostatikern (III. Stadium) zeichnet
sich aus durch chronische Retention mit Distensiou der Blase
und Störungen des Allgemeinbefindens. Solche Kranke suchen
den Arzt oft nicht wegen ihrer Urinbeschwerden, sondern wegen
allgemeiner Schwäche, Verdauungsstörungen usw. auf. ln
diesen Fällen, besonders hei sehr alten Männern, ist der Ka-
theterismus manchmal der Anfang vom Ende. Hier ist große
Vorsicht-nötig.
Das sind die allgemeinen Indikationen zum evakuatorischen
Katheterismus bei Prostataliypertrophie. Wann ist nun dem
RUNDSCHAU 1910.
Pat. statt des Katheterismus die Operation auzuraten? Sollen
wir als Normalbehandlung der Urinretention bei Prostatikern
den Katheterismus anempfehlen, oder sollen wir von vornherein
die Möglichkeit der Operation erwägen? Verf. hält das letztere
für richtig. Denn oft kommen Prostatiker, die einige Jahre den
Katheter gebraucht haben, und bei denen er alle möglichen
Komplikationen gebracht hat, zu uns und wünschen die Ope¬
ration, die wir dann nicht mehr ausführen können, oder doch
nur unter großer Gefahr. Der täglich oft zu wiederholende Ka-
theterismus macht das betreffende Individuum zu einem
Krüppel, der von seinen Instrumenten abhängig ist und doch
meist unter vielen unangenehmen Störungen leiden muß. Wenn
wir das alles auf der einen Seite in Rechnung setzen und auf
der andern Seite die völlige Heilung durch eine Operation, so
haben wir die Pflicht, unsern Kranken die Prostatektomie so
gut anzuetnpfehlen, wie den Katheterismus. Wenn das All¬
gemeinbefinden ein gutes, der Kranke noch relativ jung und
nicht in der Lage ist, sicii dem Katheterismus mit Muße zu wid¬
men, oder wenn der Katheter nicht ganz leicht geht, dann rät
Verf. dringend zur Operation. Verfasser teilt zehn Kranken¬
geschichten mit, die die Indikationen im speziellen Falle illu¬
strieren. Er wendet die Frey er sehe Operation an, die vor
der perinealen die Schonung der Potenz voraus hat. Von
den 10 Operierten erlag der Operation ein 79 jähriger Patient,
für dessen Herz der Eingriff zu groß war; alle anderen Patien¬
ten wurden geheilt, sie entleerten ihre Blase wieder vollstän¬
dig; die häufigen Miktionen schwanden, keiner brauchte mehr
ein Katheter. Die Blasenwunde heilte innerhalb drei bis vier
Wochen zu. K r.
Dr. Th. Voecklcr (Magdeburg): Zur Technik des Harnleitcr-
kaiheterismus. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 30.)
Um beim Harnleiterkatheterismus die Asepsis zu sichern,
muß man die herausragenden Enden der Ureterenkatheter vor
der Berührung mit den äußeren Genitalien des Untersuchten,
dem Gesicht des Untersuchers etc. schützen. Verfasser er¬
reicht dies auf folgende Weise: Er zieht vor der Untersuchung
ülier die aus dem Cystoskop heraushängenden Enden der Harn¬
leiterkatheter entsprechend zurechtgenähte Hüllen aus weicher
Leinwand oder Shirting, die etwa 60—65 cm lang und 3 cm
breit und vorher in Dampf sterilisiert sind. Die Hüllen sind
an einem Ende geschlossen; das offene Ende wird nach voll¬
zogenem Ueberstülpen, mittels eines Seidenfadens, der in den
umgelegten Saum eingezogen ist, vor der Dichtimgsmass'e des
Kathetereinführungsrohres angebunden und ist dadurch vor
Abgleiten gesichert. Nachdem das Instrument in die Blase
eingeführt ist, lassen sich die Katheter sehr bequem durch die
Schutzhüllen hindurch fassen und vorwärts schieben, ohne daß
sie irgähdwie berührt zu werden brauchten oder verunreinigt
werden können. Das Verfahren ist überall anwendbar, wo
man den Harnleiterkatheter ohne Mandrin einführt. Sind die
Katheter bis ins Nierenbecken vorgeschoben, so werden die
, Hüllen abgestreift.
Stabsarzt Dr. Grunert (Königsberg i. Pr.): Bruch des Pro¬
cessus posterior tali. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 30.)
Bekanntlich werden nicht selten, wenigstens wenn man die
Röntgenuntersuchung unterläßt, Brüche im Bereich der Fu߬
wurzel irrtümlich als „Verstauchungen“ angesehen. Zu diesen
leicht verkannten Brüchen im Bereich der Fußwurzel gehören
auch die Brüche des Processus posterior tali. Diese entstehen
für gewöhnlich nur durch eine geringfügige indirekte Gewalt¬
einwirkung und werden eben deswegen leicht verkannt. Zu¬
standekommen werden nach Verfasser diese Brüche wotil nur,
wenn der hintere Fortsatz besonders stark entwickelt ist, was
in 12—14 pCt. der Fälle statthat. Ausuahnisweise ist der
hintere Fortsatz als selbständiger Knochen, ohne Zusammen¬
hang mit dem Talus, entwickelt (Os trigonum nach S t i e d a);
es kann dann bei nur einseitiger* Untersuchung dieses Os tri¬
gonum als ein abgesprengter hinterer Fortsatz aufgefaßt und
irrtümlich also eine Fraktur angenommen werden. Mau muß
beide Füße mit Röntgenstrahlen durchleuchten, um sich vor
derartigen Fehldiagnosen zu schützen, weil solche Anomalien
meist doppelseitig Vorkommen. Verfasser hatte auch Gelegen¬
heit, einen Fall von Fraktur des Processus posterior tali zu be¬
obachten, und zwar bei einem Kanonier, der auf einen Stein
gesprungen war. von dem er ahratschte, ohne zu Fall zu kom¬
men. Der Patient trat erst neun Tage später in Lazarett-
behandlung, wo die Diagnose: Bruch des hinteren Talusfort¬
satzes des linken Fußes, gestellt wurde. Nach zwei Monaten
erst wurde der Verletzte geheilt entlassen. Die Häuptsyrriptome
der Verletzung sind: ein fixer, heftiger Druckschmerz zwischen
dem Achillessehnenansatz und dem inneren Knöchel, während
der Druck auf den Knöchel selbst wenig oder gar keine
Schmerzen verursacht. Ferner ist typisch eine mehr oder
weniger fixierte Spitzfußstellung. die zuweilen sich mit Platt¬
fuß kombiniert. Ein besonderes Zeichen ist die manchmal vor-
572
THERAPEUTISCHE
handerie, Flekiönslbes'chrahkiuig der großen Zelie (in der Kinne
des Processus posterior tali verlauft die, Sehne des M. flexor
hallucis tqngus). Was die Prognose änlangt, so ist sie zwar ii.ii
allgemeinen gut, doch dauert es für gewöhnlich längere Zeit,
bis die Besfliwerdeii vollständig verschwunden sind. Bei der
Behandlqng wird man sich nicht lange mit feststehenden Ver¬
bänden änflialten, da mau ein Wiederanheilen des Fragmentes
damit doch nicht erreicht, was auch für die, spätere Funktion
nicht | ilötig ist, sondern frühzeitig mit Bewegungsübungen
beginnen. R. I..
'ibMrwmv mmsrbiiwül tii l .ii-'.timiT i»l plai. fil
1). H. Pet^sche, Oberarzt im K, $.,.9. inf.-Regt. No. 133; lieber
die Yerwenflbarkeit der Blunkschen Blutgefäßklemme zur
definitiven Blutstillung. (Bejtr. z. klin. Chir., 1010, Bd. 68,
Heft 3.)
Verf. berichtet über seine Erfahrungen bei 100 größeren
und kleineren Operationen mit der vom Oberveterinär
R. Blank (Wesel) erfundenen, von der Firma Rudolf
Blunk (Hamburg) angefertigten Blutstillzange. Das Instru¬
ment gleicht einer unten stark gekrümmten Schere, deren
Brauchen abgestumpft und auf der inneren Seite stumpf ge¬
zähnt sind. Sie wird in drei verschiedenen Größen für kleine,
größere und große Gefäße und in einer kürzeren und einer
längeren Form angefertigt. Die Blunksche Klemme bewirkt
nun eiheil Gefäßverschluß nicht durch Anwendung starken
Driicks, sondern durch Aufrollen der inneren Gefäßhäute in
das Gefäßlumeh, ist also ein im Prinzip ganz anderes Instru¬
ment als die Angioiriptoren. Daß dieses Einrollen der Innen-
häute der Gefäße durch die Blutstillklemme nach Blunk in
der vollkommensten Weise geschieht, während die Adventitia
lediglich zusammengepreßt wird, konnte Verf. an den verschie¬
densten vom lebenden Menschen bei Oberschenkelamputationen
von' der Femoralis ühd von Kaninchen von der Carotis ge¬
wonnenen Präparaten naühweiseh. Ueberall war bei richtig
ausgefuhrter Qüefschühg Und, wenn die Klemme langsam und
weich wieder abgenommen worden war, Intima und Media
flügeltür- bezw. 'Ventilartig in das Lumen eingeschlagen, dte
Adveffiitiä hihgtegen föst aneinandergepreßt. Aus einem der
vorliegenden Arbeit beigegebenen Photogramm einer längs
durchschnittenen menschlichen Arteria femoralis, die unmittel¬
bar 1 hach einer Oberscherikelamputation entnommen und mit
der BTiih ksdieh VKIenime behandelt worden war. ist ohne
weiteres 'zu ersehen, wie die Wirkung der Klemme zustande
kommt. Die Intima und Muskularis wird durchquetscht und
durch die überemahdergi'eifendenl fest aufeinanderschleifendeu
Branchen der Klemme distal und proximal zu zwei Pfropfen
aufgerollt. Die;Adventitia bleibt zusammengepreßt in ihrer
Kontinuität erhalten! Die mikroskopische Untersuchung der
Präparate ergibt, daß die Trennung der Schichten stets zwischen
Adventitia und Media erfolgt. Verf. hat nun zunächst, um die
Wirkung der Klemme kennen zu lernen. Versuche an lebenden
Kaninchen angestellt. Es zeigte sich, daß die Blutstillung mit
der Klemme an den Arterien stets sicher gelang w'ährend sie
an 'den giößeren'Venen weniger sicher zu sein schien. Das ist
fast selbstverständlich. Das Lumen großer Venen ist im Ver¬
hältnis zU der.dünnen Gefäßwand viel zu weit, und die Venen
sind : zu wenig'kontraktionsfähig- als daß sie durch den Pfropf
der inneren Häute genügend sicher verstopft werden könnten.
Bel kleineren Venen- war aber die Blutstillung ebenso voll-
kothbien' wie an den Arterien. Die Carotis des Kaninchens
konnte 'Verf. unmittelbar nach Anlegen und Wiederabnehmen
der-Klemme: an der-Stelle der von (j em Instrument hinterlasse-
nen Quetscliforche'durchscbneiden. ohne daß eine Blutung er¬
folgte. An der V. dugularis gelang die Blutstillung manchmal
erst-[ladt wiederholtem Abklemmen. Nachblutungen sind je-
docblnie aufgetreten. 'Bei dhr nach 2—5 Wochen vorgenomme¬
nen (Sektion'der Tiere zeigte sich, daß die Gefäßstümpfe etwa
3 nii aiiseinandergewrchen waren. Die Stümpfe waren makro¬
skopisch leicht verdickt und'fest verschlossen. Da die Wirkung
der Klemme:ausschließlich dadurch zustande kommt, daß die
gekrümmten: Enden ihrer'Brauchen wie bei einer Schere sich
ü herein und evschi eben und zwischen sich das Gefäß flächenhaft
eiiiklemmem so:-ist' die Anwendung mechanischen Drucks -beim
Anlegen der Klemme überflüssig. Da ferner die beabsichtigte
Wirkung .sofort zustande kommt, ist ein längere^ Liegenlgssen
der JGgmine"ebenfalls überflüssig, 'Es genügt vielmehr zur
BhYfstirhino. das' Instrument langkan.i. ,'zn schließen und nach
einigen Ssekünden 'iangsäin, weich und ohne Zug wieder zu
öffnen. Die Klein ine kann sowohl an isolierte, sichtbare Ge¬
fäße, 1 Wie an kleine, gefäßhaltige Gewebsbündel mit Erfolg an¬
gelegt werden. Zu-einer exakten und sicheren Wirkung ist es
nötig,’d'äß die 1 Quetfecbfurche das Gefäß möglichst genau ntier
trifft. Die B'unk Klemme kann direkt ohne' Zuhilfenahme
eines; änderen Instrumentes an ein blutendes'Gefäß angelegt
weiden. i ; Dies'WÖrfähren hat sich aber nur dann als zweck¬
mäßig' 'erwiesen wenn, es sieb darum handelte, die Blutung ans
Gefäßen kehr weicher Gewebe zu stillen. Ausgezeichnete Er¬
fahrungen machte Verf. mit der Blunk-Klemme bei ßlu-
f. T • FE.v ITi OF
RUNDSCHAU 1910. No. 37.
tungeh aus den weichen Hirnhäuten und aus dei 4 Niereusub¬
stanz. Hier wurde die Klemme stets direkt ah die blutenden
' Gefäße alrigelegt. Ebenso kann sie unmittelbar.verwendet wer¬
den, wenn- ein freigelegtes GefpS vor seiner I)iirchschheidung
verschlossen, werden soll. Es empfiehlt sich in diesem Fall, das
.Gefäß 2 mal zu klemmen und zwischen den beiden Klemiii-
furchen zu durchtrennen. In der Regel aber ging Verf. anders
.vor. Die während einer Operation durchtrennten oder
.«zu durchtrennenden Gefäße wurden in .der gewohnten Weise
niit den üblichen Artprieixklemmen versehen, und erst am
Schlpß der Operation, wurden sämtliche Gefäße, an denen
Kiellinien hingen, nicht unterbunden,.sondern mit der Blunk-
Klemme, behandelt. Man. ergreift zu diesem Zwecke mit der
linken Hand die Ärterienklemme, zieht : das . voll ihr gefaßte
Gefäß oder Gewebsbündel etwas an, legt mit der rechten Hand
die Blunk-Klemme dicht hinter die Spitze der Arterien¬
klemme, nimmt hierauf die Arterienklemme ab und öffnet
endlich langsam die Blunk-Klemme. Ein Mißlingen der
Blutstillung pflegt sich sofort zu zeigen und ist gewöhnlich
dadurch bedingt, daß das zu verschließende Gefäß nicht
genau quer geklemmt worden war. Man kann die
Prozedur dann noch einmal wiederholen und sehen, ob man
besseren Erfolg hat, sonst muß man unterbinden oder um-
stechen. Dicke Gewebsbündel eignen sich nicht für die Blunk-
Klemme in ihrer jetzigen Form. In straffen, narbigen Geweben,
wo man Umstechungen zu machen genötigt ist, um den Unter-
bindungsfäden Halt zu gewähren, ist sie nicht verwendbar.
Größere Gefäße, zumal Venen, rät Verf. trotz seiner gelunge¬
nen Experimente stets zu unterbinden. Atheromatös entartete
und verkalkte Gefäße schließen natürlich die Verwendung der
Blunk-Klemme aus. Welche Vorteile kann nun die Blunk-
Klemme gewähren? Zunächst ist es ganz sicher vonnutzen,
wenn bei Operationen die Zahl versenkter Ligaturen in so
großem Maße, wie es die Blunk-Klemme erlaubt, und damit
die Möglichkeit einer Implantationsinfektion vermindert werden
kann. Ferner beschleunigt die Blunk-Klemme die Blutstil¬
lung an hängenden Arterienklemmen sehr bedeutend. Beson¬
ders auffallend ist dies bei Oberschenkelamputationen zu be¬
merken. Ferner ermöglicht die Blunk-Klemme zuweilen eine
rasche und sichere definitive Blutstillung an Stellen, wo Unter¬
bindungen gar nicht oder schwer anzubringen sind. Schaden
sah Verf. bisher nicht von der seit Monaten alltäglich angewen¬
deten Blunk-Klemme. Verf. glaubt, daß sie ein Instrument
ist, das nicht wieder aus dem Instrumentensckraxik des Chirur¬
gen verschwinden wird. Da man für einen Öperationssaal nur
einen Satz der Klemmen (5 Stück verschiedener Form) braucht,
und der Preis jeder Klemme 7.50 M. beträgt, so ist die Be¬
lastung des Etats keine erhebliche. K r.
Dr. Richard Lehmann (Berlin): Otitis media acuta mit peri¬
sinuösem Absceß und Abducenslähmung. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 29.)
Gradenigo hat vor einigen Jahren zuerst auf einen
Symptomenkomplex bei akuter und auch bei chronischer Otitis
media purulenta aufmerksam gemacht, wobei mit oder ohne
Mastoiditis unter ziemlich intensiven kontinuierlichen Schmer¬
zen in der betreffenden Kopfhälfte, speziell in der Temporal-
Parietalgegend, die zeitweise nach dem Auge ausstrahlen, eine
Lähmung oder Parese des Abducens der kranken Seite auftritt.
Die Lähmung trat in Gradenigos Fällen 20—60 Tage nach
Beginn der Mittelohrentzündung auf. Eine Reihe von Autoren
haben über analoge Fälle berichtet. Auch Verfasser hatte Ge¬
legenheit, einen derartigen Fall zu beobachten. Es handelte
sich um eine 47 jährige Frau, bei welcher fünf Wochen nach
Beginn einer Mittelohrentzündung der rechten Seite bei dauern¬
der Eitersekretion, leichten Temperatursteigerungen, gestörtem
Allgemeinbefinden eine rechtsseitige Abducenslähmung aui-
trat; es bestanden dabei ziemlich heftige Kopfschmerzen und
ein gewisses retrobulbäres Druckgefühi. . Als nach 14 Tagen
die Schmerzen fast unerträglich geworden, waren, willigte die
Kranke in die, ihr schon vorher vorgeschlagene Operation ein.
Nach Aufmeißelung, des Knochens in der Höhe der. Spina sup.ra
meatum wurde eine große, mit Eiter und Granulationen unge¬
füllte Höhle eröffnet. Die : Paukenhöhle zeigte sich gleichfalls
völlig mit Granulationen angefüllt, die mit dem scharfen Löffel
ausgekratzt wurden. Der Knochen zeigte sich in ziemlicher
Ausdehnung als erkrankt und mußte entsprechend reseziert
werden. Als dabei der Sinus freigelegt, wurde, quollen etwa T
1 bis. 1 (4; Teelöffel Eiter hervor. Der Sinus erwies sich selbst
als gesund, war jedoch mit schmierigen Granulationen bedeckt.
Die Wuudhöhle wurde mit Jodoformgaze. tamponiert. Der
weitere Verlauf war gut. die Alidiicenslähmung ging stetig zu¬
rück, die Wunde war 4! - Wochen nach der Operation verheilt
und die Hörschärfe auf dem Ohr; wurde wieder fast normal:
10 Wochen nach.der Operation, bestand nur noch eine ganz ge¬
ringe Abducensparese. t- Ais Ursache der Abducenslähmung
ergab die Operation also einen perisinuösen Absceß. Ent¬
weder hatte der Druck des Abscesses zur Lähmung geführt,
No. 61 .
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
oder es bestand neben der Perisinuitis noch eine zirkum¬
skripte Meningitis an der Pyramidenspitze, die zur Erkrankung 1
des Nerven führte. Verfasser hält letzteres für wahrscheinlich,
weil nach schneller Beseitigung der eigentlichen Lähmung die
Parese des Abducens noch eine Reihe von Wochen hindurch
bestand. 1 r. l.
II. Therapeutische Notizen.
Dr. Maetzke (Seidenberg) hat, wie er in der „Deutsch,
med. Wochenschrift“, 1910, No. 30, berichtet, in einem Falle
von schwerer Chorea bei einem 16 jährigen Mädchen,
welches zuvor ohne Erfolg mit Bromsalzen behandelt
worden war, durch Sabromin Heilung erzielt. Er gab an¬
fangs sechs Tabletten, später drei Tabletten täglich bei gleich¬
zeitiger vegetarischer Kost. Da der Bromgehalt von Sabromin
nicht sehr groß ist — sechs Tabletten ä 0,5 enthalten 0,9 g
Brom — so glaubt Verfasser, daß auch das im Sabromin ent¬
haltende Calcium (Sabromin ist das Calciumsalz der Dibrom-
behensäure) von Bedeutung für diese therapeutische Wirkung
gewesen ist.
Zur Tamponade und Drainage der Bauch¬
höhle nach Operationen empfiehlt Dr. A. Krecke (München)
in „Münch, med. Wochenschrift“, 1910, No. 31, das von ameri¬
kanischen Chirurgen angegebene Zigarettendrain. Dasselbe
wird in der Weise hergestellt, daß ein Stückchen Protectif Silk
mit zwei oder drei Streifen Vioformgaze gefüllt und nach Art
einer Zigarette aufgerollt wird. Die Gaze schaut an beiden
Enden aus der Hülle einige Zentimeter weit heraus. Das
Drain wird mit seinem einen Ende an den tiefsten Punkt der
zu tamponierenden Höhle eingelegt und mit dem anderen
Ende aus der Bauchhöhle herausgeleitet. Um das Zigaretten¬
drain herum kann die Bauchwunde fest verschlossen werden,
ohne daß die Ableitung des Sekrets irgend welche Störung
erleidet. Die Sekretableitung ist unter diesem Drainagemittel
eine sehr gute. Das Protectif Silk verklebt infolge seiner glatten
Oberfläche nirgendwo mit den Geweben, und es kann ein Flüssig-
Hfjitsstrom sich auch außerhalb des Protectifs zwischen ihm
lind den umliegenden Geweben ausbilden. Ein zweiter Flüssig-
kpilsstrom geilt durch die in dem Protectif Silk liegende Gaze-
schijcht hindurch. Ein weiterer Vorteil dieses Zigarettendrains
besteht darin, daß man mit seiner Hilfe auch eine blutende
Stelle tamponieren kann. Ferner läßt sich das Zigarettendrain
ohne jede Blutung und ohne jeden Schmerz von seiten des
Patienten entfernen. Statt der Vioformgaze könnte man noch
andere, Gaze, auch sterile Gaze, benutzen. Die Vioformgaze
hat den Vorzug, desodorierend zu wirken. Auch bei anderen
Operationen als in der Bauchhöhle kann man mit Vorteil diese
Silk-Vipformgazetamponade benutzen. Ein Mangel des
Zigarettendrains besteht darin, da sich das Protectif Silk weder
im Dampf noch im kochenden Wasser sterilisieren läßt; das
Silk verliert dabei seine Glätte und Schlüpfrigkeit. Man muß
das Silk i dabei in einer antiseptischen Flüssigkeit desinfizieren
und hat dann die antiseptische Lösung durch Eintauchen des
Silk injeiner antiseptischen Flüssigkeit zu entfernen. Verf.
reibt das Silk in 70 proz. Alkohol kräftig ab, legt es dann für
Va Stunde in 1 °/oo Sublimatlösung und spült es unmittelbar
vor dem, Gebrauch in Kochsalzlösung ab.
Dr. M. Gockel (Aachen) lenkt (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 31) die Aufmerksamkeit auf ein fast in Vergessen¬
heit geratenes Wurmmittel, das amerikanische Wurra¬
sa menöl Oleum Chenopodii anthelminthici. Dieses Mittel,
welches in Amerika offizineil ist, wurde schon vor 50 Jahren
als Anthelminthicum von den deutschen Aerzten gebraucht,
geriet aber später ganz in Vergessenheit. Vor einigen Jahren
untersuchte B r ü n i n g das Mittel von neuem im Rostocker
pharmakologischen Institut und wendete es darauf in der
Kinderpraxis mit sehr günstigem Erfolg bei Askariden an.
Trotzdem ist das Präparat bis jetzt ziemlich unbekannt ge¬
blieben. Gockel hatte Gelegenheit, es in zirka 50 Fällen
anzuwenden, er konnte feststellen, daß es bei Askariden fast
absolut sicher und in der zulässigen Dosis auch ganz ungiftig
wirkt, im Gegensatz zu dem häufig versagenden und nicht
selten auch in kleinen Dosen toxisch wirkenden Santonin.
Einige Patienten, bei denen Santonin versagt hatte, schieden
nach Ol. Chenopodii anthelminthici 12—25 Askariden aus. Der
Harn nimmt nach Einnahme des Mittels eine zitronengelbe
Färbung an, die bei Zusatz von Natronlauge rot wird. Bei
einzelnen Patienten war eine schnell verschwindende Schleim¬
absonderung in den Stühlen zu beobachten, wohl als Folge
einer akuten Hyperämie der Dünndarmschleimhaut. Hin
und wieder trat vorübergehendes Kopfweh, häufiger jedoch
Uebelkeit mit vereinzeltem Erbrechen auf, wohl infolge des
schlechten Geschmacks des Oels. Um dies zu verhüten, gibt
man das Ol. Chenopodii in Verbindung mit Menthol mit heißem
Milchkaffee und läßt die Patienten einige Stunden das Bett
573
hüten. Mit Zuckerwasser oder Himbeersaft ist das Mittel kaum
genießbar. Nur bei kleinen ändern kann man es in dieser Form
bei zugehaltener Nase, nehmen lassen. Um einen ganz sicheren
Erfolg zu haben, nimmt man die Kur bei möglichst leerem
Magen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vor. Man verab¬
reicht an jedem Tage zwei Stunden nach der letzten Dosis je
nach dem Alter V 2 —2 Eßlöffel Ol. Ricini in Bierschaum,
schwarzem Kaffee oder Gelatinekapseln. Die Einzeldosis be¬
trägt 8—16 Tropfen Ol. Chenopod. je nach dem Alter, Kinder
zwischen sechs und acht Jahren gibt man 8 Tropfen, zwischen
9 und 10 Jahren 10 Tropfen, bei 11—16 jährigen 12 Tropfen,
Pat. über 16 Jahre 12—16 Tropfen. Für Erwachsene verordnet
man:
01. Chenopodii anthelminthic.gtt. 16
Menthol.0,2 g
Misces dentur tal. doses No. VI ad capsul. gelatinös.
S. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen je 3 Kapseln (zwei¬
stündlich 1 Kapsel) mit heißem Milchkaffee vormittags zu
nehmen.
Auch in Geloduratkapseln hat G. neuerdings das Mittel
mit Erfolg verabreicht. Der häßliche Nachgeschmack blieb
dabei aus. R. L.
III. Bücherschau.
Atlas lind Grundriß der zahnärztlichen Orthopädie. Von Emil
Herbst in Bremen. Lehmanns mediz. Handatlanten,
Bd. XXVL 402 S. München 1910, J. F. L eh m a nn.
Der vorliegende Atlas und Grundriß beschäftigt sich mit
einem Spezialgebiet der zahnärztlichen Technik, welches erst
in neuerer Zeit zu seiner überaus großen Vollendung gelangt
ist. Es werden in ihm alle die technischen Methoden in großer
Ausführlichkeit beschrieben, welche darauf abzielen, Stellungs¬
anomalien des Gebisses zu korrigieren, sei es, daß diese in den
Alveolus selbst oder in den Kiefer oder auch in den benach¬
barten Organen (Nase, Gaumen etc.) ihre Gründe haben.
Das Buch ist in erster Linie für Zahnärzte geschrieben und
setzt naturgemäß die genaue Kenntnis der theoretischen Zahn¬
heilkunde voraus. — Einige Kenntnisse auf diesem Gebiet sind
gleichwohl auch für den allgemein praktizierenden Arzt nütz¬
lich, um gegebenen Falles in der Familienpraxis mit Rat einzu¬
greifen. Aus diesem Grunde seien die Kollegen auf das treff¬
liche Buch, das ihnen zweifellos viele wichtige Neuheiten
bringen wird, aufmerksam gemacht. H. L.
Ueber (len ursächlichen Zusammenhang von Nase und Ge¬
schlechtsorgan. Zugleich ein Beitrag zur Nervenphysiologie.
Von Wilhelm Fliess. Zweite vermehrte Auflage. Halle a. S.
1910, Carl Mar hold, Verlagsbuchhandlung. 60 S.
1,50 M.
Die Theorie des Verfassers über die Beziehungen zwischen
der Nase und den weiblichen Geschlechtsorganen hat seiner¬
zeit viel Aufsehen erregt, es entbrannte zwischen den An¬
hängern und den Gegnern der Fliess sehen Lehre ein hef¬
tiger Streit darüber, ob es sich nur um Suggestion handelt,
oder ob der von Fliess behauptete Zusammenhang ein tat¬
sächlicher ist. Dieser Streit ruht auch heute noch nicht, doch
hat die Zahl der Anhänger der Fliess sehen Lehre unter den
Frauenärzten sowohl wie unter den Rhinologen entschieden
zugenommen, und die von.Fliess begründete nasale Behand¬
lung der Dysmenorrhoe behauptet sich in der Therapie. Die
vorliegende zweite Auflage der Schrift von Fliess, in wel¬
cher er seine Theorie auseinandersetzt, wird von neuem das
Interesse weiterer Kreise auf diesen Gegenstand lenken. Von
Bedeutung ist darin besonders der Versuch des Verfassers,
eine enge Beziehung der von ihm entdeckten Tatsachen mit
den von H e a d entdeckten hyperalgetischen Hautzonen her¬
zustellen, worauf er die Ausdehnbarkeit der nasalen Therapie
auch auf andere neuralgische Affeklionen, z. B. den Herpes
Zoster, begründet. In theoretischer Hinsicht von Interesse sind
dann noch die Darlegungen des Verfassers über den Zu¬
sammenhang der H e a d sehen Zonen mit dem segmentären
Aufbau des Wirbelkörpers. — Im letzten Abschnitt setzt sich
Fliess in temperamentvoller Weise mit seinen wissenschaft¬
lichen Gegnern auseinander.
Leitfaden der Riintgenphysik. Vorträge über die physikali¬
schen Grundlagen der Röntgenapparate. Von Dr. Robert
Fürstenau (Berlin). Mit 61 Abbildungen. Stuttgart 1910,
Verlag von Ferdinand Enke. 91 S. 3 M.
Der Verfasser beabsichtigt in der vorliegenden Schrift den¬
jenigen Aerzten, welche praktisch mit Röntgenapparaten zu
tun haben, einen Leitfaden an die Hand zu geben, welcher die
der Röntgentechnik zugrunde liegenden Erscheinungen aus
dem Gebiet der Elektrizität und des Magnetismus in einer dem
Verständnis des Nichtphysikers angepaßten Darstellung kurz
und bündig erläutert. Diese Aufgabe hat der Autor in durch¬
aus zufriedenstellender Weise gelöst. Er verfügt über die
574 _-_THERAPEUTISCHE
Fähigkeit, auch verwickeltere -Erscheinungen Laien auf physi¬
kalischem Gebiet zum Verständnis .zu bringen, und als Phy¬
siker, welcher den Gegenstand theoretisch und praktisch in
jeder Hinsicht beherrscht, hat er es verstanden, aus dem großen
Gebiet das für den Röntgenologen Wissenswerte mit ziemlicher
Vollständigkeit auszuwählen und darzustellen. Man findet in
dem Buch zunächst die theoretischen Grundlagen der Elektrizi¬
tätslehre, und zwar vom modernen Standpunkt der Elektronen¬
theorie aus erörtert, dann folgt die Beschreibung der Strom¬
erzeugung und der Einrichtungen, die zur Fortleitung und Ver¬
teilung der elektrischen Energie dienen, ferner werden die
wichtigsten Meßapparate besprochen. Mit größerer Ausführ¬
lichkeit werden dann die zur Speisung der Röntgenröhren
dienenden Apparate (Funkeninduktoren usw.), auch die
Röntgenröhren selbst behandelt. Wir vermissen hier nur eine
genauere Beschreibung der in der Praxis zur Messung der
Röntgenstrahlen dienenden Methode (Dosimeter). Es handelt
sich hierbei allerdings um ziemlich rohe Annäherungs¬
methoden, aber der praktische Zweck des Buches hätte ein
näheres Eingehen auf diesen Gegenstand gerechtfertigt. — Die
zahlreichen Abbildungen ergänzen den Text in zweckent¬
sprechender Weise. R. L.
IV. Tagesgeschichte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, sozial«
Medizin etc.
Straßburg. Der Aerztlich-hygienische Ver¬
ein für Elsaß-Lothringen hatte am 30. Januar d. J. an
das Ministerium eine Eingabe gerichtet, in der die Errichtung
staatlicher ärztlicher Ehrengerichte mit Exekutivgewalt für
Elsaß-Lothringen befürwortet wurde, und zwar auf Grund einer
Rundfrage, bei der von 300 Vereinsmitgliedern 216 sich für
Ehrengerichte ausgesprochen hatten. Die elsaß-lothringische
Regierung hatte auf diese Eingabe die Aerztekam m e r
aufgefordert, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen. In
ihrer letzten Sitzung hat nun die Majorität der Kammer nach
längerer Debatte, in der sowohl FTeuude wie Gegner der staat¬
lichen Ehrengerichte zum Wort kamen, sich gegen die ge¬
plante Institution ausgesprochen. Nach einer Rundfrage, die der
Vorstand des Kartells Elsässischer Aerztevereine über die
Ehrengerichte veranstaltet hätte, waren von 345 Aerzten 249
gegen ihre Einführung.
Zwickau. Der Rat hat die neubegründete Stelle eines
Stadtbezirksarztes ausgeschrieben. Der Stelleninhaber hat die
Geschäfte des städtischen Polizeiarztes und die des
Leiters der Irrenstation im Stadtkrankenhause, falls
eine solche eingerichtet wird, ohne besondere Ent¬
schädigung mit zu übernehmen. Das Stelleneinkommen
(mit Pensionsberechtigung) ist auf 3000 M., innerhalb 15 Jahren
bis zum Höchstgehalt von 4500 M steigend, festgesetzt. „Privat¬
ärztliche“ Tätigkeit wird daneben dem Stadtbezirksarzte ge¬
stattet. Wir glauben nicht, daß der Magistrat der Stadt Zwickau
bei einer so mäßigen Dotierung der Stelle eine besonders her¬
vorragende Kraft für den neuen Posten erhalten wird; die Er¬
laubnis, nebenbei eine Tätigkeit als frei praktizierender Arzt
auszuüben, mag wohl für Krankenhausleiter einen gewissen
Ersatz bei unzureichend entlohnter amtlicher Tätigkeit dar¬
stellen, nicht aber für einen mit der Wahrnehmung polizei¬
licher Funktionen betrauten Arzt, zu dem sich das Privat¬
publikum erfahrungsgeihäß nicht eben hingezogen fühlt —
wenn anders die gewissenhafte Ausübung der amtlichen Tätig¬
keit überhaupt noch Zeit für derartigen Nebenerwerb übrig
läßt!
München. Als Beitrag zum Kapitel „Aerzteinangel auf
dem Lande“ brachten kürzlich die ..Münch. Neuesten Nachrich¬
ten“ folgende Notiz, die auch auf viele Stadtärzte zutreffen
dürfte und ein trostloses Bild von den ärztlichen Ein¬
kommensverhältnissen entwirft: Mein ärztlicher Landposten
gilt bei meinen Kollegen und beim Publikum als einer der
besten; letzteres schätzt mein Einkommen auf 15 000 bis
20 000 M. Tch stelle nicht in Abrede, daß ich zu gewissen
Zeiten von früh morgens bis spät abends ununterbrochen be¬
schäftigt bin; es kommt aber auch vor, daß sich mein Brutto¬
verdienst monatlich nur auf 500 M. beläuft, dazu kommt noch
der schleppende Eingang der Außenstände, der sich oft auf
drei bis vier Jahre erstreckt. Ich bin jetzt 35 Jahre praktisch
tätig, habe seit dieser Zeit mein Bruttoeinkommen von Tag zu
Tag gewissenhaft verzeichnet und habe im Durchschnitt jähr¬
lich etwa 5500 M. verdient. Die Gegend, in der ich praktiziere,
gilt für die reichste Niederbayerns. Mein Praxisbezirk umfaßt
etwa 4000 Seelen. Die Ausgaben, die mein Beruf erfordert, be¬
rechnen sich im Durchschnitt jährlich auf 2934 M. Dazu kom¬
men noch Auslagen für Lebens-, Haftpflichtversicherung und
Fachliteratur, im ganzen jährlich etwa 130 M. Die Reinein¬
nahme beträgt demnach jährlich 2436 M.“
RUNDSCHAU 191 0. No. 37.
Lübeck. Die unbefriedigenden Verhältnisse, die für
die angehenden Aerzte durch die mangelhafte Rege¬
lung der Institution des praktischen Jahres geschaffen sind,
werden durch einen hier vorgekommenen Fall beleuchtet, der
ein Seitenstück zu dem viel besprochenen Fall des Kreis¬
krankenhauses zu Britz bildet. 1 Der Fall selbst trug sich
bereits im Mai des verflossenen Jahres zu; in die volle Oeffent-
lichkeit aber ist er erst durch die am 21. Juli d. J. in der
Bürgerschaft zu Lübeck erfolgte Erörterung gelangt. Nach der
von unserem Kollegen, dem Bürgerschaftsmitglied Dr.
Schlomer dort gegebenen Darstellung, deren Richtigkeit
zu bezweifeln kein Grund vorliegt, ist der Tatbestand folgen¬
der. Der Medizinalpraktikant Dr. M. M. aus Marienwerder
traf am 10. Mai 1909 in Lübeck ein, nachdem er schriftlich auf
drei Monate mit einem Gehalt von 50 M. und freier Station
für das städtische Krankenhaus verpflichtet war. Er meldete
sich sofort und wurde aufgefordert, sich in das Kasino der
Assistenz- und Volontärärzte zu begeben. Sofort nach seinem
Eintreten bemerkte er, daß er, ehe die anwesenden Aerzte
Gelegenheit hatten, ihn kennen zu lernen, „geschnitten“ wurde
und daß alle seine Versuche, persönliche Beziehungen anzu¬
knüpfen vergeblich waren. Dies wiederholte sich sowohl am
Abend desselben als auch im Laufe des folgenden Tages.
Am dritten Tage erhielt er endlich Aufklärung. Er wurde von
dem Sekundärarzt der chirurgischen Abteilung Dr. B r e w i 11
in dessen Zimmer gerufen und es wurde ihm eröffnet, daß die
Volontär- und Assistenzärzte seinen Austritt aus dem Kranken¬
hause wünschten. Dr. M. bat darauf um Mitteilung der Gründe,
diese aber zu nennen weigerte sich Dr. Brewitt. Dr. m!
wandte sich darauf an den Oberarzt Dr. Hof sta etter, er¬
hielt jedoch nur den Bescheid, er (H.) kümmere sich um die
persönlichen Angelegenheiten nicht, im Interesse des Dienstes
aber wünsche er ein friedliches Zusammenarbeiten der Aerzte,
und wenn die anderen sich geweigert hätten, mit ihm (M.) zu
arbeiten, so bitte er diesem Wunsche der Aerzte nachzugeben.
Dr. M. ist Jude und vermutete, daß darin der Grund seiner'
Boykottierung läge; doch keiner der beteiligten Aerzte gab-
diesen Grund zu. Im Herbst 1909 erschien jedoch in deh
„Aerztl. Mitteilungen“ eine Annonce, laut deren für daä
Lübecker städtische Krankenhaus ein Assistenzarzt Christ4
lieh er Konfession gesucht wurde. Mittlerweile ließ Dr. Mb
durch seinen Rechtsbeistand von der Krankenhausverwaltung'
Schadenersatz fordern, worauf ihm die Hälfte der ihm Er¬
wachsenen Unkosten ausgezahlt wurde, er beschwerte sich
ferner beim Senat und beim Ehrengericht über das Verhalten
der Krankenhausärzte, wurde aber von beiden Stellen altge¬
wiesen. Der Senat antwortete kurzerhand, die Sache
sei erledigt, auf die Gründe könne er nicht eingeheui das
Ehrengericht lehnte ein Einschreiten mit der nichtssagenden
Motivierung ab, daß „die ablehnende Haltung der Assistenz¬
ärzte vielmehr durch persönliche, nicht durch religiöse Momente
beeinflußt gewesen zu sein scheine“. Welche persönlichen
Momente Vorlagen, wird in dieser Entscheidung ebensowenig
gesagt, wie dies Dr. M. durch mündliches Befragen der Ober¬
ärzte hatte erfahren können. — In der Bürgerschaftsversamm¬
lung vom 21. Juli verlangte Dr. Schlomer, daß den Senat
den Krankenhausärzten seine Mißbilligung über das Vor¬
kommnis ausspreche. Der zuständige Senator Dr. Kalk-
brenner erwiderte, zu einem Rüffel an die Krankenhaus¬
ärzte liege kein Grund vor; er berichtete bei dieser Gelegen¬
heit, der Vorstand der Lübecker jüdischen Gemeinde habe sich
beim Senat über das oben erwähnte Inserat beschwert, die
daraufhin angestellte Untersuchung habe ergeben, daß die
Fassung des Inserats lediglich mit Rücksicht auf die augenblick¬
lichen Verhältnisse, namentlich die beschränkten Raumverhält¬
nisse und den Mangel an Aerzten gewählt worden sei. (Eine
wahrhaft klassische Begründung! Red.) Hiernach habe der
Senat der Vorsteherschaft zu erkennen gegeben, daß er jenes
Inserat nicht gutheiße. — Mit diesen Erklärungen begnügte
sich die Bürgerschaft. —
Die Lübecker Behörden haben somit in dieser leidigen
Angelegenheit dasselbe laue Verhalten gezeigt wie die
preußische Regierung in dem Britzer Falle. Nach dem von
beiden eingenommenen Standpunkt hat tatsächlich bei der
gegenwärtigen Gesetzeslage kein Medizinstudierender mehr die
Sicherheit, nach bestandener Staatsprüfung die Approbation
als Arzt erlangen zu können; denn ans denselben „persön¬
lichen“ Gründen, die im Falle des Dr. M. herhalten mußten,
könnte z. B. ein Mediziner, der mit einem äußerlich erkenn¬
baren körperlichen Gebrechen behaftet ist, von sämtlichen zur
Annahme von Praktikanten berechtigten Anstalten des Deut¬
schen Reiches abgewiesen werden! Diesem unhaltbaren Zu¬
stande muß die Gesetzgebung schleunigst ein Ende machen:
es ist eine Ergänzung der Prüfungsordnung zu fordern, durch
die den zur Annahme von Medizinalpraktikanten berechtigten
Anstalten die Zurückweisung qualifizierter Bewerber um
vakante Praktikantenstellen nur beim Vorliegen triftiger
Gründe erlaubt wird.
No. 37.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
orö
Universitiitswcson, Personal na eil richten. Paris. Die Tagesordnung des am 3. Oktober 1. J. be¬
ll e r 1 i n. Dem Stabsarzt Dr. Hübener der sich durch ginnenden französischen Chirurgenkongresses enthält als
eine Reihe von wissenschaftlichen Publikationen besonders Hauptthemata die Fragen: 1. Chirurgische Behandlung .der
bakteriologischen Inhalts bekannt gemacht hat ist der Pro- Basedowsehen Krankheit; 2. Chirurgische Behandlung des
fessortitel verliehen worden. ’ Duodenalgeschwürs; 3. Unmittelbare und Dauerresultate der
Landsberga. W. Im Alter von 62 Jahren starb hier- blutigen Behandlungsmethoden der A'ancen der unteren Ex¬
selbst der Direktor der Provinzialirrenanstalt Geh. Sanitätsrat ! tremität.
Dr. Hermann Gock, langjähriges Vorstandsmitglied der [
Berlin-Brandenburgischen Aerztekammer. Die ihm unterstellte
Anstalt leitete er seit 22 Jahren.
G ö 11 i n g e n. Dr. Wolf gang Heubner, außer¬
ordentlicher Professor und Direktor des pharmakologischen i
Universitätsinstituts ist zum ordentlichen Professor ernannt
worden.
Marburg. Der außerordentliche Professor der Otologie |
Dr. Paul Ostmann ist zum ordentlichen Honorarprofessor
ernannt worden. — Der außerordentliche Professor der j
Pharmakologie Dr. August Gürber ist zum ordentlichen '
Professor befördert worden.
Leipzig. Der Privatdozent der Neurologie an der hiesi¬
gen Universität Dr. Friedrich Q u e n s e 1 ist als Nach¬
folger des .verstorbenen Prof. Windscheid zum Chefarzt i
der berufsgenossenschaftlichen Nervenheilanstalt in Schkeu¬
ditz (Provinz Sachsen) gewählt worden. Seine Leipziger
Dozentur wird er daneben beibehalten.
— Der erste Assistent am Chirurgisch-poliklinischen Uni¬
versitätsinstitut Dr. med. Cu rt Maclean, ist zum Direktor
des Stadtkrankenhauses zu Wurzen gewählt worden.
Wien. Dr. Viktor W i d a k o w i c h hat sich für
Embryologie habilitiert.
Bern. Der schweizerische Oberfeldarzt Oberst
Dr. A. Murset ist gestorben.
Paris. Der , Professor der Anatomie an der medizini¬
schen Fakultät Dr. J. H. F a r a b e u f ist im Alter von 69 Jah¬
ren gestorben.
Cannes. Dr. Mary A. Marshall, eine der ältesten
Aerztinnen Europas, ist, 73 Jahre alt, gestorben.
Neapel. Dem leitenden Arzt des deutschen Kranken¬
hauses in Neapel Dr. med. Karl Graeser ist von der
preußischen Regierung das Prädikat Professor beigelegt worden.
Floren z. Im Alter von fast 79 Jahren ist Anfang vori¬
ger Woche der bekannte Physiologe und Anthropologe Prof.
Dr. Paolo Mantegazza gestorben. 1831 in Monza ge¬
boren, studierte er in Pavia und wurde dort 1854 Arzt. Die
folgenden, vier Jahre wirkte er in den südamerikanischen
Staaten Argentinien und Paraguay als Arzt. Nach der Heimat
zurückgekehrt, hielt er zunächst populäre Vorlesungen über
Hygiene in Mailand und erhielt kurz darauf auf Grund eines
öffentlichen Wettbewerbs die Stelle als Professor der allge¬
meinen Pathologie an der Universität Pavia, wo er alsbald ein
Laboratorium für experimentelle Pathologie, das erste meiner
Art in Italien, ins Leben rief. 1870 ging M a n t e ga z z a als
Professor der Anthropologie nach Florenz wo er ein ethno¬
graphisch-anthropologisches Museum gründete. Politisch be¬
tätigte er sich 1865 bis 1876 ab Deputierter; 1876 wurde er,
zum Senator des Königreiches Folien ernannt. Mantegazza
ist weit über den engeren Kre : s. seiner. Fachgenossen hinaus
durch seine umfassende Tätigkeit als populär-wissenschaft¬
licher Schriftsteller bekannt geworden, als welcher er
teils Reisebeschreibungen, die Frucht zahlreicher Welt¬
reisen, teils die bekannten auch ins Deutsche übersetzten
Werke über die Physiologie und Hygiene der Liebe, die Phy¬
siologie des Genusses und des Schmerzes etc. lieferte. Auch
eine anthropologische Zeitschrift hat er begründet.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Königsberg. In einer Gesamtsitzung der medizini¬
schen Hauptgruppe der 82. Naturforscherversanimlung in
Königsberg (18.—25. September) wird Prof. Neisser (Bres¬
lau) über die Behandlung der Syphilis sprechen. Im Anschluß
daran sprechen in der dermatologischen Abteilung u. a. Alt
(Uchtspringe), Schreiber (Magdeburg), Pick (Wien) und
M i e c k 1 e y (Berlin) über die Behandlung der Syphilis mit dein
neuen Ehrlich sehen Präparat No. 606, B 1 a s c h k o (Berlin)
über die Behandlung der Syphilis auf Grund unserer neuen
Kenntnisse. Ehrlich (Frankfurt a. M.) wird vermutlich an
der Versammlung teilnehmen.
Petersburg. Wie jetzt mitgeteilt wird, ist es den Be¬
mühungen des Organisations-Komitees des internationalen
Gynäkologeu-Kongresses gelungen, für sämtliche Besucher des
Kongresses ohne Rücksicht auf deren Konfession die bekannten
russischen Paßschwierigkeiten zu beseitigen. Außerdem ge¬
währen die russischen Eisenbahnen den Kongreßmitgliedern
50 pCt. Ermäßigung. Die Cholerabefürchtungen (zu denen
allerdings jetzt noch die Pestgefahr getreten ist. Red.)
sollen „nach zuverlässigen Mitteilungen aus Petersburg“ stark
übertrieben sein. (Weshalb sich eigentlich die Gynäkologen
um die Geburt dieses soviel diplomatische Kunsthilfe er¬
fordernden Kongresses bemühen, ist schwer zu sagen. Red.)
Gerichtliches.
Leipzig. Eine „Heilmagnetiseurin“ hatte einem Kauf¬
mann dadurch den Verlust eines Auges verursacht, daß sie
ihm bei einer magnetischen Prozedur, die an Stirn und Schläfe
vorgenommen wurde, Trippergift ins Auge brachte, daß sie
von vorher von ihr behandelten unterleibskranken Personen,
au den Fingern zurückbehalten hatte. Sie wurde vom Land¬
gericht und Oberlandesgericht zu Nürnberg zum Schadenersatz
auf Grund der ihr nachgewiesenen Fahrlässigkeit ver¬
urteilt; das Reich s g e r i c h t hat kürzlich die Entscheidungen
der Vorinstanzen bestätigt.
Verschiedenes.
Berlin. Das Kuratorium der Zentralstelle für Balneo¬
logie hat den Abteilungsvorsteher am Meteorologischen Insti¬
tut, Herrn Prof. Dr. Kassner, beauftragt, Untersuchungen
über das Thema anzustellen: „Welche Sommermonate eignen
sich am meisten für eine klimatische Kur in Deutschland auf
Grund meteorologischer Beobachtungen.“ Gleichzeitig wurden
auf Vorschlag und unter der Oberleitung von Geheimrat Prof.
Zunt z im Physiologischen Institut der Landwirtschaftlichen
Hochschule Versuche über den Einfluß von Mineral-
Wasserkuren und klimatischen.Einflüssen auf
das Zentralnervensystem begonnen. Die Mittel für
die Untersuchungmen werden von der Zentralstelle für Balneo¬
logie bereitgestellt.
— Die Grundzüge der modernen Phy-
chologieund Psychiatrie betrifft ein Zyklus von Vor¬
trägen, der vom preußischen Zentralkomitee für das
ärztliche Fortbildungswesen unter Mitwirkung
hervorragender deutscher Psychiater im Kaiserin Friedrich-
Hause in Berlin von Anfang November bis Mitte Dezember
veranstaltet wird. Der Zyklus umfaßt folgende Themen:
1. Die psychologischen Probleme in der Heilkunde (Geheimer
Med.-Rat Prof. Dr. Ziehen [Berlin]). 2. Die Beziehungen
der experimentellen Psychologie zur praktischen Medizin, ins¬
besondere zur Psychiatrie (Prof. Dr. Sommer [Gießen]).
3. Psychotherapie (Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Cr am er [Göttin¬
gen]). 4. Sexual-Psychalogie und -Pathologie (San.-Rat Dr.
Moll [Berlin]). 5. Die Aufgaben der ärztlichen Praxis bei
der Fürsorge für psychisch Kranke (Geh. Med.-Rat Prof. Dr,
Moeli [Berlin]). 6. Die psychiatrische Sachverständigen-
Tätigkeit (Prof. Dr. Aschaffe u bürg [Cöln]). 7. Einfache
Seelenstörungen (Geh. Hofrat Prof. Dr. H o c h e [Freiburg
i. Br.]). 8. Infektions- und autotoxische Psychosen (Geh. Med.-
Rat Prof. Dr. Siemerling [Kiel]). 9. Alkohol-, Alkaloid-
und andere Vergiftungs-Psychosen (Geh. Med.-Rat Prof. Dr.
Bonhoeffer [Breslau]). 10. Progressive Paralyse (Geh.
Med.-Rat Prof. Dr. Anton [Halle a, S.]). 11. Neuro-Psy-
chosen (Med.-Rat Prof. Dr. Binswanger [Jena]). .12. Die
traumatischen Psychosen mit Berücksichtigung der Unfall-
Gesetzgebung (Med.-Rat Dr. Leppmann [Berlin]). 13. Die
Beurteilung psychopathischer Konstitutionen, sog. psychischer
Minderwertigkeit (Prof. Dr. H. Li ep mann [Berlin]). 14. Mo¬
derne Anstaltsbehandlung von Geisteskranken (Prof. Dr. A 11
[Uchtspringe]). Die nur Aerzten zugängigen Vorträge sind
unentgeltlich; Meldungen sind vom 6. Oktober an Herrn Z ü r t z
im Kaiserin Friedrich-Hause, Berlin NW. 6, Luisenplatz 2—4,
zu richten.
Cöln. Der Herbstkursus der Akademie für praktische
Medizin zu Cöln dauert vom 2.—19. November. Die Vorträge
dieses Kursus erstrecken sich auf innere Medizin und ihre
Grenzgebiete. Die Einschreibgebühr beträgt 10 M.
Frankfurt a. M. Im Aufträge der Senckenbergi-
schen Naturforschenden Gesellschaft veranstaltet Dr. P. S a c k
in Frankfurt a. M. eine Erhebung i)ber das Vorkommen
der Anopheles-Mücke in Deutschland. Bekanntlich gibt es in
Deutschland noch eine Anzahl endemischer Malariaherde,
so z. B. am Rhein, in Thüringen, in den Marschbezirken an der
Nordsee. Eine Feststellung der Verbreitung der Anopheles¬
mücken ist im Interesse der Malariabekämpfung sehr er¬
wünscht. Es ergeht dalier die Bitte an alle Forscher und
Sammler, die Erhebung der S e n c ke n b e r g i schen Gesell¬
schaft durch geeignete Angaben und Einsendung von Material
zu unterstützen. Da der in Deutschland am meisten verbreitete
Anopheles macüiipennis sehr oft mit dem sehr ähnlichen
Culex annulatus verwechselt wird, sö sind die Fundortangaben
meist nur dann zuverlässig, wenn die Stechmücken von einem
Kenner der Kulizideu bestimmt sind. In allen Fällen, in denen
die Bestimmung nicht vollständig sicher ist, ist die Ueber-
Ö76
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 37.
,. ■ -Rndung der verdächtigen Mücken empfehlenswert. Am ein¬
fachsten werden die Tiere in 70 proz. Alkohol in Glastuben als
„Muster ohne Wert“ verschickt. Einer Beschädigung durch die
in der Flüssigkeit herumspielenden Luftblasen wird leicht da¬
durch vorgebeugt, daß man einen dichten Wattepfropfen so in
den Alkohol eiusehiebt. daß sich unter der Watte keine Luft¬
blasen mehr finden. Nähere Auskunft erteilt das Seneken-
h er. gische Museum, Frankfurt a. M., Viktoriaallee 7, an das
auch alle Zusendungen zu richten sind. T _
Choleranachrichten. Die gegen die Einschleppung der
Cholera getroffenen Maßregeln haben sich bisher bewährt, in¬
dem in B e r 1 i n noch kein einziger, und in Spandau außer
den beiden in der vorigen Nummer berichteten Fällen nur e i n
neuer Fall konstatiert ist. Leider hat nach anfänglich gutem
Verlauf der Krankheit auch der zweite Fall tätlich geendet.
V. Amtliche Mitteilungen
Zu besetzende Stellen von Medizmalbeamten.
1. Die Kreisarztstelle des Kreises Gardelegen,
Regierungsbezirk Magdeburg, mit dem Amtssitz in Gardelegen
(Gehalt nach Maßgabe des . Dienstalters 2100 bis 3900 M..
Stellenzulage von 450 M. und 240 M. Amtsunkostenentschädi¬
gung jährlich);
2. die Kreisarztstelle des Kreises Jerichow II, Regie¬
rungsbezirk Magdeburg, mit dem Amtssitz in Gent hin (Ge¬
halt nach Maßgabe des Dienstalters 2100 bis 3900 M.. Stellen¬
zulage von 1350 M. und 240 M. Amtsunkostenentschädigung
jährlich);
3. die Kreisarztstelle des Kreises Regenwalde, Regie¬
rungsbezirk Stettin, mit dem Amtssitz in Labes (Gehalt
nach Maßgabe des Dienstalters 2100 bis 3900 M„ Stellenzulage
450 M. und 240 M. Amtsunkostenentschädigung jährlich);
4. die Kreisassistenzarztstelle für den ' Kreisarztbezirk
Kattowitz, Regierungsbezirk Oppeln, mit dem Amtssitz in
K a 11 o w i t z (jährliche Remuneration 2000 M.).
(Veröffentlicht am 1. September.)
Bekanntmachung.
Da in Spandau zwei Fälle von Cholera festgestellt worden
sind, sehe ich mich veranlaßt, die Herren Aerzte und die zur
Anzeige von Choleraerkrankungen sonst verpflichteten Per¬
sonen an die Vorschriften in den §§ 1 bis 5 des Reichsgesetzes,
betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten
vom 30. Juni 1900 (R.-G. Bl. S. 306) zu erinnern und sie zu er¬
suchen, vorkommendenfalls dieser Pflicht in sorgsamster und
schleunigster Weise zu entsprechen. .
Nach jenen Bestimmungen ist jede Erkrankung und jeder
Todesfall au Cholera (asiatischer), sowie jefler Fall, welcher den
Verdacht dieser Krankheit erweckt, der für den Aufenthaltsort
des Erkrankten oder den Sterbeort zuständigen Polizeibehörde
unverzüglich mündlich oder schriftlich anzuzeigen.
Wechselt der Erkrankte den Aufenthaltsort, so ist dies so¬
fort bei der Polizeibehörde des bisherigen und des neuen
Aufenthaltsorts zur Anzeige zu bringen.
'* ; ■ Zur Anzeige sind verpflichtet:
1. Der zugezogene-. Arzt.
2. Der' Haushaljungsvorstand.
3. Jede sonst'mit’der Behandlung oder'Pflege des Erkrank¬
ten beschäftigte Person:
4. Derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Er-
krankungs-mder Todesfall sich ereignet hat.
5. Der Leichenbeschauer.
Die Verpflichtung der. .unter. No.. 2 bis 5 genannten Per¬
sonen tritt nur dann ein, wenn ein früher genannter Verpflich¬
teter nicht vorhanden ist.
Für Krankheits- und Todesfälle, .welche sich in öffentlichen
Kranken-, Entbindungs-, Gefangenen-, Pflege- und ähnlichen
Anstalten ereignen, ist.der Vorsteher der Anstalt oder die von
der zuständigen Stelle damit beauftragte Person ausschließlich
zur Erstattung der Anzeige verpflichtet: .
Auf Schilfen oder- Flössen gilt als Haushaltungsvorstand
(siehe No. 2) der Schiffer oder Floßführer oder deren Stellver¬
treter. Die Herren Aerzte, sowie die Vorstände der oben ge¬
nannten Anstalten bitte' ich, die etwaigen schriftlichen Anzeigen
bei Choleraerkrankungen und choleraverdächtigen .Fällen auf
den in ihrem Besitze be'findlichen Kartenbriefen zu erstatten.
Die Anzeige selbst ersuche ich, wie schon auf der Adresse
kenntlich gemacht worden ist,-gleich den übrigen Krankheits¬
meldungen der Sanitätskommission ungesäumt in jedem ein¬
zelnen Falle einsenden zu wollen.
Die übrigen außer dem-j.behandelnden Arzte zur Anzeige
verpflichteten Personen«? ersuche ..ich. dagegen, vorkommenden¬
falls die Anzeige bei dem zuständigen Polizeirevier unverzüg¬
lich mündlich oder schriftlich zu erstatten.
Bei Erkrankungen auf Schiffen oder Flössen ist «die Anzeige
von dem Schiffer oder Floßführer dem der Anlegestelle zu¬
nächst gelegenen Polizeirevier zu machen.
Ich weise schließlich noch dä'rauf hin, daß als Cholera-
v e rdächtige Erkrankungen insbesondere heftige
Brechdurchfälle aus unbekannter Ursache anzusehen sind.
Berlin, den 29. August 1910.
Der Polizeipräsident.
I. V.: Friedheim.
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: Dr.
B e r t h o 1 d in Königsberg, San.-Rat Dr. Hein in Inster¬
burg, Sah.-Rat Dr. Ober ü b e r in Pr.-Eylau, Dr. R e g g e in
Gumbinnen, Dr. Schellong in Königsberg, San.-Rat Dr.
Sinn eck er in Insterburg, San.-Rat Dr. Stoltenhoff
in Kortau. Kreisarzt Med.-Rat Dr. Wollermann in
Heiligenbeil, San.-Rat Dr. B 1 e y e r in Elbing. Dr. Farne
in Danzig, Kreisarzt Med.-Rat Dr. Hasse in Flatow, Kreis¬
arzt Med.-Rat Dr. Richter in Elbing, Dr. Schroeter
und Dr. Storp in Danzig.
Koni gl. Kronen-Orden 3. KL: Geh. Med.-Rat Dr.
Kroemer in Conradstein.
Rote Kreuz-Medaille 3. Kl.: Med.-Rat Dr. S t u m m in
Königsberg.
Charakter als Geheimer Medizinalrat: Kreisarzt
Med.-Rat Dr. Vossius in Marggrabowa.
Charakter als Sanitätsrat: Dr. Bo 11e in Rhein, Dr.
Dubbers in Allenberg, Dr. Ehm in Bischofstein, Dr.
Seidel in Allenstein, Dr. Schustehrus in Danzig.
Prädikat Professor: Stabsarzt Dr. Hübener in Berlin.
Ernannt: Kreisassistenzarzt Dr. Schweitzer in Katto¬
witz zum Kreisarzt daselbst, Assistent am Hygienischen In¬
stitut in Posen Dr. Pachnio zum Kreisassistenzarzt in
Stralsund.
Niedergelassen: C. Stelmachow.ski und R.
Habermann in Breslau, Dr. Klein in Münsterberg, Dr.
Wrembel in Kreuznach, Dr. Spitz in Cöln, Dr.
Schwarz in Waldbröl, Dr. Weiss in Stettin.
Verzogen: Dr. Kross von Flensburg nach Altona, Dr.
v. Kügelgen von Dresden nach Boldixum, Dr. Schlüter
. von Leipzig nach Kiel, Dr. Mertens von Kiel nach Zabrze,
Dr. H a 11 e u r von Südende nach Reinbeck, Dr. P, Krause
von Marienwerder (Hannover) nach Goslar. Stabsarzt Dr.
Stappenbeck von Breslau nach Bielefeld, Oberarzt Dr.
Behrnd von Trier nach Cöln, Dr. Kraus und Assistenzarzt
Caymann nach Mülheim a. Rh., Dr. D a h m e n von Bonn
nach Bochum, Dr. Baumann von Lindlar nach Wipper¬
fürth, Dr. Praetorius von l.asdehneu nach Ludwigsruh,
Dr. F 1 e m m i n g von Magdeburg nach Uchtspringe, Di-.
W. Selbach von Bonn nach Barmen, Dr. Keil n e r von
Wiesloch nach Grafenberg, Dr. Weller von Berlin nach
Duisburg, Dr. S t e in i g e r nach Essen, Dr. K ukulus von
Saarbrücken nach Amern-St. Georg, Dr. Bastin von Mün¬
chen nach Johannisthal, Kr. Kempen, Dr. Pflücker von
Wildungen nach Moers. Dr. Strem pel von Barmen nach
Neunkirchen, Dr. E. Schröder von Grafenberg nach Zwie¬
falten, Dr. Ahronheim und Dr. Schöngarth von
Düsseldorf nach Essen bezw. Sorau, Oberstabsarzt z. D. Dr.
L o r e n t z von Duisburg nach Essen, Dr. K res m a n n und
Dr. Kondring von Essen nach Dortmund bezw. Hamburg,
Dr. Biermaus von Remscheid nach Aachen, Dr. Topp
von Amern-St. Georg nach St. Hubert.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes:
Dr. Buschhausen von St. Hubert.
Bayern.
Amtsärztlicher Dienst: Vom 1. September 1910 an
wurde der Bezirksarzt Dr. Anton Eschwig in Laufen
aüf sein Ansuchen unter Anerkennung seiner Dienstleistung
in den dauernden Ruhestand versetzt; auf die Stelle eines
fachwissenschaftlich gebildeten Hilfsarbeiters des medizini¬
schen Referats im k. Staatsministerium des Innern der Be¬
zirksarzt Dr. Franz Gebhardt in Viechtach berufen:
vom 1. Oktober 1. .1. an der Bezirksarzt, Medizinalrat Dr.
Joseph Seil in Dillingen auf sein Ansuchen unter An¬
erkennung seiner Dienstleistung in den dauernden Ruhe¬
stand versetzt.
Gestorben: Medizinalrat Dr. R. Feilerer, Bezirksarzt
a. D., früher in Schongau und Weilhelin, in München Dr.
O. R ö t z e r in München.
Bremen.
Niedergelassen: Dr. R. S.ü s s m a n n in Bremen.
Verantwortlich für den tedactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N„ Fr!edrlchstrasse' r 131 B.. für den Inserateti-Tei] • Richard Hess Berlin
Verlag von Oscar Oohlentz. Eipeditionsbnreau: Berlin W. 30, Maasaanstrasse 13 — Druck von Carl Marschner. Rerlin SW. Aleiandrinenstraaae 110,
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Verlag von Oscar Coblentz in Berlin W. 30
Anfang Oktober 1910 erscheint:
Die Behandlung der Syphilis
mit
Dioxydiamidoarsenobenzol
Von
Sanitätsrat Dr. Wilhelm Wechselmann
Dirigierender Arzt der dermatologischen Abteilung im Rudolf Virchow-Krankenhaus zu Berlin
Mit einem Vorwort von
Professor Dr. Paul Ehrlich
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lichst starker, gleichgerichteter Induktionsströme unter mög¬
lichstem Ausschluß der Gegeninduktion hat Grisson pin¬
geschlagen. Er hat die Primärrolle des Induktoriums in ein
System von Kondensatoren mittels eines Kommutators so
eingeschaltet, daß bei dem Auf- bezw. Umladen der Konden¬
satoren von einer Zentrale aus der Strom immer in der¬
selben Richtung in einzelnen Stößen durch die Primär-,
spule geht. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Funken¬
induktoren benutzt er den Schließungsstrom, d. h. die Kra.lt-
feldentw'cklung von Obis zum Maximum, welche beim Durch¬
gang des Stromes durch die Primärrolle entsteht; nur sagt
G r i s s o n in seinem Prospekt, daß die einzelnen Teile des
Apparates durch elektrische Konsonanz so gegeneinander
abgetönt sind, daß in dem Zeitpunkt, in dem der Konden¬
sator die gleiche Spannung wie die Stromquelle erreicht,
der Stromschluß im ganzen System von selbst aufhört. Der
unachtsame Leser könnte dabei auf dort Gedanken kommen,
daß, wenn in diesem Moment' der Umschalter Sich dreht,
um den Kondensator umzuladen, in der Primärrolle kein
Oeffnungsstoß entsteht, mithin also auch kein entgegen¬
gesetzt laufender Induktionsstrom.
In welcher Weise verändern sich dann aber die Kraft¬
felder, die ja eine erhebliche Größe haben?. Sie müssen
doch in der zweiten Phase, der stromlosen Phase, in sich
zusammenfallen, also durch die Abnahme vom Maximum
zu 0 einen Induktionsstoß entgegengesetzter Richtung er¬
zeugen. Da die Primärspule in diesem Augenblick unter-
, blochen ist, ist der Abfall allerdings nicht so steil wie der
Anslieg. In der dritten Phase geht dann der Strom wieder
durch die Primärrolle wie in der ersten Phase usw.
Wir haben also im Grissonator im Effekt fast dasselbe
wie bei jedem Funkeninduktor, nur das Schließungs- und
Oeffnungsinduktion vertauscht sind. Ein besonderer Vorzug
haftet dem Apparat aber nicht an, während ich es als Nach¬
teil bezeichnen möchte, daß durch das Hinzukommen von
Kondensatoren der Apparat komplizierter wird und durch
die große Wartung, welche die Kondensatoren bean¬
spruchen, mehr Arbeit erfordert.
Bisher wurde als primäre Stromquelle stets der von
einer Zentrale gelieferfe Gleichstrom angenommen. Für den
Rönlgenbetrieb kommen aber noch andere Stromquellen in
Frage.
Zunächst die Akkumulatorenbatterie. Sie erfüllt die
Bedingung einer nur in einer Richtung laufenden Strom¬
quelle. Durch genügend viel hintereinander geschaltete
Akkumulatorenelemente, werden auch genügend hohe Span¬
nungen für den Primärstrom erzielt, während die Amperezahl
eine beschränkte bleibt. Für Akkumulatorenbetrieb eignen
sich daher als Unterbrecher besonders gut die Platin ;
Unterbrecher, die ja Ströme bis zu 8 Amperes gut unter¬
brechen. Wir werden uns also mit einer Akkumulatoren¬
batterie von 25—40 Volt. Spannung und 8 Amperes mittlerer
Entladestromstärke bei 30—40 Amperestunden Kapazität be¬
gnügen und haben dabei den Vorteil der langen Lebensdauer
solcher Batterie bei mittlerem Betrieb ohne unnütze Ent¬
ladungen der Batterie; denn es ist bekanntlich notwendig für
die Lebensdauer einer Batterie, daß sie von Zeit zu Zeit
bis zu einem gewissen Grade entladen und neu aufgefüllt
wird. Entsprechend der primären Stromstärke und der ge¬
ringen Unterbrecherzahl wird natürlich in der Zeiteinheit
nicht soviel und so intensives Röntgenlicht geliefert werden
können wie bei Starkstromqucllen mit großer Unter¬
brechungszahl, daher wird die Belichtungszeit für. Auf¬
nahmen und in der Therapie entsprechend länger sein
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Bei Akkumulatorenbetrieb darf niemals im primären
Stromkreis das, Voltmeter fehlen, um den Akkumulator nicht
zu stark zu entladen und dadurch zu zerstören. Zur Ladung
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1. Wissen schaftliche Mitteilungen. Mohr: Ueber moderne
Röntgeneiurichtungen in Land- und Schiffslazaretten mit Berück¬
sichtigung des ökonomischen Betriebes und der erforderlichen
Schutzmaßregeln für Arzt und Bedienungspersonal. (Fortsetz.)
Alt: Zur Technik der Behandlung mit dem E hrl ich -Hat a-
schen Syphilismittel. — Taege: Erfolgreiche Behandlung eines
syphilitischen Säuglings durch Behandlung seiner stillenden
Mutter mit „606“. — Eraenkel und Grouven: Erfahrungen
mit dem Ehrlichschen Mittel ,,606“. —Klingmüller: Ueber
die Behandlung der Gonorrhoe des Mannes. — Thorpecken:
Ein Eall von Rheumatismus nodosus. — Strohmeyer: Ein
Beitrag zur Lehre vom kryptogenetischen Tetanus. — Brühl:
Zur Bewertung der Guajakose. — Fieweger: Zui Pathologie
des akuten und chronischen Alkoholismus. — Hirsch: Ueber
passagere Rindenblindheit durch Commotio cerebri. — Blum:
Ueber die Behandlung der Ischias mit epiduralen Injektionen.
— Graupner: Nierenerkrankung bei Basedowscher Krank¬
heit (thyreogene Nephritis). — Günzburg: Zur Diagnose der
Duodenalgeschwüre. — Barsickow: Ueber Appendicitis im I
Bruchsack. — Burk: Ueber künstliche Blutleere der unteren
Körperhälfte nach Momburg. — Lotheissen: Aethylchlorid-
Sauerstoff-Narkose. — Schöppler: Die Behandlung der Gelenks- 1
Verstauchungen mit heißen Bädern und Massage. — Hoff mann :
Zur Entstehung und Behandlung der Skoliose. — Müller: |
Zur Prophylaxe der habituellen Haltungsanomalieu. — Hilgen-
reiner: Neues zur Hyperphalar.gie des Daumens — v. Franq u <’■:
Künstliche Frühgeburt und vaginaler Kaiserschnitt bei habi¬
tuellem Absterben der Frucht. — Döderleiu: Ueber Ent¬
stehung und Verhütung des Puerperalfiebers. — Mainzer:
Ein neues geburtshilfliches Instrument. — Stieda: Ist plötz¬
liches Ergrauen des Haupthaares möglich? — S chepilow sky:
Ueber den Prozeß der Selbstreinigung der natürlichen Wässer
nach ihrer künstlichen Infizierung durch Bakterien.
II. Therapeutische Notizen. Polland: Versuche mit Novo-
jodin. — Weitz: Ein neuer Apparat zur Pleurapunktion. —
Carruccio: „Vilja Creme“.
III. Bücherschau. Wegele: Neuere Forschungen auf dom Ge¬
biete der intestinalen Autointoxikationen und ihre Behandlung.
— Sacconaghi: Die interlobäre exsudative Pleuritis.
IV. Vermischtes. Notizen über Alkoholismus.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenlieiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
Redaktion:
Dr« H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
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Fernsprech-Amt VI, No. 3302
VI. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 3fc.
sonderen Umständen in Frage kommen (transportable
Röntgenapparate ohne Anschluß an eine Stromquelle), ist,
wenn am Standorte selbst keine Stromzentrale sich befindet
und das häufige Verschicken vermieden werden soll, am
billigsten eine kleine Dynamomaschine, welche durch eine an
eine genügend slarke [Wasserleitung angeschlossene Wasser¬
turbine getrieben wird. Der Betrieb ist einfach und billig
und durch Vermeidung des häufigen Transports der Akku¬
mulatoren deren Lebensdauer verlängert.
Steht uns von einer Kraftzentrale ein Gleichstrom z,ur
Verfügung, so handelt es sich um die Spannung desselben.
Am verbreitetsten sind Spannungen von 110 und 220 Volt,
aber aus ökonomischen Rücksichten kommen heutigentags
immer höhere Spannungen auf. Je höher nun die Netz¬
spannung ist, um so größer wird der Selbstinduktions¬
strom in der Primärspule, um so ungünstiger also die Be¬
dingungen für den Induktionsstrom. Bei Spannungen bis
110 Volt lassen sich die Selbstinduktionsströme erfahrungs¬
gemäß noch unschädlich machen, darüber hinaus aber nur
schwer. Wir müssen also Spannungen von über 110 Volt bis
höchstens auf dieses Maß reduzieren und dies geschieht da¬
durch, daß nicht die Endpole der Leitung mit der Primär¬
spule verbunden werden, sondern von einem die Pole ver¬
bindenden Leiter ein Nebenstrom abgezweigt wird; dann
ist in beiden Stromkreisen die gleiche Spannung, deren
Summe gleich der Spannung im Hauptkreis ist.
Für Gleichstrom sind sowohl Motor- als auch Eleklrolvt.-
unterbrecher geeignet.
Eine dritte Stromquelle steht uns in dem immer mehr
in Aufnahme kommenden Wechselstrom zur Verfügung. Un¬
mittelbar ist er natürlich für den Röntgenbetrieb über¬
haupt nicht brauchbar. Um ihn nutzbar zu machen, wandte
Boas einen Motorunterbrecher an, den Synchronunter¬
brecher, der entsprechend der Zahl der Stromstöße der
Zentrale stets nur eine Stromphase aus dem Strom heraus¬
schnitt und die anders laufenden Impulse ausschaltete. Auf
diese Weise konnten die einzelnen Stromstöße direkt der
Primärspule zugeführt werden. Die großen Nachteile des
Systems, das viele Nachahmer gefunden hat und technisch
hoch durchgebildet ist, bestehen außer dem seht hohen Preise
des Motors vor allem in der picht völligen Zuverlässigkeit
und der Notwendigkeit einer dauernden sachverständigen
LTeberwachung und außerdem in der enormen Abhängigkeit
von der Zentrale, da bei jeder veränderten Zahl der Strom¬
stöße der Motor nicht mehr richtig funktioniert.
Die zweite Möglichkeit bestand darin, den einen Strom,
der zurücklief, gleichsam abzudrosseln, und hierzu eignete
sich der Wehneltunterbrecher. Aber die verkehrten Im¬
pulse konnten nicht ganz ausgeschaltet, sondern nur erheb¬
lich abgeschwächt werden und außerdem stellte sich ein
bedeutender Verbrauch der Platinanode heraus, der den Be¬
trieb auch noch verteuerte. Eine Verbesserung und Verbilli¬
gung des Betriebes wurde durch Vorschaltung einer ver¬
besserten Gleichrichterzelle, wie Professor Grätz sie ein¬
geführt hat, durch Götze in Aschaffenburg herbeigeführt.
Die dritte Möglichkeit bestand darin, den Strom umzu¬
formen und zum Gleichstrom zu machen. Ein billiges Ver¬
fahren war das, welches G r i s s o n in seinem Grisson-
Gleichrichter anwandte. Es beruhte auf der Gr ätz sehen
Entdeckung, daß elektrolytische Zersetzungszellen, deren
eine Elektrode aus Aluminium besteht, den Strom nur in
einer Richtung passieren lassen. Durch eine sinnreiche
Anordnung von vier solchen Zellen erreichte er dann, daß
aus dem Wechselstrom ein Gleichstrom wurde. Der Nach¬
teil dieser Einrichtung beruht auf der peinlichen Akkuratesse,
mit welcher der Apparat behandelt werden muß; ab und zu
muß das sich setzende Elektrolytsalz umgerührt werden,
ebenso wie die Aluminiumplatten öfters gereinigt und ersetzt
werden müssen. Gegen jede Art der Verschmutzung ist der
Gleichrichter sehr empfindlich.
Teuerer und 'umständlicher, bei guter Konstruktion aber
ebenso zuverlässig sind die mechanischen Gleichrichter, z. B.
der von Koch, die im Prinzip dem Boas sehen Synchron¬
unterbrecher ähneln. -
Endlich ist der Wechselstrom für Röntgenlichterzeugung
noch brauchbarer zu machen, wenn er zum Antrieb einer
eigenen Gleichstromdynamo verwandt wird. Aber die An¬
lage ist sehr teuer und die Dynamo muß genau auf das In¬
strumentarium gearbeitet sein.
Durch die verdienstvollen Arbeiten und Versuche von
Rosenthal angeregt., ging das Bestreben der letzten Jahre
dahin, Röntgenapparate zu bauen, die derartig starke und
für den Röntgenbetrieb geeignete Ströme lieferten, daß auch
die schwierigsten Aufnahmen in möglichst kurzer Zeit, im
Moment, unter möglichst geringer Abnutzung der Röhren
gemacht, werden konnten. Unter Wahrung der bisher be¬
schriebenen Bedingungen für die Eignung des Stroms
entstanden so die von den verschiedensten Fabriken ge¬
bauten Intensivstrominduktoren. Die Belichtungszeit ging
unter eine Sekunde herunter und wurde auf die verschie¬
denste Weise automatisch geregelt. Weit voraus allen Kon¬
struktionen ist jetzt Dessauer durch seine Blitzapparate,
die bei einem Äufblitzen der Röhre von 1 / 50 bis l /i 2 o Se¬
kunde Dauer bis 200 Milliamperes Strom durch die Röhre
schicken. Dabei ist der Primärstrom bei 110 Volt Spannung
höchstens mit. ,40—60 Amperes gesichert. Also ein glän¬
zendes Resultat! Die kurze Dauer des Aufblitzens erzeugt
er ohne Unterbrecher durch die Explosion einer Patrone,
die in den Primärstrom eingeschaltet ist. Die Patrone ent¬
spricht einer einfachen Sicherung, die überlastet wird. Der
Preis der Patrone ist zirka 10 Pfg.
Hiermit wäre die Besprechung der Apparate beendet,
welche einen geeigneten Strom zur Erzeugung von Röntgen-
licht zu liefern haben. Dieser Strom wird in dem zweiten
Teil der Maschine, der Röntgenröhre, in X-Strahlen ver¬
wandelt. Welche Bedingungen sind nun an den Bau der
Röhre zu stellen?
Wir müssen zunächst unterscheiden, ob wir die Röhren
für diagnostische oder therapeutische Zwecke gebrauchen
wollen, da im ersten Falle Bildschärfe, im zweiten mög¬
lichste Gleichmäßigkeit der gelieferten X-Strahlen verlangt
wird. Beschäftigen wir uns zunächst mit den Röhren für
Diagnostik.
Wir wissen, daß X-Strahlen nur in hoch evakuierten
Röhren entstehen und daß die Gasgrenze nach oben und
unten sehr eng begrenzt ist. Dabei wird daß Gas aufch
noch beim Durchgang des elektrischen Stromes durch die
Röhre allmählich verbraucht. Daraus folgt, daß das Volumen
der Röhre nicht zu klein sein darf, da die Lebensdauer einer
Röhre von ihrem Gasvolumen abhängig ist.
Da das Vakuum der Röhre ein sehr hohes ist, ruht
naturgemäß ein sehr hoher Druck auf der äußeren Glas¬
wand, die ja selbst sehr dünn ist. Die Röhre muß also
im Glase einwandsfrei sein und die Erfahrung hat gelehrt,
daß die sogenannten Hüttenkugelröhren den geblasenen
Kugelröhren vorzuziehen sind.
Zur Einführung der Elektroden in die Röhre wird Platin
verwandt, weil dies denselben Wärmeausdehnungs-
lcoffizienten hat wie Glas.
Anode und Kathode müssen aus Aluminium herge¬
stellt sein, weil dies Metall im Vakuum nicht, zerstäubt.
An der Kathode entstehen nun die Kathodenstrahlen.
Wenn Kathodenstrahlen innerhalb der Röhre auf einen festen
Gegenstand aufprallen, entstehen hier X-Strahlen und gehen
von den Entstehungspunkten aus strahlenförmig ausein¬
ander. Wir müssen also die Kathodenstrahlen zu vereinigen
suchen, damit nur ein X-Strahlenzentrum erregt, wird, und
daher wird die Kathode hohlspiegelartig gebaut. Nun
schneiden sich aber Kathodenstrahlen infolge ihrer elek¬
trischen Eigenschaften nicht wie Lichtstrahlen in einem
Punkte, sondern sie haben nur einen gewissen Ein¬
schnürungsring und gehen dann wieder auseinander. Wir
müssen also [die Antikathode so in die Röhre legen, daß
sie möglichst in diese engste Stelle des Einschnürungsringes
fällt. Wir erhalten somit auf der Antikathode den soge¬
nannten Antikathodenfleck als Ausgangspunkt. der
X-Strahlen. Je kleiner dieser ist, desto eher kann man von
Zentralprojektion reden.
Da bei dem Aufprall von Kathodenstrahlen große Wärme
entsteht, muß die Antikathode mit einem Metall überzogen!
sein, das einen hohen Schmelzpunkt hat, meist, wird dazu
Platin genommen.
Diese Wärmebildung nun verändert während des Be¬
triebes die Dichtigkeit des vorhandenen Gases in der Röhre.
Von der Dichtigkeit in der Röhre aber hängt die Bildung
der Kalhodenstrahlen zum Teil ab und somit die Qualität
der X-Strahlen, d. h. die Röhre ändert sich mit zunehmender
Wärme andauernd, sie wird weicher. Damit aber wandert
auch der Schnürring der Kathodenstrahlen in gewissen
Grenzen aus, was wir am Antikathodenfleck beobachten
können.
No. 38.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
079
Um diese, nicht, gewollte Veränderung der Röhre zu
beschränken, haben die verschiedenen Fabriken die ver¬
schiedensten Wege eingeschlagen, indem sie entweder durch
Hinterlegung der Antikathode mit. starken. Metallklötzen die
Wärmeaufnahmefähigkeit der Antikathode verstärkten, oder
durch Wasserkühlung die Wärme absorbierten- bezw, nach
Bauers Vorgang durch große; mit, der Außenluft, in .Ver¬
bindung stehende MelalllTächeu Wärme nach außen ab-
gfiben. .
Da der Gasgehalt der Röhre im Laufe der Zeit, ver¬
braucht, die Röhre also zu hart wird, haben viele Fabriken
nach dem Vorgang des Franzosen V.illard .- Regen erier-
yorrichtiingen an den Röhren -angebracht, die.es ermöglichen,
der .Röhre (las zuzuführen bezw. (las zu absorbieren.
Die letztere Einrichtung kommt immer mehr ab und
mit.Recht, denn die Röhre wird durch den Gebrauch schon
gasärmer, also härter, man soll diesen Vorgang nicht noch
beschleunigen.
Anders mit der Gaszufuhr. Zu harte Röhren werden
dadurch wieder weicher gemacht, also wird die Lebens¬
dauer erhöht. Doch soll man nach einer Regenerierung der
Röhre diese nicht sofort wieder benutzen, sondern erst, min¬
destens eine Stunde ruhen lassen, da dann erfahrungsgemäß
die Röhre länger weich bleibt und nicht sobald wieder
„umschlägt“.
Während die Regenerierung der Röhre durch Gas¬
zufuhr bezw. -Abfuhr, d. h. also durch Veränderung der
Dichtigkeit in der Röhre, die X-Strahlung beeinflußt, be¬
zweckt ein vor Jahren von Dessauer angegebenes anderes
Verfahren eine Regulierung der X-Strahlen ohne Verän¬
derung des Gasvolumens. Von der Erkenntnis ausgehend,
daß die negativ elektrischen Kathodenstrahlen alle Körper,
die sie unterwegs treffen, ebenfalls negativ laden, wurde um
die Antikathode eine Metallhülse, sogenannte Blende, so
gelegt, daß die Kathodenstrahlen durch diese Hülse hindurch¬
gehen müssen. Diese wird also negativ elektrisch geladen,
und dadurch werden die Kathodenstrahlen in der Hülse
zusammengedrängt, weil sie ja von dem mit gleichnamiger
Elektrizität geladenen Körper abgestoßen wurden. Auf diese
Weise treffen die neuen axial verlaufenden Kafhodenstrahlen
mein' punktförmig auf die Antikathode, d. h. unbeeinflußt
vom Vakuum der Röhre bleibt der Treffpunkt, der Kathoden,-
strahlen stets auf der Antikathode, die gute Zeichnung der
Röhre ist: -also garantiert. Der Antikathode gegenüber ist, aus
der Blende ein Stück herausgeschnitten, durch das die von
der Antikathode ausgehenden X-Strahlen treten können.
Durch diese Blende wird aber in der Röhre seihst für
die Kathodenstrahlen der Widerstand vermehrt, es gehört
also eine größere Spannung dazu, überhaupt Kathoden¬
strahlen zu erzeugen und damit nimmt ihre Intensität zu.
Mit der Intensität der Kathodenstrahlen nimmt aber, wie |
wir anfangs gesehen haben, die Menge und Durchdringungä-
fähigkeit der X-Strahlen zu. Es galt nun die negativ elek¬
trisch geladene Blende nach Belieben mehr oder weniger zu
laden, d. li. den Widerstand gegen die Kathodenstrahle,n
in der Röhre ohne Veränderung des Vakuums zu regulieren.
Diese Aufgabe wurde so gelöst, daß die mit Blende ver¬
sehene Antikathode -durch einen beweglichen Hebel mit der
positiven Anode verbunden wurde, so daß je nach der
völligen oder nur toilwaisen Annäherung des Hebels an die
Anode die Blende entladen wurde, oder mehr oder weniger
stark geladen blieb.
Die Fabrikation der Röntgenröhren steht heutigentags
derartig auf der Höhe, daß man für jede Forderung an die
zu liefernden Strahlen Röhren erhält, und sie sich von den
angegebenen Gesichtspunkten aus nach Belieben verschaffen
kann. Auch die Schwankungen im Preise sind nicht sehr
erheblich und entsprechen im allgemeinen den Leistungen
der Röhren.
Für die Therapie hat man nun im Gegensatz zur
Diagnostik die scharfe Bildzeichnung nicht nötig, die Anti¬
kathode braucht also nicht sorgfältig im Schnürring der
Kalhodenslrahlen zu liegen, d. h. alle Röhren, die für die
Diagnostik nicht mehr brauchbar sind oder auch neue,
schlecht zentrierte Röhren können für die Therapie noch
gut brauchbar sein. Hier wird es sich darum handeln
Röhren zu verwenden, die möglichst, lange ihr Vakuum nicht
verändern und So gleichmäßige Strahlen, liefern.
Für tiefer liegende Prozesse wird man Strahlen fordern,
die möglichst homogen den Körper in seiner ganzen Dicke
durchdringen, ohne an der Oberfläche Verbrennungen zu
erzeugen, und auch diese Forderung ist theoretisch und
praktisch von D es sau er gelöst, wenn auch noch zu wenig
darüber bekannt ist, ob diese homogenen Strahlen wirklich
die Hoffnungen erfüllen, die man auf sie geselzl hat.
Die Besprechung der Röhren darf man nicht.'schließen,
ohne derjenigen Mittel zu gedenken, welche verhindern,
daß eventuell Schließungsinduktion, durch die Röhre geht,
da dann ja Anode und Kathode wechseln und also andere
Punkte der Röhre als der vorgenannte Antikathodenfleck der
Ausgangspunkt für die X-Strahlung werden. Nach .Mög¬
lichkeil soll jedes Induktorium so gebaut, sein, daß die
Schließungsinduktion praktisch gleich Null isl, so daß der
große Widerstand. in der Röhre von ihr nicht überbrückt
t wird. Wo aber durch -die Umstände, doch Schließungs¬
induktion vorhanden ist, gilt es, diese abzufangen. Da
erfahrungsgemäß der elektrische Strom leicht von einer
Spitze durch die Luft zu einer Fläche überspringt, umge¬
kehrt aber nur schwer, so konstruierten Reiniger,
Geh her t und Schall auf diesem Phänomen basierend
die sogenannte Funkenstrecke, einen, Glaszylinder mit festem
flächenhaften Minuspol und spitzem Pluspol zum Ver¬
schieben. Hierbei entstand aber durch das lleberspringen
des Funkens ein knatterndes Geräusch. Ress a u e r vervoll¬
kommnet? auf derselben Grundlage den Apparat durch eine
Serienschaltung solcher Plus- und Minuspole (Funkenventil).
G undelach endlich konstruierte eine der Röntgen¬
röhre ähnliche Röhre, die sogenannte Drosselröhre, und
benutzte die. Eigenschaft, der Kathodenstrahlen, ihre Um¬
gebung negativ elektrisch zu Jaden. Er legte eine Elektrode
in den sehr engen Röhrenhals und die andere in die Mitte
der Kugel. Beide Elektroden laden, wenn sie Kathode:;
weiden, die Glaswände negativ elektrisch und zwar um so
stärker, je. näher sie der Elektrode sind. Wird also die
im Röhrenhals befindliche Elektrode zur Kathode, so wird
der Hals sehr stark negativ elektrisch geladen, damit aber
die Käthodenstrahlung sehr erschwert. Der Strom kann
aber nur unter Bildung von Kathodenstrahlen solche Röhre
passieren : es findet also eine erhebliche Abdrosselung der
Schließungsinduki.ion statt, wenn die Drosselröhre so in
den Sekundär kreis eingeschaltet, wird, daß die Schließungs¬
induktion durch die Elektrode in der Kugel als Anode zur
Elektrode im Hals als Kathode gehen muß, während die
Oeffnungsinduktion bei dem umgekehrten Weg keinen
nennenswerten Widerstand findet.
Die neuerdings von Bau e r, (I u n d e 1 a c h und anderen
konstruierten sogenannten sehließungslichtfreien Röntgen¬
röhren haben die selbständige Drosselröhre gewissermaßen
in die Röntgenröhre selbst verlegt, indem sie die Anode
bezw. Antikathode eng mit isolierendem Material umgeben.
Nähere Einzelheiten bringen die entsprechenden Kataloge-,
Nunmehr kommen wir auf einen wichtigen Punkt. Die
Röntgenstrahlen beeinflussen die Gewebe des menschlichen
Körpers, es gilt also die Leute zu schützen, welche mit
Röntgenlicht berufsmäßig arbeiten bezw. therapeutsich be¬
handelt werden sollen, denn die einmalige Durchleuchtung
oder Photographie eines Körperteils zieht keinen Nachteil
für das Objekt nach sieh, wohl aber größere Dosen
Röntgenlichts.
Bezüglich der Therapie geht daher das Streben der
Röntgenologen dahin, die X-Strahlenmenge zu messen, die
dem Körper des Kranken zu Heilzwecken beigebracht wird.
Da auch ein strafrechtliches Interesse bei eventuell fahr¬
lässiger Körperverletzung durch X-Strahlen vorliegt, ist
dieses Streben eine Notwendigkeit.
Es ist das Verdienst H o 1 z k n echts, zuerst mit einem
Meßinstrument für Röntgenstrahlen vor die Oeffantlichkeit
getreten zu sein. Die Messung geschah durch die Ver¬
änderung der Farbe eines Reagenzkörpers durch X-Strahlen
und Vergleich dieser Veränderung mit einer festen, empirisch
erprobten Farbenskala. Die X-Strahlenmenge wurde nach
H=Holzknechfeinheiten gezählt und zwar entspricht ein H
dem dritten Teil der Menge von X-Strahlen, die auf nor¬
maler Gesichtshaut leichte Rötung erzeugt.. Die Reagenz¬
körper wurden durch Tageslicht: langsam wieder zur ur¬
sprünglichen gelben Farbe zurückgebracht und konnten so
mehrmals gebraucht werden. Der Reagenzkörper wurde
auf dem Rande der Schutzblende für die nicht zu be¬
strahlenden Teile derartig angebracht,' daß er in seiner
ganzen Oberfläche vom Fokus gleich weit entfernt war. Dies
Chromoradiometer ist veraltet und erscheint nicht mehr
im Handel.
680
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Ein zwoiles Instrument ist das Radiometre X von Sa¬
li o u r a u d - N o t r e. Es enthält zwei Testfarben Teinte A
und I! und die Reagenzpastillen. Teinte A steljt die
ursprüngliche Farbe der Pastillen dar, Teinte B die Maximal¬
oder Erythemdosis 5 11. Dazwischen gibt es keine festen
Stufen, wenn auch in gewissen Grenzen die Verfärbung einen
Schluß auf die X-Strahlenmengo ziehen läßt. Die Pastillen
sind nur einmal zu gebrauchen und worden in halber Ent¬
fernung zwischen Fokus und Haut befestigt. Es ist. nicht
so differenziert benutzbar wie das Chromoradiometcr, aber
namentlich als Kontrollinstrument von Wert.
Ein drittes Meßinstrument ist. das Chromoradiometer ,von
Bordier, das eine Erweiterung des Jladiometres X dar¬
stellt. Es ist namentlich in den Anfangsdosen nicht ganz
exakt.
Das Quantimeter von Kienböck basiert auf der
Veränderung des photographischen Papiers durch X-Strahlen
und ist namentlich als Beweismittel vor Gericht, äußerst wert¬
voll. Lichtdicht eingeschlossenes Photographiepapier wird
Ho . 38,
auf die Körperoberfläche gelegt, und von Zeit zu Zeit, ein
Streifen entwickelt und mit, der beigegebenen Skala ver¬
glichen. Die Summe der Streifenergebnisse oder das bis
zum. Schluß belichtete Papier ergeben dann die Röntgen¬
dosis und sind dem Krankenblatt beizuheften. Soll die
ganze Dosis auf einmal gegeben werden, so ist ein offenes
Dosimeter von den vorher beschriebenen Arten notwendig,
um zur rechten Zeit aufzuhören, während der nach Beendi¬
gung der Bestrahlung entwickelte Streifen zum absoluten
Nachweis für das Krankenblatt und bei Verbrennungen für
die Gerichtsverhandlung dient. Sehr wertvoll ist diese Me¬
thode zur Feststellung der Tiefenbestrahlung.
Freund wählte zur Bestimmung der X-Strahlenmenge
eine frische Jodoformlösung (2,0:1(10,0 Chloroform), die sich
durch Jodausscheithmg rotfärbt. Dies Verfahren ist sehr
wenig exakt. Eine Modifikation dieses Verfahrens wurde
1906 von Bordier und Gaiimard angegeben, ist aber
auch ungenau.
(Schluß folgt.)
Prof. Dr. Konrad Alt (Uchtspringe): Zur Technik der Behand¬
lung mit dem Ehrlich-Hatasehen Syphilismittel. (Münch,
med. Wochenschrift, 1910, No. 64.)
Verfasser gibt jetzt folgende Vorschrift zur Herstellung
der Dioxydiamidoarsenobenzol-Lösung: In einem etwa 10 ccm
fassenden, schlanken, graduierten Glaszylinder mit engem Hals
und eingeschliffenem Stöpsel bringt man etwa 60 Glasperlen
mittlerer Größe, fügt 10 ccm destilliertes Wasser und dann
die Substanz hinzu. Durch kurzes energisches Schütteln wird
die ganze Substanz vollkommen klar gelöst. Dieser Lösung
fügt man auf je 0,1 g der Substanz etwa 0,5 ccm Normalnatron¬
lauge zu und schüttelt wiederum etwa Minute energisch.
Dann erhält man eine vollkommen weinklare, schwach alkali¬
sche Lösung, die durch weiteren Zusatz von destilliertem
Wasser beliebig verdünnt werden kann. Da das Präparat nicht
immer gleich löslich ist, kann ein geringes Mehr oder Weniger
au Natronlauge zur Erzielung weinklarer Lösung erforderlich
sein. Zur intravenösen Einverleibung wird die Lösung ent¬
sprechend stärker verdünnt. Um eine neutrale Aufschwem¬
mung herzustellen, bringt man in den mit Glasperlen ver¬
sehenen Meßzylinder (oder Scheidetrichter) 8,5 ccm destillier¬
tes Wasser, sodann die Substanz und auf je 0,1 derselben etwa
0 6 ccm Normalnatronlauge, schüttelt sodann etwa V 2 Minute.
Die sö hergestellte Suspension ist vollkommen gleichmäßig
und fein verteilt. Verfasser ist der Ansicht, daß bei der intra¬
muskulären Einbringung einer Suspension weit weniger Sub¬
stanz in Wirkung tritt als hei der alkalischen Lösung. Er ist
ferner der Meinung, man dürfte in Zukunft die erste Injektion
intravenös machen und etwa vier Wochen später eine intra¬
muskuläre Injektion anschließen.
Dr. Karl Taege (Freiburg i. B.): Erfolgreiche Behandlung eines
syphilitischen Säuglings durch Behandlung seiner stillenden
Mutter mit „606“. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Eine 19 jährige syphilitische Erstgebärende mit großen
breiten Kondylomen an den Geschlechtsteilen brachte ein Kind
von 2400 g zur Welt, welches zwar ausgetragen, aber welk und
greisenhaft war; es schrie nicht, lag apathisch da, wollte die
Brust nicht nehmen. Neun Tage nach der Geburt zeigten sich
hei dem Kinde vier Pemphigusblasen an der linken Fußsohle,
eine an der rechten. Außerdem trat an drei Fingern der rech¬
ten Hand eine Paronychia syphilitica auf, ebenso auf einem
Finger der linken. Nunmehr wurde bei der Mutter das
Dioxyamidoarsenohenzol in der Dosis 0,6 in die Glutäen in
üblicher Weise injiziert. Darauf gingen vom dritten Tage an
die Erscheinungen bei der Mutter zurück. Aber auch bei dem
von der Mutter gestillten Kinde begann am dritten Tage nach
der Einspritzung die Rückbildung aller Erscheinungen, in
wenigen Tagen waren sie dann verschwunden; das Kind trinkt
kräftig und wog bei der Entlassung am 26. Lebenstage 3900 g
und war völlig symptomlos. Dies Ergebnis ist um so be¬
merkenswerter, als in der Milch der Mutter sich organisches
Arsen nicht nachweisen ließ und anorganisches Arsen nur in
Spuren. Nach Ehrlich muß man die Annahme machen, daß
das plötzliche Abtöten der Spirochäten eine große Menge von
Endotoxinen freimacht. Diese veranlassen das Entstehen von
Antitoxinen und diese letzteren gehen wahrscheinlich in die
Milch über.
Prof. C. Fraenkel und Prof. C. Grouven (Halle a. S.): Er¬
fahrungen mit dem Ehrlichschen Mittel „606“. (Münch,
med. Wochenschrift, 1910, No. 64.)
Die Verfasser haben ehvas über 100 Kranke mit dem
E h r 1 i ch-H[a ta sehen Präparat behandelt. Die Lösungen
bereiten sie in der Weise, daß sie das Dioxydiamidoarseno-
benzol in 1 ccm chemisch reinen, von E. Merck bezogenen
Methylalkohol schütten, dann etwas keimfreies Wasser hinzu-
fügen, gut umrühren, darauf 1—1,5 ccm sterile, 'Iw Normal-
natronlauge und endlich noch so viel destilliertes Wasser zu¬
geben, daß die Gesamtmenge der Flüssigkeit 8—10 ccm be¬
trägt; die Lösung erfolgt hierbei rasch. Im allgemeinen wer¬
den die Lösungen kurze Zeit vor ihrer Verwendung bereitet;
einige Male wurden sie erst 24 Stunden nach ihrer Herstellung
verwendet, ohne daß dadurch irgend ein Nachteil entstanden
wäre. In den meisten Fällen werden die Injektionen in die
Glutäen gemacht, nur in drei Fällen wurde das Mittel intra¬
venös von der Ellenbeuge aus eingespritzt; einmal mit töt-
lichem Ausgang. Es handelte sich dabei um einen 25 jährigen
Kellner, der wegen schwerer Erscheinungen cerebraler Lues
sich seit 1)4 Jahren in der psychiatrischen Klinik befand. Er
erhielt 0,4 des Mittels in 15 ccm Flüssigkeit gelöst in die
Vene der linken Ellenbeuge. Schon % Stunde nach der In¬
jektion traten hei dem Kranken die Erscheinungen einer hefti¬
gen Arsenvergiftung auf, etwa BVc Stunden nach der Ein¬
spritzung erfolgte der Tod. Bei der Leichenöffnung fanden sich
ausgedehnte erweichte Herde im linken Schläfenlappen. In
der Milz, den Lungen und der Leber fanden sich deutliche
Mengen von Arsen. Das in diesem Fall benutzte Präparat
war sicherlich ein wandsfrei; denn bei drei anderen Kranken,
die damit intramuskuläre Injektionen erhielten, traten keiner¬
lei auffällige Erscheinungen ein. Es lag wohl eine besondere
Empfindlichkeit des Kranken gegenüber Arsen vor. Von der
intramuskulären Injektion sahen die Verfasser in einem Teil
der Fälle Schmerzen, die sich aber im allgemeinen innerhalb
mäßiger Grenzen hielten. Was die Dosierung des Mittels an¬
langt, so begannen die Verfasser mit der Dosis 0,3 g; da die
hierdurch erzielte Wirkung nicht ausreichend erschien, steiger¬
ten sie die Dosis bald auf 0,4, dann auf 0,6—0,7 g, in einzelnen
Fällen wurde sogar 0,9 g injiziert. In einem Teil der Fälle
machten sie in Intervallen von je zwei Wochen 2—3 Injektio¬
nen, z. B. wurde zuerst 0,4 g, nach 14 Tagen 0,7 und endlich
nach weiteren zwei Wochen 0,8 g injiziert. In einem Teil der
Fälle wurde die Ausscheidung des Arsens chemisch verfolgt
und so ermittelt, daß in den ersten acht Tagen im Harn meist
6—10 mg, in der zweiten Woche bis 6—8 mg, in der dritten
Woche mit wenigen Ausnahmen fast nichts mehr ausgeschieden
wurde. Fälle von Syphilis wurden 75 behandelt, 47 männliche
und 28 weibliche Kranke, darunter 6 Kinder. Die letzteren
erhielten 0,05—0,1, unter Umständen auch 0,2 g des Präpa¬
rates. Nur eine Injektion bekamen 52, zwei 17 und drei In¬
jektionen 6 Patienten. Anfangs wurden nur in der Klinik be¬
findliche Kranke, später auch Patienten der Poliklinik mit dem
Mittel behandelt. Ernstliche Nebenwirkungen kamen im all¬
gemeinen nicht zur Beobachtung, nur bei einer Patientin wurde
eine Albuminurie festgestellt; in einigen Fällen traten von der
Einspritzungsstelle ausgehende Erytheme mit Allgemein-
erscheinungen und Fieber bis 40“ auf, welche aber in wenigen
Tagen zurückgingen. Auf eine bestehende Schwangerschaft
war die Behandlung in drei Fällen ohne Einfluß. — Was nun
die Einwirkung auf die syphilitischen Erscheinungen anlangt,
so entsprechen die Beobachtungen der Verfasser im großen
und ganzen denen der übrigen Beobachter, es wurde meist
eine entschiedene und außerordentlich früh einsetzende
günstige Beeinflussung der syphilitischen Erscheinungen aller
Abschnitte durch das Ehrlich-Hata sehe Mittel festgestellt.
Primäraffekte und sekundäre Exantheme der Haut und
Schleimhäute bildeten sich oft innerhalb weniger Tage zurück.
Nässende Kondylome gehen besonders schnell zurück. Nicht
minder günstig wurden tertiäre Veränderungen der Haut,
No. 38.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
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der Schleimhäute und Knochen beeinflußt. Besonders deutlich
war die Wirkung in einem Falle von maligner Lues, ln I
einem Falle von doppelseitiger Labyrinthtaubheit zeigte sich
nach einmaliger Einspritzung von 0,6 g eine unverkennbare,
nach 12 Tagen einsetzende Besserung der Hörfähigkeit. Auch
Fälle von hereditärer Syphilis wurden vielfach günstig beein¬
flußt. Bei einem an Keratitis parenchymatosa leidenden zehn¬
jährigen Knaben bewirkten zwei Einspritzungen von 0,3 und
0,6 g einen raschen Rückgang der Trübung. — Es kamen jedoch
einige Fälle vor, in denen der Erfolg der Behandlung weit
weniger schnell eintrat, ja sogar nach anfänglicher Besserung
sich ein Rückschlag bemerkbar machte. In einem Falle wur¬
den in hypertrophischen Gesichtspapeln zwei Monate nach der
Einspritzung noch massenhaft lebhaft bewegliche Spirochäten
nachgewiesen. Ein Kranker mit tubero-serpiginösen Er¬
scheinungen des Kopfes brauchte bei drei Einspritzungen von
0,3, 0,4 und 1 g über zwei Monate zum Verschwinden dieser Er¬
scheinungen. Die Wassermann sehe Reaktion wurde in
sehr ungleichmäßiger Weise beeinflußt. Oft blieb auch trotz
bemerkenswerter klinischer Besserung der serodiagnostische
Befund unverändert stark positiv. — Es wurden u. a. auch
drei Fälle von Psoriasis mit dem neuen Präparat behandelt
(0,6 resp. 0.7 g); nur in einem Falle zeigte sich ein Zurück¬
gehen der Effloreszenzen. Dagegen wurden in drei Fällen von
chronischem Pemphigus bemerkenswerte Besserungen er¬
zielt; ebenso zeigte sich in einem Falle von Lichen ruber
planus eine sehr günstige Wirkung des Mittels.
Prof. Dr. Kliugiriüller (Kiel): lieber die Behandlung der Gonor¬
rhoe des Mannes. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 32.)
Verfasser bespricht kurz seine Erfahrungen bei der Be¬
handlung der Gonorrhoe. Er wendet im wesentlichen die
Methoden von Neisser an und bedient sich fast nur der
Silbereiweißverbindungen. Er vergleicht nun die Wirkung
verschiedener Silbereiw'eißverbindungen hinsichtlich der zur
Heilung erforderlichen Zeit und hinsichtlich des Auftretens
von Komplikationen. Das Protargol wendet er in % proz.
Lösung an; die Einspritzungen werden 4—6 mal täglich 10 bis
20 Minuten lang mit großer Neisser scher Spritze gemacht.
Bei Komplikationen wird die örtliche -Behandlung der Anterior
nicht ausgesetzt. Die Behandlung der Posterior geschah fast
ausnahmslos mit Lösungen von Hvdrargyr. oxycyanat. 1 :8000
bis 1 :4000 in Janet scher Spülung mittels eines Irrigators
aus 1 —1 Vs m Höhe und mit einem Glasolivenansatz. Bei Vor¬
handensein von Gonokokken in der Prostata und in den Samen¬
blasen wurde regelmäßig massiert, bei Prostataerkrankungen
nur mit dem Finger, bei Samenblasenerkrankungen mit dem
F e 1 e k i sehen Instrument.. Nach der Massage wurde sofort
eine Janet sehe Spülung gemacht, um das herausmassierte
Sekret zu entfernen. Die Epididymitis behandelt Verfasser
fast ausnahmslos mit Prießnitzverbänden, nur in hartnäckigen
Fällen punktiert er den Nebenhoden. Die örtliche Behandlung
der Anterior und Posterior wird dabei nicht ausgesetzt. An
Stelle des Protargols versuchte Verfasser nun einige andere
Silbereiweißverbindungen, und zwar zunächst Silber-
nitrat-Aethylendiaminalbumose (Argentamin-
albumose), welches 7 pCt. Silber enthält. Auch diese Sub¬
stanz verwandte Verfasser in % proz. Konzentration. Auch zu
Spülungen in der Konzentration von 1 :6000 bis 1 :2000 ver¬
wendete Verfasser dieses Präparat. Schließlich prüfte Ver¬
fasser Silbernitratammoniakalbümose, ein Prä¬
parat, welches die Bezeichnung Hegonon erhalten hat.
Hegonon hat einen Silbergehalt von etwa 7 pCt. und ist zu
mehr als lOpCt. in Wasser löslich. Die wässerigen Lösungen
koagulieren Eiweißlösungen auch beim Erwärmen nicht und
geben mit Kochsalzlösung keine Fällung. Hegonon wurde in
denselben Konzentrationen wie Argentaminalbumose verwendet.
Es betrug nun bei 49 mit Protargol behandelten Fällen die bis
zur Heilung erforderliche Zeit im Durchschnitt 26 Tage, bei
Argentaminalbumose betrug diese Zeit 27 Tage (37 Fälle), bei
Hegonon 22 Tage (38 Fälle). Verf. machte auch Versuche mit
der Abortivbehandlung der Gonorrhoe, wobei er Argent. nitric.
in Fi proz. Protargol in 5 proz. und Argentaminalbumose in
2 proz. Konzentration benutzte. Die Heilungsdauer wurde etwas
abgekürzt, jedoch hat Verfasser die Abortivbehandlung wieder
aufgegeben 1. wegen ihrer großen Schmerzhaftigkeit, 2. wegen
der häufig danach auftretenden Erkrankungen der Posterior,
3. weil es eine Menge von Fällen gibt, die nach einer vorherigen
mißglückten Abortivbehandlung außerordentlich schwer zu
heilen sind. — Es ergab sich ferner, daß Protargol, Argentamin¬
albumose und Hegonon in ihrer Wirkung auf die einfache
Anteriorgonorrhoe sich gleich verhalten; auch bei den kompli¬
zierten Fällen scheint kein wesentlicher Unterschied zu be¬
stehen, wenn auch Hegonon die kürzeste Behandluugsdauer
aufweist. Auch in bezug auf das Auftreten von Komplikationen
während der Behandlung steht Hegonon am günstigsten da.
Dr. 0. Thorpeckc« (Göttingen): Ein Fall von Rheumatismus
nodosus. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 29.)
Verf. berichtet aus der Göttinger medizinischen Universi¬
tätsklinik über einen Fall von Gelenkrheumatismus bei einem
12 jährigen Knaben, der nur leichte Erscheinungen an den Ge¬
lenken machte, aber mit Endokarditis, Chorea, multipler Knoten¬
bildung und einem rezidivierenden Exanthem kompliziert war.
Es fanden sich am Hinterkopf in symmetrischer Anordnung
vier etwa kirschkerngroße, sehr harte Knoten, über denen die
Haut verschieblich war. Auf der Unterlage waren die Knoten
nicht verschieblich, auf Druck nicht schmerzhaft. Kleinere,
etwa hanfkomgroße Knötchen waren auch am vorderen Teile
des Kopfes zu fühlen. An den vorspringenden Teilen des
Kreuzbeins fanden sich erbsengroße Knoten in gleichfalls sym¬
metrischer Anordnung. Kleinere Knötchen saßen über mehre¬
ren Metacarpophalangealgelenken, beiderseits oberhalb des
Epicondylus lateralis humeri, in der Nähe der Kniegelenke der
inneren Malleolen, über den Strecksehnen der Zehen. Die
Sehnenscheide des zweiten und dritten Fingerbeugers in der
linken Hohlhand war in größerer Ausdehnung knotig verdickt,
in geringerem Maße war dies auch rechts der Fall. Nach
einiger Zeit zeigte sich an verschiedenen Stellen des Körpers
ein aus kreisförmigen hellroten Flecken bestehendes Exan¬
them, welches bald zurückging, dann aber einige Male rezirii-
vierte. Die Knotenbildung erforderte zu ihrer Rückbildung
einige Monate.
Fr. Stromeyer (Göttingen): Ein Beitrag zur Lehre vom krypto¬
genetischen Tetanus. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 32.)
Verfasser berichtet aus der Göttinger medizinischen Uni¬
versitätsklinik über einen Fall von Tetanus bei einem 14 jähri¬
gen Maurerlehrling, in welchem von einer vorangegangenen
äußeren Wunde oder Hautverletzung nichts nachzuweisen war,
der Kranke hatte nur einige Tage vor Ausbruch der Erkrankung
bis an die Knie im Wasser stehend gearbeitet. Beim Beginn
hatten die Symptome .einen rheumatoiden Charakter, allmäh¬
lich trat der tetanische Charakter der Erkrankung deutlicher
hervor. Die Krankheit verlief ohne Temperaturerhöhung;
klonische Krämpfe, sowohl spontane wie auch reflektorische,
wurden während des ganzen Verlaufs nicht beobachtet. Der
Patient bekam eine Einspritzung von Tetanusautitoxin, wo¬
nach die Symptome in Verlauf von wenigen Wochen zurück¬
gingen. Im Blut kennten durch Tierversuch keine Tetanus¬
bacillen nachgewiesen werden. Der Fall gehört also zur Gruppe
des kryptogenetischen Tetanus, der in früheren Zeiten auch
rheumatischer oder idiopathischer Tetanus genannt wurde.
R. L.
Prof. Gustav Brühl: Zur Bewertung der Guajakose. (Therapeut.
Monatshefte, Juni 1910.)
Die in den Arzneischatz als Unterstützungsmittel bei der
Behandlung der Phthise eingeführten Präparate enthalten un¬
verändert Kreosot und Guajakol als wirksamen Bestandteil.
In der bekannten Guajakose, die neben der aus Fleischalbu-
mosen bestehenden Somatcse Guajakol an Calcium gebunden
in ungiftiger Form enthält, sind diese Uebelstände aufgehoben.
Verfasser hat in einigen Fällen als Unterstützungsmittel der
Behandlung bei der Tuberkulose, des Kehlkopfes Guajakose
mit gutem Erfolge verwandt; insbesondere in einem in dauern¬
der Beobachtung gebliebenen Fall von Lungentuberkulose trat
unter Darreichung von Guajakose neben der sonstigen Behand¬
lung ein Stillstand des Prozesses ein. G.
Rudolf Fieweger: Zur Pathologie des akuten und chronischen
Alkoholismus. Aus dem pharm. Institut der tierärztlichen
Hochschule Berlin. (Iuaugural-Dissertation, Gießen 1909.)
Im ersten Teil seiner fleißigen Arbeit bespricht R. Fie-
w e g e r die Literatur von 1869 bis heute, aus der zu ersehen
ist, wie verschieden die Resultate sind, welche die bisherigen
Versuche behufs künstlicher Erzeugung von Lebercirrhose
bei den verschiedenen Tierarten ergeben haben. Des¬
halb versuchte es 'Verfasser, durch weitere experimentelle
Untersuchungen zur Klärung dieser Frage beizutragen. Die
Versuchsanordnung (es wurden zwei Hunde, eine Katze, zwei
Schweine und drei Kaninchen dabei benutzt) muß im Original
eingesehen werden.
Bei Betrachtung der mikroskopischen Befunde ist es auf¬
fallend, wie geringfügige Veränderungen die Leber im allge¬
meinen unter dem Einfluß des chronischen Alkoholismus er¬
litten hat. trotzdem die einzelnen Alkoholdosen ziemlich hoch
und die Versuche von relativ langer Dauer waren. Als eine
der auffälligsten Erscheinungen zeigte sich eine Verfettung der
Leber, und zwar erschien diese Verfettung bei allen Tieren
mit Ausnahme der beiden Schweine unter dem Bilde der Fett¬
infiltration. Die Leberzellen zeigten sich von einer wechseln¬
den Anzahl größerer und kleinerer Fettröpfchen erfüllt. Am
prägnantesten war diese Fettinfiltration bei der Katze, deren
582
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 38.
Leber schon makroskopisch durch das rein lehmfarbene Aus¬
sehen und die teigige Konsistenz auf diese Affektion besonders
hinwies. Auch waren die mit Sudan III gefärbten Gefrier¬
schnitte der Leber dieses Tieres besonders auffallend leuch¬
tend rot gefärbt. Zerfallerscheinungen von seiten des Proto¬
plasmas und der Zellkerne wurden dabei in allen Fällen ver¬
mißt. Ferner hatten Protoplasma und Zellkerne im all¬
gemeinen deutliche und gleichmäßige Färbung angenom¬
men. Im Gegensatz zu der physiologischen Fettinfiltra¬
tion in der normalen Leber, bei der die Fetttröpfchen
mehr in der Peripherie der Acini in weit geringerer
Anzahl aufzutreten pflegen, zeichneten sich die Zellen
der Alkohollebern dadurch aus, daß das Fett in viel größerer
Menge und mit gleichmäßiger Verbreitung über den ganzen
Acinus in die Erscheinung trat. Nur bei den beiden Schweinen,
die in der letzten Zeit der Versuche sehr große Alkoholmengen
erhalten hatten, zeigte sich die Verfettung als beginnende
fettige Degeneration: es fanden sich in den Zellen lauter ganz
kleine Fettkörnchen wie ein feiner Staub vor. Eine weitere
Veränderung, die in der Leber. verschiedener Versuchstiere
auffiel, war die enorme Hyperämie der Capillaven. Eigentliche
cirrhotische Veränderungen wurden bei allen Tieren vermißt.
Nur bei dem einen Kaninchen zeigten sich an verschiedenen
Stellen zwischen den einzelnen Lobuli Ansammlungen von
Rundzellen, und zwar nahm diese zellige Infiltration von den
Aesten der Vena portae ihren Ausgang und sandte bereits
schmale Ausläufer zwischen die Lobuli, Welche eine beginnende
Segmentation der einzelnen Lobuli einzuleiten schienen. Ver¬
fasser ist geneigt, diese zellige Infiltration als frische Hepatitis
interstitialis aufzufassen.
Diese Resultate, welche die experimentellen Unternehmun¬
gen gezeitigt haben, sind sehr wohl in Einklang zu bringen
mit den Ergebnissen, welche die Sektionen von Potatoren
liefern. Entgegen der landläufigen Ansicht, daß die Leber-
cirrhose des Menschen eine Säuferkrankheit sei, ist in letzter
Zeit festgestellt worden, daß zwar viele Cirrhotiker Säufer,
aber die wenigsten Säufer Cirrhotiker sind. v. H a n s e m a n n
sprach sich auf der achten Tagung der deutschen pathologi¬
schen Gesellschaft auf Grund seiner reichen Erfahrungen am
Sektionstisch und systematischer Untersuchungen der Lebern
von Potatoren dahin aus, daß er nichts besonders häufig ge¬
funden hätte, was als eine beginnende Lebercirrhose gedeutet
w erden könnte, nicht häufiger als bei Nichtpotatoren. Er wolle
nicht absolut leugnen, daß der Alkohol ätiologisch zur Leber¬
cirrhose in Beziehung stände, sei jedoch mehr und mehr zu
der Ansicht gelaugt, daß diese Frage revisionsbedürftig sei.
Dieselbe Auffassung vertritt auch v. Baumgarten. Er
teilte auf der 11. Tagung der deutschen pathologischen Gesell¬
schaft im Jahr 1907 mit, daß er auf Grund seiner Erfahrungen
am Sektionstisch die bereits von v. Ha nse m a n n nachdrück¬
lich hervorgehobene und auf reiche Erfahrungen gestützte An¬
nahme, daß die Lebercirrhose eine im Vergleich zur Aus¬
breitung des Potatoriums seltene Erkrankung sei, durchaus
bestätigen könne. Nach seinen Aufzeichnungen zeigten nicht
mehr als 5—6 pCt. der von ihm sezierten Potatoren Leber¬
cirrhose; in den meisten Fällen wurde bei ihnen diffuse Fett¬
leber gefunden, aber von rein infiltrativem und nur selten
degenerativem Charakter, und ohne Erscheinungen be¬
ginnender Cirrhose. Baum garten ist deshalb mit
v. Hanse mann geneigt, dem Abusus spirituosorum nur
eine disponierende, nicht eine direkt ätiologische Rolle in der
Pathogenese der Lebercirrhose zuzuschreiben, etwa in der
Weise, daß das Potatorium die Funktionen der Magen-Darm-
wand schädigt und dadurch die Resorption gewisser, gelegent¬
lich im Magen-Darmkanal auftretender toxischer Stoffe be¬
günstigt. weiche zur Hervorbringung cirrhotischer Verände¬
rungen in der Leber geeignet sind.
Des Verfassers Versuche scheinen diesen Hypothesen eine
neue Stütze zu geben. Das Ausbleiben einer Lebercirrhose,
oder wenigstens von Andeutungen einer solchen bei der Mehr¬
zahl seiner Versuchstiere ist vielleicht dadurch zu erklären,
daß die betreffenden toxischen Stoffe im Magen-Darmkanal
dieser Tiere noch nicht gebildet sind oder überhaupt nicht ge¬
bildet werden. Das eine Kaninchen scheint jedoch in dieser
Hinsicht eine Ausnahme zu bilden. F.
Privatdozeut Dr. Camill Hirsch (Prag): Ueber passagere
Rindenblindheit durch Commotio eerebri. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 31.)
Ein 12 jähriger Gymnasialschüler erlitt am 12. Oktober 1909.
einen schweren Unfall, indem er von einem Automobil über¬
fahren wurde. Er wurde in bewußtlosem Zustand vorgezogen
und dann, als eine große blutende Kopfwunde bemerkt wurde,
in das nicht weit von der Unfallstelle entfernte Krankenhaus
gebracht. Hier war er wieder bei Bewußtsein, jammerte aber
laut, daß er nichts sehe. Im Operationssaal wurde zunächst
die große Kopfwunde versorgt. Es fand sich am Hinterkopf
eine 8 cm lange, quergestellte Rißquetschwunde durch die ge¬
samte weiche Schädeldecke, etwa % cm w r eit klaffend. Beim
Auseinanderziehen der Wundränder lag die Lamina externa
der Schädclknochen frei, das Periost war nach oben bis zu den
beiden Tubera parietalia, nach abwärts auf etwa 2 cm vorn
Knochen abgelöst. Die Lambdanaht lag frei, sie war blutig
suffundiert. Nirgends Kontinuitätstrennungen des Knochens.
Ferner fand sich eine Quetschung der Nase, deren Oberfläche
suffundiert w'ar, und eine kleine Stichwunde am 4. Dorsal¬
wirbel am Rücken. An verschiedenen Stellen der Extremitäten
Exkoriationen und Suffusionen, jedoch keine Frakturen oder
Luxationen. Nachdem die Wunde versorgt war, untersuchte
Verfasser den Augenbefund. Es fand sich totale Amau¬
rose, die etwas über mittelweiten Pupillen reagierten, wenn
auch nur sehr träge, auf Licht. Es besteht Strabismus diver-
gens sinister schon von früher her, wie Verfasser zufälliger¬
weise schon % Jahr zuvor bei dem Knaben festgestellt hatte.
Beweglichkeit der Augen normal, der Augenhintergrund zeigt
nichts Pathologisches. Nach drei Stunden konnte der Knabe
wieder große weiße Gegenstände und die Hand wahrnehineu.
Nach weiteren vier Stunden konnte der Knabe Finger in kurzer
Entfernung vor dem Auge zählen. Es besteht jetzt rechtsseitige
homonyme Hemianopsie. Die Trennungslinie des Gesichts¬
feldes reicht fast bis zum Fixierpunkt. Am nächsten Tag haben
[ sich die beiden Gesichtsfelder nach rechts erweitert. Wieder
einen Tag später hatte das Gesichtsfeld an beiden Augen nor¬
male Ausdehnung, die Sehschärfe ist normal, der Knabe liest
fließend; der Hintergrund ist normal. — Es besteht gleich¬
zeitig retrograde Amnesie insofern als die Erinnerung an den
j Unfall vollkommen fehlt; an die Ereignisse vor dem Unfall be-
I steht Erinnerung, ln den nächsten Wochen heilten die Wun¬
den ohne weitere Komplikationen. Das Sehvermögen und der
Augenspiegelbefund blieben weiter normal. Verfasser hält es
für wahrscheinlich, daß die Ursache der passageren Erblindung
im vorliegenden Fall eine Commotio eerebri war. Hier¬
für spricht vor allem die kurzdauernde Bewußtlosigkeit nach
; dem Unfall sowie die retrograde Amnesie.
Privatdozent Dr. L. Blum (Straßburg): Ueber die Behandlung
der Ischias mit epiduralen Injektionen. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 32.)
Verfasser berichtet über die Behandlung der Ischias mit
epiduralen Injektionen, welche er in einer Reihe von Fällen mit
Erfolg angewendet hat. Die Methode der epiduralen Injek-
; tionen ist von C a t h e 1 i n und S i c a r d angegeben worden,
i Die Möglichkeit, ohne Eindringen in den Duralsack auf die
Nervenwurzeln zu wirken, besteht durch Benützen des Sacral-
kanals. Der Duralsack reicht beim Erwachsenen bis an das
untere Ende des ersten Sacralwirbels, beim Kinde bis zum
zweiten Sacralwirbel. Der Sacralkanal ist ausgefüllt von den
ziemlich seitlich verlaufenden Nervenwurzeln des Plexus
sacralis und pudendus, von Fettgewebe und zahlreichen Venen¬
plexus. Von außen her ist der Kanal durch das Foramen
sacrale inferias zugänglich. Diese Oeflnung wird oben begrenzt
durch das Ende der mittleren Leiste des Os sacrum, seitlich
durch zwei Höcker, die Enden der Cristae sacrales laterales.
Geschlossen wird das Loch durch das Ligamentum sacro-
coccygeum. Man kann die Oeifnung auf folgende Weise finden:
Verfolgt man durch Tasten mit dem Finger die mittlere Sacral-
leiste von oben nach unten, so fällt man plötzlich in eine Ex¬
kavation, die der Oeffnuug entspricht. Einen noch besseren
i Anhaltspunkt gewähren die zwei Höcker, welche die Oeflnung
| seitlich begrenzen. Am besten zu fühlen sind sie in der Knie-
j ellenbogenlage oder in der Sims sehen Seitenlage bei starker
; Beugung des Rumpfes und der unteren Extremitäten. Im all-
[ gemeinen findet sich die Oeflnung 2 cm höher als' das obere
| Ende der Glutäalfalte. Als Instrumentarium wird eine ge¬
wöhnliche Rekordspritze von 10 ccm Inhalt mit einer 6—8 cm
langen, ziemlich dünnen Nadel benützt. Bei normalen anatomi¬
schen Verhältnissen dringt die Nadel bei dieser Länge nicht
höher als bis zum zweiten Sacralwirbel, wenn sie ganz einge¬
stochen ist. Als Flüssigkeit zu den Injektionen nahm Verfasser
anfangs 1 proz. Kokainlösung oder 4 proz. Stovainlüsung. später
einfach physiologische Kochsalzlösung. (5—10 ccm.) Die In¬
jektion wird bei Knieelleubogenlage eder Sims scher Seiten-
lage des Pat. ausgeführt; die Kanüle wird zuerst unter einem
Winkel von 20° eingeführt, bis das Ligamentum durchstochen
ist, dann geht man in horizontaler Richtung weiter. Bevor die
Injektion ausgeführt wird, überzeugt man sich, daß eine Vene
oder der Lumbalsack nicht angeslcchen sind; die Flüssigkeit
wird darauf langsam injiziert. Die Kanüle wird darauf her¬
ausgezogen und die Stichöffnung mit Kollodium oder Heft¬
pflaster verschlossen. Im allgemeinen tut man gut, den
Patienten auf die Seite zu legen, auf der die Ischias besteht.
Die Besserung tritt meist sehr rasch auf, selten erst nach
24 Stunden. Bei Ischias hören zuerst die Schmerzen im Kreuz
und im Oberschenkel auf. Zuweilen genügt eine Injektion,
um alle Beschwerden zu beseitigen; in hartnäckigen Fällen da-
j gegen sind mehrere Injektionen nötig, die in Intervallen von
' 2—3 Tagen vorgenommen werden.
No. 38.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
583
Dl'. Graupner (Dresden): Nierenerkrankung bei Basedowscher
Krankheit (thyreogene Nephritis). (Münch, med. Wochen¬
schrift, '1910, No. 32.)
In einzelnen Fällen tritt bekanntlich nach der Exstirpation
der Struma bei Basedow scher Krankheit unter rapider Ver¬
schlimmerung der Krankheitserscheinungen der Tod ein. Es
hat sich gezeigt, daß in derartigen Fällen fast immer eine
Persistenz resp. Hyperplasie der Thymus vorhanden ist. Verf.
berichtet über zwei hierher gehörige Fälle bei Frauen von
41 und 33 Jahren, in denen der Sektionsbefund erhoben wer¬
den konnte. Es fand sich in beiden Fällen wieder ein Status
lymphaticus (Hyperplasie der Thymus und Milz, rotes Knochen¬
mark, heteroplastische Lymphome), außerdem aber bestanden
schwere degenerative Veränderungen des Nierenepithels, in
einem Fall bis zur Narkose gesteigert. Bei einer 63 jährigen
Frau, welche an B a s e d o w scher Krankheit litt und plötzlich
ohne erkennbare Veranlassung starb, fanden sich ebenfalls
außer Thymuspersistenz die schwersten Veränderungen der
Nieren, Nekrose des Epithels, besonders in den gewundenen
Kanälchen und den Schleifen. Es handelt sich nach Verf. in
derartigen Fällen um eine toxische thyreogene Nephritis, deren
Entstehung anscheinend durch operative Eingriffe an der
Schilddrüse begünstigt werden kann.
Dr. Günzburg (Frankfurt a. M.): Zur Diagnose der Duodenal¬
geschwüre. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 28.)
Verfasser schildert die diagnostischen Merkmale, welche
für Duodenalgeschwüre charakteristisch sind. Es bestehen
Schmerzen, welche 2—3 Stunden nach der Mahlzeit auftreten
und durch Nahrungsaufnahme beseitigt werden. Auch nachts
zwischen 1 und 2 Uhr treten häufig Schmerzen auf. Derartige
Schmerzaiifälle dauern Tage bis Monate, sind wenig beeinflu߬
bar, verschwinden und erscheinen periodisch wieder. Bei der¬
artiger Anämie ist ein Ulcus duodeni sicher anzunehmen, wenn
Blutungen vorhanden sind (starke Darmblutungen oder häufige
Anwesenheit von okkultem Blut) oder wenn motorische Störun¬
gen nachweisbar sind in dem Sinne, daß eine L e u b e sehe
Probemahlzeit nicht naeh sieben Stunden erledigt wird. Zu¬
weilen kann die Erweiterung des Duodenums eine deutliche
iympanitische Perkussionsfigur am Lobus quadratus der Leber
veranlassen. R. L.
Dl'. Franz Barsickow. Oberarzt im 3. Bad. Dragouer-Rgt. No. 22:
Ueber Appendicitis im Bruchsack. (Beiträge zur klin. Chir.,
19.10, Bd. 68, H. 1.)
Der Wurmfortsatz findet sich zuweilen sowohl allein als
auch zusammen mit anderen Eingeweiden, namentlich Coecum
allein oder Coecum und Dünndarm eventuell Netz als Inhalt
von Hernien. Unter so veränderten Lage- und Zirkulations-
hältnissen neigt er noch leichter als an normaler Stelle zu Ent¬
zündungen. In der Zeit von 1897 bis Ende 1909 kamen in der
Tübinger chirurgischen Klinik fünf Fälle von Appendicitis int
Bruchsack zur Operation, über die Verfasser in vorliegender
Arbeit berichtet. Das klinische Bild der Hernienappendicitis
läßt nach den Erörterungen des Verfassers in den seltensten
Fällen selbst nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose stellen und
von Einklemmung der Appendix unterscheiden. An Hernien¬
appendicitis muß man denken, wenn ein Bruch plötzlich leichte
Einklemmungserscheinungen bietet, die Geschwulst und ihre
Umgebung schnell entzündliche Erscheinungen zeigt, von Be¬
ginn der Erkrankung an geringes Fieber besteht bei freier oder
vorübergehend gestörter Darmpassage. In Fällen, wo die
Appendix alleiniger Inhalt der Hernie ist, und wo es dann zu
weit fortgeschrittenen Veränderungen eventuell zu ihrer totalen
Zerstörung gekommen ist, bleibt es oft zweifelhaft, ob man das
Endresultat einer Entzündung oder einer Einklemmung vor
sich hat. Die Prognose ist bei Unterlassen von Taxisversuchen
durchaus günstig zu stellen. In Fällen, in denen die Diagnose
auf Hernienappendicitis gestellt worden ist, kann nur eine
Operation in Frage kommen. Sprengel empfiehlt zunächst
die Herniotomie auszuführen und danach von oben die Bauch¬
höhle durch einen neuen Schnitt zu öffnen. Er faßt daun von
oben den Wurmfortsatz an der Basis und zieht ihn durch den
Bruchkanal durch. Da es aber bei schon schwer verändertem
Proc. vermif. zu dessen Abreißung und damit zur Infektion des
Operationsterrains kommen kann, erscheint ein Verfahren
rationeller, bei dem man auch dauernd den Wurmfortsatz vor
Augen hat. Nach der Herniotomie wird, wenn die Bruchpforte
nicht weit genug ist, um das Coecum vorzuziehen, der Schnitt
verlängert, bis man die Bauchhöhle so weit eröffnet hat, um be¬
quem an die Ansatzstelle des Wurmfortsatzes heranzukommen.
An die typische Resektion an der Appendix schließt sich die
liadikaloperation der Hernie.
Dr. W. Burk, Oberarzt der chir. Abt. des Ludwigsspital „Char¬
lottenhilfe" zu Stuttgart: Leber künstliche Blutleere der
unteren Körperhälfte nach Momburg. (Beiträge zur klin.
Chirurgie, 1910, Bd. 68, Heft 2.)
Verf. berichtet über 3 Fälle, bei denen die künstliche Blut¬
leere nach M o m b u r g angewendet wurde. Ein Fall führte
zu Darmgangrän mit nachfolgender Peritonitis, welche schlie߬
lich den Tod bewirkte. Auf Grund des Sektionsbefundes ist die
Tatsache, absolut sicher, daß die' Darmgangrän direkte Folge
der künstlichen Blutleere der unteren Körperhälfte nach M o m-
hu rg war. Verf. stellt auf Grund seiner und der in der Lite¬
ratur niedergelegten Erfahrungen über die künstliche Blutleere
folgende Kontraindikationen zusammen:
1. Die Mom burgsehe Abschnürung ist nur bei völlig
Herzgesunden und durch Krankheit nicht zu sehr entkräfteten
Patienten anzuwenden, da durch die Abschnürung in vielen
Fällen teils bei Anlegung, teils bei Abnahme der Konstriktion
gefährliche Blutdruckschwankungen entstehen, denen ein
krankes und geschwächtes Herz nicht gewachsen ist.
2. Das Verfahren ist aus den unter 1. angeführten Gründen
zu vermeiden bei alten Leuten und Arteriosklerotikern.
3. Bei zu fettreichen Leuten, bei denen trotz kräftiger Ab¬
schnürung kein Verschwinden des Femoralpulses zu erreichen
ist, ist die Abschnürung der unteren Körperhälfte nicht anwend¬
bar, da die Gefahr der Verblutung in die unvollkommen ab-
geschnürte Körperhälfte besteht.
4. Bei sehr mageren Personen oder bei solchen, welche an
Darmaffektionen (ulcerative Prozesse, chronisch-entzündliche
Affektionen etc.) leiden, ist die Mom bürg sehe Abschnürung
nicht anwendbar, da die Gefahr schwerer Darmschädigungen
durch direkte oder indirekte Druckwirkung des abschnürendeu
Schlauches besteht.
Ob und in welchen Fällen die Gefahr einer ischämischen
Lähmung des Conus terminalis, wie sie Pagenstecher in
einem Falle beobachtete, eine Kontraindikation gegen die Ab¬
schnürung abgibt, müssen weitere Erfahrungen lehren. Jeden¬
falls erscheint es nach den bisherigen Erfahrungen geraten, die
Methode auf solche Fälle zu beschränken, wo eine unvermeid¬
liche Operation ohne Blutleere zu gefährlich oder unausführ¬
bar ist. Stehen wir aber vor der Alternative, einen Kranken uu-
operiert sterben zu lassen, oder eventuell unter Zuhilfenahme
der Momburg sehen Blutleere zu retten, so rechtfertigt sich
der Standpunkt: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ K r.
Lotheissen: Aethylchlorid-Sauerstoft-Narkose, (Archiv für klin.
Chirurgie, Bd. 91, H. 1.)
In Frankreich, Holland, England und Amerika ist die
Aethylchloridnarkose weit verbreitet, weniger in Oesterreich
und Deutschland. Lot heissen berechnet auf 17 000, Luke
(Edinböurgh) auf 36 000 Narkosen einen Todesfall. Verfasser
hat die Aethylchloridnarkose durch eine kleine Abänderung
am R o th- D r äg e r sehen Apparat mit der Sauerstoff¬
darreichung kombiniert und berichtet über recht günstige Er¬
fahrungen. Die Aethylchloriddämpfe werden. ohne Wider¬
streben eingeatmet; die Narkose erfolgt rasch und sicher.
Schädigungen an Lungen und Nieren wurde in keinem Fall be¬
obachtet, dagegen kann bei Ueberdosierung Asphyxie ein-
treten. Sehr geeignet ist das Aethylchlorid bei Deliranten,
Psychischkranken und Potatoren, bei welchem der Aether-
rausch leicht mißlingt. Im übrigen ist nach Ansicht des Ver¬
fassers in denjenigen Fällen, in welchem die sonst gebräuch¬
lichen Allgemein-Narkosen kontraindiziert sind, auch die
Aethylchloridsauerstcffnarkose nicht zu empfehlen.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Hermann Schöppler: Die Behandlung der Gelenksver-
stauchungcn mit heißen Bädern und Massage. (Der Mili¬
tärarzt, 1910, No. 14.)
Es ist eine allgemeine Erfahrung, daß Gelenksverstanchun-
gen zumeist einen sehr langsamen Heilungsverlauf nehmen.
Dieser langwierige Verlauf des Heilungsprozesses bei Gelenks-
distersionen veranlaßte Generalarzt Dr. Reh, darauf hinzu¬
weisen, daß nach seinen vieljährigen Erfahrungen heiße Bäder
mit nachfolgender leichter Massage, täglich zweimal 'i Stunde
lang ausgeführt, vorzügliche Resultate ergaben. Verfasser hat
diese Methode nachgeprüft und gefunden, daß sie gegenüber
den früher angewandten Behandlungsarten mit Bettruhe. Blei¬
wässerumschlägen, feuchten Verbänden etc. einen wesentlichen
Fortschritt bedeutet, indem sie eine weitaus kürzere Zeitdauer
der Heilung aufweist. Die Schmerzhaftigkeit, die Schwellung,
Blutextravasate gingen stets schnell zurück. Die funktionellen
Störungen konnten rasch einer Besserung zugeführt werden.
Die Methode wird gerade dem Militärarzt, bei dem das tuto.
cito et jueunde im Heilverfahren nicht zum wenigsten von Be¬
lang ist, in hohem Grade willkommen sein. K r.
Prof. Dr. E. Hoffnuum (Greifswald): Zur Entstehung und Be¬
handlung der Skoliose. (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 32.)
Verfasser bespricht einige Punkte aus der Lehre von der
Skoliose. Zunächst weist er darauf hin, daß es, auch durch
eine anhaltende und energische Behandlung in orthopädischen
Anstalten, nicht gelingt, die ausgebildeten gröberen anatomi¬
schen Veränderungen, besonders den Rückenbuckel, zu be-
584
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
seifigen. Deshalb ist zu erstreben, der Entstehung der Sko¬
liosen nach Möglichkeit vorzubeugen. Zu diesem Zweck muß
man sich die Ursachen, die zur Entstehung der Skoliose führen,
klar machen. Nach Verfasser besteht diese darin, daß die
Kinder das Gefühl für richtige Körperhaltung verloren haben.
Die skoliotische Haltung beruht also auf einer Störung des
Muskelgefühls. Diese Störung wird meist durch die in der
Schule liegenden Schädlichkeiten hervorgerufen. Ist einmal
die skoliotische Haltung da, so geht ohne Behandlung das Uebel
unaufhaltsam weiter. Deshalb sind die Kinder rechtzeitig in
Behandlung zu nehmen. Diese ist im wesentlichen eine er¬
zieherische. Das Kind wird gelehrt, was es zu tun hat, um
eine gerade Haltung einzunehmen, um seinen Kehler zu korri¬
gieren. Deshalb werden Uebungen im Geradestehen vorge-
nommen, ferner Uebungen, welche zugleich die wichtigsten
Rückenmuskeln kräftigen und die Wirbelsäule mobilisieren.
Die Behandlung wird zuerst vom Arzt persönlich vorgenommen,
später können andere, am besten die Mütter der Kinder, die
Behandlung unter Kontrolle des Arztes in derselben Weise
fortführen. Hat man es mit vorgeschrittenen Fällen von Sko¬
liosen zu tun. wo schon eine Fixation der Wirbelsäule in der
krankhaften Stellung eingetreten ist, so kommt es zunächst
darauf an, die Wirbelsäule zu mobilisieren, dabei zeigen sich
besonders die Kriechübungen von Klapp von Nutzen. Das
Korsett verordnete Verfasser nur in sehr schweren Fällen, wo
es manchmal zur Entlastung von Herz und Lunge von Nutzen
sein kann, nicht aber, weil es etwa das Schlimmerwerden ver¬
hüten könnte. Nur bei der rachitischen Skoliose kleiner Kin¬
der ist es imstande, umformend auf den Thorax einzuwirken.
R. L.
Dr. Georg Müller (Berlin): Zur Prophylaxe der habituellen
Haltungsanomalien. (Die Therapie der Gegenwart,
August 1910.)
Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der Prophylaxe der
durch vieles Sitzen während des Schulunterrichts hervorgerufe¬
nen Haltungsanomalien. Zum Teil wird der Gefahr, in die sich
jeder Schulrekrut begibt, durch die Einführung rationell kon¬
struierter Schulbänke vorgebeugt. Doch hat Verfasser die Er¬
fahrung gelehrt, daß diese allein durchaus nicht hinreichen,
da die Kinder selbst in den besten Schulbänken nicht immer
richtig sitzen und auch hier mit Vorliebe ihre Wirbelsäule nach
Ausschaltung der Muskulatur der Bandhemmung überlassen.
Verfasser hat nun durch eine Abänderung der Riemenführung
am Tornister ein ebenso einfaches wie wirksames Prophy-
laktikum gegen die durch vieles Sitzen während des Schul¬
unterrichts hervorgerufenen Haltungsanomalien gefunden. Er
nennt den von ihm angegebenen Schultornister Orthoplast (aus
"V*«'s und iDdffic gebildet). Die Aenderung der Riemen¬
führung ist derart, daß sie wie ein Geradhalter wirkt und die
durch zu langes Sitzen herbeigeführte Haltungsanomalie, falls
noch keine anatomischen Veränderungen vorliegen, beseitigt.
Es würde hierdurch 'sowohl auf dem Nachhausewege, als auch
auf dem darauffolgenden Wege zur Schule die dort ange¬
nommene fehlerhafte Haltung ausgeglichen so daß, wenn auch
die Schädigungen des Sitzens immer wieder von neuem auf
den Rücken einwirken, sie doch gewissermaßen immer wieder
einen korrigierten Rücken vorfinden, so daß eine Kumulierung
der schädigenden Momente unter allen Umständen vermieden
wird. Das Charakteristische des Tornisters liegt, wie schon er¬
wähnt, in der Führung der Riemen. Sie beginnen zusammen
etwas unterhalb der Mitte der oberen Kante der Rückwand,
verlaufen dann durch zwei Paar Ueberleger, von denen das
eine Paar etwas schräg gestellt, nicht ganz handbreit vom
äußeren und etwa eine Hand breit vom unteren Rande ent¬
fernt angebracht ist. während das andere Paar Ueberleger mit
Rollen versehen und in einem Drehgelenk drehbar, am unte¬
ren Rande, senkrecht unter dem oberen Paare liegt. Nach¬
dem die Riemen diese beiden Ueberleger passiert haben, ver¬
breitern sie sich zu einem Gürtel und werden vorn durch ein
Gürtel- oder Koppelschloß geschlossen. Die Anwendung ergibt
sich ohne weiteres: Nachdem das Kind seine Arme durch die
oberen durch Zurückziehung der Riemen beliebig weit zu
machenden Schlupfen hindurchgeführt 'hat, zieht es die vorn
herabhängenden Gürtelteile fest an und schließt das Schloß.
Die Wirkung ist eine eklatante. Die Schultern werden stark
zurückgezogen, die Brust wird vorgedrängt und der Rücken
dadurch, daß er in seiner ganzen Ausdehnung der harten
Tornister wand angelegt wird, energisch aufgerichtet, kurz, die
Haltungsanomalie wird beseitigt. Doch noch weitere Vorfeile
bietet der Tornister. Wir hören oft darüber klagen, daß die
Schultaschen mit viel zu vielen Büchern bepackt werden und
deshalb ungebührlich schwer sind. Ist dies gewiß an sich
schon ein Uebelstand. sagt Verfasser, so wird dieser noch da¬
durch vermehrt daß bei den bisher üblichen Schultaschen die
Last auf die untere hintere Kante, die gegen die Lendenwirbel¬
säule drückt, und die Schulterriemen, die das Kind zwingen,
den Zug nach rückwärts durch Vorwärtsneigung des Kopfes
und Vorwärtsbeugurig des Rumpfes zu parieren, verteilt ist.
No. 38.
Bei dem von M. angegebenen Schultertornister wird die Last
gleichmäßig auf den ganzen Rücken, den Leib und die Schul¬
tern verteilt und deshalb subjektiv viel weniger unangenehm
und funktionell nicht nachteilig empfunden.
Privatdozent Dr. Heinrich Hilgenreiner (Prag): Neues zur
Hyperphalangie des Daumens. (Beiträge zur klin. Chir., 1910
Bd. 67.)
Die Hyperphalangie des Daumens stellt nach Verfassers
Untersuchungen eine meist beide Hände betreffende, exquisit
vererbliche Mißbildung dar, welche wohl ausschließlich als
Palingenese der Mittelphalanx des Daumens aufzufassen ist und
nur durch eine endogene Ursache (Keimesvariation) erklärlich
ist. Sie scheint häufiger vorzukommen, als allgemein ange¬
nommen wird, und zwar ist sie entgegen der bestehenden An¬
sicht beim einfachen Daumen häufiger, wogegen die relative
Häufigkeit am Doppeldaumen überwiegt. Insbesondere scheinen
auch Andeutungen der Hyperphalangie in Form einer proximal
prominenten Verlängerung der Endphalange oder in Form einer
doppelten Beugefalte an der Vorderseite des Daumens nicht so
selten zu sein. Letzteres Kennzeichen ist für die Fälle von aus¬
gesprochener Hyperphalangie geradezu charakteristisch und
muß, wo es allein vorkommt, als letztes Anzeichen des vor sich
gegangenen Assimilationsprozesses der Mittel — durch die End¬
phalange angesehen werden. Man kann drei Grade oder
Formen der Hyperphalangie des Daumens unterscheiden: die
unvollständige, vollständige und vollkommene Hyperphalangie.
Zur ersten Gruppe gehören die Fälle von angedeuteter Hyper¬
phalangie und jene Fälle, in welchen Mittel- und Endphalange
noch mehr oder minder knöchern miteinander verbunden sind:
bei der zweiten Gruppe ist die Abtrennung der Mittel- von der
Endphalange eine vollständige, die Mittelphalanx aber, wie
bei der I. Gruppe, noch mehr oder weniger rudimentär. ent¬
wickelt; bei der vollkommenen Hyperphalangie ist die Mittel¬
phalanx vollkommen ausgebildet und weist insbesondere neben
der Diaphyse auch eine Epiphyse auf. Zwischen angedeuteter
und vollkommener Dreigliedrigkeit bestehen alle Uebergänge.
Das überzählige Mittelglied ist nicht immer durch Palingenese
der Diaphyse der zweiten Phalanx zu erklären, sondern kann
in seltenen Fällen auch der Epiphyse derselben entsprechen:
letztere Fälle unterscheiden sich von den ersteren in der Ent¬
wickelung dadurch, daß bei ihnen die Dreigliedrigkeit erst post
partum mit dem Auftreten der Epiphysenkerne in Erscheinung
tritt. Die ausgesprochene Dreigliedrigkeit des Daumens ist
stets mit einer Einbuße der Daumencharaktere verbunden,
welche im allgemeinen um so größer ist, je vollkommener die
Hyperphalangie ausgebildet ist. Schließlich kann dieselbe
auch den Epiphysenbefund des Metacarpus betreffen, so daß
sich derartige Daumenfinger auch im Röntgenbilde in nichts
mehr von den übrigen Fingern unterscheiden. Trotzdem
müssen sie als radiale oder Daumenfinger aufgesetzt werden
und es geht nicht an, in solchen Fällen, wie bisher, von einer
Duplizität oder Triplizität des Zeigefingers bei gleichzeitigem
Fehlen des Daumens zu sprechen. Die Sonderstellung, welche
das Endglied des Daumens in bezug auf seine Länge gegen¬
über den Endgliedern der übrigen Finger einnimmt, ist auf
den Assimilationsprozeß der Mittel- durch die Endphalanx
zurückzuführen. Die Behandlung der Difformitäten, welche
mit der Hyperphalangie vergesellschaftet oder durch sie be¬
dingt sind (Klinodaktylie). geschieht nach den allgemein gülti¬
gen Regeln. Bei gleichmäßig entwickelten atrophischen Doppel¬
daumen kommt die operative Vereinigung derselben zu einem
Daumen in Betracht. Kr.
Prof. Otto v. Franque: Künstliche Frühgeburt und vaginaler
Kaiserschnitt bei habituellem Absterben der Frucht.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 32.)
Habituelles Absterben der Frucht während der Schwanger¬
schaft. unter oder gleich nach der Geburt kommt bei chronischer
Nephritis der Mutter vor, es kann aber auch bei Erkrankung
der Placenta vorhanden sein, ohne daß chronische Nephritis
vorliegt. Es handelt sich bei diesen Erkrankungen der Placenta,
seien sie nun durch Nephritis oder durch primäre Ernährungs¬
störungen des Endometriums bedingt, zum Teil um zunehmende
Verödungen des funktionsfähigen Placentargewebes durch Zell¬
wucherungen und fibrinöse Degenerationen innerhalb des¬
selben, sogen, weiße Infarkte, zum Teil um fibröse Hyper¬
trophie der Chorionzotten und endo- und perivaskulitische
Prozesse in den kindlichen Gefäßen, die mehr oder weniger
stark verengt, in ihrer Elastizität beeinträchtigt oder vollständig
verschlossen werden. Therapeutisch kommt, um ein lebendes
Kind zu erzielen, beim habituellen Absterben der Frucht die
künstliche Frühgeburt in Betracht, natürlich nur dann, wenn
nicht Lues die Ursache ist. Verfasser berichtet über zwei Fälle,
bei denen er aus dieser Indikation die künstliche Frühgeburt
gemacht hat. Im ersten Falle handelte es sich um eine
38 jährige Frau mit chronischer Nephritis, deren drei voran¬
gegangene Kinder intrauterin abgestorben waren. Die Frau
wurde einige Tage in der Klinik beobachtet. Es bestand in
No. 38.
THERAPEUTISCHE RUNHSCHAU 1910.
geringem Grade Beckenenge. Als die Herztöne des Kindes
schwacher -wurden, leitete yerfasser die Geburt durch
Sprengung der Blase ein. Das sich entleerende Fruchtwasser
war schon stark mekoniumhaltig. Da die Herztöne bald noch
langsamer wurden und der Muttermund sich nicht erweiterte,
machte Verfasser die vaginale Hysterotomie und entwickelte
darauf das Kind rasch mit der Zange. Das Kind war leicht
asphyktisch, wurde aber rasch wieder belebt. Die Mutter
machte infolge ihrer Nephritis, Herzstörungen und einer
Schenkelvenenthrombose eine etwas verzögerte Rekon¬
valeszenz durch, konnte aber nach sieben Wochen entlassen
werden. Das Kind war seinen Längenmaßen nach ausgetragen,
wog aber nur 2580 g. Die Placentarerkrankung machte sich
also in dem mangelhaften Ernährungszustand des Kindes
geltend, extrauterin entwickelte es sich gut. Die Placenta
zeigte normale Maß- und Gewichtsverhältnisse: Bei der Betrach¬
tung von der Fläche sah man eine ziemliche Anzahl weißlicher,
sich härter anfühlender Partien; durch eine Anzahl senkrecht
durch das ganze l’lacentargewebe gelegte Schnitte ließ sich
feststellen, daß der bei weitem größte Teil des gesamten
Placentargewebes weißlich verfärbt, verödet und aus der Zirku¬
lation ausgeschaltet war. Mikroskopisch boten sie das Bild der
Verödung des intervillösen Raumes und der Infarktbildung
in verschiedenen Stadien. Der zweite Fall betraf eine 39 jäh¬
rige Frau, bei der zwei Kinder intrauterin abgestorben waren
und einmal ein Abort im dritten Monat stattgefunden hatte.
Auch diese Frau litt an chronischer Albuminurie. Da wieder
Absterben des Kindes zu befürchten war, wurde 14 Tage vor
dem normalen Termin die Geburt durch Metreuryse eingeleitet
und das Kind durch Wendung und Extraktion entwickelt. Das
Kind wog bei einer Länge von 50 cm 2950 g und gedieh gut,
auch die Mutter machte eine glatte Rekonvaleszenz durch, hatte
aber noch nach Monaten Eiweiß im Urin. Die Placenta bot
makroskopisch nichts Auffallendes, mikroskopisch bot sie das
Bild der fibrösen Hypertrophie der Chorionzotten in mäßigem
Grade, außerdem eine auffallende Vermehrung und Unregel¬
mäßigkeit der Syncytialsprcssen. Die Fälle zeigen, daß die
künstliche Frühgeburt wegen habituellen Absterbens der
Kinder kurz vor dem Schwangerschaftsende ein erfolgver¬
sprechender Eingriff und wissenschaftlich begründet ist.
Prof. A. Döderlein (München): Ueber Entstehung und Ver¬
hütung des Puerperalfiebers. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 33.)
Vorliegender Aufsatz ist die Wiedergabe eines von Verf.
in der gynäkologischen Sektion der 78. Jahresversammlung der
„British medical Association“ am 17. Juli 1910 gehaltenen Vor¬
trags. Der Autor legt darin seinen bekannten Standpunkt in
der Frage der puerperalen Infektion zusammenfassend dar.
Die in Betracht kommenden Infektionsfaktoren sind der Haupt¬
sache nach: 1. Die innerhalb der weiblichen Geschlechts¬
organe selbst gelegenen. 2. Die der Kreißenden von außen
während des Geburtsaktes und im Wochenbett drohende Ein¬
impfung pathogener Spaltpilze. Nach den Untersuchungen des
Verfassers gewähren nun die Bakterienzustände der Scheide
in der Schwangerschaft einen weitgehenden Schutz vor patho¬
genen Iniektionen während einer normalen Geburt und auch
während der ersten,, gefährdetsteu Zeit im Wochenbett. Für
gewöhnlich vegetiert hier nur eine bestimmte Bakterienart, die
Scheidenbacillen, denen die Aufgabe zufällt, durch ihre eigene
Lebensfähigkeit, nämlich die Produktion von Milchsäure, den
pathogenen Spaltpilzen die Entwickelung zu erschweren
oder unmöglich zu machen. Deshalb sind nach Verfasser alle
prophylaktischen Maßnahmen in der Schwangerschaft über¬
flüssig, ja sogar schädlich. Aber auch während der Geburt
sind prophylaktische Ausspülungen und Abreibungen der
Scheide, wie sie von anderen Autoren befürwortet werden,
nach Verfasset' zu verwerfen, jedenfalls unnötig; in mehreren
Versuchsreihen, in denen er abwechselnd je 500 Wöchnerinnen
ohne Auswahl mit und ohne prophylaktische Desinfektion be¬
handeln ließ, war die Quote der fiebernden Wöchnerinnen bei
den nichtdesinfizierten etwa halb so groß wie bei den desinfi¬
zierten. Also auch der klinische Versuch entscheidet für die
Unterlassung der prophylaktischen Desinfektion sub partu. In
bezug auf die Vermeidung der der Gebärenden von außen
drohenden Gefahren liegt die Sache einfacher. Alle Instru¬
mente usw., welche gebraucht werden, sind in bekannter Weise
steril zu machen. Die Hauptgefahr aber droht der Gebärenden
von den Händen der untersuchenden Aerzte und Hebammen.
Trotz der sorgfältigsten Händedesinfektion gelingt es nicht, die
Hände vollständig keimfrei zu machen. So hat die Praxis
auch stets ergeben, daß die nicht innerlich untersuchten Frauen
viel weniger häufig im Wochenbett erkranken als die unter¬
suchten. Deshalb hat man neuerdings versucht, die äußere
Untersuchung der Kreißenden so zu entwickeln, daß sie allein
genügende diagnostische Aufschlüsse ergibt, und somit die
innere Untersuchung entbehrlich wird. Verfasser hält aber
derartige Bestrebungen für zu weitgehend und die innere
585
Untersuchung durch die Hebammen nicht für völlig entbehr¬
lich, weil sonst die Zahl der diagnostischen Irrtümel- zu groß
werdeu würde. Um aber die von den Händen der Hebammen
und Aerzte drohende Infektionsgefahr sicher auszuschließen,
empfiehlt Verfasser die Verwendung steriler Tuschierhand-
j schuhe bei jeder inneren Untersuchung. Die Herstellung ganz
I dünner Gummihandschuhe beseitigt den ihrer Verwendung
entgegenstehenden Einwand, daß das Tastgefühl dadurch ver¬
ringert und die Untersuchung somit erschwert werde.
| Es bedarf nach den Erfahrungen des Verfassers an Studieren¬
den und Hebammenschülerinnen nur einer ganz geringen
Uebung, um damit ebenso gut zu fühlen, wie ohne Handschuhe.
Um das Anziehen der Handschuhe zu erleichtern, hat Verl',
einen zweifingerigen Tuschierhandschuh konstruiert, dessen
Anziehen mit leichter Mühe gelingt und der den übrigen Teil
der Hand in der eigentümlichen Tuschierhandstellung mit einer
glockenartigen Kappe bedeckt. Ferner hat Verfasser veran¬
laßt, daß diese Tuschierhandsclnihe fabrikmäßig (Zieger &
Wiegand. Gummiwarenfabrik, Leipzig-Volkmarsdorf) in
strömendem, überhitztem Dampf von 110—112° C. sterilisiert
und dann einzeln in einer luft- und bakteriendichten, drei¬
fachen Verpackung eingeschlossen in den Handel gebracht
werden.
Dr. Julius Mainzer (München): Ein neues geburtshilfliches
Instrument. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 32.)
Verfasser hat ein Instrument konstruiert, welches die nach
mißglückter Zangenextraktion erforderliche Perforation er¬
leichtern soll. Es handelt sich um eine gewöhnliche Nägele-
sche Geburtszange, die ganz wie diese zu jeder Art von Zangen-
entbindung benutzt werden kann. Als einzige Aenderung
trägt diese Zange auf dem Knopf des linken Blattes einen
querstehenden Metallring, ungefähr von der Größe eines Finger¬
ringes, welcher dazu bestimmt ist, ein der Beckenkrümmung
der Zange entsprechend gekrümmtes Metallrohr aufzunehmen
und diesem eine Zwangsläufigkeit zu erteilen, derart, daß das
i Rohr beim Hindurchschieben durch den Ring beständig in der
Zangenachse läuft. Dieses Rohr kann durch eine kleine seit¬
liche Schraube an jedem Punkt seines Weges festgeschraubt
werden. Die Perforation nimmt also folgenden Verlauf: Nach
mißglücktem Zangenversuch Festschrauben der Zange am
kindlichen Kopf mit mäßiger Kraft mit Hilfe einer am unteren
Ende der Zangengriffe anzubringenden Kompressionsvorrioh-
. tuug. Vorschieben des Metailrohres durch den Ring bis zum
I festen Anliegen am kindlichen Kopf; Festschrauben des Rohres
in dieser Stellung durch die kleine Schraube seitlich vom
Ring. Innerhalb des Rohres wird nun das trokarförmig ge¬
baute, etwa daumendicke Perforatorium vorgeschoben und
ein- oder mehrmals kräftig innerhalb des Rohres vorgestoßen,
bis es tief in den kindlichen Kopf eingedrungen ist. Dann
wird das Perforatorium zurückgezogen und entfernt und ein
entsprechend gekrümmter Metallkatheter in die Perforations¬
öffnung eingeführt mit nachfolgender Irrigation. Schließlich
wird die Zange abgenommen und mit einem der üblichen In¬
strumente dps perforierte Kind extrahiert. Dieses Instrument
hat den Vorteil, daß das eigentliche Perforatorium, durch die
Zange und das Rohr, gedeckt und geführt, nicht abirren und
abgleiten kann und nur den Kopf des Kindes trifft; ferner wird
eine assistierende Person entbehrlich, da man die am kind¬
lichen Kopf festgeschraubte Zange mit der linken Hand fixiert,
während die rechte das Perforatorium vorstößt. R. L.
Prof. L. Stieda (Königsberg i. Pr.): Ist plötzliches Ergrauen des
Haupthaares möglich? (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 32.)
Nach Verfasser ist die Ansicht falsch, daß das Ergrauen
der Haare durch Pigmentschwund im Haarschaft bedingt ist.
Bei dem gewöhnlichen physiologischen Ergrauen schwindet
nicht das Pigment der dunklen Haare; es gibt keinen Pigment¬
schwund; sondern die dunklen Haare fallen aus und werden
durch weiße, farblose ersetzt. Es handelt sich demnach beim
Ergrauen gewöhnlich um einen Haarwechsel. Eine seltenere
Form des Ergrauens ist diejenige, bei welcher das dunkle Haar
nicht ausfällt, sondern weiter wächst. Während bei dem jungen
nachrückenden Teil des Haares kein Pigment mehr gebildet
wird; dieser jüngere Teil ist weiß, farblos, das gibt Haare,
deren oberer — .Spitzenteil — dunkel, deren unterer — Wurzel¬
teil — farblos ist. Schneidet man den oberen Abschnitt fort, so
ist aus dem dunklen Kopfhaar ein weißes geworden. Die Ent¬
stehung der weißen Haare beruht nach Verfasser auf einer
Ernährungsstörung, infolgedessen kein Pigment gebildet wird.
Eine solche Ernährungsstörung kann früh oder spät eintreten,
kann die ganze Haardecke befallen oder nur einzelne Teile.
Die Theorie von Landois, nach welcher eine Luftentwick¬
lung in den dunkler pigmentierten Haaren die Ursache des
Ergrauens ist, ist nach Verfasser nicht haltbar. Auch die
Theorie von Metschnikoff, nach welcher die Phagocyten
das Pigment aufzehren sollen, ist nach Verfasser irrig. — Auf
586
No. 38.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Grund der entwickelten Anschauung hält Verfasser das Vor¬
kommen eines plötzlichen Ergrauens für unmöglich.
Dem Ergrauen liegt ein Haarwechsel zugrunde; ein
rapider, in 24 Stunden erfolgter Haarwechsel oder ein so
schnelles Haarwachstum ist undenkbar. Verfasser behauptet,
daß kein einziger wissenschaftlich beglaubigter Fall von plötz¬
lichem Ergrauen vorliegt. Alle bis jetzt in der Literatur mit¬
geteilten Fälle von plötzlichem Ergrauen des Haupthaares
haben nach Verfasser ihren Grund in einer ungenauen, kritik¬
losen Beobachtung, oder in einer absichtlich von seiten der Er¬
grauten vorgenommenen Täuschung (resp. absichtliches oder
unabsichtliches Unterlassen der Haarfärbung bei vorher be¬
stehendem Ergrauen). Verfasser begründet seinen Standpunkt
durch Anführung einer Reihe von in der Literatur oder in
Zeitungen sich findenden Fällen von sogenanntem plötzlichen
Ergrauen, von denen er nachweist, daß sie wenig beglaubigt
sind. R - E.
Schepilewsky (Dorpat): Ueber den Prozeß der Selbstreinigung
der natürlichen Wässer nach ihrer künstlichen Infizierung
durch Bakterien. (Archiv f. Hygiene, 1910, Bd. 72, H. 1.)
Den natürlichen Wässern sind baktericide Eigenschaften
eigen, durch welche sie schnell von den in sie hineingetrage¬
nen Bakterien befreit werden. Nur wenige Quellen geben
Wasser, das diese Eigenschaft nicht besitzt
Die baktericiden Eigenschaften des Wassers sind mit dem
Vorhandensein und der Vermehrung der Protozoen verbunden.
Die Reinigung des Wassers von Bakterien tritt kritisch ein
nach einer gewissen Dauer der Periode, im Verlauf welcher
die Entwicklung der baktericiden Kräfte des Wassers sich vor¬
bereitet bezw. die Vermehrung der Protozoen vor sich geht.
Die Vermehrung der Protozoen im Wasser geht vor sich
infolge der erregenden Wirkung auf die incystierten und vege¬
tativen Formen ihrer im Wasser löslichen Produkte der Auto¬
lyse der Bakterien und wahrscheinlich auch der Produkte der
Lebenstätigkeit der Bakterien überhaupt. Mühlschlegel.
II. Therapeutische Notizen.
Ueber Novojodin, ein neues Ersatzmittel des
Jodoforms, berichtet Privatdozent Dr. R. Polland (Graz)
in der (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 32). Das Novo¬
jodin, ein hellbraunes, geruchloses Pulver, ist ein Jodderivat
des Hexamethylentetramins (Co Hi- N, .1»), welches zu gleichen
Teilen mit Taicum venetum vermischt in den Handel kommt.
Novojodin ist in allen Lösungsmitteln fast unlöslich, läßt sich
aber leicht mit Ol. olivar., Paraffinum liquidum, Glyzerin,
Kollodium zu 10—20proz. Suspensionen vereinigen. Bei der
Berührung mit den Gewebssäften, Eiter, Wundsekret wird Jod
und Formalin abgespalteu. Das Novojodin darf nicht über
80" erhitzt werden, deshalb wird es fraktioniert sterilisiert.
Intern ist es kaum giftig. Verfasser prüfte das Novojodin
in der Grazer dermatologischen Klinik und zwar anfangs mit
Taicum venetum, später mit Bolus alba zu gleichen Teilen ge¬
mischt. Die Ergebnisse waren folgende: Auf eitfig belegten
Wundflächen der Haut oder Schleimhaut bewirkt das Novojodin
rasche Reinigung und Abstoßung der nekrotischen Beläge und
läßt in seiner Wirksamkeit gegenüber dem Jodoform einen
wesentlichen Unterschied nicht erkennen, Reizerscheinungen
nach Art eines Jodoformekzems konnten in keinem Falle beob¬
achtet werden, doch klagten verschiedene Patienten mit größe¬
ren Geschwürsflächen (Ulcera cruris) gelegentlich über
Schmerzen nach Bestreuen mit Novojodin, ohne daß an der
Ailektion selbst etwas zu bemerken war. Bei der Anwendung
auf den Schleimhäuten des weiblichen Genitale klagten die
Patientinnen über brennende Schmerzen, es zeigten sich starke
Reizerscheinungen au den behandelten Stellen, wie nach einei
Verätzung. Wurde das Novojodin mit Bolus alba im Verhält¬
nis 1 :3 angewendet, so blieben die Reizerscheinungen aus.
Dagegen erwies sich Novojodin bei Ulcera venerea von
großer, dem Jodoform mindestens gleichkommender Wirksam¬
keit. Die Novojodingaze wurde bisher in zahlreichen Fällen
bei Wunden aller Art. Geschwüren, Fistelgängen usw: mit be¬
friedigendem Erfolg verwendet, ohne daß Reizerscheinungen
auftraten. — Alles in allem hält P. das Novojodin für ein vor¬
zügliches Ersatzmittel des Jodoforms. — Es ist auch billiger
als dieses und wird von der Chemischen Fabrik Dr.
1L Sc he üble und Dr. A. Hochstet ter in Tribuswinkel
bei Baden, Niederösterreich, hergestellt.
Einen neuen Apparat zur Pleurapunktion hat Dr. W ilhelm
W'eitz (Hamburg) konstruiert (Münch, med. Wochenschr., 1910,
No 31) Der Apparat bedient sich zum Ansaugen einer Spritze;
der eigentliche Abfluß des Exsudats geschieht aber durch
Heberwirkung. Der Apparat besteht aus einer Spritze von
etwa 20 ccm Inhalt und einer Hohlnadel. Die Hohlnadel be¬
sitzt nahe ihrem Spritzenansatz ein seitliches Abflußröhrchen,
das durch einen Hahn O zu verschließen ist. Die Hohlnadel
| selbst hat zwei Verschlußhähne, von denen der eine A vor,
[ der andere B hinter dem Abgang des seitlichen AbflußrÖhr-
i chens angebracht ist. An dem letzteren wird ein Schlauch von
80—90 cm Länge angefügt, dessen anderes Ende mit einem
I oben hakenförmig gekrümmten Glasrohr verbunden ist. Statt
der Hohlnadel kann auch ein der Nadel sonst völlig gleicher
Troikart mit Mandrin angewendet werden. Die Punktion ge¬
schieht in folgender Weise: Nach Einstich der Nadel in die
Pleurahöhle wird bei geöffneten Hähnen A und B und ge¬
schlossenem Hahn C die Spritze vcllgesaugt; dann wird bei ge¬
öffneten Hähnen B und C und geschlossenem Hahn A der In¬
halt der Spritze in den Schlauch ur.d das Glasrohr gespritzt,
und nun Hahn B geschlossen, die Spritze abgenommen und
Hahn A geöffnet. Der Abfluß geschieht jetzt durch Heber¬
wirkung. Wird statt der Hohlnadel ein Troikart mit Mandrin
genommen, so muß natürlich zunächst der Mandrin heraus¬
gezogen werden, ehe die Ansaugung durch die Spritze ge¬
schehen kann. Zu Beginn der Punktion wird durch Messen
des Abstandes des Flüssigkeitsspiegels im Glasrohr von der
Einstichöffnung der Druck im Pleuraerguß bestimmt. Der Ab¬
lauf geschieht durch Senken des Glasrohrs; dabei wird bei
Schwächlichen und besonders bei Herzkranken das Rohr nur
wenig gesenkt und dadurch mit geringer Kraft abgesaugt, bei
kräftigeren Patienten wird durch tieferes Senken des Glas¬
rohrs ein schnelleres Ablaufen der Flüssigkeit bewirkt. Nach
Ablauf von je 200—300 ccm der Flüssigkeit wird wieder der
Druck gemessen. Im allgemeinen wird die Punktion abge¬
brochen, wenn bei mittleren und kleineren Ergüssen der nor-
j male Pleuradruck von etwa —11 cm, wenn bei großen Er¬
güssen ein Druck von —2 bis —5 cm erreicht ist. (Der
Apparat ist bei Hugo Kellner, Hamburg, Kirchenallee34,
zu beziehen.) R. L.
Prof. Dr. Marian« Carruccio, Direktor der dermatologischen
; Klinik in Rom, berichtet in der , Medizinischen Klinik“, 1909,
No. 52, über seine Erfahrungen mit dem von der Firma Obe r-
meyer & Co. in Hanau am Main hergestellten Präparat
„Vilja-Creme“. Er ist voll des Lobes über diese Salbe und
| fand in ihr ein äußerst wirksames Mittel gegen den bei so
' vielen Hautkrankheiten auftretenden kräftigen Juckreiz.
Auch fand er „Vilja-Creme“ nützlich, um die hyperkeratoti-
schen und Satanischen Zustände der Haut günstig zu beein¬
flussen, wie sie bei geschwürigen Veränderungen infolge von
chronischem Ekzema e varicibus an den Unterschenkeln auf-
treten. Gute Verwendung findet „Vilja - Creme“ schließlich
auch bei Kälte- und Hitzerythem, bei leichten Verbrennungen
und bei Ernährungsstörungen infolge veränderter Funktion der
| Hautdrüsen. K r.
III. Bücherschau.
Neuere Forschungen auf dem Gebiete der intestinalen Auto¬
intoxikationen und ihre Behandlung. Von Sanitätsrat Dr.
C. Wegele, Bad Königsborn, Westfalen. Würzburger Ab¬
handlungen aus dem Gesamtgebiet der praktischen Medizin, .
Bd. X, H. 8. Wiirzburg 1910, Gurt Kabitzsch
(A, Stübers Verlag). 18. S. 0,85 M.
Die Lehre von der intestinalen Autointoxikation wurde
in den letzten Jahren besonders durch die Untersuchungen
einiger französischer Forscher gefördert. A. Combe hat
über dieses Gebiet eine größere, von Wegele
deutsch herausgegebene Monographie verfaßt, in welcher das
bisher zutage geförderte Material im Zusammenhang dar-
| gestellt wird. In der vorliegenden kleineren Arbeit bespricht
I Verfasser in Kürze die wesentlichen Ergebnisse der ein-
I schlägigen Forschungen zusammenfassend, um das Interesse
j der deutschen Aerzte für diese Dinge, die ja auch von großer
■ praktischer Bedeutung sind, zu wecken. Diejenigen Kollegen,
die sich rasch über das in Rede stehende Gebiet orientieren
wollen, werden mit Nutzen die Allhandlung lesen.
Die interlobäre exsudative Pleuritis (unter Zugrundelegung
von 100 Krankheitsfällen). Von Professor Dr. G. L. Sacco-
naghi, Oberarzt der inneren Abteilung der R. Spedali
Riuniti in Livorno. Würzburger Abhandlungen aus dem
Gesamtgebiet der praktischen Medizin, Bd. X, H. 7. Würz¬
burg 1910, Curt Kabitzsch (A. Stübers Verlag).
30 S. 0,85 M.
Auf Grund von 100 Fällen, von denen Verfasser zwei
selbst beobachtet, die übrigen aus der Literatur gesammelt hat,
bespricht er in gründlicher Weise das interlobäre Empyem
der Pleura, ein Krankheitsbild, welches fast ausschließlich von
französischen Aerzten beschrieben worden ist, während es in
Deutschland ziemlich unbekannt geblieben zu sein scheint. Es
ist darum dankenswert, daß durch die vorliegende Schrift die
Aufmerksamkeit der deutschen ärztlichen Kreise auf diesen
Gegenstand gelenkt wird. Es handelt sich um eine ernste Er¬
krankung, welche sowohl in diagnostischer Beziehung
No. 3Ö.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
587
Schwierigkeiten macht als auch hinsichtlich der Prognose und
Therapie nicht leicht zu nehmen ist. Es kommen allerdings
spontane Heilungen und Heilungen infolge Entleerung des
durchgebrochenen Exsudats aus den Luftwegen vor („maul¬
volle“ Expektoration); tritt dieser Vorgang nicht ein, so ist
man genötigt, selbst die Entleerung zu bewirken, entweder
mittels einfacher Aspirations-Punktion, oder sicherer mittels der
Pneumotomie nach vorheriger Rippenresektion. Unter den
von Verfasser gesammelten 100 Fällen sind 43 Heilungen,
15 Besserungen, 26 Todesfälle, 1 Verschlimmerung, 15 unbe¬
kannte Resultate. Die gründliche Arbeit wird besonders die¬
jenigen Kollegen interessieren, welche sich vorwiegend mit
inneren Erkrankungen beschäftigen. R. L.
IV. Vermischtes.
Die Rolle, die der Alkohol im Arbeiterhaushalte spielt,
geht aus einer Erhebung des kaiserlich statisti¬
schen Amtes bei einer begrenzten Anzahl von Arbeiter-,
Beamten- und Lehrerfamilien hervor. 15 Arbeiterfamilien
hatten im Durchschnitte eine Gesamtjahresausgabe von
1789,35 M., davon 86,30 M., = 4,8 pCt. für alkoholische Ge¬
tränke, 50 Beamtenfamilien eine Gesamtausgabe von 2850,89
Mark, mit 71,44 M., = 2,5 pCt. Bei den Arbeiterfamilien finden
sich also nicht nur relativ, sondern auch absolut höhere Auf¬
wendungen für Alkohol. Das Verhältnis der Ausgaben für
Alkohol zu denen der Nahrungsmittel stellt sich bei den
Arbeitern auf 8,02 pCt., bei den Beamten auf 3,12 pCt. Andere
Berechnungen zeigen, daß der deutsche Arbeiter mehr Alkohol
verbraucht als der amerikanische.
Erfolge der Trinkerfürsorge. Der Jahresbericht des Be¬
zirksvereins Düsseldorf gegen den Mißbrauch geistiger Ge¬
tränke (Vorsitzender Landesrat Dr. Schellmann) meldet
für 1909 aus der Tätigkeit der Sprechstunden auf der Trinker¬
fürsorgestelle im Dienstgebäude der Landesversicherungs¬
anstalt Rheinprovinz: 149 Fälle (139 männlich, 10 weiblich,
105 invaliditätsversichert, 44 nicht versichert). Die Mitteilung
geschah 44 mal durch den Trinker selbst, 89 mal durch An¬
gehörige, 4 mal durch Trinkerrettungsheime, 0 mal durch
die Polizei, 8 mal durch das Gericht, 1 mal durch sonstige Be¬
hörden, 3 mal durch Private. Die Feststellung, daß 44 Alko¬
holiker, also beinahe 30 pCt. aller in Behandlung kommenden,
diese selbst beantragten, widerlegt aufs beste die vielgehörte
Klage: „Die Trinker kommen ja doch nicht zu den Sprech¬
stunden!“ Es müssen die Organe der Trinkerfürsorge nur ver¬
stehen, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.
Was die getroffenen Maßnahmen anlangt, so wurde
in 21 Fällen der Anschluß an einen Abstinenzverein vermittelt,
14 mal mit gutem Erfolg, und 56 Patienten konnten einer Heil¬
stättenbehandlung zugeführt werden, davon 45 auf Kosten
der Landesversicherungsanstalt. In 11 Notfällen wurde das
Entmündigungsverfahren beantragt, in 7 erfolgreich. Ueber
die Dauererfolge vom Vorjahr, dem ersten der Fürsorge¬
stelle, wurde ermittelt: Von den 20 den Abstinenzvereinen
Ueberwiesenen lebten im Berichtsjahr noch abstinent 17. Die
Heilstättenkur hat den 1908 ihr zugeführten 58 Personen
so gut getan, daß 1909 10 noch abstinent lebten und 28 wenig¬
stens als gebessert angesehen werden durften. Alles in allem:
sehr erfreuliche Zahlen aus der Düsseldorfer Trinkerfürsorge.
Verminderung der Fälle von Delirium tremens. Der
Primärarzt der städtischen Heilanstalt für Nerven- und Ge¬
mütskranke in Breslau, Dr. Hahn, hat kürzlich folgende
höchst interessante Statistik über den Rückgang der Fälle von
Delirium tremens in der von ihm geleiteten Anstalt mitgeteilt:
Aufnahmen:
1907 1908 1909 1910
Del.
Alk.
Del.
Alk.
Del.
Alk.
Del.
Alk.
Oktober . . .
. . 17
9
8
10
9
13
—
—
November . .
. . 11
18
13
19
ß
13
—
—
Dezember . .
. . 0
17
8
11
2
10
—
—
Januar . . .
. . —
—
15
17
4
9
4
18
1907/08 1908/09 190940
Del. Del. Del.
November-Januar . . 52 43 21
Del. = Deliranten (akut erkrankte Alkoholiker), Alk. =-
chronisch Alkoholkranke, von denen viele schon ein Delirium
hatten und wegen pathologischen Rausches, chronischen Alko¬
holismus oder Alkoholpsychose in die Anstalt kamen.
Während in den Jahren 1907 und 1908 durchschnittlich
unter 20 pCt. der Deliranten wiederholt aufgenommen wurden,
alle übrigen also neue Fälle darstellten, meist bei jüngeren In¬
dividuen, waren von den November 1909 bis Januar 1910 auf¬
genommenen 12 Deliranten 6 rezidivierende, also die Hälfte,
und nur 6 erstmalige Fälle.
Das bedeutet offensichtlich eine starke und rasche Ab¬
nahme der erstmalig an Säuferwahnsinn Erkrankten. Der
Berichterstatter führt diese hocherfreuliche Tatsache zurück
auf den im September vorigen Jahres begonnenen und seither
mit großer Konsequenz durchgeführten Alkoholkrieg von seiten
der organisierten Arbeiterschaft, dessen gute Wirkungen sich
bereits jetzt, nach wenigen Monaten seiner Dauer, zeigen.
Krankheiten im Heere. Die großen Vorteile der völligen
Enthaltsamkeit von alkoholischen Getränken wurden unlängst
unter den Soldaten des indischen Heeres von General Sir
Georg White genau statistisch festgelegt. Er verglich die
Krankheitsfälle des letzten Jahres zwischen abstinenten und
nicht abstinenten Soldaten in sieben Regimentern. Das Durch¬
schnittsergebnis war, daß auf 1000 abstinente Soldaten 49,53
ins Krankenhaus gekommen waren, auf 1000 nichtabstinente
dagegen 92,37, also fast doppelt soviel.
ln England ist nach einer kürzlich veröffentlichten amt¬
lichen Broschüre die für alkoholische Getränke verausgabte
Summe in den letzten 10 Jahren von 180 Millionen Lstrl. auf
156 Millionen jährlich gesunken. Im Jahre 1909 hat sich in¬
folge der Erhöhung der Alkoholsteuer die Zahl der Wirts¬
häuser um 1472 vemindert. Mit der zunehmenden Nüchtern¬
heit geht Hand in Hand eine Abnahme der Kriminalität; die
Zahl der gerichtlichen Verurteilungen ist von 187 803 im Jahre
1908 auf 169 518 im Jahre 1909, d. i. um nahezu 9% pCt. zurück¬
gegangen.
V. TagesgescMchte,
Standcsangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Der Arzt Dr. K., welcher, ohne die zahnärzt¬
liche Approbation zu besitzen, seit Jahren in Frankfurt a. O.
als Spezialarzt für Zahnheilkamle und Zahnersatz tätig ist,'
war von dem Zahnarzt T. in Frankfurt a. O. beim ärzt¬
lichen Ehrengericht wegen Verletzung der ärztlichen
Standespflicht angezeigt worden, da der Anzeigende den Be¬
schuldigten nicht für befugt hält, sich als Zahnarzt — als
solcher wurde er in den Quittungsbüchern verschiedener
Krankenkassen, dem Frankfurter und dem Weltadreßbuch ge¬
führt zu bezeichnen oder sich einen damit gleichbedeutenden
Titel beizulegen. T. sah eine Verletzung der ärztlichen Standes¬
pflicht ferner darin, daß Iv. es duldete, in den Krankenkassen¬
büchern in einer Reihe mit Zahntechnikern und Heilgehilfen
aufgeführt zu werden und daß er sich bei gleichen Leistungen
mit der diesen zugebilligten Honorierung begnügte. Das
Ehrengericht sprach Dr. K. frei, obgleich es sich auf den Boden
der Reichsgerichtsentscheidung vom 7. Februar 1908 stellt, nach
welcher ein Arzt, der die besondere Approbation als Zahn¬
arzt nicht besitzt, nicht befugt ist, sich als Zahnarzt zu be¬
zeichnen. (In extenso ist das Urteil des Ehrengerichts abge¬
druckt in der „Zeitschrift f. Zahnheilkunde“, 1910, No. 17.)
— Die Zahl der an deutschen Universitäten studierenden
Frauen betrug im abgelaufenen Sommersemester 2169, wozu
noch 1226 Hörerinnen kamen, so daß die Gesamtzahl 3395 war.
Die immatrikulierten Studentinnen verteilen sich folgender¬
maßen auf die einzelnen Studienfächer: Philologie und Ge¬
schichte 1217, Mathematik und Naturwissenschaften 313,
Medizin 512, Zahnheilkunde 38, Staatswissen¬
schaften 55, Rechtswissenschaft 26, evangelische Theologie uud
Pharmazie je 4. In allen Studienfächern, mit Ausnahme
der Zahnheilkunde, der evangelischen Theologie und der
Pharmazie, ist die Zahl der weiblichen Studierenden ge¬
wachsen.
— Zu unserer Notiz über die „Versicherungskasse für die
Aerztc Deutschlands“ in No. 36 (S. 505) tragen wir berichtigend
nach, daß im letzten Jahre nicht 22 pCt., wie dort infolge
Druckfehlers zu lesen ist, sondern nur 2,2 pCt. Dividende ver¬
teilt wurden.
H a 11 e a. S. In dem Konflikt zwischen Krankenkassen
lind Aerzten, der am 1. Oktober wegen Inkrafttretens der
Kündigung in ein kritisches Stadium tritt, hat der Magistrat
von Halle als Aufsichtsbehörde deshalb kürzlich von den
Kassen den Nachweis verlangt, daß auch über den 1. Oktober
hinaus für ausreichende ärztliche Behandlung der Kassenmit¬
glieder gesorgt ist. Da die Krankenkassen trotz aller Be¬
mühungen sich nur fünf auswärtige Aerzte statt der bisherigen
38 Halleschen Aerzte verschaffen konnten, so ist zu erwarten,
daß die Aufsichtsbehörde die Krankenkassen zwingen wird,
einen Tarifvertrag mit den Aerzten abzuschließen. Die
Krankenkassen dürften also in dem Streit unterliegen.
Scheve n i ngen. In der vorigen Woche tagte hier-
selbst eine internationale Konferenz für Sozialversicherung,
einer unter den vielen internationalen Kongressen, aber einer,
bei dem man nicht erst lange über die Bedürfnisfrage zu reden
braucht, da der sich epidemisch ausbreitende Versicherungs¬
gedanke in der Tat von Zeit zu Zeit eine gemeinsame Aus-
5S8
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 38.
spräche von Vertretern der verschiedenen Kulturnationen not¬
wendig erscheinen läßt. Einen vollständigen Bericht über die
Verhandlungen dieses Kongresses zu geben, gestattet uns der
für derartige Themata hier verfügbare Raum nicht; wir be¬
schränken uns darauf, im Anschluß an die „Voss. Ztg.“ im Aus¬
zug wiederzugeben, was über die Frage des ärztlichen
Dienstes in der Arbeiterversicherung ver¬
handelt wurde. Es lagen aus den verschiedenen Staaten eine
Reihe gedruckter Referate vor. Ueberdies hatte der General¬
sekretär Prof. Fuster (Paris) in einem Generalbericht den
hauptsächlichsten Inhalt der Referate zusammengefaßt, so daß
die Referenten gar nicht erst das Wort erhielten und man
sofort mit der Besprechung begann. Aus Deutschland lagen
drei Referate vor. Das erste vom Präsidenten Kauf m a n u
bespricht in großen Zügen den ärztlichen Dienst bei der Un¬
fall- und Invalidenversicherung, einschließlich Heilverfahren
und Vorbeugung, das zweite vom Amtsgerichtsrat Hahn
(Zehlendorf) schildert sehr eingehend den ärztlichen Dienst
bei der Krankenversicherung, das dritte von Aerzten, nämlich
dem Reichstagsabgeordneten Dr. Hugdan und Prof. L eiin-
hoff (Berlin), herrührende befaßt sich mit allen drei Ver¬
sicherungsarten und ergänzt die beiden anderen Referate durch
Mitteilungen aus der persönlichen Erfahrung. Nur die beiden
letzten Referenten waren persönlich anwesend. Eingehend
besprachen sie die Ursachen, die Methoden, und die Aus¬
gänge der schweren Kämpfe, die in den letzten Jahren zwischen
Krankenkassen und Aerzten in Deutschland durchgefochteu
worden sind. Die Hauptursache scheint ihnen darin zu liegen,
daß der Gesetzgeber den Arzt zu mechanisch in den Dienst
der Arbeiterversicherung gestellt hat und die Kassenverwal¬
tungen es nicht verstanden, sich den Grundbedingungen des
ärztlichen Berufes anzupassen. Die meisten Schwierigkeiten
entstehen aus der Begutachtung der Arbeitsunfähig¬
keit, bei der von dem Arzte fast durchweg ein endgültiges
Urteil verlangt wird, ohne daß in vielen Fällen der Stand der
medizinischen Wissenschaft ein solches Urteil ermöglicht. Voll¬
kommene Gerechtigkeit ist infolgedessen vielfach nicht mög¬
lich. weshalb die Referenten verlangen, daß, wo die Frage nur
auf Grund von Indizien beantwortet werden kann, die Ver¬
waltung an der Verantwortung teilnehmen soll. Eine gerechtere
Regelung der Begutachtungsfrage würde die meisten Hemm¬
nisse gegenüber der freien Arztwahl beiseite räumen. Letztere
sei zu verlangen, da aus vielen Gründen weder in
Deutschland noch anderwärts ruhige Verhältnisse ohne freie
Arztwahl gewährleistet werden könnten. Wie sehr diese
Fragen international sind, zeigt die Tatsache, daß von Pariser
Aerzten gegenwärtig die Gründung einer inter¬
nationalen L i g a zur Verteidigung der ärzt¬
lichen Berufsfreiheit betrieben wird.
An die Referate schloß sich eine sehr eingehende Dis¬
kussion, in der, wie vorweg bemerkt sei, eine Einigung nicht
erzielt wurde, vielmehr die bekannten Gegensätze mit der
größten Schärfe aufeinander platzten. Aus den Mitteilungen
der Holländer über die in ihrem Lande herrschende Praxis
der Behandlung Unfallverletzter sei erwähnt, daß dort jeder
Arzt der sich in eine bestimmte Liste einzeichnet zu gesetz¬
lich festgelegten Tarifen Verletzte behandeln darf, sich aber
eine Kontrolle gefallen lassen muß. Auch hier ist ein Wider¬
streit zwischen Verwaltungsbeamten und Aerzten über den
Nutzen der Einrichtung zutage getreten. Die deutschen Red¬
ner hielten sich ausschließlich an das Referat von Mugdan-
Lennhoff, grillen aber meistens nur einzelne Punkte her¬
aus, die sie zum Teil nicht richtig verstanden hatten Ueber-
wiegend aber handelte es sich um die Frage der freien
Arztwahl. Frässdorf snrach in warmen Tönen über
die (leider meist nur theoretische Red.) Anerkennung die die
Krankenkassen den Aerzten zollen und über ihre Bereitwillig¬
keit (? Red.). Honorare und Verträge der Bildung und gesell¬
schaftlichen Stellung der Aerzte anzupassen. Er brachte dann
seine vielfach bekannten Einwände gegen die freie Arztwahl
im Namen aller deutschen Ortskrankenkassen vor. Beson¬
ders sei man gegen gesetzliche Festlegung.
Das Arztsystem müsse überall der freien Vereinbarung über¬
lassen bleiben. Die freie Arztwahl steigere die Ausgaben, eins
vergleichende Prüfung der Ergebnisse bei den großen zentrali¬
sierten Kassen in Leipzig und München mit freier Arztwahl
und in Dresden mit Bezirksärzten habe ergeben, daß in Dres¬
den am wenigsten Erwerbsunfähige seien. Sehr scharf ging
der Redner mit dem Leipziger Verband ins Gericht,
dessen Kampfesweise gegen die ärztliche Standeswürde ver¬
stoße. Ihm entgegnete Dr. Peyser (Berlin) mit vielen ein¬
zelnen Gründen. Als Beweis dafür, daß Kassen im Kampf
gegen die Organisierten die Rücksichten auf die Mitglieder bei¬
seite lassen, führte er einen Fall aus den letzten Tagen an,
wo ein Arzt als Streikbrecher mit hohem Gehalt auf fünf Jahre
angestellt werde, für den erst vor kurzem der Leipziger
Verband die Kosten der Behandlung im Irrenhause
bezahlt hat. Auch zwei deutsche Arbeitgeber nahmen in
entschiedener Weise gegen die freie Arztwahl und den Leipziger
Verband Stellung, zuerst der frühere Staatsanwalt Dr.
Guggenheim (Augsburg) als Sprecher des Betriebs-
kassenverbandes. Seine Ausführungen machten inso¬
fern Sensation, als er in seiner Gegend der Gründer der
gelben Arbeitergewerkschaften ist und mit seinen von einer
gleichen Gesinnungsart getragenen Ausführungen gegen die
Aerzte den rauschenden Beifall der sozialdemokrati¬
schen A r beit n e h m e r fand, die als Arbeitgeber den
Aerzten gegenüber gleiche Anschauungen wie er vertreten.
Guggenheim meinte, daß die freie Arztwahl die Kassen
der Selbstverwaltung beraube und daß sie die Mehrleistungen
der Betriebskassen unmöglich mache. Gegendie Aerzte
ständen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Schul¬
ter an Schulter. Dasselbe meinte Rechtsanwalt Meyer
(Frankenthal). Er brachte lebhafte Angriffe gegen den Leip¬
ziger Verband vor, der darauf hinarbeite, daß die Aerzte eine
Monopclmacht gegenüber den Kassen bekämen. Keinem Stande
könne das Recht auf Arbeit zugestanden werden. Es sprachen
auch zwei Vertreter des zirka 180 Mitglieder zählenden s. g.
Reichs verbandes Deutscher Aerzte, der Gegenorganisa¬
tion des Leipziger Verbandes, Busch (Bochum) und Gum-
pertz (Berlin). Für sie ist freie Arztwahl ein Schlagwort, sie
bringe den Aerzten keinen Nutzen, aber vielfach den Kassen
Schaden. Zudem sei der Leipziger Verband bestrebt, die
Sozialversicherung zu hintertreiben.
Dr. Freund, der Vorsitzende der Landesversicherungs-
I anstalt Berlin, bekannte sich als Gegne r der freien Arztwahl
und des Leipziger Verbandes,, nahm aber sehr ausdrücklich
die Aerzte gegen die erhobenen Vorwürfe in Schutz. Ohne
[ die guten Eigenschaften der Aerzte und ihre treue Mitarbeit
hätte man die deutsche Arbeiterversicherung nicht durchführen
können. Man solle vor allem berücksichtigen, daß man sich
| auf einem internationalen Kongresse befinde.
Mugdan (Berlin) meinte, daß es für die internationale
i Erörterung wesentlich auf die Frage ankomme, ob unab-
j hängige oder abhängige Aerzte besser seien, und zwar
für die Versicherten, die Hygiene und die Wissenschaft. Diese
! Frage sei unbedingt zugunsten der Unabhängigen zu entschei¬
den. Auch seien eigentlich die Arbeitervertreter der Kranken-
i hassen ganz derselben Ansicht, denn alles, was Frässdorf
J gegen die freie Arztwahl gesagt habe, gebe er sofort preis, wenn
I es sich um die Unfallversicherung handele. Da ver-
j langten er und seine Freunde die von den Arbeitgebern unab-
j hängigen Aerzte. Dr. Munter (Berlin) berichtete über die
j Berliner Krankenkassen, die seit 18 Jahren freie Arztwahl
| haben und bei ihr gut bestehen. Dr. Epstein (München)
| zeigte, daß nur bei freier Arztwahl ein Ausbau der sozialen
j Hygiene möglich ist.
Dr. Zacher, Direktor im kaiserlich statistischen Amt,
| hat gegen die freie Arztwahl einzuwenden, daß sie den wirt-
I schaftlichen Notstand der Aerzte nicht beseitige. Es gäbe
j zu viele Aerzte. Wenn man für 20 Millionen Versicherte
je 5 M. Honorar zahle, bekämen die Aerzte 100 Millionen, wenn
man 10 000 Aerzte anstelle, hätten diese mit je 10 000 M. ein
j gutes Einkommen. Wenn bei freier Arztwahl der Betrag sich
j auf 30 000 Aerzte verteile, hätte jeder nur ein Drittel, alle
j hätten zu wenig, statt daß heute wenigstens die 10 000 genug
; hätten.
Lennhoff (Berlin) hielt die Ausführungen Zacher»
für wichtig, weil sie zeigen, wohin man komme, wenn man die
Eigenart des ärztlichen Berufs unberücksichtigt lasse. Wenn
zu einem Bau so und so viel Backsteine gehören, und ein
Maurer in einer Stunde so und so viel verlegen könne, dann
müsse man für eine bestimmte Bauzeit so und so viel Maurer
anstellen. Aber der Arzt sei kein Maurer und der Kranke
kein Backstein, der verlange eine individuelle Behandlung und
nur Aerzte. die zu dieser befähigt sind, erlangen Praxis. Des¬
halb könne man als Arzt auch gar nicht die Forderung auf¬
stellen, daß jeder dasselbe Einkommen haben müsse. So lange
die Gesetzgebung den Arzt wie einen Maschinenteil in das Ge-
] triebe der Versicherung einstelle, müsse sie Schiffbruch er¬
leiden.
Der Versicherungstheoretiker Prof. Manes (Berlin)
glaubt aus dem Streit zwischen Kassen und Aerzten in Deutsch¬
land den Schluß ziehen zu sollen, daß die Organisation der
Versicherung verfehlt sei. Viel besser sei das norwegische
System einer Vereinigung der Versicherungszweige und einer
zusammenfassenden Beteiligung von Arbeitern und Unter¬
nehmern, Staat und Gemeinden. Er richtete des weiteren einen
ebenso unmotivierten wie scharfen Angriff gegen die Pro¬
fessoren der medizinischen Fakultäten; es sei ein Mißgriff, daß
diese in den Kampf wegen der wirtschaftlichen Interessen der
Aerzte eingegriffen hätten. Was würden sie sagen, wenn
die anderen Fakultäten das gleiche tun würden.
Dr. Teleki (W'ien), der das Kassenarztsystem für eine
| Zweckmäßigkeitsfrage ansieht, konnte den Beifall nicht be-
| greifen, den die Arbeitervertreter dem Sprecher der Betriebs-
| kassen zollten, da bei 'diesen die Arbeiter selbst nichts zu sagen
haben.
No. 38.
Therapeutische
Sehr scharf kritisierte der Vorsitzende der Leipziger Orts¬
krankenkasse, Pollender, Redakteur der „Leipz. Volks-
zeitung“, mit den bisherigen Rednern von der Kassenseite.
Er bestritt Gnggenheim das Recht, im Namen der
in Betriebskassen Versicherten zu sprechen, da hier die
Arbeiter machtlos wären, und Frässdorf das Recht,
im Namen aller in Ortskassen Versicherten, zu reden, da von
diesen viele freie Arztwahl hätten und sehr mit ihr zufrieden
seien. Sodann schilderte er die guten Erfahrungen in Leipzig,
wo sich bei der größten Ortskasse mit den besten Leistungen
die freie Arztwahl durch gegenseitigen guten Willen vorzüg¬
lich bewährt habe.
Aus Oesterreich sprachen im Anschluß an das Refe¬
rat von Dr. Pick (Aussig) noch eine Anzahl Redner, ' von
denen neue Gedanken naturgemäß nicht vorgebracht werden
konnten.
Die „Berliner Morgenpost“, deren ständiger ärztlicher Mit¬
arbeiter zwar ein Gegner der organisierten freien Arztwahl
ist, aber insofern doch einen vermittelnden Standpunkt ein-
nimmt, als er die Zulassung der Kassenärzte nicht von der
bloßen Willkür der Kassengewaltigen abhängen, sondern nach
sachlichen Momenten und einem bestimmten System erfolgen
lassen will, hat ganz recht, -wenn sie in dem Leitartikel ihrer
vorigen Sonntagsnummer von der vorstehend skizzierten Er¬
örterung sagt, man habe den Eindruck, als ob die Parteien
ihre sachlichen Gründe erschöpft und einander nur noch mit
verstärkter Rhetorik ihre alten Argumente’ entgegengehalten
hätten, ohne den Willen, aufeinander zu hören; es wäre ge¬
wesen, als ob man hüben und drüben in verschiedenen Idiomen
gesprochen hätte. Sie beklagt daß sich bei dieser Gelegenheit
eine starke Gegnerschaft der Nichtärzte aller Berufe gegen die
Aerzte gezeigt habe; man habe sich in Angriffen gegen die
ärztliche Ethik gefallen und den Versuchen der anwesenden
Aerzte, sich zu verteidigen, sei mit demonstrativem Hohn be¬
gegnet worden. Uns erscheint unter den Aerztegegnern als
eine der betrüblichsten Erscheinungen der Direktor Dr.
Zacher, der es fertig bekommt, von einer zu großen Aerzte-
zahl in Deutschland zu sprechen, während doch in Wirklich¬
keit das gegenwärtig dort herrschende Verhältnis zwischen
Aerzten und Menschenzahl 1 :2000 bei dem durch die Sozial¬
gesetzgebung enorm gesteigerten Umfang der ärztlichen Tätig¬
keit als das Mindestmaß einer ausreichenden. ärztlichen Ver¬
sorgung der Bevölkerung zu betrachten ist. Wie will übrigens
Herr Dr. Zacher seinen Standpunkt in Einklang bringen
mit dem Verhalten- der Regierungen, die in. den letzten Jahren
mehr als einmal die Gymnasialabiturienten auf das Studium der
Medizin hinweisen ließen?
Paris. Nach der „Semaine medicale“ hat auch in Frank¬
reich die Zahl der Medizin-Studierenden in der letzten Zeit
auffällig zugenommen, indem sie von zirka 8300 im Jahre 1909
auf beinahe 10 000 im laufenden Jahre gestiegen ist. Ihre
Zahl ist also annähernd die gleiche wie in Deutschland bei
einer Bevölkerungszahl, die noch nicht zwei Drittel der
Menschenzahl im Deutschen Reiche ausmacht. Bei der schon
jetzt nicht rosigen wirtschaftlichen Lage der französischen
Aerzte kann man daher der französischen Zeitschrift nur bei¬
pflichten, wenn sie mit großer Besorgnis um die Zukunft des
dortigen Aerztestandes erfüllt ist.
Universitätswesen, Personalnachrichten.
Halle a. S. Den Professortitel haben erhalten: Der
Privatdozent der inneren Medizin Oberstabsarzt Dr. Arthur
Menzer und der Privatdozent der Neurologie und Psychiatrie
Dr. Berthold Pfeiffer.
Solingen. Dem Larvngologen und Otologen Dr.
Friedrich Roepke ist der Professortitel verliehen
worden.
Ham b u r g. Der Direktor der medizinischen Klinik und
Poliklinik in Marburg Prof. Dr. Ludolf Braue r ist als
Nachfolger des verstorbenen Prof. Lenhartz zum Direktor
der Staatskrankenanstalten in Eppendorf gewählt worden.
Prof. Brauer, der von 1897 bis 1904 Universitätslehrer in
Heidelberg, seit 1901 als Extraordinarius, war und seine Mar-
burger Professur seit 1904 bekleidete, gehört zu _ den ersten
Klinikern Deutschlands.
Prag. Der ordentliche Professor der mikroskopischen
Anatomie an der hiesigen Universität Dr. Siegmund
Mayer ist in Ambras bei Innsbruck, wo er zur Erholung
weilte, plötzlich gestorben. Ende 1842 in Bechtheim bei Worms
geboren, promovierte er 1865 in Tübingen und setzte dann
seine Studien in Heidelberg unter II e 1 m h o 11 z und in Wien
unter Brücke fort. 1869 habilitierte sich M a y e r in Wien
als Assistent von E. Hering, dem er im Jahre darauf nach
Prag folgte. 1880 wurde er dort außerordentlicher Professor
und mit der Leitung des histologischen Instituts betraut; 1884
erfolgte seine Ernennung zum Ordinarius. S i e g m u n d
M a y e r hat eine große Zahl von wissenschaftlichen Arbeiten
aus den Gebieten der Physiologie und mikroskopischen Aua-
RÜNDSCHAÜ 1910. __ 589
tomie geliefert und auch im allgemeinen geistigen Leben Prags
eim- führende Stellung innegehabt.
G e nf. Der bisherige Privatdozent Ernst Kum m er
wurde zum ordentlichen Professor der externen Pathologie und
Chirurgie, Dr. Alfred Veyrassat zum ordentlichen Pro¬
fessor der chirurgischen Poliklinik ernannt.
Boston. Hierselbst starb, 68 Jahre alt, vor kurzem der
Professor der Philosophie William James, ein hervor¬
ragender Psychologe, der vom Studium der Medizin ausging
und zu Beginn seiner akademischen Laufbahn einige Jahre
Dozent der Anatomie und Physiologie gewesen ist.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
R o m. Der VII. Internationale Dermatologen - Kongreß
findet vom 25. bis 29. September 1911 in Rom statt. Präsident
ist der Senator Prof. Tommaso de A m i c i s in Neapel,
Generalsekretär Dr. Gaetano Ciarrocchi in Rom. Dem
deutschen Komitee gehören die Vertreter des Faches aller
deutschen Universitäten an. Generalsekretär für Deutschland
ist Sanitätsrat Dr. O. Rosenthal (Berlin), der auch zu
weiterer Auskunft bereit ist.
Gerichtliches.
Berlin. Ueber die Frage, ob eine Erkrankung an
Cholera als Betriebsunfall betrachtet werden könne, hatte kürz¬
lich das Reichsversicherungsamt zu entscheiden. Die „Voss.
Ztg.“ berichtet darüber: Ein Flößer S. war au Cholera ge¬
storben. Als seine Hinterbliebenen Rente beantragten, wur¬
den sie sowohl von der Berufsgenossenschaft als auch vom
Schiedsgericht abgewiesen. Das Reichsversicherungs-
a m t stellte aber noch weitere Ermittelungen an und sprach
dann den Hinterbliebenen eine Rente zu, indem u. a. ausge¬
führt wurde, in Uebereinstimmung mit dem Professor F. sei
anzunehmen, daß der Flößer S. auf einem Flosse in der Gegend
von Bromberg infolge von Berührung mit dem verseuchten
Wasser an Cholera erkrankt sei, auch habe die einmalige Auf¬
nahme von Krankheitserregern in dem Körper des Flößers
ausgereicht, um die tötliche Krankheit hervorzurufen. Das
schädigende Ereignis sei als Betriebsunfall anzusehen, da es
sich in einem eng eingeschossenen Zeitraum zugetragen habe.
Solange der Flößer sich auf dem Wasser aufhalte, befinde er
sich stets im Betriebe, da er fortwährend von den Gefahren
umgeben sei, die für seinen Betrieb eigentümlich seien. Er
scheide unter diesen Umständen auch dann nicht aus dem Be¬
triebe aus, wenn er bestrebt sei, seine leiblichen Bedürfnisse
zu befriedigen Liege aber ein entschädigungspflichtiger Be¬
triebsunfall vor, so müsse die Berufsgenossenschaft verurteilt
werden, an die Hinterbliebenen des Verstorbenen Rente zu
zahlen.
Marburg. Eine ganze Woche hindurch fand vor kurzem
vor der hiesigen Strafkammer eine Verhandlung gegen zwei
Krankenbehandler, die Besitzer der Hartenroder Heilanstalt
Zimmermann und Dikomeit statt. Die Heilanstalt in
Hartenrod hatte bald nach ihrer Eröffnung großen Zuspruch
erhalten. Dikomeit, der sich als Heilgehilfe bezeiclmete,
ist gelernter Bäcker. Der Angeklagte Z i m m ermann war
früher Maler und Bergmann, später Schutzmann in Kassel, zu¬
letzt Gastwirt und Kaufmann. Die Anklage lautete auf un¬
lauteren Wettbewerb, Betrug und fahrlässige Körperver¬
letzung. Zimmer mann erhielt 10 Monate Gefängnis und
300 M. Geldstrafe, Dikomeit 14 Monate Gefängnis und
500 M. Geldstrafe.
Düsseldorf. Honorarprozeß. Von einer auswärtigen
Ortskrankenkasse hatte ein hiesiger Arzt für die Be¬
handlung eines arbeitsunfähigen Kassenmitgliedes Honorar zu
fordern. In seiner Liquidation hatte er dem Gesetze ent¬
sprechend nach den Minimalsätzen der Gebührenord¬
nung liquidiert und dabei die von der Kasse geforderte Aus¬
stellung des wöchentlichen Krankenscheines (Beurteilung der
Erwerbsfähigkeit) nach Geb.-O. No. 24a mit 2 M. in Rechnung
gestellt. Die Kasse erkannte diesen Teil der Forderung nicht
an, weil sie dafür in derartigen Fällen angeblich noch niemals
etwas gezahlt habe und auch die angeführte Position der Ge¬
bührenordnung auf die einfache Ausfüllung ihres Formulars
nicht anwendbar sei. Der Arzt verklagte darauf die Kasse,
wurde aber sowohl vom Amtsgericht zu Düsseldorf-Gerresheim
als auch vom Landgericht Düsseldorf kostenpflichtig abge¬
wiesen. Das „Aerztl. Vereinsbl.“ (No. 778), das beide Ent¬
scheidungen im Wortlaut mitteilt, knüpft daran eine längere
Darlegung, in der sie die Unhaltbarkeit der Urteile und ihrer
Begründung im einzelnen nachweist; wir können uns diesen
Argumentationen nur in jeder Hinsicht anschließen, ohne sie
aus Raummangel leider liier wiedergeben zu können.
Leipzig. Ein nach mehreren Richtungen interessanter
Unfallversicherungsprozeß ist kürzlich bei dem Reichsgericht
zum endgültigen Austrag gekommen. Ein Arzt war im Jahre
1906 an Blutvergiftung gestorben, die er sich bei der Behand¬
lung einer an Kindbettfieber Erkrankten dadurch zugezogen
59Ö
No. 38.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
hatte, daß er entweder seihst mit seinen Fingern eine wunde
Stelle seines Nackens berührte oder von der Patientin gelegent¬
lich einer von ihm möglicherweise vorgenommenen Umbettung
derselben — bei der ihre Hände um seinen Hals gelegt waren
— an jener Stelle infiziert wurde. Der Verstorbene war bei
der „Rhenania“ gegen Unfall versichert. Die Gesellschaft ver¬
weigerte die Auszahlung der Versicherungssumme, da kein
Unfall Vorgelegen habe. Die Wirtschafterin G., welcher bei
der Erbteilung der Versicherungsanspruch Überträgen worden
war, erhob Klage mit dem Anträge, die Gesellschaft zur Zah¬
lung von 10 000 M. zu verurteilen. In dem nun folgenden
Prozeß wurde die Klägerin in beiden Instanzen mit ihrem An¬
spruch abgewiesen, das Reichsgericht verwies aber auf ein¬
gelegte Revision die Sache zur nochmaligen Verhandlung an
die früheren Instanzen zurück. In diesem zweiten Prozeß
wurde nun die Gesellschaft zur Zahlung verurteilt und legte
nun ihrerseits Revision beim Reichsgericht ein, aber ohne Er¬
folg. (Näheres s. Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 36.)
Verschiedenes.
Berlin. Der preußische Medizinalminister hat unter
dem 11. Juli 1. ,1. einen Erlaß, betr. „Anleitung zur Förderung
des öffentlichen Badewesens“ bekannt gegeben. Die Anleitung
enthält allgemeine Bestimmungen über das Baden im Freien
und in geschlossenen Räumen und besondere Maßnahmen für
die Badeanstalten. (Veröffentlicht im Min.-Bl. für Med.-Ange-
legenh., No. 15, vom 1. September 1910.)
Seuchennachrichten. In B e r 1 i n und seiner Nachbar¬
schaft sind neue Fälle von Cholera glücklicherweise nicht auf¬
getreten, dagegen ist in F r e i b u r g a. E. bei einem aus H a m-
b u r g mit einer Kohlenladung eingetrolfenen Schilfer die
Krankheit festgestellt worden. Der Erkrankte hat sich vorher
mehrere Tage im Hamburger Hafen aufgehalten und soll dort
neben einem aus Petersburg gekommenen russischen Dampfer
gelegen haben. Ein weiterer Cholerafall ist in Copitz bei
Pirna konstatiert worden. Beim Schluß der Redaktion wird
ferner bekannt, daß in Westpreußen sieben Personen an
choleraverdächtigen Krankheiten gestorben sind, unter denen
allerdings bisher nur ein Fall bakteriologisch als Cholera
asiatica diagnostiziert ist. In Wie n sind vier neue
Fälle von Cholera vorgekommen, die alle eine Familie betrafen
und von denen der erste binnen einem Tage tötlich endete.
Ueber den Infektionsweg kennten in diesen Fällen nicht einmal
Vermutungen aufgestellt werden. Endlich ist in U n g a r n eine
größere Reihe verdächtiger Fälle beobachtet worden, von denen
bisher im ganzen 11 durch die bakteriologische Untersuchung
als Cholera asiatica festgestellt sind.
In Rußland wütet inzwischen die Cholera ungestört weiter.
Von ihrer Ausbreitung erhält man eine Vorstellung, wenn man
in den „Veröff. d. kais. Gesundheitsamtes“ liest, daß im ganzen
Reich in der Woche vom 7. bis 13. August 23 944 Erkrankungen
und 10 723 Todesfälle zur amtlichen Kenntnis kamen, von
denen natürlich das Gros auf das europäische Rußland entfällt.
— Bei der Gefahr, die dem übrigen Europa beständig von
diesem Seuchenherd droht, wird neuerlich von den Regierun¬
gen die Einberufung einer internationalen Cholera-
Konferenz erwogen, die eventuell im Januar 1911 in
Petersburg tagen und zu internationalen Vereinbarungen für
die Bekämpfung der Choleragefahr führen soll.
Was die in Odessa ausgebrochene Pest anlangt, so sind
bis zum 29. August 68 Fälle, darunter 16 Todesfälle, bekannt
geworden. Ferner ist kürzlich in Petersb u r g eine Person
an der Pest gestorben.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Preußen.
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Roter Adler-Orden 4. Kl.: Geh. San.-Rat Prof. Dr. A u f-
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Prädikat Professor: Privatdozent Dr. Jo 11 y in Berlin.
Versetzt: Kreisarzt Dr. Jankowski von Labes nach
Braunsberg.
Ernannt: Geh. Ober-Med.-Rat Dr. G a f f k y in Berlin zum
ordentl. Honorarprofessor, Privatdozent Prof. Dr. G. Klem-
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Niedergelassen: Dr. Cordes, W. D o d e 1, Dr.
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Scheffer in Wilmersdorf, II. Puls in Landsberg a. W.,
E. Stützner in Richtenberg, Dr. Skowro ns k i in Jano-
witz, Dr. Gell rieh in Probsthain, Pumplun in Hirsch¬
berg, Dr. Jastram in Görlitz, Dr. Bertrup in Mühl-
rädlitz, Dr. Marlciefka in Beuthen, H. Chodinski in
Kattowitz, Dr. Peschke in Kujau, Dr. Henop in Schles¬
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Elbing, Dr. K ö s 1 e r von Breslau nach Posen, Dr. W i 11 e k
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Nebra, Dr. M. Levy von Kirn, Dr. Denk von Friedrichs¬
hafen und Dr. G o e b e 1 von Leipzig nach Halle a. S., Dr.
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furt nach Gispersleben, Dr. Beckmann von Homberg,
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nach Jena, Dr. Schubert von Gehrde nach Bersenbrück,
F. Bösenberg von Leipzig nach Norderney, Dr. Minne-
r o p von Dortmund nach Recklinghausen, Dr. F ö r t s c h
von Lienen nach Kreuznach, Dr. W i 11 k a m p von Steele
und Dr. Horn von Moers nach Bochum, Dr. V e z i n von
Dortmund nach Niedermassen, Dr. P i p o von Witten nach
Barmen, Dr. B e n ö h r und Dr. Bock von Bochum nach
Osnabrück bezw. Aachen, Dr. Schlipp von Wetter nach
Nürnberg, Dr. Wulckow von Müden nach Wetter, Dr.
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Königsberg, San.-Rat Dr. Siegel von Wilmersdorf nach
Schwarzort, Dr J.a c o b von Goßlershausen nach Graudenz,
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Hannover nach Schöneberg, Dr. Falk und Dr. Kaum-
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empfehlenden Protektorate der Berühmtheiten auf den Markt
gebrachten künstlichen Nährmittel überdauert. „Simplex veri
sigillum“ (Das Kennzeichen des Wahren und Guten ist die Ein¬
fachheit). So ist es denn gekommen, dass bei der Ernährung
von Schwachen, von Rekonvaleszenten, Greisen oder
Magenleidenden neben Bouillon mit Graupen oder Haferschleim,
neben Gelees und Flammeries, neben Pürees von Hühner- und
Taubenfleisch und starken alten Süssweinen sich als tägliche
Kost der schlichte, altgewohnte Milchzwiebackbrei immer als das
Beliebteste erwiesen hat. Ihn findet man in der ärmsten Hütte
wie im Palast, überall wo Kinder oder Kranke leicht und doch
genügend ernährt werden sollen, und gerade diesem Umstande
hat auch das Nestle’sche Kindermehl, ursprünglich nur für Kinder¬
ernährung bestimmt, welches ja nichts anderes als ein exquisit
feines „Milch-Zwieback-Pulver“ ist und sein will und dessen
Zubereitung nur heisses Wasser erfordert, seine unerschütterte,
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion :
DPi H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernspreeh-Amt UI, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprecli-Amt YI, No. 3302
IV. Jahrgang Itrrlin. 'Jl. September 1910
tfo. 39
Die „Therapeutische Rundschau -4 erscheint jeden Sonnabond und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buci.handlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tilge vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Mohr: Ueber moderne
llöntgeneinriclitungen in Land- und SchiJfslazaretten mit Berück¬
sichtigung des ökonomischen Betriebes und der erforderlichen
Schlitzmaßregeln für Arzt und Bedienungspersonal. (Schluß.)
Spi eth off: Arsenobenzol bei Syphilis. — Du hot: Un-
erwarteto Resultate bei einem hereditär - syphilitischen Säug¬
ling nach Behandlung der Mutter mit „606“. — Wolfensohn-
Kriss: Ueber den Blutdruck im Kindesalter. — Pollak: Ein
Beitrag zur Kenntnis der Myatonia congenita.— Kartzc: Ueber
Akroasphyxic im Kindosalter. — Viganö: Spezifizität der Meio-
stagminreaktion bei Typhus. —Jacob: Ueber die Behandlung
des Typhus mit Pyramiden. — Engel: Zur Entfieberung Tuber¬
kulöser durch lvochsches Alttuberkulin. — Gasharrini: Die
Meiostagminroaktion bei der expeiimenteilen Tuberkulose. —
Handele: Zur röntgenologischen Diagnose der Ulcerationen in
der Pars media des Magens. — Stursberg: Ueber Wurzel¬
ischias. — Pelz: Ein Fall von rein sensibler Polyneuritis alco¬
holica. — Goldbladt: Syringomyelie bei Mutter und Tochter.
— Coler: Operiertes Gliom der dritten linken Stirnwindung.
— Frey: Die Ursache der Bromretention und die Verdrängung
von Chlor durch Brom im Blute. — Harn ack und Hildebrandt:
Antagonisten des Apomorphins. — Wind: Ueber die Chili-
salpetervergiftung und den spektroskopischen Nachweis des
Nitrits im Blute. — Beruoulli: Ueber Bronzediabetes. —
Chiari: Ein Todesfall bei der Bronchoscopia superior. — Offer-
haus: Schmerzlose Operationen im Gebiete des Gesichtsschädels
und Mn ndos unter Leitungsanästhesie. — Beck: Der diagnostische
Wert und die therapeutische Wirkung der Wismutpaste bei chro¬
nischen Eiterungen. — Bl au el: Zur Mechanik der Invaginatio
ileocoecalis. — Kausch: Ueber Knochenersatz. Beiträge zur
Transplantation toten Knochens. —Reich: Die Amputationen
im Kindesalter Und ihre Folgen für das Knochenwachstnm —
Meirowsky und Frankenstein: Amenorrhoe und tertiäre
Syphilis. —Müller: Zur primären Tubentuberkulose. — Küster:
Die Behandlung der verschleppten Querlage mittels der Racliio-
tomic. — Diihrssen: Die neue Geburtshilfe und der praktische
Arzt. — Engel: Ueber einige Fragen der Frauenmilchsekretion,
insbesondere über die Sekretion des Milchfettes.
II. Therapeutische Notizen. Heermann: Die Extension bei
der Behandlung gewisser Nervenaffektionen. — Gandini und
Barabaschi: Ueber Bandwurmkuren mit Filmaron.
III. Bücherschaii. Schall und Heisler: Nahrungsmittel-Tabelle.
— Schall und Heisler: Die Praxis der Ernährungstherapie
der Zuckerkrankheit. — Sarason: Jahreskurse für ärztliche
Fortbildung.
IV. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
Unentgeltliche Vorträge und Fortbildungskurse für prak¬
tische Aerzte in Berlin und der Provinz Brandenburg.
V. Amtliche Mitteilu ngen. Zu besetzende Stellen von Medizinal¬
beamten. — Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Ueber moderne Röntg’eneinrichtung'en in Land- und
Schiffslazaretten mit Berücksichtigung des ökonomi¬
schen Betriebes und der erforderlichen Sehutzmassregeln
für Arzt und Bedienungspersonal.
Von
Marinestabsarzt Dr. Mohr.
(Schluß.)
Ein sehr gutes und namentlich für mäßige Röntgenlicht¬
mengen ziemlich genaues Instrument ist das Fällungs-
radiometer von Schwarz (1906), das auf der Eigenschaft
des Kalmelogens beruht, durch Röntgenbestrahlung Kalomel
auszuscheiden. Die Einheit, das Kalom, entspricht I 1/2 H
und tritt plötzlich ein durch Trübung der bis dahin, wasser-
klaren Flüssigkeit. Auch die höheren Trübungsstufen sind
leicht zu unterscheiden.
Es bedeutete einen wichtigen Fortschritt, als Klinge 1-
fuss (Basel) daranging, die Messung und Dosierung der
Röntgenstrahlen in absoluten Einheiten festzustellen. Sein
Verfahren nannte er Röntgenolyse und er berechnete die Re¬
aktion der Röntgenstrahlen auf das photographische Rapier
aus der Stromspannung in der Sekündärspule, der Strom¬
stärke und Bestrahlungszeit. Aber seine Apparate paßten
nicht für jedes Instrumentarium, und so war seine Methode
nur ein wertvoller Fingerzeig für die Zukunft.
Von einem ähnlichen Gesichtspunkte ging in neuester
Zeit Villard aus. Mit seinem Quantimeter mißt er die
einzelnen Dosen X-Strahlen in fortlaufender Reihe und über¬
trägt sie durch ein Uhrwerk auf ein graduiertes Zifferblatt.
Seine Konstruktion beruht auf der ionisierenden Wirkung
der X-Strahlen auf die Luft in einem besonders konstruierten
Metallkästchen, in dem eine isoliert aufgehängte Plattenelek¬
trode sich befindet. Diese ist mit einem Elektrometer ver¬
bunden. Entsprechend der durch die Ionisierung der Luft
erfolgenden Ladung der Plattenelektrode schlägt der Zeiger
des Elektrometers aus, bis er einen bestimmten
Kontakt berührt und so die Plattenelektrode ent- 1
ladet. Diese Zcigerbewegung wiederholt sich so oft, als
durch eine neue Dosis X-Strahlen die Plattenelektrode durch
Ionisierung der Luft auf ein bestimmtes elektrisches Poten¬
tial gebracht ist. Die Anzahl der Entladungen wird dann
fortlaufend registriert und auf ein Zifferblatt übertragen,
das nach Holzknechteinheiten geeicht ist. Ein zweites ebenfalls
von Villard neuerdings eingeführtes, auch auf der ioni¬
sierenden Eigenschaft der X-Strahlen beruhendes Instrument
ist das Radiosklerometer, das qualitativ die Röntgenstrahlen
mißt, d. h. also ihre Penetrationskraft direkt auf einem
Zifferblatt zur Ablesung bringt. Es würde zu weit führen,
das Instrument näher zu beschreiben.
Beide Instrumente sind äußerst wertvoll, weil sie ob¬
jektiv unabhängig von dem Farbensinn des Arztes die Quan¬
tität bezw. die Qualität der Röntgenstrahlen messen lassen.
(Leider sind die beiden Villardschen Instrumente 11 ichI
im Handel zu haben.)
Durch diese Apparate läßt sich also die Strahlendosis
festlegen, die therapeutisch dem Kranken mit Bewußtsein
und Ueberlegung beigebracht werden soll. Da aber natur¬
gemäß nur die kranken Teile X-Strahlen erhalten sollen,
müssen alle anderen aus dem gefährlichen Bereicli der
Strahlen entfernt werden. Hierzu bieten sich viele Möglich¬
keiten. Zunächst hat man durch Stoffe, die für X-Strahlen
undurchlässig sind, den Körper abgedeckt. Man nahm dazu
dünne Blei- oder Stanniolplatten oder auch extra zu diesem
Zwecke hergestellte Stoffe, wie sie nach Angabe von
Traun, Holzknecht., Alsberg, Levy und Müller
von den verschiedenen Fabriken in der verschiedensten
Form und Größe geliefert wurden.
Da jeder von Röntgenstrahlen getroffene Körper seiner¬
seits wiederum neue Strahlen, sogenannte S- oder Sekundär¬
strahlen aussendet, die sich aus diffus reflektierten Röntgen¬
strahlen, Kathodenstrahlen und ultraviolettem Licht zu¬
sammensetzen und dadurch auch in der Diagnostik bei der
Photographie störend auf die Platte wirken, wurden solche
Schutzstoffe .auch bei der Photographie zum Abdecken der
nicht aufzuneh’menden benachbarten Teile oft angewandt,
11 m die durch S.-Strahlung entstehenden Schleier von den
59-2
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 39.
Platten fernzuhalten. Aber diese ganze Manipulation ist
umständlich und auch unhandlich, und das Streben ging
weiter nach Vereinfachung. So entstanden die Blenden¬
kästen mit verstellbarer oder auswechselbarer Blenden¬
öffnung. Die Röhre wurde ganz oder wenigstens mit der
fluoreszierenden Hälfte in Kästen getan, die für X-Strahlen
undurchlässig waren und der Antikathode gegenüber ver¬
stellbare Oeffnungen hatten, durch welche die X-Strahlen
auf die Objekte fallen konnten. Das war schon ein Schritt
weiter, da hiermit auch Arzt und Personal bis zu einem
gewissen Grade mitgeschützt wurden und außerdem durch
Abhaltung der S-Strahlen die Bildschärfe gewann.
Aber auch diese Blenden kästen waren schwer und un¬
handlich und beeinflußten außerdem durch die elektrische
Ladung der Wände die X-Strahlenbildung. Darum kon¬
struierte Gundelach Bleiglasschutzkappen mit Oeff¬
nungen für X-Strahlen und Ansatzstücken verschiedener
Größe und Form, die um die Kugel der Röhre, oder in
welche die Röhre geschnallt werden konnte. Diese Blei¬
glasschutzkappen bewährten sich namentlich in der The¬
rapie recht gut.
Doch die Technik arbeitete weiter und so entstanden
eine große Anzahl von Blenden aller Art, teils vertikal,
teils horizontal, die einmal als Schulz für Arzt und Objekt,
dann aber auch gegen die S-Strahlen verwendet wurden.
Die einzelnen Konstruktionen aufzuzählen, erübrigt sich,
alle hatten ihre Vorzüge und Nachteile und ein neues In¬
strumentarium beengte den oft an sich schon knappen Raum
des Röntgenzimmers.
Da erschien etwa 19U7, durch Holzknecht angeregt,
ein neues sehr handliches Instrumentarienstück auf dem
Markte, das Trochoskop, das in der D es s a u e r sehen Aus¬
führung damals das vollendetste seiner Art war. Unter
einem rechteckigen Tischgestell ohne Platte befand sich ein
.Wagen, der auf Schienen, laufend, in der Längs- und Quer¬
richtung leicht verschieblich war und die Röntgenröhre ent¬
hielt. Der Wagen war absolut X-Strahlen sicher, durch
seine Ausdehnung und durch Nebeneinrichtungen so be¬
schaffen, daß die X-Strahlenbildung durch die elektrische
Ladung der Wände des Kastens unbeeinflußt blieb, und
hatte oben eine Irisblende, die während der Durchleuchtung
oder' Photographie beliebig verstellt werden konnte. Ein
am Wagen selbst befindlicher Arm hielt während der Unter¬
suchung den Leuchtschirm und konnte auch die Kassette
für die photographische Platte halten, so daß man in der
Lage war, während der photographischen Aufnahme mit
dem Schirm die Röhre zu überwachen. Auch war für die
später noch-zu besprechende Orthodiagraphie ein Arm vor¬
gesehen. Ein im Trochoskopkasten (Wagen) angebrachtes
Bleiglasfenster ermöglichte außerdem die direkte Beobach-
tung der Röhre. Auf dem Tischrahmen befand sich eine
Trage, auf der das Objekt direkt vom Krankenbett zur Unter¬
suchung gebracht werden konnte, ohne weiter umgelagert
werden zu müssen. Diese Trage war zimi Ueberfluß selbst
noch seitlich und in gewissen Grenzen auch in der Längs¬
richtung verschieblich. Durch einfache Holzbretter, die über
die Trage gelegt werden konnten, wurde aus ihr der ge¬
wöhnliche Untersucht!,ngs tisch.
Das Instrumentarium ersetzte also den Untersuchungs¬
tisch, schützte Arzt und Personal, war handlich und für
Schwerkranke, die ans dem Bett zum Röntgenzimmer geholt
werden mußten, so human als überhaupt denkbar. Aber es
ließ nur die Untersuchung und Aufnahmen im Liegen zu,
und oft ist es notwendig, gerade im Stehen Durchleuch¬
tungen, orthodiagraphisehe Herzzeichnungen und -Auf¬
nahmen zu machen. Hierzu waren also immer noch die
verschiedenen Konstruktionen der vertikalen Blenden not¬
wendig.
Auch diese Aufgabe ist. von der fortschreitenden
Technik gelöst worden. Das Klinoskop der Veifawerke in
Aschaffenburg ist. gleichzeitig ein Trochoskop und eine Ver¬
tikalblende mit allen Nebeneinrichtungen. Die genaue Be¬
schreibung dieses Apparates mit erläuternden Bildern findet
sich im „Archiv für'physikalische Medizin und medizinische
Technik, Band V, Heft 1“. Ich will hieraus nur nach¬
stehendes entnehmen:
„1. Das Klinoskop gewährleistet die Durchleuchtung
des ganzen Körpers mit Iris- und Schlitzblende im Stehen,
Liegen oder Sitzen, in allen Richtungen (dorsoventral, ven-
trodorsal und schräg).
2. Hierbei Verstellung der zentrierten Röhre während
der Bildbetrachtung nach oben und unten (für Lungen und
Fremdkörper).
3. Orthodiagraphie im Liegen, Sitzen und Stehen. Dabei
kann die Zeichnung auf der Haut, auf einer ZeichenobeJie
oder auch gleichzeitig auf Haut und Zeichenebene erfolgen
(Mehrfachorthodiagraphie).
4. Aufnahme des liegenden Körpers mit Iris- oder
Schlitzblende von unten nach oben. Es kann dabei das
aufzunehmende Gebiet, genau herausgeblendet und die Auf¬
nahme selbst unter Leuchtschirmkontrolle vorgenommen
werden.
6. Aufnahme des liegenden Körpers mit Irisblende oder
Kompression von oben nach unten.
6. Aufnahme dos liegenden Körpers mit Kompressions-
blendc von oben nach unten.“
Wir haben sonnt ein Inventarieustück für das Röntgen¬
zimmer, welches einmal als Untersuchungsfisch fungiert,
sodann alle Anforderungen an photographische Aufnahmen
und Durchleuchtungen in allen Stellungen und Lagen in
den verschiedenen Richtungen erfüllt, Orthodiagraphie zu¬
läßt, Blenden- und Kompressionsvorrichtungen hat und end¬
lich Arzt und Personal Schutz vor X-Strahlen gewährt. Dabei
ist es handlich und leicht transportabel, da es auf Rollen
läuft; durch dieses eine Stück wird ein ganzes: Arsenal
anderer Apparate unnötig, die bisher das Röntgenzimmer
füllten und später noch besprochen werden sollen.
Bei der Betrachtung der Schutzmaßnahmen gegen
Röntgenschädigungen dürfen wir einige wichtige Punkte
nicht vergessen. Heutigentags sind ja auch bei Aerzten und
Personal dank der fortgeschrittenen Erkenntnis der Gefahr
und damit dem Ausbau der Schutzvorrichtungen, Röntgen¬
schädigungen immer seltener zu verzeichnen. Aber jeder
hat nicht die Mittel, sich teuere Schutzapparate anzu¬
schaffen, daher darf man einige wichtige Gesichtspunkte
nicht aus dem Auge verlieren.
Zunächst soll das Schaltbrett oder der Tisch, so bald
sie nicht vom Arzte selbst bedient werden müssen, möglichst
weit vom Orte der Durchleuchtung entfernt sein und
zwischen ihnen und der nach Möglichkeit in abgewandter
Richtung leuchtenden Röhre, soll ein fahrbarer ein- oder
mehrteiliger Schutzschirm mit Bleiglasfenster sich befinden.
Durch das Fenster läßt die Röhre sich beobachten.
Außerdem sind Schürzen, Handschuhe, Bleiglasbrillen
konstruiert worden, um als Schutz zu dienen. Sie er¬
schweren aber das Arbeiten und erschrecken leicht den
Patienten, der ohnehin schon Schaudermärchen von don
X-Strahlen gehört, hat. Als Regel merke man sich, daß
bei allen Durchleuchtungen immer zwischen Röhre und
Arzt der Kranke sein muß, der sozusagen als Filter dient,
damit wird schon ein großer Teil der Gefahr beseitigt. Ferner
nehme man zur Prüfung der Röhre niemals die eigene,
sondern stets die Hand des Patienten, dem dadurch kein
Schaden entstellt, während beim Arzt leicht durch die kumu¬
lative Wirkung der X-Strahlen Dermatitiden auftreten.
Endlich muß der Leuchtschirm mit Bleiglas bedeckt
sein, das für X-Strahlen undurchgängig ist, und muß zwei
Halter haben, die mit Schutzvorrichtung für die Hände ver¬
sehen sein müssen. Ist der Betrieb dann kein zu großer,
so ist die Gefahr der Röntgenschädigung für den Arzt auch
gering. Wer natürlich die Mittel hat, der schaffe sich ein
Klinoskop an, dann kann er Seliutzwand und Schürze, Hand¬
schuh und Brille entbehren und braucht auch nicht zum
Abdecken der nicht zu beleuchtenden Teile ides Objektes
unzählige Schützstoffe.
Es erübrigt noch eine kurze Betrachtung einiger Neben¬
apparate. Zunächst braucht man zur Durchleuchtung den
Bariumplatincyanürschirm, der die Eigenschaft hat, durch
X-Strahlen in Fluoreszenz zu geraten. Sein Korn muß mög¬
lichst fein sein. Die Farbe des neuen Schirmes ist grün¬
lich, verfärbt sich aber allmählich gelblich. Durch diffuses
Tageslicht regeneriert sich das Korn; der Schirm muß staub¬
frei aufbewahrt werden.
Zur raschen Orientierung über die Härte der Röhre
ist das Kryptoskop konstruiert. Es ist ein kleiner trans¬
portabler Kasten mit zwei Oeffnungen für die Augen und
einem Leuchtschirm als Boden.
Zum Halten der Röhre dienen Stative, die als Wand¬
arme oder auf Rollen fahrbar sind, und deren Arm nach
allen Richtungen hin beweglich sein muß. Die verschie¬
denen Blendenkonstruktionen und .das Klinoskop bedürfen
keines Extrastativs.
Ko. 39.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
593
Die Kabel vom Induktorium zur Röhre müssen stark
und absolut gesichert sein, damit sie nicht durchschlagen
werden. Wenn in einem verdunkelten Röntgenzimmer von
den Kabeln elektrische Erscheinungen ausgehen, so ist das
Kabel meist nicht mehr brauchbar.
Untersuchungstische sind als einfache Holztische und
als zwei-, drei- und mehrteilige Tische zum Verstellen kon¬
struiert worden. Oft ist am Untersuchungstisch selbst der
Röhrenhalter verschieblich angebracht. Auch Nebenapparate,
wie z. B. die A1 b er s- S ch ön b er g sehe Kompressions¬
blende, sind oft. fahrbar am Tisch selbst befestigt.
Ein 'wertvoller Apparat ist der H o 1 z knech tsehe
Untersuchungsstuhl, speziell für Aufnahmen des Kopfes,
Halses und der Schultern. Die einzelnen Teile sind ver¬
stellbar.
Zur festen Lagerung der aufzunehmenden Teile gehören
in das Röntgenzimmer eine Anzahl von Sandsäcken und
Binden.
Röhren werden ,am besten in eigens dafür gebauten
Schränken aufgehoben. Die einzelnen Röhren sind am
Halse mittels aufgeklebten Papierschildchens zu nume¬
rieren und ihre Härte, sowie die besten Betriebsbedingungen,
in einem dafür angelegten Buche fortlaufend zu registrieren.
Man arbeite immer mit mindestens 5 Röhren, die ver¬
schieden hart sind und allmählich durch den Gebrauch in
eine höhere Härtestufe gelangen, bis die härteste unbrauch¬
bar wird, während die neu anzuschaffende weiche Röhre für
den Gebrauch unten einrangiert wird.
Zur Registrierung der ßeliehtungszeit werden oft eigens
konstruierte Uhren gebraucht, die auf den ersten Druck
auf eine Feder anspringen, auf den zweiten stehen. Sie
sind im allgemeinen überflüssig. Dagegen ist für die
Therapie ein elektrischer Wecker unerläßlich, der nach einer
eingestellten Zeit selbsttätig die Stromzufuhr ausschaltet und
so den Röntgenapparat abstellt. (Gocht.)
Eine Anzahl von Konstruktionen beschäftigt, sich mit der
Darstellung der Härte der Röhren. Am bekanntesten ist die
Benoislskala, die das Röntgenlicht noch nach Passage einer
Treppe von Platinfolium auf den Leuchtschirm gehen läßt.
Die Stufe, welche den Schirm gerade noch aufleuten läßt,
stellt dann den Härtegrad der Röhre dar. Auch dieser
Apparat ist. zwar sehr empfehlenswert, aber nicht unbedingt
notwendig und wird durch die Durchleuchtung der Hand,
des Objektes hinreichend ersetzt.
Wir haben schon einmal erwähnt, daß beim Durchgang
von X-Strahlen durch den menschlichen Körper in dein
verschiedenen Geweben von verschiedener Dichte sich
S-Strahlen entwickeln, die auf die photographische Platte ver¬
schleiernd wirken. Je härter dabei die Röhre und je fett-
und blutreicher die zu durchleuchtenden Organe sind, um
so mehr S-Strahlen treten hindernd auf. Aus diesem Ge¬
sichtspunkte heraus konstruierte Albers-Schönberg
seine Kompressionsblende, deren nach verschiedenen Rich¬
tungen hin beweglicher Tubus die Weichteile des mensch¬
lichen Körpers, besonders bei Aufnahmen von Nieren-,
Blasen- und Gallensteinen, zusammendrückte. Auf diese
Weise erhielt er Aufnahmen von besonderer Schönheit und
alle später konstruierten Kompressionsblenden beruhten auf
demselben Prinzip, und sind daher nur als eventuell hand¬
lichere und konstruktiv verbesserte Nachahmungen zu be¬
zeichnen. Von großer Wichtigkeit sind dabei auch die ver¬
schiedenen lichtdurchlässigen Teile in Form von Iris-,
Schlitz- und Stäbchenblenden, die heutigentags auf der Höhe
und für gutes Arbeiten unerläßlich sind.
Von ganz eminenter Bedeutung ist dann der Orthodia-
graph, der von Moritz eingeführt wurde. Das zu lösende
Problem bestand darin, stets mit. demselben Röntgenstrahl
den Rand eines Körpers zu treffen und mittels einer Schreib¬
vorrichtung aufzuzeichnen. Zu diesem Zwecke wurde die
Röntgenröhre und der Durchleuchtungsschirm derartig mit¬
einander verbunden, daß einmal zwischen beiden der
menschliche Körper eingeschoben werden konnte und
zweitens stets derselbe Strahl von der .Antikathode senk¬
recht auf einen bestimmten Punkt des Schirmes fiel. Dieser
Punkt war durch eine kleine Bleistiftspitze markiert. Fielen
also der Rand des zu durchleuchtenden Körpers (z. B. Herz)
und die Bleistiftspitze auf dem Leuchtschirm zusammen,
so wurde durch einen besonderen Mechanismus, meist pneu¬
matisch, der Stift auf die Körperhaut, oder eine zwischen
Körper und Stift angebrachte Schreibfläche geschnellt, und
durch einen Punkt markiert. In steter Folge wurden andere
Punkte aufgezeichnet und das Endresultat ergab dann die.
wirkliche Größe des betreffenden Organs in Parallel¬
projektion.
Die vielen folgenden Konstruktionen beruhten alle auf
demselben Prinzip, es entstanden Apparate zur Orthodia¬
graphie im Stehen, Sitzen und Liegen und Universalapparate
für jede Stellung bezw. Lagerung. Mit am bekanntesten ist
der Orthodiagraph von Levy-Dorn. Im weiteren Verlauf
würden dann die Orthodiagraphen mehr und mehr mit der
Blende kombiniert, was einmal genaueres Zeichnen ermög¬
lichte, zum andern den Arzt schützte. Das vollendetste
Instrumentarium dieser Art ist jetzt das Klinoskop der Veifa-
werke, das in neu einzurichtenden Anstalten niemals fehlen
sollte.
Zur Bestimmung der Lage von Fremdkörpern, sowie
überhaupt zur Orientierung, erwiesen sich stereoskopische
Aufnahmen als nutzbringend. Die Plastik erreichte dabei
oft einen nicht geahnten Grad von Schönheit.
In den letzten Jahren wurden dann mehrfach Tischchen
konstruiert, an denen unter Leitung dos Auges durch den
Röntgenschirm Fremdkörper entfernt werden konnten. Die
Apparate sind teuer und stehen wohl kaum im Verhältnis
zu ihrem Nutzen, sind jedenfalls nur in großen Instituten
zu finden.
Wichtiger, ja meines Erachtens unerläßlich, sind Licht¬
kästen zur Betrachtung der fertigen Platten. Nur mit ihnen
lassen sich alle Feinheiten des Negativs wirklich erkennen
und deuten. Sie sollten in keinem Röntgeninstitut fehlen.
Zum Aufbewahren der fertigen Platten sind in größeren
Instituten Schränke notwendig, in denen die Platten in den
Originalpappschachteln mit von außen ablesbarer Signatur
(Zahlen von — bis) aufziüieben sind. Alsdann ist das
Wiederfinden einer Platte ohne Zeitverlust leicht.
Endlich müssen wir unser Augenmerk noch auf die
Photographie richten. Was zunächst die Platten anbetrifft,
die möglichst lichtempfindlich sein müssen, so haben sich
mir die Schleussnerplatten bisher am besten bewährt. Man
beziehe sie stets frisch in Einzelpackungen mit dem Datum
der Packung versehen. Um zu sparen, halte man sich nicht,
nur die ganzen Plattengrößen 9:12, 13:18, 18:24 usvv.,
sondern auch die halben 9:6, 13:9, 18:12 usw. Die
Fabriken liefern auf Wunsch auch diese ohne Preisaufschlag.
Zur Entwicklung braucht man, um ökonomisch zu wirt¬
schaften, eine ganze Reihe von Entwicklungsschalen der
verschiedenen Größen, während eine Schale des größten
Formats mit Holzdeckel für Fixierlösung ausreichend ist.
Das Fixierbad lasse man, so lange es brauchbar ist, zu¬
gedeckt im Entwicklungsraum stehen, wenn der Platz es
gestattet, während der Entwickler jedesmal nach der Arbeit
filtriert, in die Aufbewahrungsflascke zurückzugeben ist. Das
nächste Mal wird dann dieser schon gebrauchte Entwickler
wieder neu filtriert und eventuell mit etwas frischem Ent:
Wickler verstärkt in Gebrauch genommen.
Im übrigen sind für die Entwicklung der Platten und für
das Kopieren, die gewöhnlichen Regeln der Photographie
und ihre Einrichtungen maßgebend und notwendig.
Die X-Strahlen haben ihren Siegeszug durch die ganze
Welt gehalten, und heute gibt, es kaum noch ein Krankenhaus
oder eine größere Privatanstalt ohne Röntgenapparate. So
ist es nicht verwunderlich und dankbar anzuerkennen, daß
das Militfirsanitätswesen auch für die Feldlazarette Vor¬
kehrungen getroffen hat, diese Segnungen der Wissenschaft
stets zur Hand zu haben. In Form der Feldrüntgenwageu
sind auch die größeren Verbandplätze im Kriege in der
Lage, die Untersuchungen des Verwundeten und damit den
Heilplan an Ort und Stelle wenigstens in beschränktem
Maße vorzunehmen.
Das Streben der Marine gehl, nun dahin, auch an Bord
möglichst ausgedehnt die X-Strahlen nutzbar zu machen.
Bisher ist nur auf dem Flottenflaggschiff ein Röntgenapparat
vorhanden, der fest eingebaut ist; in Schrank form ist an
den Lichtstromkreis von 110 Volt Spannung und 25 Amperes
Stromstärke das Induktorium mit dreistiftigem Wehnelt-
Unterbrecher allgeschlossen. Der Apparat arbeitet vorzüg¬
lich. Einige Röhren und eine Drosselröhre genügeai dem
Bedarf. Ein fahrbarer Schutzschirm mit Bleiglasfenster für
den den Apparat Bedienenden ist vorhanden. Ein Stativ der
alten Art mit halbem Blendenkasten mit Irisblende gibt
ebenfalls etwas Schutz. Ein Leuchtschirm mit Bleiglas¬
vorlage von 18: 24 cm und ein Kryptoskop, genügen den
Anforderungen völlig.
594
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 39.
Erstrebenswert, wäre eine transportable Einrichtung in
Form zweier Kisten von 30 40 kg Gewicht, und den für
Bordzwecke richtigen Dimensionen zum Transport über
Treppen und durch Luks. Eine solche Einrichtung habe ich
bei den Veifa-Werken in Aschaffenburg angeregt. Da die
Stromquelle an Bord überall die gleiche ist, d. h. zwischen
65 und 110 Volt schwankt, ist die Konstruktion eine leichte
und wären solche Apparate auch auf dem Gefechtsverband¬
platz leicht anschließbar. Die Kosten würden minimal sein,
da bei dem gegebenen Gewicht die Induktoren klein sein
müßten, d. h. die Funkenlänge 18—25 cm nicht überschreiten
dürften. Ich habe mir die Einrichtung so gedacht, daß in
dem einen Kasten der Induktor und Unterbrecher, in dem
anderen 3 Röhren, Schirm, der am ersten Kasten zu be¬
festigende Stativarni, Kabel und vorne hinter einer zu öff- !
nenden Tür das Schaltbrett befindlich wären. Für den
praktischen Arzt, der ein solches Instrumentarium ebenfalls
mit seinem Wagen leicht über Land nehmen könnte, wäre
alsdann noch ein dritter Kasten mit Akkumulatoren not¬
wendig. Das Gesamtgewicht würde dem einer erwachsenen
Person entsprechen. Ein solches Instrumentarium ist. von
den Veifa-Werken inzwischen selbständig auf den Markt ge¬
bracht worden, und für Marinezwecke sehr brauchbar.
Zusammenfassung.
1. Zur Erzeugung von Röntgenlicht sind Induktorien von
18 bis 25 oder 30 cm Funkenlänge mit geteiltem Eisenkern
am rationellsten.
2. Bei Motor- und Platinunterbrechern ist. ein Konden¬
sator notwendig- von solcher Kapazität, daß der größte vor¬
kommende Selbstinduktionsstrom bei Oeffnung des Unter¬
brechers aufgenommen werden kann.
3. Der beste Unterbrecher ist. derjenige, welcher in mög¬
lichst rascher Aufeinanderfolge den möglichst starken
Strom in der Primärrolle langsam zum Höhepunkt ansteigen,
aber möglichst plötzlich abreißen läßt.
Demnach ist bei
a) schwacher primärer Stromquelle (Akkumula¬
torenbetrieb). der Peprez-Unterbrecher oder der
Dessauer sehe Platinunterbrecher am lies! an ver¬
wendbar. Die Stromkurve ist ideal;
b) bei starker primärer .Stromquelle sind Motor-
und Elektrolyfcunterbrecher am Platze. Die primäre
Stromkurve ist bei Motorunterbrechern besser als
bei Elektrolytunterbrechern, dementsprechend die
Schließungsinduktion bei Motorunterbrechern ge¬
ringer als bei Elektrolytunterbrechern. Dagegen ist
die Zahl der Unterbrechungen bei Elektrolytunter¬
brechern größer als bei Motorunterbrechern.
Der zurzeit beste Motorunterbreche,r ist der De¬
viationsunterbrecher von Dessauer, der sogar
dem Elektrolytunterbrecher vorzuziehen ist, da bei
genügend hoher Unterbrechungszahl die St.rom-
kurve fast ideal ist. Dagegen kann der Elektrolyt¬
unterbrecher bedeutend stärkere Ströme unter¬
brechen, als jeder Motorunterbrecher.- Dies kommt
bei Intensivstrominduktoren in Betracht.. Elektrolyt¬
unterbrecher sind nach Möglichkeit n i c h t. im
Röntgenzimmer .aufzustellen. Sie bedürfen nur ge¬
ringer Wartung.
4. Schaltbrett oder Schalttisch sind möglichst fern von
der Röhre, so aufzustellen, daß die Röhre nach Möglich¬
keit nicht, zur ßedienungsstelle hinstrahlt und Platz für
Schutzschirm usw. zwischen Röhre und Schaltstelle vor¬
handen ist.
5. Am Schaltbreit m u ß ein Amperemeter für den Primär¬
strom sein. Unnötig ist im Primärstrom ein Voltmeter,
wenn wir von einer Zentrale unsern Strom erhalten, dessen
Spannung wir kennen; n ö t i g bei Akkumulatorenbetrieb oder
wenn wir durch einen Motor unsern Strom selbst erzeugen.
Am Schaltbrett muß eine einfache oder doppelte Siche¬
rung sein, um das Induktorium vor Ueherlastung zu be¬
wahren.
Sehr angenehm ist ein Stromwender und eine elektrische
Lampe, die beim Einschalten des Primärstroms erlischt.
6. Bei Akkumulatorenbetrieb begnüge man sich mit
Batterien von 8 Amperes Entlade-Stromstärke und 40 Volt
Spannung, bei zirka 40 Amperestunden Kapazität, weil sie
die größte Lebensdauer bei mittlerem Betrieb gewährleisten.
Zur Füllung ist, wo keine Starkstromleitung zur Verfügung
steht, ein ,an eine Wasserleitung angeschlossener Turbinen-,
motor empfehlenswert.
7. Bei Gleichstrom von mehr als 110 Volt Spannung
schließe man die Primärspule mit Unterbrecher an eine
Nelzabzweigung von höchstens HO Volt Spannung an, da
bei größerer Spannung die Selbstinduktion schwer unschäd¬
lich zu machen ist.
8. Wechselstrom ist. für Röntgenzwecke zwar brauchbar
und die entsprechenden Apparate technisch gut. durch¬
gebildet. Aber alle bedürfen besonders sachverständiger
Aufsicht und sind sehr empfindlich und teuer.
9. Intensivstrominduktoron ermöglichen eine Aufnahme
bei */, 5 o l /120 Sekunde Belichtungszeit, und sind nament¬
lich für Herz- und Bewegungsau fnahinen (Eykmann
Schlingakt) von größtem Nutzen.
10. Beim ftöhrenlqruf für diagnostische Zwecke, achte
man auf die gute Zentrierung der Röhre, die Wärmeauf¬
nahmefähigkeit der Antikathode und die Regenerierfähigkeit.
Röhren mit großem Volumen haben eine längere Lebens¬
dauer, als solche mit kleinem. Für therapeutische Zwecke
fällt die Forderung der Zentrierung fort, dagegen wird eine
möglichste Konstanz des Vakuums und damit der S-Slrahlen-
qualität notwendig.
11. Zur Abhaltung der die Röhren schädigenden
Schließungsinduktion dienen Funkenstrecken nach Rei¬
niger, Gebbert und Schall, Funkenventile nach
Dessauer und Drosselröhren nach Gundelach u. a.
12. Für die Therapie unbedingt notwendig sind
Dosimeter. Die subjektive Methode durch Vergleich der
Farbenveränderung eines Reagenzkörpers, wird am besten
durch das Chromoradiometer von Sabourau d dar'gestelll,
während objektiv das Quantimeter von K i e nb ö c k für die
Quantität, das Radiosklerometer nach Villard für die
Qualität die besten Instrumente sind.
13. Von den zum Schutze für Arzt und Personal kon¬
struierten Vorrichtungen ist das Klinoskop der Veifa-Werke
bei weitem das wertvollste Instrumentarium, da es gleich¬
zeitig Untersuchungstisch und Schutzwand für Aufnahme
und Durchleuchtung im Sitzen, Stehen und Liegen ist, durch
Blendenvorrichtungen und Kompressionsapparat exaktes Ar¬
beiten ermöglicht und alle Vorrichtungen für Orthodiagraphie
besitzt. Der Preis ist 860 M. mit allem Zubehör.
Wo dies Instrumentarium fehlt, sind unbedingt Schulz¬
schirm, Blendenkästen oder Vertikal- und- Horizontal blenden
zum Schutze des Arztes und Personals -nötig. Außerdem
dar! in keinem größeren Krankenhaus eine Kompressions¬
blende und ein Orthodiagraph fehlen.
Bei Neuanschaffungen ist bei Ankauf des Klinoskops
die Preisdifferenz zwischen diesen unbedingt notwendigen
Apparaten und dem Klinoskop äußerst gering.
14. Zu Röntgenaufnahmen verwende man nicht nur die
Plattenformate der Normalgrößen wie 13:18, 18:24 usw.,
sondern auch die halben Platten 13:9, 18:12 usw. Auf
diese Weise kann viel Geld gespart werden. Zum Entwickeln
selbst, dagegen halte man Schalen der verschiedensten Nor¬
malgrößen vorrätig, um Entwickler zu sparen, während eine
große Schale für das Fixierbad genügt.
15. In der Marine sind transportable Rönt.gen-
apparate erstrebenswert, die unter Anschluß an den Licht¬
stromkreis den Gebrauch auf -anderen Schiffen, bezw. dem
Gefechtsverbandsplatz ermöglichen..
Literaturverzeichnis:
1. Leitfaden des Röntgenverfahrens, 1908. Von Fr. Dessauer
und Wiesner.
2. Kompendium der Röntgeuographie, 1905. Von Fr. Dessauer
und Wiesner.
3. Röntgentaschenbuch, 1908/1909, Band 1 und 2. Von Prof.
Ernst Sommer.
4. Diverse Kataloge der größeren Röntgenfirmen und von da
stammende Veröffentlichungen.
Privatdozent Dr. Bodo Spiethoil (Jena): Arsenobenzol bei , sekundären latenten, 10 im tertiären Stadium der Lues, ferner
Syphilis. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 35.) \ war darunter ein Fall von hereditärer Lues, drei Fälle von
Verfasser hat das Ehrlich-Hata sehe Präparat bisher Tabes, je ein Fall von perniziöser Anämie und schwerer sekun-
in etwa 50 Fällen angewendet, und befanden sich sechs ! därer Luesanämie. Die Injektionen wurden stets intramusku-
Patienten im primären, 16 im sekundären manifesten, 12 im I lär vorgenommen, anfangs in Form der vollständigen Lösung,
No. 39.
595
THERAPEUTISCHE.
später als Emulsion nach den Vorschriften von Michaelis.
In bezug auf das rasche Verschwinden der Primäraffekte und
der Sekundärerscheinungen decken sieh die Erfahrungen des
Verfassers im wesentlichen mit denen der anderen Beobachter.
In einem Ealle von schwerem, gangränösem Primäraffekt, der
das Präputium bis auf Reste zerstört und die Glans in eine
geschwürige Fläche verwandelt hatte, waren ohne jede Lokal¬
therapie nach Sieben Tagen alle Ülcerationen verschwunden
und durch gute Graiiulatiotieü ersetzt, liach Weiteren acht
Tageh wär bis auf Reste vollkommene Epithelisierung einge¬
treten. Die vöii Verfasser ahgewendete Dosis betrug in den
meisten Fällen (1,6; iii einer kleineren Anzahl lag sie Zwischen
0,3 und 0,5. Iii einem Fall von tertiärer Nasenlues (zerfallenes
Gummi an eiiier Muschel) wär schon am dritten Tage das
Ulcus überhäutet uhd iiur hoch ein geringes Infiltrat zurück¬
geblieben. Eiii Sehr güter Erfolg wurde auch bei einem zwei
Monate alten hereditäfluetischeii Säugling mit ausgebreiteten
papulo-pustulösem Syphilid, Infiltration der Lippen, Coryza
und Osteochondritis an eiheni Oberarm erzielt. Es wurden
0,02 g intramuskulär injiziert; 12 Tage nach der Injektion
waren alle Erscheinungen bis äuf eiüeü Rest der Coryza ge¬
schwunden, und das Allgemeinbefinden des sehr elenden
Kindes hatte sich entsprechend gebessert. Was den Einfluß
der Injektion auf die DrüsensChwellungeü anlangt, so wurde
im allgemeinen selbst bei einer Beobachtungszeit von drei
Monaten ein Rückgang derselben nicht beobachtet, in einigen
Fällen dagegen kam es zu einer ungewöhnlich Schnellen Rück¬
bildung einzelner Drüsen. Verfasser versuchte daher einige¬
mal einzelne Drüsen durch lokale Injektion von je 0,01 g des
Präparats zu behandeln; es wurde dabei aber kein Rückgang
der Drüsenschwellung erzielt. Die Spirochäten verschwanden
durchschnittlich auf 0,6 nach 24—48 Stunden aus dem Reiz¬
serum. Der Einfluß der Injektion auf die W a s s e r jn a n tt sehe
Reaktion wurde in 15 Fällen über einen Zeitraum voll mehr
als fünf Wochen verfolgt. In der Mehrzahl der Fälle wurde
die Reaktion in der sechsten bis achten Woche negativ. Von
besonderen Erscheinungen nach der Injektion sah Verfasser
zweimal Exantheme, einmal einen epileptischen Anfall bei
einem Patienten, der wegen Stupor in der psychiatrischen
Klinik gewesen war. In einigen Fällen traten transitorische
Augenstörungen (Amaurose, Flimmerskotom) von sehr kurzer
Dauer (10 Minuten) auf, ohne ophthalmoskopische Verände¬
rung, es waren dies Fälle, bei denen zur Herstellung der
Lösung noch Methylalkohol verwendet worden war. Ein Fieber
kurz nach der Injektion sowie ein zweites Fieberstadium, wel¬
ches am Ende des zweiten oder Anfang des dritten Tages be¬
gann, war in den meisten Fällen zu konstatieren. Einige Male
bestand auch Tachykardie, wenn die Patienten das Bett zu früh
verließen. Einmal trat bei einer äußerst unterernährten anämi¬
schen 28 jährigen Patientin mit tertiärer Rachenlues, die drei
Jahre zuvor eine Atoxylkur durchgemacht hatte, etwa 20 Stun¬
den nach der Injektion von 0,5 in Lösung plötzlich ohne be¬
sondere Erscheinungen der Tod ein. Irgendwelche Arsen¬
intoxikationserscheinungen wurden bei der Sektion nicht ge¬
funden. In einem Falle von schwerer Luesanämie wurde ein
durchgreifender Erfolg nicht erzielt, da die Kranke nach einer
.Reihe von Wochen starb. In einem Fall von perniziöser Anämie
wurde bedeutende Besserung erreicht. Als kontraindiziert
sieht Verfasser das Mittel an bei Kranken mit sehr schlechtem
Ernährungszustand bei gleichzeitig bestehenden schweren nicht
spezifischen Organveränderungen, besonders der Zirkulations¬
organe.
Dr. Robert Duhot (Brüssel): Unerwartete Resultate bei einem
hereditär syphilitischen Säugling nach Behandlung der
Mutter mit „606“. (Münch, med. Wochenschr., 1910,
No. 35.)
Der von Verfasser beobachtete Fall entspricht in jeder
Hinsicht dem kürzlich von. T a e g e veröffentlichten. Eine
22 jährige Frau mit einer Lues maligna (ausgedehnte Ge¬
schwüre im Gesicht), welche schon früher ohne Nutzen mit
Quecksilber, und Jodkalium behandelt worden war, gebar am
4. Juli d. J. ein ausgetragenes, 2900 g schweres Kind, bei wel¬
chem bald papulöse Effloreszenzen und auf der Fußsohle dicke
rote Papeln und einzelne Pemphigusbläschen sich zeigten. Bis
zum 25. Juli nahm das Kind nur um 100 g zu. Am 25. Juli
wurde der Mutter, da die Geschwüre auf dem Gesicht der
Mutter beständig Zunahmen, 0,5 g des Ehrlich-Hata sehen
Präparates in die eine Glutäalgegend und' am folgenden Tage
0,45 g in die linke Glutäalgegend injiziert. Genau 12 Tage
nach der Injektion waren die tiefen Ülcerationen im Gesicht
vernarbt. Bei dem Kind waren schon am dritten Tage die
Effloreszenzen und Blasen verschwunden, ebenso die Coryza
und das Kind trank vorzüglich an der Mutterbrust. Die Milch
der Mutter wurde analysiert, es konnte aber keine Spur Arsen
nachgewiesen werden. Das Kind gedieh weiter gut und hatte
schon nach drei Wochen um 1200 g zugenommen. R. L.
RUNDSCHAU 1910.
Frau P. Wolfensohn-Kriss (Odessa): Ueber den Blutdruck im
Kimlesaltcr. Medizinische Poliklinik der Universität Bern;
Prof. Sahli. (Archiv für Kinderheilkunde, Bd. 53, S. 333.)
Während über Blutdruckmessungen bei krankhaften Zu¬
ständen zahlreiche Angaben vorliegen, fehlen solche bei ge¬
sunden Kindern fast völlig. Deshalb hat die Verfasserin Be¬
obachtungen an 35Q gesunden Kindern nach der Methode
Riva-Rocci und nach der Basch sehen Methode mit den
von Sahli abgeänderten Apparaten angestellt und folgendes
gefunden: Der Blutdruck steigt mit zunehmendem Alter der
Kinder, mit zunehmender Körperlänge und Körpergewicht.
Bei gleichem Alter, aber Verschiedenheit des Körpergewichts
oder der Körperlänge ist auch der Blutdruck verschieden. Bei
gleichaltrigen Kindern ist hinsichtlich des Geschlechtes kein
wesentlicher Unterschied festzustellen. Schließlich ist bei
gleich großen und gleich schweren Kindern verschiedenen Ge¬
schlechtes der Blutdruck fast gleich.
Dr. L. Pollak: Ein Beitrag zur Kenntnis der Myatonia congenita.
Aus der Säuglingsabteilung der deutschen Universitäts¬
poliklinik in Prag, Prof. Dr. R. Fischt. (Archiv für
Kinderheilkunde, Bd. 53.)
Der mitgeteilte Fall betrifft einen vier Monate alten Säug¬
ling. Er bietet besonderes Interesse dadurch, daß neben der
Lähmung sämtlicher vom Rückenmark innervierter Muskeln
mit Ausnahme des Zwerchfells die Facialis- und Hypoglossus-
muskulatur ergriffen war. Differentialdiagnostisch kommen nur
die Poliomyelitis anterior und der Hof f mann-We rdnig-
sche Typhus der spinalen progressiven Muskelatrophie in Be¬
tracht. — Vom klinischen Standpunkt hat man einen kausalen
Zusammenhang zwischen Myatonie und Funktion einer Drüse
mit innerer Sekretion (Rothmann,Zanetti,Silvestri)
hersteilen wollen. Im vorliegenden Falle waren keine Schild¬
drüsen zu fühlen, aber auch keinerlei Ausfallssymptome vor¬
handen. Das Kind ist mit sieben Monaten gestorben und es
fand siel) neben einer normalen Schilddrüse eine zu große
Thymus. Der histologische Befund des Zentralnervensystems
und des Muskelapparates wird später veröffentlicht.
Privatdozent Dr. E. Kartze (St. Petersburg): Ueber Akro-
asphyxie im Kimlesalter. (Archiv für Kinderheilkunde,
Bd. 53, II. 4—6.)
Akroasphyxie bedeutet Asphyxie der Extremitätenenden
und ist charakterisiert durch eine allmählich sich entwickelnde
Asphyxie der peripheren Teile der Extremitäten. Von der bei
Raynaud scher Krankheit auftretenden Asphyxie unter¬
scheidet sich jene Form dadurch, daß sie sicli allmählich und
ohne ausgesprochene Anfälle herausbildet. Außer der Asphyxie
zeigen bei der in Rede stehenden Krankheit die Extremitäten¬
enden gewöhnlich noch andere Symptome, Veränderungen der
Sensibilität oder erhebliche trophische Störungen; in manchen
Fällen bestehen noch andere, mehr allgemein nervöse Krank¬
heiten. Nach Cassiirer bezeichnet man die Fälle mit
Hypästhesie als Aerocyanosis chronica anästhetica oder Acro-
asphyxia liypaesthetica, zum Unterschied von der Acroasphyxia
hypertrophica, die neben der Asphyxie noch erhebliche trophi¬
sche Störungen zeigt, die, im wesentlichen die Weichteile be¬
treffend, zu einer Hypertrophie dieser führen. Diese Fälle er¬
innern an Akromegalie. — Die Akroasphyxie ist wenig beob¬
achtet worden. Für das Kindesalter hat der Verfasser nur
zwei Fälle finden können, denen er vier eigene Beobachtungen
anfügt. Das Hauptinteresse dieser Fälle besteht in der Ver¬
änderung des Blutdruckes und der galvanischen Erregbarkeit
der Nerven. Letztere ist erhöht und bietet die charakteristischen
Erscheinungen der Tetanie, die aber sicher auszuschließen ist.
Therapeutisch ist Bettruhe zu empfehlen, daneben die Mittel,
die erfahrungsgemäß die Blutzirkulation fördern und den Blut¬
zufluß zur Haut steigern, ferner roborierende Diät. R.
Dr. Luigi Viganö (Mailand): Spezifizität der Meiostagmin-
reaktion hei Typhus. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 32.)
Die von Astoii angegebene Meiostagminreaktion be¬
steht bekanntlich darin, die Aenderung der Oberflächen¬
spannung von Patieutensera beim Zusammenbringen mit be¬
stimmten Antigenen zu ermitteln. Die Aenderung der Ober¬
flächenspannung wird durch Bestimmung der Tropfeuzellen
im Traub eschen Stalagmometer bestimmt. Der Verfasser
führte derartige Bestimmungen für den Abdominaltyphus aus
und kommt zu folgenden Ergebnissen:
1. Bei entsprechender Prüfung von Typhuspatientenserum
durch Zusammenbringen desselben mit Typhusantigen lassen
sich in demselben spezifische Meiostagmine nachweisen, deren
Vorhandensein durch eine deutliche Veränderung der Ober¬
flächenspannung zum Ausdruck kommt.
2. Bei vergleichenden Untersuchungen mit Paratyphus A
und B erweist sich die. Reaktion für Typhus spezifisch, d. h.
ein Typhusserum, das bei der W i d a 1 sehen Probe Aggluti-
596
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 39.
nierungsvermögen gegen Typhus, nicht aber gegen Paratyphus
besitzt, enthält gleichfalls spezifische Meiostagmine ausschlie߬
lich gegen Typhusbacillenextrakt und nicht gegen Antigene
des Paratyphus A und B.
Dr. L. Jacob (Straßburg): lieber die Behandlung des Typhus
mit Pyramidon, (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Verfasser berichtet über die Erfahrungen, welche in der
Straßburger medizinischen Klinik mit der Anwendung des
Pyramidons als Autipyreticum beim Typhus gemacht wurden.
Das Pyramidon wurde schon 1903 von Valentini beim
Typhus zur Anwendung empfohlen, es scheint aber bisher in j
der Praxis diese Empfehlung ziemlich unbeachtet geblieben zu I
sein. — Es wurde in folgender Weise vorgegangen: Zunächst I
wurde der Kranke ein oder mehrere Tage unbeeinflußt beob¬
achtet, um über die Schwere des Falles ein möglichst klares
Bild zu bekommen. Ist die Temperatur stärker erhöht (39"
oder mehr rektal), bestehen deutliche subjektive Beschwerden,
wie Kopfschmerzen, schweres Krankheitsgefühl oder Somno¬
lenz, Delirien, Unruhe, so erhält der Kranke unter genauer Be¬
obachtung von Temperatur und Puls zweistündlich 0,1—0,15 g
Pyramidon, gewöhnlich von sechs Uhr morgens bis 12 Uhr
nachts; das Pyramidon wird in Lösung gegeben: Pyramidon 2,
Sirupi simpl. 20, Aq. destill. ad 200. In der Mehrzahl der
Fälle fällt das Fieber bei dieser Darreichungsweise des Pyra¬
midons' um eine oder mehrere Grade und zeigt weiterhin einen
ganz milden Verlauf oder bleibt völlig aus, wenn man mit der
Darreichung des Pyramidons entsprechend lange fortfährt. Es
kommt nicht darauf an, das Fieber völlig zu beseitigen, sondern
das Pyramidon soll nur die schweren Allgemeinerscheinungen,
den Status typhosus beseitigen, und das gelingt fast immer mit
den kleinen Dosen. Die Somnolenz, die Unruhe, die Kopf¬
schmerzen, das schwere Krankheitsgefühl verschwinden in
kurzer Zeit; viele Kranke werden ganz beschwerdefrei, nehmen
ohne Schwierigkeit Nahrung zu sich und sind leicht rein zu
halten. Die reichlichere Nahrungsaufnahme verhindert den
allzu starken Kräfteverfall, so daß die Patienten sich auch
Komplikationen gegenüber widerstandsfähiger erweisen. Das
Pyramidon wurde in dieser Weise einige Wochen hindurch ge¬
geben, 10—35 Tage hintereinander, meist gegen 20 Tage. Unter
Pyramidongebrauch sinkt das Fieber um ein oder mehrere
Grade ab, um sich dann auf einer mittleren, im einzelnen Fall
höheren oder tieferen Lage zu halten. An dem allmählichen
Absinken der Temperatur zur Norm erkennt man, daß die
Fieberperiode sich ihrem Ende nähert. Man läßt dann den
Kranken versuchsweise einen Tag ganz ohne Pyramidon, um
sich zu vergewissern, ob noch Fieber besteht. Ist dies der
Fall, so kann man das Pyramidon eventuell in kleineren Dosen
weiter geben, bis nach einigen Tagen ein neuer Versuch zeigt,
daß der Kranke auch ohne das Mittel fieberfrei bleibt. Man
kann auch ohne Bedenken das Pyramidon schon fortlassen, ehe
völlig normale Temperatur erreicht ist. Schädliche oder un¬
angenehme Nebenwirkungen wurden in keinem Falle beob¬
achtet. Auch wenn Blutungen auftraten, ‘wurde meist das
Pyramidon weitergegeben. Nur wenn infolge einer Blutung
starker Abfall der Temperatur und höhere Pulsfreqenz auf¬
trat, wurde das Mittel ausgesetzt. Die Kranken, welche regel¬
mäßig Pyramidon erhielten, wurden nicht gebadet; von ein¬
fachen hydriatrischen Maßnahmen (kühle Teil- und Ganz¬
waschungen, Prießnitzsche Umschläge) wurde dagegen viel¬
fach Gebrauch gemacht. Es wurden im ganzen 80 mittelschwere
und schwere Typhusfälle in dieser Weise mit Pyramidon be¬
handelt, von diesen starben 8 (— 10 pCt.) und zwar vier an
Darmblutung, zwei an diffuser Peritonitis, je einer an Herz¬
schwäche und zirkumskripter Peritonitis und an croupöser
Pneumonie. Im Vergleich zu der sonstigen Mortalität ist dieses
Ergebnis günstig zu nennen.
Dr. H. Engel (Helonau-Nauheim): Zur Entfieberung Tuber¬
kulöser durch Kochsches Alttuberkulin. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Noch vor wenigen Jahren galt es als unbedingtes Gesetz
der Vorsicht, keine fiebernden Tuberkulösen mit Tuberkulin
zu behandeln. Gerade für Alttuberkulin wurde noch bis vor
kurzem Fieberlosigkeit als Bedingung beibehalten. Erst ganz
neuerdings wird von einer ganzen Zahl von Tuberkulinthera-
peuten diese absolute Einschränkung fallen gelassen und gleich¬
falls über Entfieberungserfolge durch Anwendung des Alttuber¬
kulins berichtet. Auch Verfasser hatte Gelegenheit, derartige
Fälle zu beobachten. Er berichtet in der vorliegenden Mit¬
teilung über drei Fälle eklatanter Entfieberung bei fiebernden
Tuberkulösen durch Alttuberkulin. In zwei Fällen, bei einem
Perser resp. Aegypter, wurde eine systematische Tuberkulin¬
kur durchgeführt (von Viooo resp. 'hmm mg beginnend bis auf
'/io mg bezw. 0,5 Tuberkulin), wodurch Entfieberung und er¬
heblicher Rückgang der tuberkulösen Symptome, Steigerung
des Körpergewichts herbeigeführt wurde. Im dritten Falle,
bei einem Deutschen, wurde ein subfebriler Zustand, der nach
früheren Tuberkulininjektionen entstanden wrnr, durch eine
einmalige Injektion von ‘/nmo mg A.-T. beseitigt. Es bestand
hier ausgesprochene Anaphylaxie.
Dr. Antonio Gasharrini (Pavia): Die Meiostagminreaktion bei
der experimentellen Tuberkulose. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 32.)
Der Verfasser stellte Untersuchungen über das Verhalten
der Meiostagminreaktion bei der experimentellen Tuberkulose
an und erhielt folgende Resultate: Das Blutserum gesunder
Meerschweinchen und Kaninchen reagiert nicht spezifisch mit
Typus humanus, bovinus und Geflügeltuberkuloseantigen; die
Ausschläge übertreffen kaum jene, die man bei Zusatz von
Kochsalzlösung anstatt Antigenemulsion zu denselben Seris
erhält. Nach der Infektion ist das Blutserum dieser Tiere
gegenüber dem homologen Antigen (nämlich entweder gegen¬
über dem Typus humanus oder bovinus oder Geflügeltuber¬
kuloseantigen) meiostagminpositiv. Die absolute Größe der
Ausschläge ist nicht groß, relativ aber betragen diese Aus¬
schläge Multipla der Fehlergrenzen; der positive Ausfall der
Reaktion fand in jedem Falle statt. Weitere Versuche er¬
gaben, daß die Einspritzung von Antigen im tierischen Orga¬
nismus ebenfalls das Auftreten streng spezifischer Meiostag¬
mine veranlaßt. — Demnach besitzt man in der Meiostagmin¬
reaktion ein Mittel, um einerseits Tuberkulosekulturen, Typus
humanus und bovinus voneinander zu unterscheiden, anderer¬
seits den eine Infektion bedingenden Tuberkulosetypus durch
Untersuchung des Blutserums auf spezifische Meiostagmine zu
erkennen.
Dr. Martin Haudek (Wien): Zur röntgenologischen Diagnose der
Ulcerationen in der Pars media des Magens. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 30.)
Nach den Untersuchungen über die Röntgendiagnose von
Ulcerationen im Magen (die Aufnahmen werden nach Eingehen
einer Wismutsuspension in üblicher Weise gemacht), ist die
Annahme unrichtig, daß auf einem flachen Geschwür ein
Wismutbeschlag zustande kommt, der auf dem Röntgenbild
einen Schatten gibt. Abnorme umschriebene Schatten am Rönt¬
genbilde des Magens kommen nur durch Ablagerung von Wis¬
mut in pathologischen Nischen des Magens zustande. Eine be¬
sondere Form dieser Nischen stellt das penetrierende
Magenulcus dar, das im Röntgenbilde als eine divertikelartige
Ausbuchtung des Wismutschattens mit einer am Gipfel befind¬
lichen Gasblase zu erkennen ist. Charakteristisch ist noch län¬
geres Zurückbleiben von Wismut an dieser Stelle, sow'ie das
Fehlen der palpatorischen Beeinflußbarkeit des Fleckes.
Privatdozent Dr. H. Stursberg (Bonn): Ueber Wurzelischias.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 34.)
Ad. Schmidt hat neuerdings bei der Ischias auf die
Häufigkeit einer Mitbeteiligung von nicht dem Ischiadicus an¬
gehörenden Zweigen des Sacralplexus und von Teilen des
Lumbalgeflechts hingewiesen, wie sie bereits von früheren
Untersuchern bemerkt wurde. Französische Autoren haben
hierfür die Bezeichnung „sciatique radieulaire“ gebraucht.
Verfasser hatte ebenfalls Gelegenheit, eine Reihe von Ischias¬
fällen.zu beobachten, bei denen leichte Störungen des Empfin¬
dungsvermögens der Haut das Ausbreitungsgebiet des Hüft-
nerven überschritten und bei denen die genauere Feststellung
der Grenzen segmentäre oder radikuläre Anordnung der Ge¬
fühlabstumpfung verkennen ließ. Die betreffenden Kranken
klagten mehrfach schon von selbst außer über Schmerzen im
Bereich des Ischiadicus über Taubheitsgefühl besonders aüf
der Rückseite des Oberschenkels. Wurden derartige Angaben
gemacht, so prüfte Verfasser sorgfältig die Veränderungen der
Sensibilität in dem betreffenden Gebiet; außer der Berührungs¬
empfindung war in derartigen Fällen meist auch die Schmerz-
und Temperaturempfindung in geringem Maße beeinträchtigt.
Verfasser teilt einige derartige' Fälle von Ischias mit den
genauen neurologsichen Befunden mit. Auf Grund derartiger
Beobachtungen ist nach Verfasser die Auffassung als zutreffend
anzuerkennen, daß die als Ischias bezeichnete Erkrankung
sich nicht immer auf das Gebiet des Hüftnerven beschränkt,
sondern auf ausgedehnte Nervengebiete übergreifen kann, die
sowohl höher wie tiefer am Rückenmark ihren Ursprung
haben. Außer den vom unteren Sacralmark ausgehenden
Nerven ließen sich in des Verfassers Fällen mehrfach die vom
Lenden mark und sogar die aus dem unteren Brustteil aus-
tretenden als mitbeteiligt nachweisen. Als Ursache könnte
entweder eine gleichzeitige Erkrankung zahlreicher peripheri¬
scher Nerven in Frage kommen oder eine Schädigung der
Wurzeln. Die erste Annahme ist nach Verfasser aus ver¬
schiedenen Gründen unwahrscheinlich, dagegen erklärt eine
Erkrankung im Bereich der hinteren Wurzeln die Aus¬
breitung der Empfindungsstörung ohne jede Schwierigkeit. An
welcher Stelle die Wurzeln zuerst erkranken und welcher Art
die Erkrankung ist, läßt sich vorläufig nicht entscheiden und
No. 39.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
597
ebenso ist schwer zu sagen, wie weit sich der Erkrankungsvor-
gang in absteigender Richtung aut die Nerven erstreckt. Somit
ergeben die Befunde des Verfassers im Einklang mit den An¬
gaben von Ad. Schmidt u. a., daß einer einfachen Ischias
eine ausgedehnte Wurzelerkrankung zugrunde liegen kann.
Jedoch möchte Verfasser keineswegs für jeden Fall von
Ischias den ersten Erkrankungsherd in den hinteren Wurzeln
suchen; er hält es für wahrscheinlich, daß es an verschiedenen
Stellen angreifende Ursachen für die Entstehung des Krank¬
heitsbildes der Ischias gibt. Sind Empfindungsstörungen mit
segmentärer Anordnung nachweisbar, so ist die Diagnose der
Mitbeteiligung der Wurzeln ohne Schwierigkeit zu stellen und
ebenso wird sie wahrscheinlich, wenn Abmagerung und
Schwäche nicht vom Ischiadicus versorgter Muskeln, etwa der
Glutäen, eintritt. Man wird sie ferner vermuten können, wenn
sich Druckempfindlichkeit der Lendenwirbelsäule oder des
Kreuzbeins nachweisen läßt, oder wenn besonders im Beginn
der Erkrankung Schmerzen in dieser Gegend bestehen. Ein¬
setzen mit Schmerzen in tieferen Teilen schließt aber eine
Wurzelischias keineswegs aus. Auch Ueberempfindlichkeit
des ganzen Beins gegen Schmerz und Berührung wird auf eine
Wurzelerkrankung bezogen werden können, ferner gehören
fälle hierher, bei denen Schmerzen oder Parästhesien außer¬
halb des Ischiasgebiets (z. B. im Gebiet des Cutaneus femoris
ext.) vorhanden sind. Für die Frage dfer Behandlung ist die
Diagnose einer Wurzelischias offenbar von Bedeutung.
Dr. A. Pelz (Königsberg i. Pr.): Ein Fall von rein sensibler
Polvneuritis alcoholica. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 33.)
. Bei einem seit einigen Jahren sehr reichlichem Alkohol¬
genuß ergebenen 31 jährigen Maurer, der vor etwa sechs Jahren
eine Polyneuritis arsenicosa durchgemacht hatte, stellten sich
im Verlaufe eines Vierteljahres allmählich zunehmend heftige
Schmerzen in den Füßen und später auch in.den Händen ein;
dann Parästhesien und Empfindungslosigkeit. Vorübergehend
besteht auch Gürtelgefühl. Ueber Lähmungserscheinungen
wird nicht geklagt. Außerdem bestehen Beschwerden wie
Schlaflosigkeit, Reizbarkeit etc. mit dem Allgemeinbilde des
chronischen Alkoholismus. Objektiv finden sich handschuh-
bezw. strumpfförmige Störungen fast sämtlicher Sensibilitäts¬
qualitäten an Händen und Füßen. Störungen der höheren
Sinne, der Motilität (bis auf Nystagmus), der elektrischen
Muskelbewegbarke.it fehlen. Weiter besteht eine Areflexie einer
Kniescheiben- und beider Achillessehnen und anfangs zuweilen
etwas träge Pupillenreaktion. Leber- und Magengegend druck¬
schmerzhaft. Unter elektrischer und diaphoretischer Behand¬
lung begann nach zwei Monaten eine Besserung, indem zu¬
nächst Schmerzen und Parästhesien schwanden; nach drei
Monaten konnte Patient als erwerbsfähig gebessert aus der Be¬
handlung entlassen werden; die Sensibilitätsstörungen sind im
wesentlichen geschwunden, das Verhältnis der Reflexe ist un-
geändert geblieben. Die Diagnose schwankte anfangs zwischen
Polyneuritis alcoholica und Tabes dorsalis. Es
spricht aber gegen Tabes das völlige Fehlen von Sphinkter¬
störungen während des ganzen Verlaufs und von Ataxie, von
Störungen der Tiefensensibilität, der Ausgang in fast völlige
Heilung und das negative Ergebnis der Lumbalpunktion (weder
Vermehrung des Eiweißgehalts noch Lymphocytose im Liquor).
Auch das Bild der Pseudotabes alcoholica liegt hier nicht vor,
denn es fehlt die Ataxie völlig.
Dr. Hermann Goldbladt (Kiew): Syringomyelie hei Mutter und
Tochter. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Die Vererbung der Syringomyelie resp. der Anlage dazu
gehört zu den Seltenheiten. Darum berichtet Verfasser über
ein derartiges von ihm beobachtetes Vorkommnis. Es handelt
sich um eine 46 jährige Frau und ihre 18 jährige Tochter. Die
Mutter weist eine atypische Mo r van sehe Form der Syringo¬
myelie auf, indem ihr Leiden mit schmerzhaften Panaritien be¬
gann; die Erkrankung der Tochter verläuft wesentlich upter
dem Bilde einer Sympathicusaffektion mit ausgeprägten Er¬
scheinungen eines rechtsseitigen Exophthalmus und links¬
seitigen Enophthalmus. Als Nebenbefund besteht bei der
Tochter Trachom des linken Auges.
' ■■ *
Oberarzt Dr. Coler (Heilstätte Haus Schönow): Operiertes
Gliom der dritten linken Stirnwindung. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 32.)
Verfasser berichtet über einen bemerkenswerten Fall. Die
37 jährige, bis dahin gesunde Patientin zeigte folgendes Krank¬
heitsbild, welches sich nach mehreren Anfällen mit Reizerschei¬
nungen im rechten Facialis und Störungen der Sprache ent¬
wickelt hatte: Anhaltender Kopfschmerz, dauernde Pulsver-
langsamung, vielfach Uebelkeit mit Singultus (einmal auch Er¬
brechen), beiderseits Stauungspapille, rechtsseitige motorische
Schwäche, am ausgesprochensten im rechten Facialisgebiet,
weniger im Arm, nicht deutlich im Bein, dabei rechtsseitige
Sehnenreflexe eher lebhafter; rechts Babinski, endlich Sprach¬
störung, gekennzeichnet durch Unfähigkeit zum Spontansprechen,
zum Nachsprechen, zum spontanen und Diktatschreiben sowie
zum Lautlesen bei Erhaltensein des Sprach- und Schriftver¬
ständnisses, des Abschreibens und Ziffernschreibens. Eine
versuchsweise vorgenommene Schmierkur brachte keine Besse¬
rung. Es wurde ein Tumor cerebri im linken Stirnbein mit Be¬
teiligung der linken dritten Frontalwindung angenommen und
die Patientin dann von Professor Riese operiert. Es fand
sich in der Tat ein Gliom im Bereich der linken dritten Stirn¬
windung, welches mit Messer und Schere, soweit möglich, ent¬
fernt wurde. Die Patientin überstand den Eingriff gut. Nach
Heilung der Operationswunde trat die Patientin wieder in
nervenärztliche Behandlung. Nach der Operation sind die
motorischen Störungen zum größten Teil verschwunden, da¬
gegen ist die spontane Sprache bis auf wenige Reste nicht
wiedergekehrt. Um das Sprachvermögen nach Möglichkeit
wieder herzustellen, sind systematische Sprech-, Schreib- und
Leseübungen eingeleitet.
Privatdozent Dr. med. Ernst Frey (Jena): Die Ursache der
Bromretention und die Verdrängung von Chlor durch Brom
im Blute. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Verfasser stellte Versuche an Kaninchen an, um die gegen¬
seitige Beeinflussung von Brom und Chlor bei der Ausscheidung
zu ermitteln. Es ergab sich, daß ein kochsalzarmes Tier, das
mit Kochsalz spart, nach einer intravenösen Injektion von
Bromnatrium auch mehr Kochsalz ausscheidet, als hätte man
ihm Kochsalz gegeben, zweitens, daß das Tier, durch passende
Nahrung wieder salzarm gemacht, nicht nur mit Kochsalz spart,
sondern gleichzeitig mit Bromnatrium; drittens, daß die
Biomide und Chloride gleichzeitig bei verschiedenen Eingriffen
steigen und fallen, viertens, daß das gegenseitige Verhältnis
der beiden Stoffe im Harn dem im Serum des Tieres entspricht.
Wenn also durch eine einmalige Bromnatriumgabe Na Br im
Serum auftritt, scheidet die Niere das Plus an Halogenen in der
Weise aus, daß das gegenseitige Verhältnis von Brom zu Chlor
im Harn und im Serum gleich ist; da aber nach der einmaligen
Gabe noch mehr Chlor im Blute sein wird als Brom, so wird auch
im Harn mehr Chlor als Brom sich finden. Dann ist beispiels¬
weise von beiden Halogenen 10 pCt. ausgeschieden worden,
also bei weitem mehr Chlor als Brom. Es ist also das Blutserum
chlorärmer geworden, dafür ist Brom im Blut zurückgeblieben,
es ist zu einer Retention von Brom und teilweisen Verdrängung
von Chlor durch Brom gekommen. Daraus folgt für die Praxis:
Es wird gleichzeitige Kochsalzarmut der Nahrung zu einer
stärkeren Anhäufung von Na Br im Blut führen, Brom wird also
bei kochsalzarmer Nahrung schneller wirken. Zufuhr des einen
der beiden Halogene bewirkt vermehrte Ausfuhr des anderen.
Also wird bei Bromismus Kochsalz die Ausscheidung von Brom
beschleunigen, gerade wie Brom die Ausscheidung von Koch¬
salz vermehrt, wie auch schon die Erfahrungen der Praxis er¬
geben haben.
Prof. Dr. Erich Harnack und Privatdozent Prof. Dr. H. Hilde¬
brandt (Halle a. S.): Antagonisten des Apomorphins. (Münch,
med. Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Die Verfasser haben schon vor einiger Zeit mitgeteilt, daß
neuerdings ein Apomorphin in den Handel gekommen ist, das
für die arzneiliche Anwendung als völlig unbrauchbar zu be¬
zeichnen ist. Es bestand nämlich, wie die Untersuchung ergab,
höchstens zu (4 seines Gewichts aus Apomorphinsalz, im übri¬
gen aber aus dem gleichen Salz einer fremdartigen Base, die
nicht wie Apomorphin, sondern wie ein sehr verstärktes Mor¬
phin wirkte und die emetische Wirkung des Apomorphins
geradezu aufhob. Die Verfasser hielten diese Substanz ur¬
sprünglich für Trimorphin, also für ein Polymerisationsprodukt
des Morphins. Es wurde jedoch neuerdings von chemischer
Seite festgestellt, daß diese Substanz, wenigstens in der Haupt¬
sache nicht Trimorphin sein könne, da sie intramuskulär ge¬
bundenes Chlor enthält, daß sie vielmehr mit Wahrscheinlich¬
keit als /j-Chloromorphid angesprochen werden müsse. Für
den Arzt ist übrigens nicht die Frage der chemischen Substanz
das wesentliche, sondern nur die Tatsache, daß unter der Be¬
zeichnung Apomorphin ein Präparat in den Handel kommt,
welches Morphinwirkung besitzt und teilweise direkt als Anta¬
gonist des Apomorphins zu bezeichnen ist. Wahrscheinlich ist
die in einem Teil der Fälle von medizinaler Apomorphinver¬
giftung beobachtete lebensbedrohende Atmungslähmung auf die
zufällige Anwendung solcher gemengten Präparate zurückzu¬
führen. R- L.
Karl Wind: Ueber die Chilisalpetervergiftung und den
spektroskopischen Nachweis des Nitrits im Blute. Aus dem
pharm. Institut der tierärztlichen Hochschule Hannover. (In-
augural-Dissertation, Gießen 1910.)
Ergebnisse: 1. Durch Schütteln von Blut mit einer Natrium¬
nitritlösung färbt sich dasselbe braun und zeigt spektroskopisch
•598
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 39.
ein Absorptionsband im Rot, dessen dunkelste Stelle bei 631
liegt (Roberts Nitritniethämoglobin).
2. Durch Schütteln von Blut mit Natriumnitritlösung bleibt
das Blut unverändert.
3. Das Blut von Tieren, denen Natriumnitrit einverleibt
wird, zeigt selbst nach recht kleinen Gaben desselben regel¬
mäßig das Nitritmethämoglobinspektrum. Die spektroskopische
Methode des Nachweises nitrithaltigen Blutes ist eine empfindliche.
4. Nach Einverleibung von Natriumnitrat findet sich bei
Versuchstieren zwar nicht regelmäßig, aller häufig das für
Nitrit charakteristische Absorptionsspektrum des Nitrit-
methämoglobins.
6. Das Natriumnitrat wird im Tierkörper mehr oder
weniger leicht in Nitrit Umgewandelt. Die Chilisalpeterver¬
giftung ist größtenteils eine Nitritvergiftullg. F.
Dr. Eugen Berlioulli. Assistent am Sanatorium voll Prof.
A. Jaquel in Riehen: Ueber Bronzediabetes. (Korre¬
spondenzblatt für Schweizer Aerzte, 1910, Nö. 10.)
Der Bronzediabetes ist eitle seltene Erkrankung. Wegen
des Interesses, das diese im ganzen noch wenig bekannte Krank¬
heit verdient, berichtet Verfasser über einen derartigen Fall
aus eigener Beobachtung, Der Fall zeigt das gewohnte Bild
der Erkrankung, das Verfasser auf Grund seiner eigenen und
anderer Erfahrungen ausführlich schildert. Fast alle Patienten
sind männlichen Geschlechts, im Alter von 28—65 Jahren.
Alkoholisnnis findet sich nur in etwa V-i der Fälle. Die ersten
Symptome, die dem Kranken auffallen, sind die beginnende
Kachexie, oder der Diabetes, seltener die Pigmentierung der
Haut, die, wie in Verfassers Fall, das erste Symptom bilden
kann. Finden wir bei der Untersuchung neben Hauptpigmeu-
tierung Symptome einer Lebercirrhose, so können wir auch bei
mangelndem Zuckergehalt des Urins die Diagnose stellen. Ver¬
wechselungen mit Morbus Addisoni sind möglich und werden
wahrscheinlich nicht so selten gemacht. Bei beiden Erkran¬
kungen findet man eine Melanose vorwiegend im Gesicht, an
den Händen und Genitalien. Differentialdiagnostisch weist
man hauptsächlich auf die bei Morbus Addisoni vorkommenden
Pigmentierungen der Schleimhäute hin, so besonders der
Mundschleimhaut und der Conjunctiven, die beim Bronze¬
diabetes jedenfalls nie im höheren Grade beobachtet worden
sind. Ebenso findet man nie zirkumskripte pigmentlose Flecke
wie sie bei Addisonkranken bisweilen Vorkommen. Eines der
Hauptsymptome, das früher im Vordergrund des Intereses
stand und der Krankheit den Namen gegeben hat, ist der
Diabetes, der meist in der schweren Form mit Acidose auf-
tritt und die Kranken oft innerhalb weniger Monate unter
rapidem Kräfteverfall zugrunde richtet. Der Tod wird bald
durch Kachexie, bald durch Coma diabeticum herbeigeführt.
Nicht selten findet man beim Bronzediabetes ein Verschwinden
oder wenigstens starkes Zurückgehen des Zuckers mehr oder
weniger lange, vor dem Tode. Diese Erscheinung wird auch
sonst in schweren Fällen von Diabetes, besonders bei akuten
Infektionskrankheiten und bei hochgradigen Kachexien beob¬
achtet. Die beiden wichtigsten Symptome, welche nie fehlen
dürfen, sind die Hämochromatose und die Lebercirrhose.
Erstere zeigt sich intra vitam als Hautverfärbung und ist ge¬
legentlich das erste und auffallendste Symptom. Manchmal
datiert die Verfärbung schon seit mehreren Jahren. In den
Fällen, wo Hautverfärbung fehlt, können wir die Hämochro¬
matose nicht diagnostizieren und wir werden dann oft erst auf
dem Sektionstisch durch den kolossalen Pigmehtreichtum der
inneren Organe überrascht. Es kann auch Vorkommen, daß
eine leichte Hautpigmentierung in ihrer Bedeutung nicht er¬
kannt wird; in einem solchen Fall von Zurhelle leitete
eine vorübergehende Hämoglobinurie auf die richtige Fährte.
Die Lebercirrhose kann meist aus der Lebervergrößerung
diagnostiziert werden. Ikterus fehlt. Ascites und Milzver¬
größerung sind oft vorhanden und erleichtern die Diagnose.
Von weiteren klinischen Symptomen sind zu erwähnen: häufige
Digestionsstörungen. Die Blutuntersuchungen bieten keine
Besonderheiten, es werden nur leichte Grade von Anämie be¬
obachtet. Jedenfalls fehlen in der Regel Erscheinungen, die
auf einen stärkeren Zerfall roter Blutkörperchen hinweisen.
Pathologisch-anatomisch fällt vor allem der oft enorme Pigment¬
reichtum der inneren Organe auf. Man findet zweierlei Pig¬
ment, das Hämosiderin, das Eisenreaktion zeigt, und das eisen¬
freie Hämofuscin. Die Leber zeigt im allgemeinen das Bild
der hypertrophischen Pigmenteirrhose. Dem Pankreas ist be¬
sonders in neuerer Zeit viel Aufmerksamkeit geschenkt wor¬
den. Eine Miterkrankung wird fast in allen genauer unter¬
suchten Fällen gefunden. Doch hat auch bei stärkeren Ver¬
änderungen am Pankreas Diabetes .öfters gefehlt. Pigmen¬
tierung der Drüsenepithelien und des Bindegewebes ist in
allen Fällen vorhanden, fast immer-kombiniert mit einer be¬
trächtlichen Bindegewebswucherung, welche eine Aehnlichkeit
mit den Prozessen in der Leber nicht verkennen läßt.
Die Ursache des Bronzediabetes ist noch völlig im Dunkeln.
Kr.
Prof. Dr. Chiari (Wien): Ein Todesfall bei der Bronchoscopia
superior. (Monatsschrift für Ohrenheilkunde und Laryngo-
Rhinologie, Jahrgang 44, H. 8.)
Die Bronchoscopia superior läßt sich auch bei Kindern
meistens ohne Gefahr ausführell. Iii der Literatur fand
Kahler bis 1910 sieben Fälle von Broüchösköpie wegeii
Fremdkörper bei Kindertl unter 1 Jahr, und Zwär zwei obere
(mit Äusgahg in Heilung) und füiif untere (mit eiheni Todes¬
fall ali Pneumonie am sechsten Tage). Verfasser selbst hatte
zwei Fälle bei Kiüderü unter i Jahr in seiner Klinik, eiiie
obere uiid eine untere mit Äusgahg in Heilung. Bei Kindern
unter Zehn Jahreii wurdeii bis 1909 iü der Klinik 11 Fremd¬
körper entfernt, und zwar sieben mittels der obereü und vier
mit der unteren Bronchoskopie. Narkose wurde sechsmal an-
geweiidet uiid zwar einmal bei der unteren, sonst bei der
Oberen Broiichoskopie. Der einzige Todesfall trat nach oberer
Bronchoskopie auf, und zwar am dritten Tage an Pneumonie
bei einem sechsjährigen Kinde, welches nicht narkotisiert wor¬
den war. Die Narkose wurde im allgemeinen von den Kindern
gut vertragen. Es wurde zur Narkose immer die Billroth-
mischung aiigewendet und wenn sich nach Einführung des
Bronchoskops noch weitere Narkose nötig zeigte, ein Gaze¬
tupfer mit etwas Chloroform vor die Oeffnung der Röhre ge¬
halten. Auch von anderer Seite wird gewöhnlich bei Kindern
die allgemeine Narkose angewendet. Die Bronchoskopie in
Lokalanästhesie gelingt zwar auch manchmal bei kleinen Kin¬
dern (unter 11 Fällen des Verfassers viermal). Gewöhnlich
aber sind die Kinder zu unruhig, so daß man Verletzungen der
Luftwege durch brüske Bewegungen des Kindes befürchten
muß. Daß jedoch die Narkose bei der Bronchoskopie nicht
ganz ungefährlich ist, zeigt ein kürzlich von Verfasser erlebter
Fall. Hier handelt es sich um einen siebenjährigen, sehr
schwächlichen Knaben, welcher ein Maiskorn aspiriert hatte.
Drei Tage nach dem Unfall wurde das Kind in die Klinik ge¬
bracht. Die Röntgenuntersuchung ergab in der Höhe des
linken Hauptbronchus eine Verdichtung von der Größe einer
größeren Bohne. Es wurde sofort die obere Bronchoskopie
angeschlossen; die Lokalanästhesie scheiterte an der Unruhe
des Kindes. Deswegen wurde zur Narkose übergegangen. Nach
zirka fünf Minuten Einführung des langen Rohres, in der
Trachea viel Schleim, der abgesaugt wird. Wegen großer Un¬
ruhe des Patienten wird das Rohr wieder entfernt und tiefere
Narkose eingeleitet; dann gelingt die Einführung und Vor¬
schiebung des Rohres bis zur Bifurkation. Man sah nun im
Anfangsteil des linken Bronchus einen weißlichen Fremd¬
körper. Beim weiteren Vorschieben in den Bronchus Aus¬
setzen der Atmung, da das nicht gefensterte Rohr den rechten
Bronchus verlegt und der linke Bronchus durch den Fremd¬
körper vollständig obturiert ist. Das Rohr wurde daher wieder
entfernt und der kurze 8 mm-Röhrenspatel mit Vorschieberohr
eingeführt. Es gelang nun leicht die Bifurkation einzustellen
und den Fremdkörper im Anfaugsteil des linken Bronchus zu
sehen. Der Versuch, mit der Bohnenzange ihn zu fassen, mi߬
lingt einige Male, mit der Fremdkörperpinzette gelingt es,
einige kleine Teilchen zu entfernen. Nur sehr geringe Blutung.
Adrenalinspray. Bei einem neuen Extraktionsversuch gleitet
der Röhrenspatel aus dem Larynx, das Verlängeruugsrohr
bleibt jedoch in der Trachea. Plötzlich wird das Kind cyano-
tisch; der bisher gut fühlbare Puls setzt aus, ebenso die
Atmung. Sofort wurde Tracheotomie und Adrenalininjektion
(1 ccm) gemacht; dann künstliche Atmung und Sauerstoffzu¬
fuhr. Die künstliche Atmung eine Stunde hindurch blieb ohne
Erfolg. — Die Sektion ergab das Maiskorn im linken Haupt¬
bronchus eingekeilt, hinter dem Korn die Luftröhrenäste
strotzend mit Eiter gefüllt. Wegen der Einkeilung des Mais¬
korns dauerte der Extraktionsversuch so lange, und endlich er¬
lag der schwache Organismus dem Chloroform, welches
übrigens in sehr geringe Menge angewendet wmrde.
Dr. H. K. Offerhaus (Groningen): Schmerzlose Operationen im
Gebiete des Gesichtsschädels und Mundes unter Leitungs¬
anästhesie. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Verfasser war es bei Untersuchungen über die Technik der
tiefen Alkoholinjektionen in die Trigeminusstämme nach
Schlösser gelungen, eine Methode zu finden, mit der man
ohne vorhergehende Uebuug an Leichen mit Bestimmtheit den
zweiten und dritten Trigeminusast und das Ganglion Gasseri
zu erreichen vermag. Es lag nun nahe, diese Methode auch
für chirurgische Zwecke zu verwerten, indem man statt Alko¬
hol Kokainlösung als Injektionsflüssigkeit wählt; man muß auf
diese Weise Unempfindlichkeit im ganzen lnnervationsbereich
der genannten Trigeminusäste erreichen. In der Tat bat sich
diese Annahme bestätigt; es wurden seit Dezember 1909
11 Operationen am Kieferknochen und in der Mundhöhle in
dieser Weise unter Leitungsanästhesie schmerzlos ausgeführt.
Bei nervösen Patienten ist diese Lokalanästhesie bei größeren
Operationen allerdings nicht angebracht. Auch bei ruhigen
Patienten empfiehlt es sich, vorher 15 mg Morphium und Vi mg
Scopolamin subkutan zu injizieren (1 Stunde vor der Opera-
No. 39.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
tion). Für die Einspritzung in den Trigeminus gibt Verfasser
folgende Regeln: Für den dritten Ast muß man mit dem
großen Zirkel die Distanz zwischen den beiden Jochbogen
messen, gerade'vor dem Kiefergelenk, also die Distantia inter-
tubercularis = a, und mit dem kleinen Zirkel in der Mundhöhle
die Distanz der Processus alveolares superiores hinter, den
letzten Backenzähnen und an deren Außenseite: Distantia
interalveolaris externa = b (diese Distanz ist nämlich der
Distanz der Foramina ovalia gleich); a—b ist dann die Tiefe,
bis zu welcher man mit der Nadel in der Richtung der Linea
intertubercularis eindringen muß, um den dritten Trigeminus¬
ast zu erreichen. Nun bestreicht man die Schläfengegend mit
Tinctura Jodi und führt die Nadel bis zu der berechneten Tiefe
ein; sobald der dritte Ast getroffen ist, fühlt der Patient einen
stechenden Schmerz im ganzen Verbreitungsgebiet des Nerven.
Darauf injiziert man langsam 2.5 ccm einer 0,75 proz. Kokain¬
lösung mit einem Tropfen Suprarenin 1 :1000. Hierauf bleibt
der Patient ruhig in horizontaler Lage. Auch wenn man nur
die Umgebung des Nervenstammes trifft, tritt, wenn auch lang¬
sam, Anästhesie ein, weil das Kokain in den Nervenstamm
diffundiert. — Um den zweiten Ast zu erreichen, messe man
vorher die Distanz zwischen der Mitte des einen Jochbogens
und der des anderen: Distantia interzygomatica = a' und die
Distanz zwischen dem Processus, alveolaris superior hinter den
letzten Backzähnen und an deren Innenseite: Distantia inter¬
alveolaris interna b'; diese Distanz ist gleich der Distanz
zwischen den Foramina rotunda; a .ist dann die Entfernung
des zweiten Trigeminusastes von der Oberfläche, und bis zu
dieser Tiefe muß man mit der Nadel an der oberen Seite des
Jochbogens in der Richtung der Linea interzygomatica ein¬
dringen (oder an der Unterseite des Jochbogens, aber dann
muß die Nadel ein wenig nach oben gerichtet werden). Nach
%—% Stunde ist das ganze Verbreitungsgebiet des Nerven
analgetisch. Man beginnt mit der Operation zweckmäßig erst
1 Stunde nach der Injektion, weil dann Tast- und Drucksinn
meistens auch stark herabgesetzt sind. Wenn die Wirkung des
Kokains ausbleibt, kann man annehmen, daß die Nerven-
stämme durch Tumoren etc. verdrängt sind. Dies war in zwei
Fällen von Sarkom und Careinom der Fall. Statt Kokain kann
man auch Novocain benutzen. Verfasser führt acht von ihm
nach der beschriebenen Methode der Anästhesie ausgeführte
Operationen (der Mehrzahl nach Carcinomexstirpationen) kurz
an. Auffallend war in allen Fällen die geringe Blutung bei
der Operation.
Dr. Emil G. Beck (Chicago): Der diagnostische Wert und die
therapeutische Wirkung der Wismutpaste bei chronischen
Eiterungen. (Münch, ined. Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Verfasser benutzt bekanntlich seit einigen Jahren eine
Wismutpaste zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken
und berichtet hier in kurzer Zusammenfassung über einige
Ergebnisse der Methode. Die Paste besteht aus einem Teil
Wismutsubnitrat und zwei Teilen weißen oder gelben Vaselins.
Sie wird mittels einer Glas- oder Metallspritze mit stumpfem
Ansatz, nachdem sie im warmen Wasserbade verflüssigt ist,
injiziert. Für diagnostische Zwecke kommt sie zur Exploration
der Grenzen und des Verlaufs von Fisteln und Absceßhöhlen
zur Anwendung. Sie wird in solcher Menge in die Oeffnung
der Fistel injiziert, bis man annehmen kann, daß sich alle Ver¬
zweigungen derselben gefüllt haben. Die Paste erhärtet rasch
und verbleibt in den Gängen lange genug, um die Aufnahme
eines Radiogramms zu ermöglichen. Dieses zeigt nicht nur ein
korrektes Bild der Fistelverzweigungen, sondern führt gewöhn¬
lich zur Entdeckung des ursprünglichen Krankheitsherdes, ver¬
mag dadurch diagnostische Irrtümer richtigzustellen und gibt
so eine Richtschnur für die Therapie. Von besonderem Nutzen
ist hierbei die Verwendung von stereoskopischen Radio¬
grammen an Stelle der einfachen. Zur Veranschaulichung der
diagnostischen Bedeutung der Methode führt Verfasser eine
Reihe von Fällen unter Beifügung der Radiogramme an, u. a.
einen Fall von Nierenfistel, einen Fall von Leberabsceß nach
Appendicitis, einen beiderseitigen Psoasabsceß ohne Zerstörung
eines Wirbels. Von besonderem Wert erweist sich die An¬
wendung der Wismutpasteninjektion bei der Diagnose der
Rektalfisteln, resp. der Fisteln in der Gegend des Anus. Es
gibt Fisteln an dieser Stelle, welche mit Hilfe der diagnosti¬
schen Wismutinjektion sich nicht als Rektalfisteln, sondern als
Fisteln mit dem Ursprung von einem Beckenabsceß oder einem
tuberkulösen Knochenabsceß, z. B. im Kreuzbein, erwiesen
haben. Verfasser führt hierfür einige Beispiele an. — Die
Technik der Anwendung der Wismut-Vaselinpaste zu thera¬
peutischen Zwecken ist dieselbe wie die zu diagnostischen
Zwecken. Doch muß in den meisten Fällen die Injektion
wiederholt werden. Ein großer Prozentsatz von chronischen
Fisteln infolge von Spondylitis, Coxitis, Nierentuberkulose etc.
kann durch diese einfache und verhältnismäßig gefahrlose
Methode zur Heilung gebracht werden. In manchen Fällen, in
denen die Methode "keinen Erfolg brachte, stellte sich heraus,
599
daß übersehene Fremdkörper die Ursache waren; die gleiche
Bedeutung haben Knochensequester. In manchen Fällen sind
technische Fehler die Ursache von Mißerfolgen; die Paste muß
weich genug sein, um bei der Injektion auch nach den ent¬
ferntesten Teilen der Fistelgänge zu gelangen und dieselben
vollständig auszufüllen; es genügt dazu ein sehr mäßiger Druck;
ein stärkerer Druck ist zu vermeiden, weil er die blind endigen¬
den Fistelgänge zerreißen und dadurch zu Schädigungen führen
könnte. Wenn schon nach der ersten Injektion das eitrige
Sekret einen mehr serösen Charakter annimmt, ist die Aussicht
auf einen Erfolg gut. Bleibt hingegen das Sekret eitrig, so sind
die Aussichten auf Heilung weniger günstig. Die Injektion
wird zuerst gewöhnlich vor Ablauf einer Woche nicht wieder¬
holt, später wird die Injektion alle drei bis vier Tage durch
eine hinreichende Zeit, wenn nötig einen Monat hindurch, aus¬
geführt und bei negativem Ergebnis den Ursachen des Mi߬
erfolges nachgeforscht. In manchen Fällen ist vielleicht eine
schlechte Qualität des Wismutsubnitrats Ursache des Mißerfolges;
das Subnitrat wird in der Körperwärme hydrolysiert und gibt
frei Salpetersäure ab; die letztere scheint das eigentliche kura¬
tive Agens zu sein; bei der Untersuchung von verschiedenen
Proben aus verschiedenen Fabriken zeigte sich nun, daß sehr
ungleiche Mengen Salpetersäure abgespalten wurden. — Bei
kalten Abscessen kann man die Wismutpaste injizieren, um die
Bildung von Fistelgängen zu verhindern. Der kalte Absceß
wird eröffnet und darauf spritzt man 100 g einer 10 proz. Wis-
mut-Vaselinpaste ohne Verschluß der Oeffnung ein. Tn den
meisten Fällen schließt sich die Oeffnung binnen ein bis drei
Wochen. — Zum Schluß weist Verfasse]- darauf hin, daß die
Applikation der Wismutpaste nicht ganz ohne Gefahr ist, da
die allmähliche dauernde Absorption größerer Quantitäten
des Metalls aus größeren Höhlen Intoxikationserscheinungen
hervorrufen kann, und zwar zunächst livide Verfärbung der
Haut, später Gingivitis, Brechreiz, Kopfschmerzen, Diarrhöen,
Albuminurie. Wenn man den Beginn einer Intoxikation ent¬
deckt, muß man die Paste mittels warmen, sterilen Olivenöls
auswaschen. Das’Oel wird injiziert und bleibt in der Höhle
12—24 Stunden, damit sich eine Emulsion bilden kann, die
dann durch Aspiration entfernt wird. Die Symptome ver¬
schwinden dann. — In einigen Fällen von Fisteln nach Resek¬
tion oder Exstirpation tuberkulöser Nieren wurde durch die
Paste Heilung erzielt. — Als Kontraindikationen der Wismut¬
pastenbehandlung stellt Verf. auf: einfache, tuberkulöse Gelenks¬
erkrankungen, akute Entzündungen, wie Phlegmonen, Siuus-
eiterungen, ferner Fälle, in denen die Möglichkeit von Ein¬
dringen der Paste in eine Vene vorliegt (Gefahr der Lungen¬
embolie!). Ebenso ist die Wismutpaste indiziert bei Gallen-
und Pankreasfisteln, ferner in Höhlen, die mit dem Schädel-
innern kommunizieren. R. L.
Prof. Dr. Blauei. Oberarzt der chirurgischen Klinik zu Tübingen:
Zur Mechanik der Invaginatio ileocoecalis. (Beiträge zur
klin. Chirurgie, 1910, Bd. 68, H. 1.)
Nach der herrschenden Auffassung über die Bewegungs-
Vorgänge, welche sich bei der Invaginatio ileocoecalis an Dünn-
und Dickdarm abspielen, findet in der großen Mehrzahl der
Fälle der Beginn der Einscheidung an der Valvula ileocoecalis
statt. Die Klappe stülpt sich danach zuerst in das zweite
Lumen des Colon ein, wird dann von der Peristaltik desselben
gefaßt und weitergeschoben und zieht schließlich die untersten
Teile des Ileum, sowie Coecuin mit Processus vermiformis und
Colon ascendens nach sich. So groß auch die Invagination
werden mag, immer ist die Valvula Bauhini an der Spitze
des Invaginatum. Diese Lehre ist aus älteren Bearbeitungen
in neuere Abhandlungen übernommen worden und hat schlie߬
lich auch in den neuesten Lehr- und Handbüchern einen Platz
gefunden. In letzter Zeit kamen in der v, Bruns sehen Klinik
drei ileocoecale Invaginationen zur Beobachtung, welche Verf.
zu operieren Gelegenheit hatte. Der Befund in diesen drei
Fällen war ein derartiger, daß Verfasser Zweifel an der Richtig¬
keit der geltenden Lehre aufstiegen und er zu der Anschauung
gelangte, daß die sog. Invaginatio ileocoecalis in der Mehrzahl
der Fälle durch primäre Einstülpung der Coecumkuppe ent¬
steht. Diese bildet die Spitze des Invaginatum. Die anatomi¬
schen Verhältnisse an der Valvula ileocoecalis machen es nach
Verf. sehr unwahrscheinlich, daß überhaupt eine primäre In¬
vagination der Klappe möglich ist. Umgekehrt zeigt das
Coecum anatomische und physiologische Bedingungen, welche
die primäre Invagination an der Kuppe desselben begünstigen.
Prof. Dr. W. Kausch: Ueber Knochenersatz. Beiträge zur
Transplantation toten Knochens. (Beiträge zur klin. Chir.,
1910, Bd. 68, H. 3.)
Verfasser berichtet über seine Erfahrungen mit der Trans¬
plantation toten Knochens. Sein erster Fall, den er sehr aus¬
führlich beschreibt, ist der einzige von eingeheiltem, frisch ge¬
wonnenem menschlichen toten Knochen, der — infolge der
später notwendig gewordenen Amputation — zur makroskopi-
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 39.
600
scheu und mikroskopischen Untersuchung des Präparates kam.
Das Präparat stellt den größten bisher beim Menschen in ein
periostfreies Lager implantierten Knochen dar, der einheilte.
Der implantierte Knochen ist konsolidiert, an beiden Enden
fest mit dem anstehenden verbunden. Die histologische Unter¬
suchung hat ergeben: a) Ueber dein ganzen zirkulären Periost¬
defekt, auf eine Strecke von 8 cm hin, ist neues Periost ge¬
bildet; offenbar ist das anstehende Periost hinübergewachsen,
b) Der implantierte tote Knochen ist in Resorption begriffen,
ihr parallel gehend ist überall im toten Knochen neuer ge¬
bildet worden, c) Diese Knochenneubildung geht aus von dem
neugebildeten Perioste sowohl wie von dem analogen Gewebe,
welches in sämtliche sich bietende Zwischenräume hinein¬
gewuchert ist (Endost), d) Das mitimplantierte Elfenbein
wird nur resorbiert, eine es ersetzende Knochenneubildung
hat nicht statt.
Hieraus ergibt sich, daß frisch gewonnener menschlicher,
toter Knochen — im Gegensatz zu den heute herrschenden An¬
schauungen — ein recht brauchbares Material für den Knochen¬
ersatz ist, auch in periostfreiem Lager, ln letzterem Falle
muß der implantierte Knochen aber mit dem anstehenden
Knochen sowohl wie Periost in Kontakt stehen. Leichen¬
knochen sind zur Implantation in periostfreiem Lager nicht ge¬
eignet, noch weniger Fremdkörper.
Dr. A. Reich, Assistenzarzt der chir. Klinik zu Tübingen: Die
Amputationen im Kindesalter und ihre Folgen für das
Knochenwachstum. (Beiträge zur klinischen Chirurgie,
1910, Bd. 68, H. 1.)
Zusammenfassung:
lm Kindesalter erworbene Diaphysenstümpfe erleiden be¬
sondere Veränderungen infolge des Wachstums mit ausge¬
sprochener Einwirkung der Funktion. Die wesentlichste Eigen¬
tümlichkeit der Kinderstümpfe besteht in der physiologischen
Konizität. Diese beruht auf der ungleichen Längenentwick¬
lung der Knochen und Muskeln; für erstere ist allein die
Energie des erhaltenen Epiphysenknorpels, für letztere die ur¬
sprüngliche Länge der einzelnen Muskelstümpfe maßgebend.
Besonders an den Unterschenkel- und Oberarmstümpfen kommt
eine sehr auffällige griffelförmige Zuspitzung der Knochen¬
enden häufig zustande, welche in gleicher Art bei Erwachse¬
nen nicht beobachtet wird. Die Gefahr einer erheblichen und
störenden physiologischen Konizität ist am größten bei den
Oberarm- (Häufigkeit zirka 62 pCt.) und Unterschenkel¬
stümpfen (Häufigkeit zirka 33 pCt.) und weiterhin abhängig
vom Alter zur Zeit der Amputation und von der Amputations¬
höhe, nur in sehr beschränktem Sinne aber vom Heilungsver¬
lauf. Die physiologische Konizität tritt erst nach Abschluß der
Stumpfheilung, auch bei überschüssig mit Weichteilen gedeck¬
ten Stümpfen und meist erst mehere Jahre nach der Ampu¬
tation in Erscheinung; Rezidive kommen selbst nach wieder¬
holten Resektionen vor. Der Konizität der Jugendstümpfe
könnte nur dadurch vorgebeugt werden, daß man bei der
Amputation den Muskelstümpfen einen vollwertigen Ansatz
an den Knochenenden verschafft, damit diese gleichen Schritt
mit dem Knochenwachstum halten können; eine geeignete
Methode der Muskelversorgung muß aber erst noch ausge¬
arbeitet werden. Von den Veränderungen an den höher ge¬
legenen Skelettabschnitten beanspruchen die Coxa valga und
die einseitig schräge Verengerung des Beckens, letztere unter
Umständen auch in geburtshilflicher Hinsicht, besonderes
Interesse. K r.
Dr. Meirowsky und Dr. Frankenstein (Cöln a. Rh.): Amenorrhoe
und tertiäre Syphilis. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 31.)
Die Verll. berichten über drei Fälle, in denen bei Frauen
im geschlechtsreifen Alter, die au schwerer tertiärer Syphilis
litten, Amenorrhoe eintrat, welche in dem einen Fall sechs
Jahre, in dem anderen acht Jahre, im dritten sechs Jahre an¬
hielt. Bei zwei Patientinnen traten nach einer spezifischen Be¬
handlung mit Hg und Jod die Menses wieder ein und sind, so
lange die Frauen beobachtet wurden, in unveränderter Weise
bestehen geblieben. Bei der dritten Frau kommt es jetzt zu
typischen menstruellen Beschwerden, zu vikariierendem Nasen¬
bluten, ohne daß jedoch Blutungen aus den Genitalien auf-
treten. Die Verfasser glauben, daß die Amenorrhoe in diesen
Fällen durch die schwere tertiäre Syphilis bedingt war. Sie
halten es für wahrscheinlich, daß es sich in derartigen Fällen
um eine direkte Spirochäteninvasion in die Ovarien handelt,
welche zu einer vorübergehenden oder dauernden Schädigung
dieser Organe führen kann.
Dr. Albert Müller (Bielefeld): Zur primären Tubcntuberkulose.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 33.)
Verfasser berichtet aus der Abteilung von T h o r n in
Magdeburg üljer einen Fall von Eileitertuberkulose, welcher
deswegen bemerkenswert ist, weil es sich sehr wahrscheinlich
um eine primäre Infektion der betreffenden Tube handelte.
Die betreffende Patientin, ein 22 jähriges, bis dahin gesundes
kräftiges Mädchen wurde operiert; die linken Adnexe waren
in einen kindskopfgroßen Eitersack verwandelt. Dieser platzte
bei dem Versuch, ihn zu lösen, wobei sich eine reichliche
Menge dicken, gelbgrünen Eiters entleerte; er wurde dann ent¬
fernt. Die rechte Tube war ebenfalls in ihrem Verlauf knotig
verdickt, mit dem vergrößertem Ovarium ziemlich fest ver¬
wachsen, ihre Serosa entzündlich verändert. Deshalb wurden
bis auf den Hilusrest des Ovariums auch die rechten Adnexe
entfernt. Dann wurde das Tumorbett in der Tiefe nach
Mikulicz drainiert und die Bauchhöhle dann bis auf die
Tamponöffnung geschlossen. Die histologische Untersuchung
der exstirpierten Gewebe ergab, daß es sich um eine Tuber¬
kulose der Tubenschleimhaut handelte. Etwa vier Tage nach
der Operation bildete sich eine Dünndarmbauchdeckenfistel,
und am 24. Tage erfolgte unter zunehmender Entkräftung der
Exitus. Bei der Sektion fand sich neben einer allgemeinen
Peritonealtuberkulose eine ausgesprochene tuberkulöse Endo¬
metritis; dagegen fanden sich sonst bei der Sektion bei der
subtilsten pathologisch-anatomischen Untersuchung nicht die
geringsten älteren oder abgelaufenen tuberkulösen Prozesse.
Verfasser ist daher der Ansicht, daß im vorliegenden Falle
die Tuben tuberkulöse als primär anzufassen ist; die
Peritonealtuberkulose aber offenbar durch Infektion bei der
Operation entstanden desgleichen machte die Tuberkulose des
Endometriums einen ganz frischen Eindruck, hier handelte es
sich offenbar um einen sekundären Prozeß. R. L.
Dr. Hermann Küster (Breslau): Die Behandlung der ver¬
schleppten Querlage mittels der Rhachiotomie. (Münch,
lhed. Wochenschrift, 1910, No. 32.)
Bei der Behandlung der verschleppten Querlage hat
Küstner als obersten Grundsatz seit jeher die Schonung des
gedehnten unteren Uterusabschnittes aufgestellt. Um diesem
Grundsatz Rechnung zu tragen, muß man die Wirbelsäule des
Kindes vor dem Austritt beweglich machen, denn die Ursache
dafür, daß trotz guter Wehen die querliegende Frucht nicht in
das Becken eintritt, ist einzig die Starrheit der kindlichen
Wirbelsäule. Die bisherigen Methoden zur Beendigung der
Geburt bei verschleppter Querlage entsprechen nach Verfasser
dem oben erwähnten Grundsatz nicht, sie setzen den Uterus
der Gefahr der Zerreißung aus. Alle Schwierigkeiten jedoch
fallen fort, wenn man die Wirbelsäule durchtrennt. Zu diesem
Zweck hat Küstner ein besonderes Instrument, das
Rachiotom. konstruiert. Dieses Instrument ist ähnlich wie
Kranioklast gebaut, nur die Enden sind für den besonderen
Zweck besonders ausgebildet. Das eine Ende trägt ein ge¬
bogenes, scharf geschliffenes Messer, das andere ist eine
Scheide, in welcher das Messer hineinpaßt. Das Instrument
wird in folgender Weise eingeführt. Der vorgefallene Arm
des Kiiides wird angeschlungen und kräftig nach außen und
unten dirigiert, so daß der Thorax möglichst tief gezogen und
zugleich der Zugang zu ihm frei wird. Unter Leitung von zwei
oder drei Fingern wird sodann ein spitzes scherenförmiges
Perforatorium eingeführt und mit ihm ein Loch in den Thorax
gebohrt, welches durch Spreizen der Scherenarme bis zu dem
Grade erweitert wird, daß in die Oeffnung das geschlossene
Rachiotom eingeführt werden kann. Wieder unter Kontrolle
des Fingers wird in die Oeffnung das geschlossene
Rachiotom eingeführt und so gedreht, daß die Scheide des
Messers der Wirbelsäule des Kindes zugekehrt ist. Hierauf
wird der scheidenförmige Teil wieder entfernt, während das
Messer gedeckt durch den Thorax des Kindes liegen bleibt,
und je nach der Lage des Kindes genau wie der zweite. Teil
des Kranioklasten wieder über den Rücken des Kindes an¬
gelegt, indem man ihn flach zwischen Kindeskörper und mütter¬
lichen Weichteilen einführt und erst aufstellt, wenn er seinen
Platz erreicht hat. Liegt der Rücken des Kindes vorn, so liegt
der zweite Teil hinter der Symphyse, im anderen Falle kommt
er nach dem Kreuzbein hin zu liegen. Genau wie bei dem
Kranioklasten werden nun beide Teile in das Schloß gebracht
und nach Befestigung der Schraube zusammengedreht. Ein.
deutlich hörbares Geräusch und ein Knacken zeigen an, daß
die Wirbelsäule durchtrennt ist. Je nach Bedarf wird das
Instrument ein zweites oder drittes Mal zur Durchtrennung
der Rippen in der gleichen Weise angelegt, nachdem es ohne
Gefahr für die mütterlichen Weichteile in geschlossenem Zu¬
stande herausgezogen worden ist. Die Herausbeförderung
der nunmehr beweglich geworden Frucht geschieht in der
Weise, daß die untere Rumpfhälfle an der Schnittfläche mit
Hakenzangen oder mit dem Kranioklasten gefaßt und ins
Becken gezogen wird; dann folgt die Extraktion des Kopfes
je nach der Beschaffenheit des Beckens durch einfachen Zug
am Arme und Veit-Sm eilies Handgriff, oder durch Per¬
foration und Kranioklasie. Diese Methode hat sich an der
Breslauer Frauenklinik bewährt und Verfasser empfiehlt sie
darum zur weiteren Anwendung in der Praxis.
No. 39.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Prof. Dr. Ä. Diihrssen: Di« neue Geburtshilfe und der prak¬
tische Arzt. (Der prakt. Arzt, Januar 1910, No. 1.)
Verfasser beschreibt zunächst die von. ihm ersonnene Ver¬
einfachung seines’ vaginalen Kaiserschnitts als Metreurynter¬
schnitt. Erzielt bei Lebensgefahr für die Mutter oder das Kind
die dem Praktiker in erster Linie zu empfehlende Metreuryse
mit Handzug keine rasche Erweiterung des geschlossenen
Kollum, so wird auf dem in situ befindlichen Ballon die vordere
Lippe der Portio, dann das vordere Scheidengewölbe und nach
Abschiebung der Harnblase die supravaginale Cervixpartie
so weit gespalten, bis der Ballon im Durchschneiden ist. Man
zieht ihn heraus, nachdem man das obere Ende des Schnitts
durch einen Fadenzügel gesichert hat, macht Wendung und
Extraktion und näht nach Entfernung der Placenta die an dem
Fadenzügel heruntergezogene Uteruswunde mit fortlaufendem
Katgutfaden. Die Wunde im Scheidengewölbe verkleinert sich
so, daß sie keiner Naht bedarf. Man führt durch sie einen
Jodoformgazestreifen gegen die vordere Cervixwand. Kann
der vordere Schnitt wegen der Peritoneaigrenze nicht so weit
geführt werden, daß der Ballon heraustritt, so spaltet man auch
noch die hintere Cervixwand und das hintere Scheidengewölbe
bis zum Peritonealansatz. Vor der Operation erhält die Pat.
Ergotin subkutan. Die Operation ist deswegen so einfach, weil
der Ballon die einschneidenden Partien bis nahe an den
Introitus herunterbringt und sie zu gleicher Zeit blutleer macht.
Bei enger Vagina ist eine vorherige Scheidenspaltung indiziert,
die man eventuell auch in sehr bequemer Weise auf dem in
die Vagina eingeführten Ballon ausführen kann. — Der
Metreurynterschnitt in Kombination mit einem Flankenschnitt
(Laparo-Kolpohysterotomie) stellt auch die beste Methode des
extraperitonealen Kaiserschnitts bei engem Becken dar. Die
Operation besteht darin, daß eine seitliche Oeffnung subperito¬
neal in der vorderen Bauchwand und eine zweite von der
Vagina in dem vorderen Scheidengewölbe und der vorderen
Cervixwand angelegt wird. Letztere Oeffnung läßt sich durch
Zug nach oben an die obere Oeffnung so heranbringen, daß
nunmehr durch beide Oeffnungen hindurch das Kind oberhalb
des Beckens durch Zange oder am Fuß extrahiert werden kann.
Eine Hauptindikation für die Ausführung des einfachen
Metreurynterschnitts gibt die Eklampsie ab. Auch bei Placenta
praevia bietet der Metreurynterschnitt viele Vorteile. Ueber-
haupt könnte die systematische Anwendung des Metreurynter¬
schnitts auch bei Lebensgefahr des Kindes allein in Deutsch¬
land vielen Tausenden von Kindern das Leben retten. K r.
Dr. St. Engel, Oberarzt der akademischen Klinik für Kinder¬
heilkunde zu Düsseldorf: lieber einige Fragen der Frauen-
milchsckretion insbesondere über die Sekretion des Milch-
fettes. (Archiv für Kinderheilkunde, Bd. 53, H. 4.)
