Google
This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world's books discoverable online.
It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can't offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google's mission is to organize the world's information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world's books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web
a[nttp: //books . google. com/]
Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: / / books .google.comldurchsuchen.
—II
Barbard College Library
ww; j* io
fe 1.4
or
SAMMLUNG WISSENSCHAFTLICHER COMMENTARE
ZU GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN SCHRIFTSTELLERN
O
T. LUCRETIUS CARUS/
DE RERUM NATURA „BUCH Il
ERKLÄRT
vON
RICHARD HEINZE
9
LEIPZIG
RUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
1897
END COL ἢ
D
JUL 13 1838
ALLE RECHTE,
EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSREOHTS, VORBEHALTEN.
*
. - m
>. -- - cpm — -- -ὦ -. NP F
P
N
à
'd
!
^i
M
^
x
4
3
PP Y)
τα br —7
2l 20 "Baca Str.
“--- .-
"7
e -
nn
. 5 . 7
VORWORT.
Die Eigenthümlichkeit der Aufgabe, die das Gedicht des Lucrez
seinem Erklärer stellt, ist im Verhältniss des Dichters zu seinem
Stoffe und des Stoffes zur Form begründet. Die Lehre, die Lucres
verkündet, ist die eines Anderen, und dieser Andere war Nicht-
römer; die Lehre, die eine wissenschaftliche That war und in wissen-
schaftlicher Prosa dargestellt war, hat Lucrez zum Gedicht um-
gestaltet.
Wer ein philosophisches Werk inhaltlich erklürt, das des
Autors eigene Gedanken wiedergiebt, hat zunächst nur die Auf-
gabe, Zusammenhang und Fortschritt der Argumentation zu er
läutern, die Beziehung jedes einzelnen Theiles zum Ganzen des
Werks, eventuell des philosophischen Systems ins Licht zu stellen.
In welchem Verhältniss die Gedanken zu früher Gedachtem stehen,
ist dann die weitere Frage, deren Beantwortung sich der tiefer ein-
dringende Interpret nicht eniziehen kann. An den Erklürer des
Lucrez, der eine fremde Lehre lehrt, tritt zwischen diesen beiden
Forderungen die neue, dass jene fremde Lehre, soweit wir sie in
originaler Fassung besitzen, durchweg zum Vergleich herangezogen
werde; die Correctheit und Vollständigkeit der Darstellung ist zu
prüfen, etwu sich ergebende Ungenauigkeiten und Lücken sind auf
ihren Anlass hin zu untersuchen. Epikurs eigener Nachlass ist so
trümmerhaft überliefert, dass er allein nicht ausreicht; auch die
Schriften seiner Schüler sind zu verwerthen, Nachklängen epikuri-
scher Lehre und Polemik ist auch bei Angehörigen anderer Schulen
nachzugehen. In einzelnen, wenngleich seltenen Fällen wird sorg- ἢ
fältige Interpretation vielleicht auch einen Schluss auf die Form
ziehen lassen, in der die epikurische Lehre Lucrez vorlag: selb-
ständige Zusätze, Auslassungen und Umgestaltungen werden sich
erkennen lassen, und die Arbeitsweise des Dichters wird so in
helleres Licht treten.
IV | VORWORT.
Hat man sich nun das Material das Lucrez bearbeitete, soweit
es möglich ist, vergegenwärtigt, so wird man vor Allem die
Schwierigkeiten sich klar zu machen suchen, die der Dichter zu
überwinden hatte; der Erklärer hat zu zeigen, ob und mit welchen
Mitteln sie gelöst sind. Es handelte sich zunächst um die
einer lateinischen Terminologie: Lucrez klagt selbst
wiederholt über die Armut der Muttersprache, die ihm diese Auf-
gabe erschwere. Inwieweit er sich hierin an seine Vorgänger an-
gelehnt hat oder anlehnen konnte, wissen wir nicht: wir fragen,
welche griechischen Kunstausdrücke den lateinischen entsprechen
und inwieweit diese mit jenen sich wirklich decken, erwägen ferner,
wenn dies nicht ganz der Fall ist, die Möglichkeiten, die dem
Römer zu Gebote standen. Weit schwerer musste dem Dichter ein
Anderes fallen: die dispositio carminum. Unzählige Einzelheiten
waren zu behandeln, für so manche Lehre eine lange Reihe von
Argumenten anzuführen. Die völlig kunstlose Aneinanderreihung,
wie wir sie in seiner Vorlage voraussetzen dürfen, konnte dem
Dichter nicht genügen. Er hat danach gestrebt, ein Ganzes zu
schaffen, den Zusammenhang wenigstens in jedem der sechs Haupt-
capitel seines Werkes zu wahren. Die Mittel, die er anwandte,
sind ungleichen Werthes, bald mehr äusserlich, oft aber auch höchst
geistreich und aus dem innersten Sinn der Dinge geschöpft. Der
Interpret hat sie aufzuzeigen und so den Zusammenhang zu recon-
struiren, der dem Geist des Dichters vorschwebte und den er zum
Ausdruck zu bringen versuchte.
Wenn bei der Ueberwindung der ersten Schwierigkeit neben
dem Philosophen der Sprachkünstler, bei der zweiten neben dem
Philosophen der Dichter zu thun fand, so war es schliesslich eine
vorzugsweise dichterische Aufgabe, den gegebenen Stoff, ohne irgend
Wesentliches davon aufzuopfern, so im Geiste umzubilden, dass er
zum poetischen Vorwurf werde und dass nicht versificirte Prosa,
sondern ein Gedicht zu Stande komme. Der grösste Bewunderer
Luerezischer Poesie wird nicht behaupten wollen, dass ihm das
überall in gleicher Weise gelungen sei. Es giebt der Abschnitte
genug, wo die Rede nur stockend und widerwillig fliesst, wo dem
rein wissenschaftlichen. Inhalt das poetische Gewand aufgezwüngt
erscheint. Aber für mein Gefühl wenigstens überwiegen die Stellen,
wo der Dichter sein Ziel erreicht hat oder ihm nahe gekommen ist,
wo der Leser fühlt, dass nicht bloss Gelerntes und Gedachtes, son-
dern Angeschautes, Empfundenes, Erlebtes wiedergegeben wird, wo
die Form mit Nothwendigkeit aus der poetischen Conception er-
VORWORT. Vc
wächst. Das im Einzelnen aufzuzeigen und neben dem Philosophen
den Dichter zu seinem Rechte kommen zu lassen, ist schwer: aber
versuchen muss es der Interpret, jenen Umbildungsprocess nachzu-
denken und nachzufühlen; nur so wird er sich und Anderen die
Mittel und Wege der künstlerischen Wirkung klar zu machen im
Stande sein. |
Der vorliegende Commentar bemüht sich, die genannten Auf-
gaben zunächst für ein Buch des Gedichts durchzuführen. Bei der
Wahl gerade des dritten war es maassgebend, dass dies einerseits in
sich fast völlig abgeschlossen ist, andererseits der Stoff dem Dichter
eben hier die beste Gelegenheit bot, in allen Tönen, die er be-
herrschte, zu reden. Ich darf hoffen, dass von der eingehenden
Erklürung des Theiles auch auf das Ganze einiges Licht fallen wird.
Die Form des Commentars bringt es mit sich, dass der Erklärer
nicht alles, was er seinen Vorgängern verdankt, ausdrücklich als
solehes bezeichnen kann, noch weniger alles, worin er mit Vor-
gängern zusammengetroffen ist: doch habe ich mich bemüht, überall
den zu nennen, der eine wichtigere Erkenntniss zuerst ausgesprochen
hat. Dass ich überall, wo ich mich mit Lachmann im Widerspruch
befand, auf seine Ansicht Bezug genommen habe, wird man als
einen Ausdruck schuldiger. Dankbarkeit selbstverstündlich finden.
Munros Verdienste auch um die Erklärung des Dichters sind an-
erkannt: sein Werk würde seine bisherige Aufgabe, in das Studium
des Dichters einzuführen, auch dann noch weiter erfüllen, wenn
einmal ein Commentar in der Art, wie er mir vorschwebte, für das
ganze Gedicht existirt. Auf welchem Wege ich glaube, über das
von Munro Gebotene hinaus tiefer in das Verständniss eindringen
zu können, brauche ich hier nicht auseinanderzusetzen: ein Ver-
gleich meiner Arbeit mit der seinigen ergiebt das von selbst.
Die Gestaltung des Textes beruht auf den Grundlagen, die
Lachmann für alle Zeiten geschaffen hat: Neben den beiden Ley-
dener Handschriften, dem Oblongus (4) und dem Quadratus (B),
braucht die italienische Ueberlieferung nur selten herangezogen zu
werden; ich habe diese, wo sie in sich übereinstimmte, mit C be-
zeichnet, den von Niccolo Niccoli geschriebenen Cod. Florentinus
XXXV 30, die vertrauenswürdigste der italienischen Copieen von
Poggios Handschrift, mit N da, wo anzunehmen ist, dass Ueber-
lieferung, nicht Coniectur Niceolis vorliegt. Der Wiener Bruch-
stücke war nur in einem Falle zu gedenken. Die Lesungen von
A und B habe ich, nbgesehen von einigen offenbaren und belang-
losen Flüchtigkeitsfehlern in B, vollständig wiedergegeben; in der
γι VORWORT.
Orthographie bin ich hie und da stillschweigend abgewichen. Wenn
das Richtige von späterer Hand in 4 oder B eingetragen war, so
habe ich der Kürze wegen nur diese (485), nicht aber die namen-
losen Itali angeführt, die selbständig, möglicher Weise sogar früher,
ebenfalls das Richtige gefunden haben. Die Verszählung ist die
Laehmanns, d. h. die der Ueberlieferung.
Warmen Dank schulde ich Herrn Professor Kaibel: er hat
meine Arbeit von ihren ersten Anfängen bis zum Schluss durch
reiche Ánregung und Belehrung wesentlich gefórdert.
R. Heinze.
T. LUCRETI CARI
DE RERUM NATURA
LIBER TERTIUS.
E tenebris tantis tam clarum extollere lumen
qui primus potoisli inlustrans commoda uitae,
te sequor, o Oraiae gentis decus, inque iuis nune
ficta pedum pono pressis uestigia signis,
5 non ita certandi cupidus quam propler amorem
quod te imitari aueo: quid enim contendat hirundo
cycnis, aut quidnam tremulis facere artubus haedi
consimile in cursu possint et fortis equi uis?
tu, pater, es rerum inuentor, tu pairia nobis
10 — suppeditas praecepia, tuisque ex, inclute, chartis,
floriferis ut apes in saltibus omnia libant,
. ommia nos itidem depascimur aurea dicia,
aurea, perpetuas semper dignissima uita.
nam simul ac ratio tua coepit uociferari
15 — naturam rerum, diuma mente coorta,
diffugiunt animi terrores, moenia mundi
discedunt, totum uideo per inane geri res.
apparet diuom sedesque quietae,
quas neque coneutiunt uenti nec nubila nimbis
20 — aspergunt neque nix acri concreta pruina
cana cadens wiolat semperque innubilus aether
integit, et large diffuso lumine rident:
omnia suppeditat porro natura, neque ulla
res animi pacem delibat tempore in ullo.
25 at contra nusquam apparent Acherusia templa,
1 E IKali): O A schedae Vindob,, fes ΒΝ 7 cycniis A 11 limant:
verb. Av(ancius) 15 coortam A coartam B: verb. Orelli. 21 que ergänst Ii.
22 rident Lachm.: ridet
' Leeretius v. Hiasmum, 1
2 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
nec tellus obstat quin omnia dispiciantur,
sub pedibus quaecumque infra per inane geruntur.
his ibi me rebus quaedam diuina uoluptas
percipit atque horror, quod sic natura tus ui
30 — lam manifesta patens ex omni parte retectast.
Et quoniam docui, cunctarum exordia rerum
qualis sin et quam uariis distantia formis
sponte sua uolitent aelerno percita motu,
quoue modo possint res ex his quaeque creari,
35 . hasce secundum res animi natura uidetur
slque animae claranda meis iam uersibus esse,
et metus ille foras praeceps Acheruntis agendus,
funditus humanam qui uitam turbat ab imo,
omnia suffundens mortis nigrore, neque ullam
40 esse uoluptatem liquidam puramque relinquit.
nam quod saepe homines morbos magis esse timendos
infamemque ferunt uitam quam "Tartara leti,
el se scire animi naturam sanguinis esse,
aut eliam uenti, si fert ita forte uoluntas,
nee prosum quicquam nostrae rationis egere,
hine lice aduertas animum magis omnia laudis
47 inclari eausa, quam quod res ipsa probetur.
extorres idem pairia longeque fugati
conspeetu ex hominum, foedati crimine turpi,
50 — ommibus aerumnis adfecti denique, uiuont,
et quocumque tamen miseri uenere parentant
et nigras mactant pecudes et manibus diuis
inferias mittunt, multoque in rebus acerbis
acrius aduertunt animos ad religionem.
65 quo magis in dubiis hominem spectare periclis
conuenit aduersisque in rebus noscere qui si.
nam uerae uoces tum demum pectore ab imo
elicäuntur et eripitur persons *manare.
denique auarities et honorum caeca cupido,
ὁ — quae miseros homines cogunt transcendere fines
juris et interdum socios scelerum atque minisiros
noctes aique dies nili praestante labore
28 ibi Pont(anus): ubi 39 signatura: verb. Av. 88 alterno A -na B:
verb. Bentley) 89 suffundans: verb. It. 48 sciri anime B 46 ungen
Bentl. — A 47 causam: terb. I. 52 et nach pecudes fehit A
58 inferia: verb. B* — 58 et erg. I. — manare: manet res Ii., viell. mala re.
62 tabore: werd. D.
5
LIBER TERTIUS. 8
ad summas emergere opes, haec uolnera uitas
non minimam partem mortis formidine aluntur.
65 turpis enim ferme contemptus et acris egestas
semota ab dulei uites stabilique uidetur
et quasi iam leti portas cunctarier ante:
unde homines dum se falso terrore coacti
effugisse uolunt longe longeque remosse,
70 — sanguine ciuili rem conflant diuitiasque
conduplicant auidi, caedem caede accumulantes,
crudeles gaudent in tristi funere fratris,
el consanguineum mensas odere timentque.
consimili ratione ab eodem saepe timore
75 — macerat inuidia: ante oculos illum esse potentem,
illum aspectari, claro qui incedit honore,
ipsi se in tenebris uolui caenoque queruntur.
intereunt partim statuarum et nominis ergo.
et saepe usque adeo, mortis formidine, uitae
80 — percipit humanos odium lucisque uidendse,
ut sibi consciscant maerenti pectore letum,
obliti fontem curarum hunc esse timorem.
hunc uexare pudorem, hunc uincula amicitisi
rumpere et in summa pietatem euertere suadet:
85 nam iam saepe homines patriam carosque parentis
prodiderunt uitare Acherusia templa petentes.
nam ueluti pueri trepidant atque omnis caecis
in tenebris metuunt, sic nos in luce timemus
interdum, nilo quae sunt metuenda magis quam
90 — quse pueri in tenebris pauitant finguntque futura.
hunc igitur terrorem animi tenebrasque necessest
non radii solis neque lucida tela diei
discutiant, sed naturae species ratioque.
Primum animum dico, mentem quam saepe uocamus,
95 ἴῃ quo consilium uitae regimenque locatumst,
esse hominis partem nilo minus ac manus et pes
atque oculi partes animantis totius extant.
sensum animi certa non esse in parte locatum,
uerum habitum quendam uitalem corporis esse,
72 fratres: fratris Macrob. sat. VI 2,15 78 statum: verb. Fl. 81 con-
iciscant: verb. Nicc(oh) 84 pietate: verb. I. 94 quem: quam Charis. p. 187 P.
95 vocatum: verb. Mar(ullus) nach 97 Lücke erkannt Ri.
15
4 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
100 harmoniam Grai quam dicunt, quod faciat nos
uiuere cum sensu, nulla cum in parte siet mens;
ut bona ssepe usletudo cum dicitur esse
corporis, et non est tamen haec pars ulla ualentis;
sic animi sensum non certa parte reponunt:
105 magno opere in quo mi diversi errare uidentur.
saepe itaque in promptu corpus quod cernitur aegret,
cum tamen ex alia laetamur parte latenti:
et retro δὲ uti contra sit saepe uicissim,
cum miser ex animo laetatur corpore toto;
110 non alio pacto quam si, pes cum dolet aegri,
in nullo caput interea sit forte dolore.
praeterea molli cum somno dedita membra
effusumque iacet sine sensu corpus honustum,
est aliud tamen in nobis quod tempore in illo
115 multimodis agitatur et omnis accipit in se
laetitiae motus δὲ curas cordis inanis.
nunc animam quoque ut in membris cognoscere possis
esse, neque harmonia corpus senlire solere,
principio fit uti detracto corpore multo
120 saepe tamen nobis in membris uita moretur:
aique eadem rursum, cum corpors pauca caloris
diffugere forasque per os est editus ser,
deserit extemplo uenas aique ossa relinquit;
noscere ut hinc possis non sequas omnis partis.
195 corpora habere neque ex aequo fulcire salutem, -
| sed magis haec, uenti quae sunt calidique uaporis
semina, curare in membris ut uita moretur.
est igitur calor ac uentus uitalis in ipso
eorpore, qui nobis moribundos deserit artus.
150 quapropter quoniamst animi natura reperta
atque animse quasi pars hominis, redde harmoniai
nomen, ad organicos alto delatum Heliconi;
siue aliunde ipsi porro traxere et in illam
transtulerunt, proprio quae tum res nomine egebat.
1:6 quidquid id est, habeant: tu cetera percipe dicta,
Nunc animum atque animam dico coniuncta teneri
inler se atque unam naturam conficere ex se,
100 taciat A tatiat B: verb. B* 106 Macrob, Gr. Lat. V p. 680, 4:
aegrum 108 ubi: verb. Lamb(in) 118 sentire Wak(efield): interire 181 har-
monia: terb. ΒΞ — 182 altu A saltu (corr. in salto) —* (. 186 id erg. It.
LIBER TERTIUS. | 5
sed caput esse quasi et dominari in corpore toto
consilium, quod nos animum mentemque uocamus.
140 idque situm media regione in pectoris haeret.
hic exultst enim pauor δὲ metus, hsec loca circum
laetitiae mnlcent: hic ergo mens animusquest.
cetera pars animae per tolum dissita corpus
paret et ad numen mentis momenque mouetur.
145 idque sibi solum per se sapit: id sibi gaudet,
cum neque res animam neque corpus commouel una.
et quasi, cum caput aut oculus temptante dolore
laeditur in nobis, non omni concruciamur
corpore, sic animus nonnumquam laeditur ipse
150 laetitiaque uiget, cum cetera pars animai
per membra atque artus nulla nouitate cietur:
uerum ubi uementi magis est commola metu mens,
consentire animam tolam per membra uidemus,
sudoresque ita palloremque existere toto
155 corpore et infringi linguam uocemque aboriri,
caligare oculos, sonere auris, succidere arius,
denique concidere ex animi terrore uidemus.
saepe homines; facile ut quiuis hinc noscere possit
esse animam cum animo coniunctam, quae cum animi vi
160 percussast, exim corpus propellit et icit.
Haec eadem ratio naturam animi atque animai
corpoream docet esse: ubi enim propellere membra,
corripere ex somno corpus, mutareque uoltum
atque hominem totum regere ac uersare uidetur,
166 quorum nil fieri sine tactu posse uidemus,
nec tactum porro sine corpore, nonne fatendumst
corporea natura animum constare animamque?
praeterea pariter fungi cum corpore et uns
consentire animum nobis in corpore cernis.
170 si minus offendit uitam uis horrida teli
ossibus ac neruis disclusis intus adacis,
attamen insequitur languor terraeque petitus
suauis, et in terra mentis qui gignitur aestus
interdumque quasi exsurgendi incerta uoluntas.
175 ergo corpoream naturam animi esse necessest,
145 id nach sapit erg. Wak. 161 nouitatei: verb. It. 154 itaque ni
lorem: verb. Nice. — 159 ui fehlt: uis Nonius p. 124, verb. Jt. 110 offen
verb. B* — leti: verb. Mar. 172 insequetur: verb. A'B* 118 mentes: verb. Jt.
180
186
190
196
T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
corporeis quoniam telis ictuque laborat.
Is tibi nunc animus quali sit' corpore et unde
constiterit pergam rationem reddere diclis.
principio esse aio persuptilem atque minutis
perquam corporibus factum constare. id ita esse
hinc licet aduertas animum ut pernoscere possis.
nil adeo fleri celeri ratione uidetur,
quam sibi mens fleri proponit et inchoat ipsa:
ocius ergo animus quam res se perciet ulla,
ante oculos quorum in promptu natura uidetur:
at quod mobile tanto operest, constare rutundis
perquam seminibus debet perquamque minutis,
momine uli paruo possint inpulssa moueri.
namque mouetur aqua et tantillo momine flutat,
quippe volubilibus paruisque creata figuris.
at contra mellis constantior est natura
et pigri latices magis et cunctantior actus:
haeret enim inter se magis omnis maleriai
copia, nimirum, quia non tam lenibus constat
corporibus neque tam suptilibus atque rutundis.
namque papaueris aura potest suspensa leuisque
cogere ut ab summo tibi difflust altus aceruos,
at conira lapidum conlectum *spicarumque
noenu potest. igitur paruissima corpora proquam
οὐ leuissima sunt, ita mobilitate fruuntur: '
at contra quae cumque magis cum pondere magno
asperaque inueniuntur, eo stabilita magis sunt.
nunc igitur quoniam est animi nature reperta
mobilis egregie, perquam constare necessest
corporibus paruis et leuibus atque rutundis.
quae tibi cognitas res in multis, o bone, rebus
utilis inuenietur et opportuna cluebit.
haec quoque res etiam naturam dedicat eius,
quam tenui constet textura, quamque loco se
contineat paruo, si possit conglomerari,
quod simul atque hominem leti secura quies esi
indepia atque animi natura animaeque recessit,
nil ibi libatum de toto corpore cernas
176 corporis: verb. B* 188 sibi Wak.: εἰ 194 constat vermute ich: extat
198 conlectum Muretus; coniectum — spicarımque: caurus mouere Berma
ipee eurus mouere Munro 208 est erp Mar. 210 se: verb. Nice. »
41δ
220
240
345
250,
LIBER TEBTIUB. 7
ad speciem, nil ad pondus: mors omnia praestat
uitalem praeter sensum calidumque usporem.
ergo animam totam perparuis esse necessest
seminibus nexam per uenas uiscera neruos,
quatenus, omnis ubi e toto iam corpore cessit,
exlima membrorum circumceaesura tamen se
incolumem praestat nec defit ponderis hilum.
quod genus est, Bacchi cum flos euanuit, aut cum
spiritus unguenti suavis diffugit in auras,
aut aliquo cum iam sucus de corpore cessit:
nilo oculis tamen esse minor res ipsa uidetur
propterea neque detractum de pondere quicquam,
nimirum, quia multas minutaque semina sucos
efficiunt et odorem in tolo corpore rerum.
quare eliam atque eliam mentis naturam animaeque
scire licet. perquam pauxillis esse creatam
seminibus, quoniam fugiens nil ponderis aufert.
Nec tamen haec simplex nobis natura putandast.
tenuis enim quaedam moribundos deserit aura
mixta uapore, uapor porro irahit aera secum,
nec calor est quisquam, cui non sit mixtus ei aer:
rara quod eius enim constat natura, necessesi
aeris inter eum primordia multa moueri.
iam triplex animist igitur natura reperta:
nec tamen haec sat sunt ad sensum cuncta creandum,
nil horum quoniam recipit *mens posse creare
sensiferos motus, *qusedam que mente volutat.
quarta quoque his igitur quaedam natura necensenk
adtribustur: east omnino nominis expers;
qua neque mobilius quicquam neque tenuius extai
nec magis e paruis et leuibus ex elementis;
sensiferos motus quae didit prima per artus:
prima cietur enim, paruis perfecta figuris,
inde calor motus .et uenti caeca potestas
accipit, inde aer; inde omnia mobilitantur,
concutitur sanguis, tum uiscera persentiscuni
omnia, postremis datur ossibus alque medullis
siue uoluptas est siue est contrarius ardor.
322 unguente A -tes B: verb. Jt. 234 nilo N. Heins(ius): mil 282 temus:
verb. A! 236 inter eum AB — multam queri; verb. 45 239 recepit:
verb. A! — 248 tenuis: verb. 249 tum sanguis viscera persentisiunt: eerb. R.
210
275
T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
nec temere hue dolor usque potest penetrare neque acre
permanare malum, quin omnia perturbentur
usque adeo ut uitae desit locus atque animai
diffugiant parles per caulas corporis ommis.
sed plerumque fit in summo quasi corpore finis
"motibus: hanc ob rem uitam retinere ualemus.
Nune ea quo pacto inter sese mixia quibusque
compta modis uigeant rationem reddere auentem
abstrahit inuitum patrii sermonis egestas:
sed tamen, ut potero summatim atiingere, tangam.
inter enim cursant primordia primeipiorum
molibus inter se, nil ut secernier unum
possit nec spatio fleri diuisa potestas,
sed quasi multae uis unius corporis eximmi
quod genus in quouis animantum uiscere wolgo
est odor et quidam color et sapor, et tamem ex lus
omnibus est unum perfectum corporis zugmen;
sic calor atque aer et uenti caeca potestas
mixta creant unam naturam, οὐ mobilis illa
uis, initum motus ab se quae diuidik ollis,
sensifer unde oritur primum per uiscera motus.
nam penitus prorsum latet haee natura subesique,
nee magis hac infra quicquamsi in eorpore nosiro,
atque anima est animae proporro tolius ipsa.
quod genus in nostris membris et eorpore tote ..
mixta latens animi uis est animaeque potesías,
corporibus quia de paruis paucisque eresíasb, -
sie tibi nominis haec expers uis, facta mumalis
corporibus, latet atque animse quasi tolius ipsa
proporrost anims et dominatur corpore tete.
consimili ratione necessest uentus et aer
et calor inter se uigeant commixia per arius,
atque alis aliud subsit magis emmesíque,
ut quiddam fieri uidestur ab omnibus umm,
ne calor ac uentus seorsum seorsumque potestas
aeris interemant sensum diduciaque soluamd —
est eliam calor ille animo, quem sumit, im ira
eum feruescit et ex oculis micat acribus ardor;
354 ut erg. Lamb. — animae: verb. B* 255 calnias: εἰγὰ. D* 257 reti-
nemus: terb. A! 266 niscere B: visere AC 297 color Lamb: ealor 2792 senai-
ferer: verb. A* 9289 feruescat A -cet A* B: verb. B. — acribus Lamb.: acrius
LIBER TERTIUS. 9
490 est οὐ frigida mulia, comes formidinis, aura,
quae ciet horrorem membris et concitat arius;
est eliam quoque pacati status aeris ille,
pectore tranquillo qui δὲ uoltuque sereno.
sed calidi plus est illis quibus acria corda
296 iracundaque mens facile efferuescit in ira;
quo genere in primis uis est uiolenta leonum,
pectora qui fremitu rumpunt plerumque gementes
nec capere irarum fluetus in pectore possunt.
at uentosa magis ceruorum frigida mens est
soo et gelidas cilius per uiscera concitat auras,
quae tremulum faciunt membris existere molum.
at natura boum placido magis aere uiuit,
nec nimis irai fax umquam subdita percit
fumida, suffundens caecae caliginis umbram,
805 nec gelidis torpet telis perfixa pauoris,
interutrasque * sitas ceruos saeuosque leones.
Sic hominum genus esi: quamuis doctrina politos
constituat pariter quosdam, tamen illa relinquit
naturae cuiusque animi uestigia prima.
310 nec radicitus euelli mala posse putandumst,
quin procliuius hic iras decurrat ad acris,
ille metu cilius paulo temptetur, at ille
tertius accipiat quaedam clementius aequo.
inque alis rebus multis differre necessest
315 naturas hominum uarias moresque sequacis:
quorum ego nunc nequeo caecas exponere causas -
nec reperire figurarum tot nomins, quot suni
principiis, unde haec oritur uariantia rerum.
illud in his rebus uideo firmare potesse,
320 usque adeo naturarum uestigia linqui
paruola, quae nequeat ratio depellere nobis,
ut nil inpedist dignam dis degere uitam.
Haec igitur natura tenetur corpore ab omni,
ipsaque corporis est custos et causa salutis:
525 nam communibus inter se radicibus haerent,
nec sine pernicie diuelli posse uidentur.
291 inconcitat: verb. A* B* — 298 pertore: verb. A! — fit qui: verb. Mar.
808 minus ira: verb. I. 804 fuamidas (-des B) effundens: verb. Jl. — um-
bram AN umbra B 805 uaporis: verb. Mar. 306 inter utrosque sitast u^
interutrasque sitast Brieger 309 natura: verb. Jt. 819 formare: verb
821 niqueat (iniqu- B): verb. A! — nobis Lachm.: noctis; dictis Mar.
10 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
quod genus e thuris glaebis euellere odorem
haud facilest, quin intereat natura quoque eius.
sic animi atque animae naturam corpore toto
330 extrahere haut facilest, quin omnia dissoluantur.
inplexis its principiis ab origine prima
inter se fiunt consorti praedita uita,
nec sibi quaeque sine alterius ui posse uidetur
corporis atque animi seorsum sentire potestas,
335 sed communibus inter eas conflatur utrimque
motibus accensus nobis per uiscera sensus.
propterea corpus per se nec gignitur umquam
nec crescit neque post mortem durare uidetur.
non enim, ut umor aquse dimittit saepe uaporem,
340 qui datus est, neque ea causa conuellitur ipse,
sed manet incolumis, non, inquam, sie animai
discidium possunt artus perferre relicti,
sed penitus pereunt conuolsi conque putrescunt.
ex ineunte aeuo sic corporis atque animai
345 mutus uitalis discunt contagia motus,
maternis eliam membris aluoque reposta,
discidium αὐ nequeat fieri sine peste maloque;
: ut uideas, quoniam coniunctast causa salutis,
" coniunctam quoque naturam consistere eorum.
850 Quod super est, siquis corpus sentire refutat
atque animam credit permixtam corpore toto
| suscipere hunc motum quem sensum nominitamus,
uel manifestas res conira uerasque repugnat.
quid sit enim corpus sentire quis adferet umquam,
355 si non ipsa palam quod res dedit ac docuit nos?
‘at dimissa anims corpus caret undique sensu.'
perdit enim quod non proprium fuii eius in aeuo,
multisque praeterea perdit cum expellitur aeuo.
Dicere porro oculos nullam rem cernere posse,
360 sed per eos animum ut foribus spectare reclusis,
desiperest, contra cum sensus dicat eorum;
sensus enim trahit atque acies detrudit ad ipsas,
| fulgida praesertim cum cernere saepe nequimus,
— *234 . uitae: verb. Mar. 88δ eos: verb. Lachm. 881 propterea
vermute sch 846 reposto: verb. Av. 347 ut erg. Mar. 857 perdi:
L verb. A? idi parit — ans d; itum expellitur aeuo quam.
| 861 desiperest difficilest. — dicat .: duoat
4
LIBER TERTIUS. 11.-
lumina luminibus quia nobis praepediuntur.
365 quod foribus non fit: neque enim, quia cernimus ipsi,
ostia suscipiunt ullum reclusa laborem.
praeterea si pro foribus sunt lumina nostra,
iam magis exemptis oculis debere uidetur
cernere res animus sublatis postibus ipsis.
310 Illud in his rebus nequaquam sumere possis,
Democriti quod sancta uiri sententia ponit,
corporis atque animi primordia, singula priuis
adposita, alternis uariare ac neclere membra.
nam cum multo sunt animse elementa minors
376 quam quibus e corpus nobis et uiscera constant,
tum numero quoque concedunt et rara per arius
dissita sunt, dumtaxat ut hoc promittere possis,
quantula prima queant nobis iniecta ciere
corpora sensiferos motus in corpore, tanta
880 interualla tenere exordia prima animai.
nam neque pulueris interdum sentimus adhaesum
corpore nec membris incussam sidere cretam,
nec nebulam noctu neque aranei tenuia fila
obuia sentimus, quando obretimur euntes,
386 nec supera caput eiusdem cecidisse uietam
uestem, nec plumas auium papposque uolantis,
qui nimia leuitate cadunt plerumque graustim,
nec repentis itum cuiusuiscumque animantis
sentimus, nec priua pedum uestigia quaeque,
390 — corpore quae in nostro culices et cetera ponunt.
usque adeo prius est in nobis multa ciendum,
quam primordia sentiscant concussa animai
semina corporibus nostris inmixta per arius,
et quam sis interuallis tuditantia possint
395 concursare coire et dissultare uicissim.
Et magis est animus uitai claustra coercens
et dominantior ad uitam quam uis animai.
nam sine mente animoque nequit residere per arius
lemporis exiguam partem pars ulla animai,
400 sed comes insequitur facile et discedit in auras
865 quia Lachm.: qua 872 primis: verb. Bentl. 875 e AB: et A* B*C
338 aranei Mar.: il tenulla: verb. Ij. 891 ciendo: verb. Av. 594 quam
vermute ich: his Lachm. s
400 ediscedit (derit Bj eim $e erg vb. A
-- ..
* — mn.
΄ “Φ
12
405
' 410
415
480
425
T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
et gelidos artus in leli frigore linquit.
at manet in uita cui mens animusque remansit.
quamuis est circum caesis lacer undique membris,
truncus, adempta anima circum membrisque remota,
uiuit οὐ aetheriss uitalis suscipit auras:
si non omnimodis, δὲ magna parie animai
priuatus, tamen in uita cunctatur et haeret;
ut, lacerato oculo circum si pupula mansit
incolumis, stat cernundi uiuats potestas,
dum modo ne totum corrumpas luminis orbem
el circum caedas sciem solamque relinquas:
id quoque enim sine pernicie non fie eorum.
at si tantula pers oculi media illa peresast,
occidit extemplo lumen tenebraeque secuntur,
incolumis quamuis alioquist splendidus orbis.
hoc anims atque animus uincti sunt foedere semper.
Nunc age, natiuos animantibus et mortalis
esse animos animasque leuis ut noscere possis,
conquisita diu duleique reperta labore
digna tua pergam disponere carmina uita.
tu fac utrumque uno subiungas nomine eorum
atque animam uerbi causa cum dicere pergam,
mortalem esse docens, animum quoque dicere credas,
quatenus est unum inter se coniunctaque res est.
Principio quoniam tenuem constare minutis —
corporibus docui multoque minoribus esse
principiis faciam quam liquidus umor aquai
aut nebula aut fumus — nam longe mobilitate
praestat et a tenui causa magis icta mouetur,
quippe ubi imaginibus fumi nebulaeque mouetur:
quod genus in somnis sopiti ubi cernimus alte
exalare uaporem altaria ferreque fumum:
nam procul haec dubio nobis simulacra feruntur —
nunc igitur quoniam quassatis undique uasis
diffluere umorem οὐ laticem discedere cernis,
et nebula ac fumus quoniam discedit in auras,
crede animam quoque diffundi multoque perire
408 circum J&: eretum 404 remot B -tus A: verb. ΒΞ 415 alioquist
Kanmengiesser: alioqui 417 mortalibus: verb. I. 421 nome: verb. B* 429 pre-
stata: verb. 1t. 480 mouentur: verb. Mar. 481 alta: verb. Lachm. 488 1
verb. Lachm. 488 feruntur vermute ich: geruntur 437 crede JH: eo
LIBER TERTIUSB. | 18
ocius et citius dissolui in corpora prima,
cum semel ex hominis membris ablata recessit.
440 quippe etenim corpus, quod uas quasi eonstilit eius,
cum cohibere nequit conquassatum ex aliqua re
ac rarefactum detracto sanguine uenis,
aere qui credas posse hane cohiberier ullo,
corpore qui nostro rarus magis incohibensquest?
445 Praeterea gigni pariter cum corpore et uns
crescere sentimus pariterque senescere mentem.
nam uelut infirmo pueri teneroque uagantur
corpore, sic animi sequitur sententia tenuis:
inde ubi robustis adoleuit uiribus aetas
450 consilium quoque maius et auctior est animi uis:
post ubi iam ualidis quassatumst uiribus aeui
corpus et obtusis ceciderunt uiribus artus,
claudicat ingenium, delirat lingua, labat mens,
omnia deficiunt atque uno tempore desunt.
455 ergo dissolui quoque conuenit omnem animai
naturam, ceu fumus, in altas aeris auras;
quandoquidem gigni pariter pariterque uidemus
crescere et, ut docui, simul aeuo fessa fatisci.
Huc accedit uti uideamus, corpus ut ipsum
460 suscipere inmanis morbos durumque dolorem,
sic animum curas acris luctumque metumque;
quare participem leti quoque conuenit esse.
quin eliam morbis in corporis auius errat
saepe animus: dementit enim deliraque fatur,
465 interdumque graui lethargo fertur in altum
aelernumque soporem oculis nutuque cadenti;
unde neque exaudit uoces nec noscere voltus
illorum potis est, ad uitam qui reuocantes
circum stant lacrimis rorantes ora genasque.