Bekanntlich trinken Säuglinge an der Multerbrust bei der
ersten Mahlzeit am Morgen und der letzten Mahlzeit am Abend
weit größere Mengen als bei den Mahlzeiten im Laufe des
Tages. Diese Beobachtungen bestätigt Verfasser für seine An-
staltsammen, die mehrere Säuglinge nacheinander anlegen
mußten, von deren Brust also die volle Leistung beansprucht
wird. — Gleichzeitig hat die Untersuchung des Fettgehaltes
ergeben, daß Milchmenge und Fettgehalt in umgekehrtem
Verhältnis zueinander stehen, daß also die Milch einer reich¬
lich sezernierenden Brust weniger Fett enthält als die einer
spärlich fließenden. Therapeutisch kann man diese Tatsachen
verwerten, indem man einen Säugling, der fettarme Milch be¬
kommen soll, an die Brust einer Amme legt, die viel Milch
produziert. — Ferner hat Verfasser die Angaben Molls nach¬
geprüft, daß Zufütterung von Fett (Speck) die Ammenmilch
fettreicher mache. Das kann der Autor nicht bestätigen, wenn
die Amme ausgiebig ernährt und nicht unterernährt ist. R.
II. Therapeutische Notizen.
Die Extension bei der Behandlung gewisser Nervenaffek-
tionen empfiehlt (Deutsche med. Wochenschrift, No. 33) Dr.
A. Heermann (Cassel). Die Extension ist indiziert bei Kontrak¬
turen, klonischen und tonischen Krampfformen, Tremor und
Neuritiden verschiedenen Ursprungs. Man wird z. B. auf Stirn
und Kopf die Kopfhaut nach vorn, hinten oder den Seiten, für
den Hals, den Kopf nach oben oder nach der Seite, die Schul¬
tern nach unten ziehen, für den Unterarm die Hand beugen
oder strecken usw. Findet man, daß diese Prozeduren gut ver¬
tragen werden und daß eine wenn auch nur geringe Besserung
der betreffenden Beschwerden eintritt, so wiederhole man die
Prozedur 1—2 mal täglich. Noch wirksamer erweist sich die
Doppelextension, d. h. die Kombination von Extension in der
Längsachse eines Körperteils mit Hyperextension, welche zwar
auch manuell ausgeführt werden, doch zweckmäßiger mit Appa¬
raten vorgenommen wird, weil diese nicht nur bequemer zu
handhaben sind, sondern auch eine größere Exaktheit in der
Ausführung gewährleisten. Verfasser benutzt dazu Hebel-
extensionsapparate] die gleichzeitig zur Behandlung von Ge-
601
lenksteifigkeiten dienen und für alle Gelenke vorgesehen sind.
Besonders bei der Behandlung der Ischias hat sich diese
Methode als zweckmäßig erwiesen. Man beginnt damit, das
gestreckte Bein des liegenden Kranken sanft einige Sekunden
lang so zu ziehen, wie man einen Stiefel auszuziehen pflegt. Es
wird dann unter Längszug vorsichtig täglich 1—2 mal je 5 bis
30 Sekunden (nur in alten Fällen bis zu 5 Minuten) das Bein
bis zu der Höhe gehoben, welche jedesmal ohne eigentliche
Schmerzen ertragen wird. An diese Vorwärtsdehnung schließt
sich dann die Rückwärtsdehnung, die spezielle Dehnung des
im Unterleib gelegenen Nervenabschnittes an. Das Bein des
seitlich gelagerten Kranken wird wieder einige Sekunden
extendiert und nach hinten hyperextendiert oder bei Rücken¬
lage über die Kante eines Tisches, über eine Sofalehne oder
dergl. nach unten gezogen, und zwar am besten durch die
eigene Schwere des Gliedes, welche nur durch die Hand des
Arztes reguliert wird. Die ganze Extensionskur ist beendet,
wenn das kranke Bein ohne jede Spannung den Bewegungs¬
umfang des gesunden erreicht hat. Daneben können auch die
übrigen physikalischen und gelegentlich medikamentöse Hilfs¬
mittel zur Behandlung herangezogen werden. R. L.
Ueber Bandwurmkuren mit dem von F. Kraft aus
dem ätherischen Extrakt der Farnwurzel isolierten Aspidinol-
filicin (das unter dem Namen Filmaron in den Handel kommt)
berichtet Dr. Vincenzo Gandini, daß sich das Mittel als sicher
wirksam erwies und im Gegensatz zum Filixextrakt keinerlei
schädliche Nebenwirkungen verursachte. Der Verfasser schil¬
dert die toxischen Nebenwirkungen des Filixextraktes, welche
sich in schweren Fällen durch vollständige dauernde Erblin¬
dung äußern können und den praktischen Arzt zur großen
Vorsicht beim Gebrauche des Extraktes nötigen. Er erklärt
die Nachteile des Filixextraktes durch den schwankenden Ge¬
halt an wirksamen Bestandteilen und seine Veränderlichkeit.
Einige der mit Filmaron behandelten Fälle betreffen Kinder
zwischen 6 und 9 Jahren, bei denen der Verfasser als weiteren
Vorteil des erwähnten Bandwurmmittels das leichte Einnehmen
hervorhebt. (Medicina Nuiva [Parte Scientifica], Roma 1910,
No. 11.)
Mit Filmaron sind ferner im parasitologischen
Institut des Herrn Prof. Perron cito in Turin von
Dr. P. Barabaschi verschiedene Bandwurmkuren aus¬
geführt worden, die alle positiv und ohne Nebenwirkungen
verliefen. Der Verfasser hebt die zuverlässige Wirksamkeit
und Unschädlichkeit des Mittels hervor und bezeichnet Filmaron
als das allen anderen bisher bekannten Wurmmitteln weit
überlegene Anthelminthicum. (Gazzetta degli Ospedali e delle
Cliniche, 1910, No. 86.)
III. Bücherschaa.
Nahrungsmittel-Tabelle zur Aufstellung und Bered]-
n u n g von Diätverordnungen für Kra n k e n -
haus und Praxis. Von Dr. Hermann Schall und Dr.
W. August Heislcr. Zweite, bedeutend vermehrte Auflage.
Würzburg 1910, Curt Kabitzsch (A. Stübers Ver¬
lag).
Daß dieses Hilfsmittel für die Diätotherapie sich in der
Praxis bewährt hat, geht aus der Tatsache hervor, daß sich
schon 1 Jahr nach dem erstmaligen Erscheinen der Tabelle
eine neue Auflage als notwendig erwiesen hat. Die Verfasser
haben diese Gelegenheit benutzt, das Werkchen nach mancher
Richtung hin zu erweitern. So ist dem Werk auch in seiner
neuen Auflage die Gunst des ärztlichen Publikums, insbeson¬
dere der Sanatorieninhaber, sicher.
Die Praxis der Ernährungstherapie der Zuckerkrankheit. Von
Dr. Hermann Schall und Dr. August Heisler, früheren
Assistenten der medizinischen Klinik in Marburg. Mit
1 Kurventafel. Würzburg 1910, Curt Kabitzsch
(A. Stübers Verlag). 63 S. 1,70 M.
Die neueren Forschungen über das Wesen des Diabetes
mellitus haben als Hauptergebnis für die Praxis die Erkennt¬
nis gezeitigt, daß bei kaum einer Krankheit ein schematisches
Vorgehen nach allgemeinen festen Normen weniger am Platze
ist als bei der Zuckerkrankheit. Jeder Diabetiker will und
muß individuell beurteilt werden und danach die für ihn als
am geeignetsten erkannte Diät erhalten. Eine solche Therapie
hat einerseits eine fortlaufende sorgfältige Kontrolle des Stoff¬
wechsels, basiert auf genauen quantitativen Harnanalysen, zur
Voraussetzung, andererseits erfordert sie eine vollständige Be¬
herrschung der Diätetik und der rationellen Kochkunst, vor
allem muß, wie die Verfasser mit Recht fordern, den größe¬
ren Krankenhäusern eine unter fachmännischer Leitung
stehende Diätküche angegliedert werden. Die vorliegende
Schrift gibt eine sehr gründliche Anleitung dazu, wie nach der-
602
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 39.
artigen Grundsätzen die diätetische Behandlung der Diabetiker
im einzelnen durchzuführen ist. Die Verfasser behandeln zu¬
nächst die allgemeinen theoretischen Grundlagen der Diät-
behandlung der Zuckerkranken, sie schildern ferner die wich¬
tigsten bei Diabetikern in Betracht kommenden qualitativen
und quantitativen Harnuntersuchungsmethoden und geben
dann eine eingehende spezielle Diätetik des Diabetes mit Ein¬
schluß der Kochtechnik. Die Schrift, die aus den eigenen
klinischen Erfahrungen der Verfasser erwachsen ist, darf allen
Kollegen, welche, sei es in der Privatpraxis, sei es in Kranken¬
häusern oder Sanatorien, mit der Behandlung von Diabetikern
zu tun haben, als wertvolles Hilfsmittel empfohlen werden.
Jahreskurse fiir ärztliche Fortbildung in zwölf Monats¬
heften. Herausgegeben von den Professoren v. Bruns
(Tübingen), E. Bumm (Berlin), Erb (Heidelberg),
v. Gr über (München), v. Noorden (Wien),
v. Strümpell (Leipzig). Redakteur: ür. D. Sarason
(Berlin). J. F. Lehmanns Verlag, München. 8. Heft,
August. 108 S. Einzelpreis 3,50 M. Preis des ganzen Jahr¬
gangs 16 M.
Das vorliegende Heft der Jahreskurse ist der Therapie ge¬
widmet, und zwar haben alle Zweige der modernen Therapie
gleichmäßig Berücksichtigung gefunden. Das vorliegende Heft
gibt denn auch in der Mannigfaltigkeit seines Inhalts ein treues
Bild von der reichen Anzahl von chemischen und physikali¬
schen Agentien, welche heute dem praktischen Therapeuten
für seine Zwecke zur Verfügung stehen. Der Inhalt gliedert
sich in 9 Abschnitte; den Anfang bilden die Phar nt ako-
1 o g i e und Balneologie, von Prof. K i o n k a in Jena
bearbeitet; dann folgt die Hydrotherapie (Privatdozent
Strasse r in Wien), die Aerotherapie (Privatdozent
Dr. H. De t er mann in Freiburg), die Diätetik (Prof.
H. St rau ss in Berlin). Weitere Abschnitte sind gewidmet
der Krankenpflege (Prof. S a 1 z w e d e 1 in Berlin) und
der Elektrotherapie (Privatdozent Dr. Franken¬
häuser in Berlin). Den Abschluß bildet ein Kapitel über die
Röntgentherapie einschließlich der Radium thera-
pie aus der Feder von Privatdozent Holzknecht in Wien
und eine Uebersicht über den gegenwärtigen Stand
der Lichttherapie von Privatdozent Dr. Freund in
Wien. Es liegt in der Natur der Sache und in dem Plan des
ganzen Werkes begründet, daß von einzelnen Abschnitten nur
einige Einzelfragen behandelt sind; so wird in der Pharma¬
kologie die Frage der Mischnarkose, in der Balneologie die
Wirkung der Kalkwässer besprochen, in der Diätetik die Frage
der chlorarmen Ernährung und der Karellkur. Dagegen bieten
die anderen Abschnitte mehr allgemeine Uebersichten über
die neuesten Fortschritte der betreffenden Gebiete. Die Be¬
arbeitung der einzelnen Kapitel, welche durchweg von autori¬
tativen Vertretern der in Frage kommenden Spezialdisziplineu
herrührt, entspricht allen Anforderungen, welche man an ein
Sammelwerk von der Art des vorliegenden stellen kann; die
Lektüre dieses durch die Reichhaltigkeit seines Inhalts aus¬
gezeichneten Heftes gewährt vielfache Anregung. R. L.
IV. Tagesgeschichte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Ueber die voraussichtliche weitere Behandlung
des Entwurfes der Reichsversicheriingsordiiung berichten die
Tageszeitungen Folgendes: Die Reichstagskommission für die
Reichsversicherungsordnung wird ihre am 14. Juli unterbroche¬
nen Sitzungen in etwa 14 Tagen wieder aufnehmen. Bisher hat
sie etwa ein Drittel des Entwurfes bearbeitet. Da indes ihre Be¬
schlüsse in der beabsichtigten zweiten Kommissionslesung
größtenteils abgeändert werden dürften, so ist nicht anzu¬
nehmen, daß die Kommission bis zur Wiederaufnahme der
Reichstagssitzungen ihre Arbeiten beendet hat. Man rechnet
vielmehr damit, daß sie noch bis in die ersten Monate des
nächsten Jahres hinein zu tun haben wird, und daß der Ent¬
wurf erst im Februar oder März an das Plenum zurückgelangen
kann. Da aber dann zunächst der Etat und das neue Militär¬
gesetz verabschiedet werden müssen, so würde die zweite
Plenarberatung der Reichsversicherungsordnung erst nach den
Osterferien beginnen können. Unter diesen Umständen wäre
an die Verabschiedung der Vorlage durch den jetzigen Reichs¬
tag kaum noch zu denken, wenn nicht in der Kommission be¬
reits zwischen den verbündeten Regierungen und der großen
Mehrheit der Parteivertreter über alle wichtigen Streitfragen
eine völlige Uebereinstimmung erzielt würde, so daß die
Plenarberatungen möglichst beschleunigt werden können. Diese
Absicht besteht tatsächlich und es soll alles aufgeboten werden,
um sie zu verwirklichen.
— Nach einer offiziösen Mitteilung der Tagesblätter kann
erwartet werden, daß der Entwurf eines Ivurpfuschereigesetzes
nach Beratung durch den Bundesrat in der nächsten
Tagung dem Reichstage zugehen wird. Die Verzögerung
in der Fertigstellung des Entwurfs, der aus dem Jahre 1908
stammt, ist auf erneute Verhandlungen zurückzuführen, die im
vergangenen Jahr wieder aufgenommen werden mußten. Der
Entwurf ist bereits vor längerer Zeit von der wissenschaftlichen
Deputation des Kultusministeriums beraten worden und hat
den Bundesregierungen zur Begutachtung Vorgelegen. In der
Hauptsache enthält er die Bestimmung der Anzeige¬
pflicht und der gewerblichen Anmeldung für die in Rede
stehenden Personen; er gibt den Behörden das Recht, deren
Bücher und Kuren zu kontrollieren und ihre Tätigkeit zu über¬
wachen. — Soweit man aus dieser wohl absichtlich etwas un¬
klar gehaltenen Notiz ersehen kann, dürfte sich der von dem
Bundesrat akzeptierte abgeänderte Entwurf als eine wesent¬
liche Abschwächung des vor V/z Jahren publizierten darstellen.
Universitätswesen, Personal nach richten.
Berlin. Im Alter von 68 Jahren starb hierselbst der
Geh. Sanitätsrat Dr. Eduard Thorner, einer der ange¬
sehensten Praktiker Berlins. Auch wissenschaftlich ist er
mehrfach hervorgetreten, so als Verfechter der Tuberkulin¬
therapie und als Konstrukteur medizinisch-elektrischer Appa¬
rate. Einer seiner Söhne ist der Privatdozent der Ophthalmo¬
logie Dr. Walter Thorner, der sich durch seinen Demon¬
strationsaugenspiegel einen Namen gemacht hat.
— Zum Direktor der inneren Abteilung des Rudolf
Virchow-Krankenhauses ist als Nachfolger des Herrn Geheim¬
rat Prof. Gold scheider der bisherige dirigierende Arzt
Prof. Dr. L. K u 11 n e r gewählt worden.
Paderborn. Dr. Flörcken, Assistent der chirurgi¬
schen Klinik in Würzburg, ist zum Chefarzt des Landeshospitals
in Paderborn gewählt worden.
Wien. Der langjährige Assistent des verstorbenen Prof.
Zuckerkandl Prof. Dr. Julius Tandler wurde zum
ordentlichen Professor der Anatomie und zum Vorsteher der
I. anatomischen Lehrkanzel an der Wiener medizinischen
Fakultät ernannt. Ferner ist endlich auch der durch den Tod
Dr. Schnabels vakante ophthalmologische Lehrstuhl besetzt
worden und zwar mit Prof. D i m m e r in Graz, der anfänglich
abgelehnt hatte.
Prag. Dr. Hans R u b r i t i u s hat sich an der deut¬
schen Universität für Chirurgie habilitiert.
Innsbruck. Der außerordentliche Professor der phy¬
siologischen Chemie an der Universität in Graz, Dr. F r i t z
P r e g 1, ist zum ordentlichen Professor der angewandten
medizinischen Chemie in Innsbruck ernannt worden.
Klausen bürg. Dr. Fr. Veress hat sich für Derma¬
tologie habilitiert.
Brüssel. Hierselbst ist kürzlich in den Räumen des
hiesigen mediko-mechanischen Instituts ein Denkmal für den
jetzt 75 jährigen Begründer der Mechanotherapie Gustav
Zander in Form einer Marmorbüste des Gefeierten enthüllt
worden.
Kopenhagen. Im vorigen Monat wurde hier das in
erster Linie den Lehrzwecken der Universität dienende neue
Reichshospital feierlich eröffnet. Es stellt einen aus mehr als
40 Häusern bestehenden Gebäudekomplex dar. Gleichzeitig
wurden vier neue Institute (für pathologische Anatomie
[Prof. Fibiger], Gerichtsarzneikunde [Prof. Pontop-
pidan], allgemeine Pathologie [Prof. C. .1. Salomonsen]
und Pharmakologie [Prof. Bock]) in Gebrauch genommen.
In der Nähe des Hospitaleinganges ist vor kurzem ein Finsen-
Denkmal enthüllt worden.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Wiesbaden. Der 27. Kongreß für innere Medizin wird
vom 19.—22. April 1911 in Wiesbaden stattfinden. Als Haupt¬
beratungsgegenstand wurde bestimmt: Ueber Wesen und Be¬
handlung der Diathesen.
Gerichtliches.
Cöln. Der Apothekenbesitzer Alfons Weine rt in
Biesen, bekannt durch seine Kurpfuschereien und den Vertrieb
des Rheumacids und der Thisquenschen Heilmittel, hatte sich
vor der hiesigen Strafkammer wegen schwerer Beleidigung
eines dortigen Frauenarztes zu verantworten. Er war bereits
wegen Beleidigung eines Arztes mit drei Monaten Gefängnis
vorbestraft. Neuerlich hatte er nun an den Kreisarzt Dr.
Meder zwei Briefe geschrieben, worin er behauptete, der
Frauenarzt habe sich an Patientinnen vergangen. Die Ver¬
handlungen fanden unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt.
Das Gericht erkannte für jeden der Fälle wieder auf drei
Monate, also auf sechs Monate Gefängnis.
Verschiedenes.
Berlin. Die Deutsche Gesellschaft fiir Volksbäder
schreibt einen Preis aus für Erlangung von zweck-
No. 39.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
603
mäßigen und preiswerten Pap.iertüchern
zum Abtrocknen der Hände. Ausgesetzt sind drei
Geldpreise von 300 bezw. 200 und 100 M. Die sonstigen Be¬
dingungen des Wettbewerbs können durch die Geschäftsstelle
der Gesellschaft,, Berlin SW., Bernburgerstr. 14, bezogen
werden.
B r a u n s c h w e i g. Der Verein zur Wahrung der wirt¬
schaftlichen Interessen deutscher Apotheker, eine nach dem
Vorbilde des Leipziger Verbandes gegründete mit dem Deut¬
schen Apotheker-Verein in Verbindung stehende Apotheker¬
organisation, die jetzt nahezu 4000 Apothekenbesitzer zu ihren
Mitgliedern zählt, hat am 5. September ihre 4. Hauptversamm¬
lung in Braunschweig abgehalten. Den ersten Verhandlungs¬
gegenstand bildeten die Beschlüsse, welche die Kommission
des Reichstages zur Beratung der Reichsversiche¬
rung s o r d n u n g in bezug auf die Verhältnisse des Arznei¬
bezuges der Krankenkassen gefaßt hat. Nach einem Referat von
Dr. W i 1 d t (Eupen) wurde folgende Erklärung einstimmig (
angenommen: „Die annähernd 4000 im Verein zur Wahrung !
der wirtschaftlichen Interessen deutscher Apotheker organi- [
sierten deutschen Apothekenbesitzer sind zwar bereit, den
Krankenkassen wie bisher Vorzugsbedingungen in Gestalt von
Rezepturrabatt und Handverkaufspreisen auf Grund freier ört¬
licher Vereinbarungen zu gewähren, sie erblicken dagegen in
bedingungslosem Zwangsrabatt sowie zwangsweiser Einführung
von Handverkaufspreisen den Ruin vieler Apotheken und ver- ,
langen unter Vermeidung jeder Aenderung der heutigen |
Rechtslage zum mindestens die Uebernahme .der bezüglichen
Bestimmungen aus dem heutigen Krankenversicherungsgesetz
in die Reichsversicherungsordnung mit dem alleinigen Zusatze,
daß ein Zwang zum Bezüge der dem freien Verkehr über¬
lassenen Mittel aus anderen Bezugsstätten als deutschen Apo¬
theken den Versicherten nicht auf erlegt werden darf.“
Stuttgart. In einem süddeutschen Sanatorium
fand im Sommer 1909 ein mittlerer Staatsbeamter Aufnahme,
der, an starker seelischer Bedrückung leidend, wegen Selbst¬
mordabsicht besonderer Bewachung bedurfte. Nach etwa zwei¬
monatigem Aufenthalt gelang es dem Kranken, seine Wärter
zu überlisten. Während er, schreibend und anscheinend auf
nichts achtend, am Tische saß, trat ein Wärter mit zwei Eimern
in den Händen zur Tür herein. Dies sehen, aufspringen, den J
Wärter beiseite stoßen und zur Tür hinauseilen war eins. Zum 1
Unglück war die nahe, sonst regelmäßig verschlossene Boden¬
türe in diesem Moment nicht geschlossen. Auf sie hatte es
aber gerade der Lebensüberdrüssige abgesehen. Er sprang,
vom Wärter verfolgt, die Treppe hinauf und stürzte sich,- ehe
er eingeholt werden konnte, durch das Bodenfenster hinunter.
Nach drei Tagen erlag er seinen schweren Verletzungen. Die
Hinterbliebenen machten den Arzt, dem die Heilanstalt ge¬
hörte, für den schweren wirtschaftlichen Schaden haftpflichtig,
den sie durch den frühzeitigen Tod des erst 39 jährigen Gatten
und Vaters erlitten hatten. In der Tat ließ sich kaum ver¬
kennen, daß das verhängnisvolle Nichtverschlossensein der
Bodentüre eine den bedauerlichen Ausgang mit verursachende
Fahrlässigkeit darstellte, die der Arzt vertragsmäßig zu ver¬
treten hatte. So kam es schließlich zu einer außergericht¬
lichen Einigung, der gemäß der Arzt, oder vielmehr der |
Stuttgarter Versicherungsverein, bei welchem J
der betreffende Arzt gegen Haftpflicht versichert war. eine Ab- [
ßndung von 15 000 M. zahlte und auch die Kosten übernahm.
(Korr.-Bl. d. Aerztevereine d. Königreichs Sachsen.)
Cholera-Nachrichten. Eine weitere Ausbreitung der
Cholera an den von vereinzelten Fällen betroffenen Orten
im Deutschen Reiche war in der verflossenen Woche nicht zu
verzeichnen. In unseren auf Wien bezüglichen Mitteilungen
in der vorigen Nummer war irrtümlich gesagt, daß die beob¬
achteten vier Fälle sämtlich einer Familie angehörten; in Wirk¬
lichkeit trifft dies nur für drei der vier Fälle zu.
Unentgeltliche Vorträge und Fortbildungskurse
für praktische Aerzte in Berlin und der Provinz
Brandenburg.
Veranstaltet vom Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungs-
wesen in Preußen.
Zwanzigstes Verzeichnis, Winter 1910/11.
I. Vorträge.
Die Vorträge Anden im großen Hörsaal des Kaiserin Friedrich-
Hauses statt und beginnen pünktlich um 8 Uhr.
Die nachstehenden Vorträge bilden zusammen eine Vor¬
tragsreihe :
Die Gruntlziige der modernen Psychologie und Psychiatrie.
1. Dienstag, 1. November, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ziehen
(Berlin): Die psychologischen Probleme in der Heilkunde.
2. Freitag, 4. November, Prof. Dr. S o m m e r (Gießen):
Die Beziehungen der experimentellen Psychologie zur prak¬
tischen Medizin (insbesondere zur Psychiatrie).
3. Dienstag. 8. November, Geh. Med.-Rat Prof.
Dr. Cr am er (Göttingen): Psychotherapie.
4. Freitag, 11. November, San.-Rat Dr. Moll (Berlin):
Sexual-Psychologie und -Pathologie.
5. Dienstag, 15. November, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Moeli
(Berlin): Die Aufgaben der ärztlichen Praxis bei der Fürsorge
für psychisch Kranke.
6. Freitag, 18. November, Prof. Dr. Aschaffenburg
(Cöln): Die psychiatrische Sachverständigen-Tätigkeit.
7. Dienstag, 22. November, Geh. Hofrat Prof. Dr. Hoche,
(Freiburg i. Br.): Einfache Seelenstörungen (Melancholie,
Manie, Paranoia).
8. Freitag, 25. November, Geh. Med.-Rat Prof. Dr.
Si e m erlin g (Kiel): Infektions- und autotoxische Psychosen
(Delirien, Amentia).
9. Dienstag, 29. November, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bon-
h o e f f e r (Breslau): Alkohol-, Alkaloid- und andere Ver¬
giftungs-Psychosen.
10. Freitag, 2. Dezember, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Anton,
(Halle a. S.): Progressive Paralyse.
11. Dienstag, 6. Dezember, Geh. Mefl.-Rat"Prcf. Dr. B ins¬
wang er (Jena): Neuro-Psychosen (Hysterie, Epilepsie,
Chorea).
12. Freitag, 9. Dezember, Med.-Rat Dr. Leppmann
(Berlin): Die traumatischen Psychosen (und Neurosen) mit
besonderer Berücksichtigung der Unfall-Gesetzgebung.
13. Dienstag, 13. Dezember. Prof. Dr. H. Li ep mann
(Berlin): Die Beurteilung psychopathischer Konstitutionen
(sog. psychischer Minderwertigkeit).
14. Freitag, 16. Dezember, Prof. Dr. Alt (Uchtspringe):
Moderne Anstaltsbehandlung von Geisteskranken.
II. Fortbildungskurse*).
Dauer jedes einzelnen Kurses 2—3 Monate.
Allgemeine Disziplinen.
1. Freitag, 4. November, 1214—2 Uhr, Prosektor Dr. Max
Koch: Patholog. Anatomie. Stadt. Krankenhaus am Urban.
2. Montag, 7. November, 12(4—2 Uhr, Prof. Dr. Zinn:
Innere Medizin. Städt. Krankenhaus Moabit.
3. Donnerstag, 3. November, 1 —214 Uhr, Dr. R. Müh¬
sam: Chirurgie.
Spezielle Disziplinen.
4. Dienstag, 1. November, 6—714 Uhr, Priv.-Doz. Dr.
Halben: Augenleiden. Poliklinik von Prof. Silex, Karl¬
straße 18.
5. Sonnabend, 5. November, 614—8 Uhr, Dr. Wolff-
Eisner: Bakteriologie. Die Bedeutung der Bakteriologie
und der Immunitätsforschimg für Klinik und Praxis. Kaiserin
Friedrich-Haus.
6. Freitag, 4. November, 6’4—8 Uhr, Dr. Abel: Frauen¬
leiden. Privatklinik, Potsdamerstr. 92.
7. Dienstag, 1. November, 614—8 Uhr, Prof. Dr.
Koblanck: Geburtshilfe. Rudolf Virchow-Krankenhaus.
8. Montag, 7. November, 714—814 Uhr, Ingenieur Heinz
Bauer: Gewerbehygiene. Technische Betriebe (mit Besichti¬
gungen). Kaiserin Friedrich-Haus.
9. Donnerstag. 10. November, 1—2 1 4 Uhr, Prof. Dr. Hey-
m a n n: Hals- und Nasenleiden. Poliklinik Luisenstr. 17.
10. Dienstag, 1. November, 1214—2 Uhr, Dr. H. Lohn¬
st ein: Harnleiden und Gonorrhoe. Johanneum, Johannis¬
straße 14/15.
11. Mittwoch, 2. November, 12—114 Uhr, Prof. Dr.
Blaschko: Hautleiden und Syphilis. Neue Jakobstr. 1.
12. Mittwoch, 2. November, 6—714 Uhr, Priv.-Doz. Dr.
Noeggerath: Kinderkrankheiten (mit besonderer Berück¬
sichtigung der Ernährung des gesunden und kranken Säug¬
lings). Kinderklinik der Kgl. Charite.
13. Sonnabend, 5. November, 12—1L Uhr, Dr. Esch-
b a u m: Klinische Chemie. Kaiserin Friedrich-Haus.
14. Mittwoch, 2. November, 6—7 Uhr, Prof. Dr. Salz¬
wedel: Krankenpflege. Kaiserin Friedrich-Haus.
15. Sonnabend, 5. November, 2—3 1 '•> Uhr, Dr. H. C i t r o n:
Magen- und Darmleiden. Berliner allgemeine Poliklinik,
Oranienstr. 45.
16. Moniag, 7. November, 7—814 Uhr, Dr. Grossmann:
Ohrenleiden. Poliklinik Karlstr. 18a.
17. Freitag, 18. November, 614—71 ^ Uhr, Dr. B i e s a 1 s k i:
Orthopädie (chirurgisch und mechanische). Privatklinik,
Bayreutherstr. 13.
18. Dienstag, 1. November, 12)4—2 Uhr, Dr. Nagel¬
schmidt: Physikalische Therapie. Neuere Anwendungs¬
formen von Wasser, Licht, Wärme und Elektrizität für die
Krankenbehandhmg. Kaiserin Friedrich-Haus.
*) Das bei jedem Kurs verzeichnete Datum gibt den Be¬
ginn des Kurses an, der dann an den entsprechenden Tagen
der folgenden Wochen fortgesetzt wird.
604
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 39.
Pcrsonalia.
19. Donnerstag, 3. November, 2 1 i—3% Uhr, Dr. Hess¬
in an n: Röntgenlehre. Kaiserin Friedrich-Haus.
20. Donnerstag, 3. November, 7—8'A Uhr, Dr. Hold-
h e i m: Tuberkulose (insbesondere Frühdiagnose und Tuber¬
kulintherapie). Kaiserin Friedrich-Haus bezw. Poliklinik,
Sehlegelstr. 30.
21. Donnerstag, 3. November, 6%—7Va Uhr, Priv.-Doz. Dr.
Weigert: Wissenschaftliche Grundlagen der Photographie.
Kaiserin Friedrich-Haus.
22. Praktische Kurse beim Schiedsgericht für Arbeiter-
Versicherung (Vorsitzender Ober-Reg.-Rat von Gost-
kowski): Vorstellung von Rentenbewerbern aus dem Ge¬
biete der staatlichen Unfall- und Invaliden-Versicherung.
Daran anschließend: a) Besprechung der für den Arzt wich¬
tigsten Kapitel der staatlichen Arbeiter-Versicherung; b) Teil¬
nahme an den Sitzungen des Schiedsgerichts; c) praktische
Uebungen in der ärztlichen Untersuchung und Begutachtung
von Unfall- und Invalidenrentenbewerbern. Vortragende: Geh.
Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Dietrich, Dr. Her m a n n Enge 1,
San.-Rat Dr. J. Köhler.
Ort: Schiedsgericht, Lützowstr. 111. — Beginn: Montag
den 7. November, 7 Uhr abends.
Bemerkungen für die Teilnehmer.
I. Berechtigung zur Teilnahme.
Zur Teilnahme an den Vorträgen und Fortbildungskursen
ist jeder Arzt des Stadtkreises Berlin und der Provinz Branden¬
burg gegen Lösung nicht übertragbarer Karten berechtigt. Jede
Karte gilt für einen einzelnen Fortbildungskursus oder für die
ganze Vortragsreihe und wird gegen eine Einschreibegebühr
von je 2 M. verabfolgt. Diese Einschreibegebühr wird, sofern
die Karte aus irgend welchen Gründen unbenutzt bleibt, nicht
zurückerstattet.
2. Art der Meldung.
Die Karten, sowie die Verzeichnisse der Vorträge und
Fortbildungskurse sind im Bureau des Kaiserin Friedrich-
Hauses für das ärztliche Fortbilduugswesen (Schalter für
Kartenausgabe) zu erhalten, wo auch Auskunft über die Kurse
erteilt wird (nur schriftlich, oder wochentäglich 9—2 Uhr
persönlich).
Schriftlichen Bestellungen sind ein frankiertes Kuvert mit
der Adresse des Bestellers und die Einschreibegebühr für die
gewünschten Karten beizufügen (nicht in Metallgeld im
Couvert). Alle schriftlichen Bestellungen und Postanweisungen
sind zu richten an: Herrn Kassierer Zürtz, Kaiserin
Friedrich-Haus, NW. 6, Luisenplatz 2—4.
Persönliche Meldungen werden wochentäglich von 9 Uhr
vormittags bis 2 Uhr nachmittags angenommen. Hierbei ist ein
offenes frankiertes Couvert abzugeben, welches mit der Adresse
des Bestellers versehen ist und die schriftliche Bestellung ent¬
hält: zugleich ist die Einschreibegebühr zu erlegen.
Telephonische Bestellungen von Karten und Verzeich¬
nissen können nicht berücksichtigt werden.
3. Termine der Meldungen.
a) Bei Vormerkungen.
Es haben diejenigen, welche sich bei einem früheren Zyklus
von Fortbildungskursen für eine bestimmte Disziplin vor¬
gemerkt haben, für dieselbe bis zum 5. Oktober einschließlich
das Vormeldungsrecht.
b) Beginn der neuen Meldungen am 6. Oktober.
4. Art der Kartenausgabe.
Die Teilnehmerkarten gelangen vom 6. Oktober an täglich
nach Schalterschluß zur Versendung. Sofern bis zum täglichen
Schalterschluß (2 Uhr) für einen Kurs mehr Meldungen ein¬
gegangen sind, als Plätze zur Verfügung stehen, werden die
zulässigen Teilnehmer durch das Los bestimmt. Die Uebrig-
bleibenden werden für dieselbe Disziplin des nächsten Kurs¬
zyklus vorgemerkt und erhalten die Einschreibegebühr zurück. |
5. Zuschriften für das Zentralkomitee.
Alle Zuschriften sind zu richten an das: Bureau des
Zentralkomitees, NW. 6. Luisenplatz 2—4 (Kaiserin Friedrich-
Ilaus für das ärztliche Fortbildungswesen).
Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungswcsen in Preußen.
W. Waldeyer, R. Kutner,
Vorsitzender. Generalsekretär.
V. Amtliche Mitteilungen.
Zu besetzende Stellen von Medizinalbeamten.
Die Kreisarztstelle der Kreise Fritzlar und
Homberg, Regierungsbezirk Cassel, mit dem Amtssitz
in Fritzlar (Gehalt nach Maßgabe des Dienstalters 2100 bis
3900 M., Stellenzulage von 450 M. und 240 M. Amtsunkosten¬
entschädigung jährlich).
(Veröffentlicht am 15. September.)
Preußen.
Auszeichnungen: Roter Adler- Orden 4. KL:
San.-Rat Dr. B u c h t e r k i r c h in Stolp.
Prädikat Professor: Dr. Graeser in Neapel.
Ernenungen: der außerordentl. Prof. Dr. Gürber in
Marburg und der außerordentl. Prof. Dr. Heubner in
Göttingen zu’ ordentl. Professoren, der außerordentl. Prof.
Dr. Ostmann in Marburg zum ordentl. Honorarprofessor.
Niedergelassen: Dr. Dam man in Lippspringe, Dr.
Rost in Borgholzhausen, Dr. H o o g e n in Holzheim,
W. Müller in Wesel, C. Stelmachowski und R.
Habermann in Breslau, Dr. Klein in Münsterberg, Dr.
Wrembel in Kreuznach, Dr. Spitz in Cöln, Dr.
Schwarz in Waldbröl, Dr. W e i s s in Stettin.
Verzogen: Dr. Kolbe von Neuheiduk nach Zaborze, Dr.
Seemann von Plagwitz nach Lublinitz, Dr. Star gar dt
von Straßburg i. E. nach Kiel, Dr. K o 1 i s c h von Stargard
i. Pom. nach Dernbach, J. Möllering von Berbach nach
Stargard, Dr. Voigt von Hitdesheim nach Stettin, Dr. L.
Hirt von Leipzig nach Breslau, Dr. M. Hoffman n von Bres¬
lau nach München, Oberstabsarzt a. D. Dr. Reinhard von
Leipzig nach Wölfeisgrund, Dr. G e r i c k e von Nordstemmen
nach Londorf, Dr. Albert von Lübeck und Dr. Hennig
von Posen nach Göttingen, Prof. Dr. J e n c k e 1 von Göttin¬
gen nach Bremen, Dr. Sandrock von Rabenau nach
Hildesheim, Dr. G. Meyer von Gotha nach Hann.-Münden,
Dr. H. Maye-r von Frankfurt a. M. nach Darmstadt, Dr.
H. Schuh von Wiesbaden nach Nürnberg, Dr. K. Klein-
schmidt von München nach Wiesbaden, Dr. Busch¬
hausen von St. Hubert nach Sechtem, Dr. Wiel von
Sehussenried nach Bonn, Dr. Steinbrecher von Gießen
nach Merzig, Dr. Meyer von Hiddenhausen nach Davos,
H. Fette von Hamburg .nach Crefeld, Dr. Oertel von
Berlin und Dr. Hecker nach Düsseldorf, Dr. Koppel
nach Essen, Dr. B a r n i k von Mrotschen nach Bromberg,
Dr. W i 1 d t von Rawitsch nach Dziekanka, Dr. Harnisch
von Probsthain nach Dessau, Dr. Zschirndt von Witten¬
berge nach Grottkau, E. Eckstein von Breslau nach Kattc-
witz, Dr. W i 11 e k von Kattowitz nach Breslau.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes:
G. Schadebrodt von Koserow, Dr. Zink von Göttingen,
Dr. F. Wagner von Frankfurt a. M., Dr. Mainzer von
Cöln, Dr. Reuter von Düsseldorf. _
Gestorben: Dr. Stahl in Hadamar, Dr. J. N e u s s e 1 in
Meisenheim, Dr. Berger in Friemersheim.
Bayern.
Verzogen: Dr. med. H. Eulen stein von Neu-Pasing bei
München nach Heidelberg, Dr. Franz Xaver Mayer
von Wertach, B.-A. Sonthofen, nach Bannholz, Amt Waldshut
in Baden.
Württemberg.
Ernannt: Prof. 'Dr. Perthes in Leipzig zum ordentlichen
Professor in Tübingen. Dr. Bandelier, bisher Oberarzt
in Görbersdorf. an Stelle von Dr. L i t z n e r leitender Arzt
des Schwarzwaldheims Schömberg.
Niedergelassen: Dr. P. Burger in Zuffenhausen, Dr.
F. Bouche in Ilsfeld.
In den Rühes fand versetzt: Oberamtsarzt Med.-Rat Dr.
Zeller in Ludwigsburg.
Baden.
Auszeichnung: Titel und Rang eines außer¬
ordentlichen Professors: Priv.-Doz. Dr. Hegar
in Freiburg i. Br.
Ernannt: Bezirksassistenzärzte Dr. N i t k a in Mannheim
und Dr. Guttenberg in Freiburg i. Br. zu Bezirksärzten
in diesen Städten.
Gestorben: Dr. Brian in Heidelberg.
Oldenburg.
Niederlassung: Dr. Theodor Peters aus Conn-
hausen (Gemeinde Sillenstede) in Bant.
Großherzogtum Hessen.
Ernannt: Priv.-Doz. Prof. Dr. v. Eicken in Freiburg i. Br.
zum außerordentlichen Professor für Hals- und Nasenleiden
in Gießen.
Gestorben: Dr. Kratz, Oberarzt an der Landesheil- und
Pllegeanstalt in Heppenheim.
Sachsen-Coburg-Gotha.
Gestorben: San.-Rat Dr. Rehs in Gotha.
Anhalt.
Auszeichnung: Komtur-Insignien 2. K1. des
Herzoglich A n h a 11 i s c h e n Hausordens
Alb rechts des Bären: Geh. Med.-Hat Dr. R i c h t c r ,
Reg.- und Med.-Rat in Dessau.
Schwarzburg-Sondershausen.
Auszeichnungen: Prädikat als Sanitätsrat:
Dr. Poppe in Greußen und Dr. E. Wagner in Arnstadt.
Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N., Friedrichstrasse 131 B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin
Verlag von Oscar Ooblentz. Expeditionsbureau: Berlin W. 30, Maassenstrasse 13. — Druck von Carl Marschner. Berlin SW., Alexandrinenstrasse 110.
Verlag von OSCAR COS
In Kürze erscheint
1911
Herausgegeben von der
Redaction der Allgemeinen Medicinischen CentraHeitnng (Dr. H. Lohnstein u. Dr. Th. Lohnstein),
I. Teil: Taschenbuch in Kunstleder gebunden.
II. Teil: Kalendarium (4Quartalshefte, pro Tag */, Seite), geheftet zum Einhängen.
Inhalt des I. Teiles:
Kalendertafel 1911.
X. Ueber dieSerodiagnostik und diesog. ..biologischeTherapie“
der Syphilis und über die bisherigen Erfahrungen mit dem
Ehrlich-Hata’schen Mittel 600. Von Dr. Fritz Munk,
Charlottenburg-Berlin.
XI. Abriss der Symptomatologie und Therapie der am häufig¬
sten vorkommenden acuten Vergiftungen.
XII. Medicinische Tabellen und sonstige für den Arzt wichtige
Zahlenangaben.
XIII. Untersuchung des Harns.
XIV. Einiges aus der Technik der Blutuntersuchung.
XV. Bekanntmachung, betreffend den Erlass einer Gebühren¬
ordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte.
XVI. Gesetz betr. die Gebühren der Medicinalbeamten.
XVTI. Verzeichnis der Krankheiten und Todesursachen.
XVIII. Bäder und Kurorte.
XIX. Post-Tarif.
XX. Tafeln zur Sehprüfung.
XXI. Notizblätter für Adressen.
I. Verzeichnis der gegenwärtig gebräuchlichen älteren und
neueren Arzneimittel.
II. Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
das Deutsche Reich.
III. Uebersicht der wichtigsten, in Form von subcutanen,
intramusculären und intravenösen Injectionen zur An¬
wendung kommenden Mittel.
IV. Zu venneidende Arzneimischungen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VI. Medicinischo Räder.
VII. Auszug aus der deutschen Arzneitaxe 1910.
Preise für Stoffmengen, Arbeiten und Gefässe.'
1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
VIII. Anweisung zur sparsamen Arzneiverordnung mit Rück¬
sicht auf die Krankenkassenpraxis.
IX. Uebersicht der wichtigsten Nährpräparate.
■ = Der Preis beträgt wiederum nur 2 ,
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Verlag von Oscar Coblentz in Berlin W. 30
Mitte Oktober 1910 erscheint
Die Behandlung der Syphilis
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Verwendung in der Heilkunde zu bringen, ist seit langen Jahren eifriges
Bemühen der chemischen Großindustrie. Die Wasserlöslichkeit des Schwefels
ist darum erstrebenswert, weil mit ihr eine bei weitem erhöhte Resorbierbarkeit
des Schwefels verbunden ist. Wir kennen von bisherigen fein verteilten Schwefel¬
formen, abgesehen von dem präzipitierten, noch den kolloidalen, doch ist auch
dieser nicht wasserlöslich. Es ist uns nun gelungen, nach einem vom Deutschen
Reichspatentamt patentierten Verfahren, ein Präparat zu erhalten, welches den
Schwefel nicht fein verteilt, sondern wasserlöslich enthält, und bringen dasselbe
unter der Bezeichnung „Pyonin-Seife“ und „Pyonin-Salbe“ in den Verkehr.
Ueber die Versuche, welche seit längerer Zeit
mit diesen neuen Präparaten angestellt wurden, be¬
richtete Dr. Halm aus der Breslauer Königl. Uni-
versitiitshautklinik („Allg. Med. C.-Ztg.“ No. 32, 08):
Als beste Anwendungsart dieser Seife hat sich uns
ein Einreiben des mit Wasser geschlagenen Schaumes
auf die erkrankte Haut erwiesen Dasselbe geschieht
so lange, bis sich die Haut mit einem Ueberzuge
des braunen Seifenschaumes bedeckt hat. Dieser
Ueberzug bleibt nunmehr längere Zeit auf den er¬
krankten Partien, unter Umständen die ganze Nacht
und wird dann mit warmem Wasser abgewaschen.
Bereits einige Stunden nach der Application sieht
man eine Bötung und Spannung der Haut eintreten;
bald beginnen die einzelnen Stellen sich zu schälen,
bis schließlich nach genügender Fortsetzung der Kur
eine kräftige Schälwirkung eintritt. Dabei sind die
häufig unangenehmen Nebenwirkungen der Schäl¬
pasten, starkes Brennen oder gar schmerzhaftes
Spannungsgefühl fast garnicht vorhanden, nicht ein¬
mal bei der wirksamsten Form der Anwendung, die
in mehrfachem, alle 10 Minuten etwa 4—5 mal wieder¬
holtem Einreiben der Seife bestand.
Wir haben auf diese Weise eine sehr große
Anzahl poliklinischer sowie klinischer Patienten mit
Acne vulgaris behandelt und bald völliges Ver¬
schwinden, bald wenigstens eine solche Besserung
herstellen können, wie sie mit starken Schälpasten
in derselben Zeit auch nicht deutlicher eingetreten
wäre. Bei ganz besonders starken, großpustulösen
Äcne-Eruptionen haben wir die Seife als Unter¬
stützungsmittel für Schälpasten angewandt, indem
abwechselnd einen Tag für mehrere Stunden eine
Schälpaste, den nächsten die Seife aufgetragen wurde.
Die inzwischen weiter ausgeführten prak¬
tisch - therapeutischen Versuche von Herrn
Geheimrat Prof. Dr. Neisser selbst ergaben
nachstehendes Kesultat:
„Die mir übergebenen P} T onin-Präparate
wurden in der mir unterstellten Klinik und
Poliklinik, sowie auch in meiner Privatpraxis
längere Zeit angewendet und geprüft Ich
kann hiernach bestätigen, daß diese nach dem
patentamtlich geschützten (D. R. - P. 164322)
Verfahren hergestellten Präparate (ich ver¬
weise auf die Arbeit des Herrn Dr. Hahn in
der „Allgemeinen Medizinischen Central-Zei-
tung“ 1908, No. 32) sich als gute brauchbare
Schwefelpräparate erwiesen haben. Es ent¬
sprechen demgemäß auch die Indikationen
und die Anwendungsweise vollständig denen
der an Schwefelpräparaten gemachten Er¬
fahrungen. Die ungemein feine Verteilung
der Schwefelpartikelchen läßt vielleicht sogar
auf eine Ueberlegenheit dieses Präparates
vor gewöhnlichen Schwefel-Suspensionen und
Salben schließen. Die reine unverdünnte
Pyonin-Salbe enthält 66°/ 0 löslichen Schwefel;
es entspricht demgemäß eine 15°/ 0 ig© Pyonin-
Salbe einer 10°/ 0 igen Schwefel-Salbe.“
gez. Professor Dr. Neisser.
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Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N., Friedrich9trasse 131 B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin.
Verlag vo:i Oscar Ooblentz. Expeditioüsburean: Berlin W.80, Maasaenstrasse 13. — Druck von Oarl Marschner, Berlin SW., Alexandrinenstrasso 110.
1. Oktober 1910
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Di% H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
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Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
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werden fiir die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Lehmann: Ueber das
Eisensajodin. — Lewitt: Ueber Pergenol.
Nocht und Werner: Beobachtungen über relative Chinin¬
resistenz bei Malaria aus Brasilien. — delaMotte: Die Porges-
sche Luesreaktion. — Löwenberg: Die Serodiagnose der Lues
mittels der Porg es sehen Reaktion. — Hermann: Klinisch-
anatomischer Beitrag zur Pathogenese des visceralen Luesfiebers.
— Burow: Die Tuberkulose und ihre erfolgreiche Behandlung
mit Guajakol-Arsen. — Weiden bäum: Physikalische Therapie
in der internen Medizin. — Best: Zur topisihen Diagnose der
Hemianopsie. — Holländer: Ueber einen Eall von fort¬
schreitendem Schwund des Fettgewebes und seinen kos¬
metischen Ersatz durch Menschenfett. — Hoffmann: Myositis
ossificans traumatica als Unfallfolge. — Grekow: Ueber Muskel¬
transplantation bei Defekten der Bauchdecken — Kausch:
Zur Technik der Amputation bei Gangrän und Phlegmone. —
Orglmeister: Zur Frage der Operatior.smethode bei Genu
valgum —Witthauer: Hautdesinfektion mit Jothion. — ßu-
britius: Ein Beitrag zur chirurgischen Behandlung des chro¬
nischen Magengeschwürs und seiner Folgeerscheinungen. —
Kolm: Neben Verletzungen und Komplikationen bei der Operation
des Mastdarmkrebses. — Fischer: Beitrag zur Kasuistik der
Selbstheilung hei Gallensteinen. — Alapy: Der Darmverschluß
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Ueber das Eisensajodin.
Von
San.-ltat Otto Lehmann (Charlottenburg).
Jod und Eisen, zwei chemisch verschiedenartige Körper,
und doch im Arzneischatz treue Bundesgenossen! Wie oft
fließt ihr Name aus der Feder des Arztes auf das bekannte
längliche Blättchen, weil sie längst in der Behandlung einer
Reihe krankhafter Zustände sich unentbehrlich gemacht
haben. Man denke nur an die Kategorie von Kinderkrank¬
heiten, welche der Kinderarzt unter dem Sammelbegriff der
exsudativen Diathese subsümmiert; und ferner an die große
Zahl derer, welche bei ihren skrofulösen Erscheinungen mit
oder ohne Ekzem, Drüsenschtwellungen u. dgl. ein s^hlocjjifes
Aussehen bieten und in der Entwicklung gelitten ‘ haben.
Nicht minder außer Acht zu lassen ist die Menge der
hereditär Syphilitischen mit ihrem blassen Gesicht und ihrer
nicht selten schwachen Konstitution. Bei allen diesen greift
der Arzt wohl zuerst zum Jod und, um der gleichzeitigen
Anämie beizukommen, läßt er dazu die Eisenordination
nicht fehlen. Mögen auch Stimmen laut geworden sein,
welche dem medikamentösen Eisengebrauch seinen Wert
abzusprechen suchten und nur den cisenreichen Nahrungs¬
mitteln und zwar besonders cisenreichon Vegetabilien thera¬
peutischen Nutzen zuerkannten, so hat der alte gute Ruf
unserer Eisentherapie, in erster Linie der Bl and sehen
Pillen doch in nichts verloren. Es ist daher auch kein
Grund vorhanden, von einem solchen Mittel, dessen toni¬
scher Wert durch die Praxis hinreichend legitimiert ist, Ab¬
stand zu nehmen. Ist nun dem Eisen neben dem Jod seine
alte Wirkung zuerkannt, so könnte man ja beide nebenein¬
ander ordinieren, wenn cs nicht in der Medizin ebenso wäre
wie im Leben, nämlich, daß jede Vereinfachung ein Vorteil
ist. Das deutsche Arzneibuch zeigt uns aber bereits diesen
Vorteil, indem uns dort zwei Mittel als Schulmedizin genannt
werden, welche Jod und Eisen als Verbindung enthalten: das
eine ist das Ferrum jodatum saccharatum, ein trockenes
Pulver, das andere ist der Symp'us' ferri jodati, eine anfäng¬
lich farblose, oft [genug aber auch grünliche syrupöse Flüssig¬
keit. Ueber das erstere kann man kurz hinweggehen, denn
der Kreis der Anhänger dieses wenig wohlschmeckenden'
UNIVER5HY ÖF MICHIGAN
der Kinder. — Makkas: Zur Behandlung der Blasenektopie. Um¬
wandlung des ausgeschalteten Coecum zur Blase und der Appen¬
dix zur Urethra. — Glaserfeld: Bemerkungen zur Behandlung
des akuten HarnrÖhrentrippers des Mannes. — Sitzenfrey:
Die Nierenenthülsung mit besonderer Berücksichtigung ihrer An¬
wendung bei Eklampsie — Strempel: Zur Indikationsstellung
und Technik des extraperitonealen Kaiserschnittes. — Scliauen-
stein: Ueber die Wirksamkeit des Pal tauf sehen Antistrepto-
kokkenserums bei puerperalen Streptomykosen. — Zweifel:
Bolus alba als Träger der Infektion. — Görl: Die Sterilisierung
der Frau durch Röntgen strahlen.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 82. Ver¬
sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königsberg
in Pr. vom 18.— 24. September 1910.
III. Bücherschau. Klingelhöffer: Das menschliche Auge und
seine wichtigsten Erkrankungen. —Lübbert: Zur Entstehungs¬
geschichte des Krebses und der anderen echten Geschwülste.
— Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder.
IV. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
V. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
und. wenig gleichmäßige®. Medikamentes ist nur noch ein
sehr kleiner; dagegen wird der Syrupus ferri joda.ti noch
viel verordnet.
Um den Unterschied dieses öproz. Eisenjodür-Svrupus
von dem neuen Eisensajodin näher kennen zu lernen,
müssen wir auf beide etwas näher oingehen. Zunächst ist es
der Geschmack, der bei dem ersteren nicht gut ist, weshalb
das Mittel, das viel in der Kinderpraxis gebraucht wird, oft
relüsiert wird. Indes hierüber müßte man sich bei einem
Medikament in Ermangelung eines besseren hinwegsetzen,
sofern es weiter keine Mängel hat. Doch diese zeigt der
Syrup noch in einem sehr ins Gewicht fallenden Masse in
seiner Zusammensetzung. Bei Gegenwart von Luft gibt er
nämlich unter Braunwerden Jod ab, und dann, reizt das
Präparat, das schön oft genug unzersetzt den Magen be¬
lästigt,. diesen noch mehr. Eine weitere Schattenseite, die
besonders in der Privatpraxis eine Rolle spielt, ist die durch
die Löslichkeit des Eisenjodiirs oft genug nach mehr¬
wöchigem Gebrauch beobachtete Schwarzfärbung der Zähne,
und schließlich ist es die nicht immer gleichmäßige Zu¬
sammensetzung des Mittels: alles Punkte, die es nahelegten,
an einen Ersatz dieses Pharmaköpoepräparates zu denken.
Hier sind es nun die Fabriken des Sajodins gewesen, näm¬
lich' die Höchster Farbwerke und die .Elberfelder Farben¬
fabriken, welche das Sajodin, als Ausgangspunkt fiir eine
Verbindung mit dem Eisen benutzt haben. Sie haben das
Eisensalz der Monojodbehensä.ure hergestellt, das sie unter
dem Namen Eisensajodin zur Prüfung Weitergaben,
Um zu erfahren, ob es ein Mittel ist, das auch bei monate¬
langem Gebrauch, wie es viele der mit .Todeisen behandelten'
Zustände erheischen, gern genommen und gut vertragen
wird. Und das die pharmakologischen Eigenschaften des
Jods und Eisens besitzt.
Bevor ich über meine Erfahrungen berichte, will ich
kurz erwähnen, daß das Eisensajodin ein gelbroles
Pulver ist, welches sich in den üblichen Medien nicht, löst,
dagegen leicht lösbar in fetten Oele,n isl. Und diese Lipoid¬
löslichkeit scheint die therapeutische Wirkung zu vermitteln.
Prozentuarisch enthält das Eisensajodin 5,7 Eisen und
25 Jod; beide sind chemisch an Behensäure gebunden, die
den im Sajodin enthaltenen Fettkörper darstellt, in welchem
das Jod intramolekular angelagert ist. Im großen und ganzen
hat das Eisensajodin die Eigenschaften des Sajodins,
606
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 40.
indem es auch wie dieses erst im Kontakt mit der alkalischen
Darmschleimhaut Jod abspaltet, sofern nicht schon vorher
eine Teillösung in lipoiden Stoffen stattgefunden hat. Und
eine solche ist möglich, denn an der Muttarsiubstanz, dein
Sajodin, ist bereits beim Asthma bronchiale die Wirkung
zu einer Zeit beobachtet worden, als Jod im Speichel und
Harn noch nicht nachweisbar war. Das Mittel kommt nur
in Form von Tabletten in den Handel, von denen jode 0,5 g
der wirksamen Substanz, sonach also 0,125 g Jod und
0,028 g Eisen enthält. Sie sind mit Schokoiadenpulver
komprimiert, werden daher, da das Pulver an sich schon
keinen besonders ausgeprägten Geschmack hat, fast ebenso-
gern wie Schokoladenplätzchen genommen. Das ist ein wohl
zu beachtender Faktor, einmal, weil sich die hier in Betracht
kommenden Patienten vorwiegend aus Kindern rekrutieren,
sodann, weil die beiden offizrnollen Präparate der Forderung
eines guten Geschmackes recht wenig entsprechen. Weiter
ist die Unlöslichkeit des Eisensajodins von Wert, insofern
hierdurch eine Sohwarzfärbung der Zähne vermieden wird.
Für die Ordination kommen zurzeit nur die Tabletten
in Betracht und diese bieten den Vorteil, daß man genau
weiß, welches Quantum an Jod und Eisen dem Körper zu¬
geführt wird. Die Dosierung richtet sich nach dem Lebens¬
alter, man gibt dreimal täglich eine halbe bis eine Tablette,
zuweilen noch mehr, die man wie Schokotadenplätzcheu
zerkauen oder im Munde zergehen läßt. Dabei tut man
gut, sich 'an die Untersuchungen Anackers „über die
Resorption des Sajodins“ zu halten, welcher betont, daß man
das Sajodin am geeignetsten eine halbe Stunde nach der
Mahlzeit nehmen lassen soll, weil dann die Resorption des
Jods eine schnelle und seine Ausscheidung eine lange
dauernde sei, nur müsse man eine ausgiebige Stärkediät ver¬
meiden, da diese die Jodresorption vermindere, und müsse
ferner den Alkoholgenuß möglichst beschränken, weil dieser
die Gefahr des Jodismus steigere, die Jodausscheidung be¬
schleunige und dessen Wirkung schwäche. Das letztere
ist mehr bei Erwachsenen, das erstere mehr bei Kindern
zu beachten.
Sofern kleine Kinder und Säuglinge der Behandlung
mit Eisensaj od in unterworfen werden sollen, wird man
natürlich nicht die Tablette als solche benützen, sondern
muß sie zerdrücken und dann das ,so entstandene Pulver
mit Milch anschütteln. Aber noch viel zweckmäßiger als
diese Form der Darreichung ist diejenige der Lösung.
Wie schon eingangs bemerkt, ist E i s e n s a j o d i n öllös¬
lich, und es lag daher der Gedanke nahe, hiervon Gebrauch
zu machen, schon in Hinblick darauf, daß die zurzeit im
Handel befindlichen Spezialitäten den Anforderungen in
vollem Umfange nicht entsprechen. Scotts Emulsion
ist eigentlich nichts anderes als eine Emulsion, die etwa
2 / ä eines Pflanzenöls enthält; denn die übrigen Beigaben,
besonders von anorganischen phosphorsauren Salzen, haben
nur einen sehr bedingten therapeutischen Wert, ja er wird
sogar, vielleicht nicht mit Unrecht, sehr in Zweifel gezogen.
Also dieses Präparat kann nicht gut mit in Wettbewerb
treten. Anders schon der Jodeisen-Lebertran „Jodelia“
von Lahusen. Aber für diesen trifft genau dasselbe zu,
was ich vorher mit Bezug auf den Syrupus ferri jodati
sagte, denn auch „Jodella“ ist nichts anderes als eine
Lösung von Eisenjodür in Lebertran, der aromatisiert ist.
Ich will nicht so weit gehen .zu behaupten, daß der Ge¬
schmack von Jodella scheußlich ist, wie z. B. dies von Ge¬
heimrat Görges gesagt wird; aber nicht leugnen läßt sich,
daß es nicht geradezu den Annehmlichkeiten gehört, Jodella,
besonders bei Erwachsenen, längere Zeit zu geben. Hier
stößt das Präparat oft genug auf den. Widerwillen der Pa¬
tienten. Nicht unerwähnt möchte jeh schließlich lassen,
daß eine Vorschrift der Spezialitäten-Vereinigung für die
deutschen Apotheker die Verwendung von Alkohol angibt.
Selbstverständlich darf ein solches Präparat, auch wenn es
noch so wenig Alkohol enthält, für Kinder gar nicht in An¬
wendung gezogen werden. Es ist daher lebhaft zu begrüßen,
daß*es der „Schweizer Apotheke“ in Berlin W. 8 ,
Friedrichstraße, gelungen ist, unter Benützung des Eisen¬
sajodins zwei Präparate herzustellen, die in jeder Hin¬
sicht den Anforderungen genügen.
Das erste ist eine „Eisensaj o din-E mu 1 s i on“.
Sie enthält etwa 2 / 5 eines Pflanzenöles, in dem das Eisön-
sajodin gelöst ist. Die Lösung ist so eingestellt, daß je
10 ccm genau 2 ctg Jod und 8 mg Eisen entsprechen.
Biese „Eisensajodin-Emulsion“ kommt überall dort in, Pe¬
tracht, wo es sich neben der Darreichung von Jod und
Eisen nur um die Zufuhr kleinerer Mengen Oel handelt
oder wo Oel nur die Bedeutung eines Vehikels besitzt. Die
Indikationen ergeben sich von selbst; ich erwähne insbe¬
sondere aber alle diejenigen Fälle, wo man eine Fet.t-
anreicherung nicht wünscht, wie z. B. bei der pastösen Form
der Skrofulöse.
Das zweite Präparat erscheint mir bedeutungsvoller. Es
ist der „E i s e n s a j o d i n - L e b e r t r a n“. Er enthält nichts
anderes als einen gut aromatisierten Lebertran, in dem das
Eisensajodin gelöst ist, keine Zusätze von Alkohol, keine
Zusätze von Aether und ähnlichem (ich bemerke ausdrück¬
lich, daß derartige Vorschriften existieren und, wer weiß,
wieviel sie in Anwendung gezogen werden I) und läßt sich
sehr angenehm nehmen. In einem Versuch überzeugte ich
mich, daß der Geschmack nach Lebertran weder von vorn¬
herein noch nachträglich auftritt, wie man das so häufig
bei dem gewöhnlichen Lebertran (Kratzen) beobachtet. Auch
in dieser Spezialität sind 10 ccm gleichwertig 2 ctg Jod und
8 mg Eisen. Man gibt das Präparat in der Dosierung
dreimal täglich 5 oder 10 ccm je nach dem Alter der
Patienten. Es ist wohl richtiger die Dosierung nach cdm
(Meßglas) zu berechnen, als sich auf die ziemlich unzuver¬
lässigen Messungen durch Kinder- oder Teelöffel zu be¬
schränken. Der Eisensajodin-Lebertran kommt überall dort
in Betracht, wo man eine Fettanreicherung wünscht, denn
der Kalorienwert des Oeles beziehungsweise Leber¬
trans ist ein außerordentlich hoher — dreimal
täglich 10 ccm desselben würden zirka 270 Ka¬
lorien entsprechen — dazu tritt noch der außerordentlich
wichtige therapeutische Wert der in ihm enthaltenen
Mengen Jod und Eisen.
Den Kinderärzten möchte ich es überlassen, sich über
die Brauchbarkeit der beiden Fettlösungen in ihrem Spezial¬
gebiet zu äußern, ich selbst kann nur über die Verwert¬
barkeit der Tabletten aus der allgemeinen Praxis berichten,
in welcher ich mich zirka ein halbes Jahr lang mit der
Prüfung derselben beschäftigt habe.
An erster Stelle erhielt sie ein junges Mädchen von
17 Jahren, welches unter der Klage länger bestehenden
schlechten Appetites und allgemeiner Schlaffheit in die
Sprechstunde kam. Sie bot das typische Bild der pastösen
Form der Skrofulöse: blasses, gedunsenes Gesicht, dicke
Lippen, dicke Nasenspitze usw., doch dabei guten Paniculus
adiposus. Nachdem sie eine Woche hindurch täglich dreimal
eine Tablette Eisensajodin genommen hatte, stellte sie sich
wieder vor und berichtete, daß sie einen recht guten Appetit
habe und sich schon etwas 1 wohler fühle. Einen Monat
hindurch nahm sie das Medikament, ihr Aussehen hatte sich
parallel dem subjektiven Befinden so wesentlich gebessert,
daß sie von s'elbst wegblieb, doch zirka 3 Wochen später
wieder erschien, um noch einmal 4 Wochen hindurch die
Tablett'err zu gebrauchen. Ihr Aussehen und Körperbefinden
hat sich seitdem — April 1910 — ganz wesentlich gebessert,
sie hat bis jetzt — Anfang August 1910 — eine Zunahme
von 15 Pfund zu verzeichnen.
Nächst dies'er kam ein 13 jähriges, im allgemeinen gut
entwickeltes junges Mädchen wegen rezidivierender phlyk-
tänulärer Conjunctivitis Und doppelseitiger chronischer
Blepharitis ciliaris in Behandlung, welche ebenfalls auch die
unverkennbaren Spuren der torpiden Skrofulöse im Gesicht
trug. Der Gebrauch von 3 mal täglich einer Tablette Eisen¬
sajodin und morgens und abends eine Stunde lauwanne
Kompressen einer 1/4 prom. Lösung von Hydrargyrum sübli-
matum brachten in einer Woche die conjunctivalen Reiz¬
erscheinungen Und nach nicht vollen drei Wochen die
Phlyktäne völlig zum Schwinden, während im Jahre vorher
dasselbe Uebol bei nur lokaler Behandlung (laut Aussage)
zwei Monate Zeit bis zur Heilung brauchte.
Auf einige weitere Fälle von Skrofulöse, z. B. mit
nässendem Ekzem hinter dem Ohrmuschelansatz oder an der
Nase und dergleichen, will ich nicht näher eingehen, da sie
im Heilresultat nicht wesentlich Unterschiedliches boten,
nämlich vorerst Steigerung des Appetits, dann Besserung des
Allgemeinzustandes und schließlich mit Beihilfe äußerer
Mittel Beseitigung der lokalen Erscheinungen.
Dagegen will ich noch eine Gruppe von sechs' jungen
Geschäftsmädchen, im Alter von 17—21 Jahren nennen,,
die übereinstimmende Symptome zeigten: blasse Gesichts¬
farbe, durchsichtige Haut, ungenügendes Fettpolster, wech¬
selnder Appetit, stärkere, eine Woche sich hinziehende und
No. 40.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
G07
mit Schmerzen ednsetzendo Menses, schlaffes und leicht irri¬
tables Wesen. Die Eisensajodin-Medikation neben Gebrauch
von Milch resp. süßer Sahne, brachte bei einem Teil,
welcher zirka zwei Monate die Kur innehielt, sichtbare
Aenderungen: besseres Aussehen, Lust zur Tätigkeit, gleich¬
mäßigen Appetit Und kleine Gewichtszunahme, während die
Menses nur bei einigen kürzer verliefen. Bei einem anderen
Teil, der nur zirka drei Wochen die Eisensajodintahletten
nahm, blieb es allerdings bei einem mäßigen Erfolg, alle
aber haben dieselben gern genommen und keine hat über
Magenbeschwerden geklagt. Auch mehrere Kinder im Alter
von 8—11 Jahren sind wochenlang wegen anämischer here¬
ditär syphilitischer Zeichen oder wegen hypertrophischer
Zustände im oralen und nasalen Teil des Pharynx mit 'den
Eisensajodintahletten behandelt worden und keines hat
Klagen über dieselben geführt. Nur ein blasser und magerer
Emphysematiker refüsierte nach achttägigem Gebrauch die
Fortsetzung der Tablettenanwendung (zu 1 und
dann i/ 2 Stü,ck dreimal täglich), weil, wie er sagte, „ihm
der Körper jedesmal danach heiß würde“ (Hysteriker?),
und ferner unterließ ein 70 jähriger Arteriosklerotiker nach
8 Tagen die Weitereinnahme, ohne einen genügenden Grund
dafür zu haben. Die Zusammensetzung des Eisensajodins
und seine vorzügliche Verträglichkeit auch bei längerem Ge¬
brauch rechtfertigt vor allem seinen Gebrauch bei ehloro-
I ischen Arterieosklerotikern.
Auf Blutuntersuchungen habe ich von vornherein
verzichtet, weil man sich doch aprioristisch kon¬
struieren kann, welche Wirkung dem Mittel nach Spaltung
in seine beiden Faktoren, Eisen und Jod auf Blut und
Körpersäfte zukommt,. Wir wissen, daß das Eisen auf das
rote Knochenmark als Bildungsstelle der (hier noch kern¬
haltigen) Erythrozyten stimulierend, auf den Darm Ioni¬
sierend und auf die allgemeine Ernährung durch Steigerung
des Stickstoffwechsels resorptiv wirken soll, und ebenso ist
durch die Praxis erwiesen, welchen guten Einfluß Jod in
mäßigen Dosen auf die Ernährung und den Stoffwechsel
bei verschiedenen der oben genannten Krankheiten hat.
Daß nun in der bisherigen Jodeisentherapie verschiedene
Beobachter zu verschiedenen Resultaten gekommen sind,
liegt einmal in der Natur der hier in Betracht kommenden
Zustände, dann aber wohl auch in den bisher verwendeten
Mitteln, welche nicht so gern und nicht so lange genommen
werden konnten, wie es bei Eisensajodin möglich ist.
Ferner ist bei Prüfung eines Medikamentes doch auch nicht
außer acht zu lassen, ob diese an Patienten in einem großen
Krankenhause mit seinen veränderten diätetischen und
hygienischen Verhältnissen statt hat oder in Her allgemeinen
Außenpraxis, welche den Patienten in seiner gewohnten
Lebensweise läßt.
Aus letzteren Verhältnissen stammen meine Beobach¬
tungen und diese haben mich zu folgendem Resultat ge¬
führt : Das Eisensäjodin ist da am Platze, wo es sich um
Hebung eines verlangsamten Stoffwechsels und eines un¬
günstigen Ernährungszustandes handelt, überall also dort,
wo eine langedauernde Medikation mit Jod und Eisen in
Frage kommt. Die bisherigen Beobachtungen haben er¬
wiesen, daß es auch da gut vertragen wird, wo die ge¬
bräuchlichen Eisenjodpräparate Magenbelästigungen
schufen, und daß es keinen Jodismus auslöst.
Ueber Pergenol.
,' Sammelreferat nebst eigenen Beobachtungen.
Von
Dr. M. Lewitt (Berlin).
Pergenol, ein von den Chemischen Werken vormals
Dr. Heinrich Byk, Charlottenburg, helgestelltes H a O 2 -
Präparat in fester, haltbarer Form, hat sich, wie die bereits
vorhandene umfangreiche Literatur beweist, binnen Jahres¬
frist ungemein schnell eingeführt und vorzüglich bewahrt.
Pergenol ist ein kristallinisches, in trockenem Zustande
unbegrenzt haltbares Pulver und wegen seiner festen Form
von größter Handlichkeit im Transport und bei der Dosierung
— die Nachteile der flüssigen Wasserstoffsuperoxydpräparale
sind also im Pergenol behoben.
Chemisch ist Pergenol eine nach geschütztem Verfahren
hergestellte Mischung molekularer Mengen von Natrimn-
perborat und Natriumbitartrat in molekularen Mengen, die beim
Lösen in Wasser sich zu einer neutralen Lösung von Wasser¬
stoffsuperoxyd und Natriuiiiborotartrat uinsetzt (1).
Zahlenmäßig ist das feste Pergenol als ein 12proz. Wasser-
.stoffsuperoxyd und eine '22 proz. Borsäure anzusprecheu, cl. li.
100 e Pergenol, entsprechen 12 g Wasserstoffsuperoxyd (th Os
Ppfj) und 22 g Borsäure. 10 g Pergenol ergeben also mit
120 g Wasser eine 1 proz. Lösung von U 2 O 2 .
Da die desinfizierende Kraft des H» CU und auch des
Pergenols, wie Cr 011 er (2) im Kömgl. Institut für Infektions¬
krankheiten in Berlin und Schmidt (3) im Hygienischen
Institut der Universität Göttingen neuerdings wieder feststell¬
ten, mit steigender Temperatur erheblich zunimmt, so empfiehlt
es sich, das Pergenol möglichst in warmem Wasser gelüst
zu verwenden.
Im Handel ist Pergenol als Pergenol m e d i c i n a 1 e ,
in Pulver- und Tablettenform (ä 0,5 g), ferner als Pergenol-
Mundwassertabletten, die sich von den Pergenol
medicinale-Tabletten nur durch einen geringen Zusatz von
Pfefferminzöl unterscheiden, und als Pergenol-Mund-
Pastillen — enthaltend je 0,1 g Pergenol mit Pfefferminz
und Zucker, die man wie Bonbons im Munde zergehen läßt
und in denen zum ersten Male H 2 O 2 in dieser angenehmen
Darreichungsform geboten wird.
Der Gehalt an borsaurem Salz ist dem Pergenol zum Vor¬
wurf gemacht worden (4), meiner Ansicht nach zu Unrecht
und in nicht ganz einwandfreier Form. Es ist nicht meine
Absicht, die berühmte Borsäurefrage hier wieder aufzurollen;
ich beschränke mich nur auf den Hinweis, daß die Mengen, in
denen Pergenol zur Anwendung gelangt, viel zu gering sind,
als daß sie eine schädliche Borwirkung erzielen könnten (5—9);
wir müßten sonst schließlich auf die Anwendung von Borsäure,
Borwasser, Borsalbe, Borax in der Medizin überhaupt ver¬
zichten. Seit altersher verwenden wir ferner Mel boraxatuin
(mit 10 pCt. Borax) gegen Soor bei Säuglingen — es ist da
ebensowenig eine Schädigung bisher bekannt geworden, wie
nach dem Gebrauch der ebenfalls boraxhaltigen Tinct. Rhei
aquosa, die wir teelöffelweise geben, oder der beliebten Men¬
thol-Dragees, die, nebenbei gesagt, 4—5 mal soviel Borat ent¬
halten wie die analog anzuwendenden Pergenol-Mundpastillen.
Im Gegenteil möchte ich mich insbesondere der von zahn¬
ärztlichen Autoren ausgesprochenen Ansicht anschließen, wo¬
nach die Kombination von borsaurem Salz und Wasserstoff¬
superoxyd einen besonderen Vorzug des Pergenols darstellt.
ln der Zahnheilkunde, in der H 2 O- seit langem hohes An-'
sehen genießt, hat auch das Pergenol zunächst seinen größten
Wirkungskreis gefunden (5—7, 10—26).
Prochno w hat in der zahnärztl.-chir. Abteil, der Landes¬
versicherungsanstalt Berlin (Dir. Dr. Ritter) das Mittel an
einem reichhaltigen Material von Patienten erprobt (10), ebenso
Sachs (11), Dietrich (13), Gollop (14) u. a., insbeson¬
dere bei Alveolarpyorrhoe, Gingivitis, Soor, Nachblutungen
post extractionem. Der handlichen Form des Präparates wird
für die Landpraxis eine wesentliche Bedeutung zuerkannt und
— last not least — wird auf die bleichende Wirkung des Per-
genols hingewiesen und namentlich auf seine von P r o c h n o w
und später auch von Eber mann im Großen Friedrichs¬
waisenhaus (16) festgestellte Eigenschaft, weißen und gelben
Zahnstein zu lösen und seinen Neuansatz zu verhindern.
Für die Zwecke der täglichen Mundpflege ist Pergenol mit
einem leichten Zusatz von Pfefferminzöl in Form der erwähn¬
ten Pergenol-Mtindwasser-Tabletten in den Handel gebracht
worden. Vor den flüssigen Mundwässern haben diese den un¬
schätzbaren Vorteil des leichten Transportes, so daß sie be¬
sonders für die Reise geeignet sind. Eine Tablette auf ein
kleines Glas warmes Wasser gelöst gibt ein erfrischendes, des¬
infizierendes und desodorierendes Mundwasser für den täg¬
lichen Gebrauch. Konzentriertere Lösungen — zwei Tabletten
auf ein kleines Glas warmes Wasser — lassen sich mit Vor¬
teil bei der Heilung und zur Vorbeugung von Mund- und
Rachenaffektionen verwenden.
Hervorragend ist die desodorierende Eigenschaft aller
Pergenclpräparate; Foetor ex ore, auch Rauchgeschmack wird
| fast augenblicklich behoben. Hier sind insbesondere die
i Pergenol-Mundpastillen — nicht zu verwechseln
mit den Mundwassertabletten — angebracht. Auch
zur Bekämpfung der Nachschmerzen post extractionem haben
sie sich bewährt. (10, 16, 33.)
I11 der Laryngologie, Rhinol.ogie und 01 0 -
logie ist das Pergenol nun gleichfalls in ausgedehntem Maße
erprobt worden. So rühmt Professor Dr. Eclmund Meyer
(27) 4—5 proz. Lösungen der Pergenol medicinale-
Tabletten besonders als Desinfektionsmittel für Mundhöhle
und Zähne. In zahlreichen Fällen von Stomatitis und auch
als Prophylaktikum bei Hg-Kuren leistete es ausgezeichnete
Dienste. Bei der Behandlung der Nebenhöhleneiterung hat
Meyer gleichfalls die Pergenol medicinale-Tabletten als Des¬
infektionsmittel mit gutem Erfolge angewendet. Auch zur Los¬
lösung von Tampons in der Nase und zur Reinigung der Nase
iiei starker Borkenbildung hat das Pergenol sich bewährt (vier
Tabletten auf 1—Di Eßlöffel Wasser).
608
THERAPEUTISCHE
Auch Robert Meyer (28) berichtet über die handliche
Anwendungsweise, wenn es sich darum handelte, bei chroni¬
schen Mittelohreiterungen festhaftenden zähen Eiter aus den
Gehörgängen, Trommelfell oder Mittelohr zu entfernen.
Mit dem Pulverbläser blies Verfasser eine kleine Quantität
Pergenol. medicin. pulv. auf die zu reinigende Stelle und brachte
dann vermittels .Sprays eine schwache Borsäurelösung auf das
Pergenol, das jetzt prompt seine Wirkung, die typische des
Wasserstoffsuperoxyds, entfaltete. Die feine Verteilung des Per-
genols erleichtert und ermöglicht das Eindringen in die ver¬
stecktesten Buchten und Höhlungen. Will man es in Substanz
mittels Pulverbläsers einblasen, so ist es empfehlenswert, das
Pergenol mit Talkum oder Borsäurepulver zu mischen, da infolge
der Hygroskopizität des Präparates sonst leicht ein Verkleben
des Pulverbläsers eintreten könnte.
Bei Schnupfen ist Pergenol ebenfalls in Substanz mit
bestem Erfolg angewandt worden (10), und bei Epistaxis (27)
bewährte sich die hämostatische Wirkung des Wasserstoff¬
superoxyds.
In der Chirurgie, Gynäkologie und Urologie
dient das Pergenol zur sofortigen Herstellung stark desinfi¬
zierender Lösungen von beliebiger Stärke, zur Entfernung von
Verbandmaterial, zum Ansspülen von Wundhöhlen, Fisteln etc.
Es eignet sich zum Gebrauch für kleinere chirurgische Tätig¬
keit im Hause des Patienten. Man kann namentlich in der
Landpraxis (1.1) rasch ein antiseptisches Wundwasser her¬
steilen, sowie Hände und Instrumente gut reinigen (15). Als
Wundstreupulver ist folgende Verordnung zu empfehlen:
Rp. Pergenol med. pulv.25,0
Tale, venet.100,0
M. exactissime. 1). ad vitr. bene clausum.
S. Streupulver. Aeußerlich.
Auch in der Augenheilkunde bewährte sich nach
den Erfahrungen von Daxenberger (29) die Kombination
von Ha 0 2 und Borsäure bei allen entzündlich-infektiösen, be¬
sonders eitrigen Prozessen der Lider und der Conjunctiva.
Sehr gut eignet sich die Pergenol-Lösung auch hier zum Ab¬
lösen und Aufweichen von Verbänden.
Die oben bereits erwähnten Pergenol-Mund¬
pastillen haben sich als Ersatz für Gurgelwasser bewährt
in allen den Fällen, in denen das Gurgeln mit Schwierigkeiten
verbunden ist, wie z. B. in der Kinderpraxis. Die Pergenol-
Mundpastillen sind ein ausgezeichnetes Prophylaktikum gegen
Infektionen, die ihren Weg durch den Mund nehmen, wie
Anginen, Influenza, Diphtherie. Bei letzerer verwendete sie
Witthauer, Oberarzt am Diakonissenhaus in Halle a. S.
(30), zweckmäßig zur Unterstützung der Seruinbehandiung.
Auch Prof. Jochmann (31) empfiehlt auf Grund seiner
in der Infektionsabteilung des Berliner Rudolf Virchow-
Krankenhauses gewonnenen Erfahrungen den Gebrauch der
Pergenol-Mundpastillen, um das Verschwinden der Diphtherie¬
bacillen in der Rekonvaleszenz zu befördern. Wie Witt-
h auer hält auch er die Mundpastillen wegen ihrer bequemen
Anwendungsweise und ihrer relativen Billigkeit für eine an¬
genehme Medikation bei den verschiedensten Formen der An¬
gina tonsillaris. — Die Anwendung der Pergenol-Mundpastillen
gegen Hyperacidität wurde von Wi11hauer gleich¬
falls angeregt, nachdem er sie in verschiedenen derartigen
Fällen mit Erfolg angewandt hatte.
In der Kinderpraxis hat auch Gotthiff (9) mit den
Pergeriol-Mundpastillen günstige Erfahrungen gemacht. Sie
sind bei Kindern, die noch nicht gurgeln können, ein ge¬
eigneter Ersatz für Gurgelwässer bei bestehenden Erkrankun¬
gen sowohl wie für prophylaktische Zwecke. Das Gleiche
empfiehlt E. Spitzer (Graz) (32) auf Grund seiner Er¬
fahrungen.
Zum Schluß sei noch der Anwendung des Pergenols in
der dermatologischen Praxis gedacht, wobei ich ins¬
besondere auch meine eigenen, binnen Jahresfrist gesammelten
Erfahrungen wiedergeben möchte.
RUNDSCHAU 191 0. 40.
Pergenol hat sich für alle diejenigen Zwecke brauchbar
erwiesen, für welche wir bisher Wasserstoffsuperoxyd oder
Borsäure benutzten. Besonders sei auf die Anwendung bei der
Wundbehandlung nach Operationen abscedierter inguinaler
Lymphdrüsen (Bubonen) hingewiesen und auf die leichte
Herstellung gebrauchsfertiger FL CVLösiingcü mit stets gleich¬
mäßiger Wirkung. Nachdem die Pergenol-Mundpastillen zur
Verordnung für die Krankenkassen zugelassen worden sind,
kann man nur empfehlen, bei Hg-Kuren zur Verhütung der
merkuriellen Stomatitis den Kassenpatienten, die erfahrungs¬
gemäß tagsüber während der Arbeitszeit die üblichen Gurge¬
lungen etc. arg vernachlässigen, die Mundpastillen zu verordnen
[vgl. auch 8], Von Prof. Blaschko wird folgendes. Ver¬
fahren empfohlen:
Der Patient gurgelt früh und abends mit einer Lösung von
zwei Mundwassertabletten in Glas möglichst warmen Wassers;
in der Zwischenzeit läßt er ein- bis zweistündlich je eine Muiul-
pastille iin Munde langsam zergehen. Bei schon bestehender
merkurieller Stomatitis werden natürlich noch Aetzungen mit
Chromsäure oder dergl. notwendig sein.
Bei den durch Schwefel erzeugten Verfärbungen oder den
bei Rosacea eczematosa häufig auftretenden bräunlichen
Pigmentationen kann man die bleichende Eigenschaft des Per¬
genols mit Erfolg verwerten. Auch die schwarzbraune Ver¬
färbung der Follikeleingänge (ohne Comedo), eine häufige
Komplikation der Acne faciei, läßt sich am besten mit Pergenol-
lösungen beseitigen.
Ein ganz vortreffliches Mittel ist Pergenol, meiner Erfah¬
rung nach, zur Erzeugung von Granulationen bei Ulen s
c r u r i s , da durch die Entwicklung von Wasserstoffsuper¬
oxyd nekrotische Gewebsmassen rascher abgestoßen werden.
Auch die Verwendung zur Fluortrockenbehandlung bei
weiblicher Gonorrhoe ist erwähnenswert:
Man mischt das Pergenol mit gleichen Teilen Bolus alba und
bringt es in einem kleinen Gazesäckchen in die Vagina, die man
sodann mit. einem Wattebausch verschließt.
So findet Pergenol in den verschiedensten Zweigen der
Medizin wirksame Verwendung und damit ist das Anwendungs¬
gebiet des Wasserstoffsuperoxyds durch dieses feste, haltbare
Präparat wesentlich erweitert worden.
Literatur:
1. Zeruik: Apotheker-Zeitung, 1909, Nu. 72. — 2. (Jroner: Zeit¬
schrift f. Hygiene u. Infektionskrankheiten, 1909. Bd. 63. — 3. Schmidt
(Göttingen): Zentralbl. f. Bakteriologie, 1910, S. 327. — 4. Beyer (Cöln):
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Deutsche zahnärztl. Wochenschr., 1910, No. 38.
Prof. Dr. Noclit und Stabsarzt Dr. H. Werner (Hamburg): Be¬
obachtungen über relative Chiuinresistenz bei Malaria aus
Brasilien. (Deutsche medizinische Wochenschrift, 1910,
No. 34.)
Im Seemannskrankenhause zu Hamburg wird seit, einer
Reihe von Jahren mit durchaus gutem Erfolge die Chinin-
behandlung der Malaria in der Weise geübt, daß das Chinin
acht Tage hintereinander in einer Tagesgabe von 1 g, aber in
fraktionierten Dosen ä 0,2 g gegeben wird, woran sich eine auf
zwei Monate sich erstreckende, etappenweise durchgeführte
Nachbehandlung anschließt, ln vielen Fällen wird dadurch
dauernde Heilung erzielt. Bei einer Reihe von Malariakranken
nun, deutschen Arbeitern, welche sich ihre Infektion bei einem
Bahnhau am Madeirafluß im Inneren Brasiliens geholt hatten
und nun in teilweise sehr schwer krankem Zustande nach
Hamburg zurückgebracht wurden, erwies sich diese Methode
der Malariabehandlung als wenig wirksam. Es handelte sich
dabei um schwere Infektionen " mit Tertiana- und Tropika-
Parasiten; von 700 Arbeitern soll etwa die Hälfte in Brasilien
gestorben sein, trotz der auch dort durehgeführten Chinin-
hehaudiung. Es muß hier also eine außergewöhnlich starke
Resistenz der Malariaparasiten, sowohl der Tertiana- wie der
Tropikaformen, vorliegen. Auch die Steigerung der Chinin¬
dosis auf mehr als das Doppelte der gewöhnlich bei Malaria
verabfolgten Dosis genügt nicht, Rezidive, die zum größten
Teil innerhalb der Chininnachkur auftraten, zu verhindern.
Audi Methylenblau hatte in diesen Fällen, selbst in Dosen von
0,8—0,9 pro die keinen nennenswerten Erfolg, es wirkte sogar,
abgesehen von der begleitenden Blasenreizung, auf das All¬
gemeinbefinden ungünstig ein und mußte bald durch das
immerhin wirksamere Chinin ersetzt werden. Dagegen zeigte
das E h r 1 i c h - H a t a sehe Arsenpräparat in der Dosis
No. 40.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
609
von 0,3, intramuskulär angewendet, eine deutliche, zum Teil
sehr prompte antiparasitäre Wirkung, genügte aber in der nur
einmal gegebenen Dosis von 0,3 nicht, ein dauerndes Ver¬
schwinden der Parasiten herbeizuführen. Die Beobachtungen
über die Wirkung des Präparats sollen fortgesetzt werden. Auch
in klinischer Hinsicht wiesen die in Rede stehenden Fälle von
brasilianischer Malaria (es waren im ganzen 63) eine Reihe
von Besonderheiten auf. In erster Linie ist die Beteiligung des
Darmes zu nennen, welche in schweren Diarrhöen, teilweise
mit Blutbeimengung, zum Ausdruck kam; etwa A der Patienten
litt an diesen. Mit der Entfieberung und dem Verschwinden
der Parasiten aus dem peripherischen Blut hörten die Durch¬
fälle auf und mit den Rezidiven kehrten sie zum Teil wieder.
Amöben wurden bei keinem Patienten gefunden, auch die auf
Kruse-Skigasche und Flexnersche Bacillen angestell-
ten Agglutinationsprüfungen ergaben ein negatives Resultat.
In zwei Fällen, die zur Sektion kamen, wurden allerdings
dysenterische Darmgeschwüre wie bei der bacillären Dysen¬
terie gefunden. Zwei besonders schwere Fälle wiesen deut¬
liche Beriberisymptome auf. Eine nicht seltene Begleiterschei¬
nung waren Bronchitiden. Bemerkenswert war in allen Fällen
die geringe Neigung zur Hämoglobinurie. In einigen Fällen
trat nach dem Verschwinden der Parasiten und der Beseitigung
des Fiebers für einige Tage (6—8 Tage) eine erneute Tempe¬
ratursteigerung ein, die aber wegen des Fehlens von Malaria¬
parasiten nicht als Malariarezidiv anzusehen ist. Im ganzen
starben von den 63 Patienten fünf, davon jedoch vier an Kom¬
plikationen, die mit der Malaria nichts zu tun hatten.
Dl'. W. de la Motte (Bremen-Ellen): Die Porgessclie Luesreak¬
tion. (Deutsche medizinische Wochenschrift, 1910,
No. 34.)
Die von Porges angegebene Seroreaktiou zum Nachweis
von Lues wird in folgender Weise ausgeführt: Je 0.2 ccm
klares, steriles, inaktiviertes Serum und frische 1 proz. Lösung
von glykocholsaurem Natron werden gemischt und vor gröbe¬
ren Erschütterungen geschützt, 16—20 Stunden bei Zimmer¬
temperatur stehen gelassen. Nach dieser Zeit haben sich nach
Porges, wenn die Reaktion positiv ist, Flocken gebildet, die
sich meist an der Oberfläche der Flüssigkeit zusammenballen.
Trübungen oder Spuren von Flockungen sind nach Porges
als negativ anzusehen, nur bei deutlichen makroskopisch sicht¬
baren Flocken ist die Reaktion als positiv zu betrachten. Verf.
prüfte diese Reaktion, über deren Brauchbarkeit von den bis¬
herigen Untersuchern verschieden geurteilt wird, an dem
Material der Bremer Staatsirrenanstalt auf ihre Brauchbarkeit.
Er stellte 184 Versuche an, und zwar 144 mit Serum, 40 mit
Liquor cerebrospinalis. Das Blutserum wurde von 50 Para¬
lytikern, 17 Luetikern im zweiten und dritten Stadium und neun
auf Syphilis Verdächtigen untersucht, außerdem wurden
68 Nerven- und Geisteskranke, sowie Gesunde, welche als frei
von Lues gelten konnten, zur Kontrolle geprüft. Die Wasser-
m a n n sehe Reaktion wurde gleichzeitig durch das hygienische
Institut in Bremen geprüft. Von den 50 Paralysen reagierten
nach Wassermann 46, nach Porges 45 positiv. Unter
den 17 Luetikern reagierten nach Wassermann 16, nach
Porges 15 positiv. Unter den neun auf Lues Verdächtigen
reagierten sechs deutlich negativ, einer fraglich, einer positiv,
einer schwach positiv, nach Porges sieben negativ, zwei.
positiv. Von den 50 Kontrollproben, die von Geisteskranken
ohne Luesverdacht stammten, reagierten nach Wassermann
alle negativ, nach Porges 49 negativ. Die 18 Gesunden
reagierten sowohl nach Wassermann wie nach Porges
negativ. Die Untersuchung der Spinalflüssigkeit ergab folgende
Resultate: Von 28 sicheren Paralysen resp. Taboparalysen
reagierten- nach Wasserma n n 23, nach Porges 26 posi¬
tiv; eine Lues cerebri reagierte nach Wassermann negativ,
nach Porges positiv. Ein Fall von Tabes reagierte nach
beiden Methoden negativ. Die Konirollfälle reagierten sämtlich
negativ. — Was die Technik der Reaktion anlangt, so fand
Verfasser beim Serum die von Porges beschriebenemakro¬
skopisch sichtbare Ausflockung tatsächlich in allen Fällen von
manifester sekundärer Lues, aber niemals bei Paralyse, Tabo-
paralyse und Lues cerebri, also bei Lues im Spätstadium. Bei
positiver Reaktion trat vielmehr im Serum allmählich eine
deutliche starke Opaleszenz meist schon zehn Minuten nach
dem Ansetzen ein, während das negative Serum klar blieb.
Die Entscheidung, ob positiv oder negativ, muß bei tertiärer
Lues nach 1— I 1 ) Stunden gefällt werden. Bei der Unter¬
suchung der Spinalflüssigkeit tritt bei positiver Reaktion eine
deutliche milchige Trübung innerhalb einer Viertelstunde ein,
im negativen Falle nur leichte Opaleszenz. — Im allgemeinen
sind die Resultate, die Verfasser mit der Porges sehen Reak¬
tion erhalten hat, hinsichtlich der Uebereinstimmung mit dem
Ausfall der Wassermann sehen Reaktion recht befriedi¬
gend; er hält daher eine weitere Nachprüfung der Reaktion
für wünschenswert.
Dr. Max Löwenberg (Düsseldorf): Die Serodiagnose der Lues
mittels der Porgesschen Reaktion. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 45.)
Verfasser hat die Porges sehe Reaktion an dem
Patientenbestand der Klinik für Hautkrankheiten der Akademie
zu Düsseldorf einer eingehenden Prüfung unterzogen. Unter¬
sucht wurden Luetiker in allen Stadien der Lues, außerdem
zahlreiche Patienten, die frei von Lues waren. Verfasser ist
der Ansicht, daß nur die ganz grobe Flockung (vergl. das
vorige Referat) als positiv bezeichnet werden darf; eine feine
Flockung kommt nach seinen Beobachtungen ganz regellos bei
den Seren von Luetikern. und Nichtluetikern vor. Trotzdem
Verfasser nur die grobe Flockung als positiv rechnete, bekam
er auch bei 13,3 pCt. der nichtluetischen Kontrollfälle ein posi¬
tives Resultat. Deswegen hält Verfasser die Porges sehe
Reaktion bei der Differentialdiagnose der Lues für praktisch
unbrauchbar. R. L.
Dr. med. Hermann, Arzt der Rheinischen Provinzialheil- und
Pflegeanstalt Merzig: Klinisch-anatomischer Beitrag zur
Pathogenese des visceralen Luesfiebers. (Medizin. Klinik,
1910, No. 26.)
Das in diff&rentialdiagnostischer Hinsicht gegenüber Ma¬
laria und Tuberkulose überaus wichtige Vorkommen syphili¬
tischen Fiebers im Tertiärstadium wird klinisch noch verhält¬
nismäßig wenig gewürdigt und ist anatomisch, vor allein aber
pathogenetisch noch ganz ungeklärt. Klemperer weist auf
das Fehlen von Sektionsberichten hin, da in den klinisch
diagnostizierten Fällen meist ausgesprochene Heilbarkeit durch
Jodkalitherapie bestand. Er vermutet, daß weniger wahr¬
scheinlich die cirrhotische syphilitische Leber in den fieber¬
haften Fällen vorliege, als daß es sich wohl vielmehr um
gummöse Prozesse handle, vor allem auch als diffuse Infiltra¬
tion. Mannaberg neigt zur Annahme, daß das Fieber eine
spezifische Ursache habe und kein Resorptionsfieber sei. zum
Teil wegen der schnellen medikamentösen Wirkung. G. K 1 e m-
perer nimmt als Fieberursache zerfallende Lebergummata
an. Im übrigen sind die'vorliegenden Mitteilungen vorwiegend
von therapeutischem Interesse, ln erster Linie handelt es.sich
immer um Leberlues, während für die Milz nur eine mehr oder
minder unwesentliche Schwellung angenommen wird. Das
Fieber hat stets einen ausgesprochen hektischen Typus oder
verläuft ähnlich wie bei Malaria im Quotidiana-, Tertianatypus
usw. Unter diesen Umständen ist'es von Interesse, daß Verf.
die klinischen und anatomischen Einzelheiten eines schweren
letal verlaufenen Falles mitteilt. Verfassers Feststellungen
bestätigen am meisten die Annahme von Klemperer, daß
es vorwiegend diffuse gummöse Infiltrationen der Eingeweide
sind, die den fieberhaften Luesfällen zugrunde liegen. Im vor¬
liegenden Falle war wegen der Schwere der Veränderungen,
zum Teil auch wegen des psychischen Verhaltens eine thera¬
peutische Beeinflussung nicht mehr möglich. Es lagen psychi¬
sche Störungen vor, denen anatomisch nur eine luetische Lepto-
meningitis entsprach, und vermutlich war die Psychose durch
dieselben Toxine ausgelöst, die zu der schweren visceralen
Erkrankung und zu den akuten Eruptionen von Exanthem,
Fieber, Schleimhautgeschwüren usw. führten. Im großen und
ganzen sprechen Verfassers Beobachtungen für die Entstehung
des Syphilisfiebers durch das Virus selbst beziehungsweise
seine Toxine. K r.
Dr. Robert Burow (Innsbruck): Die Tuberkulose und ihre er¬
folgreiche Behandlung mit Guajakol-Arsen. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 34.)
Verfasser berichtet über experimentelle Untersuchungen,
welche die Einwirkung einer Kombination von Guajakol und
Arsen auf die tuberkulöse Infektion zum Gegenstand hatten.
Es wurde eine 3 proz. Lösung von Guajakolsalzen und 0,01 pCt.
Arsen in Wasser verwendet: Kal. guajacolic., Natr..guajacolic.
55 1.5, Liq. Fowleri 1, Aq. destill. ad 100. Zunächst prüfte Verf.
die Wirkung dieser Lösung auf gesunde, ausgewachsene Kanin¬
chen, welche mittels Schlundsonde 30 ccm der Lösung täglich
in allmählich steigender Dosis vier Wochen hindurch bei sonst
ungeänderter Lebensweise erhielten. Dabei zeigte sich ein
Steigen des Körpergewichts und eine Hämoglobinzunahme,
eine vermehrte Freßlust und gesteigerte Diurese. Im Harn
und im Blut der Tiere konnten Arsen und Guajakol nach¬
gewiesen werden. Weiter wurde die Einwirkung des Guaja-
kols und Arsens auf das Wachstum von Tuberkelbacillen in
Glyzerinagarkulturen geprüft. Dabei wurde gefunden, daß die
Guajakolsalze in keiner Weise das Wachstum und die Weiter-,
entwickelung der Tuberkelbacillen hemmten; dagegen übt das
Kal. arsenicos. sowohl allein als auch in Kombination mit den
Guajakolsalzen einen vernichtenden Einfluß auf die Tuberkel¬
bacillen aus; diese kamen nicht nur nicht zur Entwickelung,
sondern gingen in toto ein. Ferner wurden auf Blutserum Kul¬
turen angelegt, und zwar einerseits auf Blutserum unbehan¬
delter Kaninchen, andererseits auf Blutserum solcher Tiere,
610
THERAPEUTISCHE
welche einige Wochen lang mit Guajakol-Arsen vorbehandelt
waren, in deren Blut Guajakol-Arsen nachweisbar war. Wäh¬
rend auf dem Blutserum der unbehandelten Tiere sämtliche
Bacillen sich entwickelten, starben auf dem guajakol-arsen-
haltigen Serum die Tuberkelbacillen völlig ab. Verfasser
stellte nun weiter direkte Infektionsversuche an Kaninchen
und Meerschweinchen an. Zunächst wurden drei Kaninchen
auf dem Blutweg mit Tuberkelbacillen infiziert. Von diesen
\iai ein lier mit Guajakol-Arsen vorbehandelt, das zweite
Tier wurde bald nach der Infektion mit Guajakol-Arsen be¬
handelt, das dritte Tier blieb unbehandelt. Dieses Tier ging
in dei siebenten Woche an Miliartuberkulose zugrunde, wäh¬
lend die Guajakol-Arsen-Tiere am Leben blieben und etwas
an Gewicht Zunahmen. Die Sektion dieser später getöteten
Tiere ergab in den Lungen nur einzelne in fibröser Umwand¬
lung, teils mit Kalk inkrustierte miliare Tuberkel. — Ganz
analog war das Ergebnis bei drei mit Tuberkelbacillen intra¬
peritoneal infizierten Meerschweinchen. Während das unbe¬
handelte Tier am Ende der vierten Woche an Peritonitis tuber-
culosa zugrunde ging, blieben die beiden anderen Tiere, welche
mit Guajakol-Arsen vorbehandelt bezw. nach der Infektion
behandelt waren, am Leben; in der Bauchhöhle fanden sich bei
der späteren Tötung der Tiere nur vereinzelte kaum steck¬
nadelkopfgroße Tuberkeln sowie einzelne narbige Verdickun¬
gen am Peritoneum. In einer letzten Versuchsreihe wurden
drei Meerschweinchen subkutan mit Tuberkelbacillen infiziert-
während das unbehandelte Tier am Ende der fünften Woche
an generalisierter Tuberkulose zugrunde ging, blieben die
beiden anderen Tiere, welche mit Guajakol-Arsen vorbehandelt
bezw. nach der Infektion behandelt waren, am Leben und
zeigten nach ihrer Tötung nur ganz zerstreut und vereinzelt
ui den inneren Organen winzig kleine Tuberkeln. — Nach
diesen experimentellen Ergebnissen ist das Guajakol - Arsen
als wirkliches und echtes Antituberkulosum anzuseheu; und
zwar wirkt das Arsen spezifisch gegen die Tuberkelbacillen,
während das Guajakol durch Vermehrung der Ausscheidungen,
insbesondere der Diurese als Specificum gegen die giftigen
Stoffwechselprodukte der Tuberkelbacillen wirkt. R. L.
Dr. Weidenbaum (Neuenahr): Physikalische Therapie in der
internen Medizin. (Medizin. Klinik, 1910, No. 31.)
Verfasser hat seit fünf Jahren bei geeignet erscheinenden
Krankheitsfällen die Bier sehe Methode angewandt und gibt
einen Bericht über seine Erfahrungen. Zunächst wurden bei
akuter und subakuter Leberanschwellung nach Katarrh und
bei Cholelithiasis am rechten Rippenbogen entlang große
Schröpfköpfe aufgesetzt. Jedoch genügt es nicht, die Luft nur
so weit zu verdünnen, daß eine Rötung der Haut eintritt, son¬
dern Haut und Muskel müssen als Kuppel in die Glocke hin¬
einragen und die Stauung muß so stark sein, daß die Haut
durch ausgetretenes Blut dunkelblau verfärbt erscheint. Un¬
gefähr fünf Minuten lang hat der Patient dann das Gefühl einer
starken Spannung, durch die er sich in der Atmung behindert
fühlt. Dann schwindet dieses unangenehme Gefühl und gleich¬
zeitig die durch die Leberanschwellung verursachten Schmer¬
zen. Die Schröpfköpfe ließ Verfasser 14, mitunter bis zu einer
ganzen Stunde aufsitzen. Nach Abnahme der Schröpfköpfe
bleiben die Patienten meistens einige Zeit von den Schmerzen
verschont. Durch Wiederholung der Prozedur gelingt es auf
solche Weise, die Schmerzen und auch die Ursache derselben,
die Leberanschwellung in relativ kurzer Zeit zum Schwinden
zu bringen. Ganz auffallend ist die Wirkung häufig während
einer Gallensteinkolik in Erscheinung getreten, indem der An¬
fall unter der Einwirkung der Schröpfköpfe schwand. Bei den¬
selben Leiden hat Verfasser auch den Heißluftkasten ange¬
wandt, häufig abwechselnd mit den Schröpfköpfen. Der Hei߬
luftkasten ist vorzuziehen bei Empfindlichkeit der Haut, bei
nervösen Patienten, in Fällen, in denen wegen Druckempfind¬
lichkeit ein heißer Umschlag nicht vertragen wird. Den Hei߬
luftkasten ließ Verfasser ein-, eventuell zweimal täglich eine
Stunde einwirken. Vorzügliches leistete der Heißluftkasteu
ferner bei Nephro]ithiasis, und zwar in der anfallfreien Zeit,
wo ein anhaltendes Schmerz- und Druckgefühl in der Nieren¬
gegend, ein Zwicken in der Ureterenrichtung die Patienten
nicht zur Ruhe kommen ließ. Bei der Nierenkolik selbst sind
die Schröpfköpfe vorzuziehen. Man setzt sie möglichst fest
auf die Nierengegend auf. Selbst schwere Anfälle mit starken
Blutungen im Gefolge konnten auf diese Weise ohne Narko-
ticum ausgehalten werden. Verfasser gewann dabei den Ein¬
druck', daß die Dauer der Anfälle wesentlich kürzer war als
sonst. In einer größeren Anzahl von Fällen mit Polyneuritis
diabetica wandte Verfasser passive Hyperämie der'Glieder
durch Stauungsbinden an. Wo alles versagt hatte, interne
Mittel, hydriatische und thermische Applikationen, auch die
sonstigen physikalischen Methoden im Stiche gelassen hatten,
führte die Anwendung der Stauungsbinden zum Ziele. Die
Binden blieben fast beständig liegen. Sie wurden zwar mehr¬
mals am Tage losgemacht, aber nur um sofort etwas höher oder
tiefer wieder angelegt zu werden. Dabei ist allerdings die
RUNDSCHAU 1910. No. 40.
1 größte Vorsicht geboten, weil sehr leicht unter dem Drucke
der Binde gerade beim Diabetiker Dekubitus entsteht. Be¬
sonders gute Dienste leistet der Heißluftkasten bei Sensibili¬
tätsstörungen au den Füßen, die von den Patienten als
pelziges Gefühl unter den Fußsohlen bezeichnet werden und
bei Diabetes mellitus und Arteriosklerose vielfach Vorkommen.
I Endlich macht Verfasser noch auf die Anwendung großer
Schröpfköpfe bei Atembeschwerden aufmerksam. Bei Asthma
bronchiale, Emphysema pulmonum, Dyspnoe infolge Insuffi-
cientia cordis brachte die Applikation von einigen großen
Schröpfköpfen — am besten zwischen den Schulterblättern —
, stets eine sofortige- wesentliche Erleichterung und bei konse¬
quent längere Zeit hindurch fortgesetzter Anwendung auch
wirkliche Besserung. In einem Falle von Urämie gelang es
auf solche Weise, die Dyspnoe und die Krämpfe vollständig zu
inhibieren. K r.
Prof. Dr. Best (Dresden): Zur topischen Diagnose der Hemi¬
anopsie. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 34.)
Verfasser bespricht die topische Diagnose der homonymen
Hemianopsie, d. h. die Symptome, auf Grund deren man den
Ort der Leitungsunterbrechung mit einer gewissen Sicherheit
bestimmen kann. Entweder kann es sich dabei um eine Zer¬
störung in der Hirnrinde handeln und zwar in der Gegend der
Fissura calcarina oder um eine subcorticale Leitungsunter¬
brechung zwischen Rinde und Austritt der Tractus optici oder
um eine Läsion des einen Tractus. Je nachdem sind ver¬
schiedene Symptome zu erwarten. Denn nach Eintritt der
Tractus in das Gehirn zweigen die motorischen Bahnen für den
Lichtreflex der Pupille sowie für reflektorische Augen¬
bewegungen von der Sehbahn ab, und die Sehfasern selbst
müssen sich zwecks Vermittelung besonderer Beziehungen der
beiden Netzhäute zueinander noch teilen. Man hat demnach
Verschiedenheiten in bezug auf die Pupille, das Festhalten
der Fixation und Form des Gesichtsfeldes zu erwarten je nach
dem Sitz der Erkrankung, welche die Hemianopsie veranlaßt.
Und zwar ergibt sich folgendes: Bei Rindenhemianopsie findet
sich keine gerade Linie durch den Fixierpunkt als Gesichts¬
feldgrenze, sondern meist eine Makulaausparung; keine
Pupillenstörungen, positiver Ausfall der Augeneinstellung beim
Wilbrandsehen Prismenversuch. Letzterer besteht in fol¬
gendem: Wenn man eine weiße Marke auf gleichmäßig dunkler
Wand fixieren läßt und durch Vorsetzen eines Prisma (von
14" und mehr) mit der brechenden Kante nach der Seite des
Gesichtsfelddefektes vor beide Augen die Marke für den
Patienten unsichtbar macht, dann wird mittels einer reflektori¬
schen Fixationsbewegung ein Patient mit corticaler Hemi¬
anopsie die fixierte Marke nicht verlieren, während bei
Tractushemianopsie die Marke aus dem Sehbereich ver¬
schwindet, d. h. keine Augeneinstellung beim Prismenversuch.
Außerdem bei Tractushemianopsie inkl. Läsion des Corpus
geniculatum externum geradlinige vertikale Gesichtsfeldgrenze
durch den Fixierpunkt; weitere Pupille auf dem der Hemi¬
anopsie gleichnamigen Augen. Für die intermediären Läsionen
zwischen Rinde und Austritt des Tractus fehlt noch eine ge¬
nügende Klärung. Verfasser schildert zur Veranschaulichung
dieser Verhältnisse einen von ihm genauer beobachteten Fall;
Suicidversuch eines 23 jährigen Mannes, Einschuß in der rech¬
ten Schläfengegend; die Kugel blieb in der Gegend der Sella
turciea rechts von der Medianebene stecken, wie eine spätere
Röntgenaufnahme ergab. Es besteht homonyme linksseitige
Hemianopsie, Gesichtsfeldgrenze nach links vollständig gerade,
durch den Fixierpunkt, beim Wilbrand sehen Prismenver¬
such keine einstellende Augenbewegung. Pupille rechts 3 mm,
links 4 5 mm weit. Beiderseits deutliche hemianoptisehe Reak¬
tion. Sehschärfe bei der Entlassung beiderseits r, / 5 . Es be¬
steht vorläufig keine Opticusatrophie. Hier ergibt der Sym-
ptomenkomplex in Uebereinstimmung mit dem Röntgenbild,
daß es sich um eine Tractusverletzung handelt.
Prof. Dr. Eugen Holländer (Berlin): Ueher einen Fall von
fortschreitendem Schwund des Fettgewebes und seinen kos¬
metischen Ersatz durch Menschenfett. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 34.)
Verfasser berichtet hier über einen merkwürdigen Fall
und bietet zugleich einen interessanten Beitrag zur kosmeti¬
schen Chirurgie. Ein 21 jähriges Mädchen, Choristin von Beruf,
magerte im Laufe von etwa sechs Jahren in der oberen Körper¬
hälfte einschließlich des Gesichts mehr und mehr ab, während
die untere Körperhälfte vom Nabel an normale weibliche
Formen zeigt. Es handelt sich also um eine hochgradige
Atrophie des Fettgewebes in der oberen Körperhälfte und
einen Ueberfluß an Fettansatz in der unteren Körperhälfte.
Das Gesicht bekam dadurch etwas Totenkopfähnliches, und
schließlich wurde dies Ausseheii der Patientin in ihrem Beruf
hinderlich, sie wurde brotlos. Die Affektion soll nach einem
schweren Schreck (plötzliche Tod des Vaters) eingesetzt haben.
Es handelt sich hier wahrscheinlich um eine Trophoueurose,
Um einen kosmetischen Ersatz für die durch den Fettschwund
No. 40.
611
THERAPEUTISCHE
veranlaßte Entstellung zu schaffen, nahm Verfasser in diesem
Falle eine subkutane Injektion von Menschenfett vor,
ein Verfahren, welches ihm seit vier Jahren für verschiedene
Zwecke gute Dienste leistet. Er gewinnt das Menschenfett aus¬
schließlich durch Operationen, z. B, bei der Entfernung von
Lipomen oder Netzhernien von sonst gesunden Menschen. Das
Fett muß, damit es hellgelb bleibt, in kleine Stücke zerschnitten
und von allem Bindegewebe befreit werden, dann wird es drei
Stunden im Wasserbade gekocht und in einen Krug geschüttet.
Am übernächsten Tage wird das Fett, welches bei der Zimmer¬
temperatur flüssig bleibt, abgegossen ohne den Satz, der sich
doch meist noch bildet, und dann wieder aufgekocht. Das dann
resultierende Fett kann, nachdem die Flaschenöffnung mit
Papier verschlossen ist, jahrelang aufbewahrt werden, ohne zu
verderben. Vor dem Gebrauch soll es noch einmal aufgekocht
werden. Das so bei Körpertemperatur eingespritzte Fett kann
man subkutan verstreichen; für kosmetische Zwecke ist es aber
nicht ganz geeignet, weil ziemlich schnell. Innerhalb von
Wochen, ein intensiver Abbau dieses artgleichen Fettes er¬
folgt. Für kosmetische Zwecke vermischt Verfasser jetzt das
Menschenfett mit Hammeltalg; diese Mischung hat bei Körper¬
temperatur eine breiige Konsistenz. Sie erfüllt auch den
Zweck, eine homogene Unterfütterung zu bilden, welche die
Mimik vollkommen unberührt läßt und dem Gesicht nichts
Starres gibt. Mit dieser Mischung wurde das ganze Gesicht der
Patientin ausgefüllt. Das flüssige Material läßt sich durch
dünne Kanülen einführen ohne besonderen Schmerz und fast
ohne Reaktion. Man muß dabei zunächst eine voluminösere
Füllung veranlassen, da ja der Menschenfettbestandteil später
verschwindet. Es restiert ein poröses Talggerüst, welches mit
dem Zwischengewebe eine organische Verbindung eingeht. Das
in dem Falle des Verfassers erzielte kosmetische Resultat ist
nach der beigegebenen Abbildung ein recht befriedigendes.
Das Mädchen konnte ihren Beruf wieder aufnehmen. R. L.
Dr. Ludwig Iloffinami (Stettin): Myositis ossificans traumatica
als Unfallfolge. (Medizin. Klinik, 1910, No. 31.)
Ein 57 jähriger Arbeiter fiel von einer ausgleitenden Leiter
herab und schlug mit dem linken Kniegelenk auf den zemen¬
tierten Fußboden; gleichzeitig fiel ihm ein Packen leerer Säcke
aus beträchtlicher Höhe von hinten gegen die linke Wade.
Mehrere Wochen nach dem Unfälle begann sich eine Ver¬
steifung des linken Fußgelenkes mit gleichzeitiger Spitzfu߬
stellung auszubilden.. Die Beobachtung in der Klinik ergab
folgenden objektiven Befund: Das linke Kniegelenk enthält
einen geringen Erguß. Die Streckung des linken Kniegelenks
ist normal, die Beugung geht bis 80", forcierte Beugung ist
schmerzhaft. Es besteht deutliches X-Bein links, in schwäche¬
rem Maße rechts. Bei Bewegungen fühlt man erhebliches
Knacken im linken Kniegelenk. Der linke Fuß steht in deut¬
licher Spitzfußstellung; das linke Fußgelenk ist aktiv fast gar
nicht, passiv nur wenig beugefähig, die Achillessehne ist straff
gespannt. Beim Stehen setzt Patient den linken Fuß vor und
senkt die linke Beckenhälfte. Bei zusammengestellten Fersen
berührt die linke Ferse den Boden nicht. Verkürzung des
linken Beines besteht nicht. Der Gang ist sehr beschwerlich.
Die Röntgenuntersuchung des linken Fußgelenkes ergab nichts
Abnormes, dagegen fand sich bei Untersuchung des linken
Unterschenkels in der Wade, dicht hinter dem Zwischenknochen¬
raum von Tibia und Fibula ein 10 cm langes, 1 cm breites, an
beiden Enden zugespitztes Knochenstück, das mit den beiden
Unterschenkelknochen nicht in Verbindung steht. Eine Stelle,
aus der das Stück von der Tibia oder Fibula abgesprengt sein
könnte, ist auf dem Itöntgenbilde nicht zu erkennen. Nach dem
objektiven Befunde besteht beim Patienten ein 10 cm langer
Muskelknochen in der linken Wade. Die Spitzfußstellung, die
Versteifung des linken Fußgelenkes und der beschwerliche
.lang sind dadurch verursacht. Ein ursächlicher Zusammen¬
hang des Muskelknochens und des Unfalles ist höchst wahr¬
scheinlich. Die Entstehung derartiger Verknöcherungen durch
Muskelentzündung (Myositis ossificans) ist eine häufiger be¬
obachtete Erscheinung; auch daß durch eine einmalige Ver¬
letzung (Stoß) eine derartige verknöchernde Muskelentzündung
hervorgerufen werden kann, ist mehrfach beschrieben worden.
Auf Grund des Gutachtens gewährte die Berufsgenossenschaft
dem Patienten eine Reute von 66-/ 3 pCt. K r.
.1. Grekow: Ueber Muskeltransplantation bei Defekten der
Bauchdecken. (Archiv f. klin. Chir., Bd. 91, H. 4.)
G. führte in der russischen Gesellschaft Pirogoffs
zwei Patientinnen vor, bei welchem zur Deckung umfang¬
reicher Defekte der Bauchwand Muskellappen aus den beiden
M. Sartorii bezw. des M. obliquns abdominus externus trans¬
plantiert worden sind. Eine besonders wichtige Bedingung Hil¬
den Erfolg der Muskelplastik ist — abgesehen von strenger
Asepsis und Erhaltung der nährenden Gefäße und der Nerven
— eine genügende Dimension des zu transplantierenden
Muskellappens, sowie feste Insertion des Muskels möglichst
den Defekt überdachend und überragend bei genügender
RUNDSCHAU 1910.
Spannung. Besonders erwünscht ist die Festnähung des zur
Transplantation gelangenden Muskels unmittelbar an die in der
Nähe vorhandenen Muskeln und Knochen, um dem Lappen
einen festen Stützpunkt zu geben. Bei umfangreichen Defekten
der Muse, recti abdominis und bei schlaffen Geweben empfiehlt
sich die totale Transplantation beider M. Sartorii, welche
in der Mittellinie durch Naht vereinigt werden. Es ist nicht
nötig, die transplantierten Muskeln unter der Fascie durchzu¬
leiten. Auf die Funktion der Extremität übt die Sartorius¬
plastik — soweit bis jetzt ersichtlich — keinen schädlichen Ein¬
fluß aus. Eine Atrophie des transplantierten Muskels tritt
augenscheinlich nicht ein, weil derselbe der neuen Funktion
sich rasch akkommodiert. Adler (Berlin-Pankow).
Prof. Dr. W. Kausch (Berlin-Schöneberg): Zur Technik der
Amputation bei Gangrän und Phlegmone. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 34.)
Verfasser berichtet hier über zwei Fälle, in denen er
wegen Gangrän und Phlegmone Amputationen der unteren
Extremität vornehmen mußte und ein von der üblichen Tech¬
nik abweichendes Verfahren der Amputation zur Anwendung
brachte. Im ersten Fall handelte es sich um einen 51 jährigen
Diabetiker, welcher bei mäßiger Diätbeschränkung .laiire hin¬
durch 0.5 pCt. Zucker ausschied und mäßige Arteriosklerose
hatte. Ein unbedeutendes Wundsein am F’uße zog eine Gangrän
der großen Zehe mit anschließender Phlegmone nach sich.
Trotz mehrerer kleiner und zwei großer Eingriffe: Mittelfu߬
exartikulation (Chopart) und Unterschenkelamputation
schritt die Phlegmone fort und erreichte schließlich die Grenze
des unteren und mittleren Oberschenkeldrittels, ohne Anzeichen
des Stillstandes. Der Diabetes war inzwischen in die schwerste
Form übergegangen; es bestand Acidosis mit beginnendem
Koma. Auch Eiweiß war im Urin in beträchtlichem Grade
vorhanden. Dieses schwere Bild änderte sich mit einem
Schlage, nachdem Verfasser die Amputation in der Mitte des
Oberschenkels, nicht weit von der Grenze der Phlegmone ent¬
fernt, ausgeführt hatte. Bei dieser Amputation wandte er
folgende Technik an: Es wurde der ganze Oberschenkel, Haut,
Muskulatur und Knochen in einer und derselben Ebene durch¬
trennt und die ganze Wunde offen gelassen. Der weitere Verlauf
rechtfertigte dies Vorgehen. Die Wunde heilte gut, wobei die
Weichteile sich hinter den Knochen zurückzogen; dann wurde
ein Extensionsverband mit einer Belastung von ‘2—4.5 kg an¬
gelegt, wodurch, die Weichteile sich allmählich über den
Knochen, legten, so daß sie ihn schließlich völlig überdeckten.
Nach vier Wochen wurde dann die sehr verkleinerte Wunde
mit Heftpflaster zusammengezogen und war in einigen Wochen
verheilt. Der Patient ist inzwischen bei 1 Liter Milch täglich
zuckerfrei geworden, auch die Albuminurie ist sehr zurück¬
gegangen. Der Amputationsstumpf ist wenig empfindlich; der
Kranke geht jetzt mit künstlichem Bein, ln dem zweiten Fall,
bei einem 60 jährigen Manne mit arteriosklerotischer Gangrän
machte Verfasser am Unterschenkel die Amputation in einer
Ebene; hier mußte 66 Tage später jedoch die suprakondyläre
Amputatio femoris angeschlossen werden, weil in der Musku¬
latur sich zwei Höhlen gebildet und ein schmaler Streifen
Haut sich abgestoßen hatte. — Verfasser begründet diese neue
Amputationstechnik näher und empfiehlt sie prinzipiell bei
Brand und Phlegmone. Sie gibt die größtmögliche Sicherheit
vor dem Weiterschreiten der beiden Prozesse und verschafft
dem Patienten eine möglichst lange Extremität. Bevor zur
Reamputation geschritten wird, ist ein Gewichtszugverband an¬
zulegen, der das zu reamputierende Knochenstück verkleinert
oder die Reamputation selbst überflüssig machen kann. R. L.
Dr. Gustav Orglmeister, Assistent der Deutschen chirurgischen
Universitätsklinik in Prag: Zur Frage der Operationsmethode
hei Genu valgum. (Beiträge zur klin. Chirurgie, 1910,
Bd. 67.)
Als souveräne Behandlungsmethode bei Genu valgum
adolescentium bezeichnet Verfasser die lineare suprakondy¬
läre Osteotomie des Femur nach Mac E w e n. Sie lieferte
ihm in den meisten Fällen kosmetisch wie funktionell vor¬
zügliche Resultate. Sie ist auch noch angezeigt in den Fällen
von Mitbeteiligung der Tibia an der Deformität, sowie — wegen
ihrer leichten Ausführbarkeit und völligen Gefahrlosigkeit —
in jenen leichten und mittelschweren Fällen von Genu valgum
adolescentium, in denen die Tibia in überwiegendem Maße
an der Deformität beteiligt ist, während Verfasser die Tibia-,
bezw. Tibia- und Fibulaosteotomie reserviert wissen möchte
für alle jene schweren Fälle, in denen die Tibia ausschließlich
oder nahezu ausschließlich Sitz der Verkrümmung ist. Die
Ergebnisse M. v. B r u n s in betreff einer späteren Streckung
des Knickungswinkels nach der Femurosteotomie kann Verf.
vollinhaltlich bestätigen. Es steht nach Verfasser zu erwarten,
daß die Heftpflasterextension mittels der neueren Semifiexions-
schiene zur Nachbehandlung der nach Mac E w e n Osteoto-
mierten sich vorzüglich eignen und der bisherigen Behandlung
mit Gipsverbänden überlegen sein wird.
612
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910. No. 40.
Dr. Kurt Witthaiier (Halle a. S.): llaiitdesinfektion mit Jothiou.
(Medizin. Klinik, 1910, No. 81.)
Verfasser bringt eine von ihm schon 1908 im „Zeutralblatt
für Gynäkologie“ empfohlene Desinfektionsmethode in Erinne¬
rung, die der G r o ss i c h sehen Methode an Bequemlichkeit
nicht nachsteht. Als Jodpräparat benutzte Verfasser das
Jothiou, welches, chemisch gebunden, ungefähr 80 pCt. Jod
enthält und rasch und tief in die Haut eindringt. Selbst nach
Einreibungen kleiner Mengen kann man die erste Jodreaktion
im Harn und Speichel schon nach % Stunde nachweiseu. Da
nun Engels am hygienischen Institut der Universität Mar¬
burg sehr gute Desinfektionsresultate mit dem '2proz. Lyso-
form-Alkohol erzielte, so hat Verfasser den Lysoform-Alkohol
mit dem Jothiou zur Hautdesinfektiou kombiniert. Sein Vor¬
gehen gestaltet sich nun folgendermaßen: Am Tag vor der
Operation wird das Operationsgebiet nach einem Vollbad rasiert
und in der Nacht aus alter Gewohnheit noch ein 2 proz. Kor-
malin-Prießnitz aufgelegt, dessen Bedeutung Verfasser aber
nicht besonders hoch einschätzt. Auf dem Operationstisch
wird dann die Haut gründlich mit Gazebäuschen, die mit 2 proz.
Lysoform-Alkohol getränkt sind, abgerieben und dann mit
sterilem Tuch sorgfältig abgetrocknet. Dann wird mittels eines
mit 12 proz. spirituöser Jothionlösung getränkten und an einer
Klemme befestigten Gazebausches das Operationsgebiet mehr¬
fach angepinselt; die Flüssigkeit dringt rasch in die Haut ein
und verschwindet. Nach Beendigung der Operation werden vor
Beginn der Naht nach Anlegen frischer Schlitztücher die Wund¬
ränder nochmals mit Jothionlösung abgerieben. Verfasser hat
bei dieser Desinfektion niemals eine Reizung der Haut be¬
merken können, was er als einen wesentlichen Vorzug vor
dem Gebrauch der Jodtinktur betrachtet.
Dr. Hans Rubritius, I. Assistent der Prager chirurgischen Klinik
des Prof. W ö 1 f 1 e r: Ein Beitrag zur chirurgischen Behand¬
lung des chronischen Magengeschwürs und seiner Folge¬
erscheinungen. (Beiträge zur klin. Chirurgie, 1910, Bd. 67.)
Wölfl er hat mit der Gastroenterostomie eine Operation
angegeben, welche namentlich bei der Behandlung gutartiger
Magenerkrankungen ausgezeichnete Dienste zu leisten imstande
ist. Die Gastroenterostomie ist imstande, die am Pylorus sitzen¬
den Geschwüre, die narbige Pylorusstenose, das Ulcus duodeni
zur Heilung zu bringen; sie beeinflußt blutende Geschwüre
günstig und bewirkt auch bei Fällen von Perigastritis ein voll¬
ständiges Schwinden der Beschwerden. Von den Geschwüren
des Magenkörpers werden kleine, noch nicht mit der Umgebung
verwachsene, also nur bis zur intakten Serosa reichende Ge¬
schwüre ebenfalls durch die Gastroenterostomie zur Heilung
gebracht. Die Resektion ist indiziert bei carcinomverdächtigen
Geschwüren und bei großen, stark verwachsenen kallösen Ge¬
schwüren der Magenmitte; bei letzteren Geschwüren ist die
Riedelsche quere Magenresektion am Platze. In der
Gastroenterostomia anterior mit Braunscher Anastomcse
und der Gastroenterostomia posterior mit kurzer zuführender
Schlinge, beide mit doppelseitiger fortlaufender Seidennaht aus¬
geführt, besitzen wir nach Verfasser zwei Methoden, welche
beide gleich Gutes leisten und niemals eine Störung, wie
Circulus vitiosus, ergeben. Bei Fällen von Pylorusstenose mit
sekundärer Magendilatation ist, wenn letztere schon sehr lange
besteht und hochgradig ist, die Gastroenterostomie manchmal
nicht imstande, die motorische Insuffizienz zu beheben und
normale Aciditätsverhältnisse zu schaffen. K r.
\V. Kolm: Nehenverletzungen lind Komplikationen bei der
Operation des Mastdarmkrebses. (Archiv f. klin. Chir.,
Bd. 91, H. 14.)
An der Hand des Materials von Baye r (Prag) aus den
Jahren 1895 bis 1909 bespricht K. die zahlreichen Komplika¬
tionen des Mastdarmkrebses beim Manne. Am häufigsten sind
Verletzungen der Urethra, der Prostata, der Blase und der
Ureteren. Blasenlähmungen, Cystitiden, Einreißen des Mast¬
darmes bei der Auslösung sind nicht selten und meist bedenk¬
liche Komplikationen. Ausführlich mitgeteilt werden ein Fall
von Prostatacareinom mit Uebergreifen auf das Rektum und
ein Fall von stenosierendem Carcinom der Flexur mit gleich¬
zeitig bestehenden multiplen Dannadhäsionen und Diarrhöen.
Erst die Operation klärte den Sachverhalt auf. Unter 68 Fällen
sind 8 Dauerheilungen registriert. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Franz Fischer (Berlin): Beitrag zur Kasuistik der Selbst-
heilung bei Gallensteinen. (Medizin. Klinik, 1910, No. 31.)
Eine Ende der 50 er Jahre stehende Frau bekam vor sechs
Jahren plötzlich kolikartige Schmerzen in der rechten Seite,
die vom Rippenbogen in den Rücken und ins Kreuz ausstrahl¬
ten. Sie dauerten einige Stunden, schwanden dann aber ebenso
schnell nach heißen Kataplasmen, wie sie gekommen waren.
Diese Anfälle wiederholten sich innerhalb 214 Jahren öfter
alle zwei bis drei Wochen, blieben aber auch manchmal
monatelang aus. Der Stuhl war nach den Koliken heller als
sonst, hier und da grauweiß. Die chemische Untersuchung des
bierbraunen Harns ergab die Anwesenheit von Gallensäuren.
Ikterus war stets deutlich ausgeprägt. Vor 314 Jahren setzten
die Koliken mit größerer Stärke ein, dauerten acht Tage lang
und konnten nur durch große Dosen Morphium vorübergehend
| gelindert werden. Das Erbrechen und der Ikterus bestanden
| in gleicher Weise wie bei den früheren Anfällen, dagegen war
I der Stuhl jetzt kreidefarbig. Die Erscheinungen sprachen für
| Inkarzeration eines Steines im Ductus choledoehus. Nach drei
| Tagen konnte Verfasser eine taubeneigroße Resistenz in der
Gegend der Gallenblase fühlen. Diese vergrößerte sich, ohne
daß dabei Fieber auftrat, langsam in. vier Wochen bis zur
Größe einer Faust. Stundenweise kolikartige Schmerzen, be¬
ständig dagegen ein starkes Spannugsgefühl. Im Verlaufe von
% Jahren wuchs der Tumor unter den vorher geschilderten
Symptomen derartig, daß er nach dieser Zeit nach unten in die
Ileocoecalgegend, medianwärts dreifingerbreit vom Nabel und
lateralwärts bis zur vorderen Axillarlinie reichte. Unter den
heißen Umschlägen, durch welche die Kranke sich am besten
Schmerzlinderung verschaffen konnte, veränderte sich das Bild
in weiteren vier Wochen wesentlich. 14 Tage später zeigte
sich über der Ileocoecalgegend eine walnußgroße Rötung und
Vorwölbung der Haut, die in einigen Tagen dünner und
| glänzend wurde und deutlich fluktuierte. Die demnach zu er¬
wartende Perforation erfolgte denn auch am folgenden Tage.
Als Verfasser einige Stunden nach dem Durchbruch zu der
Patientin kam, entleerte sich aus der Perforationsöffnung reich¬
lich grünlichgelbe, zähflüssige, schleimziehende Flüssigkeit, in
der er Gallensäuren und Muzin nachweiseu konnte. In der
Perforationswunde saß ein Stein, der sich leicht entfernen ließ.
Er war sechskantig, braunrot, von der Größe einer Haselnuß.
Beim Sondieren gelangte Verfasser in einen schräg nach oben
ziehenden Kanal durch die Bauchdecken und stieß nach 4 cm
auf einen harten Widerstand, den er für einen Stein ansprach.
Im Verlaufe von 14 Tagen kamen denn auch noch 5 Sleine
| zum Vorschein, von derselben Größe und Farbe, wie der erste
[ Stein, vier- bis achteckig. Die Fistelöffnung blieb ein Viertel¬
jahr bestehen und entleerte beständig, aber immer weniger
dieselbe Flüssigkeit. Der Tumor schwand allmählich ganz,
nur fühlte man einen derben Strang, der von der Fistelöffnung
in die Gegend der Gallenblase zog. Gleichzeitig schwand all¬
mählich der Ikterus, der Harn nahm wieder die normale Farbe
an. Seit einem Jahr ist nunmehr die Fistel völlig geschlossen
und Patientin hat keinerlei Beschwerden mehr. Nach dem
Verlauf dieses Falles neigt Verfasser zu der Ansicht, daß es
) sich vor 314 Jahren um eine Einklemmung eines Steines im
Anfangsteile des Ductus choledoehus handelte, die einen kom¬
pletten Verschluß desselben herbeiführte. Infolgedessen kam
I es zu einer Stauung der Galle, die zu einer starken Erweite-
j rung der Gallenblase führte. Die lange Stauung bildete eine
[ Ursache für eine Cystitis und Pericystitis, an die sich Ver¬
klebungen. Adhäsionen mit dem Peritoneum bei gleichzeitig
weiterer Ausdehnung der Gallenblase anschlossen. Immer
weitergehende Verklebungen und Abkapselungen mit Druck¬
nekrosen, zum Teil durch die starke Ausdehnung, zum Teil
durch die Steine selbst bedingt, führten dann zur Gangbildung
| und Perforation. Da sich wahrscheinlich auch Verwachsungen
| der Inkarzerationsstelle mit der Gallenblase und Nekrose der
j Zwischenwand im Laufe der Zeit gebildet hatten, so ist viel-
( leicht nach dem Durchbruche der Bauchdecken der ein¬
geklemmte Stein in die Gallenblase perforiert, oder er ist bei
| dem plötzlichen Abfluß der Galle durch Saugwirkung in die
Gallenblase zurückgezogen worden. Letzteres erscheint Verf.
| wahrscheinlicher. K r.
A. Alapy: Der Darmverschluß der Kinder. (Archiv für klin.
Chirurgie, Bd. 91, H. 4.)
Auf Grund von 45 auf der chirurgischen Abteilung des
Brody-Kinderkrankenhauses in Budapest binnen 12 Jahren
selbst beobachteten Ileusfällen bei Kindern entwirft A. ein an-
i sehauliches klinisches Bild der wichtigen und diagnostisch oft
recht schwierigen Erkrankung. Die Anamnese ist oft lücken¬
haft. weil eine Verständigung mit den kleinen Kindern oft
nicht möglich ist. Wo Angaben gemacht werden, sind sie oft
unzuverlässig. Andererseits ist die Palpation durch die meist
dünnen Bauchdecken leichter, als bei Erwachsenen. Rechnet
man die wenigen Ausnahmefälle ab, so muß die Ursache des
Dannverschlusses im Kindesalter in zwei pathologischen
Gruppen gesucht werden: Die eine ist die Entzündung
des Wurmfortsatzes mit ihren verschiedenen Folgezu¬
ständen, die andere ist die Invagination. Unter allen mitge¬
teilten 45 Fällen finden sich nur 5, welche zu keiner dieser
zwei Gruppen gerechnet werden können. Diese waren: 1 Fall
von traumatischem Ileus, ein paralytischer Ileus nach Darm¬
resektion, ein Heus infolge von transperitonealer Nierenruptur,
ein Fall von Meckel schein Divertikel und ein Fall von tuber¬
kulöser Peritonitis. Alle übrigen Fälle gehören entweder der
Appendicitis oder der Invagination an.
No. 4Ö. ’
THERAPEUTISCHE
Der appendicitische Ileus kann in recht verschiedenen
Formen zur Beobachtung kommen, nämlich als
1. dynamischer Ileus der akuten Entzündung,
2. Adhäsionsileus der akuten Entzündung,
3. Strangulation nach Abklingen des akuten Stadiums,
4. irühe Form des postoperativen Verwachsungsileus,
5. späte Form desselben,
6. Darmverschluß infolge progredienter Peritonitis,
7. Darmverschluß durch Douglasabsceß,
8. reflektorischer spastischer Darmverschluß,
9. Darmverschluß durch den im Bruchsack eingeklemmten
oder daselbst entzündeten Wurmfortsatz,
10. Ileus im Gefolge der diffusen Bauchfellentzündung.
Im Gegensatz hierzu ist die Gruppe des durch Invagination
bedingten Ileus einheitlich. Sei die Ursache der Invagination
noch so verschieden, das Krankheitsbild ist nahezu dasselbe.
Eines der wertvollsten diagnostischen Merkmale ist die an¬
wesende oder mangelnde Bauchdeckenspannung. Der Mangel
dieses Zeichens in sämtlichen vom Verf. beobachteten Fällen
von Invagination hat das wichtigste differentialdiagnostische
Moment zur Unterscheidung von der Appendicitis gebildet. Die
Therapie des kindlichen Darmverschlusses unterliegt anderen
Gesichtspunkten als bei Erwachsenen. Rasches und schonen¬
des Operieren ist oft Lebensbedingung. Die Enterostomie
kommt häufiger zur Anwendung als bei Erwachsenen und wirkt
oft lebensrettend. Sie wirkt nicht nur palliativ, sondern kann
die dauernde Heilung herbeiführen. Die Invagination soll
tunlichst durch Desinvagination und nur ausnahmsweise durch
Resektion beseitigt werden. Das Mißlingen der Desinvagina¬
tion beruht nicht auf dem Vorhandensein von Verwachsungen,
sondern auf mangelhafter Technik. Bei Anwendung des
Hutchinson sehen Verfahrens gelingt die Desinvagination
fast ausnahmslos. Ein Versuch, durch Einläufe die Invagi¬
nation zu beheben, ist zwar gerechtfertigt, sollte aber nur von
kurzer Dauer sein. Mißlingt er, so muß unverzüglich zur Ope¬
ration geschritten werden. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. M. Mekkas, Assistenzarzt der chir. Klinik zu Bonn: Zur
Behandlung der ßlasenektopie. Umwandlung des aus-
geschalteten Coecum zur Blase und der Appendix zur
Urethra. (Zentralbl. f. Chir., 1910, No. 33.)
Der Fall betrifft ein 12 Jahre altes Mädchen, geistig zurück¬
gebliebenes Kind mit typischer ßlasenektopie und Vaginal-
atresie. Erste Operation am 12. Mai 1910. Eröffnung des
Bauches durch einen 12 cm langen hypogastrischen Längs¬
schnitt durch den rechten Rektus. Das Coecum ist nach außen
durch flächenhafte Adhäsionen fixiert. Lösung der Adhäsionen
und komplette Ausschaltung des Coecum mit blindem Ver¬
schluß beider Enden. Das ausgeschaltete Stück ist etwa 8 cm
lang und läßt sich leicht bis zur Mittellinie vorziehen. Zwischen
dem blindverschlossenen lleum und dem Colon transversum
wird eine Anastomose Seit-zu-Seit angelegt. De» normal aus¬
sehende, etwa 7 cm lange Processus vermiformis wird nun
durch ein Knopfloch in den Bauchdecken unterhalb des Lapa¬
rotomieschnittes durchgezogen, sein distales Ende abgetragen,
und die Schleimhaut zirkulär an die Haut genäht. Bauch¬
deckennaht in drei Etagen. Vom 10. Tage au täglich Spülung
des Coecum mittels eines durch die Appendixöffnung einge¬
führten Nelatonkatheters. Die Kapazität des neuen Reservoirs
betrug in der ersten Zeit 120 ccm, ging dann auf 100 ccm her¬
unter und blieb konstant. Bei stärkerer Füllung klagte die
Patientin über Schmerzen. Die Spülflüssigkeit enthielt immer
etwas Schleim. Nachdem sich die Patientin vom ersten Eingriff
erholt hatte, wurde die zweite Operation am 18. Juni 1910 vor¬
genommen: Umschneidung der ektopischen Blase und Ab¬
lösung derselben von der Unterlage. Die Ureteren werden
4—5 cm weit stumpf ausgeschält, mit möglichst viel periurete-
ralem Gewebe, um ihre Ernährung nicht in Frage zu stellen.
Sodann wurde der Bauch durch einen Längsschnitt in der
Mittellinie eröffnet. Es liegt das ausgeschaltete, rechts neben
der Mittellinie au der vorderen Bauchwand adhärente Coecum
vor. Die mobilisierte Blase kann ohne Spannung bis an den
unteren Pol des Coecum gebracht werden. Die Ureteren ver¬
laufen dabei leicht bogenförmig mit der Konkavität nach vorn
oben, ohne abgeknickt zu sein. Eröffnung des Coecnm an der
hinteren Wand, ganz nahe dem unteren Pol und Implantation
des nach Anfrischung der Ränder etwa fünfmarkstückgroßen
Blasenlappens. Naht in zwei Etagen, Bauchdeckennaht, Tam¬
pon am unteren Wundwinkel. Durch die Appendixöffnung
wird ein Nelatonkatheter in das neue Reservoir eingeführt und
als Dauerkatheter belassen. Der Eingriff wurde sehr gut über¬
standen, die Patientin blieb dauernd fieberfrei. Der Harn lief
ungehindert durch den Dauerkatheter ab. Mehrmals täglich
Spülung. Vom achten Tage ab wurde der Dauerkatheter zu¬
gestopft und alle 2—3 Stunden die neue Blase entleert. Die
Kapazität der Blase betrug anfangs 100 ccm, steigerte sich aber
schon in den nächsten Tagen wesentlich. Vier Wochen nach
der Operation ist der Zustand der Patientin folgender: Sie ist
außer Bett, fieberfrei. Das Mädchen trägt einen Dauerkatheter,
R UNDSCH AU 191Ö._ _ _ 013
der durch einen Stöpsel geschlossen wird. Am Tage muß die
Blase alle 3—4 Stunden entleert werden, in der Nacht nicht.
Die Kapazität beträgt 300—325 ccm. Wenn man bei gefüllter
Blase den Katheter herauszieht, lijuft der Urin nicht aus. Es
scheint, daß der Urin durch eine Art Ventilverschluß, vielleicht
durch die Gerlachsche Klappe zurückgehalten wird. Diese
Kontinenz ist aber keine absolute; denn bei Bewegungen tropft
zuweilen etwas Harn al). Die täglichen Harnmengen betragen
1000—1200 ccm. Der Urin ist durch Schleimflocken getrübt,
eiweißfrei. Im Sediment mäßig viele Leukocyten und Blasen-
epithelien.
Dr. Bruno Glaserfeld, Arzt in Berlin- Schöneberg: Bemerkungen
zur Behandlung des akuten Harnröhrentrippers des Mannes.
(Die Therapie der Gegenwart, Augustheft 1910.)
Die akute Gonorrhoe des Mannes kann nach der Ueber-
zeugung des Verfassers nur durch eine lokale Therapie zur
vollkommenen Heilung gebracht werden. Bei jedem Tripper
muß daher kurz nach Aufhören der allerersten entzündlichen
Erscheinungen eine sachgemäße Injektionskur mit einem der
neueren Silberpräparate eingeleitet werden. Daß diese Kur
trotzdem oftmals nicht zum gewünschten Ziel führt, liegt fast
nur an der unrichtigen Ausführung des Spritzens durch den
Patienten. Hat der Arzt dem Patienten die genauen Vorschrif¬
ten für die Technik des Spritzens gegeben, so hat er die Pflicht,
bald nach der Verordnung den Patienten selbst während der
Injektion zu kontrollieren. Wer sich diese kleine Mühe macht,
der wird die unglaublichsten Fehler beim Spritzen des Patien¬
ten sehen und erkennen, warum die Injektionskur bei dem
betreffenden Patienten bisher erfolglos verlief. Zu jeder
Tripperbehandlung gehört in den ersten 8—10 Tagen Bettruhe
Diese selbstverständliche Verordnung wird leider nicht überall
durchgeführt: einmal liegt dies an dem Unverstand der Laien,
dann aber auch an dem Umstande, daß diese Forderung noch
nicht Allgemeingut der Aerzte geworden ist. Die lokale Be¬
handlung wird zweckmäßig durch eine interne medikamentöse
unterstützt. Die gebräuchlichsten Mittel, die bisher ange¬
wandt wurden, waren Balsamica (Baisamum Copaivae, Cubebae
und Oleum Santali). Leider bewürben sie sämtlich unange¬
nehme Nebenerscheinungen, so daß man öfters von ihrer An¬
wendung Abstand nehmen muß. Es ist daher als ein Fort¬
schritt zu betrachten, daß wir seit kurzem ein neues Balsam¬
präparat im Handel haben, welches die Vorteile der Balsame
ohne ihrelästigenNebenwirkungen aufweist: das A11 o s a n. Das
Allosan hat den Vorzug, ein fester Körper zu sein und kommt
in Tablettenform zu 0,5 g in der üblichen Glasröhrenverpackung
in den Handel. Verfasser kann über die Wirkung des Allosans
in zirka 150 Fällen berichten. Es wurden gewöhnlich dreimal
täglich je 2 Tabletten gegeben. Die Patienten nahmen das
Präparat stets willig. Das Allosan ist ein fast geschmackloses
Präparat, reizt nicht im geringsten den Verdauungstraktus und
die Nieren. Auch macht sich das Allosan in der Exspirations¬
luft nicht unangenehm bemerkbar. Diese Eigenschaft des
Freiseins von allen Nebenwirkungen der Balsampräparate ist
der Hauptvorzug des Allosans. Im übrigen deckte sich seine
Wirkung beim akuten Tripper mit der der übrigen Balsame.
Die Schmerzen gingen stets bei dieser Behandlung, die sich
aus Bettruhe, blander Diät, Protargolinjektionen, und Allosan-
darreichung zusammensetzte, prompt zurück, der dicke Aus¬
fluß machte bald dünnflüssigem Sekret Platz, das ebenfalls
schnell verschwand. Verfasser ist weit entfernt zu behaupten,
daß in seinen Fällen durch Allosan eine Beschleunigung des
Heilverlaufes eingetreten ist; für gewöhnlich dauerte die
Heilung 4—5 Wochen. Allosan ist ferner natürlich nicht im¬
stande, Komplikationen des Trippers hintanzuhalten; daß Verf.
letztere sehr wenig auftreten sah, schiebt er vielmehr auf die
Bettruhe und die sachgemäßen Injektionen. Das Allosan
wurde fast ausschließlich bei der Gonorrhoea acuta anterior ge¬
geben. Bei der Gonorrhoea acuta posterior ist Verfasser von
der bewährten Medikation des Bürentraubentees und Urotro¬
pins nicht abgegangen. Die direkte Behandlung der hinteren
Harnröhre bestand in Irrigationen von schwacher Höllenstein¬
lösung mit dem U11z m a n n sehen Katheter; für gewöhnlich
waren nach 5—7 Spülungen sowmhl die subjektiven Beschwer¬
den verschw'unden, als auch der objektive Befund ein guter.
Kommt man durch diese Lokalbehandlung nicht gut vorwärts,
so ist in solchen Fällen die Endoskopie der gesammten Harn¬
röhre die wesentlichste Forderung, ohne welche jede weitere
Tripperbehandlung unmöglich ist. Die Behandlung der bei der
Urethroskopie gefundenden Infiltrate besteht in Aetzungenund
Dilatationen.
Privatdozent Dr. Anton Sitzenfrey, Assistent an der Universi¬
täts-Frauenklinik in Gießen: Die Nierenenthiilsung mit be¬
sonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung bei Eklampsie.
(Beiträge zur klin. Chir., 1910, Bd. 67.)
Verfassers Erörterungen führen zu dem Schluß, daß nur
bei den mit Oligurie oder Anurie einhergehenden Formen der
Urämie eine günstige Beeinflussung durch die Nierendekapsu-
614
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Ho. 40.
lation zu erhoffen ist. Hingegen fehlt uns hei jenen Urämie¬
fällen, die auf eine Zurückhaltung von harnfähigen Substanzen
bei guter, eventuell gesteigerter Diurese zu beziehen sind,
jedes Fundament, um eine heilsame Einwirkung der Nieren¬
entkapselung annehmen zu können. Verfasser will daher für
die beiderseitige Nierendekapsulation die Indikationsstelluug
S i p p e 1 s beibehalten und erachtet die Nierendekapsulation
bei Eklampsie dann für angezeigt, wenn nach erfolgter Ent¬
bindung die Harnresektion nicht oder nur ungenügend in Gang
kommt und durch andere Mittel nicht zu heben ist. Um über
das Einsetzen und die Dauer der Oligurie bezw. Anurie mög¬
lichst baldige und sichere Orientierung zu erlangen, empfiehlt
sich nach dem Vorschlag Bau m m s die fortgesetzte Fest¬
stellung der zweistündigen Harnmengen, wobei auch auf den
Blut- und Eiweißgehalt in den einzelnen Harnportionen zu
achten ist. Auf diese Weise werden auch kurz dauernde und
vorübergehende, aber sich wiederholende oligurische bezw.
anu rische Zustände nicht übersehen werden können, die auf
vorübergehende intrarenale Spannungserhöhungen, also auf
iutrarenale Druckschwankungen zu beziehen sind und schlie߬
lich in die gleichen schweren Nierenfunktionsstörungen über¬
gehen können, die durch länger währende, intrarenale Span¬
nungserhöhung vermehrt werden. Wie lange man bei Anurie
Eklamptischer zuwarten kann in der Absicht, oh nicht doch
spontan die Harnsekretion in Gang kommt, darüber fehlt uns
bis jetzt jeder Anhaltspunkt. Wir wissen zwar, daß sich bei
der kalkulösen Anurie die Patienten tage- und selbst wochen¬
lang wohl befinden können. Es wäre möglich, daß die so¬
genannten Kondensatoren (Vakuolen bezw. Granula) eine
Speicherung der zu eliminierenden Stoffwechselprodukte be¬
wirken und damit den Organismus trotz fehlender Harnabson¬
derung entlasten. Nach A. Fraenkel soll es erst dann zu
urämischen Intoxikationen kommen, wenn der Einstellung der
exkretorischen Funktion der Niere noch die Insuffizienz ihrer
inneren Sekretion folgt. Verfasser pflichtet daher auch hin¬
sichtlich der Anurie bei Eklampsie der von A. Fraenkel für
die kalkulöse Anurie aufgestellten Forderung hei, nach welcher
die durch den gesteigerten intrarenalen Druck geschädigte
Niere so bald wie möglich operativ zu entlasten ist, damit unter
der Stockung ihrer exkretorischen Funktion nicht auch die
innere Sekretion gefährdet wird; denn das ist gleichbedeutend
mit dem verhängnisvollen Einsetzen der urämischen Ver¬
giftung. Allerdings -wird man bei der Anurie Eklamptischer
immer berücksichtigen müssen, ob sie nicht im Anschluß au
einen operativen Eingriff eingetreten und soweit auf reflek¬
torische Nerveneinflüsse zurückzuführen ist; solche Anurie-
formen pflegen jedoch bald nach der Operation zu schwinden.
Solange das Wesen der Eklampsie nicht ergründet ist, haben
alle unsere therapeutischen Eingriffe bei der Bekämpfung
dieser Krankheit — die Schnellentbindung vielleicht ausge¬
nommen — nur den Wert symptomatischer Heilmittel.
Dr. Strempel, Sekundärarzt der ehir. Abteilung des Barmer
städtischen Krankenhauses: Zur Indikationsstellung und
Technik des extraperitonealen Kaiserschnittes. (Medizin.
Klinik, 1910, No. 26.)
Verfasser berichtet über einen Fall von extraperitonealem
Kaiserschnitt, der eine 2S jährige I para betrifft, die gegen
9 Uhr abends ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Früh
gegen 6 Uhr war die Blase gesprungen und die Wehen hatten
begonnen, waren aber dauernd sehr schwach gewesen. Von
der Hebamme und dem Arzt war verschiedentlich untersucht
worden, schließlich soll auch ein Zangenversuch gemacht wor¬
den sein. Als der nun zugezogene Frauenarzt die Frau sah
bekam sie gerade ihren ersten eklamptischen Anfall und wurde
darauf sofort dem Krankenhause überwiesen zum klassischen
Kaiserschnitt. Beim Eintreffen im Krankenhaus hatte sie noch
drei weitere Anfälle und bekam während der Vorbereitung
zur Operation noch zwei Anfälle. Temperatur 97,2, Puls 120.
Es fand sich eine zw-eite Schädellage, Herztöne 120. Enge
Weichteile, mäßig verengtes Becken, Diagonalis 10 cm. Kopf
in beginnender Konfiguration in hinterer Scheitelbeinein¬
stellung, fest auf dem Beckeneingang, Blase gesprungen. Da
ein schonender Versuch, den Kopf mit hoher Zange ins Becken
zu ziehen, vergeblich war, schritt Verfasser zur Entbindung
durch extraperitonealen Kaiserschnitt.
Indem Verfasser die Indikationsstellung zur Operation er¬
örtert, scheidet er zwischen den Entbindungsmöglichkeiten, die
sich bei diesem Falle in der Praxis draußen und im Kranken¬
hause bieten. Eine Indikation war hier für jeden Fall ge¬
geben, nämlich mit Rücksicht auf die Eklampsie die Indikation
zur schleunigen Entbindung. Für die Verhältnisse der all¬
gemeinen Praxis lautete die Fragestellung nun folgender¬
maßen: Als entbindende Operationen kamen nur in Frage: bei
Erhaltung des kindlichen Lebens entweder die Wendung oder
die hohe Zange nach mehrfachen Muttermundsinzisionen, oder
unter Opferung des Kindes die Perforation. Die Wendung war
in diesem Falle bei dem Feststand des Kopfes auf dem Becken¬
eingang und den durch die mehrfachen eklamptischen Anfälle
außerordentlich gesteigerten Kontraktionen des Uterus nicht
mehr möglich. Aehnlich stand es mit der Anwendung der
hohen Zange. Nun wäre also für den Praktiker nur noch ein
Entbindungsverfahren in Frage gekommen, nämlich die Perfora¬
tion des vorliegenden Kopfes mit folgender Extraktion. Ganz
anders stellt sich die Frage der Operationsanzeigen im
Krankenhaus mit seinem Komfort von Assistenz, Instrumen¬
tarium usw. Hier wäre eine bedingungslose Opferung des
kindlichen Lebens bei einiger geburtshilflicher Schulung des
Arztes als Kunstfehler zu bezeichnen gewesen. Zahlreich sind
die Methoden, die uns die operative Aera der Geburtshilfe zur
Schnellentbindung an die Hand gibt. Im vorliegenden Fall
boten sich nur zwei Möglichkeiten zur Schnellentbindung unter
Erhaltung des kindlichen Lebens: der alte klassische Kaiser¬
schnitt und der extraperitoneale cervicale Kaiserschnitt. Den
klassischen Kaiserschnitt glaubte Verfasser im vorliegenden
Falle unbedingt ablehnen zu müssen. 16 Stunden vor der Eiu-
lieferung ins Krankenhaus war bereits die Fruchtblase ge¬
sprungen und damit einer Infektion von der Scheide aus Tür
und Thor geöffnet. Diese Infektionsmöglichkeit war zur In¬
fektionswahrscheinlichkeit geworden dadurch, daß die Patientin
nach dem Blasensprung 6 mal von nicht durch sterilen Gummi¬
handschuh geschützter Hand, 2 mal dabei von der Hebamme,
untersucht worden war. Es blieb also im vorliegenden Falle
nur noch der extraperitoneale cervicale Kaiserschnitt zur
Schuellentbindung unter Erhaltung des kindlichen Lebehs
übrig. Zunächst ist durch diese Operation der Indikation zur
raschen Entleerung der Gebärmutter unter Erhaltung eines
unverletzten, lebensfrischen Kindes genügt worden. Dann aber
zeigt sich die Ueberlegenheit des extraperitonealen Operierens
gegenüber der klassischen Sectio caesarea mit Eröffnung der
Bauchhöhle schlagend durch den weiteren Verlauf. Zum
Schluß erörtert Verf. noch die Technik des extraperitonealen
Kaiserschnittes.
Privatdozent Dr. W. Schauenstein, I. Assistent der Frauen¬
klinik der Grazer Universität: lieber die Wirksamkeit des
Paltaufschen Antistreptokokkenserums bei puerperalen
Streptomykosen. (Beiträge zur klin. Chir., 1910, Bd. 67.)
Das Ergebnis seiner eigenen und der bisher veröffentlich¬
ten Beobachtungen über die Behandlung puerperaler Strepto¬
mykosen mit dem P a 11 a u f sehen Antistreptokokkenserum
faßt Sch. dahin zusammen, daß wir in demselben ein un¬
schädliches, Mittel besitzen, welches keine absolute Heilkraft
besitzt. Bei vielen Fällen jedoch, besonders wenn es frühzeitig,
also innerhalb der ersten drei bis vier Tage nach Beginn
der Temperatursteigerung, gegeben wird, hat es höchst
wahrscheinlich einen günstigen Einfluß auf den weiteren Ver¬
lauf der Erkrankung. Die rasche Entfieberung in diesen Fällen
und die eklatante Besserung des Allgemeinbefindens tritt in
so regelmäßiger Weise auf, daß die Annahme berechtigt er¬
scheint, dieses Verhalten als typische Reaktion des erkrankten
Organismus auf das P a 11 a u f sehe Antistreptokokkenserum
anzusehen. Es ergibt sich daraus schließlich die für die An¬
wendung des Antistreptokokkenserum wichtige Regel, mit der
Verabfolgung desselben niemals so lange zu warten, bis die
Infektionserkrankung so weit vorgeschritten ist, daß der Fall
ein hoffnungsloser oder nahezu hoffnungsloser geworden ist;
denn in diesen Fällen nützt es nichts mehr. Dadurch wird nur
ein Verfahren diskreditiert, das, frühzeitig in Anwendung ge¬
zogen, in vielen Fällen geeignet ist, den Organismus im Kampfe
gegen die Infektion zu unterstützen. K r.
Prof. P. Zweifel (Leipzig): Bolus alba als Träger der Infektion.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 34.)
Verfasser hat in seiner Klinik seit 1901 die Bolus alba
als Streupulver bei allen Nabelverbänden der Neugeborenen
verwendet, um die Nabelschnur möglichst auszutrocknen, und
dadurch Infektionen von der Nabelwunde aus zu verhüten. Bei
diesem Vorgehen wurde bis 1908 in zirka 10 000 Fällen keine
einzige Nabelentzündung oder Nabeleiterung mehr beobachtet.
Da die Argilla oder Bolus alba des Handels an sich nicht keim¬
frei ist, wird sie in des Verfassers Klinik vor der Verwendung’
mehrere Stunden lang durch trockene Hitze von 170" C. sterili¬
siert. Immer wurden einige Pfund in großen Tontöpfen in
einem Trockenschrank bei 170—200" C. der Hitze ausgesetzt.
Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln erkrankten ntfh nach mehr als
sieben Jahren vier Säuglinge an Tetanus, von denen drei
starben, während das vierte Kind durch hohe Dosen von
Tetanusserum gerettet wurde. Verfasser vermutet nun, daß
in der benutzten Argilla Tetanusbacillen enthalten waren, und
daß unglücklicherweise gerade diese Portion durch ein Ver¬
sehen des Hebammenpersonals nicht sterilisiert worden war;
denn durch eine dreistündige Erhitzung auf 170—200“ müssen
alle Tetanuskeime sicher getötet werden. Um sicher zu sein,
daß diese Hitze auch wirklich bis in die Mitte des Tontopfes
dringt, verwendet Verfasser als Kontrolle kleine offene, mit
No. 40.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
615
einem Deckel versehene Gläser, in welche aufrecht ein Blech¬
streifen einer Metalllegireung gestellt wird, welche bei 160° C.
schmilzt und dann platt am Boden liegt. Es fand sich nun,
daß nach einer Erhitzung von drei Stunden auf 170—200° C.
dieser im Tontopf befindliche Streifen immer geschmolzen
ist, woraus folgt, daß die Erhitzung der Bolus alba auf 170 bis
200" drei Stunden hindurch bei gewissenhafter Durchführung
schützen muß, selbst wenn die Bolus alba infiziert geliefert
wurde. Nach Verfasser gelten die gleichen Erwägungen für
alle in der chirurgischen Praxis verwendeten Streupulver, die
in ihrer Herstellung nicht eine Sicherheit gegen Infektions¬
keime bieten, auch für die Talkerde, welche massenhaft in und
an die Handschuhe gepulvert wird. Auch diese muß unbedingt
immer vor dem Gebrauch sterilisiert werden. Verfasser hat
in seiner Klinik für alle diese Pulver die erwähnte Kontrolle
eingeführt, daß jeder Tontopf vor dem Sterilisieren ein Probe¬
röhrchen aus Kaliglas mit rundem Boden und einem Blech¬
streifen der Metallegierung erhält und der Inhalt im Dienst
der Klinik nur benutzt werden darf, wenn der Streifen ge¬
schmolzen am Boden liegt. — Nach Verfasser sollte übrigens
auch für den internen Arzneiverbrauch die Bolus alba durch
trockene Hitze oder durch strömenden Dampf sterilisiert
werden.
Dr. Görl (Nürnberg): Die Sterilisierung der Frau durch
ltiintgenstrahlen. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 34.)
Verfasser berichtet über seine Ergebnisse in der gynäko¬
logischen Röntgentherapie. Es handelt sich dabei darum,
durch Röntgenbestrahlungen eine Sterilisierung herbeizuführen,
und zwar bei solchen Frauen, die an erschöpfenden Menor¬
rhagien und Metrorrhagien (klimakterische Blutungen, Blutun¬
gen bei Uterusmyomen) leiden, und bei denen die operative
Therapie aus irgend welchen Gründen kontraindiziert ist oder
von der Patientin abgelehnt wird. Verfasser hat 9 Patientinnen
bestrahlt, darunter fünf wegen Menorrhagien resp. Molimina
menstrualia bei verzögertem Klimakterium, vier mit Menor¬
rhagien auf Grund von Myomen. Die letzteren Kranken waren
zum Teil in einem sehr elenden Zustand; bei einer Frau be¬
stand gleichzeitig eine Nephritis und ein schwerer Herzfehler,
bei der anderen äußerste Anämie mit Thrombosierung der
Cruralvenen und schwerer Herzinsuffizienz. Es wurden in
allen Fällen, soweit sei sich regelmäßig behandeln ließen,
Besserungen oder Heilungen erzielt, indem die erschöpfenden
Blutungen nach einiger Zeit aufhören, der allgemeine Kräfte¬
zustand sich wieder hebt und die Herzbeschwerden ebenfalls
schwinden. Die erforderliche Anzahl von Röntgensitzungen
ist ziemlich groß, bei der einen Patientin waren 56 Sitzungen,
bei einer anderen sogar 85 Sitzungen notwendig. Das erklärt
sich dadurch, daß Verfasser sehr vorsichtig vorgeht, so daß es
nie zu einer Hautreizung oder sonstigen unangenehmen Neben¬
wirkungen kam. Es wurde stets mit harten Lampen bestrahlt
und zwar in einer Entfernung und Intensität, daß eine Sitzung
von 45 Minuten Dauer imstande gewesen wäre, ein mäßiges
Erythem der Haut hervorzurufen. Jede Sitzung wurde in drei
geteilt, d. h. es wurde jedesmal nur % Erythemdosis gegeben,
und zwar so, daß jede Hautpartie immer erst wieder nach acht
Tagen an die Reihe kam. Zuerst wurden immer die beiden
Ovarien, bei mageren Personen ohne, bei beleibteren mit Blei¬
tubus bestrahlt; diese werden hierdurch gleichsam für weitere
Röntgenstrahlen sensibilisiert, so daß auch die Strahlen,
welche in weiteren Sitzungen von der Flanke und dem Rücken
aus appliziert werden, eine energischere Wirkung ausüben
können. Bei diesem Verfahren kommt es höchsten zu einer
Braunfärbung der Haut. Die erste Bestrahlung soll immer
kurz nach der zuletzt dagewesenen Periode gemacht werden,
da die Röntgenstrahlen anfangs exzitierend wirken, so daß
die nächstfolgende Menstruation stärker wie bisher wird. Die
zweite Periode ist in Dauer und Blutmenge meist gleich denen
vor Beginn der Bestrahlung, während die nachfolgende Men¬
struation nur schwach, aber von längerer Dauer ist. Von da
an werden dann die Pausen zwischen den einzelnen Perioden
länger. Die allgemein stimulierende Wirkung der Röntgen¬
strahlen bringt subjektiv schon viel früher Besserung, indem
die Patientinnen ruhiger werden, Schlaf und Appetit be¬
kommen. Auch die Blutbildung geht rascher vor sich. Bei
keiner der Frauen machten sich AusfallserscheiAmgen be¬
merkbar. Die Sterilisierung mit Röntgenstrahlen hat nach
Verfasser bei Myomkranken auch eine günstige Wirkung auf
das Herz. Nach den bisherigen Erfahrungen gelingt also bei
entsprechender Ausdauer die Sterilisierung regelmäßig in ge¬
fahrloser Weise. R. L.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.—24. September 1910.
Allgemeine Sitzung.
Montag, 19. September 1910. 9 Uhr vormittags.
Referent L. Borchardt (Königsberg).
Nach einer Pause von 50 Jahren tagt in der alten Krönungs-
stadt Königsberg zum zweiten Male die Versammlung Deut¬
scher Naturforscher und Aerzte. Nicht ohne ein gewisses Be¬
denken war die Einladung der Stadt Königsberg an die Kon¬
greßleitung ergangen: vermag doch Königsberg durch seine ex¬
ponierte, von der großen Heerstraße abgelegene Lage und
durch die noch relativ junge Kultur des deutschen Ostens weit
weniger Anziehungspunkte zu bieten, als die meisten der ande¬
ren Kongreßstädte. Dazu kommt, daß Königsberg wohl auf
eine hervorragende politische Vergangenheit als älteste und
festeste Hochburg des Preußentums im Osten zu blicken hat
und daß seine wissenschaftliche Vergangenheit (ich nenne nur
die Namen Kant, Bessel, Bur dach, Helm holt z)
neben der anderer Universitätsstädte mit Ruhm bestehen kann;
daß auch Königsberg Zukunft zu den besten Hoffnungen Ver¬
anlassung bietet: aber seine Gegenwart kann auf den Fremden
günstigstenfalls nur den Eindruck einer sich ziemlich spät, aber
schließlich doch recht günstig entwickelnden Stadt hinterlassen.
Noch stehen die Festungsmauern und die Entwicklung der
Stadt über diese hinaus wird erst in einigen Jahren das Bild
einer in ihrer Expansion gehinderten und dadurch engen und
beengten Stadt beseitigen können.
Dafür bietet Königsbergs von den wenigsten gekannte Um¬
gebung, insbesondere die Samlandküste, die Kurische- Nehrung,
das Gebiet der Masurischen Seen auch für den Verwöhnteren
Reize von einer seltenen, allerdings — wie Lichtheim in
seiner Eröffnungsrede es treffend nannte — etwas spröden
Schönheit. Und so kam es, daß ein großer Teil der Kongre߬
teilnehmer bereits am Sonntag, den 18. September an der Steil¬
küste des Samlandes zubrachte, so daß die für den Abend an¬
gesetzte Begrüßung der Teilnehmer noch kein vollständiges
Bild von der Zahl der Beteiligten geben konnte.
Der Umgebung Königsbergs war auch ein relativ großer
Raum in den den Teilnehmern ausgehändigten Festschriften
geboten. Der rührige Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs
in Ostpreußen war mit einem ausgezeichneten Führer durch
Königsberg und seine Umgebung, sowie mit einem reich
illustrierten Bändchen „Ostpreußen“ vertreten, das über die
geologischen, klimatischen, geographischen und geschichtlichen
Verhältnisse der Provinz informiert. Die „Königsberger Allge¬
meine Zeitung“ spendete ein Büchlein „Königsberg in der
Naturforschung und Medizin“, in dem eine Reihe hervorragen¬
der Forscher über die Entwicklung der Medizin und Natur¬
wissenschaften in Königsberg berichten.
Am Montag, den 19. September fand in der großen Fest¬
halle des Tiergartens die feierliche Eröffnung des Kongresses
durch den ersten Geschäftsführer der diesjährigen Versamm¬
lung, Geheimrat Lichtheim, statt. Es folgte die Be¬
grüßung der Gäste namens der Regierung seitens des Ober¬
präsidenten v. W i n d h e i m , namens der Stadt durch
Oberbürgermeister Körte, namens der Universität durch den
derzeitigen Rektor M a n i g k und schließlich namens der Pro¬
vinz und Landesversicherungsanstalt durch Landesrat Pas¬
sarge. Nachdem der erste Vorsitzende, Herr Wien, den
Dank der Gesellschaft ausgesprochen und den Toten des ver¬
gangenen Jahres einige Gedenkworte gewidmet hatte, sprach
als erster Redner:
Herr Kiilpe (Bonn): Erkenntnistheorie und Naturwissen¬
schaft.
Der Vortragende zeigte zunächst, daß Kants Erkenntnis¬
theorie namentlich durch ihre transzendentale Methode zuerst
fruchtbare Wechselbeziehungen mit der Naturwissenchaft an¬
gebahnt habe. Aber seine Untersuchungen haben fast nur der
mathematischen Naturwissenschaft gegolten. Bei den gewalti¬
gen Fortschritten, die eine empirische Naturforschung auf allen
Gebieten seitdem errungen habe, sei es nunmehr an der Zeil,
auch sie unter den Gesichtspunkt der transzendentalen Methode
zu stellen. Als eines der Probleme, die sich dabei ergeben,
bezeichnete K ü 1 p e das der Realität, das er in vier besondere
Fragen zerlegte: Ist eine Setzung von Realitäten möglich?
(Prüfung des Konszientialisinus, der sie bestreitet.) Wie ist
eine Setzung von Realitäten möglich? (Begründung des all¬
gemeinen Realismus.) Ist eine Bestimmung von Realitäten
möglich? (Prüfung des Phänomenalismus, der sie bestreitet.)
Wie ist eine Bestimmung von Realitäten möglich? (Begrün¬
dung des speziellen Realismus.) Unter einer Realität versteht
er dabei jedes von der empirischen Naturwissenschaft gesetzte
und bestimmte Naturobjekt, die Gestirne des Astronomen, die
Pflanzen des Botanikers, die Elemente des Chemikers u. dergl.
616
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 40.
Daß diese nicht mit Empfindungen oder Komplexen von solchen
zusammenfallen, wie namentlich Mach behauptet hat, und
daß sie auch nicht als Begriffe zu charakterisieren sind, geht
aus den Beschaffenheiten und Beziehungen, die man ihnen bei¬
legt, unzweifelhaft hervor. Sie sind Gegenstände, die von der
setzenden und bestimmenden Tätigkeit des Forschers unab¬
hängig bestehend gedacht werden. Der Weg, auf dem man zu
ihnen kommt, ist etwa folgende]': In unserer Erfahrung finden
wir ein Geschehen vor, welches weder aus uns noch
aus unseren Sinneseindrücken abgeleitet werden kann. Die
Veränderungen in der leblosen und lebenden Natur werden
uns zwar an den Inhalten unserer Wahrnehmung bewußt, aber
sie sind diesen aufgenötigt, sie sind, um einen in der Physik
üblichen Terminus zu gebrauchen, für die Empfindungen er¬
zwungen. Die gleichen Sinneseindrücke können verschiedene
und verschiedene Sinneseindrücke können gleiche Verände¬
rungen erfahren. Die räumliche oder zeitliche Ordnung, in die
sie geraten, die Wandlungen in ihrer Qualität und Intensität
und in derartigen Beziehungen sind für die Empfindungen, an
denen wir sie beobachten, und vielfach auch für die Sinnes¬
organe zufällig. Sie bilden ein fremdgesetzliches, das reale
Geschehen, das auch der Konszientalist zugesteht. Dieses Ge¬
schehen aber muß, wenn es den Bewußtseinserscheinungen
aufgenötigt ist, in realen Prozessen seine Quelle haben, an
reale Objekte, die es in primärer Weise ausführen und er¬
fahren, gebunden sein. Ist das der Weg, den die Naturwissen¬
schaft einschlägt, um zur Erkenntnis der Körperwelt zu ge¬
langen, so ist damit zugleich das Verfahren der Realisierung,
der Bestimmung von Naturgegenständen gegeben. Sie muß
nach dem Prinzip erfolgen: alle Realitäten der Natur sind so
zu denken, daß sie fähig und geeignet erscheinen, das durch
Abstraktion in allen Einflüssen des beobachtenden Subjekts
festgestellte reale Geschehen an sich stattfinden zu lassen. Die
Körper sind damit Inbegriffe von Möglichkeiten des realen Ge¬
schehens oder Träger desselben. Damit ergibt sich von selbst,
daß sie nur soweit erkennbar sind, als die real zu deutenden
Veränderungen und Beziehungen unserer Sinneseindrücke dazu
Veranlassung geben. Das Ziel der Realisierung ist damit in
die Unendlichkeit gerückt. Hierauf ist der Mangel an Ein¬
deutigkeit in der jeweils geltenden Anschauung über die Natur
und ihre Bestandteile und deren Zusammensetzung zurückzu¬
führen. Ebenso erklären sich daraus die Helmholtzsehe
Bestimmung der Empfindungen als Zeichen für die Natur¬
objekte und die H e r t z sehe Ansicht, daß unsere Gedanken¬
dinge nur ein Bild oder Modell der realen Natur sein können.
Der Vortragende schloß mit einem Appell an die Naturforscher,
sich den Realismus durch konszientialistische und phänomena-
listische Grämlichkeiten nicht verleiden zu lassen. Erkenntnis¬
theorie und Naturwissenschaft gedeihen am besten, wenn ihre
Aufgaben reinlich geschieden werden. Die erkenntnistheoreti-
sierenden Naturforscher leisten für die Erkenntnistheorie in
der Regel ebensowenig, wie die ästhetisierenden Künstler
für die Aesthetik. Die transzendentale Methode setzt eine ge¬
wisse Naivetät der Wissenschaft voraus, auf die sie angewandt
werden soll. Unter dem Zeichen dieser Naivetät sind den
großen Naturforschern aller Zeiten ihre Entdeckungen ge¬
lungen. Ueberlassen wir die Erkenntnistheorie den natur¬
wissenschaftlich unproduktiven, aber die Naturwissenschaft ver¬
stehenden Philosophen.
Herr Gramer (Göttingen): Pubertät und Schule.
Die Pubertät fällt in die Jahre, wo die Entwicklung der
Organe, vor allem des Gehirns, zu einem gewissen Abschluß
kommt; gerade in dieser etwa vom ,13.—21. Jahre zu rechnen¬
den Zeit geht zum großen Teil die letzte Entwicklung der
feineren Elemente des Gehirns, speziell der Hirnrinde, vor
sich, gleichzeitig erfolgt die geschlechtliche Reife, auch bilden
sich die sekundären Geschlechtscharaktere aus. Dement¬
sprechend ändern sich die Stoffwechselvorgänge, häufig von
manischen Zuständen und deren Folgeerscheinungen be¬
gleitet.
Großes Interesse beansprucht die psychologische Seite der
geistigen Entwicklung in der Pubertät; .das Gehirn hat in dieser
Zeit eine Riesenarbeit zu bewältigen, weil aus dem in Kurz¬
schlüssen denkenden und urteilslos handelnden Kinde ein auf
Grund abstrakter Vorstellungen selbständig urteilendes Indi¬
viduum wird. In den Beginn der Pubertät spielen noch viel¬
fach kindliche Züge hinein.
Egoismus, Fehlen von Hemmungen, sehr lebhafte Phan¬
tasie und Eifersucht, ein meist nur kurz fassendes Gedächtnis
und namentlich bei mangelhafter Erziehung eine Neigung zu
Grausamkeit und Eifersucht. Dabei handelt es sich bei schein¬
bar selbständigen Urteilen der Kinder fast immer um aus¬
wendig gelernte, gewöhnlich nicht lange haftende Assoziationen.
Erst mit dem Fortschreiten der normalen Entwicklung in der
Pubertät tritt die Fähigkeit ein, in abstrakten Vorstellungen
auf Grund eigener Urteile zu denken. Zunächst zeigt sich dies
in Aeußerlichkeiten, in dem Bestreben z. B., in Kleidung und
Haartracht usw. dem Erwachsenen zu gleichen, weiterhin in
dem gesteigerten Selbstgefühl, das in großen uferlosen Ideen,
Plänen und häufig in einer Neigung zum Dichten und Kompo¬
nieren äußerlich in Erscheinung tritt. Gleichzeitig macht das
rücksichtslose und schroffe Urteil des Jünglings den Eltern
und Erziehern oft viele Schwierigkeiten. Das Elternhaus und
Schule werden als unangenehmer Zwang bekämpft. Der Vater
ist rückständig, der Lehrer ein Tyrann etc.; bei dem weiblichen
Geschlechte findet man das bekannte eigentümlich gezierte
und überschwängliche Wesen der Backfische. Mit dem weite¬
ren Fortschreiten der Pubertät erwirkt der Mensch bei nor¬
maler Entwicklung allmählich immer mehr die Fähigkeit, ab¬
strakt zu denken und auf Grund selbständiger Schlüsse zu
handeln; gleichzeitig bilden sich die nötigen Hemmungen, die
ethischen und altruistischen Vorstellungen aus.. In der Puber¬
tät differenziert sich auch die individuelle Neigung und Ver¬
anlagung, wie auch die ersten kriminellen Ausschläge fast
immer in die Pubertät fallen. Allerdings spielt aber auch das
Milieu eine Rolle, denn eine große Anzahl unserer Jugend¬
lichen ist nach dem Verlassen der Schule ohne jede Zucht und
Aufsicht und nichts imponiert der Jugend in diesem Alter
mehr, als die Auflehnung gegen alles, was Ordnung und Ge¬
setz heißt. Es kann daher nicht dringend genug eine gesetz¬
liche. Fürsorge für diese jugendlichen Delinquenten gefordert
werden, nur so läßt sich die zunehmende Kriminalität erfolg¬
reich bekämpfen.
Große Schwierigkeiten entstehen, wenn psychopathische
Erscheinungen hinzutreten. Die Psychopathie tritt häufig erst
in der Pubertät deutlich hervor, auch können später auftretende
ausgesprochene psychische Störungen und Schwachsinnszustände
mit ihren Wurzeln bis in den Beginn der Pubertät zurück¬
reichen. Der Schwachsinn ist in dieser Zeit oft schwer nach¬
zuweisen, zeichnet sich aber manchmal in dieser Zeit schon
durch kriminelle Ausschläge aus; ein anderer Teil fällt durch
Reizbarkeit, Unfähigkeit abstrakt zu denken und zunehmendes
Versagen in den höheren Klassen auf. Deutlich treten gewöhn¬
lich in der Pubertät die klinisch als Degeneration bezeichneten
psychopathischen Züge und Charaktereigenschaften zutage:
Zwangszustände, Angstaffekte, außerordentlich gesteigerte Im¬
pulsivität, labile Stimmung und starke ethische Defekte. Hier¬
her gehören auch die Fälle von Schülerselbstmorden, bei denen
zum großen Teil sicher der psychopathische Charakter und die
degenerative Veranlagung die Hauptrolle spielen.
Eine leichtere Form psychopathischer Störung bilden die
bei beiden Geschlechtern im Beginn der Pubertät oft auftreten¬
den Fälle auffallender Zerstreutheit; falls keine intellektuellen
Störungen vorliegen, bessern sich diese Zustände später häufig
wieder. Wichtig sind auch die gerade in der Pubertät ein¬
setzenden, durch zu rasches Wachsen und Stoffwechselverände-
‘ rangen bedingten anämischen Störungen und auch gewisse
i hysterische Züge. Befreiung vom Schulunterricht oder wenig¬
stens von den nicht unbedingt erforderlichen Stunden und Be¬
lehrung der Erzieher über den Zustand der Patienten, Aufent¬
halt im Hochgebirge oder an der See, womöglich in noch weiter
auszubauenden höheren Lehranstalten, wirken bei aus¬
gesprochen anämischen Zuständen äußerst vorteilhaft, während
viele Psychopathen leicht verbummeln und später nur schwer
wieder lernen können, wenn man sie aus der Schule nimmt.
Es muß deshalb in solchen Fällen streng individualisiert
werden.
Die aus diesen Betrachtungen sich ergebenden Lehren sind
dahin zusammenzufassen: Nicht allzuviel Milde gegenüber der
heranwachsenden Jugend in der Pubertät, sondern stramme
Schuldisziplin, für den Erzieher aber die Notwendigkeit, sich
selbst mit der Klinik der Pubertät immer vertrauter zu machen,
um schwachsinnige und psychopathische und beim weiblichen
Geschlecht namentlich auch hysterische Individuen zu deren
eigenem und der anderen Kinder Besten zu berücksichtigen
und eventuell, wo das erforderlich ist, aus dem gemeinsamen
I Unterricht zu entfernen.
(Fortsetzung folgt.)
III. ßücherschau.
Das menschliche Auge und seine wichtigsten Erkrankungen.
Von Dl'. W. Klingelhöffier, Augenarzt in Offenburg (Baden).
Veröffenftichungen des Vereins für Volkshygiene, Heft 19.
München und Berlin 1910, Druck und Verlag von R.Olden-
b o u r g. 54 S. 0,30 M.
Der Verfasser der vorliegenden Schrift hat seine Aufgabe,
in für jeden, auch den weniger Gebildeten verständlicher Weise
die wichtigsten Tatsachen aus der Anatomie, Physiologie und
Pathologie der Augen zu schildern, in durchaus zufrieden¬
stellender Weise gelöst. Alles was er vorbringt, zielt darauf
hin, das große Publikum über die Hauptpunkte einer ratio¬
nellen Gesundheitspflege der Augen aufzuklären. Zu diesem
Zweck bespricht er kurz die Refraktionsanomalien und sonsti¬
gen funktionellen Störungen der Augen, den Nutzen der Brillen,
die wichtigsten Erkrankungen der Bindehaut und Hornhaut
No. 40.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
sowie die Augenverletzungen, er gibt selbstverständlich keine
Anweisungen zur Selbstbehandlung, sondern weist eindringlich
aul die Notwendigkeit hin, bei jeder, auch leichten Störung
möglichst frühzeitig sachkundige ärztliche Hilfe nachzusuchen,
um zu verhüten, daß aus leichten heilbaren schwere unheil¬
bare Erkrankungen werden. Zum Schluß geht er kurz auf das
Wesen des grauen Stars und des Glaukoms ein und erwähnt
schließlich die Erkrankungen des Augenhintergrundes und
ihren Zusammenhang mit Allgemeinleiden. Die Schrift wird
hoffentlich, falls sie Eingang in weitere Kreise findet, so
manchen von dem gefährlichen Pfuschen an seinen Augen ab¬
halten. Eine Reihe brauchbarer Abbildungen sind zur Er¬
gänzung des Textes beigegeben.
Zur Entstehungsgeschichte des Krebses und der anderen echten
Geschwülste. Von Dr. A. Liibbert in Hamburg. Hamburg
1909, Kommissionsverlag von Conrad Behse, Spezial¬
buchhandlung für Medizin und Naturwissenschaften. 15 S.
1 M.
Nach der hier vorgetragenen Theorie bilden die echten Ge¬
schwülste sich aus besonderen Zellkomplexen, die sich von
den normalen Zellverbänden ablösen, diese Keimzentren sind
durch Kernbefruchtung ursprünglich normaler Zellen ent¬
standen. Diese Kernbefruchtung aber wird dadurch ermög¬
licht, daß durch Protoplasmaschädigungen Zellkerne frei wer¬
den, und daß diese freien Zellkerne durch die Kerne
anderer Zellen assimiliert werden, wenn diese zur Er¬
haltung nötigen Baumaterialien aus ihrem geschädigten
Protoplasma nicht mehr aufnehmen können. Die in
ihrem Bestand bedrohte Zelle will sich damit helfen,
daß sie die nötige Kernsubstanz aus anderen Zellen
an sich reißt, welche bereits so weitgehend geschädigt sind,
daß das Protoplasma die Zellkerne freigegeben hat. Das
Resultat dieser Verschmelzung sind Zellen von ganz außer¬
ordentlichem Fortpflanzungstrieb, aber ebenso großer Labilität,
weil es sich ja um Elemente handelt, bei denen die Fort¬
pflanzung in einseitiger Weise utriert ist, während für eine
normale Ernährung unter Ausbildung von Protoplasma fast
nichts geschieht. Es erklärt dies den leichten Zerfall, welchen
man besonders bei schnell wachsenden Tumoren beobachtet;
ferner, daß vor allem diejenigen Zellen zur progredienten Ge¬
schwulstbildung tendieren, welche wenig Zwischensubstanz
haben, wie die Epithelien, weil hier der Verkehr von Zelle zu
Zelle erleichtert ist. R. L.
Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder.
Herausgegeben von dem geschäftsführenden Ausschuß.
Bd. V., H. 4. Berlin 1910, Verlag von August Hirsch¬
wald.
Das vorliegende Heft enthält den Bericht über die dies¬
jährige Hauptversammlung, den wir s. Z. im Auszug gebracht
haben, die genauen Bedingungen des von der Gesellschaft aus¬
geschriebenen Wettbewerbs (vgl. vorige Nummer, S. 548) so¬
wie zahlreiche auf die Entwicklung des Badewesens im Deut¬
schen Reiche bezügliche Notizen.
IV. Tagesgeschichte.
Slandesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Leipzig. Der Verband der Aerzte Deutschlands, der in
der Oeffentlichkeit so vielfach angefeindete Leiziger Ver¬
band, konnte am 13. September auf eine 10 jährige Tätigkeit
zurückblicken. Während dieser Zeit griff er in etwa 1700 Kon¬
flikte zwischen Aerzten und Krankenkassen usw. ein — natür¬
lich nur auf ausdrückliches Ersuchen der beteiligten Aerzte
bezw. der zuständigen ärztlichen Lokalorganisationen. Zur
Unterstützung in Not geratener Aerzte und Arztwitwen ver¬
ausgabte er über 2% Millionen Mark. Durch seine Stellenver¬
mittlung brachte er (seit 1904) etwa 17 000 Bewerber in Prakti¬
kanten-, Vertreter-, Assistenten-, Schiffsarzt- und Praxisstellen
unter. Die Zahl seiner Mitglieder beträgt heute 23 500.
Universitätswesen, Personalnachricliten.
Berlin. Prof. Dührssen ist zum Ehrenmitglied der
brasilianischen Akademie für Medizin zu Rio de Janeiro er¬
nannt worden.
Greifswald. Auf den durch den Weggang von Prof.
Payr vakant gewordenen Lehrstuhl der Chirurgie ist der diri¬
gierende Arzt am städtischen Krankenhaus in Altona, Prof.
Fritz König, ein Sohn des jetzt im Ruhestande lebenden
Chirurgen Prof. Franz König, berufen worden.
Königsberg i. Pr. Als Nachfolger des nach Jena
gehenden Prof. E. Lexer ist Prof. Payr in Greifswald hier¬
her als ordentlicher Professor der Chirurgie berufen worden.
Johannisburg. Der Kreisarzt Dr. T h 0 m a 11 a , der
617
aus politischen Gründen mit dem Landrat seines Kreises in Kon¬
flikt geriet, ist „im Interesse des Dienstes“ nach Lüden¬
scheid in Westfalen versetzt worden. (Vgl. „Allg. Med.
Central-Ztg.“, 1910, S. 361.)
Breslau. Dr. Carl Prausnitz, der seit drei
Jahren in London als Bakteriologe im dortigen städtischen
Dienst tätig ist — er hat, nachdem er 1901 in Breslau die ärzt¬
liche Staatsprüfung absolviert hatte, vor kurzem auch die eng¬
lische Approbation erlangt —, ist als Nachfolger von Prof.
Heymann als Assistent am hygienischen Umversitätsinstitut
und Leiter der Tollwutstation hierher berufen worden.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Berlin. Für den nächstjährigen Deutschen Kongreß für
innere Medizin ist als Hauptverhandlungsthema festgesetzt:
Pathologie und Therapie der Diathesen.
R o m. Der nächste internationale Tuberkulosekongreß
findet im April 1911 in Rom statt.
Gerichtliches.
Halle a. S. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung wurde
ein hiesiger Zahntechniker K. zu sechs Monaten Gefängnis ver¬
urteilt. Er hatte eine Frau in lokaler Anästhesie, während der
sie in Ohnmacht verfiel, statt des verlangten einen nicht weniger
als vierzehn Zähne extrahiert und sie darauf in ihrer Be¬
täubung eine Bestellung auf ein künstliches Gebiß unter¬
schreiben lassen. Als die Frau später die Annahme des Ge¬
bisses verweigerte, wurde sie von K. verklagt. Darauf er¬
stattete sie ihrerseits Anzeige gegen K. wegen Körperver¬
letzung. In der Verhandlung wurden noch mehrere ähnliche
Fälle festgestellt, die obenein zu Kieferfrakturen geführt hatten,
sowie ferner, daß K. zur Heranziehung von Kunden eine ganze
Reihe von Reisenden in Land schickte.
Verschiedenes.
Berlin. Der Reichsausschuß für das ärztliche Fort¬
bildungswesen hat soeben seinen Jahresbericht 1909/10 er¬
scheinen lassen, der eine erschöpfende Uebersicht über den
derzeitigen Stand des ärztlichen Fortbildungswesens im Deut¬
schen Reiche gibt. Wir machen unsere Leser auf das von Prof.
Dr. R. Kutner sorgfältig redigierte Heft hiermit besonders
aufmerksam.
— Die preußischen Tierärztlichen Hochschulen
haben soeben das Promotionsrecht (Verleihung des Titels
Dr. med. vet.) erhalten, das bisher von deutschen Universitäten
nur die hessische Landesuniversität Gießen besaß.
— Die bekannte Firma Reiniger, Gebbcrt & Schall, A.-G.
in Erlangen und Berlin hat auf der Weltaustellung in
Brüssel drei große Preise (Grand Prix) erhalten und zwar
in den Gruppen: Medizin und Chirurgie, wissenschaftliche In¬
strumente. verschiedene Anwendungen der Elektrizität.
Marburg. Nach einer Meldung der „Hess. Landes-
Zeitung“ ist zugunsten des vor kurzem zu einer längeren Ge¬
fängnisstrafe verurteilten Krankenbehandlers D i k 0 m e i t
(cf. No. 38, S. 535) an den Kaiser ein mit 3000 Unterschriften
unterzeiehnetes Gnadengesuch gerichtet worden. Ferner hat
man eine Sammlung für denselben veranstaltet, die einen Be¬
trag von 800 M. ergeben hat. (Jedes Volk hat die Kurpfuscher,
die es verdient! Red.)
Leipzig. Ein Krankenwärter, der von 1901 bis 1911
bei einer Versicherungsgesellschaft gegen Unfall versichert
war, zog sich 1907 bei der Pflege Geschlechtskranker eine
gonorrhoische, Entzündung des rechten Auges zu, die
den Verlust des Sehvermögens auf diesem Auge zur
Folge hatte. Der Verein, der den Wärter versichert
hatte, klagte gegen die Versicherung auf Zahlung einer Rente
von 360 M. jährlich bis zum Tode des Verunglückten. Alle drei
Instanzen, zuletzt der 7. Zivilsenat des Reichsgerichts, gaben
dem Verein Recht.
München. An den drei bayerischen Landesuniversi¬
täten, München, Erlangen und Würzburg, werden in
Verbindung mit den hygienischen Instituten bakteriolo¬
gische Untersuchungsanstalten errichtet, die den Zweck haben,
für öffentliche Behörden und Anstalten, dann für Aerzte
bakteriologische Untersuchungen vorzunehmen und Gut¬
achten hierüber zu erstatten. Die Anstalt in München umfaßt
die Kreise Oberbayern, Niederbayern und Schwaben, die An¬
stalt in Erlangen die Kreise Oberpfalz und Regensburg, dann
Mittelfranken und die Anstalt in Würzburg die Kreise Pfalz,
Oberfranken und Unterfranken und Aschaffenburg. Die An¬
stalten werden ihre Wirksamkeit am 1. Januar 1911 beginnen.
Odessa. Der durch sein eigenartiges Interesse für
medizinische Dinge bereits mehrfach bekannt gewordene Stadt¬
hauptmann, General Tolmatschow (vgl. „Allg. Med.
Central-Ztg.“, 1910, No. 35, S. 439) hat sich kürzltch wieder ein
kostbares Stück auf diesem Gebiete geleistet. (S. Moskauer
Brief der „Münch, med. Wochenschr.“, No. 38.) Als vor
kurzem der Oberarzt der syphilitischen Abteilung des hiesigen
618
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 40.
Stadtkrankenhauses Versuche mit ..Ehrlich-Hata 60S“ beginnen
wollte, wandte er sich an den dirigierenden Arzt des Kranken¬
hauses um die erforderliche Genehmigung. Dieser wagte
jedoch nicht, aus eigener Machtvollkommenheit eine Entschei¬
dung zu treffen und ging daher den Medizinalinspektor um die
Sanktion an. Auch dieser zweiten Instanz schien die Sache
zu heikel; man hielt es für geraten, sie dem gestrengen Herrn
Stadthauptmann selbst zu unterbreiten. General T o 1 m a -
t s c h o w zeigte sich bei dieser Gelegenheit wieder einmal
seiner verantwortlichen Stellung durchaus gewachsen:
mit dem Mute einer durch keine Sachkenntnis getrübten Ueber-
zeugung dekretierte er ohne weiteres, das Ehrlich sehe Prä¬
parat sei ein Pfuschermittel und dürfe daher im Krankenhause
nicht verwendet werden.
Die Cholera kann im Kreise Marienburg als erloschen
gelten, da weitere Fälle nicht mehr gemeldet worden sind.
Auch sonst sind im Deutschen Reiche in der vorletzten Woche
Cholerafälle nirgendwo vorgekommen. In Ungarn dagegen
scheint die Epidemie langsam an Ausdehnung gewonnen zu
haben.
Krankheitsstatistik. In Preußen wurden im Jahre 1909 im
ganzen 957 Erkrankungsfälle an übertragbarer Genickstarre
festgestellt. Von diesen endeten 499 tötlich; die Sterblichkeits¬
ziffer betrug also über 52 pCt.
— Im Jahre 1909 wurden in Preußen 406 Verletzun¬
gen von Menschen durch tolle oder der Tollwut ver¬
dächtige Tiere amtlich gemeldet. Diese Zahl ist erheblich
höher als die des Vorjahres und die höchste in den letzten
sieben Jahren. Die Zahl der Verletzungen war in den Vor¬
jahren: 1902: 250; 1903: 307; 1904: 365; 1905: 374; 1906: 367;
1907: 405; 1808: 295. Es ereigneten sich in der wärmeren
Jahreszeit (April bis September 222 Fälle, in der kälteren
(Januar bis März und Oktober bis Dezember) 177 Fälle. Auch
im Jahre 1909 war also die Zahl der Verletzungen im Sommer¬
halbjahr größer als in den kühleren Monaten, was jedoch nicht
für alle Bezirke zutrifft; so fallen im Rbz. Trier von 29 Ver¬
letzungen 25 auf den Dezember und nur 4 auf den August. Auf
die einzelnen Provinzen verteilen sich im Jahre 1909 (1908)
die Fälle folgendermaßen: Schlesien 133 (124), Ostpreußen 98
(51), Rheinprovinz 64 (6). Posen 56 (68), Westpreußen 41 (28),
Hessen-Nassau 10 (—), Brandenburg 2 (3), Pommern 2 (—),
Westfalen — (7), Sachsen — (5), Hannover — (3).
Bei einem Vergleich mit dem Vorjahre ergibt sich eine
Zunahme der Fälle in den Provinzen Schlesien, Ostpreußen
und Westpreußen sowie in der Rheinprovinz und in Hessen-
Nassau und Pommern; eine Abnahme ist in der Provinz Posen
und Brandenburg festzustellen; verschont blieben die Pro¬
vinzen Sachsen, Hannover und Westfalen. Die Zunahme ist
am erheblichsten in den Regierungsbezirken Allenstein, Trier.
Coblenz, Oppeln und Gumbinnen. In den östlichen Provinzen
sind wiederum diejenigen Regierungsbezirke besonders stark
beteiligt, die die russische Grenze in weiterer Ausdehnung be¬
rühren. Die Verletzungen wurden durch 204 Tiere zugefügt,
außerdem zogen sich bei der Pflege zweier tollwutkranker
Menschen 19 Personen Verletzungen zu. Unter den 204 Tieren
befinden sich 190 Hunde, 5 Katzen, 3 Pferde, 4 Rinder, 1 Ochse
und 1 Kuh. Die Hunde verletzten 364, die Katzen 8, die
PfeTde 5, die Rinder 8 Personen, der Ochse und die Kuh je 1.
Nach der näheren Untersuchung wurden 252 Menschen von
sicher tollwutkranken Tieren verletzt, 8 Menschen von sicher
nicht tollwutkranken Tieren; bei 146 Verletzten wurde, soweit
dies aus den Berichten hervorgeht, nicht sicher nachgewiesen,
ob bei dem Tiere Tollwut Vorgelegen hatte oder nicht. Von
den 406 Verletzten unterzogen sich 374 der Schutzimpfung nach
Pasteur, das sind 92,1 pCt., mithin verhältnismäßig w'eniger
als in den beiden letzten Jahren, wenn auch mehr als in den
Jahren vor 1907. Der Impfung unterzogen sich 203 (1908: 91)
Personen im Institut für Infektionskrankheiten in Berlin, 171
(1908: 185) im Hygienischen Universitätsinstitut in Breslau.
Nach Breslau wandten sich, von drei Personen des Rbz. Brom¬
berg abgesehen, alle Personen aus den Provinzen Schlesien
und Posen, nach Berlin alle übrigen Personen, die sich der
Impfung unterziehen wollten.
Im ganzen erkrankten und starben 10 Personen an Toll¬
wut, von denen sich 8 der Schutzimpfung nach Pasteur
unterzogen hatten, davon 5 in Berlin und 3 in Breslau.
Der Ausgang der Verletzungen bei Geimpften und nicht
Geimpften ist somit folgender: geimpft wurden 374 Personen,
davon starben 8 = 2.13 pCt., nicht geimpft wurden 32 Personen,
davon starben 2 = 625 pCt. In den vorangegangenen sechs
Jahren war die Sterblichkeitsziffer 0,67, 0 52, 1.14, 0,93, 1,5 und
1,42 pCt. Das Ergebnis der Schutzimpfung ist in diesem Jahre
ungünstiger als in den sechs vorhergehenden Jahren. Aehn-
liches zeigt sich, wenn man den Ausgang der Bißverletzung
nur bei den Personen berücksichtigt, die von sicher tollwut¬
kranken Tieren gebissen wurden. Es starben 1909 von
230 schutzgeimpften Personen 8 = 3,48 pCt., 1908 1,05 pCt.,
j 1907 0,75 pCt., 1906 1,69 pCt. Von 22 Personen, die von sicher
tollwutkranken Tieren gebissen wurden, sich jedoch nicht
impfen ließen, starben 2 = 9,1 pCt.
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Personalia.
Preußen.
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arzt Dr. M a y in Mörchingen, Stabsarzt Prof. Dr. Momberg
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Ernannt: Dr. Neumann in Kreuzberg zum Kreisarzt
in Rosenberg i. Oberschi.
Niedergelassen: Dr. Schweckendiek und Dr.
Arnold in Halle a. S., Dr. Mögenburg in Neukirchen.
Verzogen: Dr. T h o m e t von Bacharach nach Friemers¬
heim, Dr. Cornelius nach Mülheim a. Ruhr, Dr. Löben¬
stein von Cöln nach Oberhausen, Dr. Henkel von Elber¬
feld nach Solingen, V. Rosenfeld von Düsseldorf nach
Horb. Amlinger von M.-Gladbach nach Bitburg, Dr.
P. Schubert von Chemnitz nach Lichtenfeld, Dr.
Schumann von Königshütte nach Mehlsack, Dr. M ö 11 e -
ring von Marburg nach Burbach, Dr. Wiemann von
Mainz, Dr. Kaessmann von Essen, Dr. N a t h o von Neu¬
ruppin und Dr. Eckert von Halle a. S. nach Dortmund,
Dr. Hartnack von Elberfeld nach Hilchenbach, Dr.
Kretzmer von Aachen nach Dortmund, Dr. Meinecke
und Dr. H. Schubert nach Hagen, Dr. Friede mann
von Rostock nach Langendreer, Dr. Liertz nach Brilon,
Dr. Hülsenbeck von Gelsenkirchen nach Gevelsberg,
Dr. Ebel er von Hagen und Dr. Junkermann von
Rauxel nach Dortmund, Dr. v. Oettingen und Dr. Rüdi¬
ger von Langendreer nach Wilmersdorf, Dr. Schlothane
von Brilon nach Benrath, Dr. Friedländer von Danzig
nach Berlin, Aerztin Dr. M. Friedrich nach Marienburg
i. Westpr., Dr. Schwarzenberger von Zoppot nach
Platenrode. Dr. Henning von Vandsburg nach Tucheband,
Dr. P ü s c h e 1 von Krojanke nach Werben, Dr. Alsberg
von Leipzig nach Schöneberg, Dr. Dunsch von Gittersen
nach Rixdorf, Dr. A. Goldschmidt, Dr. II a t z i g und
Dr. H. Krüge r von Berlin nach Grünheide bezw. Hannover
bezw. Bremen, Dr. M. Krüge r und Dr. M a a s s von
Friedrichshagen nach Berlin, Dr. Qu esse nach Charlotten¬
burg, Dr. Rein icke nach Berlin, Dr. Reyher nach
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berger und Dr. Wendriner nach Berlin.
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und Prof. Dr. Sclioltz, Königsberg, „Therap. Rundschau“ Jahrg. 1909, lieft 12 u. 13.
SW Für Krankenkassen zugelassen. "Wl
Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N., Friedrichstrasse 131 B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin
Verlag: von Oscar Ooblentz. Expeditionsbureau: Berlin W. 30, Maassenstrasse 13. — Druck vou Oarl Marschner. Berlin SW.. Alexandrinenstrasse 110.
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Verlag von OSCAR COB L E N T Z in Berlin W. 30
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Redaction der Allgemeinen Medicinischen CentrahZeitung (Dr.H. Lohnstein n. Dr. Th. Lohnstein)
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XIII. Untersuchung des Harns.
XIV. Einiges aus der Technik der Blutuntersuchung.
XV. Bekanntmachung, betreffend den Erlass einer Gebühren¬
ordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte.
XVI. Gesetz betr. die Gebühren der Medicinalbeamten.
XVII. Verzeichnis der Krankheiten und Todesursachen.
XVIII. Bäder und Kurorte.
XIX. Post-Tarif. |
XX. Tafeln zur Sehprüfung.
XXI. Notizblätter für Adressen. .
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neueren Arzneimittel.
II. Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
das Deutsche Reich.
III. Ucbersicht der wichtigsten, in Form von subcutanen,
intramusculären und intravenösen Injectionen zur An¬
wendung kommenden Mittel.
IV. Zu vermeidende x\rzneimischungen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VI. Medicinische Bäder.
VII. Auszug aus der deutschen Arznei tax e 1910.
Preise für Stoffmengen, Arbeiten und Gefüsse.
1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
VIII. Anweisung zur sparsamen Arzneiverordnung mit Rück¬
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sigillum“ (Das Kennzeichen des Wahren und Guten ist die Ein¬
fachheit). So ist es denn gekommen, dass bei der Ernährung
von Schwachen, von Rekonvaleszenten, Greisen oder
Magenleidenden neben Bouillon mit Graupen oder Haferschleim,
neben Gelees und Elammeries, neben Pürees von Hühner- und
Taubenfleisch und starken alten Süssweinen sich als tägliche
Kost der schlichte, altgewohnte Milchzwiebackbrei immer als das
Beliebteste erwiesen hat. Ihn findet man in der ärmsten Hütte
wie im Palast, überall wo Kinder oder Kranke leicht und doch,
genügend ernährt werden sollen, und gerade diesem Umstande
hat auch das Nestle’sche Kindermehl, ursprünglich nur für Kinder¬
ernährung bestimmt, welches ja nichts anderes als ein exquisit
feines „Milch-Zwieback-Pulver“ ist und sein will und dessen’
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wollen ihre Meldung nebst Appro¬
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amtsärztliches Gesundheitsattest bis
zum 25. Oktober d. Js. ebenfalls an
den vorgenannten Anstaltsdirektor
einreichen.
Cassel, den 23. September 1910.
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Knochen des normalen Kindes. Rachitis und Dispositionen zu Knochenerkran-
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
D r, H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbnrean: Berlin N., Friedriclistr. 131 B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
IV. .Jahrgang Berlin, 8. Oktober 1910
No. 11
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor (Juartnlsschluss abbestellt sind. Inserate
werden fiir die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nioht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Herzberg: Erfahrungen
mit Roborin.
Weitere Arbeiten über Ehrlicli-Hata006: l.Krom ay er: Theore¬
tischen. praktische Erwägungen überEhrlich HataöOO 2.v Zeissl:
Ueber weitere 21 mit „Ehrlich 606 u behandelte Syphiliskranke.
3 Schreiber und Hoppe: Die intravenöse Einspritzung des
neuen Ehrlich-Hata-Präparatcs gegen Syphilis — Rosen bach:
Ein neues Tuberkulin. — Köhler: Ueber Tuberkulinbehand¬
lung. — Gerber: Die Zunahme des Skleroms in Ostpreußen.
— Brüning: Die Behandlung tuberkulöser Erkrankungen mit
Trypsin. — Tachau: Die intravenöse Injektion des Heilserums
bei Diphtherie. — v. Zeissl: Zur Behandlung des Trippers
mit Balsamicis. — Bruck: Ueber Epididymitis gonorrhoica und
ihre Behandlung. — Bcrri: Beitrag zur Dieitalistherapie. —
Görges: Ueber Eisensajodin. — Pässler: Ueber den Ersatz
der sogenannten indifferenten Thermalbäder durch Inhalation
ihrer Radiumemanation bei rheumatischen Affektionen. —
Kaestle: Versuch einer neuen Methode zur Prüfung der
Verweildauer von Flüssigkeiten im Magen. — Joannovics j
und Pick: Ueber hämolytisch wirkende, freie Fettsäuren in
der Leber bei akuter gelber Atrophie und Phosphorvergiftung.
— Moskowicz: Ueber aseptische Magen- und Darmoperationen.
— Wette: Ueber Diagnose und Behandlung des Dickdarm-
carcinoms, sowie iibor einige andere Fälle von Coecaltuber-
kulose. — Selter: Eine vereinfachte Methode der Alkohol- .
Händedesmfektion. —Kelling: Studien über Thrombo-Embolie,
insbesondere nach Operiitionen. — v. Revher: Zur Frage der
Infektion der Schußverletzungen. — Mayer: Grundzüge (lei-
modernen Ekzemtherapie. — Schottmüller: Zur Pathogenese
des septischen Abortes. — Grafenberg: Die Bedeutung des
Pantopons (Sahli) für die Gynäkologie und Geburtshilfe. —
Reich: Zur Kenntnis des Haematoma vulvo-vaginale. —
v. Rohr: Zur Theorie der Fernrohrbrille. Hertel: Ueber
Ersatz der operativen Korrektion hochgradiger Myopie durch
eine Gläserkombination. (Fernrohrbrille.)
IL Verhandlungen ärztlichem Gesellschaften. 82. Ver¬
sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königsberg
in Pr. vom 18 24. September 1910. (Fortsetzung.)
III. Therapeutische Notizen. Trautmann: Stumpfe Löffel
zur Entfernung der Mandelpfröpfe.— Baruch: Argerit. nitric
und Bolus alba als Streupulver für die Wundbehandlung
IV. Bücherschau. Sommer: Klinik für psychische und nervöse
Krankheiten. — Francke: Die Syphilis, ihr Wesen und ihre
Heilung. — Nitz einadel: Therapeutisches Jahrbuch. —
Francke: Mein Instrumentarium der inneren Medizin.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
VI. Amtliche Mitteilungen. An die Herren Aerzte. — Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Erfahrungen mit Roborin.
Von
Dr. Herzberg (Berlin).
Die in letzter Zeit mitgeteilten günstigen Erfolge nam¬
hafter anderer Aerzte über „Roborin“ als Nährpräparat,
blutbildendes und Kräftigungsmittel, veranlaßten mich,
obiges Präparat häufig in meiner Privatpraxis zu verordnen.
Ohne mich in theoretische Erörterungen einzulassen, die yon
anderer Seite zahlreich veröffentlicht sind, gehe ich dazu
über, mehrere, nach meiner Ansicht besonders für den
Wert, des Präparates sprechende Fälle nachstehend mit¬
zuteilen.
1. Fall. Frau Anna B., 35 Jahre alt, Mutter von drei
Kindern, war seit längerer Zeit bettlägerig infolge von zu¬
nehmender Schwäche bei chronischem Katarrh der Lungen und
Digestions-Organe. Ihr Körpergewicht war von 118 Pfund auf
93 Pfund heruntergegangen und sie erbrach die meisten festen
Speisen, die ihr zugeführt wurden. Ihr Hämoglobingehalt be¬
trug 70 und die Zahl der roten Blutkörperchen betrug zirka
3 000 000. Sie erhielt neben Milch- und Schleimdiät nur
Roborin-Kakes und Zwiebacke. Darauf erholte sie sich bald
so, da das Brechen aufhörte, daß nach etwa vier Wochen das
Körpergewicht auf 98 Pfund gestiegen war. Zugleich betrug
der Hämoglobingehall zirka 8(1, die Zahl der roten Blutkörper¬
chen zirka 3 500 000. Dabei hatte sich das Allgemeinbefinden
der Patientin erheblich gebessert und die subjektiven Be¬
schwerden hatten fast völlig nachgelassen. Patientin konnte
das Bett verlassen und ihre häusliche Tätigkeit in beschränk¬
tem Umfange wieder aufnehmen.
Die Besserung hält weiter, bei fortgesetztem Gebrauch von
Roborin, in Form von Kakes und Dragees, an.
2. F a 11. Frau E11 a G., 54 Jahre alt, litt seit zehn Tagen
an starken Blutungen, infolge deren sie mich zu sich bitten ließ.
Der Status praesens zeigte eine sehr starke anämische Frau
mit stark verfallenem und leidendem Gesichtsausdruck. Zu¬
gleich hörte man anämsiche Geräusche über den Herzostien.
Die gynäkologische Untersuchung ergab Verdacht auf ein
Corpus-Carcinom neben submukösen Myomen, was durch die
Totalexstirpation gerechtfertigt wurde. Durch die vorausge¬
gangenen Blutungen und die eingreifende Operation war der
Kräftezustand ein äußerst ungünstiger, und da die Nahrungs¬
aufnahme in der Rekonvaleszenz eine ungenügende war, wurde
ihr bei flüssiger Diät Roborin. dreimal täglich in Kakes¬
form, gegeben, beginnend am dritten Tage nach der Operation.
Eine zu Beginn der Darreichung des Präparates vorgenommene
Blutuntersuchung ergab folgendes Resultat: Hämoglobingehalt
55, rote Blutkörperchen wenig über 2 000 000. Bereits in den
nächsten Tagen hob sich der Appetit bedeutend, auch das All¬
gemeinbefinden besserte sich erheblich. Nach 20 Tagen war
der Appetit und der Kräftezustand wie in alten Zeiten. Trotz¬
dem wurde Patientin weiter mit Roborin behandelt. Eine nach
drei Wochen vorgenommene Blutuntersuchung ergab bereits
einen Hämoglobingehalt von 70 und ein Ansteigen der Ery-
throcyten auf zirka 3 000 000. Patientin wurde noch weitere
14 Tage lang mit Roborin als blutbildendes Mittel behandelt,
worauf ein abermaliges Ansteigen des Hämoglobins auf 80 und
der roten Blutkörperchen auf zirka 3 500 000 konstatiert werden
konnte. Das Allgemeinbefinden war derartig, wie Patientin
es seit vielen Jahren nicht gekannt hatte. Das Gesicht hatte
frische Farben und jugendliche Züge wieder bekommen.
3. F a 11. Frau H.U., 25 Jahre alt, klagt über leichtes
Ermatten, Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit. Eine genaue
Untersuchung ergab eine ziemlich starke Chlorose. Die Blut¬
untersuchung ergibt keine bedeutende Herabsetzung der roten
Blutkörperchen, dagegen eing ziemlich starke Verminderung
des Hämoglobingehaltes auf 60. Es wurden ihr dreimal täg¬
lich drei Roborin-Dragees neben Roborin-Kakes verordnet. Be¬
reits nach 14 Tagen ließen die subjektiven Beschwerden nach
und der Appetit besserte sich. Eine nach sechs Wochen vor¬
genommene Untersuchung ergab einen Hämoglobingehalt von
75. Patientin stellt bei fortdauernder Besserung weiter unter
ärztlicher Kontrolle.
Aehnlich verhielt sich F a 11 4. Frau Meta J., 28 Jahre
alt, klagte ebenfalls über Kopfschmerzen, Schwindel, Mattig¬
keit und Appetitlosigkeit. Auch bei ihr waren die Beschwerden
nur auf eine stärkere Chlorose zurückzuführen. Die Blut¬
untersuchung ergab einen Hämoglobingehalt von 65, während
bei der Zählung die Erythrocyten zirka 4 000 000 betrugen.
Auch bei dieser Patientin wichen bei Roborin-Dragees-Medi-
kation die verschiedenen Beschwerden und der Hämoglobin¬
gehalt stieg auf 80 innerhalb von zirka sechs Wochen.
Fall 5. Frl. Gertrud C., 20 Jahre alt, klagt über
Appetitlosigkeit und starke Abgeschlagenheit. Abgesehen
von sehr starken, äußerst schmerzhaften Menstruationen, waren
die Beschwerden auf eine starke Anämie zurückzuführen. Die
roten Blutkörperchen waren auf zirka 3 000 000 und der Hämo¬
globingehalt auf zirka 65 herabgestzt. Trotz ihrer Größe von
1,70 betrug das Körpergewicht nur 57 kg.
620
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Hier wurde, nachdem mehrere Medikationen zur Kräfti¬
gung versucht waren, Roborin sowohl in Kakes, als in Dragees
verordnet, worauf sich nach kurzer Zeit eine erhebliche Besse¬
rung einstellte. Nach vier Wochen konnte man eine Gewichts¬
zunahme von 2 kg konstatieren, während der Hämoglobingehalt
auf 75 gestiegen war, und die Zahl der roten Blutkörperchen
zirka 3 500 000 betrug. Patientin berichtet fortgesetzt von sub¬
jektivem Wohlbefinden.
Fall 6. Frau D r. U., 45 Jahre alt, litt seit langem an
starken Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit und häufigen
Schwächeanfällen, bedingt durch starke Metrorrhagien. Ob¬
wohl die Blutuntersuchung keine Besonderheiten zeigte, wurde
Roborin in der üblichen Medikation verordnet, worauf sich
die subjektiven Beschwerden verringerten. Patientin steht
erst seit vier Wochen in ärztlicher Behandlung.
Einen eklatanten Erfolg bezüglich der Verbesserung der
Blutbeschaffenheit zeigte die Roborin-Medikation in fol¬
gendem Falle:
Frau Emma W., 28 Jahre alt, Mutter eines dreijährigen
Mädchens, hat seit etwa l 1 /? Jahren 14 pro Mille Eiweiß im
Urin, weshalb bereits vor einem Jahre der künstliche Abort
in der sechsten Woche eingeleitet werden mußte. Die Patientin
zeigte außerordentlich blasse Gesichtsfarbe und blasse Schleim¬
häute und klagte über andauernde Kopfschmerzen und Mattig¬
No. 41,
keit. Leider verweigerte sie Milchgenuß in jeder Form: neben
Schleimdiät bekam sie als einziges Kräftigungsmittel nur Robo¬
rin in Form von Kakes und Dragees, wobei sich ihr Kräfte¬
zustand derartig hob, daß sie sich innerhalb von zirka zwei
Monaten wieder ausnehmend wohl fühlte. Auch ihr Aussehen
war frischer und gesünder geworden. Der Eiweißgehalt verlor
sich und der Hämoglobingehalt zeigte eine Zunahme von
10 pCt. und die roten Blutkörperchen von 20 pCt.
In einer Reihe anderer Fälle, in denen die Beschwerden
über Mattigkeit, Schwindel, Appetitlosigkeit und Kopf¬
schmerzen auf Chlorose und Anämie beruhten, die einzeln
mitzuteilen zu weit führen würde, wurden durch Darreichung
von Roborin in seinen verschiedenen Formen sehr gute Re¬
sultate erzielt, sowohl als subjektiv eine Verringerung und
teilweises Schwinden der Beschwerden seitens der Patientin
berichtet wurde, als auch objektiv eine Zunahme des Hä-
moglobingehalts und der Erythrocyten festgestellt werden
konnte.
Die Zusammenstellung vorstehender Fälle soll den
Kollegen nur zur Anregung dienen, unsere Versuche nach¬
zuprüfen und sie veranlassen, in geeigneten Fällen bei der
AVahl der vielen empfohlenen Nähr- und Kräftigungsmittel
dem Roborin ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
Weitere Arbeiten über Ehrlieh-Hata 606:
1. Prof. Kromayer: Theoretische und praktische Erwägungen
über Ehrlich-Hata 606. (Berlin. Min. Wochenschr., 1910,
No. 34.)
2. Prof. M. v. Zeissl, Abteilungsvorstand am Kaiser Franz Josef-
Ambulatorium in Wien: Uebcr weitere 21 mit „Ehrlich 606"
behandelte Syphiliskranke. (Wiener medizin. Wochenschr.,
1910, No. 34.)
3. Oberarzt Dr. E. Schreiber (Altstädtisches Krankenhaus
Magdeburg) und Oberarzt Dr. J. Hoppe (Landesheilanstalt
Uchtspringe, Altmark): Die intravenöse Einspritzung des
neuen Ehrlich-Hata-Präparates gegen Syphilis. (Berlin,
klin. Wochenschr., 1910, No. 31.)
Kromayer (1) hat 27 Fälle mit dem neuen Präparat
behandelt. In allen Fällen konnte in den ersten Tagen nach
der Injektion, häufig schon am folgenden Tage, eine Besse¬
rung der objektiven und subjektiven Erscheinungen konstatiert
werden, die weit über das, was man bei Quecksilberinjektion
zu sehen gewohnt ist, hinausgeht, und die nur etwa ein Ana¬
logon in der Wirkung einer kräftigen Kalomelinjektion hat.
K. kann daher die wunderbare Wirkung des Hata auf syphi¬
litische Gewebsprozesse, wie sie bisher von fast allen Autoren
beschrieben worden ist, bestätigen. Es ist das aber um so be¬
deutsamer, als die Fälle eine Auswahl meist schwerer, der
bisherigen Behandlung Widerstand leistender Erkrankungen
darstellen. Dadurch wird bewiesen, daß wir im Hata eine
neue unschätzbare Waffe neben den alten Heilmitteln gegen die
Syphilis haben. Die Hoffnung, daß Hata die Syphilis als
solche in höherem Grade zu heilen imstande sein möge als
unsere bisherige Behandlung, kann naturgemäß nicht in weni¬
gen Monaten bestätigt werden bei der bekannten Tücke der
Krankheit, die noch nach Jahren scheinbarer Gesundheit wieder
mit Rezidiven hervortritt. Erst nach Jahren werden wir wissen,
ob das Ideal Ehrlichs, die Spirochäten im Körper durch
Hata zu vernichten, erreichbar ist und tatsächlich in der
Regel erreicht wird. Das beeinträchtigt aber ebensowenig wie
die beachteten Rezidive den Wert des Mittels. Dieser beruht
in der ans Wunderbare grenzenden Wirkung auf alle subjek¬
tiven wie objektiven Symptome. Diese Wirkung wird von
Ehrlich sowohl wie von allen anderen Autoren wesentlich
auf eine direkte zerstörende Wirkung des Hata auf die
Spirochäte zurückgeführt. Ohne dagegen zu opponieren, glaubt
Kromayer, daß aus der klinischen Beobachtung mit Sicher¬
heit zwei weitere Eigenschaften des Hatas erschlossen wer¬
den können: 1. Es bringt das pathologische Gewebe, das
Syphilom, zur raschen Resorption. 2. Es regt das Epithel zur
Proliferation und raschen Ueberhäutung von Geschwüren an.
Die erste Eigenschaft tritt vor allem bei der Einschmelzung der
gummösen Prozesse hervor, in denen, wie bekannt, wenig
Spirochäten vorhanden sind, deren Tod zudem das rasche Ver¬
schwinden einer so weit organisierten pathologischen Neu¬
bildung nicht erklären würde, Hata ist also ein spezifisches
Heilmittel gegen syphilitische Gewebsneubildungen; die zweite
Eigenschaft zeigt sich in der Ueberhäutung von Geschwüren,
die unter dem Einfluß von Hata mit einer Schnelligkeit vor
sich geht, die Verfasser überhaupt nicht für möglich hält. Diese
beiden Eigenschaften allein schon würden dem Hata einen
ehrenvollen Platz im Arzneischatz anweisen, in dem es wohl
als das beste und wirksamste Arsenpräparat auch gegen die
Krankheiten anzusehen ist, gegen die wir Arsen mit Erfolg zu
geben gewohnt sind. Da wir nicht wissen, ob die Hatabehand-
lung in höherem Maße die Syphilis als solche heilt, als unsere
bisherige Behandlung, ist diese zunächst nicht zugunsten jener
aus der Therapie der gewöhnlichen sekundären und tertiären
Syphilisfälle auszuschalten. Einer Kombination beider steht
nichts im Wege; sie dürfte den Interessen der Kranken viel¬
leicht am besten entsprechen. In allen Fällen, in denen die
bisherige Behandlung versagt oder zu keinem vollen Erfolge
geführt hat oder mit häufigen Rezidiven beantwortet wird, oder
in denen gefahrdrohende Erscheinungen vorhanden sind, ist
die Hatabehandlung direkt indiziert, und zwar nach Verfassers
Ueberzeugung in dem Maße, daß es ein Kunstfehler sein würde,
sie nicht anzuwenden.
Auch v. Zeissl (2) hält es an der Hand seiner bisherigen
Beobachtungen für einen unverzeihlichen Kunstfehler, wenn
man Patienten, welche mit einem Primäraffekt der Syphilis
oder mit frischen Allgemeinerscheinungen der Lues und einem
Primäraffekt behaftet sind, nicht sofort der Behandlung mit
dem genannten Mittel unterzieht. Auf Grundlage der bis jetzt
von ihm behandelten 52 Fälle muß Verfasser erklären, daß das
Ehrlich sehe Mittel dem Quecksilber und Jod weit in der
Wirkung überlegen ist. Syphilitische Primäraffekte, die selbst
unter einer energischen Quecksilberbehandlung sich nur sehr
langsam reinigen, werden durch Ehrlichs Mittel in 48 Stun¬
den in granulierende Wundflächen umgewandelt und geht das
sie zuweilen umgebende Oedema scleroticum so rasch zurück,
wie v. Z. es nie unter einer Quecksilber-Jodbehandlung und
der gleichzeitigen lokalen Behandlung mit grauem Pflaster sah.
Kein einziger von den mit Primäraffekt allein behafteten Pa¬
tienten, welche Verfasser bisher mit „Ehrlich 606“ be¬
handelte, hat bis jetzt Allgemeinerscheinungen bekommen,
trotzdem bei einzelnen sechs Wochen vergangen sind. Durch
„Ehrlich 606“ geht die die Sklerose mitunter begleitende
Phimose in der Regel in 48 Stunden zurück. In Fällen von
kleinpapulösen Syphiliden ist die Rückbildung nach Injektion
von „Ehrlich 606“ relativ langsamer, aber immerhin geht
das kleinpapulöse Syphilid unter diesem Mittel weit rascher
zurück als unter der Anwendung von Quecksilber und Jod.
Mit überraschender Schnelligkeit bilden sich Papeln an der
Schleimhaut der Wangen, des Mundes und des Rachens zurück.
Geradezu verblüffend ist es, mit welcher Rapidität Gummen
an der Schleimhaut und an der Haut in ihrem Zerfalle aufge¬
halten und der Ueberhäutung zugeführt werden. Großpapu¬
löse • Syphilide, zu denen sich eine Psoriasis palmaris und
planlaris gesellt und die am Tage der Injektion hoch über das
Hautniveau emporragen, sind in vier Tagen in das Hautniveau
zurückgesunken und wesentlich abgeblaßt. Papulöse Syphi¬
lide, die den Körper dicht besät haben, pflegen nach der Ehr¬
lich sehen Injektion in 4—5 Tagen kaum mehr sichtbar zu
sein. Das einzige, was bei der Ehrlich sehen Injektion zu
beobachten ist, ist Auflösung des Mittels unmittelbar vor der
Injektion unter strengster Aseptik. Da sich häufig nach der
Ehrlich sehen Injektion Stuhlverstopfung einstellt, so ver¬
abreicht man, um dieselbe zu beseitigen, täglich mehrmals
Magnesia Usta, und wenn dies allein nicht wirkt, irgendein
energisches Abführmittel. Unbedingt wichtig ist, daß wenig¬
stens sieben Tage strengste Bettruhe eingehalten wird, weil die
Kranken sonst viel länger Schmerzen empfinden, wenn sie die
Bettruhe nicht beobachten, und weil, wemi man sie zu früh
aus der Kontrolle entläßt, sich bei forcierten Bewegungen even¬
tuell Phlegmonen einstellen können. In keinem einzigen der
52 vom Verfasser bisher behandelten Fälle hat sich bisher
621
No. 41. ,_ THERAPEUTISCHE
irgend eine unangenehme Komplikation eingestellt, weder von
Seiten der Lunge, noch des Herzens, noch der Nieren.
Ein großer Uebelstand der intramuskulären Injektion ist
die erhebliche Schmerzhaftigkeit, und von diesem Gesichts¬
punkte aus wäre eine andere Einverleibungsmethode, die intra¬
venöse, entschieden vorzuziehen. Schreiber und
Hoppe (3) haben mit intravenösen Injektionen bisher etwa
120 Kranke behandelt und berichten kurz, welche Art der
Technik auf Grund der bisherigen Behandlung zweckmäßig
erscheint. (Vgl. auch „Allg. Med. Central-Ztg.“, 1910, No. 32,
S. 446.) Das Verfahren ist kurz folgendes: In einen gra¬
duierten Meßzylinder von 200 ccm (mit eingeschliffenem Glas¬
stöpsel und engem Hals) werden etwa 10—20 ccm sterilen
Wassers getan. Darauf wird die Substanz (0.3—0,5) einge¬
schüttet und einige Tropfen (etwa 0,3 ccm) Methylalkohol zu¬
getan, tüchtig geschüttelt, bis klare Lösung erfolgt. Dieser
Lösung werden jetzt pro 0,1 der Substanz etwa 1,0 ccm
N-Natronlauge beigemengt und sterilisierte 0,8 proz. Na Cl-
Lösung bis zum Strich 180 zugegossen. Darauf wird wiederum
kräftig und andauernd geschüttelt, bis klare Lösung erfolgt.
Sollte diese nach einiger Zeit noch nicht eingetreten sein, so
können noch vorsichtig einige Tropfen Na OH zugesetzt werden,
und nachher folgt Auffüllung bis auf 200 ccm (statt 200 ccm
können selbstverständlich 150 oder 250 ccm gewählt werden).
Die Lösung wird bei vorsichtiger Zubereitung völlig klar und
wird nun zweckmäßig in ein steriles Becherglas getan, aus
welchem sie mit der Spritze bequem aufgesogen werden kann.
DieSpritze, deren die Verff. sich bedienen, ist von B. B. C a s s e 1
aus Frankfurt bezogen, eine automatische oder eine mit Doppel¬
ventil und Seitenzuflußrohr. Die Injektionen verlaufen, wenn
kein technischer Fehler gemacht wird, völlig reaktionslos. Der
Kranke fühlt so gut wie nichts. Ueber die klinischen Ergeb¬
nisse der intravenösen Injektion, die anscheinend gleichfalls
sehr günstige sind, soll bei späterer Gelegenheit berichtet
werden. K r.
Prof. Dr. F. J. Rosenbacli (Göttingen): Ein neues Tuberkulin.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 33 und, 34.)
Verfasser berichtet über Behandlungsversuche mit einem
von ihm auf besondere Weise dargestellten Tuberkelbacillen¬
präparat. Er benutzt zu dieser Darstellung einen Pilz, das
Trichophyton holosericum album, welches sich sehr leicht auf
Tuberkelbacillenkulturen entwickelt und durch sein Wachstum
auch Aenderungen an den Tuberkelbacillen hervorbringt. Auf
6—8 Wochen alte Tuberkelbacillenkulturen werden Partikel¬
chen des Trichophytonpilzes aufgebracht. Bei 20—22° C. ent¬
wickelt sich dieser und hat nach 10—12 Tagen den größten
Teil der Tuberkelbacillenkultur mit einem weißen Luftmycel
überzogen. Dann wird die Kulturmasse (Tuberkelbacillen und
Pilzkultur) vom Nährboden getrennt, mit einer Glyzerin-
Karbolsäurelösung versetzt, zerrieben, filtriert und mit der
ebenfalls filtrierten Flüssigkeit des Nährbodens vereinigt. Das
Volumen wird auf genau das Zehnfache der Pilzmasse (Tuber¬
kelbacillen und Trichophyton) eingestellt und dem fertigen
Tuberkulin zur Konservierung ein Zusatz von % pCt. Karbol¬
säure gegeben. Dieses Tuberkulin ist eine bräunliche, absolut
klare Flüssigkeit von eigenartigem Geruch. Es ist vor stärke¬
rem Licht geschützt in braunen Flaschen aufzubewahren.
Dieses Tuberkulin - Rosenbach unterscheidet sich nach
Verfasser dadurch von anderen Tuberkulinen, daß in ihm durch
den Einfluß des Trichophyton die labileren giftigen Bestand¬
teile verändert oder zerstört werden, während die stabileren
immunisierenden erhalten sind. Infolgedessen ist die Giftigkeit
des neuen Tuberkulin viel geringer, die Dosierung eine höhere
und die therapeutische Wirksamkeit vermehrt. Verfasser
wählte als Aniängsdosis 0,01—0,1—0,2 ccm. Nicht tuberkulöse
Menschen vertragen nach Verfasser das Tuberkulin-Rosen-
bach leicht in größeren Dosen ohne Störung des Wohl¬
befindens. Bei Tuberkulösen ist die Anwendungsweise eine
doppelte, eine allgemeine und eine lokale. Bei Lungentuber¬
kulose und sonstigen nicht chirurgischen Tuberkulosen wird
das Tuberkulin subkutan injiziert. Es entsteht dann in den
tuberkulösen Herden zunächst eine leukocytäre Entzündung
mit etwas Exsudat, sodann Resorption des tuberkulösen Ge¬
webes und ein Heilungsvorgang, soweit nicht käsige oder
granulierende Entartung vorliegt, ln diesem Falle kann, wo
Ausstoßung des nicht resorbierbaren Gewebes möglich, ist,
auch ein allmählicher Heilungsvorgang einsetzen. Beim Lupus
und chirurgischen tuberkulösen Erkrankungen wird das Tuber¬
kulin-Rosenbach in die tuberkulösen Gewebe selbst inji¬
ziert. Es werden dann dieselben Vorgänge, aber viel inten¬
siver, ausgelöst. Die Entzündung nimmt den Charakter einer
akuten Phlegmone an mit starker Exsudation, Leukocytinfil-
tration und Allgemeinreaktion. Diese Erscheinungen ver¬
schwinden alsbald ohne Nachteile. Die Vorgänge der Resorp¬
tion und Heilung sind bei der örtlichen Einwirkung des Tuber-
kulin-Rosenbacb ebenfalls viel intensiver als bei der All¬
gemeinwirkung. Wo keine Verkäsungen, tuberkulöse Granu¬
lationen, Vereiterungen etc. bestehen, können sich namentlich
R UNDS CHAU 1910.
frische tuberkulöse Affektionen, z. B. der Gelenke, Sehnen¬
scheiden, nach einer Anzahl von Injektionen völlig zur Norm
zurückbilden; ebenso Lupus bis auf schwer vernarbende Reste,
welche operativ zu entfernen sind. Herde mit Verkäsungen
etc. brechen auf, entleeren Eiter und kommen, unresorbierte
Produkte ausstoßend, unter Schrumpfung auf den Weg zur
Heilung. Aufgebrochene Gelenke mit Knochenherden er¬
heischen Resektion, doch muß meistens auch die Kur der auf¬
gebrochenen Weichteilherde schließlich durch eine Auskratzung
vervollständigt werden, weil die Gewebe, welche Sitz der
Tuberkulose waren, nur sehr geringen Vernarbungstrieb haben.
Eine Reihe von beigefügten Krankengeschichten zeigt die
Wirkung des Tuberkulin-Rosenbach im einzelnen. R. L.
Dr. F. Köhler, Chefarzt der Heilstätte Holsterhausen bei
Werden, Ruhr: Ueber Tubcrkulinbehandlung. (Die Thera¬
pie der Gegenwart, Augustheft 1910.)
Verfasser berichtet über die Anschauungen der verschiede¬
nen Autoren über die Tuberkulinbehandlung und konstatiert,
daß darüber eine große Uneinigkeit besteht. Was Verfassers
eigene Erfahrungen betrifft, so gibt er einen Ueberblick
darüber, in welchem Umfange an der unter seiner Leitung
stehenden Heilstätte Holsterhausen bei Werden an der Ruhr
mit Tuberkulin gearbeitet worden ist. Mit Alttuberkulin Koch
sind bisher 134 Personen behandelt worden mit 2026 Spritzen,
mit der Koch sehen Bacillenemulsion 14 Personen mit
75 Spritzen, mit dem Calmette sehen Tuberkulin 65 Per¬
sonen mit 578 Spritzen, mit J.-K. Spengler 49 Personen mit
803 Spritzen, mit Perlsuchtuberkulin 15 Personen mit
288 Spritzen, mit dem die Bacillenemulsion Koch in Kapseln
enthaltenden Phthisoremid von Krause 49 Personen mit
5485 Kapseln, mit den Tuberkulinpillen Freymuth 33 Per¬
sonen und schließlich mit dem Serum Marmorek 60 Per¬
sonen mit 2590 Rektaleingießungen. Dieses Material scheint
Verfasser geeignet, eine genügende Unterlage für ein kritisches
Urteil an die Hand zu geben. Verblüffende Erfolge sind mit
keinem Mittel erreicht worden. Aus der großen Anzahl der
gegenwärtig vorhandenen Tuberkuline ist zu entnehmen, daß
immer wieder nach Neuem und Verbessertem gesucht wird,
weil es Vollkommenes und Vollbefriedigendes noch nicht gibt.
Verfasser hat in manchen Fällen ganz befriedigende Wirkun¬
gen gesehen, insofern der Gesamtzustand des Patienten sich
hob, eine gute Gewichtszunahme erreicht wurde, Husten und
Auswurf sich minderten, auch hier und da einmal Tuberkel¬
bacillen verschwanden, auch wohl, daß die pathologischen Ge¬
räusche sich minderten, aber daß in unverhältnismäßig günsti¬
gem Gegensätze zu der üblichen physikalisch-diätetischen Be¬
handlung eine gründliche Umwälzung der organischen Verhält¬
nisse geschah und ein Kranker mit mäßig ausgebreiteter
Lungentuberkulose mit annähernder Sicherheit als ein Geheil¬
ter hätte bezeichnet werden können, das hat Verfasser
kaum ein einziges Mal gesehen. Als das vornehmste Gesetz
für die Tuberkulinbehandlung möchte Verfasser hinstellen,
daß die Bedingungen für deren günstigen Erfolg an die Indivi¬
dualität gebunden sind. Noch sind die Grenzen nicht scharf
markiert, innerhalb deren die Tuberkulinbehandlung mit an¬
nähernder Sicherheit völligen Erfolg verspricht. Um so mehr
aber soll es Aufgabe der wissenschaftlich arbeitenden Aerzte
sein, diesen Dingen nachzuspüren, um von dem Tuberkulin als
einem unterstützenden Mittel Gebrauch machen zu können.
Kr.
Prof. Dr. Gerber (Königsberg): Die Zunahme des Skleroms in
Ostpreußen. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 35.)
Verfasser will durch die vorliegende Veröffentlichung die
öffentliche Aufmerksamkeit darauf lenken, daß das Rhino-
sklerom in den letzten 10 Jahren im Gebiet des Deutschen
Reiches weiter um sich gegriffen zu haben scheint. Es kommen
zwei größere Herde der Krankheit in Betracht, einer in Ost¬
preußen, der andere in Schlesien. Seit der ersten Publikation
des Verfassers über das Sklerom vor 10 Jahren ist die Zahl der
ostpreußischen Skleromkranken um das Fünffache gewachsen.
Verfasser hat im Laufe des verflossenen Winters vier neue
Skleromkranke in Behandlung bekommen, ein fünfter kam
außerdem in der chirurgischen Klinik zur Beobachtung. Ver¬
fasser berichtet über den von ihm in seinen vier Füllen er¬
hobenen Befund; die einzelnen Kranken standen im Alter von
56, 12, 20 und 22 Jahren, zwei waren weiblichen, die beiden
anderen männlichen Geschlechts. Was das Krankheitsbild be¬
trifft, so zeigten alle vier Patienten die von Verfasser schon
früher beschriebenen Charakteristica des ostpreußischen
Skleroms: Freisein der äußeren Nase und auch der Mund¬
rachenhöhle wenigstens von groben Veränderungen. In allen
Fällen typisch verändert war nur der Nasopharynx, und zwar
zeigte er überall alte bindegewebige Veränderungen, wohl ein
Beweis dafür, daß hier der Prozeß fast immer beginnt. Die
Nasenhöhlen zeigten 3 mal das Bild der Rhinitis atrophicans
resp. Ozaena, Sklerominfiltrate 2 mal. Der Larynx zeigte typi¬
sche subglottische Wülste nur in einem frischen Falle. In
622
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 41.
einem Falle war er normal, in den beiden anderen Fällen zeigte
er atypische Veränderungen. In einem Fall zeigte sich die
Krankheit fast nur im Nasenrachenraum und machte nur Ohr¬
symptome. Die bakteriologische Untersuchung des Nasen¬
sekrets ergab in drei Fällen Rhinosklerombacillen. Die Thera¬
pie bestand hauptsächlich darin, die Verengerungen der Nase
und des Larynx methodisch zu dilatieren. In dem einen Falle
(12 jähriger Knabe mit subglottischen Wülsten) war der Erfolg
ein unerwartet guter, die Wülste gingen restlos zurück (Be¬
handlung mit O’Dwy ersehen Tuben). Sehr viel weniger
befriedigte der Erfolg in einem anderen Falle mit Kehlkopf¬
verengerung.
Privatdozent Dr. August Brüning (Gießen): Die Behandlung
tuberkulöser Erkrankungen mit Trypsin. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 95.)
Im Anschluß an die Untersuchungen von J och m a n n
und Müller über die Fermentbehandlung tuberkulöser Pro¬
zesse wurde von verschiedenen Seiten diese Behandlung prak¬
tisch versucht; das ursprünglich benutzte Leukocytenferment
wurde bald durch Trypsin ersetzt. Verfasser nahm in der
chirurgischen Universitätsklinik zu Gießen ebenfalls Versuche
mit dieser Therapie auf; die Technik war folgende: Mehrere
10 ccm fassende sterilisierte Fläschchen w'erden mit je 0,1 g
Trypsin (Kahlbaum) beschickt und mit Watte verschlossen.
Vor dem Gebrauch werden die Flaschen mit steriler physio¬
logischer Na Cl-Lösung gefüllt, so daß 10 ccm einer 1 proz.
Trypsinlösung resultieren. Die Mischung wurde täglich neu
bereitet. Die Abscesse wurden mit dickem Trokar punktiert
und, soweit möglich, durch Ausdrücken entleert. Dann wurde
Trypsinlösung (1—2 ccm) injiziert und die Oeffnung durch ein
Pflaster geschlossen. Die Injektionen wurden nach 5—7 Tagen
wiederholt. Bei Gelenkerkrankungen wurde stets ein immo¬
bilisierender Gipsverband angelegt. Nach dieser Methode
wurden etwa 100 Fälle von Tuberkulose behandelt und zwar
Senkungsabscesse, paraartikuläre Eiterungen, Knochentuber¬
kulosen, Spina ventosa, verkäste und feste Lymphome, Weich-
teilsabscesse, Sehnenscheidenhygrome und schließlich auch
Ganglien. Schädliche Wirkungen wurden von der Trypsin¬
einspritzung nie gesehen; nach den Einspritzungen in Absceß-
höhlen wurde ein leichter, %—1 Stunde anhaltender Schmerz
beobachtet; sehr erhebliche Schmerzen verursachte die Ein¬
spritzung in nicht erweiterte tuberkulöse Lymphome. — Nach
mehreren Injektionen pflegt vorher dünner gelblicher Eiter
infolge von Blutbeimengung eine rotbraune Farbe und einen
emulsionsartigen Charakter auzunehmen. Schließlich wird er
serös und zellenarm. Seine therapeutischen Erfahrungen faßt
Verfasser in folgenden Sätzen zusammen: Gute Resultate
liefert die Trypsininjektion bei der Behandlung von tuber¬
kulösen Hygromen und kleinen kalten Abscessen, es kann
sogar ein nicht zu großer Knochenherd zur Ausheilung ge¬
bracht werden. Bei Senkungsabscessen jeder Art ist das
Trypsin dem Jodoformglyzerin nicht merklich überlegen. Ge¬
lenktuberkulosen mit großen Knochenherden oder reine Fungi
erwiesen sich als ungeeignet für die Fermenttherapie. Ebenso
sind verkäste oder noch derbe Lymphome von ihr auszu¬
schließen. R. L.
Dr. Hermann Tachau, Assistent der med. Klinik des städt.
Krankenhauses zu Frankfurt a. M.: Die intravenöse Injek¬
tion des Heilserums bei Diphtherie. (Die Therapie der
Gegenwart, August 1910.)
Verfasser hat in der medizinischen Klinik des Frankfurter
Krankenhauses seit einem Jahre wegen Diphtherie oder
Diphtherieverdacht 100 intravenöse Seruminjektionen ausge¬
führt. In 78 Fällen wurde die Diagnose auch durch die bak¬
teriologische Untersuchung bestätigt. Die Technik war die all¬
gemein übliche; es wurde besonders auf recht langsames In¬
jizieren geachtet. Zu einem operativen Freilegen der Vene
konnte er sich nicht entschließen; es wurde deshalb bei
kleineren Kindern, bei denen die direkte Punktion unmöglich
war, auf die Anwendung der intravenösen Injektion verzichtet.
Als Dosis wurde das Dreifache der von Baginsky ange¬
gebenen Menge gewählt, für leichte Fälle 3000—4500 I.-E., für
schwere 6000—9000 I.-E. Es kam ein Serum von Merck zur
Verwendung; je 2 ccm desselben enthielten 1000 I.-E. Im all¬
gemeinen wurde nur eine einmalige Injektion ausgeführt; nur
wenige schwerste Fälle erhielten am nächsten Tage eine zweite
Einspritzung. Die Frage, ob die intravenöse Injektion des
Heilserums einen günstigeren Einfluß auf den Ablauf der
Diphtherie hat als die subkutane, ist schwer zu beantworten.
Sichere Anhaltspunkte gibt erst eine große Statistik, die zeigt,
ob Komplikationen und Todesfälle bei intravenöser Applikation
des Serums seltener sind als bei subkutaner. Die bisher vor¬
liegende Mortalitätsziffern bleiben nun jedenfalls nicht hinter
den Durchschnittszahlen zurück. Bisson hat in 14 pCt.,
Fette in 13,8 pCt., Berlin in 17,8 pCt. der Fälle einen
letalen Ausgang. Verfasser hat von den 78 sicheren Diphthe¬
rien 9 verloren (12,8 pCt.). In der gleichen Zeit sind mit sub¬
kutanen Injektionen 170 Diphtherien mit 24 Todesfällen be¬
handelt (14 pCt.). Die Zahlen sprechen nicht zugunsten dev
intravenösen Injektion, zumal wenn man berücksichtigt, daß
die kleineren Kinder, bei denen die Diphtherie ja viel häufiger
einen ungünstigen Ausgang nimmt, fast ausnahmslos mit sub¬
kutaner Injektion behandelt sind. Die Ursache des letalen
Ausganges bildete entweder die Schwere der Diphtherie¬
intoxikation oder es traten Komplikationen von seiten der
Kreislauforgane und Nieren hinzu. Diese zu verhindern ge¬
lingt also auch bei intravenöser Injektion des Serums nicht.
Bei den leichten Fällen hat man durch die intravenöse Injektion
des Serums einen schnelleren Ablauf der Krankheitserschei¬
nungen zu erzielen gehofft. So wird besonders angegeben, daß
die Temperatur schneller zur Norm zurückkehren soll. Ein
genauer Vergleich der Kurven intravenös Injizierter mit denen
subkutan Injizierter bestätigt diese Erwartung nicht. Das Fieber
besteht auch bei intravenöser Injektion oft mehrere Tage lang.
— Im Verlauf der Rachenerkrankung, in der Abstoßung der
Beläge, dem Verschwinden der Bacillen aus der Mundhöhle
sind nie merkliche Unterschiede beobachtet worden. Nach
Verfassers Beobachtung verdient die intravenöse Injektion also
in therapeutischer Beziehung keinen Vorzug vor der subku¬
tanen. Soll sie überhaupt neben dieser bestehen bleiben, so
muß entschieden gefordert werden, daß sie frei ist von
jeglichen unangenehmen Nebenwirkungen. Bei einer großen
Zahl der Fälle ist nun die intravenöse Injektion von einer
anfänglichen Steigerung der Körpertemperatur gefolgt. Verf.
fand sie in etwa der Hälfte der Fälle. Dreimal sind gleichzeitig
mit dieser Temperatursteigerung im unmittelbaren Anschluß
an die Injektion erheblichere Störungen aufgetreten: In zwei
Fällen trat ein schwerer Schüttelfrost und Kollaps ein, im
dritten Falle folgte der Einspritzung ein Kollaps, der von einem
universellen Erythem begleitet war. In allen drei Fällen
gingen die Symptome zwar bald zurück, sie waren aber für den
Patienten und seine Umgebung äußerst besorgniserregend. Der
Gedanke lag nahe, daß es sich um Patienten handelte, die
durch eine frühere Seruminjektion anaphylaktisch geworden
waren. Genaue Nachfragen ergaben jedoch bei keinem An¬
haltspunkte für die Möglichkeit einer früheren Seruminjektion.
Um eine erworbene Anaphylaxie kann es sich also nicht han¬
deln. Auch zur Annahme einer angeborenen Ueberempfind-
lichkeit lag kein Grund vor. K r.
Prof. Dr. M. v. Zeissl, Abteilungsvorstand im Kaiser Franz-
Josef-Ambulatorium in Wien: Zur Behandlung des Trippers
mit Balsamicis. (Medizin. Klinik, 1910, No. 19.)
Verfasser erörtert die Geschichte, die Wirkungsweise und
den Wert der verschiedenen Balsamica und fixiert am Schluß
seine eigene Methode der Tripperbehandlung. Sie besteht im
akuten Stadium des Trippers in Einspritzungen und Masseu-
spülungen der vorderen Harnröhre mit Kalium hypermang.,
Ichthyol, Protargol, Albargin usw. und bei guter Verdauung des
Pat. in der Verabreichung balsamisch-ätherischer Mittel. Ist
nach fünf Wochen nur Besserung erfolgt, so macht Verf. zur
Beseitigung der Filamente, mögen darin Gonokokken nachge¬
wiesen sein oder nicht, Einspritzungen mit der Wundspritze
(oder dem Katheter und der Spritze) bis in die Blase. Führt diese
Methode nicht zum Ziel, dann folgt die Sondenbehandlung, in
letzter Linie kommen Antrophore und Instillation konzentrier¬
ter Lapislösung. Die Dehnung mit Dilatatorien und die endo¬
skopische Behandlung übt Verfasser nicht. Lange und viel
behandelte Tripper heilen oft, wenn die therapeutische Viel¬
geschäftigkeit eingestellt und die vielgequälte Harnröhren¬
schleimhaut in Ruhe gelassen wird, wobei man den Kranken
einer Karlsbader Trinkkur unterzieht. Die Tripperbehandlung
Anämischer wird durch die Verabreichung von Eisenpräpa¬
raten oder Arseneisenwässern wesentlich gefördert. Einen
Kranken, der Fäden im Harne zeigt, kann man dann aus der
Behandlung entlassen, wenn die häufig wiederholte mikro¬
skopische Untersuchung zahlreicher, nach Gra m behandelter
Präparate keine Gonokokken nachwies und wenn nach voraus¬
gegangener künstlicher Irritation der Harnröhre (Verab¬
reichung von alkoholhaltigen und moussierenden Getränken,
Einspritzung stärker reizender Lösungen) das reichlicher ge¬
wordene Harnröhrensekrel sich weder mikroskopisch noch
bei dem Kulturverfahren als gonokokkenführend erwies.
Privatdozent Dr. C. Bruck, Oberarzt der dermatologischen Klinik
der Universität Breslau: Ueber Epididymitis gonorrhoica
und ihre Behandlung. (Medizin. Klinik, 1910, No. 21.)
Verfasser erörtert zunächst die Frage, wodurch die im Ver¬
lauf der Urethralblennorrhoe einsetzende Entzündung des
Nebenhodens bedingt ist und wie diese Krankheit überhaupt
zustande kommt. Hinsichtlich der ersten Frage steht es
außer allem Zweifel, daß entgegen älteren Anschauungen, wo¬
nach es sich bei Epididymitis gonorrhoica um die Folge einer
Toxinwirkung, um eine Mischinfektion oder um einen reflek¬
torischen, durch Zirkulationsstörungen bedingten Vorgang
No. 41-
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
623
handelt, der Gonococcus selbst als die Ursache der Epididymitis
anzusehen ist. Die zweite Frage, wie nun der Gonococcus aus
der kranken Harnröhre in den Nebenhoden gelangt, ist dahin
zu entscheiden, daß ihm nur ein Weg zum Nebenhoden offen
steht: der über das Vas deferens zum Vas epididymidis. Die Ein¬
wanderung auf dem Blut- und Lyinphwege ist zwar theoretisch
möglich, kommt aber praktisch nicht in Betracht, da dann im
ersteren Falle auch gleichzeitige anderweitige metastatische
Prozesse beobachtet werden müßten, im zweiten Fall eine Be¬
wegung der Gonokokken gegen den Lymphstrom anzunehmen
wäre. Hierauf wendet Verfasser sich zur Therapie und ent¬
wirft, nachdem er drei therapeutische Methoden, die in der
letzten Zeit bei Epididymitis vielfach geübt worden sind, die
aber noch nicht zum Allgemeingut des Praktikers geworden
sind, nämlich die Punktions-, die Stauungs- und die Vaccin-
behandlung, erörtert hat, ein Bild von der Behandlungsweise
der Epididymitis in der Breslauer Klinik. Wird eine fiebernde
akute Epididymitis mit starken Schmerzen eingeliefert, so
wird sofort nach der Desinfektion der Skrotalhaut mit Jodtink¬
tur die Schlitzung der Tunica propria beziehungsweise Ent¬
leerung einer etwaigen Hydrocele vorgenommen. Sodann wird
der kranke Nebenhoden in einen feuchten Verband gelegt und
mit einem gut sitzenden N e i s s e r scheu Suspensorium fixiert.
Feuchte Verbände und Ruhigstellung des Hodens im Suspen¬
sorium bewähren sich besser, als feuchte oder heiße Umschläge
und Hochlagerung des Skrotums auf einer Unterlage, die den
Patienten zum absoluten Ruhigliegen auch in der Nacht ver¬
urteilt, während er mit einem sachgemäß sitzeirden Suspen¬
sorium ohne Schmerz und Schaden auch einmal seine Bettlage
wechseln kann. Als feuchten Verband zieht Verfasser einen
solchen mit 50 proz. Spiritus, dem 2 pCt. Resorzin zugesetzt
werden, vor. Das Skrotum wird mit Spiritus durchtränkter
Watte oder mit Mulllagen bedeckt, darüber kommt eine mehr¬
fach durchstochene Lage Billroth - Battist und sodann das
Suspensorium. (Allein unter diesem Spiritusdunstverband
nach Schäffer sieht man häufig einen schnellen Rückgang
der Schwellung.) Ist, wie meist der Fall, das Fieber nach
1—2 Tagen beseitigt, so setzt die Vaccinbehandlung ein, wäh¬
rend mit den feuchten Verbänden ruhig fortgefahren wird.
Handelt es sich um einen von Anfang an fieberfreien akuten
Fall, so sieht Verfasser von der Schlitzung ab, sofern nicht eine
stärkere Hydrocele dazu auffordert, und beginnt sofort mit der
Vacciniujektion unter gleichzeitiger Applikation von lokalen
Spiritusverbänden. Bleibt unter dieser Behandlung ein fühl¬
barer Knoten zurück oder liegt ein subakuter oder chronischer
Fall vor, so versucht man erst einige Tage durch Hitze (heiße
Sandsäcke) die Resorption zu bewirken. Gelingt dies nicht,
so wird ein F r i c k e scher Heftpflasferverband angelegt, der
sich Verfasser dann noch häufig als wirksam erwiesen hat. Bei
allen renitenten Indurationen, besonders aber bei etwaigen
alten fibrösen Prozessen macht man viel von Thiosinamin- oder
Fibrolysininjektionen Gebrauch (jeden Tag 1 ccm oder jeden
zweiten Tag 2 ccm einer 10 proz. Lösung). Nebenwirkungen
dieses Präparates hat Verfasser bisher noch nicht gesehen,
wohl aber eine auffallende Besserung selbst veralteter Fälle.
Verfasser sieht in der Epididymitis keine Kontraindikation jeg¬
licher Behandlung der Urethra anterior und posterior. Er setzt
die Behandlung nur bei ganz akuten und fiebernden Fällen für
einen oder zwei Tage aus, beginnt dann sofort aber wieder vor¬
sichtig mit Injektionen der Anterior und Guyonbehandlung der
Posterior, indem er nicht zu starke Katheter nur bis in den
Schließmuskel führt und zu tiefes Eingehen vermeidet, um
nicht durch mechanischen Reiz die gefährlichen antiperistalti¬
schen Bewegungen auszulösen. Verfasser verzichtet im Ver¬
laufe der akuten Epididymitis nur auf Spülungen, hat jedoch
von Guyoninstillationen nie eine Erkrankung des zweiten Neben¬
hodens, wohl aber eine solche bei Aussetzen jeglicher Behand¬
lung gesehen. Sind die akuten Erscheinungen abgeklungen, so
nimmt er bald die volle Behandlung wieder auf. Verf. warnt
alter davor, bei gleichzeitig bestehender Prostatitis eine Massage¬
behandlung vorzunehmen, da der durch diese Maßnahmen aus¬
gelöste Reiz leicht eine Erkrankung des anderen Hodens zur
Folge haben kann. — Prophylaktisch empfiehlt B. zur Ruhig¬
stellung des Caput gall., der Prostata, der Samenleiter usw. und
zur Vermeidung der gefährlichen retrograden Bewegungen die
Darreichung von Atropin bei allen Fällen akuter Urethritis
posterior. Er pflegt bei akuter Posterior 3 mg Atropin pro die
und auch bei schon bestehender einseitigender Epididymitis
kleinere Dosen (% bis 1 mg pro die) während mehrerer Tage
intern zu verabreichen. K r.
Dr. C. Berri, Assistent der medizinischen Klinik in Genua:
Beitrag zur Digitalistherapie. (La Clinica Medica Italiana,
1910, 1. 465.)
Der Verfasser untersuchte das Digipuratum und
stellte auf Grund eingehender Kurven dessen Wirkung auf
Puls, Herz und Blutdruck fest. Bemerkenswert war die schnelle
Steigerung der Diurese und die erhöhte Kochsalzausscheidung.
Die verschiedenen Stadien der Herzerkrankungen werden
durch Digipuratum gut beeinflußt, indem die Diastole eine be¬
trächtliche Verlängerung, die Systole eine bemerkenswerte
Kräftigung erfährt. Die Wirkung auf den Puls ist konstant,
er wird langsamer, voller und regelmäßiger; in ganz schweren
Fällen wird nur eine geringe oder vorübergehende Verlang¬
samung des Pulses erzielt. Der Blutdruck hebt sich schon
nach 6—7 Stunden nach Verabreichung des Digipuratums.
Eine ganz hervorragende und anhaltende Wirkung übt das
Digipuratum auch auf die Diurese aus und hebt außerdem die
Kochsalzausscheidung. Ferner gewährleistet das Digipuratum
gegenüber dem gewöhnlichen Digitalisinfus eine exakte
Dosierung. Es hat auch in kleinen Dosen eine rasche und
energische Wirkung. Das Digipuratum erzeugt bei den Kranken
nur in Ausnahmefällen gastrointestinale Störungen.. K.
Geh. San.-Rat Dr. Görges, leitender Arzt des Elisabeth-Kinder¬
hospitals in Berlin: Ueber Eisensajiidin. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 36.)
Die in die Therapie eingeführten Jodeisen-Präparate stellen
keineswegs das Ideal angenehmer Mittel dar. Das in ihnen
enthaltene Eisenjodür ist leicht zersetzbar und ruft erklärlicher¬
weise eine Magenreizung und Schwarzfärbung der Zähne her¬
vor. Dazu kommt noch, daß worauf Ewald in seinem Handbuch
der Arzneilehre 1898 aufmerksam macht, der offizinelle Siru-
pus ferri jodati bezüglich seines Jodeisengehaltes verschieden
zusammengesetzt ist. Dies gab Veranlassung zur Darstellung
eines gut verträglichen Jodeisen-Präparates, das nun in dem
von den Elberfelder und Höchster Farbwerken hergestellten
Eiseusajodin vorliegt. Es wird in der handlichen Form der
Tabletten, die zur Verdeckung des indifferenten Geschmackes
des Eisensajodins einen Schokoladezusatz erhalten haben, in
den Handel gebracht. Das Eisensajodin enthält 25 pCt. Jod
und 5,7 pCt. Eisen, beide chemisch gebunden an die leicht assi¬
milierbare Rehensäure, welche den im Sajodiii enthaltenen Fett¬
körper enthält, an den das Jod intramolekular gebunden ist.
Jede Tablette enthält in runden Zahlen ausgedrückt 0,012 Jod
und 0,03 Eisen. Der Preis eines Röhrchens beträgt 2,25 M., so
daß sich der Tagesbedarf bei einer Darreichung von 2 bis
3 Tabletten täglich auf 25 bis 30 Pfg. beläuft. Die Resorptions¬
verhältnisse liegen genau so wie beim Sajodin. Die Spaltung
der Substanz und ihre Ausscheidung geht langsam vor sich und
ist um so protrahierter.
Verf. hat im Elisabeth-Kinderhospital das Eisensajodin ge¬
prüft. Es kamen nur ausgewählte Fälle von reiner Skrofu¬
löse zur Behandlung, die mit skrofulösen Ausschlägen an der
Nase oder im Gesicht, Phlyktänen, Drüsenanschwellungen ein¬
hergingen. Insbesondere bei kleinen Patienten mit tuber¬
kulösen Erkrankungen der Lunge wurde das Präparat geprüft.
In allen Fällen war eine eklatante Besserung im Aussehen und
im Allgemeinbefinden schon nach Ablauf einer Woche zu kon¬
statieren. Die Kinder sahen nach kurzer Zeit besser aus, auch
die sichtbaren Ercheinungen der Skrofulöse gingen zurück.
Die Gewichtszunahme betrug zuweilen 1,5 kg in einer Woche,
in vier Wochen öfters 4 kg. Diese Besserung war so eklatant,
daß die Angehörigen der Kinder stets nach Eisensajodin ver¬
langten. Auch Versuche über den Hämoglobingebalt wurden
mehrmals angestellt, die jedoch zu einem negativen Erfolg
führten. Verfasser beschränkt sich daher nur auf die objek¬
tiv ’.n Erfolge und die Gewichtszunahme und beschreibt in seiner
Arbeit ausführlich und klar die Krankengeschichten von sechs
Fällen.
Verf.'s Resume geht dahin, daß Eisensajodin ein geschmack¬
loses, den Magen und Darm nicht reizenden Präparat ist, das
auch die Zähne nicht angreift und von den Kindern gut ver¬
tragen wird. Nach kurzer Zeit macht sich eine Appetit¬
anregung und Gewichtszunahme bemerkbar, die in allen Fällen
konstant war. Die sichtbaren skrofulösen Erscheinungen
gingen glatt und sicher zurück; Jodismus trat niemals ein.
Eisensajodin bietet also einen vollwertigen Ersatz des
Jodeisen-Sirups; sein hauptsächliches Indikationsgebiet sind
alle Erkrankungen, bei denen eine Verlangsamung des Stoff¬
wechsels durch eine gestörte Ernährung vorliegt; vor allem
bei skrofulöser Anämie, hereditärer Lues, anämischer
Arteriosklerose. Da das Präparat sich in fetten Oelen leicht
löst, eignet es sich gut zur Darreichung in Lebertran. Eine
Spezialität, die bei Skrofulöse und ähnlichen Erkrankungen
in Frage kommt, ist S c o 11 s Emulsion, die mit großer Reklame
in den Tagesblättern propagiert wird. Sie enthält weder Eisen
noch Jod, dafür phosphorsaure Salze anorganischer Natur, die
bekanntlich wenig oder gar nicht resorbiert werden. Ein
Jodeisenpräparat in Lebertran ist die unter der Be¬
zeichnung Jodelia eingeführte Emulsion, die scheußlich
schmeckt und von erwachsenen Kindern meistens abgelehnt
wird. Man hat nun unter Berücksichtigung des Jodgehalts
eine Eisensajodin-Emulsion und einen Eisensajodin-Lebertran
dargestellt, die zum Preis von 2,85 M. in den Apotheken zu
haben sind. G.
624
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 41.
Prof. Dr. H. Plissier (Dresden): Uebcr den Ersatz der soge¬
nannten indifferenten Thermalbäder durch Inhalation ihrer
Radiuinemanation bei rheumatischen Affektioneii. (Münch,
med. Wochenschrift, 1910, No. 35.)
Nachgewiesenermaßen vermag die in Bädern enthaltene
Radiumemanation die Haut nicht zu durchdringen; da aber
nach emanationshaltigen Bädern Emanation ausgeschieden
wird, so muß man annehmen, daß die Emanation im Bade nur
durch die Atmungsorgane in den Organismus eingedrungen
sein kann. Deswegen schien der Versuch aussichtsreich, die
natürlichen radioaktiven Queilwässer durch Inhalation von
Radiumemanation zu ersetzen. Zu diesem Zweck sind Inhala¬
tionstabletten in den Handel gebracht worden. Diese erwiesen
sich jedoch bei therapeutischen Versuchen, die Verfasser an¬
gestellt hatte, zu schwach, jedenfalls war die Wirkung zweifel¬
haft. Deshalb kam Verfasser auf die Idee zu prüfen, ob es
gelingt, durch bloße Inhalation der den Heilquellen direkt ent¬
nommenen gasigen Produkte dieselben therapeutischen Resul¬
tate zu erzielen, wie mit den herkömmlichen Badekuren. In
T e p 1 i t z bot sich im verflossenen Winter die Möglichkeit, der¬
artige Versuche in größerem Umfang anzustellen. Die Ver¬
suchsanordnung war folgende: In der Nähe des im Teplitzer
Stadtbadehause gelegenen Quellschachtes wurde eine Kammer
eingebaut, deren Rauminhalt etwa 5,75 cbm betrug, die also
genügend war, um einen oder selbst zwei Menschen eine Stunde
lang ohne besondere Ventilationseinrichtung aufzunehmen. Die
Wände wurden mit einem luftdichten Harzanstrich versehen.
Aus dem Hauptquellrohr führte eine direkte Nebenleitung in
die Kammer und gestattete, die Wände dauernd mit Thermal¬
wasser zu berieseln. Auf diese Weise mußte ein großer Teil der
in dem Thermalwasser enthaltenen Emanation in die Kammer¬
luft übertreten. Messungen ergaben, daß bei der gewühlten
Anordnung in einem Liter Luft in der Kammer 5,1 Mache-Ein¬
heiten enthalten waren, d. h. es findet sogar eine Anreicherung
von Emanation in der Luft statt. Da die Temperatur der Tep¬
litzer Stadtquelle an ihrem Ursprung 48° C. beträgt, so wurde
gleichzeitig die Luft in der Kammer erheblich erwärmt, bis auf
35° C. und mit Wasserdampf gesättigt. Es wurden nun einige
Patienten mit schwerer chronischer Polyarthritis (7) und
Ischias (3) für den Versuch ausgewählt, deren Zustand schon
längere Zeit stabil und durch die vorausgegangen Behandlung
(zum Teil waren sie mehrere Monate in Dresden im Kranken¬
haus gewesen) nicht oder kaum beeinflußt worden war. Die
Behandlung bestand lediglich darin, daß die Kranken täglich
2 mal %—% Stunden in die Kammer verbracht wurden. Neben¬
her wurden nur leichte passive Bewegungen versteifter Gelenke
in einigen Fällen angewendet. Die therapeutische Wirkung
der Inhalationskur war in allen Fällen eine sehr günstige. Von
sieben Kranken mit chronischer Polyarthritis waren sechs bei
der Entlassung völlig frei von rheumatischen Schmerzen und
Schwellungen. Der siebente Kranke wurde wesentlich ge¬
bessert, aber noch mit Gelenkschmerzen entlassen. Vier Wochen
später war er ebenfalls schmerzfrei. Die drei Ischiasfälle
wurden geheilt entlassen. Die Kurdauer betrug bei den sechs
Rheumatikern im Durchschnitt 69 Tage. Bei den drei Ischias¬
kranken betrug die Kurdauer 11, 36 und 67 Tage, doch war
auch der am längsten behandelte bereits nach 40 Tagen fast
ohne Erscheinungen. Aus diesen Erfahrungen ergibt sich, daß
die bekannte Heilwirkung der radioaktiven Bäder auf Ischias
und rheumatische Affektionen auch ohne den Gebrauch der
Bäder selbst durch eine bloße Inhalation der Quellgase erzielt
werden kann. Der Aufenthalt in den Emanationskammern
wurde auch von geschwächten und empfindlichen Patienten
vorzüglich vertragen. Die bequeme Art der Anwendung er¬
laubt die Benützung der Emanation auch solchen Kranken,
deren Schwerbeweglichkeit den Gebrauch der Badekur aus¬
schließt.
Dr. C. Kaestle (München): Versuch einer neuen Methode zur
Prüfung der Verweildauer von Flüssigkeiten im Magen.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 35.)
Verfasser berichtet über eine Methode, mittels der Röntgen¬
durchleuchtung die Verweildauer von Flüssigkeiten im Magen
zu bestimmen. Er benutzte dazu Schwimmer, welche er in der
in dem Magen befindlichen Flüssigkeit schwimmen läßt, als
Marke. Als schwimmende Körper verwendet er verschieden
große Gelatinekapseln, die mit geringen Mengen Wismut¬
karbonat, Thoroxyd und besonders Zirkonoxyd locker oder nur
zum Teil gefüllt waren. Indem diese Kapseln in Guttapercha¬
säckchen oder Säckchen aus Gummi gebracht wurden, sind sie
auf viele Stunden gegen die Einwirkung des Magensaftes ge¬
schützt. Die Versuchsperson erhält zunächst nüchtern zur
Sichtbarmachung der unteren Magengrenze einige gepreßte
Zirkonoxydtabletten ä 5 g oder einige Gramm Zirkonoxyd in
Oblaten, die sich, am Boden des Magens angekommen, auflösen.
Zum Hinabspülen der Tabletten oder Boli wird die Versuchs¬
flüssigkeit verwendet, mit deren letzten Mengen man drei
schwimmende Kapseln schlucken läßt. Die Untersuchung
wird am stehenden, Patienten vorgenommen, die Aufzeich¬
nung des Untersuchungsbefundes erfolgt orthodiagraphisch.
Es zeigte sich, daß der normale Magen sich eng um seinen
Inhalt kontrahiert; die Entleerung erfolgt offenbar durch
konzentrische Kontraktion der Magenwände, die meist
mit einer oft sehr beträchtlichen und schon bald einsetzendeu
Hebung des unteren Magenpols Hand in Hand geht. Was die
vorläufigen Resultate anlangt, so waren von 250 ccm Leitungs-
wasser nach 1% Stunden noch geringe Reste im Magen,
20 Minuten später waren Flüssigkeit und Kapseln aus dem
Magen verschwunden. 250 ccm warme Vollmilch bleiben etwa
2 1 / 2 . Stunden im Magen. 250 ccm Milch-Kakao mit Zucker ver¬
weilen 2% Stunden bis 2 Stunden 55 Minuten im Magen.
250 ccm dünner chinesischer Tee mit einem Stück Zucker ver¬
weilen etwa 114 Stunden im Magen, die letzten Reste waren
15 Minuten später aus dein Magen verschwunden. Von 250 ccm
Milchkaffee mit Zucker, blieben nach 1 Stunde 50 Minuten ge¬
ringe Reste, von 250 ccm Tiroler Rotwein noch nach 2 Stunden
25 Minuten geringe Mengen im Magen, die diesen 15 bis
20 Minuten später verlassen hatten. R. L.
Prof. Dr. Georg Joannovics und Privatdozent Dr. Ernst P. Pick
(Wien): Ueber hämolytisch wirkende, freie Fettsäuren in
der Leber hei akuter gelber Atrophie und Phosphorver¬
giftung. (Berl. klin. Wochenschr., 1910, No. 20.)
Zusammenfassung:
1. Aus der Leber lassen sich bei akuter gelber Atrophie
und Phosphorvergiftung von Mensch und Tier Hämolysine von
außerordentlicher Wirksamkeit gewinnen.
2. Diese hämolytischen Substanzen sind in Aethyl-, Methyl¬
alkohol, Aether und Aceton löslich und nahezu ausschlie߬
lich Fettsäuren, während die acetonfällbaren Lipoide so gut
wie nicht hämolytisch wirken.
3. Bei der experimentellen Phosphorvergiftung lassen sich
diese Hämolysine in erheblichen Mengen auch im Blute nach-
weisen.
4. Das subkutane Fettgewebe bei Phosphorvergiftung ist
frei von diesen exquisit hämolytisch wirkenden Substanzen.
5. Das Vorhandensein solcher intensiv wirkenden Hämo¬
lysine in der Leber läßt sich für den Nachweis von freien Fett¬
säuren verwerten.
6. Die für die Hämolyse von Organextrakten in Betracht
kommenden Fettsäuren scheinen nach der Art ihrer hämolyti¬
schen Wirkung den höheren, ungesättigten Fettsäuren anzu¬
gehören.
7. Bei der akuten gelben Leberatrophie und der Phosphor¬
vergiftung werden wahrscheinlich diese ungesättigten Fett¬
säuren, welche normalerweise in den lecithinartigen Kom¬
plexen gebunden sind, durch Zerfall derselben frei. K r.
L, Moskowicz: Ueber aseptische Magen- und Darmoperationen.
(Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 91, H. 4.)
Seit zwei Jahren befaßt sich M. mit der Ausbildung einer
Technik, welche es ermöglichen soll, alle am Magen und Darm
vorkommenden Eingriffe ohne Eröffnung des Darmlumens
auszuführen. Die Technik hat im Laufe der Zeit mannigfache
Aenderungen und zwar meist Vereinfachungen erfahren und
M. ist jetzt in der Lage, über 37 nach seiner Methode ausge¬
führte Magen- und Darmoperationen zu berichten. Die Durch¬
trennung und der blinde Verschluß eines Darmlumens ge¬
staltet sich nach M.’s Methode folgendermaßen: Durch¬
quetschung mit Doyens Zange, Anlegung von zwei schmalen
Klemmen in der Quetschfurche und Durchschneidung zwischen
beiden Klemmen mit Paquelin, Einstülpung der Darmklemme
und fortlaufende seromuskuläre Naht über der Klemme, zum
Schluß wird die Klemme geöffnet, herausgezogen und der
kleine Rest der Oeffnung verschlossen durch Tabaksbeutelnaht,
welche vorher schon angelegt war. Auf diese Art kommt kein
Darmlumen zu Gesicht. Aehnlich gestaltet sich die Ausführung
der Enteroanastomose und Gastroenterostomie: Die zu anasto-
inosierenden Abschnitte werden zuerst durch seromuskuläre
Naht zusammengebracht, dami zwei hochgehobene Wulste mit
der dreiblättrigen Darmklemme erfaßt und dann die Wülste mit
Paquelin abgetragen; durch einige über die Klemme hinweg
angelegte Matralzennähte werden die über der Anastomose
liegenden Abschnitte aneinander gebracht, die Klemme wird
herausgezogen und erst nach Vollendung der Naht durch Ein-
• stülpung mit dem Finger von außen her das durch Brandschorf
verklebte Lumen eröffnet und so die gewünschte Kommuni¬
kation hergestellt. Nach denselben Grundsätzen läßt sich mit
dem von M. angegebenen Instrumentarium die Ileocolostomie,
die Darmausschaltung und die Darmresektion ausführen. Die
Technik wird von M. eingehend geschildert und durch Illustra¬
tionen erläutert. Unter den 37 operierten Fällen, deren
Krankengeschichten mitgeteilt werden, finden sich drei Todes¬
fälle (Krebsmetastasen, Unterlappenpneumonie, Nahtdehis-
cenz). Unter 11 Ileocolostomien kein Todesfall, unter 11 Gastro¬
enterostomien 1 Todesfall, unter 7 Dickdarm resektionen
1 Todesfall, unter 5 Magenresektionen 1 Todesfall.
No. 41.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
625
Th. Wette: Ueber Diagnose und Behandlung des Dickdarm-
carcinoms, sowie über einige Fälle von Coecaltuberkulose.
(Archiv für klin. Chlrur., Bd. 91, H. 4.)
W. berichtet über 51 binnen 10 Jahren im städtischen
Krankenhause in Weimar beobachtete Fälle von Dickdarm-
carcinom, darunter 31 Fälle von Mastdarmcarcinom. Von den
20 Dickdarmcarcinomen gehören 11 der Flexura sigmoidea, je 3
dem Colon ascendens und descendens, je einer der Flexura
coli dextra und sinistra an. 11 Fälle kamen erst im Zustand
des Ileus in das Krankenhaus. Die Symptomatologie wird vom
Verfasser recht anschaulich geschildert: Bei Leuten des mitt¬
leren Alters, welche zwar nicht an Verstopfung oder Darin-
beschwerden gelitten haben, entsteht zunächst Obstipation,
welche anfänglich meist noch mit Erfolg durch Abführmittel
bekämpft wird. Dann folgen die Stenosensymptome, Leib¬
schneiden, Koliken Brechreiz. Diese Anfälle gehen vorüber,
aber sie wiederholen sich, schließlich kommt es zum Ileus.
Am leichtesten ist noch die Diagnose beim Rektalcarcinom
durch Digitalexploration, Rektoskopie, Abgang von Blut und
Schleim unter Tenesmen zu stellen. Höher sitzende Carcinome
sind nur dann durch die Bauchdecken hindurch palpabel, wenn
sie schon eine gewisse Größe erreicht haben, oder die Bauch¬
decken sehr dünn sind. Häufig handelt es sich aber — zumal
in der Flexur — um sehr kleine ringförmige strikturierende
Tumoren. In zweifelhaften Fällen ist unbedingt die Probe¬
laparotomie indiziert. Leider wird häufig genug mit Bade¬
kuren etc. die kostbarste Zeit versäumt. Tritt zu den Koliken
noch das markante Symptom der Darmsteifung hinzu, so ist
die Indikation zur Operation selbst dann gegeben, wenn noch
kein Tumor fühlbar ist. Besteht vollends das ausgebildete
Symptom des Ileus, so verbietet sich ein zeitraubendes Unter¬
suchen, ob ein Tumor vorliegt, von selbst, da jede Minute des
Zuwartens die Lebenschancen des Kranken verringert. Von den
11 Ileusfällen des Verfassers starben 7 und zwar 3 nach Resek¬
tion des Tumors, vier nach Anlegung eines Anus praeternatu¬
ralis. Nur selten entwickelt sich der Ileus bei Dickdarm-
carcinom ohne Vorboten, meist handelt es sich um einen all¬
mählich entstandenen Obturationsileus mit deutlichen voraus¬
gegangenen Stenosensymptomen. Sehr hüten muß man sich
vor einer Verwechselung mit Appendicitis, wenn bei einem bis
dahin gesunden Menschen plötzlich Schmerzen in der Coecal-
region auftreten. Solche Schmerzen kommen auch bei Coecal-
carcinom vor und dieses kann sogar einen perityphlitischen
Absceß erzeugen, wenn es die Darmserosa durchwachsen hat.
Diese Verwechselungen sind mehrfach vorgekommen. Die
Normalmethode bei diesen Ileusfällen sollte die Anlegung eines
Anus praeternaturalis sein, da die Kranken der eingreifenden
Resektion meist erliegen. Entleert man dagegen den mächtig
geblähten, oft zum platzen drohenden Darm von den massigen
gestauten Darmtoxinen, so erholen sich die Kranken meist
rasch und man gewinnt Zeit zur radikalen Operation. Besteht
kein Ileus, so bevorzugt Wette bei der Operation des Dick-
darmcarcinoms die zweizeitige Vorlagerungsmethode nach
Mikulicz, welche weit gefahrloser ist, als die primäre
Resektion und Naht. Erst 24—48 Stunden nach der Heraus¬
lagerung und Unmähung des Tumors wird dieser abgetragen
und der Testierende Anus 3—4 Wochen später durch Anlegung
der Spornklemme und Sekundärnaht beseitigt. Im Anschluß
hieran berichtet W. über zwei Fälle von Coecaltuberkulose.
Auch diese Fälle werden meist entweder mit Appendicitis oder
mit Carcinom verwechselt. Die Behandlung besteht entweder
in der Enteroanastomose oder in zweizeitiger Resektion nach
Mikulicz, wie beim Tumor. Adler (Berlin-Pankow).
Privatdozent Dr. H. Selter (Bonn): Eine vereinfachte Methode
der Alkohol-Händedesinfektion. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 34.)
Verfasser prüfte vergleichend eine Reihe von Methoden
zur Händedesinfektion, darunter die Methoden von F ü r b r i n -
g e r und Schumburg, in bezug auf ihre Leistungsfähigkeit.
Dabei ergab sich, daß die Desinfektion der Hände mit Lysol
oder Sublimat allein keine genügenden Resultate gibt; bessere
Ergebnisse liefert der Alkohol, gleichgültig, ob man absoluten,
denaturierten oder Seifenspiritus gebraucht. Die Tiefenwirkung
des absoluten Alkohols ist eine beträchtliche. Die von einem
russischen Chirurgen angegebene Desinfektion mit 5 proz.
Tanninalkohol soll die Keime festhalten; dieser Zweck wird
vollkommen erreicht, dagegen ist die Tiefenwirkung nicht so
vollkommen. Diese Methode gibt der Haut eine lederartige
Beschaffenheit und macht sie dadurch zum Operieren unge¬
eignet. Verfasser versuchte nun, um die Alkoholdesinfektion
noch bequemer zu machen, den Alkohol mit Seife in eine
festere Form zu bringen. Ei- ließ durch die chemische Fabrik
von Marquardt in Beuel ein Präparat aus 75 pCt. Alkohol
und 25 pCt. Kaliseife unter Zusatz von etwas Magnesia usta
herstellen, das Präparat hat eine salbenartige Konsistenz und
wird mit den Händen verrieben. Die Desinfektionswirkung
erwies sich als genügend, dagegen zeigte sich, daß bei Sommer¬
temperatur der Alkohol nicht gebunden blieb, sondern schon
beim Liegen ausgeschieden wurde. Deswegen ließ Verfasser
eine festere Alkoholpaste herstellen, die 80 pCt. Alkohol und
20 pCt. Kernseife, aus reinsten Palmitin- und Stearinsäuren
gewonnen, enthielt. Das Präparat wird angewendet, indem
ein Stückchen von 20 g innerhalb fünf Minuten unter leichtem
Drücken in die Haut verrieben wird. In bezug auf die Des¬
infektionswirkung zeigte sich diese Alkoholpaste sehr leistungs¬
fähig; in einzelnen Versuchen wurde eine Keimverminderung
um 9,96—9,97 pCt. erzielt. Zum Abspülen der zurückbleiben¬
den Seife empfiehlt Verfasser Sublimatlösung, da steriles
Wasser sich nicht immer so schnell herstellen läßt. Um die
Wirkung der Alkoholpaste noch sicherer zu gestalten, ließ Ver¬
fasser später den Alkohol weiter steigern und so wurde ein
Präparat gewonnen, welches 86 pCt. absoluten Alkohol und
14 pCt. Seife enthält. Das Präparat wird unter der Bezeich¬
nung „C h i r a 1 k o 1, fettsaure Alkoholpaste“ von
der Chemischen Fabrik Marquardt, Beuel bei Bonn,
in den Handel gebracht. R. L.
G. Kelling: Studien über Thrombo-Embolie, insbesondere nach
Operationen. (Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 91, H. 4.)
Um ein Urteil über die verschiedenen Faktoren der
Thromboembolie zu bekommen, hat K. hauptsächlich folgende
drei Fragen geprüft:
1. Häufigkeit, Sitz und Aetiologie.
2. Ursache der Blutgerinnung, insbesondere Gerinnung
des Blutes innerhalb der Gefäße und die Beziehungen zur
Thrombose.
3. Prophylaxe und Therapie der Thromboembolie.
Vergleicht man die zahlreichen Statistiken, so ergibt sich
eine Häufigkeit postoperativer Embolien von 1 pCt. oder
darunter. Kelling selbst hat sechs Todesfälle an Embolie
erlebt: 1 mal nach Appendektomie im Intervall, 1 mal nach
Magenresektion wegen Carcinom, 2 mal bei incarcerierten
Hernien, 1 mal nach Cholecystektomie, 1 mal nach Anus
praeternaturalis bei Rektumcarcinom.
Das häufigere Vorkommen der Thrombosen im Bereich der
Venen des linken Beines erklärt K. dadurch, daß die Venen
der linken Seite unter stumpferen Winkeln in die Vena cava
einmünden, als die der rechten Seite und überdies durch die
Arteria iliaca, sacralis media und hypogastrica sowie die
Flexura sigmoidea komprimiert werden, während die Vena
iliaca dextra nur von der Arteria iliaca gekreuzt wird. Die
vielfach vertretene Ansicht, daß alle Thromben auf Infektion
beruhen, wird von K. nicht geteilt, obwohl der begünstigende
Einfluß der Infektion unverkennbar ist. Nach nicht aseptischen
Operationen (incarcerierten Hernien, Appendicitis gangraenosa
etc.) sind Thromboembolien ungleich häufiger, als bei rein
aseptischen Operationen. Einen ebenso sicher festgestellten
ätiologischen Faktor, wie die Infektion, bildet die Anämie.
Einen dritten wichtigen ätiologischen Faktor bildet der
Meteorismus. Ferner werden als prädisponierende Momente
vielfach angegeben: Kachexie, Narkotika, Herzkrankheiten
und Nahrungsentziehung, welche die Blutgerinnung be¬
schleunigt. K. hat nun zur Erklärung der Thrombenbildung
zahlreiche Versuche angestellt. Unterband er die Vena iliaca
oder die Vena cava, so erhielt er stets nur im distal der Liga¬
tur gelegenen Gefäßabschnitt einen Thrombus, niemals im
proximalen. Unterbindet man die Venen an zwei Stellen, so
erhält man zwischen beiden Ligaturen keinen Thrombus.
K. erklärt nun die Thromenbildung durch die distal von der
Ligatur infolge Druckerhöhung eintretende Stauung und durch
die Veränderung der Blutkonzentration, welche ausgelöst wird
durch das experimentelle von ihm erwiesene Hindurchtreten
von Plasma durch die Gefäßwand. In praxi erzeugen wir
wahrscheinlich Thromben bei unseren Operationen durch
Venenligaturen, durch energische Tamponade, durch kom¬
primierende Verbände, Anlegung von Kompressionsbinden und
dergl. Auch Tumoren können durch Druck auf die Venen
Thromben erzeugen. Entsprechend der hauptsächlichen Ent¬
stehung der Thromben durch Stauung, durch vermehrte Aus¬
scheidungsfähigkeit des Blutes und durch Infektion ergeben
sich die wichtigsten Gesichtspunkte für die Prophylaxe ohne
weiteres: Vermeidung jeglicher Venenkompression, Berück¬
sichtigung der gesteigerten Blutgerinnung und rigoroseste
Asepsis, Einschränkung der Narkose, Vermeidung größerer
Blutverluste, Umgehung der Venen bei der Anlage des
Schnittes, Bekämpfung des Meteorismus. Zur Herabsetzung
der Blutgerinnung sind reichliche rektale Kochsalzeinläufe zu
empfehlen.
Unbedingt zweckmäßig zur Verhütung der Embolie ist
das Frühaufstehern Wo es nicht durchführbar ist, soll es durch
häufigen Lagewechsel, Hochlagerung des Fußendes des Bettes,
Massieren der Beine etc., passive und aktive Bewegungen er¬
setzt werden. Bestehen praemonitorische Embolien mit Atem¬
not und Seitenstechen, so muß der Operierte unbedingt und
mindestens drei Wochen Bettruhe innehalten. Die bei Otitis
media und Thrombose des Sinus jugularis ausgeführte Venen¬
ligatur, die Ligatur der V. spermatica bei Puerperalfieber er-
626
No. 41.
THERAPEUTISCHE
mutigt zu weiteren Versuchen auf diesem Gebiet. Mehr Heil
als von der Trendelenburg sehen Operation der Eröff¬
nung der Art. pulmonalis ist jedenfalls von einer zielbewußten
Prophylaxie zu erwarten, welche alle zur Thromboembolie
disponierenden Schädlichkeiten nach Möglichkeit vom Kranken
fernhält.
W. v. Revher: Zur Frage der Infektion der Schußverletzungen.
(Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 91, H. 4.)
Im Band 90 dieses Archives hat Vollbrecht die
Reyhersehe Arbeit über „die Infektion der Schußverletzun-
gen“ (Archiv Bd. 88, H. 2) einer scharfen Kritik unterzogen.
Die vorliegende Arbeit bildet eine Erwiderung auf Voll-
b r e c h t s Angriffe. R eyhe r begründet nochmals eingehend
seine Thesen, welche der v. B e r g m a n n sehen Lehre von der
primären Keimfreiheil der Schußverletzungen allerdings einen
argen Stoß versetzen. Reyher erklärt jede Schußwunde im
Kriege für primär infiziert. Die Primärinfektion erfolgt meist
durch mitgerissene Kleiderfetzen und Wollfasern, welche R.
nach den Impfversuchen von Hecker und Uhlenhuth an
550 Mäusen für sehr infektiös hält im Gegensatz zu den An¬
gaben von Pfuhl. Die Sekundärinfektion der Schußwunde
durch nachträglich in die Wunde eindringende virulente Keime
spielt nach Ansicht von R. eine geringe, nach Ansicht von
Vollbrecht eine große Rolle. Die Polemik zwischen Voll¬
brecht und v. Reyher hat deshalb einen so scharfen
Charakter angenommen, weil V. die so zahlreichen Wundeite¬
rungen im mandschurischen Feldzug auf Sekundärinfektion
infolge unsachgemäßen Verbandes und fehlerhafte Wund¬
behandlung zurückführen möchte. Hiergegen wendet sich
v. R. sehr energisch und erklärt, daß er alle Fälle von sekun¬
därer Infektion aus seiner Betrachtung ausgeschieden habe.
Für die Verhütung der primären Infektion spielt nach v. R.
nicht sowohl das Verbandpäckchen und die Okklusion, sondern
die rechtzeitige Immobilisierung und der sachgemäße Trans¬
port die Hauptrolle. Eine wesentliche Besserung der Resultate
ist nach Ansicht von v. R. vorläufig nicht zu erwarten, wofern
uns nicht die Bakteriologie ein geeignetes Serum zur Erzeugung
künstlicher Immunität und intensiver Bekämpfung der Primär¬
infektion verschafft. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. med. Ludwig Mayer (München): GrimdzUge der modernen
Ekzemtherapic. (Fortschritte der Medizin, 1910, No. 33.)
Wer viele Ekzemfälle zu behandeln hatte, wird wohl zu¬
geben, daß wir fast nur chronische Ekzeme zu Gesicht be¬
kommen, und zwar die nässende Form mit mehr oder weniger
eingetrockneten Krusten, seltener das schuppende Stadium.
Das Nässen nun können wir wohl mit einer einfachen Zink¬
paste beseitigen, falls der Patient genügend Energie besitzt, die
pathologische Infiltration der Oberhaut aber, die den immer
wiederkehrenden Juckreiz unterhält, vermögen wir nur durch
eine mehr oder weniger gelinde Aetzwirkung zu bekämpfen,
und hier hat sich das Lenigallol unter allen anderen Prä¬
paraten am allerbesten bewährt. Eine anfangs 5-, später 10-
und 20 proz. Lenigallolzinkpaste führt eine nässende
Ekzemstelle ohne die geringste Reizung in zwei bis höchstens
drei Tagen, den Juckreiz sofort beseitigend, in eine schwarz¬
braun gefärbte, alsbald abheilende Hautpartie über. Diese
milde Aetzwirkung, die auch den Nichtspezialisten jeden Fehl¬
griff in der Zeit der richtigen Anwendung vermeiden läßt, ist
nur dadurch ermöglicht, daß Lenigallol, das in Wasser unlös¬
liche Triazetaf der Pyrogallussäure, nur langsam aber sicher
bei Berührung mit kranker Haut Pyrogallussäure abspaltet.
Die Paste wird morgens und abends erneuert, mit Vaselin
sanft entfernt, trocken gepudert und dünn mit Watte bedeckt.
Sobald die erkrankte Hautpartie nun (nach etwa 8—10 Tagen)
in großen schwarzbraunen Lamellen zu schuppen beginnt und
schließlich nur noch eine schwache Rötung zeigt (die behandelte
Stelle kann beliebig groß sein, z. B. beide Unterextremitäten,
da Lenigallol keinerlei giftige Wirkung äußert), wird zu kräfti¬
ger ätzenden und dadurch die pathologische Infiltration der
Oberhaut definitiv beseitigenden Mitteln übergegangen, oder
sofort zur souveränen Schlußbehandlung, zum Teer. Der Teer
hatte leider früher ziemlich störende Beimengungen wie Pech
in seiner gewöhnlichen Form; sobald er von diesen befreit
ist, wie im Anthraso 1, leistet er Vorzügliches, da er in dieser
Reinheit gegen Schluß der Behandlung auch völlig unverdünnt
auf der Haut vertragen wird. Gelingt es mit diesen Mitteln
nicht, eine Ekzembehandlung erfolgreich durchzuführen, so
sind eben die pathologischen Infiltrationen der Oberhaut, die
ja sicherlich parasitären Schädlichkeiten ihre Entstehung ver¬
danken. zu weit vorgeschritten und es ist hier sofort zur alt¬
bewährten Aetzung mit 15 proz. Kalilauge überzugehen. Be¬
sonders hartnäckige Stellen, die danach noch Juckreiz zeigen,
werden ein zweites Mal mit Kalilauge betupft. Nach der
Aetzung applizieren wir einen ruhigstellenden Salbenverband
(Past. Zinc., Ungt. diachyl. Hebr.), nach einigen Tagen eine
20 proz. Lenigallolzinkpaste und danach (event. sofort) eine 5-,
RUNDSCHAU 1910.
später 10 proz. Teerzinkpaste (Anthrasol). Schädlichkeiten
sind noch lange fernzuhalten, nur Kleieubäder zu verwenden
und tüchtig einzufetten. , K.
Dr. Hugo Schottmüller (Hamburg): Zur Pathogenese des septi¬
schen Abortes. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 35.)
Verfasser berichtet über eine größere Untersuchungsreihe,
welche die Aetiologie resp. Erreger der fieberhaften und septi¬
schen Aborte betrifft. Er hat auf seiner Abteilung in den letz¬
ten Monaten 145 Fälle von Abort bakteriologisch untersucht.
Es waren darunter auch Fälle, bei denen eine Temperatur¬
steigerung überhaupt nicht eintrat. Entsprechend fiel bei
45 Fällen die bakteriologische Untersuchung der Cervix nega¬
tiv aus, und zwar war auch bei einigen febrilen Fällen das
Ergebnis negativ. In 100 Fällen war das Ergebnis der bakterio¬
logischen Untersuchung der Cervix positiv; folgende Bakterien
wurden gefunden: Streptococcus putrid, (an&erob) 29, davon
19 mal in Reinkultur; Staphylokokken 26 mal; Bac. coli 19 mal,
Streptococcus vaginalis 8 mal, Streptococcus erysipelat. 6 mal,
Bact. phlegm. emphysematos. 5 mal, Diplococc. pneumon. 3 mal,
B. coli hämolytic. 1 mal, Gonococcus 1 mal, Streptococcus viridens
1 mal, B. paratyphos. B. 1. Von den aufgezählten Strepto¬
kokkeninfektionen endeten zwei durch hämolytische Strepto¬
kokken tötlich; bei diesen wurden sie auch im Blut gefunden.
— Verfasser bespricht dann die Befunde bei putriden Aborten,
d. h. solchen, die sich durch übelriechenden Ausfluß auszeich¬
nen. Nach seiner Erfahrung stinkt der Uterusinhalt dann,
wenn sich der anaerobe Streptococcus oder das Bacterium coli
angesiedelt haben. Der durch Bac. coli hervorgerufene fade,
üble Geruch unterscheidet sich deutlich von dem Gestank nach
Schwefelwasserstoff, den der Streptococcus putridus im Gewebe
erzeugt. Nach der herrschenden Lehre werden bei der putri¬
den Intoxikation oder Saprämie nur Giftstoffe von den Blut-
und Lymphgefäßen des Uterus resorbiert. Gelangt auf einmal
eine größere Menge der im Uteruskavum erzeugten Ptomaine
in das Blut, so stellt sich ein Schüttelfrost ein. Selbst wenn
eine putride Endometritis sich ausbildet, sollen die Fäulnis¬
keime nur bis an den Granulationswall von Leukocyten Vor¬
dringen können, welcher das lebende Gewebe . vom toten
scheidet. Diese Lehre ist nach den Untersuchungsergebnissen
des Verfassers nicht mehr haltbar. Er hat gefunden, daß bei
putriden Aborten die Infektionskeime in den Blutstrom ge¬
langen, und zwar auch schon vor etw'aigen Eingriffen (Aus¬
räumung etc.). Es handelt sich demnach auch beim putriden
-Abort um eine echte Infektion. Die Keime können im Blut
kreisen, auch wenn die Temperatur niedrig ist. Die Höhe des
Fiebers steht im allgemeinen in einem geraden Verhältnis zur
Zahl der Keime. Nach der Ausräumung verschwinden die
Keime aus dem Blut mit dem Abfall des Fiebers, fast regel¬
mäßig steigt die Zahl durch den Eingriff vorübergehend noch
einmal an, oft von einem Schüttelfrost begleitet. — Das Wesent¬
liche, für den Verlauf Maßgebende bei puerperalen Infektionen
ist die Art der Infektionserreger. Nicht selten kommen Misch¬
infektionen vor. Uebrigens gelingt es nicht, in allen Fällen bei
fieberhaften Aborten Keime im strömenden Blut nachzuweisen.
Es gibt nach Verfasser klinische Anhaltspunkte, welche die
Eimvanderung von Keimen in den Blutstrom erkennen lassen,
nämlich das Eintreten eines Schüttelfrostes sowie eine Milzver¬
größerung. Die bakteriologische Blutuntersuchung gibt nach
Verfasser auch Fingerzeige über die Lokalisation des Ent¬
zündungsprozesses. So sah Verfasser bisher niemals eine
Salpingitis durch Bact.-Coli-Infektionen, sehr oft dagegen bei
Infektionen durch den Streptococcus putridus. Ein Teil der
bisher als Folge einer gonorrhoischen Infektion angesehenen
Fälle von Adnexerkrankung ist durch den Streptococcus putri¬
dus bedingt. Auch aus den bakteriologischen Untersuchungen
folgt für die Therapie die Regel, jeden fieberhaften Abort so
früh wie möglich auszuräumen, damit ein Vordringen der
Keime bis in die Tuben oder in die Venen und Lymphgefäße
des Parametriums verhindert wird.
Dr. Ernst Gräfenberg (Berlin): Die Bedeutung des Pantopons
(Sahli) für die Gynäkologie und Geburtshilfe. (Deutsche
med. Wochenschrift, 1910, No. 34.)
Verfasser berichtet über Versuche, das Morphium-Scopo-
lamin in kombinierten Narkosen durch das neue Präparat Pan-
topon, welches die sämtlichen Alkoloide des Opiums an Salz¬
säure gebunden, in wasserlöslicher Form enthält, zu ersetzen.
Er kam zu dem Ergebnis, daß zwei subkutane Injektionen von
1 ccm der fertigen sterilen 2 proz. Lösung in einem Drittel der
bei Morphium-Scopolamin nötigen Zeit mit Aether eine tiefe
Narkose herbeiführen. Die erste Injektion wird 1 Va Stunden,
die zweite % Stunde vor Beginn der Narkose ausgeführt. Unter
der Geburt läßt sich durch Pantopon ohne Schaden für Mutter
und Kind eine gute Herabsetzung der Wehenschmerzen er¬
zielen. Die Dosierung ist dabei: 1- resp. 2 mal 1 ccm der 2 proz.
Lösung. — Da auch die glatte Muskulatur des Darmes nicht ge¬
lähmt wird, gehen in der Rekonvaleszenz schon sehr frühzeitig
die ersten Blähungen ab. R. L.
No. 41.
627
THERAPEUTISCHE
Dr. ,1. Reich, Assistent der geburtshilflichen Universitätsklinik
in Innsbruck: Zur Kenntnis des Haematoma vulvo-vaginale.
(Wiener klin. Wochenschrift, 1910, No. 29.)
Das Haematoma vulvo-vaginale ist eine Blutung in das
Zellgewebe des kleinen Beckens entweder unterhalb der
Beckenfascie oder über derselben. Danach unterscheidet man
infra- und suprafasciale, die auch bezüglich der Therapie sich
verschieden verhalten. Die infrafascialen Hämatome, welche
das Zellgewebe der Scheide und der äußeren Geschlechtsteile
mit Einschluß des Dammes und des angrenzenden Teiles der
Hinterbacken betreffen, sind weit häufiger als die supra-
fascialen, die allerdings wieder häufiger sein dürften, als man
annimmt, da sie sich leicht der Beobachtung entziehen. Wäh¬
rend' die Hämatome der Scheide und der äußeren Genitalien
kaum übersehen werden können, ist dies leicht der Fall bei den
Hämatomen der Parametrien. Diese Hämatome entziehen sich
sicher oftmals der Beobachtung, insbesondere wenn sie klein,
die Blutmenge, welche auf diese Weise dem Kreislauf entzogen
wird, gering ist, wenn sie sich also nicht durch Zeichen ein¬
tretender Anämie oder durch exzessive Schmerzen verraten.
Weitaus am häufigsten beobachtet wird das äußere Hämatom
der Vulva und das der Vagina im Anschluß an eine Geburt.
Es entsteht fast durchweg intra partum, durch den Geburts¬
vorgang als solchen oder durch ein Trauma während desselben,
wird aber gleichfalls erst nach Stunden oder Tagen entdeckt,
kann sogar einmal übersehen werden, wenn es klein bleibt und
infolgedessen auch kaum erhebliche Schmerzen bereitet. Die
Ursache der Hämatombildung ist in der Zerreißung eines in
das lockere Zellgewebe der Parametrien, der Scheide oder des
äußeren Genitales eingebetteten Gefäßes zu suchen. Fast
immer handelt es sich dabei um Zerreißung einer Vene. Selten
sind die Fälle, wo eine Arterie das verletzte Gefäß bildet. Die
Zerreißung des Gefäßes unter der intakten Schleimhaut der
Scheide, des Scheideneinganges, des äußeren Genitales erfolgt
meistens spontan unter dem Einflüsse des Druckes im kleinen
Becken während der Austreibungsperiode, durch Zerrung und
Verschiebung der lockeren Gewebsschichten gegeneinander 1 ,
wozu durch die Auflockerung während der Schwangerschaft,
noch mehr aber durch die ausgesprochene, zu jeder Geburt
vom weiblichen Organismus inszenierte hochgradige Blut¬
füllung, Durchtränkung und Auflockerung der Gewebe im
kleinen Becken die Prädisposition geschaffen wird. Gerade
durch die in manchen Fällen besonders auffallende ganz
enorme Auflockerung und Aufquellung insbesondere des unter¬
sten Gebärmutterabschnittes und der Scheide mit dem ganzen
Zellgewebe des kleinen Beckens wird die Entstehung des
Hämatoms bei der Geburt selbst bei ganz kleinen Früchten,
die den knöchernen Beckenkanal ohne jede Schwierigkeit und
in der kürzesten Frist passieren, am meisten begünstigt. Daraus
erklärt sich auch die von machem Autor gemachte Erfahrung,
daß gerade bei der raschen Geburt kleiner Früchte öfter Häma¬
tome entstehen als unter anderen Umständen. Sicherlich
spielen aber auch noch andere Momente eine Rolle bei der Ent¬
stehung des Haematoma vulvo-vaginale. L ö h 1 e i n hat in
zweien seiner Fälle Nephritis gefunden und sicherlich kann und
wird eine solche prädisponierend wirken. Man braucht nur an
die weitgehenden Veränderungen der Gefäßwand zu denken,
die durch die Nephritis bedingt werden. Eine weitere Ursache
resp. ein begünstigendes Moment bei der Entstehung der Häma¬
tome, worauf L ö h 1 e i n hinwies, ist erhöhte Beckenneigung.
Es leuchtet ein, daß bei tiefstehender Symphyse und dadurch
im Beckenausgange erzeugter Verengerung resp. Verkürzung
des geraden Durchmessers der durchschneidende Kopf stärker
an den Crura clitoridis zieht und zerrt als unter gewöhnlichen
Verhältnissen und daß dadurch leichter subkutane Einrisse in
die Corpora cavernosa entstehen können. In gleicher Weise
wie erhöhte Beckenneigung kann bei Erstgebärenden auch ein
enger, widerstandsfähiger, kräftiger Scheideueingang im Ver¬
eine mit einem dicken, muskulös derben Damme die Ursache
einer zu starken Zerrung an den Klitorisschenkeln während
des Durchtrittes des Kopfes durch die Vulva sein und damit die
Entstehung eines Vulvarhämatoms begünstigen. Das würde
auch die relative Häufigkeit der Hämatome bei Erstgebärenden
verständlicher erscheinen lassen. Eine ganze Reihe von Häma¬
tomen entstehen ferner infolge direkter oder indirekter
Traumen, sowohl bei der Geburt als außerhalb derselben. Zu
den direkten Traumen zählt Verfasser alle geburtshilflichen
Operationen, wie Zange, Wendung und dergl., also operative
Eingriffe von der Scheide aus, ebenso wie manuelle Maßnahmen
von den Bauchdecken aus, wie insbesondere energisch ausge¬
führten Crede sehen Handgriff. Zu den durch indirekte
Traumen entstandenen Hämatomen zählt Verfasser jene,
welche bei und nach der Geburt verursacht werden durch hef¬
tiges Husten, Niesen, energisches Pressen, durch Heben
schwerer Gegenstände bald nach der Geburt. Dabei ist die
Anwesenheit besonders begünstigender Momente, z. B. starker
Varicen der Genitalien, nephritisch oder anderweitig athero-
matöser Brüchigkeit der Gefäße und anderes, vorauszusetzen.
Die Annahme atheromatöser Prozesse und aus Druckusuren
RUNDSCHAU 1910.
während der Auslreibungsperiode entstehender, langsam
fortschreitend* Nekrose im perivaginalen Gewebe erklärt auch
die sehr seltenen Fälle von Hämatombildung in den späteren
Tagen des Wochenbettes.
Schließlich sind noch jene Fälle von Haematoma vulvo-
vaginale zu berücksichtigen, die in keinem Zusammenhänge
mit der Geburt stehen, die während der Schwangerschaft und
außerhalb derselben entstehen. In dieser Beziehung spielen
Koitus, Fall und Stoß auf die Schamteile eine Rolle.
Die Diagnose des Haematoma vulvae ist im allgemeinen
nicht schwierig. Die Art der Entstehung, das rasche Auftreten,
die Lokalisation, Fluktuation, das Aussehen machen eine Diffe¬
rentialdiagnose anderen Tumoren gegenüber leicht. Etwas
schwieriger kann die Diagnose schon werden bei vaginalen
Hämatomen, sehr schwierig, oftmals unmöglich bei den supra-
faseialen. Dasselbe gilt in noch höherem Maße von den intra¬
ligamentären und subperitonealen Hämatomen, die nach ener¬
gischer Massage des Uterus sich bilden und eventuell erst bei
der nachfolgenden Obduktion konstatiert werden.
Aktueller erscheint heute die einzuschlagende Therapie
und in Verbindung mit dieser die Prognose der Hämatome.
Während sich der eine Teil der Gynäkologen strikt für ein
aktives Vorgehen in jedem Falle ausspricht, haben sich anderer¬
seits viele Stimmen erhoben, die einem konservativen Stand¬
punkte das Wort reden. Verfasser tritt keinem der beiden
Standpunkte unbedingt bei. Er behandelt den einen Fall, der
keinerlei böse Symptome zeigt, konservativ, den anderen aktiv.
Man muß individuell Vorgehen. Fehlen schwere Symptome
wie Fieber und rasche Expansion, ist die Schmerzhaftigkeit
gering, ergibt sich keine Komplikation, so hält Verf. den konser¬
vativen Standpunkt für gerechtfertigt, ja für den einzig richti¬
gen. Bettruhe, Einwirkung von Kälte in Form von Eisbeuteln,
kühler Irrigation, Umschlägen mit Bleiwasser, Druck in Form
von Tamponade, Kolpeurynter, sofern die Schmerzhaftigkeit die
Anwendung zuläßt, u. dgl. sind gewiß geeignet, ein Weiter¬
schreiten zu verhindern und die Resorption zu befördern.
Größerwerden des Hämatoms aber mit Gefahr der Berstung
und schwerer Blutung, exzessive Schmerzhaftigkeit, Fieber
durch Infektion von der Umgebung aus, Verjauchung des
Hämatoms, Komplikationen in der Weise, daß das Hämatom
ein Geburtshindernis bildet für die Frucht oder für die Nach¬
geburt oder die Lochien im Wochenbett zurückstaut, wobei
durch Resorption Heber verursacht werden kann, das Häma¬
tom also nur mechanisch Fieber erzeugt — solche Fälle müssen
immer ohne Zögern aktiv angegangen werden. K r.
Dr. M. v. Rohr (Jena): Zur Theorie der Fernrohrbrille.
Prof. E. Hertel (Straßburg): Ueber Ersatz der operativen Kor¬
rektion hochgradiger Myopie durch eine Gläserkombination.
(Fernrohrbrille), (v. Graefes Archiv für Ophthal¬
mologie, 1910, Bd. 75, II. 3.)
Bekanntlich gelingt es nur in unvollkommener Weise,
hochgradig myopische Augen mit Veränderungen des Augen¬
hintergrundes und meist erheblich herabgesetzter Sehschärfe
durch die erforderlichen starken Konkavgläser zu korrigieren.
Dies war auch der Grund, daß die von Fukala vorgeschlagene
operative Beseitigung der exzessiven Myopie durch Entfernung
der Linse anfänglich sich schnell Eingang verschafft hat; die
unmittelbaren Resultate waren nicht schlecht; vor allem wurde
in allen Fällen, wo die Operation technisch einwandsfrei ge¬
lang, und die Resultate nicht durch unglückliche Zufälle ge¬
trübt wurden, durch die Operation eine Verbesserung der Seh¬
schärfe für die Ferne im Mittel um das 1 (4 fache erzielt, trotz¬
dem die Veränderungen des Hintergrundes nicht tangiert wur¬
den. Dieser offenbare Vorteil der operativen Korrektion gegen¬
über der Gläserkorrektion beruht jedenfalls zum Teil darauf,
daß durch die operative Korrektion eine Vergrößerung der
Netzhautbilder «intritt. Indes hat, wie bekannt, die Begeiste¬
rung für die Myopieoperation wegen ihrer unleugbaren Ge¬
fahren für das Auge sehr abgenonunen, sie wird nur noch dann
gemacht, wenn die Gläserkorrektion ganz versagt, und auch
dann nur einseitig. Hertel legte sich deshalb die Frage vor,
ob es nicht möglich wäre, den hochgradigen Myopen durch eine
geeignete Gläserkombination die Leistung der Operation zu er¬
setzen, vor allem also vergrößerte Bilder der Gegenstände der
Außenwelt zu verschaffen. Ganz neu war dieser Gedanke
nicht, man hat schon früher versucht, sich fernrohrartiger Kom¬
binationen oder des ähnlichen wirkenden Steinheilsehen
Konus für den erwähnten Zweck zu bedienen. Indes wurden
diese Bestrebungen früher niemals systematisch verfolgt und
auch nicht in wissenschaftlicher Weise ausgestaltet, sie gerieten
daher bald in Vergessenheit. Die zurzeit erreichte, besonders
der Firma C. Z e i s s und ihren Mitarbeitern verdankte Durch¬
bildung der geometrischen Optik in wissenschaftlicher und
praktischer Beziehung ermöglichte es, diese Versuche mit mehr
Aussicht auf Erfolg wieder aufzunehmen, und auf Veranlassung
von Hertel unternahm der bekannte wissenschaftliche Mit¬
arbeiter der Firma Z e i s s, Dr. v. Rohr, die wissenschaftliche
628
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 41.
Durchrechnung der in Betracht kommenden Gläserkombina¬
tionen. Es konnte sich von vornherein nur um die Kombina¬
tion einer Konvexlinse als Objektiv und einer Konkavlinse als
Okular handeln, also um eine Kombination vom Typus des
holländischen Fernrohrs. R o h r entwickelt in seiner Arbeit
die Prinzipien und Formeln, nach denen er diese Kombina¬
tionen berechnet hat. Es ist erforderlich, für das Fernsehen
und für die Naharbeit verschiedene Kombinationen zu ge¬
brauchen, wenigstens soweit es sich um ältere Myopen handelt,
Demnach wurden auch Presbyopenbrillen nach dem Typus der
Fernrohrbrillen konstruiert. Ferner ist zu berücksichtigen, daß
für den Benutzer der Fernrohrbrille ein genügendes Blickfeld
zur Verfügung bleibt, wenn derartige Fernrohrbrillen praktisch
verwendbar sein sollen. Endlich kommt es auf die Vergröße¬
rung an. Je stärker diese ist, um so mehr wird das Gesichtsfeld
eingeengt. Bei den praktischen Versuchen, welche Hertel
an Kurzsichtigen anstellte, wobei er Fernrohrbrillen verschiede¬
ner Vergrößerungen (1,27; 1,48; 1,68 und 2) versuchte, wurde
von den Versuchspersonen die Kombination mit der schwäch¬
sten Vergrößerung 1,27 schließlich doch vorgezogen, weil sie
das Gesichtsfeld am wenigsten einengt und den Patienten dabei
offenbar doch ein genügend deutliches Sehen ermöglicht. Im
allgemeinen wird man also bei den hochgradigen Myopen Fern¬
rohrbrillen von 1,25—l,3facher Vergrößerung anwenden; für
besondere Zwecke können freilich stärkere Vergrößerungen
von Nutzen sein, hauptsächlich dann, wenn.die Leistungsfähig¬
keit der Augen sehr schlecht ist. Auch für das Sehen in der
Nähe ergibt die Korrektion mittels entsprechender Fernrohr¬
brille sehr gute Resultate. Meist konnte feinste Druckschrift
in ungefähr 30 cm Entfernung gelesen werden. Die dazu
nötigen Vergrößerungen bewegten sich je nach der Sehleistung
bei der Fernprüfung zwischen 1,5 und 2. Die Form der Fern¬
rohrbrillen weicht natürlich von der üblichen ab, da es sich um
eine Kombination von Gläsern handelt, die in einem gewissen,
allerdings geringen Abstand (von einigen Zentimetern) von¬
einander stehen müssen. Im ganzen erinnert das Aussehen
der Fernrohrbrillen an die Automobilbrölen. Das Tragen an
sich ist nicht lästig; die Brille mit doppelseitigen Gläsern wiegt
etwa 36 g. Der Preis der Gläserkombination für ein Auge be¬
trägt etwa 15 M. Soll die Fernrohrbrille exakt geliefert werden,
so muß der verordnende Arzt erstens die Myopie möglichst
genau bestimmen. Es muß dabei beachtet werden, daß der
hintere Scheitel des zur Prüfung verwendeten Glases 12 mm
vom Homhautscheitel absteht. Ferner muß angegeben werden,
ob die Prüfung mit bikonkaven, plankonkaven oder periskopi-
schen Gläsern vorgenommen wurde, ferner, ob die Fernrohr¬
brille zum Sehen in die Ferne oder zur Arbeit in einer be¬
stimmten Entfernung benutzt werden soll. Auch die vom
Patienten bei der Arbeit aufzuwendende Akkomodation muß
vermerkt werden. Viertens muß die gewünschte Vergröße¬
rung oder, wo das nicht zahlenmäßig möglich ist, die Art der
Beschäftigung angegeben werden. Ferner ist die Kenntnis des
Pupillenabstandes und der Breite des Nasenrückens erforder¬
lich. Hertel hofft, daß sich diese Fernrohrbrillen für hoch¬
gradig Kurzsichtige in der Praxis Eingang verschaffen werden.
_ R. L.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.—24. September 1910.
(Fortsetzung.)
Abteilung für innere Medizin, Balneologie und Hydrotherapie.
1. Sitzung.
Montag, den 19. September 1910, 3 Uhr
nachmittags.
Vorsitzender: Herr Kraus (Berlin).
Herr Hampeln (Riga): Die Häufigkeit der klinisch reinen
Mitralstenosen und ihre Prognose.
Die sog. reine Mitralstenose wird relativ häufig diagnosti¬
ziert. Daß sie ohne Insuffizienz auch anatomisch vorkommt,
mithin absolut rein ist, wofür die klinische Erfahrung spricht,
das ist bisher, streng genommen, nicht bewiesen, aber auch
nicht widerlegt, da Dilatation und Hypertrophie des linken
Ventrikels auch als Folge, wenn auch nicht der Stenose selber,
so doch der ihr zugrunde liegenden Klappendeformation ent¬
stehen können. Die Frage, ob neben der Stenose noch eine mit
ihr verbundene Insuffizienz besteht, ist, wenige eklatante Fälle
ausgenommen, überhaupt weniger eine anatomische als funk¬
tionell-physiologische Frage, über die auch nur funktionelle
Prüfungen, die Schließprobe Schaberts und die Wägun¬
gen entscheiden können. Diese sprechen für die relative
Häufigkeit der reinen Stenose. Sie entsteht in der Regel im
zweiten und Anfang des dritten Lebensdezenniums infolge einer
akuten Endokarditis, meist infektiös-rheumatischen Ursprungs
und währt als solche oft viele Jahre ohne auffallende Be¬
einträchtigung des Allgemeinbefindens, erscheint somit als ein
relativ gutartiger Klappenfehler. Die wenigen Fälle kongeni¬
taler Stenose hypoplastischen oder entzündlichen Ursprungs
am venösen Ostium oder der eigentlichen Mitralklappe haben
ihrer großen Seltenheit wegen mehr anatomisches als klinisches
Interesse.
Diskussion:
Herr Haudek (Wien): Für die Diagnose der Mitralstenose
ist die Röntgenuntersuchung von großem Wert; man sieht am
linken Herzohr eine Vorwölbung, die bei der reinen Mitral¬
stenose, bei der der linke Ventrikel nicht ausgedehnt ist, am
deutlichsten sichtbar wird. H. hat in vier Fällen von Mitral¬
stenose eine Rekurrenslähmung gesehen, für die eine andere
Ursache nicht zu eruieren war, und die demnach anscheinend
der Vergrößerung des linken Vorhofes ihren Ursprung ver¬
dankt.
Herr Hampeln: Das Auftreten der Vergrößerung des mitt¬
leren Bogens ist durchaus keine regelmäßige Erscheinung bei
der Mitralstenose.
Herr Ewald (Berlin) bespricht die Anwendung des Rekto-
Romanoskops und macht erneut auf das Vorkommen schwerer,
scheinbar idiopathischer Anämien aufmerksam, deren Quelle
in hochsitzenden, nur durch das Romanoskop nachzuweisen¬
den Varicen bezw. den aus ihnen erfolgenden perpetuierlichen
Blutungen besteht. Dieselben sind nicht groß genug, um den
Fäces äußerlich das Ansehen bluthaltiger Stühle zu geben. Da¬
gegen läßt sich dauernd Blut im Stuhl auf chemischem Wege
nachweisen, zum Unterschied gegen die kryptogenetische (per-
niciöse) Anämie. Die Behandlung besteht in erster Linie in
der Verödung der Varixknötchen mit dem Paquelin unter
Leitung des Romanoskops.
Diskussion:
Herr Schreiber (Königsberg): Ob am Rektoskop der Be¬
leuchtungsapparat innen oder außen angebracht ist, erscheint
ziemlich nebensächlich. Das Einführen des Instrumentes bis
über eine Höhe von mehr als 10—12 cm macht im allgemeinen
keine Schwierigkeiten.
Herr Mosse (Berlin): Die Anbringung des Beleuchtungs¬
apparates im Innern des Rekto-Romanoskops empfiehlt sich
deshalb nicht, weil das Gesichtsfeld durch Gase verdunkelt
werden kann. Die Methode kann nicht als ganz harmlos ange¬
sehen werden, wie es seitens des Herrn Vortragenden ge-
sechehen ist, da Todesfälle danach schon beobachtet sind. Die
Diagnose der perniciösen Anämie wird durch die Blutunter¬
suchung und nicht durch die Rektaluntersuchung gestellt.
Herr Ewald erklärt, daß es ihm natürlich nicht eingefallen
wäre, die Diagnose der perniciösen Anämie durch das Rekto-
Romanoskops zu stellen.
Herr Mohr (Halle): Zur Chemie und Biologie der Organ¬
verfettung.
Die Organverfettung, die man bei ätiologisch außerordentlich
verschiedenartigen Zuständen antrifft, zeigt anatomisch quali¬
tativ gleichartige, nur quantitativ verschiedene Bilder. Die
Frage, ob es sich bei der Organverfettung um Fettinfiltration
oder -degeneration handelt, ist von Rosenfeld in dem Sinne
beantwortet worden, daß die Leber Transportfett enthält, da
nach Verfütterung von Hammelfett dieses in der Leber bei den
genannten Zuständen deponiert wird. Dieser Anschauung
wurde besonders von R. V i r c h o w widersprochen. Diese
Frage ist so wenig geklärt wegen der Art der Untersuchungen.
Die Methodik Rosenfelds gibt keinen Aufschluß über die
qualitativen Veränderungen des Fettes. Bei der Verfettung
treten fettähnliche Substanzen in Leber, Herz und Niere auf,
die sonst darin nicht Vorkommen. Es sind das alkohollösliche,
ätherunlösliche Substanzen, also Lipoide. Charakteristisch ist
auch ein reichliches Auftreten von Cholesterin. Der äther¬
lösliche Bestandteil wird phosphorärmer als er normalerweise
ist. Die chemische Natur des gebildeten Fettes bei der Organ¬
verfettung durch Phosphorvergiftung, Diphtherie etc. ist also
wesentlich anders als bei der Fettsucht. Bei der Mastfettleber
des Menschen besteht die Hauptmasse aus ätherlöslichem Fett,
alkohollöslicher und Cholesterinanteil sind nur unwesentlich ver¬
mehrt. Das Fett entsteht an der Stelle, wo man es findet. Bei
der perniciösen Anämie wird die Leber zur Fettleber, in dieser
entstehen hämolytische Substanzen, die die eigentliche Ursache
der perniciösen Anämie sind. Die Leberverfettung muß also
hier als der primäre, die perniciöse Anämie bedingende Vor¬
gang angesehen werden.
Diskussion:
Herr Mosse (Berlin) glaubt, daß die Organverfettung in
Beziehung steht zur Acidose. Von drei Hunden gleichen Wurfes,
von denen einer hungerte, der zweite nüchtern, der dritte in
gesättigtem Zustande Phloridzin eingespritzt erhielt, bekam nur
der zweite eine Acidose. Bei diesem fand sich acidophiles,
bei dem gefütterten Phloridzinhund basophiles Protoplasma.
Herr Wolff (Reiboldsgrün): Die neueren Fieberunter¬
suchungen und das Tuberkulosefieber.
Temperaturerhöhung und Fieber sind nicht identisch, da
erstere sich künstlich erzeugen läßt. Die Temperaturerhöhung
No. 41.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
6-29
kann die Heilkraft bei der Tuberkulose heben durch Produk¬
tion der Bakteriolysine etc. Sie kann demnach bei dieser auch
günstig wirken. Bei jedem Fieberverdacht ist zweistündliches
Messen, möglichst rektal, notwendig. Jede Temperatur¬
erhöhung über 37" bei Achselhöhlenmessung ist suspekt.
Weitere Fiebersymptome sind erhöhte Pulszahl, nervöse Dys¬
pepsie, Appetitlosigkeit, Nachtschweiße, Gewichtsabnahme. Es
gibt schweres Fieber mit geringer, leichtes mit hoher Tempera¬
tursteigerung.
Diskussion:
Herr Müller (München): Es gibt chronische Zustände mit
leichtem Fieber ohne Tuberkulose, z. B. bei hyperthyreoiden
Zuständen, bei fettsüchtigen Knaben etc. Die rapide Gewichts¬
abnahme bei jungen Mädchen, die man mitunter beobachtet,
ist durch mangelhafte Nahrungsaufnahme bedingt.
Herr Ewald (Berlin): Die Gewichtsabnahme bei jungen
Mädchen ist oft dadurch bedingt, daß dieselben sich schlank
machen wollen. Sie kann mitunter einen recht bedenklichen
Charakter annehmen.
Herr E. Neisser (Stettin): Ueber Mikrogastrie.
Bei Leuten, die durch ihren Beruf gezwungen sind, rasch
zu essen, findet man mitunter, daß sie rasch abmagern, ohne
daß die Untersuchung der Organe einen Grund dafür auffinden
kann. Die Ursache liegt in einer Ungenügenden Entfaltung
des Magens. Während nach einer Röntgenmahlzeit der Magen
in sechs Minuten entfaltet sein soll, ist das hier nicht der Fall.
Die Leute zeigen vorzeitige Sättigung. Das läßt sich auch bei
jungen Mädchen, die rasch abmagern, röntgenologisch nach-
weisen. Die Ursache liegt in dem Tragen des Korsetts, das die
Entfaltung des Magens hindert. Auch der Schmachtriemen der
Handwerksburschen bewirkt etwas Aehnliches. Experimen¬
telle Untersuchungen lehrten, daß die Vitalkapazität des
Magens beim Schnüren für per os aufgenommene Flüssigkeit
auf 2 /a der Norm herabgesetzt ist. Bei der hier besprochenen
Form der Mikrogastrie ist sie noch wesentlich geringer.
Diskussion:
Herr Kraus (Berlin) schlägt zum Unterschied von der
anatomischen Störung für die geschilderten Zustände den
Namen funktionelle Mikrogastrie vor.
Herr Neisser bemerkt, daß es ihm weniger darauf ankam,
einen passenden Namen zu finden, als auf die Schilderung der
pathologischen Vorgänge.
Abteilung fiir Geburtshilfe und Gynäkologie.
Referent: Dr. Edmund Falk (Berlin),
Sitzung am 19. September 1910, nachmittags.
Herr Diidcrlein (München): Ueber Indikation und Technik
der Hysterostomatotoinia vaginalis anterior.
Vortr. berichtet über die Erfahrungen, welche er mit dem
von Dührssen angegebenen vaginalen Kaiserschnitt ge¬
macht hat. Der Name Kaiserschnitt ist nicht zweckmäßig; be¬
zeichnender ist der Name Hysterostomatotomia vaginalis anterior.
Vortragender betont die Neuheit der Dührssen sehen Ope¬
ration in Technik und Indikation, welche sich wesentlich von
den früher angewandten kleinen Inzisionen unterscheidet. Die
Dührssen sehe Operation ist für Mutter und Kind gleich
segensreich. — Zwar sind 25 Fälle von Eklampsie mit nicht
gutem Resultat behandelt, da 5 Mütter gestorben sind, aber sie
starben nicht an der Operation, sondern an der Eklampsie. Die
schnelle Entbindung vermag also bei schwerer Eklampsie nicht
stets heilend zu wirken. Wichtiger ist die Anwendung der
Hysterostomatotomia bei Placenta praevia. Von 34 Frauen starb
nur eine. Die Schnittmethode und die Schnellentbindung sind
also bei Placenta praevia der sicherste Schutz gegen Verblutung.
Ob das Kind ausgetragen ist, ob es abgestorben ist, ist gleich¬
gültig für die Stellung der Indikation. Eine Gebärmutter¬
tamponade ist anzuschließen. Im Gegensatz zu Dührssen
betont aber Verfasser, daß die Operation nicht im Privathause
ausgeführt werden darf. Die Indikationsbreite für die Schnell¬
entbindung mit dem Schnitte in der vorderen Gebärmutter¬
wand ist aber eine größere. Sie kommt in Betracht in allen
Fällen, in denen eine augenblickliche Entbindung, gleichgültig
in welchem Stadium der Geburt, notwendig wird. So führte
sie Vortr. u. a. in 17 Fällen wegen primärer Weichteils¬
schwierigkeiten ohne Todesfall aus, 7 mal wegen vorzeitiger
Lösung der normalsitzenden Placenta, 3 mal wegen Nabel¬
schnurvorfall, 3 mal wegen Schieflage, bei der eine Wendung
nicht möglich war. Auch bei Pyelitis, Nephritis, Hyperemesis
gravidarum, Tuberkulose ist die Operation indiziert in den
Fällen, in denen Schnellentbindung im Interesse der Mutter
oder des Kindes notwendig wird. Vortr. gibt eine Schilderung
seiner Technik, welche eine möglichste Schonung der Gewebe
bezweckt. Das Kind wird durch Wendung entwickelt.
Diskussion:
Herr Pankow (Freiburg) sah von dem vorderen Gebär¬
mutterschnitte nicht so gute Resultate bei der Placenta praevia.
Unter neun Frauen starben zwei durch Verblutung durch
Weiterreißen des Schnittes, obwohl er gleichfalls den Schnitt
hoch hinaufführte und einen Schnitt der hinteren Uteruswand
hinzufügte..
Herr Sellheiin gibt eine Differenzierung zwischen dem
klassischen Kaiserschnitt, dem extraperitonealen und dem vagi¬
nalen Uterusschnitt. S. hat bei Placenta praevia häufiger den
extraperitonealen Uterusschnitt ausgeführt; der Schnitt von
oben greift wie der vaginale den Ausführungsweg der Gebär¬
mutter an, ist aber übersichtlicher, und der Arzt kann ohne Ge¬
fahr langsamer operieren.
Herr Frank hält wie Herr Döderlein die rasche
Methode der Entbindung bei Placenta praevia für die beste
Operation. Die rasche Entbindung kann aber gefährlich werden,
wenn die Kranke vollständig ausgeblutet in Behandlung kommt,
hier gewinnt man durch die Wendung Zeit und macht die Ent¬
bindung ungefährlicher. Bei Erstgebärenden, namentlich bei
engem Becken, ist der Weg von oben dem Gebärmutterschnitt
vorzuziehen.
Herr Jung wendet zwar die Hysterostomatotomia bei den¬
selben Erkrankungen wie Herr Döderlein seit langer Zeit
an, bei Placenta praevia jedoch scheute er sich lange, sie aus¬
zuführen. Bei sehr engen Weichteilen führt er sie jedoch aus,
wenn Kolpeuryse und Wendung nicht in Betracht kommen. Bei
der Operation von oben zieht J. den klassischen Kaiserschnitt
bei Placenta praevia dem extraperitonealen Uterusschnitt vor.
Herr Frankel (Breslau) hält unter den Indikationen die
Einleitung einer künstlichen Schnellentbindung bei Tuberkulose
für nicht richtig, da hier gewöhnlich eine so schnelle Operation
nicht erforderlich ist, namentlich aber bei künstlicher Fehl¬
geburt ist eine Schnittmethode behufs schneller Entleerung des
Uterus nicht angebracht.
Herr E. Martin: Während auf der Bum m sehen Klinik der
vaginale Uterusschnitt häufig zur Einleitung einer künstlichen
Frühgeburt angewendet und der vaginale Kaiserschnitt auf
breitester Basis ausgeführt wird, wird er bei Placenta praevia
wegen Gefahr der Verblutung durch queres Einreißen nicht
gemacht.
Herr Döderlein: Die Gefahr eines Einreißens läßt sich
durch hohes Einschneiden bis über den inneren Muttermund
vermeiden. Die K r ö n i g sehe Klinik, über deren Resultate
Herr Pankow berichtete, schafft ein kompliziertes Wund¬
gebiet durch Hinzufügen der Schnitte in der hinteren Uterus¬
wand. Hierdurch sind die schlechten Resultate von Pankow
zu erklären. Daß man den Schnitt in das untere Uterinsegment
legt, wie Herr S e 11 h e i m , ist notwendig, aber der Weg von
der Scheide ist ungefährlicher, als von oben. Bei Erstgebären¬
den sind in der Tat die Schwierigskeiten bedeutendere.
Herr Rosinski (Königsberg): Ueber Pyelitis gravidarum.
Im Verlauf der Schwangerschaft tritt nicht selten eine
Nierenbeckeneiterung auf, die, durch die Schwangerschaft ver¬
anlaßt, mit Aufhören der Schwangerschaft von selbst ausheilt.
Die Fälle, in denen der Beginn der Pyelitis vor Eintritt der
Konzeption fällt, haben andere Prognose und eine andere
Aetiologie; die eigentliche Pyelitis gravidarum aber erfolgt
durch Stauung im Nierenbecken oder Ureter und Eintritt einer
Infektion. Am klarsten treten die Symptome bei Erstgebären¬
den auf, bei ihnen findet sich der Prozeß stets auf der rechten
Seite lokalisiert und beschränkt sich auf den abdominalen Teil
des Ureters — bis zur Linea inominata. Die Pyelitis beginnt
gewöhnlich im fünften Monat, selten später, fast nie früher.
Eine schiefe Einmündung des Harnleiters in die Blasenwand
(M irabeau) kann also nicht die Ursache für die Erkrankung
sein, ebensowenig wie die Schwellung der Blasenschleimhaut.
Im ersteren Falle müßte auch der pelvine Teil des Harnleiters
beteiligt sein, im letzteren müßte die Erkrankung doppelseitig
aultreten. Auch ein abnormer Tiefstand der Niere ist nicht
Veranlassung einer Abknjckung des Ureters. Ausschlaggebend
für das Auftreten einer Pyelitis kann nur eine Kompression
des Ureters durch Druck oder Abknickung des Ureters durch
Zug sein. Bei letzterem soll der Uterus beim Emporsteigen die
Blase mitnehmen, so einen Zug auf den Ureter ausüben und
zur Erzeugung einer verstärkten Winkelbildung beitragen.
R o s i n s k i neigt mehr der Kompressionstheorie zu, sie erklärt
den einseitigen Sitz und ferner die Erfolge, welche durch Links¬
lagerung der Kranken erzielt werden. Fast ausnahmslos läßt
sich durch diese einfache Therapie ein voller Erfolg erzielen.
Die Infektion durch Bacterium coli erfolgt wahrscheinlich
nicht von der Blase aus, sondern auf hämatogenem Wege. Das
Ultimum refugium der Therapie ist die Entleerung des Uterus;
das kindliche Leben muß im Interesse des mütterlichen ge¬
opfert werden.
Herr Jung (Göttingen): Ueber das Ascendieren eorpus-
culärer Elemente ohne Eigenbewegung im weiblichen Genital¬
kanal.
Experimentell ist es möglich, bei Tieren eine ascendierende
Genitaltuberkulose zu erzeugen. Baumgarten bestritt die
Möglichkeit, Jung erhärtete seine Annahme durch neue Ver¬
suche durch Injektion von Perlsuchtbacilleu in das linke
Horn und sah unter 33 Kaninchen 5 mal Aufsteigen der Infek¬
tion in das rechte Horn. Ferner unterband er Portio bezw.
630
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 41.
Scheide, machte eine Aufschwemmung unterhalb der Ligatur
und löste alsdann später die Umschnürung. Das Ascendieren
der experimentellen Genitaltuberkulose läßt sich durch anti¬
peristaltische Bewegungen oder durch Verschleppung von
Leukocyten erklären. Um den Einwand, daß es sich um häma¬
togene Verschleppung handelt, zu widerlegen, ließ .1 u ng durch
Engelhorn Carmin-Kakaokügelchen in die Scheide bringen,
und auch hier ließ sich ein Hinaufwandern der corpusculären
Elemente nicht nur in die Uterushöhle, sondern auch in die
Uterusschleimhaut und in die Lymphspalten der Muskulatur
nachweisen. Das Hinaufwandern der Tuberkulose auf dem
Lymphwege ist hierdurch experimentell gestützt. Die mensch¬
liche Genitaltuberkulose entsteht allerdings in den meisten
Fällen auf hämatogenem Wege, die Möglichkeit ist aber ge¬
geben, daß Tuberkelbacillen aus der Scheide in den Uterus
gelangen können.
Diskussion:
Herr Zuntz berichtet über einen Fall von Pyelitis bei einer
Erstgebärenden im dritten Monat, in dem eine Kompression
durch den Uterus nicht anzunehmen ist. Ferner berichtet er
über einen Fall, in dem, als eine rechtsseitige Pyelitis nach
Behandlung durch Linkslagerung geheilt war, eine linksseitige
Pyelitis sich anschloß.
Herr Mayer weist auf die Differentialdiagnose zwischen
Pyelitis und Perityphlitis hin, beide machen ähnliche Sym¬
ptome. Auch Verwechslung mit Pneumonie kommt vor.
Herr Th. Cohn: Die Pyelitis tritt häufig so schleichend auf,
daß in der ersten Zeit die Diagnose schwer zu stellen ist. Die
Frage, ob die Infektion eine aufsteigende oder hämatogene ist,
läßt sich nur lösen durch den Nachweis, ob die Bakterien sich
zuerst in der Blase oder im Nierenbecken finden.
Herr Fiith weist auf die Möglichkeit hin, Pyelitis mit In¬
fluenza zu verwechseln.
Herr Neu: Nicht allein das mechanische Moment durch
Druck des Uterus kann die Pyelitis veranlassen, auch schwere
Obstipation kann die Ursache sein.
Herr Zangemeister: Das Hindernis ist bei Pyelitis sicher
nicht sehr groß, denn die Ureteren lassen sich auch bei Pyelitis
leicht sondieren; aber der Urin kann auch dieses leichte
Hindernis nicht überwinden. Eine große Anzahl der Fälle ist
sicher hämatogenen Ursprungs. Die Nierenbeckenspülungen
wirken durch Freimachen der Passage.
Herr Rosinski führt aus, daß die hämatogene Infektion
durch das eruptionsartige Auftreten wahrscheinlich wird. Das
Gros der Fälle, die eine gewisse Gesetzmäßigkeit zeigen,
kann nur durch Druckkompression entstehen. Therapeutisch
sollen wir uns nicht mit der Behebung der manifesten Sym¬
ptome begnügen; auch nach der Entbindung müssen die Frauen
beobachtet und ev. behandelt werden.
Kombinierte Sitzung mit der Abteilung für innere Medizin.
Herr Hofbauer (Königsberg): Tuberkulose und Schwanger¬
schaft.
Die Klarstellung der Rückwirkung von Generationsvor¬
gängen auf die tuberkulöse Infektion ist nur auf dem Boden
großer empirischer Reihen möglich. Außerdem müssen die
Erfahrungen der Chirurgen, Urologen und Dermatologen her¬
angezogen werden. Von diesen Leitsätzen ausgehend, wurden
in der Königsberger Klinik sämtliche Schwangere und Ge¬
bärende auf Lungenaffektionen untersucht, in zweifelhaften
Fällen von spezialärztlicher Seite. Außerdem wurden die tuber¬
kulösen Kranken der inneren Kliniken und Abteilungen zur
Kasuistik verwertet, ferner der Bestand der Fürsorgestelle,
wo genaue anamnestische Erhebungen, das Ergebnis sorgfälti¬
ger physikalischer und Sputumuntersuchung, Angaben über Ein¬
fluß des Aufenthaltes in der Lungenheilstätte und über das
Befinden nachher vorliegen. Außerdem kamen Fälle, welche
längere Zeit während der Gravidität in Privatkliniken beob¬
achtet wurden, zur Verwertung. Unter den gesamten 235 Fällen
zeigte sich eine Verschlimmerung der Tuberkulose durch die
Gravidität in 55,7 pCt. Bei chirurgischer Tuberkulose und bei
Lupus tritt häufig Verschlechterung ein; die Urogenitaltuber¬
kulose bleibt meist unbeeinflußt. Bei der Beantwortung der
Frage nach der Häufigkeit der echten Schwangerschaftstuber-
kulose muß in Erwägung gebracht werden, daß nur selten der
Ausgang von latenten Herden ausgeschlossen werden kann.
Ob erhöhte Disposition zur tuberkulösen Erkrankung durch
Schwangerschaft gegeben ist, ist in bejahendem Sinne zu be¬
antworten. Von Bedeutung für den Verlauf sind der anato¬
mische Charakter der Lungenerkrankung und die sozialen Ver¬
hältnisse. In prognostischer Richtung kommt die gleichzeitige
Berücksichtigung von Temperatur, Puls und Gewicht in Be¬
tracht.
Die diagnostische und prognostische Seite muß damit rech¬
nen, daß die Gravidität an sich Zustände schafft, wie sie sonst
der Tuberkulose eigentümlich sind, Absinken des opsonischen
Index, Aktivierung der Kobrahämolyse. Für die ätiologische
Erklärung der gesteigerten Disposition kommen nach H o f -
bauers Untersuchungen in Betracht:
1. Herabsetzung des lipolytischen Vermögens des Blutes
in der Gravidität (wahrscheinlich im Zusammenhang mit den
degenerativen Zellschädigungen der Leber), und Hyper¬
glykämie.
2. Bestimmte physikalische Momente, welche am ausge¬
prägtesten im Larynx während der Gravidität auftreten
(Hyperämie, Oedem, Infiltrate), aber auch in der Lunge nach¬
weisbar sind, als Hyperämie und peribronchiale Infiltrate. Die
günstigen Erfahrungen, welche mit der frühzeitigen Unter¬
brechung der Gravidität bei progredienter Erkrankung gemacht
sind, erklären sich aus dem Wegfall der ätiologischen Faktoren.
(Fortsetzung folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
Zur Entfernung der Mandelpfröpfe empfiehlt
Dr. G. Trautmann (München) in der „Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 35, stumpfe Löffel, die entsprechend
winklig gebogen sind. Es kommt vor allem darauf an, den
supratonsillären Raum zwischen vorderem und hinterem
Gaumenbogen auszuräumen, denn hier ist der Lieblingssitz der
Mandelkonkretionen, welche aus Epithelien, Schleim und ab¬
geschiedenem Kalk sich zusammenballen und zu sehr ver¬
schiedenartigen Beschwerden, u. a. Foetor ex ore, Veranlassung
geben, auch die Ursache von häufig rezidivierenden Anginen
und peritonsillären Abscessen werden können. Mit dem an¬
gegebenen Löffel, welchen Verfasser durch Katsch (München)
in drei Größen anfertigen ließ, gelingt es leicht, die Tonsillar-
nischen aufzufinden, den ganzen supratonsillären Raum abzu¬
tasten und alle Konkretionen zu entfernen.
Dr. Max Barucli, Volontärassistent der Berliner chirurgi¬
schen Universitätsklinik [Geheimrat Bier] (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 35), empfiehlt auf Grund ausgedehnter
Versuche in der Poliklinik als Streupulver für die'Wundbehand¬
lung eine Mischung von Argeilt, nitric. und Bolus alba:
Argent. nitric. 1
Bolus alb. sterjl.ad 100
M. subtile f. pulv.
D. in vitro nigro.
Es ist' dies ein fast rein weißes lockeres Pulver, welches
sich auch durch seinen billigen Preis auszeichnet. Die Sterili¬
sation der Bolus alba geschieht durch Erhitzen auf 100—150".
Dieses Wundpulv.er gibt nach den umfangreichen Beobachtun¬
gen des Verfassers an Wunden und Geschwüren aller Art vor
allem einen mächtigen Impuls zur Zellneubildung sowohl in
bezug auf das Wachstum des Epithels wie der Granulationen
und regt gleichzeitig die Wundreinigung in hervorragendem
Maße an. Beispielsweise bewirkte es die Ueberhäutung aus¬
gedehnterer Hautdefekte, welche nach Cancroidexstirpationen
zurückgeblieben waren, so daß eine plastische Deckung unnötig
wurde. Gangränöse Wunden reinigt es schnell, ebenso erwies
sich das Pulver als geeignet für die Nachbehandlung von
Furunkeln, Karbunkeln, subkutanen Panaritien, Sehnen¬
scheidenphlegmonen usw., es scheint dabei im Vergleich zu der
früher geübten Salbenbehandlung den Heilungsprozeß wesent¬
lich abzukürzen. Besonders brauchbar zeigte sich das Pulver
bei der Behandlung von ausgedehnten Brandwunden, bei denen
es die Heilung erheblich beschleunigte und sich sowohl der
Scharlachsalbe wie auch der Bardeleben sehen Brandbinde
als überlegen erwies. Die Möglichkeit, das Silberpulver auf
infizierten unsauberen Wundflächen anzuwenden, ist nach Ver¬
fasser ein besonderer Vorzug vor der Scharlachsalbe;
letztere hat sich bekanntlich nur auf ganz gereinigten Wunden
bewährt. Aber auch auf gereinigten Wunden hat das Silber¬
pulver vor der Salbenbehandlung das voraus, die Wundsekrete
gut abzusaugen und ihnen ungehinderte Passage in den Ver¬
band zu gestatten. Was die Art der Anwendung anlangt, so
bediente Verfasser sich kleiner Streugläser, die durch Ueber-
spannen dunkler Fläschchen mit weitmaschiger Gaze herge¬
stellt wurden. Es wird damit von dem Pulver soviel aufge¬
streut, bis die Wunde in dünner Lage bedeckt ist und dann mit
einem Tupfer leicht augedrückt. Es haftet nur an der wunden
Fläche und ist zweckmäßig von der Umgebung und besonders
von den schon epithelisierenden Partien mit einem Tupfer
oder durch leichtes Darüberblasen zu entfernen. Der Ver¬
bandwechsel richtet sich nach der Sekretion, die in den ersten
Tagen ziemlich stark zu sein pflegt. Der Verband wurde an¬
fangs jeden zweiten, später jeden dritten oder vierten Tag er¬
neuert. R. L.
IV. Bücherschau.
Klinik fiir psychische und nervöse Krankheiten, herausgegeben
von Dr. Robert Sommer, ordentlicher Professor an der Uni¬
versität Gießen. Bd. V., H. 2. Halle a. S. 1910, Carl
M a r h (j 1 d, Verlagsbuchhandlung. Preis pro Band 12 M.
Das vorliegende Heft dieses in zwanglosen Heften er¬
scheinenden Unternehmens enthält nur eine, allerdings sehr
No. 41.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
631
gründliche umfangreiche Arbeit. Sie rührt von Privatdozent .
Dr. Paul Ranschburg in Budapest her und knüpft an
frühere Mitteilungen desselben Autors an. Die Arbeit be- >
schäftigt sich mit der Verwertung klinischer Gedächtnis- I
messungen bei nervösen und psychischen Krankheiten, speziell
mit der diagnostischen und prognostischen Verwertbarkeit von
Gedächtnismessungen. Zunächst stellt Verfasser für die Ge¬
dächtnisleistung bei Normalen gewisse Mittelwerte fest; dann
zeigt er an einer Reihe von Beispielen, wie die Gedächtnis¬
leistung bei einer Reihe von Geisteskrankheiten von der Norm
in mehr oder weniger hohem Grade abweicht. In dieser Weise
bespricht Verfasser das Verhalten der Gedächtnisleistung bei
der pathologischen Schwachbefähigung, bei der progressiven
Paralyse, bei alkoholischen Geistesstörungen, bei der chroni¬
schen Paranoia und den paranoiden Formen der Dementia
praecox, endlich bei Neurasthenikern. Die interessante Arbejt
verdient im Original gelesen zu werden.
Die Syphilis, ihr Wesen und ihre Heilung. Ein Handbuch für
Aerzte von Dr. Karl Francke, Arzt für innere Leiden in
München. Mit 16 Abbildungen. Th. Berge, Buchhand¬
lung, Berlin C. 114 S. 5 M.
Unter einem Handbuch versteht man gewöhnlich eine um¬
fassende, möglichst die gesamte in Betracht kommende Literatur
berücksichtigende Darstellung eines bestimmten Gebietes der
Wissenschaft. Um ein Handbuch in diesem Sinne handelt es
sich bei der vorliegenden Publikation nicht. Vielmehr gibt der
Verfasser zunächst nur eine Art Abriß über die wichtigsten
Symptome der Syphilis, aber nicht in systematischer Schilde¬
rung, sondern er will hauptsächlich die Syphilis so darstellen,
wie sie sich ihm in seiner Praxis gezeigt hat; als Interner hat er
es aber vorzugsweise mit Aeußerungen der Lues im Gebiet der
Kreislauforgane sowie des Gehirns und Nervensystems zu tun.
Viel Neues über den Verlauf und das Wesen der Syphilis wer¬
den die Kollegen aus dieser unvollständigen, vielfach subjektiv
gefärbten Darstellung nicht lernen. In bezug auf die Bedeu¬
tung der Wassermann sehen Reaktion spricht sich der Ver¬
fasser sehr skeptisch aus. Der Hauptzweck, welchen er
mit der vorliegenden Publikation verfolgt, besteht darin,
von der von ihm bei der Syphilis geübten Behandlungsmethode
weiteren Kreisen Kunde zu geben. Es handelt sich dabei nicht
um etwas fundamental Neues, sondern nur um eine Modifika¬
tion der Quecksilberbehandlung. Diese übt F. in Form von
Waschungen mit ziemlich konzentrierten Sublimatlösungen aus:
sogen. Waschkur. Er hat für diese Kur durch die Firma Ast-
hausen in München aus 1 g Sublimat, 1 g NaCl und wenig
Eosin „Mercurichloridplättchen“ herstellen lassen; die Lösun¬
gen werden in steigender Konzentration von 1 :1500 bis
8 :1500 angewendet. Die Waschkur stellt jedenfalls eine sehr
milde Art der Hg-Behandlung dar, da offenbar nur ein sehr ge¬
ringer Bruchteil des Quecksilbers auf dem Wege der Haut in den
Körper gelangen kann; die Waschungen können deshalb sehr
lange Zeit fortgesetzt werden. In bezug auf die Einzelheiten der
Kur enthält die vorliegende Schrift genauere Anweisungen. Ueber
die Erfolge spricht sich F. sehr optimistisch aus. Da das Buch
vor Bekanntwerden der neuen Syphilisbehandlung mit dem
Ehrlich-Hatasehen Arsenobenzol geschrieben ist, konnte
Verfasser diese noch nicht erwähnen. Es ist darum auch frag¬
lich, ob gerade jetzt für eine neue Modifikation der Quecksilber¬
behandlung viel Interesse in der Aerztewelt zu finden sein
wird.
Therapeutisches Jahrbuch. Kurze diagnostische, therapeutische
und pharmakologische Angaben, entnommen der medizini¬
schen Journal-Literatur des Jahres 1909. Zusammengestellt
und geordnet von Dr. med. Ernst Nitzeinadel, prakt. Arzt in
Schneeberg i. S. XX. Jahrgang. Leipzig und Wien 1910,
Franz De u ticke. 321 S. 5 M.
Diese Zusammenstellung, welche auf selbständigen wissen¬
schaftlichen Wert wohl keinen Anspruch erhebt, bezweckt, den¬
jenigen Aerzten, die nicht in der Lage sind, medizinische Zeit¬
schriften regelmäßig zu lesen, einen Ersatz zu bieten, soweit
die Therapie und ihre Fortschritte in Frage kommen. Uebrigens
sind auch einige diagnostische Methoden aufgenommen, welche
für den Praktiker von Bedeutung sind. Der therapeutische
Teil ist in der Weise bearbeitet, daß zunächst in alphabetischer
Anordnung die wichtigsten Krankheitsgruppen mit den be¬
treffenden therapeutischen Vorschlägen besprochen werden,
während der zweite Teil über eine Anzahl neuerer und neuester
Arzneimittel speziellere Mitteilungen bietet. Bei der Bearbei¬
tung dieses zweiten Teiles hat der Herausgeber wieder in sehr
ausgiebigem Maße Mercks Jahresbericht benutzt.
Mein Instrumentarium der inneren Medizin. Von Dr. Karl
Francke, Arzt für innere Leiden in München. Berlin 1910,
Th. Berge, Buchhandlung. 29 S. 2 M.
ln der kleinen Schrift werden eine Anzahl kleiner Instru¬
mente beschrieben, welche F. im Laufe der Jahre sich für die
interne Diagnostik konstruiert hat. Es findet sich darunter ein
I verbesserter Perkussionshammer, ein Gummifinger als Ersatz
des Plessimeters, ein Schnepper zur Entnahme von Blut aus
der Fingerbeere, ein Pupillenmesser, eine Hörglocke zum
Hören der Töne und Geräusche des Herzens und der großen
Gefäße, eine Nadel zur Prüfung der Empfindlichkeit auf Stich
und Druck, ein neuer Blutdruckmesser und ein Hautdunst¬
messer. Einige der beschriebenen Apparate scheinen recht
zweckmäßig zu sein. Wir machen darum die Kollegen auf die
Schrift aufmerksam und bemerken, daß die beschriebenen In¬
strumente durch die Firma Gustav Koch, Rixdorf bei
Berlin, hergestellt werden. R. L.
Y. Tagesgeschichte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Der Deutsche Bund für naturgemäße
Lebens- und Heilweise sammelt z, Zt. Unterschriften
zu einer Petition gegen den § 135 der Reichsversicherungs¬
ordnung, der bestimmt, daß die ärztliche Behandlung nur durch
approbierte Aerzte resp. Zahnärzte zu geschehen hat. Die
Petition wünscht einen Zusatz zu diesem Paragraphen folgen¬
den Inhalts: „Auf Beschluß der Generalversammlung (des Aus¬
schusses) ist der Kassenvorstand verpflichtet, auch nicht appro¬
bierte Personen, die die Heilkunde gewerbsmäßig ausüben, bei
der Kasse zuzulassen; in Fällen dieser Art kann der Kassen¬
vorstand gestatten, daß die zugelassenen Laienpraktiker auch
die Erwerbsunfähigkeit der Kassenmitglieder bescheinigen.“
Begründet wird dieses Verlangen mit der Tatsache, daß schon
jetzt bei vielen Kassen, besonders in Sachsen, nicht approbierte
Naturheilkundige zugelassen seien. Der Zusatz zu § 135: „Die
oberste Verwaltungsbehörde kann bestimmen, wie weit auch
sonstige Heilpersonen innerhalb der staatlich anerkannten Be¬
fugnisse selbständige Hilfe leisten können“, erfülle die berech¬
tigten Wünsche der Versicherten nicht ausreichend, die von
den Organen der Selbstverwaltung (Generalversammlung resp.
Kassenvorstände) besser zu beurteilen seien. Diese Selbst¬
bestimmung sei für die Kassen dringend notwendig, um ein
Gegengewicht gegen den dominierenden Einfluß der mächtigen
Aerzteorganisationen in die Hände zu bekommen, da die Kassen
hierdurch in die Lage versetzt würden, falls die Umstände es
erfordern, selbständig sich auch vertrauenswürdige nicht appro¬
bierte Heilpersonen heranzuziehen. — Aus den verschiedensten
Gründen ist ja kaum anzunehmen, daß Reichstag und Regierung
dieser Petition Folge geben werden, aber sollte es wider Er¬
warten doch geschehen, so könnten wir Aerzte diesem gesetz¬
geberischen Experiment nicht nur mit Ruhe, sondern sogar mit
Interesse entgegensehen, denn das Ergebnis eines solchen
Experiments würde wahrscheinlich in Kürze zutage treten und
eine schlagende Widerlegung aller seit Jahren von den Kassen¬
gewaltigen gegen die Aerzte und ihre Organisation erhobenen
Vorwürfe in sich schließen.
H a 11 e a. S. Der Konflikt zwischen Krankenkassen
und Aerzten hat für einen Teil der Kassen mit dem Siege der
Aerzte geendet. Am 30. September haben 13 Krankenkassen
die freie Arztwahl eingeführt.
Universitätswesen, Personalnaclirie,Ilten.
Berlin. Der Privatdozent für Geburtshilfe und Gynä¬
kologie und Oberarzt an der Frauenklinik der Universität Halle
a. S., Prof. Dr. F. Fromme, ist als Oberarzt an die Frauen¬
klinik der Charite berufen worden.
H a 11 e a. S. Die Leitung der hiesigen Universitäts-Ohren¬
klinik ist bis zur endgültigen Besetzung des durch den Tod
Schwa rtzes vakant gewordenen Lehrstuhls dem Privat¬
dozenten Stabsarzt Dr. .1 s e m e r übertragen worden, dem
gleichzeitig der Professortitel beigelegt wurde.
H a 1 b e r s t a d t. Der weltbekannte Chirurg Geh. Sani-
tätsrat Prof. Dr. Hans Kehr siedelt in der nächsten Woche
nach Berlin über, um sich fortan ausschließlich der Chirurgie
der Leber und der Gallenwege zu widmen.
Göttingen. Der Privatdozent der Chirurgie Dr. C r e i t e
ist zum Oberarzt der chirurgischen Klinik ernannt worden.
Wien. Prof. Dr. Rudolf Chrobak, früher Direktor
der zweiten gynäkologisch-geburtshilflichen Klinik an der
hiesigen Universität, ist gestorben. 1840 geboren, erlangte er
1866 die ärztliche Approbation und 1873 die Habilitation für
Gynäkologie in Wien. 1879 wurde er zum außerordentlichen
und 1889 zum ordentlichen Professor ernannt. Bis zu seinem
vor drei Jahren erfolgten freiwilligen Rücktritt entfaltete er
eine sehr fruchtbare, allseitig anerkannte Lehrtätigkeit. Von
seinen Schriften sind zu erwähnen: „Mikroskopische Anatomie
des Uterus“ (in Strickers Handbuch der Gewebelehre),
„Untersuchungsmethoden und gynäkologische Therapie“ (in
Pitha-Billroths Handbuch der Chirurgie), „die Erkran¬
kungen der weiblichen Geschlechtsorgane“ (zusammen mit
A. v. Rosthorns in Nothnagels Handbuch der speziellen
Pathologie und Therapie).
632
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 41.
— Dr. Heinrich Reichel hat sich für Hygiene, Dr.
Michael Eisler, Edler von Terramare für allgemeine
und experimentelle Pathologie habilitiert.
Prag. Der außerordentliche Professor an der Universität
in Wien Dr. Anton Ghon ist zum ordentlichen Professor
der pathologischen Anatomie an der deutschen Universität in
Prag ernannt worden.
Ar co (Südtirol). K. Rat Dr. Gag er, Senior der Aerzte
in Bad Gastein, hat nach Beendigung der dortigen Saison seine
ärztliche Tätigkeit im hiesigen Winterkurort wieder aufgenom¬
men, wo er als Chefarzt des k. k. Offiziers-Kurhauses fungiert.
Czernowitz. Sanitätsrat Dr. Hugo Raubitschek
hat sich für Bakteriologie in der philosophischen Fakultät habi¬
litiert.
Koloszvär (Klausenburg). Der Privatdozent der Der¬
matologie Dr. Heinrich K a n i t z ist gestorben.
Paris. Im Alter von 66 Jahren starb hierselbst der her¬
vorragende Neurologe Prof. Fulgence Raymond, der
Nachfolger Charcots auf dem Lehrstuhl der Salpstrieri. Dem
Lehrkörper der Universität gehörte er seit 1880 als Arege an;
das Ordinariat bekleidete er seit 1894. Er war auch Mitglied
der Academie de Medecine.
Kongreß- und Vereinsnachriehten.
Berlin. In der Psychologischen Gesellschaft zu Berlin
(Sektion Berlin der Gesellschaft für psychologische Forschung)
werden in diesem Winter folgende Vorträge gehalten.
20. Oktober: Dr. Hoepfner: Psychologisches über
Stottern und Sprechen.
3. November: Professor Dessoir: Die Anfänge der Psy¬
chologie.
17. November: Dr. Albert Moll: Die Behandlung der
sexuellen Perversionen.
1. Dezember: Dr. B a e r w a 1 d: Das Interesse am fremden
Seelenleben, seine Beziehungen zur Psychologie des Weibes
und zur moralischen Erziehung.
15. Dezember: Justizrat Sello: Sentimentalität und Ver¬
brechen.
5. Januar: Professor Langstein: Neuropathische Säug¬
linge.
19. Januar: Dr. Rudolf Foerster: Beziehungen von
Mode und Beruf zu Geisteskrankheiten.
2. Februar: Prof. Schleich: Psychophysik der Phantasie.
16. Februar: Dr. F. Leppmann: Selbstmord und Ver¬
brechen.
2. März: Dr. R a h m e r: Die Psychologie des Brief¬
schreibens.
16. März: Referendar Dorn: Zur Psychologie der richter¬
lichen Urteilsfindung.
Anfragen sind zu richten an den Vorsitzenden Dr. Albert
Moll, Berlin W. 15, Kurfürstendamm 45.
Königsberg i. Pr. Die 82. Versammlung Deutscher
Naturforscher und Aerzte, die in der verflossenen Woche hier
tagte, hat als Ort der nächstjährigen Versammlung Karls¬
ruhe gewählt.
Gerichtliches.
Duisburg. Die hiesige Strafkammer verurteilte den
Krankenbehandler W. wegen fortgesetzten Verbrechens gegen
das keimende Leben zu zwei Jahren drei Monaten Zuchthaus
und fünf Jahren Ehrverlust.
Barmen. Im Anfang d. J. war der damals hierselbst
nach den Prinzipien der s. g. Naturheilkunde praktizierende
Krankenbehandler Otterson, der schon früher mehrmals
Strafen erlitten hatte, wegen fahrlässiger Körperver¬
letzung zu einer Geldstrafe von 300 M. verurteilt worden.
Er hat inzwischen den Ort seiner Tätigkeit gewechselt und übt
sie jetzt in Badenweiler aus. Von dort aus reichte er nun kürz¬
lich gegen den Kranken, um den es sich in jenem Prozeß ge¬
handelt hatte, und gegen den bekannten Dermatologen Dr.
Artur S t r a u s s , der damals als Sachverständiger fungiert
hatte, eine Anzeige wegen Meineids ein, aus welchem Grunde
gegen ersteren, ist nicht recht verständlich, da derselbe bei der
Verhandlung sogar eine Besserung seines Leidens während der
Behandlung durch den Angeklagten zugegeben hatte. Gegen
Dr. Artur Strauss erhob er den Vorwurf, er habe wider
besseres Wissen unter seinem Eide die bei dem Kranken be¬
obachteten Erscheinungen auf Syphilis anstatt auf die vorher¬
gegangene Behandlung mit Quecksilber zurückgeführt, wobei
sich der Anzeigende auf eine Schrift des ehemaligen Schau¬
spielers, jetzigen Schriftstellers und Vorkämpfers der „Natur¬
heilbewegung“ Reinhold Gerling stützte und außerdem
Gutachten der Mediziner Schweninger, Spohr (Frank¬
furt a. M.), Ziegel roth (Krummhübel), Walser (Cann¬
statt) u. a. anbot. Di'. Strauss antwortete der Staatsanwalt¬
schaft, daß er sich der Anzeige des O. gegenüber auf die wissen¬
schaftlich feststehenden Tatsachen über das Wesen und die Be¬
handlung der Syphilis beriefe, die seinen gutachtlichen Aus¬
sagen zugrunde gelegen,,.hätten. Erforderlichenfalls würden
Autoritäten wie Lesser (Berlin), Neisser (Breslau) und
Unna (Hamburg) die Uebereinstimmung jener Aussagen mit
dem Stande der Wissenschaft bestätigen. Damit war für die
Staatsanwaltschaft, soweit Dr. Strauss.in Betracht kam, die
Angelegenheit erledigt. — Vorkommnisse wie dieses müßten den
Regierungen und den parlamentarischen Parteien beweisen,
daß es für den Erlaß eines wirksamen Kurpfuschereigesetzes
nun wirklich hohe Zeit ist.
Verschiedenes.
Mülheim a. Rh. Die hiesigen Troponwerke A.-G. habe:
auf der in diesem Jahre in Brüssel stattfindenden Welt¬
ausstellung einen großen Preis (Grand Prix) erhalten.
Die gleiche Auszeichnung wurde der Firma bereits früher auf
den Ausstellungen zu Paris (1900) und Chicago (1904) zuteil.
Hamburg. Die vor beinahe drei Jahren (Ende 1907)
erfolgte Verleihung des Profcssortitels an den hervorragenden
Dermatologen Unna hat zu einem Verfassungsstreit zwischen
der Bürgerschaft und dem Senat geführt, der demnächst zum
Austrag gebracht werden wird. Der Senat hatte s. Z. die Er¬
nennung ohne Mitwirkung der Bürgerschaft verfügt, während
letztere der Ansicht ist, daß nach dem Wortlaut oder wenigstens
dem Geiste der hamburgischen Verfassung solche Ernennungen
jedesmal der Genehmigung durch die Bürgerschaft bedürfen.
Die Bürgerschaft beschloß daher einstimmig, den Senat zu er
suchen, nachträglich ihre Genehmigung zu der fraglichen Er¬
nennung einzuholen.
VI. Amtliche Mitteilungen.
An die Herren Aerzte.
Es hat sich herausgestellt, daß die im Landespolizeibezirk
Berlin vorhandenen Untersuchungsanstalten zur Vornahme
bakteriologischer Untersuchungen bei übertragbaren Krank¬
heiten — es kommen besonders Diphtherie, übertragbare Ge¬
nickstarre, Typhus (auch Paratyphus), übertragbare Ruhr und
Lungen- und Kehlkopftuberkulose in Betracht — nicht in dem
Maße in Anspruch genommen werden, wie es im Interesse der
Seuchenbekämpfung wünschenswert ist.
Ich bitte daher die Herren Aerzte. in den in Betracht
[ kommenden Fällen zur Sicherung der Diagnose das Unter-
! suchungsmaterial behufs bakteriologischer Untersuchung in die
zuständige bakteriologische Untersuchungsanstalt einzusenden,
indem ich darauf hinweise, daß sich in den einzelnen Apotlieken
des Landespolizeibezirks Berlin Versandgefäße zur Einsendung
des Untersuchungsmaterials mit der Adresse der für die be¬
treffende Stadtgegend zuständigen Untersuchungsanstalt be¬
finden.
Berlin, den 23. September 1910.
Der Polizeipräsident.
Im Aufträge: Stolle.
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.:
Kreisarzt Med.-Rat Dr. W o 1 f f in Elberfeld, Kreisarzt Med.-
Rat Dr. Reinkober in Trebnitz.
Charakter als Medizinalrat: Kreisarzt a. D. Dr.
Steiner in Rosenberg i. Oberschi.
Ernannt: Dr. Fehrs zum Kreisarzt in Czarnikau.
Niedergelassen: Dr. Bon atz in Britz, Dr. Götzki in
Groß-Lichterfelde, Dr. R e u s s in Breslau.
Verzogen: Dr. Wermuth und H. Wischer nach Char¬
lottenburg, B. Richter von Slawentzitz nach Annahütte,
Dr. E. Rüge von Berlin nach Frankfurt a. O., Dr.
Schroeder von Ueckermünde nach Lauenburg, Dr.
Albrecht von Ueckermünde nach Treptow a. R., Dr.
Deutsch und Dr. Heinke von Lauenburg nach Uecker¬
münde, Dr. Bergmann von Leipzig nach Torgelow, Ober¬
stabsarzt Dr. Müller von Jauer nach Oppeln, Dr.R i e m a n n
von Münden nach Mikultschütz, Dr. Piennning von Kiel
nach Zabrze, Dr. Sonntag von Magdeburg nach Eilsleben,
Dr. Runkel von Werben nach Lüben, Dr. Rudolph von
Norden nach Greppin, Dr. Sommer von Altona nach Ham¬
burg, Dr. Krö mer von Neustadt nach Schleswig, Dr.
S i e v e r s von Kiel nach Leipzig, Dr. Remmlinger von
Kock nach Niedergissen.
Bayern.
Verzogen: Dr. B. B ü 11 e r von Alfeld nach Marksteft, Be-
zirkts-Amt Kitzingen.
Hamburg.
Verzogen: Dr. W. R. R. L o i d a nach Altona.
Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein , Berlin N., Friedrichstrasse 131 B„ für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin
Verlag von Oscar Coblentz. Expeditionsbureau: Berlin W. 30, Maassenstrasse 13. — Druck von Oarl Marschner. Berlin SW., Alexandrinenstrasse 110.
No. 41.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Mulver „Reform”
in langjähriger Verwendung in vielen Krankenhäusern und Hospitälern als
vorzüglichstes Waschmittel der Gegenwart
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Falle den Beweis antreten können. Da diese angeblichen Ersatz¬
präparate anscheinend unter Mißbrauch unserer Marken,, Ichthyol“
und „Sulfo-ichthyolicum“ auch manchmal fälschlicherweise mit
Ichthyol
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gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur
unser spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klini¬
schen Verbuchen zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten
wir um gütige Mitteilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn
irgendwo tatsächlich solche Unterschiebungen stattfinden.
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bakteriologischen Institut von Dr. Aufrecht , im Institut für experimentelle Pathologie
der Universität Berlin haben die starke baktericide Eigenschaft der pulverförmigen
schwerläslichen essigsauren Tonerde ergeben.
Von hoher Bedeutung sind die experimentellen Versuche von Prof. Dr. Bickel
( Kpnigl. Charite, Berlin), welcher eine starke desinfizierende Wirkung auf die Darm¬
bakterien und gleichzeitig eine sekretionssteigemde auf die Darmschleimhaut nach¬
gewiesen hat. Diesen Untersuchungen reihen sich diejenigen von Dr. Dreuw in dessen
Poliklinik Berlin an, an d r die tierexperimentellen Untersuchungen von Prof. Bickel
beim Menschen bestätigt wurden. — Die „Gelonida Aluminii subacetici' gelangen in
drei Modifikationen in den Verkehr: 1. sulfathaltig (am meisten desinfizierend,
sekretionsanregend und schwach abführend; ' übliche Verordnung). 2. sulfatfrei (für
diejenigen Fälle, in denen die abführende Wirkung nicht gewünscht wird). 3 Mit
einem Zusatz von Phenolphthalein (für diejenigen Fälle, in denen eine stärker ab¬
führende Wirkung gewünscht wird).
Indikationen:
A. Darmdesinfiziens.
1. Alle Darmparasiten (Oxynrus vermicularis, Ascariden, Taenien, Amoeben).
2. Magen-Darmkatarrhe bakterieller Natur. Typbus und Paratyphus, Dysenteri e,
ev. Cholera, Darmtuberkulose, Perityphlitis chronica, Magen-Darmkatarrhe
infolge abnormer Zersetzungsvorgitnge, Gäruagsdyspepsie, Colica flatulenta,
Oholelithiasis, Obstipation, Sigmoiditis et Proctitis acuta sive chronica.
3 Furunculosis. Acne. Pruritus, speziell bei Diabetes, Urticaria.
B. Harnantisepticum.
4. Bakteriurie, Cystitis, Pyelitis.
Ordinationen:
Rp. 20 Gelonida Aluminii subacetici Die Gelonida No I sind sulfathaltig,
No. I ä 1,00 g (2.25 M.) von leichter abführender Wirkung
Rp. 20 Gelonida Aluminii subacetici (übliche Verordnung).
No. I ä 0,5 g (1,25 M.)
oder Die Gelonida No. II sind sulfatfrei
Rp - 20 Gelonida Aluminii subacetici P 5 »» 1 techmsch möglich), für die-
No.lI 4 1,00 g (2,60 M.) .1 emgen Fälle, in denen Sulfate
kontraindiziert sind.*)
°d er Die Gelonida No. III enthalten 0,1
Rp. 20 Gelonida Aluminii subacetici Phenolphthalein (stärker abführende
No. III ä 1,00 g (2,60 M.) Wirkung).
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Gelonida Aluminii subacetici No. 1 und III entgegengesetzte Wirkung ist be¬
dingt durch Freisein von Aluminiumsulfat. wodurch die reine Acetatwirkung,
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und III sind also stiirker abführend und stärker desinfizierend als No. II,
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und deshalb einen günstigen Einfluss auf Appetitlosigkeit,
Widerwillen gegen Nahrungsaufnahme, Gefühl von Völle,
üblen Geschmack etc. Diese Vorzüge und der dem Gaumen
zusagende Geschmack des Kater-Weins machen ihn auch zu
einem wertvollen Dessertwein. Bei seiner Herstellung sind
die modernen Fortschritte auf dem Gebiete der Magenverdauung
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Therapeutische Rundschau
(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dr* H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedriehstr. 131B
Fernspreeli-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernspreeli-Amt VI, No. 3302
IV. Jahrgang
Berlin. 15. Oktober 1910
No. 43
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Bucl handlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss nbbesteilt sind. Inserate
werden fiir die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübers icht.
I. Wissen schaftliclie Mitteilungen. Junkermann, Ivanyi,
Herxheimer undSchonnefeld, Gennerich, Eit ne r, Lange,
Kromayer, Volk, Michaelis, Blaschko: Weitere Arbeiten
über Ehrlich-Hata OOö. — Schwabe: Ueber die Wirkung des
Ehrlichschen Arsenobenzols auf Psoriasis und Lichen ruber
planus. — Achelis: Ueber die Röntgendiagnose der miliaren
Lungentuberkulose. — Holmgren: Ein Beitrag zur Technik der
Kompressiousbehandluug bei Lungentuberkulose. — Bernsteiu-
Kohan: Untersuchungen über den Verlauf und die Dauererfolge
der Lungentuberkulose im Hochgebirge (Arosa 1750—1850 Meter
ü. M.) mit besonderer Berücksichtigung sozial-medizinischer
Momente. — Tsuzuki und Ishida: Ueber.;die Beeinflussung
der Typhusbacillen bei Typhusrekonvaleszenten durch Kalium
jodatum sowie Acidum arsenicosum. —Fejes: Bactermm coli
commune als Krankheitserreger und als Saprophytbeim Menschen.
— Bodenstein: Ein Fall von Peritonitis bei der Gonorrhoe
des Mannes. — Polland: Ueber den Wert der internen Gonor¬
rhoe-Therapie (Versuche mit Aluminiumsubacetafc.) — H alb er¬
st ae dt er: Entsteht der Trachomerreger durch Mutation des
Gonococcus? —Burwinkel: Morbus coeruleus bei vier Genera¬
tionen. — Härtel: Saugdrainage der Pleurahöhle. — Schmiz:
Ueber spontane Gangrän bei Jugendlichen — Fuchs: Ueber
Beziehungen der Enuresis nocturna zu Rudimentärformen der
Spina bifidaocculta(„Myelodysplasie“). — Finkeinburg: Beitrag
zur therapeutischen Anwendung der Hirnpunktion beim chro¬
nischen Hydrocephalus. — Gier lieh und Hirsch: Tuberkel
im Hirnstamm mit Sektionsbefund. — Neu: Ein Verfahren zur
Stickoxydulsauerstoffnarkose. — Quattrini: Ueber Rektal¬
narkose. — Schümann: Ueber Maschinenverletzungen der
Haut. — Enderleu und Borst: Beiträge zur Gefäßchirurgie
und zur Organtransplantation. — Bauereisen: Die Aetiologie
der Eklampsie — Oppmann: Ueber den Einfluß der längeren
körperlichen (? Red.) Bettruhe nach Myomoperationen und
Geburten bezüglich der Frage des Frühaufstehens. —Behne:
Ueber das tryptische und antitryptische Vermögen des Blutes
unter normalen und pathologischen Bedingungen und seine dia¬
gnostische Bedeutung. — Herzfeld und Buss: Ueber die
Arnold sehe Reaktion.
II. Verhandlungen ärztlicher- Gesellschaften. 82. Ver¬
sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königsberg
in Pr. vom 18.- 24. September 1910. (Fortsetzung.)
III. Bücherschau. Portner: Therapeutisches Taschenbuch der
Harnkrankheiten. — Vossius: Die Hämophilie in der Augen¬
heilkunde. — Gierlich: Symptomatologie und Differential¬
diagnose der Erkrankungen in der hinteren Schädelgrube.
IV. Feuilleton. Abramowski: Aerztlieher Kulturbrief aus Ost¬
preußen.
E. von Leyden.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Gerichtliches. — Verschiedenes.
VI. Amtliche Mitteilungen. Personalia."
1. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Weitere Arbeiten über Ehrlich-Hata 606.
Dr. Karl Junkermann, I. Assistenzarzt der dermatologi¬
schen Abteilung des städtischen Krankenhauses Dortmund be¬
richtet in der „Medizinischen Klinik“, 1910, No. 35, über seine
Erfahrungen mit der Therapie sterilisans magna nach Ehr¬
lich. Er kommt in der kritischen Abwägung seiner Beob¬
achtungen über die Vor- und Nachteile des neuen Heilmittels
gegenüber den bisherigen zu dem Schlüsse,- daß die Vorteile
außerordentlich groß, üie Nachteile äußerst gering sind. Die
Vorteile erblickt Verfasser erstens in der wesentlich abge¬
kürzten Behandlungsdauer, wodurch viel geringere Berufs¬
störung eintritt, ferner in der Wirksamkeit solchen Fällen
gegenüber, bei welchen Quecksilber und Jod versagen oder
nicht vertragen werden. Wenn in letzter Zeit das Präparat
auch seine Gegner gefunden hat, welche schwere Schädigungen
des Nervensystems beobachtet haben, so fällt es J. nach seinen
bisherigen Erfahrungen schwer, an solche Möglichkeit zu
glauben. Er hat zwar bei zwei schwächlichen Patienten eine
kurzdauernde Alteration des Herzens mit Angst und Schwei߬
ausbruch gesehen, doch in keinem Falle eine Schädigung des
Nervensystems. Er hat allerdings nur die ihm geeignet
scheinenden Fälle ausgewählt, alle Patienten vorher unter¬
sucht, speziell auch aut Eiweiß und Zucker. Was die Spiro¬
chätenuntersuchungen betritt!, so hat Verfasser, um klar zu
sehen, gerade die Fälle zur Prüfung ausgewählt, bei denen kurz
vor der Injektion spielend leicht zahlreiche Pallidae gefunden
wurden, so daß man sie sicher auch nach der Injektion finden
mußte, falls sie noch vorhanden waren. Der negative Befund
deckt sich vollständig mit den Erfahrungen anderer Autoren
und ist beweisend für die spirochätentötende Wirkung des
Präparates.
Dr. Moriz Jvanyi, H.-Komitats-Oberphysikus in Nagy-
Becskerek (Wiener medizinische Wochenschr., 1910, No. 36)
injizierte bis Ende August in 84 Fällen. Seine Resultate sind
sehr befriedigend, in vielen Fällen geradezu staunenerregend.
Ganz besonders auffällig ist nach seiner Erfahrung die Wirkung
bei den Geschwüren der Mund- und Rachenorgane, hier war die
Wirkung ohne Ausnahme eine prompte. Zweihellergroße
Plaques an der Zunge und an den Tonsillen reinigten sich in
24—48 Stunden und waren in 5—6 Tagen vollkommen über¬
häutet. Drüsenschwellungen bilden sich im allgemeinen lang¬
samer zurück. Weitere Mitteilungen über die Wirkung des
Ehrlich sehen Arsenobenzols bei Syphilis liegen von Prof.
Dr. K. Herxheimer und Dr. R. Schonnefcld in Frank¬
furt a. M. vor (Medizinische Klinik, 1910, No. 36). Insgesamt
haben sie bis Mitte August 130 Fälle mit 606 benandelt. Die
Resultate der Behandlung waren im allgemeinen glänzend.
Irgendwelche Schädigungen, wie sie B o h a c und S a b o t k a
in Prag und Hoffmann in Bonn beobachteten, sind bei ihnen
nicht aufgetreten. Vor der Behandlung wurden die inneren
Organe untersucht, besonders Herz und Nieren. Als Kontra-
indikation lassen die Verfasser nur Herzfehler, fötide Bronchi¬
tis, aber nicht luetische Opticusstörungeil gelten. Ein Luetiker
mit Albunien ohne Zylinder verlor am dritten Tage nach der
Injektion sein Eiweiß, ein Fall von Neuritis optica specifica
und mehrere Patienten mit mehr oder minder vorgeschrittener
Lungentuberkulose haben das Mittel ohne Schädigung ver¬
tragen. Auch die Verfasser können die auffallende Gewichts¬
zunahme, die an anderen Kliniken beobachtet wurde, nur
bestätigen.
Marine-Stabsarzt Dr. Gennerich hat mit dem Ehrlich-
schen Präparat im Marine-Lazarett Kiel-Wik überraschend
günstige Heilungsergebuisse erzielt. Es gelangten zunächst die
schweren malignen Fälle der letzten Jahre, die größtenteils mit
den besten Quecksilberpräparaten und in intensiver Weise be¬
handelt waren, endlich zu Heilung und negativer Serumreak-
tion. Beides trat so schnell und sicher ein, wie es bei Queck¬
silberbehandlung absolut ausgeschlossen ist. Die Behandlungs-
erfolge bei Hirnsyphilis sind geradezu glänzend; sie traten mit
einer Sicherheit und Schnelligkeit ein, wie Verfasser sie in
Parallelfällen durch Quecksilberbehandluiig nicht beobachtet
hat. Besonders bemerkenswert sind die Beobachtungen bei
Frühbehandlung. Aus dem Hervortreten der Herxheimer-
schen Reaktion aus heiler Haut und der positiven Schwankung
der Serumreaktion in den allerersten Tagen bei hinlänglicher
Inkubation läßt sich entnehmen, daß die Wirkung des Heil¬
mittels auf die Spirochäten eine sehr intensive ist. Die in ein¬
zelnen Fäilen bei subkutaner Einverleibung verzögerte Ein¬
wirkung des Heilmittels auf die Serumreaktion konnte
bei sonst ausreichender Dosis stets mit der Verzöge¬
rung der Resorption (Bildung eines hartnäckigen Infiltrats)
in Zusammenhang gebracht werden. Der geeignetste
Alkaleszenzgehalt des Präparats für die subkutane Injektion
läßt sich leider nur annähernd festlegen. Um eine sofortige
intensive Wirkung zu erzielen, ist es empfehlenswert, eine
intravenöse Injektion der subkutanen vorauszusenden. Daß
die Quecksilberbehandluiig ganz ausgeschaltet werden wird,
634
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 42.
ist Verfasser unwahrscheinlich. Schon jetzt gewinnt es den sierung der Kanülen vor dem Gebrauch ist alsdann ebensowenig
Eindruck, als wenn eine vorhergehende Quecksilberkur die erforderlich wie bei den Hg-Injektionen. Die Injektionen mit
Wirkung der neuen Methode unterstützt. Wir haben nach G. Hata werden genau so wie jene gemacht und können auch
jedenfalls im Diarnidoarsenobenzol ein außerordentlich inten- ambulant verabfolgt werden. Die Injektion muß sehr langsam
sives und für den derzeitigen Erfolg alle anderen Mittel weit erfolgen, um Gewebszerreißungen zu vermeiden. Verfasser
überragendes Heilmittel vor uns, für welches wir dem Erfinder hat bisher über 100 derartige Injektionen gemacht, ohne auch
zu höchstem Dank verpflichtet sind (Berliner klin. Wochen- nur in einem einzigen Falle Schmerzen und Anschwellung an
Schrift, 1910, No. 38). der Iujektionsstelle zu beobachten.
Dr. Ernst Eitner, der in No. 34 der „Wiener klin. Wochen- Auch Dr. Richard Volk macht in der „Wiener medizi-
schrift“ eine Kasuistik über Ehrlich 606 veröffentlicht, sah im nischen Wochenschrift“, No. 35, den Vorschlag, das Präparat
allgemeinen dieselbe prompte momentane Wirkung des Präpa- als Paraffinemulsion zu dispensieren und es so dem Arzte ge-
rats, die von allen Seiten gerühmt wird. Anfangs wurde das brauchsfertig in die Hand zu geben.
Präparat in saurer Lösung verwendet, später nach der Vor- L. Michaelis injiziert jetzt die von ihm regelmäßig ge-
schrift, von Michaelis in schwach alkalischer Lösung, ln- wählte Normaldosis von 0,6 g vollkommen subkutan, statt intra-
toxikationserscheinungen, wie sie von anderer Seite beschrieben glutäal. Die Injektion wurde ausnahmslos gut vertragen. Oft
wurden, traten niemals auf, nicht einmal das mehrfach er- stellten sich einige Stunden nach der Injektion heftige
wähnte Exanthem konnte E. beobachten. Dagegen waren Schmerzen ein, die aber unter hydropathischen Umschlägen
mäßige Temperatursteigerungen in den ersten Tagen bei fast bald nachließen. Mitunter trat außerdem vorübergehend am
allen Patienten nachzuweisen. Bei den Fällen, die mit saurer dritten Tage zum zweiten Male ein heftiger, vorübergehender
Lösung behandelt wurden, waren die Schmerzen an der Injek- Schmerz ein. Aber auch ganz ohne jede entzündliche Erschei- i
tionsstelle sehr bedeutend und dauerten acht bis vierzehn Tage nung verlief die Injektion bisweilen. Der große Vorteil ist der,
an. Seit Verfasser sich der alkalischen Lösung bedient, sind daß die Beschränkung des Gehens und besonders des Sitzens
die Beschwerden wesentlich geringer. Für den Arzt ist die in der Folgezeit für den Fall, daß ein derberes Infiltrat längere
alkalische Lösung weniger angenehm, weil sie infolge der grob- Zeit bestellen bleibt, ganz wegfällt. Es bleibt' für einige Zeit
flockigen Niederschläge auch starke Spritzenkanülen leicht ver- eine so gut wie schmerzlose Schwellung der Injektionsstelle
stopft und so die Injektion erschwert. zurück, oder nicht einmal das. Die Schnelligkeit der Ein-
Eine in der „Berliner klin. Wochenschrift“, 1910, No. 36, Wirkung ist zweifellos noch größer als nach der intraglutäalen
von Dr. Carl Lange, Assistenzarzt der dermatologischen Injektion, was aus der größeren Resorptionsfläche zu erklären
Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses in Berlin, ver- ist, die das Depot darbietet. Von irgendwelchen bedrohlichen
öffentlichte Arbeit betrifft die Wassermannsche Keak- Nebenerscheinungen, wie sie zu Verfassers Erstaunen von
tion bei mit Ehrlich s 606 behandelten Luesfällen. Von anderer Seite beschrieben werden, hat M. in 71 Fällen noch
den im ganzen 268 Fällen, die mit 606 behandelt wurden, er- nichts gesehen. (Berl. klin. Wochenschr., 1,910, No. 33.)
geben sich betreffs der W a s s e r m a n n sehen Reaktion A. ßlaschko erörtert in No. 35 der „Berl. klin. Wochen¬
folgende Resultate: Nach anfänglich positiver Reaktion wurden schrift“ einige wichtige Fragen zur Ehrlich-Hata - Behand-
im Verlaufe von meist 4—5 Wochen negativ 153 Fälle; die Ab- lung. Die wichtigste ist die, ob das Mittel in der Tat imstande
hängigkeit der Zeit bis zum Negativwerden der Reaktion von ist, einmal injiziert, eine definitive Heilung der Syphilis zu er-
der Anfangsstärke der Reaktion war stets überaus deutlich. Verf. zielen. Die bisherigen Erfahrungen lehren schon, daß das
rechnete negative Reaktion bei kompletter Hämolyse; einige jedenfalls nicht bei allen Fällen gelingt. Rezidive sind schon
Tage, bevor dieses Resultat erreicht wird, erhält man in fast allen fast von allen Autoren, die über eine längere Beobachtungszeit
Fällen eine Reaktion von + mit ganz minimaler Trübung, ein verfügen, gesehen worden. Die Frage ist aber, ob man über-
Beweis, wie kontinuierlich die Reaktionsstärke zum Nullpunkt haupt in einzelnen Fällen die Krankheit im Keime ersticken
abfällt. Negativ vor der Behandlung waren 18 Fälle, darunter ! kann und in einem wie großen Bruchteile aller F’älle eine solche
war ein Fall von Lues maligna und ein Fall von Tabes, beide Therapia sterilisans magna möglich ist. Die Angaben über
blieben negativ. Stets negativ reagierten auch neun Fälle, die j das Verhalten der Wasser m a n n sehen Reaktion — deren
vor der Behandlung mit 606 mit Quecksilber behandelt w'orden j Negativwerden und dauerndes Negativbleiben ja zum mindesten
waren. Stets negativ reagierten ebenfalls zwei Fälle von ! gefordert werden muß — lauten bei den einzelnen Beobachtern
Primäraffekten, bei denen die negative Wassermann sehe j verschieden. Aber soweit die Serodiagnostik bis jetzt einen
Reaktion schon bei der Injektion bestand. Fünf Fälle j Schluß zuläßt, kann bei den bisher gewählten Dosen des E h r -
von tertiärer Lues, die vor der Injektion negativ waren, j lieh scheu Präparates der Bruchteil der definitiv Geheilten
wurden nach derselben positiv, zwei davon sind wieder I nicht sehr groß sein. Für die Mehrzahl der Fälle konstitutioneller
negativ geworden, einer starb bei positiver Reaktion, ! Syphilis ist ein solcher Erfolg auch unwahrscheinlich, ln allen
und zwei Fälle zeigen heute noch positive Reaktion. Fällen von konstitutionell gewordener Syphilis ist die Verbrei-
Nachdem die Wassermannsche Reaktion negativ ge- i tung der Spirochäten durch den ganzen Organismus eine so un-
worden war, wurde zweimal ein Wiedererscheinen derselben geheure, daß bei der denkbar intensivsten Wirkung des Mittels
beobachtet, bei einem trat nach zweiter Injektion wieder nega- mit der Möglichkeit, daß einige wenige Mikroorganismen nicht
tive Reaktion ein. Der zweite Fall zeigte wenigstens eine Her- ! getroffen werden, immer gerechnet werden muß. Wir haben auf
absetzung der Reaktionsstärke. Positiv geblieben sind 97 F’älle, j absehbare Zeit gar kein Kriterium dafür, ob das Mittet im-
von denen 54 vollkommen unverändert waren bei einer Maxi- stände ist, eine solche definitive Heilung zu erzielen. Wir
malbeobachtungszeit von drei Wochen, acht (zwei Erwachsene I müßten tatsächlich Jahrzehnte warten, um eine solche Behaup-
und sechs Kinder) kamen bei positiver, zum Teil verminderter : tung aufstellen zu können. Was wir durch große Beobachtungs-
Reaktionsstärke zum Exitus, teils an schon bestehenden Krank- reihen feststellen können, ist folgendes: Wir können konsta-
heiten (pernieiöse Anämie, chronische Nephritis, miliare Leber- tieren: L in einem wie großen Prozentsatz der Fälle die Rezi-
gummen, Herzgummen, luetische Darmgeschwüre), teils an dive nach 1, 2, 3, 4 Monaten, nach 1, 2, 3, 4 Jahren auftreten,
interkurrenten Krankheiten (die Kinder an Darmstörungen). wie häufig in den einzelnen Fällen die Rezidive sind, und wie
34 Fälle -zeigten einen deutlichen Abfall der Reaktionsstärke schwer sie sind. Dann werden wir nach ein paar Jahren sagen
bei einer Maximalbeobachtungszeit von fünf Wochen. Nur ein können, ob und inwieweit das Ehrlich sehe Präparat dem
Fall von schwerer Larynxlues, der auch klinisch sehr langsam Quecksilber an Wirksamkeit überlegen ist. In zwei Punkten
zurückging, zeigte über sechs Wochen hindurch, trotz zwei- können wir diese Ueberlegenheit heute schon feststellen, ein¬
maliger Injektion von 606, stets eine Reaktion von ( + + +). mal in der außerordentlichen Schnelligkeit der Heilwirkung.
U e b e r eine bequeme, schmerzlose Methode welche dem Ehrlich sehen Präparat innewohnt, und dann
der Ehrlich-Hata-Injektion berichtet in No. 37 der in der großartigen Wirkung auf die schweren und malignen
„Berliner klin. Wochenschr.“, 1910, Prof. Kromayer. Es Fälle von Syphilis, bei denen das Quecksilber völlig versagt hat.
handelt sich um eine Paraffinemulsion des Ehr- Dazu kommt noch als Drittes eine Eigenschaft des neuen Mittels,
li ch sehen Pr äpa rat e.s. Die großen Vorteile der Paraffin- welche in sozialer Beziehung nicht hoch genug angeschlagen
emulsion gegenüber der alkalischen Lösung liegen, was Be- werden kann. Das ist die Möglichkeit, den Akt der Behand-
quemlichkeit, sichere Handhabung und Schmerzlosigkeit he- lung selbst in einer Minute zu vollenden. Als positive Indika-
trifft, auf der Hand. In dieser Form ist die Hatabehandlung tionen für das neue Präparat möchte Verfasser folgende auf¬
reif für die allgemeine Praxis. Das Verfahren ist folgendes: stellen: 1. Fälle von schwerer Syphilis, besonders solche, in
Eine bestimmte Menge Ehrlich 606, z. B. 3 g, wird in sterilem denen Quecksilber versagt hat: 2. Fälle von Syphilis jeder
Mörser mit wenig Paraffinum liquid, angeschlemmt und unter Krankheitsperiode, in denen Quecksilber nicht vertragen wird,
allmählichem Zusatz weiteren Paraffins sehr fein und sorgfältig 3. Fälle, in denen kurz nach Beendigung einer Hg-Kur ein
verrieben, in ein steriles, mit Glasstöpsel versehenes, 50 ccm Rezidiv aufgetreten ist; 4 Fälle, in denen trotz wiederholter
haltendes Fläschchen gebracht und genau bis auf 30 ccm auf- Hg-Kuren immer yon neuem Rezidive auftreten; 5. Fälle von
gefüllt, so daß 1 ccm der Emulsion 0,1 Ehrlich 606 enthält. Vor ganz frischer Syphilis bei noch bestehendem Primäraffekt, vor
Gebrauch bis zum Verschwinden jeden Bodensatzes zu Ausbruch des Exanthems. In diesen Fällen müßte man, wo
schütteln! Vor Licht zu schützen! Die Kanülen sind wegen irgend angängig, mit der Behandlung die Exzision oder thermo-
Verstopfungsgefähr etwas stärker wie bei den Hg-Salicyl-Injek- kaustische Zerstörung des Primäraffekts verbinden, um so eine
tionen zu wählen, und werden am besten in einer Petrischale Abortivbehandlpng zu versuchen. K r.
unter flüssigem Parafiin aufbewahrt. Eine jedesmalige Sterili-
ttk AFVEIlIIt, OF MICHIGAN UNI EF.SITY 0.F MICHIGAN
No. 42.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Dr. Kai‘1 Schwabe (Frankfurt a. M.): Ueber die Wirkung des 1
EhrlichSchen Arsenobenzols auf Psoriasis und Lichen ruber j
planus. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 36.)
Verfasser berichtet zunächst über einige Fälle von Psoriasis
aus der dermatologischen Abteilung des städtischen Kranken¬
hauses zu Frankfurt a. M., in denen das Ehrlich-Hata sehe
Präparat — in Dosen von 0,4—0,5 — injiziert wurde. Es trat
zwar eine deutliche Reaktion auf, aber Heilung wurde nicht er¬
zielt. Verfasser hält es für wahrscheinlich, daß die ange¬
wendeten Dosen zu gering waren, und daß vielleicht durch
Steigerung der Einzeldosis oder durch Wiederholung der Injek¬
tion Heilung zu erzielen ist. Jedoch hält er die Anwendung
größerer Dosen eines immerhin nicht indifferenten Mittels bei
einer relativ harmlosen Erkrankung wie die Psoriasis für nicht
ratsam. — Dasselbe gilt von der Behandlung des Lichen ruber
planus. In einem Fall von Lichen ruber planus fere univer-
salis trat nach einer Infektion von 0,5 Arsenobenzol zunächst • j
in wenigen Tagen Heilung ein; es trat jedoch nach 10 Tagen |
ein sehr starkes Rezidiv in Gestalt einer akuten Eruption von j
Lichen ruber planus auf. Zwei weitere Fälle von Lichen ruber
mucosae zeigten nach 0,5 Arsenobenzol keine Beeinflussung. I
Ein Fall von Neurodermitis chronica circumscripta, bei dem j
gleichzeitig ein Spätsyphilid bestand, wurde durch 0,5 Arseno¬
benzol günstig beeinflußt.
Dr. W. Achelis (Straßburg i. E.): Ueber die Riintgendiagnose
der miliaren Lungentuberkulose. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 36.)
Das Röntgenbild der ausgesprochenen Miliartuberkulose
der Lungen zeigt eine diffuse feinste Marmorierung der im |
ganzen nicht sehr hellen Lungenfelder, nur einzelne unregel- I
mäßige Schatten pflegen in dem wenig kontrastreichen Bild
stärker hervorzutreten. Bei genauer Betrachtung ist jedoch
die Feinheit in der Zeichnung der Lungenfelder erstaunlich;
man glaubt fast die einzelnen miliaren Knötchen gesondert
erkennen zu können. Wenn sich dies auch nicht so verhält, |
d. h. wenn auch die einzelnen Schatten auf der Platte nicht den !
einzelnen miliaren Knötchen entsprechen, so ist 1 jedenfalls das
Bild charakteristisch für die Miliartuberkulose der Lungen. In
einem Falle zeigte sich sogar, daß dieses typische Röntgenbild
auch dann schon aultreten kann, wenn sich erst feinste sub- }
miliare Knötchen finden, welche makroskopisch nur bei
genauester Betrachtung sichtbar sind. Diese Tatsache, daß
das Röntgenbild dei'artig feine Veränderungen in den Lungen J
aufzudecken vermag, die selbst den Anatomen nicht ohne
weiteres makroskopisch erkennbar sind, ließ erwarten, daß es I
intra vitam gelingen müsse, schon sehr frühzeitig den Nachweis
der Miliartuberkulose der Lungen mittels des Röntgenbildes zu
führen. Einige weitere Fälle bestätigten diese Möglichkeit.
Verfasser teilt diese Fälle mit. Es sind Fälle von tuberkulöser
Meningitis mit Miliartuberkulose der Lungen. Diese Beob¬
achtungen beweisen den diagnostischen Wert der Röntgenauf¬
nahme bei der akuten Miliartuberkulose der Lungen. In tech¬
nischer Beziehung kommt es darauf an, die Aufnahme bei
völligem Atemstillstand zu machen. Mit den modernen Instru¬
menten mit kurzer Expositionsdauer macht dies keine
Schwierigkeit.
Privatdozent J. Holmgren (Stockholm): Ein Beitrag zur Technik
der Komprcssionsbehaiullung bei Lungentuberkulose.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 36.)
Die Kompressionsbehandlung der Lungentuberkulose
scheitert nicht selten an der Unmöglichkeit, freien Pleuraraum
zu finden. Verfasser kam nun auf den Gedanken, in derartigen
Fällen eine indifferente Flüssigkeit, wie physiologische Koch¬
salzlösung einzuspritzen, um einen mit Flüssigkeit erfüllten
Raum zwischen den Pleurablättern herzustellen, in welchem
dann ohne Gefahr das Gaseinblasen vor sich gehen kann. Diesen
Gedanken hat Verfasser in vier Fällen praktisch verwirklicht.
Er bediente sich dabei des S a ugm a nn sehen Apparates zur
Pneumothoraxbehandlung. Wenn mit der eingeführten Nadel
freier Pleuraraum nicht angetroffeu werden konnte, also der
typische Manometeranschlag nicht erhalten wurde, ließ er die
Nadel sitzen, koppelte sie von dem Stickstoffgasapparat ab und
verband sie mit der Schlauchleitung einer gewöhnlichen zu
intravenösen Injektionen bestimmten, mit steriler physiologi¬
scher Kochsalzlösung von 40° C, gefüllten Spritzflasche. Mit
Hilfe eines Gummigebläses versuchte er dann diese Flüssigkeit
durch die Nadel einzupressen. In drei von den vier Fällen ge¬
lang dies. Nachdem eine genügende IHüssigkeitsmenge einge¬
führt war,, wurde die Nadel wieder an den Stickstoffapparat ge¬
koppelt und danach sogleich das Gas eingeführt, was ohne
Schwierigkeit und ohne Zwischenfälle vor sich, ging. R. L.
Alexander Bernstein-Kohan: Untersuchungen über den Ver¬
lauf und die Dauererfolge der Lungentuberkulose im Hoch¬
gebirge (Arosa 1750—1850 Meter ii. M.) mit besonderer Be¬
rücksichtigung sozial-medizinischer Momente. (Disser¬
tation, Zürich 1910.)
Die Arbeit basiert auf 927 Krankengeschichten von Dr.
O. A m rein (Arosa). Bei einer Enquete waren 320 Antworten
635
eingegangen. Aus diesem Material zieht Verfasser folgende
Schlüsse: 1. Es sind nach 1—9 Jahren im ganzen 65 pCt. Dauer¬
erfolge, 20'pCt. Mißerfolge, 15 pCt. Todesfälle konstatiert wor¬
den. 2. Nach Stadien sind: 86,5 pCt. der Dauererfolge im
ersten Stadium und in der Gruppe mit geringen Veränderungen
zusammen, 12 pCt. im zweiten Stadium, 1,5 jpCt. im dritten
Stadium. 3. In 84 pCt. der Dauererfolge war am Anfang der
Kur kein Fieber und bei 82 pCt. Pulsfrequenz unter
100 Schlägen gefunden. 4. Bei 41 pCt. der Gesamtzahl der
Patienten sind noch physikalische Erscheinungen an alten
Stellen ärztlich konstatiert worden, desgleichen Tuberkel¬
bacillen in zirka 4 pCt. der Fälle. 5. 18,5 pCt. dieser Patienten
haben noch verschiedene subjektive Symptome und 30 pCt.
machen noch von Zeit zu Zeit Kuren. 6. Die Dauererfolge sind
am häufigsten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren (52 pCt.)
und bei Patienten, welche innerhalb der ersten sechs Monate
nach Beginn der Krankheit ihre Kur anfangen (34, 6 pCt. aller
Dauererfolge). 7. Es erfreuen sich 63 pCt. voller Leistungs¬
fähigkeit, bei 10,3 pCt. ist die Leistungsfähigkeit mehr oder
weniger reduziert, bei 2,5 pCt. aufgehoben. Berufswechsel in¬
folge der Krankheit ist bei 4 pCt., Wohnortswechsel bei 9 pCt.
konstatiert. F.
Generalarzt Dr. M. Tsuzuki und Stabsarzt Dr. K. Ishida (Japan):
Ueber die Beeinflussung der Typhusbacillen bei Typhus¬
rekonvaleszenten durch Kalium jodatum sowie Acidum
arsenicosum. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 35.)
Typhusbacillen kommen bekanntlich in den Fäces und im
Urin von an Typhus Erkrankten nicht nur während der Krank¬
heit selbst vor, sondern werden nicht selten nach völliger Ge¬
nesung Wochen und Monate hindurch, ja manchmal selbst das
ganze Leben hindurch ausgeschieden. Solche Dauerausscheider
von Typhusbacillen (Bacillenträger) stellen eine ständige Ge¬
fahr für ihre Umgebung dar und können immer neue Tvphus-
epidemien ins Leben rufen. Deshalb ist ein Versuch gerecht¬
fertigt, das Persistieren von Typhusbacillen bei an Typhus Er¬
krankten schon bei der Rekonvaleszenz zu verhüten und zwar
auf medikamentösem Wege. Die Verfasser stellten gelegent¬
lich einer großen Typhusepidemie in einem Artillerieregiment
derartige Versuche an. Als Medikamente wählten sie das
Kalium jodatum und Acidum arsenicosum. Es wurden zu den
Versuchen Patienten gewählt, die zwei- bis drei Wochen voll¬
kommen fieberfrei waren. Die Patienten wurden in drei
Gruppen geteilt, die erste Gruppe bekam Jodkalium, die-zweite
Gruppe Acid. arsenicos. die dritte Gruppe wurde nur sympto¬
matisch behandelt. Das Ergebnis dieser Versuche war. daß
aus dem Fäces und Urin der Rekonvaleszenten bei den mit
Acid. arsenocos. Behandelten die Typhusbacillen im Durch¬
schnitt nach 34 Tagen, bei den mit Jodkalium Behandelten nach
durchschnittlich 42 Tagen, bei den Unbehandelten nach durch¬
schnittlich 59 Tagen verschwunden waren. Auch hatten die mit
Liquor Fowleri und Kalium jodatum behandelten Patienten
im Vergleich zu den Unbehandelten einen besseren Appetit
und kamen schneller zu Kräften. Um eine direkte baktericide
Wirkung von Jodkali und Acid. arsenicos. kann es sich nicht
handeln, denn Reagensglasversuche ergaben, daß die beiden
Mittel nur in sehr starken Konzentrationen imstande sind, die
Typhusbacillen abzutöten.
Dr. Ludwig Fejes (Budapest): Bacterium coli commune als
Krankheitserreger und als Sapropliyt beim Menschen.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 35.)
Nach einer Einleitung über die pathogenetische Bedeutung
der Colibacillen und Anführung einiger hierher gehöriger Fälle
aus der Literatur berichtet Verfasser über vier von ihm in der
zweiten medizinischen Universitätsklinik zu Budapest beob¬
achteten Fälle. In allen vier Fällen wurden Colibacillen im
Blut durch bakteriologische Untersuchung nachgewiesen. Im
ersten Falle erkrankte ein 18 jähriges Dienstmädchen im An¬
schluß an eine Angina unter schweren fieberhaften Allgemein¬
erscheinungen, die Verfasser als Coli-Sepsis auf faßt; es war
eine Lebervergrößerung nachweisbar, die Verfasser auf eine
Cholangitis zurückführt, verursacht durch die in die Gallen¬
wege gelangten Colibacillen, hieran schloß sich ein Pleura¬
exsudat; die Probepunktion förderte 10 ccm einer seropuru¬
lenten Flüssigkeit zutage, aus welcher Colibakterien gezüchtet
wurden. Unter interner Behandlung wurde die Kranke ge¬
heilt. — Der zweite Fall betrifft eine 28 jährige Frau, welche
im Anschluß an eine Angina einen etwa faustgroßen Absceß
an der linken Seite des Halses bekam, welcher eröffnet wurde.
Aus dem Absceßeiter wurde derselbe Colistamm gezüchtet wie
aus dem Blut. Im dritten Fall handelte es sich um einen
39 jährigen Mann, welcher nach einer schweren, durch eine
Explosion verursachten Kopfverletzung unter typhösen Er¬
scheinungen erkrankte und starb. Die Sektion ergab Typhus,
während die bakteriologische Blutuntersuchung eine Reinkultur
des Bacterium coli ergeben hatte. Im vierten Fall handelte
es sich um eine Gallensteinkolik bei einer 54 jährigen Frau
mit Ikterus und kurzem Fieberanfall, wobei die Blutunter-
636
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 42.
suchung Bacterium coli commune mit Staphylococcus aureus
und Streptococcus longus ergab. In diesen beiden letzten
Fällen nimmt Verfasser an, daß es sich nur um ein saprophy-
tisches Wachstum der Colibacillen im Blute handelte, daß diese
aber nicht die eigentlichen Krankheitserreger waren.
Herbert Bodenstein (Jena): Ein Fall von Peritonitis bei der
Gonorrhoe des Mannes. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 36.)
Die Beteiligung des Peritoneums bei der Gonorrhoe des
Mannes ist sehr selten; trotzdem die Prostata, Samenblasen
oder das ampulläre Ende des Vas deferens in nahen lokalen
Beziehungen zum Bauchfell stehen. Auch auf dem Wege der
Blut- und Lymphgefäße kann das Virus der Gonorrhoe an das
Peritoneum gelangen. Verfasser berichtet über einen Fall, bei
dem es nach einer G u y o n sehen Instillation von % proz.
Argent. nitric.-Lösung zu einer Reizung des Bauchfells kam.
Es traten Leibschmerzen und leichte Temperaturerhöhung nach
der Instillation auf. Wegen Verdacht auf Appendicitis wurde
der Patient auf die chirurgische Klinik verlegt, wo sofort nach
der von Riedel angegebenen Methode des Zickzackschnittes
operiert wurde. In der Bauchhöhle fand sich sehr viel klarer
seröser Erguß, der Darm war absolut nicht entzündet und die
Appendix normal. Diese wurde exstirpiert, der Stumpf ver¬
sorgt und die Bauchhöhle vollständig geschlossen. Der weitere
Verlauf war glatt, auch die Gonorrhoe heilte in einigen Wocheu
aus. Eine bakteriologische Untersuchung der Bauchhöhlen¬
flüssigkeit wurde nicht gemacht, so daß nicht zu entscheiden
ist, ob es sich hier um eine chemische oder bakterielle Ent¬
zündung des Peritoneums handelte. R. L.
Privatdozent Dr. R. Pollaiul, I. Assistent der Klinik; Ueher den
Wert der internen Gonorrhoe-Therapie. (Versuche mit
Aluminiumsubaeetat.) Aus der Grazer Dermatologischen
Klinik (Vorstand Prof. Dr. Matzenauer). (Oester-
reichische Aerzte-Zeitung, 1910, No. 17.)
Aluminium subacetat (trockene schwerlösliche
essigsaure Tonerde) wurde an der Grazer Dermatologischen
Poliklinik in Form der Gelonida Alu mini i suliace-
tici (Chemische Fabrik Goedecke & Co., Leipzig) in der
Gonorrhoe-Therapie verwendet; es gehört zur Gruppe der
Harnantiseptica, wie Urotrooin, Arhovin, Salol u. a., mit denen
es die Eigenschaft gemein hat, die unangenehmen subjektiven
Symptome, w r ie Schmerz, Tenesmus usw., zu bessern, ohne
gleichzeitig unangenehme Nebenwirkungen zu haben, wie
manche Balsamica. Die Gelonida Aluminii subacetici entfalten
desinfizierende und schmerzlindernde Wirkung im Harntrakt
sekundär nach primärer Desinfektion des Darmkanals. Die
baktericide Wirkung des Aluminiumsubacetats > haben Prof.
Bickel im Pathologischen Institut der Universität in Berlin
und Blasius im Hygienischen Institut der Universität Halle
nachgewiesen. Der therapeutische Wert des Aluminiumsub¬
acetats wird wesentlich gefördert durch seine Verabreichung
als Gelonida, d. s. Tabletten von absolut sicherer Zerfallsfähigkeit
(nach einem zum Patente angemeldeten Verfahren der Firma
Goedecke & Co.. Leipzig, hergestellt), wodurch die Gewähr
dafür gegeben ist. daß das Medikament bereits Im Magen seine
Wirksamkeit entfaltet resp. rasch resorbiert werden kann. Die
..Gelonida Aluminii subacetici“ wurden an 53 Fällen von
Gonorrhoe erprobt, sie wurden ausnahmslos gern genommen,
nie wurde über unaneenhmen Nachgeschmack, Aufstoßen oder
Uebelkeit geklagt. Meist machte sich eine leicht abführende
Wirkung geltend, die eine willkommene Unterstützung der
therapeutischen Wirkung war (wo sie vermieden werden soll,
braucht man nur Gelonida Aluminii subacetici No. II [sulfat-
frei] zu geben, die in dieser Beziehung neutral oder leicht
stopfend wirken). Bei den akuten Fällen (20) trat keinerlei
Komplikation auf, die Patienten konnten durchschnittlich nach
3—4 Wochen gonokokkenfrei entlassen werden; sehr günstig
waren die Erfolge bei Cystitis gegen die neben der internen
Darreichung Ja net sehe Spülungen gemacht wurden. In
mehreren Fällen von Epididymitis war in 2—4 Wochen allein
durch Gelonida Aluminii subacetici eine so vollkommene Auf¬
hellung des Urins erzielt worden, daß nach Ablauf der Epidi¬
dymitis eine Nachbehandlung des Trippers unterbleiben konnte.
P o 11 a n d resümiert seine Erfahrungen dahin, daß die
..Gelonida Aluminii subacetici“ den besten Harnantiseoticis an
die Seite gestellt werden können, da sie vor allem keinerlei
störende Nebenwirkungen erkennen lassen. Ein besonderer
Vorzug ist die durch die Eigenschaft der Gelonida-Tabletten
gewährleistete vollkommene Ausnutzbarkeit und gleichmäßige
Wirkung. H.
L. Halberstaedtcr (Berlin): Entsteht der Trachomerreger durch
Mutation des Gonococcus? (Berlin, klin. Wochenschr., 1910,
No. 32.)
In einer vor kurzem erschienenen Monographie: „Ueber
die Natur und die Herkunft des Trachomerregers“ hat Herzog
die These aufgestellt, daß der Trachomerreger, wie er sich in
den vom Verfasser und v. Prowazek beschriebenen Chlamy-
dozoen präsentiert, eine Umwandlungsform des Gonococcus
darstellt. Den Ausgangspunkt für die Herzog sehen Unter¬
suchungen in dieser Richtung bilden die Befunde S t a r -
g a r d t s , welcher zuerst das Vorkommen von Chlamydozoen
bei der Ophthalmoblennorrhoe der Neugeborenen feststellte,
sowie vor allem die Untersuchungen von Hey mann, welcher
in sämtlichen bis dahin untersuchten Fällen von echter Gono-
kokkenblennorrhoe der Neugeborenen stets reichlich Trachom¬
einschlüsse in den Epithelien der Conjunctiva fand. Dieses
Verhalten, wonach die Trachomkörper in auffälliger und mar¬
kanter Weise regelmäßig in Vergesellschaftung ausschließlich
und gerade mit dem Gonococcus Neisser angetroffen werden,
veranlaßte Herzog zu der Annahme, daß zwischen den Ele¬
menten der Trachomkörper und dem Gonococcus ein direktes
Abhängigkeits- und Konnexverhältnis besteht. Da nun
Herzog keine Möglichkeit sieht, die Chlamydozoen des
Trachoms an irgendeine der bisher bekannten Gruppen des
niedern Tier- und Pflanzenreiches anzugliedern, so folgert er,
daß überhaupt ein Verständnis für die Gruppe der Chlamydo¬
zoen als protozoenartige Gebilde fehlt. Da ihm weiterhin von
namhaften Forschern, denen er gefärbte Trachompräparate vor¬
legte. gesagt wurde, daß es sich bezüglich der Epitheleinschlüsse
um Kolonien von Bakterien handeln könne, war für Herzog
der Weg zur Konstruktion eines Zusammenhanges zwischen
Gonokokken und Trachomerregern gegeben, und es kam für
ihn nun darauf an, den direkten Uebergang deiu. Gonokokken
in die Trachomkörperchen festzustellen und zu verfolgen.
Dazu diente erstens das Studium der Gonokokkenkultur mit
Hilfe der Giemsa sehen Färbung, zweitens die klinische Be¬
obachtung und mikroskopische Untersuchung geeigneter Fälle
und drittens der Versuch,, experimentell durch Verimpfung
von Gonokokken auf die Coniunctiva Epitheleinschlüsse in der¬
selben zu erzeugen, wie sie für Trachom charakteristisch sind.
H. geht nun auf diese drei Punkte im einzelnen ein und kommt
zu dem Schluß, daß weder das morphologische Verhalten der
Gonokokken in Kulturen, noch Uebertragungsversuche mit
solchen auf die Affenconjunctiva, auch nicht die vielen bisher
vorliegenden Untersuchungen an gonorrhoisch und trachomatös
erkrankten Schleimhäuten irgendwelche Anhaltspunkte für das
Bestehen eines Konnexes zwischen Gonokokken und Chlamvdo-
zoen geben. Es bestehen vielmehr zwischen diesen beiden
Organismen die weitgehendsten morphologischen und biologi¬
schen Unterschiede. Die Annahme Herzogs, daß der
Trachomerreger durch Mutation des Gonococcus entsteht, ist
als unbewiesen vorläufig abzulehnen.
Dr. O. Burwinkel (Bad Nauheim): Morbus coeruleus bei vier
Generationen. (Berl. klin. Wochenschr., 1910, No. 21.)
Verfasser hatte Gelegenheit, einen 54 jährigen Patienten
mit Morbus coeruleus zu untersuchen, dessen Familienanam¬
nese ergab, daß schon die Großmutter, welche sonst ganz ge¬
sund war und mit 76 Jahren an Altersschwäche starb, von
Kigdheit an mit ..Blausucht“ behaftet war, ebenso die Mutter,
welche im 44. Lebensjahre an Entkräftung zugrunde ging. Ein
jüngerer Bruder des Pat. sah normal aus, die noch lebende
Schwester zeigt ebenso, wie ihr einziges Kind ganz blaue Haut¬
farbe. Von den eigenen drei Kindern bieten eine 18 jährige
und eine 10jährige Tocher die gleichen Erscheinungen dar;
sonst sind sie bis auf schwache Verdauung durchaus wohl. Wie
diese ganze Reihe von Familienangehörigen hat auch der vom
Verf. Untersuchte von Geburt an das auffällige Hautkolorit ge¬
zeigt. Krank war er niemals. Bei der Musterung wurde ein
Herzfehler konstatiert, er wurde aber doch für tauglich erklärt.-
Er präsentiert sich als ein kräftig gebauter Mann. Die Haut¬
farbe ist überall stahlblau. Puls von ganz normaler Beschaffen¬
heit. Keine Anzeichen für Drucksteigerung oder Arterio¬
sklerose. Herzdämpfung nicht vergrößert. Im 5. Tntercostal-
raum unterhalb der linken Brustwarze ist ein systolisches Ge¬
räusch zu hören, welches am deutlichsten wird neben dem
linken Sternalrand in der Höhe der 3. Rippe. Die übrigen
Töne rein. Die einzige Klage ist ein beständiges Kältegefühl
der Haut. Verfasser nimmt zur Erklärung des Falles einen
angeborenen Herzfehler an, den man von altersher als Ursache
des Morbus coeruleus bezeichnet hat. Das gehäufte Vorkommen
bei verschiedenen Generationen einer Familie spricht für einen
auf fehlerhafter Entwicklung beruhenden wirklichen Defekt,
wahrscheinlich im Septum beider Atrien. Solche Entwicklungs¬
fehler des Herzens bestehen oft ohne eigentliche Symptome
und ohne Störung der Gesundheit das ganze Leben hindurch.
Dr. Fritz Härtel, Assistent der Berl. chir. Universitätsklinik:
Saugdrainage der Pleurahöhle. (Berl. klin. Wochenschr.,
1910, No. 25.)
Das vom Verfasser beschriebene Verfahren der Saug¬
drainage eignet sich zur ambulanten- Nachbehandlung von
Empyemen, die mit Rippenresektion eröffnet sind, sowohl in
frischen wie in alten Fällen, sowie nach Thoracoplastik, falls
danach Fisteln Zurückbleiben sollten. In gewissen Fällen ist
No. 42j
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
diese Behandlung nicht anwendbar; es sind dies zunächst
Empyeme mit gleichzeitig bestehender Lungenfistel, ferner
Fälle mit sehr profuser und besonders jauchiger Absonderung.
Auch setzt die Anwendung eine gewisse Intelligenz des Patien¬
ten voraus, so daß kleine und unruhige Kinder auszuschließen
sind.
Der Apparat des Verfassers ist von großer Einfachheit. Er
läßt usich .Jyeguenj, ,aus : , iseinpn Bestandteilen zp^ajnjnensetzen,
die alle.für sich sterilisierbar sind. Den Abschluß der Pleura¬
höhle, , bewerkstelligt Verfasser nach dem Vorgänge von
Grisson in'Hamburg durch eine dünne, etwas 10—15 qcm
große Platte aus Cofferdams. Rubber dam. Es ist dies
ein außerordentlich feiner und dehnbarer Kautschukstoff, den
die Zahnärzte zur Isolierung der zu füllenden Zähne benutzen.
In die Mitte dieser Platte wird mit einer scharfen Lochzange,
wie sie ebenfalls zum zahnärztlichen Instrumentarium gehört,
ein genau kreisrundes Loch von 1—2 mm Durchmesser ge¬
schnitten. Die Dehnbarkeit des Cofferdams gestattet es, durch
dieses Loch ein bis daumenstarkes Drain, eine Schlundsonde
oder einen Nelatonkatheter luftdicht einzuführen, ohne daß die
Platte einreißt. Stellt man nun vermittelst des Drains in der
Pleurahöhle einen negativen Druck her, so saugt sich die Platte
alsbald der Umgebung der Wunde dicht an und garantiert einen
fast vollkommen sicheren luftdichten Abschluß, der durch Be¬
streichen der Haut mit Salbe und durch eine auf die Gummi¬
platte gelegte und mit Heftpflaster oder Binden fixierte Kom¬
presse nofch erhöht wird. Verfasser hat noch 24 Stunden nach
der Aspiration negativen Druck in der Pleurahöhle mit dem
Manometer nachweisen können. Das Drain wird zur weiteren
Sicherung noch mit einer Fadenschlinge und Heftpflaster am
Verband befestigt nach Art eines Dauerkatheters. Zum Auf¬
saugen des Eiters hat Verfasser ein doppelhalsiges Fläschchen
anfertigen lassen, das platt gedrückt ist und etwas gebogen
sich der Körperform anschmiegt. Der Inhalt beträgt je nach
Größe 80—200 ccm. Die Hälse der Flasche sind ähnlich, wie
dies bei den Klapp sehen Sauggläsern der Fall ist, gebogen
und am Ende knopfartig verdickt zwecks Befestigung von
Gummischläuchen. Das Fläschchen wird durch den einen Hals
mit dem in die Pleurahöhle eingeführten Drain verbunden,
vom zweiten Hals aus wird durch Vermittlung eines stark-
wandigen Gummischlauchs die Saugkraft angewendet. Zur
dauernden Aufrechterhaltung eines negativen Druckes eignen
sich hier gut die in der Klapp sehen Saugbehandlung üblichen
Gummiballons. Bezugsquelle für den kompletten Apparat und
seine Teile: Firma Windler, Berlin, Friedrichstr. 133a; für
Cofferdam und Lochzange: Firma The S. S. White, Dental
Mfg. 6., Bprb'n W.. Mauerstr. 83/84.
Die Kosten eines Apparates stellen sich auf etwa 5 M.,
wenn man von der ziemlich teuren Lochzange (13,50 MA ab¬
sieht: man kann sich indessen den Gummi von der Firma
lochen lassen.
Oberstabsarzt Dr. Schmiz (Saarbrücken): Ueber spontane Gan¬
grän bei Jugendlichen. (Medizinische Klinik, 1910, No. 19.)
Die spontane Gangrän schlechthin galt bis vor nicht langer
Zeit als eine Krankheit des Alters und sie führte daher auch
den Namen Gangraena senilis. Wenn nun auch einzelne Fälle
von spontaner Gangrän bei jüngeren Leuten bekannt wurden,
so galten diese doch nur als zufällige Ausnahmen. Erst die
anatomische Untersuchung eines 1879 von B i 11 r o t h wegen
Gangrän des Fußes operierten Falles durch v. Winiwarter
ergab als Ursache eine von der gewöhnlichen Arteriosklerose
verschiedene Gefäßerkrankung, Verengerung beziehungsweise
Verschluß des Gefäßlumens durch Endothelwucherung. B i 11 -
roth stellte dann, gestützt auf diese Untersuchung, als be¬
sondere Gruppe der Spontangangrän, die Gangraena ex endar-
teriitide hyperplastica auf. Es war dieser Krankheitsprozeß
analog der bereits 1876 von Friedländer geschilderten
Endarteriitis obliterans, nur daß dieser die mittleren und
kleineren Arterien bei entzündlichen und indurativen Vor¬
gängen, also nicht primär und nicht die größeren Arterien be¬
fiel. Nachdem so das Krankheitsbild sui generis aufgestellt
war, folgten bald darauf weitere Veröffentlichungen. Die Ge¬
fäßerkrankung braucht aber nicht immer zur Gangrän zu
führen, sondern sie kann auch stationär bleiben. Die Krank¬
heit beginnt fast ausnahmslos bei Männern, ohne daß Diabetes,
Lues, Nieren-. Herz- oder Nervenkrankheiten vorhanden sind,
im mittleren Lebensalter an den Füßen und Beinen, äußerst
selten an den Händen mit allgemeinen Schmerzen, die als
rheumatische gedeutet werden. Charakteristisch ist für diese,
daß sie bei langsamerem Gehen oder Anstrengungen stärker
werden, in der Ruhe verschwinden. Es treten dann krampf¬
artige Zusammenziehungen der Muskeln auf. Kribbeln, leichtes
Kältegefühl stellt sich ein. Die Gliedmaßen bekommen blau¬
rotes oder blasses Aussehen, bisweilen machen sich leichte
Schwellungen bemerkbar. Die Empfindung ist stets erhalten,
Krampfadern sind nicht sichtbar. Die Arterien sind als derbe
Stränge ohne Schlängelung wahrzunehmen, der Puls an der
637
Poplitea und deren Aesten ist nur schwach oder gar nicht
fühlbar. Mit den obigen Beschwerden geht ein
Schwächegefühl in den betreffenden Gliedmaßen einher. So
kommt es, daß das betreffende Bein geschont wird, was
C h a r c o t Claudication intermittente nannte, welches die
heutigen Neurologen als Dysbasie bezeichnen. Die Schmerzen
steigern sich allmählich, und sind fast ständig vorhandel» sie
stören den Schlaf und rauben die Kräfte, bringen den Kranken
zur Verzweiflung und treiben ihn unweigerlich dem Morphinis¬
mus in die Arme. Dieser Zustand kann eine Reihe von Jahren
dauern, bis schließlich durch ein geringfügiges Trauma, durch
Stiefeldruck oder durch eine ganz geringfügige Wunde die
Katastrophe, die Gangrän, einsetzt. Es zeigt sich an einer oder
mehreren Zehen gleichzeitig ein kleiner blauroter Fleck, der
bald schwarz und trocken wird, sich vergrößert und unaufhalt¬
sam fortschreitet unter stetiger Zunahme der Schmerzen, so daß
die Kranken nicht wissen, wie sie die Beine legen sollen; selbst
große Dosen Morphium lindern nur vorübergehend die
Schmerzen, die schließlich so stark werden, daß die Demarka¬
tion nicht abgewartet werden kann und die Kranken selbst zur
Amputation drängen, nur um von ihren Qualen befreit zu wer¬
den. Es braucht aber nicht stets zur Gangrän zu kommen,
sondern es kann bei dem anfangs geschilderten leichteren
Symptomen bleiben.
Die Therapie in den ersten Stadien besteht in Ruhe, Ver¬
meidung von Anstrengungen, Hochlagerung der Gliedmaßen,
heißen Luft- und Wasserbädern, Badekuren in Kissingen und
Nauheim und sonstigen herzstärkenden Maßnahmen. Vor
Massage wird gewarnt. Tabaksgenuß ist stets zu verbieten.
B i 11 r o t h und Erb empfehlen die Jodpräparate. Michels
hat in einem von zwei Fällen eine Besserung nach Fibrolysin
gesehen, welches Verfasser bei dem von ihm beobachteten
Kranken nur bestätigen kann. Ist Gangrän eingetreten, so warte
man die Demarkierung ab und sorge durch aseptischen oder
antiseptische Verbände, daß der Brand ein trockener bleibt.
Es gelingt aber selten, die Demarkation abzuwarten. Die qual¬
vollen, nicht aufhörenden Schmerzen oder die eingetretene Ent¬
zündung zwingen vorher zur Amputation. Bei der Natur der
Erkrankung soll man nicht zu nahe an die Grenzen gehen. Sehr
viele Operateure waren zur erneuten Amputation gezwungen,
da sie sich nicht, zumal bei den Jugendlichen, gleich zu höheren
Absetzungen entschließen konnten.
Privatdozent Dr. Alfred Fuchs (Wien): Ueber Beziehungen der
Enuresis nocturna zu Rudinicntärformen der Snina bifida
occulta (,.Myelodysplasie“) ■ (Wiener med. Wochenschr.,
1910, No. 27.)
Verfasser suchte schon in einer früheren Arbeit den Nach¬
weis zu erbringen, daß die Enuresis nocturna der Erwachsenen
in einer großen Anzahl häufig nichts anderes vorstellt, als ein
Teilsymptom rudimentärer Formen der Spina bifida occulta,
bezw. zurückzuführen sei auf kongenitale Defektbildung der
unteren Rückenmarksabschnitte (..Myelodysplasie“). Bei
solchen Individuen finden sich nämlich neben den Inkontinenz-
erscheinungen gewisse Stigmen, welche in vergrößertem Ma߬
stabe bei der vollentwickelten Spina bifida occulta fast konstant
sind: Spaltbildungen der unteren Wirbelsäuleabschnitte, Defor¬
mationen des Fußskelettes, Syndaktylie. Reflexanomalien,
Sensibilitätsstörungen usw. Verfasser hat diese auffallend.
häufig nachweisbaren Rudimentärformen der Spina bifida
occulta unter dem Namen derMyelodysplasie“ zusammengefaßt.
Eines derjenigen Symptome, welches überhaupt zunächst Anlaß
gibt, daß nähere Untersuchungen angestellt werden, ist die
Enuresis nocturna solcher Individuen. In weiterer Verfolgung
des gleichen Weges hat Verfasser seine Untersuchungen, auf
der bei den erwachsenen Enuretikern gefundenen Basis, auf
Individuen ausgedehnt im Alter der Pubertätszeit und auf das
Kindesalter, bis zu jener Grenze, wo die Enuresis nocturna
physiologischerweise aufzuhören pflegt. Diese Grenze läßt sich
begreiflicherweise nicht sicher ziehen, aber besondere Häufig¬
keit und Hartnäckigkeit der Enuresis nocturna bei Kindern
von drei bis vier Jahren muß jedoch schon auffällig erscheinen.
Bei Kindern in diesen und den folgenden Altersstufen von 5,
6, 8 Jahren usw.. bei welchen schwerere Enuresisformen be¬
stehen bleiben, findet man auch tatsächlich, und zwar in einem
Prozentsätze, welcher 50 pCt. weit überschreitet, iene Stigmen,
welche bei den erwachsenen Enuretikern so oft anzutreffen
sind. Speziell auffallend ist bei enuretischen Kindern (sowie
Erwachsenen) die Häufigkeit des Plattfußes. Offenbar spielt
hier der Muskeltonus eine große Rolle, welcher ebenso wie die
anderen Rückenmarksfunktionen in den unteren Medullar-
abschnitten notleidend ist. Ein weiteres Moment, auf welches
Verfasser aufmerksam wurde, ist 1. die relative Häufigkeit auf¬
fallender Asymmetrien an der Rima ani und 2. das häufige Vor¬
kommen von narbenartig eingezogenen Grübchen, der sog.
..Fovea coccygea“, bei enuretischen Kindern, ferner fistelartige
Einziehungen der Sacrococcygealgegend, welche Symptome sich
bei zahlreichen Erwachsenen auch vorfinden, bei Verfassers
638
THERÄPEUT'ISCÖE ’ RI NDSCH \U 1!M0.
No. 42:
Material in fast.63 pC't. Die Asymmetrie der Rima ani laßt
sich durch asymmetrisches Wachstum des Kreuzbeines er¬
klären, während Verfasser mit Rücksicht auf die Häufigkeit
ihres Vorkommens bei Enuretikern diesen eingezogenen Grüb¬
chen und fistelartigen Narben eine geradezu pathognöHranische
Bedeutung zusprechen möchte. Verfassers Untersuchungen
führen zur Ansicht, daß auch die Enuresis der Kinder sowie
die der Erwachsenen nicht als eine „Neurose" im landläufigen
Siime des Wortes aufzufassen ist, sondern als eine Erscheinung,
welche in unmittelbarer Abhängigkeit steht von der Funktions¬
entwicklung der unteren Rückenmarksabschnitte, Die Frage,
welcher Anteil hierbei auf das sympathische und welcher auf
das spinale Nervensystem entfällt, bleibt hierbei ganz offen,
kommt aber hier auch weniger in Betracht, da ja auch bei
spinalen Störungen eine Mitbeteiligung sympathischer Ge¬
flechte ohne weiteres verständlich erscheint. Mit dieser An¬
schauung steht der bekannte Verlauf der Enuresis nocturna,
die Pausen, welche sie machen kann, und allfällige Besserungen
durch suggestive Beeinflussung mittels Medikamente usw. in
gar keinem Widerspruche. Man darf nicht vergessen, daß
außer der spinalen Innervation in jedem Falle noch die cere¬
brale in Betracht kommt. K r.
Prof. Finkelnburg (Bonn): Beitrag zur therapeutischen An
Wendung der Hirnpunktion heim chronischen Hydrocephalus.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 36.)
Verfasser berichtet über einen Fall, in welchem durch die
Hirnpunktion nach Ne iss er ein bemerkenswertes therapeu¬
tisches Resultat erzielt wurde. Es handelte sich um einen
16 jährigen Jüngling, bei welchem sich zwei Jahr nach einem
Fall auf dem Hinterkopf ein Symptomenbild entwickelte,
welches auf einen, raumbeengenden Prozeß in der Schädel¬
höhle hindeutete. Vor allem bestand beiderseits hochgradige
Stauungspapille mit kleinen Blutungen, deutlicher Nystagmus,
Pulsverlangsamung bis 56, sehr heftige andauernde Kopf-
nackenschmerzen. Wegen der chronischen progressiven Ent¬
wicklung des Leidens kam eine Neubildung und ein chroni¬
scher Hydrocephalus diagnostisch in Betracht. Die Herd¬
symptome deuteten auf den Sitz des Leidens in der hinteren
Schädelgrube. Da aber ein Hydrocephalus erfahrungsgemäß
vollständig das Bild einer Kleinhirngeschwulst Vortäuschen
kann mußte.die Diagnose zunächst offen gelassen und in erster
Linie daran gedacht werden, durch Entlastung des Gehirns die
bedrohlich sich steigernden Hirndruckerscheinungen zu be¬
seitigen. Es wurde deshalb durch Prof. Garre eine Hirn¬
punktion in der Gegend der linken motorischen Zentren vor¬
genommen, wobei in einer Tiefe von 5 cm annähernd 20 ccm
einer unter starkem Druck stehenden Flüssigkeit entleert
wurden. Nach diesem Eingriff setzte sofort eine deutliche Besse¬
rung ein; am sechsten Tag fand sich bereits ein deutlicher
Rückgang der Stauungspapille und eine deutliche Zunahme
des Hörvermögens, Die Besserung machte weiter solche Fort¬
schritte, daß von weiteren Eingriffen Abstand genommen wer¬
den konnte. Der Kranke ist jetzt über zwei Jahre völlig arbeits¬
fähig und gesund geblieben. —- Verfasser weist im Anschluß
an diesen Fall darauf hin, daß es Fälle von gutartigen Klein¬
hirncysten gibt, bei denen zweifellos die Hirnpunktion lebens¬
rettend wirken würde. Er teilt einen derartigen Fall mit, der
noch vor der Einführung der Neisserschen Hirnpunktion
beobachtet wurde und ohne Operation töttich endete. Die Sek¬
tion ergab, daß eine Kleinhirncyste vorlag, welche sich augen¬
scheinlich in einer kongenitalen Ausstülpung, in einem abge¬
schnürten Divertikel des IV. Ventrikels entwickelt hatte. Für
die Hirnpunktion hätte dieser Fall nach Verfasser sehr günstige
Chancen geboten.
Dr. N. Gierlieh und Dr. M. Hirsch (Wiesbaden): Tuberkel im
Hirnstamm mit Sektionsbefund. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 35.)
Bei einem Kinde entwickelte sich innerhalb zwei Jahren
eine linksseitige Hemiplegie cerebralen Charakters, gleich¬
zeitig mit Hirndrucksymptomen, Kopfschmerzen, Schwindel,
Ohnmächten, Stauungspapille. In der Annahme eines Tumors
in der Gegend der rechten'vorderen Zentralwindung wurde
operiert; jedoch fand sich in der bezeiehneten Gegend kein
Tumor. Später trat eine rechtsseitige Oculomotoriuslähmung
auf, welche zur Diagnose eines Tumors im Hirnstamm führte.
Zwei Monate nach der Operation, 2 1 : Jahre nach Beginn der
ersten Erscheinungen starb das nun etwa vierjährige Kind: Bei
der Sektion fand sich ein Tuberkel in den basalen Partien des
Hirnstamms, der von den frontalen Partien des Pons bis zur
Regio subtbalamica reichte. Die irreführende Entwickelung
der Krankheitssymptome war bedingt durch den Beginn der
Erkrankung im Hirnstamm zwischen den Kernlagern des
N. oculomotorius und N. trigeminus im Areal der Pyramiden¬
bahn.
Privatdozent Dri'M: Neu (Heidelberg): Ein Verfahren zni- Stick-
oxydulsauerstoffnarkose, (Münch, nied. Wochenschrift, 1910,
No. 36.) .
Es war Madelung' iii Versuchen an Kaliinrhen'' und
Hunden gelungen, mit dem als Lachgas'bekannten Gemenge
von 'Ir Stickoxydul und Sauerstoff, welches Gemenge an
sich zur Narkose völlig'unzureichend Ist, nach der Vorbehand¬
lung mit Morphin-Scopolamin eine sehr tiefe Narkose zu er¬
zielen. Als einziger Uebelstand erschien bei diesen Versuchen
eine verlangsamende Wirkung auf die Atemfrequenz bei den
Kaninchen, während beim Hunde die Atmung weit weniger
verlangsamt ist. Nach Unterbrechung der Narkose erholten
sich die Tiere in überraschend kurzer Zeit. Auf Grund dieser
ermutigenden Ergebnisse prüfte Verfasser in der Heidelberger
UniVersitätsfraueaiklinik die Verwendbarkeit dieser kombinier¬
ten Narkose beim Menschen. Anfangs wurde versucht, ein
Gasgemisch von 20 pCt. Sauerstoff und 80 pCt. Stickoxydul aus
einem fabrikmäßig hergestellten und in einer Bombe kompri¬
mierten Gemisch der verflüssigten Gase direkt zu verwenden.
Indes erwies sich dieses Vorgehen als unzweckmäßig, es wurde
keine genügende Wirkung erzielt, wahrscheinlich weil infolge
von Temperaturschwankungen aus der Bombe ein richtig
dosiertes Gasgemisch nicht ausströmte. Deshalb ging Verf.
dazu über, aus zwei, getrennten Bomben ein exakt dosiertes
Gasgemisch zu entnehmen. Er benutzte dazu einen neuerdings
in die Gastechnik eingeführten Apparat, den sog. „Rotamesser“,
welcher nicht Gesamtmengen von durchströmenden Gasen, wie
die gewöhnlichen Gasmesser, mißt, sondern die Stärke des
Gasstromes; Wenn man nun den Apparat so einstellt, daß der
Schwimmer des Sauerstoffmessers auf 1, der des Stickstoff¬
oxydulmessers auf 4 steht, so hat man ein Volumprozentver¬
hältnis von 20 : 80, es strömen dann in der Minute 1 Liter Sauer¬
stoff und 4 Liter Stickstoffoxydul durch die Meßröhren. Man kann
den Apparat auch so einstellen, daß z. B. 2 Liter Sauerstoff und.
8 Liter Stickstoffoxydul in der Minute Zuströmen usw. Man
kann also mittels dieses „Rotamessers“ in der Tat eine völlig
exakt dosierte Stickoxydul-Narkose durchführen. Es wurde
diese neue Narkose in der Heidelberger Universitätsklinik u. a.
bei 10 Abrasionen, 10 Alexander - Adams - Operationen
sowie auch bei einigen größeren Abdominaloperationen
(darunter Totalexstirpationen) angewendet. Bisher wurden
nur dann Versager verzeichnet, wenn es sich um abdominelle
Eingriffe handelte, bei denen starke Verwachsungen im Becken
bestanden und starke Zerrungen während der Operation unver¬
meidbar waren. Die Pulsfrequenz geht mit der Tiefe der Nar-,
kose zurück, die Atemfrequenz bleibt in der Regel innerhalb
der Norm. Der Cornealreflex. ist in der Regel nicht vorhanden.
Die Patienten erwachen wenige Minuten nach Absetzen der
Masken aus der Narkose. Erbrechen nach der. Narkose wurde
bisher in drei Fällen beobachtet. Irgendwelche Späterschei¬
nungen,; die. auf;.die-Narkose zu. beziehen wären, machten sieh -
nicht bemerkbar. Verfasser hofft auf Grund seiner Erfahrun¬
gen, daß die kombinierte Morphin-Scopolamin-Stickoxydul-
Sauerstoff-Narkose als eine brauchbare, unschädliche Methode
sich weiter erweisen wird. Verfasser ist in Verbindung mit
den deutschen Rotawerken in Aachen damit beschäftigt, eine
für die Klinik leicht zu handhabende Apparatur dafür zu kon¬
struieren. .. !,. , nriS’i tag» - - - R. L.
Picro Qmittrini (inselspital Bern, chir. Abt.): Ueber Rektal
narkoso. (Dissertation, Bern 1910.)
Die Rektalnarkose ist an und für sich nur eine Ausnahme¬
methode und als solche nicht geeignet, die übliche Inhalätions-
methode zu verdrängen. Sie ist indiziert in erster Linie bei
bestehender Affektiob der Atmungsorgane und bei Lungen¬
operationen, dann bei Eingriffen am Kopf und am Gesicht, bei
denen die Gefahr einer Wundinfektion durch das Vorhalten
der Maske besteht, oder des ungestörten Operierens wegen. Sie
soll mit allergrößter Vorsicht und erst nach genügender Uebung
ausgeführt werden, weil sie sonst sehr gefährliche Folgen haben
kann. Akute oder chronische Därmerkrankuiigen kontra¬
indizieren unter allen Umständen die Ausführung der Rektal¬
narkose. F.
Dr. Ernst Schümann (Dresden) : Ueber.Maschincnverlbtzungen
der Haut. (Münch, nied. Wochenschrift, 1910, No. 36:).
Verfasser weist darauf hin,, daß bei den verschiedenen Ge¬
werben typische Verletzungen Vorkommen. So siiid für das
Fleischerhandwerk schmale und zumeist tiefe Stichwunden,
die 'mitunter mit . Verletzungen größerer Arterien verbunden
sind, charakteristisch. Beim Schlosser qnd Schmied kommen
am häufigsten Verletzungen durch die heim Hämmern ab¬
fliegenden Stahlsplitter vor, weiterhin finden sich nicht selten
Frakturen der Endphalangen, die durch Schlijge, mit dem
Hammer oder durch unvermutet fallende,'schwere Metallteile.
entstehen. In den Buchdruckereien kommen bei. den Anlege-
rinrieU ebenfalls häufig Verletzungen der Hand vor, die von
der Tiegeldruck- oder Rotationspresse erfaßt wird.; man findet
dann den Satz schwarz oder in Chromdruck der Hand aufge-
No. 42.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
639
prägt. Typische Maschinenverletzungen entstehen bei den
Drahtheftern, bei denen mitunter die zum Buchbinden dienen¬
den Heftklammern fest von der Heftmaschine in die Haut hin¬
eingepreßt sind. So, kommen auch in anderen Betrieben Ver¬
letzungen vor, bei welchen Maschinenteile oder Bestandteile
des, Arbeitsstücks in die Hand geraten und nicht ohne weiteres
entfernt werden, können. Es handelt sich dabei um eingekeilte
äußere Fremdkörper. Verfasser beschreibt zwei derartige
Fälle. In dem einen Falle handelte es sich um einen Eisen¬
ring, welcher einem Dreherlehrling beim Abreiben auf der
Sauberbank über den kleinen Finger geriet und so fest am
Grunde ihn umspannte, daß er durchgefeilt werden mußte, um
entfernt werden zu können. Im zweiten Falle geriet ein Schuh¬
macher mit der linken Hand in die Absatzlochmaschine unter
einen sog. Treiber. Diese' Patrize saß derartig fest in den
Fingern des Pat. eingekeilt, daß sie von der Maschine abge¬
schraubt werden mußte, so daß der Verletzte mit dem Fremd¬
körper an der Hand in der Klinik erschien. In Narkose konnte
die Patrize erst durch kräftiges Heben mit einem Elevatorium
von den Fingern entfernt werden. Der Mittelfinger war voll¬
kommen zerschmettert; vom zweiten und vierten Finger waren
die Knochen der Mittel- und Endphalanx zertrümmert. Der
Mittelfinger wurde im Grundgelenk, der zweite und vierte
Finger im zweiten Interphalangealgelenk exartikuliert, wobei
noch die Köpfchen der nächsten Phalanx entfernt werden mu߬
ten. Die Heilung erfolgte in 16 Tagen.
Prof. Dl'. Fmderlen (Würzburg) und Prof. Dr. Borst (München):
Beiträge zur Gefäßchirurgie und zur Organtransplantation.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 36.)
Die Verfasser berichten, der eine vom Standpunkt des
Chirurgen, der andere von dem des Anatomen, über den heuti¬
gen Stand der Gefäßchirurgie und der damit im Zusammen¬
hang stehenden Organtransplantation. Es handelt sich in der
Gefäßchirurgie zunächst um die Vereinigung durchtrennter
Gefäße durch die Naht. Es haben sich hier nur zwei Verfahren
als wirklich brauchbar erwiesen. Das eine ist die Verbindung
des auf irgendeine Weise durchtrennten Gefäßes mit Hilfe
der Magnesiumprothese nach Payr. Das Prinzip dabei ist,
daß der Fremdkörper nicht in die Lichtung des Gefäßes hin¬
einkommt und daß Intima mit Intima in mehr oder weniger
breite Verbindung tritt. Es wird daher über das von Adven-
titia befreite zentrale Ende der mit einer Furche versehene
Magnesiumring gezogen, dieses wird sodann über die Prothese
umgekrempelt und mit einem Faden über die Rille befestigt.
Nun zieht man das peripherische Stück über das zentrale und
legt der Delle entsprechend einen zweiten Faden herum. Da¬
mit ist der Zweck, breite Intimaflächen miteinander in Ver¬
bindung zu bringen, erreicht. Diese Methode ist bei kleinen
Gefäßen nicht ausführbar. Die Naht dagegen gelingt noch,
wenn der Durchmesser 1 mm beträgt. Man legt das Gefäßrohr
frei und sperrt die Blutbahn Zentral und peripher mit besonders
konstruierten Klemmen ab, die mit Lampendocht überzogen
sind. Darauf bringt man an drei gleich weit voneinander ge¬
legenen Stellen der Gefäßwand Haltezügel an. welche durch,
beide Gefäßenden geführt werden. Beim Knoten dieser
Situationsnähte muß darauf geachtet werden, daß die Intima
fl ansehenförmig nach außen umgekrempelt wird, legt sich
Adventitia dazwischen, so tritt Thrombose ein. Wenn man nun
die Haltefäden anzieht, ist die fortlaufende Naht mit feinster
paraffinierter Seide unschwierig anzulegen. Nach vollendeter
Naht wird der Blutstrom freigegeben, indem man bei Arterien
zuerst die peripherische, dann die zentral gelegene Klemme
abnimmt. Bei Venen ist die Reihenfolge umgekehrt. Zirku¬
läre Gefäßnähte wurden am Menschen bei Verletzungen, Ge¬
schwulst- und Aneurysmaoperationen ausgeführt. Ende r len
hatte in einer Reihe von Fällen Gelegenheit, derartige zirkuläre
Gefäßnähte mit Erfolg auszuführen. Wenn nach Verletzung
oder Resektion des Gefäßes der Defekt zu groß ist, um eine
direkte Vereinigung zu gestatten, vermag man ihn durch ein
anderes Gefäßstück zu ersetzen. Die Transplantationen von
Arterie in Arterie gelingen sowohl, wenn das Stück demselben
Tier, oder einem anderen der gleichen Art, oder einer fremden
Spezies entnommen wird. Auch Venenstücke kann man in
Arterien einpflanzen. Ferner wurde beim Menschen die arterio¬
venöse Verbindung wegen arteriosklerotischer Gangrän ver¬
sucht. Man führte die seitliche, die End- zu Endanastomose
und die lnvagination aus. Wieting invaginierte in einem
Falle mit Erfolg die Arterie in die Vene. Dieser Fall ist bisher
der einzige seiner Art. Man versuchte auch die Gefäße zum
Ersatz anderer dünnröhriger Organe, die Erfolge sind vorläufig
gering. Die Versuche, den Harnleiter durch ein Gefäßstück
zu ersetzen, schlugen alle fehl. Auch Harnröhrendefekte wurden
durch frei transplantierte . Gefäße ausgefüllt. Payr verfuhr
zur Behandlung des Hydröcephalus in der Weise, daß er das
eine Ende einer frei transplantierten Vene in deli Seiten¬
ventrikel, das andere in den Sinus longitudinalis legte; nach
Verfasser dürften sich Arterien für diesen Zweck besser
eignen. — In neuerer Zeit ging man dazu über, ganze Organe
mit ihren Blutbahnen zu transplantieren. Bei der Autotrans¬
plantation von Nieren erhielten die Verfasser wie Garrel,
Unger u. a. in Versuchen an Hunden positive Resultate. Es
wurde sorgfältig die eine Niere mit Gefäßen und ihrem Ureter
bis zur Harnblase exstirpiert; dann wurde die Nierenarterie
mit einem Ast der Milzarterie, die Nierenvene mit einer Milz¬
vene vereinigt und der Ureter in den oberen Pol der Blase
implantiert. Nach einigen Tagen wurde die andere Niere ent¬
fernt. Die operierten Tiere blieben am Leben und bei un¬
gestörter Gesundheit, was beweist, daß die reimplantierten
Nieren funktionierten. Bei Verwendung von Nieren anderer
Hunde wurden keine Dauererfolge erzielt; die implantierten
Organe verfielen der Nekrose. Auch bei Transplantationen der
Schilddrüse mit ihren Gefäßen wurden nur Erfolge erzielt,
wenn Autotransplantationen vorgenommen wurden. Bei eini¬
gen Versuchen, Schilddrüsen von Menschen auf Menschen zu
verpflanzen, erzielte -E. keinen Erfolg. Er glaubt demnach,
daß wir vorläufig mit der Homoiotransplantation von Organen
nicht weiter kommen. — Auch einige Versuche an Hunden,
durch Vereinigung von Gefäßen (Carotiden und Jugularvenen)
von zwei Tieren eineil Blutaustausch zwischen ihnen herzu¬
stellen. hat E. angestellt. Länger als drei Tage konnte diese
Parabiose nicht aufrecht erhalten werden; die Nieren, welche
bei den Tieren gegenseitig vertauscht wurden, verfielen der
Nekrose. — Irgend eine Intoleranz gegenüber dem fremden
Blut, insbesondere Hämoglobinurie, wurde dabei nie beob¬
achtet. Deswegen führte E. die direkte Bluttransfusion in ge¬
eigneten Fällen auch am Menschen aus. Die Gewinnung des
Spenders verursacht keine besonderen Schwierigkeiten, am
besten eignet sich ein junges, kräftiges Individuum aus der
Familie des Kranken. Handelt es sich um Erwachsene, so
verbindet man unter Lokalanästhesie die Art. radialis des
Spenders mit der Vena mediana cubiti des Empfängers; bei
Kindern ist letztere zu klein, bei ihnen wird die Vena axillaris
benutzt. Nach Abnahme der Klemmen treibt jede Herzkontrak¬
tion des Spenders eine Blutwelle in die Vene des Empfängers;
nach V? Stunde ist bei dem Spender eine deutliche Blutdruck¬
senkung nachweisbar. Nach 30—35 Minuten wird die Gefä߬
verbindung aufgehoben und beiderseits unterbunden und zu¬
genäht. Verfasser hat gute Erfolge von der direkten Blut¬
transfusion gesehen. Indikationen zur Bluttransfusion sind:
schwere Blutverluste nach Traumen, Operationen, Geburten
und Magenblutungen, ferner Leuchtgasvergiftungen; abzulehnen
ist sie bei schweren Infektionen. Tuberkulose, Leukämie und
perniciöser Anämie. — Borst berichtet im Anschluß an die
Mitteilungen von Ende rlen über die Ergebnisse der histo¬
logischen Untersuchungen, die er bei von E. vorgenommeneu
Gefäßnähten und Gefäßtransplantationen vorgenommen hat.
Bei der Gefäßnaht beteiligt sich außer der Intima das adven-
titielle und periadventitielle Gewebe an der Wundbehandlung,
die Media nur in sehr geringem Maße. Der ausgekrempelte
'feil der Gefäßwand geht infolge zu starker Schädigung durch
Nekrose zugrunde, man kann aber noch sehr lange die elasti¬
schen Elemente dieser Teile innerhalb der Narbe nachweisen.
Bei gutem Heilungsverlauf ist die Gefahr der falschen und
echten Aneurysmabildung gering. Bei autoplastischen Gefä߬
verpflanzungen wurde eine Reihe ausgezeichneter Heilungen
mit kaum sichtbaren Narben erzielt. Bei homoioplastischen
Gefäßtransplantationen ergibt die mikroskopische Unter¬
suchung, daß die Wundheilung mir vom körpereigenen Gewebe
ausgeht, daß das körperfremde Arterienstück einer langsamen
Resorption und Ersetzung durch körpereigenes Gewebe ver¬
fällt. Bei heteroplastischen Transplantationen von Gefäßen
wurden keine Erfolge erzielt; es trat jedesmal Thrombose,
Obliteration, Resorption des eingepflanzten Stückes auf. Aehn-
lich verhält es sich mit den Organtransplantationen. Auto¬
plastiken der Schilddrüse gelingen mit völliger auch mikro¬
skopisch kontrollierter Erhaltung des Organs. Bei Homoio-
plastiken der Schilddrüse ist der Erfolg immer negativ. Teils
tritt akute Nekrose, hämorrhagischer Infarkt, teils aber auch
eine sehr langsame Atrophie und Verödung ein. Ganz ent¬
sprechend ist das Verhalten der eingepflanzten eigenen und
fremden Nieren. R. L.
Dr. A. Bauercisen (Marburg): Die Aetiologie der Eklampsie.
(Medizin. Klinik, 1910, No. 20.)
Verfasser gibt einen Ueberblick über die wichtigsten
Eklampsietheorien und kommt zu dem Schluß, daß keine der
Theorien den ätiologischen Ansprüchen vollkommen gerecht
wird. Die urämische Theorie mit dem zugehörigen Hilfshypo¬
thesen läßt sich in allen den Fällen von Eklampsie verteidigen,
die eine Harnstauung durch Kompression der Ureteren oder
eine primäre Nierenerkrankung feststellen lassen Für die
Fälle ohne Nierenschädigung scheidet sie aus. Solange das
Wesen der Urämie selbst unbekannt ist, bleibt es eine mißliche
Sache, ätiologische Vergleiche zwischen Urämie und Eklampsie
| anzustellen. Die plazentare Theorie zählt die meisten An¬
hänger. Aber die Tatsachen reichen zu einer genügenden Be-
i gründung noch nicht aus. Die Voraussetzungen für giftige
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 42.
640'
Immunkörper oder Endotoxine der Zotten sind für den
Menschen hinfällig und die Intoxikation des mütterlichen Orga¬
nismus durch Fermente oder intermediäre Stoffwechselprodukte
der Placenta ist-nicht weniger spekulativ wie die einer Ver¬
giftung durch Störungen der inneren Sekretion gewisser mütter¬
licher Organe. Die dem Coma diabeticum analoge Aetiologie, die
eine Säureintoxikation infolge mangelhafter Oxydation an¬
nimmt, sucht sich dem klinischen Bild der Eklampsie nach
Möglichkeit anzupassen; aber die von Zweifel nach¬
gewiesene Fleischmilchsäure ist wahrscheinlich als ein sekun¬
däres Produkt der eklamptischen Krämpfe aufzufassen, so daß
die Säureintoxikation kaum als letzte Ursache der Eklampsie
angesprochen werden kann.
Soweit die zur Erklärung der Eklampsie aufgestellten
Theorien nicht einer Verwechslung von Wirkung und Ursache
ihre Entstehung verdanken, genügen sie für eine gewisse An¬
zahl von Fällen. Und es ist, sagt Verfasser, vielleicht in der
Tat zu streng, eine Theorie deshalb zu verwerfen, weil sie
nicht alle Fälle erklärt. Ist es vielmehr nicht einfacher, anzu¬
nehmen, daß die Aetiologie der Eklampsie keine ganz einheit¬
liche ist, wenigstens was die primäre Ursache betrifft? Das
eine hat uns die Forschung mit Sicherheit gelehrt, daß es sich
bei der Eklampsie um eine Vergiftung des mütterlichen
Körpers handelt, die aus den Störungen des normalen Stoff¬
wechsels infolge von Graviditätseinflüssen resultiert. Diese
Erkenntnis ist von eminenter Wichtigkeit, da sie uns der
Eklampsie gegenüber nicht in Tatenlosigkeit verharren
oder auf eine unzulängliche symptomatische Behand¬
lung beschränken läßt, sondern uns die Richtschnur
in der erfolgreichen Bekämpfung der Eklampsie gibt. Im
Hinblick auf die nicht selten beobachtete Schwangerschafts¬
niere wird eine häufigere Urinuntersuchung und eine diäteti¬
sche Ernährung in prophylaktischer Hinsicht wertvoll sein,
wobei besonders auf die pflanzensauren Alkalien Gewicht zu
legen wäre. Nach Ausbruch der Krankheit kann nur eine so¬
fortige Entbindung in Frage kommen, für die wir heute unge¬
fährliche Methoden für Mutter und Kind besitzen. Daneben
wird durch Aderlaß, Begünstigung der Diurese und Diapborese
und Zuführung von alkalischen Flüssigkeiten eine Beseitigung
des Giftes zu fördern gesucht. Die früher in reichlichen Dosen
verabreichten Narkotica sind so viel wie möglich einzu¬
schränken. da sie die Oxydationsfähigkeit der Zellen weiter
herabsetzen und direkte Schädigungen lebenswichtiger Organe
bedingen. In den Fällen, wo trotz dieser Behandlung die
Eklampsie bei eintretender Anurie eine infauste Wendung
nimmt, ist die Edebohlssehe Nierenentkanselung vorzu¬
nehmen. Bei dieser Behandlungsart, die freilich nur in einer
Klinik möglich ist, wird der Kanmf gegen die Eklampsie
erfolgreich sein, wenn er nur früh genug begonnen wird.
Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß der eingeschlagene
Weg der richtige ist. K r.
Josef Oppmann: Ueber den Einfluß der längeren körperlichen
(? Red.) Bettruhe nach Mvomnnerationen und Geburten be¬
züglich der Frage des FrUhaufstehens. (Dissertation, Würz¬
burg 1910.)
Der Arbeit (deren Ueberschrift übrigens etwas geschickter
hätte stilisiert werden können. Red.) liegen die Erfahrungen
an der Würzburger Universitäts-Frauenklinik zugrunde. Es
hat sich ergeben, daß die längere Bettruhe stpts das zweck¬
mäßigste Verfahren ist. Nur bei Gefahr hypostatischer Lungen¬
affektionen ist davon Abstand zu nehmen. Das Früh auf¬
stehen ist stets — abgesehen von dieser Ausnahme — un¬
zweckmäßig : 1. weil es dpn Kranken die von ihnen wohl¬
tuend empfundene und von ihnen gewünschte Ruhe raubt;
9. weil es den mit der Behandlung und -nflege betrauten
Organen unnötige Arbeit aufbürdet; 3. weil alle seine Vort“ile
leichter und sicherer durch beaueme und ohne besondere Mühe
durchführbare Maßregeln zu erreichen sind; 4. weil es nicht
imstande ist. die Morbidität herabzudrücken: dies vermag nur
eine gute AseDsis; 5. daher vermag es auch die Thrombose
nicht zu verhüten, schon auch deshalb nicht, weil es in der
Regel bei Kranken die Thrombosen, b'-kommen. aus anderen
Gründen gar nicht anwendbar ist. Das Frübaufstehen ist
schädlich: 6. weil es die Prolaps- und Herniengefahr ver¬
größert: 7. weil es die Tnfektions- und daher auch die Throm¬
bosengefahr vermehrt: 8. weil es bei TJebergang in die Praxis
in der Geburtshilfe viel Unheil anrichten und so neben der
Schädigung des einzelnen noch mehr dem Volkswohlstand
Wunden schlagen kann, und 9. weil es die Embolie nicht nur
nicht verhütet, sondern sie vielmehr provoziert.
Curt Behne: Ueber das tryotische und antitryptische Vermögen
des Blutes unter normalen und pathologischen Bedingungen
und seine diagnostische Bedeutung. Aus der med. Univer¬
sitäts-Poliklinik in Halle. (Dissertation, 1909.)
Ergebnisse: Die polynukleären Leukocyten des Menschen
enthalten ein sehr wirksames proteolytisches Ferment.
Das Fehlen dieses Förhientes in den Lymphocyten ermög¬
licht die Unterscheidung beider Zellarten mit Hilfe der
M ü 11 e r - J o c h m a n n sehen Plattenmethode. Doch tritt die
klinische Bedeutung der Methode, gegen die anderen klinischen
Methoden bei der Untersuchung von Eiterungen, Exsudaten etc.
in den Hintergrund. Das Blutserum von Menschen und Tieren
besitzt antitryptische Wirkungen, die spezifisch gegen das
proteolytische Leukocytenferment und das Trypfeinn-ides
Pankreas sind. 1 ! *9 • i
Die Stärke der antitryptischen Fähigkeit deS 'BliitseruiMS!
ist sowohl unter normälen als auch pathologischen Bedingungen
verschieden.
Eine besonders ausgeprägte oder konstante Erhöhung des
Antitrypsins im Blutserum von Carcinomatösen ist nicht vor¬
handen; ebensowenig ist dies bei Kachexie der Fall.
Eine diagnostische Bedeutung kommt infolgedessen dem er¬
höhten Hemmungstiter des Blutserums für Trypsin nicht zu,
ebensowenig eine prognostische.
Die Höhe des Hemmungstiters ist vielmehr abhängig von
zwei zunächst nicht bekannten Faktoren: dem Uebergang von
proteolytischem Ferment in die Körpersäfte und der dadurch
bedingten Absättigung ven Antiferment und der Stärke der
Antifermentbildung. F.
Dr. E. Herzfeld und X. Buss (Zürich): Ueber die Arnoldsche
Reaktion. (Medizin. Klinik, 1910, No. 20.)
Im Jahre 1896 hat Arnold eine neue Nitropr.ussidreaktion
des Harnes angegeben, die er nur nach dem Genuß von Fleisch
oder einer kräftigen Fleischbrühe im Harn beobachtet haben
will, während die Reaktion ausbliebe, wenn weder Fleisch,
noch Fleischbrühe genossen werde. Diese Tatsache wäre
klinisch von großer Wichtigkeit, da wir dadurch in den Stand
gesetzt würden, einen objektiven Einblick in die Ernährung
eines Individuums zu gewinnen. Die Reaktion wird in folgen¬
der Weise ausgeführt: 10—20 ccm des betreffenden Harns ver¬
setzt man Im Reagensglas mit einem Tropfen einer 4 proz.
Nitroprussidnatriumlösung und hernach mit 5—10 ccm einer
5 prez. Natron- oder Kalilauge. Es entsteht eine schöne Violett-
färbung. die alsbald in Purpurrot und schließlich in Gelb über¬
geht. Bei sofortigem Zusatz von Essigsäure geht die violette
Farbe dieser Reaktion in Blau über, welches noch rascher als
das Violett der alkalischen Lösung verblaßt und in einen blaß-
gelblichen Farbenton übergeht. Zwei Jahre nach dieser be¬
merkenswerten Publikation veröffentlichte Th. Ho 1 o b u t die
Ergebnisse seiner an Hund und Mensch angestellten Nach¬
prüfung der Arnold sehen Angaben, wobei er zu dem
Schlüsse kam. daß die violette Reaktion stets deutlich, nicht
nur spurenweise, auch nach Speisen auftrat, in denen Fleisch
vollkommen fehlte. Die Verfasser vorliegender Arbeit haben
die Angaben beider Autoren sowohl bei normalen, wie auch bei
pathologischen Fällen geprüft. Sie kommen zu dem Schluss^,
daß die Arnold sehe Reaktion streng genommen keine spezi¬
fische Fleischreaktion ist, denn sie tritt auch hach dem Genüsse
von gebackenem Käse, Butter und Hygiama eiti; doch war die
Reaktion nach gebackenem Käse nicht besonders intensiv, nach
Butter und Hygiama nur schwach, nach Genuß von rohem Käse,
rohen Eiern und auch Rühreiern, ferner nach Genuß von Milch,
Schokolade, nach Hülsenfrüchten und Bier fiel die Reaktion
negativ aus. Nach reichlichem Biergenuß trat zwar bei ab¬
nehmender Harnflut (spezifisches Gewicht 1010—1015) eine
deutliche Violettfärbung auf: doch blieb bei Zusatz von Essig¬
säure die charakteristische Blaufärbung aus. Nach Genuß von
rohem Fleisch, Rauchfleisch, von gekochtem oder gebackenem
Fisch und von Bratgallerte war die Arnold sehe Reaktion
negativ. Eine schwache Reaktion erzielte jnan jeweilen durch
den Genuß von gekochtem Schinken, gebackenem Huhn ge¬
kochter Kalbsmilch, gebackenem Hirn von Zervelat- und Blut-
und Leberwurst. Deutlich positiv ist ferner die Reaktion nach
dem Genuß von gebackener Leber, von Bratwurst und Kalbs¬
braten und ungewöhnlich stark nach gesottenem und gebrate¬
nem Rindfleisch, während sie nach Fleischbrühe nur schwach
auftritt. Nach dem Genuß von gesottenem und gebratenem
Rindfleisch erreicht die Intensität der Reaktion einen solchen
Grad, daß man eine solche Reaktion als typische Fleischreak-
tion bezeichnen darf, bei deren Auftreten ein geübtes Auge
sofort den vorausgegangenen Fleischgenuß erkennen kann.
Was nun das Auftreten der Arnold sehen Reaktion im Harne
bei Krankheitsfällen anbetrifft, so können die Verfasser die Be¬
obachtung von Arnold, daß der Harn typhuskränker Patien¬
ten im Stadium der Continua eine positiv violette Reaktion
gibt, nur bestätigen lind fügen hinzu, daß sie auch in anderen
Krankheitsfällen, wie Scharlach. Masern, Nephritis haeinor-
rhagica, denselben Befund gemacht haben. Nur in drei Fällen
von Diabetes mellitus und bei einer an Adipositas leidenden
Patientin fiel die Reaktion bisweilen positiv aus. Doch war
die Intensität derselben in allen dieseü Fällen trotz animalischer
Kost bei weitem nicht so stark, wie in dem Harne eines ge¬
sunden Individuums nach einer entsprechenden Fleischmahl¬
zeit. Die große praktische Bedeutung der Arnold sehen
No. 42.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Reaktion läßt sich nach solchen Erfahrungen nicht leugnen;
denn sie setzt uns in den Stand, unter einem gewissen Vor¬
behalt die Entscheidung zu treffen, ob ein Individuum Fleisch
genossen hat oder nicht. Kr.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.—24. September 1910.
(Fortsetzung.)
Kombinierte Sitzung der Abteilung für Geburtshilfe und
Gynäkologie mit der Abteilung für innere Medizin.
Diskussion zu dem Vor trage des Herrn Hof¬
bauer (Königsberg) :„TuberkuloseundSchwanger-
schaf t“.
Herr v. Müller: Die Einfluß der Schwangerschaft auf die
Tuberkulose macht sich häufig erst nach der Entbindung
geltend, erst in dieser Zeit macht häufig die Tuberkulose rapide
Fortschritte.
Herr Wolff-Eisner: Die Volkslungenheilstätten schließen
Gravide gewöhnlich aus, weil sie nur prognostisch günstige
Fälle aufnehmen, die Schwangerschaft setzt aber für die Tuber¬
kulose eine ungünstige Prognose, da sie inaktive Tuberkulose
aufflackern läßt. Die Conjunctivalreaktion ist naturgemäß auch
bei Gravidität verwertbar, aber gerade bei prognostisch un¬
günstigen Fällen tritt nicht selten keine Reaktion ein, sie fällt
daher bei Gravidität häufig negativ aus und wird nach Unter¬
brechung der Gravidität positiv.
Herr Wolff (Reiboldsgrün) befürwortet als Heilstättenarzt
die Aufnahme von Tuberkulös-Graviden solange wie irgend
möglich in einer Volksheilstätte, besonders auch die Wieder¬
aufnahme nach der .Entbindung, da die Frauen in der Zeit
nach der Entbindung besonders gefährdet sind.
Herr E. Martin: Wir wissen noch keinen Grund, warum in
einem Falle die Schwangerschaft so ungünstig wirkt, im ande¬
ren nicht. Die Bum m sehe Schule unterbricht die Schwanger¬
schaft nur, wenn ein Internist den Rat gibt. Die Unterbrechung
hat aber nur in den ersten drei Monaten Wert. Vom vierten
Monat ab hat sie keinen günstigen Erfolg. Der Unter¬
brechung der Schwangerschaft wird eine Sterilisation — durch
Totalexstirpation mit Entfernung der Adnexe — angeschlossen.
Herr Jaschke: So radikal der Vorschlag einer Totalexstir¬
pation auch aussieht, so ist er doch wenigstens für besonders
schwere Fälle der richtige, wie Untersuchungen an der Rost-
ho rn sehen Klinik ergaben; häufig aber ergibt'eine Tuben¬
sterilisation dieselben guten Resultate.
Herr Asch (Breslau) betont, daß die Gynäkologen häufig
deshalb die Schädigung der Graviden durch Tuberkulöse nicht
feststellen können, weil gerade die schwersten Schädigungen
erst nach der Entbindung eintreten. Die Internisten vermögen
ein viel besseres Urteil zu gewinnen, und zwar dadurch, daß
sie in jedem Falle von Tuberkulose durch genaue anamnesti¬
sche Feststellung nachforschen, wie weit die früheren
Schwangerschaften einen schädigenden Einfluß auf die Tuber¬
kulose gehabt haben, nur so können wir zu präziser Indikations¬
stellung kommen.
Herr Kraus: Durch Unterbrechung einer Gravidität allein
wird die Tuberkulose nur selten günstig beeinflußt. Wichtig
ist eine Sterilisation ohne Entfernung der Ovarien, damit nicht
wieder Schwangerschaft eintritt.
Herr Fischer: Die Indikationsstellung für Unterbrechung
der Schwangerschaft ist heute noch dieselbe wie vor 10 Jahren.
Der Charakter, der Wunsch der Kranken spielt häufig eine
große Rolle für den Verlauf der Erkrankung. Man muß in
jedem Falle individualisieren, jede tuberkulöse Gravide soll
auf die Gefahren, die ihr durch die Schwangerschaft drohen,
aufmerksam gemacht werden.
Herr Mayer: Einzelne Fälle von Tuberkulose erfordern so¬
fortige Unterbrechung, andere hingegen müssen längere Zeit
auf Puls, Temperatur und Gewicht beobachtet werden. Zur
Sterilisation genügt die Tubensterilisation nach Seilheim¬
scher Methode, welche die Möglichkeit gibt, später eine Kon¬
zeptionsfähigkeit wieder herzustellen.
Herr Döderlein: Die Indikationsstellung für Unterbrechung
der Schwangerschaft ist Sache der Internisten. Als Operations¬
methode kommt die Kastration in Frage, wegen der Ausfalls¬
erscheinungen wird diese jedoch von Döderlein verworfen.
Die Tubensterilisation ist die gegebene Methode.
Herr Neu: In der Heidelberger Klinik wird bei jeder tuber¬
kulösen Schwangeren, die nach Beratung mit den Internisten
den Gefahren einer progredienten Tuberkulose ausgesetzt ist,
641
nach Einleitung eines Aborts eine Tubensterilisation vom
Leistenkanal aus vorgenommen. Das Wichtigste ist, eine Basis
zu schaffen, auf der wir zu einer sicheren Indikationsstellung
kommen können.
Herr Kraus: Aus dem physikalischen Befund läßt sich
keine Indikationsstellung für Unterbrechung der Schwanger¬
schaft herleiten. Gefährlich ist die Annahme, daß man durch
eine Kastration, welche eine Gewichtszunahme hervorruft, eine
Besserung der Tuberkulose erzielen kann.
Herr Dützmann schlägt vor, um in einer Sitzung Aus¬
räumung und Sterilisation zu ermöglichen, eine vaginale In¬
zision der vorderen Uteruswand mit Ausräumung und direktem
Anschluß der Sterilisation vorzunehmen.
Herr Hofbauer: Auch die Königsberger Klinik verwirft die
künstliche Frühgeburt, empfiehlt den künstlichen Abort. So
früh und so schonend wie möglich soll operiert werden. Inter¬
nisten und Gynäkologen sollen Zusammenarbeiten. Die Seil-
h e i m sehe Operationsmethode scheint für die Konzeptionsver¬
hinderung die günstigste.
Abteilung für Chirurgie.
Berichterstatter: Herr Burckhardt (Königsberg i. Pr.).
1. Sitzung am 19. September 1910, nachmittags.
Vorsitzender: Herr Reim (Frankfurt a. M.).
Herr Garre (Bonn): Zur Aetiologie des intermittierenden
Gelenkhydrops und der Gelcnkneuralgie.
Unter den durch Staphylokokken hervorgerufenen Osteo¬
myelitiden gibt es auch chronische, nicht zur Eiterung führende
Formen: Sklerosierende Formen der Diaphysenosteomyelitis
nur mit Granulationsherden im Knochen ohne Sequester¬
bildung. Solche Herde kommen nun aber auch in den Epi¬
physen vor und machen dann vorwiegend Gelenksymptome.
Diese sind im Gegensatz zu denen bei den eitrigen Formen:
hauptsächlich der rezidivierende intermittierende Gelenk¬
hydrops und die Gelenkneuralgie. Vortr. teilt drei Fälle mit.
Beim ersten Fall (nach Trauma) traten während sechs Jahren
neuralgische Schmerzanfälle im Knie auf. jedesmal mit lokaler
Schwellung und Wärme der Haut. Besserung, schließlich
Heilung durch Hülsenapparat.
Der zweite Fall (ohne äußere Ursache) verlief unter dem
Bilde eines Hydrops im Knie mit Schmerzen bei Bewegungen,
ohne Druckschmerz.
Beim dritten Fall (Unfallpatient) Knieschmerzen nach An¬
strengungen mit eben nachweisbarer Periostitis der Tibia.
In allen drei Fällen half das Röntgenbild zur Diagnose:
bohnengroße Herde sklerosierten Knochens in der Tibia¬
epiphyse. Operation des Herdes, wenn dieser (wie in Fall
2 und 3) lokalisierbar, hilft prompt.
Diskussion:
Herr Ludloff. der einen gleichen Fall sah. weist auf die
Wichtigkeit des Perkussionsschmerzes bei der Diagnose solcher
Erkrankungen hin.
Herr Lexer stimmt Garres Ausführungen bei. Die Herde
sitzen meist in der Metaphyse. Die Patienten werden in der
Regel auf Lues oder Tuberkulose behandelt. Die Bedeutsam¬
keit des Perkussionsschmerzes kann Lexer bestätigen.
Herr Bergemann (Königsberg): Behandlung der Iladius-
und Malleolcnfrakturen
Bei dem von Lexer vor einigen Jahren angegebenen Ver¬
fahren der Behandlung typischer Radiusfrakturen, das sich in
der chirurgischen Klinik in Königsberg gut bewährt hat, ge¬
nügte fast immer eine Flanellbinde, um eine neue Dislokation
zu verhüten. Nur bei wenigen schweren Frakturen wurde der
Verband durch eine Pappschiene gefestigt. Bei Nachunter¬
suchung war in 88 pCt. der Fälle die Heilung anatomisch
korrekt, bei 85 pCt. war vollkommene Beweglichkeit vorhanden,
95,5 pCt. sind vollständig erwerbsfähig geworden. Durch¬
schnittliche Heilungsdauer drei Wochen. — Das gleiche Prinzip
des Bandagierens in korrigierter Stellung ist von Lexer
neuerdings bei Behandlung der Knöchelbrüche angewandt
worden. Es werden steigbügelartig zwei Heftpflasterstreifen
angelegt, die bei Abduktionsbrüchen den Fuß in geringe Supi-
nations- und Abduktionsstellung zwingen. Um die Stellung
regulierbar zu machen, wird auf der medialen Seite unten an
das Heftpflaster ein Gummizug angenäht, der Haken trägt und
mittels dieser oben au am Heftpflaster angebrachten Oesen unter
starkem Zug fixiert werden kann. Am Tage nach der Ver¬
letzung verlassen die Kranken mit Krücken das Bett, sollen
aber erst in der zweiten Woche versuchen, aufzutreten. Volle
Belastung erst in der dritten Woche erlaubt. Bei schweren
Personell stets Plattfußeinlage. Der Verband eignet sich auch
für die doppelten Knöchelbrüche sowie für die supramalleolären
Fibulabrüche. Nachuntersuchung in 20 Fällen hat volle Heilung-
ergeben, bei zwei Verletzten geringe Knickfußstellung. —
Durch den Fortfall des starren Verbands bleibt das Fußgewölbe
in der richtigen Form, die Muskulatur bleibt unbeschädigt. Die
Kontrolle durch das Auge ist stets leicht möglich. Es können
früh Bewegungsübungen gemacht werden.
642
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 4910.
No. 42.
Diskussion:
Herr Storp (Danzig) weist auf seine schon vor Jahren an¬
gegebene Methode hin, hei der nach Reposition oberhalb des
Handgelenks eine Heftpflastermanschette angelegt wird, ah d$r
der Arni mittels einer um den Hals gelegten Schlinge suspen¬
diert wird. Er zieht die Methode allen anderen vor.
Herr Wactzohl (Graudenz) kann die Lexer sehe Methode
der Radiusfrakturbehaiidlung warm empfehlen. In einem Falle
hat er in 14 Tagen völlige Heilung erzielt.
Herr Stieda (Halle) berichtet ebenfalls über günstige Er¬
fahrungen mit der Lexer sehen Methode aus der Klinik von
v. Bra m a n n. Bei starker Dislokation legt Stieda drei Tage
einen Pappschienenverband an. Lexer sagt, die Storp sehe
Methode eigne sich nur für intelligente Personen, die ihren
Arm in der ihm gegebenen Stellung halten, was bei dem
Lexer sehen Verband eben durch den Verband erzwungen
wird.
Herr Samter (Königsberg i. Pr.) : Demonstrationen zur Ex-
articulatio pedis mit dem Zirkelschnitt wegen Gangrän.
Vortr. spricht über die von ihm auf den Chirurgenkon-
gressen 1902, 1903, 1906 empfohlene und demonstrierte Ex-
articulatio pedis mit dem Zirkelschnitt (mit Krankendemon¬
stration), bei der die Malleolen (quer oder bei Hautmangel
schräg) abgetragen werden, die Knorpelfläche der Epiphyse der
Tibia erhalten bleibt, und die bei 20 Fällen zur Anwendung ge¬
langt ist. S. empfiehlt die Methode als tiefe Absetzung bei steiler
Gangrän auf Grund günstiger Mortalitäts- und Heilungsverhält-
nisse. Der Stumpf ist belastüngsfähig, was für seine gute Er¬
nährung spricht. Die Operation hat zur Heilung geführt, auch
wenn keine spritzenden Gefäße vorhandeir waren, ebenso wie
bei den hohen Absetzungen, die nach G r i 11 i ausgeführt
werden.
S. hat bei Zermalmungen und Erfrierungen bis zur Sprung¬
gelenkgegend, in denen mit den , üblichen Absetzungen die
untere Epiphyse der Tibia hätte geopfert werden müssen, die
plastische Deckung mit einem Steigbügellappen vorgenommen,
wenn es sich um wachsende Individuen handelte. Bericht über
einen 1906 auf dem Chirurgenkongreß vorgestellten Fall (noch
heute normales Längenwachstum).
Herr Joachimsthal (Berlin): Angeborene Wirbelanomalien
und ihre Beziehungen zur Skoliose.
Vortr. berichtet über eine größere Zahl von angeborenen
Skoliosen. Offenbar bedingt durch mechanische Momente, einen
Raummangel im Uterus, sind die Fälle aufzufassen, in denen
sich kurze Zeit nach der Geburt ausgeprägte Abweichungen der
Wirbelsäule nachweisen lassen und das Skelett keinerlei Ver¬
bildungen an den Wirbeln nachweisen läßt. Kongenitale
Skoliosen begleiten vielfach, andere Anomalien, z. B. Hals¬
rippen und den angeborenen Schulterblatthochstand. Die
eigentlichen Wirbelverbindungen bestehen entweder in Spalt¬
oder Doppelbildungen oder in abnormen Verwachsungen oder
in Defekten. Bei Entwicklungsstörung des lateralen Knochen¬
kerns des Wirbelkörpers entstehen sog. Schalt- oder Halb¬
wirbel, die sich wie Keile zwischen zwei Vollwirbel ein-
schieben. Eine operative Behandlung verbietet sich schon
wegen Gefährdung der Stabilität und Mechanik der Wirbel¬
säule.
Herr Wre.de (Königsberg): a) Lymphangiome des
Knochens.
Vortr. zeigt zwei Fälle von Lymphangiomen im Knochen.
(Der Vortrag wird in Langenbecks Archiv veröffent¬
licht.
b) Ueber erbliche angeborene Kniescheibenverrenkung.
Vortr. stellt einen Mann mit seinen zwei Kindern vor, die
mit dem genannten Leiden behaftet sind. (Der Vater des
Mannes, eines seiner Gesichwister sowie eines seiner Stief¬
geschwister hatten dasselbe Leiden.) Die Kniescheiben finden
sich im Stehen ganz nach außen disloziert. Femurkondylen stehen
einwärts rotiert. Es bestehen geringe Bewegungsbeschränkun¬
gen, die Erregbarkeit des M. vastus externus fehlt, die Knochen¬
kerne der Kniescheibe bei den Kindern sind ungenügend ent¬
wickelt. Es bestehen bei den Patienten noch andere Mi߬
bildungen: Verunstaltungen der Finger, Impressionen am
Thorax, Skoliosen, Subluxationen des .Radiusköpfchens. Vortr.
erklärt die Mißbildungen durch Raumbeengung im Uterus, die,
durch Enge der Eihäute. Fruchtwassermangel usw. bedingt, auch
im Mannesstamm vererbt werden kann.
Herr Frangenheim (Königsberg i. Pr.): Chondrodystrophi¬
scher Zwerg (hyperplastische Form).
13 jähriger intelligenter Knabe mit hochgradiger Wachs¬
tumsstörung des ganzen Skeletts. Die Epiphysen fehlen selbst
an den großen Röhrenknochen noch vollständig. Das Skelett
entspricht dem eines 3—4 jährigen Kindes. Besserung der
Stellungsanomalien der Beine durch Osteotomien.
Diskussion:
Herr Joachimsthal (Berlin) hält den Fall gleichfalls für
eine Chondrodystrophie, wenngleich die für diese Erkrankung
typische, so auffallende Verkürzung der Gliedmaßen im Ver¬
hältnis zum Rumpfe fehlt. In einem von ihm beobachteten
Falle (Alter, 12 Jahre) hat J. beiderseitige Osteotomien
der verbogenen Schienbeine gemacht. Die Kranke hat in ihrem
20. Lebensjahre 1 noch vollkommen gerade Unterschenkel ge¬
habt. * . ,
Herr Kehn (Königsberg): Gelenkchondrome.
Ohne Trauma hatte sich bei einem 28 jährigen Manne die
Geschwulst im linken Ellbogengelenk entwickelt. Drei größere
Tumormassen sind primär aus den Kapselumschlagstellen her¬
vorgegangen. Diesen folgte eine multiple miliare Aussaat über
die ganze Innenfläche der Kapsel.
In Anschluß wird das Präparat des Lexer sehen' Falles
von Kniegelenkschondrom demonstriert.
Herr Sohicr (Königsberg i. Pr.): Trypsinbehandlung hei
chirurgischer Tuberkulose.
Vortr. kommt auf Grund seiner hauptsächlich an tuber¬
kulösen Gelenken gemachten Untersuchungen zu einem ab¬
lehnenden Standpunkt aus folgenden Gründen: 1. Die Injek¬
tionen sind sehr schmerzhaft. 2. Sie sind wegen der Unreinheit
der Präparate und der geringen Haltbarkeit der Lösungen nicht
gefahrlos. 3. Im Anschluß an die Injektionen treten teilweise
toxische Erscheinungen auf. 4. Die Proteolyse macht vor dem
Gesunden nicht Halt; der Gelenkknorpel wird abgeledert, die
Heilung verzögert. 5. Die Nebenwirkung der Injektionen, be¬
stehend in lokaler Hyperämie und dem Reiz auf das Gewebe
zur Bildung gesunder Granulationen, wird durch einfachere
chemische Mittel ebensogut und gefahrloser erreicht.
Diskussion:
Herr Schaack (Petersburg) spricht sich auf Grund von Ver¬
suchen von Greltow und Wiedemann am Obuchow-
krankenhäus in Petersburg ebenfalss gegen die Trypsinbehand¬
lung aus.
Herr Port (Nürnberg): Leimverbanddemonstrationen.
Vortr. stellt Patienten mit Leimverbändeu vor und be¬
spricht die Technik sowohl wie die Verwendung derartiger Ver¬
bände. Ihr Wert liegt in der Elastizität und der gleichmäßigen
Kompression, welche sie auf das Glied ausüben, so daß sie
Verwendung finden bei allen Erkrankungen, bei denen Oedeme
verhindert oder vorhandene beseitigt werden sollen, Distor¬
sionen. Frakturen kleiner Fußwurzelknochen, Varicen mit und
ohne Ulcus. Als orthopädischer Verband, mit Eisenteilen ver¬
stärkt, dient er zum Etappenredressement und als Schienen¬
hülsenapparat.
Herr E. Reim (Königsberg): lieber freie Fetttransplan-
tation.
Unter Hinweis auf seine gelegentlich des letzten Chirurgen¬
kongresses gemachten Mitteilungen! über die freie Fetttrans¬
plantation im Tierexperiment stellt Vortr. fünf Patienten vor,
bei welchen die autoplastische Fetttransplantation viermal
wegen tiefeingesunkener Narben im Gesicht (nach Zertrümme¬
rung des Jochbeins zweimal, nach Noma der Wange, nach
traumatischem Substanzverlust des Os frontale) und einmal
beim Vogelgesicht Verwendung gefunden hatte. Beobachtuügs-
dauer der vorgestellten Patienten vier Wochen bis 1 Jahr.
Ueber die Technik hat Vortr. folgendes zu sagen: Ein
kleinster Schnitt genügt, um von ihm aus, teils stumpf, teils
scharf, je nachdem wir narbige Verwachsungen haben oder
nicht, die für die Aufnahme des Fettes bestimmte Tasche zu
bilden. Das Material wurde entweder den Bauchdecken oder
dem Oberschenkel entnommen. Unsere bisherigen praktischen
Erfahrungen haben uns gelehrt, daß auch bei der autoplasti¬
schen F'etttransplantation eine gewisse Schrumpfung unver¬
meidlich ist; doch ist es ein leichtes, den nachteiligen Folgen
dieser durch die Wahl eines größeren Fettlappens vorzubeugen.
Diskussion:
Herr Stieda (Halle) gibt an, daß Prof. v. Brama n n vor
acht Jahren Wangenfett bei Narbenzug nach Noma in die Gegend
des Jochbeins verpflanzt und er selber kürzlich nach Entfernung
eines Fibroadenoms der Mamma den Defekt mit Fettgewebe
der Bauchhaut ausgefüllt habe.
Herr Hagemann (Greifswald): Zu der von P a y r empfohle¬
nen Dauerdrainage (bei Elephantiasis, Hydrocephalus) mittels
in Formol gehärteter Kalbsarterien) hat Vortr. Versuche ge¬
macht mit steril entnommenen Arterien frisch geschlachteter
Kälber, die in löproz. Formollösung gehärtet, dann mit
Ammoniak behandelt, gewässert, über Nacht in absoluten Alko¬
hol gelegt und in Kochsalzlösung vor Gebrauch abgespült wor¬
den waren. Bringt man so behandelte Arterien in den Kanin¬
chenkörper, so ist schon nach sechs Monaten die bindegewebige
Organisation vollendet. Bessere Resultate bekommt man, w'enn
man, wie Vortr. gefunden hat, die Arterien aus dem Alkohol
in Xylol und Paraffinum liquidum bringt und sie so direkt ver¬
pflanzt. Hier erfolgt die Resorption, wenn überhaupt, sehr
langsam.
D e m onsträtion in der chirurgischen Klinik
am 20. September durch Herrn Lexer.
Zur Nachbehandlung der Mammaamputationen. Der,
schon von E b n e r veröffentlichte einfache Verband, wobei der
Arm in einem Trikotschlauch in erhobener Stellung am Bett
festgebunden wird, hat sich ausgezeichnet bewährt. Es wird
No. 41
643
TtlKRAPKU'lTSCHK
eine Patientin vorgeführt, die vor wenigen Tagen wegen
Mammacarcinom amputiert ist. Sie kann schon jetzt den Arm
frei heben.
Vorführung des, Verbandes mit beschränkter, Ifpststelluiig
bei einer frischen typischen Radiusfraktur.
Demonstration zweier Fälle von künstlichem Oesophagus
wegen Aetzstrikturen der Speiseröhre. Die Rouksche Opera¬
tion ist bei gleichartiger Peristaltik der Darmschlingen nur mit
einem Darmrohr geglückt, das etwa dreifingerbreit unterhalb
der Mammilla endete. Der übrige Teil ist durch einen Haut¬
schlauch gebildet worden.
Demonstration eines genau vor drei Jahren eingepflanzten
vollständigen Kniegelenks; ferner eines vor fünf Monaten ein¬
gepflanzten, ebenfalls gut geheilten ,und funktionierenden Knie¬
gelenks und schließlich eines Falles, in welchem das obere
Tibiadrittel, samt Gelenkfläche wegen Sarkom reseziert und
durch ein entsprechendes Stück aus einem amputierten Glied
ersetzt worden ist. Die' Funktion der vor s /, Jahren operierten
Patientin ist vollkommen normal.
Bei einem Falle von Chondrosarkom im oberen Humerus-
drittel mit Durchwachsung der Schultermuskulatur, bei welchem
die Radikaloperation den Erfolg hatte, daß nach % Jahr ein
Rezidiv noch nicht aufgetreten war, wurde das fehlende
Humerusstück, um dem schlotterndem Arm eine Stütze zu ver¬
leihen, durch ein frisches Knochenstück samt Gelenkkopf er¬
setzt. Es ist gute Heilung eingetreten seit drei Monaten.
Vorführung einer Patientin, bei welcher ein großes Oeso-
phagusdivertikel vor Jahr entfernt worden ist. Das Diver¬
tikel wurde daumenbreit neben der Oesophaguswand zuerst
mit einer Abschlußnaht versehen und sodann der überstehende
Teil reseziert. Die Abschlußnaht mit dem noch sitzenden Stiel
wurde durch zwei Etagennähte eingestülpt. Gleichzeitig
Gastrostomie. Heilung usw.
Demonstration mehrerer Nasenplastiken der verschieden¬
sten Formen und in den verschiedensten Stadien.
Demonstration eines Kindes, an welchem beiderseits
wegen spinaler Kinderlähmung die L e x e r sehe Knochen¬
bolzung vorgenommen worden war, und Demonstration ver¬
schiedener Röntgenbilder solcher Fälle.
Vorführung eines Patienten mit Myositis ossificans pro¬
gressiva. Lange dauernde Fibrolysinbehandlung ohne jeden
Erfolg.
Demonstration einer Patientin mit ausgedehnter rechts¬
seitiger Lungenaktinomykose. Die infiltrierte Brustwand wurde
erst weitgehend Umschnitten und samt sechs Rippen ent¬
fernt. Darauf wurden schichtweise fingerdicke Scheiben aus
den infiltrierten Lungenpartien, solange es der Zustand der
Patientin erlaubte, ausgeschnitten. Der Rest wurde kauterisiert.
Zurzeit sind keine Aktin omycesdrüsen mehr im Sputum nach¬
zuweisen, und die rechtsseitige Wundhöhle ist fast vollständig
vernarbt. Fisteln bestehen nicht. Es ist dementsprechend Ausr
heilüng zu erwarten.
Ein Mann mit fast faustgroßem Epiglottis- und Zungenbasis-
earcinom. bei welchem trotz ausgedehnter. Drüsen am Halse die
Radikaloperation ausgeführt worden ist. Seit zwei Jahren
rezidivfrei. Der Patient kann verständlich sprechen und aus¬
gezeichnet schlucken.
Demonstration eines nach dem L e x e r sehen Verfahren
operierten Nabelbruches. Bis jetzt sind bei derartig operierten
Fällen niemals Rezidive aufgetreten. Die von E b n e r be¬
schriebene Operationsmethode, bei welcher durch einen dicken
Aluminiumbronzedraht eine ausgedehnte Tabaksbeutelnaht
durch die ganze Dicke der Bauchdecken gelegt wird, ist außer¬
ordentlich einfach und hat sich auch bei großen Brüchen gut
bewährt.
Präparate von resezierten Kniegelenken, welche wegen
Fungus mit Trypsin behandelt worden waren. Die Resektion
mußte in acht von neun Fällen ausgeführt werden, weil unter
tuberkulöser Eiterung sehr schwere Gelenkzerstörungen auf¬
getreten waren. Besonders instruktiv sind die Präparate durch
den Befund einer Ablederung des Gelenkknorpels in großen
Lappen.
Ilt. Bücherschau.
Therapeutisches Taschenbuch der Harnkrankheiteu. Von
Dr. Ernst Portner. Mit 32 Abbildungen im Text. Berlin
1910, A. Kornfeld. 234 S.
Das vorliegende Kompendium verfolgt, wie auch Verfasser¬
in der Einleitung hervorhebt, rein praktische Zwecke. Es soll
den Arzt, „der sich mit der Behandlung der Harnkrankheiteu
beschäftigen will“, in knapper Form über die gebräuchlichen,
therapeutischen Methoden orientieren. Als Hilfsmittel für “den
werdenden Spezialisten ist das Buch jedoch nicht ausreichend;
dazu ist denn doch eine, wenn auch kurze wissenschaftliche Be¬
gründung jeder Methode,, sowie des Standpunktes, von dem aus
Verf. sie beurteilt, notwendig. Eher eignet sich das Kompen¬
dium für allgemeine Aerzte, welche sich auf die Autorität und
RUNDSCHAU 1910.
Erfahrung eines beschäftigten Spezialisten hin schnell und sicher
über Maßnahmen zu orientieren beabsichtigen, welche in irgend
eitlem ihnen weniger geläufigen Falle indiziert sind.
Seinem Zvvecke entsprechend, ist die Darstellung ganz kurz
und aphoristisch gehalten, eingehende kritische Erörterungen
sind nach Möglichkeit vermieden. Für den allgemeinen Prak¬
tiker ist das Buch als Informationsquelle sehr zu empfehlen.
H. L.
Die Hämophilie in der Augenheilkunde nebst Bemerkungen zur
Durchblutung der Hornhaut. Von Prof. A. Vossius (Gießen).
Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der
Augenheilkunde, Bd. VIII, H. 3. Halle a. S. 1910, Carl
Mar hold, Verlagsbuchhandlung. 20 S. 0,75 M.
In der Augenheilkunde hat die Hämophilie zwar nicht die
Bedeutung wie in anderen Zweigen der Heilkunde, insbeson¬
dere der Chirurgie, Zahnheilkunde und auch Gynäkologie,
immerhin kommen auch an den Augen Blutungen auf hämo-
philer Grundlage vor, sowohl spontane wie im Anschluß an
zufällige Verletzungen und nach operativen Eingriffen. Die
Blutungen können alle Teile des Auges und seiner Adnexe, be¬
treffen; es können sowohl äußere Blutungen aus der Conjunc-
tiva usw. als auch intraoculare sein. Verfasser stellt in der
vorliegenden kleinen Arbeit das in der neueren ophthalmologi-
schen Literatur sich findende kasuistische Material in betreff
der hämophilen Blutungen der Augen zusammen und fügt
einige eigene Beobachtungen hinzu. Die. Abhandlung ist nicht
nur für Augenärzte geschrieben, sondern hat auch allgemein¬
ärztliches Interesse.
Symptomatologie und Differentialdiagnose der Erkrankungen
in der hinteren Schädelgrube mit besonderer Berücksichti¬
gung der für einen chirurgischen Eingriff zugängigen. Von
Dr. med. Nie. Gierlich, Nervenarzt in Wiesbaden. Sammlung
zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiet der Nerven- und
Geisteskrankheiten, Bd. IX, H. 2 Halle a. S. 1910, Carl
M a r h o 1 d , Verlagsbuchhandlung, 44 S. 11.
Nachdem im letzten Dezennium die Chirurgie des Gehirns
bedeutende Fortschritte gemacht und namentlich auch die
hintere Schädelgrube in ihren Bereich gezogen hat, ist die Ver¬
feinerung der Diagnostik der in diesem Gebiet lokalisierten
Affektionen zur Notwendigkeit geworden; denn nur auf der
Basis einer möglichst gesicherten Diagnose sind derartige ein¬
greifende Operationen berechtigt. Deswegen ist es auch fin¬
den Allgemeinpraktiker von Wichtigkeit, sich mit den neueren
diagnostischen Fortschritten dieses Teils der Neurologie be¬
kannt zu machen, weil ihm doch meist die erste Beratung und
Untersuchung der betreffenden Patienten zufällt und es im
Interesse der Kranken liegt, daß sie möglichst frühzeitig der
eventuell erforderlichen neurologisch-chirurgischen Behandlung
zugeführt werden. Als ein recht brauchbares Hilfsmittel, um
sich über dieses Kapitel zu orientieren, kann die vorliegende
Abhandlung bezeichnet werden, in welcher der Verfasser nach
dem heutigen Stande der Wissenschaft die Symptomatologie
und Diagnostik der Affektionen der hinteren Schädelgrube be¬
spricht, mit spezieller Berücksichtigung der für einen chirurgi¬
schen Eingriff geeigneten Erkrankungen. Es sind dies be¬
sonders Erkrankungen des Kleinhirns, speziell Abscesse,
Cysten, Tumoren, sowie die im Kleinhirnbrückenwinkel locker
gelegenen Neurofibrome. Mit besonderer Sorgfalt hebt Verf.
überall die differential diagnostischen Gesichtspunkte hervor.
R. L.
IV. Feuilleton.
Aerztlicher Kulturbrief aus Ostpreussen.
Von
Dr. Abramowski, Kreisassistenzarzt (Gilgenburg, O.-Pr.).
Bei einer gelegentlich der diesjährigen Impfung angestell-
ten Erhebung bei den deutschen und polnischen Müttern über
die Häufigkeit des Stillens im südlichen Teile des Kreises
Osterode war das Verhältnis 2 :3 (zwei = deutsch, drei = pol¬
nisch). Als Erklärung wurde mir von gut unterrichteter Seite
gesagt, daß das Ueberwiegen des Stillens bei den polnischen
Frauen eine Folge des Einflusses der katholischen Geistlichen sei,
welche mit aller Energie darauf dringen, daß die Mütter ihren
Kindern die Brust geben, wohl wissend, daß dieses das beste
Mittel zur Heranziehung eines numerisch starken und körper¬
lich resistenten polnischen Nachwuchses sei. (Polnisch und katho¬
lisch fällt im Regierungsbezirke Allenstein auf dem Lande
meist zusammen.) ln vielen Fällen wird das wohl zutreffen,
im allgemeinen bin ich aber doch zu der Ansicht gelangt, daß
die polnischen Frauen der Bequemlichkeit wegen selber
nähren, und in denjenigen Fällen, in denen die deutschen
Landfrauen dies nicht tun, hat dies darin seinen Grund, daß
sie in eine höhere Kulturstufe eingerückt zu sein glauben,
644
So; 42.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
mit anderen Worten, weil sie sich für zu fein halten. Dem sei
nun, wie ihm wolle, Tatsache ist, daß man, auffallend oft
Brustkinder sieht, die, atrophisch sind, ohne eigentlich krank
zu sein, und auch die nicht atrophischen Kleinen lassen oft die
runden appetitlichen Formen der Säuglinge vermissen. Der
Grund hierfür ist sicherlich in. dem reichlichen Schnapsgenuß
der Mütter zu suchen, denn weit entfernt davon, in der StilL
periodjo' abstinent zu sein, glauben die Weiber durch das
Branntweintrinken eine besonders kräftige Milch zu erzielen,
Wipnigstens schützen sie diesen Grund vor. Hierbei fällt der
Unterschied zwischen der deutschen und polnischen Bevölke¬
rung leider fort; auch erweist sich selbst die. Macht des katho¬
lischen Geistlichen dem Dämon Alkohol gegenüber als nicht
ausreichend. Ein gewisses tägliches S.chnapsquantum hält hier
nicht nur der Mann, sondern auch die Frau für eine so zu sagen
verbriefte Selbstverständlichkeit, für ein Freudenäquivalent
dem arbeitsvollen und entbehrungsreichen Beben gegenüber.
Hin und wieder, aber verhältnismäßig doch selten, wird im
Regierungsbezirk Allenstein noch ein Gemisch von Alkohol
und Aether, also Hoffmannstropfen, ja selbst unvermischter
Äether getrunken, wie das vor einem Jahrzehnt in den
Regierungsbezirken Königsberg und Gumbinnen, hauptsäch¬
lich in deren litauischen Distrikten, noch gang und gäbe war,
und auch jetzt noch vielfach besonders in den Kreisen Memel
und Heydekrug beobachtet wird. Nachdem die Kinder als
Säuglinge diesen üblen Grund gelegt haben, oder er ihnen
vielmehr gelegt worden ist, werden sie in der Folgezeit ganz
unzulänglich ernährt, wobei sich ein Unterschied zwischen den
deutschen und polnischen Elementen kaum bemerkbar macht.
Das kann man so recht deutlich bei den neu eingetretenen
Schulkindern beobachten, die fast durchgängig mager und blaß
sind; sie sitzen da, wie im Schlaf und bewegen sich ohne jede
Munterkeit. Kein Wunder, denn sie sind ausnahmslos unter¬
ernährt, besteht doch das Frühstück nur aus einer riesen¬
großen, trockenen Schwarzbrotschnitte. Zum Mittagessen gibt
es dann Kartoffeln, die in unglaublichen Mengen verzehrt wer¬
den, und denen sich etwa zweimal in der Woche Hering zu¬
gesellt. Fleisch gibt es fast niemals, höchstens sogenannte
„Speckspirkel“. Gemüse kennt man gar nicht; seine Stelle I
scheint ein ab und zu genossener Grützbrei zu vertreten. Die
gewonnene Milch — die meisten Instleute haben eine Kuh —
wird zu Butter verarbeitet und diese verkauft, um das nötige
Geld für das Feuerwasser im Hause zu haben. Diese Be¬
schreibung ist frei von jeder Uebertreibung, ich habe sogar
noch einige Dfastika unerwähnt gelassen, um diesem Aufsatz
nicht den Anstrich eines Feuilletons zu geben. Die Unter¬
ernährung hört erst auf, wenn die Kinder aus. der Schule ent¬
lassen werden und in irgendeinen Dienst treten. Diese Be¬
obachtung habe ich bei der vierteljährlich stattfindenden
Granulose-Untersuchung und Behandlung in den Schulen
meines Bezirkes gemacht. Hierbei möchte ich ein wenig
verweilen. Die Granulöse ist stark im Abnehmen be¬
griffen und diejenigen Fälle, welche zur Beobachtung gelangen,
sind meist leichter, selten einmal mittelschwerer Natur, wäh¬
rend man schwere und ganz schwere Fälle eigentlich gar nicht
mehr sieht; höchstens noch deren Folgeerscheinungen, wie
Lidknorpelverödung und Hornhautnarben, bei ganz alten
Leuten. Die Behandlung geschieht in der Weise, daß täglich
in die Augen entweder von dem Lehrer oder von der Gemeinde¬
schwester, wo eine solche stationiert ist, eine Lösung von
Kupfersulfat (1 :1000) mittels eines Tropffläschchens (nicht
Pipelte, weil oft unsauber und eventueller Verletzungen wegen
gefährlich) eingeträufelt wird. Bei der Kontrolle wäscht dann
der Arzt die Lidschleimhaut mit einem in Sublimatwasser
(1 :1000) getränkten Wattebäuschchen aus, wobei die Körner
mit der Fingerkuppe kunstgerecht ausgedrückt werden. Ge¬
eignete Fälle bestellt der Arzt sich außerdem in sein Ambu¬
latorium, vierzehntätig, achttägig oder öfter, je nach der Art
der Krankheit. Von der operativen Behandlung, welche be¬
kanntlich in der Exzision der angegriffenen Schleimhautpartien
mit nachfolgender Transplantation besteht, hat man hier so gut
wie gar keine Erfolge gesehen, da danach Rezidive und
Knorpelschwund an der Tagesordnung sind. Zum Sichtbar¬
machen der Lidschleimhaut bedient man sich im Regierungs¬
bezirk Allenstein ausschließlich des von Decker sehen Hand¬
griffes ') und auch in den anderen Bezirken der Provinz Ost¬
preußen gibt man ihm vor anderen Methoden den Vorzug.
Dieser Handgriff besitzt viele Vorteile; er ist sehr schonend,
macht die Schleimhaut in einem außerordentlich großen Be¬
reiche sichtbar, läßt die rechte Hand zum Operieren frei, macht
unabhängig von einem Instrument und ermöglicht Massenunter¬
suchungen in verhältnismäßig kurzer Zeit, da er bei einiger
Uebung fast blitzschnell ausgeführt werden kann. Dieser Hand¬
griff ist der Stäbchenuntersuchung bei weitem vorzuziehen.
Zum Schlüsse möchte ich noch ein anderes Gebiet streifen,
das im Osten zu einer bedauernswerten Blüte gelangt ist, das
der Hebammenpfuscherei. Bei 15 Leichenöffnungen, denen ich
•) Dr. Alfred von Decker, Kreisarzt in Osterode.
im. Laufe von dreiviertel Jahren als Obduzent beiwohnte, wurde
in, vier Fällen der Tod durch Verblutung nach Entbindung fest¬
gestellt und in drei Fällen die Schuld einer Pfuscherin er¬
wiesen. (In dem vierten Falle handelte es sich um Fahr¬
lässigkeit der Hebamme.) Unwillkürlich wird man denken,
daß es der Mangel an Bezirks- und Privathebammen ist, der
diese exorbitante Zahl zustande kommen läßt. Das ist aber
nicht,der Fall; beide Kategorien von Hebammen sind in aus¬
reichender Zahl vorhanden. Aus dem Kreise Neidenburg wird
ähnliches berichtet. Der Grund ist darin zu finden, daß den
Leuten das Hebammenhonorar zu hoch ist. Ich habe es bei
einem gerichtlichen Termin einmal selbst mit angehört, daß ein
Ehemann,sägte: „Mehr als fünf Dittchen (Dittchen ist ein Pro¬
vinzialismus für ein Zehnpfennigstück) kann icht nicht geben,
wo jedes Jahr eins kommt.“ Die Strafe schwankt zwischen
drei und fünf Monaten; sind keine nachteiligen Folgen einge¬
treten und gelangt der^all zur Anzeige, sp geht das Strafmaß
gewöhnlich nicht über dreißig Mark hinaus, was mir immer
außerordentlich milde vorgekommen ist. Nach § 147 der Ge¬
werbeordnung . kann bei gewerbsmäßiger Hebammenpfuscherei
bis zu 300 M. Geldstrafe bezw. 30 Tagen Haft erkannt werden,
doch wird sich gerade das Gewerbsmäßige oft nicht nachweisen
lassen. Eines sehr bösen Kuriosums sei noch Erwähnung ge¬
tan. Es ist dies das Selbstentbinden, welches die billigste
Prozedur darstellt. So hörte ich — horrible dictu — aus dem
Munde einer Hebamme, daß sie sich stets selbst entbinde, nach¬
dem sie sich vorschriftsmäßig desinfiziert habe. (?) Bei Ge¬
legenheit einer Leichenöffnung wurde, wir mir ein bekannter
Kreisarzt erzählt, der . Ehemann vernommen, dessen Frau eben
die durch Selbstentbindung zugrunde gegangene Tote war. Der
Richter fragte: „Als das Kind nun zwischen den Schenkeln
Ihrer Frau lag, was geschah da weiter ?“ Die Antwort lautete:
Sie sagte: „Lang’ mir mal den Zwirn aus der Schublad’.“ Diese
Dinge hören sich wie Schnurren an und doch sind es leider
Tatsachen. Es will mich bedünken, daß es an der Zeit sei,
hier einmal gründlich aufzuräumen.
E. von Leyden.
(20. April 1832 — 5. Oktober 1910.)
Wieder ist ein Mann dahingeschieden, dessen Name lange
Jahre hindurch zu den klangvollsten im medizinischen Deutsch¬
land gehörte: Am 5. Oktober ist Geheimrat Prof. Dr. Ernst
v. Leyden nach längerem Siechtum in Charlottenburg - ge¬
storben. Als er vor drei Jahren im Älter von 75 Jahren sein
klinisches Lehramt niederlegte, war er noch in voller Rüstig¬
keit; die Krankheit brach im vorigen Jahre ziemlich plötzlich
über ihn herein in Gestalt einer Schenkelhalsfraktur, die zwar
notdürftig heilte, aber, wie so oft bei Greisen, infolge der ge¬
zwungenen Bewegungshemmung zu einer rapiden Entwicke¬
lung des Greisentums mit anschließendem Kräfteverfall führte.
— Ernst v. Leydens äußerer Lebenslauf war ein unge¬
wöhnlich glänzender; ohne innere und äußere Kämpfe ist er,
der Typus eines Glückskindes, anscheinend mühelos von Stufe
zu Sjtufe gestiegen und hat so die höchsten Ehren erreicht, die
einem seinem Berufe treu bleibenden Arzt im preußischen
Staate zufallen können. Am 20. April 1832 in Danzig als Sohn
eines Regierungsrats geboren, verlor er zwar früh den Vater,
behielt aber in seiner Mutter eine vollwertige Erzieherin.
Auf dem Gymnasium zu Marienwerder vorgebildet, begann er
bereits mit 17 Jahren das Studium der Medizin, und zwar in
Berlin als Zögling des Friedrich Wilhelms-Instituts, wo
Johannes Müller, Schlemm, Schönlein, Ebert,
Romberg, Jüngken, Langenbeck, Casper und
Hecker seine vernehmlichsten Lehrer waren. Am 11. August
1853 wurde Leyden zum Doktor promoviert und kurz darauf
approbiert. Eine Reihe von Jahren war er nunmehr als aktiver
Militärarzt an verschiedenen Orten tätig; erst 1862 betrat er
die eigentliche wissenschaftliche Laufbahn, indem er als
Assistent an die medizinisch-proprädeutische Klinik der Charite
kommandiert wurde, in deren Chef Ludwig Traube er
einen Kliniker von Weltruf zum Vorgesetzten und Lehrer
bekam. In jene Zeit fallen seine Forschungen über die Patho¬
genese der Rückenmarkskrankheiten, deren Ergebnisse ihn so¬
fort in die erste Reihe der deutschen Kliniker stellten. So
wurde denn der junge Stabsarzt bereits 1865 als ordentlicher
Professor und Direktor der inneren Klinik nach Königsberg
i. Pr. berufen, wo er bis zum Jahre 1872 verblieb, um damals
einem Rufe an die reorganisierte Universität Straßburg zu
folgen. Als Ludwig Traube 1876 gestorben war, wurde
Leyden Nachfolger seines Lehrers als Direktor der zweiten
medizinischen Klinik der Charite, welche Stellung er 1885, nach
dem Tode von F r e r i c h s , mit der Leitung der ersten medizi¬
nischen Klinik vertauschte. Dieses Amt hat er bis 1907 be¬
kleidet und nach seinem Rücktritt bis vor wenigen Monaten dann
noch das von ihm geschaffene Institut für Krebsforschung ge¬
leitet. In dieser letzten Periode wurde sein Wirken von der
Regierung durch eine Reihe hoher Auszeichnungen anerkannt,
No. 4§.
645
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
unter dfenen die in den neunziger Jahren des vorigen Jahr¬
hunderts erfolgte., ]|obititiermig uiMt,.die vor mehreren Jahren
sieh anschlietßendö ‘ Ernennung zlum-l^irfiliehen Geheimen Rat
erwähnt seien.
Ernst v. Leyden gehört zu den Männern der Wissen¬
schaft, die weniger durch die positiven Funde, die ihnen die
.'Wiskenatbhft Verdankt, als durch die zahlreichen Anregungen,
die voll ihnen ausgingen, die Meilschheit gefördert haben.
Zwar auch in ersterer Hinsicht hat er durchaus Vollwertiges
geleistet, wie seine schon erwähnten Arbeiten aus der Nerven-
pathologie, der von ihm gemachte Fund der Asthma-Kristalle
und manche andere Einzelpublikationen beweisen. Aber in
dieser Hinsicht ist er doch nur Einer unter Vielen, während
«r als reger Förderer junger Talente, als Leiter wissenschaft¬
licher Unternehmungen und last not least als Organisator humanh
tärer Bestrebungen nur Wenige seines, Gleichen in Deutschland
hatte. In ersterer Hinsicht sei nur an die große Zahl der aus
seiner Schule hervorgegangenen. Kliniker erinnert, unter denen
die ihrem Lehrer im Tode vorausgegangenen Professoren
Nothnagel, und Renv.ers, ferner A. Fraenkel,
M. B e r n-hh r.d t , -G old-s che.i d e r„ die Brüder Klempe-
r e r u. a. erwähnt seien. Als wissenschaftlicher Organisator
bewährte er sich durch die vor etwa zehn Jahren erfolgte Be¬
gründung des Zentralkomitees für Krebsforschung, auf dessen
Anregung dann in. weiterer Folge ein Institut für Krebs¬
forschung und Fürsorgestellen für. Krebskranke ins Leben ge¬
rufen wurden. Ganz besondere Verdienste endlich erwarb
sich v. Leyden durch sein unermüdliches Eintreten für die
Lungenheilstätten, eine Idee, die zwar für. .die be¬
mittelten Kreise schon in manchen Orten vorher verwirk¬
licht war, die für die breiten Volksschichten aber erst ihre
Segnungen entfaltete, als führende Persönlichkeiten, unter
ihnen mit an erster Stelle Ernstv. Leyden, sich mit aller
Energie für sie einsetzten. Im einzelnen braucht dies wohl
hier nicht weiter ausgeführt zu werden, da es unseren Lesern
aus unseren häufigen Mitteilungen über diese Dinge hinlänglich
bekannt ist. —
Als Universitätslehrer sah Ernst v. Leyden neben der
schon erwähnten Heranbildung eifler engeren Schülerschar
sejne Aufgabe vor allem darin, dem Gros der Klinizisten die
Bedeutung der Krankenpflege für die praktische Ausübung des
ärztlichen Berufs frühzeitig einzuprägen; unermüdlich wies er
seine Hörer auf die zahlreichen kleinen Behelfe hin, durch die
der Arzt das Lös auch unheilbar Kranker zu erleichtern in der
Lage ist. Man konnte so in seiner Klinik Therapie im weitesten
Sinne lernen, die weit über,den engen Rahmen der Pharmako¬
therapie hinaus den gesamten „Komfort des Kranken“ in sich
schließt.
Mit allen diesen Bestrebungen ging bei Leyden alle die
Jahrzehnte seines Wirkens hindurch eine umfassende literari¬
sche Tätigkeit parallel, die. teils in der Veröffentlichung selb¬
ständiger Werke und Abhandlungen, teils in der Herausgabe
von Sammelwerken und Gründung von Zeitschriften bestand.
Wir erwähnen in dieser Beziehung: „Die graue Degeneration
der hinteren Rückenmarksstränge“ (1864), die „Klinik der
Rüc-kenm a.r-kskr a nkheiten“- (1874—1875), die „Er¬
krankungen des Rückenmarks und der Me-
dulla oblongata“ (zusammen mit Go. 1 d s ch e i d er),
die Sammelwerke „Handbuch der Ernährungstherapie“,
„Deutsche Klinik am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts“
und die Zeitschriften: „Zeitschrift für klinische Medizin“, „Zeit¬
schrift für Tuberkulose und Heilstättenwesen“, „Zeitschrift für
physikalisch-diätetische Therapie“.
Ernst v. Leyden vereinigte eine Reihe von Eigen¬
schaften in sich, die ihn, wenn dies Wert gestattet ist, als die
verkörperte Weltklugheit, diesen Begriff im guten Sinne ver¬
standen, erscheinen ließen. Natürliches Wohlwollen für seine
Mitmenschen, Liebenswürdigkeit des Auftretens, Freiheit von
konfessionellen und zünftlerischen Vorurteilen und ein sicherer
Blick in der Beurteilung anderer Personen waren die hervor¬
stechendsten Züge seines Wesens. Diese Eigenschaften in
Verbindung mit einer hohen wissenschaftlichen Intelligenz und
literarischen Begabung befähigten ihn zu seinem so vielseitigen
und erfolgreichen Wirken als Arzt, Forscher, Lehrer und För¬
derer der Volksgesundheit, dem nach einer ungewöhnlich
langen Periode ungestörter körperlicher Rüstigkeit erst die
Kränklichkeit seines letzten Lebensjahres ein Ziel setzte.
Ernst v. Le y d e n wird noch lange als einer der be¬
deutendsten . Aerzte seiner Zeit genannt werden.
> ' V. TagesgescMchta
Standesangelcgenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Der Entwurf eines Gesetzes gegen Mißstände
im Heilgewerbe, wie jetzt der Entwurf eines Kurpfusche¬
reigesetzes bezeichnet wird, ist vom Bundesrat dem zu¬
ständigen Ausschuß überwiesen worden. Nach Mitteilung einer
Zeitungskorrespondenz sind in ihm im wesentlichen die Grund¬
züge beibehalten, auf die sich der im Februar 1908, veröffent¬
lichte vorläufige Entwurf aufgebaut hatte. Jedoch sind im ein¬
zelnen infolge der damaligen Kritik mehrfache Aenderungen
vorgenommen worden. Ueber den Inhalt der jetzigen Vorlage
tej.ll die Korrespondenz folgendes mit:
„Der Gesetzentwurf enthält nicht das absolute Verbot der
Kurpfuscherei, wie es in vielen anderen Ländern besteht. Er
begnügt sich in der Hauptsache mit polizeilichen Beschränkun¬
gen. Er setzt eine Anmeldepflicht für den Beginn des Heil¬
gewerbebetriebes, die Pflicht zur Erteilung einer Auskunft
über die persönlichen Verhältnisse des Gewerbetreibenden
und zur Führung von Geschäftsbüchern nach näherer Anwei¬
sung des Bundesrates fest. Die Amtsärzte haben Personalakten
über die einzelnen „Krankenbehandler“ anzulegen. Verboten
wird diesen die Fernbehandlung (z. B. die briefliche) von
Menschen und Tieren, ferner bei Menschen die Behandlung
von ansteckenden Krankheiten, insbesondere Geschlechtskrank¬
heiten, die Behandlung mit nicht blos örtlich wirkenden Be¬
täubungsmitteln, die Behandlung durch Hypnose und mystische
Verfahren.' Ungeeigneten Personen, beispielsweise solchen,
denen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt oder die wegen
Gewalttätigkeiten, Sittlichkeitsverbrechen und dergleichen be¬
reits bestraft sind, kann die Zulassung zur Krankenbehandlung
versagt werden. Aus gleichen Gründen, ferner bei nachge-
wie'sener Unzuverlässigkeit (fahrlässigen Schädigungen aer
Kranken usw.) kann den Krankenbehandlern die Erlaubnis zur
Ausübung ihres Gewerbebetriebes entzogen werden. Doch soll
nach Bestimmungen der Landesregierungen darüber endgültig
im Verwaltungsstreitverfahren entschieden werden dürfen.
Schließlich enthält der Entwurf für die Mißachtung der er¬
lassenen, Vorschriften Strafen, die bis zu sechs Monaten Gefäng¬
nis und bis zu 1500 M. Geldbußen steigen, abgesehen von den
etwa noch straf- oder zivilrechtlich verwirkten Strafen.“
Dresden. Das Oberverwaltungsgericht des
K g r. Sachsen hatte sich kürzlich mit üer Frage zu be¬
schäftigen, ob die Privatklinik eines Arztes als Gewerbebetrieb
anzusehen sei und ob die dort angestellten Kranken¬
schwestern dem Krankenversicherungs-
zwang unterlägen. Die Ortskrankenkasse der Stadt Chem¬
nitz hatte einem dortigen Frauenarzt, der eine Privatklinik be¬
sitzt, auf dem Klagewege zur Versicherung der in der Klinik
tätigen Krankenschwestern bringen wollen, wurde aber abge¬
wiesen, da im vorliegenden Falle die Voraussetzungen eines
Gewerbebetriebs nicht vorlägen. Das Gericht stellte sich auf
den Standpunkt des Reichsgerichts, das in einem ähnlichen Falle
folgendes ausgeführt hatte: „Nur wenn die Krankenanstalt eines
Arztes als ein selbständiges Mittel zur Erzielung einer
dauernden Einnahmequelle gehalten wird, macht sie ihn zum
Gewerbetreibenden „und damit das Anstaltspersonal versiche¬
rungspflichtig.“ Die Privatklinik wird aber in dem Chemnitzer
Falle nur als notwendige Ergänzung der spezialärztlichen
Tätigkeit des Beklagten betrieben, und der aus ihr erzielte
Reingewinn ist geringer als das Einkommen, das er durch
seine ärztliche Tätigkeit erzielt. Die Privatklinik stellt somit
kein selbständiges Unternehmen, also keinen Gewerbebetrieb
dar und die in ihr beschäftigten Personen unterliegen daher
nicht der Versicherungspflicht.
Universitätswesen, Personalnaclirichten.
Breslau. Der Abteilungsvorsteher am hiesigen hygieni¬
schen Universitätsinstitut Prof. Dr. Scheller ist mit der Ab¬
haltung einer Vorlesung über Gewerbehygiene beauftragt
worden.
— Dem Professor der Hygiene Geh.-llat Prof. R. Pfeiffer
ist von der Gesellschaft der schwedischen Aerzte in Stockholm
die von ihr gestiftete goldene Pasteurmedaille, welche jedes
zehnte Jahr für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten auf
bakteriologischem und hygienischem Gebiete zuerkännt wird,
verliehen worden.
Leipzig. Hierselbst starb der Kunstmaler Arthur
Kirchner, der als Illustrator medizinischer Abhandlungen
und Lehrbücher in Fachkreisen sehr geschätzt war.
Erlangen. Leiter des an der hiesigen Universität neu¬
errichteten zahnärztlichen Instituts und als Lehrer der Zahn¬
heil k unde ist der Privatdozent Dr. II. Euler aus Heidel¬
berg berufen worden.
Würzbu r g. Als Prosektor am pathologischen Univer¬
sitäts-Institut ist der Privatdozent an der deutschen Universität
in Prag Dr. Hel ly hierher berufen worden.
M ü n c h e n. Der seit einem Jahre im Ruhestande lebende
außerordentliche Professor der gerichtlichen Medizin Land¬
gerichtsarzt a. D. Dr. M. Holmann ist gestorben.
Zürich. Nachdem K. Brunner und E. Payr den
durch Krönleins Rücktritt vakanten Lehrstuhl der Chirurgie
ausgeschlagen haben, ist der Erfinder des sog. Ueberdruck-
J Verfahrens, Privatdozent Prof. Dr. Sauerbruch, als Ordi¬
narius der Chirurgie hierher berufen worden.
646
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 42.
L n z e r n. Im Alter von beinahe 70 Jahren starh hier¬
seihst Dr. Arnold Ott, der, nachdem er eine Reihe von
Jahren als Augenarzt praktiziert hatte, seit etwa zwei Jahr¬
zehnten eine Reihe von dramatischen Dichtungen veröffent¬
licht hat, die ihm rasch einen Namen machten. Auch mit lyri¬
schen Gedichten gewann er Anerkennung.
Laasanne. Der bisherige außerordentliche Professor
der Augenheilkunde Dr. Eperon ist als Nachfolger des ver¬
storbenen Prof. Marc Dufour zum Ordinarius ernannt
worden.
Lissabon. Der Irrenarzt Prof. Dr. Bombarda wurde
von einem klerikalen Offizier, der als angeblicher Patient in
seiner Sprechstunde erschien, erschossen. Die Ermordung des als
Abgeordneter der republikanischen Partei eine politische Rolle
spielenden Arztes war der letzte Anlaß zu der politischen Um¬
wälzung, die in der vorigen Woche zum Sturze der Monarchie
in Portugal geführt hat.
Gerichtliches.
Berlin. Wegen fahrlässiger Körperverletzung hatte sich
kürzlich der Dentist Sch. aus Rixdorf vor dem hiesigen Land¬
gericht II zu verantworten. Der Angeklagte hatte für eine
Frau M. ein Gebiß anzufertigen. Bald nach der Ablieferung
stellte es sich heraus, daß die natürlichen Zähne der Frau M.
weit hervorragten, da der Angeklagte die künstlichen Zähne
viel zu kurz gemacht hatte. Anstatt nun diesen Schönheits¬
fehler dadurch zu reparieren, daß er an Stelle der kurzen
längere Zähne in das Gebiß einsetzte, gab S c h. der Frau den
sonderbaren Rat, sich ihre natürlichen Zähne kürzen zu lassen.
Die Frau vertraute dem Angeklagten auch blindslings und ließ
an sich die Operation vornehmen. Hierbei beging der An- 1
geklagte den Fehler, daß er bei dem Absagen der Zähne bis
in das Dentin vorging. Dies hatte zur Folge, daß die Frau,
als sie das erste Mal wieder Speisen zu sich nehmen wollte,
vor Schmerz laut aufschrie und ihr ein Beißen und Kauen
völlig unmöglich war. Als sich die Frau dann weigerte, das
Honorar für diese eigentümliche „Behandlung“ zu zahlen, ver¬
klagte Sch. sie. Er wurde Jedoch mit der Klage abgewiesen.
Nunmehr erstattete Frau M. Anzeige wegen fahrlässiger
Körperverletzung. Da der gerichtliche Sachverständige
für die Zahnheilkunde, Zahnarzt Dr. Ritter, das Vorgehen
des Angeklagten als einen ganz groben Kunstfehler
bezeichnete, hatte das Schöffengericht Rixdorf gegen S c h. auf
12fi M. Geldstrafe erkannt. Die hiergegen eingelegte Berufung
wurde unter Bestätigung des ersten Urteils von der Straf¬
kammer verworfen. (Voss. Ztg.)
H a n n o v e r. Eine wegen fahrlässiger Tötung zu drei
Monaten Gefängnis verurteilte Gesundbeterin ist im i
Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen worden.
F r a u k f u r t a. M. Wegen fahrlässiger Körperverletzung,
begangen durch einen ärztlichen Kunstfehler, wurde in der
vorigen Woche ein hiesiger Spezialarzt für Harn- und Blasen¬
leiden zu 100 M. Geldstrafe verurteilt. Der Arzt hatte bei einem
an Prcstatahypertrophie leidenden Rentner die Bottinische
Operation vorgenommen, und bei den Vorbereitungen zu dieser
Operation oder während der Nachbehandlung war durch einen
unglücklichen Zufall das Ansatzstück einer Blasenspritze in
die Blase des Patienten geraten. Dieses Metallstück blieb
mehrere Monate im Körper des Patienten und wurde dann von
Geheimrat Marc aus Bad Wildlingen entfernt, der ebenso wie
der Angeklagte im Glauben war, der Patient habe die Be¬
schwerden durch einen Blasenstein bekommen. Der Rentner
fordert im zivilgerichtlichen Verfahren außerdem 6000 M.
Schadenersatz.
Leipzig. Das Reichsgericht verwarf die Revision der
vom Landgericht Hannover wegen fahrlässiger Tötung zu drei
Monaten Gefängnis verurteilten Krankenbehandlerin Oster-
berg. Sie hatte ein diphtheriekrankes Kind mit „Os t er¬
be rg sehen Universaltropfen“ behandelt und dadurch recht¬
zeitige ärztliche Behandlung verhindert.
Verschiedenes.
Wien. Das Ueberhandnehmen der Verwendung von
Methylalkohol bei Herstellung galenischer Präparate
(vgl. das Referat der Arbeit von Natanson. „Allg.
Medizinische Central - Zeitung“, 1910, No. 4) sowie die
häufig vorgekommenen Todesfälle infolge Genusses
von „Kinderbalsam“ und Hoffmannstropfen,
welche unter Verwendung von Methylalkohol hergestellt
waren, haben endlich auch die Aufmerksamkeit der Behörde
auf sich gelenkt. Infolgedessen hat der General-Sanitätsinspek¬
tor an die Gouverneure und Gesundheitsämter Zuschriften er¬
gehen lassen, in welchen diese aufgefordert werden, die Ver¬
wendung von Methylalkohol in Apotheken unbedingt zu ver¬
bieten.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Preußen.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes:
H. Maxen von Weißensee, Dr. Bandelier von Görbers-
dorf, Dr. Tschentscher von Frankfurt a. M.
Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. Zipper in Friesack, Dr.
Rothenberg in Bad Salzbrunn, Dr. Gerstung in
Münden.
Bayern.
Amtsärztlicher Dienst: Der Bezirksarzt Dr. Jakob
Graha m e r in Memmingen auf sein Ansuchen unter Aner¬
kennung seiner Dienstleistung in den dauernden Ruhestand
versetzt; der Bezirksarzt, Medizinalrat Dr. MoritzHenkel
in München zum ordentlichen Mitgliede des Oberin edizinal-
ausschusses ernannt; die Bezirksärzte Dr. Otto Stömnie r
in Ebermannstadt nach Dillingen und Dr. Eduard N e u -
müller in Wertingen nach Laufen auf ihr Ansuchen in
gleicher Diensteseigenschaft in etatsmäßiger Weise versetzt;
der prakt. Arzt Dr. H e i n r. K n e h r in Nürnberg zum Land¬
gerichtsarzt in Nürnberg und der prakt. Arzt Dr. Eugen
Westermayer in Milwitz, Bez.-Amt Kronach, zum Be¬
zirksarzt in Wolfstein als ständiger Vertreter des Land¬
gerichtsarztes bei dem Landgerichte München I der Bezirks¬
arzt Dr. Karl Becker in München berufen.
Niedergelassen: Dr. Bergheimer in Kaisersläutern,
Dr. Baade in Thaleischweiler, Dr. Götz in Lauterecken.
Gestorben: Dr. Anton Forstner in Holzheim b. Neu-
Ulm.
Württemberg.
Auszeichnung: Ritterkreuz 1. Kl. des Fried¬
richs-Ordens: San.-Rat Dr. Hü‘usmann in Wildbad.
Baden.
Zu Geheimen Ob er medizinal raten: Medizinai¬
reierenten beim Ministerium des Innern, Obermedizinalräte
Dr. Wilhelm Hauser und Dr. Franz Greift'.
Zum Geheimen Medizinalrat: Vorsitzender der
Aerztekammer Med.-Rat Dr. Isidor Lind mann in
Mannheim.
Zu Medizinalräten: Bezirksärzte E. F. K a m m in
Bretten, Dr. F\ Schleid in Wiesloch, Dr. A. S t o f e r
in Kehl, Dr. Joseph Schneider in Achern, Dr. ,1. W o h 1-
farth in Bühl; praktische Aerzte W. Hä unss in Zell
a. H., J. A- Schreck, Armen- und Spitalarzt in Pfullen-
dorf. Dr. Jakob Wegerle in Mannheim, Dr. K. Merz
in Furtwangen, Dr. F. Krieg in Baden, Dr. A. Sander,
leitender Arzt des Sanatoriums in St. Blasien, und Dr. H. F.
R u p p , Direktor des städtischen Krankenhauses in Pforz¬
heim.
Zum Oberarzt: Arzt an der Heil- und Pflegeanstalt Illenau
Dr. Artur Schuttes.
Zu Geheimen Räten 2. Kl.: o. Professoren Geh. Hofrat
Dr. M. Fürbringer an der Universität Heidelberg. Geh.
Hofrat Dr. R. Wiedersheim an der Universität Freiburg.
Zum Geheimen Hofrat: o. Professor Dr. R. G o 111 i e h
an der Universität Heidelberg.
Zum Geheimen Medizinalrat: Strafanstaltsarzt am
Landesgefängnis Freiburg, Med.-Rat E. R i b s t e i n.
Sachsen-Altenburg.
Gestorben: Bezirkswundarzt Dr. Wulschner in Kloster¬
lausnitz.
Elsaß-Lothringen.
Niedergelassen: Dr. K a 1 i e b e in St. Avold.
Verzogen: Dr. Krüger von Mörchingen, Dr. K a m m von
Straßburg nach Mörchingen, Dr. Hauber von Colmar, Dr.
Boeckh von Frankfurt a. M. nach Metz, Dr. Duden von
Metz nach Fraukfurt a. M., Dr. Rampoldt von Darmstadt
nach Diedenhofen, Dr. B 1 e c h e r von Straßburg nach Darm¬
stadt, Stabsarzt H o e r i g von Greiffenberg i. P. nach Bitsch,
Dr. Weher von Diedenhofen nach Metz, Dr. Schrecker
von Bitsch nach Straßburg.
Gestorben: Dr. Gittler in Noveant, Prof. Dr. v. Reck¬
linghausen in Straßburg, Dr. Berdot in Colmar.
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II. Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
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IV. Zu vermeidende Arzneimischungen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VI. Medicinische Bäder.
VII. Auszug aus der deutschen Arzneitaxe 1910.
Preise für Stoffmengen, Arbeiten und Gefässe.
1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
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Verlag von Oscar Ooblentz. Expeditionsbureau: Berlin W.30, Maassenstrasse 13. — Druck von Oarl Marschner, Berlin SW,, Alexandrinenstrasse 110.
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dr. H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Pricdrichstr. 131B
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Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
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Die „Therapeutische Rundschau'' erscheint jedon Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnement* gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tuge vor ({unrtalssclilusK nbbcstellt sind. Inserate
werden für die 4 gesp. Zeile oder deren Raum mit ßO Pf. berechnet. Bel größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck Ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Braen.cllc und Clinge-
stein: Bisherige Erfahrungen mit „Ehrlich G06 11 . — Wechsel¬
mann: Ueber Reinjektionen von Dioxydiamidoarsenobenzol. —
v. Grosz: Arsenobenzol (Ehrlich 600) gegen syphilitische Augen¬
leiden. — Hesse: Die Abortivbehandlung der Syphilis mit Arsa-
cetin. —■. Köhler: Kritische Beiträge zur Diagnose der Lungen¬
tuberkulose. — Löwen stein: Tu berkul inerfolge bei 682 offenen
Lungentuberkulosen.— Stcinert: Akute und chronische Strepto-
kokkensepsis und ihre Beziehungen zum akuten Gelenkrheuma¬
tismus. — Bofinger und Dieterlen: Beiträge zur Kenntnis
der Fleischvergiftungserreger. — Kouried: Ueber die Indi¬
kationen und Vorzüge der Anstaltsbehandlung bei Herzkranken.
— Toppai: Ueber den Einfluß der Momburgschen Methode
auf das Herz und die Zirkulation. — Franze: Die Behand¬
lung der Arteriosklerose. — Ru he mann: Das Eisensajodin.
— Ridder: Beitrag zur Kenntnis des Bronze-Diabetes. —
Fleischer und Take da: Ueber den klinischen Wert der
Pinoffschen Lävuloso Reaktion im Urin. — Peltesohn: Zur
Kenntnis des Pes calcaneus traumaticus. — Delorme: Die
Hemmungsbänder des Schultergelenks und ihre Bedeutung für ;
die Schulterluxationen. — Röpke: Die solitären Cysten der
langen Röhrenknochen. — Rosenbach: Das Röntgencarcinom
und seine Entstehung. — Hofmann: Intrathoracische Luft¬
fistel seltener Aetiologie und ihre plastische Deckung durch
einen Hautperiostknochenlappen — Esau: Ueber einen Fall
von spontaner Ausschaltung einer Dünndarmschlinge nebst
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Dr. Braendle und Dr. Clingestein (Breslau): Bisherige Er¬
fahrungen mit „Ehrlich 606“. (Medizinische Klinik, 1910,
No. 34.)
Die Verfasser berichten über Erfahrungen, die sie in der
Dermatologischen Abteilung des Allerheiligenhospitals in
27 Fällen gemacht haben. Die Beobachtungen decken sich im
allgemeinen mit dem Inhalt der sonstigen Mitteilungen. Was
die Allgemeinreaktion anlangt, so war diese je nach der Her¬
stellung der Lösung verschieden. Als diese noch nach der
ursprünglichen Vorschrift von Ehrlich hergestellt wurde,
wurden starke Temperatursteigerungen, ferner starke lokale
Schmerzhaftigkeit und mehr oder weniger starke Infiltrat¬
bildung beobachtet. Später, als die neutrale Suspension (nach
Wechselmann) angewendet wurde, waren die Tempe¬
ratursteigerungen gering, die Schmerzhaftigkeit desgleichen;
die Infiltratbildung läßt sich auch nach der Einspritzung der
neutralen Suspension nicht ganz vermeiden. Die sogenannte
Jarisch-Herxheimersehe Reaktion wurde in etwa der
Hälfte der Fälle beobachtet. Nebenerscheinungen wurden
hauptsächlich von seiten des Gefäßsystems beobachtet. Bei
mehreren Patienten war der Blutdruck kurz nach der Injek¬
tion gesteigert, während vom zweiten bis dritten Tage ab der
Puls eher klein und beschleunigt wird, ohne daß es im all¬
gemeinen zu bedrohlichen Erscheinungen kommt. Immerhin
wurden bei drei Patienten Kollapserscheinimgen von kurzer
Dauer bemerkt. — Im Urin wurden bei keinem Patienten nach
der Injektion Eiweiß oder Zylinder gefunden. Bei dem grö߬
ten Teil der Patienten trat nach der Injektion eine teilweise
sehr beträchtliche Hyperleukocytose (bis 15 600) ein, welche
nach einigen Tagen verschwand. Bei den meisten Patienten
trat nach der Injektion eine erhebliche Gewichtszunahme ein
(3—7 kg innerhalb weniger Wochen). Die Heilungserfolge
waren teilweise ganz eklatante, teilweise aber auch nicht be¬
sonders zufriedenstellende. Sehr günstig beeinflußt wurden
vor allem maligne Luesfälle. Rasch zurück gingen auch die
Roseolen und sämtliche spezifischen Schleimhautaffektionen
sowohl der Früh- als auch der Spütperiode. Hingegen trat in
mehreren Fällen von Anal- und Genitalpapeln nur langsame
Rückbildung ein. Auch einige Fälle von klein- und groß-
papulösen Exanthemen zeigten wenig Resorptionstendenz. Ein
Negativwerden der Wassermann sehen Reaktion beob¬
achteten die Verfasser in ihren 27 Fällen nur einmal. Aller¬
dings ist die Beobachtungszeit noch zur kurz; und in der ersten
Bemerkungen zur Frage des Ileus. — Wilke: Subseröse Häma¬
tome des Dünndarms nach vielfachen Ascites-Punktionen. —
Ehler:.Zur Kenntnis.der retroperitonealen Dermoidcysten. —
Hofbauer: Schwangerschaftstoxämie. — Kroemer: Die Be¬
rechtigung der Pubeotomie. — Semon: Ueber Spätrezidive des
Uteruscarcmoms. — Davidsohn: Röntgenstrahlen und Zahn-
heilkunde. — Bassenge und S eiander: Ueber die desinfi¬
zierende Wirkimg einiger gebräuchlichen Zahnpasten. —Bossnuj:
Untersuchungen über den Gehalt der Nahrungsmittel an Purin¬
körpern. — Fraenckel und Hochstetter: Zur Erstickungs-
lcukocytose.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 82. Ver¬
sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königsberg
in Pr. vom 18.—24. September 1910. (Fortsetzung.)
III. Therapeutische Notizen. Zur Behandlung des Typhus
abdominalis. — Pertik: Ueber die Anwendung des Pantopons.
— Katz: Die Verwendung der Amidoazotoluolsalbe.
IV. Bücherschau. Legueu: Traite chirurgical d’Urologie. —
Dubois: Die Psychoneurosen und ihre seelische Behandlung.
— Prescher und Habs: Bakteriologisch-chemisches Praktieum,
— Bischoff: Ernährung und Nahrungsmittel.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Hediziual-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universität,swesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes
VI. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
Zeit injizierten die Verfasser nur 0,3—0,4, später allerdings
0,5—0,7. Nach vollständig abgeheilten Effloreszenzen traten
bei vier Patienten 2Va—3 Wochen post injectionem deutlich
geringe Rezidive ein. Drei , davon hatten nur 0,3,. eine vierte
Patientin aber 0,5 g injiziert bekommen. In einigen Fällen,
in denen die Erscheinungen nach der Injektion des E h r 1 i c h-
H a t a sehen Präparats nicht völlig zurückgingen, wurde noch
Kalomel injiziert, worauf Heilung eintrat.
San.-Rat Dr. Wochselmann (Berlin): Ueber Reinjektionen von
Dioxydiamidoarsenobenzol. (Deutsche med. Wochenschr.,
1910, No. 37.)
Verfasser berichtet über einige Fälle, welche beweisen,
daß die wiederholte Injektion des Dioxydiamidoarsenobenzol
gut vertragen wird und in manchen Fällen, die auf eine ein¬
malige Injektion nicht völlig geheilt wurden, Heilung herbei¬
führt. Zunächst zeigte sich bei kongenital syphilitischen Neu¬
geborenen, daß in einzelnen Fällen bei Anwendung von 0,03 g
Symptome auftraten, welche sich als Intoxikation durch den
massenhaften Zerfall von Spirochäten in den von Sypliiiis-
produkten übersäten inneren Organen deuten ließen. Des¬
wegen ging Verfasser dazu über,, bei Neugeborenen Dosen von
0,015—0,02 anzuwenden, welche nach etwa 8—12 Tagen wieder¬
holt wurden. Auf diese Weise wurde bei mehreren kongenital
syphilitischen Säuglingen ein Verschwinden der syphilitischen
Erscheinungen erzielt. Diese Erfahrung veranlaßte Verfasser,
auch in Fällen von maligner Syphilis Erwachsener, in denen
die erste Injektion zwar weitgehende Besserung, aber kein
völliges Verschwinden der Symptome bewirkt hatte, später
eine zweite Injektion in stärkerer Dosis zu machen, zu einer
Zeit, wo mit Wahrscheinlichkeit die Ausscheidung der ersten
Dose beendet war. Einige Patienten bekamen als erste Dosis
0,3, als zweite Dosis 0,4 oder 0,5 g. Ein Patient bekam sogar
drei Injektionen. Durch diese wiederholten Injektionen wurde
dann Heilung erzielt. Partielle Versager kommen übrigens
auch in nicht malignen Fällen von Syphilis vor, indessen ist
ihre Zahl gegenüber den Fällen mit positivem Erfolg ver¬
schwindend klein. Gewöhnlich wird auch in derartigen Fällen
durch eine Reinjektion Heilung erzielt. Die neutrale Suspen¬
sion ist nach Verfassers Erfahrungen ebenso wirksam wie die
früher angewendete saure Lösung. Auch Rezidive sah Ver¬
fasser relativ selten nach der Injektion auftreten. Er nimmt
an, daß die Rezidive oft nur unter der Einwirkung des Mittels
manifest werdende, vorher eingekapselte Herde sind; es wer¬
den nach Verf. alle mit dem Mittel in Berührung kommenden
648
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 43.
Spirochäten getötet und wahrscheinlich an den Infiltrations¬
herden, welche eingekapselte Spirochäten beherbergen, Er¬
weichungsvorgänge eingeleitet, welche die Spirochäten dem
Mittel angreifbar machen. Deshalb glaubt Verfasser, daß man
die Dosis bei Männern nicht über 0,5—0,6 g, bei Frauen nicht
über 0,45 g zu steigern braucht, und daß, wenn diese Dosis aus¬
nahmsweise nicht zur Heilung führt, die Wiederholung der In¬
jektion zum Ziele führen dürfte. Zum Schluß erwähnt Ver¬
fasser noch einige Fälle von Primäraffekt, in denen nach der
Injektion doch noch spezifische Exantheme auftraten.
Prof. Emil v. Grösz (Budapest): Arsenobenzol (Ehrlich 606)
gegen syphilitische Augenleiden. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 37.)
Die Tatsache, daß nach Injektionen von Atoxyl in einer
Reihe von Fällen Sehnervenatrophie eintrat, hat dazu geführt,
bei Injektion des neuen Ehrlich sehen Arsenpräparates als
Bedingung Intaktheit der Augen zu fordern. Diese Vorsicht
geht nach Verfasser zu weit. Allerdings soll man bei Seh¬
nervenatrophie das Arsenobenzol nicht anwenden, aber gegen
direkte luetische Augenleiden ist das Mittel absolut indiziert.
Verfasser wendet das Arsenobenzol seit einigen Wochen in
geeigneten Fällen an; z. B. bei Ulcus durum conjunctivae, bei
Iritis luetica, Kerato-Iritis luetica, Scleritis luetica, Chorio¬
retinitis luetica, Keratitis parenchymatosa e lue congenita.
Nach seinen bisherigen Erfahrungen ist das Arsenobenzol
gegen luetische Augenleiden außerordentlich wirksam. R. L.
Dr. E. Hesse, Spezialarzt für Hautkrankheiten In Düsseldorf:
Die Abortivbehandlung der Syphilis mit Arsacetin. (Der¬
matologisches Zentralblatt, 1910, No. 12.)
Es könnte überflüssig erscheinen, augenblicklich, wo das
neue „Syphilisheilmittel Ehrlich-Hata 606“ das lebhafteste
Interesse weitester Kreise erregt und uns anscheinend einen
großen Schritt weiter gebracht hat, über ein Mittel zu berichten,
das ein Vorläufer des neuen Heilmittels war. Indessen wird
es auch heute noch von großem Interesse sein, festzustellen,
was wir mit dem von Ehrlich im Jahre 1908 dargestellten
Arsacetin, in Verbindung mit anderen Mitteln und Methoden,
im Primärstadium der Syphilis zu leisten imstande sind. Merk¬
würdigerweise ist das Arsacetin in dieser Hinsicht außerordent¬
lich wenig geprüft worden, und die meisten Autoren haben
lediglich über ihre mehr oder weniger guten Erfahrungen
damit bei sekundärer und tertiärer Lues berichtet und hier
es dem Hg im allgemeinen nicht ebenbürtig gefunden. Daß
aber bei Einleitung einer Abortivkur Zeit und Grad der In¬
fektion, sowie das Verhalten der regionären Lymphdrüsen und
der W a s s e r m a n n sehen Reaktion von höchster Wichtigkeit
sind, leuchtet ohne weiteres ein. Es erscheint H. eine conditio
sine qua non, den Primäraffekt, den Hauptspirochätenherd so
gründlich wie möglich zu zerstören, und dann gegen die bereits
weiter vorgedrungenen Spirochäten in Blut und Lyniphwegen
mit Arsacetin und Quecksilber gleichzeitig oder nacheinander
vorzugehen. In den Fällen, wo bereits stärkere regionäre
Lymphdrüsenschwellung oder positive Wassermann sehe
Reaktion bestand, hatte die versuchsweise eingeleitete kombi¬
nierte Abortivbehandlung keinen Erfolg, außer in einem Falle,
wo allerdings mit Rücksicht auf die vorher positiv ausgefallene
Wassermann sehe Reaktion mehrere Hg-Kuren ange¬
schlossen wurden. Im übrigen wählte Verfasser nur solche
Fälle der Privatpraxis, wo die Infektion 2—5 Wochen zurück¬
lag, keine erheblichen Drüsenschwellungen bestanden und die
Wassermannsche Reaktion noch negativ war. Die mit
der Arsacetinbehandlung verbundene Hg-Kur war meist recht
milde (2 g Schmierkur oder Merkolintschurz oder Hg sal.-
Spritzen [ä 0.05 g jede Woche], jedenfalls war die Menge Hg
immer so gering, daß das Ausbleiben der sekundären Erschei¬
nungen dem Hg allein nicht zugeschrieben werden kann. Der
Primäraffekt wurde in allen Fällen tief mit dem Galvanokauter
(Porzellanbrenner) zerstört und Kalomel eingestreut. Verf.
gelangt auf Grund seiner Betrachtungen zu der Schlußfolge¬
rung, daß eine Abortivbehandlung der Syphilis Aussicht auf
Erfolg hat, wenn 1. die Infektion nicht länger als vier Wochen
zurückliegt und keine starken regionären Drüsenschwellungen
da sind, 2. die Wassermann sehe Reaktion negativ aus¬
fällt. K r.
Dr. F. Köhler (Heilstätte Holsterhausen bei Werden a. Ruhr):
Kritische Beiträge zur Diagnose der Lungentuberkulose.
(Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 35 u. 36.)
Verfasser bespricht die Schwierigkeiten, welche auch der
erfahrene Untersucher bei der Diagnose der beginnenden
Lungentuberkulose findet. Zunächst erörtert er die Frage, in¬
wieweit die Tuberkulinreaktion als ausschlaggebend betrachtet
werden darf. Er weist darauf hin, daß das Zustandekommen
der Tuberkulinreaktion nicht ausschließlich auf rein spezifisch-
chemisch-biologische Vorgänge zurückzuführen ist, sondern
daß nervös-toxische Vorgänge in Verbindung mit der Irritabi¬
lität des Wärmezentrums dabei eine Rolle spielen; diese ner- '
vösen Vorgänge sind aber in hohem Maße individueller Natur.
Dadurch erklärt sich die Tatsache, daß manche durch den
Tuberkelbacillennachweis sichergestellte Tuberkulosefälle I.
und II. Stadiums erst bei relativ hohen subkutanen Tuber¬
kulindosen reagieren und andere viel weniger ausgesprochene
Fälle auf geringe Dosen, Zehntel von Milligrammen, positiv
reagieren. Verfasser hat schon in früheren Versuchen ge¬
funden, daß etwa 22 pCt. der Tuberkulösen auf eine Injectio
vacua oder auf sterilisiertes Wasser eine von der positiven
Tuberkulinreaktion klinisch nicht zu unterscheidende Tempe¬
ratursteigerung und äquivalenten Verlauf zeigten. Dies be¬
weist das Vorhandensein eines psychischen Faktors bei der
Tuberkulinreaktion. Ferner hat man in einigen Fällen von
Bluterkrankungen, auch noch bei anderen Krankheiten, auch
bei Fehlen von Tuberkulose positive Tuberkulinreaktionen be¬
obachtet. Ferner hat schon Robert Koch darauf aufmerk¬
sam gemacht, daß nach der subkutanen Injektion von 1 cg
Alttuberkulin auch Gesunde positiv reagieren können. Verf.
glaubt nicht an eine so bestimmte Grenze, er ist überzeugt,
daß eine ganze Anzahl nichttuberkulöser Menschen auch schon
auf 8 mg echte Tuberkulinreaktion darbieten, vielleicht auch
schon auf geringere Dosen. Von ungleich größerer Beweis¬
kraft sind die Tuberkulinreaktionen bei kleinen Dosen, bei
Zehnteln von Milligrammen, bis 2 mg. Deshalb befürwortet
Verfasser die Benutzung der kleinen Dosen von '/m—2 mg für
diagnostische Zwecke. Hier spricht die positive Reaktion mit
einem gewissen Grad von Sicherheit für Tuberkulose; die
negative allerdings nicht dagegen. Die Beurteilung der lokalen
Reaktion in der Lunge unterliegt nach Verfasser etwas dem
subjektiven Ermessen. Alles in allem kommt Verfasser zu
dem Ergebnis, daß die Zuverlässigkeit des Tuberkulins in
diagnostischer Beziehung keineswegs absolut ist, und daß bei
fehlender genügender klinischer Diagnose, aber tuberkulin¬
positivem Resultat nicht mit Sicherheit eine Lungentuber¬
kulose angenommen werden darf. — Weiter geht Verfasser
auf die Bedeutung der auskultatorischen Befunde für die
Diagnose ein. Nach seinen Erfahrungen ist es nicht angängig,
jede Abweichung von der Norm des Atemgeräusches über der
Lungenspitze im Sinne einer tuberkulösen Spitzenveränderung
zu deuten. Sehr verdächtig auf tuberkulöse Affektion ist
immerhin das saccadierte, in Absätzen erfolgende Inspirium,
das gleiche gilt für das Exspirium. Ferner sind die weichen
Knistergeräusche, welche meist in größerer Anzahl beim In¬
spirium und Exspirium oder in einer Phase allein auftreten,
nach Verfasser meist der Ausdruck tuberkulöser Spitzenver¬
änderungen, häufig sah Verfasser bald nach dem Auftreten
dieser Geräusche Cavernenbildung eintreten. — Jedenfalls
aber darf die Diagnose der Spitzentuberkulose sich nicht auf
Spitzenrasselgeräusche allein stützen. Verfasser führt einige
Fälle an, wo trotz verdächtiger Geräusche die spätere Sektion
das Fehlen tuberkulöser Veränderungen ergab. Bronchitische
Prozesse kommen auch über den Lungenspitzen zur Beob¬
achtung, es ist darum nicht richtig, jeden Katarrh, der sich
über den Lungenspitzen als solcher manifestiert, für tuber¬
kulös zu halten. Die Befunde der physikalischen Diagnostik
erlauben also stets nur Schlüsse auf den physikalischen Cha¬
rakter der Lungenzustände, aber keinen sicheren Schluß auf
die Aetiologie der Prozesse. Weiter geht Verfasser auf die
Bedeutung der durch Perkussion sich ergebenden Befunde für
die Diagnose der Lungentuberkulose ein. Er legt diesen im
allgemeinen eine geringere Bedeutung bei als der Auskul¬
tation. Deswegen wertet er die neueren Bestrebungen, die
Spitzenperkussion zu verfeinern (K r ö n i g, Gold-
scheider) nicht so hoch, wie es andere wohl tun. Bei
gleichzeitig bestehender ausgedehnter Bronchitis ist eine
scharfe Abgrenzung des tuberkulösen Prozesses gegen diese
unmöglich. Man kann in solchen Fällen lediglich den Ablauf
des Bronchitis abwarten. um dann der richtigen Wertung des
chronisch-tuberkulösen Prozesses näher zu kommen. Es ist
somit besondere Vorsicht geboten, wemi bei guter Gesamtver-
fassung des Kranken zwar eine geringe Schallverkürzung,
aber reichliche bronchitische Rasselgeräusche sich darbieten,
die keineswegs sicher von tuberkulösen Rasselgeräuschen zu
unterscheiden sind.
Dr. E. Löwenstein (Beelitz): Tuberkulinerfolgc bei 682 offenen
Lungentuberkulosen. (Deutsche med. Wochenschr., 1910,
No. 36.) '
Damit eine Lungentuberkulose als geheilt gelten kann,
müssen nach Verfasser zwei Bedingungen erfüllt sein: 1. Die
physikalische Untersuchung muß auf anatomische Verände¬
rungen hinweisen, welche für eine abgelaufene Tuberkulose
charakteristisch sind. 2. Es dürfen Tuberkelbacillen nicht
mehr im Krankheitsherd bezw. seinen Ausscheidungen vor¬
handen sein. Letzteres Kriterium ist das wichtigste, besonders
nachdem der Tuberkelbacillennachweis im Auswurf durch die
neueren Anreicherungsmethoden (Antiforminmethode und
ähnl.) so sehr an Sicherheit gewonnen hat. Wenn man die
Leistungsfähigkeit der verschiedenen Behandlungsmethoden
No. 43.
649
THERAPEUTISCHE
der Lungentuberkulose richtig .beurteilen, will,; muß . man, nach .
Verfasser demnach zu ermitteln suche», in welchem Prozent- .
Satz der Fälle das. Verschwinden der Tuberkelbacilleu, ey- ,
reicht wird, Bei der reinen hygienischTdiätetisclren-Behand¬
lung, wie ; sie in :yjelen Volhsheilstatten .geübt vyh'd,, gelingt; es ,
nach den, vorliegenden, vj.ele lausende yoji,.Fällen nuifasspnden .
Berichten nur bet etwa 1p. p,Ct. der offenen Lungentuberkulosen, .
ein Verschwinden, der ffu.berkelbaciUen;nu ; -erzielen.,, ..Viel -
besser sind die Erfolge ,, ; nach r i .der; fuberbnlinbehandiung.
Bandelier, hat .bei 202.spezjfisch beliandoiten. offenen
Lungentuberkulosen in 63. pQt,; der. Bälle,,Verschwunden, der ,
.Tubei'kelbacillen, erzielt,,und zwar, im. i. Stadium,.bei,dQÖ.pCL, '
im 2, Stadium.bei, 87,3 ,pCt., im ,3, Stafbum bei,44,2, pCij.,d,er .Be¬
handelten. Verfasser, berichtet nun zur., weiteren Beleuchtung
der Frage über die in Beelitz erzielten Erfolge. In-den .Heil¬
stätten in Beelitz wurde 1901—1906 das Tuberkulin nur in
sehr wenigen Fällen therapeutisch angew'endet, es wurde in
jener Periode nur in 22—26 pCt. der Fälle Verschwinden der
Tuberkelbacillen erreicht, trotzdem nur solche F’älle für eine
Heilstättenkur ausgewählt wurden, bei denen die Wieder¬
herstellung der Erwerbsfähigkeit innerhalb 20 Wochen er¬
wartet werden konnte. Seit 1908 ist in Beelitz die Uebernahme
des Heilverfahrens auch auf solche Fälle ausgedehnt worden,
bei denen die Lungenerkrankung schon weiter vorgeschritten
ist; infolgedessen werden auch viele Fälle im 2. und 3. Sta¬
dium in Beelitz behandelt. Es wird jetzt auch die Tuberkulin¬
behandlung in ausgedehntem Maße in Beelitz geübt. Gewöhn¬
lich wurde die Behandlung mit 0,2 mg Alttuberkulin bezw.
0,0005 mg Bacillensubstanz Neutuberkulin eingeleitet, und mit
10—1000 mg Alttuberkulin bezw. 2 mg Neutuberkulin. beendet.
Das Neutuberkulin wurde dort bevorzugt, wo eine starke Lokal¬
reaktion zu vermeiden war, besonders bei umfangreichen
Destruktionsprozessen mit starker Einschmelzung. Eine ge¬
ringere Anzahl wurde zuerst mit Alttuberkulin, später mit
Neutuberkulin behandelt. Im ganzen wurden 409 Patienten
mit Alttuberkulin behandelt; davon waren in 58 pCt.. der Fälle
die Bacillen am Ende der Kur verschwunden; Neutuberkulin
erhielten 204, unter denen bei 42 pCt. die Bacillen verschwan¬
den. Bei 69 mit Alt- und Neutuberkulin Behandelten ver- •
schwanden die Bacillen in 55 pCt. der Fälle. Die Erfolge sind
also sehr befriedigende, trotzdem unter diesen Fällen sich
auch viele im 2. und 3. Stadium befanden.
Privatdozent Dr. Hans Steinert (Leipzig): Akute und chronische
Streptokokkensepsis und ihre Beziehungen zum akuten Ge
lenkrheumatismus. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 37.)
Auf Grund der Erfahrungen der Leipziger medizinischen
Klinik bespricht Verfasser die Bedeutung verschiedener
Streptokokkenarten in der Aetiologie mehr chronisch verlaufen¬
der septischer Erkrankungen. Zunächst knüpft er an eine Mit¬
teilung von Schottmüller über das von diesem gezeichnete
Krankheitsbild der Endokarditis lenta an. Diese durch
den Streptococcus viridans hervorgerufene Krankheit zeichnet
sich durch ihren schleppenden, schleichenden Verlauf aus. Es
gibt kaum eine andere Form der Sepsis, bei der in ähnlich
chronischer Weise manchmal über Jahr und Tag die Bakterien
in großer Menge wie hier im Blute kreisen; demgemäß sind die
Erscheinungen der Bakteriämie als solche hier oft recht unbe¬
stimmter Natur. Bestimmtere Züge bekommt die Krankheit
erst im weiteren Verlauf durch gewisse örtliche Erscheinungen,
durch eine verhältnismäßig häufig sich entwickelnde
leichte Polyarthritis und vor allem durch die fort¬
schreitende schwere Endokarditis und ihre Folgen, die
Embolien in den verschiedensten Organen und die
schließlich nicht ausbleibenden Erscheinungen der Herz-
insufficienz. Der Beginn der Krankheit ist manchmal auf
keine Weise zu bestimmen; manchmal tritt eine Embolie ohne
Vorboten ein; in anderen Fällen bestehen längere Zeit un¬
bestimmte Beschwerden allgemeiner Natur. Temperatursteige¬
rung fehlt in manchen Fällen gänzlich, meist besteht subfebrile
oder leicht febrile Temperatur, oft unterbrechen fieberfreie
Perioden den Verlauf. Der Kräftezustand geht langsam und
stetig zurück; nach und nach entwickelt sich, eine beträchtliche;
Anämie. Von den örtlichen Erscheinungen sind die wichtig¬
sten die vqii. seiten des Herzens. In dpn .meisten,.Fällen .be¬
stellt ein alter Herzfehler, auf dessen Boden eine .frische Endo¬
karditis sich entwickelt. Embolien in allen möglichen- Organen,
fehlen fast nie, cerebrale Komplikationen kommen 'vor.,ferner;
sind Arthritiden häufig. Leichte Bronchitiden sind eine fast
regelmäßige Erscheinung. Am Augenhintörgrund kommen 1 die
typischen septischen Veränderungen, Häinorrhagien luid Weiße
I-Tecke, zur Beobachtung. Zu den regelmäßigen Erscheinungen:
gehört endlich eine geringe Albuminurie, auch enthält 'der 'Harn
meist etwas Blut und Spärliche Zyl&dfer, Zu V eiherB aus¬
gesprochenen Nephritis kömmt es im, allge'meineii hidjiii'. n; Öiej
Fälle endigen so gilt wie' alle tötlich. Nach Verfasser kann
diese Endokarditis lenta nicht nur durch den Streptococcus
viridans, sondern auch durch ändere nicht lüinioljitische Strep'to-,
kökken hürvorgerufen werden, vi-ähr'e'nd andererseits dül‘6h 'diese
RUNDSCHAU 1910.
Keime,. , insbesondere, .den Viridans, auch akute septische
Infektionen, zustande, kommen können. Bei den chronischen
Infektionen handelt es,sich in dpn von Verfasser beobachteten
.Fällen fast inimer um alte Rheumatiker, die meist, aber nicht
immer; eine alte ,Endokai;dit|s hatjen, während die akuten
Päljp, Hainen Rheumatismus : in. der Vorgeschichte aufwiesen.
Auch chronische Bakteriämien durch vulgäre Streptokokken,
die in ihrem Verlauf, der Endokarditis lenta ähnelten, wurden
nur bei,Eheuniatülern gesehen. Verfasser wirft deshalb die
Frage auf. ob es sich hier um eine Allergie des rheumatisch in-
, fiziertep; .föiipgrs, .gegen gewisse Streptokokkeninfektionen, ins¬
besondere, die ViridansinfeJitipR,: handeln könnte.
Stabsarzt.Dr. Bofinger und Dr. Dieterlen: Beiträge zur Kennt¬
nis der Fleisch Vergiftungserreger. (Deutsche .med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 35.)
Die Verfasser teilen einige Befunde mit, welche sie bei
einigen Massenerkrankungen von Militärpersoneil durch
Nahrungsmittel erhalten haben. Es gelang erstens aus den
diarrhoischen Stuhlgängen der bei einer Massenvergiftung
durch Nahrungsmittel Erkrankten Bakterien zu züchten, die
sich weder durch die Kultur noch durch den Agglutinations-
versuch von echten Gärtnerbacillen unterscheiden ließen. Es
wurden bei einer anderen Gelegenheit aus einer Blutwurst, die
in dem begründeten Verdacht stand, zu Massenerkrankungen
an Durchfall Veranlassung gegeben zu haben, Bacillen isoiirt,
die sich kulturell von den Gärtner- bezw. Paratyphus B-Typhus
einerseits, von dem Colibacillus andererseits sicher unter¬
scheiden ließen lind in der Mitte zwischen beiden stehen. Der
neue Stamm nähert sich bezüglich seiner agglutinbildenden
Eigenschaften dem Gärtner-Typus in auffallender Weise,
wird jedoch andererseits von einem echten Gärtner-Serum
nicht beeinflußt und bildet demnach eine Art für sich. End¬
lich wurde aus dem Herzblut einer weißen, mit einem verdächti¬
gen Kartoffelstück gefütterten Maus ein Stamm gezüchtet, der
sich weder kulturell noch bezüglich seiner Agglutinilität von
einem echten Gärtner-Stamm unterscheidet. R. L.
Kaiserl. Rat Dr. Konried, Chefarzt der Kuranstalt Edlacli:
Ueber die Indikationen und Vorzüge der Anstaltsbehand¬
lung bei Herzkranken. (Medizin. Klinik, 1910, No. 27.)
Das Alpha und Omega der kardialen Therapie war lange
Zeit Ruhe und Milchdiät, Digitalis und Strophanthus. Zwar
wird diese Therapie in Fällen akuter Herzstörungen, aus wel¬
chen Ursachen immer, die einzig richtige sein, aber falsch ist
es, wenn die Kunst des Arztes es dabei bewenden läßt, sich mit
mehr oder weniger mühsamer Wiederherstellung des zirkula-
torischen Gleichgewichtes bei dem Patienten zu begnügen und
ihn dann sich selbst überläßt. Die Aufgabe des Arztes ist
zweifellos mit der Behandlung der kompensatorischen Störung
nicht beendet. Er hat vielmehr die Pflicht, dem Pal. alle jene
Mittel an die Hand zu geben, die seinen geschwächten Orga¬
nismus und sein nuiskelschwaches Herz zu kräftigen vermögen
und dadurch einer weiteren Rezidive vorzubeugen, die sonst
über kurz oder lang unausbleiblich ist. Dieselbe Aufgabe
stellt sich dem Arzte von vornherein in allen jenen Fällen, wo
die Erkrankung des Zirkulationsapparates nicht die Form
einer akuten schweren Störung angenommen hat, sondern iu
chronischen, zirkulatorischen Störungen geringen Grades zum
Ausdruck kommt, die erst im weiteren Verlaufe zu schweren
Symptomen führen. In beiden Fällen wird die Einleitung einer
systematischen. und richtig durchgeführten physikalischen und
diätetischen Behandlung eine Besserung herbeiführen und
zweifellos schwere Leiden verhüten können. Zur Erfüllung
dieser therapeutischen Indikation ist einzig und allein die
Herzheilanstalt berufen. Denn die Aufgabe, ein mehr oder
weniger chronisch insuffizientes Herz wieder dauernd
leistungsfähig zu machen, dem Patienten eine relative Gesund¬
heit und Arbeitsfähigkeit wiederzugeben, ist eine äußerst
schwierige, und wenn bei irgendwelchen Kranken die sachlichen
Vorzüge einer Sauatoriumbehandlung von Wert sind, so sind
sie .es bei Herzkranken. Die, Möglichkeit, den Patienten zur
Tag- gnd .Nachtzeit zu beobachten und zu überwachen,
die streng, deyu .jeweiligen Befunde anzupassende Behandlung
tägj|ich 'vorzuschreiben, die Garantie, daß die als nötig
erkannten Anordnungen auch wirklich strikte durchgeführt
wurden und -p? last, npt.lpasi p^ ,die Möglichkeit einer energi-
. gellen ,p§y,chjsc,h,pji Hpeinflussuog des fast immer wankelmüti¬
gen und zur . Depression neigenden Herzleidenden, stellen so
wesentliche Grundbedingungen für die Besserung Herzkranker
dar, daß inan ruhig behaupten kann, daß, wenn irgendwo,, so
hier eine Anstältshehandlimg am Platze, ist, und zwar die Be¬
handlung ili einer Her/.lieilanstalt,. Kr.
DU .1 oM-i Toppai (PiKtiipcst): Ueber den Einfluß <ler Mopiburg-
schen Methode äuf daÄ Herz und die Zirkulation. (Deutsche
med. Wochenschr., j9l(l, No. 36.) , - , ,
, Verfassef: ’,prüfie 0 an’ .p|n,ei' JJe'ihe, yon,. Personen dip Frage,
inwieweit die Hchlauchahsclmürung nach Homburg die
660
No. 43.
THERAPEUTISCHE
Herzarbeit und die Zirkulation beeinflusse. Meist handelte es
sich um junge, normale Zirkulation und gesundes Nervensystem
besitzende Individuen, außerdem einige Kranke mit gut kom¬
pensierten Herzfehlern. Der komprimierende Gummischlauch
wurde in einigen Fällen wegen der subjektiven durch die Ab¬
schnürung veranlaßten Symptome nur einige Minuten liegen
gelassen. In fast allen Fällen wurde durch die Abschnürung
die Zahl der Herzsystolen und der Blutdruck — sowohl der
maximale wie der minimale — in bedeutendem Maße erhöht.
Die Pulszahl nahm um 20—50—80 zu, der Druck um 20 bis
50 mm Hg; dabei wird die Herzarbeit oft unregelmäßig, die
Arrhythmie dauert nach Abnahme des Gummischlauchs noch
einige Minuten. Bei gesunder Zirkulation wird das Herz den
durch die Abschnürung verursachten Insult nach Abnahme des
Schlauches schnell überwinden. Dagegen wird beim kranken
Herzen, selbst wenn eine Dekompensation kaum oder in sehr
geringem Grade vorhanden ist, die Arrhythmie nach Lösung des
Gummischlauches %—1 Stunde oder noch länger andauern.
Morn bürg empfiehlt zur Vermeidung der Zirkulation, vor
dem Anlegen des Gummischlauches je eine Esmarchbinde um
die Oberschenkel zu legen. Verfasser empfiehlt demgegen¬
über, vor Anlegung des Schlauches um den Leib an allen vier
Extremitäten eine Blutstauung, ähnlich wie bei der Bier sehen
Methode, vorzunehmen. Bei diesem Vorgehen wird gewöhnlich
die Blutdrucksteigerung nach Anlegung des Schlauchs geringer
sein. Die starke langdauernde Kompression des Bauches ist
auch auf die Respiration von sehr schädlicher Wirkung. Das
enge Abbinden verhindert in starkem Maße die Zwerchfell¬
bewegungen. Die Herzarbeit wird also auch dadurch ge¬
schädigt; der Gasw'echsel des Blutes leidet; es entsteht nicht
selten Dyspnoe und Cyanose; manchmal kommt es zu wirk¬
lichem Kollaps; während der Narkose verschwinden zwar die
unangenehmen subjektiven Symptome, es bleibt jedoch die
übermäßige Belastung der Zirkulation. Auf Grund seiner Be¬
obachtungen empfiehlt Verfasser große Vorsicht bei der An¬
wendung der M o m b u r g sehen Methode. Vor allem sollte in
keinem Falle vor Anwendung der Abbindung die Funktions¬
prüfung der Zirkulation (nach Katzensteins Verfahren
oder einer anderen brauchbaren Methode) versäumt werden. Bei
Herzkranken und Angiosklerotikern, ferner bei Basedow¬
kranken, Nephritikern, bei Individuen mit Plethora hält Verf.
die Momburgsche Abschnürung für absolut verboten.
Dr. Paul C. Franzc (Bad Nauheim): Die Behandlung der
Arteriosklerose. (Folia therapeutica, April 1910.)
Ross und C a r 1 e s s unterscheiden folgende arterio-
skl eroti sehen Prozesse;
1. Endarteritis chron. simpl. (Atheroma),
2. Endarteritis chron. syphilit.,
3. Endarteritis obliterans oder proliferans,
4. Endarteritis chronica tuberculosa.
Franze beschäftigt sich mit dem ersten Prozeß. Aetio-
logisch hält er für wichtig: Alkohol, Syphilis, Nephritis u. a.
Aber auch Fälle, bei denen die intestinale Intoxikation —
andere, in denen starke körperliche Ueberanstrengung bei jungen
Individuen ätiologisch eine Rolle spielt, hat Franze ge¬
sehen. .Nach v. Noorden ist ja auch die Arteriosklerose
weder an die Konstitution noch an das Alter gebunden.
Was nun die Therapie angeht, so ist aus den großen Er¬
fahrungen des Autors folgendes bemerkenswert;
1. Behandlung der Angina: Vor allem kommt
Morphium in Frage; Hände und Füße kommen iir warmes
Wasser von 42" C., ebenso kommen heiße Umschläge aufs
Herz. Damit wird der Anfall meist behoben und die Patienten
fallen in guten Schlaf. Es kommen von Mitteln ferner in Frage:
Amylintrit (2—5 Tropfen aufs Taschentuch) zum Inhalieren
oder Nitroglyzerin (0,005) in Tabletten oder alkoholische
Lösung. Eine beim Autor sehr beliebte Verschreibweise ist
folgende:
Rp Fol. Digit, pulv. . . . 0,01 g
Coffein pur.0.2 „
Diuretin (Knoll) . . . 0,5 „
Morph, muriat. 0,005 „
M. f. pulv. dent. tat. dos. No. V in caps. amvl.
Davon 1 Kapsel im Anfall ev. eine weitere 1 / 2 . Stunde später.
Oft ist es nötig, zu weiteren Mitteln zu greifen, wie Aether,
Kampher, mit oder ohne Coffein.
2. Hauptbehandlung: Sie ist sehr wichtig und es
kann viel erzielt werden. Von Jodpräparaten erwähnt
F ra n z e..Jodnatrium und Jodkalium (fiä 10,0 g Aq.) 10 Tropfen
dreimal täglich. Nach einiger Zeit läßt man eine Pause ein-
treten. Sajodin in Tabletten 0,5 g morgens und abends, dann
das auch subkutan anzuwendende Jodipin.
Franze hat mit der Jodbehandlung keine bemerkens¬
werten Erfolge erzielt. Er sagt drüber wörtlich:
„Die mit der Jodbehandlung erzielten Resultate sind nach
meiner Erfahrung keineswegs sehr bemerkenswert. Ich habe
daher ein neueres Präparat vielfach benutzt, das kürzlich auf
RUNDSCHAU 1910.
den Markt gebracht worden ist, dessen Gebrauch auf gänzlich
anderen Ueberlegungen beruht wie derjenige des zuerst ge¬
nannten. Dieses Präparat besteht aus den normalen Blut¬
salzen und kommt entweder als Truneceks anorgani¬
sches Serum oder als Antiskierosin- Natterer in
Tabletten in den Handel. Bisher habe ich fast nur das letztere
verwendet; in einigen wenigen Fällen habe ich auch das
Serum benutzt, das subkutan etwa zweimal wöchentlich inji¬
ziert wird. Antiskierosin ist, ähnlich wie das Serum, aus
Natriumsulfat, -chlorat, -karbonat und -phosphat, sowie aus
Magnesium phosphor. und Calcium glycerophosphor. zusammen¬
gesetzt. Die Idee bei seinem Gebrauch ist nicht die der Ent¬
kalkung der Arterienwände, oder der Verhinderung der Bil¬
dung von Kalksalzen im Blut. Irgendwelche therapeutische
Verfahren gegen Arteriosklerose, die noch an solchen Voraus¬
setzungen festhalten, sollten abgelegt werden. Der leitende
Gedanke vielmehr bei dem Versuch, die Symptome der Arterio¬
sklerose mittels Antiskierosin zu bekämpfen, besteht darin,
das Blut zu reinigen und ihm seine normale Zusammensetzung
wiederzugeben, die bei dieser Affektion notgelitten hat. Die
Wirkung, die ich nach dem Gebrauch des Präparates beob¬
achtet habe, steht ganz im Einklang mit dieser Anschauung.
Sie beziehen sich vorwiegend auf die unangenehmen cere¬
bralen Erscheinungen, und in zweiter Linie auf den Allgemein¬
zustand, d. h. auf Ernährung, Kraft, Appetit, Verdauung,
Schlaf und das Gefühl allgemein körperlichen Wohlbefindens
usw., ferner auf den Zustand des Herzens und der Zirkulation."
Es seien des großen Interesses wegen drei von Franze
wiedergegebene Fälle hier zitiert:
1. Fall. Eine Dame von 67 Jahren kam nach Nauheim,
an vorgeschrittener Arteriosklerose leidend. Sie war nicht
fähig, mehr als einige Schritte zu gehen, hatte allnächtlich
stenokardische Anfälle, gegen die sie jede Nacht Medikamente
einnehmen mußte. Ihre Herztöne w'aren so schwach, daß sie
kaum hörbar waren; der Puls war sehr gespannt, der Blut¬
druckhoch (190mm Tonometer). Sie machte dieNauheimerBade¬
kur durch, wodurch das Herz ein wenig gekräftigt wurde; auch
sank der Blutdruck etwas (175 mm Tonometer). Die pein¬
lichsten Symptome in ihrem Fall waren die äußerst heftigen
cerebralen Erscheinungen; sie litt an fast beständigem Kopf¬
schmerz und Schwindel. Etwa zwei Monate nach ihrem Fort¬
gang von Nauheim schrieb sie an Verf. wegen dieser Symptome,
welche durch die Bäder nicht gebessert wären. Jetzt verschrieb
F. ihr zum ersten Mal Antiskierosin mit sehr erfreulichem
Erfolg. Etw'a sechs Wochen später sah er die Patientin. Sie
erzählte, daß die Gehirnerscheinungen bald nach dem Anfang
des Antiskierosingebrauchs eine bedeutende Besserung ge¬
zeigt hätten. Sie konnte nun meistens, ohne stenokardische
Anfälle zu bekommen, schlafen. Die Kopfschmerzen, das
Druckgefühl und der Schwindel waren bedeutend besser. Sie
befand sich überhaupt in hoffnungsfreudiger Stimmung; als sie
im folgenden Jahr (1909) nach Nauheim zurückkam. war sie
noch mehr gebessert, nachdem das Antiskierosin mit Pausen
während des größten Teiles des Winters genommen worden
war. Verf. setzte diese Kombination fort, nämlich Bäder in N.
und Antiskierosin sowohl während des dortigen Aufenthalts,
als auch nachher zu Hause. F. sah die Patientin etwa drei
Monate nach ihrem letzten Weggang von hier in ihrer Heimat
wieder. Sie war jetzt imstande, täglich Spaziergänge von etwa
einer Stunde ohne Mühe zu machen. Der Schlaf war gut, die
Kopfschmerzen waren verschwunden und sie erfreute sich über¬
haupt einer Art von Wiedererstarkung der Gesundheit.
2. Fall. Eine Dame von 65 Jahren kam im letzten
Sommer in Verf.’s Behandlung; sie litt an Arteriosklerose und
Herzerweiterung, welch letztere durch einen Influenzaanfall
verschlimmert worden war. Der Puls war beschleunigt, der
Blutdruck niedrig (80 mm Tonometer), infolge der Herz¬
schwäche. Patientin war unfähig, ohne Dyspnoe und Erschei¬
nungen von Herzschwäche zu gehen. Cerebrale Symptome
ähnlich denjenigen des 1. Falles waren auch' zugegen. Sie litt
an harnsauerer Diathese und an sehr schlechter Verdauung.
Die Behandlung bestand in Bädern und Antiskierosin von An¬
fang an. Als sie nach fünf Wochen abreiste, war sie bedeutend
gebessert; ihre Verdauung hatte sich sehr gehoben, ebenso
ihr Schlaf; die Kopfsymptome waren fast verschwunden. Sie
konnte jetzt kurze Spaziergänge ohne besondere Beschwerden
unternehmen; nur der Puls wurde beim Steigen noch be¬
schleunigt. Auch in diesem Fall war das allgemeine Gefühl
subjektiven Wohlbefindens eines der auffallendsten Zeichen
der Besserung, wobei die vorher niedergeschlagene Stimmung
bedeutend gehoben war.
3. Fall. Ein Herr im Alter von 59 Jahren litt im ver¬
gangenen Winter an hochgradiger Herzschwäche infolge fort¬
geschrittener Arteriosklerose. Er war Bergsteiger gewesen.
Ein hervorragender Arzt in seiner Heimat hatte seinen Zu¬
stand als hoffnungslos erklärt. Sein Hausarzt jedoch hatte die
Hoffnung nicht äufgegeben und hatte ihn durch Digitalis¬
darreichung und Ruhe wieder soweit hergestellt, daß er die
I Reise nach Nauheim im letzten Sommer unternehmen konnte.
No. 43.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
651
Sein Blutdruck war hoch (200 mm Tonometer), der Puls von
normaler Frequenz beim Liegen, für das Gefühl hart; das Herz
war etwas erweitert. Beim Gehen wurde der Puls sofort be¬
schleunigt. Verf. bekam Nachricht von ihm über drei Monate
nach seiner Abreise. Er konnte jetzt täglich Spaziergänge
machen auf leicht ansteigenden Wegen von ziemlicher Länge
und fühlte sich im allgemeinen wohl.
Verfaser gibt Antiskierosin gewöhnlich in der folgen¬
den Weise: dreimal täglich werden zwei Tabletten,, gelöst in
% Glas Wasser, eine Stunde vor dem Essen genommen. Die
Tabletten lösen sich schwer und müssen eine oder zwei Stun¬
den zuvor in das Wasser gelegt werden. Verf. läßt es zuerst
den Patienten einen Monat lang oder sogar mehr hinterein¬
ander nehmen; danach läßt er eine Pause von 14 Tagen ein-
treten. Von da ab verordnet er, daß es je 14 Tage lang ge¬
nommen und 14 Tage lang ausgesetzt wird. Häufig verbindet
F. die Jodtherapie damit. Dann nimmt der Patient Anti-
sklerosin 14 Tage lang und Jod die nächsten 14 Tage, bis¬
weilen beides ein oder zwei Wochen lang aussetzend. N.
San -Rat Dr. J. Ruhemann (Berlin): Das Eisensajodin.
(Deutsche med. Wochenschr., 1910, No. 37.)
Das von M e r i n g in die Therapie eingeführte Sajodin ist
ohne Frage als ein therapeutischer Gewinn zu betrachten.
Seine Wirksamkeit bei Asthma, Arteriosklerose ist allgemein
anerkannt. Es gibt aber Zustände, wo neben der Jod¬
darreichung auch die Eisenmedikation von Wichtigkeit ist, ob¬
wohl heute noch immer nicht mit Sicherheit eine Erklärung
für die Wirksamkeit des Eisens erbracht ist. Trotzdem bedient
sich der Praktiker des Eisens, weil subjektiv eine Wirkung
eintritt.
ln dem von den Elberfelder und Höchster Farbwerken her-
gestellten Eisensajodin haben wir ein neues Jodeisenpräparat,
das beide Komponenten enthält und besser als die üblichen
Jodeisen-Verbindungen vertragen wird. Es kommt in Tabletten
ä 0,5 g in den Handel. Jede Tablette enthält 0,125 g Jod und
0,028 g Eisen, die als Bindemittel aromatisierte Kakaomasse
enthalten.
Das Eisensajodin kam in 60 Fällen zur Prüfung und zeigte
selbst bei protrahiertem Gebrauch keine Nebenwirkungen.
Weder ein Schwarzfärben der Zähne, wie es nach Darreichung
des offizinellen Sirupus ferri jodati eintritt, konnte konstatiert
werden, noch traten Reizungen der Magenschleimhaut auf.
Kinder erhielten dreimal täglich V 2 —1 Tablette, Erwachseile
kann man drei bis sechs Tabletten pro die reichen lassen.
Verfasser führt in seiner Publikation einige Fälle auf, die
die Toleranz und Wirksamkeit des Mittels charakterisieren.
Ein 17 jähriges skrofulös-anämisches Mädchen, das den Eisen¬
sirup nie gern und mit Appetitverlust genommen hatte, nahm
innerhalb zwei Monate im ganzen 230 Tabletten. Der vorher
mangelhafte Appetit steigerte sich in ausgezeichneter Weise,
Farbe und Aussehen besserten sich. Das Wesentliche des
Falles ist aber darin zu erblicken, daß Patientin in erster Linie
das Eisensajodin bekommen hatte, um einen apfelgroßen
Drüsentumor in der submaxillaren Gegend zu beseitigen. Nach
40 Tabletten war bereits ein Kleinerwerden des Tumors zu
konstatieren, der dann in zwei Monaten bis auf verschwindende
Reste wesentlich zurückging. Die Gewichtszunahme betrug
während dieser Zeit sechs Pfund.
Auch die weiter angeführten Fälle zeigen, daß das Indi¬
kationsgebiet des Eisensajodins die verschiedenartigsten mit
Anämie einhergehenden Aflektionen umfaßt.
Stabsarzt Dr. Ridder (Berlin): Beitrag zur Kenntnis des
Bronze - Diabetes. (Deutsche med. Wochenschr., 1910,
No. 36.)
Das Krankheitsbild des Bronze-Diabetes ist in Frankreich
mehr bekannt als in Deutschland; in der deutschen medizini¬
schen Literatur finden sich bis jetzt etwa zehn Fälle beschrie¬
ben. Wegen der Seltenheit der Ail'ektion teilt Verfasse]- einen
neuen lall mit, welcher in der zweiten medizinischen Klinik
der Charite zur Beobachtung kam. Es handelt sich um einen
38 jährigen Mann, der Iris zum Jahre 1906 gesund gewesen
war und den Beruf als Feuerw-ehrmann ausübte, bis er infolge
zweimaliger Rauchvergiftung dienstunfähig wurde. Es traten
dann geringe Oedeme an den Unterschenkeln und Pigmen¬
tierung an den distalen Teilen des Körpers auf. Im Jahre 1907
wurde bei dem Patienten ein Leberleiden konstatiert. Etwa
ein halbes Jahr später wurde in der Klinik eine derbe Leber-
intumeszenz, hypertrophische Lebercirrhose mit Hautpigmen¬
tierung festgestellt; damals bestand sicher kein Diabetes, keine
Glykosurie, keine Intoleranz gegen Zucker. Erst Ende 1909
trat eine schnelle Abnahme der Körperkräfte und rapide Ge¬
wichtsabnahme ein; ärztlicherseits wurde 6 pCt. Zucker kon¬
statiert. . Anfang April wurde der Patient, der kurz zuvor eine
linksseitige Otitis media durchgemacht hatte, wieder in die
Klinik aufgenommen, wo er schon am 17. April starb, nachdem
vorher noch eine doppelseitige eitrige Parotitis aufgetreten
war. Er bot in den letzten Monaten das klassische Bild des
„Diabete bronze“. Die Sektion bestätigte die Diagnose. Es
fand sich: Allgemeine Hämochromatose (Leber, Milz, Darm,
Pankreas, Speicheldrüse, Schilddrüse, Synovialis, Haut).
Ferner: eitrige Otitis media sinistra, doppelseitige eitrige Paro¬
titis, metastatische Abscesse in Nieren und Myokard; Tracheo¬
bronchitis, bronchopneumonische Herde im rechten Unter¬
lappen, Enteritis nodularis, verkalkte Mesenterialdrüsen. Rotes
Knochenmark; geringe Lebercirrhose. In der Milz Staphylo-
coccus aureus. Die Aetiologie der Erkrankung war im vor¬
liegenden Falle nicht aufzuklären; von Tuberkulose und Lues
war nichts nachzuweisen; auch Potus war nicht vorhanden.
Das Hauptmoment beim Bronze-Diabetes scheint die Leber¬
schädigung zu sein. R. L.
Dr. Fritz Fleischer (Berlin) und Dr. Kunimatsu Takeda: Ucber
den klinischen Wert der Pinoffsclien Lävuiose-Reaktion im
Urin. (Deutsche med. W’ochenschr., 1910, No. 36.)
Vor einigen Jahren hat P i n o f f eine einfache Methode
zum Nachweis der Lävulose angegeben. Mischt man 10 ccm
der zu untersuchenden Lösung mit 10 ccm 4proz. Ammonium¬
molybdänlösung und 0,2 ccm Eisessig, so färbt sich die
Mischung bei Anwesenheit von Lävulose nach Erhitzen im
Wasserbade auf 95°—98” innerhalb drei Minuten blau. Andere
Zuckerarten geben diese Reaktion innerhalb der angegebenen
Zeit nicht. Erforderlich ist, daß die zu untersuchende Lösung
frei von Mineralsäuren ist, weil die meisten Zuckerarten Molyb¬
dänlösungen blau färben, wenn sie mit einer Mineralsäure
versetzt sind. Das angegebene Mischungsverhältnis muß inne¬
gehalten und das zu untersuchende Quantum nicht zu groß ge-
genommen werden. Die Verfasser untersuchten an einem
größeren Material die Brauchbarkeit dieser Lävuloseprobe für
die Praxis und zwar zunächst am Urin von Leberkranken und
Diabetikern, ferner aber auch bei zahlreichen anderen Krank¬
heiten und bei Gesunden. Als Ergebnis dieser Untersuchungen
stellte sich heraus, daß die P i n o f f sehe Reaktion für den
Nachweis von Lävulose im Urin nur bedingt brauchbar ist. Vor
der S e 1 i wa n o f f sehen Reaktion besitzt sie den Vorzug
größerer Schärfe. Sie ist ebenso wenig wie die Seli-
w a n o f f sehe Reaktion eindeutig, da sie auch beobachtet wird,
ohne daß Lävulose im Urin vorhanden ist. Welche Substanzen
außer Lävulose einen positiven Ausfall der P i n o f f sehen
Reaktion veranlassen können, haben die Verfasser vorläufig
nicht ermittelt, es scheint sich um verschiedenartige Substan¬
zen flüchtiger oder leicht zerstörbarer Art zu handeln. Vorerst
wird man für den Lävulosenachweis im Urin an der Forde¬
rung festhalten müssen, daß erst der gleichsinnige Ausfall der
Reduktion, Polarisation, Gärung und der Pinoffsclien oder
S e 1 i w a n o f f sehen Reaktion für die Anwesenheit von Lävu¬
lose im Urin beweisend ist. R. L.
Peltesohn: Zur Kenntnis des Pes calcaneus trauinaticus.
(Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 92, H. 1.)
Aus der Literatur sind nur drei Fälle von Entstehung eines
Hackenfußes nach Verletzung der Achillessehne bezw. opera¬
tiver Durchschneidung derselben bekannt. P. beschreibt einen
vierten derartigen Fall, in welchem bei einem 11 1 2 jährigen
Knaben drei Jahre nach Zerschneidung der Achillessehne durch
Glasscherben ein typischer Hacken- und Hohlfuß entstanden
ist. Am ruhenden Fuß sieht man bei der Betrachtung von
hinten, daß die zu beiden Seiten der Achillessehne normaler¬
weise vorhandenen Gruben völlig verschwunden sind. Als
Ausdruck der vermehrten Fußwölbung besteht ein abnorm
hoher Spann. Der Gang ist hinkend, der Hacken tritt zuerst
auf, die Abwickelung des Fußes ist mangelhaft, der Gang im
ganzen ist unsicher. Auffallend ist die Form der Wade: die
lange, wenig prominente Achillessehne wird durch einen ganz
abnorm kurzen Muskelbauch des Gastrocnemius bewegt, wo¬
durch die Hinterseite des Unterschenkels den Eindruck eines
hochgradigen Muskelschwundes hervorruft. Diese abnorme
Kürze des Gastrocnemius hält P. für einen selbstregulatorischen
funktionellen Vorgang, für eine Folge der Plantarkontraktur,
in welcher sich hierbei der hintere Teil des Fußes befindet.
Was die Behandlung dieser Fußdeformität anlangt, so kann
man bei geringer funktioneller Störung sich abwartend ver¬
halten, da die verletzte Achillessehne durch Zwischenschaltung
von Narbengewebe allmählich ihre Kontinuität wieder erhält
und damit der Prozeß zum Stillstand kommt. In schweren
Fällen jedoch empfiehlt sich ein quantitatives Vorgehen, genau
wie bei Abreißung der Calcaneusapophyse. Dies operative
Verfahren wird im wesentlichen in einer Verkürzung der
Achillessehne und eventuell in Ueberpflanzung e'ines Teiles
der Peronaei auf dieselbe zu bestehen haben.
Dclormc: Die Hemmungsbänder des Schultergelenks und ihre
Bedeutung fiir die Schulterluxationen. (Archiv f. klin.
Chirurgie, Bd. 92,-H. 1.)
D. hat, um die von Kocher angegebene Methode der
Reposition der Schulterluxation in ihrer Wirkungsweise zu er-
(152
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 43.
klären, die Rolle des Bandapparates beim Zustandekommen
der Luxation und bei der Reposition an Leichen sorgfältig
untersucht. Bei der die Resorption nach Kocher einleitenden
Adduktion wird die Gegend des hinteren Randes des Tuber¬
culum ' majus fest gegen den unteren vorderen Pfannenrand
gepreßt und gibt so ein Hypomochlion ab, über welches bei der
Adduktion des Schaftes der Kopf nach außen gehebelt wird.
Grenze dieser Auswärtshebelung ist gegeben durch das sich
stärker anspannende Lig. gleno-hum. medium, welches dann
weiter infolge seiner maximalen Anspannung bei der nun fol¬
genden Auswärtsrotation mit seinem Ansatz am Tuberc. minus
einen kleinen Kreisbogen beschreibt und dadurch das Frei¬
werden des Tuberc. minus vom vorderen Rande des Proc. cora-
coideus einleitet. Die nun folgende Elevation nach vorn führt
zur Spannung des Schrägbandes, welches nun ein Widerlager
bildet, durch das der Kopf nach hinten gedrückt wird, so daß
ein Teil der Humerusgelenkfläche unter das Lig. gleno-hum.
med. und an die scapulare Gelenkfläche tritt. Durch diese
drei Bewegungen sind demnach schon die zwei wichtigsten
Verschiebungen des luxierten Kopfes, die nach innen und vorn,
zum großen Teil beseitigt. Bei der nun folgenden Einwärts¬
rotation gleitet der Kopf, zumal bei gleichzeitigem Längszug,
in die Pfanne. Die Kocher sehe Methode gelingt meist ohne
große Gewaltanwendung und häufig ohne Narkose.
W. Röpke: Die solitären Cysten der langen Röhrenknochen.
(Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 92, H. 1.)
An der Hand von zwei eigenen Beobachtungen und der
recht umfangreichen Literatur dieses vielumstrittenen Kapitels
sucht R. nachzuweisen, daß die solitären Knochencysten
nicht, wie vielfach angenommen wurde, das Produkt einer er¬
weichten Geschwulst, sondern das einer entzünd¬
lichen Knochenerkrankung darstellen, welche irgendeiner
äußeren Ursache, vielleicht der Einwirkung eines Infektions¬
erregers ihre Entstehung verdankt. Die Cysten bilden sich
innerhalb eines an Stelle des Markgewebes entstehenden
fibrösen Gewebes, wobei regressive und progressive Prozesse,
Bildung von osteoidem, chondroidem und Knochengew'ebe
nebeneinander herlaufen. R. nimmt an, daß viele als verflüssigte
Enchondrome und Sarkome beschriebene Knochencysten ledig¬
lich das Produkt einer fibrösen Ostitis darstellen. Die Thera¬
pie dieser Cystenbildungen ist eine möglichst konservative.
Inzision und Auskratzung genügt meist. Tritt infolge der
Ilarefaktion des Knochens durch die Cyste eine Spontanfraktur
ein, so kann mit der Heilung der Fraktur auch die Cyste zu¬
gleich spontan ausheilen.
F. Rosenbach: Das Röntgcncarcinoni und seine Entstehung.
(Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 92, H. 1.)
Den von Lindenborn bekannt gegebenen 17 Fällen
von Röntgencarcinom, von welchem bei kritischer Sichtung
mindestens 10 als unzweifelhaft anzusehen sind, fügt Rosen-
b a c h zwei weitere eigene Beobachtungen hinzu. Der erste
Fall betrifft einen seit drei Jahren in einer Röntgenfabrik
tätigen 29 jährigen Mann mit typischem Ulcus carcinomatosum,
welches sich auf der Basis eines vernarbten Röntgenulcus ent¬
wickelt hatte. Die mikroskopische Untersuchung des ex-
stirpierten Geschwürs stellte die Diagnose Cancroid zweifellos
fest. Der zweite Fall betrifft einen Lupuskranken, bei welchem
sich bereits vor Beginn der Röntgenära ein Carcinom entwickelt
hatte. Dies war 1884 radikal entfernt worden und Patient bis
1907 rezidivfrei geblieben. Nach dreijähriger Röntgenbestrah¬
lung entwickelte sich hinter dem Ohr ein rasch wachsendes
Carcinom. Die mikroskopische Untersuchung der exstirpierten
Geschwulst ergab ein Cancroid. Außerdem fanden sich noch
Lupusknötchen trotz der nach dem mikroskopischen Aussehen
vermuteten radikalen Heilung. Es bestätigt sich somit die
mehrfach gemachte Erfahrung, daß die Lupusheilung durch
Röntgenbehandlung meist nur eine scheinbare ist. R. empfiehlt
die Einschränkung der Röntgentherapie auf die dringendsten
Fälle. Insbesondere bei Lupus ist sie der Finsen- bezw. Quarz¬
lichtbehandlung in keiner Weise überlegen und setzt außerdem
der großen Gefahr des Carcinoms aus.
M. Hoftnann: Intrathoracische Luftfistel seltener Aetiologie und
ihre plastische Deckung durch einen Hautperiostknochen-
lappen. (Archiv, f. klin. Chir., Bd. 92, H. 1.)
Bei einer 34 jährigen Frau mit alter Lungenspitzeninfiltra¬
tion entstand eine Vereiterung der Lymphdrüsen am Halse
und im vorderen Mediastinum. Der retrosternale Absceß
arrodierte die Trachea in ihrem mediastinalen Teil, wodurch
eine Nekrose von zwei Trachealknorpeln und schließlich eine
intrathoracische Luftfistel entstand. Um die Fistel zugänglich
zu machen, mußte H. erst das Manubrium sternie resezieren.
Bei dieser Operation wurde zugleich aus der Haut und einem
Teil des Manubridum ein Hautperiostknochenlappen formiert,
welcher in einem zweiten Akt so in den 8X12 mm großen
Traehealdefekt eingesetzt w'urde, daß die Haut des Lappens
mit der Epidermisseite die Innenwand des Defektes aus¬
kleidete, während der Knochenlappen fest angedrückt fixiert
wurde. Der Verschluß der Fistel und die Wiedererlangung
der Sprache gelangen auf diese Weise fast vollkommen. Nur
bei Hustenstößen entwich aus einer haarfeinen Fistel etwas
Luft.
Esau: Ueher einen Fall von spontaner Ausschaltung einer
Dünndarmschlinge nebst Bemerkungen zur Frage des Ileus.
(Archiv f. klin. Chir., Bd. 92, H. 1.)
Der von E. beobachtete und operierte Fall bietet ein inter¬
essantes Beispiel dafür, was der Körper trotz ausschließlich
abwartender Behandlung auszuhalten vermag. Es handelte
sich um ein 25 jähriges Mädchen, welches im 11. oder
12. Lebensjahre innerhalb eines Jahres zwei schwere Erkran¬
kungen der Baucheingeweide durchgemacht hatte mit starken
Schmerzen, Fieber und längere Zeit anhaltendem Kot¬
erbrechen. Die Erkrankung verlief unter dem Bilde und der
Diagnose einer schweren Appendicitis. Drei Jahre später wurde
eine Resektion des linken Kniegelenkes wegen Tuberkulose
ausgeführt. Eine gewisse Auftreibung des Leibes hatte nach
Ablauf der Abdominalerkrankung immer schon bestanden, wurde
aber seit drei Jahren immer stärker. Gleichzeitig bemerkte das
Mädchen vermehrtes Kollern im' Leib, hatte Schmerzen, der
Stuhl war angehalten; die Kranke kam sehr herunter. Die
Operation ergab, daß eine spontane einseitige Dünndarmaus¬
schaltung mit Blindverschluß des einen Endes bestand. Nach
Resektion der 1,25 m langen Schlinge, welche in der Coecal-
gegend in ein unentwirrbares Darmkonvulut einmündete und
nach Einpflanzung einer Dünndarmschlinge - in das Colon
ascendens (Enteroanastomose) trat völlige Heilung ein.
E. nimmt an, daß die Patientin vor 10 Jahren eine Achsen¬
drehung des Darmes überstanden hat, welche zu einer spon¬
tanen Abschnürung des Darmes führte. Da nach derartigen
Vorgängen meist Kotinfektion und Peritonitis eintritt, werden
solche Fälle in der Regel erst auf dem Sektionstisch entdeckt.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. A. Wilke (Kiel): Subseröse Hämatome des Dünndarms
nach vielfachen Ascites-Punktionen. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 36.)
Auffällig ist, wie selten beim Gebrauch des Trokars bei
Ascites Anspießungen des Darmrohres zur Beobachtung ge¬
langen. Im allgemeinen scheint also der bewegliche Dünn¬
darm wegen der stets in seinem Lumen vorhandenen Gase
auf der Flüssigkeit oder in ihren oberen Schichten zu
schwimmen und so der Spitze des Trokars zu entgehen. Daß
aber doch Darmverletzungen Vorkommen können, beweist ein
von Verfasser vor kurzem erhobener Sektionsbefund. Es
handelte sich um die Leiche einer im Alter von 40 Jahren ver¬
storbenen Frau, welche infolge eines Herzleidens mehrere
Jahre vor ihrem Tode an hochgradigem Ascites gelitten hatte
und 33 mal punktiert worden war. Als Residuen der viel¬
fachen Punktionen fanden sich in der Haut des Bauches zahl¬
reiche weißliche Narben, auch mehrfache umschriebene Ver¬
wachsungen des großen Netzes mit der Serosa der vorderen
Wand. Ferner zeigte der ziemlich stark kontrahierte blasse
Dünndarm ungefähr in der Mitte des Jejunums zwei dunkel-
blau-braunrote, etwa 12 cm voneinander entfernte Gebilde,
die der Oberfläche des Darmrohrs, und zwar gegenüber seiner
Anheftungslinie an das Mesenterium, aufsaßen. Das eine etwa
pflaumengroße Gebilde saß mit breiter Basis der Darmwand
auf, das andere walzenförmige Gebilde war nur mit schmalem,
häutigem Stiel angeheftet. Beide Tumoren waren anscheinend
von Peritoneum überzogen. Es handelt sich nach Verfasser
um subseröse Hämatome, deren Entstehung man nach Ver¬
fasser folgendermaßen sich zu denken hat: Da das in der
Ascitesflüssigkeit schwimmende Hohlorgan der andrängenden
Trokarspitze auswich, kam es. zu keiner die Darmwand per¬
forierenden Verletzung, sondern nur zu einer solchen der
äußeren Schichten der Darinwand. Die dabei eintretende
Blutung war vorzugsweise eine subseröse, da die bei der An-
spießung erfolgte Dehiszenz der Serosa sich schloß und des¬
wegen eine Blutung in die freie Bauchhöhle nicht eintrat. In¬
folge der bestehenden Stauung des Darms fand nicht wie ge¬
wöhnlich eine Resorption des extravasierten Blutes statt, son¬
dern es setzte eine Organisation desselben mit weitgehender
Neubildung von Blutgefäßen ein. Die Blutung scheint dann
noch mehrere Male rezidiviert zu haben. R. L.
F. Ehler: Zur Kenntnis der retroperitonealen Dermoidcysten.
(Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 92, H. 1.)
E. berichtet über zwei Fälle von retroperitonealen Cysten.
Im ersten Fall handelt es sich um eine mannskopfgroße, am
Beckeneingang neben der Lendenwirbelsäule gelegene und mit
einer Dünndarmschlinge kommunizierende Cyste, welche wegen
Fiebers und Darmstenose operiert werden mußte. Die Exstir¬
pation war wegen der vielen Verwachsungen nicht mehr mög¬
lich, deshalb Einnähung und sekundäre Eröffnung der Cyste,
No. 43.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
653
welche teils Blut, teils nekrotische Massen enthielt. Wahr¬
scheinlich handelte es sich um eine carcinomatös degenerierte,
retroperitoneale Dermoidcyste, welche den Darm perforiert
hatte, so daß eine Kotfistel auftrat. Der Fall verlief letal.
Mikroskopische Untersuchung wurde nicht vorgenommen. Der
zweite Fall betrifft ein multiples Dermoid (vier Cysten),
welches retroperitoneal in der Gegend der linken Niere saß.
Die Aetiologie dieser Cysten ist noch nicht klargestellt, doch
ist es sicher, daß sie aus den Zellen des ektodermalen Keim¬
blattes hervorgehen; auch können Reste der W o 1 f f sehen bezw.
Müller sehen Körper Zurückbleiben und den Keim zu sekun¬
därer Geschwulst bezw. Cystenbildung liefern. Der Fall ist
noch forensisch dadurch von Interesse, als die Geschwulstbildung
klinisch nach einem Fußtritt gegen das linke Hypochondrium
begann. Drei Monate post trauma fand sich hier eine faust¬
große Geschwulst, welche nach % Jahren bereits die ganze
linke Bauchseite einnahm. Bei der Operation ließ sich die
vom vorderen Mesenterialblatt des Colon descendens und vom
Ureter bedeckte Cyste mit Mühe ausschälen; der großen Cyste
adhärierten noch drei kleinere Cysten. Es handelte sich um
unzweifelhafte Dermoide, wahrscheinlich infolge fötaler In¬
clusion schlummernder ektodermaler Keime, welche durch das
Trauma zur .Wucherung angereizt wurden. Der Fall wurde
geheilt. Adler (Berlin-Pankow).
Privatdozent Dr. J. Hofbauer (Königsberg i. Pr.): Schwanger¬
schaftstoxämie. (Deutsche med. Wochenschr., 1910,
No. 36.)
Verfasser resümiert seine eingehenden Darlegungen,
welche teils auf dem Stadium der Literatur, teils auf eigenen
experimentellen Untersuchungen basieren, in folgenden
Sätzen: Die Entwicklung des Fötus und seiner Hüllen übt
eine Rückwirkung auf den maternen Organismus, welche
unter bestimmten Bedingungen sich zu dem Bilde einer
schweren Autointoxikation steigert. Die Annahme, daß die
von der Placenta ausgehende Beeinflussung in dem Sinne er¬
folgt, daß Immunitätsreaktionen wie nach der Einfuhr blut¬
fremder Eiweißstoffe ablaufen, steht mit den Ergebnissen der
biologischen Untersuchungsmethoden in Widerspruch. Eine
Intoxikation dagegen, veranlaßt durch die der Placenta eigen¬
tümlichen Fermente, erscheint nach den vorliegenden Resul¬
taten wahrscheinlich. Beim Ablauf der normalen Gravidität
sind als Folge der fötalen Einflüsse degenerative Prozesse in
der Niere und der Leber nachzuweisen. Daneben treten hyper-
ulastische Vorgänge an den Drüsen mit innerer Sekretion auf.
Damit im Einklang stehen bestimmte Abnormitäten des Stoff¬
wechsels der Graviden. Als Paradigmen schwerer Graviditäts¬
toxämien sind die Eklampsie und das pernieiöse Erbrechen
anzusehen. Die ätiologische Klarstellung ihre Pathogenese
ist noch keine absolut eindeutige, die Kenntnis der histologi¬
schen und biochemischen Vorgänge dagegen hat wesentliche
Klärung gefunden.
Prof. Dr. P. Kroemer (Greifswald): Die Berechtigung der
Pubeotemie. (Deutsche med. Wochenschr., 1910, No. 36.)
Neuerdings ist die anfangs mit Enthusiasmus auf¬
genommene Pubeotomie etwas in Mißkredit geraten, man
schreibt ihr eine Mortalität von 4 pCt. zu, welche die des
klassischen Kaiserschnittes nahezu übersteigt. Insbesondere
hat das Interesse für den suprasymphysären Kaiserschnitt und
seine Modifikationen der Beckenspaltung sehr viel geeignete
Fälle entzogen; jedoch glaubt Verf., daß auch der Enthusias¬
mus für den extraperitonealen Kaiserschnitt sich bald abkühlen
wird. Nach seiner Ueberzeugung ist die Beckenspaltung,
innerhalb der gehörigen Grenzen angewandt, eine außer¬
ordentlich segensreiche Operation und verdient deswegen Ver¬
breitung, weil in einer gewissen Prozentzahl von Fällen der
Beckenschnitt dehnbar bleibt und sich im Falle einer wieder¬
holten Schwangerschaft das pubeotoinierte Becken unter der
neuen Geburt von selbst aufschließen und das Kind passieren
lassen kann. Die Mortalität von 4 pCt. für die Pubeotomie
ist viel zu hoch gegriffen, die unglücklichen Zufälle sind in
erster Linie auf fehlerhafte Indikation zurückzuführen. In¬
fektionsverdacht, Beckenveränderungen dritten Grades, infan¬
tile Genitalien, absterbende Kinder bilden die wesentlichsten
Kontraindikationen gegen die Operation, welche nicht bei
engem Becken unter 7,5 cm Conjugata vera ausgeführt werden
sollte. Auch die Technik der Operation muß so gestaltet wer¬
den, daß jeder, auch der Ungeübte, imstande ist, die Operation
ohne Nebenverletzungen auszuführen. Die Verletzungen
gehen in der Regel so vor sich, daß der Genitalring am unte¬
ren Schoßfugenrand in der Nähe des Knocheuspaltes quer ab¬
reißt und gelegentlich an diesen Querriß sich bei sehr großem
Mißverhältnis ein kleiner Längsriß anschließt. Man kann nach
Verfasser die Operation am ungefährlichsten gestalten, wenn
man dieses quere Abreißen der Weichteile von vornherein
durch einen kleinen Ablösungs- und Eröffnungsschnitt künst¬
lich herstellt. Löst man die Ligamenta pubovesicalia von
vornherein von der zu durchsägenden Knochenstelle ab, so
kann der Kuochenspalt sich erweitern, ohne die daselbst loka¬
lisierten Weichteile zu zersprengen. Verfasser geht so vor,
daß er seitlich im Sulcus interlabialis, den er mit Daumen und
Zeigefinger auseinanderspreizt, auf den imteren Rand des
Schambogens kräftig einschneidet und zwar oberhalb des
Crus clitoridis, wobei Klitoris und kleines Labium. stark abwärts
gedrängt werden. Man muß kräftig bis auf den Knochen
schneiden, die Weichteile abdrängen und mit einem Raspato-
rium vom Knochen abschieben, bis man mit dem Zeigefinger
hinter dem Schambogen aufwärts dringen und das gesamte
Schambein umfassen kann. Während nun der Finger Harn¬
röhre und Blase zur Seite schiebt, wird der B u m m sehe
Sägenführer um den Knochen herumgeleitet, oberhalb der
Schoßfuge ausgestochen und mit der Drahtsäge armiert. Nach
dem Durchsägen wird die Ablösungswunde am unteren Stich¬
kanal durch 1—2 Ligaturen geschlossen und die Spontangeburt
abgewartet. Droht die geringste Gefahr für das Kind, so be¬
endet Verfasser die Geburt meist durch Wendung und Ex¬
traktion am Fuß, weil dabei der Kopf schonender für Mutter
und Kind durch das Becken geleitet wird als mit der Zange.
Bei sieben in dieser Weise geleisteten Geburten erlebte Ver¬
fasser keine Nebenverletzung. Bei weiteren zehn, welche
Pfannenstiel in der Kieler Frauenklinik ausführte,
blieben gleichfalls Nebenverletzungen aus. Alle operierten
Frauen wurden mit lebendem Kind geheilt entlassen, nachdem
sie eine leichte Rekonvaleszenz durchgemacht hatten. R. L.
Dr. M. Scmon (Königsberg): Ueber Spätrezidive des Uterus
carcinoms. (Medizin. Klinik, 1910, No. 38.)
Die Beobachtung, daß nach Carcinomoperationen die
meisten Rezidive in relativ kurzer Zeit, manchmal schon nach
wenigen Monaten, am häufigsten jedenfalls innerhalb der ersten
zwei Jahre auftreten, halte nach dem Vorgänge von v. Vol le¬
in a n n und B i 11 r o t h zu dem Prinzip geführt, solche Patien¬
ten, die drei Jahre p. op. rezidivfrei geblieben waren, als
dauernd geheilt anzusehen. Diese Anschauung war eine so
allgemein feststehende, daß manche Autoren sogar, wenn
nach mehr als drei Jahren die Neubildung wieder auftrat,
diese nicht als eigentliches Rezidiv, sondern als eine erneute
primäre Erkrankung auffaßten. Es war daher allgemein üblich,
den Statistiken über Carcinomheilungen eine dreijährige Be¬
achtungsdauer zugrunde zu legen. Die Bestrebungen, für die
Aufstellung der Statistik zu Vergleichsszwecken einheitliche
Prinzipien zu gewinnen, führten allmählich zu immer genauerer
und sorgfältigerer Nachbeobachtung der operierten und nach
der Operation genesene Patienten. Vereinzelte Beobachtungen
von sogenannten Spätrezidiven, das heißt solchen, die später
als drei Jahre p. op. aufgetreten waren, lagen auch schon
früher vor. aber erst seitdem allen Statistiken eine genaue
Nachforschung nach allen Patienten zugrunde gelegt wurde,
mehrten sich die Beobachtungen, daß auch durchaus nicht
selten nach drei Jahren noch Rezidive auftraten. Für die ein¬
heitliche Aufstellung der Grundsätze für die Carcinomstatistik
auf gynäkologischem Gebiete verdanken wir Winter solche
Vorschläge, die allgemein von den Gynäkologen angenommen
wurden. Winter fordert eine fünfjährige Beobachtungszeit
als Grundlage der Dauerheilung. Fälle von Rezidiven in noch
späterer Zeit als nach fünf Jahren müssen wir schon als große
Seltenheit bezeichnen. Für sie können wir die Bezeichnung
..Spätrezidive“ sensu strictiori reservieren. Verfasser vor¬
liegender Arbeit hat in der letzten Zeit Gelegenheit gehabt,
zwei Fälle von Spätrezidiven von Uteruscarcinomen nach Total¬
exstirpationen des Uterus zu beobachten, die er genauer be¬
schreibt. Er kommt am Ende seiner Auseinandersetzungen zu
zwei praktischen Schlußfolgerungen: 1. daß wir Pat., bei denen
wir eine Carcinomoperation gemacht haben, auch nach fünf¬
jähriger Rezidivfreiheit noch nicht ganz aus der Beobachtung
entlassen dürfen. Die Bezeichnung „Spätrezidiv“ sollte für
diejenigen Rezidive reserviert bleiben, die fünf Jahre oder
später nach einer Radikaloperation auftreten; 2. daß be¬
ginnende Corpuscarcinome sich der Diagnose auch durch
Austastung und durch diagnostische Abrasio entziehen können,
wenn es sich um gleichzeitige Komplikation mit Myom han¬
delt. Da dieses Zusammentreffen von Myom und Carcinom
speziell für Corpuscarcinom mit submucösem Myom recht
häufig ist, so ist in solchen Fällen wohl an die Erschwerung
1 der Diagnose durch versteckten Sitz des Carcinoms zu denken.
Man steht dann vor der Alternative, entweder nur auf Grund
der klinischen Symptome sich zur Uterusexstirpation zu ent¬
schließen oder durch vorgängige Enukleation des oder der
Myome und dann nachfolgende Austastung und Abrasio mit
mikroskopischer Untersuchung die Diagnose sicherzustellen.
— Wegen der immerhin noch ziemlich großen Seltenheit von
Spätrezidiven erscheint es erwünscht, daß sowohl Chirurgen
wie Gynäkologen derartige Fälle bekannt geben oder ihnen
in den Statistiken eine gesonderte Stellung einräumen. K r.
654
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 43.
Dr. Felix Davidsohn, Arzt für Lichtbehandlung in Berlin:
Röntgenstrahlen und Zahnheilkunde, (Bert. klin. Wochen¬
schrift, 1910, No. 34.)
Es gibt kaum ein Gebiet zahnärztlicher Diagnostik, das
nicht durch die Röntgenographie wesentlich gefördert worden
ist. Jede veränderte Lage oder Form der Zähne, jede Sub¬
stanzveränderung und jeder Substanzverlust, sowie jeder
Fremdkörper im Zahn lassen sich deutlich auf der photogra¬
phischen Schicht fixieren. Was zunächst die Lageverände¬
rungen der Zähne betrifft, so sind es weniger die Anomalien
ganzer Zahnreihen (Prognathismus usw.), die ja stets leicht zu
erkennen sind, als die Lageanomalien einzelner Zähne, die
uns das Röntgenverfahren feststellen hilft. Hier ist es be¬
sonders die Heterotopie, wo der Zahn sich an einer Körper¬
stelle außerhalb des Zahnbogens entwickelt, in der Highmors¬
höhle oder als Inhalt in Cysten. Hierher gehört die Reten¬
tion von Zähnen, d. h. das Zurückbleiben der Zähne im Kiefer,
so daß sie zu der für sie bestimmten Durchbruchszeit noch
nicht erschienen sind. Hier war die Diagnose früher meistens
unsicher und zahlreiche Probeinzisionen wurden vorgenom¬
men, während eine Röntgenaufnahme sofort die Diagnose
sichert. Diese retinierten Zähne bedingen oft die allerheftig¬
sten, weit ausstrahlenden Schmerzen und erfordern dringend
die Operation. Endlich sind noch die Anomalien der Form
einzelner Zähne zu erwähnen, bogenförmige, korkenzieher-
artige Wurzeln, rückwärts hakenförmig verankerte Zahn¬
wurzeln, überzählige Wurzelzacken als eventuelle Extraktions¬
hindernisse, die röntgenologisch darstellbar sind; erwähnens¬
wert sind ferner Exostosen, d. h. Ablagerung von Knochen
oder Zement auf Wurzeln, wodurch dieselben knollig verdickt
werden, bedingt durch Entzündungsprozesse am Periost. Solche
Exostosen können besonders an Prämolar- und Molarzähnen
des Unterkiefers durch Druck auf den Nerven (Canalis in-
fraorbitalis dicht unter den Wurzeln) schwere Prosopalgien
erzeugen. Die Darstellung isolierter Wurzeln, deren Krone
abgebrochen und die von Schleimhaut überwachsen, ist ein
häufiges Postulat der Röntgendiagnostik. Ein weiteres Dar¬
stellungsgebiet sind die Caries und ihre Folgezustände, die Pul¬
pitis und Periostitis. Ferner ist jede Erkrankung des Kiefer¬
knochens, sowie jede Fistelbildung röntgenologisch darstellbar
(Fisteln eventuell nach Wismutinjektion oder mit eingelegten
Sonden). Natürlich sind auch Zahnfrakturen (Vorderzähne)
oder Kieferfrakturen (Hinterzähne) häufig festzustellen. End¬
lich ist noch die Atrophia alveolaris praecox zu erwähnen, die
Alveolarschwund, Zahnlockerung und meistens Gingivitis auf¬
weist. Von Fremdkörpern in den Zähnen sind Füllungen nach¬
weisbar. Zum Schluß erörtert Verfasser noch kurz die Tech¬
nik der Zahnröntgenaufnahmen. Kr.
Oberstabsarzt z. D. Dr. R. Bassenge (Berlin) und Oberstabsarzt
Dr. Selander (Stockholm): Ueber die desinfizierende
Wirkung einiger gebräuchlicher Zahnpasten. (Deutsche
med. Wochenschr., 1910, No. 36.)
Die Verfasser untersuchten die keimtötende Kraft einige]'
viel angewendeten Zahnpasten. Von den verschiedenen Prä¬
paraten wurden mittels sterilisierten Leitungswassers lOproz.
Suspensionen hergestellt und auf 30—35° im Wasserbade er¬
wärmt. Diese Aufschwemmungen wurden mit je 1 ccm einer
24 ständigen Bouillonkultur von Typhus- und Diphtherie-
bacillen und Streptokokken versetzt. Nach bestimmten
Einwirkungszeiten wurden Proben der Aufschwemmungen in
bereitgehaltene Bouillonröhrchen eingesät, diese auf 24 Stun¬
den einem Brutschrank von 37° C. übergeben und dann fest¬
gestellt, ob Wachstum eingetreten oder nicht. Untersucht wur¬
den von inländischen Zahnpasten folgende: Pebeco-
Zahnpasta, Zeo-Pasta, Stomatol- Zahncreme, Givasan, Kosmo-
dont-Zahncreme, Perhydrol-Zahnpasta, Kolodont-Zähncreme,
Bergmanns Zahnpasta, Rosodont, Hydrozon-Zahnpasta. Aus der
mitgeteilten Tabelle ergibt sich, daß die Zahnpasten Stoma¬
tol und Rosodont die sicherste keimtötende Wirkung ent¬
falteten; diese beiden Präparate töten sämtliche geprüften
Mikroorganismen schon nach einer Einwirkung von 30 Sekun¬
den. Ziemlich sicher und schnell wirkt noch die Zeo-Pasta;
in drittel' Reihe folgen Pebeco, Kalodont und Kosmodont. Die
Perhydrol-Zahnpasta erwies sich als völlig unwirksam, während |
das Perhydrol in Form von Mundwasser nach früheren Unter¬
suchungen von Bassenge eine hervorragende antibakte- j
rielle Kraft entfaltet. Zahnpasten sollten nach Ansicht der
Verfasser nur in Tuben in den Handel gebracht werden, weil
sie nur so vor bakteriellen Verunreinigungen geschützt sind.
R. L.
Georg Bessau: Untersuchungen über den Gehalt der Nahrungs¬
mittel an Purinkörpern. Aus der med. Universitäts-Poli¬
klinik in Breslau. (Dissertation, Breslau 1909.)
Von den animalischen Nahrungsmitteln enthalten die
Drüsen bekanntlich erheblich mehr Purinstickstoff als das
Muskelfleisch. Den höchsten Wert weist die Thymus auf,
einen auffallend geringen Wert zeigt dagegen das Gehirn,
dessen Zellenreichtum auch wesentlich hinter dem anderer
Organe zurückstehen dürfte. Das Muskelfleisch der verschie¬
denen Tierarten schwankt in seinem Purinbasengehalt nicht
erheblich; insbesondere läßt sich beim Vergleich der roten
und weißen Fleischsorten kein durchgreifender Unterschied
erkennen. Die Wurstsorten lieferten mit Ausnahme der Leber¬
wurst niedrige Werte, Blutwurst erwies sich als völlig purin-
frei. In die Bouillon geht ungefähr die Hälfte der im Muskel¬
fleisch (Rind) vorhandenen Purinbasen über. Das Fleisch der
Fische zeigt einen recht differenten, im allgemeinen ziemlich
hohen Purinkörpergehalt im Vergleich zu anderem Fleisch.
Von großem Einfluß scheint hier die Spezies zu sein. Die ge¬
wonnenen Zahlen lassen schließen, daß, je kleiner die Spezies,
um so größer der Purinbasengehalt. So zeigen Sardellen und
Sprotten gegenüber größeren Fischsorten auffallend hohe
Werte. Die besonders hohen Zahlen bei Anchovis und Oel-
sardinen dürften nicht allein in diesem Grund, sondern auch
darin ihre Erklärung finden, daß hier nicht das abpräparierte
Muskelfleisch zur Analyse gelangte, sondern der ganze Fisch,
wie er gewöhnlich genossen wird. Eier und Kaviar sind purin-
frei. Ebenso erwies sich auch die Milch als purinfrei und dem¬
entsprechend auch die meisten Käsesorten. Der Puringehalt
einzelner Käsesorten muß wohl durch die beim .Ablagern der
Käse entstehenden Gärungs- und Fäulnisvorgänge erklärt wer¬
den. Die Untersuchung der pflanzlichen Nahrungsmittel hat
ergeben, daß der Mehrzahl nur ein ganz geringer Basengehalt
zukommt, daß aber doch einige häufig genossene Vegetabilien
eine nicht zu vernachlässigende Menge an Purinkörpern ent¬
halten. Obenan in dieser Reihe stehen die Hülsenfrüchte
(Linsen, frische Schoten, Erbsen und Bohnen), dann kommen
Spinat, Rapunzeln, Kohlrabi und einige Pilzsorten. Die übrigen
Gemüsearten zeigen nur geringe Werte. Minimale Spuren
enthält die Kartoffel, gänzlich purinfrei sind ausschließlich die
verschiedenen Obstsorten und Nüsse. Die Getreide- und Brot¬
sorten sind purinfrei, nur in Pumpernickel fand Verfasser ge¬
ringe Mengen. Rotwein und Rum wurden purinfrei gefunden,
dagegen fanden sich im Bier geringe Mengen Purinkörper. F.
Privatdozent Dr. P. Fraenckel und cand. med. Hochstetter
(Berlin): Zur Erstiekungsleukocytose. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 36.)
Nach den von den Verfassern mitgeteilten Untersuchungen
kommt es beim Kaninchen unter dem Einfluß einer kürzeren
oder längeren Erstickung in der Regel zu einer anfänglichen
Lymphocytose, die an das Auftreten von Krämpfen oder hefti¬
gen Muskelbewegungen geknüpft ist und fehlt, wenn letztere
fehlen. Diese Lymphcytose ist eine mechanische Erscheinung,
bedingt durch das Auspressen von Lymphbahnen infolge der
Muskelzusammenziehungen. Woher diese Einschwemmung
von Lymphocyten stammt, ist bisher nicht mit Sicherheit anzu¬
geben. Die Verfasser vermuten, daß aus irgendwelchen
Reservedepots eine abnorm große Menge Zellen in den Kreis¬
lauf gelangt und daß sie infolge des Bestrebens aller Blut¬
bestandteile, die mittlere Konzentration zu halten, nach dem
Aufhören der störenden Ursache in den Filtern der Blutbahn
(Milz, Knochenmark) wieder zurückgehalten werden. Nach
dem Stadium, in dem die Lymphocytenzahl rasch abnimmt,
zum Teil auch schon währenddessen, stellt sich eine mehr
oder w'eniger starke, nach einigen Stunden wieder abklingende
Vermehrung der Polynukleären ein, die nicht nachweisbar ab¬
hängig ist von der anfänglichen Lymphocytose. Beim Kanin¬
chen finden sich keine histologischen Anhaltspunkte für einen
Uebergang der Lymphocyten in Polynukleäre, Die Poly-
nukleose erscheint eher als eine Reaktion des Knochenmarks
auf die bei der Erstickung entstehenden toxischen Stoffe.
II. L.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.—24. September 1910.
Referent Herr L. Borchardt (Königsberg).
(Fortsetzung.)
2. Allgemeine Sitzung.
Freitag, den 23. September 1910.
Vorsitzender: Herr Wien (Würzburg).
Herr v. Monakow (Zürich): Lokalisation der Gehirnfunk¬
tionen.
Der Vortragende unterzieht den heutigen Stand der Frage
nach der Lokalisation im Gehirn einer kritischen Betrachtung
und wendet sich namentlich gegen die heute sowohl klinisch
wie physiologisch übliche Betrachtungsweise, wonach höhere,
selbst psychische Funktionen, psychologische Begriffe, die aus
der Selbstbetrachtung stammen, ohne Zergliederung in ihre
physiologischen Bestandteile in umschriebenen Rindenpartien
Nb. 43.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
655
untergebracht werden. Er stellt die Forderung auf, daß, ehe
man an die Frage nach der Oertlichkeit geht, zunächst fest¬
gestellt werden müsse, was überhaupt zu lokalisieren sei und
was nicht. Es ist nicht angängig, aus den Symptomen, die nach
örtlicher Läsion des Gehirns auftreten, zu schließen, daß alle
Funktionen, die gestört erscheinen, eben in dieser Hirnpartie
und nur in dieser lokalisiert werden. Die Lokalisation der
Symptome darf nicht mit der Funktion verwechselt werden.
Bei jeder örtlichen Läsion des Gehirns (sowohl im Tierexperi¬
ment wie am Krankenbett) lassen sich im Prinzip zwei Arten
von Symptomen feststellen: 1. Die residuären, die auf den Aus¬
fall der zerstörten Partie zurückzuführen sind. Sie sind mehr
oder weniger elementarer Natur und betreffen namentlich auch
die Reflexe. Für eine bestimmte Partie sind sie konstant. 2. Die
temporären. Diese sind je nach Art der Läsion, je nachdem
die Läsion ein gesundes oder krankes Gehirn getroffen hat,
verschieden. Sie sind im Prinzip nicht dauernd, gehen meist
wieder völlig zurück, allerdings in verschieden langer Zeit. Wie
diese Störungen aufzufassen sind, die sich nach Ansicht des
Vortragenden nicht aus der Oertlichkeit erklären lassen, wie
namentlich ihr Zurückgehen aufzufassen ist, darüber sind die
Ansichten noch geteilt. Der Vortragende verwirft die heute
noch vielfach angenommene Ansicht, wonach die Wiederkehr
der Funktionen auf ein vikariierendes Eintreten anderer Par¬
tien für das zerstörte Zentrum, in dem Sinne, daß andere Par¬
tien (kontralaterale Seite) zu ihrer Aufgabe noch die der zer¬
störten Partie übernehmen, zurückgeführt wird. Nach ihm ist
die Wiederkehr der initial gestörten Funktion auf den Rückgang
der Diaschisis zurückzuführen. Unter Diaschisis versteht er
eine Art Shock, im Prinzip ähnlich den anderen Shockarten
(Shock der Chirurgen, apoplektischer Insult), von denen sie
sich nur unterscheidet durch die Art und Weise der Auslösung
(Ausfall eines natürlichen Reizes), ferner dadurch, daß sie in
ganz besonderem Maße elektiv ist, bei ihrer Ausbreitung faser¬
anatomischen Prinzipien folgt. Wenn aus einem über den
ganzen Kortex und auch die subkortikalen Partien ausgespann¬
ten Erregungsbogen, der aus einer großen Zahl teils synchron,
teils nacheinander in Funktion tretender Glieder besteht, eines
der Glieder durch örtliche Läsion zerstört wird, so können da¬
durch die übrigen Glieder, auch wenn sie anatomisch nicht ge¬
stört sind, in ihrer Funktion gehemmt werden, und dies um
so mehr, wenn die Läsion ein Gehirn trifft, das durch patho¬
logische Prozesse, mangelhafte Ernährung(Gefäßerkrankungen)
geschwächt ist. Unter solchen Umständen kann die Diaschisis
sich nur mangelhaft zurückbilden, ja dauernd bestehen bleiben, i
im Prinzip (das lehrt das Tierexperiment, chirurgische Ein¬
griffe etc.) ist sie aber eine vorübergehende Erscheinung. Die
anatomisch nicht gestörten Glieder des Erregungsbogens
nehmen ihre Tätigkeit wieder auf, lernen auf die Mitwirkung
jenes einen gestörten Gliedes verzichten, wodurch allerdings
im Ablauf der Funktion gewisse Störungen resultieren, Störun¬
gen, die eben durch die residuären Symptome repräsentiert
werden. Wollen wir die Aufgabe einer bestimmten Hirnpartie
kennen lernen, so müssen wir die residuären Symptome
studieren, für eine rationelle Lokalisation der Funktion aber
ist das Studium der Diaschisis, ihres Auftretens und ihres Rück¬
gangs, unerläßlich. Bei der Lokalisation von Funktionen muß
namentlich in Berücksichtigung gezogen, werden, wie verschie¬
den die einzelnen nervösen Leistungen nach Art und Aufbau
sind und wie wenig wir noch imstande sind, kombinierte
nervöse Funktionen nach physiologischen Faktoren zu zer¬
gliedern und zu gruppieren. Auch die einfacheren nervösen
Leistungen lassen sich nur komponentenweise und nicht nach |
einheitlichem Prinzip lokalisieren. Um den komplizierten
Aufbau der Funktionen verstehen zu können, müssen wir die
phylogenetische und ontogenetische Entwicklung des Zentral¬
nervensystems unter Berücksichtigung der einzelnen Funktio¬
nen der einzelnen Systeme heranziehen. Die einfachste Form
eines Zentralnervensystems wird (Mollusken) repräsentiert
durch das Gangliensystem; an dieses reiht sich auf nächst
höherer Stufe das Metamerensystem, dann das Mittelhirnsystem
und schließlich das Großhirnsystem, wobei das nächst
höhere System sich immer aus dem vorhergehenden
herausdifferenziert (u. zw. geschieht das in der Richtung nach
dem Frontalende). Parallel mit dieser Entwicklung geht der
feinere Ausbau der Körperorgane, der Muskeln, die Differen¬
zierung der Sinnesorgane, die Entwicklung von Extremitäten,
das Auftreten von immer komplizierteren, individuell zu ver¬
wendenden, auf ein Ziel gerichteten Bewegungen, der Einfluß
individueller Erfahrung (durch anamnestische Eindrücke auf das
Handeln). Bei den Bewegungen und Perzeptionen der höheren
Tiere sind alleSysteine gemeinsam, aber in verschiedener Weise
beteiligt, dabei aber übernimmt das kortikale System nicht nur
die Führung, sondern es teilt sich mit den phylogenetisch älte¬
ren Partien auch in relativ elementare Leistungen, allerdings
in dem Sinne, daß es die spezialisierteren, später erworbenen
Komponenten übernimmt. Bei der Lokomotion z. B. liefert das
Metamerensystem die Basis des Ganges in Gestalt der aufein¬
anderfolgenden Bewegungen mit den Beinen, das Kleinhirn¬
system die Faktoren für die unbewußte Aufrechterhaltung des
Körpergleichgewichtes und die zeitliche Regulation, das Mittel¬
hirnsystem hält den Zusammenhang zwischen den einzelnen
Metameren aufrecht und das Großhirn schließlich übernimmt
den Antrieb, die räumliche Orientierung in bezug auf die Gang¬
richtung, dann die feinere Anpassung der Füße an die Terrain¬
verhältnisse und verleiht dem Gange noch den seelischen Aus¬
druck. Bei allen Realisationen muß ferner, und das ist bisher
in zu geringem Maße geschehen, das zeitliche Moment, d. h. das
„Hintereinander“ neben dem räumlichen „Ueber- und Neben¬
einander“ in weitgehender Weise in Berücksichtigung gezogen
werden; je höher entwickelt, je komplizierter die Leistungen,
desto mehr tritt das örtliche hinter dem zeitlichen Moment zu¬
rück. Jede Funktion setzt sich aus synchron und sukzessive
auftretenden Einzelleistungen zusammen, ln liuienförmig um¬
schriebenen Hirnpartien lassen sich nur synchron auftretende
Leistungen lokalisieren (Foki der Rinde), die Wechselwirkung,
das Ablösen einer Leistung durch die andere, kurz das zeit¬
liche Hintereinander läßt sich selbstverständlich nicht lokali¬
sieren. Je höher die Gesamtleistung, desto mehr tritt das zeit¬
liche Moment in den Vordergrund und bei den höchsten, den
psychischen Funktionen läßt sich die Oertlichkeit bei dem ab¬
normen Ueberwiegen der Zeitlichkeit und unter Berücksichti¬
gung des Momentes, daß fortgesetzt die nämlichen Neuronen,
wenn auch stets in anderer Kombination und Gruppierung be¬
nutzt werden, nicht mehr identifizieren.
Herr Planck (Berlin): Die Stellung der neueren Physik zur
mechanischen Naturanschauung.
Diejenige Naturanschauung, die bisher der Physik die
wichtigsten Dienste geleistet hat, ist unstreitig die mechanische.
Ihren kräftigsten Impuls erfuhr sie durch die glänzende Ent¬
wicklung der kinetischen Atomistik, die für das Verständnis
vieler Erscheinungen, wie z. B. der sog. Brownsehen Mole¬
kularbewegungen oder radioaktiven Vorgänge unentbehrlich
geworden ist. Aber andererseits gibt es gerade unter den am
ällergenauesten erforschten physikalischen Vorgängen noch
eine große Gruppe, welche der Durchführung der mechanischen
Naturänschauung einen, wie es scheint, unüberwindlichen
Widerstand entgegengesetzt hat. Es sind diejenigen Vorgänge,
zu deren mechanischer Erklärung die Hypothese eines mate¬
riellen Lichtäthers notwendig ist. Die Fragen nach der Kon¬
stitution des Lichtäthers, nach seiner Dichtigkeit, seinen elasti¬
schen Eigenschaften, nach den longitudinalen Aetherwellen,
nach der Geschwindigkeit der Erdatmosphäre relativ zum
Aether, haben jahrzehntelang Experimentatoren und Theo¬
retiker aufs intensivste beschäftigt, aber bis jetzt ohne jeden
positiven Erfolg. Angesichts dieser schwierigen Sachlage ist
der Gedanke gewiß nicht unberechtigt, ob man nicht besser
täte, das Problem des Lichtäthers einmal von einer ganz ande¬
ren Seite anzugreifen und sich die Frage vorzulegen, welche
Konsequenzen für die Physik entstehen würden, wenn die Be¬
mühungen, an dem Lichtäther irgendwelche stoffliche Eigen¬
schaften zu entdecken, gar keinen physikalischen Sinn hätten,
wenn also das Licht sich, ohne überhaupt an einem materiellen
Träger zu haften, durch den Raum fortpflanzt. Damit wäre
allerdings die mechanische Naturanschauung ihrer universellen
Bedeutung beraubt. Auf dem geschilderten Gedanken beruht
das Prinzip der Relativität. Dasselbe führt allerdings zu einer
sehr tiefgreifenden, man kann geradezu sagen revolutionären
Konsequenz hinsichtlich der Auffassung des Begriffes der Zeit,
indem nämlich eine Zeitangabe immer erst dann einen physika¬
lischen Sinn erhält, wenn der Geschwindigkeitszustand des Be¬
obachters, für den sie gelten soll, in Rücksicht gezogen wird.
Diese Folgerung des Relativitätsprinzips, nach welcher einer
Zeitgröße ebenso wie einer Geschwindigkeitsgröße nur eine
relative Bedeutung zukommt, klingt für das gewöhnliche An¬
schauungsvermögen im ersten Augenblick ganz ungeheuerlich,
ja geradezu unannehmbar, aber vielleicht doch nicht unan¬
nehmbarer, als vor 500 Jahren die Behauptung geklungen haben
mag, daß die Richtung, welche wir die vertikale nennen, keine
absolut konstante ist, sondern binnen 24 Stunden im Raume
einen Kegel beschreibt. Der Maßstab für die Beurteilung einer
neuen Theorie liegt nicht in ihrer Anschaulichkeit, sondern in
ihrer Leistungsfähigkeit, und in dieser Beziehung scheint das
Prinzip der Relativität, so jung es ist, doch schon zu reichen
Hoffnungen zu berechtigen. Unter den Pionieren auf dem
neuen Terrain ist zuerst H. A. Lorentz zu nennen, welcher
den Begriff der relativen Zeit gefunden und in die Elektro¬
dynamik eingeführt hat, ohne allerdings so radikale Folgerun¬
gen daran zu knüpfen, dann A. Einstein, welcher zuerst
die Kühnheit besaß, die Relativität aller Zeitangaben als uni¬
verselles Postulat zu proklamieren, und der der Wissenschaft
zu früh entrissene H. Minkowski, dem der Nachweis
gelang, daß die Lehre von der relativen Bedeutung jeder Ge¬
schwindigkeit nur eine Ergänzung ist zu der Lehre von der
Relativität jeder räumlichen Richtung. Danach besitzt die
unseren Beobachtungen zugängliche physikalische Welt vier
vollkommen gleichberechtigte und vertauschbare Dimensionen.
Drei von ihnen nennen wir den Raum, die vierte die Zeit. Die
656
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 43.
entgültige Entscheidung über die physikalische Zulässigkeit
dieser Anschauungen kann aber nur das Experiment erbringen.
Wie dieselbe nun auch ausfallen möge: ob sich das Prinzip der
Relativität bewährt oder ob es aufgegeben werden muß, ob
wir wirklich an der Schwelle einer ganz neuen Naturanschauung
stehen, oder ob auch dieser Vorstoß nicht aus dem Dunkel her¬
auszuführen vermag, — Klarheit muß unter allen Umständen
geschaffen werden, dafür ist kein Preis zu hoch. Denn auch
eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist,
bedeutet einen Schritt vorwärts, und die mit der Resignation
verbundenen Opfer würden reichlich aufgewogen werden durch
den Gewinn an Schätzen neuer Erkenntnis.
Medizinische Hauptgruppe.
Dienstag, den 2 0. September 1910.
Vorsitzender: Herr Sahli (Bern).
Herr Kraus (Berlin): Ueber funktionelle Herzdiagnostik.
Trotz der makroskopisch und mikroskopisch unterscheid¬
baren Veränderungen des Myokards, welche die Leichenunter-
suchüng liefert, wird uns eine Vereinigung der Herzwandaffek¬
tionen zu einer Krankheitsgruppe durch die Gleichartigkeit der
Symptome aufgenötigt. Die morphologisch konstatierbaren
Formen der Herzmuskelerkrankung lassen sich schon deshalb
schwierig auseinanderhalten, weil wir in der Praxis reinen
derartigen pathologischen Zuständen nur selten begegnen. Die
Fortschritte, die die gegenseitige Befruchtung von morphologi¬
schen und physiologischen Untersuchungen in jüngster Zeit
gezeitigt hat, liegen zunächst auf dem Gebiete der Lokalisa¬
tion der Veränderungen. Dagegen erwachsen der funktionellen
Diagnostik die Aufgaben, komplexe Symptomenbilder zu er¬
fassen, die Krankheit in ihrer Gesamtheit zu überblicken, den
Zusammenhang mit äußeren und inneren Ursachen aufzu¬
decken, die verschiedenen Stadien zu verfolgen. Diese für die
klinische Praxis notwendigen Angaben können nur durch mög¬
lichst systematische Untersuchung zunächst möglichst einfacher
Vorgänge unter Zuhilfenahme aller zu Gebote stehender Metho¬
den gefördert werden. Erst die Analyse elementarer Störungen
wird uns in die Lage setzen, die komplizierteren Aufgaben am
Krankenbett zu lösen. Wenn auch die älteren physikalischen
Methoden nicht grundsätzlich in den Hintergrund gestellt wer¬
den dürfen, so wird die funktionelle Diagnostik solche Daten,
die mit Hilfe objektiver Untersuchungsbehelfe gewonnen sind,
bevorzugen. Die Untersuchungsmethoden, um die es sich
dabei handelt, sind die indirekte Blutmengenbestimmung, vor
allem die von Zuntz-Plesch, die von funktionellen Ge¬
sichtspunkten ausgehende Röntgenuntersuchung; neben der
Orthodiagraphie die Berücksichtigung der Form der Herz¬
silhouette, ferner Ersatz der üblichen Röntgenorthographie
durch objektive Momentdistanzaufnahmen in Sys- und Diastole
während derselben Inspirationsphase (die einschlägigen kine-
matographischen Versuche sind bisher leider nicht geglückt);
das exakte Verfahren der graphischen Registrierung der Herz¬
töne uhd Geräusche von 0. W e i s s; die unblutige Blutdruck-
meSsung; die Herstellung eines idealen mechanischen Kardio¬
gramms; die kombinierte Sphygmo-Phlebographie; die Oeso-
phagographie von Minkowski und Rautenberg; die
Elektrokardiographie; die Bestimmung des Minutenvolumens
nach P1 e s c h; die Untersuchung der peripheren Blutverteilung
nach Weber u. a. Die Fragestellung muß stets davon aus¬
gehen, daß Herz- und Gefäßkrankheiten zusammengehören.
Die funktionell-diagnostische Fragestellung hat folgende
Störungen und Druckverhältnisse im Zirkulationssystem zu
unterscheiden: Blutmenge, Herzarbeit, Gefäßtätigkeit und dazu¬
gehörige chemische und nervöse Integratoren. Der Blutmengen¬
bestimmung sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Es ist schon jetzt wahrscheinlich, daß die normale Blutmenge
des Menschen nicht '/in, sondern Vi# des Körpergewichtes be¬
trägt. Die Angaben über relative Verringerung der Blutmenge bei
F ettleibigkeit, nach chronisch wiederkehrenden Blutungen, Ver¬
mehrung bei Chlorose, Nephritis ohne Oedeme verdienen volle
Beachtung. Del- Herzschlag entsteht durch die vier Teilerschei¬
nungen der Reaktionsfähigkeit des Herzens; Reizerzeugung, An¬
sprechfähigkeit, Reizleitungsvermögen und Kontraktilität. Das
Herz besitzt im Sinusgebiet ein rhythmisches Zentrum, den
Keithschen Sinusknoten. Versagt dieses, so springt ein
sekundäres Zentrum, der an der Atrioventrikulargrenze ge¬
legene Ta wa rasche Knoten dafür ein. Die normale Er¬
regungswelle im Herzen läuft vom Sinus zu den Arterien, Ven¬
trikel, Spitze, Ventrikelbasis. Die Blutdruckamplitude läßt nur
im Verein mit anderen Methoden einen Schluß auf das Herz¬
schlagvolumen zu. Die Bestimmung des Minutenvolumens
nach Pie sch gewährt Aufschluß über Strömungsgeschwindig¬
keit und Umlaufsdauer des Blutes, Schon jetzt hat auch die
klinische Forschung der. Herz-, Nieren- und Blutkrankheiten
Nutzen daraus gezogen. Das Minutenvolumen steht, wie sich
herausgestellt hat, in einer gewissen Beziehung zur Größe des
augenblicklichen Sauerstoffverbrauches im Gesamtorganismus.
Das Minulenvolumen ist daher auch bei Gesunden keine kon¬
stante Größe, sondern es zeigt Schwankungen; je nach dem Be¬
darf des Organismus. Es kann beim Gesunden durch an¬
gestrengte Muskelarbeit bis zum zehnfachen steigen. In patho¬
logischen Fällen steht das Minutenvolumen in umgekehrtem
Verhältnisse zur Sauerstoffkapazität des Blutes. Die Regula¬
tion der Blutverteilung wird durch die Lumenweite der kleinen
Arterien bewerkstelligt. Durch die Untersuchungen der Blut-
j Verteilung durch Weber ist gezeigt worden, daß bei Menschen
j in der Hypnose nach Suggestion lebhafter Bewegungsvor-
| Stellungen Blutdrucksteigerung eintritt, wobei die Blutfülle der
Extremitäten zu-, die der Bauchorgane abnimmt. Auch durch
die Bestimmung des Minutenvolumens kann man Daten für die
| Regulation der Blutverteilung erhalten. Die Kompensation um¬
faßt die Anpassung an pathologische Zustände und die Aus-
I gleichung derselben. Von den Hypodynamien sind die Allo-
dromien zu trennen, die auf Abweichungen der Reizausbreitung
J über das ganze Herz beruhen. Ihre Analyse bedient sich in
| erster Linie der Tonregistrierung, dann der kombinierten
Sphygmophlebographie, der Oesophagographie, der Elektro¬
kardiographie. Besonders die letztere Methode orientiert in
vorzüglicher Weise über die verschiedenen Allodromien.
Herr Neisser (Breslau): Ueber Syphilistherapie.
Drei große Entdeckungen bilden die Basis für die Syphilis-
I therapie: die Entdeckung der Spirochäten durch Schau dinn;
) die Entdeckung von Metschnikoff und Roux, daß die
Syphilis auf Affen übertragbar sei; die Einführung der
Wassermann sehen Reaktion. Das Tierexperiment sowie
die Serumreaktion gestatteten den Beweis, daß ohne Therapie
eine Ausheilung der Syphilis anscheinend nicht zustande
kommt. Sie gestatteten die Konstatierung der Tatsache, daß
es weder eine Immunität, noch eine künstliche Immunisierung,
noch eine Serumtherapie der Lues gibt. Daher die Notwendig¬
keit und Wichtigkeit der Chemotherapie. Die Spirochäten¬
entdeckung ermöglicht die Frühdiagnose, die Serumdiagnose die
Diagnose latenter Fälle. Ein direkter Gewinn besteht in der
Möglichkeit, die Wirkung bestimmter Heilmethoden zu kon¬
trollieren durch das Verhalten der Spirochäten in einzelnen
lokalen Prozessen, durch experimentelle Feststellung der
Heilung am infizierten Tier, durch die Serumdiagnose. Nach
den auf diese Weise gewonnenen Erfahrungen ist es prinzipiell
wichtig, die Behandlung so früh wie irgend möglich zu be¬
ginnen; ward keine volle Heilung erreicht, so muß man zur
Heilung von Rezidiven sehr viel größere Dosen des Medika¬
mentes geben. Für das Quecksilber wurde erwiesen, daß es
ein wirklich spirochätentötendes Mittel ist, für die Jodpräpa¬
rate, daß auch diesen eine, wenn auch sehr viel geringere
Heilwii'kung den Spirochäten gegenüber zukomme. Der wich¬
tigste Fortschritt wurde durch Einführung der organischen
Arsenpräparate erzielt, insbesondere durch den Ausbau der
Arsentherapie durch Ehrlich, der den prinzipiellen Unter¬
schied zwischen den fünfwertigen gesättigten und den drei¬
wertigen ungesättigten Arsenverbindungen erkannte und durch
Angliederung bestimmter chemischer Gruppen an das drei¬
wertige Arsen in zielbewußter Weise eine Chemotherapie
schuf. In jedem Falle muß die Behandlung so früh wie irgend
möglich in Angriff genommen werden; denn je eher dies ge¬
schieht, um so größer sind die Aussichten auf einen vollen Er¬
folg. Im Gegensatz zu seiner bisherigen Anschauung hält es
N. deshalb für notwendig, in bestimmten Fällen, wo viel darauf
ankommt, die Behandlung schon dann vorzunehmen, wenn die
Diagnose noch nicht sicher gestellt werden kann, da durch Ab¬
warten die kostbarste Zeit für die Behandlung verloren gehen
kann. Als geeignete Methoden für die präventivabortive. Be¬
handlung kommen in Betracht: die Desinfektion der An¬
steckungsstelle mit 33 pCt. Kalomelsalbe (Metschnikoff)
oder Sublimatsalbe (S i e b e r t); die Exzision des Initialherdes,
die allerdings wenig befriedigende Resultate ergeben hat: Ein¬
spritzung spirochätentötender Mittel in die Umgebung des In¬
fektionsherdes (Hallopeau); die sofortige Allgemeinbehand-
lung. Die Behandlung mit Ehrlichs 606 hat in jedem Falle
zu erfolgen. N. wiederholt die Injektion in jedem F'alle nach
5—6 Wochen und schiebt dazwischen eine Hg-Kur ein. Be¬
sonders wichtig ist 606 bei Hg-Idiosynkrasie, bei Fällen, die
anscheinend Hg-resistent geworden sind, bei maligner Lues
und allen Fällen, wo es auf eine rasche Einwirkung ankommt,
bei Leukoplacie, Paronychien etc., die der Hg-Behandlung
meist trotzen; ferner zur Verhütung familiärer Syphilis, zur
Sanierung der Prostitution. Redner schließt mit Worten der
Dankbarkeit und Bewunderung für Ehrlich, den er. als
Wohltäter der Menschheit feiert.
Auf Wunsch der Versammlung spricht Herr Ehrlich
(Frankfurt).
Es bedürfte vieler mühseliger Arbeit im Laboratorium, um
die Erfolge der heutigen Syphilistherapie zu erreichen. Aber
nicht minder mühselig war es, die Resultate dieser Forschung
in die Praxis überzuführen. Ich danke den Herren, die das
getan haben, vor allem den Herren Alt (Uchtspringe),
Iversen, Wechselmann, A. Neisser, Schreiber
u. v. a. Die Lösung einer bestimmten Aufgabe ist nur mög-
No. 43.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
657
lieh, wenn die Voraussetzungen ihrer wissenschaftlichen Durch-'
forschung gegeben sind. Die Hauptsache aber ist, daß die
Zeit reif ist zur Lösung einer bestimmten Aufgabe. Die
große Tat Jenners versagte zunächst, weil die Zeit nicht
reif dazu war. In dieser Beziehung möchte ich sagen, daß ich
Glück gehabt habe, weil ich in einer Periode kam, in der die
Saat reif war. Ich stehe auf den Schultern vieler anderer,
denen ich retrospektiv und prospektiv für ihre Mitarbeit meine r
Dank ausspreche.
Herr v. Wassermann (Berlin)Ueber den Einfluß- des
SpezifitätsbegriHes auf die moderne Medizin.
Jede medizinische Epoche hat eine Grundidee. In der ver¬
flossenen Epoche war es der Zellbegriff: in dieser beherrschte
die Zergliederung der Leiche die Medizin. Heute ist es die
Durchforschung des lebenden Organismus, die Biologie, die
im Gegensatz zu der therapeutisch so nihilistischen Zellular¬
pathologie eine eminent praktische Bedeutung hat. Der Grund¬
gedanke der gegenwärtigen Epoche ist die Spezifität.
Nach Koch wird jede Infektionskrankheit durch einen be¬
stimmten Erreger hervorgerufen; der Erreger kommt eben
nur bei der betreffenden Krankheit vor. Darauf baute sich
die Diagnostik der Infektionskrankheiten auf. Behring
konnte durch Injektion von Bakteriengiften beim Tiere Stoffe
erzeugen, die nur gegen das eine Gift spezifisch schützten, die
Antitoxine. Es zeigte sich ferner, daß diese Fähigkeit, spezi¬
fische Reaktionsprodukte zu bilden, sich auf alle möglichen
tier- und pflanzlichen Zellen, ja auch auf gelöste Eiweißsub¬
stanzen und nach neuesten Versuchen auch auf Lipoide sich
erstreckt. Daraus zog die Diagnostik Vorteile. Aus dem Vor¬
handensein dieser Stoffe konnte man den Rückschluß machen,
daß ihr Träger die Krankheit, für die der Stoff spezifisch ist,
in sich trage, so bei der Syphilis, der Echinokokkose u. a.
Die Spezifität einer Zelle oder Zellensubstanz besteht
darin, daß sie zu irgend einer Substanz eine andere chemische
Avidität hat, als alle übrigen Zellen des betreffenden Organis¬
mus; es handelt sich nur darum, diese Substanz zu finden.
So besitzt das Tetanusgift eine spezifische Affinität zum Zen¬
tralnervensystem, wie Vortragender durch Vermischung des
Giftes mit verschiedenen Organemulsionen und nachherige
Injektion in die für Tetanus hochempfindlichen Maus zeigen
konnte. Bedingung für die Wirkung eines Giftes ist die spezi¬
fische Verankerung. Corpora non agunt nisi fixata (Ehr-
1 ich).
Die Therapie sucht die Fixierung zu verhindern. In der
Krankheit wächst gewöhnlich die Avidität der Noxe zu den
Zellen: Ueberempfindlichkeit, deren Vorhandensein wir zu
diagnostischen Zwecken in der Pirquetreaktion benutzen. Das
therapeutische Ziel, können wir auf zwei Arten erreichen:
1. Können wir den ganzen Körper für den Erreger unempfind-
machen; wir können ferner auch nur die Eingangspforte des
Erregers gegen ihn abstumpfen, so den Darm gegen Botulismus¬
gift, wie auf der Abteilung des Vortragenden an Mäusen ge¬
schehen. die subkutan ihre alte Empfindlichkeit behielten,
während sie vom Darm aus gegen die mehrfach tötlichen
Dosen geschützt waren. Auf diesem Weg will Vortragender
jetzt Staphylokokken, Kolientzündungen, Impetigo contagiosa
angreifen, ein Verfahren, das sich einigen Aerzten bereits be¬
währt hat. Der zweite Weg der spezifischen Heilung setzt an
der Noxe an. Wir können sie durch Abtöten (Baktericidie)
oder durch Paralysieren ihrer Gifte (Antitoxine) unschädlich
machen. Bedingung ist eben nur die spezifische Avidität des
Heilmittels zu der Noxe, die größer sein muß wie zum Orga¬
nismus: das Mittel muß mehr parasitotrop wie organotrop sein.
Während wir bisher solche Mittel fast nur als Heilserum
durch den Tierkörper produzieren lassen konnten — die ein¬
zigen Ausnahmen waren wohl das malariaparasitenavide
Chinin und das Hg bei Lues — ist, es neuerdings Ehrlich
in Form der von ihm inaugurierten Chemotherapie gelungen,
spezifische Heilmittel in vitro herzustellen. Das imponierende
Kind dieser Bestrebungen ist das 606. Diese Chemotherapie
erlaubt uns die wirksamen Arzneibestandteile — so beim 606
das Arsenradikal — durch Kombination mit bestimmten Mitteln
beliebig in ein Organ oder auf einen Parasiten zu steuern wie
einen Wagen auf Gleisen. Tn der Tat konnten wir schon Seren
hersteilen, die einzig das Nieren- oder Lebergewebe je nach
unserem Willen beeinflußten (zytotoxische Sera). Diese Spezi¬
fität spielt auch bei physiologischen Vorgängen eine wichtige
Rolle. So hat das Spermatozoon eine Avidität zu den Lecithin¬
körpern des Eies. Dementsprechend konnte Vortragender
mit lecithinausflockendem syphilitischen Serum die Furchung
des Seeigeleies auslösen. Die Spezifitätsreaktionen sind nicht
vollkommen streng, sondern schließen Verwandtes zusammen.
So tritt die Wassermann sehe Reaktion nicht nur streng
spezifisch bei Lues auf, sondern ähnliche Reaktionen treten
bei Frambösie. Rekurrens, Malaria auf. Daraus folgt, daß
diese Krankheiten eine gewisse Beziehung zur Lues haben.
Und in der Tat hat sich gezeigt, daß diese durch die Wasser-
niannsehe Reaktion als zusammengehörig gekennzeichneten
Krankheiten auch therapeutisch einheitlich sind. Sie alle sind
durch 606 aufs erfolgreichste beeinflußt worden. Und da die
ganzen spezifischen Reaktionen nur immer bis zu einem ge¬
wissen Grade die Krankheitsgruppe anzeigen, werden wir auch
nie das mechanisch arbeitende Laboratorium an Stelle des
klinisch denkenden Arztes treten sehen.
Herr G. Michaelis (Berlin): Die Lehre von den Opsoninen
in ihrer Bedeutuug fiir die Praxis.
Vortr. bespricht die Bedeutung der phagocytosebefördern-
den Stoffe (Opsonine) im normalen Seruni für die natürliche
Immunität des menschlichen Organismus.
Die Wrightsche Vaccinetherapie, welche mit abgetöte¬
ten Bakterienemulsionen arbeitet, ist eine aktive Immuni¬
sierung; dieselbe bezweckt die subnormalen Abwehrstoffe des
Serums zur Norm oder über dieselbe hinaus zu erhöhen.
Von Wichtigkeit ist der von ihm eingeführte Begriff der
negativen Phase, innerhalb welcher keine neuen Injektionen
gemacht werden dürfen. Große Reaktionen sollen gleichfalls
vermieden werden, darum arbeitet man mit geringen Vaccine¬
mengen.
Aus den eigenen Erfahrungen, die Vortragender an einem
ziemlich umfangreichen Material gesammelt hat, schließt er
folgendermaßen:
Bei Staphylokokkenerkrankungen, bei gonorrhoischen
Komplikationen, bei Kolibacillosen ist die Vaccinetherapie
(aktive Immunisierung) durchaus indiziert.
Durch ihre alleinige Anwendung wurde in Fällen, die
gegen alle anderen Behandlungsmethoden refraktär blieben,
klinische Heilung erzielt. Vortragender fordert dringend, daß
die Vaccinetherapie in unseren Kliniken erprobt und so ein
integrierender Teil unserer Heilmethoden wird.
(Fortsetzung folgt.)
If[. Therapeutische Notizen.
Zur Behandlung des Typhus abdominalis. In den Lehr¬
büchern werden die. hydrotherapeutischen und die diätetischen
Maßregeln bei Typhus ausführlich angegeben, während die
medikamentöse Behandlung sehr kurz wegkommt. Ich kann
nun auf Grund meiner Erfahrungen folgende Kombination der
arzneilichen Behandlung sehr empfehlen.
Kommt man zu dem Typhuskranken schon in den ersten
Tagen seiner Erkrankung, dann kausale Behandlung mit
Jodkarbollösung:
Rp. Acid. carbolic. crystallis.
Tinct. jodi
Spiritus vini . . . . ää 0,5 g
Aqu. mentli. pip. . . . 100,00 „
Tinct. cort. aur . 4,00 „
Sir. Alth. 20,00 „
S. 1 stdl. 1 Eßlöffel (Kindern unter 10 Jahren 1 KaffoelölTell [Rothe.J
Diese Arznei gibt man (nachts wird sie ausgesetzt) so¬
lange fort, bis das Fieber nachläßt oder der Urin schwarzgrün
(Zeichen beginnender Karbolintoxikation) wird; in letzterem
Falle ist dann die Weiterbehandlung mit Jod allein bis zur
Apyrexie am Platze; nämlich:
Rp. Kal. jodat. . . . 1,0 g
Aqu. dest. . . . 5,0 „
Jod. pur.0.5 „
S. 2stdl. 5 Tropfen in einem Weinglas Wasser. ;Will obran lU
Kommt man aber erst Mitte der zweiten Woche der Er¬
krankung zum Typhuskranken, so ist nur noch symptoma¬
tische Behandlung möglich und man gibt:
Lactoplienin . . . 0,5 g
3—6mal tägh (Jaksch.)
je nach der Höhe des Fiebers, wodurch dann außer Herab¬
setzung des Fiebers und Beruhigung auch die Betäubung des
Kranken gehoben wird, so daß vor allem dessen Sensorium
vollständig frei wird und der Kranke sich subjektiv wohl fühlt,
somit der Eindruck einer schweren Erkrankung genommen isi.
Dr. S t r ö 11 (München).
Dr. Thomas I’ertik (Budapest) berichtet (Deutsche med.
Wochenschr., 1910, No. 36) über die Anwendung des Pantopon
bei Lungenkranken. Das Pantopon, welches von der
Firma Hoffmann-la Roche in Basel hergestellt wird,
besteht, wie schon früher mitgeteilt, aus den gesamten in lös¬
liche Form gebrachten Alkaloiden des Opiums. Es erwies
sich vor allem als ein sehr brauchbares hustenstillen¬
des Mittel. Wo die Codein- oder Heroinpulver den Hustenreiz
kaum milderten, entfalteten die Pantoponpulver eine prompte
Wirkung. Besonders gegen die Reizzustände bei Kehlkopf-
tuberkulose, sowie die konkomitierenden Bronchitiden der
Bronchitiker wurde es angewendet. In folgenden Formen
wurde es verabreicht:
658
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 48.
Rp. Pantopon
Stibii sulfur. aur. . . ää 0,80 g
Sacchari lactis .... 7,00 „
M. f. p. Divid. in doses aequal. No. 16.
S. 3 sfcündl. 1 Pulver.
und
Rp. Mixtur, olooso-gummos. . . . 100,00 g
Pantopon. 0,05 „
Sirup, emuls. . 20,00 „
MD.S. 2 stündl. 1 Eßlöffel.
Auch bei Hämoptoe waren die Erfolge gute, denen des
Morphins gleichwertige. Hier wurde das Pantopon in sub¬
kutaner Injektion angewendet, wobei entweder die von der
Fabrik in den Handel gebrachten sterilisierten Lösungen be¬
nutzt wurden oder die folgende Lösung:
Rp. Pantopon ..2,00 g
Aq. qestill. 78,00 „
Spirit, vini optimi.5,00 „
Glycerin, pur. neutr. . . . 15.00 „
von welcher eine Pravazspritze injiziert wurde. Empfindlichen
Kranken kann das Pantopon in Klysmen oder Suppositorien
verordnet werden. Gut wirkte das Mittel auch bei der im
Laufe der Lungentuberkulose auftretenden Dyspnoe, ferner be¬
währte es sich bei Gelegenheit als schmerzstillendes und anti-
diarrhoisches Mittel.
Ueber die Verwendung der Amidoazotoluolsalbe in der
Wundbehandlung berichtet (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 36) Dr. Willy Katz auf Grund der Erfahrungen in der
chirurgischen Abteilung des Augusta Victoria-Krankenhauses
in Schöneberg. Das Scharlachrot wird bekanntlich schon seit
einigen Jahren als epithelbildungbeförderndes Mittel in der
Wundbehandlung verwendet; jedoch ist seine Farbe, welche
die Verbandstoffe und Bettwäsche in unerwünschter Weise
färbt, ein Uebelstand. Dieser Nachteil wird bei Verwendung
des Amidoazotoluol vermieden, von welchem sich her¬
ausgestellt hat. daß es das wirksame Agens in Scharlachrot ist.