470 quare animum quoque dissolui fateare necessest,
quandoquidem penetrant in eum contagia morbi.
nam dolor ac morbus leti fabricator uterquest,
473 multorum exitio perdocti quod sumus ante,
476 denique cur, hominem cum uini uis penetrauit
8. 9
bescit GO "auctor: urb. P n^ Pss labat erg. Tach ^ X on ig
458 ut erg. B* — fatisci It.: faetis 462 particidem: verb. A* 470
0 fatere:
verb. Jt. 472 polor: verb. Nícc. 474 — 510, 475 et pariter mentem sanari
corpus inani, getilgt Lamb. 416 cur B': cor AB
$E
- " —- — — - —
. .
14 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
acris et in uenas discessit diditus ardor,
consequitur grauitas membrorum, praepediuntur
crura uacilanti, tardescit linguas, madet mens,
480 nant oculi, clamor singultus iurgis gliscunt,
et iam cetera de genere hoc quaecumque secuntur,
eur ea sunt, nisi quod uemens uiolentia uini
conturbare animam consueuit corpore in ipso?
δὲ quaecumque queunt conturbari inque pediri,
485 significant, paulo si durior insinuarit
causa, fore ut pereant aeuo priusia futuro.
quin eliam subito ui morbi saepe coactus
ante oculos aliquis nostros, ut fulminis ictu,
concidit οὐ spumas agit, ingemit et tremit artus,
490 desipit, extentat neruos, torquetur, anhelat
inconstanter, et in iactando membra fatigat,
nimirum, quia uis morbi disiracia per artus
*turbat agens animam spumans in aequore salso
. uentorum ualidis feruescunt uiribus undae.
495 exprimitur porro gemitus, quia membra dolore
adficiuntur, et omnino quod semina uocis
eiciuntur et ore foras glomerata feruntur,
qus quasi consuerunt et sunt munils uisi
desipientis fit, quia uis animi aique snimai
500 conturbatur et, ut docui, diuisa seorsum
disiectatur eodem illo distracta veneno.
inde ubi iam morbi reflexit causa, reditque
in latebras acer corrupti corporis umor,
tum quasi uaccillans primum consurgit ei omnis
605 paulatim redit in sensus animamque recepiat.
haec igitur tantis ubi morbis corpore in ipso
iactentur miserisque modis distracta laborent,
cur eadem credis sine corpore in aere aperto
cum ualidis uentis aetatem degere posse?
510 et quoniam mentem sanari, corpus ui aegrum,
cernimus οὐ flecti medicina posse uidemus,
id quoque praesagit mortalem uiuere mentem.
addere enim partis aut ordine traiecere secumst
aut aliquid prosum de summa detrahere hilum,
479 uacilisanti; verb. A? 489 cur ea Niee.: eurbe 492 qua: verb. R.
498 ist verdorben: viell. turbat, agens anima spumas, 497 eiciuntar 'viri
doctissimi’ bei Lamb.: eliciuntar
515
525
LIBER TERTIUB. 15
commutare animum quicumque adoritur et infit
aut aliam quamuis naturam flectere quaerit.
at neque transferri sibi pariis nee tribui uolt
inmortale quod est quiequam neque defluere hilum:
nam quodcumque suis mutatum finibus exit,
continuo hoc mors est illius quod fuit ante.
ergo animus siue aegrescit, mortaha migna
mittit, uti docui, eeu flectitur a medicina,
ancipitique refutatu conuincere falsum.
Denique saepe hominem paulalim cernimus ire
et membratim uitalem deperdere sensum:
in pedibus primum digitos liuescere e$ unguis,
inde pedes et crura mori, post inde per artus
ire alios tractim gelidi uestigia leli;
scinditur *atque animae haec quoniam natura nec uno
tempore sincera existit, mortalis habendast.
quod si forte putas ipsam se posse per arius
introsum trahere et partis conducere in unum
aique ideo cunctis sensum diducere membris,
at locus ille tamen, quo copia tanta animai
cogitur, in sensu debet maiore uideri;
qui quoniam nusquamst, nimirum, ut diximus ante,
dilaniata foras dispargitur, interit ergo.
quin eliam si iam libest eoncedere falsum
et dare posse animam glomerari im corpore eorum,
lumina qui lincunt moribundi particulatim,
mortalem iamen esse animam faleare necesse,
nec refert uirum peresi dispersas per auras
an coniracta suis e partibus obbrutescat,
quando hominem totum magis ac magis undique sensus
deficit et uitae minus et minus undique restat.
Et quoniam mens. est homimis pars una, loco quae
fiza manet certo, uelut aures aique oculi sunt
atque alii sensus qui uitam eumque gubernant,
et ueluti manus atque oculus naresue seorsum
secreta ab nobis nequeunt sentire neque esse,
522 deocui: verb. B* 528 ratiomis: verb. Mar. 525 refotatur: verb. Mar.
651 animae Lamb.: animo 588 ante erg. Nice. 544 disperse: verb. B?
545 obrutescat: verb. Mar. 548 locoque: verb. Lachm.
16 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
sed tamen in paruo licuntur tempore tabe,
sic animus per se non quii sine corpore et ipso
655 esse homine, illius quasi quod uas esse uidetur —
siue aliud quid uis potius coniunctius ei
fingere, quandoquidem conexu corpus adhaeret.
Denique corporis atque animi uiusta potestas
inter se coniuncta ualent uitaque fruuntur:
560 nec sine corpore enim uitalis edere motus
sola potest animi per se natura nec autem
cassum anima corpus durare et sensibus uti.
scilicet, auolsus radicibus ut nequit ullam
dispicere ipse oculus rem seorsum corpore toto,
6565 sic anima aique animus per se nil posse uidetur.
nimirum, quia per uenas οὐ uiscera mixtim,
per neruos atque ossa, tenentur corpore ab. omni
nec magnis interuallis primordia possunt
libera dissultare, ideo conclusa mouentur
570 sensiferos motus, quos extra corpus in auras
aeris haut possunt post mortem eiecta moueri
propterea quia non simili ratione tenentur:
corpus enim atque animans erit aer, δὶ cohibere
in se animam aique in eos poterit concludere motus,
576 quos ante in neruis et in ipso ccrpore agebat.
quare eliam aique etiam resoluto corporis omni
tegmine et eiectis extra uitalibus auris
dissolui sensus animi fateare necessest
atque animam, quoniam coniunctast causs duobus.
580 Denique cum corpus nequeat perferre animai
discidium, quin in teetro tabescat odore,
quid dubitas quin ex imo penitusque coorta
emanarit uti fumus diffusa animse uis,
atque ideo tanta mutatum pulire ruina
585 conciderit corpus, penitus quia mota loco sunt
fundamenta, foras manante anima usque per artus
perque uiarum omnis flexus, in corpore qui suni,
558 liquuntur tabi Js. Vossius, licuntar tabe Creech: linguntur tali — 555 ho-
minem: terb. It. — uas esse Nice.: vasse A vase B 564 oculus ipse: verb. IE.
566 per erg. Nice. — mixti: verb. Nice. 571 movere: verb. Lamb. 573 ani-
mam serit: verb. Lamb. — si: sio A — 574 in se animam Wak.: sese (esse B)
anima 576 quare B*: quae 4 que B 578 fatiare: verb. A! 580 neque-
aper: verb. B* — 082 ex It: 683 anina eius: verb. Ji. — 586 manante
anima usque Lachw., anima emanante Wak.: manant animaeque
— en uni... s [er
LIBER TERTIUS. 11
atque foramina? multimodis ut noscere possis
dispertitam animae naturam exisse per arius
590 et prius esse sibi distractam corpore in ipso,
quam prolapsa foras enaret in aeris auras.
quin etiam finis dum uitae uertitur intra,
saepe aliqua tamen e causa labefacta uidetur
ire anima ac toto solui de corpore uelle,
59; et quasi supremo languescere tempore uoltus,
molliaque exsangui cadere omnia corpore membra.
quod genus est, animo male factum cum perhibetur
sut animam liquisse; ubi jam trepidatur et omnes
extremum cupiunt uitae reprehendere uinclum:
600 conquassatur enim tum mens animaeque potestas
omnis, et haec ipso cum corpore conlabefiunt;
ut grauior paulo possit dissoluere causa.
quid dubitas tandem quin extra prodita corpus
inbecilla foras, in aperio, legmime dempto,
605 non modo non omnem possit durare per aeuom,
sed minimum quoduis nequeat consistere tempus?
nec sibi enim quisquam moriens sentire uidetur
ire foras animam incolumem de corpore toto,
nec prius ad iugulum et supera succedere fauces,
610 uerum deficere in certa regione locatam;
ut sensus alios in parli quemque sua scit
dissolui. quod si inmortalis nostra foret mens,
non tam se moriens dissolui conquereretur,
sed magis ire foras uestemque relinquere, ut anguis.
615 Denique cur animi numquam mens consiliumque
gignitur in capite aut pedibus manibusue, sed unis
sedibus et certis regionibus omnibus haeret,
si non certa loca ad nascendum reddita cuique
sunt, et ubi quiequid poteit. durare creatum
620 aique. ita ; multimodis partitis artubus esse,
membrorum ut numquam existat praeposterus ordo?
usque adeo sequitur res rem, neque flamma creari
fluminibus solitast neque in igni gignier algor.
694 uelle, Lachm.: omnia membra au 586 596 easangui: verb. B* —
corpore erg. Jt. 597 peribetur peri iberet A 019 inmor-
tales: verb. A* B? 618 redita: verb. A* nach 619 Lücke, erkannt von
Munro 620 ita It.: ta — partitis Bernays: pertotis 688 solita neque
insigni AB: solita est It., in igni B*
Lmoretius v. Harwzs. 4
πᾶσα α - — -
18 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
Praeterea si inmortalis naturs animaist
625 et sentire potest secreta ἃ corpore noetro,
quinque, ui opinor, eam faciundumst sensibus auctam:
nec ratione alia nosmet proponere nobis
possumus infernas animas Acherunte uagari.
pictores itaque et scriptorum saecla priora
630 sie animas intro duxerunt sensibus auctas.
at neque sorsum oculi neque nares nec manus ipsa
esse polest animae, neque sorsum lingua neque sures:
haud igitur per se possunt sentire neque esse.
Et quoniam toto sentimus corpore inesse
635 uitalem sensum et totum esse animale uidemus,
si subito medium celeri praeciderit ictu
uis aliqua, ut sorsum partem secernat utramque,
dispertita procul dubio quoque uis animai
et discissa simul cum corpore dissicietur.
€40 at quod scinditur et partis discedit in ullas,
scilicet, aeternam sibi naturam abnuit esse.
falciferos memorant currus sbscidere membra
saepe ita de subito permixta caede calentis,
ut tremere in terra uideatur ab artubus id quod
645 decidit abscisum, cum mens. tamen atque hominis uis
mobilitate mali non quit sentire dolorem
et simul in pugnae studio quod dedita mens est:
corpore relicuo pugnam caedesque petessit,
nec tenet amissam laeuam cum tegmine saepe
650 inter equos absiraxe rotas falcesque rapaces,
nec cecidisse alius dextram, cum scandit ei instat.
inde alius conatur adempto surgere crure,
cum digitos agitat propter moribundus humi pes.
et caput abscisum calido uiuenteque trunco
655 seruat humi uoltum uitalem oculosque patentis,
donec reliquias animai reddidit omnes.
quin etiam tibi si, lingua uibrante, micanti
serpentis cauda procero corpore *utrumque
sit libitum in multas partis discidere ferro,
660 omnia iam sorsum cernes ancisa recenti
624 mortalis: rerb. B* — animaest: verb. I. 626 auctum: verb. B?
028 vacare A B vagare B*: verb. Lachm. — 982 anima: verb. Pius 688 baud
igitur Lachw.: auditum. 644 ab A*: ad 645 dicidit: verb. Jt. 650 rote:
verb. Nice 651 istat: verb. Jt. — 057 micanti Lachm.: minunti AC, fehlt B
658 cauda 4*: caude — utrumque: tiell. utramque
LIBER TERTIUS. 19
uolnere tortari et terram conspargere tabo,
ipsam seque retro partem pelere ore priorem,
uolneris ardenti ut morsu premat icta dolore.
omnibus esse igitur totas dicemus in illis
665 particulis animas? at ea ralione sequetur
unam animantem animas habuisse in corpore multas.
ergo diuisast ea quae fuit una simul cum
corpore; quapropter mortale utrumque putandumst,
in multas quoniam partis disciditur aeque.
670 Praeterea si inmortalis natura animai
constat et in corpus nascentibus insinustur,
cur super ante actam aetatem meminisse nequimus
nec uestigia gestarum rerum ulla tenemus?
nam si tanto operest animi mutata potestas,
675 omnis ut actarum exciderit retinentia rerum,
non, ut opinor, id ab leto iam longius errat;
quapropter fateare necessest quae fuit ante
interüsse, et quae nunc est nunc esse creatam.
Praeterea si iam perfecto corpore nobis
eso inferri solitast animi uiuata potestas
tum cum gignimur et uitae cum limen inimus,
haud ita conueniebat uti cum corpore et una
cum membris uideatur in ipso sanguine cresse,
sed uelut in caues per se sibi uiuere solam
685 conuenit, ut sensu corpus tamen affluat omne.
quare eliam aique etiam neque originis esse putandumst
expertis animas nec leti lege solutas. .
nam neque tanto opere adnecti potuisse putandumst
corporibus nostris extrinsecus insinuatas —
690 quod fleri totum contra manifesta docet res:
namque ita conexast per uenas uiscera neruos
ossaque, uli dentes quoque sensu participentur;
morbus ut indicat, et gelidai stringor aquai,
et lapis oppressus subitis e frugibus asper —
695 nec, lam contextae cum εἰπέ, exire uidentur
incolumes posse et saluas exsoluere sese
omnibus e neruis atque ossibus articulisque.
662 sequere: verb. I. 665 animas animas: rerb. A! 074 opere animis:
verb. Mar. 676 longiter Charis. p. 183 Non. p. 115 680 solita animist:
verb. Mar. — 685 afluat B 691 uiscera per uenas: verb. B* 693 gelida:
verb. I. — aquae: verb. B
4"
— “ὦ p t
- -
100
705
710
715
720
725
180
T. LUCRETI CABI DE RERUM NATURA
quod si forte putas extrinsecus insinuatam
permanare animam nobis per membra solere,
tanto quique magis cum corpore fusa peribit:
quod permanat enim, dissoluitur, interit ergo:
disperlitur enim per caulas corporis omnis.
αὖ cibus, in membra atque artus cum diditur ommis,
disperit atque aliam naturam sufficit ex se,
sic anima atque animus, quamuis integra recens in
corpus euni, iamen in manando dissoluuntur,
dum quasi per caulas omnis diduntur in arius
particulae quibus haec animi natura creatur,
quae nunc in nostro dominatur corpore nata
ex illa quae tum periit partita per arius.
quapropier neque natali priuata uidetur
esse die natura animae nec funeris expers.
Semina praeterea linquontur, necne, animsi
corpore in exanimo? quod si lincuntur et insunt,
haut erit ut merito inmortalis possit haberi,
partibus amissis quoniam libata recessit:
sin ita sincera e membris ablata profugit,
ut nullas partis in corpore liquerit ex se,
unde cadauera rancenti iam uiscere uermes
expirant, atque unde animantum copia tanta
exos et exsanguis tumidos perfluctuat artus? .
quod si forte animas extrinsecus insinuari _
uermibus et priuas in corpora posse uenire
credis nec reputas cur milia multa animarum
conueniant unde una recesserit, hoc tamen est ut
quaerendum uideatur et in discrimen agendum,
utrum tandem animse uenentur semina quaeque
uermiculorum ipsseque sibi fabricentur ubi sint,
an quasi corporibus perfectis insinuentur.
δὲ neque cur faciant ipsae qua reue laborent
dicere suppeditat. neque enim, sine corpore cum sunt,
sollicitae uolitant morbis alguque fameque:
corpus enim magis his uitiis adfine laborat,
et mala multis animus contage fungitur eius.
785 sed tamen his esto quamuis facere utile corpus
702 enim Ji.: ergo 705 quamvis est: verb. Mar. — inerg. Mar. 710 tune:
verb. It. 717 sincera ex Faber: sinceris 718 ut 1: οὐ 719 uicere: verb. t.
125
ue, n B priuasi — corpore A 733 sollicitatae A — algu Nom.
MEER? vo τιν τούσδε αν er — — —— --
LIBER ΤΕΒΤΊΟΒ. 21
cum subeani: at qua possint uis nulla uidetur.
haut igitur faciunt animae sibi corpora et arius.
nec tamen est utqui perfeclis insinuentur
corporibus: neque enim poterunt suptiliter esse
740 conexae, neque consensus contagia fient.
Denique cur acris violentia triste leonum
seminium sequitur, volpes dolus, οἱ fuga ceruis
ἃ patribus datur et patrius pauor incitat artus,
et iam celera de genere hoc cur omnis membris
745 ΟΣ ineunte aeuo generascunt ingenioque,
si non, cería suo quias semine seminioque
vis animi pariter crescit corpore quoque?
quod si inmortalis foret et mutare soleret
corpora, permixtis animantes moribus essent: “
760 effugeret canis Hyrcano de semine saepe
cornigeri incursum cerui, tremereique per auras
aeris accipiter fugiens ueniente columba,
desiperent homines, saperent fera saecla ferarum.
illud enim falsa fertur ralione, quod aiunt
755 inmortalem animam mutato corpore fiecti:
quod mutatur enim, dissoluitur, interit ergo.
traiciuntur enim paries aique ordine migrant;
quare dissolui quoque debent posse per artus,
denique ut intereant uns corpore cunctae.
760 sin animas hominum dicent in corpora semper -
ire humans, tamen quaeram cur e sapienti
162 siulta queat fieri, nec prudens sit puer ullus,
764 nec tam doctus equae pullus quam fortis equi uis.
765 scilicel, in tenero tenerascere corpore mentem
confugient. quod si iam fit, fateare necessesi
mortalem esse animam, quoniam mutata per artus
tanto opere amittit uitam sensumque priorem.
quoue modo poterit pariter corpore quoque
770 confirmata cupitum aetatis tangere florem
uis animi, nisi erit consors in origine prima?
quidue foras sibi uolt membris exire seneotis?
an metuit concluss manere in corpore puiri,
786 qua Mar.: que 738 uiqui Munro: ut quicum 740 consensu: verb.
Lachm. 148 ceruis ]t.: cernos 748 apaizius: verb. A! 747 quoque AC:
toto B 760 sin Pont. Mar.: sic — eorpore: verb. B! 7168 — 746 164 pau-
lus: eerb. Nice. 765 mentes Non. p. 181
22 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
SUO wt scs TÀI
2 et domus aetatis spatio ne fessa uetusto
u 7755 obruat? at non sunt immortali ulla pericla.
e = Denique conubia ad Veneris partusque ferarum
» 7, esse animas praesto deridiculum esse uidetur:
exspectare immortalis mortalis membra
innumero numero, certareque praeproperanter
τι 780 inter se quae prima potissimaque insinuetur;
' si non forte ita sunt animarum foedera pacta,
ut quae prima uolans aduenerit insinuetur
prima, neque inter se contendant uiribus hilum.
Denique in aethere non arbor, non aequore in alto
785 nubes esse queunt, nec pisces uiuere in aruis,
nec cruor in lignis neque saxis sucus inesse.
certum ac dispositumst ubi quicquid crescat et insit.
sic animi natura nequit sine corpore oriri
sola neque ἃ neruis et sanguine longius esse.
790 quod si posset enim, multo prius ipsa animi uis
in capite aut umeris aut imis calcibus esse
possel et innasci quauis in parte soleret,
tandem in eodem homine atque in eodem uase manere.
quod quoniam nostro quoque constat corpore certum,
795 dispositumque uidetur ubi esse et crescere possit
sorsum anims stique animus, tanıo magis infitiandum
totum posse extra corpus durare genique.
quare, corpus ubi interiit, periise necessest :.
confiteare animam distractam in corpore toto.
: 800Ὁ quippe etenim mortale aelerno iungere et una
: consentire putare et fungi mutua posse
desiperest: quid enim diuersius esse putandumst
aut magis inter se disiunctum discrepitansque,
quam mortale quod est inmortali atque perenni
805 iunctum in concilio saeuas tolerare procellas?
prseterea quaecumque manent aeterna necessest
sut quia sunt solido cum corpore respuere ictus
nec penetrare pati sibi quicquam quod quest artas
dissociare intus partis, ut materiai Ä
810 corpora sunt quorum naturam ostendimus ante,
ΙΝ aut ideo durare aetstem posse per omnem,
115 iammortali: eerb. A! oder A! 785 nubes V 129: nube 798 periset
verb. I. 800 mortalem: verb. Jt. 804 peranni: verb. I. 805 saluas: ver:
Mar. 807 ictus A: iectus 4338 809 partiis et materia: richtig V 354
LIBER TERTIUS. 23
plagarum quia sunt expertis sicut inanest,
quod manet intactum neque ab ictu fungitur hilum,
aut etiam quia nulla loci sit copia circum,
815 quo quasi res possint discedere dissoluique,
sicuti summarum summast aelerna: neque extra
quis locus est quo diffugiant, neque corpora sunt quae
possint incidere et ualida dissoluere plaga.
quod si forte ideo magis inmortalis habendast,
820 quod vitalibus ab rebus munita tenetur,
aut quia non ueniunt omnino aliena salutis,
aut quia quae ueniunt aliqua ratione recedunt
pulsa prius quam quid noceant sentire queamus:
praeter enim quam quod morbis cum corporis aegret,
825 aduenit id quod eam de rebus saepe futuris
macerat inque metu male habet curisque fatigat,
praeteritisque male admissis peccata remordent.
adde furorem animi proprium atque obliuis rerum,
adde quod in nigras lethargi mergitur undas.
830 Nil igitur mors est ad nos neque pertinet hilum,
quandoquidem natura animi mortalis habetur.
et uelut ante acto nil tempore sensimus aegri,
ad confligendum uenientibus undique Poenis,
omnia cum belli trepido concussa tumultu
835 horrida contremuere sub altis aetheris oris,
in dubioque fuere uirorum ad regna cadendum
omnibus humanis esset terraque marique,
sic, ubi non erimus, cum corporis atque animai
discidium fuerit, quibus e sumus uniter apü,
840 scilicet, haut nobis quiequam, qui non erimus tum,
accidere omnino poterit sensumque mouere,
non si lerra mari miscebitur et mare caelo.
et si iam nostro sentit de corpore postquam
distractast animi natura animaeque potestas,
845 nil tamen est ad nos, qui comptu coniugioque
corporis atque animae consistimus uniter apti
nec, si materiem nostram collegerit aetas
post obitum rursumque redegerit ut sita nunc est,
816 extra V 361: exire A exira B 817 suntq.: richtig V 8032: 894 mor-
bist: verb. Ar. — aegrit: verb. Gif(anius) 826 maceret: verb. I. 829 addi:
verb. A? 885 oris Gif.: auris A auras B 844 distractas: τεγὺ. B*
847 materiam AN, -em B
- * *
mE m^ a dd +
— — — — .“ € .
24 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
aique ilerum nobis fuerint data lumina vitae,
850 — pertineat quicquam tamen ad nos id quoque factum,
interrupta semel cum sit repetentis nostri
et nunc nil ad nos de nobis attinet, ante
qui fuimus, neque iam de illis nos adficit angor.
nam cum respicias inmensi temporis omne
855 praeteritum spatium, tum motus materiai
multimodis quam sint, facile hoec adcredere possis,
semina saepe in eodem, ut nune sunt, ordine posta
865 haec eadem, quibus e nunc nos sumus, ante fuisse:
858 nec memori tamen id quimus reprehendere mente:
inter enim iectast uitai psusa, uageque
860 deerrarunt passim motus ab sensibus omnes.
debet enim, misere si forte aegreque futurumst,
ipse quoque esse in eo tum tempore, cui male possit
accidere: id quoniam mors eximit, esseque probet
illum cui possint incommoda conciliari,
ses scire licet nobis nil esse in morte timendum,
nec miserum fieri qui non est posse, neque hilum
differre an nullo fuerit iam tempore natus,
mortalem uitam mors cum inmortalis ademit.
810 Proinde ubi se uideas hominem indignarier ipsum,
post mortem fore ut aut putescat corpore posto
aut flammis interfiat malisue ferarum,
scire licet non sincerum sonere, atque subesse
caecum aliquem cordi stimulum, quamuis neget ipse
875 credere se quemquam sibi sensum in morte futurum:
non, ut opinor, enim dat quod promittit et unde,
nec radicitus e uita se tollit et eicit,
sed facit esse sui quiddam super inscius ipse.
uiuos enim sibi cum proponit quisque futurum,
880 corpus uti uolucres lacerent in morte feraeque,
ipse sui miseret: neque enim se diuidit illim,
nec remouet satis a proiecto corpore et illum
se fingit sensuque suo contaminat astans:
851 repetentia B repentia AC — nostris: verb. Pius 852 et: οἱ,
853 fumus: verb. I. — neque erg. Lachm. (nec Mar) — adfgit: ve
856 multimodi: verb. It. 865 wm t m. 861 miserest: verb,
803 mors B*: mos B mox A — prohibe: eerb. Lachm. 868 an nullo Jt.: Γ᾿
(getilgt A”) anullo A anullo anullo B 871 putes: verb. Av. 878 nosim
AN nos sincerum B: eerb. B? 877 radicitius: verb. It. — 880 iacerent,
Nic. 881 illim A illum BN
— el UA ue. re Dee irn Qus in te li -
Beg At,
.- .
ὦ» up -
LIBER TERTIUS. 25
hinc indignatur se mortalem esse creatum,
885 nec uidet in uera nullum fore morte alium se,
qui possit uiuos sibi se lugere peremptum,
stansque iacentem se lacerari uriue dolere.
nam si in morte malumst malis morsuque ferarum
tractari, non invenio qui non sit acerbum
890 ignibus inpositum calidis torrescere flammis,
aut in melle situm suffocari, aique rigere
frigore, cum summo gelidi cubat aequore saxi,
urgeriue superne obtritum pondere terrae.
'[am iam non domus accipiet te laeta, neque uxor
895 optima nec dulces occurrent oscula nati
praeripere et tacita pectus dulcedine tangent.
non poteris factis florentibus esse tuisque
praesidium. misero misere' aiunt 'omnia ademit
una dies infesta tibi tot praemia uitae.
900 illud in his rebus non addunt: 'nec tibi earum
iam desiderium rerum super insidet una
quod bene si uideant animo dictisque sequantur,
dissoluant animi magno. se angore metuque. —
"tu quidem ut es leto sopitus, sic eris aeui
905 quod super est cunctis priustus doloribus aegris:
at nos horrifico cinefactum te prope busto
insatiabiliter defleuimus, aeternumque
nulla dies nobis merorem e pectore demet.'
illud ab hoc igitur quaerendumst, quid sit amari
910 tanto opere, ad somnum si res redit atque quietem,
cur quisquam aeterno possit tabescere luctu. —
hoc etiam faciunt ubi discubuere tenentque
pocula saepe homines et inumbrant ora coronis,
ex animo ut dicant "breuis hic est fructus homullis:
915 iam fuerit, neque post umquam reuocare licebit.
tamquam in morte mali cum primis hoc sit eorum,
quod sitis exurat miseros atque arida torrat,
aut aliae cujus desiderium insideat rei.
nec sibi enim quisquam tum se uitamque requirit,
920 cum pariter mens et corpus sopita quiescunt:
886 cui: verb. I. 887 se erg. It. — dolore A -rem B: verb. I. 890 tor-
reresecere: verb. Jt. 898 obrutum: verb. Pont. Mar. 894 iamiam Ji:
amiam AN uimiam B 897 facti: verb. B* — 902 quod Nice.: quo 906 cine-
factum Non. p. 93: cinemfactum 908 e B*: οἱ 910 si 43: ἃς 914 fluctus:
verb. It. 917 torrat A* BN: torret A torres Lachm. 919 requiret: verb. Rt.
26 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
nam licet aeternum per nos sic esse soporem,
nec desiderium nostri nos adficit ullum:
el temen haud quaquam nosiros tunc illa per arius
Jonge ab sensiferis primordia motibus errant,
925 cum correptus homo ex somno se colligat ipse.
multo igitur mortem minus ad nos esse putandumst;
si minus esse polest quam quod nil esse uidemus:
maior enim (urba et disieetus materiai
consequitur leto, nec quisquam expergitus extat,
930 frigida quem semel est uitai pausa secuta.
Denique si uocem rerum natura repente
mittat et hoc alicui nostrum sic increpet ipsa:
*quid tibi tanto operest, mortalis, quod nimis aegris
luctibus indulges? quid mortem congemis ac fles?
935 nam si grata fuit tibi uita ante acta priorque,
et non omnis pertusum congesta quasi in uas
commoda perfluxere atque ingrata interiere,
cur non ut plenus uitse conuius recedis
aequo animogue capis securam, stulte, quielem?
940 sin ea quae fructus cumque es periere profusa,
uitaque in offensas, cur amplius addere quaeris,
rursum quod pereat male et ingratum occidat omne,
non potius uitae finem facis alque laboris?
nam tibi praeterea quod machiner inueniamque,
945 quod placeat, nil est: eadem sunt omnia semper.
si tibi non annis corpus iam marcet et arius
confecti languent, eadem tamen omnis restant,
omnis si perges uiuendo uincere saecla,
atque etiam polius, si numquam sis moriturus! —
950 quid respondemus, nisi iustam intendere litem
naturam οὐ ueram uerbis exponere causam?
956 grandior hic uero si jam seniorque queratur
952 aique obitum lamentetur miser amplius aequo,
958 non merito inclamet magis et uoce increpet acri?
'aufer abhinc lacrimas, balatro, et compesce querellas.
956 omnia perfunctus uitai praemia marces:
921 soporem AN praemo B 922 adigit: verb. Lamb. 925 colli
Winkelmenn: colligit 928 turba et Goebel: turbae 985 si grata Nauger: εν
gratis 941 oftensust Lamb., -δλεῖ 1 ueres 4 (und ı C
943 male B mali AN 948 iacis: verb. Av. 945 placet; : verb. Nice. 941 le l
guente ... restat: verb. B* 950 nisi Mar.: 965 umgestellt Lach
954 balatro Heins. w. a.: baratre
LIBER TERTIUS. 21
sed quia semper sues quod abest, praesentia temnis,
inperfecta tibi elapsast ingralaque uita,
et necopinanti mors ad caput adstitit anie
960 quam satur sc plenus possis discedere rerum.
nunc aliena tua tamen aetate omnia mitte
aequo animoque, agedum, *magnis concede: necessest.’
iure, ut opinor, agat, iure increpet inciletque:
cedit enim rerum nouitate extrusa uetustas
965 semper, et ex aliis aliud reparare necessest.
nec quisquam in baratrum nee Tartara deditur atra:
materies opus est, ut crescant postera saecla;
quae tamen omnia te uita perfuncta sequentur:
nec minus ergo antehac quam tu cecidere cadentque.
970 sic alid ex alio numquam desistet oriri,
uitaque mancipio nulli datur, omnibus usu.
Respice item quam nil ad nos ante acta uetustas
temporis aeterni fuerit, quam nascimur ante.
hoc igitur speculum nobis natura futuri
976 temporis exponit post mortem denique nostram.
numquid ibi horribile appsret, num triste uidetur
quicquam, non omni sommo securius exstat?
atque ea, nimirum, quaecumque Acherunte profundo
prodita sunt esse, in uit& sunt omnia nobis.
980 nec miser inpendens magnum timet aere saxum
Tantalus, ut famast, cassa formidine torpens:
sed magis in uita diuom metus urget inanis
mortalis, casumque timent quem cuique ferat fors.
nec Tityon uolucres ineunt Ácherunte iacentem,
986 nec quod sub magno scrutentur peclore quicquam
perpetuam aetatem possunt reperire profecto.
quamlibet immani proiectu corporis exstet,
qui non sola nouem dispessis iugera membris
optineat, sed qui terrai totius orbem,
. 990 non tamen aeternum. poterit perferre dolorem
nec praebere cibum proprio de corpore semper.
sed Tityos nobis hie est, in amore iacentem
quem uolucres lacerant aique exest anxius angor
958 inperfecte: verb. H. 960 discere: verb. Nice. 962 Σ agedum Bi:
agendum — magnis: iam aliis Mar., dignis Lachm. 964 cedi: verb. B.
9606 dedit B 969 antehae vermute ich: ante haec 988 cumque B 985 quid;
verb. Mar. 088 dispersis: verb. Turnebus 992 est B*: es
———HUEREM— nn RM EEE — τ
vw. nn. mw
4
28 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA
aut alis quauis seindunt cuppedine curae.
995 Sisyphus in uita quoque nobis ante oculos est,
qui pelere a populo fasces saeuasque secures
imbibit, et semper uictus iristisque recedit.
nam petere imperium, quod inanest nee datur umquam,
aique in eo semper durum sufferre laborem,
1000 huc est aduerso nixantem trudere monte
saxum, quod tamen e summo iam uertice rusum
uoluitur ei plani raptim petit aequora campi
demde animi ingratam naturam pascere semper,
atque explere bonis rebus satiareque numquam —
1006 quod faciunt nobis annorum tempora, circum
eum redeunt fetusque ferunt uariosque lepores,
nec tamen explemur uitai fructibus umquam —
hoe, ut opinor, id est, aeuo florente puellas
quod memorant laticem periusum congerere in uas,
1010 quod tamen expleri nulla ratione potestur.
Cerberus ei Furiae iam uero, et lucis egestas,
Tartarus horriferos erucians faucibus aestus;
qui neque suni usquam nec possunt esse profecio:
sed metus in uita poenarum pro male faciis
1015 est insignibus insignis, scelerisque luella
carcer et horribilis de saxo iactus deorsum
verbera carnifices robur pix lammins taedae;
quae tamen elsi absunt, δὲ mens, sibi conscia factis,
praemetuens adhibet stimulos torquetque flagellis,
1020 nec videi interes qui terminus esse malorum
possil nee quae sit poenarum denique finis,
sitque eadem metuit magis haec ne in morie grauescant.
hie Acherusia fit stultorum denique uita.
Hoe eliam tibi tute interdum dicere possis:
1025 "lumina sis oculis etiam bonus Ancus reliquit,
qui melior multis quam tu fuit, improbe, rebus.
inde alü multi reges rerumque potentes
oeeiderunt, magnis qui gentibus imperitarunt.
ille quoque ipse, uiam qui quondam per mare magnum
1030 strauit iterque dedit legionibus ire per alium
994 cupedine AB turpedine 4C C cwpedine 2 B* cupp- Pont. 997 tristi
que: verb. 999 px simi 001 e erg. Pont. Av
1009 cogere: verb. B* — 1010 ulla: rero. rie iH funse: eerb. B* 1015 luells
Lachm.:
leela 1016 deorsum Lamb.: eorum 1017 carnificis B — lammin:
Lochm.: iammina AB lamina B* 1019 torquet Heins., terret Lachm.: torre
Ä
1085
1040
1045
1050
1055
1060
1065
LIBER TERTIUS. 29
ac pedibus salsas docuit super ire lacunas
et contemsit equis insultans murmure ponti,
lumine adempto animam moribundo corpore fudit.
Scipiadas, belli fulmen, Carthaginis horror,
ossa dedit terrae proinde ac famul infimus esset.
adde repertores doctrinarum atque leporum,
adde Heliconisdum comites; quorum unus Homerus
sceptra potitus eadem aliis sopitus quietest.
denique Democritus, postquam matura uetustas
admonuit memores motus languescere mentis,
sponte sua leto caput obuius optulit ipse,
ipse Epicurus obit decurso lumine uitse,
qui genus humanum ingenio superauit et omnis
restincxit, stellas exortus ut setherius sol
tu vero dubitabis et indignabere obire?
mortua cui uitast prope iam uiuo atque uidenti,
qui somno partem maiorem conteris aeui,
et vigilans stertis nec somnia cernere cessas,
sollicitamque geris cassa formidine mentem,
nec reperire potes iibi quid sit saepe mali, cum
ebrius urgeris multis miser undique curis
aique animi incerto fiuitans errore uagaris.’
Si possent homines, proinde ac sentire uidentur
pondus inesse animo, quod se grauitate fatiget,
e quibus id fiat causis quoque noscere et unde
tanta mali tamquam moles in pectore constet,
haut ita uitam agerent, ut nunc plerumque uidemus
quid sibi quisque uelit nescire, et quaerere semper
commutare locum, quasi onus deponere possit:
exit saepe foras magnis ex aedibus ille,
esse domi quem pertaesumst, subitoque reuertit,
quippe foris nilo melius qui sentiat esse.
currit agens mannos ad uillam praecipitanter,
auxilium tectis quasi ferre ardentibus instans:
oscitat extemplo, tetigit cum limina uillae,
aut abit in somnum grauis stque obliuia quaerit,
1081 lucunas AB lac- Β' 1033 insuitans: verb. B? 1088 fugit: verb.
Pont. Mar. 1088 potius: verb. Ji. — 1089 Democritus Bentl: Democritum
1042 obit Jt.: obiit 1044 restincxit: so A — aetherius Lactant. inst. 111 17, 93:
Lamb.
serius
1050 potest ibi quod sit: verb. Lachm. 1052 animo: verb.