Es ist ein bräunliches, in Wasser unlösliches, in Alkohol,
Aether und fetten Oelen leicht lösliches Pulver. Was die
Wirkung des Amidoazotoluol auf granulierende Wunden an¬
langt, so scheint es in der Promptheit der Wirkung dem
Scharlachrot noch überlegen zu sein. Das Amidoazotoluol
wurde in Form einer 8proz. Salbe verwendet: und zwar
bei Wunden nach Inzisionen, Panaritien, Phlegmonen,
Abscessen, Bubonen ferner bei Laparotomie- und Amputa¬
tionswunden, die nicht per primam heilten, bei varicösen und
luetischen Unterschenkelseschwüren, Verbrennungen etc.' Vor¬
aussetzung für eine gute Wirkung der Salbe ist, daß die Granu¬
lationen vollkommen gereinigt sind, was in gleicher Weise
auch für die Scharlachsalbe gilt. Von Bedeutung ist ferner,
wie oft man den Verband wechselt; man tut in dieser Beziehung
gut. je nach der Größe der Wunde und der Wirkung der
Salbe zu wechseln. Bei kleinen Wunden, bis zu etwa Fünf¬
markstückgröße. kann man das kleine Salbenstück ohne jede
nachteilige Wirkung 2—3 Tage liegen lassen. Häufig ist dann
die Vernarbung schon so weit fortgeschritten, daß eine weitere
Salbenbehandlung sich erübrigt. Bei größeren Wunden muß
man häufiger wechseln. Es wird dann täglich verbunden, und
zwar abwechselnd mit Amidoazotoluolsalbe und mit einer in¬
differenten Salbe (Borsalbe etc.). Mitunter darf man die
Amidoazotoluolsalbe sogar nur einen Tag liegen lassen. Die
Wirkung ist dann so stark, daß die Granulationen übermäßig
wuchern. Man muß in diesen Fällen die Wunde energisch
mit dem Höllensteinstift ätzen und dann für 1—2 Tage Bor¬
salbe auflagern. Dies Vorgehen ist auch bei ganz großen
Epitheldefekten, z. B. solchen nach ausgedehnten Ver¬
brennungen. rationell. Die Ueberhäutung der Wunden geht
-unter der Amidoazotoluolbehandlung schneller vor sich, als
bei den anderen granulationsanregenden Mitteln. Bei Wunden,
die eine mehr oder weniger große Höhle darstellen, darf man
nicht zu früh mit der Salbenbehandlung beginnen, man muß
solange warten, bis die Granulationen annähernd das Niveau
der Haut erreicht haben. Was die Bereitung der Salbe an¬
langt, so empfiehlt Verfasser, das Amidoazotoluol in Olivenöl
zu lösen und so viel Vaselinum americanum hinzu zu geben,
daß eine 8 proz. Salbe resultiert. Die so hergestellte Salbe ist
absolut reizlos. Die Giftwirkung durch Resorption wurde nie¬
mals beobachtet. R. L.
IV. Bücherschan.
Traite chirurgical d’Urologie. Par Felix Lcgueu, Professeur
agrege ä la Faculte de Medicine de Paris. Mit 708, darunter
45 kolorierten Abbildungen. 1382 Seiten.
Auf das klassische Werk. mit dem.iyor kurzem
Albarran die medizinische Welt beschenkt hat, ist rasch
ein zweites gefolgt, welches, aus derselben Schule hervor¬
gegangen, nicht minder unsere Aufmerksamkeit beansprucht.
Dieses Werk faßt in großzügigem Maße die gesamte chirurgische
Urologie zusammen. Verfasser .ist in der Anordnung seines
Stoffes in ganz origineller Weise vorgegangen, indem er nicht
die einzelnen Organe des Urogenitalsystems einzeln behandelte,
ihre einzelnen Leiden und deren chirurgische Therapie
schilderte, sondern darzustellen suchte, wie die einzelnen
Krankheitsprozesse, welche das Urogenitalsystem befallen
(Tuberkulose, Stein, infektiöse, eitrige Prozesse), auf die ver¬
schiedenen das Urogenitalsystem zusammensetzenden Teile ein¬
wirken. Daß er mit dieser Disposition nicht alles in den Kreis
seiner Betrachtung einbeziehen konnte, dessen war sich Ver¬
fasser wohl bewußt. Um daher vollständig zu bleiben, mußte
er einzelne Erkrankungen, welche für gewisse Organe charak¬
teristisch sind, besonders beschreiben, wie z. B. die Blasen-
ektopie, die Bildungsfehler am Penis u. a. m. — Der Schilderung
dieses in neun Hauptabschnitten gegliederten Teiles geht vor¬
aus eine erschöpfende Darstellung der klinischen und techni¬
schen Exploration und Diagnostik, eine Uebersicht der
allgemeinen chirurgischen Therapie der Urogenitalorgane,
sowie eine Zusammenstellung seiner wichtigsten Krankheits¬
bilder. — Im einzelnen auf die Unsumme von Tatsachen,
welche sich in diesem Riesenwerke zusammeiigestellt finden,
einzugehen, verbietet leider der Raum. Nicht unerwähnt darf
bleiben, daß Verfasser mit großer Sorgfalt nicht allein die
französische, sondern auch die Literatur der anderen Nationen,
insbesondere auch diejenige Deutschlands, in seiner Darstellung
verwertet hat. — Die Darstellung ist in der Regel knapp
und präzise, häufig gleicht sie einem objektiven Sammel¬
referate, so daß das Werk auch für diejenigen Autoren, welche
sich über die Literatur bestimmter Themata informieren
wollen, als wichtiges Quellenwerk von Bedeutung sein dürfte.
— Deshalb bildet das Legueusche Werk eine willkommene
Ergänzung zu demjenigen seines Kollegen Albarran, in
welchem die eigenen Erfahrungen A.’s in erster Linie berück¬
sichtigt worden sind. Hauptsächlich wird das L e g u e u sehe
Buch die Spezialurologen, besonders diejenigen, welche sich mit
der operativen Urologie beschäftigen, interessieren. Aber auch
für jeden allgemeinen Chirurgen dürfte sein Studium von hohem
Nutzen sein. Wir können deshalb das vortreffliche Werk,
welches von der Begabung und dem Fleiße seines Autors ein
beredtes Zeugnis ablegt, auch den deutschen Kollegen aufs
wärmste empfehlen. L.
Die Psychoneurosen und ihre seelische Behandlung. Von Prof.
Paul Dubois. Uebersetzt von Dr. R in g i e r. 2. Auflage.
Bern 1910, A. Franke. 484 S.
Der Umstand, daß das Werk bereits nach relativ kurzer
Zeit zum zweiten Male aufgelegt werden mußte, zeugt unstreitig
dafür, daß Verfasser es verstanden hat, für seine Ideen in
weiteren Kreisen lebhaftes Interesse wachzurufen. Verfasser
legt in der Therapie der Psychoneurosen den Hauptnachdruck
auf die seelische Erziehung des Kranken. Durch Aufklärung
über das Wesen seines Leidens und Belehrung über den , Wert
der Selbstbeherrschung für die Linderung resp. die Beseitigung
der subjektiven Beschwerden, durch logische Ueberredung
(Persuasion) heilt D. seine neurasthenischen Kranken und be¬
dient sich somit einer Methode, die auf den ersten Blick das¬
selbe zu sein scheint wie die Suggestion, tatsächlich aber, wie
Verfasser überzeugend nachweist, gänzlich verschieden voh
ihr ist- Die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode wird
durch Besprechung einer großen Anzahl von Fällen der ver¬
schiedensten Formen von Psychoneurosen in lehrreich^
Weise demonstriert. Selbstverständlich beschränkt sich Ver¬
fasser nicht auf die Beeinflussung der Psychose allein, viel¬
mehr sucht er durch diätetische Maßnahmen die Wirichtig
seiner Methode zu erhöhen. Auch die zweite Auflage des
Werkes wird nicht zum mindesten vermöge der anziehenden
Form, in welcher die Schilderung der Methode sowohl wie der
einzelnen Krankheitsbilder abgefaßt ist, voraussichtlich schnell
vergriffen sein.
Bakteriologisch-chemisches Prakticum. Die wichtigsten bak¬
teriologischen. klinisch-chemischen und nahrungsmittel-
chemischen Untersuchungsmethoden für Anothekerl Chemi¬
ker, Aerzte und Studierende. Von Dr. .Toll. Preschcr (Clevel
und Victor Rahs (Röthenbach b. Lauft. Zweite völlig um¬
gearbeitete und erweiterte Auflage. Würzburg 1910, Curt
Kabitzsch (A. Stübers Verlag).
In dem vorliegenden Prakticum geben die Verfasser eine
Uebersicht über die wichtigsten Methoden der bakteriologisch¬
chemischen Untersuchung. Es existiert bekanntlich gerade
auf diesem Gebiete der zeitgenössischen Literatur eine große
Menge sowohl sehr ausführlicher Lehrbücher, als auch kurz
gefaßter Kompendien. Zwischen ihnen hält das vorliegende
Prakticum etwa die Mitte. Auf der einen Seite sich fernhaltend
von weitschweifigen kritischen Bemerkungen, andererseits aber
auch die durch allzu kurze Darstellung sich ergebende Unklar-
heit vermeidend, enthalten die Ausführungen in der klaren
Schilderung der einzelnen Untersuchungsmethoden eine zuver¬
lässige Hilfe für den Arzt, welcher nicht in der Lage ist. das
No. 43.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
659
Untersüchungsmaterial diagnostischen Instituten zur Unter-,
suchung anvertrauen zu können. Was den speziellen Inhalt
anlangt, so werden in dem ersten Kapitel die wichtigsten Tat¬
sachen der bakteriologischen Technik, im Anschluß hieran die
Untersuchung des Trippereiters, Auswurfs, Rachensekretes, der
Spirochaete pallida, der Exsudate, Transsudate und der Cere¬
brospinalflüssigkeit besprochen. Es schließt sich hieran die
Besprechung der wichtigsten Untersuchungsmethoden des
Wassers, Blutes, des Magen- und Darminhaltes, sowie des
Harns. Im Anschluß hieran werden die wichtigsten Tatsachen
der Nahrungsmittelchemie in relativ ausführlicher Darstellung
vorgeführt. Das Prakticum dient, worauf sein Titel hindeutet,
ausschließlich den Bedürfnissen der Praxis, und diesen Zweck
haben die Verfasser in überaus glücklicher Weise in ihrem
Werk erreicht. Wir können es deshalb den Kollegen aufs
wärmste zur Anschaffung empfehlen. H. L.
Ernährung und Nahrungsmittel, Von Oberstabsarzt Prof.
H. Bisehoff in Berlin. Leipzig 1910, G. J. Göschensche
Verlagsbuchhandlung. 118 S.
Verfasser gibt in diesem Kompendium eine kurzgehaltene
Darstellung von den physiologischen Bedingungen, unter denen
die Assimilation und Ausnutzung der verschiedenen Nahrungs¬
mittel erfolgt. Diese Darstellung der allgemeinen Ernährungs¬
physiologie bildet den ersten kleinen Abschnitt des Buches.
In dem zweiten wird eine Darstellung der wichtigsten animali¬
schen und vegetabilischen Nahrungsmittel sowie der Gewürze
gegeben. Jedoch beschränkt sich Verfasser nicht hierauf allein,
sondern schildert auch den Nachteil, der mit dem Genuß ein¬
zelner Nährstoffe gelegentlich verbunden ist, in kurzer und
klarer Weise. So wird bei der Milch auf die Gefahren von Zer¬
setzung und Fälschung, sowie auf die in ihr enthaltenen Bak¬
terien hingewiesen, die Bedeutung der verschiedenen im
Fleische enthaltenen Parasiten als Krankheitserreger disku¬
tiert u. a. m. Trotz der knappen Darstellungsweise ist das
Büchlein anregend geschrieben und enthält viel mehr beson¬
ders für den Praktiker wichtige Einzelheiten, als der geringe
Umfang erwarten läßt. Zur schnellen Orientierung für den
Praktiker ist es in hohem Maße geeignet und daher aufs
wärmste zu empfehlen. —n.
V. Tagesgeschichte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Bocholt. Eine Gerichtsentscheidung im Bochol¬
ter Krankenkassenkonflikt ist soeben ergangen. Die früheren
Kassenärzte, denen seinerzeit von einer Reihe von Kranken¬
kassen nicht direkt, sondern en bloc (d. h. durch Mitteilung
an den Aerzteverein) gekündigt worden war, hatten die Rechts¬
gültigkeit der Kündigung auf dem Klagewege angefochten, weil
sie an den Aerzteverein, nicht aber an die einzelnen Aerzte,
die eigentlichen Vertragschließenden, ergangen sei. Nachdem
zuerst das Landgericht zu Münster die Kündigung dennoch
für gültig erklärt hatte, hat jetzt das Oberlandesgericht
zu Hamm das Gegenteil entschieden. Demnach hätten bei den
beiden Ortskrankenkassen und zwei Betriebskrankenkassen,
die mehr als die Hälfte aller Versicherten in Bocholt umfassen,
die früheren Aerzte noch von dem 1. Januar 1910 an als Kassen¬
ärzte zu gelten und Anspruch auf Honorar.
Wien. Wie wenig Verständnis in den unteren Schichten
des Volkes für die Anforderungen der öffentlichen Gesund¬
heitspflege herrscht und wie sehr dadurch gewissenhaften
Aerzten die pflichtmäßige Ausübung ihres Berufs erschwert
werden kann, beweist folgender unglaubliche Fall von
Boykottierung eines Arztes, der in Oesterreich gerechtes
Aufsehen erregt hat: Der Gemeindearzt Dr. Franz von
R i e d a u hatte in gewissenhafter Erfüllung seiner Pflicht
an die zuständige Bezirkshauptmannschaft die Anzeige von
einem Typhusfall erstattet, dessen Vorhandensein-
auch noch durch die Erhebungen des Bezirksarztes festgestellt
wurde. Einer Anzahl von Gemeindeinsassen war die Anzeige
unangenehm, weil eine Einquartierung, von der sich die
Riedauer materielle Erfolge versprachen, abgesagt wurde.
Riedauer Lebensmittelhändler verweigerten daraufhin dem
pflichttreuen Arzte die Ausfolguhg von Lebensmitteln. Aber
noch mehr, mehrere Gemeindeaugehörige entblödeten sich
nicht, bei der Gemeindevorstehung auf Kündigung des
Arztes hinzuwirken, und die Gemeindevertretung
kündigte dem Arztetatsächlich. So soll ein pflicht¬
getreuer Arzt, welcher der Verbreitung einer ansteckenden
Krankheit vorbeugt und sich streng an die Vorschriften hält,
deren Nichtbefolgung ihn strafbar machen würde, für seine
Pflichterfüllung von den Bauern bestraft werden. Die Ge-
meindearztesstelle in R i e d a u ist vom Reichsver¬
band österreichischer Aerzteorganisationen gesperrt worden.
Universitätswesen, Personalnachrichten.
B e r 1 i n. Anläßlich der in der vorigen Woche mit großer
Feierlichkeit abgehaltenen Zentenarfeier der Universität hat
die medizinische Fakultät folgende Herren zu Ehrendoktoren
ernannt: den Professor der Philosophie an der Universität
Berlin Dr. Karl Stumpf, der sich als Psychologe
um die Erforschung der Sinnesphysiologie Verdienste
erworben hat, den ordentlichen Professor der Juris¬
prudenz Dr. Wilhelm Kahl, der mehrfach medi¬
zinische Rechtsfragen behandelt hat, den Professor der
klassischen Philologie Dr. H. H eiberg in Kopenhagen,
der sich als Editor antiker medizinischer Schriftsteller hervor¬
getan hat, ferner den Professor der Botanik Hugo de Vries
in Amsterdam, die Professoren der Chemie Dr. Eduard
Büchner (Breslau) und Th. Richards in Boston, den
früheren preußischen Finanzminister, jetzigen Oberpräsiden¬
ten der Rheinprovinz Frhr. von Rheinbaben, den Vize-
Oberzeremonienmeister v. d. Knesebeck, den Präsidenten
des Reichsversicherungsamtes Kauffmann. Lassen sich
bei den bisher Genannten vermöge ihres wissenschaftlichen
oder praktischenWirkens gewisse Beziehungen zu den medizini¬
schen Wissenschaften noch verhältnismäßig leicht konstruieren,
so bedarf es bei vier weiteren Persönlichkeiten, die ebenfalls
des medizinischen Ehrendoktorats teilhaftig geworden sind,
schon etwas schärferen Nachdenkens, um sich ihre Verdienste
um die Medizin klar zu machen. Es sind dies der
weltberühmte Mathematiker Henri Poincare in Paris,
Sohn eines Professors der Medizin an der Fakultät zu Nancy,
gegenwärtig Professor der theoretischen Astronomie an der
Sorbonne, der Dichter Wilhelm R a a b e , der Maler Hans
T h o m a und der Komponist MaxReger. — Seitens der philo¬
sophischen Fakultät zu Ehrendoktoren kreiert wurden von
Medizinern der Professor der Psychiatrie Dr. Theodor
Ziehen zu Berlin und der in den letzten Jahren mit Erfolg
als philosophischer Schriftsteller hervorgetretene Generalarzt
Prof. Dr. Kern.
— Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. D. v. Hanse m a n n
ist zum korrespondierenden Mitglied der italienischen Aka¬
demie der Wissenschaften in Turin gewählt worden.
— Der außerordentliche Professor der Dermatologie Geh.
Medizinalrat Dr. Besser ist zum ordentlichen Honorar¬
professor ernannt worden.
— Den Privatdozenten Dr. Fritz Frankenhäuser
(innere Medizin), Dr. Ulrich Friedemann (Hygiene) und
Dr. Egon Thomasczewski (Dermatologie) ist der Pro¬
fessortitel verliehen worden.
— Anläßlich der glücklichen Vollendung der zehnten ärzt¬
lichen Studienreise ist dem derzeitigen Vorstand des Komi¬
tees für ärztliche Studienreisen, den Herren
Generalsekretär Dr. Oliven, Oberstabsarzt a. D. Dr.
Bassenge und Dr. Kaminer der Professortitel verliehen
worden.
Elberfeld. Zum dirigierenden Arzt der Lungenheil¬
stätte Ronsdorf bei Elberfeld (der Landesversicherungsanstalt
Rheinprovinz gehörend) wurde Dr. Grau, bisher Assistent der
med. Klinik der Akademie zu Düsseldorf, ernannt.
F r a n k f u r t a. M. Dr. L. S. Marks, ein amerikanischer
Arzt, der seit mehreren Jahren als Assistent am Institut für
experimentelle Therapie tätig ist, ist zum wissenschaftlichen
Mitgliede des Instituts ernannt worden.
Leipzig. Der Privatdozent der inneren Medizin Dr.
med. Hans S t e i n e r t ist zum außerordentlichen Professor
ernannt worden. Er war bisher erster Assistent an der medi¬
zinischen Universitätsklinik.
Jena. Prof. Dr. Stock, seit kurzem Leiter der hiesigen
Universitätsklinik, hat für seine im 66. Bande des Archivs für
Ophthalmologie erschienene Arbeit über „Tuberkulose als
Aetiologie der chronischen Erkrankungen des Auges“ den
v. Welz sehen Graefe-Preis erhallen.
Karlsruhe. Prof. Dr. G i e r k e , der noch dem Lehr¬
körper der Universität Freiburg i. Br. angehört, aber hierher
als Vorsteher des mit dem städtischen Krankenhause ver¬
bundenen pathologisch-bakteriologischen Instituts übergesiedelt
ist, setzt seine Lehrtätigkeit an der hiesigen Technischen Hoch¬
schule fort, indem er Vorlesungen und praktische Kurse über
Bakteriologie gibt.
Straßburg. In der vorigen Woche starb hierselbst der
ordentliche Professor der Hygiene Dr. Joseph Förster.
1844 geboren, studierte er in Leipzig und München bis 1868
Medizin. Ein Schüler von Pettenkofer und Voit, habili¬
tierte er sich 1874 in München für Hygiene und erhielt 1877
die Professur dieses Faches an der dortigen Tierärztlichen
Hochschule. 1878 wurde er als Professor der Hygiene nach
Amsterdam berufen, von wo er 1896 nach Straßburg kam, um
hier die Direktion des damals neu geschaffenen hygienisch¬
bakteriologischen Universitäts-Instituts zu übernehmen.
Förster hat eine reiche Forschertätigkeit entwickelt, die sich
vorwiegend auf dem Gebiete der Ernährungshygiene bewegte.
Auch die Bakteriologie hat er mehrfach durch neue Erkennt-
660
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 43.
nisse bereichert; so wies er nach, daß eine Reihe von Mikroben
noch bei 0° nicht nur lebensfähig bleiben, sondern sich sogar
entwickeln und Zersetzungen hervorbringen können, ferner
zeigte er, daß die als „Meeresleuchten“ bekannten Phosphores¬
zenzerscheinungen anf der Lebenstätigkeit bestimmter Mikro¬
organismen beruhen. Förster gab mit mehreren seiner
engeren Fachkollegen das „Archiv für Hygiene“ heraus; sein
Wirken trug ihm an äußeren Anerkennungen die Mitgliedschaft
mehrerer Akademien, die Würde eines Doctor of Laws der
Universität Edinburgh und einen Sitz im deutschen Reichs¬
gesundheitsrat ein.
Kraka u. Dr. Thaddäus Kozniewski hat sich in
der medizinischen Fakultät für Pharmakognosie habilitiert.
Lemberg. Der ordentliche Professor der pathologischen
Anatomie Dr. Andreas 0 b r z u t ist im Alter von 55 Jahren
gestorben.
Budapest. Der bisherige Titularprofessor Dr. 0 n o d i
ist zum etatsmäßigen Extraordinarius für Laryngologie ernannt
worden.
— Dem Universitätsprofessor Dr. Belä Angyan wurde
in Anerkennung seiner auf dem Gebiete des Sanitätswesens
erworbenen Verdienste der erbliche Adel verliehen.
Koloszvär (Klausenburg). Die Aerztin Frl. Dr. Irene
Markbreiter, die seit mehreren Jahren an der hiesigen
Universitätsklinik als Assistentin tätig ist, hat sich auf Veran¬
lassung der medizinischen Fakultät als Privatdozentin habili¬
tiert und ist damit der erste weibliche Universitätsdozent in
Ungarn geworden.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Berlin. Das Internationale Komitee für das ärztliche
FortbildungsWesens hielt im Kaiserin Friedrich-Hause unter
dem Vorsitz des Geh. Med.-Rat Prof. Dr. W a 1 d e y e r am
Sonntag, den 9. Oktober eine Sitzung ab, in der außer Deutsch¬
land zehn Staaten durch besondere Delegierte vertreten waren.
Es waren u. a. erschienen für England der Präsident des |
ärztlichen Unterrichtswesens Sir Donald Mac-Al ister
(London); für Frankreich Prof. Dr. Courmont (Lyon)
und Dr. Blond el (Paris); für die Niederlande Prof.
Dr. Wenc.kebach (Groningen); für Norwegen Prof.
Dr. Johannessen (Christiania); für Schweden Med.-
Rat Dr. Wawrinsky (Stockholm); für Ungarn Ministe¬
rialrat Dr. von T o t h und Hofrat Prof. Dr. von Grosz
(Budapest). Aus dem preußischen Unterrichtsministerium
war Geh. Ober-Reg.-llat Tilmann anwesend. Die rege Be¬
teiligung des Auslandes zeigt, ein wie lebhaftes Interesse auch
dort für die einschlägigen Fragen des ärztlichen Bildungs- uiid
Fortbildungswesens besteht, die in der Sitzung des Internatio¬
nalen Komitees zur Erörterung gelangten. Nach einleitenden
Begrüßungsworten des Vorsitzenden erstattete der General¬
sekretär des Komitees Prof. Dr. R. K u t n e r einen Bericht
über die bisherigen Arbeiten und die nächsten Aufgaben der
Vereinigung. Es folgte die Beratung einer umfassenden
Sammelforschung betreffend den akademischen Unter¬
richt, die gesetzlichen Bestimmungen für die Examina, das
ärztliche Fortbildungswesen und das Lehrmittelwesen in den
einzelnen Kulturländern, und zwar mit Hilfe eines im Entwurf
vorliegenden Fragebogens, der die Billigung der Versamm¬
lung fand. Nach Abschluß der Sammelforschung und auf
Grundlage des hierdurch gewonnenen Materials, das von den
Mitgliedern des Internationalen Komitees in den einzelnen
Ländern bearbeitet wird, dürfte es zum ersten Male möglich
sein, ein wirklich lückenloses Bild von dem medizinischen
Unterrichts wesen in allen Staaten zu gewinnen; hieraus
wiederum dürften sich wichtige Folgerungen für etwaige
Reformen ergeben. Weiterhin w r urde die Organisation einer
internationalen Auskunftei des ärztlichen Unter¬
richts- und Fortbildungswesens, in Angliederung an die schon
im Kaiserin Friedrich-Hause bestehende deutsche ärztliche I
Auskunftei beschlossen; die Aufgabe der neuen Einrichtung
ist, jedem hiesigen und fremden Arzt über alle Angelegenheiten
des ärztlichen Unterrichtswesens, über Kurse, die Möglichkeit
zur weiteren Ausbildung usw. in allen Ländern jederzeit un¬
entgeltlich sachgemäß Auskunft erteilen zu können. Es ge¬
langten schließlich einige mehr fachwissenschaftliche Anträge
der französischen, ungarischen und amerikanischen Delegier¬
ten zur Erörterung. — Am Abend fand zu Ehren der fremden
Delegierten eine festliche Veranstaltung statt.
— Der 32. Balneologenkongreß wird Anfang März
1911 unter dem Vorsitz von Geh. Med.-Rat Professor Dr.
Brieger in Berlin tagen. Anmeldungen von Vorträgen und
Anträgen sind zu richten an den Generalsekretär der Baineolo¬
gischen Gesellschaft, Geh. San.-Rat Dr. Brock, Berlin,
Thömasiusstr. 24.
Leipzig. Die zehnte ordentliche Hauptversammlung
des Leipziger Verbandes findet hierseibst am 27. November
statt.
Gerichtliches.
Kassel. Die hiesige Strafkammer verurteilte den Kur¬
pfuscher G. wegen Beihilfe zum Verbrechen wider das
keimende Leben zu 2)4 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehr¬
verlust.
S t a 11 u p ö n e n. Wir berichteten kürzlich (No. 38, S. 535)
über einen Prozeß, in welchem Amtsgericht und Landgericht
einen Arzt, der eine Krankenkasse auf Zahlung von Gebühren
für Ausfüllung eines Krankenscheins verklagt hatte, mit
seiner Klage abwiesen. Die „Aerztl. Mitteilungen“ teilen
jetzt in No. 40 unter Bezugnahme auf jenen Fall einen ganz
analogen mit, der vor dem Amtsgericht in Stallupönen ver¬
handelt wurde und mit einem Siege des klagenden Kollegen
endete, dem für die Ausfertigung von zwei Krankenscheinen,
in deren erstem der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit des Pat.
attestiert wurde, während der zweite das Wiedervorhanden¬
sein der Arbeitsfähigkeit bescheinigte, das der Gebühren¬
ordnung entsprechende Honorar von 2X.2 = 4M. zugebilligt
wurde.
Verschiedenes.
Berlin. Zu der von uns in der vorigen Nummer nach
der „Pharmac. Ztg.“ gebrachten Mitteilung über das Verbot
von Methylalkohol bemerken wir — wieder im Anschluß an
unsere Quelle — berichtigend, daß der betreffende Erlaß nicht
in Oesterreich (wie irrtümlich in unserer Vorlage zu
lesen war), sondern in Rußland ergangen ist.
— Ernst v. Leyden ein Physiker. Zum Glück gibt es noch
immer Tagesschriftsteller, welche auch in schweren Zeit¬
läuften und bei ernsten Gelegenheiten — bisweilen aller¬
dings unfreiwillig — dem Humor zu seinem Rechte ver¬
helfen. So hat die „Tägl. Rundschau“ in No. 229
des Zentrumsblattes „Westdeutsche Volkszeitung“ folgende
Notiz entdeckt und durch ihre Wiedergabe dankenswerterweise
den „weitesten Kreisen“ zugänglich gemacht: „Berlin, 5. Ok¬
tober. Der Wirkliche Geheime Rat Prof. Dr. v. Leyden ist
heute hier gestorben, (v. Leyden ist besonders durch die
Erfindung der nach ihm benannten „Leydener Flasche“ in
weitesten Kreisen bekannt geworden. D. Red.)“ — Schade,
daß der Verstorbene diese verständnisvolle Würdigung seines
Wirkens nicht mehr erlebt hat!
— Der vor kurzem in Dortmund abgehaltene 4. Impfgegner¬
kongreß hatte an das Kaiserpaar die. Bitte gerichtet, das
Protektorat über den Impfgegnerverband übernehmen zu
wollen. Von der Kaiserin ist darauf folgendes Antworttele¬
gramm eingelaufen: „Ihre Majestät die Kaiserin und Königin
danken für das in dem Telegramm ausgesprochene Vertrauen,
bedauern jedoch das Protektorat über Ihren Verein nicht über¬
nehmen zu können. Graf Carmer.“ Eine immerhin noch
sehr gnädige Abfertigung!
Cö 1 n. An der Akademie für praktische Medi¬
zin findet vom 21.—26. November ein Kursus über Unfallheil¬
kunde statt. Die Vorträge, welche in dieser Woche gehalten
werden, beziehen sich ausschließlich auf die durch Unfälle her¬
vorgerufenen Erkrankungen und Verletzungen, die Begut¬
achtung derselben, sowie auf allgemeine wichtige Bestimmun¬
gen der Unfall- und Invalidenversicherung.
Paris, in der ersten Sitzung des in der vorigen Woche
hier abgehaltenen medizinischen Kongresses teilte
Dr. Doyen mit, er habe ein unfehlbares Heilmittel gegen
die Tuberkulose gefunden, nämlich ein Gemisch von Tuber¬
kulin, einem Arsen-Präparat, Hefe und Kolloid-Substanz. Die
Mitteilung wurde mit eisigem Schweigen aufgenommen.
Nach ihm berichtete Dr. Alexander Marin orek über
den gegenwärtigen Stand seiner Serum-Behandlung
der Tuberkulose, über die sich in der sich anschließen¬
den Diskussion mehrere Redner günstig aussprachen.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Bayern.
Gestorben: Med-.Rat Prof. Dr. M. H o f m a n n, Land.-
gerichtsarzt a. D. in München; Dr. Forstner in Holzheim.
Sachsen-Meiningen.
Niedergelassen: Hofrat Dr. Stifter in Bad Lieben¬
stein, Dr. Gehr m a n n in Saatfeld, Dr. Hofmann in
Steinach.
Verzogen: Dr. Lübbers von Steinach nach Leipzig, De.
Christoffers von Saatfeld nach Stade.
Schwarzburg-Rudolstadt.
Verzogen: Dr. Neudörfer von Neuhaus a. R.
Bremen.
Niedergelas.s e.n: Dr. H. C. L e y aus Saarbrücken in
| Bremen.
Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N., Friedriehstrasse 131 B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin
Verlag von Gsca - Coblentz. Expeditionsbureau: Berlin W. 30, Maassenstrasse 13. — Druck von Oarl Marschnor. Berlin SW., Alexanirinenstrasse 110.
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Inhalt des I. Teiles:
X. UeberdieSerodiagnostik und diesog. „biologischeTherapie“
der Syphilis und über die bisherigen Erfahrungen mit dem
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Charlottenburg-Berlin.
XI. Abriss der Symptomatologie und Therapie der am häufig¬
sten vorkommenden acuten Vergiftungen.
XII. Medicinischo Tabellen und sonstige fiir den Arzt wichtige
Zahlenangaben.
XIII. Untersuchung des Harns. i
XIV. Einiges aus der Technik der Blutuntersuchung.
XV. Bekanntmachung, betreffend den Erlass einer Gebühren¬
ordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte.
XVI. Gesetz betr. die Gebühren der Medicinalbeamten.
XVII. Verzeichnis der Krankheiten und Todesursachen.
XVIII. Bäder und Kurorte.
XIX. Post-Tarif. 'M
XX. Tafeln zur Sehprüfung. • . ■
XXI. Notizblätter für Adressen. 1
Mark. =====
Kalendertafel 1911.
I. Verzeichnis der gegenwärtig gebräuchlichen älteren und
neueren Arzneimittel.
II. Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
das Deutsche Reich.
III. Uebersicht der wichtigsten, in Form von subcutanen,
intramusculären und intravenösen Injectionen zur An¬
wendung kommenden Mittel.
IV. Zu vermeidende Arzneimisckungen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VI. Medicinische Bäder.
VII. Auszug aus der deutschen Arzneitaxe 1910.
Preise für Stoffmengen, Arbeiten und Gefässe.
1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
VIII. Anweisung zur sparsamen Arzneiverordnung mit Rück¬
sicht auf die Krankenkassenpraxis.
IX. Uebersicht der wichtigsten Nährpräparate.
===== Der Preis beträgt wiederum nur 2.
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untersagen zu müssen, weil dessen
Coffei'ngehalt vom Patienten nicht
vertragen wird, so wird er den
coffeinfreien ,,Kaffee Hag“ emp¬
fehlen, der in Geschmack und Aroma
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nicht zu unterscheiden ist und der
selbst schwer Herz- und Nerven¬
leidenden keine Nachteile bringt,
da dem „Kaffee Hag“ das Coffein
bis auf physiologisch unwirksame
Bestandteile entzogen ist. Der Arzt,
der dem Patienten den coffeinfreien
„Kaffee Hag“ empfiehlt, erweist
demselben eine Wohltat, er reicht
ihm das beliebte Genußmittel in
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hafter Form.
Jtt 6ÜOWS ■ leidenden keine Nachteile brinj
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Kalium gebunden an unterphosphorige Säure. ■ Bestandteile entzogen ist. Der Ar:
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(Tuberculose) der Atmungsorgane überhaupt sowie bei Anämie und ■ „Kaffee Hag“ empfiehlt, erwe;
Krankheiten des Nervensystems, besonders Neurasthenie, endlich in ’’ ,, v 5 . 7
Fällen von Rachitis nnd Scrophulosis bei Kindern. Seit Jahren in demselben eine v\ ohltat, er reic
den Berliner und Wiener Kliniken gebraucht, besonders von Herren ihm das beliebte Genußmittel
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Fernspreck-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
IV. Jahrgang Berlin. 29. Oktober 1910 No. 44
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie silmtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden filr die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wijd Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
I nhal tsübersich t.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen, v. Watraszewski:
Beobachtungen über die Wirkling des Dioxycliamicloarsenobenzol
bei Syphilisformen.
Gerber: Heber Lepra. — Koslow: Aether-acetonische
Kombination der Antiforminmethode. — Lissauer: Ueber das
Stauungsherz. — Rieb old: Ueber die Anwendung einiger
neuer bezw. weniger gebräuchlicher Medikamente bei der Be¬
handlung der chronischen Herzinsuffizienz. — Veiel: Ueber
Digipuratuin • Knoll. — Dünger: Eine einfache Methode der
Zählung der eosinophilen Leukocyten und der praktische Wert j
dieser Untersuchung. — Ehler: Ueber Kropfblutungen. — |
Riedel: Ueber Verlauf und Ausgang der Strumitis chronica. :
— Nonne: Kasuistisches zur Differentialdiagnose zwischen |
multipler Sklerose und Rückenmarkskompression. — Wert-
heimer-Raffalovich: Experimentelle Untersuchungen über;
die Pantoponwirkungen. — Pernice: Ueber Fremdkörper in !
der Speiseröhre. — Spischarny: Ueber die •Behandlung cler
Komplikationen des runden Magengeschwürs. — Payr: Er- j
iahrungen über Exzision und Resektion hei Magengeschwüren.
— Grafe: Ueber die Bedeutung der Oelsäure für die Diagnose
des Magencarcinoms. — Mendel: Zur Diagnose mul Therapie
des Ulcus duodeni. — Schiller: Behandlung mittels Hyperämie
bei Ambulanten. — Hesse: Ueber den chirurgischen Wert
der Antifermentbehandlung eitriger Prozesse. — Fischer: Eine
neue Therapie der Phlebitis. — Kuhn: Die Wiederbelebung
durch Ventilation der Luftwege per vias naturales.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 82. Ver¬
sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königsberg
in Pr. vom 18 - 24. September 1910. (Fortsetzung.)
III. Therapeutische Notizen, v. Herff: Weitere Erfahrungen
mit Sophol. — Meyer: Die Anwendung des Veronal und
Veronalnatrium auf Seereisen.
IV. Bücherschau. Scliittenhelm: Neuere Fortschritte der
Eiweißforschung. — Baumann: Die Zuckerharnruhr (Diabetes
mellitus) und ihre Behandlung. — Oldevig: Ein neues Gerät
und neue Uebungeu der schwedischen Heilgymnastik zur Be¬
handlung von Rückgrats-Verkrümmungen. — Liesegang:
Beiträge zu einer Kolloidchemie des Lebens
V. Tagesgeschichte. Universitätswesen, Personalnachrichten. —
Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gerichtliches. — Ver¬
schiedenes.
VI. Amtliche Mitteilungen. Bekanntmachungen. — Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Beobachtungen über die Wirkung des Dioxydi-
amidoarsenobenzol bei Syphilisformen.
Von
Dr. med. X. v. Watraszewski,
Vorstand des St. Lazarushospitals in Warschau.
Mit dem von Geheimrat Prot. Dr. Ehrlich mir zu |
wiederholten Malen gütigst. zur Disposition gestellten Präpa- j
rate, wofür ich ihm meinen verbindlichsten .Dank sage,
wurden von mir, und zwar ausschließlich im War¬
schauer St. Lazarus-Krankenhause, 30 Kranke, hauptsäch¬
lich Männer, einer entsprechenden Behandlung unterzogen,
die alle an ausgesprochenen Symptomen der Syphilis in
Verschiedenen Stadien derselben litten.
Die kurze Beobachtangsdauer der Patienten, die im
ganzen zirka anderthalb Monat betrug, erlaubt uns nur über
die Wirkung des Mittels auf die aktuellen Erscheinungen
der Krankheit, das Verhalten des Allgemeinbefindens, sowie
über die lokalen in Verbindung mit der Applikation des
(Medikamentes stehenden Erscheinungen entsprechende
Schlüsse zu ziehen. Ueber den spezifischen Wert der¬
selben dagegen in bezug auf den weiteren Verlauf der
Syphilis sowohl, wie über den Einfluß des Mittels auf das
Wesen der Krankheit resp. das Vermögen, eine radikale
Heilung derselben zu erwirken, können wir uns selbstver¬
ständlich p'oeh kein Urteil bilden, obwohl im allgemeinen
die höchst günstige, in keinem Falle ausgebliebene
rasche Beeinflussung der vorliegenden, Symptome, des
Allgemeinbefindens des Kranken, sowie der Wasser-
manischen Probe - in verhältnismäßig geringer Zeit -
uns auch in dieser Richtung günstige Aussichten Iris zu
einem gewissen Grade zu erwarten gestatten.
Ich halte es für überflüssig, die Geschichte eines jeden
einzelnen Falles hier wiederzugeben, da die Betrachtung ver¬
schiedener Gruppen von Krankheitsformen, bei denen das
Präparat in Anwendung kam, uns über den therapeutischen
Effekt, desselben genügenden Aufschluß bietet.
Es sei im voraus bemerkt, daß bei den zur Behandlung
mit „606“ bestimmten Kranken vor jeder Injektion eine
detaillierte ärztliche Untersuchung aller Körperorgane slatt-
fand, wobei den Zirkulation^-^ Harn und Sehorganen die
größte Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Patienten, hei
denen in dieser Richtung Anomalien zu konstatieren waren,
wurden eliminiert. Bei allen wurde das Blut der W a sser-
m a n nsch en Probe unterzogen, und nur die positiven
Fälle gewählt. Bei Primärgeschwüren wurde jedesmal
die Untersuchung auf Spirochäten gemacht., und ebenfalls
nur die positiven Fälle in Betracht gezogen, so daß nach
dieser Richtung die Diagnose in allen Fällen außer Zweifel
stand. Die Einzeldosis des Mittels betrug in leichteren Fällen
0,35, 0,40 bis 0,45, in schwereren dagegen 0,50 bis 0,60. Bei
Syphilis primaria gebrauchte ich, mit Hinblick auf die Mög¬
lichkeit, eine abortive Wirkung zu erzielen, ebenfalls höhere
Dosen ; so auch in Fällen von Lues recens maligna, hei denen
trotzdem in 2 Fällen eine zweite Injektion nötig erschien.
Es sei mir zunächst gestattet, über die Technik der
Zubereitung der Injekt.ionsflüssigkeit und die Form, in
welcher dieselbe bei unseren Kranken einvcrleibt wurde,
einige Worte vorauszuschickenl
Die manchmal recht unangenehmen allgemeinen, sowie
lokalen Reaktionserscheinungen in den Fällen, in denen zur
Verflüssigung des Mittels Methylalkohol nebst, anderen Zu¬
taten benutzt würde, veranlaßen mich, von diesen Präparaten
Abstand zu nehmen und mich bei Zubereitung des In-
jel^tionsmittels im großen und ganzen an die von \\ er li s e I
mann 1 ) .angegebene Vorschrift zu halten, die ich in Kürze
wiederzugeben mir gestatte:
Nachdem die Glaskapsel mittels einer scharfen Feile
angeschnitten und deren oberer Teil abgebrochen,
wird deren Inhalt in einen kleinen, tiefen, sterilisierten
Porzellanmörser geschüttet, und nach Zusatz von etwas
offizineller Natronlauge - gerade so viel, wie zur Lösung des
gegebenen Quantums nötig ist mit dem -Porzellanstöpsei
gehörig verrieben, wie gesagt, bis zur völligen Auflösung
des Mittels und Bildung einer klaren goldgelben Flüssigkeil.
Es werden alsdann 3 bis 5 Tropfen Eisessig hinzu¬
gefügt; bei weiterem Umrühren mit dem Stöpsel enl-
steht dann eine schwefelgelbe homogene Mischung von etwas
dicker Konsistenz, die mit Aq. dest.illata sterilisata unter
tropfenweiser Zugabe diluiert werden muß. Es wird nun
die Reaktion der Ftjissigkeit mit Lackmuspapier geprüft,
und je nachdem dibsülbe alkalisch oder sauer ausfällt,
'I Deutsche nieiU Wöcheiischr., 1‘JIO, No. SO.
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
wird solange entweder 1 proz. Natronlaugelösung resp. 1 proz.
Essigsäurelösung der Flüssigkeit zugesetzt, bis diese voll¬
ständig neutral reagiert. Die Neutralisierung muß recht
sorgfältig durchgeführt werden, weil neutrale Lösungen die
geringste lokale Reaktion an den injizierten Stellen hervor-
rufen. Nach sorgfältigem Umrühren wird die auf diese
'Weise zubereitete Flüssigkeit, im ganzen 8—10 ccm be¬
tragend, direkt aus dem Mörser in eine sterilisierte 10
bis 15 ccm fassende Recordspritze hineingezogen, die Luft¬
blasen aus derselben entfernt, und nachdem die Spritze
einige Male über einer Gas- oder Weingeistflamme bewegt
ist, um deren Inhalt auf Körpertemperatur zu erwärmen,
wird zur Injektion geschritten.
Die recht umfangreiche Anschwellung und nachträgliche
oft harte Infiltration der Glutäalgegend, nebst empfindlichen,
anhaltenden ischiasartigen Schmerzen und starker ■Beein¬
trächtigung des Gehvermögens bei Kranken, denen die In¬
jektionen in die Hinterbacke gemacht wurden, wovon
ich mich noch nach Ablauf von 2—3 Monaten bei einigen
Patienten überzeugen konnte, bewogen mich, dem
Vorschläge Wechselmanns folgend, die Einspritzung
unter die Haut des Rückens in die Gegend unter dem
Schulterblatte zu machen.
Nach Abwaschen und Desinfektion der Haut, Ab¬
reibung derselben mit Alkohol oder Aether und Ein¬
pinselung mit Jodtinktur, wird die entsprechend dicke und
lange Nadel, am besten Platinnadel, nach Erhebung der
Haut flach unter diese hineingestochen, und der Inhalt
dei' Spritze alsdann langsam entleert. Dabei empfiehlt es
sich, den vollen Inhalt derselben nicht an einer Stelle unter
der Haut zu deponieren, sondern danach zu trachten, daß
die Emulsion möglichst auf die Fläche verteilt werde. Zu
diesem Zwecke pflege ich 1 während des Injektionsaktes die
Nadel langsam zurückzuziehen und nach teilweiser Ent¬
leerung der Spritze .mit der Nadel wiederum in einer anderen
Richtung unter der Haut vorzugehen, wo dann die Spritze
vollständig entleert wird. Seitdem ich dieses Vorgehen be¬
folge, ist die lokale Reaktion und Infiltration bei den Kranken
entschieden bedeutend geringer.
Die Ergebnisse meiner Beobachtungen über die Wirkung,
des Milteis in therapeutischer Hinsicht Tassen sich folgender¬
maßen zusammenfassen:
1. In Fällen von Syphilis primaria:
a) bei bestehender exulcerierter Sklerose mit Leisten¬
drüsenschwellung erfolgte binnen wenigen Tagen
nach der Einspritzung eine Ueberhäutung nebst
deutlichen Einfluß auf die .Volumenverminderung
der Drüsen;
h) bei schon vernarbter Ulceration mit typischen
circumseripten einzelnen oder multiplen Indura¬
tionen, und ausgesprochener multipler Drüsen¬
schwellung war schon nach Ablauf von einigen
Tagen eine geringere Konsistenz sowie Umfangs¬
verminderung der Sklerose wahrzunehmen, womit
ein Rückgang der Adenopathie Hand in Hand ging.
Bei der Kürze der Beobachtungsdauer ist es unmöglich,
sich über die abortive Wirkung des Mittels in diesen Fällen
auszusprechen. In vier Fällen jedenfalls sind bis Ende der
10., in zwei Fällen in der 11. und 12. Woche nach der
Infektion noch keine Allgemeinerscheinungen zum Vorschein
gekommen. Die Fälle befinden sich unter weiterer Beob¬
achtung. In zwei Fällen, die ich zu allerletzt zu sehen Ge¬
legenheit hatte, da die Kranken seit langer Zeit das Kranken¬
haus verlassen hatten, und bei denen die Injektion vor 29
resp. 30 Tagen gemacht worden war, konnte von der äußerst
stark ausgeprägten Induration keine Spur mehr wahr¬
genommen werden. Auch waren die Drüsen zu ihrem nor¬
malen Volumen zurückgekehrt, während die Wasser¬
en annsche Reaktion bei einem der Kranken vollständig
negativ, bei dem anderen unbestimmt ausfiel, nachdem
sie — wie oben gesagt — überall vor der Behandlung
als positiv notiert war.
2. ln Fällen von Syphilis secundaria schwanden
maculöse Exantheme binnen wenigen Tagen, ebenso frische
Schleimhautpapeln, während luxuriereh.de breite Condylome
etwas längere Zeit dazu in Anspruch nahmen. An papu¬
lösen und papulo-squamösen Exanthemen sah man den
guten Einfluß sich ebenfalls manifestieren, indem die
Efflöreszenzen mit Hinterlassung von Pigmentflecken sich
rasch zurückbildeten ; und die übrigen Symptome auch zu
No, 44.
gleicher Zeit einer raschen Heilung anheimfielen. Eine an¬
sehnliche Zahl der zu dieser Kategorie gehörenden Fälle
bleibt, unter weiterer Beobachtung; bei den meisten der¬
selben ging die Besserung so rasch und gut von statten, daß
die Kranken nicht, bewogen werden konnten, im Krankenhaus
länger zu verbleiben, und dasselbe gewöhnlich am Ende der
ersten Woche schon verließen. Bei denen, hei welchen die
Wasser m an n s ch e Blutuntersüchung nachträglich
wiederholt werden konnte, war sie am Ende der
3. Woche nach der Injektion in zwei Fällen negativ, in
zwei anderen unbestimmt ausgefallen.
3. In. Fällen von Syphilis tertiaria gummosa und
tuberculo-ulcerosa der Haut-, Mund- und Rachenschleim¬
haut U8w. waren die eklatantesten Erfolge zu verzeichnen,,
wie sie bei keiner von den bis jetzt bekannten Behandlungs¬
methoden in gegebener kurzen Zeit erzielt werden konnten.
Serpiginöse und tiefe ekthymatöse Ulcerationen, die wo.chen-
und monate-, ja in einigen Fällen jahrelang bestanden hatten,
heilten in einer staunenswerten Weise und irr' einer auf¬
fallend kurzen Zeit. Periostitische gummöse Knochenauftrei¬
bungen an den Ossa cranii, den Tibien usw., ebenso
arthritische Affektionen mit Schwellung und Infiltration der
Gelenke und deren Umgebung, starker Schmerzhaftigkeit und
Bqwegu n gsbeschränkung besserten sich schon in den
nächsten Tagen nach der Einspritzung, um im Laufe von
jfwei Wochen bis auf geringe Spuren sieh zu resorbieren.
Fälle von t.ertiärsyphilitisc.hen Affektionen des Zentral¬
nervensystems, sowie parasyphilitisehe Erkrankungen habe
ich bis auf weiteres hauptsächlich wegen beschränkter
Mengen des mir zur Verfügung stehenden Präparates von
der Behandlung absichtlich ausgeschlossen. Gegenwärtig,
wo ich durch Liebenswürdigkeit von Prof. Ehrlich eine
weitere Sendung desselben erhalten habe, beabsichtige ich,
dergleichen Kranke zum Gegenstände meiner nächsten Be¬
obachtungen zu machen. Bemerkt sei, daß die bei einigen
Kranken neben anderen manifesten, spezifischen tertiären
Erscheinungen bestehenden Kopfschmerzen zusammen mit
diesen letzteren besser wurden und schwanden. So unter-
anderen bei einem Kranken, der seit über einem Jahre an
Gephalalgie litt, ging dieselbe, sowie auch ein tubercalo-
ulceröses Hautsyphilid rasch und definitiv zurück. Patient,
der starker Alkoholiker war, hatte vorher mehrere .Queck¬
silber- und Jodkuren mit recht geringem Erfolge durch¬
gemacht. Bis dahin traten nach kurzer Besserung immer
wietder sowohl die Kopfschmerzen heftiger auf, als auch
die Ulceration, die vorher nie zur vollständigen Ausheilung
gekommen war, hatte nach kurzer Ruhe wieder um sich
gegriffen.
4. ln Fällen von Syphilis maligna recens war
die Wirkung des Mittels ebenfalls außerordentlich zufrieden¬
stellend. Von den vier Kranken, die zu dieser Kategorie
gehörten und mit eitrig zerfallenen, teilweise nekrotischen,
ekthymatösen, multiplen Ulcerationen behaftet waren, sind
dieselben im Laufe von 2—4 Wochen vollständig geheilt
und alle diese Kranken haben das Hospital bereits verlassen.
Bei drei, von ihnen erwies sich eine Wiederholung der
„606“-Injektion als notwendig. Ich werde mir erlauben,
noch weiter unten auf diese Fälle zurückzukommen.
Aus diesem kurzen Berichte ist zu ersehen, daß das
Ehrlich-Hatasche Präparat in .allen Fällen, ohne
Ausnahme, bei denen wir es angewandt haben, eine präg¬
nante spezifische Wirkung entfaltet hat, und sind daher
unsere Erfahrungen darüber mit denen der Autoren, welche
damit therapeutische Versuche angestellt haben, in vollem
Einklänge. Wie unsere Beobachtungen schließen lassen,
war die Wirkung nicht in allen Fällen eine gleichmäßige ge¬
wesen, und zwar während bei einigen Kranken die Er¬
scheinungen in einer recht prompten Weise schwanden,
gingen in einer anderen Reihe von Fällen die Symptome
langsamer zurück, der Involutionsprozeß blieb sogar in
einigen Fällen stehen, so daß zu einer zweiten Injektion
geschritten werden mußte, was alsdann vom allerbesten
Erfolge gekrönt war, indem die Heilung von dem Momente
an ohne Aufenthalt weiterschritt.
Wie oben erwähnt, konnte die überaus größte Mehrzahl
der Kranken im Hinblick auf den raschen Verlauf der
Genesung nicht so lange im Hospital behalten werden, wie
es ,im Interesse der Beobachtung zu wünschen gewesen wäre,
und konnten auch deswegen die Beobachtungen nicht
systematisch genug an ihnen durchgeführt werden. Die
meisten von ihnen stellten sich jedoch in wöchentlichen
No. 44.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
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Intervallen bei uns vor uind so viel die im allgemeinen noch
recht kurze ßeobachtungszieiten es gestatten konnte, war
ihr Zustand sowohl in spezifischer Hinsicht wie
in betreff des Allgemeinbefindens ein in jeder Beziehung zu¬
friedenstellender. Aus demselben Grunde konnte auch bei
den Patienten, deren Verbleiben im Krankenhause ein über¬
aus kurzes gewesen war, da manche von ihnen schon
nach einigen Tagen dasselbe verließen, die Wasser-
m a n n sehe Probe nur in einigen Fällen das zweite Mal
vollführt werden. Erstens unterzogen sich Patienten, die
auf dem besten Wege zur Besserunng waren, im allgemeinen
ungern einer wiederholten Probe, andererseits wieder konnte
das Resultat der Probe nach 1 so kurzer Zeit wohl schwerlich
anders als bei der Aufnahme des Kranken unter diesen
Umständen vermutet werden, so daß ich nicht zu sehr
darauf bestand, die Blutanalyse sofort vorzunehmen, und
es wurde diese dann bei dem nachträglichen Erscheinen des
Kranken bei ihnen zum zweiten Male vorgenommen. Es
ist auf diese Weise zu entnehmen, daß in 12 Fällen die
Wassermannsche Reaktion .aus dem Positiven ins Ne¬
gative umgeschlagen war, und zwar am frühesten am An¬
fänge der dritten Woche nach der Einspritzung, während
in 5 Fällen die Hämolyse mehr oder weniger unvollständig
blieb, in keinem Falle jedoch einen so exquisit-positiven
Charakter darbot, als es bei allen Kranken vor der Be¬
handlung der Fall war.
Bei den im Primärstadium der Krankheit mit exulce-
rierten Sklerosen behafteten Kranken wurde in den ersten
Tagen nach der Einspritzung umsonst nach Spirochäten
gesucht: dieselben waren schon nach 48 Stunden im
Schankersekrete nicht mehr nachzuweisen. Es waren
im ganzen drei Fälle, in denen vor der Injektion
die Spirochäten, und zwar in recht geringer Anzahl konsta¬
tiert werden konnten, und es kann möglicherweise dieser
negative Befund auch zum Teil damit in Zusammenhang
gebracht werden.
Das Körpergewicht und das Allgemeinbefinden der
Kranken besserten sich in den behandelten Fällen, sowohl
während der Behandlungsdauer im Krankenhause als auch
in der nächsten Zeit nach Verlassen desselben. In zwei
Fällen nur war einige Tage nach der Einspritzung eine
Abnahme des Gewichts Und Beeinträchtigung des Allgemein¬
befindens zu konstatieren, was aber nachträglich einer Wen¬
dung zum Besseren Platz machte. Letzteres gilt für zwei
Fälle, die schon in ungünstigem Zustande, was spe¬
zifische Erscheinungen und Allgemeinzustand anbetrifft, ins
Krankenhaus aufgenommen wurden, und zwar war der erste
ein Fall von Syphilis maligna mit einer disseminierten ekthy-
inatös-ulcerösen Eruption am Kopfe und Gesichte, während
es sich im zweiten Falle ebenfalls um ein opulentes ekthy-
inatös-ulceröses, eitrig zerfallenes Syphilid am Kopfe, Ge¬
sichte und den Tegumenten des ganzen Körpers handelte. Der
Fall betraf ein zirka 50 jähriges, kachektisches, männliches
rezent syphilitisches Individuum, das kurz vorher schon eine
energische Friktionskur durchgemacht hatte, und stark fie¬
bernd, mit Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens und Be¬
nommenheit ins Krankenhaus aufgenommen wurde. Nach
einer Injektion von 0,35 des Mittels dauerte dieser Zu¬
stand noch eine gewisse Zeit (zirka 7 Tage), während die
Ulcerationen sich langsam zurückbildeten. Am achten Tage,
nachdem im Harn keine Spuren von Arsen aufgefunden wur¬
den, erhielt Pat. die zweite Einspritzung von 0,60 des Mittels, I
wonach der Reparationsprozeß rasch vor sich ging, der
Allgemeinzustand sich besserte, so daß Patient zwei Wochen
später völlig geheilt mit einer Gewichtszunahme von
8 Pfund upd günstig modifiziertem Resultate der Wasser¬
mann sehen Reaktion das Krankenhaus verlassen konnte.
Bei dem ersten 'der beiden Patienten blieben die Ulcerationen
nach der Injekti.on, nachdem .sie sich zu reinigen und zu be-
tiarben begonnen hatten, in der Involution am Ende der 1 Woche
stehen. Patient fing an hoch zu fiebern, und es entwickelte
sich bei ihm eine Influenza mit gastrischen Beschwerden.
Sowie dieselbe rückgängig wurde und die Temperatur zur
Norm gekommen war, erhielt Patient eine zweite Injektion
(0,50), wonach die Ulcerationen rasch ausheilten und Patient
eine Woche später ebenfalls symptomenfrei das Kranken¬
haus verließ.
Wenn wir die meisten Schilderungen über die
Intensität der allgemeinen und lokalen Reaktion, die bei
der Applikation des Mittels bei den Kranken zutage
trat, vergegenwärtigen, wonach die Patienten unter
hohem Fieber, stark beeinträchtigtem Allgemeinbe¬
finden, oft unter Prostration und andauernden
Schmerzen, eine Reihe qualvoller Tage und schlafloser
Nächte verbringen mußten, mit unseren Ergebnissen
vergleichen, so erscheint der außerordentlich milde Verlauf
der Reaktion im lokalen und allgemeinen Sinne recht auf¬
fallend. Die Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens un¬
mittelbar nach der Injektion war in unseren Fällen recht
gering. Die Temperatur stieg am Abend des Injek¬
tionstages entweder gar nicht oder zeigte nur leichte
Differenzen gegenüber dem Normalen, die von einigen Zehn¬
teln bis zu einem Grade betrugen. Einigemal war sie erst
am dritten Tage gestiegen, ohne überhaupt jemals 38,5°
zu überschreiten, und am nächsten oder übernächsten
Tage wieder zur Norm gelangt. Der Puls war 80 bis
100, voll und stark, in einigen Fällen ging er bis
auf 120 im Stehen, während beim Liegen die Zahl
der Herzschläge geringer wurde, wobei die Tachy¬
kardie bei den erwähnten Kranken 7—10 Tage lang an¬
dauerte, ohne daß die letzteren sich in irgendwelcher Weise
unwohl fühlten. Im Gegenteil, das subjektive Befinden war
ein recht gutes, die Patienten verfolgten mit großem Interesse
die Fortschritte ihrer Besserung, und so wie diese sich un¬
zweifelhaft dokumentiert hatte, dachten sie nur daran, so¬
bald wie möglich das Krankenhaus zu verlassen.
.Die lokale Reaktion war ebenfalls im allgemeinen recht
gering. Nach der Injektion, die ohne Zusatz irgendwelcher
Anästhetica unter die .Haut des Rückens in der oben be¬
schriebenen Weise vollführt wurde, empfanden die Kranken
einen mäßigen brennenden Schmerz an der betreffenden
Region, manchmal mit Ausstrahlung in den benachbarten
Arm. Nach ungefähr drei Stunden war der Schmerz ver¬
schwunden. Am nächsten Tage war die injizierte Ge¬
gend unverändert, weich und beim Berühren so¬
wie spontan beinahe unempfindlich. Erst vom zirka
.dritten bis vierten Tage an bildete sich an derselben
eine flache, manchmal prominierende circumscripte Er¬
habenheit — je nach der individuellen Sensibilität des
Kranken mehr oder weniger schmerzhaft — die gewöhnlich
ohne sichtbare Veränderungen in dieser Form mehrere
Wochen bestand, indem sie einer allmählichen, recht lang¬
samen Rejsorption anheimfiel. Bei Kranken, denen die In¬
jektionen in den ersten Septembertagen gemacht worden
waren, sind deutliche Spuren dieser flachen, an der
Unterlage fest anhaftenden lokalisierten Infiltrationen heute
noch wahrzunehmen, natürlich in einem recht geringen Um¬
fange. Nach dem, was ich persönlich bei Kranken ver¬
laufen sah, 'denen Einspritzungen (in janderen Krankenhäusern
nach einem anderen Zubereitungsmodus als dem hier an¬
geführten in die Hinterbacken gemacht worden waren, kann
ich das angegebene Injektionsverfahren nicht warm genug
empfehlen.
Eine besondere Betrachtung verdient das Verhalten der
Kranken, denen bei Lues primaria, im Stadium der zweiten
Inkubation, das „606“ injiziert wurde. Bekanntlich geht
mit der fortschreitenden Verallgemeinerung der Syphilis im
Organismus eine Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes
parallel. Die Kranken werden anämisch, bekommen
ein schlechtes Aussehen und magern ab. Dieser
Zustand erreicht seinen Höhepunkt zur Zeit des Auftretens
der Allgemeinerscheinungen, wenn zu dieser Zeit zur
mercuriellen Behandlung geschritten wird. Von nun
au bessert sich derselbe, lind indem sich der Patient
erholt, wächst sein Gewicht auch im gleichen Maße. Eine
ebenso vorteilhafte Wirkung der mercuriellen Behand-
handlung sehen wir ebenfalls bei aufmerksamer Beobach¬
tung in den Fällen, wo dieselbe im weiteren Luesverlaufe
zur Zeit des Bestehens aktueller Erscheinungen eingeleitet
wird, und nicht in symptomenfreien Inter¬
vallen bei periodisch wiederholten Kuren. Diesen Um¬
stand habe ich seinerzeit neben anderen zur Unterstützung
meiner Gesichtspunkte bei Aufstellung der Prinzipien einer
rationellen Behandlung der Syphilis und zur Bekämpfung
der periodisch zu wiederholenden Kurmethoden im
F o u r ni ersehen Sinne 2 ) betont. Es wird daher
auch eine frühzeitige, d. ,h. vor dem Auftreten der All-
gemeinerscheirnmgen unter gleichen Umständen eingeleitete
Mercurialkur, abgesehen von der Unsicherheit der beabsich-
2 ) v. Watraszewski: Einige Fragen bei der Behandlung der
Syphilis. Archiv f. Denn. u. Syphilis, 1808, Bd. XLVT. H. 2.
664
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 44.
iigteu vorbeugenden Wirkung in der großen Mehrzahl der
1‘nlle nicht imstande sein, der fortschreitenden Verschlech¬
terung des Allgemeinbefindens und der daraus folgenden
Kachexie der Kranken Einhalt zu tun. Das Gegenteil aber
konnte ich in vier ebenfalls der Wirkung des
Arsenobenzols ausgesetzten Fällen gerade zu dieser
Zeitperiode, d. li. in dem zweiten Inkubations-
Stadium, zu meiner Befriedigung konstatieren. Der
.Ulgemeinzustand besserte sich auffallend, und das Körper¬
gewicht stieg im .Laufe der ersten Woche in zwei Fällen
um 2 Pfund, in einem Falle um 3i/ 2 Pfund, während es
m einem auf der gleichen Höhe blieb. Es ist meiner Ansicht
nach das Verhaltender genannten beiden Faktoren gerade zu
dieser Zeit ein recht wichtiges, für die günstige Wirkung
des Mittels sprechendes Moment.
Weiterhin möge der Umstand betont werden, daß in
allen bis jetzt mit ,,606“ behandelten Fällen der
therapeutische Effekt auf die vorliegenden Krankheils¬
symptome einzig und allein der spezifischen allgemeinen
Wirkung desselben überlassen worden war. Während in
den von mir persönlich geleiteten Abteilungen des
St. Lazarushospitals bei der bisher üblichen Quecksilber¬
behandlung außer einer allgemeinen Mercurialkur, die fast
ausschließlich in Form von t Friktionen angewandt wurde,
noch außerdem zur rascheren Bekämpfung einzelner lokaler
Symptome verschiedene entsprechende Mercurialpräparate
bei denselben örtlich angewandt wurden, enthielt ich mich
bei allen fällen, in denen ,,606“ appliziert wurde, der
Anwendung aller lokalen Mercuria.1- resp. Jodmittel in der
Absicht, mir ein reines. Urteil über die Wirkung des neuen
Mittels bilden zu können. Die bestehenden lokalen Sym¬
ptome wurden mit indifferenten Salben, Pflastern, Verband¬
wässern usw. behandelt, und nichtsdestoweniger trat die
spezifische Wirkung des Mittels in allen Fällen scharf und
deutlich bei denselben auf.
Wenn nun die verschiedenartigsten lokalen Lues-
manifestationan verhältnismäßig rasch, ja zuweilen mit
Staunenswerter Promptheit zurückgingen, scheint es a priori
recht, wahrscheinlich, daß die lokale Applikation ent¬
sprechender Mercurialmittel die spezifische Wirkung des
Arsenobenzols um so mehr zu beschleunigen und zu unter¬
stützen imstande sein wird.
Von dieser Voraussetzung ausgehend, läßt sich ebenfalls
annehmen, daß die Wirkung des Mittels, wenn man es
passend mit der des Quecksilbers kombiniert, neue
prägnante Kureffekte zu bieten imstande wäre. Die Zu¬
kunft wird uns darüber wahrscheinlich recht bald Auf¬
schlußgeben, da in der bis jetzt verhältnismäßig recht kurzen
Zeit, seit der das Präparat zur Anwendung gekommen ist,
dergleichen Versuche noch nicht angestellt werden konnten,
andererseits auch die geringen Quantitäten des den einzelnen
Forschern zu Gebote stehenden Mittels solche Versuche
nicht erlaubten, weil es denselben ja in erster Linie darauf
ankam, sich ein Urteil über die dein Mittel an und für sich
eigene spezifische Wirkung ohne anderweitige Beein¬
flussung zu bilden.
Zu welchen-Ergebnissen derartige Versuche auch führen
mögen, sie werden in keiner 'Weise unsere Dankespfliehl.
gegen den hervorragenden Forscher verringern, der uns
auf Grund systematisch während ganzer Jahrzehnte durch-
geführter Studien ein neues Mittel zur wirksamen Be¬
kämpfung eines der gräßlichsten unter den die Menschheit
plagenden Uebeln in die Hände gegeben hat.
Prof. Gerber (Königsberg): lieber Lepra.
Wochenschrift, 1910, No. 37.)
(Deutsche med.
Verfasser weist darauf hin, daß die Nasen- und Rachen¬
bohle, sowie der Kehlkopf in viel erheblicherem Maße an der
Lepra-Erkrankung beteiligt sind, als aus den gewöhnlichen
aiStellungen sich ergibt. Sticker verlegt sogar ganz all¬
gemein den Sitz des Primäraffekts bei der Lepra in die Nasen-
schlemihaut, allerdings hat diese Ansicht noch keine allgemeine
Annahme gefunden Jedenfalls fängt die Lepra am häufig¬
sten im Gesicht an, d. h. also auf der Nasenschleimhaut; jedoch
gibt es auch viele langjährige Lepröse, die eine völlig intakte
Nasenschleimhaut haben, deswegen ist nach Verfasser die
Nasenschleimhaut wohl nicht in allen Fällen Sitz des Primär-
aflekts. Was nun die Beteiligung der oberen Luftwege bei der
Lepra anlangt, so haben von den 15 Leprösen, welche zurzeit
im Lepraheim zu Memel interniert sind, alle mehr oder weniger
schwere Veränderungen in Nase. Rachen und Kehlkopf; die
in 70 nfV^erT-u 6 d ? r ? achön in 73 PCI-, der Kehlkopf
L «Ue r ■ 6 be t eil,gt; also früher ode| - später erkranken
a ! le leprosen auch an den oberen Luftwegen; ein großer
hphinri"* Leprosen geht an der Kehlkopflepra,'an den Folgen
Tn h der' j£ er At ' n , ung '° der direkt an Erstickung zugrunde. 8 -
dei Nase zeigt sich das erste Stadium meist in einer trocke-
nen Entzündung einer Rhinitis sicca, besonders in den voide-
VrS Pal ‘ lea ’ d' e häufig mit Nasenbluten einhergeht; ihr folgen
meekf Bcbwell ungen oder zirkumskripte Knotenbildungen von
Stecknadelkopf-bis Erbsengroße, meist braunrot, mit Vorliebe
len , Septu t mteil un d der Innenfläche der Nasen-
infUtrate w?e T zm ' Blld ung größerer Leprome. Die
.se.V s fe zerf«lle 1 l^T n ,, Pfle p n nicht sehr Persistent zu
sein, sie zeifallen bald, und so kommt es zu Ulceratiouen, die
all voideren Septum zu dem typischen Ulcus septi perforans
leprosum fuhren. Auch größere Teile des Knorpels und selbst
hi alüTstnlr we fden zerstört. Auch der Rachen wird häufig
Eof der^Mwf ^ j rank u heit ergriffe, b und zwar sowohl der
Epj- dei Meso- wie der Hypopharynx. In der Mundrachen-
hohle zeigt sich die Knötchenbildung als die beherrschende
Gaumens ehT^SeH Vorliebe , die Mitte des harten und weichen
7 , ln f S ? lteller smd vereinzelte große Lepraknoten
Zu Ukeratmnen kommt es im Rachen sehr selten. Narben-
Idüngen, Schrumpfungen, Mutilationen und Synechien sielil
man nicht selten, sie scheinen sich auch ohne das Zwdschen
Stadium sichtbarer Ulceratiouen, direkt aus den Infiltrationen
entw'ckeln zu können, und bewirken bisweilen den luetischen
ähnliche Stenosen. Charakteristisch ist dann noch die
Anästhesie der afhzierten Teile, die sich oft schon im Infiltra¬
tionsstadium bemerkbar macht. Der Larynx reagiert auf dfe
Invasion der Leprabacillen zunächst mit einem initialen
Katarrh, der sehr bald als Laryngitis sicca in die Erscheinung
tritt. Es folgt auch hier das Stadium der eigentlichen Infiltra¬
tion, die besonders den Aditus laryngis bevorzugt. Die Epi-
[ glottis, die Ligamenta aryepiglottica und die Aryregion selbst
werden durch kleinknötchenförmige Infiltrate in papillomatöse
Wülste verwandelt, oder durch ein mehr diffuses Infiltrat in
ihren Konturen oft bis zur Unkenntlichkeit verändert. Die
Glottis kann dabei unverändert bleiben oder auch in den Pro¬
zeß mit einbezogen werden. Ebenso wie im Rachen kommt es
auch im Kehlkopf relativ selten zu Geschwürsbildung, oft be¬
stehen die Infiltrate Jahre hindurch unverändert. Neben dem
Infiltrationsstadium kommt im Kehlkopf am häufigsten Narben¬
bildung zur Beobachtung, diese ruft dann oft die Stenose nebst
ihren Folgeerscheinungen hervor. R- L.
Dr. Koslow (Kasan): Acther-acetonische Kombination der
Antiforminmethode. (Berlin, klin. Wochenschr., 1910,
No. 25.)
Verfasser ist es gelungen, eine neue Kombination der
Uhlenhuthsehen Antiforminmethode mit Aether-Aceton¬
mischung auszuarbeiten, wobei der Hauptvorteil darin bestellt,
daß bei der Bearbeitung keine Zentrifuge notwendig ist und
die ganze Untersuchung nicht mehr als 10—15 Minuten in An¬
spruch nimmt. Die erreichten Resultate übertreffen überdies
noch die nach der. Methode von Uhlenhuth erhaltenen.
Nach der von K. vorgeschlagenen Methode wird die Unter¬
suchung folgendermaßen ausgeführt:
1. Im Verlaufe von fünf Minuten wird der Schleim bei
fortwährender Schüttelung mit reinem Antiformin homogenisiert,
dessen Quantum verschieden, je nach der Konsistenz des
Schleimes genommen wird; wenn der Schleim ein dickeitriges
Aussehen hat, nimmt man ein gleiches Quantum Antiformin,
bei dünnerem Schleim nur die Hälfte. Wie vergleichende Be¬
obachtungen zeigen, sind fünf Minuten dauernde Homogeni-
sationen vollkommen genügend, um nicht nur den Schleim,
sondern auch den größten Teil der nicht säurewiderständigen
Bakterien aufzulösen.
2. Die homogenisierte Mischung wird nun mit destilliertem
Wasser verdünnt (auf 1 ccm Antiformin 10 ccm Wasser). Der
erhaltenen Lösung wird dann eine Mischung von gleichen
Teilen Aceton und Aether beigemengt von gleichem Volumen
wie das genommene Wasser. Das Ganze ward während zwei
bis drei Stunden in einem Scheidungstrichter geschüttelt (oder
in einer beliebigen Flasche mit oben eingeschliffenem Stöpsel)
und dann in Ruhe gelassen. Nach einigen Sekunden fängt die
Flüssigkeit an, sich in drei Schichten zu teilen und die vorher
trübe Mischung wird hell. Die Tuberkelbacillen und die uiiau f-
gelösten Reste des Schleims befinden sich in der mittleren
Schicht, aus welcher das Material zur Verfertigung des Präpa-
No. 44.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
rate genommen wird. Dann wird das Präparat getrocknet,
fixiert, gefärbt nach,der allgemeinen Regel; letzteres haftet am
Glase so fest, daß es alle mannigfaltigen Manipulationen bei
der Bearbeitung aushält. Um genauere Resultate zu bekom¬
men, ist es unbedingt notwendig, daran zu denken, daß bei der
Beimengung der Aether-Acetonmischung eine schnelle und un¬
vollkommene Teilung in drei Schichten nur dann eintritt, wenn
der Prozentgehalt des Antiformins in der Lösung nicht mehr
als 7—8 pCt. beträgt.
Privatdozent Dr. Max Lissauer (Königsberg): Ueber das
Stauungsherz. (Medizin. Klinik, 1910, No. 88 .)
Die Veränderungen, zu welchen die chronische Stauung
im Herzen führt, berechtigen uns nach Verfassers Ansicht, von
einem Staungsherzen zu sprechen. Der Begriff des Stauungs¬
herzens ist zwar der Pathologie nicht fremd, abei, wie Vei-
fasser glaubt, zu wenig gewürdigt. Die chronische Stauung
muß im Herzen ebenso zu einer Funktionsstörung führen, wie
zum Beispiel in der Niere. Hierbei muß dann ein Circulus
vitiosus entstehen, indem die Insuffizienz des Herzens zu einer
Stauung führt, während diese wiederum zu einer Funktions¬
störung Veranlassung gibt.
Die Stauungserscheinungen, welche am Herzen auftieten
können, werden verständlich durch die anatomischen und phy¬
siologischen Verhältnisse des Herzgefäßsystems. Der größte
Teil "der Herzvenen sammelt sich zu einer starken Vene, der
Vena cordis magna. Sie beginnt an der Spitze des Herzens,
zieht in der vorderen Längsfurche zur Basis der Kammein.
dann verläuft sie weiter in der Kranzfurche nach links und
hinten um schließlich in eine Erweiterung, den Sinus roro-
narius, überzugehen. Dieser ergießt sein Blut in den hinteren
Teil des rechten Vorhofes; seine Mündung ist unvollkommen
bedeckt von einer halbmondförmigen Klappe, der Valvula
Thebesii. Am Uebergang der Vena magna in den Sinus findet
sich eine einfache oder doppelte Klappe, die nur selten fehlt.
Einfache Klappen finden sich nach He nie auch an dei Mun
düng der vertikalen Venen, die aber meist einfach sind und
öfter vermißt werden. Wenn nun gegen das Ende der Ven¬
trikeldiastole die Vorhofssystole erfolgt. wird nach
v Vintschgau gleichzeitig auch die Thebesische Klappe
geschlossen; zugleich kontrahiert sich der Sinus coronauus. ln
der Sinuswand finden sich nämlich längs und 9 “« verlaufend,
Muskelfasern welche mit denen des Herzens ubeieinstimmen.
Sie hängen mit der Vorhofsmuskulatur zusammen Sie haben
die Aufgabe, den Sinus zu verengen, wahrscheinlich auch zu
verschließen Es unterstützt also die Verengerung der Smus-
inündung ini Vorhof die Wirkung der Thebesischen Klappe
und hilft das Rückströmen des Blutes verhindern. Nach
v Vintschgau genügt auch die Kontraktion der i
Sinuswand verlaufenden Muskelfasern, um in den Fallen, in
xi/.ii on rlip Thebesische Klappe fehlt oder mangelhaft ent
In oder durchlöchert ist, den Verschluß der Mündung der
I” diesem Schlußmechauismus
müssen nun schwere Störungen eintreten, wenn es im Herzen
coihat 711 Störungen in der Zirkulation kommt, wie bei Heiz
fehlem oder Lungenemphysem. Wenn es dl il' ch . dle
des Blutes zu einer Dilatation des rechten Voihofes kommt,
± Än e sää:»*
Mnd^uffteie e nUe e worden e Auch diel der «anstelle
der Vene in den-Sinus gelegene Klappe Stauung
ebenso ist die Koroiiarvene ott sehr staik dilatieit. Die Stauung
äußert sich Weiter in einer Dilatation der im Myokard gelege-
außeit sicn weuei . Außer der Dilatation der Gefäße
zei'It das Mikroskop, daß das perivaskuläre Bindegewebe der
mittelgroßen Gefäße verbreitert ist (Stauungsinduration des
Mvokards) Die Muskelfasern sind häufig in verschiedener
Weise verändert; man findet vaskulare Degeneration, Fette
Infiltration, atrophische Erscheinungen, sowie Oedeme des
interstitiellen Bindegewebes.
Dr. Georg Riebold (Dresden); Ueber die Anwendung einiger
neuer bezw. weniger gebräuchlicher Medikamente bei dei
Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz. (Munch,
med. Wochenschr., 1910, No. 36.)
Verfasser bespricht im Zusammenhang die medikamen¬
tösen Behelfe, die uns heute bei der Behandlung der chroni¬
schen Herzinsuffizienz zu Gebote stehen. Um dem Pat. sicher
wirkende Digitalisinfuse zu verschaffen, verschreibt man nicht
Fol Digitalis schlechthin, sondern „Folia Digitalis titrata , d. h.
durch den Tierversuch hinsichtlich ihrer Wirkung gepiufte
Blätter. Um die hiermit hergestellten Infuse dauernd haltbai
zu machen, schreibe man einen Zusatz von 5 pCt. Spiritus vor.
Wird Digitalis nicht vertragen, so versuche mail es mit dem
daraus hergestellten Präparat Digalen, das allerdings nui
666
die durch das Digitoxin bedingte Teilwirkung der Digitalis
entfaltet. Versagt auch dieses, was ziemlich häufig ist, so
wende man sich an die Strophanthuspräparate, die
sich im allgemeinen durch schnelle Wirksamkeit auszeichnen.
Zu empfehlen ist die titrierte Strophanthustinktur
der Marburger Universitäts-Apotheke (2—3 mal täglich 5 bis
6 Tropfen), die den rein dargestellten Strophanthinen
vorzuziehen ist. Vielfach empfiehlt sich die Kombination der
spezifischen Herzmittel mit Diureticis, z. B. Diuretin, Kal.
acetic., Fruct. Juniperi etc. Erreicht mail auch mit solcher
Kombination nicht genug, so ist die kanadische Hanf-
Wurzel (A p o c y n u m cannabinu in) am Platze, die bei
einer digitalisälinlichen Wirkung gleichzeitig diuretische Eigen¬
schaft hat. (Fluidextrakt 2—3 mal täglich 10—15 Tropfen.)
Wenn die Digitalispräparate vorher bei einem Pat. infolge
langen Gebrauchs nicht mehr genützt hatten, können sie nach
mehrmonatiger durch Apocynum ausgefüllter Pause wieder
wirksam werden. — Vor dem früher sehr gerühmten Kalo-
m e I als Diureticum warnt Verfasser, jedenfalls darf es nur
bei kräftigen Menschen mit großer Vorsicht unter dauernder
Kontrolle der Nieren verwendet werden. In seltenen Fällen nützt
K a in p h e r (subkutan als Oel oder innerlich als Oblate oder
in Pillen), vorwiegend bei renaler Herzinsuffizienz. In be¬
stimmten Fällen von Herzinsuffizienz, deren Ursache mehr im
Gefäßsystem liegt (Aorteninsuffizienz, Aneurysma, Arterio¬
sklerose meist syphilitischen Ursprungs) sind ferner die J o d -
Präparate bisweilen von ausgesprochener Wirkung. — In
den Fällen, wo die Digitalisinfuse zwar die gewünschte
Wirkung entfalten, aber vom Magen nicht dauernd vertragen
werden, empfiehlt Verfasser neben den Dialysaten von G o 1 a z
und Bürger warm das Digipuratum der Firma Kno 11
u. Co., welchem im Gegensatz zum Digalen die volle
Digitaliswii'kung eigen ist. Bisweilen wird allerdings auch
Digipuratum vom Magen aus nicht vertragen, und da erzielt
man oft mit rektaler Applikation noch den gewünschten Erfolg,
wofür sich bei Digitalis das Infus, das Dialysat, die Tinktur und
Digalen, bei Strophanthus die Tinktur eignet, die Dosen sind
dann etwas höher zu nehmen. Ist auch die rektale Verab¬
reichung den Kranken lästig, so versuche man es mit den erst
im Dünndarm löslichen Rumpel sehen G elodurat-
kapseln von Fol. Digitalis, mit denen Verfasser gute Erfolge
erzielt hat. Ferner kommen die Injektionstherapien iu Be¬
tracht, wobei man von den Digitalispräparaten die Medikamente
in gleicher oder sogar höherer Dosis geben muß als per os,
während man dieStrophantliusgabeu dabei auf etwa den zehnten
Teil der per os genommenen reduzieren muß. Hier kommt
nur die intramuskuläre und intravenöse Injektion von Digalen,
Strophanthin oder der Digitalis- bezw. Strophanthustinktur in
Frage, da die subkutane zu stark reizt. Man hat dabei die
Tinktur mit neun Teilen Wasser zu verdünnen und von dieser
Verdünnung 2—5 Teilstriche zu injizieren. Mit den intravenösen
Strophaiithiiiiiijektioiien hat Verfasser keine besonderen Er¬
folge erzielt; bei Mißerfolg mache man höchstens zwei Versuche
mit der Injektionstherapie. T. L.
Dr. Eberhard Veiel, Assistent d. Medizin. Univ.-Klinik Tübin¬
gen (Prof. Dr. v. Romberg): Ueber Digipuratum-Knoll.
(Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 39.)
Die physiologische Wirkung-starke von 0,1 g D i g i p u -
ratu m entspricht genau dem Wirkungswert, den S i e b e r t
und Ziegenbein für 0,1 g ihrer Blätter angeben. Um ein
Urteil über den Wert des Digipuratums zu bekommen, wurde
ein Vergleich gezogen zwischen der Wirkung dieser beiden
Präparate in je 50 Fällen mit möglichst gleichen Bedingungen
und an einem durchaus gleichwertigen Material.
Gewisse Erscheinungen der Herzinsuffizienz, wie Cirrhose,
Dyspnoe, Leberschwellimg und Pulsbeschleunigung wurden
gleichmäßig beeinflußt. Dagegen fiel bei Beobachtung von
Kranken, die an erheblicher Wasserretention litten, von Anfang
an auf, daß Digipuratum eine bedeutend bessere diureti-
sche Wirkung ausübt als Pulvis foliorum Digitalis. Bei
Digipuratum überstieg die Urinausscheidung die Nahrungs-
llüssigkeitsmenge, durchschnittlich pro Tag berechnet, um
205 ccm, während sie bei dem Digitalispulver durchschnittlich
um 126 ccm zurückblieb. Das Maximum des Ueberschießens
der Diurese betrug durchschnittlich bei Digipuratum 1046 ccm
und wurde am fünften Tag nach Verabreichung von
614 Tabletten erreicht, während bei dem Digitalispulver diese
Menge sich auf 458 ccm belief. Diese Ueberlegenheit des
Digipuratum tritt noch auffälliger in die Erscheinung, wenn
man die Fälle von Herzinsuffizienz mit gleichzeitiger Nephritis
— auch liier zeigte sich das Digipuratum den Blättern über¬
legen — ausscheidet. In den Testierenden Fällen übertraf das
maximale Ueberschießen der Diurese bei Digipuratum das¬
jenige bei Pulv. fol. Digit, durchschnittlich um beinahe das
Dreifache.
Das Digipuratum wirkt daher entschieden kräftiger auf die
Nierentätigkeit als Pulv. fol. Digit. Da Digitaliskörper nach
Löwi die Nierentätigkeit unabhängig von einer Einwirkung
auf den Kreislauf anregen, da ferner hei gewissen Nierenkrank-
666
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 44.
heiten nach He ding er die Diurese durch Digipuratum viel
energischer angeregt wird als bei gesunden Nieren, so liegt es
nahe, diese auffällige diuretische Wirkung des Digipuratums
auf eine besonders kräftige Nierenwirkung zu beziehen.
Trotz recht vorsichtiger Dosierung traten bei beiden Prä¬
paraten gelegentlich unangenehme Nebenwirkungen auf, wobei
allerdings, wie der Autor anführt, betont werden muß, daß die
württembergische Bevölkerung gegen alle differenten Mittel
überaus empfindlich ist. K.
Dr. Reinhold Dünger (Dresden): Eine einfache Methode der
Zählung der eosinophilen Leukocyten und der praktische
Wert dieser Untersuchung. (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 37.)
Verfasser empfiehlt auf Grund mehrjähriger Erfahrung
eine Methode, welche es erlaubt, rasch und genau die absolute
Zahl der eosinophilen Zellen zu ermitteln. Als Färbeflüssig¬
keit dient folgende Lösung:
lproc. wässerige Eosinlösung
Azeton.ää 10 g
Aq. destill.ad 100 „
Diese Lösung wird gut aufbewahrt; sie ist lange haltbar.
Mit ihr wird das Blut in der zur Leukocytenzählung bestimmten
Mischpipette verdünnt, und zwar stets im Verhältnis 1 :10,
auch wenn hochgradige Leukocytose besteht. Nun wird drei bis
fünf Minuten lang geschüttelt und dann die Zählkammer ge¬
füllt. Als solche ist unter allen Umständen eine große, 9 qmm
Fläche haltende Kammer (nach Zappert, Breuer oder
Türk) zu verwenden, noch besser eignet sich für diesen
Zweck die neue Bürker sehe Kammer mit ihren zwei je
9 qmm großen Zählflächen. Die Zählung kann sofort vor¬
genommen werden, wobei eine intensiv grelle Lichtquelle bei
enger Blende wünschenswert ist. Tn dem hellrosa gefärbten
Gesichtsfeld treten ausschließlich die Eosinophilen als rund¬
liche, aus glänzend roten Körnern zusammengesetzte Kugeln
ungemein scharf hervor. Die Farbe der Granula ist hellgelb¬
rot bis rubinrot, der Kern ist ganz oder fast ganz verdeckt. Alle
übrigen Leukocyten sind zu ,.Schatten“ geworden, die nur
schwach hervortreten; die roten Blutkörperchen sind bis auf
wenige Exemplare völlig unsichtbar. Das scharfe Hervortreten
der Eosinophilen erlaubt nun das Arbeiten mit relativ
schwachen Vergrößerungen. Am besten ist nach Verfasser
eine Vergrößerung von 120—150, man kann auch noch
schwächere Systeme verwenden. Die Verwendung der
schwachen Vergrößerung ermöglicht eine sehr schnelle Zäh¬
lung der Eosinophilen. Die absolute Zahl der Eosinophilen
im Kubikmillimeter beträgt beim gesunden Erwachsenen 100
bis 200. Bei Verwendung einer 9 qmm fassenden Kammer und
der Verdünnung 1 :10 zählt man also 9—18 eosinophile Zellen
(in der B ü r k e r sehen Kammer 18—36). Außerordentlich
deutlich wird bei der geschilderten Technik eine Vermehrung
der Eosinophilen sichtbar, man findet dann 30—60—100 Zellen
in der Kammer, vielleicht sogar noch mehr, so daß sich die
Diagnose „Eosinophilie“ schon beim ersten Blick ins Mikro¬
skop stellen läßt, ln den Fällen von Verminderung der Eosino¬
philen sieht man nur wenige Exemplare in der ganzen Kam¬
mer, manchmal sogar kein einziges. Die schnelle Zählung der
Eosinophilen ist für viele Fälle von nicht geringer diagnosti¬
scher Bedeutung. Vermehrung det- eosinophilen Zellen findet
sich vorwiegend bei folgenden Zuständen: 1. Myeloische
Leukämie, 2. Erythrämie (Polycythämie), 3. Scharlach. Die
hier mit neutrophiler Leukocytose kombinierte Eosinophilie ist
differentialdiagnostisch wichtig gegenüber Masern, Röteln und
scarlatiniformen septischen Exanthemen. Da sie die Fieber¬
periode lange überdauert, ist sie auch für die retrospektive
Diagnose von Bedeutung. 4. Asthma bronchiale. 5. Alle Ento-
zoenkrankheiten, z. B. Tänien, Echinokokken, Trichinosis.
6. Hautkrankheiten der verschiedensten Art. 7. Neurasthenie.
8. Milzausschaltung. Postinfektiöse Eosinophilie findet sich in
der Rekonvaleszenz fast aller Infektionskrankheiten. Zuweilen
findet man bei malignen Tumoren starke Eosinophilie. Kinder
bis zum 14. Jahre zeigen schon unter normalen Verhältnissen
eine geringe Vermehrung der Eosinophilen. Als Krankheiten
mit normalen Werten der Eosinophilen nennt Verf. 1. Röteln,
2. Pocken, 3. tuberkulöse Meningitis, 4. Lungentuberkulose, so
lange es noch nicht zu schwerer, sekundärer Eiterinfektion ge¬
kommen ist, 5. Gelenkrheumatismus in leichteren Fällen. Ver¬
minderung oder Fehlen der Eosinophilen weisen folgende
Krankheiten auf: 1. Typhus, 2. Sepsis, 3. Masern, 4. Pneumonie,
5. Erysipel. 6. akute Eiterungen (Appendicitis, akute gynäko¬
logische Affektionen), 7. schwere Influenza. Ueberhaupt
zeigen alle Infektionskrankheiten wenigstens während der
Akme eine gewisse Verminderung der Eosinophilen. Dieses
charakteristische Verhalten der Eosinophilen bei den verschie¬
denen Krankheiten ist von großer diagnostischer Bedeutung.
Kommen z. B. die Eosinophilen in halbwegs normaler, normaler
oder gesteigerter Zahl vor, so läßt sich Typhus so gut wie sicher
ausschließen. Verfasser führt als Beispiel einige Fälle an, in
denen sich die Eosinophilenzählung sogar der Wi dal sehen
Reaktion als überlegen erwies. Auch für die Prognosen¬
stellung ist die Eosinophilenzählung von .Bedeutung; das Vor¬
handensein von eosinophilen Zellen ist bei Infektionskrank¬
heiten im allgemeinen von günstiger prognostischer Bedeutung.
R. L.
Primararzt Dr. Ferdinand Ehler (Pilgram): Ueber Kropf
blutungen. (Wiener med. Wochenschr., 1910, No. 35.)
Der Kropf wächst gewöhnlich allmählich. Rasche Ver¬
größerung des Kropfes ist am häufigsten durch Blutung in den
Kropf hinein oder durch Entzündung bedingt. Obwohl die
Blutungen eine sehr wichtige Rolle im Wachstum des Kropfes
spielen, so wurde ihnen doch bisher nur wenig Interesse ge¬
schenkt. Es ist sehr begreiflich, daß'solche Blutungen im
Kropfe, der so gefäßreich ist, sehr oft Vorkommen. Es handelt
sich hier, wie W ö 1 f 1 e r treffend bemerkt, um kapilläre und
größere Apoplexien, die denen des Gehirns analog sind. Die
Blutgefäße bei Kröpfen sind oft zart und fein, so daß sie bei
gesteigertem Blutdruck oder bei den geringsten Traumen ein¬
reißen und zur Blutung führen können. Dies gilt besonders
für den Distrikt der Thyreoidea infer., welche speziell dünn¬
wandig ist. Größere Blutungen, die in das Gewebe oder in die
Kropfknoten hinein erfolgen, verursachen öfters sogenannte
falsche Cysten; durch die Blutung wird das Gewebe zerstört
und nekrotisch erweicht, wodurch ein Hohlraum entsteht, dessen
Wände sich zu einer fibrösen Schwarte umwandeln. Der In¬
halt solcher Cysten ist gewöhnlich von. Derivaten des Hämo¬
globins gefärbt und bleibt lange nach der Blutung schokolade¬
artig. Die Blutungen können auch in die schon präformierten
Colloidcysten erfolgen und vergrößern dieselben manchmal
sehr stark, wodurch verschiedene Beschwerden hervorgerufen
werden. Kleinere oder nur sehr kapilläre Blutungen werden
allmählich resorbiert und sehr oft sogar organisiert, so daß
sie sich in bindegewebige Massen umwandeln, aus denen sich
alsdann umschriebene, fibröse Knoten (oft mit Verknöcherung)
oder diffuse fibröse Hypertrophien entwickeln. Diese
Aetiologie vermutet v. Eiseisberg bei der Entstehung der
Struma fibrosa, so daß hier die Blutungen sogar einen Kropf¬
typus schaffen. Blutungen kommen bei den Kröpfen sehr oft
vor und in den mehrere Jahre bestehenden Kröpfen fehlen sie
fast niemals. Die Ursachen, die zu einer Kropfblutung Ver¬
anlassung geben, sind sehr mannigfaltig. Nach Brüning
unterscheidet man innere und äußere Momente. Die inneren
sind an einen plötzlich gesteigerten Blutdruck in den Arterien
oder eine mächtigere Stauung in den Halsvenen gebunden. Es
handelt sich in solchen Fällen um angestrengtes Husten, Heben
schwerer Lasten, Springen, Turnen, Singen und Blasen von In¬
strumenten etc. Die äußeren Momente bestehen in Traumen
verschiedener Art. welche den Kropf direkt oder seine Um¬
gebung treffen. Verfasser hatte im verflossenen Winter Ge¬
legenheit, zwei derartige rasch gewachsene Kröpfe zu ope¬
rieren und stieß dabei auf einen pathologischen Befund, der
für die Genese der Kropfblutungen vielleicht von Bedeutung
ist. In beiden Fällen handelte es sich um Anomalien der Ge¬
fäße, und zwar im Verlaufe oder der Teilung der Art.
thyreoid. infer. Verfasser vermutet nun, daß die Blutungen
mit den Gefäßanomalien im Zusammenhänge stehen. Hyrt.l
und Luschka haben bewiesen, daß die Schilddrüsenarterien
in ihren Endästen keine besonderen Kommunikationen unter
einander haben, so daß die Drüse aus vier oder fünf (beim Vor¬
handensein der Art. thyreoidea ima) isolierten Gefäßbezirken
besteht, in denen selbständige pathologische Prozesse (Ent¬
zündung, Blutung, Degeneration usw.) Vorkommen können. In
dem Falle, wo es sich um eine Gefäßanomalie handelt, werden
diese Blutbezirke derangiert und die Blutzirkulation ganz ab¬
normal gestaltet. Auf eine solche Weise ist es dann möglich,
daß Blutungen ganz irregulär und im Gewebe 'zerstreut Vor¬
kommen. K r.
Prof. Riedel (Jena): Ueber Verlauf und Ausgang der Strumitis
chronica. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 37.)
In den Fällen von „eisenharter“ Struma ist die Härte durch
reichliche Entwicklung von Bindegewebe bedingt. Es han¬
delt sich in diesen sehr seltenen Fällen nicht etwa um eine
maligne Neubildung, um einen Skirrhus der Glandula
thyreoidea, sondern um eine chronische Strumitis, also um
einen chronisch entzündlichen Prozeß. Verfasser ist in der
Lage, als Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung zwei
Fälle anzuführen. In dem einen Fall war die mikroskopische
Untersuchung des partiell exstirpierten Tumors vorgenommen
worden, der Patient hatte noch ■'/, Jahre nach der Operation
gelebt, der Kropf hatte sich weiter zurückgebildet; der Kranke
erlag dann einer Nephritis. Der zweite Kranke, bei welchem
1896 und 1897 kleinere Teile des Schilddrüsentumors exstir-
piert wurden, lebt noch jetzt in fast gesundem Zustand, die
Schilddrüsenvergrößerung hat sich fast ganz zurückgebildet.
Dieser Verlauf beweist, daß es sich in derartigen Fällen nicht
um einen malignen Prozeß handelt. Bei diesem Kranken hatte
sich die Schilddrüsengeschwulst innerhalb acht Wochen zu
No. 44.
THERAPEUTISCHE KUNDSCHAU 1910.
667
Mannsfaustgröße entwickelt. Eine vollständige Exstirpation
war wegen der Verwachsung mit den großen Gefäßen und
Nerven nicht möglich; deshalb wurde, um die wenigstens hoch¬
gradige Atemnot zu beheben, ein Keil aus dem Isthmus der
Schilddrüse herausgeschnitten, es gelang dadurch, die Trachea
in Gestalt einer schmalen Rinne freizulegen, wonach der
Kranke sich langsam erholte. Allmählich, im Laufe der Jahre,
schrumpfte die Struma, so daß gegenwärtig außer am Halse
nichts mehr vom Kropf zu fühlen ist. — Wenn man in diesen
Fällen wegen Atemnot zu operieren genötigt ist, muß man sich
auf die Exzision eines bis auf die Trachea reichenden Keiles
beschränken; die halbseitige Exstirpation des Kropfes ist ganz
unmöglich, weil Carotis, Jugularis interna und N. Vagus un¬
trennbar mit der Geschwulst verwachsen sind. Hat der Isthmus
der Schilddrüse ein etwas größeres Volumen, so gelingt auch
die Tracheotomie nicht; die Superior gelingt nicht, weil man
den Kropf nicht von der Trachea ablösen kann, für die inferior
fehlt es unten oberhalb des Jugulum an Raum. Die Aetiologie
dieser Krankheit ist unaufgeklärt.
Dr. M. Nonne (Hamburg-Eppendorf): Kasuistisches zur Diffe¬
rentialdiagnose zwischen multipler Sklerose und ßiicken-
markskompression, (Deutsche med. Wochenschr., 1910,
No. 37.)
Verfasser zeigt an einigen Fällen, daß trotz der in den
letzten Jahren verfeinerten Diagnose des Tumor extra-
medullaris es auch jetzt noch Fälle gibt, bei denen die Diffe-
reutialdiagnose zwischen extramedullärem Tumor einerseits
und multipler Sklerose und sog. kombinierter Strang¬
erkrankung andererseits lange schwanken kann, gerade infolge
der erweiterten Erfahrungen über die atypischen Formen der
multiplen Sklerose und der sogenannten kombinierten Strang¬
erkrankung (Pseudo-Systemerkrankung, Myelitis intrafuni-
cularis) und der atypischen Verlaufsweise der komprimieren¬
den Rückenmarkstumoren. In derartigen zweifelhaften Fällen
läßt Verfasser die probatorische Laminektomie behufs Frei¬
legung der Dura resp. Eröffnung derselben an den durch den
Symptomenkomplex gebotenen Stellen der Wirbelsäule vor¬
nehmen. In vier von Verfasser eingehender mitgeteilten
Fällen verlief die Laminektomie negativ. Zwei Fälle davon
kamen später zur Sektion; diese ergab ih dem einen Falle
multiple Sklerose, in dem anderen eine Pseudocystenerkran¬
kung. Der dritte Fall ist vorläufig ungeklärt. Am merk¬
würdigsten ist der vierte, einen 19 jährigen Gärtner betreffende
Fall. Hier trat nämlich im Anschluß an die ergebnislos ver¬
laufene Laminektomie des 7.—9. Dorsalwirbels Heilung der
sämtlichen Lähmungen (untere Extremitäten, Bauchmuskeln,
Blasenparese) und Sensibilitätsstörungen ein, so daß der
Patient wieder arbeitsfähig wurde. Die Heilung dauert schon
fünf Jahre, der Nervenstatus ist wieder ganz normal. In Wissen¬
schaftlicher Beziehung. ist dieser Fall unaufgeklärt.
Rose Wertheimer-Raffalovich: Experimentelle Untersuchungen
über die Pantoponwirkungen. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 37.)
Die Verfasserin stellte im pharmakologischen Institut zu
Bern experimentelle Untersuchungen über die Wirkung des
Pantopon an. welche folgende Resultate ergaben: Die in dem
Pantopon vereinigten Gesamtalkaloide des Opiums lösen beim
Kaninchen einen ausgesprochenen hypnotischen Effekt aus und
beeinflussen das Atmungszentrum weniger als das Morphium.
Was die Dosierung betrifft, so verstärken sich Alkaloide des
Opiums in ihrer narkotischen Wirkung nicht. Die Vorzüge
des Pantopons dem Morphium gegenüber sind namentlich in
einer qualitativen Verschiedenheit der Wirkung zu suchen, die
sich durch geringe Beeinflussung der Respiration charakteri¬
siert. Unter Umständen kann auch die weniger große Tiefe
der durch Pantopon hervorgerufenen Narkose als ein Vorzug
angesehen werden. Das Pantopon stellt sich auch nach den
Versuchsergebnissen der Verfasserin als ein völlig gereinigtes
Opiumpräparat dar, das dem Opium gegenüber die großen Vor¬
züge einer genauen Dosierbarkeit und rascheren Resorptions¬
fähigkeit, dem Morphium gegenüber den wesentlichen Vorteil
einer geringeren Wirkung auf das Atmungszentrum hat.
Sanitätsrat Dr. Pernico (Frankfurt a. 0.): Ueber Fremdkörper
in der Speiseröhre. (Deutsche med. Wochenschr., 1910.
No. 37.)
Verfasser berichtet über einen Fall, in welchem er sich
genötigt sah. einen Fremdkörper aus dem Oesophagus auf
operativem Wege zu entfernen. Ein 31 jähriger Mann hatte ein
Gebiß verschluckt; es fand sich im thoracalen Teil der Speise¬
röhre fest eingekeilt, etwa 33 cm hinter der Zahnreihe. Drei
Tage nachdem der Patient das Gebiß verschluckt hatte, sah
Verfasser den Patienten zuerst; die Röntgendurchleuchtung
ergab, daß der Fremdkörper mit der Längsachse der Achse des
Oesophagus entsprechend etwa in der Höhe des 7.—9. Brust¬
wirbels lag. Das Gebiß hatte deutlich erkennbar zwei ge¬
bogene Agraffen, welche links oben und rechts unten lagen.
Es gelang wegen der festen Einkeilung des Fremdkörpers,
weder ihn zu extrahieren, noch ihn in den Magen zu befördern.
Deshalb wurde die Oesophagotomie dicht oberhalb des Jugu¬
lum von der linken Seite her gemacht. Der Fremdkörper be¬
fand sich noch 10 cm unterhalb der Oeffnung; es gelang nicht,
ihn mit den Fingern zu fassen. Auch mehrere Versuche, ihn
mit Zangen zu fassen und zu extrahieren, mißlangen. Darauf
wurde mittels eines schmalen, sehr langen Raspatoriums das
Gebiß etw'as gelockert. Aber auch jetzt glückte die Extraktion
mittels Kornzange nicht. Diese gelang erst, als während des
Ziehens mit der Kornzange das Gebiß dauernd mit dem Raspa-
torium umgangen wurde. Nach der Extraktion wurde der
Oesophagus vernäht, die Schleimhaut isoliert mit Darmseide,
die Muskulatur in zweiter Schicht, dann wurde die Wunde
nach genauem Austupfen locker tamponiert, und der Patient
bekam zunächst nur flüssige Nahrung. Es trat in wenigen
Wochen reaktionslose Heilung ein. — Im Anschluß an den
Fall macht Verfasser einige kurze Bemerkungen über Fremd¬
körper in der Speiseröhre, ihre Diagnose und Behandlung.
R. L.
Spischarny: Ueher die Behandlung der Komplikationen des
runden Magengeschwürs. (Archiv f. klin. Chir., Bd. 92,
H. 1.)
An der Hand des großen Materials der Moskauer chirurgi¬
schen Universitätsklinik, in welcher während der letzten
15 Jahre 110 Fälle von Ulcus ventriculi behandelt wurden, be¬
richtet S. über seine Erfahrungen. In 49 pCt. handelte es sich
um Pylorusstenose bei noch bestehendem Geschwür. 16 mal
wurde die Gastroenterostomie ausgeführt mit zwei Todesfällen.
Sieben Fälle wurden dauernd gebessert, in zwei Fällen trat
ein Rezidiv, in einem Fall Ulcus pepticum ein. Bevorzugt wurde
die hintere Gastroenterostomie. Die Resektion wird von S.
nur bei Verdacht auf Ulcus carcinomatosum ausgeführt. Bei
Pylorusstenose, gleichviel ob durch Ulcus, Ulcusnarbe oder
sonstige Narbe bedingt, hält S. die Gastroenterostomie für das
Normalverfahren. Sie gewährt bei ulceröser Pylorusstenose
bisweilen die Möglichkeit, das normale Lumen und die Funk¬
tion desselben wiederherzustellen. Beimischung von Galle im
Mageninhalt ist bei jeder Methode der Gastroenterostomie eine
gewöhnliche Folgeerscheinung, welche eher nützlich als schäd¬
lich sein dürfte.
E. Payr; Erfahrungen Uber Exzision und Resektion bei Magen¬
geschwüren. (Archiv f. klin. Chir., Bd. 92, H. 1.)
Im ersten Teil dieser Arbeit (s. Archiv f. klin. Chirurgie,
Bd. 90, H.'4) hat P. den gegenwärtigen Stand der Frage der
chirurgischen Behandlung des Magengeschwürs, seine Indika¬
tionsstellung, Technik, seine Erfahrungen und Resultate mit¬
geteilt. Der vorliegende zweite Teil der Arbeit befaßt sich mit
der speziellen Darstellung des Materiales des Verfassers,
bringt also vor allem in extenso die Krankengeschichten von
25 an 24 Patienten vorgenommenen Geschwürsexzisionen und
-Resektionen und erörtert im Anschluß hieran die sich hieraus
ergebenden anatomischen, klinischen und operativ-technischen
Gesichtspunkte. Die Anamnese wies fast in allen Fällen auf
ein Ulcus hin oder ließ zum mindesten mit Sicherheit ein
Magenleiden vermuten. 16 Patienten hatten Hämatemesis
oder bluthaltige Stühle ein oder mehrere Male gehabt, bei 14
I bestanden Stenoseerscheinungen. Das Leiden bestand kürze¬
sten Falles seit einem Jahr, längstens seit 26 Jahren. Der sehr
lange Bestand eines Ulcus spricht bis zu einem gewissen Grade
für die Gutartigkeit des Magenleidens. Die Aufblähung des
Magens mit Kohlensäure ergiebt wertvolle Aufschlüsse über
Lage, Form und Größe des Magens. Von der Röntgenunter¬
suchung mit Wismutdarreichung wurde kein Gebrauch ge¬
macht, dagegen die motorische und sekretorische Funktion in
jedem Fall bestimmt. Ein fühlbarer Tumor war in
14 Fällen vorhanden. eine mehr weniger deutliche
Resistenz in der Mehrzahl der übrigen Fälle. Die
klinische Diagnose wurde 19 mal mit Sicherheit gestellt,
, die Lage des Geschwürs 16 mal richtig diagnostiziert.
7 mal saß das Geschwür nur am Pylorus, 12 mal an der kleinen
Curvatur, 7 mal an der Hinterwand, 2 mal an der Vordenvand
des Magens. 15 mal wurde die Totalresektion des Geschwürs,
10 mal die Exzision des Gesclvwürs gemacht; 11 mal wurde die
Gastroenterostomie hinzugefügt, in den übrigen Fällen die
Stümpfe axial vereinigt. An den unmittelbaren Folgen der
Operation ist nur ein Fall gestorben, gewiß ein ausgezeichnetes
Resultat. Ein Fall starb 17 Monate nach der Operation an
Ulcus pepticum. Alle übrigen, zum Teil seit sieben Jahren
Operierten sind bis auf zwei geheilt bezw. ganz erheblich ge¬
bessert. Die meisten sind ganz beschwerdefrei und zeigen
Gewichtszunahmen von 20 bis 61 Pfund. Die einzeln mit¬
geteilten Krankengeschichten nebst Abbildungen sind äußerst
lehrreich; die Arbeit im ganzen kann zum Studieren im Origi¬
nal nicht angelegentlich genug empfohlen werden.
Adler (Berlin-Pankow).
668
No. 44.
THERAPEUTISCHE
Privatdozent Dr. E. Grafe (Heidelberg): l eher die Bedeutung
der Oelsäure für die Diagnose des Magencarcinoms. (Münch,
med. Wochenschr., 1910, No. 38.)
Verfaser hat seit einigen Jahren Untersuchungen über die
hämolytische Wirkung des Mageninhalts angestellt und ge¬
funden, daß bei Magencarcinom der Aetherextrakt des Magen¬
saftes, der durch Ausheberung nach Probefrühstück gewonnen
. ist, meist starke Hämolyse zeigt, während bei Magehgesunden,
sowie anderweitig Magenkranken sich meist keine Hämolyse
nachweisen ließ, nur unter 61 Fällen von Ulcus zeigte sich in
zehn Fällen, die durch besondere Hartnäckigkeit und lange
Dauer ausgezeichnet waren, eine geringe Hämolyse. Nur in
vier Fällen von Magencarcinom. die durch enorme Gastrektasie
ausgezeichnet waren, wurde Hämolyse vermißt. Diese Er¬
gebnisse wurden später auch von anderen Autoren bestätigt.
Tm weiteren Verlauf seiner Untersuchungen stellte Verfasser
fest, daß die betreffenden hämolytischen Substanzen kokto-
stabil. alkohol- und ätherlöslich, sowie fermentfest sind, und
schließlich ergab sich durch Untersuchung des allmählich an¬
gesammelten Aetherextrakts. daß die hämolytische Substanz
aus Oelsäure besteht. 0.0003 g Oelsäure genügen, um 1 ccm
einer 5proz. Menschenblutkörperaufschwemmung in zwei Stun¬
den bei Blutschränkwärme komplett zu lösen. Am wahrschein¬
lichsten ist es nach Verfasser, daß die Oelsäure im Magen¬
saft selbst entsteht, denn die Schleimhaut des Magen-Darni-
kanals und der malignen Tumoren ist reich an Oelsäure. Ver¬
fasser ging dazu über, den hämolytisch wirksamen Stoff, die
Oelsäure, im Magensaft Quantitativ zu bestimmen, mittels ihrer
Eigenschaft. Jod zu addieren. Man gebraucht dazu eine
'/»cio normale wässerige Natriumthiosulfatlösung, ferner eine
1 .1 ihi normale alkoholische Jodlösung, eine lOproz. Jodkalium¬
lösung, eine 1 proz. Stärkekleisterlösung. Für die Unter¬
suchung kann nicht jeder Magensaft benutzt werden. Einmal
muß vor Darreichung des Probefrühstücks der Magen nüchtern
klar gespült sein, was in den Fällen schwerster Ektasie des
Magens nicht immer gelingt. Unterbleibt die Magenspülung
morgens nüchtern, so hat nur der negative Ausfall der Probe
Bedeutung. Ferner darf der Magensaft nicht deutlich gallig
verfärbt sein, da in solchen Fällen durch Darmrückfluß Oel¬
säure in den Magen gelangen kann. Negativer Ausfall der
Probe mit gallenhaltigem Magensaft spricht gegen Carcinom,
der positive Ausfall dagegen ist nicht zu verwerten. Außer in
ganz schweren Fällen von Gastroptose gelingt es stets, einen
nicht deutlich gallig verfärbten Magensaft zu bekommen. Tm
einzelnen gestaltet sich die Methode folgendermaßen: Am
Abend vor dem Probefrühstück wird eine möglichst fettarme
Kost gegeben, am anderen Morgen nüchtern der Magen vor¬
sichtig vollkommen klar gespült. Dann wird das übliche
Ewald sehe Probefrühstück gegeben und nach % Stunden
der Mageninhalt vorsichtig möglichst vollständig ausgehebert
und filtriert. Von dem put gemischten Filtrat, das ein Aufent¬
halt von 24 Stunden im Eisschrank nicht verändert, werden 20
bis 40 ccm genommen. Die Flüssigkeit, deren Menge im ein¬
zelnen Falle genau bekannt sein muß, wird mit Normalnatron¬
lauge gegen Phenolphthalein schwach, aber deutlich alkalisch
gemacht und dann mit etwa dem doppelten Volumen Aether im
Pulverglas oder Scheidetrichter einige Minuten geschüttelt.
Nach Trennung der ätherischen und wässerigen Schicht wird
die letztere, die die Fettsäuren als Seifen enthält, mit Schwefel¬
säure angesäuert und nochmals mit einer neuen Aethermenge
durchgeschüttelt. In den Aether. gehen dann die freien Fett¬
säuren über. Er wird von der wässerigen Schicht getrennt und
in einer Porzellanschale abgedunstet. Der meist minimale
Rückstand wird dann in 20 ccm Chloroform gelöst und in ein
Pulverglas übergefüllt und dazu 10 ccm der alkoholischen Jod¬
lösung hinzugesetzt, deren Titer in einer gleich behandelten
Kontrollprobe mit Chloroform allein jedesmal neu bestimmt
werden muß. Nach Aufenthalt von 2—5 Stunden im Dunkeln
wird die Menge Jod, die gebunden ist, durch Rücktitration mit
' 1 /»im Natriumthiosulfatlösung bestimmt. Vorher werden zirka
100 ccm Wasser, 5 ccm Jodkaliumlösung und 5 ccm Stärke¬
kleisterlösung hinzugesetzt und so lange Natriumthiosulfat¬
lösung aus der Bürette einfließen gelassen, bis die Blaufärbung
durch freies Jod gerade verschwindet. Während der Titration,
besonders gegen deren Ende, muß mehrmals kräftigst durch¬
geschüttelt w'erden, damit Chloroform und Wasser gut ver¬
mischt werden. Die Menge der verbrauchten Thiosulfatlösung
abgezogen von derjenigen, die dem Titer der Jodlösung ent¬
spricht, gibt das Jodbindungsvermögen der verwendeten Menge
Magensaft an. Um Vergleichszahlen zu erhalten, wird stets
auf 100 ccm Magenfiltrat umgerechnet, da, wo dessen Menge
über 100 beträgt auf 200, bei über 200 auf 300. Der obere
Grenzwert der Norm liegt bei einem Jodbindungsvermögen
von 10 ccm 11 Um Jodlösung pro 100 bezw. 200 und 300 ccm
Magensaft. Bei höheren Werten gilt die Probe als positiv und
spricht für Carcinom. In zweifelhaften Fällen muß die Probe
wiederholt werden. Das Jodbindungsvermögen der nicht carci-
nomatösen Magensäfte liegt zwischen 0 und 9,5 ccm der Titer¬
lösung, gewöhnlich zwischen 5 und 7, bei Ulcera ist es etwas
RUNDSCHAU l9i0.
höher. Beim Carcinom können die Werte bis über 30 ccm
steigen, meist liegen sie zwischen 11 und 20 ccm. — Unter 77 nicht
carcinomatösen Magensäften fiel die Probe nur zweimal positiv
aus, in zwei Fällen schwerer Ulcera, unter 22 Fällen von siche¬
rem Carcinom war sie nur einmal negativ, bei einem Carcinoma
pylori mit sehr starker Gastrektasie. Die Methode eignet sich
nach Verfasser hauptsächlich zur Differentialdiagnose von
Carcinom gegenüber Achylie, Gastritis, nervöser Dyspepsie
und pernieiöser Anämie. R- E.
Dr. Felix Mendel (Essen): Zur Diagnose und Therapie des
Ulcus duodeni. (Deutsche med. Wochenschr., 1910, No. 37.)
Während nach den Publikationen englischer und amerika¬
nischer Autoren das Ulcus duodeni in England und Amerika
nicht selten zu sein scheint und auch seit etwa seit zehn Jahren
dort häufig operativ behandelt wird, fängt man bei uns erst seit
kurzem an, dem Ulcus duodeni größere Beachtung zu schenken
und sich mit der Diagnose und Therapie dieses Leidens zu be¬
schäftigen. Von den Amerikanern wird zur Diagnose des
Duodenalgeschwürs schon der Nachweis der sog. Hunger¬
schmerzen im Epigastrium, die mehrere Stunden nach der
Mahlzeit einsetzen und nach jeder neuen Nahrungsaufnahme
sistieren. als genügend angesehen. Verf. hat dieses Symptom
schon 1903 in einer Arbeit in der „Münch, med. Wochenschrift“
beschrieben; dieses Symptom kommt aber nach Ewald und
Boas auch bei anderen Erkrankungen zur Beobachtung, z. B.
bei Hyperacidität, bei Verwachsungen zwischen Duodenum
und Gallenblase, bei Arteriosklerose. Verfasser weist nun
auf ein anderes, ebenfalls von ihm schon 1903 angegebenes
Hilfsmittel zur Sicherung der Diagnose hin, es besteht in der
direkten Perkussion des Epigastrium. Führt man mit dem
Perkussionshammer leichte kurze Schläge auf das Epigastrium
bei möglichst entspannten Bauchdecken, so wird auch der
empfindlichste Patient keine Schmerzen verspüren, so lange der
Magen, das Duodenum oder deren Nachbarschaft gesund ist.
Leidet der Patient aber an Ulcus ventriculi oder duodeni. so
gelangt man bald an einen Punkt, wo auch der leiseste Schlag
als ein intensiver Schmerz empfunden wird, der stets von einem
Nachschmerz gefolgt ist. Man kann in den meisten Fällen
einen kreisförmigen Bezirk abgrenzen, innerhalb dessen auch
die leiseste Perkussion schmerzhaft ist, während außerhalb
des Bezirks auch heftigere Schläge keinen Schmerz hervor-
rufen. Was speziell das Ulcus duodeni anlangt, so ist bei
diesem direkt rechts neben der Linea alba etwas unterhalb der
Mitte zwischen Rippenbogen und Nabel immer ein scharf um¬
grenzter Schmerzbezirk, meist von der Größe eines Zweimark¬
stückes nachzuweisen. Diese Schmerzzone wird allmählich
mit der fortschreitenden Heilung des Geschwürs kleiner und
ist nach Vollendung der Heilung ganz verschwunden. Ver¬
fasser'hat in den letzten zehn Jahren mehr als 30 Patienten
mit Ulcus duodeni behandelt und in der größten Zahl der Fälle
durch interne Behandlung völlige Heilung erzielt. Es werden
viel mehr Männer als Frauen von dieser Krankheit befallen.
Was die interne Behandlung des Ulcus duodeni anlangt, so
entspricht sie im großen und ganzen den Grundsätzen, die für
die Behandlung des Magengeschwürs maßgebend sind; sie ist
also in erster Linie eine physikalisch-diätetische, insbesondere
ist die Diät die gleiche wie beim Ulcus ventriculi. Eine kon¬
sistentere Nahrung darf erst dann verabreicht werden, wenn
mittels der Perkussion keine Schmerzzone mehr nachzuweisen
ist, auch dann noch mehrere Wochen nur in Breiform. Von
Medikamenten gibt Verfasser nur
Natr. sulfuric. pulv.30 g
Natr. phosphoric. pulv. ... 30 ,,
Natr. bicarbonic. . . .... . 40 „
M. f. pulv.
4 mal tilgt. 1 Teelöffel in einem Weinglase warmen Wassers vor der
Mahlzeit.
Bei anhaltenden Schmerzen empfiehlt sich Olivenöl zu
geben, viermal täglich einen Eßlöffel direkt vor der warmen
Salzlösung. Die Dauer der Liegekur schwankt je nach der
Intensität der Erkrankung zwischen vier und sechs Wochen.
Dr. Karl Schiller (Budapest): Behandlung mittels Hyperämie bei
Ambulanten. (Pester medizin.-chir. Presse, 1910, No. 36.)
Man kann nach den Erfahrungen des Verfassers die
Hyperämiebehandlung der meisten akuten chirurgischen In¬
fektionskrankheiten auch bei ambulanten Kranken ohne Gefahr
anwenden, und zwar ebenso die Saug- wie die Staubehandlung.
Die Saugbehandlung ist ganz gefahrlos und gibt gute Resul¬
tate bei Furunkeln, Karbunkeln, Abscessen, Lymphadenitiden
non tuberculos., Mastitis und Bubonen. Die Staubehandlung
kann bei akuten Entzündungen auch bei Ambulanten in den
meisten Fällen ohne Gefahr mit gutem Erfolg angewendel
werden. Der durch die Stauungsbehandlung erreichbare
schnellere Stillstand der Entzündung, die kurze Heilungsdauer
und der gute funktionelle Erfolg berechtigen zur Behandlung
der Panaritien, auch der schweren Tendovaginitiden und Phleg¬
monen. Die besten Erfolge erreichen wir bei beginnenden,
No- 44.__ THERAPEUT ISCHE
leichten källen. Bei schweren Fällen bekommen wir aber
auch nur sehr selten Mißerfolge. Bei chirurgischer Tuber¬
kulose ermöglicht die Hyperämiebehandlung, daß die Kranken
ambulant auch weiter behandelt werden und noch vor defi¬
nitiver Heilung ihre Arbeit verrichten können. Es ist nicht
ausgeschlossen, daß in manchen dieser Fälle die Hyperämie¬
behandlung neben der spezifischen Behandlung zur schnelleren
Resorption beiträgt. K r.
E. Hesse: Ueber den chirurgischen Wert der Antiferment¬
behandlung eitriger Prozesse. (Archiv f. klin. Chir., Bd. 92
H. 1.)
Auf Grund von 25 meist schweren progredient-eitrigen
Prozessen, welche Verfasser im Obuchow - Krankenhaus in
Petersburg der Antifermentbehandlung unterworfen hat,
kommt er zu dem Schlüsse, daß der praktische Wert der Anti¬
fermenttherapie augenscheinlich geringer ist. als man auf Grund
der richtigen theoretischen Voraussetzungen anzunehmen be¬
rechtigt ist. Der Organismus hat eben nicht nur mit den Zer¬
fallsprodukten zu kämpfen, gegen welche die Antifermente ia
gerichtet sind, sondern hauptsächlich mit den Eitererregern
und gegen diese sind die Antifermente machtlos. Immerhin
sind sowohl die natürlichen, als auch die künstlichen Anti¬
fermente wesentliche Faktoren, deren Wert im Kampfe gegen
die Infektion nicht unterschätzt werden sollte. Durch die ex¬
perimentelle Prüfung der Antifermente im geschlossenen Eiter¬
herde und die positiven Resultate anderer Autoren ist ihr Ein¬
fluß im klinischen Sinne entschieden. Nur scheint der
therapeutische Wert nicht nur in der geschlossenen Behand¬
lung zu liegen die unsicher und unter Umständen gefährlich
werden kann. H. befürwortet vielmehr breite Eröffnung der
Abscesse und Serumtamponade. . Wieweit dann die Absceß-
eröffnung und das Serum zum Stillstand beitragen, läßt sich
schwer entscheiden, doch ist ein Einfluß des letzteren sehr
wahrscheinlich. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Heinr. Fischer, prakt. Arzt in Wiesbaden: Eine neue
Therapie der Phlebitis. (Medizin. Klinik, 1910, No. BO.)
Verfasser pinselt die ganzen Unterschenkel mit mäßig
steifem Zinkleim (aus der Hofapotheke in Dresden) ein und be¬
grenzt die eingepinselte Fläche oben und unten mit einem etwa
2 cm breiten, rings um den Schenkel gelegten Streifen Spital¬
watte. um das Einschneiden des später hart und an den Kanten
scharf werdenden Verbandes in die Haut zu verhindern. Als¬
dann umwickelt er die bepinselte Fläche von den Knöcheln
an mit vier bis sechs 5 oder 6 cm breiten, vorher in
Hydroxy.-oxycyanat.-Lösung (1 :1000) aufgeweichten appre¬
tierten Gazebinden so fest als möglich, wobei es besonders
auf die Gleichmäßigkeit des Verbandes ankommt. Nur wenn
er glaubt, befürchten zu müssen, daß ein Teil des Thrombus
sich während des Anlegens der ersten Binde loslösen und eine
Embolie verursachen könnte, legt Verfasser diese von oberhalb
der erkrankten Stelle nach unten zu an, die folgenden Binden
aber wieder von den Knöcheln an — um eine Stauung des
Blutes in den jeweilig unterhalb der umwickelten Fläche liegen¬
den Venenabschnitten zu vermeiden. Ueber den Gazebinden¬
verband legt Verfasser eine Idealbinde von 6 cm Breite, auch
möglichst fest und ganz gleichmäßig an. Am Tage nach dem
Verbände kann der Kranke fq^t immer schon ausgehen, und
am dritten und vierten Tage muß der Patient zum Verband¬
wechsel erscheinen. Der zweite Verband liegt länger — etwa
zehn Tage —. da die Abschwellung des Beines immer langsamer
vonstatten geht, und unter ihm oder unter dem dritten Verbände
pflegt volle Genesung zu erfolgen.
Verfasser gibt folgende Erklärung für die schnelle Wirk¬
samkeit seines Verbandes: Durch den festen Verband werden
die entzündeten Venen Wandungen fest zusammengedrückt, und
der entzündete Thrombus wird festgehalten, so daß er nicht
fortgeschwemmt werden kann; sollte bei der Erweichung des¬
selben sich trotzdem ein kleines Gerinsel ablösen, so wird es
durch die auch oberhalb komprimierte Vene festgehalten, sö
daß die Gefahr der Embolie mit der Anlegung des Verbandes
als ganz sicher beseitigt betrachtet werden kann. Durch den
starken Druck, unter welchen der Verband die thrombosierte
Stelle setzt, wird das Blutgerinsel schnell zur Erweichung und
dann zur Resorption gebracht. Indem durch den festen Ver¬
band die erweiterten Venen des Unterschenkels verengert und
die durch die Erweiterung insuffizient gewordenen Venen-
klappen wieder schlußfähig werden, kommt unter dem Ver¬
bände eine Förderung der Zirkulation zustande. Die Folge
dieser Förderung ist die schnelle Abschwellung des Schenkels.
Diese erhöhte Zirkulation bewirkt auch, daß die Thrombose
sich nicht, wie bei der Ruhigstellung der Extremität — durch
Blutstase weiter ausbreiten kann. K r.
Dr. Franz Kuhn (Kassel): Die Wiederbelebung durch Ventila¬
tion der Luftwege per vias naturales. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 37.)
Verfasser hält die schematische Anwendung des Sauer¬
stoffs bei der Wiederbelebung von Scheintoten für falsch. Die
RUNDSCHAU 1910_ 669
Zuführung geschieht dabei gewöhnlich mittels einer dicht auf
das Gesicht (Mund und Nase) gepreßten Maske. Man über¬
schätzt dabei die Wirkung des reinen Sauerstoffs und über¬
sieht, daß die Applikation der Sauerstoffmaske enge,
künstliche Verhältnisse schafft; sie ist daher in der Hand des
Laien, da er die Zunge und den Kiefer nicht zu bedienen weiß,
oft schlimmer als keine Hilfe; denn der Laie schafft mittels
der Maske, die er über die Nase und den Mund bindet, zumeist
schlechtere Verhältnisse für die Atmung, als diese ohne die
Maske sind. Viel wichtiger als alle Sauerstoffapplikation ist
die Entfernung der Kohlensäure. Die Hauptsache bei der
Wiederbelebung muß die Ventilation der tieferen Luftwege
sein. Diese wird besser und zuverlässiger als durch jede
„künstliche Atmung“ durch die direkte Einführung eines sauer-
stoffführenden Gases unter einem mittleren Druck in die Tiefe
der Luftwege selbst bewirkt. Ob dieses Gas gute Luft ist oder
reiner Sauerstoff, das ist gleichgültig. Wesentlich ist das Strömen
desselben mit der Wirkung einer ergiebigen Ventilation. Man
braucht also erstens eine Luftdruckquelle, zweitens bestimmte
Einführungsapparate für die Luft. Als Luft- resp. Sauerstoff¬
quelle dient ein Gummigebläse resp. die Sauerstoffbombe, das
erstere kommt nur in Betracht, wo keine Sauerstoffbombe zur
Verfügung steht. Zur Einführung der Luft oder des Sauerstoffs
hat Verfasser schon früher eine erweiterte perorale Intuba¬
tion empfohlen. Meitzer empfiehlt neuerdings dazu ein
Gummirohr. Das katheterförmige Rohr wird der hilfebringende
Laie zunächst tief in den Kehlkopf einführen, den Sauerstoff¬
strom öffnen und diesen dann unter entsprechenden Thorax¬
bewegungen kontinuierlich strömen lassen bis zur Ankunft des
Arztes. Kommt dann der Arzt an, oder ist er von Anfang an
zur Stelle, so wird er das Intubationsrohr einführen und durch
dieses hindurch mit Hilfe des Röhrchens die Sauerstoffdurch-
strömung fortsetzen. Ob und wann das Intubationsrohr indi¬
ziert ist, das zu bestimmen ist Sache des Arztes. Häufig kann
man die Röhrchenströmung allein fortsetzen. Hat man keinen
Sauerstoff, so nimmt man ein Gebläse. Wichtig sind neben
der Sauerstoffzufuhr noch leichtere Thoraxbewegungen im
Sinne der künstlichen Atmung, nach den Regeln der Schule.
R. L.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.—24. September 1910.
Referent Herr L. Borchardt (Königsberg).
(Fortsetzung.)
Abteilung für Dermatologie und Syphilis
' Referent: Herr W. Carl (Königsberg i. Pr.).
Sitzung vom 20. September 1910, nachmittags
4 U h r.
Vorträge über die Behandlung der Syphilis mit dem Elir-
lichschen Präparat 606.
Herr Ehrlich (Frankfurt a. M.) spricht ungefähr folgender¬
maßen :
Hochverehrte Anwesende! Ich hatte eigentlich die Ab¬
sicht, nur zum Schluß der Diskussion ganz kurz zu sprechen,
weil die heutige Tagung den Klinikern gehört, denen, die
wirklich über den Wert und den Unwert des Mittels zu ent¬
scheiden haben. Ich bitte daher um Verzeihung, wenn ich
ganz kurz spreche, weil ich wirklich nicht präpariert bin.
Was nun das neue Mittel anbetrifft, so sind die General ia
Ihnen allen als berufenen Fachleuten genau bekannt. Ich
kann mich daher auf einige kurze Mitteilungen beschränken.
Es handelt sich hier — ich will auch nicht die Geschichte der
Entdeckung, die Beteiligung der verschiedenen Autoren, Vor¬
gänger und Mitarbeiter erwähnen und will gleich in medias
res eingehen — zunächst um die spezifische Wirkung des
Mittels. Es ist Ihnen allen bekannt, daß die Wirkung beson¬
ders zutage tritt bei Anwendung einer genügenden Dosis; die
in den Säften vorhandenen Spirochäten verschwinden und zwar
bei ausreichender Dosis in 24—48 Stunden. Dauert das Ver¬
schwinden länger, so ist das meiner Ansicht nach ein Zeichen,
daß die Dosis zu klein, die Resorptionsbedingungeu ungenügend
oder daß es sich um einen arsenfesten Stamm handeln kann,
wofür gewisse Anzeichen sprechen.
Eine zweite Tatsache, die für die mitgeteilte Eigenschaft
spricht, ist die Bildung spezifischer Antikörper. Es ist ja be¬
kannt, daß man bei der Syphilis schon lange und ziemlich ver¬
geblich gesucht hat, spezifische Antikörper, die eine spezifische
Heilwirkung, auszuüben imstande sind, nachzuweisen. Beson¬
ders Neisser hat einen Teil seiner besten Arbeit bei diesem
Problem geleistet. Nun, meine Herren, es scheint, als ob bei
Heilwirkungen mit „606" aus Gründen, die ich gleich be¬
sprechen werde, die Chancen für den Nachweis dieser Stoffe
günstigere sind. Ich beobachtete bei einer Mutter, die syphili-
670
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 44.
tisch war und mit „606“ behandelt worden war, daß das Stillen
der Mutter einen außerordentlich günstigen Einfluß auf die
hereditäre Syphilis des Kindes ausübte. Die Affektionen ver¬
schwanden ziemlich rasch; später haben Duhot und ver¬
schiedene andere Autoren dieselben Erfahrungen gemacht,
und auch Raubitschek hat eine größere Anzahl dieser Be¬
obachtungen festgestellt.
Nun ist ja der Arsengehalt der Milch ein außerordentlich
geringer. Außerdem wirkt das Präparat kaum in so ungenügen¬
den Mengen, so daß man ohne weiteres darauf hingelenkt wird,
daß Antikörper entstanden und hier resorbiert sind. Inter¬
essante Ergänzungen nach dieser Richtung sind von mancher
Seite erfolgt und Marinescu, Plaut. Schölt z,
Michallis, Meirowsky haben mir brieflich mitgeteilt,
daß Serum von mit .,606“ behandelten Patienten geeignet er¬
scheint. die luetischen Affektionen zur Resorption zu bringen.
Meine Herren, es geht hieraus hervor, daß spezifische Anti¬
körper sich bilden, die imstande sind, zunächst einen Heilungs¬
vorgang einzuleiten. Ich bin der Ansicht, daß diese Serum¬
heilung im allgemeinen nicht ausreicht, um eine definitive
Heilung herbeizuführen, denn wenn von 1000 Spirochäten eine
zurückbleibt, so genügt diese einzige, um ein Rezidiv hervor¬
zurufen. Die Säugungsimmunität ist aber von großer Bedeu¬
tung für die Behandlung der Kindersyphilis, insbesondere der
hereditären. Wenn man solche Kinder injiziert, so beobachtet
man, wie dies Wechselmann zuerst getan hat. einen außer¬
ordentlich prompten und schönen Heilungsverlauf, aber nach
6—7 Tagen kommen bei einem Teil der Kinder schwere Er¬
krankungen vor, die wohl durch die frei gewordenen Endo¬
toxine der massenhaft zugrunde gegangenen Spirochäten be¬
dingt sind: die in die Blutbahn gelangten Toxine sind so die
Ursache für die schweren sekundären Schädigungen. Nun
glaubte ich. daß bei dem Steigen der Antikörper das ausge- j
schlossen ist. Es wird hier der Hauptteil der Spirochäten ab¬
getötet und, da die Antikörper neutrale Eigenschaften haben,
der Rest in eine unschädliche Form übergeführt. Man hat
dann ein relativ gesundes, kräftiges Kind, welches einige
Spirochäten hat. Hier glaube ich, ist die Indikation gegeben
einem solchen Kinde gleich eine genügende Injektion mit „606“
zu machen, um zu versuchen, den Rest abzutöten. Das wäre
die eine spezifische Wirkung.
Eine zweite spezifische Wirkung, die vielleicht noch von
größerem praktischen Wert ist, ist die Seroreaktion, die zuerst
von Wassermann, Neisser und Bruck aufgefunden
wurde und eine große Rolle spielt. Es ist aus allen jetzigen
Beobachtungen ganz sicher, daß diese Reaktion mit der An¬
wesenheit und dem Vegetieren der Spirillen in engem Zu¬
sammenhänge steht. Es ist dies eine bekannte Tatsache, und
ich brauche hier nicht darauf einzugehen. Nun ist aber eine
Reihe von sehr interessanten Beobachtungen von verschiede¬
nen Seiten gemacht worden, die dahin gehen, daß eine negative
Reaktion unter dem Einflüsse der Injektion zunächst positiv«
wird und dann eventuell wieder verschwindet. Das
findet statt bei gewissen primären Schankem in einer ge¬
wissen Periode. Aehnliches findet man, wenn auch seltener,
bei gewissen Formen der latenten Syphilis. Es gibt Formen,
in denen eine negative Wassermannsehe Reaktion vor¬
handen ist. Wenn man injiziert, so tritt zunächst die positive
Reaktion ein. Wie ist das zu erklären? Ich glaube in Ihrem
Sinne zu denken, wenn ich annehme, daß in diesen Formen
die Zahl der Spirochäten minimal ist, so daß sie nicht imstande
ist, die W a s s e r m a nn sehe Reaktion auszulösen. Wenn
aber mit einem Schlage die Spirochäten sich auflösen und wenn
diese zur Resorption gelangen, so ist der Ictus immunisatorius
ein so großer, daß die vorher negative Reaktion in eine posi¬
tive umschlägt. Es ist also in einem solchen Falle das Auf¬
treten der Reaktion ein Beweis der wirklich syphilitischen
Natur dieser Erkrankung. Nun können wir beurteilen, welche
Bedeutung diese Reaktion für die „606“-Behandlung haben
kann; man kann dieselbe nicht hoch genug einschätzen. Das
darf man ohne weiteres sagen, daß ein Fall, welcher die Reak¬
tion trotz dieser Behandlung bietet, imgeheilt ist. Ich glaube,
ich werde damit den hier Versammelten aus dem Herzen
sprechen. Wir haben aber eine Anzahl von Fällen, in welchen
die Reaktion negativ verbleibt. Daß sie negativ bleibt, bedeutet
gar nichts; es kann sich hier, wie Neisser auseinandersetzte,
nur um ein temporäres Verschwinden der Reaktion handeln.
Es kann eben bei dem Actus therapeuticus bei einer Million
Spirochäten sich darum handeln, daß 100 übrig geblieben sind.
Es genügt diese Zahl zunächst nicht, die Reaktion auszulösen.
Erst wenn diese 100 Spirochäten sich allmählich vermehren,
kommt eine Reaktion zustande. Es ist daher jedes Positiv¬
werden einer negativen Reaktion analog zu setzen einem Rezi¬
div ohne äußere Erscheinungen, und daher eine Indikation,
eine Behandlung vorzunehmen.
Wie sie sehen, ist durch diesen Standpunkt diese Behand¬
lung nicht so einfach wie man glaubte. Ich habe auch nie ge¬
sagt, daß man einen Patienten nur injizieren und dann geheilt
entlassen kann. Es wird die Aufgabe der Aerzte in der Zu¬
kunft sein, diese Fälle sukzessive in gewissen Zeiträumen zu
untersuchen und die Wirkung vielleicht bei jedem zu verfolgen.
Es liegt da eine ganz schwere Aufgabe der Zukunft vor, und
in diesem Sinne wäre es sehr zu begrüßen, wenn es den an¬
gestrengten Bemühungen, und ich glaube, Wassermann
stimmt da auch mit mir überein, gelingen würde, einen Weg
zu finden derart, daß auch der Fachmann stets imstande ist,
diese Prüfung fortlaufend am Patienten vorzunehmen. Das
wäre die zweite spezifische Beeinflussung, die das Mittel
ausübt.
Dann kommt noch eine andere Wirkung, die außerordent¬
lich schwer zu erklären ist. Es ist mir von vielen Seiten be¬
richtet worden, daß das Mittel eine oft wunderbare schnelle
Wirkung ausübt. Von verschiedenen Seiten habe ich die Nach¬
richt bekommen, daß Patienten z. B., die monatelang wegen
luetischer Erkrankung keinen festen Bissen schlucken konnten,
bald nach einer Injektion erheblich weniger Schmerzen hatten.
Zum Beispiel in einem bekannten Fall, der zwei Monate ver¬
geblich behandelt worden war, wurde um 2 Uhr eine Injek¬
tion gemacht bei einem Gumma der Tonsille. Um 7 Uhr, fünf
Stunden später, konstatiert der behandelnde Arzt, daß der
Patient ein Butterbrot essen konnte.
Analoge Fälle können, glaube ich, von den zahlreich ver¬
sammelten Herren ergänzt werden. Aehnliche wunderbare
Erscheinungen findet man öfter. Ich weiß von einem Fall, daß
Roseolen binnen drei Stunden verschwunden sind, Fälle von
Knochenschmerzen in wenigen Stunden verschwunden sind,
unangenehme Sensationen, welche viele Luetiker im Rachen
haben, auch momentan verschwinden. Ich kenne einen Fall,
eine chronische Makrochilie, der Patient hatte immerfort Jucken
auf der Zunge. Eine Stunde nach der Injektion war die un¬
angenehme Erscheinung verschwunden. Bei -einer gummösen
Erkrankung der Zunge war dies ebenfalls konstatiert. Ana¬
tomische Veränderungen können noch nicht eingetreten sein.
Wenn ein solcher Mann imstande ist, Kaubewegungen zu
machen, so muß doch etwas weggenommen sein; es muß die
Schmerzhaftigkeit weggenommen sein. Man kommt daher zu
der Anschauung, daß es sich hier um Sekretionsprodukte der
Spirochäten handelt, die als solche Schmerzhaftigkeit bedingen.
Wenn man annimmt, daß die Substanz „606“ sich in irgend
einer Weise verbindet mit dem Toxin und auf diese Weise
antineurälgisch wirkt, so erklären sich diese Beobachtungen
in einfachster Weise. Man kann annehmen, daß die Substanz
sich mit den Sekretionsprodukten verbindet und nach Art eines
Antitoxins wirkt.
Nun gibt es gewisse Beobachtungen, die dagegen zu
sprechen scheinen, nämlich die Tatsache, daß man gelegentlich
beobachtet, daß das Umgekehrte eintritt, nämlich eine erhöhte
Reizung.
Diese Beobachtung ist schon alt, sie ist auch beim Queck¬
silber vorgekommen. Sie scheint darin zu bestellen, daß nach
einer Injektion eine starke Rötung, Hyperämie, eintritt. Die
erste Beobachtung über „606“ in dieser Richtung, von der ich ge¬
hört habe, stammt aus Italien. Dort war man im allerersten
Beginn außerordentlich vorsichtig, injizierte den Patienten nur
Dosen von 0,025 und 0,05, anscheinend mit gutem Erfolge. Es
trat die H e r x h e i m er sehe Reaktion ein. Die Spirochäten
verschwanden momentan, um nach kurzer Zeit, 5—10 Tagen,
wieder aufzutauehen und lokale Rezidive hervorzurufen. In
diesen Fällen handelt es sich nafti meiner Ansicht darum, daß
die Parasiten nicht abgetötet, sondern daß sie gereizt werden.
Diese Erhöhung der Giftsekretion unter dem Einfluß der
Reizung bedingt die lokalen Erscheinungen. Ich fasse also
die Herxheim er sehe Reaktion und ähnliche Erscheinungen
als eine ungenügende Wirkung, als ein Zeichen auf, daß die
verwendete Dosis zu klein ist. Das wäre das, was ich über die
Spezifizität sprechen wollte.
Dann wollte ich noch kurz über die therapeutische Taktik
sprechen. Ich habe immer und immer alle Arsenikalien als
gefährliche Mittel angesehen und habe mir gesagt, daß es not¬
wendig sein müßte, ein solches gefährliches Mittel erst auszu¬
probieren in ausgedehntestem Maße. Man kann nicht ver¬
langen, daß ein Mittel, welches im Körper die Parasiten ab¬
tötet, vollkommen unschädlich sein soll. Aber, meine Herren,
der Giftbegriff ist ein relativer. Nehmen Sie Chloroform und
wählen Sie Soldaten aus. Sie können vielleicht 50 000 chloro¬
formieren ohne Todesfall. Wählen Sie gewöhnliches Kranken¬
material aus, so ist die Mortalität genau 1 :2060—2080 seit
vielen Jahrzehnten. Würden Sie aber Herzkranke chloro¬
formieren, so würden Sie 1 pCt. bis 2 pCt. oder noch mehr
haben. Die Mortalität des Chloroforms ist nicht konstant, son¬
dern hängt ab von der Art der Patienten. Dieses Gesetz gilt
auch für alle therapeutischen Präparate.
Man hat nun eine Erprobung vorzunehmen. Diese Er¬
probung hat ihre besonderen Schwierigkeiten insofern, als
jeder, der solche unbekannte Mittel probiert, in die Lage ver¬
setzt werden kann, Patienten zu finden, die eine angeborene
Ueberempfindlichkeit. besitzen und daher durch die Anwen¬
dung des Mittels zu Tode kommen können und den Arzt großen
Unannehmlichkeiten aussetzen. Ich habe nun das Glück ge-
»0. 44.
671
THERAPEUTISCHE
habt, in Deutschland Herrn Prot. Alt und Herrn Prot.
Iversen in St. Petersburg zu finden, die mich aut das Beste
unterstützt haben. Herr Professor Alt hat vorwiegend au
Paralysen und später mit Hoppe und Schreiber an
frischer Syphilis gearbeitet und als erster die wunderbaren
Heilerfolge konstatiert, während Iversen unabhängig davon
Rekurrensstudien gemacht hat und den Nachweis erbrachte,
daß unter einer Injektion Rekurrens definitiv heilt und alle
Rückfälle vermieden werden.
Aber, meine Herren, mit diesen Feststellungen war nur ein
kleiner Teil der Aufgaben erfüllt, insofern, als ich, bevor ich
das Mittel in die Praxis geben wollte, es für notwendig hielt,
daß an 10 000—20 000 Fällen Beobachtungen vorliegen, damit
man ganz genau wissen konnte, wie groß die Gefahrchancen
sind, unter welchen Umständen sie auftreten. Solche Aufgabe
war schwer zu erfüllen, insofern als die Erprobung eines
solchen Mittels seine großen Schwierigkeiten hat, weil man
nicht überall mitwirken kann, weil in einem größeren Betriebe
Schäden auftreten können, die im Anfang und bei kleinerem
Umfang von den Autoren durch große Sorgfalt vermieden
werden können.
Ich habe eine Reihe von Herren mit dieser Aufgabe be¬
traut. Ich muß gleich hinzufügen, daß es nur möglich ist, Er-
prober zu finden, wenn die Resultate fortlaufend veröffentlicht
werden, denn man wird keinen finden, der sich entschließt auf
eine mündliche Mitteilung der Resultate hin Versuche anzu¬
stellen. Erst wenn öffentliche druckschriftliche Mitteilungen
erfolgt sind, kann der Betreffende mehr Mut haben, Versuche
anzustellen. Ich habe nun die Herren Wechselmann,
Stern, Pick, Neisser und Schreiber gebeten, diese
Versuche anzustellen; diese und später noch eine Reihe von
anderen bewährten Fachmännern haben sich dieser Aufgabe
unterzogen. Ich verfüge jetzt über Berichte von ungefähr
10 000 Fällen, glaube aber 12 000 dürften wahrscheinlich in
vero injiziert sein.
Es hat sich herausgestellt, daß im allgemeinen das Mittel
keine besonderen Gefahren bietet. Insbesondere darf ich wohl
sagen, daß unter der großen Zahl von Fällen nur ein einziger,
der in Jena, beobachtet worden ist, sich befunden hat, wo es
sich um eine Patientin handelte, die ihrem Leiden nicht hätte
erliegen müssen. Aber das hing so zusammen: Es handelte
sich um eine schwächliche Person mit tertiärer Lues des Kehl¬
kopfes, bei der eine Injektion mit einer sauren Lösung aus
äußeren Gründen gemacht wurde, eine Lösung, die besonders
stark lokal reizte. Ich glaube, es handelt sich um einen Shok,
der mit den neueren Präparaten wird vermieden werden
können.
Die andere Gruppe von Todesfällen, die kaum ein Dutzend
erreichen dürfte, betrifft ausschließlich Fälle von ganz schweren
Störungen des Nervensystems, also Tabes mit Kachexie, Fälle
verblödeter Menschen mit Erweichungen im Gehirn, schwerer
Tabes mit paralytischen Erscheinungen usw.
Es sind dies alles Fälle, in denen die Injektion offenbar
den Tod hervorgerufen hat, insofern als die Patienten wenige
Stunden nach der Injektion gestorben sind. Aber es betraf
Patienten, die auch ohne Injektion schon Todeskandidaten
waren.
Nun, meine Herren, ich bin durchaus der Meinung, daß
man einen Patienten, auch einen verlorenen Fall injiziert, wenn
man die Hoffnung hat, daß er sich bessern kann. So verfährt
auch der Chirurg, der einfach eine Operation vornimmt, auch
wenn sie sehr gefährlich sein sollte. Aber wenn unter diesen
Umständen etwas passiert, wenn der Retter selbst ins Wasser
fällt, soll man das nicht auf das Mittel schieben und sagen, das
Mittel ist gefährlich, wie das jüngst von B u s c h k e geschehen
ist, der unter fünf Fällen zweimal Arsenvergiftung beobachtet
hat. Das wird jedem, der auch mit 606 behandelte Patienten
beobachtet hat, höchst wahrscheinlich erscheinen.
Ich bin auch der Ansicht, daß man einen solchen hoch¬
gefährlichen Versuch unternehmen kann und muß, wenn mau
der Ueberzeuguug ist, man kann den Patienten dadurch retten.
So ist z. B. ein Fall einer schweren Epilepsie. Patient war
zwei Jahre in einer Irrenanstalt, erkannte seine eigene Mutter
nicht. Es wurde eine Injektion gemacht. Patient bekam
danach einen furchtbaren epileptischen Anfall, so daß der Arzt
glaubte, daß er jede Minute sterben könnte. Der Patient kam
davon, ist nach 4—5 Tagen in erheblichster Weise gebessert,
kann sprechen, schreiben und liest. Ein Fall schwerster Lues
mit Pneumonie, wo der betreffende Arzt die Injektion zunächst
verweigerte (?), weil der Patient zu schwach war. Er beschloß
am nächsten Tage es zu tun, Patient entfieberte in wenigen
Stunden und war am nächsten Tage so wohl, daß er das
Krankenhaus verlassen wollte.
Bei schwereü Paralytikern aber glaube ich, daß es doch
sehr gefährlich ist, Injektionen zu machen. Wenn es selbst ge¬
länge, einen .zu heilen, so wird doch sein Cerebrum so zer¬
stört sein, daß er vielleicht kein nützliches Mitglied der mensch¬
lichen Gesellschaft werden kann. Das wäre mein Standpunkt
dem gegenüber, der eine Injektion vornimmt.
Eine zweite Kontraindikation sind die Herzerkrankungen
RUNDSCHA U 1910.
und die der Gefäße. So ist mir z. B. ein Fall bekannt, wo ein
Patient injiziert wurde und unmittelbar danach starb. Es zeigte
sich ein Aneurysma, dessen Wandung geplatzt war. Der Patient
wäre natürlich auch so gestorben, baß ein Aneurysma platzt,
kommt vor. Ich habe selbst einen Epileptiker sterben sehen,
bei dem das Fallen einer Schüssel einen tötlichen epileptischen
Anfall hervorgerufen hat. Wenn man eine Injektion vornimmt,
können schwere Unfälle eintreten. Ich glaube, daß man über¬
haupt bei Gefäßerkrankungen, die zu Aneurysma geführt haben,
vorsichtig sein soll. Selbst wenn man die Spirochäten ent¬
fernt, wird das Aneurysma bestehen bleiben.
Vielleicht darf ich noch sagen, daß wohl der wesent¬
liche Nutzen der heutigen Diskussion erreicht würde, wenn
sich die versammelten Fachmänner besonders über die Tech¬
nik aussprechen wollten. Ich verstehe darunter sowohl die
Art der Lösung als die Höhe der Dosen. Im allgemeinen
wirkt ja immer am schnellsten die intravenöse Injektion und
scheint auch mit 0,4—0,5 g gut ertragen zu werden. Weiterhin
wirkt am besten die alkalische Lösung, die zuerst von A11
und Iversen erprobt wurde und nur den kleinen Nachteil
hat, daß sie ziemlich schmerzhaft ist. Dagegen hat die neu¬
trale Emulsion von Michaelis und Weckselmann den
Vorzug, daß die Schmerzhaftigkeit geringer ist. Es besteht die
Wahl zwischen den beiden Formen, sie hängt zum Teil ab nach
meiner Ansicht von der Beschaffenheit des Individuums.
Bei Neurasthenikern, bei Alkoholikern, bei Leuten, die
sehr schmerzempfindlich sind oder bei denen der Schmerz eine
unangenehme Reaktion des Herzens hervorruft, glaube ich,
wird die neutrale Lösung vorzuziehen sein, während in anderen
Fällen, wo man auf die Schmerzhaftigkeit nicht Rücksicht zu
nehmen hat, wohl die alkalische Injektion als die am meisten
wirksame und theoretisch beste in Betracht zu ziehen wäre.
Ich glaube, daß in Zukunft eine Kombination beider In¬
jektionsformen, intravenös und subkutan, angebracht wäre, die
zuerst von Iversen ausgeführt, mir aber unabhängig von
verschiedenen Seiten, von Neisser, Alt und noch anderen
als in Vorbereitung stehend bezeichnet worden ist. Ich glaube
daher, daß bei sonst gesunden Individuen die Doppelinjektion,
wie sie Iversen ausgeführt hat, zu empfehlen ist. Dem
Patienten werden 0,4—0,5 g intravenös injiziert und an zweiter
Stelle eine Dosis subkutan oder intramuskulär, die langsam
resorbiert wird. Man braucht zu letzterer neutrale Lösungen
oder verfährt nach den neueren Vorschriften von Volk,
Kromayer. die mit einer Paraffinemulsion arbeiten. Das
ist die Frage der Injektion.
Außerordentlich wichtig ist dagegen die Frage der Dose.
Die Dose hängt nach meiner Ansicht ab von der Art der
Kranken. Ich kann keine allgemeine Direktive angeben. Ich
glaube aber, daß bei Nervenerkrankungen man die Dosis klein
wählen muß und hier nicht über 0,4 liinausgehen soll, denn
wir müssen uns eben klar werden, daß wir hier solchen Indi¬
viduen gegenüberstehen, die überempfindlich sind und von
Seiten ihres Herzens oder des zentralen Nervensystems un¬
angenehm reagieren könnten. Dann ist auch in Betracht zu
ziehen, daß bei diesen Kranken offenbar die Zahl der Spirochäten
in außerordentlich geringem Maß vorhanden zu sein scheint,
so daß wahrscheinlich kleinere Mengen ausreichen, um eine
eventuelle Abtötung der Spirochäten zu erreichen, ln dieser
Beziehung darf ich wohl auf eine ganz wichtige Frage aufmerk¬
sam machen.
Es ist notwendig, um einen klaren Einblick in die Heil¬
möglichkeit zu gewinnen, diese mittels der Wassermann-
schen Reaktion fortlaufend zu kontrollieren. Es ist dies die
wichtigste Frage in der Therapie. Leider ist die Zeit, die bis¬
her verstrichen ist, bei der Syphilis viel zu ungenügend, um
etwas sagen zu können. Ich betrachte es daher als ein be¬
sonderes Glück, daß wir durch die vorhergehenden Arbeiten
Alts über die Paralyse Beobachtungsmaterial haben, welches
bezüglich der Behandlung mit Arsenophenylglyzerin sich über
zwei Jahre erstreckt. Das letztere insbesondere ist intensiv
untersucht von Neisser, ist im Wesen genau von denselben
Wirkungen wie 606, nur mit dem Unterschied, daß das Präpa¬
rat häufiger Nebenwirkungen ausübt, die die Anwendung des
Präparates im großen hindert. Im Prinzip ist die Wirkung der
Substanz genau wie die von 606.
In Uchtspringe" ist festgestellt worden, daß ungefähr 16 pCt.
der Paralytiker ihre Wassermann sehe Reaktion verloren
haben und ein ebenso großer Teil, 20 pCt., eine Abschwächung
erkennen ließ. Bei der Beurteilung kommen nur die 16 pCt.
in Betracht. Es hat sich nun gezeigt, daß diese Patienten in
einem Zeitraum von zwei Jahren die Reaktion nicht wieder
gewomien haben, und ich glaube, das ist eine Tatsache, die uns
mit den besten Hoffnungen in die Zukunft blicken läßt.
Ich komme nochmals zurück auf die Behandlung. Ich sage
also, bei gewissen Formen mit wenig Spirochäten, Paralyse,
Tabes und spinaler Syphilis wird man mit geringen Dosen aus-
kommen können, um so mehr, als man ein zweites Mal, falls die
Affektionen nicht heilen, insbesondere nach Wechsel m a n u
die Injektion wiederholen kann. Dagegen bin ich der Ansicht
Neissers, daß man versuchen soll, bei sonst kräftigen In¬
dividuen durch die erste Injektion möglichst den vollen Effekt
67?
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 44.
zu erzielen. Wie hoch soll man gehen? Ich glaube, daß man
bei gesunden Individuell die Dosis vielleicht auf 0,8 bis 1.0
wird steigern können, ohne besondere Gefahr. Ja, ich glaube,
daß man vielleicht noch weit höher wird gehen können und
eventuell auch versuchen kann, noch durch eine zweckmäßige
Kombinationsbehandlung den Effekt, der fortlaufend zu kon¬
trollieren sein wird, zu verstärken. Das sind Aufgaben, die
noch sehr viel Zeit und Arbeit erfordern werden. Es ist un¬
möglich bei einer so schwierigen Frage, im.ersten halben Jahre
zu definitiven Resultaten zu 'gelangen. Das war das Wesent¬
lichste, was ich sagen wollte.
Vielleicht darf ich nur noch anführen, daß das Mittel auc.i
bei anderen Affektioneil wirkt. Ich möchte anknüpfen an
den schönen Vortrag, den Herr Wassermann gehalten hat.
Es ist möglich, daß dieses Mittel, wenn es auch auf Spirochäten
eingestellt ist, auch eine Reihe anderer Affektionen sozusagen
im Zerstreuungskegel trifft. Die Gründe, die maßgebend sind,
sind ausführlich von W a s s e r m a n n auseinandergesetzt
worden. Als solche Leiden möchte ich an erster Stelle die
Frambösie nennen, die ja der Syphilis so nahe steht. Der
Tierversuch hat nachgewiesen, daß man sie mit 606 behandeln
kann. Auch bei Menschen (in Manila) hat man gefunden, daß
606 außerordentlich gut wirkt. Ich glaube, daß 606 auch hier
in kleineren Dosen wirksam ist.
Eine zweite Affektion sind die vielen Spirochätenerkran¬
kungen, insbesondere die Hühnerspirillosen, bei denen zuerst
von Uhl enhuth der Wert des Atoxyls erprobt worden war.
Also auch hier heilt 606 in glänzender Weise.
Weiterhin käme in Betracht Rekurrens, über welches
Iversen Beobachtungsmaterial gesammelt hat. Dann scheint
noch eine weitere Erkrankung, die Malaria, gut beeinflußt zu
werden. Hier ist gleichzeitig von verschiedenen Seiten, von
N o c h t und Iversen, mitgeteilt worden, daß bei gewissen
Formen auch 606 eine Heilwirkung ausübt. Iversen spricht
darüber, und so bitte ich diesen Teil übergehen zu dürfen.
Dann scheint es noch, als ob vielleicht bei einer anderen Er¬
krankung ein gewisser Effekt zu erzielen wäre. Das ist näm¬
lich Variola. Wie mir Dr. Haller aus Saratow berichtete,
hat .er unter 606 einen Fall von Variola zur Heilung kommen
sehen, wie er einen von gleicher Schwere noch nie hat aus¬
heilen gesehen..
Also, da es sich um zwei Fälle handelt und um einen zu¬
verlässigen Arzt, so kann man vielleicht Hoffnungen hegen.
Ich darf vielleicht erwähnen, daß ganz unabhängig hiervon
mein Mitarbeiter M arks die Idee hatte, 606 bei mit Vaccine
infizierten Kaninchen zur Anwendung zu bringen. Er rasierte
die Rückenhaut nach dem C a 1 m e 11 e sehen Verfahren und
sah dann an den rasierten Stellen eine starke Vaccination auf-
treten, während bei Tieren, die 606 erhalten, die Reaktion voll¬
kommen ausblieb. Es scheint Marks gelungen zu sein, den
Nachweis für die Wirksamkeit des Mittels' im Tierversuch
zu erbringen. (Fortsetzung folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
Wie Prof. v. Herff (Basel) neuerdings mitteilt (Münch, med.
Wochenschr., 1910, No. 37), hat sich ihm das Sophol bei gegen
7000 Neugeborenen als das brauchbarste Silberpräparat zur
Verhütung der Blennor r h o i c a neonatorum bewährt.
Das Sophol ist bekanntlich das Silbersalz der Formaldehyd-
nukleinsäure. Auch als Mittel zur Behandlung von eitri¬
gen, durch verschiedene Bakterien hervorgerufenen Binde¬
hautentzündungen empfiehlt Verfasser das Sophol auf Grund
seiner Erfahrungen. Man muß das Mittel je nach der Schwere
der Erkrankung in schwächerer oder stärkerer Lösung (in
etwa 5 proz. Konzentration), nötigenfalls stündlich anwen¬
den und es prophylaktisch noch einige Tage nach der Heilung
weitergeben. R. L-
Ueber Veronal und Veronalnatrium und seine Anwendung
auf Seereisen berichtet Dr. R. Meyer (Therap. Monatshefte,
1910, H. 6). M. hat die Resultate von Sehepelmann
(Therap. Monatshefte, 1907, H. 8) nachgeprüft und kann sie
nicht nur bestätigen, sondern dahin ergänzen, daß Veronal ein
vorzügliches Unterstützungsmittel bei der Behandlung der See¬
krankheit und ähnlichen Erscheinungen ist. Es gelang in allen
Fällen, das Erbrechen rasch zum Schwinden zu bringen. Im
allgemeinen wurden 1—2 Tabletten ä 0,5 g auf der Höhe des
Anfalles oder 1 Tablette vor dem drohenden Anfalle gegeben.
Patienten, die vorher außerstande waren, auch nur den Speise¬
saal zu betreten, aßen kurz nach Veronalverabreichung mit
gutem Appetit. Suggestivwirkung wird vom Autor aus¬
geschlossen, weil auch bei Erkrankten, die vorerst jede Medi¬
kation als nutzlos ablehnten, und nur mit Mühe zum Einnehmen
des Veronals veranlaßt werden konnten, prompter Erfolg ein¬
trat. Veronal muß stets in großer Flüssigkeitsmenge gelöst
oder in Form der an und für sich leicht löslichen Natriumver¬
bindung verwendet werden. M.
IV. Bücherschau.
Neuere Fortschritte der Eiweißforschung in ihrer Bedeutung
für die Klinik. Von Prof. Dr. Alfred Schittenhelm (Er¬
langen). Würzburger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet
der praktischen Medizin, Würzburg 1910, Bd. X., H. 9.
Curt Ka b itzsich (A. Stübers Verlag). 24 S. 0,85 M.
In der interessant geschriebenen Abhandlung gibt der Ver¬
fasser zunächst einen kurzen Ueberblick über die wichtigsten
Ergebnisse der Eiweißchemie, die hauptsächlich in den Arbeiten
des genialen Emil Fischer und seiner Mitarbeiter nieder¬
gelegt sind. Es ist bekanntlich gelungen, den Aufbau der ver¬
schiedenartigen Eiweißmoleküle aus Aminosäuren durch hydro¬
lytische Spaltung der Proteine nachzuweisen und auf syntheti¬
schem Wege aus den Aminosäuren Substanzen künstlich her¬
zustellen, die den Eiweißkörpern sehr nahe stehen (Polypep¬
tide). Daß diese Ergebnisse für die Physiologie von großer
Bedeutung sind, ist ohne weiteres klar; Verfasser zeigt denn
auch, zum Teil auf Grund eigener Untersuchungen, welchen
Nutzen schon jetzt die biochemische Forschung aus der
genaueren Einsicht in den Bau der Eiweißsubstanzen gezogen
und von der Zukunft zu erwarten hat. Wer sich schnell
über den gegenwärtigen Stand der Eiweißchemie unterrichten
will, dem kann das vorliegende Heft empfohlen werden.
Hie Zuckerharmuhr (Diabetes mellitus) und ihre Behandlung.
Gemeinverständlich mit Kostanordnungen und Koch¬
anleitung dargestellt. Von Dr. med. A. Baumann (Frechen-
Cöln). Verlagsgesellschaft Berlin, Berlin W. 57. 74 S.
Der Verfasser hat die vorliegende Schrift in erster Linie
für Laien geschrieben, um ihnen die Befolgung der vom Arzt
gegebenen diätetischen Vorschriften zu erleichtern. Einleitend
setzt der Verfasser in gemeinverständlicher Darstellung das
Wesen der Zuckerkrankheit und ihr Auftreten in verschiede¬
nen Formen auseinander; er will damit aber keine Anleitung
zur Selbstbehandlung geben, im Gegenteil, er weist auf die
Notwendigkeit ständiger ärztlicher Ueberwachung hin, er will
nur den Kranken und deren Angehörigen eine Einsicht in das
Wesen des Leidens vermitteln, damit der behandelnde Arzt bei
seinen Diät-Verordnungen auf verständnisvolle, gewissenhafte
Befolgung der gegebenen Vorschriften rechnen kann. Den
Hauptteil der Schrift nehmeji die Angaben über die verschiede¬
nen Hauptnährmittel und die Art ihrer Verwertung für die
Kost des Diabetikers ein, wobei der Verfasser überall darauf
hinweist, daß für die leichten, mittelschweren und schweren
Fälle von Diabetes verschiedene Kostformen anzuwenden sind.
Das kleine Buch kann man jedem einigermaßen gebildeten
Diabetiker getrost in die Hand geben; es bietet dem Arzt eine
gewisse Hilfe in der Behandlung des Diabetes, etwaige Punkte,
in denen man mit den Ansichten und Vorschriften des Autors
nicht übereinstimmt, kann man leicht berichtigen.
Ein neues Gerät und neue Uebungen der schwedischen Hei)
gymnastik zur Behandlung von Rückgrats-Verkrümmungen.
Von Geh. Hofrat J. Oldevig (Dresden). Mit einer Einleitung
von Dr. med. Axel Tagesson-Möller. 26 Ab¬
bildungen im Text. Verlag von Eduard Trewendts
Nachfolger, Berlin W. 50. 51 S. 1 M.
In dieser Schrift wird eine heilgymnastische Behandlungs¬
methode der Rückgratsverkrümmungen beschrieben, welche
der Verfasser seit 20 Jahren, wie er angiebt, praktisch erprobt
hat. Es handelt sich um ein System von Widerstandsübungen,
bei welchem der Gymnast als Hilfsmittel einen breiten, 1 % bis
2 m langen, mit Handgriffen versehenen Riemen benutzt. Es
werden 34 derartige Riemenübungen im einzelnen beschrieben.
Ob diese Behandlungsmethode gleiches oder mehr leistet, als
die sonstigen. Methoden zur Bekämpfung der Hückgratsver-
krümmungen, kann nur die Erfahrung lehren.
Beiträge zu einer Kolloidchemie des Lebens. Von Raphael
Ed. Liesegang. Dresden 1909, Verlag von Theodor
Steinkopf f. 148 S. 4 M.
In der vorliegenden Monographie bemüht sich der Ver¬
fasser, dessen eigentliches Arbeitsgebiet außerhalb der Biologie
liegt, Bausteine zu liefern, um die Erklärung einer Reihe von
physiologischen und pathologischen Vorgängen vom Standpunkt
der physikalischen Chemie, insbesondere der Kolloidchemie
anzubahnen. Zu diesem Zweck beschreibt der Verfasser eine
große Anzahl von Versuchen, in welchen es sich hauptsächlich
um Diffusionsvorgänge und makroskopisch sichtbare Reaktionen
zwischen anorganischen Salzen in gelatinösen Lösungen han¬
delt. Diese Versuche bringt er dann in Beziehung zu einigen
Theorien, welche von Physiologen und Pathologen in bezug auf
das Wachstum der Röhrenknochen, die Pathogenese der
Rachitis, der Osteomalacie u. a. aufgestellt worden sind und
prüft die Zulässigkeit dieser Erklärungen an der Hand der
mitgeteilten kolloidchemischen Beobachtungen. Da das Buck
im wesentlichen aus einer Schilderung von Einzelbeobachtungeu
besteht, kann über den Inhalt im Auszug nicht gut berichtet
No. 44.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
673
werden. Zweifellos wird es allen auf dem Gebiet der
Biochemie tätigen Forschern mancherlei Anregungen bieten;
diejenigen unserer Leser, welche sich für biochemische Fragen
interessieren, mögen die interessante Schrift im Original
studieren. R. L.
V. Tagesgeschichte.
Universitätswesen, Personalnacliricliton.
Berlin. Zum dirigierenden Arzt im Rudolf-
Virchow- Krankenhause ist Prof. Dr. Kurt
Brandenburg gewählt worden. Er erhält die Stelle von
L. Kuttner, der als Nachfolger Goldsclieiders Direk¬
tor der inneren Abteilung geworden ist. Prof. Branden-
b u r g ist 42 Jahre alt und seit 1900 Privatdozent der inneren
Medizin an der Universität. Seit 1906 führt er den Professor¬
titel. Vor vier Jahren wurde ihm nach Schweningers
Rücktritt die Leitung der inneren Abteilung am Kreiskranken¬
hause zu Groß-Lichterfelde übertragen, die er bis jetzt inne¬
gehabt hat.
G ö 11 i n g e n. Privatdozent Prof. Dr. Waldvogel hat
sein Amt als Oberarzt der medizinischen Poliklinik nieder¬
gelegt.
Düsseldorf. Hier ist in der vorigen Woche ein Denk¬
mal des hervorragenden Augenarztes Dr. Albert Mooren
enthüllt worden.
Jena. . Der vor kurzem in den Ruhestand getretene Ge¬
heimrat Prof. Dr. Riedel, der in den letzten Monaten schwei-
leidend war, hat sich jetzt erfreulicherweise so erholt, daß ei¬
serne private Tätigkeit als Operateur weiter auszuüben gedenkt.
Heidelberg. Dr. Zade, bisher Privatdozent der
Augenheilkunde in Jena, ist seinem Chef Prof. Dr. Wagen-
m a n n hierher gefolgt und als Privatdozent von der hiesigen
medizinischen Fakultät übernommen worden.
Kongreß- und Vercinsnaehrichtcii.
Berlin. Am vorigen Montag tagte im Langenbeckhause
eine große Versammlung von Zahnärzten, zu der Vereine aus
dem ganzen Deutschen Reiche Vertreter entsandt hatten. Es
handelte sich um eine Bestimmung der zur Beratung stehenden
neuen Reichsversicherungsordnung, durch die,
falls sie zum Gesetz erhoben würde, der Stand der Zahnärzte
materiell und ideell zweifellos sehr geschädigt werden würde.
Es wurde folgende Erklärung beschlossen:
..Die am 17. Oktober 1910 im Langenbeckhause versammel¬
ten Zahnärzte und die Delegierten von 49 deutschen zahnärzt-
Lchen Landes-, Provinzial- und Lokalvereinen richten an die
hohe Regierung und den hohen Reichstag die Bitte, dem § 136
der R.-V.-O. folgende Fassung zu geben:
„Bei Zahnkrankheiten kann, sofern im Bezirke eines Ver¬
sicherungsträgers nicht genug Aerzte und Zahnärzte vorhanden
sind, die die Behandlung übernehmen, widerruflich auch durch
Zahntechniker die selbständige Behandlung erfolgen. Wer als
Zahntechniker im Sinne des Gesetzes widerruflich zuzulassen
ist, wird durch Verordnung der obersten Verwaltungsbehörde
bestimmt. Die oberste Verwaltungsbehörde kann bestimmen,
unter welchen Bedingungen auch Heildiener und Heilgehilfen
selbständige Hilfe leisten können.“
Die Versammlung erhebt einmütig Einspruch dagegen, daß
nach den Beschlüssen der Kommission zur Vorberatung der
R.-V.-O. das einzig richtige Prinzip, dem Mitglied für seine Bei¬
tragspflicht die bestmögliche Behandlung durch staatlich appro¬
bierte Medizinalpersonen (Aerzte und Zahnärzte) zuteil werden
zu lassen, bei der Behandlung von Zahn- und Mundkrankheiten
durch die Zulassung von Zahntechnikern weiter als durchaus
erforderlich durchbrochen werden soll.
Die Versammlung wie die gesamte deutsche Zahnärzte¬
schaft sieht in der Kommissionsfassung eine Mißachtung des
staatlich approbierten zahnärztlichen Standes und befürchtet
eine schwere Gefahr für die Gesundheit unseres deutschen
Volkes. Die Versicherten haben in Zukunft keinen rechtlichen
Anspruch mehr auf Behandlung durch einen Zahnarzt, der auf
Grund seiner gesetzlich geregelten Ausbildung eine sachgemäße
Behandlung der Zahn- und Mundkrankheiten gewährleistet und
heute als wichtiger Faktor bei den hygienischen Bestrebungen
auf dem großen Gebiete der Volksgesundheitspflege aner¬
kannt ist.
Es sind bereits zahlreiche Zahnärzte an Krankenhäusern,
Lungenheilstätten, Landesversicherungsanstalten, Schulzahn¬
kliniken und beim Militär vorhanden.
Die von der Kommission beschlossene Trennung von Zahn¬
krankheiten einerseits, Kiefer- und Mundkrankheiten anderer¬
seits ist wissenschaftlicli und praktisch undurchführbar. Die
höchst notwendige und bereits in erheblichem Maße statt¬
findende Besetzung der kleinen Städte, die in ihrer großen
Mehrheit heute nur Zahntechniker im Nebenberufe haben, mit
Zahnärzten muß durch Annahme der Kommissionsbeschlüsse
sofort aufhören, da alsdann eine Existenzmöglichkeit für den
Zahnarzt dort nicht mehr vorhanden ist.
Die Zahnärzte richten daher an die gesetzgebenden Körper¬
schaften die dringende Bitte, die Behandlung von Zahn- und
Mundkrankheiten an die dafür vom Staate approbierten Zahn¬
ärzte und Aerzte zu überweisen und nur in dringenden Aus-
nahmefällen Nichtapprobierte zuzulassen. Nach der Koni¬
missionsfassung wird klar ausgedrückt, daß zur Behandlung
von Privatpatienten der Staat das Maturum, ein siebensemestri-
ges Studium, Vor- und Staatsexamen für nötig hält, für die Be¬
handlung von Kassenpatienten dagegen der Nachweis einer
Vor- oder einer Ausbildung im speziellen Beruf nicht erforder¬
lich ist. Kassenmitglieder wären also fortan Patienten zweiter
Klasse.“
— Der V. Internationale Kongreß für Thalassotherapie
wird vom 5. bis 8. Juni 1911 in Kolberg abgehalten werden. Vor¬
sitzender des Kongresses ist Geheimrat Martius (Rostock),
stellvertretende Vorsitzende sind die Herren Geheimrat H i s
(Berlin), Geheimrat Zuntz (Berlin) und Geheimrat Röch¬
ling (Misdroy). Folgende Referate werden erstattet werden:
I. Die besonderen Bedingungen der Wirksamkeit der verschie¬
denen Meeresstationen unter Berücksichtigung ihrer speziellen
klimatischen Eigentümlichkeiten. 2. Die chemische und bak¬
teriologische Zusammensetzung des Meerwassers an den ver¬
schiedenen Meeresstationen. 3. Die Wirkung der physikali¬
schen Agentien der Thalassotherapie auf die Stoffwechselvor¬
gänge der Gewebe. 4. Die Einwirkung der Seeklimate auf das
Nervensystem. 5. Die Einwirkung der Seeklimate und See¬
bäder auf die Erkrankungen der weiblichen Sexualorgane.
6. Der Einfluß des Seeklimas auf die Beschaffenheit des Blutes
und den Blutdruck. Referenten sind die Herren: Prof. Glax
(Abbazia), Prof. Barbier und Dr. Maura (Paris), Dr.
Leop. Löw (Abbazia), Dr. Raben (Kiel), Prof. Paul
Friedrich Richter (Berlin), Prof. Eulenburg
(Berlin), Dr. Kurz (Abbazia). Prof. Bossi (Genua), Prof.
Gott schalk (Berlin), Dr. Gmelin (Südstrand-Föhr), Dr.
Helwig (Zinnowitz). Zahlreiche Vorträge von deutschen
und ausländischen Kollegen sind für den Kongreß bereits an¬
gemeldet. Weitere Anmeldungen von Vorträgen werden an den
Organisationsausschuß des Kongresses, z. H. des Schriftführers
Dr. Kam in er, Berlin W., Potsdamerstr. 134b, erbeten.
— Gestützt auf die Tatsache, daß das gemeinsame Vorgehen
der Kulturvölker bei Bekämpfung des A 1 k o h o 1 i s m u s ,
der Tuberkulose, wie auch des Carcinonis sich als recht
fruchtbringend erwiesen und in mancher Hinsicht schon Be¬
deutendes geleistet hat, ist eine Internationale Liga gegen
Epilepsie ins Leben gerufen worden, um auch diesem so ver¬
breiteten Leiden mit vereinten Kräften entgegentreten zu
können. An der Spitze der Liga steht ein aus bedeutenden
Psychiatern und Neurologen zusammengesetzter internationaler
Ausschuß, während fast alle Kulturländer in ihre nationalen
Komitees, die im Sinne der Liga wirken sollen, namhafte
Spezialisten gewählt haben. Während des vom 3.-7. Oktober
in Berlin tagenden 4. Internationalen Kongresses
zur Fürsorge für Geisteskra n k e hat die Liga unter
dem Vorsitz von Prof. Tamburini (Rom) mehrere Sitzun¬
gen abgehalten und beschlossen: 1. Prof. Friedländer
(Hohemark) und Prof. Vogt (Frankfurt a. M.) mit der An¬
fertigung eines die wichtigsten praktischen und theoretischen
Gesichtspunkte berücksichtigenden Fragebogens zu betrauen,
welcher den Delegierten der nationalen Komitees bald¬
möglichst zugestellt und ihnen bei Veranstaltung der Enquete
als Vorbild dienen wird. 2. Sitz des permanenten Bureaus der
Liga ist das Haager Bureau für internationale Kongresse
[Sekretär Prof. H. Burger (Amsterdam)]. 3. Mitglied der
Liga kann jeder werden, der sich für die Epilepsiefrage inter¬
essiert. Der Jahresbeitrag beträgt 10 M. Dafür erhalten aber
die Mitglieder kostenlos das offizielle Organ der Liga „Epi-
lepsia“ [Verlag von Johann Ambrosius Barth (Leip¬
zig), Abonnementspreis 18 M. jährlich]. Die nächstjährige
Tagung der Liga erfolgt voraussichtlich in Zürich, woselbst
dann die Resultate der internationalen Enquete mitgeteilt wer¬
den. 5. Vorsitzender der Liga bleibt Prof. T a m li urini,
Vizepräsident: Prof. Donath (Pest), 1. Schriftführer: Dr. J.
J. Muskens (Amsterdam, 365 Overtoom), Vizesekretäre:
Direktor Claus (Antwerpen), Prof. Ferrari (Bologna),
Direktor Hebold (Wuhlgarten-Berlin), Prof. Marie (Paris),
Direktor Ulrich (Zürich), Dr. Ur stein (Warschau-Berlin).
Schatzmeister ist Herr Meiner in Firma Job. Ambrosius
Barth, Leipzig.
Gerichtliches.
Berlin. Ein Aufsehen erregender Beleidigungsprozeß,
bei dem Aerzte gegen Aerzte vor den Schranken standen, kam
in der vorigen Woche vor dem Schöffengericht zu C'harlotten-
burg zur Verhandlung. Kläger war der Privatdozent der Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie an der Berliner Universität
Dr. W. Liepraann, Beklagte dessen Spezialkollegen, Privat¬
dozent Prof. Dr. B 1 u in r e i c h (Berlin) und der erst seit
kurzem als ordentlicher Professor der Gynäkologie in Greifs¬
wald tätige Prof. Dr. Kroemer, früher Oberarzt an der
Charite. Der Klage lagen folgende Vorgänge zugrunde. Als
(574
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 44.
der Bund für Mutterschutz den Wunsch hatte, ein
Wöehnerinuenheira zu begründen, ihm aber die Mittel
dazu fehlten, erbot sich der 'Kläger, seine neuerrichtete
Priva tklinik dem Bunde derart zur Verfügung zu stellen,
daß die Klinik den Namen Wöchnerinnenheim des Bundes für
Mutterschutz erhalten sollte, und daß der Kläger dem Bunde
sechs Freibetten zur Verfügung hielte und darüber hin¬
aus die von dem Bund überwiesenen Wöchnerinnen zu einem
bestimmten niedrigen Verpflegungssatz anzunehmen hatte. Ein |
Vorstandsmitglied des Bundes wurde gelegentlich beauftragt,
sich über die Persönlichkeit des Herrn Dr. Li ep mann zu
erkundigen. Der von dem Beauftragten im Vorstande erstattete
Bericht kam Herrn Dr. Liepmann zur Kenntnis, worauf
dieser gegen B 1 u m r e i c h und Kroeme r Klage wegen
verleumderischer Beleidigung erhob. Wider
besseres Wissen sollte behauptet worden sein, 1. daß der
Kläger bei der ersten Entbindung seiner Ehefrau, um sich des
ihm unerwünschten Kindes zu entledigen, persönlich ohne Hin¬
zuziehung eines anderen Geburtshelfers den Schädel des
Kindes vor der Entbindung perforiert habe, 2. sollte wider
besseres Wissen behauptet worden sein, der Kläger sei aus
seiner Stellung in der Charite entlassen worden, 3. wäre be¬
hauptet worden, der Kläger habe aus einer pathologischen Ver¬
anlagung heraus vor mehreren Jahren einen Selbstmord ver¬
sucht. Schließlich war noch gegen Kroeme r besonders zur
Klage gestellt, daß dieser einen über ihn an die Greifswalder
Fakultät eingegaugeneu Bericht wider besseres Wissen als von
Liepmann beeinflußt bezeichnet habe. Kroe m e r seiner¬
seits hatte Widerklage erhoben wegen mehrerer in dem
von Liepmann verfaßten Schriftsätze enthaltenen Aus¬
führungen.
Professor Blum reich bestritt entschieden die Berechti¬
gung sämtlicher ihm zur Last gelegten Ankiagepimkte. Er
führte ungefähr folgendes aus: Eines Tages sei ein Vorstands¬
mitglied des Bundes für Mutterschutz zu ihm gekommen, um
zu erfahren, ob verschiedene über Herrn Dr. Liepma n n ihm
bekannt gewordene Tatsachen richtig seien, und um eine Aus¬
kunft über die Fähigkeiten und Charaktereigenschaften des
Dr. L. zu erhalten. Daraufhin habe er es abgelehnt, sich über
die letzteren zu äußern, um so mehr, als er sich mit dem ihm
früher befreundeten Kollegen in einer literarischen Fehde be¬
finde. Die Auskunft könne sich also nur auf die Beantwortung
von Fragen über Tatsachen beziehen. Er sei dann gefragt wor¬
den, ob'es wahr sei, daß Dr. L. sein eigenes Kind perforiert
habe. Dies habe er bejaht. Die zweite Frage habe sich auf
das Ausscheiden des Dr. L. aus der Charite bezogen. Er habe
darauf erwidert, ihm seien zwei Lesarten bekannt, er wisse
aber nicht, welche richtig sei. Drittens sei gefragt worden, oh
Dr. L. früher einen Selbstmord versucht habe. Diese Frage
habe er bejaht. Bezüglich aller anderen Fragen habe er an
andere Kollegen verwiesen. Es sei durchaus unwahr, daß sich
aus seinen Worten auch nur die Vermutung hätte entnehmen
lassen, er unterschiebe dem Dr. L. die Absicht, daß dieser
sich seines Kindes hätte entledigen wollen, und daß er die
Ursache des Selbstmordversuchs in einer pathologischen Ver¬
anlagung erblicke. Dem Gerichtshof gegenüber hielt der Be¬
klagte freilich mit seiner Meinung nicht zurück, daß er es für
ungehörig halte, wenn ein Vater, dem ausreichend Gelegenheit
gegeben sei, w'ie in Berlin, in höchstem Maße befähigte Spezia¬
listen zu Rate zu ziehen, selbständig die Entscheidung
über die Tötung des vor der Geburt stehenden eigenen Kindes
fälle, und wenn er diesen für jeden Geburtshelfer auch den
fremdesten Leuten gegenüber im höchstem Maße fatalen Ein¬
griff persönlich vornehme. Professor Kroemer bestritt,
überhaupt mit der ganzen Angelegenheit anders als infolge
der Klage selbst zu tun zu haben. Die Zeugenverneh¬
mung, bei der auch Geheimrat Prof. Dr. Bumm, bis vor
kurzem Direktor der gynäkologischen Anstalten der Charite,
über die Umstände aussagte, die im vorigen Jahre zum Ab¬
gang des Klägers aus seiner dortigen Stellung geführt hatten,
bestätigte in allen wesentlichen Punkten die Angaben der
beiden Beklagten. Daraufhin sprach das Gericht den Beklag¬
ten Prof. B 1 u mreich kostenlos frei. Der Beklagte Professor
Kroemer wurde wegen der schwerwiegendsten Anklagen
ebenfalls freigesprochen, erhielt aber 25 M. Geldstrafe, weil er
nicht berechtigt gewesen sei, die von ihm gewählten Ausdrücke
in seiner Abwehr wegen der Eingabe an die Greifswalder
Fakultät zu gebrauchen. Der Widerklage Professor :
Kroe m e r s wurde nicht stattgegeben, weil dem Kläger der
Schutz des § 193 (Wahrnehmung berechtigter Interessen) zu¬
gebilligt werden mußte. (Nach „Voss. Ztg.“.)
B e u t h e n. Von der hiesigen Strafkammer wurde der
„Naturheilkundige“ P. aus Tarnowitz wegen Betrug zu zwei
Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er, allerdings gegen mäßiges
Honorar, ohne Spur von Fachkenntnissen durch Verschreiben
von Medikamenten bei ungebildeten Leuten darauf loskuriert
hatte.
Verschiedenes.
L o n d o n. Nach einer Mitteilung des Chemikers Sir
William Ramsay wird jetzt im Limehouse aus Pech¬
blende von Cornwall nach einem neuen Verfahren monatlich
ein halbes Gramm Radium hergestellt. Es sei möglich gewesen,
in zwei Monaten eine Quantität Radium zu gewinnen, für deren
Herstellung im Auslande zwei Jahre erforderlich gewesen
wären.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Bekanntmachung.
Die Diphtherie-Heilsera mit den Kontrollnummern:
1016 bis 1030, geschrieben: „Eintausendundsechzehn bis
Eintausendunddreißig“, aus den Höchster Farbwerken;
192 bis 196, geschrieben: „Einhundertzweiundneunzig bis
Einhundertsechsundneunzig“, aus der Merck sehen Fabrik in
Darm Stadt;
137 bis 141, geschrieben: „Einhundertsiebenunddreißig bis
Einhunderteinundvierzig“, aus dem Serum-Laboratorium
Ruete-Enoch in Hamburg;
226 und 227, geschrieben: „Zweihundertsechsundzwanzig
und Zweihundertsiebenundzwanzig“, aus der Fabrik vorm.
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sind, soweit sie nicht bereits früher wegen Abschwächung etc.
eingezogen sind, vom 1. Oktober d. Js. ab wegen Ablaufs der
staatlichen Gewährdauer zur Einziehung bestimmt.
Flaschen mit diesen Kontrollnummern dürfen hinfort nicht
mehr in den Apotheken abgegeben werden, und können nach
der Vereinbarung mit dem Laboratorium bei kostenfreier Ein¬
sendung kostenlos gegen einwandfreies Serum eingetauscht
werden.
Berlin, den 4. Oktober 1910.
Der Polizeipräsident.
Im Aufträge: Schlegtendal.
Bekanntmachung.
Das Diphtherie-Heilserum mit der Kontrollnummer 162,
geschrieben: Einhundertzweiundsechzig, aus dem Serum-
Laboratorium Ruete-Enoch in Hamburg ist wegen Ab¬
schwächung zur Einziehung bestimmt.
Flaschen mit dieser Kontrollnummer dürfen hinfort nicht
mehr in den Apotheken abgegeben werden, und können nach
der Vereinbarung mit dem Laboratorium bei kostenfreier Ein¬
sendung kostenlos gegen einwandfreies Serum eingetauscht
werden.
Berlin, den 4. Oktober 1910.
Der Polizeipräsident.
In Vertretung: Rebling.
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen: Roter Adler- Orden 4. Kl.:
Geh. San.-Rat Dr. Schönke in Posen, San.-Rat Dr.
Caesar in Halberstadt, Prof. Dr. Anschütz in Kiel, Geh.
San.-Rat Dr. Weitling, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. H e f f t e r
und Geh. San.-Rat Prof. Dr. Gluck in Berlin.
König 1. Kronen-Orden 3. Kl.: Kreisarzt Geh. Med.-Rat
Dr. Klingelhöffer in Frankfurt a. M., Geh. San.-Rat
Dr. Harmsen in Lüneburg, San.-Rat Dr. Go er dt in
Bochum, Geh. Med.-Räte Professoren Dr. Ziehen, Dr.
Hirschberg, Dr. Sonnen b u r g , Dr. V i r c h o w , Dr.
Wasser ma n n, Dr. M. W o 1 f f in Berlin, Kreisarzt a. D.
Geh. Med.-Rat Dr. Probst in Gardelegen.
Prädikat Professor: Privatdozent Stabsarzt Dr.
Isemer in Halle, Privatdozenten Dr. Frankenhäuser,
Dr. Friedemann und Dr. Tomasczewski in Berlin.
Ernannt: Dr. Deetz zum Oberlandphysikus und Medi¬
zinalreferenten des Landesdirektors in Arolsen, außerordentl.
Professor Geh. Med.-Rat Dr. besser in Berlin zum ordentl.
Honorarprofessor.
Versetzt: ordentl. Prof. Dr. Payr von Greifswald nach
Königsberg.
Gestorben: San.-Rat Dr. v. Bönnighausen in
Münster, San.-Rat Dr. Bollinger in Cleve, Dr. Buse h
in Barnstädt, Dr. Söbbecke in Südlohn, Dr. Tillegsen
in Saarlouis.
Sachsen-Altenburg.
Ernannt: Dr. P. Mahr aus Eisenach zum Assistenzarzt am
Genesungshause in Roda.
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Niedergelassen: Dr. Mangelsdorf in Eisenach.
Württemberg.
Gestorben: Hofrat Dr. Mermagen in Herrenalb.
Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. H. I.ohnstein, Berlin N.. Frieilrichstrasse 131 B.. für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin
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in neuer und angenehm schmeckender Form, der sich bei den
im Verlaufe eines Magenkatarrhs auftretenden störenden Er¬
scheinungen sehr gut bewährt. Er hat infolge seiner sach-
gemässen Zusammensetzung und Fehlens aller schädlichen Bei¬
mengungen eine die Magenverdauung regulierende Wirkung
und deshalb einen günstigen Einfluss auf Appetitlosigkeit,
Widerwillen gegen Nahrungsaufnahme, Gefühl von Völle,
üblen Geschmack etc. Diese Vorzüge und der dem Gaumen
zusagende Geschmack des Kater-Weins machen ihn auch zu
einem wertvollen Dessertwein. Bei seiner Herstellung sind
die modernen Fortschritte auf dem Gebiete der Magenverdauung
eingehend berücksichtigt worden.
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NEU=PYRENOL
Da in letzter Zeit wieder des öfteren versucht wird, Aerzten und Apothekern
Nachahmungen von Pyrenol anzupreisen, die mit dem Original absolut nicht
identisch sind, hat sich Unterzeichnete Fabrik veranlaßt gesehen, die
Darstellung des Benzoesäurethyjnolprodukts im Pyrenol unter Patentschutz
zu stellen und das nach dem neuen Verfahren hergestellto Produkt „Neu-
Pyrenol“ zu benennen. Therapeutisch ist „Neu-Pyrenol“ identisch mit dem
alten Pyrenol. Die Verordnung bezw. Dispensation von Neu-Pyrenol schützt
Arzt, Apotheker und Publikum vor wertlosen oder schädlichen Nachahmungen.
„Neu-Pyrenol“ enthält die empyreumathischen Stoffe der Benzoesäure und das
Thymol in wasserlöslicher Form, nach deutschem Keiclispatent hergestellt.
Es bedeutet dies in pharmazeutisch-technischem Sinne einen Fortschritt.
Die Neu-Pyrenol-Tabletten werden überdies nach einem ebenfalls zum Patent
angemeldeten Verfahren in sehr leicht löslicher Form hergestellt, wodurch sich
eine geringe Preiserhöhung erforderlich machte; fin übrigen ist der Rezepturpreis
von „Neu-Pyrenol“ für Pulver und Solutionen genau der gleiche wie von Pyrenol
Rezept Vorschriften:
a) 1 Originalglas 20Tabl. <0 Itp. (Für Erwachsene) e) Rp.
Npu-Pvrpnol ä 0 5 Neu-Pyrenol 8-10/2000,00 Neu-Pyrenol 8-10
140 M ^ ' Syr. Rub. Jd. 20,‘0 Aq. Menth, pip. 180,00
b) Rp. (Für Kinder) d) Rp. f) Rp.
Neu-Pyrenol 2-S-l/80,oo Neu-Pyrenol 8 10/180,00 Neu-Pyrenol 8-10/180,00
Syr. Rnb. Jd. 20,00 Liqu. nmmon. anii. 5,00 Liq. animon. ani-. 5,00
S. 2-4-6 mal tgrl. 1 Teelöff. 8ucc. Liquir. 10,00 Syr. Allhaeae 80,00
Literatur und Proben von Neu-Pyrenol stehen den Herren Aerzten zu Diensten.
Neben Neu-Pyrenol wird Pyrenol in unveränderter Weise
und zu den bisherigen Preisen (20 Tabl. = 1 M.) von uns weitorgefithrt.
Essentia - Sper mini ■ Poehl
Sperminum = Poehl pro injekt.
Sperminums Poehl pro clysm.
Physiologisches Präparat zur Regulierung des Stoffwechsels
durch Steigerung der Oxydation, Gewebsatmung, Förderung
der Leukozytose. Tonikum und Stimulans bei allen Stoff¬
wechselstörungen :
Neurasthenie, Marasmus senilis, Arteriosklerose, Herz¬
leiden (Myokardie, Fettherz etc.), Syphilis, Tuberkulose, Tabes,
Impotentia neurasth., Rheumatismus, Blutarmut u. v. a., bei
Uebermiidungen und für Rekonvaleszenten.
(intern ä 0,5 4—6 mal und subkutan) bei Uterusfibromyomen,
Blutungen, Endometriten und Dysmenorrhoe.
Cerebrin-Poehi bei Epilepsie, Alkoholismus, Nervenleiden.
ThuroniHin Pnohl bei Fettsucht, Myxoedem, Eklampsie,
I liyi bUIUm-rUblM Nervenleiden etc.
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1 *)■<>!'. Dr. v. I *oehl Ät Söhne,
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IN EU=PYRENOL bezw PYRENOL
In der Therapie der Respirationserkrankungen behauptet seit vielen Jahren
das Pyrenol seine dominierende Stellung, weil es eine Reihe unentbehrlicher
Heilfaktoren in sich vereint; es wirkt stark expektorierend und gleichzeitig
so stark sedativ, daß es die Narcotica fast ganz entbehrlich macht: es
lockert den Husten durch Verflüssigung des Bronchialsekrets und mildert
den Hustenreiz durch Beschränkung der Sekretneubildung und Herabsetzung
der Reflexerregbarkeit in den Nerven der Bronchialschleimhaut.
Haupt-Indikationsgebiet: Asthma bronchiale, Pertussis, Pneumonie,
Influenza, Bronchitis chronica, auch tuberculosa.
Die mild-antifebrile Eigenschaft des Pyrenol läßt eine ausgedehnte Ver¬
wendung bei den Infektionskrankheiten deshalb zu, weil die Temperatur¬
herabsetzung eine mäßige ist, nicht von profusen, schwächenden Scliweiß-
_ - „ eine mäßige ist, nicht von profusen, schwächenden Schwei߬
ausbrüchen begleitet und ohne jede Collapsgefahr.
Haupt-Indikationen: Typhus abdominalis, Masern, Phthisispulm.,Seurlatina -
3. Bei rheumatischen und nervösen Schmerzen steht das Pyrenol an Intensität
der Wirkung den sogenannten Analgeticis naturgemäß etwas nach, hat
aber den bedeutsamen Vorzug der Unschädlichkeit, so daß es z. B. auch
herzkranken Rheumatikern etc. in der vollen therapeutischen Dosis wochen¬
lang ohne Bedenken gegeben werden kann.
Haupt-Indikationen: akuter und chronischer'Muskelrheumatlsmus, Gicht,
Gelenkrheumatismus, Pleuritis, mit Schmerzen verbundene Herzneurosen etc.
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Der Erfolg des von uns hergestellten speziellen Schwefel -
Präparats hat viele sogenannte Ersatzmittel hervorgerufen, welche
nicht identisch mit unserem Präparat sind und welche oben¬
drein unter sich verschieden sind, wofür wir in jedem einzelnen
Falle den Beweis antreten können. Da diese angeblichen Ersatz¬
präparate anscheinend unter Mißbrauch unserer Marken „Ichthyol 66
und „Sulfo-ichthyolicum 66 auch manchmal fälschlicherweise mit
Ichthyol
oder
Ammonium sulfo - iclitli y olicum
gekennzeichnet werden, trotzdem unter dieser Kennzeichnung nur
unser spezielles Erzeugnis, welches einzig und allein allen klini¬
schen Versuchen zugrunde gelegen hat, verstanden wird, so bitten
wir um gütige Mitteilung zwecks gerichtlicher Verfolgung, wenn
irgendwo tatsächlich solche Unterschiebungen stattfinden.
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IL Teil: Kalendarium (4 Quartalshefte, pro Tag: 1 / l Seite), geheftet zum Einhängen.
Inhalt des I. Teiles:
Kalendertafel 1911.
I.
IL-
IIL
IV.
V.
VI.
VII.
Verzeichnis der gegenwärtig gebräuchlichen älteren und
neueren Arzneimittel.
Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
das Deutsche Reich.
Uebersicht der wichtigsten, in Form von subcutanen,
intramusculären und intravenösen Injectionen zur An¬
wendung kommenden Mittel.
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der Syphilis und über die bisherigen Erfahrungen mit dem
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XI. Abriss der Symptomatologie und Therapie der am häufig¬
sten vorkommenden acuten Vergiftungen.
XII. Medicinische Tabellen und sonstige für den Arzt wichtige
Zahlenangaben.
XIII. Untersuchung des Harns.
XIV. Einiges aus der Technik der Blutuntersuchung.
XV. Bekanntmachung, betreffend den Erlass einer Gebühren¬
ordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte.
XVI. Gesetz betr. die Gebühren der Medicinalbeamteu.
XVII. Verzeichnis der Krankheiten und Todesursachen.
XVIII. Bäder und Kurorte.
XIX. Post-Tarif.
XX. Tafeln zur Sehprüfung.
XXI. Notizblätter für Adressen.
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dr« H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131B
Fernspreoh-A.mt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
IV. Jahrgang Berlin, 5. Xovembcr 1910
No. 45
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10'M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Bue| handlungen und Postämter. AlioiiiiPinviifs gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss allbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck Ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Schwartz und [
Flemming: Ueber das Verhalten des Ehrlich-Hatascheu
Präparates des Arsenophenylglyzin, des Jodkali und des Sub¬
limat zur Wassermaunschen Reaktion. Herxheimer und
Reinke: Ueber deD Einfluß des Ehrlich-Hataschen Mittels
auf die Spirochäten bei kongenitaler Syphilis. — G-ourwitsch
und Bormann: Das Ehrlich-tlata-Piäparat tiOü. — Anscherlik: |
Beitrag zu den bisherigen Erfahrungen über „Ehrlich 606’* mit I
Hervorhebung einzelner beachtenswerter Fälle. Hügel und
Ruete: Unsere bisherigen Erfahrungen mit dem Ehrlich-
Hataschen Arsenpräparat 606. Sieskind: Zusammenfassender
Bericht über 375 mit dem Ehrlich-Hataschen Präparat be¬
handelte Palle. - Treupel: Weitere Erfahrungen bei syphi¬
litischen, para- und metasyphilitischen Erkrankungen mitEhrlich-
Hata-Injektionen. — Lau-er :Ueber das Vorkommen der Spiro-
ebaeta pallida Schaudinn in den Vaccinen bei kongenital-syphi¬
litischen Kindern. Gerönne: Ueher schwöre Vaccineerkran- I
kungelt und ihre Prophylaxe. Thomsen: Die Bedeutung der
positiven Wassern:ant:sehen Reaktion mit Frauenmilch -für
die Wahl einer .Amme. — Fraenkel: Ueber die Wirkung der '
Tuberkelbacillen von der unverletzten Haut aus — Skrainka: |
Die Heilung der Lungentuberkulose. - Schottmüller: Pachy- |
meniugitis interim iniectiosa acuta und Meningitis. — Mom l>urg: !
Die kosmetische Behandlung der Facialislähmung nacii Busch.
— Höhn: Ueber das Schröpfen. — Brandes: Erfahrungen zur
Behandlung von Fisteln mit Becksclter Wismutsalbe. —
Melchior: Ueber die Gefahren der'forcierten Dehnung des
Sphmcter ani. — Reines: Zur Kenntnis eines eigentümlichen
Kuötchenausscblages (Lichen nitidus Pincus). — Baumgarten:
Sehstörungen, durch Affektionen der Nase bedingt.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 19. Oktober 1910. —
82. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.-24. September 1910. (Fortsetzung.)
III. Therapeutische Notizen. Werner: Zykloform als An-
ästheticum.
IV. Bücherschau. Sarason: Jahreskurse für ärztliche Fort¬
bildung — Jessner: Dermatologische Vorträge für Praktiker.
— Schittenhelm und Schmid: Die Gicht und ihre diätetische
Therapie.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Mediziual-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Üniversitätswesen, Personal-
’nachrichten. — Kongreß- und Voreinsnachrichten. — Gerichts
hohes. — Verschiedenes.
VI. A mtl i che Mitteil ungen. Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Dr. W. Sdiwart/ und Dr. P. Flemming (Uchtspringe): Ueber
das Verhalten des Ehrlich-Hataschen Präparates des Arseno- J
Phenylglyzin, des Jodkaii und des Sublimat zur Wasser-
mannschen Reaktion. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 37.)
Die Verfasser prüften das Verhalten der oben genannten
Substanzen zur W a s’s e r m a n n sehen Reaktion im Reagens¬
glase. Es würden dabei Lösungen der genannten Stoffe in den
verschiedensten Konzentrationen (1 :100 bis 1 :10 000 000) den
zu prüfenden Seren zugesetzt. Es ergab sieh dabei, daß Jod¬
kak, Sublimat, Arsenopnenylglyzin und das Ehrli-ch-Hatfi¬
sche Präparat in keinem Veraünnungsverhältnis hämolytische
Eigenschaften besitzen, hämolysehemmende Eigenschaften nur
in ganz hoher Konzentration.
Prof. Dr. G. Herxheimer und Prof. Dr. F. lieinke (Wiesbaden):
Ueher den Einfluß des Ehrlich-Hataschen Mittels auf die
Spirochäten bei kongenitaler Syphilis. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 39.)
Die Verfasser hatten Gelegenheit, zwei zwei Monate alle
Säuglinge, welche wegen florider Lues mit dem Eil r 1 i c h -
Hataschen Präparat (Dosierung 0,04 resp. 0 025, intramusku¬
lär) behandelt worden und wenige Tage nach der Injektion ge¬
storben waren, anatomisch zu untersuchen. Dabei fanden sich
in allen Organen, außer in den Lungen, keine Syphilisspirochä¬
ten, in den Lungen aber nur solche im Zustand der Agglutina¬
tion und höchstgradiger Degeneration bis zum völligen Verfall.
Da gerade bei der kongenitalen Syphilis Spirochäten in un¬
geheuren Massen vorhanden zu sein pflegen, zeigt sich an diesen
Befunden die enorme Syphilisspirochäten vernichtende Wirkung
des neuen Mittels besonders deutlich.
Dr. M. Gourwitscli und Dr. S. Bormann (St. Petersburg): Das
Ehrlich-Ilata-Präparat (iilii. (Deutsche med. Wochensclir.,
1910, No. 38.)
Die Verfasser berichten über neun ziemlich schwere Fälle
von Lues, in denen sie mit Erfolg das neue Präparat an-
gewendet haben. Es waren sämtlich Fälle, die bisher mit ge¬
ringem oder gar keinem Erfolg mit den stärksten Methoden
der Quecksilbertherapie behandelt waren; diese Fälle sind
darum für die Ueberlegenheit des Arsenobeüzols um so be¬
weisender. Die in den einzelnen Fällen injizierten Dosen be¬
trugen 0,3 und 0,5 g. Was die Injektionstechnik anlangt, so
hielten sich die Autoren an die von Wechselmann ge¬
gebene Vorschrift. Nicht jedesmal gelingt, wie sie bemerken,
uie Neutralisation glatt; es kommt öfter vor, daß man einen
Tropfen Eisessig zuviel zusetzt; man muß dann wieder tropfen¬
weise eine zehnfach verdünnte Normallösuug von Natronlauge
bis zur neutralen Reaktion hinzugeben; wenn aber diese über¬
schritten und alkalische Reaktion erhalten wird, neutralisiert
man weiter mit einer ganz verdünnten Essigsäurelösung. Die
Lösung wird in mindestens zwei Portionen mittels einer etwa
10 ccm fassenden Spritze mit einer 5—6 cm langen Nadel
beiderseits unter die Haut des Rückens genau in die Mitte
zwischen.dem Rückgrat und dem unteren Ende des Schulter¬
blattes injiziert. An den Injektionsstellen bilden sich bei den
meisten Patienten recht starke Infiltrate, die man mittels
Massage zu verkleinern sucht. Meist stieg die Temperatur bis
39", nach 24 Stunden fällt sie gewöhnlich zur Norm ab. Aber
noch später, sogar eine Woche nach der Einspritzung, läßt sich
durch eine etwas stärkere Massage der Injektionsstellen wieder
eine T^mperatursteigerung und derselbe unruhige Zustand und
Schlaflosigkeit wie am Tage nach der Injektion auslösen. Diese
Erscheinung erklärt sich durch Resorption von zurückgebliebe¬
nen Teilen von Arsenobenzol oder durch Resorption von. Ge¬
webszerfallprodukten, die sich an der Injektionsstelle gebildet
haben. Schwere toxische Nebenwirkungen wurden von den
Autoren nicht beobachtet.
Regimentsarzt Dr. Hugo Anscherlik (Sarajevo): Beitrag zu den
bisherigen Erfahrungen über „Ehrlich 606“ mit Hervor¬
hebung einzelner beachtenswerter Fälle. (Münch, med.
Wochenschr., 1910, No. 38.)
Die Erfahrungen des Verfassers decken sich im wesent¬
lichen mit denen der früheren; Beobachter. Meist wurde die
neutrale Suspension nach der Methode von Wechselmann
und Lange injiziert, und zwar in der Dosis 0,5—0,7 g. Ver¬
fasser bestätigt, daß hierbei die Schmerzhaftigkeit geringer ist
als bei dem ursprünglichen Injektionsmodus, auch die All¬
gemeinerscheinungen sind geringer. Ueberhaupt traten Neben¬
wirkungen von besonderer Bedeutung nicht auf. In einem
Fall trat 16 Stunden nach der Injektion bei einer Tempe¬
ratur von 38,2 und gleichzeitigem Durchfall ein rosarotes, macu-
löses Exanthem am Stamme und den Extremitäten auf, welches
binnen 24 Stunden mit dem Fieberabfall verschwand. In der
Mehrzahl der Fälle wurde tief intramuskulär in beide Glutäen
injiziert, wobei größere Infiltrate nur in drei Fällen beobachtet
wurden; in einer geringeren Zahl von Fällen wurde subkutan
unter der Scapula injiziert, wonach meist längere Zeit klein¬
apfelgroße derbe Tumoren persistierten; in einem Falle kam
676
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 45.
es zur Vereiterung und in der weiteren Folge zur Nekrose des
Unterhautgewebes, eines umschriebenen Teiles der Fascie und
der oberflächlichen Muskulatur. Vielleicht lag hier ein Fehler
in der Technik vor. Die Temperatursteigerungen hielten sich
meist in mäßigen Grenzen; nur ausnahmsweise wurde 38,4°
bezw. 39,4“ erreicht. Die Spirochäten fingen bereits 16 bis
24 Stunden nach der Injektion an abzusterben. Die Wirkung
auf die einzelnen Luesformen war die von den früheren
Autoren berichtete. Deutliche Rezidive traten bisher in keinem
Falle auf. Auffallend rasch verschwanden die typischen Nacht¬
kopfschmerzen tertiär Luetischer. Eklatant ist die rasche Auf¬
hellung der Stimme bei ulcerösen Prozessen im Larynx. Be¬
sonders teilt Verfasser zwei Fälle mit, in denen bei Augen¬
hintergrundserkrankungen das Mittel angewendet wurde, ln
dem einen Falle handelte es sich um chorioiditische Herde auf
luetischer Basis, welche nach der Injektion stationär wurden;
eine Verschlechterung des Visus trat nach der Injektion nicht
ein. In dem zweiten Falle handelte es sich um eine Gummi¬
geschwulst der Netzhaut, welche nach der Injektion abheilte.
Verfasser glaubt auf Grund dieser Beobachtungen, daß die von
einzelnen Autoren gehegten Befürchtungen in betreff Neben¬
wirkungen des Präparats 606 auf den Sehapparat nicht be¬
gründet sind.
Dr. G. Hügel und Dr. A. Ruete (Straßburg i. E.): Unsere bis¬
herigen Erfahrungen mit dem Ehrlich-Hataschen Arsen-
präparat 606. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 39.)
Dr. R. Sieskind (Berlin): Zusammenfassender Bericht über 375
mit dem Ehrlich-Hataschen Präparat behandelte Fälle.
(Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 39.)
Die erste der beiden Arbeiten stammt aus der Straßburger
dermatologischen Universitätsklinik. Sie bezieht sich auf ein
Material von nur 30 Fällen (aus den verschiedensten Stadien
der Syphilis) und bringt daher nichts wesentlich Neues. Tertiäre
gummöse Prozesse der Haut und Schleimhaut scheinen beson¬
ders gut beeinflußt zu werden. Bei einem Fall von Lues cerebri
trat auf eine Injektion von 0,5 g deS ! Mittels eine Besserung ein.
Ein Fall von beginnender progressiver Paralyse zeigte dagegen
nicht die geringste Besserung. Rezidiviert sind bis jetzt vier
Fälle. Ein Fall von Roseola bei einer Dosis von 0,3, ein Fall
von Gummi der Nasenschleimhaut, der jetzt wieder ein lueti¬
sches Geschwür der Nasenschleimhaut aufweist, ferner ein
Fall von Angina specifica nach 0,3 g und ein Fall von tubero-
serpiginösem Syphilid der Oberlippe (0,5 g). Letzterer zeigte
schon nach 14 Tagen ein Rezidiv. In den Fällen, in denen die
luetischen Symptome von dem Mittel beeinflußt werden, gehen
die Spirochäten in den ersten 24 Stunden nach der Injektion
zugrunde. Die Wasserma n n sehe Reaktion blieb in einigen
Fällen positiv, auch wenn das Mittel eine starke klinische
Wirkung hatte. In manchen Fällen wurde die nach der Injek¬
tion negativ gewordene Reaktion bald wieder positiv.
Die zweite Arbeit stammt aus der Abteilung des San.-Rats
Dr. Wechselmann im Rudolf-Virchow-Krankenhaus zu
Berlin; ihr liegt ein viel umfassenderes Material zugrunde. Verf.
setzt zunächst auseinander, welche Vorzüge das neue Mittel
gegenüber der Hg-Behandlung hat, welche als allgemein be¬
kannt vorausgesetzt werden dürfen. Auch er hebt wie fast alle
Autoren hervor, daß gerade die schwersten Formen der Syphi¬
lis, die maligne Lues und die Lues praecox, d. h. die früh ulce-
röse Formen, das dankbarste Feld für die Behandlung mit dem
Arsenobenzol darstellen, und zwar heilen diese Fälle auch
dann, wenn vorausgegangene Quecksilber-, Jod-, Atoxyl- und
Zittmannkuren erfolglos waren. Maligne Fälle, die gegen das
Mittel refraktär waren, hat S. bisher nicht beobachtet. Von
besonderen Beobachtungen führt er an, daß hypertrophische
Plaques der Schleimhaut weniger reagieren, Leukoplakien fast
gar nicht. Ferner soll es nach Verfasser ein prognostisch un¬
günstiges Zeichen sein, wenn nach der Injektion eine Jarisch-
H e r x h e i m e r sehe Reaktion auftritt. Es handelt sich in
diesen Fällen wahrscheinlich um Unterdosierungen. Während
Primäraffekte, falls es sich uni Erosivschanker handelt, sehr
schnell heilen, geht es bei den typischen Sklerosen, die aus
einem dicken Infiltrat von Plasmazellen und jungen Binde¬
gewebszellen bestehen und wo durch Gefäßthromben der Zu¬
tritt des Mittels zu den Spirochäten erschwert ist, weniger
schnell. Deswegen werden auf der W e c h s e 1 m a n n sehen
Abteilung jetzt die Initialsklerosen, soweit tunlich, entweder
mit dem Holländer sehen Heißluftapparat zerstört oder voll¬
ständig exzidiert, wodurch eine große Menge Spirochäten aus¬
geschaltet werden. Während die mikropapulösen resp.
lichenoiden Exantheme noch einigermaßen günstig beeinflußt
werden, scheinen viele großpapulöse Syphilide gegen das
Arsenobenzol refraktär zu sein resp. erst nach einer zweiten
Injektion zurückzugehen. Bei hereditärer Lues, besonders bei
den schweren Pemphigusfällen, die sonst letal zu verlaufen
pflegen, hält S. die Anwendung des Mittels unter allen Um¬
ständen für geboten, eventuell kann man durch Behandlung
der Mutter versuchen, dem Kinde mittels der Milch genügende
Antitoxine zuzuführen. Keratitis parenchymatosa bei Lues
hereditaria scheint weniger gut beeinflußt zu werden. —
Schädliche Wirkungen auf das Sehvermögen wurden in keinem
Falle beobachtet. Neuerdings wurde das Mittel einigen Patien¬
ten mit Neuritis optica auf luetischer Basis injiziert, wonach die
Sehnervenerkrankung prompt zurückging. — Herzstörungen
kamen nie vor. Auch Lungenkranke in verschiedenen Stadien
vertrugen die Injektion gut und zeigten regelmäßig eine Hebung
des Allgemeinbefindens und eine Zunahme des Körpergewichts.
Drei Fälle von Peroneuslähmung kamen vor nach intraglutäaler
Injektion. Jetzt werden die Injektionen nur noch subkutan in
neutraler Suspension nach Wechsel mann und L a n g e ge¬
macht, meist in die rechte Interscapulargegend. Diese Injek¬
tionen werden meist sehr gut vertragen. Unter 375 Fällen
wurde nur fünfmal eine wirkliche Vereiterung beobachtet; der
Eiter war in allen fünf Fällen steril. Ganz kleine Nekrosen
um die Einstichstelle sind nicht selten. Intravenös wurde in
keinem Falle injiziert. Was die Dosierung anlangt, so empfiehlt
Verfasser für erwachsene Männer 0,5—0,6 g, für Frauen 0,45 g,
für Säuglinge 0,015—0,03, bei Kindern, je nach dem Alter von
0,1 aufwärts. Die letzte Dosis beträgt 0,15 pro Kilo Körper¬
gewicht. Die Spirochäten verschwinden fast immer innerhalb
24—48 Stunden nach Injektion. Von 232 behandelten Männern
haben sich nur 35 zur Nachuntersuchung vorgestellt, von diesen
wiesen sieben Rezidive auf. Von neun Frauen, die sich nach¬
untersuchen ließen, hatte eine ein sicheres Rezidiv. Als Kon¬
traindikationen gegen die Behandlung mit Dioxyamidoarseno-
benzol sind nach Verfasser anzusehen: 1. Schwere Retina- und
Opticuserkrankungen nichtluetischer Natur. 2. Schwere orga¬
nische Herz- und Gefäßerkrankungen. 3. Fälle von schweren
Lungenkrankheiten mit Ausschluß der Tuberkulose. 4. Schwere
Nierenerkrankungen nichtluetischer Natur. 5. Fortgeschrittene
degenerative Erkrankungen des Zentralnervensystems. 6. Als
momentane Kontraindikation haben Kranke zu gelten, die an
Anginen und fieberhaften Erkrankungen leiden. Die Injektion
soll erst nach Ablauf dieser Prozesse gemacht werden.
Prof. Dr. G. Treupel (Frankfurt a. M.): Weitere Erfahrungen
bei syphilitischen, para- und metasyphilitischen Erkrankun¬
gen mit Ehrlich-Hata-Injcktiouen. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 39.)
Verfasser gibt zunächst einen Ueberblick über die ver¬
schiedenen Methoden der Einverleibung des Arsenobenzois,
welche im Laufe der letzten Monate angegeben worden sind.
Er schließt sich der Empfehlung von A11 und Iversen an,
in Fällen, wo es auf schnelle Wirkung ankommt, zuerst einen
Teil des Präparats (0,4—0,5 g) intravenös zu injizieren und
nach etwa zwei Tagen 0,4—0,5 als neutrale Suspension sub¬
kutan folgen zu lassen. Er erwähnt dann eine in seinem Labo¬
ratorium von B eis ei e gemachte Beobachtung, daß das Prä¬
parat in Traubenzuckerlösung der verschiedensten Konzen¬
tration löslich und für einige Zeit haltbar ist. Es können z. B.
0,5 Dioxydiamidoarsenobenzol mit einigen Kubikzentimetern
2prom. Traubenzuckerlösung in eine kläre Lösung gebracht,
und diese Lösung kann, ohne auszufallen, bis fast zur Neutrali¬
tätsgrenze mit NaOH versetzt werden. Was die Erfahrungen
des Verfassers anlangt, so erstrecken sie sich vorwiegend auf
ältere Fälle mit Beteiligung des Nervensystems und innerer
Organe. Irgendwelche Nebenwirkungen hat er nicht beob¬
achtet, auch nicht am Herzen und Gefäßsystem, trotzdem u. a.
bei schwerer Herzmuskelerkrankung und Koronarsklerose
sowie auch bei aneurysmatischer Erweiterung der Aorta inji¬
ziert wurde. Auch andere Komplikationen, wie Lungentuber¬
kulose, Diabetes mellitus und Nephritis sind nach des Verf.
bisherigen Erfahrungen keine Kontraindikation. Selbst ein
Kranker mit schwerster parenchymatöser Nephritis und be¬
ginnender Urämie auf luetischer Basis vertrug eine Injektion
von 0,6 und nach.einigen Wochen noch 0,4 sehr gut; die urämi¬
schen Erscheinungen gingen nach der ersten Injektion prompt
zurück und sind seither weggeblieben; der Eiweißgehalt des
Urins sank von 9 pro Mille auf 2 pro Mille, stieg aber später
wieder auf 6 pro Mille. Sehr gute und prompte Erfolge wurden
in einigen Fällen voll frischer Gehirnsyphilis erzielt.
In alten Fällen sind die Erfolge nicht so prompt. Was die
Wirkung des Arsenobenzois bei Tabes und progressiver
Paralyse anlangt, von denen Verfasser 19 Fälle behandelt hat,
so hat er den Eindruck gewonnen, daß die Tabes im Beginn
und die progressive Paralyse ganz im Anfang günstig beeinflußt
werden können. In derartigen Fällen wurden die Sensibilitäts¬
störungen bei Tabes gebessert, der Gang wurde sicherer, der
Romberg verschwand oder trat in geringerem Grade auf. Bei
der progressiven Paralyse scheint der rasche Stimmungswechsel
gemildert und ein größeres psychisches Gleichgewicht in bezug
auf alle psychischen Funktionen erreicht zu werden.
Prof. Dr. Joseph Langer (Graz): Ueber (las Vorkommen der
Spirochaeta pallidn Schaudinn in den Vaccinen bei kongeni¬
tal-syphilitischen Kindern. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 38.).,
Bekanntlich kam in früheren Zeiten, als die Impfungen
noch mittels humaner Lymphe vorgenommen wurden, hin und
No. 45. *
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
677
wieder eine Uebertragung der Syphilis per vaecinationem vor;
diese Fälle waren im ganzen sehr selten; ferner repräsen¬
tierten sich alle Fälle als umschriebene Gruppenerkrankungen
mit je einer gemeinsamen Infektionsquelle, jedoch erkrankten
keineswegs alle mit dem Infektionsstoff in Berührung ge¬
kommenen Impflinge. Es wurde ferner beobachtet, daß bei
luetischen Individuen der Impfprozeß ebenso verläuft wie
beim nichtluetischen Menschen und selbst ohne Haftung der
Vaccination Syphilis vaccinata zur Entwicklung kam. Es wurde
ferner folgendes' beobachtet: Von einem syphilitischen Impf-
stämmling, der sich in einem latenten Syphilisstadium befindet,
wird aus normal entwickelten Vaccinen auf andere Kinder
geimpft, auch bei diesen entwickeln sich normale Vaccinen,
so daß sie zur Weiterimpfung benutzt werden. Während oder
nach normalem Ablauf des Impfprozesses kommt es bei einer
Reihe dieser von einander geimpften Kinder zur Entwicklung
syphilitischer Primäraffekte an den Impfstellen (Syphilis
vaccinata secundae generationis). Verfasser versuchte diese
Beobachtungen mittels unserer gegenwärtigen Kenntnisse dem
Verständnis näher zu bringen durch Nachweis der Spirochaete
pallida in den Vaccinen sicher luetischer Kinder. Er impfte
zehn kongenital luetische Kinder im Alter von 8 Tagen bis
18 Monaten; auf jeden Arm wurde hur ein 14 cm langer Impf-
sclmitt gesetzt; am sechsten oder siebenten Tage wurde von
der Impfeffloreszenz etwas entnommen und auf Spirochäten
untersucht. In drei Fällen gelang mittels der Beobachtung im
hängenden Tropfen und der Giemsafärbung je einmal der
Nachweis der Spirochaete pallida, von sieben späteren Fälleu
gelang dagegen mittels der Burrisehen Tuschmethode der
Nachweis in vier Fällen. Dagegen fand Verf. in einem ande¬
ren Falle, wo er auf dem einen Arm direkt eine kleinlinsen¬
große Papel impfte, auf dem anderen Arm eine makroskopisch
unveränderte Hautstelle, in der „Papelvaccine“ ein Netz reich¬
licher Spirochäten, während sie in der über normaler Haut ge¬
setzten Vaccine vermißt wurde. Verf. nimmt deswegen an, daß
in der Impfpustel eines luetischen Kindes die Spirochaeta
pallida sich dann findet, wenn der Impfschnitt in eine bereits,
spezifisch veränderte Hautstelle erfolgt, ob diese nun makro¬
skopisch erkennbar ist oder nicht. Daß Verfasser in seinen
Fällen relativ häufig Spirochäten in den Vaccinen nachweisen
konnte, erklärt er daraus, daß alle diese Kinder an manifester
Lues litten. Fälle solcher Art wurden aber wohl niemals zur
Weiterimpfung benutzt. Daß bei der Abimpfung von einem
syphilitischen Impfstämmling einzelne der Geimpften syphilis¬
frei blieben, ist nach Verfasser vielleicht darin begründet, daß
eben nicht alle Impfeffloreszenzen Spirochäten enthalten.
R. L.
Dr. A. Gerönne, Sekundärarzt der inneren Abteilung des
städt. Krankenhauses Wiesbaden: Ueber schwere Vaccine¬
erkrankungen und ihre Prophylaxe. (Berl. klin. Wochen¬
schrift, 1910, No. 4.)
Verfasser berichtet über schwere Vaccineerkrankungen,
weil die Gefährlichkeit, die dieses Krankheitsbild annehmen
kann, noch keineswegs so allgemein bekannt geworden ist,
wie es im Interesse der Schutzpockenimpfung als dringend
erforderlich erscheinen muß. Dieses Nichtkennen der Vaccine¬
infektion als einer beachtenswerten Krankheit ist leicht ver¬
ständlich, da erst in den letzten Jahren diese neue Komplika¬
tion der Schutzpockenimpfung in ihrer Bedeutung sichergestellt
worden ist, und zwar durch eine Reihe kleinerer Publika¬
tionen, die so verstreut sind, daß sie leicht der Kenntnis vieler
Aerzte entgehen können. Da nun diese Schattenseiten der
Vaccination in den meisten der in Frage kommenden Lehr¬
bücher entweder gar nicht geschildert sind oder doch nur
eben angedeutet werden, so sind die Aerzte noch vielfach in
dem Glauben befangen, daß heutzutage — bei strikter Be¬
folgung unserer modernen Impftechnik und bei der Anwen¬
dung der vorgeführten Vorsichtsmaßregeln — jede Gefahr voll
und ganz beseitigt ist, die etwa in früherer Zeit der Impfung
anhaften mochte. Daß dem nicht ganz so ist, darauf hat zu¬
nächst ein Nichtmediziner, der Tübinger Zoologe Bloch-
m a u n hingewiesen, der im Jahre 1904 eine sehr lesenswerte \
Schrift veröffentlicht hat, in der er die Frage aufrollt, ob die
Schutzpockenimpfung mit allen notwendigen Kautelen um¬
geben ist. Blochmann schrieb sein Buch anläßlich eines
für ihn besonders traurigen Erlebnisses: Kurz nach der
Impfung seines ältesten Sohnes bekam der jüngere ungeimpfte,
der an einem Gesichtsekzem litt, eine Aussaat prall gefüllter
Pusteln über das ganze Ekzem, die sich als Uebertragung der
Vaccine von seiten des Bruders sicherstellen ließ. Nach
schweren langen Krankheitswochen, die das Leben des Kindes
sehr gefährdeten, trat doch noch Genesung ein, doch ging in- '
folge einer Vaccinepustel auf der Kornea das Licht eines
Auges verloren; außerdem ward das Gesicht des Kindes durch
die Narbenbildung sehr entstellt. — Dieser Fall illustriert
treffend die Bedingungen, unter denen auch heutzutage noch
von der Schutzpockenimpfung ein Schaden ausgehen kann; es
ist also weniger der Impfling selbst, dem aus der Vaccination
noch eine wesentliche Gefahr erwachsen könnte; ihn hat die
fortschreitende Kenntnis mit einem Wall von Vorsichtsma߬
regeln schützend umgeben: die obligatorische Anwendung
einwandfreier Kälberlymphe sichert ihn vor einer Syphilis,
einer Tuberculosis vaccinata; die peinlichste Sauberkeit, die
den ganzen Impfakt auszeiennet, senützt ihn vor einem lmpf-
erysipel; und es sind auch weitere Zwischenfälle so gut wie
ausgeschlossen, falls die Eltern die einfachen Verhaltungs¬
maßregeln beachten, die ihnen gedruckt vor jeder Impfung
übermittelt werden. Besonders bedeutet auch die Vorschrift,
Kinder, die an Ekzemen oder sonstigen Hautausschlägen leiden,
grundsätzlich von der Impfung auszuschließen, einen weiteren
r ortschritt in der Prophylaxe von Impfschäden. Diese Be¬
stimmung basiert auf der Beobachtung, daß Kinder, die an
juciienden Hautkrankheiten leiden, sehr leicht von ihren
fockenpusteln aus durch Kratzen die Vaccine auf wunde
Stellen übertragen. Dann können sich diese mit koniluieren-
den Vaccinepusteln bedecken, wodurch ein schweres Krank¬
heitsbild entsteht, das mit höherem Fieber und stärkerer
Störung des Allgemeinbefindens einherzugehen pflegt. Der¬
artige Falle von „sekundärer“ Vaccine, von „Ekzema vacci-
natum“ haben dazu geführt, zum Schutze des Impflings die
oben gekennzeichnete Vorsichtsmaßregel anzuordnen. So
drohen also heutigen Tages dem Impfling selbst aus der
Schutzpockenimpfung kaum noch Gefahren, wohl aller kann
noch seiner Umgebung Schaden, und zwar schwerer Schaden,
erwachsen, da bei ihr leicht durch Uebertragung des lmpf-
stohes vom Impfling aus nicht gewollte Vaccinationen zu¬
stande kommen. Auf diese Infektiosität des Impflings als
erster eindringlich hingewiesen zu haben, ist das große Ver¬
dienst von Bio ch mann. Verfasser geht nun ausführlich
auf Fälle von schwerer Vaccineerkrankung ein, die auf diesem
Wege zustande gekommen sind, in dieser Beziehung betont
Veriasser zunächst die Tatsache, daß die Uebertragung des
Impfstoffs ms Auge gar kein so seltenes Ereignis ist. Bloch-
m a n n hat z. B. ol derartige Augenerkrankungen zusammen¬
gestellt, die meist Mütter, oie ihre geimpften Kinder pflegten,
sowie Kindermädchen und Ammen betroffen haben. Souann
lenkt Verfasser ganz besonders die Aufme’rkaaüBkeit auf
senwere Infektionen des Gesanitorgamsmus, die durch Ueber¬
tragung des Vaccinevirus zustande gekommen sind, und die
in einer nicht so kleinen Zahl von Fallen einen tötlichen Ver¬
lauf genommen haben. Um die Bösartigkeit dieser Krank¬
heitsbilder zu illustrieren, teilt Verfasser die Krankengeschichte
eines Falles mit, den er vor einigen Wochen beobachtete. Es
handelt sich um ein bis dahin gesundes und lebenskräftiges
Kind von zwei Jahren, das dadurch zugrunde geht, daß es sich
infiziert an Vaccinepusteln, die bei seinem älteren Bruder im
normalen Verlaufe der fmpfung sich entwickelt haben. Und
zwar hat es sich um ein noch nicht geimpftes Kind gehandelt,
das an einem leichten Ekzem, besonders an beiden Armen
und im Gesicht, gelitten hatte.
Olaf Thomsen, Abteilungsvorsteher an Statens Serumi^istitnl
in Kopenhagen: Die Bedeutung der positiven Wassermaim-
schen Reaktion mit Frauenmilch fiir die Wahl einer Amme.
(Berl. klin. Wochenschr., ,1910, No. 88.)
Voll F'rauen, die als Ammen augestellt zu werden
wünschen, sollte nach Verfassers Untersuchungen sowohl das
Berum als die Milch nach Wassermann untersucht werden.
Die Milch zu dieser Untersuchung ist entweder vor der Ent¬
bindung oder spätestens im Verlauf der zwei ersten Tage der
Saugung zu entnehmen. Positive Reaktion mit Serum hat die¬
selbe Bedeutung wie in allen anderen Fällen, d. h. sie macht
das Vorhandensein aktiver Syphilis höchst wahrscheinlich.
Ausbleiben der Reaktion mit Serum berechtigt nicht zu dem
Schlüsse, daß die in Frage stehende Person keine ansteckende
Syphilis gehabt hat oder noch hat. Positive Reaktion mit Milch
macht das Vorhandensein der Syphilis sehr wahrscheinlich,
wenn 0,05 ccm oder weniger zur Erzeugung positiver Reaktion
genügen. Beträgt die geringste Menge, die positive Reaktion
ergibt, 0,1 ccm, so läßt sich darausaein sicherer Schluß nicht
ziehen. Dieser Stärkegrad der Reaktion tritt jedoch nur
selten bei nicht syphilitischen Frauen auf. Positive Reaktion
mit 0,2 ccm läßt keine Schlüsse hinsichtlich des Vorhanden¬
seins einer Syphilisinfektion. Das Ausbleiben der Reaktion
ist — anders als bei dem Serum — ein gewichtiges Indicium
gegen das Bestehen einer Syphilis, weil die Reaktion durch
eine Quecksilberbehaiidlung, die die Reaktion mit Serum zum
Schwinden bringt, nur wenig beeinflußt wird.
Prof. Carl Fraenkel: Ueber die W'irkung der Tuberkelbacillen
von der unverletzten Haut aus. (Hygienische Rundschau,
,1910, No. 15.)
Unter obigem Titel veröffentlichte Verfasser 1907 in der
„Hygienischen Rundschau" einen Aufsatz, in dem er die Tat¬
sache darlegte, daß auch von der unverletzten Haut aus bei
Meerschweinchen sich eine tuberkulöse Infektion erzielen
lasse. Gegen die Richtigkeit dieser Beobachtung haben nun
T a k e y a und D o 1 d Einspruch erhoben, indem sie die Mög¬
lichkeit betonen, daß die geimpften Meerschweinchen durch
Therapeutische Rundschau 1910 .
No. 46.
öfö
Ablecken der eben mit den Tuberkelbacillen infizierten
Wunde die Mikroorganismen von den Verdauungswegen, also
vom Maule aus, aufgenommen haben könnten, und indem sie
weiter auch 12 eigene Versuche mitteilen, die in gleicher oder
ähnlicher Weise angestellt wurden (Einreiben einer Rein¬
kultur von Tuberkelbacillen in die rasierte Bauchhaut) und
bei denen nur drei Tiere, und zwar mit gleichzeitiger Er¬
krankung der eingeriebenen Hautstelle und der regionären
Lyihphdrüsen von der Tuberkulose ergriffen wurden und zu¬
grunde gingen. Unter diesen Umständen glauben die beiden
Forscher mit v. Baumgarten annehmen zu sollen, daß
die normale Haut gegen das Eindringen der Tuberkelbacillen
unter natürlichen Verhältnissen eine sichere Barriere dar¬
bietet. Ferner glauben sie, daß kleinste, makroskopisch nicht
sichtbare, aber für das Eindringen des Tuberkelbacillus ge¬
nügende Läsionen, trotz der größten Sorgfalt beim Rasieren
und Einreiben (auch ohne Rasieren), doch nicht immer zu
vermeiden sind, und daß es dadurch in den früheren, wie in
Fraenkels Versuchen in einem Teil der Experimente zu
einer tuberkulösen Infektion kam. F. hat nun seine Versuche
unter strenger Berücksichtigung der Bedenken von T akey a
und D o 1 d wiederholt. Im ganzen stimmen die so erzielten
Ergebnisse mit den früher erhaltenen vollkommen überein
und somit weist F. die Einwürfe von T a k e y a und D o 1 d
durchaus zurück.
Dr. L. S. Skrainka, Bahnarzt der k. k. Nordbahn in Wien: Die
Heilung der Lungentuberkulose. (Wiener medizin. Wochen¬
schrift, 1910, No. 33.)
Verfasser . berichtet über seine Erfahrungen auf Grund
von ungefähr 10 000 Fällen von Lungen- und Kehlkopftuber¬
kulose, welche von ihm in Verlauf zweier Dezennien beob¬
achtet und behandelt wurden. Das genaue Eingehen in die
anamnestischen Daten, insbesondere das Erheben derselben
bei Kranken, welche aus dem Orte Roznau selbst und aus
seiner Umgebung stammten, bestätigte vor allem das Bestehen
der Trias der Disposition zur Tuberkulose: der ererbten, der
angeborenen' und der erworbenen Konstitutionsschwäche. Auf
dem Gebiete der erworbenen Disposition traten insbesondere
die Schäden des Abusus von Alkohol (in Form von Brannt¬
wein) klar und deutlich zutage. (Bei dieser Gelegenheit
macht Verfasser die treffende Bemerkung, daß die Erhöhung
der Spiritussteuer bei den genannten Alkoholikern erst recht
zur .Erhöhung des Tuberkuiosekontigentes beiträgt, weil der
Alkoholiker lieber auf das Essen verzichtet, als daß er sein
gewohntes Quantum Alkohol aufgäbe; auf diese Maßregel
reagiert er nur mit einem noch tieferen Sinken an körper¬
licher, geistiger und moralischer Kraft.) Durch die genaue
Erhebung anamnestischer Daten wurde weiter die immense
Infektionsgefahr der Lungentuberkulose bekräftigt und in
grellster Beleuchtung zeigten sich die Schäden einer mangel¬
haften Prophylaxe. Bevor Verfasser auf die Therapie der
Lungentuberkulose eiugeht, beantwortet er zwei Fragen von
kardinaler Wichtigkeit: 1. Ist die Tuberkulose überhaupt heil¬
bar? 2. Besitzen .wir Spezifica gegen diese Krankheit? Ver¬
fasser beantwortet die erste Frage mit einem entschiedenen
„Ja“, die zweite mit einem entschiedenen „Nein". — Bei der
Behandlung der Tuberkulose huldigt Verfasser selbstverständ¬
lich dem obersten Prinzipe derselben, der hygienisch-diäteti¬
schen Behandlung, die sich nach seiner Ansicht und nach
seinen Erfahrungen folgende Aufgaben stellen soll: 1. Schäd¬
lichkeiten vom Patienten abzuhalten, 2. die Widerstandskraft
des Organismus zu erhöhen (Hydrotherapie, Ernährung etc.),
3. den Kranken unter Bedingungen zu versetzen, welche er¬
fahrungsgemäß der weiteren Ausbreitung der Krankheit im
Organismus entgegenwirken, und 4. durch geeignete Ma߬
regeln die Infektionsgefahr voll der Umgebung des Patienten
fernzuhalten. — Die hygienisch-diätetische Methode ist zweifel¬
los als oberstes Behandlungsprinzip hinzustellen, Verfasser
betont jedoch mit größtem Nachdruck, daß die symptomatisch¬
medikamentöse Behandlung der Lungentuberkulose, der
Kampf gegen jedes einzelne Symptom mit geeigneten Medi¬
kamenten, der hygienisch-diätetischen Methode an Wert voll¬
kommen gleichzusetzen ist. Während Verfasser anfangs —
und „anfangs wollt er schier verzagen“ — dem geschwächten
Organismus des Tuberkulösen den Kampf mit den einzelnen
Symptomen aufbürdete, damit er sich allein zum Siege ver¬
helfe, hat er in den letzten zehn Jahren auf Grund der ge¬
machten Erfahrungen ausgiebig die medikamentöse Therapie
angewendet und kann sie nicht warm genug empfehlen. Die
Serumtherapie hat ihm aber gar keine Früchte getragen. Von
den als „sogenannte" Spezifica gegen Lungentuberkulose
empfohlenen Mitteln hat er alle in Tausenden von Fällen anzu¬
wenden Gelegenheit gehabt, und da ist er wieder bei der
folgenden Erfahrung angelangt: Je jüngeren Datums, d. h.
je neuer und je teurer das augepriesene Mittel war, desto
weniger nützlich erwiqß es sich ihm; er hat in den letzten
Jahren alle neuen Mittel zurückgestellt und ist reuig zu den
alten Jasper sehen Pillen und zum Oleum jecoris zurück¬
gekehrt. Der Lebertrautherapie singt Verfasser geradezu
ein Loblied. — Die größte Plage für den Lungenkranken
bildet der Husten. Hier ist primo initio das Morphin (0,01 bis
0,02 pro dosi) mehrmals täglich am Platze; je weniger damit
gespart wird, desto früher kann es dann ad acta gelegt werden.
Ebensowenig als Verfasser den quälenden Husten, die Hyper¬
sekretion, das Stagnieren des Sekrets aufkommen läßt, ebenso
wenig läßt er die Fiebererscheinungen die Oberhand ge¬
winnen. Zweckentsprechende hydriatische Prozeduren sind
immer vorzunehmen, auch wenn kein Fieber besteht, bei vor¬
handenem Fieber sind sie erst recht am Platze. Von den
medikamentösen Fiebermitteln hat Verfasser alle versucht.
Für die Dauer war das Chinin am allerwenigsten zu ge¬
brauchen, auch Antipyriu, Phenacetin und Lactophenin etc.
ließen ihn im Stiche, jetzt verwendet er ausschließlich das
Pyramidon, und zwar in der Formel: Pyramidoni 0,35, Coffein,
natr. salicyl. 0,10, Codein. muriat. 0,02, je nach der Fieber¬
höhe 2—3 mal täglich, wochen- und monatelang, bis das Fieber
schwindet. — Was die Behandlung der Hämoptoe betrifft, so
reduziert Verfasser bei Patienten, die er von früher her kennt,
ausgenommen nur die Patienten mit ausgebreiteten
Destruktionsprozessen und Kavernenbildung, die absolute
Ruhelage des Kranken auf ein Minimum, weil sonst
gesunde Partien der Lunge, die teils durch unwill¬
kürliche Aspiration, teils infolge des dargereichten Narkoti-
cums mit Blut und mit Eiter überschwemmt werden,
dem Fortschreiten des tuberkulösen Prozesses erliegen. Den
Hauptfaktor der Blutstillung bildet primo loco das subkutan
beizubringende Morphin 0,01—0,02 pro dosi, secundo loco
kommt das Extr. sec. cornuti in Betracht. Die medikamentöse
Therapie wird durch die Applikation eines Eisbeutels auf die
Herzgegend unterstützt. Verf. warnt nachdrücklichst davor,
während der Zeit der Hämoptoe gegen die auftretenden
Temperatursteigerungen, die als „Resorptionsfieber“ der Lunge
aufzufassen sind, ein Antipyreticum zu reichen, weil die plötz¬
liche Aenderung der Blutdruckverhältnisse oft zu einer töt-
lichen Pneumorrhagie führen kann. Gegen die Nachtschweiße
der Phthisiker medikamentös einzuschreiten, hatte Verfasser
äußerst selten Gelegenheit; ob dies einem bloßen Zufall zuzu¬
schreiben, ob dies auf den Umstand zurückzuführen ist, daß
er immer, und zwar von allem Anbeginn an, hydriatische
Prozeduren vornehmen ließ, läßt er offen. — Daß
gegen die Appetitlosigkeit der Phthisiker und gegen die ande¬
ren krankhaften Erscheinungen des Magen-Darmtraktes, die
ja ebenso wie die Chlorose oft der manifesten Phthise als
böse Mahner vorangehen, primo loco diätetische Maßnahmen
ergriffen werden sollen, ist selbstverständlich. Verf. widmet
den Magen- und Darmfunktionen des Phthisikers eine größere
Aufmerksamkeit als seiner Lunge. — Ueber die große Be¬
deutung der „Freiluftkur“ ist weiter kein Wort zu verlieren.
Der Lungenkranke soll in eine reine, staubfreie Luft (Gebirge,
Wald, See) versetzt werden, deren Tejnperatur, Feuchtigkeits¬
grad und atmosphärischer Druck den pathologischen Verhält¬
nissen seiner Lunge genauest angepaßt sind, ferner soll er ein
Klima aufsuchen, das seiner individuellen Anlage in puncto
Stoffwechsel, Nerven und Psyche vollkommen entspricht.
Kr.
Dr. H. Schottmüller (Hamburg): Pachymeningitis interna
infectiosa acuta und Meningitis. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 38.)
Wie bei den meisten schweren akuten Infektionskrank¬
heiten cerebrale Erscheinungen Vorkommen, ho treten auch bei
den schweren Formen puerperaler Sepsis oft Erscheinungen
von seiten des Gehirns auf. Vielfach sind dieselben nur all¬
gemeiner Art (Benommenheit bis zum Koma, Delirien etc.).
Zuweilen aber gesellen sich Reiz- oder Lähmungserscheinun¬
gen in verschiedenen Muskelgebieten hinzu. Sogar Nacken¬
steifigkeit und das Kernig sehe Symptom werden beobachtet.
In einem derartigen von Verfasser beobachteten Falle, wo
man schwere meningeale Veränderungen am Gehirn und dem
Symptomenbilde hätte erwarten können, fand sich bei der Sek¬
tion, wie überhaupt in ähnlichen Fällen, nur leichtes Oedem
und Hyperämie der weichen Häute. Diese Fälle sind deshalb
von Fr. Schultze Meningitis sine meningitide, von anderen
Pseudomeningitis genannt worden. Von französischer Seite
ist die Bezeichnung Meningismus für dieses Krankheits-
bild gewählt worden. Man nimmt vielfach an, daß es sich in
diesen Fällen nur um eine funktionelle Störung handelt,
welche hervorgerufen wird durch die von den Krankheits¬
erregern gebildeten Toxine. Durch die Lumbalpunktion ist
es aber jetzt möglich, klinisch den sog. Meningismus von der
Meningitis zu trennen. Ergiebt die Lumbalpunktion eine ver¬
mehrte, getrübte, eventuell eitrige Flüssigkeit und Anwesen¬
heit'vön'Bakterien,'-so handelt es sich um eine Meningitis. Bei
Meningismus dagegen ist der Liquor klar, zuweilen etwas ver¬
mehrt, die Zellen sind nicht oder nur mäßig vermehrt, die
Globulinreaktion fällt oft positiv aus. Bakterien fehlen; nur
ganz ausnahmsweise findet man sehr wenige Keime. Daß es
sich bei diesem sog, Meningismus bei Infektionskrankheiten
wahrscheinlich nicht um eine v.’irkliehe Meningitis handelt, da-
No. 45;
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
67!)
für spricht ein weiterer von Verfasser mitgeteilter Fall. Hier
traten bei einer tötlich endigenden puerperaleri Sepsis zwei
Tage vor dem Exitus meningitische Symptome auf; die Lumbal¬
punktion ergab das erste Mal klare, das zweite Mal klare, aber
gelbliche Flüssigkeit. Mikroskopisch Leukocyten und Lympho-
cyten; keine Bakterien durch die Kultur gefunden. Die Sek¬
tion ergab eine Pachymeningitis hämorrhagica interna. Die
mikroskopische Untersuchung bei stärkster Vergrößerung er¬
gab deutliche Streptokokken-Ansiedelungen in perivaskulär
angeordneten Zellhaufen der inneren Duraschicht. Es handelt
sich also um eine direkte Infektion der Dura mater auf dem
Blutwege; es liegt keine Toxinwirkung vor. Verfasser ist der
Ansicht, daß man auf Krankheitsbilder der geschilderten Art
die Bezeichnung Meningismus nicht anwenden darf; es handelt
sich vielmehr um eine Meningitis 1 disseminata acuta septica
sen infectiosa. Diese Form der Meningitis kann natürlich oft
in eine allgemein akute eitrige Meningitis übergehen; nament¬
lich bei Pneumonie, Typhus und auch bei septischen Zu¬
ständen kommt dies vor. Verfasser weist zum Schluß darauf
hin, daß nach der Lumbalpunktion infolge von Druckerniedri¬
gung ein Symptomenkomplex eintreten kann, für den die Be¬
zeichnung Meningismus zutrifft; selbst Todesfälle sind dadurch
schon eingetreten. Um derartige Folgen zu vermeiden, spritzt
Verfasser in allen Fällen, wo Druckerniedrigung zu befürchten
ist, nach dem Ablassen des Liquor sterile Kochsalzlösungen
ein. Dadurch wird das Eintreten von Meningismus verhütet.
R. L.
Stabsarzt Dr. Momburg, kommandiert zur Chirurg. Klinik der
Universität in Berlin: Die kosmetische Behandlung der
Facialislähmung nach Busch. (Berlin, klin. Wochenschr.,
1910, No. 24.)
Busch hat 1906 einen einfachen operativen Eingriff zur
Beseitigung des stehendsten Symptoms der Facialislähmung, des
überaus häßlichen Herunterhängens des Mundwinkels, an¬
gegeben. Der Eingriff besteht darin, daß unter Lokalanästhesie
am Jochbogen ein kleiner horizontaler Schnitt bis auf den
Knochen und ein zweiter hart äm J ‘Mundwinkel und parallel
der Oberlippe gemacht wird. Jetzt wird vom äußeren Wund¬
winkel der oberen Wunde durch das Periost des Jochbogens
und die Weichteile der Wange eine mit einem Ohr versehene
gestielte Nadel durchgeführt und am äußeren Wundwinkel
der unteren Wunde herausgestochen. Durch das Nadelöhr
wird jetzt ein dünner Aluminiumbronzedraht geführt und
darauf die Nadel zurückgezogen. In gleicher Weise wird die
Nadel vom inneren Wundwinkel der oberen Wunde zum
inneren Winkel der unteren Wunde durchgestochen, und dann
das freie Ende des Aluminiumbronzedrahtes durch die Wange
gezogen. Man hat auf diese Weise eine Drahtschlinge, mit
welcher man den gelähmten Mundwinkel beliebig nach oben
ziehen kann. Nach Korrektur dreht man die Drahtenden zu¬
sammen, versenkt sie und näht die Hautwunden.
M. halt das Verfahren fünfmal nachprüfen können. In
allen fünf Fällen wurde unter Lokalanästhesie operiert und
der Draht so fest angezogen, daß eine stärkere Ueberkorrektur
vorhanden war. Im Falle 1, 3, 4 und 5 hat der Draht teils
oben am Jochbogen, teils am Mundwinkel mehr oder weniger
durchgeschnitten und so das Wiederherabsinken des Mund¬
winkels gestattet. Um der Drahtschlinge nun einen festeren
Halt zu geben, hat M. im Falle 4 und 5 die Operation zum
zweiten Male in folgender Weise ausgeführt: Von der oberen
Wunde aus wird der Draht einmal vor und einmal hinter dem
Jochbogen durchgeführt, so daß die obere Drahtschlinge vom
Jochbogen gehalten wird. Am Munde machte Verfasser zwei
kleine Einschnitte, einen nahe am Mundwinkel, den zweiten
mehr nach der Mitte zu an der Lippenrotgrenze und führt den
Draht von einer zur anderen Wunde, so daß die Basis der
Drahtschlinge sehr breit wird. Die zur Durchführung des
Drahtes benutzte gestielte, gerade Nadel hat Verf. bajonett¬
förmig gebogen, wodurch die schräge Durchführung der Nadel
durch die Wange sehr erleichtert wird. Das Resultat war ein
sehr gutes und Verfasser glaubt nach seinen bisherigen Er¬
fahrungen den von Busch erdachten, außerordentlich ein¬
fachen und kleinen Eingriff mit der oben geschilderten kleinen
Aenderung empfehlen zu sollen, zumal die bisher angegebe¬
nen neuroplastischen und myoplastischen Methoden zur Be¬
seitigung der entstellenden Lähmung völlig Zufriedenstellendes
nicht geleistet haben, und eine Schädigung durch diesen
kleinen Eingriff so gut wie ausgeschlossen ist.
Dr. Josef Höhn (Bad Radein): lieber das Schröpfen. (Oester-
reichische Aerzte-Zeitung, 1910, No. 15.)
Verfasser beschreibt zunächst die Operation des
Schröpfens und gibt daun seiner Ueberzeugung dahin Aus¬
druck, daß es eines jener alten aus der Volksmedizin über¬
nommenen Heilmittel darstellt, welches nicht so ganz die Ver¬
achtung der Aerzte verdient, welches vielleicht in Fällen rheu¬
matischer und neuralgischer Affektion, sowie gewisser ört¬
licher Blutstasen, wo die modernen und modernsten Mittel ver¬
sagen, immerhin eines Versuches wert ist. Es hat eine unver¬
kennbare Aehnlichkeit mit dem Bier sehen Verfahren. Verf.
konnte sich vielfach überzeugen, daß das Schröpfen eine be¬
deutende Erleichterung für kürzere oder längere Zeit, mit¬
unter aber auch gänzliches Nachlassen der rheumatischen
oder neuralgischen Schmerzen zur Folge hat. Allerdings mag
das suggestive Moment, der Glaube an die unfehlbare Wirkung
des Mittels in vielen Fällen das Seine tun; ’n vielen Fällen war
jedoch die Wirkung eine zu augenfällige, ‘;uch objektiv wahr¬
nehmbare (Ablaufen von Schwellungen, Nachlassen von Blut¬
stasen, bessere Beweglichkeit etc.), als da,ß nur von einer
suggestiven Wirkung gesprochen werden könnte.
Dr. Max Brandes, Assistent der königl. chir. Klinik zu Kiel:
Erfahrungen zur Behandlung von Fisteln mit Beckscher
Wismutsalbe. (Medizin. Klinik, 1910, No. 32.)
Seitdem Beck in New York im Jahre 1908 seine Methode
der Behandlung von Fisteln mit Injektionen von Wismutsalben
beschrieben hat, sind auch einige deutsche Publikationen er¬
schienen, welche über die Erfolge der Methode aus einzelnen
Kliniken berichten. Sie lauten wenig günstig. Nach den Er¬
fahrungen der Kieler Klinik möchte Verfasser die Beck sehe
Methode höher einschätzen als Steimaun, Rosenbach
und Elbe. Der große Nachteil, welcher mit derselben zu¬
nächst noch verbunden ist. liegt in der Gefahr der Intoxika¬
tion, vor allem der metallischen Wismutvergiftung. Durch
kleinere Salbenmassen, zunächst nur in die Tiefe der Fistel
eingeführt, sucht man in der Kieler Klinik diese Gefahr zu
verringern, durch Anwendung des Bismutum carbonicum au
Stelle des Bismutum subnitricum umgeht man die Gefahr der
Nitritvergiftung. K r.
Dr. E. Melchior (Breslau): Ueber die Gefahren der forcierten
Dehnung des Sphincter ani. (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 38.)
Wie Verfasser an einer Reihe von Fällen festgestellt hat,
ist die Dehnung des Sphincter ani, wie sie zur Behandlung der
Fissura ani und als vorbereitender Akt zu einer Reihe von
Eingriffen am Mastdarm ausgeführt wird, keine ungefährliche
Operation, da sie eine dauernde Incontinentia alvi zur Folge
haben kann. Dieser Gefahr kann jedoch — wahrscheinlich
mit absoluter Sicherheit — begegnet werden: 1. durch Ver¬
meiden einer stärkeren Gewaltanwendung, 2. durch Vornahme
des Eingriffs in tiefer Narkose. R. L.
Dr. Siegfried Heines (Wien): Zur Kenntnis eines eigentüm¬
lichen Knötchenausschlages (Lichen nitidus Pincus). (Medi¬
zinische Klinik, 1910, No. 30.)
Verfasser hatte Gelegenheit, zwei Fälle von Lichen nitidus
zu beobachten. Im ersten Fall handelte es sich um einen
30 jährigen Patienten, der wegen sexuell neurasthenischer Be¬
schwerden das Krankenhaus aufsuchte. Bei der Inspektion
des äußeren Genitale fand sich nun die zu beschreibende, vom
Patienten selbst angeblich noch nie bemerkte Hautverände¬
rung. Die dunkelpigmentierte Skrotalhaut und die eines Prä¬
putiums entbehrende Glans penis sowie die Peuishaut sind be¬
deckt mit zahlreichen flachkugeligen Knötchen von durch¬
schnittlich Hirsekorngröße. Sie sind auf dem Skrotum nicht
follikulär angeordnet, sondern regellos, bald dichter, bald
dünner gesät, zeigen aber nirgends Konfluenz oder Gruppie¬
rung, sondern präsentieren sich überall als scharf begrenzte
Einzeleffloreszenzen von meist rundlicher Form. Ihre Farbe
läßt sich am ehesten dem gewöhnlichen Hautkolorit ver¬
gleichen, so daß sie in der hier dunkler gefärbten Umgebung
leicht bemerkbar werden können. Deutlich in Erscheinung
treten sie aber erst beim Anspannen der gefalteten Skrotal¬
haut, da sie nur wenig und flach über die normale Umgebung
prominieren. Jetzt erglänzen sie auch eigentümlich matt,
ähnlich wie die Effloreszenzen des Lichen ruber planus. Bei
geeigneter Belichtung und genauem Zusehen läßt sich über¬
dies im Zentrum vieler,' nicht aller Knötchen, eine aller¬
kleinste, flache Einziehung, nach Art einer Delle, erblicken
(„Porus“ nach Pincus). Die viel spärlicheren Effloreszenzen
auf der Glans und Haut des Penis unterscheiden sich mehr¬
fach von den auf dem Skrotum lokalisierten. Sie sind kleiner
als diese und ganz flach, so daß es hauptsächlich ihr charakte¬
ristischer Flitterglanz ist, der sie beim Glätten der Haut aus
dem sonst normalen Hautrelief und neben den zahlreichen,
viel größeren Follikeln herausliebt. („Die Haut sieht wie mit
Flitterchen bestreut aus.“) Ihre regelmäßige Begrenzung und
das Fehlen der zentralen Delle unterscheiden sie weiterhin
von den Skrotaleffloreszenzen. An anderen Körperstelien
läßt sich keine Spur dieser Hautveränderung finden, die dem
Patienten nicht die geringsten Beschwerden macht. Das ge¬
schilderte klinische Symptomenbild (Lokalisation, Morphologie
usw.) stimmte völlig mit den Angaben von Pincus über
seinen Lichen nitidus. Es wurde nun ein dicht mit Knötchen
besetztes Stück der Skrotalhaut exzidiert; die eine Hälfte
wurde histologisch — zur Sicherstellung der Diagnose — ver-
No. 45.
680 THERAPEUTISCHE
arbeitet; kleine Stückchen der anderen Hälfte wurden in ganz
flach angelegte Hauttaschen der Abdominalregion des Patien¬
ten eingebracht, um eine eventuelle Autoinokulabilität der
Effloreszenzen feststellen zu können, der Rest wurde einem
Meerschweinchen intraperitoneal implantiert. Dies geschah
mit Rücksicht auf den histologischen Bau der Knötchen, deren
meistenteils „tuberkuloide“ Struktur schon P i n c u s hervor¬
hebt. Aus diesem; Grunde hat Verfasser dem klinisch tuber¬
kulosefreien Patienten auch diagnostische Injektionen mit
K och schein Altjuberkulin gemacht, von ein Dezimilligramm
sprunghaft bis /h ein Zentigramm ansteigend. Er erfolgte
weder allgemeine noch lokale Reaktion. Ebenso blieben das
Tierexperiment und der Autoinokulationsversuch während
einer achtwöchigen Beobachtung negativ. Tn dieser Zeit war
auch weder das Auftreten neuer, noch Veränderungen an den
schon bestehenden Knötchen wahrzunehmen; diese relative
Konstanz der bestehenden Veränderungen wird gleichfalls als
diagnostisches Symptom von den Beobachtern des Lichen
nitidus hervorgehoben. Die mikroskopische Untersuchung
der mit polychromischem Methylenblau gefärbten Schnitte
zeigte das Vorliegen charakteristischer Veränderungen, wie
sie Pincus und andere in den meisten Fällen gefunden
haben. — Auch in dem anderen, vom Verfasser nur kurze
Zeit beobachteten Falle handelte es sich um einen ebenso
typischen, auf Glans penis und Penishaut lokalisierten Lichen
nitidus (auch hier fehlendes Präputium, worauf Pincus be¬
sonders hinweist!), dessen Einzeleffloreszenzen etwas größer
waren, als die des erstbeschriebeuen Falles. Die Diagnose
war schon klinisch mit Sicherheit zu stellen, wie sie überhaupt,
sobald man einen Fall gut gesehen hat, keiue Schwierigkeiten
bietet. K r.
Dozent Dr. Egmont Baumgarten (Budapest): Sehstörungen,
durch Affektionen der Nase bedingt. (Monatsschrift für
Ohrenheilkunde und Laryngo-Rhinologie, 1910, H. 9.)
Verfasser teilt eine Anzahl von Fällen mit. aus denen
hervorgeht, daß nicht nur seröse und eitrige Nebenhöhlen-
affektioueiq^phstörungen bedingen können, sondern auch
bullöse Auftreibungen der mittleren Muscheln, ferner Zirku¬
lationsstörungen in der Keilbeinhöhle, den Siebbeinzellen und
deren Umgebung. Es gibt Fälle, in denen in der Keilbeinhöhle,
nur Schwellungen der Schleimhaut, Verdickungen gefunden
werden, die Eröffnung der Höhle und die teilweise Entfernung
dieser Schwellungen aber auffallende Verbesserung oder
Heilung -des geschwächten oder verlorenen Sehvermögens be¬
wirken kann. Es ergibt sich daraus, daß in vielen Fällen von
akuter oder chronischer Papillitis eine rhinologische Behand¬
lung erforderlich ist und daß man in keinem Falle von
Papillitis eine rhinologische Untersuchung unterlassen sollte.
R. L.
KimVerhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. jM^dic. Central-Zeitung"
Sitzung vom 19. Oktober 1910.
Vorsitzender: Herr Orth.
Vor der Tagesordnung:
Der Vorsitzende widmet den Mitgliedern der Gesellschaft,
die während der Ferienmonate durch den Tod dahingerafft
worden sind (Henoch, v. Recklinghausen, v. Leyden,
Hirschfeld, B ö g e h o 1 d , Korn und Basch) einen
ehrenvollen Nachruf. — Sodann macht er nähere Angaben
über die vorzunehmende Wahl des Ehrenvorsitzenden und
mehrerer Ehrenmitglieder der Gesellschaft. —
Beitrag zur Kenntnis der Polycythaemia megalosplenica.
(Mit Krankendemonstration.)
Herr Milchner hat unter 8000 Patienten der Männer¬
abteilung der Kgl. Univerqijtätspoliklinik drei typische Fälle
der genannten Krankheit beobachtet, die ausgezeichnet ist
durch Vermehrung der roten Blutkörperchen, durch Milzver-
größerung und dadurch, daß sie eine diffuse Rötung des Ge¬
sichts und des Rachens erzeugt. Die weißen Blutkörperchen
verhalten sich in qualitativer und quantitativer Beziehung wie
beim Normalen. Der vermehrte Eisengehalt des Urins gibt
Aufschluß über den Zerfall der roten Blutkörperchen. Da die
Behandlung mit der K u h n sehen Maske und mit Röntgen¬
strahlen keinen Erfolg hatte, so versuchte M. durch eine
14 Tage lang durchgeführte eisenarme Diät (Reis, Zucker,
Kartoffeln, Milch, und Eier) die vermehrte Eisenausscheidusng:
im Urin zu beeinflussen, ln der Tat gelang es, die EisenauA-
seheidung auf die Hälfte zu reduzieren, auch resultierte daraus
eine Besserung des Allgemeinbefindens, wenn auch die Zahl
der roten Blutkörperchen die gleiche blieb. Leider konnte
diese Behandlung äußerer Gründe halber nicht fortgesetzt
werden. Der Patient (Demonstration) kann jetzt seiner ge¬
wohnten Tätigkeit wieder nachgehen.
RU NDSCHAU 1910 .
Fall von Extrauteringravidität nach dem Mastdarm. durch¬
gebrochen. Vom Mastdarm aus operiert — geheilt.
Herr Bockenheinier: Die 32 jährige Frau, von der Vor¬
tragender im Juli konsultiert wurde, klagte über hochgradige
Schmerzen in der Analöffnung. Die Untersuchung per anum
und die Dehnung des Sphincter förderte mehrere spitze
Knochenstücke zutage. Bei der Ausspülung geriet er in eine
faustgroße Höhle an der vorderen Mastdarmwand, aus der all¬
mählich unzweifelhaft als Schädelknochen zu erkennende
Stücke entfernt werden konnten. Die Höhle wurde tamponiert
und schloß sich in 14 Tagen, nach drei Wochen konnte die
Patientin als geheilt enlassen werden. Die Zusammenstellung
der entleerten Knochenstücke ergab, daß es sich um einen
sieben Monate alten Fötus handelte, von dessen Weichteilen
nichts mehr erhalten war.
Nach der Anamnese soll die Patientin vor fünf Jahren mit
heftigen wehenartigen Schmerzen erkrankt sein. Arzt und Heb¬
amme sollen an eine Schwangerschaft gedacht haben, die Be¬
schwerden gingen damals aber sehr rasch zurück.
Diskussion:
Herr Orth zeigt hierzu ein Präparat von Extrauteringravi¬
dität, die in den Darm perforiert war und eine tätliche Per¬
forationsperitonitis erzeugt hatte.
Zur Biologie der Tuberkelbacillen,
Herr H. Aronson macht einige ergänzende Bemerkungen
zu seinem bereits früher gehaltenen Vortrage.
Entgegen der Behauptung von Deycke, daß die Säure-
bestän-digkeit auf dem Fettsäuregehalt des Tuberkelbacillus be¬
ruhe, beweist A., daß dies nicht der Fall ist: Er beseitigte
durch Verseifung mit Kalilauge die Fettsäure, färbte dann mit
Karbolfuchsin und entfärbte Vz Stunde lang mit 3 pCt. salz¬
saurem Alkohol; trotzdem blieb die Färbung bestehen.
Eine einfache Methode der Venenanästhesie. (Demonstration.)
Herr Arthur Schlesinger: Durch eine Vereinfachung
der Bier sehen Venenanästhesie glaubt Vortragender
zu einer größeren Popularisierung der letzteren bei¬
tragen zu könen. Er macht zuerst Stauung ob.er-
blattr der Injektionsstelle!'’rMd führt sodann ein Troikni't
mit stumpfer Kanüle in die Vene ein. Herausnahmen
des Mandrins, Verschluß der Kanüle zur Beseitigung der
Stauung. Elevierung des Gliedes und Herausstreichen des
Blutes, darauf Anlegen der Gummibinden oberhalb und unter¬
halb der Kanüie und Einspritzen der Va proz. Novokainlösung.
Herr Bcnda zeigt das Präparat einer Pylephlebitis mit
Leberahsceß, als deren Ursache sich eine in die V. mesaraica
superior eingedrungene Fischgräte nachweisen ließ. Der
Kranke, von dem das Präparat stammt, war vor acht Tagen in
schwer septischem Zustande eingeliefert worden, der schwere
Ikterus und profuse Diarrhöen wiesen auf den Darm hin.
Näheres war nicht zu eruieren gewesen.
Tagesordnung:
Herr Saalfeld stellt den Antrag: Die Berliner medizinische
Gesellschaft wolle an zuständiger Stelle dahin vorstelligKverdcn,
daß diejenigen für die Wassormannsche Reaktion erforder¬
lichen Reagentien, welche keine konstante Zusammensetzung
haben, an einer Zentralstelle hergestellt werden, die der staat¬
lichen Kontrolle unterliegt. Von dieser Zentralstelle aus wären
dann die Reagentien zu beziehen.
Dieser Antrag erscheint zum Teil durch die Tatsachen
überholt; denn v. Wassermann hat auf der Naturforscher¬
versammlung in Königsberg mitgeteilt, daß die für seine
Reaktion erforderlichen Reagentien auf seihe Veranlassung
von einer chemischen Fabrik hergestellt würden und unter
der Kontrolle seines Instituts ständen. Es erübrigt sich daher
nur noch zu beantragen, daß die von anderen Seiten hergestell¬
ten Reagentien einer staatlichen Kontrolle zü unterwerfen
seien. Zur Beratung näherer Details soll die Angelegenheit
einer geeigneten Kommission unterbreitet werden. Ferner
sollte dahin gestrebt werden, daß die Ausführung der
W a ss e r m an n sehen Reaktion Naturheilkundigen und Kur¬
pfuschern untersagt werde.
Diskussion:
Herr Mühsam möchte sich nicht ohne weiteres für den
Antrag erklären, da die Schwierigkeit besteht, daß die Reagen-
tien im Laufe der Zeit ihren Titer verändern, so daß eine ein¬
malige Kontrolle nicht genügt.
Herr Morgciiroth spricht sich gegen den Antrag Saal-
f e 1 d aus. Den Kernpunkt der Frage erblickt er darin, daß
nur solche Personen die Wassermann sehe Reaktion aus¬
führen sollen, die in jahrelanger Tätigkeit sich serologisch aus¬
gebildet haben. Sie allein seien imstande, die Serumreaktion
durch häufige 'Kontrollen zu prüfen.
Herr v. Wassermann stimmt im allgemeinen mit dem Vor¬
redner überein. Bei der großen Bedeutung der Reaktion für
den Praktiker dürfe man sich indes den vielfach geäußerten
Wünschen aus Aerztekreisen nicht verschließen. Er hat sich
daher bereit erklärt, die Kontrolle der Extrakte, die von einer
Zentralstelle aus in den Handel kommen, unentgeltlich vor-
zunehmen. Den Antrag Saalfeld würde W., vom Grund-
No. 45.
THERAPEUTISCHE
satze ausgehend: Probieren geht über Studieren, zur Annahme
empfehlen.
Herr Lesser ist gegen den Antrag, zumal erst noch ent¬
schieden werden müsse, welches Extrakt gebraucht werden
soll, das Leberextrakt oder das wässerige Extrakt. L. hat
sich des wässerigen Extrakts aus normalem Herzen mit bestem
Erfolge bedient; es wird in vielen Laboratorien verwertet.
Herr v, Wassermann erwidert, er ziehe das Extrakt aus
syphilitischen Fötallebern aus guten Gründen allen anderen
vor; übrigens sei vor drei Jahren auch das sog. wässerige Ex¬
trakt in seinem Institut ausgearbeitet und probiert worden, es
habe sich aber nicht bewährt. Den Vorwurf, daß er Partei sei,
müsse ei 1 aufs entschiedenste zurückweisen.
Es erwidern noch die Herren Lesser, Leonor Michaelis,
Morgenroth und Saalfeld. Der Vorsitzende schließt die Dis¬
kussion mit der Bemerkung, daß eine Abstimmung über den
Antrag nach dem Wortlaut der Geschäftsordnung zunächst noch
nicht stattfinden könne. Britzmann.
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18—24. September 1910.
Referent Herr J.. Borchardt (Königsberg).
Abteilung für Dermatologie und Syphilis
Referent: Herl' W. Carl (Königsberg i. Pr.).
Sitzung vom 20. SSeptember 1910, nachmittags
>' 4 U h r.
Vorträge über die Behandlung der Syphilis mit dem Ehr-
lichschen Präparat 606.
(Fortsetzung.)
Herr Alt (Uchtspringe) gibt einen Ueberhlick über die
ersten Nachprüfungen mit 606. Zuerst hat er die Tierversuche an .
Hammeln und Hunden angestellt, um über die Resorptionsj,.
weise, Toleranz, Ausscheidung und, örtliche Wirkung etwas
zu dfrafiren. Dann wurde das Mittel zwei Menschen (Assisten¬
ten) ä 0.1 g injiziert mit nur örtlicher Reaktion. Er wiederholt
dann die Resultate seiner ersten Behandlungen (mitgeteilt in
der , Münch, med. Wochenschi'.“. 15. III. 1910) und hebt noch¬
mals die 100 erstbehandelten Fälle, die von Schreiber auf
dem Internistenköhgreß in Wiesbaden vorgestellt sind, hervor.
Er macht darauf aufmerksam, keine Depots im Körper von
Kranken von neuem zu setzen, ehe die alten aufgebraucht sind,
um eine chronische Arsenvergiftung zu vermeiden. Beson¬
dere Vorsicht rät er an, wenn es sich um Patienten mit chroni¬
schen Nervenleiden handelt. 606 hat nicht nur eine große Affi¬
nität zur Leibessubstanz der Spirochäten, sondern ' zu allen
syphilitischen Neubildungen. Es setzt um einen syphilitischen
Herd eine Hyperäiniezoilö und wenn das z. B. in einer ge¬
schlossenen. Kapsel, wie der Schädelkapsel, geschieht, kann es
zu DruckselpHMikungen Anlaß geben, die zuweilen verhängnis¬
voll werden können, Aehnliohe Zustände wurden auch bei der
Behandlung mit Arsenophenyglyzin beobachtet. Bei Para¬
lytikern der sog. spastischen Form rät er deshalb von dem
Gebrauch ab, weil zu leicht ein Anfall ausgelöst werden kann.
Nur bei Paralysen ganz im Anfang und bei Taboparalyse ist
es mit Erfolg anzuwenden. Gehirnlues bietet gute Aussichten
auf Heilung durch 606. Die venöse Injektion des Präparates
muß mit der von Schreiber angegebenen, Vorsicht ausge¬
führt werden. Bei Tabikern tritt ein Nachlassen der Schmerzen
gewöhnlich erst nach einer Zeit der Reizung ein, in welcher
die subjektiven Beschwerden vermehrt sind. Opticusatrophie
hat A11 nie beobachtet.
Herr Schreiber (Magdeburg): Die Schmerzhaftigkeit der
anfangs üblichen intramuskulären Injektion, besonders aber
die Beobachtung, daß die stark alkalische Lösung, sowie die
Pulveremulsion Nekrosen macht, veranlaßten zur intravenösen
Injektion. S. gibt seine jetzige Technik an unter Demonstra¬
tion einer besonders konstruierten Kanüle. Die intravenöse
Injektion ist, wenn technisch richtig ausgeführt, unter Anwen¬
dung einer stärkeren Verdünnung nicht gefährliche]', als die
Injektion anderer differenter Mittel. Beson^er^ Zustände sah
S. bei über 400 Fällen nicht, auch nicht bei'zweimaliger Ein¬
spritzung. Das Präparat läßt sich in,50 proz. Salbe sehr gut bei
Kondylomen zur lokalen Behandlung benutzen, da es ätzend
wirkt. Buschke gegenüber betont S„ daß die von
Busch ke zitierten Fälle auf die Technik zurückzuführen
sind, nicht aber auf die Giftigkeit des Mittels.. Er hat nie be¬
hauptet, das Mittel sei ungiftig. Wichtig ist. daß inan bei deso¬
laten Patienten, besonders solchen mit Hiruerschgifiungen. zu¬
nächst kleine. Dosen nimmt, weil große Dosen stärkere Reak-
tionserscheihr.ngen hervorrufen, die bedenklich werden
können.
Herr Iversen (St. Petersburg): 606 ist bei Rekurrens ein
wirksames Mittel. Die Heil dosis bei Rekurrens beträgt etwa 0,3.
Es gelang, den Anfall zu coupieren und Rezidive zu verhüten.
Die Spirochäten verschwinden nach drei bis zehn Stunden aus
dem Blute, gleichzeitig Temperaturabfall bis unter die Norm
RUNDSCHAU 1910. 681
unter starken Schweißausbrüchen und damit Heilung.
60 Fälle.
I. verwandte bei Lues zuerst die intravenöse Injektion,
jetzt die Kombination der intravenösen mit der intramusku¬
lären, im ganzen 0,8—1,0 g Arsenobenzol. 100 Fälle. In sechs
Fällen bemerkte er Rezidive, die nach wiederholter Injektion
verschwanden, diese hatten weniger als 0,4 erhalten. Für alle
Stadien der Lues ist die Wirkung eine eklatante, besonders
für die Spezifität des Mittels spricht der Erfolg bei maligner
Lues, die jahrelang allen Quecksilberpräparaten getrotzt hat.
Punktion der Leistendrüsen ergab nach 3—5 Tagen keine
Spirochäten mehr. I. hat das Mittel auch bei Malaria an-
gewendet, nachdem anfänglich einige Fälle von Tertiana gut
heilten, bat er seine Versuche weiter im Kaukasus angestellt.
27 Fälle Tertiana, 4 Quartana. 27 Tropica, 2 gemischt Tertiana
und Tropica. 0,45 bis 0.8 Dosis intravenös und subkutan.
Tertiana heilt in 70 pCt. der Fälle bei intravenöser Injektion,
nach 12 bis 24 Stunden verschwinden die Plasmodien aus dem
Blut für immer, der Milztumor wird kleiner, nur in ganz alten
Fällen wird der Milztumor nicht kleiner. Tn 30 pCt. hören die
Paroxysmen auf, aber die Parasiten bleiben im Blut. Von
Quartana hat er nur vier Fälle behandelt, zwei davon reagier¬
ten nicht, zwei hatten nach der Injektion schwächere Paroxys-
men und geringeren Fieberanstieg. Auch Tropica reagiert
schlecht aui die Injektion, die Besserung ist nur vorübergehend.
Die Parasiten verschwinden nicht aus dem Blute und in einigen
Tagen kommt es wieder zu Fieber. In vier Fällen hat er Reiz¬
zustände beobachtet, ähnlich wie sie bei Verwendung sub-
therapeutischer Dosen bei Lues beschrieben worden sind:
Fieber, stärkere Anfälle und Auftreten von jungen Ringen in
den Erythrocyten — in zwei anderen Fällen stieg das Fieber
wieder nach fünf Tagen an, und an Stelle der vorher kleinen
Ringe traten nun Semilunarformen. Eine Kombination des
606 mit Chinin kann zu einem Angriff der Parasiten von zwei
Seiten führen und damit zur Heilung.
Herr Wechselmann (Berlin): Es ist feststehend, daß
E h r 1 i c h s Dioxydiamidoarsenobenzol ein den anderen über¬
legenes spezifisches Mittel gegen alle Manifestationen der Lues
ist. Es ist unzutreffend, daß es nur etwas stärker als Kalomel
wirkt, sondern es greift dort heilend ein, wo Kalomel durch
Jahre vergeblich gegeben wurde (Krankenvorstellung). Die
unvollkommene Wirkung einer zu kleinen Dose kann durch
Reinjektion kompensiert werden. Rezidive scheinen seltener
und mehr als Herdrezidive aufzutreten. Bei Tabes sind Besse¬
rungen zu konstatieren. In einem Falle kehrten die erlosche¬
nen" Patellarsehnenreflexe wieder, möglich, daß es sich um
Pseudotabes handelt; diese wird nicht durch Quecksilber, aber
durch 606 gebessert. Aehnlich geht es vielfach auch mit
Pseudoparalysen im Sinne Fournier s. Untersuchungen
mit Nikolai haben ergehen, daß das Mittel nicht das Herz
schädigt, gelegentlich sinkt der Blutdruck. Vorsicht ist Lei
schwachen'Herzen am Platz. Verbreiterte Aorten und Aorten-,
aneurysmen sind ohne Schaden injiziert worden. Zu fürchten
sind am 8. und 9. Tage auftretende Arzueixantheme mit hohem
Fieber. Schädigungen des Sehnerven sind nicht beobachtet
worden. Auch hei Neuritis optica und Sehnervenatrophie
wurde das Mittel vertragen. Mehrfach trat Nekrose des Unter¬
hautzellgewebes auf.
Herr Orth (Berlin) demonstriert zwei Präparate von In¬
jektionsstellen des Ehrlich 606-Präparates in die Glutäal-
inuskulatur. Bei dem ersten Fall bestand eine Tabes, der Tod
ist 12 Tage nach der Injektion eingetreten. Man sieht in dpi'
Muskulatur mehrere verschieden gestaltete, insbesondere aber
einen walnußgroßen Herd mit gelber Peripherie und rotem
Zentrum. Trotz des eiterähnlichen Aussehens ergab weder
die bakteriologische Untersuchung Mikroorganismen in diesem
Herde, noch konnte mikroskopisch von einer eigentlichen
Eiterung die Rede sein, da sich zwar einige Leukocyten in der
Peripherie befanden, der Herd aber wesentlich aus aus-
gestorbenem Muskelgewebe bestand. Der zweite Fall bot einen
anatomisch ganz ähnlichen Befund. Tier Tod war liier sechs
Wochen nach der Injektion infolge Carcinoms des Pharyngo-
Larynx eingetreten. Beide Fälle zeigen, daß durch die Injek¬
tion mit Dioxydiamidoarsenobenzol nicht sowohl entzündliche
Infiltrate als ausgedehnte Gewebsnekrosen verursacht werden
können, welche lange Zeit bestehen bleiben.
Herr Miekley (Berlin): M. hat an der Lesser sehen
Klinik in Gemeinschaft mit S t r o s c h e r und T o m a -.
czewski etwa 150 Syphilisfälle mit dem Eh r I i ch sehen
Mittel behandelt und durchweg gute, z. T. glänzende Erfolge
erzielt. Der Primäraffekt überhäufet sich schnell. Von der
sekundäuen Lues reagieren, besonders gut die papulösen
Exantheme ferner die Schleimhauterkrankungen. Die auf¬
fälligsten Erfolge zeigen sich hei der tertiären Lues. M. hat
einen Patienten mit fünfniarkstückgroßeni. zerfallenem Gummi
auf . dem Schädel, Seqiiesterbildüng daselbst und spezifisch
schwer veränderten Kniegelenken behandelt. Das Gummi war
17 Tage nach der Einspritzung geheilt^ und der Patient, der
fast !■■) Jahr bettlägerig gewesen war, konnte 2—3 Wochen
nach Beginn der Behandlung aufstehen. Aehnlich wirkte das
682
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 45.
Präparat bei einem Mann, der infolge der langen Erkrankung
und der vielen Kuren körperlich total heruntergekommen war.
Bei ihm begann schon am zweiten Tage nach der Einspritzung
sich der Allgemeinzustand zu heben und vier Wochen später
konnte er wesentlich gebessert die Klinik verlassen. Auch
bei Neugeborenen mit kongenitaler Lues wirkte das Mittel aus¬
gezeichnet. Mißerfolge waren nicht zu verzeichnen, dagegen
sind zwei Rezidive vorgekommen. Nebenwirkungen wesent¬
licher Art wurden — abgesehen von der übrigens nicht stets
vorhandenen Schmerzhaftigkeit der Einspritzung —, nicht be¬
obachtet. M. kommt zu dem Schluß, daß die Ehrlich sehe
Entdeckung die Behandlung der Syphilis in einer ganz außer¬
ordentlichen Weise gefördert hat und daß sie für die Behand¬
lung und Bekämpfung der Lues einen gewaltigen Fortschritt
bedeutet.
Herr Uhleiiliuth (Berlin) berichtet kurz über seine Ver¬
suche mit Atoxyl. Er hält das Atoxyl in seiner Wirkung für dem
Quecksilber bei weitem überlegen. Trypanosomentiere wur¬
den prompt geheilt. Bei Hühnern tritt nach Atoxyliniektion
eine Immunität gegen Spirillosen ein. Auch bei Lues hat er
gute Erfolge mit der Atoxylbeliandlung gesehen. Verglichen
mit dem 606-Präparat ist dieses in der Schnelligkeit der
Wirkung dem Atoxyl bei weitem überlegen.
Fräulein Margulies (St. Petersburg) berichtet über Tier¬
behandlung mit geringen, ungenügenden Mengen von 606. Die
Versuche waren angestellt bei drei Trypanosomenerkrankun¬
gen und bei drei Spirillenerkrankungen (Rekurrens), beides
bei Mäusen. Hühnerspirillcse bei Hühnern und Syphilis bei
Kaninchen. Die Trypanosomen ließen sich ziemlich schnell
an das 606 gewöhnen, und wenn man ganz langsam und vor¬
sichtig die Dosen steigerte, verschwanden sie nicht mehr, auch
nicht bei Verwendung der Dosis tolerans maxima, die Para¬
siten waren 606-fest geworden. Diese 606-festen Stämme
waren auch fest gegen Arsacetin und Arsenophenylglyzin.
Ganz anders verhielten sich die Spirillen. Hier war es nach
einer sehr langen Reihe von Tierpassagen überhaupt nur mög¬
lich. einen 606-festen Stamm zu bekommen. Die Spirillen
verschwanden nicht mehr, auch bei der doppelten Heildosis
nicht, hatten sich aber wesentlich in ihren biologischen resp.
pathogenen Eigenschaften geändert, insofern als sie nicht mehr
dieselbe Virulenz wie der Ausgangsstamm aufwiesen. Bei den
Rekurrensspirillen war trotz der 59. Passage gar keine Festig¬
keit eingetreten, sie verschwanden ganz restlos, wenn man nur
die eingespritzte Dosis ein wenig erhöhte. Dasselbe gilt auch
für die Syphilisspirochäte, welche M. bei den Kaninchen mit
ganz kleinen Dosen, die 10—15 mal kleiner als die Heildoses
waren, zu beeinflussen versuchte. Nach 2—3 solchen Ein¬
spritzungen wurde die Zahl der Spirochäten immer geringer,
bis sie endlich nach noch zweimaliger Behandlung vollständig
verschwanden. Der Primäraffekt heilte allmählich ab. Dabei
waren auch keine üblen Nebenerscheinungen zu beobachten
,und auch keine Ueberempfindlichkeit. Dieselbe wurde noch
speziell geprüft bei gesunden Mäusen, welche mit wiederhol¬
ten auf- und absteigenden Dosen gespritzt waren. Die Mäuse
überstanden innerhalb 2—3 Wochen mehr als die doppelt töt-
liche Dosis, was ein direkter Beweis für die relativ schnelle
Ausscheidung des Mittels sein kann.
Herr Stern (Düsseldorf): Gegenüber den glänzenden Er¬
gebnissen, die sich bei einer erheblichen Anzahl der Fälle er¬
zielen lassen, lenkt der Vortragende die Aufmerksamkeit auf
diejenigen doch nicht so ganz seltenen Beobachtungen, in
denen trotz relativ großer Dosis doch das Mittel versagt. Aus
seinen Beobachtungen und Studien muß St. schließen, 1. daß
die Durchschnittsdosis von 0 5 in einmaliger Anwendung sich
in manchen Fällen als zu klein erweist, 2. daß selbst bei
Anwendung von 0.7—0 8 sich arsenfeste Spirochätenstämme
bilden können und daß 3. die vielfach gerade im Publikum
herrschende Meinung, die Syphilis könne nunmehr mit einer
einmaligen Injektion geheilt werden, nicht richtig sei. Gegen¬
über dem oft geradezq phantastischen Optimismus, der auch
in Aerztekreisen sich gegenüber dem neuen Mittel bemerkbar
mache, hält der Vortragende es doch für Pflicht, darauf auf¬
merksam zu machen, daß selbst bei hoher Einzeldosis ein Er¬
folg ausbleiben kann. Da die lange Remanenz des Arsens er¬
wiesen sei und an den von Orth demonstrierten Präparaten
auch die intensive lokale Einwirkung des Mittels feststehe, sei
die Frage wohl berechtigt, ob es so ganz ungefährlich ist, die
hohe Einzeldosis in kurzen Abständen zu wiederholen. Gerade
nach dieser Richtung hin mahnten die Versager zum Nach¬
denken.
Herr W. Scholtz (Königsberg) erwähnt zunächst drei von
ihm beobachtete Versager mit 606, von denen zwei offenbar
auf zu geringe Dosis, 0.3 und 0,4, einer auf einen arsebfesten
Stamm zurückgeführt werden mußte. Dann geht er kurz auf
die Technik ein und bemerkt, daß dieselbe seiner Ansicht nach
noch nicht zur Zufriedenheit ausgebildet ist. denn bei den In¬
jektionen nach Michaelis und A 11 sind die Schmerzen doch
noch oft recht erheblich, bei den Injektionen nach Wechsel¬
mann geht die Resorption durch Bildung abgekapselter In¬
filtrate bisweilen nicht gleichmäßig und schnell genug von¬
statten. Scholtz konnte noch fast sieben Wochen nach der
Injektion in wenigen Kubikzentimetern eines verflüssigten
faustgroßen Infiltrates mehrere Zehntel Milligramm Arsen
nachweisen.
Dann berichtete Scholtz über einen Fall von heredi-
mtärer Lues, bei dem nach dem Vorgang von Ta ege der
Mutter eine Injektion von 0,5 Arsenobenzol gemacht wurde,
und bei dem von der Mutter gesäugten Kinde hierauf inner¬
halb zehn Tagen vollkommenes Abheilen des papulo-
squamösen Exanthems und der übrigen luetischen Erschei¬
nungen erfolgte. In der Milch der Mutter konnten 48 Stunden
nach der Injektion nur ganz minimale Spuren von Arsen
(weniger als bi» mg) nachgewiesen werden, die für die Heilung
wohl sicherlich nicht in Betracht kommen.
Daraufhin versuchte Scholtz bei Patienten mit florider
akquirierter Lues eine Serumbehandluhg direkt durch In¬
jektion des Blutserums von Syphilitikern, die 48 Stunden vor¬
her eine Injektion mit 606 erhalten hatten, ln der Tat konnte
auf diese Weise bei zwei Patienten eine nahezu völlige Ab¬
heilung des Exanthems und der nässenden Papeln erzielt
werden, während bei drei anderen Patienten nur in den ersten
Tagen eine Besserung eintrat, dann aber kein weiterer Fort¬
schritt erfolgte und zu anderer Behandlung übergegangen
werden mußte. Die Spirochäten nahmen in allen Fällen nur
an Zahl und Beweglichkeit ab, verschwanden aber nur vor¬
übergehend, nicht dauernd. Die Spirochäten werden offenbar
durch diese Serumbehandlung nicht sehr erheblich beeinflußt,
es handelt sich vielleicht nur um die Bildung antitoxischer
Stoffe im Serum.
Eine Arsenwirkung kommt jedenfalls nicht in Frage, denn
in 20 ccm des verwandten Serums konnten nur minimale
Spuren (weniger als 'Iw mg) Arsen nachgewiesen werden, und
den Kranlien wurden bisher nur 30—50 ccm injiziert. (Auto¬
referat.)
Herr Michaelis (Berlin) tritt für die Verwendung der neu¬
tralen Suspension ein. und bestreitet, daß die Wirkung der
alkalischen Lösung schneller als die der Suspension sei. Das
Arsenobenzol sei ein amphoterer Elektrolyt, der im freien Zu¬
stand eine minimale Löslichkeit besitzt. Die Löslichkeit hänge
von der Reaktion der Lösung ab. bei der neutralen resp. spur-
weise alkalischen Reaktion des Blutes und der Gewebe hat die
Löslichkeit des 606 ein Minimum. Daher fällt die alkalische
Lösung, wenn man sie in die Gewebe injiziert, nachträglich
zum größten Teile doch aus, und stellt ebenso eine Depot¬
behandlung dar. wie die reizlosere neutrale Suspension. Die
| Injektion in den Rücken wird besser nicht subkutan, sondern
in die oberflächliche Rückenmuskulatur gemacht. Es entstehen
. hier kaum Infiltrate.
Herr Grünfeld (Odessa) führte etwa folgendes aus: In
Rußland sei die Lues sehr verbreitet, es gibt Ortschaften,
deren Bewohner zu 80 pCt. als Luetiker bezeichnet werden
können. Da 606 besonders für die massenhafte Behandlung
der Syphilis geeignet sei, so sei es in Rußland "bereits zur
Gründung sog. ..fliegender Kolonnen“ zur Behandlung der
Syphilis gekommen, wenigstens unter der ländlichen Bevölke¬
rung. In Tausenden von Fällen sei das Arsenobenzol als ein
ausgezeichnetes Mittel besonders bei hereditärer, schwer ulce-
| röser und maligner Lues erprobt. G. hegt die Hoffnung, daß
j die verblüffenden und rasch auftretenden Resultate im russi-
| sehen Volke wieder das Vertrauen zur Heilkraft der Arzneieu
erwecken mögen.
Herr Dohi (Tokio) spricht seine Erfahrungen über das
neue Präparat aus, das er erst vor seiner Abfahrt von Japan
zu prüfen bekam, und knüpft daran die Demonstration der
Photographien zweier Syphiliskranker, an denen man den
täglichen Rückgang der papulösen und ulcerösen Syphilide
ungemein klar verfolgen kann. Sie verschwinden, bemerkt
der Vortragende, gleichsam wie Hagelkörner oder Schnee¬
flocken unter den Sonnenstrahlen. Ueber das Endresultat des
Mittels aber wird uns nur die Zukunft unterrichten können,
j die allerdings sehr hoffnungsvoll aussieht.
Herr Grouven (Halle) hält das Mittel nach seinen Erfah¬
rungen, die er aus der Behandlung von 200 Fällen gewonnen
hat, für allen bisherigen Luesheilmitteln überlegen. Bei schweren
Störungen des Gefäß- und Nervensystems rät er von der An¬
wendung ab. Geringe Intoxikationserscheinungen sind sowohl
bei intravenöser als auch bei intramuskulärer Applikation
möglich, wegen einer Reihe unbekannter Faktoren, die bei der
venösen Injektion mitspielen, empfiehlt er diese nicht. Bei
Kopfschmerzen, Fieber, gastrointestinalen Störungen. Gicht,
muß man vorsichtig verfahren. Die neutrale Injektion ist
weniger Schmerzhaft, aber der Erfolg auch zögernder. Bei
wiederholten Injektionen wurde niemals, bis auf zwei Fälle,
eine kumultative Wirkung beobachtet. Die Wasser m a n n -
sehe Reaktion verschwindet bei parasyphilitischen Erkrankun¬
gen sofort, in frühen Stadien der Lues langsam. Ein Negativ¬
werden der W.-Reaktion ist nicht gleichbedeutend mit einer
Heilung. Verfasser berichtet über zwei Rezidive und über
drei Fälle von Primäraffekt, bei denen der Ausbruch sekun¬
därer Erscheinungen nicht verhindert werden konnte. Das
No. 45.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
683
Mittel ist sicherlich ein Fortschritt bezüglich der Schnelligkeit |
der Wirkung sowie auch der Spezifität, wo Quecksilber versagt.
Herr Glück (Sarajewo) berichtet über 417 mit 606 be¬
handelte Fälle und zeigt viele Abbildungen schwerster Lues.
Davon sind 47 Primäratfekte mit einer Durchschnittsheilungs-
dauer von 8—9 Tagen, 281 sind rezent Syphilitische mit einer
Behandlungsdauer von 10 Tagen, 99 sind tertiäre Lues mit
einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 12 Tagen.
Unter den behandelten Fällen finden sich 7 Rezidive, alle diese
sind mit der Dosis 0,3 gespritzt. Bei den Rezidiven war von
Anfang an die Heilung etwas verzögert. G. knüpft hieran die
Mahnung, auf alle Fälle mit langsamer Heilung besonders
zu achten. Am hartnäckigsten sind Sklerosen an der Portio, j
die 18 Tage im Durchschnitt zur Heilung benötigen. G. macht
die Heilungsdauer direkt von der Grobe der Dosis abhängig.
Trotz 0,7—0,8 ist nur einmal eine Arsenintoxikation onne
F olgen vorgekommen.
Herr Friedländcr (Berlin) berichtet über 80 Fälle,
15 Primäraffekte, darunter 12 genitale, 3 andere mit Drüsen-
schwellungen, teils mit Gangrän. Bei einer Dosis von 0,3 bis |
0,6 in 6 bis 24 Tagen verschwanden die Erscheinungen; einige [
waren von Sekundärerscheinungen gefolgt. 48 Fälle mit j
schweren Hauterscheinungen und häufig schwerer Kachexie |
gingen prompt zurück. Die Patienten nahmen sehr an Gewicht
zu, ein Rezidiv unter diesen 28 Fällen, das mit 0,6 gespritzt
war, wurde durch eine Dosis von 0,3 beseitigt. 15 Fälle von |
schweren Schleimhauterkrankungen mit Zerstörungen an
Tonsillen, Epiglottis, Uvula, mit Papeln am ganzen Körper
heilten nach 0,4. Gummata im Rachen und Trachea nach 0,3,
ein Herr mit schweren Zerstörungen an der Zunge nach 0,5.
Nervenfälle (Tabiker, Pseudotabiker, Muskellähmungen) wur¬
den insofern gut beeinflußt, als die Schmerzen verschwanden,
vor allem die Kopfschmerzen. Eine Tabes initialis mit Blasen¬
störungen wurde beschwerdefrei nach acht Tagen. 606 ist den
Quecksilberpräparaten sicher überlegen. F. scnlägt für Primär- ,
affekte grobe Dosen vor, bei Rezidivbehandlung je nach der |
Schwere der Sekundärerscheinungen. Der Wert des Ehr¬
lich sehen Präparates beruht in der "Fähigkeit, schnell die
Erscheinungen zum Schwinden zu bringen.
Herr Pick (Wien) weist auf die Verschiedenheit hin, mit
der das Mittel vertragen wird bezüglich der Temperatursteige¬
rung. Er findet, daß hauptsächlich hysterische und neurastne-
nische Personen stark reagieren, die auch auf eine einfache
Wasserinjektion schon Fieber bekommen. Er zieht hier einen
Vergleich mit den Tuberkulininjektionen, die auch zuweilen
bei nervösen Menschen Fieber machen, ohne daß diese einen
tuberkulösen Herd haben. Er empfiehlt, probatorische Injek¬
tionen von 0,05 ambulatorisch vorzunehmen und wenn die
Patienten darauf reagieren, nur kleine Dosen zu verwenden.
Herr Salmon (Paris) berichtet über seine Atoxylstudieu
vom Jahre 1907. Das Arsenik ist in einzelnen chemischen
Verbindungen ein spezifisches Heilmittel gegen die Syphilis,
wirksamer als Quecksilber. In 24 Stunden deutliche Ein¬
wirkung. In Fällen maligner Syphilis, oder wenn Quecksilber
unwirksam ist, gibt Atoxyl gute Resultate. Atoxyl verhindert
nicht die Rezidive. 606 hat bei Affen, präventiv angewendet,
schon in sehr kleinen Dosen gewirkt. S. empfiehlt daher
auch bei Menschen prophylaktische Anwendung. Nähere An¬
gaben müssen erst noch gemacht werden. Verfasser gibt dann
einige Beispiele guter Erfolge und nennt als Kontraindikation
die Tuberkulose. Das Gewicht des Patienten bildet keinen
Maßstab für die Dosierung, sondern andere Gesichtspunkte.
Frauen vertragen weniger als Männer. Die- Natur und das
Alter der Krankheit sollen die Dosierung bestimmen. Im An¬
fang der Syphilis soll man große Dosen (0,7) geben. Aeltere
Erscheinungen erfordern geringere Dosen (0,4 im Durch¬
schnitt) . Bei der malignen Syphilis findet man nur schwer
Spirochäten, daher auch hier nur 0,4-Dosis. Keine üblen
Nebenwirkungen in 33 Fällen.
Herr Königstein (Wien) findet keinen wesentlichen Unter¬
schied in der Wirkung und im Auftreten subjektiver Be¬
schwerden bei intravenöser und intramuskulärer Applikation, j
Die Entscheidung über die Art der Applikation wird von
äußeren Umständen bestimmt. Er erwähnt einen Fall von
Ulcus mixtum, der auf 0,6 des Heilmittels sehr schnell heilte.
Das Auftreten der Herxheimersehen Reaktion ist unab¬
hängig von der Dosis, sie tritt sowohl bei universellen
Exanthemen auf, wie auch bei lokalen Papeln. 606 bringt die
Syphilome viel schneller zurück als die Quecksilberpräparate.
Herr Schindler (Berlin) hebt hervor, daß man die refrak¬
tären Fälle von Primäraffektionen, die mit 606 behandelt sind,
doch nicht vergessen soll. Er hat einen Patienten mit einem
Primäraffekt am Präputium und einem größeren ulcerierten
am linken Mundwinkel mit großen regionären Drüsen mit
0,45 des E h r 1 i c h sehen Mittels gespritzt. Nach 48 Stunden
war der Primäraffekt am Präputium abgeheilt, der an der
Lippe aber nur zurückgegangen, und ebenso die regionären
Drüsen, und erst auf Quacksilberpflaster und Injektionen von
grauem Oel verschwand alles restlos.
Herr ßlumeufeld (Lemberg): Alle 50 behandelten Falle
reagierten mit Temperatursteigerungen und Schmerzen. Die
Schmerzen sind individuell verschieden stark und dauern ver¬
schieden lange an (Dosis 0,4—0,6). Große Primäraffekte
reinigten sich nach 48 Stunden, nach 4—5 Tagen Ueberhäutung,
die regionären Drüsenschwellungen gehen schnell zurück,
auch tertiäre Formen gehen schnell zurück.
Herr Emery (Paris) berichtet über 50 Injektionen, die
er gemacht hat. Er hält das Mittel für vollkommen unschäd¬
lich. Die Schmerzen und die lokalen Entzündungserscheinun¬
gen in der Umgebung der Injektionsstelle sind sehr un¬
bedeutend. Temperatursteigerung war selten, und auch dann
nur bis 38". Von den Erfolgen ist zu sagen, daß Primäraffekte
verhältnismäßig langsam verschwanden, die Sekundär-
erscheinungen schnell zurückgingen. Alte Knochen- und Ge¬
lenkprozesse heilten in geradezu wunderbarer Weise. Ueber
die Beeinflussung nervös syphilitischer Prozesse hat Verf.
noch kein abschließendes Urteil.
Herr Volk (Wien) schlägt eine Suspension des Präparates
606 in Paraffinum liquidum oder in Oleum olivarum vor. Nach
seiner Meinung heilen Sklerosen und die sekundären Krank¬
heitsformen der Syphilis schneller als bei Quecksilberbehand¬
lung, besonders bei ulcerösen Syphiliden zeigt sich die über¬
legene Heilwirkung des neuen Mittels. Bei Palmar- und
Plantarsyphiliden ist 606 dem Hg nicht wesentlich überlegen,
bei papulösen und makulösen Exanthemen leistet das 11g
mehr. Oftmals muß man mehrere Injektionen mit 606 machen,
da auf die erste Injektion die Rückbildung ungenügend ist.
Nebenerscheinungen wurden wenig beobachtet, nur manchmal
Blutdrucksenkungen und Temperaturen bis 39,6“, schnell vor¬
übergehende Exantheme und Urinverminderung in den ersten
Tagen. Selten trat die Herxhei m e r sehe Reaktion auf.
Das Allgemeinbefinden und das Körpergewicht bessern sich
gewöhnlich sehr schnell. Die Wassermaniische Reaktion
wurde nur im Verlauf von Wochen und Monaten beeinflußt.
Auch V. hält das Verschwinden der W.-Reaktion nicht un¬
bedingt für ein Signum sanationis. Vier Rezidive wurden beob¬
achtet. Zum Schlüsse empfiehlt V. die kombinierte Behand¬
lung mit Hg.
Herr H. Citron (Berlin) berichtet über ein von ihm ge¬
meinsam mit Herrn Mulzer im kaiserlichen Gesundheits¬
amte ausgearbeitetes, an Tieren wie an Patienten bereits er¬
probtes Verfahren zur Herstellung gebrauchsfertiger 606-
Lösungen. Letztere werden ausschließlich in der Spritze seitist
bereitet und mit CaCO ; ,-Aufschwemmung gefällt. C. charak¬
terisiert die Vorteile der Methode dahin, daß 1. die bereitete
Lösung absolut steril ist, 2. die Emulsion unter allen Um¬
ständen auch ohne quantitative Abmessungen neutral wird,
daher reizlos wirkt, 3. das Injektionsquantum sich auf ein
Minimum (6—8 ccm) beschränken läßt, 4. durch Vermeidung
von Aetzalkalien und Säuren jede Dekomposition des diffizilen
Präparates tunlichst vermieden wird. Die bisher erzielten
Resultate sprechen für die Richtigkeit der Schlußfolgerungen.
Herr Nagelschmidt (Berlin) halte Gelegenheit, eine
größere Anzahl initialer Tabesfälle zu behandeln. Die Mehr¬
zahl der Neurologen steht auf dem Standpunkt, die spezifische
Behandlung der Tabes mit Hg zu widerraten wegen der
foudroyanten Verschlimmerungen, die oft nach geringen Dosen
schon eintreten und sogar stationär bleiben können. N. hat
daher schon seit Jahren in Fällen, welche sich für eine anti¬
luetische Behandlung zu eignen schienen (insbesondere die
Fälle mit positiver W a s s e r m a nn scher Reaktion), einen
anderen Modus der spezifischen Behandlung zunächst mit
Quecksilber, dann mit Arsacetin und schließlich mit 606 an¬
gewandt. Er beginnt mit einer ganz schwachen Injektion;
jedoch sieht man nicht selten auch danach schon eine deut¬
liche Exazerbierung objektiver und subjektiver Symptome auf-
treten. Nach Ablauf dieser Reaktion, d. h. nach einer oder
mehreren Wochen, erfolgt eine zweite vorsichtige Dosis von
derselben Größe oder etwas größer und so fort mit genügen¬
den Intervallen, wobei man sich in jedem Falle nach der in¬
dividuellen Reaktion richten muß. Er empfiehlt daher dringend
in derartigen Fällen von der Dosis magna sterilisans, die ja in
diesen Fällen nicht mehr in Betracht kommt, abzusehen und
sich der individuellen, einschleichenden Methode zu bedienen.
Wiederholte Injektionen bis zu der Gesamtdosis von 1,5 oder
2,0 des Mittels werden hierbei gut vertragen und ausgezeich¬
nete Besserungen beobachtet.
Herr Ledermann (Berlin) hat mit 606-Behandlung Erfolg
gehabt bei Ozaena. Bei Infiltraten der Stimmbänder ist die
Aphonie in 5—6 Wochen einer normalen Sprache gewichen.
Manchmal hält er eine zweite Dosis des Mittels für notwendig,
in Pallen, die gegen Jod und Quecksilber refraktär sind.
Herr Saalfeld (Berlin) macht die Bemerkung, daß die
syphilitischen Hauterscheinungen langsamer zurückgehen als
die anderen Erscheinungen.
Herr Joseph (Berlin) hält das Ehr lieh sehe Präparat
für reif für die Praxis. In neutraler Suspension subkutan ge¬
geben, zwischen Wirbelsäule und Skapula, macht es nicht
stärkere Schmerzen als Hydrargyrum salicylicum.
684
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 45.
Medizinische Hauptgruppe.
2. Sitzung.
Mittwoch, den 21. September 1910,
9 Uhr vormittags.
Vorsitzender: Herr Pfeiffer (Breslau).
Herr Georg Meier (Berlin) berichtet über den heutigen
Stand der Lepraforschung, indem er sich dabei z. T. auf eigene
in Norwegen gemachte Erfahrungen und experimentelle Unter¬
suchungen stützt; insbesondere auch auf die Ergebnisse der
zweiten internationalen Leprakonferenz in Bergen 1909, an
der er teilgenommen hatte. Die Epidemiologie der Lepra ist
noch keineswegs geklärt. Die ätiologische Bedeutung der von
Hansen entdeckten Bacillen steht zwar außer Zweifel; auf
welchem Wege jedoch die Ansteckung erfolgt, ist noch eine
vielumstrittene Frage. Die Theorien von Hutchinson (Ge¬
nuß von verdorbenen Fischen), sowie von Zambaco (erb¬
liche Uebertragung der Lepra) sind fast allgemein verlassen.
Wie bei der Tuberkulose spielt auch bei der Lepra die direkte
Uebertragung von Mensch zu Mensch die Hauptrolle und sind
ungünstige soziale Verhältnisse als wesentlich unterstützende
Momente für die Infektion zu betrachten. Die Rolle der In¬
sekten als Krankheitsüberträger ist noch nicht sichergestellt.
Das nähere Studium der Lepra ist dadurch erheblich er¬
schwert, daß bisher weder die einwandfreie Züchtung des Er¬
regers, noch die Uebertragung der Krankheit auf Tiere mit
Sicherheit gelungen ist, allerdings können die Bacillen in fast
reiner Form bereits mittels der Antiforminmethode gewonnen
werden. Mitteilungen über experimentelle Infektion von japa¬
nischen Tanzmäusen mit Lepra bedürfen noch der Bestätigung.
Auch über das Verhältnis der Rattenlepra zur Menschenlepra
ist nichts Näheres bekannt. Ueber die Eintrittspforte der
Lepra in den menschlichen Körper fehlt es noch an einer ein¬
heitlichen Auffassung. Sehr häufig, aber nicht regelmäßig
scheint die Schleimhaut der Nase der Sitz der ersten Krank¬
heitssymptome zu sein.
Besonderes Interesse haben die neueren serologischen
Untersuchungen erregt, aus welchen gewisse Beziehungen zu
der ihr auch klinisch ähnlichen Syphilis und Tubenudose
hervorgeheii. Redner selbst hat diese Frage an dem Kranken¬
material der Lepraanstalten zu Bergen (Norwegen) und bei
Memel geprüft und z. T. in Gemeinschaft mit Dr. L i e nach¬
gewiesen, daß sich im Serum Lepröser ähnliche Stoffe wie bei
der Syphilis (W assermann sehe Reaktion) und bei der
Tuberkulose (Antituberkulin) finden; jedoch ausschließlich
bei der knotigen Form der Krankheit, nicht dagegen bei der
Nervenlepra. Der Nachweis dieser Stoffe kann für die Er¬
kennung der Krankheit von praktischer Bedeutung sein.
Ueber ein wirksames Mittel gegen die Krankheit verfügen
wir einstweilen noch nicht. Die Behandlung muß noch eine
rein symptomatische sein. Auch das Nastin, ein dem Tuber¬
kulin verwandter Stoff, hat die ursprünglich gehegten Er¬
wartungen nicht erfüllt. Die Heilung der Lepra scheint auch
ohne spezifische Therapie keine allzu seltene zu sein. Sie
tritt meist aber erst ein, nachdem die Krankheit hochgradige
Zerstörung des Körpers angerichtet hat.
Herr R. Stern (Breslau): ■ lieber Resistenzunterschiede von
Bakterien innerhalb und außerhalb des infizierten Orga¬
nismus.
Bei klinisch-experimentellen Untersuchungen über die
Wirkung der Harnantiseptica wurde in manchen Fällen eine
auffallend große Resistenz der Infektionserreger (Cystitis,
Pyelitis) gegenüber Urotropin gefunden. In einem Teil dieser
Fälle ergab die weitere Untersuchung, daß die aus dem Harn
gezüchteten Infektionserreger entschieden weniger resistent
gegenüber der antiseptischen Wirkung urotropinhaltigen Urins
waren als dieselben Bakterien, wenn sie unmittelbar aus dem
pathologischen Harn in urotropinhaltigen Harn übertragen
wurden. Bei geeigneter Dosierung des Urotropins ließ es sich
erreichen, daß die „Harnbakterien“, d. h. die direkt aus dem
pathologischen Harn entnommenen, in dem urotropinhaltigen
Urin sich vermehrten, während die „Kulturbakterien'' in dem
gleichen Harn abnahmen. Dabei machte es keinen Unter¬
schied, ob die Kulturbakterien auf einem der gebräuchlichen
Nährboden oder im Harn gezüchtet wurden. Eine Gewöhnung
der Bakterien oder eine Auswahl besonders urotropinfester
Individuen war nach weiteren Beobachtungen auszuschließen.
Andererseits verlor sich die erhöhte Resistenz der Harn¬
bakterien schon innerhalb 24 Stunden bei Züchtung auf den
gewöhnlichen Nährböden und auch beim bloßen Stehenlassen
des pathologischen Harns. Es muß also in diesen Fällen
seitens des infizierten Organismus eine besondere Einwirkung
auf die Bakterien stattfinden, welche diese so lange wider¬
standsfähiger macht als sie sich innerhalb des Körpers be¬
finden. Analoge Beobachtungen wurden ah infizierter Galle
gemacht.
Herr Wolff-Eisner (Berlin): Tuberkuloseimmunität und
Tuberkuloseimmunisierung in ihrer klinischen Bedeutung.
Die Mehrzahl der Menschen ist tuberkulös infiziert, aber
nicht tuberkulös krank (schwindsüchtig etc.); im Gegenteil ge¬
währt nach den Befunden von R ö m e r und Wolff-Eisner
das Ueberstehen einer tuberkulösen Infektion einen hohen
Grad von Schutz, der nur durch sog. massive Infektion und
andere Schädigungen durchbrochen wird. Die Ursache dieses
Aufhörens der Scnutzwirkung ist bisher völlig ungeklärt und
Vortragender führt eine Reine von Versuchsergebnissen an,
welche diese Tatsache verständlich machen und gleichzeitig
die so lange zwischen Zellular- und Humoralpathologie be¬
stehende Kluft zu überbrücken versuchen.
Er weist dann auf die Bedeutung der Trennung der sog.
aktiven Tuberkuloseformen von den inaktiven hin und be¬
spricht die Gründe, weshalb die von ihm entdeckte Conjunc-
tivalreaktion, auch oft Ophthalmoreaktion genannt, so geeignet
ist, die aktiven Tuberkulosefälle mit großer Sicherheit heraus¬
zufinden. Darum erfreue sich die Methode auch wieder zu¬
nehmender, dauernd steigender Anwendung (Kraus,
Meissen u. a.).
Für die diagnostische und therapeutische Tuberkulin¬
anwendung ist die Kenntnis des Wesens der Tuberkulin¬
wirkung von einschneidendster Bedeutung. Er erörtert die
Grundzüge der von ihm aufgestellten Theorie — genannt die
lytische Tuberkulintheorie, weil sie für das Eintreten der
Tuberkulinwirkung das Vorhandensein lytischer, d. h. auf¬
schließender Stoffe im infizierten Organismus anninnnt. Die
Theorie ist seit ihrer Aufstellung von Immunitätsforschern
und Klinikern vielfach angenommen worden (F o t h, Sahli,
Meissen, Dluski u. a.). Als neue Beweise führt er eine
große Zahl von Tierversuchen an, auf deren Ergebnisse nicht
näher eingegangen werden kann.
Diskussion:
Herr Nourney (Mettmann) warnt vor der Wolff-
Eisner sehen Conjunctivalreaktion in Fällen, die der Tuber¬
kulinbehandlung unterzogen werden sollen. Tuberkulin wirkt
an und für sich nicht immunisierend, sondern indem es durch
geringe Aktivierung (Höchstdosis bei der Behandlung 0,1 mg)
von dort aus den Immunisierungsprozeß einleitet.
Herr Toeplitz (Breslau): Im Kindesalter ist die v. P i r -
quetsche Kutanreaktio.n die beste Methode für die Diagnose
der Tuberkulose. Bei der langandauernden Anwendung
kleinster Tuberkulindosen tritt in kurzer Zeit eine Ueber-
empfindlichkeit gegen Tuberkulin auf, so daß die Kur ab¬
gebrochen werden muß. Das ist bei Anwendung der von
Schloss mann inaugurierten Behandlung, die in relativ
kurzer Zeit von kleinsten zu größten Dosen steigt, nie not¬
wendig geworden.
Herr Friedberger (Berlin): Auch aus Bakterien lassen sielt
Gifte darstellen, die verschieden von den Endotoxinen sind und
stärker als diese wirken. Der Tuberkelbacillus läßt im
Reagensglasversuch ein Gift abspalten, das in wenigen Minuten
ein Meerschweinchen tötet und das neben, dem Endotoxin eine
bedeutende Rolle bei der Infektion spielt.
Herr Zangemeister (Königsberg' i. Pr.): Ueber Strepto¬
kokkenimmunität und Serumbehandlung bei Streptokokken
iufektionen.
Durch langjährige Untersuchungen an Mäusen, Kaninchen,
Hühnern, Tauben, Affen und am Menschen hat Verfasser die
Grundzüge der Immunität gegen Streptokokken studiert. Eine
praktisch brauchbare Immunität tritt nur ein, wenn lebende,
virulente Streptokokken mehrfach in großen Dosen intravenös
injiziert werden, und wenn sich die Individuen — ohne schwere
lokale Infektion dabei zu bekommen — nach schwerer Reak¬
tion bald wieder erholen. Daher tritt auch beim. Menschen
nach lokalen Infektionen keine Immunität ein. Wohl aber be¬
kommen auch Menschen nach Streptokokkämien — sofern sie
sie überstehen — eine hohe Immunität, die sich mit ihrem
Serum an der Maus und anderen Tieren prüfen läßt. Die käuf¬
lichen Antistreptokokkensera sind am Menschen wirkungslos,
wiewohl sie Mäuse und Kaninchen gegen ein Vielfaches der
tötlichen Infektionsdosis schützen und sogar Tiere mit bereits
allgemeiner Streptokokkenerkrankung (Streptokokken im
Blut!) heilen können. Worauf dieser Unterschied — glänzende
Heilwirkung am Tier, Versagen am Menschen — beruht, ist
zurzeit noch unaufgeklärt. Die Artverschiedenheit der Strepto¬
kokken ist daran ebensowenig schuld, als der verschiedene
Bau von Ambozeptor und Komplement u. dergl. Das aussichts¬
vollste Serum ist zurzeit das Rekonvaleszentenserum nach
Streptokokkämien, sofern es erhältlich ist. Artfremde Normal¬
sera schützen in der Regel nicht nur nicht, sondern schaden
sogar. Artgleiches Normalserum schützt im Tierversuch auch
nicht, scheint aber am Menschen günstig zu wirken.
. 3. S i t z un g.
Donnerstag, den 22. September 1910.
Vorsitzender: Herr Braun (Göttingen).
Herr Friedberger (Berlin): Ueber das Wesen und die
Bedeutung der Anaphylaxie.
Vortragender bespricht zunächst die Theorie der Ueber-
empfindlichkeit. Die Anaphylaxie ist nach seiner Auffassung
eine Vergiftung durch das unter Zusammentreffen von Eiweiß
No. 45.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
685
und Antieiweiß unter Mitwirkung des Komplementes frei- j
werdende Anaphylaxiegift. Als Beweis sieht er vor allem I
seine Versuche an, in denen es ihm einwandfrei, auch iin [
Reagensglas, gelungen ist, aus diesen drei Komponenten aktiv
tötliches Anaphylaxiegift darzustellen, das er als Anaphyla-
toxin bezeichnet. Es werden die Versuche erörtert, auf Grund
deren man den ganzen Vorgang als einen fermentativen zu be¬
trachten hat. Spezifisch ist dabei nach F. nur der in Aktion
tretende Antikörper und dadurch der Modus der Vergiftung,
während die Spaltprodukte aus den verschiedenen Eiwei߬
körpern als identisch zu betrachten sind. Vortragendem ist
nun in Gemeinschaft mit Goldschmid auch die Darstellung
eines analogen Anaphylaxietoxins aus mit Ambozeptoren be¬
ladenen Bakterien unter der Einwirkung des Komplementes
gelungen. Auf Grund dieser Versuche hält er, in Anbetracht
der völligen Analogie der Vergiftungssymptome, auch die In¬
fektionskrankheiten mit Ausschluß der Toxikosen für anaphy¬
laktische Prozesse. Er vertritt aber hier die Anschauung, daß
dabei nicht ein primär vorgebildetes, spezifisches Endotoxin
eine ausschlaggebende Rolle spielt, das erst durch Bakteriolyse
frei wird, sondern daß aus allen Bakterienspezies ein einheit¬
liches Gift abgespalten wird, das mit dem Anaphylaxietoxin aus
Eiweiß-Antieiweißverbindungen identisch ist. Die Verschieden¬
heit der Symptome bei den einzelnen Infektionskrankheiten
spricht nach F. keineswegs gegen die Annahme eines aus den
verschiedensten Bakterien sich bildenden einheitlichen An¬
aphylaxietoxins, das identisch wäre mit dem, das sich aus jedem
artfremden Eiweiß abspalten läßt. Man kann sich vorstellen,
daß die einzelnen Infektionen z. T. nur dadurch in ihrem Ver¬
laufe differieren, daß das parenteral vorhandene lebendige Ei¬
weiß eine verschiedene Vermehrungsintensität besitzt, Anti¬
körperbildung in quantitativ verschiedenem Grade veranlaßt,
und sich dem Abbau und der Anaphylaxietoxinbildung gegen- 1
über verschieden resistent verhält; Faktoren, durch die die
Anaphylaxietoxinkurve und damit das Krankheitsbild selbst
die verschiedensten Variationen erfahren kann. Als eine Stütze
für diese Auffassung führt F. Versuche an, in denen es ihm
in Gemeinschaft mit Mita gelungen ist, bei mit PferdeseftÄi
präparierten Meerschweinchen durch Injektion von 1 Millionstel
Kubikzentimeter des homologen Antigens unter Variierung
der Mengen und der Zeit der Einführung die verschiedensten
Fiebertypen zu erzeugen. Aus dem einheitlichen Antigen
kann sich natürlich nur ein einheitliches Gift abspalten und
doch haben wir die Verschiedenheit in dem Krankheitsbild.
Wie Vortragender hervorgehoben, ist die Methode der Fieber¬
erzeugung durch infinitesimale Antigendosen bei dem vor¬
behandelten Tier streng spezifisch und stellt somit zugleich
heute die empfindlichste spezifische Methode des Eiweißnach¬
weises dar.
Dis k u s s i o n:
Herr Schreiber (Magdeburg): Daß beim Menschen die
Ueberempfindlichkeit lange Zeit bestehen kann, beweist ein
Fall, in dem eine Frau, die vor 15 Jahren wegen einer
Diphtherieinfektion, zwei Jahre später prophylaktisch eine
Serumeinspritzung erhalten hatte, infolge einer vor kurzem
vorgenommenen Einspritzung unter schweren Anaphylaxie¬
erscheinungen erkrankte. S. warnt deshalb vor der prophy¬
laktischen Injektion.
Herr von den Velden (Düsseldorf) weist auf den Unter¬
schied hin zwischen den Tierversuchen und der Anwendung
der Seruminjektion in der menschlichen Pathologie als
Hämostypticum. Er hat in einigen Fällen erhöhte Gerinnbar- [
keit des Blutes nach Seruminjektion beobachtet. Bei der Ge¬
fahr der Anaphylaxie glaubt er aber von der Anwendung der
hämostyptischen Wirkung des Serums zugunsten anderer ebenso
wirksamer Mittel absehen zu sollen.
Herr Graetz (Hamburg): Die bei Echinokokkeninfektion |
im Anschluß an Cystenruptur auftretenden Erscheinungen I
dürfen nicht als Anaphylaxie gedeutet werden, da es weder
mit Cystenflüssigkeit noch mit deren Hauptbestandteilen, I
Tyrosin und Leucin, gelingt, Anaphylaxie hervorzurufen. Für
die Anaphylaxienatur des Heufiebers sprechen auch neuere
Untersuchungen D unba r s. Das Serum Heufieberkranker
präzipitiert mit Polleneiweiß und wirkt anaphylaxieerzeugend,
während es das normale Sera nicht tun.
Herr Friedberger (Schlußwort) erwidert Herrn G r ä t z,
daß es mit Leucin und Tyrosin überhaupt nicht gelingt, Im¬
munitätsreaktionen hervorzurufen; es sei daher nicht weiter
verwunderlich, wenn G. nicht imstande war, mit diesen Ei¬
weißabbauprodukten Anaphylaxie zu erzeugen.
(Fortsetzung folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
Ueber Zykloform als Auästheticum berichtet (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 38) Privatdozent Dr. Richard Werner
(Heidelberg). Das Zykloform, der Isobutylester der p-Amido-
benzoesäure, stellt ein glänzend weißes, kristallinisches Pulver
dar, welches in Alkohol mit Aether leicht, in Wasser aber
sehr schwer löslich ist. Das Zykloform wurde im Heidelberger
Samariterhaus (Institut für Krebsforschung) teils in Pulver¬
form, teils als 5- oder 10 proz. Salbe in folgender Zusammen¬
setzung verwendet:
Zykloform.32,5 g
Naftalan. 225 „
Lanolin anhydric.175 „
Ol. oliv.97,5 „
Zinc. oxyd.100 „
Acid. boric.50 „
Als ein geeignetes Testobjekt erwiesen sich frische
Wunden, die durch Fulguration gereizt und schmerzhaft ge¬
worden waren. Sie wurden mit Zykloformpulver bestreut und
darüber ein feuchter Verband von essigsaurer Tonerde an¬
gelegt. Die Hautränder, welche Verbrennungen ersten bis
zweiten Grades zu zeigen pflegen, wurden in gleicher Weise
behandelt. Es ließ sich konstatieren, daß nicht nur der in
der Regel mehrere Tage anhaltende brennende Wundschmerz
fortfiel, sondern auch das Abnehmen des. Verbandes weniger
Beschwerden verursachte. Irgendeine Reizung der Wunde
oder der Hautländer war nicht zu bemerken. Bei Beginn der
Granulationsbildung wurde die obige Salbe benutzt, welche
ohne Zykloformzusatz starkes Brennen und Jucken hervorruft,
während seit Einführung des Zykloformzusatzes die lästigen
Beschwerden fortfielen, ohne daß die die Granulationsbildung
und Epidermisierung befördernde Wirkung der Salbe ver¬
mindert wurde. Bei besonders schmerzhaften Wunden wurde
der Salbe zur Erhöhung der anästhesierenden Wirkung reines
Zykloformpulver beigemengt. Nur in Fällen, wo die Schmerz¬
haftigkeit von der Peripherie aus überhaupt nicht zu beein¬
flussen war, versagte das Zykloform. Im allgemeinen be¬
währte sich dort, wo eine etwas lebhaftere Sekretion vor¬
handen war, das Pulver besser als die Salbe, da letztere zu
wenig aufsaugt und austrocknet. Der Versuch, das Zykloform
auf eiternden oder gar jauchenden carcinomatösen Ulcera-
tionen resp. in Zerfallshöhlen größerer Tumoren ajmiwendeu.
mißglückte. Hier bildeten; 'spch klebrige oder bröcklige Massen,
die den Abfluß des Sekrets hinderten. Auch eine Schmerz-
'Stillung war in solchen Fällen nicht zu erzielen, wohl deshalb,
weil die Beschwerden nicht allein von der Ulceration, sondern
mehr noch von tieferen Entzündungsherden und vom Weiter¬
schreiten des neoplastischen Infiltrates herrührten. Dagegen
leistet das Zykloform Vortreffliches bei oberflächlichen Haut¬
rhagaden oder Schleimhautfissuren, ferner bei Ekzemen in
der Umgebung von Darmfisteln etc. Irgendwelche toxische
Einflüsse auf den Gesamtkörper wurden nie beobachtet. Das
Zykloform darf somit als ein ungiftiges, mild austrocknendes,
den Wundheilungsprozeß günstig beeinflussendes, reizloses,
prompt und intensiv, aber rein lokal und oberflächlich wirken¬
des Anästheticupi bezeichnet werden. R. L.
IV. Bücherschau.
.Jahreskurse für ärztliche Fortbildung in zwölf Monatsheften.
Systematisch angeordnete, illustrierte Lehrvorträge über
den fortlaufenden Wissenszuwachs der gesamten Heil¬
kunde. Herausgeber: Professoren v. Bruns, E. B u m m ,
Erb, v. Gruber, v. Noorden, v. Strümpell,
Redakjpur: Dr. D. Sarason (Berlin). München, J. F. Leh-
in a n n s Verlag. Heft 9, September. Einzelpreis 2,70 M.
Das neunte Heft der Jahreskurse ist der Orthopädie und
den Krankheiten der Bewegungsorgane gewidmet. In der
ersten Hälfte des Heftes bespricht Prof. F. Lange (München)
zwei Kapitel: 1. Die Behandlung der Spondylitis (Gipsbett.
Gipsverband, Korsett, operative Fixierung der spondylitischen
Wirbelsäule etc.). 2. Die orthopädische Behandlung der
spinalen Kinderlähmung, welche ja neuerdings in der ärzt¬
lichen Praxis von größerer Bedeutung zu werden anfängt. Das
Redressement, die Nervenplastik, die Arthrodese und die
Sehnenverpflanzung werden geschildert. Der zweite Teil des
Heftes enthält eine Abhandlung über die Diagnostik der Hüit-
affektionen aus der Feder von Prof. Lu dl off (Breslau),
welche ziemlich eingehend, im Rahmen des Gesamtplans des
Unternehmens vielleicht zu ausführlich gehalten ist. Die
Symptomatologie der einzelnen intraartikulären und extra-
artikulären llüftaffektionen wird ausführlich geschildert, auch
die Untersuchungsmethoden werden mit großer Gründlichkeit
beschrieben. Zahlreiche Abbildungen sind dem Heft bei¬
gegeben, welches dem Praktiker reichliche Belehrung bietet.
:ob'['
Dermatologische Vorträge für Praktiker. Von Dr. Jessncr
(Königsberg i. Pr.). Würzburg, Curt. Kabitzsch
(A. Stübers Verlag). H. 5 0,85 M. H. 8 1,60 M.
Von dieser bekannten Sammlung liegen wieder zwei Hefte
in dritter Auflage vor: Heft 5, die innere Behandlung von
Hautleiden, und Heft 8: Dermatologische Heilmittel (Phar-
macopoea’dermatologica). Die steigende Auflagenzahl der
686
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 45.
einzelnen Hefte dieser Sammlung spricht für ihre Beliebtheit,
welche sie auch wegen ihrer verschiedenen Vorzüge durchaus
verdienen, wie schon mehrfach an dieser Stelle hervorgehoben
wurde.
Die Gicht und ihre diätetische Therapie. Von Prof. Dr.
A. Schittenhelm (Erlangen) und Privatdozent Dr.
J. Schmid (Breslau). Sammlung zwangloser Abhandlungen
aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoffwechselkrank¬
heiten, Bd. II, H. 7. Halle 1910, Carl Mar hold, Ver¬
lagsbuchhandlung. 38 S. 1 M.
Die vorliegende Abhandlung gibt einen zusammenfassen¬
den Ueberblick über den gegenwärtigen Stand unserer Kennt¬
nisse von der Gicht und die daraus sich hinsichtlich der Be¬
handlung der Gicht ergebenden Folgerungen. Der eine der
beiden Verfasser, Sehittenhel m, hat selbst durch seine
Forschungen dazu beigetragen, die Theorie der Gicht zu
klären, wenn auch noch genug Fragen einer endgültigen Ent¬
scheidung harren. Es ist natürlich, daß der theoretische Teil
der Arbeit, welcher sich mit der Physiologie und Pathologie des
Nukleinstollwechsels beschäftigt, wesentlich auf den Ergeb¬
nissen der Schittenhelm sehen Untersuchungen beruht.
Für den praktischen Arzt von besonderem Interesse ist der
zweite Teil, welcher die diätetische Therapie der Gicht
eingehender behandelt und auch spezielle Anweisungen für
die Diät der Gichtkranken enthält. Das Heft kann jedem
Praktiker durchaus empfohlen werden. R. L.
V. Tagesgeschickte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Bad Ems. Einen bemerkenswerten Beschluß hat die
hiesige Aerzteschafl in der Spezialarztfrage gefaßt. Bis
zur endgültigen Regelung dieser vieldiskutierten Frage ver¬
zichten nämlich vorläufig die Kollegen auf den Titel „Spezial¬
arzt“.
Paris. Wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, beschloß der Be¬
rufsverein der Pariser Aerzte im Hinblick auf die Ueber-
füllung des Aerztestandes, der seinen Mitgliedern keine
Möglichkeit eines anständigen bürgerlichen Auskommens mehr
gewährt, die Regierung zu ersuchen, die Freiheit des
medizinischen Studiums e i n z u s c h r ä n k e n und
einen Numerus clausus der zur Einschreibung zuzu¬
lassenden Hörer der Heilkunde festzusetzen.
Universitätswesen, Personalnachricliten.
Berlin. In der vorigen Woche fanden an zwei Stellen
Gedächtnisfeiern für den verstorbenen Geheimrat
Prof. Ernst v. Leyden statt. Am Montag, den 24. Oktober er-
öffnete der „Verein für innere Medizin und
Kinderlieilkund e“ das Wintersemester mit einer
Sitzung, die ausschließlich der Erinnerung an seinen dahin¬
geschiedenen Mitbegründer gewidmet war. Man versammelte
sich in dem großen Hörsaal der neuerbauten zweiten medizi¬
nischen Klinik; auf dem Katheder war die Büste des zu
Feiernden aufgestellt. Der Vorsitzende des Vereins, Geheim¬
rat Prof. Kraus, hielt die Gedenkrede, in der er in großen
Zügen den äußeren Lebensgang des Klinikers vor seinen
Hörern vorüberziehen ließ und daran anschließend eine liebe¬
volle Würdigung des Menschen, Arztes und Forschers gal). Am
nächsten Tage war es der zweite Spezialkollege Ernst
v. Leydens im jetzigen Lehrkörper der Universität, sein
unmittelbarer Nachfolger in der Leitung der ersten medizini¬
schen Klinik, Geheimrat H i s, der sich der gleichen Pflicht
wie Kraus entledigte. Die klinischen Vorlesungen in der
ersten medizinischen Klinik wurden eröffnet, und da war es
fast selbstverständlich, daß die erste klinische Stunde dem Ge¬
dächtnis desjenigen gelten mußte, der so lange — allerdings
nicht in denselben Räumen — als Leiter der Klinik seines
Lehramts gewaltet hatte. Infolge der so früh im Semester er¬
folgten Eröffnung der Vorlesungen (die auswärts wohnenden
Studierenden kommen gewöhnlich erst am 1. November nach
Berlin) war die Zahl der studentischen Zuhörer gering, um so
zahlreicher waren die älteren Akademiker erschienen. Die
in Berlin lebenden früheren Assistenten Leydens waren
anscheinend vollzählig zugegen und mit ihnen viele seiner
ehemaligen Kollegen aus der Fakultät, wie Waldeyer,
Senator, Heubner, Olshausen, Orth. Zahlreich
waren auch die Militärärzte vertreten. Vom Kultusmnisterium
waren der Direktor der Unterrichtsabteilung, Naumann,
mit Geheimrat Elster und der Direktor der Medizinal¬
abteilung, Förster, mit den Geheimräten Dietrich und
Aschenborn anwesend. In tiefer Trauer wohnten die
Witwe und anderen Hinterbliebenen der Feier bei. His sah
bei dieser Gelegenheit vorwiegend seine Aufgabe darin,
Ernst v. Leyden als Arzt und klinischen Lehrer zu
schildern, und er löste diese Aufgabe mit vielem Verständnis.
Halle a. S. Als Privatdozenten haben sich habilitiert
Dr. Ernst Lapeur für Physiologie (bisher für das gleiche
Fach in Königsberg i. Pr.) und Dr. Josef Igersheimer
für Augenheilkunde.
Breslau. Hierselbst starb im Alter von 57 Jahren
Sanitätsrat Dr. Melchior W i 11 i m , dessen Name vor Jahr¬
zehnten viel genannt wurde, als er (1880) die einer Seitenlinie
des in Stuttgart regierenden Herrscherhauses angehörende
Herzogin Pauline von Württemberg heiratete.
Letztere — vorher in ein Frl. von Kirbach verwandelt —
mußte, bevor sie von dem König von Württemberg als Familien¬
oberhaupt die Genehmigung zur Eingehung der Ehe mit dem
bürgerlichen Arzt erhielt, auf alle ihr infolge der Zugehörigkeit
zur königlichen Familie zustehenden Rechte Verzicht leisten.
— Der Ehe ist ein Sohn entsprossen, der sich ebenfalls dem
ärztlichen Berufe — speziell als Augenarzt — zugewendet hat.
Marburg. Als Nachfolger Brauers ist Prof. Dr.
Wenckebach, bisher Leiter der medizinischen Klinik in
Groningen, hierher berufen worden.
■— Der Privatdozent an der Universität Königs¬
berg i. Pr., Prof. Dr. med. Wilhelm Zangemeister ist
als ordentlicher Professor und Direktor der Frauenklinik an-
die Universität Marburg als Nachfolger des jetzt in Kiel tätigen
Prof. Stoeckel berufen worden.
Frankfurt a. M. Dr. Emil R e i s s ist als Nachfolger
des nach Braunschweig berufenen Dr. B i n g e 1 zum Oberarzt
der medizinischen Klinik des städtischen Krankenhauses er¬
nannt worden.
Bonn. Als Privatdozent für Psychiatrie ist Dr. Wasser¬
meyer, bisher Dozent in Kiel, ohne weiteres von der hiesigen
medizinischen Fakultät übernommen worden.
— Für Anatomie hat sich der Prosektor am anato¬
mischen Institut Dr. med. Otto Dragendorff habilitiert.
Wien. Vor kurzem ist ein Denkmal des verstorbenen
hervorragenden Chirurgen Karl Gussenbauer in Ober-
vellach in Kärnten, seinem Geburtsorte, enthüllt worden. An
der Feier beteiligten sich außer der dortigen Bevölkerung
zahlreiche Professoren und Aerzte aus Wien, Prag und der
Umgegend. Die Festrede hielt Prof. Frhr. v. Eiseisberg.
Prag. Dr. Robert Salus hat sich für spezielle
Pathologie und Therapie der Augenkrankheiten an der deut¬
schen medizinischen Fakultät habilitiert.
Zürich. In der vorigen Woche starb, nur wenige
Monate nach seinem Uebertritt in den Ruhestand, der hervor¬
ragende Chirurg Prof. Ulrich K r ö n 1 e i n, fast drei Jahr¬
zehnte klinischer Lehrer der Chirurgie an der hiesigen Uni¬
versität. 1847 im Kanton Schalihausen geboren, machte er bis
1870 seine medizinischen Studien in Zürich, Bonn und Berlin.
Nachdem er in Zürich sein Staatsexamen absolviert hatte, be¬
gleitete er seinen Lehrer Edmund Rose hach Berlin, um
unter ihm als freiwilliger Arzt bei den im deutsch-französi¬
schen Kriege Verwundeten tätig zu sein. Bis 1873 war er als¬
dann erster Assistent an der chirurgischen Universitätsklinik
in Zürich. 1874 ging er nach Berlin als Assistent v. Lange n-
b e c k s und habilitierte sich gleichzeitig für Chirurgie an der
Berliner Universität. Nachdem er von 1878 bis 1879 in Gießen
den erkrankten Prof. Öose vertreten hatte und zum hessischen
Professor extraordinarius ernannt worden war, kehrte er nach
Berlin in seine frühere Stellung zurück und erhielt auch dort
das Extraordinariat. 1881 wurde er als ordentlicher Professor
und Direktor der chirurgischen Klinik nach Zürich berufen,
eine Stellung, die durch seines früheren Lehrers Rose Weg¬
gang nach Berlin frei geworden war. Von Krönleins
Schriften seien erwähnt: Die offene Wundbehandlung (1872),
die Lehre von den Luxationen (Deutsche Chirurgie, 1875), Ver¬
letzungen des Gehirns (im Handbuch der praktischen Chirur¬
gie, 1899). Besonders bekannt ist Krönlein durch die von
ihm 1889 veröffentlichte nach ihm benannte Operation zur
Exstirpation von Tumoren der Augenhöhle geworden.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Berlin. Die Berliner Medizinische Gesellschaft beging
am 26. Oktober in einfachen, aber doch eindrucksvollen Formen
das Fest ihres 50jährigen Bestehens. Die Ge¬
sellschaft entstand 1860 durch die Fusion von zwei Aerztever-
einigungen verschiedener Tendenz, der 1844 gegründeten
„Gesellschaft für wissenschaftliche Medi-
z i n“ und dem 1858 gegründeten „Verein Berliner
A e r z t e“, der die Erörterung von wissenschaftlichen und
Standesfragen in gleichem Umfang zu seiner Aufgabe machte.
Rudolf Virchow, bisher Vorsitzender der ersteren Ge¬
sellschaft, trat im Interesse der Einigung zurück, und überließ
den Vorsitz dem an Jahren jüngeren berühmten Augenarzt
Albrecht v. Graefe, der bisher im „Verein Berliner
Aerzte“ den Vorsitz geführt hatte. Von den Begründern der Ge¬
sellschaft leben gegenwärtig nur noch drei, die Geheimen Sani¬
tätsräte Körte, Boas und Kessler. Der erstere, Vater
des bekannten Chirurgen Werner Körte, ist jetzt 92 Jahre
alt und wurde schon bei Begründung der neuen Gesellschaft
No. 45.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
687
neben dem Chirurgen Langenbe-ck zum stellvertretenden
Vorsitzenden gewählt. Erster Vorsitzender war v. Graefe
bis zu seinem Tode (1870); ihm folgte Bernhard
v. Langenbeek (bis 1882, dem Jahr seines Rücktritts vom
Lehramt), diesem wieder Rudolf Virchow (bis zu seinem
Tode 1902), worauf Ernst v. Bergmann, ebenfalls bis
zum Lebensende, bis 1907 das Szepter führte. Dessen Nach¬
folger wurde Hermann Senator, der noch jetzt trotz
seiner 76 Jahre in voller Rüstigkeit seines Ehrenamtes waltet.
Die Feier setzte sich aus zwei Teilen zusammen, deren
ersten die auf mittags 12 Uhr im großen Saale des Langen-
beckhauses anberaumte Festsitzung bildete. Die Fest¬
rede hielt Geheimrat Senator. Er gab nach einem Ueber-
blick über die Entwickelung der medizinischen Wissenschaft in
den letzten 100 Jahren in großen Umrissen eine Geschichte der
Gesellschaft, wobei er besonders die Verdienste hervorhob,
die sich Rudolf Virchow in den zwanzig Jahren seiner
Präsidentschaft um das Gedeihen der Gesellschaft erworben
hat. Nachdem der Redner seinen eigentlichen Festvortrag ge¬
endet und der Beifall der Versammlung sich gelegt hatte, er¬
griff er noch einmal das Wort, um als eines der ältesten Mit¬
glieder, dem sie viele Anregung und viele Ehrungen gebracht
hat, den Dank abzustatten in Form einer von ihm verfaßten
Festschrift: „Polycythämie und Plethora“, die er der
Gesellschaft überreichte.
Es überbrachte sodann der derzeitige Rektor der Universi¬
tät, Geh. Medizinalrat Prof. Dr. R u b n e r , die Glückwünsche
der Universität, indem er ausführte, daß der Universitätsunter¬
richt durch die wissenschaftlichen Erörterungen der Gesell¬
schaft selbst vielfach Bereicherungen erfahren hat. Für die
medizinische Fakultät sprach Geh. Medizinalrat Prof. Dr.
Ziehen. Er wies auf die engen Bande hin, die sich zw'ischen
den beiden Körperschaften hinüberziehen. Beiden dankte
Senator. Dann sprach Geh. Rat Bier für die Deutsche
Geselllschaft für Chirurgie, die auf das engste mit
der Medizinischen Gesellschaft verknüpft sei. v. Langen-
b e c k und v. Bergmann waren gleichzeitig Vorsitzende
beider Vereinigungen, seit 18 Jahren arbeiten beide getreulich
zusammen im gemeinsamen Hause. Geh. Rat Kraus sprach
für den Verein für innere Medizin und die übrigen
wissenschaftlich - medizinischen Vereine. Er betonte die
Wichtigkeit der Konzentration und wünschte, daß diese in der
Folge noch stärker werden möge. Geh. San.-Rat S t ö t e r
sprach als Vorsitzender der Aerztekammer, San.-Rat
S. Alexander für den Aerzteausschuß von Groß-
Berlin. Er betonte insbesondere, daß die Gesellschaft stets das
Gesamlgebiet der Medizin pflegte und zu einer Zeit, als es noch
keine Standesvertretungen gab, deren Aufgaben erfüllte. Ge¬
heimer Regierungsrat Prof. Dr. Mayet überbrachte die Grüße
der „Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinal¬
statistik“, deren Mitglieder beinahe zur Hälfte auch der medi¬
zinischen Gesellschaft angehören.
Nachdem Senator allen diesen Rednern gedankt, ver¬
kündete der zweite Vorsitzende Orth die Namen der aus An¬
laß des Jubiläums ernannten Ehrenmitglieder. Es sind
Geh. San.-Räte Julius Boas und Kessler in Berlin, Mit¬
begründer der Gesellschaft, der Physiologe Exner und der
Ophthalmologe Fuchs (Wien), der Anatom Golgi (Rom),
der Entdecker des Leprabacillus Armauer Hansen
(Christiania), die Kliniker Abraham Jacobi (New-York),
und Koränyi sen. (Budapest), der Chirurg Keen (Phila¬
delphia), der Bakteriologe Kitasato (Tokio), der Malaria¬
forscher Laveran (Paris), der innere Kliniker Lepine
(Lyon), der Vater der Antisepsis Lord Lister (London), die
Kliniker Murri (Bologna) und Naunyn (Baden-Baden),
der Experimentalpathologe Pawlow (Petersburg), der Ana¬
tom RamonyCajal (Madrid), der Physiologe G. R e t z i u s
(Stockholm), der Physiker v. Röntgen (München), der Patho¬
loge und Bakteriologe Salomonsen (Kopenhagen),
v. Schjerning, der Generalstabsarzt der Armee und
schließlich der Anatom Waldeyer. Ferner wurde der der¬
zeitige erste Vorsitzende Geheimrat Senator zum Ehren¬
präsidenten ernannt.
Zum Schluß machte der dritte Vorsitzende, Geheimer
Medizinalrat Prof. Dr. Landau, Mitteilungen über die Vor¬
bereitungen für den Bau des eigenen Heims der Medizinischen
Gesellschaft, des Virchowhauses. Schon sind in der
Luisenstraße, neben der Tierärztlichen 'Hochschule und gegen¬
über der Charite, zwei ältere Häuser angekauft, an deren
Stelle das Virchowhaus erstehen soll, indes fehlt noch viel an
der Bausumme. Bisher sind aus den Reihen der Mitglieder
68 000 M. gestiftet worden, vor einigen Tagen traf von den
Erben des jüngst verstorbenen greisen H e n o c h aus Dresden
die Nachricht ein, daß dieser 5000 M. für das Virchowhaus ver¬
macht habe. Freudig berührte die im Zusammenhang damit
gemachte Mitteilung über einen hochherzigen Entschluß der
Witwe Virchows. Sobald das Virchowhaus errichtet sein
wird, will sie die privaten Sammlungen und die reichen
Erinnerungsschätze Virchows dem neuen Hause über¬
weisen. Die Gesellschaft wird damit ein Geschenk von hohem
wissenschaftlichen und medizingeschichtlichen Werte er¬
halten.
Am Abend folgte der zweite Teil des Festes, der Fest¬
kommers in dem großen Saale der Philharmonie. An der
Mitteltafel hatte als Präsident des Kommerses der Schriftführer
der Gesellschaft, Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. v. Hanse¬
mann, seinen Platz, außerdem vollzählig die übrigen Herren
des Gesellschaftsvorstandes. Fenier sah man dort Wal¬
deyer, Ministerialdirektor Naumann, Geh. Ober¬
regierungsrat Frhr. v. Stein, den Generalstabsarzt der
Armee Prof. Dr. v. Schjerning, und als Vertreter der
städtischen Körperschaften den Geh. Justizrat Cassel. Die
Zahl der Teilnehmer dürfte über 1000 betragen haben. An
jeder Tafel fungierte mit Nachdruck ein Tischpräside, der an¬
statt des studentischen Schlägers einen großen Perkussions¬
hammer zum Klopfen der Kommandos führte. Herr v. Hause¬
rn ann eröffnete den Kommers mit einer humorvollen Rede, in
der er die Sitzungszuhörer der Gesellschaft mit einem Staat
von Zellen verglich, dessen Biologie und Pathologie er nach
ihren Lebensäußerungen während der Sitzungen skizzierte. Es
folgte der Kaisertoast Senators und eine Rede
Waldeyers, die in einem Hoch auf die Berliner Aerzte aus¬
klang. Darauf dankte Sanitätsrat S. Alexander als Vor¬
sitzender des Aerzteausschusses von Groß-Berlin. Nunmehr
sang man gemeinsam das vom Kollegen Erwin Franck
gedichtete Festlied. Unmittelbar darauf erhob sich Prof.
J. Orth, um in warmen Worten den neuen Ehrenpräsidenten
Senator und speziell dessen Verdienste um die Berliner
Medizinische Gesellschaft zu feiern. In festgefügten Reimen
sprach darauf Prof. Posner auf die Damen, unsere „Ehren¬
doktorinnen“. Nunmehr ging — nach einem von einem Be¬
rufssänger vorgetragenen Tenorsolo mit launigem Text des
Kollegen Sanitätsrai J. Ruhe m ann — das von unserem
bewährten Kollegen, dem Arztdichter Dr. A. P e y s e r ge¬
schaffene Fest- und Scherzspiel über die Brettei', dessen musi¬
kalischer Teil zum größten Teil ebenfalls von einem Kollegen,
dem Frauenärzte Dr. Otto Abraham, komponiert war. Es
war nach übereinstimmendem Urteil aller Hörer ein Opus
ersten Ranges; leider verbietet uns die Knappheit unseres
Raumes, hier näher darauf einzugehen. In die Darstellung
teilten sich Berufsschauspieler und Dilettanten. — Das künst¬
lerisch ausgestattete Textbuch machte es den Teilnehmern
leicht, den mit reichem Beifall aufgenommenen Vorführungen
zu folgen. Nach Beendigung des Festspiels begann die F i d e 1 i-
t a s , der Geheimrat S t ö t e r , Vorsitzender der Aerztekammer,
präsidierte'. Sanitätsrat J. Ruhemann hatte ein Büchlein
eigener Dichtungen mit illustrativen Beiträgen seiner Tochter
Lilli beigesteuert. — So gestaltete also kollegialer Humor
die Fünfzigjahrfeier der Medizinischen Gesellschaft zu einer
köstlichen Erinnerung für die Festteilnehmer, aber auch der
Zeiten Humor ließ es sich nicht nehmen, in seiner ironischen
Weise an dem Fest mitzuarbeiten; denn er fügte es, daß um
dieselbe Zeit, in der in dem großen Saale der Philharmonie
die Aerzte fröhlich feierten, im Oberlichtsaale desselben
Hauses — die Gesundbeter eine Sitzung abhielten.
Frankfurt a. M. Am Sonntag, den 11. Dezember d. .T.
hält hierselbst im Kinderkrankenhaus (städt. Krankenhaus)
die Vereinigung südwestdeutscher Aerzte ihre Tagung ab. An¬
meldungen von Vorträgen und Demonstrationen sind zu rich¬
ten an Dr. Cahen-Br ach, Frankfurt a. M., Eppsteiner-
straße 45.
Wien. Im vorigen Jahre wurde hierselbst ein Gedanke
verwirklicht, der in anderen Großstädten nachgeahmt zu wer¬
den verdient. Musikbegabte und musikliebende Aerzte vereinig¬
ten sich zu einem Bunde, der den Zweck verfolgt, in der Aus¬
übung einer der edelsten Künste Erholung von den Mühen des
Berufs zu suchen. So entstand das Wiener Aerzteorchester, das
soeben seinen ersten Jahresbericht versandt hat. Wir entnehmen
demselben, daß der Verein derzeit 18 ausübende, 157 unter¬
stützende Mitglieder und 18 Förderer zählt. Das erste Kon¬
zert des Vereines hat einen namhaften Reingewinn ergeben;
ein Betrag wurde dem Wiener medizinischen Dekanat zur
Unterstützung armer Rigorosanten zur Verfügung gestellt. An¬
läßlich des Todes des Protektors Hofrat Chrobak erwies
das „Wiener Aerzteorchester“ seinem treuen Freunde und
Förderer durch die Aufführung der „Trauermusik“ von
Mozart in der Votivkirche die. letzte Ehre. Das „Wiener
Aerzteorchester“ ist binnen kurzer Zeit zu einem wichtigen
Faktor im musikalischen Leben der Residenz geworden und
verdient die wärmste Unterstützung und Förderung von Seiten
aller Aerzte und Musikfreunde. Dem Vorstande gehören der¬
zeit an: Prof. R e t h i als Präsident, Prof. Joannovics und
Dozent Schüller als Vizepräsidenten, Dozent v. J a g i c
als Dirigent, Dr. Kronfeld als 1. Schriftführer, Dozent
Strasser als Konzertmeister und Dr. F a s a 1 als Kassierer.
Die Proben des Orchesters finden an Montagen (mit Ausschluß
der Feiertage und der Ferien) im Hause der k. k. Gesell¬
schaft der Aerzte (IX. Frankgasse 8) statt.
688
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 45.
Gerichtliches.
Wien. Vor dem hiesigen Landgericht hatte sich kürz¬
lich der Bakteriologe Dr. Luksch wegen Vergehens gegen
die Sicherheit des Lebens zu verantworten. Dr. L. hatte vor
zwei Jahren, als er am Czernowitzer Universitätslaboratorium
tätig war, Versuche mit Rotzbacillen gemacht. Als er
eine Glasröhre mit Rotzbacillen in einem Zentrit'ugalapparat
rotieren ließ, zerbrach das Reagensgläschen. Der Inhalt ergoß
sich auf den Boden. Dadurch wurden zwei Beamte des Labo¬
ratoriums infiziert und starben bald darauf an Lungenrotz.
Dr. Luksch verteidigte sich damit, daß er der Ansicht sein
mußte, die Bacillen in der Eprouvette seien bereits getötet und
unschädlich. Die Sachverständigen sprachen sich in dem
gleichen Sinne aus, weshalb Dr. Luksch frei-
gesprochen wurde.
Verschiedenes.
Berlin. Die Firma Prof. Dr. v. Poehl & Söhne in
St. Petersburg, die seit Jahresfrist in Deutschland,
Berlin SW. 68, eine Zweigniederlassung unterhält, hat auf der
Brüsseler Weltausstellung die höchste Auszeichnung, den
„G r a li d P r i x“ zuerkannt erhalten. Die Firma befaßt sich
bekanntlich ausschließlich mit der Herstellung organothera-
peutischer Präparate. Eine vollständige Zusammenstellung
ihrer Präparate findet sich in dem von der Firma heraus¬
gegebenen „Organotherapeutischen Compen-
d i u m“, das die Abteilung Deutschland. Berlin SW. 68, Inter¬
essenten gratis zugehen läßt.
F r ankf u r t a. M. Am 9. Oktober ist hier eine Schulzahn¬
klinik eröffnet worden. Sie bildet einen Teil des neu erbauten
Carolinums, das auf dem Gelände des städtischen Kranken¬
hauses sich befindet. In demselben Gebäude ist auch die von
Prof. S p i e s s geleitete, vor kurzem eröffnete Nasen - und
Ohrenklinik untergebracht. Die Kinder der hiesigen
Volksschulen sollen dauernd bezüglich ihrer Zähne überwacht
und erforderlichenfalls bei Zustimmung ihrer Eltern der Zahn¬
klinik zur unentgeltlichen Behandlung überwiesen werden.
Dresden. Fabrikdirektor Privatdozent Dr. Karl
Dieterich (Helfenberg) hält auch in diesem Jahre wieder
im Rahmen der volkstümlichen Hochschulkurse
in der Aula der Kgl. Tierärztlichen Hochschule zu Dresden
sechs Vorträge über: Die wichtigsten medizini¬
schen Drogen und Rohstoffe, ihre pharmazeutische
Verarbeitung und Verwendung für die menschliche Gesund¬
heit. Die Vorträge, welche durch zahlreiche Demonstrationen
und Experimente unterstützt werden, sollen vor allem dazu
dienen, dem Kurpfuscht um entgegenzuarbeiten und die
Wertschätzung der pharmakochemischen und medizinischen
Wissenschaft zu fördern. — Die Vorlesungen haben am Frei¬
tag, den 4. November, begonnen.
— Der Kreisausschuß hat das Konzessionsgesuch des
Natur heilkundigen Bilz auf Erweiterung seiner Ansthl t
■einstimmig abgelehnt, weil die Besichtigung durch den Be¬
zirksarzt schwere Mißstände in hygienischer und sittlicher Be¬
ziehung ergeben hat. Die Konzession in dem bisherigen Um¬
fang wurde ihm einstweilen belassen.
W i e n. Als vor kurzem der internationale Physio¬
logenkongreß hier tagte, wurde er vom Bürgermeister zur fest¬
lichen Bewirtung ins Rathaus geladen und ist — der Einladung
auch gefolgt. Mit bemerkenswerter Objektivität ließen sich
somit die Vivisektoren von denselben christlich-sozialen Ge¬
meinderäten und Landtagsabgeordneten bewirten und an¬
toasten, die sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit die
Vivisektion als Tierquälerei brandmarken und dem hier be¬
stehenden „Verein der Vivisektionsgegner“ aus öffentlichen
Mitteln alljährlich Subventionen bewilligen.
Wien. Anläßlich der Cholera hatte die Wiener Aerzte-
kammer einen Cholerakurs für Aerzte veranstaltet. Die Vor¬
lesungen bezogen sich auf die Symptomatologie, Bakteriologie,
Serotherapie, Epidemiologie und Prophylaxe der Cholera und
waren von den hiesigen Aerzten sehr besucht. Ursprünglich
hatte die Aerztekammer die Absicht, die Kurse allen Aerzten
Oesterreichs zugänglich zu machen. Das scheiterte an dem
Fiskalismus des Eisenbahnministeriuras. Die
Aerztekammer hatte an dieses Ministerium das Gesuch ge¬
richtet, den Aerzten den Besuch der Kurse durch Gewährung
der freien Fah r t zu ermöglichen. Das wurde nicht be¬
willigt. Es sollten blos „mittellosen“ Aerzten von 100 Kilo¬
metern Entfernung ab halbe Fahrkarten zugestanden werden.
Darauf verzichtete aber die Aerztekammer, da sie mit Recht
in den Cholerakursen keine Wohlfahrtsaktion für die Aerzte,
sondern eine solche für den Staat erblickte.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen: Krone zum Roten Adler-
Orden 3. Kl. mit der Schleife: Geh. Med.-Rat Dr.
Sch w a s s in Sigmaringen.
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in. Weißstein, Dr. M o s 1 e r in Sagan, Dr. Lepere in
Hirscliberg i. Schl., Dr. John in Freiburg i. Schl., Dr.
Blumenfeld in Gleiwitz, Dr. B e r 1 i n in Palermo.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 2. Kl.
mit Eichenlaub: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge.
Roter Adler-Orden 2. Kl.: Geh. Med.-Rat Prof. Dr.
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Roter Adle r.-Or den 3. Kl. mit der Schleife: Geh.
Med.-Rat Prof. Dr. Hertwig in Berlin, Geh. San.-Rat Prof.
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Rat Prof. Dr. Waldeyer.
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fessoren Dr. G r e e f f und Dr. Horstmann in Berlin.
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Niedergelassen: Dr. K. v an Ross um in Cleve, Dr.
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Dr. Dieckert in Merseburg, Dr. Stahlhoff in Haltern,
Dr. Spier in Fechenheim, Dr. W.ettwer und Dr.
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Verzogen: Dr. Schütt von Griesheim nach Bacharach,
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Dr. Philip von Charlottenburg und Dr. Kuh n nach Groß-
Lichterfelde, Dr. A1 b e r t s von Steglitz nach Tempelhof,
|Dr. Henkel von Himmelpforten nach Hamburg,' Dr.
6. Meyer von Hann.-Münden nach Himmelpforten, Dr.
Weist von Blumenthal nach Bremen, Dr. Zuralski von
Bischofsburg nach Danzig, Dr. Spliedt von Neuruppin
nach Waidfrieden, Dr. Krüger von Altona 'nach Cottbus,
Dr. Ratti von Waldfrieden nach Oranienburg,) Dr. Klos e
von Greifswald nach Düsseldorf, R. K1 a 11 von Weißen¬
höhe nach Leipzig, Dr. Feige von Eisleben nach Potsdam,
Dr. Schmiedehausen von Halle nach Nebra, Dr.
B a e g e von Allenstein nach Halle, Dr. Blasius und Dr.
L e w i n von Halle nach Dresden bezw’. Charlottenburg,
W. Henkel von Solingen nach Erfurt, Dr. S i e b e r t von
Erfurt nach Barmen, Dr. de Boer von Sorgn nach Beelitz,
Dr. Frankenberg und Dr. F i s c h er evon Osnabrück
nach Höxter bezw. Levern, Aerztin Dr. E. Gilbert von
Halle a. S. nach Osnabrück, Dr. D e 11 m a r von Witzen¬
hausen nach Cöln, Dr. Steinmey f er von Oberkaufungen
nach Müllrose, Dr. M a s s m a n n von Westerwald und San.-
Rat Dr. Bach von Bad Elster nach Oberkaufungen,
J. L o g e s von Coblenz nach Hösel, Dr. Grimbach von
Waxweiler nach Bitburg, Dr. Bernheim von Posen nach
Trier, Dr. Oppenheimer nach Zehlendorf, P h. Bau¬
mann von Berlin nach Jüterbog, Dr. Zschirndt von
Wittenberge nach Grottkau, Dr. S c h a r f f von Nebra nach
Putlitz, Dr. Nordalm von St. Andreasberg nach Beelitz,
Dr. Starkloff von Erfurt nach Belzig,, Dr. v.Grat-
kowski nach Pankow, R. Topp von Telgte nach Weißen¬
see, Dr. W e i s s nach Südende, Dr. H. C.o h n von Char¬
lottenburg nach Friedenau, Dr. Oppitz von Hohenwiese
nach Kraschnitz, Dr. Grim m e. von Göttingen nach Hildes¬
heim, Dr. K a a s von Obertiefenbach nach Steinheim, Dr.
v. Moser von Geisa nach Frankfurt a.. M„. Oberstabsarzt
a. D. Dr. Braun von Mülhausen i. E. nach Diez, Dr.
H. Schmidt von Düsseldorf nach Wiesbaden, Dr. Maxen
von Weißensee!,nach Telgte, Dr. Wessi ng von Beckum
nach Recklinghausen, Dr. Pipo von Witten nach Barmen,
Dr. Till mann von Coblenz, Dr. Köhl von Somborn und
Dr. M i e t z s c h von Schöneberg nach Düsseldorf, Dr. Hart¬
nack von Barmen nach Hilchenbach, Dr. Lincke und
Dr. H. Schmidt von Düsseldorf nach Hildburghausen
bezw. Wiesbaden, Dr. Müller von Oberhausen nach
Werden, Dr. Weigert von Ober-Gorwitz nach Bonn, Dr.
Lubenau von Fechenheim nach Dalilenfeld, Dr. Kahl¬
weis s von Braunsberg nach Königsberg, Dr. Walther
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kommen sein.
AusgedehnteVersuche im hygienischen Institut der Universität Halle, im Berliner
pakteriologischen Institut von Dr. Aufrecht, im Institut für experimentelle Pathologie
der Universität Berlin haben die stärke haktericutc Eigenschaft der pulverförmigen
schweilöslichen essigsauren Tonerde ergeben.
Von hoher Bedeutung sind die experimentellen Versuche von Prof. Dr. Bickel
(König/. Charite', Berlin), welcher eine starke desinfizierende Wirkung auf die Darm¬
bakterien und gleichzeitig eine sekretionssteigernde auf die Darmschleimhaut nach-
gewiesen hat. Diesen Untersuchungen reihen sich diejenigen von Dr. Dreuw in dessen
Poliklinik Berlin an. an d r die lierexperimentellen Untersuchungen von Prof. Bickel
beim Menschen bestätigt wurden. — Die „Gelonida Aluminii subacetici ‘ gelangen in
drei Modifikationen in den Verkehr: 1. sulfathallig (am pleisten desinfizierend,
sekretionsanregend und schwach abführend; übliche Verordnung). 2. sulfatfrei (für
diejenigen Fälle, in denen die abführende Wirkung nicht gewünscht wird). 3 Mit
einem Zusatz von Phenolphthalein (für diejenigen Fälle, in denen eine stärker ab¬
führende Wirkung gewünscht wird).
Indikationen:
A. Darmdesinffiziens.
1. Alle Darmparasiten (Oxyurns vermicularis, Ascariden. Taenien, Amoeben).
2. Magen-Darmkatarrhe bakterieller Natur, Typhus und Paratyphus, Dysenterie,
ev. Cholera, Darmtuberkulose, Perityphlitis chronica, Magen-Darmkatarrhe
infolge abnormer ZersetzungsVorgänge, Gärangsdyspepsie, Colica llatulenta,
Cholelithiasis, Obstipation, Sigmoiditis et Proctitis acuta sive chronica.
3. Furunculosis, Acne, Pruritus, speziell bei Diabetes, Urticaria.
B. Harnantisepticum.
4. Bakteriurie, Oystitis, Pyelitis.
Ordinationen:
Rp. 20 Gelonida Aluminii subacetici Die Gelonida No. I sind sulfathaltig,
No. I ä 1,00 g (2,26 M.) von leichter abführender Wirkung
Rp. 20 Gelonida Aluminii subacetici (übliche Verordnunq).
No. I i 0,5 g (1,25 M.)
Gder Die Gelonida No. II sind sulfatfrei
(soweit technisch möglich), für die¬
jenigen Fälle, in denen Sulfate
kontraindiziert sind.*)
-- Die Gelonida No. III enthalten 0,1
Rp. 20 Gelonida Aluminii subacetici Phenolphthalein (stärker abführende
No. III ä 1,00 g (2,60 M.) Wirkung).
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4. Heft: Poltern (Paraphrasia praeceps). M. 1,20.
5. Heft: Uebungstafeln für Stammler, sowie für hör¬
stumme und geistig zurückgebliebene Kinder.
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6. Heft: Kinder die schwer lesen, schreiben und
rechnen lernen. M. 2.40.
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der Sprache vom Munde. M. 2,40.
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englischen und italienischen Uebungstafeln.
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Aluminii subacetici No. II bisweilen auch stopfend wirken können; diese den
Gelonida Aluminii subacetici No. 1 und III entgegengesetzte Wirkung ist be¬
dingt durch Freisein von Aluminiumsulfat. wodurch die reine Acetatwirkung,
d. i. die rein adstringierende, sich entfaltet. Die Gelonida Aliiniiuii No. I
nnd III sind also stärker abführend und stärker desinfizierend als No. II,
aber weniger adstringierend.
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt YI, No. 3302
Redaktion:
Dr« H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
IV. Jahrgang Berlin. 13. November 1910
No. 46
Die „Therapeutische Rundschau" erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 3 M.. für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Bucl handlangen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, w.eiin sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Schürmayer: Ueber I
GeJodurat-Kombinationspräparate in der Therapie der Chole-
lithiasiskranken.
Kalb, v. Torday, Reisner, Dobrovits, Salomon.
Meirowsky: Weitere Arbeiten über Ehrlich-H ata 600 —
Hermes: Ueber Peritonitis iufolge Perforation von Typhus¬
geschwüren. — Kelling: Ueber callöse Magengeschwüre. —
Gold Schmidt: Ueber Askarisvergiftung. — Savels: Zur j
Kasuistik der Nitrosenvergiftung durch Inhalation von sal¬
petriger Säure. — Strempel: Ein Fall von irreponibler Luxa¬
tion des Zeigefingers im Metakarpo-Phalangealgelenk. —
Töpfer: Zum vaginalen Kaiserschnitt — Marre: Ein Beitrag |
zur Frage des Einflusses akuter Infektionskrankheiten auf die
Milchsekretion, Calmann: Myom und GJykosurie. —
Hayaslii: Experimentelle Untersuchungen über die Infektions¬
fähigkeit des Auges bei Diabetes und die bactericide Wirkung ,
des diabetischen Blutserums auf Eitererreger,
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Ueber Gelodurat-Kombinationspräparate in der
Therapie der Cholelithiasiskranken.
Weitere Beiträge zur Pharmakopoe der
Cholelithiasis.
Von
Dr. C. B. Sehiirmayer (Berlin).
Z u den heute nicht mehr ableugbaren Errungen¬
schatten auf dem Gebiete der Pharmakopoe der Chole-
lilhiasis gehört die Anerkennung der alten Lehre
von der Bedeutung und Wirkung der „Chola¬
goga“. (1)
Eine Reihe von Spezialarbeiten, gestützt auf den Tier¬
versuch, hat in den letzten Jahren hier klärend gewirkt, und
eine Reihe namhafter Forscher haben hierzu Bausteine zu-
sammengetragen.
Mir selbst war es an einem selten großen Material ver- j
gönnt, auch klinisch den Beweis für die Tatsächlichkeit
„cholagoger Wirkung“ bestimmter Medikamente bezw. be¬
stimmter Kombinationen solcher zu erbringen. (2, 9, 15)
Wenn über die graduelle Wirkung einiger gallen¬
treibender Substanzen noch keine Uebereinstimmung er¬
zielt werden konnte (3), so sind die Gründe hierfür mehr-.
fache. Auch hier hat das physiologische Experiment uns
neue Gesichtspunkte eröffnet, die in folgenden Leit-
s ä t z e n gipfeln:
1. Dasselbe Mittel kann gallentreibend, „cholagog“,
wirken, es kann auch, gallenflußhemmend, („choiastyptisch“
[Schürmayer]) sein, je nach der Stärke der Einzeldosis.
(Erweitertes Arndtsches biogenetisches Grund¬
gesetz.)
2. Cholagoge Wirkung wächst bei gleichzeitiger darm-
anregender Wirkung; drastische Darmanregung beeinträch¬
tigt oder sistiert die cholagoge Wirkung. (Cholastyptischer
Einfluß [Schürmayer].)
3. Prinzipiell ist zu unterscheiden zwischen „Erhöhung
der Sekretionsgröße der gallenabsondernden Leberzellen“
und „Ausstoßung der aufgespeicherten Galle“ aus der Gallen¬
blase durch aktive Muskelkontraktion dieses Reservoires.
4. Die Fortbewegung der abgesonderten wie der aus-
anstoßenden Galle in den Gallenwegen und durch dieselben
vollzieht sich nach dem von Meitzer (4) entwickelten
Darmgesetz, d. h. nach dem Gesetze der „kon¬
trären Innervation“.
Dieses besagt: In jedem Hohlmuskel, der seinen Inhalt
weiter befördern soll, also auch in dem muskulären Teile
II. Verhaudlungen ärztlicher Gesellschaften. Verein für
innere Medizin und Kinderheilkunde. Außerordentliche Sitzung
vom 31. Oktober .1910. — 82. Versammlung Deutscher Natur¬
forscher und Aerzte in Königsberg in Pr. vom 18.—24. Sep¬
tember 1910. (Fortsetzung.)
III. Therapeutische Notizen. Fischer: Ueber Alypin
IV. Bücherschau. Fürsorgewesen. — Silbermann: Wie erhalten
sich Herzkranke leistungsfähig? — Theodor: Praktische Winke
zur Ernährung und Pflege der Kinder. — Springer: Die
Aerztin im Hause. — Neter: Sorgen und Fragen in der Kinder¬
pflege.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc, — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
VI. Amtliche Mitteilungen. Zu besetzende Stellen von Medizinal¬
beamten. — Personalia.
i des Gallenapparates, muß der proximale Abschnitt stets
| kontrahiert sein, wenn der distale erschlafft ist und um-
i gekehrt.
Für die Gallenwege inkl. Gallenblase kommt noch fol-
j gendes in Betracht: Die kontinuierlich abgeson-
d erte Galte f1ießI unI er relativ geringein S e -
•k relionsd r u c k e in die (1 a 11 e n b 1 a s e , i n d e r 1’ e -
rinde der „Darmruhe“ im Duodenum.
Dagegen wird die Galle unter n i c li t u u b e -
träc h t l-i c he m Drucke ausgestoßen, wenn die
peristaitischenB e w egunge n des D a r m e s - re¬
flektorisch (?) auf dip Gallenblase über-
g r eif e n und dieselbe zu r a k tiv e n Ko n 1 r ak-
t. i o n a n rege n.
5. Gallenausstoßung setzt physiologisch Kontraktion der
Gallenblase bei gleichzeitiger Erschlaffung des Sphincters
papillae vateri voraus; Gallenaufspeicherung, Erschlaffung
der Gallenblase und des Ductus cysticus bei gleichzeitiger
Kontraktion der Papille.
6. Dieser „antagonistische“ Akt wird garantiert durch
feinste Iimervationsvorrichtungen [Doyen (5)]; „direkte
Reizung der Leber (6) oder reflektorische des „Rücken¬
markes (7) verlangsamt die Gallenausscheidung“.
Experimentelle Reizung des zentralen Splancliuicus-
stumpfes führt zur Erschlaffung der Gallenblase bezw. der
Gallengänge; Reizung des zentralen Vagusstumpfes bewirkt
Kontraktion der Gallenblase, bei gleichzeitiger Erschlaffung
des Sphinkters.
Damit ist ein antagonistisches, physio¬
logisches Verhalten der genannten Ab¬
schnitte des Gallensystems erwiesen.
D e m n a c h enthält der S p 1 a n c h n i c u s m o t o-
t o r i s c h e F asem f ü r die G allenlilase und H e m-
mungsfase r n f ii r den Sphinkter; umgekehrt
d e r Vagus He m in ungsfasern für die Gallen-
b 1 a s e u n d motorische Fasern, für den Sphinc-
t e r p a p i 11 a e.
Aus diesen physiologischen Tatsachen folgt für die
Therapie u. a,, daß mitunter aus rein „reflektorisch en
Ursachen“ der Gallenahfluß abnorm bezw. gehemmt sein
kann, und daß eine sonst cholagog sich vollziehende Wir¬
kung pharmakodynainischer Reize lediglich aus rein me-
c h a nisch-reflektorischen Urs a c h e n nicht zur
Wirkung kommen kann.
„Nun ist es ohne weiteres ersichtlich, daß bei hoher
Reflexerregbarkeit in den Gallenwegen, hervorgerufen durch
katarrhalische und andere Entzündungen, insbesondere bei
Steinanwesenheit, die so feine antagonistische wechselseitige
Arbeit der einzelnen Abschnitte des GaJlensystemes eine
Störung erfahren kann.
690
THERAPEUTISCHE
Beseitigen wir diese hohe Reflexerrogbarkeit, dann
dürfen wir hoffen, in vielen Fällen den natürlichen Gallen¬
fluß wieder herzustellen und der Bildung von Residualgalle,
bekanntlich der Boden für sekundäre Infektion, entgegen¬
wirken zu können.“ [Schürmayer (9).]
Ein differentes Mittel kann demnach
schon dadurch „cholagog“ wirken, daß es im
betreffenden Falle die den Gallenfluß stö¬
rende hohe Reflexerregbarkeit beseitigt; ein
„c h o 1 a g oges“ pharmakodynainisches P r ä pa-
r a t a b e r k a n n 1 e d i g 1 i c h d e s h a 1 b s c h e i n b a r w i r-
kungslos sein-, weil seine Wirkung s i c h n i c h t
auf die Behebung der „Reflexkontraktion“
bezw. der „Reflexerregbarkeit" erstreckt.
Diese Erwägungen führten zur Herstellung von ..Kom¬
binationspräparaten“, deren Einzelkomponenten den ge¬
streiften Einzelindikationen entsprechen; wie die Erfahrung
lehrt, wirken solche „Kombinationspräparate“ in praxi bei
geeigneten Fällen tatsächlich recht befriedigend.
Aus dem vorstehenden lassen sich zwei Gesichts¬
punkte ableiten:
a) Die Möglichkeit, in geeigneten Fällen operations¬
lose Therapie mittels von Medikamenten
bezw. bei Kombination der medikamentösen
mit physikalischer Therapie ( 8 ) zu inszenieren;
bj diese Therapie durch Vereinigung m e h-
r e r e r pharmakodyn amiseher Einzelkompo¬
nenten noch wirksamer zu gestalten (9).
Indessen ist diese Möglichkeit der The¬
rapie noch zur Gewifsheit das Richtige zu
treffen dadurch geworden, daß von patho¬
logisch-anatomischer Seite nachgewiesen
ist, daß gewisse Steinformen eine i n opera¬
tive, medikamentöse Therapie indiziert er¬
scheinen lassen.
Ich komme an anderer Stelle (10) auf die hohe Be¬
deutung dieser Tatsachen zurück und beschränke mich hier
auf nachstehende kurze Erwähnmg.
Die klassischen Arbeiten von Asch off und Bac-
me i'st e r (11p haben ergeben, daß die alte'N auny n sehe
Lehre von der „Einheitlichkeit der Genese“ aller sich gleich¬
zeilig findenden Gallensteine nicht mehr aufrecht erhalten
bleiben kann. Denn:
1. Häufig ist der „Verschlußstein“ ein reiner Cho¬
lesterinstein, die übrigen Steine sind dagegen anders zu¬
sammengesetzt.
2. Der Cholesterinstein ; entsteht ohne jede Ent¬
zündungserscheinungen — in einfach gestauter
Galle; der Cholesterinstein dieser Provenienz ist Gegen¬
stand einer medikamentösen Behandlung.
Den vorgenannten Postulaten läßt sich also noch ein
drittes anreihen:
c) Wo aus Abgängen' oder aus anderen Symptomen
sich die A n w e s e n h e i t v o,n C h o 1 e s t e r i u s t e i n e n er¬
gibt, kann lege artis eine medikamentöse Therapie
eingeleitet werden, falls klinische Symptome diese nicht als
kontraindiziert erscheinen lassen.
Es erweitern sich demnach die von anderen und meiner¬
seits (12) schon früher aufgestellten Indikationen zur me¬
dikamentösen Therapie bei Cholelithiasiskranken noch be¬
trächtlich.
Auf diese allgemeinen Gesichtspunkte einzugehen, er¬
schien angebracht, ehe auf positive weitere Vorschläge zur
medikamentösen Therapie meinerseits eingegangen wird.
Man stößt nämlich auf diesem Gebiete des klinischen Han¬
delns mitunter auf Nachklänge aus einer nihilistischen
Periode.
Es wurde oben der „reflektorischen H e m m u n-
g e n“ des Gallenflusses gedacht. Zu den reflektorisch wir¬
kenden Reizen gehört in bezug auf günstige, anregende
Wirkung auch derjenige, der von dem Eintritte der physio¬
logisch reagierenden Ingesta in das Duodenum hervor¬
gerufen wird.
Der Wegfall dieses Reizes oder die Ver¬
änderung der Reaktion wirkt gegenteilig,
also als „reflektorischer Hemmungsreiz“ gegen¬
über der Gallenausfuhr.
.Die Affizierung des Magens auch bei noch latenter oller
im „kryptogenetischen Stadium“ sich befindenden Choleli¬
thiasis ist allgemein bekannt.
Neuerdings wurde aber ganz besonders der wissen-
RUNDSCHAU 1910. __ No. 46.
schaftliche Nachweis dieser „Prodromalerscheinungen der
Cholelithiasis“ erbracht.
Für die ausgeprägte Cholelithiasis hat Buettner einen
„intermittierenden Spasmus der beiden Magenpforten als
Reflexneurose“ (13) nachgewiesen.
Mit diesem Spasmus ist die Beseitigung
des anregenden Reizes“ gleichzeitig ver¬
bunden, wie die Vereinigung der Röntgenoskopie (14) mit
der klinischen chemisch-physiologischen Untersuchung
ergibt.
Die besten Cholagoga, insbesondere die Oleine, Terpene,
Salicylate, nicht minder die Organpräparate bezw. Gallen¬
bestandteile sind nun nichts weniger als „Stomachica“.
Im Gegenteile leidet nur zu oft der mehr oder minder
schon affizierte Magen nach derer Darreichung noch mehr;
auch hieraus resultieren, neben Veränderungen des Chemis-
muses im Magen, reflektorische Pylorospasmen,
wie röntgenoskopisch jederzeit leicht nachzuweisen ist. (14)
Demnach ist nicht abzuleugnen, ,daß bei Einleitung einer
cholagog wirkenden medikamentösen Kur stets die Mög¬
lichkeit gegeben ist, selbst mit pharmakodynamischen Fak¬
toren bewährter Art durch Erregung störender Reflexerschei¬
nungen das Gegenteil von dem herbeizuführen, was lieab-
sicht war.
Ich selbst verfüge über ein ausgedehntes diesbezügliches
Beobachtungsmaterial.
Hieraus ergibt sich weiterhin, daß die von anderen und
von mir ebenfalls gewählte „Pillenform“ für Kombina¬
tionspräparate, ebenso wie die „Tablette“ noch weiter den
Nachteil haben kann, als harter Fremdkörper den
Magen rein mechanisch zu irritieren; teilweise gleichzeitige
oder vollständige nachträgliche Lösung im Magen aber muß
den gesetzten, ungünstig wirkenden Reiz nur noch erhöhen.
Diese und eine Reihe anderer Erwägungen haben mich
daher dazu geführt., die magenunlöslichen, aber
weichen, im übrigen nur darin löslichen
Kapseln der Firma Pohl, welche Kapseln als „Gelo-
durat“ auch sonst zur Darreichung von differenten Me¬
dikamenten eingeführt wurden, für die Darreichung
cholagoger Komtiinationsfo r m e n von g a 11 on-
treibenden Mitteln dienstbar zu machen.
Dies in dem Sinne, daß diese Kombinationspräparate,
neben nur gallentreibenden Faktoren auch laxierende. Ioni¬
sierende und magenanregende Substanzen enthalten.
Von den meinerseits im Verlaufe von nunmehr .über
ein Jahrzehnt erprobten und vor längerer Zeit schon
publizierten (15) diesbezüglichen Kombinationsformen cho¬
lagoger Präparate haben sich in erster Linie die ,,P i I. Na t r i
oleinici comp.“ bewährt.
Im Prinzip in gleicher Zusammensetzung kommt nun¬
mehr das darmlösiiehe „B i 1 i f e r - G e 1 o d u r a t“
I und II in Anwendung.
Die Vorschrift zur Herstellung der Bilifcr-Kapseln ist
nachstehende:
Bilifer-Gelo.durat Stärke I.
Itp. Lithii oleuici.0,10 g
Extr. Belladonnae . . . 0,0020 ,,
Extr. Strychni .... 0,0025 „
Extr. Rhei.0,015 „
01. ricini. 0,222 „
D. Tal. Dos. ad Caps, golodurat. No. 50
S. 3raal tägl. nach dem Essen je 1—2 Stück zu nehmen.
Bilifer-Gelodurat, Stärke II.
Rp. Lithii oleinici ..0,2 g
Sonst wie Stärke I.
D. Tal. Dos. 50 ad Caps, gelodurat.
S. Täglich nach den Mahlzeiten 1—2 Stück 2—3 mal zu nehmen.
Die Wirkung der Bilifer-.Gelodurat-Kapseln ist im all¬
gemeinen dieselbe, wie sie meinerseits für die genannte Pille
beschrieben ist (9, 15) doch kommt mitunter auch eine etwas
erhöhte Darmwirkung zustande. Wässeriger Stuhl und Stuhl¬
zahl über zweimal täglich breiig muß vermieden werden.
Die Wahl der Lilhionverbindung der Oelsäure verbürgt
weiterhin eine Beeinflussung der bei „Cholelithiasis
als Stoffwechselkrankheit (16) so häufigen Be¬
gleiterscheinung einer „uratisehen Diathese“, indem
die Uratniederschläge, bekanntlich häufige Kristallisations¬
zentren für spätere Gallensteine, gleichzeitig beseitigt
werden können. Nach den weitgehenden Untersuchungen
Aschoffs und Bacmeisters (11) lagert sich das
Cholesterin bei besonderen .Steinformen in der Gallenblase
fast ständig um einen Uratkem, dessen hohe Bedeutung für
No. 4G.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
das Zustandekommen der Gallensteinbildung, auch in „nur
gestauter GaUe“ damit gekennzeichnet ist.
W as die 1 n d i k a 1 1 o n zur Anwendung der Bilifer-Gelo-
durat-Kapseln anlangt, so jfällt sie zusammen mit der Im |
dikation zur internen Therapie (9, 12 ) bei Cholelithiasis.
Literatur:
1. Zu vergl. u. a. die Sammelwerke: a) Quincke und Hoppe- j
Sey 1 er: Krauütieiten der Leber in Nothnagels Pathologie u. Therapie
Bel. XVlli, Kap. „Cholagoga“, S. 40, 1U7 u. ff. b; Kittsteiner: Krank- i
heiteu der Leber u. Gailenwege. Leipzig 1904, S. 20, 39 u. 11’. Spezial¬
beobachtungen in der folgenden Literatur, iusbes. aes Verfs. reieriert;
PI um: Munoff. med. Wocheuschr., 1895, No. 12; Clemm: Medizin, i
Plätter, 1900, No. 25 u. 2b; Albu: Der gegenwärtige Stand der Chole- i
litlnasistherapie. Zeitschr. f. ärztl. Fortbildung, Febr. 19u8; Wörner: |
Heber Ovogai. Med. Klinik, 1900, H. 21; Schurmayer: Ueber Ovogal., j
Wiener klm. Rundschau, 1903; Pichler und Latz: Lxperim. Studien ,
über Beeinflussung der Ualieuoekretion durch neue Cholagoga I.
Prof, boati Archiv f. Verdauungskrankh, Bd. XV, H. 5, S. 5o7 u. ff. !
und Pd. XVI, H. 3, S. 292 u. ff. (Hier auch eingehendes Literatur¬
verzeichnis.)
2 . Scdürmayer: Ges. Beiträge zur Diagnose ung Behandlung I
der Gallensteinkrankheit und ihrer ivomplikationen, 1910.
3. lvittsteiuer: in i. b.
4. Meitzer: Du Pois Archiv f. Physiologie, 1882; New York Med.
Journ., Maiheft 1899; Magenkolik und Kolik, Archiv f. Verdauungs-
krankheiten, Pd. IX, H. b.
691
5. Doyen: Archiv de Physiologie, 1894.
0. 7. Bandois-Rosemann: Pnysiologie, Pg. 178, S. 329 u. ff.
8. Schürmayer: Neue Gesichtspunkte iu der Diagnose und
Therapie der Cholelithiasis. Vortrag, gehalten aut der 25. Vers, der
Balu. Gesellsch., Aachen 1904. Periente 1904; Allgem. Med. Ceutral-
zeitung, 1904, No. 17.
9. Schürmayer: Ueber innere Therapie bei Cholelithiasis.
Wiener kl in. Rundschau, 1908, No. 18—33.
10. Schürmayer: Pathologische Anatomie u. innere Therapie
bei Cholelithiasiskrauken. Allgem. Med. Ceiitralzeitung, 1910.
11. Aschoff und Pacmeister: Die Cholelithiasis. Jena 1909,
G. Fischer.
12. Siehe 9, Seite 37 u. ff., u. Kukula (Prag): Ueber die chirur¬
gische Tüerapie bei Cholelithiasis. Wiener klm. Rundschau, 1907.
No. 39—40.
13. Buettuer: Prof. Boas’. Archiv f. Verdauungskrankheiten,
Bd. XVI, H. 2, S. 184 u. ff.
14. Schürmayer u. a.: Pathologische Fixation bezw. Lage-
veränderung bei Abdominalorganeu. Fortschritte auf dem Geuiete der
Röntgen strahlen j Oktober l«iU, Pd. V. (Mit Literaturverzeichnis.)
15. Schürmayer: Kritische Betrachtungen auf dem Gebiete der
Gailensteinkrankheit. 111. Kombinierte Therapie bei Cholelithiasis;
Medikamente. Allgem. Med. Ceiitralzeitung, 1908, No. 1(5 u. ff.
lö. Schürmayer: Ist die Choleiitüiasis eineliifektiouskranklieit,
oder ist sie eine Stoffwechselkrankheit der Leber? Therapeutische
Monatshefte, 1910, H. 3 u. 4.
Weitere Arbeiten über Ehrlich-Hata 606.
Dr. Richard Kalb, Assistent der dermatologischen Klinik
des städusenen Kramcennauses zu Frankfurt a. M. benentet
über die Einwirkung cfes E n r 1 1 c h senen Arsenooenzois aut
die Lues aer Kinaer mit Desonderer BerucKsicntigung aer
Syphilis congenita (Wiener Kim. Wochenscnr., laiu, ino. 3uj.
solcher benente liegen bisner nur einige vor. v erlassers f alle
betreuen zwei Kinaer mit Kues acquisita und menrere mit
Lues congenita. Was die Weitung aer Klinischen Symptome
bei Lues acquisita Detriht, so verhalt sie sicn wie Del kues aer
Erwachsenen. Auen nier verscnwinden die Plaques ungemein
rasch, dann lolgt aas Exanthem und an letzter steile die wr.üsen.
Mit aer Wautreaktion verhalt es sich ähnlich wie bei Erwachse¬
nen. Bei Lues congenita senwmaet am rascnesien aas
Exanthem, dann die Knochenveränderungen (Periostitiden) und
Pseudoparalyse, die Koryza kann rasen verscnwinden, Kann
aber aucn langer anhalten. Auen Vertasser neigt zu der An-
sicnt von Taege und Uuhot, daß man die stillende Mutter
mit Arsenobenzoi injizieren soll, wenn dies durchlünrbar ist.
Verfasser konnte bei oen mit Arsenobenzoi behanaelten Säug¬
lingen ohne jegliche Lwiscnemalle gute Resultate ernalten.
Öeur enreulicn ist noen, daß auch bei eienden, atrophischen
siiuglmgen not senweren iviagen-iJarmkaiarrnen, bei aenen
die Anwendung des Quecksilbers keine gleichgültige war, aas
Arsenobenzoi vorzügliche Dienste leistet, zumal aucn das
Körpergewicht und Allgemeinbefinden sicn in jedem f alle zu
neben scheint.
Dr. A. v. Torday berichtet über die Erfolge der Ehrlich-
Hata sehen Behandlung in der l. med. Klinik der Budapestei'
Universität (ibidem;. Verfasser erklärt, daß dem Ehrlich-
schen Mittel kein anderes an die Seite zu setzen ist. Er hat
keine Vergiftungserscheinungen beobachtet. Kontraindiziert
ist die Anwendung des Präparates nach ihm bei Herzkranken,
Leberkranken, Nierenkranken und an Augenhintergrundkrank-
heiten Leidenden. Zuin Schluß bemerkt Verfasser, daß er
vom E hrl i ch-H ata sehen Präparate für Tabes- und Para¬
lysekranke nicht viel erwartet. Wenn aber bei diesen manifest
luetische Erscheinungen vorhanden sind, so kann man als anti¬
luetisches Verfahren die Ehrlich sehe Injektion in Anwen¬
dung bringen, doch möge niemand vom Arsen erwarten, daß es
die zugrunde gegangenen Nervenganglien und Fasern regene¬
riere. Bei Nervenkranken ist große Vorsicht am Platze, da
diese wegen der Schwäche des Gesamtorganismus dem neuen
Arsenpräparat gegenüber empfindlich sind.
Oberarzt Dr. Viktor Reisner (Wien) erstattet in der
„Wiener klin. Rundschau“, No. 39, einen Bericht über 20 mit
Ehrlich - Hata 606 in der dermatologischen Abteilung des
Garnisonspilales No. 2 in Wien behandelte Syphilisfälle. Er
kam bisher stets mit nur einer Injektion des Ehrlich sehen
Präparates aus. Die Nebenerscheinungen waren stets äußerst
geringe. Die Schmerzhaftigkeit 1 war sehr verschieden, sie
hängt nach seiner Meinung stark mit der Individualität des
Patienten zusammen. Im allgemeinen muß man sagen, daß
die Schmerzen nicht allzu heftig sind. Unmittelbar nach der
Injektion konnte K. in keinem einzigen Falle irgendwelche
Schmerzen beobachten, was entschieden von Wichtigkeit ist,
weil daraus der Schluß zu ziehen ist, daß man in Zukunft auch
ambulatorisch die Injektionen wird verabreichen können. Die
Schmerzen setzen gewöhnlich am Abend des zweiten, manch¬
mal des dritten Tages ein, nehmen am nachfolgenden Tage an
Intensität etwas zu, um dann ganz zu verschwinden. Mit der
Verabreichung von Pyramidon 0,3 zweimal, manchmal dreimal
täglich, gelang es Verfasser stets, die Schmerzen auf
ein Minimum herabzuseizen. Die Temperatursteigerungeu
waren aucn sehr versemeaen. ln jedem raüe reagierte aer
Organismus mit einer kleinen Temperatursteigerung, die 38,6
ment ein einziges Mal uoersneg. Das subjektive Bennden der
Patienten war me gestört. Andere RebenwirKimgen Konnte
v erfasser me beobaenten. boiort nacn der Injektion ließ er
neu ivrannen stets auren eine Stunde im Bette aut dem BaucUe
liegen, samtlicne so uenandelten Patienten verließen nach
iunnagiger Bettruhe oune öenmerzen una onne irgendwelche
unangenenmen Sensationen aas Bett, am acuten Tage die An¬
stalt.
Ueber 100 fälle berichtet Dr. Mathias Dobrovits, Primar¬
arzt m Pozsony in der „Wiener Meaizmiscnen Wocnenschr.",
i\o. 4u. Ausgeschlossen von aer Benanaiung waren alle falte
von ErkranKung aer iNiere, aes Herzens, aes Uenirns und
Rückenmarks, aeren ursaene ment aul Sypnilis zurucKzuführen
war. Rur bei zwei fallen maligner sypnilis wurden diese Er¬
krankungen ment berucKsicnligi. Beunruhigende Ersenemuu-
gen, weicne auf Arsenwirkung mngedeutet Hatten, wurden nie¬
mals beobaentet. Die örtücnen Scnmerzen an der injektions-
sieüe waren nach aer individuellen scnmerzemptmalicnKeit
senr versenieden, olt setir bedeutend, menrere Tage annaltend,
on nur auf den- schmerz des Einstiches sich uesenrankend.
Temperatursteigerung trat in manenen Fällen bis zu 38,8“ ein.
Las injektwar m vieien fällen nacn einigen lagen vollkommen
. resorbiert und versenwunaen, m vielen fallen blieb jeooen
eine derbe Infiltration noen wocnenlang bestenen, weicne in
zwei fallen nach vier Wochen zur Eiterung turnte und wo der
Eiter sofort nacn der Inzision positiven Arsennacnweis er¬
gab. ln einem Falle gummöser Hirnsypniiis bildete sich ein
Absceli, nach dessen Entleerung sicn nekrotisches Binde¬
gewebe vordrängte, dessen Untersuchung reicniicn Arsen
zeigte. Auf der Haut beobachtete Verfasser in vier f allen ein
den ganzen Körper bedeckendes polymorphes Erythem, hei
mehreren anderen Kranken zirkumskripte Erytheme der Ell¬
bogen- und Kniebeuge. Dieselben waren senr flüchtig und
meistens m 24 Stunden verschwunden. Die Einwirkung auf die
sichtbaren luetischen Symptome war am auffallendsten und
geradezu überraschend.bei exulcerierten Gummen des Rachens,
uer Haut und der Knochen, am schnellsten bei nässenden
Papeln, exulcerierten Primärsklerosen, bei Oedema indura-
tiv um genitaiium, während die oberflächlichste Hautaffektion,
das Exanthema maculosum, scheinbar langsam verschwand
und ölt noch bestand, wenn das primäre Geschwür gereinigt
und überhäufet war. Das Mittel vernichtet die Spirochaeia
pailida in der Regel in vier bis füllt Tagen. Die positive
Wassermann sehe Reaktion verschwindet meist in der
vierten Woche. Die Einwirkung des Mittels durch die Milch
der Mutter auf den Säugling ist trappaut; in einem Falle über-
häuteten und trockneten die exulcerierten nässenden Papeln
des Afters binnen drei Tagen nach der Injektion in die Haut
des Rückens der Mutter. Das Ehrlich sehe Mittel wird nach
Verfassers Ueberzeugung dauernden Wert behalten.
Bei Lues maligna wurde das neue Mittel von Dr. Forbat,
Regimentsarzt in Szeged, verwendet (ibidem). Zur malignen
Lues zählt F. zwei Formen: solche, die im Frühstadium bereits
mit destruktiven, die Gewebe tiefer durchsetzenden Erschei¬
nungen einhergehen, und solche, die jeder üblichen antilueti-
schen Kur hartnäckig widerstehen. Von der ersten Form
wurden 4 Fälle behandelt. In allen vier Fällen trat prompte
, Heilung ein. Zur zweiten Kategorie gehörten drei Fälle des
692
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 46.
Verfassers. Bei diesen handelte es sich durchweg um aus¬
gebreitete Papeln der Zunge, Tonsillen und Wangenschleim¬
haut. Diese Erscheinungen schwanden regelmäßig in 4 bis
5 Tagen.
Von Dr. Oskar Salomon, Spezialarzt für Hautkrankheiten
in C'oblenz a. Rh., wurden der Behandlung mit Ehrlich-
1-tata 606 folgende Kategorien von Fällen unterzogen: 1. Pa¬
tienten mit Primäraffekten, bei denen die Aussicht bestand,
durch eine einmalige Ehrlich-Hata-Injektion die Syphilis
zu soupieren; 2. Patienten, die eine Idiosynkrasie gegen Hg
gezeigt, oder sich refraktär gegen dieses Mittel verhalten
hatten; 3. maligne Fälle. Es kamen im ganzen bisher 31 Syphi¬
litiker zur Behandlung, von denen sich nur ein Fall refraktär
zeigte. Die Dosis betrug fast in allen Fällen 0,6. Störungen
des Allgemeinbefindens durch die Injektion sah Verfasser fast
gar nicht, nur ganz selten geringe Temperatursteigerungen, die
schnell vorübergingen, nie Erbrechen, nie Albumen im Harn,
oder Zylinder, keine Harnretention, kein Exanthem, keine
Herzschwäche, selbst nicht in den vielen Fällen, in denen ein
Herzfehler bestand; auch die Augen wurden in keiner Weise
beeinflußt. So nahm Verfasser denn auch keinen Anstand,
in der letzten Zeit einige Fälle ambulant zu behandeln. Daß
dies in allen Fällen ohne Beschwerden ging, ist der beste Be¬
weis für die gute Toleranz des Mittels. (Medizinische Klinik,
1910, No. 42.)
Dr. E. Meirowsky (Cöln a. Rh.), hat 80 Fälle von Syphilis
mit dem Hata-Präparat behandelt. Entsprechend den Beob¬
achtungen aller anderen Autoren erwies sich das neue Präpa¬
rat als ein spezifisches Heilmittel der Symptome der Syphilis,
das nicht nur schneller und prompter als Quecksilber wirkte,
sondern auch viele Fälle der Heilung zuführte, in denen auch
durch die ausgiebigste Einwirkung von Jod und Quecksilber
eine solche nicht erzielt werden konnte. Von dieser konstan¬
ten Einwirkung auf den syphilitischen Prozeß war nur ein
einziger Fall ausgenommen, eine Lues maligna, bei der nach
intravenöser Einverleibung von 0,4 auch nicht der geringste
Einfluß auf einen lange bestehenden „Lupus“ syphiliticus er¬
reicht werden konnte. Möglicherweise, sagt Verfasser, ist
dieser Versager nicht durch das Vorhandensein von originär
arsenfesten Spirochätenstämmen bedingt, sondern durch den
Modus der Applikation, bei dem die Ausscheidung des Arsens
anscheinend zu schnell erfolgte, bevor eine Haftung desselben
im Gewebe für längere Zeit erreicht war. In einigen Fällen,
die alle Stadien der Lues betrafen, zeigte sich, daß die zu¬
geführte und resorbierte Arsenmenge offenbar nicht zu einer
kompletten Heilung ausreichte. Die spezifischen Effloreszenzen
bildeten sich bis zu einem bestimmten Grade zurück und wur¬
den erst vollständig resorbiert, nachdem eine zweite Injek¬
tion verabfolgt worden war. Alle durch Spirochäten hervor¬
gerufenen Erkrankungsformen sind der Therapie mit dem
neuen Mittel zugänglich, gleichgültig, an welchem Organe sie
sich abspielen. Auch die Kornea bildet keine Ausnahme. Wir
verdanken, sagt Verfasser, Ehrlich nicht nur die Entdeckung
eines neuen spezifischen Heilmittels. Wie die Versuche von
Ta ege und Duhot gezeigt haben, sind wir auch im Begriff,
unerwartete und neue Einblicke in das Wesen der Abheilung
der Syphilis, in die Bildung spezifischer Immunkörper zu be¬
kommen. So läßt sich die Tragweite der Ehrlich sehen
Entdeckung, die in ihrer heutigen Gestalt vielleicht noch nicht
ihre höchste Vollendung erreicht hat, gar nicht übersehen.
Jedenfalls sind neue Wege beschriften worden, die uns auch
zu neuen Zielen führen werden. (Die Einwirkung des Ehr¬
lich sehen Mittels auf den syphilitischen Prozeß. Medizin.
Klinik, 1910, No. 42.)
Dr. 0. Hermes (Berlin): Ueber Peritonitis infolge Perforation
von Typhusgeschwüren. (Deutsche med. Wochenschr., 1910,
No. 38.)
Im Verlauf des Abdominaltyphus kommen in ungefähr
4—5 pCt. aller Fälle Perforationen vor, vorwiegend in der
zweiten bis vierten Woche, aber auch früher oder später. Die
Perforationen sind meist einfache, selten kommen auch mehr¬
fache vor. Der Sitz der Perforation ist in der Regel das'untere
Ileum, viel seltener die Flexura sigmoidea, das Coecum und
der Wurmfortsatz. Die Typhusperforation mit sekundärer
Peritonitis ist ohne Operation als tötliche Erkrankung anzu- |
sehen, aber auch die Erfolge der chirurgischen Therapie sind
nicht glänzend, etwa 30 pCt. der operierten Fälle sind geheilt
worden. Was die Diagnose der Perforation anlangt, so ist das
deutlichste Zeichen der plötzlich auftretende, überaus heftige
Leibschmerz, der entweder diffus im Leib, oder aber häufiger
in der rechten Unterbauchgegend lokalisiert wird; dazu tritt
häufig Erbrechen, beschleunigte thoracale Atmung, kleiner, be¬
schleunigter Puls; der Leib ist bei der Palpation enorm druck¬
empfindlich, rasch stellt sich auch erhebliche Rigidität der
Bauchdecken ein. Doch nicht immer sind die Erscheinungen
so charakteristisch, häufig sind die Symptome sehr unklar. Die
frühzeitige Diagnose der Perforation ist sehr wichtig, denn je
schneller nach eingetretener Perforation eingegriffen werden
kann, um so günstiger sind die Aussichten der Operation; im
Zweifelsfalle ist eine Probelaparotomie zu machen. Als Er¬
läuterung dieser allgemeinen Grundsätze berichtet Verfasser
über drei von ihm im Rudolf-Virchow-Krankenhause zu Berlin
beobachtete Fälle. Im ersten Falle handelte es sich um einen
23 jährigen Mann, bei welchem im Verlauf eines Typhus ambu-
latorius etwa am Ende der dritten Woche die Perforation ein¬
trat; da der Kranke erst mit Einsetzen der, intensiven Leib¬
schmerzen in ärztliche Behandlung sich begab und ins Kranken¬
haus eingeliefert wurde, konnte mit Sicherheit nur die Dia¬
gnose auf Perforationsperitonitis gestellt werden, wobei eine
Peritonitis nach Appendicitis als wahrscheinlich angenommen
wurde, der auch der speziellere Befund durchaus entsprach.
Nur eine gewisse Benommenheit des Pat. ließ auch an ein
perforiertes Typhusgeschwür denken. Bei der Operation zeigte
sich dann, daß es sich um ein perforiertes Typhusgeschwür an
der typischen Stelle, nicht weit von der Bauhin sehen Klappe,
handelte. Vorher war der makroskopisch unveränderte Wurm¬
fortsatz abgetragen worden. Die Perforationsöffnuug wurde
durch einige Seidenknopfnähte geschlossen, die Bauchhöhle mit
25 Litern steriler NaCl-Lösung ausgespült und darauf vollständig
durch Etagennähte geschlossen. Abgesehen von einer Bauch¬
deckeneiterung war der Verlauf gut, so daß der Patient nach
etwa 10 Wochen geheilt entlassen werden konnte. — Im Gegen¬
satz zu diesem Fall verlief bei dem zweiten, 28jährigen
Kranken die Perforation. Hier traten bei nur ganz unwesent¬
lich gestörtem Allgemeinbefinden im Anschluß an die erste
Darreichung etwas konsistenterer Nahrung leichte Kolik¬
schmerzen im Leib auf, ohne daß irgendwelche stärkere Er¬
scheinungen von Peritonitis sich zeigten. Bei ganz leichtem
allgemeinem Meteorismus entwickelte sich allmählich eine
Resistenz in der rechten Unterbauchgegend, die anfangs nur
undeutlich palpabel, sich später weit nach der linken Seite
hinüber erstreckte. Bei der Operation wurden drei große ab¬
gekapselte Abscesse eröffnet, einer auf der rechten Seite,
oberhalb des Poupartsehen Bandes, der zweite im linken
kleinen Becken, der dritte im linken Hypochondrium. Breite
Tamponade sämtlicher Wundhöhlen.. Es trat glatte Heilung
ein. In diesem Falle kann man nur retrospektiv aus der intra-
peritonealen Absceßentwicklung den Schluß ziehen, daß eine
Perforation eingetreten war. Der dritte Fall betrifft einen
30 jährigen Kranken, welcher im Verlauf eines bakteriologisch
sichergestellten Typhus plötzlich unter den Erscheinungen
einer Perforation erkrankte und operiert wurde, bei dem aber
nach Eröffnung der Bauchhöhle sich ein negativer Befund er¬
gab. Nur der Wurmfortsatz wurde abgetragen, der sich bei der
Untersuchung als ohne wesentliche Veränderungen heraus¬
stellte. Auch in diesem Falle trat Heilung ein. In der Lite¬
ratur sind eine Anzahl ähnlicher Erfahrungen niedergelegt,
wo ebenfalls unter dem dringenden Verdacht akuter Perfo¬
ration operiert wurde, ohne daß etwas Pathologisches gefunden
wurde; eine einigermaßen befriedigende Erklärung ließ sich,
wie auch im vorliegenden Falle, für das Eintreten der Pseudo¬
perforation nicht geben.
Prof. Dr. G. Helling (Dresden): Ueber callöse Magengeschwüre.
(Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 38.)
Verfasser bespricht auf Grund seiner Erfahrungen an einer
größeren Zahl operativ behandelter Fälle die Diagnose, Patho¬
genese und Therapie der callösen Magengeschwüre. Während
beim Ulcus Simplex ventriculi, bei welchem wie mit einem
Locheisen die Schleimhaut herausgeschlagen erscheint, der
Geschwürsgrund glatt, der Rand scharf, eventuell leicht ge¬
schwellt, aber nicht besonders verdickt und verhärtet ist, ist
beim Ulcus callosum das Geschwür kraterförmig, die Wandung
auffällig verdickt und verhärtet, die Größe verschieden,
von dem Querschnitt einer Kirsche bis zu dem einer Orange
und mehr. Mikroskopisch liegt eine Bindegewebsvermehrung
vor, hauptsächlich in der Submucosa, aber mitunter auch alle
Schichten der Magenwand durchsetzend und fibrös um¬
wandelnd. Dabei besteht in wechselndem Grade eine Ver¬
mehrung von Rundzellen. Soweit die Magenwand verhärtet
ist, besteht eine Endarteriitis, welche namentlich die kleinen
Gefäße obliteriert. Dringt das callöse Geschwür in die Nach¬
barorgane ein, so entsteht das „callöse penetrierende“ Ge¬
schwür. Für die Entstehung des bindegewebigen Callus ist
hauptsächlich die Salzsäure des Magens verantwortlich zu
machen. Man kann nach Verfasser kein callöses Ulcus des
Magens diagnostizieren, ohne freie Salzsäure im Magen nach-
gewieseu zu haben. — In klinischer Beziehung bespricht Ver¬
fasser zunächst das Alter, in dem die callösen Geschwüre vor¬
zugsweise Vorkommen. Während das gewöhnliche Magen¬
geschwür vorzugsweise im dritten Lebensjahrzehnt vorkommt,
ist das Alter, in welchem callöse Ulcera zur Beobachtung
kommen, höher, durchschnittlich 41—42 Jahre. Während
ferner beim einfachen Ulcus das weibliche Geschlecht
bei weitem überwiegt, kommt das callöse Ulcus bei Männern
und Frauen annähernd in gleicher Häufigkeit zur Beobachtung.
— Während beim Ulcus Simplex häufig Remissionen auftreten,
sind beim Ulcus callosum die Beschwerden mehr chronisch,
ziehen sich über viele Monate und; auch Jahre hin und treten,
No. 46.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
693
wenn auöh in ihrer Intensität wechselnd, fast jeden Tag auf.
Der Schmerz beim callösen Ulcus ist intensiv, bohrend, nagend,
brennend, er strahlt nicht selten nach dem Rücken und dem
Rippenbogen aus. Er tritt besonders zur Zeit der Digestion
auf, wenn die Salzsäure im Magen vermehrt ist, es kann aber
auch kontinuierlicher Schmerz bestehen. Erbrechen ist sehr
häufig (80 pCt. der Fälle). Die Schmerzen und Erbrechen
bedingen die starke Abmagerung, die Patienten mit callösem
Geschwür zeigen. Blutungen kommen in etwa der Hälfte der
Fälle vor. P a 1 p a b e 1 ist das callöse Geschwür in etwa
'/* der Fälle. Mitunter läßt sich durch die Palpation auch ein
Eindringen des callösen Geschwürs in die Nachbarorgane fest¬
stellen. Eine Differentialdiagnose gegenüber Ulcus-Carcinom
läßt sich im allgemeinen nicht stellen. Bestehen intensive
Schmerzen, lassen sich Blutungen in der Anamnese nach-
weisen. heilen die Geschwüre trotz zweckmäßiger interner
Behandlung innerhalb mehrerer Monate nicht aus, so kann
man mit einiger Wahrscheinlichkeit ein callöses Geschwür
annehmen. Was die Behandlung anlangt, so kommt, wenn die
interne Therapie nutzlos geblieben ist, nur die Operation in
Frage, und zwar entweder die Resektion oder die Gastro¬
enterostomie. Von 51 Fällen des Verfassers entfallen auf die
Resektion 11 (mit Todesfällen und acht carcinomatös ent¬
arteten), 39 auf die Gastroenterostomie; einmal wurde die
Pyloroplastik gemacht. Auch unter den 39 gastroenterosto-
mierten Fällen entfallen acht mit Carcinom. Durch die Gastro¬
enterostomie kamen, wenn man die carcinomatösen Fälle aus¬
scheidet, zirka ”/m zur Ausheilung. Für penetrierende Ulcera,
welche in die Leber oder das Pankreas gehen, ist die Gastro¬
enterostomie zu bevorzugen. Die Hauptgefahr des callösen
Ulcus liegt in der carcinomatösen Degeneration. Deswegen
sind derartige Patienten möglichst rechtzeitig der chirurgischen
Behandlung zuzuführen.
Prof. Dr. R. Goldschmidt (München): Ueber Askarisvergiftung.
(Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 38.)
Auf Grund von Erfahrungen am eigenen Leibe sowie an
einer Reihe von anderen Personen teilt Verfasser mit. daß
häufig Personen, welche — meist zu wissenschaftlichen
Zwecken — mit lebenden Askariden zu tun haben, an ge¬
wissen Krankheitserscheinungen erkranken, welche schon
durch die Ausdünstung der Askariden hervorgerufen werden.
Es ist bekannt, daß lebende Askariden, noch mehr auf-
geschnittene Tiere, einen sehr widerwärtigen Geruch aus¬
strömen, der sich, wenn auch in vermindertem Maßstab, auch
in Spiritus erhält und in diesen übergeht. Diese Ausdünstung
der Askariden übt nun offenbar auf die Schleimhäute mancher
Personen eine schädliche Einwirkung aus; es kommt besonders
zu Nasen-, Rachen und Kehlkopfkatarrh, Bronchitis, richtigen
Asthmaanfällen, heftiger Conjunctivitis, mit anderen Worten,
zu einem Symptomenkomplex, welcher mit dem Heufieber eine
gewisse Aehnlichkeit hat und in manchen Fällen ziemlich hart¬
näckig ist. Es gibt auch Menschen, welche gegenüber diesem
schädlichen Stoff ziemlich immun sind, ferner scheint ein¬
maliges Arbeiten mit den Tieren häufig nicht zu schaden, da¬
gegen scheint die Empfindlichkeit gegenüber dem schädlichen
Agens mit der zunehmenden Häufigkeit und Dauer der Be¬
rührung zuzunehmen. -- Wenn der Askariskörpersaft direkt
mit Schleimhäuten in Berührung kommt, ist die Wirkung noch
viel heftiger. In einem Falle hob sich danach die Conjunctiva
in Blasen ab, eine Erscheinung, welche glücklicherweise nach
einem Tag wieder zurückging. Typisch ist ferner der Unter¬
schied zwischen der Ascaris lumbricoides des Schweins und
des Menschen und der Ascaris megalocephala des Pferdes.
Letztere ist nämlich noch viel giftiger als erstere. Es gibt sogar
Personen, welche gegen Ascaris lumbricoides völlig immun
sind, während Ascaris megalocephala bei ihnen schwere Er¬
scheinungen hervorruft. . Die Natur der giftigen Substanz in
den Askariden ist noch nicht bekannt.
Dr. A. Savels (Cöln): Zur Kasuistik der Nitrosenvergiftuug
durch Inhalation von salpetriger Säure. (Deutsche med.
Wochenschr., 1910, No. 38.)
Verfasser berichtet über eine Massenvergiftung durch
Dämpfe von salpetriger Säure. In einer Fabrik war ein mit
Salpetersäure gefüllter Kolben zerbrochen, und die Flüssigkeit
ergoß sich über eine Treppe in einen Keller. Um die aus-
getlossene Salpetersäure, aus der sich die salpetersauren
Dämpfe stürmisch entwickelten, unschädlich zu machen, wurden
fehlerhafterweise statt Sand Sägespäne in die Säure ge¬
schüttet, wodurch die Produktion der giftigen Dämpfe noch
vermehrt wurde. Einige Personen eilten herbei, uni das ent¬
standene Feuer zu löschen, und bei dieser Gelegenheit atmeten
sie längere Zeit die sich bildenden Dämpfe ein. Es waren im
ganzen sieben Angestellte sowie ein Teilhaber der Fabrik, die
bis zu 1 (4 Stunden in der mit Dämpfen erfüllten Luft arbeite¬
ten. Von diesen Personen erkrankten vier in leichterer Weise,
es zeigten sich nur geringe bronchitische Erscheinungen und
nach acht Tagen resp. noch früher konnten diese vier Personen
die Arbeit wieder aufnehmen. Der fünfte Verunglückte erlag
nach 11 Stunden, der sechste nach sieben Stunden der all¬
gemeinen schweren Vergiftung, hier war es zu erheblichen
lokalen Erscheinungen noch nicht gekommen. Der siebente
ging nach zwei Tagen unter den Erscheinungen eines akuten
Lungenödems zugrunde. Bei dem achten Patienten führten
ausgedehnte pneumonische Infiltrationen und Herzschwäche
den tötlichen Ausgang nach sieben Tagen herbei. Die wesent¬
lichsten Erscheinungen bei den Verunglückten waren also
Symptome des Respirationstraktus: Hochgradige Dyspnoe,
Cyanose, Lungenödem und Pneumonie, daneben Herzschwäche,
geringe Störungen des Sensoriums und vorübergehende Deli¬
rien; es sind dies diejenigen Erscheinungen, welche sich auch
bei den meisten in der Literatur berichteten Fällen finden.
Theoretisch sollen als Giftwirkung bei der Inhalation von
salpetrigsauren Dämpfen dreierlei Faktoren in Betracht
kommen: 1. das durch die direkte Schädigung der Bronchial-
und Alveolenschleimhaut hervorgerufene Lungenödem, 2. die
Veränderungen des Blutes, das in seiner Alkaleszenz sehr her¬
abgesetzt ist, 3. die Schädigung des Zentralnervensystems, be¬
wirkt entweder durch die toxischen Eigenschaften der salpetri¬
gen Säure selbst oder durch das veränderte Blut. — Was die
Therapie anlangt, so wiyd als besonders wirksam empfohlen:
Aderlaß mit nachfolgender Infusion von physiologischer Koch¬
salzlösung, reichliches Trinken alkalischer Wässer, Einatmun¬
gen von verdünntem Ammoniak, Sauerstoffeinatmungen. Gegen
die Herzschwäche werden die bekannten Tonica angewandt.
In den chemischen Fabriken soll die Vorschrift bestehen, wenn
jemand derartige Dämpfe eingeatmet hat, 3—5 Tropfen Chloro¬
form, in einem Glase Wasser gelöst, alle 10 Minuten zu nehmen,
so daß der Betreffende in der Zeit von 1—2 Stunden etwa die
Maximaldosis, 1,5 g eingenommen hat. Das Chloroform soll
die Reizung der feinsten sensiblen und motorischen Nerven¬
endigungen im Gebiete des Respirationstraktus verhindern.
Dr. Strempel (Barmen): Ein Kall von irreponibler Luxation
des Zeigefingers im Metakarpo-Phalangealgelenk. (Münch.
med. Wochenschr., 1910, No. 38.)
Von Zeigefingerluxationen finden sich nicht viele Fälle in
der Literatur, Verfasser berichtete deswegen über einen von
ihm beobachteten Fall, welcher einiges Interesse bietet. Ein
sechsjähriger Knabe war auf die rechte Hand gefallen und zog
sich dadurch eine dorsale Luxation des rechten Zeigefingers
zu. Auf dem Handrücken war 1 cm proximal von der Meta-
karpophalangealgelenkslinie deutlich unter der Haut die Ge¬
lenkfläche der Basis des Grundgliedes des rechten Zeigefingers
zu tasten. In der Hohlhand ragte, in der Höhe der Gelenk¬
linie, aber etwas daumenwärts verschoben, direkt unter die
Haut das Köpfchen des zweiten Mittelhandknochens. Vorsich¬
tige Repositionsversuche, auch in Narkose, waren vergeblich.
Deshalb schritt Verfasser zur operativen Beseitigung der
Luxation. Es wurde eine zirka 4 cm volare Inzision über dem
Köpfchen des zweiten Metakarpalknochens angelegt. Unter
Schonung der Beugesehnen durch Beiseiteziehen wurde das
Köpfchen freigelegt; dieses war durch einen Längsriß der Ge¬
lenkkapsel herausgetreten und wurde von ihr knopflochartig
umspannt gehalten. Nach leichter Einkerbung der Kapsel ließ
sich diese über das Köpfchen zurückziehen, doch gelang auch
jetzt die Reposition noch nicht völlig. Als Grund fand sich nach
weiterer Inzision der Kapsel ein schrotkorngroßes, vom dor¬
salen Teil der Gelenkfläche des Metakarpalköpfchens ab¬
gesprengtes Knorpelstückchen, nach dessen Exstirpation die
Reposition glatt und vollständig gelang. Nach Resektion von
Kapselteilen und Naht der Kapsel durch vier Katgutnähte
Schluß der Wunde und fixierender Verband bis ans Endglied
der Finger, die frei bleiben. Glatter Verlauf. Nach 10 Tagen
wird der Knabe geheilt entlassen. Der Zeigefinger steht
normal und ist, bis auf eine Beschränkung der Bewegung, in
normalen Grenzen beweglich.
3
Dr. H. Töpfer (Friedenau): Zuin vaginalen Kaiserschnitt.
(Deutsche med. Wochenschr., 1910, No. 38.)
Verfasser berichtet in dieser Mitteilung über vier Fälle,
in denen er unter einfachen Verhältnissen im Privathause
unter Assistenz von Hebamme und Krankenschwester (einmal
auch eines Kollegen) mit gutem Erfolg für die Mutter und
Kinder den vaginalen Kaiserschnitt ausgeführt hat. Verfasser
will damit zeigen, daß ein Geburtshelfer, der auch schwierigere
geburtshilfliche Fälle zu behandeln versteht und sich chirur¬
gisch zu betätigen weiß, wenn eine Indikation zum schnellen
Eingriff vorliegt, auch unter ungünstigen äußeren Verhält¬
nissen den vaginalen Kaiserschnitt ausführen kann. Selbstver¬
ständlich muß er diese Operation vorher am Phantom, an der
Leiche oder an der Lebenden unter richtiger Anleitung geübt
haben. Die Operation ist im allgemeinen nicht schwer, die
Blase läßt sich leicht abschieben, und selbst bei Placenta
praevia operiert man blutleer, wenn man die neuerdings von
Dührssen angegebene, durch Einführung des Metreu¬
rynters vereinfachte Technik des vaginalen Kaiserschnittes an-
694
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 46.
wendet. Verfasser hat selbst auch bei einem Fall von Placenta
praevia den vaginalen Kaiserschnitt auf dem Metreurynter fast
blutleer ausgeführt. Außer dieser die Gefäße komprimieren¬
den Wirkung des Metreurynters, an dem ein kräftiger Zug aus¬
geübt werden kann, wodurch wiederum ein Anlegen und Aus-
reißen der Kugel- oder Krallenzange vermieden wird, gibt der
Metreurynter einen Maßstab für die Art und die Länge der in
die Cervix zu legenden Schnitte. Gleitet der Metreurynter
nach der Spaltung der vordersten Cervixwand aus der Uterus¬
höhle heraus, so genügt die Oeffnung. um das Kind zu ent¬
wickeln. Genügt die Colno-Hysterostomia anterior aber nicht,
so muß auch die hintere Cervixwand gespalten werden, bis der
Ballon herausspringt. Ein Weiterreißen der Schnitte ist dann
ausgeschlossen, da der Umfang des Ballons ungefähr dem des
kindlichen Kopfes entspricht. Der Operateur kennt genau den
Anfang und das Ende seiner Schnitte und kann sie sich zwecks
Vemähung leicht freilegen. R. L.
Dr. Fr. Marre tParisl: Ein Beitrag zur Frage des Einflusses
akuter Infektionskrankheiten auf die Milchsekretion.
(Revue d'hygiene et de medecine infantiles, Bd. IX. H. 4.)
In Frankreich läßt man nach Rogers Vorgang im all¬
gemeinen Frauen, die an einer akuten Infektionskrankheit von
voraussichtlich kurzer Dauer erkranken, weiter stillen, wäh¬
rend man bei langdauernden Erkrankungen (Typhus) rasch
abstillen läßt. Die Gesamtmenge der produzierten Milch
nimmt während des Fiebers ab und die Zusammensetzung der
Milch ändert sich. Verfasser hat bei der chemischen Milch¬
analyse akut erkrankter Frauen (vier Fälle) ein Absinken des
Zuckergehaltes festgestellt während er eine Zunahme des
Fettes. Kaseins und der Salze fand. Er hat weiter Differenzen
in dem gleichen Milchbestandteilen bei verschiedenen Infek¬
tionen nachgewiesen (Influenza. Scharlach. Masern). Da man
bei dem Herabgehen der gesamten Milchmenge zur teilweisen
künstlichen Ernährung greifen muß. so empfiehlt sich hierbei
auf die gefundenen Tatsachen Rücksicht zu nehmen, also z. B.
die Milchzuckerzugabe größer zu machen. Vielleicht, meint
der Verfasser, werden wir in Zukunft, wenn erst mehr Unter¬
suchungen vorliegen, die Säuglingsnahrung bei künstlicher Er¬
nährung für die einzelnen Infektionskrankheiten in ganz be¬
stimmter Weise zusammenstellen, vorausgesetzt, daß die er¬
krankte Mutter noch teilweise weiter stillt, was man ja heute
allgemein erstrebt. R.
Dr. A. Calmann (Hamburg): Myom und Glykosurie. (Münch,
med. Wochensehr., 1910, No. 68.)
Vor kurzem hat Henkel über drei Fälle berichtet, in
denen nach Operation großer Tumoren zweier Myome und einer
stielgedrehten Ovarialcyste eine vorher bestehende Glvkosurie
verschwand. Er folgerte daraus, daß Tumorbildung im weib¬
lichen Genitale Glvkosurie auslösen kann, die nach Entfernung
der Ursache in Heilung übergeht. Einen experimentellen Be¬
weis für die Richtigkeit dieser Auffassung beizubringen gelang
ihm aber nicht. Henkel definiert diese Glykosurie als eine
spezifische Intoxikation durch Stoffwechselprodukte aus
den Tumoren, er hält sie für eine Indikation zur Entfernung
des Tumors ohne vorbereitende antidiabetische Behandlung.
Verfasser hatte nun Gelegenheit, zwei Fälle zu beobachten,
welche zum Teil wenigstens dieser Auffassung widersprechen.
In dem ersten Falle, bei einer 54 jährigen Frau, bestand eine
geringgradige Glykosurie (0 3 pCt.); auch nach der Exstirpation
des kindskopfgroßen von mehreren Mvomen durchsetzten
Uterus bestand diese Glvkosurie weiter. Ein halbes Jahr nach
der Operation fand sich bei der Patientin M> pCt. und I 1 /? Jahre
später % pCt. Zucker im Urin bei sonstigem Wohlbefinden
und gewöhnlicher Kost. In dem zweiten Falle, bei einer
43 jährigen Nullipara mit einem maimskopfgroßen Myom, fand
sich vor der Operation 0 1 pCt. Dextrose im Urin. Am zweiten
Tage nach der supravaginalen Amputation (mit Erhaltung der
Adnexe) enthielt der Urin sogar 2V>. pCt. Zucker und auf reich¬
liche Kohlehydratzufuhr sogar 4. pCt. Vom 10. Tage an strenge
Kohlehydratentziehung, darauf wurde die Patientin in vier
Tagen zuckerfrei. Sie ist jetzt, nach vier Monaten, noch zucker¬
frei ohne besondere Diät. Nach Verfasser ist es zweifelhaft,
wenigstens für den ersten Fall, ob der Tumor überhaupt die
Glykosurie erzeugt hatte, sicher ist, daß die Indikation zur
Operation durch die Glykosurie allein nicht gegeben ist. ferner
aber zeigen diese Fälle, daß die Glykosurie auch keine Kontra¬
indikation gegen die Operation darstellt, ferner, daß keine vor¬
bereitende Behandlung nötig ist.
Dr. M Ilayashi (Breslau-Tokio): Experimentelle Untersuchun¬
gen über die Infektionsfähigkeit des Auges bei Diabetes
und die bactericide Wirkung des diabetischen Blutserums
auf Eitererreger, (v. Graefes Archiv für Ophthalmologie,
1910, Bd. 76, H. 1.)
Bei seinen in der Universitätsaugenklinik zu Breslau an-
gestellten Untersuchungen kam Verfasser zu folgenden Er¬
gebnissen: Ein Zuckergehalt von 0,3—0,5 pCt.. wie er in den
Geweben beim Diabetes vorhanden zu sein pflegt, erleichtert
die Ansiedelung und das Wachstum der Eiterkokken und
steigert ihre Virulenz. Durch Amylnitrit- und Adrenalin¬
injektionen gelang es Verfasser Kaninchen, durch Pankreas¬
exstirpation Hunde diabetisch zu machen. Die mit den diabe¬
tischen Tieren vorgenommenen Vorversuche ergaben, daß die
Eiterkokken im diabetischen Gewebe besser als in normalem
gedeihen und noch an Pathogenität gewinnen, so daß z. B. eine
subkutane Einspritzung einer Staphylokokkenkultur einen
großen Absceß hervorruft, während normale Konfrontiere an¬
standslos die gleiche Kulturmenge resorbieren. Beim natür¬
lichen Diabetes sind auch die im Blute kreisenden Produkte
des abnormen Stoffwechsels (Aceton. Acetessigsäure, Milch¬
säure. Oxybuttersäure etc.) in Betracht zu ziehen, die auf das
Gewebe schädigend wirken und dasselbe für Infektioneu
empfänglicher machen. Die- bactericide Wirkung des Blut¬
serums beim Adrenalindiabetes des Kaninchens und beim
Pankreasdiabetes des Hundes ist erheblich schwächer als die
des normalen Serums. Beim menschlichen Blutserum ist
dieser Unterschied nicht so deutlich, wie beim Versuchstier.
Allerdings konnte Verfasser nur fünf Fälle von leichtem
Diabetes darauf prüfen. Soweit man aus Tierexperimenten
auf den Menschen schließen kann, ist für das Auge des Diabe¬
tikers eine Operationsinfektion leichter zu erwarten, als beim
Gesunden. Wenn auch auf Grund dieser Ergebnisse eine tun¬
lichste Herabsetzung des Zuckergehalts im Urin vor der Kata¬
raktextraktion beim Diabetiker als wünschenswert bezeichnet
werden muß so lehrt doch die Erfahrung, speziell auch die
Uhthoffsche Ooerationsstatistik von 115 diabetischen Kata¬
raktoperationen. daß die Forderung einer vollständigen Ent¬
zuckerung des Patienten vor der Operation nicht aufrecht er¬
halten zu werden braucht, ia nicht einmal im strengsten Sinne
aufrechterhalten werden darf. Die Einführung einer allzu
rigorosen antidiabetischen Diät, um vollständige Entzuckerung
vor der Operation zu erzielen, ist nach Uhthoff u. a. sogar
oftmals direkt zu widerraten, da das Allgemeinbefinden und
der Kräftezustand des Patienten dadurch gelegentlich recht un¬
günstig beeinflußt werden kann und dadurch die Operations-
chancen mehr verschlechtert werden, als eventuell durch eine
Verminderung der Infektionsgefahr gewonnen wird. Da aber
bei dem Diabetiker eine erhöhte Prädisposition für infektiöse
Vorgänge vorhanden ist. also eine leichtere Infektionsfähigkeit
gegenüber Mikroorganismen bei der Operation besteht, müssen
die Augenoperationen, insbesondere Starextraktionen beim
Diabetiker unter möglichst strenger Asepsis vorgenommen
werden.- R. L.
If. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Verein für innere Medizin nml Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“.)
Außerordentliche Sitzung vom 31. Ok¬
tober 1910.
Vorsitzender: Herr B i e s a 1 s k i.
Vorstellung von Kindern mit schlaffen und spastischen Läh¬
mungen liebst Bemerkungen über die heutige orthopädisch-
chirurgische Behandlung dieser Krankheiten
Herr Biesalski: Kinderheilkunde und Orthopädie gehören
in großem Umfange zusammen; letztere hat es mit den Folge¬
zuständen des akuten schweren Stadiums, das die Kinderärzte
zu behandeln hatten, zu tun. Dahin gehört vor allem die
schwere Poliomyelitis. Der erste Kranke, ist eine hilf¬
lose Masse Fleisch, der 12 Jahre auf dem Dorfe gelegen hat
und dabei die Schule besuchte und mit Einreibungen behandelt
wurde. Es bestehen Lähmungen von den Zehen bis zu den
Schulterblättern: die Bauchmuskulatur ist gelähmt, ebenso
viele Teile der Handmuskulatur, z. B. Adductor pollicis (Affen-
hand). Es ist nicht schwer, ihn so in Apparate zu pressen, daß
er steht; das ist ein Kunststück, keine Behandlung. Denn
dann kann er sich nicht weiterbewegen. Vortr. will zunächst
nur die Osteotomie des Oberschenkels vornehmen, es soll dem
Pat. ein Wagen gekauft werden. Er flicht Stühle und wird all¬
mählich sein Brot damit verdienen. Denn die Krüppelanstalt
ist nicht blos Klinik, sondern ein Komplex, in dem diese Ab¬
teilung nur ein Hilfsmittel ist: sie soll die Krüppel erwerbs¬
fähig machen. Dazu bestehen Klinik. Schule mit drei Klassen,
Hilfsklassen, Fortbildungsschule und Handwerksstuben (Schuh¬
macherei. Schlosserei. Buchbinderei, Schneiderei und Buch¬
halterei, für die Mädchen Einrichtungen für Sticken, Nähen,
Weben etc.).
Der zweite Fall ist ähnlich, aber nicht so schwer gelähmt.
Pat. kann die Beine etwas bewegen und ist in Apparate ge¬
steckt. außerdem ist er operiert worden; es wurde die Quadri-
ceps-Plastik gemacht; sie ist nicht gelungen, weil die Musku¬
latur schwach und fettig entartet ist, daher wurde die Arthro¬
dese des Hüftgelenks angeschlossen. Durch Schiene und
Stützkorsett bringt man den Kranken zum Gehen.
Nun versucht man die Lähmungen operativ zu beein¬
flussen, entweder durch Plastik an den Muskeln oder durch
No. 40.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
695
Verödung und Versteifung schlotternder Gelenke. Wesentlich
ist bei der Arthrodese z. B. des Fußgelenks der T-Schnitt, der
über den Fußrücken und an der Vorderseite des Unter¬
schenkels geführt wird und sämtliche Extensoren durch¬
schneidet, das Gelenk öffnet. Dann bohrt man in die Tibia
einen Kanal und zieht die Sehnen durch und vernäht sie sub¬
periostal, dann wird das ganze geschlossen. Dadurch kommt
der Fuß gut zu stehen; der ganze Vorderfuß ist erhoben. Es \
ist eine gewisse Beweglichkeit vorhanden, die sich auf die I
Verbindung des Talus mit den übrigen Fußwurzelknochen be¬
zieht. Außerdem wurde bei diesem Kranken eine Knie¬
gelenksarthrodese ausgeführt. Der . Knabe hat nun statt des
schlaffen Beines einen Stock in der Hüfte, aber er ist vom
Apparat befreit. Die Apparate sind teuer, müssen repariert
werden und die Kinder sind damit schlechter daran. Sie
müssen freilich noch ein Jahr den Apparat tragen.
Der andere Knabe hat eine Quadriceps-Plastik bekommen.
Die Sehnen-Verpflanzungen haben einen bösen Feind; das
sind die Verwachsungen. Nun kann der Muskel seine Wirkung
nicht mehr ausüben. Es ist alles versucht worden. Vortr. hat
die Sehnenscheiden-Auswechselung vorgeschlageu, die in der 1
Tat recht Gutes zeitigt. Bei dem Knaben mit doppelseitigem
Plattfuß und Lähmung des Tibialis anticus wurde der Tensor |
hallucis longus abgeschnitten, sein distales Ende an den Ex-. |
tensor communis angehängt; das proximale Ende wird heraus- [
gezogen, ebenso der Ansatz des Tibialis anticus; an den Faden i
des letzteren wird der Extensor befestigt. Dann liegt der Ex- j
tensor in der Sehnenscheide des Tibialis anticus der letztere
wird weggeschnitten. Das Kind hat ietzt einen physiologischen
Tibialis anticus. Die Wunde wird geschlossen. Das Kind
kann jetzt supinieren.
Es folgt ein Knabe mit paralytischem Klumpfuß: hier will
Vortr. den Klumpfuß redressieren; mit einem Nagel wird der
Calcaneus herumgedreht. Er nimmt den Flexor hallucis lon¬
gus; derselbe wird am inneren Fußrande herausgezogen, dann
sucht man die Insertion des Peroneus brevis; dieser wird durch¬
schnitten und herausgezogen, dann zieht man den Flexor
hallucis in die Sehnenscheide des Peroneus hinein. Nun muß
er pronieren können.
Von den L i 111 e sehen Fällen ist ein seltener Fall von
Kombination mit Poliomvelitis zu nennen. Rechts besteht
Little: starke Reflexsteigerung, zuweilen Fußklonus. typi¬
scher Babinskireflex; der Klumpfuß ist redressiert; links ist
Poliomyelitis und deswegen Arthrodese ausgeführt worden.
Der zweite Littlesche Fall zeigt starken Spasmus der
Beine. Seine Beseitigung war bisher eine große Frage für die
Klinik gewesen: man hat die Adduktoren blutig durchtrennt.
Vortr. durchtrennt die Achillessehnen, die Flexoren. Adduk¬
toren und Tensor fasciae latae und legt dann auf acht Tage
Gipsverbände. Die Resultate sind gut. Nun ist die Förster-
sche Operation aufgekommen. Von den zwei so operierten
Fällen des Vortr. ist der eine gestorben, weil das Kind nach der
Desinfektion mit Jodtinktur ein eitriges Ekzem und Sepsis be¬
kam. Wenn die Rückenmarkswurzeln durchschnitten. sind. [
gehen die Kinder immer noch mühselig aber viel besser als
früher. Jede aktive Bewegung war vorher unmöglich. Jetzt
kann das Mädchen die Beine spreizen und schließen, erheben, |
krümmen und strecken (unter Mitbewegung der Arme); be¬
sonders kann sie aber jetzt den Fuß ohne Mitbewegung des
Schenkels strecken und beugen. Die Forst ersehe Opera¬
tion ist nur bei den schwereren Fällen indiziert; zuerst soll
man alle anderen Mittel versuchen.
Der letzte Fall ist ein Little mit sehr schwerer Athetose; |
der Spasmus erstreckt sich bis auf die Zunge, Gesichtsmusku¬
latur und den Schlund. Auch hier wurden Muskeldurch-
trennungen ausgeführt und der Kranke im Soreizbett be¬
handelt. Es sind unglückliche Fälle, weil die Forst ersehe
Operation die Athetose nicht beseitigt. Es sind das alles schon
5—10 Jahre alte Fälle; auch bei ganz alten Leuten, z. B. nach
Hemiplegien, kann so verfahren werden.
Werdegang eines Schienenhiilsenapparates.
Herr Wiercziewski: Die Apparate sind zur Erhaltung der
Operalionsresultate nötig; doch ist dazu eine orthopädische
Werkstatt erforderlich. Wie entsteht ein Schienenhülsen¬
apparat? Das erste ist der Abguß von Becken und Bein: man
umwickelt die Partien der Haut mit Gipsbinden, schneidet im
Erhärten die letzteren auf und löst den Gipsverband ab. den
man ausgießen kann. Auf das Positiv wird der ganze Apparat
aufgearbeitet. Teilgares Walkleder welches nicht so stark
wie Stiefelleder ist, besitzt in der Mitte eine dünne ungegerbte
Schicht. In warmem Wasser wird es völlig weich. Es läßt sich
um das Positiv herumwalken, erhärtet im Trockenofen und
wird steinhart. So kann man die Hülsen aus einem Stil ei;
machen. Auf dem Gipsmodell werden Stahl schienen aui-
geschmiedet und angepaßt; dazu kommen Hessingsche
Plättchen für die Befestigung der Schienen. Dazu gehören
noch geschmiedete Stahlschienen zur Befestigung der Leder-
liülsen. Die Gelenke sind gefräst. Dazu kommt eine
Hessing sehe Stahlsohle. Das Ganze stellt einen Apparat
dar. Der Beckenkorb wird nicht nach dem Abguß, sondern
nach Maß an den Körper angebogen. Daran werden die Stahl¬
bänder gebogen, so daß nirgends eine Druckstelle entstehen
kenn. Es gibt eine Unmasse Modifikationen dieser Hessing-
schen Apparate. Zuweilen sind Kniekapnen vorteilhaft. Billi¬
ger ist der Bänder-Apparat mit Hessing-Sandale.
Entstehen im Gipsverband bei Rachitis Schlottergelenke,
so baut man doppelte Gelenke, dazu gehört ein Reitsitz, z. B.
bei Coxitis tuberculosa. Das Kind reitet mit dem Tuber ossis
isch.ii. während die Ledersohle einen Zwischenraum unter der
Fußsohle freiläßt. Das Bein hängt nun völlig ln der Luft, ist
völlig entlastet. Weiterhin demonstriert Vortr. eine Klump-
fußredressionsschiene von Biesalski: Ein gutes Modell ist
selten und daher eine Crux für die Orthopädie. Das ist z. B.
bei Kombination von Little und Poliomyelitis von Bedeutung;
liier wird um eine Achse in der Mitte des Vorderfußes der
Vorderfuß drehbar nach außen eingestellt. So kommt der
Vorderfuß völlig in Außenstellung; dazu ist die Schiene bei
schwerer Plattfußstellung zur Korrektur der Supination ein¬
gestellt.
Bei schweren Skoliosen ist zur Korrektur die Detorsion
notwendig aber schwierig. Hier soll ein großer Beckenkorb,
e ; ne gewaltige Hülle, den Buckel fassen und detorauieren.
Vorstellung von Kindern mit angeborenen Mißbildungen.
Herr Könne: Die angeborenen Deformitäten sind entweder
primär oder sekundär kongenital, ie nachdem die Deformität
schon im Keim angelegt oder durch soätere intrauterine Ver¬
hältnisse z. B, zu viel oder zu wenig Fruchtwasser bedingt ist.
Eine Unterscheidung ist nicht immer zu treffen. Was zunächst
die Wirbelsäule anbetrifft, so ist die angeborene Skoliose zwar
neu entdeckt, aber nicht selten. Das vorgestellte Kind hatte
sie schon in den ersten Lebenstagen: man sieht im Röutgen-
bild die keilförmige Gestalt der Wirbelkörper: die Rippen
gehen in spitzem Winkel divergierend von der Wirbelsäule ab.
Tu einem anderen Falle hat der fünfte Lendenwirbel ring¬
förmige Gestalt: der Körper scheint nicht angelegt zu sein nur
der Bogen ist da: es besteht hochgradige Torsion der Wirbel¬
säule. Für die Kongenitälität spricht schon, daß die untersten
Teile der Lendenwirbelsäule wesentlich von der Seitenbiegung
betroffen sind. Das ist nie erworben.
In einem andern Falle besteht Schiefhals, bedingt durch
Knöcherne Verhältnisse, ossärer Schiefhals. Tn der Gegend
des Nackens findet sich in der Höhe des ersten Halswirbels
ein Widerstand; man dachte an eine überzählige Halsrippe.
Das wurde durch die Röntgenaufnahme nicht bestätigt. Es
besteht Asymmetrie des Brustkorbes; zehn vollständigen Brust¬
wirbeln folgt ein Keil mit einer Breitseite, an die die über¬
zählige Rippe angelügt ist. Der Schiefhals ist die Folge der
überzähligen Rippe, diese die der Keilbildung an der Grenze
zwischen Brust- und Halswirbelsäule.
An Deformitäten durch kongenitale Abschnürungen stellt
Vortr. einen Knaben mit tiefen Schnürfurchen vor; die eine
läuft zirkulär um den Oberschenkel, die Funktion der Muskeln
und Nerven ist gar nicht gestört. Abschnürungen sind ferner
an den Fingern besonders links sichtbar, hier bildeten der
zweite und fünfte Finger ein unregelmäßiges Konvolut; ein¬
zelne Teile sind durch tiefe Furchen zipfelartig abgeschnürt.
Das Röntgenbild ergibt daß die Verwachsungen nur häutig
sind, normal sind nur Daumen und Kleinfinger; bei den übri¬
gen Fingern sind nur die Grundphalangen vorhanden. Die
Häutbrücken wurden getrennt, die Finger isoliert und durch
die Metacarni verlängert. Der Knabe kann jetzt greifen und
fassen. — Ein ähnlicher Fall zeigt totale Abschnürung des
rechten Humerus, an den Fingern der linken Hand und an den
Zehen.
Bei einem dritten Kinde ist der Unterarm verkürzt; im
Ellbogen ist nur Extension und Flexion möglich. Nach dem
Röntgenbilde sind Radius und Ulua vorhanden; der Radius
zeigt eine winklige Teilung der eine Schenkel geht zur Ulna
und ist mit ihr fest verbunden.
Bei einem andern Kinde sind die Schultermuskelu atro¬
phisch der Oberarm verkürzt und gebrochen: die Ulna er¬
mangelt des unteren Drittels; es besteht im Ellbogengelenk
völlige Ankylose; die Spongiosa der Humerus-Diaphyse gebt
direkt in die der Dianhysen der Unterarmknochen über. Das
Ellbogengelenk ist also nicht differenziert worden. Das ist
eine primäre Anlage.
Vorgestellt wird noch ein Defekt der Handwurzelknochen,
Metacarpi und Phalangen infolge kongenitaler Abschnürung
sowie ein Defekt an der Unterextremität: Defekt der Fibula;
der Unterschenkel ist wesentlich verkürzt; der Fuß in Plattfu߬
stellung gehalten; nur vier Zehen sind angelegt. Dabei besteht
Spitzfußstellung. Bei dem primären kongenitalen Fibula-
Defekt fehlen häufig eine oder zwei Zehen.
Schließlich folgt noch ein Fall von hochgradigen Defekten
nu Ober- und Unterextremitäten. Die Füße sind flossenartig,
der Unterschenkel verkürzt, beiderseits nur zwei Zehen vor¬
handen. Beiderseits bestellt Defekt der Unterschenkelknochen;
nur drei Finger sind an einer Hand vorhanden, dieselben sind
völlig normal angelegt.
696
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 46.
Eine kongenitale Radius-Luxation ist bei der Geburt ent¬
standet; man fühlt deutlich das Radius-Köpfrhen. Durch das
Wachstum hat der Knalle Schmerzen. Die Prognose ist gut,
weil sich das Gelenk an die Anomalie gewöhnen wird.
Die Rachitis and ihre Klagezustände.
Herr Reichel stellt zuerst ein 314 Wochen altes Kind vor,
das gleich bei der Geburt eine ganz schlechte Haltung gehabt
haben soll. Die Glieder kann man beugen, aber kaum
strecken, auch die Hüften sind nicht ganz frei; etwas freier die
Schultern, nicht dagegen das Ellbogengelenk, ebenso die Hand.
Es besteht starke Rötung , der Nase, üble Ozaena. Es schnieft.
Die Milz ist palpabel. Ist das eine Myotonia syphilitica mit
Veränderungen der Knochen? Im Röntgenbilde sieht man
periostitische Schatten. Der Fall ist nicht ganz eindeutig. Der
Spasmus ist nicht sehr stark, es müssen auch Veränderungen
der Muskulatur bestehen. Die Blutprobe nach .Wasser-
m aun ist positiv ausgefallen. Tetanus ist ausgeschlossen.
Das ICind liegt immer in derselben Stellung und nimmt Nahrung
gut zu sich.
Von rachitischen Veränderungen erscheint zunächst ein
Fall von infantiler Osteomalacie. Das sechsjährige Mädchen
ist 191/2 kg schwer; jede Berührung ist schmerzhaft. Die Beine
haben sich geworfen; ebenso die Arme. Es bestehen multiple
Infraktionen und spontane Frakturen mit eigenartiger Kallus¬
bildung. Das Kind ist bis jetzt intern behandelt. Es soll lang¬
sam versucht werden, die Knochen zu strecken. Was bricht,
bricht. Man kann wohl leidlich gerade Glieder erzielen.
Die rachitische Skoliose wird mit dem Gipsbett behandelt.
Das letztere wird nicht direkt dem Körper angelegt, sondern
zuerst ein Positiv genommen, der Abguß des Rückens. Dann
wird der Buckel redressiert. Auf der gesunden Seite ist dem¬
entsprechend Gips aufgetragen worden. Auf dieses Positiv
wird das Gipsbett gepaßt; zuerst kommt eine Lage Filz, als¬
dann die einzelnen Lagen der Gipsbinden. Durch den Filz¬
einsatz kann man stärker als durch den Gips redressiereu,
weil der Filz federt. Dazu kommt das Lange sehe Lagerungs¬
bett. Es übt einen Druck und Detorsion aus. Auf die Buckel
kommt ein Kissen; ein Gurt wird sehr stark angezogen und be¬
festigt.
Die Kinder liegen darin 1—2 Stunden täglich und fühlen
sich sehr wohl, machen auch Schularbeiten, besonders gut ist
das Verfahren bei Rachitis tarda.
Bevor die Rachitis behandelt wird, wird sie gezeichnet mit
einem Orthodiagraphen. Von den Skoliosen wird alle 2 bis
4 Wochen ein neues Diagramm zur Kontrolle des Erfolges ge¬
nommen. Ganz schwere Fälle werden mit Gipskorsetts be¬
handelt, die direkt auf die Haut gelegt werden, ohne daß
Polsterung — von einigen Knochenvorsprüngen abgesehen —
benutzt wird. Das Verfahren hat den Vorzug, daß die Kranken
keinen Dekubitus bekommen.
Die Coxa vara wurde zuerst mit forciertem Redressement
behandelt. Dabei wurden aber unangenehme Zufälle, Asphyxie
vielleicht infolge von Fettembolie gesehen. Seitdem wird die
Spreizbettbehandlung bevorzugt. Dazu kommen gymnastische
Uebungen, Bewegungen und Massage. Das letzte ist ein Fall
von rachitischer Verbiegung der unteren Extremitäten; sie
wurden durch Osteotomie beseitigt. Heute ist der Verband
geöffnet worden. Die Beine stehen in guter Stellung. Diese
Stellung soll nun bleiben. Auch Plattfüße werden nach
Lange mit Zelluloid-Plattfußeinlagen behandelt, die durch
Drähte und Polster verstärkt sind.
Das Arbeiten mit Prothesen.
Herr Wierczjewski demonstriert zunächst eine Schiefhals¬
krawatte; es bestand tuberkulöse Caries des sechsten Hals¬
wirbels mit schweren Spasmen in den Beinen. Durch Gips¬
bett und Krawatte ist Pat. zu selbständigem Gehen gebracht
worden. Die Krawatte entlastet die kranken Wirbel. Ferner
stellt W. den, Gebrauch künstlicher Glieder allereinfachster
Art, um z. B. zu essen, vor. Ein Schlitz ist da, in den ein
Messer gesteckt wird. Pat. kann nun schneiden; ein Mädchen
vermag mit einer Prothese zu stricken; bei einem andern fehlt
fast der ganze Oberarm; er darf zwar den Arm nicht zu hoch
heben, aber die Prothese ermöglicht ihm zu essen und Körbe
zu flechten; ein anderer kann den Hammer in der Prothese
befestigen und schlossern; feilen kann er ohne dieselbe. Ein
exartikulierter Oberschenkel ist durch ein künstliches Bein
einfachster Art ersetzt. Pat. hat einen kleinen Beckenkorb.
Daran ist die ganze untere Extremität befestigt; er kann das
Knie und den Fuß durch den eigenen Schwung heben. Dazu
kommt nun ein nach hinten gelagertes Gelenk am Knie,
welches größere Stabilität verleiht. Pat. beugt und streckt das
Knie richtig. Es ist keine Feder daran. Einzig und allein
durch das Gewicht und den Schwung wirkt der Apparat. Er
kann ohne Stock und Krücke laufen. Mode.
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom i8.—24. September 1910.
Referent Herr L. Borchardt (Königsberg).
Medizinische Hauptgruppe.
3. Sitzung.
Donnerstag, den 2 2. September 1910.
Vorsitzender: R. Braun (Göttingen).
(Fortsetzung.)
Herr Gerber (Königsberg): Ueber das Sklerom, insbeson¬
dere in Ostpreußen, im Jahre 1910.
Redner betont die Notwendigkeit, weite Kreise für die
bisher so stiefmütterlich behandelte Krankheit zu interessieren,
da sie eine ernste Gefahr für Deutschland bildet. Es handelt
sich um eine chronische Infektionskrankheit der oberen Luft¬
wege, als deren Erreger der von Frisch entdeckte Kapsel¬
bacillus anzusehen ist. Wie Bürgers bestätigen konnte, ge¬
lingt es, im Serum Skleromkranker Antistoffe gegen den
Kapsel bacillus’ nachzuweisen, wodurch in zweifelhaften Fällen
die serologische Diagnose des Skleroms ermöglicht ist. Durch
das Eindringen des. Kapselbacillus in die subglottische Schicht
kommt es zur Bildung eines spezifischen Granulationsgewebes
mit den charakteristischen sog. Mikulicz sehen Zellen.
Pathologisch charakterisiert sich die Krankheit als infektiöses
Granulom, klinisch als eine chronische Stenose der oberen
Luftwege. Nur das erste, das Infiltrationsstadium, ist der
Therapie zugängig, während das zweite Stadium bindegewebi¬
ger Schrumpfung für die Atmung und das Leben verhängnis¬
voll werden kann. Die klinischen Bilder, bestehend in knoti-
schen Verdickungen und Narbenbildungen innerhalb des ge¬
samten Respirationstraktus, können sehr mannigfaltig sein. Die
als charakteristisch geltende Verdickung der Nase fehlt in der
Mehrzahl der Fälle. Die Krankheit tritt vorzugsweise im
zweiten und dritten Lebensdezennium auf; sie gilt allgemein
als ..Armeleutekrankheit“ und findet sich nicht ganz selten
bei Geschwistern oder bei Eltern und Kindern. Die Diagnose
ist auf rhinologische und laryngologische Untersuchungen an¬
gewiesen und damit hängt es zusammen, daß sie offenbar weit
seltener gestellt wird als der Häufigkeit der Krankheit ent¬
spricht. Die Krankheit kommt sporadisch in der ganzen Welt
vor. Deutschland wird von zwei Seiten von der Krankheit be¬
droht. Ein Herd ist an der schlesischen Grenze, wo die Krank¬
heit von Galizien her gegen Deutschland vorrückt. Der zweite
ist von Gerber entdeckt und studiert worden; er befindet
sich in Ostpreußen, in der Gegend von Marggrabowa und hängt
mit einem ausgedehnten russisch-polnischen Herd zusammen.
In Russisch-Polen wie in Galizien ist die Krankheit eine Volks¬
seuche. Behördliche Maßnahmen gegen das weitere Vor¬
dringen der Krankheit müssen dringend gefordert werden.
Diskussion:
Herr Streit (Königsberg) bestätigt die Bedeutung des
Sklerombacillus für die Aetiologie des Skleroms. Auch er
fordert dringend Prohibitivmaßregeln gegen die Weiteraus¬
breitung der Krankheit.
Herr Stumpf (Königsberg): Die Behandlung der chroni¬
schen Tuberkulose des Kaninchens mit Alttuberkulin.
Redner erzielte durch intravenöse Injektion von 1—2 mg
Reinkultur vom Typus humanus beim Kaninchen chronische
Tuberkulose. Die Tiere waren viele Wochen ohne äußerlich
sichtbare Krankheitszeichen, Temperatur und Gewicht waren
normal. Erst V-i —% Jahr nach erfolgter Injektion traten von
der Lunge aus metastatische Herde auf. Es fanden sich Nieren¬
tuberkulose, Gelenkfungus mit kalten Abscessen, Iristuber¬
kulose, Wirbelkaries, Hoden- und Nebenhodentuberkulose.
Darmtuberkulose und Tuberkulose der weiblichen Genitalien
fehlte dagegen. In den Lungen waren dreierlei Veränderun¬
gen zu unterscheiden: herdförmige Knötchen, käsige Pneu¬
monien und Kavernenbildung. Der ganze Verlauf weist mit
der Tuberkulose des Menschen sehr viel Aehnlichkeit auf. Zu
Versuchen über Tuberkulose eignet sich diese Anordnung weit
besser als die Meerschweinchentuberkulose. Sieben Wochen
nach der Infektion wurde die Hälfte der Tiere mit steigenden
Dosen Alttuberkulin behandelt. Es wurden in 24 Wochen
950 111 g gegeben, in einer zweiten Reihe in 20 Wochen 500 mg.
Nach keiner Richtung war aber ein Nutzen zu erkennen. Die
behandelten Tiere erkrankten ebenso wie nichtbehandelten an
tuberkulösen Metastasen; ebenso war histologisch keinerlei
Unterschied festzustellen. Entgegen anderen Angaben kann
daher der Beweis einer Heilkraft des Alttuberkulin im Tier¬
experiment nicht als erbracht gelten, da frühere Versuche von
Koch und seinen Schülern nicht für beweiskräftig gehalten
werden können.
Diskussion:
Herr Nourney (Mettmann): Die Unbeeinflußbarkeit der
Kaninchentuberkulose durch das Tuberkulin ist auf zu große
Dosen des Mittels zurückzuführen. N. behandelt seit 19 Jahren
mit gutem Erfolg chronische Tuberkulose, um sie zu aktivieren,
No. 46.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
697
mit kleinsten Dosen Tuberkulin in großen Abständen zwischen
den einzelnen Injektionen. Besonders in frühester Jugend rege
die Tuberkulinbehandlung Autoimmunisierungsvorgänge an,
durch die die behandelten Individuen vor Schwindsucht be¬
wahrt werden.
Herr Petruschky (Danzig) bestätigt die guten Wirkungen
des Tuberkulins bei Kindern aiis tuberkulös veranlagten
Familien.
Abteilung für Kinderheilkunde.
Berichterstatter: E. Moro (München).
1. Sitzung.
Sonnabend, 17. September 1910.
Vorsitzender: Herr Falkenheim (Königsberg).
Herr Längstem (Berlin): Die Rolle der Kohlehydrate hei
der Ernährung des Säuglings. (Referatthema.)
Es ist notwendig, die Rolle der Kohlehydrate bei der Er¬
nährung. des gesunden Säuglings scharf von der bei der Er¬
nährung des kranken zu trennen und die Bedeutung des
Zuckers und Mehles in der Nahrung nur unter steter Berück¬
sichtigung der Korrelation zu diskutieren, in der sie zu ande¬
ren Bestandteilen der Nahrung stehen. Die Frage nach dem
absoluten Kohlehydrat muß in den Vordergrund gestellt wer¬
den; nicht nur deswegen, weil wir einem Zuviel an Zucker in
der Pathogenese der Ernährungsstörungen eine bedeutsame
Rolle einräumen, sondern weil es — beim ernährungsgestörten
Kinde wenigstens — sichergestellt ist, daß Kohlehydratmangel
in der Nahrung das Leben bedroht. Für den Säugling ist
Kohlehydratmangel kürzer zu ertragen als für den Erwachse¬
nen, denn der Säugling kann das Eiweiß nur in allerbeschränk¬
testem Umfange zur Kohlehydratbildung heranziehen. Für den
absoluten Kohlehydratbedarf bei unnatürlicher Ernährung
kann kein anderer Gesichtspunkt maßgebend sein, als der, dem
Säugling in einem Volumen, das dem bei natürlicher Ernäh¬
rung gegebenen möglichst gleichkommt, soviel Nährwert zuzu¬
führen, wie es das Energiegesetz des Säuglings verlangt. Bei
zweckmäßiger Dosierung ist auch der Milchzucker für die An¬
reicherung der Nahrung des gesunden Säuglings geeignet.
Jedenfalls berechtigt der gegenwärtige Stand der Frage nicht
dazu, plötzlich den Milchzucker aus der Ernährung des ge¬
sunden Säuglings zu verbannen. Die reine Maltose scheint,
selbst wenn ihr Preis kein so hoher wäre, trotz theoretischer
Voraussetzungen, kein ideales Kohlehydrat für die Säuglings¬
ernährung zu sein. Gleichviel, ob wir Milchzucker oder Rohr¬
zucker verwenden, empfiehlt es sich, den Nahrungsmischungen
noch ein zweites Kohlehydrat in Form von Schleim oder Mehl
hinzuzufügen. (Natürliche Mehle, nicht präparierte Kinder¬
mehle!) Voraussetzung dafür, daß die Kohlehydrate ihre Auf¬
gaben erfüllen, ist der normale Ablauf jener Vorgänge enzy¬
matischer, bakterieller und osmotischer Natur, die sich im
Magen-Darmkanal abspielen. Als das auslösende Moment der
Schädigung durch Kohlehydrate beschuldigt man in erster
Linie die aus ihnen in Magen-Darmkanal durch bakterielle Zer¬
setzung entstehenden Fettsäuren. Auch die direkte Schädi¬
gung der Darmwand durch den Zucker wird verantwortlich
gemacht. Indes ist die schädigende Wirkung des Zuckers nur
in Verbindung mit anderen Nährstoffen sichergestellt. Schweren
Schaden bringt eine Ueberernährung mit Zucker, gleichviel mit
welchem, sowie eine langdauernde, ausschließliche Ernährung
mit Mehl (Mehlnährschaden).
In der Pathogenese des Mehlnährschadens spielt die Inani-
tion, insbesondere der Mangel an Stickstoff und Salzen, eine
bedeutende Rolle. Auch scheint sich dabei eine chemische
Abartung d@s Organismus zu entwickeln, die mit einem Ver¬
lust der Immunität verbunden ist.
Die größte Bedeutung besitzen die Kohlehydrate bei der
Ernährungstherapie des Milchnährschadens; sie besteht darin,
daß reichlichere Kohlehydratzufuhr die Seifenbildung im Darm
verhindert und so den Organismus vor weiterem Erdalkali¬
verlust schützt. Einen besonders günstigen Einfluß hat dabei
Malzextrakt, und zwar scheint die beste Kombination die von
Mehl und malzhaltigen Präparaten zu sein. Der bedeutsame
therapeutische Effekt der richtig dosierten Kohlehydratzufuhr
beim ernährungsgestörten Kind wird durch das klinische Ver¬
halten klar demonstriert. Vollständiger Verlust der Kohle-
hydraltoleranz ist mit der Dauer des Lebens unvereinbar. Die
Bedeutung kurz dauernder Ernährung von Kohlehydraten bei
Tetanie, die große Tauglichkeit dieses Nährstoffes bei Säug¬
lingen mit exsudativer Diathese und bei Rachitikern sind
weitere Beispiele, wie segensreich die zweckmäßige Dosierung
der Kohlehydrate auch in pathologischen Fällen ist.
Diskussion:
Herr L. F. Meyer (Berlin) bespricht die Beziehung der
Kohlehydrate zum alimentären Fieber und zur Intoxikation
und berichtet über Untersuchungen betreffend das Kohle¬
hydratminimum.
Herr Ileubncr (Berlin) legt Gewicht auf den viel zu wenig
beachteten Unterschied, ob man wirklich reinen oder den so
häufig verunreinigten Milchzucker verabreicht.
Herr Noeggerath (Berlin) weist auf seine Versuche über
den Zuckergehalt des Blutes hin und wendet sich gegen die
übertriebene Furcht vor ektogeu eingeführten Bakterien in der
Nahrung. In speziell daraufhin gerichteten Untersuchungen
am poliklinischen Material ergaben sich ganz enorme Zahlen
von Bakterien, die in der Milch knapp vor dem Trinken fest¬
gestellt wurden, ohne daß dabei die Säuglinge erkennbaren
Schaden litten.
Herr Klotz (Straßburg) hält das alimentäre Fieber im
wesentlichen für ein bakterielles, hervorgerufen durch Darm¬
bakterien, die durch kleinste Darmläsionen in die Blutbahn
eindringen.
Herr L. F. Meyer versucht die Anschauung zu widerlegen.
Ferner sprachen die Herren: Rietschel (Dresden), Bahrdt
(Berlin), Soltmaim (Leipzig), Längstem.
Herr Bahrdt (Berlin): Zur Pathogenese der Verdauungs¬
und Ernährungsstörungen, mit besonderer Berücksichtigung
der organischen Säuren.
Ausgedehnte Untersuchungen über die pathogenetische
Rolle der an den Zersetzungs- resp. Gärungsprozessen in der
Nahrung und im Verdauungskanal entstehenden Säuren, ins¬
besondere niederen Fettsäuren. Zunächst wurde die Wirk¬
samkeitsgrenze der in Frage kommenden Fettsäuren im Tier¬
versuch testgestellt. Vergleichsweise ergab sich dann, daß die
in verdorbener Milch enthaltenen Mengen viel geringer sind,
als die wirksamen; hingegen nähert sich bei unzweckmäßiger
Mischung und Dosierung der Nahrung die Menge organischer
Säuren im Magen schon sehr den toxisch wirksamen
Dosen. Im Dünndarm finden sich viel geringere Mengen als
im Magen (Schutz durch PylorusverschlußV). Höchstwahr¬
scheinlich besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen
einer vermehrten Entstehung niederer organischer Säuren und
vermehrter Peristaltik. Aber nicht so sehr die ektogen zu¬
geführten Fettsäuren, sondern jene, die bei der Stagnation im
Magen entstehen, kommen dabei in Betracht. Die Unter¬
suchungen sprechen also gegen eine wesentliche Beteiligung
der verdorbenen Milch an der Sommermorbidität, wohl aber
stützen sie die Auffassung, daß Ueberfütterung und falsche Zu¬
sammensetzung der Nahrung durch vermehrte Bildung organi¬
scher, niederer Säuren im Magen zu der häufigsten Form der
akuten Störungen, nämlich zur Dyspepsie, führen.
Diskussion:
Herr Heubner (Berlin) gibt seiner Befriedigung darüber
Ausdruck, daß hier eine von ihm schon seit langem vertretene
Anschauung ihre experimentelle Bestätigung findet. Herr
Rietschel (Dresden) und Herr Moro (München) sprachen sich
im Gegensätze zu Herrn Soltmann (Leipzig) gegen die ge¬
fürchteten Gefahren der ektogenen Infektion aus. Herr Moro
(München) weist insbesondere darauf hin, daß die Milch fast
stets in allgekochtem Zustande gereicht und daß eine zersetzte,
ranzige Milch vom Säugling überhaupt nicht aufgenommen,
sondern zurückgewiesen wird.
Herr Erich Müller (Berlin-Rummelsburg): Lieber Er¬
nährung debiler Säuglinge mit molkenreduzierter Milch an der
Hand von Stoffwechselversuchen.
Bisher haben sich eigentlich nur die Milchderivate dauernd
bewährt, denen eine Reduktion „des Salzanteiles der Molke "
gemeinsam ist und die auf dem Boden dieser Salzarmut eine
Anreicherung mit einem oder mehreren der anderen Milch-
nährstoffe erfahren haben. Dazu gehören, vor allem die
Keller sehe Malzsuppe, die sog. Fettmilrhen und schließlich
die Eiweißmilch. Insbesondere bewährt hat sich die molken¬
reduzierte Milch bei Aufzucht debiler Säuglinge. Die Nahrung
enthielt die vollen Werte der Kuhmilch an Fett und Zucker,
dagegen nur V-, des Eiweißes und der Salze der Molke. Haupt¬
vorteil: Zwar langsames, aber solides und zuverlässiges Wachs¬
tum, Gefahrlosigkeit (z. B. gegenüber der salzreichen Butter¬
milch). Stoffwechselversuche zeigten, daß Salzangebot und
Retention bei Verfütterung dieser salzarmen Nahrung für einen
physiologischen Gewebsansatz nicht zü gering war. Auch das
Bedenken, daß durch eine reichliche Ausscheidung von Fett¬
säuren eine den Körperbestand gefährdende Kalkentziehung
stattfinden könne, hat sich als unbegründet erwiesen.
2. Sitzung.
. Sonnabend, den 17. September 1910,
nachmittags.
Vorsitzender: Herr R a u c h f üs s (Petersburg).
Herr Schloss (Berlin): lieber Ernährungsversliehe mit
künstlichem Milchscrum nach Friedenthal.
Das „künstliche Muttermilchserum nach Frie'dentha 1‘"
ist eine in ihrem Molkengehalt der Frauenmilch angenäherte
Milch. Jüngere Säuglinge kommen bei dieser Nahrung nicht
recht vorwärts; bei Kindern jenseits des 1. Vierteljahres, be¬
sonders bei solchen durch chronische Ernährungsstörungen
698
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 46.
oder langdauernde lieberhatte Erkrankungen stark herunter¬
gekommenen, zeigten sich hingegen wiederholt glänzende Er-
tolge. AuftaUenu war besonders eine günstige Wirkung auf
die Haut; die Kinder blieben vor Hautanektionen dauernd be¬
wahrt, Furunkulosen wurden gut beeinflußt. Sch. bittet die
mitgeteilten Ernährungsversuche nur als Vorversuche entgegen-
zunehmen, hobt aber auf diesem Wege weiter zu kommen.
Herr Aschenheim (Heidelberg): Ueber den Aschegehalt in
den Gehirnen Spasmophiler.
A. kommt auf Grund von Untersuchungen der Zentral¬
nervensysteme spasmophiler Kinder und parathyreopriver
Hunde zu dem Schluß, daß bei der Spasmoplule resp. Tetanie
im Zentralnervensystem eine Störung im Stoffwechsel der
Alkalien und Erdaisalien vorliegt. Der Quotiem Alkalien: Erd¬
alkalien ist bei der Spasmophilie erhöht. Diese Erhöhung
beruht meist auf einer Verminderung der Erdalkalien, kann
aber auch durch eine Vermehrung der Alkalien (oder durch
beides) hervorgerufen werden.
Diskussion:
Herr Grosser (Frankfurt) fragt an, ob bei der Bestimmung
auf den Wassergehalt der Gehirne Rücksicht genommen wurde,
was A s c h'e nnei m verneinte.
Herr Langstein (Berlin): Die Einwirkung des Kampfers
auf den Säugling. (Nach Versuchen von Dr. .Schmitz
[MinneapolisJ.)
Kampfer ist in therapeutischen und selbst in großen
Gaben für den gesunden Säuglingsorganismus ungiftig. Er
wird durch vollständige Paarung zu Kampfer-Glykuronsäure
ziemlich rasch inaktiviert und entgiftet im Urin ausgeschiedeu
und der normale Säugling hat jederzeit ausgiebige Mengen von
Glykuronsäure zur vertugung. Bei schweren Ernährungs¬
störungen ist hingegen die Auscheidung der gepaarten Gly¬
kuronsäure verzögert. Diese Verzögerung könnte herbei¬
geführt sein durch eine verminderte rähigkeit, die Glykuron¬
säure zu bilden, oder diese zu paaren. Beim schwer er¬
nährungsgestörten Säugling ist demnach der unbeschränkte
Gebrauch des Kampfers (und auch des Chlorais) zum minde¬
sten theoretisch als bedenklich zu bezeichnen.
Diskussion:
Herr Hochsinger (Wien) sah nach größeren Kampfergaben
per os bei Säuglingen mit Cholera infantum Steigerung der Auf¬
regungszustände.
Herr Freund (Breslau): Zur Kenntnis des Stoffwechsels
beim Säuglingsekzem.
Dieser zeigt nach einer Untersuchung von L. F. Meyer
gewisse Abweichungen von der Norm, während er sich nach
Bruck nicht vom btoffwechsel des gesunden Säuglings unter¬
scheidet. ln den Versuchen von F. zeigten bei einer im Liter
115 g Mondamin, 30 g Butter, 10 g Nutrose, 40 g Milchzucker, 3 g
Nacl enthaltenden Nahrung drei Ekzemkinder tägliche Zu¬
nahmen von 40—50 g unter starker Oedembildung, während
diese bei vier von Erscheinungen der exsudativen Diathese
freien Säuglingen nur unbedeutend schwankten. Alle Fälle
hätten negative Gesamtaschebilanzen. Die Ekzemkinder zeig¬
ten (mit einer Ausnahme) erhebliche Chlorretention, durch¬
weg starke Natronretention, -während ein physiologisches Kou-
trollkind negative Chlor- und nur ganz schwach positive Natron¬
bilanz hatte. Es erscheint also als eine Sondereigenschaft der
Ekzemkinder, bei der angewendeten Versuchsanordnung in¬
großen Mengen Wasser zurückzuhalten.
Diskussion:
Herr L. F. Meyer (Berlin), Herr Freund.
Herr Abelmann (St. Petersburg): Die Bestimmung des
Fcrmentgehaltes der Stühle und des Antifermentgehaltes des
Blutes hei verschiedenen Erkrankungen des kindlichen Alters.
A. fand bei Dünndarmprozessen eine starke Steigerung
der tryptischen Kraft der Fäces, bei Dickdarmprozessen hin¬
gegen eine beträchtliche Verminderung. Besonders auffallend
war eine Verminderung in Fällen von Peritonitis tuberculosa.
Oft war liier überhaupt kein Ferment nachweisbar. Damit
steht wohl die bereits erwiesene, schwache Verdauungskraft
des Pankreas bei solchen Kranken im Zusammenhang. Die
Lipase, im Mekonium noch nicht vorhanden, wird schon in den
ersten Tagen nachweisbar, bei Darmerkrankungen'und Perito¬
nitis tuberculosa verschwindet sie aus dem Stuhl. Diastase
konnte schon im Mekonium gefunden werden. Der Koeffizient
des Antitrypsingehaltes, in normalen Fällen eine ziemlich kon¬
stante Größe, steigt im Verlaufe von Typhen in sehr auffälliger
Weise an.
Herr Rietschcl (Dresden): Ueber Klinik, Therapie und
Prophylaxe des Sommerbrechdurchfalles.
Die entscheidende Rolle spielt die hohe Wohnungstempe-
ratur, die ohne Verderbnis der Nahrung auf das Kind ein¬
wirkt und zwar entweder als echter Hitzschlag, als allmähliche,
mit Choleraanfällen kombinierte, Hyperthermie oder als direkte
Schädigung des Körpers, besonders des Verdauungsapparates.
R. unterscheidet drei klinische Bilder: 1. Die rein hyper-
thermisch-konvulsivische 1 Form (echter Hitzschlag gesunder
und kranker Kinder), 2. die hyperthermisc-h-diarrhoisch-kon-
vulsivische Form (Cholera infantum gesunder und kranker
Kinder), 3. die rein diarrhoisehe Form, sog. Sommerdiarrhöe.
Die 1. Form kann ohne Erbrechen und onne jeden Durchfall
verlaufen, wird hierzulande kaum beobachtet, indes steht dieses
Kranktteiisbild nach den Angaben der älteren Literatur fest.
Der weitaus größte Teil der Todesfälle gehört in die dritte
Gruppe und uetriht wohl ausschließlich ernährungsgestörte
Kinaer.
Die Therapie muß dieser klinischen Auffassung gerecht
werden. Für die beiden ersten Formen stellt daher die Her¬
absetzung der Körperwärme, die Zufuhr von Flüssigkeit und
die Beleoung der lierzkraft die notwendigsten Maßregeln dar.
Die relativ geringe Toleranzstörung dieser Kinder nach der
Entfieberung ist oit erstaunlich. Zufuhr von Flüssigkeit wird
am besten mit Kochsalz gegeben. Glänzende Enolge mit
Karottensuppe. Bei der armen Form besteht hingegen die
Kunst des Arztes wesentlich darin, die Toleranz aes Kindes
gegen Nahrungsschädigung richtig zu treffen und sowohl das
■ouwenig als aas Zuviel zu vermeiden. Selbstverständlich
kommen alle Uebergänge zwischen 2 und 3 vor.
Prophylaktisch ist das wichtigste die Verhinderung der
hohen Wohnungstemperatur. Daneben Aufklärung aller Be¬
rufsstände Uber die Gefahren der Hitze für das Kind, Errich¬
tung von freistehenden Krippen. Die Hygiene der Milch ist
selbstverständlich dabei nient außer acht zu lassen, allerdings
stellt die hohe Einsenätzung der Kindermilch mit (ihren
enormen Preisen eine U eberspamiiiiig eines an sich richtigen
Prinzips dar. Die MUchküchen sind nicht geeignet, eine wirk¬
same Wälle gegen die Säuglingssterblichkeit darzustellen.
Diskussion:
Herr Hochsinger (Wien) betont, wie gefährlich in der
Sommerhitze selbsx kleinste Diätfehler (ein kleines Stückchen
Obst oder Wurst) werden können.
Herr Moro (München) bezeichnet die Aufstellung der drei
klinischen Formen des Sommerbrechdurchfalls nach R. als
nicht glücklich. Ein Krankheitsbild, wie der reine Hitzschlag,
das weder mit Erbrechen noch mit Durchfall einhergeht, kann
unmöglich dem semiotischen Begriif des Sommerbrechdurch¬
falles untergeordnet werden. Besser wäre der Hitzschlag in
den Gruppen der Nervenkrankheiten, Krämpfe oder Konsti-
tutionsanomalien unterzubringen. Die Hitze wirkt wahr¬
scheinlich direkt oder indirekt auf den Verdauungsapparat
selbst ein und man braucht in der Anamnese gar nicht nach
einem kleinen Diätfehler zu fahnden.
Herr Heubner (Berlin) hat die erste Form bei Säuglingen
niemals, gesehen und meint ebenfalls, daß sie sich nicht gut
m den Räumen des Sommerbrechdurcniälles einfügen läßt. Die
Hauptsache in der Pathogenese der Ernährungsstörungen liegt
in einem Mißverhältnis zwischen Nährstottzufuhr und Ver-
dauuiigskraft, wie dies unlängst auch Pfaundler ausein¬
andergesetzt hat. Die Verdauungskraft wird aber durch die
Hitze zweifellos in hohem Grade herabgesetzt. Deshalb läßt
Fl e u b n e r in seiner Klinik air heißen Tagen nur Vs der Nah¬
rung geben, wobei dann die gefürchteten Gewichtsstürze aus-
zubieioen pflegen.
Herr Tugendreich (Berlin) erinnert sich einer Literatur¬
angabe, wonach 'selbst die Frauenmilch im Sommer dünner
fließen soll.
Herr Rietschel gibt im Schlußwort Heubner und Moro
recht.
3. Sitzung.
Sonntag, den 18. September 1910.
Vorsitzender: Herr Heubner (Berlin).
Herr Risel (Leipzig): Der therapeutische Wert der Heil-
'sera. (Referatthema.)
Die Serumtherapie ist seit ihrem Erfolge b8i Diphtherie
auf fast sämtliche bei uns endemischen bakteriellen Infek¬
tionen des Menschen und der Tiere übertragen worden. Den
antitoxischen Seris gegen Diphtherie, Tetanus und Schlangen¬
biß stehen die antiinfektiösen Sera gegenüber. Der Einfluß
der ersteren Sera zeigt sich in einer Milderung der Intoxika¬
tionssymptome, sowie in der Herabsetzung der Pulsfrequenz
und des Fiebers. Abheilung bestehender Krankheitsprozesse
wird weniger erzielt als ein Weitergreifen der Erkrankung ver¬
hindert. Machtlos ist die Serumtherapie gegen Affektioneii.
die schon vor ihrer Einleitung als Komplikation hinzugetreten
waren oder die bedingt sind durch bereits gesetzte irreparable
Organerkrankungen, daher steigt der Wert der Serumtherapie,
je früher sie angewandt wird. Durch die prophylaktische Be¬
nutzung sind in Krankenhäusern die früher so gefürchteten
Diphtherieepidemien unbekannt geworden; und ebenso läßt
sich durch Serum mit großer Sicherheit der Ausbruch eines
Tetanus bei Verletzten verhüten.
Die Erfahrungen mit den antiinfektiösen Seris sind wider¬
sprechend. Hier sind so viel theoretische Fragen noch un¬
geklärt, daß zusammen mit dem wechselnden klinischen Bild
(der Pneumonie, des Erysipels, der Tuberkulose) sich
Schwierigkeiten bei der Beurteilung des therapeutischen
Effektes ergeben müssen.
No. 46.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
699
Um den Heilwert auszunutzen, soll man gegen Diphtherie
nicht nur 3—5000 I.-E. injizieren, sondern gegebenen Falles
auf das 10 fache steigen. Wegen der günstigeren Resorption
soll die subkutane Methode durch die intramuskuläre ersetzt
werden, wo Lebensgefahr besteht durch die intravenöse, bei
Tetanus und Cerebrospinalmeningitis durch die subdurale.
Statistische Belege für die ausgezeichnete Wirkung des
Diphtherieheilserums an der Hand zahlreicher Tabellen. Sta¬
tistische Zusammenstellung über den Wirkungswert der übrigen
Sera.
Diskussion:
Herr Theodor (Königsberg) betont die günstige Beein¬
flussung von Nephritis und Lähmungen, wenn man am ersten
Tage einspritzt.
Herr Noeggcrath (Berlin) vermißt im Vortrag die Behand¬
lung der postdiphtherischen Lähmungen mit übergroßen Serum¬
mengen und wünscht die intramuskuläre und intravenöse In¬
jektion nicht nur erwähnt, sondern unterstrichen erwähnt. Wir
sollen überhaupt nur intramuskulär injizieren. Desgleichen
blieben die einfache Serumwirkung und die Versuche über die
Verhütung der sofortigen Reaktion durch Vorinjektion mini¬
maler Mengen unberücksichtigt.
Herr Hochsingcr (Wien) warnt vor den Gefahren der
Serumkrankheit, besonders bei Anwendung großer Mengen,
wie bei Scharlach.
Herr E. Müller (Berlin-Rummelsburg) empfiehlt bei Säug¬
lingen die Injektion in die Schädelvene vorzunehmen.
Herr Grosser (Frankfurt a. M.): Epithelkörperchenunter¬
suchungen bei Kindern.
Auf Grund eines Materials von 13 Tetanien und 31 anderen
Fällen wendet sich G. gegen die Anschauung, daß bei jeder
Tetania infantum Blutungen in den Epithelkörperchen gefunden
werden. Bemerkenswert ist, daß bei drei Fällen von plötz¬
lichem Tod völlige Zerstörung der E.-K. als einziger Sektions¬
befund erhoben wurde. Es ist deshalb zu verlangen, daß bei
gerichtlichen Sektionen von plötzlichen Todesfällen die E.-K.
histologisch untersucht werden.
Diskussion:
Herr Freund (Breslau) trägt Bedenken, ob nicht gerade
die drei Fälle mit ausgedehnten E.-K.-Blutungen und plötz¬
lichem Tod zur Tetanie zuzurechnen waren.
Herr Klotz (Straßburg): Ueber Mehlabhau.
Die Anschauung, daß die Mehlwirkung als Zuckerwirkung
zu erklären sei, kann nicht befriedigen. Die Beziehungen der
Gärungssäuren zum Stoffwechsel weisen vielmehr darauf hin,
den Mehlabbau unter diesem Gesichtspunkte zu studieren.
K." bediente sich der Rosenfeld sehen Versuchsanord¬
nungen am Phloridzinhungerhund und fand, daß die einzelnen
Mehle sich sehr verschieden verhalten. Weizenmehl wurde
als Zucker, Hafermehl dagegen als Kohlehydratsäure resorbiert.
Ersteres geht den „transglykogenen“, letztere beiden hingegen
den „aglykogeuen“ Weg Rosenfelds. Das Problem der
paradoxen Wirkung des Hafers beim Diabetiker ist damit ge¬
löst. Hafermehl wird, wie K. unabhängig von S. Lang ge¬
funden hat, etwas schneller diastasiert und bildet größere
Maltosemengen als Weizenmehl. Es stellt infolgedessen
ein qualitativ u-nd quantitativ besseres Nährsubstrat für die
Darmflora dar, als das Weizenmehl. Diese Annahme ist expe¬
rimentell leicht nachzuprüfen. Werden dextroseäquivalente
Mengen von Weizen- und Hafermehl diastasiert und bakteriell
vergärt, dann tritt beim Hafer eine weit intensivere Säure¬
bildung auf als beim Weizen.
Diskussion:
Herr Bahrdt (Berlin) frägt nach dem Anteil, den die
Darmbakterien beim Mehlabbau nehmen und ob Unterschiede
dabei vorliegen.
Herr Klotz spricht ihnen die ausschlaggebende Rolle zu.
4. Sitzung.
Montag, den 19. September 1910.
Vorsitzender: Herr Langstein (Berlin).
Herr Zappert (Wien): Ueber Heine-Medinsche Krankheit.
(Referatthema.)
Die Heine-Medin sehe Krankheit ist eine aus¬
gesprochene Infektionskrankheit, bei welcher ein Inkubations-
Prodromal- und Floritionsstadium zu unterscheiden ist. Die
Inkubation dürfte zirka eine Woche dauern, die zirka drei- bis
fünftägigen Prodromalsymptome können den Charakter einer
Influenza, Angina, Enteritis, Koryza, Meningitis, selbst Skarla-
tina annehmen. Bei abortiven Fällen (W i c k m a n n) kommt
es zu keinen weiteren Krankheitserscheinungen. Das Flori¬
tionsstadium zeichnet sich zumeist durch heftige Schmerzen,
Schweißausbrüche, spinale oder cerebrale Symptome aus. Die
anfänglichen spinalen Lähmungen umfassen nicht nur die Ex¬
tremitäten (Beine häufiger als Arme), sondern sehr oft Nacken-,
Rücken-, Thorax-, Bauchmuskeln. Lähmungen der Stamm¬
muskeln können auch isoliert auftreten und isoliert bestehen
bleiben. Die Sehnenreflexe sind an den minder betroffenen
Partien oft gesteigert. Cerebrale Symptome treten nicht selten
ohne spinale auf (in 10,68 pCt. unter 543 Fällen des Vortragen¬
den). Dieselben sind entweder rein meningitisch oder pontin,
bulbär, encephaltiscli (Halbseitenlähmung).
Eine spontane. Facialislähmung (Nuklearlähmung) ist nicht
selten. Die Kombination verschiedenartiger und verschieden
starker Hirnsymptome läßt mannigfaltige Krankheitsbilder ent¬
stehen, die bisher ätiologisch unklar waren. Die Mortalität
war in Wien und Niederösterreich 10,45 pCt. Todesursachen:
aufsteigende L a n d r y sehe Paralyse, Meningitis, Vaguslähmun¬
gun. Knaben erkranken und sterben häufiger. Epidemiolo¬
gisch stützt Vortragender seine Erfahrungen auf 543 Fälle aus
den Epidemien 1908 und 1909 in Wien und Niederösterreich.
Rapider Anstieg im September, Oktober, dazwischen aber kein
völliges Schwinden. Herdweises Auftreten, Verschontbleiben
der 1908 stärkst befallenen Provinzteile im folgenden Jahr und
umgekehrt. Kontagiosität sehr gering, Uebertragung durch
gesunde Zwischenträger nach Meinung Wiek m a n n s,
Müllers möglich. Wahrscheinlich bei uns seit langem
endemische Krankheit mit gelegentlichen Steigerungen. Virus
unbekannt („invisibles Virus“ wie bei Lyssa), doch Erzeugung
der verschiedenartigen Krankheitsformen beim Affen möglich
(Landsteiner u. a.). Wahrscheinlich Erzeugung einer
passiven Immunität. Anatomisch: Infiltrative disseminierte
Entzündung der grauen Substanz des Rückenmarkes, des Bul¬
bus, Hirnstammes, weniger der Großhirnrinde mit starker Be¬
teiligung der Meningen und der Gefäße. Anerkennung der
großen Verdienste Wiekmanns, dessen vorgeschlagener
Name Heine-Medin sehe Krankheit zu akzeptieren ist.
Diskussion: , i
Herr Wickmann (Stockholm), verlesen durch Herrn Klotz
(Straßburg), gibt seiner Genugtuung darüber Ausdruck, daß
die Ergebnisse seiner Untersuchungen fast in allen Punkten
bestätigt und akzeptiert wurden. Wenn Z. die ataktischen
Symptome im allgemeinen auf bulbäre ' resp. cerebrale oder
cerebellare Veränderungen zurückführt, so ist dagegen einzu¬
wenden, daß es Fälle gibt, wo keine Zeichen eine solchen Affek¬
tion bestehen und bei denen die Entscheidung über den Sitz
der pathologischen Prozesse unmöglich ist. Es ist deshalb
wenig zweckmäßig, die ataktische Form einfach der pontinen
anzugliedern. Z. will auch die polyneuritische Form nicht
ohne weiteres gelten lassen, weil sie anatomisch nicht erwiesen
wiesen ist und die Symptome zwanglos als von zentralen
Störungen bedingt angesehen werden können. Es ist aber not¬
wendig, die praktischen Aerzte darüber aufzuklären, daß es
eben Formen der H e i n e-M e di n sehen Krankheit gibt, die
klinisch mit der sog. akuten idiopathischen, infektiösen Neuritis
vollkommen übereinstimmen. Das wird am besten und sicher¬
sten durch Aufstellung einer markanten Bezeichnung für dieses
Krankheitsbild erreicht. Daß endlich die Bezeichnung einer
Krankheitsform nach Autorennamen nicht, wie von manchen
Seiten eingewendet wird, Schwierigkeiten mit sich bringen
muß, beweist am besten der Name: Morbus Basedow, der viel
besser ist als etwa Struma exophthalmica, seitdem man die
Formes frustes kennen gelernt hat, in denen weder Struma
noch Exophthalmus besteht.
Herr Pciper (Greifswald) betont die geringe Kontagiosität.
Herr Selter (Solingen) erwähnt, daß in den Rheinlanden
diejenigen Ortschaften, wo vor Jahren Mening. cerebr. spin.
herrschte, von der letzten Poliomyelitisepidemie verschont
blieben.
Herr Leiner und Herr v. Wiesner (Wien): Experimentelle
Untersuchungen über Poliomyelitis acuta.
Als sicheres Versuchstier hat sich nur der Affe bewährt.
Mit geeigneter Impfmethode läßt sich die Erkrankung von Tier
zu Tier übertragen und durch beliebig viele Generationen fort¬
führen. Eine Abschwächung des Virus trat bisher nicht ein.
Das Poliomyelitisvirus weist eine große Aehnlichkeit mit dem
Lyssavirus auf; eine Reihe wichtiger Eigenschaften desselben
sind bereits bekannt, das Virus selbst ist noch unbekannt. Es
ist filtrierbar, äußerst resistent gegen Kälte- und Glyzerin¬
einwirkung, wenig resistent gegen Erwärmen und Austrocknen
in dünner Schicht. Die experimentell erzeugte Poliomyelitis
ist ebenso wie die Poliomyelitis des Menschen durch das Auf¬
treten von schlaffen Lähmungen und Fehlen der Reflexe
charakterisiert. Die Erkrankung kann auf eine Extremität be¬
schränkt bleiben oder auf mehrere Extremitäten übergehen
öder den Typus der L a n d r y sehen Paralyse änuehmen und
mit Lähmung der Blasen- und Mastdarmmuskulatur, der Kehl¬
kopf- und Atmungsmuskeln oder mit isolierten Kernlähmungen
(Fascialislähmung) kombiniert sein. In einzelnen Fällen kam
es nicht zur Ausbildung des typischen Krankheitsbildes, son¬
dern die Tiere gingen unter Marasmus, lähmungsartiger
Schwäche der Extremitäten und Diarrhöen ein. Diese sog.
marantische Form kann bei der Weiterimpfung wieder in das
typische Krankheitsbild übergeführt werden.
Die Infektion des Tieres ist von jeder tieferen Gewebs¬
verletzung aus möglich, sie kann aber auch ohne besondere
Gewebsverletzung von der Schleimhaut aus erfolgen. Hierfür
spricht der positive Ausfall der Fütterungs- und Inhalations-
700
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 46.
versuche. Zwischen Viruseintritt und Einsetzen der Lähmun¬
gen scheint ein gesetzmäßiger Zusammenhang zu bestehen.
Bei Impfung in den Respirationstrakt beginnt die Lähmung an
der vorderen Körperhälfte, bei Impfung in den Digestionstrakt
an der hinteren Körperhälfte. Das Virus wandert von der
Impfstelle ziemlich rasch zum Rückenmark; mit dem Rücken¬
mark eines am 5. Inkubationstag getöteten Tieres gelingt schon ;
die Weiterimpfung. Die Wanderung des Virus erfolgt wahr¬
scheinlich längs der Nerven resp. der die Nerven begleitenden
Lymphgefäße. Vom Rückenmark wird das Virus in die dem
Rückenmarkskanal zunächst gelegenen Drüsen und was für die !
Frage der Kontaktübertragung von besonderer Bedeutung ist.
auch in die Schleimhaut des Nasenrachenraumes ausgeschieden.
In den Speicheldrüsen, im Stuhl und Harn läßt sich das Virus
nicht nachweisen. Das Ueberstehen der Erkrankung führt
fast ausnahmsweise zum Auftreten von Immunität; dieselbe
läßt sich durch den negativen Ausfall von Reinfektionen be¬
reits gelähmter Tiere und durch das Vorhandensein von viru-
ziden Stoffen im Blutserum nachweisen. Diese Befunde bilden
den Ausgangspunkt zum Studium der wichtigen Frage der
Serum- und Vaccintherapie, deren Lösung noch nicht ge¬
glückt ist.
Herr Falkenheim (Königsberg): lieber partiellen Riesen¬
wuchs. (Demonstration.)
11-: jähriges Kind mit enormen Riesenwuchs beider Füße.
Herr v. Pirquet (Breslau): Schematische Darstellung der
Säuglingsernährung zu Unterrichtszwecken.
Auf Grundlage der Arbeiten von Camerer. Heubne r,
Czerny und F’inkelstein wurden Minimum, Optimum
und Maximum der Nahrungsmenge in Kurven eingezeichnet,
der Einfluß der Nahrungsmenge auf das Körpergewicht er¬
örtert und die Ernähnuigsbreite demonstriert. Diese bewegt
sich zwischen der Erhaltungsdiät und der Toleranzgrenze.
Durch Ueberschreiten dieser Grenze (Ueberernährung) erfolgt
ein Abfallen derselben, ebenso durch Hitze oder allgemeine
Erkrankungen. Das Brustkind vermeidet gewöhnlich instink¬
tiv durch Appetitlosigkeit ein Ueberschreiten der Toleranz¬
grenze, nicht so der unnatürlich genährte Säugling. Ist ein
Abfall der Toleranzgrenze eingetreten, so müssen wir die
Nahrungsmenge herabsetzen, oder zu einer Nahrung mit höherer
Toleranzgrenze übergehen.
In ähnlicher Weise ist das Verhalten des neugeborenen
Kindes aufzufassen. (Fortsetzung folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
San.-Rat Dr. Hermann Fischer (Stettin) empfiehlt neuer¬
dings (Deutsche med. Wochenschr., 1910, No. 38) das Alypin
für die Zwecke der Lokalanästhesie in der kleinen Chirurgie
und der Rhino-Laryngologie. Was die Dosierung anlangt, so
benutzt er zur Injektion eine wässerige 1 2 proz. Alypinlösung
mit Zusatz von zwei Tropfen einer 1 prom. Suprareuin¬
lösung bei allen Exstirpationen geschlossener Tumoren (Athe¬
rome, Fibrome, Lipome, Cysten, Hygrome, Ganglien, Lym¬
phome), bei Lupusherden, Cancroideu, Venenligatur resp. Ex¬
zision der Variceu, Radikaloperation der Hydrocele nach
v. Volk m a n n , Urethrotomia externa, Exzision der Chalazia
bei Fremdkörperexzisionen (Nadeln, Kugeln, Holzsplitter etc.),
Sehnennähten sowie bei nach Oberst auszuführenden Ampu¬
tationen, Exartikulationen an den Fingern und Zehen, bei
Panaritien, Exzisionen des Unguis incarnatus und Phimosen¬
operationen. Bei entzündeten Geweben nimmt F. zur An¬
ästhesie eine 1 proz. wässerige Alypinlösung, der drei Tropfen
einer 1 proz. Suprareninlösung zugesetzt sind; hier empfiehlt
es sich, die Lösung blutwarm zu injizieren. Hierher gehören
Karbunkel, Furunkel, Abscesse und Phlegmonen aller Art.
Zum Zahnziehen und allen Operationen an den Zähnen und
am Kiefer ist Alypin in 1—2 proz. Lösung mit 2—3 Tropfen
Suprareninzusatz, frisch bereitet und blutwarm injiziert, bei
richtigem Abwarten ein Anästheticum par excellence, ohne
Nachschmerz, ohne Nachblutung, ohne toxische Erscheinungen.
Eine 10 proz. Alypinsalbe wirkt schmerzstillend bei Hautulce-
rationen aller Art; bei Brandwunden, Brustwarzenschrunden
empfiehlt F. eine Pinselung resp. Spray mit einer 5 proz.
Alypinlösung. Bei den Krankheiten der Nase, des Rachens und
des Kehlkopfes, wo die meisten chirurgischen Eingriffe ohne
Narkose ausgeführt werden, findet Alypin meist Anwendung
in Form der Oberflächen- oder Schleimhautanästhesie. Auch
bei großen submucösen F’ensterresektionen des Septums hat
F. nur wenige Male von der Infiltrationsanästhesie Gebrauch
gemacht. Zur Schlennhautanästhesie benutzt Verfasser den
Spray oder Einpinselungen oder Einlegen von imprägnierten
Watte- oder Gazewickeln. Alypinlösung läßt die Gebilde un¬
verändert, die anfänglich eintretende geringe Hyperämie ver¬
schwindet nach Eintritt der vollständigen Analgesie, also nach
etwa 5—10 Minuten, wieder. In der Nase und im Rachen ver¬
wendet F. meist 5—10 proz. Alypinlösungen. Ist es vorteil¬
haft, gleichzeitig eine Ischämie hervorzurufen, so setzt man
3—5 Tropfen 1 prom. Suprareninlösung hinzu. Bei Eingriffen
im Kehlkopf verwendet F. 10 proz. Lösung als Spray, Ein¬
spritzung mit der Kehlkopfspritze oder Pinselung. Die An¬
ästhesie hält etw r a sechs Minuten an und gestattet ein nihiges
Operieren mit Curette, Schlinge, Schneidezange, Galvanokauter
etc. Die Ungiftigkeit des Mittels gestattet seine Verwendung
in größerer Menge. Auch bei Eingriffen im äußeren Gehörgang
und der Paracentese des Trommelfells hat sich die 10 proz.
Alypinlösung als Analgeticum bewährt. R. L.
IV. Mcherschau.
Fürsorgewesen. Acht Vorträge. Sonderabdruck aus dem
Bayer. Aerztl. Corresp.-Blatt. München 1910. Verlag Otto
Grnelin. Preis 3 M.
Das Fürsorgewesen gehört zu den aktuellsten Fragen
unserer sozialen Bestrebungen und diesbezügliche Erörterungen
begegnen allgemeinem Interesse. So werden auch die vor¬
liegenden Vorträge vielen willkommen sein. Soviel lief, be¬
kannt ist, sind diese Vorlesungen zuerst auf Veranlassung des
ärztlichen Bezirksvereins München im Beginn dieses Jahres
gehalten worden. Das Buch umfaßt folgende Themen: 1. Für¬
sorge für das frühe Kindesalter von Hofrat Joseph M e i e r.
2. Fürsorge im schulpflichtigen Alter von Dr. Eugen Dorn¬
berger. 3. Fürsorge für die schulpflichtige Jugend von
Gymnasiallehrer Dr. M. Vogt. 4. Fürsorge für die schul¬
entlassene Jugend von Prof. Dr. v. Grube r. 5. Fürsorge für
die minderwertig kriminell veranlagte Jugend von A. T u r -
1 11 r. 6. Fürsorge gegen Krankheiten von Prof. Dr.
H. Ker schensteine r. 7. Fürsorge für den Kranken von
Hofrat Dr. Freudenberger. 8. Ueber sexuelle Fürsorge
von Prof. Dr. K. K 0 p p.
Wir erhalten sich Herzkranke leistungsfähig? Anhang: Kurze
Uebersicht der häufigsten Erkrankungen des Herzens. Von
Dr. Ed. Silbermann (Berlin, Bad Kudowa i. Schl.). Verlag
Oscar Coblentz, Berlin W. 30. Preis 1 M.
Eine nette, volkstümlich geschriebene Broschüre, die der
Arzt unbedenklich seinen Herzkranken in die Hand geben
kann.
Praktische Winke zur Ernährung und Pflege der Kinder in ge¬
sunden und kranken Tagen. Ein Nachschlagebuch für
Mütter von Dr. F. Theodor (Königsberg i. Pr.). Vierte ver¬
mehrte, verbesserte und durch eine Reihe von Vorträgen
ergänzte Auflage. Königsberg i. Pr. 1909, Verlag von
Bons Buchhandlung. Preis 3 M.
Das Buch ist der Kaiserin von Rußland „mit allerhöchster
Genehmigung in tiefster Ehrfurcht gewidmet“ und zu „Höchst¬
eigenem Gebrauch“ von Ihrer Majestät verwendet worden. Da
das Buch nach neun Jahren bereits in vierter Auflage er¬
scheint, so dürfte es sich gut eingeführt und den Beifall der
interessierten Kreise gefunden haben. Ein für ' ein Nach¬
schlagebuch eigentlich unentbehrliches alphabetisches Inhalts¬
verzeichnis fehlt.
Die Aerztin iin Hause. Von Dr. med. Jenny. Springer, prakt.
Aerztin in Berlin, in Deutschland approbiert. Gegen
1200 Textseiten mit 900 Original-Textillustrationen und
56 bunten Tafeln und Kunstbeilagen. Preis in Prachtband
kompl. ’geb. 17 M. Verlag Dresdner Verlagshandlung
M. O. Gr oh, Dresden-N. 11.
in weiten Volksschichten nimmt das Verlangen nach Auf¬
klärung und Belehrung in medizinisch-hygienischen Dingen
immer mehr zu. Diesem Streben trägt das vorliegenden Buch
in weitestem Maße Rechnung, indem der umfangreiche Stoff
zu einer guten, populär -medizinischen Darstellung ver¬
arbeitet ist. Das Werk hält sich von jeder Art des Kur¬
pfuschertums fern, betont im Gegenteil immer w'ieder die Not¬
wendigkeit der Inanspruchnahme des Arztes. Es will den Arzt
keineswegs ersetzen oder den Laien zur kritiklosen Selbsthilfe
verleiten. Es soll vielmehr zur verständnisvollen Mitarbeit an
der Tätigkeit des Arztes anleiten. Demgemäß sind thera¬
peutische Maßnahmen bei den einzelnen Krankheiten nur kurz
besprochen, dafür ist der Hygiene dankenswerterweise ein
weiter Raum gewährt. So scheint uns gerade in dieser Be¬
ziehung das Kapitel „Das Weib“ recht gelungen; während der
Abschnitt „Das Kind“, modernen Anschauungen nicht ganz
entspricht. Recht lehrreich ist die Abhandlung „Unsere Er¬
nährung“, in der die tierischen und pflanzlichen Nahrungsmittel,
auch nach ihrem Nährwert betrachtet, zusammengestellt sind.
Die Kollegen seien auf das populär-medizinische Werk auf¬
merksam gemacht.
Sorgen und Fragen in der Kinderpflege. Von Dr. med. Eugen
Neter (Mannheim). München 1910, Verlag der ärztlichen
Rundschau. Preis 1 M.
Verschiedentlich konnten wir in dieser Zeitschrift N et e >-
sehe Schriften besprechen und die besondere Begabung des
No. 46.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
701
Verfassers für populäre Darstellung medizinisch-pädagogischer
Fragen rühmend hervorheben. Das Gleiche gilt auch für die
vorliegende Broschüre, die in kleinen Aufsätzen einige
Fragen ergänzt und erläutert, die in früheren Arbeiten nur
kurz berührt sind. Wir wünschen diesem Heft eine recht weite
Verbreitung und Anerkennung der darin enthaltenen Lehren.
R.
V. TagesgescMchte.
Standesangelegenheiten, Mcdizinal-Gesetzgelmng, soziale
Medizin etc.
Tessin (Schweiz). Die von uns vor einigen Monaten .
(„Allg. med. Central-Ztg.“, 1910, S. 305) gebrachte Mitteilung [
von der Freigabe der ärztlichen Praxis im Kanton Tessin wird
jetzt einschränkend dahin berichtigt, daß die Erlaubnis zum
Praktizieren nur ausnahmsweise erteilt wird, wenn dies für
die Bedürfnisse-der Krankenhäuser, Institute, Gemeinden er- 1
forderlich ist. Da in der Regel genügend Schweizer Aerzte i
vorhanden sind, so ist ein Niederlassungsgesuch zur Ausübung
der Praxis im Kanton Tessin zur Zeit aussichtslos.
Universitätswesen, Personalnachrichten.
Berlin. Als Nachfolger des vor einigen Monaten ver¬
storbenen Dr. P i c k e r t ist Dr. Wilhelm Marquardt
zum ärztlichen Direktor der Lungenheilstätte der Landesver- I
sicherungsanstalt Berlin in Beelitz ernannt worden.
Potsda m. Der Kreisassistenzarzt Dr. Schönbrod {
ist am Typhus gestorben, wie man annimmt, infolge einer Labo- '
ratoriumsinfektion, die er sich bei seinen amtlichen bakteriolo¬
gischen Arbeiten zugezogen hatte.
Hannover. Hier ist im Alter von 65 Jahren der früher j
in Berlin tätig gewesene Arzt Dr. Ernst B e 1 o w gestorben.
Er hatte, bevor er nach Deutschland, wo er seine medizinischen >
Studien gemacht hatte, zurückkehrte, etwa anderthalb Jahr-
zehnte in den Tropen als Arzt gewirkt und erst nach seiner ’
Rückkehr die deutsche Approbation erworben. Ueber seine j
Erlebnisse als Tropenarzt hat er u. a. auch in unserer Zeitung
berichtet und uns auch sonst in früheren Jahren manchen Bei¬
trag geliefert. Als Schriftsteller betätigte er sich vorwiegend |
auf den Gebieten der Tropenhygiene und Lichttherapie; er
gehörte zu den Ersten, die sich in Deutschland dieser anfangs
recht skeptisch angesehenen Behandlungsmethode zuwandten.
Marb u r g. Zum Oberarzt der chirurgischen Universi- i
tätsldinik ist an Stelle des an die Universität Zürich berufe¬
nen Prof. Sauerbruch der bisherige erste Assistenzarzt,
Privatdozent Dr. Hecker, ernannt worden.
Dresden. An den Stadtkrankenhäusern Friedrichstadt
und Johannstadt werden ab 1. Januar Obcrarztstellen für
Ohren-, Nasen- und Halskranke eingerichtet.
— Geh. Rat Osterloh ist am 1. November von der
Leitung der Gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses
Friedrichstadt zurückgetreten.
— Zum Anstaltsarzt der städtischen Heil- und Pflegeanstalt
ist der erste Assistenzarzt an der psychiatrischen Klinik der
Universität Rostock Dr. med. Hermann Alfred Paul
Z i e p o 11 gewählt worden.
Würzburg. Dem Direktor der medizinischen Universi¬
tätsklinik Geheimrat Prof. Dr. v. Leube, der am 30. Oktober
seine hiesige Stellung 25 Jahre inne hatte, ist aus diesem An¬
laß das Prädikat „Exzellenz“ verliehen worden.
Groninge n. Prof. Wenckebach hat den an ihn er¬
gangenen Ruf nach Marburg abgelehnt.
Heiden. Im Alter von 82% Jahren ist hierselbst in der
vorigen Woche Henry Dunant, der Begründer des Roten
Kreuzes, gestorben. 1828 in Genf geboren, wurde er haupt¬
sächlich durch seine Erlebnisse als Zeuge der Schlacht- von
Solferino (1859) auf die Idee des Roten Kreuzes geführt,
die er in den folgenden Jahren so energisch in Wort und \
Schrift vertrat, daß im Oktober 1863 als Resultat einer inter¬
nationalen Konferenz die „Genfer Konvention“ zwischen ver¬
schiedenen Staaten abgeschlossen wurde, auf deren Grund¬
lage sich in weiterer Folge die Institution des Roten Kreuzes
entwickelte. — Durch unglückliche Unternehmungen büßte
Dunant später sein ganzes großes Vermögen ein und zog sicii
infolgedessen von der Oeffentlichkeit, ohne eigentlich krank
zu sein, in die Einsamkeit des Bezirkskranlienhauses zu Heiden
(Kanton Appenzell) zurück, wo er zwei Zimmer bewohnte,
von einer ihm von der russischen Kaiserin ausgesetzten Rente
lebend. Später erinnerte man sich seiner wieder; 1897 er¬
kannte ihm der Internationale Aerztekongreß in Moskau den
Ehrenpreis der Stadt Moskau zu. Der Schweizer Bundesrat
zeichnete ihn durch den Binet-Fendt-Preis aus, und 1901 erhielt
er bei der ersten Verteilung der Nobelpreise eine Hälfte des
Friedenspreises, Hierdurch war er für den Rest seines
Lebens aller wirtschaftlichen Sorgen überhoben. 1903 er¬
nannte ihn die Universität Heidelberg zum Ehrendoktor.
Bern. Oberstleutnant Dr. C. Hauser in Stäfa ist als
Nachfolger des verstorbenen Dr. Murset zum Oberfeldarzt
der Armee ernannt worden.
Philadelphia. Der Röntgenologe Dr. M. K. Kassa-
b i a u ist am Röntgencarcinom gestorben.
Santiago (Chile). Auf Veranlassung des seit einigen
Jahren hier tätigen früheren Assistenten R. Virchows
Prof. Westenhoeffer (in Berlin zuletzt Prosektor am
städtischen Krankenhause Moabit) ist an der hiesigen deut¬
schen Schule ein schulärztlicher Dienst eingerichtet worden,
der durch Vorträge und Verteilung von Merkblättern an
die Eltern unterstützt wird.
Kongreß- und Vereinsnaclirichten.
London, ln einer am 12. Oktober abgehaltenen Sitzung
des Komitees für den hier abzuhaltenden nächsten Internatio¬
nalen Medizinischen Kongreß (1913) wurde Sir Thomas
Barlo w einstimmig zum Präsidenten, Dr. G. H. Makins
zum Schatzmeister, Dr. Herrin g h a m zum Ehren-
Generalsekretär gewählt. Ferner wurde über die Zusammen¬
setzung des Organisationskomitees Beschluß gefaßt. Das
Datum des Kongresses konnte noch nicht bestimmt werden.
Paris. Wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, fand am 3. No¬
vember im Hospital St. Louis eine Versammlung von über
100 Spezialärzten für Syphilis und Hautkrankheiten statt, um
die Behandlung mit Ehrlichs Arsenobenzol zu erörtern. Aus
Brüssel war Prof. Bayet anwesend, der über seine Er¬
fahrungen während der letzten 10 Wochen an 175 Kranken
ausführlich Mitteilung machte. Bayet gelangte zu einem ab¬
fälligen Urteil, ln 14 Fällen beobachtete er als Folge der Ein¬
spritzungen nach W echsei m a n n s Methode brandigen Zer¬
fall der Gewebe bis zu den Knochen an der Einspritzungs¬
stelle. In einigen Fällen trat 14 Tage nach der Einspritzung
Arsenikrheumatismus aut, der schmerzhaft und langwierig
war. Schon innerhalb zweier Monate beobachtete B. 14 Rück¬
fälle. Bayet glaubt, daß 606 zwar wirksam ist, manchmal
sogar in wunderbarer Weise, besonders bei sekundären Fällen,
aber es beeinflusse nur sehr wenig die Nebenkrankheiten der
Syphilis, die sogenannte Parasyphilis, hat auch auf An¬
fangserscheinungen geringen Einfluß und schließt verhältnis¬
mäßig häufige Rückfälle nicht aus. Wechselmanns
Methode muß nach seiner Ansicht endgültig aufgegeben wer¬
den. Das einzig Richtige seien Einspritzungen in die Blut¬
gefäße. obschon auch diese vor Rückfällen nicht schützen. Pro¬
fessor Borcy bat 18 Fälle mit 606 behandelt, ln vier bis
fünf Fällen war der Erfolg verblüffend. In den anderen war
der Erfolg nicht besser als der, welchen die alten Methoden
ergeben. Dr. Emery, der eben aus Deutschland zurück¬
gekehrt ist, empfahl die neue Einspritzungsnietnode
N e i s s e r s und I s a a c s als w eniger schmerzhaft und die Ge¬
webe reizend. Die Versammlung gelangte zum Schlüsse, daß
606 eine wertvolle Bereicherung des Arsenals zur Bekämpfung
der Syphilis bedeute, jedoch Quecksilber und Jod nicht ütier-
flüssig mache.
Gerichtliches.
Leipzig. Die „Aerztl. Mitteilungen" lenken die Auf¬
merksamkeit auf folgende in der „Reichsgerichtskorre¬
spondenz" mitgeteilte Reichsgerichtsentscheidung vom 18. Ok¬
tober:
Der Heilgehilfe B. war von der Mutter eines au schwerer
Kniegelenksentzünduug leidenden Knaben zur Behandlung zu¬
gezogen worden. Vor Uebernahme der Behandlung hatte sich
B. von der Mutter einen Revers unterschreiben lassen, durch
den dieser auf alle Ansprüche aus dem Aufträge, insbesondere
die aus etwaiger sachwidriger Behandlung
folgenden verzichtete. Bei seiner nun folgenden Tätigkeit
hat B. nach Aussage der chirurgischen Sachverständigen die
elementarsten Grundsätze der Asepsis und Antisepsis außer
Acht gelassen. Er öffnete die Geschwulst nach anfänglicher
Behandlung mit Salben durch zwei blutige Eingriffe. Er ver¬
wendete dabei eine Sonde, die er in einer alten Ledertasche
bei sich trug, verzichtete auf die eigne Desinfektion, behielt
statt dessen die „neuen“ Reisehandschuhe an und tamponierte
die Wunde mit alter Verbandwatte. Die Umgebung warnte
er vor seiner Berührung, da er (B.) die Wundrose am Arme
habe. Es trat dann auch eine septische Infektion bei dem
Knaben ein, dank ärztlicher Hilfe blieb der Knabe zwar am
Leben, behielt aber ein steifes verkürztes Bein. Das Schöffen¬
gericht zuWeima r verurteilte B. wegen fahrlässiger Körper¬
verletzung zu vier Monaten Gefängnis. Daran schloß sich eine
Zivilklage auf Schadenersatz, der B. in allen drei Instanzen
erfolgreich durch den Hinweis auf den von der Mutter Unter¬
zeichneten Revers begegnete. In der beim Reichsgericht
eingereichten Revision wies die Klägerin darauf hin, daß der
von ihr Unterzeichnete Revers offenbar gegen die guten
Sitten verstoße und deshalb nach § 823 B. G.-B. keine recht¬
liche Wirksamkeit beanspruchen könne. Das Reichsgericht
lehnte jedoch die Revision ab, da es in obigem Revers
702
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 4G.
keinen Verstoß gegen die guten Sitten erblickte. Das Organ
des Leipziger Verbandes stellt diese Reichsgerichtentscheidung
in Parallele mit einer Reichsgerichtsentscheidung vom 24. März
1908, nach welcher der von dem Leipziger Verband den von
ihm unterstützten Aerzten abverlangte Revers gegen die guten
Sitten verstößt. Und dabei handelt es sich in diesem Revers
lediglich um eine geringe Beschränkung der Niederlassungs¬
freiheit des sich verpflichtenden Arztes, dem dafür doch der
Verband vorher eine erhebliche Gegenleistung geboten hat
und auch weiterhin seine Einrichtungen zur Verfügung stellt.
Verschiedenes.
Wien. Ueber die Heilversuche mit Radium in
Joachimsthal ist nach den „Dresdn. Nachr." an das öster¬
reichische Ministerium für öffentliche Arbeiten folgender Be¬
richt erstattet worden: In der provisorischen staatlichen Bade¬
anstalt liegen über 209 Fälle Ergebnisse vor, die mit Bädern
und Trinkkur behandelt wurden. Von diesen wurden bei Be¬
endigung der Kur 169 als gebessert und 40 als unverändert be¬
funden. Sämtliche Fälle waren chronischer Art. Die Fälle
bedeutenderer Besserungen betreffen Rheumatismen, harn-
saure Arthritiden, Nervenentzündungen, Neuralgien und alte
Exsudate verschiedener Art. Ohne Erfolg blieb die Kur bei
Marasmen, bei Neubildungen, bei essentiellen Erkrankungen
des Rückenmarks und des Gehörs. Verglichen mit den übrigen
Heilmethoden bei erster Kategorie, wie Elektrizität, Heißbäder,
Lichtbäder, Moorbäder, Massage usw., können die erzielten Er¬
folge als recht gute bezeichnet werden. Da die Wirkungsweise
dieses Ürstoffes mit denjenigen Kräften, die wir als Strahlung
kennen, verwandt ist, konnte man annehmen, daß auch die Ein¬
wirkung der Radioaktivität auf die tierische Zelle eine der
.Wirkung von Strahlen ähnliche sein dürfte. Die Erfahrung hat
diese Annahme bestätigt, indem es sich gezeigt hat, daß
schwächere Grade der Radioaktivität die Zellen anregen, ihre
Lebenstätigkeit steigern. Ueberschreitet jedoch die Radioaktivität
einen gewissen Grad, so wirkt sie auf die Zelle lähmend und
zersetzend und kami sie bei fortgesetzter Steigerung abtöten.
Die Beurteilung der zulässigen Grade, die Dosierung der
Radiumstrahlung kann heute noch nicht im ganzen Umfang
festgestellt werden. Es bedarf noch weiterer Studien und Be¬
obachtungen, um hier ein abschließendes Urteil geben zu
können. Vorläufig muß noch große Vorsicht als geboten er¬
achtet werden. Es läßt sich aber, sagen, daß der Radium¬
therapie eine große Zukunft bevorsteht, namentlich wegen
ihrer leichten äußeren und inneren Anwendbarkeit und wegen
der Konstanz der Wirkung. Die Regierung läßt ein Radium¬
kurhaus erbauen mit vorläufig 60 Badezellen, zu welchen die
radioaktiven Wässer mittels Rohrleitungen geführt werden,
und wird eine ärztliche Autorität zum Vorstand der Anstalt
berufen.
Paris, ln Frankreich wird in absehbarer Zeit ein Heim
für arbeitsunfähige Aerzte („Maison de Medecin“) ins Leben
treten. Seitdem vor einiger Zeit ein dahinzielender Vorschlag
mit dem nötigen Nachdruck in der Fachpresse vertreten wurde,
stiftete ein Anonymus für diesen Zweck 50 000 Fr., ein Kollege
vermachte testamentarisch sein Schloß und IV 2 Mill. Fr. der
Gründung, eine Kollegin schenkte sofort eine große Besitzung.
Eine ähnliche Anstalt soll für bedürftige Arztwitwen geschaffen
werden, wo auch alte Arztehepaare mit mäßigem Einkommen
billige Pension finden sollen.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Zu besetzende Stellen von Medizinalbeamten.
Die Kreisassistenzarztstelle des Stadt- und Landkreises
Saarbrücken, Regierungsbezirk Trier, mit dem Amtssitz
in Saarbrücken (jährliche Remuneration 1800 M.).
(Veröffentlicht am 1. November.)
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. KL:
Dr. Nol te in Wiesbaden, San.-Rat Dr. Caesar in Halber¬
stadt, Geh. San.-Rat Dr. Stern in Berlin, Stabsarzt Dr.
H ö 1 k e r in Plön.
Stern zum K ö n i g 1. Kronen-Orden 2. KL: Geh. Med.-
Rat Prof. Dr. H. Fischer in Berlin.
Koni gl. Kronen-Orden 4. KL mit Schwertern:
Oberarzt Dr. P i s t n e r in Kamerun.
.Rote Kreuz-Medaille 2. KL: Geh. San.-Rat Dr. La
Pierre in Potsdam, Dr. Hunsdieker in Hohenlimburg,
Generaloberarzt a. D. Dr. St ei ff in Tübingen.
Rote Kr e u z-M e.d a i 11 e 8. Kl.: Generalarzt Dr. Over-
\v e g in Königsberg i. Pr.. Kreisarzt Dr. König in Könitz,
Kreisarzt Dr. Birnbacher in Danzig, Generalarzt Dr.
Kanzowin Berlin, Dr. Eckstein in Berlin, Dr. J a q u e t
in Charlottenburg, Dr. Behncke in Demmin, Dr. Linke
in Löwenberg, Dr. Olszewski in Rosdzin, Dr. Happel
in Biebrich, Generalarzt Dr. T h e 1 in Cassel, Regierungs-
u. Geh. Med.-Rat Dr. Schlecht in Trier, Dr. Köhnke in
Grimma, Dr. Zimmer mann in Meißen, Dr. Pfleiderer
in Nürtingen, Generalarzt Dr. Ger stacker in Karlsruhe,
Med.-Rat Dr. S t i g e 11 in Oppenheim, San.-Rat Dr. Haden-
f e 1 d t in Ludwigslust, Generaloberarzt a. D. Dr. H e n s 0 1 d t
in Weimar, Oberstabsarzt Dr. Gritzka in Weimar, Dr.
Hanns in Saumberg, Dr. Schmidt in Pößneck,
Oberstabsarzt Dr. Haverbeck in Dessau, Dr. Fried¬
rich in Eisenberg, Dr. G ö r i n g in Friedrichroda, Dr.
Schulz in Stadtilm.
Ernennungen: Kreisassistenzarzt Dr. Speiser in
Sierakowitz zum Kreisarzt des Kreises Regenwalde, Prof.
Dr. König in Altona zum ordentl. Professor in Greifswald,
Dr. ß 0 e g e in Danzig zum Kreisassistenzarzt in Sierakowitz,
Kreisarzt Dr. Schwabe zum Regierungs- und Med.-Rat in
Aachen.
Niedergelassen: Dr. Culmann in Liegnitz, Dr.
Pflanz in Warmbrunn, Dr. Peters -in Preetz, Dr.
, F i s c h e r in Levern, Dr. H e d f e 1 d in Kierspe, Dr. M a r d-
rier in Frankfurt a. M., Arzt O. Baer in Hohenhonnef, Dr.
Lade in Wiesbaden.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes:
H. Widder und Dr. Wendler von Düsseldorf, Oberarzt
Dr. Schattauer von Insterburg, Dr. Schieritz von
Kötschau, Dr. Duderstadt von Nebra, F. Koehl von
Erfurt.
Verzogen: Dr. Grimm von Schlochau nach Köslin, Dr.
Wachhausen von Bochum nach Schlochau, Dr. M. Cohn
und R. Ham m e r von Berlin nach Schwetz bezw. Thorn,
Dr. Busch von Grabowsee nach Görbersdorf, Dr. Dyren-
f u r t h von Weißensee nach Berlin, Dr. Schürmann von
Buch nach Düsseldorf, Dr. H 0 11 z t von Liebenwalde nach
Bernau, Dr. Benning von Franz.-Buchholz nach Rock¬
winkel, Dr. Lehmann nach Franz.-Buchholz, Dr. Hirsch
von Charlottenburg nach Hermsdorf, Dr. R a 11 i von Wald¬
frieden nach Oranienburg, Dr. Rathenow nach Wilhelms¬
hagen, Dr. Spliedt und Dr. Ernst von Neuruppin nach
Waldfrieden bezw. Kiel, Dr. Petzsch von Britz nach Neu¬
ruppin, Dr. Oppenheimer und Dr. B a b nach Lankwitz,
Dr. W e i d e r t von Hermsdorf nach Britz, Dr. Strecklin
von Friedenau nach Schöneberg, Dr. Marx nach Mariendorf.
Di'. Quesse von Charlottenbürg nach Neu-Babelsberg, Dr.
Feige von Eisleben nach Hermannswerder, Dr. Henske
von Pritzerbe nach Jarmen, Dr. Dieckert und Dr.
H i n s c h von Stettin nach Merseburg bezw. Hamburg.
Baden.
Ritterkreuz 1. Kl. desselben Ordens: Bezirksärzte
Med.-Räte Dr. Z i x in Mannheim, Dr. Warth in Müll¬
heim und Dr. Wippermann in Mosebach sowie Med.-
Räten Dr. Oster in Illenau, Dr. Barbo in Pforzheim,
ordentl. Prof. Dr. Heuck in Mannheim, Dr. Ni s s 1, Dr.
Ernst und Dr. Kümmel in Heidelberg und Dr. Ki 11 ian
in Freiburg.
Badische F r i e d r 1 c h - L u i s e h - M e d a i 11 e: Bezirks¬
ärzte Med.-Räte Dr. Kaiser in Karlsruhe und Dr.
Compter in Rastatt, Med.-Rat Dr. Schumacher in
Jestetten, Professoren Geh. Hofrat Dr. A x e n f e 1 d, Dr.
Goldmann, Geh. Hofrat Dr. Hoche, Dr. Jacobi,
Dr. Schüle in Freiburg, Dr. Bettmann und Dr. Vul-
p i u s in Heidelberg.
Niedergelassen: Dr. P. R. Z i m m e r m a n n in Frei¬
burg, Dr. E. Schotteli us in Glottertal (Oberglottertal),
Dr. Ernst Huber, Stabsarzt Dr. W. Silberborth,
Dr. L. Liebmann in Karlsruhe, Dr. Xaver Mayer in
Bannholz, Dr. Birkenholz in Ziegelhausen, Frau Dr.
Edda Stoffel und Frau Dr. Ernestine Glaesmer
in Heidelberg, Dr. A. C. S1 0 1 z in Eberbach, Dr.
H. Jarosch als Oberarzt an der Lungenheilstätte
Friedrichsheim.
Verzogen: Dr. K. Mi es einer von Langenbrücken nach
Eisenberg i. d. Pf., Dr. Richard Krieger von Bann¬
holz nach Langenbrücken, Dr. R. N 0 e h t e von Karlsruhe,
Dr. E. Eihel von Pforzheim, Dr. F. M. Apelt von Ober¬
glottertal nach Görbersdorf, Dr. P. S p o 0 von Herrischried
nach Rickenbach, Dr. 0. W i r z von Durlach nach Karlsruhe,
Dr. M. G u m p r i c h und Dr. Ernst W 0 1 f f von Karls¬
ruhe, Dr. A. Salzberger von Schluchsee, Dr. Richard
Meyer. Dr. K. Schieffer, Dr. Friedrich Weil
von St. Blasien und Dr. P. Wentz von Königsfeld nach
Bethel bei Bielefeld.
Gestorben: Dr. Emil Schumacher in Eberbach.
Waldeck.
Ernennung: Dr. E. Deetz in Arolsen zum Oberland-
physikus und zum Medizinalreferenten des Landesdirektors
in Arolsen.
Verantwortlich für den redaktionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin N., Friedrichstrasse 131 B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin
Verlaß; von Oscar Ooblentz. Expeditionsbureau: Berlin W. 30, Maassenstrasse 13. — Druck von Oarl Marschner. Berlin SW.. Alexandrinenstrasse 110
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Leipzig 1908, S. 324, Röntgen-Kalender, Leipzig 1908, S. 93, Archiv für pliysik. Medizin n. medizin
Technik, Leipzig 1900, Bd. 1. Heft 2/3, S. 200. Kompendium der Rüntgenographie. Leipzig 1905. S. 252
253 u. 269, Manuel Pratique de Radiologie Medicale, Bruxelles 1905, S. 41. Verhandlungen der Deutschen
Röntgengesellschaft, Hamburg 1908, S. 97. Deutsche Medizinische Wochenschrift. Berlin 1908, S. 1472.
Orthoröntgenographie, München 1908, Zeitschrift für medizin. Elektrologie u. Röntgenkunde, Leipzig 1908.
Bd. X, S. 11, Soci6t6 de Radiologie Medicale de Paris. Bulletins et Memoires Tome I, No. 2, S. 43.
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Herausgegeben von der
Redaction der Allgemeinen Medicinischen Central=Zeitung (Dr. H. Lohnstein u. Dr. Th. Lohnstein).
I. Teil: Taschenbuch in Kunstleder gebunden.
II. Teil: Kalendarium (4 Quartalshefte, pro Tag 1 / l Seite), geheftet zum Einhängen.
Inhalt des I. Teiles:
Kalendertafel 1911.
I. Verzeichnis der gegenwärtig gebräuchlichen älteren und
neueren Arzneimittel.
II. Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
das Deutsche Reich.
III. Uebersicht, der wichtigsten, in Form von subcutanen,
intramusculären und intravenösen Injectionen zur An¬
wendung kommenden Mittel.
IV. Zu vermeidende Arzneimischungen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VI. Medicinische Bäder.
VII. Auszug aus der deutschen Arzneitaxe 1910.
Preise für Stoffmengen, Arbeiten und GTefässe.
1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
VIII. Anweisung zur sparsamen Ärzneiverordnung mit Rück¬
sicht auf die Krankenkassenpraxis.
IX. Uebersicht der wichtigsten Nährpräparate.
Ueber dieSerodiagnostik und die sog. „biologischeTherapie“
der Syphilis und über die bisherigen Erfahrungen mit dem
Ehrlich-Hata’schen Mittel 606. Von Dr. Fritz Munk,
Charlottenburg-Berlin.
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, Medicinische Tabellen und sonstige für den Arzt wichtige
Zahlenangaben.
. Untersuchung des Harns.
. Einiges aus der Technik der Blutuntersuchung.
. Bekanntmachung, betreffend den Erlass einer Gebühren¬
ordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte.
Gesetz betr. die Gebühren der Medicinalbeamten.
, Verzeichnis der Krankheiten und Todesursachen.
. Bäder und Kurorte.
. Post-Tarif.
. Tafeln zur Sehprüfung.
. Notizblätter für Adressen.-
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Verantwortlich iär dtn redactionellen Teil: Dr. H. Lohnateln, Berlin N., Friedrichatraaae 131 B., für den Inaeraten-Teil: Richard üeba, Berlin.
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Therapeutische Rundschau
(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
D r* H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 13tB
• Fernsprech-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
IV. .Jahrgang Berlin, 19. November 1910
Xo. 47
Die „Therapeutische Rundschau' erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., f(lr das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor (Jnartalsschlnss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Apostolides: Die
Behandlung der Schädelbasisfrakturen mit wiederholten Lumbal¬
punktionen.
Seilei: Die klinische Wirkung des Ehrlichschen Diarnido-
nrsenobenzols. — Hoffman»: Ueber Asurol zur Behandlung
der Syphilis. — Werner: Das Elirlich-Hata-Mittel 60(> bei
Malaria — Schuster: Inwiefern genügt die mikroskopische
Untersuchung auf Tuberkelbacillen mit den neueren Färb-
rnethode.n zur Diagnose „Tuberkulose der Harnwege“? —
Zweig: Beiträge zur Klinik und Prophylaxe des Unterleibs¬
typhus. — Fey: Pneumatose des Magens, geheilt durch un¬
blutige Dehnung der Cardia. — Takeda: Ueber das Harn-
pepsin als differentialdiagnostisches Kriterium zwischen Carci¬
noma ventriculi und Apepsia gastrica. — Cur sch mann: Einige
Indikationen und Kontraindikationen der Lumbalpunktion. —
Offerhaus: Die Technik der Injektionen in die Trigeminus¬
stämme und in das Ganglion Gasseri. — Fischer: Ein Fall
von Dysbasia angiosderotica (intermittierendem Hinken) mit
dem Symptom der Ischämie und nachfolgenden Hyperämie. —
Raschkow: Ueber Gyuoval, ein neues Baldrianpräparat. —
Koerner: Erfahrungen über Novaspirin.— Gros: Ueber eine
Methode, die anästhesierende Wirkung der Lokalauästhetica zu
steigern. Löwen: Ueber die Verwendung des Novocains in
Natriumbicarbonat-Kochsalzlösungen zur lokalen Anästhesie. —
Riedl: Die Erfolge der Operation des Plattfußes nach der
Methode von Gleicli-Brenner. — Kümmell: Wodurch setzen
wir die Mortalität der Appendicitis herab und verhüten Abscesse
und Peritonitiden? — Loebl: Ueber Appendicitis im höheren
Lebensalter.— Heymann: Zur Bekämpfung von Nachgeburt*-
blutungen und Umgehung der manuellen Placentarlösung durch
die Schlauchkonstriktion nach Momburg.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 2. November 1910.—
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom
7. November 1910. — Berliner Otologische Gesellschaft. Sitzung
vom 4. November 1910.
III. Therapeutische Notizen. Rosin: Ueber Geloduratkapseln.
IV. Büch erschau. H. Lohn stein und Th Lohnstein: Mediziual-
Kalender und Rezept-Taschenbuch 1911.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung. soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
Drei Weihnachts- oder Neujahrsgaben für unsere Frauen,
unsere Kinder und unsere toten Kollegen.
VI. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Aus der innereu Abteilung des städtischen Ottomanischen Kranken¬
hauses in Smyrna.
Die Behandlung der Schädelbasisfrakturen mit
wiederholten Lumbalpunktionen.
. Von
Apostolos G. Apostolides, Arzt der Abteilung.
Bis vor einigen Jahrzehnten galten die Schädelbrücha
East als. letal, Gegenwärtig hat sich diese traurige Prognose
bedeutend gemildert, da die Gehirnchirurgie durch die Aus¬
bildung der antiseptischen Wundbehandlung, die Vervoll¬
kommnung der operativen Technik und Instrumentierung
und besonders durch die in den letzten Jahren gemachten
Fortschritte der endokraniellen Anatomie zum reizvollsten
Gebiete der operativen Heilkunde geworden ist. Doch bleibt
noch heute die Mortalität zu hoch. Nach Chudovszky 1 )
beträgt sie im Durchschnitte 45,3 pCt. für die Schädel-
gewölbefrakturen und 64,2 pCt. für die Basisfrakturen. Nach
einer neuerdings erschienenen Statistik wäre die Mortalität
20,25 pCt. für die Schädeldachbrüche und 62,2 pCt. für
die.Basisfrakturen [R. Maclaren 1 )]. Einige Operateure
haben also mehr, andere weniger Todesfälle. ' Das hängt
teils vom Zufall, teils von größeren oder geringeren Er¬
fahrungen und der Geschicklichkeit der Operateure, teils auch
davon ab, daß der Begriff der Operabilität Weit gefaßt wird.
Bene curat qui bene dignoscit.
Während aber in der Frage bezüglich der operativen
Behandlung der Schädeldachbrüche eine Einigung zwischen
deu Chirurgen erzielt wurde, ist die Methode der Behand¬
lung der Basisfrakturen einer großen Kontroverse unter¬
worfen worden und gehen darüber noch heute die Ansichten
auseinander. Die Mehrzahl der Fachgenossen entschließ!
sich heutzutage nur in Fällen dringender Not zur Opera¬
tion und begnügt sich in der weitaus größten Mehrzahl der
Fälle mit der von Chipaul t 3 ) [Paris] formulierten medi¬
kamentösen Behandlung, dem sogenannten „Traitement me-
1 ) Chudovsky: Beiträge zur Statistik der Kuochenbrüohe.
A. v. Bruns: Beiträge zur klinischen Chirurgie, 1898, Bd. XXII.
2 ) it. Maclaren: Au address on the treatement of the fractures
of the base of the skull. Brit. Med. Jour., 1908, No. 2504.
a ) Chipault: Chirurgie Opera toire du Systeme nerveux, toine 1, j
Paris 1894.
I dical“, welche bekanntlich in Bekämpfung des Shoks und
Vorbeugung von Komplikationen durch skrupulöse Reini¬
gung, und Reinhaltung der benachbarten Höhlen (Mund,
Aase, besteht. Ein sehr großer Teil der Chirurgen ist also
passiver Zuschauer des Traumas, indem er jeden energischen
Eingriff, wobei der Zustand des Verletzten sich ver¬
schlimmern könnte, perhorresziert, da er fürchtet, den
Teufel durch Beelzebub .auszutreiben. Diesen gegenüber
stehen andere — zu denen vorzüglich Amerikaner und
Engländer gehören —, welche jede exspektalive Behandlung
wobei zu viele Verletzte sterben, die durch Operation hätten
gerettet werden, verwerfen und von eitlem passiven Ab¬
warten nichts wissen wollen. Die Anhänger dieser Methode
suchen die bei den Schädelfrakturen häufig vorkommendenin¬
fektiösen Komplikationen, welche öfters den Tod verur¬
sachen. durch verschiedenartige .Freilegung der Schädel¬
basis. fernzuhaltep. Leider sind die Erfolge dieses schweren
chirurgischen Eingriffes, für den eine gewisse Energie des
Herzens erforderlich ist, nach dem übereinstimmenden Urteil
der anerkannteren Autoren [.Marion 1 ), Vincent 5 )]
ziemlich unbefriedigend.
Die neuere von C iU s h i n ,g 6 ) | Baltimore] versuchte s u fi¬
tem p orale Trepanation sowie die ganz neuerdings
von E. Vincent (loc. eit.) empfohlene „Trepanation
mit Drainage der subarachnoidalen Höhle n“,
welche den Erfindern ermutigende Resultate gegeben hatten,
müssen, wenigstens zurzeit, als sehr gefährliche Operationen
befrachtet werden, weil sie für den geschwächten Organis¬
mus nicht unbedenkliche Eingriffe darslellen; übrigens
haben sie den Nachteil, technisch große Schwierigkeiten
zu bieten; ganz besonders ist es die Drainage dieser schwer
zugänglichen Höhlen, die auf Schwierigkeiten stößt. Auch
ist die Mortalität dabei, trotz der Veröffentlichung einzelner
Fälle, die die Wirksamkeit dieser Verfahren illustrieren,
bedeutend groß [Voss, H. Cushing 7 ) (loc. cit.) Lau-.
gier 8 )]. Aber ohne die Kühnheit der genannten
4 ) Marion: Chirurgie du Systeme nerveux, Paris 190r>
•>) E. Vincent: Du traitement rationuel des fractures de la base
du eräne Revue de chirur., 1909, No. 8.
6 ) H. Cu sh in g: Subtemporal decompressive Operation s associated
with bursting fractures of the skull. Annal. of Surgery, May 1908.
7 ) Nach Cushing wäre die Mortalität 14 pCt. Die zwei von
Vencent so behandelten Fälle starben. •
9 j Laugier: De la trepanation Systemaiiquo p veventive dans les
fractur.es de la base du eräne. These, Lyon 1910.
704 _ THERAPEUTISCHE
Autoren, könnten wir die wunderschönen Erfolge von
H o es 1 e y , Mignon (1904), K ii m mell (1905), Voss
(1908), M. Kusznetzo w (1908), H. C u s h i n g (1909) usw.
wohl nicht registrieren. Immerhin sind die Basisfrakturen
in der Regel nicht chirurgisch zu behandeln, weil sie
meistens „au-dessais de nos resources“ sind, wie es aus¬
drücklich Au dry in der neueren Auflage des „Nouveau
Traite de Chirurgie“, 1910, bemerkt.
Einfacher und aussichtsreicher erschien mir die Lumbal¬
punktion, zu welcher mir die von vielen Seiten her mil-
geteilten guten Resultate .vor etwa zwei Jahren die An¬
regung gaben. Ohne auf zu viele historischen Einzel¬
heiten hier einzugehen, möchte ich mich nur mit
einigen Punkten begnügen. Mit der ‘Lumbalpunktion als
Heilverfahren bei der Meningitis beschäftigen sich die Aerste
erst seit wenigen Jahren eingehender und in der Fachli teratur
war die Mitteilung von H. Lenhartz 9 ) [Hamburg] (1904)
sozusagen die erste, welche über die Anwendung der Lumbal¬
punktion bei der Meningitis cerebrospinalis berichtete.
Qu e nu und M u r et (Paris) haben dieQ u i n ok esc.he Punk¬
tion auch zur Behandlung der die Basisfraktureil begleitenden
Meningitis mit Erfolg angewandt. Bald darauf wurde sie
von (Devraigne (1905), Meslier 10 ) (1907) u. a. ein¬
gehender studiert und systematisch angewandt. Seitdem ist
eine Reihe von Publikationen erschienen, die als Vorzug der
Q u i n c k eschen Punktion neben der Sicherheit der
Wirkung bei den verschiedenartigen Meningitiden ihren ent¬
schiedenen kurativen Effekt auch bei den Schädelbasis¬
brüchen hervorhebt. Endlich müssen wir die Abhandlung
von Mur et 11 ) erwähnen, die bestrebt war, durch Beleuch¬
tung einiger Fälle den segensreichen Einfluß der regelmäßig
und häufig wiederholten Lumbalpunktion theoretisch nach¬
zuweisen; wir werden bei der Erklärung des kurativen
Effektes der Lumbalpunktion hierauf noch ausführlicher
zurückkommen. Die Klinik hat den Theorien von M u r e t
recht gegeben und die Lumbalpunktion hat sich rasch das
Zutrauen weiterer ärztlicher Kreise erworben. Ihr thera¬
peutischer Nutzen wurde ja von verschiedenen angesehenen
Chirurgen und Internen hervorgehoben. Devraigne,
Bonnaire, Voss, Audry, Meslier, Chastenat,
Ferrati, Savy u. a. haben über mehrere Fälle von
Basisfrakturen mit relativ geringer Mortalität berichtet.
So teilt. Ferrati 12 ) drei Fälle mit zwei Heilungen mit, De-
1 ore 13 ) berichtet über einen Fall von traumatischer Menin¬
gitis, welcher 20 Tage dauerte und endlich heilte. Zu ähn¬
lichen Resultaten kommen auch O. Voss (Frankfurt a. M.),
M. Kusnetzow, und F razier 14 ); letzterer teilt einen
durch Punktion geheilten Fall von frischer Schädelbasis¬
fraktur mit Beteiligung des Mittelohres mit. Savy (Lyon
chirurgical, 1. Mai 1909) will noch einen Fall geheilt haben,;
Audry 15 ) und M u r e t besonders berichten über glänzende
Erfolge, die sie .mit der Lumbalpunktion erzielt haben. Aus
diesem Grunde schließt ein großer Teil der Autoren
Auvrav 15 ), Chipault, P. Launy 16 ), Rod. Mac¬
laren, G. Fowler 17 ), V oss u. a. — sich dieser Betrach¬
tungsweise an, und widmet der Lumbalpunktion einen her¬
vorragenden Platz in seinen Handbüchern. Ein nur einiger¬
maßen. abschließendes Urteil über den Wert, dieses Ver¬
fahrens bei der Behandlung der Basisfrakturen nach dieser
relativ kleinen Anzahl von initgeteilten Fällen im all¬
gemeinen zu geben, ist selbstverständlich im gegenwärtigen
Augenblick ganz unmöglich, das kann erst nach längerer
Zeit, geschehen, nachdem inzwischen hinreichende Er¬
fahrungen an einer großen Zahl und besonders auch Er¬
fahrungen über die Dauer der Heilung gemacht sind. Nie¬
mand kann es verkennen, daß die hier bezüglichen, sehr
9 I Lenhartz (Hamburg): Deutsches Archiv f. klm. Medizin, 1905,
Bd. LXXXIV
lü ) Meslier: Contribution a l’etude des meningites consecutives
aux fractures de la base du crane. These le Doctorat, Paris 1907.
1[ ) L’epanchement du lang dans les fractures de la base cnine.
These de Paris, 1907.
12 ) Ferrati: Soc.iete lancisienne des Hopitaux de Rome. Seance
du 15. Decembru 1909.
13 ) Delore: Societe de Chirurgie de Lyon. Seance du 21. Mai 1908.
14 ) Frazier: Journal of amer. assoc, 1909. No. 28.
15 j Auvray: Maladies du craue et de l’encephal. Nouveau
traite de Chirurgie, Paris 1909, Fase. XXII.
le ) Launy: Art. „Craue“ in Pratiquo medico-chirurgicale,
Paris 1907, turne I VI.
17 ) Fowler: Treatise of Surgery, London 1908.
Apostolos G. Apostolides: Le traitement des fractures
de la base du cnine par les ponctions iombaires repetees. Presse
medicale, 1910, Xo (14.
RUNDSCHAU 1910._ No. 47 .
beweisenden Statistiken sehr „delikat“ sind. Manches läßt
sich dafür, manches dagegen anführen. Hüten wir uns
davor zu sagen: Post hoc, ergo propter hoc. Man könnte
leicht einwerfen, daß solche Verletzte auch ohne Punktion
in vollkommene Gesundung übergegangen wären. Es ist
ja nicht zu bestreiten - und jedem erfahrenen Praktiker sind
solche Fälle bekannt —, daß es Fälle von Schädel¬
brüchen mit tiefer Depression gibt, welche unter dem Hilde
des Gehirndrucks verlaufen, bei denen die Kranken läge-
und wochenlang bewußtlos bleiben, aber dann allmählich zu
sich kommen und ohne irgendeine Erscheinung von blei¬
bender Gehirnläsion genesen, und andere wieder, deren Zu¬
stand wochen- und monatelang vortrefflich war, und die dann
mit plötzlich auftretenden Gehirnerscheinungei] zugrunde
gehen. Die Literatur weist fortwährend derartige Fälle auf, so
daß ich darauf verzichte, des näheren darauf einzugehen.
Diesen gegenüber stehen andere Fälle, welche zahlreicher
deshalb interessanter sind, hei denen ein therapeutischer
Eingriff nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn
er im allerersten Stadium der Verletzung einsetzt,
sonst haben solche Fälle immer einen letalen Aus¬
gang. Wenn die Punktion hei solchen Fällen angewandt
wird, kann jsie schöne Resultate ergehen, wie es, von verschie¬
denen Seiten ,mitgeteilt wurde. Persönlich verfüge ich auch
über drei solcher Fälle, welche ich mit anderen Kollegen zu
beobachten Gelegenheit hatte; worüber ich schon in der
„Presse medicale“, Paris 18 ) ausführlicher referiert habe.
In einem meiner Fälle war die Genesung des Verletzten, trotz
der eingetretenen traumatischen Meningitis und ihrer zweifel¬
losen Gefährlichkeit, eine vollständige und ist es seit einem
Jahre geblieben. Bei der Seltenheit der mitgeteilten ähn¬
lichen Beobachtungen wird mir gestaltet sein, über meine
Fälle in aller Kürze zu berichten, welche dazu beitragen
können'; den Wert der Quinck eschen Punktion als Heil¬
verfahren der Basisfrakturen zu beleuchten.
Fall 1. G. J., Dachdecker. 22 Jahre alt, aus Karantina
bei Smyrna, hereditär nicht belastet. Am 3. IX. 1909 fiel ei*
vom Dache (12 m Höhe) auf die rechte Seite des Kopfes
und wurde bewußtlos ins Haus gebracht. Bei unserem Besuch
hatte er sich von dem ersten Shok etwas erholt und war sein
Sensorium frei, er konnte aber keine Angaben darüber machen,
wie er gefallen ist. Er lag mit blassem Gesicht und ausdrucks¬
losen Zügen da: die Augen sind starr und die Pupillen
'reagieren kaum; eine schwache, oberflächliche, zuweilen
durch etwas tiefere seufzende Atemzüge unterstützte Re¬
spiration zeigte das Lehen an; unregelmäßig leerer lang¬
samer Puls (5 5 Schläge pro Minute)! Er hat Ohren¬
sausen und heftiges Erbrechen. Keine Spur von Lähmung
Fieber fehlt. Massenhafte Blutung der Nase (Epistaxis.) Die
anfangs rote Flüssigkeit klärt sich bald und fließt in rascher
Tropfenfolge bis zu gewisser Menge ab. Der Mangel einer
Schwellung und eines auf der Nasengegend lokalisierten
Schmerzes, sowie einer Krepitation schließt eine durch direkte
Verletzung des Nasenknochens bedingte Epistaxis aus. Nach
Rasieren des ganzen Kopfes und bei allergenauester Unter¬
suchung haben wir keine einigermaßen wichtige Trennung der
Kontinuität der Haut auffinden können. Eine feine Auf¬
treibung der Weichteile am Hinterhaupt und eine Kontusions-
wunde in der rechten Fossa frontalis ohne Eindruck waren
die einzigen durch direkte Verletzung produzierten Weichteil-
wunden. Ich verordnete peinliche Desinfektion der Nebenhöhlen
(Mund, Nase), Ausspülungen mit Menthoxol lOproz., Pheno-
salyl 1 proz., Eis auf den Kopf. Abführmittel etc. Am 4. IX,
zeigt sich i allmählich eine conjunctivo-palpehrale Ekchymose,
welche sich von der Conjunctiva bulbi zur Conjunc. palpebra¬
rum langsam ausbreitet. Die der Ekchymose benachbarten
Kopfteile haben keine Spur von direkter Verletzung. Tem¬
peratur 40,1°, Aufregung, große Empfindlichkeit der
Sinne. Reflexerregbarkeitan der ganzen Körper¬
oberfläche sehr gesteigert, Kontraktur der Nacken -
muskeln, Brudzinski sches und Kernig sches
Symptom, kontralaterale Reflexe, heftige und
unerträgliche Kopfschmerzen; die Processus spinosi.,
besonders die Nackenwirbelsäule sind auf Druck empfindlich.
Patient ist delirant, verwirrt, ganz desorientiert. Der Inhalt
des Delirs ist ^hypochondrisch. Pat. zeigt das Bild des so
genannten Wundstupors, klagt immer über Kopfweh-Gefühl,
als ob der Kopf zerspringe, und über Hitze und Schwindel,,
Wallung, rauschartige Umneblung. Das Bewußtsein ist auf
traumhafte Stufe herabgesunken. Objektiv finden sich stiere,,
verworrene Miene, Verengerung der Pupillen, schlechter Schlaf
mit häufigem Auf schrecken bis zur Schlaflosigkeit, Empfind¬
lichkeit gegen Licht und Geräusche, Verbigerieren, Kissenbohren,
Herumschlagen mit den Armen Erbrechen, Leibmuskel¬
spannung, Puls 5 0. — Bei diesem Symptomkomplex, welches,
auf das Hinzutreten einer traumatischen Meningitis oder wahr-
No. 47. _ TIIKUAPEÜT ISCHE
schein lieh einer Encephalitis deutet, ließ sich die Diagnose auf
eine Basisfraktur recht gut stelleu, und die Prognose war fast
hoffnungslos; die Punktion wurde mehr als diagnostisches
und palliatives als wie kuratives Verfahren gegen das Kopfweh'
vorgeschlagen. — Bei der ersten Punktion entleerte sich unter
hohem Druck zuerst im Strahl und bald darauf tropfen?
weise eine bluthaltige rote Flüssigkeit, welche 40 ccm betrug.
Allgemeiner Zustand schlecht, Miene verworren und aus¬
druckslos, der Blick verglast ins Leere stierend, zeigt eine
gewisse Apathie.
Bald darauf erwachte der Kranke und trat aus seiner
Lethargie heraus. Der Kopfschmerz ließ wie mit einem Zauber¬
schlage nach, das Fieber fiel auf 38,9° herab, das Bewußtsein
erhellt sich und können wir uns mit dem Pat. unterhalten
Am 0. IX.: Früh 38°, abends 38,2°, Puls 60, regelmäßig.
Am 7. IX.: Neue Erhöhung der Temperatur auf 39°, wieder
Kopfschmerz, Uebelkeit, Jaktation, große Aufregung, sanftes
Delirium, Benommenheit. B r u d z i n s k i sches und Kernig-
schcs Symptom existieren, aber wenig ausgeprägt. Es wurde
eine zweite Punktion vorgenommen, welche die Entleerung von
gelblichem, im Strahl abgeflossenem Liquor bewirkte. Große
Erleichterung folgte darauf. Temperatur 37,9°. Kopfweh und
Uebelkeit verschwanden. Conjunctivo-palpebrale Ekchymose mit
leichter Protrusio bulbi. Ich habe auch eine gewisse Herab¬
setzung des Riechvermögens (Hyposmie) für schwache Riech¬
stoffe wahrgenommen. Ich fuhr mit den Lumbalpunktionen
jeden zweiten Tag fort, und wurden im ganzen fünf vollzogen,
während aber bei dem ersten Einstich 40 ccm Liquor leicht
gewonnen wurden, kamen bei der nach einem Intervalle von
sieben Tagen ausgeführten 4. Punktion nur noch kaum einige
Tropfen heraus und die fünfte ergab ein ganz negatives Re¬
sultat, obschon die Kanüle beim Einführen nicht verstopft
war und richtig in den Subarachnoidalraum eintrat. — Der
Verletzte gelangte zu vollständiger Heilung und ich bin hier
in der Lage, dieselbe genau weiter zu verfolgen.
Der zweite Fall ist dem ersten ganz ähnlich, dagegen
ist der dritte Fall nach anderer Richtung lehrreich und der
Erwähnung wert, weil er den glänzenden Erfolg der Punktion
illustriert.
Fall 3. H. M. ..., Landwirt, 23 Jahre alt, wurde unserer
Klinik (Höpital Civil Ottoman) am 3. III. 1910, 12 Tage
nach dem Unfall, zugeführt. Man erzählt uns, er hätte vor
12 Tagen, am 18. II. 1909, einen schweren Unfall er¬
litten, indem er von einem Pferd, das er galoj)pieren ließ, über-
sprungen wurde. Da er die Zäume fest um seinen Arm ge¬
bunden hatte, wurde er vom Pferd auf eine lange Strecke
eines steinigen Pfades gezogen. Er hatte damals den Kopf,
wie es hier bei den Türken üblich ist, mit einem vielgefalteten
Leinenzeug, „Baschlik“ genannt, umwickelt. Er wurde in be¬
wußtlosem Zustande vorgezogen und als keine große blutende
Kopfwunde bemerkt wurde, ins Haus gebracht. Hier war er
wieder bei Bewußtsein, jammerte aber laut, daß ef heftiges
Kopfweh habe. Von der Nase fließt eine anfangs
blutige, bald gelbliche Flüssigkeit ab. Da das
Kopfweh trotz verschiedener Arzneimittel und Morphiums-
Einspritzungen fortdauerte, kam er in unsere Klinik.
Status praesens: Kräftiger und gesunder Mann; er
spricht wenig; erst auf laute und wiederholte eindringliche
Fragen macht er einige Angaben über seinen Unfall. Sein Gang
ist schwankend; er scheint leicht angetrunken zu sein, leidet
an heftigem unerträglichen Kopfweh, geringem
Schwindel und Stirndruck, wie wenn er in einem Schraub¬
stock wäre, fühlt sich unwohl, abgeschlagen. Das Auge hat
einen neurasthenischen verschwimmenden Ausdruck. P o t u s und
Lues werden negiert. Der Stuhl tritt nur auf
Abführmittel ein. Bisweilen Erbrechen. Die Sensi¬
bilität, die Motilität und die Sphinkteren sind normal, dagegen
Nackenmuskelkontrakturen, Rigidität der Extremi¬
täten, K e r n i g sches und Brudzinski sches Sympt o m
sehr ausgesprochen. B ä b i n s k i sches Phänomen positiv.
Temperatur 37,5°. Bei genauer Untersuchung des rasierten
Kopfes läßt sich keine äußere Verletzung nach weisen. Nur
einige Kontusionsbeulen fanden sich am Hinterkopf. Nirgends
Kontinuitätstrennungen des Knochens. Ferner fand sich eine
Quetschwunde an der Regio frontalis dextra, jedoch keine Frak¬
tur, nur eine deutliche conjunctivo-palpebrale Ekchymose an der¬
selben Seite, wo die Quetschwunde lag, mit einer leichten Pro¬
trusio bulbi. Vollständige Aufhebung des Riech-
vermögens zeigt sich bei Einatmen stark rie¬
chender Stoffe. Diese Erscheinung war nach der Aussage
der Verletzten gleich nach dem Unfall aufgetreten. Puls 60.
Das Vorhandensein einer subconjunctivalen spät eingetretenen
Ekchymose, die überfließende Epistaxis, die er hatte und die
übrigen Symptome einer subakuten traumatischen Meningitis
ließen kaum eine andere Deutung zu, als daß es sich um -eine
Basisfraktur handelte. Von einem chirurgischen Eingriff war
RUNDSCHAU 1910. _ 705
keine Rede, da es mit dem Verletzten immer besser ging. Die
Beständigkeit der Kopfschmerzen aber machte die Punktion
notwendig. Bei dem ersten Einstich entleerte sich unter sehr
hohem Druck und im Strahl eine gelbgrüne Flüssig¬
keit von etwa 40 ccm. Bei der chemischen Untersuchung
des Liquors wurde Hämoglobin auf gefunden, auch war die
G m e 1 i n sehe Reaktion positiv. Große Erleichterung trat plötz¬
lich ein. Kopfweh, Schwindel, Uebelkeit, Erbrechen sind wie
mit einem Zauberschlage verschwunden. Ich habe diese Punktion
in einem Intervall von 6 Tagen viermal wiederholen müssen,
bis bei der letzten Punktion nichts mehr abfloß. Pat. heilte
in den nächsten Wochen ohne weitere Komplikationen. Es
besteht nur eine geringe Herabsetzung des Riechvermögens_,
wahrscheinlich durch Schädigungen des Stammes des Nerv, ol
faetor. und eine leicht retrograde Amnesie insofern, als die
Erinnerung an den Unfall vollkommen fehlt; an die Ereignisse
vor dem Unfall besteht Erinnerung.
Dieser Fall ist sehr instruktiv und zeigt eine Reihe be¬
merkenswerter Momente : Das lange Intervall zwischen dem I In¬
fall und den meningitischen Erscheinungen, die Abwesenheit
des Fiebers, welche die Meningitis nicht ausschließt, die
Mannigfaltigkeit der Symptome, welche auf eine Läsion der
Hirnhäute deutete und vor allem die kurative Wirksamkeit
der Lumbalpunktion.
Es ist natürlich nicht möglich, nach drei Fällen ein ab¬
schließendes Urteil über den Wert einer Behandlungs¬
methode und ihre Vorteile resp. Nachteile anderen Methoden
gegenüber abzugeben. Immerhin war der Eindruck, den
ich von den so behandelten Fällen erhielt, günstig genug, so
daß ich glaube, das Verfahren zur Nachprüfung empfehlen
zu dürfen. In welcher Weise aber die Lumpalpunktion bei
den Basisfrakturen wirkt, wissen wir nicht recht. Nach
Mur et besitzt die Lumbalpunktion unbestreitbar einen ku¬
rativen Effekt; dieser Heileffekt kommt nicht bloß dadurch zu
Stande, daß wir den inneren Hirndruck auf mechanischem
Wege durch Ableitung des Liquor cerebrospinalis verringern, ;
sondern auch dadurch« daß pathogene Bakterien,
welche zur Entwicklung einer traumatischen Me¬
ningitis Anlaß geben, in großer Anzahl abgehen und der
Körper von toxischen .Substanzen befreit wird. Da wir
andererseits wissen, daß der Bluterguß ein günstiger Nähr¬
boden für die Entwicklung pathogener Spaltpilze ist, kann
man leicht begreifen, daß durch die Ableitung dieses die
Frakturen begleitenden .Blutergusses den Spaltpilzen der gün¬
stige Nährboden entzogen wird.
Aber grau ist, alle Theorie, das eine steht jedoch fest, (laß
die Punktion zweifellos einen günstigen Einfluß auf den Ver¬
lauf der Basisfrakturen hat. Könnte nun die Punktion eine
Basisfraktur ohne Trepanation definitiv heilen? Eine große
Anzahl von Arbeiten ist neuerdings erscheinen, die sich nicht
nur in besonders günstiger Weise über den Wirkungseffekt.
der Punktion aussprechen, sondern ihr auch die Fähig¬
keit der vollständigen Heilung zuschreiben (Auvry: Ma-
ladies du Gräne et de l’encephale, Fase. XXIX, Paris 1910).
Diesen Autoren gegenüber stehen andere, welche ihr eine
Wirksamkeit absprechen. Erst der vorurteilsfreien Klinik
bleibt es Vorbehalten, durch ruhiges Abwägen der .Sach¬
lage allmählich den richtigen Standpunkt zu finden.
Was uns betrifft, so möchten wir uns der Ansicht
zahlreicher namhaften Fachleute anschließen, welche die
Lumbalpunktion als theoretisch wohl fundiertes und durch
praktische Erfolge erhärtetes Heilverfahren ansehen. Es
wäre gewiß nicht recht, wollten wir den Patienten Mittel
vorenthalten, die in praxi mit Erfolg angewandt wurden.
Zusammenfassung: Die Lumbalpunktion spielt
eine wichtige Rolle in der Diagnose; den wiederholten Punk¬
tionen kommt auch in schwereren Fällen von Basisfrakturen
ein heilender Einfluß zu. Ist die hierbei entleerte Flüssig¬
keit blutig tingiert, so kann man fast mit Sicherheit
einen Bruch des knöcheren Schädelgerüstes' annehmen
[Jianu 19 )] und darf die Punktion wiederholen; auch
ist es von Wichtigkeit, eine größere Menge Flüssigkeit (etwa
30 40 ccm) abfließen zu lassen. Eine weitere Vorsichts¬
maßregel ist die, bei Vornahme mehrerer Punktionen die¬
selben von unten nach oben zu verschieben, damit nicht
durch eine accidenteHe, der vorhergehenden Punktion zu¬
zuschreibende Blutung eine Rotfärbung der Punktionsflüssig¬
keit bewirkt wird.
19 ) Jianu: Lumbalpunktion bei Schädelbrücheu. Spitalul 1908,
No. 8.
. 7 °C _ THERAPEUT ISCH E RUNDSCHAU 1910.
Dr. Josef Sollei (Pest): Die klinische Wirkung des Ehrlich-
scheu Diamidoarsenobcnzols. (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 89.)
Verfasser berichtet über seine Erfahrungen an 86 Fällen
aus den verschiedensten Stadien der Syphilis. Wesentlich
Neues bringen seine Ausführungen nicht, sie bestätigen das
von anderen Autoren Berichtete. Wir wollen darum nur
einige Einzelheiten anführen. In einem Falle von auf lueti¬
scher Basis entstandener Aortitis mit heftiger Angina pectoris,
in dem das Arseuobenzol als letztes Refugium angewendet
wurde, um den Kranken von seinen unerträglichen Beschwer¬
den zu befreien, hörten nach der Injektion die Anfälle voll¬
ständig auf. Bei Tabes und beginnender Paralysis pro¬
gressiva sah Verfasser keine nennenswerten Erfolge, in
manchen Fällen jedoch symptomatische Besserungen. Was die
Technik der Injektion anlangt, so bevorzugt Verfasser jetzt die
von Alt und Schreiber angegebene Methode. Es löst die
Substanz in 3—4 ccm '/io Normalnatronlauge, untersucht die
Reaktion mittels Lakmuspapier, gibt dann 3—6 Tropfen 15proz.
Natronlauge hinzu und verreibt. Gewöhnlich wird die
Mischung dann von gallertartiger Konsistenz, weshalb noch
1—2 ccm Wasser zugegeben werden müssen. Die zu inji¬
zierende Flüssigkeit beträgt dann 7—9 ccm. Nach Verfasser
ist die Wirkung des Arsenobenzols in den Fällen am größten,
in denen die Spirochäten schon vorher unter Quecksilber¬
wirkung gestanden haben; wahrscheinlich sind die vom Queck¬
silber geschwächten Parasiten dem Arsen gegenüber empfind¬
licher geworden. ' K. L.
Dr. K. I . Hoffmaim: Ueber Asurol zur Behandlung der Syphilis.
Aus der Klinik für Hautkrankheiten der Krankenanstalten
der Stadt Düsseldorf. Direktor Dr. C. S t e r n. (Med.
Klinik, 1910, No. 27.)
Für die Syphilistherapie stehen uns mehrere Behandlungs¬
arten zur Verfügung. So die Schmierkur, die subkutane In¬
jektion und dann die interne Darreichung von Quecksilber¬
präparaten. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Behand¬
lung der Syphilis durch subkutane Injektionen. Verfasser
lenkt die Aufmerksamkeit auf das Asurol, ein Doppelsalz aus
amidooxy buttersau rem Natron und Quecksilbersalicylat mit
einem Gehalt von 40,3 pCt. metallischem Quecksilber. Das
Präparat wurde von ihm in der Hautklinik der Krankenanstalt
der Stadt Düsseldorf bei 40 Syphilitikern geprüft. Als erster
hat sich Seisser in den „Therapeut. Monatsheften“, 1909,
H. 12, geäußert. Zur Anwendmig kamen 2 ccm einer 5 proz.
Lösung, die Injektion wurde bis zum Schwinden der Symptome
jeden zweiten Tag ausgeführt. Aus einigen in der Publikation
aufgeführten Krankengeschichten geht zweifellos die frappante
Wirkung hervor, die wir mit Ausnahme von Kalomel mit
keinem uns zur Verfügung stehenden Präparat erzielen können.
Seiner schnell, resorbierenden Eigenschaft wegen soll es dort
angewendet werden, wo ein prompter Erfolg wünschenswert
erscheint. Nachteile hat es wie alle bekannten Antiluetica,
die sich aber vermeiden lassen. Zwei Hauptvorzüge sind die,
daß das Präparat nie eine ausgesprochene Stomatitis hervor¬
ruft oder die Nieren reizt.
Seiner chemischen Konstitution wegen ist das Präparat
aber nicht imstande, den Kranken lange vor einem
Rezidiv zu schützen. Dies gilt nicht nur für alle löslichen
Salze, sondern auch für das unlösliche Hydrarg. salicylic. Das
einzige Präparat, das längere Zeit im Körper bleibt, ist das
graue Oel. Es liegt daher der Gedanke nahe, Asurol mit dem
grauen Oel, wie es Neisser in seiner Publikation erwähnt
hat, zu kombinieren. Während aber Neisser Asurol und
graues Oel nebeneinander gab, leitete Verfasser die Behand¬
lung mit Asurol ein bis zum Schwinden der Symptome, gab
dann einige Spritzen graues Oel und intermittierend einige
Spritzen Asurol. Auch an Hand der Wa s s e r m a n n sehen
Reaktion wurde die Wirkung des Präparates kontrolliert, in
der Mehrzahl der Fälle trat eine negative Reaktion ein. G.
Stabsarzt Dr. H. Werner (Hamburg): Das Ehrlich-Hata-Mittel
606 hei Malaria. (Deutsche med. Wochenschr., 1910, No. 39.)
Verfasser berichtet über die im Institut für Tropenkrank¬
heiten zu Hamburg angestellten Versuche, die Malaria mit
dem Dioxyamidoarsenobenzol zu behandeln. Anfänglich
wurden lediglich chininresistente Fälle von brasilianischer
Malaria dieser Behandlung unterzogen, später wurde das Mittel
auch bei anderen Fällen von Malaria versucht. Im ganzen
wurden 22 Fälle behandelt, 11 Tropica- und 11 Tertianainfek-
tionen. Die Dosis wurde allmählich gesteigert, anfangs wurde
nur 0,3 gegeben, später wurde auf 0,6—0,7 g gegangen, und
zwar wurden die Injektionen subkutan, intramuskulär oder
intravenös, in einigen Fällen sowohl subkutan wie intravenös
gemacht. Die größte intravenös gegebene Dosis betrug 0,5 g.
Es zeigte sich, daß das Mittel stärker gegen Tertiana als gegen
Tropica wirkt. Eine einmalige Dosis von 0,6 (kombiniert intra¬
venös und subkutan) genügte, die Tertianaparasiten aus dem
peripherischen Blut zum Verschwinden zu bringen und das
No. 47.
Fieber zu beseitigen. Diese Wirkung wurde in durchschnittlich
24 Stunden erzielt. Nur in drei von den 11 behandelten
lertiaUnfällen traten Rezidive auf, und zwar nach 4, 7 und
2L lagen; in diesen Fällen w'aren die Dosen zu klein, nämlich
0,3; 0,4 und 0,5 g. Viel ungünstiger waren die Ergebnisse bei
den Tropicafallen; in sechs Fällen gelang es überhaupt nicht,
die Parasiten zum völligen Schwinden zu bringen; in fünf Fällen
verschwanden die Parasiten aus dem Blut nach 12—48 Stun¬
den, aber die Parasiten traten nach durchschnittlich sechs
Tagen wieder auf und wichen erst einer dann eingeleiteten
Chinintherapie. Ob die Wirkung bei der Tertiana von längerer
Dauer ist, läßt sich jetzt noch nicht übersehen, da die Be-
obachiungszeit erst eine Reihe von Wochen beträgt. Die An¬
wendung des neuen Mittels ist vorläufig in denjenigen Fällen
indiziert, in denen Chinin versagt, und bei 'Chininintoleranz.
Gustav Schuster, Medizinalpraktikant in Frankfurt a. M.: In¬
wiefern genügt die mikroskopische Untersuchung auf
Tuberkelbacillen mit den neueren Färbmethoden zur
Diagnose „Tuberkulose der Harnwege?“ (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 39.)
Bekanntlich sind die Smegma-Bacillen Stäbchen von ähn¬
lichem morphologischem und tinktoriellem Verhalten wie die
Tüberkelbacillen und könnten daher bei nur mikroskopischer
Harnuntersuchung zu Verwechselung mit diesen Veranlassung
geben. Verfasser untersuchte diese Frage und kam zu folgeif-
deu Ergebnissen: Smegmabacillen werden im spontan gelasse¬
nen Urin häufig, bei Frauen sehr viel häufiger als bei Männern
gefunden, im Katheterurin finden sich Smegmabacillen nicht.
Smegmabacillen werden durch Korallin-Methylenblau in den
meisten Fällen entfärbt; eine noch stärkere Entfärbung tritt
nach der Methode von G a s i s ein. Einlegen der Sediment¬
präparate auf 24 Stunden in Aether und Alkohol gibt unsichere
Resultate. Antiforminbehandlung zerstört in allen Fällen die
Smegmabacillen sowohl im Sediment wie in Reinkultur. Auf
Grund der vorstehenden Befunde ergeben sich für die Diagnose
der Tuberkulose der Harnwege folgende Forderungen: Es ist
in allen Fällen möglichst Katheterurin zu verwenden. Es
empfiehlt sich hierbei, die erste Färbung schonend unter Ver¬
wendung von verdünnter Salpetersäure vorzunehmen; bei
positivem Befund Vorbehandlung des Urins mit Antiformin
und nachfolgende Korallinfärbung. Bei Nichtkatheterurinen
Vorbehandlung mit Antiformin und Korallinfärbung. So aus¬
geführt ist die Tuberkelbacillenuntersuchung des Urins keine
sehr empfindliche Methode, einem negativen Befund ist des¬
halb keine Beweiskraft zuzusprechen. Hier tritt der Tierver¬
such in sein Recht. Aber ein positiver Befund ist genügend
sicher und ermöglicht die Diagnose Tuberkulose.
Dr. Alexander Zweig (Dalldorf-Berlin): Beiträge zur Klinik
und Prophylaxe des Unterleibstyphus. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 39.)
Verfasser berichtet über eine kleine, in den ersten Monaten
dieses Jahres auf der weiblichen Siechenabteilung der städti¬
schen Irrenanstalt Dalldorf aufgetretene Endemie von Typhus-
erkrapkungen und die dabei angestellten klinischen und epide¬
miologischen Beobachtungen. Er faßt diese in folgenden
Sätzen zusammen: 1. Es gibt Typhen, die mit wenig hohem
und kurzem Fieber einhergehen. Günstige, prognostische
Schlüsse erlaubt dieser Verlauf nicht. 2. Es gibt Typhen, bei
denen bis in die fünfte Woche hinein die Bacillenausscheidung
sovvohl wie der Widal fehlt. 3. Ein von 1 :50 auf 1 :100
steigender Widal beweist nicht das Vorhandensein eines
ak uten Typhus. Vielleicht geben höhere Verdünnungen ver¬
läßlichere Resultate. 4..Eine völlig normal aussehende Milz
kann Typhusbacillen enthalten; bei jedem verdächtigen Fall
ist daher die bakteriologische Untersuchung der Organe (Milz,
Gallenblase und Darm) nötig. 5. Bei Bacillemmsscheidern ist
unbedingt Laktobacillin zu versuchen, welches häufig die Aus¬
scheidung von Typhusbacillen beseitigt. Es scheint durchaus
möglich, daß es auch günstig auf den akuten Typhus wirkt.
6. Beim Ausbruch eines Typhus ist immer an Kontaktinfektion
zu denken. Zur Ermittelung der Infektionsquelle empfiehlt
es sich, die Entleerungen und das Serum namentlich der „Eß-
gemeinschaft“ des Erkrankten mehrmals mit wöchentlichen
Pausen zu untersuchen. 7. Ein Typhusfall in einer Eßgemein-
schaft zwängt zur besonderen Beachtung auch unscheinbarer
Temperatursteigerungen der anderen Mitglieder. 8. Bei der
Behandlung unsauberer Kranker ist die Holzwolle dem Moos
vorzuziehen. Bei Typhusepidemien ist die Verschleppung der
Keime durch die Holzw'olle möglich.
Dr. .1. Fey (Saarbrücken): Pneumatose des Magens, geheilt
durch unblutige Dehnung der Cardia. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 39.)
Die Pneumatose, d. 1 l eine starke, mit heftigen Beschwer¬
den (Asthma dyspepticum) einhergehende Anfüllung des
Magens mit Gas ist ein ziemlich seltenes Leiden; es ist meist
ein Symptom der Neurasthenie oder Hysterie, manchmal auch
No. 47.
THERAPEUTISCHE
tritt es als selbständige Neurose auf, auch bei Luftschlucken
kann es zur Pneuniatose kommen. Der Zustand wird durch
einen krankhaften Verschluß der Cardia und des Pylorus her¬
beigeführt. Die bisher übliche Behandlung richtet sich zu¬
nächst gegen das Grundleiden, bei Anfällen gibt man Narkoti'Ca.
Verfasser hatte nun Gelegenheit, einen derartigen Fall zu be¬
obachten ; es handelte sich um einen 32 jährigen sonst gesunden
Schlosser. Die bisherige' Behandlung (Brom etc., hydriatische
Prozeduren) hatte ganz versagt; im Anfalle half nur Morphium,
'das der Kranke stets bei sich trug. Schließlich versuchte Ver¬
fasser die allmähliche Dehnung der Cardia zunächst mittels
Magensonden, dann wurde die Sonde von Gottstein ein¬
geführt und es gelang, die Cardia auf etwa 14% cm Umfang zu
dehnen. Seitdem sind keine Anfälle mehr aufgetreten, auch,
das Aufstoßen ist weniger geworden.
Dr. Kunimatsu Takeda: Ueber das Harnpepsin als differen¬
tialdiagnostisches Kriterium zwischen Carcinoma ventriculi
und Apepsia gastrica. (Deutsche med. Wochenschr., 1910,
No. 39.)
In Bestätigung von Untersuchungsergebnissen von
W i 1 e n k o und teilweise von F u 1 d und Hirayama fand
Verfasser bei seinen unter Leitung von Prof. H. Strauss an-
gestellten. Untersuchungen, daß bei Zuständen von Apepsia
gastrica eine Pepsinausscheidung im Urin beobachtet werden
kann. Beim Carcinoma ventriculi scheint die Pepsinausschei¬
dung im Urin in einer gewissen Beziehung zur Ausdehnung
des carcinomatösen Prozesses zu stehen insofern, als erst bei
sehr großer Ausdehnung des Carcinoms das Pepsin aus dem
Urin zu verschwinden scheint. Vielleicht tritt beim Pylorus-
carcinom dieses Verschwinden des Harnpepsins etwas früher
auf als bei dem Sitz des Carcinoms an einer anderen Stelle
des Magens. Fehlen von Pepsin im Urin würde also ceteris
paribus eher für Carcinom als für einfache Apepsie sprechen.
Jedoch darf ein derartiger Schluß nach Verfasser nie in abso¬
luter Form gezogen werden, es ist deshalb die Methode für die
Frühdiagnose der Carcinoms im allgemeinen nur wenig ge¬
eignet. Für deh Nachweis des Pepsins im Harn ist die Edestin-
methode zurzeit die beste, weil sie eindeutig und schärfer ist
als die anderen dafür angegebenen Methoden. Für exakte
Zwecke ist ein Pepsinnacjiweis nur gerechtfertigt in einer Probe
des gesamten Tagesurins. Unter dieser Voraussetzung weist
das Fehlen von Harnpepsin auf eine Unfähigkeit der Magen¬
schleimhaut hin, Pepsin zu produzieren. Dadurch wird das
Besteheu größerer anatomischer Läsionen wahrscheinlich ge¬
macht. Der Nachweis einer Labwirkung des Pepsins gestattet
zunächst noch keine speziellen diagnostischen Schlüsse.
Dr. Hans Curschmann (Mainz): Einige Indikationen und
Kontraindikationen der Lumbalpunktion. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 39.)
Während die hohe diagnostische Bedeutung der Lumbal¬
punktion allgemein anerkannt ist, hat sich die therapeutische
Anwendung der Lumbalpunktion noch nicht das Bürgerrecht
in der ärztlichen Praxis erworben. Verfasser unternimmt es
deswegen, auf Grund seiner eigenen Beobachtungen den thera¬
peutischen Nutzen der Lumbalpunktion darzulegen. Zunächst
ist für fast alle Formen der Meningitis die Lumbalpunktion
von größter symptomatischer und sehr häufig heilender Be¬
deutung. Es ist hier zunächst die Meningitis serosa zu
nennen. Verfasser selbst hat zwei Fälle gesehen, in denen die
einmalige Punktion zur dauernden Heilung führte. In vielen
Fällen gilt dies auch von der epidemischen Genick¬
starre. Verfasser hält auf Grund seiner Erfahrungen die
Lumbalpunktion, d. h. die gründliche Druckentlastung und
Eiterentleerung, für den wesentlichsten Faktor in der Behand¬
lung der Genickstarre, jedenfalls für wichtiger als die an¬
geschlossene intradurale Injektion eines Meningokokken¬
serums. Ei^hat eine Anzahl sporadischer Fälle durch häufige
Punktionen allein heilen sehen, dagegen bei zwei kleinen
Epidemien der vergangenen zwei Jahre unter Anwendung des
Höchster Meningokokkenserums fast alle Fälle durch den Tod
verloren. Daß auch andersartige, eitrige Meningitiden auf die
Punktion allein nicht selten sehr günstig reagieren, wurde
wiederholt beobachtet, allerdings mehr bei den metastatischen
Formen als bei den direkt fortgeleiteten, z. B. otogenen Meningi¬
tiden. Verfasser hat fibrinös eitrige Formen im Gefolge von
Pneumonie, Influenza und Erysipel nach Punktionen glatt
heilen sehen; er teilt einen derartigen Fall mit. Auch die
Fälle von meningitischen Reizerscheinungen, sogen. Meningis¬
mus bei Pneumonien der Kinder/Oberlappenpneumonien aller
Altersstufen, Influenza etc., bei denen stets eine beträchtliche
Druckerhöhung bestell!, sind der Behandlung durch die
Lumbalpunktion zugänglich. Was die tuberkulöse Meningitis
anlangt, so versagt hier meistens die Lumbalpunktion, trotz¬
dem sind in der Literatur drei Fälle berichtet, in denen cyto-
logisch und bakteriologisch völlig sichergestellte tuberkulöse
Meningitis durch fortgestezte Lumbalpunktionen dauernd ge¬
heilt wurde. — Ein weiteres, dankbares Gebiet für die Lumbal¬
punktion sind die pachymeningitischen Erkrankungen, vor
RUNDSCHAU 1910. 707
allem die Pachymeningitis haemorrhagica interna. Verfasser
hat in drei Fällen von typischer Pachymeningitis haemorrhagica
interna die Lumbalpunktion gemacht; bei zwei Kranken, die
zur Zeit des Eingriffs bereits komatös waren, erfolgte nach
1—2 Punktionen Genesung, in einem dritten Falle wurde
wenigstens eine Besserung erzielt, welche Vi Jahr anhielt. —
Bei traumatischen epi- und subduralen Blutungen größeren
Umfang, besonders bei Blutungen aus der Art. meningea media
ist die chirurgische Behandlung in Gestalt der osteoplastischen
Resektion jederzeit und so rasch als möglich notwendig. Jedoch
kann die Lumbalpunktion in solchen Fällen durch den Blut-
befund im Liquor diagnostisch wertvolle Dienste leisten; aber
auch therapeutisch ist sie in nicht seltenen Fällen bei den
Folgen von Scliädeltraümen (Frakturen, Infraktionen, beson¬
ders der Basis, mit kleineren Hämatomen und sekundärer
meningealer Reizung) von großem Nutzen; Verfasser führt als
Beispiel hierfür zwei Fälle an, in denen nach der Lumbalpunk¬
tion dauernd Heilung eintrat. Zum Schluß berührt Verfasser
die Gefahren und Kontraindikationen der Lumbalpunktion. Er
selbst hat im Laufe von sieben Jahren, in denen er die Lumbal¬
punktion zu diagnostischen Zwecken ausfülirt, unangenehme
Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen sehr selten gesehen;
einmal erlebte er einen unangenehmen Kollaps bei einem
Patienten, der im Sitzen punktiert wurde. Seitdem er in Seiten¬
lage die Lumbalpunktion vornimmt, ist ein derartiger
Zwischenfall nicht mehr vorgekommen. Eine Infektion bei
der Lumbalpunktion ist äußerst selten; Verfasser hat einmal
im Anschluß an die Lumbalpunktion eine eitrige Meningitis
mit tötlichem Ausgang erlebt. Die ernsteste Kontraindikation
stellen die Fälle von Blutungen und Tumoren der hinteren
Schädelgrube, speziell des Kleinhirns dar, man hat in der¬
artigen Fällen nicht selten Todesfälle nach der Lumbalpunk¬
tion erlebt. Verfasser führt einen derartigen Fall an, der
allerdings auch ohnehin verloren war (vorgeschrittene, ulceröse
Lungentuberkulose und verkästes Tuberkulom des Vermis
cerebelli). Es war in diesem Fall durch die Lumbalpunktion
Ansaugung des Vermis cerebelli in den vierten Ventrikel und
dadurch Kompression des Atemzentrums eingetreten. Der¬
artige Unglücksfälle lassen sich möglicherweise dadurch ver¬
hüten, daß man bei der Punktion sofort nach dem Absinken
des Druckes eine sterile Flüssigkeit unter starkem Druck, wo¬
möglich bei tiefer Kopflage des Patienten, in den Duralkanal
einspritzt, bis der intradurale Druck wieder seinen früheren
Wert erreicht hat. Trotzdem ist nach Verfasser in manchen
Fällen, die auf Tumor der hinteren Schädelgrube verdächtig,
in Wirklichkeit aber Fälle von Hydrocephalus oder auch
Meningitis serosa sind, die Lumbalpunktion indiziert und von
therapeutischem Nutzen. R. L.
Offcrhaus: Die Technik der Injektionen in die Trigeminus-
stämme und in das Ganglion Gasseri. (Archiv f. klin.
Chir.. Bd. 92, H. 1.)
Die Schlösser sehe Methode der Alkoholinjektionen
bei Trigeminusneuralgie hat in den letzten Jahren eine der¬
artige Verbreitung gefunden, daß eine — bisher fehlende —
genaue Darstellung der anatomischen Grundlagen der Metho¬
den als verdienstvolles Werk erscheinen muß. Offerhaus
hat durch exakte Schädelmessungen festgestellt, daß ein ganz
bestimmtes Verhältnis zwischen der Größe resp. Lage der
Schädelknochen untereinander und zwischen ihren einzelnen
Teilen besteht: Die Distanz zwischen den Foramina ovalia ist
annähernd gleich der Distanz der Processus alveolares maxillae,
gemessen an der Außenseite hinter dem letzten Molarzahn
(Distantia mteralveolaris externa). Macht man einen Frontal¬
durchschnitt durch den Schädel gerade an der Vorderseite der
Tubercula articularia des Kiefergelenks, so zeigt sich, daß die
Foramina ovalia entweder in diesem Durchschnitt oder höch¬
stens bis zu 6 mm dahinter liegen. Die Verbindungslinie an
der Vorderseite der Tubercula articularia (Linea intertubfer-
cularis) schneidet den Ramus mandibularis trig. Die Distanz
zwischen den Foramina rotunda ist gleichfalls mit einem Spiel¬
raum von wenigen Millimetern gleich der Distanz der Proc.
alveol. maxillae an der Innenseite gemessen (Distantia inter-
alveolaris interna). Die Foramina rotunda münden in den
oberen Hinterteil der Fossae spheno-palatiuae; verbindet man
die Foramina spheuo-palatina durch eine Linie, so geht diese
gerade an der oberen Seite des Jochbogens vorbei (Linea
interzygomatica). Die Foramina rotunda liegen 2—4 mm über
und etwas hinter dieser Linie, also auch der 2. Trigeminusast;
das Ganglion spheno-palatinum liegt meistens in dieser Linie.
Nach diesen Daten kann man somit durch Messung der
Distantia mteralveolaris und intertubercularis mit dem Taster¬
zirkel mit großer Genauigkeit feststellen, bis zu welcher Tiefe
man in der Linea intertubercularis eindringen muß, um den
3. Ast zu treffen. Sind diese Maße z. B. 5 resp. 14 cm, dann
liegt das Foramen ovale in einer Tiefe von 9 =4,5 cm.
Dasselbe gilt mutatis mutaudis für den 2. Ast und das For.
rotundum. Die in Zentimeter eingeteilte'Nadel dringt durch
Parotis, Masseter und Pterygoideus externus auf den dritten
708
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 47.
Ast, Große Gefäße kreuzen diesen Weg nicht. Für den zweiten
Ast wird die Nadel am oberen oder unteren Rand des Joch¬
bogens eingeführt. Stört der Proc. coronoideus inandibulae,
so läßt man den Mund weit öffnen.
Die Methode der Nervenauästhesierung läßt sich auch zur
Erzielung einer vollkommenen Lokalanästhesie zwecks Aus¬
führung von anderen Operationen im Gebiete des Trigeminus
verwenden. Durch Injektion von 2,5 ccm einer % proz. Kokain-
Adrenalinlösung in den Ramus maxillaris und mandibularis
an der Schädelbasis erzielt man eine vollständige, etwa eine
Stunde anhaltende Analgesie. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Leopold Fischer (Heidelberg): Ein Fall von Dysbasia
angiosclerotica (intermittierendem Hinken) mit dem Sym¬
ptom der Ischämie und nachfolgenden Hyperämie. (Münch,
med. Wochenschrift, 1910, No. 39.)
Der von Verfasser mitgeteilte Fall betrifft einen 63 jähri¬
gen, bis dahin gesunden Zugmeister, der unter den typischen
Erscheinungen des intermittierenden Hinkens erkrankte. Es
bestanden daneben beiderseits Plattfüße und ein angioueuroti-
sches Symptom: Wenn der Kranke einige Male im Zimmer
auf- und abging, erfolgte, bald nachdem der Schmerz in der
Wade und im Fuß aufgetreten war, ein deutliches rasches
Blässerwerden des untersten Teiles des Unterschenkels und
des Fußes, welcher zuletzt ein wachsartig leichenhaftes Aus¬
sehen annahm, um dann, nach Nachlassen des Schmerzes, all¬
mählich wieder mehr Farbe zu bekommen, um schließlich
ausgesprochene Hyperämie zu zeigen, die nach einiger Zeit
wieder zurückgeht (Angiospasmus mit nachfolgender Angio-
parese). In ätiologischer Beziehung scheint vor allem Tabak¬
mißbrauch in Betracht zu kommen (10—14 Zigarren täglich,
dazu noch 2—3 große Pfeifen). Was die Behandlung anlangt,
so wurden innerlich Jodpräparate, Aspirin, Tinct. Valerisan.
aether., Amylnitrit versucht; außerdem Bettruhe resp. Schonung
des Beins, warme Vollbäder, warme Fuß- und Uuterschenkel-
bäder, ebensolche Salzbäder, feuchtwarme Einpackungen von
Fuß und Unterschenkel mit Kamillentee- oder Salzwasser¬
kompressen, lokale Sonnenbäder, kühle nasse Abreibungen,
spirituöse Einreibungen. Durch alle diese Mittel wurde keine
wirkliche und dauernde Besserung erzielt, aber doch ein Fort¬
schreiten des Prozesses verhindert. Was die Anfälle selbst an¬
langt, so bringt dem Patienten Schütteln des kranken F'hßes
Erleichterung (Anregung der Zirkulation). Außerdem wirkt
Einatmen von Amylnitrit (2—5 Tropfen) günstig. R. L.
Dr. Raschkow, Spezialarzt für Nervenkrankheiten in Berlin:
lieber Gynoval, ein neues ISuldriaupräpurat. (Therapeu¬
tische Monatshefte, 1910, No. 5.)
Das offizineile Baldrianinfusum äußert sich durch schlech¬
ten Geschmack und einen unangenehmen Geruch. Die be¬
kannten, in Gelatinekapseln lancierten Baldrianpräparate rufen
unangenehmes Aufstoßeu hervor. Ein neues Präparat, das
sich durch gute Verträglichkeit auszeichnet, ist das Gynoval,
der Isoborneolester der Isovaleriansäure. Verfasser hat das
Präparat in 30 Fällen, bei 12 Frauen und 18 Männern, erprobt.
Das Indikationsgebiet war Neurasthenie, Hysterie, Epilepsie,
Insomnie' und Arteriosklerose. Im allgemeinen genügten drei
bis vier Perlen pro die, bisweilen wurde die Dosis gesteigert. In
fast allen Fällen wurde das Gynoval anstandslos vertragen und
gern genommen. Versagt hat das Präparat nur in drei Fällen
und zwar handelte es sich um eine Epileptikerin, einen
Fall von Neuralgia occipitalis und eine Frau mit klimak¬
terischen Beschwerden. In 27 Fällen konnte eine eklatante
Wirkung konstatiert werden.
Im Vergleich mit den bekannten in der Praxis ein¬
gebürgerten Baldrianpräparaten läßt sich feststellen, daß die
Bekömmlichkeit des Gynovals gegenüber jenen eine bessere
ist, und glaubt daher Verfasser das Präparat mit gutem Ge¬
wissen empfehlen zu können. G.
Dr. Berthold Koerner (Magdeburg): Erfahrungen über
Novaspirin. (Therapeutische Monatshefte, Mai 1910.)
Wenn Verfasser erst heute über seine Erfahrungen be¬
richtet, so geschieht dies hauptsächlich aus dem Grunde, weil
er über einige neue Indikationen für Novaspirin verfügt.
Gerade durch das Fehlen einer starken Schweißbildung ist das
Präparat zur Behandlung neurasthenischer und tuberkulöser
Patienten geeignet. Neu ist die Anwendung bei leichter Schlaf¬
losigkeit in Fällen, wo Alkaloide und überhaupt Hypnotica
vermietjen werden sollen. Die Dosis beträgt 2 Tabletten in
warmem Wasser aufgeschwemmt. Auch bei heftigen Zahn¬
schmerzen auf neuralgischer Basis und bei direkter Erkran¬
kung der Pulpa und cariösen Zähnen kann man mit 6 Tabletten
pro die die Schmerzen coupieren. Empfehlenswert ist die
Verwendung des Novaspirins bei akuten Verdauungsstörungen
des Magens, die durch fermentative Prozesse hervorgerufen
sind. Auch bei Darmkrankheiten und chronischen Durch¬
fällen hat sich das Präparat gut bewährt. Verfasser verwendet
in diesen Fälle]] folgende Formel:
Rp. Extr. Opii.0,02 g
Novaspirin.0,5 „
D. t. dos. No. X.
S. Dreimal täglich 1 Pulver.
Privatdozent Dr. Oscar Gros (Leipzig): Uebcr eine Methode,
die anästhesierende Wirkung der Lokalanästhetica zu
steigern,
i Privatdozent Dr. A. Läwen (Leipzig): Ueber die Verwendung,
des Novocains in Natriumbicarbonat-Kochsalzlösungen zur
lokalen Anästhesie.- (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
No. 39.)
Auf Grund von theoretischen Ueberlegungen und experi¬
mentellen Untersuchungen kam G. zu dem Ergebnis, daß in
den Lösungen der Salze der Lokalanästhetica der eigentlich
wirksame Bestandteil die durch hydrolytische Spaltung in
der Lösung entstandene freie Base ist, und daß somit die
Basen schneller und intensiver wirken als die Salze. Man
könnte daher die Basen in stärkerer Verdünnung verwenden
als die Salze. G. zeigt dies am Kokain, Novocain, Alypin,
Eucain. Für die Praxis kommt aber die Verwendung der
Basen nicht in Betracht; denn ihre Lösungen reagieren alka¬
lisch und es würde deshalb in ihnen das Hilfsmittel der Lokal¬
anästhesie, das Suprarenin, schnell zerstört werden. Man
kann nun aber annähernd dieselbe Wirkung erzielen, wenn
J man die Karbonate und Bikarbonate der betreffenden An-
j ästhetica verwendet; es tritt dann nämlich eine starke Hydro-
! lyse der Salze, d. h. Zerlegung derselben in die Säure und die
Base ein. Es ist nun nicht zweckmäßig, die Karbonate der
Anästhetica zu verwenden, weil diese zum Teil so stark hydro¬
lytisch gespalten sind, daß die Base ausfällt. Dagegen haben
sich als gut brauchbar die Bikarbonate erwiesen, von denen
besonders das Novocain leicht löslich ist. Man erhält durch
Kombination der Anästheticachloride mit Natriumbicarbonicum
| Lösungen, die stärker hydrolysiert sind, also stärker wirken,
als die Chloride, und welche gegen Phenolphthalein sauer
reagieren, so daß eine Beeinträchtigung der Suprareninwirkung
nicht zu befürchten ist. Es ergab sich auch experimentell, daß
die Bikarbonate der verschiedenen Lokalanästhetica ein viel
stärkeres Anästhesierungsvermögen besitzen, als die Chloride,
j d. h. die Anästhesie tritt viel schneller ein und es sind zur Er-
[ zieluug der Anästhesie geringere Konzentrationen erforder¬
lich. Diese Ueberlegenheit der Bikarbonate über die Chloride
wird nach G. sich besonders bei der Leitungsanästhesie zeigen,
weniger ausgesprochen bei der Infiltrationsanästhesie. Am
zweckmäßigsten ist das Novocain zu verwenden, weil dessen
Bikarbonat am leichtesten löslich ist. Man kann hier Lösungen
von etwas über 5 pCt. hersteilen. Auf je 1 g Novocainchlorid,
I wie es im Handel erhältlich ist, gibt man 0,25 g Natrium-
bikarbönat. Man kann beide Salze getrennt lösen und dann
mischen oder das Novocain in die Lösung des Natriumbikar-
| bonat bringen. Außerdem ist ein Zusatz von NaCl nötig zur
Herstellung der Isotonie. Will man konzentriertere als 5 proz.
Lösungen von Novocain anwenden, so muß man im Verhältnis
weniger Natriumbikarbonat zusetzen, weil sonst ein Nieder¬
schlag j entsteht. Man kann z. B. zu 10 ccm einer 10 proz.
| Lösung 1 von Novocainchlorid 0,1 g Natrium bicarbonicum zu¬
setzen.
L. hat in der Leipziger chirurgischen Universitätsklinik
die praktische Prüfung der Novocainbikarbonatlösungen in
ihrer anästhesierenden Wirkung auf den Menschen durch¬
geführt. Die untere Wirkungsgrenze der Novocainchlorid¬
lösungen liegt bei 0,1 pCt.; für Novocainbikarbonatlösungen
ergab sie sich zwischen 0,05 und 0,03 pCt. Man kann somit
annehmen, daß beim Menschen die Novocainbikarbonatlösungen
in 2—3 mal geringerer Konzentration auf die sensiblen Nerven¬
endigungen wirken als die Novocainchloride. Einmaliges Auf¬
kochen erhöht die anästhesierende Wirkung der,, Bikarbonat¬
lösung, wahrscheinlich deswegen, weil die Bikarbonate da¬
durch teilweise in Karbonate übergeführt werden, deren
Hydrolyse noch stärker ist. Zugleich wird die Lösung durch
das einmalige Aufkochen in genügender Weise sterilisiert.
Macht man sich mit einer 2 proz. Novocainbikarbonatlösung
eine Hautquaddel, so bleibt die Anästhesie 15 Minuten lang
bestellen; gibt man auf 30 ccm dieser Lösung vier Tropfen
Adrenalin 1 :1000, so hält die Anästhesie einer hiermit ge¬
bildeten Quaddel eine Stunde lang an. Daraus geht hervor,
daß das Adrenalin in den Novocainkarbonatlösungen seine
Wirkung nicht einbüßt. Weitere Versuche des Verfassers an
sich selbst und einigen Kollegen ergaben, daß bei Verwendung
der Novocainkarbonate die völlige Leitungsanästhesie ganz be¬
deutend länger anhält als bei den Chloriden. Diese Tatsache
hat sich auch bei praktischer Verwendung der Novocainbikar¬
bonatlösungen bestätigt; L. sieht darin den Hauptvorzug dieser
Lösungen. Ferner ergab sich, wenn auch weniger deutlich,
daß die Leitungsanästhesie schneller eintritt, als bei Verwen¬
dung des Novocainchlorids. Auch zur extraduralen Sacral-
anästhesie hat Verfasser die Novocainbikarbonatlösungen ge¬
eignet befunden. Was die Herstellung der Lösungen anlangt,
so kann man nach L. sich trockene Mischungen der drei Be-
709
No. 47.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
staudteile Novocainchlorid, Natr. bicarbonic. purissim. und NaCl
durch den Apotheker in entsprechenden Verhältnissen her-
slellen lassen. Zur Bereitung, der gewünschten Lösung genügt
es, ein derartiges Pulver in der entsprechenden Menge
Aq. destiil. zu lösen, einmal aufkochen, abkühlen zu lassen
und Adrenalin in Tropfenform zuzugeben. L. verwendet
folgende Kombinationen: I. 2proz. Lösung: Natr. bicarb.
puriss. pro analysi Merck 0,15, NaCl 0,1, Novocain 0,8,
zu lösen in 80 ccm Aq, destiil. II. 1 l A proz. Lösung: Natr.
bicarbonic. puriss. pro analysi 0,2, NaCl 0,2, Novocain 0,75, zu
lösen in 50ccm Aq. destiil. III. 1 proz. Lösung: Natr. bicar¬
bonic. puriss. pro analysi 0,25, NaCl 0,5, Novocain 1,0, zu lösen
in 100 ccm Aq. destiil. IV. H proz. Lösung: Natr. bicarbonic.
etc. 0,15, NaCl. 0,5, Novocain 0,5, zu lösen in 100 ccm Aq. destiil.
Für die extradurale Sacralanästhesie benutzt L. Lösung I oder
II (20 25 ccm). Für die reine Infiltrationsanästhesie sind
von den Novocainbikarbonatlösungen nach L. keine besonderen
Vorteile zu erwarten; dagegen sind sie sehr geeignet für die
regionäre Anästhesie. Für die gewöhnliche Leitungsunter¬
brechung an den Fingern, der Hand und den Zehen empfiehlt
sich besonders Lösung III. Mit Lösung I oder II konnte L.
auch größere Nervenstämme, wie den N. ischiadicus, unter¬
brechen. Die Schmerzaufhebung hält in der Regel 4—5 Stunden
an. Besonders brauchbar erwies sich die Novocainbikarbonat¬
lösung (III) für Zahnextraktionen. Im Mittel konnte die Zahn¬
extraktion vier Minuten nach der Injektion schmerzlos vor¬
genommen werden. R. l.
H. Riedl: Die Erfolge der Operation des Plattfußes nach der
Methode von Glcich-Brenner. (Archiv f. klin. Chir., Bd. 92,
H. 2.)
Die Gleich sehe Plattfußoperation besteht in schräg-
■iineärer oder keilförmiger Osteotomie des Calcaneus von einem
plantaren Bügelschnitt aus mit Verschiebung des abgetrennten
Fersenhöckers nach vorne, innen und unten. Brenner hat
diese Methode in der Weise modifiziert, daß der Schnitt an die
Innenseite des Fuß^s verlegt und der abgemeißelte Fersen¬
höcker stark nach einwärts disloziert wird. Riedl berichtet
mm über die mit dieser Methode von B r e n n e r im Kranken¬
hause in Linz erzielten Resultate. Bei 31 von 37 Fällen konnte
das Dauerresultat nachgeprüft werden: 13 Fälle waren voll¬
kommen geheilt und beschwerdefrei; 14 vollkommen arbeits¬
fähig, wenn auch nicht ganz beschwerdefrei; vier waren ge¬
bessert, aber nicht völlig arbeitsfähig. Obwohl das normale
Fußgewölbe durch die Operation nicht wieder hergestellt wird,
ist die Methode doch geeignet, bei schweren Fällen selbst
fixierten Plattfußes alle Beschwerden dauernd zu beseitigen.
Es genügt die Einwärtsverschiebung des Fersenhöckers. Bei
dem Schnitt an der Innenseite lassen sich Nerven- und Gefä߬
verletzungen mit Sicherheit vermeiden.
• •>•»'< 1 ' V" T| r ; . | , 1 I | ’H
H. Kümmel!: Wodurch setzen wir die Mortalität der Appen¬
dicitis herab und verhüten Abscesse und Peritonitiden?
(Archiv f. klin. Chir., Bd. 92, H. 2.)
Als ein ärztliches Mahnwort an das ärztliche Gewissen
könnte man diese hervorragende Arbeit bezeichnen, welche auf
Grund einer enormen persönlichen Erfahrung in markanten
lapidaren und klassischen Zügen den gegenwärtigen Stand der
brennenden Appendicitisfrage kennzeichnet. „Gerade das,
was für unser Handeln zu wissen am wünschenswertesten
wäre, den pathologisch-anatomischen Zustand der Appendix
zu kennen, sind wir leider außerstande. Dieses Unvermögen
der frühzeitigen Prognosenstellung macht die Appendicitis zu
einer so unheimlichen und gefürchteten Erkrankung. Wir
können in vielen Fällen nicht wissen, welchen Verlauf das
anscheinend leicht beginnende Leiden nehmen wird. Ehe die
Aerzte nicht von ihre:' göttlichen Höhe herabsteigen und sich
offen zu dem Eingeständnis bequemen, daß wir zurzeit außer¬
stande sind, in vielen Fällen der akuten Appendicitis voraus¬
zusagen, wie dieselbe verlaufen wird, so lange werden wir die
Mortalität nicht so weit herabsetzen, wie wir es können und
sollen, so lange werden wir auch weiter Peritonitiden und
Abscesse mit ihren unberechenbaren Konsequenzen in Behand¬
lung bekommen.“ Nach den Erfahrungen der pathologischen
Anatomen tragen 4 /r, aller Menschen einen latent kranken
Wurmfortsatz mit sich herum. Die Appendicitis sieht K. als
eine Infektionskrankheit an, welche durch die ver¬
schiedenartigsten Krankheitserreger hervorgerufen werden
kann und sich auf dem Boden eines vorher kranken, jedoch im
Ruhestadium befindlichen Wurmfortsatzes entwickelt. Die
Diagnose bereitet in manchen Fällen die allergrößten
Schwierigkeiten. Alle früher als maßgebend geltenden Sym¬
ptome, Fieber, Pulsbeschleunigung etc. etc., können selbst bei
den schwersten Fällen fehlen. Auch die neueren diagnosti¬
schen Hilfsmittel, Leukocytenzählung, Viskositätsbestimmung
oder das A r n e t h sehe Blutbild geben uns keinen Anhalts¬
punkt über den momentanen Zustand des Wurmes und den
voraussichtlich weiteren Verlauf der Erkrankung. Bei dieser
Lage der Dinge besitzen war einzig und allein in der frühzeiti¬
gen Entfernung des krankmachenden Organs das sicherste
Mittel, den Kranken definitiv von seinem Leiden zu befreien,
ihn in kürzester Zeit zu heilen und von den mit dem Abwarten
verbundenen Gefahren der Absceßbildung und Peritonitis zu
bewahren. Die Frühoperation schließt keine besonders großen
Gefahren in sich. Die Mortalität der innerhalb der ersten
48 Stunden ausgeführten Operation beträgt bei K. 0,5 pCt.
Leichteste, schon nach wenigen Stunden spontan zurückgehende
Attacken bedürfen der Operation nur dann, wenn sie durch
allzuhäufiges Kezidivirfen Beruf und Lebensfreude beein¬
trächtigen. Die nach interner Behandlung als „geheilt" be-
zeichneten Fälle sind tatsächlich meist nicht geheilt, sondern
nur in das vorübergehende Stadium der Latenz übergeführt.
Das Rezidiv ist in solchen Fällen die Regel, aie Dauerheilung
die Ausnahme! Die innere Medizin behandelt,
die Chirurgie heilt die Appendicitisk ranken.
Nur durch die Entfernung des Wurmes ist eine
sichere Heilung möglich. Je früher dieser
Eingriff bei der akuten Appendicitis statt¬
findet, um so sicherer und gefahrloser tritt
die Heilung ein! Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Heinrich Siegfried Loebl: Ueber Appendicitis im höheren
Lebensalter. (Wiener med. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Die Appendicitis in höherem Alter (über 51 Jahre) ist eine
recht seltene Erkrankung, die aber wegen ihres von der sonst
beobachteten Appendicitis abweichenden „heimtückischen“
Verlaufes erhöhte Beachtung verdient. Sie kommt namentlich
in zwei Formen vor: Als Absceß in der Fossa iliaca beziehungs¬
weise als pseudoneoplastische Form, fast ebenso oft als Appen¬
dicitis im Bruchsack. Die Alters-Appendicitis zeichnet sich
durch geringeres Hervortreten der Lokalsymptome und durch
unbestimmte Störungen des Allgemeinbefindens aus. Ihre
Diagnose ist dadurch erschwert. Das operative Ergebnis ist
aus diesem Grunde, sowie durch häufigeres Vorkommen von
Komplikationen ungünstiger, als das bei der Appendicitis der
jüngeren Altersstufen.
Dr. Felix Heymann (Berlin-Charlottenburg): Zur Bekämpfung
von Nachgeburtsblutungen und Umgehung der manuellen
Placcutarlösung durch die Schlauchkonstriktion nach Mom-
burg. (Berl. klin. Wochenschr., 1910, No. 39.)
Unmittelbar nach den ersten Mitteilungen Momburgs
ist diese Methode auch in der Geburtshilfe mit bestem Erfolge
angewendet worden, und es hat sich dabei gezeigt, daß sie hier
in doppelter Weise günstig wirkt. Erstens wird durch die Um¬
schnürung direkt die Blutung gestillt, zweitens wirkt die da¬
durch entstehende Anämie des Uterus als kräftiger Wehenreiz,
so daß bei Blutungen, die vor c(er Ausstoßung der Placeuta
eintreten, die Lösung dieser außerordentlich beschleunigt
wird, und nach ihrer Ausstoßung der Uterus in fester Kontrak¬
tion bleibt, auch wenn der Schlauch wieder gelöst wird. Durch
die Anregung kräftiger Kontraktionen des vorher atonischen
Uterus machte die Schlauchkonstriktion in vielen Fällen die
manuelle Placentarlösung überflüssig. Gegenüber den guten
Resultaten von Siegwart, Höhne, Weber teilt Kie¬
lender Mißerfolge mit. Da die Methode noch neu und ihre
Resultate strittig sind, berichtet H. in vorliegender Arbeit über
zwei kurz nacheinander beobachtete Fälle, in denen er sie mit
bestem Erfolge anwendete. Seine beiden Fälle zeigen, daß
zur Improvisation der M o m b u r g sehen Konstriktion ein guter
Irrigatorschlauch ausreicht. Trotzdem hält Verfasser es für
empfehlenswert, einen stärkeren Schlauch speziell für diesen
Zweck in der geburtshilflichen Tasche mit sich zu führen. Die
beiden Fälle sind beachtenswert, weil sie die wehenauregende
Wirkung der Konstriktion gut illustrieren, welche diese
Methode zu einem vorzüglichen Ersatz der manuellen Placeu- t
talösung macht. Im Vergleich mit der manuellen Lösung er¬
scheint aber die Konstriktion viel schonender und weniger
schmerzhaft, zugleich ist sie auch viel weniger gefährlich. Die
Anregung der Wehen durch die Anämie ist bei den älteren
Arbeiten über die Aortenkompression nicht beobachtet. Für
H.’s ersten Fall kommt noch folgendes hinzu: ln den bisherigen
Mitteilungen über die Schlaüchkonstriktion in der Geburtshilfe
handelte es sich durchweg um bereits bestehende schwere
Blutungen. Nur für die Hysterotomie ist der Schlauch in der
Münchener Klinik öfter prophylaktisch angelegt worden, um ihn
im Falle stärkerer Blutung sofort zuzuziehen. Ein derartiges
prophylaktisches Verfahren empfiehlt sich aber nach Verfasser
auch "für solche Fälle, in denen, wie in seinem ersten Fall,
nach Anamnese und Befund mit einer stärkeren Blutung zu
rechnen ist. Natürlich darf auch dabei der Schlauch nicht vor
Eintritt einer Blutung zugezogen werden; dazu ist der Eingriff
nicht harmlos genug. Aber Verfasser möchte empfehlen, ihn
I bei solchen Geburten bereit zu halten und sofort zuzuziehen,
I sobald eine die Norm überschreitende Blutung beginnt, schon
ehe dieselbe einen bedrohlichen Charakter angenommen hat.
Kr.
710
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 47.
•j
If. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allerem. Medic. Central-Zeitnng“.)
Sitzung vom 2. November 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Vor der Tagesordnung:
Herr Ludwig Meyer demonstriert* einen Manu mit trau
matischem Schlottergelenk in der linken Articulatio maxillaris. 1
Vor acht Tagen hat Pat. den Mund weit aufgerissen und dabei
eine typische Luxation erlitten. Durch einen Faustschlag auf
die gesunde Seite renkte er den Unterkiefer wieder ein. Jetzt
kann man beobachten, wie bei jeder Bewegung des Unter¬
kiefers dä's Gelenkköpfchen aus der Pfanne sich entfernt.
(Demonstration.)
Tagesordnung:
Ueber Gastroskopie. (Mit Lichtbildern.)
Herr H. Elsner: Der Zweck des Vortrages ist, über weitere
Ergebnisse der Gastroskopie zu berichten. Die Gastroskopie
ist von der Oesophagoskopie nicht zu trennen, die schon seit
30 Jahren geübt wird; aber die wenigen Zentimeter, welche
ein solches Hohlrohr zurücklegen muß, um in den Magen zu
gelangen, komplizieren die Methode so sehr, daß die Gastro¬
skopie noch .heute ein ungelöstes Problem darstellt. Es kommt
noch ein weiterer Unterschied hinzu; wenn es gelingen würde,
mit einem verlängerten Oesophagoskop in den Magen zu ge¬
langen. so könnte man von der Magenschleimhaut nur ein
markstückgroßes Stück übersehen was keinen praktischen
Wert hätte. Um ein größeres Gesichtsfeld zu bekommen,
müßte man ein zentriertes Linsensystem und ein Prisma ein-
fügen, Dinge, die das Oesophagoskop sehr komplizieren
würden. Die Möglichkeit, das Innere des Magens dem Auge
zugänglich zu machen, begann, als man das Cystoskop kennen
lernte. Hier sind die Versuche von Mikulicz zu nennen,
welcher es versuchte, ein winklig gekrümmtes Rohr einzu¬
führen. Die winklige Knickung macht aber die Anwendung
eines doppelten optischen Apparates notwendig, was indes das |
gastroskopische Bild zu einem undeutlichen gestaltet, außer¬
dem wird das Kaliber des Instrumentes zu groß. 15 Jahre i
später nahm Rosenheim die Versuche Mikulicz’ auf.
Sein Gastroskop bedeutet insofern einen Fortschritt, als es ihm
gelang, das starre Instrument, das sich an Nitz es Cystoskop
anlehnt, in Rücken- und Seitenlage des Patienten einzuführen.
Rosenheim hat seitdem nichts mehr darüber publiziert.
K e 11 i n g und K u 11 n e r konstruierten dann ein Instrument,
das sich wie eine weiche Magensonde einführen läßt und nach
der Einführung durch einen Mechanismus gestreckt werden
kann. Es hat sich aber nicht bewährt. Endlich errangen
Löning und Stieda einen weiteren Fortschritt, indem
sie ein Gastroskop schufen, das ein Mittelding zwischen
starrem und weichem System darstellend, aus einem oberen
starren und unteren beweglichen Teil besteht. Eingang in die j
Praxis hat auch diese Konstruktion nicht gefunden. Daß wir
auch heute noch kein brauchbares für die interne Medizin
verwertbares Gastroskop besitzen, spricht für die Schwierig¬
keiten des Problems. Diese sind einmal anatomischer,
zweitens rein technischer Natur. Sehr störend ist die große
Entfernung, welche für die Einführung des Instrumentes in Be¬
tracht kommt (60—65 cm), eine große Schwierigkeit besteht
in dem Zugang zum Magen auf dem Wege über Pharynx und
Oesophagus und in dem Umstande, daß es gelingen muß, eine
gerade Linie zu schaffen zwischen dem Auge des Untersuchers
und dem Inneren des zu untersuchenden Organs. Bei dev
Ovstoskopie ist dies sehr einfach herzustellen, da die Harn¬
röhre ein bewegliches Organ ist. Die Speiseröhre dagegen
hat nur eine .geringe passive Beweglichkeit, im abdominalen
Teile derselben ist die Beweglichkeit gleich Null. Wir können
daher die optische Achse nur durch geeignete Lagerung des
Patienten herzustellen suchen was nicht in allen Fällen leicht
beziehungsweise möglich ist. Personen mit gedrungenem
Körperbau, mit stark vorspringendem Oberkiefer, starker
Krümmung der Wirbelsäule scheiden für die gastroskopische
Untersuchung aus, sie sind dazu ungeeignet. Auf Grund der
bisherigen Erfahrung läßt sich indes sagen, daß in der großen
Mehrzahl der Fälle, in denen die gastroskopische Untersuchung
in Frage kommt, diese Methode anwendbar ist. Stellen doch
gerade die Personen mit paralvtischem Habitus das größte
Kontingent an Magenkranken. Das Problem hat aber noch
eine Reihe technischer Schwierigkeiten zu überwinden: unter
anderem muß eine einfache Vorrichtung vorhanden sein, um
das Prisma während der Einführung des Instruments vor Ver¬
unreinigung zu schützen. Vortragender ist zur Ueberzeugung
gelangt, daß ein bewegliches Instrument nicht geeignet ist, die
an dasselbe zu stellenden Anforderungen der Klinik zu er¬
füllen, er hat sich daher von vornherein an die starren Instru¬
mente gehalten und war bestrebt, in Anlehnung an die Ver¬
hältnisse des Cysloskops möglichst einfache Vorrichtungen zu
y,IVER5ITY F P4CHIQAN
schaffen. Das Instrument (Modell) besteht aus einem Tubus
mit optischem Apparat nach Schlagintweit und enthält
einen Luftkanal zur Aufblähung des Magens. Die Besichtigung
schließt sich direkt an die Einführung des Instrumentes an.
Der Verlauf des abdominalen Teils der Speiseröhre, der aus¬
gesprochen nach links und vorn gerichtet ist, verlangt eine be¬
sondere Gestaltung des unteren Ansatzes des Gastroskopes.
Da dem wechselnden Verlauf des abdominalen Endes der
Speiseröhre Rechnung getragen werden muß und es einen An¬
satz, der für alle Fälle paßt, nicht gibt, so wählte Vortragender
einen elastischen aus Gummi bestehenden Ansatz und glaubt,
damit Ungefährlicbkeit hinsichtlich etwaiger Verletzungen
durch das Instrument erreicht zu haben.
Vortragender hat die Aufgabe zu . lösen gesucht, das Ge¬
sichtsfeld des Gastroskopes zu erweitern, um größere Teile
des Magens übersehen zu können. Nachdem er die Richtung
und Stellung des Instrumentes innerhalb des Magens röntgeno-
skopisch studiert hatte, verwandte er zwei Gastroskope, eins
mit einer Optik, welche eine Achsenablenkung von 45° und
eins, das eine Ablenkung von 60 aufwies. Auf diese Weise
vermochte er fast sämtliche, klinisch wichtigen Teile der
Mageninnenwand zu übersehen. Vortragender geht nun auf
die Frage ein, die das Hauptinteresse beansprucht; auf die
Frühdiagnose des Magencarcinoms und erörtert, ob es gelingen
dürfte, durch Verwendung des Gastroskops eine Besserung
der Frühdiagnose zu erreichen. Die meisten Autoren sind der
Ansicht (Boas u. a.), daß die Forderung der Chirurgen,
Maeencarcinome früh zur Behandlung zu bekommen, uner¬
füllbar sei; denu es gibt eine große Reihe von Fällen, in denen
zur Zeit des Auftretens der klinischen Symptome das Carcinom
schon inoperabel ist; eine zweite Gruppe, bei der klinische
Symptome vorhanden sind und das Carcinom noch operiert
werden kann. Der Hauptgrund dafür, daß diese nicht zur
Operation kommen, liegt daran, daß die Patienten zu lange
intern behandelt werden oder eine Operation ablehnen. Eine
dritte Gruppe gibt es endlich, die rechtzeitige Symptome auf¬
weisen, bei der aber die Diagnose wegen Unklarheit der
Symptome nicht auf Grund längerer Beobachtung gestellt
werden kann. Wird nun die Gastroskopie imstande sein, mit
der Probelaparotomie zu konkurrieren? — Daß das Problem
der Gastroskopie nun gelöst ist, glaubt Vortragender selbst
nicht, dazu hat es zu viele Schwierigkeiten, es bedarf erst der
Mitarbeit vieler und einer ausgedehnten Erfahrung an einem
großen Material. In dem Prinzip der Gastroskopie erblickt er
indes einen Weg. auf dem man zn einer Lösung des Problems
gelangen dürfte (Demonstration).
Diskussion:
Herr Kraus bemerkt, daß in seiner Klinik versucht worden
ist, die Oesophagoskopie für klinische Zwecke auszunutzen.
Er gibt zu. daß die Gastroskopie keine allzugroßen Gefahren
in sich schließt; es besteht aber eine Schwierigkeit, auf die
der Vortragende nicht hingewiesen hat: nämlich die Unmög¬
lichkeit. bei der stetigen Bewegung des Magens die Pars antri
nvlori abzuleuchten. Das Röntgenverfahren dürfte hier weiter
führen, als die Gastroskopie.
Herr Bosenheim: Bei der Gastroskopie sind zwei Probleme
bereits gelöst gewesen, als Vortragender an sie herantrat: es
war festgestellt, daß es möglich ist. ein starres Rohr in den
Magen einzuführen und große Teile sichtbar zu machen: ferner
war auch eine brauchbare Optik bekannt. Woran Redner
selber gescheitert ist. war die Gefährlichkeit des Verfahrens,
deshalb habe er es aufgegeben. Ob durch den weichen Gummi¬
ansatz die Gefahren ausgeglichen werden, und dadurch die
Gastroskopie ein größeres Feld sich erobern wird, ist möglich.
Herr Kuttner: Die Bemühungen Elsners um die Ver¬
besserung der gastroskopischen Technik sind anerkennens¬
wert. trotzdem glaubt K„ daß die Gastroskppie keine große
Verbreitung finden wird, wegen der Gefahren! die mit der
gastroskopischen Untersuchung verbunden sind, sei es. daß
man mit geraden oder gegliederten Instrumenten arbeitet. Die
besten Kenner der Methode haben schon Todesfälle im An¬
schluß an gastroskopische Untersuchungen erlebt. Die Be¬
rechtigung das Gastroskop anzuwenden, würde K. nur für
schwere Fälle anerkennen. Stößt man aber auf Schwierig¬
keiten dann würde er von weiteren Versuchen abraten und
eher die Probelaparotomie empfehlen.
Herr Ullmann betont ebenfalls die möglichen Gefahren
der Gastroskopie, besonders bei Magengeschwür und hält das
Verfahren für überflüssig.
Herr Elsner (Schlußwort) bestreitet, daß die Unter¬
suchung mit seinem Gastroskop iirgendwelche Gefahren in sich
birgt. Betreffs der Bedeutung der Gastroskopie habe er sich
sehr vorsichtig ausgedrückt, die Zukunft wird das Weitere
lehren, Britzman n.
No. 47.
THERAPEUTISCHE
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der „Allgem. Modie. Coutral-Zeitung".)
Sitzung vom 7. November 1910.
Vorsitzender: Herr Kraus.
Zum ersten Vorsitzenden wird Herr Kraus, zum stellver¬
tretenden Herr His, zum .Mitglied der Geschäftskommission
Herr Gutzmann gewählt.
Tagesordnung:
Ueber Lipämie bei Diabetes.
Herr Klemperer möchte die Aufmerksamkeit auf eine Er¬
scheinung, ein Symptom des Diabetes l’ichten, welches in der
Literatur wenig besprochen, worüber eine Klarheit nicht
gewonnen worden ist, die Lipämie. Sie besteht darin, daß das
.Blutserum von milchiger Beschaffenheit, erscheint und im
Aderlaßzylinder ein milchiges, trübes Serum sich absetzt.
II. hat 1906 bei einem komatösen Diabetiker rite den Aderlaß
gemacht und war erstaunt über diese milchige Beschaffenheit
des Serums. Die Mehrzahl der Aerzte, auch solcher, die das
Coma diabeticum gut kennen, hat dieses Symptom nicht be¬
merkt. Denn die meisten Lipämien bemerkt man nicht zuerst;
erst beim Abstehen sieht man, wie das milchige Serum sich
absetzt.
Vortr. hat bisher 92 Diabetiker zur Ader gelassen, darunter
waren 40 leichte Fälle ohne Acidosis; bei diesen ist nie Lipämie
gewesen; sie haben kein fetthaltiges Serum geliefert; unter
00 Fällen mit Acidosis haben 43 Lipämie gehabt. Die gewaltige
Mehrzahl der Acidotiker hat Lipämie. Aber es giot solche
Fälle auch ohne Lipämie; indes die schweren Fälle haben alle
Lipämie; wenigstens haben sich diejenigen, bei denen das Blut
nicht fetthaltig war, schließlich doch als leichtere entpuppt;
sie haben auf die modernen Verfahren, eiweißarme Kost, Hafer¬
mehlkuren besonders gut reagiert; von 7 sind 6 zuckerfrei ge¬
blieben; unter den schweren smd 21 im Koma gestorben; davon
hatten 17 Lipämie; 4 hatten keine Lipämie; aber sie sind nicht
im Koma gestorben, sondern der eine bekam eine Osteomyelitis
purulenta, der andere schwere Gangrän und der dritte tuber-
nulöse Myelitis; auch der vierte starb nicht an essentiellem
Koma. Das Koma, welches am Ende einer langdauernden
Acidose eintritt, hat immer Lipämie im Gefolge.
Ueber das klinische Verhalten der Kranken kann Vortr.
nicht viel sagen. Es ist die schwere Form des Diabetes. Die
Lipämie ist nicht ganz konstant; sie kann rückgängig werden.
Unter den Fällen sind mehrere, bei denen sie einmal da, ein¬
mal nicht da war. Bei genügender Behandlung ist sie ge¬
schwunden. Allmählich wurde die Lipämie bei anderen
immer stärker und führte schließlich zum Koma.
Auch Schröpfkopfblirt genügt zur Feststellung, ja tropfen¬
weise aufgefangenes Blut in der Kapillare, um den Charakter
des Blutserums zu erkennen (Ne iss er). Manchmal ist das
Phänomen auch im Augenhintergrunde zu sehen; man sieht
milchweiße Netzhautgefäße und schokoladenbraune Ver¬
färbung der Papille.
Vortr. ist der Bedeutung der Lipämie um so mehr nach¬
gegangen, als die Literatur wenig Ausbeute liefert. Die Einen
sagen, sie komme zustande, indem der Kranke abmagert.
Naunyn und v. Noorden sprechen von Transport-Lipämie,
andere Autoren haben gemeint, der schwere Diabetiker könne
sein Fett nicht zersetzen. Es handle sich um Hemmung der
Lipolyse. Schließlich hat man gemeint, es handle sich um
eine Zersetzung der fett- bezw. lipoidhaltigen Organe, z. B. des
Gehirns, des Rückenmarks; sie sollen an Lipoiden verarmen
und das Koma verständlich erscheinen lassen. Welche Er¬
klärung ist die richtige?
Vortr. hat nun lipämisches Blut untersucht, zuerst allein,
dann mit Hilfe von Chemikern, den Herren Dr. Umber,
Simon und Reh wald. Es zeigt sich nun das für uns über¬
raschende Resultat, daß es sich nicht um reines Fett, sondern
um eine Mischung im Aetherextrakt handelt, welche außer
Cholesterin und Lecithin nur zum kleinen Teil reines Fett ent¬
hält. Vortr. unterdrückt alle methodologischen Bemerkungen,
stets wurde der Schmelzpunkt bestimmt; die größtmögliche
Reinigung ist angestrebt worden; auf Lecithin-Bestimmungen
hat er verzichtet, die Cholesterin-Mengen sind also eher etwas
zu gering ausgefallen.
Der Normalwert des Aetherextraktes ist 0,6 pCt; es hat
also jeder Mensch immer 0,6 pCt. Fett im Blutserum. Ungelöst
bleibt die Frage, wie der Organismus klare Lösung des Fettes
darstellen kann; die Höchstwerte des Blutfettes betragen 0,8
bis 0,9 pCt. Was darüber liegt, ist pathologisch. In diesem
Fettextrakt sind normal 0,06—0,09 pCt. Cholesterin enthalten;
für das Lecithin notiert Vortr. mit Einschränkungen 0,12 bis
0,15 pCt. in normalen Zeiten.
Bei Coma diabeticum beträgt das Gesamtätherextrakt
1,8—2,5—4,5—6,3. Was aber bisher als Lipämie galt, ist keine
Lipämie, sondern eine Lipoidämie. Schon früher war das
durch Fische r (Bonn) erkannt worden. Das reine Fett ist
nur ein geringer Teil des „Fettgehaltes", der größte Teil
stammt vom Cholesterin (als Ester) und aus der Zersetzung
RUNDSCHAU 1910. 711
des Lecithins; nur 10 pCt. des Gesämtätherextraktes sind reines
Fett, 90 pCt. Lipoide.
Es fragt sich nunmehr, was wir über die Ursache des
Cholesterin- und Lecithinkreisens im Blute feststellen können.
Kann das Transportfett sein? Letzteres stammt aus dem
Unterhautfeit, das ist aber lipoidfrei. Die Nahruugsfette sind
meist lipoidhaltig. Der Mensch genießt täglich lipoidhaltige
Nahrung, denn jede zellige Substanz, jedes Fleisch ist lipoid-
haltig. Die Butter und Sahne sind stark lipoidhaltig, ebenso
die Milch. Das sind ja Zellsekretiouen, in der Milch sind
0,02, in der Butter 0,03 pCt., in der Sahne 0,1—0,4 pCt. vor¬
handen. Wenn wir uns fettreicher nähren und Fleisch essen,
nehmen wir viel Lipoide zu uns; diese können im Blute kreisen.
Wird das Fett deponiert, dann trennen sich Fett und Lipoide.
Es müssen also andere Ursachen sein.
Cholesterin kreist immer im Biute. Wenn ein Mensch
sich cholesterinfrei ernährte, würde fortwährend Zellzerstörung
stattlinden. Auch das Material zum Zeliaul'bau enthält Lipoio.
ist Ernährung ohne Lipoide möglich? Es ist in keiner Weise
angängig, ein Tier cholesterinfrei zu ernähren. Jede eiwei߬
freie Nahrung behält trotz aller Entätherung immer. Cholesterin
bei sich. Nur durch Kali kann es aufgeschlossen werden.
Dann würde das Eiweiß aber ungenießbar. Ein Hund wurde
so ernährt, nämlich mit Plasmon, das tagelang mit Kali be¬
handelt, cholesterinfrei gemacht werden sollte. Aber es ent¬
hielt immer noch 0,7 pCt., ebenso das Brot 0,8 pCt. Der Zucker
ist iipoidfrei. Weim man einen Hund von 6 kg (es geschah
das vom 22. Dezember 1909 bis 13. April 1910) mit dieser
cholesterinarmen Kost ernährt, so werden ihm doch Cholesterin-
mengeu täglich zugeführt, es waren 16 Tage 0,4, 55 Tage lang
0,5, 37 Tage lang 0,6 Cholesterin täglich. Diese Mengen sind,
kleiner als die des Blutes. Beim löten hatten alle Organe
normale Werte; ja es fand sich sogar 1,5 pCt. gegen 1,2 pCt.
des normalen Hundes. Das Blutserum des Tieres, welches
so ernährt worden ist, hat einen Gehalt von 0,5 pCt. Gesamt¬
extrakt und 0,5 pCt. Cholesterin. Das Tier sorgt für die Cho¬
lesterinkonstanz seiner Organe und des Serums. Ein anderer
Hund wurde ähnlich behandelt; täglich wurden von ihm im
Kote 0,32 g ausgeschieden. Die Schlüsse aus diesen Einzel¬
beobachtungen dürfen nicht zu weit gehen, aber sie passen
zu der Meinung, daß das Cholesterin einen Kreislauf im Körper
vollzieht. So viel Cholesterin, wie die Zellen brauchen,
nehmen sie auf; bei ihrer Zersetzung scheiden sie es wieder
aus. Aber im Kote mit der Galle usw. scheiden sie nur so viel
ab, wie nötig ist, um sich auf gleicher Höhe zu erhalten.
Nun hat man Hemmung der F'ettzersetzung angenommen.
Das lipolytisclie Ferment ist durch Co ml stein und
Michaelis eingeführt worden. Sie fanden, daß das Fett
durch die roten Blutkörperchen verzehrt wird. Das ist ein
Versuch, um das Klarwerden des Serums nach Fettentnahme
zu erklären. Das war aber keine glückliche Methode. Kurze
Zeit nach der Aufnahme wird zwar das Blut zuerst trübe, dann
klar. Vortr. und seine Mitarbeiter haben Blutkörperchen mit
dem lipämischen Aetherextrakt versetzt, aber Fluornatrium zu¬
gesetzt. Dieser Zusatz bewirkte, daß eine Zersetzung nicht
stattfand. Es ist sicher, daß das Ferment nicht zu Recht be¬
steht. Die Physiologen haben von dieser Tatsache, die Vortr.
1907 bekannt gab, noch wenig Kenntnis genommen. Vortr. und
seine Mitarbeiter haben die Zersetzung dadurch erklärt, daß
sie das Blutfett mit Blutkörperchen und reinem Sauerstoff
schüttelten. Dabei entstand zwar Fettzehrung, aber das ge¬
schah ohne Blutkörperchen, nur durch O. Es ist also die Lipo¬
lyse nur durch O entstanden. Dann kann auch die Anhäufung
von lipoiden Elementen, von Fett im Blute der Kranken nicht
aus mangelnder Lipolyse erklärt werden.
Nun könnte das Lipoid aus den Organen stammen. Alle
Organe hat Vortr. untersucht bei Gesunden und bei solchen,
die im Koma unter starker Lipoidämie starben. Das kann ein
Kliniker nicht allein. Die Chemiker haben vier Jahre lafig
täglich acht Stunden gearbeitet. Es fand sich, daß das Gehirn
bei Koma an Cholesterin nicht ärmer ist als bei normalen
Menschen, der normale Gehalt ist 2,9—3,2. Das stimmt mit
der Literatur überein; bei Koma waren die Werte 3,06—3,002—
3,2, dann 2,87 und 2,79. So kleine Abweichungen fallen der
Methode zur Last.
Die Untersuchung der Leber ergab dasselbe Resultat. Sie
verarmt nicht im Koma; ebenso der Muskel. Die Nierenwerte
entsprechen im Koma durchaus dem normalen Gehalt der
Niere. Dann kam das Knochenmark. Es ist noch sehr wenig
analysiert worden. Aber auch der Cholesteringehalt der
Trockensubstanz desselben verarmt nicht im Koma. Einei' der
schwersten Fälle, der 25 pCt. Lipoide hatte, hatte 1,14 pCt.
Cholesterin gegenüber dem normalen Wert, der zwischen 0,2
und 1,6 liegt. Warum der Gehalt so sehr schwankt, weiß
Vortr. nicht anzugeben. Bei alten Menschen wird der Cho¬
lesteringehalt geringer, hier wird das Knochenmark wasser¬
reich.
Aus andern Organen kann der Cholesterinreichtum nicht
stammen. Wir stehen vor der wichtigen Tatsache, daß Lipoide
in großen Mengen im Biute kreisen, ohne daß die Organe, die
7.12
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Ko. 47.
Zellen des Körpers an Lipoiden verarmen. Vortr. will ver¬
suchen, aus den modernen Anschauungen über den schweren
Diabetes ein Bild davon zu geben, wie der Cholesterinreichtum
des Blutes entstehen kann.
Wichtig ist die Tatsache der gesteigerten Zellzersetzung
im Organismus, der eine gleiche N-Ausscheidung n i c h t ent¬
spricht. Wir glaubten bislang, daß so viel N in den Urin
kommt, wie Eiweiß zersetzt wird. Diese Tatsache mußte aul-
gegeben werden, als man den schweren Diabetes kennen
lernte. Sonst dürfte auch nicht mehr Zucker herauskommen,
als der Eiweißzerstörung entspricht. Denn bei schwerem
Diabetes stammt der Zucker aus dem Eiweiß.
Wie kann man das erklären? Zuerst hat Umber die
Aufklärung gegeben, daß die Zersetzung des Eiweißes nicht
zur Ausscheidung aller Bestandteile, aller Moleküle desselben
Anlaß gibt. Der Zucker kann z. B. von drei Molekülen ab¬
geschieden werden, aber von einem wird er zurück¬
behalten und neuerdings zum Anbau verwertet. Es ist also
ein partieller Eiweiß-Abbau. Daraus rührt die Vorstellung
her, daß die innere Zersetzung bei Diabetes viel schwerer, viel
umfangreicher ist, als wir im chemischen Protokoll der Urin¬
untersuchung lesen können. Gerade bei Diabetes sind die
Eiweißzersetzungen schwer. Daher stammen die Bestrebungen,
den Stand der Eiweißzersetzung nach Möglichkeit einzu¬
schränken, indem wir möglichst wenig Eiweiß zuführen. Das
Eiweiß, das zugeführt wird, dient nicht blos als Kraftquelle,
sondern auch zum Aufbau neuer Substanzen; von den Zellen
des schweren Diabetikers wird fortwährend Lipoid und Blut¬
serum abgeschieden, welches ebenso schnell von anderen
Zellen aufgenommen und zum Neubau benutzt wird.
Das ist der Ausdruck des schweren Ringens des Organis¬
mus, welcher das Eiweiß zersetzt, um sich neue Kohlehydrat¬
quellen zu sichern, eines schließlich ergebnislosen Ringens. Bei
diesem Ringen werden Lipoide frei. Das ist die Lipoidämie.
Bewahrheitet sich diese Auffassung, so wird sie eine
wesentliche Beziehung zur praktischen Therapie des Diabetes
liefern.
lieber Atoxyl und seine Derivate.
Herr F. Blumenthal: Aus Atoxyl
NH,
A
V ONa
Af<on
kann man
eine ziemlich ähnliche Verbindung mit Quecksilber bilden: das
Quecksilber-Atoxyl NH, . Die Substanz ist, sollte
A A
m ii
V 0 HgO^ V
^ s <OH HO>A s
man annehmen, entsprechend giftiger; eine Summierung von
zwei Giften finde statt. Aber die pathologische Anatomie er-
giebt, daß die Veränderungen z. B. an Niere und Darm ganz
andere als bei Atoxyl sind. Letzteres bedingt deutliche
Rötung an der Grenze zwischen Rinde und Mark; bei Queck-
silberatoxylvergiftimg finden sich dagegen sehr blasse Nieren.
Der Darm zeigt hierbei fast nur die Erscheinungen der Hg-Ver-
giftung. Anders ist es bei Einführung von Jod und Brom in
die Konstitution des Atoxyls, z. B. J . Dann entstehen
A
■ ‘ *<sa
fejfl o
Körper, die 3—4 mal so giftig wie das Atoxyl sind. Nun könnte
man denken, daß es doch zwei Körper sind, die zusammen¬
wirkend giftig sind. Aber die einverleibte Menge J ist doch
recht gering. Nun könnte man supponieren, daß die Stelle
des J im Benzolkern — es ersetzt die Amidogruppe — die
Giftigkeit erklärt. Vortr. hat Versuche mit Jodphenol ge¬
macht. Es erwies sich aber als sehr ungiftig. Das ist also
nicht der Grund. Noch stärker wird die Giftigkeit, wenn man
Brom zusetzt, z. B. lautet die Formel bei der Dibrom-Ver-
bindung UH, .
BrA.Br
■ ■ v
As
II
0
Diese Verbindung ist 4—6 mal giftiger als Atoxyl. Auch
Tribromphenol ist andrerseits für die Versuchstiere absolut
ungiftig. Immer sieht man bei den neuen Atoxylverbindungen
starke Hämorrhagien an der Grenze zwischen Rinde und
Marksubstanzen der Niere.
Die erste Erklärung für diese Erscheinung hat Vortr. bei
inoperablen Krebskranken gesehen. Bei einer Dosis von
0,1 Jod-Atoxyl sah er keine Nebenwirkung; bei 0,2 bekam die
Kranke intensiven Ikterus. Das hat er noch einmal beobachtet.
Bei Tieren fand er ebenfalls in jedem Falle fettige Infiltra¬
tionen der Leber und Gallenfarbstoff im Harn. Es ist also
zweifellos, daß die Jod- und Brom-Verbindungen eine starke
Organotropie gegenüber der Leber zeigen. Bestätigt wurde
diese Folgerung durch Untersuchungen über den As-Gehalt
der Leber. Wenn man Ratten mit 0,01 Atoxyl — das ist keine
giftige Dosis — behandelt, bekommt man einen geringen As-
Spiegel, wenn man dieselben Mengen von Jod- und Brom-
Atoxyl einspritzt, so bekommt man kolossale Mengen As in
der Leber. Es besitzen also diese Verbindungen eine be¬
sondere Affinität zur Leber. Durch die Substituierung von J
und Br wird das Atoxyl nunmehr stark affin zur Leber und
wohl auch zu anderen Organen. Diese Vermehrung der Organo¬
tropie eines wenig organotropen Körpers durch J und Br ist
vielleicht ein Gesetz, welches weitere Anwendung in der Chemie
findet und es ermöglicht, eine Reihe von nicht organotropen
Substanzen dadurch organotrop zu machen, daß wir Br und J
einführen.
Das Verhalten des Atoxyls im Körper ist für die Kenntnis
seiner Wirkungen und Nebenwirkungen, vor allem der Er¬
blindung wichtig. Es ist eine reine As-Wirkung, keine Anilin-
Wirkung. Diese von Vortr. 1902 ausgesprochene Ansicht ist
jetzt ganz allgemein akzeptiert. Aber über die As-Wirkung
selbst bestehen keine einheitlichen Vorstellungen. Vortr. nahm
Abspaltung der arsenigen Säure an, andere nahmen Verbin¬
dungen von As mit Eiweiß an. Ehrlich meint, daß das
Atoxyl im Körper reduziert wird, weil das fünfwertige As keine
Wirkung auf die Trypanosomen entfaltet; wohl aber werden
sie getötet, wenn man es reduziert und zur dreiwertigen Ver¬
bindung gelangt. Die betreffende Substanz ist sehr giftig; sie
ist aber nicht gefunden W'orden.
Bisher ist nur folgendes festgestellt: es wird eine Substanz
ausgeschieden, welche die Amidogruppe und As im Kern ent¬
hält, nur ein kleiner Teil ist als arsenige Säure vorhanden.
Wir wissen durch die Untersuchungen von Laveran und
Rosenthal bei Malaria und Schlafkrankheit, daß die
arsenige Säure in der Tat ein trypanosomenfeindliches
Mittel ist.
Nun ist das Atoxyl nicht besonders organotrop. Das gilt
aber nur für die erste Einspritzung. Kroner und Selig-
m a n n fanden nach mehrmaligen Injektionen um so lang¬
samere Ausscheidung, je häufiger die Injektion gemacht wurde,
bei kleineren Dosen verlangsamte sich die Auscheidung nach
der vierten, bei größeren schon nach der zweiten Einspritzung.
Das ist von großer Bedeutung. Meist sind bis jetzt wieder¬
holte Einspritzungen ausgeführt worden. Igersheimer und
Roth mann fanden, daß die Phenyiarsensäure bei der Katze
eine besondere Affinität zum Nervus opticus hat; As wurde
stets im Bulbus gefunden, aber immer nach mehrmaliger Ein¬
spritzung. Vortr. hat nun folgendes gesehen: Wenn man
Kaninchen 0,3 Atoxyl auf einmal einspritzt, findet sich keine
Spur im Bulbus. Aber wenn er an drei Tagen hintereinander,
d. h. dreimal 0,1 gab, dann sah er schon etwas. Wenn wir
die ganze Literatur der F’älle durchsehen, wo. Erblindung auf¬
trat, so sehen wir, hier sind häufige Einspritzungen gemacht
worden. Die Nebenwirkungen sind um so größer, je kleiner
das Intervall zwischen zwei Einspritzungen war.
Während also die Erblindungsgefahr größer ist, wenn man
dreimal hintereinander 0,3 gibt, als W'enn man einmal 0,9 gibt,
ist die therapeutische Wirkung weit geringer. Der Abbau der
Verbindung ist anscheinend ein anderer. Es wird z. B. mit
jeder neuen Einspritzung anorganisches As abgespalten, um
so weniger anorganisches As ausgeschieden. Umgekehrt ist
es bei den Trypanosomen. Dieselben zeigen nach der Ein¬
spritzung ein anderes Verhalten als vorher. Sie werden all¬
mählich As-fest. Das entgegengesetzte Verhalten zeigen die
Organzellen. Wir machen also durch vorsichtig tastendes Ein¬
spritzen die Trypanosomen immun und unsere Organzellen be¬
sonders empfindlich gegen As.
Die Tatsache der Organotropie bezieht sich nur auf das
gesunde Tier. Nun zeigte Martin .1 a c o b y das Vorhanden¬
sein verschiedener Gesetze bei gesunden und kranken Tieren.
Die Affinität z. B. der Gelenke zur Salicylsäure ist bei kranken
Tieren größer als bei gesunden. Dasselbe läßt sich bei
malignen Geweben verfolgen, so bei Hautkrebs und Ratten¬
sarkom. Er hat bei seinen Versuchen die Jodarsenverbin¬
dungen den jodfreien Verbindungen überlegen gefunden. Es
zeigt sich, daß außer dem Arsen das Jod eine besondere Affi¬
nität zu malignen Geweben aufweist. Das ist für die Therapie
wichtig. In Uebereinstimmung mit Ehrlich und Martin
.1 a c o b y empfiehlt Vortr. vorzugsweise solche Körper zu be¬
nutzen, die Affinität zu den Geweben besitzen, die wir beein¬
flussen wollen. Ein Stoff, der gar nicht in die Gewebe kommt,
wird nicht direkt auf sie einwirken können. Wichtig für die
Affinität zu Sarkomen und Carcinomen ist die Verbindung
beider Stoffe (J und As). Es wird darauf ankommen, Körper
No. 47. s
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
713
mit präziser Tumorotropie bei möglichst geringer Giftigkeit
für die gesunden Gewebe zu finden.
Es ist zweifellos, daß auch bei bösartigen Geschwülsten
die Wirkung der Atoxylkörper durch Zusatz von arseniger
Säure erhöht wird. Jodatoxyl ist hier viel unwirksamer als
Atoxyl. Gegen die Schlafkrankheit ist dieses noch durch kein
Derivat ersetzt worden.
Aehnlich liegen die Verhältnisse für ein Silbersalz; es
zeigt ziemlich intensive Beeinflussung gonorrhoischer Gelenk-
• erkrankungen. Dieses Silbersalz macht, wie man es unter
andern Verhältnissen gesehen hatte, gar keine Abscesse, es
wird gut vertragen.
Diese Mitteilung möge zur Anregung der Frage beitragen,
wie es möglich ist, bei diesen Arsenikalien durch Substi¬
tuierung anderer Komponenten Körper zu schaffen, die neue
wertvolle Eigenschaften zeigen. Von großer Bedeutung ist der
Nachweis, daß die Einsetzung von Jod und Brom in die Atoxyl-
Fonnel eine Erhöhung der Organotropie bewirkt.
(Schluß folgt.)
Berliner otologische Gesellschaft.
Sitzung vom 4. November 1910.
Herr Lucae eröffnet die Sitzung mit einer Gedächtnisrede
auf Hermann Schwartze, dessen unvergängliche Ver¬
dienste um die Ohrenheilkunde er mit warmen Worten feiert.
Besonders die Einführung des Trommelfellschnitts und die
Aufmeißelung des Antrum sind an seinen Namen geknüpft.
Herr Busch demonstriert eine 31 jährige Patientin, die
seit dem 16. Jahre an einer zunehmenden Wucherung an der
Ohrmuschel litt. Probeexzision ergab Tuberkulose. Die von
Nagelschmidt ausgeführte elektrische Thermopenetration
ergab ein sehr günstiges Resultat.
Herr Lennhoff zeigt eine Patientin mit einem dornförmig
in den Gehörgang vorspringenden harten Tumor der vorderen
Gehörgangswaud und spricht denselben als Chondrom an.
Herr Graupner demonstriert mikroskopische Präparate,
die durch Exzision eines nußgroßen Tumors von der Stirn
einer Frau gewonnen worden sind. Die Anamnese ergab, daß
vor vier Jahren wegen des Vorhandenseins einer eingesunke¬
nen Narbe an dieser Stelle eine Paraffininjektion — im ganzen
etwa 1 Kubikzentimeter — ausgeführt worden war. ln dem
mikroskopischen Bilde bei Färbung mit Sudan III war das
Paraffin noch deutlich zu sehen, und zwar einmal in einem
größeren Depot, sodann in zahlreichen engen Gewebsspalten,
in die es offenbar bei der Injektion hineingepreßt worden war.
Gerade die Umgebung dieser Gänge zeigte entzündliche
Wucherung. Wo dagegen die Injektionmasse keinen stärke¬
ren Druck ausgeübt hatte, fehlte auch die reaktive Wucherung.
Man soll deshalb nädh Ecksteins Empfehlung nur inji¬
zieren, wo man eine Hautfalte hochheben kann, andernfalls
die Haut mit geeigneten Messerchen unterminieren.
Diskussion:
Herr Haike, Halle und Grossmann.
Beiträge zur Pathologie des Labyrinthes.
Herr Haike: Die Tatsache, daß die Aetiologie und patho¬
logische Anatomie der oft plötzlich in jugendlichem Alter auf¬
tretenden Ertaubungen noch in Dunkel gehüllt ist, gibt Vor¬
tragendem Veranlassung, über einen sehr instruktiven Fall
zu berichten. Ein 19 jähriger Gymnasiast erkrankte im März
1910 plötzlich unter mäßigen Fiebersteigerungen an rechts¬
seitiger hochgradiger Schwerhörigkeit, nach dem Ausfall der
Stimmgabelprüfung offenbar labyrinthären Ursprungs. Nach
einigen Tagen trat unter Temperatursteigerung bis 40° eine
Orchitis auf. Das Gehör war jetzt auf % m für Flüsterstimme
herabgesetzt. Erscheinungen von seiten des Vestibularis
fehlten vollständig. Im Verlauf einiger Monate erholte sich
der Patient, doch ging das Gehör noch weiter iurück. Unter
Hinweis auf die nicht so seltenen Fälle, in denen im Anschluß
an Parotitis epidemica einerseits Orchitis, anderseits Labyrinth-
alfektion auftritt, meint Vortragender diesen Fall als Beispiel
einer infektiösen Ohrerkrankung, also als epidemische Par¬
otitis ohne Parotisaflektion deuten zu sollen. Vielleicht sind
viele Fälle plötzlich auftretender Taubheit ebenso zu deuten.
Diskussion:
Herren Schwabach, Brühl, Lucae und Blau.
Max L e v y (Charlottenburg).
III. Therapeutische Notizen.
Die Gcloduratkapscln sind nach Prof. Rosin eine be¬
merkenswerte Neuerung auf dem Gebiete der Arzneiapplika¬
tion. Es handelt sich dabei um die Einschließung von Arznei-
stoffen in Gelatinehüllen, die durch Formalinhärtung der Ein¬
wirkung der Magensäfte entzogen sind und daher im Darm
aufgelöst werden. Durch Anwendung dieser Verabreichungs¬
form schützt man die Pat. vor der unangenehmen Neben¬
wirkung einer Reihe sonst recht wirksamer Medikamente, die
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
auf die Magenschleimhaut eine Reizwirkung ausüben, wie die
Digitalispräparate, ferner Theocin, Euphyllin, Natriumjodid,
Kampfer, die Balsamica, Quecksilber etc. (Zeitschrift f. ärztl.
Fortbildung, 1910, No. 2.)
IV. Bücherschau.
Medizinal-Kalender und Rezept-Taschenhuch 1911. Heraus-
gegeben von der Redaktion der „Allg. Med. Central-Zeitung“
Dr. H. Lohnstein und Dr. Th. Lohnstein. 18. Jahrgang.
Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W. 30. Preis 2 M.
Mit gewohnter Pünktlichkeit ist der beliebte Medizinal-
Kalender pro 1911 erschienen. Redaktion und Verlag sind
auch in dieser Auflage bestrebt gewesen, den Inhalt nach
jeder Richtung zu erweitern und zu verbessern. In erster
Linie ist hieran der pharmakologische Abschnitt beteiligt, der
abgesehen von den Aenderungen, die die deutsche Arznei-
Taxe alljährlich bringt, nahezu alle im letzten Jahre neu auf-
getauchten Heilmittel aufzeigt, meist mit Preisangabe und Ver¬
kaufsweise (Pulver, Tabletten etc.). Noch nicht aufgenommen
ist das Dioxydiamidoarsenobenzol (Ehrlich 606), weil es noch
nicht im Handel ist (und nach des Ref. Meinung wohl nicht so
bald freigegeben wird.). Dafür enthält der Band einen be¬
sonderen Abschnitt „Ueber die Serodiagnostik und die sogen,
biologische Therapie der Syphilis und über die bisherigen Er¬
fahrungen mit dem E h r 1 i c h - H a t a sehen Mittel 606" von
Dr. Fr. Munk. Dieser kleine, recht gelungene Aufsatz wird
allen Kollegen, insbesondere denen, die keine Zeit für ein¬
gehende Literaturstudien finden, sehr willkommen sein und
sie über das Wesen und den derzeitigen Stand der Fragen
ausreichend orientieren. Wir empfehlen das Buch den
Kollegen, die in demselben einen brauchbaren Ratgeber für
viele Fragen, wie sie die tägliche Praxis bietet, finden
werden. ,J. R.
V. TagesgescMchte.
Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Halle a. S. Der Konflikt zwischen Krankenkassen und
Aerzten ist dadurch in ein neues Stadium getreten, daß der
Magistrat als Aufsichtsbehörde die gegenwärtige ärztliche Ver¬
sorgung für ungenügend erklärte und bis zum 25. November
von den Krankenkassen den Nachweis verlangt, daß für je
1500 Mitglieder ein Arzt — die Spezialisten nicht mitgerechnet
— zur Verfügung stehe. Wird dieser Nachweis nicht erbracht,
so wird der Magistrat die ärztliche Versorgung selbst regeln.
Magdeburg. Auf Veranlassung der Berlin-Branden-
burgischen Aerztekammer beschäftigte sich die Aerzte-
kammer für die Provinz Sachsen in der Sitzung
vom 18. Oktober mit der Verleihung des Professortitels an
nicht einer Universität augehörige Aerzte. Nach dem von
Prof. Schmidt-Ri m p 1 e r erstatteten Referat wurde desseu
Vorschlag entsprechend folgender Antrag einstimmig an¬
genommen: „Um Mißgriffen in der Verleihung des Professor¬
titels an praktische Aerzte möglichst vorzubeugen, empfiehlt
sich die strenge Beachtung des Ministerialreskripts vom
16. Dezember 1895, wonach sie nur auf Grund „wissenschaft¬
licher Leistlingen von hervorragender Bedeutung“ erfolgen soll.
Gegenüber dem bisherigen Verfahren erscheint es uns zweck¬
mäßig, daß die betreffenden Entscheidungen erst nach An¬
hörung einer medizinischen Fakultät und des zuständigen
Aerztekammervorstandes getroffen werden.“
Die mehrfach vorgekommene Abweisung von Medizinal¬
praktikanten in Krankenanstalten aus konfessionellen
Gründen (vgl. „Allg. Med. Central-Ztg.“, 1910, SS. 69, 276, 389,
520) hat der sächsischen Aerztekammer Veranlassung ge¬
geben, ebenfalls auf Antrag Prof. Schmidt-Ri mplers
in derselben Sitzung folgenden Beschluß zu fassen: „Der
Aerztekammerausschuß möge den Herrn Reichskanzler bitten,
amtlich zu publizieren, daß es unstatthaft ist, das Ersuchen
eines Medizinalpraktikanten um Beschäftigung in einem
Krankenhause aus konfessionellen Gründen abzulehnen. Nur
rein-konfessionellen Krankenhäusern kann das ausnahmsweise
erlaubt werden, ist aber alsdann in dem amtlichen Verzeichnis
der zur Aufnahme von Praktikanten ermächtigten Kranken¬
anstalten ausdrücklich hervorzuheben.“
Universitätswesen, Personalnachrichten.
Berlin. Der ordentliche Professor der Gynäkologie
und Geburtshilfe Dr. K. Franz und der Direktor des Insti¬
tuts für Infektionskrankheiten Geh. Rat Prof. Dr. G a f f k y ,
der seit kurzem auch der Universität als ordentlicher Honorar¬
professor augehört, sind zu ordentlichen Professoren der mili¬
tärärztlichen Kaiser-Wilhelms-Akademie ernannt worden.
BUS
714
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 47.
— Geh. Rat Prof. Dr. H. Senator ist von der
Odessaer Aerztegesellschaft zum Ehrenmitglied ernannt
worden.
— Prof. E. Rautenbferg in Königsberg ist als Nach¬
folger von Prof. K. Brandenburg zum leitenden Arzt der
inneren Abteilung des Krankenhauses Groß-Lichterfelde er¬
nannt worden.
— Prof. Dr. A. Hartmann tritt im Januar 1911 von der
Leitung der Abteilung für Hals-, Ohren- und Nasenkranke am
Virchow-Krankenhause zurück.
Breslau. Der von Erlangen als Abteilungsvorsteher
des Physiologischen Instituts hierher berufene Prof. Dr. R.
F. Fuchs ist als Privatdozent in den Lehrkörper der hiesigen
Universität eingetreten.
Greifswald. Der Professor der Hygiene Geh. Medi¬
zinalrat Dr. Loeffler ist von der Pariser Akademie der
Medizin zum auswärtigen Mitgliede gewählt worden.
Kiel. Der erste Assistent am pathologischen Universi¬
tätsinstitut Dr. Arthur W i 1 k e hat sich für allgemeine
Pathologie und pathologische Anatomie habilitiert.
Leipzig. Anläßlich der kürzlich festlich begangenen
Hundertjahrfeier der Universitäts-Frauenklinik ist der Direk¬
tor Prof. Zweifel zum Geh. Rat ernannt worden. Die Stadt
hat bei der gleichen Gelegenheit zwei größere Stiftungen für
bedürftige Wöchnerinnen gemacht.
.Kötzschenbroda. Hierselbst starb im Alter von
9ö Jahren der Oberstabsarzt a. D. Hugo Behrens, der
sich einst unter dem Pseudonym B. Renz als Romanschrift¬
steller einen geschätzten Namen gemacht hat. Eine Tochter
des Verstorbenen, Wilhelmine He im bürg, hat sich
auf demselben Literaturgebiet erfolgreich betätigt.
Gießen. Der außerordentliche Professor der Kinder¬
heilkunde Dr. Hans K o e p p e ist zum ärztlichen Direktor
der Zentrale für Mutter- und Säuglingsfür¬
sorge in Hessen ernannt worden. Sein akademisches Lehr¬
amt behält er bei.
Heidelberg. Dr. Erwin Roh de, Assistent am
pharmakologischen Universitäts-Institut, hat sich für Pharma¬
kologie habilitiert.
Hambur g. In Beantwortung des Bürgerschafts¬
beschlusses, der u. a. durch die Ernennung des Dermatologen
Unna zum Professor veranlaßt wurde (vgl. „Allg. Med. Cen-
tral-Ztg.“, 1910, No. 41, S. 578) hat der Senat das Ersuchen
der Bürgerschaft abgelehnt, da ihm selbständig das Recht der
Titelverleihung zustehe. Wenn jetzt die nunmehr in Aktion
tretende Schlichtungskommission kein Kompromiß
zustande bringen kann, wird das Reichsgericht als
oberste Instanz das entscheidende Wort in dieser Prinzipien¬
frage zu sprechen haben.
Wien. Die Leitung der durch das Ableben Prof. Osers
erledigten internen Abteilung an der Wiener Poliklinik
ist dem Privatdozenten für innere Medizin Dr. Rudolf Kauf-
m a n n übertragen worden.
— Im Arkadenhof der Wiener Universität wurde am
29. Oktober d. J. ein Nothnagel-Denkmal feierlich enthüllt. Die
Gedenkrede auf Nothnagel hielt einer seiner ältesten
Schüler, Prof. v. J a k s c h aus Prag, im Namen des Denkmal-
komitees sprach Prof. v. Noorden. Das von dem Bildhauer
Prof. v. Kauffungen herrührende Werk stellt sich als
eine Porträtbüste auf einem sockelartigen Unterbau mit einem
Relief allegorischer Figuren dar. Aus den aus dem In- und
Auslande reichlich eingelaufenen Beiträgen konnten nicht nur
die Kosten des Denkmas bestritten werden, es blieben noch
mehr als 40 000 Kronen übrig, deren Erträgnisse alle zwei bis
drei Jahre einem Forscher verliehen werden sollen, der auf
Aufforderung des hierfür eingesetzten ständigen Komitees der
so entstandenen „Nothnagel-Stiftung“ der Gesellschaft der
Aerzte Wiens einen Vortrag über ein naturwissenschaftliches
Thema halten wird.
— Am 28. Oktober d. J. wurde hierselbst das Insti¬
tut für Radiumforschung eröffnet. Ein Großgrundbesitzer, Dr.
Karl Kupelwieser hatte die Kosten für den Bau zur Ver¬
fügung gestellt. Das Unterrichtsministerium hat die laufenden
Kosten übernommen. Der Professor der Physik Dr. Franz
E X n e I- wurde mit der Leitung des Instituts betraut. Haupt¬
aufgabe des neuen Institutes ist die physikalische Erforschung
des Radiums, das Haus umfaßt daher ein größeres physikali¬
sches Laboratorium und ein kleines chemisches Laboratorium.
Das Institut für Radiumforschung besitzt, als Spende der öster¬
reichischen Akademie der Wissenschaften, 1,6 g Radium,
welche einen Geldwert von einer halben Million Kronen
repräsentieren. Es haben bereits mehrere Forscher aus dem
In- und Auslande Arbeitsplätze belegt.
Paris. Beinahe 81 Jahre alt, starb hier der frühere
Präsident der Academie de Medecine Prof. E t i e n n e
La neeraux, der lange Zeit als einer der ersten Inter¬
nisten Frankreichs galt lind sich auch als pathologischer
Anatom .Verdienste erworben hat. Er hat eine umfangreiche
publizistische Tätigkeit entfaltet.
Turin. Als Nachfolger Lombrosos auf dem Lehr¬
stuhl für Kriminalanthropologie an der hiesigen
Univei'sität ist der bisherige Professor der Physiologie an der
Universität Modena, Dr. Mariano Patrizi, berufen
worden.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Berlin. Eine Berliner orthopädische Gesellschaft ist
am 8. November von 39 Orthopäden und Chirurgen von Berlin
und Umgegend gegründet worden. Die Gesellschaft wählte
zu ihrem ersten Vorsitzenden Herrn Prof. Dr. Joachims¬
thal, zum zweiten Vorsitzenden Herrn Privatdozent Dr.
Gustav Adolf Wollenberg, zum ersten Schriftführer
Herrn Dr. Max Böhm, zum zweiten Schriftführer Herrn
Prof. Dr. Carl Helbing und zum Kassenwart Herrn Dr.
Konrad B i e s a 1 sk i.
— Als Vortragender für den Berliner Zentralver-
band zur Bekämpfung des Alkoholismus (Geschäftsstelle:
Wilmersdorf, Tübingerstr. 1 Tel.-Amt Wi. 638) wird am
Dienstag, den 2 9. November, abends 8 Uhr, Herr
Prof. Dr. Strauss, Direktor des Krankenhauses der Berliner
jüdischen Gemeinde, im großen Sitzungssaal des
Landeshauses, Berlin W., Matthäikirchstr. 2 9,
über „Einwirkung des Alkohols auf die inne¬
ren Organ e“ sprechen. Eintritt frei.
Wien. Die k. k. Gesellschaft der Aerzte hat an Stelle des
dahingeschiedenen Professor R. Chrobak den Universitäts¬
professor für Physiologie Dr. Sigmund Exner zu ihrem
Präsidenten gewählt.
— Am 21. Oktober 1910 hat sich hier das Komitee
für den III. internationalen Kongreß für Gewerbekrankheiten,
der nach Beschluß der „permanenten internationalen Kom¬
mission zum Studium der Gewerbekrankheiten“ im Herbste
1914 in Wien stattfinden wird, konstituiert. Dem Komitee ge¬
hören die Vertreter der beteiligten österreichischen Behörden
sowie eine große Zahl von Fachmännern an. Präsidenten des
Komitees, sind: Hofrat Franz R. v. Haberler, Sanitäts¬
referent im Ministerium des Innern, Prof. A. Schatten¬
froh, Prof, der Hygiene an der Universität Wien. Sekretäre
sind die österreichischen Mitglieder der internationalen per¬
manenten Kommission Dr. phil. et med. H. v. Schrotte r,
Privatdozent Dr. L. T e 1 e k y. Für die Tagesordnung sind in
Aussicht genommen: 1. Ermüdung: Physiologie und Patho¬
logie mit Hinblick auf die gewerbliche Arbeit. Wirkung der
Berufsarbeit auf das Nervensystem. Nachtarbeit. 2. Arbeit
in heißer und feuchter Luft. 3. Milzbrand.
4. Pneumokoniosen. 5. Schädigungen durch
Elektrizität. 6. Gewerbliche Gifte — besonders
Anilin, Quecksilber, Blei. 7. Mitteilungen. — Anfragen
sind an Doz. Dr. T e 1 e k y , Wien IX, Türkenstr. 23, zu richten.
— Am 22. Oktober d. J. hat sich durch eine im hygieni¬
schen Universitätsinstitute tagende Versammlung die Konsti¬
tuierung einer neuen Organisation vollzogeri, der man nur
kräftiges Gedeihen wünschen kann. Eine Anzahl von Gesell¬
schaften und Vereinigungen, deren Ziele ganz oder teilweise
auf Gegenstände der öffentlichen Gesundheitspflege gerichtet
sind, hat durch ihre Delegierten einen „Zentralausschuß
für öffentliche Gesundheitspflege“ gegründet. Der Vereini¬
gung gehören derzeit au: Die Oesterreichischen Gesellschaften
für Arbeiterschutz, für Gesundheitspflege, zur Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten, zur Bekämpfung der Rauch- und
Staubplage, zur Bekämpfung des Kurpfuschertums, der Oester-
reichische Ingenieur- und .Architektenverein, der Verein Säug¬
lingsschutz, der „Viribus unitis“-Hilfsverein für Lungenkranke,
der Verein zur Pflege des Jugendspiels, die Zentralstelle für
Wohnungsreform in Oesterreich und der Zentralverband öster¬
reichischer Alkoholgegnervereine. Der Anschluß weiterer
Vereine igt vorgesehen. Mit der Geschäftsführung der neuen
Zentralstelle wurde für das erste Jahr ihrer Tätigkeit die
Oesterreichische Gesellschaft für Gesundheitspflege, an deren
Spitze Prof. Dr. Schattenfroh steht, betraut. Der Zweck
dieser Vereinigung ist einerseits die gegenseitige Fühlung¬
nahme der Vereine untereinander zu gedeihlichem Zusammen¬
arbeiten, andrerseits aber auch der, in wichtigen schwebenden
Fragen der öffentlichen Gesundheit die gemeinsame Stimme
um so eindrucksvoller erheben zu können.
Gerichtliches.
Leipzig. Ueber einen Prozeß wegen ärztlichen Kunst¬
fehlers, der kürzlich durch R e i c h s g e r i c h t s u r t e i 1 seine
endgültige Erledigung gefunden hat, entnehmen wir der „Voss.