1061 domi per quem: verb. It. — reuertit erg. Politian 1068 praecipiter: verb.
Nice.
1064 instas: verb. B*
-
^ -——-
—
lee Mo, ad acp AS MER
"9. wi »
.r une .
Um ——
tto. o P e Um
σεν ΚῚ *w φο. - vo
‚rc ve. --ι-
-- -
80
1070
1075
1080
1085
1090
. T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA LIBER TERTIUS.
aut etiam properans urbem petit aique reuisit.
hoc se quisque modo fugitat, quem, scilicet, ut fit,
effugere haut polis est: ingratis haeret οἱ odit
propterea, morbi quia causam non tenet aeger;
quam bene si uideat, iam rebus quisque relictis
naturam primum studeat cognoscere rerum,
lemporis aeterni quoniam, non unius horae,
ambigitur status, in quo sit mortalibus omnis
aetas, post mortem quse restat cumque manendo.
Denique tanto opere in dubiis trepidare periclis
quae mala nos subigit uitai tenta cupido?
certe equidem finis uitae mortalibus adstat,
nec deuitari lecum pote, quin obeamus.
praeterea uersamur ibidem atque insumus usque,
nec nous uiuendo procuditur ulla uoluptas: -
sed dum abest quod auemus, id exsuperare uidetur
cetera: post aliud, cum contigit illud, auemus,
et sitis aequa tenet uitai semper hiantis.
posteraque in dubiost fortunam quam uehat aetas,
quidue ferat nobis casus quiue exitus instet.
nec prorsum uitam ducendo demimus hilum
tempore de mortis nec delibare ualemus,
quo minus esse diu possimus forle perempti.
proinde licet quotuis uiuendo condere saecla:
mors seterns tamen nilo minus illa manebit,
nec minus ille diu iam non erit, ex hodierno
lumine qui finem uitai fecit, et ille,
mensibus atque annis qui multis occidit ante. '
1069 ingratius: verb. Lamb. 1078 aeterni temporis: verb. Pont. Mar.
1084 uita A -tae B: verb. It. — hientis: verb. It. 1086 fortuna: verb. Rt.
1088 geliberare:, verb. Pont. Mar. 1089 possumus: verb. B* 1098 uita 4
ΟΟΜΜΗΕΝΤΊΤΑΗ.
δ
φι
e
EINLEITUNG.
— — —
Lucrez hat den gewaltigen Stoff, den er bearbeiten wollte, in sechs
Stücke getheilt, von denen wieder je zwei zusammen gehören: Buch I
und II handelt von den Principien alles Seienden, Materie und Raum,
sowie von der Zusammensetzung der sichtbaren Körper; Buch III und IV
vom Menschen, Buch V und VI vom Weltgebäude und verschiedenen
erklärungsbedürftigen Naturphänomenen. Die erste Hälfte des mittleren
Haupttheiles, Buch III, ist ganz der Lehre von der Seele gewidmet. Es
kann heute als feststehend gelten, dafs Lucrez, wie er das selbst wieder-
holt versichert, die Lehre Epikurs völlig rein überliefert oder doch zu
überliefern glaubt; im Einzelnen wird der Commentar für das vorliegende
Buch den Nachweis zu führen haben, der sich jetzt mit Hülfe der
Usenerschen Epicurea leichter und vollständiger geben läfst als dies
noch Woltjer in seinem ausgezeichneten Buche Lucreii philosophis
cum fontibus comparata thun konnte. Es empfiehlt sich aber, was wir
von Epikurs Psychologie wissen, schon hier im Umrisse darzustellen,
da eine zusammenhüngende Behandlung der Sache im Commentar nicht
möglich ist, alles Einzelne aber nur aus dem Zusammenhange heraus
richtig gewürdigt werden kann. Unsere Quellen fliessen hier spärlicher
als auf anderen Gebieten des Systems, nicht durch Zufall, sondern weil
psychologische Fragen in der Epikurischen Schule überhaupt wenig be-
handelt worden sind. Epikur selbst hat sie natürlich in dem grossen
Hauptwerke περὶ φύςεως nicht übergangen: aber es wird uns keine
einzige hierher gehórigo Monographie von ihm oder seinen Schülern ge-
nannt, und von keiner einzigen haben sich in den Herkulanischen Rollen
Reste gefunden. Alle psychologischen Fragen rein theoretischer Natur
galten für unwesentlich; das Augenmerk richtete sich fast ausschliesslich
auf zwei Punkte: auf das Schicksal der Seele nach dem Tode und auf
die Lehre von der Wahrnehmung. Diese war einmal für die Kanonik
von grundlegender Bedeutung und hatte ausserdem die Aufgabe, gewisse
furchterweckende Erscheinungen, z. B. Traumbilder, auf natürlichem Wege
zu erklären. Aber auch hier sind die αἰςθητά viel wichtiger als die
αἴεθηεις: Epikur handelt im Herodotbrief darüber, ohne noch der Seele
mit einem Worte gedacht zu haben, und bei Lucrez werden die eigent-
lich psychologischen Probleme der Wahrnehmung nur nebenbei und sehr
flüchtig berührt (s. zu 370 ff) Dagegen musste die Frage nach dem
jenseitigen Schicksal der Seele nothwendig auch zu eingehenderen Ex-
örterungen über ihr Leben im Körper führen, und sehr zu bedauern ist
es, dass uns von Philodems Büchern περὶ θανάτου nur das letzte erhalten
Lucretius v. Hurxss. 8
34 EINLEITUNG.
ist, in dem die physischen Probleme kaum mehr gestreift werden. —
Dass schliesslich auch ethische Fragen auf psychologische Grundlage ge-
stellt worden sind, würden wir ohne Lucrez’ Andeutungen (288 ff.) gar
nicht wissen, abwohl uns ja ethische Tractate der Schule genug erhalten
sind: offenbar ist auch hier nur ganz gelegentlich der Versuch gemacht
worden, mit der bis ins Einzelnste ausgearbeiteten má80c-Lehre der Stoa
zu wetteifern.
Die sicherste Grundlage unserer Kenntniss ist der von Epikurs eigen
Hand herrührende Abriss der Psychologie im Herodotbrief (bei Laertius
Diogenes X 63 ff, p. 19, 15 Usener): er heischt vor Allem Erläuterung.
Die Schwierigkeiten, die der Brief unserem Verständniss bietet, sind hier ge-
ringer als in anderen Partien, aber immerhin grofs genug; die Schuld daran
trägt nicht die Nachlässigkeit des Autors. Epikur hat mit grösster Sorg-
falt geschrieben und jedes Wort reiflich erwogen, aber er hatte ein
Publicum im Auge, dem seine Lehre bereits vertraut war, das durch den
Brief nicht lernen, sondern an Gelerntes erinnert werden sollte. Eine
erschöpfende Erklärung wird vielleicht durch Useners Glossarium er-
möglicht werden: ich darf mich hier auf das Wesentlichste beschränken
und lasse auch im Weiteren Alles bei Seite, was für das dritte Buch
nicht in Betracht kommt: die Lehre von den Vorstellungsbildern, vom
Schlaf und Traum u. s. f.
Diog. Laert. X 63: Μετὰ δὲ ταῦτα dei cuvopüv ἀναφέροντα ἐπὶ τὰς
αἰεθήςεις καὶ τὰ πάθη (οὕτω γὰρ f βεβαιοτάτη nicnc Ecran), ὅτι f ψυχὴ
εὦμά Ecrı λεπτομερὲς παρ᾽ ὅλον τὸ ἄθροιςμα παρεςπαρμένον, προςεμ-
φερέετατον δὲ πνεύματι θερμοῦ τινα κρᾶειν ἔχοντι καὶ πῇ μὲν τούτῳ
προςεμφερές, πῇ δὲ τούτῳ᾽ ἔετι δὲ τὸ μέρος (P) πολλὴν παραλλαγὴν
εἰληφὸς τῇ λεπτομερείᾳ καὶ αὐτῶν τούτων, εὐμπαθὲς δὲ τούτῳ μᾶλλον
καὶ τῷ λοιπῷ ἀθροίεματι (p. 19, 15—20, 4 Us.). “Hierauf mufs man er-
kennen, indem man sich auf die Wahrnehmungen und Empfindungen bezieht
(denn so wird die Beweisführung am Sichersten sein), dass die Seele ein fein-
theiliger Körper ist, ausgesät durch die ganze Anhäufung [des Leibes), am
Aehnlichsten einem Hauch, der eine Beimischung von Warmem bat, in einem
Punkte jenem, im anderen diesem vergleichbar; sie ist aber ein Theil(?),
der, an Feinheit selbst diese noch weit übertreffend, eben dadurch mit
dem Rest der Anhäufung mehr mitempfindet.
Dass die Seele ein Körper, nicht etwas Unkörperliches ist, wird
8 61 noch besonders nachgewiesen. Dieser Körper ist also am ehesten
vergleichbar πνεύματι θερμοῦ Tiva xpäcıv ἔχοντι, wie sehr genau statt
πνεῦμα ἔνθερμον gesagt ist: die Eigenschaft der Wärme entsteht ja
durch Beimischung von Würmeatomen. In dieser Wesensbestimmung
trifft Epikur mit dem concurrirenden Materialismus der Stoa überein:
deren Definition der Seele als πνεῦμα ἔνθερμον ist bekannt. Beiden
gemeinsam wird auch der Ursprung dieser Lehre sein: die Seele als
Princip des Lebens wird den beiden lebenserbaltenden Faetoren, Lebens-
luft und Lebenswärme, angenäbert. — In einem Punkte, sz. B. insofern
sie dem Körper die Lebenswärme verleiht, ist sie dem θερμόν, im
anderen, z B. indem sie ihm die Bewegung ermöglicht, dem πνεῦμα
ähnlich,” Die Bestimmung ihres Wesens ist aber für Epikur damit nicht
erschöpft: er sagt nicht πνεῦμά &crıv u. & w., sondern πνεύματι TIPOC-
EINLEITUNG. 35
εμφερέετατον: nothwendig muss also nun gezeigt werden, wodurch sie
sich vom warmen Hauche unterscheidet. Das enthält der in der Ueber-
lieferung mit Ecrı ὃὲ τὸ μέρος beginnende Satztheil Es fragt sich, ob
diese neus Bestimmung der ganzen Seele gilt, so dass sie als μέρος,
nämlich des Körpers, bezeichnet würde, oder ob von einem μέρος der
Seele die Rede ist. Ich neige der ersteren Auffassung zu. Mit dem
μέρος λεπτομερέετατον neben πνεῦμα und θερμόν könnte nur der
namenlose Bestandtheil der Seele gemeint sein, über den unten zu
sprechen sein wird. Dieser Atomgruppe wird im Folgenden aber mit
keinem Worte mehr gedacht, denn p. 21, 1 und 5 ist unter μέρος etwas
ganz Anderes zu verstehen; wenn Epikur sie überhaupt erwähnte, so
würde er das Wichtigste, dass sie nämlich der eigentliche Träger der
Empfindung in der Seele ist, sicher nicht übergangen haben: man erfährt
ja so gar nicht, zu welchem Ende dies μέρος überhaupt eingeführt wird.
Ich glaube ferner nicht, dass Epikur die Bezeichnung μέρος hier ge-
braucht haben würde. Gewiss kann in jedem ἄθροιςμα eine bestimmte
Atommenge als μέρος im Gegensatz zum ὅλον bezeichnet werden; aber
es würde hier das Missverständniss nahegelegt, als sei von Seelentheilen
im Sinne Platons die Rede, und das bat Epikur, wie es scheint (s. zu
v. 258), sorgfältig vermioden. Von der ganzen Seele dagegen kann hier
sehr wohl gesagt sein, sie sei feintheiliger als das πνεῦμα θερμοῦ τινα
κρᾶειν ἔχον, d.h. natürlich als der in der Natur sonst vorhandene und
wahrnehmbere warme Hauch; wenn Epikur an anderen Stellen seiner
Schriften gelehrt hat (Schol zu $ 61 fr. 311, & unten p. 39), die Seele
bestehe aus sehr glatten und runden Atomen, πολλῷ τινι διαφερουςῶν
τῶν τοῦ πυρός — was sich zweifellos gegen Demokrit richtet —, so
werden wir den Unterschied auch wesentlich in der Grösse der Atome
suchen müssen. Ferner könnte die Seele hier sehr gut als μέρος τοῦ
εὐματος oder ψυχικὸν μέρος bezeichnet sein — auf die Herstellung der
Worte verziehte ich —: such Lucrez legt auf diese Bestimmung Ge-
wicht, sie ist das Erste, was er von der Seele auszusagen hat, III 94 ff.
Von der ganzen Seele jedenfalls, nicht von einem ihrer Bestandtheile
muss das gleich folgende cuunadec ausgesagt sein: die εὐυμπάθεια
zwischen Leib und Seele ist Epikur so wichtig — such unten L 18
zieht er zie heran —, dass man sie unbedingt erw&hnt zu finden erwartet.
Dadurch (so hat Usener den Dativ τούτῳ erklärt), dass die Seele so
ist, wird die cuprtóO€cia zwischen ihr und dem
Leibe erhBhi, d. h. sie können leichter gegenseitig an ihren Em-
pfindımgen Theil nehmen. Das kann auf den ersten Blick befremden:
man möchte meinen, je gröberer Natur die Seele sei, desto näher stehe
sie dem Körper. Aber dem ist nicht so. Die Möglichkeit gemeinsamer
Empfindung beruht auf engster Vereinigung: die Seele kann aber nur
dadurch sich mit allen, auch den kleinsten Theilchen des Körpers ver-
mischen, dass sie selbst so ausserordentlich feintheilig ist. In so fest-
z.B, wie Knochen und Zähne, könnten grobe
Atome kaum eindringen. Auf das subtiliter conerum esse von Beele und
K legi auch Lucrez grossen Wert, denn auf ihrer engen Verbindung
beruht der XEdnfiuss, den die Seele auf den Körper hat: nonme vides
eliem, quam agno pondere nobis sustineat corpus. lenwissima vis animai
|
:ρ 4.9 4 r
.Φ
uw?
“ὌΝ
86 EINLEITUNG.
propterea. quia (am coniuncla atque. uniter apta. est? (V 556 ff) Das
ist aber nur möglich, wenn die Seelenatome perquam minuli sint. So ist
z. B. der Blitz penefralior als irdisches Feuer, weil er subtilis magis €
parvis constat figuris I 385. Andererseits wird die Seele, je feiner und
demnach beweglicher ihre Atome sind, um so leichter auch von den
leisesten Erschütterungen des Körpers in Mitleidenschaft gezogen. —
τοῦτο δὲ πᾶν αἱ δυνάμεις τῆς ψυχῆς δῆλον (rroroücı) καὶ τὰ
ἂν καὶ P καὶ αἱ διανοήςεις καὶ ὧν crepópevoi θνήεκομεν
20, 4— 6).
‘Dies Ganze machen deutlich die Kräfte der Seele und ihre Em-
pfindungen und ihre leichte Beweglichkeit und die Gedanken und das,
durch dessen Entfernung wir sterben.’
Die alte Annahme einer Lücke nach δῆλον ist mir wahrscheinlicher
als Useners Correctur διῆγον 'erhalten am Leben (imperf. dogmaticum)”:
man erwartet einen Beweis für die vorhergehende Behauptung, und diesen
giebt Epikur ἀναφέρων ἐπὶ τὰς alcOfceic καὶ τὰ πάθη, wie er es
oben versprochen hatte. δυνάμεις, Kräfte oder Eigenschaften, ist die
allgemeine Bezeichnung, die dann specialisirt wird: die πάθη der Seele
z. B. bei körperlichen Erkrankungen beweisen ihre cuunddeıa mit dem
Körper (Lucr. III 463 ff), ihre εὐκινηςίαι καὶ biavorjceic die Kleinheit
ihrer Atome (III 182 ff), der Umstand aber, dass wir nur dann sterben,
wenn Lebensluft und Wärme den Leib verlassen, ihre Verwandtschaft mit
eben diesen Factoren (III 121 ff) So wird das ἄδηλον durch die
Schlüsse aus deà φαινόμενα zum δῆλον.
καὶ μὴν καὶ ὅτι ἔχει ἣ ψυχὴ τῆς αἰεθήςειυς τὴν πλείετην αἰτίαν,
δεῖ κατέχειν" (64) οὐ μὴν εἰλήφει ἂν ταύτην, εἰ μὴ ὑπὸ τοῦ λοιποῦ
ἀθροίεματος ἐςτεγάζετό πως. τὸ δὲ λοιπὸν ἄθροιεμα παραςκευάςαν
ἐκείνῃ τὴν αἰτίαν ταύτην μετείληφε καὶ αὐτὸ τοιούτου CUUTTWHATOC
παρ᾽ ἐκείνης, οὐ μέντοι πάντων ὧν ἐκείνη κέκτηται" διὸ ἀπαλλαγείεης
τῆς ψυχῆς οὐκ ἔχει τὴν αἴεθηςειν. (p. 20, 7—18.) |
"Ferner muss man festhalten, dass die Seele die wesentliche Ursache
der Empfindung ist; sie würe das aber nicht geworden, wenn sie nicht
vom übrigen Körper geschützt würde. Der übrige Körper aber, der
jener dazu verholfen hat, zu dieser Ursache zu werden, hat auch seiner-
seits Theil an solcher Eigenschaft erhalten, doch nicht an allem, was
sie besitzt; weshalb er denn auch, wenn die Seele abgeschieden ist, die
Empfindung nicht mehr hat.’
Am Zustandekommen der Empfindung hat die Seele zwar den
wesentlichsten Antheil, denn von ihr, nicht vom Körper geht die Em-
pfindung aus. Aber allein würde sie doch nicht dazu fähig sein: denn
ohne schützende Hülle würde sie auseinander fliessen, wie Wasser aus
einem zerbrochenen Gefäfs (Lucr. ΠῚ 484 ff). Diese Hülle ist für sie der
Körper, dessen Atome in einander verflochten sind und also ohne äusseren
Halt beisammenbleiben; vgl. p. 8, 3 ai δὲ (ἄτομοι) αὐτὸν τὸν παλμὸν (?)
ἴεχουειν, ὅταν τύχωςει τῇ περιπλοκῇ κεκλιμέναι ἢ «ςτεγαζόμεναι παρὰ
τῶν πλεκτικῶν. Der Körper seinerseits hat τοιούτου εὐμπτιύματος
παρ᾽ ἐκείνης Antheil erhalten. Die Empfindung heisst hier mit vollem
Rechte cüuntwua. Epikur unterscheidet (am Deutlichsten p. 22, 13 ff.
23, 13 ff) die Eigenschaften in cuyefnkóra (nur dies, nicht das Verbum
EINLEITUNG. 81
cuußaiveıv, ist terminus technicus) oder ἀΐδια παρακολουθοῦντα, die von
der Natur des Dinges unzertrennlichen, und ςυμπτιύματα, die wechseln-
den und zufülligen." Beim Menschen also, dem τοιουτονὶ μόρφωμα
μετ᾽ ἐμψυχίας (fr. 310), gehört die Empfindung zu den εὐυμβεβηκότα,
denn wenn sie aufgehört hat, ist das μόρφωμα kein Mensch mehr; der
Leib dagegen hört nicht auf zu existiren — wenigstens nicht sofort —,
wenn ihm auch die Seele und damit die Empfindung genommen ist:
diese ist also für ihn kein ἀίδιον παρακολουθοῦν. Mit der Empfindung
hat aber der Körper nicht zugleich alle Eigenschaften der Seele erhalten:
denn wenn dem ΕΟ wäre, so könnte er dann ja auch ohne Seele em-
pfinden; er bedarf ja keines creyóZov, und das allein fehlte der Seele.
Sondern der Quell der αἴςθηςις bleibt für ihn die Seele, und deshalb
verliert er beide zugleich. Das wird im Folgenden weiter begründet:
οὐ γὰρ αὐτὸ ἐν ἑαυτῷ ταύτην ἐκέκτητο τὴν δύναμιν, ἀλλ᾽ ἕτερον
ἅμα ευγτεγενημένον (so Usener, ἑτέρω ἅμα ευγγεγενημένω die Hdschr.)
αὐτῷ παρεςκεύαζεν, ὃ διὰ τῆς ευντελεςθείεης περὶ αὐτὸ δυνάμεως
κατὰ τὴν κίνηειν εὐμπτωμα αἰςεθητικὸν εὐθὺς ἀποτελοῦν ἑαυτῷ ἀπεδί-
bou κατὰ τὴν ὁμούρηειν καὶ ευμπάθειαν καὶ ἐκείνψ, καθά περ εἶπον
(p. 20, 13—18).
‘Denn er besitzt dies Vermögen nicht selbst in sich, sondern etwas
Anderes, das mit ihm zugleich entstanden ist, verschafft es ihm, das, sobald
es, kraft des bei ihm hergestellten Vermögens, in Bewegung eine Empfin-
dungsthätigkeit bei sich vollendet, auch jenem Theil daran giebt gemäss
ihrer Nachbarschaft und Empfindungsgleichheit, wie ich schon sagte."
Der Gegensatz zu οὐκ αὐτὸ ἐν ἑαυτῷ ἐκέκτητο kann nur sein 'son-
dern es hat es von einem Anderen bekommen’, nicht “sondern es hat es
einem Anderen gegeben’. Zudem würde Epikur, der hier die Worte so
umsichtig wählt und jedes Wort genau abwügt, kaum sagen, die Seele habe
vom Körper die δύναμις erhalten: sie verdankt ihm nur die αἰτία dazu.
*Etwas anderes’, nicht, was man erwarten sollte, fj ψυχή, um den Gegen-
satz zu αὐτό recht hervorzuheben. Die Seele ist mit dem Körper zu-
gleich entstanden, denn der Same ist ψυχῆς καὶ cóparoc ἀπόςπαςμα
fr. 329 (Lucr. III 331 u. 8.). Das Folgende ist nicht leicht verständlich.
Σύμπτωμα αἰεθ. ἀποτελοῦν ἑαυτῷ (vgl. ser. inc. rt. θεῶν c. 17 Soott Fr. Herc.
p. 250: τὸ μὲν παχυμερέετερον καὶ κινεῖν αἴεθηειν δυνάμενον ἀπο-
τελεῖ, sc. αἴεθηειν oder εὐμπτωμα αἰεθητικόν) bedeutet wohl nicht das
Zustandekommen der Empfindung als stehender Eigenschaft, sondern die
Erweckung einer Empfindung im einzelnen Falle: dann führt also, nach-
dem das Uebertragen der δύναμις von der Seele auf den Körper be-
hauptet war, der Relativsatz aus, wie sich diese Uebertragung immerfort
erneuert, so dass die Anwesenheit der Seele daru unbedingt erforderlich
ist. Und zwar geschieht das ἀποτελεῖν der Empfindung κατὰ xivncıv,
wenn die Seele durch ein von aussen Kommendes bewegt ist (die sensiferi
motus bei Lucrez) und διὰ τῆς cuvreAecOe(cnc περὶ αὐτὸ ὃ ewc: beim
Körper bleibt dagegen die Fähigkeit unvollkommen; er kann sie ja nicht
1) Vergebens hat man versucht, diese Scheidung Epikur trotz seiner aus-
drücklichen A n abzusprechen; s. dagegen Natorp Forschungen s.
d. Erkenntnisproblems p. 228 ff.
88 EINLEITUNG.
selbständig verwerten. Möglich wird die Uebertragung durch die un-
mittelbare Nachbarschaft, die conéusctio, die zur εὐμπάθεια führt: das
war eben in εὐμπαθὲς δὲ τούτῳ μᾶλλον κτλ. angedeutet.
(65) διὸ. δὴ καὶ Evumdpxouca fj ψυχὴ οὐδέποτε ἄλλου τινὸς
μέρους ἀπηλλαγμένου ἀναιςεθητήςει" ἀλλ᾽ ἃ ἂν καὶ ταύτης ξυναπόληται
τοῦ creváZovroc λυθέντος εἴ θ᾽ ὅλου εἴ τε καὶ μέρους τινός, ἐάν περ
διαμένῃ, ἕξει (so Usener für ὀξύ) τὴν αἴςθηειν᾽ τό δὲ λοιπὸν ABpoıcua
διαμένον καὶ ὅλον καὶ μέρος (so Us. für κατὰ μέρος oder καὶ κατὰ μέρος)
οὐκ ἔχει τὴν αἴεθηςιν ἐκείνου ἀπηλλαγμένου, ὅεον ποτὲ écrl τὸ cuv-
τεῖνον τῶν ἀτόμων πλῆθος εἰς τὴν τῆς ψυχῆς φύειν (p. 20, 18— 21, 1).
"Deshalb wird auch die Seele, solange sie darin bleibt, nie em-
pfindungslos sein, wenn ein anderer Theil abgetrennt ist; sondern, was
auch selbst von ihr mit verloren gehen mag, wenn sich die Hülle ganz
oder theilweise löst — so lange sie selbst fortdauert, wird sie Empfindung
haben. Die übrige Anhäufung dagegen hat, wenn sie auch ganz oder
theilweise fortdauert, die Empfindung nicht, wenn die Atomenmenge, die zur
Bildung der Seelennatur führt, so gross sie nun sein mag, entfernt ist.’
Hier ist zunächst völlig klar, dass die Seele selbst, als ein Körper-
theil, den ἄλλα μέρη gegenübersteht. Es genügt, auf Diogenes v. Oinoanda
zu verweisen, der fr. 31 Us. nachweist, dass für die Erhaltung des
Lebens (und damit natürlich auch der Empfindung) die Seele weit
wichtiger ist als der Körper: wenn auch, sagt er, der Körper durch
Krankheit so abgenommen hat, dass er sozusagen nur noch aus Haut
und Knochen besteht, ὅμως fj ψυχὴ παραμένουεα οὐκ ἐᾷ θνήςκειν τὸ
ζῷον. καὶ οὐ τοῦτο μόνον τῆς ὑπεροχῆς cnueióv Ecrıv, ἀλλὰ καὶ
χειρῶν ἀποκοπαί, πολλάκις δὲ ἀγκώνων ὅλων f) βάςεεων πυρὶ
καὶ εἰδήρψ λῦςαι τὸ ζῆν οὐ δύνανται᾽ τοςοῦτον αὐτοῦ τὸ ψυχικὸν ἡμῶν
βαειλεύει μέρος. Da die Seele παρ᾽ ὅλον τὸ ἄθροιςμα ausgestreut ist,
gehen Stücke von ihr beim Verluste von Gliedmassen mit verloren: auch
das schadet nichts. Ja es könnte das ganze creydZov sich auflösen, und
die Seele würde doch Empfindung haben: vorausgesetzt, dass sie dann noch
dauern könnte, was freilich, wie im Folgenden gezeigt wird, nicht der
Fall ist. Es soll hier durch den Zusatz εἴ θ᾽ ὅλου εἴ τε καὶ μέρους
vor Allem betont werden, dass der Körper weder als Ganzes noch in
einzelnen Theilen irgend etwas zum eigentlichen Entstehen der Em-
pfindung beiträgt: wenn die Seele ohne ihn zu dauern vermöchte, hätte
sie Empfindung auch ohne ihn. Dann wird auch durch den Zusatz das
folgende καὶ ὅλον καὶ μέρος schärfer hervorgehoben: der Körper mag
unversehrt erhalten bleiben; er ist empfindungslos, sobald die nöthige An-
zahl von Seelenatomen nicht mehr vorhanden ist Damit ist gesagt.
dass ein διαμένειν der Seele unmóglich wird, wenn sie zu grosse Quan-
titäten ihrer Atome verliert: davon, dass qualitative Unterschiede unter
den Seelenatomen beständen, ist hier nicht die Rede, also auch nicht
von einem bestimmten Seelentheile, dessen Entfernung vor anderen tödt-
lich wirke.
καὶ μὴν καὶ Avouévou τοῦ ὅλου ἀθροίεματος fj ψυχὴ διαςπείρεται
καὶ οὐκέτι ἔχει τὰς αὐτὰς δυνάμεις οὐδὲ κινεῖται, ὥςτε οὐδ᾽ αἴςθηειν
κέκτηται. (66) οὐ γὰρ οἷόν τε νοεῖν τὸ αἰςθανόμενον μὴ (ὃν erg. Us.)
ἐν τούτῳ τῷ cucrhparı καὶ ταῖς κινήςεςι ταύταις χριύμενον, ὅταν τὰ
EINLEITUNG. 39
«τεγάζοντα καὶ περιέχοντα μὴ τοιαῦτα jj, ἐν οἷς νῦν oca ἔχει ταύτας
τὰς κινήςεις (p. 21, 8—14). |
‘Ferner, wenn sich die ganze Anhäufung auflöst, so wird die Seele
zerstreut und hat nicht mehr dieselben Kräfte und bewegt sich auch
nicht mehr, so dass sie auch keine Empfindung besitzt. Denn es ist
unmöglich, sich das Empfindende zu denken als nicht in diesem Gebilde
seiend und als diese Bewegungen habend, wenn das Hüllende und Um-
fassende nicht so ist wie das, worin es jetzt sich befindend diese Be-
wegungen hat’.
Hier wird nur die Folgerung des früher Gesagten gezogen: die Seele,
hiess es oben, würde nicht zur Empfindung gelangt sein, εἰ μὴ ὑπὸ
τοῦ λοιποῦ ἀθροίεματος ἐςτεγάζετό πως. Fällt also dies «τεγάζον fort,
so fällt auch die Empfindung fort, da die Seelenatome nicht mehr zu-
sammenbleiben, sondern sich zerstreuen. Nach κινεῖται ergänzt Brieger.
Epikurs Lehre von der Seele (Hallenser Progr. 1893) p. 15 vielleicht
richtig τὰς αὐτὸς κινήςεις: hat Epikur nur κινεῖται geschrieben, so hat
er damit die Bewegungen der Seele als solcher, im Gegensatz zur Be-
wegung der einzelnen Atome gemeint: diese letztere hört natürlich nie
auf. — Im Folgenden weist Epikur noch ausdrücklich nach, dass die
Seele ein Körper sei, da es ausser dem Leeren ein selbständig existirendes
Unkörperliches nicht gebe, die Seele aber als activ und passiv Thätiges
nichts Leeres sei. Ich brauche das hier nicht auszuschreiben (vgl. III 161 ff.).
Dem Zwecke des Briefes gemäss beschränkt sich Epikur auf das
Allernothwendigste. Diese äussersten Umrisse seiner Psychologie werden
nun von verschiedenen. Seiten her ergänzt; am Wesentlichsten natürlich
durch Lucrez, doch stehen uns für einige Hauptpunkte auch anderweitige
Zeugnisse zu Gebote. Zunächst berichtet ein Scholion zu 8 67 (fr. 311)
über die Gestalt der Seelenatome λέγει ἐν ἄλλοις καὶ ἐξ ἀτόμων αὐτὴν
ευγκεῖςθαι λειοτάτων καὶ ετρογγυλωτάτων, πολλῷ τινι διαφερουςῶν τῶν
τοῦ πυρός, Als sehr glatt und rund hatte schon Demokrit die Seelenatome
bezeichnet: aber er hatte sie schlechtweg mit denen des Feuers identi-
fieirt (ἀπείρων γὰρ ὄντων cynuéruv καὶ ἀτόμων τὰ cpaipocibf) πῦρ
καὶ ψυχὴν λέγει Aristot. de an. 404a 1); hierin konnte ihm Epikur nach dem
Gesagten nicht folgen: Weiteres s. zu v. 186. Einen Fortschritt Demokrit
gegenüber bezeichnet ferner die weitere Angabe des Scholions: xol τὸ μέν
Tt ἄλογον αὐτῆς, ὃ τῷ λοιπῷ παρεςπάρθαι εὐματι᾿ τὸ δὲ λογικὸν ἐν TD
θώρακι, ὧς δῆλον Ex τε τῶν φόβων καὶ τῆς χαρᾶς. Diese Bestimmung,
die der Scholiast aus Epikurs eigenen Schriften anführt (λέγει ἐν —W
ist in die doxographischen Zusammenstellungen aufgenommen worden
(fr. 312): Aet. IV 4, 6 p. 390 D. (Plut. IV 4, 3) Δημόκριτος Ἐπίκουρος
διμερῆ τὴν ψυχήν, τὸ μὲν λογικὸν Exoucav ἐν τῷ θώρακι xa&ibpupévov,
τὸ δὲ ἄλογον καθ᾽ ὅλην τὴν εύγκριειν τοῦ εαὐματος διεεπαρμένον, und
ders. IV 5, 6 p. 391 D. (Plut. IV 5, 2) Παρμενίδης καὶ Ἐπίκουρος (τὸ
ἡγεμονικὸν εἶναι) ἐν ὅλῳ τῷ θώρακι, endlich Tertullian de an. c. 15 aus
Soran sec in lota lorica pectoris, ut Epicurus (putes τὸ ἧγεμονικόν com
cludi). Mit welchem Rechte Plutarch hier neben Epikur Demokrit stellt,
ist sehr zweifelhaft. Er widerspricht sich scheinbar selbst, wenn er
IV 5, 1 (p. 391 D.) sagt Πλάτων Δημόκριτος ἐν ὅλῃ τῇ κεφαλῇ scil. τὸ
ἡγεμονικὸν εἶναι (ἐν ἐγκεφάλῳ Theodoret V 22). Die Angaben lassen sich
40 EINLEITUNG.
zwar schlecht und recht vereinigen, wenn man sich auf die ps.-demo-
kritische Schrift περὶ φύςιος ἀνθρώπου stützt, wo (fr. 6 u. 15 bei
ten Brink Philol VIII p.414) das Gehirn φύλαξ διανοΐης, das Herz
βαειλὶς ὀργῆς τιθηνός heisst; aber es ist beachtenswerth, dass in den
parallelen Excerpten aus Soran bei Tertullian (p. 203 D.) und Pollux
(p. 207 D.) Demokrits Name fehlt. Wenn ferner, wie Aristoteles aus-
drücklich angiebt, Demokrit einen Unterschied zwischen νοῦς und ψυχή
nicht anerkannte ᾿, so ist das die Consequens seiner Erkenntnistheorie,
die zwischen Wahrnehmen und Denken keinen principiellen, sondern einen
höchstens graduellen Unterschied kannte. Denken und Wahrnehmen hat
in ihrer Verschiedenheit zuerst Alkmaion erkannt, die Folgerung auf ver-
schiedene Seelentheile scheinen aber erst Spätere gezogen zu haben, und
noch Platon teilt die Seele weder in νοῦς und ψυχή noch in λογιςτικόν
und ἄλογον: Schüler von ihm haben vielleicht seine Lehre in dieser
Richtung weitergebildet. Die sorgfältigere Scheidung der psyschischen
Functionen war seit Platon und Aristoteles Gemeingut aller Philosophi-
renden geworden: wie die Stos, nimmt also auch Epikur die Theilung
der Seele in ein Vernünftiges (das nur dem Menschen, nicht den Thieren
zukommt, s. zu v. 296 ff) und Unvernünftiges an; wie die Stoa schreibt
er dem vernünftigen Seelentheile nicht nur das vernünftige Denken,
sondern auch die Leidenschaften, Furcht und Freude zu; dies in schroffem
Gegensats zu Platon und Aristoteles. Aus den körperlichen Empfindungen,
die jene Gemüthsbewegungen begleiten, erschliesst er, wie das auch
Stoiker thaten, den Sitz des Aoyıcrıxöv in der Brust: aber nicht nur
beim λυπεῖςθαι, auch beim λογίζεςθαι soll unsere Empfindung auf die
Brust als Ausgangsort. der geistigen Thätigkeit hinwe:sen: so berichtet, in Er-
gänzung jenes Scholions, ein weiteres Fragment (318, V.H.? VII 17 col. 22 sq.).
— Ob nun und wodurch sich das λογικόν vom ἄλογον seiner physischen
Beschaffenheit nach unterscheidet, darüber sagen unsere Quellen, auch
Lucrez, kein Wort. Es ist immerhin möglich, dass Epikur gemeint hat,
die Atome des λογικόν seien noch feiner als die der übrigen Seele?),
wie ja wohl auch die Stoiker dem ἧγεμονικόν das feinste πνεῦμα zu-
geschrieben haben”): von einem wesentlichen Unterschiede der Zusammen-
setzung nach kann nicht die Rede sein.
Neben dieser Eintheilung der Seele nach ihren Functionen steht
die Bestimmung ihrer physischen Beschaffenheit. Auch hierin thut Epikur
einen grossen Schritt über Demokrit hinaus. Dieser hatte als Haupt-
funetion der Seele die Bewegung betrachtet, und sie demgemäss aus den
beweglichsten, den Feueratomen, bestehen lassen. Die Einseitigkeit dieser
hat schon Aristoteles getadelt: wenn die glatten runden
Atome, fragt er, Ursache der Bewegung sind, bewirken dann dieselben
οὗ δὴ χρῆται τῷ νῷ ὡς dc δυνάμει τινὶ περὶ τὴν ἀλήθει
ἀλλοφρονέων. τ die
λέγει ψυχὴν καὶ νοῦν.
. 2) Doch kann man das auch aus der Theorie von den Vorstellungsbildern,
die mur den Geist treff en und "IV Ta) nicht mit vilige Rabatt esctiomen.
est et mire mobilis ὁ — 2m IV 148) nicht mit völliger Bicherhei
3) Bonhöffer ol. N. F. VIII p. 416.