Zeitung“ das Nachstehende:
Zu der Musikerfrau H. in Breslau, deren Entbindung un¬
mittelbar bevorstand, wurden die Hebamme Z. und der
Assistenzarzt Dr. X. aus der Frauenklinik gerufen. Dr. X.,
der in Begleitung eines Assistenten erschienen war, traf zu¬
nächst, ehe er zur Entbindung schritt, die nötigen Vorberei¬
tungen. Er gab der Hebamme eine unverpackte grünlich-blau
aussehende Oxycyanatpastille mit der Weisung, sie in
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Wasser aüfzulösen. Die auf dein rechten Ohre schwer¬
hörige Frau verstand dies jedoch dahin, sie sole die Pastille
auf ein bißchen Wasser der Kranken geben, und tat dieses, zu¬
mal sie die erst seit kurzem von der Frauenklinik zum Desinfi¬
zieren verwandte Art von Pastillen auch dem Aeußeren nach
nicht kannte. Als die Hebamme der Kranken die Pastille, die sie
für ein Mittel zur Linderung der Wehen hielt, gab, waren der
Arzt und sein Assistent ebenfalls im Zimmer und wuschen
sich. . Auf eine Aeußerung der Kranken, sie könne „es“ nicht
herunterschlucken, sagte der Arzt, der glaubte, die Kranke
rede von dem ihr gegebenen Trinkwasser, noch zu der Heb¬
amme, warum sie der Kranken so viel kaltes Wasser zu trinken
gäbe. Erst als Dr. X. von der Z. das Desinfektionsmittel nach
etwa 10 Minuten verlangte, klärte sich die verhängnisvolle
Verwechselung auf. Trotz aller sofort angewandten Gegen¬
mittel starb die bedauernswerte Frau bald darauf in der
Klinik an den Folgen dieser Vergiftung. Die Staatsanwalt¬
schaft erhob nun gegen Dr. X. und die Hebamme beim Land¬
gericht Breslau Klage wegen fahrlässiger Tötung, die zu einer
Verurteilung der Angeklagten führte und zwar des Dr. X. zu
einem Monat und der Z. zu zwei Wochen Gefängnis. Was die
Schuld des Dr. X. anlangte, so führte das Urteil aus, so sei
sein Verhalten pflichtwidrig gewesen. Er habe gewußt, daß
Oxycyanat ein tötliches Gift sei und daß dies der Hebamme
unbekannt war. Daher hätte er äußerst vorsichtig zu Werke
gehen müssen. Bei pflichtmäßiger Aufmerksamkeit hätte
Dr. X. sich ferner bei der Aeußerung der Kranken über die
Schluckbeschwerden sofort zu ihr umwenden und den Grund
ihrer Klagen nachprüfen müssen. Auch die Hebamme habe
sich schuldig gemacht. Sie wußte, daß sie auf dem rechten
Ohre schwerhörig war und war somit zu besonderer Vorsicht
verpflichtet. Auch sie hätte damit rechnen müssen, daß die
ihr übergebenen Mittel Desinfektionsmittel seien, da bei jeder
Entbindung stets derartige Vorbereitungen getroffen wurden.
Somit setzten beide Angeklagte die Aufmerksamkeit aus den
Augen, zu der sie vermöge ihres Berufes oder Gewerbes be¬
sonders verpflichtet waren und verursachten dadurch fahr¬
lässigerweise den Tod eines Menschen (§ 222 Strafgesetzbuch).
— Gegen dieses Urteil legten beide Angeklagten Revision
beim Reichsgericht ein und rügten Verletzung des materiellen
Rechts. Die Hebamme hätte, nachdem sie die Worte des
Arztes nach ihrer Meinung richtig verstanden, von diesem,
auch wenn sie das Mittel nicht kannte, keine Erklärung zu
fordern brauchen; sie hätte im Gegenteil dem Arzte zu ge¬
horchen und sei nicht berechtigt gewesen, ohne weiteres Mi߬
trauen in den Arzt zu setzen. Der Verteidiger des Dr. X.
rügte, daß die Grundsätze über Fahrlässigkeit und Kausalität
verletzt seien. Der Tod sei allerdings durch die Pastille her¬
vorgerufen, diese aber infolge eines durch die Schwerhörigkeit
der Hebamme hervorgerufenen Irrtums als Arznei gegeben
worden. Also habe dej;, Arzt nichts Pflichtwidriges getan.
Wenn das Gericht seine Schuld in dem Unterlassen einer
Warnung gegenüber der Hebamme darin erblicke, daß er sich
nicht überzeugt habe, ob seine Weisungen nicht mißverstanden
würden, so dürfe man hier nur Verpflichtungen fordern, die
im Kreise der gewöhnlichen Erfahrungen lägen, und diesen
sei der Arzt sowohl bei Uebergabe der Pastille wie bei seiner
Aeußerung gegenüber der Hebamme, der Kranken nicht zu
viel kaltes Wasser zu geben, nachgekommen. Der Reichs¬
anwalt stellte den Antrag auf Verwerfung der Revision. Die
Hebamme habe nicht gewußt, zu welchem Zweck das Mittel
bestimmt war, da sie es nicht kannte. Außerdem wußte sie,
daß sie schwerhörig war. Also hätte sie sich sagen müssen,
daß sie die Weisung des Arztes falsch verstanden haben
konnte. Sie bildete sich ein, richtig gehört zu haben, und das
.sei ihre Fahrlässigkeit. Im übrigen habe sie durchaus nicht
dem Arzte blind zu gehorchen, sondern könne jederzeit Auf¬
klärung verlangen. Auch das Verschulden des Dr. X. sei hin¬
reichend festgestellt. Er habe gewußt, daß es sich um ein
schweres Gift handelte und daß die Frau Z. dieses Grift nicht
kannte. In diesem Falle hätte er entweder die Ausführung
seines Befehls selbst überwachen oder sich nachher von der
sachgemäßen Ausführung überzeugen müssen, da er wohl den
Erfolg hätte voraussehen können. Dem Anträge des Reichs¬
anwalts gemäß verwarf das Reichsgericht (4. Strafsenat) die
Revision. Die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils
seien einwandfrei und insbesondere die grobe Fahrlässigkeit
des Dr. X. nachgewiesen. (Urt. d. R.-G. v. 8. November 1910.)
Verschiedenes.
Berlin. Der preußische Medizinalminister'warnt durch
Erlaß vom 30. Oktober d. J. vor einem „Universalheilmittel“.
Es wird darin ausgeführt: Von der Firma M. A. Winter
C o. in Washington D. Z. werden seit mehreren Jahren zahl¬
reiche Agenten gesucht, um für das von ihr vertriebene Heil¬
mittel „Natürlicher Gesundheitshersteller“ den
Absatz im Reichsgebiete zu erweitern. Nach den eingezogenen
Erkundigungen stellt diese, von der Firma als „Universalheil¬
mittel“ bezeichnete Arznei im günstigsten Falle nur ein un¬
schädliches Abführmittel für hohen Preis dar, welches keines¬
wegs das leisten kann, was die Firma verspricht. Das Unter¬
nehmen läuft lediglich auf eine Ausbeutung des deutschen
Publikums hinaus. Das Mittel ist durch Bundesratsbeschluß
vom 27. Juni 1907 in das Vefceichnis B der Geheimmittelliste
aufgenommen, und darf demnach nur auf ärztliche Verordnung
abgegeben werden. Agenten, welche das im Verkauf auf
Apotheken beschränkte Mittel vertreiben, machen sich
strafbar.
— Durch das vom 4. deutschen Impfgegnerkongresse an
den Kaiser gerichtete Telegramm, in dem um Uebernahme
des Protektorates gebeten worden war (vgl. „Allg. Med. Cen-
tral-Zeitung“, 1910, No. 43, S. 606) ist auch die Frage wieder
an die Oefientlichkeit getreten, ob des Kaisers Kinder
geimpft seien. Als Antwort auf jenes Telegramm ist
dem Verbände deutscher Impfgegner folgendes Schreiben zu¬
gegangen :
Der Reichskanzler. Berlin, 10. Oktober 1910.
(Reichsamt des Innern.)
111 B 5669.
Auf die Seiner Majestät dem Kaiser und König tele¬
graphisch vorgetragene Bitte um Uebernahme des Protek¬
torats über die Deutschen Impfgegnervereine teile ich im
Allerhöchsten Auftrag ergebenst mit, daß Seine Majestät
sich nicht bewogen gefunden haben, dem Gesuche zu ent¬
sprechen. Aus Anlaß Ihrer Bitte geruhten Seine Majestät
zu bemerken, daß die Annahme, die Kaiserlichen Kinder
seien nicht geimpft, auf einem Irrtum beruhe. — Im Auf¬
träge v. Jonquieres.
Darm stadt. Unter dem 12. September d. J. hat das
hessische Ministerium des Innern folgende Verfügung über
die Beglaubigung der Dankschreiben, die Kur¬
pfuschern und Geheimmittelfabrikanten er¬
teilt werden, an die Kreisämter erlassen. „Es ist be¬
kannt, daß Kurpfuscher und Geheimmittelfabrikanten den
ihren öffentlichen Anpreisungen beigefügten Dankschreiben
angeblich geheilter Personen eine höhere Glaubwürdigkeit in
den Augen des Publikums dadurch zu verleihen suchen, daß
sie die Unterschriften der Danksagenden von Bürgermeiste¬
reien, Polizeibehörden und sonstigen Behörden beglaubigen
lassen. Die Beglaubigung erfolgt häufig in einer Form (z. B.
„Beglaubigt", „Die Richtigkeit bestätigt“), die den Anschein
erwecken kami, als beziehe sich die Beglaubigung der Be¬
hörde auch auf den Inhalt des Dankschreibens.
Eine allgemeine Verpflichtung der Verwaltungsbehörden,
Unterschriften zu beglaubigen, besteht nicht, am allerwenigsten
dann, wemi die Zwecke, die mit den beglaubigten Schrift¬
stücken verfolgt werden, eine Förderung durch die Behörden
nicht verdienen. Gegenüber dem Treiben der Kurpfuscher
und Geheimmittelfabrikanten ist aber aus Gründen der Volks¬
gesundheitspflege ganz besondere Vorsicht geboten.
Wir bestimmen daher, daß die Bürgermeistereien und
Polizeibehörden künftig die Beglaubigung von Danksagungen
und Erklärungen, die angeblich Geheilte für Kurpfuscher und
Geheimmittelfabrikanten ausstellen, grundsätzlich abzulehnen
haben. — Sie wollen die Ihnen unterstellten Behörden dem¬
gemäß anweisen.“ Der vorstehende Erlaß geht erfreulicher¬
weise weiter, als die entsprechenden vor einiger Zeit in
Preußen und Sachsen ergangenen Verfügungen, die sich mit
halben bezw. dreiviertel Maßregeln begnügten.
R o m. Die italienische Regierung hat ein internatio¬
nales Preisausschreiben für eine Arbeit über Verhütung
der gewerblichen Milzbrandinfektion erlassen.
Preis 10 000 L. Die Arbeiten. müssen in italienischer oder
französischer Sprache geschrieben und bis zum 1. Dezember
1911 an das Ministerium für Landwirtschaft etc. eingereicht
sein.
— Die 1898 gegründete „Gesellschaft zum Stu¬
dium der Malaria“ teilt in ihrem 20. Berichte die Erfolge
mit, die in Italien durch staatlich geregelte Abgabe des
Chinins erzielt worden sind. Wir entnehmen der „Voss. Ztg.“
hierüber folgendes: Die staatlichen Vorschriften berechtigen
jeden staatlichen Arbeiter, wie Chaussee-, Straßen-, Eisen¬
bahnarbeiter, Flur-, Wasser, Wald- und Kunst- (Ausgrabungs)
Wächter, ferner alle Minen- und Erdarbeiter auch von nicht
staatlichen Unternehmungen und Industrien, wenn sie nur in
Malariagegenden tätig sind, alles zur Vorbeugung und Heilung
der Malaria nötige Chinin gratis zu beziehen. Zur Vor¬
beugung werden von dem staatlichen Chininkonfekt in der Zeit
von Mitte Juni bis Mitte November täglich 2 Stück als nötig
erachtet, zur Heilung bei Erkrankung täglich 10 Stück. (Für
Kinder die Hälfte.) Und zwar wird dringend angeraten, die
Vorsicht ununterbrochen täglich zu üben, zumal dann schon
nach den ersten 3—4 Tagen die unangenehmen Begleit¬
erscheinungen, wie Ohrensausen, wegfallen. Als nötig wird
auch für alle, die sich aus Malariagegenden in malariafreie
Gebiete begeben, die Ausrüstung mit Pastillen für mindestens
sieben Tage nach der Abreise festgesetzt. Anschaffen müssen
diese gratis zu verteilenden Chininpastillen die Gemeinden; be-
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
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zahlen müssen sie die Arbeitgeber. Unternehmer und öffent¬
liche Anstalten, die den Arbeitern das Chinin vorenthalten,
werden mit Geldbuße bis zu 1000 Lire und mit hohen
Entschädigungssummen im Todesfall belastet. In be¬
schränktem Maße haben auch die Ortsarmen An¬
recht auf unentgeltliche Chininverteilung. Seit Ein¬
führung dieser Bestimmungen im Jahre 1901, wo noch
i:-!35S Malariatodesfälle amtlich bekannt gegeben
wurden und der Staat kein Chinin verkaufte und aus diesem
Artikel keine Einnahmen hatte, haben sich die Zahlen folgen¬
dermaßen geändert: 1904 noch 8501 Todesfälle, Chininverkauf
14171 kg, Einnahme 183 382 Lire, 1908 nur 3463 Todesfälle,
Chininverkauf 23 635 kg, Einnahme 769 809 Lire. Sehr
bemerkenswert ist der Rückgang namentlich in der Marine,
wo statt früher 20 v. II. jetzt nur 3,79 v. H., und im Land¬
heer, wo statt wie früher 4,9 v. H. jetzt nur 0,8 v. H. von der
tückischen Krankheit befallen werden. Auch die Berichte des
Roten Kreuzes geben für die römische Campagna guten-
teils dank dem staatlichen Chininzwange einen Rückgang der
Malariaerkrankungen bis auf 2 v. H. gegenüber 31 v. H. des
Jahres 1900 an. " Aehnlich steht es in den viel verrufenen
pontinischen Sümpfen. Freilich bleibt noch immer
— namentlich im Süden — recht viel zu leisten.
Philadelphia. Der nächste Alvarenga-Preis (zirka
180 Dollars) kommt am 14. Juli 1911 zur Verteilung. Preis¬
arbeiten, die ein beliebiges Thema der Medizin betreffen
können, sind bis längstens 1. Mai beim Sekretär des College,
Dr. Thomas R. N e i 1 s o n, einzureicheu, der auch die
näheren Bedingungen mitteilt.
Drei Weihnaehts- oder Neujahrsgaben für unsere Frauen,
unsere Kinder und unsere toten Kollegen.
Noch immer und trotz aller Aufklärung gibt es unter den
deutschen Kollegen Tausende, die im Falle eines unvorher¬
gesehenen Todes die Ihrigen in Not und schwerster Sorge zu¬
rücklassen und der Fürsorge mildtätiger Menschenfreunde
überliefern. Das darf nicht so bleiben. Wir müssen ebenso
wie in der Kassenarztfrage auch in der Fürsorgefrage endlich
aus dem Stadium bloßer Klagen herauskommen und unser
Schicksal tatkräftig in die Hand nehmen.
Weihnachtsfest und Neujahr bieten dazu willkommene
Gelegenheit, und Zweck dieser Zeilen ist, dem einzelnen
Kollegen wie den Vereinsvorständen als Geschenk für
Frau und Kinder eine Rentenversicherung
und für die Vereine die obligatorische
Sterbegeld Versicherung bei der V ersicherungs-
kasse für die Aerzte Deutschlands zu empfehlen:
für die geliebte Gattin, Braut, Mutter,
Schwester, Tante oder sonst welch teure weibliche An¬
gehörige mit Hilfe der Abteilung Witwenkasse.
Denn diese Art der Fürsorge, die Rentenversicherung, ist für
unsere Frauen, die zumeist oder doch sehr oft nicht mit Geld
umzugehen verstehen, verständiger; die Prämie ist bei gleicher
Versorgung (s. d. Tabelle) nicht halb so hoch wie bei den
Lebensversicherungen, und durch einen kleinen Zuschlag für
den Fall des vorzeitigen Todes der Versorgten an den Ver¬
sorger rückzahlbar. Sie erniedrigt sich zudem vom dritten
Mitgliedsjahre an durch die voraussichtlich mit jedem Jahr
um 2 pCt. steigende Dividende; für die Kinder mit
Hilfe der Abteilung Waisenkasse. Die hier für
bis 25 Jahre zulässige Versicherung nicht blos der schon
lebenden, sondern auch der noch nicht geborenen Kinder
ist au sich schon zumeist billiger noch als die vor¬
genannte Witwenversicherung (s. d., Beispiel d. Tabelle aus
Tarif h) wird aber ganz besonders vorteilhaft und in ihrer
Leistung von keiner anderen Versicherungsgesellschaft er-
erreicht, dadurch, daß die mit der Waisenabteilung verbundene
Dr. med. H e i n r i c h-.G o b ut e k - Stiftung kostenlos auf
die versicherten Renten einen Zuschlag von 25 pCt. gewährt,
so daß für eine Waisenrente von 1000 M. nur die Prämie für
eine solche von 800 M. zu zahlen ist. Uebrigens wird im Falle
des vorzeitigen Versterbens der Waisen die Rente bis zum
Schlüsse der Versicherungsdauer an die überlebende Mutter
gezahlt und auch hier geschieht durch Dividende eine jähr¬
liche mit 2 pCt. steigende Prämienverbilligung.
Für die Vereine unter Benutzung der obli¬
gatorischen Vereinssterbekasse.
Es geht doch wirklich nicht an, daß auch ferner noch
immer wieder hier und da beim Todesfall bei den Vereins¬
mitgliedern für die bitterste Not der Hinterbliebenen oder wohl
gar für das Begräbnis eines Mitgliedes gebettelt werden
muß. Die obligatorische Vereinssterbekasse der V.-K., welcher
bereits 13 Aerztevereine mit insgesamt 822 Mitgliedern bei¬
getreten sind, macht diesem beschämenden Elend ein Ende
und gestattet, lediglich auf Grund eines Vereinsbeschlusses
mit Wirkung ohne jede Wartezeit die gesamten Vereinsmit¬
glieder, ob jung oder alt, gesund oder krank mit unerhöhter
Tarifprämie, mit einem Sterbegeld von 500 oder 1000 M. zu
versichern. Wir empfehlen demgemäß dringend allen Ver¬
einsvorständen und Freunden des ärztlichen Vereinslebens
als Neujahrsgabe den Beschluß des Beitritts zu dieser Kasse
und demgemäß denn auch tunlichst schon für die nächste Ver¬
einssitzung als Punkt der Tagesordnung: Bericht über
die Vereinssterbekasse, der Versicherungs¬
kasse und Beschluß über den Vereinsbeitritt.
Eine Witwenrente von jährlich 600 M. kostet an
Vierteljahresprämien:
Bei der Versicherungskasse fii
ohne und mit Rückgewähr all
des vorzeitigen T
die Aerzte Deutschlands
er Einzahlungen im Falle
nies der Frau:
ohne mit
Rückgewähr
Bei dem Preuß. Beamteu-
verein mittels einer Lebens¬
versicherung in Höhe von
16000 M. (bei 4proz. Ver¬
zinsung)
Für den 25 Jährigen *)
M. 32,10
M. 41,10
M. 73,10
„ 30
„ 34,50
., 44,40
„ 34.
„ „ 35
„ 37,50
„ 46,20
„ 98,25
,■ „ 411
„ 41,40
55,20
„ 115,55
„ 46,50
., 63.60
., 138,-
„ „ BO „
„ 53,70
„ 74,10
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Todesfälle des Versorgers an die Kinder oder an die über¬
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16jähriger Versicherungsdauer
In Tarif k 3 )
— Rente auf jeden Fall während
der letzten Versicherungsjahre
fällig - bei beispielsweise
26jähriger Versicherungsdauer
25
M. 31,80
M. 79,10
30
„ 37.10
„ 84,90.
35
„ 45,30
„ 93,80
40
„ 56.10
„ 105,90
45
„ 70.90
„ 123.40
50
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II. Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
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III. Uebersicht der wichtigsten, in Form von subcutanen,
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IV, Zu vermeidende Arzneimischlingen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VI. Medicinische Bäder.
VII. Auszug aus der deutschen Arzneitaxe 1910.
Preise für Stoffmengen. Arbeiten und Gefässe.
1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
VIII. Anweisung zur sparsamen Arzneiverordnung mit Rück¬
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S. nach Vorschrift Schicht auf die Wundfläche resp. auf die Naht
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Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Luchmanoff: Einige Operation an der Malariamilz. — Müller: Ueber morphologische
Mitteilungen über Schnupfeuhehandlung mit Coryfin. Blutveränderungen bei Struma — Oestreich: Ein neuer
Favento: Ueber 156 mit Ehrlich-Hata 606 behandelte Fälle. Versuch der Behandlung des Krebses. — Schmidt: Krebs
— Remi: Ein Fall von rascher Wirkung des Ehrlich-Präparates und Infektionskrankheiten. — Diossz ilagyi: Eine neue
.,fc()6“ — Greven: Beginn und Dauer der A'rseuausscheidung Methode der Behandlung der Unterschenkelgeschwüre. —
im Urin nach Anwendung des Ehrlich-Hataschen Präparates Ullmann: Experimentelles zur Thermopenetration. — Haim:
Dioxydiamidoarsenobenzol. — Stümpke: Ist das nach Queck- Zur Kasuistik der gleichzeitigen extra- und intrauterinen Gra-
silberinjektion hei Lues aultretende Eieber als ein Zeichen ak- vidität. — Polak: Spontane Uterus- und Blasenruptur während
tivcr Lues autzufassen ? — Beck: Zur Aetiologie der Taubstumm- des Geburtsaktes.
heit — Cohn: Die Bedeutung der Pirquetschen Hautreakiion II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
im Kindesalter —Grosser undBetke: Mors subita infantum Medizinische Gesellschaft. ' Sitzung, vom 9 November 1910.
und Epithelkörperchen. — Loewy und Hirschfeld: Beob- Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom
achtungen über das Minimum des Erhaltungsumsatzes. — 7. November 1910. (Schluß.) — 82. Versammlung Deutscher
Loewy: Ueber die Konstanz des Erhaltur.gsumsatzes bei ge- Naturforscher und Aerzte in Königsberg in Pr. vom 18. bis
Sunden Menschen. — Codivilla: Ueber die Behandlung der 24. September 1910. (Fortsetzung.)
Pseudaithrosen und der ausgedehnten diaphysären Koutinuitäts- III. Therapeutische Notizen. Auerbach: Arhovin zur internen
trennungen — Lattes: Ueber den Einfluß, den das im Blute Behandlung der Gonorrhoe. — Mekerttschiantz jun.: Ueber
zirkulierende Fett auf die Giftwirkung des Chloroforms ausübt. Ovarin-Poehl bei Amenorrhoe.
— Faulhaber: Zur Röntgendiagnostik des tiefgreifenden IV. Bücherschau. Sarason: Jahreskurse für ärztliche Fort-
(callösen) Ulcus ventriculi. — Ssaweljew: Darmgase, Darm- bildung. — Ellis: Geschlecht und Gesellschaft.
bläbung, deren Bekämpfung auf mechanischem Wege, Darm- V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gaseableiter. — Eichhorst: Ueber Kirschkernileus. — gebung, soziale Medizin etc. — Universität«wesen, Personal-
Ja cobaeus: Ueber die Möglichkeit, die Cystoskopie bei Unter- nackrichten. — Kongreß-und Vereinsnachrichten. — Gericht-
suebung seröser Höhlungen anzuwenden — v Haberer: liches. — Verschiedenes. . . S
Experimenteller und kritischer Beitrag zurFrage der Mesenterial- VI. Amtliche Mitteilungen. Zu besetzende Stellen von Medizinal-
unterbindung mit und ohne Netzplastik. — Solieri: Ueber beamten. — Bekanntmachung. — Personalia.
i. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Einige Mitteilungen über Schnupfenbehandlung
mit Coryfin.
Ton
Dr. ined. Luchmanoff (Moskau).
Im allgemeinen betrachtet man den Schnupfen über¬
haupt nicht als Krankheit, sondern als eine mehr oder we¬
niger unbedeutende Erscheinung, welche keiner besonderen
Behandlung bedarf und sich selbst überlassen, ihren natür¬
lichen Verlauf nimmt. Diese so sehr verbreitete Ansicht ist
aber durchaus, nicht berechtigt. Es ist bekannt, daß
Schnupfen nicht selten die Ursache vieler Erkrankungen,
sei es der Ohren, des Halses oder der Lungen, ist, wobei
es sich bisweilen sogar um ernstlichere Leiden handeln kann.
Vor allen Dingen ist es erwiesen, daß der Schnupfen
sehr oft eine chronische Form annimmt, die zur Folge hat,
daß der Patient längere Zeit nicht durch die Nase, sondern
nur durch den M'und atmen kann. Diese unnatürliche At¬
mung kann ihrerseits zu den verschiedensten Erkrankungen
der Lungen und des Halses führen. Außerdem ruft ein in
die Bronchien übergehender Schnupfen häufig Bronchitis
hervor und derartige sich oft wiederholende, von Bronchitis
begleitete Schnupfen, werden zur Hauptursache einer chroni¬
schen Bronchitis, welche sich, in unserem Klima wenigstens,
nur sehr schwer auskurieren läßt. Ganz besonders un¬
angenehm bemerkbar machen sich die Folgen eines
Schnupfens bei bronchialem Asthma und hierbei kann es
sogar zu lebensgefährlichen Atmungisbeschwerden und Er¬
stickungsanfällen kommen. Dies alles weist darauf hin,
daß der Schnupfen eine Krankheitserscheinung ist, welche
durchaus nicht vernachlässigt werden darf, vielmehr so¬
gleich bei den ersten Anzeichen behandelt werden muß.
Würde man dies als Regel betrachten, so wäre es nicht
ausgeschlossen, daß die große Zahl der mit chronischer
Bronchitis behafteten Patienten geringer werden würde.
.Schnupfenmittel werden uns eine ganze Menge emp¬
fohlen, aber leider erfüllt keines derselben die darauf ge¬
setzten Hoffnungen. In clor Regel greift man zu äußerlichen
Einreibungen der Nase mit Fetten, zum Riechen von Am¬
moniak oder zu Schnupfenpulvern, die in jeder Apotheke'
zu haben sind. Letztere bestehen hauptsächlich aus Acidum
boric, und Menthol. Einen großen Nutzen kann man von
diesen .Sehninpfpulvern nicht erwarten, da sich das in die
Nase geführte Pulver auf dem zur Ausscheidung gelangenden
Schleim absetzt und mit diesem fast ebenso schnell aus der
Nase entfernt wird, wie es in dieselbe hineingekommen ist.
Wo aber das Pulver mit der Schleimhaut selbst in Berüh¬
rung kommt, ruft das Menthol Reizungen und slarkes
Brennen hervor, wodurch momentan eine reichliche Schleim
absonderung etfolgt, durch welche das Pulver wiederum
aus der Nase entfernt wird.
Vor zwei bis drei Jahren ist nun ein neues phar¬
mazeutisches Präparat erschienen, das Coryfin, welches
sonderbarerweise sowohl bei den Aerzten als auch
bei dem Publikum ziemlich unbekannt geblieben ist
und doch eine größere Beachtung verdient. Coryfin ist ein
Mentholderivat, Aethylglykolsäurementliolester, eine durch¬
sichtige, fettige Flüssigkeit, mit kaum merklichem Menthol¬
geruch. Im Wasser löst sich Coryfin schwer, leicht in
Alkohol und Aether und ebenso leicht mischt es sich mit
Fetten und Gelen. Der Vorzug dieses Präparates vor ge¬
wöhnlichem Menthol besteht darin, daß es auf die Haut
oder auf die Schleimhaut aufgetragen, das unangenehme
Brennen nicht hervorruft, sondern in seine Bestandteile ge¬
spalten wird, wodurch allmählich eine schmerzlindernde,
kühlende und antiseptische Wirkung eintritt, welche, was
die Hauptsache ist, länger anhält, während die Wirkung
des gewöhnlichen Menthols nur von sehr kurzer Dauer ist.
Ich habe in einer sehr großen Anzahl von Fällen
akuten Schnupfens das Coryfin angewandt und bin dabei
ziU folgenden Resultaten gelangt: Es lassen sich beim
Schnupfen drei Stadien beobachten. Das erste resp. das
Aniangsstadium macht sich nur durch ein leichtes Kitzeln
in der Nase oder durch ein schwaches Gefühl des Kratzens
im Halse bemerkbar, wobei gleichzeitig heftiges Niesen auf-
tritt. Dieses Stadium ist von sehr kurzer Dauer, es handelt
sich um eine, höchstens zwei Stunden, wonach das zweite,
das eigentliche akute Stadium des vollentwickelten
Schnupfens mit reichlicher Schleimabsonderimg beginnt und
für gewöhnlich zwei, drei Tage anhält. Jin dritten Stadium
718
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 48.
schließlich hört der Schnupfen nach und nach auf, die
Häufigkeit der fast flüssigen Schleimabsonderungen nimmt
mehr und mehr ab und es beginnen weniger häufige Aus¬
scheidungen eines festen, eitrig aussehenden Schleimes,
wobei die Nasenatmung noch sehr erschwert ist. Dieses
/Stadium dauert gewöhnlich 5—6 Tage, kann sich aber auch
bisweilen auf einige Wochen erstrecken.
Wenn man gleich im ersten Stadium die Nasenschleim¬
haut mit Coryfin behandelt, so wird in den meisten Fällen
nach zwei- bis dreimaligem Pinseln die Entwicklung des
Schnupfens angehalten werden, so daß es überhaupt nicht
zum zweiten Stadium kommt. Hat man jedoch das ersto
Stadium nicht beachtet, so daß der Schnupfen Zeil gefunden
hat, sich zu entwickeln und ins zweite Stadium über¬
zugehen, so wird nach 5—6 Pinselungen im Laufe des
Tages der Schnupfen in '24 Stunden zum Stillstand kommen
und die- Schleimabsonderung aufhören. Ratsam ist es nur,
die Pinselungen fortzusetzen und in den nächsten
Tagen noch 2—3 mal täglich vorzunehmen. Schließlich wird
aber auch noch im dritten Stadium das Coryfin von Nutzen
sein und die .Dauer dieses Stadiums abkürzen.
Hervorzuheben ist, daß die Pinselungen mit Coryfin
: keinerlei Gefühl des Brennens oder von Heizungen zur
I Folge haben und daß die Nasenatmung momentan frei wird.
Diese Resultate sind so günstig und die Uebcrlegenhei.t
des Coryfins über allen anderen Schnupfenmitteln ist. so be¬
deutend, daß ich es für meine Pflicht halte, die Aufmerk¬
samkeit der Kollegen auf dieses Präparat zu lenken, am
so mehr, als wir Aerzt.e häufig in Verlegenheit wegen der
Wallt eines Schnupfenmittels sind.
Coryfin soll auch noch bei anderen Krankheitserschei¬
nungen wie Angina, Migräne, neuralgischen Schmerzen usw.
gute Dienste leisten, ich habe jedoch keine Gelegenheit ge¬
habt, persönlich die Wirkung des Präparates in diesen
Fällen zu beobachten.
Dr. Kavent« (Triest): Ueber 156 mit Ehrlich-Hata 606 be¬
handelte Fälle. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Verfasser berichtet über die von ihm in der Syphilisabtei¬
lung des Ospedale Civico in Triest mit dem neuen Mittel ge¬
machten Erfahrungen. In bezug auf die Technik der Injek¬
tion befolgte er die Methode von Wechsel mann. Be¬
handelt wurden 27 Primäraffekte, 67 Fälle von sekundärer
Syphilis, 2 von Syphilis maligna praecox, 19 Fälle von ter¬
tiärer Syphilis, 12 von Hirnsyphilis, 4 Fälle von hereditärer
Syphilis, 13 symptomlose Fälle mit positiver Wasser ma n n -
scher Reaktion, 2 Fälle spezifischer Neuroretinitis, 8 para¬
syphilitische Erkrankungen und 2 Malariafälle. Von den
Kranken hatten 62 keine spezifische Behandlung durch¬
gemacht. Die Dosis bei Erwachsenen schwankte zwischen 0,4
und 0,7, in der Mehrzahl der Fälle wurde 0,5—0,6 g injiziert.
In bezug auf die Wirkung des Mittels stimmen die Erfahrungen
des Verfassers mit denen der sonstigen Autoren überein, der
günstige Einfluß des Präparats zeigte sich in allen Fällen mit
Ausnahme der parasyphilitischen Erkrankungen und der Mala¬
riafälle. Besonders gut war wieder die Wirkung auf die
malignen Formen der Syphilis. In den gummösen Formen
erfolgte manchmal eine langsame Epithelisierung, so daß die
Heilung erst bis nach einem Monat erfolgte. 'Bei alten syphi¬
litischen Endarteritiden wurde keine Besserung erzielt. Gut
waren die Erfolge bei den kongenitalsyphilitischen Kindern,
wobei die Dosis entsprechend reduziert wurde (0,02 bei Säug¬
lingen, 0,09 bei einem 6jährigen Kinde). In den Fällen des
Verfassers trat nach der Injektion nur ausnahmsweise
eine Temperatursteigerung ein, in den meisten
Fällen blieb die Temperatur normal. Die Schmerzen dauer¬
ten nur einige Stunden nach der Injektion an, um dann all¬
mählich nachzulassen. Schädliche Nebenwirkungen auf die
Nieren oder Augen wurden in keinem Falle beobachtet. In
drei Fällen trat ein toxisches Exanthem am achten Tage auf.
Bei 49 Patienten wurde auf das Verschwinden der Spirochäten
nach der Injektion untersucht. Die Spirochäten verschwanden
am 2.—14. Tage, in der Mehrzahl der Fälle waren sie bis zum
achten Tage verschwunden. Die Wassermann sehe Reak¬
tion war in manchen Fällen noch mehrere Wochen nach der
Injektion positiv. Rezidive wurden nur in drei Fällen be¬
obachtet. R. L.
Oberstabsarzt Dr. Sicgmuiid Kenn, Kommandant des Truppen-
spitales in Kecskemet: Ein Fall von rascher Wirkung des
Ehrlich-Präparates „606“. (Wiener med. Wochenschr., 1910,
No. 41.)
Der Patient kam mit einer Sklerose am Gliede zur Auf¬
nahme. Verfasser injizierte eine Dosis von 0,6 in die Rücken¬
haut. Zwei Stunden nach der Injektion stieg die Temperatur
auf 38,3°, um nach weiteren zwei Stunden einer normalen
Platz zu machen, welche andauernd bestehen blieb. Schon am
nächsten Tage trat die Ueberhäutung des Geschwürs und das
fast vollständige Verschwinden der Induration ein. Es konnte
also die Heilwirkung in kaum 24 Stunden konstatiert werden.
Das Allgemeinbefinden des Mannes war bis auf geringfügige
Schmerzen, welche hauptsächlich in der rechten Schulter sicli
manifestierten, nicht gestört; an der Injektionsstelle ist keine
Veränderung eingetreten. K r.
Karl Greven (Bonn): Beginn und Dauer der Arsenausscheidung
im Urin nach Anwendung des Ehrlicli-Hataschen Präpa
rates Dioxydiamidoarsenobenzol. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 40.)
Verfasser untersuchte auf qualitativem Wege den Verlauf
der Arsenausscheidung nach Injektion des Ehrlich-Hata-
schen Präparats, wobei er sich zum Nachweis des Arsens im
Urin der von G o s i o angegebenen „biologischen“ Methode in
der Modifikation von Abel und Buttenberg bediente. Die
Untersuchungen wurden an mit dem Mittel behandelten
Menschen sowie an Kaninchen angestellt. Die Ergebnisse der
Untersuchungen sind folgende: Die Arsenausscheidung im
Urin beginnt schon kurze Zeit nach der Injektion (25 Minuten);
die Dauer der Anwendung von Arsen beträgt, nach der biolo¬
gischen Methode festgestellt, 14—18 Tage; bei subkutaner In¬
jektion ist die Arsenausscheidung im Urin etwas früher be¬
endet als bei intramuskulärer (Depotwirkung). Gleichzeitige
Quecksilbertherapie scheint eine Verzögerung der Ausschei¬
dung des Arsens durch den Urin herbeizuführen; gleichzeitig
verabreichtes Jodkalium verkürzt anscheinend die Dauer der
Arsenausscheidung im Urin. R. L.
Dr. Gustav Stümpke, Assistent der Kieler Universitätsklinik
für Hautkrankheiten: Ist das nach Quecksilberinjektion bei
Lues auftretende Fieber als ein Zeichen aktiver Lucs auf-
zufassen? (Berliner klin. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Von F. Glaser ist der Versuch gemacht worden, die
nach Hg-Injektionen auftretenden, kurzdauernden Tempera¬
tursteigerungen bei latenten Luetikern als Symptom eines
noch im Organismus vorhandenen aktiven Virus aufzufasser.
und aus dieser Tatsache sogar Schlüsse bezüglich des thera¬
peutischen Handelns zu ziehen. Es liegt gewiß im Bereich der
Möglichkeit, daß das nach Quecksilberiniektionen beobachtete
Fieber in irgendeiner Beziehung zum Luesvirus steht, viel¬
leicht in dem Sinne, daß durch das Hg eine Abtötung der
Syphiliserreger und eine Resorption der bei dieser Gelegen¬
heit frei werdenden Endotoxine erfolgt, oder aber in der
Weise, daß das im Organismus kreisende Hg sensibilisierend
auf die Spirochäten einwirkt, wobei dann eine vermehrte Aus¬
schwemmung von Stoffwechselprodukten der letzteren in den
allgemeinen Kreislauf stattfindet, die ihrerseits eine Tempe¬
ratursteigerung herbeiführt. Aber es geht doch wohl zu weit,
sagt Verfasser, an diese Temperaturerhöhungen diagnostische
Schlüsse zu knüpfen, resp. daraufhin therapeutische Anord¬
nungen zu treffen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil
dieses Fieber keineswegs als nur durch Syphilistoxine bedingt
aufgefaßt zu werden braucht. Glaser selbst erwähnt eine
andere Erklärungsmöglichkeit, doch erscheint ihm die Annahme
einer spezifischen Temperatursteigerung so lange wohl be¬
gründet, bis der absolut exakte Beweis, daß Hg-Injektionen bei
Nichtluetischen die gleichen kurzdauernden Temperatursteige¬
rungen erzeugen, erbracht sei. Aus diesem Grunde bringt Si.
in vorliegender Arbeit einige Kurven von Patienten zur Mit¬
teilung, die sicher nicht luetisch waren, trotzdem nach Injek¬
tionen von Hydrarg. salicyl. Temperatursteigerungen bekamen.
Auch sonst verlaufen diese Temperaturerhöhungen analog
dem bei Luetikern nach Quecksilberinjektionen beobachteten
Fieber, d. h. a) sie können am Tage der Injektion selbst oder
erst an dem folgenden Tage sich bemerkbar machen, b) die
erhöhte Temperatur kann einige Tage bestehen bleiben, c) die
Temperatursteigerung kann nach wiederholten Injektionen
wiederholt in die Erscheinung treten; d) die Temperatur
erhöhung tritt sehr häufig nicht gleich nach der ersten, sondern
erst nach einer späteren Injektion von Hydrarg. salicyl. auf.
Es dürfte demnach, sagt Verfasser, die Auffassung Glasers,
in der Temperatursteigerung nach Quecksilberinjektionen bei
latenter Lues ein Symptom aktiver Syphilis zu erblicken, ge
wichtige Gegengründe haben. Vor allem erscheint S t. die
Schlußfolgerung Glasers, daß diese spezifische Tempera¬
tursteigerung an Bedeutung der Wassermann sehen
Serumreaktion ungefähr gleichzusetzen sei. viel zu weitgehend.
Er glaubt, daß bei sogenannter latenter Lues eine positive
Wassermannsche Serumreaktion weit eher für die
Diagnose Ausschlag geben muß resp. Richtlinien für unser
therapeutisches Handeln abzugehen hat. als das nach ..prohn-
torischen Quecksilberinjektionen“ auftretende Fieber. K r.
No. 48.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
719
Dr. Karl Beck (Heidelberg): Zur Aetiologie der Taubstumm¬
heit. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Nach der Statistik des Deutschen Reiches spricht die
Syphilis in der Aetiologie der Taubstummheit eine ganz unter¬
geordnete Rolle, es handelt sich dabei nur um Bruchteile von
1 pCt.; in der Statistik des Großherzogtums Baden fehlt die
Syphilis in der Aetiologie der Taubstummheit sogar ganz.
Diese Tatsache ist auffäliig. Schon B e z o 1 d machte auf den
Widerspruch aufmerksam, der darin liegt, daß in allen Taub¬
stummenstatistiken so enorm selten Luesfälie angegeben
werden, und daß doch verhältnismäßig häufig von Ohren¬
ärzten Taubstumme mit Symptomen hereditärer Lues gesehen
werden. Offenbar wurde bisher der Lues als Entstehungs¬
ursache der Taubstummheit zu wenig Beachtung geschenkt.
Neuerdings besitzt man nun in der Wassermann sehen
Reaktion ein sehr bequemes Hilfsmittel, um das Vorhanden¬
sein von Lues bei taubstummen Kindern festzustellen. Verl.-
hat mehrfach mittels der Reaktion in Taubstummenanstalten
die Insassen auf das Vorhandensein von Syphilis untersucht.
Neuerdings hat er die 103 Kinder der Meersburger Taub¬
stummenanstalt der Wassermann sehen Probe unterzogen.
Bei keinem dieser Kinder waren auf Syphilis verdächtige All¬
gemeinerscheinungen nachzuweisen. Trotzdem fiel die Reak¬
tion bei 9 Kindern stark positiv und bei 18 Kindern
schwach positiv resp. zweifelhaft aus. Rechnet man
nur die stark positiven Fäile als sichere Lues, so würde der
Prozentsatz der Lues hier 8,7 betragen. Die Taubstumm- j
heit war nach Angabe der Eltern in fünf Fällen angeboren, j
bei zwei im zweiten oder dritten Lebensjahre nach nicht genau
feststellbaren Krankheiten entstanden, bei einem Kind war
Schwachsinn und Schwerhörigkeit im dritten Lebensjahre be¬
merkt worden. Alle diese Kinder sind bis auf das letztgenannte,
welches noch Vokalgehör besitzt, völlig taub. Daß in den ge¬
nannten positiven Fällen allgemein konstitutionelle Lues vor¬
liegt, ist nach Verfasser zweifellos; wahrscheinlich ist in diesen
Fällen die Syphilis des Gehörorgans der einzige Ausdruck der
konstitutionellen hereditären Syphilis. — Zum Schluß betont |
Verfasser, daß man nicht versäumen soll, bei rasch einsetzen¬
der, nicht ganz aufgeklärter Hörverschlechterung im Kindes¬
alter die Wassermannsehe Reaktion anzustellen und bei
positivem Ausfall sofort eine geeignete Behandlung einzuleiten.
R. L.
Leo Colin (Posen): Die Bedeutung der Pirquetschen Haut *
reaktion iin Kimlesalter. (Berl. klin. Wochenschr., 1910,
No. 40.)
Verfasser erörtert, was uns die Pirquet sehe Reaktion
in praktischer Hinsicht Neues gebracht hat, und inwieweit sie
dazu beigetragen hat, unsere Kenntnisse von der Genese der
Tuberkulose zu fördern und zu vertiefen. Er faßt seine Be¬
obachtungen wie folgt zusammen: 1. Der Hauptwert der
Pirquet sehen Reaktion liegt in ihrer Bedeutung für die
Diagnose und Prognose der Säuglingstuberkulose. 2. Der
positive Ausfall hat bei älteren Kindern und Erwachsenen
keinen praktischen Wert; der negative spricht nicht sicher gegen
Tuberkulose, wenn es sich um elende und kachektische In¬
dividuen handelt. Unterhalb des dritten Monats fällt die Reak¬
tion stets negativ aus. 3. Die Infektion mit Tuberkulose geht
zumeist im frühesten Kindesalter vor sich. Sie findet in tuber¬
kulösen Familien wesentlich frühzeitiger statt, wie in solchen,
wo keine Tuberkulose der Eltern vorliegt. 4. Findet eine In¬
fektion mit Tuberkulose im Säuglingsalter statt, so gibt diese
eine schlechte Prognose. Von 18 im ersten Lebensjahre in¬
fizierten Kindern starben 16; nur bei zwei Fällen fand während
einer ßeobachtungszeit von 1% Jahren eine Generalisierung
der Tuberkulose nicht statt. Kr.
Dr. Paul Grosser und Stabsarzt Dr. Richard Betke (Frank¬
furt a. M.): Mors subita infantum und Epithelkörperchen.
(Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Unter Epithelkörperchen versteht man kleine Gebilde,
welche der Schilddrüse aufliegen und die Bedeutung selb¬
ständiger Organe haben. Beim Tier ruft die Exstirpation der
Epithelkörperchen schwere, meist tötliche Tetanie hervor, und
zwar um so stärkere, je jünger die Tiere sind. Daß die Epithel¬
körperchen auch beim Menschen lebenswichtige Organe sind,
haben Beobachtungen an Strumektomierten gezeigt. Nach
neueren Anschauungen wird die Tetanie nach Kropfoperation
nicht durch die Entfernung der Schilddrüse, sondern durch
die Entfernung der Epithelkörperchen verursacht. Aus alle¬
dem geht hervor, daß die Epithelkörperchen zum Leben un¬
bedingt notwendig sind. Man hat auch schon lebensgefährliche
postoperative Tetanie durch Einpflanzung. von Epithelkörper¬
chen geheilt. Bei dieser Bedeutung der Epithelkörperchen
wäre es auch denkbar, daß eine Erkrankung derselben eine
ursächliche Bedeutung für manchen schwer zu deutenden,
plötzlichen Todesfall hat, wie solche besonders im Säuglings
alter nicht selten Vorkommen. Tatsächlich hatten die Ver¬
fasser Gelegenheit, drei Fälle zu beobachten, welche die Be¬
deutung einer Affektion der Epithelkörperchen für plötzlichen
Tod von Säuglingen zeigen. Bei der Sektion fanden sich in
allen drei Fällen schwere Veränderungen der Epithelkörper¬
chen. Diese Veränderungen waren besonders hochgradig in
einem Fall, bei welchem alle vier Epithelkörperchen völlig
durchblutet gefunden wurden, ln den beiden anderen Fällen
war die Zerstörung nicht in allen Epithelkörperchen gleich
stark, jedoch war auch hier nur wenig unversehrtes Gewebe
erhalten. Deshalb glauben die Verfasser den Tod in den drei
Fällen auf die Zerstörung der Epithelkörperchen zurückführen
zu müssen.
A. Loewy und F. Hirschfehl (Berlin): Beobachtungen über das
Minimum des Erhaltungsumsatzes. (Deutsche med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 39.)
Die Verfasser teilen die Ergebnisse von längere Zeit hin¬
durch an drei gesunden Personen mittleren Alters nach dem
Zuntz-Geppert sehen Verfahren vorgenommen Unter¬
suchungen des Stoffwechsels und des Sauerstoffverbrauchs mit,
die einen Beweis dafür liefern, daß es normale, sogar fettarme
Personen gibt, bei denen der Erhaltungsumsatz, also die oxyda¬
tive Energie ihres Protoplasmas, so niedrig liegt, daß sie mit
dem bei einzelnen Fettleibigen als Minimum bis jetzt fest¬
gestellten Umsatz mindestens auf gleicher Höhe liegt. Somil
stellen die bisher bei Fettleibigen gewonnen Zahlen etwas
Pathologisches nicht dar. Man kann demnach nur sagen: Es
gibt besonders niedrige Unisatzwerte bei einzelnen Individuen,
und darin liegt ein disponierendes Moment zur Fettsucht.
Kommt bei solchen Individuen mit niedrigem Umsatz die Fett¬
sucht zustande, so ist dies nicht bedingt durch den abnorm
eingeschränkten Energieumsatz an sich; der Fettansatz ist
dann einfach durch eine Mehrzufuhr gegenüber dem Bedarf be¬
wirkt, wobei es allerdings bei nicht besonderer Vorsicht hin¬
sichtlich der Art und Menge der aufgenommenen Nahrung be¬
sonders leicht zu einer überschüssigen Zufuhr kommt.
Prof. Dr. A. Loewy (Berlin): Ueber die Konstanz des Er¬
haltungsumsatzes bei gesunden Menschen. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 39.)
Verfasser teilt die Ergebnisse von Stoffwechselbestim-
mungen an fünf Personen mit, welche aus verschiedenen Jahren
stammen; bei einer Versuchsperson (dem Verfasser selbst)
liegen die ersten und letzten Bestimmungen 20 Jahre ausein¬
ander. im allgemeinen sprechen die Werte bei allen fünf
Personen, besonders wenn man die Schwankungen des Körper¬
gewichts mit in Rechnung zieht, im Sinne einer Konstanz des
Erhaltungsumsatzes beim gesunden Erwachsenen vor dem
Greisenaiter. • R. L.
A. Codivilla (Bologna): Ueber die Behandlung der Pseud-
arthrosen und der ausgedehnten diaphysären Kontinuitäts¬
trennungen. (Archiv f. klin. Chir., Bd. 92, H. 2.)
An der Hand einer großen Serie von Röntgogrammen
illustriert C. die Erfolge, welche er bei 27 Fällen von Pseud-
athrosen bezw. schweren Kontinuitätstrennungen der langen
Röhrenknochen mit der Ueberpflanzung freier oder gestielter
Periostknochenlappen erzielt hat. Nur die Knochenplastik
kann in diesen senweren Fällen zum Ziel führen und hat tat¬
sächlich auch in den mitgeteilten Fällen zur Konsolidation und
Wiederherstellung der Funktion geführt. Der Erfolg ist an
folgende Bedingungen geknüpft: Bei der Ausführung der Ope¬
ration ist tadellose Asepsis erforderlich. Der transplantierte
Knochenlappen bezw. das frei transplantierte Knochenstück
muß genügend stark sein, um der bestehenden Spannung
Widerstand leisten zu können und genügend groß, um eine
sichere unmittelbare Fixation an den Knochenenden und die
Wiederherstellung der normalen Spannung der Muskeln zu
gewährleisten. Nach der Operation ist ein starrer Verband
so lange erforderlich, bis der transplantierte Knochen durch
lebendes Knochenmaterial substituiert ist.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. L. Lattes (Turin): Ueber den Einfluß, den das im Blute
zirkulierende Fett auf die Giftwirkung des Chloroforms aus¬
übt. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Verfasser berichtet über Versuche, welche er zu dem
Zwecke anstellte, zu entscheiden, in welcher Weise die Chloro¬
formwirkung durch im Blute zirkulierendes Fett modifiziert
wird. Er bediente sich dabei der intravenösen Narkose nach
Bure k h a r d t. Einmal wurde einfach die Ringer sehe
Flüssigkeit mit Zusatz von 6,2—6,3 pro Mille und zuweilen von
0,3 pro Mille Gummi arabicum angewendet; das andere Mal
wurde das Chloroform in demselben Mengenverhältnis in einer
Olivenölemulsion gelöst. Die Emulsion wurde meist in der
Weise hergestellt, daß der Ringer sehen Flüssigkeit 0,3 pro
Mille Gummi arabic.. und 10 pro Mille Olivenöl zugesetzt wurden,
man erhält auf diesem Wege sehr stabile Emulsion, wenn man
die Mischung auf 60—70° (J. erwärmt und unter einem kühlen
Wasserstrahl solange durchschüttelt, bis sie ganz abgekühlt
ist. Die Versuche wurden an Hunden angestellt. Als wesent-
720
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 48.
liches Resultat der Versuche ergab sich: Eine Erhöhung des
Fettgehaltes des Blutes bewirkt eine Verminderung der zur
Herbeiführung der Narkose erforderlichen Chloroformmenge,
und somit eine Steigerung der Giftwirkung dieses Narkoticums.
Die zur .Narkose ausreichende Chloroformmenge durch Ver¬
mehrung des Fettgehalts im Blut kann weniger als die Hälfte
der sonst erforderlichen Dosis betragen. Auch die Dauer der
Narkose nach der Einverleibung einer bestimmten Chloro¬
formmenge ist größer, wenn die fetthaltige Emulsion angewen-
det wurde. Emen ähnlichen Einfluß übt die alimentäre
Lipämie aus, welche man dadurch herbeiführen kann, daß
man dem Tier ein fettreiches Futter verabreicht. — Die be¬
obachtete Wirkung des F’ettes erklärt sich nach Verfasser da¬
durch, daß das Fettgewebe des Körpers eine viel geringere
Chloroformmenge aufnimmt, wenn im Blut ein Uebermaß von
Fett zirkuliert.
Privatdozent Dr. Faulhaber (Würzburg): Zur Röntgen
diagnostik des tiefgreifenden (callösen) Ulcus ventriculi.
(Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Verfasser berichtet über eine Reihe von F'ällen von Ulcus
ventriculi, bei denen er in bekannter Weise mittels Wismutbrei¬
mahlzeit die Röntgenuntersuchung des Magens vorgenommen
hat. Es ergab sich aus den von Verfasser gewonnenen Befun¬
den folgendes: Man kann ein tiefer greifendes callöses Ulcus
dann annehmen, wenn an einer Stelle (in dem vom Verfasser
beobachteten F'ällen war es vorwiegend die kleine Curvatur)
ein fleckförmiger Wismutschatten die sonst glatte Magenkontur
unterbricht, sei es, daß er breitbasig, sei es, daß er pilzförmig
dem Magenschatten aufsitzt, oder wenn der Wismutfleck neben
dem Magen liegt, scheinbar ohne Zusammenhang mit ihm,
gleichsam wie eine Insel neben dem Festlande. Ist im letzte¬
ren Falle der Schatten groß und relativ weit vom Magen¬
schatten entfernt, so kann man auf ein in ein anderes Organ
(z. B. Pankreas) perforiertes Ulcus schließen. Besonders in
diesem Falle, wahrscheinlich aber auch bei nicht perforiertem
callösen Ulcus darf es nicht gelingen, den wismutgefüllten
Rezessus durch passenden Druck von außen her zu entleeren.
Die Diagnose gewinnt dabei ganz außerordentlich an Sicher¬
heit, wenn zugleich an der Stelle oder in unmittelbarer Nähe
des abnormen Wismutfleckes eine Sanduhrstenose sichtbar ist.
Verfasser hebt im Anschluß an diese Beobachtungen in Ueber-
einstimmung mit Riedel (Jena) hervor, daß nicht selten
durch ein bestehendes tiefergreifendes Ulcus allein (also nicht
nur durch Ulcus narben) Sanduhrmagen erzeugt wird. Die
i anduhrform ist dabei oft im Röntgenbilde viel ausgesproche¬
ner, als sie in den Operationen gefunden wird. Wahrschein¬
lich besteht häufig neben der anatomischen Stenosienmg noch
eine lokale tetanische Kontraktion der Magemnuskulatur. Der
Sitz des Ulcus entspricht dabei der Stelle der Stenose. Der
Befund einer Sanduhrenge allein wird bei klinischem Ver¬
dacht auf Ulcus (Hämatemesis bezw. Melaena) sehr für ein
Ulcus sprechen. R. L.
Prof. Dr. Nicol. Alex. Ssaweljew (Dorpat): Darmgase, Darrn-
blähung, deren Bekämpfung auf mechanischem Wege,
Darmgascableiter. (Medizinische Klinik, 1910, No. 39.)
Der Darmgaseableiter, dessen Verfasser sich seit mehre¬
ren Jahren bedient, besteht aus einem starkwandigen, aber
nicht harten Gummischlauch von zirka 10 mm äußerem Durch¬
messer ; er hat eine Totallänge von 2 m, ist am hinteren Ende
trichterartig erweitert, um Darmeingießungen zu ermöglichen,
und an dem vorderen Ende zweckmäßig von etwas kleinerem
Durchmesser, um den Widerstand bei der Einführung besser
zu überwinden. Etwa 3 cm von der Spitze beginnend und in
einer Länge von 10 bis 50 cm sitzen der äußeren Wandung
vier zirka 1 mm hohe, nach außen gut abgestumpfte Rippen
auf; dieselben verlaufen in gleichen Entfernungen vonein¬
ander parallel der Längsachse des Darmgaseableiters und
dienen dazu, seine Wandungen zu verstärken, ohne den Aus¬
tritt von Flüssigkeit aus kleinen Löchern zu hindern, welche
je zwei und zwei gegenüber spiralartig um den Schlauch
herum in kleinen Abständen zwischen den Rippen angeordnet
sind; die Lochränder sind sorgfältigst abgestumpft. Diese
einfache Vorrichtung leistet Verfasser in manchen Richtungen
einen vortrefflichen Dienst. Wenn man ein in der Weise
durchlöchertes Gummirohr in den Darm einführt und es vor
einem Fäkalienpfropfen stecken bleibt, wobei sich die End¬
öffnung in die F’äkalien einbettet oder das Lumen des Rohres
deshalb undurchgängig wird, weil eine Knickung des Gummi¬
rohres stattfindet, so kann das ganze Luftquantum, das sich in
dem Dickdarmabschnitte vor dem eben erwähnten Fäkalien¬
pfropfen aufhält, durch diese parallelen Löcher ins Gummirohr
gelangen und so nach außen befördert werden. Bei demselben
Zufall, wo die Endöffnung des so eingerichteten Gummirohres
durch Kotmassen verstopft wird, ist Verfasser dennoch im¬
stande, eine Darmeingießung auszuführen, da die Klysma¬
flüssigkeit dem Darmrohr entlang lateralwärts durch die
Löcher ununterbrochen eindringen kann; diese Flüssigkeits¬
strahlen sickern beständig von allen Seiten aus dem Einlauf¬
rohre und können allmählich den sterkoralen Pfropfen er¬
reichen. So leistet Verfassers Darmgaseableiter einen zwei¬
fachen Dienst: 1. als richtiger Gaseableiter — selbst dann,
wenn die Endöffnung zufällig verstopft ist oder durch Ab¬
knickung des Rohres unwegsam geworden ist, 2. als Darmrohr
für Enteroklysmata •— selbst da wieder, wo die Endöffnung
durch einen Pfropfen gelegentlich temporär verschlossen ist.
Wenn man also den mit Luft prall gefüllten Darm von der
schmerzhaften Blähung zu befreien hat, so führt man durch
langsame, vorsichtige Schraubebewegungen den mit Borvaselin
befetteten Darmgaseableiter ein und entfernt auf diese Weise
die im Dickdarm enthaltene Luft; wenn aber der Dickdarm
teilweise durch harte Fäces verstopft ist, so unternimmt man
sogleich mit demselben Darmgaseableiter eine Darmein¬
gießung, um die F’äkalienmasse zu erweichen und zu ent¬
fernen.
Prof. Dr. Hermann Eichhorst (Zürich): Ueber Kirschkernileus.
(Medizinische Klinik, 1910, No. 40.)
Verfasser berichtet über zwei Fälle von Kirschkernileus,
die sich in dem Sinne ergänzen, daß es sich in dem einen um
einen Verschluß im untersten Abschnitt des Ileum und im
Colon ascendens und in dem anderen um eine Verlegung des
untersten Mastdarmabschnittes handelt. In der letzteren Be¬
obachtung kam noch eine mechanische Verlegung des Harn¬
blasenausgangs durch Druck des mit Kirschkernen überfüllten
Mastdarms hinzu. Beide stimmen in der Entleerung schleimi¬
ger Massen aus dem Mastdarm überein. Im ersten Falle
! handelt es sich um eine 47 jährige Frau, im zweiten um einen
49 jährigen Mami. Bei der F'rau, die jeglichen Diätfehler in
Abrede stellte, wurde die Diagnose einer malignen Neubildung-
gestellt. Bei der Operation erwies sich der Tumor als Fremd¬
körper, der aus 909 Kirschkernen bestand. Bei dem Manne,
der zugab, daß er „einige“ Kirschen gegessen habe, stieß der
untersuchende Finger dicht über dem Schließmuskel des
Afters auf steinharte, runde, bei Verschiebung knirschende
Gebilde, welche die Mastdarmampulle in großer Menge er¬
füllten und so fest gegeneinander gepreßt waren, daß man den
Finger nur sehr mühsam und nur wenig tief einführen konnte.
Man hatte sofort den Eindruck, daß es sich um nichts anderes
als Kirschkerne handeln könne. Damit war die Behandlung
gegeben. Man machte sich daran, die Kirschkerne mit den
^Fingern aus dein Rektum herauszuholen, und brachte es
schließlich bis auf 101Ö Kirschkerne, die ein Gewicht von 230 g
erreichten. Dieser Menge entsprechen mehr als zwei Liter
Kirschen. Man ersieht hieraus wieder, wie wenig man sich
nicht selten auf die Angaben von Kranken verlassen kann,
denn der Patient hatte, wie erwähnt, nur von „einigen“
Kirschen gesprochen, und daß er diese samt und sonders mit
den Kernen verschluckt hatte, war überhaupt nicht von ihm
erwähnt worden.
In diesen beiden Fällen handelte es sich nur um solche
Beobachtungen, in welchen es zu Verschluß des Darmes bei
unveränderter Lichtung des Darmes kam. Begreiflicher¬
weise wächst die Gefahr, wenn bereits vor früher her der
Darm an irgendeiner Stelle verengt war. Unter solchen Um¬
ständen werden mitunter wenige Kirschkerne imstande sein,
den Darm zu verschließen. Freilich kann es auch dabei zu
einer Ansammlung von sehr zahlreichen Kirschkernen ober¬
halb der verengten Darmstelle kommen. Crüveilhier
berichtet über eine Beobachtung, in welcher sich oberhalb
einer verengten Stelle im Darme 617 Kirschkerne angesammelt
hatten. Mitunter bilden sich um verschluckte Kirschkerne als
Mitte Niederschläge im Darm, die zur Bildung von mitunter
recht beträchtlich großen Darmsteinen führen, die nun wdeder
ihrerseits den Darm zu verengen und selbst zu verschließen
imstande sind. In der älteren Literatur begegnet man nicht
selten der Angabe, man habe in dem entzündeten Wurmfort¬
satz einen verstopfenden Kirschkern als Entzündungserreger
gefunden. Es ist jedoch diese Angabe unrichtig. Die ver-
| meintlichen Kirschkerne im Wurmfortsatz sind Kotsteine von
kirschkernähnlichem Aussehen. Das Eindringen eines Kirsch¬
kernes in den Wurmfortsatz ist nicht möglich, weil ein Kirsch¬
kern dafür viel zu groß ist. K r.
H. C. Jacobaeus (Privatdozent in Stockholm): Ueber die Mög¬
lichkeit, die Cystoskopie bei Untersuchung seröser Höhlun¬
gen anzuwenden. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Verfasser berichtet über vorläufige Versuche, zur Besich¬
tigung seröser Höhlen (Peritoneum, Pleura) ein nach dam
Prinzip des Cyst’oskops gebautes Instrument zu verwenden.
Der von Verf. benutzte Apparat besteht aus einem Trokar in
Kombination mit einem geraden Cystoskop. Der Trokar ist
mit einem selbstschließenden Ventil versehen, um ein Aus¬
strömen der in der betreffenden Höhle befindlichen Luft zu
verhindern. Die Dicke des ganzen Apparates beträgt No. 17
Charriere, die des Cystoskops No. 14. Zur Beleuchtung dienen
kaltbrennende Osramlampen. Die Untersuchung wird in
No. 48.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
721
folgender Weise vorgenommen: Nach erfolgter Desinfektion
mit Jodtinktur wird die Haut kokainisiert. Darauf macht man
einen kleinen Einschnitt in dieselbe. In die betreffende Höhle
gelangt man durch Einführung des Trokars. Dieser wird dann
mit einer gewöhnlichen Po 1 i tzersehen Luftpumpe in Ver¬
bindung gesetzt und mittels dieser wird das erforderliche
Quantum filtrierter Luft eingeblasen. Dann wird das Cystoskop
in den Trokar eingeführt, der durch sein selbstschließendes
Ventil die Luft festgehalten hat. Man besichtigt dann die be¬
treffende seröse Höhle, soweit sie in das Gesichtsfeld des
Cystoskops fällt. Nach beendigter Untersuchung läßt man die
Luft durch Oeffnen des Ventils im Trokar wieder ausströmen.
Bei der Untersuchung ist der Einstich des Trokars das beinahe
allein Schmerzhafte. Handelt es sich' um die Besichtigung des
Peritoneums (Laparoskopie), und besteht Ascites, so wird
dieser vorher in üblicher Weise entleert, und darauf wird das
erforderliche Quantum Luft eingepumpt. Bei Ascites hat Ver¬
fasser das Verfahren bisher in 17 Fällen versucht. In einem
Falle gelang es ihm, auf der Leber kleine Knötchen (Krebs¬
metastasen) wahrzunehmen, in einem anderen Falle eine
hochgradige Perihepatitis. Vom Darmkanal sind nur die nach
außen belegenen Schlingen der Untersuchung zugänglich. In
einem Falle konstatierte Verfasser kleinere Knötchen, die
wahrscheinlich Krebsmetastasen waren. An Leichen wurden
mehrfach Metastasen und Krebsinfiltrationen am Omentum
gesehen und durch nachfolgende Sektionen bestätigt. — Ueber
die Besichtigung der Pleura hat Verfasser vorläufig weniger
Erfahrungen. Bei der Pleuritis exsudativa wird das Verfahren
von Holmgren, das Exsudat durch Luft zu ersetzen (Aus¬
blasen des Exsudats), zweckmäßig vor der Einführung des
Cystoskops angewendet. Verfasser hat in zwei Fjillen von
Pleuritis exsudativa dieses Verfahren benutzt, konnte aber in
beiden Fällen keine besonderen Pleuraveränderungen fest¬
stellen. (Vorläufig befindet sich die Methode durchaus noch
im Versuchsstadium.) R. L.
v. Haberer: Experimenteller und kritischer Beitrag zur Frage
der Mesenterialunterbindung mit und ohne Netzplastik.
rcf. ,.Allg. Med. Central.-Ztg.“, 1910, S. 331.] (Archiv f.
Ulin. Chir., Bd. 92, H. 2.)
Prof. Lanz (Amsterdam) ist es nach seiner Angabe ge¬
lungen, nach schweren Mesenterialverletzungen oder Unter¬
bindungen die unvermeidlich arseheinende Darmgangrän
dadurch zu verhüten, daß er einen Netzzipfel in den Mesen¬
terialdefekt einnähte oder den seines Gekröses beraubten
Darm mit dem großen Netz umhüllte. Bei der Wichtigkeit
dieser Frage hat nun v. H. eingehende Kontrollversuche an¬
gestellt. in welchen er leider zu wesentlich anderen Ergeb¬
nissen kommt, als Lanz. v. Hab er e r betont zunächst, daß
die anatomische Endausbreitung der mesenterialen Arterien
von Mensch und Hund so verschieden ist, daß eine Ueber-
tragung der im Tierexperiment gewonnenen Erfahrungen auf
den Menschen nicht statthaft ist. Der Hundedarm verträgt
Mesenterialablösungen größerer Ausdehnung sowohl innerhalb,
als auch außerhalb der Arkaden schlecht, vorausgesetzt, daß
im letzteren Fall tatsächlich mehrere Gefäße unterbunden
würden. Die häufigste Folge der Mesenterialablösung ist die
Darmganggrän, in Fällen nur geringer Ablösung kann diese
allerdings ausbleiben. Aber auch im Falle der Ausbildung
eines vollständigen Kollateralkreislaufes kommt es häufig zur
Bildung von Ulcerationen mit Darmstenose. Eine Restitutio
ad integrum darf nur in den seltensten Fällen erwartet werden.
Eine Netzplastik im Sinne von Lanz kann die deletären
Folgen der Mesenterialablösung nicht aufhalten, da die Zirku¬
lationsstörung sofort schwere Veränderungen am Darm er¬
zeugt- welche ein evtl, ein paar Tage später zustande kommen¬
der" Kollateralkreislauf vom Netz her nicht mehr zu reparieren
vermag. Die abweichenden Angaben über die Folgen der
Mesenterialablösung im Tierexperiment sind teils auf eine zu
geringe Beachtung des anatomischen Verhaltens der Gefäße,
teils auf verschiedene Technik zurückzuführen.
S. Solieri: Ueber Operation an der Malariamilz. (Archiv f.
klin. Chir., Bd. 92, H. 2.)
S. teilt kurz die Krankengeschichten von vier wegen hyper¬
trophischer Malariamilz splenektomierten Kranken mit und
erörtert im Anschluß hieran Indikation und Technik des Ein¬
griffes. Der Eingriff verlief in allen vier Fällen gut und führte
zur Heilung. Im ersten Fall wurde wegen Verletzung einer
hypertrophischen Malariamilz operiert, im letzten Fall wegen
Stieldrehung der Milz. Ist letztere beweglich, so ist der Ein¬
griff leicht. Solieri hält aber trotzdem die Splenektomie
nur dann für indiziert, wenn schwere Störungen bestehen und
der obere Pol der Milz nur wenig über dem Niveau des Rippen¬
bogens liegt. Die hypertrophische Milz an sich macht keine
Beschwerden und rechtfertigt deshalb noch nicht die
Splenektomie. Die Beschwerden werden meist erst verursacht
durch sekundäre Zerrungen des Stieles, des Ligam. Suspen¬
sorium und des Magens, akute oder chronische Drehung bezw.
Fixation des Organes in abnormer Lage. Solche Anomalien,
sowie Zerreißungen und gefahrdrohende Blutungen bilden
eine absolute Indikation für die Operation.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Charlotte Müller (Zürich): Ueber morphologische Blutver-
änderungen bei Struma. (Medizinische Klinik, 1910, No. 34.)
Im Jahre 1908 beschrieb Prof. Kocher im ,.Archiv f.
klin. Chir.“ eine Blutveränderung, die er bei Morbus Basedowii
gefunden hatte, die nach seinen Beobachtungen konstant bei
dieser Krankheit vorkommt und insbesondere für ihre früh¬
zeitige Erkennung von Bedeutung ist. Diese Blutveränderung
besteht in typischen Fällen in einer Erniedrigung der Gesamt-
leukocytenzahl. einer Leukanämie, mit vorwiegender oder aus¬
schließlicher Verminderung der polynukleären neutrophilen
Zellen, während die Lymphocyten prozentualisch oder ab¬
solut vermehrt sind, so daß es zu einer relativen oder abso¬
luten Lymphocytose kommt. Die Konstanz und das frühzeitige
Auftreten dieses Befundes bei Morbus Basedowii lassen
Kocher die Ueberzeugung aussprechen, daß wir in der Blut-
Untersuchung einen frühen und wichtigen Anhaltspunkt so¬
wohl für die Diagnose als die Prognose des Morbus Basedowii
gefunden haben, letzteres insofern, als starke Blutverände¬
rungen den Fall als schweren und der therapeutischen Beein¬
flussung nur unvollständig zugänglichen kennzeichnen. Häma-
tologische Untersuchungen anderer Forscher bei Fällen von
Basedow scher Krankheit haben die Resultate Kochers
in vollem Umfange bestätigt. Nach der von der Mehrzahl der
Kliniker angenommenen Ansicht sind die Symptome der
Basedow sehen Krankheit der Ausdruck der Hyper-
thyreosis, der Hyperfunktion der Schilddrüse. Auch die be¬
schriebene Blutveränderung wird aufgefaßt als eine Reaktions¬
erscheinung des Organismus auf die Ueberschwemmung mit
dem im Uebermaß produzierten Schilddrüsensekret. Caro
erklärt den Vorgang im besonderen als das Resultat einer
Reizwirkung auf den lymphatischen Apparat und eines chemo¬
taktischen Einflusses des Schilddrüsensekretes auf die Lympho¬
cyten. Unter diesen Verhältnissen lag die Vermutung nahe,
es möchte auch die einfache Schilddrüsenhypertrophie, wie sie
in zahlreichen Fällen von Struma vorliegt, ohne zu den Er¬
scheinungen des Thyreoidismus zu führen, einen ähnlichen,
voraussichtlich nur geringfügigen Einfluß auf das Blutbild
haben. Verfasser stellte sich die Aufgabe, eine größere Zahl
einfacher Strumafälle in dieser Richtung zu prüfen. Sie faßt
das Ergebnis ihrer Untersuchungen in folgenden Schlußsätzen
zusammen: 1. Die von Kocher bei Basedow scher Krank¬
heit gefundene Blutveränderung kommt in einer gewissen
Häufigkeit auch bei einfacher Struma vor. und zw 7 ar in etwas
mehr als der Hälfte der Fälle. Sie kann bei einfacher Struma
ausnahmsweise einen ebensolchen Grad erreichen wie bei
Morbus Basedowii, ist aber meist unbedeutender. Die Ver¬
wertbarkeit dieses Symptoms für die Diagnose Basedow -
sche Krankheit erfährt dadurch eine gewisse Beschränkung.
2. Das verhältnismäßig häufige Vorkommen dieser Blutver¬
änderung bei einfacher Struma verlangt, daß in unseren
strumagesegneten Gegenden bei der Beurteilung von Blut¬
befunden im allgemeinen der Zustand der Schilddrüse jeweils
berücksichtigt werde.
Prof. Dr. R. Oestreich. Prosektor des Augusta-Hospitals in
Berlin: Ein neuer Versuch der Behandlung des Krebses.
(Berliner klin. Wochenschr., 1910. No. 37.)
Die zahlreichen von ihm ausgeführten Sektionen von
am Krebs Verstorbenen wiesen Verfasser immer wieder von
neuem auf einige Eigentümlichkeiten der Krankheit hin, welche
wohl bekannt, aber nicht genügend gewürdigt sind. Sobald
die Krebskrankheit weiter vorgeschritten ist. kann eigentlich
beinahe überall metastatischer Krebs auftreten, nur wenige
Stellen bleiben fast stpts verschont, namentlich die Arterien¬
wände und das Knorpelgewebe. Die Festigkeit, die Härte der
genannten Gewmbe kann nicht die Ursache dieser Erscheinung
sein, denn es ist bekannt, daß gerade der sehr harte Knochen
ungemein häufig an metastatischem Krebs erkrankt. Auch die
Art bezw. der Mangel der Gefäßversorgung gibt keine ge¬
nügende Erklärung: oft genug wird innerhalb krebsigev
Lymphdriisenpakete (der Achselhöhle, der Inguinalgegend)
die Arterienwand im Gegensatz zur Venenwand frei von Ge¬
schwulst angetroffen; oft genug werden in den Fällen des die
Brustwand durchdringenden Mammakrebses die knorpeligen
Rippen geradezu von der Geschwulst vermieden und wohl er¬
halten gefunden. Aelmliches läßt sich von den Kehlkopf¬
knorpeln beobachten, falls endolaryngealer Krebs vorliegt.
Wenn nun irgendein Gewebe in der Regel von Krebs ver¬
schont bleibt, trotzdem genügende Gelegenheit zur Invasion
gegeben ist, muß die Ursache für diese .Immunität“ in der
Chemie der verschonten Gewebe begründet sein. Daher er¬
gab sich Verfasser zunächst ein Hinweis darauf, welche Sub¬
stanzen vielleicht das Wachstum der Krebszellen hindern oder
aufheben oder die Krebszellen abtöten oder die von den
Krebszellen abgesonderten Stoffe neutralisieren Verfassers
722
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 48.
Plan ging dahin, diese Substanzen dem erkrankten Körper,
seinem Blut und somit allen Geweben zuzuführen, um so
einen hemmenden Einfluß auf die Zellen des Krebses auszu-
Uben. Verfasser wählte das chondroitinschwefelsaure Natron,
einen Bestandteil der Arterienwand und des Knorpels. Seit
Januar 1909 sind mit dem von der Firma J. D. Riedel her-
gestellten, unter dem Namen „Antituman“ abgegebenen Prä¬
parat zahlreiche Fälle von Krebs im Augusta-Hospital zu
Berlin behandelt. Unter vorsichtigster Berücksichtigung der
gegebenen physiologischen Verhältnisse wurde die Einzel¬
dosis auf 0,1 g täglich, erst einmal, dann zweimal, festgestellt.
Nach einer Woche wurde die Dosis auf das Doppelte des An¬
gegebenen erhöht. Die wässerige, vorher im Wasserbade
sterilisierte Lösung wurde subkutan aii beliebigen Stellen des
Körpers (Bauchwand, Oberschenkel), durchaus nicht not¬
wendigerweise im Gebiete der Geschwulst »injiziert. Die
Dauer einer Kur betrug gewöhnlich 4—6 Wochen, dann wurde
eine Pause meist von 1—2 Wochen gemacht und darauf eine
zweite Kur angeschlossen. Es wurden nur inoperable, völlig
verlorene Krebskranke dieser injektionskur unterworfen. Als¬
bald nach Beginn der Versuche ergab sich eine auffallende
Erscheinung: Bei verschiedenen Kranken traten etwa 1 bis
2 Stunden nach erfolgter Injektion jedesmal heftige Schmerzen
in dem krebsartig erkrankten Teil ein: ein sicheres Zeichen
dafür, daß eine Wirkung des angewendeten Mittels auf die
krebsige Partie stattfand. Die Schmerzen hielten im Mittel
etwa eine Stunde an und verloren sich dann allmählich im
Laufe des Tages. Nachteilige Wirkungen irgendwelcher Art
auf Nieren, Darm, Blut usw. wurden nicht nachgewiesen. Ein¬
zelne Patienten zeigten während der Behandlung einen offen¬
kundigen Stillstand des Leidens, andere eine Besserung ihres
Befindens und verließen das Krankenhaus. Die bisherigen
Versuche haben noch keinen absolut sicheren Anhalt dafür
ergeben, wie lange die Nachwirkung nach der Injektionskur
anhält.
Privatdozent Dr. R. Schmidt, Primararzt in Wien: Krebs und
Infektionskrankheiten. (Medizin. Klinik, 1910, No. 43.)
Verfasser fiel auf, daß in der Vorgeschichte von Krebs¬
kranken so überaus häufig die Angaben wiederkehren: sie
seien stets gesund gewesen, sie hätten keine fieberhaften Er¬
krankungen überstanden. Diese Angabe wiederholte sich wie
eine Art Refrain. Verfasser hat sich nun darüber gemacht,
diesem Allgemeineindruck von der Seltenheit überstandener
Tnfektiönsprozesse bei Krebskranken eine zahlenmäßige Basis
zu geben. Nennt man kurz die Zahl, welche angibt, wieviel
Infektionskrankheiten ein Individuum überstanden hat, In¬
fektions-Index, so ließe sich die von Verfasser vermutete Ge¬
setzmäßigkeit kurz in die Worte kleiden: Der Infektionsindex
Krebskranker ist, ganz besonders soweit er sich auf infektiöse
Kinderkrankheiten erstreckt, ein abnorm niedriger. Und Ver¬
fassers Anschauung geht dahin, daß Individuen mit abnorm
niedrigem Infektionsindex, sofern sie im Krebsalter stehen,
der Gefahr einer Krebserkrankung in erhöhtem Maße aus¬
gesetzt sind. Bei hohem Infektionsindex wäre dagegen die
Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung entsprechend
niedriger einzuschätzen. Sollte sich, sagt Verfasser, durch
weitere statistische Forschung diese Anschauung bestätigen,
so wird man naturgemäß die beiden Momente, Seltenheit von
Infektionsprozessen und Erkrankung an Krebs, in einen inne¬
ren Kausaluexus bringen müssen. Es scheinen Verfasser dies¬
bezüglich zwei Möglichkeiten vorzuliegen: 1. Es wäre denkbar,
daß die unter anderem von Billroth postulierte Disposition
zu Krebserkrankung gleichzeitig — etwa auf dem Wege einer
Diathese — eine natürlich von Fall zu Fall verschieden hoch¬
gradige Immunität gegen Infektionskrankheiten bedingt. Es
könnte hier beispielsweise auf den Antagonismus zwischen
uratiscber Diathese und Tuberkulose verwiesen werden. 2. Ein
Kausalnexus könnte aber auch insofern bestehen, als unter
dem Einfluß von Infektionsprozessen der konstitutionelle
Boden in einer Weise umgepflügt werden könnte, so daß die
Disposition zur Erkrankung von Krebs bedeutend absinkt.
Es käme solcher Art den Infektionskrankheiten eine ge¬
wisse Krebsprophylaxe zu. Ist dem so, so würde gerade
unsere moderne Hygiene, wenigstens insofern sie auf das Auf¬
treten von Infektionskrankheiten eindämmt, die Häufigkeit der
Krebserkrankung fördern.
Weitere Untersuchungen sollen feststellen, ob tatsächlich,
wie Verfasser annehmen möchte, der Infektionsindex in
einem auffallend großen Prozentsatz von Krebskrankheiten
ein abnorm niedriger ist. Diesbezüglich eine statistische
Sammelforschung anzuregen, ist Zweck der vorliegenden
Arbeit.
Dr. Samuel Diosszilägyi (Mako): Eine neue Methode der Be¬
handlung der Unterschenkelgeschwiire. (Bester medicin.-
chirurg. Presse, 1910, No. 42.)
Die neue Methode, die Verfasser in 14 Fälle verwendete,
rührt von W. Pust, Arzt in Stettin, her, der sie 1908 in der
„Deutschen medizinischen Wochenschrift“, No. 52, unter dem
Titel „Ueber Wundbehandlung mit Gips“ veröffentlichte.
Die Idee zur Ausarbeitung seines Verfahrens gab ihm die
Empfindlichkeit der Bakterien gegen Austrocknung. Sein
Verfahren besteht darin, daß nach oberflächlicher Reinigung
der Umgebung des Geschwüres, letzteres mit einer dünnen
Gazeschicht bedeckt und diese mittels Binde befestigt wird.
Auf diesen Verband kommt an der dem Geschwüre ent¬
sprechenden Stelle eine dicke Lage Gips, darüber eine Schicht
Watte, welche mit Gummipapier (Guttapercha, Billrothbattist,
Mosetigbattist) bedeckt und mittels Binde befestigt wird. Zum
Verbände ist auch der gewöhnliche käufliche Gips gut, seine
Sterilisation ist ganz überflüssig. In den ersten Tagen muß
die Gips- und Watteschicht öfters gewechselt werden, die der
Wunde direkt aufliegende Gazeschicht bleibt liegen. Hat sich
der Geschwürsgrund gereinigt, so können wir zur Salben-
behandlung übergehen. Pust behauptet, der Erfolg seiner
Behandlung wäre ein frappanter. Alte, hartnäckige Ulcera
cruris reinigen sich sehr schnell, oft in einigen Stunden. Verf.
versuchte die Methode, wie gesagt, in 14 Fällen. Seine Resul¬
tate sind zufriedenstellend.
Privatdozent Dr. Carl Ullmaiui (Wien): Experimentelles zur
Thermopenetration. (Pester med.-chir. Presse, 1910,
No. 42.)
Verfasser kommt auf Grund von Versuchen an Tieren und
toten Gewebsstücken bezüglich der Wirkungsweise, Tempera¬
turgang und Dosierung der sogenannten Thermopenetration zu
folgenden Schlußfolgerungen: Es lassen sich in den erwärmten
Gewebspartien mit den empfindlichsten Voltametern inter¬
polar keinerlei Eäektrizatätsschwankungen (Spannomgsphäno-
mene) während des Stromganges nachweisen. Bei gleich¬
artiger Gewebsmasse ist die Temperaturerhöhung aller inter¬
polar gelegenen Gewebsanteile jederzeit eine vollkommene
oder doch nahezu gleiche und es sind die kleinen Differenzen
doch nur durch die Ungenauigkeiten der Experimentanord¬
nung zu erklären. Verschieden dichte und auch für die
Leitung von konstanten elektrischen Strömen verschieden
leitungsfähige organische Substanzen bezw. die Gewebe er¬
wärmen sich ceteris paribus in der Zeiteinheit sehr verschieden
stark. Der Reihe nach erwärmt sich am langsamsten sub¬
kutanes Fettgewebe. Knochenmark, Blut, Nervensubstanz, Zell¬
gewebe. Skelett, Muskel, Jferzmuskel, Bindegewebe, Haut,
Sehne, Knochensubstanz. Letztere steht also in der Reihe zu¬
erst und erwärmt sich am raschesten. In vivo erfolgt jedoch
eine wesentliche Aenderung dieses Gesetzes je nach dem
Blutgehalt, der Vaskularisation, Blut- und Lymphbewegung,
die einen teilweisen Ausgleich der Temperaturen und auch
eine Nivellierung der Temperaturdifferenzen in den verschie¬
denen Geweben zur Folge haben. Die Unterbrechung be¬
ziehungsweise Verminderung der Blutzirkulation steigert in¬
folgedessen nicht nur die absoluten Temperaturen, sondern
auch die jeweiligen Temperaturdifferenzen zwischen den am
höchsten und den am tiefsten temperierten Punkten der inter¬
polaren Gewebszone. somit nicht nur einerseits die therapeu¬
tischen Effekte, sondern anderseits auch die Gefährlichkeit des
Verfahrens, und zwar letzteres durch die Schädigung einer
partiellen Uebererwärmung. Sekundäre Hyperleukocytose an
den erwärmten Stellen findet statt, ist jedoch relativ geringer
als nach Methoden der Bier sehen Hyperämisierung durch
konstante Leitungswärme, Heißluft, strahlende Wärme etc.,
was wohl mit der gleichmäßigen Erwärmung aller Zellen
zwischen den Polen zu erklären sein dürfte, wodurch die
Schwelle der formativen Reizung (zur Zellneubildung) offen¬
bar etwas erhöht wird. Von einer exakten Dosierbarkeit des
Verfahrens für klinische Zwecke kann demzufolge vorläufig
nur in sehr beschränktem Maße die Rede sein. Es ist zur
direkten Bakterizidie mit Maximaltemperaturen über 42° C..
im. Körper gemessen, sogar als gefährlich zu widerraten. Ihre
Heilwirkungen sind also doch auch als indirekte, im Wege
des Nervensystems, der Ernährung, Stöffwechselbeschleuni-
gung erfolgende zu betrachten.
Dr. Emil Haim, Chirurg und Frauenarzt in Budweis: Zur
Kasuistik der gleichzeitigen extra- und intrauterinen Gra¬
vidität. (Prager medizni. Wochenschr., 1910, No. 42.)
Die meisten Autoren sind der Meinung, die extrauterine
Gravidität in jedem Stadium wie einen malignen Tumor be¬
handeln und demgemäß sofort nach gemachter Diagnose den
Fruchtsack exstirpieren zu müssen. In letzter Zeit sind indes
einzelne Stimmen laut geworden, bei weit vorgeschrittener
Extrauteringravidität doch zu versuchen, auch das kindliche
Leben zu schonen. Unbestritten muß jedoch die Anschauung
sein, daß inan bei gleichzeitiger extra- und intrauteriner Gra¬
vidität sich bestreben müsse, wenigstens die intrauterine Gra¬
vidität zu einem guten Ende zu führen.. Soll dies erreicht wer¬
den, so muß entweder die Diagnose gestellt oder wenigstens
an die Möglichkeit dieser nicht gar so seltenen Komplikation
gedacht und das Handeln danach eingerichtet werden. Als
No. 48.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
723
eine besondere Eigentümlichkeit aller dieser Fälle kann es
bezeichnet werden, daß die Diagnose sehr schwer ist und daß
ferner die Prognose für alle drei ins Spiel kommende Existen¬
zen als eine sehr ernste zu bezeichnen ist. Nach E h r en¬
do r f e r ist bis jetzt mit seinem Falle erst neunmal die
Diagnose auf gleichzeitige extra- und intrauterine Schwanger¬
schaft gemacht worden. Im 'Anfang ist die Diagnose über¬
haupt nicht zu machen, da ja auch bei reiner Extrauterin¬
gravidität der Uteruskörper konsensuell hypertrophiert und
die sonstigen Zeichen der Gravidität auch für die extrauterine
gelten; später, wenn sich die extrauterine insbesondere durch
ihre Komplikationen, sei es Ruptur, sei es Tubarabort, ver¬
raten hat und man außerdem einen der Dauer der Gravidität
entsprechend vergrößerten Uterus tastet, wird man die
Diagnose stellen können; so war es auch in den meisten der
diagnostizierten Fälle. Nun kommen die meisten ektopischen
Schwangerschaften gleich im Beginne bis zu ihrem dritten
Monate zur Beobachtung und eventuell zur Behandlung und
da wird es Pflicht des Behandelnden sein, auch an die Möglich¬
keit einer gleichzeitigen intrauterinen zu denken und dem¬
gemäß mit dem Uteruskörper schonend zu verfahren, dann
wird auch die Prognose dieser Komplikation eine viel bessere
sein, als sie es bisher war. ln dem vom Verfasser mitgeteilten
Falle wurde die Diagnose auf geplatzte, linksseitige Extra¬
uteringravidität gestellt und Patientin sofort ins Krankenhaus
geschafft. Bei der Operation fiel schon auf, daß der Uterus-
körper mehr vergrößert war, als einer gewöhnlichen Hyper¬
trophie bei extrauteriner Gravidität entspricht; auch war er
sehr weich, so daß an eine gleichzeitige intrauterine Gravidi¬
tät gedacht wurde. Bald nach der glücklich verlaufenen Ope¬
ration konnte eine weitere Vergrößerung des Uterus konsta¬
tiert werden. Normaler Verlauf der Schwangerschaft und
spontaner Partus. — Daß in diesem Falle eine Zwillings-
schwangerschaft vorlag, unterliegt keinem Zweifel.
Dr. Otto X’uläk, Primarius des allgemeinen Bezirkskranken¬
hauses in ßöhm.-Brod: Spontane Uterus- und Blascn-
ruptur während des Geburtsaktes. (Wiener med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 41.)
Es handelte sich um eine 42 jährige Vlll-Para mit engem
Becken, die gleich bei ihrer ersten .Niederkunft eine vesico-
vaginale oder cervicale Fistel davontrug. Die weiteren sechs
Geburten waren schwer, doch ohne Unfall. Bei der letzten Ge¬
burt trat wahrscheinlich infolge von falscher Einstellung des
Kopfes in fünf bis sechs Stunden nach Eintritt der Wehen eine
inkomplette Uterusruptur ein, die sich während des Trans¬
portes ins Krankenhaus in eine komplette umwandelte. Bei
der Ruptur des Uterus riß auch die Harnblase ein. Aus der
Lage des Harnblasenabrisses und aus der Erwägung, daß
zwischen der ersten und letzten Geburt noch sechs andere,
freilich schwere, doch sonst ohne Verletzung verlaufende Ge¬
burten stattgefunden, schließt Verfasser, daß diese letzte
Ruptur des Uterus und der Blase in keinem Zusammenhang
mit der Verletzung während der ersten Geburt steht (— Narben¬
bildung). Nach Konstatierung des Uterus- und Blasenrisses
blieb für die Therapie nur die Laparotomie mit Entfernung
des Uterus übrig, die in diesem Falle die schon bestehende
Peritonitis nicht aufhalten konnte. Exitus am dritten Tage p. o.
Die mikroskopische Untersuchung ließ den exstirpierten
Uterus normal erscheinen. K r.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der ..Allgem. Medie. Central-Zeitung'M
Sitzung vom 9. November 1910.
Vorsitzender: Herr Orth.
Tagesordnung:
Ueber Otosklerose.
(Mit Demonstrationen am Projektionsapparat.)
Herr G. Brühl: Dem Namen nach glaubt man, daß es sich
bei der Otosklerose um eine durch Verdickung am Trommel¬
fell bedingte Bewegungsbeschränkung des schallleitenden
Apparates handle. Vergegenwärtigen wir uns, was wir in
klinischer Beziehung unter dem Begriff verstehen, so wissen
wir, daß wir es mit einer häufig vorkommenden, sich langsam
entwickelnden, meist beiderseits auftreteuden, mit Schwer¬
hörigkeit verbundenen Affektion zu tun haben, die in der
■lugend beginnt und im besten Lebensalter ihren Höhepunkt
erreicht. Außer Ohrensausen, Druck- und Schmerzgefühl
fehlen sonstige Initialsymptome. Durch den Namen sollte, im
Gegensatz zu den Gehörstörungen, die durch Erkrankung des
nervösen Apparates hervorgerufen werden, eine Mittelohr-
Schwerhörigkeit charakterisiert werden. Bei totalem Verlust
von Trommelfell, Steigbügel und Amboß ist eine genügende
spezifische Erregbarkeit des Endorgans noch möglich, so
lange die Steigbügelbasis, die durch ein Ringband fixiert wird,
ihre Beweglichkeit noch bewahrt hat. Die histologischen
Untersuchungen der neueren Zeit haben nun die Existenz von
Stapesankylose bei freiem Mittelohr ergeben. Was die Genese
der Stapesankylose betrifft, so wird von einigen Autoren den
entzündlichen Affektionen iin Mittelohr eine gewisse Bedeu¬
tung beigelegt, während andere (u. a. P o 1 i t z e r) dem wider¬
sprechen und behaupten, daß es die Ostitis der Labyrintljkapsel
sei, in deren Verlauf es zu den Knochenneubildungen komme.
Alle ätiologischen Momente, die sonst bei Knochenerkrankun¬
gen eine Rolle spielen halten auch für die Otosklerose ihre Be¬
deutung, alter keins derselben ist wirklich imstande, Licht in
die Tatsache zu bringen, warum es bei der Otosklerose zur
Stapesankylose kommt. In neuerer Zeit sind Zweifel darüber
laut geworden, ob der Stapesankylose die beigelegte Be¬
deutung tatsächlich zukommt, da im Felsenbein und im hinte¬
ren Ohr ohne Stapesankylose die gleichen Knochenverände¬
rungen festgestellt worden sind, während diese Veränderun¬
gen früher als Folgen der Otosklerose betrachtet wurden.
Neuerdings werden Veränderungen im Labyrinth als das
Primäre hingestellt, so daß Stapesankylose und Ostitis im
Felsenbein als Begleit- oder Folgezustände anzusehen seien.
Vortragender entwickelt im folgenden seine eigenen Ansichten
über das Wesen der Erkrankung auf Grund zahlreicher anato¬
mischer Untersuchungen von Hörorganen, die zu Lebzeiten
untersucht worden sind. Die Knochenveränderungen bei
Otosklerose sind mehr schwammiger Natur und heben sich
mit scharfen Grenzen gegen das gesunde Gewebe im Felsen¬
bein ab. Dem Sitz der Affektion nach unterscheidet Vor¬
tragender vier Gruppen von Otosklerosen. 1. Knochenaltera¬
tionen. die in unmittelbarer Nähe des Steigbügels liegen, aber
nicht zu Stapesankylose geführt haben; 2. solche, die im vorde¬
ren Umfang des runden Fensters sich etablieren und zu Stapes¬
ankylose führen: 3. solche, bei denen sich noch atypische Herde
im übrigen Gehörgang zeigen, und 4. solche, die weit ab vom
Vorhof liegen und auch nicht zu Stapesankylose geführt haben.
Das Gemeinsame im Befunde der Fälle aus den Gruppen 1
bis 3 besteht darin daß der Ausgangspunkt der pathologi¬
schen Knochenneubildung mit Vorliebe im vorderen Vorhofs¬
abschnitt und der ältere Herd oberflächlich dicht unter dem
Periost gelegen ist. Bei der Gruppe 4 handelt es sich viel¬
leicht um trophische Störungen, die Hauptsache ist in klinischer
Hinsicht nicht die Knochenalteration, sondern die nervöse
Schwerhörigkeit bedingt durch degenerative Vorgänge im
Labyrinth. In den typischen Fällen handelt es sich dagegen
mehr um bindegewebige Prozesse- welche die Affektion als
schallhindernde charakterisieren. Seiner Ansicht nach handelt
es sich bei der Otosklerose um eine Hyperostose am Vorhofs¬
fenster dabei gibt es auch eine solche, die nicht zuStapesankylose
führt. Den Umstand, daß die Steigbügelgegend die Prädilek¬
tionsstelle der Affektion bildet, erklärt Vortragender durch
eine Reihe von Momenten (Wirkung der Druck- und Zugkräfte),
die für Hyperostosenbildung an dieser Stelle günstig sind. Die
überknoroelte Platte des Steigbügels wird durch Bindegewebs-
ziige an den vorderen Rand des Vorhofsfensters befestigt Das
Ringbild des Steigbügels ist vorn breiter als hinten. Wenn
auch geringe Kräfte in Frage kommen, so ist doch die konti¬
nuierliche Reibung und Zerrung des M. tensor tympani dazu
angetan, eine andauernde Unruhe am Periost hervorzurufen.
Die Gruppe 2, welche eine Anzahl von nur auf das Vor¬
hofsfenster beschränkten Knochenveränderungen aufweist,
spricht für die Richtigkeit dieser Anschauung. Heredität, ver¬
erbte Anlage spielen außerdem eine Rolle beim Zustaude-
I kommen der typischen Stapesankylose. Demonstration der
anatomischen Präparate am Projektionsapparat. Zur Beseiti¬
gung des schallleitenden Hindernisses haben sich, wie es
I selbstverständlich ist- medikamentöse Mittel, ferner andere
Maßnahmen, wie ..Politzern“. Katheterisieren. Massieren etc. als
nutzlos erwiesen. Ein Durchschneiden des M. tensor tympani
in geeigneten Fällen und zur Zeit, wo das Labyrinth noch un¬
versehrt ist, durfte vielleicht noch Erfolg versprechen.
Diskussion:
Herr Peyser rühmt die große Bedeutung derartiger Unter¬
suchungen, wie sie der Vortragende angestellt hat, für die Auf¬
fassung und Behandlung der noch so ungeklärten Affektion
Das Fibrolysin dürfte in einigen Fällen einigen Nutzen haben.
Gegen die Otosklerose ist nichts zu machen, doch läßt sich ein
palliativer Erfolg gegen subjektive Erscheinungen erreichen,
so z. B. auch durch die Phosphormedikation.
Herr Brühl (Schlußwort): Von Thiosiuamin habe er nicht
viel Günstiges gesehen. Die Hauptsache liegt bei der Oto¬
sklerose in der richtigen- Erkennung des Leidens.
(Schluß folgt.)
724
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 48.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der ,.AlIgem. Medic. Central-Zeituns“.)
Sitzung vom 7. November 1910.
Vorsitzender: Herr Kraus.
(Schluß.)
Diskussion über den Vortrag des Herrn Georg
Klemperer: „Ueber Lipämie bei Diabetes.“
Herr L. Michaelis berührt die Frage des lipolytischen Fer¬
mentes, das Klemperer anzweifelt. Aber auch in K 1 e m -
perers Versuchen sind Fehlerquellen vorhanden. Das
Fluornatrium ist fermentfeindlich; so wird z. B. die Glykolyse
im Blut unterdrückt, ebenso das Fibrinferment. Das beruht
wohl darauf, daß es den Kalk entfernt.
Herr Fuld; Das Fluornatrium verhindert nicht die Wirkung
des Fibrinfermentes, sondern dieses wird wohl durch den
Fluorcalciumniederschlag niedergerissen.
Herr Jacoby glaubt nicht, daß das Cholesterin aus den
Organen stammen muß. Denn es ist möglich, daß sich in
irgendeinem Organ die absolute Menge des Cholesterins ver¬
mindert. Das würde schon genügend die Zunahme im Blut
erklären. Der Organismus läßt sich sehr viel Zeit. Die Lipämie
bildet sich allmählich.
Herr Bönniger: Die Versuche von Connstein und
Michaelis wurden mit unzureichender Methode gemacht.
Redner hat die Methode der Trocknung des Blutes und Aether-
extraktion angewandt. Nimmt man Alkoholbehandlung vor. so
bekommt man viel höhere Werte. Redner hat mit Alkohol¬
ätherextraktion einen mittleren Fettgehalt (1,7) fast wie
Klemperer festgestellt. Der Fettgehalt bezw. das Alkohol¬
ätherextrakt ist bei lipämisch aussehendem Blute nicht immer
größer als im klaren Serum. Es kann hier der Gehalt sogar
größer sein.
Herr Reicher vermißt in der Beweisführung Kleinpe-
rers zweierlei: Klemperer hat die Bestandteile des
lipoiden Serums nicht völlig untersucht, sondern sich auf Cho¬
lesterin beschränkt. Dazu kommt die Untersuchung des orga¬
nischen Fettstoffwechsels. Redner hat die Frage mit den
Chemikern Dr. Stein und Hagenau angegriffen und die
Verbindungen, in denen das Fett bei der Umwandlung des
Blutserums in klare Lösung vorkommt, studiert. Es sind Cho¬
lesterin-Ester. Fettehveißverbindungen und Lecithin. Ver¬
füttert man reine Cholesteride, z. B. Tricholerin, so entsteht im
Laufe der Zeit in an- und absteigender Kurve eine Vermehrung
an Cholesterin-Ester und Lecithin, vielleicht auch an Fett¬
eiweißverbindungen. Diese Stoffe zirkulieren eine Zeitlang
im Blute gelöst. Es ist erklärlich, daß trotz hohen Fettgehaltes
klares Blut nach einiger Zeit da sein kann. Nicht alle Menschen
sind sich hierin gleich. Z. B. bei Basedow'kranken verschwindet
der Fettgehalt wegen stärkerer Verbrennung schneller aus
dem Blut. Bei Fettsucht ist die Umwandlung verlangsamt.
Der Diabetiker ist im vorgeschrittenen Stadium in
den Verhältnissen eines Fettsüchtigen; er kann das Fett nicht
mehr richtig verwerten. Die Umwandlung in die gelöste Form
und die Verbrennung ist ihm erschwert; ähnlich wie ein Fett¬
süchtiger durch die beständige Nötigung, seine Erhaltung aus
Fett zu suchen, erlahmt er in der Fettverwertung. Dann ent¬
steht die Acidosis und das Koma.
Herr Magnus-Levy: Woher kommt das Cholesterin des
Blutes? Ist das neu abgesetzt? Entweder wird es neu gebildet,
was möglich ist anzunehmen, aber nicht notwendig ist. Oder
es stammt aus dem großen Reichtum der Nahrung an Cho¬
lesterin. Nun ist es notwendig, zu entscheiden, ob das Cho¬
lesterin, das in großen Mengen im Blute kreist — bei 2% 1
Serum sind es 120 g im Serum — aus der Nahrung stammt.
Es läßt sich nicht entscheiden, ob das Cholesterin der Nahrung
direkt in das Blut kommt oder erst in die Zellen und aus den
Zellen in das Serum wandert. Es wäre bei den jetzigen Kennt¬
nissen möglich, anzunehmeu, daß der Diabetiker die große
Menge des Cholesterins — 12 Eier enthalten 3 g Cholesterin —
nicht so wie ein gesunder Versuchshund verbrennt, sondern,
weil er sie nicht verwerten kann, im Serum aufspeichert, ohne
sie nach den Zellen, dem Darm oder durch Verbrennung los
zu werden. Diese Erklärung steht vorläufig der von Klem¬
perer gegenüber.
Herr Stadelmann hat vor 10 Jahren hier einen Fall von
Lipämie demonstriert. Er fand damals 20 pCt. Fettstoffe im
Blute. Interessant ist. daß er zuerst die Menge dieser Fettsub¬
stanzen bestimmte. Er hat seitdem die Frage, zuletzt mit
Boruttau zusammen, verfolgt. Die Untersuchung ist noch
nicht abgeschlossen. Im Gegensatz zu Klemperer hat er
nicht bei allen Fällen von Diabetikern Koma und bei
schwersten Fällen Lipämie gefunden; zuweilen war keine
Spur Fett da.
Herr Klemperer (Schlußwort): Das Gebiet ist sehr groß.
Er hat daher nur die Hauptsachen hervorgehoben. Er hat
Tatsachen und ätiologische Vorstellungen durchaus getrennt.
Seine Theorien sind noch nicht bewiesen; sie haben nur
heuristischen Wert Fluornatrium ist nicht fermentfeindlich;
es ist nur bactericid. Eine Hälfte der Trockensubstanz wurde mit
Chloralhydrat behandelt und zwar mit demselben Resultat. —
Im klaren Serum findet man manchmal durchaus einen etwas
höheren Fettgehalt; nicht blos das Aussehen ist entscheidend,
sondern die Aetherextraktion ist nötig. Kolloide Eiweißsub¬
stanzen machen einen pseudolipoidämischen Charakter.
Ueber den Fettstoffwechsel ist viel zu diskutieren. Aber
vom klinischen Standpunkt ist Vortr. gegen die Meinung, daß
bei Diabetes eine mangelhafte Fettzersetzung bestände. Wie
soll ein magerer Diabetiker die Fähigkeit verlieren, das Fett
zu zersetzen? Die konstitutionell Fettsüchtigen — das hat
Herr vonBerg m a n n gezeigt — haben auch keine Lipämie.
Die Kranken, die im Koma starben, nehmen nicht 12 Eier zu
sich, sondern solche Menschen genießen vielleicht in zweimal
24 Stunden etwas Kochsalzlösung und leere Bouillon. Als sie
stark ernährt wurden, hatten sie geringe Werte im Blut; als
sie hungerten, schnellten die Zahlen in die Höhe, das spricht
gegen Magnus-Le vys Annahme. Daß er so spät und
spärlich Lipämien sah, liegt daran, daß er 10 Jahre lang keine
klinische Abteilung hatte. Mode.
IIT. Demonstrationsabenri
des Charlottenburger Aerzte-Vereins am 6. Oktober 11)10.
(Offizieller Bericht)
I. Herr C. S. Engel: Ueher die Ausführung der Wasser-
mannschen Reaktion in der ärztlichen Praxis. (Erscheint als
Originalbericht in No. 49 dieser Zeitung.)
II. Herr C. Helhing: Ueher die Gaumenspaltoperation im
Säuglingsalter.
Auf Grund meiner Erfahrungen an 80 Gaumenspaltopera¬
tionen möchte ich mit meiner Demonstration die noch immer
bestehende Anschauung bekämpfen, als ob die in frühester
Kindheit ausgeführte Operation eine lebensgefährliche sei, Ich
habe bisher iö Kinder unter einem Jahre der Operation unter¬
warfen und keinen einzigen Todesfall erlebt. Wenn auch
früher recht bedeutende Chirurgen, wie Billroth, Simon
und selbst ein La-ngenbeck, der Schöpfer der heutigen
Operationsmethcde, ausnahmslos alle Kinder, die sie vor dem
dritten Lebensjahr operierten, durch den Tod verloren, so hat
sich mit der verbesserten Operationstechnik und mit der Mög¬
lichkeit, durch methodische Kompression während der Opera¬
tion fast ohne Blutverlust zu operieren, die Gefahr der Opera¬
tion so verringert, daß sie gleich null -ist. Wenn ich für die
frühzeitige Gaumenspaltoperalion eintrat, so ist dies keine
Marotte von mir, auch treibt mich nicht der Ehrgeiz, die bei
Säuglingen durch die kleinen Raumverhältnisse etw’as schwieri¬
gere Operation ausführen zu wollen. Der Hauptgrund zur
frühen Indikationsstellung liegt für mich in der lebensretten-
den Bedeutung der Operation. Wir wissen, daß die Mortalität
der nicht operierten Gaumenspaltenkinder im ersten Lebens¬
jahre eine kolossale ist. Schätzungsweise wird diese auf 85 bis
90 pCt. angegeben. Je früher man also durch die geglückte
Operation normale Verhältnisse schafft, desto größer ist die
Aussicht, die Kinder am Leben zu erhalten, welche sonst an
den. aus der Defektbildung resultierenden Schädlichkeiten,
wie mangelhaftem Saugen und infolgedessen unzureichender
Ernährung, häufigem Verschlucken und dadurch entstehenden
Infektionen im Atmungs- und Verdauungsapparat, Mittelohr¬
eiterungen usw. zugrunde gehen. Wenn ich mit der Empfehlung
der Frühoperation auch noch ziemlich vereinzelt dastehe, so
mache ich aus der Literatur die Erfahrung, daß der einzelne
Chirurg, je größere Erfahrung er auf diesem kleinen Spezial¬
gebiete hat. um so w'eiter die Altersgrenze nach unten rückt.
Ich bin in der Lage, Ihnen von den 16 im Säuglingsalter aus¬
geführten Operationen vier Kinder hier vorzufiihren. Von
diesen ist das jüngste mit acht Tagen- das älteste mit neun
Monaten operiert. Den funktionellen Erfolg können Sie bei
der Jugend der Kinder nicht prüfen; nach meiner Erfahrung
ist dieser aber auch bei den Frühoperationen der beste.
III. Herr Kühne junior : Demonstration von Fremdkörpern
aus den oberen Luft- und Speiscwegcn.
1. Großes Knochenstück aus der Speiseröhre, dessen An¬
wesenheit w'eder durch Magensondeneinführung, noch durch
mehrmalige Röntgenaufnahmen von anderer Seite festgestelit
werden konnte. Referent wies den Fremdkörper durch Ein¬
führung des Brüning sehen Oesophagoskops in einer Tiefe
von 19 cm von der oberen Zahnreihe entfernt nach. Ent¬
fernung mittels Brüningscher Krajllenzange. Glatte
Heilung. Fremdkörper hat acht Tage in Speiseröhre verweilt.
2. Eierschale aus dem Kehlkopf eines vierjährigen Kindes.
Eierschale fest zwischen den Stimmbändern sagittal zwischen
vorderer Kommissur und Regio interarytaenoidea gekeilt. Ex¬
traktion mittels B r ü n i ng sehen Autoskopiespatels und Krallen¬
zange nicht möglich. Laryngofissur. Entfernung primärer
Knorpel, Weichteil-Hautnaht. Geringfügige Stichkanaleiterung
an einer Hautnaht. Tadellose Narbe, vorzügliche Funktion
des Larynx.
No. 48.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
726
3. Abgebrochener Schreibgriffel aus der Nase, der vor
18 Jahren vom rechten Siebbein durch Septum narium in das
linke Siebbein eingedrungen, in diesen Teilen sitzend Nasen¬
eiterung und Nasenverstopfung verursacht hatte. Nach Resek¬
tion der rechten mittleren Muschel glatte Extraktion mit
Brüning scher Nasenzange. Demonstration zweier Röntgen¬
platten.
4. Demonstration des Bronchoskopie- und Oesophago-
skopie-Instrumentariums nach Brünings.
IV. Herr Heller demonstriert einen vier Monate alten
Säugling, bei dem ein fast das ganze obere rechte Augenlid
einnehmendes Naevus flammeus vermittelst des Kohlensäure-
schrieeVerfahrens mit kosmetisch vorzüglichem Erfolg entfernt
war. Der Fall soll als Illustration für die Wirkung der gerade
für den Praktiker sehr bequemen Methode dienen, die H. in
einer der vorangegangenen Sitzungen in ihrer praktischen An¬
wendung demonstriert hat.
Herr Heller zeigt ferner mit Rücksicht auf den folgenden,
Ehrlich-Hata 606 betreffenden Vortrag einen jungen Mann, der
seit IV 2 Jahr auf der rechten Zungenhälfte enorm große
Convolute hypertrophisch-syphilitische Plaques gehabt hatte.
Erfahrene Kollegen veranlaßte das eigentümliche Aussehen
der Gebilde zur Diagnose Leukoplakie. Drei Tage nach der
Injektion, d. h. am Demonstrationstage, waren die syphiliti¬
schen Prozesse bis auf eine kaum sichtbare Färbung der
Schleimhaut verschwunden; gleichzeitig war der vorher außer¬
gewöhnlich starke Icterus syphiliticus nicht mehr zu konsta¬
tieren. Der Harn, der seit Wochen eine tief grüne, d. h. also
ikterische Färbung gehabt hatte, war normal geworden. Der
Injektionsmodus war das Wechsel mann sehe Verfahren
gewesen.
V. Herr C. Lippmaim: Acne necrotica seu varioliformis.
Die Affektion ist eine verhältnismäßig seltene Hautkrank¬
heit, und würde kein besonderes Interesse verdienen, wenn
sie nicht durch ihr Aussehen und ihre Lokalisation stark an
das krustöse Syphilid erinnerte. Die typische Lokalisationen
der Acne necrotica sind nämlich die Stirn- und Hinterhaupthaar¬
grenze und die Nasolabialfalten. Die Effloreszenzen sind etwa
erbsengroße, mit in die Haut eingelagerten Krüstchen bedeckte
Knötchen, die nach Abfallen der Kruste und Abheilen des
nekrotisierenden Prozesses tiefe Narben hinterlassen, die aus-
sehen, als wenn Stückchen mit einem Locheisen entfernt wären.
Die eingesunkenen Knötchen an der Stirnhaargrenze mit den ein¬
gesunkenen Narben kennzeichnen die Acne necrotica seu
varioliformis gegenüber der Syphilis.
Von der Variola ist die Acne necrotica zu unterscheiden
durch ihren chronischen Verlauf, von der für gewöhnlich
noch in den verschiedenen Stadien des Ablaufs befindliche
Knötchen sich auf der Haut befinden.
VI. Herr Fritz Lesser: Die Zubereitung und Anwendung
von Ehrlich-Hata 606. (Erscheint als Originalarbeit in No. 50
dieser Zeitung.)
Diskussion:
Herr Bruhns: Gestatten Sie, daß ich anschließend an die
Ausführungen des Herrn Kollegen Fritz Lesser ganz kurz
die Resultate meiner therapeutischen Versuche mit „606“, die
ich fast ausschließlich im Charlottenburger Krankenhause vor¬
nahm, mitteile. Es wurden vorwiegend Fälle von Lues I und II,
einige Fälle auch von Lues III behandelt, im ganzen waren
es (bis Anfang Oktober) 50 Kranke, die injiziert wurden. Die
angewendeten Dosen betrugen meist 0,5 bei Männern, 0,45 bei
Frauen, nur bei den allerersten Fällen wurden kleinere Dosen
verwendet, nach oben war 0,6 das Maximum, das ich bei ein¬
maliger Injektion gab. Die Form der Injektion war erst die
neutrale Aufschwemmung, später die 10 proz. Paraffin- oder
lieber noch die Oel-Emulsion. Die Dosis wurde meist auf zwei
Portionen verteilt in die beiden Glutäen eingespritzt. Dabei
waren die Schmerzen, besonders bei der Oel-Emulsion, meist
mäßige, durchaus zu ertragende, nur selten hochgradigere.
Zweifellos ist die Einspritzung in Oel-Emulsion viel reizloser
als die in neutraler Aufschwemmung. Die Fiebersteigerungen
waren meist gering (um 38" herum), fehlten öfters ganz, stiegen
nur selten auf zirka 39°. Erheblichere Nebenwirkungen habe
ich nie beobachtet, nur einige Male vorübergehende Durch¬
fälle, Herzklopfen, nie Nieren- oder Augenschädigungen, ein
mal ein Arznei-Exanthem. Nekrosen an der Einstichstelle
habe ich bis jetzt nicht bemerkt, die Infiltrate bleiben aber
mehrere Wochen deutlich fühlbar.
Und nun die Wirkung auf die syphilitischen Erschei¬
nungen: Kurz zusammenfassend möchte ich betonen, daß das
Eh dich sehe Mittel im allgemeinen prompt wirkte bei den
tertiären Fällen, schneller wohl, als wir es sonst bei Queck¬
silber und Jodkali gewöhnt sind. Bei den primären und
sekundären Syphiliserseheinungen hat es meist ebenfalls einen
guten Effekt gezeigt, derselbe trat aber gewöhnlich nicht über¬
raschend schnell auf, im Durchschnitt jedenfalls kaum
schneller, als wir es bei Anwendung einer fortlaufenden Queck¬
silberkur (z. B. von Hydragyrum salicylicum oder Unguentum
cinereum) gewöhnlich sehen. Wohl zeigten gewisse Sym¬
ptome, speziell Angina und Plaques manchmal nach wenigen
Tagen Rückgang. Dem steht aber gegenüber, daß andere Sym¬
ptome, wie z. B. Psoriasis palmaris und plantaris specifica sich
recht hartnäckig erwiesen.
Refraktär gegen dies Mittel war bisher keiner meiner
Fälle 1 ).
Die Wassermann sehe Reaktion blieb in der Mehrzahl
bei meinen Patienten positiv, einige Male nur wurde sie nach
der Einspritzung bald negativ, schlug dann aber auch zum Teil
wieder ins Positive um. Ich möchte aber ausdrücklich be¬
tonen, daß aus dem Wechsel der W a s s e r m a nn sehen
Reaktion oder auch aus ihrem Bestehenbleiben Schlüsse gar
nicht gezogen werden können. Sehen wir doch sehr häufig
nach einer Quecksilberkur Negativwerden der vorher positiven
W.-R., und dabei wissen wir ganz genau, daß daraus für die
spätere Prognose sich gar nichts sagen läßt. Das gilt ganz be¬
sonders für die Sekundär-Periode der Syphilis, aber auch in
der Tertiär - Periode sehen wir vielfach unregelmäßige
Schwankungen. Für die Diagnose der Syphilis bedeutet die
W.-R. ungeheuer viel, für die Prognose müssen wir mit unseren
Schlüssen noch ungemein vorsichtig sein.
Ein Vorzug der Behandlung mit „606“ ist zweifellos der,
daß die Kur selbst sehr viel kürzer dauert als eine Quecksilber-
kur. Allerdings ist dabei nicht zu vergessen, daß wir bei den
meisten Quecksilberkuren nicht nur bis zum Verschwinden der
Erscheinungen, sondern noch darüber hinaus in prophylakti¬
schem Sinne behandeln.
Die wichtigste Frage bei dem heutigen Stand der „606“-
Behandlung ist ja die der Rezidive. Daß der ursprüngliche
Gedanke, die Syphilis durch die Einspritzung ganz abzutöten,
in vielen Fällen leider *nicht gelungen ist, das wissen wir
schon heute aus den Erfahrungen der verschiedenen Autoren.
Gerönne führt z. B. in der jüngsten Nummer der „Medizini¬
schen Klinik“ an, daß in der Wiesbadener Krankenabteilung
unter 80 Fällen, die zwischen 10 Wochen und 5% Monaten be¬
obachtet wurden, 14 Rezidive vorkamen. Aus solchen summa¬
rischen Angaben ist aber heute noch nicht viel zu schließen,
wir müssen erst im Laufe der nächsten Jahre vergleichend mit
der Quecksilberbehandlung feststellen, welches der Medika¬
mente im allgemeinen mehr oder schnellere Rezidive auftreten
läßt, und dabei ist im einzelnen genau zu berücksichtigen, in
welchem Stadium der betr. Syphilitiker sich befindet. Wir
haben z. B. doch bei syphilitischen Patienten, die eben die
ersten sekundären Erscheinungen überwunden haben, von
vornherein ganz anders mit Rezidiven zu rechnen, als bei
Patienten, die im zweiten oder dritten Jahre nach der Infek¬
tion sich befinden. Ich selbst habe bei unseren Patienten, die
mit „606“ injiziert wurden, mehrere Male Rezidive gesehen,
doch ist die Beobachtungszeit noch zu kurz, als daß es möglich
wäre, schon jetzt etwas daraus zu schließen.
Wie sollen wir uns nun nach den bisher vorliegenden Er¬
fahrungen aller der Untersucher, die mit „606“ gearbeitet
haben, in der Praxis mit der Anwendung des neuen Mittels
verhalten, wenn es, wie geplant war, in einigen Wochen All¬
gemeingut aller Aerzte sein wird? Sollen wir das Mittel
im allgemeinen bei jeder Lues verwenden?
Ich glaube, wir können die Frage bejahen, soweit es sich nicht
um Fälle handelt, bei denen die bekannten speziellen Kontra¬
indikationen vorliegen. Das neue Mittel hat sich in den Neben¬
wirkungen jedenfalls nicht als schädlicher erwiesen, als das
Quecksilber, bei den gewöhnlichen Fällen von Lues ist seine
Heilwirkung auf die vorhandenen Symptome im Durchschnitt
nicht schlechter, in einer Anzahl von Fällen sogar besser als
die des Quecksilbers und Jodkali. Ferner kommt „606“ als
sehr wesentliches Unterstützungsmittel in den Fällen in Be¬
tracht, die sich gegen Quecksilber und Jod als ganz refraktär
erwiesen oder in denen die gute Wirkung unserer bisherigen
Medikamente eine zu kurz dauernde war. Aber wir dürfen
bei dem neuen Mittel nicht vergessen, daß wir in den nächsten
Monaten und Jahren noch ganz im Stadium experimenti uns
befinden, erst in der Zukunft können wir an großem Kranken¬
material Erfahrungen sammeln über die Möglichkeit einer
Dauerheilung der Syphilis durch das Medikament, even¬
tuell in mehrfach wiederholter Anwendung. Die Erwägung
aber, daß das sonst meist so gut auf die vorhandenen Er¬
scheinungen wirkende Quecksilber doch in vielen Fällen die
Wiederkehr neuer Krankheitsprozesse und besonders der ge¬
fürchteten Nachkrankheiten nicht zu verhüten vermag, be¬
rechtigt uns, das neue Mittel in weitestem Maßstabe zu ver¬
suchen. Es ist auch sehr möglich, daß wir durch die Kom¬
bination beider Medikamente, des neuen Mittels
und des Quecksilbers, in aufeinanderfolgender Anwendung
lernen werden, in verschärftem Maße gegen das Syphilisvirus
vorzugehen, und auf diesem Wege vielleicht unserem idealen
Ziele, der definitiven Abtötung der Spirochäten, einen be¬
deutenden Schritt näherkommen.
D Nachtrag Anfang November: Bei weiteren Injektionen sah
ich bei zwei Fällen fehlende oder ganz ungenügende Rückbildung
der Sekuuclärsymptome nach Gtesamtdoson von 0,8 und 0,85 g
726
THERAPEUTISCHE
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.—24. September 1910.
Referent: Herr L. Borchardt (Königsberg).
(Fortsetzung.)
Medizinische Hauptgruppe.
5. Sitzung.
Dienstag, den 20. September 1910.
Vorsitzende: Herr v. Pirquet (Breslau) und Herr
Combe (Lausanne).
Herr Hochsinger (Wien): Lieber Ernährungsneurosen im
frühen Kindesalter und nervöse Kauunfähigkeit der Kinder.
II. bespricht eine zwar bekannte, aber in ihrem Wesen
bisher noch nicht analysierte Form von Ernährungsneurose
des Kindesalters, welche bei neuropathisch belasteten Kindern
vorkommt, immer in das erste Lebensjahr zurückreicht und
auf der psychogenen Fixierung in frühen Lebensperioden zu¬
stande gekommener Unlustaft'ekte beruht. Diese Unlustaffekte
sind durch eine fehlerhafte Ernährungstechnik im Säuglings¬
alter oder während der Entwöhnungsperiode provoziert.
(Ueberfütterung und Aufzwingung der Nahrung.) Die so zu¬
stande gekommene Ernährungsneurose unterscheidet sich von
anderen Ernährungsstörungen durch frühzeitiges Auftreten
von Nahrungsverweigerung (nervöse Anorexie), von Abwehr¬
reaktionen bei der Nahrungszufuhr, rückständige Entwicklung
der Kaufähigkeit und habituelles Erbrechen vor, während
oder nach der Nahrungsaufnahme. Besonders charakteristisch
ist das sich im zweiten und dritten Lebensjahre entwickelnde
Symptom der Kauunfähigkeit oder Kaufaulheit. Dieses Sym¬
ptom kommt dadurch zustande, daß gerade in jener Lebens¬
periode, welche der Entwickelung der Kaufähigkeit gewidmet
ist, infolge fehlerhafter Ernährungstechnik nervöser Mütter und
Kinderpilegerinnen andauernde Unlustaffekte bei der Er¬
nährung entstehen, welche ein psychisches Trauma beim Kinde
setzen. Durch dieses wird die Ausbildung des sehr kompli¬
zierten Koordinationsmechanismus der Kautätigkeit im Gehirn
zurückgedrängt, während die Unlustaffekte fixiert werden und
zu Abwehrreaktionen mit dauernder Anorexie führen. Die
Neurose bedingt eine fortschreitende Unterernährung (Dystro¬
phia neurotica), häufige dyspeptische Störungen und Ueber-
erregbarkeit der gesamten Nervensphäre. Die meisten Kinder
zeigen das Chvosteksehe Facialisphäuomen. Auf solche
Weise nervös gewordene Kinder können mitunter sogar im
schulpflichtigen Alter noch nicht kauen und somit keine feste
Nahrung zu sich nehmen. Diese Art nervöser Kinder ist sein-
schwer zu heilen. Auch die Kaufähigkeit ist selbst bei auf¬
merksamer Behandlung nur langsam zu erzielen. Entfernung
aus dem nervösen Milieu, Nahrungszufuhr nur bei Eßlust und
richtiger pädagogischer Einfluß können Heilung bringen. Die
meisten dieser Kinder aber bleiben für alle Zeiten nervöse,
zu Verdauungsstörungen disponierte Menschen. Die Ver¬
hütung dieser Kinderneurose ist leichter als ihre Beseitigung.
Rigorose Einhaltung großer Nahrungspausen vom ersten
Lebenstage angefangen, besonders bei Kindern nervöser
Eltern (nur 5 Mahlzeiten des Säuglings in 24 Stunden —
Czerny, Finkeistein) und Nahrungszufuhr während
der Eutwöhnuugsperiode nur wenn Nahrungsbedürfnis vor¬
handen ist, schützen vor der Entwicklung dieser Nutritions¬
neurose, welche immer nur in begüterten Kreisen bei Kindern
hysterischer Mütter und in einem schwer nervösen Milieu zur
Entwicklung gelangt.
Diskussion:
Herr Zappert (Wien), dem das geschilderte Krankheits¬
bild ebenfalls sehr wohl bekannt ist, zieht in Erwägung, ob
nicht mangelhafter Speichelabsonderung, die bei Neuropatheu
gar nicht selten festzustellen ist, auch eine gewisse Rolle zu¬
kommt da sich die im Munde umhergewälzten Speisen oft
durch auffallende Trockenheit auszeichnen.
Herr Schick (Wien) und Herr Karasawa (Tokio): Ueber
Diphtherieimmunität.
Subkutan eingeführtes Diphtherieheilserum wird langsam
resorbiert. Das Maximum der Resorption wird erst am dritten
und vierten Tage nach der Injektion erreicht. Seine absolute
Höhe schwankt individuell. Vom Maximum erfolgt zunächst
rascher Abfall, so daß der Antitoxingehalt des Serums am
fünften bis sechsten Tage gleich ist dein 24 Stunden p. inj.
Dann sinkt der Antitoxingehalt, um in der Zeit zwischen
29. und 36. Tag den Nullpunkt zu erreichen.
Bei einem an Diphtherie erkrankten Kinde kann es trotz
Serumbehandlung zur aktiven Bildung von Antitoxin in reich¬
licher Menge kommen.
Auch an leichter Diphtherie erkrankte Kinder besitzen
keinen Schutzkörper im Serum. Dieser Umstand disponiert
sie eben zur Diphtherie (Wassermann). Im übrigen ist
der Schutzkörpergehalt normaler Individuen meist nur Funk¬
tion des Alters oder eine individuelle Eigentümlichkeit. Das
RUNDSCHAU 1910. __ • - No..48.
aktiv gebildete Antitoxin verschwindet schon im zweiten Jahre
nach Beginn der Erkrankung.
Die erste Erkrankung ist manchmal imstande, eine Um¬
stimmung des Organismus in dem Sinne herbeizuführen, daß
bei wiederholter Erkrankung das Antitoxin rascher und reich¬
licher gebildet wird, als das erste Mal. Dies bedingt dann
leichte Erkrankung. Es gibt demnach neben der humoralen,
antitoxischen Immunität auch eine zelluläre Diphtherie-
immuuität im Sinne der beschleunigten Reaktion (Allergie).
Abteilung für Kinderheilkunde.
Berichterstatter: Herr E. Moro (München). •
Gemeinschaftliche Sitzung mit der Sektion
für Hygiene und Bakteriologie am 19. Septem¬
ber, nachmittag s.
Vorsitzende: Herr Prausnitz (Graz) und Herr
Hochsinger (Wien).
Herr I’etruschky (Danzig): Weitere Beobachtungen zur
Frage der Bedeutung der Streptokokken in der Milch.
Die Hauptquelle der Milchstreptokokken ist die Mastitis
der Kühe. Diese überwuchern bei Temperaturen über 20"
alle anderen Bakterien und sind schließlich in 90—99 pCt. zu¬
gegen. Infektiöse Eigenschaften der Streptokokken werden
zwar durch das übliche Abkochen ausgeschaltet, hingegen
bleiben die Endotoxine bei basischer oder amphoterer Reak¬
tion wirksam. Die Sommerdiarrhoe der Säuglinge ist kein
Infektions- sondern ein Intoxikationsprozeß, an dem sich die
Streptokokken in hervorragendem Grade beteiligen.
Herr Puppet (Königsberg): Leber Streptokokken in der
Milch.
Um die Frage nach der Pathogenität der Milchstrepto-
kokken und nach ihrem ursächlichen Zusammenhang mit der
Streptokokkenenteritis zu lösen, wurde eine große Anzahl
Milchstreptokokken, Mastitisstreptokokken und Darmstrepto¬
kokken von gesunden und an Durchfall erkrankten Säuglingen
außer auf den üblichen Nährboden, auch auf ihre hämolytische
Fähigkeit (Menschenblutagar), auf ihre Tierpathogenität und
Virulenz geprüft. Es ergab sich, daß alle diese Kokken ent¬
gegen den pyogenen Menschenstreptokokken vollkommen
avirulent, also nicht als Ursache der Sommerdiarrhoe aufzu¬
fassen sind. Indes ist die Möglichkeit einer durch andere Um¬
stände bedingten Virulenzsteigerung der sonst saprophytiseh
in jedem Darm vorkommendön Streptokokken zuzugeben.
Diskussion:
Herr Kruse (Königsberg) erbringt w-eitere Beweise für
die Harmlosigkeit der Milchstreptokokken und für die Un¬
schädlichkeit der Milch mastitiskranker Kühe.
Herr Längstem (Berlin) präzisiert den Standpunkt der
modernen Kinderärzte, der sich schon seit ziemlich geraumer
Zeit auf einem anderen Boden befindet, als auf jenem der
Milchstreptokokken.
Herr Petruschky berichtet über die peinlichen Folgen eines
Selbstversuches mit Streptokokkentoxin.
Herr Petruschky (Danzig): Richtlinien zur Bekämpfung
der Sommersterblichkeit der Säuglinge.
' Ursachen der Sommersterblichkeit: 1. Wärmestauung des
Säuglings, 2. Bakterienvermehrung in der Kuhmilch. Be¬
kämpfung: Förderung der natürlichen Ernährung. Verschärfte
Milchkontrolle. Ausschaltung von Kokkenkühen. Die Her¬
stellung unzersetzlicher Milchkonserven ist zu fördern.
„Stabile“ Milchkonserven sind weit ungefährlicher als „labile“.
Herr Seiffert (Leipzig): Ueber Uviolmilch.
Wesentliche Verbesserungen in der Technik ihrer Her¬
stellung.
Gemeinschaftliche Sitzung mit der Sektion
für Dermatologie und Syphilidologie am
21. September, nachmittags.
Vorsitzende: Herr Selter (Solingen),
Herr Grouven (Halle).
Herren Schkarin und Michailoff (St. Petersburg): Die An¬
wendung der Wassermannschen Reaktion im Kindesalter.
Große Verläßlichkeit der positiven Reaktion. Bei Schar¬
lach (10 Fälle) durchweg negativ. Bei „klinisch Gesunden“
zirka 11 pCt. positiv. Dabei auffallend oft Vergrößerung der
Kubitaldrüsen.
Herr Galewsky (Dresden): Therapie des Säuglingsekzems.
Neben sorgfältiger lokaler stets innere, diätetische Behand¬
lung. Reduktion der Nährstoffzufuhr. Möglichste Einschrän¬
kung der Milchnahrung. Dafür Kohlehydrate, Fruchtsäfte,
Obst, Gemüse, ln Fällen, wo dies versagt, Versuch mit Finkei¬
steinsuppe. G. steht ganz auf dem Standpunkt der Diathesen-
lehre. (Fortsetzung folgt.)
No. 48.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
727
III. Therapeutische Notizen.
Arhovin zur internen Behandlung der Gonorrhoe empfiehlt
Dr. med. Auerbach (Berlin). (Fortschritte der Medizin, Sep¬
tember 1910.) Er gründet sein günstiges Urteil über den Wert
des Mittels für die Gonorrhoebehandlung auf 43 Fälle. Um eine
prompte Wirkung zu erzielen, muß der Harn immer von neuem
mit dem Heilmittel beschickt werden; man läßt deshalb vier-
bis sechsmal täglich eine Kapsel von 0,25 g nehmen. Auch bei
bestehenden Magenbeschwerden wurde Arhovin gut ver¬
tragen.
Dr. Aram Mekerttschiantz jun., Assistent der Universitäts-
Frauenklinik in Moskau, berichtet in der „Gynäkol. Rund¬
schau“, 1910, Heft 7, über sieben Fälle von Amenorrhoe,
in denen er das Ovarin-Poehl zur Anwendung brachte.
M. teilt nach Gebhardt die Amenorrhoe in drei Gruppen:
1. Amenorrhoe als Folge angeborener oder akquirierter Er¬
krankungen der Geschlechtsorgane. Hierher sind zu rechnen
die mangelhafte Entwicklung des Uterus, der Ovarien, sowie
auch die verschiedenen nach der Geburt erworbenen Erkran¬
kungen des Uterus und der Ovarien. Als häufigster Grund
der Amenorrhoe sind anzusehen: Tuberkulose der Ovarien
und des Bauchfells, bösartige Ovarialtumoren, Obliteration und
Schrumpfung der Uterusschleimhaut, welche zuweilen nach
Abrasio, Vaporisation und Aetzung mit Chlorzink eintritt. Ferner
sah man nach puerperalen Uterusentzündungen nicht selten an¬
haltendes Fehlen der Menses. 2. Amenorrhoe, die von einer
Allgemeinerkrankung des Organismus abhängig ist: Infek¬
tionskrankheiten, Chlorosen Tuberkulose, Diabetes, chronische
Nephritis, Morbus Basedowii, Magenkatarrhe, Morphinismus
u. a.. ferner Nerven- und Seelenkrankheiten. 3. Funk¬
tionelle Amenorrhoe, wenn weder die Genitalien, noch über¬
haupt der Organismus irgendwelche Abweichungen von der
Norm aufweisen, die das Ausbleiben der Menses erklären
könnten.
In Verfassers Fällen, gehört der fünfte Fall zur ersten
Gruppe, die übrigen müssen zur Gruppe der funktionellen
Amenorrhoe gerechnet werden, da wesentliche Verände¬
rungen weder im Uterus und in den Ovarien, noch in anderen
Organen Vorlagen. Verfasser betrachtet die Amenorrhoe als
eine Intoxikation, die sich sehr oft durch Uebelkeit, Erbrechen,
Herzklopfen Schwindel, Schlaflosigkeit etc. charakterisiert:
Alle diese Erscheinungen kann man auf folgendem Wege be¬
seitigen: entweder wird das Gift rein mechanisch durch Her¬
vorrufen der Menses oder Aderlaß entfernt, oder es werden
Substanzen eingeführt, die dieses Gift neutralisieren können.
Solch eine Substanz stellt das Ovarin dar, ein natürlicher
Schutzkörper des Organismus. Das von M. angewandte
Ovarin-Poehl (Synergo-Ovarin) stellt ein gelbliches Pulver dar,
welches die synergetisch zusammenwirkende Gruppe der vom
Ovarium produzierten Substanzen enthält; diese Substanzen
sind nach der Methode von Prof. v. P o e h 1 von den sogenann¬
ten fällbaren Eiweißkörpern befreit, weshalb dieses Präparat
keine den Organismus schädigenden Toxine enthält. Die
wirksamste Substanz im Ovarin ist das Spermin.
In seinen sieben Fällen gelang es Verfasser fünfmal, die
Menses hervorzurufen. In zwei Fällen aber schwanden alle
krankhaften subjektiven Erscheinungen, obgleich die Regel
nicht auftrat, was die Ansicht des Verfassers über die Rolle
des Ovarins im Organismus nur bestätigt. Bemerkenswert ist,
daß im fünften Falle, wo nach einer puerperalen Erkrankung
Atrophie des Uterus sich einstellte und die Menses sieben
Jahre lang gefehlt hatten, bei Einnahme des Ovarin-Poehl alle
krankhaften Erscheinungen verschwunden waren und daß nach
Aufgeben der Ovarinbehandlung alle diese Erscheinungen
wieder in demselben Grade, wie vor der Behandlung, zum
Ausbruch kamen. — Alle Kranken fühlten sich nach der Be¬
handlung mit Ovarin-Poehl wohler und stärker, sie .bekamen
Appetit und guten Schlaf, die Nervosität schwand und der All¬
gemeinzustand wurde bedeutend besser. K r.
IV. Bücherschaii.
Jahreskurse für ärztliche Fortbildung in 12 Monatsheften.
Systematisch angeordnete, illustrierte Lehrvorträge über
den fortlaufenden Wissenszuwachs der gesamten Heilkunde.
Herausgeber: Professoren v. Bruns (Tübingen). Bumm
(Berlin), Erb (Heidelberg), v. Gr über (München),
v. Noorden (Wien), v. Strümpell (Leipzig). Redak¬
teur: Dr. D. Sarason (Berlin). München, .1. F. Lehmanns
Verlag. Jahrespreis 16 M.
Dieses von uns regelmäßig an dieser Stelle angezeigte
Unternehmen ist -jetzt bis zum 11. Heft gediehen. Was den
Inhalt der beiden letzten Hefte anlangt, so ist das Oktoberheft
der Darstellung der neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der
—*H-
Infektionskrankheiten, der Hygiene und Bak¬
teriologie gewidmet. Die Fortschritte auf dem Gebiet
der Infektionskrankheiten im Jahre 1909 bespricht Prof,
v. Jak sch (Prag) in Form eines Sammelreferates, wobei er
sowohl die einheimischen wie die ausländischen parasitären
Erkrankungen berücksichtigt. Im zweiten Teil des Oktober¬
heftes gibt Prof. C. Fraenkel (Halle a. S.) zunächst eine
sehr gut geschriebene Uebersicht über den heutigen Stand
der Lehre von der Ueberempfindlichkeit (Anaphy¬
laxie); es dürfte dem Praktiker bisher kaum Gelegenheit
geboten sein, dieses Gebiet in so konziser Form besprochen zu
finden. Zum Schluß schildert Fraenkel die neueren Fort¬
schritte in der Epidemiologie des Typhus abdomi¬
nalis und der ihm nahestehenden Krankheiten (Paratyphus
etc.), welche unseren Lesern aus dem Referatenteil unserer
Zeitung im großen und ganzen schon bekannt sind. — Das
Novemberheft ist der Augenheilkunde, der Oto-
Laryngologie sowie den Ohrenkrankheiten ge¬
widmet. Der ophthaimologische Abschnitt ist von Prof. Bach
und Privatdozent Dr. K r u s i u s in Marburg bearbeitet. Bach
bespricht die neuesten Untersuchungen über den Einfluß
des Lichtes, insbesondere der kurzwelligen Strahlen auf
das Auge. Krusius berichtet unter dem nicht sehr glück¬
lich gewählten Titel: Die Biologie in der Augen¬
heilkunde, über die sorgfältigen an verschiedenen
Kliniken gepflegten Bestrebungen, die Errungenschaften der
Bakteriologie. Serumdiagnostik und spezifischen Therapie für
die Augenheilkunde in theoretischer und praktischer Hinsicht
zu verwerten. Hier sind besonders die Untersuchungen von
Eöme r über die Serum t h e r a p i e des Ulcus serpens,
die Behandlung des Trachoms, die Aetiologie des
Altersstars zu nennen, ferner die Untersuchungen über
die Serodiagnose der Lues in der Augenheilkunde, die
Tuberkulindfagnostik Und Tuberkulinthera-
p i e bei der Au gen tuberkulöse, endlich die neuesten
Untersuchungen über den Trachomerreger. Alle diese
Dinge sind zusammenfassend dargestellt. Im laryngologisclien
Abschnitt schildert Prof. v. Eicken (Gießen) die Technik
der bronchoskonischen Untersuchungsmethoden und
ihre Anwendung zur Entfernung von Fr e m dkörpe r n
aus den Luftwegen; diesem Abschnitt ist eine Reihe
gut erläuternder Abbildungen beigegeben. Im otologischen
Teil gibt Prof. Kümm el (Heidelberg) einen zusammenfassen¬
den Bericht über die neueren Erfahrungen inbetreff der Patho¬
logie und Diagnose der Erkrankungen des inneren
Ohres. Fast allen Abschnitten sind reichliche Literatur¬
nachweise beigefügt. Trotz des reichhaltigen Inhalts ist der
Einzelpreis der beiden Hefte sehr mäßig (1 50 für das Oktober¬
heft, 2 M. für das Novemberheft).
Geschlecht und Gesellschaft, Grundzüge der Soziologie des
Geschlechtslebens von Havelock Kllis. Autorisierte deutsche
Ausgabe besorgt von Dr. Hans Kurella. I. Teil. Würz¬
burg. 1910. Curt Kabitzsch (A. Stübers Verlag).
324 S. 4 M.
Das vorliegende Werk, dessen erster Teil hier in deutscher
Ausgabe vorliegt, bildet eine Ergänzung der früheren von dem
bekannten Autor veröffentlichten Schriften. Während jene
vorwiegend die physiologische und psychologische Seite
des Sexuallebens behandelten, beschäftigt sich die neue
Schrift des englischen Autors mit dem Geschlechtsleben vom
Standpunkt der Soziologie. Der Verfasser hat den Stoff in
folgender Weise gegliedert. Das erste Kapitel ..Mutter und
Kind“ behandelt die verschiedenen Mutterschaftsprobleme
(Säuglingssterblichkeit. Schonungszeit während der Schwanger¬
schaft. Stillpflicht der Mutter, die Mutterschutzbewegung etc.).
Das zweite Kapitel ist der Frage der geschlechtlichen Auf¬
klärung gewidmet; das dritte Kapitel erörtert die Beziehungen
zwischen der Nacktheit und der geschlechtlichen Aufklärung;
die drei nächsten Kapitel befassen sich mit der Wertung der
Geschlechtsliebe, der Bedeutung der Keuschheit und der
Frage der geschlechtlichen Enthaltsamkeit; den Abschluß des
vorliegenden Teils bildet die Besprechung der allgemeinen
sexuellen Ethik. Alle diese Gegenstände behandelt der Ver¬
fasser mit wissenschaftlichem Ernst in vorwiegend entwick¬
lungsgeschichtlich-kulturhistorischer Darstellung; er legt die
allmähliche Wandlung der Anschauungen auf dem Gebiete
des Geschlechtslebens bei den verschiedenen Völkern und
ihre Abhängigkeit von anderen Faktoren wie den herrschen¬
den religiösen Vorstellungen bezw. dem Kirchentum, den wirt¬
schaftlichen Bedingungen usw. in fesselnden Essays dar. Der
noch ausstehende zweite Teil wird u. a. die Frage der Prosti¬
tution und die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten be¬
handeln. Jeder, der sich für das Sexualproblem nach seinen'
verschiedenen Seiten interessiert, wird in den von durchaus
modernem, voraussetzungslosem Standpunkt aus geschriebe¬
nen Schriften von Havelock Ellis wertvolle Anregungen
und Belehrung finden. R. L.
728
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 48.
Y. Tagesgescliichta
Standesangclegenlieiten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Entscheidungen des preußischen ärztlichen
Ehrengcrichtshofs (Ministerialbl. f. Medizinal- und medizinische
Unterrichtsangelegenheiten 1910, NNo. 19 und 20).
1. Urteil vom 5. April 1910.
Politische Handlungen sind gemäß §3 Abs. 3
des Ehrengerichtsgesetzes straffrei, sofern
nicht die Form eine ehrengerichtlich zu
ahndende Verfehlung d a r s t e 111.
Der angeschuldigte Arzt war vom ärztlichen Ehrengericht
verurteilt worden, weil er während des sog. „Schulstreiks“ 1906
Schriften verbreitet hatte, durch die zum Ungehorsam gegen
die Regierungsanordnungen betr. die Erteilung des katholischen
Religionsunterrichts in deutscher Sprache in Landesgebieten
mit teilweise polnischer Bevölkerung aufgefordert wurde. Der
Ehrengerichtshof sprach ihn frei, weil nach § 3, Abs. 3 des
Ehrengerichtsgesetzes die politische Betätigung der Aerzte,
soweit sie sich innerhalb angemessener Formen hält, der ehren¬
gerichtlichen Bestrafung entrückt ist und die Beweisaufnahme
nichts dafür ergab, daß der Angeschuldigte die zulässigen
Grenzen — etwa durch beschimpfende Aeußerungen über
politische Gegner etc. — bei der Beförderung des Schulstreiks,
durch die er nur eine politische und religiöse Pflicht zu er¬
füllen glaubte, überschritten hätte.
2. Urteil vom 22. November 1909.
Die Tatsache, daß ein Arzt in seiner Liquida¬
tion unter die Mindestsätze der Gebühren¬
ordnung heruntergeht, ist für sich allein
keine ausreichende Grundlage für die Fest¬
stellung einer Verfehlung gegen die Standes¬
ehre.
Der vom Ehrengericht verurteilte Arzt hatte in drei Fällen,
von denen zwei, acht bezw. zehn Jahre zurücklagen, zu niedrig
liquidiert, und das Ehrengericht hatte für diese seine Hand¬
lungsweise unlautere Motive angenommen. Der Ehrengerichts
hof sprach ihn kostenlos frei, da „die Annahme des Ehren¬
gerichts, Angeschuldigter sei ..im Wettbewerb“ mit einem
Kollegen unter die Mindesttaxe hinuntergegangen, allein nicht
ausreichend und unbewiesen“ sei.
3. Urteil vom 22. November 1909.
Angriffe auf die Geschlechtsehre einer
Patientin in der ärztlichen Sprechstunde.
Durch Urteil des ärztlichen Ehrengerichts für die Provinz
Sachsen vom 11. Dezember 1908 war der Angeschuldigte
kostenpflichtig mit einer Geldstrafe von 1000 M. und mit Ent¬
ziehung des aktiven und passiven Wahlrechts zur Aerzte-
kammer für die nächsten zwei Wahlperioden bestraft worden.
Er hat gegen das Urteil fristgerecht das Rechtsmittel der Be¬
rufung eingelegt.
Das Ehrengericht hatte festgestellt, daß der angeschuldigte
Arzt das Dienstmädchen H. durch sexuelle Angriffe in seiner
Sprechstunde tätlich beleidigt und sie mit Gewalt zum Bei¬
schlaf zu bringen versucht hat.
Der Angeschuldigte ist durch Urteil des Königlichen
Schwurgerichts zu T. vom 24. Februar 1908 wegen tätlicher
Beleidigung der H. — unter Verneinung der auf Notzucht
lautenden Fragen — mit einem Jahr Gefängnis bestraft und
hat diese Strafe verbüßt.
In einer an den Minister der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinal-Angelegenheiten gerichteten, an den Ehrengerichts¬
hof abgegebenen Rechtfertigungsschrift vom 15. März 1909
greift der Angeschuldigte das Zeugnis der H. als unglaub¬
würdig an. Er behauptet, seine Verurteilung sei auf bös¬
willige Anzeigen zurückzuführen. Jedenfalls sei, da seine
Vermögensverhältnisse ungünstig seien und er seine Praxis
verloren habe, die anerkannte Strafe zu hoch. Herabsetzung
der Strafe hat Angeschuldigter auch in der Hauptverhandlung
beantragt. Der Ehrengerichtshof verwarf die Berufung in
allen ihren Teilen und bestätigte das Urteil des Ehrengerichts,
da die Verhandlung nichts ergab, was den Verurteilten hätte
entlasten können. (Fortsetzung folgt.)
D r e s d e n. Bekanntlich ging bereits vor einigen Jahren
die hiesige Ortskrankenkasse, die von dem bekannten
Gegner der ärztlichen Organisation, dem früheren sozialdemo¬
kratischen Reichstagsabgeordneten Frässdorf, geleitet
wird, mit der Absicht um, ihren Aerzten, um sie fester an sich
zu ketten, Alterspensionen zuzusichern, ohne jedoch
■damals bei der Aerzteschaft die erwartete Gegenliebe zu
finden. Daß der Standpunkt der Aerzte in dieser Frage auch
jetzt noch genau derselbe ist, beweist folgende Resolution,
welche die Dresdener Aerztekammer in ihrer
Sitzung vom 9. November einstimmig annahm:
..Die Aerztekammer zu Dresden steht in der Frage der
Pensionsberechtigung von festangestellten Kassenärzten nach
wie vor auf dem Standpunkte, den der ärztliche Ehrengerichts¬
hof in seinem Urteil vom 31. Juli 1905 eingenommen hat. Die
für das Urteil maßgebend gewesenen Verhältnisse haben sich
seither in keiner Weise geändert. — Die Aerztekammer er¬
blickt in der Annahme des von einer Krankenkasse angebote¬
nen Ruhestandsgehaltes durch einen bisherigen Arzt eine
höchst bedauerliche Mißachtung der Aerzteordnung. der
kollegialen Rücksichten und des Ansehens des ärztlichen
Standes.“
Wien. Am 6. November d. J. wurde hierselbst ein von
der Wiener Aerztekammer und der wirtschaftlichen Organi¬
sation der Aerzte Wiens namens aller österreichischen Aerzte-
kammern und aller wirtschaftlichen Organisationen einberufe-
ner österreichischer Aerztetag abgehalten. Es waren gegen
1400 Aerzte. darunter viele aus den Provinzen, sowie eine
Reihe von Parlamentariern erschienen. Es handelte sich
darum, eine Protestkundgebung gegen eine Regierungsvorlage
herbeizuführen, die eine Neuregelung des Zahntechniker¬
berufs zum Gegenstände hat. Nach 'Ansprachen des Präsiden¬
ten des Geschäftsausschusses der österreichischen Aerzte-
kammern, Prof. Ernst Finger, und des Präsidenten der
österreichischen Aerzteorganisationen Dr. Adolf Gruss
hielt Hofrat Prof. Dr. Frhr. v. Eiseisberg den Hauptvor¬
trag des Tages über die „medizinische Ausbildung des Zahn¬
arztes“. Seine Ausführungen gipfelten in den Sätzen: Die
Zahnersatzkunde stellt einen wichtigen Bestandteil der Zahn¬
heilkunde dar. sie muß in der Hand des Zahnarztes bleiben,
und dieser soll auch in Zukunft (wie bisher in Oesterreich,
Red.) Vollarzt sein. Redner erklärt alle Versuche, durch
Gesetz besondere Zahnärzte zu kreieren, welche Aerzte zweiter
Klasse sein würden, für unannehmbar. Ganz zu verwerfen
sei das Bestreben der Zahntechniker und ihrer Protektoren,
jenen die Befugnis zur Behandlung der Mundkrankheiten zu
erwirken. In ähnlichem Sinne sprachen in der sich an¬
schließenden Erörterung Universitätsprofessor Dr. Trauner
aus Graz und der Privatdozent der Chirurgie Dr. Karl
Ewald (Wien). Reichsratsabgeordneter Medizinalrat Dr.
Michl empfahl den Aerzten eindringlich, da von dem öster¬
reichischen Parlament für die Aerzte nichts zu erwarten sei,
die Schaffung einer größeren Aerzteorganisation nach dem
Muster der Arbeitergewerkschaften. Es wurde schließlich
eine Protestresolution einstimmig angenommen, in des
es u. a. heißt:
..Die Gesamtheit der österreichischen Aerzte protestiert
auf das Lebhafteste, daß entgegen allen Bitten, Vorstellungen
und Gutachten der maßgebenden ärztlichen Instanzen und Fach¬
räte. das Streben der Zahntechniker nach einem Dentisten¬
stand mit Hilfe mächtiger staatlicher Faktoren in die Tat um¬
gesetzt werden solle.Die österreichische Aerzteschaft
macht noch in letzter Stunde auf die Gefahren aufmerksam,
welche ein zahnärzteähnlicher Stand mit ungenügender Vor¬
bildung der Volksgesundheit, dem Aerztestand und dem An¬
sehen der Universitäten bringen muß.Deshalb legt die
am 6. November 1910 im Kolosseum tagende Versammlung
der österreichischen Aerzte .... gegen jede Abtretung ärzt¬
licher Wirkungsgebiete an Laien entschiedenen und feierlichen
Protest ein: die praktischen Aerzte sind mit ihren Lehrern,
den akademischen Professoren, sowie mit der medizinischen
Jungmannschaft zum gemeinsamen Kampfe gegen die Erteilung
von ärztlichen Befugnissen an Gewerbetreibende und zur Ab¬
wehr aller Angriffe fest entschlossen. — Die hohe k. k. Regie¬
rung möge daher zur Kenntnis nehmen, daß die Aerzte Oester¬
reichs für ihre gefährdeten Rechte mit allen ihnen zu Gebote
stehenden Mitteln eintreten werden.“ —
Außerdem wurde auf Antrag des Obersanitätsrats Dr.
Josef List noch beschlossen: ..Die heutige allgemeine
Aerzteversammlung im Kolosseum richtet an die Regierung
die dringliche Aufforderung, die schon längst vorberatene
Aerzteordnung der parlamentarischen Behandlung zu¬
zuführen.“
H
Universitätswesen, Personalnachrichten.
Berlin. Die preußische Akademie der Wissen¬
schaften hat den hervorragenden Chirurgen Sir Victor
Horsley. früher Professor am University College in London,
und den Professor der Physiologie A u g e 1 o Mosso in
Turin zu korrespondierenden Mitgliedern gewählt.
— Frau Kommerzienrat Kahl bäum in Berlin hat. um
das Andenken ihres als Professor der Chemie in Basel
gestorbenen Sohnes Georg W. A. Kahlbaum, zu ehren,
dpr Berliner ..Gesellschaft fiir Geschichte der Naturwissen¬
schaften und Medizin“ 20 000 M. gestiftet die nach ihrem Tode
ausgezahlt werden sollen, während die Zinsen jetzt schon der
genannten Gesellschaft zufließen.
Königsberg. Der Professor der Physiologie Dr.
L. II e r r m a n n ist von der bayerischen Akademie der Wissen¬
schaften in München zum korrespondierenden Mitglied ge¬
wählt worden.
Zürich. Der jüngst verstorbene Chirurg Professor
No. 48.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
7-20
K r ö n 1 e i n hat für die Gründung einer Kinderabtei¬
lung des dortigen Kantonskrankenhauses den Be¬
trag von 300 ODO Er. vermacht, Krön lei ns Bibliothek
sowie 10 000 Fr. fallen der Universitätsklinik zu.
Paris. Die hiesige Anatomie war in der vorigen Woche
wieder einmal der Schauplatz von Studententumulten. Als der
neue aus Montpellier gekommene Professor der Anatomie
Rouviere seine Antrittsvorlesung halten wollte, wurde
er durch systematisches Lärmen daran gehindert, wich aber
nicht den ganz unbegründeten Kundgebungen, sondern ver¬
stand es, pantomimisch und mit Hilfe von Zeichnungen an der
Tafel seinen Vortrag durchzuführen.
Neapel. Hierselbst wird auf Grund einer von der
italienischen Kammer ausgegangenen Anregung eine Akademie
für Marinemedizin errichtet werden, die zur Fortbildung der
Marineärzte bestimmt ist. Unterrichtsfächer sollen sein
Hygiene auf Kriegsschiffen und in den Tropen, Tropenpatho¬
logie, Klimatologie, Unfallpathologie, Kriegschirurgie.
Philadelphia. Dr. W. Forest, Professor der Ortho¬
pädie an der Pennsylvania-Universität, ist gestorben.
Kongreß- und Vereinsnachrichten.
Berlin. Der 32. Balneologen-Kongreß wird vom 2. bis
6. März 1911 in Berlin tagen. Es ist dem Vorstande auch dies¬
mal wieder gelungen, bedeutende Autoritäten für Vorträge
über die verschiedensten Themata der Balneologie zu ge¬
winnen. Von den Mitgliedern der Balneologischen Gesell¬
schaft hat eine große Anzahl gleichfalls interessante Vorträge
angemeldet. Weitere Anmeldungen von Vorträgen erbittet
möglichst bald, spätestens bis zum 31. Dezember d. J., der
Generalsekretär Geheimrat Brock, Berlin NW. 52,
Thomasiusstraße 24. Die Sitzungen des Kongresses finden im
Hörsaale des Poliklinischen Instituts der Universität, Ziegel¬
straße 18/19, statt. Mit dem Kongresse ist eine Ausstellung
von medizinischen Apparaten und Präparaten
verbunden.
Bonn. Hierselbst ist auf Anregung der Herren Proff.
Bonnet (Anatomie), Ribbelt (Pathologie), Verworn
(Physiologie), eine „Anthropologische Gesellschaft“ gegründet
worden. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Verworn gewählt.
R o m. Der 7. Internationale Kongreß für Dermatologie
und Syphilis findet vom 25.-29. September 1911 in Rom in
den Räumen der Engelsburg statt. Als Verhandlungsthemen
sind bestimmt: 1. Welchen Einfluß haben die neuen ätiologi¬
schen, diagnostischen und experimentellen Forschungen auf
die therapeutische Richtung der Syphilis und auf die Möglich¬
keit der Immunität und einer abortiven Behandlung der In¬
fektion gehabt; 2. die Resultate der Physikotherapie bei Haut¬
krankheiten; 3. Blastomykosis, Sporotrichosis und Beziehungen
zu ähnlichen Prozessen.
Gerichtliches.
Halle a. S. Der Fall des der fahrlässigen Körper¬
verletzung beschuldigten Zahntechnikers K., über den wir
in No. 40, S. 563 berichteten, beschäftigte kürzlich die Be¬
rufungsinstanz. Diesmal wurde K. freigesprochen, ob¬
wohl der Staatsanwalt ein Jahr Gefängnis beantragt hatte. Das
Ergebnis der Sachverständigen, die zu der Verhandlung ge¬
laden waren, war für den Angeklagten sehr günstig. Das
Urteil wurde damit begründet, daß die Patientin befangen sei,
da sie mit dem Angeklagten in einem Zivilprözeß gelegen und
erst ein Vierteljahr nachher den Strafantrag gestellt habe.
D r e s d e'n. Eine merkwürdige Ausdehnung des Begriffs
„Ausübung der ärztlichen Praxis“ findet sich in einem Schöffen¬
gerichtsurteil, welches die „Pharmac. Ztg.“ nach der „Leipz.
Drog.-Ztg.“ mitteilt. Allerdings ist die unserer Ansicht
nach falsche Entscheidung dem ärztlichen Gutachter
zur Last zu legen. Einem Dresdener Arzt, Dr. F.,
war eine Strafverfügung zugestellt worden, weil er die
ärztliche Praxis ausgeübt haben sollte, ohne sich
zuvor dem Stadtbezirksarzt vorzustellen und beim
Vorstand des ärztlichen Bezirksvereins anzumelden. Dr. F.
ist bei einer chemischen Fabrik angestellt, die das Präparat
„E p i s a n“ herstellt, ein Mittel, das gegen Epilepsie empfohlen
■wird und in den Apotheken käuflich zu haben ist. Dr. F. über¬
wachte die Zubereitung dieses Mittels und beantwortete die
Anfragen, die das Publikum an die Firma richtete. Eine
Diagnose stellte Dr. F. nicht, sondern empfahl den Frage¬
stellern, sich an einen Arzt ihres Wohnortes zu wenden und
diesen zu befragen, ob er ihnen das Episan empfehle. Den
Aerzten, die sich an die Firma um Aufschluß über die An¬
wendung des Mittels wendeten, gal) Dr. F. Auskunft. Nach
dem Gutachten des zur Verhandlung vor dem Schöffengericht
zu Dresden hinzugezogenen Sachverständigen, Ober-Med.-Rats
Dr. Hesse ist in der geschilderten Tätigkeit die Ausübung
der ärztlichen Praxis zu erblicken. Das Gericht schloß sich
dem Gutachten des Sachverständigen an und bestätigte die auf
35 M. Geldstrafe lautende Strafverfügung. — Man vergleiche
mit dieser Auffassung den Standpunkt, den das preußische
Kam mergericlit in der Frage der Krankenbehandlung
den Apothekern gegenüber einnimmt. Diesen ist bekanntlich
durch die preußische Apothekerordnung die Behandlung von
Kranken verboten. Nun kommt es bekanntlich oft vor, daß
Leute von dem Apotheker ein von ihm auszuwählendes Mittel
gegen eine ihm genannte Krankheit verlangen und auch er¬
halten. Solche Vorkommnisse führten gelegentlich zu einem
Vorgehen gegen Apothekern wegen Uebertretung des Kranken¬
behandlungsparagraphen der Apothekerordnung und. hatten
früher wohl auch ab und zu eine Verurteilung zur Folge. In
den letzten Jahren hat sich dies jedoch geändert, denn das
Kammergericht, vor dem als oberster Instanz ein solcher Fall
vor einigen Jahren gelangte, hat damals entschieden, die Ver¬
abreichung eines Medikaments in Fällen der geschilderten Art
stelle keine Krankenbehandlung dar, da zu einer Kranken¬
behandlung im strengen Wortsinn auch die der Auswahl der
Medikamente vorhergehende Untersuchung des Patienten ge¬
höre; nur wenn er auch eine solche vornehme, mache sich
ein Apotheker im Sinne der Apothekerordnung strafbar.
Verschiedenes.
Berlin. Der nächste Zyklus der Ferienkurse der
Berliner Dozenten-Vereinigung findet vom 2. März bis 29. März
1911 statt. Die unentgeltliche Zusendung des Lektions-Ver¬
zeichnisses erfolgt durch Herrn M e 1 z e r , Ziegelstraße 10/11
(Langenbeckhaus), welcher auch sonst hierüber jede Auskunft
erteilt.
— Wegen der vielen Wechselbeziehungen zwischen
dem Gesundheitszustände der Zivilbevölkerung und der Mili¬
tärpersonen in Garnisonorten ist durch preußischen Ministerial-
erlaß vom 14. Oktober d. J. angeordnet worden, daß in den
Standorten der Garnisonarzt oder der rangälteste
Sanitätsoffizier an den Sitzungen der Gesundheits¬
kommissionen mit beratender Stimme teilnimmt.
— Ueber die Mehrlingsgeburten des Jahres 1908 finden
sich im statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich (31. Jahr¬
gang, 1910) folgende Angaben: Es wurden im Gebiete des
Deutschen Reiches 26 31 4 Zwillingsgeburten ge¬
zählt. In 8358 Fällen kamen 2 Knaben, in 7843 Fällen 2 Mäd¬
chen und 9933 Fällen ein Pärchen zur Welt. Drillings -
gebürten verzeichnet das Jahrbuch 261. Es kamen in
56 Fällen 3 Knaben, in 53 Fällen 3 Mädchen, in 72 Fällen
2 Knaben und 1 Mädchen, in 80 Fällen 1 Knabe und 2 Mädchen
zur-Welt. Außerdem sind 4 Vierlingsgeburten mit
8 Knaben und 8 Mädchen vermerkt. Unter den Mehrlings¬
geburten ist die Zahl der Knaben um ein Geringes größer als
die der Mädchen.
— Die neueste Blüte am Baume des Kurpfuscher¬
tums ist die „Krankheitsbehandlung nach astrologischen
Regeln“, die hier von dem Inhaber eines „Astrologi¬
schen Instituts für praktischen Okkultismus“
öffentlich angekündigt wird. Der neue Heilprophet legt sich
die Bezeichnung „Magnetopath und okkultistischer Privat¬
gelehrter“ bei und arbeitet natürlich auch mit dem bewährten
Mittel der „großen Vorträge mit Demonstrationen und Licht¬
bildern“. Quousque tandem?
— Die Reiniger, Gebbert & Schall, A. - G., hat den
General-Vertrieb der von der Firma Rossel, Schwarz
& Co., Wiesbaden, nach den Originalsystemen von
Dr. Zande r und Dr. Herz, sowie nach ihrem eigenen
System hergestellten medico-mechanischen Apparate über¬
nommen.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Zu besetzende Stellen von Medizinalbeamten.
1. Die Kreisarztstelle des Kreises Lauban, Regierungs¬
bezirk Liegnitz, mit dem Amtssitz in Lauban (Gehalt nach
Maßgabe des Dienstalters 2100 bis 3900 M. und 240 M. Amts¬
unkostenentschädigung jährlich);
2. die Kreisarztstelle des Landkreises Osnabrück,
Regierungsbezirk Osnabrück, mit dem Amtssitz in Osnabrück
(Gehalt nach Maßgabe des Dienstalters 2100 bis 3900 M.,
Stellenzulage von 900 M. und 300 M. Amtsunkostenentschädi¬
gung jährlich);
3. die Stelle als Kreisassistenzarzt und Assistent bei dem
Medizinaluntersuchungsamt in Potsdam (Remuneration
2000 M. jährlich). (Veröffentlicht am 15. November.)
Bekanntmachung.
Das Diphtherieheilserum mit der Kontrollnummer 58, ge¬
schrieben: „Achtundfünfzig“ aus dem Sächsischen Serumwerke
in Dresden ist zur Einziehung bestimmt, weil die im Handel
befindlichen Proben nicht sämtlich keimfrei sind.
Flaschen mit dieser Kontrollnummer dürfen hinfort nicht
mehr in den Apotheken abgegeben werden.
Berlin, den 8. November 1910.
Der Polizeipräsident.
Im Aufträge: Schiegten dal.
730
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 48.
ft
Personalia. Leipzig nach Goto, Du.- Be cliert von -Allenstein, Dr.
„ „ J a c o b i von Kitzingen und Dr. E i n s 1 e r von Hamburg
reuuen. nach Königsberg i. Pr., Dr. vanderBriele von Haina nach
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: Rastenburg, Dr. Rittmeier von Leipzig nach ßajohren,
Kreisarzt Med.-Rat Dr. Wachs in Wittenberg, San.-Rat Dr. e. Ey len bürg von Pankow nach Berlin, Dr. Gersou
M i e g e 1 in Hirschberg. von Berlin nach Breslau, Dr. Hellmann von Charlotten
K8nigl.Kronen-Orden3.K-L-: Geh. San.-Rat Dr. V o i g t burg nach Frankfurt a. M., Dr. Hessberg von Bamberg
in Oeynhausen. _ und Aerztin E. Katz von Pankow nach Berlin, Dr. Kayser
C h a r akter als Sanitätsrat: den Aerzten Dr. M. Neu- von Berlin nach Grunewald, Dr. L e v i n nach Schöneberg,
mann in Königsberg i. Pr., Dr. R. S a m u e 1 s o n in Königs- Aerztin Dr. C. Pietrkowski von Breslau nach Berlin,
. berg l. Pr., Dr. A. M o h r in Insterburg, Dr. E. W o 1 f f in l) r . v. Scheven von Essen und Aerztin Dr. Ch. Schom-
Tilsit, Dr. K. B a a t z in Elbing, Dr. Schulz in Schlochan, burg von München nach Berlin, Aerztin Dr. B. Steinin-
Dr. P. Hoff mann in Rehden, Dr. L. Gronau in Berlin, ger und Dr. Wittig von Berlin nach München bezw.
Dr. 0. L e w i n in Berlin, Dr. P. David in Berlin, Dr. Blankenhain, A. Altschüler und Dr. B i e r n a t h von
J. Ostrodzki in Berlin, Dr. G. Heil mann in Char- Berlin nach M a inz bezw. Groß-Lichterfelde, Dr. Bo eh me
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Inhalt des I. Teiles:
Kalendertafel 1911. v. leberdieSerodiaunostik unddiesos:...biologischeTherapie 4 '
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neueren Arzneimittel.
H. Die Maxinialdosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
das Deutsche Reich.
III. Uebersicht der wichtigsten, in Form von subcutanen,
intramusculären und intravenösen Injectionen zur An¬
wendung kommenden Mittel.
IV. Zu vermeidende Arzneimischlingen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VI, Modiciniscke Bäder.
VII. Auszug aus der deutschen Arzneitaxe 1910.
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1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
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!m kommenden Jahre wird in der Allgemeinen medicinilchen Central-Zeitung die
Therapie . :
noch mehr als bisher BeriickficJitigung finden.
Wir bitten daher die verehrten Abonnenten ihre Abonnements auf die Allgemeine
medicinilche Central-Zeitung recht bald erneuern zu wollen.
BERLIN W. 50, im Dezember 1910
Verlag der Aligem. medicin. Central-Zeitung
Oscar Coblentz
No. 49.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 49.
Gegen Gicht, Nierenstein-Kolik, Blasen¬
steine, Harngries u.ähnlicheFolgekrank-
heiten der harnsauren Diathese, sowie
gegen rheumatische Leiden hat sich das
Uricedin-Stroschein
als ein zuveilässiges Mittel erwiesen. Dasselbe
wurde zuerst auf dem am lö.April 1893 tagenden Wies¬
badener 12. Kongreß für innere Medizin, sodann auf
den medizinischen Kongressen zu Philadelphia und
Madrid als ein Mittel empfohlen, welches sich als
überaus zuverlässig auf dem Gebiete der Bekämp¬
fung der harnsauren Diathese erwiesen hat. Das¬
selbe wird in Original-Gläsern von ca. 160 Gramm
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(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dp- H. Lohnstein und Dp. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
IV. Jahrgang Berlin, 3. Dezemher 1910
Xo. 49
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Bucbhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor (^nartalsschlnss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 60 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Engel: Ueber die Aus¬
führung der Wass ermann sehen Reaktion in der ärztlichen
Praxis.
Ta ege: Erfahrungen und Beobachtungen bei der Behand¬
lung der Syphilis mit Ehrlich-Hatas Präparat 606. —Duhot:
Technik und Dosen der löslichen Einspritzungen des „606“ von
Ehrlich. — Ehlers: Ein Todesfall nach Ehrlich-Hata 606.
— Ehlers: Ehrlich „606“ gegen Lepra. — Retzlaff: Ueber
Sepsis nach Varicellen. — Pexa: Experimenteller Beitrag zur
Forschung über die Tetanie des Kindesalters. — Schneider:
Polyposis intestinalis beim Kinde. — Hamburger: Phimosen¬
behandlung im frühen Kindesalter. — Hoffa: Ueber die Er¬
folge der Anstaltspflege von gesunden und kranken Säuglingen.
— Beckhaus: Herzerkrankungen im Anschluß an ein Trauma.
— Kovacs und Stoerk: Ueber das Verhalten des Oesophagus
bei Herzvergrößerung. — Th i e m a d n: Ueber Darmverschluß und
Darmparalyse, einschließlich Peritonitis — Frühwald: Ueber
die Punktionsbehandlung der Epididymitis gonorrhoica. —
Hohlweg; Zur Behandlung der Kolipyelitis mit Nierenbecken¬
spülung. — Engelhorn: Ueber Behandlungserfolge bei gynä¬
kologisch-nervösen Störungen. — Grube: Ueber Mechanik des
Austrittes des kindlichen Schädels und Dammschutz. —Beneke:
U eher Tentoriumzerreißungen bei derGeburt, sowie die Bedeutung
der Duraspannung für chronische Gehirnerkrankungen. —
1. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Ueber die Ausführung der Wassermannschen
Reaktion in der ärztlichen Praxis.
Vortrag, gehalten im III. Demonstrationsabend des Charlottenburger
Aerzte-Vereins am 6. Oktober 1910.
Von
Dr. C. S. Engel (Berlin).
Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß die Aus¬
führung der Wassermann sehen Reaktion nur dann Ein¬
gang in die ärztliche Praxis finden kann, wenn sie erheblich
■vereinfacht ist. Versuche, dieselbe einfacher zu gestalten,
sind mehrfach gemacht worden. Dieselben erstrecken sich
teils auf die Verminderung der Zahl der Reagentien, teils
auf die Herabsetzung der zu verwendenden Flüssigkeits¬
mengen. Da die ersteren, die in das Wesen der Reaktion
eingreifen, der Originarmethode nicht gleichwertig sind, sind
die letzteren mehr in den Vordergrund getreten. Die Ver¬
minderung der verwendeten Flüssigkeitsmengen geht zudem
mit der Abkürzung der für die Bindungen notwendigen Zeit
Hand in Hand. Es ist deshalb die Annahme berechtigt, daß
die Reaktion als Mikroreaktion auch unter den prak¬
tizierenden Aerzten populär werden wird. Wenn es auch
wohl nicht möglich ist, daß ein beschäftigter Praktiker zwei
bis drei Stunden der Anstellung der Probe opfert, so dürfte
die Ausführung der Reaktion jüngeren, weniger beschäf¬
tigten Aerzten, wenn ihnen geeignetes Material zugewiesen
wird, von großem Nutzen sein. Da die Mikroreaktion mit
sehr geringen Blutmengen angestellt wird, kann die Blut¬
entnahme aus der Fingerkuppe durch den behandelnden Arzt
selbst erfolgen, was namentlich in der Privatpraxis von
großem Wert ist. Auch ist eine Ueberweisung des Kranken
an einen andern Arzt — was zuweilen dem behandelnden
Arzt nicht erwünscht ist — infolgedessen nicht erforderlich.
Die Mikroreaktion hat jedoch noch andere Vorzüge.
Da zur Gewinnung des Komplements die Blutentnahme aus
dem mit der Schere ' verletzten Ohrrande des Meer¬
schweinchens genügt, braucht nicht zu jedem Versuch ein
Meerschwein getötet zu werden. Von besonderen Wert ist
jedoch, daß wegen des schnellen Ablaufs der Reaktion bak¬
terielle Verunreinigungen bei einigermaßen sauberem Ar- j
Stenger: Ueber die Behandlung der akuten und subakuten
Erkrankungen des Mittelohrs. — Spiess: Ein Fall hochgradiger
Dyspnoe infolge eines Polypen im rechten Bronchus. — Both :
Ueber die Daueranästhesie des Kehlkopfs bei Tuberkulose durch
Alkoholinfiltratiou des N. laryngeus sup. — Meyer: Eisen-
sajodin in seiner rhino-laryngologischen Verwendung. — Cohn:
Eisensajodin in der Augenheilkunde. — Igersheimer: Die
ätiologische Bedeutung der Syphilis und Tuberkulose bei Er¬
krankungen des Auges,
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vomö Novemb. 1910. (Schluß.)
— Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom
21. November 1910.
III. Bücherschau. Lewin: Die wichtigsten Ergebnisse der ex¬
perimentellen Krebsforschung. — Bachem: Die moderne Arsen¬
therapie. — Fromme: Ueber das Frühaufstehen der Wöchne¬
rinnen und Laparotomierten — Bäumer: Von ärztlicher
Kunst und den Grenzen medizinischer Wissenschaft.
IV. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
V. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
beiten nicht zu fürchten, sind, so daß man mit wenigen
Pipetten auskommt.
Erwägungen dieser Art veranlaßten mich, unter der
Bezeichnung eines „Syphilismikrodiagnosticums“ eine An¬
zahl kleiner Apparate zusammenzustellen, welche, wie ich
in Aerztekuxsen erproben konnte, zur Ausführung der Mikro¬
reaktion völlig ausreichen. Daß eine Einübung der Hand¬
griffe zum Arbeiten mit den kleinen Pipetten erforderlich
ist, versteht sich von selbst.
Die Apparatur, welche von den Vereinigten Fabriken
für Laboratoriumsbedarf, Berlin N. 39, hergestellt wird,
enthält in einem Kasten außer einer Fra n c ke sehen Nadel
zur Blutentnahme einen doppelwandigen, mit Spiritus heiz¬
baren, kleinen Wärmeschrank, mehrere Gestelle mit Spitz-
und anderen Gläsern, Pipetten, ein Thermometer und
andere Instrumente, ferner eine Flasche mit titriertem An¬
tigen und ein Fläschchen mit ebenfalls titriertem hämo¬
lytischen Ambozeptor. Eine genaue Gebrauchsanweisung
für die Herstellung der Reagentien und die Ausführung
der Probe liegt dein Apparate bei.
Unter Benutzung dieser Instrumente wickelt sich die
Reaktion in folgender Weise ab:
Will man sich die Reagentien selbst bereiten, dann stellt
taian sich zuerst den hämolytischen Ambozeptor her, in¬
dem man vor Beginn der Untersuchungen einem Kaninchen
in Zwischenräumen von je 6—8 Tagen dreimal mit 0,85 °/o
Kochsalzlösung gewaschene Hammelblutkörperchen sub¬
kutan einspritzt. Man- entnimmt dann dem Kaninchen aus
der Obervene Blut, läßt das Serum abstehen und erhitzt
es bei 56—58 Grad Cels. 1/2 Stunde lang. Die hämolytische
Kraft dieses Ambozeptors wird dann nach der Gebrauchs¬
anweisung durch Titrieren bestimmt.
Als Antigen läßt sich, da syphilitische Fötallebern
zurzeit ziemlich schwer zu beschaffen sind, der al¬
koholische Extrakt menschlicher, Meerschweinchen- oder
Rinder-Herzen gut verwenden — 1 Teil zerkleinerter
Herzmasse durch 4 Teile Alkohol i/ 2 Stunde bei 60 Grad
Celsius extrahiert —. Dieser Extrakt wird an der Hand der
Gebrauchsanweisung auf .seine selbstbindende Kraft und
auf seine Wirksamkeit gegenüber dem Serum eines sicher
Syphilitischen geprüft.
Nach diesen Vorversuchen geht man zum Haupt-
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 49.
782
versuch und zu seinen Kontrollen über. Man entnimmt
dom Kranken aus der mit Alkohol gereinigten Fingerkuppe
mittels der Franckeschen Nadel etwa 1 ccm Blut, hebt,
nach dem Abstehen das Serum ab und erhitzt es zum Zweck
der Inaktivierung 1/2 Stunde aui 55—57 Grad Celsius. Das
Komplement gewinnt man aus den wenigen Blutstropfen,
welche aus der Obervene des Meerschweins nach einem
schnellen Einschnitt in die Randvene des Ohres desselben
herauskommen. Das Hammelblut endlich läßt man sich
wöchentlich mindestens einmal vom Schlaehthofe bringen.
Es wird zweimal mit 0,85 proz. Kochsalzlösung gewaschen.
Zum Hauptversuch bringt man bestimmte Mengen An¬
tigen, Patientenserum und Komplement zusammen, läßt das
Gemisch eine halbe Stunde im Wärmeschrank bei zirka
37 Grad Celsius binden, setzt dann ein bestimmtes Quantum
hämolytischen Ambozeptors und Hammelblut hinzu und 1
bringt die Röhrchen noch einmal in den Brutschrank. Wenn
die gleichzeitig aufgestellten Kontrollen richtig anzeigen,
dann spricht Trübebleiben der Flüssigkeit des Röhrchens
im Hauptversuch für Syphilis, während Auflösung der Blut¬
zellen im .allgemieinjen gegen Syphilis spricht.
Da inaktiviertes Patientensierum längere Zeit aufbewahrt
werden kann, empfiehlt es sich, zur Ersparung von Arbeit,
und Zeit, die Patientensera aufzusammeln und immer
mehrere zu gleicher Zeit zu untersuchen.
Die Abmessung der einzelnen Flüssigkeiten muß mit
möglichster Genauigkeit erfolgen. Hat man aber die Hand¬
habung der Pipetten genügend eingeübt, und ist man über
das Wesen der Reaktion soweit im klaren, daß man Stö¬
rungen, die zuweilen, eintreten, als solche erkennt, dann hat
man bald die Freude, prompte und sichere Resultate zu
erhalten.
Dr. Karl Tacge (Freiburg i. Br.): Erfahrungen und Beobachtun¬
gen bei der Behandlung der Syphilis mit Ehrlich-Hatas Prä¬
parat 606. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 42.)
er empfiehlt allerdings danach zwei Tage Ruhe. Er hält diese
intramuskulären Injektionen für wirksamer als die intravenösen
Injektionen.
Verfasser berichtet über die Erfahrungen der Freiburger
dermatologischen Klinik mit dem neuen Mittel. Zunächst ver
breitet er sich über die Technik der Einspritzung. Er empfiehlt
jetzt die Anwendung einer sauren Lösung, welche er folgender¬
maßen bereitet: Auf einem Glasstab wird durch Hin- und Her¬
ziehen in einer nicht leuchtenden Flamme ein Reagensrohr
behufs Sterilisation erhitzt. ln einem andern wird etwas
Wasser kurz gekocht. Jetzt schütte man das Präparat in das
erste abgekühlte Rohr, füge soviel Glyzerin zu, daß auf
0,1 g zwei Tropfen kommen und zerdrücke durch Rühren und
Streichen mit dem Stab jedes Klümpchen. Man erzielt in
wenigen Sekunden einen homogenen Brei. Diesem wird eine
genügende' Menge des frisch gekochten, heißen Wassers zu¬
gesetzt, die Mischung mit dem Stab umgerührt, die Einspritzung
ist fertig und bildet eine klare Flüssigkeit. Verfasser nimmt
zur Einspritzung konzentrierte Lösungen, 10—20 proz., und
spritzt an einer Stelle ein, tief intramuskulär in die Giutäen.
Die Schmerzen bei dieser Art der Injektion sind meist gering;
Temperatursteigerung tritt dabei nur ausnahmsweise auf. Was I
nun die therapeutische Wirkung anlangt, so weichen die Er¬
fahrungen des VerfassersTnicht viel von den sonst berichteten !
ab. Verfasser gab zuerst nur 0,3 g, später stieg er bis auf 0,6 g
(8 mg pro Kilo Körpergewicht). Am schnellsten verschwanden
die breiten Kondylome und die Roseola (in zwei bis vier
Tagen), am langsamsten die tiefen tertiären Ulcera (in drei,
Wochen und mehr). Die Fälle mit maligner Lues zeigten sich
der Behandlung besonders zugänglich. Einige Mißerfolge
kamen auch vor. Einige Fälle im Beginn der Paralyse resp.
Tabes zeigten bedeutende Besserung. Erheblichere Neben¬
wirkungen kamen nicht vor, toxische Exantheme wurden einige
Mal beobachtet. In allen Fällen wurde eine zum Teil starke
Zunahme des Körpergewichts festgestellt.
Dr. Duliot (Brüssel): Technik und Dosen der löslichen Ein¬
spritzungen des „606" von Ehrlich. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 42.)
Verfasser empfiehlt jetzt folgende Technik der Ein¬
spritzung des Dioxydiamidoarsenobenzols, wobei das Mittel in
lösliche Form gebracht wird. Um die Lösung herzustellen,
verwendet er einen kleinen Glasmörser, in welchen V 2 ccm
sehr reinen Methylalkohols zusammen mit dem Pulver „606"
gegossen wird; dann wird die Mischung .zerrieben und je nach
der Dose werden 4—6 ccm physiolog. Kochsalzlösung hinzu¬
gefügt. Dann spritzt inan mittels einer Rekordspritze von
b ccm, welche mit einer laugen Platinnadel versehen ist, ein.
Um die für die Einspritzung passendste Stelle zu finden, zieht
man mittels Jodtinktur eine Linie, welche von der Spina oss.
il. anter. bis zur Spitze der Gesäßfalte verläuft. Die zur Ein¬
spritzung geeignete Zone, in der Größe eines Zweimarkstückes,
befindet sich an der Grenze zwischen oberem und mittlerem
Drittel dieser Linie. Um die Einspritzung vorzunehmen, läßt
man den, Pat. auf dem Operationstisch sich auf den Leib
legen. Man nehme dann langsam die Einspritzung in den
Muskel vor. Darauf ziehe man schnell die Nadel zurück; indem
man eine reichliche Schicht Gewebe aui sie zurückschiebt,
welche man einen Augenblick zusammengedrückt hält. Verf.
wendet höhere Dosen, als gewöhnlich empfohlen werden, an, bei
Erwachsenen von 70 kg Gewicht 1 g, d. i. 0,014 pro Kilo Körper¬
gewicht, im Maximum 1,1 g. Bei irgendwie belasteten Per¬
sonen empfiehlt Verfasser die' Dosis 0,01 g pro Kilo, etwas
weniger für Frauen. Diese Einspritzungen sind nach Verfasser
nicht schmerzhafter als die Einspritzungen der Emulsion in die
Rückengegend; es treten danach niemals Eiterungen und
Schwellungen auf; sie sind schneller und ausgiebiger in der
Wirkung. Verfasser nimmt die Einspritzungen ambulant vor,
Prof. Dr. Ehlers (Kopenhagen): Ein Todesfall nach Ehrlich-
Hata 606. (Münch, med. Wochenschr., 1910, No. 42.)
Verfasser berichtet über einen Fall, in welchem nach der
Einspritzung des Arsenobenzols der Tod eintrat. Es handelte
sich dabei um einen 40 jährigen Mann, der vor 11 Jahren sich
syphilitisch infiziert hatte und seit zwei Jahren Symptome von
Dementia paralytica zeigte. Ihm wurden 0,5 g des Mittels sub¬
kutan in die Schulterblattgegend injiziert, fast schmerzlos und
ohne Lokalreaktion. Es traten bald Vergiftungserscheinungen
seitens des Nervensystems auf (Tremor, Zittern, Schweißkrisen,
Kräfteverlust etc.), und fünf Tage nach der Injektion starb der
Kranke unter dem Bilde einer fortschreitenden Herzparalyse.
Die Sektion zeigte keine andere Todesursache als akute,
parenchymatöse Degeneration der Organe.
Prof. Dr. Ehlers (Kopenhagen): Ehrlich „606“ gegen Lepra.
(Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 41.)
Verfasser gibt eine kurze Mitteilung über Versuche in be¬
treff der Wirkung des neuen Mittels bei Lepra. Sieben Patien¬
ten wurden im Leprahospital bei Reykjavik (Island) damit be¬
handelt, sechs mit Lepra tuberosa, einer mit Lepra anaesthetica.
Die Dosen betrugen 0,4—0,6. Eine deutliche Wirkung auf die
Krankheitserscheinungen wurde vorläufig nicht beobachtet,
nur schien es, daß das Mittel eine starke körnige Degeneration
unter den Leprabacillen hervorruft. R. L.
Dr. 0. Retzlaff: Ueber Sepsis nach Varicellen. (Archiv für
Kinderheilkunde, Bd. 54, H. 1—3.)
Varicellen gelten meist als harmlose Kinderkrankheit.
Baginsky hat indes darauf aufmerksam gemacht, daß die
Krankheit recht bösartig verlaufen kann. Man wird deshalb
mit der Prognose vorsichtig sein müssen, wenn es sich um sehr
junge oder tuberkulöse und skrofulöse Kinder handelt, die
unter ungünstigen hygienischen Verhältnissen leben. So hat
Verfasser in der von ihm auf der chirurgischen Abteilung des
Krankenhauses Magdeburg-Sudenburg beobachteten Epidemie,
der er die mitgeteilten Fälle entnimmt, ein dreijähriges Kind
an Miliartuberkulose verloren. — Ferner berichtet er, daß
drei Pflegerinnen an Wasserblattern erkrankt sind, darunter
eine Schwester, die die Krankheit mit acht Jahren bereits ein¬
mal überstanden hatte. Diese Mitteilung, daß auch Erwachsene
an Varicellen erkranken, ist deshalb von Interesse, weil manche
Autoren, z. B. Senator, von einer Immunität Erwachsener
sprechen. — Zu dem bereits erwähnten, gelegentlich schweren
Verlauf der Krankheit berichtet Verfasser ausführlich über
ein 31/2 jähriges Mädchen, das in wenigen Tagen einer schweren
Sepsis nach Varicellen erlag. Diese Mitteilung wird durch
weitere Fälle aus der Literatur ergänzt.
.il < mj im r :
Dr. V. Pexa: Experimenteller Beitrag zur Forschung über die
Tetanie des Kindesalters. (Archiv für Kinderheilkunde,
Bd. 54, H. 1—3.)
Die Aetiologie der Tetanie hat die Autoren in den letzten
Jahren viel beschäftigt. So hat S t 0 e 11 z n e r die Hypothese
zu beweisen gesucht, daß die infantile Tetanie durch Kalk¬
stauung im Organismus entstehe, während andere (Q u e s t,
Weigert) gerade das Gegenteil behaupten, indem sie die
Tetanie auf Kalkmangel zurückführen. Eine weitere viel be¬
achtete Hypothese jüngeren Datums (Escherich,
N a s s a 1 e) führt die Krankheit auf eine Erkrankung der Para-
thyreoidaldrüsehen zurück. Allen diesen Behauptungen geht
der Verfasser experimentell und klinisch nach, indem er zwei
junge kräftige Hunde desselben Wurfes zu seinen Forschungen
benutzt hat. Er zieht folgende Schlüsse: Bei einem jungen,
mit kalkfreier Kost gefütterten Hunde wunden folgende Be-
No. 49.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
733
funde erhoben: 1. im klinischen Bilde als äußerst auffallende;: I
Symptom eine Passivität des Tieres gegen äußere Eindrücke; |
2. absoluter Mangel einer gesteigerten elektrischen Erregbar¬
keit im peripheren Nervensystem; 3- deutliche Abnahme des
Kalkgehaltes des Zentralnervensystems; 4. reichlicher Gly¬
kogengehalt in den sonst unveränderten Epithelkörperchen. —
Der Ursprung der Tetanie und der Spasmophilie überhaupt
kann nicht allein in einem ungenügenden Kalkgehalt der
Organe beruhen, denn beim Versuchshund trat keine Steige¬
rung der elektrischen Erregbarkeit im peripheren Nerven¬
system auf, obwohl der Kalkgehalt seines Gehirns infolge des
kalklosen Futters bedeutend vermindert war. — Sollte bei der j
Tetanie dennoch der Kalkmangel der Organe eine Rolle spielen, j
dann könnte die Entstehung der Tetanie durch die entgiftende I
Tätigkeit der Epithelkörperchen verhütet werden.
Dr. P. Schneider: Polyposis intestinalis beim Kinde. (Archiv
für Kinderheilkunde, Bd. 53, H. 4—6.)
Unter Polyposis intestinalis versteht man eine Erkrankung [
des Dickdarms und besonders des Rektums, bei der ohne j
vorhergegangene Ursache, wie Dysenterie oder andere ge- j
schwürige Prozesse, auf der Schleimhaut primär zahllose ,
polypenähnliche Gebilde entstehen, die unaufhaltsam an Größe [
und Zahl zunehmen, allmählich eine allgemeine Kachexie und
und Anämie und stets ein jahrelanges Siechtum herbeiführen.
Bei Erwachsenen geht die anfangs gutartig erscheinende Krank¬
heit, die die Symptome eines schweren chronischen Dickdarm-
katarrhes bietet, stets in Carcinom über, bei Kindern entwickelt
sich eine sekundäre Anämie, die im Verlauf von 1—5 Jahren
zum Tode führt. — Der von Verfasser aus der Universitäts-
Kinderklinik in München mitgeteilte Fall betrifft ein 8 jähriges I
Mädchen. Im fünften Jahre vorübergehend Blutabgang aus dem
After. Wiederholt vom siebenten Lebensjahr ab. Entfernung
von Mastdarmpolypen, wobei sich nach Dehnung des Sphincter
ani die ganze Mastdarmschleimhaut mit einer Unmenge kleine¬
rer und größerer Geschwülstchen übersät zeigt. Fortschreitende
Anämie und hochgradiger Verfall. Exitus unter profusen
Durchfällen, heftigem Erbrechen und Fieber. Die histologische
Untersuchung ergibt gutartige, gestielte Adenome. — Auf-
getretene Oedeme und urämische Symptome weisen auf eine
Nierenerkrankung hin, die aber in dem vorliegenden Fall,
ebenso wie anderen Beobachtungen nicht vorhanden war. Wo¬
durch die Diurese abnimmt, ist ebenso unklar, wie die Ent¬
stehung der Polyposis überhaupt. — Die Differentialdiagnose
ist nur durch Rektoskopie oder vortretende Polypen zu stellen.
In Betracht kommen Nierenerkrankungen (Oedeme, Anämie,
spärliche Harnsekretion) oder eine Blasenmastdarmfistel, wenn I
zu vorstehenden Symptomen noch. Durchfälle, Blutabgänge und I
Leibschmerzen hinzutreten. — Die Therapie , ist für Erhaltung
des Lebens wie Heilung gleich aussichtslos. R.
p: ' „j
Privatdozent Dr. Franz Hamburger (Wien): Phimosenbehand¬
lung im frühen Kindesalter. (Münch, med. Wochenschr.,
1910, No. 40.)
Die Phimose ist ebenso wie die Konglutination des Prä¬
putiums mit der Glans nach Verfasser als ein für das frühe
Kindesalter physiologischer Zustand aufzufassen. Im all¬
gemeinen führen das Wachstum des Penis und die schon im
Kindesalter auftretenden Erektionen allmählich zur Lösung der
Konglutination und zur Dehnung der phimotischen Präputial-
öffnung. Häufig führt aber die Phimose des frühen Kindes¬
alters zur Balanitis resp. Balanoposthitis. Ist die Balanitis ab¬
geheilt, so wird gewöhnlich die Phimosenoperation vor¬
geschlagen: häufig wird auch schon in Fällen, wo nur leichte
Schmerzhaftigkeit bei der Miktion besteht, zur Operation oder
doch wenigstens zur instrumenteilen Lösung der Konglutination
geschritten. Verfasser betont demgegenüber, daß es fast immer
gelingt, die Dehnung der Phimose und die Lösung der Kon¬
glutination auf manuellem Wege zu erreichen. Man dehnt die
Phimose durch Reposition des Präputiums über die Glans, ent¬
weder in der Weise, daß man in mehreren Sitzungen schonend
das Präputium immer weiter und weiter zurückschiebt, bis
man endlich, ohne stärkere Schmerzen zu bewirken, die Vor¬
hautöffnung über die Corona glandis bringt, oder in der Weise,
daß man in einer Sitzung die Sprengung der Phimose erzwingt
durch brüskes Zurückschieben hinter die Corona. Letzteres
gelingt fast immer in einer Sitzung, bedingt aber große
Schmerzen und, wenn auch geringe, Blutungen durch die Ein¬
risse des Präputialrandes. Verfasser zieht die Phimose¬
sprengung in einer Sitzung bei Kindern im ersten Lebensjahre
der langsamen Dehnung vor. Hat man die Präputialöffnung
hinter die Corona gebracht, so kann man sogleich auch die
Konglutinationen lösen, muß aber dann sofort, um die Ent¬
stehung einer Paraphimose zu vermeiden, die Vorhaut wieder
über die Glans nach vorn ziehen, was oft nur nach Ueber-
windung eines beträchtlichen Widerstandes und unter erneuten ’
Schmerzen möglich ist. In manchen Fällen ist die manuelle
Phimosensprengung allerdings schwierig. Es empfiehlt sich,
in den ersten 24 Stunden den Penis mit einem Wattebausch in
Borwasser oder fünffach verdünntem Liquor Burowii zu um¬
geben. Um eine Erneuerung der Phimose hintanzuhalten,
wiederholt man die Zurückschiebung des Präputiums hinter
die Glans anfangs alle drei Tage, später jede Woche einmal.
Die Phimose ist dann als endgültig beseitigt anzusehen, wenn
das Präputium hinter die Corona geschoben werden kann,
ohne daß das Kind Schmerzen äußert. Nach Verfasser kann
jede Phimose bei Kindern unter drei Jahren ohne instrumen¬
teile Behandlung rein manuell dauernd beseitigt werden.
R. L.
Dr. Theodor Hoffa (Barmen): Ueber die Erfolge der Anstalts¬
pflege von gesunden und kranken Säuglingen. (Archiv für
Kinderheilkunde, Bd. 54, H. 1—4.)
Die Frage der Verpflegung gesunder und kranker Säug¬
linge in Anstalten erschien in den letzten Jahren im wesent¬
lichen gelöst. Neuerdings sind nun sehr skeptische Stimmen
über das Erreichte laut geworden (Czerny, Schelble,
Pfaundler). Demgegenüber berichtet Hoffa über die guten
Resultate des ihm unterstehenden Säuglingsheims zu Barmen.
Er bespricht einmal das Problem der Anstaltspflege von Säug¬
lingen und dann das Problem der künstlichen Ernährung von
Neugeborenen. Für letztere empfiehlt er eine Verabreichung
von Buttermilch, die ihm bessere Resultate ergeben hat als
Milch-Mehl-Zuckermischungen. — Um gute Resultate in der
Anstaltsbehandlung zu erzielen, fordert er u. a.: 1. eine
moderne Krankenhaushygiene, 2. einen gut ausgebildeten
Pädiater als Leiter, 3. möglichst ausgiebige natürliche Er¬
nährung und 4. gute Pflege (gut geschultes, gebildetes
Personal, exakte Asepsis). R.
Dr. C. Beckhaus (Braunschweig): Herzerkrankungen im An¬
schluß an ein Trauma. (Münch, med. Wochenschrift, 1910,
Nö. 42.)
Verfasser berichtet über drei Fälle, in denen im Anschluß
an schwerere Traumen (Sturz auf die linke Seite, Fall aus 8 in
Höhe auf den Rücken) sich bei Leuten, deren Herz vorher ge¬
sund war, sich ein Herzleiden entwickelte. In zwei Fällen
handelte es sich um Männer von etwa 50 Jahren, die jahrelang
schwere Arbeiten hatten verrichten können, im dritten Fall
um einen Patienten von 19 Jahren, bei dem noch vier Monate
nach dem Unfall eine Veränderung am Herzen nicht zu finden
war. Im Anschluß an den Unfall entwickelte sich die Herz¬
erkrankung jedesmal schleichend, welche dann subjektive Be¬
schwerden verursachte, wie sie bei Myokarditis sich meist
finden. Auf Grund des objektiven Befundes mußte eine Myo¬
karditis und muskuläre Mitralinsuffizienz angenommen werden.
Die Fälle zeigen wieder, daß nach einem Trauma, welches
eine Erschütterung des ganzen Körpers oder besonders der
linken Brustseite verursacht, stets die Entwicklung eines Herz¬
fehlers möglich ist. Es empfiehlt sich darum, in jedem der¬
artigen Falle sofort eine genaue Untersuchung des Herzens
vorzunehmen und das Herz weiter zu beobachten, nur dadurch
wird es vermieden, daß ein Herzfehler übersehen wird und
subjektive Beschwerden von seiten des Herzens für solche
neurasthenischer Art angesehen werden. R. L.
Prof. Dr. F. Kovdcs, Vorstand der IV. med. Abteilung des Wie¬
ner allgemeinen Krankenhauses, und Prof. Dr. 0. Stoerk,
Assistent am Wiener pathol.-anatom. Institut: Ueber das Ver¬
halten des Oesophagus hei Herzvergrößerung. (Wiener klin.
Wochenschrift, 1910, No. 42.)
Ueber die normalen topographischen Verhältnisse des Oeso¬
phagus zum Herzen finden sich in den einschlägigen Werken
etwa folgende Angaben: Unterhalb der Bronchialteilung liegt
der Oesophagus unmittelbar hinter dem Perikardium (Pars pe-
ricardiaca oesophagi), und zwar zieht er an jedem Teil, welcher
die Rückenfläche des linken Vorhofes bedeckt, vorbei. Das
Perikard und auch der linke Vorhof können von ihm hierbei
einen leichten Eindruck erhalten. Der Vorhof begleitet den
Oesophagus hierbei auf einer Strecke von 5 bis 6 cm, die untere
Grenze ist kaum 2 cm vom Zwerchfell entfernt. Die eben er¬
wähnte, durch den Oesophagus an der Dorsalfläche des linken
Vorhofes erzeugte Reliefveränderung kann bei pathologischer
Vergrößerung des Vorhofes noch in anderer Weise zum Aus¬
druck kommen. Es kann sich an der hinteren Vorhofswand ein
longitudinaler Wulst, wirbelsäulenwärts sich erhebend, ausbil¬
den, welcher, zwischen Oesophagus und Aorta einragend, die
beiden Gebilde nach rechts und links auseinanderdrängt. Der
Verlauf des infrabifurkalen Brustteiles des Oesophagus, etwa -/.-,
seiner Gesamtlänge entsprechend, hängt dabei wesentlich von
der Lage seiner Zwerchfelldurchtrittstelle ah. Diese Stelle kann
entweder 2 oder 3 cm vor der Wirbelsäule liegen oder auch
bald'nahe der Medianlinie, in extremen Fällen aber 3 cm von
ihr nach links abstehen. Innerhalb dieses infrabifurkalen Be¬
reiches kann nun bei entsprechendem Grad von Herzvergröße¬
rung fiel' O^nnhagus zwischen Vorhof und Wirbelsäule einge¬
klemmt werden.
Die Einwirkung krankhafter Vorgänge, welche sich primär
am zentralen Zirkulationsapparate abspielen und sekundär den
734
No. 49.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
Oesophagus in Mitleidenschaft ziehen, ist vor allem hinsichtlich
der Aneurysmen bekannt, und zwar wird Kompression des Oeso¬
phagus verschiedenen Grades mit und ohne folgende Sc.hlingstö-
rung bei Aneurysmen des Aortenbogens (besonders des abstei¬
genden Schenkels) und der Aorta thoracica descendens, der
Subclavia und der Carotis beobachtet. Recht selten sind
Schlingstörungen bei großen perikarditischen Flüssigkeitsan¬
sammlungen und sie werden von den Autoren auf Kompression
des Oesophagus durch den mächtig ausgedehnten Herzbeutel,
wohl aber auch auf Mitleidenschaft des Vagus oder entzündliche
Mitbeteiligung der Oesophagusmuskulatur bezogen. Daß auch
Verlagerung und Kompression des Oesophagus durch eine Ver¬
größerung des Herzens selbst bewirkt Vorkommen können, wird
nur ganz vereinzelt erwähnt. In vorliegender Arbeit berichten
die Verf. über die von ihnen anatomisch und klinisch beobachte¬
ten Rückwirkungen, die ein vergrößertes Herz auf den Oesopha¬
gus ausüben kann. Die Mitleidenschaft, in die der Oesophagus
oft durch ein vergrößertes Herz gezogen wird, äußert sich nach
ihnen sowohl in einer Deviation, die im allgemeinen in einer
bogenförmigen, nach rechts hinten gerichteten Verdrängung be¬
steht, als auch in einer oft recht beträchtlichen Kompressions¬
stenose. Diese Veränderungen gehen der Herzgröße im allge¬
meinen parallel und sie sind besonders stark bei Vergrößerun¬
gen des linken Vorhofes ausgeprägt. Ihre Kenntnis stellt zwar
eine symptomatologische Bereicherung der Herz- und Oeso-
phaguspathologie dar, doch kommt denselben im allgemeinen
eine wesentliche praktische Bedeutung kaum zu. Schließlich er¬
wähnen die Verf. noch, daß lordotische Deviationen der mittleren
und unteren Brustwirbelsäule vielleicht durch Annäherung der
Wirbelsäule an das Herz zu ähnlichen, die Herzhöhe betreffen¬
den Passagestörungen im Oesophagus führen können. K r.
Hans Thiemann: Ueber Darmverschluß und Darmparalyse, ein¬
schließlich Peritonitis. (Archiv für klm. Chirurgie, Bd. 92,
H. 2 u. 3.)
Auf Grund des etwa 700 Fälle umfassenden Materials der
chirurgischen Klinik in Jena aus dem letzten Dezennium gibt
Th. in einer sehr umfangreichen, fleißigen Arbeit die reichen
Erfahrungen der Jenenser Klinik bekannt. Diese geben ein
anschauliches Bild des gegenwärtigen Standes der wichtigen
Materie und lassen, wie anderswo, den ungeheuren Aufschwung
auf dem Gebiete der Bauchchirurgie deutlich erkennen. Leider
lassen sich im Rahmen eines Referates nur einige wichtige Er¬
gebnisse der interessanten Arbeit hervorheben:
Gutartige Darmtumoren führen als solche äußerst selten
zum Ileus, häufiger durch Invagination.
Die Bevorzugung des Duodenums durch das seltene
primäre Carcinom des Dünndarms scheint entsprechend dem
Magencarcinum auf die Entstehung aus den relativ häufigen
Ulcera dieses Darmteils hinzuweisen. Charakteristisch ist beim
Dünndarmcarcinom ebenso wie beim Sarkom das Zurücktreten
der lokalen Erscheinungen hinter der allgemeinen Kachexie.
Die Mortalität nach Operation der stenosierenden Dick¬
darmtumoren ist eine sehr hohe; besonders gilt dies für die
ganz akut mit Heus einsetzenden Fälle. Aetiologisch kommen
u. a. chronische Ulcera, veranlaßt durch Passagestörungen in
abnormen, z. B. V-förmigen Schlingen des Dickdarms in
Betracht.
Das Carcinom der Ampulle des Rektums führt selten zur
vollkommenen Stenose; derartige Fälle sind meist inoperabel.
Die Gefahren der Resektion sind kaum größer als die der
Amputation.
Zu Ileus durch Adhäsions- und Strangbildung kann jeder
entzündliche Prozeß im Abdomen Anlaß geben, und zwar
können die Störungen erst lange Zeit nach Heilung der primären
Erkrankungen auf treten; auslösend wirken oft anderweitige
Entzündungen des Bauches, Operationen etc.
Die gewöhnliche Peritonealtuberkulose mit Erguß wird
durch die Eröffnung des Abdomens günstig beeinflußt; dabei
kann mit Vorteil der rechtsseitige Kreuzschnitt angewandt
werden. Circumscripte, abscedierende, tumorenbildende, sowie
stenosierende Tuberkulosen treten an Zahl beträchtlich zurück;
vollkommene Stenose und Ileus ist sehr selten. Häufiger ist der
Darmverschluß infolge von Adhäsionen und Strängen, bedingt
durch primäre Tuberkulose der Mesenterialdrüsen, besonders
im Stadium der Verkäsung und Vereiterung.
Bei der diffusen chronischen Mesenterialperitonitis ist die
Lösung aller Verwachsungen vergeblich, oft sogar gefährlich, da
eine Neubildung nicht verhindert werden kann, die eventuell
eine Verschlimmerung herbeiführt. Circumscript tritt die Er¬
krankung im Mesenterium abnorm langer, z. B. V-förmiger
Schlingen des Dickdarms auf; das dadurch geschaffene Passage¬
hindernis wird am besten durch Anastomosierung der Fu߬
punkte behoben. Besonders hervorzuheben ist aus der Summe
der 321 eingeklemmten Brüche (= 29,4 pCt. aller operierten
Hernien) die hohe Zahl (36) der akuten Darmwandbrüche; bei
ihnen besteht die Hauptgefahr in den geringen Erscheinungen
und in der schon bei vorsichtigen Repositionsversuchen ein-
tretenden Perforation; dementsprechend ist dabei die Mortalität
besonders hoch (44 pCt.). Der akute Darmwandbruch tritt
höchst selten in Inguinal-, sondern fast ausschließlich in Crural-
hernien auf; auch von den 4 hier beobachteten Herniae obturat.
waren 3 Darmwandbrüche.
Bei gleichzeitigem Bestehen von Appendicitis im Bruch¬
sack und Einklemmungserscheinungen war stets die erstere die
primäre Erkrankung.
Drehung des incarcerierten Netzes wurde nur 3mal unter
321 Fällen beobachtet; Fixation des Zipfel begünstigte das Zu¬
standekommen der Drehung, ebenso ungleiches Wachstum der
einzelnen Partien mit bogenartigem Vorspringen der Gefäße
(Payr).
Auffallend schwer sind die Erscheinungen bei Drehung
von Appendices epiploicae im Vergleich zur Größe des
Objektes; die Ursache besteht in exzentrischem Wachstum der
Fettanhänge. Bei einzelnen Individuen findet sich eine Dis¬
position zu derartigen Drehungen.
Die auf epigastrische Brüche bezogenen Beschwerden gehen
häufig von anderweitigen intraabdominellen Erkrankungen be¬
sonders des Magens aus; die Therapie muß dem Rechnung
tragen.
Der oostoperative Ileus nach Reposition incarceriert ge¬
wesener Darmerscheinungen kann, abgesehen von Netzsträngen,
veranlaßt sein durch Verklebung der Schlingenschenkel unter¬
einander oder durch Stenosenbildung; eine primär angelegte
Anastomose bei zweifelhaftem Darm kann die Passagestörung
verhüten.
Volvulus ist am häufigsten im Bereich des Dickdarms, be¬
sonders an der Flexura sigmoidea; begünstigend wirkt abnorme
Länge der Flexur. sowie chronisch entzündliche Prozesse im
Mesenterium desselben, die durch Annäherung der Schenkel
zur Bildung V- oder U-förmiger Schlingen und zu Passage-
störungen an der Spitze führen. Um Rezidive zu vermeiden,
empfiehlt sich die Anlegung einer breiten Anastomose zwischen
den Fußpunkten.
Wichtig für das Zustandekommen von Invaginationen ist
die primäre krampfhafte Kontraktion der Spitze der Invagi¬
nation. die in einem Falle bei der Operation in Narkose sogar
noch nach der Desinvaeination bestand.
Bei der diffusen Peritonitis ist streng zu unterscheiden
zwischen den perforativen Fällen und den allgemein eitrigen
(z. B. periappendicitischenl Ergüssen bei abgeschlossenem
primären Herd. Die Prognose im zweiten Falle ist günstig;
größere Eingriffe. Spülungen. Drainage sind dabei unnötig: der
Bauch wird am besten primär geschlossen. Ein wesentlicher
Unterschied in den Resultaten der trockenen (Austopfen) und
der feuchten (Ausspülen) Behandlung kann nicht konstatiert
werden; zugunsten der feuchten Methode spricht, daß sie
' leichter auszuführen ist und kleinere Schnitte erfordert. Mit
jedem Tage des Abwartens steigt die Mortalität rapide; nur
durch die Frühoperation kann die Sterblichkeit vermindert
werden; sie betrug im Jahre 1909 in der Jenenser Klinik nur
noch 3 3 pCt. aller Fälle, auch die schwersten mit eingerechnet.
Rezidivapoendicitiden sind keineswegs ungefährlicher, sondern
können ebenfalls zur diffusen perforativen Peritonitis Anlaß
geben. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. Richard Friihwald (Leipzig): Ueber die Punktionsbehand¬
lung der Enididymitis gonorrhoica. (Münch, med. Wochen¬
schrift. 1910, No. 41.)
Von der N e i s s e r sehen Schule wird neuerdings zur Be¬
handlung der akuten gonorrhoischen Epididvmitis die Punktion
des Nebenhodens empfohlen, besonders Schindler und
Bruck haben über günstige Erfolge dieser Behandlungs¬
methode berichtet. Verfasser hat diese Methode in der Leip¬
ziger dermatologischen Universitätsklinik an 33 Fällen nach¬
geprüft. Er kam dabei zu folgenden Ergebnissen: Unleugbar
hat die Punktion des Nebenhodens bei der Epididvmitis
gonorrhoica einen momentanen Effekt. Die Schmerzen
schwinden oder werden gemindert, das Fieber fällt kritisch
ah und das Infiltrat geht im Anfang etwas rascher zurück.
Allein auf die Dauer hält dieser günstige Einfluß nicht an, das
Fieber und die Schmerzen können wiederkommen und die Re-
handlungsdaner wird nicht abgekürzt. Deshalb ist auch die
Indikation für die Punktion sehr eng begrenzt. Sie wird dort
anzuwenden sein, wo es auf einen momentanen Effekt an¬
kommt. Durch multiple Punktion nach Schindler würde
man wohl eine Dauerwirkung erzielen können: jedoch ist die
multiple Punktion nach Verfasser im allgemeinen nicht an-
zuwenden. weil man ein wichtiges Organ, wie den Nebenhoden,
einer wiederholten Verletzung nicht aussetzen darf. .
Privatdozent Dr. Hohlweg (Gießen): Zur Behandlung der Koli-
prelitig mit Niereoheckenspiilungcn. (Münch, med. Wochen¬
schrift. 1910, No. 40.)
Verfasser berichtet über drei Fälle von Pvelitis hei Frauen
und Mädchen, in welchen er mit Spülungen des Nierenbeckens
gute Erfolge erzielt hat. Fs wurde nicht allein klinisch, auch
bakteriologisch gesicherte Heilung erzielt. Die Vornahme der
No. 40.
THERAPEUTISCHE
Nierenbeckenspülungen bietet keine besonderen Schwierig¬
keiten, wenn man den Ureterenkatheterismus beherrscht. Verf.
ging in der Weise vor, daß er nach Vorschieben des Katheters
bis ins Nierenbecken an denselben eine mit der Spülflüssigkeit
gefüllte 10 ccm fassende Probepunktionsspritze direkt anschloß;
das Cystoskop. das von einer zweiten Person gehalten wird,
bleibt dabei liegen, um die Möglichkeit einer Kontrolle der
richtigen Lage des Katheters während der Spülung zu haben.
Zuerst wird evtl, vorhandener Residualharn aus dem Nieren¬
becken durch den Katheter abgelassen, jedenfalls soviel, bis
der Urin rhythmisch abtropft. Dann wird die Spülflüssigkeit
unter vorsichtigem Druck injiziert und dabei die Patientin auf¬
gefordert, jeden Schmerz sofort anzugeben. Als Spülflüssig¬
keit . verwandte Verfasser Argent. nitric.-Lösungen, anfangs
1 prom., allmählich stärkere, zuletzt %proz. Lösungen. Zwei-
bis dreimal wurde die injizierte Argentumlösung durch
den Ureterenkatheter wieder abgelassen, zum Schluß wurden
30—40 ccm eingespritzt und im Anschluß daran der Ureteren¬
katheter sofort entfernt. Bei der Betrachtung des Ureter-
ostiums im Cystoskop sieht man, daß der Ureter bereits nach
Injektion weniger Kubikzentimeter in das Nierenbecken mit
stürmischer Kontraktion antwortet und offenbar rasch die
Spülflüssigkeit wieder ausstößt. Mit schwachen Argent. nitric.-
Lösungen von 1 :2000 bis 1 :1000 wird nach Verfasser kein
genügender Erfolg erzielt. An die Argentumspülungen schloß
Verfasser in zwei Fällen noch Spülungen mit 1 proz. Argent.
colloidale an. Die Spülungen lassen sich bei einiger Uebung
nahezu schmerzfrei für die Kranken durchführen. Bei emp¬
findlichen Kranken kann man vor der Nierenbeckenspülung
005 Extr. Belladonn. als Suppositorium und eventuell noch
0,01 Morphin subkutan geben.
Dr. Ernst Engelhorn (Erlangen): lieber Behandlungserfolgc
bei gynäkologisch-nervösen Störungen. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 41.)
Nach den Erfahrungen der Erlanger Universitätsfrauen¬
klinik stellt Verfasser folgende Grundsätze für die Behandlung
gynäkologisch-nervöser Störungen auf. Finden sich bei einer
Frau, die wegen Unterleibsbeschwerden den Arzt konsultiert,
keine oder nur geringe Veränderungen des Genitalapparates,
so ist das Nervensystem einer Prüfung zu unterziehen. Er¬
geben sich dabei Anhaltspunkte für eine Alteration des Ge¬
samtnervensystems (Veränderungen der Schleimhaut- und
Sehnenreflexe), so ist die Patientin darüber zu belehren, daß
bei ihr kein organisches Leiden vorliegt, sondern daß es sich
in der Hauptsache um eine Alteration des Gesamtnerven¬
systems handelt. Dementsprechend hat auch die Behandlung
eine allgemeine zu sein. Gegen die Unterleibssymptome emp¬
fehlen sich als unschädliche Maßnahmen Sitzbäder. Ganz
anders muß man sich dagegen verhalten, wenn bei einer Frau
schon früher von anderen Aerzten Genitalveränderungen fest¬
gestellt und behandelt worden waren. Solchen Frauen würde
die Angabe, daß es sich bei ihnen in der Hauptsache um eine
Alteration des Nervensystems handelt, wenig nützen. Bei
solchen Frauen ist eine vom Gynäkologen geleitete Anstalts¬
behandlung am Platze, die hauptsächlich' eine physikalische
Allgemeinbehandlung sein muß: Hydrotherapeutische Ma߬
nahmen, Wärmebestrahlungen des Abdomens, jeden Abend
ein heißes Sitzbad, bei Fluor täglich heiße Scheidenspülungen
mit Zusatz von Holzessig, Alsol etc., neben roborierender Diät
viel Aufenthalt in freier Luft. Bei chronischer Obstipation
neben Diätvorschriften Vibrationsmassage des Abdomens und
morgens ein Glas Mergentheimer Wasser. Bei der sehr häufig
als Nebenbefund vorhandenen chronischen Entzündung und
Verkürzung der Ligamenta säcro-uterina gibt die digitale
Dehnung von der Scheide oder vpm Mastdarm aus oft auffallend
gute Erfolge. Es fragt sich schließlich, ob man bei Frauen,
bei denen man gleichzeitig Veränderungen der Genitalien und
des Gesamtnervensystems findet, operativ Vorgehen darf.
Gerade bei Neurastheuisch-Hysterischen ist oft eine Operation
(z. B. Alexander-Adams bei Retroflexio) von gutem augenblick¬
lichen Erfolg. Dieser Erfolg ist aber meist nicht von langer
Dauer, es treten bald wieder neue nervöse Symptome auf. Nach
Verfasser soll man daher bei neurasthenisch-hysterischen
Frauen gynäkologische Eingriffe, die nur im Interesse der
nervösen Beschwerden unternommen werden, am besten unter¬
lassen.
Dr. Grube. Frauenarzt in Hamburg: Ueber Mechanik des Aus¬
trittes des kindlichen Schädels und Dammschutz. (Münch,
med. Wochenschr., 1910, No. 41.)
Verfasser empfiehlt folgendes Vorgehen beim Damm¬
schutz: Derselbe hat in Rückenlage der Kreißenden stattzu¬
finden. wobei durch geeignete Maßnahmen die Kreißende zu
verhindern ist. sich den Händen des Dammstützers zu ent¬
ziehen. Es w'ird nun der Kopf des Kindes durch Manipulieren
mit beiden Händen in stärkste Flexion gebracht und verhindert,
sich unter der Symphyse auzustemmen; der Durchmesser
RUNDSCHAU 1910. 735
zwischen Nacken und Stirn wird zum Durchschneiden gebracht.
Dies wird erreicht 1. durch Fixieren des Vorderhauptes durch
die rechte, mit abgespreiztem Daumen auf den Damm resp.
das Vorderhaupt fest aufgedrückte Hand unter gleichzeitigem
Anheben desselben, 2. durch Eingehen des linken Zeigefingers
resp. des linken Zeige- und Mittelfingers in den Symphysen¬
winkel und Hervorheben des Hinterkopfes soweit, bis der
Nacken in den Symphysenw'inkel tritt. Das Fixieren der
Kranken in Rückenlage wird erreicht 1. durch Festhalten der
Kreißenden an den Schultern durch eine andere Person und
durch Unterschiebung eines schmalen Kissens unter den Steiß
bis nahe an das Foramen ani bei aufgestützten Füßen oder
noch sicherer durch Hinaufschlagen der Oberschenkel bis an
den Bauch. Verfasser bedeckt dabei die rechte, den Damm
umgreifende Hand mit einem groben baumwollenen, aus¬
gekochten Waschhandschuh, der vor dem Gebrauch in Sublimat
liegt. Der Handschuh ist derartig gearbeitet, daß nur der
Daumen für sich ist, während die übrigen vier Finger zu¬
sammenliegen. Verfasser hat die Methode bis jetzt bei 52 Erst¬
gebärenden angewendet und nur vier kleine Dammrisse ersten
Grades dabei erlebt.
Prof. Dr. Beneke (Marburg): lieber Tentoriumzerreißungen bei
der Geburt, sowie die Bedeutung der Duraspannmig für
chronische Gehirnerkrankungen. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, No. 41.)
Nach den Beobachtungen und Leichenversuchen des Ver¬
fassers sind die Spannungsverhältnisse der Dura mater für
akute w'ie chronische Zustände des Kindeskopfes mit offenen
Nähten von größter Bedeutung. Jähe seitliche Kompressionen
bei der Geburt erzeugen sehr häufig Tentoriumzerreißungen
und hierdurch eventuell den sofortigen Tod. protrahierte
Asphyxie oder sonstige schwöre oder leichtere Hirnsymptome;
chronische Ueberspannungen durch habituelle Seitenlagerung
veranlassen sehr wahrscheinlich Zirkulationshemmungen in
den Längssinus mit ihren Folgeerscheinungen, nämlich dem
Hydrocephalus internus und der Hirnhypertrophie, beides
wieder die Grundlagen vielgestaltiger krankhafter Erschei¬
nungen in den Funktionsäußerungen des Gehirns. R. L.
Prof. Dr. Stengel- (Königsberg): Ueber die Behandlung der
akuten und subakuten Erkrankungen des Mittelohrs. (Medi¬
zinische Klinik, 1910, No. 34.)
Bei der Entstehung der akuten Entzündungen des Mittel¬
ohres spielt die Beschaffenheit der Nase und des Nasenrachen¬
raumes die Hauptrolle. Fast ausnahmslos ist hier der Ursprung
der Erkrankung zu suchen. Der Wegeleiter wird durch die
Tuba Eustachii gebildet. Es hat deshalb auch in der Therapie
und Prophylaxe der akuten Mittelohrerkrankungen die Unter¬
suchung und Behandlung der Nase und des Nasenrachenraumes
eine außerordentliche Bedeutung gewonnen. Die Kenntnis und
Beachtung dieses ursächlichen Zusammenhanges gibt uns nicht
allein wertvolle Aufschlüsse über die vorzunehmenden thera¬
peutischen Maßnahmen, sondern fast noch wichtiger ist es. nach
überstandenen Ohrerkrankungen die oft sicher zu erwartenden
Rezidive durch eine Nasenbehandlung zu verhüten. Zu Ohren¬
erkrankungen disponieren zunächst alle die Veränderungen in
der Nase und im Nasenrachenraum, welche die physiologischen
Aufgaben der Nase und dadurch ein normales Funktionieren
der Tube verhindern. Hierzu gehören Verlegungen der Nasen¬
gänge durch Septumdeviation, polvnöse Veränderungen der
Nasenmuscheln, insbesondere der hinteren Enden. Verlegungen
des Nasenrachenraumes durch krankhafte Veränderungen der
Rachenmandel oder Geschwülste des Nasenrachenraumes.
Kommt nun noch hinzu, daß bei derartigen Veränderungen im
Nasenrachenraum eine stärkere Absonderung von Schleim statt¬
findet. dev wiederum leicht durch Pressen. Schneuzen usw r . Ein¬
gang in die Tuben findet, so ist die weitere Ursache von Mittel¬
ohrerkrankungen gegeben. Es hängt nun ganz von der Be¬
schaffenheit dieses in die Paukenhöhle eindringenden Sekrets
ab. in welcher Art die wmitere Ohrerkrankung sich entwickelt.
Wir haben somit die Erklärung w'eshalb so leicht bei unseren
Infektionskrankheiten und akuten fieberhaften Erkrankungen
so schwere Mittelohrentzündungen entstehen. Man unter¬
scheidet erstens solche Entzündungsarten die mehr auf krank¬
haften Bau der Nase und des Nasenrachenraumes zurückzu¬
führen sind, und bezeichnet diese Form allgemein als die
katarrhalischen Erkrankungen des Mittelohres. Zweitens solche,
die auf Einschleppung infektiösen, bakteriell-virulenten Ma¬
terials vom Nasenrachenraum aus beruhen. Diese Erkrankungs¬
formen sind auf Grund ihrer Aetiologie mehr eitrig-entzünd¬
licher Natur, man bezeichnet sie als die eitrigen Mittelohr¬
entzündungen. Der akute Mittelohrkatarrh ist durch seine am
allgemeinen nicht stürmischen Reaktionserscheinungen charak¬
terisiert. Unter mehr oder weniger heftigen subjektiven Be¬
schwerden. oft auch ganz unbemerkt, entwickelt sich Gefühl von
Vollsein, Verstopftheit und Druck im Ohr, bei Kindern als „Ohr-
736
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 49.
zwang“ angespi-ochen. Dazu treten Hörstörungen, Abnahme der
Hörfähigkeit, subjektive Gehörempfindungen, Gefühl eines
Fremdkörpers im Ohr, eigentümliche Veränderung der eigenen
Stimme (Autophonie). Geht man der Ursache dieser Symptome
nach, so findet man, daß sie sich angeschlossen haben an akute
Erkältungskrankheiten, Schnupfen, Influenza, akuten Katarrh
der Luftwege, allgemeine Konstitutionskrankheiten. Fast in
jedem Falle läßt sich nachweisen, daß die Entstehung begünstigt
ist’ durch abnorme Veränderungen der Nase und des Nasen¬
rachenraumes. Hier spielen Verengerungen der Nasengänge
durch Abnormitäten der Nasenscheidewand, Muschelschwellun¬
gen die Hauptrolle. Die Beschaffenheit des Nasenrachenraumes
und der Tubenöffnung, der Nachweis adenoider Wucherungen
ist von höchster Bedeutung. Der objektive Befund bei der Ohr¬
untersuchung zeigt meist keine charakteristische Beschaffenheit
des Trommelfelles. Oft sieht man außer einer leichten Gefä߬
injektion am Hammergriff entlang, verbunden mit geringer radi¬
ärer Injektion, nichts Abnormes. Ist nur eine geringe Exsudat¬
ansammlung vorhanden, dann nimmt das Trommelfell einen
gleichmäßigen gelblich-rötlichen Farbenton mit deutlich auf¬
fallendem diffusen Glanz der ganzen Membrau an. Nicht selten
zeigt sich Exsudatansammlung im unteren Teil der Paukenhöhle
dadurch an. daß dieser Abschnitt dunkler erscheint und sich in
Form und Exsudatlinie gegen den oberen Trommelfellabschnitt
abhebt. Bei der Beweglichkeit des Exsudats verändert sich
diese Exsudatlinie bei Kopfbewegungen, ebenso bei Luft¬
einblasungen von der Tube her. Bei den intensiveren Formen
des akuten Katarrhs ergibt die otoskopische Untersuchung
häufig ein Trommelfellbild, welches dem der beginnenden
akuten eitrigen Entzündung sehr ähnlich ist. Es besteht gleich¬
mäßige Rötung des ganzen Trommelfells, die Oberfläche ist
mattglänzend, zeigt partielle blasenartige Vorwölbungen mit
Ekchymosen, der Hammergriff ist verwachsen, der kurze Fort¬
satz nur undeutlich sichtbar. Die katarrhalischen Mittelohr¬
entzündungen sind bei geeigneter und rechtzeitiger Behandlung
weder für die Funktion gefährlich noch auch führen sie zu
lebensgefährlichen Schädigungen. Unbehandelt gehen sie in
die Form des sogenannten trockenen Mittelohrkatarrhs über,
der das Hauptkontingent der Schwerhörigen bildet, oder aber
es bildet sich unmittelbar aus einer katarrhalischen eine eitrige
Mittelohrentzündung aus. Die Behandlung des akuten Mittel¬
ohrkatarrhs muß zunächst die Beseitigung der ursächlichen
Schädigungen erstreben. Dadurch gewinnt die Untersuchung
und Behandlung der Nase und des Nasenrachenraumes so her¬
vorragende Bedeutung in der Behandlung und Verhütung dieser
Krankheitsform. Die örtliche Ohrbehandlung besteht in Luft¬
durchblasungen von der Tube her. Erst bei Sekretansammlung
im Mittelohr muß zur mechanischen Entfernung desselben die
Eröffnung des Trommelfells mittels der Parazentese vorge¬
nommen werden. Ebenso wird dieser Eingriff häufig frühzeitig
notwendig bei den intensiv auftretenden Formen dieser Erkran¬
kung; die örtliche Behandlung wird durch feuchte Umschläge
und Schwitzen unterstützt.
Die akute eitrige Mittelohrentzündung entspricht der
phlegmonösen Zellgewebsentzündung insofern, als bakteriell
virulente Krankheitskeime in das Mittelohr gelangt sind und zu
einer kleinzelligen Infiltration auch der tieferen Schleimhaut¬
schichten führen. Die entzündete Schleimhaut ist geschwollen,
aufgelockert und gerötet. Die Entzündung breitet sich in der
Gesamtschleimhaut des Mittelohres und der Adnexe aus und
greift sehr schnell auf das Trommelfell selbst über. Das Trom¬
melfell zeigt lebhafte Entzündungserscheinungen. Gleichzeitig
wird die Paukenhöhle mehr und mehr verlegt, infolge der
starken Verschwellung der entzündeten Schleimhaut und des
zunehmenden serösen Exsudats. Je mehr dieses Exsudat an
Menge zunimmt, desto mehr wird das Trommelfell vorgewölbt,
bis an einer Stelle die Spontanperforation erfolgt und das
Exsudat sich in den äußeren Gehörgang entleert. Wird keine
sachgemäße Behandlung eingeleitet, so nimmt die akute Mittel¬
ohrentzündung selten einen gutartigen Verlauf. Im günstigen
Falle tritt die spontane Perforation des Trommelfells ein. Bei
der Behandlung der akuten Mittelohrentzündung, die einen
lokalen phlegmonösen Prozeß darstellt, haben die allgemein
gültigen chirurgischen Maßnahmen volle Berechtigung. Ebenso
wie eine begimiende Phlegmone durch feuchte Umschläge usw.
zur Rückbildung gebracht werden kann, ist das auch bei einer
Mittelohrentzündung der Fall. Im Vordergrund der Behand¬
lung steht die Parazentese des Trommelfells; die Entleerung
des Exsudats nach außen, um ein Weiterschreiten nach innen
rechtzeitig zu verhüten. Die Parazentese ist im allgemeinen aut
Grund folgender Symptome indiziert: 1. bei starker entzünd¬
licher Vorwölbung des Trommelfells; 2. bei starker Herab¬
setzung der Hörfähigkeit; 3. bei Schwindel; 4. bei lebhaftem
Schmerz in der Ohr- und Kopfgegend mit besonderer Berück¬
sichtigung des Warzenfortsatzes; 5. bei Fieber; 6. bei allgemei¬
nen schweren Krankheitserscheinungen.
Normalerweise lassen bei Ausführung der Trommelfell¬
eröffnung die subjektiven Beschwerden und die Fieberbewegun¬
gen allmählich nach. K r.
Prof. Dr. Gustav Spiess (Frankfurt a. M.): Ein Fall hochgradiger
Dyspnoe infolge eines Polypen im rechten Bronchus. (Münch,
med. Wochenschr., 1910, No. 40.)
Verfasser berichtet über einen Fall, welcher wieder die
große klinische Bedeutung der Bronchoskopie beweist. Eine
47 jährige Frau, die schon mehrere Jahre an bronchitischen Be¬
schwerden gelitten hatte, erkrankte an immer stärker werden¬
den dyspnoischeri Zuständen. Der physikalische Befund deutete
auf eine tiefsitzende Trachealstenose mit Kompression des
rechten Bronchus. Als Ursache vermutete Verfasser einen
Tumor, eventuell eine tiefsitzende Struma. Zunächst wurde
bei der Patientin die Tracheotomie gemacht; diese allein brachte
noch keine Linderung, diese erfolgte erst nach Einführung einer
langen König sehen Kanüle über die Bifurkation hinaus in
den linken Bronchus. Da der Zustand der Patientin in den
nächsten Wochen sich nicht besserte, wurde von der Tracheal-
wunde aus die bronchoskopische Untersuchung vorgenommen.
Man sah die Bifurkation von einem graurötlichen etwas höcke¬
rigen Tumor überlagert. Der Schleimhautüberzug war ohne
Ulceration; der rechte Bronchus war vollkommen verstopft,
während das Lumen des linken Bronchus zur Hälfte frei war.
Der Tumor war von derber Konsistenz und ließ sich mit der
Sonde etwas hin und her bewegen. In einer zweiten Sitzung
nach zwei Tagen gelang es, mit einer scharfen Zange den
Tumor zu fassen und abzureißen; die Ansatzstelle befand sich
direkt neben der Bifurkation im rechten Bronchus; der Tumor
hatte das Aussehen eines fibrösen Polypen, war etwa 4 cm
lang und 1—1% cm dick, gestielt. Die Blutung war minimal.
Nach der Entfernung des Tumors machte die Besserung nur
langsame Fortschritte. Die Atemnot ist zwar im wesentlichen
gehoben, doch ist der Perkussionsschall über der rechten Lunge
noch nicht vollständig aufgehellt, auch bestehen noch Rassel¬
geräusche. Im Röntgenbilde sieht man einen Schatten in dem
betreffenden Bezirk, der als partielle Atelektase zu deuten ist.
Die histologische Diagnose ergab, daß der Tumor einen ödema-
tösen Polyp mit versprengten Knorpelkeimen kombiniert mit
einem lappigen Ekchondrom darstellte. Nach Verfasser ist dies
der erste Fall eines in vivo diagnostizierten und operierten
Bronchialpolypen.
Dr. Gottfried Roth (Reichenhall): Ueber die Daueranästhesie
des Kehlkopfs bei Tuberkulose durch Alkoholinfiltration
des N. laryngeus sup. (Münch, med. Wochenschr., 1910,
No. 42.)
Vor einigen Jahren empfahl Hoff mann (München) die
Daueranästhesie des tuberkulösen Kehlkopfs durch Alkohol¬
injektionen in den Ramus int. des Nervus laryngeus sup. Verf.
hatte Gelegenheit, in Erlangen und Wien das Verfahren an
einer Reihe von an Kehlkopftuberkulose leidenden Kranken
(23 Männern, 10 Frauen) nachzuprüfen. Das Verfahren ist
indiziert in allen den Fällen, wo die Schmerzen so stark sind,
daß sie durch die üblichen örtlichen Anästhetica (Kokain,
Anästhesin, Orthoform etc.) nicht gelindert werden und durch
die starken Schluckbeschwerden die Nahrungsaufnahme er¬
schwert wird. Fieber bildet keine Kontraindikation gegen die
Alkoholinjektion, auch nicht vorgeschrittene Kachexie. Was
die Technik anlangt, so benutzte Verfasser die Schlösse r -
sche Alkoholspritze mit der von Hoffmann mit einer Marke
versehenen Nadel (aus der Fabrik von Katsch in München);
bei der Injektion befanden sich die Kranken immer in Längs¬
lage; zur Spannung der Weichteile des Halses war ihnen unter
den Nacken ein Polsterkissen geschoben. Der typische Druck¬
punkt war stets leicht auffindbar zwischen Zungenbein und
Schildknorpelplatte, da wo der Ramus inferior des N. laryngeus
sup. die Membrana hyo-thyreoidea durchbohrt. Die Einstich¬
stelle wird mit Alkohol und Aether oder mit Alkohol und
Sublimat gereinigt. Dann drückt man sich den Kehlkopf mit
dem Daumen nach der Seite des Druckpunktes, setzt den Zeige¬
finger auf den Druckpunkt auf und sticht hier die Nadel 114 cm
tief in die Haut ein. Nun wendet man die Nadel nach außen
und oben. Gibt der Patient an, heftigere nach dem Ohr aus¬
strahlende Schmerzen zu empfinden, so hat man den Nerven
mit der Nadel getroffen. Manchmal erfolgt dann auch ein
leichter Hustenstoß. Meist genügt 1 ccm Alkohol zur Anästhe¬
sierung des Kehlkopfs, ausnahmsweise braucht man 114 bis
2 ccm. Gewöhnlich wurde die Alkoholinjektion nur auf einer
Seite vorgenommen; in zwei Fällen wurde diese auf beiden
Seiten direkt nacheinander gemacht und gut vertragen. Wesent¬
liche Störungen kamen nach der Injektion nicht vor, nur ein
Patient, der sich im Endstadium der Tuberkulose befand,
wurde während der Injektion von einer schweren Ohnmacht be¬
fallen. Nach der Injektion genügt eine Bedeckung der Injek-
tionsstelle mit steriler Gaze und Heftpflasterstreifen, ln allen
Fällen mit Ausnahme eines einzigen wurden die Schmerzen
nach der Injektion vermindert, meist trat die günstige Wirkung
ein oder zwei Tage nach der Injektion ein. Durchschnittlich
hielt der Erfolg der Alkoholinjektion sieben Tage hindurch an;
läßt die Wirkung nach, so muß die Injektion wiederholt werden.
Verfasser hat bei einem Kranken die Injektion ohne nachteilige
Wirkung fünfmal wiederholt. R. L.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
787
No. 40.
Prof. Dr. Edmund Meyer (Berlin): Eisensajodin in seiner
rhino-Iaryngologischen Verwendung. (Berlin, klin. Wochen¬
schrift, 1910, No. 42.)
Verfasser setzt vor allem den außerordentlich großen Vor¬
teil dieses Präparates gegenüber den Pharmakopoe-Produkten
auseinander, indem das Eisensajodin vollkommen geschmackfrei
ist, sich nicht zersetzt und, da in Schokoladentabletten in den j
Handel gebracht, von den Kindern sehr gern genommen wird.
Außerdem ist es frei von allen Nebenwirkungen mit Bezug auf
die Schleimhäute, es wird außerordentlich gut von den Patien¬
ten vertragen, man gibt es am besten im Anschluß an die Mahl¬
zeiten. Die ersten Versuche des Verfassers beziehen sich auf
Kinder mit lymphatischer Konstitution, die wegen der be¬
stehenden Veränderungen am lymphatischen Rachenring be¬
sonders häufig Spezialistenbehandlung aufsuchen, dann auf
Patienten, die die häufig auftretende Laryngitis nodosa zum
Laryngologen führt. Dosis: etwa dreimal täglich eine Tablette
bis 2X2 Tabletten. Irgendwelche Störungen machten sich
bei dieser Medikation nicht bemerkbar, im Gegenteil, die kleinen
Patienten nehmen das Eisensajodin wegen der Schokoladeu-
tablettenform nicht nur ohne Widerstreben, sondern s i e
fordern sie selbst. Unter dem Gebrauch konnte Ver¬
fasser regelmäßig alsbald eine Hebung des Appetites konsta¬
tieren. Kinder, die bis dahin schlechte Esser waren, nahmen
die Nahrung lieber und in größeren Mengen; dementsprechend
war meist schon nach kürzerer Zeit eine Gewichtszunahme und
Besserung der Gesichtsfarbe zu beobachten. Die Lymphdrüsen-
schwellungen bildeten sich zurück. Auch nach wochenlangem
fortgesetzten Gebrauch traten keine Nebenwirkungen auf. Ins¬
besondere wurde das Eisensajodin bei sehr schwächlichen
Kindern vom Magen und Darm sehr gut vertragen. Eine größere
Zahl von Versuchen stellte Verfasser bei chronischen Bronchi¬
tiden an; hier mußte die Dosis etwas erhöht werden: vier bis
sechs Tabletten pro Tag. Durchgängig war der Einfluß auf
die Sekretion ein günstiger, das zähe, spärliche Sekret wurde
reichlicher, seine Entfernung weniger quälend; gleichzeitig
war eine Abnahme der katarrhalischen, auskultatorisch nach¬
weisbaren Geräusche zu bemerken. In drei schweren Fällen
von Asthma, die bereits vorher mit verschiedenen. Jodpräpa¬
raten behandelt waren, trat eine auffallende Einwirkung des
Mittels zutage. Dabei überrascht es. daß das. Eisensajodin
dort besser vertragen wird, wo die Wirkung des einfachen
Sajodins im Stich läßt. Eine Erklärung hierfür vermag Ver¬
fasser nicht zu geben, die Tatsache besteht jedoch zu Recht und
trat in auffallender Weise in die Erscheinung. Endlich hat
Verfasser das Mittel noch mit sehr günstigen Erfolgen bei
Arteriosklerose, bei Aneurysma im Pharynx und bei trockenen
Katarrhen der oberen Luftwege verwendet. Die in neuerer Zeit
seitens der Schweizer-Apotheke, Berlin W. 8, als ,-Eisensajodin-
Emulsion“ in den Handel gebrachten Lösungen des Eisensajo-
dins in Oel sind ein zweckentsprechender Ersatz der Scotts
Emulsion. Sie kommen ganz vorzüglich bei den kleinen
Patienten in Betracht, bei denen es sich noch um die Zufuhr
hoher Kalorienwerte durch das Oel handelt. —r.
Dr. Paul Cohn: Eisensajodin in der Augenheilkunde. Aus der
..Kinderaugenheilanstalt“, Berlin. (Med. Klinik, 1910,
No. 42.)
Es ist erstaunlich, daß unser Arzneischatz kein angenehm
schmeckendes Jodeisenpräparat unter den offizineilen besitzt,
denn die vorhandenen zeichnen sich durch einen nicht nur un¬
angenehmen Geschmack aus, sondern auch durch Inkonstanz,
so daß sie oft genug infolge Freiwerdens von Jod Reizungen
der Schleimhäute hervorrufen. Deshalb ist es zu begrüßen',
daß in dem Eisensajodin ein geschmackfreier Körper gefunden
wurde, der noch den Vorzug besitzt, mit Schokolade kompri¬
miert zu sein und in Form der Tabletten in den Handel zu
gelangen, von denen eine jede 0.5 des Produktes enthält. Ver¬
fasser hat in seinem Privat-Institut, der Kinder-Augeuheil-
anstalt in Berlin, das Eisensajodin in ausführlichster Weise ge¬
prüft. Dabei handelte es sich um ganz besonders elende und
in ihrem Ernährungszustand ganz heruntergekommene Kinder,
die in sehr vernachlässigtem Zustande seiner Kinderklinik
überwiesen wurden. Wenn bei solchen Patienten ein Präparat
sich als nützlich erweist, so kann auch a priori ein noch besse¬
rer Erfolg bei der Privatklientel erwartet werden! Die
15 augenkranken Kinder boten das typische Bild der Skrofu¬
löse. Drüsenschwellungen, ausgedehnte Ekzeme an den Lidern,
im Gesicht, hinter den Ohren, auf dem Kopfe, die typischen
Erkrankungen der Bindehaut Iris zu den schwersten eitrig-
ulcerösen Erkrankungen der Hornhaut. Der klinische Aufent¬
halt der Kinder schwankte zwischen 2 und 17 Wochen, ihr
Alter zwischen 3 und 13 Jahren. Die Dosis des Medika¬
mentes beträgt je nach dem Alter der Kinder zwei bis drei
Tabletten täglich, stets im Anschluß an die Mahlzeiten. Jeg¬
liche anderweitige innerliche medikamen¬
töse Therapie fiel fort. Alle Kinder, ohne Ausnahme,
nahmen die Tabletten mit großem Vergnügen. In keinem
Fall traten Magen- oder Darmstörungen ein, niemals üble
Nebenwirkungen des Jodes, dagegen ein deutlicher, günstiger
Einfluß auf das Allgemeinbefinden, der Appetit nahm stets in
erfreulicher Weise zu, das Aussehen der Kinder besserte sich
zusehends, die Wangen röteten und füllten sich, die Ekzeme
heilten in manchmal überraschend schneller Weise ab. Auch
bei den eigentlichen Augenaffektionen war, von einzelnen, be¬
sonders hartnäckigen Fällen abgesehen, stets eine schnelle
Besserung und Heilung zu verzeichnen. Die Gewichtszunahmen
sind ganz beträchtliche und werden in einer Tabelle angegeben.
Ein Fall mit einem hereditär-luetischen Augenleiden verlief
ganz besonders leicht und schnell. Verfasser erwähnt be¬
sonders die Spezialitäten der Schweizer-Apotheke in Berlin
W. 8, die Lösungen des Eisensajodins in Lebertran und eine
Eisensajodin-Emulsion, letztere als Ersatz von Scotts Emul¬
sion, in den Handel bringt, die dadurch ausgezeichnet sind, daß
die betr. Lösungen keinen Geschmack aufweisen, da Eisen¬
sajodin an und für sich geschmackfrei ist. G.
Dr. J. Igersheimer (Halle a. S.): Die ätiologische Bedeutung
der Syphilis und Tuberkulose bei Erkrankungen des Auges.
(v. Graefes Archiv für Ophthalmologie, Bd. 76, H. 2.)
In dieser umfangreichen Arbeit bespricht Verfasser die
ätiologische Bedeutung der Syphilis und Tuberkulose für die
wichtigsten Erkrankungen des Auges, teils auf Grund der
Literatur, hauptsächlich aber unter Zugrundelegung eigener,
in den Universitätsaugenkliniken zu Heidelberg und Halle a. S.
angestellten Untersuchungen. Von den modernen diagnosti¬
schen Hilfsmitteln der W a s s e r m a nn sehen Reaktion für
die Syphilis, der Tuberkulineinspritzung bei der Tuberkulose,
wurde dabei in weitgehendem Umfang Gebrauch gemacht. Die
wesentlichsten Ergebnisse des Verfassers sind folgende: I. ln
bezug auf die Syphilis. Eine stark positive Wasser¬
mann-Reaktion (komplette Hemmung der Hämolyse) zeigt
an, daß noch ein florider syphilitischer Prozeß im Körper be¬
steht. Inkomplette Hemmung findet man häufig bei klinisch
abgelaufenen, luetischen Prozessen. Negative W.-R. sagt zwar
nichts darüber aus, ob nicht früher syphilitische Infektion statt¬
gefunden hat, spricht aber durchaus gegen den luetischen Cha¬
rakter einer frischen, entzündlichen Affektion am
Auge oder sonstwo am Körper. Gummöse Prozesse gehen
öfters mit negativer W.-R. einher. Auf dem Gebiet der here¬
ditären Lues ergab sich: Bei hereditär-luetischen selbst
älteren Individuen (besonders solchen, die an Keratitis
parenchymatosa leiden oder gelitten haben) findet sich sehr
oft ein stark positiver Ausfall der W.-R. Die besondere
Schwere der Affektion äußert sich 1. darin, daß im Unterschied
zur akquirierten Lues die W.-R. bei hereditärer Lues selbst
nach ausgedehnten Hg-Kuren nicht erlischt. 2. darin, daß noch
im fünften Lebensjahrzehnt bei Hereditär-Luetischen schwach
positive W.-R. nachgewiesen werden konnte. Die Mütter here¬
ditär-luetischer Kinder im Spätstadium zeigen größtenteils posi¬
tive W.-R. (Dies spricht gegen das C 0 11 e s schp Gesetz.)
Bei Untersuchungen von Nachkommen luetischer Eltern er¬
gaben die klinisch normalen älteren Kinder meist negative
W.-R. Soweit sie bei klinischer Latenz positive Reaktion auf¬
weisen, laufen sie große Gefahr, mit der Zeit eine, manifeste,
luetische Erkrankung durchzumachen. Hereditär-luetische
Gravidae können in seltenen Fällen Infektionsquellen für ihre
Kinder werden. — Bei Erkrankung der Lider und der Binde¬
haut sichert der Nachweis der Lueserreger oft in einfacher
Weise die Diagnose. Die Tarsitis luetica ist in manchen Fällen
als papulöses (nicht gummöses) Infiltrat aufzufassen. Der fast
stets positive Ausfall der W.-R. auch dann, wenn weder Anam¬
nese noch Befund für Lues sprechen, zeigt in unzweideutiger
Weise, daß es sich bei den an Keratitis parenchyma¬
tosa leidenden Patienten nahezu immer um luetische Indi¬
viduen handelt. Bei 91 eigenen Fällen des Verfassers war nur
zweimal Lues nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Die Lues
kommt also nahezu allein als ätiologischer Faktor bei der
primären parenchymatösen Hornhautentzündung in Betracht.
Es scheint, daß das Entstehen der Keratitis parenchymatosa an
die Anwesenheit der Lueserreger in der Cornea gebunden ist.
— Bei den Erkrankungen der Iris und des Ciliar körpers
kommt bei Erwachsenen nach dem eigenen Material des
Verfassers nur in 11.6 pCt. der Fälle Lues ätiologisch in Frage,
während sie bei Kindern anscheinend der wichtigste ätiolo¬
gische Faktor ist. Nach dem heutigen Stande der Wissenschaft
kann man eine Iritis als luetisch ansehen 1. bei Anwesenheit
luetischer Frühsymptome am Körper, 2. wenn sie als Rezidiv
auftritt mit positiver W.-R., 3. wenn eine gummöse Form bei
positiver W.-R. vorliegt. Dagegen ist eine frische Iritis bezw.
Iritocyklitis im allgemeinen nicht als luetisch anzusprechen
bei Abwesenheit sonstiger sekundär-luetischer Erscheinungen
und bei negativer W.-R., selbst wenn eine frühere syphilitische
Infektion zugestanden wird, vorausgesetzt, daß nicht anti¬
syphilitische Kuren kurz vorausgegangen sind. — Choriore¬
tinitis che Prozesse beruhen nach des Verfassers Be¬
obachtungen in mindestens 85 pCt. der Fälle 11 i c h t auf Lues,
bei Kindern dagegen bei mindestens 60 pCt. auf Syphilis. Der
738
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 49.
nicht selteh negative Ausfall der W.-R. bei leichteren Fällen
von Chorioiditis anterior bei sicher hereditär-luetischen älteren
Kindern zeigt wahrscheinlich an. daß diese chorioretinitischen
Prozesse meist in der frühesten Kindheit spielen und die Lues
dann abheilt. Bei der Retinitis albuminurica,
diabetica, haemorrhagica und pigmentosa
kommt die Lues als ätiologischer Faktor kaum in Frage; der
Embolie der Zentralarterie liegen dagegen öfters luetische Ge¬
fäßerkrankungen zugrunde. In 25 pCt. der von Verfasser be¬
obachteten Fälle von Erkrankungen des Opticus lag Lues vor.
Vereinzelt handelt es sich wohl uin isölierte syphilitische Affek¬
tion des Sehnerven, meist um fortgeleitete Prozesse. Bei den
von Verfasser beobachteten Augenmuskellähmungen, die als
tabisch anzusprechen waren, konnte bei 70 pCt. Lues nach¬
gewiesen werden, bei den übrigen in 57,4 pCt. II. Ergeb-
nisseinbezugaufTuberkulose. Eine Augenaffektion
wird bei einem tuberkulösen Menschen im allgemeinen dann mit
Recht selbst als tuberkulös angesehen, wenn auf subkutane In¬
jektion von Alt-Tub. eine Lokalreaktion am Auge erfolgt. Aber
auch wenn diese lokale Reaktion nicht eintriti, gelingt es mit
annähernder Sicherheit, die Diagnose auf Augentuberkulose
zu stellen, wenn man im einzelnen Falle alle für Tuberkulose
in Betracht kommenden Faktoren gegeneinander abwägt
(Anamnese, Allgemein- und Lokalbefund, diagnostische Tuber¬
kulininjektionen, Besserungen bezw. Veränderungen am Auge
schon nach einer oder wenigen Injektionen, Erfolg einer Tuber¬
kulinkur usw.). Bei Allgemeinreaktion erst nach 5 mg Alt¬
tuberkulin stellte sich die Augenaffektion meist als nicht oder
fraglich tuberkulös heraus, während das Umgekehrte der Fall
war, wenn schon Bruchteile von 1 mg allgemeine Reaktion aus¬
lösten. Der Prozeß am Auge war besonders dann meist tuber¬
kulös, wenn schon auf kleine Mengen Reaktion eintrat. Anam¬
nese und körperlicher Befund aber nichts für Tuberkulose er¬
gaben. Subconjunctivale Tuberkulinreaktionen scheinen im
allgemeinen einen bestehenden tuberkulösen Augenprozeß un¬
günstig zu beeinflussen. Im speziellen konnte bei 34 tuber¬
kulösen Patienten eine Erkrankung der ganzen Uvea bezw.
eines Teiles derselben in 52.3 pCt. der Fälle als tuberkulös be¬
zeichnet werden, während die diagnostische Tuberkulinreaktion
bei 50 Beobachtungen in 88 pCt. positiv ausgefallen war.
Skleritische und episkleritische Affektionen scheinen sehr oft
tuberkulöser Natur zu sein. Gelenkrheumatismus und Tuber¬
kulose schließen sich als ätiologische Momente bei skle-
ritischen Prozessen nicht aus, da ein typischer Gelenk¬
rheumatismus auf Tuberkulose beruhen kann. Die An¬
schauung, daß bei der primären Keratitis parenchymatosa
neben der Lues auch die Tuberkulose von ätiologischer Bedeu¬
tung ist, ist nach Verfasser zurückzuweisen; eine tuberkulöse
parenchymatöse Keratitis ist jedenfalls sehr selten, es existiert
keine einzige sicher beweisende Beobachtung. — Dagegen ist
die Tuberkulose imstande, das Bild einer akuten retrobulbären
Neuritis mit zentralem Skotom hervorzurufen. Auch bei Affek¬
tionen der Netzhautgefäße und ihren Folgezuständen scheint die
Tuberkulose hier und da ätiologisch in Betracht zu kommen.
R. L.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“.)
Sitzung vom 9. November 1910.
Vorsitzender: Herr Orth,
• (Schluß.)
Indikationen
zur künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft.
Herr Hammerschlag: Auf dem Kongreß der deutschen Ge¬
sellschaft für Gynäkologie in Straßburg wurde darüber
debattiert, wie sich die moderne Geburtshilfe zur Frage der
künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft stellt. Straf¬
rechtslehrer meinten, daß im Gesetz die Fälle festgelegt werden
sollten, in denen die Schwangerschaft zu unterbrechen sei, die
Aerzte hingegen sprachen sich gegen ein solches Festlegen im
Gesetz aus, da es vom Uebel sei; vielmehr sollte es dem Pflicht¬
gefühl des Arztes anheimgestellt werden, zu entscheiden, in
welchem Falle die Unterbrechung berechtigt ist und in welchem
nicht. Darüber sind sich jedoch alle einig, daß, wenn man sich
zum Eingriff entschließt, man aufs sorgfältigste die Indikation
zu demselben feststellen muß, und auch soziale wie äußere
Gründe als bestimmend für das Verhalten der Aerzte ansehen
darf. So einfach und sicher indes die Technik des Eingriffs ist,
so schwierig ist es. die Situationen zu bestimmen, die zu
ihm berechtigen. Vortragender möchte nur einige Indi¬
kationen vortragen, um den gegenwärtigen Standpunkt unserer
Anschauungen zu schildern und um, unter Weglassung aller
Indikationen, die ein ausschließliches geburtshilfliches In¬
teresse haben (enges Becken, Lageveränderungen des Uterus
etc.), wertvolle: Anregungen aus dieser Gesellschaft im Verlauf
einer nachfolgenden Diskussion zu gewinnen.
1. Hyperemesis gravidarum. Bei den leichten
Graden derselben, die in den ersten Monaten zu Ende sind und
die Ernährung nicht beeinträchtigen, ist weiter keine andere
Therapie nötig als die Beobachtung diätetischer Maßnahmen.
In denjenigen Fällen, in denen das Nervenreizzentrum sehr
erregbar ist, kann das Erbrechen einen intensiveren Grad an¬
nehmen, dergestalt, daß Patientin an Gewicht abnimmt. an einer
Unterernährung zu leiden beginnt und seelisch deprimiert wird.
Hier handelt es sich um eine Reflexhysteroneurose. die an sich
noch keinen gefährlichen Charakter hat und oft durch Aende-
rung der Diät (häufige, flüssige Nahrung) und Medikamente
(Brom oder Aspirin) bekämpft werden kann. Gelingt es nicht,
auf diese Weise das Leiden zu beseitigen, so empfiehlt sich
erfahrungsgemäß die Entfernung der Patientin ans dem ge¬
wohnten Milieu, die Unterbringung in eine Klinik und zur Unter¬
stützung die Anwendung suggestiver Behandlung. Hält das Er¬
brechen trotzdem an, dann ist es erforderlich, die nötigen Flüssig¬
keit durch Einläufe auszuführen und Nährklystiere per rectum
zu verabfolgen. Der Erfolg gibt sich durch Gewichtszunahme
und steigendes Wohlbefinden zu erkennen. Es gibt aber Fälle,
die auch diesen therapeutischen Maßnahmen unzugänglich sind
und zu Fiebersteigerungen, Verschlechterung des Gesamtbefin¬
dens und zu psychischen Veränderungen, zur Verminderung
der Harnmenge, Eiweißabscheidung führen. Dann haben wir
es mit dem Intoxikationsstadium zu tun. welches die ungesäumte
Vornahme der Unterbrechung der Schwangerschaft erheischt.
Hier ist jedes Zögern vom Uebel. da sonst der Exitus eintritt.
Eine zweite Indikation stellt der Herzfehler dar. Die
erhöhten Anforderungen an die Herzarbeit während der
Schwangerschaft werden von einem gesunden, oft auch von
einem kranken Herzen noch gut ertragen, so lange die Kom¬
pensation vorhanden ist. Treten Kompensationsstörungen ein,
dann ist die auch sonst bei Herzfehlern übliche Therapie anzu¬
wenden: Körperliche und psychische Ruhe, strenge Diät. Nimmt
die Dyspnoe, die Arrhythmie, das Oedem zu, so ist die Unter¬
brechung der Schwangerschaft indiziert. Dies gilt besonders für
die ersten Monate der Schwangerschaft, da späterhin die Unter¬
brechung einen um so größeren Eingriff darstellt. Sehr störend
ist das Hinzukommen einer Nephritis. Es läßt sich nicht fest¬
stellen. ob es einen bestimmten Herzfehler gibt, der eine be¬
sondere Wertigkeit für die Schwangere besitzt; nur so viel kann
man sagen, daß die myokardische Erkrankung zu den aller¬
schwersten Erscheinungen führt. Es ist daher das Verlangen zu
stellen, daß jede Herzkranke während der Schwangerschaft und
Entbindung unter ärztlicher Kontrolle stehen soll.
3. Lungen- und Larynxtuberkulose. Das Zu¬
sammentreffen der Lungentuberkulose mit Schwangerschaft ist
als ein sehr ernstes Ereignis anzusehen. Wenn es auch Fälle
gibt, in denen eine Kranke mit beginnender Tuberkulose die
Schwangerschaft gut übersteht, so ist doch ein ungünstiger Ein¬
fluß in der Ueberzahl der Fälle zu konstatieren. Dieser wird
bedingt einmal durch das mechanische Moment des Empor¬
drängens der Gebärmutter gegen Ende der Schwangerschaft,
ferner durch die allgemeinen Schädigungen der Schwanger¬
schaft an sich (Glykolvse des Blutes, opsonischer Index); end¬
lich ist es besonders die Blutdrucksteigerung während der Ge¬
burt- die große Anforderungen an die Atmungsorgane stellt,
die Lungen schädigt und sie zu Hämoptoe disponiert. Eine be¬
sonders unheilvolle Komplikation ist die Larvnxtuberkulose.
Sie nimmt stets in der Schwangerschaft einen progredienten
Verlauf. Tn einer Reihe von Fällen gelingt es unter günstigen
äußeren Verhältnissen durch Sanatoriumbehandlung, die Tuber¬
kulose während der Schwangerschaft stationär zu erhalten. Es
kommt aber doch zur Progredienz, die sich nachweisen läßt
durch Abnahme des Körpergewichts Temoeratursteigerung,
Zunahme des Bacillenbefundes und durch positive Tuberkulin»
und negative Ophthalmoreaktion. Ist die Progredienz festge¬
stellt. dann schreite man zur Unterbrechung der Schwanger¬
schaft. besonders im 1. und 2. Stadium (Trabann): bei
Kranken dritten Stadiums ist die Unterbrechung nicht angezeigt,
hier kommt nur das Leben des Kindes in Betracht. Ferner
spielt für den Erfolg die Zeit der Schwangerschaft, in der einge-
schritten wird, eine erhebliche Rolle. Nur in der ersten Hälfte
der Schwangerschaft kann mit einer gewissen günstigen Aus¬
sicht von dem Eingriff Gebrauch gemacht werden. Auch die
Frage der Sterilisation ist zu erwägen. Die Totalexstirpation,
die zu diesem Zwecke vorgenommen worden ist stellt einen
keineswegs gleichgültigen Eingriff dar Dagegen dürfte sich das
Verfahren Sellheims emufehlen, der beide Fimbrienenden
in das Lig. latum einnäht. Das Auftreten einer Larvnxtuber¬
kulose erfordert unbedingt die Unterbrechung wenn es sich
nicht schon um einen vorgeschrittenen Fall 3. Grades handelt.
4. Nierenerkrankungen. Der Uebergang einer
Schwangerschaftsnephritis in die chronische Nephritis gehört
zur größten Seltenheit daher kommt man bei de r Schwanger-
schaftsnenhritis mit Regelung der Diät etc. aus. Treten ernstere
Störungen des Allgemeinbefindens durch Erbrechen und cere¬
brale Erscheinungen auf. dann muß eine energische .Therapie
angewandt werden: Bäder Einpackungen. Schwitzkuren.
Kommt es trotzdem zu Retinitis albuminurica, Blutungen in der
739
No . 49._ THERAPEUTISCHE
Retina, Netihautablösungen, so ist die Unterbrechung der
S'chwnhgerschaft angezeigt, meist in Form der künstlichen Früh¬
geburt. Wird eine Frau mit chronischer Nephritis schwanger,
so kommt es früh zu schweren Störungen, daher ist hier die früh¬
zeitige Unterbrechung zu empfehlen. Die akute Nephritis gibt
selten die Indikation ab für die Unterbrechung. Das Gleiche gilt
für die Pyelitis und Pyelonephritis. Nur in ganz seltenen Fällen
ist man gezwungen, bei Versagen der Therapie und Auftreten,
von Schüttelfrösten und Krämpfen den Eingriff vorzunehmen.
5. Diabetes mellitus. Das Zusammentreffen der
Zuckerkrankheit mit Gravidität ist nicht selten und stellt eine
ernste Kombination dar. Oft gelingt es unter diätetischen Ma߬
nahmen die Schwangerschaft zu einem guten Ende zu führen.
Zeigt der Diabetes Neigung zum Fortschreiten (Auftreten von
Aceton und Acetessigsäure), dann ist schleunige Unterbrechung
am Platze.
6. Chorea. Bei langsam einsetzenden Fällen gelingt es
meist durch Isolieren der Schwangeren, durch Verordnung von
Diureticis, Nervinis und Diaphoreticis Heilung zu erzielen. Bei
akut auftretender Erkrankung, die zu. Muskelkrämpfen und
Intoxikationssymptomen führt, tritt bei Versagen der allge¬
meinen Therapie die Unterbrechung der Schwangerschaft am
besten in den ersten Monaten in ihr Recht.
In allen Fällen, in denen die Unterbrechung einer Schwan¬
gerschaft in Frage kommt, soll das Consilium des Internen mit
einem Gynäkologen voraufgehen.
Diskussion:
Herr Kobrak: Die Otosklerose nimmt in der Schwanger¬
schaft oft einen progredienten Charakter an. daher hält er es für
ratsam, den Patienten den Ehekonsens nicht zu erteilen. In
manchen Fällen von Otosklerose ist die Indikation zur Unter¬
brechung der Schwangerschaft gegeben. Tn einem derartigen
Falle, in dem das Hörvermögen r. = %—1 m. 1. = V% m war,
hat K. die Einleitung des künstlichen Aborts geraten mit dem
Resultat, daß nach 4 Wochen das Gehör r. = 3,5—5 m, links 2 m
betrug.
Herr Toby Cohn: Die ärztliche Regelung der Frage der
Schwangerschaftsunterbrechung ist besonders vom Standpunkt
des Nervenarztes zu begrüßen: denn nirgends ist die Frage be¬
züglich der Vornahme der Unterbrechung so schwierig, wie in
der Neurologie und Psychiatrie. Die Lehrbücher sind so ge¬
halten. daß man nach ihnen eine Indikation zur Unterbrechung
der Schwangerschaft bei psychisch Kranken überhaupt nicht
anerkennen darf.
Herr Neumann (Potsdam! berichtet über seine Erfahrungen
bei der Kombination von Diabetes mellitus und Gravidität. Er
verfügt über 11 Fälle; von diesen hatten 4 Aceton- und Acet-
essigsäureausscheidung. in R von diesen Fällen sind auch ohne
Unterbrechung Mutter und Kind gesund geblieben. Man sei also
zurückhaltend mit der Unterbrechung der Schwangerschaft.
Herr F. Hirschfeld: Auf Nährklvstiere darf man sich bei
Hvperemesis nicht verlassen: denn die auf diese Weise zuge¬
führten Nährstoffe sind an Menge so gering, daß man dabei
höchstens von einer suggestiven Wirkung sprechen kann. —
Es ist unzweifelhaft richtig, daß der Diabetes sich in einer ge¬
wissen Zahl von Scbwangerschaftsfällen verschlimmert, nicht
sicher aber ist es. daß man durch Unterbrechung der Schwan¬
gerschaft darauf rechnen kann, der Patientin zu nützen. Im
Gegenteil, man tut besser daran, die Gravidität ihren Fortgang
nehmen zu lassen.
Herr Krön: Die Entscheidung über eine etwaige Unter¬
brechung der Schwangerschaft bei psychischen Erkrankungen
ist sehr schwierig. Man muß unterscheiden zwischen Psychosen,
die schon bestehen, wenn eine Konzeption erfolgt ist, und
solchen, die erst in der Schwangerschaft selbst ausbrechen. Bel
den ersten kann man abwarten, bei der zweiten Gruppe hängt
die Entscheidung davon ab. ob die Psychose mit stürmischen
und lebenbedrohenden Erscheinungen einhergeht oder einen
mehr langsamen Verlauf nimmt. Am schwierigsten ist die Ent¬
scheidung bei der Melancholie, wenn die Frauen die Frucht
los werden wollen Aber es lassen sich doch Anhaltspunkte
finden, welche die Unterbrechung rechtfertigen. Psychosen, die
in der Gravidität entstehen, brauchen nicht sofort zur Unter¬
brechung zu drängen, seihst wenn sie gefährlich aussehen und
unter stürmischen Erscheinungen auftreten.
Herr Lchfcldt hat eine Frau mit Diabetes in dpr Gravidität
behandelt. Derselbe nahm rapid zu. zeigte Acidose. außerdem
traten Herzstöruneen hinzu. Dadurch sah er sich veranlaßt,
einen Internen und Gynäkologen zwecks Beratung über die Ein¬
leitung des künstlichen Aborts zu konsultieren. Diese waren
dafür. Danach trat eine in die Augen fallende Besserung ein.
T.- ist überzeugt daß hier ohne Unterbrechung Koma und Exitus
eingetreten wäre. Bei einem anderen Falle. Komplikation
von Asthma bronchiale und Gravidität, gelang es teils
durch medikamentöse Behandlung, teils durch suggestiven Zu¬
spruch oh"° Unterbrechung der Schwangerschaft auszukommen.
Herr C. Hamburger verbreitet sich über die Frage der Schwan¬
gerschaftsunterbrechung bei Tuberkulose die mit den sozialen
Verhältnissen eng zusammenhängt; diese sind daher von großer
RUNDSCHAU 1910.
Wichtigkeit Ulld voll äuSsChlägggbfehdör fiedebtuilg bei der Er¬
wägung, ob die Unterbrechung vorzunehmen ist oder nicht. t)ie
Statistik über die Lebenserwartung der Kinder von Frauen, die
an Tuberkulose, und diejenige der Kinder von Frauen, die an
anderen Krankheiten gestorben sind, sollte in Betracht gezogen
werden. II. hat gefunden, daß hier erhebliche Differenzen zu¬
ungunsten der Kinder brustkranker Frauen vorliegen.
Herr Heymann: Durch Kochsalz- und Nährklystiere ist es
bei Hyperemesis gravidarum oft möglich, die Frauen so lange
aufrecht zu erhalten, bis sie Nahrung auf natürlichem Wege
aufttehtnen können. Bei Nieleiltubei'külöse känll ihäh durch die
Unterbrechung der Schwangerschaft der Frau zu einem gesun¬
den Kinde verhelfen. Danach leite man eine Tuberkulinkur ein
und suche durch Ruhe und Ernährung die Frau so zu bessern,
daß sie später ohne Schädigung ein ausgetragenes Kind zur
Welt bringen kann.
Herr Schönheimcr: Bei Psychosen darf man die Indikation
nicht allgemein stellen, sondern muß von Fall zu Fall entschei¬
den. Bei Aufregungszuständen, durch welche die Patientinnen
heruntergekommen sind, wird die Unterbrechung oft nicht
zu umgehen sein. Ferner bei Suizidversuchen, zumal die An¬
staltsbehandlung noch immer eine konstante Mortalitätsziffer
aufweist. Daß die Unterbrechung eine gute Wirkung ausübt, hat
S. in einem Falle von Melancholie in der Schwangerschaft, bei
der ein Suizidversuch unternommen worden war, erfahren. Bei
Diabetes mellitus möchte S. zu größter Vorsicht mahnen; denn
es unterliegt keinem Zweifel, daß der künstliche Abort bei
Diabetes viel gefährlicher ist als bei anderen Krankheiten. Eine
Infektion erlebt man nicht ganz selten. Selbst bei Aceton- und
Acetessigsäureausscheidung würde er doch lieber zu einem ab¬
wartenden Verhalten raten.
Herr Hammerschlag (Schlußwort): Bezüglich des Diabetes
steht H. nicht auf dem ablehnenden Standpunkt wie einige dei
Vorredner, da er auch seine Erfahrungen besitzt. Bei Aus¬
scheidung von Aceton etc. kommt die Unterbrechung zuweilen
schon zu spät, um die Mutter noch retten zu können.
Britzmann.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung“.)
Sektion für Kinderheilkunde.
Sitzung vom 21. November 1910.
Vorsitzender: Herr Heubner.
Vor der Tagesordnung:
Ein Fall von endolaryngealer Schilddrüse heim Säugling.
Herr E. Meyer: Es handelt sich um ein Kind von 5 Monaten,
das seit der Geburt an Heiserkeit und Schweratmigkeit litt; an
der vorderen Kommissur und an beiden Stimmbändern saß ein
Tumor, der wie ein Papillom aussah. M. entfernte zunächst ein
Stück aus der Tiefe, das subglottisch inserierte, es war kein Pa¬
pillom, sondern Schilddrüsengewebe. Zunächst sah er wegen
der Gefahr der Blutungen von weiteren Eingriffen ab, später
hat er aber den größten Teil endolaryngeal ohne Störung ent¬
fernt. Die weiteren Stücke, die oberhalb der Stimmlippen inse¬
rierten, waren einfache Kehlkopfpapillome.
Der Fall ist in'verschiedener Hinsicht interessant. Die Fälle
von endolaryngealer Struma oder Schilddrüse sind selten; bisher
sind nur 20 bekannt, die alle das Alter von 20 Jahren aufwärts
betreffen. Vom frühen Kindesalter ist bisher kein einziger Fall
beschrieben worden. Sind es versprengte Keime der Schild¬
drüse, die sich mit der Pubertätsentwicklung entwickeln? Hier
handelt es sich sicher um versprengte Keime; das ist wohl die
Erklärung auch für die später entstandenen Tumoren.
Tagesordnung:
Ueher epidemische spinale Kinderlähmung.
Herr Eckert hat in der II e u b n e r sehen Kinderklinik
eine Anzahl frischer Fälle von spinaler Kinderlähmung beob¬
achtet; sie wurden in Berlin bisher wenig gesehen; in letzter
Zeit haben sie sich gehäuft. Die jüngeren Aerzte haben woiil
kaum Gelegenheit gehabt, das akute Stadium zu sehen. Die mo¬
derne Literatur ist reichhaltig und als bekannt vorauszusetzen.
Vortragender will nur über die 19 in der Heubner sehen
Klinik beobachteten Fälle, von denen 16 reine waren, ausführ¬
lich berichten.
Die Fälle sind regellos über die Stadt verstreut; vielleicht
kommen sie besonders aus dem Süden und dem Nordosten bis
nach Lichtenberg. Gerade im Süden, in Steglitz und Wilmers¬
dorf sind mehrere Fälle beobachtet worden. Eine allgemeine
Meldepflicht fehlt noch.
Die Frage, ob die Krankheit ansteckend ist, ist noch nicht
endgültig entschieden, zwar sprechen sich viele Forscher dafür
aus, Vortragender sah nur eineu Fall von Familieninfektion, ob¬
wohl viele Patienten aus kinderreichen Familien stammten. Be¬
sonders bei Kindern von Schuhmachern und Kutschern wurde
die Krankheit früher beobachtet; es wurde daher eine Boden-
infektion als Anlaß angenommen. Aber diesmal lagen die ver-
740
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 49.
schiedensten Berufe vor; nur 2 Väter waren Schuhmacher, einer
Kutscher. Nur eine Beobachtung spricht für den Ursprung aus
dem Boden; einmal wurde eine Verletzung an der Vulva infolge
schlechten Sitzens auf einem Pfluge gesehen; die Wunde soll
lange geblutet und schwer geheilt sein. Bald darauf erkrankte
das Kind.
Ein Kind war 11 Monate alt, 13 Kinder waren älter; nur 5
waren im schulpflichtigen Alter. Gerade das frühe Kindesalter
ist besonders disponiert, ebenso wie bei der epidemischen Me
ningitis, die ja auch zuerst die. jüngsten Kinder betrifft.
Das Stadium der Inkubation dauerte 1—5—8—16 Tage.
Nur eine Beobachtung gibt einen gewissen Hinweis: der Bruder
war 8 Tage vor der Schwester erkrankt; Zwischenträger sind
aber nicht auszuschließen. Es waren alles kräftige, gut ent¬
wickelte Kinder; mit konstitutionellen Leiden scheint die
Krankheit nichts zu schaffen zu haben; ein Kind hatte Lues,
zwei zeigten Pirquet sehe Reaktion und vier exsudative Dia-
these. Nie bestanden Beziehungen zu akuten Infektionskrank¬
heiten, wie das bei Encephalitis manchmal vorkommt; 4 mal
wurde ein Trauma als Ursache angenommen, ohne daß ein
strikter Nachweis möglich war; 2 mal wurde die Entfernung der'
adenoiden Wucherungen, 2 mal Erkältung angeschuldigt.
Prodrome wurden nur bei 5 Kindern beobachtet; 1—3 Tage
bestanden leichte Benommenheit, Apathie, Appetitlosigkeit, Ge¬
fühl von Schwere in den Beinen und einmal Schüttelfrost ohne
Temperaturerhöhung. Der Beginn war zeitlich durch ein Sym¬
ptom scharf abgegrenzt, also akut. Aber die Erscheinungen
waren sehr verschieden, bald mehr, bald weniger stürmisch, der
Ablauf sehr wechselnd. Einmal drängten sich die Anfangssym- .
ptome auf einen kurzen Zeitraum zusammen; in wenigen Stun¬
den bis Tagen erreichte der Prozeß den Höhepunkt, um dann
abzufallen. Dagegen verlief die Infektion bei 6 Kindern folgen¬
dermaßen: Sie waren abends wohl und munter, schliefen in der
Nacht und wurden am nächsten Tage gelähmt gefunden. Ferner
kam ein mehr oder weniger stürmischer Anfang vor, der meh¬
rere (bis 7) Tage zur Entwicklung der Krankheit brauchte. Läh¬
mungen und andere Symptome erreichten dann den Höhepunkt.
— Mehrere Arten des Ablaufes waren zu beobachten. Entweder
die Krankheit bestand aus einzelnen Schüben oder plötzlicher
Beginn: Die Krankheit erreicht eine gewisse Höhe und geht
dann zurück, dann befinden sich die Kinder mehrere Tage völ¬
lig wohl, aber es kommt ein neuer Nachschub meist zu größerer
Höhe und nun erst das Stadium decrementi; in einem solchen
Falle bestand eine Zwischenzeit des Wohlbefindens von 14 Ta¬
gen, die einzelnen Initialsymptome waren nach Schwere, Zahl
und zeitlicher Anordnung sehr mannigfaltig. Das Fieber ist
häufig, aber durchaus nicht immer das erste Symptom. Nur bei
einem Kinde schien es völlig zu fehlen. Die Höhe ist nicht groß;
sie lag zwischen 38 und 39,5 Grad und erreichte nur bei einem
Falle, der schnell zu Tode ging. 41.2 Grad. Die Dauer war kurz,
4—5 Tage. Der schwerste Fall fieberte 10 Tage. Ausnahms¬
weise kamen Nachschübe bis zum 36. Tage vor; hier waren
starke meningitische Symptome vorausgegangen. Der Puls war
nur einmal (in dem erwähnten tötlichen Falle) irregulär.
Das Körpergewicht zeigte nur 2 mal im akuten Stadium eine
auffällige Abnahme. Bewußtlosigkeit war fast nie vorhanden;
immerhin kam leichte Benommenheit des Seusoriums bis fast
zur Bewußtlosigkeit vor; letztere war in dem meningetischen
Falle vorhanden. Krämpfe wurden nie gesehen. Doch sollen
die Kinder ab und zu im Anfang die Augen verdreht haben.
Delirien wurden 2 mal bemerkt; sie dauerten nur kurze Zeit.
Jaktation und Phantasieren kamen vor.
Die Stimmung der Kinder war immer schlecht; meist
herrschte Mißstimmung und Angst; das war aber kein cere¬
brales Zeichen. Sie hatten nämlich große Schmerzen. Dieser
Schmerz ist im akuten Stadium das Zeichen, das oft das ganze
Krankheitsbild beherrscht; er tritt sehr oft auf, noch vor oder
gleichzeitig mit den Lähmungen, so daß die Eltern nur ihn be¬
merken. Er kann spontan auftreten. Ein älterer Knabe erwachte
nachts davon. Er geht aber vorüber: nur einmal glaubt Vor¬
tragender Ueberempfindlichkeit der Haut gesehen zu habeu.
Sonst bestand nur Druckempfindlichkeit der Muskulatur der
gelähmten Glieder. Noch schmerzhafter war der Zug an diesen
Gliedern. Charakteristisch ist die Lokalisation des Schmerzes
in der Wirbelsäule. Jede Bewegung derselben erzeugt den
stärksten Schmerz. Die Untersuchung muß daher eine sehr vor¬
sichtige sein. Die Muskelwülste springen sonst straff hervor,
die Kinder schreien. Das Schmerzgefühl war nie in den Nerven
lokalisiert. Auch die Austrittsstellen der Zwischenrippen-
Nerven zeigten keine Druckempfindlichkeit. Es müssen also die
Meningen mitbeteiligt sein. Dieser typische Schmerz tritt sehr
früh auf und ist im Anfang das beherrschende Symptom. Ei'
kann aber sehr lange bestehen. Einmal wurde er noch nach
50 Tagen nachgewiesen; das Kind konnte frei sitzen: beim An¬
heben an den Armen trat sofort Schmerz der Wirbelsäule auf.
Solange wir einen solchen Schmerz nachweisen können, werden
wir noch akute Reizerscheinungen an den Meningen annehmen
müssen, solange gehört der Kranke ins Bett. Dazu kommt die
Nackensteifigkeit. Die Kinder können auf flacher Unterlage
ihren Kopf frei nach allen Seiten bewegen. Schob man aber die
Hand unter den Nacken, so daß sich die Brustwirbel von der
Unterlage entfernten, so trat sofort Starre der Muskulatur,
Nackensteifigkeit und Schmerzgefühl ein. Diese Steifigkeit ist
aber verschieden von derjenigen bei tuberkulöser Meningitis.
Sie wurde immer nur reflektorisch ^usgelöst; anders war es bei
den meningitischen Fällen. Hier sah Vortr. 2 mal ein in das
Kissen Bohren des Kopfes. Diese Nackensteifigkeit schwand
eher als die Rachialgie.
An der Haut der Kinder zeigte sich sehr starke vasomotori¬
sche Uebererregbarkeit: leichte Rötung, manchmal ein urticaria¬
ähnliches Exanthem. Ein pathognomonisch wichtiges Zeichen
sind die Schweißausbrüche; sie treten früh auf und können sich
über eine Woche hin erstrecken. Sonst sah Vortragender sie
nur bei Lyssa.
Lymphdrüsenschwellungen wurden nie beobachtet, ebenso
wenig Schwellungen der Milz. Augensymptome waren gering;
nie wurden Veränderungen im Augenhintergrund gefunden, nie
Augenmuskellähmungen, nie Pupillenlähmung, nur 1 mal Ptosis
des rechten oberen Augenlides; vielleicht bestand hier auch
etwas weitere Pupille.
Ohren- und Nasenuntersuchung ergab nichts. Im Rachen
fand sich nur 2 mal leichte Rötung; 3 Kinder klagten über
Schluckbeschwerden. Nie bestand Schwellung und Belag.
Was den Verdauungstraktus betrifft, so klagten alle Kinder
über Appetitlosigkeit; dieselbe ging bald vorüber. Erbrechen
fand sich bei 11 Kindern; es ist ein frühes Symptom, wurde aber
auch bis zu 14 Tagen gesehen. Bei 5 Kindern bestanden Durch¬
fälle, sie waren nicht stark, 5—6 Stühle. Nur in einem Falle
dauerten sie 3 Tage, sonst nur 2 Tage. Dann trat Obstipation
ein. Diese Verstopfung war bei 11 Kindern zu sehen, und zwar
sehr stark. Es war durch Abführmittel und Klystiere Stuhlgang
nicht zu erzielen; einmal bot sie den Charakter der Darmläh¬
mung dar. Nach 6 Tagen erfolgte glasiger Schleimstuhl ohne
Beimengung von Fäces. Das dauerte bis zu 14 Tagen, um gänz¬
lich auszuheilen. Gar keine Nierenerscheinungen bestanden.
Erscheinungen von seiten des Respirationstraktus waren gering;
nur 2 mal fand sich Bronchitis, 2 mal Pneumonie infolge von
Atmungslähmung. Der Zirkulationsapparat bot keine Symptome
dar; eine leichte Hyperleukocytose (15 000 im Kubikmillimeter)
wurde bei fast allen Fällen gesehen. Andere Autoren wollen
Leukopenie gefunden haben.
Die Sensibilitätsprüfungen bei Kindern sind unsicher. Ein¬
mal bestand leichte Ueberempfindlichkeit der Haut; es folgte
aber bald (in 24 Stunden) Hypalgesie; diese letztere war noch.
2 mal deutlich sichtbar. Die Berührungsempfindlichkeit war
intakt, sowohl gegen warm und kalt wie spitz und stumpf. Das
Muskelgefühl war deutlich nachweisbar.
Es waren schlaffe, hypotonische Lähmungen; sie können
einen apoplektiformen Höhepunkt en'eichen. Meist dauert es
bis zu 5—7 Tagen. In 17 Fällen war der Typus aufsteigend: erst
wurde das Bein, dann Bauch und Arm gelähmt; nur 2 mal war
er absteigend: erst Arm, dann Rücken und Bauch, zuletzt das
Bein. Es zeigte sich, daß die Lähmung der Rücken- und Nacken
muskulatur am häufigsten auftrat und die beste Prognose gab.
Diese Lähmungen haben sich immer zurückgebildet; dann wa¬
ren die'Beine meist betroffen, weniger Arm und Bein. Von den
Testierenden Lähmungen trafen die meisten die Beine, dann
die Arme; besonders die Peroneal-. die Deltamuskeln und auch
der Serratus waren betroffen. Die Bauchlähmung ist immer zu
rückgegangen. Atmungsmuskellähmung kam nur 2 mal in töt-
lichen Fällen vor.
Besondere Berücksichtigung beanspruchen Blasen- und
Mastdarmstörungen. Hier ist ein schwerer diagnostischer Fehler
möglich. Kinder mit starker Rachialgie haben Angst sich zu
melden und täuschen Inkontinenz vor. Nur 2 mal bestand
sichere Inkontinenz. Ein Kind wurde deswegen in die Klinik
gebracht und mehrere Tage katheterisiert. Es hatte deutliche
Lähmung des Sphinkters. Der Sphincter ani-Reflex war verrin¬
gert. Die Lähmung ging in beiden Fällen zurück.
Aus der Ausdehnung der Lähmung einen prognostischen
Schluß zu ziehen, ist unmöglich. Einmal waren alle Glieder ge¬
lähmt, und zwar völlig gelähmt; das Kind ist vollkommen ge¬
nesen. Immer wenn die Beine gelähmt waren,, verschwand die
Zehenbeweglichkeit zuletzt. Die Zehenbewegung ist das
empfindlichste Reagens. Dann müssen tiefgehende Prozesse
da sein und größere Testierende Lähmungen erwartet werden.
Frühzeitig tritt die Entartungsreaktion ein. Die idiomuskuläre
Reaktion war noch lange erhalten. Die Reflexe zeigten nach län¬
gerer Krankheitsdauer Abnahme und Verschwinden. Bei allen
rein spinalen Fällen war es so. Dreimal wurde Babinski
gesehen, einmal bei dem Kinde, das an Meningitis zugrunde
ging; er bestand 24 Stunden; dann erlosch er; ferner bestand er
bei 2 Kindern, die zuerst an den Armen gelähmt waren; es
handelte sich wohl um meningitische Reizung. Das Kernig-
sche Phänomen war hier ebenfalls positiv. Der Radiusreflex
war nie gestört.
Die Lumbalpunktion wurde gleichzeitig therapeutisch be¬
nutzt und, zwar 26 mal. Der Druck im Meningealsack war wenig
erhöht: 120—220 mm; nur bei einigen Fällen mit meningitischer
Reizung betrug er 450—460 mm. Immer var'das Punktat eine
■
No. 4g. __ THERAPEUTISCHE
klare Flüssigkeit. Der Eiweißgehalt war ein wenig erhöht. Bei
3 Kranken setzten sieh bald Blöcken ab; bei 6 Kranken sah Vor¬
tragender nach 12 stündigem Stehen auf Eis die Bildung eines
Gerinnsels. Dieses unterschied sich durchaus von dem Gerinn¬
sel der tuberkulösen Meningitis, es war erheblich zarter und
hatte einen schleimigen Glanz. Einmal fand sich aber ein Ge¬
rinnsel wie bei Tuberkulose, fest und durch die ganze Flüssig¬
keitssäule reichend; aber Tuberkelbacillen fehlten. In dem Ge¬
rinnsel waren Lymphocyten und Leukocyten. Die Lymphocyten
stachen sonst nicht immer in dem Sediment der Punktate
hervor.
Drei Symptome der Poliomyelitis sind pathognomonisch
wichtig: Die schlaffe atrophische Lähmung, der Wirbelsäulen¬
schmerz und die profusen, mit Temperatur und Muskelruhe im
Gegensatz stehenden Schweiße; daneben stehen Erscheinungen
von seiten des Darmtraktus; sonst werden solche des Respi-
rationstraktus genannt.
Meist kam die spinale Form zur Beobachtung; nur 2 mal be¬
stand geringe Beteiligung des Pons und des Halsmarks, mit
leichter Ptosis des oberen Augenlides und Hypoglossuslähmung.
Dieselbe ging aber rasch zurück.
Charakteristisch ist, daß die Lähmungen zuerst herdförmig
auftraten, dann sich auf 1—2 Muskeln beschränkten; 2 mal kam
die meningitische Form mit Nackensteifigkeit und irregulärem
Pulse vor; darunter war einmal das tuberkuloseähnliche Ge¬
rinnsel im Punktat.
Rezidive kommen vor. Ein bereits 1903 erkrankter Knabe
erkrankte nach 6 Jahren von neuem. Todesfälle kamen 3 mal
vor; das sind 15 pCt., etwa der Durchschnitt der letzten Epi¬
demien. Es handelt sich 1. um einen Säugling mit absteigender
Atmungslähmung am 8. Tage, 2. ein 8% Jahre altes Mädchen
mit aufsteigender Atmungslähmung am 9. Tage, 8. einen in
wenigen Stunden foudroyant verlaufenden Fall, der bemerkens¬
wert war; es war ein 8 jähriges Mädchen, das am 23. Oktober mit
Pupillenträgheit, Cris encephaliques und tiefer Benommenheit
aufgenommen wurde. Es bestand Nackensteifigkeit, Lähmung
der Rückenmuskulatur, Kernig sches Symptom, Babinski,
Uebererregbarkeit des Patellar- und des Achillessehnen-
reflexes sowie Krämpfe. Es starb, ohne das Bewußtsein wieder
erlangt zu haben. H e u b n e r nennt solche F’älle Poliomyelitis
fulminans, ähnlich der Scarlatina fulminans oder gravissima.
Pathologisch-anatomisch ist Oedem der Rückenmarks¬
substanz festgestellt. Es wird eine durch den Druck dieses
Oedems bedingte Schädigung der Ganglienzellen angenommen.
Ist diese Annahme berechtigt, dann ist auch die Verwendung
der Lumbalpunktion logisch und gerechtfertigt. In der Kinder¬
klinik wurde sie angewandt. Sie soll das Oedem entfernen. Ob
sie immer dieses Ziel erreichte, ist nicht sicher. Es gelang aber,
spastische Erscheinungen, Babinski, Kernig sches Symptom
und Fußklonus zu mildern oder zum Verschwinden zu bringen.
Zur systematischen Bekämpfung ist es nötig, die Abortiv¬
fälle zu erkennen. Fraglich ist, ob es vielleicht durch die Kom
plementbindungsreaktion möglich ist, solche Fälle ausfindig zu
machen. Vortragender hatte ein positives Resultat in 5 Fällen
nach dem Wassermann sehen Verfahren mit dem Blut¬
serum, dagegen nicht mit dem Lumbalpunktat. Wenn es gelingt,
ein spezifisches Antigen zu finden, dann können wir solche
Abortivfälle erkennen. Die systematische Bekämpfung würde
dadurch erheblich gewinnen.
Zur Kiisuistik der Poliomyelitis epidemica
(Heine-Medinsche Krankheit.)
Antrag einer Sammelforschung über Fälle
von epidemischer Poliomyelitis.
Herr A. Baginsky will nur kurze kasuistische Bemerkungen
machen. Die jetzt beobachteten Fälle zeigen gegen früher ein
neues Krankheitsbild. Das frühere Bild war folgendes: Ein
Kind, das etwa einen Tag vorher wohl und munter war, das des
Abends unleidlich war, erwachte am Morgen und rührte sich
nicht mehr; es war eine apoplektiforme Paraplegie; so haben
sich die älteren Aerzte mit der Heine sehen Krankheit abge¬
funden.
Ist das jetzt etwas Neues? Manche Beobachtungen von
früher her erinnern uns aber an das heutige Bild. Ins Gewicht
fällt aber die Mannigfaltigkeit der Erkrankungsformen. Vor¬
tragender will nur einige Typen herausgreifen.
Zunächst die abortiven Fälle. Am 4. d. M. wurde ein Kind
aufgenommen, welches schon an Angina krankte. Plötzlich
traten Stupor, lallende Sprache und etwas Zuckungen in den
Extremitäten auf. Mißgelaunt; es schläft viel; die Sprache ver¬
liert sich. Doch geht das Schlucken gut; Sensibilität normal,
Bauchreflex desgleichen. Dann ist der Mundwinkel verzogen.
Beim Aufstehen taumelt es. Es kann nicht gehen und stehen.
Das dau'ert aber nur 2 Tage. Am 3. Tage war alles weg, das
Befinden besser; am 5. Tage Lachen und Sprechen; das Tau¬
meln bei Bewegungen läßt nach. Die faradische Erregbarkeit
ist noch herabgesetzt. Patellarreflex fehlt noch. Auch die leichte
Facialislähmung verschwindet dann. Hier haben wir einen
schnell ablaufenden Fall. Einen 2. Fall sah Vortragender an
zwei Tagen. Hier fing die Krankheit mit Schnupfen und Fieber
RUNDSCHAU 1Ö10. 741
an. Das Kind hat dann plötzlich Krämpfe, ist bewußtlos, das
Genick starr. Es blieb rechts Lähmung des Gesichtes, Armes
und Beines zurück. Schließlich resultierte nur geringe Parese
im Peroneus. Sprache und Intelligenz gut.
Ob diese Fälle in das vorliegende Gebiet ganz und gar hin¬
eingehören, ist ja fraglich, aber hochwahrscheinlich.
Zu der zweiten Gruppe gehört eine Familienepidemie. Vor¬
tragender sah zuerst den 2. Fall. 3 Kinder erkrankten. Das
erste, ein 2y 2 jähriger Knabe, erkrankte am 1. Oktober mit
Schnupfen und schlechtem Appetit und war weinerlich. Das
verlor sich bald; er wollte nicht stehen, hatte auch Zittern in
den Beinen; am 4. Oktober schlechtes Aussehen des Kindes.
Das Kind kann den Kopf nicht mehr halten. Es bekommt Dys¬
pnoe, außerordentliche Atmungsbeschleunigung. Der Puls wird
elend. Stertor. Das Kind stirbt am 3. Tage abends. Inzwischen
erkrankte das 2. Kind, der ältere Bruder, mit Kopfschmerzen
und bleichem Aussehen, Schläfrigkeit, tief liegenden Augen.
Die Haut war trocken, die Atmung beschleunigt. Patellarreflex
normal. Schmerzen gering. Temperatur 39 Grad. Das ändert
sich in den nächsten Tagen. Große Unruhe infolge lästigen
Juckens im Gesicht. Schmerzen in, den Armen; es kann sich
schlecht bewegen. Die Beine sind spastisch, schlecht beweglich.
Am 10. Tage ist es tief verfallen, Atmung lebhaft beschleunigt.
Das Zwerchfell scheint still zu stehen. Das Kind wird be¬
nommen. Die Wirbelsäule ist versteift, fast unbeweglich. Sopor
und Exitus. Die Sektion ergab Poliomyelitis. Dann erkrankte
das 3. Kind von 4V 2 Jahren am 11. Oktober. Es ist blaß; Appetit
schlecht; es ist matt und schläfrig, will ins Bett; Schmerzen der
Glieder und der Wirbelsäule. Das bessert sich, dann auch der
Appetit. Der Kopf ist unbeweglich versteift. Keine Lähmun¬
gen. Es ist noch schläfrig, verdrießlich. Die Nackensteifheit
wird stärker. Spasmen in den Extremitäten, besonders der
linken Seite. Weiterhin Schläfrigkeit und Nackensteifheit.
Rechter Arm und Schenkel sind schmerzhaft. Beim Aufrichten
steht das Kind nur mit dem linken Bein. Patellarreflex rechts
abgeschwächt. Sehr allmähliche Besserung. Am 7. November
kann das Kind das Bett verlassen. Völlige Kraftlosigkeit des
rechten Beins. Schlaffe Muskulatur. Patellarreflex fehlt rechts.
Der rechte Arm ist noch empfindlich. Dieses Kind ist erhalten
worden. Drei Kinder einer Familie erkrankten unter denselben
Erscheinungen; 2 Kinder gehen zugrunde an Atmungslähmung;
das 3. Kind bleibt erhalten und hat noch jetzt Lähmung des
Beines zurückbehalten.
Das sind zwei verschiedene Formen; aber sie zeigen
Analogien.
Im Krankenhause sah Vortragender eine neue Form. Es
war ein 6% jähriges Mädchen; es hatte früher Gelenkrheumatis¬
mus gehabt. Ein Vitium cordis war zurückgeblieben: systoli¬
sches Geräusch, Mitralinsufficienz. Am 14. Oktober sagt es, es
könne nicht mehr aufstehen. Kalte Extremitäten, Erbrechen,
nicht besinnungslos, keine Krämpfe. Am 18. Oktober Verlust
der Sprache und Lähmung der rechten Seite. Darauf kam es ins
Krankenhaus. Sensorium war frei; Augenbewegungen und
Facialis superior frei. Hemiplegia dextra. So ist das Kind nach
und nach aus der Sprachstörung wieder herausgekommen. Das
Befinden ist besser. Die Sprache ist wieder da; der untere
Facialis ist immer noch gelähmt; ebenso - ist der rechte Arm
noch gelähmt und schlaff. Ist das nicht ein Fall, der in diese
Reihe gehört? Man kann nicht sicher sagen, ob es nicht eine
Embolie vom Herzen aus war. Aber der Fall hat sich doch sein¬
langsam entwickelt.
Wir müssen uns immer fragen: Ist das eine alte oder eine
neue Krankheit? Die anatomischen Läsionen sind in den gro¬
ßen Epidemien in Süddeutschland und Oesterreich genau stu¬
diert und Poliomyelitis gefunden worden. Wir wissen aber aus
Beobachtungen in Amerika, daß die Krankheit dort ebenso wie
bei uns auftritt. Mit dem Begriff der spinalen Kinderlähmung
kommen wir nicht mehr aus. Die Krankheitsformen gehen sehr
häufig ineinander über. Man kann nicht sagen, sie seien rein
bulbär oder meningeal. Das hat den Vortragenden veranlaßt,
mit einer Anregung zu kommen. Sollte es nicht zweckmäßig
sein, ähnlich wie es an manchen Stellen, z. B. Graz in Steier¬
mark, dieser furchtbaren Krankheit gegenüber geschehen ist,
systematisch verwertbare Untersuchungen anzustellen? Es
wäre z. B. in den Fragebogen anzufragen: Sind die Fälle in
Berlin häufig — die paar Krankenhausfälle besagen nichts —
oder sind sie nicht noch mehr anderswo, besonders auf dem
Lande, vorherrschend? In der Grazer Sammelforschung war
die Stadt selbst ziemlich verschont; aber die Umgebung ist
sehr bedroht gewesen. Es macht keine große Mühe, etwa nur
für die Provinz Brandenburg eine Umfrage zu veranstalten, um
klare Verhältnisse zu schaffen.
Diskussion zu beiden Vorträgen.
Herr Kirchner: Es ist in der Tat eine Epidemie, welche im
vorigen Juli mit großer Energie eingesetzt hat; sie ist zuerst im
rheinisch-westfälischen Kohlenbezirk aufgetreten, ist dann in
den nördlichen Teil nach Düsseldorf und Cöln gegangen und hat
sich nach verschiedenen Teilen Preußens verbreitet. Gegen¬
wärtig ist sie wohl im Erlöschen begriffen. Die Meldungen sind
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 49.
in Idealkonkurrenz mit unlauterem Wettbewerb und unbe- |
fugte r Beilegung eines Titels war der Naturheil¬
kundige „Professor“ Paul Misteisky angeklagt. Der An¬
geklagte, welcher sich „Professor an der Hochschule
lür Massage und Magnetismus in Paris“ und
„Professor an der Internationalen Akademie
in Toulouse“ nennt, war von dem Schöffengericht Berlin-
Mitte in drei verschiedenen Verhandlungen zu fünf Monaten
Gefängnis, 2000 Mk. und 1000 Mk. Geldstrafe verurteilt worden.
Gegen dieses Urteil hatte M. Berufung eingelegt. In einem Falle
hatte auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die aber
vorher wieder zurückgenommen, wurde, ln allen drei Fällen,
welche von der „Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des f
Kurpfuschertums“ zur Anzeige gebracht worden waren, han¬
delte es sich um Fälle, in denen Mistelsky versprochen
hatte, sogenannte unheilbare Leiden zu heilen, und dieses Ver¬
sprechen derart gehalten hatte, daß die betreffenden Krank¬
heiten sich verschlimmerten. Trotz wiederholter Termin¬
ansetzung war es bisher nicht gelungen, diese drei Sachen zur
Entscheidung zu bringen, da es M i s t e 1 s k y stets verstand, das
Gericht durch von ihm eingereichte ärztliche Atteste, in denen
er für verhandlungsunfähig erklärt wurde, über seinen Gesund¬
heitszustand zu täuschen. — Recht interessante Enthüllungen
über die Art, wie Mistelsky dies bewerkstelligte, machte ein
Fräulein Gertrud Sch., das früher bei Mistelsky als
„Wirtschafterin“ tätig war und mit diesem große Auslandsreisen
unternommen hatte. Zu der ersten Verhandlung hatte M i -
s t e 1 s k y, so bekundete die Zeugin, ein Attest eingereicht,
welches von einem Dr. C. herrührte. Mit diesem war M. sehr
gut befreundet, beide hätten sich geduzt und noch am Abend vor
dem Termin ein großes Sektgelage veranstaltet. Am nächsten
Morgen habe Mistelsky dann ein Lichtbad genommen, bei
welchem er die Temperatur bis auf 70 “ steigerte, um sich
künstlich krank zu machen. Dr. C. habe dann für das Attest
150 Mk. erhalten. Kurz vor dem 2. Termin sei Mistelsky
dann mit ihr nach Nizza gefahren. Trotzdem er dort wüste
Gelage veranstaltet habe, sei er von einem Arzte Dr. W. in j
Nizza für totsterbenskrank erklärt worden. Das dem Gericht
eingereichte Attest sei in der Weise zustande gekommen, daß
Mistelsky selbst das Attest mit Bleistift geschrieben und es
dem Dr. W. dann zugeschickt habe. Dieser habe es gegen ein
Honorar von 20 Mk. einfach abgeschrieben und mit seinem
Namen unterzeichnet. Für alle Fälle habe M. auch einen seiner
.Angestellten, einen Dr. W—r., nach Nizza nachkommen lassen.
Auch vor den anderen Terminen habe M. alle möglichen Mittel
angewendet, um eine künstliche Verhandlungsunfähigkeit her-
beizuführen. Als M. in dem vorigen Termin auf Gerichts¬
beschluß von einem Gerichtsarzt und dem Dr. C. in seiner Woh¬
nung untersucht wurde, habe er ebenfalls simuliert und bald
nachdem die Aerzte seine Wohnung verlassen hätten, zu ihr
geäußert: „Da kannst du sehen, wie dumm die Aerzte sind!"
Um dem heutigen Termin zu entgehen, habe sich M. von Dr.
Th. ein Attest ausstellen lassen, nach welchem er unbedingt der
Erholung im Süden bedürfe und verhandlungsunfähig sei.
Bevor Dr. Th. erschienen war, habe er zwei Flaschen Sekt ge
trunken und vergnügt gesungen und gepfiffen. An demselben
Tage sei M. dann nach Lugano abgereist, wo er sich jetzt noch
aufhalte. Vor der Abreise habe er zu ihr geäußert, er erscheine
zu keinem Termin mehr, zumal ja die Schweiz nicht ausliefere.
Staatsanwalt Müller beantragte die Berufung des Ange¬
klagten zu verwerfen, da er sich offenbar unter Zuhilfenahme .
aller möglichen unerlaubten Mittel von dem Erscheinen vor
Gericht „drücken“ wolle. Das Gericht erkannte diesem Anträge
gemäß unter Bestätigung der drei Urteile auf Verwerfung der
Berufung.“
— Ein Prozeß, in dem eine Kritik des Zustandekommens
kreisärztlicher Atteste den springenden Punkt bildete, wurde in
der vorigen Woche hier vor der ersten Strafkammer des Land¬
gerichts 1 verhandelt, ohne allerdings zu Ende geführt zu
werden. Wegen Beleidigung des Regierungspräsidenten von
Posen Krahmer und des Kreisarztes Dr. Clauss in Posen
hatten sich der Chefredakteur und ein Redakteur der „Deut¬
schen Nachrichten“ zu verantworten. Den Gegenstand der An¬
klage bildete ein im November 1909 in dem Blatte erschienener
Artikel, in welchem dem Kreisarzt vorgeworfen wurde, daß er
in zwei Fällen zwecks Zwangspensionierung von Re¬
gierungsbeamten amtsärztliche Atteste ausgestellt und dabei lür
solche Atteste ergangene ministerielle Anordnungen nicht be¬
folgt habe. Die Verteidigung lehnte den zum Sachverständigen
bestellten Dr. Clauss wegen Möglichkeit der Befangen¬
heit ab; außerdem sei es ein Novum, daß ein Beleidigter
in seiner eigenen Angelegenheit als Sachverständiger
fungiere. Das Gericht wies diesen Antrag zurück, da sich Dr.
Clauss selbst nicht für befangen erklärt habe, vertagte aber
den Termin auf unbestimmte Zeit, da noch einige Zeugen
geladen werden sollen.
Bückeburg. Vor der hiesigen Strafkammer wurde im
Berufungsverfahren gegen den Magnetopathen H. aus Hannover
verhandelt, der vom Schöffengericht in .Stadthagen wegen Be¬
truges in 17 Fällen zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt war.. Die
Verhandlung führte zu einer Freisprechung, da dem An¬
geklagten der gute Glaube an der Wirkung seiner Heilmethode
zugebilligt werden mußte.
Verschiedenes.
Berlin. Am 11. Dezember, mittags um 12 Uhr, findet in
der neuen Aula der Universität eine Gedächtnisfeier für Robert
Koch statt. Die Denkrede hält Kochs Nachfolger in der Di¬
rektion des Instituts für Infektionskrankheiten Geh. Ober-
medizinalrat Prof. Dr. G a f f k y.
— Das Deutsche Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen
feiert am 10. Dezember das zehnjährige Stiftungsfest. Näheres
durch Dr. Oliven, Berlin, Potsdamer Straße 184 B. (Die von
uns kürzlich gebrachte Nachricht von der an die Vorstands¬
mitglieder des Komitees erfolgten Titelverleihung hat sich als
verfrüht erwiesen. Red.) — Für das Jahr 1912 ist eine
Studienreise nach Amerika geplant, mit welcher
der Besuch des Internationalen Hygiene-Kongresses in
Washington (22. bis 29. September) verbunden sein soll.
Die Dauer der Reise ist auf etwa sechs Wochen ver¬
anschlagt, der Preis wird von 1650 Mk. an aufwärts nach
Wahl der Kabinen betragen. In dem Preis eingeschlossen
sind: Land- und Seereise, Verpflegung und Quartier während
des Aufenthaltes in Amerika. Da vor dem Abschluß mit der
Schiffahrtsgesellschaft festgestellt werden muß, ob genügende
Beteiligung zu erwarten ist, sind Meldungen (für die eine Ein¬
schreibegebühr vorläufig nicht zu entrichten ist) an obige
Adresse zu richten.
— Nach Mitteilung von Tageszeitungen soll das Ehrlichsche
Syphilismittel noch, im laufenden Monat in den Handel gebracht
werden. Da die Höchster Farbwerke sich jetzt den
Namen „Salvarsan“ patentamtlich haben schützen lassen,
wird das Mittel wohl unter dieser Bezeichnung in den Verkehr
kommen.
Elberfeld. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der hiesi¬
gen „Farbenfabriken A.-G. vorm. Fr. Bayer u. Co.,
Dandtagsabgeordneter Geheimrat Dr. v. Böttinger, hat der
preußischen Akademie der Wissenschaften in Ber¬
lin 80 000 Mk. zur Anschaffung von Radium für wissenschaftliche
Forschungen überwiesen.
Dresden. Der hiesige Rat hat eine wesentliche Aus¬
dehnung des schulärztlichen Dienstes beschlössem Wäh rend
von den Schulärzten bisher nur die neu eintretenden Bezirks-
schüler untersucht wurden, wird sich hinfort die Untersuchung
auch auf Bürgerschulen und höhere Anstalten erstrecken; eine
erneute Untersuchung soll ferner vor dem Beginn des Turn¬
unterrichts stattfinden.
München. ln den Monaten Dezember, Januar und
Februar 1910/11 veranstaltet die Münchener Vereinigung
für ärztliches Fortbildungswesen wieder einen
Zyklus von unentgeltlichen • Fortbildungskursen. Folgende
Herren haben ihre Mitwirkung daran zugesagt: Crämer,
Allgem. Diätetik und Krankenküche; Borst, Rössle,
Schmincke, Path.-anat.Demonstrationen; Ibrahim, De¬
monstrationen aus der Kinderheilkunde;Klaussner, Chirur¬
gie; v. Müller, Innere Medizin; Hei Ine r, Ausgewählte
Kapitel aus der pathologischen Physiologie des Nervensystems
und des Blutes; v. Notthafft, Der heutige Standpunkt der
Syphilislehre; F r e y t a g , Beziehungen der Augenerkrankun¬
gen zu den Allgemeinerkrankungen. Einschreibegebühr für
jeden Kursus 2 Mk.
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Elsaß-Lothringen.
Niedergelassen: Assistenzarzt Strecker in Metz, Dr.
W. Dreailius in Schiltigheim.
Verzogen: Dr. Wiehert von Saargemünd nach Loerchin-
gen, Dr. Duhamel von Straßburg nach Colmar, Dr.
Rössel von Schlettstadt nach Posen, Dr. Tornow von
Wesel nach Mörchingen, Dr. Hoff mann von Trier nach
Diedenhofen, Dr. Spackeier von Freiburg nach Schlett¬
stadt, Dr. Pfeiffer von Mörchingen nach Thorn, Dr.
Zöllner von Diedenhofen nach Wesel, Dr. H a s von Die¬
denhofen nach Oranienstein, Dr. Sandrog von Oranienstein
nach Diedenhofen, Dr. Jürgens von Mörchingen nach Gr.-
Lichterfelde, Dr. D i e t z von Saargemünd nach Saarunion,
Dr. Payeur von Lemberg nach Saargemünd, Fischer
von Bitsch nach Lemberg, Dr. D i e r k s von Rufach nach
Bitsch, Dr. Schröder von Dotzheim nach Forbach, Dr.
v. Westfalen von Verny nach Noveant.
Gestorben: Dr. Voelkel in Algringen, Prof. Dr.
Förster in Straßburg, Oberstabsarzt Kaiser in Weißen¬
burg.
Verantwortlich für den redactionellen Teil: Dr. fl. Lohnstein, Berlin N., Friedrichstrasse 131B., für den Inseraten-Teil: Richard Hess, Berlin
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Eulatin
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S eitdem Friedmann das Eulatin in die Therapie ein-
geführt hat, ist in zahlreichen wissenschaftlichen
Publikationen über die günstigen Erfolge der Eulatin-
medikamentation berichtet worden. Die Wirkung des
Präparates besteht darin, daß es das zähe Sekret verflüssigt,
die Zahl der Anfälle schnell vermindert, Erbrechen sowie
Nasenbluten zum Stillstand bringt und den langwierigen
Krankheitsproieß wesentlich abkürzt. Unangenehme
Nebenerscheinungen haben die Autoren in keinem einzigen
Falle beobachtet, insbesondere hat das Mittel niemals den
Appetit beeinträchtigt oder die Tätigkeit des Herzens un¬
günstig beeinflußt. Ja, bei stark durch die Krankheit
herabgekommenen Kindern konnte festgestellt werden,
daß sich nach Darreichung von Eulatin die Herzkraft
offensichtlich hob, was auf den Benzoesäureanteil des
Präparates zurückzuführen ist. (Friedmann.)
Kurze Auszüge aus Originalarbeiten mögen hier folgen:
Ein kimisete’ Beitrag tut Bewertung
V. des neuen Keaclitiusteiimltiels
Von Dr. Bruno Bosse, leitendem Arzte der Heim¬
stätte in Berlin N 20. (Zentralbl. für Kinder¬
heilkunde 1910, Heft 4.)
• , - , .....
Verfasser brachte das Eulatin in 67 Fällen in Anwendung
und schreibt u. a.
„Übereinstimmend mit den Erfahrungen der oben zitierten Autoren
Verabfolgung des Eulatins ab das Gesamtbild sich sofort änderte. Bei
den meisten Kindern trat sofortige Verminderung der Zahl der An¬
fälle und Äbschwächung der Intensität derselben, besonders auch
nachts, ein. Ohne Zuhilfenahme eines anderen Narkotikums oder
irgendwelcher anderer Maßnahmen ließ das Erbrechen nach, die
schweren Fälle gingen bald in das Stadium decrementi über, die Kinder
sahen frischer aus, spielten wieder und nahmen da an Gewicht zu,
wo sie vorher abgenommen hatten. Das zähe Sekret verflüssigte sich
und lief mühelos aus Nase und Mund; der konvulsivische Charakter
der Anfälle ging in kurzem verloren. Nur pfeifende Inspirationen
und der katarrhalische Husten erinnerten gelegentlich noch an das
Grundleiden.“
Über die Wirkung des Eulatins
bei Pertussis.
J
Von Dr. M. Ichenhaeuser, Assistenten der Kgl.
paed. Poliklinik (Reisingerianum) in München,
(Die Heikunde 1910, Heft 6.)
Ichenhaeuser behandelte 39 Fälle mit Eulatin und urteilt
u. a. wie folgt;
„Die angeführten Krankengeschichten zeigen an charakteristischen
Beispielen die guten Dienste, die mir das Eulatin auch bei den schwersten
Fällen leistete. Zum Schlüsse möchte ich zusammenfassend hervor¬
heben, daß ich mit den obengenannten Autoren darin übereinstimmen
kann, daß wir im Eulatin ein für jedes Älter unschädliches Mittel be¬
sitzen, welches bei Pertussis die Zahl und Heftigkeit der Anfälle rasch
herabsetzt und die Nebenerscheinungen (Erbrechen, Nasenbluten usw.)
bald zum Verschwinden bringt. Die Komplikation des Keuchhustens
mit einer Bronchitis oder einer Bronchopneumonie bildet keine Kontra-
indikation für die Anwendung des Eulatins. Bei Kihdern mit tuber¬
kulös aflizierten Bronchialdrüsen ist, wenigstens nach meinen Er¬
fahrungen, der Verlauf der Pertussis meist ein sehr hartnäckiger
(siehe auch Fall VII); aber auch bei diesen Fallen ist die Wirkung
. des Eulatins eine günstige.“
Eulatin, ein neues Mitte! f egen *
Keucjteiisteii, .
Von Dr.E. Kraus, emer. Assistenten der Kinder¬
abteilung der Allgemeinen Poliklinik in Wien.
(Allgem. Wiener med. Zeitung 1910, Nr. 38.)
In einer Reihe von Fällen überzeugte sich Kraus von
den verschiedenen Vorzügen des Präparates und kam zu
$ fügendem Schlüsse:
„Nach meinen Erfahrungen, die sich im allgemeinen mit denen
ten Autoren decken, verdient das Eulatin die Aufmerksamkeit
i|Ä?§Pli
wm Sr ' *
der Ärzte in hohem Grade. Das Präparat wird sich nach den von
vielen Ärzten mit demselben bereits gemachten günstigen Erfahrungen
einen dauernden Platz in unserem Ärzneischatz erringen.“
: •; Das Eolatin, ~~~j
) dis neues Kcuchhustemniitel. . ^ ^ 1
1... ...— f
Aus der Kinderpoliklinik von Prof. Dr. Neumann, Berlin.
Von Dr. L. Friedmann, Assistenten der Poli¬
klinik. (Medizinische Klinik 1908, Nr. 43.)
Verfasser hat 61 Kinder mit Eulatin behandelt und sich
von der Wirksamkeit des Präparates überzeugt. Er
schreibt u. a. wie folgt:
„Es wurde selbst von den jüngsten Säuglingen ohne jede schädliche
Nebenwirkung genommen, bei älteren Kindern übte es sogar einen
belebenden Einfluß auf den Herzmuskel aus, ohne daß sich appetit¬
vermindernde Eigenschaften bemerkbar machten. Die für ein wirk¬
sames Keuchhustenmittel erforderlichen Eigenschaften, das zähe Sekret
zu oerflüssigen und leicht herauszubefördern und die Huslenanfälle
qualitativ und quantitativ günstig zu beinflussen, müssen dem Eulatin
unbedingt zügesprochen werden. Die krampfwidrige Leistung des
Medikamentes sieht seinem expeklorierenden Einfluß nicht nach.
Bemerken möchte ich noch, daß die Fälle von Keuchhusten, die ich
während meiner Versuche mit Eulatin des Vergleiches wegen mit
Bromoform, Chinin Extra dum, Belladonnae und Kodein behandelte,
entweder nur geringe oder überhaupt keine Besserung zeigten, und
daß die Mütter der mit Eulatin behandelten Kinder das Mittel wegen
seiner lösenden und beruhigenden Wirkung lobten und fleißig nach¬
verlangten.“
Eulatm. bei Pertussis.
Von Dr. Paul Fraenkel, Kinderarzt, Berlin-
Schöneberg. (Berl. Klinische Wochenschrift 1909,
Nr. 4.)
Fraenkel war in den meisten seiner 14 Fälle mit der
Wirkung des Eulatin zufrieden. Er schreibt u. a.:
„Das Mittel wurde nie mit anderen Stoffen kombiniert gereicht.
Eine unangenehme Nebenwirkung sah ich nie. Die Annahme, daß
in diesen Fällen die Besserung im Befinden der Kinder tatsächlich
dem Eulatin zuzuschrciben war, ging daraus hervor, daß nach Äus-
setzen des Mittels, zu dem ich wiederholt durch den Verbrauch des
mir zu Gebote stehenden Eulatinquantums gezwungen wurde, eine
deutliche Verschlechterung eintrat, die bei Wiederdarreichung des
Mittels wiederum einer Besserung Platz machte,“
Das Eulatin, ein Pertussis-Spe^islkum.
1
Von Dr.J. Wilhelm , Wien. (Ärztliche Zentral¬
zeitung 1909, Nr. 14.)
Die günstigen Erfahrungen des Verfassers stützen sich
auf 47 mit Eulatin behandelte Keuchhustenerkrankungen.
Wilhelm äußerte sich u. a. folgendermaßen:
„Ich mußte meinen Erfolgen entsprechend den unwiderstehlichen
Eindruck gewinnen, daß das Eulatin den Namen eines Pertussis-
Spezifikums im wahrsten und vollsten Sinne des Wortes ehrlich
verdient. Das Eulatin ist ein Pertussis - Präparat, das allen Ärzten
rückhaltlos bestens anempfohlen zu werden verdient.“
Ein Fortschritt in der Therapie
des Keuchhustens.
r Von Dr, Julius Baedeker in Berlin, Spezialarzt
für Kinderkrankheiten. (Therapeutische Monats¬
hefte 1909, Heft 9.)
Verfasser hat unter den 25 mit Eulatin behandelten
Fällen keinen Mißerfolg und bemerkt im Anschluß hieran:
„Im Eulatin ist nach meiner und der anderen Äutoren Änsicht
endlich das Präparat gefunden, das der heutigen Ungewißheit betr.
des Erfolgs der üblichen Pertussis-Therapie ein Ende setzt. Wer
mit Eulatin sogleich die Behandlung der Pertussis beginnt, kann,
soweit dies einem Ärzt überhaupt bei einem Heilmittel ertaubt ist,
auf einen guten Verlauf und verhältnismäßig baldige Heilung der
Krankheit rechnen, was bis jezt von keinem Pertussismittel gesagt
werden konnte oder durfte.“
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Für Kinder:
1 Originalröhrchen Eulalin-
tabletten
(enth. 20 Tabletten ä 0,25. Preis 1.25 M.)
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
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Den verehrten Abonnenten teilen wir ergebend mit, daß die
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am 1. Januar 1911 mit der im gleichen Verlag erfcheinenden
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Allgemeine medicinifche Central-Zeitung
80. Jahrgang
Redaktion:
Dr. H. Lohnftein, Berlin
Dr. Th. Lohnftein, Berlin
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vereinigt wird und vom obigen Termin an unter dem Titel
Allgemeine medicinische Central-Zeitung
erlcheint.
Den Abonnementspreis der Allgem. medicin. Central-Zeitung haben wir von
— M. 4 — vierteljährlich auf M. 3,— ermäßigt. ===
Seit Juli diefes Jahres erfchien die Therapeutilche Rundlchau bereits als Sonderausgabe
der Allgem. medicin. Central-Zeitung, sodaß diefe den Abonnenten der Therapeutilchen
Rundlchau ficherlich in angenehmem Sinne bekannt geworden ift.
Im kommenden Jahre wird in der Allgemeinen medicinilchen Central-Zeitung die
Therapie
noch mehr als bisher Berückfichtigung finden.
Wir bitten daher die verehrten Abonnenten ihre Abonnements auf die Allgemeine
medicinifche Central-Zeitung recht bald erneuern zu wollen.
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nelles Gebäck hergestellt, welches allen Anforderungen des gegenwärtigen
wissenschaftlichen Standpunktes und der praktischen Erfahrung entspricht
und durch seinen physiologischen Nährwert andere Nährmittel übertrifft. wie
durch zahlreiche Wägungen und Beobachtungen festgestellt ist. Der Nähr¬
zwieback bessert die Ernährung, vermehrt die Körperzunahme und stärkt die
Knochen des normalen Kindes. Rachitis nnd Dispositionen zu Knochonerkran-
kungen erfahren bei längerem Gebrauch Besserung und Stillstand. Vor den
Folgen, welche durch unzweckmäßige, unzureichende oder fehlerhafte Nahrung
entstehen, insbesondere Drüsen, Skrophulose, bleibt das Kind mehr als durch
jedes andere Gebäck geschätzt. Der Nährzwieback ist eines der billigsten
Kindernährmittel, zumal im Hinblick auf seinen relativen Nährwert
ä Pfund 1,25, von :i Pfund ah franko Nachnahme.
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stark desodorierend, epidermisierend, Granulationen anregend.
Anwendungsweise:
1. Jodofan rein als Pulver
Rp. Jodofan 5—10,00 a) als Wundheilmittel wird Jodofan in (1 ii n n e r
S. naeh Vorschrift Schicht auf die Wundfläche resp. auf die Naht
des Arztes. . gestreut.
b) zum Schutze der gesunden Maut vor Infektion,
bei infizierten Wunden, bei Furunkeln und Ek¬
zemen (in spez. Jodoformekzem) in dicker
Schicht oder in 10—20 °/ 0 iger Salbe auf die
eventuell vorher befeuchtete Haut der Umge¬
hung, um jede Kontaktinfektion zu verhüten
(Eine Indikation, der Jodoform und die meisten
analogen Präparate nicht genügen können.)
p " Zinc d oxyil E ’i; ® 6ti 2 - ■J°‘* ofan m 't Zinkoxyd und Talcum
S. nach" Vorschrift als Streupulver hei ausgedehntem Ekzem, In¬
des Arztes. tertrigo etc. (10% igj.
Kraft Appetit
Fleisch, Chinarinde,
Kalk-Lactophosphat
^ erzeugt
tonischer
L.&N.VIAL & UHLMANN FRANKFUFtTAf,
Rp. Jodofan 5,00 Tale.
Zinc. oxyd. ua 22,50
S. nach Vorschrift
des Arztes.
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(10%) Original
1,00 M.
Rp. Jodofan 2.5 Tale. wirkt heilend auf Ekzeme, Intertrigo und Fu-
Zinc. oxyd. ua 25,0 runkulose und verhütet dieselben durch seine
S.Kinderstreupulv. stark desinfizierende Wirkung,
ftp. Jodofan 4 , 00 , 3 . Jodofan als Salbe oder Pasta.
Vasel. flav. 10,00 (10—20%). Die Desinfektionskraft bleibt bei
S. nach Vorschritt* Jodofan besser erhalten, als bei Jodoform u. a.
des Arztes. Präparaten. Indikationen: Gewisse Formen
von Intertrigo und Ekzemen, in specie Jodo¬
formekzem
Rp. 1 m Jodofangaze 4 . Jodofangaze (10%) in Originalpackung, von
(10%) Original starker hydrophiler Kraft, unübertroffen zur
1>°0 M. Uterus- und Vaginaltamponade; desodoriert
jauchiges Sekret sofort und verhindert 2X24
Stunden jeden üblen Geruch.
Nur die Originalpackung garantiert sterile Jodofangaze.
IndikfllinnPII' Im Gebiete der Chirurgie, Gynaekologie und Der-
• matologie: jede Wunde und ekzematöse Erkran¬
kung der Haut, in spec.: Ulcus molle, ulcus cruris varicosum et traumaticum,
Incisionswunden bei Abscessen. Panaritien, Furunkeln, nässende Ekzeme, Ulce-
rationen und Erosionen der Portio, Dammrisse. Prophylaktisch: aseptische
und genähte Wunden.
\lnryi\na Hoc Inrlnfan* Jodofan erzeugt nicht Ekzeme, ruft nie In-
VUI lliytJ Ucö JUUUIdll. toxikationen hervor (kein Jodismus), ist frei
von jedem Gerncli, auch hei der Zersetzung durch die Wundsekrete. Jodofan
desodoriert vollkommen.
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Gegründet 1859
(D. R. G. M.
Nr. 373688)
Fig. I bis IV nach Dr. med. Werner Mehlhorn, Frauenarzt und Chirurg in Berlin,
Operationsbinde Fig. 1 .
Rückenteil Fig. III.
Wochenbettbinde Fig. II.
(L
auf
Die innen welchgeiütterte Binde besteht aus ' Die eminenten Vorteile dieser neuen Binde
dem Rückenteil (Fig. 3) und den sich rechts sind folgende:
und links anschließenden je 4 dachzicgcl- Einfachheit der Anordnung.
förmig übereinanderliegenden Binden- Waschbarkeit und Leichtigkeit.
streifen. Die Streifen sind untereinander nicht Billigkeit und zweckentsprechender Sitz.
verbunden; der obere Streifen überdeckt den Ersparnis von Verbandstoffen.
unteren um je ein Drittel, somit bildet das Leichte Auswechselbarkeit.
Ganze eine festgefügte Bandage. MüheloserVerbandwechscl ohne Transport der Patienten.
Gleichmäßige und beliebige Kompression d. Bauchdecke.
Die Binde ist vorrätig in drei
Größen:
GrößeJ_Größe I I Größe I II
80 cm 100 cm 120 cm
Preise der Operationsbinde:
Qualität II (leicht) p.St.M.3.—
Qualität I (extrastark) p.St.M.4.50
Kliniken und Krankenkassen
bei größeren Abnahmen
entsprechend hohen Rabatt.
Preis der Wochenbettbinde:
Qualität II (leicht) p. St.M.5.50
Qualität I (extrastark) p. St.M.5.—
Nr. 174. Gloria. Elastischer
Unterleibhalter aus extrastarkem,
porösem Gummigewebe, sehr halt¬
bar, angenehm zu tragen, sehr kom¬
primierend, ohne lästige Fischbein¬
stäbe. Vollkommener Ersatz für
die amerikanische Empirebinde.
Je nach Größe M. 22.— bis 36.—.
Nr. 165. Laparotomie-Kissen.
Einlage, nach der Symphyse ver¬
breitert, je nach der Größe
M. 1.50 bis 2.50.
Maß-Figur für Leibbinden usw.
1. Umfang etwa 5 cm oberhalb des
Nabels (Richtung Linie 1).
2. Umfang des Leibes an der stärksten
Stelle, am Nabel (Richtung Linie 2).
3. Umfang unterhalb des Nabels um das
Becken (in der Richtung Linie 3).
Vom oberen Rand des Kreuzbeines
zwischen Spina und Trochanter bis
zum oberen Rand der Symphyse.
4. Höhe der Leibbinde vorne (Linie 4)
und in welcher Höhe zur Binde der
Nabel- oder Bauchbruch liegt.
5. Eventuelle Größe des Nabelbruchs?
Ir. 178. Nr. 178.
' Einfache Stoff-
l binde, kräftig ge-
I arbeitet, spez. für
Krankenkassen,
Schenkelriemen.
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Nr. 159/159a.
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Das Leibschild e wird
durch die Gurte s gegen
das sehr hohe versteifte
Rückenschild r ange¬
zogen, d ist der elasti¬
sche Leibgürtel. Die
Stützung ist verstell¬
bar und sehr wirksam.
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Nr. 172 c. Unterleibhalter
„Protector“ Gro߬
maschige, starke, elast.
Gummi-Gewebbinde; be¬
quem, sauber und porös,
ohne Stäbe, bequemer
Rückenschluß für Hänge¬
bauch, Korpulenz, Er¬
schlaffung usw. Sym¬
physenrand, doppeltstark
gewebt, je nach Größe
M. 12.— bis 13.50, mit 2
elastisch. Strumpfhaltern
M. 15.—, m. elast. Nabel-
bruchpelote M. 18.—.
Nr. 157. Federnde Leib-
W M stütze nach Heinr. Loewy,
speziell bei schwerer Ente¬
il Nr - 8 roptose abgemag. Patienten.
® 183 a. g Bauchblech m. federnden Hiift-
bügeln u. Gummibeckengurten.
Nr. 183a. Umstandsbinde Fester Sitz ohne Schenkel¬
statt des Schenkelriemen mit riemen, starkes Anheben der
Strumpfhaltern, um das Gleiten unteren Bauchhälfte. Je nach
zu verhindern. M. 15 bis 20. Größe M. 20.— bis 30.—
Nr. 186. Leibbinde mit kurzen Höschen-Ansätzen beiderseits an den äußeren Schenkelteilen zum Schnallen,
zur Verhinderung des Hinaufgle itens der Binde (an Stelle von Schcnkelricmen) M. 20.— bis 25.—.
MICHIGAN
Nr. 198. Monopol-Leibbinde
nach Dr. Ostertag. Der aus Trikot
verfertigte Leibteil ohne steife Ein¬
lagen wird seitlich festgeschnallt; die
Wirkung der Suspension geschieht
durch Anbringung von Schultergurten
elastischen Schlauchschenkel¬
riemen. Hierdurch wird der elastische
Trikot-Leibteil in Spannung versetzt
und der Unterleib auf das ange¬
nehmste und zwar überall gleich¬
mäßig unterstützt.
Preis der Original - Monopolbinde
(I.Qual.),nachGrößeM. 10.—bis 12.— Nr.
Preis der imitierten (II.Qual.) nach Größe M. 7.—
Nr. 137. Teufel’s Leib-
bindegegenEnteroptosg,
Senkungen d. Gebärmutter,
Wanderniere usw. Äußer
dem Unterstützungsgurt
in der Symphyse wirkt ein
zweiter Druckgurt auf die
Nierenpelote. Binde mit
ein oder zwei Peloten, je
nach Ausführung
M. 16.— bis 24.—
Die Peloten sind vor dem
198 unteren Rippenbogen zu
bis 8.— plazieren.
cieinture hypogastrique
nach Geh. Medlzlnalrat Landau, wirkt
durch den breiten Leibgurt in Verbindung
mit d. federnd. Symphysert-Pelote außer¬
ordentlich unterstützend, speziell gegen
die untere Bauchmuskulatur. Bei starker
Enteroptose, Erschlaffungen und Gebär¬
muttersenkungen, je nach Ausführung
M. 15.— bis 25 —
Nr. 151
UNIVERSAL-LEIBBINDE.
Abbildung ges- gasch.
Nr. 137.
Nr. i54. Federnde Leibbinde
nach Ktaes-Bardenheuer. Das
Becken wird’ von zwei Federn um¬
faßt, das fächerförmige Oberteil
stützt den Unterleib federnd nach
aufwärts, so daß die Last des
Unterleibes auf Kreuzbein und
Becken übertragen wird. Schenkel¬
riemen sind überflüssig.
M. 18.— bis 25.—
Nr. 151.
Leib¬
binde
mit
aus¬
wechsel¬
barer
Pelote
nach
Frauenarzt
Dr. Abel.
Die Äbelsche Bauchpelote ist
unten höher gepolstert und
dient zur Stütze der Bauch¬
muskulatur nach Operationen
bei Enteroptose, Bauchbrüchen
und Wanderniere.
Einfach M. 16.— bis 20.—
do. fein „ 24.— „ 30 .—■
Nr. 99. Elastisch gewebte
Nabel- u. Bauch -Bruch¬
bandage „Ädhaesiv“
nach Heinr. Loewy. D.R.G.AV.
Ein breites, elastisch gewebtes Rückenteil läuft beiderseits in je
zwei breite, weiche, spitzwinklige Riemen aus, welche auf der Pelote
befestigt werden. Der Gegendruck zur Pelote wird durch das
elastisch gespannte Rückenteil allein bewirkt. „Adhaesiv“ ist
äußerst bequem und sitzt unverschiebbar.
Preis je nach Größe M. 15.— bis 25.—
Nr. 106. Leibbinde mit
Nabelbruchpeiote System
Teufel. Im Hypogastrium elasti¬
scher Gummistützgurt, in der
Mitte federnde Flachpelote, je nach
Größe und Ausstattung.
M. 15.- bis 25.—
Nr. 98. Leibbinde aus Stoff oder Gummigewebe
in Verbindung mit H. Loewys Patent-Nabel-
pelote. Auch die Kombination der Binde mit
dieser Nabelpelote ist bei Nabelbruch mit Bauchmuskelerschlaffung zu empfehlen.
Einlache Ausstattung M. 20.— bis 24.—. Feine Ausstattung (Seide) M. 25.— bis 30.—
Nr. 140 b. Korsett-Leibbinde nach Prof.
James Israel zur Verhütung von Bauch¬
brüchen nach Bauchschnitt,Apendix- und Nieren-
Operationen usw. Die hohe, bis zur Magengrube
reichende Stoffbinde wird korsettartig geschlossen,
sie komprimiert die gesamten Bauchdecken, stellt
den intraabdominellen Druck her und hat lokale
Druckverstärkungsgurte.
Preis M. 20.— bis 35.—
Nr. 145/145a. Neueste elastische Gummi-Beckenbinde
gegen Enteroptose nach Dr. Gl£nard, Paris. Original-N6a~Blnde.
(Franzos. Fabrikat) D. R. P. Das wesentlich Neiie besteht in der richtigen Anwendung
dreier elastischer Gurtgewebe von verschiedener Stärke und Breite, das obere Gewebe
(in der Magens
Zue ~
voll
und verleiht auch eine schlanke Figur; cs genügen meist Strumpigurte, um das Gleiten
zu verhindern.
In elastischem Zwirngewebe, je nach Größe
In seidenem Gewebe,
M. 18.-
Nr. 145 a. RUckenansicht.
Die meistenUmstandsk.
haben denFehler, wie alleKorsetts dieOrgane
nach unten zu pressen, anstatt dieselben zu
heben. Je größer der Leibesumfang in der
Schwangerschaft wird, desto größer wird der
Abstand des unteren Korsettrandes von der
Schoßfalte werden. Die Schnürvorrichtung
der an dem kurzen Dorotha-Korsett an¬
gebrachten zweiteiligen Leibbinde, welche
hier gleichsam als Leibbinde den Fortsatz
des unteren Drittels des Korsetts bildet,
gestattet gemäß der fortschreitenden Aus¬
dehnung des Unterleibes, diesen Leibbinden'
teil entsprechend weiter herunterzurücken, so
daß bis zum Schluß der Schwangerschaft
der Unterleib seine zweckentsprechende
Unterstützung von unten nach oben erhält. Preis je nach Größe,
solide Ausstattung, M. 22.— bis 50.—
206. Dieses franz. GDnard-Korsctt
von vorzüglichem Schnitt bedeckt zwei
Drittel des Oberteils, während sich im
unteren Drittel die beschriebene neueste
G16nard-Binde (F. 143) direkt anschlicßt.
Der letztere durchweg elastische Leib¬
gürtel stützt durch die richtige An¬
ordnung der drei verschiedenen Gurt¬
stärken das Hypogastrium und beseitigt
den Hängeleib; das Korsett wirkt nicht
der Leibbinde entgegen, daß es etwa
die Organe nach unten drängt, sondern
ist in seinem unteren Teil so bauchig
gewölbt und besitzt seitliche breite
Gummieinsätze, so daß es die nach
oben gehobenen Organe völlig aul¬
nimmt.
nach Größe in Äusf. I, sehr eleg., mit seidener Binde M. 60—70
in Ausführung II, einfach und solid, mit Binde „ 45—50
Original frorn
UNIVEKSrmjroCRKOT
Therapeutische Rundschau
(Sonderausgabe der Allgem. Medicin. Central=Zeitung)
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
I V. Jahrgang’ Berlin, IO. Hexei^ »er 1910 Xo.®50
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Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Buchhandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor (Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gosp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Itedaktion:
H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
An unsere Leser!
Die „Allgemeine Medicinische CentrabZeitung“ beginnt demnächst ihren 80. Jahrgang.
Sie wird auch in Zukunft an ihrem durch alle die Jahrzehnte ihres seitherigen Bestehens befolgten Programm, in erster Linie
ein Organ des in der allgemeinen Praxis stehenden Arztes
zu sein, getreulich festhalten und daher bemüht sein, alles praktisch Wissenswerte in geeigneter Form und angemesse¬
nem Umfang ihren Lesern darzubieten. Eine derartige Zeitung erfüllt heute noch mehr als früher ein Bedürfnis, denn
bei der stetig gestiegenen und noch immer steigenden Flut der medizinischen wissenschaftlichen Produktion ist es einem
einigermaßen beschäftigten Praktiker schon lange nicht mehr möglich, durch Studium auch nur der wichtigeren Original-
^ arbeiten die ihn interessierenden Fortschritte des Wissens und Könnens an den Quellen aufzunehmen; er wird sich
-daher in den meisten Fällen notgedrungen mit Auszügen aus der Originalliteratur begnügen, und aus dem gleichen
Grunde wird auch der Spezialist eines Faches die Belehrung über das Neue der übrigen Wissensgebiete nicht ungern
auf diesem Wege suchen. Diesem Bedürfnis Rechnung tragend, werden wir nach wie vor unsere
besondere Sorgfalt dem Referatenteil
widmen, wobei wir uns Vorbehalten, ihn durch passend gegliederte Anordnung des Stoffes für unsere Leser noch brauch¬
barer zu gestalten.
Von dem Bestreben geleitet, das dargelegte Redaktionsprogramm einem möglichst weiten Leserkreise' zugute
^ kommen zu lassen, hat sich, einer Anregung der Redaktion folgend, der mitunterzeichnete Verlag entschlossen, den
Bezugspreis der „Allgemeinen Medicinischen Central-Zeitung“ noch weiter herabzusetzen; sie wird daher vom nächsten
Jahre ab zum
vierteljährlichen Abonnementspreis von M. 3,—
ausgegeben werden.
Für Inhalt und Umfang unserer Zeitung werden im übrigen die bisherigen Grundsätze maßgebend sein; wir
geben uns dabei der Erwartung hin, daß unsere Leser auch durch eigene Einsendungen ihr Interesse an unserem Blatte
betätigen. Auch zur Erörterung von
— ärztlichen Standesangelegenheiten =
stellen wir, wie wir noch ausdrücklich bemerken möchten, die „Allg. Med. Central-Zeitung“ den Kollegen jederzeit gern
zur Verfügung.
Redaktion und Verlag der „Allg. Med. Central-Zeitung“.
Inhaltsübersicht.
und im Cavum Douglasii. — von der Heide und Krösing.
Die Bedeutung der Antitrypsinbestimmung für die Gynäkologie.
-— Bardachzi: Zur liöntgentherapio der Uterusmyome,
v Herff: Die kausale Behandlung einer Dystokie bei engem
Becken. — Herzog: Ueber die Natur des Trachomerregers.
— Schenk: Erfolge und Ziele in der Fürsorge für Trinker.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 23. November 1910.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom
28. November 1910. — 82. Versammlung Deutscher Natur¬
forscher und Aerzte in Königsberg in Pr. vom 18. 24. Sep¬
tember 1910. (Fortsetzung.)
III. TlierapeutischeNotizen. M. in Gr, Ueber Urol und Urocol
als Gichtmittel. — Goldschmidt: Ueber die Behandlung des
Asthma bronchiale. - Haymann: Pantopon bei Geistes- und
Nervenkranken. — Krösing: Heißluftduschen in der Gynä¬
kologie.
IV. Bücli erschau. Bing: Aphasie und Apraxie. — Schmincke:
Die Eintrittspforten der Tuberkulose in den menschlichen
Körper.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gobung, soziale Medizin etc. — Universitäts wesen, Personal-
nachrichten. — Kongreß- und Vereinsnachrichten.. Gericht¬
liches. — Verschiedenes. .
VI. Amtliche Mitteilungen. Zu besetzende Stellen von Medizmal-
beamten. — Personalia.
J. Wissenschaftliche Mitteilungen. Lesser: Zubereitung |
und Anwendung von Ehrlich-Hata 606.
Blacher: Die Technik intravenöser Injektionen im kind¬
lichen Alter. — Schmidt: Beiträgo zum Studium der kutanen
Allergien. — Pollnow: Ueber transitorische Amaurose. —
Frank: Ueber eine seltene Art von Geschwüren nach Kampfer¬
ätherinjektionen. — Müh lens: Ueber einheimische Malaria
quartana. — Focke: Ueber die Entstehung des spontanen
Nasenblutens und seine Behandlung mit Digitalis. — Weiss:
Ueber den heutigen Stand der Lehre vom Asthma. — Kuhle-
mann: Schwere peritonitische Entzündungserscheinungen,
hervorgerufen durch Bandwurm. — Knierim: Ueber eine
seltenere Lokalisation von abgelagertem Schwefelblei (Blei-
saum) bei chronischer Bleivergiftung. — Papaioannou: Ein
Jahr Hautdesinfektion nach Grossich. — Pürckhauer: Ein
Nachteil der Jodbenzindesinfektion. — Zweifel: Erfahrungen
mit Lumbalanästhesie — Miclielsson: Ein Beitrag zur
Lumbalanästhesie mit Stovain-Billon. — Schack: Ein neues
Verfahren zur radikalen Beseitigung der Hämorrhoiden. —
Hadda: Die Torsion des großen Netzes. — Tappeiner:
Beitrag zur Kenntnis der tuberkulösen Pylorusstenose. — Blad:
Ueber die Wirkungsarten und Indikationen der Gastroenter¬
ostomie. — Schloffer: Erfahrungen über Nieren- und Blasen¬
tuberkulose. — Hannes: Paraurethraler Absceß — geheilt
durch Leukofermantiu-Injektion. — Weinbrenner: Zur ope¬
rativen Behandlung entzündlicher Adnexcrkrankungen. —
Itosenstirn: Zur Präge der Krebsmetastasen in den Ovarien
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 50.
746
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Zubereitung und Anwendung von
Ehrlich-Hata 606.
Vortrag, gehalten im III. Demonstrationsabend des Charlottenburger
Aerzte-Vereins am 6. Oktober 1910.
Von
Dr. Fritz Besser.
.Da« neue Ehrlich sehe Syphilisheilmittel i ein
Arsenpräpiarat. und führt den Namen „606“, weil sic) Alter
Hunderten von planmäßig hergestellten Arsenverbindi&ngem
das 606. Präparat im Tierversuch bei der Spirillose der
Hühner und Trypanosomenerkrankung der Mäuse als stark
baktericid erwiesen hat, so daß die künstlich infiziertem
Tiere durch eine einzige Injektion des Präparates 606 para¬
sitenfrei wurden und am Leben blieben.
Die genaue Konstitution des Präparates ergibt sielt aus
seinem chemischen Namen Dioxydiami.doarsenobenzol L ).
Als solches komjnt das Präparat wegen seiner geringen
Haltbarkeit nicht in den Handel, sondern als salzsaures Salz,
nämlich als das Dichlorhydrat des Dioxydiamidoarseno-
benzols. Es ist ein gelblich-weißes Pulver vom Aussehendes
Dermatols und wird in kleinen Glasphiolen, luftdicht ('inge¬
schlossen, verabfolgt. Wegen der Zersetzlichkeit darf das
Präparat erst kurz vor der Injektion der luftleeren Phiole
entnommen werden, und die zur Injektion notwendige Zu¬
bereitung des Pulvers muß deshalb der Arzt selbst aus¬
führen. Die Zersetzung des Präparates muß durchaus
verhütet werden, weil es sonst schwere Vergiftungserschei¬
nungen hervorrufen kann. Wird doch durch eine Injektion
von 0,5 g des P(ulvers hinsichtlich des Arsengehaltes etwa
das 50 fache der Maxim.aldos.is der arsenigen Säure ein¬
verleibt, ohne daß besondere Zeichen einer Arsenvergiftung
zutage treten. Die Giftlosigkeit. beruht eben auf der eigen¬
artigen chemischen Kuppelung des Arsens in dom Prä¬
parate. Wird aber die Kuppelung durch Zersetzung des
Präparates gelockert, so kann naturgemäß schwere Arsen-
Vergiftung ernteten.
Das Pulver ist in Wasser leicht löslich, und die wässerige
Lösung sieht wie Pikrinsäurelösung aus. So verlockend es
nun auch sein mag, das einfach in Wasser gelöste Pulver
einzuspritzen, so muß man doch dringend davon abraten.
Die einfach wässerige Lösung erweist sich zwar therapeutisch
als äußerst wirksam und schwere syphilitische Ulcerationen
werden mit zauberhafter Schnelligkeit zum Verschwinden ge¬
bracht. Die einfach wässerige Lösung macht aber große
Schmerzen, da dieselbe stark sauer reagiert und ätzend an
der Injektionsstelle wirkt. Eine starke Schwellung der In-
jektionsstelle ist die weitere Folge, und bei intraglutäaler
Injektion nehmen die Nates nicht selten unförmige Dimen¬
sionen an. Wenn die Patienten außer' Bett sind, wollen sie
sich nicht hinlegen und wenn sie liegen, wollen sie nicht auf-
stehen. Ich hatte einen Patienten, der sämtliche Verrich¬
tungen im Stehen absolvierte, da er sich nicht hinzu!egen
getraute.
Setzt man zu der sauren wässerigen Lösung Natronlauge
hinzu, so fällt allmählich das neutrale Dioxydiamidoarseno-
benzol aus, und man kann dann das Mittel als neutrale j
Suspension injizieren. Man muß zu der sauren wässerigen
Lösung so viel Natronlauge hinzusetzen, als gerade atts,-
reicht, um blaues Lakmuspapier nicht mehr rot und rotes
Lakmuspapier nicht mehr blau zu färben. Bei 0,5 g des
in Wasser gelösten Pulvers sind etwa 0,36 ccm einer 20 pro-
zentigen Natronlauge züzusetzen, um die neutrale Sus¬
pension zu erhalten. Die Injektion der neutralen Suspen¬
sion wird von Michaelis und Wechselmann zur
Injektion empfohlen und verursacht weit weniger Schmerzen
als die saure Lösung.
i) CH
CH A CH
CH y CH
C 8 H 6 = Beuzol
C ß H 5 — As = As — C 8 H 5 — Arsenobenzol
OH— C fl H 4 —As = As = C 8 H 4 — OH = Dioxy-
arsenobenzol
C 6 H a As = As C 8 H a <C \ jj —
CH Dioxydiamidoarsenobeuzol, neutral,
unlöslich, leicht zersetzlich
HCl NH Ogi L As = As 0 8 H 3 <^j^jj — Dichlorhydrat des
Dioxydiamidoarseuobenzols = Präparat 606, sauer, in H 2 0
löslich.
Setzt man zu der erhaltenen'neutralen Suspension mehr
Natronlauge hinzu, so geht der Niederschlag in Lösung, und
es entsteht, wieder eine klare Flüssigkeit von alkalischer
Reaktion. Das Arsenpräparat ist als basisches Salz in
Lösung gegangen. Die Injektion dieser schwach alka¬
lischen Lösung wird von Alt zur Injektion empfohlen.
Eine weitere Anwendungsform stellen die öligen Sus¬
pensionen des Präparates dar. In einem sterilen Mörser
wird das der Phiole entnominene Pulver äußerst fein zer¬
rieben und allmählich Unter fortwährendem Umrühren ent¬
weder durch A'ufkochon sterilisiertes Oleum olivarum (V o I kl
oder Paraffinum liquidum (.Kromayer), oder Vas.enol
(N a g e 1 s c h m i d t), oder Oleum amygdalarum H. I s a a c)
oder Sesamöl (N e i s s e r) zugesetzt. Auf 0,5 g des
Pulvers rechnet man ungefähr 5 ccm des öligen
Vehikels. Man erhält auf diese Weise .eine re¬
mouladensaucenähnliche saure Suspension. Diese
Art der Zubereitung ist verhältnismäßig einfach und wird
meist gut vertragen. Die Schmerzhaftigkeit ist vielleicht am
geringsten von allen genannten Applikationsarten. Der Ein¬
wand, daß die Resorption bei den öligen Suspensionen
verlangsamt wird, ist richtig, allein der therapeutische Erfolg
tritt ein und das ist die Hauptsache.
Bei allen Injektionen des Präparates in ungelöster Form
(also bei der neutralen wässerigen und der sauren öligen
Suspension) muß man sich wegen Emboliegefahr nach dem
Einstich der Kanüle, bevor man injiziert, erst vergewissern,
ob die Kanüle nicht etwa in einer Vene steckt: Abnehmern
der Spritze und Zusehen, daß nicht Blut aus der Kanüle
träufelt.
Nach der Injektion, welche Applikationsform auch ge¬
wählt sein mag, empfiehlt es sich, das Injektum durch leichte
Massage zu verteilen. Zur Schmerzlinderung wird der Eis¬
beutel, zur Beschleunigung der Resorption warme Umschläge
angewandt.
Man injiziert subkutan, am besten subskapulär oder
intramuskulär, d. h. intraglutäal. Für die neuerdings emp¬
fohlene intravenöse Injektion kommt nur die An¬
wendung des Präparates in alkalischer Lösung in Frage.
Die komplizierte Technik muß praktisch erlernt werden. Da
indessen bisher nicht erwiesen ist, das die intravenöse
Injektion mehr leistet, ,so wird der Praktiker vorläufig von
ihrer Anwendung Abstand nehmen.
Ueber die anzuwendende Dosis sind die Ansichten noch
geteilt. So viel steht fest, daß auch nach mehrfachen Injek¬
tionen von kleinsten Mengen bei ambulanter Behandlung
selbst schwere syphilitische Prozesse glatt ab teilen, z. B. nach
1—2 mal wöchentlich verabfolgten Mengen von 0,1 g, ähn¬
lich den Calomel- bezw. .Hg salicyl.-Injektionen. Andererseits
ist bisher nicht erwiesen, daß durch eine einmalige In¬
jektion einer großen Dosis (0,5—0,7 g), auch nicht wenn die¬
selbe nach 6 Wochen wiederholt wird, eine vollkommene
Therapie sterilisans, d. h. eine (wirkliche Ausheilung der
Krankheit, nicht nur der Symptome, erzielt wird.
Es würde zu weit führen, auf die Wirkungsweise
des Mittels einzugehen, obgleich die Klärung dieser Frage
nicht nur eine theoretische, sondern auch praktische Btv
deutung hat. Wir verweisen auf unsere diesbezügliche
Arbeit in der „Berl. klin. Wochenschrift“, No. 43.
Bezüglich der Nebenwirkungen des Präparates
haben wir schon auf die nach der Injektion (sich .einstellenden
Schmerzen hingewiesen. Wenn dieselben auch bei manchen
Anwendungsformell des Präparates geringere sind, so muß
doch nochmals betont werden, daß die ,Sc,hmerzhaftigkei!
so individuell verschieden ist, wie bei keinem anderen
Heilmittel. Eine wirklich ideale Anwendungsform des 606
existiert bis jetzt noch nicht.
Häufig steigt am dritten Tage nach der Injektion die
Temperatur an, um sich etwa drei Tage zwischen 38 39°
zu halten. Dieses Fieber läßt jsich ungezwungen als Re¬
sorptionsfieber erklären. Schwindet es nach dreitägigem Be¬
stehen nicht von selbst, so genügt meist eine einmalige Dar¬
reichung von 0,3 Pyramidon, um eine dauernd normale
Temperatur zu bewirken.
Selten tritt bald nach der Injektion Schüttelfrost und
hohes Fieber ein, welches gewöhnlich bereits am nächsten
Tage geschwunden ist.
Niehl selten stellen sich selbst noch Wochen und Mo¬
nate nach der Injektion Nekrosen an der Injektionsstelle
ein; letztere sind besonders häufig nach Anwendung der
neutralen wässerigen Suspension beobachtet worden.
Der Bezug in Originalpackungen von 100, 50, 25, 10 und 5 Kilo schützt vor Fälschungen.
neun eisenhaltiges mutterlaugen-Badesalz
des Dr. med. Alwin Itlilller, Leipzig.
Bestes Badesalz zur schnellsten T , rillBrtd ,« p, Bestes Badesalz zur schnellsten
Herstellung non Solbädern im Bause. ' * Herstellung non Solbädern im Bause.
6 s i(t den Ärzten [eit langem wohlbekannt, da[? [ich mit Solbädern bei der Behandlung vieler Krankheiten eine abhärtende
[tärkende und heilende Wirkung erzielen lä(;t, wenn man den Wärmegrad, die Häufigkeit und den Salzgehalt des Bades jedem
'einzelnen Krankheitsfalle anpafet.
Eine grofse Zahl derer, denen vom Arzte der gebrauch von Solbädern verordnet werden mufr, i(t nicht in der glücklichen tage,
einen geeigneten Badeort auffuchen zu können, da entweder die Jahreszeit oder die üerhältni[[e überhaupt daran hindern. Tm eigenen
Reim bereitete Solbäder aber finden gegenwärtig noch viel zu wenig Uerwendung, weil die im Handel befindlichen Badejalze ent¬
weder zu teuer (ind, oder zu wenig Koch[alz oder wohl gar ähende Salze und grobe mecbani[cbe Uerunreinigungen enthalten.
ln dem neuen eisenhaltigen tDutterlaugen--Bade[alze, das unter dem patentamtlich ge[chüßten Damen „Reurogen“ hergeftellt
wird, i[t nun ein eben(o billiges wie durch [eine chemi[che Zu[ammen[etzung vorzügliches Badejalz zur Bereitung von Solbädern im
Hau[e geboten, das (ich in hervorragendem IDafee auch zu häuslichen Uor- und Racbkuren für [olche Kranke eignet, deren
Badeaufenthalt aus irgend welchem Grunde zu kurz beme((en werden muh-
„Reurogcn“ hat deshalb als wefentlicber Jortfcbritt in der Ker[tellung von IRutterlaugen-Solbädern im Rause ärztlidier*
[eits allgemeine Anerkennung gefunden. Es wird in bedeutenden Kurorten und vielen Spezialbeilanftalten zur Bestellung von
Solbädern in ausgedehnter Weite verwendet und erhielt auf der Ausheilung für Uolksge[undheitspflege und Uolkswohlfahrt in
Stettin die er[te Auszeichnung für verdienjtvolle Eei[tungen.
Die Uorziige des „neurogen“ Kann man kurz in folgendem zusammenfassen:
Das „Reurogen", das aus 73 Prozent Ghlornatrium, 25 Prozent Datriumfulfat und 2 Prozent einer üerbindung von Glyzerin
mit Gifenoxydul be[teht, enthält den höchften Prozentfatz an Kochfalz, den Badejalz überhaupt enthalten darf, ohne verteuert
werden zu mü([en- Es muf? daher unter dauernder Aufficht der Steuerbehörde angefertigt werden.
Die völlige Abwejenheit ätjender Salze würde, falls es von ärztlicher Seite für nötig erachtet werden [ollte, [ogar die An*
Wendung des „neurogen“ für Solbäder bis zu getätigten Cöjungen des Badewa((ers, al[o bis zu ca. 30 Prozent ermöglichen.
Das Salz kann in fettem Zu[tande überall aufbewabrt werden, ohne Glatter anzuziehen oder gar zu zerfliehen; denn es i(t
trocken aufbewahrt, gar nicht hygro[kopi[ch. Dabei lö[t es [ich {cbnell und völlig im Badewatter bis zum letzten Korn.
lDutterlaugen*Solbäder aus „Reurogen“ bereitet, können, im Gegentaße zu vielen aus anderen Badetalzen berge(tellten Sol¬
bädern, in IRetallwannen verabreicht werden. Das Salz greift die[e Badewannen nicht an, weil es cbemifch neutral i(t.
Das „Reurogen“ fühlt ticb wegen des reichen Glyzeringehaltes [owie wegen [einer Ausfcheidung in mikrofkopitchen Krittallen
aus der IDutterlauge weicher und feiner an als Dünetifand und eignet [ich deshalb vorzüglich zu den von mir in die ärztliche Praxis
eingeführten Salzabreibungen im Bade. In angenehmer Jorrn können die(e Abreibungen überhaupt nur mit dem weichen Reurogen-
lttutterlaugen-Badesalze bewirkt werden. IDan kann nur jedem, der das „Reurogen“ zur Berjtellung von Solbädern benutzt,
oder ]icb in Badeorten der natürlichen Solbäder bedient, anraten, auch diele Abreibungen einmal an ticb (elb[t zu erproben. Erft
dann wird der Badende vergeben können, wie beträchtlich durch diele neue Behandlung die Wirkung der Solbäder erhöht wird.
Sür das Reurogenlttutterlaugen-BadesalZ beheben diejelben Beilanzeigen wie für die natürlichen Solbäder. 6s t'lt dem¬
nach die Anwendung der „Reurogen-lRutterlaugen-Solbäder“ zu empfehlen:
l. Bei vielen Gehirn-- und Rervenkrankbeiten, [o bei Blutandrang nach dem Kopfe, bei balbfeitigen Eäbmungen durch Hirn¬
blutungen, bei großer Reizbarkeit des Dervenlyttems, bei Krankheiten des Rückenmarks, z. B. Cabes dorsalis, bei Deuralgien
{owie bei Hytterie und Reurastbenie.
Die Rerren Ärzte werden gebeten, Reurogen nur in Originalpackungen von 100 , so, 25, io oder 5 Kilo zu verordnen.
Diese Uerordnungsweise ist für das Publikum die billigste und schützt es vor Fälschungen.
2 . Bei allen auf entzündlichen Uorgängen beruhenden KranRheiten, bei denen es zu Ausjcbwibungen gekommen i(t, wie bei
akutem und cbronitcbem Gelenkrheumatismus, Gicht, Rippenfellentzündung, puerperalen paramefrijcben Exjudaten der Becken--
organe, ebenjo wie
3 . Bei vielen aRuten und chronischen TrauenRranRheiten, wie Wetrifis, Endometritis, Parametritis, Perimetritis, Oophoritis,
Salpingitis, Eeukorrböe u[w„ bei flmenorrhöe und bejonders bei Dysmenorrhöe und prämenjtrualen Koliken junger IDädchen.
4. Bei herz-, Blutgefäss , Bungen-, Leber-, Bieren-, Prostata- und BlasenerRrankungen.
5. Bei KinderRranRheiten, wie Skrofuloje, Rachitis und bei allgemeinen Ernäbrungsjtörungen, wie Blutarmut und Bleicbfucht.
6. Bei KfanRheiten der Baut, fo bei rauher und [pröder Baut, bei Schuppen- jowie Kleienflechten (Pjoriajis, Pityriajis) und Ekzemen,
wie auch zur llnterjtühung bei Inunktionskuren.
7- Tn Fällen, wo es (ich um Erzielung einer allgemeinen Kräftigung der Konstitution von Kindern und Erwachsenen handelt-
Gleich den Solbädern werden auch die mit „Beurogen“ bereiteten ITJulterlaugen-Solbäder am zwedcmä[;igjten unter ärztlicher
Anleitung genommen.
Etipzig, Dorofbecnplats 5.
Jernfprecher Dr. 956$.
Dr. mcd. Jllwin Müller.
Gebraucbsanweijung.
Cemperatur der Bäder Die Cemperatur der Bäder, die in IDetallwannen verabreicht werden können, halte fich in den Grenzen
von 25—29° R oder 31—36° 0, je nach dem individuellen Wärmebedürfnis des Badenden, vorausgejeht, dajr vom Arzte
nicht andere Wärmegrade vorgejchrieben werden.
Uerhältniszahlen des Wassers und Salzes. Da zu einem Uollbade für einen Erwachjenen 200 250 Liter Wasser gebraucht
werden, jo bedarf man
8—10 Kilo zu einem Beurogen-lButterlaugcn-Solbade mit 4 Prozent Salzgehalt
6—7,5 „ „ „ „ „ „ „ 3
4 5 ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, 2 ,, ,, ujw.
StärRe der Bäder, JUr Erwacbjene {ollen 4prozentige Solbäder im allgemeinen die Regel bilden. Ohne bejondere Uerordnung des
Arztes braucht man aber dielen Prozentjab auch nicht zu überjchreiten. Wer ganz genau verfahren will, (teile vor Beginn der
Kur fejt, wie viel Eiter Wajjer im (peziellen Jalle zu einem Bade notwendig find, und berechne die Wenge des nötigen Salzes.
Kinderbäder. Bei Kinderbädern verfahre man ebenjo. Die Stärke eines jolcben Bades gehe ohne ärztliche Uerordnung nicht über
2—3 Prozent.
Spülungen, Sitz- und Tussbäder. Die Stärke der Sitzbäder und der Spülungen bejtimmt der Arzt in jedem einzelnen Talle.
Zu Jujjbädern wird meijt 1 Kilo „fieurogen“ genügen.
Kohlensäurebädern tollte man jtets 3 Prozent (d. i. 6—7,5 Kilo) ßeurogen zuleben. Sie wirken dann bei Berz- und nerven¬
kranken erjicbtlicb bejjer als einfache Kohlenjäurebäder.
Diät. Wenn auch in der Regel eine jogenannte „jtrenge Diät“ beim Gebrauche die{er Bäder nicht eingehalten zu werden braucht,
jo vermeide man doch während der Dauer der Kur möglichjt den Genuj? jcharf gewürzter Speijen, alkoholijcher Getränke jowie
jtarken Kaffee. Kranke müjjen (elbjtverjtändlicb die bejonderen Diäfvorjcbriften ihres Arztes genau befolgen. Wan gebe
nie mit vollem Wagen in das Bad und bleibe im allgemeinen nicht länger als 30, höcbjtens 45 Winuten darin.
saizabreibungen. Böcbft angenehm, die pbyfiologifcbe und tberapeutifcbe Wirkung der „Heurogen“-
Bäder erbeblicb verftärkend und die Bautätigkeit mächtig anregend und befördernd find
ein- bis zweimal zu wiederholende Abreibungen mit dem Salze während jedes Bades,
man nehme dazu Salz in die hohle Band oder auf den lüafchfleck, feuchte es an und
frottiere damit fanft alle Körperteile. Süir Abreibungen des Rückens bediene man fich
eines Cuffabandes, das man im naffen Zuftande dick mit „fieurogen“ beltreut.
IBassago. Auch Wajjagc, die der Badende meijt felbjt ausfübren kann, erhöbt die Wirkung des Bades.
Dusche. Bevor man das Bad verläjrt, ijt eine kurze Dujcbe meijt dienlich, vorausgejeht, dajr jie dem ärztlichen Beilplane entjpricbt.
Kühe nach dem Bade, nach dem Bade ruhe man, womöglich liegend, eine halbe bis eine ganze Stunde und bewege [ich jodann,
wenn möglich, ein bis zwei Stunden in frijcber Euff.
Das neue IButterlaugen-Badesalz „neurogen“ ijt durch alle Apotheken und Drogenhandlungen in plombierten Säcken ä 100,
50, 25,10 und 5 Kilo zu beziehen. Um jicb vor minderwertigen ITacbabmungen zu (cbiiben, verlange man ausdrücklich
neurogen in Originalpackungen. Diele müjjen mit der Plombe und der Aufjchrift Dr. med. Alwin Wüller, Eeipzig, Heues
eijenb. Wutterlaugen-Badejalz „Beurogen" verjeben lein. 100 Kilo jind ausreichend für zehn bis zwölf Wutterlaugen-Sol-
bäder von 4 Prozent Salzgehalt. Apotheken und Drogenhandlungen.
Das neue IButterlaugen-Badesalz „Beurogen“ ijt auch zu beziehen durch:
Haupt-Depot:
Dr. M.
Lehmann, Berlin,
NW., Dortmunder Strasse 11/12
C., Heiligegeist-Strasse 43/44
Telefon: Amt II, 490 u. 5590.
Telefon: Amt I, 4175 u. 4T?6.
r’ffiKRIIT
No. 50.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
747
Y.on den inneren Organon ist besonders aul das Herz
zu achten, da vorübergehende Pulsarhythmie nach meinen
Beobachtungen nicht selten ist. Die Injektion größerer
Dosen darf niemals bei ambulanter Behandlung erfolgen.
Weitere unangenehme Nebenwirkungen haben wir nie
beobachtet, insbesondere traten niemals die a priori her
fürchteten Störungen seitens des Opticus ein.
Die Anwendung des Mittels erscheint uns indi¬
ziert in allen Fällen, wo es auf eine besonders schnelle
Wirkung ankommt, d. h. bei Lokalisation syphilitischer Pro¬
zesse — sofern dieselben noch der Rückbildung fähig
sind in lebenswichtigen Organen und bei Lokalisation
syphilitischer Prozesse an Stellen, wo eine weitere Ueber-
tragbarkeit der Krankheit besonders zu fürchten ist, ferner
in allen Fällen, wo Sich Quecksilber und Jod refraktär er¬
weisen. Wir dürfen es selbstverständlich in jedem Falle
von Syphilis injizieren, da das Mittel auf alle Symptome
und in allen Stadien der Syphilis wirkt, vorausgesetzt natür¬
lich, daß es sich nicht um schon abgelaufene Prozesse
mier um besonders geschwächte Individuen handelt.
Last not least ist es wohl selbstverständlich, daß die
Injektion streng aseptisch vorgenommen wird.
Dr. W. Blacher (St. Petersburg): Die Technik intravenöser In¬
jektionen im kindlichen Alter. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 42.)
Intravenöse Injektionen bei kleineren Kindern sind aus
leicht erkennbaren Gründen mit mancherlei Schwierigkeiten
verbunden; um die Operation zu erleichtern, geht Verfasser
folgendermaßen vor: Das Kind wird auf einen Operationstisch
gelegt, an dem nicht weit vom Kopfende auf jeder Seite ein
Armhalter (Brettchen von 25 cm Breite und 60 cm Länge) zum
Aufklappen angebracht ist. Der Arm des Kindes liegt also
senkrecht zur Längsachse des Körpers. Eine Pflegeschwester
hält den Rumpf mit Fixierung des Schultergelenks, eine zweite
fixiert den Vorderarm. Man legt nun me elastische Binde
einfach um die äußere Seite des Oberarmes und verbindet die
freien Enden an der Innenseite des Oberarms mittels einer
Kocher sehen Klemme. Bei kleinen Kindern (bis zu 4 Jahren)
muß in der Regel die Vene in der Ellenbeuge zur intravenösen
Injektion freigelegt werden. Nachdem das Fettpolster mittels
Scnere entfernt ist, wird die Vene aus ihrer Fascienscheide
gelöst und in einem eigens konstruierten Venenhalter (wie bei
uer Unterbindung größerer Gefäße) fixiert. Zur Injektion selbst
bat Verfasser einen besonderen Apparat konstruiert; dieser
besteht aus einem Metallzylinder und einem Metallkolben und
hat die Größe einer 3 ccm fassenden Pravazspritze. Der
Zylinder hat 3 Oeffnungen; eine Oeffnung ist mit einem Ansatz
für die Kanüle versehen, die zweite Oeffnung, gleichfalls mit
einem Ansatz versehen, ist für die Verbindung mit dem die
Injektionsflüssigkeit enthaltenden Apparat bestimmt, die dritte
Oeffnung zum Austreten des nach der Venenpunktion erschei¬
nenden Blutes. Nachdem die Vene punktiert ist und sich Blut
in der Austrittsöffnung zeigt, wird der Stempel langsam einge¬
drückt und die lnjektionsflussigkeit gelangt m die Vene. (Vor¬
her wird der Apparat mit dem die Injektionsflüssigkeit ent¬
haltenden Gefäß verbunden.) Nach Beendigung der Injektion
wird eine Naht und ein trockener Verband angelegt. K. L.
Dr. Hans Schmidt: Beiträge zum Studium der kutanen Allergien.
(Archiv für Kinderheilkunde, Bd. 53, S. 349.)
Verfasser ging der Erwägung nach, ob sich Substanzen von
Nährstoffcharakter oder deren Derivaten gegenüber bemerkens¬
werte Verschiedenheiten der Reaktion bei kutaner Einbringung
ergeben. Er brachte verschiedene Nährstoffgemenge in die
durch Pirquet sehe Bohrungen oberflächlicn lädierte Haut
von Gesunden und Kranken. Er benutzte das bekannte „Puro“,
ferner mit Pankreas vorverdautes Puro und schließlich
Backhausmilch, ln der Tat findet man nach mehreren Stunden
an der Applikationsstelle häufig eine Reaktion. An den 100
geimpften f ällen ließen sich keine Beziehungen zwischen dem
Ausfall der Proben und vorliegenden Krankheitszuständen oder
Konstitutionsanomalien hersteilen. Die untersuchten Kinder
litten au Skrofulöse und Tuberkulose, Lues congenita, akuten
Infektionskrankheiten, Ekzem, Ernährungsstörungen, funktionel¬
len Neurosen, einschließlich spasmopüiler Zustande, neuro-
lymphatischer Diathese usw. — Wenn man die Geimpften nach
dem Alter ordnet, so sind die Ergebnisse mit steigendem Alter
häufiger positiv. Die Häufigkeit der Reaktion auf die genann¬
ten Nährstoffe wäre hiernach eine Funktion des Alters. Audi
der statistische Versuch, den positiven Ausfall der Reaktion mit
überstandenen Infektionskrankheiten in Zusammenhang zu
bringen, ergibt kein einheitliches Resultat. R.
Dr. Leo Pollnow (Königsberg i. Pr.): Ueber transitorische
Amaurose. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 42.)
Verfasser berichtet zunächst über einen wegen seiner Sel¬
tenheit bemerkenswerten Fall. Ein 12 jähriges Mädchen er¬
krankte 18 Tage nach der Schutzpockenimpfung an einer
doppelseitigen Neuritis optica mit einzelnen Netzhautblutungen;
das Sehvermögen sank m wenigen Tagen soweit, daß beider¬
seits völlige Amaurose bestand. Im Urin fand sich etwas Ei¬
weiß. In wenigen Tagen hatten sich auf beiden Augen ausge¬
sprochene Stauungspapillen ausgebildet. Ini Laufe von vier
Wochen ging die Papillitis sehr allmählich zurück, das Seh¬
vermögen war wiedergekehrt und betrug bei der Entlassung
aus der Klinik rechts V 18 bis ‘■Ja, links ‘Im bis In den
nächsten 4 Monaten liob es sich auf etwa 4 / B und nach weiteren
4 Monaten betrug es rechts */„ links J /„: Es bestehen noch ge¬
ringe Residuen von Neuritis optica mit leichter Atrophie der Nervi
optici. Ob für diese Neuroretinitis die Impfung ätiologisch in
Betracht kommt, ist nach Verfasser sehr zweifelhaft; nach den
angestellten Ermittelungen sind bei vielen Tausenden von
Impfungen, die mit der gleichen Lymphe vorgenommen
wurden, keinerlei wesentliche Störungen vorgekommen; da¬
gegen kamen unter den geimpften Kindern einige Anginen vor;
möglicherweise hatte die Patientin ebenfalls eine Angina ge¬
habt; jedenfalls hatte sie 3 Tage nach der Impfung Fieber be¬
kommen. Nach schweren Anginen werden zuweilen ähnliche
Augenaffektionen beabachtet. im Anschluß an diesen Fall be¬
richtet Verfasser über 2 Fälle von transitorischer Amaurose,
die er vor mehreren Jahren bei zwei Geschwistern (Knaben)
beobachtete, welche an Scharlachangina ohne Ausschlag er¬
krankt waren. Albuminurie war nur in dem einen Fall vor¬
handen. Die Sehstörungen traten hier 6—8 Wochen nach der
Scharlachangina auf. ln beiden Fällen ging die Amaurose in
1—2 Tagen vorüber und wurde das Sehvermögen in wenigen
Tagen wieder normal; ophthalmoskopisch zeigte sich nur röt¬
liche Verfärbung der medialen Papillenhälfte mit teilweise ver¬
waschenen Grenzen. Spätere Untersuchungen ergaben, daß die
Sehschärfe normal blieb; es fanden sich aber bei dem einen
Knaben mehr, bei dem anderen weniger Glaskörpertrübungen.
R. L.
Dr. med. Georg Frank, Assistenzarzt beim Husarenregimen l
v. Ziethen in Aathenow: Ueber eine seltene Art von Ge¬
schwüren nach Kampferätherinjektionen. (Medizinische
Klinik, 1910, No. 41.) '
Ein Husar war an schwerem Scharlach erkrankt. Als nach
zwei Tagen Kollapserscheinungen auftraten, wurde er au der
Streckseite des rechten Unterarmes mit Kampferäther 1,0:10,0
gespritzt. Sieben Tage darauf trat eine Verfärbung der
Haut an einer Stelle des rechten Unterarmes auf, und nach etwa
zwei Tagen bildete sich daselbst ein ungefähr dreimarkstück-
großes Geschwür, das mit einem scharfrandigen Wall umgeben
und dessen Grund grauweiß belegt war. Der Rand des Ge¬
schwürs fiel steil ab und war von seiner Unterlage zirka 2—3 cm
abhebbar. Verdacht auf Tuberkulose und Sypnilis war auszu¬
schließen, wie auch die Untersuchungen darauf negativ blieben.
Die mikroskopische Untersuchung des Sekrets ergab keinen
bakteriellen Befund; ebenso übte die Impfung eines Kaninchens
mit dem Sekret weder auf das Allgemeinbefinden desselben,
noch lokal irgendwelche Wirkung aus. Das Geschwür, dessen
Rand sich senr langsam anlegte, wurde erst mit Jodoformgaze
tamponiert und troenen verbunden, später mit schwarzer Salbe,
darauf mit Tannoform lind, als die gewünschte Wirkung immer
noch ausblieb, mit Kampferwein, nacn vorausgegangeneii Seifen¬
bädern, behandelt. Nacndem sich der Geschwürsgrund ganz ge¬
reinigt hatte, traten Granulationen auf. Der Hautrand dagegen
blieb noch scharfkantig lind abhebbar. Innerlich Kal. jod. üote
keinen Einfluß aus. Jetzt wurde auf die Schwarzsalbe zurückge-
griffen, und nach weiteren 8 Tagen legte sich der nach der Hand
zu gelegene Rand des Geschwürs an, und es begann von diesem
Rande aus nach den Granulationen zu eine leichte Ueberhäutung
einzutreten. Der sonstige Rand war nur noch 2 mm unterriiiniert
und scharfkantig, ln den folgenden Tagen machte die Ueber¬
häutung nur langsame Fortschritte. Das Geschwür wurde jetzt
mit Höllenstein touchiert und trocken verbunden. Da die Ueber¬
häutung keine Fortschritte machte, versuchte man durch Jodo-
formgazetaiiiponade und ßleiwasserumschiäge die Heilung zu
beschleunigen. Unter dieser Behandlung begann die Ueber¬
häutung scüneller vor sich zu gehen, und nach weiteren acht
Tagen war eine völlige Heüung vorhanden. Die Zeitdauer der
Heilung des Geschwürs hatte im ganzen sechs Wochen gedauert.
— Die Entstehungsursache für das Geschwür wäre wohl nicht
festgestellt worden, wenn nicht kurze Zeit darauf bei einem
anderen Patienten, der wegen schweren akuten Gelenkrheu¬
matismus mit Herzkomplikationen behandelt und ebenfalls
wegen Kollapserscheinungen mit Kampferäther gespritzt
worden war, acht Tage danach ein genau ebensolches Geschwür
an der Streckseite des Unterarmes aufgetreten wäre. — Nach
Kobert wäre die in diesem Falle beobachtete Nebenwirkung
lediglich dadurch zustande gekommen, daß nicht ölige, sondern
ätherische Lösung des Kampfers verordnet wurde. K r.
748
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 50.
Marine-Oberstabsarzt Prof. Dr. P. Miihlens (Wilhelmshaven):
Ueber einheimische Malaria quartana. (Deutsche med.
Wochenschrift, 1910, No. 42.)
Verfasser weist darauf hin, daß in einzelnen Gegenden
Nordwestdeutschlands Malaria tertiana noch ziemlich häufig
vorkommt, und vereinzelt auch einheimische Malaria quartana.
Er selbst hatte erst in diesem Jahre Gelegenheit, 2 halle von
Malaria quartana durch die Blutuntersuchung festzustellen. In
dem einen Falle handelte es sich um eine 37 jährige Frau, in
dem anderen Falle um ein 6 Monate altes Kind, dessen Mutter
selbst an Malaria litt. Bei diesem Kinde leistete Z i m m e r sehe
Chininschokolade (Chinin, tannic.) zunächst gute Dienste (Dosis
2—3 mal tägl. 0,05 g), konnte aber Rezidive nicht verhüten. Zum
Nachweis der Malariaparasiten empfiehlt .Verfasser als be¬
sonders brauchbar die von Dempwolff modifizierte Ross-
Rugesche Tropfenmethode. Diese wird folgendermaßen ge-
handhabt: Auf fettfreie, gut gereinigte Objektivträger werden
an 2 Stellen dicke Blutstropfen in etwa 1—2 cm Breite aus der
Einstichstelle am Ohrläppchen aufgetupft. Die Präparate
müssen dann ohne wesentliche Erschütterungen in horizontaler
Lage gut lufttrocken werden. Das dauert bei Zimmertemperatur
meist 2—4 Stunden. Ohne jede Fixierung werden nun die Prä¬
parate mit Giemsa-Lösung in der üblichen Verdünnung
(1 Tropfen auf 1 ccm destill. Wassers) übergossen. Nach einer
halben Stunde Abgießen der Färbeflüssigkeit und vorsichtiges
Entfernen der Reste durch mehrmaliges Eintauchen in ein Glas
Wasser. Aufstellen der Präparate zum Lufttrocknen, nicht
zwischen Fließpapier trocknen. Untersuchung mit Oelimmer-
sion. Da das Wasser der Farblösung die roten Blutkörperchen
ausgelaugt hat, erscheinen nur die Leukocyten (dunkelviolett)
und Blutplättchen (violett) sowie die Parasiten gefärbt, und
zwar blau mit Pigment und leuchtend rotem Chromatin. —
Nach Verfasser sollte man in Gegenden, in denen früher Ma¬
laria vorkam, bei jeder unklaren Fiebererkrankung an Malaria
(insbesondere auch Quartana) denken. R. L.
Dr. Focke (Düsseldorf): Ueber die Entstehung des spontanen
Nasenblutens und seiner Behandlung mit Digitalis. (Die
Therapie der Gegenwart, September 1910.)
Fast alle Rhinologen neigen in bezug auf den histologischen
Hergang der Epistaxis der Meinung zu, daß eine Rißblutung,
Koniinuitätstrennung eines Gefäßes vorliege. Verf. legt dar, daß
es sich um eine Blutdiapedese handle. Zunächst sind gesunde
Gefäße, auch die kleinsten, viel zu elastisch, als daß sie spontan,
d. h. aus inneren Ursachen reißen könnten; und ihre Er¬
krankung, z. B. durch eine infektiöse Embolie, ist, besonders in
jüngeren Jahren, verhältnismäßig so selten, daß sie für die Er¬
klärung der häufigen Epistaxis kaum in Betracht kommt. Daß
ferner beim Losreißen angetrockneter Sekretborken ein Gefä߬
riß entstehen sollte, ist sehr unwahrscheinlich, weil in die Borke
ja kein Gefäß eintritt.. Auf der anderen Seite steht es dagegen
fest, daß in den weichen Geweben bei einer durch Stauung ver¬
ursachten Erhöhung des venösen und kapillaren Blutdruckes die
Wandzellen der Kapillaren zwischen sich sehr leicht kleine
Spalten bilden, um Blutkörperchen und Plasma in das Gewebe
austreten zu lassen. Diese Blutdiapedese wird damit zu einer
Art von Ventileinrichtung. Der Austritt kann schnell geschehen
und sich an derselben Stelle schnell wiederholen. Was nun die
Frage nach der eigentlichen Ursache der örtlichen Zirkulations¬
störung, der Stauung in der Nase betrifft, so konnte Verf. unter
seinen etwa 120 Fällen nur bei einzelnen als Ursache in der
Nase eine Tumorbildung finden. Häufiger waren Stauungen
durch Kleiderdruck am Hals oder in der Taille oder an beiden
Stellen; auch Verdauungsstörungen mit Darmtympanie, wo¬
durch der Thoraxraum verengt wird, spielten manchmal eine
Rolle. Eigentliche Herzstörungen (bedingt durch Klappenfehler,
Arteriosklerose oder chronische Nephritis) bestanden bei sechs
oder sieben Patienten; in gleicher Häufigkeit fanden sich
nervöse Herzbeschwerden. Die gewöhnlichste Grundlage war
aber eine hydrämische Plethora. Dementsprechend war die
größte Gruppe die der Chlorotischen mit ihrer vasomotorischen
Labilität im Alter der Pubertätsentwicklung. Diese Gruppe
stellt nach allen Autoren das Hauptkontingent zur Epistaxis. ln
vielen Fällen wurden die Nachteile, die aus der Konstitution für
den Kreislauf hervorgingen, noch verstärkt durch Fehler der
Lebensweise, wie z. B. überreichen Kaffeegenuß. Alles in allem
bestand bei wenigstens 'Ir, der Fälle für die örtliche Stauung ein
Anlaß in allgemeinen Zirkulationsstörungen. Hiernach hat Ver¬
fasser die Tnerapie eingerichtet. Wenn bei der akuten Behand¬
lung die üblichen Maßnahmen, das Lösen beengender Kleider
nebst dem flachen Andrücken des Nasenflügels gegen das
Septum bei bequemem Sitzen und ruhigem Atmen, gegebenen¬
falls auch eine hydropathische Ableitung, z. B. kalte Kompresse
auf Nacken nicht genügt, so fragt es sien, was weiter zu tun ist.
Die Rhinologie benutzt vor allem die chemische oder thermische
Kaustik, mit der man zweifellos die blutenden Stellen oft zum
Verschluß bringen kann, besonders wenn man einen blutenden
Punkt sieht. Weil man letzteren aber nicht oft sehen kann und
weil, selbst wenn er zu sehen ist, auch nach der Kaustik manch¬
mal noch tamponiert werden muß, so verzichtet Verf. meistens
auf die Kauterisation ganz und führt lieber die vordere Tam¬
ponade mit weißer Gaze aus. Sobald die akute Blutung gestillt
ist, betrachtet Verf. es als die Hauptaufgabe des Arztes, den
Kreislauf zu regeln, um dem Rückfall des Blutens vorzubeugen.
Zur Kreislaufregelung werden natürlich zuerst die Fehler der
Diät abgestellt, was manchmal schon allein zum Erfolge genügt.
Bei Stunlverstopfung wird mit einem Abführmittel angefangen,
und im übrigen wird die Aufnahme erregender Speisen (Ge¬
würze, Eier, Fleisch) und Getränke eingeschränkt, letzteres z. B.
durch ein mehrwöchiges gänzliches Verbot des Bohnenkaffees.
Dagegen werden Gemüse, Obst, Butter, Milch, Malzkaffee mehr
herangezogen. Hierzu kommt für die ersten Tage eine Arznei-
veroretnung, teils weil die Diät besser befolgt wird, wenn an sie
durch eine Arzneivorschrift erinnert wird, teils weil die Diät
allein oft nicht genügt. Nichts hat hier so gut gewirkt, wie die
Digitalis. Als nie beste Form der Digitalistherapie hat Verf.
immer wieder den Blätteraufguß gefunden, und zwar seit 1903
das „Inf. fol. Digit, titr.“. Als gleichwertig hat er in den letzten
Jahren auch das „Digitalysat Bürger“ schätzen gelernt. Ver¬
fasser betrachtet 0,7—0,8 g der Folia Digit, titr. im Infus als
Gesamtdosis, wenn sie in zwei Tagen verbraucht wird, oder
drei Tage lang 3 mal täglich 20 Tropfen Digitalysat gegen das
Nasenbluten der Erwachsenen als meistens ganz ausreichend.
Der Erfolg blieb nur 2 mal ganz aus. Was ctie Erklärung der
überraschenden Wirkung der Digitalis betrifft, so handelt es
sich nach Verfassers Ansicht um üie gewöhnliche Wirkung, die
die Digitalis in mäßigen Gaben überhaupt ausübt: Die Störung
in der Zirkulation und Verteilung des Blutes wird aufgehoben,
die venöse mid kapillare Stauung verschwindet. Die Kreislauf¬
regelung ist die beste kausale Therapie des Nasenblutens. K r.
Dr. Oskar Weiß, leitender Arzt der Dr. Brügelmannsehen
Klinik zu Südende-Berlin: Ueber den heutigen Stand der
Lehre vom Asthma. (Die Therapie der Gegenwart, Okto¬
ber 1910.)
Verf. gibt eine Darstellung der B r üg el m a nn sehen
Asthmatherapie. Nach Brügelmanns Aulfassung kann ein
Asthmaanfall nur durch die Reizung des Respirationszentrums
zustande kommen; ohne Reizimg des Respirationszentrums kein
Asthma. Wodurch nun wird das Respirationszentrum gereizt?
Die Reizung des Respirationszentrums kommt auf traumati¬
schem, reflektorischem und toxischem Wege zustande. Bezüg¬
lich des ersten Weges erinnert Verf. nur an das bekannte Vor¬
kommnis, daß einem Menschen vor Angst und Schreck der Atem
stockt. Die asthmatische Angstneurose zeigt den fürchterlich¬
sten Grad von Asthma, den wir kennen. Durch ein solches
Trauma cerebri wird das ganze Gehirn schwer gereizt, also
auch das Respirationszentrum. Reflektorisch kann das Respi-
rationszentrum von allen Organen aus gereizt werden. Drittens
kommt die toxische Wirkung des Blutes in Betracht, die
anormale Ernährung des Zentralorgans und somit des ge¬
schwächten Respirationszentrums. Dies wird der Fall sein bei
allen Zuständen, bei denen eine Vermehrung der Kohlensäure
im Blute eintritt, also bei Herz- und Nierenkrankheiten, Ple¬
thora, Respirationshindernissen. etc. Legt man diese Auf¬
fassung dem therapeutischen Handeln zugrunde, so leuchtet
ein, daß wir bei jedem neu eintretenden Asthmatiker bestrebt
sein müssen, die Hauptfrage zu beantworten: Wodurch wird im
konkreten Fälle das Respirationszentrum gereizt? Ohne weite¬
res werden z. B., wenn eine Psychose oder eine Hysterie das
Zentralorgan belastet und das Respirationszentrüm in Mitleiden¬
schaft zieht, Maßnahmen, wie Nasenbehandlung oder Glüh¬
lichtbäder oder Atemübungen, wodurch das Zentralorgan eher
beunruhigt als beruhigt wird, unterlassen, da sie mehr schaden
als nützen werden. Andererseits ist, wenn eine Nasenaffektion
(beispielsweise Polypen) vorliegt, es als schwerer Kunstfehler
zu bezeichnen, vor jeder anderen Behandlung eine gründliche
galvanokaustische Ausräumung der Nase nicht vorzunehmen. In
den allermeisten F’ällen, wenn das Asthma nicht allzu lange
besteht und dadurch dem Körper indirekt schwer geschadet
hat, wird mau mit der rhinoskopischen Behandlung ausreichen.
Liegt aber ein Uterinleiden vor und ergibt die Anamnese, daß
bei der Regel oder Kohabitation jedesmal mehr oder weniger
erhebliches Nasenlaufen und Asthma eintritt, so wird man die
Nase nur als sekundär erkrankt betrachten und sein ganzes Au¬
genmerk den Geschlechtsorganen zuwenden und durch Dilatation
der krampfhaft kontrahierten Cervix, durch Behandlung des
erkrankten Endometriums oder durch Repositionen der Ge¬
bärmutter, Lösen von Verwachsungen und lageverbessernde
Operationen (Alexander-Adams, Vaginae fixatio usw.) Ruhe
schaffen, mit einem gewöhnlich in bezug auf das Asthma
geradezu zauberischen Erfolge und sofortigem Aufhören des
Nasenflusses. Zeigt uns aber ein Asthmatiker eine Störung der
Herztätigkeit, so sprechen wir von einem Herzasthma, müssen
aber von vornherein die Differentialdiagnose stellen, ob es sich
um eine funktionelle Herzneurose (Neurasthenia cordis) oder
um ein Vitium cordis handelt. Im ersten Fälle werden wir
suggestiv beruhigen und durch Pneumatotherapie, Hydro
No. 50.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
749
therapie und Diät im weitesten Sinne das Respirationszentrum
entlasten; im zweiten Falle werden wir durch Digitalis, Stro-
phanthus, heiße Bäder, Atemgymnastik usw. der Ausbreitung
des Vitium Vorbeugen und durch Beseitigung der Intoxikation
des Blutes den Reiz auf das Respirationszentrum beseitigen.
i
Dr. Kuhlemalin (Uslar): Schwere peritonitische Entziindungs-
erschemiuigen, hervorgerufen durch Bandwurm. (Medizini¬
sche Klinik, 1910, Nö. 43.)
Verf. wurde zu einem 12 jährigen Knaben gerufen, der nach
gut durchschlafener Nacht plötzlich von heftigen Leibschmerzen
befallen wurde. Die Berührung des Leibes war außerordentlich
schmerzhaft, namentlich im rechten Hypochondrium dicht unter
dem Rippenrande. Genauere tiefe Palpation war wegen der
großen Schmerzhaftigkeit und der starken Muskelspannung nicht j
möglich. Die Blinddarmgegend war frei von einem Tumor und j
nicht besonders empfindlich. Die Temperatur betrug 38,5 °, [
der Puls 112 pro Minute. Diagnose: Beginnende Peritonitis in
der Gegend des rechten Hypochondriums, Ursache unbekannt.
Therapie: Kleine Opiumdosen zweistündlich und feuchter lauer
Umschlag. Nahrungsenthaltung. Abends war die starke Muskel¬
spannung infolge der Opiumgaben zurückgegangen; der Leib
war im ganzen aufgetrieben; die allgemeine Schmerzhaftig¬
keit des Leibes hatte nachgelassen; nur unterhalb des rechten
Rippenbogens war der Leib in der Ausdehnung einer kleinen
Hand besonders stark vorgewölbt und umschrieben druck¬
empfindlich. Die Temperatur betrug 39,8 0 C., der Puls 120
pro Minute.' Kein Stuhlgang, kein Erbrechen. Am nächsten
Tage war geringe Besserung aller Symptome vorhanden, das
Fieber sogar gänzlich geschwunden. Der Leib trotz Zurück¬
haltung des Stuhlganges klein und weich, nur geringe um¬
schriebene Druckempfindlichkeit noch in der rechten Seite. Auf
Oeleinlauf und Rizinusöl erfolgt abends etwas dünner Stuhl.
Die Nacht verläuft gut. auch der nächste Tag. Am folgenden
Morgen steht Patient bei Wohlbefinden auf und- genießt ein
halbes Brötchen und etwas Milch; sofort stellen sich wieder
heftige Schmerzen ein. Verf. findet denselben Zustand wieder,
wie am ersten Tage der Erkrankung. Nach Darreichung von
Opium verlieren sich die heftigen Schmerzen, der Leib bleibt
jedoch gespannt, unter dem rechten Rippenbogen ist in der
nächsten Zeit dauernd eine etwas vorgewölbte. umschrieben
schmerzhafte, resistente Stelle vorhanden. Fieber besteht jetzt
dauernd, in verschiedenen Höhen, abends öfter nahe 40 °. trotz
Regulierung des Stuhlganges. Einige Tage später finden sich im
Stuhlgang mehrere einzelne Bandwurmglieder. Nunmehr führte
Verf. die Krankheitserscheinungen auf den Bandwurm zurück
und entschloß sich trotz des bestehenden Fiebers und der vor¬
handenen peritonitischen Entzündungserscheinungen zur Ein¬
leitung einer Bandwurmkur, die eine Taenia solium heraus¬
beförderte. Nach dem Abgang des Bandwurms ließen sämtliche
Reizerscheinungen alsbald nach und völlige Genesung trat j
bereits am nächsten Tage ein. K r.
Dr. H. Knierim (Leipzig): lieber eine seltenere Lokalisation von
abgelagertem Schwefelblei (Bleisauml hei chronischer Blei¬
vergiftung. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 42.)
Bei der chronischen Bleivergiftung hat der Bleisaum fast¬
ausschließlich am freien Zahnfleischrand dicht neben den
Zähnen seinen Sitz, und zwar ist vorzugsweise das Zahn¬
fleisch in der Umgebung der Schneidezähne befallen. An ande- {
ren Stellen des Mundes findet eine Ablagerung von Schwefel- j
blei selten statt; so wird eine Mißfärbung der gesamten Mund- j
höhlenschleimhaut oder der inneren Wangenfläche erwähnt. J
Verfasser konnte bei einem in der Leipziger Klinik beobachte- _ [
ten Fall von chronischer Bleivergiftung eine fleckenweise an¬
geordnete, schwarzgraue Verfärbung der inneren Lippen¬
schleimhaut bemerken, die offenbar durch hier im Gewebe an- j
gehäuftes Schwefelblei bedingt war. Es handelte sich um ein
24 jähriges Mädchen, welches in einer Fabrik mit dem Mischen
von pulverförmigen, bleihaltigen Farben beschäftigt war. Bei
der Aufnahme fand sich außer sonstigen Symptomen der Blei¬
vergiftung an dem Zahnfleischrand der unteren Schneide- und
Eckzähne ein ziemlich stark ausgeprägter, grauschwarzer Blei¬
saum, ebenso auch am linken oberen Eckzahn. Das Zahnfleisch
war geschwollen und etwas livide verfärbt. Während des Auf¬
enthaltes der Patientin im Krankenhause ging der schwärzliche
Bleisaum bedeutend zurück, so daß schon nach 14 Tagen nur
noch spärliche Reste vorhanden waren. Dagegen trat jetzt
fleckenweise eine grauschwarze Verfärbung der Unterlippen¬
schleimhaut auf. und zwar an Stellen, die genau einigen weni¬
gen, noch schwach gefärbten Partien des Zahnfleischrandes
gegenüber lagen. Diese Verfärbung erreichte rechts die Größe
und den Umfang einer Linse, während sie in der Mitte und auf
der linken Seite der Lippen noch die Gestalt von einzelnen ■
Streifen darbot. Diese Stellen erwiesen sich bei genauerer Be¬
trachtung als aus zahlreichen schwärzlichen Pünktchen be¬
stehend. Nach 8 Tagen verloren einzelne Fleckchen etwas an
Intensität, die größeren bestanden aber noch bei der Entlassung
der Patientin aus dem Krankenhause. R. L.
Prof. Dr. Th. Papaioannou, Direktor der chir. und gynäkol.
Klinik „Der Heiland“ zu Athen: Ein Jahr Hautdesinfektion
nach Grossich. (Zentralbl. für Chirurgie, 1910, No. 27.)
Verf. hat über 400 Fälle nach G r o s s i c h desinfiziert und
erklärt, daß mit dieser Methode das Ideal der Hautasepsis
erreicht ist. In der letzten Zeit hat Verf. diese kurze und ein¬
fache Methode auch für die Händedesinfektion angewendet.
Gleich vor der Operation und nach einer sorgfältigen Nagel¬
reinigung werden die Fingerspitzen in Jodtinktur eingetaucht.
Dann folgt die Bestreichung der Volar- und Dorsalseite der
Hände, wie auch der ulnaren und radialen Seite der Finger
mit einem in Jodtinktur imbibierten Tupfer. Dieselbe muß bis
an das Handgelenk ausgedehnt werden. Lange aseptische
Aermel, die über dem Handgelenk zugeknüpft werden, be¬
decken die Haut des Armes und Unterarmes. Bei der ersten
Anwendung der Jodtinkturbepinselung zur Händesterilisatiori
hatte sich Verf. einen 8 Stunden lang dauernden Schnupfen zu¬
gezogen und sein Assistent einen Conjunctivalkatarrh. Unter
dieser Jodtinkturdesinfektionsmethode der Hände hat Verf.
Hernien, Alexander-Adam sehe Operationen und
Appendektomien vorgenommen. Es erfolgten dieselben vor¬
züglichen Heilungsresultate. Während der Operation Ab¬
waschen der Hände mit warmem sterilen Wasser. Ein Nachteil
der Händedesinfektion nach Gros sich ist aber die Schädi¬
gung der Haut der Hände, besonders beim täglichen Gebrauch,
die als eine Kontraindikation betrachtet werden muß. Deshalb
hat Verfasser versuchsweise die Händedesinfektion nach
Gros sich nicht täglich, sondern nur alle 10—15 Tage wieder¬
holt, wobei die Schädigung der Haut durch die Jodtinktur ver¬
schwunden war. Diese Schnelldesinfektion der Hände durch
Jodtinktur leistet aber große Dienste bei dringenden Operatio¬
nen, wo selbst Minuten eine große Rolle für das Leben des
Patienten spielen (Herzverletzungen, andere innere Blutungen,
Verletzungen der großen Arterien und Venen). Die
Grossichsche Methode dürfte da sicher die 5 Minuten lang
dauernde Desinfektion der Hände mit Jodbenzin Heusner
ersetzen. K r.
Dr. Rudolf Piirckhauer (München): Ein Nachteil der Jodbenzin¬
desinfektion. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 24.)
ln der orthopädischen Universitätsklinik zu München wird
seit etwa Vs Jahr die Jodbenzinreinigung mit anschließender Jod¬
tinkturbestreichung zur Desinfektion der Haut des Operations¬
feldes angewendet. Eine Störung des Wundverlaufs trat nicht
ein. nur zeigte sich in einem Falle eine unerwünschte Neben¬
wirkung, eine Verbrennung 1. Grades an Stellen, wohin das
Jodbenzin gedrungen war, ohne ordentlich verdunsten zu
können. Weitere Nachteile traten dadurch nicht ein. Man muß
also diese Möglichkeit beobachten bei der Anwendung der
Methode an Körperstellen, w r o ein guter Luftzutritt und damit
ein Verdunsten des Benzins unmöglich ist. R. L.
Erwin Zweifel: Erfahrungen mit Lumbalanästhesie. Aus der
Universitäts-Frauenklinik zu Leipzig. (Inaug.-Dissertation,
Leipzig 1910.)
An der Leipziger Universitätsfrauenklinik wurden bis jetzt
insgesamt annähernd 1450 Operationen unter Lumbalanästhesie
mit günstigem Erfolge ausgeführt. Als Nachteil der Lum-
balanästhesie gegenüber der Inhalations¬
narkose erwähnt der Verf., daß 1. Versager auch bei der
genauesten Einhaltung der Technik beobachtet werden und
daß 2. Nacherscheinungen, manchmal recht quälender Natur,
sich nicht mit Sicherheit vermeiden lassen. Als Haupt-
vorteil gegenüber der Inhalationsnarkose
erwähnt Verf.. daß sich die Kranken im allgemeinen schneller
von der ^Operation erholen. Das Erbrechen ist nach der Lum¬
balanästhesie seltener und weniger heftig, als nach der Chloro-
form-Aether-Narkose. Es ist zu hoffen, daß mit Hilfe der Druck¬
messung und Vermeidung von Druckschwankungen bei der
Injektion sich die schweren Formen von Kopfschmerzen und
von Erbrechen vermeiden lassen werden. Ueberhaupt seien
in der letzten Zeit die Klagen über Kopfschmerzen viel seltener
geworden seitdem man, dem Vorschlag von Bier entsprechend,
die Lumbalanästhesie bei solchen Patienten, die zu Kopf¬
schmerzen neigen, nicht mehr angewandt hat. Was die Wahl
der Anaesthetica anbelangt, so wird in der Leipziger Universi¬
täts-Frauenklinik seit Ende des Jahres 1908 ausschließlich das
Novocain zur Lumbalanästhesie resp. -Injektion verwandt,
das Stovain wurde wegen seiner stärkeren toxischen
Wirkung verlassen; das Tropakokain mußte aufgegeben
werden, weil die Anästhesie nur in ca. der Hälfte aller Fälle
genügte.
Friedrich Michelsson: Ein Beitrag zur Lumbalanästhesie mit
Stovain-Billon. (Archiv für klin. Chirurgie, Bd. 92, H. 3.)
Auf Grund der reichen, im S.tadtkrankenhause in Riga
unter A. v. Bergmann gesammelten Erfahrungen präzisiert
Verf. seinen Standpunkt dahin, daß die Lumbalanästhesie zwar
eine wertvolle Bereicherung unserer Methodik darstellt, aber
750
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 50.
wegen der ihr anhaftenden Neben- und Nachwirkungen. nicht
berufen erscheint, die Inhalationsnarkose zu verdrängen. Unter
den für die Lumbalanästhesie empfohlenen Mitteln behauptet
das Stovain-Billon nach wie vor seinen Platz, da es bei Ver¬
meidung der Beckenhochlagerung, welche bei der Lumbal¬
anästhesie überhaupt nicht angebracht erscheint, neben
manchen Vorzügen keine wesentlichen Nachteile den anderen
gebräuchlichen Mitteln gegenüber aufweist. Zu den von den
meisten Chirurgen anerkannten Kontraindikationen für die
Lumbalanästhesie: jugendliches Alter, besonders schmerzhafte
Eingriffe, septische Prozesse, Erkrankungen des Zentralnerven¬
systems, sind noch größere Blutverluste hinzuzufügen.
Adler (Berlin-Pankow).
Dr. W. Schack (St. Petersburg): Ein neues Verfahren zur
radikalen Beseitigung der Hämon-lioiden. (Zentralblatt für
Chirurgie, 1910, No. 38.)
Verf. beschreibt eine nach Dombrowskis Angaben an¬
gefertigte besondere Zange für die Operation der Hämorrhoiden,
die gegenüber der v. Langenbeck sehen Blattzange, oder
der .loh ns sehen Zange große Vorteile bietet. Der wesent¬
lichste Unterschied von der La n g e n b e c k sehen und der
Johns sehen Zange besteht in einer halbkreisförmigen Biegung
der fassenden Branchen. Beide zusammen angelegt, um¬
schließen völlig die Afteröffnung. Beim Gebrauch der Zangen
verläuft die Operation typisch folgendermaßen: Energische
Dehnung des Sphinkters mit zwei eingehakten Fingern, Fassen
sämtlicher Knoten mit Arterienklemmen. Die gefaßten Knoten
der einen Seite werden nun hervorgezogen, und hinter die
Arterienklemmen wird die eine Hämorrhoidalzange geführt und
fest verschlossen, dasselbe wird auf der anderen Seite ausge¬
führt; feuchte Kompressen werden unter die elfenbeinbelegten
Zangen geschoben, dann die Knoten mit der dazwischen liegen¬
den Schleimhaut abgetragen und verschorft, zuerst auf der
einen, dann auf der anderen Seite. Während die Zangen noch
liegen, können unter ihnen einige Vierstichknonfnähte durchge¬
führt werden, um das Zurückschlüpfen der Mastdarmschleim¬
haut sicher zu vermeiden. Während die Zangen noch liegen,
wird auch noch das mit Jodoformgaze umwickelte dicke Drain
ins Rektum eingeführt; um das Drain können noch einige
Tampons eingeführt werden. Nun erst werden die Zangen abge¬
nommen. man erhält eine lineäre Schorfwunde rings um den
Anus; der Patient verliert während des ganzen Eingriffs kein
Blut. Da die Narbe außerhalb des Sphinkters zu liegen kommt
und aus der Vereinigung zwischen Analhaut und gesunder
Schleimhaut besteht, und es zu keinen granulierenden Flächen
kommt, werden Strikturen sicher vermieden. K r.
,S. Hadda: Die Torsion des großen Netzes. (Archiv für klin<
Chirurgie. Bd. 92, H. 3.)
An der Hand eines von Gottstein (Breslau) operierten
Falles von Netztorsion erörtert H. das klinische Bild der
Affektion. von welcher er 92 Fälle in der Literatur gesammelt
hat. während zur Zeit der Publikation von Adler (1907) nur
52 Fälle bekannt waren. Die Torsion des großen Netzes erfolgt
bei vorhandenem Leistenbruch dadurch, daß das Netz durch den
ungleichmäßig kalibrierten Kanal, wie durch den Drall eines
Gewehres hindurchgeschoben wird und dabei sich spiralig
dreht. Prädisponierend für die Torsion sind Fettreichtum,
klumpige Hvpertroohie des Netzes und Stielbildung. Diese Er¬
klärung bezieht sich auf diejenigen Fälle, in welchen gleichzeitig
ein Leistenbruch besteht, und diese Fälle bilden bekanntlich die
überwiegende Mehrzahl. Besteht kein Bruch und handelt es
sich um eine rein intraabdominelle Netztorsion, ohne daß das
Netz etwa mit einem sich drehenden Bauchorgan verwachsen
ist und diesem nur sekundär folgt, so kommen alle jene ätiolo¬
gischen Faktoren in Betracht, von welchen wir wissen, daß sie
Drehungen intraabdomineller Organe begünstigen, wie Trau¬
men lebhafte Peristaltik, sehr wechselnde Füllung der Därme,
lebhafte Kontraktionen der Bauchmuskeln im Verein mit
abnormem Fettreichtum des Netzes.
Adler (Berlin-Pankow).
Tappeiner: Beitrag zur Kenntnis der tuberkulösen Pylorus¬
stenose. (Beiträge z. klin. Chirurgie, 1910, Bd. 66, H. 2.)
Bei einem 12 jährigen Kinde in der chirurgischen Klinik
zu Greifswald wurde eine stenosieren.de Pylorustuberkulose
vorgefunden und durch Gastroenterostomie entfernt. Unter¬
scheidet man eine ulceröse, eine hypertrophische und eine
fibröse Art dieser Erkrankung, so handelte es sich bei dem
Kinde um die hypertrophische Art. Verf. führt aus der Literatur
27 Fälle einzeln auf, bei denen wie hier der Sitz der tuberkulö¬
sen Veränderungen in der Magenwand selbst gelegen war.
Hiervon wurden 16 mit Gastroenterostomie, 8 mit Resektion,
1 mit Excision des Geschwürs, 1 mit Pyloroplastik behandelt;
bei 1 wurde nur eine Probelaparotomie gemacht. Zweifellos
wäre die ideale Methode die Resektion: doch verbietet sie
meistens der gesunkene Allgemeinzustand. Allenfalls ließe sie
sich nachholen, wenn die Kranken sich nach der Gastroenter¬
ostomie erholt und gekräftigt haben, namentlich dann, wenn
im Körper kein weiterer tuberkulöser Herd gefunden wird.
Von den 27 Fällen sind die meisten innerhalb eines Jahres nach
kurzdauernder Besserung an ihrer Tuberkulose gestorben; die
Prognose ist deshalb so ungünstig, weil gewöhnlich noch
Tuberkulose der Lunge und anderer Organe besteht. Die
häufigste Ursache der Magentuberkulose ist zwar das Ver-
schlucken des tuberkulösen Sputums; es sind aber auch Fälle
beschrieben, bei denen keinerlei sonstige tuberkulöse Ver¬
änderungen diagnostiziert werden konnten.
Mühlschlegel.
Axel Blad: Ueber die Wirkungsarten und Indikationen der
Gastroenterostomie. (Archiv für klin. Chirurgie, Bd. 92,
H. 3.)
An der Hand von 20 Fällen von Gastroenterostomie wegen
Ulcus pylori bezw. duodeni hat B. sorgsame Untersuchungen
über die sekretorische und motoi'ische Magenfunktion der Ope¬
rierten ausgeführt. B. kommt zu dem Schlüsse, daß durch die
Operation selbst dann ein Erfolg erzielt werden kann, wenn die
Entleerungsfähigkeit des Magens durch dieselbe nicht verbessert
wird. Dies erklärt sich hauptsächlich durch die auch von ande¬
ren Autoren festgestellte Tatsache, daß nach der Gastroen¬
terostomie in der Regel alkalische Galle und Pankreassaft in
reichlichen Mengen durch die Anastomose in den Magen strömt,
wodurch der reichliche, hyperacide Magensaft neutralisiert wird.
Gleichzeitig ist von verschiedenen Seiten der Nachweis erbracht,
daß nach einer Gastroenterostomie eine reflektorische Herab¬
setzung der Magensekretion eintritt. Tatsächlich konnte auch
B. in seinen Fällen eine deutliche Herabsetzung der Acidität des
Magens nach der Operation nachweisen.
Alles in allem wird die Hypersekretion eines stark sauren
Magensaftes beim Ulcus die Gastroenterostomie indizieren,
während in Fällen von Ulcus mit Gastritis und Achylie ohne
schwerere Veränderungen am Pylorus die Operation kontra-
indiziert ist. Nicht nur an die reine mechanische Wirkung, soll
man bei der Indikationsstellung denken, sondern auch an ihren
die Sekretionsverhältnisse günstig beeinflussenden Effekt.
Adler (Berlin-Pankow).
Sch'offer: Erfahrungen über Nieren- und Blasentuberkulose.
(Beiträge z. klin. Chirurgie, 1910, Bd. 67.)
Es gibt Nierentuberkulosen, bei denen wir auch nach Zu¬
hilfenahme des ganzen diagnostischen Apparates, der anwend¬
bar ist. die Nephrektomie immer noch unter einem gewissen
Risiko bezüglich derBeschaffenheit der zweitenNiere vornehmen.
In manchen dieser Fälle wird das Risiko wesentlich vermindert
durch Ausführung des beiderseitigen Explorativschnittes, der
als Erschwerung des Eingriffs viel weniger ins Gewicht fällt,
als man vielleicht von vornherein annehmen könnte.
Sch. hat in den letzten Jahren 9 sichere Fälle von Tuber¬
kulose der Harnwege zur Beobachtung gekommen. In 8 von dpn
9 Fällen lag eine Blasentuberkulose vor. nur 1 mal fehlte sie
bei vorhandener Nierentuberkulose (8 Fälle). In 5 von diesen
8 Fällen von Nierentuberkulose konnte die Klarstellung des
Krankheitszustandes erst durch den doppelseitigen Explorativ-
schnitt mit solcher Sicherheit erfolgen, daß die Nephrektomie
ohne Bedenken vorgenommen werden konnte. Die Kranken
haben den doppelten Explorativschnitt durchweg sehr gut ver¬
tragen; niemals zeigten sich nachher Erscheinungen von Nieren-
insufficienz. Einer dieser Kranken ist 2 Monate nach der
Operation an Miliartuberkulose gestorben, wohl infolge eines
technischen Mißgriffs bei der Nierenexstirpation.
Es folgt die Krankengeschichte der 7 Fälle kombinierter
Tuberkulose.
Bei der Ausführung des doppelten Explorativschnittes hat
es sich S c h. zum Grundsatz gemacht, zuerst die vermutlich ge¬
sunde Niere freizulegen und dann erst die kranke, da hierbei
nur ein Lagewechsel des Kranken erforderlich ist andern¬
falls zwei. Mühlschlegel.
Privatdozent Dr. Walther Hannes, Oberarzt der Universitäts-
Frauenklinik zu Breslau: Paraurethraler Absceß — geheilt
durch Leukofermantin-Iniektion. (Zeitschrift für gynäkol.
Urologie, 1910, Bd. II, H. 4.)
Eine 31jährige Frau kam in die Klinik, weil sie seit
10 Tagen Beschwerden beim Wasserlassen habe und nunmehr
spontan überhaupt nicht urinieren könne. An der vorderen
Scheidenwand war eine prominente, etwa hübnereingroße,
teigige, sich deutlich vorwölbende Infiltration zu fühlen; beim
Katheterisieren bemerkte man eine deutliche Vorwölbung der
hinteren Wand der Urethra; keine auffallende Eitersekretion an
der und aus der Harnröhre; im Harnröhrensekret reichlich
Gonokokken; Temperatur 39.2°. Von einer Cvstoskooie bezw.
Urethroskopie wird mit Rücksicht auf die floride Gonorrhoe
Abstand genommen. Am folgenden Tage früh beträgt die
Temperatur 37 8 Punktion des Tumors von der Scheide aus
mittels Aspirationsspritze; es wird reichlich Eiter entleert. An¬
füllen der Absceßhöhle durch die Punktionsnadel mittels Spritze
No. 50.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
751
mit „Leukofermantin Müller“, so daß der Tumor wieder
ziemlich prall gefüllt ist. Die bakteriologische Untersuchung
des Eiters ergab Streptokokken. Am Abend 38,8 °; vom folgen¬
den Tage ab dauernd fieberfrei. Patientin kann vom folgenden
Tage ab dauernd ohne Beschwerden spontan urinieren. Nach
drei Tagen ist von dem Tumor im Septum vagino-urethrale
nichts mehr zu tasten. Nach Einleitung einer antigonorrhoischen
Behandlung wird Patientin in die Ambulanz entlassen. K r.
Dr. C. Weinbrenner (Magdeburg): Zur operativen Behandlung
entzündlicher Adnexerkrankungen. (Münch, med. Wochen¬
schrift, 1910, Nr. 43.)
Die operative Behandlung chronischer Adnexerkrankungen
hat gegen früher eine Einschränkung erfahren. Es hat sich
ergeben, daß in einem Teile — auch der eitrigen Fälle — die
expektative Behandlung zum Ziele führt. Führt jedoch die
expektative Behandlung nicht zum Ziel oder drängen die
sozialen Verhältnisse zum Eingreifen, so ist die chirurgische
Behandlung indiziert; ferner nach Verfasser auch da, wo
rezidivierende Beschwerden auf eine Mitbeteiligung und
primäre Erkrankung der Appendix hinweisen. Was die
Methode der Operation anlangt, so wird .es von der Beschaffen¬
heit des einzelnen Falles, ferner von der Aetiologie abhängen,
wie man vorzugehen hat. Die Eröffnung der Bauchhöhle ist
z. B. bei streptokokkenhaltigem Eiter immer ein höchst be¬
denklicher Eingriff, während gonorrhoischer Eiter das Bauch¬
fell viel weniger gefährdet. In nicht seltenen Fällen ist der
Tubeneiter bekanntlich sogar ganz steril, wie man annimmt,
weil die Bakterien nach Ablauf einer gewissen Zeit an ihren
eigenen Toxinen zugrunde gehen. Ist der Eiter steril, so ist
seine Berührung mit dem Bauchfell ein gleichgültiges Ereignis.
Das scheint in ungefähr der Häfte aller Fälle, die zur Operation
kommen, zuzutreffen. Allerdings ist es nicht immer möglich,
vorher zu bestimmen, ob der Tubeninhalt eitrig und noch
infektiös ist. Ist der Adnextumor vom hinteren Scheiden¬
gewölbe aus bequem zu erreichen, so bedient sich Verfasser der
Pröbepunktion zu diagnostischen Zwecken, diese gewährt in
manchen Fällen Aufschluß über die Art der Erkrankung.
Findet man bei der Punktion eines entzündlichen Adnextumors
keinen Eiter, so beweist dies allerdings nicht viel, weil kleinere
Eitersacke so von peritonealen Cvsten umgeben und einge-
schlossen sein können, daß man mit der Nadel den Herd nicht
trifft. Kommt man in einem Falle vor der Operation zu keinem
sicheren Ergebnis, so muß man sich so verhalten, als ob man
infektiösen Eiter vor sich hätte, d. h. wenn man operiert, muß
man die freie Bauchhöhle nach Möglichkeit vor einem Ein¬
dringen des Eiters schützen. Handelt es sich um einen größeren
Eiterherd, der dem hinteren Scheidengewölbe unmittelbar an¬
liegt. so kommt in erster Linie die Inzision vom hinteren
Scheidengewölbe aus in Frage. Bei den meist einseitigen und
größeren septischen Pyosalpingitiden. sowie hei Douglas-
abscessen genügt oft die Inzision, um eine dauernde Besserung
und Heilung in die Wege zu leiten. Bei den gonorrhoischen
und tuberkulösen Eitersacken ist besser die Exstirpation der
Eitersäcke vorzunehmen, weil es sonst zu Fistelbildung kommen
kann. Hier ist es nun die Frage, soll man vaginal oder ab¬
dominal Vorgehen, soll man konservativ oder radikal operieren?
Bei jugendlichen Personen geht Verfasser möglichst konser¬
vierend vor und wählt dazu den abdominalen Weg, weil dieser
die sichere Gewähr bietet, das zu erhalten, was erhalten werden
kann und darf. Den Schnitt legt er in die Linea alba. Zunächst
wird die Tube abgeklemmt und entfernt. Ist der Eierstock
deutlich verändert, so wird er ebenfalls entfernt, wenn die
andere Seite bessere Verhältnisse für die Erhaltung bietet. Sind
beide Ovarien stark entzündlich verändert und handelt es sich
um eitrige Prozesse, so gibt Verfasser sich keine Mühe, durch
Resektion einen Teil der Eierstöcke zu erhalten. Bei dem Be¬
streben. durch möglichst konservierende Operation die Aus¬
fallserscheinungen zu verhüten, muß man mit der Möglichkeit
einer schlechten Heilung und späterer Rezidive rechnen. Ver¬
fasser hatte nach 57 konservierenden Laparotomien 17 mal
Exsüdatbildungen im Stumpf oder im Wundbett, die allerdings
nach einer gewissen Zeit fast restlos resorbiert wurden, immer¬
hin aber den Heilungsprozeß verzögerten. Je komplizierter die
Wundverhältnisse bei konservierenden Operationen sind, um
so ungünstiger gestalten «ich die Aussichten auf einen guten
Dauererfolg. Die Aussichten werden noch verschlechtert, wenn
man einen kranken gonorrhoischen Uterus zurückläßt. Ein
besseres örtliches Dauerresultat wird in solchen Fällen erzielt,
wenn mau neben den kranken Tuben und Ovarien die Gebär¬
mutter mit entfernt. Wenn es sich dabei um Frauen handelt,
die den Wechseljahren nicht mehr fern sind, ist in solchen
Fällen radikal zu operieren. Ob man in diesen Fällen abdomi¬
nal oder vaginat operiert, hängt von den besonderen Verhält¬
nissen des Einzelfalles ab. Allerdings für die Fälle, die sich
vaginal beherrschen lassen, verdient der vaginale Weg unbe¬
dingt den Vorzug. Handelt es sich um Tuberkulose, so gehl
man besser abdominal vor, weil die Lösung der Darmver¬
wachsungen hier Schwierigkeiten machen kann. Und bei Ver¬
dacht auf appendicitische Veränderungen tut man gut, vom
Abdomen aus zu operieren. Bei erschwerter Lösung festver¬
wachsener Darmschlingen hat man vom Abdomen aus eine
bessere Uebersicht und Kontrolle. Es kommen dabei gelegent¬
lich Verletzungen und sogar kleine Fisteln vor, die den töd¬
lichen Ausgang herbeiführen können und die sich leicht der
Kenntnis entziehen, wenn nicht besonders darauf geachtet wird.
Es kann auch bei lange bestehenden eitrigen Adnextumoren
zu chronischen Darmfisteln kommen, die zu dauerndem Eiter¬
abgang aus dem Darm führen. In einem derartigen Falle
gelang es Verfasser, durch Inzision der Eiterherde und
Tamponade (vom Abdomen aus) vollständige Heilung zu er¬
zielen. R. L.
J. Bosenstirn: Zur Frage der Krebsmetastasen in den Ovarien
und im Cavum Douglasii. (Archiv für klin. Chirurgie, Bd.
92, H. 3.)
R. hat im pathologischen Institut des städt. Krankenhauses
im Friedrichshain Berlin an der Hand von 15 Fällen die Frage
der Krebsmetastasen in den Ovarien und im Douglas unter¬
sucht. Er konnte feststellen, daß in einem makroskopisch völlig
unveränderten Douglas mikroskopisch nachweisbare Krebs¬
metastasen vorhanden sein können, und zwar ist es meist der
tiefste Punkt des Douglas, in welchem man diese Metastasen
findet. Verf. hält deshalb für erwiesen, daß bei Carcinomen
der Bauchhöhle eine Implantationsmetastase des Douglas vor¬
kommt. welche früher erfolgt, als die der Ovarien und unter
dem Einfluß des Gesetzes der Schwere die tiefste Partie des
Douglas, d. h. die Umschlagsfalte, zuerst ergreift. Diese Meta¬
stasen fand R. auch in relativ frischen Fällen welche weder
ulceriert waren, noch die Serosa durchbrochen hatten.
R. empfiehlt auf Grund dieser Erfahrungen bei Radikal-
ooerationen von abdominellem Carcinöm die Fortnahme der
Umschlagsfalte des Douglas. Adler (Berlin-Pankow).
Dr. A. von der Heide und Dr. E. Krösing: Die Bedeutung der
Antitrypsinbestimmung für die Gynäkologie. (Zeitschrift für
Geburtshilfe und Gynäkologie, 1910, Bd. 67, H. 1.)
Zusammenfassung:
1. Der Antitrypsingehalt des Blutes ist erhöht bei Carcinöm
in 80—90 pCt. der Fälle, bei Pyosalpinx, Sepsis, bei Gravidität
in steigendem Maße, im Puerperium, gewöhnlich nicht bei
Myom.
2. Prognostisch lassen sich keine Schlüsse ziehen, abge¬
sehen von einem 4- -Befund bei operiertem Carcinöm, der wahr¬
scheinlich auf Rezidivfreiheit deutet.
3. Myom Carcinöm, Gravidität lassen sich unter Umständen
durch die Antitrvpsinbestimmung gegeneinander abgrenzen,
Pyosalpinx und Tubargravidität nicht.
4. Graviditäts- und Puerperalnephritiden scheinen in den
letzten Monaten ante partum nicht wie normale Kreißende an
Hemmungskörpern im Blut zuzunehmen.
5. Die Ursache der Reaktion ist die Erhöhung des inter¬
mediären Eiweißstoffwechsels. K r.
Dr. Bardachzi (Prag.): Zur Röntgentherapie der Uterusmyome.
(Münch, med. Wochenschrift. 1910, No. 42.)
Verfasser berichtet über 6 Fälle, in denen bei Uterus¬
myomen die Röntgenbestrahlung einen günstigen Einfluß auf
die Blutungen ausübte und die Tumoren sich deutlich ver¬
kleinerten. Es wurde regelmäßig in Zwischenräumen von etwa
3 Wochen nahezu eine volle Röntgendosis appliziert. Gemessen
wurde die Strahlenmenge teils mit dem Radiometer von
Sabouraud und N o i r e , teils mit dem Fällungsradiometer
von Schwarz. Bei kleineren Myomen wurde die Rosen¬
thal sehe Kompressionsblende mit ihren verschiedenen An¬
sätzen gebraucht- bei größeren wurde ohne dieselbe bestrahlt.
Die Umgebung der zu bestrahlenden Partie wurde stets sorg¬
fältig mit Bleistoff abgedeckt. Zur Filtration der allzu weichen
Strahlen wurde Sohlenleder oder ein mehrfach zusammengeleg-
tes festes Tuch verwendet; es wurden fast ausschließlich
Gundelachröhren von einem Härtegrad von ca. 9 Wehnelt¬
einheiten benutzt. Auf Grund seiner Beobachtungen empfiehlt
Verfasser, in geeigneten Fällen die Röntgenbehandlung der
Uterusmyome zu versuchen, und zwar nicht nur bei messer¬
scheuen Kranken, sondern auch in allen Fällen, bei denen mit
der Operation noch gewartet werden kann- Erst bei größerer
Erfahrung wird es möglich sein, die Indikationen der Röntgen¬
behandlung genauer abzugrenzen und ein sicheres Urteil über
die zweckmäßigste Art der Behandlung zu gewinnen.
Prof. Otto v. Herff (Basel): Die kausale Behandlung einer
Dvstokie bei engem Becken. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 43.)
Verfasser vertritt in dieser Arbeit von neuem seinen be¬
kannten Standpunkt in der Frage der Gehurten bei engem
Becken gegenüber den Bestrebungen der ..chirurgischen“ Ge¬
burtshilfe. Die Größe einer Dystokie bei engem Becken wird
im wesentlichen durch 3 Hauptfaktoren beherrscht: 1. die
752
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 50.
Größe, weniger die Art der Beckenverengerung; 2. die Größe
und Konfigurationsfähigkeit des kindlichen Kopfes: 3. die Kraft
der Wehen. Am wenigsten sind wir vorläufig in der Lage, die
Wehenkraft zu beeinflussen. Kausal läßt sich zurzeit eine
Beckendystokie nur durch Erweiterung des Beckens oder durch
Verringerung des kindlichen Kopfumfanges, im letzteren Falle
wenn möglich unter gleichzeitiger Steigerung seiner Konfigu¬
rationsfähigkeit, behandeln. Eine Beckenerweiterung kann
a) durch eine bestimmte Lagerung der Mutter b) durch Becken-
snaltung verringert oder beseitigt werden. Die Lagerung der
Mutter (W alc lier -Klein sehe, Hängelage. Steißrückenlage)
bewirkt nur eine mäßige Erweiterung und hat daher ein be¬
schränktes Indikationsgebiet. Die Beckensnaltungen (Sym-
physeotomie, Hebosteotomie! leisten für die Erweiterung viel
mehr, gefährden aber die Mutter in hohem Grade. Ihre Mor¬
talität ist verhältnismäßig groß, noch viel größer die Zahl der
Nebenverletzungen (Blase) und Nachkrankheiten: das Wochen¬
bett wird erheblich verlängert. Die Beckensnaltungen dürfen
daher nach Verfasser nur als Operationen der äußersten Not bei |
Mehrgebärenden und nur ganz ausnahmsweise bei Erstgebä- j
renden ausgeführt werden. — Eine andere kausale Behandlung
der Reckendystokien will den Geburtswiderstand von seiten
der Frucht vermindern. Dazu können verschiedene Metho¬
den dienen: a) die Entwicklung des Kindes wird künstlich zu¬
rückgehalten. b) die Geburt wird etwa 4 Wochen vor dem End¬
termin eingeleitet, c) das Kind wird verkleinert. Die geringste
Anwendungsbreite kommt dem sub a) genannten Hilfsmittel zu
— Entwicklungshemmung des Kindes durch Unterernährung
der Mutter —. Diät nach Proehownick oder Brüning¬
hausen; diese Methode ist schwer durchzuführen, unsicher in
ihrer Wirkung, aber nach Verfasser immerhin eines Versuches
wert. Die Verkleinerung des Kindes, insbesondere seines
Schädels, deren Anwendungsbreite bis an die sogen. Kaiser¬
schnittbecken heranreicht, muß in den Fällen vorgenommen
werden, in denen das Kind tot oder im Absterben begriffen ist;
die Verkleinerung des lebenden Kindes sollte nur ganz aus¬
nahmsweise gemacht werden, in gut geleiteten Anstalten wird
sie kaum Vorkommen. In erster Linie kommt nach Verfasser
die künstliche Frühgeburt in Betracht. Hierbei ver- |
liefen bei richtiger Technik die Geburten in über 80 oCt. der J
Fälle spontan, Verfasser empfiehlt, wie schon früher, den j
Blasenriß zur Einleitung der künstlichen Frühgeburt. Er
hat dabei mehr als 80 pCt, lebende Kinder entlassen. Der Ein¬
griff gefährdet die Mutter nicht mehr als jede Geburt überhaupt.
— Der Kaiserschnitt, und zwar der klassische, ist über¬
all da angezeigt wo Gebärunmöglichkeit vorliest oder dringend
mit Sicherheit ein lebendes Kind gewünscht wird. Der extra¬
peritoneale Kaiserschnitt kann nach Verfasser n u r aus¬
nahmsweise, etwa bei zweif elhafter Asepsis, in
Frage kommen. — Schließlich weist Verfasser zahlenmäßig
nach, daß eine gemäßigte konservative Behandlung der engen
Becken wesentlich mit Hilfe der künstlichen Frühgeburt und
der hohen Zange mindestens die gleichen Ergebnisse zeitigt,
wie ein radikaler Konservatismus mit Hilfe der großen Ein¬
griffe der Beckensnaltungen und des Kaiserschnittes, und
daß es mit Hilfe der künstlichen Frühgeburt gelingt, eine
große Zahl von Spontangeburten zu erzielen. Er betont ferner,
daß für den Geburtshelfer die Schonung der Mutter in erster
Linie in Betracht kommen müsse, nicht die Rücksicht auf Er¬
zielung eines lebenden Kindes.
Prof. Dr. Halis Herzog (Berlin): Ueber die Natur des Trachom¬
erregers. (Deutsche med. Wochenschrift. 1910, No. 42.)
Verf. setzt in Uebereinstimmung und Ergänzung zu seinen
früheren Mitteilungen auseinander, daß es sich - bei den Ele¬
menten der Zelleinschlüsse in Epithelzellen und Leukocyten
beim Trachom um involutionierte Abkömmlinge bakterieller
Keime — gramnegativer Diplokokken — handelt. Nach Lage
der Tatsachen kommt für das Krankheitsbild des Trachoms der
Gonococcus selbst in Betracht. Die Chlamydozoentheorie ist
nach Verf. für das Gebiet des Trachoms als unhaltbar zu be¬
zeichnen. Nach Verf. sind seine Angaben leicht zu bestätigen,
wenn man sich die Mühe gibt, Gonokokkenkeime längere Zeit
unter Variation der Uebertragungskeime weiter zu züchten und
fortlaufend unter Zuhilfenahme der Giemsafärbung zu kon¬
trollieren. R. L.
Schenk: Erfolge und Ziele in der Fürsorge für Trinker. (Dtsche.
Vierteljahrschr. f. öff. Gesundheitspfl., 1910, Bd. 42, H. 4.)
Die Arbeit bringt manches, was bei der Fürsorge für
Trinker, wie sie bisher gehandhabt wurde, reformbedürftig
erscheint.
In die Heilstätten für Trinker wird eine bedeutende Zahl
von Trinkern eingewiesen, welche bei genauerer Untersuchung
sich von vornherein als ungeeignet, als unheilbar heraussteilen.
Für die genauere Untersuchung der Trinker auf ihre Taug¬
lichkeit für eine Trinkerheilstätte sind die Irrenanstalten der
geeignete Ort.
Da zum mindesten 50 pCt. der zurzeit an die Trinkerheil¬
stätten gewiesenen Trinker sich nicht für diese eignen (Epilep¬
tiker, vorzeitig oder periodisch Verrückte, an Dementia senilis
oder Marasmus senilis Leidende und vor allem das große Heer
der psychopathisch Minderwertigen), so scheint mit den be¬
stehenden Trinkerheilstätten für das Bedürfnis im allgemeinen
genügend gesorgt.
In abstinentem Geiste geleitete Trinkerfürsorgestellen ver¬
mögen ebenso wie die Enthaltsamkeitsvereine unter Umständen
bessere Erfolge zu erzielen als die Trinkerheilstätten.
Zwangsmaßregeln, wie Entmündigung, gegen den Willen
der Kranken erfolgende Unterbringung in einer Heilstätte,
Druck auf den nicht trinkenden Ehegatten zwecks Einleitung
der Ehescheidung sind Notbehelfe, welche die Trinkerheilung
eher schädigen als fördern.
Aenderung der Trinksitten. Umgestaltung der Trink¬
anschauungen ist das kaum erreichbare durchgreifende Mittel
zur Besserung des Trinkerelends. Mühlschlegel.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der ,.AUgem. Medic. Central-Zeitung“.)
Sitzung vom 2 3. November 1910.
Vorsitzender: Herr Senator.
Vor der Tagesordnung:
Experimentell durch buttersaures Natron hervorgerufenes
Koma heim Kaninchen.
Herr Ehrmann: Durch Einverleibung von buttersaurem
Natron vermochte E. beim Kaninchen einen Zustand hervorzu¬
rufen, wie er dem menschlichen Koma ähnlich ist: 1. Bewußt¬
losigkeit, 2. eine auffallend verlangsamte und vertiefte Respi¬
ration, 3. Ausscheidung von Acetessigsäure respektive Aceton.
Aber auch bezüglich geringerer Symptome zeigt dieser Zu¬
stand eine Aehnlichkeit mit dem menschlichen Koma. So
weisen die Kaninchen eine typische Weichheit der Bulbi auf,
ein Symptom, daß E. erst vor kurzem in zwei Fällen von Coma
diabeticum als reine Säurevergiftung wie sie auch durch Salz¬
säure erreicht werden kann, aufgefaßt hat, und zwar trete der
Tod dadurch ein, daß die eingegebene Säure dem Blut Alkali
entzieht. Die Analyse des experimentellen Komas hat nun er¬
geben, daß es sich nicht um eine reine Säurevergiftung handelt,
sondern um eine typische und spezifische Buttersäurewirkung.
Denn zunächst erzeugt eine der Buttersäure nahestehende
Säure, die Isobuttersäure, in den gleichen Dosen einverleibt,
kein Koma. Ferner ist bei Anwendung jeder der beiden Säuren
die Kohlensäureabnahme des Blutes die gleiche.
Herr Esser berichtet über Versuche an Schildkrötenlebcrn,
die Glykogenbildung durch Zuführung oder Fortlassung ge¬
wisser mineralsaurer Alkalien zu beeinflussen.
Riiekenmarkstumor.
Herr Bönniger (Dem.): Der 33 jährige Mann erkrankte im
Februar v. J. mit heftigen Schmerzen in der rechten Nieren¬
gegend, sie ließen dann nach, um im Juli mit größerer Heftig¬
keit wiederzukehren; gleichzeitig stellte sich eine Parästhesie
und Schwäche im linken Bein, eine geringere im rechten Bein
ein. Bei der Aufnahme im November bestand eine' schwere
spastische Parese im linken Bein. Die Sensibilitätsstörung
reichte bis zu einer Horizontalen 2 Querfinger unterhalb des
Nabels hinauf. Die Reflexe waren sehr gesteigert. Es bestand
außerdem schwere Blasen- und Mastdarmstörung. Die Diagnose
lautete auf Tumor im Wirbelkanal in der Höhe des 11. Thorakal¬
segments, dem 9. und 10. Wirbel entsprechend. Am 24. XI.
erfolgte die Operation, der Tumor fand sich in der Höhe des
12. Wirbels. Erst 3 Monate nach der Operation setzte eine deut¬
liche Besserung ein; jetzt ist Patient imstande gut umher¬
zugehen.
Herr Adler bespricht die Einzelheiten der Operation, den
Heilungsverlauf und den pathologisch-anatomischen Befund.
Der etwa bohnengroße Tumor hatte in Höhe des 12. Brust¬
wirbels das Mark von hinten und links her beträchtlich kom¬
primiert. Durch eine Sekretverhaltung wurde die Heilung etwas
verzögert, am 26. XII. war sie vollendet. Die histologische Un¬
tersuchung des exstirpierten derben Tumors ergab, daß es sich
um ein infektiöses Granulom handelte. Im Granulationsgewebe
finden sich zahlreiche nekrotische Herde und einige Binde-
gewebszüge. Tuberkelbazillen ließen sich darin nicht nach-
weisen. Auf Grund des Vorhandenseins zahlreicher Tuberkel
spricht sich A. für das Vorliegen einer tuberkulösen Neu¬
bildung aus.
Demonstration eines Maaentumors im Gastroskop
Herr Hans Elsner: Der Patient kam vorige Woche mit
Magenbeschwerden in E.s Poliklinik. Die äußere Untersuchung
ergab eine nicht sehr deutliche Resistenz außerhalb des Nabels.
Bei der funktionellen Untersuchung ließ sich keine Motilitäts¬
störung nachweisen. Dagegen konnte aber Achylia gastrica und
das Vorhandensein von Blut im Magen festgestellt werden.
Er war also susnekt auf Carcinom. die Diagnose war aber nicht
sicher, zumal Patient keine Kachexie zeigte. Mit Hilfe des
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THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
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Gastroskops gelang es nun ohne weiteres, einen Tumor in der
Regio pyloi'ica nachzuweisen. (Dem. im Nebensaal.)
Bei einem anderen Patienten, der Symptome eines Ulcus
hatte, konnte E. ebenfalls durch gastroskopische Untersuchung
mehrere zirkumskripte rote Flecken auf der Magenschleimhaut
nachweisen, die Redner als Erosionen deuten mochte.
Fall von willkürlich erzeugter Diplophonie.
Herr Theodor S. Flatau: Der Fall stellt ein stimmphysiologi¬
sches Unikum dar. Während wir unter pathologischen Um¬
ständen, so z. B. bei einseitiger Knotenbildung, gelegentlich
eine Diplophonie zu hören benommen, ist die Fähigkeit, will¬
kürlich 2 Töne im musikalischen Intervall zu erzeugen, bisher
nicht beobachtet worden. Daher hält F. die Vorstellung dieses
Mannes, der ein ungarischer Sänger ist und die genannte Fähig¬
keit besitzt, für angebracht. Wenn auch von einem der Söhne
Joh. Sebastian Bachs berichtet wird, er habe in der
Mutationsperiode in Oktaven gesungen, so hält es F. nicht für
ausgeschlossen, daß es sich hier wahrscheinlich um das in der
Mutationsperiode vorkommende Umschlagen der Stimme ge¬
handelt habe. Der vorgestellte Herr singt zunächst auf Geheiß
einfache Töne, sodann Doppeltöne; letztere sind von hervor¬
ragend instrumentellem Klang und rufen etwa den Eindruck
von zwei Holzblasinstrumenten hervor. Vortragender erörtert
nun, wo und wie diese Doppeltöne entstehen und macht auf die
Konfiguration des Ansatzronres bei dem Sänger der Doppeltöne
aufmerksam.
Diskussion:
Herr Barth bemerkt, er glaube, die tiefen Töne seien durch
Schwingungen der Taschenlippen, die hohen durch die Stimm¬
lippen üervorgebracht. Vielleicht könnte das Röntgenbild einige
Aufklärung bringen.
Herr Flatau (Schlußwort): Das Röntgenbild bringt keinen
weiteren Aufschluß.
Tagesordnung:
Ueber vestibuläre Reiz- und Ausfallerscheinungen bei ein- und
doppelseitiger Labyrintherkrankung.
(Autorreferat.)
Herr J. Herzfeld: Flourens hat zuerst an Vögeln, und
Meniere zerst an Menschen gezeigt, daß Erkrankung resp.
Zerstörung des Bogengang-Apparates Gleichgewichtsstörungen
hervorrufen kann. Auch die Untersuchung Taubstummer be¬
stätigt dies. Nach M y g i n d besitzen 56 pGt. der Taubstummen
keine normalen Bogengänge und nach vielfach vorgenommenen
Untersuchungen Taubstummer zeigen diese in ca. 50 pCt.
Gleichgewichtsstörungen. Der Vortragende fand
unter 44 Taubstummen der israelitischen
Taubstummenanstalt in Weißensee 2 0 m a 1
Gleichgewichtsstörungen. Auch nach traumatischen
Verletzungen des Labyrinthes, bei Ohroperationen oder nach
Labyrinthoperationen lassen sich Reiz- resp. Ausfallerscheinun¬
gen nachweisen.
Die ersteren zeigen sich in Nystagmus, Brechreiz und
Schwindel und lassen nach, sobald das Labyrinth zur Norm
zurückkehrt oder gänzlich funktionsunfähig wird. Im letzteren
Falle treten an die Stelle der Reiz- die Ausfallerscheinungen,
die aber nicht so auffallend sind und meist erst bei Prüfung
mit geschlosssenen Augen gefunden werden. Der
Vestibularapparat ist nicht erregbar, d. h., er beantwortet das
Hineinspritzen von kaltem (15 “) oder heißem Wasser (45 °)
nicht mit Bulbusbewegungen (Fehlen der calorischen Erreg¬
barkeit). Als besonders feines Reagens zur Feststellung der
Ausfallerscheinungen empfiehlt H. neben dem Stein seilen
Goniometer, die zu Prüfenden auf einer gut federnden Ma¬
tratze mit geschlossenen Augen stehen und gehen zu lassen,
wobei bei einseitig Labyrinth losen oft, bei
doppelseitig Labyrinthlosen stets starkes
Schwanken eint ritt. Für diese Ausfallserscheinungen
nimmt H. den Bogengangapparat in Anspruch, der durch den
Deiters sehen Kern mit dem Augenmuskelkern und den mo¬
torischen Zellen der Vorderhörner des Rückenmarkes in Ver¬
bindung steht.
Zum Schluß stellt H. mehrere ein- und doppelseitige La¬
byrinthlose vor. Britzmann.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der „Allgem. Medic. Central-Zeitung".)
Sitzung vom 28. November 1910.
Vorsitzender: Herr A. Franke 1.
Vor der Tagesordnung:
Ein Fall von Osleoinalacie im Klimakterium.
Herr Lebbin: Die Kranke ist seit einem Monat im Kranken-
’hause; sie kam wegen rheumatischer und neuralgischer
Schmerzen herein; sie litt daran seit einem Jahre. Seit einem
halben Jahre kann sie gar nicht mehr selbständig gehen. Das
Leiden begann mit zunehmender Erschwerung des Ganges; der¬
selbe ist schwerfällig; sie senkt das Becken bei jeder Bewegung
und Senkung des Beines nach derselben Seite und hält die b üße
am Boden klebend. Sie kann aufrecht am Boden sitzen. Mäßiger
Pallor des Gesichtes, keine Augensymptome, keine Schwäche
der Arme und der Rumpfhaltung. Sie ist eine 52 jährige Frau, hat
6 mal geboren. Vor iy 2 Jahren, gleich mit dem Beginn des Lei¬
dens, trat sie in die Menopause. Es besteht mäßige Kypho¬
skoliose und Lordose; man sieht ausgeprägte Hautfalten
zwischen Thorax und Becken; schmaler, abgeflachter Thorax,
breites Becken. Das Kreuzbein ist in das Becken hinemge-
drängt. Dieses ist verbreitert; so sind Hautwülste und Haut¬
falten entstanden. An den unteren und oberen Extremitäten
sind im allgemeinen Abnormitäten vorhanden; aber am
linken Arm besteht an der Ulna eine Auftreibung des Knochens,
die sich im Röntgenbilde als Spontanfraktur mit Osteophyten-
bildung erweist; ebenso besteht an der linken Clavicula eine.
Spontanfraktur. Es ist nach dem Röntgenbilde ein Thorax,
bei dem die Dichtigkeit der Rippen abnorm verringert ist.
Sie sind fast so durchsichtig wie die Muskulatur. Es besteht
überhaupt im wesentlichen eine abnorme Durchlässigkeit der
Knochen für Röntgenstrahlen sowie auffallende Schmerz¬
haftigkeit sämtlicher Knochen bei der Berührung besonders in
den intercostalräumen. Sonst bemerkt man noch Adduktoren¬
kontraktur. Sie kann die Beine nicht spreizen. Es besteht
Schwäche des lleopsoas. Die Diagnose lautet Osteomalacie.
Pat. ist daran vor IV 2 Jahren erkrankt. Das Leiden beginnt
in der Regel mit der Schwangerschaft, hier, was seltener ist,
mit der Menopause. Keine Symptome seitens der Schilddrüse,
auch sonst nichts, was mit dem Knochenmark zusammenhängt.
Keine Albumosen u. a. im Harn.
Man hat der Kranken Phosphor mit Lebertran mit einigem
Erfolg gegeben. Absolut schlecht vertrug sie Adrenalin; sie
reagierte mit Herz- und allgemeinen Beschwerden. Jetzt soll
Thyreoidin versucht werden.
Diskussion:
Herr His: Bestanden nervöse Zeichen, Parästhesie und
Anästhesie ?
Herr Lebbin: Es bestehen Gefühlsstörungen in den oberen
Extremitäten und beiden Schultern; die Zone ist aber nicht
genau zu erkennen. Die Diagnose war zuerst auf Intercostal-
neuralgie gestellt worden.
Besserung eines Sarkoms mit Ehrlich-llata 606.
Herr Heller: Die Tatsache, daß wir durch die Entdeckung
E h r 1 i c h s in der Lage sind, große Mengen As dem Körper
ohne Schädigung zuzutühren, erweitert unser Können nach
vielen Gesicntspunkten hin. Köbner gelang es bekanntlich
bei einigen Fällen durch interne Darreichung sowie durch Ein¬
spritzung von Arsen Sarkome zur Rückbildung zu bringen;
er nahm 0,23—0,25 arsenige Säure.
Das veranlagte Redner, bei einer Kranken die Einspritzung
vorzunehmen. Im 12. Lebensjahre — sie ist jetzt 42 Jahre alt —
wurde an ihr wegen Angioms der Zunge eine Operation vorge¬
nommen. Es kamen aber bald Rezidive, Tumoren, die jetzt die
Größe eines Gänseeis haben; sie belästigen sie gar nicht. Aber
vor 3—4 Monaten begann der große Tumor zu wachsen. Es
entstand eine Geschwulst, die mit dem Angiom zusammenhing,
aber in der Schleimhaut lag; sie hatte die Größe einer Kar¬
toffel. Dieser Tumor lag den meist sehr kariösen Zähnen
auf; er wurde gelegentlich beim Kauen usw. zu Ulcerationen
gereizt.
Was konnte hier vorliegen? Lues war auszuschließen.
Wassermann sehe Reaktion war absolut negativ. Lag
Reizung durch die Zähne vor? Das ist bisher noch nicht beob¬
achtet worden. Aber auch Glossitis, durch ein Medikament ent¬
standen, war auszuschließen. H. wagte dicht, eine Probeexzision
vorzunehmen, weil sie durch die ganze Tiefe hätte gehen
müssen und Blutimg zu befürchten war. Immerhin war aucli
noch später Zeit sie vorzunehmen. Redner stellte die Diagnose
auf Angiosarkom der Zunge und machte eine Einspritzung von
0,055 g nach H a t a. Redner wollte durch kleine Dosen eine
langsame und kontinuierliche Wirkung erzielen. Diese Ein¬
spritzung wurde am 1. d. M. vorgenommen; am 14. d. M. war die
Geschwulst so klein, daß jetzt die Zähne extrahiert werden
konnten, ln der folgenden Zeit ist sie so geschwunden, daß
man nicht mehr als einen kleinen Stumpf erblicken kann, der
von dem Angiom ausgeht. Es ist nicht angebracht, noch eine
Probeexzision vorzunehmen. — Diese Fälle sind recht be¬
achtenswert. An der Zunge sind sie nur selten gefunden
worden. Bisher sind nur 18 Fälle bekannt und von Scheyer
veröffentlicht worden; die Merkmale sind nach ihm folgende:
Langes Freibleiben der Drüsen, Schmerzlosigkeit, geringe
Störung der Bewegung der Zunge, mangelnde Tendenz zur Er¬
weichung und Ulceration.
Es ist also ein Fall von Sarkom, der durch Ehrlich-Hata
günstig beeinflußt worden ist. In den Fällen, wo die Operation
nicht eilt und der Tumor isoliert ist, ist es berechtigt, den Ver¬
such zu machen, 606 anzuwenden. Verschiedene Sarkome
können sehr heterogen sein, auch wenn sie sich mikroskopisch
gleichen.
754
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 50.
Diskussion:
Herr F. Blumenthal hat ausdrücklich iu seinem letzten Vor¬
trag von der Arsenbehandlung der bösartigen Geschwülste ge¬
sprochen und ebenfalls Besserung und scheinbare Heilung mit¬
geteilt.
Herr Lewin: Von der Diagnose Sarkom kann man ohne Un¬
tersuchung nicht sprechen.
Herr Heller: Auch die klinische Erfahrung spricht mit; die
Differentialdiagnose ist gerade an der Zunge sehr schwierig.
(Schluß folgt.)
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.—24. September 1910.
Referent: Herr L.. B o r c h a r d t (Königsberg).
(Fortsetzung.)
Gemeinschaftliche Sitzung der Abteilungen für innere
Medizin und für Chirurgie
am 21. September, nachmittags S Uhr.
Vorsitzender: Herr Braun (Göttingen).
Herr Grissou (Berlin): Die objektive Darstellung von Be¬
wegungsvorgängen mittels Röntgenstrahlen.
Dem Vortr. ist es gelungen, mit einem besonders gebauten
Köntgeninstrumentarium alle Körperteile mit einem einzigen
Induktionsschlage zur Darstellung zu bringen. Die in stetiger
Bewegung befindlichen Organe, wie Lunge, Herz, Magen usw.
kommen daher wie im Zustande der Rune zur Darstellung.
Durch die zwangläufige Verbindung dieses Instrumen¬
tariums, des sogen. Einzelschlag-Grissonators, mit einem
Registrierautomaten ist das Problem der objektiven Dar¬
stellung von Bewegungsvorgängen der inneren Organe gelöst
worden.
Stabsarzt Dr. Stuertz (Metz) führte die objektive Darstellung
der Herzbewegung vor.
An Hand von Röntgenbildern und einer Einschlagauf¬
nahme der in Bewegung befindlichen Zeiger des Registrier¬
automaten wird die Sicherheit der objektiven Bilderdarstellung
bewiesen.
Durch den Vergleich der erhaltenen Röntgenbilder mit
den Aufzeichnungen des Registrierautomaten erhalt man Kennt¬
nis von den tatsächlichen Bewegungsvorgängen. Die mit dieser
Einrichtung erhaltenen Rüntgenbiider können auch, auf Films
übertragen, zu kinematographischen Vorführungen verwendet
werden.
Lieferantin der Apparate ist die Fabrik elektrischer Appa¬
rate Grisson, G. m. b. H., Berlin, Friedrichstr. 131 D.
Herr Haudek (Wien): Das penetrierende Magengeschwür
und der Wert seines Nachweises.
Während das Magencarcinom schon lange der Diagnose
durch die Radiologie zugänglich ist, hat die Röntgendiagnose
des Magengeschwürs bisher versagt. Auch experimentell durch
Exzision der Schleimhaut und Muscularis gesetzte Ulcera bei
Hunden machten keinerlei Veränderungen, die sich radiologisch
nachweisen ließen. Dagegen konnte der Vortragende bei pene¬
trierenden Magengeschwüren im Röntgenbild Veränderungen
feststellen, die er für ganz charakteristisch hält. Beim pene¬
trierendem Magengeschwür verlötet die Serosa des Magens mit
einem Nachbarorgan, gewöhnlich Leber oder Pankreas, in das
das Geschwür hmdurcnbricht. In diesen Organen entsteht dann
durch die peptische Wirkung des Magensaftes eine Nische, die
sich radioiogisch darstellen läßt. Während beim Carcinom
eine Ausfranzung des Wismutschattens entsteht, die wie eine
unebene Delle in der'normalen Magenform erscheint, ist der
Schatten des Wismuts, der diese Nische ausfüllt, als divertikel¬
artige Ausstülpung oder Appendix im Radiogramm zu sehen.
Ueber dem Schatten sieht man eine kleine Luitblase. Der Vor¬
tragende hat bereits in 17 Fällen die Diagnose des penetrieren¬
den Magengeschwürs auf diese Weise stellen können. Klinisch
imponieren die Fälle oft als Carcinome mit fühlbaren Tumoren.
In 12 Fällen wurde die Diagnose durch die Operation bestätigt.
Diskussion: "
Herr Ewald fragt, ob nicht übergelagerte Leber und Rippen¬
bogen das Bild beeinträchtigen würden.
Herr Haudek erwidert, daß gegenüber dem sehr dichten
Wismut die sehr durchlässige Leber absolut nicht in Betracht
komme.
Herr Kiimmell (Hamburg) bestätigt, daß es niemals Schwie¬
rigkeiten macht, die kleine Kurvatur röntgenologisch aufzu¬
nehmen.
Herr Haudek erinnert noch, unter Hinweis auf den Vor¬
trag v. Eiseisberg in der zweiten Sitzung der chirurgi¬
schen Abteilung, daran, daß er nach den angegebenen Ge¬
sichtspunkten imstande gewesen sei, ein Ulcus pepticum jejuni
nach Gastroenterostomie zu diagnostizieren.
Herr Kümmell (Hamburg): Ueber Nierentuberkulose.
Es gab eine Zeit, wo bedeutende Chirurgen die Operation
der Nierentuberkulose perhorreszierten. Allmählich brach sich
der Grundsatz Bahn, bei Intaktheit der anderen Niere die
tuberkulöse Niere möglichst früh zu entfernen. Die Tuberkulose
der Blase ist nie primär und heilt nach Exstirpation der
kranken Niere allmählich von selber aus.
Neuerdings hat man Versuche gemacht, mittels Tuberkulin¬
behandlung die Nierentuberkulose zu heilen. Daß die Nieren-
tuberkulöse überhaupt ausheilen kann, beweist ein durch Au¬
topsie in vivo kontrollierter Fall des Vortragenden; aber von
der Tuberkulinbehandlung hat er nichts Gutes gesehen. Er¬
fand in 4 Fällen, die bis zu VA Jahren mit Tuberkulin behandelt
worden waren, teils bei der Operation, teils bei der Sektion
ausgedehnte Tuberkulose der Niere. Demgegenüber hat in den
Fällen, wo von anderer Seite über die Tuberkulinbehandlung
Günstiges berichtet wurde, nie eine anatomische Untersuchung
gemacht werden können. Vortr. empfiehlt also, mit Tuberkulin-
behandlung bei der einseitigen Nierentuberkulose nicht die Zeit
zu vergeuden, konzediert jene höchstens bei Kindern, rät im
übrigen dringend zur baldigen Operation. Unter 122 Fällen von
Nierentuberkulose des Vortr. waren 7 doppelseitig. 14 Fälle
(3 Todesfälle) sind operiert worden vor Einführung der mo¬
dernen Unterschungsmethoden, 101 Fälle danach. Hiervon sind
im Anschluß an die Operation 4 gestorben, 97 sind geheilt. Die
Resultate sind von Jahr zu Jahr besser geworden.
Herr Meinertz (Rostock) Beziehungen des tuberkulösen
Prozesses zur Blutströmung.
Das Studium der experimentellen Tuberkulose unter ge¬
änderten Zirkulationsbedingungen ist bis jetzt kaum in Angriff
genommen, obgleich die Wichtigkeit derartiger Beziehungen
durch viele klinische Tatsachen (Einfluß der Biutströmungsver-
hältnisse auf die Lungentuberkulose beim Menschen, Herz¬
fehler und Lungentuberkulose, Bier sehe Stauungshyperämie)
bewiesen wird. Es ist nun gelungen, durch eine experimentelle
Verlangsamung der Blutströmung in den Kapillaren der Niere
typische Abweichungen im Verlaufe des tuberkulösen Prozesses
in diesem Organ hervorzurufen. Es ist neuerdings aber auch ge¬
lungen, durch eine Beeinflussung der kapillären Blutströmung
in den Lungen (Erweiterung der Lungenkapillaren und dadurch
bewirkte beschleunigte Blutströmung als Folge einer experi¬
mentellen Atelektase) derartige Abweichungen im Bilde des
tuberkulösen Prozesses zu erzielen, und zwar in dem Sinne,
daß die atelektatischen Partien, in denen die beschleunigte
Blutsrömung stattfindet, in auffälliger Weise von der Tuber¬
kulose verschont blieben, indem die Zahl wie die Größe der
Tuberkel hier geringer ist. Die Ursache ist, daß die langsamere
Blutströmung aie kapilläre Thrombose, die die Grundlage des
Tuberkels ist, begünstigt. Das Wesentliche ist nicht die Blut¬
fülle, sondern die Strömungsgeschw-indigkeit. Die Anwendung
auf klinische Verhältnisse liegt nahe.
Herr Tilmanu (Cöln): Zur Chirurgie der Kleinhirntumoren.
Vortr. berichtet zunächst über 8 Fälle von Kleinhirntumo¬
ren. ln 3 Fällen ging der Tumor vom 4. Ventrikel aus (Pa¬
pillom, Fibrosarkom, Gliom), in 2 weiteren Fällen war er
doppelseitig (1 Fall Tuberkulose, 1 Fall Cysticerken), in den
3 letzten Fällen einseitige Tumoren.
Von den 8 Fällen sind 6 operiert worden, hiervon sind 2
gestorben — der eine Fall Papillom des 4. Ventrikels, der
andere Cysticerken. In beiden Fällen war die Diagnose lange
zweifelhaft gewesen. Es mußten ferner bei der Operation beide
Hemisphären bloßgelegt werden.
Vortragender wirft die Frage auf, ob nicht die doppelseitige
Bloßlegung das Gefährlichere sei; vielleicht zerre das Kleinhirn
an der Medulla. In den 4 Fällen, die den Eingriff überstanden
haben, lag einseitiger Tumor, einseitiger Eingriff vor: 1. Solitär¬
tuberkel, 2. Fibrom des Kleinhirnbrückenwinkels, 3. und
4. Cyste; Fall 2 und 3 sind dauernd geheilt.
Wo mit Sicherheit die Diagnose auf Einseitigkeit gestellt
war, bestätigte sich dies; wo diese Diagnose unsiener war, lag
entweder Tumor des Ventrikels oder ein doppelseitiger Tumor
vor. Besonderer diagnostischer Wert kommt der Punktion zu.
Wo man kann, sollte man besser osteoplastisch operieren;
unbedingt notwendig ist dies bei doppelseitiger Freilegung.
Vortr. empfiehlt, einseitig zu operieren.
Diskussion:
Herr Leischncr berichtet über 7 Fälle von Kleinhirntumo¬
ren aus der Eiseisberg sehen Klinik. 4 erlagen dem Ope-
rationsshok, von 4 anderen starben 2 mit Tuberkulose 4 Monate
p. o. an tuberkulöser Meningitis, 1 mit Sarkom 7 Monate p. o. an
Rezidiv. 1 Cyste ist seit IV 2 Jahren wesentlich gebessert. Von
Kleinhirnbrückenwinkeltumoren wurden 8 Fülle operiert; 2 an
Eingriff, 2 an sekundärer Infektion gestorben, 2 geheilt, 2 Fülle
sind neu. Es wurde stets zweizeitig operiert, nie die Knochen¬
platten erhalten. (Forts, folgt.)
III. Therapeutische Notizen.
Ueber Urol und Urocol als Gichtmittel teilt Sanitätsrat
Dr. M. in Gr. J ) folgendes mit: Die Mittel haben sich bei meiner
chronischen schweren Gicht vortrefflich bewährt, sodaß ich in
‘) Der vollständige Name ist der Itedaktion bekannt.
No. 50.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
*
der Praxis und namentlich im Bekanntenkreise auch großen
Änklang fand. Auch mein Kollege hier hat sich dazu in seiner
Praxis bekannt. Auf der ärztlichen Studienreise war es gleich
im Beginn in Davos mein Retter; am Nachmittag spürte ich
(Ueberanstrengung und Diätfehler) Schmerz und befürchtete
einen länger dauernden Anfall; ich nahm fast y 2 Glas Uro! auf
einmal und in halbstündigen Zwischenräumen noch 4 Urocol-
tabletten. Mein Magen blieb ausgezeichnet, auch sonst spürte
ich keine Schwäche, wie bei Granules de Houde, und die Reise
ging weiter glücklich bis zu Ende, trotz ungeeignetster Lebens¬
weise. Meinen mitreisenden Kollegen habe ich die Präparate
dringend empfohlen; es fand sich so mancher Leidens- (und
Zech-) Genosse darunter. Wenn ich auch im letzten Jahre
eine große Quantität verschluckt habe, so hatte ich doch trotz
meines nicht taktfesten Herzens keine Beschwerden, abei'
sicherlich habe ich nicht mehr als höchstens 4—5 Tage meine
Praxis auszusetzen brauchen.
Ueber die Behandlng des Asthma bronchiale mit Medika¬
menten macht Dr. August Goldschmidt (München) einige Aus¬
führungen (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 43). Bei dem
schweren akuten Asthmaanfall ist bis jetzt die Morphium¬
injektion (1 proc.), am besten mit geringem Zusatz von Atropin,
sulfuric. (1 prorn., die beste Hilfe (eine volle Pravazspritze).
Ist der Asthmaanfall no6h ganz im Beginn, so kann er durch
Darreichng von Tlieobrominpräparaten und besonders von 2 g
Diuretin häufig coupiert werden. Besonders wirksam ist nach
Verf. folgende Zusammenstellung: Coffein, valerianic. 0,25 g,
Theobromin. natrio-salicylic. 0,5 g. M. f. pulv. S. beim Anfall
1—2 Pulver zu nehmen. Wenn der Asthmaanfall durch einen
Bronchialkatarrh ausgelöst ist, so leisten die Jodpräparate zur
Beseitigung des Sekrets die besten Dienste und unter ihnen
wiederum die einfachen Salze. Besonders das Jodnatrium er¬
scheint G. bewährt. Für die Dauerbehandlung des Asthma
wurde neuerdings wieder das Atropin, sulfuric. von ver¬
schiedenen Autoren empfohlen; Verf. kann sich dieser Empfeh¬
lung, soweit die innerliche Darreichung in Frage kommt, nicht
anschließen, da er Vergiftungserscheinungen von Atropin sah
und vor allem kein Dauererfolg zu erzielen war. Eine größere
Verbreitung hat in den letzten Jahren die nasale Atropin¬
inhalation gefunden, in erster Linie durch das Tuck er sehe
Präparat und dessen Nachahmungen. In dem T u c k e r sehen
Originalpräparat besitzt der Asthmatiker ein meist zuverlässiges
Mittel, um die so häufigen Beklemmungszustände, die bereits
durch ein reichliches Mahl oder Aufenthalt in heißer, rauchiger
Luft ausgelöst werden können, zu bannen. Allerdings können
beim häufigen Gebrauch des Mittels auch hier die bekannten
Vergiftungserscheinungen (Trockenheit im Halse, Sehstörun¬
gen) auftreten. Dieser Umstand, sowie der unsinnig hohe Preis
des Mittels haben Verf. veranlaßt, ein billigeres und vor allem
fast ungiftiges Ersatzmittel für das Tuckersehe Präparat her-
stelleiTztrTassfln^ Das von ihm empfohlene Mittel hat folgende
Zusammensetzung:
Rp. Alypin. mfcrie.0,3 g
Eumydrin. nitric.0,15 „
Glycerin.7,00 „
Aq. destill. 25,00 „
Ol. pini pumil. gtt I
M.D.S. zur Inhalation mit dem Sprayapparat nach Tucker.
Da das Alypin die Nasenschleimhaut leicht hyperämisiert,
so ist dem Patienten zu raten, je 10 ccm im Apparat befindlicher
Lösung ca. 8—10 Tropfen 1 prom. Adrenalin oder Suprarenin-
lösung zuzufügen. Das Mittel hat sich bisher gut bewährt, der
Preis ist mäßig (1,70 M. nach der deutschen Arzneitaxe)-
Dr. Hermann Haymann prüfte in der psychiatrischen Klinik
der Universität Freiburg i. B. die therapeutische Verwendbar¬
keit des Pantopon bei Geistes- und Nervenkrank¬
heiten und berichtet (Münch. . med. Wochenschrift, 1910,
No. 43) über seine Ergebnisse. In der Mehrzahl der Fälle wurde
die 2 proz. Originallösung subkutan injiziert, und zwar 1 ccm
davon, nur ausnahmsweise wurde die Dosis auf 1,5—2 ccm
gesteigert. Für die Psychiatrie ist nach H. das Pantopon nament¬
lich deshalb von Wert, weil es sich sehr gut zur subkutanen
Injektion eignet, infolgedessen wirkt es rasch und kann auch
widerstrebenden Kranken gegeben werden. Seine Haupt-
wirkung ist weniger die hypnotische als die sedative, und diese
kommt wiederum am besten zur Geltung, wenn es sich um Be¬
kämpfung ängstlicher Erregungszstände handelt, zeigt sich aber
auch sonst. Die Nebenwirkungen sind nicht allzu beträchtlich
(zuweilen Erbrechen), in vielen Fällen fehlen sie ganz. Ge¬
wöhnung tritt nicht ein.
Ueber Erfahrungen mit der Heißluftdusche in der Gynäko¬
logie berichtet Dr. E. Krösing aus der Universitätsfrauenklinik
Jena (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 43). Diese Therapie
wird dort in folgender Weise gehandhabt: Da, wo es sich um
mehr oberflächlich gelegene Prozesse (Bauchdeckeninfiltrate
nach Laparotomien, Nahteiterungen usw.) handelt, wird die
übliche Heißluftdusche für 10—15 Minuten täglich gebraucht.
755
Bei der Behandlung parametritischer Exsudate, bei Vulvovagi¬
nitis und ähnlichen Affektionen wurde, je nach dem einzelnen
Fall, kombiniert mit der gleichzeitigen Erwärmung des Unter¬
leibes durch den elektrischen Lichtbügel von oben her oder
ohne diesen, ein langes dünnes Ansatzrohr der Heißluftdusche
angewendet, das in die Vagina eingeführt wird; dieses Rohr
kann leicht abgenommen und in Sublimat desinfiziert werden.
Die auf diese doppelte Weise erzeugte Wärme wurde, trotzdem
sie in der Vagina über 100 11 betrug, nie unangenehm empfun¬
den. Auch diese Durchwärmung wurde jeden Tag 10—15 Mi¬
nuten läng appliziert, der unbedeckte Leib wird mit Vaseline
eingeritten, um Verbrennungen zu verhüten, die Innenseite der
Oberschenkel mit Gummi geschützt. Die Hauptindi¬
kation 3eser Behandlung bilden die alten parametri t i -
seihen Exsudate, einerlei welcher Provenienz. Sie gehen
dabei viel schneller zurück als auf die übliche Belastungs-, Be-
lichtungs- und Tampontherapie. Gelegentlich wurde die Hei߬
luftdusche ferner angewandt, wenn infolge starker Sekretion
aus der Vagina Dammnähte zu eitern begannen, die Wunde
wurde durch de Hitze getrocknet, die Sekretion ließ nach, die
schlaffen Granulationen wurden frisch. — Auch in einem Fall
von exsudativer Pleuritis wurde das Exsudat durch Anwendung
der Heißluftdusche rasch zur Resorption gebracht. R. L.
IV. Bücherschau.
Aphasie und Apraxie. Klinische Vorlesung von Robert Bing,
Nervenarzt, Dozent für Neurologie an der Univ. Basel. Würz¬
burger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet der praktischen
Medizin, Bd. X, H. 11. Würzburg 1910, Curt Ka-
bitzsch (A. Stübers Verlag). 25 S. 0,85 M.
Die Erklärung der verschiedenen Arten der Aphasie gehört
unstreitig zu den schwierigeren Problemen, welche die Neuro¬
pathologie und Gehirnanatomie zu lösen hat; ist dies Gebiet
schon für den neurologischen Spezialisten nicht leicht zu be¬
wältigen, so ist es für den praktischen Arzt noch schwerer, sich
hier zurechtzufinden; um so mehr, als in bezug, auf manche
Symptomenkomplexe noch nicht einmal bei den Fachleuten
Uebereinstimmung der Ansichten erzielt ist. Das Studium der
Originalarbeiten, in welchen diese Dinge behandelt werden,
setzt ein großes Maß psychologischer, anatomischer und physio¬
logischer Spezialkenntnisse voraus, außerdem erschwert dem
Nichtfachmann die komplizierte Terminologie das Verständnis
dieser Arbeiten. Deshalb ist es mit Dank zu begrüßen, daß der
Verfasser in der vorliegenden Abhandlung die Lehre von der
Aphasie und der damit in engem Zusammenhang stehenden
Apraxie — die Lehre von der letzteren wurde in den letzten
Jahren besonders durch Ii. Liepmann gefördert und vertieft
— nach dem heutigen Stand der Wissenschaft kurz und über¬
sichtlich für den Nichtspezialisten darstellt.
Die Eintrittspforten der Tuberkulose in den menschlichen Or¬
ganismus und die Disposition der Lungen zur Tuberkulose.
Von Privatdozent Dr. A. Schmincke in. Würzburg. Würz¬
burger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet der prakti¬
schen Medizin, Bd. X. H. 10. Würzburg 1910, Curt K a -
b i t z s ch (A. Stübers Verlag). 15 S. 0,85 M.
Die vorliegende kleine Abhandlung gibt einen vom Verf.
gehaltenen „Fortbildungsvortrag“ wieder. Es ist ja ganz schön,
wenn in so freigebiger Weise von Berufenen und Unberufe¬
nen ärztliche Fortbildung verzapft wird; muß aber durchaus
ein Fortbildungsvortrag durch den Druck verewigt werden,
wenn so gar nichts Neues darin steht, wenn der Verfasser weder
eigene Gedanken noch neue Gesichtspunkte oder Forschungs¬
ergebnisse mitzuteilen hat und dazu noch sein Thema in so dürf¬
tiger Weise behandelt, wie dies hier der Fall ist? Neues werden
wohl nur wenige Leser aus diesem Vortrag lernen. R. L.
Y. Tagesgeschichte.
Standesangelegenhelten, Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Entscheidungen des preußischen ärztlichen
Ehrengerichtshofs (Ministerialbl. f. Medizinal- und medizinische
Unterrichtsaugelegenheiten, 1910, NNo. 19 und 20.) (Fort¬
setzung.)
G. Urteil vom 5. April 1910.
Enthält die Mitarbeit an einem das Heilver¬
fahren behandelnden Buche, zu welchem auch
nichtapprobierte Personen Beiträge liefern,
einen Verstoß gegen die ärztliche Standes¬
ehre?
Das Ehrengericht hat festgestellt, daß der Angeschuldigte
zu G. in den Jahren 1906 und 1908 die Pflicht, sich bei Aus¬
übung seines Berufes sowie außerhalb desselben der Achtung
würdig zu zeigen, welche der ärztliche Beruf erfordert, dadurch
verletzt hat, daß er
756
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 50.
a) mit dem Kurpfuscher G. wegen Mitarbeit an der Um¬
arbeitung des P.schen Buches „Die neue Heilmethode“ ver¬
handelte,
b) seine Benennung als Mitarbeiter in dein auf dieses Buch
bezüglichen Prospekt der Verlagsanstalt B. & Co. zusammen
mit einer Anzahl nichtapprobierter Personen duldete.
Vom Ehrengericht wurde der . Angeschuldigte freige¬
sprochen, weil er glaubhaft nachweisen konnte, daß ihm bei
der Uebernahme der Mitarbeiterschaft die gleichzeitige Mit¬
arbeit nichtapprobierter Personen geflissentlich verschwiegen
und die Beseitigung jeder Polemik gegen die ..Schub ledizin“
aus dem Buche ausdrücklich zugesichert worden war, Sund daß
er ferner keinen Grund gehabt hätte, den Unterhändler für
einen Kurpfuscher zu halten. Er hätte allerdings »päter bei
dem Verlag gegen den unter b) erwähnten Prospekt protestie¬
ren können, aber dieses nicht zu billigende passive* Verhalten
reiche für sich allein noch nicht zu einer ehrengerichtlichen
Verurteilung aus.
7. Urteil vom 22. November 1909.
Quittierung einer ärztlichen Honorarforde-
rung nach Ausstellung eines entsprechenden
Schuldscheins.
Durch Urteil des ärztlichen Ehrengerichts für die Provinz
.... vom 10. Oktober 1908 ist der Angeschuldigte mit einem
Verweis und einer Geldstrafe von 100 M. kostenpflichtig be¬
straft worden. Dem Urteil liegt folgender Tatbestand zugrunde:
Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft der Provinz
.... wies früher den Aerzten. welche Unfallkranke behandelt
hatten, auf die von den Aerzten der Berufsgenossenschaft ein¬
gereichten Rechnungen das Honorar unmittelbar an. Da im
.Sektionsbezirk das Kreises B. eine auffällige Höhe der Rech¬
nungen beobachtet wurde, welche z. B. dadurch verursacht
wurde, daß die Unfallverletzten zu viele ärztliche Besuche in
Anspruch nahmen, auch wenn sie die Sprechstunde hätten auf¬
suchen können, ging der Sektionsvorstand dazu über, die Heil¬
kosten nur an den Verletzten anzuweisen und zwar nur. nach¬
dem dieser seinerseits die Bezahlung des Arztes durch dessen
nuittierte Liquidation nachgewiesen hatte. Nach dem früheren
Verfahren kannten die Verletzten die Kosten, welche sie ver¬
ursacht hatten, gar nicht und durch dieses neue Verfahren
wurde, wie der Landeshauptmann der Provinz .... in dem an
das Ehrengericht gerichteten Schreiben vom 12. November 1907
ausführt, bezweckt ihnen diese Kosten vor Augen zu führen,
das Verantwortlichkeitsgefühl in ihnen zu wecken und sie zu
zwingen, unnötige Kosten zu vermeiden.
Mit Bezug auf diese Erwägungen der Berufsgenossenschaft
heißt es in einem an den Angeschuldigten gerichteten Schreiben
der Berufsgenossenschaft vom 17. Juli 1906:
„Im übrigen sei noch bemerkt, daß eine Verpflichtung der
Genossenschaft zur Ersetzung von Heilkosten op. nur dem
Verletzten gegenüber besteht und in Zukunft überhaupt nur
noch die Kosten des genehmigten Heilverfahrens gegen Vor¬
lage quittierter Rechnungen und nach Prüfung der Ange¬
messenheit letzterer an die Verletzten zurückerstattet
werden.“
Der Angeschuldigte hat nun in einer Reihe von Fällen
Patienten seine Rechnung vorgelegt und sich von ihnen, wenn
sie nicht zahlen zu können erklärten, einen Schuldschein nach¬
stehenden Inhalts ausstellen lassen: ..Ich bekenne hiermit dem
Dr. H . zu N. . . . Mark zu schulden und verspreche, solche mit
5 pCt. zu verzinsen und nach Anfordern zurückzuzahlen Trh
bevollmächtige Herrn Dr. H., diesen Betrag von der Landwirt¬
schaftlichen Berufsgenossenschaft beizutreiben.“ Hatte der
Patient solchen Schuldschein unterschrieben so nuittierte Ange¬
schuldigter seine Rechnung mit -Betrag erhalten“ und ver-
anlaßte die Einsendung an die Berufsgenossenschaft zwecks
Erstattung.
Das Ehrengericht hatte den Angeschuldigten verurteilt,
trotzdem es ihm glaubte, daß er das Verfahren der Berufs¬
genossenschaft für unzulässig gehalten habe und der Meinung
gewesen sei. einen unmittelbaren RechtsansDruch gegen die
Berufsgenössenschaft auf Zahlung seiner Rechnung zu haben.
Er habe aber als Arzt die Erfüllung einer bestehenden Ver¬
pflichtung auch nicht durch eine Täuschung der Berufs¬
genossenschaft zu erreichen versuchen dürfen.
ln der Berufungsschrift führte der Angeschuldigte aus. daß
ihm jede Täuschungsabsicht ferngelegen habe, denn er habe
einem Hausarzt und einem Bureaubeamten der Berufsgenossen¬
schaft ganz offen erklärt, daß er die Verfügung des Sektions¬
vorstandes für verfehlt halte und deshalb auf Grund von Schuld¬
scheinen quittierte Rechnungen einschicken werde. Schon aus
der Höhe der Beträge hätte die Berufsgenossenschaft bei der
Armut der betreffenden Patienten ja erkennen müssen, daß es
sich nicht.um geleistete Barzahlungen handeln konnte.
Das Ehrengericht sprach daraufhin den Angeschuldigten
kostenlos frei.
.Daß Angeschuldigter nach bürgerlichem Recht Quittie¬
ren konnte, wenn ihm ein Schuldschein über seine Forderung
aus ärztlicher Bemühung ausgestellt war, hat das Ehrengericht
zutreffend angenommen. Die ursprüngliche, kausale Schuld ist
durch Umwandlung in eine abstrakte Schuld getilgt. An diese
zugunsten des Angeschuldigten erfolgte Beurteilung des Rechts¬
verhältnisses war der Ehrengerichtshof gebunden.“
„Das Recht, statt barer Zahlung sich mit Ausstellung eines
Schuldscheines zu begnügen, kann dem Angeschuldigten nicht
bestritten werden. So ungewöhnlich solches Vorgehen insbeson¬
dere den ländlichen Patienten gegenüber sein mag, so konnte es
für sich allein eine ehrengerichtliche Bestrafung des Ange¬
schuldigten nicht begründen. Es mußte dabei auch berück¬
sichtigt werden, daß der Angeschuldigte es gerade in dieser
Art von Praxis durchweg mit armen Leuten zu tun hat, die
tatsächlich derartig hohe Beträge nicht sofort, meistens auch
innerhalb der kurzen Verjährungsfrist, nicht bar zahlen können.
Die Tatsache, daß der Angeschuldigte sich Schuldscheine der
vorliegenden Art ausstellen ließ, allein genügte jedenfalls nicht
zu seiner ehrengerichtlichen Verurteilung. — Wesentlich fiel
ferner ins Gewicht, daß der Zweck der Berufsgenossenschaft,
den ärztlicher Hilfe Bedürftigen bezüglich der durch sie er¬
wachsenden Kosten das Verantwortlichkeitsgefühl zu schärfen,
bei dem Vorgehen des Angeschuldigten auch erreicht wurde.“
(Forts, folgt.)
— Die Gesetzesvorlage zur Bekämpfung der Miß-
stände im Heilgewerbe ist dem Reichstage am 22. November
zugegangen. Die Vorlage stellt in mehrfacher Hinsicht eine
Verbesserung des vor 2% Jahren veröffentlichten Entwurfs dar.
Indem wir uns Vorbehalten, auf Einzelheiten der Vorlage später
noch zurückzukommen, wollen w'ir hier nur ihren Hauptinhalt
andeuten. Das Gesetz enthält 1. die Verpflichtung für Nicht-
approbierte zur Anmeldung ihres Gewerbebetriebes (§ 1),
2. die Verpflichtung für die Nichtapprobierten. unter beständi¬
ger behördlicher Kontrolle Bücher zu führen (§ 2), 3. das Ver¬
bot der Behandlung von Krankheiten der Geschlechtsorgane,
Infektionskrankheiten, Krebs und der Vornahme von all¬
gemeiner Narkose, subkutanen und intravenösen Injektionen
durch Nichtapprobierte (§ 3), 4. Verbot der Abgabe
von Arzneimitteln durch Nichtapprobierte; Unzulässigkeit
der Verweisung der Patienten an bestimmte Bezugsquellen
(§ 4). 5. Einführung einer Konzessionspflichtigkeit für die nicht¬
approbierten Krankenbehandler mit der Möglichkeit, ihnen den
Gewerbebetrieb bei mangelnder Zuverlässigkeit zu untersagen.
Dies ist der Teil des Gesetzes, der uns Aerzte am meisten
interessiert; es folgt eine Reihe von Paragraphen die sich mit
den Auswüchsen auf dem Gebiete der Heil- und Geheimmittel
beschäftigen und im wesentlichen die Kodifizierung einer
Materie bezwecken, die bisher vielfach auf dem Wege polizei¬
licher Verordnungen geregelt wurde. Für Inhaber ausländi¬
scher Approbationen gelten gewisse Ausnahmebestimmungen
(§§ 12 u. 17). — Am 30. November und 1. Dezember hat bereits
die erste Lesung des Entwurfs stattgefunden, die mit der Ueber-
weisung der Gesetzesvorlage an eine Kommission von 28 Mit¬
gliedern endete. Mit Ausnahme unserer Kollegen, des fort¬
schrittlichen Volksparteilers Dr. Struve, des Nationallibe¬
ralen Dr. A r n i n g und des Freikonservativen Dr. H o e f f e 1,
sprachen sich alle Redner mehr oder weniger gegen die Bestim¬
mungen des Entwurfs aus: zeitweise hatte man den Eindruck, als
ob die Besprechung nicht der Bekämpfung, sondern der Verteidi¬
gung des Kurpfuschertums gelte und unser Kollege Dr. A r -
ning hatte ein gewisses Recht, im Schlußwort zu bemerken
daß man nach dem Verlauf der Debatte lieber Kurpfuscher als
Arzt sein möchte. Die Aussicht, daß der Reichstag ein der Vor¬
lage des Bundesrats einigermaßen entsprechendes Gesetz zu¬
stande bringen werde, ist unter diesen Umständen vorläufig
ziemlich gering.
H a 11 e a. S. Da die Krankenkassen, denen bis zum 25. Nov.
vom Magistrat als der Aufsichtsbehörde der Nachweis aus¬
reichender ärztlicher Versorgung für ihre Mitglieder aufgege¬
ben war, diesen Nachweis zum genannten Termin nicht zu er¬
bringen vermochten hat der Magistrat jetzt selbst diesen Teil
der Verwaltung in die Hand genommen.
Universitätswesen. Personalnaeliriehten.
Berlin. Der Marine-Generaloberarzt Prof. Dr. Rüge
ist zum Marine-Generalarzt und Inspektionsarzt der Inspektion
des Bildungswesens der Marine ernannt worden.
— Die Professoren L. Casper, James Israel und
Posner sind zu Ehrenmitgliedern der Societä italiana
di Urologia ernannt worden.
Halle a. S. Der Oberarzt an der Universitäts-Frauen¬
klinik Dr. Theodor Heyne mann hat sich für Gynäkologie
und Geburtshilfe habilitiert.
Münster i. W. Am anatomischen Universitätsinstitut ist
der Arzt Dr. med. Eugen Kurz zum zweiten Prosektor er¬
nannt und mit der Verwaltung der etatsmäßigen Prosektur
betraut worden. Der bisherige Inhaber dieser Stelle, Privat¬
dozent Dr. med. Brodersen, wurde zum Abteilungsvor¬
steher und ersten Prosektor ernannt.
Bonn. An seiner Geburtsstätte, dem Rittergute Auel in
der Rheinprovinz, starb im Alter von 79 Jahren Geh. Medizinal-
No. 50.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
757
rat Prot Dr. Adolf Freiherr vonLaValetteSt. George,
früher 'Ordinarius der Anatomie an der hiesigen Universität.
1831 geboren, hatte er Naturwissenschaften und Medizin stu¬
diert und sowohl den philosophischen (1855) als auch den
medizinischen Doktorgrad (1857) erworben. Er erlangte 1858
die ärztliche Approbation und habilitierte sich noch in demselben
Jahre in Bonn für Anatomie. 1859 als Prosektor angestellt,
wurde er 1862 außerordentlicher und 1875 ordentlicher Pro¬
fessor seines Fachs. Seit 1907 lebte der Verstorbene im Ruhe¬
stände. Die wissenschaftliche Bedeutung La Valettes liegt
auf den Gebieten der vergleichenden Anatomie und der Ent¬
wicklungsgeschichte ; besonders letztere verdankt ihm eine ganze
Reihe wichtiger Erkenntnisse. Ein Teil seiner hierher gehöri¬
gen Arbeit ist auch der Fischzucht zugute gekommen, über die
er an der Landwirtschaftlichen Akademie zu Poppelsdorf vor¬
trug. Mit Waldeyer und 0. Hertwig redigierte La Va¬
lette das „Archiv für mikroskopische Anatomie“.
Saarbrücken. Als Nachfolger des zum 1. April 1911 in
den Ruhestand tretenden Sanitätsrates Dr. Jüngst wurde Prof.
Dr. W. N o e t z e 1, Chefarzt des Krankenhauses Fischbachtal
(früher Völklingen), zum Chefarzt der chirurgischen Abteilung
des hiesigen Bürgerhospitals berufen und ernannt. Er wird
dieses Amt am 1. April 1911 antreten.
Rostock. Dr. Gerhard Hosemann hat sieh für
Chirurgie habilitiert.
Prag. Der ordentliche Professor der Chirurgie Hofrat Dr.
Anton W ö 1 f 1 e r ist aus Gesundheitsrücksichten verhältnis¬
mäßig früh in den Ruhestand getreten. Einer der hervorragend¬
sten Schüler Billroths, hat er sein hiesiges Lehramt seit
1895 bekleidet, nachdem er vorher seit 1886 die gleiche Stellung
an der Universität Graz innegehabt hatte. Prof. W ö 1 f 1 e r
steht jetzt im 61. Lebensjahre.
Wien. Vor kurzem ist hier das Projekt entstanden, die
öffentlichen Krankenanstalten Wiens aus der Verwaltung der
Stadt in die des Landes Nieder Österreich übergehen
zu lassen, ein Projekt, das man hier kurz als „Verländerung der
Spitäler“ bezeichnet. In dieser Angelegenheit hat nun. das Pro¬
fessorenkollegium der medizinischen Fakultät am 2. Dezem-
;f ber eine Sitzung abgehalten. Da die Universitätskliniken teil¬
weise in den in Frage kommenden Spitälern untergebracht sind,
/ kamen die Professoren einstimmig überein, gegen die beabsich¬
tigte Verländerung Einspruch zu erheben. Sie halten sich hier¬
zu befugt, weil bei ihrer Bestallung für die Professur und ihrer
Berufung zu Vorstehern der betreffenden Kliniken von einer
Verländerung der Spitäler nicht die Rede war. Sollte ein Gesetz
über die Verländerung trotz des einstimmigen Einspruchs der
Wiener medizinischen Fakultät erfolgen, so wollen die
Professoren dem Unterrichtsminister ihre Entlassung einrei¬
chen und von der Leitung der Kliniken zurücktreten. Dem Pro¬
teste schlossen sich am nächsten Tage die Abteilungsvor¬
steher, Primär- und Sekundärärzte der Spitäler an. Dieser
. Einspruch richtet sich gegen die christlich-soziale Partei, die als
Gegnerin_derfreien Forschung bekannt ist und bei einer Ver¬
länderung deiT~ Spitalwasens in Oesterreich wäre daher
zu befürchten, daß der Betrieb der medizinischen Wissen¬
schaft an den österreichischen Hochschulen unter den Einfluß
einer erwiesenermaßen bildungsfeindlichen Partei geriete.
Einer Abordnung des Wiener medizinischen Professorenkolle¬
giums am 3. d. M. und zwei Tage später einer solchen von Ver¬
tretern sämtlicher ärztlichen Vereine Wiens gab der Unter¬
richtsminister Graf S t u e r g k h alsbald beruhgende Zusiche¬
rungen.
Kopenhagen. Generalarzt Dr. Hieronymus
Laub, langjähriger Chef des dänischen Militärsanitätswesens,
ist im Alter von 72 Jahren gestorben.
M e n t o n e. Im Alter von 79 Jahren starb in Tegernsee
der aus Livland stammende Arzt Dr. M. v. C u b e , der, nachdem
er eine Reihe von Jahren in Petersburg praktiziert hatte, nach
der französischen Riviera übersiedelte, wo er erst in Nizza und
später in Mentone eine internationale Kurpraxis ausübte. Im
letzteren Ort hat er 35 Jahre gewirkt und mit dazu beigetragen,
ihm den nunmehr feststehenden Ruf eines klimatischen Kurorts
ersten Ranges zu verschaffen.
Lima. Der schweizerische Chirurg Dr. F. Suter aus
Aarau, der erst seit wenigen Wochen als ueuernannter Pro¬
fessor der Chirurgie hier tätig war, ist im Alter von 37 Jahren
plötzlich gestorben.
Kongreß- und Vereinsnachriehten.
Leipzig. Der Verband der Aerzte Deutschlands zur
Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen („Leipziger
V erbau d“) hielt am 27. November seine gutbesuchte zehnte
Jahresversam m 1 u n g ab, die wegen des zu ungewöhnlich
frühem Termin im Frühjahr abgehaltenen Aerztetages auf
diesen späten Zeitpunkt verlegt worden war. In seiner Eröff¬
nungsansprache gab der Vorsitzende Hart mann (Leipzig)
einen Rückblick auf die unsern Lesern bekannten Vorgänge
und Kämpfe auf dem Gebiete des Kraukenkassenwesens und
die einschlägigen Debatten im Reichstage; er schloß mit der
Erklärung, daß die deutsche Aerzteschaft Mittel und Wege
finden werde, sich ihre Freiheitsrechte zu wahren. Den Haupt¬
gegenstand der Tagesordnung bildete der vom Generalsekretär
Kuhns erstattete Jahresbericht, der ein Bild von der
andauernd wachsenden Tätigkeit des Verbandes gab. Nimmt
man an, daß etwa 25 000 Aerzte im Deutschen Reiche von dem
Bestehen des Leipziger Verbandes berührt werden, so sind
etwa 94 pCt. dieser Interessenten auch Mitglieder desselben.
Ein wichtiges Arbeitsgebiet des Verbandes ist die Stellen¬
vermittelung. Durch diese ist es dem Verband gelungen,
einen großen Teil der gewerbsmäßigen, oft wenig gewissen¬
haften Stellenvermittler auszuschalten und die Aerzte vor er-
erheblichen Verlusten zu schützen, ferner auch von übereilten
Praxiskäufen abzuhalten. An 3178 Bewerber konnten 2812
Stellen vermittelt werden, darunter 302 an Schiffsärzte, 436
an Assistenten, 1715 an Vertreter, 110 an Medizinalpraktikanten.
Seto bezeichnend für die Aussichten des ärztlichen
B e r u f e s ist aber, daß es nur 249 mal gelang, Gelegenheit, zur
Niederlassung zu bieten, gegen 281 mal im Vorjahre. Bedenkt
man demgegenüber, daß die Zahl der Medizinstudieren¬
den von 5926 im Wintersemester 1904/05 auf 10 263 im
gleichen Semester 1909/10 gestiegen ist, so erhellt ohne weite¬
res, daß sich innerhalb kurzer Zeit die Lage der Aerzte noch
sehr erheblich verschlechtern muß. Seit seinem Bestehen hat
der Verband in 947 kassenärztliche Kämpfe einge¬
griffen, von denen 830 gewonnen, 11 verloren wurden und 106
noch unentschieden sind. Von diesen Kämpfen betrafen nicht
weniger als 731 kleine und kleinste Orte. In der Mehrzahl der
drohenden Konfliktskämpfe gelang dem Verband eine gütliche
Beilegung. Bei den letzten Kämpfen hat man es mit einem plan¬
mäßigen, von langer Hand vorbereiteten Vorgehen des Orts¬
krankenkassenverbandes und des Betriebskassenverbandes
zu tun, wobei die Regierungsmaßnahmen vielfach als eine Be¬
günstigung der Kassen erscheinen, z. B. was die Behandlung
von Beschwerden angeht. Die Einzelheiten des Geschäfts¬
berichts wurden durch Redner aus allen Teilen Deutschlands
ergänzt. Ueber die Unmöglichkeit, daß die Aerzte unter der
jetzt zur Beratung stehenden Reichversicherungsordnung
arbeiten, sprach insbesondere Dr. Munter (Berlin). Dr.
Hirschfeld (Leipzig) erstattete den Kassenbericht,
der sich von Jahr zu Jahr günstiger gestaltet. Bemerkenswert
sind die Hunderttausende von Mark freiwilliger Spenden zur
Unterstützng der von Krankenkassen ausgesperrten Aerzte.
Nach Wiederwahl des Vorsitzenden wurde die Versammlung
geschlossen.
Wiesbaden. Der 28. Deutsche Kongreß für Innere
Medizin findet vom 19. bis 22. April 1911 in Wiesbaden unter
dem Präsidium des Herrn K r e h 1 (Heidelberg) statt. Das
Referatthema, welches am ersten Sitzungstage: Mittwoch, den
19. April 1911, zur Verhandlung kommt, ist: Ueber Wesen
und Behandlung der Diathesen. Referenten sind
die Herren: His (Berlin): Geschichtliches und Diathesen in
der inneren Medizin; Pfaundler (München): Diathesen in
der Kinderheilkunde; Bloch (Basel): Diathesen in der
Dermatologie. ' Vortragsmeldungen nimmt der Sekretär des
Kongresses, Geheimer Rat Dr. Emil Pfeiffer, Wiesbaden,
Parkstraße 13, entgegen.
Gerichtliches.
Gießen. Ueber einen Prozeß, der die Aerzte mahnt, in
der Gefälligkeit gegen die Krankenkassen nicht zu weit zu
gehen, berichtet die „Pharmac. Ztg.“ im Anschluß an die
„ßetriebskrankenkasse“. Ein Kassenarzt hatte Medikamente,
die dem Verkehr nicht freigegeben sind, aber häufig ge¬
braucht werden, im Einvernehmen mit der Kasse für deren
Rechnung aus einer Apotheke bezogen und im Bedarfsfälle au
erkrankte Kassenmitglieder abgegeben oder von dem Geschäfts¬
führer der Kasse abgeben lassen. Deshalb war der Arzt wegen
Uebertretung des§ 367 des Strafgesetzbuches
(unbefugte Arzneiabgabe) zur Verantwortung gezogen worden.
Der Arzt führte aus: Ein Zubereiten, Feilhalten, Verkaufen oder
an andere Ueberlassen, wie dies das Gesetz vorsehe, käme im
vorliegenden Fall nicht in Betracht, es handle sich nur um ein
Verteilen der fertigen Arzneimittel. Das Verteilen sei kein Zu¬
bereiten, und vom Ueberlassen an andere kömie auch nicht
geredet werden, denn dies sei gleichbedeutend mit „in Verkehr
bringen“. Die Medikamente seien für Rechnung der Kasse
angeschafft und die Abgabe an die Mitglieder sei daher nur
ein Verteilen des gemeinsam Bezogenen. Das Schöffen¬
gericht Gießen stellte sich auf den Standpunkt, daß, wenn
auch ein „Zubereiten“ nicht vorliege, doch die Medikamente
„an andere überlassen“ worden seien. Beim gemeinsamen
Einkauf würden die Kassenmitglieder nicht Eigentümer der
Medikamente. Das Landgericht Gießen erkannte an, daß
die Meinungen hoher Gerichte über den Begriff „überlassen
an andere“ auseinandergingen. Es schloß sich aber auf
Antrag der Staatsanwaltschaft der Entscheidung des Ober¬
landesgerichts Cöln an und erkannte auf eine Geldstrafe von
0 M.. da ein Ueberlassen an andere vorliege.
758
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 50.
Verschiedenes.
Frankfurt a. M. Der handelsmäßige Vertrieb des
EhrlichschenSyphilismittels oder wie es von jetzt
ab genannt werden wird, des „Salvarsan“ beginnt, wie jetzl
endgültig feststeht, am 15. d. M. Es kommt in Dosen ä 0,6 g
in zugeschmolzenen Ampullen in den Verkehr. Zwecks Ver¬
hütung der Oxydation enthalten die Ampullen noch ein in¬
differentes Gas. Der Verkaufspreis einer solchen Dose
beträgt 10 M.
W i e n. Wie in England, so sind jetzt auch in Oesterreich
wesentliche Fortschritte in der Darstellung der Radium¬
präparate gemacht worden. Zwei Wiener Chemiker haben für
das Radiumwerk Neulengbach in Niederösterreich ein pa¬
tentiertes Verfahren ausgearbeitet, vermittelst dessen sich in
der kurzen Zeit von sechs Wochen (anstatt wie früher in
1.8 Monaten) 10 000 kg Pechblende zu Radiumsalzen auf¬
arbeiten lassen. Mit Hilfe dieser Radiumsalze werden jetzt
Radiumemanationspräparate von bisher nicht erreichter Aktivi¬
tät für medizinische Zwecke hergestellt.
VI. Amtliche Mitteilungen,
Zu besetzende Stellen von Medizinalbeamten.
1. Die Kreisarztstelle des Kreises Posen- Ost, Re¬
gierungsbezirk Posen, mit dem Amtssitz in Schwersenz
(Gehalt nach Maßgabe des Dienstalters 2100—3900 M., Stellen¬
zulage von 900 M. und 240 M. Amtsunkostenentschädigung
jährlich);
2. die Kreisassistenzarztstelle für den Kreis Schlochau.
Regierungsbezirk Marienwerder, mit dem Amtssitz in Prech-
lau (jährliche Remuneration 1800 M.);
3. die Kreisassistenzarztstelle für den Kreisarztbezirk
Marburg-Kirchhain, Regierungsbezirk Cassel, mit dem
Amtssitz in Marburg (jährliche Remuneration 2000 M);
4. die Stelle als Kreisassistenzarzt und Assistent-bei dem
Medizinaluntersuchungsamt in Co b lenz (Remuneration b.s
zu 2000 M. jährlich).
(Veröffentlicht am 1. Dezember 1910.)
Personalia.
Preußen.
A uszeichnungeu: Roter Adler- Orden 4. Kl. Sau.-
Rat Dr. Kolbe in Scheibe, Med.-Rat Dr. Thiersch in
Dresden, Marinestabsarzt Dr. Nerger.
K ö ni g 1. Kronen-Orden 3. Kl.: Geh. San.-Rat Dr. Un¬
schuld in Neuenahr.
Charakter als Geheimer Medizinalrat: Prof. Dr.
Bürkner in Göttingen, Med.-Rat Dr. Schotten in Cassel.
Prädikat Professor: Stabsarzt Dr. O e r t e 1 in Düssel¬
dorf.
Niedergelassen: Dr. M. Cohn in Schweiz, Dr. Riedel
in Cunnersdorf, Dr. Westerburg in Borgholzhausen, Dr.
G 1 a s e r in Frankfrt a. M„ Dr. Sprenger in Greppin, Dr.
Magnus in Halle a. S., Dr. K a n t in Siegen, H. Hüssels 1
in Landsberg a. W.
Bayern.
Ernannt: Zum Suppleanten des Medizinalkomitees an der
Universität Würzburg der ordentliche Professor Dr.
Richard Kretz.
In den Ruhestand versetzt: Der Bezirksarzt von Mün¬
chen Dr. Ferdinand Edler von Weckbecker
zu Sternenfeld auf sein Ansuchen, unter Verleihung
des Titels und Ranges eines Königlichen Medizinalrates.
Verzogen: Dr. Hundertpfund von Röthenbach b. Lauf
nach Steingaden, Dr. A u g. Beck von Fürth nach München,
Dr. Vollenberg von Altdorf nach Dietenhofen B.-A.
Ansbach.
Gestorben: Anton Forstner in Holzheim, Bezirk
Neu Ulm.
Württemberg.
Auszeichnungen: Karl-Olga-Medaille in Silber: Oberamts¬
ärzten Med.-Rat Dr. J. Krauss in Kirchheim und Teck,
Med.-Rat Dr. Eug. Kommereil in Waiblingen und Dr.
K. R i e s in Stuttgart.
Ernannt: Dr. Schröder zum Assistenzarzt an der
Heilanstalt Zwiefalten.
Niedergelassen: Dr. H. Lossen in Langenargen, Dr.
S i e 1 a f f in Köngen.
Verzogen: Dr. Effinger von Langenargen nach
Spaichingen, Dr. Zinsser von Gundelsheim, Dr. Strei b
von Neckarsulm nach St. Ludwig (Baden), Dr. Benz von
Köngen nach München.
Gestorben: Dr. Mögling in Stuttgart, Dr. Sch aal in
Eßlingen.
Baden.
Ernannt: Dr. Barth in Langenbrücken zum Bezirks¬
arzt in Staufen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. W a g e n m a n n in
Jena zum o. Professor und Direktor der Augenklinik in
Heidelberg.
Niedergelassen: Dr. Max John und Dr. Karl
■Hirsch feld-Warncken in Mannheim, Dr. Ernst
J ä g e r in Rickenbach.
Verzogen: Dr. G. Spiegel von Renchen nach Gebweiler
i. Eis., A. Wetz von Konstanz nach Renchen, Dr. 0. H a a k e
von Rockenau, Dr. P h. Kirsch von Freiburg nach Konstanz,
Dr. Anton Hein von Waibstadt nach Berlin, Dr. Peter
S p o o von Rickenbach.
Gestorben: Med.-Rat Dr. E. Heller in Lörrach, Dr.
E. Schuhmacher in Eberbach.
Oldenburg.
Verzogen: Dr. E. A. W. Höger von Ganderkesee.
Fürstentum Birkenfeld.
Niedergelassen: Dr. A. Main in Oberstein.
Mecklenburg-Schwerin.
Gestorben: Med.-Rat Dr. Sch m i d t in Rostock.
Sachsen-W eimar.
Auszeichnung: Titel Medizinalrat: Bezirksärzten Dr.
L ü b e r in Vacha und Dr. Pfeifer in Weida.
V erliehen: Charakter als Geh. Med.-Rat: Prof. Dr. L e x e r
in Jena.
Ernannt: Dr. Spann in Kaltennordheim zum Bezirks¬
arzt des Amtsbezirks Kaltennordheim.
In den Ruhestand versetzt: Med.-Rat Dr. Göring,
Bezirksarzt in Stadtlengsfeld.
Braunschweig.
Auszeichnung: Charakter als Sanitätsrat: Physikus Dr.
M ü 11 e r in Braunschweig.
Ernannt: Priv.-Doz. Dr. Schultze, Prosektor am
Herzogi. Krankenhause in Braunschweig, zum a. o. Mitgliede
des. Landesmedizinalkollegiums; Oberarzt Dr. Bingel in
Braunschw'eig zum a. o. Mitglied des Landes-Medizinal-
kollegium.
Versetzt: Physikus Dr. Schulze in Ottenstein in das
Physikat Eschershausen-Stadtoldendorf mit dem Wohnsitz in
Eschershausen.
In den Ruhestand versetzt: San.-Rat Dr. Seulcke,
Physikus in Eschershausen.
Anhalt.
Gestorben: Dr. Berg in Dessau.
Sachsen-Altenburg.
Gestorben: Geh. Med.-Rat Dr. Rothe, Bezirksarzt a. D.
in Altenburg.
Berichtigung: Die in No. 42 gebrachte Notiz über das
Ableben von Bezirkswundarzt Dr. Wuls c hner in Kloster
lausnitz ist unzutreffend.
Sachsen-Coburg-Gotha.
Auszeichnungen: Charakter als Medizinalrat: Bezirks¬
ärzten Dr. P o 11 i e n in Gotha und Dr. Martinet in Coburg.
Sachsen-Meiningen.
Gestorben: Med.-Rat Dr. Weisser in Poeßneck.
Fürstentum Lippe.
Ernannt: Dr. Gundermann in Schwalenberg zum
Amtswundarzt daselbst.
Versetzt: Amtswundarzt Dr. Jobst in Schwalenberg in
gleicher Eigenschaft nach Horn.
Schwarzburg-Rudolstadt.
Gestorben: Dr. P. Rost, Reg.- und Geh. Med.-Rat in
Rudolstadt.
Schw arzburg-Sondershausen.
Ni edergelassen: Dr. A. Antoni aus Weener (Prov.
Hannover) in Langewiesen.
Waldeck.
Ernannt: Dr. E. Deetz in Arolsen zum Oberland-
physikus und zum Medizinalreferenten des Landesdirektors
in Arolsen.
Hamburg.
Ernannt: Prof. Dr. Deneke zum Mitglied des Medizinal¬
kollegiums.
Niedergelassen: Prof. Dr. J. K. A. H. H e g e n e r (aus
Heidelberg) in Hamburg, Dr. A. Lippman in Hamburg,
Dr. G. F. Meissner in Hamburg, Dr. S. M. W e i s s in
Hamburg, Dr. K. H. L. Dohrs und Dr. E. P. Koerber in
Hamburg.
Bremen.
Niedergelassen: Dr. J. D. T i e t j e n aus Borgfeld, Dr.
G. H. Heusm ann aus Harburg in Bremen, Dr. W. F.
Ewald aus Danzig in Bremerhaven, Dr. A. D. F. L.
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XII. Medicinische Tabellen und sonstige für den xVrzt wichtige
Zahlenangaben.
XIII. Untersuchung des Harns.
XIV. Einiges aus der Technik der Blutuntersuchung.
XV. Bekanntmachung, betreffend den Erlass einer Gebühren¬
ordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte.
XVI. Gesetz betr. die Gebühren der Medicinalbeamten.
XVII. Verzeichnis der Krankheiten und Todesursachen.
XVIII. Bäder und Kurorte.
XIX. Post-Tarif.
XX. Tafeln zur Sehprüfung.
XXI. Notizblätter für Adressen.
I. Verzeichnis der gegenwärtig gebräuchlichen älteren und
neueren Arzneimittel.
II. Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
das Deutsche Reich.
III. Uebersicht der wichtigsten, in Form von subcutanen,
intramusculären und intravenösen Injectionen zur An¬
wendung kommenden Mittel.
IV. Zu vermeidende Arzneimischungen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VI. Medicinische Bäder.
VII. Auszug aus der deutschen Arzneitaxe 1910.
Preise für Stoffmengen, Arbeiten und Gefässe.
1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
VIII. Anweisung zur sparsamen Arzneiverordnung mit Rück¬
sicht auf die Krankenkassenpraxis.
IX. Uebersicht der wichtigsten Nährpräparate.
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Die „Therapeutische Rundschau" erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
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werden fiir die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhal tsü b ersieht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. Ritter: Unsere Er¬
fahrungen mit dem Ehrlichschen Mittel „606“. — Munk:
Ueber den Einfluß der Luestherapie mit dem Ehrlich-Hata-
schen Mittel 606 auf die Wassermannsche Reaktion. —
Löffler: Ein neues Anreicherungsverfabren zum färberischen
Nachweis spärlicher Tuberkelbacillen. — ßohar: Zur Röntgen-
' therapie des Skleroms. — Mol low: Ein Fall von Schwarz¬
wasserfieber. — Hirsch: Tötliche Bleivergiftung eines zwei¬
jährigen Kindes, verursacht durch habituelles Lutschen an der
Bettstelle. — Herz: Schlafstörungen der Herzkranken. —
Hirschberg: Zur Fuuktionsprüfung des Pankreas. — Löwen¬
berg: Die Anwendung der Röntgenstrablen in der Therapie
der Hautkrankheiten. — Glaessner: Zur Behandlung der
Humerusfrakturen. — Föderl: Ueber subkutane Bauch¬
verletzungen. — Rosenhauch: Ueber das Verhältnis phlyk-
tänulärer Augenentzündungen zur Tuberkulose. — Fuchs:
Dystrophia epithelialis corneae. — v. Poppen: Ueber die Er¬
krankung der Hornhaut bei MorbusBasedowii mit Exophthalmus.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Berliner
Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 30. November 1910. —
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom
28. November 1910. (Schluß) — 82. Versammlung Deutscher
Naturforscher und Aerzte in Königsberg in Pr. vom 18.—24. Sep¬
tember 1910. (Fortsetzung.)
III. Therapeutische Notizen. Ebstein: Die Behandlung des
Heufiebers mit Bormelin.
IV. Büch erschau. Posner: Vorlesungen über Harnkrankheiten
für Aerzte und Studierende. — Hirth: Der elektrochemishe
Betrieb der Organismen und die Salzlösung als Elektrolyt.
V. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten. — Kongreß- uud Vereinsnachrichten. — Gericht¬
liches. — Verschiedenes.
VI. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Dr. Hans Ritter (Hannover): Unsere Erfahrungen mit dem
Ehrlichschen Mittel „606“. (Münch, med. Wochenschrift,
1910, No. 43.)
Im Stadtkrankenhause II zu Hannover wurden bisher
60 Fälle mit dem neuen Mittel behandelt. Die Dosis war bei
Männern 0,5—0,7, bei Frauen 0,4—0,5. Die Lösung wurde in
folgender Weise bereitet: Das Pulver wird mit 0,3 Methyl¬
alkohol vermischt, mit einem Glasstab zu einer klebrigen
’.Yiasse verrieben, dann werden 10 ccm warmes destilliertes
Wasser zugesetzt. Zu der völlig gelösten Flüssigkeit werden
nacheinander kleine Mengen (2 resp. 1 ccm) normale Natron-
. lauge gegossen, bis die anlängliche Emulsion sich wieder gelöst
hat, sodann tropfenweise Normal-Essigsäure bis zur schwachen
Alkaleszens zugesetzt. Dieselbe wird in einem Meßzylinder
auf 20 ccm Wasser aufgefüllt. Diese Menge wird dann in zwei
Hälften an zwei Körperstellen injiziert. Anfangs wurde
intraglutäal, später suokutan zwiscüen den Schulterblättern
injiziert. Die subkutane Injektion ist im allgemeinen für den
Kranken bequemer und weniger schmerzhaft, auch sind die
Infiltrate weniger umfangreich. Doch bildete sich einmal bei
Injektion an der hinteren Seite des linken Oberarmes ein aus¬
gedehntes Infiltrat, welches eine 14 tägige Arbeitsunfähigkeit
zur Folge hatte. Schädliche Nebenwirkungen wurden nicht be¬
obachtet. ln einer Reihe von Fällen wurden sehr starke Ge¬
wichtszunahmen konstatiert. Die therapeutischen Resultate
decken sich im allgemeinen mit denen anderer Autoren.
Sowohl die Primäraftekte wie auch die meisten sekundären Er¬
scheinungen schwanden in kurzer Zeit; breite Condylome, Ge¬
schwüre, Plaques muqueuses, Roseola und andere Syphilide
waren in 3—12 Tagen abgeheilt. Rezidive wurden bisher nicht
beobachtet. Ein Säugling von 3 Monaten, 5 kg schwer, mit aus¬
gedehntem makulo-papulösen Ausschlag erhielt 0,05 g uud war
nach 3 Wochen mit '/■> ltg Gewichtszunahme geheilt. Ein anderer
sehr dekrepider Säugling von 3 Monaten mit Pemphigus starb
5 Tage nach der Injektion von 0,05 g; die Sektion ergab
fibrinöse Peritonitis und Ascites.
Dr. Fritz Munk (Berlin): Ueber den Einfluß der Luostherapic
mit dem Ehrlich-Hataschen Mittel 606 auf die Wassermau n-
sclic Reaktion. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 43.)
Bei Kaninchen kann man durch Injektion des wässerigen
Extrakts aus luetischer Fötalleber ein Serum erzeugen, das sich
alkoholischem Meersehweinchenherzextrakt gegenüber ebenso
verhält, wie ein echtes Luetikerserum. Diese Tatsache benutzte
Verf., um in Tierversuchen festzustellen, ob die Injektion des
Ehrlich-Hata scheu Präparates bei Kaninchen die Bildung
der die Wasser m a n n sehe Reaktion gebenden Serum¬
substanzen (Luesreagine) zu verhindern vermag. Dabei ergab
sich, daß das Präparat 606 auch in vivo kaum neutralisierenden
Einfluß auf die bei der Wasser m a n n sehen Reaktion in
Betracht kommenden Serumsubstanzen ausübt. Dies steht auch
in Einklang mit den klinischen Erfahrungen. Man kann nach
Verf. daraus schließen, daß die Bildung der die Wasser-
m a n n sehe Reaktion gebenden Substanz im Serum nicht
durch lebende Spirochäten, sondern wahrscheinlich erst
durch deren Zerfallsprodukte angeregt wird. Das Präparat 606
hat keinen direkten Einfluß auf diese Substanz. Ueber den
Erfolg des Mittels kann die Wassermann sehe Reaktion im
allgemeinen nicht vor 6—8 Wochen nach der Einspritzung Auf¬
schluß geben.
Prof. Löffler (Greifswald): Ein neues Anreicherungsverfahren
znm färberischen Nachweis spärlicher Tuberkelbacillen.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 43.)
Verf. empfiehlt folgendes modifizierte Antiforminverfah¬
ren. Eine gewisse Menge Sputum (5, 10, 20 ccm) wird abge¬
messen, in einen Kolben aus Jenaer Glas gebracht, mit der
gleichen Menge 50 proz. Antiformins versetzt und über der
Flamme aufgekocht. Die Lösung erfolgt sofort unter Schäumen
und leichter Bräunung der Flüssigkeit. Zu 10 ccm der Lösung
werden hinzugesetzt 1,5 ccm einer Mischung von 10 Volumteilen
Chloroform und 90 Volumteilen Alkohol. Nach tüchtigem Durch¬
schütteln, am besten in einer mit Patentverschluß versehenen
Flasche, wird die Flüssigkeit in Zentrifugenröhrchen gebracht
und 15 Minuten zentrifugiert. Es hat sich dann eine Scheibe
des auszentrifugierten Materials gebildet in der Spitze des Zen¬
trifugengläschens, oberhalb des die Spitze ausfüllenden Chloro¬
forms. Die Flüssigkeit wird abgegossen, die Scheibe in toto
herausgenommen und auf einen Objektträger gebracht. Nach
Absaugen des ihr noch anhängenden Flüssigkeitsrestes mit
Filtrierpapier wird die Scheibe unter Zusatz eines Tropfens von
Hühnereiweiß, dem zur Konservierung 0.55 pCt. Karbol zuge-
selzt wird, mit einem zweiten Objektträger verrieben und durch
Abziehen dieses Objektträgers fein ausgestricheu. Darauf läßt
man die Schicht lufttrocken werden und fixiert sie, indem
man den Objektträger mehrere Male durch die Flamme zieiit.
Nunmehr erfolgt uie Färbung mit Karbolfuchsin unter Er¬
hitzung bis zur Blasenbildung auf dem Objektträger, Nach-
behanaeln mit 3 proz. Salzsäurealkohol, Abspülen mit Wasser,
Uebergießen mit einer 0,1 proz. wässerigen Lösung von Malachit¬
grün chemisch rein, Chlorzinkdoppelsalz (Höchst) und Ab¬
spülen mit Wasser. Nachdem das Präparat trocken geworden,
wird es mit der Oelimmersion direkt untersucht. Die ganze
Prozedur nimmt 15—20 Minuten in Anspruch. Die Tuberkel¬
bacillen erscheinen intensiv rot auf grünem Grunde und sind
leicht auffindbar.
Dr. Carl Bohar (Prag): Zur Röntgentherapie des Skleroms.
(Münch, med. Woenenschrift, 1910, No. 43.)
Schon 1902 fand v. Rydygier, daß die Röntgenstrahlen
auf das Rhinosklerom eine günstige therapeutische Wirkung
Die Nummer 52 (Scliliiltiumiiiier des Jahrgangs) erscheint erst am 29. Dezember er.
760
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 61.
ausüben. Später haben sowohl v. Rydygier wie einige an¬
dere Autoren über weitere Fälle von Besserungen und Heilun¬
gen von Rninosklerom durch Röntgenstrahlen uerichtet. Aehii-
nch günstige Wirkungen aul das SKieromgewebe entfaltet aucli
das naaium, das außerdem noch den V orteil hat, daß es in
geeigneter Armierung in die Nasenhonle, den Racnen unu den
Kehlkopf eingeführt werden kann. Die Röntgen- und Radiuni-
straüien wirken ment-allein aul das mdurrene Gewebe in uer
Weise ehi, daß das Gewebe weicher wird, die Spannung ab-
nimmt und die Haut und Schleimhaut wieder leichter versemeb-
iicn wird, sondern die Khmosklerombacillen selbst werden
durch die Bestrahlung in ihrer Lebensfähigkeit beeinträchtigt
und degenerieren. Allerdings schemt die nadiosensibiiität aes
Khinoskleroms nicht allzu groß zu sein, weshalb die Behand¬
lung entsprechend lange uurengetührt werden muß. Verl, hatte
Gelegenheit, in zwei Fällen die Röntgenbestrahlung des
Skieroms zu versuchen, in dem einen lalle handelte es sich
um eine 30 jährige Kranke mit umfangreichem Rhinosklerom
der Nase (tumorartig entwickelt) und des Gaumens. Die Rönt¬
genbestrahlung wurde in der Weise durchgeführt, daß inner¬
halb emes halben James in 3—4 wöcheiitiicnen Pausen Serien
von je 3—4 Bestrahlungen gegeben wurden, wobei die in einer
einzelnen Serie mit einer mittelharten Röhre applizierte Ge¬
samtmenge der Strahlen eine Sabouraud sehe Einheit nicht
überstieg. Dabei konnte während der Läusen einige Mate eme
leichte Rötung und Schwellung des Tumors mit Zerfall des
Epithels am Rande beobachtet werden. Nach 7 Monaten fand
sich an Stelle des früher vorhanden gewesenen exkoriiei'ten
und nässenden Tumors eine glatte, atrophische, depigmentierte
Narbe mit einigen zarten Teleangiektasien; die Nase ist jetzt
stark verkleinert, die Nasenlöcher öffnen sich nach vorn und
sind gut durchgängig, die Nasenatmung ist nicht behindert.
Nur an der Oberlippe befand sich noch ein Infiltrat, ebenso am
harten Gaumen. Nachdem die Röntgenbehandlung wieder
zwei Monate hindurch angewendet worden war, wobei auch die
Infiltrationen am Gaumen mittels eines Lokaiisators bestrahlt
wurden, zeigte sich eine weitere deutliche Rückbildung sämt¬
licher Infiltrate und Epithelisierung des Gaumens. Im zweiten
Falle handelte es sich um ein Sklerom der Trachea unterhalb
der Stimmbänder bei einem ‘26 jährigen Mann. Die Röntgen¬
bestrahlung erfolgte in der Weise von außen, daß innernalb
von 4 Wocnen in einer Reihe von Sitzungen mit mittel weicher
bis harter Röhre durch Filter, und zwar teils durch doppeltes
Rehleder, teils durch die Silberpiatte, bestrahlt wurde (Ge¬
samtstrahlenmenge ungefähr 1 Sabouraud). Es trat bald
subjektive Besserung ein (Nachlassen der Atembeschwer-
um etc.). Bei einer späteren Lntersuchung (%, Jahr nacn der
Entlassung) war nur noen eine ganz kleine Vorwoibung an aer
SteUe des früheren Tumors zu sehen. R. L.
Dr. W. Mollow, Primarius der inneren Abteilung am Alexander-
Spital, Sofia (Bulgarien): Ein Fall von Schw arzwasseriieber.
(Medizinische Klinik, 1910, Wo. 34.)
Fälle von Schwarzwasserfieber sind in Europa ziemlich
selten. Verf. halte inner uiigeianr 300 Malariaerkrankungen
nur 2 Fälle von Schwarzwasserfieber. Den zweiten, längere
Zeit hindurch beobachteten Fäll beschreibt er in vorliegender
Arbeit ausführlicher. Der Fall betrifft einen 14 jährigen, an
Coxitis leidenden Schüler, der, lange Zeit an P’ieber leidend,
aümonatlicn Rezidive bekam, lnfoige dieser latenten Malaria-
inlektion entwickelte sich beim Patienten eine Disposition zur
Hämolyse. Als veranlassendes Moment diente das Chinin,
welches sogar in der Dosis von 0,02 g Hämoglobinurie hervor¬
rief. Die Blutuutersuciiung ergab konstant die Anwesenheit
von ungeschlechtlichen und geschlechtlichen Formen der Ter¬
tiana; erst nach mehrmaliger Blutuntersuchung wurde eine
Mischinfektion von Tertiana und Tropica festgestellt. Es fanden
sich auch parthenogenetische Formen. Die eingeleitete Chinin-
therapie war erfolglos, da Hämoglobinurie auftrat. Dann wurde
Methylenblau verordnet, welches das Fieber für eine gewisse
Zeit sistierte, jedoch nicht lange genug genommen werden
konnte, da es eine heftige Dysurie erzeugte. Patient wurde
geheilt durch eine systematische Augewöhnungskur mit C hini n,
wach 3 Monaten wiederholte sich das Fieber, die Darreicnung
von 0,02 g Cninin erzeugte wieder Hämoglobinurie. Chinin-
angewöhnungskur: Genesung.
Der Fall ist in mehrfacher Beziehung bemerkenswert. Der
Ausbruch von Hämoglobinurie bei einer vorwiegenden Ter-
tianainiektion ist zunächst selten. Der konstante Befund von
Parasiten ist merkwürdig, da gewöhnlich nach Schwarzwasser-
fieberanfall die Parasiten aus dem Blute verschwinden. In
zweiter Linie ist der Fäll dadurch interessant, daß man erst
nach mehrfacher Blutuntersuchung Tropicaparasiten nach-
weisen konnte. Dies wirft ein besonderes Licht aul diejenigen
Fälle, welche dazu dienen, um die Unität der Malariaplasmo-
dien zu beweisen; der Fall zeigt, daß nur eine sein- sorgfältige
mehrmals vorgenomniene Blutuntersuchung eme Mischinlektion
ausschließen kann. Das Auftreten von Hämoglobinurie nach
geringen Cuinindoseu ist bereits einige Maie verzeichnet. I
Ziemann beschrieb einen Fall von Chininidiosynkrasie, bei
welchem 0,004 g Chinin bereits Albuminurie, 0,005 g
Hämoglobinämie und 0,01 g deutliche Hämoglobinurie er¬
zeugte.
Dr. Hirsch, Kinderarzt in Wiesbaden: Tötlichc Bleivergiftung
eines zweijährigen Kindes, verursacht durch habituelles
Lutschen an der Bettstelle. (Berliner klm. Wochenschrift,
1910, No. 40.)
Der Verdacht auf Bleivergiftung wurde durch das wochen-
iange Erbrechen des Kindes, die bestehende Kolik und die
charakteristische Einziehung des Abdomens hingelenkt. Sicher¬
gestellt wurde die Diagnose durch die chemische Untersuchung
der Fäces und des Harns. Bemerkenswert in vorliegendem
Falle ist das F'ehlen des Bleisaumes und der Pulsspannung.
Die für die Bleivergiftung als charakteristisch angesprochene
schwarze Verfärbung der Zahnsclileimhaut kommt jedoch auch
bei chronischer Vergiftung mit Eisen, Quecksilber und Silber
zustande. Das stete Vorhandensein einer Pulsspamiung wird
neuerdings bestritten. Eine erhebliche praktische Bedeutung
gewinnt der mitgeteilte Fall dadurch, daß man nicht selten in
der Praxis beobachten kann, daß Kinder, die sich selbst über¬
lassen sind oder sich langweilen, an ihrer Bettstelle kauen und
lutschen. Ist diese Bettstelle, wie in vorliegendem Falle, nun
zufälligerweise mit Färbe gestrichen, die Bieiweiß enthält, so
ist die Gefahr einer Intoxikation groß. Das Lackieren der Farbe
gewährt keinen unbedingten Schutz. Es müßte verboten
werden, Kinderbettstellen mit bleihaltiger Färbe zu streichen.
Privatdozent Dr. Max Herz (Wien): Schlafstörungen der Herz¬
kranken. (Pester med.-chirurg. Presse, 1910, No. 40.)
Besonders häufig begegnen wir der Klage, daß in bestimm¬
ten Körperlagen der Schlaf durch das Auftreten heftiger Herz¬
beschwerden, besonders von Herzklopfen, unterbrochen werde.
Daß die Körperlage auch bei vollständig gesunden Herzem'de^'
Schlaf beeinflußt, ist bekannt; besonders das Schlafen auf dei
linken Seite ist vielen Menschen unmöglich. Mit einer gewissen
Regelmäßigkeit begegnet man diesem Symptom, wenn der '
Thorax flach, die Rippen zart und nachgiebig und das Fett- .
polster dürftig ist. Verfassers Ansicht geht dahin, daß das Herz
sich in der Linkslage in die schmäleren Teile des nierenlörmi-
gen Querschnittes des Brustkorbes bewegt und sich dort ge¬
wissermaßen einklemmt und daß diese Einklemmung dadurch
eine Verstärkung erleidet, daß die Brustwand dem aut ihr
lastenden Druck nachgibt. Auch iu der Rückenlage macht sich
das Herz in störender Weise geltend, und zwar geschieht dies
meistens so, daß das peinigende Herzklopfen beim Erwachen
aus einem sehr aufregenden Traume empfunden wird. Dieser
Traum ist zumeist durch zwei Momente deutlich charakterisiert
nämlich durch das Erscheinen schreckenerregender, drohender
Gestalten und das Gefühl der absoluten körperlichen Unfähig- --
keif, ihnen Gegenwehr zu leisten, zu entfliehen oder auch nür
um Hilfe zu rufen. Verf. glaubt, daß diese Erscheinungen auf
eine Durenwärmung des Nackens, der Wirbelsäule beziehungs¬
weise der ihnen benaenbarten Teile des Zentralnervensystems
zurückzufünren sind, denn sie fassen sien einerseits bei den
betreffenden Individuen durch Anlagerung wärmender Kissen
leient nervorrufen und andererseits auren kühleude Applikatio¬
nen an den Nacken und Rücken, besonders mittels des C h a p -
man sehen Schlauches, unterdrücken.
Eme ernstere Bedeutung als den bisher erwähnten kommt
dem mit Oppressionsgefünlen gepaarten Herzklopfen in rechter
Seiteniage zu. Es tritt naeü Verfassers Erfaiirung last aus-
scniießiicn bei starker hypertropmertem Herzen aui und laßt
sicn nach den von ihm aufgesteilten Grundsätzen für die Be¬
urteilung räumlicher Bezienungen zwischen Thorax und Herz
(Max herz: „Hie Beemtracüugung ues Herzens auren Raum¬
mangel , YVien-j_,eipzig laua, uraumuller.) erklären.
Viele Patienten, welcne an Aortenalientionen leiden,
klagen uarüber, uaß sie beim Uebergang von einer Seitenlage
in me andere von neltigem Herzklopien belailen und dauurcli
heftig erschreckt, entweder am Sculaien gehindert oder aus
aem schlafe aufgescnreckt werden. Vielleicnt, sagt Verf., naugi
mese Hrscnemiuig mit der größeren, uurcli die Verlängerung
der auisieigenden Aorta beumgteu beweglieüheit des aaüei
zugleich gewöhnlich vergrößerten Herzens zusammen.
Hem Herzklopfen ärmlich sind die Empfinuimgen, die die
Extrasystolen in aer Herzgegend erzeugen. Sie biluen für üeu
Kranken eme Queiie großer Beunruhigung und sind oft mit
einem Erstickungsgefüni verbunaen. Luter den Schlafstörun-
gen der Herzkranken, weiene durch üen Lulthuuger erzeugt
werden, ist die bekannteste und quälendste die Dyspnoe, welche
sich bei den höheren Graden der-Dekompensation sofort, einzu-
steiien ptiegt, wenn der Kranke sicn horizontal lagert. Sie
zwingt den Kranken, zunächst in erhöhter Rückenlage zu
sclilaieu, später geimgt ihm auch dies nicht mehr und er ver¬
bringt die Nächte sitzend außerhalb des Bettes.
Den vorstehenden Ausiührungen entsprechend, kann es
I nicht zweifelhaft sein, daß die Therapie der Schlafstörungen der
No. 51.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1010.
761
Herzkranken sich ihren verschiedenen Formen beziehungsweise
Ursachen anpassen muß.
Nur die reine, Schlaflosigkeit, welche sich aus keine be¬
stimmte, das Sensorium anregende peinliche Empfindung zu¬
rückführen läßt, ist durch die Schlafmittel im engeren Sinne zu
bekämpfen. Bevor man auch nur zu dem mildesten derselben,
dem Brom, greift, ist stets ein Versuch mit den alten erprobten
Volksmitteln zu machen. So führt z. B. nicht selten ein halb¬
stündiger einsamer Spaziergang unmittelbar vor dem Schlafen¬
gehen, das Anlegen nasser Strümpfe oder eines feuchten
Stammumschlages für die Nacht zum Ziel. Die Theraoie.der in
bestimmten Körperlagen auftretenden Herzbeschwerden ergibt
sich von selbst. Legt der Kranke besonderen Wprt auf die
Rückenlage, dann empfiehlt sich die Verordnung härterer
Kissen, welche infolge ihrer geringeren Schmiegsamkeit weni¬
ger wärmestauend auf das Zentralnervensystem wirken, und
die Anwendung kühlender Umschläge auf das Hinterhaupt.
Bei den extrasvstolischen Formen der Schlafstörungen pflegen
sich die Valerianapräparate gut zu bewähren- Gegenüber der
nächtlichen Atemnot bei Herzmuskelinsuffizienz treten die
Prinzipien in Kraft, welche eine Anregung der Herztätigkeit be¬
zwecken sowohl durch die Verordnung der bekannten Herz-
tonica. wie der zahlreichen Maßnahmen physikalischer Natur.
Reichen dipse nicht aus, dann darf unbedenklich von dem
Morphium Gebrauch gemacht werden; sehr zweckmäßig ist hier
die Kombination des Morphiums mit einem Schlafmittel, z. B.
Veronal,
Bei der ziemlich allgemein verbreiteten Scheu vor den
snezifischen Schlafmitteln bildet der Alkohol, besonders das
Bier, vielfach für dieselben einen zweckmäßigen Ersatz. Die
Schlaflosigkeit der Arteriosklerotiker fordert stets zu eingreifen¬
den diätetischen Verordnungen heraus; in der Mehrzahl der
Fälle erzielt hier die laktovegetabilische Diät einen über¬
raschenden Erfolg. Erst wenn die versagt ist. besonders gegen¬
über den nächtlichen Anfällen von Asthma cardiale das
Morphium am Platze. K r.
. Dr. Martin Hirschberg (Berlin): Zur Funktionsprüfung des
Pankreas. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 43.)
Zur Prüfung der Pankreasfunktion wurden in den letzten
fahren einige neue Methoden angegeben. Die von A d.
Schmidt herrührende Methode beruht auf der Tatsache, daß
nur der Pankreassaft imstande ist, das Kerneiweiß so zu ver¬
ändern. daß nach stattgehabter Verdauung die Kerne färbe¬
risch nicht mehr nachweisbar sind. Zu diesem Zweck werden
kleine Fleischwürfel, in Gazeheutel gehüllt, verabreicht und
nach 6—24 Stunden in den Fäces wieder aufgesucht. Nor¬
malerweise zeigt dann das Schnittpräpärat ein kernloses Muskel¬
gewebe. Sind die Kerne färberisch nachweisbar, so liegt eine
Erkrankung des Pankreas vor. wenn die Fleischsäckchen länger
als 6 Stunden im Darm verweilt haben. Beträgt die Verweil-
'dauaj' mehr als 30 Stunden so ist das Fehlen der Kerne für
eine normale Pankreasfunktion nicht beweisend, da dann
Bakterien- hezw. Fäulniswirkung hei der Kernverdauung nicht
ausgeschlossen ist. Eine partielle Schädigung des Drüsengewe¬
bes hebt die Vorverdauung nicht auf. Eine zweite Methode, die
besonders von Bold i reff und V o 1 h a r d anegehildot wurde,
beruht darauf, daß es gelingt einen Rückfluß von Duodenal¬
inhalt in den Magen zu erzielen wenn man größere Mengen
Del oder Sahne per os einfiihrt. Man kann da«in im Magensaft
Trvnsin narhweisen: dies gelingt in fast 90 nCt. alter Fälle.
p ehlt, das Trinsin. so kann man auf eine Insuffizienz, der
Bauchspeicheldrüse schließen. Eine weitere einfache Methode
besteht in dem Nachweis dps proteolytischen Ferments im
Stuhl nach Müller und Schlecht unter Zugrundelegung
der von Müller für diesen. Zweck empfohlenen Serumplatten
tDellenhildung als Ausdruck der stattgehnbten Verdauung des
Sernmalbumius). Gelingt dieser Nachweis in mehreren Unter¬
suchungen nicht, so wird man einen Ausfall der Pankreas-
fnnktion anuehmen können. An die Trvpsimmf ersuch urig reiht
sich letzt der Nachweis des amvlotvtisehen Ferments (der
Diastase) im Stuhl an nachdem Wohlsemuth durch An¬
gabe einer zuverlässigen und relativ einfachen Methode auf
den Wert dieser Bestimmung für die Beurteilung der Pankreas-
leistung hingewiesen hat. Die Bestimmung wird mittels einer
1 nroz. Stärkelösung und einer Vir norm. Jodlösung auf kalo¬
rimetrischem Wege vorgenommen Auch der Diastasegehalt des
Urins läßt sich verwerten. Findet man in den Fäces eine er¬
hebliche Verminderung oder völlige Abwesenheit des amylo¬
lytischen Ferments bei mehreren Untersuchungen, so kann
man mit großer Wahrscheinlichkeit eine Pankreasmsuffizienz
anuehmen. Tm allgemeinen ergab sich, daß die diagnostischen
Hilfsmittel bezüglich ihres Wertes für die Erkennung einer
Pankreaserkrankung außerordentlich divergieren je nach der
Art der vorliegenden Erkrankung, insbesondere, ob es sich um
totale oder partielle Schädigung der Drüse, um teilweisen oder
völligen Abschluß ihres Sekrets durch Erkrankungen
ihrer selbst oder ihrer Umgebung handelt; und ie nach den
physiologischen Voraussetzungen, auf denen die einzelnen Me¬
thoden sich aufbauen. Es läßt sich daher generell nicht ent¬
scheiden, ob die eine oder die andere Methode größere
diagnostische Sicherheit verspricht. Durch die Kombination
der verschiedenen Methoden der Funktionsprüfung dürfte man
in der Diagnose der Pankreaserkrankuugen weiter kommen.
Für die akuten Entzündungen des Pankreas bietet die von
W o h 1 g e m u t h empfohlene Untersuchung des Urins auf
Diastase ein wertvolles diagnostisches Hilfsmittel Der Nach¬
weis vermehrter Diastaseausscheidung im Urin wird in vielen
Fällen die Diagnose sichern. R. L.
Dr. Max Löwenhers ^Düsseldorf): Die Anwendung iler Röntgen--
strahlen in der Therapie der Hautkrankheiten. (Münch.
med. Wochenschrift. 1910, No. 43.)
Bei der therapeutischen Anwendung der Röntgenstrahlen
auf dem Gebiete der Dermatologie ist in erster Linie eine sorg¬
fältige Dosierung der applizierten Strahlenmenge erforder¬
lich. Verfasser empfiehlt auf Grund seiner Erfahrungen bei
über 3000 Röntgenbestrahlungen für diesen Zweck das Radio¬
meter von Sahouraud und N o i s e. Dieser Apparat er¬
möglicht genau die Dosis zu bestimmen, die auf einer be-
harten Körperstelle temporären Haarausfall bewirkt ohne ein
wesentliches Ervthem hervorznrufen (Ervthemdosis). Man ist
auch in der Lage iede beliebige geringere Dosis als die
Ervthemdosis mit Hilfe des S a h o u r o u d sehen Dosimeters
zu applizieren; es kommt nur darauf an. bei einer bestimmten
Röntgenröhre unter bestimmten Retriebsverhältnissen die der
Ervthemdosis entsnrechende Bestrahlungszeit festzustellen;
Bruchteile dieser Zeit ergehen dann Bruchteile der Ervthem-
dosis. Das Eällungsradiometer von Schwarz ergibt nach
Verf. die gleichen Resultate wie der S a b o n r a u d sehe
Apparat, ist aber umständlicher zu gebrauchen. Eine eigent¬
liche Idiosynkrasie gegen Röntgenstrahlen kommt, nach Verf.
kaum vor. Die Wirkling der Röntgenstrahlen besteht vornehm¬
lich in Hemmung der Zelltätigkeit besonders der Proliferation
und in Einleitung einer Nekrobiose; diese Wirkung macht sich
bei verschiedenen Zellgrupnen in mehr oder minder hohem
Grade bemerkbar. Eine relativ hohe Radiosensibilität besitzt
die Haarpapille. Deshalb gelingt es leicht durch Röntgen¬
bestrahlung Haarausfall zu erzielen, ohne die Haut auch nur
minimal zu tangieren. Diese epilatorische Wirkung der Rönt¬
genstrahlen ist für die Behandlung der mykotischen Harkrank-
heiteji des Konfes und des Gesichls fEaVUS Hernes tOU«UVFUW.
Mikrosporie) und der follikulären Eiterungen des Bartes (Svrosis
Simplex) und des Nackens (Dermatitis papillaris capillitii)
von Wert. Da aber die pilztötende Wirkung der Röntgen¬
strahlen keine oder nur eine sehr geringe ist muß neben der
Bestrahlung gleichzeitig noch eine energische antiparasitäre
Behandlung eintreten. Die. Enilation mit Röntgen strahlen bei
den parasitären Hautkrankheiten hat aber neben der absoluten
Schmerzlosigkeit noch den Vorzug daß das Wachsen der Haare
erst nach 6—8 Wochen wieder erfolgt also die antinarasitären
Mittel recht lange Zeit, im Haarfollikel ihre Wirkung entfalten
können. Die Hvpertrichosis faciei ist ungeeignet für die Röntgen¬
behandlung. Zur definitiven Beseitigung der Haare ist die mehr¬
fache Applikation dar Ervthemdosis erforderlich Dies» mehr¬
fache Annlikation bedingt aber fast in allen Fällen häßliche
Teleangiektasien und sekundäre Hautatrophie, so daß der
kosmetische Erfolg mehr als zweifelhaft sein würde. Akute und
subakute Ekzeme sind für die Röntgenbehandlung ungeeignet.
Bei den chronischen Ekzemen mit starker Infiltration besonders
herdförmigen, stark juckenden, sowie den rhagadiformen und
tvlotiformen Handekzemen, bei Gewebeekzemen aller Art wird
die übliche Teerbehandlimg in wirksamer Weise von den Rnnt-
genstrahlen unterstützt. Bei den chronischen Ekzemen der Ge¬
lenkheugen, heim Lichen Simplex Vidal und namentlich heim
Analekzem und Vulva ejizem leistet die Röntgenbehandlung
allein mehr als alle gebräuchlichen Medikamente. Psoriasis-
effloreszenzen sind überaus radiosensibel es genügt meist
schon Vs bis 1 U der Ervthemdosis: doch sind Rezidive minde¬
stens eben so häufig wie hei den üblichen Salbenbehandlungs-
methoden; hei zu starker Dosierung sind die Rezidive aber aus¬
gedehnter und nachher meistens für jede Therapie auch hart¬
näckiger. Bei den verschiedenen Formen des nervösen Haut¬
juckens erzielt die Röntgenbehandlung recht gute Erfolge. Von
den tuberkulösen Erkrankungen der Haut eignen sich beson¬
ders das Skrufuloderma und die Tuberculosis cutis verru¬
cosa für die Röntgenbehandlung: von den Lupusformen be¬
handelt Verf. nur den Lupus tumidus und den Lupus ulcerosus
in Kombination mit Pvrogallus mittels Röntgenstrahlen in üo n
meisten Fällen als Vorbereitung der Finsenbestrahlung. Tu¬
berkulöse Lymphdrüsen gehen auf genügend hoch dosierte
Röntgenbestrahlung prompt zurück. Enitheliome werden in
der weitaus größten Mehrzahl der Fälle durch Röntgen¬
bestrahlung geheilt: es sollen dem Chirurgen deswegen nur die
kleinen und günstig sitzenden überwiesen werden, hei den
größeren und den ungünstig sitzenden (Lidrand. Nasenflügel)
ist schon wegen der zu erzielenden besseren kosmetischen Re¬
sultate Röntgenbehandlung indiziert. Alle anderen Carcinome
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 51.
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der Haut kommen nur dann für die Röntgenbestrahlung in
Betracht, wenn sie inoperabel sind oder die Operation aus an¬
deren Gründen nicht angängig ist. Rezidive in Operations¬
narben, Knoten und Ulcerationen werden sehr oft gut be¬
einflußt. Sehr empfohlen wird die Röntgenbehandlung der
Mvcosis fungoides und der leukämischen Tumoren der Haut.
Eigene Erfahrungen besitzt Verf. hierüber nicht. R. L.
Dr. Paul Glaessner, orthopäd. Assistent der Chirurg. Universi-
tätspolikl'nik d. kgl. Charite in Berlin: Zur Behandlung
der Huineruslrakturen. (Therapeutische Monatshefte,
. Oktober 1910.)
Verf. berichtet über einen Gipsverband bei Frakturen im
oberen und mittleren Drittel des Humerus, den er seit mehr als
einem Jahre an ungefähr 15 Fällen erprobt und der sich
ihm als außerordentlich furchtbar erwiesen hat. Die bisher in
Verwendung befindlichen Kontentivverbände bei derartigen
Frakturen sind meist so voluminös, daß man Mühe hat. nach
Anlegung des Verbandes auch nur einigermaßen den Patienten
zu bekleiden, ganz zu schweigen davon, daß mau die Stellung
des Armes überhaupt im Verband nicht erkennen kann. Sie sind
ferner für den Patienten äußerst unbequem und schützen ihn
wenigstens in der ersten Zeit nicht gegen Schmerzen. Die
Extensionsverbände am Humerus sind erst recht unangenehm.
Sie verursachen den Patienten bisweilen die heftigsten
Schmerzen und fesseln sie ans Bett. Der ambulante Extensions¬
verband mit dem am Ellbogen herabhängenden Sandsack
scheint Verf. theoretisch wenig rationell und praktisch wenig
angenehm. Die Bardenheuer sehen Extensionsschienen
kommen wegen ihrer Kompliziertheit wenigstens für den all¬
gemeinen Gebrauch nicht sehr in Betracht. Verf. hat versucht
mit seinem Verband die gut reponierten Fragmente genügend
zu fixieren, dem Schultergelenk eine Stellung zu geben, in I
welcher es nicht so leicht zu der mit Recht so gefürchteten
Adduktionskontraktur kommen kann, den Patienten sofort von
seinen heftigen Schmerzen zu befreien und ihm ein freies, un¬
gehindertes Umhergehen zu ermöglichen. Der Verband wird I
folgendermaßen angelegt: Nach sorgfältiger, aber nicht zu j
dicker Polsterung des ganzen Thorax und des verletzten Armes
mit Wiener Watte wird ein absolut exakt sitzender Gipsverband
um Thorax und verletzte Extremität gelegt. Ein Assistent
extendiert am rechtwinklig gebeugten Ellbogeugelenk und hält
gleichzeitig den Oberarm in einer Abduktionsstellung von
ca. 75.—80 “. Der Verband reicht bis ans Handgelenk. Ist der
Verband sehr exakt anmodelliert, so braucht er durchaus nicht
schwer zu sein. Unmittelbar unter der Achselhöhle, an der
Stelle, an. welcher der Verband am meisten zu leisten hat, wird
er zweckmäßig durch Longuetten verstärkt, welche von der Sei¬
tenfläche des Thorax zur Innenseite des Oberarmes ziehen.
Ist der Verband erhärtet und entsprechend zurechtgeschnitten,
so ist der Patient schmerzfrei. Kein Patient, und war er auch
noch so empfindlich, hat nach der Anlegung des Verbandes
noch über Schmerzen geklagt. Uebereinstimmend wurde die
große Sicherheit im Verbände gerühmt. Je nach dem Alter des
Verletzten, dem Sitze und der Art der Fraktur, der Dislokation,
bleibt der Verband 8—10—14 Tage, selten erheblich länger,
liegen. Nach dieser Zeit wird eine Schale aus dem Verbände
herausgeschnitten, welche das Schultergelenk und den ganzen
Arm so weit freilegt, daß eine leichte Massage des Armes und
ganz vorsichtig passive Bewegungen im Schultergelenk aus¬
geführt werden können. Die ausgeschnittene Schale wird nach
diesen täglich einmal vorgenommenen Manipulationen wieder
angewickelt. Nach ca. 3 Wochen, in manchen Fällen schon
erheblich früher, in anderen einige Tage später, wird der Gips¬
panzer völlig entfernt und dann mit gymnastischen Uebungen
der bekannten Art, Massage. Heißluft etc. weiter behandelt.
Die Resultate sind durchweg befriedigende.
Prof. Dr. Oscar Föderl (Wien): Geher subkutane Bauch¬
verletzungen. (Medizinische Klinik, 1910, No. 43 u. 44.)
Verf. referiert über die an seiner Abteilung der Kranken¬
anstalt ..Rudolfsstiftung“ in Wien in den letzten fünf Jahren
zur Operation gelangten Fälle subkutaner Darmverletzung,
bespricht im einzelnen die Symptome der subkutanen Ver¬
letzungen der einzelnen Bauchorgane und erörtert die An¬
zeichen, die einen Schluß auf das Bestehen und die Schwere
einer inneren Verletzung erlauben: Jede gegen das Abdomen
einwirkende Kraft, insbesondere stumpfe und flächenhaft an¬
greifende Gewalten, kann Shoksymptome erzeugen. Wedel'
aus dem Vorhandensein und der Intensität der Erscheinungen
des Shoks, noch aus dem F'ehlen desselben ist ein Schluß auf
das Bestehen und die Schwere einer inneren Verletzung erlaubt.
Wir finden einerseits Shokerscheinungen ohne nennenswerte
Schädigungen bei einfacher, heftiger Erschütterung des
Abdomens (Goltzscher Klopfversuch), andererseits kann
derselbe fehlen bei penetrierenden Verletzungen der inneren
Organe. So sind auch Verf. aus eigener Beobachtung Fälle
bekannt, daß Patienten mit schweren, stark blutenden Leber-
risseu oder kompletten Darmrupturen zu Fuß nach Hause oder
in das Spital sich begaben. Subnormale Temperatur kann durch
Shok und Anämie bedingt sein. Fieber bald nach dem Trauma
weist auf beginnende entzündliche Prozesse hin. Die Puls¬
qualität ist in den ersten Stunden keine einschätzbare Er¬
scheinung. Die Herzaktion kann unter der Shokwirkung stehen,
andererseits, so lange sich nicht Anämie oder Peritonitis geltend
macht, nicht durch innere Verletzungen beeinflußt werden.
Uebelkeit, Aufstoßen, Erbrechen sind keine für intraabdominelle
anatomische Schädigungen beweisende Erscheinungen. Tritt
die Gefahr der Verblutung oder Peritonitis in den Vordergrund,
dann kommt der Entschluß der Operation gewöhnlich zu spät.
Die Aufgabe der Operation besteht darin, diesen Möglichkeiten
zuvorzukommen. Dauern die Erscheinungen des Shoks an und
gehen sie über in die der Anämie durch innere Blutung oder
einer beginnenden Peritonitis, dann ist die Diagnose einer
intraabdominellen Verletzung unter Berücksichtigung der ätiolo¬
gischen Momente nicht zweifelhaft, und die lokalen Symptome
werden in der Mehrzahl der Fälle auch auf die betreffende
Organverletzung hinweisen. Da aber die Statistik lehrt, daß
die Prognose der subkutanen Bauchverletzungeu nur durch
die immer häufiger werdende Frühoperation sich wesentlich
gebessert hat, und es sich hierbei um wenige Stunden handelt,
ist die Aufgabe der operativen Therapie weniger die Be¬
kämpfung einer schon bestehenden hochgradigen Anämie oder
Peritonitis, sondern die Vorkehrungen gegen die Möglichkeit
und das Auftreten einer dieser Gefahren. Besteht bei einer
Bauchkontusion — gleichgültig ob Shokerscheinungen vorhan¬
den waren oder fehlten — lokalisierter, spontaner Schmerz,
zirkumskripter Druckschmerz bei thorakaler Atmung und aus¬
gesprochener Bauchdeckenspannung, so ist aus diesen von
Shok, Anämie und beginnender Peritonitis unabhängigen Früh¬
symptomen die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf eine innere
Verletzung gegeben, ohne daß wir über Art und Schwere der¬
selben orientiert sind. Wir dürfen aber nicht durch expektati-
ves Verhalten warten, bis durch gefährliche Erscheinungen die
Art der Verletzung manifest ist. Die Wahrscheinlichkeits¬
diagnose selbst gibt die moralische Berechtigung zu einer
Probelaparotomie. Insbesondere ist es die mitunter brettharte
Bauchdeckenspannung als Reflex eines auf das Peritoneum
wirkenden Reizes in Verbindung mit der thorakalen Atmung,
welche bei Gewalteinwirkungen gegen den Bauch auf die Mög¬
lichkeit einer inneren Verletzung hinweist. Durch Aus¬
schaltung der Zwerchfell- und abdominalen Atmung wird die
verletzte Partie ruhiggestellt. Hat man sich zur Operation ent¬
schlossen, dann darf man sich nicht mit einem kleinen diagnosti¬
schen Schnitt begnügen. Es muß soweit laparotomiert werden,
daß man alle Organe überblicken kann, um nicht neben einer
Verletzung eine zweite zu übersehen. Bestehen Kontusions¬
erscheinungen im Omentum minus. Ligamentum gastrocolicum,
so ist es nicht zu unterlassen, die Hinterwand des Magens, bei
Suffusionen in der Nähe des Duodenums und des Pankreas auch
diese Organe zu revidieren. Will der praktische Arzt nicht eine
große Verantwortung übernehmen, so ergibt sich für ihn die
Regel, in allen Fällen schwerer Bauchkontusionen den Patien¬
ten. wenn möglich, sofort einer spezialistischen Beobachtung
und Behandlung des nächstgelegenen Krankenhauses zuzu¬
führen und den Ratschlag der Spezialbehandlung nicht erst
nach dem Auftreten gefährlicher Erscheinungen zu erteilen.
Opium und Morphium verschleiern nur das klinische Bild
und trüben die Diagnose und die Indikationsstellung therapeuti¬
schen Handelns. Die Narkotica treten erst dann in ihre Rechte,
wenn Diagnose und Therapie sichergestellt ist oder dort, wo
ein Transport sowie eine Operation an Ort und Stelle aus Be¬
gleitumständen unmöglich ist und endlich in jenen Fällen
schwerster Gewalteinwirkung, die unzweifelhaft verloren sind.
Im übrigen wird der Chirurg leichter sein Gewissen beruhigen
können, wenn er auf Grund einer Wahrscheinlichkeitsdiagnose
einmal vergeblich eine Probelaparotomie ausführt, als der be¬
handelnde Arzt, wenn er eine innere Verletzung durch Zaudern
mit Opium und Morphium verschleppt hat. Gerade bei den
subkutanen Bauchverletzungen sind so manche Patienten an
mangelnder Initiative des Arztes gestorben. K r.
Dr. Edmund Rosenhauch (Krakau): Ueber das Verhältnis
phlyktänulärer Augenentzündungen zur Tuberkulose.
(v. G r a e f e s Archiv für Ophthalmologie, Bd. 76, H. 2.)
Verf. kam bei seinen klinischen und experimentellen Un¬
tersuchungen zu folgenden Ergebnissen: Positiver Ausfall der
Tuberkulinreaktion nach Moro spricht mit großer Wahrschein¬
lichkeit dafür, daß im Organismus ein offener oder latenter
tuberkulöser Herd sich befindet. Die Mo rösche Tuberkulin¬
reaktion fiel bei Individuen mit phlyktänulären Augenentzün¬
dungen in 96 pCt. der Fälle positiv aus. Die Tränen und das
Sekret des normalen Bindehautsackes besitzen fast keine
opsonischen Wirkungen. Der opsonische Index für Staphylo¬
kokken in dem Sekret der mit Phlyktänen behafteten Augen
schwankt, von dem Krankheitszustande des Auges abhängig;
dagegen-bleibt der Opsoninindex für Tuberkelbacillen unver¬
ändert. Im Blutserum der an phlyktänulärer Augenentzündung
No. 51.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
763
leidenden Menschen schwankt weder der Opsoninindex für den
Staphyloooecus aureus noch derjenige für; .Tuberkelbacillen |
unter dem Einfluß der Veränderungen in der Augenerkrankung.
Wenn man ein mit Phlyktänen behaftetes Auge durch Dionin¬
einträufelung reizt, so schwankt im Blutserum dieser Indivi¬
duen der opsonische Index weder für Staphylokokken noch für
Tuberkelbacillen, was gegen die Anwesenheit dieser Mikroben
in den Phlyktänen spricht. Auf experimentellem Wege kann
man auf folgende Weise Phlyktänen am Tierauge erhalten,
deren histologischer Bau genau demjenigen menschlicher
Phlyktänen entspricht: a) bei tuberkulösen Tieren durch Ein¬
führen gelber Staphylokokken (selten anderer Mikroben,
z. B. Morax-Axenfelds Diplobaeillen) in den vorher
— mit einer Platinöse oder Nadel oder durch Massieren — ge¬
reizten Bindehautsack, b) bei gesunden Tieren nach subkutaner
Tuberkulininjektion und Einführung gelber entweder lebender
Staphylokokken oder toter, oder aus gelben Staphylokokken
gewonnener Gifte in den Bindehautsack. Es gelang keine Phlyk¬
tänen zu erzielen: bei gesunden Tieren nach bloßem Einführen j
gelber Staphylokokken oder anderer Mikroben in den Binde- [
hautsack auf die sub a angegebene Weise; bei tuberkulösen j
Tieren, wenn man in den Bindehautsack keine pathogenen Mi¬
kroben (vor allem keinen Aureus) eingeführt hat und vor dem
Versuch die Abwesenheit dieser Mikroben im Conjunctivalsack
konstatiert hat. In den histologisch und bakteriologisch unter¬
suchten Phlyktänen kennte Verf. weder Tuberkelbacillen noch
Staphylokokken, noch irgendwelche andere Mikroben beob¬
achten. Auf Grund dieser Beobachtungen kommt er zu dem
Schluß, daß die phlyktänuläre Augenentzündung durch Zusam¬
menwirken innerer (Tuberkelbacillentoxine) und äußerer (Gifte
anderer Mikroben, hauptsächlich diejenigen des Aureus) Ur¬
sachen hervorgerufen wird.
Prof. Dr. Ernst Fuchs (Wien): Dystrophia epitheliaüs corneae.
(v. Graef es Archiv für Ophthalmologie, Bd. 76, H. 3.)
-Verf. schildert eingehend unter Mitteilung von 13 selbst- j
beobachteten Fällen eine bisher von anderer Seite noch nicht I
beschriebene resp. nicht als besonderes Krankheitsbild zusam-
m engefaßte Affektion der Hornhaut, welche er in folgenden
Sätzen zusammenfassend charakterisiert. Die Dystrophia
epithelialis corneae ist eine degenerative Erkrankung der
Hornhaut, welche nur ältere Personen, und zwar vorwiegend
weiblichen Geschlechts, befällt. Bald sind beide Augen, bald
nur eines erkrankt. Die Krankheit beginnt mit Abnahme der
Empfindlichkeit der Hornhautoberfläche gegen Berührung.
Später kommt eine Trübung der Hornhaut hinzu, welche bald
mit leichten Reizerscheinungen auftritt, bald ohne solche, in
welch’ letzterem Falle der Kranke erst durch die Sehstörung
auf sein Leiden aufmerksam wird. Die Trübung der Hornhaut
ist oberflächlich und für das freie Auge diffus. Sie ist am
stärksten im Papillarbereich der Hornhaut und verliert sich ohne
scharfe Grenze nach dem durchsichtigen Rande. In der Regel
erstreckt sich die Trübung nach unten am weitesten, während
der obere Rand der Hornhaut am meisten klar bleibt. Am
stärksten ist das Epithel verändert. Die Oberfläche desselben "j
ist matt oder grob uneben, es ist trüb und sieht wie gequollen
aus und zeigt entweder deutliche Blasen öder feine, mit der
Lupe erkennbare dunkle Punkte, welche kleinen Hohlräumen
innerhalb des Epithels entsprechen. Diese sowie die größeren
Blasen erscheinen, gegen die Pupille als Hintergrund gesehen,
schwarz, woraus man schließen kann, daß die Trübung der
Hauptsache nach im Epithel sitzt. Nach Entfernung desselben
zeigt aber die Hornhaut selbst gewöhnlich auch eine sehr zarte,
oberflächliche, feinfleckige Trübung. Die Oberfläche der Horn- ’|
haut ist gegen Berührung ganz unempfindlich und in den ein¬
seitigen Fällen zeigt auch die anscheinend normale Hornhaut
des "anderen Auges einen hohen Grad von Unempfindlichkeit. |
Die tiefen Teile des Auges sind normal, abgesehen von jenen j
Fällen, die mit Drucksteigerung kompliziert sind, ln der Mehr¬
zahl der Fälle aber bleibt der intraokulare Druck dauernd
normal. Die Trübung der Hornhaut nimmt im Laufe der Jahre
langsam, aber stetig zu. Zuletzt bildet sich im Papillarbereich
der Hornhaut eine etwas schärfer abgegrenzte, stark graue
Trübung, welche etwas über das Niveau der nur zart getrübten
Randteile erhaben ist und einer Auflagerung lieugebildeten
Bindegewebes auf die Hornhaut zwischen der B o w m a n sehen
Membran und dem Epithel entspricht. Das Sehvermögen ist
dann auf Fingerzählen in ganz kurzer Distanz gesunken. Die
Ursache der Krankheit ist ebenso unbekannt wie eine wirksame
Therapie.
Dr. A. v. Poppen (St. Petersburg): Ueber die Erkrankung der
Hornhaut bei Morbus Basedowii mit Exophthalmus.
(Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 43.)
Wenn beim Morbus Basedowii als hervorstechendstes Sym¬
ptom hochgradiger Exophthalmus mit Zurückbleiben des oberen
Lides beim Abwärtsblicken besteht (Graef es Symptom),
kann eine ganz besondere Hornhauterkrankung entstehen.
Es entwickelt sich feilte Chemosis conjunctivae bulbi, und meist J
an der unteren Hälfte der entblößten Hornhaut entstehen ein
oder zwei Infiltrate von grau-gelblicher Färbung, ln ihrer Um¬
gebung verliert die Hornhaut ihren Glanz und wird auch sonst
trocken und gefühllos. Die Infiltrate vermehren sich, nehmen
an Umfang zu, vereinigen sich und bedecken oft einen großen
Teil der Hornhaut, wodurch eine starke Verringerung der Seh¬
kraft hervorgerufen wird. Nur in den seltensten Fällen gelingt
es, das weitere Fortschreiten des Prozesses zu hindern uiul
die Cornea zur Heilung zu bringen. Meist kommt es zur Nekrose
der Hornhaut, Hypopyonbildung, Iritis, die Hornhaut löst sich
stückweise ab, es kommt zum Prolaps der Iris, der Linse und
zuweilen sogar des Glaskörpers. In einzelnen Fällen trocknet
die trüb gewordene Hornhaut vollständig ein und bekommt ein
wachsähnliches Aussehen von gelblich-brauner Färbung, ln
den meisten Fällen jedoch bildet sich 1. eine flache Narbe, in
welche zum Teil auch die Iris einbezogen wird, '2. eine Fistel,
aus welcher der abgestorbene Glaskörper allmählich ausfließt,
3. ein Narbenstaphylom, Panophthalmie. Hand in Hand mit dem
Hornhautprozeß verschlimmern sich auch die übrigen Sym¬
ptome der Bas e d o w sehen Krankheit und führen nicht selten
zu einem tätlichen Ausgang. Verf. berichtet als Beispiel über
einen einen 37 jährigen Mann betreffenden Fall von Morbus
Basedowii. wo es auf diese Weise zur Atrophie beider Augäpfel
kam. Verf. erwähnt, daß es Graef e gelang, einen Kranken
zu heilen, indem er die Lider, vom Rande angefangen, all¬
mählich zur Mitte hin zusammennähte. Liebreich nähte die
Lidspalte bis auf ein Drittel zu und erzielte ebenfalls Heilung.
In den meisten Fällen jedoch endigt die Erkrankung mit voll¬
ständiger Erblindung. R. L.
[I. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medizinische Gesellschaft.
(Eigenbericht der , Allg-cm. Medic. Central-Zeitung”.)
Sitzung vom 30. November 191 0.
Vorsitzender: Herr Senator.
Der Vorsitzende widmet dem verstorbenen Mitgliede
Dr. H. Goldschmidt einen ehrenden Nachruf.
Vor der Tagesordnung:
Demonstration eines Falles von Sinus pericranius (Stromeyer).
Herr P. Hirsch: Der 47jährige Maurer hat seit 25 Jahren
beobachtet, daß auf seiner linken Stirnseite beim Bücken eine
kleine Geschwulst hervortrat. Er achtete zunächst wenig darauf;
im Laufe der Zeit wurde die Geschwulst größer und rief, wenn
sie hervortrat, Kopfschmerzen und Schwindel hervor. Beim
Ansehen erkennt man auf der Stirn eine kleine Delle, die sich
beim Befühlen als Kiiocheneinsenkung dokumentiert. Der um¬
gebende Knochenwall ist nach lateral scharf abgegrenzt,
während er nach medial seicht verläuft. Der palpierende Finger
fühlt in der Delle einen kleinen Spalt, durch den man mitunter
eine Pulsation wahrnehmen kann. Beim Bücken erscheint all¬
mählich eine pflaumengroße Geschwulst vor der Delle, sie
fluktuiert, eine Pulsation ist hingegen nicht nachweisbar. Die
Haut über der Geschwulst ist normal. Richtet sich Patient auf, (
so verschwindet der Tumor ziemlich rasch. Zweifellos handelt
es sich um eine Flüssigkeit. Differentialdiagnostisch kommt in
Betracht ein Angiom. ein Varix im Knochen, eine Meningoeele,
ein mit der Stirnhöhle zusammenhängender Hohlraum; da die
oberflächlichen Venen unverändert sind, die Geschwulst beim
Lagewechsel verschwindet und, wie das Röntgenbild ergibt, die
Knochendelle außer- und oberhalb der Stirnhöhle liegt, so
kommt LI. nach Ausschluß dieser Dinge zu der Diagnose Sinus
pericranius (Stromeyer), d. h. eine Blut enthaltende Cyste
unter dem Periost des Schädels, die durch ein Emissarium mit
dem Sinus longitudinalis in Verbindung steht. — Die Aetiologie
ist unbekannt, weder Trauma noch Lues läßt sich in diesem Falle
nachweisen. Die Prognose wird durch den Umstand getrübt,
daß die Geschwulst sich in den letzten Jahren vergrößert hat
und die Gefahr der Blutung unter der Haut befürchten läßt.
Als einzig rationelle therapeutische Maßnahme kommt die
Operation in Betracht, bestehend in Venenunterbindung, Naht
und osteoplastischem Verschluß des Knochenspaltes.
Tagesordnung:
Diskussionüb erdenVortragdesHerrnJ. Herz¬
fel d: Ueber vestibuläre Reiz- und Ausfall¬
erscheinungen bei ein- und doppelseitiger
Labyrinther kr a n k u n g. (Mit Krankendemonstration.)
Herr Kobrak demonstriert einige Methoden zur einseitigen
Reizung des Vestibularapparates, die ihrer Einfachheit wegen
von jedem Praktiker ausgeführt werden können: 1. Die kalori¬
sche Prüfung ■ durch Einlaufenlassen kalten oder warmen
Wassers in das zu prüfende Ohr mittels Irrigators. Bei Kalt-
spütung tritt kalorischer Nystagmus nach der entgegengesetzten
Seite, bei Heißspülung nach derselben Seite ein. Umgekehrt
verhalt sich der kalorische Romberg. 2 Das Fistelsymptom.
764
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No 51
Wenn an der medialen Wand der Paukenhöhle eine Fistel oder
eine nachgiebige Stelle der Labyrinthwand vorhanden ist, so
kann man durch Luftkompressen einen Druck auf die Endo¬
lymphe ausüben und Nystagmus und Romberg hervorbringen.
K. stellt einen Patienten vor, bei dem man sämtliche für den
Vestibularapparat bekannten Phänomene auslösen kann, ob¬
wohl kein Vestibularapparat vorhanden ist. Hier handelt es
sich wahrscheinlich um eine direkte Reizung des N. vestibularis.
Herr A. Adler (Breslau) erinnert an einen Vortrag über
einseitigen Drehschwindel den er im Jahre 1896 gehalten hat,
und sribt nähere Einzelheiten desselben wieder.
Herr M. Rothmann Die Methoden zur Prüfung des Vesti-
bularapparates dürften für die Krankheiten des Nervensystems
eine ebenso große Bedeutung erlangen wie die Untersuchung
des Augenhintergruudes. Baranvi in Wien ist es gewesen,
der in den letzten Jahren diese Untersuchungen angestellt hat.
von denen die des kalorischen Nystagmus die interessanteste
ist. Er hat auch darauf hingewiesen, daß die Kopfinnervation
mit dem Vestibularapparat aufs innigste verbunden ist. daß
die Rinde der Hemisphären, wenn sie beim Hunde entfernt
mit dem Vestibularapparat nur wenig zu tun hat; wenn man
dagegen Zerstörungen im Wurm macht, dann treten Störungen
auf. Die Kleinhirnhemisphären haben nicht wesentlich mit
Gleichgewichtsstörungen zu tun.
Herr A. Peyser weist auf die Wichtigkeit der Vestibular-
prüfungen für die Unfallpraxis hin, besonders für die Beur¬
teilung des Schwindels nach Schädel- und Ohrverletzungen
direkter und indirekter Natur. Auch die Methode, die darin
besteht, daß man die Elektroden eines galvanischen Apparates
auf je einen Tragus ansetzt und einen Strom von 4—6 Milli¬
ampere hindurchschickt, wird manche Simulation aufdecken.
Bei einer großen Anzahl Gesunder findet dabei eine Neigung
des Kopfes nach der Seite der Anode statt, bei affiziertem
Labyrinth erfolgt der Fall meist nach der affizierten Seite.
Herr Herzfeld (Schlußwort): Im Laufe der Diskussion ist
die große Bedeutung des Vestibularanparates für die Gleich¬
gewichtsbewegung mit Recht hervorgehoben worden. Was die
Prüfung des kalorischen Nystagmus betrifft, so würde Redner
raten- denselben lieber mit kalter und warmer Luft vorzu¬
nehmen als mit Wasser. Fälle von akuter Labyrintherkrankung
war Vortragender nicht in der Lage zu demonstrieren; die Mit¬
teilungen des Herrn Adler, welche diese Lücke ausfüllen,
sind daher sehr dankenswert.
Die anatomischen Substrate der Lungen-Röntgenogramme und
ihre Bedeutung für die Röntgendiagnostik der Lungen-
tuberkolose.
Herr Max Cohn: Der Zweck des Vortrages ist es nicht etwa,
den Wert der Röntgenuntersuchung für die Diagnostik der
Lungentuberkulose in Zweifel zu ziehen, sondern, da in
manchen Fällen die Diagnostik den Tatsachen vorausgeeilt ist,
jene in ein reales Fahrwasser zu lenken. Die Röntgenstrahlen
stellen zweifellos ein objektives Mittel dar, das von der Allge¬
meinheit der .Aerzte noch viel zu wenig zu Rate gezogen wird.
Im Mai vorigen Jahres hat Herr W o 1 f f über die Frühdiagnose
der Lungentuberkulose, die er aus der Anwendung der Rönt¬
genstrahlen und der Tuberkulininiektion herleitete, einen Vor¬
trag gehalten und es ist in der Diskussion von pathologisch-
anatomischer Seite eingewendet worden, ob schon bewiesen
wäre, daß die so diagnostizierten Veränderungen in der Lunge
auch den genannten anatomischen Krankheitserscheinungen zu¬
gerechnet werden dürfen. Und in der Tat. wenn man eine
spezifische Erkrankung der Lunge diagnostizieren will, muß
man beweisen, daß gewisse anatomische Veränderungen be¬
stimmten Veränderungen im Röntgenbilde entsprechen. Die Be¬
obachtung hat gelehrt, daß ein großer Teil der Lungen (ein
Teil der Unterlappen, des rechten Mittellappen) sich der Dar¬
stellung entziehen; die Lungenzeichnung im Hilus mit ihren
verästelten Schattenzügen läßt eine verschiedene Deutung zu;
erst die genaue Präzisierung dieser Gebilde auf Grund anatomi¬
scher Studien vermag Aufschluß zu bringen. Vortragender be¬
richtet über seine in dieser Richtung angestellten Untersuchun¬
gen am Leichenmaterial. Eine Leichenlunge wurde mitsamt
der Trachea herausgenommen, die Lunge aufgebläht und
nachdem die Gefäße vorher mit Wasser gespült worden
waren, in Formalin gehärtet; nach 10 Tagen wurde
die Lunge röntgenologisch untersucht, sodann in Zenti¬
meter dicke Scheiben zerlegt, durchleuchtet und die Be¬
funde miteinander verglichen. Auf der Platte der so
präparierten Lunge konnte Vortragender die schwarzen Ver¬
ästelungen in der Lungenzeichnung als den Lungengefäßen und
nicht den Bronchien angehörend identifizieren. Nach dem Vor¬
gänge von W e b e r in Kiew injizierte C. bei einem an Lungen¬
tuberkulose Verstorbenen die Lungengefäße mit einem stark
schattengebenden Agens, danach brachte er durch die eröffnete
Trachea Schrotkügelchen in die Bronchialverzweigung hinein
und konnte im Bilde neben der Gefäßverteilung die Schrot¬
kugelreihen sehen und doch sieht man von den Bronchien
absolut nichts. Die Gefäßverzweigungen müssen einen ver¬
schiedenen Schatten geben, je nachdem sie in verschiedener
Richtung zur Strahlenachse liegen.
Vortragender hat weitere Beobachtungen an infolge Lungen¬
tuberkulose Verstorbenen gemacht, die kurz vor dem Tode
untersucht worden waren, indem die Befunde verglichen
wurden. Man muß bedenken, daß das Röntgenbild ein Schatten¬
bild der verschiedenen übereinander liegenden Gebilde der
Lunge wiedergibt. Er hat verschiedene Formen der Lungen¬
tuberkulose aus kranken Lungen herausgeschnitten, in gesunde
Lungen eingebettet und davon Bilder angefertigt; es zeigte sich,
daß in der Mitte gelegene Veränderungen keine Bilder geben.
Es müssen schou beträchtliche Veränderungen vorliegen, wenn
sie sich im Röntgenbilde darstellen lassen sollen. Man muß sich
vor Trugschlüssen hüten, besonders bei Gebilden im Hilus-
schatten; hier können geringe Befunde schon große Verände¬
rungen im Bilde hervorrufen. Trotzdem gibt es charakteristische
Momente im Bilde, die man spezifisch für die Erklärung .be¬
stimmter Erscheinungen verwerten kann (Pleuritis diaphrag-
matica etc.). Der Wert der Röntgenmethode beruht in der Er¬
gänzung des klinischen Befundes, nicht aber in der sogenann¬
ten Frühdiagnostik der Lungentuberkulose. Demonstration
zahlreicher Lungen-Röntgenogramme. Britzmann.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der ,-Allgem. Medic. Centrat-Zeitung“.)
Sitzung vom 2 8. November 1910.
Vorsitzender: Herr A. Fränkel.
(Schluß.)
Tagesordnung:
Ehrlich-Hatas Heilmittel in der inneren Medizin.
(Referat.)
Herr Leonor Michaelis: Wir stehen noch ganz im Anfänge der
Erforschung des neuen Mittels. Es ist zwar ein besonderes
Mittel, wie es selten erfunden worden ist, aber die bisher ver¬
flossene Zeit der Beobachtung reicht doch recht wenig aus,
schon ein definitives Urteil zu geben. Auch heute müssen wir
noch die Antwort auf manche Frage schuldig bleiben. Vortr.
beschränkt sich heute auf die Bedeutung des Mittels für die
innere Medizin.
Das Oxydiamidoarsenobenzol ist eine dreiwertige As-Ver-
bindung. Es hat den Charakter einer Azo-Verbindung, in die
statt N As-Atome eingetreten sind. Es hat daher gelbe Farbe
und ist mit dem Atoxyl entfernt verwandt; seine sämtlichen
Eigenschaften sind aber andere. Das Atoxyl ist eine dreiwertige
As-Verbindung.
Es ist als Phenol eine Säure und als Amin eine Base, bildet
sowohl mit Natronlauge ein Salz wie mit H CI ein Chlorhydrat.
Die Salze sind leicht, aber selbst in Wasser schwer löslich;
es oxydiert an der Luft unter Braunfärbung, wird giftiger, oxy¬
diert in alkalischer Lösung schneller als in Säuren. Deshalb
wird es als Chlorhydrat aufbewahrt. Dieses ist in Wasser lös¬
lich; die Lösung wird durch Schütteln, Zerreiben oder Benetzen
mit Methylalkohol beschleunigt. Es ist eine schwache Base,
reagiert stark sauer; die Fällung in Wasser mit Alkali gibt
einen groben Niederschlag; man muß diesen zerreiben. Neu¬
tralisiert man diese alkalische Lösung mit Salzsäure, so fällt
es in feinkörnigem Niederschlag aus. Die Feinheit entspricht
der Verdünnung. Will man es gelöst injizieren, so muß man
es stark sauer oder alkalisch injizieren. Das reizt die Gewebe.
Neutral muß man es ungelöst geben; dann geht es in Depot.
Es dauert lange, bis es am Applikationsort sedimentiert ist. Die
Schnelligkeit der Wirkung ist sehr verschieden. Gibt man es
intravenös, so darf man es nicht in alkalischer Lösung geben,
weil sonst die Gefahr der Embolie besteht. Aber auch die
saure Lösung ist ausgeschlossen. Groß ist die Löslichkeit des
Arsenobenzols nicht im Blute. Es ist ziemlich schwierig, Zahlen
zu geben. Es löst sich höchstens im Verhältnis von 1:10 000;
es ist also im gesamten Blut eines Menschen rund % g löslich.
Vorübergehend werden also Niederschläge ausfallen. Diese
Dosis ist die Maximaldose bei intravenöser Injektion. Die Er¬
fahrung zeigt jedoch, daß die Scheu vor Fällung und Embolie
unbegründet ist. Weder die große Menge der Flüssigkeit —
es sind 250 ccm nötig — noch die Möglichkeit der Nieder¬
schlagsbildung bietet irgendwelche Gefahr. Es sind weit mehr
als 1000 Injektionen ausgeführt worden. Schreiber machte
über 100 Injektionen intravenös ohne Zwischenfall. Vortr.
entschloß sich ziemlich spät, erst auf Ehrlichs Veranlassung,
dazu und hat selbst 35 Injektionen ohne jeden Zwischenfall
ausgeführt. Diese Form der Einverleibung ist völlig schmerz¬
los und ziemlich bequem ausführbar.
Daneben sollen die anderen Injektionsarten nicht ver¬
worfen werden. Die intraglutäale Injektion wird von den
verschiedenen Autoren verschieden, mit alkalischer Lösung,
dann mit dem neutralen Stoff in alkalischer Aufschwemmung,
ferner in Paraffinuni liquidum (K romaye r) und mit der
Emulsion der Base in Vasenol ausgeführt. Es kann in die
Schulterblatt- und andere Muskeln injiziert werden.
Die subkutane Injektion darf nur bei guter Hautbeschaf¬
fenheit, und zwar nicht in die oberflächlichen Schichten vor-
No. 51.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
766
genommen werden. Sonst entsteht Hautnekrose, die noch nach
Wochen und Monaten zum Ausbruch kommt. Vortr. hat sie
nur zweimal erlebt. Meist neigt man entweder zu einem Mittel¬
ding zwischen neutraler und alkalischer Lösung oder zur
Suspension des festen Salzes in einem öligen Medium.
Die Symptome sind bei der intravenösen Injektion unerheb¬
lich- Sie macht gar keine Unannehmlichkeit, auch später nicht.
Häufig sind leichte Temperatursteigerungen auf 88 0 und höher,
zuweilen leichter Schüttelfrost von % Stunde Dauer ohne Nach¬
erscheinungen. Bei späterer Wiederholung fällt dieser Schüttel¬
frost fort. Selten hat der Zustand 1—2 Tage angehalten. Ge¬
legentlich kommt vorübergehender Durchfall, Kopfschmerz,
Appetitlosigkeit und Erbrechen vor. Der eine Kranke hat sich
die Wiederholung gern gefallen lassen. Er hatte gar keine
Kopfschmerzen. Dagegen ist die intramuskuläre Injektion der
alkalischen Lösung sehr schmerzhaft. Manchmal bessert sich
das nach 1% Stunden. Häufiger gibt es später neue Schmerzen
mit der Bildung eines Infiltrates. Bei neutraler Lösung war
der Schmerz bei der Injektion nicht vorhanden. Aber später trat
lebhafter Schmerz auf, der vorüberging oder zur Bildung eines
Infiltrates führte; dasselbe ist lange schmerzhaft. Aber die
Injektionen ohne Erscheinungen sind doch recht häufig. Reiz¬
loser ist die Paraffin- und Sesamölinjektion.
Was die Verhältnisse der Resorption und Ausscheidung
des Mittels betrifft, so nehmen dieselben bei der intravenösen
Einverleibung gar keine Zeit in Anspruch. Das Blut wird sofort
überschwemmt. Bei den anderen Methoden ist das nicht so
schnell möglich. Aber auch die Ausscheidung ist bei intravenö¬
ser Injektion schnell — in 3—4 Tagen — beendet. Bei den
anderen Methoden geht es langsamer; aber das Mittel verweilt
länger im Organismus. Erst am 13.—14. Tage sah Vortr. den
Urin frei von As; aber das Depot ist wohl noch nicht erschöpft.
Besonders die Bildung eines Infiltrates verzögert die Resorption
und gestaltet sie höchst ungleichmäßig; besonders, die Ein¬
schmelzung führte in des Vortr. Fällen zu einem Absceß, der
ohne-Erscheinungen abheilte. Wechselmann sah sie
einige Male; der Eiter war immer steril. Am schnellsten ist
die intramuskuläre Injektion der alkalischen Lösung gegen¬
über den anderen Methoden wirksam. Aber die Resorption
geht durchaus nicht schnell. Es entsteht am Injektionsort bald
eine Fällung des freien Mittels. Das bleibt lange liegen. Da¬
mit hängen die klinischen Erscheinungen zusammen. Außer
den Schmerzen, den Temperatursteigerungen und der Infiltrat¬
bildung kommen noch nachträglich in der zweiten Woche Be¬
schwerden vor; Vortr. sah sie in 200 Injektionen 10 mal. Meist
war das bei solchen Leuten, die keine Ruhe hatten, der Fall,
kam aber auch sonst vor. Höhere Fiebererscheinungen,
influenzaartige Symptome mit Schüttelfrösten und einmal mini¬
male Eiweißausscheidung kamen vor; die letztere beruhte
wohl nicht auf der Giftwirkung, sondern auf der Eiterbildung.
Was die eigentlich toxische Wirkung betrifft, so ist ein
solcher Körper natürlich nicht davon frei. Aber von As-Verr
"giftungen ist hier nicht zu sprechen. Die Giftigkeit der As-
Verbindungen ist sehr verschieden. Toxische Eigenschaften
hat Atox^d, ungiftig ist Kakodylsäure. arsenige Säure macht i
Conjunctivitis und Herpes zoster, Atoxyl Amaurose. Ein solches
Präparat wird nur in der Not angewandt. Geringe Aenderun- j
gen in der Konstitution dieser Mittel bedingen erhebliche Aen-
derung der Wirkung.
Idiosynkrasie scheint selten vorzukommen, seltener als
bei Hg. Vielleicht ist das durch chemische Veränderungen zu
erklären. Gelegentlich sind Ikterus in der zweiten Woche, so¬
wie Pulsbeschleunigung nur nach wässeriger Aufschwemmung,
die in die Glutäen gespritzt wurde, beschrieben worden; das
ist wohl durch ein giftiges Oxydationsprodukt zu erklären. Bei
subkutanen und intramuskulären Injektionen tritt eine lebhafte
Oxydation infolge von Leukocytenansammlung ein. während
das Mittel im Blut reduziert wird. Auch die Erscheinungen
von spät auftretendem Fieber sind vielleicht darauf zu beziehen.
Immerhin ist es trotz aller Ungiftigkeit ein differentes
Mittel, welches auf den geschwächten Körper als Gift wirken
kann. Das gilt aber nicht von den durch Lues geschwächten
Körpern. Sie vertragen es leicht und erholen sich glatt. Aber
andere Kranke haben schlecht darauf reagiert; mehrere To¬
desfälle sind vielleicht durch das Mittel mit verschuldet. Zu
warnen ist bei schweren Stoffwechselstörungen, z. B. schwerem
Diabetes. Bei leichtem Diabetes hat Vortr. mit Erfolg kein
Bedenken getragen. Bei schweren Kompensationsstörungen
des Zirkulationsapparates ist zu warnen. Von der Nephritis
ist noch besonders zu sprechen. Mitunter kommt im Verlauf
der Lues eine leichte Albuminurie vor. Hier schadet es nicht.
Bei chronischer Nephritis, auch wenn früher Oedeme bestanden
haben, sah Vortr. keine Schädigung, sondern Besserung, z. B.
einem Kranken, dem wegen Tuberkulose eine Niere exstirpiert
worden war und dessen andere Niere Albuminurie zeigte, wur¬
den 0,04 ohne Störung und mit Erfolg gegeben. Anders verhält
es sich bei akuter Nephritis. Hier würde er wegen erschwer¬
ter Ausscheidung das nicht wagen. Einmal wurde es bei
schwerer Lebercirrhose mit Ascites gegeben. Es war nichts zu
verlieren. Die Kranke starb nach 14 Tagen, aber wohl ohne
Zusammenhang mit der Injektion; immerhin würde Vortr. es
hier nicht wieder anwenden. Erkrankungen des Auges sind
kein Hindernis. Bei beginnender Atrophie des N. opticus ist
sogar keine Schädigung, vielleicht Besserung gesehen worden.
Die toxische Wirkung des Arsenobenzols ist nicht höher als
die des Quecksilbers.
Nun ist eine andere Frage aufgetaucht. Es hat Finger
(Wien) beschrieben, daß in wiederholten Fällen nach 2 bis
3 Monaten eine Neuritis optica oder Labyrintherkrankung aufge¬
treten sei; zweimal handelt es sich um Abducenslähmung; ein
anderer Fall bekam nach Arsacetin beginnende Opticusatrophie.
Einmal trat Chorioiditis auf; ferner sah er dreimal Labyrinth-
Störungen. Ohrensausen und Schwerhörigkeit. Das alles kommt
auch bei Lues an sich vor. Ist das also ein Rezidiv oder eine
Schädigung durch das Mittel? Fi nger ist der Ansicht, daß in
einigen Fällen Rezidive ausscheiden, weil die Wasser-
m annsche Reaktion negativ geblieben sei. Vortr. hat einen
Fall erlebt, in dem die Kranke, die er wegen Primäraffektes mit
0,3 Injektion in die Glutäen behandelte, später von einem
andern Kollegen untersucht, Stauungspapille zeigte. Er
glaubte nicht an eine toxische Wirkung, sondern an ein
Rezidiv. Auffallend ist, daß ein Rezidiv so früh auftritt. Es
scheint, daß die Rezidive in einer wenn auch seltenen Zahl von
Fällen, aber doch häufiger als bei Hg in Form der Nerven¬
erkrankungen auftreten. Aber es sind geringe Zahlen. Das
kommt auch bei Hg vor.
Die Wirksamkeit des Mittels bei Lues hat niemand bisher
in Zweifel gezogen. Man sieht Rückbildung des Primäraffek¬
tes, der Drüsenschwellungen, des Exanthems und der Gummata.
Auffallend schnell ist die Wirkung besonders vor dem Beginn
und während der Roseola; man sieht eine lebhafte Neubildung
von Roseolen, die in 1—2 Tagen wieder verblassen. Häufig ist
die Wirkung unvollkommen. Die Roseola bleibt lange bestehen
und führt zur Bildung brauner Flecke. Die Lymphdrüsenrück-
bildung bleibt auf halbem Wege stehen. Häufig wird die
Wassermann sehe Reaktion in 4—6 Wochen noch nicht
negativ.
Tatsache ist, daß sie häufig negativ wird, wie bei Hg-Be-
handlung, ohne Gewähr dafür, daß sie negativ bleibt. Vor
Rückfällen schützt das Mittel nicht. Der erwähnte Fall von
Stauungspapille hatte 14 Tage vorher wieder positive Was-
s e r m a n n sehe Reaktion.
Wenn man nach unvollkommener Wirkung die Injektion
wiederholt, so tritt die Wirkung von neuem auf. Oft erreicht
man mit wiederholter Injektion, was die erste nicht erreichte.
Als Regel ist zu erwarten, daß die einmalige Injektion zur
definitiven Heilung nicht ausreicht. Im ersten Jahre der Er¬
krankung ist die Wahrscheinlichkeit der Rezidive viel größer
als später. Unter 38 solcher Fälle bekamen 11 ein Rezidiv;
9 verloren die positive Reaktion.
Vergleichen wir das Mittel mit andern As-Präparaten, so
ist seine Ueberlegenheit anerkannt. Vortr. hatte Fälle, die
nach langdauernder Hg- und Atoxylbehandlung die prompte
Wirksamkeit des Arsenobenzols darboten.
Es gibt Fälle von Lues, die Hg nicht vertragen oder nicht
darauf reagieren. Vortr. hatte Gelegenheit, unter seinen
110 ersten Fällen 33 solcher Fälle zu sehen. Er hatte aber ein
ungewöhnliches Material, indem ihm gerade die verzweifelten
Fälle zuströmten. Er hat nie behauptet, daß 33 pG’t. aller Fälle
Hg-fest sind. Manche zeigten Syphilis maligna, hatten frühzeitig
ulceröse und gummöse Prozesse. Jedenfalls wurde auch hier
mit Arseuobenzol mühelos erreicht, was mit Hg Mühe gemacht
hätte.
Man hat die Pflicht, einen derartigen Fall von Lues mit
Arsenobenzol zu behandeln. Schwierig ist es in gewöhnlichen
Fällen Hg und As gegeneinander abzuwägen. Ersteres ist ein
erprobtes, altbewährtes Mittel, mit dem die Kuren Großartiges
geleistet haben. Aber wer möchte nicht mit einem gleichartigen
Mittel abwechseln! Es ist jedenfalls nicht sicher zu sagen, wie
weit der Wert des Mittels reicht. Im Tierexperiment ist das
Krankheitsgift zu neutralisieren. Es ist aber bei Menschen
nicht möglich nachzuweisen, daß die letzten Spirochäten ver¬
schwinden; nur bei Febris recurrens ist das möglich gewesen.
Meist bleiben einige Parasiten am Leben; wahrscheinlich sind
es solche, die von der Zirkulation schlecht erreicht werden
und in gefäßarmen Gebieten sitzen. Vielleicht gibt es Dauer¬
formen, die mit Hg und As nicht zu bekämpfen sind. Hier
sind wohl die Kuren zu wiederholen. Etwas Aehnliches sehen
wir bei der Malaria, wo die Halbmonde von Chinin nicht be¬
einflußt werden. Also es ist nötig, die Kur zu wiederholen und
sie nicht von dem Positivbleiben der W a s s e r m a nn sehen
Reaktion abhängig zu machen. Das Prinzip der intermittieren¬
den Hg-Behandlung nach N e i s s e r ist auch auf das Arsen zu
übertragen. Man muß die Anwendungsform benutzen, die
wenig Beschwerden macht. Am besten ist die intravenöse
Injektion; in der Regel sind auch die andern Methoden brauch¬
bar. Aber nach schmerzhaften Infiltraten wird der Kranke
sich nicht von neuem dazu entschließen. Aber die Kranken
werden sich nicht weigern, sich alle 6—8 Wochen eine
intravenöse Injektion machen zu iassen. Diese Injektion erfor-
766
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 61.
dert nicht mehr als zwei Tage Ruhe. Selten ist noch am dritten
Tage Schonung nötig.
Welches die Standardmethode ist, ist noch zweifelhaft. Die
intravenöse Methode ist wohl die energischste. Die Rezidive
sind nach einer anderen Methode wohl häufiger; aber es ist
nicht möglich Sicheres zu sagen.
Von vielen Seiten, auch von Neisser, ist auf die Kom¬
bination des Hg mit As hingewiesen worden. Es ist sicher
zweckmäßig. Aber wissenschaftlich reines Material bieten
nur die einseitig behandelten Fälle. Dazu ist jahrelanges
Studium nötig.
Ueber den Wert des Mittels für die innere Medizin zu
sprechen, ist schwer. Vorläufig ist nur ein Ueberblick möglich.
Wichtig ist die Vorbeugung in bezug auf alle Erkrankungen, \
die auf Lues zurückführbar sind. Da. wo alle Erreger vernich¬
tet werden, kann es keine Rezidive, keine Metasyphilis geben.
Somit hat auch die interne Medizin die Pflicht mitzuarbeiten.
An Material fehlt es keinem Arzte. Das hat nichts damit zu tun,
daß die ersten Erscheinungen der Syphilis zufällig auf der Haut
sitzen. Es muß die Wirkung des As bei den inneren Erkran¬
kungen untersucht werden. Zu trennen sind die echten syphi¬
litischen und die Nacherkrankungen. Zu ersteren gehören
solche, die den Affektionen der Haut analog zu setzen sind und
durch Vernichtung der Erreger sich spurlos zurückbilden,
z. B. Ikterus, Gummiknoten, Periostitis und Arthritis specifica.
Sie waren von jeher dankbar auch gegenüber der Hg-Therapie. j
Und doch gibt es periostitische und Gelenkerkrankungen, die |
im Laufe der Zeit auf dieses Mittel kaum zu reagieren scheinen. I
Vortr. sah solche Leute mit nächtlichen Knochenschmerzen, die I
mit Krücken gegangen waren. Bei einigen war mit Hg jeder |
Versuch gemacht worden. Auch J war gegeben worden. Auch
die Hg-Behandlung will zwar verstanden sein, aber jedenfalls j
wird mit Arsenobenzol sehr leicht Besserung erreicht. Gerade j
diese Fälle sind für den internen Arzt wichtig. Hier ist es ein
bequemes Mittel wegen seiner raschen Wirkung. Gummata der
Trachea, des Kehlkopfes, der Leber, des Zentralnervensystems
und anderer lebenswichtiger Organe sind Indikationen der
vitalen Therapie. Hier hat es sich glänzend bewährt. Schwerer
Ikterus ist schnell geheilt. Gummi der Trachea heilte in weni¬
gen Tagen (Lesser). Aussichtslos sind natürlich irreparable
Krankheiten wie Lebercirrhose. Keine Wirkung sah Vortr. in
3 Fällen von alter Rektumstenose, das gleiche gilt von Fällen,
wo bereits Defekte eingetreten sind.
Besonders zu behandeln ist die Syphilis des Zentralnerven¬
systems; vor allem ist die gummöse Hirnlues, die mit Kopf¬
schmerzen, Erbrechen, psychischen Störungen und Stauungs¬
papillen einhergeht, zu nennen. Ohne die alten Mittel zu be¬
kämpfen, ist doch zu sagen, daß die Wirkung des Arsenobenzols
prompt die Symptome beseitigt. Schon am 2.—3. Tage sah Vor¬
tragender stetigen Rückgang aller Zeichen. Einen Fall verlor
Vortr. aus den Augen. Nach 14 Tagen ist er an Gangrän, aber
an einer anderen Stelle als der der Injektion, gestorben. Alle
anderen Kranken sind völlig geheilt, auch ihre Stauungs¬
papillen. Nach 4—6 Monaten waren die verwaschenen Ränder
zum Teil oder ganz scharf sichtbar. Einer hatte schwere Seh-
störungen; sie sind völlig geheilt.
Nie sah Vortr., daß die Hirnfälle unangenehm reagierten.
Ein Fall hatte zwar stärkere Benommenheit als vorher. Aber
die schweren psychischen Erscheinungen gingen völlig zurück.
Die Dosis soll aber nicht zu hoch gestaltet werden; lieber ist
die zweite Injektion größer zu nehmen; sie ist nach 4—6—8
Wochen zu wiederholen.
Ein Fall von Lues pontis hatte Krämpfe der Kaumuskulatur
mit schwerer Erkrankung der Zunge. Hier wäre es mißlich
gewesen, Hg bei der Gefahr der Stomatitis zu verwenden. Eine
Injektion heilte ihn rasch ohne Reste.
Außerdem gibt es Fälle, wo durch Vertilgung der Erreger
eine Restitutio ad integrum nicht gegeben ist, z. B. Erkrankun¬
gen des Nervensystems, die lange bestehen; bei alten Lähmun¬
gen und Kontrakturen ist zwar zuweilen antiluetische Be¬
handlung zweckmäßig. Man weiß aber nicht, wann dies der
Fall ist. Fälle von Hemiplegie auf der Basis von Endartercitis
wurden mehrfach mit Erfolg behandelt.
Die meisten Fälle von Tabes und Paralyse hängen mit der
Lues zusammen. Gelänge es die Lues auszurotten, so würden
sie reduziert. Dieser von Erb dargelegte Zusammenhang ist
durch Wasser ma n n glänzend bestätigt worden. Aber diese
Prozesse selbst sind durch keinerlei antisyphilitische Ma߬
nahmen rückgängig zu machen. Das gilt auch vom Arseno¬
benzol.
Berechtigt ist aber die F'rage, ob wir nicht die in der Ent¬
wicklung begriffenen Prozesse zu hemmen oder im Fort¬
schreiten und in der Ausdehnung schwankende Verhältnisse,
wie sie z. B. die Patellarreflexe darbieten können, zu beein- I
Russen vermögen. Hier müssen wir die Erfahrungen alter Kli¬
niker und die Wirkungen der alten Kuren zu Hilfe nehmen, i
Ö p p e n h e i m verhält sich der Schmierkur gegenüber ab¬
lehnend, Erb empfiehlt die merkurielle Behandlung für die
Gefühlsstörungen, Ataxie und Augenmuskellähmungen; dagegen
sei sie unwirksam gegen die Krisen. Das gleiche gilt von der
As-Behandlung.
Aber die Möglichkeit der Verwechslung mit echter Lues
ist nie auszuschließen. Vortr. hat 22 Fälle mit typischer Tabes
beobachtet. Bei allen war Schanker und Lues zu eruieren,
9 waren nie mit Hg behandelt worden, 4 hatten nur eine Kur,
2 je 2 Kuren gemacht; 18 wurden mit Arsenobenzol behandelt;
in einem Falle, der lange, besonders aber im letzten Halbjahre,
krankte, trat sicher keine Besserung ein; in 8 .Fällen trat in
kurzer Zeit eine sichere Besserung ein. Fast durchweg han¬
delte es sich um frühe Stadien mit Ueberwiegen der lancinie-
renden Schmerzen und der Ataxie. Vortr. fand hier mit
Treupel folgendes: Meist schon am nächsten Tage lebhafte
Steigerung der lancinierenden Schmerzen. Sehr bald legten
sie sich. Es folgt eine lange Periode von erheblichem Rück¬
gang. Auffallend war die rasche Besserung der Ataxie, ln
einem F'alle ließen sich beide Patellarreflexe schnell auslösen.
Aenderung der Pupillenreflexe war nicht zu beobachten,
Suggestion ist nicht ganz auszuschalten. Freilich war die
Besserung nicht von Dauer; sie währte nur 2—4 Monate,
dann kamen die alten Beschwerden wieder. Es sind also die¬
selben Intervalle, nach denen die Rezidive bei der echten Lues
vorkamen. Was eine zweite Injektion leistet, kann Vortr. nicht
sagen. Es ist ein schwer zu beurteilendes Tatsachenmaterial,
von dem dasselbe gilt, was Erb bezüglich der Merkuriat-
behandlung gesagt hat. Die Erfolge ermutigen <zu weiteren
Versuchen.
Unbefangen werden wir in schlecht behandelten Fällen
von Tabes As in den Bereich der Behandlung aufnehmen.
Schwerer zu erklären ist die Prognose bei Paralyse. Bei
psychischen Abnormitäten sah Vortr. einmal erhebliche Besse¬
rung, die ein Vierteljahr aiihielt; nach erneuter Injektion trat
wieder Besserung auf. Aber vielleicht handelt es sich um einen
Zufall, da hier ja auch spontane Besserungen Vorkommen
können. Tut man aber nichts, so ist ein solcher Fall rettungs¬
los verloren. Dazu kommt die Schwerigkeit der Differential¬
diagnose gegen Hirnlues. Besonderes Interesse erheischen die
frischen Fälle mit Frühsymptomen. Wie es hier wirkt, kann
niemand sagen. Aber von einer Injektion kann man nicht
alles erwarten. Die Aussichten einer Behandlung hängen von
dem - Stadium des Leidens und der Intensität der Kur ab.
Oppenheim hält es für berechtigt, in frischen Fällen ener¬
gische Hg-Kuren einzuleiten, wenn wirklich Lues vorangegau-
gen ist und vielleicht Pseudoparalyse besteht. Ebenso kann
man As heranziehen. Mehr kann man nicht sagen.
In bezug auf die Anwendung bei nicht syphilitischen Er¬
krankungen ist zu erwähnen, daß Iversen nach einer ein¬
zigen Injektion bei Febris recurrens Dauerheilung eintreten
sah. Hier ist die Therapia sterilisans magna Ehrlichs in
die Tat umgesetzt. Auch bei Malaria zeigte sich Wirkung. Aber
bei manchen Erkrankungen, wo As sonst gut wirkt, z. B.
Lymphosarkom und Leukämie, zeigte sich keine Wirkung.
Dann zeigte sich eine gute Wirkung bei anderen Erkrankungen
dermatologischer Art.
Diskussion:
•
Herr Oppenheim hat eine Reihe von Erfahrungen auf
diesem Gebiet gesammelt. Sie sind noch ganz unfertig. Aber
täglich kommen Kranke und Aerzte zu ihm mit der Frage:
Sollen wir Hata anwenden ? Nötig ist es, bestimmte Normen zu
finden. Redner selbst ist aus dem Stadium des Versuchens
und Tastens noch nicht herausgekbmmen. Es ist natürlich, daß
die Frage nach der Bedeutung des Mittels für die Nervenkrank¬
heiten uns stark bewegt hat. Alt erklärte, man solle die
Paralyse im Stadium des Wetterleuchtens damit behandeln.
Aber es sind sehr viele Hoffnungen schon enttäuscht worden.
Nur zum Teil verfügt er über persönliche Erfahrungen. Unter
10 Fällen von Lues cerebri brachten einmal 2 Dosen Besse¬
rung; ebenso -war es in einem zweiten Falle. Bei zwei anderen
ist noch zu kurze Zeit verflossen. Im 5. Falle war das Mittel
wirkungslos; vielleicht liegt ein nicht syphilitischer Tumor vor.
ln einem anderen Falle trat Besserung und Rückbildung der
Neuritis optica ein. Bei Hemiplegie und Papillenstörungen Wal¬
es einmal völlig ohne Erfolg, in einem ähnlichen Falle brachte
es Besserung. Bei Eudarteriitis syphilitica war es ohne Erfolg.
8 mal bei Lues spinalis und cerebrospinalis angewandt, war es
2 mal erfolglos, im 3. Falle, wo die Krankheit noch nicht einge¬
wurzelt war, bildeten sich nur die Crampi musculorum zurück.
Bei radikulären Symptomen trat Besserung unter Hg-Behand-
lung, aber ohne Heilung ein; hier brachte As Besserung.
Bei Poliomyelitis und Seitenstrangsklerose war es ohne
Erfolg; bei einem andern Falle trat eine gewisse Besserung
ein. Tabesfälle wurden 12 mal behandelt; 2 mal bestanden
Anfangssymptome; alles blieb unbeeinflußt; in einem anderen
Falle kehrte aber die pupillare Lichtreaktion zurück; in einem
4. Falle war die Begeisterung groß; es gelänge, das Knie¬
phänomen wieder auszulösen; alle Symptome seien geschwun¬
den. Redner fand aber den Status unverändert. Das Knie¬
phänomen wurde'willkürlich produziert; hier sah 0. die Wir¬
kung der Suggestion. Objektiv entsprach der Zustand dem vor
No. 61. THERAPEUTISCHE
der Behandlung bestehenden; 3 andere Fälle blieben unbe¬
einflußt; in einem weiteren mit Mal perforant bildete sich dieses
sofort zurück, aber alle anderen Symptome blieben. Erfreulich
war aber bei einem Tabiker mit starken Schmerzen und hoch- I
gradiger Unterernährung, daß er in kurzer Zeit zunahm, seine
Blasenschwäche, Schmerzen und Obstipation verlor; sonst war
der Befund derselbe. Aber es handelte sich um ein kombi¬
niertes Heilverfahren,
Die Kehrseite kommt nunmehr. Bei 2 Tabikern folgten j
tolle Schmerzen, die auf keine Weise zu lindern waren und
einmal 4 Wochen, einmal 10 Tage anhielten. Im 3. Fall
folgte Fieber, Schüttelfrost und Verschlechterung. Schlimmer
war der vierte Fall. Gleich, nach der Injektion trat eine Stei¬
gerung der Symptome, gewaltige Zunahme der Ataxie ein; Pat.
war weder zu gehen noch zu stehen imstande. Es tritt aber
schon Besserung ein,
In 4 Fällen vorgeschrittener Dementia paralytica war kein
Erfolg sichtbar, ebenso in jüngeren Stadien. Im 7. Falle folgte
ein schwerer paralytischer Anfall, keine Besserung. In einem
Falle, der entmündigt worden war. erfolgte erstaunliche Besse- J
rung des psychigche» Zustandes; Pat. erinag seine Größenideen !
zu korrigieren. Der Pupillenbefund blieb unverändert. Viel- |
fach kommen wohl auch Verwechslungen mit Remissionen oder j
Pseudoparalysis syphilitica vor. — Das Resuine ist fol¬
gendes :
Bei Lues cerebralis, spinalis und cerebrospinalis leistet As
nicht mehr als J und Hg, wirkt aber, wenn diese versagen, am
ersten bei gummösen Prozessen, während bei Endarteriitis und
Lues spinalis inveterata keine Erfolge eintraten. Es wurde nur j
subkutan und intramuskulär gegeben.
Bei Tabes dorsalis kann durch Hebung des Allgemein- |
Befindens und Beseitigung einiger Symptome, auch der stabilen, J
deutliche Besserung herbeigeführt werden; sie betrifft aber j
nur einen kleinen Prozentsatz. Es überwiegen zwar nicht die i
Mißerfolge und Schädigungen; aber durchgreifende Erfolge !
sind nicht zu erwarten. Dem Kranken selbst soll man die Ent¬
scheidung überlassen.
Bei Par.alyse ist in echten Fällen nichts Bedeutendes zu er- j
warten. Nur in zweifelhaften Fällen soll man bei der trostlosen j
Prognose das Mittel versuchen. Mode.
82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Königs¬
berg in Pr. vom 18.—24. September 1910.
Referent: Herr L. Borchardt (Königsberg).
(Fortsetzung.)
Abteilung fiir innere Medizin, Balneologie und Hydrotherapie.
2. Sitzung.
■1) i e n stag, den 2 0. September 19 10, 3% Uhr nachm.
Vorsitzender: Herr v. Müller (München).
Herr Fischer (Leipzig): Magensekretion und Motilität nach
Appetits- und Probeiriihstück.
Entsprechend der Forderung Hans Curschmanns, j
der Appetitskomponente bei der Untersuchung der sekretori- j
sehen Magenfunktion eine größere Berücksichtigung zuteil
werden zu lassen, untersuchte der Vortragende in Gemein¬
schaft mit Frl. Heidenhain vergleichend den Mageninhalt
nach dem Ewald sehen Probefrühstück und nach einem frei
gewählten Appetitsfrühstück. Im letzteren Falle war die. Ge-
samtacidität meistens erhöht. Fälle, die sonst als subacide J
galten, zeigten normale .Werte, In einem Falle, der nach dem
E wal d sehen Probefrühstück als Achylie imponiert hatte, war
die Gesamtacidität 34. Die Diagnose der Hyperacidität konnte
in einigen Fällen gestellt werden, in denen die Untersuchung
mit dem Ewald sehen Probefrühstück normale Werte ergeben
hatte. Motilitätsuutersuchungen mittels der Salolprobe ergaben,
daß die Ausscheidung des Salols nach dem Appetitsfrühstück
meist wesentlich verkürzt war.
Diskussion:
Herr Ewald (Berlin) tritt für die Beibehaltung seines Probe- 1
frühstücks ein, das sich in Tausenden von Untersuchungen
bewährt hat und bei dessen Einführung es ihm gerade darauf
angekommen war, den wechselnden Faktor der Lust und Un¬
lust des Patienten auszuschließen. Es komme ja nur auf dia¬
gnostisch brauchbare Vergleichswerte an, denen durch die wech¬
selnde Zusammensetzung des Appetitsfrühstücks die Grundlage
entzogen werde.
Herr v. Müller (München) gibt ein aus Fleischextrakt, einer
bestimmten Kochsalzmenge und Zwieback zusammengesetztes
Probefrühstück, das brauchbarere Resultate gibt als das
Ewald sehe.
Herr Fischer: Die Entnahme des Appetitsfrühstücks mit dem
Magenschlauch hat niemals Schwierigkeiten gemacht.
Herren Kirchheim und Matthes (Cöln): lieber die nekro¬
tisierende Wirkling von Pankreasaiitolysaten.
RUNDSCHAU 1910. 707
Stark proteolytisch wirksame, lebendes Gewebe verdauende
Pankreasautolysate rufen bei subkutaner Einführung Blutungen
und Nekrosen hervor im Gegensatz zu den etwas schwächer ver¬
dauend wirkenden Salizylsäuren Auszügen aus Kühneschem
Trockeimankreas, welche diese gewebsschädigendeu Wirkungen
nicht zeigten. Die stark wirkenden Autolysate bewirkten bei
etwas rascherer intravenöser Injektion Blutungen in das Lungen¬
gewebe und Nekrosen der Herzmuskulatur, bei sehr langsamer
auch Blutungen in die parenchymatösen Gewebe und die Mus¬
kulatur. Es gelang weder durch Erhitzen noch durch Dialyse
noch durch Adsorption an Fibrin die nekrotisierende Wirkung
von der verdauenden zu trennen. Dagegen ergaben Versuche
mit nativem Fistelsaft, daß derselbe, solange er inaktiv war,
keine nekrotisierende Wirkung zeigte, diese aber sofort gewann,
wenn er mit Enlerokinase aktiviert wurde.
Herr A Müller (Leipzig): Eine neue Methode zur Her¬
stellung von Sauerstoffbädern.
Die bisher gebräuchlichen Mittel, um aus im Badewasser
befindlichen Perboraten und ähnlichen Verbindungen Sauer¬
stoff zu entwickeln, haben den Nachteil, daß sie. weil sie
mit Pulvern arbeiten anfangs zwar sehr energisch wirken,
aber bald in ihrer Wirken® nachla c sen so daß die Gas¬
entwicklung während der Badedauer schnell mehr und mehr
verlangsamt wird. Durch das vom Vortragenden angewendete
Verfahren werden diese Uebelstände vermieden und zwar da¬
durch, daß der Katalysator an feste und möglichst undurch¬
lässige, in das Badewasser gebrachte oder darin befindliche
Körper oder die Tnnenwanduimen der Wannen gebunden wird.
Man erzielt auf diese Weise nicht nur eine wesentliche Erspar¬
nis an Perborat, sondern auch eine gleichmäßig und viel länger
anhaltende Gasentwicklung. Außerdem wird jede Trübung des
Wassers vermieden.
Herr Nagelschmidt (Berlin) lieber Diathermie und Hocli-
frequenzströme.
Redner erklärt die Unterschiede in der Beurteilung des
Wertes der Methode seitens verschiedener Forscher durch
Differenzen der Apparatur und Technik. Wie überall in der
Medizin, ist auch hier die richtige Dosierung und ganz besonders
die richtige Annlikatlonsweis? maßgebend weil die Ströme eine
rein lokale Wirkung hallen. Diathermie ist eine Eigenschaft der
Hochfrequenzströme überhaupt und soielt als solche auch hei
der Anwendung der d ’ A r s o n v a 1 sehen Apparate ein? Haupt¬
rolle. N. hat mit diesem Namen die für Hochfrequenzströme
charakteristische Durchwärinungsmögjichkeit beliebig dicker
Gewebsschichten bezeichnet. Klinisch muß man zwei Anwen¬
dungsformen unterscheiden, je nachdem man nur geringe Tem-
peratursteigerungen oder durch Anwendung besonderer Elek¬
troden Zerstörung von Gewebe durch Wärmekoagulation er¬
zielen will. N. zeigt Pulskurven aus denen die starke blutdruck-
herabsetzende Wirkung bei Arteriosklerose hervorgeht. ferner
Kurven die eine deutliche Besserung des hochgradig arhyth-
mischen Pulses hei schwerer Herzmuskelerkrankune zeigen.
Man kann auch durch bestimmte Anwendungsweise den Blut¬
druck steigern, sowie di? Zirkulation lokal oder allgeniein be¬
einflussen. So hat er Fälle von Herzasthma und intermittieren¬
dem Hinken z. T. dauernd gebessert. Auch Leber-, Nieren- und
Pankreaserkrankungen sind dieser Behandlung zugänglich.
Besonders wichtig isl die schmerzstillende Wirkung, die sich
bei Migräne, Neuralgie sowie bei Tabes zeigt. Die Krisen, und
laiicin''T-]]ijen Schmerzen werden meist sofort beseitigt. Auch
bei Gicht und Gelenkleiden zeigt sich diese Wirkung. Die chi¬
rurgischen Zerstörungen von Gewebe gestatten Krebs¬
geschwülste, tuberkulöse Wucherungen etc. ohne Eröffnung von
Blut- und Lymphbahnen zu operieren, so daß eine Verschlep¬
pung von Krankheitskeimen während der Operation ausge¬
schlossen ist. Er wendet das Verfahren zur Behandlung von
Lupus jetzt ausschließlich an, da es gestattet, selbst einen aus¬
gedehnten Lupus in 1—2 Sitzungen zu heilen. Das Neue des
Verfahrens der Diathermie liegt darin, daß man imstande ist.
Wärme in beliebiger Stärke da, wo man es will, in die Tiefe
des Körpers zu bringen.
Diskussion:
Herr Schreiber (Königsberg) bestätigt die günstigen Wir¬
kungen der Hochfrequenzströme.
Herr Rautenberg (Königsberg) berichtet über dauernde
Herabsetzung des Blutdruckes bis zu 80 mm Hg. Er hat bei
schwer Herzkranken, die z. T. schon jahrelang trotz Digitalis etc.
erfolglos in Behandlung waren, Zurückgehen der Wassersucht
und auffallende Besserung des Allgemeinbefindens gesehen.
Herr Schnee (Schöneberg): Hochfrequenz mul Thcrmopeii"
tration im Vierzellenbad.
Der Vortragende gibt eine üebersicht über die Erzeugung
und Anwendung der Hochfrequenz und Thermopenetratiou.
Seine Versuche haben ergeben, daß sich beide Stromarten so¬
wohl zui allgemeinen wie iokalen Applikation im Vierzellenbad
eignen, wobei ihre Wirklingen noch deutlicher und erfolgreicher
zutage treten. Der Vortragende bittet die Anwesenden, auch
selbst Versuche in der beschriebenen Art yorzunehmen.
768
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 61.
Herr Reiter (Berlin): Ueber ilen gegenwärtigen Stand der
Vaccinetherapie.
Ob die Opsonine allein identisch sind mit heilenden Serum¬
substanzen, ist sehr unwahrscheinlich. Sie geben aber einen
guten Maßstab für den Grad der Immunität ab. Reiters
Vaccine werden in besonderer Berüchsichtigung der B a i 1 -
scheii Immunisierungsprinzipien angefertigt. Sog. sensibilisierte
Vaccine sollen unangenehme Nebenwirkungen vermissen lassen.
Man unterscheidet Eigenvaccine und polyvalente Vaccine; letz¬
tere stammen von mehreren Patienten, die an der gleichen
Krankheit leiden. Die beste Behandlung ist die mit Eigen¬
vaccine. Trotzdem sind wir oft auf die Behandlung mit polyva¬
lenter Vaccine angewiesen, weil die Herstellung von Eigenvacci¬
nen unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnet wegen der Un¬
möglichkeit der Reinzüchtung. Für die Immunisierung sind In¬
jektionen mit mittleren Dosen am rationellsten, denen zunächst
eine etwa einen Tag dauernde negative Phase dann eine 4 bis
6 Tage anhaltende nositive Phase folgt. Die Wiederholung der
Injektion soll nicht während der negativen Phase, sondern
während oder nach Abklingen der positiven Phase vorgenom¬
men werden Als zu behandelnde Krankheiten kommen in
Betracht; Staphylokokken- und Streptokokkenhifektionen (Acne,
Furunkulose, Sykosis. Ekzem. Osteomyelitis, Panaritium,
Erysipel, Puerperalfieber. Sentikämie. Endokarditis, Misch¬
infektionen bei tuberkulösen Kavernen), Gonokokkeninfektio¬
nen. Infektionen durch Bacterium coli. Pneumokokken den
Friedländer sehen Bacillus, Micrococcus catarrhalis, tuber¬
kulöse Erkrankungen.
Heri' Walzer (Nauheim): Ueber Tabesbehandlung.
Der Vortragende spricht über die Erfolge, die er bei Tabes
mit schwachen, hochgespannten, statischen Strömen erzielt hat.
Er geht davon aus. daß die Degeneration der Hinterstränge auf
einer Ernährungsstörung beruht, die durch Wiederherstellung
der unterbrochenen Nervenbahnen beeinflußt und gehoben
werden soll. Man darf rveder Wechselstrom noch starken
Gleichstrom anwenden, weil diese die Nervenfasern schädigen,
sondern nur ganz schwachen Gleichstrom von % MA.. und
damit dieser die Widerstände der Haut überwindet und in die
Tiefe dringt hochgespannten, schwachen Gleichstrom, wie ihn
eine besonders konstruierte statische Maschine liefert in einer
Stärke von V-> MA. und einer Spannung von 100—130 000 Volt.
Die negative Elektrode wird mit dem Körper fest verbunden
und mit dpin violetten Strahlenbündel der positiven Elektrode
Rückenmark und Extremitäten bestrahlt.
Zunächst wird durchweg ein größeres Kraflgefühl bei den
Kranken hervorgerufen welches das G°hen erleichtert- Die Er¬
müdbarkeit nimmt ab. Die Schmerzanfälle lassen an Intensität
nach; die Intervalle werden größer, bis schließlich die Anfälle
ganz nusbleiben. Das Gürtelgpfühl verschwindet. Die Sensibili¬
tätsstörungen an den Extremitäten gehen zurück. Bei genügend
langer und intensiver Bestrahlung verschwinden die Geh¬
störungen vollständig ohne andere Maßnahmen. Die Dauer der
Behandlung erstreckt sich über Monate und soll möglichst ohne
Unterbrechung durchgeführt werden. Die Methode ist un¬
schädlich.
Diskussion:
Herr Nagelschmidt (Berlin) sieht in den geschilderten Er¬
folgen eine willkommene Bestätigung seiner guten Erfahrun¬
gen mit Hochfrequenzströmen.
Herr Ewald (Berlin) warnt vor zu großem Enthusiasmus.
Manche neue Methode scheint anfangs glänzende Erfolge zu
zeitigen die sich später als Suggestivwirkung heraussteilen.
Herr Gordon (Berlin): Ueber das Endotin, die isolierte spe¬
zifische Substanz des Alttuberkulins Koch
Sämtliche Untersuchungen und Ergebnisse der Tuberkulin¬
forschung seit 20 Jahren sind mit dem ganzen komplizierten Prä¬
parat Tuberkulin gewonnen ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit
seiner Komponenten. Nur so konnte sich das bereits von
Sahli erfolglos angetastete Dogma von der Indifferenz der im
Tuberkulin enthaltenen Nebenkörper (Albumosen) sowie die
Lehre von der ausschlaggebenden Spezifizität der Fieberreaktion
erhalten. G. hält diese ..Tuberkulinschäden“ für unnötige Ne¬
benerscheinungen der im A.-T. enthaltenen Nebenkörper. Durch
Ausschaltung jener toxischen Albumosen ist es gelungen, die
spezifisch wirksame Substanz, das Endotin, zu gewinnen. Bei
seiner Anwendung hat er nicht nur keine toxischen Erschei¬
nungen konstatieren können, im Gegenteil berichtet er von der
anderen Tuberkulinen überlegenen giftfreien Wirksamkeit des
Endotins. Er hofft, daß die ambulante Tuberkulintherapie, in de r
er einen der günstigsten Faktoren im Kampfe gegen die Tuber¬
kulose sieht, in größerem Maße als bisher zur Durchführung
gelangen wird.
Diskussion:
Herr Sobotta (Göbersdorf): Daß Fieber- und Tuberkulin¬
reaktion identifiziert werden, ist doch nicht richtig. Stets finden
Stichreaktion, Störungen des Allgemeinbefindens etc. dabei ihre
volle Würdigung. Die ambulante Tuberkulmreaktion ist zu
verwerfen, da die Kranken, die eine Reaktion bekommen, sich
nicht schonen könnep.
Herr Landmann (Darmstadt): Alis einem Albumosen-
gemisch nach den angegebenen Methoden die Albumosen zu ent¬
fernen ist chemisch undenkbar. Es ist überhaupt nicht möglich,
die Albumosen vom Tuberkulin zu trennen. Das Endotin enthält
keine Spur Tuberkulin.
Herr Völcker (Heidelberg): Diagnose erweiterter Nieren¬
becken
Durch Einspritzung einer 5 proz. Kollargollösung ins Nieren¬
becken mittels Ureterkatbeters wurden Nierenbecken und
Ureteren zur röntgenogranhischen Darstellung gebracht. In
zahlreichen Abbildungen der Röntgenogramme wird zunächst
gezeigt, daß das Nierenbecken sich normalerweise mit der
12. Rinne kreuzt. Bei Wandernieren liegt es tiefer; dabei finden
sieb Abknickungen des Ureters vnu verschiedenen Graden Tn
anderen Fällen sieht man das Nierenbecken erweitert. Man
kann Erweiterungen des Nierenbeckens und der Nierenkelche
voneinander unterscheiden; letztere stellen sich als mehr oder
weniger große kugelige Erweiterungen dar. aus deren Größe
man einige Schlüsse auf die ev. vorhandene Schädigung des
Nierenparenchyms ziehen kann. Die Kelche können auch isoliert
erweitert sein, wie bei der Pyelitis. Sackförmige Erweiterun¬
gen des Nierenbeckens wurden auch durch Einführung eines
Tj v otevkatli°t=rs der sieb dann in dein Sack aufrollt, zur Dar¬
stellung gebracht. Tn 3 Fällen die sämtlich Frauen betrafen,
und in denen man schon cv=tn«kooi«ch die UretenuünHung er¬
weitert fand, konnte durch Füllung der Blase mit Kollargol und
Pressen, der Patientinnen bei zugehaltener Harnröhrenmün¬
dung eine Füllung der erweiterten und geschlängelten Ureteren
ei-ziplt werden. Als Ursache der Dilatationen des Ureters in
diesen Fällen vermutet der Vortragende eine im Kindesalter
überstandene Cystitis und Pyelitis.
Herr Landmann (Darmstadt); Ueber Authämotherapic bei
Tuberkulose und Krebs.
Der Vortragende behandelte ein mit Tuberkelbacillen
infiziertes Tier in 8 tägigen Intervallen mit Injektionen seines
eigenen Serums subkutan. Er ging dabei von der Vorstellung
aus, daß ein Gift im Gefäßsystem kreisen könne, ohne daß es
immunisatorisch wirkt, Tn der Tat zeigen die Tniektionen außer¬
ordentlich günstige Wirkungen. Von. 4 mit schwer virulenten
Tnberkeibacillenstämmen infizierten Tieren starben 2 an
Miliartuberkulose, die anderen beiden, die mit ihrem eigenen
Serum gespritzt worden waren, sind am Leben geblieben.
L hat dies“ Methode auch bereits bei Phthisikern angewendet.
allerdings bisher noch nicht mit Erfolg. Auch beim Carcinom
sollen die Injektionen des eigenen Serums von günstiger Wir¬
kung sein.
Herr Küster (Freiburg): Ueber serologische Differenzierun¬
gen von Harneiweiß
Durch übermäßige Ernährung mit Hühnereiweiß (eine
Reihe Gesunder nahm täglich eine große Menge Eier, bis zu
25 täglich zu sich) ist es dem Vortragenden nicht gelungen, die
Ausscheidung von Hühnereiweiß zu erzwingen. Der Nachweis
wurde durch die Präzipitinreaktion geführt. Das bei Nephriti-
kern zur Ausscheidung gelangende Eiweiß ist weder mit dem
Serumeiweiß noch mit dem Niereneiweiß identisch, sondern
ein von diesen hinsichtlich seiner Reaktionen verschiedener
Eiweißkörper.
Gemeinschaftliche Sitzung der Abteilungen für Pathologie,
innere Medizin, Kinderheilkunde, Psychintrie, Augenheilkunde.
Dienstag, den 2 0. September 1910, 3 Uhr nachm.
Vorsitzender: Herr Marcha.nd (Leipzig).
Herr Geis (Breslau): Die Beziehungen der Netzhautgefäli-
erkrankungen bezw. -Blutungen zu den Gehirngefäßen.
Die Netzhautgefäße als einzig sichtbare Hirngefäße unter¬
liegen genau den gleichen Verhältnissen wie die zu Apoplexien
und Erweichungen besonders disponierten, zu den großen
Ganglien aufsteigenden Gehirngefäße. Sie sind wie diese in¬
folge ihrer spärlichen Verzweigungen als Endarterien aufzu¬
fassen und daher dem Blutdruck aus der Karotis und den zu
Gefäßerkrankungen führenden Noxen in gleichem Maße aus¬
gesetzt. Es müssen also Netzhautgefäßerkrankungen und Blutun¬
gen — sofern sie nicht durch die besonderen örtlichen Ver¬
hältnisse bedingt sind — zweifellos einen Rückschluß auf die
Hirnarterien gestatten und ihnen eine gewisse prognostische Be¬
deutung beizumessen sein. Vortr. konnte gegen 250 derartiger
Patienten, deren Bulbi zum Teil mikroskopisch untersucht
waren, bis zum Tode oder länger wie 5 Jahre verfolgen und
fand auf Grund dieser Beobachtungen im Verein mit den patho¬
logisch-mikroskopisch-anatomischen Untersuchungen und Sek¬
tionsfällen sowie den klinisch beobachteten Fällen der Literatur
folgende prognostische Beziehungen der Netzhautgefäßerkran¬
kungen und -Blutungen zu den Hirngefäßen:
Eine Arteriosklerose der Zentral- oder Retinalarterien ist
die Teilerscheinung einer Sklerose der basalen Hirngefäße. Ein
ophthalmoskopisch normaler Augenhintergrund gestattet uns
keinen Rückschluß auf gesunde Hirnarterien, da einerseits die
sklerotischen Veränderungen der Netzhautarterien so fein sein
können, daß sie ophthalmoskopisch nicht wahrzunehmen sind,
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
I
andererseits bei schon ausgesprochener Sklerose der Hirn¬
arterien die Netzhautarterien noch frei sein können. Geringe
Schlängelung, geringe Kaliberschwankung und etwas deutlicher
Gefäßreflex ist kein sicheres Zeichen einer Sklerose der
Retinalarterien. Ophthalmoskopisch sicher nachweisbare sklero¬
tische Retinalarterienveränderungen, Wandverdickungen und
Verengerung des Lumens bis zur Obliteration, starke Gefä߬
einschneidungen, meist doppelseitig und kombiniert mit anderen
arteriosklerotischen Zeichen, sind Teilerscheinungen einer Ge¬
hirngefäßsklerose, die in der Regel cerebrale Erweichungen be¬
dingt, so daß ihnen gerade im mittleren Lebensalter eine ernste
prognostische Bedeutung zuzuschreiben ist. Sämtliche 17 Pa¬
tienten, die verfolgt werden konnten, starben spätestens nach
4 Jahren an Schlaganfall.
Der plötzliche Verschluß der Zentralarterie oder einer ihrer
Aeste kommt bei Arteriosklerose und im Alter über 40 Jahren,
wenn sich auch keine Aetiologie, vor allem kein Vitium nach-
weisen läßt, in der Regel zustande auf Grund primärer sklero¬
tischer Gefäßveränderungen. In diesem Falle ist dann aus dem
ophthalmoskopischen Bilde die gleiche Prognose zu stellen, wie
aus den sichtbaren sklerotischen Retinalveränderungen. Von
.15 Pat. mit Embolie oder Thrombose der Zentralarterie oder
einer ihrer Aeste erkrankten alle 17 Patienten nach dem 40. Le¬
bensjahr, bei denen sich außer einer manchmal überhaupt kaum
nachweisbaren Allgemeinarteriosklerose keine andere Aetiolo¬
gie naohweisen ließ, an Schlaganfall,' zuweilen erst nach 5 bis
6 Jahren. Die Sklerose der Chorioidealgefäße, die unter ganz
anderen Verhältnissen stehen, gestattet nie einen Rückschluß
auf die Hirnarterien. 45 Patienten mit Venenthrombose konnten
länger wie 5 Jahre beobachtet werden. Dabei ergab sich, daß
die Venenthrombose nur in 40 bis 50 pCt. als Vorläufer einer
Hirngefäßsklerose aufzufassen ist, die manchmal sogar erst nach
mehreren Jahren (12) zu Schlaganfällen führen kann. In den
übrigen 50 pCt. dagegen ist sie als eine lokal bleibende Gefä߬
erkrankung anzusehen. Selbst wenn sonstige allgemeine arterio¬
sklerotische Erscheinungen nachzuweisen sind, kann daraus
■ keine sichere Prognose gestellt werden, da nur in 80 pCt. (zu¬
weilen erst nach vielen Jahren) Schlaganfälle auftraten, 20 pCt.
dagegen gesund blieben. Nur wenn sich sonstige sichere Zeichen
von Sklerose der Retinalarterien nachweisen lassen, war sie ein
Zeichen vorhandener oder bald eintretender Sklerose der Hirn¬
gefäße, die zu Schlaganfällen führte. Von prognostischer Be¬
deutung war die mikroskopische Untersuchung der wegen Glau¬
kom enukleierten Augen, wenn sich primäre sklerotische Ver¬
änderungen der Arterien ergaben, Netzhautblutungen, die außer
den Gefäßveränderungen auf erhöhten Blutdruck zurückzu¬
führen sind, sind stets Zeichen, daß der Blutdruck in den Ge¬
hirngefäßen ein außerordentlich hoher sein muß und nur infolge
besonderer Verhältnisse noch nicht zur Apoplexie geführt hat.
Von 68 Fällen mit Netzhautblutungen war bei allen 50 Patienten
mit Arteriosklerose, Diabetes, chronischer Nephritis und unbe-
4£äUhter Aetiologie die Netzhautblutung stets der Vorläufer einer
Gehirnblutung, die meist innerhalb 1—2 Jahren, einigemale
aber auch nach 5 und 6 Jahren auftrat. Es war dies in allen
den Fällen, bei denen der Blutdruck erhöht ist. Gesund ge¬
blieben waren nur Patienten mit präretinalen Blutungen, die ja
auch aus den Venen stammen können, wie Patienten mit iso¬
lierten Makulablutungen, die in ca. 50 pCt. im mittleren wie
höchsten Lebensalter als lokale Erkrankung aufgefaßt werden
mußte, sowie Patienten mit Netzhautblutungen auf Grund von
Lues, bei denen der Blutdruck in der Regel nicht erhöht ist und
lediglich die Gefäßveränderungen die Ursache der Blutun¬
gen kind.
Die ungünstigste Prognose quoad vitam weist die Retinitis
albuminurica auf, die ein Zeichen des baldigen Todes ist (mit
Ausnahme der Ret. alb. gravid.). Entsprechend den- in der
Mehrzahl der Fälle gefundenen normalen Blutdruckverhält¬
nissen traten nur in einem Drittel bis ein Viertel von 38 Fällen
Blutergüsse ins Gehirn auf. Von ihr müssen unterschieden
werden die isolierten Netzhautblutungen bei chronischer
Nephritis, die hi der Regel Vorläufer von Schlaganfällen sind,
bei denen aber die Prognose quoad vitam nicht so schlecht ist.
Nicht ungünstig zu beurteilen ist der Nachweis von Eiweiß im
Urin bei einer Venenthrombose, die ja schon durch die gering¬
fügigsten pathologischen Veränderungen bedingt sein kann.
Eine andere prognostische Bedeutung wie den isolierten
Netzhautblutungen bei Diabetes, die in der Regel Vorläufer von
Gehirnapoplexien sind, besitzt die Ret. diab., bei der nur wie
bei der Ret. alb. in einem Drittel bis einem Viertel der Fälle
Gehirnblutungen auftreten. Ihre Prognose quoad vitam ist etwas
günstiger als die der Ret. alb., insofern als ungefähr die Hälfte
aller Pat. innerhalb 2—3 Jahren zum Exitus gelangen.
Glaskörperblutungen besitzen nicht die prognostische Be¬
deutung wie die Blutungen aus den Netzhautarterien, denn sie
können auch aus den Venen, aus der Chorioidea und aus dem
Ciliarkörper stammen. Unter 10 Patienten mit Glaskörper¬
blutungen imbekannter Aetiologie erlitt nur einer einen Schlag¬
anfall. Bei Arteriosklerose, Diabetes und chronischer Nephritis
gehen sie zwar oft Gehirnblutungen voraus, aber mit absoluter
769
Sicherheit kann aus ihnen nicht ein Rückschluß auf die Netzhaut-
uiid Gehirnarterien gezogen werden.
Bindehäutblutungen stammen meist aus ganz gesunden Ge¬
fäßen und brauchen selbst im höchsten Lebensalter kein Zeichen
von Gefäßdegeneration zu sein. Von 20 Patienten erlitt nur
einer (5 pCt.) später einen Schlaganfall.
Diskussion:
Herr Marchand (Leipzig) fragt, weshalb die Augenhinter¬
grundblutungen bei Blutkrankheiten nicht Berücksichtigung
fanden.
Herr Geis begründet das damit, daß Netzhautblutungen bei
Blutkrankheiten relativ selten seien.
Herr Marchand kann das nicht zugeben.
Herr Ewald (Berlin): Bei der kryptogenetischen (perniciö-
sen) Anämie kommen Augenhintergrundsblutungen in 80 bis
90 pCt. der Fälle vor und bilden ein wesentliches Moment für
die Diagnose. Aehnlich steht es wohl auch bei der Leukämie.
Er fragt, ob zeitliche Beziehungen zwischen urämischem Anfall
und Retinitis albuminurica bestehen.
Herr Marchand: Die Netzhautblutungen sind durch Throm¬
ben m den Gefäßen bedingt; ähnliches findet sich auch im
Großhirn. (Fortsetzung folgt.)
HL Therapeutische Notizen.
In bezug auf die Behandlung des Heufiebers führt Prof
Ebstein [GöttingenJ (Deutsche med. Wochenschrift, 1910,
No. 43) aus, daß ein sicher, d. h. in allen Fällen wirkendes
Mittel bisher nicht existiert. Auch die „spezifische“ Therapie
(Pollantm) versagt nicht selten. Daher ist nach Ebstein vor
allem darnach zu streben, den Ausbruch des Heufiebers durch
geeignete prophylaktische Maßnahmen zu verhüten
Dies geschieht dadurch, daß man die Nasenschleimhaut vor
der Berührung mit Blütenstaub usw. schützt. Zu diesem Zweck
empfiehlt Ebstein, die Nasenschleimhaut mit Bormelin
(B orrn ent hol-V aselin) zu. bestreichen, möglichst zu ver-
teilen und außerdem noch möglichst lose Wattetampons in den
Naseneingang einzuführen. Auf diese Weise gelingt es in der
Tat, das Heufieber zu verhüten, wie der Selbstbericht von Prof.
Verworn, der seit Jahren an Heufieber leidet und seit eini¬
gen Jahren diese Prophylaxe anwendet, ergibt. R. L.
IV. Mcherschau.
\ orlesungen über Harnkrankheiten für Aerzte und Studierende.
Von Prof. Dr. C. Posner. Berlin 1911, Verlag von
A. Hirschwald.
Ein gutes und praktisches Buch, nicht für den Spezialisten
geschrieben, dem ja Lehrbücher zur Verfügung stehen, sondern
für den pralltischen Arzt. Dieser aber bedarf einer Anleitung
zur Diagnostik und Therapeutik der Harnkrankheiten, denn
einmal ist die Ausbildung, die unsere Studenten in diesem Fach
erhalten, infolge des Mangels einer urologischen Klinik lücken¬
haft und andererseits hängt gar so viel davon ab, daß der Prak¬
tiker, der die große Mehrzahl der urologischen Fälle zuerst
sieht, richtig diagnostiziert und weiß, welche Hilfsmittel uns
die urologische Wissenschaft zu Gebote stellt.
Das kann er aus dem Posner sehen Buch lernen,
das die Vorzüge enthält, die dem Verfasser eigen sind:
hielsende, anregende Diktion, vollkommene Klarheit und eine
aus dem Vollen schöpfende, allgemeine medizinische Kennt¬
nisse verratende Darstellung. Dabei ist das Buch kurz gehalten,
was der Leser dem Autor danken wird; es fehlen überflüssige
Floskeln. Der Arzt kann wirklich das erreichen, was dem
Autor als Wunsch vorgeschwebt hat, er kann einen Ueberblick
gewinnen über die wissenschaftlichen Grundlagen sowie über
die hauptsächlichsten diagnostischen und therapeutischen
Methoden der Urologie. Er vermag damit eine Richtschnur zu
gewinnen für sein eigenes Handeln.
Ueber Einzelheiten, worin ich sachlich zuzustimmen, worin
zu widersprechen hätte, will ich nicht sprechen. Ich will lobend
hervorheben, daß P. sich vorsichtig über die Bedeutung der
Urethroskopie ausspricht; ich schätze ihren Wert, die Gold¬
schmidt sehe Urethroskopie eingerechnet, noch geringer ein
als er; für den Praktiker können die engen Grenzen, die sie
hat, noch schärfer und bestimmter hervorgehoben werden,
damit dieser sich nicht Vorstellungen über den Nutzen der
Urethroskopie macht, die nicht erfüllt werden können.
ln einem historisch wichtigen Punkte irrt sich P. Er sagt
richtig, daß erst das Prinzip der veränderlichen Krümmung
des Ureter-Katheters den Ureteren-Katheterismus ermöglichte,
meint aber, daß meine Vorrichtung dazu von Rehfisch er¬
dacht sei. Das ist ein Irrtum. Diese Vorrichtung (die Deckel¬
verschiebung) habe i c h erdacht, R e h f i s c h half nur, den
verschiebbaren Sonderkanal in eine Rinne verwandeln zu
können, wodurch erreicht wurde, daß man den Uretherkatheter
leichter im Ureter liegen lassen kann, während man das
770
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. Gl
Cystoskop entfernt. Das Wesen des ermöglichten Ureter-
katheterismus besteht in der Variabilität der Krümmung des
Ureterkatheters. Und das ist meine Erfindung.
Doch dies nur nebenbei. Das P.sche Buch ist eine Quelle,
aus der die Leser Anregung und Belehrung schöpfen können.
Casper.
Der elektrochemische Betrieb der Organismen und die Salz
lösung . als Elektrolyt. Eine Programmschrift für Natur¬
forscher und Aerzte. Von Georg Hirth. München 1910,
G. Hirths Verlag, G. m. b. H. 83 S.
Das im lebenden Organismus mit den Lebensprozessen
elektrische Vorgänge mannigfachster Art einhergehen, ist
jedem, welcher die moderne Entwicklung der Biologie verfolgt
bat, geläufig. Wir brauchen nur an die von dem arbeitenden
Herzen abgeleiteten elektrischen Ströme und ihre praktische
Verwertung durch die innere Klinik (Elektrokardiogramm) zu
erinnern. Darf man aber soweit gehen wie hier der phantasie-
voile Verfasser und das ganze Leben nur als einen elektro¬
chemischen Betrieb ansehen? Wer aul dem Standpunkt der
modernen theoretischen Physik steht, welche die ganze Mecha¬
nik elektrodynamisch zu begründen sucht, wird in konsequenter
Weise die chemische Statik und Dynamik, also auch die Bio¬
chemie, die Lebensvorgänge sich als eine Wechselwirkung der
Elektronen und der von ihnen ausgehenden elektrischen Kräfte
verstellen; für den bedarf es aber überhaupt keiner Sonderung
der einzelnen Gebiete physikalischen, chemischen, organischen,
psychischen Geschehens; es ist eben alles durch elektrische
Kräfte bedingt. Wer aber noch nicht ein so radikaler Neuerer
ist, wer noch an der Trennung von chemischen, elektrischen,
biochemischen, psychischen Vorgängen festhält, der wird durch
die von Verf. als „Beweise“ für seine Theorie angeführten Tat¬
sachen kaum überzeugt werden. Die wichtige Rolle der Mineral¬
salze im Organismus wird von niemandem bestritten werden;
aber ihre Bedeutung für den lebenden Organismus beruht
doch noch auf anderen Eigenschaften als darauf, daß sie
Elektrolyte sind. Wir weisen nur darauf hin, daß die einzelnen
tonen vielfach spezifische Wirkungen entfalten, daß sie
an dem Aufbau der Gewebe und Organe sich in verschiedener
Weise beteiligen usw. Für die Vorgänge der Diffusion und
Osmose im Organismus, die an sich nicht elektrochemischer
Natur sind, da sie in nichtelektrolytischen löslichen Stoffen in
gleicher Weise vor sich gehen, spielen die Salzlösungen eben¬
falls eine wichtige Rolle. Den stärksten Beweis für seine
elektrochemische Lebenstheorie sieht Verf. in der lähmenden
Wirkung des Alkohols. Die toxische Wirkung des Alkohols
erklärt Steh ihm einfach aus der Tatsache, daß der Alkohol als
Nichtleiter der Elektrizität Salzlösungen zugesetzt deren elek¬
trische Leitfähigkeit erheblich vermindert. Aber selbst wenn
diese Erklärung der Giftwirkung des Alkohols richtig wäre, was
wir mit einigen Fragezeichen versehen möchten, so kann doch
diese eine Tatsache nicht als genügender Beweis für die so
weitreichende Hypothese des Verf. betrachtet werden. Alles in
allem regt die Monographie des Verf. zwar zum Nachdenken an,
fordert aber stark zum Widerspruch heraus. R. L.
V. TagesgescMcüte.
Slandesangelegenheiten, Medizinal-Gesetzgebung, sozial«
Medizin etc.
Berlin. Entscheidungen des preußischen ärztlichen
Ehrengerichtshofs (Ministerialbl. f. Medizinal- und medizinische
Unterrichtsangelegenheiten, 1910, NNo. 19 und 20.) (Fort¬
setzung.)
8. Urteil vom 21. Juni 1909.
Abfällige Kritik der Entscheidungen des
ärztlichen Ehrengerichtshofs.
Gegen das erstinstanzliche Urteil, durch welches der Aii-
geschuldigte wegen Verletzung der Standesehre mit einer Geld¬
strafe von 300 Mk. bestraft worden war, hatten der Verurteilte
und der Beauftragte des Oherpräsidenten Berufung eingelegt
und begründet.
' Die ehrengerichtliche Verurteilung war erfolgt, weil der
betr. Arzt in einer Broschüre „Das ärztliche Ehrengericht. Ein
Bild seiner Unzulässigkeit“ zwei gegen ihn vorher ergangene
Urteile des ärztlichen Ehrengericnts einer nach Ansicht des
Ehrengerichts beleidigenden Kritik unterzogen hatte. —. Die
Berufung des Beauftragten des Oberpräsiaenten wurde vom
Ehrengericht nicht berücksichtigt, weil jener entgegen dem
§ 11 des Ehrengerichtsgesetzes dem Angeschuldigten die Be¬
rufungsschrift nicht zugestellt hatte. Letzterer seinerseits
machte in seiner Berufungsschrift u. a. geltend, daß er mit
seiner Broschüre lediglich eine' sachliche Kritik des Ehren¬
gerichts beabsichtigt und auch sein vor der Publikation konsul¬
tierter juristischer Beirat in der Broschüre nichts-Beleidigendes
gefunden habe.
Das Ehrengericht glaubte dem Verurteilten, daß er das
Ehrengericht nicht habe beleidigen .wollen und war auch der
Ansicht, daß die von der ersten Instanz beanstandeten Stellen
der Broschüre nicht notwendig als Beleidigung aufgefaßt
werden müßten; andererseits aber fand es, daß der Angeschul¬
digte mit der Ehre der Ehrenrichter Im früheren Prozesse leicht¬
fertig umgegangen, in der Wahl seiner Worte nicht vorsichtig
genug gewesen ist und auch über das Verfahren der ehren¬
gerichtlichen Instanzen im Vorprozesse objektiv unrichtige An¬
gaben gemacht hat. Deshalb wurde der Angeschuldigte vom
Ehrengerichtshof zwar verurteilt, aber als Strafe nur ein Ver¬
weis festgesetzt.
9. Beschluß vom 4. April 1910.
Gutachtliche Aeußerung über den Geistes-
J zustand einer Person ohne vorauf gegangene
persönliche Untersuchung.
Der vom Ehrengericht Verurteilte sollte sich dadurch einer
| Verfehlung schuldig gemacht haben, daß er einer Privatperson,
f dem Rechtsanwalt v. H., früheren Ehemann der Frau v. A.,
ein Gutachten zwecks Verwendung in einem schwebenden
Strafverfahren gab und dadurch dem Gericht, das sein Gut¬
achten nicht verlangt hatte, seine Wissenschaft aufdrängte,
ferner dadurch, daß er die gutachtliche Aeußerung über den
Geisteszustand der Frau v. A. abgegeben habe, ohne diese per¬
sönlich untersucht zu haben.
Der Verurteilte wurde vom Ehrengerichtshof kostenlos
freigesprochen: 1. weil er nachzüweisen vermochte, daß er sein
Gutachten nicht dem Gericht aufgedrängt habe, sondern es
lediglich auf persönlichen Wunsch des Rechtsanwalts v. H.
(der vom Ehrengericht trotz Benennung durch den Angeschul¬
digten nicht gehört worden war) für diesen auf Grund des ihm
vorgelegten Aktenmaterials ausgearbeitet habe, ln der Aus¬
führung eines solchen Auftrages liegt aber nichts für einen Arzt
Unerlaubtes; 2. weil er in seinem Gutachten wiederholt aus¬
drücklich betont hatte, daß er das Gutachten ohne persönliche
Untersuchung der Frau v. Ä. oder Bekanntschaft mit ihr ledig¬
lich auf Grund des ihm zur Verfügung gestellten schriftlichen
Materials ausgearbeitet habe. (Schluß folgt.)
— Nach der „Rhein. Aerztekorr.“ haben zwischen dem
Reichamt des Innern und Vertretern der Aerztesc.haft Verhand¬
lungen über die Regelung der Arztfrage in der Reichsversiche¬
rungsordnung stattgefunden. In der Sitzung des Geschäfts-
ausschussesdesDeutschenAerztevereinsbun-
d e s vom 20. Nov. wurde ferner mitgeteilt, daß ein neuer Ent¬
wurf zur Regelung der Arztfrage im Reichsamt des Innern ausge¬
arbeitet worden sei, der jedoch nicht als genügend
erachtet werde. Es wurde ein Gegenentwurf aufgestellt,
der bereits die Zustimmung der Krankenkassenkommission des
Aerztevereinsbundes gefunden hat. Ueber die Abhaltung des
nächsten Aerztetags wurden in derselben Sitzung Be¬
schlüsse noch nicht gefaßt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die
Ereignisse wieder; die Einberufung eines außerordentlich*;!
Aerztetages nötig machen. — Für den nächsten ordentlichen
Aerztetag liegt bisher nur der bekannte Antrag des ärztlichen
Bezirksvereins Leipzig-Land betr. Honorierung der
Tätigkeit von Aerzten ibei sogen, gemein¬
nützigen Unternehmungen vor. Gegen diesen Antrag
ist am ]9. April d. J. ein von Prof. Borchard (Posen) und
46 Genossen Unterzeichneter Protest eingelaufen, in dem die
Absetzung des Antrages von der Tagesordnung verlangt wird.
Es mußte den Antragstellern jedoch mitgeteilt werden, daß der
Geschäftsausschuß aazu nicht ohne weiteres in der Lage ist, da
er nach seiner Satzung verpflichtet ist, einen ordnungsgemäß
gestellten und unterstützten Antrag auf die Tagesordnung zu
setzen.
Halle a. S. Der Magistrat als Aufsichtsbe¬
hörde hat mit der hiesigen Aerzteschaft namens der mit
dieser im Streit befindlichen Krankenkassen auf Grundlage der
freien Arztwahl einen V ertrag auf zehii Jahre abge¬
schlossen (vergl. No. 50, S. 702).
Universitätswesen, Personalnachricliten.
Berlin. Der Privaldozent der Augenheilkunde an der
Universität Greifswald Dr. R. Halben hat seinen bereits
seit Ostern laufenden Urlaub verlängern lassen und sich hier
als Augenarzt niedergelassen.
— Die medizinische Fakultät der deutschen Universität in
Prag hat Kaiser Wilhelm im Hinblick auf die von ihm ange¬
regte Gründung einer Gesellschaft zur Errichtung
von Forschungsinsituten zum Ehrendoktor ernannt.
— Am 11. Dezember, mittags 12 Uhr, versammelte sich
eine stattliche Gemeinde m der neuen Aula der Universität
(an der Stätte der früheren königlichen Bibliothek), um durch
T'eilnahme an einer ernsten Gedächtnisfeier die Manen Robert
Kochs zu ehren. Der Verstorbene hätte an diesem Tage sein
67. Lebensjahr vollendet. Musik eröffnete und schloß die stim¬
mungsvolle Feier. Dazwischen entwarf in seiner etwa 50 Minu¬
ten dauernden Denkrede Kochs Nachfolger in der Leitung des
Instituts für Injektionskrankheiten, Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr.
tfo. 51.
Therapeutische Rundschau 1910.
G a f f k y , einer seiner ältesten Schüler, in markigen Zügen ein
mit großer Liebe gezeichnetes Bild, vom Leben lind Wirken
seines verewigten Meisters. — Eine ähnliche Feier, bei der ein
anderer Schüler K o c h s , der Direktor des Hygienischen In¬
stituts in Posen, Prof Wernicke, die Festrede hielt, hatte
kurz vorher die Deutsche Gesellschaft für Kunst
und Wissenschaft in Posen veranstaltet. — Noch eine
weitere Ehrung hatte der engere Schülerkreis Kochs in aller
Stille dem Andenken des großen Forschers dargebracht. Mit
Genehmigung der Vorgesetzten Behörde ist im Institut fü r
Infektionskrankheiten ein Raum eingerichtet worden,
in dem wichtige von der Berufsarbeit des Verstorbenen zeu¬
gende Reliquien, z. B. das bei seinen ersten bakteriologischen
Arbeiten benutzte Mikroskop, dauernd aufbewahrt werden
sollen. Mit einer schlichten Feier im kleinen Kreise wurde an
dieser Denkstätte am Mittag des 10. Dezember Robert
K ochs Asche hinter einer mit seinem Marmorrelief versehe¬
nen Marmortafel beigesetzt. Gleichzeitig wurde das Gol¬
dene B u c h d e r Robert Koch-Stiftung niedergelegt,
ein kunstvoll ausgestatteter Band mit eigenhändiger Einzeich¬
nung der Stifter, an erster Stelle des Kaisers.
Greifswald. Der Landbauinspektor E. Lucht, unter
dessen Leitung mehrere Universitätskliniken neu gebaut wur¬
den, ist von der hiesigen medizinischen Fakultät zum Ehren¬
doktor ernannt worden.
Danzig. Im Alter von 67 Jahren starb hierselbst Geh.
Sanitätsrat Dr. Ludwig Tornwaldt, der sich als
Laryngologe und Rhinologe weit über die Grenzen seines enge¬
ren Wirkungskreises hinaus einen wohlbegründeten Ruf er¬
worben hat. Wissenschaftlich hat er sich besonders durch seine
Monographie über die Bursa pharyngea (Wiesbaden 1885) ver¬
dient gemacht.
Breslau. Die Studierenden der Zahnheil¬
kunde beschlossen, den Besuch des hiesigen zahnärzt¬
lichen Universitätsinstituts wegen unzulänglicher Räume
und des mangelhaften Instrumentariums einzustellen und
beim Medizinalminister baldigste Nachhilfe nachzusuchen.
Rund 100 Studierende sind an dieser für Deutschland neuen
Arbeitseinstellung beteiligt.
j G ö 11 i n g e n. Privatdozent Dr. A. Port ist zum Oberarzt
der medizinischen Universitätsklinik ernannt worden.
i C ö 1 n. Am 7. Dezember d. J., dem hundertsten Geburts¬
lage des Physiologen Prof. Schwann, wurde seitens der
fcölner Akademie für praktische Medizin eine Gedächt-
|nisfeier veranstaltet. Der Vorsitzende teilte bei dieser Gelegen¬
heit mit, daß die Akademie sich mit der Absicht trage, ihre
Lehrtätigkeit .zu erweitern. Im nächsten Jahre soll ein Kursus
für B.a Krfä r z t e abgehalten werden und sollen die Kurse für
Missionäre und Missionär innen weiter ausgebaut
■werden. Am Grabe Schwanns wurde ein Kranz nieder-
'~Jegt und nachmittags am Sterbehause eine Gedenktafel
. tA'bracht.
Dresden. Der Frauenarzt Dr. Albert ist zum Ober¬
arzt der gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses Frie¬
drichstadt als Nachfolger des Geheimrats Dr. Osterloh ge¬
wählt worden.
Leipzig. Dr. Hans Vorn er hat sich für Dermatologie
habilitiert.
Darm Stadt. Geh. Medizinalrat Dr. Wilhelm Jae-
g e r , der von 187:1 bis 1900 das hiesige städtische Krankenhaus
leitete, ist im 72. Lebensjahre gestorben. Er war ein Schüler
und während mehrerer Jahre Assistent des berühmten Heidel¬
berger Chirurgen Gustav Sim on.
München. Die Universitätspoliklinik, die sich bisher in
den Räumen des Reisingerianum an der Sonnenstraße
befand, ist ist in einen den gesteigerten Ansprüchen der Gegen¬
wart entsprechenden großartigen Neubau in der Pettenkofer-
straße verlegt worden. Am 3. d. M. ist der Uebersiedelungsakt
durch eine Feierlichkeit vollzogen worden. — Ferner ist vor
kurzem das unter Leitung von Hofrat Dr. B r u n n e r stehende
neue Schwabinger Krankenhaus der Benutzung
übergeben worden.
— Der Privatdozent der Chirurgie Dr. Passet hat auf die
Venia legendi verzichtet.
Kongreß- und Vereinsnaclirichten.
Berlin. Im großen Sitzungssaale des Kultusministeriums
wurde unter dem Vorsitz des Geh. Obermedizinalrats Prof. Dr.
Dietrich eine Mitgliederversammlung des „Deutschen Zen¬
tralkomitees für ärztliche Studienreisen“ abgehalten, die ge¬
wissermaßen die Einleitung zum zehnjährigen Stif¬
tungsfest darstellte. Geh. Rat Prof. Dr. His leitete die
Sitzung mit einer Gedenkrede auf den Mitbegründer des Zentral¬
komitees, Prof. v. Leyden, ein und gab im Anschluß daran
einen Ueberblick über die wissenschaftliche Bedeutung der Stu¬
dienreisen und ihren Wert für die Fortbildung der Aerzte. Im
Sommer 1911 sollen, wie der Generalsekretär Dr. Oliven
dann mitteilte, die Ta unusbäder besucht werden, von da
geht die Reise den Rhein hinab, daun nach Hamburg, von wo
UNiVERSITY OF MICHIGAN
771
man, voraussichtlich auf dem „Meteor“, Norwegen besuchen
wird. Im Herbst 1912 wird man auf einem eigens gemieteten
Schiffe nach Amerika fahren, um eine Woche dem Hygiene¬
kongreß in Washington zu widmen und von da aus weitere
Ausflüge zu unternehmen. Die ganze Reise wird etwa 6 Wochen
in Anspruch nehmen, und je nach der Schiffskabine für Fahrt,
Aufenthalt in Amerika und Verpflegung von 1650 M. an kosten.
Demnächst sollen auch im Winter Studienreisen nach den
Winterkur- und Sportplätzen unternommen werden. Ferner ist,
wie Dr. Kamine r noch mitteilte, zu Pfingsten 1911 eine kurze
Reise nach den Ostseebädern und zum Kongreß für
Thalassotherapie in Kolberg geplant. Auch wird ein
gemeinsamer Besuch der Hygieneausstellung in
Dresden stattfinden. Die Versammlung war sehr zahl¬
reich besucht, viele hervorragende Aerzte und Professoren aus
Deutschland waren eigens nach Berlin gekommen. Ihnen wurde
im Anschluß au die Sitzung neue Gelegenheit zum Studium ge¬
boten. Zunächst fuhr man nach dem Mühlendamm, wo unter
Füh rung von Geh. Rat Proskaue r das städtische
Untersuchuugsa m t besichtigt wurde. Dann ging es zum
Polizeipräsidium, wo Kriminalinspektor Klatt den
Erkennungsdienst vorführte. Daran schloß sich eine
Besichtigung des Kriminalmuseums, Am Nachmittag vereinigte
man sich noch zum Besuch des Cecil i enhauses in Char¬
lottenburg. Das eigentliche Fest fand am Abend im „Rhein¬
gold“ statt. Etwa 200 Herren und Damen hatten sich dazu zu-
sammengefunden. Prof. Glax (Abbazia), Dr. Paul Meiss-
n e r (Berlin) und Dr. Strokorb (Friedrichsbrunn i. H.) er¬
freuten durch Ansprachen, während eine Reihe von Künstlern,
Künstlerinnen und kunstbegabten Kollegen es mit großem Erfolg
unternahmen, das Fest durch musikalische Darbietungen zu
verschönen.
— Geh. Rat Prof. Dr. K i r c h n e r ist an Stelle von
Robert Koch zum Vorstandsmitglied der Robert Koch-
Stiftung gewählt worden. Frau Dr. Lydia Rabinowitsch
wurden aus den Mitteln der Stiftung 1000 Mk. zu Tuberkulose-
forschüngen bewilligt.
— Der Verband Deutscher Ostseebäder hielt am 5. und
6. d. M. seine 11. Generalversammlung ab, an der als Vertreter
des preußischen Kultusministeriums Geh. Ober-Medizinalrat
Prof. Dr. Dietrich teilnahm. Außerdem waren 68 Vertreter
von 35 Ostseebäderverwaltungen und 25 persönliche Mitglieder
erschienen. Von der reichhaltigen Tagesordnung sind besonders
hervorzuhsben: die Verhandlungen über die Gründungder
baineologischen Zentralstelle, der Meinungsaus¬
tausch über die einheitliche Gestaltung der Kurtaxord-
n u n g, der Schutz vor Ansteckung durch Keuch¬
husten. Zu letzterem Zweck hat der Minister den langjähri¬
gen Wünschen des Ostseebäderverbandes stattgegeben und ver¬
fügt, da ja eine Aenderung des Reichsgesetzes für die Be¬
kämpfung übertragbarer Krankheiten in absehbarer Zeit nicht
möglich ist, daß jeder Badeort, der Wert darauf legt, für sich
oder in Gemeinschaft mit benachbarten Badeorten bei auftreten¬
der Keuchhustengefahr die Gestattung der Anzeigepflicht bei
der Regierung (im Bedarfsfall telegraphisch) beantragen kann.
Dem den größten Teil der Verhandlungen ausfüllenden Mei¬
nungsaustausch über Betriebs-, Verwaltungs- und innere An¬
gelegenheiten des Verbandes folgte eine kurze Sitzung des
Vereins der Badeärzte an der Ostsee unter dem
Vorsitz von Geheimrat Dr. Röchling (Misdroy) und eine
Sitzung des Organisationsausschusses für den
5. Intern. Kongreß für Thalassotherapie in
Kolberg 1911 unter dem Vorsitz des Geh. Ober-Me.dizinalrals
Prof. Dr. Dietrich,
Breslau. Hier ist eine Psychiatrisch-neurologische Ge¬
sellschaft gegründet worden.
Hamb u r g. Prof. Dr. K ü m mell ist zum Ehrenmitglied
der Societä italiana d; Urologia und der Urologischen Gesell¬
schaft in St. Petersburg ernamit worden.
F r e i b u r g i. B. Hier hat sich die bisherige medizinische
Abteilung der Naturforschenden Gesellschaft unter Vorsitz der
Professoren de 1 a Camp, K i 11 i a n und Schridde als
Freiburger Medizinische Gesellschaft selbständig gemacht.
Gerichtliches.
Heilbronn. Vor dem hiesigen Schöffengericht wurde
kürzlich die Beleidigungsklage eines Apothekers gegen einen
Arzt verhandelt. Der Arzt sollte den Apotheker dadurch belei¬
digt haben, daß er in einem Brief eine Arzneiahgabe desselben
mit dem Ausdruck „vollendeter Schwindel“ belegte; anderer¬
seits hatte aber auch der Arzt gegen den Apotneker Wider¬
klage erhoben, weil letzterer in zwei Briefen die Ausdrücke
„Scliikanen“ und „ganz gewöhnliche Verleumdung“ in Be¬
ziehung auf ihn gebraucht hatte. Den Anlaß zu diesen Be¬
leidigungen bildete die Anfertigung einiger homöopathi¬
scher Arzneien, die angeblich in der Apotheke nicht korrekt
ausgeführt sein sollten. Die Verhandlung endete mit Ver¬
urteilung des Arztes zu 40 M. und des Apothekers zu 25 M. Geld¬
strafe wegen Beleidigung. (Pharm. Ztg.)
772
THERAPEUTISCHE
Verschiedenes.
Berlin. Der geschäftsführende Ausschuß
der Volkheilstättenvereine vom Roten Kren/ hat an den Magi¬
strat und die Stadtverordneten der Stadt Berlin eine
Denkschrift gerichtet, welche die Unterbringung von Kin¬
dern in den Kinderheilstätten vom Roten Kreuz zu Hohen-
■lychen betrifft. Es wird darin auf die im Interesse der Volks¬
gesundheit zu bedauernde Tatsache aufmerksam gemacht, daß
die IJeberweisung von kranken Kindern an die genannte
Kinderheilstätte seitens der städtischen Armendirektion im
laufenden Jahre im Vergleich zu den Vorjahren wesentlich ein¬
geschränkt wäre und daß seit Anfang Juli d. J. die Anträge auf
Kurverlängerung von der Armendirektion „wegen Erschöpfung
der zur Verfügung stehenden Mittel“ fast sämtlich abgelehnt
worden sind, und im Anschluß daran der Wunsch ausge¬
sprochen, daß sowohl zur Vermeidung wirtschaftlicher Schwie¬
rigkeiten für die Heilstätten als auch im Interesse der Berliner
Bevölkerung die Heilstätten seitens der Stadtverwaltung in
Zukunft wieder in dem früheren Umfange für bedürftige Ber¬
liner Kinder in Anspruch genommen werden mögen.
Schöneberg. Der hiesige Magistrat wird am 1. April
1911 au Stelle der jetzt nebenamtlich beschäftigten sieben Schul¬
ärzte zwei Schulärzte im Hauptamt mit einem Gehalt von
6000 M. zunächst auf 6 Jahre anstellen. Zwecks Herstellung
einer organischen Verbindung der Maßnahmen auf dem Gebiete
der Kommunalmedizin sollen die Schulärzte zugleich als Assi¬
stenten der Fürsorgestellen (Tuberkulose- und Säug¬
lingsfürsorge) tätig sein.
Höchst a. M. Hier ist eine Schul-Zahnklinik ins Leben
gerufen worden, die von einer städtischen Zahnärztin ge¬
leitet wird.
Iserlohn. Hier ist eine Fiirsorgcstelle fiir Lungen¬
kranke errichtet worden.
Mannheim. Der hiesige Ortsgesundheitsrat
hat vor zwei neueren Geheimmitteln, T ä t o v i n und N ä v o 1,
folgende öffentliche Warnung erlassen:
„In einer hiesigen Zeitung erschien vor einiger Zeit ein
Inserat, in welchem von der Firma H. Streichs Laboratorium,
Stuttgart, Finkenstraße 14, ein Präparat „Tätovin“ zur schmerz¬
losen Entfernung von Tätowierungen und ein Präparat „Nävol“
zur Entfernung von Muttermalen, Warzen, Linsen usw. ange¬
priesen wurde. Der Preis betrug 3 M. Ö0 Pf. und 3 M. 60 Pf.
pro Dose.
Nach der chemischen Untersuchung bestehen beide Prä¬
parate aus einer Verreibung von Salicylsäure mit parfümier¬
tem Glyzerin und zwar enthielt „Tätovin“ 46,28 pCt., „Nävol“
39,88 pCt. Salicylsäure.
Nachdem in einem Spezialfall ärztlicherseits eine heftige,
schmerzhafte und gefährliche Entzündung der mit dem Präparat
„Tätovin“ behandelten Hautstellen konstatiert worden ist, wird
vor der Anwendung des Präparates „Tätovin“ und des gleich¬
artig zusammengesetzten Mittels „Nävol“ gewarnt.“
Helfenberg. Die Chemische Fabrik Helfenberg
A.-G. vorm. Eugen Dieterich in Helfenberg (Sachsen)
wird auch im nächsten Jahre einen besonders für die ärztliche
Praxis eingerichteten Abreißkalender nebst dazu passendem
Bleistift an sämtliche Aerzte gratis und franko versen¬
den. Der Block 1911 kann bequem auf den im Vorjahre geliefer¬
ten Sockel montiert werden. Der Versand des Kalenders von
Helfenberg aus beginnt am 2. Januar 1911.
Stockholm. Der Nobelpreis fiir Medizin ist, wie be¬
reits vor längerer Zeit von den Tageszeitungen mitgeteilt wurde,
in diesem Jahre dem Professor der Physiologie in Heidelberg
Dr. Al brecht Kossel zugefallen, und zwar für seine wich¬
tigen Forschungen auf dem Gebiete der Eiweißchemie. Den Preis
für C h emie erhielt der Professor der Chemie 0. Wallach
in Göttingen, den physikalischen Preis Prof. J. D. v o n
der Waals in Amsterdam.
Boston. Die Begründerin der „Christian Science“, jener
„Heilmethode“, die seit einigen Jahren auch in Deutschland
als „Gesundbeten“ bekannt und leider auch in steigendem Maße
beliebt ist, Mary Baker-Eddy, ist im Alter von 89 Jahren
gestorben.
VI. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen": Krone zum Roten Adler-
Orden 4. KL: Geh, San.-Rat Dr. Knecht in Neuruppin.
»Roter Adler-Orden 4. Kl.: Prof. Dr. Holländer in
V • Charlotten bürg, Dr. Schaeffer in Altena.
-Kön igl. Krone n-Orden 3. Kl.: Geh. San.-Rat Dr.
Küpper in Elberfeld, San.-Rat Dr. Hartmann in Neu-
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Königsberg.
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arzt in Gardelegen, Kreisassistenzarzt Dr. W i 1 c k e in Preohlau
zum Kreisarzt in Genthin.
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Borgholzhausen nach Braunscüvveig, Dr. Nacke von Oeyn¬
hausen nach Meinberg, Dr. Romeick von Leipzig, Dr.
Niederhof von Mainz, Dr. Wagner von Asserheim,
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Frankfurt a. M. nach Berlin, Dr Mar um von Gießen, Dr.
Seyberth von Lichterfelde und Dr. D e v a u x von Halle
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nach Wiesbaden, Dr. Wälder von Wehrawald nach Naurod,
A. Pomppe von Naurod nach N.ordrach, Dr. Schröder
von Dotzheim nach Forbaoh, Dr. Lühl un-l Dr. Daniele¬
witz von Coblenz nach Wiesbaden bezw. Berlin, A. Camp¬
hausen von Waldbreitbach nach Berlin, Dr. B e r d a c h von
Kreuznach nach Münster a. St, Dr. Kaesbohrer von Cöln
nach Saarburg, Dr. Probst von Wadgassen nach Leipzig,
Dr. Hoffman n von Lüttelbracht iwh Wadgassen, H. v.
Hertlein von Dillingen nach Hamburg, K. Hau sh alter
von Finkenwerda nach Dilling^n, Dr. Blumenthal von
Augsburg und Dr. Puttkamer von Jessen nach Stettin,
Dr. Stern von Berlin nach Schlachtensee, Dr. Stöcklin
nach Schöneberg, Dr. Wolfsohn von Berlin nach Halle a. S.,
Dr. Natho von Dortmund nach Stralsund, Dr. H e 11 e r und
Dr. Kirsch n er von Greifswald nach Königsberg i. Pr.,
Th. Deimler von Nürnberg nach Halberstadt, Dr. V ö 1 k e r
von Braunschweig nach Hötensleben, Dr. Sc hieritz von
Rompik nach Schinne, Geh. San.-Rat Prof. Dr. Kehr vor
Halberstadt nach Berlin, desgl. Dr. Eichmeyer und D»
Rosenthal, Dr. L a d i s c h von Hötensleben nach Hannovei
Dr. Sch wenke von Schinne nach Börstel, Dr. Kittel vo
Mückenberg nach Lübbenau, Dr. Hennig von Heinersdoi
b. Berlin nach Helbra, San.-Rat Dr. Schlesinger und D
Multhaupt von Cöln nach Halle a. S., Dr. ßärman
von Aken, Fr. Weinsheim er von Straßburg i. E., D
Lorenz von Nidden, Dr. N ö h t e von Karlsruhe, D
Laquer von Königsberg nach Halle a. S., Prof. Dr. Fromm
und Dr. Gmein der von Halle nach Berlin, R. L a 11
von Groß-Kottalin nach Liebenburg, Generalarzt a. D. Dr. a
M ielecki von Schwerin i. M. nach Goslar, Dr. Blume
t h a 1 von Ilfeld nach Stettin, Dr. Wulkow von Müden
Wetter, Dr. Beyer von Brome nach Kamerun, H. Sneiuer
von Puderbach und Dr. Grütter von Pritzwalk nach Essens,
Dr. Peters von Kirchhellen nach M.-Gladbach, Dr. Dam-
m a n n von Bie'efeld nach Marsberg, Dr. Spiro von München
nach Witten, Dr. B o e t k e von Söthern nach Dortmund, Dr.