EINLEITUNG. . 41
auch die Ruhe (de anima 106 b 22)? Und seiner einseitigen Bertiek-
sichtigung der Bewegung stellt er die ebenso einseitige Berüicksi
der Empfindung in der Psychologie des Empedokles u. A.
(ebi. 408 b 25). Diese Mängel suchte Epikur zu vermeiden. Er scheint
ausgegangen zu sein von der Betrachtung dessen ὧν crepönevor Ovfjcxo-
μεν: das war, wie wir sahen, Wärme und Athem: daher der Seelenkörper
προςεμφερέετατον πνεύματι θερμοῦ τινα xpüciv ἔχοντι. Wenn aber das
πυρῶδες die Würme, das πνευματῶδες Athmung und Bewegung erzeugt,
so fehlt noch etwas dem πνεῦμα Entgegenwirkendes, Ruhe Erzeugendes,
wie Aristoteles verlangt hatte: das ist die Luft, die ohnehin in den Poren
alles Seienden enthalten ist, und um so mehr, je weniger dicht die Atom-
verbindung ist. Schliesslich erhob sich aber noch die Frage: wie kommt
denn nun diese Atomverbindung, und zwar sie allein von allen, zum
Empfindungsvermögen? Für den consequenten Materialisten war auch
hierzu ein besonderer Stoff erforderlich; da aber keiner der uns bekannten
Stoffe dabei in Frage kommen kann, that Epikur, was ihm allein übrig
blieb: er erkannte zwar die Existenz dieses Stoffes an, verzichtete aber
darauf, ihn zu benennen. Das ist die Lehre, wie sie uns Aetius IV 3, 11
p. 388}. (fr. 815) überliefert: Ἐπίκουρος (τὴν ψυχὴν) κρᾶμα ἐκ τεττά-
puv, ἐκ ποιοῦ πυρώδους, ἐκ ποιοῦ depibbouc, ἐκ ποιοῦ πνευματικοῦ, ἐκ
τετάρτου τινὸς ἀκατονομάςτον᾽ τοῦτο δ᾽ ἦν αὐτῷ τὸ αἰεθητικόν. ὧν τὸ
μὲν πνεῦμα κίνηςιν, τὸν δὲ ἀέρα ἠρεμίαν, τὸ dE θερμὸν τὴν φαινομένην
θερμότητα τοῦ cóparoc, τὸ δ᾽ ἀκατονόμαετον τὴν ἐν ἡμῖν ἐμποιεῖν
alcöncıv ἐν οὐδενὶ γὰρ τῶν ὀνομαζομένων ετοιχείων εἶναι αἴςθηειν.
Genau dasselbe lehrt Lucrez v. 231 ff., nur dass er die von Aetius genannten
Functionen der drei ersten Bestandtheile nicht erwähnt. Von der vierten
Substanz sagt er v.248 qua neque mobilius quicquam neque tenwius exstat,
nec magis e parvis e£ levibus ex elementis: dies die einzige Angabe über
ihr Wesen, die uns überliefert ist.
Wird es auch nirgends ausdrücklich gesagt, so leuchtet doch ein, dass
diese Auflösung der Seelenmischung in ihre Bestandtheile nicht das
zu thun hat mit der soeben besprochenen Scheidung der Seele
in zwei Theile. Beide Distinctionen gehen neben einander her. Man
Wendungen bei Lucres und Plutarch: genauere Betrachtung
lehrt, dass auch bei ihnen der allein möglichen Auffassung nichts wider-
spricht?) Ein xpüpu sus vier Stoffen kann zur zu Stande kommen,
wenn die vier verschiedenen Atomgruppen sich völlig durchdringen: bei
der Mischung nämlich lösen sich die Stoffe in ihre Atome auf und bilden
dann aus sich einen neuen einheitlichen Körper, i» dem natürlich die Be-
1) So fasst das Verhältniss richtig Zeller III 1, ut Andere haben die
beiden Gliederungen mit einander verquickt, indem sie der ψυχὴ den vierten
Poll abeprachen und ihn entweder mit dem λογικὸν so x. B.
im dar: de mima dora nd Bi nn. 0) oder dios ein aus
allen vio en enichen liessen (eo x. B. Ὁ py. —
ἘΣ ΤῊ die má at pem ἐξα 1808
a7
a 8
2. 08 ud ttt
— — —- -
-
.
43 | EINLEITUNG.
sonderheiten der einzelnen Atome fortwirken (fr. 290). Es ist ganz un-
denkbar, dass bei einer solchen Mischung eine Gruppe, die namenlose,
isolirt von den anderen ihren Sondersitz behaupte. Das ist aber auch
durch die Art, wie sich Epikur die Entstehung der Empfindung denkt, aus-
geschlossen: der sensifer molus geht von der vierten Substanz aus und
wird erst von ihr auf die anderen übertragen (Lucr. III 245 8): sie muss
also von allen äusseren Einflüssen zuerst betroffen werden, also auch —
Epikur denkt sich ja all diese Dinge sehr concret — an der Oberfläche
des Körpers vertreten sein. Man hat zwar, um dem zu begegnen, einen
doppelten sensifer motus sich ausgedacht, der von aussen nach innen
führen soll, dort die Empfindung im Geiste erzeugen und sie dann erst
wieder zurück an die betroffene Körperstelle lenken — von dieser selt-
samen Hypothese sagen unsere Quellen kein Wort. Vielmehr wird der
ganzen Seele und dem ganzen Körper Empfindung zugeschrieben ohne
jede Vermittelung des fireuovixöv: damit diese möglich ist, muss die vierte
Substanz durch die ganze Seele, also auch durch den ganzen
verbreitet sein. Lucrez betont zum Ueberflusse ausdrücklich, dass eine
räumliche Scheidung der vier Atomgruppen nicht möglich sei (v. 264):
aber man scheut sich nicht zu behaupten, er, dem doch die Quellen in
ganz anderem Maasse zu Gebote standen als uns und der sie doch im
Uebrigen mit eindringendem Verständnisse benutzt hat, er habe in dieser
ganzen für die Seelenlehre so wichtigen Frage die Meinung Epikurs gröblich
verkannt. —
Die Angaben Epikurs über die Seelensubstanz im Herodotbrief stehen
mit der hier behandelten nicht in Widerspruch, so dass man nicht ge-
nöthigt ist, diese einem andern, spätern Zeitpunkie zuzuschreiben, in ihr
eine Fortentwickelung der Lehre zu sehen. Denn Epikur beschränkt sich
dort eben auf das Allernothwendigste: er nennt das πνεῦμα θερμοῦ τινα
κρᾶειν ἔχον als das der Seele Aehnlichste: das Luftartige kann dabei,
wie seine Schüler wussten, nicht fehlen, und die vierte Substanz erwähnt
er nicht, da er die Empfindung überhaupt nur berührt, soweit das Ver-
hältniss von Leib und Seele in Frage kommt. So nennt auch Lucrez
v. 121 zunächst nur zwei Stoffe, aer oder ventus, die er hier gleichsetzt,
und Wärme: erst v. 231 hören wir das Genauere. In ein und derselben
Schrift ist das immerhin auffällig, und da der von den vier Substanzen
handelnde Abschnitt auch sonst aus dem Rahmen des Ganzen heraus-
zufallen scheint (s. Comm.), ist es naheliegend, hier einen Wechsel der
Vorlage anzunehmen!): so erklärt es sich auch, dass das Verhältniss der
beiden Gliederungen zu einander mit keinem Worte berührt wird, was
sonst doch vielleicht geschehen wäre.
Es ist uns endlich noch eine Nachricht durch Plutarch (adv. Col. 20
fr. 814) überliefert, die zu Bedenken Anlass giebt. Er sagt von den
Epikureern: μέχρι τῶν περὶ cópkxa τῆς ψυχῆς δυνάμεων, alc θερμότητα
καὶ μαλακότητα καὶ τόνον παρέχει τῷ εὐματι, τὴν οὐείαν ευμπηγνύντες
αὐτῆς ἔκ τινος θερμοῦ καὶ πνευματικοῦ καὶ ἀεριύδους οὐκ ἐξικνοῦνται
πρὸς τὸ κυριώτατον ἀλλ᾽ Anayopevovcı τὸ γὰρ ᾧ κρίνει καὶ μνημογεύει
καὶ φιλεῖ καὶ μιςεῖ καὶ ὅλως τὸ φρόνιμον xal Aopicrixóv Ex τινός gneav
1) so Brieger δ. a. O.
EINLEITUNG. 43
ἀκατονομάςτου ποιότητος ἐπιγίνεεθαι. Zunächst werden hier die körper-
lichen Functionen von Wind und Luft anders angegeben als bei Aetius. Statt
Bewegung und Ruhe steht hier Weichheit und Spannung, μαλακότης καὶ
τόνος: die Luft ist offenbar Ursache der uaAaxórmc!), das πνεῦμα, wie
bei den Stoikern, des τόνος. Das ist uns aber nur eine willkommene Er-
günzung des von Aetius Berichteten: die Wirkung der einzelnen Atom-
gruppen beschränkt sich nicht auf je eine einzige, sondern die ausserordent-
lich mannigfachen Lebensäusserungen weisen darauf hin, dass innerhalb
jeder Gruppe wieder zahlreiche verschiedenartige Untergruppen sich finden,
die jede ihre besondere Wirkung ausüben. Das bestätigt auch Lucrez: von
ihm hören wir, dass Feuer, Wind und Luft auch in den Gemüthsbewegungen
ihre Kraft bethätigen (v.288ff.), ja dass alle Unterschiede der Charactere
auf gewisse eigenartig gestaltete Seelenatome zurückgehen (814 ff).
Anders steht es mit dem zweiten Theil des Plutarchischen Berichts.
Die Thätigkeiten, die hier genannt werden, sind die specifischen Thätig-
keiten des λογικόν, wie ja auch Plutarch selbst sagt, wenn er sie als
τὸ φρόνιμον καὶ Aoyıcrıröv zusammenfasst. Nach Plutarch müsste man -
annehmen, dass der vierte Stoff nur diese Thätigkeiten ausübt, und könnte
so wieder darauf kommen, ihn mit dem Geiste zu identificiren. Aber
der Bericht ist ja offenbar lückenhaft, denn das Wichtigste, das αἰςθάνε-
(θαι, fehlt, ohne das auch ein λογίζεςθαι nicht möglich ist SBtände
der Bericht allein, so hätten wir die Wahl, es entweder zu den περὶ
cópxa τῆς ψυχῆς δυνάμεις zu rechnen, was wunderbar genug wäre, oder
anzunehmen, dass Plutarch es bei der Aufzählung der übrigen geistigeren
Thätigkeiten ausgelassen habe: unsere übrigen Berichte gestatten uns
nur die zweite dieser Möglichkeiten. Im Uebrigen ist alles in Richtigkeit;
nehmen wir z.B. von den Thätigkeiten des λογικόν das Wollen, dessen
Entstehung uns Lucrez IV 877 beschreibt: es wird nur dadurch ermöglicht,
dass den Geist Bilder, beispielsweise des Gehens, treffen, er also wahr-
nimmt: das kann er nur vermöge des vierten Stoffes, also durch diesen
ἐπιγίνεται, wenn auch indirect, der Wille.*) —
Während Epikur sich in seinem Abriss damit begnfigt, einen einzigen
Beweis für die Vergänglichkeit der Seele zu geben, widmet Lucrez diesem
Nachweis den ganzen zweiten Hauptabschnitt, reichlich ein Drittel des
mit der vierten Substanz als Erzeugerin des Wahrnehmens, Denkens u. s. w.
begnügt hätten: aber damit hätte Epikur zugleich auf die Localisirung des
gen
äusserst unwahrscheinlich. — Es ist übrigens leicht möglich, dass der Irrthum
des Plutarch durch eine Reminiscenz an aristotelische Lehre, oder was man
dafür ansah, hervorgerufen wurde; seine Worte stimmen auffällig mit Ciceros
Bericht über Aristoteles überein: Tusc. 122 cogitare enim et idere et discere
et docere εἰ invenire aliquid et meminisse et tam multa alia, amare odisse cupere
timere angi laetari, horum quattuor generum (der Elemente) inesse o Pt
. Hi M. 89 p. 1108. 117.
quintum genus adhibet vacans nomine. 8. dar. Hirzel Rh.
44 EINLEITUNG.
Buches. Alles Vorhergehende, abgesehen von dem einen Abschnitt über
die Seelensubstanz, dient der Vorbereitung, der Rest des Buches ergänst
den wissenschaftlichen Beweis durch Bekümpfung der instinctiven Todes-
farcht: das Mittelstück ist recht eigentlich der Kern des Ganzen. Der
Dichter hat auch ganz augenscheinlich darauf die grósste Mühe ver-
wendet; nicht zufällig spricht er gerade am Eingang dieses Capitels
(v. 419) von seinem dulcis labor. In wie weit er im Einzelnen seiner
Vorlage folgt, lässt sich schwer sagen. Künstlerisch war seine Aufgabe
hier schwerer wohl als irgend sonst. Es galt, eine lange Reihe von
Argumenten vorzuführen, die doch in letztem Grunde auf ganz wenigen
einfachen Sätzen ruhen: nur die grösste Mannigfaltigkeit und Lebhaftigkeit
der Darstellung konnte einer sonst unvermeidlichen Ermüdung des Lesers
vorbeugen. In wie weit das Lucrez gelungen ist, darüber mag man ver-
schieden urtheilen; dass er es und wie er es angestrebt hat, bemüht
sich der Commentar zu zeigen. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, die
Argumente nach gewissen Gesichtspunkten zu gruppiren und eine ein-
heitliche Composition zu schaffen, bei der jegliche Wiederholung vermieden
worden wäre: aber mit vollem Rechte hat er von vorn herein darauf ver-
zichtet, denn gerade durch die Wiederholung wollte er wirken, und nur
der Fülle einzelner φαινόμενα, nicht wenigen abstracten Sätzen traute er
volle Ueberzeugungskraft zu. So macht er aus der Noth eine Tugend
und entsagt geflissentlich jeder auffälligen Gruppirung: mit einfachem
praeterea oder denique lässt er ein Argument auf das andere folgen und
erweckt so den Eindruck einer unabsehbar langen Reihe von Gründen,
die schliesslich auch den Widerstrebenden überwinden sollen: nam leviter
quamvis quod crebro tunditur ictu, cincitur in longo spatio lamen atque
labasci. Man erkennt bei näherer Betrachtung, dass die Argumente in
zwei Reihen zerfallen (zu 417): Lucrez deutet das nur leise an, um
keinen Ruhepunkt in den gleichmässig gegen die Unsterblichkeitslehre
geführten Schlägen eintreten zu lassen. Er bringt gelegentlich dasselbe
Argument an zwei verschiedenen Stellen, aber in gänzlich veränderter
Form, um den Eindruck zu erwecken, als sei es etwas Neues. Aber
man irrt sehr, wenn man meint, die Argumente seien in völlig willkürlicher
Anordnung oder vielmehr ohne jede Anordnung, wie sie sich gerade
darboten, eins nach dem anderen hingeschrieben. Bei schärferem Zusehen
entdeckt man, wie planvoll und überlegt der Dichter von einem zum
anderen fortschreitet, wie er auch wohl, um jedes für sich wirken zu
lassen, nahe Verwandtes absichtlich von einander trennt und neue, weniger
auffällige Zusammenhänge herstellt: und man wird sich hüten, dem Dichter
das Concept zu verbessern oder das Ganze als eine in völliger Unordnung
überlieferte wüste Masse zu betrachten, in der man erst durch zahlreiche
Umstellungen die nóthigen “Gesichtspunkte” hervortreten lassen müsse.
Gerade in diesem Abschnitte hat man erklärlicher Weise den "Herausgeber"
des unvollendeten Gedichtes eine besonders grosse Rolle spielen lassen.
Man stellt sich, eine Hypothese Lachmanns erweiternd, vor, Lucrez habe
neben dem unvollendeten ganzen Werke auf einzelnen Zetteln eine grosse
Anzahl von Bruchstücken hinterlassen, ohne sie in den Zusammenhang
einzufügen und dabei die nothwendigen Veränderungen des ursprünglichen
Textes vorzunehmen; der Herausgeber habe sie dann einfach an Stellen
EINLEITUNG, 45
eingeschoben, wo sie ihm gerade passend erschienen. Daraus leitet man
sowohl die Berechtigung zu Umstellungen grösserer Parthien wie such
dazu her, sich in anderen Füllen bei dem anscheinend mangelhaften Zu-
sammenhang zu beruhigen: man schliesst einfach die betreffenden Stellen
als extra carminis continuitatem scripla in Klammern ein. Merkwärdiger
Weise hat man in den meisten der Fülle, wo sich Lachmann zu jener
Annahme gedrängt sah, ihm neuerdings nicht mehr zugestimmt, dagegen
eine Menge neuer, von Lachmann nicht bemerkter, zu entdecken gemeint.
Ich glaube, mit der Zeit wird man auch hier eine andere Erklärung
finden: im dritten Buche wenigstens sehe ich nirgends die Nothwendigkeit,
auf die Thätigkeit des Herausgebers zu recurriren. Ein paar Mal ist ein
einzelner Vers an falsche Stelle gerathen, natürlich durch Schuld der Ab-
sehreiber; im Uebrigen bin ich überzeugt, dass in diesem Buche die
Versfolge so wie sie uns überliefert ist von der Hand des Dichters selbst .
herrührt. j
Lucrez hielt seine Aufgabe mit dem Nachweis, dass die Seele im
Tode vergeht, noch nicht für abgeschlossen. Er wusste, dass es nicht
genügt, um die Todesfurcht zu bannen, auf klar formulirte Gründe ein-
zugehen, sondern dass weit wichtiger die Gefühle sind, die der Mensch
gleichsam instinctiv mit dem Gedanken an den Tod verbindet; und so
widmet er diesen dritten Haupttheil tröstendem und mahnendem Zuspruch,
der auf alles eingeht, was den Tod gemeinhin furchtbar erscheinen lässt. —
Wenn Lucrez, wie ich annehme, eine zusammenhängende Lehrschrift oder
Lehrvortrag περὶ pücewc seinem Werke zu Grunde gelegt hat, so kann
man ziemlich bestimmt behaupten, dass diese ganzen letzten Betrachtungen
nicht darin enthalten waren. Sie entnehmen ihr Material, wie sich im
Einzelnen nachweisen lüsst, der Trostschriftenliteratur, die wie bekannt
in allen philosophischen Schulen des Alterthums Pflege gefunden hat
Wir besitzen eine solche sus der Epikureischen Schule in Philodems
viertem Buche περὶ θανάτου; weit mehr Berührungen als mit dieser zeigt
Lucrez z. B. mit dem wesentlich auf Krantor fussenden παραμυθητικός
des Plutarch. Es würe denkbar, dass Lucrez eine derartige Schrift selb-
ständig im Geiste Epikurs umgearbeitet habe; aber nichts hindert an-
zunehmen, dass auch hier eine brauchbare Epikureische Vorlage existirte.
Epikur selbst hat &hnliche Gedanken natürlich in Briefen und anderen
Schriften häufig geäussert; wir wissen von einem περὶ τῆς ἩἩΤηςιάνακτος
τελευτῆς an dessen Vater und Bruder gerichteten Trostbriefe (fr. 120),
aber der einzige Gedanke, den Plutarch daraus citirt, findet sich bei
Lucrez nicht, und eine bedentendere Rolle in Epikurs Schriftstellerei hat
dieser und haben ähnliche Briefe von ihm sicher nicht gespielt. Ich glaube
auch, Epikur hätte es für unter seiner Würde gehalten, die längst be-
kannten und abgebrauchten Trostgründe, nach den Anforderungen seines
Systems zurechtgestutzt und etwa um den oder jenen vermehrt, in einem
für weitere Kreise berechneten παραμυθητικὸς λόγος vorzuführen: dieser
Art müsste aber die von Lucrez benutzte Schrift gewesen sein. — Der
Ton, den Lucrez hier anschlägt, ist dem Gegenstand entsprechend ein
ganz neuer, nicht mehr der streng wissenschaftliche des Lehrvortrags,
sondern der mit den verschiedensten Kunstmitteln spielende der populären
T6 ν
46 . EINLEITUNG.
s, c.t . * ue. 75
“I
Moralpredigt — der Diatribenstil, wie wir ihn zu nennen gewohnt sind,
Lucrez bleibt freilich auch hier, gemessen am Batiriker Horaz, der ernste
ν Philosoph, der den Dingen auf den Grund geht; aber er scheut sich doch
) nicht (zu 978. 1053), über den unmittelbar vorliegenden Zweck hinaus-
u blickend, Betrachtungen einzufügen, die dem Zwecke des ganzen grossen
Werkes dienen, der Menschheit die Wege zu zeigen, auf denen man, von
Furcht und Kummer befreit, zum wahren Glücke gelangt.
— τὴν» οἱ
“ϑγισ — qo 99 me; A. dines
,;t*! 2
. d
lim SEXUM TUUM ——————————n—»——————————M —— mnn, wap umcá07c we — cÁr— ÜMÓMuanmc9 Wr ει, TIiBä u e
te . - 4 .. E» * * 9 ^ WR, . - τς ue ern, * τ - u tt - *
. - ᾿ "ει PP -- t5: ᾿ οὶ * t.
. “. Mod ν . ya *. T, * δ᾽, ν᾿" -* 354 .
. . -" . P».t . ce "ut o. 4. . - 2 ὦ t
* "
LÀ
%
4
*
.Ψ
4
*
.
.
.
4 U
.Φ -
E
.
-
*»
- er “ὦ * *
*
-
gv
ἂς
— — o VÉ we
τ
COMMENTAR
1—30 Prooemium. ‘Du hast es zuerst vermocht, das Dunkel des
Lebens zu erhellen: dir folge ich, nicht um mit dir zu wetteifern —
dazu bin ich zu,schwach —, sondern um dich nachsuahmen. Von dir
rührt ja die Lehre her, die der Unsterblichkeit wert ist: denn sie ver-
treibt die Schrecken, indem sie das Wesen der Dinge zeigt; sie lehrt,
dass die Götter in seliger Ruhe leben, und dass die Unterwelt nicht
ist, So die Natur in voller Klarheit enthüllt zu sehn, erfüllt mit höchstem
Schauer des Entzückens.’
.Das Prooemium ist dem Preise Epikurs gewidmet, wie die Prooemien
des ersten (v. 62f£, das Vorhergehende gilt dem ganzen Gedicht), fünften
und sechsten Buches, indirect auch des zweiten; zum vierten hat der Dichter
selbst keines geschrieben. Diese Gleichförmigkeit hat ihren guten Grund;
der Rhapsode schickt jedem seiner Gesänge ein προοίμιον voraus, und
wenn es zur Feier einer Gottheit geschieht, so wird jedes προοίμιον
dieser Gottheit gelten, ohne dass die Zuhörer sich über Eintönigkeit be-
klagten. So ist jeder Gesang des Lucrez ein Ganzes für sich, wenn auch
der Schluss nur beim ersten ausdrücklich als solcher hervorgehoben ist
(zu 1094), und jedes Mal von Neuem drängt es den Dichter zum Beginn
den zu preisen, der ihm als Gott gilt mit besserem Rechte als Ceres
und Bacchus. Viel auffallender ist es sicherlich, wenn Cicero seinen
drei Büchern de officiis drei Prooemien gleichen Inhalts vorausgehen lässt,
oder wenn Sallust, zweifellos mit vollem Bewusstsein, vor dem Jugurtha
nur die Gedanken variiert, die er vor dem Catilina ausgesprochen hatte,
Auf den speciellen Inhalt der Bücher haben diese Vorreden eben so wenig
Bezug wie die Prooemien des Lucrez: auch das erklärt sich aus der
historischen Entwickelung dieses Theiles des poetischen und prosaischen
Vortrags. Formell aber gelten sie nicht als selbständige, den Gesängen
vorausgeschickte Gedichte: deutlicher noch als in diesem Buche das
et v. 31 beweist das die relativische Verknüpfung im fünften v. bb: cuius
ego ingressus vestigia.
Ein Hymnus, wie man wohl gesagt hat, ist das Prooemium nicht;
von dem Hymnus an Venus, der das Werk eröffnet, sind die laudes, wie
Lucrez selbst sie V 3 nennt, sehr verschieden. Mag auch der Weise
dem Gotte nahe stehen, τὸν ὕμνον τῷ θεῷ ἀπονέμειν δεῖ, τὸν δὲ
ἔπαινον τοῖς ἀγαθοῖς ἀνθράςι hatte Epikur selbst gelehrt (Gnomol
Paris. ed. Boissonade aneod. Ip. 122,6) Aber das Lob, das Epikurs
Schüler ihrem Meister spendeten, streifte schon σὰ seinen Lebzeiten an
Vergötterung, und die Wirkung seiner Persönlichkeit war so mächtig,
48 COMMENTAR
dass sie auch durch Jahrhunderte nicht abgeschwächt wurde. Man
empfängt aus Lucrez' begeisterten Worten den Eindruck vollster Ueber-
zeugung und unmittelbaren Herzensdranges; er wiederholt zwar dem
Gedanken nach und auch in den einzelnen Bildern, was Andere vor ihm
gesagt hatten, aber es ist doch ganz sein Eigenes, aus ihm selbst
heraus entsprungen. — 1 Epikur hat zuerst das Dunkel des Lebens zu
erhellen vermocht, d. h. zunächst, er hat Erkenntniss gebracht (I 44 dara
fuae possim praepandere lumina menti 1117 ia res accendent lumina
rebus): eine altbekannte μεταφορὰ κατ᾽ ἀναλογίαν, *róv νοῦν ὁ θεὸς φῶς
ἀνῆψεν ἐν τῇ ψυχῇ᾽: ἄμφω γὰρ δηλοῖ τι Arist. rhet. 1411b 12. Aber
es ist hier mehr als bloss theoretische Erkenntniss. Mit ibr zugleich ist
den Menschen Glück und Freude und Rettung von Qualen aller Art ge-
geben. Das liegt in lume» oft, wie ja auch in φῶς. So sind die
tenebrae des Geistes dem Luerez zugleich das Unglück des Lebens,
II 15 qualibus in tenebris vilae quantisque periclis degitw hoc aevi quod-
cumque est, V 11 fluctibus e tantis vitam tantisque tenebris in lam tranquillo
et tam clara luce locavit. In diesem Sinne ist Epikur seinen Anhän
die Sonne des Lebens; so Kolotes in seinem von Usener (Epic. p. 145 adn.)
hervorgezogenen Ausrof V. H? 1123 A πάρει, Tırav, τὰ ςκζότη máyvra
(ἐκγ)δηζλῶν»λ. Epicurus, hoc enim vestrum. lumen. est sagt Cicero de
fin. II 22, 70, der ebenso wie Plutareh in seiner Polemik gegen die
Epikureer gern deren eigene Worte braucht. Die ganze Anschauung
ist characteristisch für das unbedingie Zutranen der Epikureer zur
völligen Klarheit und Sicherheit ihrer Erkenntniss (vgl. Cic. n. d. I 8, 18
tum Velleius fidenter sane, wi solent isti, nihil tam verens quom ne dubi-
lare aliqua de re videretur, tamquam modo ex deorum concilio el ex Epi-
curi intermundiis descendisset and Lauer. V 111 multo certa ratione magis
quam Pylhia), vor allem auch zur Möglichkeit, das Wesen der Dinge
ganz zu erkennen, wogegen der Skeptiker Cic. Acad. pr. II 39, 112 lehrt:
latent ἰδία omnia crassis occullaia et circumfusa tenebris, μὲ nulla acies
humani ingenii lanta sit quae penetrare in caelum, terram inirare possit. —
extollere ἀνέχειν, Eurip. Med. 482 é&vécyov φάος «ὠτήριον wo. 2 Mit
inlustrans bleibt L. im Bilde; vorhanden waren die commoda vitae ja
schon, aber erst jetzt erkennt | man sie. So inlusirarc oft als Synonymon
von patefacere, vgl. Diogenes v. Oinoanda fr. 40 Us. (Rh. M. 47 p. 454)
ἐλευθέραν τὴν ἐν ταῖς ἀτόμοις κίνηειν εἶναι, ἣν Δημόκριτος μὲν οὐχ
εὗρεν, Ἐπίκουρος δὲ εἰς φῶς ἤγαγεν. Das Gleiche wie L. rühmen von
Epikur seine Anhänger häufig, εἶδε τἀγαθὸν μόνος ἐκεῖνος οἷόν ἐςτιν
Damoxenos III p. 350K., μόνος μετ᾽ ἀληθείας τὰ καλὰ ἐγνυκίς Lukian
Alex. 61. L. sagt commoda, nicht boma, mit gutem Grunde, so auch
z. B.IV 1074 sed potius quae swmé sine poena commoda sumit, dagegen
VI 26 erposuitque bommm summum quo lendimus omnes quid fore. Bo
unterscheidet Epikur zwischen ἀγαθά und cupqQépovra; es genügt nicht,
zu wissen, dass die Lust das höchste und in gewissem Sinne einzige
Gut, der Schmerz das höchste Uebel ist: τῇ μέντοι ςυμμετρήςει καὶ
εὐμφερόντων καὶ ἀευμφόρων βλέψει (fort. ἐπιβλέψει Us.) ταῦτα πάντα
κρίνειν καθήκει (ep. III p. 63, 13), und das ευμφέρον, nicht das ἀγαθόν,
ist das eigentliche Object der αἵρεεις (vgl. sent. sel. 81. 36. 37. fr. 442).
Für den Stoiker dagegen steht das commodum προηγμέγον weit unter
VEBS 1—8. 49
dem stets anzustrebenden ἀγαθόν, Sen. ep. 87, 86. — 3 Graiae gentis
decus: L. nennt Epikurs Namen hier eben so wenig wie in den übrigen
Prooemien. Er steht der missbräuchlichen Umschreibung von Individual-
namen, wie sie z. B. Juvenal betreibt, völlig fern; Sicilien, das er I 717
nicht nennt, sondern beschreibt, gehórt zu den Dingen qwae versw dicere
non est, und so nennt er denn auch Epikur mit Namen da, wo es am
Platze ist, III 1042: andere Personennamen gehen vorher (s. zu 1029).
Aber der Personenname, der in so vieler tausend Leute Mund ist, hat
etwas Triviales, Abgegriffenes; darum vermeidet man ihn im höchsten
Stile gern und sucht nach einer Bezeichnung, die das Wesen des Menschen
trifft, die voller das ausdrückt, was man bei dem Gedanken an ihn
empfindet. Dazu dient hier vor Allem der Relativsatz, aber auch das
Prädicat Graiae gentis decus. Man denke, um nur eines zu erwähnen, an
das ἀνδρὸς ὃν οὐδ᾽ αἰνεῖν Toicı xaxoicı θέμις in Aristoteles’ Elegie. — -
Uebrigens braucht L. wie Virgil nur die Form Graius, als dem epischen
Stil allein entsprechend, Horaz wechselt je nach Bedürfniss mit Graius
und Graecus, Kiessling zu epp. II 1,28. — Das einfache segui ist zu
wenig, es wird ausgeführt durch isque fuis nunc ... pono; es ist ein
vestigiis sequi, Schritt für Schritt geht er ihm nach, und zwar haftet
er an den Spuren des Vorgängers, figit vestigia: Cic. pro Best. 5, 18
vestigia non pressa leviter ... sed fixa. Dem hohen Stil gemäss ist die
Verschränkung der Worigruppen (wis pressis signis und ficia pedum
vestigia, aber auch die alterthümlich ehrwürdige Form ficia (so auch
Scaurus bei Diomed. I p. 377 confictus, Varro fictus, adfictus, deficlus r. τ.
III 7,4, M 3, 2; 9, IIE 7, 7; so terius sat. 169 u. Plautus Stich. 745
nach Buecheler Rh. M. 45, 159, depultus auct. ad Her. IV 10, 15): L. sagt
sonst nur fizus und adfizus. Im Folgenden ist gleich wieder non
ila — quam für ‘nicht sowohl — sondern vielmehr” statt non tam — quam
singulär (etwas anders IV 1146 vitare non ita difficile est quam captum
exire). — "Sonst folgt wohl ein Feind dem anderen certandi cupidus auf
dem Fusse: ich thue es aus Liebe': man sieht, wie die Metapher seqwor
sich zum Bilde ausgestaltet hat. — 6 Als imitari bezeichnet L. seine
dichterische Thätigkeit mit einem in der römischen Poetik technischen
Ausdruck; er verzichtet damit auf die Selbständigkeit im Stoffe, aber
durchaus nicht auf die Selbständigkeit der Arbeit, die ihn im Gegentheil
mit höchstem Stolze erfüllt; der amor Musarum, quo nunc instinctus
mente vigenti acia Pieridum peragro loca nullius ante trita solo (I 924)
steht neben dem amor Epicuri, der ihn nur in den Spuren des Meisters
zu gehen heisst. — quid emim contendat: Theokrit 5,136 οὐ θεμιτόν,
Λάκων, ποτ᾽ ἀηδόνα xiccac épícbew οὐδ᾽ ἔποπας κύκνοιει. Die Schwäne
als Μουςάων ὄρνιθες, ἀοιδότατοι πετεηνῶν (Kallim. Del. 252) haben die
römischen Dichter von den Griechen überkommen, trotz der einheimischen
rauci cycni (Virg. Aen. XI 458); cycmi melior camor ille gruum quam
clamor L. IV 181 nach Antipater von Sidon A. P. II 47; cycnea mele II 506.
An Stelle des schreienden Kranichs oder des krächzenden Raben oder gar
der schnatternden Gans, die sonst gern dem Singschwan gegenübertritt,
Steht hier aus einleuchtendem Grunde die zwitschernde Schwalbe: sie hat
wenigstens nichts Lücherliches. Aber wenn sie in späterer Zeit sogar
als Singvogel κατ᾽ ἐξοχήν erscheint (s. Buecheler zum pervig. Veneris p. 46),
Lucretius v. TIRINSE. 4
δ᾽. COMMENTAR
so haben wir hier noch die Auffassung, von der aus Aristophanes
ran. 93 das Euripideische xeAibóvwv μουςεῖον parodirt; ja vielleicht will
L. damit seine φωνὴ βάρβαρος bescheidener Weise gegenüber der Stimme
des Graius homo bezeichnen (s. d. Ausl. zu Aesch. Ag. 1050); der Abstand
muss, wie der folgende Vergleich zeigt, sehr bedeutend gedacht sein. —
tremuli heissen die Glieder des Bóckchens, bei dem noch nichts Festigkeit
gewonnen hat, iremulis cum vocibus haedi II 367, incipicnt haedi tremulum
producere mentum Manil. V 108. Vgl. Ennius ann. 36 excila cum iremulis
anus attulit artubus lumen. — 9 pater ist nur als Anrede, nicht als
Prädicat denkbar; sie kommt einem Gott, aber auch dem zu, in dessen
potestas man sich fühlt, auf dessen paíria praecepia man also hört;
rexque paterque hat Horaz den Maecen genannt (epp. 17, 37), pater
Chrysippus sagt der Stoiker (sat. 13, 126), Ennius pater der Dichter
(epp. 119, 1). Wie pater durch tw... suppeditas, so wird rerum inventor
durch iuis ez chartis... depascimur erläutert. Lucrez giebt von sich aus die
Worte oder carmina, die res hat Epikur gefunden. Damit wird er aber
zugleich als εὑρέτης der Wahrheit bezeichnet, denn als Gegensatz zur
res schwebt andererseits der täuschende Schein vor; pater veri heisst
Epikur Petron. 132, und bei Cleomed. met. II 89, wenn auch ironisch,
ὃ μόνος καὶ πρῶτος ἀνθρώπιυν τὴν ἀλήθειαν ἐξευρών, vgl. auch Cicero zu
v. 14. — Aus rerum inventor ergiebt sich ferner, in welchem Sinne der
von Vielen vielfach gewendete uralte Vergleich des Dichters mit der
Biene, des Gedichts mit dem Honig (musaeo contingere melle I 947)
hier gemeint ist: wie die Biene den süssen Stoff aus den Blumen
saugt und nur so ihr Gebilde schaffen kann, so schöpfte L. die res,
deren natura er besingt, aus den charíae Epikurs. Dazu kommt aber
ein weiterer Vergleichspunkt, der durch das betonte omnia hervorgehoben
wird: die Biene saugt aus allen Blumen; ὡς ξουθόπτερος yelıcca
ευνενέγκαιμ᾽ ἂν ἐκ πάντων γόους Eurip. Herakles 488, μέλιςςαι.. πάντα
περικνίξαςθε Anth. Pal IX 226; so lässt sich aus allen den goldenen
Worten Epikurs Wahrheit gewinnen. Bei dicía brauchte man hier an
keine besondere Absicht des Dichters zu denken, aber es kehrt etwas auf-
fallender wieder VI 24 veridicis igitur purgavit pectora dictis V 52 cum
... mulla ac divinitus ... dare dicía suerit: so wird man daran denken
dürfen, dass für Epikurs Aussprüche φωναί die stehende Bezeichnung
gewesen zu sein scheint; die κύριαι δόξαι gingen auch unter dem Titel
"Emxoópou φωναί (Epic. p. 342, 12); Laertius sagt X 26 von seinen
Schriften γέγραπται δὲ μαρτύριον ἔξωθεν ἐν αὐτοῖς οὐδέν, ἀλλ᾽ αὐτοῦ
eicıv Ἐπικούρου φωναί, Epikur selbst (Spruchsammlung n. 41) μηδαμῇ
λήγειν τὰς ἐκ τῆς ὀρθῆς φιλοςοφίας φωνὰς ἀφιέντας, wo Usener *Kern-
sprüche” übersetzt; vgl. ferner ep. I p. 4, 7; 9,1. L. bezeichnet alle diese
Aussprüche als aurea — denn es ist wohl klar, dass er mit diesem
Epitheton nicht einzelne aus der Zahl der minder werthvollen heraus-
heben will —, und wiederholt in Homerischer Weise (Αἰθίοπας... Αἰθίοπας
Tol δίχθα δεδαίαται) dies aurea, um es durch perpeiua semper dignissima
vita zu ergänzen: wenn sie ewigen Lebens werth sind, so verdienen sie
jetzt und allezeit wiederholt und wiedergegeben zu werden. semper
verstärkt das perpeluus, wie V 325 semperque aeterna fucre. Beispiele
dieser nur scheinbaren Abundans der Rede giebt Krätsch in seiner guten
VERS $—16. . B1
Arbeit de abundanti dicendi genere Lucreliano p.69 sq. — 14 nam:
‘Dieses höchste Lob ist berechtigt, denn...” — ratio würden wir hier
mit “Philosophie” übersetzen, wie I 51 amimum adkibe veram ad
rationem u.0., V 9 vitae rationem invenit. eam quae nunc appellater
sapientia; aber auch griechisch würde man λόγος setzen. Von dieser
ratio ist ausserordentlich kühn gesagt vociferari naturam: weit mehr als
sonare, loqwi, crepare u.&. scheint vociferari transitivzem Gebrauch zu
widerstreben. Trotzdem würde man sich über Objecte wie pawca,
talia etc. nicht wundern; sie bezeichnen das, was man spricht, nafuram
rerum dagegen hier das, worüber die ratio spricht. Man versteht aber so,
was L. bezweckt: in Epikurs φωναί ist die nafwra so vollständig und
unmittelbar enthalten, dass man sagen darf: sie sind die Natur; er giebt
uns nicht Worte oder Gedanken über die Natur, sondern diese selbst.