Günther von Lütgendortmund nach Suttrop, Dr. Horn von
Bochum nach Rheinberg, Dr. S. Müller von Gelsenkirchen
nach Reinickendorf, Dr. Weitzel von Wachenbuchen nach
Darmstadt, Dr. Hofm an n von Rosenthal nach Steinach, Dr.
Brocke von Berga nach Vöhl, Dr. v. D a m m von Aulowönen
nach Tiegenhof, San.-Rat Dr. Weszkalnys von Krau-
pischken nach Königsberg, Dr. Frick von Königsberg nach
Kraupischken, Dr. Brockmann von Halle nach Tilsit, Dr.
Grünbaum von Aachen, Dr. Hesper von Solingen und
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XI. Teil: Kalendarium (4 Quartalshefte, pro Tag */, Seite), geheftet zum Einhängen.
Inhalt des I. Teiles:
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X. UeberdieSerodiagnostik und diesog.„biologischeTherapie“
der Syphilis und über die bisherigen Erfahrungen mit dem
Ehrlich-Hata’schen Mittel 606. Von Dr. Fritz Munk,
Ch arlo ttenb urg-B erlin.
XI. Abriss der Symptomatologie und Therapie der am häufig¬
sten vorkommenden acuten Vergiftungen.
XII. Medicinische Tabellen und sonstige für den Arzt wichtige
Zahlenangaben.
XIII. Untersuchung des Harns.
XIV. Einiges aus der Technik der Blutuntersuchung. ,*■
XV. Bekanntmachung, betreffend den Erlass einer Gebühren¬
ordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte.
XVI. Gesetz betr. die Gebühren der Medicinalbeamten.
XVII. Verzeichnis der Krankheiten und Todesursachen.
XVIII. Bäder und Kurorte.
XIX. Post-Tarif.
XX. Tafeln zur Sehprüfung. ^
XXI. Notizblätter für Adressen. 1
Mark. ..
I. Verzeichnis der gegenwärtig gebräuchlichen älteren und
neueren Arzneimittel.
II. Die Maximaldosen der Arzneimittel des Arzneibuches für
das Deutsche Reich.
III. Uebersicht der wichtigsten, in Form von subcutanen,
intramusculären und intravenösen Injectionen zur An¬
wendung kommenden Mittel.
IV. Zu vermeidende Arzneimischungen.
V. Dosirung einiger Mittel bei der Behandlung der Kinder.
VT. Medicinische Bäder.
VII. Auszug aus der deutschen Arzneitaxe 1910.
Preise für Stoffmengen, Arbeiten und Gefässe.
1. Für Arzneistoffe. 2. Für Arbeiten. 3. Für Gefässe.
VIII. Anweisung zur sparsamen Arzneiverordnung mit Rück¬
sicht auf die Krankenkassenpraxis.
IX. Uebersicht der wichtigsten Nährpräparate.
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von denjenigen, welche für die
Coffei'nwirkung des gewöhnlichen
Kaffees besonders empfänglich sind.
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XVII. Verzeichnis der Krankheiten und Todesursachen.
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der Allgem. medicin. Central-Zeitung, sodaß diefe den Abonnenten der Therapeutifchen
Rundlchau (icherlich in angenehmem Sinne bekannt geworden ilt.
Im kommenden Jahre wird in der Allgemeinen medicinilchen Central-Zeitung die
— . Therapie
noch mehr als bisher Berückfichtigung finden.
Wir bitten daher die verehrten Abonnenten ihre Abonnements auf die Allgemeine
medieinifche Central-Zeitung recht bald erneuern zu wollen.
BERLIN W. 30, im Dezember 1910
Verlag der Allgem. medicin. Central-Zeitung
Oscar Coblentz
No. 5-2.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. B2.
Verlag von Oscar Coblentz Berlin W.
und der anderen
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zemen (in spez. Jodoformekzem) in dicker
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eventuell vorher befeuchtete t* aut der Umge¬
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Therapeutische Rundschau
(Sonderausgabe der AUgem. Medicin. Central=Zeitung)
Redaktion:
Dr. H. Lohnstein und D r. Th. Lohnstein
Redaktionsbureau: Berlin N., Friedrichstr. 131 B
Fernsprech-Amt III, No. 3412
Verlag und Expedition:
Oscar Coblentz, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Maassenstrasse 13
Fernsprech-Amt VI, No. 3302
IV. Jahrgang
Berlin, 39. Dezember 1910
No. 53
Die „Therapeutische Rundschau“ erscheint jeden Sonnabend und kostet jährlich 8 M., für das Ausland 10 M., einzelne Nummer 70 Pf. Zu beziehen
durch den Verlag sowie sämtl. Bucthandlungen und Postämter. Abonnements gelten als erneuert, wenn sie nicht 8 Tage vor Quartalsschluss abbestellt sind. Inserate
werden für die 4gesp. Zeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck ist ohne Genehmigung der Redaktion nicht gestattet.
Inhaltsübersicht.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen. P,'errin: DiejVulvo-
vaginitis kleiner Mädchen.
Zieler: Erfahrungen mit Ehrlich-Hata 006. — Reich -
mann: Eine ungewöhnliche Filariaerkrankimg. — Zabel: Plötz¬
liche Blutdruckschwankungen und ihre Ursachen. — Pollak:
Ein Fall von Kupfersulfatvergiftung mit eigentümlichem Blut¬
befund. — Käppis: Ueber Lymphocytose des Blutes bei Base- !
dow und Struma.
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. Verein für |
innere Medizin und Kinderheilkunde. Sitzung vom 5. Dezem¬
ber 1910.
III. Therapeutische Notizen. Drouw: Die Behandlung der
juckenden Dermatosen mit warmer bewegter Luft.
IV. Tagesgeschichte. Standesangelegenheiten, Medizinal-Gesetz-
gebung, soziale Medizin etc. — Universitätswesen, Personal¬
nachrichten.
V. Amtliche Mitteilungen. Personalia.
I. Wissenschaftliche Mitteilungen.
Die Vulvovaginitis kleiner Mädchen.
Von
Dr. Th. Perrill,
Privatdozent der Urologie an der Universität Lausanne.
Von ihr sagt Lang (Lehrbuch der Geschlechtskrank¬
heiten, Wiesbaden 1904, S. 62): „Im allgemeinen zieht sich
die Krankheit ungemein lange hin und setzt der Therapie
die größten Schwierigkeiten entgegen “ Muß dem so sein?
Wenn ich mir in vorliegender Arbeit erlaube, eine neue,
übrigens sehr einfache Therapie zu empfohlen, so geschieht
es auf mehrfache Veranlassung verschiedener Kollegen hin,
die in kurzer Zeit (14 bis 20 Tagen) Fälle heilen sahen,
die vorher jahrelang jeder Therapie getrotzt hatten.
Seit ich, vor 10 Jahren, zu diesem Verfahren gegriffen,
hat es mich nie im Stich gelassen. Die schlechte Prognose
der Gonorrhoe bei kleinen Mädchen wird durch dasselbe
zu einer absolut guten. Dies mit Ausnahme schwerer Fälle
von Salpingitis und Peritonitis, die theoretisch denkbar
wären, die ich aber zu beobachten niemals Gelegenheit
hatte. Meine Statistik betrifft mehr denn 100 Fälle. Sie
wurden alle, ohne Ausnahme, in längstens 20 Tagen radikal
geheilt und rezidivierten nicht Mit seltenen Ausnahmen
handelte es sich stets um Fälle, die schon Jahre hindurch
den verschiedensten Behandlungsmethoden getrotzt hatten.
Diese schlechte Piognose der Vulvovaginitis ist wohl
in den meisten Fällen eine direkte Konsequenz einer un¬
genauen Diagnose.
Verschiedene der neueren Lehrbücher deuten an, daß
sieh der entzündliche Prozeß nicht immer auf Vulva und
Vagina beschränkt, im Gegensätze zu älteren Autoren,
die stets von Vulvovaginitis sprechen, wenn es sich um
Kinder handelt.
Soweit wir uns auf unsere eigenen Beobachtungen ver¬
lassen können, möchten wir behaupten, daß das einzig
Richtige wäre von Vulvovaginitis gar nicht zu sprechen,
sondern bei Kindern gerade so wie bei Erwachsenen von
Gonorrhoe im allgemeinen. Aus meinen Erfahrungen
ergibt sich, daß sich der gonorrhoische Prozeß im kindlichen
Urogenitaläpparat gerade so abspielt, wie beim erwachsenen
Weibe. Nicht „bisweilen“, sondern „stets“ ist auch beim
Kinde die Schleimhaut des Muttermundes mitbeteiligt.
Zwei prinzipielle Unterschiede ließen sich aus meinen
Krankengeschichten festlegen:
1. Die beim erwachsenen Weibe höchst seltene Vaginitis
ist beim Kinde konstant.
2. Die beim Weibe häufige Mitbeteiligung der Adnexe
ist beim Kinde eine Seltenheit.
Die erstere Tatsache erklärt sich aus histologischen
Gründen. Ein an Koitus und Irrigator gewohntes Epithel
ist eben nicht mehr das zarte, widerstandslose Gewebe der
kindlichen Vaginaischleimhaut.
Aus anatomischen Gründen ist es verständlich, daß die
kindlichen Adnexe der Infektion weniger ausgesetzt sind,
als nach der Pubertät, wenn wir bedenken, daß beim Kinde
das Corpus uteri nur rudimentär vorhanden ist und ana¬
tomisch das Collum fast allein in Betracht kommt.
Erwähnt seien auch einige Fälle von Vulvitis bei kleinen
Mädchen ohne Beteiligung des Muttermundes. Ist es ein
Zufall, daß sieh diese Fälle sämtlich mikroskopisch als nicht
gonorrhoisch erwiesen?
Das Bedürfnis, die alte, so langwierige wie aussichts¬
lose Therapie durch etwas Besseres zu ersetzen, besteht
in hohem Grade.
Möglich war dies nur auf Grund 1, eines richtigen Ver¬
ständnisses der Ursachen der ewigen Rezidive. Die Auto¬
reinfektion der männlichen Urethra bei chronisch gonorr¬
hoischen Drüsenprozessen (Prostata, Littreschen Drüsen)
war mir eine längst geläufige Tatsache. Die Analogie der
Verhältnisse lag auf der Hand.
GenaueUntersuchungder kleinen Patientinnen sowiein der
Literatur angetroffene diesbezügliche Andeutungen bestärkten
mich im Laufe der Jahre immer mehr in den im vorgehenden
vertretenen Anschauungen:
Der gonorrhoische Prozeß ergreift bei Mädchen
auch im zartesten Alter fast stets Vulva, Lrethra,
Vagina und den Canalis cervicalis uteri.
Und diese Endometritis colli, die nicht behandelt zu
werden pflegt, ist es, die für die stete Reinfektion von Vulva
und Vagina verantwortlich gemacht werden muß.
Um dem Hymen die ihm schuldige Rücksicht zuteil
werden zu lassen, bin ich auf die Idee verfallen, sowohl
zur Diagnose als auch zur Therapie mich des Urethroskops
von Nitze zu bedienen.
Es gelingt auch bei kleinsten Mädchen Tubus 25, meist
auch 30 Charriere schmerzlos durchzuführen.
Dieses Kaliber gestattet die ausgiebigste Inspektion von
Vagina und Muttermund.
Zur Diagnose bei einer wegen Vulvovaginitis mir zu¬
geführten kleinen Patientin verfahre ich auf folgende Weise:
1. Inspektion der Vulva und der Bartholins chen
Drüsen.
(Diese letzeren scheinen, nebenbei gesagt, meinen Fällen
nach zu urteilen höchst selten mitbeteiligt zu sein.) Erstes
mikroskopisches Präparat aus einem in der Vulva,
aufgefangenen Eitertropfen.
2. Untersuchung der Urethra.
Nicht selten fällt auf den ersten Blick die nach außen
vorgewülbte hyperämische Urethralschleimhaut auf. Mit
der Platinöse im Meatus aufgefangenes Sekret liefert das
Material zu einem zweiten mikroskopischen Präparat.
3. Untersuchung von Muttermund und Scheide.
Hier kommt Nitzes Endoskop zur Verwendung. Je
nach der Weite des Hymen wird Tubus 25 bis 30 bis zum
Muttermunde vorgeschoben.
774
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 52,
Derselbe wird mittels Watteträger reingetupft. Darauf
wird die Lichtquelle eingeführt.
In den meisten Fällen erscheint alsdann das Orificium
vaginale gerötet, oft mit Eiter belegt. Mittels Platinöse
hier entnommenes Sekret liefert ein drittes mikro¬
skopisches Präparat.
Nun wird der Tubus samt Lichtquelle langsam heraus¬
geschoben und dabei die Vaginalwände allerseits genau
inspiziert. Oefters werden dabei tiefer ulcerierte .Stellen
angetroffen, deren Sekret zu einem vierten mikro¬
skopischen Präparat verwendet wird.
Wir haben somit nach beendigter Untersuchung vier
mikroskopische Präparate: Die Sekrete stammen aus:
1. Vulva, 2. Urethra, 3. Orific. vaginale uteri, 4 Vagina.
Wenn in Präparat No. 1. Gonokokken vorhanden waren,
so werden sie höchst selten in den drei andern Präparaten
fehlen.
Je nach dem Befund wird sich die Therapie auf alle
erwähnten Organteile erstrecken oder das eine oder andere
speziell berücksichtigen.
Die Therapie.
Wie überall da, wo es sich um Gonokokken handelt,
greifen wir auch hier ausschließlich zum Protargol. Wir
verschreiben zum Gebrauch des Arztes lOproz. Protargol-
lösung in Glyzerin:
Rp. Protargoli . . . 5,0
Aq. dest. . . . 8,0
Glycerin ... ad 50,0
Bei Urethritis wird die kleine Patientin zum Uri¬
nieren veranlaßt. Sofort nachher wird ein möglichst dünner
Tubus in die Harnröhre eingeschoben. Durch denselben
wird ein mit oben angegebener Salbe getränkter Watte¬
pfropf auf einem dünnen Watteträger 3—4 cm lang fest
aufgewickelt eingeschoben. Der Tubus wird entfernt, indem
er über den Wattepfropf und dessen Träger gleitet. Der
Medikamententräger wird einige Minuten liegen gelassen.
Prof. Dr. K. Zieler (Würzburg): Erfahrungen mit Ehrtich-
Hata 606. (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 44.)
Verf. berichtet über seine Erfahrungen an etwas mehr als
50 Fällen, darunter waren 7 Fälle primärer, 22 Fälle sekun¬
därer, 13 Fälle tertiärer Syphilis, 6 Fälle von Tabes. Mit der
Dosierung stieg er allmählich von 0,3 auf 0,9 g, d. i. von 0,005 g
bis .0,014 g pro Kilo Körpergewicht. Nach seinen Beobachtun¬
gen wirken Dosen von 0,7 g und mehr nicht besser als die mitt¬
leren Dosen (0,4—0,6 g). Was den Injektionsmodus anlangt, so
verwendete Verf. zuerst die alkalische Lösung nach Alt, später
die neutralen Suspensioneii nach L. M i c h a e 1 i s oder Wech-
selmann. Vielleicht wirkt die alkalische Lösung nach A11
etwas schneller als die neutralen Suspensionen. Ganz schmerz¬
los ist die Injektion nach Verf. eigentlich niemals, wenigstens
beginnt kurze Zeit nachher eine meist intensive Schmerzhaftig¬
keit, die oft erst nach 4—8 Stunden verschwindet. Dies gilt
besonders für die hohen Dosen über 0,5 g; bei Dosen von 0,3 bis
0,5 g pflegen die Beschwerden nur gering zu sein. Während die
alkalische Lösung sehr bald eine starke Infiltration hervorruft,
tritt diese bei der neutralen Suspension erst am dritten bis
vierten Tage auf, um erst nach 8—14 Tagen oder noch später
zu verschwinden. Sehr schwere örtliche Erscheinungen sah
Verf. zweimal bei besonders kräftigen, jungen Leuten nach ein¬
seitiger intramuskulärer Einspritzung. In bezug auf die
Wirkung des Präparats auf die syphilitischen Erscheinungen
kann Verf. bestätigen, daß frische syphilitische Prozesse sehr
schnell zum Verschwürden gebracht W'erden; dies gilt von
Primäraffekten und sekundären Haut- und Schleimhaut¬
exanthemen. Nur papulöse Exantheme gehen langsamer zurück,
desgleichen die Drüsenschwellungen. Viel weniger wird nach
Verf. die tertiäre Syphilis der Haut beeinflußt; trotz der Dosis
von 0,8 g heilten gummöse Unterschenkelgeschwüre und
sonstige gummöse und tubero-serpiginöse Veränderungen sehr
allmählich, allerdings sah Verf. auch in einigen Fällen schnelle
Erfolge. Fälle von maligner Syphilis hatte Verf. keine Gele¬
genheit mit dem Mittel zu behandeln. Bei den Tabesfällen
wurden keine erheblichen Erfolge erzielt, nur bei einem der
Kranken verschwanden innerhalb drei Wochen die vor¬
handenen Blasenstörungen. Rezidive hat Verf. bisher nicht
gesehen, auch nicht ein Wiederauftreten der einmal verschwun¬
denen Spirochäten. Was das Verschwinden der Wasser¬
mann sehen Reaktion nach der Injektion anlangt, so sind die
Erfolge keine glänzenden; aus der Wirkung des Ehrlich-
schen Präparats auf die W.-R. kann man bisher nur schließen,
daß es nicht mit einem Schlage sterilisierend wirkt. Stärkere
Temperaturerhöhungen sah Verfasser nur bei der alkalischen
Lösung. Die Pulsfrequenz wurde nach der Injektion meist um
Bei weniger akuten Fällen genügen auch Pinselungen
mit kleiner gerader Salbenspritze nach Tommasoli.
Zur Behandlung des Cervicalkatarrhs wird das
Orific. vaginale im Urethroskop eingestellt, reingetupft, und
sodann mit dünnem Watteträger ein mit Protargolglyzerin
getränkter Wattepfropf in den Cervicalkanal eingeführt und
für einige Minuten liegen gelassen.
Inzwischen wird selbstverständlich die nunmehr unnötig
gewordene Lichtquelle entfernt.
Der im Cervicalkanal liegen gelassene kleine Tampon
wird sodann herausgenommen, und zur Behandlung der
Vaginitis der Tubus liegen gelassen. Ein Watteträger,
armiert mit einem getränkten Wattenpfropf (so dick wie
ihn das Kaliber des Tubus gestattet), wird nun eingeführt
und dazu benutzt, unter langsamen Herausziehen des Tubus
die Vaginalwände nach allenRichtungen sorgfältigst zu pinseln.
Bei alten Fällen mit tieferen Erosionen der Vaginalschleim¬
haut kann auch ein dünner Gazestreifen mit Protärgol-
giyzerin getränkt vermittelst des Tubus zur Tamponade der
Scheide dienen und auf einige Stunden liegen bleiben.
Die Vulva wird inzwischen zu Hause so behandelt,
daß dem Kinde 3—4 mal täglich auf einige Minuten eine
Kompresse von 1 proz. Protargollösung aufgelegt wird.
Das Kind fixiert dieselbe durch Schliesen der Schenkel.
Prognose.
Die mit obiger Behandlung gemachten Erfahrungen
sind so, daß wir mit Sicherheit innerhalb 14 bis 20 Tagen
auf Heilung rechnen. Auch bei inveterierten, sehr alten
Fällen hat sie niemals länger als einen Monat gedauert.
Selbstverständlich betrachten wir die Behandlung erst
dann als beendigt, wenn mehrere mikroskopische Kontrollen
negativ ausgefallen sind.
Die Heilung betrachten wir erst dann als sicher gestellt,
wenn eine nach mehreren Wochen vorgenommene Unter¬
suchung nichts neues zutage zu fördern vermag.
20—30 pro Minute erhöht. Die Jarisch-Herxheimer-
sche Reaktion sah Verf. bei frischen Exanthemen fast regel¬
mäßig in den ersten 8—12 Stunden auftreten, bei hohen Dosen
sogar häufiger als bei niedrigen. Nach 24 Stunden war sie in
der Regel wieder verschwunden. 4 mal traten Arzneiexantheme
auf. Allgemeinstörungen wurden recht häufig beobachtet, da¬
gegen keine Störungen von seiten der Nieren und der übrigen
Organe. Bleibende Schädigungen sah Verf. in keinem Falle.
Nach Verf. stellt das Ehrlich-Hata sehe Mittel jedenfalls
eine wesentliche Bereicherung unseres therapeutischen Rüst¬
zeugs gegen die Syphilis dar. wenn es auch das Ziel der
Therapia sterilisans magna keineswegs erreicht hat.
Dr. med. V. Reichmann (Jena): Eine ungewöhnliche Filaria-
erkrankung. Heilung durch Ehrlich-Hata. (Münch, med.
Wochenschrift, 1910, No. 44.)
Verf. berichtet über einen dunklen Krankheitsfall, der
wegen seines Verlaufs bemerkenswert ist. Ein 23 jähriger
Mann, der einige Monate vorher wegen einer syphilitischen In¬
feldion eine Quecksilberinunktionskur durchgemacht hatte, er¬
krankte plötzlich; abgesehen von nephritischen Erscheinungen
stellte sich bald völlige Anorexie und Atemnot, Schwellung der
Beine und Arme ein. Bei der Aufnahme in die Klinik bestand
außerdem rechts hinten unten Dämpfung (Pleuraexsudat). We¬
gen der vorausgegangenen Lues wurde die Erkrankung als eine
Visceralsyphilis aufgefaßt, zumal da die Wassermann sehe
Reaktion positiv ausfiel. Unter einer sofort eingeleiteten
Schmierkur (nebst Jodkali innerlich) verschlimmerte sich
jedoch das Befinden; die nephritischen Symptome nahmen zu,
ebenso das Pleuraexsudat. Es wurde die Pleura punktiert,
wobei 250 ccm einer leicht milchig getrübten, sehr wässerigen
Flüssigkeit entleert wurden. Die Flüssigkeit enthielt ca.
100 Zellen im Kubikmillimeter, davon waren 48 pCt. große
mononukleäre, nur 2 pCt. polynukleäre Zellen und 50 pCt.
Lymphocyten; außerdem fanden sich in der Flüssigkeit einige
filariaähnliche Gebilde, welche aber nach dem Gutachten des
Hamburger Instituts für Tropenkrankheiten, w'ohin die Prä¬
parate geschickt wurden, keine echte Filaria waren. Der Pa¬
tient war auch nie in den Tropen gewesen. Im Blute fanden
sich diese Gebilde nicht. Da das Befinden des Pat. sich zu¬
sehends verschlechterte, wurde als ultimum refugium 0,3 g des
E h rl i ch-Ha t a sehen Präparats injiziert (intramuskulär, in
monacider Lösung). Am Tage nach der Injektion enthielt der
Urin nur noch Spuren von Eiweiß, keine Zylinder mehr. Vom
zweiten Tage an nach der Injektion traten profuse Durchfälle
auf, welche vier Tage lang anhielten und den Kranken fast
moribund machten. Dann aber erholte sich der Kranke sehr
No. 52.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
rasch, er nahm rapid an Körpergewicht zu und bei der Ent¬
lassung zwei Monate nach seinem Eintritt in die Klinik halte
er sein früheres Körpergewicht wieder erreicht und war frei
von jedem Krankheitssymptom. Er ist bis jetzt völlig gesund
geblieben.
Dr. Zabel (Genf): Plötzliche Blutdruckschwankungeil und ihre
Ursachen. (Münch, med. Wochenschrift, 1910, No. 44.)
Nach den hier von V.erf. mitgeteilten Untersuchungen unter¬
liegt der Blutdruck des Normalen unregelmäßigen Schwankun¬
gen, deren Größe individuell verschieden ist. Reize aller Art,
besonders Gemütserregungen, vermögen temporäre Blutdruck¬
steigerungen hervorzurufen. Bei vergleichenden Untersuchun¬
gen an derselben Person bei unverändertem Allgemeinzustand
erhält man bei Ausschluß von Störungen die befriedigendste
Uebereinstimmung, wenn man aus jeder Serie von mindestens
50 Einzelmessungen die jeweils niedrigsten Drucke einander
gegenüberstellt; die Amfangsdrucke weisen in der Regel viel
größere Differenzen auf.
Dr. Leo PoIIak (Wien): Ein Fall von Kupfersulfatvergiftung mit
eigentümlichem Blutbefund. (Deutsche med. Wochenschrift,
1910, No. 43.)
' i'i'f. berichtet über eine 20 jährige Patientin, welche
suicidii causa etwa 10 g Kupfersulfat in Tee aufgelöst genommen
hatte und darnach schwer erkrankte. Sogleich nach der Ein¬
nahme soll sie blaugrünliche Massen erbrochen haben. Bei
der sofort vorgenommenen Magenspülung lief die Spülflüssig¬
keit ungefärbt ab. Die Kranke klagte am ersten Tage nur über
Brennen im Halse, zeigte Salivation und erbrach anfangs noch
schleimige Massen. Bald entstand ein leichter Ikterus, der am
dritten Tage ganz ausgesprochen war. Der Harn enthielt reich¬
lich Eiweiß, später auch Blut; im Sediment zahlreiche Leuko-
cyten und rote Blutkörperchen. Der Stuhl war anfangs geformt,
nicht acholisch, später folgten breiige, niemals jedoch blut¬
haltige Stühle. Die Patientin war zuerst apathisch, dann un¬
ruhig und bot vorübergehend das Bild schwerer Prostration dar.
Während der ganzen Dauer des Prozesses bestanden unregel¬
mäßige Fieberbewegungen. Das auffälligste Symptom war die
Blässe der Haut und Schleimhäute, welche ihre Ursache in
einer schweren akuten Anämie hatte. 11 Tage nach der Ver¬
giftung fand sich: Zahl der Erythrocyten 1292 000, Zahl der
Leukocyten 62 000, Hämoglobingehalt 20 pCt.; das Blut bot bei
genauerer Untersuchung das Bild der überstürzten Regene¬
ration, ähnlich wie man es bei den Biutkrisen im Verlauf der
perniziösen Anämie, bei Nitrobenzolvergiftung etc. gelegentlich
beobachten kann. Der Urin zeigte ein massiges Harnsäure¬
sediment. Es trat null bald im psychischen und körperlichen
Verhalten Besserung ein, der Urin wurde frei von Eiweiß, der
Stuhl normal, der Blutbefund besserte sich; die Erythrocyten-
zahl stieg in 14 Tagen auf 3 275 000, der Hämoglobingehalt auf
50 pCt., so daß die Patientin bald bis auf eine mäßige Anämie ge¬
heilt das Krankenhaus verlassen konnte. R. L.
M. Käppis: Lieber Lymphocytose des Blutes bei Basedow und
Struma, (Mitteilungen a. d. Grenzgebieten der Medizin und
Chirurgie, Bd. 21, H. 5.)
Angeregt durch Kochers Mitteilungen auf dem Chirurgen¬
kongreß 1908 hat K. an 11 Kranken mit Basedow, 2 mit
Thyreoidismus und 12 mit einfacher Struma genaue Blutunter¬
suchungen vorgenommen und konnte feststellen, daß bei Base¬
dow sich fast regelmäßig eine relative und absolute Lympho¬
cytose des Blutes findet. Diese erklärt sich vielleicht aus den
lymphatischen Herden, welche mit größerer oder geringerer
Häufigkeit in den Strumen Vorkommen. Aber auch bei ein¬
fachen Strumen ohne jede Andeutung von Basedow sehen
Symptomen findet sich öfters Lymphocytose und Lymphocyten-
anhäufung in den Strumen. Ein sicheres Unterscheidungs¬
merkmal zwischen Basedow und einfacher Struma ist die Blut-
lymphocytose deshalb nicht. Auch entspricht beim Basedow
die Stärke der Lymphocytose nicht regelmäßig der Schwere
der klinischen Erscheinungen. Adler (Berlin-Pankow.)
II. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde.
(Eigenbericht der ,,Allgem. Medic. Central-Zeitung“.)
.Sitzung vom 5. Dezember 1910.
Vorsitzender: Herr Fürbringer.
Vor der Tagesordnung:
Zur Therapie maligner Geschwülste.
Herr Reicher demonstriert zwei neue Methoden zur
Therapie maligner Geschwülste. Zunächst hat Christoph
M ü 11 e r in Immenstadt vorgeschlagen, um die Röntgenwirkung
mächtiger zu gestalten, die Haut gleichzeitig zu anämisieren.
11 5
Schwarz in Wien komprimiert deshalb die Haut mit einer
Gummibinde. Müller nimmt einen Hochfrequenzapparat. Da¬
bei kann man bis zur fünffachen Erythemdosis gehen, ohne
Röntgenschäden zu stiften; man ist sogar mehrere Tage lang in
der Lage, solche Dosen zu applizieren; aber es können Röntgen¬
intoxikationen auftreten und müssen beobachtet werden. Der
demonstrierte Apparat ist von B e e z gefertigt und sehr kom-
pendiös; es gehören dazu ein Induktor und ein Stromunter¬
brecher. Zu dem ersteren gehören eine primäre und eine sekun¬
däre Rolle; von der letzteren werden zwei Belege einer Leide¬
ner Flasche geladen; die Entladung wird durch Einschaltung
einer Funkenstrecke erzeugt; je näher die Schaltpunkte sich
liegen, desto geringere Spannung der Elektrizität ist nötig. Ein¬
gelagert ist ein primäres, daran angeschlossen ein sekundäres
Solenoid. Oben ist der Pol angebracht, von dem man unipolar
ableiten kann, aber auch bipolare Ableitung ist möglich. Der
Apparat beruht auf den Prinzipien der drahtlosen Telegraphie.
Diesen kombiniert man mit der Röntgenmethode. Sobald die
Anämie zustande gekommen ist. kann man ganz weiche Röhren
zur Durchleuchtung benutz“!' Dann stellt man den Apparat ab.
Fünf sichere Sarkome und Carcinome sind auf diese Weise
geheilt worden. R. demonstriert den Fall eines älteren Herrn,
der von Klemperer als hoffnungslos angesehen worden war.
Der faustgroße Tumor saß auf dem Hinterkopf; es bestand
bereits Albuminurie und Glykosurie. In 19 Sitzungen wurde er
geheilt. Es besteht eine derbe infiltrierende Narbe. Die Heilung
besteht seit einem Vierteljahr.
R. selbst hat in mehreren Fällen Adrenalineinspritzungen
bis zu einem gewissen Grade mit Erfolg angewendet; darunter
war ein Osteochondrosarkom des Schädeldaches bei einem Kna¬
ben; der Tumor war kindskopfgroß und saß fest auf. ln
8 Wochen bekam er 23 Adrenalininjektionen, täglich 0,3—0,5
mit Glykosurie, die 1 —2 Stunden nachher eintrat. Trotzdem hat
er bei schlechter Spitalskost 5 Pfund zugenommen. Der Tumor
wurde reduziert; der Rest nach Müller weggebrannt. Das
Kind ist seit Monaten rezidivfrei.
Aus dem städtischen Untersuchungsamt zu Boston.
Herr Magnus-Levy: Wie geht der praktische Amerikaner
bei der Untersuchung infektiösen Materials vor? An 50 ver¬
schiedenen Stellen der Stadt Boston, die 600 000 Einwohner
zählt, bekommt der Arzt alles, was er braucht, fix und fertig
geliefert, z. B. für Diphtherie Pinsel und Ausstrichröhre mit
genauer Anweisung und entsprechend statistische kleine Zettel
für Tuberkulose, für Ausstriche von Blut bei Malaria und für
gonokokkenhaltigen Eiter, dazu in kleinem, versiegeltem
Kuvert ein kleines sterilisiertes Drahtpinselchen. Die Sachen
werden entweder per Post mit fertigen Adressen eingesandt
oder es wird in den Apotheken das Material abgegeben und
von dort täglich 1—2 mal nach dem Amt geliefert. Eiliges Ma¬
terial wird von jeder Apotheke direkt nach dem Untersuehungs-
amt eingesandt. Das letztere bezahlt die Fahrt der Boten. Auch
nachts ist das möglich. Solche Kulturobjekte werden durch eine
Oeffnung, durch die nichts anderes durchfallen kann, in den
Brutschrank hineingeschoben, so daß die Objekte in den Nacht¬
stunden für die Kultur nicht verloren gehen. Alles ist umsonst.
Tagesordnung:
Diskussion zu den Vorträgen der Herren
Leono r Michaelis: ., Ehrlich- Hatas Heilmittel
in der inneren Medizin“ und F. Blumenthal :
„Ueber Atoxyl und seine Derivate.“
Herr Plehn teilt Erfahrungen aus seiner Abteilung mit.
Er erhält außer Tabes nur veraltete und typische Fälle von
Syphilis des Nervensystems zur Behandlung. Er hat von vorn¬
herein die fraktionierte Sterilisation, die Etappenbehandlung,
ins Auge gefaßt, nachdem die wiederholte Applikation sich als
ungefährlich erwiesen hatte. Die Hauptwirkung trat erst nach
einiger Zeit ein. Die anatomische Heilung ist ja nicht mit klini¬
scher Heilung identisch. Das gilt besonders vom Nervensystem,
wie die Chirurgie gezeigt hat. Daran und an der langsamen
Wirkung liegt es, daß Redner keine großen Unterschiede er¬
kannte, ob 6,4 oder 0,7 g eingespritzt wurden. Ebensowenig
schien die eine der andern Art der Applikation überlegen.
Nur geringe Mengen sind nötig, um das Erreichbare zu errei¬
chen, Sein Material besteht seit Juni d. J. aus 20 Kranken, sie
wurden mit 31 Einspritzungen behandelt; 2 Hautfälle von
auswärts heilten gleich. Eine beginnende Tabes folgte, dann •
eine ältere Tabes; letztere blieb unbeeinflußt, ebenso ein Fall
von beginnendem Hepar lobatum. Nach der Injektion gingen
Milz- und Leberschwellungen bei einem Fall von Lebercirrhose
zurück: alle übrigen Symptome, zumal Ascites, blieben bestehen.
Ein Fall von Arthritis ging schnell zurück. Das Hauptmaterial
stellen Erkrankungen des Rückenmarks und der Nerven. Ein
Fall hat prinzipielle Bedeutung. Der 20 jährige Kaufmann hatte
sich im September 1909 infiziert. Im Januar d. J. machte er
wegen Bubonen eine Schmierkur durch; im März traten Kopf-,
Nacken- und Brustschmerzen (Intercostalneuralgien) auf; die
Lungenspitzen waren verdichtet, der Cerebrospinaldruck war
gesteigert. Es bestand Stauungspapille. Er wurde mit fünf
776
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
No. 52.
Calomeleinspritzungen und Lumbalpunktion behandelt. Jod
vertrug er nicht. Die Stauungspapille ging allmählich zurück.
Alle anderen Symptome blieben bestehen. Nach Calomel trat
hektisches Fieber auf. Sein Gewicht ging zurück. Am 4. VII.
bekam er 0,3 g von Ehrlich-Hata 606. 2 Tage danach war er
vollkommen entfiebert. Alle Beschwerden waren fort. Er nahm
in 4 Wochen 10 Pfund zu. Nach 4 Wochen traten neue Sym-
ptomej Schmerzen. Fieber, Gewichtsverlust auf; am 17. VIII.
bekam er 0,4 g 606. Nach 3 Tagen absolute Euphorie; er nahm
um 7 Pfund zu. Das dauerte wieder 4 W'ochen; am 17. IX.
kamen von neuem die alten Beschwerden. Die Lumbalpunktion
ergab starken Druck. Eine Entlastung schaffte keine Besse¬
rung; er verlor in 6 Wochen 18 Pfund. Am 21. X. bekam er die
dritte Einspritzung. Nach 3 Tagen waren alle Beschwerden
fort. Es setzte rapide Zunahme ein, in 13 Tagen um 8 Pfund.
Redner hat nun nicht auf neue Erscheinungen gewartet, sondern
nach 4 Wochen wieder 0,4 g gegeben. Die Erscheinungen
blieben nun fort. Der Kranke ist völlig geheilt; er hat in 2 Mo¬
naten um 21 Pfund zugenommen. Hier liegt ein Fall vor, wo
das E h r 1 i c h sehe Präparat rettend wirkte, nachdem Hg selbst
in der starken Calomelinjektion nichts mehr zu leisten ver- !
inocht hatte.
Kein Fall hat die Wassermann sehe Reaktion verloren.
Einmal wurde sie positiv, einmal zweifelhaft, nachdem sie vor¬
her negativ gewesen war. einmal nur für kurze Zeit negativ.
Nur der positive Ausfall kann für die Diagnose wertvoll sein.
Das Mittel hat also in den wenigen Fällen kürzeren Beste¬
hens der syphilitischen Nervenerkrankungen gute Wirkung. In
ganz veralteten Fällen hat es mehrfach überraschende Besse- ;
rang und Heilung einzelner Symptome erzielt, z. B. von Blasen-
und Mastdarmstörungen. Rückfälle sind sonst im Krankenhause |
nicht beobachtet -worden. Doch sind verschiedene Kranke vor¬
zeitig entlassen worden.
Herr- Dreuw: Von Ehrlichs Therapia magna sterilisans
stolzem Gebäude sind wir im Begriff einen Stein nach dem
andern abzureißen. Mit einer Injektion auszukommen, erscheint
längst zweifelhaft. Es ist die Frage, ob wir an dem Mittel nach
der Schädigung, die es im Vergleich zum Hg macht, noch so wie
bisher festhalten werden. Bisher sind nur die günstigen Eigen¬
schaften betont worden. Die schlechten sind zu kurz gekommen.
Es entspricht nur dann den Hoffnungen, wenn es die Spiro¬
chäten rascher als Hg abtötet, wenn es die Wassermann-
sche Reaktion rascher und dauernder verwandelt und Rückfälle
besser verhindert.
Schon heute steht fest, daß Hg in allen Punkten dem 606
in sehr vielen Fällen gleich, in sehr vielen anderen überlegen
ist, daß Ehrlichs Mittel in anderen Fällen die Symptome
rasch beseitigt und auch dort noch wirkt, wo Hg versagt; aber
auch das Umgekehrte kommt vor. Aber jene Fälle werden die
Hauptindikation für das neue Mittel sein.
Es ist nicht berechtigt, planlos das Mittel in frischen Fällen
anzuwenden, wo das Hg gleich oder besser wirkt. Redner hat
nur einen Fall auf Verlangen mit Ehrlich-Hata behandelt, nach¬
dem er vorher alle die Schädigungen bei Prostituierten (er ist
Polizeiarzt) gesehen hat; sodahn ist er in der Lage, über fünf
Ehrlich-Injektionen zu berichten, welche in einer Nervenheil¬
anstalt mit negativem Resultat vorgenommen wurden. Nach der
Injektion war ein Fall von Paralyse zu mehreren apoplektifor-
men Anfällen mit Ausgang in Verblödung ausgeartet. In den
übrigen Fällen war es ähnlich. Die Wassermann sehe
Reaktion war immer negativ. Es war immer dasselbe Bild.
Einige kleine Besserungen traten ja in dem wechselnden Bild
der Paralyse ein. Auf den Verlauf der Paralyse hat es völlig
indifferent gewirkt Bei Prostituierten hat er — leider ist eine
trotz Bestellung nicht zur Demonstration gekommen — acht
schwere Nekrosen gesehen. Einmal sah er eine Gewichts¬
abnahme von 19 Pfund, viermal Rückfälle. Die erste Kranke
war bleich und abgemagert, Puls 100. Eine Kranke hatte zwei
Nekrosen im Rücken, eine andere zwei in der Glutäalgegend.
Ein Teil der Kranken erklärte, sie könnten kaum liegen und
stehen. Trotzdem müssen sie ihrem traurigen Erwerbe nach-
gehen. Leben wollen sie doch. Ein Teil drohte direkt mit dem
Gericht. Eine bisher erwerbsfähige Kranke zeigte Nekrose
unter der rechten Mammilla. Es herrscht eine direkte Streiklust
gegen das Ehrlich sehe Mittel bei einem Teil der Prostituier¬
ten; sie wollen sich unter keinen Umständen mehr damit be¬
handeln lassen. Ein anderer Mißstand ist, daß die Prostituierten
das Verantwortungsgefühl für die Syphilis zum großen Teil
verloren haben, weil sie glaubten: Eine Spritze Ehrlich und die
Lues ist weg!
Das ist auch für die Praxis des Internen wichtig, weil es
die Frage der Heirat betrifft. Ein junger Kaufmann wollte trotz
frischer Lues nach einer Injektion heiraten.
Bei den Nekrosen besteht geringe Tendenz zur Heilung.
Die Umgebung ist nicht stark beteiligt. Es entsteht ein In¬
filtrat von Apfelgröße, das sich in vielen (bis 12) Wochen er¬
weicht und nach außen abstößt. Trotzdem sitzt die schmierig
braune Masse noch immer in der kraterförmigena Vertiefung.
Es folgt eine langsame Verheilung der tiefen Geschwüre. Es
ist alles steril: die Wundränder, die mit As infiltriert sind, haben
nur geringe Tendenz zur Granulation. Das Epithel krempelt
sich nach innen um. Manchmal ist Exzision nötig.
Ob das Hg wirklich so schlecht wirkt wie behauptet wird,
ist noch recht fraglich. Redner verfügt über 287 Prostituierte,
die Lues in einem Zeitraum bis vor 31 Jahren erworben haben.
Er hat sie befragt. Von ihnen haben 137 nur eine Kur ge¬
macht. Sie stehen nun unter fortwährender Kontrolle. Es sind
also in einer Reihe von Fällen, in 50 pCt., die Kranken nach
einer Kur symptomenlos geworden.
Es steht noch nicht fest, wie man das Hata anwendet; be¬
züglich der Indikation wissen wir noch nichts Sicheres. Wahr¬
scheinlich eignet es sich nur für die Fälle, die gegen Hg und
Jod refraktär sind, oder für schwere tertiäre Fälle.
Herr Fr. Lesser: Ehrlich-Hata 606 ist in allen Stadien und
Erscheinungen der Lues wirksam. Bei Gewebszerstörungen ent¬
faltet es zauberhafte Wirkungen.
Die Lues der internen Medizin besteht in Degeneration der
Inneren Organe. Hier ist die zauberhafte Wirkung des Mittels
zu einem Löwenanteil zu beobachten. Die Lues beschäftigt den
Internisten meist im Spätstadium, wo Rezidive fast nie Vor¬
kommen. Gerade die im Spätstadium auftretenden Erkrankungs¬
formen der inneren Organe sind .sehr arm an Spirochäten, so
daß man die zauberhafte Beeinflussung der Lues nicht durch
die spirochätentötende Wirkung des Präparates erklären kann.
Redner verfügt über 3 Fälle von Lungenlues. Der erste war ein
Todeskandidat, hatte hohes Fieber, häufige Erstickungsanfälle,
außerdem 6 pro Mille Albuinen (nach Typhus erworben). Red¬
ner injizierte 0,3 Hata. Schon nach zwei Tagen ließen die Er-
stickungsanfälle nach; der Eiweißgehalt ging auf 0,5 pro Mille
herunter. Der zweite Fall war leichter, aber nicht einwandfrei,
da Asthma mit Heredität kompliziert bestand. Die Infektion lag
acht Jahre zurück. Wassermann war positiv; vor % Jahren
war die Lungenaffektion entstanden; nach Hg trat Besserung
ein, aber die Kurzatmigkeit blieb. Nach Injektion von Hata
fühlte sich der Kranke freier. Der dritte war ein schwerer Fall
mit hohem Fieber und diffusen Rasselgeräuschen; er wurde
durch Hata absolut nicht beeinflußt. Mergal in innerlicher Dar¬
reichung brachte nach 14 Tagen einen großen Erfolg.
Dann hat Redner noch Fälle von Tabes und Paralyse, aber
ohne Erfolg, behandelt. Die Kranken waren sehr zufrieden und
batten bedeutend an Gewicht — bis zu 10 kg — zugenommen.
Die objektiven Erscheinungen besserten sich nicht. Ungesetz¬
mäßig sind die Erfolge des Ehrlich sehen Mittels. Es ist nicht
so spezifisch wie Hg. Aus der präzisen Wirkung von Hg und
J haben wir in diagnostischer Beziehung immer bedeutende
Aufklärung erfahren. Diese Methode ist sogar oft der Was¬
sermann sehen Reaktion überlegen. — Durch kleinere Dosen
Hata hatte Redner genau so gute Erfolge wie durch große Dosen,
vielleicht sogar bessere.
Es ist ein vorzügliches As-Präparat das gestattet, große
Mengen As auf einmal einzuführen. Alle Heileffekte lassen sich
durch organotrope Wirkung, Steigerung des Stoffwechsels und
erhöhte Antikörperbildung erklären. A g a z i hat dies experi¬
mentell gegenüber abzutötenden Typhusbacillen nachgewiesen.
Die zauberhaft schnelle Granulierung und Epithelisierung der
Ulcera läßt sich nur durch gesteigerte Vitalität der Zellen er¬
klären. Das Mittel übt eine elektive Wirkung auf krankes Ge¬
webe aus. Daher wird es auch bei nicht syphilitischen Dermato¬
sen mit Erfolg angewendet.
Herr Ritter hat auf Grund der Berichte von Heilung erb¬
syphilitischer Säuglinge durch die Milch ihrer mit Hata behan¬
delten Mütter die Kinder mit den Müttern zur Behandlung auE-
genommen. Das erste war ein acht Tage altes Kind, kräftig
gebaut, ausgetragen. Es war aufgenommen, weil in der Ent¬
bindungsanstalt der Verdacht auf Lues sich geregt hatte. Die
Erscheinungen waren visceral, Leber und Milz stark geschwol¬
len; Wassermann bei Mutter und Kind positiv, Coryza papulo-
pustulöse Effloreszenzen. Sie wurden zunächst stärker, dann
kam ein asphyktischer Anfall; bei der Mutter wurde eine In¬
jektion von 0,5 g ausgeführt. Die lokalen Erscheinungen gingen
zurück, kamen dann wieder; aber die visceralen bestanden in
voller Ausdehnung weiter und führten zum Tode. Bei der
17 Stunden nach dem Tode durch Oest reich ausgeführten
Sektion fand sich Osteochondritis syphilitica. Hyperplasia
lienis, Hepatitis Pneumonia interstitialis et hypostatica und me¬
tastatische Ostitis. Das zweite Kind war gut entwickelt und
kräftig; es zeigte Hautsymptome, verdickte Handteller- und Fu߬
sohlenhaut, makulo-papuloses Syphilid an den Armen. Wasser¬
mann bei Mutter und Kind positiv. Das Kind hielt Redner für
einen leichten Fall. Die Mutter wurde mit 0,4 g behandelt.
Auch hier besserten sich die lokalen Erscheinungen so gut wie
gar nicht; sie schienen sich häufig zu verschlimmern. Schlimm
war nur, daß die bisher nicht bemerkten visceralen Affektionen
in Erscheinung traten. Es ging unter asphyktischen Anfällen
zugrunde. Die Sektion ergab wieder Beteiligung der Leber
und Milz sowie Bronchopneumonia multiplex. Beide Kinder
sind nicht an der Lues selbst, sondern an sekundären Infektio¬
nen gestorben; die wären aber bei Brustkindern mit anderen
No. 52. THERAPEUTISCHE
Methoden verhindert worden. Es ist dies also eine Methode, die
noch nicht ganz spruchreif ist. Denn der Uebergang der Heil¬
wirkung durch die Milch war bisher nur auf wenige Fälle auf¬
gebaut. Beiden Müttern ist das Mittel ausgezeichnet bekommen.
Herr Pcritz hat 28 Fälle auf der zweiten medizinischen
Klinik mit 606 behandelt. Eine zauberhafte Wirkung hat er
nie. in einigen Fällen eine günstige gesehen. Darunter waren
5 Fälle von Lues hepatis, bei denen das Mittel zwar schnell die
Schmerzen beseitigte; objektiv trat keine Besserung ein. Die
Schmerzen sind nicht auf die Dauer geschwunden. Denn die
Kranken kamen teilweise mit größeren Schmerzen wieder. Dann
waren 5 Fälle von Lues cerebrospinalis in Behandlung. Sie sind
die günstigsten gewesen. Fast alle wurden gebessert; anders war
es einmal mit einem hereditären Falle von multipler Sklerose;
Wassermann ist aber positiv geblieben. Einmal wurde Paralysis
progressiva behandelt. Die Größenideen etc. schwanden
schnell. Aber 6 Wochen später klagte Pat. über Ohrensausen
und war fast taub. Die Schwerhörigkeit verschwand nach der
zweiten Injektion, aber das Ohrensausen blieb. Aber es trat
nach 14 Tagen Psoriasis palmarum auf, die blieb. Bei 11 Tabes¬
fällen war keine Besserung zu verzeichnen, nur einmal schwand
die Pupillen starre auf einem Auge: beide Augen waren wieder
gleich groß und gerundet. Aber allmählich nahm nach zwölf
Wochen die PupiUenreaktion wieder ab. Wassermann ist
positiv geblieben. Bei Lues cerebri wirkte das Präparat günstiger
als Hg. Bei Metasyphilis ist der Erfolg negativ oder nicht sehr
viel versprechend. Epilepsie nach hereditärer Lues schien sich
zu bessern; die Anfälle schwanden anfangs; sie sind jetzt
wieder da.
Herr Isaak: Die Nebenerscheinungen des Präparates, die
trotz aller Verbesserungen auftreten, bedürfen der Erörterung.
Er hat 300 Fälle behandelt. Dahin gehört die Schmerz¬
haftigkeit, die nie ausblieb. Frauen vertragen die Einspritzun¬
gen-besser als Männer. Die Größe der Schmerzen hängt von
der Menge ab. Kachektische vertragen das Mittel schlechter.
Der Modus der Injektion und der Grad der Infektion spielen
ebenfalls eine Rolle. Wichtig ist aber das Vehikel, in dem
injiziert wird. Redner hat fast alle Methoden benutzt, mit dem
Ergebnis, daß er alle wegen der Schmerzhaftigkeit und zu¬
weilen auftretenden Nekrosen verlassen hat. Vorläufig scheint
es nach fast 150 Fällen, daß die einfachste und beste Methode
die ist, daß man das Präparat in Oleum amygdalarum sterili-
satum auflöst. Er .hatte so große Erfolge; 0 5 in 10 g Oel spritzt
man intraskapulär subkutan ein. Außer leichter Infiltration und
Schmerzhaftigkeit sah er weder Fieber noch andere Erscheinun¬
gen. Ein großer Wert ist auf die lokale Desinfektion zu legen.
Nach Aether- und Alkoholbehandlung ist die Einreibung der
Jodtinktur von Wert. Die intravenöse Injektion hat er eben¬
falls oft ausgeführt; es ist aber fraglich, ob diese Art zu empfeh¬
len ist. Sie ist durchaus nicht gleichgültig. Viele bekommen
direkt Kollaps, Erbrechen und hohes, 2—3 Tage dauerndes
Fieber. Auch ist sie ein Eingriff, der Apparate und technische
Gewandtheit erfordert; zwei Aerzte sind zur Assistenz nötig.
Oft läßt sich die Vene gar nicht finden. Und die Kranken sträu¬
ben sich dagegen. Es ist aber nicht nötig, zu einem so heroischen
Mittel zu greifen. Er hat mit 0,5—0,7 g die besten Erfolge mit
seinem Verfahren gehabt. Auch der therapeutische Effekt ist
nicht schlechter. Die Zahl der Rückfälle ist verhältnismäßig
sehr gering; es waren kaum 20 pCt., bei der früheren Behand¬
lung mit J und Hg 100 pCt.
Hierher gehören drei Fälle von primärer Genital- und zwei
von Lippensklerose. Sie kamen zu ihm 30—40 Tage nach der
Infektion. Spirochätenbefund und Wassermann positiv. Sie
wurden injiziert und heilten tadellos; die Drüsenschwellungen
gingen zurück und die Erscheinungen der Lues blieben aus.
Die Wassermannsche Reaktion blieb positiv, wurde aber
immer geringer; am 100. Tage war sie negativ. Sie waren mit
0,5 g behandelt worden. Eine ganze Zahl von Kranken sind
mit ganz kleinen Dosen behandelt worden. Bei solchen
Kranken hat Redner ohne weitere Behandlung genau wie früher
mit dem unlöslichen Hg-Salz mit 0,1 pro Woche behandelt.
Er hat eine große Zahl gesehen, die lange vergeblich mit Hg
und J behandelt wurden imd manchmal schon nach 1—2 Ein¬
spritzungen von Erscheinungen der Lues völlig befreit wurden.
Nicht ohne Bedeutung ist die Tatsache, daß die lästige
Mundpflege und die anderen Erscheinungen der J- und Hg-Ver-
giftung wegfallen. Schwere maligne Fälle von Lues wurden
in allen ihren Formen günstig beeinflußt. Sind doch anderer¬
seits nach Injektionen von grauem Oel, die man in diesen ver¬
zweifelten Fällen gab, in wenigen Jahren 80 Todesfälle gezählt
worden. Bei As-Injektionen wurden aber nur. wenig Todes¬
fälle, die mit dem Mittel nicht in direktem Zusammenhang
stehen, sowie wenige schwere Organzerstörungen bekannt.
Hierher gehört eigentlich nur ein Fall, Gummi des Larynx, der
bald nach der Injektion tot aufgefunden wurde.
Herr Toinaszewski: Wir wissen bisher nur wenig über das
neue Mittel, nämlich, daß bei der bisherigen Anwendungsweise
ernste Nebenwirkungen zu fürchten sind, und daß erreicht wird,
was in der Mehrzahl aller Fälle durch Hg-Kuren erreicht wird-
RUNDSCHAU 1910.
Der springende Punkt ist, daß wir heute wissen: Wir können
die Lues nicht mit einer Injektion heilen; wir sind gezwungen,
zur Etappenbehandlung zurückzukehren. Dann treten die ört¬
lichen Nebenwirkungen der Injektion wieder in den Vorder¬
grund. Die beste Methode unter den extravenösen ist die A 11 -
sehe Methode, sie macht aber Schmerzen. Die Oelinjektionen be¬
dingten die meisten Rückfälle, und die schlechtesten Resultate
geben die Verfahren von Wechselmann und Micha¬
elis , weil oft dauernde Nekrosen etwa wie Röntgenulcera ent¬
stehen. Diese Nebenwirkungen bedingten den Uebergang der
besser sehen Klinik zur intravenösen Injektion; aber auch sie
ist nicht besser. Sie ist es nur in bezug auf örtliche Nebenwirkun¬
gen. Die Technik ist nicht schwierig, aber auch nicht einfach.
Aber gefährlich ist, daß die Injektion sehr häufig wiederholt
wird. Zu betonen sind immer die Fälle Fingers; sie sind
ungeheuer seltene Erscheinungen; aber sie warnen uns, eine
Injektion häufig zu wiederholen.
Herr Ileymann hat etwa 80 Fälle und ist mit dem Erfolg
sehr zufrieden. Wesentlich ist, daß die Wirkung in den meisten
Fällen sehr rasch eintritt. Sie ist sehr eingreifend und für die
lebenswichtigen Organe rettend. So hatte Redner ein gummöses
Geschwür am weichen und harten Gaumen zu sehen Gelegen¬
heit. Eine persistent bleibende Perforation war zu fürchten;
am 'Abend wurde noch injiziert und nach 6—7 Tagen Pat.
absolut geheilt entlassen; jetzt nach neun Wochen noch kein
Rezidiv. Dieselbe Wirkung machte sich bei der seltenen gum¬
mösen Erkrankung des Gaumens geltend, die flächenhaft sich
verbreitet und aussieht, als ob mit einem Schabeisen darüber¬
gewischt wäre. Die Oberfläche ist wund und Geschwüre und
einzelne, nekrotische, weiße Stippen sitzen darauf. Sie heilt
nie ohne erhebliche Verwachsungen; oft sind es schwerste Ver¬
wachsungen im Rachen. Redner hat in vier Monaten zwei
solcher Fälle gesehen, die ohne jede Verwachsung geheilt sind.
Er nahm 31 intravenöse Injektionen vor. Er hat sie zum Teil
(7—8) mit alleiniger Hilfe einer ungewandten Wärterin-
Schülerin ausgeführt. Sie sind ganz gut vonstatten gegangen
und hatten Erfolg. Auch Redner hat Rezidive gesehen; aber
sie waren spärlich. Die Nekrose hat er bei 50 intraglutäalen
und subkutanen Injektionen nur einmal gesehen.
Herr Sticker spricht über die As-Therapie bei Krebs und
besonders Rundzellen-Sarkomen. Es lag nahe, nach Sol. Fowleri
auch das Atoxyl beim Hunde zu benutzen. Das Atoxyl zeigt
bei Sarkomen bald wachstumfördernde, bald wachstum¬
hemmende, also keine spezifische Wirkung; es ist eine hämo-
tropes Agens; es erzeugt schwere Blutkrankheiten und
schwerste hämorrhagische Nierenentzündungen. Später gab er
Arsacetin ohne spezifische Wirkung. Bei höheren Dosen hat es
toxische Wirkung. Redner demonstriert einen Hund, der
03 g Hata vor acht Tagen bekommen hat. Am fünften Tage
erreichte das Infiltrat seinen Höhepunkt und klingt nun langsam
ab. Große Schmerzhaftigkeit ist nicht vorhanden. Die Impf¬
tumoren (Sarkom) sind, wenigstens seit 2—3 Tagen, kleiner
geworden. Die hämotrope Wirkung des Mittels ist noch ge¬
ringer als die des Arsacetins.
E h r 1 i c h zeigte gerade, daß das Mittel baktericid wirkt.
Er hat ja damit die Immunität festgestellt. Was die Wirkung des
Atoxyl beim Menschen anlangt, so hat Redner es als ein wir¬
kungsvolles, nicht giftiges Adjuvans bei inoperablen Geschwül¬
sten kennen gelernt. Er hat den Urin mit der Alpha-Naphthol-
Methode nach Blumenthal untersucht. Danach erfolgt die
Hauptausscheidung des As fast immer in den ersten 2 Stunden.
Dosen von 0,1—0,2 g haben nie Spuren von Eiweiß ergeben.
Methämoglobin hat er nie gesehen. Mode.
III. Therapeutische Notizen.
Dr. Dreuw (Berlin) wendet bei der Behandlung jucken¬
der Dermatosen mit gutem Erfolg warme bewegte Luft
an (Deutsche med. Wochenschrift, 1910, No. 43). Er verwendet
über den Elektrokauter streichende, warme bewegte Luft, wie
sie in den verschiedensten Apparaten des Handels erzeugt wird.
Die juckstillende Wirkung ist ganz ausgesprochen. Patienten,
die nächtelang vor Jucken nicht schlafen konnten, fühlen sich
manchmal schon nach einer einmaligen Bestrahlung so er¬
leichtert, daß sie eine ruhige Nacht verbringen. D. hat die
warme bewegte Luft u. a. bei verschiedenen Fällen von Ekzema
pruriginosum scroti, bei Pruritus ani und Kraurosis vulvae,
ferner bei akuten nässenden Ekzemformen, bei Ulcus cruris
und bei Ulcus molle und durum angewendet; überhaupt bei
allen ulcerierenden Hauterkrankungen empfiehlt D. die An¬
wendung der warmen bewegten Luft. Er geht in der Regel so
vor, daß er mit dem Warmluft-Apparat jeden Tag 1—2 mal etwa
15 Minuten lang eine warme Luftdusche gibt. Die Temperatur
wird durch Annähern oder Entfernen des Apparates in der
Weise geregelt, daß der Patient sie eben noch ertragen kann.
Bei Ekzema scroti et ani wird dann als Adjuvans noch ein Ver¬
band mit Ung. diachylon carbolisat. (2proz.) recent. parat,
mittels eines Suspensoriums appliziert. Bei geschwürigen Er-
778
No. 52.
THERAPEUTISCHE RUNDSCHAU 1910.
krankungen der Haut, namentlich bei Ulcus cruris und rnolle,
sowie bei allen nässenden Hautaffektionen hat die warme be¬
wegte Luft eine intensive Heilwirkung. Bei der Behandlung
kleinerer Ulcera setzt D. auf das Ausführungsrohr des elektri¬
schen Apparates noch einen urethroskopischen Tubus auf, um
die Wirkung auf das Ulcus zu konstatieren. Bei allgemeinem
Pruritus appliziert D. warme Luftdusche des ganzen Körpers.
Für besser situierte Patienten verordnete er einen der im
Handel befindlichen, an jede elektrische Leitung anzuschließen¬
den Apparate, mit dem der Patient sich selbst behandeln kann.
■ R. L.
IV. Tagesgeschicnte.
Standesangelegenheiten. Medizinal-Gesetzgebung, soziale
Medizin etc.
Berlin. Entscheidungen des preußischen ärztlichen
Ehrengcrichtshofs (Ministerialbl. f. Medizinal- und medizinische
Unterrichtsangelegenheiten, 1910, NNo. 19 und 20.) (Schluß.)
10. Beschluß vom 5. April 1910.
Reklame von Heilanstalten.
Der Angeschuldigte war vom Ehrengericht wegen standes¬
unwürdiger Reklame verurteilt worden; von der höheren Instanz
wurde er kostenlos freigesprochen, weil die Art
der von ihm gemachten Reklame nicht als standesunwürdig
angesehen werden konnte. Als Inhaber einer Augenheilanstalt
hatte er ohne jede Anpreisung seine Anstalt in 6 Anzeigen, die
über 1V 3 Monate verteilt waren, dem Publikum bekanntgemacht
und die Annoncen bereits vor dem Eingreifen des Ehrengerichts
spontan eingestellt. Für Heilanstalten in einer Großstadt ist
nach Ansicht des Ehrengerichtshofes eine inhaltlich einwand¬
freie Reklame, falls sie sich in gewissen Grenzen hält, durchaus
gestattet.
11. Beschluß vom 22. November 1910.
Ausstellung eines Diploms über erteilten
Unterricht in der Naturheilkunde.
Der Angeschuldigte war vom Ehrengericht mit einem Ver¬
weise und einer Geldstrafe von 100 M. bestraft worden, weil
er einer von ihm unterrichteten Person ein Zeugnis obigen In¬
halts ausgestellt hatte, in dem er gleichzeitig reklamehafte An¬
gaben über sein Heilinstitut untergebracht hatte. Die von ihm
ohne Begründung eingelegte Beschwerde wurde vom Ehren¬
gericht verworfen.
12. Beschluß vom 22. November 1909.
Verstößt ein Arzt, der seinen Patienten
empfiehlt, die von ihm verordneten Heil¬
mittel in einer bestimmten Apotheke oder
Drogenhandlung zu kaufen, gegen die Pflich¬
ten seines Standes?
Die Verurteilung war erfolgt, weil der Arzt einem Patienten
ausgestellte Rezepte in einem Umschlag mit der Adresse einer
bestimmten Drogenhandlung übergab. Das Ehrengericht hielt
die Verurteilung für gerechtfertigt, weil durch ein solches Ver¬
halten des Arztes der Verdacht erweckt wird, als hätte er
einem Geschäftsmann bestimmte geschäftliche Vorteile zu¬
wenden wollen, überdies habe der Arzt gegen das Medizinal¬
edikt vom 27. September 1725 und die Verordnung vom 17. No¬
vember 1798 verstoßen, durch welche den Aerzten verboten
werde, ihre Patienten an bestimmte Apotheken zu verweisen.
Beide Verordnungen bezögen sich sinngemäß auch auf Drogen¬
handlungen; ihre fortdauernde Gültigkeit sei durch höchst-
instanzliche Gerichtsentscheidung festgestellt. Wegen der Ge¬
ringfügigkeit des Verstoßes erkannte das Ehrengericht anstatt
der erstinstanzlich verhängten Geldstrafe auf bloße Warnung.
13. Beschluß vom 22. November 1909.
1. Ausstellung eines ärztlichen Attestes unter
Verschweigung wesentlicher Momente.
Vom Ehrengericht war der Angesc.huldigte mit einem Ver¬
weise und einer Geldbuße von 200 M. bestraft worden, weil er
einer Lehrerin die Notwendigkeit eines Erholungsurlaubs be¬
scheinigt und in dem Attest das Bestehen der Schwangerschaft
verschwiegen hatte, trotzdem ihm diese — die Entbindung fand
etwas über 3 Monate nach der betr. Untersuchung statt — da¬
mals nicht hätte entgehen können. Der Ehrengerichtshof be¬
stätigte das erstinstanzliche Urteil, da der Angeschuldigte nichts
Wesenliches zu seiner Entlastung beizubringen vermochte.
Fahrlässigkeit bei Ausstellung von Attesten, die zum Gebrauch
für Behörden bestimmt sind, betrachte der Ehrengerichtshof als
besonders schwere Verfehlung gegen die Berufspflicht.
2. Ausstellung eines Attestes, in welchem be¬
scheinigt wird, daß die vorgenommene Des¬
infektion „den sanitätspolizeilichen Vor¬
schriften“ entspreche, obwohl dies tatsäch¬
lich nicht der Fall war.
Der erstinstanzlich Verurteilte hatte über eine zwar sach¬
gemäß unter seiner Aufsicht, aber nicht genau nach den mini¬
steriellen Anweisungen ausgeführte Desinfektion mit dem be¬
anstandeten Ausdruck attestiert. Das Ehrengericht sprach
ihn kostenlos frei, weil die maßgebenden Vorschriften
die Einschränkung „soweit tunlich“ enthalten und das Ver¬
fahren des Arztes bei der Desinfektion somit keinen Verstoß
gegen die gesetzlichen Vorschriften enthalte. Die von ihm in
seinem Attest gebrauchte Ausdrucksweise stelle sich daher
nur als ein formales Versehen dar, das eine Verfehlung gegen
j die Pflicht gewissenhafter Berufsausübung noch nicht in sich
J schließe.
Universitätswesen, Personalnacliricliten.
Berlin. Franz König f- Wieder hat die medizinische Wis-
j senschaft Deutschlands einen herben Verlust erlitten: Am 12.
j Dezember ist hierselbst einer der Altmeister der modernen Chi-
j rurgie. der Geheime Medizinalrat Prof. Dr. Franz König
j gestorben. Sein Tod erfolgte an Lungenentzündung im Charite¬
krankenhause, an der Stätte seiner früheren Wirksamkeit,
wohin er sich tags zuvor hatte bringen lassen. — Ueber den
Lebenslauf des Dahingeschiedenen sei in gedrängter Kürze
folgendes mitgeteilt: Am 16. Februar 1832 zu Rotenburg
a. d. Fulda als Sohn eines landgräflich-hessischen Leibarztes
geboren, machte Franz König seine medizinischen Studien
in Marburg und Berlin und beendete sie 1855 durch die Pro¬
motion in Marburg und die 1856 in Kassel erfolgte Ablegung
der ärztlichen Staatsprüfung. Nachdem er darauf kurze Zeit
in der Kaltwasserheilanstalt Alexanderbad im Fichtelgebirge
als Assistent tätig gewesen war, bijdete er sich an der medizini¬
schen Klinik in Marburg und weite! - in Berlin unter Langen-
beck und v. G r a e f e weiter. Von 1858 bis 1860 war er dann
Assistent des Chirurgen W. Roser in Marburg. Vorüber¬
gehend war er darauf als Arzt in Homberg in Hessen tätig.
Nachdem er in dieser Zeit das Physikatsexamen gemacht hatte,
wurde er zum Amtsarzt in Hanau ernannt und ihm gleichzeitig
die Leitung der chirurgischen Abteilung des dortigen Land¬
krankenhauses übertragen. Die hervorragenden wissenschaft¬
lichen Arbeiten auf dem Gebiete der Chirurgie, zu denen ihm
diese Stellung Anlaß gab. verschafften ihm im Jahre 1869 die
Berufung auf die ordentliche Professur der Chirurgie in Rostock,
der er gern Folge leistete. 1875 erhielt er das Ordinariat in
Göttingen und endlich 1895 wurde er als Nachfolger v. Barde¬
lebens zum ordentlichen Professor der Chirurgie in Berlin
ernannt, wo er die chirurgische Klinik der Charite zu leiten
hatte. Schon dreizehn Jahre früher hatte er eine Anfrage wegen
Uebernahme des durch den Rücktritt B. v. Langenbecks
erledigten anderen Lehrstuhls der Chirurgie erhalten, dem Rufe
aber wegen seines damals schwankenden Gesundheitszustandes
keine Folge gegeben. In Berlin wirkte er bis 1904, wo er frei¬
willig vom Lehramt zurücktrat, nachdem noch die neue chirur-
| gische Klinik der Charite nach seinen Plänen erbaut war.
j Geistesfrisch und wissenschaftlich tätig war König bis zum
Lebensende: vielfach beteiligte er sich an den Verhandlungen
| wissenschaftlicher Vereinigungen, In seiner langen Laufbahn
hat Franz König eine so umfassende publizistische
Tätigkeit auf dem Gebiete der Chirurgie entfaltet, daß wir auf
eine Aufzählung auch nur des Wichtigsten hier verzichten
müssen; wir wollen nur erwähnen, daß er besonders her¬
vorragend an der Ausbildung der Knochen- und Gelenk¬
chirurgie beteiligt war, ein Teilgebiet der Chirurgie, auf dem er
in Deutschland als oberste- Autorität betrachtet wurde. Am be¬
kanntesten aber ist sein Name unter den deutschen Aerzten wohl
durch sein als Standard work geltendes großes Lehrbuch der
speziellen Chirurgie geworden, das seit seinem ersten Erschei¬
nen (1876) mehrere Auflagen erlebte.
Wien. Im Alter von 61 Jahren starb hierselbst der aus der
Schule Meynerts hervorgegangene Extraordinarius der
Psychiatrie Prof. Johann Fritsch. Er war seit 1880 Privat¬
dozent und seit 1893 außerordentlicher Professor. Am Wiener
Landgericht fungierte er als psychiatrischer Sachverständiger.
— Der Professor der Pharmakognosie Dr. Josef
M o e 11 e r ist vom Philadelphia College of Pharmacy zum
Ehrenmitglied ernannt worden.
Prag. Der Privatdozent der Gynäkologie Dr. W i 1 h e 1 m
F i s c h e I ist gestorben.
V. Amtliche Mitteilungen.
Personalia.
Preußen.
Auszeichnungen: Stern zum K ö n i g 1. Kronen-
Orden 2. Kl.: Marine-Generalarzt z. I). Eiste in Schöne-
| berg.
Roter Adler- Orden 4. Kl.: San.-Rat Dr. Weszkalnys
in Königsberg i. Pr.
Verantwortlich für den redaktionellen Teil: Dr. H. Lohnstein, Berlin W. 50, Tauentzienstraße 7a. für den Inseratou-Teil: Richard Hess, Berlin'
Verlag' von Oscar Cohlentz, Berlin W. MO. Maassenstraße 13 — Druck von Carl Marsch ner, Berlin SW, Ales.andrLnensfcraße 110
Allgemeine
,'y-d,tv
Dr. Th. Lohnstein
Dr. H. Lohnstein
BERLIN W
Ver lag der öligem einen jSlediGinisehen öbntr al-ZeitnGg.
; /-r / (Oscar Coblentz.)
(
Sach- und Namen-Register.
Die in dem Abschnitte „Tagesgeschichte“ enthaltenen Notizen sind, soweit sie nicht in besonderen Stichwörtern berücksichtigt sind, unter
den Sammel-Stichwörtern: Ehrengerichtswesen, Epidemieen, Gerichtliches, Heilanstalten, Krankenversicherungswesen, Kurpfuscher, Kur¬
pfuschertum, Medizinalgesetzgebung, Preise un'd Preisstiftungen, Sanitätswesen, Sozialmedizinische Bestrebungen, Standesangelegenheiten,
Stiftungen, Universitäts- und Unterrichtswesen, Vereine etc. aufzusuchen.
I. Sach-Register.
A
Abdominalorgane, Röntgendiagnose der
Lageveränderung der — 193.
Abdominaltyphus, Harninfektion b. — 415.
Abducenslähmung b. Otitis med. ac. 518.
Abführmittel „Aperitol“ 73.
— Einfluß der — auf die Verdauungs¬
bewegungen 268.
Abort, d. Indik. z. künstl. — als Schutz d.
intraut. Menschenlebens 141.
—, Miliartuberkulose i. Anschluß an — 244.
—, Pathogenese d. sept. —es 572.
Abortus, z. Behdlg. des habituellen — 382.
Acetonalkoliol i. d. Desinfektion d. Opera¬
tionsfeldes 117.
Acetonkörper 323.
Acetonurie b. Asthma bronch. 31.
Acetylsalicylsäure-Tabletten oder Aspirin-
Tabletten? 151.
Achylia gastrica 229.
Acid. arsenic., Einfluß auf Typhusbacillen
581.
Aciditätsbestimmung d. Magensaftes 302.
Acidose, diabetische — 318.
— . therapeut. Bewert, d. diabetischen —
297.
Acne necrotica s. varioliformis 671.
Addisonsche Krankheit u. angebor. Pul-
monalstenose etc. 200.
—. Untersuch, bei A. K. 339.
Adenoider Habitus, Fall v. a. H. 137.
Adenom d. Nabels 34.
Adenomyometritis. diffuse — 247.
Adenotom, ein neues — 123.
Aderlaß ein unentbehrl. Heilmittel i. d.
Medizin 192. 384.
— b. Kreislaufstörungen 439.
Adnexe, extraperiton, vagin. Exstirpat.
carcinomatöser — 234.
Adnexerkrankungen u. Appendicitis 121.
— in Beziehung zur Appendicitis 461.
—, operat. Bhdlg. entzündl. — 697.
Adoleszenz, Herzbeschwerden i. d. — 424.
Adrenalin als Antidot 130.
— u. Osteomalacie 504.
Aegypten, Klima etc. v. — 24.
—s Bedeutung f. d. Behdlg. d. Lungen¬
tuberkulose 423.
Aerztin. d. — im Hause 646:
Aerztliche Berufstätigkeit in juristischer
Beleuchtung 429.
— Kunst, Grenze d. —n — 688.
Aeskulap, der gekitzelte — 110.
Aetherrausch, über langdauernden — 297.
Aetherwellen, über Transthermie u. d. The¬
rapie mit — 410.
Aethylchlorid-Sauerstoff-Narkose 529.
Agglutination, Verhalten d. Darmbakterien
hinsichtlich d. — 52.
Agglutinatorisches Verhalten der Enteritis¬
bakterien 431.
Aktinomykose, Demonstr. einer isol. — d.
Speicheldrüse 316.
—, operiert. Fall v. Lungen— 589.
Aktinotherapie d. Hautjuckens 279.
Albuminurie, über einseitige orthotische —
467.
—, experimentell erzeugte —-n 25.
—, zur Frage d. orthot. — 171.
—, zur Kenntnis d. Obstipations— 456.
—. lordot. — mit urämischen Anfällen 500.
Algeoskopie, Diagnose d. Neuralgien durch
276.
Alkalische Salze b. stenokard. Anfällen 207.
Alkohol, analept. Wirkung d. —s 409.
— u. Blutdruck 491.
—-, Einfluß auf d. optisch. Bewußtsein 90.
- u. Jod zur Hautdesinfektion 324.
—% Rolle im Arbeiterhaushalt 533.
Alkoholdesinfektion 229.
— der Hände ohne vorheriges Seifen 425.
Alkoholeinspritzungen b. Neuralgien 276.
Alkohol-Händedesinfektion, vereinfachte
Methode d.-571.
Alkoholfreie Ersatzgetränke 490.
Alkoholische Getränke, Verausgabung für
-i. England 533.
— Polyneuritis 543.
—r Eifersuchtswahn 490.
Alkoholismus, Atrophie d. Hodens b. chron.
— 491.
—, z. Pathologie 527.
Allaitement mixte u. Brustkinder 513.
Allergie. Beiträge zum Studium d. kutanen
—n 693.
Alopecia tot. träum, m. Augenmuskelläh¬
mungen 63.
Alttuberkulin gegen d. chron. Tuberkulose
d. Kaninchens 642.
— Koch, Endotin, die isolierte spezif. Sub¬
stanz d. A. K. 714.
Aluminium. Verhalten d. —s i. Magen-
Darmkana.l 134.
Aluminiumsubacetat b. Gonorrhoe 582.
Alypin f. d. Zwecke d. Lokalanästhesie 646.
Alypinum nitricum als lokales Anästheti-
cum 461.
— — als ungiftiger Kokain-Ersatz b. d.
subkut. Hg-Therapie 254.
Amaurose, transitorische 693.
Amenorrhoe, Ovarin-Poehl bei — 673.
— u. tertiäre Syphilis 546.
Amidoantipyrin, zwei neue Abkömmlinge
d. —s 268.
Amidoazotoluolöl, Epithelwucherungen
d. Injektion v. — 324.
Amidoazotoluolsalbe i. d. Wundbehldg. 604.
Amme. Bedeutg. d. posit. Wassermannschen
Reaktion m. Frauenmilch f. d. Wahl d.
— 623.
Ainöben-Dysenterie, Behdlg. d. — 514.
Amylalkohol (Fuselöl), Nachweis v. — in
spirituös. Lösungen 157.
Anämie, Blutinjektionen b. schwerer —
425.
—. Blutregeneration bei — 316.
—, Entstehung u. Behdlg. d. sekundären
—n 302.
—. über experim. — durch Saponinsub¬
stanzen 316.
—, lokale — u. Hyperämie 247.
—, Magenmucosa b. perniziöser — 229.
—, Therapie d. —n. m. Nukleinverbindg. 100.
Anämische Atemstörungen 316.
Zustände, Bhdlg. —r — 17.
Anästhesie. Erfahrungen a. d, Lumbal—
426.
---, Erfolg m. Rückenmarksanästhesie b. La-
paromierten 95.
—, einfache Methode d. Venen— 626.
—, gegenwärtiger Stand d. Lumbal— 330.
—. Lumbal— 695.
■—. — m. Stovain-Billon 695.
—, neues Verfahren d. — durch Rhaclii-
stovainisierung 270.
Anästhesierung, Rachianästhesie z. —
sämtl. Körperregionen 103.
Anaesthetica, Methode, d. Wirkung d. Lo¬
kal— zu steigern 654.
Anaestheticum, Alypinum nitricum als lo¬
kales — 461.
Anaphylaxie, über — 416.
—, Wesen u. Bedeutung d. — 630.
Aneurysmen d. Hirnarterien 119.
Angina, abdominalis 256.
- pectoris,' Amylnitrit b.- 490.
— — u. ihre Beziehungen zum Darmtrak-
tus 30. 37. 43.
— u. chronische rezidivierende Parotitis 254.
Ankylosierte Hüftgelenke, Mobilisierung
—r — 18.
Anopheles-Mücke, Umfrage betr. — 521.
Antifermentbehdlg. eitriger ^Prozesse 615.
Antifermente im Säuglingsblut 109.
Antifermentinjektion b. akut-eitrigen Pro¬
zessen 40.
Antiforminmethode, neue Kombination d.
— 610.
— v. Uhlenhüth z. Nachw. v. Tuberkel¬
bacillen 498.
Antikörper, das Verhalten des Corpus cili¬
are b. —n 444.
Antimeristem, Mißerfolge mit — 175.
— Schmidt b. Carcinom 356.
Antistreptokokkenserum b. Streptokokken¬
sepsis 489.
—Bhdlg., Erfahrungen über — 329.
Antitoxin Höchst b. Tetanus 4.
Antitoxinwirkung, Mechanismus d. — b. d.
Heilung 417.
Antitrypsinbestimmung, Bedeutung d. —-
f. d. Gynäkologie 697.
IV
Antitrypsingehalt cl. Blutserums b. Geistes¬
kranken 3.
Anus, Atresie d. — 34.
—. Gefahren d, forciert. Dehnung d. —625.
Aorta, über Elastin-, Fett- u. Kalkgehalt
d. — 345.
—. Tabakrauch Wirkung auf d. — 73.
Aortenruptur b. Pyämie 245.
Aortensystem, z. Frage der sore.'. Hypo¬
plasie des —s 332.
Apepsia gastr., Harnpepsin als Kriter.
zwischen-u. Carcin, ventr. 653.
Aperitol als Abführmittel 73.
—. über das Abführmittel — 222.
Aphasie u. Aoraxie 701.
Aphrodisiacum* ..Puämambra“ 222.
Apomorphin. Antagonisten d. — s 543.
Appendektomie. Beschwerden nach — 217.
Appendicitis — 39.
— u. Adnexerkrankungen 121.
—, Anregung d. Peristaltik nach Laparo¬
tomie wegen — 426.
— in Beziehung zu Adnexerkrankungen u.
extrauterin. Gravidität 461.
—. chirurg. Behdlg. d. — 286.
— im Bruchsack 529.
—. Diagnose u. Therapie d. Frühstudiums
d. akut. — 286.
-—. epidem. Auftreten d. — 46.
— Fall v. Fistel 1». — 426.
. Fall v. — mit Ausgang von d. Ton¬
sillen 429.
—, Frühoperation b. — in soz. Hinsicht 216.
— im höherem Lebensalter 655.
—. wodurch setzen wir die Mortalität d.
herab ? 655.
— u. Myom 247.
—■. Rückblick auf 2000 Operationen wegen
— 51.
—, traumatische — 298.
Appendicitisfrage, zur — 120.
Appendix, Einfluß akuter chron. Ent¬
zündung d. — auf d. weibl. Genitale 287.
Appetitsfrühstück, Magensekretion u. Mo¬
tilität nach — 713.
Apraxie, über — 369.
— u. Aphasie 701.
Argent. nitric. u. Bolus alba als Streu¬
pulver b. Wundbehdlg. 576.
Arnethsches Blutbild u. Phagocytose 15t;.
Arnoldsche Reaktion 586.
Arsacetin. zur Beurteilung d. —s 232.
—. Nebenwirkungen d. —s 254.
Arsenausscheidung im Urin nach An¬
wendung d. Hata-Präparates 664.
Arsenbhdlg. organischer Nervenkrank¬
heiten 310.
Arsenobenzol b. Psoriasis u. Lichen ruber
581.
— b. Syphilis 540.
Arseuophenylglyzin in seinem Verhalten
zur. Wassermannsehen Reaktion 621.
Arsenpräparat v. Ehrlich-Hata z. Bhdlg. d.
Syphilis 275.
-b. Rekurrens 294.
Arsentherapie, d. moderne —■ 688.
Arsentriferrin. über — 482.
Arteria brachialis. Schußverletzung d. -
— 103.
— feraor.. erfolgreiche Naht d. zerrissenen
— r. 326.
— pulmonalis. kongenital. Defekt d.-
105.
Arteriennaht. Fall v. zirkulärer — 413.
Arteriosklerose. Bhdlg. d. —’ 596.
—. Genesis d. — 208.
—. Hydriatik d. — 115.
—. d. Myasthenie d. Herz- u.‘ Gefäßmusku¬
latur als Grundlage d. — 346.
— u. Nikotin 115.
•—■. Pankreon b. — 304.
Arterrosklerotiker. Prinzipien d. Bhdlg. v.
Oedemen b. —n 309.
Arteriosklerotische Blutdruckunterschiede
beim einzelnen Menschen 228.
Arthritis deformans cubiti, freie Gelenk¬
körper bei — — — 486.
— pimilenta genu, Drainage b. —- 325.
— urica. Fibrolysin b. — — 61.
Arznei-Ausschlag iiadi Gebrauch v. Hexa-
methylentetramin 485.
Arzneimittel, wichtigste — von 1909 187.
Asarum euron als G-oGivum 146.
Ascites-Punkt-ion, subserös. Hämotome d.
Dünndarms nach — —en 598.
Ascites tuberculosus, kochsalzarme Diät b.
- 294.
Asepsis, bakteriologische Bedeutung d.
Hautdrüsen bei d. 395.
Aseptik, Bedeutung der Nahttechnik für
die Wund— 426.
Aseptische Magen- u. Darmoperationen 570.
Askarisvergiftung 639.
Asphyxia neonat., Bekämpfungsmethoden
d. --50.
Aspirin-Tabletten, über — 124.
— oder Acetylsalioylsäure-Tabletten ? 151.
Asthenie, über — 172.
Asthma 387.
—. Atmungsgymnastik bei Bronchial— 423.
—. Beiträge z. — 53.
—, über endobronchiale Therapie b. — 373.
—. Glühlichtbhdlg. bei — 178.
—. Neu-Pyrenol b. — 102.
—. Röntgentherapie b. Bronchial— 367.
—, Stand d. Lehre von — 694.
Asthmabehldg.. Atmungsapparat z. - 134.
Asthma bronch. u. Azetonurie 31.
-, Bhdlg. d. 701.
-. Erfahrungen bei- 379.
-. physikal. Behdlg. d.- 373.
-, zur Therapie d 410.
Asthmatiker. Atropinwahnsinn b. einem —
412.
Asurol zur Bhdlg. d. Syphilis 652.
Atemstillstand, krisenartig auftretender —
b. Tabes 233.
Atemstörungeii. anämische — 316.
Atmungsschleier, der — 339.
Atem volumenmessung 178.
Atem Vorgänge i. Blut etc. 187.
Atmungsapparat z. Atmungsbhdlg. 134.
Atmosphäre, wechselnder Gehalt d. — an
Radiumemanation 370.
Atoxyl u. seine Derivate 658. 721.
Atresia ani 34.
Atropin b. Ileus 269.
Atropinwahnsinn b. einem Asthmatiker 412.
Auge, ätiolog. Bedeutung d. Syphilis u.
Tuberkulose bei Erkrankungen d. —s
683.
— Kalkverätzung d. —s m. nachfolg. Glau¬
kom 91.
—. Kontaktinfektion d. —s durch Impf¬
pusteln 253.
—. die Saug- u. Stautherapie am — 327.
—. ist Schutz d. —n vor ultraviolettem
Licht notwendig? 460.
—, serodiagnost. Untersuch, b. Syphilis u.
Tuberkulose d. —s 215.
—. Studien über immunisatorische Vor¬
gänge am — 443.
Augendiagnose, über d. v. d. Lehmpastor
Felke geübte — 19.
Augenentzündungen. Aetologie u. Prophy¬
laxe d. postoperat. — 91.
—, Eisensajödin i. d. — 683.
—, phlyktänuläre — u. Tuberkulose 708.
Augenheilkunde. Hämophilie i d. — 589.
—, Hydrargyrum jod. etc. i. d. — 285.
—. Serodiagnose d. Syphilis i. d. - 17.
Augenkrankheiten, Borsäure b. — 208.
—, Dionin b. — 244.
Augenleiden, Beziehung d. Tuberkulose zur
Syphilis b. — 17.
Augenmuskellähmungen b. Alopecia träum.
63. .
Augenoperationen. Sedativa bei — 470.
Augensymptome bei Erkrankungen d.
Stirnhöhle u. Siebbeinzellen 459.
Augenuntersuchung, Anleitung z. — 124.
Augenverletzung durch „Rasillit“ 285.
Austern. Mischinfektion mit Paratyphus-
u. Typhusbacillen durch — 322.
Automors u. Morbicid im Vergleich zu
älteren Desinfizientien 218.
b
Bacillus pyocyaneus i. d. Blase 18.
— faecalis alcaligenes, Pathogenität f. d.
Menschen 204.
Bact. coli coinmun. als Krankheitserreger
u. als Saprophyt 58.
— paratyphi, Fall v. Costochondralabsceß
mit — — 379.
Bad, über Wärmeregulation i. — 192.
Badehaus, Einrichtung d. —es d. moder¬
nen Klinik 178.
Badekur u. Körpergewicht 178.
Baktericide Wirkung d. diabet. Blut¬
serums auf Eitererreger 640.
Bäder bei Gelenkrheumatismus 68.
Bakterien, z. Differenzierung ähnlicher —
18.
—. Einfluß osmot. Strömungen auf Ent¬
wicklung d. — 47.
—. Resistenzunterschiede v. — innerhalb
u. außerhalb d. infiziert. Organismus 630.
Bakteriologisch-chemisches Prakticum 604.
Bakteriologische Untersuchungsanstalten i.
Bayern 563.
Baldrianpräparat „Gynoval“ 654.
Balneologie, d. — unter dem Einfluß Hufe¬
lands 208.
—, einige funktionelle diagnost. Methoden
d. — 150.
—, Zentralstelle f. — 521.
Balneotherapie d. Menstruationsstörungen
192.
Balsamica, Bhdlg. d. Trippers m. — 568.
— b. Gonorrhoe 281.
Bandwurm, Peritonitis durch — 695. .
—, Perityphlitis bedingt durch d. Glied
eines —s 230.
Bandwurmkur m. Filmaron 483.
—en m. Filmaron 547.
Bantische Krankheit, Beitrag z. B. K. 17.
380.
Basedowfälle. Ergebnisse histologischer u.
chemischer LTnters. b. —n 160 273.
Basedowsche Krankheit, Behdlg. d. B. K.
326.
— m. Röntgenstrahlen 411.
-Blutuntersuch. b. B. K. 216. 721.
-. Entstehung durch Jodverabreichung
273.
—, Fettstühle b. B. K. 288.
—, Lymphocytose b. B. K. 380.
-, operativ. Behdlg. d. B. Iv. 256.
-, Thymuspersistenz b. B. K. 274.
Bauchdeckennaht. Bemerkungen zur — u.
zum Bauchschnitt 301.
— u. Bruchnaht m. Steril-Katgut 298.
Bauchdeckenspannung, d. Ursachen d. —
468.
Bauchfelltuberkulose, Bhdlg. d. — 315.
Bauchnarbenhernien, die Ruptur \. — 382.
Bauchorgane, krit. Bemerk, zu Arbeiten
über d. Sensibl. d. — 442.
—. Vielgestaltigkeit der Lues d. - 366.
Bauchschnitt. Bemerkung, z. Bauchdecken-
naht ü. z. — 301.
Bauchverletzungen, subkutane — 708.
Bauch wand, über d. Hernien d. — seitlich
d. Mittellinie 396.
Bauchwassersucht. Bhdlg. m. Kollargol
410.
Becken. Bhdlg. d. engen —s 95.
—, kausale Bhdlg. einer Dystokie b. engem
— 697.
— . Reformen i. d. Therapie d. euren — s
312.
Beckenresektion wegen Sarkom 103.
Befruchtungsvorgang, ein seltener — 313.
Beinhautentzündung, eine eigenartige Form
v. — 325.
Belastung u. Entartung 332.
Bergkrankheit, Entstehen d. — 218.
Bewegungsvorgänge. Darstellung mittels
Röntgenstrahlen 700.
Bewußtlosigkeit, krisenartig auftr. — b.
Tabes 233.
Bibliothek, z. Frage d. Leihgebühren 133.
Bilharziakrankheit d. Harnblase 413.
Bindegewebs Verdauung, über — 288.
Bindehautentzündung, operat. Behdlg. d.
rezidivier. phyktänul. — 299.
Bindehautgonorrhoe, Maßregeln gegen d.
— d. Neugeb. 63.
Bioeitin als Unterstützungsmittel f. ambu-
lator. Tuberkulinkuren 451.
Biologisches Institut i. Frankfurt a. M. 84.
Bitterstoffe, über eine neue Wirkung d.
— 11.
Blase, eigenart. Vorkommen d. Bac. pyo-
cyan. i. d. — 18.
—. Reflexe auf d. — 34.
Blasenmolenfrage, Beitrag zur — 104.
Blasensteine. Diagnose u. Therapie d. —
beim Kinde 428.
Blasentuberkulose 696.
Blau sucht b. vier Generationen 582.
Bleivergiftung 706.
0
V
Bleivergiftung, Blutuntersuchung b. — 32.
—, seltene Lokalisation v. abgelagertem
Schwefelblei bei — 695.
Blennorrhoe. Blicllg. in. Blennolenicetsalbe
883.
Blennorrhoe neonat., Sophol z. Verhütung
von — — 618.
Blinddarmentzündung, über cxperiinent. —
287.
Blunksclie Blutgefäßklemme, ihre Ver¬
wendbarkeit 518,
Blut. Antifermente im Säuglings— 109.
—. Bestimmung d. Antifermentgehaltes d.
—es etc. 644.
—, Einfluß d. Seeklimas auf d. — 208.
—, über d. endothelialen Ursprung' d. mo¬
nonuklear. Zellen i. — 343.
—. Gerinnungsverhältnisse d. —es b. Hä¬
mophilie 157.
— i. d. Maserninkubation 207.
—. über das tryptische u.. antitryptische
Vermögen d. —es 586.
—. Viskosität, Hämoglobin- und Eiwei߬
gehalt d. kindl. —es 207.
Blutantherapie, landärztl. — 407.
Blutbefunde, cytolog. — b. Konstitutions-
krankh. i. Kindesalter 221.
Blutdruck u. Alkohol 491.
—. krit. Bemerk, z. klin. Messung d. —es
32.
—. prognost. Bedeut, d. —es b. Diphtherie
16.
—, die wahre Bedeut, d. sogen, maximalen
—es 410.
Blutdruckmessung, Verbesserungen am In¬
strumentarium f. d. — 345.
Blutdruckschwankungen, plötzliche — 721.
Blutdrucksteigerung, Aetiologie d. nephrit.
846.
Blutdruckunterschiede, arteriosklerotische
— beim einzelnen Menschen 228.
Blutegel, Haltbarkeit v. Mikroorganismen
u. Immunkörpern in —n 417.
Blutgerinnung u. Gelatine 483.
Blutinjektionen b. schweren Anämien 425.
Blutleere nach Momburg 188. 324.
—, schmerzlose Erzeugung künstl. — 301.
—. Technik d. — 75.
Blutregeneration etc. 187.
— bei Anämie 316.
Blutserum, Methode d. quantit. Bestim¬
mung d. Harnsäure im — 241.
Blutstillung mittels Blunkscher Blutgefä߬
klemme 518.
—. prophylakt. — b. Operationen 413.
Blutströmung u. tuberkulöser Prozeß 700.
Blutung, Aorten-Kompression b. — i. d.
Nachgeburtsperiode 49.
—. Versuche, d. oper. — zu vermeiden 118.
Blutungen, diagn. Bedeutung okkulter
Magen- u. Darm— 192.
— d. Haut b. Hysterie 310.
—, über Kropf-— 471. 612.
—. über lebensbedrohliche Magen- und
Duodenal— 173.
—. Ursachen der — d. Uterus : ; 46.
— des Uterus, Ursache u. Bhdlg. v. —
131. 132.
—. Verfahren zur frühzeitigen Diagnose d.
Lungen— 466.
Blutuntersuchung b. Bleivergiftung 32.
Blufuutersuchungen an anämischen u. ge¬
sunden Kindern 77.
— h. Morbus Basedowii 216.
Blutveränderungen bei Struma 667.
Blutviskosität. Beziehungen d. - zu den
Körperfunktionen 179.
Blutzählungen i. d. Hochkord illere v.
Quinza Cruz 218.
Bolus alb. u. Argent. nitric. als Streu¬
pulver b. Wundbehdlg. 576.
-b. Rhinitis ac. 68.
Bormelin i. d. Bhdlg. d. Ileufiebers 715.
Bornyval, Beobachtung über — 128.
Borsäure b. Augenkrankheiten 208.
Boykottierung e. Arztes 605.
Branntweinvergiftungen 157.
Brausan-Bä der 433.
Brechdurchfall d. Kinder 644.
Brille. Theorie d. Fernrohr— 573.
Brocasche Lehre. Kritik d. —n — 411.
Brom. Verdrängung von Chlor durch —
im Blute 543. .
Bromretention, Ursache d. — im Blute o43.
Bromural, e. neues Nervinum 58.
Bromural b. Seekrankheit 275.
— i. d. Zahnheilkunde 358.
Bronchialasthma, Atmungsgymnastik beim
— 423.
—, Gliililichtbhdlg. d. —s 178.
—. physikal. Bhdlg. d. —s 373.
—, Röntgentherapie b. — 367.
Bronchialdrüsen, chir. Tuberkulose d. —
482.
Bronchiolitis oblit. nach Diphtherie 214.
Bronchitis, über endobronchiale Therapie
b. - 373.
—. Röntgentherapie b. 367.
Bronchopneumonien. Bhdlg. schwerer —
d. frühen Kindesalters 421.
Bronehoscopia superior. Todesfall b. d. —
— 544.
Bronchus, Dyspnoe infolge eines Polypen
i. rechten — 682.
—. Studien über d. Chirurgie d. — 413.
Bronzediabetes 544. 597.
Bruch i. Bereich d. Fußwurzel 517.
operat. Bhdlg. d. kindl. Leisten—es 413.
Bruchkomplikationen d. Fremdkörper 457
Bruchnaht m. Sterilkagut 298.
Bruchsack, Appendicitis im — 529.
—, Darmverletzungen im — 503.
Brustdrüse. Leistungsfähigkeit d. mensch¬
lichen — 470.
Brustemährung u tuberkul. Meningitis 254.
Brustkinder u. Allaitement mixte 513.
Brustumschläge, Wirkungen u. Neben¬
wirkungen v. —n 338.
Bügeln. Desinfektionskraft d. —s 182.
Bulbärpa’ 'lyse. Fall v. Pseudo— durch
Schußve detzung 441.
c
Calcium, z. Physiol. u. Pharmakol. des —32.
— u. Spasmophilie 146.
Callusbildung durch Fibrin 316.
Calomol. Beeinflussung der Fäces durch
— 311.
Cammidge-Reaktion, ihr Wert bei Pan¬
kreaserkrank. 411.
Cancroid d. Haut d. linken Wange 136.
— d. Ohrmuschel 245.
Caneroidin s. Kankroidin.
Carbenzym. über — 144.
— b. tuberkul. Affektionen 145.
Careinom behandelt mit Animeristem
Schmidt 356.
— d. Dickdarms 571.
—. Entstehung d. Röntgen—s 598.
—, die entzündl. Pseudo—e d. Wurmfort¬
satzes 457.
— d. Haut nach Trauma 187.
—. Magenpräparat in. — 37.
— des Oberkiefers, Demonstration geheil¬
ter Fälle v.-— 236.
— d. Penis, Kasuistisches 127.
— d. Bektums, die sacrale Vorlagerungs¬
methode beim —• — — 326.
—, Spätrezidive d. Uterus-—s 590.
— d. Wurmfortsatzes 287. 327.
—. Zinkopyringaze b. Uterus— 159.
Carcinoma laryngis, Fall v. — — 136.
— - pylori 136.
— recti 136.
— tonsillae 344.
— u. Ulcus ventriculi. zur klinischen Diffe¬
rentialdiagnose ders. 327.
— ventriculi. Bedeutung d. Oelsäure f. d.
Diagnose d. — — 614.
—, Harnpepsin b. — 653.
Carcinomatöser Pförns, extraperiton. vagin.
Exstirpation 234
Care i n o md eba 11 e 108. ^
Carcinommetasta um im Gehirn 394.
Cardiospasmus. Bhdlg. d. — 37. 288.
-. z. Therapie d. — 1.
Cerebrale Arteriosklerosen. Initialerschei¬
nungen d. —n — 83.
Cervicalkatarrhe, Behdlg. v. Uterus-
blutungen u. —n 132.
Charite, histor. Ausstllg. i. d. — '435.
—, 200-Jahrfeier d. — 238.
Chemotherapeutische Versuche bei Typhus
430.
Chemotherapie, allgemeine — 274.
. Beitr. z. experim. Pathologie u. — 318.
—. d.‘ Spirillosen 274.
— bei Syphilis 430.
Chilisalpetervergiftung und Spektroskop.
Nactiw. d. .Nitrits im Blute 543.
Chinin gegen Keuchhusten 249.
— u. Krebs 104.
Chinin-Tod. über — 31.
Chininbhdlg. d. Pemphigus 144.
Chininpräparate i. d. Kinderpraxis 338.
— b. Syphilis 105.
Chlamydozoen, Referat über — 430.
Chlor. Verdrängung von durch Brom im
Blute 543.
Chloralhydrat als Desodorans 68.
(’hloroformmißbrauch, habitueller — 501.
Chloroformwirkung unter d. Einfluß v. im
Blute zirkulierenden Fett 665. ,
Chlorose. Untersuchungen über — 466.
('hounalatresie, Fall v. — 115.
Cholagoga. Beeinflussung d. Gallensekre-
tion durch neuere — 101.
Cholecystits ac. gangraen. 344.
Cholelithiasis, Cholecystitis acut, gan¬
graen 344.
—■. Gelodurat-Kombinationspräparate gegen
— 635.
Cholera, Theraiiie d. 24.
Choleravibrionen. ihr Durchdringungs¬
vermögen durch d. Darmwand 514.
Cholestearin als Heilmittel b. Schwarz¬
wasserfieber 199.
Cholesteatom, z. Pathogenese d. sekundär.
—s 400.
—. spont. Entleerung eines s in d. Ge-
hörgang 245.
Chondrodystrophischer Zwerg 588.
‘Chondrome d. Ellenbogengelenks 588.
Chorea, einige seltene Fälle von chron. —
467.
—. geheilt durch Sabromin 519.
— als Indikat. zur Unterbrechung d.
Sch w an g e r s c 1 i a f t 685.
Cliorioepithelioni. Pathol. u. Therapie d.
malign. —s 191.
Chvosteksches Phänomen 78.
Chylurie. die nichtparasitäre — 381.
Chyluscysten, über — 382.
Cirrhosis hepat., diuret. Wirkung d. Na¬
trium nucleinc. b. — — 302.
Clavus, Bhdlg. m. Kohlensäureschnee
324.
Claudicatio intermittens 302.
Coecältuberkulose. Kasuistisches 571.
Coecum. habituelle Torsion d. mobil. — 242.
— mobile. Nachw. m. Röntgenstrahlen 502.
Colibakterien, zur Bewertung d. — im
Wasser 444.
Collargoltherapie bei puerperaler Sepsis
etc. 114.
— b. tuberkul. Mischinfektionen 82.
Collumerweiterung, rasche — zur Beendi¬
gung d. Geburt 107.
Collumkrebs, Dauerresultate b. — 108.
Colon, normale Peristaltik d. — 62.
, Stenosen d. -s durch Knickungen 275.
Commotio cerebri u. Rindenblindheit * 28.
Congenitale Hauteinstülpungen 18.
Coniuuctiva. Therapie d. Tuberkulose d. —
244.
Conjunctivale Xerosis, Bhdlg. d. - -n — 119.
Conjunctivalprobe. Tuberkulinvaseline zur
Anstellung d. — 3.
Conjunctivitis, metastatische — bei Go-
norrhoikern 470.
Cornea, Dystrophia epithelialis. —e 709.
—. über die Regeneration d. Epithels d.
— 459.
Corpus ciliare. Verhalten des-- zu Anti¬
körpern 444. ,
Coryfin, ein reizloses Mentholderivat 201.
— i. d. Rhino-Laryngologie 502.
— gegen Schnupfen 663.
Crises noires, zur Kenntnis d.-- 218.
Cucullaris-Lähmung u. Sklerodermie 64.
C'vsten. z. Pathogenese d. Zahnwurzel—
20 .
—, d. solitär. — d. lang. Röhrenknoch. 598.
(’ystitis dolorosa 48.
D
Dänisches Reichshospital in Kopenhagen
548.
Dammschutz. Mechanik des Austrittes d.
kindl. Schädels u. — 681.
Darm. Verhalten d. Säurebildung i. Säug¬
lings— 109. ,
Darmbakterien hinsichtlich d. Agglutina¬
tion 52.
I
VI
Darmblutungen, diagn. Bedeutung okkulter
— 192.
Darmeinklemmung im Leisten- resp.
Schenkelringe 145.
Darmgaseableiter 666.
Darmkatarrh, zur Bhdlg. des chron. —s
kleiner Kinder 490.
Darmoperation. Technik d. aspetischen —
261.
Darmoperationen, aseptische — 570.
Darmpneumatose 488.
Darmstenosen. Ursache einiger — 173.
Därmtuberkulose, Diagnose ders. 186.
Darmverletzungen im Brustsack 503.
Darmverschluß u. Darmparalyse, ein¬
schließlich Peritonitis 680.
—. diagn. Bedeutung metall. kling. Darm-
geräusche f. d. — 204.
—, hysterischer u. spastischer — 283.
Daumen, Hyperphalangie d. —s 530.
Daumenschere, operat. Bhdlg. der — 355.
Degeneration, die Quellen d. — 319.
Delirium trem. behandelt m. Veronal 228.
— —. Verminderung d. Fälle v. — — 533.
Dementia praecox 344.
Demodex in Beziehung zur Entwicklung
v. Brustkrebsen 218.
Denkmal u. Finsen 548; Gussenbauer 632;
G. v. Liebig 419; Lombroso 153; Noth¬
nagel 660; W. Roser 491; R. Virchow
390; G. Zander 548.
Dermatosen, Bhdlg. d. juckenden — 723.
—, zur Diagnose u. Therapie d. Stauungs—
481.
Dermatologische Vorträge f. Praktiker 631.
Dermoidcysten, retroperitoneale — 598.
Desinfektion m. Alkohol u. m. Jodtinktur
229.
—-, d. Grossichsche Methode d. Haut— 368.
— d. Hände mit Alkohol ohne vorheriges
Seifen 425.
— d. Haut n. Grossich 695.
-mit Jodtinktur 119. 202. 412.
-— m. Alkohol u. Jod 324.
— m. Joddampf 269.
—, zur Jodtinktur— nach Grossich 468.
—, ein Nachteil der Jodbenzin— 695.
—. üb. modern. Raum—- 408.
—, zur Theorie d. — 416.
—. vereinfachte Methode der Alkohol-
Hände— 571.
—, Vereinfachung der Haut— 502.
— d. Wohnung bei Tuberkulose 423.
Desmoidreaktion, Brauchbarkeit in Klinik
und Praxis 515.
Desodorans, Chloralhydrat als — 68.
Diabetische Acidose 318.
Diabetes, über Bronze— 544. 597.
—. z. Frage des Nieren-— 411.
— Infektionsfähigkeit d. Auges bei — 640.
— insipidus. 209.
— —, Aetiologie d. D. i. 102.
—. Kausaltherapie bei — 425.
—, Lipämie bei — 657. 670.
- mel.. z. Aetiologie u. Therapie 24.
-u. seine Bhdlg. 618.
-, Bhdlg. d.-m. Zuelzers Pan-
kreashormen 61.
— —. Fall von Heilung 269.
- —, als Indikat. zur Unterbrechung d.
Schwangerschaft 685.
-. z. medikament. Bhdlg. d.- 354.
— -, neue f Theorie d.--*24.
-, Wesen u. Bhdlg. d. D. m. 289.
—. Verlauf d. experiment. — bei phosphor¬
vergifteten Tieren 331.
Diabetische Acidose, therapeut. Bewertung
d. —n — 297.
—s Blutserum, baktericide Wirkung d. —n
—s auf Eitererreger 640.
Diätverordiiungen. Nahrungsmittel-Tabelle
zur Aufstellung v. — 547.
Diaphysäre Kontinuitätstrennungen: Be¬
handlung 665.
Diarrhoe, Pathologie u. Ther. d. nervös.
- 205.
Diaspirin. diaphoret. Wirkung d. s 255.
—- als Schwitzmittel 383.
Diastasepräparate. u. .Kohlehydratverdau¬
ung 500.
Diathermie u. HochfreQuenzströme 713.
—, über Operationen m. d. elektr. Licht¬
bogen u. — 299.
Dickdarra, Resorption etc. v. Zucker i. —
24.
Dickdarmcarcinom: Diagnose u. Bhdlg. 571.
Didelphie beim Menschen 146.
Differenztöne, über — höherer Ordnung
374.
Digipuratum, Erfahrungen m. — 466.
— bei kardialem Hydrops 466.
—Knoll 611.
—. Prüfung d. Wirkungsstärke des — 354.
Digistrophan, ein neues Kardiacum 380.
Digitalis gegen Nasenbluten 694.
Digitalistherapie, Beitrag zur — 569.
Dionin. über d. Anwendung v. — 473.
Dioninbhdlg. b. Augenerkrankungen 244.
Dioxydiamidoarsenobenzol, Arbeiten über
— 495. 496. 497. 512. 526. 540. 541.
— b. Syphilis 414.
Diphtherie. Bhdlg. d. — 214.
—,-in. Serum 184.
—. Blutdruck b. — 16.
—. Bronchiolitis oblit. nach — 214.
—. intravenöse Injektion d. Heilserums b.
— 568.
—. Serumbohldg. d. — 60.
Diphtheriebacillus. Beitrag zum Formen¬
kreis d. — 430.
Diphtheriebacillen, Vereinfachung d. Neis-
serschen Färbung der —- 308.
Diphtheriegift u. Röntgenstrahlen 59.
Diphtherieimmunität 672.
Diphtherische Larynxstenose. Fortschritte
d. Intubationr.bhldg. d. —n — 294.
Diplokokkenepidemie, influenzaähnl. — 2.
Diplophonie, Fall v. willkürlich erzeugter
— 699
Diplosal, experim. Beobachtungen m. — 483.
—. ein neues Salicvlpräp. 61. 74.
Diuretin bei kardialem Hydrops 466.
Diuretische Wirkung d. Fibrolysius 386.
Douglasscher Raum. Krebsmetastasen im
—n — 697.
Dünndarm, Fall v. spontan. Ausschaltung
einer —Schlinge etc. 598.
—. subseröse Hämatome d. —s nach As-
cites-Punktionen 598.
Dünndarm Perforation d. Kirschkern 188.
Duodenalblutungen, über lebensbedrohliche
— 173.
Duodenal-Eimerchen. über — 218.
Duodenalgeschwür. Diagnose d. —e 529.
Duodenalgeschwüre. Erkennung u. Bhdlg.
der nicht perforierten — 487.
Duodenalröhre, eine — 410.
Duodenalulcys, Diagnose u. Bhdlg. des
nicht perfor. — 311.
—, Diagnose u. Therapie d. — 614.
Duodenum, subkut. Rupturen d. — 159.
Duraplastik, Erfahrungen über — 248.
Duraspannung bei d. Geburt i. ihrer Be¬
deutung für chron. Gehirnerkrankungen
681.
Durstfieber, zwei Fälle von — 105.
— b. Säuglingen 351.
Duschmassage b. Gehirn- u. Rückenmarks¬
erkrankungen 193.
Dysbasia angiosclerotic. 654.
Dyspnoe infolge eines Polypen i. rechten
Bronchus 682.
Dysenterie, Bhdlg. d..Amöben— 514.
—. z. Epidemiologie u. Bakteriologie d.
Pseudo—n 437.
Dysenterietoxin, das — 431.
Dysmenorrhoe u. Tuberkulose 282.
Dyspepsie i. d. ersten Lebenstagen 199.
Dystokie, kausal. Bhdlg. einer — b. engem
Becken 697.
Dystrophia epithelialis corneae 709.
— muscul. progr. 356.
E
Eglatol, lieber — 321.
Ehe u. Paralyse 441.
— u. Tabes 441.
Ehrengerichtswesen:
Ehrengerichtliches aus Preußen: Rhein¬
provinz 375; Brandenburg 533;
Entscheidungen des preußischen Ehren¬
gerichtshofs 152. 160. 180. 674. 688. 701.
716. 724;
Sächs. Ehrengerichtshofsentscheidung
betr. Geschenkgebung a. Patienten 41.
Ehrlich-Hata 606: 566. 579. 580. 5,93. 594.
602. 607. 615. 692. 699. 705. 710. 720. 721.
-sches Mittel b. Syphilis 446. 465. 472.
479. 480.
-Präparat 495. 496. 497. 512. 526. 540.
541. 621. 622. 627. 62$. 629, 637. 638. 652.
664. 671. 678.
-s Syphilismittel 647.
Eier. Größenzunahme d. — m. d. Alter d.
Mutter 176.
Eifersuchtswahn, alkoholischer — 490.
Einidation u. Placentation 120.
Eisbeutel, etwas über d. — 313.
Eisensajodin 569. 597.
-- i. d. Augenheilkunde 683.
— in seiner rhino-laryngöl. Verwendung
683.
Eisentherapie, zur — 89.
Eitererreger, baktericide Wirkung d.
diabet. Blutserums auf — 640.
Eiterungen, Wismutpaste b. chron. — 545.
Eitrige Prozesse. Antifermentbhdlg. —r —
615.
Eiweiß im Harn, neue Proben 186.
—. serol. Differenzierungen v. Harn— 714.
— im Urin v. Säuglingen 364.
Eiweißbestimmungen, über quantitave -
nach Tsuchiya 456.
Eiweißforschung, neuere Fortschritte der
— 618 .
Eiweißmilch. Indikationsgebiet d. — 369.
— b. magendarmkranken Säuglingen 359.
Eiweißreaktion, eine — im Blute Geistes¬
kranker 340.
Eklampsie. Aetiologie d. — 585.
—. Gefahren d. subkut. Kochsalzinfusion b.
— 146.
—•. Nierendekansulation b. — 34. 119. 357
—, Nierenentkapselung b. puerperaler
— 368.
Eklamptische Oligurie, über — — 368.
Ekthyma u. Lymphangitis u. deren Bhdlg.
in. Ichthyol 30N.
Ektropium des Oberlids 244.
Ekzem, Stoffwechsel b. Säuglings—- 644 t
—. Therapie d. —s d. Kinder 88.
-— Säuglings—s 672.
Ekzematöse Hornhautentzündung. zur
operat. Bhdlg. d. rezidivier. —n — 444.
Ekzemtherapie 572.
Elasto-Massage, eine neue Massage-Me¬
thode 484.
Elektrischer Lichtbogen, über Operationen
^ m. d. —n — 299.
Elektrochemischer Betrieb d. Organismen
etc. 716.
Elektrokardiogramm, über d. — 147.
—. d. experiment. Grundlagen. —s 134.148.
Elephantiasis gingivao 369.
Ellbogengelenk, Arthrotomie b. Luxation
d. —e 66.
—, Chondrom d. —s 588.
Embolie. Thrombo-Embolie: exper. Stu¬
dien 571.
Emmenagogum „Methylhydrastimid“ 246.
Emphysem der Lungen, zur Pathogenese
373.
—, Neu-Pyrenol b. — 102.
Emphysema bullosum intestinale 488.
Emphysemfrage, zur — 379. 1
Empyema pleurae 199.
Endocarditis. Nierenaffektionen b. — 322.
—, lenta 322.
Endometritis 192.
Endotin, die isolierte spezif. Substanz d.
Alttuberkulins 714.
Entartung u. Belastung 332.
Entartungsreaktion, ein neues Symptom d.
elektr. — 317.
Entbindung, über wiederholte suprasym¬
physäre — 235.
Enteritis, kolloidchemische Betrachtungen
ü. d. — d. Säuglinge 123.
Enteritisbakterien, das ■ agglutinatorische
Verhalten d. — 431.
Entfettung, Stellung d. Karelischen Milch¬
kur b. d. — 179.
— durch vegetar. Diät 11.
Entfettungsdiät. Indikation vegetar. — 241.
Entfettungskuren 144.
—, Wasserhaushalt b. — 216.
Entzündung parenchymatöser Organe 32.
Enuresis, über — 5.
— noct.. Bezieh, zur Spina bif. 583.
Epheu. hautreizende Wirkung v. — 130.
Epicondylitis humeri 145.
Epicondylus humen, Periostitis am — —
230.
Epidemieen, Nachrichten über —:
Cholera 436. 450. 478. 49ß. 508. 521. 536.
549. 563. 634; Diphtherie 42. 348; Fleisch¬
vergiftung 125; Genickstarre 250. 264.
563; Lepra 306. 493; Malaria 661;
Pellagra 98. 194. -320: Pest 493. 536;
*
r
VII
Schlafkrankheit 14; Tollwut 563: Typhus
194.
Epididymitis gonorrh. u. ihre Bhdlg. 568.
-, Punktionsbhdlg. d. E. g. 680.
Epilepsie. Bhdlg. d. nicht traumät. u. d.
traumat. Formen d. — 220.
—. Dauererfolge d. operat. Bhdlg. b. Jack¬
sonscher — 412.
—, Erstickungsanfälle b. — 90.
—, z. operat. Bhdlg. d. — 116.
—, operat. Erfahrung, b. Jacksonscher — 77.
— u. Veronal 187.
—. Verwendung d. Kochsalzes b. — 412.
Epilepsiebhdlg., ambulante — 200.
Epileptiker, Röntgenuntersuch, d. Schädels
b. —n 90.
Epiphora, über eine seltene rhinologische
Ursache von — 470.
Epiploitis. Ursachen d. — cliron. 66.
Epithelkörper, die chir. Bed. der — 10.
Epithelkörperchen u. Mors subita infantum
. 665 -
Epithelkörperchenuntersuchungen bei Kin¬
dern 645.
Epithelwachstum. Wirkung des Scharlach
R auf d. — 395.
Epithelwucherungen, z. Erzeugung aty¬
pischer — 384.
—, durch Injektion v. Scharlachrot etc. 324.
Epityphlit. Schmerzen u. Lungenentzün¬
dungen 62.
Erblindung nach Genuß v. verfälschtem
Kinderbalsam 47.
Ergograph zum Nachweis v. Paresen 242.
Ergotinwirkung. z. Kapitel d. unerwünsch¬
ten — 490.
Ergrauen, plötzliches — d. Haupthaars 531.
Ernährung, über d. Ansatz b. natürl. und
künstl. — 122.
—. Bedeut, d. Molkenreduktion f. d. — jun-
gpr Säuglinge 79.
—, Brust— u. tuberkulöse Meningitis 254.
—, künstl. — v. Neugeborenen 234.
—- u. Nahrungsmittel 605.
— d. Säuglings 350.
— — — u. Säuglingsstoffwechsel 319.
—. Speisezettel f diätet. ■— 139.
—, zur Theorie d. Säuglings—' 109.
Ernährungsneurosen im frühen Kindesalter
672.
Ernährungstörungen, Bedeutung d. Mi¬
neralsalze b. — d. Säuglings 81.
— d. Kinder 643.
Ernährungsversuche m. konserv. Frauen¬
milch 123.
— mit künstl. Milchserum nach Frieden¬
thal 643.
Ernährungstherapie. Grundzüge d. — 54.
Erreur de sexe. zwei Fälle v.- 247.
Erstgeburt, Genitalprolaps eine Folge d.
spät. — 160.
Erstickungsanfälle b. Epilepsie 90.
Erstickungsleukocytose 600.
Erysipel. Stauungshyperämie b. — 74.
Essigsäureprobe, zur Unterscheidung d.
Exsudate u. Transsudate 156.
Eugallol. neue Verwendung von — auf
Schleimhäuten 427.
Eulatin, ein neues Keuchhustenmittel 375.
Eumenol. Erfahrungen m. — 151.
Exanthem, Typhusepidemie mit initial, hä-
morrhag. — 254.
Exophthalmus durch kräftiges Schnauben
nach Siebbeinoperation 245.
—,Hornhauterkrankung b. Morb. Basedowii
mit — 709.
Exsudate, Proteinsäuren i. —n 24.
— u. Transudate, Essigsäure z. Unterschei¬
dung d. — — — 156.
Extension b. d. Bhdlg. gewisser Nerven-
affektionen 547.
Extensionsbhdlg. d. Unterschonkelfraktu-
ren 297.
Extrauteringravidität. Durchbruch n. d.
Mastdarm 626.
Extremität, ein neues Meßinstrument f.
—en 442.
Extremitäten, Demonstration z. Verlänge¬
rung verkürzter — 315.
F
Facialislähmung., zur kosmet. Bhdlg. d. —
138. ' ' 10
—,-nach Busch 625.
Fermentwirkung, über — 40.
Fäces. Bakterienmenge der — u. ihre Be¬
einflussung durch Calomel etc. 311.
—■. Bestimmung d. Fermentgehaltes d. —
etc. bei Dünndarmprozessen d. Kinder
644.
Farbenfabriken, Pharmazeut. Produkte d.
— i. Elberfeld 166.
Feolathan. Untersuchungen über d. Re¬
sorbierbarkeit des — 391.
Ferment- u. Radiofermenttherapie 342.
Fermentwirkung, über — 40.
i. Krebsorganen 193.
Fermocyl-Tabletten, über-40.
— b. Diabetes 236. 289.
Ferseneuralgie, Geschichte d. — 325.
Fett, im Blute zirkulierendes — in seinem
Einfluß auf die Chloroformwirkung 665.
Fette, Feststellung d. Unterscheidungs¬
merkmale der — der Schlachttiere etc.
19.
Fettleibigkeit. Therapie d. — 201.
Fettresorption, die Beteiligung der Leber
a. d. — 10.
Fettsäuren, über d. Abbau d. — 318.
—:. — — v. — u. die gegens. Bezieh, d.
Azetonkörper 323.
— i. d. Leber b. gelber Atrophie u. Phos¬
phorvergiftung 570.
Fettstühle b. Basedowscher Krankheit 288.
Fetttransplantation 588.
Fibrin, Callusbildung durch — 316.
Fibrolysin i. Bezieh, z. Gelenkerkrankung.
257.
—, diuretische Wirkung d. —s 386.
— b. Frauenleiden 358.
— b. Harnröhrenstriktur 258.
Fibrolysinan Wendung, Kontraindikationen
d. — 172.
Fibrolysinbehdlg. b. Myositis ossfic. 589.
Fibrolysininjektionen b. Arthritis urica 61.
Fibrom, multiple Haut—-e 271.
—, Pankreas — 104.
—, Radiotherapie d. —e 80.
Fibromyom. Mammin-Poehl b. — u. Ent¬
zündungen d. Gebärmutter 217.
Fibromyomata uteri u. harnsaure Diathese
24.
Fieber durch Durst 105.
—. Erfolge d. Uterusspülungen bei — im
Wochenbett 447.
— b. Säuglingen durch Durst 351.
Fieberhafte Erkrankungen, Bhdlg. —r —
53.
Fieberuntersuchungen 574.
Filariaerkrankungen, Heilung d. Ehrlich-
Hata 720.
Filmaron gegen Bandwurm 547.
—. Bandwurmkur m. — 483.
Finsenlicht bei Lupusbhdlg. 455.
Fistel, Bhdlg. d. —n mit Beckscher Wis-
muthsalbe 625.
—. Fall v. — b. Appendicitis 426.
Fistelsymptom. Mechanik des —s 417.
—, postoperative Labyrinthitis und Ver¬
hütung derselben 417.
Flagellatenbefund. Bedeutung des —es im
Magen 368.
Fleisch, Bakteriengehalt des — gesunder
Schlachttiere 431.
Fleischvergiftung, bedingt durch den Bac.
enteritidis Gärtner 422.
—. Psychose nach —• 283.
Fleischvergiftungserreger 595.
Fleisch waren. Pathogenität x. in gesund
aussehenden — nachgewies. Bakterien
422.
Flexura sigmoidea, Erkrankungen d.-
505.
-u. weibl. Genitaltractus 247.
Fliegen u. Vaccine 267.
Foerstersche Operation, Technik d. —n —
175.
-bei d. spast. Paralyse 469.
-spast. Zuständen 235.
Fötalkreislauf, zum — 246.
Fortbildung, Jahreskurse f. ärztl. — 152.
262. 375. 433. 474. 548. 631. 673.
Fossa iliaca int., Geschwülste d. — — —
312.
Frakturbhdlg., Leistungsfähigkeit d. Nagel¬
extension i. d.. — 118.
—- nach Steinmann u. nach Zuppinger 62.
Frakturen, Bhldg. d. Radius- u. Malle-
olen— 587.
—. Erfahrungen über Knochennähte b. —
315.
Frakturen, Extensionsbhdlg. d. Unter¬
schenkel— 297.
Franklinisation, therap. Anwendung der
Intensiv— 192.
Frauenkrankheiten. Lehrb. d. — 401.
Frauenleiden, Fibrolysin b. — 358.
—, Schmerzstillung b. — 75.
Frauenmilch. Bedeutung d. posit. Wasser-
mannschen Reaktion m. — f. d. Wahl
einer Amme 623.
Frauenpraxis, Styptol i. d. — 469.
Fremdkörper im Bruchdarm als Ursache
schwerer Komplikationen 457.
— aus Luft- und Speisewegen 670.
—. operat. Entfernung v. —n aus d. Magen
63.
— i. d. Speiseröhre 613.
Freundsche Operation, ii. d. anatomische
Grundlage f. d. Indikation d. —n — 273.
Frucht, künstl. Frühgeburt b. habit. Ab¬
sterben d. — 530.
Fruchtabtreibung in. Asarum europ. 146.
—, Protest gegen — 141.
Fruchtbarkeit, Verhältnis d. Myoms z. —
79.
Fürsorgewesen 646.
Fulguration im Dienste der Gynäkologie
357.
Funiculus spermaticus, Resektion des-
12.
Furunkel, Bhdlg. d. malign. Gesichts—
258.
— Ichthyolglycerin b. Bhdlg. d. —s i. Ge¬
hörgang 123.
—, konservat. Bhdlg. d. Gesichts— 501.
Fuselöl, Verfahren z. Nachweis v. — in
spiritiösen Lösungen 157.
Fußerkrankungen, Mastix verbände b. —
315.
Fußgangrän, Exarticulatio 588.
Fußwurzelbrüche 517.
G
Gärtnerscher Bacillus, Fleischvergiftung,
bedingt durch d.- 422.
Gallenblase. Demonstration einer exstier-
pierten — 137.
Gallenblasenperitonitis, experiinent. Unter¬
suchung zur — 301.
Gallenbronchus-Fistel 382.
Gallenfistel u. Osteoporose 301.
Gallensekretion, Beeinflussung d. — durch
neueren Colagoga 101.
Gallenstein, Demonstration eines 49 g
schweren —es 137.
Gallensteine, Bhdlg. d. — 293.
Ganglion Gasseri, Technik d. Injektionen i.
d.- 653.
Gangrän, z. Bhdlg. d. venös. Stase u. dro¬
henden — 329.
—, Exarticulatio pcdis wegen — 588.
—. Intubulation der Art. fern. i. d. Vena
fern. b. — 57.
— b. Jugendlichen 583.
—, Therapie d. Finger—- b. Raynaudscher
Krankheit 62.
Gangstockung, die — 302.
Gastrektasie, Abknickung des Pylorus m.
— 136.
Gastrische Krisen, operat. Bhdlg. —r —
326.
Gastroenterostomie, über d. Ulcus pepti-
cum nach — 487.
—, Wirkungsarten u. Indikationen d. —
696.
Gastroskop, Demonstration eines Magen¬
tumors im — 698.
Gastroptose 160.
— u. Gastrektasie m. Abknickung d. Py¬
lorus 136.
Gastroskopie 656.
—. über — mit Lichtbildern 302.
Gastroskopische Bilder des Mageninnern
261.
Gaumenmandel, zur Frage d. vollständigen
Entfernung der —n 459.
Gaumenspaltoperationen, Erfahrungen b.
— 4.
Gebärmutter, Mammin-Poehl b. chron. Ent¬
zündungen d. — 217.
VIII
Geburt, Beendigung durch rasche Erweite¬
rung d. Collum ut. 95.
- , Früh auf stehen u. — 586.
—. Gefäßverschluß nach d. — 177.
- . Gehirnerkrankung durch Duraspannung
bei d. — 681.
—, Kindersterblichkeit unter d. — 246.
- d. Myom während d. 80.
—. rasche Collumerweiterung z. Beendi¬
gung d. — 107.
—, Schmerzlinderung i. d. — durch d.
Stoeckelsche. Methode 132.
—. Tentoriumzerreißungen bei d. — 681.
—. Zerreißung d. hintern Scheidewand
während d. — 91. 204.
Geburtsakt. spontane Uterus- u. Blasen¬
ruptur während d. -—es 669.
Geburtshelfer, die „Hand“ als Instrument
d. —s 446.
Geburtshülfe, d. neue — u. d. praktische
Arzt 547.
Geburtshilfliches Instrument, neues — —
531.
Geburtsstörungen d. Ovarientumoren 76. _
Gefäßchirurgie,' Beiträge zur — 382. 585.
—. Fortschritte i. d. — 50.
—, syphil. Erkrankungen d. großen -— 146.
Gefäße, Rolle d. — b. inneren Krankh. 22.
Gefäßnaht, experiment. Beitrag z. — 248.
Gefäßverschluß post partum 177.
Gehirn, über Carcinommetastasen i. — 394.
—. Meningitis cystica des —s 174.
Gehirnerkrankungen durch Duraspannung
bei d. Geburt 681.
Gehirnerkrankungen, Duschmassage b. —
19-
Gehiriifunktiouen, Lokalisation d. — 600.
Gehirngefäße u. Netzhautgefäßerkrankung.
714.
Gehirnfunktionen. Lokalisation d. en 600.
Gehirnoperationen. Bericht über 22 — mit¬
tels Balkenstichs 104.
Gehirnvolumen, Versuch über d. Beein¬
flussung d. —s durch Arzneimittel 482.
Gehör, über Störung des musikal. —s 246.
Gehörgang, Chondrom d. —es 659.
Gehörgang. Ichthyolglycerin b. Blidlg. d.
Furunkels i. — 123.
—. spontane Entleerung eines Cholestea¬
toms i. d. — 245.
Gehörorgan. Physiologie d. Schallaus¬
lösung im — 373.
- Sclrnerzempfindungen im Bereiche d.
—s 232.
Geisteskranke. Antitrypsingehalt d. Blut¬
serums b. —n 3.
—, eine Eiweißreaktion i. Blute —r 340.
—. z. Frage d. Anstaltsbedürftigkeit —r
340.
Geisteskrankheiten, Pantopon bei — 701.
Gelatine und Blutgerinnung 483.
(ielatinebhdlg. b. Melaena neonatorum 453.
'Gelbfieberepidemie, Beobachtungen wäh¬
rend einer — 378.
Gelenkchondrome 588.
Gelenkerkrankungen, Bhdlg. neuropathi-
s ch er — 257.
—. neuropath. — u. ihre Diagnose durch d.
Röntgenbild. 356.
—. Thiosinamie u. Fibrolysin b. — 257.
Gelenkhydrops, Aetiologie d. intermittir.
— 587.
Gelenkkörper bei isolierter Arthritis defor-*
mans cubiti 486.
Gelenkneuralgie. Aetiologie d. — 587.
Gelenkrheumatismus, Bäder b. — 68.
—, neuere Bhdlgsformen d. akut. — 102.
—. nach operat. Trauma 396.
—, Serumbhdlg. d. — 281.
—, Streptokokkensepsis u. — 595.
—. Zusammenhang mit kranken Rachen¬
gebilden 351.
Gelenkverstauchung, Blidlg. in. heißen
Bädern u. Massage 529.
t ielenktranJsplantatfion ,248.
Gelenktuberkulose. Bhdlg. v. — d. unter.
Extremität 301.
Gelod u ra t-K ombina tionspräparate gegen
Cholelithiasis 635.
Geloduratkapseln 659.
Gemütsbewegungen, Wesen d. — 110.
Genickstarre 513.
—, Untersuch, über — 431.
Genitalkanal. Ascendieren corpusc. Ele¬
mente i. weibl. — 575.
Genitalprolaps, eine Folge d. späten Erst¬
geburt 160.
Genitaltractus d. Weibes u. Flexu.a sig-
moidea 247.
Genußmittel als Heilmittel 1). Herzl : zanken
439.
G e r i c h 11 i c h e s:
A. Strafprozesse (s. u. a. K u r -
p fusc h e r):
Beleidigungsklag e n : Bauer c.
Kantor 14; Kurpfuscher c. M. Fürst 14;
Städt. Betriebskrankenkasse Dresden
g. e. Arzt 42; zw. Aerzten i. Hannover
84: d. Leipziger Ortskrankenkasse g.
Zeitungsredakteure 97; C. S. Engel
111; zw. Aerzten i. Braunschweig 153;
g. e. homöopath. Arzt 167: Bahnarzt c.
Drogist 238; Garre 291; Ernst c.
Müller 291 : betr. Rad. Jo. 347: Gefäng¬
nisarzt c. Heinze 448: Klopfer e. Lung-
witz 464, c. Weinert 549; Liepmann c.
Kroemer u. Blumreich 619; Kreisarzt
g. Redakteur 690; Apotheker c. Arzt
717.
Beilegung a r z t ä h n 1. Titel:
Verurtlg. e. Arztes w. Blgg. e. zahn-
arztähnl. Titels 347; Froisprec h g.
406.
Betrug: Verurtlg. e. Heilmittel¬
schwindlers 111.
Erpressung: Verurtlg. e. Arztes
w. versuchter — 406.
Fahrlässige Körpe: Verlet¬
zung, Verurtlg. e. Apothekers w.
Morphiumabgabe 14: Verurtlg. e. Mu¬
sikstudierenden 111: Freisprechg. e.
Zahntechnikers 675: Verurtlg. e. Zahn¬
technikers 563. 591: Verurtlg. e. Arztes
591.
Vorsätzliche Körperver¬
letzung: Lipliawsky c. Hartmann
194. 450; Verurtlg. e. Arztes w. e. Ope¬
ration 435.
Fahrlässige Tötung: Freispre¬
chung e. Hebamme 97; Freispr. e.
Krankenschwester 224: Freispr. e.
Arztes u. e. Krankenschwester 237;
Freispr, .e,. Arztes 507.; Verurteilung e.
Arztes u. e. Hebamme 660.
Vergehen g. d. Sicherheit d.
Leb en s: Freispr. e. Arztes 634.
Unbefugte Abgabe von Arz¬
neimitteln: Freispr. e. Arztes
125; Verurtlg. e. Arztes 701.
Unlauterer Wettbewerb:
Freispr. e. Zahnarztes 492.
Sonstiges: Verurtlg. e. Arztes w.
Benutzung e. verbotenen Weges 125;
Freispr. e. Arztes w. unterl. Anmeldg.
d. Kihdbettfiebers 291 : Bestrafg. e. Re¬
dakteurs w. e. Geheimmittelinserats
305; Kammergerichtsurteil betr. Ge-
sundbeten 450: zuriiekgew. Anzeige w.
Meineids g. e. Arzt 578: Verurtlg. e.
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vorh. Anmeldung 675.
B. Z i v i 1 p r o z e s s e (s. u. a. K i an -
k e nvers-icheru n g s w e s e n):
Schadenersatzklage: Lipliawsky c.
Hartmann 14: betr. Arztschild 84:
e. Arzt g. e. Krankenkasse w.
ungerecht!. Entlassung 97: Bauer c.
v. Noorden 362; betr. Berechnung e.
ärztl. Gutachtens 306: d. Sania-Gesell-
schaft 376; e. Arztes g. d. Leipziger
Oitskrankenkasse 390; Klage g. e.
Heilmittelhändler betr. Reklame 125:
Klage a. Zahlung e. Konventionalstrafe
w. Reversverletzung (betr. Verpflich¬
tungsschein d. L. W. V.) 450. 464: Haft¬
pflicht 549. 563.
Gesanglehrer. Vorurteile u. Irrtümer d. —
i. bezug auf Halskrankheiten 152.
Geschichte, zur — d. Medizin 447. 462.
Geschlecht. Vorausbestimmung d. — s 284.
Geschlechtsgefühl, das — 96.
Geschlechtskrankheiten, Repetitorium d. —
208.
Geschlechtsleben. Soziologie d. —s 673.
Geschlechtsmerkmale. Darstellung d. se¬
kundären — 40.
Geschlechtsorgan u. Nase 519.
Geschwülste, eine neue Behandlungs¬
methode bösartiger —- 487.
—, Milben i. —n 65.
—, Therapie maligner, — 721.
—, Wert d. Meiostagminreaktion b. bös¬
artigen —h 330.
—, Wirkung v. Röntgenstrahlen auf —.486.
Gesellschaft und Geschlecht 673.
Gesichtsfurunkel. Bhdlg. d. malign. —258.
—, konservat. Bhdlg. d. — 501.
Gesichtsplastik, zur — 249.
Gesichtssinn, Einfluß des Alkohols auf d.
— 90.
Gewebsplastik, Beiträge zur freien — 301.
Gicht, Harnsäureretention b. — 302.
—, d. — u. ihre diät. Therapie 632.
—, Ursachen u. Bekämpfung d. — ; 490.
—, Wesen u. Bhdlg. d. —161.
Gichtmittel 61.
—, über Urol u. Urocol als — 700.
Ginecologia. Leciones de — 433.
Gingiva, Elephantiasis d. — 369.
Givasan-Zahnpaste 82.
Glasmacherstar, 285.
Glaukom n. Kalkverletzung 91.
—, primäres hämoxrh. — 345.
Gliederstarre, zur operat. Bhdlg. der an-
gehör. 394.
Gliom, operiertes 543.
Glühliehtbhdlg. d. Bronchialasthmas 178.
Glykogenbildung, Versuche über — an
Schildkrötenlebern 698.
Glykosurie u. Diabetes, Kausaltherapie bei
- 425.
— b. Frauen 49.
— u. Myom 640.
—, transitorische 297.
Glykurie, zur Aetiologie d. — 354.
Glyzerinseife, über flüssige 418.
Gonococcus, entsteht d. Trachomerreger
durch Mutation d. —?. 582.
Gonorrhoe, Balsamica b. t— 281.
, Bhdlg. d. — 113.
—. Bhdlg. m. Arhovin 673.
. Bhdlg., mit inneren Medikamenten. 366.
—. Bhdlg. m. Sandelöl 473.
, zur Frage d. Coupierung d. — 481.
. Maßregeln gegen die Bindehaut- d.
Neugeb. 63.
—, Peritonitis b. d. Mannes 582.
, Rektal— im Kindesalter 366.
-, Thyresoltabletten b. — .366.
—, top. Diagnose d. chron. — etc. 223.
—, Wert d. intern. —Therapie 582.
, W ucherungen bei — 501.
Gonorrhoebhdlg. d. Mannes 527. .
Gonorrhoefrage, zur — 366.
Gonorrhoische Epididymitis u. ihre Blidlg.
568.
--, Punktionsbhdlg. d. —n — 680.
Gonorrhoiker, metastatische Conjunctivitis
bei —n 470.
Gonorrhoische Membran- u. Faltenbildun¬
gen 295.
— Nebenhodenentzündung, elektr. Bhdlg.
d. —n - 296:
— Polyarthritis 89.
Granulom, zur Kenntnis d. malignen —s
489.
Gravidität. Appendicitis in Beziehung zur
extrauterinen — 461.
—, Fall v. Extrauterin-— nach d. Mast¬
darm durchgebrochen 626.
—. gleichzeitige extra- u. intrauterine —
668.
—, Pfählungverletzung i. d. — 397.
Graviditätsmyelitis, z. Frage d. — 18.
Grossichsche Methode d. Hautdesinfektion
368.
Guajakose 527.
Gymnasium, Grundschäden des —s 180.
Gymnastik, neues Gerät d. schwed. — bei
Rückgrats-Verkrümmungen 618.
Gynäkologie, Bedeutung d. Antitrypsinbe¬
stimmung f. d. — 697.
—, Fulguration im Dienste d. — 357.
—, d. Lumbalnarkose i. d. — 146.
—, d. Suggestion i. d. — 231
Gynäkologisch-nervöse Störungen, Bhdlgs.-
erfolge bei — 681.
Gyn oval. 377.
—. ein neues Baldrianpräparat 654.
E
IX
H
Haar, plötzliches Ergrauen d. —s 5B1.
Haarausfall u. Pityriasis capitis 29G.
Haarsackmilben in Beziehung zu Krebs¬
bildungen i. d. Mamma 218.
Haarschwund, Pixavon gegen — 85.
—, Ursachen u. Bhdlg. 193.
Haarwechsel, über d. — 4.
Hämatemese durch Läsion der Nasen¬
scheidewand 33.
Hämatologisehe Diagnostik. Beitrag z. — n
— 229.
— Untersuchungen 316.
Hämatom, zur Diagnose des übergroßen
retroplaeentaren —s 458.
—, über d. perirenale — 330.
—, subseröse —e d. Dünndarms nach
Ascites-Punktionen 598.
Haematoma vulvo-vaginale 573.
Hämatombildung i. Lig. lat. b. d.,Geburt 312. •
Hämoglobinbestimmung, 255.
Hämoglobinurie, z. Diagnostik d. — 367.
—, z. Lehre von d. paroxysmal. — 316.
—. Pneumokokkensepsis mit — 214.
Hämolyse, der Horror autotoxicus bei d.
■— 417,
Hämolytisch wirkende Fettsäure i. d. Leber
b. gelber Atrophie etc. 570.
Hämolytischer Ikterus, familiärer — —
440.
Hämophilie i. d. Augenheilkunde 589.
—, Beitrag z. — 157.
—. Fall v. — 342.
Hämoptoe, z. Bhdlg. d. tuberkulös. — 365.
—, Pantopon bei — 604.
Hämorrhoiden, neues Verfahren zur Be¬
seitigung d. — 693.
Haemostypticum „Mensan“ 76.
Händedesinfektion, einfache Methode d.
Alkohol— 571.
Hängebrust, operative Heilung d. — 249.
Halsschmerz u. Halsdrüsenschwellung 438.
Haltungsanomalien, Prophylaxe d. habi¬
tuellen — 530.
Haltungstypen, z. Aetiologie d. — d. Wir¬
belsäule 64.
Hand, lokaler Tetanus der — 355.
Harn, Eiweiß i. — v. Säuglingen 364.
—. Schwefelausscheidung im — b. Säuglin¬
gen 123.
—, neue Probe f. Eiweiß i. — 186.
Harnapparat, reflektor Bezieh, zwischen
— u. Uterus 34.
Harnblase, d. Bilharziakrankheit d. — 413.
Harnblasenruptur, pathologische intrape¬
ritoneale — 442.
Harneiweiß, serologische Differenzierungen
von — 714.
Ilarnindikan, über 286.
Harninfektion, Genese d. — b. Abdominal¬
typhus 415.
Harnkrankheiten, therapeut. Taschenbuch
d. — 589.
—, Vorlesungen über — 715.
Ilarnleiterkatheterismus, Technik 517.
Harnorgane, die Erkrankungen d. — 490.
Harnpepsin als differentialdiagn. Ivrit.
zwischen Carcin. ventric. und Apepsia
gastr. 653.
Harnröhre, Eugallol b. Leiden d. — 427.
Harnröhrenstriktur, Fibrolysin b. — 258.
Harnröhrenverätzungen m. chem. Sub¬
stanzen 427.
Harnsäure, Einfluß chem. u. physikal.
Agentien auf d. Löslichkeit d. — 317.
—, Quantität. Bestimmung d. — im Blut¬
serum 241.
Harnsäureretention b. d. Gicht 302.
Harnsaure Diathese u. Uterusmyome 24.
Harnverhaltung, Fälle v. dauernder — 176.
Harnwege, mikroskop. Diagnose d. Tuber¬
kulose d. — 652.
Harnzuckerbestimmung. Methode d. — 49.
Haut, über d. Aufnahme v. Radiumemana-
tion durch d. — 428.
Desinfektion d. — m. Jodtinktur 119.
—, Maschinenverletzungen d>. — 584.
—. Resorptionsfähigkeit d. — f. ein Milch¬
kaseinpräparat 499.
—, Tönen d. — 275.
—, Wirkung d. Tuberkelbacillen von d.
unverletzten — aus 623.
Hautblutungen b. Hysterie 310.
— b. Typhus abdom. 379.
Hautcarcinom nach Trauma 187.
Hautdefekte, hydriat. Bhdlg. v. — 187.
Hautdesinfektion m. Alkohol u. Jod 324.
— nach Grossich 695.
— Jodtinktur 202.
—. Vereinfachung d. — 502.
— u. Wundbhdlg. m. Joddampf 269.
Hautdrüsen, bakterioleg. Bedeutung d. —
bei d. aseptischen Chirurgie 395.
Hauteinstülpungen, Congenitale — 18.
Hauterkrankung, eine akute — 106.
Hautfibrom, multiple —e 271.
Hautjucken, Aktinotherapie d. —s 279.
Hautkrankheiten. 10 000 Fälle v. — 258.
— u. moderne Kleidung 428.
—, Röntgenstrahlen i. d. Therapie d. —707.
—, Vilja-Creme b. — 532.
Hautödem, familiäre Erkrankung an akut.
umschrieb. — 91.
Hautreflexe b. Urämie 201.
Hauttuberkulose i. Kindesalter lJ&.
Hauttumoren, Bhdlg. m. Kohlensäure-
schnee 360.
Headsche Felder, Vertretung d. sogen. —n
— i. d. Nase 120.
Hebosteotomie, Dauererfolge d. — 95.
Hedonalnarkose. über aligem. — 242.
Heer, Krankheiten im — 533.
—, sanitätsstatist. Betracht, über Volk ti.
— 444.
Heftpflasterverbände.. Bhdlg. d. traumat.
Kniegelenksergüsse mit —n 325.
Heilsera, therapeut. Wert d. — 644.
Heine-Medinsche Krankheit 645. Ö87. #
—. zur Aetiologie ders. 308.
Heißluftbhdlg. b. inneren Krankheiten 208.
Helfenberg-Kalender 718.
Hemiplegie, z. Dyspraxie d. Rechtsgelähm¬
ten 6.
—, über rasch vorübergehende cerebrale
Hermaphrodit, Demonstration eines —en
313.
Hermaphroditismus, Fall v. — 6.
—. Pseudo—* masculin. complet. 175.
Hernie. Erfahrungen an 100 eingeklemmten
—n 283.
Hernien, über — 12.
— d. Bauchwand seitlich d. Mittellinie 396.
- d. Linea semilunaris (Spigelii) 396.
Herz, Einfluß d. Momburgschen Methode a.
d. — 595.
—. geheilte Stichwunde d. — aus 298.
—. Kokanisierung des Perikards bei Ope¬
rationen am —en 458.
—. Pathologie der Aschoff-Tawaraschen
Reizleitungssystems 332.
—. das Reizleitungssystem im Eidechsen¬
herzen 332.
—. Röntgenaufnahme d. —ens 53.
—. Röntgenuntersuchungen d. —ens im
Kohlensäurebad 207.
—, Stauungs— 611.
—, d. Stoffwechsel u. d. Krankheiten d.
—ens 402.
Herzaktion, eine Methode z. Aufnahme v.
Röntgenbildern d. — 345.
Iierzarbeit, Symptomatologie d. — 24.
Herzbeschwerden d. Adoleszenten 424.
Ilerzbewegung, Kinematographie d. —
53.
—, objektive Darstellung d. — 700.
—Registrierung der — auf elektr. Wege
147.
Herzdiagnostik, funktionelle — 602.
Herzerkrankungen im Anschluß an ein
Trauma 679.
—, z. Kasuistik traumat. — 339.
Herzfehler. Fall v. congen. — 50.
— als Iridikat. zur Unterbrechung der
Schwangerschaft 684.
Herzgeräusche, über systol. — 23.
Herzinsuffizienz, neue Medikamente zur
Bhdlg. d. — 611.
—, peripherische Bhdlg. d. — 37.
—, Ursache d. — 26.
Herzkollaps, intraven. Suprarenininek-
tionen b. — 61.
Herzkranke, Genußmittel als Heilmittel b.
—n 439.
—, psychische Bhdlg. v. —n 268.
—. schwed. Heilgymnastik b. —n 255.
—, Schlafstörungen d. —n 706.
Herzkranke, Vorzüge d. Anstaltsbhdlg. b_
—n 595.
—, wie erhalten sich — leistungsfähig? 646.
Herzkrankheit u. Psychose 283.
Herzmassage, die unmittelb. — 62.
Herzruptur u. Mitralsegelzeneißung 500.
Herz Störungen, Beziehungen zum Magsn-
Darmtrakcus 30. 37. 43.
- durch Reizung des Perikards 458.
Herztätigkeit, über anatrische — 332.
—. die Dissoziation zwischen Atrium u.
Ventrikel etc. 332.
Herzton, über d. 3. — 23.
Herzunregelmäßigkeit, über komplette u.
beständige — 23.
Herzvergrößerung. Verhalten d. Oesopha¬
gus bei — 679.
Herzverletzung, operativ geheilte 298.
Herzverletzungen 131.
Ileufieber, Bhdlg. d. —s mit Bormelin 715.
Hexamethylentetramin, Arznei-Ausschlag
nach — 485.
Hinken, über, intermittier. -— 47. 654.
Hippokratismus 688.
Hirnarterien, Miliaraneurysmen d. — 119.
Hirnchirurgie, Demonstration z. — 221.
Hirngeschwulst, Differentialdiagn. d. pon-
tinen — u. d. multiplen Sklerose 257.
Hirnphysiologisches i. Anschluß an operat.
Erfahrungen 77. 92.
Hirnpunktion, zur — 394.
—. Bedeutung b. intrakran. Blutungen etc.
221.
- b. Hydrocephalus 584.
Ilirnstamm, Tuberkel im — 584.
Hirschsprungsche Krankheit, operiert. Fall
von —r — 141.
Hissches Bündel, intravitale Durchneidung
d. — n —s 23.
Hochfreauenzströme u. Diathermie 713.
Hochgebirge, Dauererfolge bei Lungen¬
tuberkulose im — 423.
. Verlauf der Lungentuberkulose im —
581.
lfochgebirgsklima, Wirkung d. —s 346.
Hochschulkurse, volkstiiinl. — i. Dresden
634.
Hode, Atrophie d. —ns b. chron. Alkoholis¬
mus 491.
Hodgkinsehe Krankheit, über Komplement-
ablenkung bei —r — 380.
-u. Leukaemia lymphat., z. Aetiologie
d. H. K. u. L. 1. 323.
Höhenforschung, intern. Expedition f. —
194.
Hörgrenze, krit. Untersuch, zur oberen —
385.
Hörprüfung, Knochenleitung als Grundlage
d. quäl. — 400.
—, prakt. Verwendbarkeit d. Waetzmann-
schen Apparates f. — 385.
—. Worttabellen zur exakten — 386.
Hörschärfebestimmung, exakte Methode d.
— 374.
Hormon, Pankreas— b. Diabetes mell.
61.
Hormone, Untersuchungen über 331.
Hornhaut, seltene traumatische Erkrankung
d. — 383.
Hornhautentzündung, z. operat. Bhdlg. d.
rezidiv, ekzemat. — 444.
Hornhauterkrankung b. Morb. Basedowii
mit Exophthalmus 709.
Hüfte, über die schnellende — 395.
Hüftgelenk, Mobilisierung ankylosierter
—e 18.
—. tabische Arthropathie d. —es 326.
Hüftverrenkung, chir. Bhdlg. d. angebor.
— 315.
Humerus, myelogenes Osteosarkom d. —
360.
Huinerusfraktur, Bhdlg. d. —en 708.
Ilydargyrum jodat. etc. i. d. Augenheil¬
kunde 285.
Hydriatik b. Arteriosklerose 115.
Hydriatische Bhdlg. v. Hautdefekten 187.
Hydrocephalus, Bhdlg. d. — m. konsequen¬
ter Punktion 394.
—. chir. Bhdlg. des chron. u. angeborn. —
int. d. Kindesalters 468.
—, Hirnpunktion b. — 584.
Hydronephrose u. Schwangerschaft 243.
Hydrops, Fall v. kardial. —, behandelt mit
Digipuratum u. Diuretin 466.
Ilygieneausstellung. intern. — 210.
X
Hydrotherapie b. Verdauungs- u. Stoff¬
wechselkrankheiten 375.
Hyperämie, lokale - - u. Anämie 247.
Hyperämiebhdlg. bei Ambulanten 614.
Hyperemesis gravidarum als Indikat. z.
Unterbrech, d. Schwangerschaft 684.
Hyperhidrosis, Bhdlg. der — 341.
Hypernephrom, d. maligne — im Kindes-
alter 351:
Hyperphalangie d. Daumens 530.
Hypophyse, über Folgeerscheinungen nach
Exstirpation d. — 236.
Hypoplasie und Infantilismus 247.
Hysterie, chron. Hautblutungen b. — 310.
—, was charakterisiert die —? 355.
Hysterischer u. spastischer Darmverschluß
283.
Hysterostomatotomia vagin. ant.: Indika¬
tion u. Technik 575.
i j
Ichthyol z. Bhdlg. v. Ekthyma u. Lym-
phangitis 308.
Ichthyolglyzerin b. Bhdlg. d. Furunkels i.
Gehörgang 123.
Idiosynkrasie gegen Kuhmilch 123.
Idiotie, Fall von alimentärer Pseudo—
!06.
— u. Syphilis 60.
Ikterus, chir. Bhdlg. d. chron. — 75.
—, entzündlicher u. reelllithogener 258.
—, über familiären hämolytischen — 440.
lleoyoecale Invagination 545.
Ileus infolge spontan. Ausschaltung einer
Dünndarmschlinge 598.
— durch Kirschkerne 666.
Ileusbhdlg. m, Atropin 269.
Immunisationsfrage. ..zur 169.
Immunisatorische Vorgänge am Auge 443.
Immunität gegen Diphtherie 672.
—. Streptokokken— u. Serumblidlg. bei
Streptokokkeninfektionen 630.
—. Tuberkulose- 1 — u. Tuberkulöseimmuni¬
sierung 630.
Immunkörper, ihre. Haltbarkeit in Blut¬
egeln 417.
Impfpustel, 2 Fälle v. Kontaktinfektion, d.
Augpa durcli —n 253...
Impftumor-en, Yariabil. d. — ü. ihre Spon¬
tanheilung 64.
Impotenz, Therapie d. nervösen — 485.
Indigurie, Fall v. — 367.
Industrie • u. Volksgesundheit 490.
Infantilismus u. Hypoplasie 247.
—. Ursachen d. — 271.
Infantina. über — (Theinhardts Kinder¬
nahrung) 193;
Infektion d. Schußverletzungen 572.
Infektionskrankheiten in Beziehung zu
Man d e 1 a f f e k t i o n e n 214.
—, ihr Einfluß auf d. Milchsekretion 640.
— u. Krebs 668.
Influenza, Bhdlg. in. elektr. Lichtkasten¬
bädern 31.
— u. Kinderlähmung 387.
—. Neu-Pyrenol b. — 102.
Influenzaähnliche Diplokokkenepidemie 2.
Inhalationstherapi.e, über — 178.
Injektionen, intravenöse — im Kindesalter
673.
Innere Krankheiten, Rolle - d: Gefäße bei
—n — 22.
Instrumentarium d. inneren Medizin 577.
Intelligenzprüfung beim Kinde 206..
Intercostalneuralgie. Aetiologie d. — 296.
Intestinale Autointoxikationen 532. •
— Körperschmerzen 62.
Intravenöse Injektionen im Kindesalter 693.
Intubation; peroral. - i. d. Thoraxchirurgie
66.'
Intubationsblidlg. d. diphther. Larynx-
stenose 294.
Intübulation d. Art fern. i. d. Vena fern,
b. ■ Gangrän 57.
Invagina.tio ileocoecalis 545.
Iris: Heterochromia iridura 459.
Irisprolaps. Verhütung d. —es nach d.
Stäröperation ohne Tridektömie , 285.
Ischämie bei intermiftier. Hinken 654.
Isöhias 542. ■'
— Bhdlg. d. — 223. -
—, Bhdlg. Tn. epiduralen Injektiqnen 528.
DizJtisa: fr
LiaTEF.SOrTCFt'
Ischias, physikal. Bhdlg. d. — 178. 310.
Ischiasbhdlg. u. physik. I herapie 340.
Jacksonsclie Epilepsie, Dauererfolge d.
operat. Bhdlg. bei —r — 412.
Jod u. Alkohol’ z. Desinfektion d. Haut 324.
—, Jod, Ausscheidung v. — 498.
—, Beziehungen zwischen — u. Ausfall d.
Seroreaktion 498.
Jodbasedow, über — 273.
Jodbenzin. Unglücksfall b. 478. 508.
Jodbenzindesinfektion, ein Nachteil d. —
695.
Joddampf. Hautdesinfektion u. Wundbhdlg.
in. —269.
Joddesinfektion/Wert d. — 381.
Jodipin. über — 54.
Jodival b. tert. Syphilis 60.
Jodoformersatz, Novojodin als — 486. 532.
Jodtinktur z. Hautdesinfektion 119. 202.
412.
Jodtinkturdesinfektion 229.
— nach Grossich 468.
Jodtropon 183. 498.
Jod Verteilung, über — 60.
Jod Wirkung 164.
— b. experim. Syphilis 353.
Jothion-Therapie, e. Beitrag z. — 255.
Jucken, Aktinotherapie d. Haut—s 279.
Juckreiz, Vilja-Creme gegen — 532.
Juvenile Muskeldystrophie infolge Ueber-
anstrengung 467.
K
Käsevergiftung, bakteriolog. Befund b. e.
FaM v. — 267.
Kaiserschnitt, extraperiton. —- 235. 244. 313.
—-, -nach Latzko 383.
—. 2 Fälle von cervicalem — 313.
—, Indikationsstellung d. extraperiton. —s
232.
—. kiinstl. Frühgeburt u. vaginaler — bei
habit. Absterben d. Frucht 530.
—, vaginaler — 639.
Kalk. Bedeutung d. —es i. d. Pathologie d.
Rachitis 171.
Kalender, Lohnsteinscher Medizinal— 659.
Kalium jod., Einfluß auf Typhusbacillen
581.
— hypermang. cryst. als gewebezerstör.
Mittel 202.
KammerwasSer, schwarzes — 429.
Kampfer, Einwirkung d. —s auf d. Säug¬
ling 644.
Kampferätherinjektion, eine seltene Art v.
Geschwüren nach —en 693.
Kampferöl. Bhdlg. d. diffus, eitr. Peritoni¬
tis mit 1 pr'oz. — 300.
Kankroidin Schmidt. Mißerfolge mit-
175. .
Kardialer Hydrops, behandelt m. Digi-
puratüm i},_Diuretin 466.
Kardiolyse b. Perikardobiiteration 353.
Kardiopneumat. Bewegung. Registrierung
d. — --als’Untersuchungsmethode 275.
Kardiospasmus, Bhdlg. d. chron. — 203.
Karelische Milchkur i. d, Entfettungsbhdlg.
179.
Kartoffel. Untersuch, über d. Oxydations-
ferinente d. — 74.
Katapiasmen, Anwendung d. — 170.
Kauunfähigkeit, nervöse — d. Kinder 672.
Kehlkopf, Daueranästhesie d. tuberkulös,
—es'682. -
—, endoskop. Unters, d. —es 201.
Kehlkopfkrebs, geheilt mittels Laryngofis-
sur 136.
—. Symptomatol. d. —es 5.
Kehlkopftuberkulose, Bhdlg. d. — m. Rönt¬
genstrahlen 215.
—. Verlauf d.— bei m. Pneumothorax be¬
handelt. Lungentub. 410.
Kephaldol 164.
— als Antipyreticum u. Antineuralgicum.
124.
—, Wirksamkeit .d. —s '82. »
Keratomalaciefrage, zur - 460.
Keuchen. Bedeutung d. exspir. —s f. d.
Diagnose der Lungendrüsentuberkulose
138.. '
Keuchhusten, Bhdlg. d. —s 128.
—, Chinin b. — 249.
Keuchhustenmittel, über d. neue — „Eula-
tin“ 375.
Kiemengangeiterung, Fall von — 381.
Kind, Bhdlg. des chron. Darmkatarrhs
kleiner —er 490.
—, Deinonstrat. eines neugebor. —es m.
hereditärer Lues 429.
—. Diagnose u. Therapie d. Blasensteine
beim — 428.
—, das einzige — und seine Erziehung 180.
—, Ernährung u. Pflege d. —es 505.
Intelligenzprüfung beim — 206.
—. d. kranke — u. d. Seeklima 461.
—. Lues hereditaria älterer —er i. Röntgen¬
bilde 261.
—, nervöse Kauunfähigkeit d. —er 672.
—, Polyposis intestin. beim — 679.
—, Therapie d. Ekzems d. —er 88.
—, Verdauungsinsuffizienz beim — 177.
— : , Vorlesungen über krankhafte Seelen¬
zustände beim — 180.
—. Winke zur Ernährung d. —er 646.
Jvinderbalsain, Erblindung nach Genuß v.
— 47.
Kinderheilkunde, Bedeut, d. direkt. Unter¬
suchung d. ob. Luftwege f. d. — 328.
— im Universitätsunterricht 190.
Kinderlähmung, z. Aetiologie d. epid. —59.
—, d. Auftreten der spin. — i. Vorpom¬
mern 267.
—. epidemische spinale — 685.
—, Frühstadien d. Spin. — 59.
— u. Influenza 387.
—. Lexersche Knochenbolzung b. Spin. —
589.
—, Natur des Virus d. epidem. — 241.
—, über spin. — 184.
—, Studien über — 317.
Kinderpflege, Sorgen u. Fragen i. d. —
646.
Kinderpraxis, Chininpräparate i. d. — 338.
Kindersterblichkeit unter der Geburt 246.
Kindesalter. Amputationen i. — u. ihre Fol¬
gen f. d. Knochenwachstum 546.
—, Bedeutung d. Rindertuberkulose f. d.
Infektion i. — 138.
—. Bhdlg. schwerer Bronchopneumonien
des frühen —s 421.
—. Bhdlg. d. Tuberkulose i. — 68.'
—. Blutdruck im — 541.
—, chir. Bhdlg. d. chron. u. augeborn. Hy-
drocephalus int. 468.
—, dissemin. Hauttuberkulose i. — 138.
—. Ernährungsneurosen im frühen 672.
—, experiment. Beitrag zur Erforschung
d. Tetanie im — 678.
—, d. maligne Hypernephrom im — 351.
—, über moralische Abartung i. -— 228.
—. Pathologie d. Parasyphilis im — 185.
—, Peritonitis salpingit. Ursprunges im —-
189.
—, Phimosenbhdlg. im frühen 679.
—, Polyarthritis chron. progr, i. — 351.
453.
über Rektalgonorrhoe im — 366.
—, Rumination im — 364.
—. d. Technik intravenöser Injektionen im
— 693.
—, Wassermannsche Reaktion im — 672.
—, über Zuckerausscheidung im — 190.
Kindliche Leistenbrüche, operat. Bhdlg. d.
—n — 413. •
Kirschkern als Ursache von Dünndarm¬
perforation 188.
Kleidung u. Hautkrankheiten 428.
Kleinhirn in Beziehung zum Sprechakt
— u. Vestibularapparat 432. .
Kleinhirnbrückenwinkeltumoren, zur Dia¬
gnostik der — 432.
Kleinhirntumor, Chirurgie d. —en 700.
Klima, Höhen- u. Wald—- 164.
—, Wirkung des Hochgebirgs—s 436.
Klimakterium. Oes.teomalacie im -— 699.
Klinik, Einrichtung d. Badehauses i. d.
modernen. —: 178. .
Klystier-Ersatz-Therapie 515.
Kneippsche Hydrotherapie 447.
Knie, Lagerungsapparat zur. Bhdlg. des
—-s 302.
Kniegelenk, BandsCheibenverletzungeu d.
—s 24.
Kniegelenk, Demonstrat. eines einge¬
pflanzten —s 589.
—, Demonstration zur Pathologie d. —s
302.
XI
Kniegelenk, Drainage b. vereitertem — 325.
—. Meniscofissur u. Meniscus binortit. im
— 314.
—, operat. Mobilisierung d, —s 302.
—. Präparate v. resez. —en 589.
Kniegelenkkontraktur, geheilt durch par-
artikulare Korrektur 360.
Kniegelenksergüsse, Blildg. d. traumat,
— m. Heftpflasterverbänden 325.
Kniegelenkseröffnung, konservative —502.
Kniescheibenverrenkung, erbliche ange¬
borene — 588.
Kniestreckapparat, Untersuch, über d. nor-
malen — 486.
Knochen. Lymphangiome d. —s 588.
—. d. solitär. Cysten d. lang. Köhren—•
598.
—. spätsyphilit. Erkrankung d. — 328.
Knochenbolzung, Lexersche — 589.
Knochenbrüche, die Coridivillasche Nagel¬
extension b. —n 145.
Knochenersatz 545.
Knochenkonservierungsversuche 248.
Knochennähte b. Frakturen 315.
Knochennekrose durch Gefrieren 413.
Knochentransplantation, erfolgreiche —35.
Knochenwachstum, Folge d. Amputationen
i. Kindesalter f. d. — 546.
—. Wirkung d. Thyreoidintabletten auf d.
• — 421.
Kochsalzarme Diät b. Nierenkranken 157.
Kochsalzausscheidung b. Nierenentzündung
186.
Kochsalzbhdlg. der Epilepsie 412.
Kochsalzinfusion, Gefahren b. d. Eklamp¬
sie 146.
Kochsalztrinkquelle. Erschließung einer
— i. Reichenhall 67.
Körperfunktionen u. Blutviskosität 179.
Körpergewicht u. Badekur 178.
— u. Kur 384.
Körperhöhlen, Universalhandgriff zur Be¬
sichtigung v. — 261.
Kohlehydrate. Rolle d. — bei d. Ernäh¬
rung d. Säuglings 643.
Kohlehydratstoffwechsel, Einfluß d. Ne¬
bennieren auf d. — 331.
- . Physiologie u. Pathologie d. —s 289.
Kohlehydratverdauung u. Diastasepräpa-
rate 500.
Kohlensäure, Vergleiche zwischen — und
radioakt. Sauerstoff—bädern 67.
Kohlensäurebad, Herz- u. Gefäßwirkung
v. — 207.
—. Köntgenuntersuch. d. Herzens im —
207.
Kohlensäureschnee zur Blidlg. d. gewöhnl.
harten Warzen 324.
—, Blullg. d. kleinen Hauttumoren mit —
— 360.
Kokain, Haben sich i. d. Rhino-Laryn-
gologie d. Ersatzmittel d. —s bewährt?
284.
Kokainisierung d. Perikards bei Opera¬
tionen am Herzen 458.
Kolipyelitis, Bhdlg. in. Nierenbecken¬
spülungen 680.
Kollargol b. Bauchwassersucht 410.
Kolloidchemie. Beiträge zur — 618.
Kolloide, ihre Bedeutung für die Kon-
krementbildung 358.
Kolpotherm, Wärmeapparat f. vaginale
Anwendung 386.
Koma, experimentell durch buttersaures
Natron hervorgeruf. — 698.
Komplement, über das — 417.
Konkrementbildung. Bedeutung der Kol¬
loide für d. — 358.
Kopfhaut, syphilit. Ulceration d. — 137.
Kopfschmerz, Diagnose u. Therapie d.
—es 262.
— u. Syphilis 31.
Kosmet. Bhdlg. d. Faeialislähmung 138.
Kraft u. Stoff im Haushalt d. Natur 26.
Krampfanfälle nach orthopäd. Operationen
188.
Krankenhaus, der Luftdruck im — 249.
Krankenpflege, Bedeutung d. — f. d. The¬
rapie 259.
Krankenversicherungswesen (einschl. Un¬
fallversicherung) :
Entwurf d. Reichsversicherungsordnung
27. 110. 166. 194. 236. 249. 263. 290. 404.
418. 434. 463. 548. 549. 577. 610. 716;
Sozialversicherungsreform Tn Oesterreich
263. 319. 346;
Freie Arztwahl i. d. Schweiz 223. 290;
Karrenzzeit f. Kassenärzte 12. 55;
Alterspensionen von Krankenkassen¬
ärzten 674: --
Karenzzeit f. Kassenärzte 12. 55;
i. Halle a. S. 405. 533. 577. 659. 702. 716;
Sächs. Krankenkassentag i. Leipzig 3Ö0;
Ger.-Entscheidungen betr. Krankenver¬
sicherungswesen 70. 97. 507. 535. 591. 605.
606.
Krebs, Authämotherapie bei — 714.
—, Beeinflussung durch Kohle 118.
—, eine neue Bhdlg. d. —es 667.
—, über d. im Heidelberger Samariterhause
jetzt übliche Bhdlg. d. —es 274.
— u. Infektionskrankheiten 668.
—, Resultate b. abdom. Operation des
Uterus—es 108.
Krebsbildung i. d. Mamma in Beziehung zu
Haarsackmilben 218.
Krebsforschung, Ergebnisse d. neueren —
503. 688. t
Krebsmetastasen in d. Ovarien 69^ .
Krebsorgane, Fermentwirkung i. g r n 193.
Kreislauf, zum — des Fötus 246.
Kreislaufstörungen, zur Dauerwirkung
^ C02-haltiger Solbäder b. — 282.g et
Kreosot i. Verbind, m. Fichten,., er b.
Lungentuberkulose 164.
Kreosotbhdlg. d. Lungentuberkulose 179.
Ivreuznacher Radiuin-Emanationsbäder 67.
Kreuzotterbisse, Umfrage über — 306.
Kropf, experim. Erzeugung u. Ursache d.
—es 326.
—, d. Röntgenbhdlg. d. —es 442.
Kropfblutungen 471. 612.
Kropfoperation u. Rekurrensstörung 273.
Kryptorchismus, operat. Bhdlg. d. — 261.
Kulturbrief, ärztl. — aus Ostpreußen 589.
Kupfersulfatvergiftung. Fall v. — 721.
Kur u. Körpergewicht 384.
Kurorte, plötzliche Todesfälle i. d. —n 178.
409.
Kurpfuscher, Prozesse gegen:
Beilegung eines ärztlichen Titels 111.
238. 492. 689;
Unlauterer Wettbewerb 140. 507. 535.
689:
Betrug 42. 153. 292. 347. 450. 535. 619.
689;
Urkundenfälschung 319;
Unbefugte Abgabe v. Arzneimitteln 263;
Fahrlässige Tötung 278. 319. 492. 592;
Schadenersatzklage 521;
Fahrlässiger Körperverletzung: Felke-
Prozeß 14, Verurtlg. e. Schäfers 14, Frei¬
sprechung e. Kurpfuschers 277, Verurtlg.
e. Badeanstaltsbesitzers 376, Verurtlg.
450. 647:
Prahlerische Ankündigung 182;
Verabsäumte Anmeldung 238;
Tätliche Beleidigung 224;
Fruchtabtreibung 111. 224. 263. 578. 606;
Schadenersatzklage 647;
Gnadengesuch f. e. Kurpfuscher 563.
Kurpfuschertum:
278. 389. 436. 450. 491. 493. 506. 634. 675.
689. 702. 718;
Heilmittelschwindel 111. 125. 348. 362.
661. 718.
Kurzsichtigkeit, Entstehung d. — 160. 176.
L
Labyrinth, Pathologie d. —es 659.
Labyrintherkrankung. vestibuläre Reiz¬
erscheinungen bei — 699.
—, — — und Ausfallerscheinungen 709.
Labyrintheiterung, Fall v. — 386.
Labyrinthitis. Fistelsymptom, postoperat.
— u. Verhütung derselben 417.
—. .Präparate experimentell erzeugter —
386.
Lähmung, z. Aetiologie d. epid. Kinder—
59.
—, Blidlg. v. —en in. Nervenplastik 11.
—. — spastischer —en 174.
— d. Cucullaris u. Sklerodermie 64.
—. Fälle v. schlaffer u. spast. — b. Kindern
640.
Lähmung, Früh Stadien d. spin. Kinder—
59.
—. Nervenüberpflanzung b. schlaffen —en
203.
— des N. museulocutaneus 369.
—, Virus d. epidem. Kinder— 241.
Lävulose. Wert d. Pinoffschen —Reak¬
tion. 587.
Lamiuariadilatation, Technik d. — 284. 504.
Landarzt, Leiden u. Freuden eines —es
474.
Laparotomie, Anregung d. Peristaltik nach
— 426.
—. zur — bei Retroflexio uteri grav. etc.
— 428.
Laparotomierte, Erfolge m. Rückenmarks¬
anästhesie b. —n 95.
—. Frühaufstehen d. —n 688.
Laryngofissur b. Kehlkopfkrebs 136.
Laryngologen. Verhandl. d. Vereins Deut¬
scher — 1909 262.
Larynxstenose, Fortschritte d. Intubations-
bhdlg. d. diphther. — 294.
Larynxtuberkulo.se als Indikat. zur Unter-
brecliung d. Schwangerschaft 684.
Lazarett, moderne Röntgeneinrichtungen
in Land- u. Schiffs—en 509. 523. 537.
Leber- u. Fettresorption 10.
—, Fettsäure i. d. — b. Atrophie etc.
570.
—, Verkalkung d. — 158. 408.
Leberabsceß m. Pylephlebitis 626.
Lebercirrhose, Fall von — 137.
—440°*” 6 V " ^ a ^ Guste * ner ^ rail ^ im " etc *
—, zur Genese d. — 393.
Leberruptur, subkut. — 159.
Lebersequester, Bhdlg. ausgestoßener —
159.
Lebertran, über d. Fettsäuren d. —s 259.
Lebervenenthrombose, Verhalten d. Purin¬
körper b. — 367.
Leberverfettung nach Resektion eines
.Leberlappens 204.
Lecithin. Bedeutung f. d. Stoffwechsel d.
Säuglings 499.
Leistenbrüche, operat. Bhdlg. d. kindl. —
4L3.
Leontiasis, über Virchows — ossea u. Pa¬
gets Osteitis deform. 473.
Lepra 610.
—. Ehrlich .,606“ gegen — 678.
—, Komplementablenkung b. — m. syphilit.
Antigen 17.
Lepraforschung, Stand d. — 630.
Leptomeningitis, operierter Fall von — der
Zentralregion 144.
Leukaemia lymphat. und Hodgkinsche
Krankheit, zur Aetiologie 323.
Leukämie, über verkannte —n 483.
Leukämische Blutbilder, experiment. Er¬
zeugung —r — 316.
Leukocyten, einfache Methode d. Zählung
d. eosinophil. — 612.
—. ihr Verhalten bei Masern 365.
Leukocytose durch Erstickung 600.
—. experim. eosinophile u. basophile -
316.
—. myogene — 500.
—. Verdauungs— im Säuglingsalter 24L
Leukofermantin, übel* — 40.
Leukofermantin-Injektion b. paraurethral.
Absceß 696.
Libidinöse Sexualausflüsse 96.
-u. Orgasmus 63.
Lichen nitidus Pincus 625.
— ruber, Arsenbenzol b.-581.
Licht, ist Schutz der Augen vor ultra¬
violettem — notwendig? 460.
— u.. Radium z. Blidlg. d. roten Mutter-
' mäier 258.
—, therap. Verwendung d. blauen — Bo¬
genlichtes 117.
Lichtkastenbäder b. Schnupfen etc. 31..
Lid. Ektropium d. Ober—es 244.
Limonen. Anwendung v. — bei Lungen¬
kranken 401.
Linea semilunaris (Spigelii). Hernien der¬
selben 396.
Linse, z. Therapie der Eisensplitter-Vqr-
letzungen d. — 341.
Lipämie bei Diabetes 657. 670.
Lipoide, diagn. Bedeut, d. im Urin u. Spu¬
tum ausgeschiedenen — 399.
xir
Lipoide, z. Pathologie d. — 93.
Littlesche Krankheit, zur operat. Bhdlg. d.
—n — 394.
-, Fälle v. —r — 641.
-, die Foerstersche Operation b. —r —
235.
-. Grundsätze f. ihre Bhdlg. 516.
Lokalanäthesie, Alypin f. d. Zwecke d. —
646.
Lokalanaesthetica. Methode, die Wirkung
d. — zu steigern 654.
Lues, Demonstrat. eines neugebor. Kindes
m. heredit. — 429.
—. zwei Fälle v. hereditärer — 92.
—, ist das nach Hg-Injekt. auftret. Fieber
ein Zeichen aktiver —. 664.
— hereditaria älterer Kinder im Röntgen¬
bilde 261.
:—, die Serodiagnose d. — etc. 200.
—. Vererb, d. — auf Grund bakteriol. u.
serolog. Unters. 191.
—. die Vielgestaltigkeit d. visceralen —
366. .
—. W r assermannsche Methode z. Differen-
tialdiagn. zwischen —■ cerebrospin. u.
multipl. Sklerose 512.
Luft, warme — b. Dermatosen 723.
Luftaspiration. Bhdlg. d. — 315.
Luftdruck, der — im Kra.nkenhause 249.
Luftdruckerkrankungen. Experimentelles z.
Frage d. — 275.
Luftfistel, intrathoracische .— und ihre
Deckung 598.
Tuaftwege, Bedeut, d. direkten Untersuch,
d. ober. — f. d. Kinderheilkunde 328.
—. Diät b. Erkrankungen d. ober. — 323.
—* Fremdkörper d. — 670.
Lumbalanästhesie, Erfahrungen mit d.
426. 695.
—, gegenwärtiger Stand d. — 330.
— mit Stovain-Billon 695.
Lumbalnarkose i. d. Gynäkologie 146.
Lumbalpunktion. Bhdlg. d. Schädelbasis¬
fraktur m. wiederholt. —en 649.
—, Indikationen u. Kontraindik. d. — 653.
Lunge, Disposition d. — zur Tuberkulose
701.
Lungena.bsceß. durch künstl. Pneumo¬
thorax behandelt 173.
Lungenarterie, Venenthrombose und Em¬
bolie d. — 47.
Lungenaktinomykose, operierter Fall v. —
589.
Lungenblutungen. Verfahren zur früh¬
zeitigen Diagnoso d. — 466.
Lungenchirurgie, über — 9.
—•. Demonstrat. z. — 64.
Lungendrüsentuberkulose, . Diagnose d. —
138.
Lungenemphysem, zur Pathogenese d. —s
373.
Lungenentzündung. Bhdlg. d. — 351.
—en u. epitynhlit. Schmerzen 62.
Lungenerkrankungen. Lymphstauung b.
schweren — 342.
Lungenkranke. Anwendung v. Limonen bei
—n 401.
—. Pantopon b. —n 603.
Lungenkrankheiten. Rigidität d. Muskeln
als Erkennungszeichen v. — 351.
Lungenödem m. paroxysmaler Blutdruck¬
steigerung 23.
Lungenphthise. Bhdlg. d. — 26.
Lungen-Röntgenogramme, ihre diagno¬
stische Bedeutung 710.
Lungenschwindsucht. über zeitgemäße
Auffassung d. — 179.
Lungensyphilis, geheilt durch d. Ehrlich-
Hatasche Präparat 472.
Lungentuberkulose, Bhdlg. m. Carl Speng¬
lers T.-K. 31. 216.
—. Bhdlg. d. — m. künstl. Pneumathorax
114.
—, — m. Tebean 358.
—, Bedeut. Aegyptens f. d. Bhdlg. d. —
423.
—, Dauererfolge bei — i. Hochgebirge 423.
—, Diagnose d. — 594.
—, z. spezif. Diagnostik d. — 352.
—, Einteilung d. — 274.
Entfieberungen b. — durch Tuberku¬
lose 373.
-, Heilung d. — 624.
Lungentuberkulose als Indikat z. Unter¬
brechung d. Schwangerschaft 684.
—, Kompressionsbhdlg. b. — 581.
—, Kreosot in Verbind, m. Fichtenteer b.
d. — 164.
—. über d. subkut. Lymphdrüsen d. Thorax
bei — 482.
—. Methoden chir. Therapie der — 423.
— u. Mundhygiene 157.
•—. ungleiche Reaktion der Pupillen als
Frühsymptom d. — 393.
—, Röntgendiagnose d. — 581. 710.
—. Tuberkulinerfolge bei 682 offenen -n
594.
—, Verlauf d. — im Hochgebirge 581.
Lungenverletzungen. operat. Blidlir. d. —
489.
Lupus. Bhdlg. d. — 454.
-. chir. Bhdlg. des — 342.
— erythem.. posit. Ausfall d. Wa&ser-
mannschen Reaktion b. L. e. 143.
— vulg., zur Aetiologie d. L. v. 429.
Luxatio maxillae inferior, bilat., blut. Re¬
position 301.
— pedir post., blutige Reposition veralteter
L. i». p. 301.
Luxati.n, zur nichtkomplizierten trauma¬
tisch n Sehnen— 458.
— d. fiijhulter, Reposit. veralteter
301.
— d- Zeigefingers 639.
■Lympuangiome d. Knochens 588.
Lymphangitis u. Ekthyma u. deren Bhdlg.
m. Ichthyol 308.
Lymphatisch-skrofulöse Augenkrankheiten,
Borsäure b.-n — 208.
Lymphdrüsenanschwellungen bei Röteln
16.
Lymphocytose bei Basedowscher Krank¬
heit 380.
Lymphstauung b. schweren Lungen- und
Pleuraerkrankungen 342.
Magen, Bedeutung des Flagellatenbefundes
im — 368.
—. Belastungsproben des —s 259.
—. direkter Nachweis d. freien Säure i.
429.
—, Einfluß v. Arzneimitteln auf Tonus u.
Kapazität d. —s 288.
—. Methode z. Prüfung d. Verweildauer
v. Flüssigkeiten i. — 570.
— operat. Entfernung v. Fremdkörpern
aus d. — 63.
— i. Mikrogastrie 575.
—. Orexinprobe z. Feststellung der Salz¬
säuresekretion d. —s 424.
—. Pneumatose d. —s. geheilt durch blut.
Dehnung d. Cardia 652.
—. zur Salzsäureproduktion d. —s 339.
Magenaffektionen, chir. Bhdlg. gutartiger
— 75.
Magenbewegungen, über — 288.
—, äußerlich sichtbare —_ 73.
Magenblutung, Fall v. rezid. — 136.
—, über lebensbedrohliche —en 173.
Magenblutungen, diagn. Bedeutung okkul¬
ter — 192.
Magencarcinom, Bedeutung d. Oelsäure f.
d. Diagnose d. —s 614.
—. Frühdiagnose d. —s 425.
—. Harnpepsin als Kriter. zwischen — u.
Apepsia gastr. 653.
— u., Magengeschwür, zur Differentialdia¬
gnose ders. 327.
Mägenchirurgie, Fälle aus d. — 136.
Magen-Darmkanal, Röntgenaufnahmen bei
Krankh. d. —- —s 67.
—, Verhalten des Aluminiums i. — 134.
—. Wirkung d. Morphins auf d. motor.
Funktion d. —s 288.
Magendarmkranke Säuglinge, Bhdlg. m.
Eiweißmilch 359.
Magen-Darmtraktus in Beziehung zu Herz¬
störungen 30. 37. 43.
Magenfermente, Ausscheidung d. — durch
d. Harn 342.
Magengeschwür, Bhdlg. d. Komplika¬
tionen d. rund. —-s 613.
Bhdlgs.-Methoden d. chron. —s 165.
—. callöse —e 638.
—. chir. Bhdlg. d. —s 75. 203. 349.
Magengeschwür, Exzisionen u. Resektion
b. —en 613.
—, Häungkeit d. —-s i. München 90.
—, Heilung d. perfor. —s 205.
—, krebsige Entartung d. chron. —s 425.
—, zur Operation des perfor. —s 427.
—, zur Pathogenese etc. d. runden —s 330.
—, d. penetrierende — 700.
—, Röntgendiagnostik b. — 666.
— bei Sanduhrmagen 311.
Magenmotilität, z. Pharmakologie d. ;—
288.
Magenmucosa b. perniciöser Anämie 229.
Magenoperationen, aseptische — 570.
Magenpräparat m. Carcinom 37.
Magensaft, Aciditätsbestimmung d. —es
302.
—, über d. Acidität d. —es 384.
Magensaftfluß, Fall v. — 136.
Magensekretion u. Motilität nach Appetits-
u. Probefrühstück 713.
Magensekretionsprüfung, z. Methodik d. —
288.
Magenspülung auf neuen Indikations¬
gebieten u. in modifiziert. Anwendungs-
, form 440.
Magentumor, Demonstr. im Gastroskop 698.
Magenverdauung im Darm 288.
—, Einfluß der Milz auf d. — 332.
Magnesium, z. Physiol. u. Pharmakol. des
— 32.
Malaria, Ehrlich-Hata-Mittel bei — 652.
—, einheimische — quartana 694.
Malariamilz. Operation an d. — 667.
Malariapsychosen 199.
Malleolenfrakturen. Bhdlg. d. — 587.
Malum perfor. pedis 315.
Mamma. Beziehung d. Haarsackmilben zu
Krebsbildungen i. d. — 218.
Mammaamputation, Nachbhdlg. d. — 588.
Mammatumor. Demonstration eines —s 137.
Mammin-Poehl b. Fibromyom etc. 217.
Mandelaffektionen in Beziehung zu Infek¬
tionskrankheiten 214.
Mandelpfröpfe, Entfernung d. — durch
stumpfe Löffel 576.
Mann u. Weib 40.
Maschinenverletzungen der Haut 584.
Masern. Einwirkung von - auf Psoriasis
186 .
—, Verhalten d. Leukocyten b. — 365.
Maserninkubation, .das Blutbild i. d. — 207.
Massage, eine neue —Methode: Elasto-
Massage 484.
Massage-Apparate, neue — 165.
Mastdarmvorfall, zur Pathologie u. The¬
rapie d. —es 457.
Mastitis. Bhdlg. d. puerperal. — 341.
Mastixverbände b. Fußerkrankungen 315.
Mastoptose und Mastopexie 249.
Mediastinaltumoren. Erfahrungen b. — 11.
Mediastinitis, z. Klinik der tuberkul. —
346.
Medizin, Wesen u. Wertschätzung d. — zu
allen Zeiten 193.
Medizinalberichte über d. deutsch. Schutz¬
gebiete 236.
Medizinalgesetzgebung und behördliche
Erlasse:
Entwurf des Kurpfuschereigesetzes (bez.
gegen Mißstände im Heilgewerbe) 168.
209. 463, 548. 591. 689. 702;
Gesetzentwurf betr, Versicherungsreform
s. u. Krankenkassenwesen;
Entwurf e. Irrengesetzes i. Baden 27:
Oesterr. Reichs-Seuchengesetz 333;
P r e u ß. Ministerialerlasse betr. Ge.
schlechtskrankheiten 84; Fleischvergif¬
tung 125; Vaccinationslymphe 125; Diph¬
therieheilserum 126; Nahrungsmittelver¬
giftung 153; Frauen als Nahrungsmittel¬
chemiker 153; Tarif f. Untersuchungs¬
anstalten 153; Bovo-Tuberkulin 182:
Infektionskrankheiten i. Kurorten 434:
Leitung v. Krankenhäusern 434; Cholera
430; Fieberthermometer 478; Badewesen
536; Gesundheitskommissionen 675;
S ä c h s. Ministerialerlaß betr. Abgabe v.
Arzneimitteln 110, alkoholfreie Getränke
436.
W ü r 11 e m b e r g. Ministererlaß betr.
Geschlechtskrankheiten 478:
H essischer Ministerialerlaß betr.
Dankschreiben a. Kurpfuscher 661;
ir
0
XLII
1
Mecklenburg. Erlaß betir. Kreis¬
arzttaxe 477;
flambur g. Erlaß betr. Anzeige v. In¬
fektionskrankheiten 304;
Oesterreich. Ministerialerlaß betr.
Wassermannsche Reaktion 478;
Russischer Erlaß betr. Methyl¬
alkohol 592. 606:
Medizinisch-statistischer Jahresbericht d.
Stadt Stuttgart 194.
-Mehlabbau 645.
Mehrlingsgeburten i. Deutschen Reiche
675.
Meiostagminreaktion b. d. experiin. Tu¬
berkulose 542.
—. d. spezif. —, eine physikalisch-ehern.
Reaktion 156.
— b. Typhus 541.
Melaena neonatorum. Gelatinebhdlg. bei —
— 453.
Membrana basilaris, d. akustische Eigen¬
schaften d. — — 374.
Meningitis cerebrospin. epidein., Histologie
d. Rückenmarkes b. — 101.
— cystica d. Gehirns 174.
—. Infektionswege u. Verlauf d. Pneumo¬
kokken— 453.
— u. Pachymeningitis int. infect. acuta 624.
- infolge Schläfenbeinbruchs 373.
— serosa otogener Genese 417.
—, tuberkulös, b. älteren Individuen 282.
—. tuberkulöse — u. Brusternährung 254.
Meningokokkenträger. Blidlg. d. — 172.
Mepiscofissur u. Meniscus bipartit, im Knie¬
gelenk 314.
..Mensan“ als Hämostypticum 76.
Menschenleben. Schutz des intrauterinen
—s 141.
Menstruationsstörungen, Balneotherapie d.
— 192.
Mentholderivat Coryfin 201.
Mercks Jahresbericht 361.
Mergak über d. Antilueticum — 82.
Mesenterialdriisen, chir. Tuberkul. d. — 482.
Mesenterialgefäße. Verschluß d. — als Ur¬
sache d. Darmstenosen 173.
Mesenterialunterbindung mit u. ohne Netz-
plastik 667.
Meßinstrument f. Extremitäten 442.
Metastase. Krebs—n in d. Ovarien u. Ca-
vum Dougl. 697.
Methylhydrastimid, ein neues Emmen-
agogum 246.
Metreurynterschnitt, vagin. Ovariotomie
sub. partu u. — 234.
Michelsche Klammern oder Serres fines?
458.
Migräne, Beziehung d. — zu anderen Ner¬
venkrankheiten 394.
— u. Schmerzdämmerzustände 516.
Mikrococcus tetragenus bei Septikämien u.
Mischinfektionen 355.
Mikroorganismen, ihre Haltbarkeit in Blut¬
egeln 417.
Milben in Geschwülsten 65.
Milch, z. Biologie d. — 122.
—. Ernährung debiler Säuglinge m. mol¬
kenreduzierter — 643.
—. Ernährungsversuch mit konserv.
Frauen— 123.
—, Indikationsgebiet d. Eiweiß— 369.
.. Streptokokken i. d. 672.
Milchabsonderung, Verhalten d. — b. d. zu-
sammengewachs. Schwestern Blazek 428.
Milchgenuß u. Tuberkulose 267.
Milchidiosynkrasie 123.
Milchkaseinpräparat. Resorptionsfähigkeit
d. Haut f. ein — 499.
Milchkühe. Fütterung ders. m. Rück¬
ständen aus industr. Betrieben 190.
Milchsäure b. Tuberkulose d. Conjunctiva
etc. 244.
Milchsekretion. Einfluß v. Infektionskrank¬
heiten auf d. — 640.
—. insbes. die Sekretion d. Milchfettes 547.
Milchserum, Ernährungsversuche mit
künstl. — nach Friedenthal 643.
Miliartuberkulose im Anschluß an Abort
244.
Militärärztl. Dienst, Wert der Tuberkulin¬
proben f. d. —n — 200.
Milz, Einfluß d. — auf die Magenver¬
dauung 332.
—, Operation an d. Malaria— 667.
Milzbrand, Bhdlg. 513.
Milzsarkom, Fall v. primär. — 411.
Mineralsalze, Bedeutung b. d. Ernährung-
Störungen d. Säuglings 81.
Mißbildung, Fälle v. angeborenen —en 641.
Mission, die ärztliche — 462.
Mitralsegelzerreißung u. Herzruptur 500.
Mitralstenose: Häufigkeit u. Prognose 574.
Mittelohrerkrankungen, Behldg. d. — 681.
Molkenreduktion, Bedeutung cl. — f. d. Er¬
nähr. jung. Säuglinge 79.
Momburgscbe Blutleere 188. 324. 529.
— Methode: Einfluß auf d. Herz u. d. Zir¬
kulation 595.
— Schlauchkonstriktion b. Nachgeburts¬
blutung 655.
Mongolenfleck, über d. 184.
Morbicid u. Automors im Vergleich zu
älteren Desinfizientien 218.
Morbus asthenicus 172.
— Basedowii. Erkrankung d. Hornhaut b.
-mit Exophthalmus 709.
— coeruleus b. vier Generationen 582.
Morphin. Wirkung, d. —s auf d. motor.
Funktionen d. Magendarmkanales 288.
Mors subita infantum u. Epithelkörperchen
665.
Mucusan. neues Aittigonorrhoicum 504.
Mundhygiene u. Lungentuberkulose 157.
Mundkühler. Beschreibung eines —s 460.
Muskelarbeit. Einfluß d. — auf d. Serum¬
konzentration 317.
Muskelanstrengung u. Leukocytose 500.
Muskelatrophie z. Nachw. v. tuberk.
Knochenherden 499.
Muskeldystrophie 356.
— infolge Ueberanstrengung 467.
Muskelrigidität als Zeichen zur Erkennung
d. Lungenkrankheiten 352.
Muskeltonus. Messung d. —• 158.
Mutter- u. Säuglingsfürsorge 179. 505.
Muttermale, Bhdlg. d. roten — m. Licht u.
Radium 258.
Myasthemie d. Herz- u. Gefäßmuskulatur
als Grundlage d. Arteriosklerose 346.
Myatonia congenita 541.
Myeläraie, über d. Auftreten großer monu-
nukleärer ungranulierter Zellen b. —
466.
Myelitis, z. Frage d. Graviditäts— 18.
Myelodysplasie, Beziehungen d. Enuresis
noct. zur — 583.
Myom und Glykosurie 640.
—. Röntgenbhdlg. u. operat. Bhdlg. v. —en
284.
—. Röntgentherapie d. Uterus—e 697.
—, Verhältnis d. —s z. Fertilität 79. s
-z. Schwangerschaft 80.
—• d. —- während d. Wochenbettes u. d.
Geburt 80.
Myome, Röntgenbhdlg. d. Uterus— 504.
Myomoperation, Friihaufstehen nach —
586.
Myopie. Fernrohrbrille b. — 573.
Myositis, Aetiologie d. — ossif. träum. 441.
— ossific.. Fibrolysinbhdlg. b. *- 589.
Myödem. Opticusatrophie b. — 257.
Nabeladenom 34.
Nahelbruch, Operation nach d. Lexerschen
Verfahren 589.
Nabelhernie, zur Pathologie u. Therapie d.
^—n d. Erwachsenen 395.
Nachgeburtsblutung, Bekämpfung durch d.
Moirihurgsche Schlauchkonstriktion 655.
—. Digitalkompression der Aorta b. —en
357.
—, zur Therapie d. —en 397.
Nachgeburtsperiode, Aortenkompression b.
Blutung in d. — 49.
Nährpräparat, Sanonervin, ein neues
Nerven— 15.
Naevi angiomatosi i. d. Hinterhaupts¬
nackengegend 356.
— pigmentosi, Fall v. Neurofibromatose m.
^-136.
Naevus flammeus 671.
Nagelextension b. Knochenbrüchen 145.
Nahrungsmittel u. Ernährung 605.
•— Gehalt d. — an Purinkörpern 600.
—Tabelle zur Aufstellung v. Diätverord¬
nungen 547.
Naht, erfolgreiche — d. zerrissenen Arteria
femoralis 326.
—, experim. Beitrag zur Gefäß— 248.
—. Fall v. zirkulärer Arterien— 413.
Nahtlinien, Verlötung unsicherer — durch
freie Autoplastik 203.
Nahttechnik. Bedeutung d. — für d. Wund-
aseptik 426.
Narkose m. Aethylchlorid-Sauerstoff 529.
— . Beiträge zur komb. — 312.
—. z. Frage d. intravenösen — 202.
—. d. intraven. — m. Aether u. Chloroform
48.
—Kommission, englische — 264. .
— b. künstl. verklein. Kreislauf 202. 230.
412.
— per rectum 584.
—, eine neue Theorie d. — 274. 467.
-, Todesfälle b. — 188.
:—, ein Verfahren zur Stickoxydulsauer¬
stoff—- 584.
— u. Wassermannsche Reaktion 309.
Narkosendebatte 80.
Narkotica-Kombinationen. Wirkung d. —
— 159.
Nase- u. Geschlechtsorgan 519.
—. Sehstörungen durch Affektionen <1. —
626.
Nasenbluten. Entstehung u. Bhdlg. m. Di-
^ gitalis 694.
Nasenerkrankung u. Sehnervenentzündung
m.
Nasenkrankheiten, über die Verwendung
des Paraffins b. — 396.
Nasennebenhöhlenempyem, Eiteriiber-
schwemmung des Magendarmkanals aus
^ — 368.
Nasenplastik, Demonstration mehrerer
Fälle v. — 589.
Nasenrachen, ein direktes Untersuchungs-
verfahren d. —s 323.
Nasenrachenraum, endoskop. Untersuch, d.
—es 201.
—, Teratom aus d. — eines Kindes 245.
Nasenscheidewandabsceß. Aetiologie d.
—es 202.
Natrium nucleinic., diuret. Wirkung d. —
— b. Cirrhos. hepat. 302.
Navicularbrucli. Fall von — 359.
Nebenhodenentzündung, elektr. Bhdlg. d.
gonorrh. — 296.
Nebennieren. Apoplexie d. — 330.
—. Einfluß d. — auf d. Kohlehydratstoff¬
wechsel 331.
—. zur Pathologie d. — 471.
Nekrose d. Knochen durch Gefrieren 413.
Nephritis bei Basedowscher Krankheit 529.
—. z. Frage d. operat. Bhdlg. d. chron. —
219.
— haemoglobinurica b. Pneumonie 393.
— u. Skabies 357.
—, über — etc. 32.
Nephritische Blutdrucksteigerung, z. Aero¬
logie d. —n — 346.
-, Marcusesche Theorie d. N. B. 36.
Nephrogene Oedeme u. Kochsalzausschei¬
dung 186.
Nervenaffektionen. die Extension b. d.
Bhdlg. gewisser — 547.
Nervenkrankheiten, Arsenbhdlg. organi¬
scher — 310.
—, Pantonon bei — 701.
—. therap. Taschenbuch d. — 208.
Nervenplastik, Bhdlg. v. Lähmungen mit
— 11.
Nervensystem, Sperminum-Poehl b. Er¬
krankungen d. —s 99.
—. Wassermannsche Reaktion etc. bei Er¬
krankungen d. —s 354.
Nerveriüberpflanzung b. schlaffen Läh¬
mungen 203.
Nervöse Diarrhoe 205.
— Impotenz, Therapie d. —n — 485.
— Krankheiten. Klinik f.- 139. 461.
— u. psychische Krankheiten 576.
— Störungen. Bhdlgserfolge bei gynäkolo¬
gisch— n — 681.
Nervus musculocutaneus, Lähmung des —
— 369.
Netz, Torsion d. großen —es 696.
Netzhautablösung u. ihre Bhdlg. 383.
Netzhautgefäßerkrankungen und Gehirn¬
gefäße 714.
Netzplastik, Mesenterialunterbindung- mit
u. ohne — 667.
Neugeborene, Dyspepsie d. —n 199.
—, Größenzunahme d. —n m. d. zunehmen¬
den Alter d. Mutter 176.
—, künstl. Ernährung v. —n 234.
—, neuere Maßregeln gegen d. Bindehaut¬
gonorrhoe d. —n 63.
—, neues Verfahren b. Scheintod d. —n
63.
—, d. physiol. Gewichtsabnahme d. —n 253.
Neuralgia intercostal., Aetiologie d.-
296.
Neuralgie d. Ferse, z. Geschichte d.-
— 325.
Neuralgien. Diagnose d. — 276.
Neurasthenie et neuroses 402.
Neuritis acustica alcoholica 418.
Neurofibrom, Fall v. multiplen —en 271.
Neurofibromatose, Fall v. — 136.
Neuropathische Gelenkerkrankungen, ihre
Diagnose durch d. Röntgenbild 356.
— —^ z. Kasuistik u. Bhdlg. —r — 257.
Neurosen, Endergebnisse bei traumat. —
317.
—, Ernährungs— im Kindesalter 672.
—. Nachuntersuch, b. traumat. — 411.
—. Psycho— u. ihre seelische Bhdlg. 604.
Neuroses et Neurasthenie 402.
Niere, die Konzentrationsarbeit d. — 372.
—, operativer Eingriff b. Hufeisen— 299.
—, Wirkungsweise v. Nieren- u. Herz¬
mitteln auf kranke — 372.
Nieren- u. Blasentuberkulose 696.
Nieren, Funktion kranker — 25". 372.
Nierenaffektionen b. Endocarditis 322.
Nierenbecken. Diagnose erweiterter — 714.
Nierenbeckenspülungen b. Kolipyelitis 680.
Nierenbeckenstein-Uronephrose 344.
Nierenblutung, essentielle — 5.
Nierendecapsulation b. Eklampsie 34. 119.
Nierendiabetes, z. Frage des — 411.
Nierendiagnostik, Beitrag z. Funktion —
283.
Nierenentkapselung b. puerper. Eklampsie
368.
Nierenentzündung, diät. Bhdlg. d. chron.
— 130. 157.
Nierenerkrankungen als Indikat. z. Unter¬
brechung d. Schwangerschaft 684.
Niereninsuffizienz, Fall von akut, trauma¬
tischer — 380:
Nierenkranke, kochsalzarme Diät b. —n
157.
Nierenlager, Spontanblutungen i. d. —
488.
Nierenleiden, die —, ihre Ursache u. Be¬
kämpfung 490.
Nierenreizungen als Nebenwirkung d. Ar-
sacetins 254.
Nierenstein als Folge einer Nierenver¬
letzung 286.
Nierensteine, über — 299.
Nierentransplantation am Menschen 233.
Nierentuberkulose 700.
—. Diagnose d. — 211. 225. 239. 251.
—. spezif. Bhdlg. d. — 274.
Nierenwassersucht, über — 371. 399.
—. Pathogenese d. — 22.
Nierenzelle, experimentelle u. anat. Unter¬
suchung a. d. — 275.
Nikotin u. Arteriosklerose 115.
Nikotinausschlag, Fall v. — 115.
Nitrit, Spektroskop. Nachw. d. —s im Blute
543.
Nitroglyzerintabletten b. Angina pectoris
. 490.
Nitrosenvergiftung 639.
Novaspirin. 367. 654.
Novocain-Suprarenintabletten, z. Frage d.
Sterilität d.-- 468.
Novocain, Verwendung zur lokal. Anästhe¬
sie 654.
Novojodin, Ersatzmittel d. Jodoforms 486.
- 532.
Nukleinsäure, immunisierende Wirkung d.
— 74.
Nukleinverbindungen b. Anämien der Kin¬
der 100.
o
Oberkiefercarcinom. Demonstration ope¬
rativ geheilter Fälle v. — 236.
Obstipation, d. atonische u. d. spastische
— 179.
Obstipationsalbuminurie, zur Kenntnis d.
— 456.
Oedem. familiäre Erkrankung an akutem
umschrieb. Hautödem 91.
—, Prinzipien d. Bhdlg. v. —cn b. Arterio-
sklerotikeru 309.
Oedeme, nephrogene —r und Kochsalzaus¬
scheidung 186.
Oelsäure, Bedeutung f. d. Diagnose d. Ma-
gencarinoms 614.
Oesophagus, zur Chirurgie d. — 248.
—, 2 Fälle v. künstl. — 589.
—, Verhalten d. — bei Herzvergröße¬
rung 679.
Oesophagusdivertikel. Exstirp. eines —s
589.
Oesophagusschleimliaut, Ausstoßung d. —
b. Salzsäurevergiftung 19.
Oesophagotomia ext. 270.
Oeynhausen in seiner jetzigen Entwick¬
lung 387. 402.
Ohr, Elephantiasis des\—s 432.
Ohreiterungen. Perhyd^ol b. — 190.
Ohrmuschel, Caneroid <C W — 245.
—. Wucherung d. — 6fe>9.
Ohrsekrete, Einfluß d. lyopfstellung auf die
— 432.
Ohrspeicheldrüse, tascüenartige Erweite¬
rung d. — 485.
Ohrtrompete, ein neues direktes Unter¬
suchungsverfahren d. — 323.
Oleum Chenopodii anthelminthici als
Wurmmittel 519.
Olintal u. s. Wirkungsweise 513.
Opsonine. Bedeutung d. — f. d. Praxis 603.
Opsonisches über Staphylokokkenimmuni-
tät 381.
Opticusatrophie b. Myxödem 257.
Orexinprobe z. Feststellung d. Salzsäure¬
sekretion d. Magens 424.
Organismen, elektrochemischer Betrieb d.
— 716.
Organtherapi.e d. postoperativen Tetanie
471.
Orgasmus, ü. d. — 96.
— u. libidinöse Sexualausflüsse 63.
Orthopädie, zahnärztl. — 519.
Orthopädische Operationen. Krampfanfälle
nach —n — 188.
Osteom. 3 Fälle v. — 432.
Osteomalacie u. Adrenalin 504.
— im Klimakterium 699.
Osteoporose u. Gallonfistel 301.
Osteosarkom d. Humerusendes 360.
Otitis med. ac. mit Abducenslähmung 518.
— m. schweren Labyrintherscheinungen
138.
Otogene Sepsis, zur Friihoperation d. akut.
—n — 417.
Otosklerose 669.
—, Fälle v. typischer — 386.
— als Indikat. zur Unterbrechung der
Schwangerschaft 685.
Ovaradentrieferrin, über — 190.
Ovarialtumor. Demonstration eines —s 177.
Ovarientumoren.. Diagnose v. — 76.
Ovarin-Poehl bei Amenorrhoe 673.
Ovariotomie, vagin. — sub partu u. Me¬
treurynterschnitt 234.
Ovarium, Krebsmetastasen i. — 697.
Oxydationsfermente, Untersuchungen über
d. — v. Solanum tuberos. etc. 74.
Oxyuris vermic., Vorkommen u. Bhdlg. v.
Erkrankungen an - 256.
p
Pachymeningitis int. infectios acut. u. Me¬
ningitis 624.
Pädagogik, Handbuch d. Heil— 209.
Panaritiumoperation, z. Technik d. — 118.
Pankreas, Exstirpation eines Fibroms des
— 104.
—, Funktionsprüfung d. — 707.
—, über die innere Sekretion d. — 288.
—s Veränderungen d. — b. Zuckerkranken
24.
Pankreasautolysat, narkotisierende Wirkg.
v. —en 713.
Pankreasdiabetes, Fermocyltabletten b. —
289.
Pankreaserkrankungen 40.
—, Wert der Cammidge-Reaktion b. — 411.
'Pankreasfettnefkrose, Bhdlg. d. — 301.
Pankreashormon bei Diabetes mel. 61.
Pankreasverletzungen, subkutane — 159.
Pankreatitis, Transpleurale Operation d.
subphren. Abscesses bei eitr. — 301.
Pankreon b. Arteriosklerose 304.
, Pantopon 456.
—. Erfahrungen mit — 222.
'— bei Geistes- u. Nervenkrankheiten 701.
— i. d. Gynäkologie etc. 572.
— b. Lungenkranken 603.
Pantoponwirkungen. experiment. Unter¬
suchung über — 613.
Paraffin b. Nasenkrankheiten 396.
Paralyse, Bhdlg. d. progress. — 3.
— u. Ehe 441.
—•, Förstersche Operation b. d. spast. —469.
—, infantile — ? 328.
—, über juvenile — 364.
— u. Unfall 257.
Parametritis posterior chron. 247.
Paraplegische Formen d. mult. Sklerose 144.
Paranepliritische Abscesse 52.
Parasyphilis im Kindesalter 185.
Paratyphusbacillen, Infektionen m. — etc.
422.
Paresen, Verwendung des Ergographen z.
Nachweis v. — 242.
Parotisschwellung, über akute — 116.
Parotitis u. Angina 254.
Pathologie, Beiträge z. experim. — und
Chemotherapie 318.
Patellarfraktur. der Kniestreckapparat bei
d. — m.
Pemnhigus, Ohininbhdlg. d. — 144.
— chron. vulgaris, Fall von P. ehr. v. 136.
— vulg., über einen mikroskop. Befund bei
— 430.
Penis, Demonstration eines Pat. mit Am—
putatio — 137.
Peniscarcinom, Kasuistik d. — 127.
Pepsinausscheidung im Urin b. Apepsia
gastrica 653.
Pergenol, festes Wasserstoffsuperoxyd 193.
Perhydrol b. Ohreiterungen 190.
Perikard, Kokainisierung d. —s bei Ope¬
rationen am Herzen 458.
Perikardobiiteration u. Kardiolyse 353.
Periost-Knochen transplantation, erfolg¬
reiche -—— 35.
Periostitis am Epicondylus lmmeri 230.
Perirenales Hämatom 330.
Peristaltik, Anregung d. — nach Laparoto¬
mie wegen Appendicitis etc. 426.
— d. normale — d. Colon 62.
Peritonitis, Anwendung des Dauermagen-
hehers bei — 283.
— durch Bandwurm 695.
—, Bhdlg. d. allgern. — 24.
—.-diffusen eitrigen — 300.
—. Bedeutung d. intraabdominellen Druckes
b. d. Bhdlg. d. — 287.
—, über Darmverschluß und Darmparalyse,
einschließlich — 680.
— u. Dünndarmperfor. durch Kirschkern
188.
—, experim. Untersuchung zur Gallen¬
blasen— 301.
— b. d. Gonorrhoe d. Mannes 582.
— infolge Perforation von Typhusge¬
schwüren 638.
—, Prophylaxe, d. postoperat. — 91.
— salningit. im Kindesalter 189.
Perityphlitis bedingt durch d. Glied eines
Bandwurms 230.
— traumat. 47.
„Perplex“, ein alkoholfreies Getränk 490..
Pertussis, Neu-Pyrenol b. — 102.
—, Pathol. u. Ther. d. — 361.
Perubalsam (synthetischer) b. Skabies 33.
Perugen b. Skabies 33.
Pes calcaneus traumat. 597.
Pessare b. d. Bhdlg. d. Scheidenvorfalles
397.
Pfählungsverletung i. d. Gravidität 397.
Phagocytäre Vorgänge am Auge 443.
Phagocytose u. Armethsches Blutbild
156.
Phimosenbhdlg. im frühen Kindesalter 679.
Phlebitis, eine neue Therapie d.— 615.
Phlyktänuläre Augenentzünduhgen u. Tu¬
berkulose 708.
Phlyktänulöse Bindehautentzündung, ope¬
rative Bhdlg. d. —n — 299.
i
A
XV
Phonoskiaskop. das — 345.
Phosphorhaushalt d. wachs. Hundes 241.
Phosphorumsatz des wachsenden Organis¬
mus 149.
Phosphorvergiftung;, Fettsäure i. d. Leber
b. — 570.
—. Verlauf d. experim. Diabetes b. — 331.
Phthisan u. Pneumonal b. Lungenschwind¬
sucht 179.
Physik, Stellung d. — z. mechan. Natur-
aufklärung 601.
Physikalische Therapie u. Ischiasbhdlg.
340.
Physiologie, Grundsätze d. — 402.
Pilokarpinintoxikation 102.
Pirquetsche Hautreaktion in prakt. Hin¬
sicht 665.
Pittylen-Präparate 54.
Pityriasis capitis u. ihre Bedeutung f. d.
Haarausfall 296.
Pixavon gegen Haarschwund 85.
Placenta mit sehr großem retroplacentaren
Hämatom 458.
Placenta, manuelle Lösung der reifen —
204.
—, Retention d. — u. ihre manuelle Lösung
271.
— praevia, Bhdlg. d.- 38. 189. 243. 469.
. Tamponade b. PI. p. 231.
Placentairlösung. manuelle — 243.
—. Umgehung d. manuell. — durch d. Mom-
burgsche Schlauchkonstriktion 655.
Placentation u. Einidation 120.
Plaques, schnelles Verschwinden nach An¬
wendung d. Ilata-Präp. 671.
Plastik, Beiträge zur Gewebs— 301.
—. Erfahrungen über Dura— 248.
—. zur Gesichts— 249.
Plattfuß, Erfolge d. —Operation nach
Gleich-Brenner 655.
, Verwendung v. Mastixverbänden b. —
315.
Plattfußeinlage, eine auf einem neuen Prin¬
zip begründete — 485.
Pleuraempyem, Bhdlg. 199.
Pleuraerkrankungen, Lymphstauung b.
schweren — 342.
Pleurahöhle, Saugdrainage d. — 582.
Pleurapunktion, Apparat zur — 532.
Pleuritis, d. interlobäre exsud. — 532.
Pneumatose d. Magens, geheilt durch un-
blut. Dehnung cl. Cardia 652.
Peumatosis cystoides intestinoruin 488.
Pneumokokkeninfektionen, Bakteriotropine
d. Serums b. — 199.
Pneumokokkenmeningitis, Infektionswege
u. Verlauf d. — 453.
Pneumokokkensepsis mit Hämoglobinurie
214.
— u. Pneumokokkenserum Römer 114.
Pneumonie-Bacillus, Vorkommen i. d.
Außenwelt' 143.
Pneumonie. Bhdlg. schwerer Broncho-—n
d. frühen Kindesalters 421.
—, Nephritis haemoglobinurica b. — 393.
—. Pseudoappendicitis b. — 322.
—, zur Röntgendiagnose bei — 466.
—, Zusammenhang von Raucheinatmung u.
croup. — 378.
Pneumothorax,. Bhdlg. einseit. Lungen¬
tuberkulose m. künstl. - 114. ■
—. Lungenabsceß durch künstl. — be¬
handelt 173.
Pöcköfi, 'z5ur. Frage der Geflügel— 430.
Poliomyelitis, über — 430.
— acuta 46.
— —, experimentelle Untersuchungen über
Pv a. 645.
— epidemica 687.
—. experimentell erzeugte — b. Affen 156.
— bei Kindern 640.
Polyarthritis, akute kryptogen. ; — gonor¬
rhoica 89.
— chron-. progr. i. Kindesalter 351. 453.
Polycythaemia megalosplenica 626.
Polyneuritis alcoholica 543.
Polyp, Dyspnoe infolge eines —en i. rech¬
ten Brqnchus 682.
Polyposis- intestin: beim Kinde 679.
Preise und Preis Stiftungen: .
Anthropologische Maass-Medaille 14:
Cyon 56. 111: Lippert. 70: New-Yorker •
Tuberkul'osepreis 70; Preisausschreiben
d. „Umschau“ 84: Kiilz-Althoff 97: Al-
varenga 140. 464. 662; Ernst Aronso.hu
153; Mary Kingsley-Medaille 167: Preis¬
ausschreiben d. rhein. Aerztekammer
betr. Milchmerkblatt 223; Preisausschrei¬
ben betr. Nährwert d. Milch 263. Ehren-
medaille d. Royal-College of Surgeons
277: Stiebei 290; Bernh. Fraenkel 291;
Zambaco 320; Lannelongue 334; Goldber¬
ger 362; Goethe-Medaille 376: Cameron
434: Albert-Medaille 435; Akademie von
Bologna 508; Pr. d. Weltausstellung in
Brüssel 563. 578. 634; Pas-teur 591; von
Welz-Graefe 605; Preisausschreiben
betr. Verhütg. v. Milzbrand 661; Nobel¬
preise 718. ,
Probefrühstück, Magensekretion u. Mo¬
tilität nach — 713.
Profetasches Gesetz u. Wassermannsche
Reaktion 215.
Projodin, therap. Anwendung von — 455.
Prolaps, Genital— eine Folge d. spät. Erst¬
geburt 160.
—. Operation d. —es 150. 163.
Prolapstherapie, zur — 150.
Brostatacarcinom, Symptomatologie d. —s
131,
Prostatahypertrophie, Bhdlg. d. — 443.
-durch Prostatadehnung 356.
Prostatektomie, Indikationen z. — 517.
Proteinsäuren i. Exsudaten etc. 24.
Proteusinfektion unter dem Bilde des
Typhus abdom. 351.
Prothese, das Arbeiten mit —n 642.
Pseudarthrose, Bhdlg. d. — 665.
Pseudoappendicitis b. Pneumonie 322.
Pseudobulbärparalyse durch Schußver¬
letzung 355.
Pseudohermaphroditismus 504.
Psittakosis. über — 431.
Psoriasis, Arsenobenzol b. — 581.
—. Fall v. Einwirkung v. Masern auf —
185.
— vulgaris u. Wassermannsche Reaktion
480. >
Psychiatrische Krankheitsbezeichnungen
341.
Psychische Krankheiten, Klinik f. — —
139. 461.
— u. nervöse Krankheiten 576.
Psychoneurosen u. ihre seelische Bhdlg.
604.
Psychopathie, Vorlesungen über — beim
Kind ISO.
Psychophysische Untersuchung, m. d. Gal¬
vanometer 74.
Psychose nach Fleischvergiftung 283.
—, zur Frage d. postoperat. —n 441.
— u. Herzkrankheit 283.
—, zirkuläre —n 501.
Psychosen infolge von Malaria 199.
— als Indik. z. Unterbrechung d. Schwan¬
gerschaft 685.
Puamambra, ein neues Aphrodisiacujn 222.
Pubeotomie, Berechtigung d. — 599.
Puerperale Eklampsie. Nierenentkapselung
b. _ r — 368.
— Sepsis, Collargoltherapie b. — r — 114.
Puerperalfieber. Bhdlg. d. —s 66. 83.
—, Entstehung u. Verhütung 531.
Pulmonalstenose u. Morbus Addis. 200.
Pulsform, Vorzüge d. Frankschen Spiegel-
shygmographen f. cl. Aufzeichnung d. •— ‘
339.
Purinkörper, Gehalt d. Nahrungsmittel an
—n 600.
—. Verhalten d. — .bei Lebervenenthrom¬
bose 367.
Pyämie, Aortenruptur b. — 245.
Pyelitis, Bhdlg. d. Koli—an. Niereubecken-
spülungen 680.
—. z. Kenntnis d. primär. — 5.
Pylephlebitis m. Leberabsceß 626.
Pylorospasmus, Rektalinstillationcn b. —
156.
Pylofus. Abknickung d. — mit Gastroptose
136.
. Carcinom d. — nach altem Ulcus pylori
136.
Pylorusstenose, Fälle v. — 136. ,
tuberkul. — 696.
Pyrenol b. Respirationskrankheiten 102.
a
Quecksilber, wie wirkt — bei Syphilis auf
d. Ausfall d. Seroreaktion'? 353.
—, Wirkung b. experiment. Syphilis 353.
Queeksilberbhdlg., ältere u. neuere Me¬
thoden d. — 474.
— b. Sehnervenatrophie 358.
Quecksilber-Injektionen, Herabsetzung der
Schmerzen b. — 437.
Quellen. Radioaktivitätsverhältnisse von
Heil— 209.
Querlage, Rhachiotomie b. verschleppter
— 546.
R
Rachenkrankheiten i. Zusammenhang m.
Gelenkrheumatismus 351.
Raclieiimandeloperationen u. Sprachstörun¬
gen 171.
Rachitis, Bedeutung d. Kalkes i. d. Patho¬
logie d. — 171.
— u. ihre Folgezustände 642.
Radioaktivitätsverhältnisse v. Heilquellen
etc. 209.
Radioferment- und Fermentherapie 342.
Radiographische Darstellung d. Wurmfort¬
satzes 484.
Radiometer, über cläs einstufige Kalomel—
117.
Radiotherapie d. Fibrome 80.
Radium. Bhdlg. d. Lupus mit — 455.
zur Bhdlg. roter Muttermale 258.
. Heilversuche mit — 648:
— b. rheuraat. Erkrankungen 483.
Radiumausscheidung im Urin 484.
Radiumbank in London 70.
Radiumemanation, über d. Aufnahme v. —
durch d. Haut 428.
-. Stand der Frage d. — 474.
—, Studien über — 150.
—, ungeregelte Verhältnisse b. Bestimmung
d. — 151.
—, wechselnder Gehalt d. Atmosphäre an
— 370.
Radium-Emanationsbäder. Kreuznacher —
— 67.
Radiumgewinnung 42. 620. 704.
Radiumhaltige Kochsalzthermen, physiol.
Wirkungen —r — 151.
Radiuminstitut i. Paris 70. 450: i. Wien 42.
660.
Radiu mPräparate 153. 435.
Radiiimtherapie, z. — 7.
—. Demonstrationen aus d. Gebiete d. —
151.
Radiumvorrat der Natur 375.
Radiumwirkung auf maligne Tumoren 175.
Radiusfrakturen, Bhdlg. d. — 587. ; 1
Rasillit. Augen Verletzung durch —- 285. -
Raucheinatmung im Zusammenhang mit
croup. Pneumonie 378.
Raynaud sehe Krankheit. Therapie dröhend.
Fingergangrän b. —r — 62. .
Reflexe, diagn. Bedtg. d. — b. Üräihie 201.
Regeneration d. Blutes 187.
Reichenhall. Erschließung einer Ivochsalz-
trinkquelle in — 67.
Reisen in Oberbayern u. Tirol 387.
Rektalgonorrhoe im Kindesälter 366.
Rektalinstillationen b. Pylorospasmus 156.
Rektalnarkose 584.
Rektoskopisohc Untersuchung 173.
Rektum, Carcmom d. — 136.
Rektumcarcinöm, d. sakrale Vorlagerungs-
methode b. — 326.
Rekurrens, Wirkung d. EhrlichschenÄrsen-
präparates b. — 294.
Reluirrensläsioneh bei Strumaoperationen
442.
Rekurrensstörung u. Kropfoperation 273.
Remedia „Hoechst“ 361.
Resorptionsfähigkeit d. Haut f. ein Milch¬
kaseinpräparat 499.
Retroflexio uteri grav. zur Laparotomie Rei
- 428.
Revolverattentat ä. e. Arzt 69.
Rhachiotomie b. verschleppten Querlagen
546.
Rheuma. Ersatz d. Thermalbäder durch
Inhab ihrer Radiumemanation b. — 570.
Rheumatische Erkrankungen, über cb An¬
wendung v. Radium b. —n — 483.
-, tonsillare Bhdlg. d. sog. rh. E. 214.
-, Spirosal 1). rh. E. 155.
Rheumatismus articul., Serumbhdlg. d. —
— 281.
— nodosus 527.
Rhinitis acüta, Bhdlg. d.—-— 296.
Rhinitis acuta, Bolus alba b.-68.
Rhino-Laryngologie, CoryfinL d. — 502.
—, Haben sich i. d. — d. Ersatzmittel d.
Kokains bewährt? 284.
Jßhinoskopie, Untersuchungsinstrumente z.
— 138.
Riedels Berichte 165.
Rindenblindheit d. Commotio cerebri 528.
Rippenknorpel, Verknöcherung d. - - als
Röntgenschädigung 408.
Roborin 565.
—. Bedeutung d. —s 265.
Röntgenaufnahme d. Herzens 53.
— b. Krankh. d. Magen-Darmkanals 67.
Röntgenaufnahmeverfahren, ein neues —4.
Röntgenbefunde b. Lungendrüsentuberku¬
lose 138.
Rüntgenbehandiung d. Kropfes 442.
—■ u. operative Bhdlg. v. Myomen 284.
— b. Uterusblutungen u. Myomen 504.
Röntgenbild, Diagnose der neuropatli. Ge-
lenkerkrankungen, durch d. — 356.
Röntgencarcinom u. seine Entstehung 598.
Röntgendia.gnose der Lageveränderungen
der Abdominalorgane 193.
— d. miliar. Lungentuberkulose 581.
— bei Pneumonie 466.
Röntgendiagnostik d. Lungentuberkulose
710.
— Ulcus ventriculi 666.
Röntgeneinrichtungen in Land- u. Schiffs—
lazaretten 509, 523, 537.
Röntgenographie, Gestell für Tele— 373.
Röntgenologie, Zirkonoxyd als konstrast-
bild. Mittel i. d. — 116.
Röntgenphysik, Leitfaden d. — 519.
Röntgenschädigung, Verknöcherung d. Rip¬
penknorpel als — 408.
Röntgenstrahlen b. Basedowscher Krank¬
heit 411.
—. Bhdlg. d. Kehlkopftuberkulose m. —
215.
—- zur Darstellung v. Bewegungsvorgängen
700.
—- u. Diphtheriegift 59.
Dosierung d. — 117.
— z. Nachw. d. Coecum mobile 502.
— i. d. Therapie d. Hautkrankheiten 707.
—, Wirkung v. — auf Geschwülste 486.
— u. Zahnheilkunde 600.
Röntgentherapie b. chron. Bronchitis u.
Bronchialasthma 367.
— des Skleroms 705.
— d. Uterusmyome 697.
Röntgenuntersuchungen d. Herzens im
Kohlensäurebad 207.
— d. Schädels b. Epileptikern 90.
Röteln, Lymphdrüsenschwellungen b. —
16.
Rückenmark, die koinbin. System¬
erkrankungen d. —s 116.
Rückenmarksanästhesie b. Laparotoinier-
ten 95.
RückenmarksChirurgie 221.
Rückenmarkserkrankungen, Duschmassage
b. — 193.
Rückeninarkshornpression und Sklerose:
Differentialdiagnose 613.
Rückenmarkstumor 698.
—, extramedullärer — 131.
Rückgratsverkrümmungen, neues Gerät d.
sehwed. Gymnastik b.-618.
—, Ursachen d. jugendl. 289.
Rumination im Kindesalter 364.
Rupturen d. Duodenum 159.
s
Sabromin, Ueber — 123.
— b. ambul. Epilepsiebhdlg. 200.
— b. Chorea 519.
Saccusempyem. Fall v. zirkumskript, La¬
byrintheiterung m. — 386.
Sachverständigentätigkeit, Handbuch d. —
473.
Sanitätswesen, öffentliches (staatl. und
stadt.):
Medizinaluntersuchungsamt i. Breslau
224;
Bakteriolog. Untersuchungsanstalt in
Gelsenkirchen 278;
Tuberkulinpavillon i. Virchow-Kranken-
haus 478;
Stadt. Augenklinik i. Frankfurt a. M. 390;
Krankenhaus-Konflikt i. Johannisburg
361;
Medizinische Räte b. d. sächs. Kreis¬
hauptmannschaften 263;
Stadtbezirksarzt i. Zwickau 389;
Städtische Hals-, Nasen- u. Ohrenärzte i.
Dresden 647;
Anteil d. ärztl. Behandelten a. d. Gestor¬
benen i. Elsaß-Lothringen 406;
Plan der „Spitäler-V erländerung“ i.
Wien 703.
Sauerstoffbäder, Methode zur Herstellung
v. —n 713.
Säugling, Bedeutung d. Mineralsalze b. Er¬
nährungsstörungen d. —s 81.
—, Bhdlg. magendarmkranker —e mit Ei¬
weißmilch 359.
—. Bekämpfung d. Sommersterblichkeit d.
—e 672.
—, Eiweiß im Harn v. —en 364.
—, Einwirkung d. Kampfers auf d. — 644.
—, Erfolge d. Anstaltspflege von gesunden
u. kranken —en 679.
—, Ernährung debiler —e mit molkenredu¬
zierter Milch 643.
—. Fall von endolaryngcaler Schilddrüse
beim — 685.
—der — im Hochgebirge 100.
—. kolloidchemische Betrachtungen ü. d.
•Enteritis d. —e 123.
—, Schwefelausscheidung i. Harn b. —en
123.
—, Typhusverschleppung durch —e 365.
Säuglingsalter, Gaumenspaltoperationen im
— 670.
—, zur Physiologie d. —s 122.
—, system. Körperwägungen i. — 78.
—. Verdauungsleukocytose im — 241.
Säuglingsblut, Antifermente im — 109.
Säuglingsdarm, Bedeutung d. Seifenbildumr
i. — 106.
—, Verhalten d. Säurebildung i. — 109.
Säuglingsernährung 646.
—, Physiologie d. — 350.
—, Rolle d. Kohlehydrate bei d. — 642.
— u. Säuglingsstoffwechsel 319.
—, Theorie d. — 109.
Säuglingsekzem, Stoffwechsel beim — 644.
—•, Therapie d. —s 672.
Säuglingsfürsorge 505.
—, beamtete Helferinnen i. d. — 453.
Säuglings- u. Mutterfürsorge 179.
Säuglingsschutz. Zeitschr. f. — 462.
Säuglingsstoffwechsel, Bedeutung d. Le¬
cithins f. d. — 499.
Säuglingstuberkulose, Klinik d. — 16.
Säurebildung im Säuglingsdarm 109.
Sahliscke Desmoidreaktion 101.
-. Brauchbarkeit i. Klinik u. Praxis 515.
Sajodin, über 54. 498.
—. eine eigenart. Gelenkaffektion, geheilt
durch — 456.
—, über Eisen-— 569.
Sakraltumor. Kasuistik d. — 133.
Salicylic Acid and its Derivatives 309.
Salicylpräparat „DiplosaL 74.
Salpingitische Peritonitis im Kindesalter
189.
Salvarsan 690. 704.
Salzsäureproduktion, z. — des Magens
* 339.
Salzsäuresekretion d. Magens, Orexinprobe
z. Feststellung d. — 424.
Salzsäurevergiftung, Ausstoßung d. Oeso-
phagusschleimhaut b. — 19.
Sandelöl. Ausscheidungsweise u. Verträg¬
lichkeit d. — 104.
— b. Gonorrhoe 473.
Sanduhrmagen, Fall v. perfor. Magen¬
geschwür b. — 311.
Sanitätsdienst im Zukunftskriege 304.
Sanonervin, ein neues Nervennährpräparat
15.
Santyl, Ausscheidungsweise u. Verträglich¬
keit d. —s 104.
— b. gonorrh. Urethritis 158.
Saponinsubstanzen, experim. Anämie durch
— 316.
Saprophytisches Wachstum der Tuberkel¬
bacillen etc. 481.
Sarcoma femoris 344.
Sarkom, Beckenresektion wegen — 103.
—, Besserung eines —s m. Ehrlich-Hata
606 699.
—, Fall von primär. Milz-— 411.
—, über Ratten— 431.
Sarton. ein neues Nährpräparat f. Zucker¬
kranke 310.
Sauerstoffinhalationsmethode, vereinfachte
— 67.
Saug- u. Stautherapie am Auge 327.
Saugdrainag« d. Pleurahöhle 582.
Scarlatina raitigata 222.
Schädelbasisfraktur, Bhdlg. d. —en m.
wiederholt. Lumbalpunktionen 649.
Schädelgrube, Diagnose d. Erkrankungen
d. hinteren — 589.
Schallauslösung im Gehörorgane 373.
Schallleitungsapparat, über d. Mechanik d.
—es 386.
Scharlach, Bhdlg. d. —s 299.
—, wiederholte Erkrankung an — 172.
-, über Komplementbildung b. — 221.
Scharlachrot. Epithelwucherungen durch
Injektion v. — etc. 324.
Scharlach R., Wirkung a. d. Epithelwachs¬
tum 395.
Scheide. Zerreißung während der Geburt
91. 204.
Scheideninversion, Fall v. — 137.
Scheidenvorfall, über Pessare bei d. Bhd
des —s 397.
Scheintod, neues Verfahren b. — d. Neu¬
geborenen 63.
Schenkelhalsbruch. Bhdlg. d. —es 33.
Schienenhülsenapparate, über d. Ent¬
stehung d. — 641.
Schilddrüse, Fall v. endolaryngealer — b.
Säugling 685.
—, Studien über d. — - 471.
Schilddrüsenschwäche u. Zuckerhuuger J
Schläfenbein, Folgezustände d. Ver¬
letzungen d. —s 373.
Schläfrigkeit, Ursachen der — u. Schlaf¬
losigkeit 471.
Schlafkrankheit, über exper. — 114.
Schlaflosigkeit, Ursachen d. — 471.
Schlafstörungen der Herzkranken 706.
Schleimhaut, Eugallol b. Erkrankungen d.
— 427.
Scklottergelenk. traumat. — 656.
Schmerzdämmerzustände u. Migräne 516.
Schmerzen. Herabsetzung d. — b. Hg-In-
jektionen 437.
. intestinale Körper — 62.
Schmerzlinderung während d. Geburt durch
Stoeckelsche Methode 132.
Schmerzlose Operationen im Gebiete des
Gesichtsschädels etc. 544.
Schmerzstillung b. Frauenleiden 75.
Schnauben, Exophthalmus durch kräftiges
— 245.
Schnecke, Funktion d. — etc. 374.
Schnupfen. Bhdlg. in. elektr. Lichtkasten¬
bädern 31.
Schnupfenbhdlg. in. Coryfin 663.
Schröpfen 625.
Schrothsches Heilverfahren 440.
Schrumpfniere, Funktion, Differentialdia¬
gnose u. Prognose d. — 346.
Schulterluxationen, Bedeutung d. Hem¬
mungsbänder d. Schultergelenks f. d. —
597.
Schulterverrenkung, Reposit. veraltet. —
301.
Schußverletzungen, Infektion d. — 572.
Schutzstoffe aus Organen 416.
Schwachsinniges Kind, Intelligenzprüfung
206.
Schwächezustände. Bhdlg. v. —n 17.
Schwammsonde i. d. Speiseröhrenbhdlg. 33.
Schwangerschaft, doppelseitige Tubar—
469.
— b. Hydronephrose 243.
—, Indikationen z. künstl. Unterbrechung*
d. — 684.
— u. Tuberkulose 576. 587.
—, Verhältnis d. Myoms z. — 80.
— u. Zuckerkrankheit 516.
Schwangerschaftstoxämie 599.
Schwarzwasserfieber, Cholesterin als Heil¬
mittel b. — 199.
—, Fall von — 706.
Schwefelausscheidung i. Harn bei Säug¬
lingen 123.
Schwerhörige, Lehr- und Lernbuch f. —
193.
Schwerhörigkeit, über endemische — 386'..
•Schwitzmittel, Diaspirin als — 383.
Sclerodermie, zwei Fälle v. — 472.
Scopolamin-Morphiumnarko'se. Todesfälle»
b. — 188.
XVII
\
Sedativa bei Augeuoperationen 470.
Seefahrt, die Heilkräfte d. — 335.
Seeklima, Einfluß auf d. Blutbild 208.
—, das kranke Kind u. d. — 461.
Seekrankheit, Bromural b. — 257.
—, Verona! gegen — 618.
—, Veronal-Natrium. b. — 309. 473.
Sehnenluxation, zur nichtkomplizierten
traumatischen — 458.
Sehnennaht, über d. Möglichkeit sofortiger
Bewegungsaufnahme nach — 315.
Sehnenreflexe b. Urämie 201.
Sehnerv, Einwirkung d. Arsacetins auf d.
— 232.
Sehnervenatrophie, Quecksilberbhdlg. b. - -
358.
Schnervenentzündung u. Nasenerkrankung
470.
Sehschärfe. Sehprobentafeln z. Bestimmung
d. — f. d. Ferne 165.
Sehstörungen durch Affektionen d. Nase
626.
Seifenbildung, Bedeutung d. — i. Darme d.
Säuglings 106.
Selbstmord, über d. — 480.
Sensibilität, krit. Bemerk, zu Arbeiten über
d. — d. Bauchorgane 442.
Sepsis, Antistreptokokkenserum b. Strepto¬
kokken— 489.
—, Collargoltherapie b. puerp. — 114.
—, zur Frühoperation der akuten otogenen
— 417.
—. Pneumokokken— mit .Hämoglobinurie
214.
—, nach Varicellen 678.
Septikämie, MikrococcuS tetragenus b. —
etc. 355.
Septumdefekt u. Morb. Addis. 200.
Serodiagnose im Kähmen der Prosti¬
tuiertenkontrolle 255.
Serodiagnostische Untersuchung b. Sy¬
philis u. Tuberkulose d. Auges 215.
Serologische Differenzierungen v. Harn¬
eiweiß 714.
Seroreaktion. Beziehungen zwischen Jod
u. Ausfall d. — 498.
—, Wie wirkt Hg bei Syphilis auf d. Aus¬
fall d. — ? 353.
Serres fines oder Miehelsche Klammern?
458.
Serumbhdlg. d. Gelenkrheumatismus 281.
Seruminjektionen b. Diphtherie 184.
Serumkonzentration. Einfluß d. Muskel¬
arbeit auf d. — 317.
Serumkrankheit, Aetiologie u. Prophylaxe
d. — 45.
Serumreaktionen, Vorschlag einer ein¬
fachen Bezeichnung d. Wertes von spezif.
— 416.
' Serumtherapie, Ilandb. d. — 275.
Sexualausflüsse, d. libidinös. — 96.
—, libidinöse — u. Orgasmus 63.
Siebbeinoperation, Exophthalmus nach —
durch kräftiges Schnauben 245.
Siebbeinzellen, Augensymptome bei Er¬
krankungen d. Stirnhöhle u. 459.
Simulation, Ergograph zum Nachweis v. —
242.
—. Methode zum Nachweis d. — d. Taub¬
heit 385.
Sinus pericranius, Fall V. ‘- 709.
Skabies, Bhdlg. m. Pei;ugen 33.
— u. Nephritis 357.
Sklera.-Therapie d. Tuberkulose d. — 244.
Sklerodermie u. Cucullaris-Lähmung 64.
Sklerom i. Ostpreußen 567. 642.
—Röntgentherapie d. —s 705.
Sklerose, Differentialdiagnose d. parapleg.
Formen d. multipl. — 144.
-zwischen d. pontin. Ilirngeschwulst u.
d. multipl. 257.
—- u. Kückenmarkskompression: Differen¬
tialdiagnose 613.
Wassermannsche Methode z. Differen¬
tialdiagnose zwischen Lues cerebroäpin.
u. multipl. — 512.
Skoliose u. angeborene Wirbelanoinalien
588.
—, Entstehung u. Bhdlg. 529.
Skopolamindämmerschlaf, Wirkung d. —s
auf d. Kind 80.
Skopolamin-Mischn/arkose., Erfahrungen
über-- 269. .
Skrofulöse Augenkraukheiten, Borsäure b.
—n — 208.
Solbäder, Zur Dauerwirkung COs-haltiger
— b. Kreislaufstörungen 282.
Soleinhalationen, über — 178.
Somatose. Wert d. — 71.
Sommerfrischen in Oberbayern u. Tirol 387.
Sonderabdrücke, Frage d. — 390.
Sonnenblendung durch eine neue zahnärztl.
Bhdlgsmethode 232.
Sonnenforschung, internationale Expedi¬
tion f. — 194.
Sophol zur Verhütung von Blennorrhoea
neonat. 618.
Sorgenkind, seine Pflege u. Erziehung 505.
Sozialmedizinische Bestrebungen, Insti¬
tutionen etc.:
Bekämpfung d. Alkokolismus 42. 97. 139.
139. 493;
Bekämpfung d. Diphtherie 348;
Bekämpfung d. Malaria 661;
Säuglings- und Kinderfürsorge, Mutter¬
schutz 13. 14. 84. 111. 140. 153. 182. 250.
204. 404. 493. 660. 718;
Schularztwesen (einschl. Zahnpflege) 98.
124. 153. 194. 250. 634. 690. 718;
Bekämpfung d. Krebskrankheit 14. 292;
Krüppelfürsorge 28;
Bekämpfung d. Geschlechtskrankheiten
84.' 181. 478:
Gewerbehygiene 661;
Bekämpfung d. Tuberkulose u. d. Lupus
42. 70. 111. 292. 347. 390. 478. 689. 717. 718;
Sorge f. unheilbare Kranke 320;
Zahnhygiene 70. 264;
Sonstiges 660.
Soziologie d. Geschlechtslebens 673.
Spasmophile, Aschegehalt in d. Gehirnen
—r 644.
Spasmophilie und Calcium 140.
Spastische Lähmungen, Bhdlg. —r — 174.
Speicheldrüse, Deinonstr. einer isol. Aktino-
mykose d. — 316.
—, taschenartige Erweiterung d. Ulir—
485.
Speiseröhre, Fremdkörper i. d. — 613.
Speiseröhrenbhdlg. mittels Schwammsonde
33.
Speiseröhrenerweiterung, Bhdlg. d. — ohne
anatom. Grundlage 288.
Speisewege, Fremdkörper d. — 670.
Spenglers Präparat. Bhdlg. m.-129.
Spermathanaton, über -L 304.
Spermatozoen. Auffindung d. — i. Sperma¬
flecken 517.
Sperminum-Poehl b. Erkrankungen d.
Nervensystems 99.
Spezifitätsbegriff. Einfluß d. —es auf d.
moderne Medizin 603.
Sphygmograph, Vergleich d. Frankschen
—en m. d. Jaquetschen 339.
Vorzüge d. Franksche Spiegel—en 339.
Spincter ani, Gefahren d. forciert. Dehnung
625.
Spinale Kinderlähmung 184.
Spinalganglien, Untersuchungen an — d.
Säuglings 207.
Spirometrische Untersuch., Ergebnisse —r
— 373.
Spirochäte, über einfache Methoden zur
Färbung lebender —n 481.
—, Einfluß des Ehrlich-Hataschen Mittels
auf d. —n 621.
—. Nacliw. d. — pall. mittels d. Tusche-
verfahren 89. 137.
— pall., Färbung in vivo 498.
-. Lebensdauer d. Sp. p. 295.
—, Vorkommen i. d. Vaccinen bei kong.-
syphilit. Kindern 622.
Spirochätenfärbung, über eine neue — 465.
Spirochätennachweis in seiner Bedeutung
f. d. Diagnose d. Syphilis 215.
Spirosal b. rheümat. Erkrankungen 155.
•Spirosalbhdlg., zur — 201.
Spirosalwirkung 516.
Sporotrichose, Fall v.-313.
Sprac-härztl. Bhdlg., Wichtigkeit —r —
234.
Sprache, Bedeut, der linken dritten Stirn¬
windung f. d. — 411.
Sprachstörungen u. Rachenmandelopera¬
tionen 171.
Sprechakt, Einfluß d. Kleinhirns auf d. —
355.
Sputum, ii. d. granuläre Form d. Tuberkel¬
bacillen i. — 89.
—, Tuberkelbacillennachw. i. — u. d.
Uhlenhuthsche Methode 499.
Standesangelegenheiten (ärzt¬
liche), soweit nicht unter anderen Stich¬
wörtern zu finden:
Ausschuß d. preuß.' Aerztekammern 12.
110. 361 : Aerztekammern f. Brandenburg-
Berlin 68. 166. 389: Bayerische Aerzte-
kaminer 13: Dresdener Aerztekammer
674: ( nterstellung der Aerzte der
Fürstentümer Lübeck u. Birkenfeld unter
preuß. Aerztekammern 491; Aerztl. Stan¬
desordnung f. Bayern 361: Ablehnung v.
Ehrengerichten i. Elsaß-Lothringen 520;
Angliederung d. Medizinalabtlg. d. preuß.
Kultusministeriums an d. Ministerium d.
Innern 56. 110. 434: Bayerischer Obor-
medizinälausschuß 13: Landesmedizinal¬
kollegium d. Kgr. Sachsen 13; Gewerbe¬
steuer f.. Aerzte i. Hessen abgelehnt 463;
Privatklinik als Gewerbebetrieb 591:
Gefängnisarztstelle i. Graudenzf 448:
Aerztl. Sonntagsruhe 449; Beschluß betr.
Wahl e. Arztes i. d. erste sächs. Kammer
13: Stadtbezirksarzt i. Zwickau 520:
Spezialarztfrage 632; Professortitel 578.
659. 660: Antrag d. ärztl. Bezirks Vereins
Leipzig-Land betr. Honorierung ärztl.
Leistungen f. gemeinnützige Zwecke 139.
HiO. 434; Zahl d. Aerzte i. Deutschland
40. 346; Zahl d. Medizinstudiorenden 55:
Zahl d. Approbationen 1908/09 304: An¬
geld. Aerztemang-el 464. 520; .Mangel an
Militärärzten i. Bayern 506; Cebcr-
füllung d. Aorztestandes i. Frankreich
632; -Versicherungskasse f. d. Aerzte
Deutschlands 166. 237. 505. 533. 662: Ge¬
genseitige Honorierung v. Aerzten 166 -
Russische Konsultationen 83; Honorar-
besfrebungen d. Pariser Aerzte 41: Frei¬
gabe d. Praxis i. Tessin 305. 047; Xieder-
lassungsbedingungen i. Italien 449;
Aerztl. Erholungsheim i. Marienbad 56.
i. Franzonsbad 153: Aerztl. Invalideniieim
i. Frankreich 648; Oesterr. Gerichtsent¬
scheidung betr. ärztl. Berufsgeheimnis
70: Sperre d. psychiatr. Klinik i. Prag 27.
otapesankylose, Fälle v. Spongiosierung
d. Felsenbeins m. — 386.
Staphylokokkenimmunität, Opsonisches
über — 381.
Star, Aetiologie d. Glasmacher—s 285.
Staroperation, \ erliütung <1. Irisprolapses
nach d. — ohne Iridektomie 285.
Starrkrampf d. Neugeborenen u. Behrings
Serum 197.
Stautherapie am Auge 327.
Stauungsdermatosen, zur Diagnose u. The¬
rapie d. — 481.
Stauungsherz 611.
Stauungshyperämie, Dosierung d. — 324.
— b. Erysipel 74.
Stechfliegen als Krankheitsüberträger 430.
Stenokardische Anfälle, Wirkung alkal.
Salze b. —n —n 207.
Sterblichkeit d. Kinder unter d. Geburt 246.
Steril-Katgut, Bau_chdeckeniiaht m. — 298.
—, Kuhn, über — : — 289.
Steriüsationsapparat, Dampf-— 66.
Sterilisator, Universal-Dampf— f. Ver¬
bandstoffe 363.
Sterilität, die weibl. - u. ihre Bhdlg. 231.
Stickoxydulsauerstoffnarkose, ein Ver¬
fahren zur — 584.
Stiftungen:
Crocker 14; Beit. 42; v. Rothschild 70:
A. Salomonsohn 98; Heinr. Roth 126;
Rockefeller 153_: Leven 195; Mond 290;
Speyer 320: Sacharjin 320; v. Reckling-
hausen 319. 419; f. d. Universität St.
Louis 362; Oser 390: Jacobi-Wörishöfer
406: Blumenbach 434; Nothnagel 660;
Kahlbaum 674; Chrobak 689; Robert
Koch 717.
Stillen u. Tuberkulose 454. 512.
Stillfähigkeit, über — 206.
Stillunfähigkeit infolge schlechter Ent-
wickl. d. Brust 191.
Stimmhygiene, über — 152.
Stimmstörungen, neue Methode zur Bhdlg.
d. — 359.
Stirnbein, Funktionen d. —s u. d. Sym-
ptomatol. d. Stirnhirntumoren 116.
Stirnhöhle, Augensymptome bei Er¬
krankungen d. — u. Siebbeinzellen 459.
Stirnhöhlengesehwülste, z. Kasuistik d. —
18.
XViü
Stoffwechsel, Bedeutung: d. Lecithins f. d.
— d. Säuglings 499.
— 11 . Herzkrankheiten 40*2.
—: Minimum d. Erhaltungsumsatzes '665.
—. Physiologie u. Pathologie d. Kohle¬
hydrat—s 289.
— beim Säugliugsekzem 644.
—, iSäuglingsernährung u. Säuglings— 319.
Stoffwechselbestimmungen am gesunden
Menschen 665.
Stoffwechselkrankheiten. Hydrotherapie
bei — 375.
Stovain, neues Verfahren b. Anästhesie
durch Khachistovainisienmg 270.
Streckverband, z. Technik d. —es nach
Bardenheuer 130.
Streptokokken in der Milch 672.
—, Verbreitung etc. d. — 443.
-. Virulenzbestimmung von — 316.
.Streptokokkenimmunität u. Serumbhdlg. b.
Streptokokkeninfektionen 630.
.Streptokokkensepsis, Fall von m. Anti¬
streptokokkenserum geheilter — 489.
— u. Gelenkrheumatismus 595.
Streptokokkentoxin, peinliche Folgen eines
Selbstversuches m. — 672.
Stridor, Aetiologie d. - inspir. 184.
Strophanthin Thoms, über- 380.
Struma. Blut b. —•• 721.
—. morphölog. Blutveränderungen b.—667.
.Strumaoperationen, Kekurrensläsionen bei
— 442.
Strumen, experim. Erzeugung v. — 273.
Strumitis chron., Verlauf u. Ausgang 612.
Stuhl, Tuberkelbacillen i. — 186.
Stummheit, die verschied. Formen d. —
68.
Stuttgart, medizinisch-stastistisclier Jahres¬
bericht v. 194.
Styptol i. d. Frauenpraxis 469.
Sublinat. Verhalten zur Wasserniannschen
Reaktion 621.
Subliinatinjektionen b. Puerperalfieber 66.
Subphrenische Abscesse, Verschleierung d.
Ergüsse i. Brusthöhle usw. 17.
Suggestion i. d. gynäkol. Praxis 231.
Suprarenin. synthetisches — 374.
Suprarenininjektionen b. llerzkollaps 61.
Suprareninwirkung, kasuist. Beitrag z. —
129.
Syphilis u. Amenorrhoe 546.
—. Arsenobenzol b. — 540.
—, Asurol zur Bhdlg. d. — 652.
—, Befunde b. exnerim. — 50.
—. z. Bhdlg. d. — 275.
—. Bhdlg. m. Chininpräparaten 105.
—. Bhdlg. d. — ni. Dioxy-Diamidoarseno-
benzol 414.
—. Bhdlg. d. — n. d. neuern —forschung 185.
. Beziehung d. Tuberkulose zur — b.
Augenleiden 17.
—, ätiol. Bedeut, d. — bei Erkrankungen
d. Auges 683.
—, Chemotherapie bei — 430.
—, Ehrlieh-Hatasehes Mittel b. — 295. 465.
479. 480.
—. zur experim. Kaninchen— 431.
—. Fall v. —insontium 295.
— der großen Gefäße 146.
— u. Idiotie 60.
Iniektionsbhdlg. d. — 254.
—, Joclival b. tert. - 60.
— u. Kopfschmerzen 31.
— d. Lungen, geheilt durch d. Ehrlich-
H ata sehe Präparat 472.
—. Serodiagnose d. — i. d. Augenheilk. 17.
—. serodiagnost. Untersuch, b. -— u. Tuber¬
kulose d. Auges 215.
—. Spirochätennachweis für die Diagnose
d. — 215.
, über Tropen— 17.
—. Wesen u. Heilung d. — 577.
—. Wirkung d. Quecksilbers u. Jods bei
experim. - 353.
Syphilisinfektion, Fälle v. extragenitaler —
423.
Syphiliskuren, gegenseit. Beeinflussung v.
Schwefel u. Quecksilber b. — 51.
Syphilismittel v. Ehrlich-Hata 508. 563.
Syphilisspirochäten, Febertragung v. — auf
.1 f ee r s cli w e i n eh eil 423.
Syphilistherapie 602.
Syphilitische Flceration der Kopfhaut 137.
Syphilitisch infizierte Kaninchen, geheilt
durch Atoxylquocksilber 133.
Syringomyelie b. Mutter u. Tochter 543.
T
Tabakrauchwirkung auf d. Aorta 73.
Tabakvergiftung, über chron. — 318.
Tabesbehandlung 714.
Tabes u. Ehe 411.
—. krisenartig auftret. Bewußtlosigkeit u.
Atemstillstand b. — 233.
Tabische Arthropathie d. Hüftgelenks 326.
— Krisen, zur Bhdlg. —r — m. Resektion
d. hinteren Wurzeln 468.
Talmasche Operation 457.
Taubheit. Methode zum Nachweis d. Simu¬
lation d. — 385.
Taubstumme, Ausbildung d. —n 432.
Taubstummheit, zur Aetiologie d. — 400.
— in ätiolog. Hinsicht 665.
—, zur Pathologie d. — 431.
Tebean. Bhdlg. d. Lungentuberkulose mit
— 353.
Technik, therapeut. — f. d. ärztliche
Praxis 401.
Teer, äußerliche Anwendung v. — 158.
—, Kreosot i. Verbind, mit Fichten— b.
Lungentuberkulose 164.
Temperatur, über d. Messung d. Körper—
313.
Tentoriumzerreißung bei d. Geburt 681.
Teratoider Tumor der Tube 247.
Teratom aus dem Nasenrachenraum eines
Kindes 245.
Tetanie, das Beinphänomen b. — 219.
—, experiment. Beitrag zur Erforschung d.
— im Kindesalter 678.
—, Fall v. — bei einem Kinde 429.
-. über familiäre 327.
—, Organtherapie d. postoperativen — 471.
Tetanus 527.
—, z. Antitoxinbhdlg. d. — 312.
—, Antitoxin Höchst b. — 4.
—. Frühsymptome u. Serumbhdlg. d.— 314.
— der Hand 355.
Therapeut. Jahrbuch 577.
— Vademecum v. C. F. Boehringer Söhne
224.
Therapie, Bedeutung d. Krankenpflege f.
^ d. — 259.
Thermalbäder b. Rheuma. Ersatz durch
Inhal, ihr. Radiumemanation 570.
Thermalquellen, physiol. Wirkungen d.
Vadiumlmltigeh 151.
Thermopenetratjon 24. 208.
—: Experimentelles 668.
—, Hochfrequenz u. — im Vierzellenbad
713.
— (Transthermie) und die Therapie mit
Aetherwellen 410.
—. Vorrichtungen zur — 82.
Thiosinamin in Beziehung z. Gelenk-
erkrankungen 257.
Thiosinaminvergiftung, über — 242.
Thorax, cliir. Bhdlg. d. Stenose und der
starren Dilatation d. — 261.
—, über die subkut. Lymphdrüsen d. — bei
Lungentuberkulose 482.
Thoraxchirurgie, Vorzüge d. peroral. In¬
tubation 66.
Thromboembolie, exper. Studien über —
571.
Thrombophlebitis septica, operat. Bhdlg.
d. — — i. Wochenbett 132.
Thrombose, Verhalten d,. Purinkörper b.
Lebervenen— 367.
Thymus, Studien über d. Bedeutung d. —
f. d. Organismus 471.
Thymusexstirpation, Folgen d. — 273.
Thymuspersistenz b. Morb. Basedowii 274.
Thyreogene Nephritis 529.
Thyreoidintabletten, Wirkung d. auf d.
Knochen Wachstum 421.
Thyresoltabletten b. Gonorrhoe 366.
Todesfälle, plötzliche — i. d. Kurorten 178.
409.
Tollwut, Studien z. Aetiologie d. 365.
^ 430.
Tonsillare Bhdlg. d. sog. rheumat. Erkran¬
kungen 214.
Tonsille als Ausgangspunkt einer Appendi-
citis 429.
—, Car ein om d. — 344.
Tonsillektomie, zur Frage d. — 459.
Tonsillotom, ein neues 318.
Tonus, Bedeutung d. Muskel— 1 158.
Tracheotomia transversa 230.
Trachom. Aetiologie d. s 232.
Trachom-Expedition 210.
—, d. — in Ostpreußen 447.
Trachomerreger, entsteht d. durch Mu¬
tation d. Gonococcus? 582.
—. über d. Natur d. —s 444. 698.
Transplantation, Beiträge z. Organ— 585.
—, Erfolge d. — drüsiger Organe 10.
—■, erfolgreiche Periost-Knochen— 35.
— v. Fett 588.
— von Gelenken 248.
— der Nieren 233.
— toten Knochens 545.
Transsudate u. Exsudate, Essigsäure z.
Unterscheidung d. — — — 156.
—. Proteinsäuren in —n 24.
Trauma. Herzerkrankungen im Anschluß
an ein — 679.
Traumatische Neurosen, Nach untersuch,
b. —n — 411.
Trichinenepidemie in Bayern 308.
Trigeminus, Technik d. Injektionen i. <1.
—Stämme etc. 653.
Trinker, Erfolge u. Ziele i. d. Fürsorge f.
— 698.
Trinkerfürsorge, Erfolge d. — 533.
Tripper, Bhdlg. m. Balsamicis 568.
Trommelfell, Wirkung d. künstlichen —s
374.
Tropensyphilis, über — 17.
Trophoneurotische Störungen d. Haut 233.
Trypsin, Bhdlg. tuberkulös. Erkrank, in.
— 568.
—, Giftigkeit d.‘— s 331.
—. Wirkung d. —s auf lebendes Gewebe
331.
Trypsinbhdlg. b. cliir. Tuberkulose 588.
Tubarschwangerschaft, doppelseitige
469.
Tube, teratoider Tumor d. — 247.
Tubenabschluß, z. Frage des —es bei d.
Totalaufmeißelung 417.
Tubenmündung, Methode z. Untersuchung
u. Bhdlg. d. pharyngeal. 417.
Tuberkel im Hirnstamm 584.
Tuberkelbacillen, Anwendung des Uhlen-
huthsehen Verfahrens z. Nachweis spär¬
licher — 481.
—. zur Biologie d.— 472. 626.
—. ii. d. granuläre Form d. — i. Sputum
89,
i. kreisenden Blut 438.
-, neues Anreicherungsverfahren für —
352.
—. Nachweis spärlicher — 705.
—, — v. — i. Sputum 72.
—v über sekundäre Infektion m. — u.
deren saprophyt. Wachstum 481.
— i. Stuhl, Verwertbarkeit f. d. Diagnose
Darmtuberkulose 186.
—. Umwandlung d. Typus humanus in d.
Typ. bov. 185.
—, Wirkung d. — von d. unverletzten Haut
aus 623.
Tuberkelbacillennachweis i. Sputum n. d.
Uhlenhuthschen. Methode 499.
Tuberkelbacillus, latent. Vorkommen d.
Much sehen Form des — 16.
—, über das Mobilmachen d. — durch Tu¬
berkulin 26.
Tiiberkulinbehandlung 567.
Tuberkulin. Bhdlg. tuberkulöser Kinder m.
hohen —Gaben 207.
—. Entfieberung Tuberkulöser durch
Kochsches Alt— 542.
—. Entfieberungen bei Lungentuberkulose
durch — 373.
—, Mobilmachung des Tuberkelbacillus
durch — 26.
—, ein neues — 567.
Tuberkulinanwendung, d. intravenöse -
274.
Tuberkulineinspritzung, d. Herdreaktion i.
d. Lungenspitzen b. d. subkut. 260.
Tuberkulinerfolge bei 682 offenen Lungen¬
tuberkulosen 594.
Tuberkulinkuren, Bioeitin als Unter¬
stützungsmittel f. ambulator. — 451.
Tuberkulinpräparate b. Tuberkulose 260.
Tuberkulinprobe, Wert f. d. militärärztl.
Dienst 200.
Tuberkulinreaktion, Bedeutung bei fl. Be¬
urteilung d. milit. Diensttauglichkeit 72.
Tuberkulinsalbenpiiobe von Moro 72.
Tuberkulintherapie, z. Frage d. ambulanten
— 423.
XIX
T
+
A
Tuberkulintherapie, Kritisches u. Experi¬
mentelles z. — 19. 35.
Tuberkulinvaseline z. Anstellung: d. Con-
junctivalprobe 3.
Tuberkulöse Affektionen, Carbenzym b.
—n — 145.
—, Entfieberung —r durch Kochsches Alt¬
tuberkulin 542.
— Erkrankungen, Blidlg. in. Trypsin 568.
— Hämoptoe, zur Blidlg. d. —n — 365.
— Kinder, Blidlg. m. hohen Tuberkulin¬
dosen 207.
— Meningitis u. Brusternährung 254.
— — b. älteren Individuen 282.
- Mischinfektionen. Collargoltherapie b.
—n — 82.
— Reinfektion 431.
Tuberkulöser Ascites, kochsalzarme Diät b.
—m — 294.
— Knochenherd, Muskelatrophie z. Nach¬
weis v. —n —en 499.
— - Prozeß u. Blutströmung 700.
Tuberkulöses Fleisch, welche Gefahr droht
d. Menschen durch-'? 454.
Tuberkulose, über — 431.
—. ätiol. Bedeut, d. — bei Erkrankungen d.
Auges 683.
—. angebl. neues Mittel g. — 606.
— im Anschluß an Abort 244.
—. Authämotherapie bei — 714.
— d. Bauchfells, Blidlg. d.-315.
—. Blidlg. d. ehren. — d. Kaninchens in.
Alttuberkulin 642.
—. Bedeut. Aegyptens f. d. Blidlg. d.
Lungen—— 423.
—. — d. Rinder— f. d. Infektion im Kin¬
desalter 138.
—, Bhdlg. d. — 260.
—,-mit Carl Spenglers J. K. 31.
—- — — Gelenk— d. unter. Extremität.
301.
-—. — — Kehlkopf— m. Röntgenstrahlen
215.
—. — — Lungen— m. künstl. Pneumo¬
thorax 114.
—,-mit „T. Tv.“ Spengler 216.
—, — — — m. Tuberkulinpräparaten 260.
—. Beitrag zur traumat. — 482.
—«. Beziehung d. — zur Syphilis b. Augen¬
leiden 17.
—. —en zwischen Säugetier- u. Hühner—
431.
—. chirur. — d. Mesenterial- u. Bronchial¬
drüsen 482.
—. Dauererfolge bei Lungen— i. Hoch¬
gebirge 423.
—, Diagnose d. Lungen— 594.
—.-Nieren— 211. 225. 239. 251.
— u. Dysmenorrhoe 282.
—. Einteilung der Lungen— 274.
—, Eintrittspforten d. — i. d. Organismus
701.
—. Entfieberungen bei Lungen— durch
Tuberkulin 373.
—. zur Epidemiologie der Rinder— 431.
— d. Harnwege: mikroskop. Diagnose etc.
652.
—. d. Haut im Kindesalter 138.
—. Heilmittel b. d. — 60.
—, Kasuistisches über C'oecal—571.
— d. Kehlkopfes, Verlauf bei m. Pneumo¬
thorax behandelt. Lungen— 410.
—. Klinik d. Säuglings— 16.
— i. Kombination m. a. pathol. Prozessen
512.
—, Kompressionsbhdlg. d. Lungen— 581.
—. Kreosot i. Verbind, m. Fichtenteer b. d.
Lungen— 164.
—. Lelirb. d. spezif. Diagnostik etc. d. —
223.
— d. Lunge u. ihre Heilung 624.
- 11 u. d. Larynx als Indikat. z. Unter¬
brech. d. Schwangerschaft 684.
— - u. Mundhygiene 157.
— Mediastinitis, zur Klinik d. —n — 346.
—. Meiostagminreaktion b. d. experim. —
542.
—, Method. chir. Therapie d. Lungen—423.
— u. Milchgenuß 267.
— u. Neubildung 393.
— d. Nieren 700.
-u. d. Blase 696.
—. z. Pathol. u. Ther. d. — i. Kindesalter
68.
— und phyktänuläre Augenentzündungen
708.
Tuberkulose, z. Prophylaxe d. — 129.
—, Röntgendiagnose d. miliar. Lungen—
581.
—, Röntgendiagnostik der Lungen— 710.
— u. Schwangerschaft 576. 587.
—, serodiagnost. Untersuch, b. Syphilis u.
— d. Auges 215.
—Serovaccin, d. klin. Anwend. d. —274.
—, spezif. Bhdlg. d. Nieren— 274.
—, z. spezif. Diagnostik der Lungen-—
352.
— u. Stillen 454. 512.
—, über d. subkut. Lymphdrüsen d. Thorax
bei Lungen— 482.
—, Trypsinbhdlg. b. chir. — 588.
—. Tuberkulincrfolge bei 682 offenen
Lungen—n 594.
—-, ungleiche Reaktion . d. Pupillen als
Frühsymptom d. Lungen— 393.
Verlauf d. Lungen— im Hochgebirge
581.
— bei Volksschullehrern 422.
. Wohnungsdesinfoktion bei — 423.
Tuberkulosebekämpfung i. Dänemark 505.
Tuberkulosefieber 574.
Tuberkulosehäufigkeit b. cL Dortmunder
Volksschulkindern 393.
Tuberkuloseimmunität und Tuberkulose¬
immunisierung i. ihre klin. Bedeut. 630.
Tuberkulose-Konferenz, 8. internat. —
223.
Tuberküloseopsonine 431.
Tuberkuloseserum und Tuberkulosesero-
vaccin 274.
Tumoren, experiinent. Beiträge z. The¬
rapie maligner — 272.
—. Radiumwirkung auf maligne — 175.
Turgotonograph v. Strauss, Verbesserung
d. —en 192.
Tyloma, Bhdlg. d. — mit Kohlensäure¬
schnee 324.
Typhlitis, über akute primäre — 426.
Typhus abdomin., Bhdlg. 603.
—. Hautblutungen bei — 379.
—, Bhdlg. m. Pyramiden 542.
—, Klinik u. Prophylaxe d. Unterleibs—
652.
—, Proteusinfektion unter d. Bilde des
— abdom. 351.
—, Spezifizität d. Meiostagminreaktion b.
— 541.
. chemotherapeut. Versuche bei 430.
Typhusbacillen. Beeinflussung durch Kal.
jod. u. Acid. arsenicos. 581.
—, Züchtung v. — aus d. Blutkuchen etc.
129.
Typhusdiagnose, neue Methode zur —
200.
Typhusepidemie m. initial.. hämorrhag.
Exanthem 254.
Typhusfälle, Weiterverbreitung leichter
Kinder— 422.
Typhusgeschwür. Peritonitis infolge Per¬
foration v. —en 638.
Typhusinfektion durch Austern 322.
Typhusverschleppung durch Säuglinge 365.
u
Uebcranstrengung. .juvenile Muskeldystro¬
phie infolge — 467.
Ühlenhuthsche Methode zum Tuberkel-
bacillennachw. i. Sputum 498.
—s Verfahren zum Nachweis spärlicher
Tuberkelbaci llen 481.
Ulcus callosum ventriculi, zur Beurteilung
u. Bhdlg. des-- .— 331.
— cruris gummosum, Fall v.- 472.
-- molle. Zinkperhydrol b. — 432.
— pepticum nach Gastroenterostomie 487.
— pylori, Pylorusstenose nach — — 136.
— -rotuudum, zur Pathogenese d.- 457.
ventriculi. Bhdlg. d. Perforation d. —
— 203.
—. chir. Bhdlg ; 344. 349.
-. Häufigkeit i. München 90.
— —, nperat. Bhdlg. 39.
—: Röntgendiagnostik b. U. v. 666.
Umschläge, Wirkungen u. Nebenwirkungen
von Brust—n 338.
Unfälle. Koffer f. d. erste Hilfe b. Eisen¬
bahn—n 66.
Unfall-Neurologie. Vorträge aus d. Gebiete
(1.- 332.
Unfall u. Paralyse 257.
Universitäts- und Unterrichtswesen (ein-
schließl. Akademieeil, Fortbildung etc.):
Plan e. Universität Frankfurt a. M. 13:
Demonstrationen a. d. ined. Fakultät i.
Paris 13. 56. 320. 334. 675; Institut f.
gerichtl. Medizin i. München 41; Uni¬
versität Saratow 69; Konflikt betr. Insti¬
tut f. ärztl. Mission i. Tübingen 96. 140;
Geplante Neuregelung d. medizin. Ha¬
bilitation i. Berlin 110. 263. 434: Mediz.
Institut f. Frauen i. Kiew 111: Klinik f.
Arbeiterkrankheiten i. Mailand 224; An¬
trag Freiburg a. Einführung e. Alters¬
grenze f. Universitätsprofessoren 153:
Hundertjahrfeier d. Univ.-Frauenklinik
i. Leipzig 660: Zentenarfeier d. Berliner
Universität 605; ,,Nichtordinarien“-Ver-
band i. Erlangen 477: Hundertjahrfeier
d. Berl. med. Universitätspoliklinik 276:
Einweihung d. Neubaues d. 2. med.
Klinik i. Berlin 290; Kurse i. manueller
Fertigkeit a. d. Universität Göttingen
290: Einweihung d. Neubaues d. Kaiser-
Wilhelms-Akademie 347: Erweiterung
d. Rechte d. Extraordinarien i. Preußen
376. 434: Studentendemonstrationen i.
Innsbruck 376; Lehrstuhl f. Versiche¬
rungsmedizin i. Paris 389; Zahl d. stu¬
dierenden Frauen 305: Statistik d. Stu¬
dierenden 405. 533. 535; Frauen i. Uni¬
versitätsstellungen i. Berlin 491: Erlaß
betr. Vorbildung d. Stud. d. Zahnheil¬
kunde 348: Zahnärztl. Institut i. Erlan¬
gen 591; Unzulänglichkeit d. Medizinal¬
praktikanten-Angelegenheiten 209. 276.
290. 389. 520. 659: Preuß. Akademie d.
Wissenschaften 389; Mediziner a. Mit¬
glieder .d. preuß. Akademie d. Wissen¬
schaften 506: Promotionsrecht d. tier-
ärztl. Hochschulen 563: zahnärztl. Insti¬
tut i. Rostock 717: Institut „Angeln
Mos so“ 389: Institut f. Schiffs- u. Tro¬
penkrankheiten i. Hamburg 250: militär-
ärztl. Akademie i. München 182: Aka¬
demie f. praktische Medizin i. Düsseldorf
224; Akademie f. Marinemedizin i. Neapel
675: Aerztl. Fortbildungswesen 124. 375.
563; Ferien- u. Fortbildungskurse f.
praktische Aerzte 124. 180. 195. 209. 224.
237. 249. 263. 278. 319. 348. 419. 436. 464.
477. 493. 521. 549. 606. 634. 675. 690: Kon¬
flikt b. e. Fortbildungskursus i. C’öln 27.
110; Kurse ii. Schiffs- u. Tropenkra.uk-
lieiten 56: Aerztliche Studienreisen 180.
278. 348. 605. 717.
Unterschenkelfrakturen, Extensionsbhdlg.
d. — 297.
Unterschenkelgeschwüre, ambul. Bhdlg. d.
— 361.
—. neue Behandlungsmethode d. — 668.
Untersuchungsamt, städt. — i. Boston 721.
Uracbusfistel, Diagnostik d. — 189.
Urämie, diagn. Bhdlg. d. Sehnen- u. Haut¬
reflexe b. — 201.
Urämische Anfälle b. lordöt. Albuminuri“
t 500.
Ureter, Kompromierbarkeit d. — en mittels
Abschnürung d. Abdomens 259.
Urethra. Bhdlg. d. Infiltrate d. — 113.
Urethritis, Santyl b. gonorrh. — 158.
Urin, über Radiumäusscheidung i. 484.
Urol u. Urocol als Gichtmittel 700.
Urologie, Traite chir. d’— 604.
Urotryptisches Ferment, Nachweis d. —n
—s 74.
Uterus- u. Blasenruptur während d. Ge¬
burtsaktes 669.
— didelphys beim Menschen 146.
—. extraperiton. vagin. Exstirpation d.
carcinomat. — etc. 234.
—. reflektor. Bezieh.’zwischen — u. Harn¬
apparat 34.
. Riesenzellensarkom d. — 247.
Uterusblutungen v. — u. Cervicalkatarrhen
132.
—. Röutgenbhdlg. b. — 504.
—, Ursachen d. — 246.
Uteruscareinom, Bhdlg. inoperabler —e m.
Zinkopyringaze 159.
. Ergebnisse d. operat. Bhdlg. d. —s. 234.
Spätrezidive d. —s 599.
Uteruskrebs, Resultate b. abdom. Ope¬
ration d. —es 108.
Uterusmyom. Röntgentherapie d. —o
697.
XX
\_
Uterusmyome u. harnsaure Diathese 24.
Uterusspülungen, Erfolge d. — bei Fieber
im Wochenbett 447.
r viölmilch 672.
v
Vaccine u. Fliegen 267.
. Vorkommen d. Spirochäte i. ,d. —n bei
kongen.-syphilit. Kindern 622.
Vaccineerkrankungen u. ihre Prophylaxe
623.
Vaccinetherapie, Stand d. — 714.
Vagusproblem, über d. — 302.
Varicellen, Sepsis nach — 678.
Varicocele, z. Blidlg. der — 312.
Varicöse Venen, die percutane Umstechung
—r — 66.
Variola, Blidlg. 513.
Vasotonin, experim. Studien über — 345.
—, ein neues gefäßerweiterndes Mittel 314.
Vegetarische Diät, Entfettung durch-
11.
— Entfettungsdiät, Indikation 241.
Venenanästhesie, einfache Methode d. —
626.
Venenpuls, über d. verschieden. Formen d.
Kammer—es 52.
Venenthrombose u. Embolie d. Lungen¬
arterie 47.
Verätzungen d. Harnröhre 427.
Verbandstoffe, Universal-Dampfsterilisator
f. — 363.
A'erbrennungen. Vilja-Creme b. — 532.
Verdauung, über Bindegewebs— u. über
Magen— im Darm 288.
Verdauungsbewegungen. Einfluß d. Ab¬
führmittel auf d. — 268.
—, - - des Sennainfuses auf d. — 466.
Verdauungsinsuffizienz beim Kinde 177.
Verdauungskranke, Diätetik b. —n 193.
Verdauungskrankheiten. Hydrotherapie bei
— 375.
Verdauungsleukocytose im Säuglingsalter
24t.
Verdauungsstörungen d. Kinder 643.
Vereine. Gesellschaften, Kon¬
gresse etc., Nachrichten über —:
Aerztlicher Landesverein d. Kgr. Würt¬
temberg 55; Anthropologische Gesell¬
schaft i. Bonn 675: XXXI. Balneölogen-
Kongreß 28. 97: XXXII. Balneologen-
Kongreß 606. 675; Berliner Dozenten¬
verein f. Ferienkurse 124; Berliner Ge¬
sellschaft f. Geschichte d. Naturwissen¬
schaften u. Medizin 674: Berliner medi¬
zinische Gesellschaft 210. 319. 632; Ber¬
liner orthopädische Gesellschaft 660:
Berliner Zentral verband z. Bekämpfg. d.
Alkoholismus 139. 660; VII. Deutscher
Abstinententag 507; Deutscher Aerzte-
tag 237; Deutscher Aerztevereinsbund
237: Deutscher Bund f. Mutterschutz 14:
Deutsche Gesellschaft f. Rassenhygiene
181; Deutsche Gesellschaft z. Bekämpfg.
d. Geschlechtskrankheiten 181. 449:'
Deutsche Gesellschaft f. Volksbäder 250.
277. 548; Deutscher Kolonialkongreß 305:
Deutscher Kongreß f. innere Medizin
548. 563. 703; Deutscher Kongreß f. Säug¬
lingsschutz 182: Deutscher Medizinal¬
beamtenverein 181: Deutsche otologische
Gesellschaft 194; Deutsche pathologische
Gesellschaft 84; VII. deutscher Sama¬
ritertag 507: Deutscher Verein f. öffentl.
Gesundheitspflege 97. 362. 435: Deutscher
Verein g. d. Mißbrauch geistiger Ge¬
tränke 98; Deutscher Verein f. Volks¬
hygiene 347: Deutsches Zentralkomitee
z. Bekämpfg. d. Tuberkulose 69. 84:
Deutsches Zentralkomitee f. ärztl. Stu¬
dienreisen 180. 717; Französischer C’lii-
rurgen-Kongreß 521: Französischer Kon¬
greß f. innere Medizin 277: Freiburger
mediz. Gesellschaft 717: Freie Vereini¬
gung d. Deutschen mediz. Fachpresse
507; Gemeinsame Versammlung v. Aerz-
ten u. Juristen i. Württemberg 209; Ge¬
sellschaft d. Aerzte i. Wien 689; Gesell¬
schaft deutscher Nervenärzte 224. 263.
449; Gewerkschaft sozialer Aerzte i.
Paris 305; Hufelandische Gesellschaft 41.
97; Impfgegner - Kongreß 606. 661; In¬
ternationaler amerikanischer Kon¬
greß f. Medizin u. Hygiene 14; intern.
Anatomenkongreß 182, 478; intern. Aus¬
stellung f. soziale Hygiene 689; intern.
Bureau d. medizinischen Kongresse 14.
224; VII. intern. Dermatologen-Kongreß
535. 675; intern, esperantische Aerzte-
Gesellscliaft (Kongreß) 477; V. intern, ge-
burtshilflich-gynäkolog. Kongreß 291.
507. 521: intern. Hygiene-Kongreß (-Aus¬
stellung) i. Dresden 477; 11. intern. Kälte-
Kongreß 224; i. Komitee f. d. ärztl. Fort¬
bildungswesen 277. 606; II. intern. Kon¬
ferenz f. Krebsforschung 56. 70. -,507;
intern. Konferenz f. Sozialversicherung
533; intern» Kongreß f. Chirurgie 277;
IV. intern. Ivongr. d. Fürsorge f. Geistes¬
kranke 97; intern. Kongreß f. Gewerbe¬
krankheiten 28. 660; XV. intern. Kongreß
f. Hygiene u. Demographie 84: intern.
Kongreß f. Kriminalanthropologie 153;
V. intern. Kongreß f. med. Elektrologie
u. Radiologie 291. 491. 492; II. intern.
Kongreß f. Nahrungshygiene 305: III.
intern. Kongreß f. Physiotherapie 56. 153:
intern. Kongreß f. Schulhygiene 84. 277:
V. intern. Kongreß f. Thalassotherapie
237. 619; III. Laryngo-Rhinologenkongreß
84; intern. Liga z. Bekämpfung d. Epe-
lepsie 507. 619; XVI. i. medizinischer
Ivongr. 347; intern, medizinischer Kon¬
greß zu London 647; intern. Opium-
Konferenz 28: VII. intern. Physiologen-
Kongreß 492. 634; IX. intern. Tuberku-
losen-Ivonferenz 41. 563; intern. Verein
f. med. Psychologie u. Psychotherapie
450; III. Konferenz d. Vereins f. Er¬
ziehung usw. Geisteskranker 477; III.
Kongreß d. französischen Aerzte 84. 167;
XX. Kongreß französ. Irrenärzte u. Neu¬
rologen 291: XXXIX. Kongreß d. Deut¬
schen Gesellschaft f. Chirurgie 69. 224.
237; IX. Kongreß d. Deutschen Gesell¬
schaft f. orthopädische Chirurgie 41.
224; Krüppelfürsorgeverein d. Provinz
Sachsen 28; Mittelrheinischer Aerztetag
250; IV. österreichischer Irrenärztetag
492: österreichischer Aerztetag 674; VI.
österreichischer Baineologen - Kongreß
263. 492; Preußischer Medizinalbeamten-
Verein 69; Preußische Landeszentrale f.
Säuglingsschutz 84. 140; Psychiatrisch-
neurologische Gesellschaft i. Breslau 717;
Psychologische Gesellschaft zu Berlin
209. 578: Reichausschuß f. d. ärztl. Fort¬
bildungswesen 250; Russische Aerzte-
Kongresse 278; Schlesischer Verein z.
Bekämpf, d. Tuberkulose 347: Schweize¬
risches Komitee f. Krebsforschung 291;
Verband d. deutschen Aerzte z. Wahrung
i. wirtschaftl. Interessen (Leipziger Ver¬
band) 12. 563. 606. 703: Verband deut¬
scher Apotheker z. Wahrung i. wirt¬
schaftl. Interessen 549; Verband deut¬
scher Ostseebäder 717: Verein deutscher
Laryngologen 84. 291; Verein f. Säug¬
lingsfürsorge i. Rgbz. Düsseldorf 464:
Vereinigungen südwestdeutscher etc.
Kinderärzte 167. 633: Vereinigung: g. d.
Geheimmittel- und Heilschwindel 125:
LXXXTT. Versammlung deutscher Na¬
turforscher u. Aerzte 140. 347. 521. 578;
Versammlung d. Tuberkulose-Aerzte 209.
277: Wiener Aezte-Orchester 633;
XXXV. Wander-Ver c ammlung d. süd¬
westdeutschen Neurologen u. Irrenärzte
210; Zentralnusschuß f. öffentl. Gosund-
heitsoflege 660: Zentralkomitee f. Krebs¬
forschung 180. 291; ZentraO'omPee f d.
ärztl. Fortbildungswesen i. Preußen 375r
Zentralkrankenpflege-Nachweis f. Berlin
140: Zentralverband d. Balneologen
Oesterreichs 97.
Verfettung, Chemie u. Biol. d. Organ— 574.
Vergiftung durch Askaris 639.
—. Ausstoßung der Oesophagusschleimhaut
b. Salzsäure— 19.
—, Blutuntersuchung b. Blei— 32.
— durch Branntwein 157.
— f Fleischvergiftungserreger 595.
— durch Nitrosen 639.
---, Psychose nach Fleisch— 283.
— durch Wurst 90.
Vergiftungen 12.
Verkalkung d. Leber 408.
Verknöcherung, frühzeit. allgem, d.
Rippenknorpel 408.
Verletzungen durch Walzen 258.
Verona 1 b. Delirium trem. 228.
— u. Epilepsie 187.
— gegen Seekrankheit 618.
Veronal-Natrium b. Seekrankheit 309. 473.
—, Versuche mit — 186.
Vestibularapparat u. Kleinhirn 432.
—, über quantitative Funktionsprüfung d.
—es 401.
Vestibuläre Reiz- u. Ausfallerscheinungen
bei Labyrintherkrankungen 699.
Vibration, über allgem. — d. Körpers
mittels eines Vibrationsstuhles 323.
Vibrator, Duplex— 165.
—, Simplex— 165.
Vierzellenbad. Hochfrequeenz u. Thermo-
penetration im — 713.
Vierzellenschalter f. sämtl. 50 Badeweisen
54.
Vilja-Creme b. Hautkrankheiten 532.
Volk u. Heer, sanitätsstatist. Betracht, über
-444.
Volksgesundheit u. Industrie 490.
Volksschullehrer u. Tuberkulose 422.
Volvulus intestinorum als^ Krankheit d.
hungernden Menschen 427.
Vulvovaginitis kleiner Mädchen 719.
w
Wachstum, Folgen d. Amputationen im
Kindesalter f. d. Knochen-— 546.
Wägungen, system. — i. Säuglingsalter 78
Wärmeapparat f. vaginale Anwendung 386.
Wärmeregulation im Bade 192.
Waetzmannscher Apparat, prakt. Ver¬
wendbarkeit f. Hörprüfungen usw. 385.
Wahnsinn, Atropin— b. einem Asthma¬
tiker 412.
Walderholungsstätten, Nachtkuren i. —
478.
Wanderniere, Enderfolge d. Operation der
— nach Kukula 488.
Wange, Cancroid d. linken — 136.
Warzen, Bhdlg. d. harten — mit Kohlen¬
säureschnee 324.
Wasser, zur Bewertung des Bacterium
coli im — 445.
—. Reinigung von Bakterien 532.
Wasserhaushalt b. Entfettungskuren 216.
Wassermamische Methode z. Differential¬
diagnose zwischen Lues cerebrospin. u.
multipl. Sklerose 512.
— Reaktion i. d. ärztlichen Praxis 677.
-, Diskussion über d. Herstellung d. —
626. , , „
_. Einfluß v. Ehrlich-Hata auf d. W.
R. 705. _ , J
-, — d. Zittmannschen Kur auf d. W.
R. 438. _
_etc. bei Erkrankungen des Nerven¬
systems 354.
_m. Frauenmilch i. ihrer Bedeutung
f. d. Wahl einer Amine 623.
__ über die Hechtsche Modifikation d-"
W. R. 309.
-im Kindesalter 672.
— — Leistung f. d. Praxis 3.
-b. Lupus erythemat. 143.
_, eine Mahnung zur Vorsicht d. dia-
guost. Verwendung d. —n — 385. 397.
_m. Milch 31.
—- — u. Narkose 309.
_i. ihrer prükt. Bedeutung 17.
_u. Profetasches Gesetz 215.
--u. Psoriasis vulgaris 480.
-, Vereinfachung der W. R. 281.
_, über d. sogen. Verfeinerungen d. W.
R. 439. . ___
— —, Verhalten des Jodkali etc. für W.
R, 621.
— Syphilisreaktion u. Leichensera 2b7.
Wasserstoffsuperoxyd, Beeinflussung d.
Fäcesbakterien durch — 311.
— „Pergenol“ 193.
Wasserstrahlgebläse, Demonstration eines
— 432.
Wassersucht, Ivollargol b. Bauch— 410.
—, über Nieren— 371.
—, Pathogenese d. Nieren— 22.
Weib, über d. physiol. Schwachsinn d. —es
223.
Weilsehe Krankheit, Fall v. —r — 309.
Wiederbelebung durch Ventilation d. Luft¬
wege per vias natural. 615.
Wietingssche Operation, 2 Fälle v. — 51.
57.
Wirbelanomalien, angeborene — u. Sko¬
liose 588.
Wirbelsäule, z. Aetiologie d. Haltungstypen
d. — 64.
—. Studie über d. Kontusionen etc. d. —
881.
Wismutpaste b. chron. Eiterungen 545.
Wismutsalbe, Bhdlg. von Fisteln mit
Beckscher — 625.
Wochenbett, Erfolg d. Uterusspülungen b.
Fieber im Wochenbett 447.
—, d. Myom während d. —es u. d. Geburt
80.
—, operat. Bhdlg. d. Thrombophlebitis
septica i. — 132.
Wöchnerinnen, Frühaufstehen d. — 688. ^
Wohnungsdesinfektion bei Tuberkulose 423.
Wundaseptik. Bedeutung der Nahttechnik
für (1. 426.
Wundbhdlg. m. Amidoazotoluolsalbe 604.
—: Argent. nitric. u. Bolus alba als Streu¬
pulver f. — 576.
— m. Joddampf 269.
Wundbehandlungstechnik i. d. Praxis 316
Wurmfortsatz, die Carcinome d. —es 327.
—. d. entzündl. Pseudo-Carcinome d. —es
457.
—, Entzündung u. Einklemmung d. —es in
Brustsack 216.
—. die radiogräphische Darstellung d. —es
484.
Wurmsamenöl, amerikanisches — als
Wurmmittel 519.
Wurstvergiftung, schwere — 90.
x
Xerosis. oper. Bhdlg. d. — conjunctivae
119.
Z
Zahnärztl. Orthopädie 519.
Zahnheilkunde, Bromural i. d. — 358.
—, Röntgenstrahlen u. — 600.
Zahnpaste, desinfizierende Wirkung eini¬
ger —n 600.
— „Givasan“ 82.
Zahnretention, Krankheitsbild d. — 270.
Zalmwurzelcysten, z. Pathogenese d. —•
20.
Zeigefinger, Luxation d. —s 639.
Zeitschriftenwesen, Pläne z. Reform d.
mediz. —s 278.
Zelltätigkeit, Beharrungstendenz d. — u.
ihre Beziehungen zur Pathologie 274.
Zigarettendrain z. Tampenade u. Drainage
d. Bauchhöhle 519.
Zinkopyringaze b. Uteruscarcinomen 159.
Zinkperhydrol bei Ulcus molle 432.
Zirbeldrüsentumoren, Diagnose d. — 216.
Zirkonoxyd als kontrastbild. Mittel i. d.
Röntgenologie 116.
Zirkulation, Einfluß d. Momburgschen Me¬
thode auf d. — 595.
Zittmannsche Kur, ihr Einfluß auf d. Was-
sermannsche Reaktion 438.
Zootrophotoxismus. Fall v. — 130.
Zuchtwahl, Veredlung d. Menschen auf d.
Wege d. bewußten — 290.
Zucker, Resorption v. — i. Dickdarm 24.
Zuckerhunger u. Schilddrüsenschwäche 411.
Zuckerkranke, über Sarton, ein neues
Nährpräparat f. — 310.
— . V eränderungen d. Pankreas b. —n 24.
Zuckerkrankheit, Praxis der Ernährungs-
Therapie d. — 547.
- u. Schwangerschaft 516.
Zwerg, chrondrodystrophischer — 588.
Zwillinge, Beobachtungen an —n 329.
Zykloform als Anaestheticum 631.
Verhandlungen wissenschaftlicher Vereine
und Kongresse.
Berliner medizinische Gesellschaft 6. 19.
35. 50. 63. 77. 92. 119. 133. 146. 160. 176.
205. 218. 233. 244. 259. 286. 299. 313. 342.
359. 369. 384. 397. 414. 429. 446. 461. 472.
626. 656. 669. 684. 698. 709.
Verein für innere Medizin und Kinderheil¬
kunde 6. 36. 64. 77. 92. 105. 134. 147. 161.
218. 271. 327. 342! 370. 399. 415. 640. 657.
670. 685. 699. 710. 721.
Berliner otologische Gesellschaft 138. 245.
659.
Demonstrationsabend des Charlottenburger
Aerztevereins 136. 344. 359. Ö70 ;
Medizinische Sektion der Schlesischen Ge¬
sellschaft für vaterländische Kultur 9. 19 %
37. 50.
31. Versammlung der Baineologischen Ge¬
sellschaft in Berlin 150. 164. 178. 192. 207.
39. Versammlung der Deutschen Gesell¬
schaft für Chirurgie 220. 235. 247. 261.
273. 286. 300. 314. 329.
27. Kongreß fiir innere Medizin in Wies¬
baden 260. 274. 288. 302. 316. 331. 345. 372.
XTX. Versammlung der Deutschen otologi-
schen Gesellschaft 373. 385. 400. 417. 431.
Si. Versammlung Deutscher Naturforscher
und Aerzte in Salzburg 10. 25. 52. 67. 81.
109 122. 138. 149. 163. 176. 190. 206. 221.
234. 246.
82. Versammlung Deutscher Naturforscher
und Aerzte in Königsberg 561. 574. 587.
600. 615. 627. 642. 672. 700. 713.
XVI. internationaler medizinischer Kongreß
in Budapest 11. 22. 39. 51. 66. 79. 95. 107.
120 . | .
Freie Vereinigung für Mikrobiologie,
4. Tagung 416. 430.
II. Namen-Register
Abderhalden. E. 278. 389.
Abel 237. 385.
Abel,. R- 177.
Abelmann 644.
Abraham, O. 638.
Abramowski 512. 589.
Acbard, C. 181.
Achelis, W. 581.
v. Achenbach 69.
Adam 37. 179.
Adam, C. 244.
Adam, II. 255.
Adams. W. B. 258.
Adler 192. 301. 698.
Adler* A. 710.
Adrian, K. 83.
Aardroh 275. 304.
Aigner 361.
Alapy 301. 315.
Albu 11- 137. 160. 178.
Albert 717.
Albrecbt 13. 262.
Albrecht, II- 114.
Alexander 429.
Alexander, G. 27. 69.
Alexander. J. 68 69.
Alexander, B. 69.
Alexander. W. 208. 219.
AlexandroH, E. 409.
Allmann, .1. 18.
Alt 414. 627.
Alt, F. 27.
Alt, K. 295. 526.
Altscbul 223.
Alwens. W. 294.
Alzheimer, A. 56.
Amann, J. A. 247.
Amiradzibi 417.
v. Ammon 165. 285.
Amrein, O. 379.
Yndereya 202.
Andrejev 417.
Anscherlik. H. 621.
Anschiitz 247. 315.
Anschütz, W. 118. 389.
Auszterveil, L. 296.
Anton, G. 104. 228.
Apostolides, A. G. 649.
Arendt 137.
Arendt. P. 405.
Armaner Hansen 97.
Arnsperger 288. 449.
< V IRR
Aronson 300.
Aronson. 11- 472. 626.
Asch 164. 235. 587.
Asch, P. 295.
Aschenheim 190. 644.
Aschenheim. E. 440.
A sehn er 236.
Asch off 23.
Aschoff, L. 361.
Ascoli 330. 435.
Ascoli, M. 156.
van Assen, J. 283.
Assinger, L. 67.
Ast 277.
Auerbach 673.
Aufrecht, S. 391.
Ausmeier 84.
Axenfeld 361.
Axisa, E. 367. 514.
B
Bach 673.
Bach, IT. 296.
Bachem. C. 268. 688.
Bade 315.
Baedeker, J. 73.
Baermann, G. 31.
Bäumer, E. 474. 688.
Bäumler, Chr. 97.
Baginsky 79.
Baginsky, A. 185. 429,
687.
Bagshawe, A. G. 14.
Bahrdt 11. 106. 107. 369.
643. 645.
Baisch 95, 191.
Baker-Eddy M. 718.
Bai int, R. 477.
Ballaban, Th. 327.
Ballowitz 194.
Bancroft 194.
Baraba s(*hi. P. 547.
Bäräny 374. 385. 417. 432.
Barbier, P. 309.
Bardach/i 697.
Barker 23.
Baron 105, 373.
Barsickow. F. 529.
Barsony. .T- 66.
Bartel 512.
Barth 699.
Barth. G. 394.
Baruch, M. 576.
Basch 626.
Basch, I\. 428.
Bas senge 605.
ssenge, R. 600.
ndelier 223. 477.
r 96.
uer 14. 68. 109. 122.
Bauereisen 585.
Bauereisen A. 139.
Baum, E. 477.
Baum, E. W. 381.
Baum, F. 132.
Baum. G. 200.
Baumann, A. 618.
Baumgarten, A. 447.
Baumgarten, E. 626.
Baumstark 288.
Bayer, G. 237. 449.
Bayer, II. 383.
Bayet 647.
Bechhold, H. 181.
Beck. E. G. 545.
Becker, H. W. 186.
Becker, Th. 139.
Becker, W. II. 340. 341.
Beckhaus, C. 679.
Behne, C’. 586.
Behr, Tv. 181.
c. Belir-Pinnow 84.
Behrens, II. 660.
Beit 42.
Beitzke 36.
Behls 66.
Beklau, G. 164. 179.
Bell, H. 71.
Rolnw. F 647.
Bence 22.
v. Bene zur, J. 410.
Benda 68, 147. 233. 626.
Benda, C. 146.
Benderski, J. 33.
van Beneden, E. 291.
Benedict 24.
Beneke 681.
Benjamin 207. 221.
Benjamin, E. 222.
Beninde 423.
Berblinger. W..500.
Berensnegowsky, X. 457.
Berg, G. 428.
Bergei, S. 316.
Bergemann 587.
Berger, F. 311.
Berghaus, W. 449.
v. Bergmann 160. 288.
331.
v. Bergmann. G. 290.
Bergquist 223.
Bergrath. R. 144.
Bering, Fr. 215.
Berlin 214.
Berliner. B. 257.
Berliner, L. 249.
v. Bernd 24.
Bernouilli, E. 411. 544.
Bernstein 82.
Bernstein-Kohan, A. 581.
Berri. C. 568.
Berfholet. E. 491.
Bessan, G. 600.
Best 460.
Bethe, E. 181.
Bethge, H. 172.
Bethge, K. 199.
Benster. W. 380.
Beythin 125.
Bezzi. G. 125.
Biach, M. 480.
Bickel 151. 193. 342.
Bickel. A. 205.
Biedl 416.
Bier 287. 301.
Bier, A. 434.
Biernaht, P. 159.
Biesakki 236. 516. 640.
Bilz 634.
Binder. E. 310.
Bing, R. 701.
Bingel, A. 477.
Binswanger, IT. 115.
Bircher, A. 139.
B'rcher, E. 116. 421.
Bircher-Beimor, M. 54.
Birk 370.
Birk ner 83.
Birnbaum, CI. 223.
Birnbaum, R. 689.
Bisch off, H. 605.
Bittner. .T. 466.
Bittorf 373.
Bixhy, W. K. 362.
Blacher, W. 693.
Blad, A. 696.
Blaschko 181. 385.
Blaschko, A. 580.
Blau 138. 659.
Blau, A. 13.
Blauei 545.
Blecher 325.
Bleibtreu, L. 13.
Bleichröder 233. 314.
Bloch 259. 401.
Blum 318.
Blum. L. 297. 323. 528.
Blumberg 6.
Blumenfeld 629.
Blumenfeld, F. 262. 323.
Blumenthal 25. 193. 286.
Blumenthal. F. 157. 272.
658. 700. 721.
Blumreich 619.
Boas, J. 633.
Bock 147. 149. 548.
Bocken heim er 626.
Bodenstein, H. 582.
Bodon 24.
Boecale, .T. X. 308.
Bögehold 626.
Boehringer, C. F. 224.
Boenninghaus, G. 69.
Böer 418.
Böhm. M. 64. 289.
Böhme 317.
Boehine, W. 79.
Böing 431.
Boellke, O. 380.
Bönniger 147. 160. 316.
332. 342. 399. 670. 698.
v. Bören 122.
Boesch. E. 159.
Boettcher G. 199.
v. Böttinger 690.
Bofinger 595.
Bohar, C'. 705.
v. Bökay. J. 468.
Bolognesi, G. 173.
Bombarda 592.
Bondy 417.
Bongert 431.
Boniioff, H. 308.
Boos, W. F. 466.
Borchard 300.
Borchardt 63. 236. 346.
Borchardt. L. 600. 615.
627. 672. 700. 713.
Borchardt, M. *74.
Borchers. H. 254.
Borcy 647.
Bormann, S. 621.
Borst 585.
Borst, M. 181. 346, 405.
Boruttau 148. 149.
Boruttau, II. 76.
Bosänyi. B. 351.
Bosse, B. 375.
Bosui 96.
Botkin. S. 125.
Bouchard 42. 97.
Bouille 167.
Bourget 122.
Bourmoff, T. 74.
Braatz 66.
Brachei 418.
Braendle 593.
Braeuning 209.
Bräunin g, H. 339.
Braitmaier 201.
Brandenberg, F. 453.
Brandenburg, K. 619. 660.
Brandes, M. 625.
Brauer 24.
Brauer, A. 353.
Brauer, L. 419. 435. 535.
Braun 374. 630. 700.
Braun, L. 689.
Braun, R. 304.
Braune 356.
Brauser 366.
Breitung 389.
Brekle 422.
Bremener, 51. 5F 281.
Bresciani 26.
Bresger, M. 190.
Bretz, M. 143.
Breuer, R. 689.
Brewitt 520.
Brewitt, Fr. R. 229.
Brieger 9, 97. 150. 164-
208. 277. 431.
Brissaud, P. E. 42.
Britz 504.
Brock 150.
Brock, W. 360.
Brodersen 703.
Brodersen, J. 506.
Brodnitz 330.
Bröking, E. 498.
Brooklings, R. S. 362.
Brorström, Th. 387.
Bruch. F. 123.
Bruck, C. 51. 568.
Brückner, A. 689.
Brückner, G. 422.
Brückner, 51. 16.
Brüggemann, 189.
Brühl 138. 386. 659. 669.
Brühl. G. 527. 669.
Brüning, A. 568.
Brüning, F. 470.
Brünings 262. 400. 417.
432.
Brünings. W. 124.
Brugsch 161. 163. 288.
289. 317.
Brugsch. Th. 290.
Bruhns 136. 671.
v. Brunn 287.
Brunner 316.
Brunner. K. 464. 4(7.
v. Bruns 96. 152. 262. 287.
334. 375. 376. 389. 405.
433. 474. 477. 548. 631.
673.
Büchner, E. 605.
Bucura. C. 492.
Budde. W. 113 v
Bü ding e r, K. 27.
Biihler, M. 380.
v. Bülow, Fürst 237.
Bürgers 346.
Bürgers. Th. J. 316.
Bürgi, E ; 159.
Bürker 274.
Biirker. K. 467.
Buh re 223.
Bumke, O. 319.
Buniin 152. 194. 262. 620.
673.
Bumm, E. 375. 433. 474.
548. 631.
v. Bunge, G. 319.
Burckhardt, L. 48. 194.
Burckliardt, O. 97.
Burghart 261.
Bari an; R. 419.
Burk, W. 103. 529.
Birrwinkel 11. 53. 192-
207. 208. 384.
Burwinkel, ü. 490. 582-
Blisch 138. 534. 659.
XXIII
Busch, A. 90. 362.
Busch, Chi'. 104.
Busch, M. 75.
zum Busch. .T. I J . 487.
Buschbeck 237. 249.
Buschke 689.
Busse, A. 470.
Busse, W. 156.
c
Caan, A. 175. 380. 484.
486.
Cahnheim, 0. 41.
Callivokas. A. 128.
Calmann, A. 640.
Ca me rer, W. 209.
Carl Theodor, Hefzüg in
Bayern 35.
Carl, W. 615. 627.
Carlson 223.
C'aruccio. M. 532.
Caspari 8.
Casper 220.
Casp-er, L. 176. 286. 702.
Cassel 276.
Ceccherelli 11.
Celli 167.
Chajes 133. 259.
C'halypecky, H. 383.
Cliampionniere, L. 12.
Cheadle, W. B. 237.
Chiari 544.
v. Chlapowski 178. 207.
208.
Cliolmogoreff, S. 383.
Christen, Th. 62.
Christofoletti 191.
Chrobak, P. 577. 689.
Chvostek. F. 27.
Ohyzer, B. 84.
Citron 19. 94. 147. 260.
303. 343. 398.
Citron, IT. 629
Citron, .T. 35 36.
Clairmont 315
Claus 138. 245 432. 690.
Clemens 261
Clingestein 593.
Cluss. K. 412.
Codivilla. A. 468. 665.
Coenen 261.
Coenen, H. 305.
Cohen, C. 285.
Cohn, P. 665.
Cohn, M. 166. 274. 710.
Cohn, P. 683.
Cohn, 8 35
Cohn, T. 314. 397. .576.
685.
Cohn heim 342.
Coler 543.
Colombino. C. 214.
Comanus Pascha 24.
Combe 178. 206
Concornotti, E. 193.
Conradi 111. 430. 431.
Courant 38.
Crede, B 457.
Creite 577.
Cremer 275.
Crocker. O. 14.
Cronheim, .T. 499.
CTonheim. W. 499.
Crzellitzer 63.
v. Cube, M. 703.
Curie 70. 435.
Curschmann 288. 653.
Curschmann. IT. 214. 254.
277. 361. 376.
v. C'yon. E. 56. 111.
Czaplowski 430.
Czernecki. W. 24.
Czerny 274.
Czerny, A. 129.
Czerny, V. 299.
Czerwenka. K. 504.
Czikos 66.
D
Dahl 65. 66.
Dalp 430.
Daniel, ,T. 155.
Danielsen 9. 10.
Danielsohn, P. 173.
Dannemann, A. 209.
Davids, H. 470.
Davidsohn 384.
Davids oh n, C. 449.
Davidsohn, F. 474. 600.
Day, G. H. 60.
Delbrück 27. 404. 405.
Delorme 597.
Dengg, H. 129.
Denker 374.
Donnert 246. 373.
Dennig 491.
Dessauer, E. 4, 53.
Determann 178. 179.
Determann. II. 548.
Deucher 290.
Deutsch. A. 454.
Deutschländer 315.
Doutschmann. R. 383.
Devoto 224.
Dickgans 124.
Diepgen, P. 41.
Dieterich, E. 718.
Dieterich, K. 634.
Dieterlen 595.
Dietlen 261.
Dietrich 140.
Dietrich, A. 327.
Dietrich, G. .T. 358.
G : eudonne 13.
Dieulafoy 435.
Dikonieit 535. 563.
Dimmer 69. 548.
Diossziläs-gi, S. 668.
Dirn er 108.
Djakonow 194.
Dmitrenko, L. Ph. 309.
Dobrovits, M. 637.
Dobrowolska. St. 389.
Döderlein 163. 192. 376.
389. 575. 587.
Döderlein, A. 235. 531.
Pölling, M. 170. 407. 433.
Doellken. A. 13.
Dönitz 330.
Dornberger, E. 646.
Doerr 416.
Doevenspeck 467.
Doevenspeck. W. 393.
Polii 628.
Dohm, R. 390.
Do kl, II. 267.
Poleris 95.
Dollinger 66. 301.
Donat 167.
Donath, ,T. 304.
Donati, M. 324.
Douglas 194.
Poutrelepont 41.
Doyen 237. 249. 508. 606.
Pragendorff, O. 632.
Dresdner 129.
Dreuw 363. 398. 437. 722.
723.
Dreyer 315.
Dreyer, W. 513.
Dreyfuss, R. 83.
v. Drigalski 430. 431.
Dubois, P. 604.
Diihrssen 234. 245. 563.
Dührssen, A. 547.
v. Düring 291.
Diitzmann 587.
Dufour, M. 449. 592.
Duhot 678.
Duhot, R. 541.
Dumont, F. L. 159. 442.
Dunant, H. 647.
Dünger, R. 612.
v. Düngern, E. 281.
Purig 194.
E
Ebeling, 31. 433.
Eber, A. 185.
Eberth, A. 689.
Ebstein 313. 715.
Ebstein, W. 62.
Eckermann 254.
Eckert 35. 300. 327. 685.
Eddy {Baker-). M. 718.
Edel. B. 344.
Ed eien. Ch. A. 158.
Edens 449.
Edlefsen, G. 276.
Ehler, F. 598. 612.
Ehlers 678.
Ehrlich 153. 274. 275. 276.
414, 430, 495. 615.
Ehrlich, P. 318. 419. 508.
Ehrmann 36. 95. 134. 331.
346, 399. 698.
Ehrmann, O. 427.
Eh rin ann, R. 288.
Ehrmann. S. 27.
Eichelberg, F. 184.
Eichhorst, H. 666.
Eichler, F. 101.
v. Eicken 477. 673.
v. Eiseisberg 66. 97. 632.
674.
v. Eisler, M. 578.
Eisenberg, J. 3.34.
Eisemeich, (). 368.
Eisenstein,, J. 208.
Ei tu er. E. 580.
Eliasberg, J. 17.
Ellis, H. 40. 96.
Ellraer, A. 259.
El sehnig 91. 102. 341.
Elsner 76. 261. 302.
Elsner, H. 203. 656, 698.
Embden 289. 318.
Emery 629. 647.
Enderlen 248. 585.
Engel 68.
Engel. C. 8. 111. 670. 677.
En^el. TT. 228. 490. 542.
Engel, 8. 194.
Engel. St. 547.
Engelhorn 357.
Engelhorn, E. 681.
Engelmann. W. 428. 453.
Engländer, M. 201.
Engström 80.
Eperon 592.
Ephraim 9. 373.
Eppinger 332.
Epstein 236. 534.
Erb 97. 152. 262. 375. 433.
474. 548. 631 673.
Erb, A. 244.
Erben. F. 12. 153. 473.
Erb. W. 689.
Errlös, A. 366.
Ernst 291.
Esau 216. 355. 598.
Escherich
81.
109.
123.
139.
149.
177.
.191.
206.
^ 207.
Eschle
, F.
C. R.
505.
Esser
H98.
Euler,
II.
591.
Euziere, M. 322
Evler
314.
315.
'329.
Ewald
6.
147.
179.
192.
218.
219.
327.
328.
331.
574.
575.
790.
713.
715.
Ewald
, K.
3.3. 42fi. 674.
Ewald, P. 441.
Exner, A. 158.
Exner, F. 660.
Exner, 8. 633. 660.
F
Fabian, E. 229. 327. 457.
489.
Fabricius 51. 80. 121. 287.
Fabry, J. 324.
Falk 342.
Falk. E. 144. 150. 163.
176. 191. 234. 246. 575.
Falkenheini 646.
Falta 288. 304. 317.
Falta, W. 130.
Farabeuf, J. H. 521.
Faulhaber 666.
Favento 664.
Federmann 136.
Federmann, A. 119.
Federow, 8. P. 242.
Feer 81. 82. 139. 149. 178.
190. 234. 435. 449.
Feilchonfeld. W. 232. 345.
Fein. J. 152. 438.
Feis. O. 223. 386.
Fejes. L. 581.
Feldmann, H. 462.
Feloki, 11. 291.
Felke 14. 19.
Fellinger 250.
Fellner 149. 177. 179. 192.
208. 314.
Fellner, B. 345.
Fellner, O. (). 83.
Fellner jun. 179. 207.
Fenyvessv. B. 125.
Fette, H. 184. 201.
Fetzer. M. 160.
Fey, .1. 652.
Fi bi gor 548.
Fickler, A. 412.
Fi obig 689.
Fieweger. R. 527.
Filehne 405.
Le Filliatre 51.
Finck. J. 202.
Finder 136.
Finder. G. 405.
Finger 194. 346.
Finger, E. 674.
Fink 301.
Finkelnburg 584.
Fink eiste : n 79. 82. 92.
106. 107. 109. 139. 178.
290. 359.
Finkler 430. 431.
Fi nsen 548.
Finsterer, TT. 173.
Fisch. M. 192.
Fischbeck 276.
Fischei, W. 724.
Fischer 431. 587. 713.
Fischer. F. 498.
Fischer, G. 4.35.
Fischer, TT. 615. 646.
Fischer. ,T. 364.
Fischer. L. 654.
Fischer. Ph. 497.
Flachs 206.
Fla tau. Th. 8. 138. 359.
699.
Flein er 262. 275. 288.
Fleisch, P. 394.
Fleischer 192.
Fleischer. F. 597.
Fleischmann 9.
Fleischmann. K. 689.
Flemming 430.
Flemming, G. 460.
Flemming. P. 621.
Fletcher, 277.
Flexner. 8. 156.
Fliess. W. 519.
Floercken 548.
Flöreken, H. 468.
Flu 378.
Flügge 166. 347. 361. 416.
Focke 694.
Fodor, G. 393.
Foederl, O. 27. 708.
Foelsing 504.
Foerster 236. 249.
Foerster, 0. 174 . 326.
Foges, A. 464.
Forbat 637.
Forconi, G. 158.
Forest. W. 675.
Forlanini, C. 173.
Forschbach 373.
Forschbach. J. 61.
v. Förster. F. 486.
Förster, J. 605.
Fouveau de Courmelles
80.
Frankel 149.163. 274. 301.
575.
Frankel, A. 37. 134. 220.
271. 343. 699. 710.
Frankel B. 223. 361.
Fraenckel. P. 600.
Fraenkel, C. 526. 623. 673.
Fraenkel, E. 323. 425.
Fraenkel, L. 39. 247.
Fraenkel, 8. 27.
Frässdorf 534.
Franck, O. 351.
Francke, K. 276. 577.
Frangenheim 588.
Frank 78. 96, 331. 575.
Frank, A. 344. 349.
Frank. E. 331.
Frank, E. R. W. 413.
Frank. G. 693.
Franke 236. 248.
Franke, C. 426.
Franke, F. 145.
Franke, P. 412.
Frankenhäuser 548.
Frankenhäuser, F. 605,
Frankeristein 546.
Frank enstein, C. 428.
Frankl 191.
Frankl. O. 177.
v. Frankl-Hoch wart. L.
216.
v. Frannue. ö. 530.
Franz 13. 223.* 449. 605.
Franz. T\. 72. 659.
Franze, P. C. 290. 490.
596.
Freudenberg, A. 131. 38X
Freudenberger 646.
Freudenstein. F. 313.
Freund 81. 223. 534. 548,
644. 645.
Freund, L. 442.
Freund W. A. 97. 261.
Frev 386.
Frey, E. 265. 543.
Friedberg 263. 416. 430.
Friedberger 630. 631.
Friede mann 346. 416.
Friedemann. TT. 605.
Fried hin der 629.
Friedländer, A. 376.
Friedländer, M. 8.
Friedländer, R. 218.
Friedmann 328.
Friedrich 220. 273. 315.
319.
Frinp, A. D. 477.
v. Frisch. O. 486.
Fritsch, IT. 401.
Fritsch, J. 724.
Froehlich 200. 419.
Froehlich, A. 263.
Froehlich, F. 449. ■
Fröschels, E. 234.
Frogyesi 80.
Fromme 689.
Fromme. F. 27. 577. 688.
Frühwald, R. 89, 680.
Fuchs 207. 222. 633.
Fuchs, A. 583.
Fuchs, E. 361. 389. 709.
Fuchs, II. 27.
Fuchs. R. 389. 449.
Fuchs, R. F. 660.
Fuchs-Wolfring, 8.^ 26.
Fürbringer 6. 13. 36. 119.
147. 342. 415.
Füresz, ,T. 124.
Fürst 513.
Fürst M. 14.
Fürstenau, R. 519.
Fürstenberg 151.
Fürstenberg. A. 310.
v. Fürth, O. 419.
Fiith 163. 235. 247. 576.
Fuld 6. 134. 160. 219. 342.
430. 670.
Fuld. E. 429.
Funck, C. 410. 425.
Funke, A. 83.
Fuster 534.
G
Gaffkv 659, 717.
Gaffky, G. 491.
Gager 578.
Gager, C. 278.
Galewsky 672.
Gandini. Y. 547.
Ganghof'ner 122. 123. 139.
206. 207.
Garre 220. 291. 587.
Gasharrihi, A. 542.
Gasis. D. 517.
Gasters, 490.
Gastpar 194.
Gau pp, R. 490.
Gau ss 80, 108.
Gebbert 675.
Geb eie 273.
Gebele. H. 56.
XXIV
Geis 714, 715.
Geis, F. 285.
Geisler 28.
Geissler, W. 340.
Gemmel 61.
Gemünd, W. 153.
Gennerich 579.
Gerber 567, 610, 642.
Gerhardt 304, 332.
Gerhardt, D. 302.
Gerhartz 149.
Gerhartz, H. 59.
Gernsheim 178.
Gerönne, A. 623.
Gerson, K. 341.
Gerster 24.
Ghon, A. 578.
Gierke 605.
Gierke, E. 319.
Gierlich, N. 584. 589.
Gilbert, A. 435.
Gilbert, W. 464.
Girard 249.
Giuffrö 23. 24.
Glässner 10.
Glaessner, P. 708.
Glaser, H. 508.
Glaser, R. 52.
Gluck 41.
Glück 629.
Glück, A. 497.
Glück, J. 82.
Glücksmann 261.
Gocht 302. 315.
Gock, H. 521.
Gockel, M. 519.
Goebel, Tv. 249.
Göbell 194. 331.
Görges 569.
Görner 483.
Göschei 194.
Goethe 361.
Goldberg, B. 211. 225.
239. 251.
Goldberger, M. 362.
Goldbladt, H. 47. 543.
Goldman, H. 309.
Goldmann, F. 187.
Goldscheider 208. 319.
548.
Goldschmidt 53.
Goldschmidt, A. 701.
Goldschmidt, II. 689. 709.
Goldschmidt, R. 639.
Goldschmidt, S. 387.
Golgi 633.
Gordon 714.
Goth, L. 464.
Gottschalk 6. 80. 149. 176.
192. 245. 455. 461.
Gottstein, G. 19. 37. 51.
Gourwitsch, M. 621.
Grabley 370. 371.
da. Gradi, A. 410.
Graefenberg, E. 230. 282.
572
Graeser, K. 521.
Graetz 631.
Graf 249.
Grafe 334.
Grafe, E. 614.
Grasser. O. 284.
Grau 605.
Grau, H. 378. 483.
Graupner 245. 529. 659.
Grawitz 300. 343. 344.
Grawitz, E. 500.
Grehant, V 237.
Greil, A. 41.
Greven, K. 664.
Grimm 199.
Grisson 700.
Grober, J. 453.
Gröber 416.
Groedel, Fr. 345.
Groedel, Th. 345.
Groenoiuv 19.
Gros, O. 654.
Gross 332.
Gross, M. 410.-
Grosse, O. 490.
Grosser 82. 190. 644. 645
Grosser, P. 665.
Grossich, A. 412.
Grossmann 245. 659.
v. Grosz, E. 594.
Grouven 628. 672.
Grouven. C. 526.
Grouven. K. 194.
Grube 681.
Grube, K. 289.
v. Gruber 152. 181. 262.
433. 474. 548. 631. 646.
673.
v. Gruber, M. 689.
Gruber, G. B. 513.
Gruby, D. 474.
Grünfeld. J. 319.
Grund 290.
Grunert 517.
Grün mach 67.
Gruss, A. 674.
Gudzent 163. 317. 318.
370.
Günther, W. 424.
Giinzburg 529.
Gürber, A. 521.
Guggenheim 534.
Guleke 248.
Guleke, N. 159.
Gumpertz 534.
Gunkel 287.
Gussenbauer, K. 632.
Guthmann, A. 335.
Gutmanr. A. 459.
Gutmann, G. 344. 345.
Gutzmann 178. 657.
v. Gyergyai, A. 323.
v. Gyergyay 417.
h
Baase, II. 500.
v. Haberer 331. 667.
Habermann 417.
v. Hacker 248.
Hadda 50.
Hadda, S. 696.
Iladen, Fr. H. 346.
Haebler 238.
llaecker 647.
Haedicke. G. 85.
Ilaendel 416. 431.
Hänlein 245. 246.
Härtel, F. 582.
Hagemann 329. 588.
Hagen, Fr. 242.
Hagen, W. 40.
Hagen-Torn 122.
t Hagenbach-Merian, E.
406.
Hahn 331. 533. 534.
Hahn, O. 436.
Haike 138. 659.
Ilailer 416.
Haim, E. 668.
Ilalasz 24.
Hai bau 150. 164.
Hal'ban, J. 27. 176. 689.
Halben 161.
Halben, R. 716.
Halberstaedter, L. 582.
Halbey, K. 131.
Haie, W. 354.
Hailauer, B. 231.
Halle 176. 659.
Hamburger, G. 685.
Hamburger, F. 16. 679.
Hamed Wa-ly 491.
Hamm 461.
Hamm, A. 204.
Hammers 232.
Hammers ch lag 245. 446.
684. 685.
Hampeln 574.
Hannes 38. 39.
Hannes, W. 696.
Hansberg 417.
v. Hansemann 35. 97. 134.
245. 273.
v. Hansemann, I). 605.
Hansen, A. 12. 97. 633.
Happel, O. 56.
Ilarnack 133.
Ilarnack, E. 543.
Harras 273.
Harriman 111.
Hart, C. 471. 481.
Hartmann 235. 730.
Hartmann, A. 193. 660.
Hartmann, E. 367.
Hartmann, G. 14. 194.
450.
Hasebroek 419.
Hata 274. 495.
Hauber, F. 516.
Hauck, L. 143.
Haudek 574. 700.
Haudek, M. 542.
Hauptmann, A. 512.
Hauptmann, F. J. 411.
Hauser, C. 047.
Hauser, G. 425.
Havas, A. 319.
Havelock Ellis 673.
Hayashi, M. 640.
Haymann, H. 701.
Hecht, A. F. 109.
Hecht, H. 255.
Hecker 139. 178: 190.
Hecker, R. 207.
Heddäus, A. 503.
Hedinger 372.
Hedinger, E. 158. 408.
Heeger, E. F. 99. 387. 402.
447. 462.
Heeger, F. 222.
Heerford t, G. F. 426.
Ileermann, A. 339. 547.
H° Mf er 164.
Hegar, A. 56.
Hegar, Iv. 191. 506.
Hegener 385.
Heiberg. II. 605.
v. d. Heide. A. 697.
Heidenhain 713.
Heil, K. 231.
Heilbrun- IC. 104.
Heile 287.
Heilig 481.
Heilmeier, A. 312.
Heim 416.
Heimann, F. 222.
Heimburg, W. 660.
Hein, F. 405.
Heine 124.
Heinecke 167. 689.
Heinicke. W. 257.
v. Heinleth 67.
Heinz, R. 506.
Heinze 448.
Heinzmann 133.
Heisler, A. 365.
Heisler, W. A. 547.
Heitler, M. 458.
Helbich, II. 79.
Helbing, C. 4. 670.
Heller 68. 136. 360. 671.
699. 700.
Heller, J. 464.
Helly 591.
Ilelwig 208. 461.
Henius, L. 319.
Henkel, M. 49. 153.
Henoch 626, 633.
Henocli, E. 419. 506.
Henrich, F. 187.
Hensehen 22. 23.
Ilenschen. K. 334.
Henssen 485.
Herbst, O. 78.
v. Herczel 52. 122.
v. Herff 56. 63. 618.
v. Herff. O. 117. 458. 697.
Ilerhold 17.
Hering 332.
Hermann 180.
Herrmann, L. 674.
Hermes, O. 638.
Hersfeld 138. 164.
Hertel, E. 573.
Hertz, II. 449.
Herxheimer, G. 621.
Herxheim er, K. 296. 496.
579.
Herz,’ M. 268. 304. 424.
439. 706.
Herz borg 277. 565.
Iferzenberg, R. 18.
Herzfeld 710.
Herzfeld, E. 586.
Herzfeld J. 699. 709-.
Herzog 386. 417.
Herzog, F. 131.
Herzog, II. 444. 698.
Herzog, J. 209.
Herzog. W. 506.
Hess, K. 346.
Hess, O. 111.
Hesse 161. 163. 221. 275.
Hesse. E. 594. 615.
Hessmann, A. 69.
Ileubner 25. 67. 79. 81.
106. 107. 123. 138. 149.
160. 177. 178. 274. 275.
304. 327. 328. 342. 344.
643. 644. 685.
Ileubner, W. 11. 390. 521.
Heuser 422.
Heusner 301.
Heveroch, A. 224.
Hevesi, J. 394.
Hey 347.
Heymann 167. 430. 506.
685. 723.
Heymann, F. 655.
Heyn, II. 175.
Heynemann, Th. 703.
Hilbert. R. 485.
Hildebrand, O. 221.
Hildebrandt, Jf. 26.3. 543.
Hilgenreiner, H. 355. 530.
Hindenberg 490.
Himichsen, O. 181.
Hinsberg 385. 417.
Hinz, R. 382.
Hinze, V. 90.
Hirsch 24. 208. 236. 706.
Hirsch, G. 275. 528.
Hirsch. J. 75. 253.
Hirsch, K. 359.
Hirsch, L. 176.
Hirsch, M. 341. 584.
Hirsch, P. 709.
Hirschherg, M. 145. 224.
376. 707.
Hirsche! 300.
Hirschei, G. 311.
Hirschfeld 273. 626.
Hirschfeld. F. 516. 665.
685.
Hirschfeld. II. 369.
Hirschfelder 23.
Hirth, G. 716.
His 65. 150. 179. 314. 318.
699.
Hitschmann 191. 192.
Hnatek, J. 381.
Hoch 237.
Hochhaus 27. 46.
Hochsinger 138. 139. 191.
644. 645. 672.
Hockauf, J. 27.
Iloeber, R. 237.
Höfler, M. 83.
Höhn. J. 625.
Hoehne, O. 91. 259.
Hönck, E. 62.
Hoerder, C. 50.
Ilörmann 235.
Hössli, 11. 512.
Van der Iloeven 95.
Hofbauer 26. 316. 576.
587.
Hofbauer, J. 599.
Ilofbauer, L. 379. 423.
Hoffa, Th. 679.
Hofmann, E. 497.
Hofmann, M. 591. 598.
Hoffmann 315. 423. 430.
481. 502.
Hoffmann, A. 332. 468.
Hoffman, E. 41. 194. 529.
Hoffmann, F. 18.
Hoffmann, J. 209.
Hoffmann, K. F. 652.
Hoffmann, R. 262.
Hofmeier 56. 80. 95.
Hofmeier, M. 469.
Hofstätter 520.
Hohlweg 680.
Hohlfeld 138.
Ilohmeier 330.
Holdheim, W. 451.
Holitscher 306.
Holländer 160. 176. 233.
342.
Holländer, II. 157.
Holmgren, J. 581.
Holzinger, F. 47.
Holzknecht 62. 548.
Homen 97.
Hoppe 275. 446.
Hoppe, J. 497.
Horbaczewski 56.
Horsley, V. 674.
Hosemann 316.
Hosemann, G. 703.
Huber 303.
Huber, A. 379.
Hübner, O. 419. 425.
Hübener 521.
Hügel, G. 622.
Huertas 24.
Hügel 303.
Hunt, R, 471.
Huntemüller 430.
Huxiey, Th. H. 402.
Hwayama 342.
i j
Ibrahim 82. 123. 139.
Ibrahim, J. 421.
Igersheitner, .1. 632. 683.
IIberg 250. 435.
Immelmann 261.
Isaac 316, 398.
Isaac, H. 495.
Isaac, J. 331.
Isaak 723.
Isemer 577.
Isliida, K. 581.
Israel 461.
Israel, E. 259.
Israel. J. 702.
Isserlin, M. 361.
Ttami, S. 187.
Ivannovics, G. 27. 570.
Ivänyi, E. 423.
Ivanyi, M. 579.
Ivcovic, L. 130.
Tversen 627.
Iversen. J. 294. 512.
Izar 330.
Jack 3.
Jacob, L. 542.
Jacobaeus, H. C. 666.
Jacobi, A. 406.
Jacobi. Ahr. 633.
Jacobsohn 92. 259.
Jacobsohn, L. 233.
Jacobsthal 430.
Jacoby 670.
Jäger 431.
Jaeger. W. 717.
Jaffö, K. 79. 95. 120.
v. Jagic, N. 466.
v. Jaksch 261. 660. 673.
v. Jaksch, R. 12.
James, W. 535.
Jankowski, J. 188.
Janssen, P. 194.
Jaquet, J. 282.
Jaquet. M. 55. 69.
Jaschke 587.
Jehle, L. 181. 194.
Jenckel 689.
Jenckel, A. 419. 434.
Jensen, P. 405. 419.
Jenssen, Fr. 356.
Jerusalem, M. 217.
Jesionek 17.
Jessen 261.
Jessen, F. 438.
Jessner 193. 254. 361. 631.
Jetei, F. 223.
Joachim, A. 321.
Joachim, G. 13. 15. 183.
Joachimsthal 588.
Jochmann 35. 260. 299..
300.
Jochmann, G. 74. 139.
Johansen, J. C. 165.
John, M. 61.
Johnsen 119.
Jolly 163. 177.
Jolly, R. 76. 491.
Jonnescu, Th. 103.
Joseph 629.
Joseph, K. 241.
Josephsohn 58.
Juba, A. 492.
Jüngst 703.
vr au,
fein 629.
fl.
B. 6611.
B. 654.
’3. 287.
104.
S. 118.
O. 498.
F. 83.
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Kurz. E.
Kiisel 447. ’ vT.- -
r. Kuester 127, 137- !
Ivüstei 431. 714.
Küster, E. 1,161.
Küster. II. 546.
Köstnc.r 38.
Köttner 249. 287. 331.
Kiittner, B. 202. 235. 326.
Rüffler, 0. 689.
Kühlgmanü 695.
Kuhn 66. 249. 304. 317.
373. 430. 431.
lvuhn, F. 615.
Kuhn, Ph. 52.
Kuniroatsu Talteda. 597.
653.
Kummer. E, 535.
Kornau 111.
Kupelwieser, K. 660.
Kurelia 673.
Kurz, E. 703.
Kurz, K. 375.
Kühner, R, 563.
Kuttner 245. 656.
Kuttner, L. 192. 548. 619.
Kntu'her, K. H. 468.
Kuzmik 66.
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Neumark, K. B65.
Neiimayer. L. 50.
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Newburgh, L. II. 468.
Nicolai 149. 220. 332.
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Nightirigale. Fl. 492.
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Noeht 167.
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369. 643. 645.
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430. 472. 574.
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Moynier, G. 507.
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Mühsam, II. 385.
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Müller 164. 191. 288. 291.
301. 302. 330. 345. 575.
Müller. A. 17. 288. 546.
713.
Müller, Chr. 487, 667. '
Müller, E. 59. 77. 78 . 79.
105, 351. 643. 645,
Müller, P. 314. 346.
Müller. Fr. 139. 303.
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Rissling, P. 365.
Ritchie 395.
Ritoök, S. 477.
Ritter 248, 329. 417. 722.
Ritter, H. 705.
Robitschek, M. 460.
la Roche, H. 289.
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Rodenwaldt E. 114.
Roemer, H. 139.
Römer 317. 430. 431. 673.
Römer, P. H. 59. 241.
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Roepke 223. 302. 423.
Roepke, F. 535.
Roepke, W. 389. 426. 598.
Rösler, K. 499.
Rössle, R. 471.
Roethlisberger, P. 241.
Rohardt 478.
Rolide. E. 660.
Robleder. 63. 96.
v. Rohr, M. 573.
Roith, O. 27.
Rolly, Fr. 352.
y. Romberg 22. 260. 261.
Rommeler 365.
Rona, S. 139.
Rose, C. 2.
Rosenbach, F. 598.
Rosenbach, F. J. 567.
Rosenberg 67.
Rosenberg, L. 346.
Rosenberger 346.
Rosenberger, F. 354.
Rosenblat, St. 89.
Rosenfeld 50. 51. 288.
Rosenfeld, E. 313.
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Rosenhauch. E. 708.
Rosenheim 430. 656.
Rosenhe.'m, Th. 505.
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Schloffer 24. 273. 696.
Schloffer, II. 435.
Schlomer 520.
Schloss 643.
Schloss, E. 78.
Schlossmann 82. 84. 122.
123. 139. 191. 206. 207.
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Schlossmann, A. 350.
Schlüter, II. 447.
Schmaltz 237.
Schmid.'J. 632.
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Schmidt 258. 422.
Schmidt, A. 288. 303.
Schmidt, II. 31. 296. 339.
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Schmidt, H. E. 130.
Schmidt, P. 32.
Schmidt, R. 668.
Schmidt-Rimpler 659.
Schmiedeberg. O. 506.
Schmidtmann 97. 110.
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Schmilicke 207. 208. 345.
449.
Schmincke. A. 346. 701.
Schmiz 583.
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Schnaudigel 390.
Schnee 54. 713.
Schnee. A. 323. 440. 484.
Schneider 69. 471.
Schneider, P. 679.
Schneider, R. 97.
Schnitter 386.
Schnitzler 51. 287.
Schnitzler, J. 297.
Schober, H. 209.
Schoemaker 249. 331.
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Schönborn. S. 389.
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Rapmund, E. 200.
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Ratzeburg, II. 281.
Raubitschek, H. 408. 578.
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Rautenberg 25. 26. 713.
Rautenberg, E. 13. 660.
Raymond, F. 578.
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319. 419. 629.
v. Recklinghausen. F. D.
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Redlich, W. 504.
Reenstjerna, J. 379.
Reger, M. 605.
Rehfisch 134. 148.
Reim 167. 224. 287. 315.
Rehn, E. 62. 588.
Rehn jun. 301.
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Reich, A. 546.
Reich, J. 573.
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Reiche, A. 79.
Reiche, F. 60.
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Reichel. H. 578.
Reichenbach 189. 416.
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Schwalbe, J. 401.
Schwann 717.
Schwartz, W. 621.
Schwartze 464.
Schwartze, II. 506. 659.
Schwarz 675.
Schwarz, E. 17. 326.
Schwarz, G. 117. 502.
Schwarz, K. 199.
Schweitzer. A. 304.
Schwenkenbecher, A. 102.
Schwetzinger 301.
Schwiening 27.
Scipiades 80.
Scipiades, E. 477.
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Segel, J. 410.
Segond 51.
Sehlbach 222.
Seidel 273. 301.
Seidell, A. 471.
Seifert 17. 672.
Seitz 139.
Seitz, L. 153. 246.
Selander 600.
Selbiger 502.
Selig 207. 345.
Seligmann 431.
Seilei, J. 652.
Sellheim 56. 95. 96. 80.
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Selter 178. 206. 430, 431.
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Selter, H. 571.
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276. 286. 313. 319. 359.
369. 414. 429. 430. 446.
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Senator, H. 449. 633. 660.
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Sadger, J. 115. 332.
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Sahli, II. 456.
Salinger, J. F. 131.
Salmon 508. 629.
Salomon 176.
Salomon, O. 638.
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Salomonsen, O. J. 548.
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Salus, R. 429. 444. 632.
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