Weit schwächer, was L. I 731 von dem gleichfalls verehrten Empedokles
sagt: carmina quin cliam divini pectoris eius vociferantur et exponunt
praeclara reperta, μὲ vix humana videatur stirpe creatus. — Das starke
vociferari ist absichtlich gebraucht; je zuversichtlicher und sicherer der
Redende ist, desto lauter spricht er; wenn gerade von Epikur so auf- ,
fallend häufig clamare (Cic. de fin. 1 18, 57; II 8, 23; 16, 51; V 31, 98;
de nat. deor. I 31, 86; 34, 95) und βοᾶν (Athen. VII 280a vgl 2181
Hermarchos bei Ambros. epist. [class. I] LXIII 19 cf. Usener praef. p. XLIII)
gebraucht wird, so mag das auf ihn selbst zurückgehen; sagt doch auch
sein getreuer Anhänger Diogenes v. Oin. fr. 33 τὴν μὲν ἡδονὴν ἐρῶ καὶ
γῦν καὶ del näcıv "ElAncıv ... μέγα ἐμβοῶν τῆς ἀρίετης διαγωγῆς
ὑπάρχειν τέλος. — Die beseligenden Wirkungen der Lehre treten ein,
sobald die ratio nur begonnen hat zu sprechen: gilt doch vom gröfsten
Theile der ganzen Lehre, was Epikur (Cic. de fin. 19, 30) von ihrem
Hauptgrundsatze rühmt: segat opus esse ralione seque dispulatione . . .
tantum esse satis admonere; Alles leuchtet von selbst ein, sole ipso in-
lustriora et clariora (ebd. I 21,71). — Göttlich wird der Geist genannt,
dem diese Lehre entsprungen ist. Das Beiwort besagt ja im Allgemeinen
nicht mehr als decnecıoc, und wie trivial die Bezeichnung deus war,
kann man z. B. aus der geschmacklosen Wendung Ciceros de or. II 179
sehen: dispositio argumentorum, in qua iu mihi semper deus videri soles.
Aber dass L. hier nicht leichthin spricht, zeigt das Prooemium su B. V,
deus ille fuit u.s. f. Es ist bekannt, dass auch hierin die Tradition der
Schule fest stand, und dass Epikur selbst diese Ueberschwünglichkeiten,
wenn er sie auch als ἐπιθυμήματα ἀφυειολόγητα, d.h. als dem Geiste
seiner Lehre widersprechend erkannte, höchstens mit gutmütigem Spott
zurückgewiesen hatte (s. Usener zu fr. 141 u. Wiener Stud. X p. 185). —
16. Das Erste und Nothwendigste ist, dass der Geist von Furcht befreit
werde; erst dann ist überhaupt ein Lebensgenuss möglich. Das einzige
Mittel aber, um die (errores animi zu verscheuchen, ist die Philosophie
und zwar die φυςιολογία: οὐκ ἦν τὸ φοβούμενον λύειν ὑπὲρ τῶν κυριω-
τάτων μὴ κατειδότα τίς fj τοῦ εύμπαντος φύεις, ἀλλ᾽ ὑποπτευόμενόν τι
κατὰ τοὺς μύθους sent. sel. XIL So wird diffugiunt. animi terrores erklärt:
‘die Mauern der Welt weichen aus einander, und im ganzen Raume seh’
ich die Dinge sich vollziehn.” Moenia mundi discedunt ist der poetische
Ausdruck dafür, dass nichts den Blick des Geistes mehr hindert; noch
49
52 COMMENTAR
&nschaulicher heisst es I 72 von Epikur exíra processit longe flammantia
moenia mundi alque omne inmensum peragravit mente animogue (vgl. auch
IL 1044 1f) Auch das geht wohl auf Epikurische Aussprüche zurfick;
so lässt Cicero de n. d. 120, 45 den Velleius sagen dei operam mon
desiderarelis si inmensam ei interminalam tin omnes partes magniludinem
regionum viderelis, in quam se iniciens animus ci intendens ita late longe-
que peregrinatur etc.; de fin. II 31, 102 eius qui innumerabilis mundos
infinilasque regiones ... mente peragravisse (vgl. auch de nat. deor.
18,18 oben zu v. 1). Vor Allem verdient Beachtung, was der Bischof
Dionysius ironisch behauptet (bei Euseb. praep. XIV 27, 8 fr. 364) τοῦ
κόςμου προκύψας Ἐπίκουρος xal τὸν οὐράνιον ὑπερβὰς περίβολον...
τοὺς ἐν τῷ κενῷ κατεῖδε θεοὺς καὶ τὴν πολλὴν αὐτῶν ἐμακάριςε τρυφήν.
Da haben wir etwas den moenia mundi des L. Entsprechendes. Ohne
Bild gesprochen, ist das nach L. in unserer Welt der Aether, V 458
primus se sustulit aether ignifer ...et late diffusus in omnis undique
partis omnia sic acido complexu cetera. saepsit und II 1066 qualis hic
(mundus) est, avido complexu quem tenet aether, daher flammantia moenia
mundi 1 73; dasselbe bezeichnet der Epikureer bei Plut. de plac.
philos. I 4 p. 389}. (fr. 308) als οὐρανός, nur dass sein Ausdruck περι-
πλεκόμενα (rà εὠματα) δὲ ἀλλήλοις κατὰ τὴν περίκλαειν τὸν οὐρανὸν
ἐγέννηςε auf eine feste Schranke schliessen lässt, wie sie Demokrit an-
nahm: Aet. II 1, 2 p. 8336 D. Λεύκιππος καὶ Δημόκριτος χιτῶνα κύκλῳ xal
ὑμένα Trepıreivoucı τῷ xócuuy διὰ τῶν ἀγκιςτροειδῶν ἀτόμων ευὐμπεπλεγ-
μένον, und so, mit einem an L. moenia erinnernden Ausdruck, Parmenides
ebd. 1 p. 835 τὸ περιέχον mäcac (τὰς crepávac) τείχους δίκην crepeóv
ὑπάρχειν. Epikur selbst sagt (Aet. II 7, 3 fr. 308) ἐνίων μὲν κόεμων
ἀραιὸν τὸ πέρας, ἐνίων δὲ πυκνόν, und wird seiner Gepflogenheit gemäss
auch für unsere Welt beide Möglichkeiten offen gelassea haben (vgl. ep.1I 88).
— Alle Dinge bewegen sich im Raum, dem κενόν, ohne das eine Be-
wegung überhaupt unmöglich wäre; innerhalb der Welt ist das inane
mit Materie angefüllt, ausserhalb ist es inane vacuum. B. über den
Begriff bei L. Hoerschelmanns vortreflliche quaestiones Lucrelianae alterae
Lips. 1877. Durch das ganze inane also sieht man, nachdem die soenia
mundi auseinander gewichen sind, res geri: I 328 corporibus caecis
igitur natura gerit res; und so oft. Dabei sieht man die Götter in seliger
Ruhe, gänzlich unbekümmert, also auch um uns nicht sorgend, sieht
aber nicht die Unterwelt mit ihren Schrecken: da schwinden denn die
beiden Hauptanlässe zur Furcht, die Epikur und die Seinigen immer
wieder hervorheben. So behandelt L. gleich im Eingange des Gedichts
ausführlich I 62— 101 die religio, 102—135 den timor mortis; II 44
religiones .. . mortisque timores u.s.f. Aehnlich wie L. hier, mit Hervor-
hebung der supera und infera, spricht Epikur sent. XIII τῶν ἄνωθεν
ὑπόπτων καθεςτώτων xal τῶν ὑπὸ γῆς xal ἁπλῶς τῶν ἐν τῷ ἀπείρῳ
(totum per inane). — Zum ganzen Satz vgl. endlich Cic. Tusc. I 21, 48 soleo
saepe mirari nonnullorum insolentiam philosopkorum, qui naturae cogmi-
tionem admirantur eiusque inventori et. principi gratias exultantes. agunt
ewunque venerantur ut deum; liberatos enim se per cum dicunt gravissimis
dominis, ierrore sempiterno εἰ diwno ac nocturno metu: auch hier ist
aus Cieero auf Vorlagen des L. zu schliessen, — 18 Zwischen den
--πα---“-Ὁ ------.Ἅ.“-:- — — ——— — -....... —M — — —
VERS 16-26. 53
einzelnen Welten ist leerer, oder genauer, an leeren Stellen reicher Raum,
μετακόζμιον ὃ λέγομεν μεταξὺ xócuwv διάςτημα (Epic. ep. II p. 37):
hier wohnen die Götter. L. nennt diese intermundia nie, sondern
von den sedes sancíae nur, sie seien nicht in mundi partibus ullis (V 146),
sondern mostris sedibus dissimiles. Mit positiven Angaben über die
Natur der Götter ist er überhaupt sehr karg. Das ist ihm bei den
eigenthümlichen Schwierigkeiten dieses Theiles der Epikurischen Lehre
nicht zu verdenken; scheint doch Epikur selbst sich hier sehr zurückhaltend
geäussert zu haben und erst die jüngere Schule nicht davor zurlück-
gescheut zu sein, die Consequenzen des Systems auch hier bis ins Einzelne
zu ziehen (Hirzel Unters. 1172). L. hilft sich hier, um die sedes-
quielae (nisi quietum autem nihil beatum est Velleius b. Cicero n. d. I 20, 52)
zu schildern, mit einem Homercitati: wo der Epikureer sich an eine
landl&ufipe Vorstellung anlehnen kann, versäumt er es nie. Od. 6, 42
vom Olymp ὅθι aci θεῶν ἕδος ἀςφαλὲς αἰεὶ ἔμμεναι" οὔτ᾽ ἀνέμοιει
τινάςςεται οὔτε ποτ᾽ ὄμβρῳ δεύεται οὔτε χιὼν ἐπιπίλναται, ἀλλὰ μαλ᾽
αἴθρη πέπταται ἀνέφελος, λευκὴ δ᾽ ἐπιδέδρομεν αἴγλη τῷ ἕνι τέρπονται
μάκαρες θεοὶ ἥματα πάντα. Die Naturkräfte werden dem jüngeren Dichter
ganz unwillkürlich zu handelnden Wesen, conculiunf adspergunt violat m ὁ
fegit, und auch sonst drüngt es ihn zur Veranschaulichung; der Schnee heisst
acri concrela pruina, ὕδατος πῆξιν λαμβάνοντος διά τινα ἰεχυρὰν yuxpa-
ciac mepictacıv Epic. ep. II p. 49 (so concrescere bei L. in B. VI von den
μετέωρα häufig), und fällt nicht nur, sondern cana cadens violat: so wird —
das Unerfreuliche seiner Wirkung ausgemalt. Andererseits besagt auch .
large diffuso lumine rident mehr als das Griechische (dem es besser ent-
spricht, wenn ridere von den sedes, nicht vom aether ausgesagt wird),
vgl Il 1, 362 γέλαςςε δὲ müca περὶ χθὼν χαλκοῦ ὑπὸ crepormfjc Vor
Allem aber heischt das homerische τέρπονται Erweiterung, da hierauf
für L. der Hauptnachdruck liegt; dass v. 28f. den Göttern, nicht den
schauenden Sterblichen gelten, bedarf nicht des Beweises. L. citirt ver-
muthlich eine Epikurische φωνή, die uns direct nicht erhalten ist; wohl
aber entspricht in der Zweitheilung genau, was der Epikureer bei Plut.
de plac. I 7, 7 (p. 300D.) sagt: τὸ μακάριον xai ἄφθαρτον ζῷον, πεπλη-
ρωμένον Te πᾶει τοῖς ἀγαθοῖς xal κακοῦ παντὸς ἄδεκτον (das Gleiche
stand wohl bei Philod. m. θεῶν α΄ col. 2, Scott Fr. Herc. p. 208), und nach
derselben Vorlage Cio. n. d. I 40, 111 suppedilatio bonorum nullo malorum
interventu. Völlig bedürfnisslos sind ja die Götter nicht, aber wie den
Menschen, als sie noch ὥς τε θεοὶ ἔζωον (Hes. opp. 112), Dike μυρία
πάντα παρεῖχε (Arat. 113), so wird den Göttern alles ohne ihr Zuthun,
durch ihre eigene natura, ἅπαντες γὰρ (ol θεοὶ) αὐτάρκως ἑαυτοῖς παρα-
«κευαςτικοὶ τῆς τελειοτάτης ἡδονῆς eicıv (Philod. m. τῆς τῶν θεῶν δια-
γωγῆς V. H.! VI fr. 10). 8.0 stört nichts der Götter Seelenfrieden, auch
nicht die Sorge um die Welt und was in ihr ist: τὸ μακάριον καὶ
φθαρτον οὔτε αὐτὸ πράγματα ἔχει οὔτε ἄλλῳ παρέχει sent. L
25 Dagegen sieht der alles durchdringende Geist nirgends die
Acherusia iempla (so schon 1120 wohl aus den Annalen des Ennius,
der auch in der Andromacha fr. 70 sagt Acherusia templa alta Orci),
und weiss also, dass sie nicht existiren. Auch ὑπὸ vfjc (s. Epikur
sent. XIII zu v. 17) sind sie nicht, wo Viele sie sich vorstellen; man
δ4 COMMENTAR
erinnere sich, dass noch Aristoteles meteor. 855b 32 die Angaben im
Platons Phädon. über den Ort des Tartaros wissenschaftlich wi
Die Erde ist kein Hinderniss für den Blick des Geistes: wie weit man
also auch die Acherusia templa unter uns in der Tiefe, ja ausserhalb
unserer Welt sich denken mag, omnia dispiciuntur sub pedibus quaecunque
infra per inane geruntur. Vgl. z. B. Chaleid. in Tim. c. 66 obiectu ferrae
solum id hemisphaerium quod. superne fuerit videlur: alterum interim late
sub australi polo, quem μέ ait poeta (georg. 1 243) Sub pedibus Styz aira
videl. manesque profundi. — Aus der ganzen Stelle hat wohl Prudentius
die Anregung zu seiner Schilderung der Alles durchdringenden Kraft des
Geistes Hamart. 867 ff. geschüpft, s. z. B. v. 905 obiacet interea tellus, mec
visibus obstat. — 28 ibi weist zurück auf simulac ... coepit vociferari. Bei
diesen Enthüllungen erfüllt ihn göttliche Wonne; so erzählt E selbst
im Brief an seine Mutter (Rh. M. 47 p. 427) von φάςματα οἷα τὴν διά-
Becıv ἡμῶν icóOcov ποιεῖ καὶ οὐδὲ διὰ τὴν θνητότητα τῆς ἀφθάρτου
καὶ μακαρίας φύςεως λειπομένους ἡμᾶς δείκνυει. Dazu horror, ehrfurchts-
voller Schauder wie in Götternähe; man citirt Stat. Theb. I 493 Jaefws-
que per arius horror iii; auch da empfindet Adrastus das Waltem der
Gottheit; so Liv. 116,6 cum perfusus horrore venerabundus adsiilissem
bei der Erscheinung des Quirinus, horrendum silvis et religione parentum
heisst eg Virg. Aen. VII 172 vom Tempel des Latinus. Also, wie Epikur
an Kolotes schreibt (fr. 14) ὡς ςεβομένῳ coi τὰ τότε ὑφ᾽ ἡμῶν Àeyó-
μενα προςέπεεεν.
81—93 Einleitung. “Nachdem ich tiber die Eigenschaften der
Atome und ihrer Verbindungen gehandelt habe, muss ich nun die Natur
der Seele aufhellen und die Todesfurcht vertreiben, die dem Menschen
jede Lust trübt (81—40). Denn es behaupten zwar Manche, auch ohne
unsere Philosophie allen Seelenaberglauben abgeschüttelt zu haben:
kommen sie aber in Gefahr, so zeigt sich's, dass ihr Rühmen eitel
Prahlerei war (41—58). Habsucht und Ehrgeiz, die Grundübel der
menschlichen n Gesellschaft, werden vor Allem durch die Todesfurcht ge-
nährt; manche nehmen sich selbst, aus Todesfurcht, das Leben; sie Met
alle Bande der Scham und Pietät (59—86). Nur Naturbetrachtung
vermag die Schrecken zu verscheuchen, die uns am hellen Tag erfüllen
wie die Kinder in der Dunkelheit (87—93)’. — 31 qwoniam docwi
recapitulirt den Inhalt des zweiten Buches, wie dann IV 26 aíqwe anime
quoniam docwi natura qwid esset den des dritten, vgl. V 59, VI 48. Der
zweite Theil des Buches wurde II 333 angekündigt: nunc age, iam dem-
ceps cunctarum exordia. rerum. qualia sint εἰ quam longe dislantia formis
; im ersten Theil war ihr aeternus molus beschrieben (volitent ...
motu == II 1055); das ganze Buch handelte zugleich über die Entstehung
der Atomverbindungen, quo modo possint res creari. Das Letztere wird
hier besonders erwähnt und spomíe sua zu volitare hinzugesetzt, um am-
zudeuten, dass damit zugleich der Glaube an die Eingriffe einer über
irdischen Macht, also die QGötterfurcht, beseitigt werde: der zweite ferrer
bleibt nun zu bekämpfen. — exordia braucht L. nicht wie primordia
als technischen Ausdruck für das Atom, sondern gleich 'Anfang", und
dann in der Verbindung cunctarum exordia rerum, wo, wie Munro zu
II 338 bemerkt, der Zusatz cwnciarum rerum das prima ersetzt; eimma]
"AME
VERS 35—41. δδ
auch exordia prima III 880. Die Atome sind verschieden an Grösse
und Gestalt, ἀπερίληπτα ταῖς διαφοραῖς τῶν εχημάτων, und in ewiger
Bewegung, κινοῦνται cuvexüc τὸν αἰῶνα, ohne Anstoss von aussen. —
34 ne in der Doppelfrage, directer wie indirecter, bei L. wie bei Plautus
(Langen Beitr. 96), auch bei Virgil (Wagner quaest. Verg. XXXVI 5)u. A,
ohne disjunetive Kraft. — 35 animus und anima werden gleich bei der
ersten Erwähnung geschieden: s. darüber zu v. 94. — 37 Die Todes
furcht ist aus dem Leben zu vertreiben, foras agendus, und zwar prae-
ceps, so dass sie keinen Widerstand zu leisten vermag, II 278 invitos
coget procedere saepe praecipilesque rapi. Das liegt in der Redensari
auch Liv. VIL24. 6. δ (hostes) supina valle praecipites egistis VIII 7, 8
(iuvenis) praeceps ad id ceriamen agitur. Viel häufiger bekanntlich prue-
cipilem dare (s. Thielmann, das Verbum dare im Let. p. 116). — Man
hat, wie Philodem m. θεῶν eol 16. 19. 28 zeigt, in der Epikureischen
Schule gestritten, ob die Todes- oder Götterfurcht verderblicher wirke;
wenn L. hier Unglück und Frevel wesentlich auf die erstere zurück-
führt, so entspricht das seinem nächsten Zwecke; aber auch I 107 ff
ist ihm die Todesfurcht das Gefährlichere, ohne das auch dem Schrecken
der religio leichter zu widerstehen wäre. Vgl. Torquatus bei Cie. de fin.
I 15, 49 morlis mes omnis quielae vilae status. perturbatur. L' Bild
turbare funditus ab imo ist wohl vom Wasser entlehnt, das durch Auf-
rühren des Grundes getrübt wird; das wirkt auch weiter in colwplalem
liquidam puramque “rein, wie ruhiges abgeklärtes Wasser’. Mortis nigrore
suffundens (vgl. 304 suffundens caecae caliginis umbram VI 479 [nebulae]
suffundunt sua caligime cadum): die Schwürze steigt von unten auf.
Schwarze Farbe kommt Allem zu, was mit dem Tode in Beziehung
steht, und so auch diesem selbst; mors atra sagt Horas, aber auch mare
atrum vom aufgewühlten Meere. — segue ullam voluptatem . . . relingwil
giebt den zweiten Theil der zu v. 16 eitirten sent. sel XII: (cre οὐκ
ἦν ἄνευ φυειολογίας ἀκεραίους τὰς ἡδονὰς ἀπολαμβάνειν.
41 L. wendet sich gegen Leute, die doch ἄνευ gucoloyiac an's
Ziel gelangt zu sein behaupten. Die Epikurische Schule hat energisch
den Standpunkt vertreten, dass ausser ihr kein Heil zu finden sei;
Spuren davon finden sich z. B. in Comparettis Fragm. eth. c. I (Usener
Epic. p. XLVII) τῶν εἰρημένζων πρὸς τοὺς ἄγνευ Qilocopí(ac ... τὰ
πράξεις κατορθοῦεθαι «qácxovrac, vielleicht auch bei Philod. π. θεῶν e. I
5 Scott p. 207) und in dem von Körte edirten Tractat col V. VII
Jahrbb. Suppl XVII p. 581 £.); vgl auch Seneca ep. 82,7 haec (cupi-
ditates et timores) quidam pulant ipsos eliam sine philosophia repressisse;
sed, cum securos aliquis casus expertus est, exprimitur sera confessio. Ins-
besondere aber beschäftigt sich damit des Polystratos Schrift περὶ ἀλόγου
xatappovijcewc “über unwissenschaftlichen Hochmuth" (ed. Gomperz Herm.
XI p.399), deren Gedanken sich mannigfach mit dem von L.
berühren. Auch er hält es für das Wichtigste (Fr. 9°) τὸν ἐκ τῆς ψυχῆς
φόβον AOca xal τὴν ὑποψίαν. .. ὃ οὐκ fjv Tivechan ἄνεν τοῦ ἐξετάςαντα
γνῶναι, ὅτι τὰ παρέχοντα τὴν ταραχήν ἐςτι Ψευδῆ. Diese Erkenntniss
gewährt nur die ὀρθὴ quaoloyía: ἐκ yàp ταύτης μόνης τὸ θαρρεῖν
βεβαίως καὶ ἀμεταπτώτως γίνεται (οο]. XXI"). Auch er führt Leute vor,
die davon nichts wissen wollen nec nosirae rationis egere: "kal τὰρ ἐγὼ
δθ COMMENTAR
τοῦτ᾽ οἶθα καὶ τοῦτο βούλομαι xal τοῦτ᾽ οἴομαι δι᾿ οὗ ἐνεργῶ παρα-
«κευάςαςθαι (col. I^ »ᾳ.). Aber es geht ihm wie den Prahlern bei L.:
ὄψει τοὺς τὰ τοιαῦτα διαλεγομένους αὐτοὺς πρῶτον δειςιδαιμονοῦντας
ἐπὶ τῶν ἔργων, κἄν τι θραςυνόμενοι ἀποτολμήςιυςιν κατὰ τὸν αὑτῶν
λόγον πράξει, μεταμελείαις καὶ φόβοις ευνεχομένους (col. II^ sq.). Wie
bei L. laudis causa, 80 hier ἄχρις τῆς πρὸς τὸν πληείον δοξοκοπίας, οὐχ
ἕως καὶ τῆς αὑτῶν ἀταραξίας τοὺς λόγους ἐποιοῦντο (col. XII. Das
alles steht der Gattung der mporperrrixol λόγοι nahe; und da Aehnliches
von Epikureischer Seite gewiss oft gesagt worden ist, kann L. sehr wohl
aus der von ihm benutzten Vorlage die Anregung zu seiner Auslassung
geschöpft haben. — ferunt mit acc. c. inf. und bestimmtem Subject
scheint selten zu sein; Cic. de har. resp. 10,20 ez gigantibus illis quos
poetae ferunt bellum dis inmortalibus intulisse. Hier liegt Etwas wie
*ruhmredig behaupten’ darin, wie öfters in ferre mit blossem Accusativ:
Liv. praef. 7 ea belli gloria est pop. R., wi cum suum ... parentem
Martem . . . ferat, (am et hoc gentes humanae patiantur aequo. animo . . .,
IV 45,77 ceríamen subito inter tribunos exorium: se quisque belli ducem
poliorem ferre, XXI 41,7. utrum Hannibal hic sii aemulus itinerum
Herculis, ut ipse fert; ganz gewöhnlich ist das ja bei prae se ferre. — 42 Im
Tartarus haust der Tod, daher T. leti: so hat das Virgil verstanden,
wenn er georg. IV 481 domus aique intima leli Tarlara verbend; dabei
braucht man sich lefwm nicht personificirt zu denken. — 43 animae als
Dativ, wie Lachmann wollte, ist gegen L.’ Gebrauch; die natura eines
Dinges ist kein “Besitz”, wie er durch Aabere oder esse mit dat. ausge-
drückt werden könnte. Dagegen ist nicht anzuführen II 817 non certis
certa figuris est natura coloris oder 757 si nulla coloris. principiis est
reddila natura, denn hier heisst das nicht ‘sie sind nicht Farbe’, sondern
‘sie haben keine Farbe’, I] 737 nullus cnim color est omnino materiai
corporibus; und so auch I 682 si ardoris naturam cuncta tenerent. Dann
ist aber auch animi hier besser überliefert; und ‘das Wesen der Seele
ist das des Blutes’ kann nicht anders heissen als animi nalura sanguinis
est (vgl. Woltjer, Jahrbb. 119, 784). — Dabei wird man nicht an so
fern abliegende Philosopheme wie die des Empedokles oder gar Kritias
denken dürfen, wird auch bei venti nicht an die Stoa zu denken brauchen:
L. hat Laien im Auge, die als Lebenselement das Blut oder den Athem
ansehen. Beides liegt ja sehr nahe, δρέοντες ἀποςφαζομένους τοὺς ἀν-
θρώπους καὶ τὸ αἷμα ῥέον ἐκ τοῦ εὐματος, τοῦτο νομίζουειν εἶναι τὴν
ψυχὴν τῷ ἀνθριύπῳ Hippocr. de nat. hom. c. 6; noch die Stoa lässt ja die
Seelen sich vom Blute nähren, und auch bei L. wird des Blutes Wichtig-
keit für die Erhaltung des Lebens betont. Noch nüher lag das Andere:
animum alii animam, μὲ fere nosiri. declarat nomen ... ipse autem
animus ab anima dictus est Cic. Tusc. I 9, 19; da ist anima nichts Anderes
als Hauch, πνεῦμα, ventus bei L.: die Gleichung animus ἄνεμος ist gewiss
oft gesetzt worden. — Dabei leitet diese Leute keine wissenschaftliche
Ueberzeugung, sondern wie es ihnen gerade einfällt, si fert iia forte
volunfas, sprechen sie von sangwis und anima. Daher hält denn ihre
Ansicht auch nicht Stich: nur der Weise óyerameicruc πέπειςται
(fr. 322) — 45 non prorsum ganz und gar nicht‘, Madvig de fin. II 5,17,
wie v. 1087 »ec prorsum . . demimus hilum fempore de mortis u. &.
VERS 41— 59. 57
— 48 Wenn die infamis οἷα, die sie mehr als den Tod zu fürchten
vorgaben, wirklich da ist, wenn ein crimen (wrpe sie aus dem Vaterland
vertreibt und selbst im Auslande aus den Kreisen der Menschen ver-
bannt, kurz wenn Unglück aller Art über sie hereingebrochen ist —
vivont, sie bleiben am Leben (so VI 1207 meiuentes limina leli vive-
bant ... et manibus sine nonnulli pedibusque manebant. in vita), und ob-
wohl sie von der Materialität, also von der Vergünglichkeit der Seele
überzeugt sein wollten, so handeln sie nun doch (famem 51) so, dass
man sieht, sie sind im alten Aberglauben befangen: sie bringen Todten-
opfer, parentant, glauben also an die Macht der Abgeschiedenen, und
zwar thun sie es quocumque venere, während die paremíatio eigentlich
nur am Grabe selbst stattfindet; die Bestandtheile der parentatio sind
das Widderopfer, migras mactant pecudes, und die Weinspende, inferias
mittunt. Ueberhaupt giebt das Unglück der religio, zu der auch der
Glaube an die manes divi gehört, vor Allem Macht über den Menschen:
deshalb erkennt man seinen Binn am ehesten in dubiis periclis adversis-
que in rebus. — 57 voz ist bei L. nie Ausspruch oder Aeusserung, wie
sonst so häufig, sondern immer φωνή im physischen Sinne, Ton oder
Stimme. So eignet es sich hier vorirefflich für die unwillkürlich ge-
Busserlen Laute der Wahrheit, und dazu passt auch im folgenden Verse
vortrefflich eliciwntur: “sie werden wider den Willen des Betroffenen her-
vorgelockt aus der Tiefe der Brust’. In eiciuntur, was Ὁ. a. Lachmann
schrieb, läge nichts von dieser Nötigung, sondern etwas von einer Heftig-
keit des Aeusserns: die wäre ein überflüssiger, wenn nicht störender Zug
im Bilde. — εἰ eripitur, nicht deripitur (Brieger), schon aus metrischer
Rücksicht; denn, wie Munro introd. p. 13 constatirt hat, lässt Lucrez
Wortende nach der zweiten Thesis zwar bedingungslos zu, wenn die
beiden ersten Füsse Daktylen sind, nach Daktylus und Spondeus oder
zwei Spondeen dagegen nur, wenn ein einsilbiges Wort folgt. Die ein-
zige Ausnahme III 527 et membratim vitales deperdere sensum hat ihren
besonderen Grund, s. z. St. — manet res mit allen Neueren zu schreiben,
habe ich Bedenken getragen. Wenn die Maske abgerissen ist, so bleibt
die wahre Gesinnung des Menschen zurück: dass man das einfach durch
res bezeichnen könne, glaube ich nicht; es ist zu beachten, dass das
Bild sehr deutlich als solches empfunden wurde, viel mehr als von uns.
Ganz anders Beneca ep. 29, 18 non hominibus (lantum sed rebus persona
demenda εἰ reddenda facies sua. Man könnte hier an mala re denken:
‘das Unglück reisst ihnen die Maske ab’.
59 Habsucht und Ehrgeiz, die Grundübel namentlich der Republik
Rom, sind die beiden Laster, die vor Allem in römischen Moralschriften
stets im Vordergrunde stehen; man erinnert sich vieler Stellen bei Cicero,
Horaz, Seneca u. Anderen. Natürlich kämpft auch die griechische Philosophie
dagegen: φιλοπλουτία, φιλοδοξία, φιληδονία sind die Cardinallaster der
Stoa: das dritte tritt in Epikureischen Kreisen aus einleuchtenden
Gründen zurück. Dass L. aber hier nicht aus philosophischen Compendien,
sondern aus der Stimmung seiner Zeit geschöpft hat, fühlt man; den
Beweis kann Sallust liefern, Catil 10 primo imperii, deinde pecuniae
cupido crevit: ea quasi materies omnium malorum fuere. namque avaritia
fidem probitatem celerasque artis bonas. subvortit; pro his superbiam
68 COMMENTAR
crudelitatem, deos neglegere omnia venalia habere edocuit. ambitio multos
moríalis falsos fieri. subegit, aliud clausum in pectore aliud in lingua
promptum habere, amicitias. $nimiciliasque non ex re sed ex commodo
aestumare, magisque vollum quam ingenium bonum habere, — 61 interdum
socios scelerum steigert das Vorhergehende: man kann /imes iuris trans-
scendere, ohne sich deshalb an Verbrechen zu betheiligen. scelus ist
weit mehr als iniuria u. &; steigernd sagt Cic. de off. III 18, 75 (error)
qui fons est fraudium maleficiorum scelerum omnium. — minister häufig
gerade im tüblen Sinn, als “Helfershelfer’ u. &; Cic. PhiL XII 7,17 in
eius socios facinorum el ministros sum semper invectus; X112,29 qui
eius crudelissimi et taeterrimi facinoris ministri socii. adiutores fuerunt;
Liv. III 57, 3. ministro cubiculi sui; Juven. III 46 me nemo ministro fur
erit. — 62 praestante laborc: dies ewige Abmühen Tag und Nacht,
das gerade Gegentheil der allein erstrebenswerthen quies, würde für den
Epikureer schon genügen, um die Leidenschaften als colnera vitae er-
scheinen zu lassen; so Torquatus Cic. de fin. I 18, 60 sero sentiunt frustra
se aut pecuniae studuisse aut imperiis aut opibus aut gloriae; nullas enim
consecunlur coluptates, quarum potiendi spe inflammat multos labores
magnosque susceperant. — praestante, d. h. sie suchen es Anderen an
Anspannung der Kräfte zuvorzuthun; praestantia debent cea dici quae
habent. aliquam comparationem Cic. 'Tusc. V 13, 38. — 68 Die kühne Be-
haubtung, dass die Hauptwurzel auch dieser Uebel die Todesfurcht sei,
ist echt Epikureisch; vgl Porphyr. de abst. 154 im Epikureischen Zu-
sammenhange (cf. fr. 456. 458. 461—466): εἴπερ δι᾽ ἡδονὴν ἅπτεται
κρεωφατγίας, τὸν θάνατον φοβεῖται εὐθὺς γὰρ τῇ crepficer τῶν Bpw-
τῶν ευνάπτει ἀορίετου τινὸς δεινοῦ παρουείαν, ἐξ ἧς ὃ θάνατος. παρὰ
δὲ τὰς τοιαύτας καὶ τὰς ὁμογενεῖς αἰτίας καὶ fj τοῦ Ζῆν ἄπληςτος ὄρεξις
γίγνεται καὶ πλούτων καὶ χρημάτων καὶ δόξης, wo auch die Ausführung
zu dem bei L. Folgenden stimmt. — 65 als turpis contemptus bezeichnen
sie das, was dem Weisen ein glückliches λαθεῖν ist, und Armuth erscheint
ihnen als acris egestas, ebenfalls thöricht, neque enim est umquam penuria
parvi V 1119. Aber ihre Vorstellung einer dulcis vita ist eben irrig,
und durch Streben nach Macht denken sie die stabilitas vilae zu ge-
winnen: claros homines voluerunt se aique potentes, «t fundamento stabili
fortuna maneret V 1120 nach sent. sel. VII ἔνδοξοι xai περίβλεπτοί τινες
ἐβουλήθηςαν Tevecda τὴν ἐξ ἀνθρύπων ἀεφάλειαν οὕτω νομίζοντες
περιποιήςεςθαι: und wie selten gelingt ihnen das in Wahrheit. — Der
Abstand der dulcis vita stabilisque vom Tode ist weit: aber contemptus
und egesías sind von jener schon semoía und dem Tode näher, ja sie
weilen schon vor den Pforten des Todes; wer bei ihnen angelangt ist,
wird in Kürze dem Tode selbst verfallen. So erklärt sich, meine
ich, cwncfarier einfacher und schöner, als wenn man es mit Lachmann
und Munro als substantivirten Infinitiv == cunctatio fasst. Auf der
gleichen Vorstellung beruht es ja, wenn Virgil cestibulum ante ipsum
primisque in faucibus Orci Sorge und Leid und andere Quälgeister
der Menschheit hausen lässt, darunter auch die fwrpis Egestas. — leti
portae wie I 1112 ianua leti (limen leti II 960): 'Aibao πύλαι. Schon
Plaut. Bacch. 367 aperite propere ianuam hanc Orci. — Zu remosse wollte
Lachmann aus unde ein ea ergänzen; Vahlen hält cs dagegen (ind.lect. 81/89
VERS 59—79. t^ 59
p.14) mit Recht für wahrscheinlicher, dass die beiden Verben gleich-
müssig mit unde zu verbinden sind, nach Analogie von Wendungen wie
II 106 cetera dissiliunt longe longeque recursant, III 457 gigni pariter
pariterque videmus crescere. Wenn er aber se zu effugisse als Subject,
zu remosse als Object verstehen will, so scheint es mir näher zu liegen,
vielmehr auch removere als Vb. intr. oder reflexivum aufzufassen: 80
brauchen wir auch III 881 nicht neque enim se dividit illim nec removet
satis, a proiecto corpore, zu interpungiren und a proi. corp. als Erklärung
zu illim zu fassen. L. hat so z. B.III 502 «bi iam morbi reflexit causa
IV 1180 in pallam atque Acidensia Ciaque vertunt (auch. revertit als Prüs.,
zu III 1061) IV 334 redit et convertit codem; Anderes, wie furbare, volvere
(freilich nur im Particip V 931) praecipitare ist ja ‚häufig. Man denke an
movere ‘aufbrechen’ promovere "vom Fleck kommen’, und vgl. Elters reiche
Zusammenstellung all dieser sprachlichen Erscheinungen Rh. M. 41,539,
bes. 543. — 70 conflant — conduplicant malt, wie die —— caedem
caede (VI 1237 cumulabat funere funus) das Massenhafte, immer sich
Wiederholende: das Material für eine Behandlung der letzteren Figur
in Landgrafs Aufsatz Archiv f. lat. Lex. V 1624 --- tristis in gewolltem
Widerspruch zu gauden!. — Und was ist der Erfolg? statt zur siabilis
tita zu gelangen, zittern sie am Tisch der nächsten Verwandten für ihr Leben.
74 So quält, aus gleichem Grund, die Ehrgeizigen der Neid, invidus
alterius macrescit rebus opimis Hor. epp. I 2, 57. — Wie von invidia oder
von macerat ein Acc. 6, inf. abhängen soll, sehe ich nicht: richtig hat
man schon vor Lachmann alle folgenden Infinitive als Inhalt der qwestus
gefasst. Der Satzeinschnitt nach dem zweiten Fusse wird durch die
Elision überbrückt, ist aber auch sonst bei L. nicht unerhört, vgl. z. B.
II 586 aique foramina? mullimodis wi noscere possis V 285 quo-
cumque accidit. id licet hinc cognoscere possis: Fälle, in denen die Batz-
pause noch bedeutender ist als hier. — Der Ausgangspunkt der isvidia
ist die Furcht, daher ab eodem timore, am nächsten stehend den besonders
bei Livius häufigen Wendungen ab ira, ab odio aliquid facere; V 5,8 quis
dubitet illos non a cupiditate solum wlciscendé sed etiam necessitate im-
posita ... agrum nostrum invasuros. Aber L. Ausdruck ist lebendiger
als ein blosses ab eodem timore invident. — In Macht und Ansehen steht,
wer in den Abzeichen seines Amtes einherschreiten kann: sie müssen
das mit ansehen (amie oculos), während sie selbst, nach ihren thöricht
übertriebenen Reden, im Dunkel leben, ja sich verachtet im Staube
wülzen. Und das Ende ist, dass sie ihr Ziel eben so wenig erreichen wie
jene Habgierigen: statt ihr Leben zu sichern, intereunt partim statuarum
εἰ nominis ergo, während doch, wie Epikur lehrt (schol za sent. XXIX),
crépavoi καὶ ἀνδριάντων ἀναθέςεις zu den ἐπιθυμίαι οὔτε φυεικαὶ οὔτε
ἀναγκαῖαι gehören. — 79 Manche tödten sich selbst aus Todesfurcht
und rennen somit selbst in das, was sie flieben, hinein. Dahin zielende
Aussprüche Epikurs hat Seneca ep. 24, 22 zusammengestellt: obiurgat
Epicurus non minus eos qui morlem concupiscunt quam eos qui timent, ed
ait 'ridiculum est currere ad mortem taedio vilae, cum genere vitae, «d
currendum ad mortem esset effeceris'. Item alio loco dicit *'quid tam ridi-
culum quam adpetere mortcm, cum vitam inquielam bibi feceris motu mortis".
His adicias ct illud ciusdem ποίας licel: "tantam hominum. imprudentiam
-« --
2 .
* ^" p m ἢν
60 COMMENTAR
esse, immo demenliam, οὐ quidam limore mortis cogantur ad morlem?
(m. 496—498): vgl. ferner ep. III p. 61, 10 ἀλλ᾽ οἱ πολλοὶ τὸν θάνατον
τὲ μὲν ὡς pépictov τῶν κακῶν φεύγουειν, ὁτὲ δὲ ὡς ἀνάπαυειν τῶν ἐν
τῷ ζῆν (κακῶν αἱροῦνται, wie Usener dem Sinne nach gewiss richtig
ergänzt. — Die cwrae sind die Folge der cupiditates, καθόλου μὲν γὰρ
ὧν οὐκ εἰεὶν ὀρέξεις πραγμάτων, περὶ τούτων οὐδὲ λῦπαι τίνονται
(Diogenes v. Oin. fr. 3), die cupiditates aber, wie an den beiden wichtig-
sten gezeigt ist, Folgen der Todesfurcht; also ist diese fons curarum.
83 Man hält in dem Satze meist suadet für verdorben und corrigirt
fundo, clade, fraude, weil man meint, die Infinitive müssten noch von
obliti abhängen, wie foniem esse. So sehr sich das von Seiten der Form
zu empfehlen scheint, so sehr verbietet es der Inhalt. Wenn die Selbst-
mürder bedüchten, dass ibr Lebensüberdruss nur die Folge ihrer Todes-
furcht ist, so würden sie sich vielleicht von ihrem Beginnen abhalten
lassen, denn seine Thorheit würde ihnen einleuchten. Aber was in aller
Welt soll es ihnen nützen, wenn sie einsehen, dass die Todesfurcht es
ist, die alle edleren Regungen im Menschen erstickt? Oder wie soll sie
der Gedanke vom Selbstmord zurückhalten? Sie selbst können sich von
der Todesfurcht und damit von den curae befreien; aber selbst wenn
man zu diesen curae den Gram über die allgemeine Verderbtheit rechnen
wollte — was sehr unepikureisch gedacht wäre —, so würde jene Einsicht
ihn nicht lindern. Es muss also beim suadet der Handschriften bleiben,
das Munro mit Recht wiederbergestellt hat: nur dass auch er, wenn er
annimmt, es sei ein Vers ausgefallen (etwa: qui miseros homines cogens
scelus omne patrare), noch an der engen Verbindung dieses Satzes mit
dem vorigen festh<. Die beiden haben aber gar nichts mit einander
zu thun, sondern mit v. 88 beginnt etwas ganz Neues. Die Todesfurcht,
hatte L. gesagt, nährt Leidenschaften, die zu Mühsal und Verbrechen
aller Art, ja sogar zum Selbstmord führen: die Todesfurcht — fährt er
fort — ist auch unmittelbar Schuld daran, dass sich alle Bande
frommer Scheu lösen. Vezare pudorem (ante, pudor, quam te violo, aut
μα iura resolvo Virg. Aen. IV 27; Cic. har. resp. 20, 43 iste deos hominesque,
pudorem. pudicitiam ... violavit: vgl. SalL Cat. 5, 8 corrupti civitatis mores,
quos .. . luzuria et avaritia vezabant) und rumpere amicitiae vincula (was
für den Epikureer natürlich sehr schwer wiegt) kann vom Individuum
eben so gut ausgesagt werden wie von der abstracten Macht der Furcht;
pielatem everlere, wozu man als Subject allerdings lieber fmor sähe,
schliesst sich an das Vorhergehende an; vgl Cic. pro Best. 1, 1 eos qwi
omnia divina εἰ hwnana violarint vexarint perturbarint everterint ...
alacres laetosque volilare. — in summa zusammenfassend und steigernd
zugleich: die Lexica und Hand Tursellinus III 264 geben Beispiele. —
suadet entspricht dem cogwumé v. 60, vgl. VI 1282 multaque res subita d
pauperlas horrida suasit. — Dass L. nach hunc esse timorem den neuen
Satz wieder mit hwnc in ganz anderer Bedeutung beginnt, ist vielleicht
nicht sehr geschickt; aber ein wirklicher Anstoss liegt nicht vor. Die
partitio ‘dieser hier — dieser hier zeigt, dass verare pudorem und vin-
cula amicitiae rumpere für L. zwei verschiedene Vergehen sind, die er
unter pietatem evertere zusammenfasst: sie sind offenbar als gegen ver-
schiedene Personen sich richtend gedacht. Man kann wenigstens annähernd
VERS 79—94. 61
vergleichen Virg. georg. II 505 Aic petit excidiis urbem miserosque Penalis
. hic. siupet attonitus rosiris, hunc plausus hiantem corripwil, wobei zu
beachten ist, dass Virgil bei diesem ganzen Passus offenbar I. vor Augen
hat, wie gleich das Folgende deutlich zeigt: gaudent sanguine
fratrum exsilioque domos εἰ dulcia limina mutant, vgl. auch 490 ff. —
Bergson's hic .. hic statt hunc .. hunc beseitigt zwar die oben erwähnte
Ungeschicklichkeit, verschlechtert aber andererseits stark dureh Einführung
der leeren Anaphora. — 85 Wenn auch der epikureische Weise sich am
Staatsleben nicht betheiligt und die Liebe zwischen Eltern und Kindern
als angeborenes Gefühl nicht gelten lässt (fr. 527—529), so verabscheut.
er doch das prodere patriam carosque parentis; an Epikur selbst wurde
fj πρὸς τοὺς γονέας εὐχαριτία und πρὸς πατρίδα φιλία gewiss mit vollem
Rechte gerühmt (Diog. Laert. X 10).
87 —93 Die drei letzten dieser Verse stehen schon I 146 ff, alle sieben
auch in den Proömien von Buch IL (55 ff.) und VI (85 ff) 1, hat sich
nicht gescheut, selbst längere Parthien wörtlich zu wiederholen, wenn sie
ihm an einer anderen Stelle des Gedichtes ebenfalls taugtem (ε. zu 784
und 806); in diesem Falle aber ist die Wiederholung ein Kunstmittel,
das dazu dient einen, oder wenn man will den leitenden Gedanken des
ganzen Gedichts dem Leser einzuprägen (Aehnliches & zu 519): eine Um-
dichtung oder Neudichtung hätte diese Absicht zu nichte gemacht. Natür-
lich sorgt der Dichter in jedem Falle für passenden Zusammenhang: so
ist hier v. 86 vitare Acherusia templa petenies nachdrücklich an den Schluss
gestellt, um eine Ueberleitung zu gewinnen, und die Verse selbst schliessen
die ganze Einleitung vortrefflich ab, indem sie gewissermaassen an die
ersten Worte des Proömiums wieder anknüpfen und auf die Leuchte der
Epikurischen Lehre, die matwrae species ratioque, als einzige Rettung aus
den tenebrae des Lebens verweisen. — caecis in tenebris gehört zu beiden
Satzgliedern. Der Vergleich mit der dlosen Furcht der Kinder dient
seit Alters her (vgl. Plat. Phaed. 77d) dazu, die leeren
der Menge zu verspotten (s. z. B. Lucilius 400ff. Beneca ep. 4, 2; 24, 14;
dial II 5, 2); L. hebt ihn durch die doppelte Anwendung vom femebrae
(im eigentlichen und übertragenen Sinne) in eine nene Sphäre: am hellen
Tageslicht ist doch der amimus von Dunkel umgeben. — rad sols:
der eigentliche Ausdruck wird durch den hin metaphorischen
lucida tela diei auf das vorliegende Bild bezogen: denn wemm auch
ähnliche Bezeichnungen der Sonnenstrahlen, entsprechend ἡλίου Bokel,
sonst ohne besondere Absicht gebraucht sein mögen, so ist diese kier
doch, wie Bernays zu 1146 bemerkt, gewählt, weil die ἔεδα sonst daza .
dienen, wirkliche ierrores zu vertreiben. — naturae species gucemc θεωρία
ralioque φυςιολογία: das ist die Epikureische Bezeichnung für die wahre
Philosophie überhaupt, s. Hirzel Unters. I 155 ff.
94—416 Erster Haupttheil: Die physische Beschaffenheit
der Seele und ihr Verhältniss zum Körper.
94—135 ‘Der Geist ist ein Körperteil, wie Hände, Füfse, Angen.
Man hat behauptet, die geistige Empfindung sei nicht an einen be-
stimmten Theil geknüpft, sondern eine gewisse Verfassung des Körpers,
Harmonie genannt, bewirke Leben und Empfindung: mit Unrecht, Dem
die Regungen des Geistes sind, wie die Erfahrung lehrt, vom denen des
62 COMMENTAR
übrigen Körpers unabhängig (94—116). Auch eine Seele giebt es im
Körper: denn unentbehrlich zum Leben ist uns nur ein ganz bestimmter
Bestandtheil des Körpers, Wärme und Luft, nicht so andere Theile. Von
der Harmonie also können wir im Weiteren absehen (117—135).’
Man begreift, dafs Epikur sich veranlafst sehen konnte, bevor er
Aufschlüsse über das Wesen der Seele gab, deren selbstständige Existenz
zu beweisen und die Meinung zu bekämpfen, als sei sie kein καθ᾽ ἑαυτὸ
öv, sondern nur eine bestimmte Verfassung oder Resultante, gleichsam
die Harmonie des Körpers. Diese Lehre geht auf die älteren Pythagoreer,
vielleicht auf Philolaos, zurück: dessen Schüler (Plat. Phaed. p. 61d)
Simmias trägt sie im Phaedon 85eff. vor und wird von Sokrates ein-
gehend widerlegt. Aber noch Aristoteles spricht von ihren zahlreichen
Anhängern (de an. 407b 28), und trotz seiner ausdrücklichen Polemik
wandten sich ihr seine eigenen Schüler Aristoxenos (Cic. Tusc. I 10, 19
Lactant. inst. VII 13 de opif. c. 16) und (wenn auf Aetios IV 2, 7 Verlals
ist) Dikaiarchos zu; auch Straton, der im Uebrigen abseits vom Peripatos
andere Wege ging, sagt ὅτι ὡς ἁρμονία ἁρμονίας óEvrépa καὶ βαρυτέρα,
οὕτω καὶ φυχὴ φυχῆς ὀξυτέρα καὶ vwdectepa (Olympiod. in Phaed. p. 142F.),
und noch Alerander von Aphrodisias (de an. f. 127v.) verwahrt sich da-
gegen, daís die aristotelische Seelenlehre in diesem Sinne gedeutet
werde: es ist in der That leicht begreiflich, dass man den schwierigen
und nur dem Eingeweihten verstündlichen Begriff der Entelechie durch
einen allgemeiner zugünglichen zu ersetzen bestrebt war. Gegen die
Peripatetiker seiner Zeit wird sich also Epikur in erster Linie gewendet
haben. Lucrez folgt seiner Vorlage: gegen Zeitgenossen kann sich seine
Polemik nicht richten, denn sowohl Peripatetiker als Pythagoreer gingen
damals in der Psychologie andere Bahnen, und der Arzt Asklepiades,
dessen Auffassung der Seele allerdings der hier abgelehnten nahe sieht,
konnte für Lucrez nicht in Betracht kommen.
94 primum animum: dem entspricht 117 nunc animam: L. argumentirt
für Geist und Seele gesondert. Es kann auffallen, dafs er diese beiden
Begriffe einführt, ohne sie zu definiren: er deutet nur die Hauptfunctionen
des Geistes an v. 95 ἐμ quo consilium vilae regimenque locatum est, und
der Seele in v. 118 neque harmonia corpus sentire solere, Weiteres über
ihre Stellung zu einander und ihren Unterschied von einander ergiebt
sich erst aus den folgenden Abschnitten. Dies scheinbar unmethodische
Verfahren ist aber nicht etwa durch Nachlässigkeit oder künstlerische
Rücksichten verschuldet, sondern nach Epikurischer Auffassung das allein
Zulässige. Tollit definitiones, sagt Cicero de fin. I 7, 22 von Epikur, und
negat definiri rem placere ebd. II 1, 4: insofern mit Recht, als Epikur es
allerdings ablehnte, allgemein Bekanntes begrifflich zu definiren (fr. 258):
ἀρκεῖν τὰρ τοὺς φυεικοὺς χωρεῖν κατὰ τοὺς τῶν πραγμάτων φθόγγους
(fr. 257). So definirt denn z. B. Philodem nicht den Begriff τέχνη, son-
dern wil nur kurz daran erinnern τέχνη τί λέγεται κατὰ τὴν ευνήθειαν
(rhetor. II p. 37 Sudh. suppl, vgl. ebd. p. 38 Ecrı τοίνυν καὶ λέγεται τέχνη
παρὰ τοῖς "EAAncıv). Lucrez hat hier die Epikurischen fermini λογικόν und
ἄλογον (s. Einl. p. 89) wiederzugeben: genau entsprechende, pafsende Aus-
drücke fanden sich nicht, namentlich hätte ἄλογον nur sehr umständlich
übersetzt werden können. Also half sich Lucres mit den allgemein ge-
VERS 94—98. 63
br&uchlichen animus und anima, in manchem Betracht recht glücklich; denn
wie Epikurs λογικόν ist der animus nicht nur Sitz des Intellecta, sondern
auch des Willens und der Gefühle, der Leidenschaften und Wünsche;
und wie das ἄλογον μέρος ist die anima das lebenspendende und leben-
erhaltende Prinzip ohne Beziehung auf geistige Thütigkeit. Diese Be-
deutungen haben die Worte in der Rede Aller: somit darf und mufs
sich der Epikureer eine Definition ersparen. Die Übersetzung hat
freilich auch grofse Übelstände, die Lucrez nicht verborgen geblieben
sind: besser 815 dem Gegensatze des λογικόν und ἄλογον μέρος τῆς ψυχῆς
würde animus und anima dem von νοῦς und ψυχή entsprechen — ich
glaube nicht, dafs dieser sich bei Epikur gefunden habe: nicht, weil
unsere Quellen ihm nicht bieten (die sind zu dürftig, um einen Schlufs
ex silentio zu gestatten), sondern weil'Epikur viel Gewicht auf die
Einheitlichkeit seines seelischen Princips legt, während νοῦς und wuyf
da, wo sie neben einander auftreten, in mehr oder minder schroffem
Gegensatze stehen, &uch einem hóheren gemeinsamen Begriffe sich nicht
unterordnen. Eben diese gemeinsame Bezeichnung fehlt aber auch
Lucrez: dadurch wird er genöthigt, wo die ψυχή zu nennen ist, entweder
animus und anima zu verbinden oder der Kürze zu Liebe auf Kosten
strenger Genauigkeit unter einem Namen Beides zu umfassen: s. zu 148.421.
— Als Synonymon von animus führt Lucrez hier gleich mens ein; und
beide gebraucht er in der That oft ohne Unterschied; aber eigentlich
ist animus der weitere Begriff, mens auf die intellectuelle Seite des
animus beschränkt, Cicero de rep. II 40, 67 ea quae late in animis
hominum quaeque pars animi mens cocalur. Somit ist die copulative
Verbindung mens animusque 142. 898. 402 ebenso. berechtigt wie die
subordinirende animi mens consiliumque 615, mens animi vigilat IV 758 etc.,
während mentis animus unmöglich wäre. Dieselben Wendungen sind
übrigens auch sonst geläufig, s. Krätsch a. a. O. p. 30. — 95 drückt
allgemeiner als das griechische ἡγεμονικόν (s. zu 188) aus, dafs der
Geist die gesammte Lebensführung des Menschen beherrsche. . consilium
steht 450 neben animi vis, 615 neben mens, auch Cicero braucht es oft
in gleichem Sinne, z. B. de nat. deor. Π 6, 17 rationem dico et, si placet
pluribus verbis, mentem, consilium, cogitationem, prudentiam. Am Nächsten
steht ppóvncic, von Aristoteles rhet. 1366 b 20 definirt als ἀρετὴ διανοίας
καθ᾽ ἣν εὖ βουλεύεεθαι δύνανται περὶ ἀγαθῶν καὶ κακῶν τῶν εἰρημέ-
γῶν elc εὐδαιμονίαν. — 96. hominis pars, μέρος τοῦ εὐματος ist die Seele
nach Epikur, s. Einl p. 38. Ohne den Namen zu nennen, erwähnen diese
Auffassung Alexander de an. f 145v. ἔτι εἰ εὦμα f ψυχή, πῶς μετέχει
τὸ cüpa τῆς ψυχῆς: καὶ πῶς écriv ἣ ψυχὴ ἐν αὐτῷ; A yàp dic μέρος
Écrat etc, und Jamblichos Tr. ψυχῆς bei Stob. ecl. Ip. 882W. oi δὲ...
ὡς... μέρος τὴν ψυχήν qacv εἶναι ἐν ὅλῳ τῷ Zi. Das ist wichtig
auch für die Sterblichkeit der Seele, s. 548ff. Und zwar ist der Geist nur
hominis pare (zu 299), während die übrigen Körpertheile jedem animagı,
beseelten Wesen, zukommen. — Ein oder mehrere Verse, worin die
Vertreter der bekämpften Lehre bezeichnet waren, sind ausgefallen. —
98. 'Die geistige Empfindung sei an keinen bestimmten Theil gebunden'
wie 104 ‘sie lokalisiren die geistige Empfindung nicht’ bezeichnet genauer
als 101 nulla cum in parte siet mens das Gemeinte: denn pars bedeutet
[ d .-
64 COMMENTAR .
nicht eine 'Stelle des Körpers, sondern wie in esse hominis partem
wirklich einen '"Theil' des Körpers, eben den animus in Lucrez’ Sinne: in
diesem ist der sensus animi, wie im Auge der sensus videndi, wührend
ihn die Gegner dem ganzen Körper zuschreiben. Viel ungenauer sagt
z.B. Cicero Tusc. 122, 51 von ihnen: nullum omnino animum esse dixerunt,
wo mindestens ein per se hinzuzufügen wäre. — 99 “sondern das was
uns leben und empfinden lasse” — ganz unbestimmt, daher das Neutrum
quod — ‘sei ein habitus vitalis, ἕξις ζωτική, des Körpers’: so Sextus
adv. math. VII 349 oi μὲν μηδέν φαεῖιν εἶναι αὐτὴν (sc. τὴν ψυχήν)
παρὰ τὸ πῶς ἔχον εῶὦμα, καθάπερ ὁ Δικαίαρχος. Übrigens haben wohl
weder Aristoxenos noch Dikaiarchos die Seele direct eine Harmonie ge-
nannt: von diesem ist der Ausdruck in unseren besten Berichten über-
haupt nicht, sondern nur in der knappen Angabe des Aetios IV 2, 7
(die Ausführung bei Nemesios kommt nicht in Betracht) überliefert;
Aristoxenos aber hat nach Cicero wie nach Lactanz die Harmonie der
Saiten nur zum Vergleich herangezogen, ebenso wie das bei Platon
Simmias thut: 87b sagt Kebes ausdrücklich εἰκόνος γάρ τινος ὥςπερ
Σιμμίας δέομαι. Aber freilich sieht dort schon Sokrates in seiner Wider-
legung von dieser Einschränkung ab, und die gangbaren Handbücher
vollends haben auf derartige Feinheiten nicht geachtet. — 101 mulla
cum in parie siet mens giebt zwar sachlich nichts Neues; aber die
Negirung der selbständigen Existenz des Geistes ist ein so wesentlicher
Bestandtheil der Lehre, dass L. ihn auch hier ausdrücklich hervorhebt,
wo er die positive Seite der Lehre wiedergiebt. Auch wir würen im
gleichen Falle wohl geneigt, ein betontes 'ohne einen für sich be-
stehenden Geist” einzuschieben. — Im Folgenden ferner würde an sich
der mit μέ cum (ὡς ὅτε, so auch z.B. IV 57; cew si ὡς εἰ IV 617.
VI 161) eingeleitete Vergleichssatz genügen, ohne das correspondirende
sic ... reponuni; aber an jenen könnte die Ablehnung magno opere in
quo mé etc. nicht unmittelbar anschliessen, und so wird denn die
These der Gegner zum dritten Male angeführt. Durch diese Wieder-
holungen wird der ganze Passus sehr schwerfülig und umständlich: es
ist, als wäre die Darstellung des neuen Stoffes noch nicht recht in Fluss
gekommen. — Ein habitus des Körpers ist die Gesundheit: L. zieht das
nur zur Veranschaulichung heran, während Aristoteles es im Eudemos
(fr. 45 R.) und de an. 408 a 1 (ἁρμόζει δὲ μᾶλλον καθ᾽ ὑτιείας Akyeıv
ἁρμονίαν ete.) als Argument benutzt: die Bezeichnung Harmonie passe
auf körperliche Zustände, wie Gesundheit, Schönheit, Stärke, dürfe also
nicht auf die Seele angewendet werden, die ein von jenen gänzlich Ver-
schiedenes sei. — ralere heisst bei L. nur hier "gesund sein’, sonst
immer ‘vermögen’: valens und valetudo entsprechen sich wie animans
und animus. — 105 Der Zusatz diversi nähert das metaphorische errare,
ähnlich wie sonst avius u. &, dem Bilde: ‘ihr Weg hat sich vom unseren
abgezweigt, und sie gehen nun in die Irre”.
106 “Geist und Körper sind in ihren Empfindungen eben so unab-
hängig von einander wie ein Körpertheil vom anderen’ — also nimmt
der Geist keine andere Stellung ein als jeder beliebige Körpertheil. L.
kehrt nach Erwähnung der gegnerischen Ansicht zu seiner eigenen ein-
gangs aufgestellten These zurück, um sie aus den paıvöneva zu be-
VERS 98—117. 65
weisen: daher ífagwe, wie so häufig nach Parentbesen u. &, z. B. II 660,
das Wiedereinlenken in den Hauptgang der Darstellung bezeichnend. Es
ist bemerkenswerth, dass der Epikureer die Lehre von der Seelenharmonie
nicht, wie Platon und Aristoteles durch Eingehen auf den Standpunkt
des Gegners, sondern indirect durch Erhärtung seiner eigenen Lehre
widerlegt. — i» prompiw quod cernilur, denn corpus ist der amimws ja
auch, aber latens. Dass er der Sitz jener Freudeempfindungen ist, wird
stillschweigend vorausgesetzt, s. zu 141. — “Und umgekehrt geschieht's,
dass andererseits wieder das Gegentheil stattfindet’ — die umständliche
Ausdrucksweise ist zum Teil durch die Neigung verschuldet, Satz- und
Versende zusammenfallen zu lassen. — 109 miser ez animo eine in der
Umgangssprache häufige Verbindung, x. B. Plaut. Trin. 397, Ter. Eun.
225; miser kommt der Bedeutung krank nahe, wie es denn IV 1076
geradezu im Gegensatze zu sanus steht, Einen Zustand wie den hier
gemeinten schildert Horaz epp. I 8, 7 mente minus validus quam corpore
tolo wil audire velim, nil discere, quod levet aegrum. — Der seltsame
Ausdruck laetari corpore ist nur gebildet, um dem ex alia laetamur parte
möglichst genau zu entsprechen. — 110 pes cum dole — nun nicht
aeger (Bockemüller), was müssiger Zusatz wäre, sondern aegri: "wenn
einer krank ist, so thut ihm auch nur etwa der Fuss weh, der Kopf
kann dabei frei von Schmerzen sein‘. — 112 “Wenn im Schlaf den
Kórper die Empfindung verlassen hat, so empfindet doch in uns noch
irgend etwas Freude und Sorge’ — das muss, wie abermals ohne Weiteres
vorausgesetzt wird, der Geist sein, der sich also auch hier als unab-
hängig vom Körper erweist. Im Schlafe ziehen sich, wie L. IV 906 ff.
beschreibt, die Seelenatome grósstentheils aus dem Körper zurück, so
dass dieser nun sine sensu effusum iacet; da die Seele ihn nicht mehr
trägt, ist er schwer, honustum, vgL 1066 abit in somnum gravis. Wäh-
rend des Schlafes also sind nicht wir, wohl aber ist etwas in uns, d. b.
der Geist, in Thätigkeit, zu dem Vorstellungsbilder mannigfacher Art
dringen: “Träume erfreuen oder beunruhigen ihn’ — darüber ausführlich
IV 962. Aber wenn die Menschheit schon wachend im curis consumil
inanibus aevom (V 1431), so sind die Sorgen des Schlafenden, durch
inania simulacra (TV 994) hervorgerufen, erst recht nichtig: daher curas
cordis inanis. Als ihr Sitz wird schon hier das Herz genannt, daraus
dann ausdrücklich erst 141 der Sitz des animus erschlossen.
117 Das Leben ist nicht unterschiedslos an alle Körpertheile, son-
dern ausschliesslich an gewisse Würme- und Luftatome gebunden; also
— da die Seele das ist, was dem Körper Leben und Empfindung ver-
leiht — giebt es auch eine Seele im Körper, in membris: nach den
Harmonikern ist das Lebensprincip nicht im Körper enthalten, sondern
nur ein gewisser Zustand des Körpers selbst. Bei corpus sentire liegt
der Nachdruck auf corpus: bisher war nur von den Empfindungen des
Geistes die Rede. Im Folgenden wird zwar nur vom Leben, nicht vom
Empfinden gesprochen; aber doch ist senfire hier ganz am Platze, denn
Leben und Empfinden sind von einander unzertrennlich: dimissa amima
corpus caret undique sensu 356; die vifales molus 560 sind identisch
mit den sensiferi motus 570; vgl. auch II 942 motus, quibus omniluentes
accensi sensus animantein quamque tuentur und den Schluss der sogleich
Lecretius v. Hanrzs, 6
- — -—— wc mol -— — - — —
. : 7
—
D——.————— ones ----- gr oo.
66 :COMMENTAR
zu citirenden Lactanzstelle. — Die beiden Sätze principio fit «li und
aique cadem rursum gehören zusammen und bilden ein Argument; dies
eine genügt, um die selbständige Existenz der Seele zu beweisen, aber
es ist nur das vornehmste, durchschlagendste unter vielen, wie an-
gedeutet wird durch principio. Dies steht allein, ohne durch deinde
oder Ähnliches fortgesetzt zu werden, für ante ommia, ἀρχήν, wie auch
II 938 (s. Lachmann) und V 92. Widerlegt wird durch die angeführten
Thatsachen eine Behauptung, die Aristoxenos selbst als Consequenz seiner
Lehre aufgestellt hatte: Lact. de opif 16, 15 sicut in fidibus cum ali-
quid aut inierruptum aut relaxatum est, omnis canendi ralio turbatur. et
solvilur, iia in corpore cum pars aliqua membrorum duzerit vilium, de
sirui universa corruplisque omnibus alque turbatis occidere sensum eam-
que moriem vocari. Wenn ferner 124 non aequas partis, 125 neque ex
aequo die gleiche Bedeutung aller Kórpertheile für Leben und Tod nach-
drücklich bestritten wird, so mag sich das auch gegen Dikaiarchos
richten, der nach Cie. Tusc. I 10, 21 behauptete vim omnem cam qua
vel agamus quid vel sentiamus in omnibus corporibus vivis aequabiliter
esse fusam nec separabilem a corpore esse. — Ähnlich wie L. hier, be-
weist Diogenes von Oinoanda die ὑπεροχή der Seele über den Körper,
s. Einleitung p. 38 und zu v. 396; vgl auch 402 und 682f —
121 corpora Atome, pauca im Verhältniss zur Masse des übrigen Körpers,
und im Gegensatz zu corpus mullum 119. Die Würmeatome entweichen
aus dem Körper nach allen Seiten, diffugere, die Lebensluft wird aus-
gehaucht, per os editwr. Dabei appellirt L. nur an das, was Jeden auch
bei oberflächlicher Betrachtung die Wahrnehmung lehrt: in Wirklichkeit
entweichen nach seiner Ansicht auch die luftartigen Seelenatome durch
alle Poren des Körpers, nicht nur durch den Mund. Die Umstände,
unter denen der Tod eintritt, belehren uns über das Wesen der Beele,
v. 232; ὧν crepóuevot θνῴήςκομεν (Einl p.36) sind eben ihre Bestand-
theile. Acr und venius, die, wie wir später hören, von einander verschieden
sind, werden hier noch v. 122. 126 als gleichbedeutend gebraucht, Ennius
ann. 149 venio quem perhibent Graium genus αἶγα lingua. — venas atque
ossa: es bleibt kein Restchen von Leben mehr im Körper, selbst aus dem
Innersten der Glieder, den Knochen entweicht es. 126 sed magis == sed
polius, wie v. 614. 982 u. o. — 128. 129 recapituliren das Gesagte:
der Nachdruck liegt auf vitalis, denn Wärme- und Luftatome kann auch
jeder andere Körper enthalten; aber im Lebewesen sind diese vifales,
bilden also die Seele, während die Gegner nur von einem habilus vitalis
wissen wollen, ohne natürlich die Existenz von Körperwärme und Athem
zu leugnen. Also ist auch eine Seele in ipso corpore: ipso hebt nur das
in nachdrücklich hervor, wie auch v. 483. 506. 575. 590. — Übrigens
ist dasjenige, οὗ crepönevor θνήςκομεν, natürlich nicht die Seele allein,
sondern auch der Geist: aber für diesen war der Beweis der Sonder-
existenz ja schon vorher geführt.
130 Abschluss: ‘Da so der verlangte Beweis geführt ist, so lass
den Ausdruck harmonia den Musikern, denen er gehört (redde): sie
haben ihn ja aus der Hand der Musen vom hohen Helikon (καθ᾽ ὑψηλοῦ
Ἑλικῶνος Arat. 216) empfangen, oder vielmehr, um ernsthaft zu reden,
sie haben ihn selbst erst wieder (ipei porro) anderswoher entlehnt” —
VERS 117—136. 61
nämlich vom Gefügtsein greifbarer Dinge — “für einen Begriff ihrer
Kunst, der keinen eigenen Namen hatte’. Warum der Zusatz sive —
egebat? Natürlich nicht, um eine zweite Möglichkeit wirklich neben die
erste zu stellen (ἀλλὰ μὴν θεὸς μὲν οὐδεὶς εὑρετὴς ἐγένετο τῆς μον-
εἰκῆς οὐδὲ παρέδωκε τοῖς ἀνθρώποις Philod. de mus. IV, 84 K); auch
wohl nicht, weil dem Philosophen bei dem ersten poetischen Ausdruck
das Gewissen schlägt; sondern Lucrez befolgt eine methodische Hegel
Epikurs, die dieser mit an die Spitze seines systematischen Lehrabrisses
stellt: ἀνάγκη τὸ πρῶτον ἐννόημα καθ᾽ Exacrov φθόγγον βλέπεεθαι:
danach bezeichnet Diogenian (ed. Gercke p. 754) sich und seine Schul-
genossen als oi διειληφότες τὰς ὑφ᾽ Éxacrov ὄνομα τεταγμένας évap-
γεῖς διανοίας ἑαυτῶν, (vgl fr. 257, Cic. de fin. II 2, 6 Epicurum ..
qui crebro dicat diligenter oportere exprimi quae vis subiecta sit vocibus).
Die ἐθιεμοὶ τῶν λέξεων (Epic. v. φύςεως XXVIII, V. H.* VI 42 col.
I* 12; 50 col. IX 24, Hermes 29 p. 8. 12) sind nämlich eine der häufig-
sten Fehlerquellen, und nur Sorgfalt im Gebrauch der Worte kann da-
vor bewahren: .. κατὰ τὰς λέξεις οὐκ ἔξω τῶν εἰθιςμένων λέξεων
ἡμῶν χρωμένων οὐδὲ μετατιθέντων ὀνόματα ἐπὶ τῶν φανερῶν a. a. O.
col V p. 9. Daher denn Epikur selbst in seinen Sehriften κέχρηται
λέξει xupíq xarà τῶν πραγμάτων (Diog. X 18): I eifert ihm nach.
Mit Recht hat man die Beachtung der proprietas verborum stets als eine
der wesentlichsten Eigenschaften seiner Diction gerühmt, und wie er
speciell auf dem Gebiete der Metapher ihr nachstrebt, wird noch oft
hervorzuheben sein. Somit. steht auch hier der Gedanke Hinter-
grunde, dass, da doch jede Übertragung eines Wortes auf fremdes Ge-
biet schon an sich die Schärfe des Begriffs gefährde, eine zwiefache
Übertragung doppelt misslich sei: Ähnliches scheint Epikur a. a. O. (p. 10
μεταφορᾶς ..... ἐπὶ τὰ ἄγνωςτα) ausgeführt zu haben. — ad orgamicos
ως Heliconi sieht einem Citat gleich; “Appovia als Kind der Musen Eurip.
Med. 834. Bei organici ist nach dem oben Gesagten gar nicht vorzugs-
weise an den Musiker Aristoxenos zu denken: die Weisung richtet sich an
alle Vertreter jener Lehre. organici heissen die Musiker auch sonst, musici
verbot der Vers. — 135 habeant zu unterscheiden von sibi habeant: dies
"mögen sie für sich behalten’, jenes ‘mögen sie ihren Willen haben’, —
kümmern wir uns nicht mehr um sie, sondern höre du die weitere Rede.
136—160 Ueber das Verhältniss von Geist und Seele zu einander.
“Geist und Seele hängen eng zusammen und bilden eine einzige Wesen-
heit. Die Führung hat der Geist, der in der Mitte der Brust wohnt
(denn hier ist der Sitz der Furcht- und Freudenempfindung); die
Seele, durch den ganzen Körper verbreitet, gehorcht dem Antrieb des
Geistes. In gewissen Fällen bleibt die Empfindung auf diesen be-
schränkt: in anderen theilt er sie der Seele mit, wie wir aus dem Ver-
halten des Körpers sehen, der seinerseits den Anstoss vom der Seele
empfangen bat.” — Die Frage nach dem Sitz von Geist und Seele wird
nebenbei erledigt: Hauptsache ist der Nachweis, dass beide in engem
Zusammenhange stehn, wie das die Clausel des Abschnitts facile «f quivis
hinc noscere possil esse animam cum animo coniunciam nochmals betont.
Dieser Nachweis kann sich nur gegen Aristoteles richten, der bekannt-
lich dem voüc eine von der übrigen Seele völlig verschiedene Wesenheit
b?
— wy occ TE — πᾳ a 7
e. .
. ^ .
| S" a. 5
o-o*
68 . COMMENTAR
zuschrieb, ihm auch jeden Zusammenhang mit dem körperlichen Sein
absprach: ἀνάγκη ἄρα, ἐπεὶ πάντα νοεῖ, ἀμιγῆ εἶναι (τὸν νοῦν), ὥςπερ
φηεὶν ᾿Αναξαγόρας (de an. 429 a 18), was auch ausgedrückt wird
μηδενὶ μηδὲν ἔχει κοινόν (429b 23): daraus folgt ferner, dass keine Be-
wegung von ihm ausgeht: οὐδὲ τὸ λογιςτικὸν καὶ ὃ καλούμενος νοῦς
ἐςτὶν ὃ κινῶν (ebd. 432b 26; freilich bleibt Aristoteles hierin nicht
consequent, s. Zeller II 2, 599). Was L. vorbringt, würde allerdings gegen
Aristoteles insofern nichts beweisen, als dessen voüc ἀπαθής etwas vom
epikurischen λογικόν günzlich Verschiedenes war. Für den Epikureer ist
aber der hier geführte Nachweis deshalb sehr wichtig, weil mit der
Erkenntniss der Einheitlichkeit von Geist und Seele zugleich der Ansicht
der Boden entzogen ist, dass nach dem Tode zwar die Seele mit dem
Körper vergehe, der Geist aber fortdauere: quatemus est unum inter se
coniunctaque res est 424. — coniuncta inter se sind auch Leib und Seele,
da sie sonst nicht auf einander wirken könnten, s. zu 849; aber der
Mensch, der aus ihnen besteht, würde wohl nicht, wie die Seele hier,
als eine nalura, qUcic, bezeichnet werden können — wenngleich die
Grenzen dieser Bezeichnung schwer festzustellen sind. Die physische
Gleichartigkeit ist damit nicht behauptet, 270 heisst es von vier ver-
schiedenen Atomgruppen mizta creant unam maturam; doch verlautet
auch nichts von einem physischen Unterschiede, s. Einleitang p. 40. —
188 Der Geist dominatur κυριεύει, und zwar gehorcht ihm zunächst die
Seele (144), dieser wieder der Leib, so dass er als ἡγεμονικὸν τῆς
ψυχῆς auch tolo corpore herrscht. Wie von ihm, kann auch 709 von
der ganzen Seele gesagt werden in nosiro dominatur corpore; s. ferner
zu 281. Die Bezeichnung als quasi caput ist nicht eben glücklich: denn
damit wird an die volksthümliche und von anderen Philosophen recipirte
Anschauung erinnert, daís die leitende seelische Kraft im Haupte ihren
Sitz hat, während dieser hier gleich als media regione in pectoris be-
stimmt wird; d. h. im Herzen, das auch gelegentlich allein genannt wird
(116 curas cordis inanis, II 269 initum motus a corde creari), und dessen
Umgebung. Vgl. fr. 312 τὸ λογικὸν ἐν τῷ θιύρακι καθιρυμένον Aet.
IV 4, 6, oder ἐν ὅλψ τῷ θώρακι IV 5, 5 ἐμ tota lorica pectoris Tertull. de
an. 15. Und zwar ist es fest an diese Stelle des Körpers gebunden,
situm haeret. xaOibpuuévov, 548 loco fixa manet certo, 617 certis
regionibus haere, im Gegensatz zur Seele, die per totum dissila corpus
(143) ist, καθ᾽ ὅλην τὴν εύγκριειν τοῦ εώματος διεεπαρμένον Aet. IV
4, 6. — Erschlossen wird das aus den Beobachtungen über den Bitz
von Furcht und Freude: Schol zu Ep. I, p. 21, 15 τὸ λογικὸν ἐν τῷ
θώρακι, ὡς δῆλον Ex re τῶν φόβων καὶ τῆς χαρᾶς. Epikur und ihm
folgend L. nimmt also ohne weiteren Beweis an, dass Furcht und Freude
ihren Ausgangspunkt im animus haben, und schiebt stillschweigend die
Platonische Annahme eines vom Aoyıcrıxöv verschiedenen θυμοειδές bei
Seite: eine Willkür, die auch Chrysipp sich in derselben Sache erlaubte,
wie ihm Galen de plac. Hippocr. et Plat. p. 293 5η. vorwirft. — ezswltat
ist von der Furcht auffallend gesagt. In Furcht und Freude 'hüpft'
das Herz — κραδίη bé μοι ἔξω «τηθέων éxOpipcxe Tl. 11, 95 — und so
wäre die Übertragung auf den animus eben so leicht verständlich wie
in πηδῶν δ᾽ ὁ θυμὸς ἔνδοθεν μαντεύεται trag. ine., cf. Nauck p. 677.
VERS 136—145. 69
Aber von dieser Seite ist der weitere Übergang zum Hüpfen der Em-
pfindungen selbst schwierig. Es wird vielmehr das Bild des ungefesselten
Rosses zu Grunde liegen, wie bei Cicero Hortens. fr. 72 M. (Non.
p. 300 sq.) inbecillis autem est pudoris magister timor, qui si quando
poulum aberravit, statim spe impunitatis exsultat (wo weder animus noch
libido zu ergänzen ist); vgl. Cicero de off. I 29, 102 qui appetitus lon-
gius evagantur εἰ tamquam exsullantes sive cupiendo sive fugiendo non
satis a ralione relinentur, ii sine dubio finem ei modum transeunt, wo
das Bild durch Vergleich mit 8 90 noch deutlicher wird; auch Lucrez
selbst II 263 nonne vides etiam patefactis tempore punclo carceribus non
posse lamen prorumpere equorum. vim cupidam (am de subilo quam mens
avet ipsa? 274 nam (um maleriem tolius corporis omnem perspicuumst
nobis invilis ire rapique, donec eam refrenavit per membra voluntas. —
Somit ist im Prädicat exsulfat zugleich angedeutet, dafs pavor und metus
ungezügelte Affecte sind: der Philosoph ist ihrer ledig. laetitiae mulcent
steht dazu im glücklichen Gegensatze. — Die Stellung der Präposition
nach dem Substantiv, haec loca circum, ist von L. zuerst, wenn nicht
überhaupt eingeführt, so doch in gröfserem Umfange angewendet worden,
s. Degering, Beitr. z. hist. Syntax d. lat. Spr., p. 35; so erlaubt er sich
zuerst, die Stellung Subst. Präp. Adj. auch bei zweisilbigen Präpositionen
anzuwenden, 353 manifestas res contra verasque repugnat, VI 207 wmore
sine ullo, und hat überhaupt für die Zwischenstellung bei adjectivischem
oder genitivischem (regione in pectoris 140) Attribut grosse Vorliebe
(Degering p. 38. 45): die Beweglichkeit der Sprache gewinnt sehr durch
diese völlige Freiheit der Wortstellung. — 143 cetera pars animae und
150 cetera pars animai ist ungenau ausgedrückt, denn der animws ist
keine pars animai, aber ein Gesammtname fehlt, s. zu 94, und ein Miss-
verständniss ist ausgeschlossen. — 144 ad numen mentis momenque: die
Zusammenstellung ist aus dem Griechischen übernommen, vgl z.B. Plu-
tarch adv. Coloten c. 26 p. 1122c τὸ δ᾽ δρμητικὸν ἐγειρόμενον ὑπὸ
τοῦ φανταςτικοῦ πρὸς τὰ οἰκεῖα πρακτικῶς κινεῖ τὸν ἄνθρωπον, οἷον
ῥοπῆς ἐν τῷ ἡγεμονικῷ καὶ νεύεεως γινομένης. Jamblichus περὶ
ψυχῆς Stob. ecl. I p. 382 oi δὲ... ευννεύςει καὶ ῥοπῇ πρὸς τὸ
εὦμα ἐπικρατεῖ τοῦ cóparoc ἀποδιδόαςειν αὐτῆς τὴν ὁμοιότητα (τῆς
χρήςεως τοῦ εὠματος). Das sonst seltene momen öfters bei L. für die
bewegende Ursache: 188 smomine parvo inpulsa 189 aqua (antillo
momine flutat: für Bewegung II 220 tanitum quod momen meatum
dicere possis, VI 474 e salso momine ponti; dann bei Manilius, dem
Dichter des Aetna, Arnobius, die alle stilistisch unter L.’ Einflusse stehn.
momentum, das sonst der ῥοπή entspricht, hat L. nicht.
145 id greift auf v. 140 zurück. — sibi solum per se sapit: die
einzige Erwähnung derjenigen Thätigkeit, die allein nur der Geist aus-
üben kann, des Aoyifecdaı. Man könnte erwarten, ihrer ausführlicher
gedacht zu sehen; aber es kommt ja L. hier nicht sowohl darauf an,
die Functionen des Geistes zu beschreiben, als sein Verhältniss zu Seele
und Körper festzustellen: und dabei eignen sich die πάθη, Lust und
Schmerz, weit besser zu Objecten der Demonstration als die Denk-
thätigkeit, die sich der unmittelbaren Wahrnehmung entzieht. Epikur
selbst hatte, wie fr. 313 (s. Einleitung p. 40) lehrt, behauptet, die
4 ^ 9... * ' . «
wo 46d δ t οἱ
-
Da a u hen eu
1
70 | COMMENTAR
Empfindung beim λογίζεςθαι localisire auch diesen Vorgang in der Brust:
L. lässt das, wohl als nicht ohne Weiteres einleuchtend, bei Seite. Die
nachdrückliche Hervorhebung der völligen Selbständigkeit durch sibi
solum per se passt aber nur zu sapit; nicht zu pavei, wie Tohte der
Concinnität zu Liebe schreiben wollte. — Der Geist sibi gaudet, freut
sich für sich, während Seele und Leib zur selben Zeit unbewegt sind.
Dies id sibi gaudet sollte nun durch ein id sibi melwuit ergänzt werden:
dabei stellt sich als willkommenes Analogon die bei körperlichen
Schmerzen gemachte Erfahrung ein, die ähnlich schon v. 110f. erwähnt
wurde: nur dass dort die Unabhängigkeit eines Körpertheils vom
andern zu betonen war, weil die Gleichstellung der Seele mit diesen
erwiesen werden sollte, während hier das selbständige Empfinden eines
Körperteils im Gegensatz zum ganzen übrigen Körper als Anslogon
zum selbständigen Empfinden des Geistes gegenüber der Gesammtseele
herangezogen wird. Der Vergleich liess sich bequem durchführen nur
für das Gefühl des Schmerzes: aber er soll gelten auch für das Lust-
gefühl, und deshalb wiederholt L. mit laetifiaque viget v. 150 das id sibi
gaudet des v. 145. Durch die etwas ausführlichere Behandlung des auf
den Geist beschränkten laedi wird die Brücke geschlagen zur eingehen-
den Schilderung desjenigen Zustandes, wo die Bewegung auf Beele und
Körper übergreift 152 ff; sie ist dem Dichter hier die Hauptsache, da
sie allein dazu dient, die These des ganzen Abschnittes zu beweisen. —
147 temptante dolore: temptare ist der stehende Ausdruck für den An-
griff der Krankheit: V 345 nam cum res tantis morbis tantisque periclis
temptarentur, VI 1250 quem neque morbus nec mors nec luctus templarct,
dann übertragen auf den Schmerz hier (fempfante dolore als Versschluss
auch bei Serenus Sammon. 26) und II 967 nullo primordia posse dolorc
tempteri, und auf die als Krankheit aufgefasste Furcht III 312 ille suetu
citius paulo temptctur; VI 1103 caeli novitate ct aquarum temptari, weil
diese novifas Krankheiten erzeugt. — 151 membra atque artus stellt L.
häufig zusammen: arius sind dann die einzelnen Glieder, sembra der
aus verschiedenen Theilen bestehende organisirte Körper; also VI 797
languenlia sembra per artus solvont “\ösen den Körper Glied für Glied
auf”. — novias hier als cor media ‘neu auftretendes Ereigniss’, so
gleichbedeutend mit novae res V 173 vgl. 170; sonst gelegentlich, wie
veubtepa, im übeln Sinne: II 970 entspricht movitate laborare dem dolore
temptari 968; ähnlich IV 929 quibus haec rebus novitas confiat, εἰ unde
perturbari anima et corpus languescere possit. — 168 consentire Cuunäcyeıv:
Cic. de n. d. 111 11,28 iste quasi consensus, quem ςυμπάθειαν Graeci vocant:
8. zu .349. Da der Körper nicht ohne die Seele empfindet, sind körper-
liche Zeichen der Empfindung, wie sie 154ff. geschildert werden, zu-
gleich Beweise für die cuunddeıa der Seele; ifa 154 giebt an, dass
diese Erscheinungen die Folge des consentire animam sind. — Die sechs
von L. paarweis zusammengestellten Symptome heftiger Furcht erinnern
einigermassen an die Symptome der Liebesleidenschaft in Sapphos Ode:
quvüc οὐδὲν ἔτ᾽ εἴκει, ἀλλὰ καμ μὲν yAd.cca Eaye, λεπτὸν δ᾽ αὐτίκα
χρῶ πῦρ ὑποδεδρόμακεν, Önndtecc δ᾽ οὐδὲν Öpnu’, ἐπιρρόμβειςι δ᾽
ἀκουαί. ἁ δὲ μ᾽ ἱδρὼς κακχέεται, τρόμος δὲ παῖςαν ἀγρεῖ, χλωροτέρα
δὲ ποίας ἔμμι, τεθνάκην δ᾽ ὀλίγω. Die Berührung im Einzelnen ist
VERS 145—163. 11
aber nicht so nahe, dass man zu der Annahme genöthigt wäre, L. habe
sich des Gedichtes erinnert, oder es etwa in seiner Vorlage cilirt ge-
funden: Beides ist mir von vorn herein unwahrscheinlich. Die Schilde-
rung bei L. enthält nichts, was ihn nicht einfache Beobachtung hätte
lehren können: infringi linguam, das man aus Sappho erklären zu müssen
glaubt, bedarf dessen nicht: von der Stimme wird infringi in mannig-
facher Bedeutung häufig gebraucht, konnte also leicht auf die Zunge
übertragen werden. — Die letzten Verse recapituliren die ganze Ärgu-
mentation und schliessen mit dem φαινόμενον, auf dem sie sich auf-
baut; s. zu 216.
161—176 ‘Geist und Seele sind körperlicher Natur; denn erstens
bewegen sie den Körper: Bewegung ist aber nur durch Berührung, Be-
rührung nur zwischen Körpern möglich. Zweitens leiden sie mit dem
Körper durch körperliche Einflüsse” — Gleichförmigkeit der beiden Ar-
gumente ist nach Möglichkeit vermieden: der íactws wird beim zweiten
nicht ausdrücklich erwähnt. Der Abschnitt knüpft mit Aaec eadem ratio
unmittelbar an die letzten Worte des Vorhergehenden (corpus propellii οἱ
icit) an, deshalb wird auch propellere v. 162 wiederholt. Die sachlichen
Voraussetzungen sind theils im ersten Abschnitte v. 94 ff, theils bereits
im ersten Buche gegeben. Da gezeigt ist, dass die Seele selbständig
existir, keine blosse Eigenschaft oder Zustand des Körpers, comiuncium
oder eventum ist, so muss sie, wie I 418 nachgewiesen wurde, entweder
zum inane oder zu den corpora gehören; ein Drittes giebt es nicht.
Das unterscheidende Merkmal hat L. ebenda bereits festgestellt: 435 si
lactus eril. quamvis levis exigtusque ... corporis augebii mumerum .
sin intactile (ἀναφές) erit ... hoc id erit, vacuum quod inane ——
Der íacius der Seele wird hier aus den beiden Thatsachen gefolgert,
dass sie auf den Körper wirkt und unter seiner Einwirkung leidet,
fungitur πάςχει: vgl. I 443 facere et fungi sine corpore nulla potest res.
Negativ wendet den Beweis Epikur ep. I p. 21, 14 ἀλλὰ μὴν καὶ τόδε
γε bei npockatavoeiv Ó τι τὸ ἀσώματον, τοῦ ὀνόματος ἐπὶ τοῦ καθ᾿
ἑαυτὸ νοηθέντος dv: καθ᾽ ἑαυτὸ δὲ οὐκ ἔςτι νοῆςαι τὸ ἀεώματον
πλὴν τοῦ κενοῦ. τὸ δὲ κενὸν οὔτε ποιῆςαι οὔτε παθεῖν δύναται, ἀλλὰ
xivncıv μόνον δι᾽ ἑαυτοῦ τοῖς cópac παρέχεται. ὥκθ᾽ οἷ λέγοντες
ἀεώματον εἶναι τὴν ψυχὴν ματάζουςειν. οὐδὲν γὰρ ἂν ἐδύνατο ποιεῖν
οὔτε Tácyeww, εἰ ἦν τοιαύτη᾽ νῦν δ᾽ ἐναργιῶς ἀμφότερα ταῦτα cup-
βαίνει περὶ τὴν ψυχὴν τὰ ευμπτώματα. Das ist der vollständige Be-
weis, wie er sich nach Epikurs Theorie geben lässt: L. vermeidet das
umstündliche Zurückgreifen auf die im ersten Buche entwickelten Grund-
sitze der Lehre und stellt dafür das Bild der wirkenden und leidenden
Seele möglichst anschaulich vor Augen. — 163 corripere ez somno cor-
pus wie IV 1003 von schlafenden Hunden corpus de terra corripere in-
stant, III 925 correptus homo ex somno se colligit ipse. Das bewirken der
Geist und die im Körper noch zurückgebliebenen Seelentheile, denn
dieser selbst ist ja im Schlaf ohne Empfindung, s. 118. In corripere
liegt, wie in ‘sich aufraffen’, neben dem Begriff des Plótzlichen auch
der der Anstrengung, die der Geist dabei aufwenden muss. Autare
voliwn wird eigens erwähnt, weil dabei der unmittelbare Einfluss der
seelischen Stimmung auf den Körper ganz besonders deutlich hervor-
12 | COMMENTAR
tritt; dann folgt abschliessend und zusammenfassend aique hominem
tolum u. s. f.
169 nobis, nicht als ob der Geist mit uns empfände — vielmehr
wird auch zu consentire noch cwm corpore verstanden —, sondern weil
der Vorgang uns betrifft; das hinzugefügte in corpore erweckt die
Vorstellung der Zusammengehörigkeit von Geist und Körper und be-
gründet gleichsam die ςυμπάθεια: “da ja der Geist im Körper ist, trifft
ihn und den Körper das Gleiche”. Auch hier constatirt L. nicht ein-
fach die Thatsache, sondern appellirt mit cermis an das Zeugniss der
Sinne, wie 158 und 157 videmus, 164 videur, 165 wieder videmus:
Epikur hatte gelehrt κατὰ τὰς alcOnceıc dei πάντα τηρεῖν ep. I p. 5, 7. —
170 Der stärkste Beweis für die Abhängigkeit der Seele von körper-
lichen Einflüssen ist es natürlich, wenn sie dadurch, dass Knochen und
Sehnen verletzt werden, gezwungen wird, den Körper gänzlich zu ver-
lassen, also rita offenditur: aber auch wenn nicht (si minus) dieser deut-
lichste Beweis vorliegt, so lässt sich doch (at famen) erkennen, wie
Verwundungen den Geist afficiren. — 171 disclwsis: die Verletzung er-
folgt so, dass die Waffe in die Poren des Körpers eindringt, diese er-
weitert und so die Verbindung der Atome löst; s. zu 807 und vgl.
I 222 vis .. quae res diverberet ictu aut intus. penetret per inania
dissolvatque. Wie hier intus "hinein’ zu penetret gehört, wird man es
an unserer Stelle am Besten mit adacta verbinden, das ohne diese nähere
Bestimmung ein müssiger Zusatz wäre. Munro zieht es zu disclusis, wo
ich es gern entbehre, und vergleicht zu adacía Virg. Aen. IX 431 sed
viribus ensis adactus transabiit costas et candida pectora rumpit: aber da
ist viribus adactus “kraftvoll geführt” ein wesentlicher Zug des Bildes,
Vgl Aen. X 850 alte volnus adactun, XI 803 hasta ... virgineum alte
bibit acta cruorem. — 172 Wie aestus und voluntas, so sind auch lan--
guor und terrae petitus zunächst Functionen der Seele: weil sie den
Körper nicht mehr tragen und aufrecht halten kann, erschlafft er und
sinkt zu Boden. So in der Schilderung der Pest VI 1156 animi pror-
sum (um vires lolius, omne languebat corpus, beim Schlaf IV 929 unde
perturbari anima et corpus languescere possit. Der Zustand kommt einer
Ohnmacht nahe und ist, wie diese, mit einem gewissen Wohlgefühle
verbunden, suavis; Ähnliches erzählt Seneca ep. 77, 9 calda swbinde sub-
fusa paulatim defecit, μὲ aiebat, non sine quadam voluptate, quam
adferre solet lenis dissolutio non inexperia nobis, quos aliquando liquit
animus. Wer weitere Belege wünscht, lese etwa Montaignes Bericht
über seinen Sturz vom Pferde, Essais II 6; darin z B.: il me sembloit
que ma vie ne me tenoil plus qu'au bout des levres; ie fermoy les yeulz
pour ayder, ce me sembloit, à la powlser hors, ct prenoy plaisir à
m’alanguir ct à me laisser aller. Sachlich ist also swavis — was
allein Bockemüller gegenüber zahlreichen Ánderungsversuchen vertheidigt
hat — durchaus zutreffend; an dieser Stelle dient es dazu, den Gegen-
satz zwischen langwor und terrae petitus einerseits, aestus mentis und
exsurgendi volumias andererseits schärfer hervorzuheben: das Schwanken
zwischen entgegengesetzten Neigungen kennzeichnet eben mit die Affection
des Geistes. Die zeitliche Aufeinanderfolge dieser Neigungen wird
durch die ausdrückliche Angabe des in terra gigni hervorgehoben; aber
VERS 169—183. 19
diese Angabe ist doch in einen Nebensatz verwiesen, damit auch aesíws
und voluntas Subjecte zu insequitur bleiben, also als directe Folge der
körperlichen Verwundung erscheinen. — 175 Die Clausel des Abschnitts
bringt ausnahmsweise hier noch ein neues Moment in corporeis telis:
wenn selbst behauptet werden sollte, fungi und auch parifer cum corpore
fungi könne auch die unkörperliche Seele, so kann doch sicherlich durch
Körper nur ein anderer Körper, nicht etwas Unkörperliches in Leidens-
zustand versetzt werden.
177—230 Über Grösse und Gestalt der Seelenatome. Sie sind
sehr klein, glatt und rund: das folgt aus der grossen Beweglichkeit des
Geistes (182—207), sowie daraus, dass beim Abscheiden der Seele das
Gewicht des Körpers nicht abnimmt (208—230). — quali sit corpore οἵ
unde constiterit, τίς &crıv fj φύεις αὐτοῦ (aeterno corpore I 242 ist gleich
immortali natura 236) καὶ ἐκ τίνων cuvécrmke: die erste Frage wird
durch die zweite erläutert, wie in der Antwort persuptilem esse durch
perquam minutis corporibus constare. — 178 pergam etc. “ich will im
Folgenden auseinandersetzen’, so 428 animam cum dicere pergam nicht
*wenn ich auch weiterhin . ^, sondern ‘wenn ich im Folgenden . "^, ebenso
II 478 pergam conectere rem: im übertragenen Sinn wird pergere selten
so gebraucht. — 179 Dem persuptilis entspricht perquam mimdus: hier
war die Zusammensetzung mit per, bei L. sonst sehr beliebt, nicht mög-
lich. L. braucht perquam ausser in diesem Abschnitt (187. 204. 229)
nur noch IV 169 perquam subito und V 594 perquam pauzillo minores;
die Steigerungspartikeln admodum, valde, sane kennt er nicht; gelegent-
lich vertreten egregie oder wire die Stelle. — 181 hinc licet advertas
animum wie 46; der Zusatz wi pernoscere possis dient wohl in erster
Linie dazu, den Vers zu füllen: aber permoscere bezeichnet eine höhere
Stufe der Erkenntniss als animum advertere, so dass μέ, nicht δέ hier
Der erste Beweis verläuft in strenger Schlussform: 1. nichts ist
leichter beweglich als der Geist (182—185); 2. nun setzt aber grosse
Beweglichkeit einer Masse voraus, dass sie aus kleinen, runden Körpern
zusammengesetzt ist (186 — 202); 8. also muss auch der Geist aus
solchen bestehen (203—205). — 182 “Nichts Sichtbares geschieht so
schnell, wie der Geist sich das Geschehen vorstellt und selbst die ersten
Anstalten nur Verwirklichung der Vorstellung trifft. — Die Schnellig-
keit des Gedankens (Od. 7, 36 νέες ὑκεῖαι, docel πτερὸν ἠὲ νόημα,
auch Epikur braucht Ödfters ἅμα νοήματι ‘gedankenschnell”) und danach
auch des Geistes ist von Alters her und bei allen Völkern sprichwört-
lich; gewöhnlich verbindet sich damit die Vorstellung, dass der Geist in
unendlich kurzer Zeit unendlich grosse Räume durcheilt und an jeden
beliebigen Punkt gelangen kann; Diog. Laert. I 35 Thales: τάχιςτον
γοῦς, διὰ παντὸς γὰρ τρέχει. Cic. Tusc. I 198, 4 accedit μὲ eo facilius
animus evadat ex hoc aé&re ... quod nihil est animo velocius; nulla est
celeritas quae possit cum animi celeritate contendere; Varro 1. 1. VI 47
volo a volwntale dictum εἰ a volatu, quod animus ita est ut puncto tem-
poris pervolet quo volt. Der Epikureer, der den Geist als fest in der
Brust haftend kennt, kann hier, wo bildliche Ausdrucksweise nicht am
Platze ist, jene Vorstellung nicht brauchen; so wird denn hier vielmehr
14 COMMENTAR
die Schnelligkeit der Vorstellung mit der der Ausführung verglichem,
wie auch II 268 nonne vides eliam patefactis (cempore puncto. carceribus
non posse iamen prorwmpere equorum vim cupidam (am de subito quam
mens avet ipsa? Ehe der Geist eine Thätigkeit beginnt, inchoat, muss
ihn erst ihr Bild getroffen haben, IV 883 neque enim faccre incipil
ullam rem quisquam, quam mens providit quid velit. ante. “Sich vor-
stellen’ heisst sibi proponere mit Acc. e. inf. auch 627 proponere mobis
possumus animas vagari, 879 sibi cum proponit quisque futurum ... cor-
pus wli volucres lacerent. — Hier ist aus dem ni 182 ein aliqwid als
Subject zu Aeri und Object zu inchoat zu entnehmen. — 184 qwam res
ulla, quorum: der Begriff res ist so verallgemeinert, dass er sich dem
neutralen Pronomen nähert, «ila res also gleich quidquam steht; dazu ist
dann wieder ein corwm hinzu zu denken, woran quorum anschliesst.
Ähnliche Verbindungen bei Kühner Gramm. II 42, am auffallendsten wohl
Cie. div. I 58, 119 earum rerum utrumque a corde proficisci. Anders
zu erklären ist Cic. ad. fam. XVI 4, 2 ulla in re, quod ad valetudinem
opus sit und Sall Tug. 41, 1 abundantia carum rerum quae prima mor-
tales ducust.
186 at führt den Untersatz ein. Die Eigenschaften, ποιότητες, der
Atome sind cxfiua, βάρος, μέγεθος xai Óca ἐξ ἀνάγκης ςχήματι mpoc-
φυῆ écriv Epikur ep. I p. 14, 14. Dem cyfiua nach müssen leicht-
bewegliche Atome rotunda sein (186. 205); vor Allem aber wird ihre
geringe Grösse betont; aus dem μέγεθος in Verbindung mit dem cyfjpa
ergiebt sich, da weitere Qualitätsunterschiede nicht vorhanden sind, um-
mittelbar das βάρος, das L. daher auch nur gelegentlich erwähnt: 201
quaecumque magis cum pondere magno .. inveniuntur. Auch im zweiten
Beweise, der recht eigentlich auf das geringe Gewicht der Seelenatome
abzielt, wird nur von den perparca (216) und pauzilla semina ge-
sprochen. Zu den ἐξ ἀνάγκης «ςχήματι προςφυῆ gehört bei völliger
Kugelgestalt auch die Glätte: levia 194. 200. 205, während z. B. die
Atome des Salzwassers zwar auch globosa, aber nicht sämmtlich lewis,
sondern theilweis aspera sind, II 464 ff. — Die lucrezischen i
sind auch von Epikur überliefert: im Herodotbriefe spricht er von der
λεπτομέρεια supüilitas der Beele (p. 20, 8; 19, 17); in dem vom
Scholiasten p. 21, 15 angeführten heisst es (rhv ψυχὴν) ἐξ ἀτόμων
ευὐγκεῖςεθαι λειοτάτων καὶ «τρογγυλωτάτων. Vgl. auch Philodem de
morte col VIII (mit v. Arnims Ergänzungen Rh. M. 48, 363) λεπτο-
μερὴς vàp ἅμα καὶ τελέως εὐκίνητος ἡ ψυχὴ κατ᾽ ἄρθρα τ᾽ οὔτ᾽ ἐκ
μικροτάτων cuvecrmöta οὔτε λειοτάτων καὶ περιφερεςτάτων
καθειργμένη. Den Zusammenhang zwischen der runden Gestalt und der
Beweglichkeit hatte schon Demokrit gelehrt, Aristot. de an. 405a 9
(Δημόκριτος εἴρηκεν) ψυχὴν εἶναι ταὐτὸ καὶ νοῦν, τοῦτο δ᾽ εἶναι τῶν
πριύτων καὶ ἀδιαιρέτων cupéáruv, κινητικὸν δὲ διὰ λεπτομέρειαν καὶ τὸ
cxfiua- τῶν δὲ εχημάτων εὐκινητότατον τὸ «φαιροειδὲς λέτγει᾽ τοιοῦτον
δὲ εἶναι τόν τε νοῦν καὶ τὸ πῦρ. So schliesst Epikur umgekehrt vom
der runden Gestalt des stoischen Gottes auf seine Beweglichkeit: se wen
posse intellegere, qualis sit volubilis εἰ rotundus deus Cic. de n. d. II 17,
46 (fr. 358). — momen zu 144.
Die Verse 189—195 sehen Bockemüller und Brieger als einen
VERS 182—198. 15
früheren Versuch der Exemplification an, der durch den gelungeneren
196—202 habe ersetzt werden sollen. Bockemüller irrt aber zunächst,
wenn er die figwrae 190 und corpora 195 als Wassertropfen und Honig-
kugeln fasst: es sind natürlich auch hier die Atome von Wasser und
Honig gemeint. So wird das Fortschreiten von einer Versgruppe zur
andern klar und nichts kann entbehrt werden. Um den Zusammenhang
von Beweglichkeit und Gestalt bei den Atomen der unsichtbaren
Seele zu beweisen, exemplificirt L. zunächst auf die Atome sichtbarer
Körper, des Wassers und des Honigs; sodann, weil diese Atome selbst
wieder unsichtbar sind, auf sichtbare Bestandtheile — Mohnkörner und
Steine — von Massen, die leichter oder schwerer beweglich sind. Ohne
jenes vermittelnde Gleichniss würde das zweite nicht sofort als schl
erkannt werden. Die Gestalt der Wasseratome wird auf demselben
Wege II 451 veranschaulicht: illa quidem debent e levibus atque rulundis
esse magis, fluvido quae corpore liquida constant. namque papaveris
haustus item est facilis quasi aquarum, nec relinenlur enim inter se glome-
ramina quaeque et procursus item proclive volubilis exstat. — tantillo
momine gehört auch zu movelur. — 192 pigri magis neben dem Com-
parativ cunclantior aus metrischer Nötigung, wie 152 vementi magis, da-
gegen 201 magis cum pondere magno, weil es dem eo stabilita snagis
sunt möglichst genau entsprechen soll — Zu cunclantior vgl. die ganz
ähnliche Beweisführung II 891 quamvis subilo per colum vina videmus
perfiuere: ad contra tardum cunctatur olivom, aut quia, nimirum, maio-
ribus est elementis, aut magis hasnatis inter se perque plicatis. Der Honig
besteht zwar nach II 898 ebenfalls aus glatten, runden Atomen — das
ergiebt sich aus seinem Geschmack (vgl II 444 ff) —, aber doch nicht
tam levibus neque tam suptilibus atque rutundis wie das Wasser (194 f.).
— 194 ‘Aus Etwas bestehen’, was hier gemeint sein muss, heisst cow-
stare mit ex oder dem blossen Ablativ: das wird L. auch hier ge-
schrieben haben, nicht ezsíat. Man kann ezstat levibus corporibus nicht
vergleichen mit Wendungen wie II 393 maioribus est elementis, 445 haec
magis hamatis (sc. principiis) inter sese csse necessest: eine Beschaffenheit
der elementa oder principia eines Dinges kann wohl durch den Abl. qual.
ausgedrückt werden, nicht aber der corpora, &us denen es besteht. Ganz
anders V 498 inde mare, inde aer, inde aether ignifer ipse corporibus
liquidis sunt omnia pura relicta. — Die Corruptel erklärt sich leicht aus
der öfters beobachteten Neigung der Abschreiber, das Verstummen des
auslautenden 3 zu beseitigen.
' 196 aura suspensa mag sich an das häufig vom leisen Schritt ge-
brauchte suspendere pedem, gradum anlehnen; sehr nahe steht Liv. I 34,8
aquila suspensis demissa leniter alis. \g1067 suspensis dentibus vom
Hunde, der nicht fest zubeisst. — 197 diffluat soll an flutat 189 erinnern.
— 198 spicarumque will Brieger (Burs. Jabresb. 1878, p. 1119) halten:
die Ähren müssten, meint er, hier nothwendig erwähnt sein, da 'die
Steine wohl durch ihr Gewicht, nicht aber durch Rauhheit einen Gegen-
satz zu den Mohnkörnern bilden, während die durch ihre Grannen rauhen
Ähren jenen glatten und runden Körnchen sehr passend entgegengestellt
werden. Zunächst sind Steine, soweit sie nicht polirt sind, in der That
rauh, lapis asper III 694, aspera saxa IV 147, asper vom Terrain heisst
16 COMMENTAR
ja geradezu ‘steinig’; während. ich andererseits nicht glaube, dass
schlanke, biegsame Äbren je asperae genannt worden seien: jedenfalls
würde ein Haufen von Ähren schwerlich als besonders stark in sich ge-
festigt, stabilitus (202), bezeichnet werden können. Man braucht also
gar nicht einmal Gewicht darauf zu legen, dafs der Mangel des Verbums
hart (Munro) und die Vorstellung, dass eine aura levis keinen Stein-
haufen umblasen kann, sehr nichtesagend wäre (Lachmann): die Ver-
bindung von Steinen und Ähren ist hier an sich so anstössig, dass
spicarumque für corrupt gelten mufs. Eine sichere Verbesserung wird
sich kaum finden lassen: Munros ipse Eurus movere giebt den erforder-
lichen Sinn. — 199 progquam scheint nur L. für das sonst übliche prout
zu brauchen: II 1137, VI 11 proquam posse. Von den Vergleichungs-
sätzen der Prosa stehen am Nächsten z. B. Cicero de fin. V 20, 57 «
quisque oplime nalus institutusque est, esse omnino nolit im vita oder wi
quisque mit folgendem ita. Die Verse 199—205 recapituliren die Schluss-
folge in bündiger Form. — 206 Die Hervorhebung der Wichtigkeit des
gewonnenen Resultats ist in Epikurs Stil; vgl. epp. I p. 31, 18 αὐτὰ
ταῦτα ἐν μνήμῃ τιθέμενα εὐυνεχῶς βοηθήςει, p. 10, 18 χρήειμον δὴ καὶ
τοῦτο κατα(ςχεῖν τὸ crorxeiov, vgl ep. ad Pyth. p. 55, 1 ταῦτα δὴ
πάντα, ἸΤυθόκλεις, uvnuóveucov: κατὰ πολύ τε γὰρ τοῦ μύθου ἐκβήςῃ
καὶ τὰ ὁμογενῆ τούτοις cuvopüv δυνήςῃ. Lucrez ähnlich I 331 quod
fibi cognosse in multis erit «utile rebus. Die Gestalt der Seelenatome hat
aber in der That nicht nur theoretisches Interesse: L. leitet aus ihr
III 425 seinen ersten Beweis für die Vergänglichkeit der Seele ab. —
fibi gehört, wie I 331, zu wiilis und opportuna, nicht wie I 696 unde
hic cognitus est ipsi quem nominat ignis τὰ cognita.
208—227 Der erste Beweis galt nur für den Geist: so ist ein
zweiter erforderlich, der auch die Seele mit umfasst, ganz wie bei der
Erörterung über die selbstündige Existenz der beiden 9484. Die Vor-
gänge beim Tode geben, wie dort, das Hauptargument. — 208 dedicare
Synonym von decdarare I 367 gravius plus in se corporis esse dedicat
cf. 865; ebenso noch I 422 corpus per se commumnis dedicat esse sem-
sus; es scheint in dieser Bedeutung archaisch. — 209 tenuis texiwra
λεπτότης, die durch Kleinheit der zusammensetzenden Atome und ver-
hältnissmässige Grösse der Intervalle erzeugt wird. Nur wenn das inane
reichlich im Körper vorhanden ist, lässt er sich zusammendrüngen, com
glomerari: v. 374 elementa animai .... rara per arlus dissila sunt. — si
possit "angenommen, sie könnte es’; die Hypothese, dass beim Sterbenden
die Seele sich aus den Kórpertheilen zusammenziehe, wird v. 581 ff. wider-
legt, dann aber versuchsweise wieder zugelassen, 540 si iam libeat com
cedere falsum et dare posse animam glomerari in corpore. — 211 Der
Tod ist freilich eine sorgenfreie Ruhe, lefo sopitus 904 τι s. f; aber
dieser Buhe giebt sich der Mensch nicht freiwillig hin, sondern sie packt
ihn, simulatque est indepta, vgl. 930 frigida quem semel est vitai pausa
secuta, IV 761 quem ... mors et terra polilast. — 214 ad speciem: denn
da Seelenatome natürlich auch an der Oberfläche des Körpers, der extima
membrorum. circumcaesura 219 liegen, so müsste auch diese sich im Tode
verändern, falls eben nicht die Seelenatome so klein wären. — 216 Nach-
dem mit ergo der Schluss gezogen ist, wird mit gwatemws 218 in echt
VERS 198—994. 1
lucrezianischer Weise nochmals das Argument eingeführt, wie sonst mit
quoniam (II 520) oder quandogwidem (III 457); auch nach anderen
Folgerungssätzen, mit quare (z. B. 228. 579), quapropter (669), igitw
(I 262). Quaienus hat also hier, wie stets bei L. (II 927; III 424;
IV 750), causale Bedeutung und ist nicht gleich quo fine, quousque, wie
Woltjer Jahrb. 119 p. 783 will Nach der Theorie des Verrius τι. a,
die Woltjer a. ἃ. Ὁ. bespricht, und die ein limitirendes quatenus von
einem causalen quatinus (so z. B. Carm. Lat. Ep. I 420, 6) unterscheidet,
würde also bei L. überall quatinus zu schreiben sein, was II 927 und
IV 750 auch überliefert ist; aber nichts beweist, dass L. von dieser
Theorie, die in der lebendigen Sprache wohl kaum eine Stütze hatte,
schon gewusst oder gar sie befolgt habe. — Übrigens wird an den genannten
Stellen nicht etwa ein neues Argument gebracht, das die Schlussfolge-
rung rechtfertigen soll, sondern eben der Umstand, aus dem gefolgert
wurde, wird nochmals angeführt, meist mit einer neuen Wendung, aber
z. B. III 457 fast mit den gleichen Worten. Es scheint, als empfände
L. das Bedürfniss, den Abschnitt mit den φαινόμενα, nicht mit dem aus
ihnen erklärten ἄδηλον, zu endigen, um so das feste Fundament seiner
Darlegungen augenfällig hervortreten zu lassen. — (íofam, d. h. animes
und anima, während 218 omnis “ohne dass eine Quantität Atome zurück-
geblieben wäre’. — esse neram verbinde ich; zwar wäre esse perparvis
seminibus zu verstehen, s. oben zu v. 194, aber der Zusatz neram ...
nervos dann gänzlich überflüssig: man würde erwarten, dass die Ver-
breitung der Seele durch alle Bestandtheile des Körpers dann auch im
Vorhergehenden erwiesen wäre, was doch nicht der Fall ist. Wie die
Seele hier sexa per venas heisst, so sagt L. 372 corporis aique animi
primordia ... nectere membra, 557 conexu corpus adhaeret (animae),
691 conexa est per venas viscera nervos ossaque, 739 neque polerunt
suptiliter esse conexae (animae per corpora); obwohl eine περιπλοκή zwi-
schen den runden Seelen- und den sie haltenden Körperatomen (s. Epik.
ep. I p. 8, 4) nicht stattfinden kann. Nectere ist also hier in weiterem
Sinne von der engen Verbindung überhaupt gebraucht, wie Epikur (fr. 92)
sogar von einer κενοῦ παρεμπλοκή spricht.
222 spirilus unguenti, ein gewählter Ausdruck wie auch Bacchi
flos 221: das Parfum haucht süsse Düfte aus, vgl. II 848 nardi florem,
nectar qui naribus halat, 850 olivi naturam nullam quae millat naribus
auram. Das dritte Beispiel aber wäre unverständlich, wenn sucus hier
‘Saft’ bedeutete: L. war ein zu guter Beobachter, um zu behaupten,
dass eine vertrocknete Frucht um nichts leichter sei als eine frische;
sondern es kann nur der Geschmack gemeint sein, wie auch II 845, wo
suco ieiuna “ohne Geschmack? heisst: 857 entspricht sapor. Der Be-
deutungswechsel ist leicht verständlich, da der Saft einer Speise, die wir
beim Kauen ausdrücken, die Geschmacksempfindung hervorruft, IV 615 ff.
— 224 ocwlis videtur deutet noch schärfer als cernas 213 und se prae-
stat 220 an, dass die quantitative Veränderung der Körper zwar vor-
handen, aber so gering ist, dass unsere Sinne sie nicht wahrnehmen
können. — Andere behaupteten, da nach dem Abscheiden der Seele das
Gewicht des Körpers statt geringer vielmehr grösser würde, so sei die
Seele unkörperlich: was Soranus bei Tertull. de an. 8 bestreitet, —
18 COMMENTAR
226 An multa hat bereits Creech berechtigten Anstoss genommen; denn
so klein die Atome auch sein mögen, bei genügend grosser Anzahl muss
doch ibre Schwere ins Gewicht fallen; und von den Seelenatomen wenig-
siens sagt L. 278. 376 ausdrücklich, es seien wenige. Ich glaube an
ein Versehen des Dichters, da eine Änderung keine Wahrscheinlichkeit
hat, so gut auch pauca in Gegensatz treten würde zu in loto corpore. —
227 rerum, d. i. natürlich der Dinge, die Geruch oder Geschmack haben;
es brauchen nicht ausschliesslich die 221— 223 aufgezählten zu sein.
Vorhin (res ipsa) war an einen bestimmten Gegenstand gedacht, hier
erweitert sich die Vorstellung; aber die Bingulare odorem und ἐμ ioo
corpore neben rerum zeigen, dafs nicht Einzelerscheinungen, sondern
Allgemeinheiten, Körpermasse und Eigenschaft, einander gegenüberstehen.
— 228 quare etiam alque etiam beliebt zur Einführung der Schlussclausel,
II 337 v. 0.
281—322 Über die Bestandtheile des Seelencomplexes, die Art
ihrer Verbindung und Wirkung.
281—257 'Die Atome, aus denen Geist und Seele bestehen, sind
nicht gleichartig, sondern zerfallen in vier Hauptgruppen: Wind, Wärme,
Luft, und eine vierte unbenannte Gattung kleinster und glattester
Atome. — Von diesen geht die Bewegung aus, auf der die Empfindung
beruht: sie pflanzt sich fort auf die Atome von Wärme, Wind, Luft,
dann in die Atome des Körpers: in das Blut, Fleisch, schliesslich sogar
bis in's Mark der Knochen, was dann ernstliche Störungen des Organis-
mus, ja den Tod zur Folge hat: aber der Schmerz dringt selten so weit’. —
Der ganze Abschnitt 281—322 steht im Zusammenhang des Buches
merkwürdig isolirt da. Der vier Seelenbestandtheile wird im Folgenden
mit keinem Worte mehr gedacht. Alles, was sonst im ersten Haupt-
theile über das Wesen der Seele vorgetragen wird, dient mehr oder
weniger ausschliesslich dazu, die folgenden Haupttheile vorzubereiten, den
Grund zu legen, auf dem sich die Erkenntniss nil mors est ad nos auf-
baut: von diesem Capitel hier führen dagegen keine Fäden zu jenem
Kernsatze hinüber; es schliesst mit einem Ausblick auf ethische Probleme
v. 319 ff. ab. L. hat es aber auch unterlassen, die hier vorgetragene
Lehre zum Vorhergehenden in Beziehung zu setzen, und es somit zum
Theile selbst verschuldet, wenn er missverstanden worden ist: es finden
sich Angaben, die mit früher Gelehrtem theils wirklich unvereinbar sind,
theils erst bei eindringenderer Betrachtung als vereinbar erkannt werden.
Zwei Punkte kommen vor Allem in Frage: die Zusammensetzung der Seele
aus vier verschiedenen Atomgruppen, und das Verhältniss dieser Einthei-
lung zur Scheidung von Geist und Seele. Oben 122 und 126 waren aer und
ventus offenbar identisch, hier werden sie streng geschieden; ja die Luft
wird nicht zum Wind, sondern zur Wärme in nähere Beziehung gesetzt. ——
Das ist eine Inconsequenz, die man in einer einheitlich concipirten Schrift
nicht zu finden erwartet. Eher ist es erklürlich, dass die qwarfía matura
oben gar nicht erwähnt wurde: dort handelte es sich ja nur um die
Seele, so weit sie sinnlich wahrnehmbar ist: jene Substanz verbirgt sich
aber den Sinnen durchaus, s. 277. 280. — Ferner das Verhältniss zu
animus und anima. L. äussert sich so, dass man auf den ersten Blick
meinen könnte, die guarla natwra sei mit dem animus identisch. Oben[l4o
VERS 226—234. 19
wurden Furcht und Freude im animus localisirt, der nur bei besonders
heftiger Erregung seine Empfindung der Seele und dem Körper mit-
theile; hier wird behauptet, alle Empfindung entstehe zunächst in der
quarta natura. Von ihr heisst es 281 dominatur corpore tolo: genau
das Gleiche war 138 vom animus ausgesagt. Bei näherer Betrachtung
sieht man aber, dass L. jene Identität zweifellos nicht anerkennt. Jener
Widerspruch ist nur scheinbar: rein geistige Bewegungen, wie Furcht und
Freude, entstehen eben im animus, und zwar, wie wir annehmen müssen,
zunächst in den in ihm enthaltenen Atomen der quaría nalura; sinn-
lichen Eindrücken ist dagegen zunächst die Seele ausgesetzt, da sie ja
ihrer Image nach zunächst davon betroffen wird, und auch in ihr ist es die
quarla natura, von der die Bewegung und also auch Empfindung aus-
gebt. Der Geist haftet fest in der Brust, ist also räumlich von der
Seele getrennt: die vier Atomgruppen dagegen können, wie L. ausdrück-
lich (264) hervorhebt, räumlich nicht von einander geschieden werden,
sie sind im Zustande innigster Vermischung. Schliesslich: L. sagt
nichts von jener Identität: er würde das aber seiner ganzen Darstellungs-
weise nach zweifellos thun, wenn er daran glaubte. Also muss auch das
dominari corpore lolo, von zwei verschiedenen Dingen ausgesagt, in ver-
schiedenem Sinne gemeint sein: s. zu 281. — Ist man sich nun über
LJ Auffassung der Sache klar, so kennt man auch die Epikurs: nichts
nötigt uns anzunehmen, dass hier ein Missverständniss des Dichters vor-
liege, 8. Einleitung p. 42. — Auffallend bleibt freilich, dass L. des Ver-
hältnisses der beiden Gliederungen zu einander mit keinem Worte ge-
denkt. In Verbindung mit den vorher hervorgehobenen Anstössen legt
das die Vermutung nahe, dass L. diesen ganzen Abschnitt einer anderen
Schrift entnahm als seiner Hauptquelle: es verdient Beachtung, dass
v. 323 an 230 ohne bemerkbare Lücke anschliessen würde.
Wenn L. es vers&umt hst, den Abschnitt zu dem vorhergehenden in
unzweideutige Beziehung zu setzen, so mag dabei die Bchwierigkeit der
Form mitgewirkt haben: er selbst klagt ja gerade hier (v. 260) über
die patrii sermonis egestas. Sie tritt wohl gleich bei der Benennung der
vier Atomgruppen zu Tage. Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass die
in der Seele enthaltene awra u.s. w. völlig gleichartig mit der gewÜhn- ,
lichen awra ist: sie ist nur dem Winde ähnlich, ihm zunächst zu ver-
gleichen. Epikur sagt p. 19, 18 fj ψυχὴ cá écn ... προςεμφερέ-
ετατον πνεύματι θερμοῦ τινα κρᾶειν ἔχοντι, nach Aetius IV 3, 11
(fr. 815) ist die Seele ein κρᾶμα ἐκ τεττάρων, ἐκ ποιοῦ πυρώδους, ἐκ
ποιοῦ ἀερώδους, ἐκ ποιοῦ πνευματικοῦ, ἐκ τετάρτου τινὸς ἀκατονο-
μάςτου: nachher darf er sich erlauben, ungeneuer von πνεῦμα, ἀήρ,
θερμόν zu sprechen. L. sagt schlankweg awra miría vapore: da er Ad-
jectiva, die dem πγευματικός ete. entsprechen, nicht bilden kann, ,muss
er auf die feine Distinction verzichten. — 234 Die Luft ist nicht, wie
Wind und Wärme, sinnlich wahrnehmbar: so muss ihre Anwesenheit
erst erschlossen werden. Es kann auffallen, dass sie mit der Wärme,
nicht dem Winde verbunden auftritt, während doch die nahe Verwandt-
schaft, wenn nicht Identität von Luft und Wind allgemein anerkanut
ist, wie ja auch L. oben beide Namen für einen Begriff gebraucht, Wir
werden so genöthigt, die Frage χὰ streifen, wie sich Epikur das Ver-
80 COMMENTAR
hältniss des Windes zur Luft dachte; ohne eine eindringende Erforschung
der epikurischen Atomenlehre, die noch fehlt, wird man freilich hierin,
wie in so vielen anderen Fragen, nicht ganz zum Ziele kommen können.
Die verbreitetste Anschauung ist einfach die, dass Wind bewegte Luft
ist: Anaximander ἄγεμον εἶναι ῥύειν ἀέρος Aet. III 7, 1, ebenso die
Stoiker ebd. 2, ventus est fluens aer Sen. qu. nat. V 1, 1, quoniam ventus
haud aliud intelligatur quam fluctus aeris Plin. n. h. II 114. Anders
Aristoteles, der πνεῦμα und ἄνεμος als Ausdünstungen, &vaOupiáceic
oder ἀναδόςεις, von Luft und Feuchtigkeit, aus denen sie entstehen
können, dem Wesen nach unterscheidet. Ihm folgend scheint auch
Epikur angenommen zu haben, dass Wind zwar durch Bewegung der
Luft entsteht (L. VI 685 ventus enim fit ubi est agilando percitus aer,
vgl. fr. 308 p. 216, 4 πνευματούμενος δὲ οὗτος [sc. ὃ ἀήρ] xarà τὴν
xivncıv), dass aber hierbei eine Veränderung in der Lage der Atome zu
einander eintritt, also ein neuer Körper entsteht — die μεταβλητικὴ
Kívncic ist ja nur ein bestimmtes εἶδος der μεταβατική fr. 291 —; so-
mit ist das ein ganz anderer Vorgang, als wenn ruhiges Wasser zu be-
wegtem wird; dabei findet keine μεταβολή statt. "Vgl. ep. II p. 48, 6
ἐκπνευματοῦν τὸν ἀέρα “die Luft zu Wind machen’. Das πνεῦμα kann
dann wieder zu Feuer werden, κατὰ τὴν τοῦ πνεύματος ἐκπύρωειν ebd.
p. 45, 15. Die Gestalt der Atome bleibt hierbei natürlich unverändert,
und so würden die Windatome mit den Luftatomen zwar wesentlich
gleichartig, Wesen und Wirkung der Körper aber doch völlig von ein-
ander verschieden sein. Da nun Wind verwandelte Luft ist, so mag
Epikur angenommen haben, dass der Wind keine Luft mehr enthält —
Näheres lässt sich darüber nicht sagen: der von L. I 271 ff geführte
Nachweis, dass es venli corpora caeca gebe, bringt uns nicht weiter.
Dagegen das Feuer führt Luft mit sich, wie jeder andere Körper: VI
1034 res omnes debent in corpore habere aera, quandoquidem varo. suni
corpore εἰ aer omnibus est rebus circumdatus adpositusque.. Je mehr
nun ein Körper rarus ist, d. h. je mehr inane er enthält, desto mehr
wird er auch Luft mit sich führen: da also das Feuer, wie aus seiner
Leichtigkeit und Expansionsfähigkeit geschlossen werden kann, jene
Eigenschaft in hohem Grade besitst — das deutet die Stellung des
Adjectivs v. 235 an —, so mtissen die Luftetome in ihm und analog
auch in dem vapor zahlreich sein (236); und so wird es kein noch so
geringes Quantum von Wärme geben (nec calor est quisquam 234), das
nicht Luft enthielte. — Im Übrigen darf man das πυρῶδες der Seele
nicht ohne Weiteres dem natürlichen Feuer gleichsetzen: wenn von
diesem II 431 (vgl. 463) gesagt war, seine Atome müssten deníata oder
acula sein, damit sie pungere corpus, conpungere semsus corporis könnten,
so gilt das nicht vom vapor der Seele, der jene Wirkung nicht hat:
das vorher über die Gestalt der Seelenatome Gesagte kann also bestehen
bleiben. — 285 enim gehört zum Hauptsatze, denn die incorrecte Aus-
drucksweise quod enim ‘weil nämlich’ ist L. nicht zuzutrauen, s. Langen,
Beiträge p. 271. — 237 animus steht hier für die ganze Seele, eben so
unanstössig wie 177.
288 In ομμοία liegt etwas Concessives: "obwohl wir mehrere Be-
standtheile gefunden haben, so genügen sie doch alle zusammen noch
VERS 234—944. 81
nicht”. — 289f: die Verse sind corrupt und noch nicht geheilt. Das
überlieferte mens recipi könnte verstanden werden “der Geist nimmt an,
d. h, billigt, hält für richtig: aber statt dessen müsste man, da der
Geist ja doch häufig genug auch Falsches für richtig: "hält, mindestens
erwarten ‘kann nicht billigen’, vgl. 1 628 quod quoniam ratio reclamat
vera wegatqwe credere posse. animus; oder: “der Geist lässt (seiner
Natur nach) nicht zu, duldet nicht an sich’, was keinen Sinn giebt.
Lachmanns quem muthet dem L. zu, das Pronomen unnöthiger Weise
unerhört schlecht gestellt zu haben, und nil recipit kann zudem nicht
heissen “ie nullam harum rerum cadi, sondern nur nikil admittit oder
in se recipit "macht sich anheischig’, wobei posse nicht stehen dürfte:
das gilt auch gegen Góbels recipi se posse creare (quaest. Lucr. p. 24).
Bernays recipit res haben Munro und Brieger aufgenommen, und
Munro übersetzt ἴδε fach of the case does noi admit', aber recipere
kann in dieser Bedeutung nur von dem gesagt werden, der an sich
etwas geschehen lässt. — Der Sinn der Stelle muss dieser sein: “die
Verbindung der drei genannten Bestandtheile genügt nicht, um die
Empfindung hervorzurufen, da jeder einzelne dazu nicht im Stande ist":
τὸ ἀκατονόμαςτον τὴν ἐν ἡμῖν ἐμποιεῖν αἴςθηςειν᾽ ἐν οὐδενὶ γὰρ τῶν
ὀνομαζομένων ετοιχείων εἶναι αἴςθηειν fr. 315. — Was sich ferner in
dem überlieferten qwaedamque mente volutat verbirgt, ist auch noch nicht
. entdeckt. Munro schreibt εἰ homo quae mente volulat, “Ihe thoughts schich
a man turns over and over in mind’ —: abgesehen von dem unglaub-
lichen homo sind die Dinge, quae mente volutamus, bestimmte Gegen-
stände, z. B. nihil umquam nisi sempiternum εἰ divinum animo volulare
Cic. rep. I 17, 28, die natürlich nicht durch die Seelensubstanz erzeugt
werden. Aber auch bei Munros Deutung ist die Ergänzung des ganz
allgemein gesagten semsiferos solus, d. i. alcOncıv im weiteren Sinne der
specifisch seelischen Thätigkeit, von der auch im Folgenden ausschliess-
lich die Rede ist, durch das specielle “Gedanken? sehr unglücklich: man
würde mindestens die πάθη genannt zu sehen erwarten. Der letzte
Versuch nedum quae mente volstat (Giussani Riv. di 810]. XXIV 112)
ist noch weniger gelungen: wie kann zu mente volwiat das Subject sens
sein! — Da ich mir eine wesentliche Ergänzung des vorher Gesagten
nicht denken kann, vermuthe ich ein Versfüllsel etwa des Sinnes “wie man
sich auch die Sache hin und her überlegen mag' — finde aber keine
genügende lateinische Fassung.
242 adiribuaniur nicht "zu ihnen noch hinzufügen’, denn in diesem
Sinne wird adíribwere nicht == addere gebraucht, sondern "ihnen bei-
gesellen, zur Begleitung geben’: dafür ist adtribuere üblich. — 244 e
parvis οἱ levibus ex elementis hat man mannigfach abgeändert, um die
Wiederholung der Prüposition zu beseitigen, die anstössig schien, qwoniam
in eisdem est levor et — d ini Natürlich —8 einmaliges ez,
was man conjici - zu einem m. den einzelnen Begriff hervorheben-
den e£ — εἰ (so Lachmann), das L. nur sehr selten verwendet, war hier
Lucretius v. Hasuen, 0
82 COMMENTAR
keinerlei Veranlassung, und bei dem engen Zusammenhang zwischen Be-
weglichkeit und Form der Atome ist auch die Vereinigung der Prädicate
unter dem einen exsíat passender als der neue Satz sec — est elementis
(so Wakefield u. A.), worin man zudem das Subject wiederholt wünschte.
246 parvis perfecta figuris giebt den Grund an, weshalb sie zuerst
bewegt wird; je nach der grölseren oder geringeren Beweglichkeit werden
dann auch die übrigen Bestandtheile von Seele oder Körper früher oder
später ergriffen, zuletzt das Festeste, die Knochen, und das durch sie
geschützte Mark. Das kommt denn der volksthümlichen Anschauung
nahe, wonach die stärksten Empfindungen bis ins Mark dringen; allgemein
anerkannt ist ferner, wie gefährlich eine Verletzung des Rückenmarks ist;
daher es bei den Medicinern geradezu alwv heisst. L. corrigirt gewisser-
massen jene volksthümliche Anschauung, indem er hervorhebt, wie selten
Empfindungen bis ins Mark dringen, und bestätigt die medicinische
Lehre: mec femere huc dolor «sque potest penetrare etc. Die älteren
Interpreten haben das ganz richtig verstanden: neuerdings fasst man
seltsamerweise huc als «sque in quariawm illam naluram, von der doch
jeder sensifer. motus ausgeht, die also durch jede erste leiseste Empfindung
von voluptas und dolor berührt wird. — acre malum wohl Krankheit. —
258 quin omnia pertürbentur: vgl. II 968 dolor est, ubi materias corpora
vi quadam per viscera viva per aríus sollicitata suis trepidant in sedibus
inius. Der ordnungsmälsigen Bewegung, omnia mobilitaniur, steht die
widernatürliche und darum verderbliche des perturbari gegenüber. Auch
der Schlaf hindert die normalen Functionen des Organismus: conturbantur
enim. posilurae principiorum corporis aique animi IV 943. "Vgl ferner
zur Ergänzung unserer Schilderung II 944 ff. praeterea. quamvis animan-
tem grandior ichus, quam patitur natura, repente adfligii εἰ omnis cor-
poris aique. animi pergit. confundere sensus. — dissolvontur enim positurae
principiorum, οἱ penitus molus vitales impediuntur, donec materies, omnis
concussa per arius, vitalis animae nodos a corpore solvit. dispersamque
foras per caulas eiecit omnis. — 254 animai partes ‘die Stücke der Seele’:
denn beim Tode scinditur animae natura 531, sie entweicht nicht inco-
lwnis 608. — Die cawlae corporis (πόροι) auch v. 702; VI 889 (aves)
dispergunt animas per caulas corporis omnis; IV 660 die caulae palati
neben den foramina linguae; VI 492 die cawlae aetheris neben den
spiracula mundi. Die Seele entweicht nicht allein, wie es die volksthüm-
liche Anschauung auffasst, aus Mund und Nase (vgl zu v. 607), sondern
aus allen ‘Poren’ des Körpers: 586 foras mananie anima wsqwe per
arius perque viarum omnis flexus, in corpore qui sunt, atque foramina.
Das hatte schon die alte Medicin gelehrt: bei der Schilderung des Todes
am Schlusse der auf sehr alter Grundlage beruhenden (vgl. Ilberg, Griech.
Stud. f. Herm. Lipsius p. 22 ff) Schrift περὶ ἑβδομάδων (Hippokr. VIII
p. 672 Littré, == Aphor. VIII 12) heisst es ἀποπνεῖ ἀθροῦν τὸ πνεῦμα
ToO θερμοῦ ... τὸ μὲν διὰ τῶν εαρκῶν, τὸ δὲ διὰ τῶν ἐν κεφαλῇ
ἀναπνοῶν. Es ist anzunehmen, dafs Demokrit sich diese Lehre an-
geeignet hatie, da wir sie bei Epikur finden; vgl Philod. de morte col. 8
ἐξίπταται (fh ψυχὴ) ζ(λελειμμένγων πόρων ἐν τῇ capxl πζλέονν A μζυρίωνν
eol. 37 τῆς ψυχῆς ἑτοιμοτάτους πόρους εἷς ἐκπνοὴν ἐχούςης. Ten Brink
Philol. VIII 423 sucht umgekehrt Benutzung des Demokrit in dem betr.
VERS 944—368. 83
Abschnitt aus m. ἑβδομάδων nachzuweisen, ohne überzeugende Argu-
mente. — 256 in summo quasi corpore “sozusagen’, denn nach der ge-
gebenen Schilderung des Vorgangs verlaufen ja die sensiferi motus im
Kórper nicht strict von aussen nach innen.
258—322 über Mischung und Wirkungen der vier Seelentheile.
258—261 “Die folgende Auseinandersetzung kann nur die Haupt-
punkte berühren; die Armut der Muttersprache verbietet ein näheres
Eingehen’. — Der Dichter ist sich also bewufst, dass es ihm nicht
gelingen kann, die epikurische Theorie befriedigend wiederzugeben (ab-
Sirahit aventem), aber er will doch wenigstens versuchen, das Wichtigste
anzudeuten. In der That bietet kaum ein Abschnitt des Gedichts dem
tiefer eindringenden Verständniss grössere Schwierigkeiten; und auf die
palrii sermonis egestas kommt L. unten 317 zurück: er verzichte auf
weitere Ausführungen, da er nicht vermöge reperire figurarum tot nomina
quot sunt principiis. Es ist das der einzige Fall in dem wir bestimmt
wissen, dass L. die Ausführungen seiner Quelle stark gekürzt hat, und
wir müssen ihm glauben, dass neben sachlichen Erwägungen (vgl. das
oben über den ganzen Abschnitt Gesagte) sprachliche Schwierigkeiten
ihn dazu zwangen: Munro sucht also vergebens (Introd. p. 11) die
Äusserungen des Dichters über den auf ihm lastenden sprachlichen Zwang
abzuschwüchen. — 258 Dass inter durch die Cäsur getheilt wird, hat
bereits L. Müller (de r. m.* 461) gesagt; das Gleiche würde für den
Vers VI 1067, wie ihn Lachmann schreibt (quae numerare queam inter
singillariter apta), gelten. Die von Müller beigebrachten Beispiele
lassen sich vermehren: Silius V 497 pars trepidi celso in | ter tela cacw-
mine pendent; Iuven. X 358 qui spatium | vitae extremum in | ter munera
ponat (falls hier nicht er | tremum vorzuziehen ist; falsch jedenfalls
Eskuche bei Friedländer p. 75). — 269 compta bezeichnet mehr als
mixta die geordnete, gesetzmässige Verbindung, Zusammenfügung; s. zu 845.
— 260 ‘aber, wenn ich's auch nicht wirklich erörtern kann, rationem
reddere, so will ich's doch wenigstens (s. zu s τὰ 558), so gut ich's summarisch
zu berühren vermag, berühren’. summalim attingere ist ein Begriff;
zum Verbum des Hauptsatzes, tangam, hört jeder das Adverb noch hinzu.
Darin, dass statt des üblichen elliptischen μέ potero der volle Satz steht,
darf man keine besondere Absicht suchen: μὲ pofero, summatim tangam
hätte genau das Gleiche besagt, aber den Vers nicht gefüllt. — Das
Object in fangam ist aus dem Satze quo pacto ... vigeant zu entnehmen.
262—287 über die Verbindung der Seelenbestandtheile unter ein-
ander. ‘Die vier Atomgruppen sind nicht räumlich von einander ge-
sondert, sondern unter einander gemischt; so bilden sie einen Körper,
als dessen verschiedene Krüfte sie hervortreten, wie an den einzelnen
Körpertheilen jedes Lebewesens Geruch, Farbe, Geschmack. Am meisten
tritt wegen der Kleinheit ihrer Atome für die Sinneserkenntnis die
vierte Substanz zurück, die sich zur Gesammtseele verhält, wie die gleich-
falls dem Körper gegenüber zurücktretende Seele zu diesem. In Ahn-
licher Weise, wie jene Substanz die drei anderen durchdringt, müssen
diese unter einander gemischt sein, damit ein scheinbar Einheitliches
entsteht; die Absonderung einer Atomgruppe von den übrigen würde
die Existenz der Seele und somit das Zustandekommen der Empfindung
45
84 COMMENTAR
unmöglich machen’. — Offenbar liegt L. viel daran, das Missverständ-
niss zu vermeiden, als seien die einzelnen Átomgruppen Theile der Seele,
in dem Sinne, wie etwa Platon von solchen sprach, oder wie Epikur
den animus τὸ λογιζόμενον μέρος τῆς ψυχῆς (fr. 318, so Diogenes
v. Oin. fr. 32 τὸ λογικὸν μέρος καὶ τὸ ἄλογον), L. selbst das ἄλογον
142 ceiera pars animae nennt. Er vermeidet es ja auch, diese vier
Bestandtheile paríes animae zu benennen (255 ist damit "etwas ganz
Anderes gemeint) und verzichtet lieber auf eine Bezeichnung, die das
Verhältniss des Theils zum Ganzen ausdrückt: Da nur die Vereinigung
der verschiedenen Atomarten die Seele ausmacht, diese aber im ganzen
Körper als Seele wirkt, so muss sie auch durch den ganzen Körper
gleichmässig die ganze Mischung enthalten, locale Verschiedenheiten in
der Zusammensetzung sind ausgeschlossen. Es steht danach mit der
unsichtbaren Seele nicht anders, als mit den sichtbaren Körpern, die
sämmtlich gleichfalls aus verschiedenen Atomgruppen bestehen, da kein
Körper nur eine einzige Kraft oder Eigenschaft besitzt: II 582 convenit
... menle tenere nil esse, in promplu quorum nalura videlur, quod
genere ez uno consisiai principiorum, nec quicquam quod non permizto
semine | constet: ed quodcumque magis vis mullas possideb im se alque
potestates (cf. 265), ila. plurima principiorum im sese. genera. ac varias
docet esse figuras. Zur Veranschaulichung dient, ganz ähnlich wie bier,
II 680 mula vides quibus ct color ei sapor una reddila suni cum
odore ... haec igitur variis debent. constare figuris. — L. bezeichnet die
verschiedenen nalurae geradezu als vires der Seele (265. 270); so
ist auch für Epikur die @ücıc eines Dinges mit seiner δύναμις iden-
tisch (s. über die Begriffe Natorp, Forsch. z. Gesch. d. Erkenntniss-
problems p. 131 ff. 230), und wie er eine Substanz als φύςις bezeichnet,
kann er sie auch δύναμις nennen; ποιότης ἀκατονόμαςτος heisst in
ganz gleicher Weise bei Plut. adv. Col. 20 fr. 314 die malura nominis
expers. Ein der ποιότης genau entsprechendes Wort hat L. nicht.
262 primordia principiorum motibus: die principia können unmöglich
elwas Anderes sein als die primordia, denn nach dem oben Gesagten ist
ganz undenkbar, dass sie die vier genera principiorum bedeuteten:
L. braucht den Plural des Wortes sehr oft, und immer dient es dazu,
primordia in den obliquen Casus zu ersetzen, wie z. B. saecla den Plural
von genus vertritt (Polle Jahrbb. 98, 758). Primordia u. principia be-
sagen also hier genau dasselbe, und somit liegt keine sog. "Tautologie”
vor, wie in aeris aurae, nidoris odores, sondern die Nebeneinanderstellung
ist nicht anders zu beurtheilen, als wenn in ähnlichen Füllen dasselbe
Wort wiederholt wird, um die reflexive Beziehung stark zu betonen.
Betont soll aber hier werden, dass das inter se intercursare schon die
nothwendige Folge der den Atomen als solchen eigenthümlichen Bewegung
ist (vgl. Π 95 ff. u 5, oben zu v. 38), nicht erst einer von aussen heran-
tretenden. — 263 ndil .. . wm gehört nicht zusammen wie Liv. 41, 20, 7
Rhodiis ut nihil unum insigne, ila. omnis generis .. . dona. dedit, sondern
unum proleptisch zu secermier, ‘so dass es dann allein für sich ist’ —
secernier wird durch spalio divisa erklärt: unterscheiden kann man sie
wohl, aber nicht räumlich trennen. — 265 Subject zu er/ant können '
nicht primordia sein, denn nicht die einzelnen Atome, nur die Atom-
VERS 262—366. 85
gruppen wirken als verschiedene Kräfte; aus nihil ist vielmehr ein omnia
illa genera, 6 quibus constal anima zu entnehmen. — mwlíae vis,
vgl II 586 (oben eitirt); das sind nicht nur vier, die mit den vier
hauptsüchlichen gemera identisch wären, sondern in jedem derselben giebt
es wieder Unterabtheilungen, die besondere Kräfte repräsentiren, s. zu v. 314.
In der Annahme verschiedener seelischer Kräfte trennt sich Ep. von
Demokrit: Alex. Aphrod. de an. f. 128* τοῦ μὲν οὖν πλείους buvé-
μεις τῆς ψυχῆς εἶναι καὶ μὴ τὴν αὐτὴν ταῖς μεταβολαῖς xal ἄλλοτε
πρὸς ἄλλα τε καὶ δι᾽ ἄλλων ἐνεργείαις δοκεῖν πλείους εἶναι, ὧς Anpo-
xpirw τε καὶ ἄλλοις rıciv δοκεῖ... Die eingehenden Untersuchungen
-des Aristoteles über die δυνάμεις τῆς ψυχῆς mögen auf Ep. gewirkt
haben: Aristoteles hält der demokritischen Lehre vor, es sei nicht zu
begreifen, wie ein und dieselbe Substanz Entgegengesetztes, wie Bewegung
und Ruhe, im Körper hervorbringen könne, de an. 406 b 22. Daher
giebt denn Ep. die Einheitlichkeit auf und führt z. B. Bewegung und Ruhe
auf die Verschiedenheit der Atome zurück, s. zu 288 und Einl p. 40.
266 viscus heisst bei L. nie Eingeweide', sondern immer ganz all-
gemein das Fleisch des lebenden Kürpers (vgl Servius zu Aen. VI 253
viscera: non exia dicit sed carnes, nam viscera sunt quicquid inter ossa el
cutem est): visceris et sanguinis V 908, ossa ... viscus .. . sanguis I 885,
08sa cruor venae calor umor viscera nervi II 669 u. s. £; caro überhaupt nur
VI 967 und 969 neben coria, Fleisch, das gebraten oder im Wasser geweicht
wird. Also auch hier viscus ein Fleischtheil am lebenden ‚ Körper: ein
jedes solches viscus besitzt (würden wir sagen) verschiedene
Geruch, Geschmack, dazu als Drittes sicher nicht calor, was überliefert
ist, sondern color (Lamb.). Die Körperwärme wird ja eben durch Seelen-
atome erzeugt, und es wäre widersinnig, ein und dasselbe, eben diese
primordia caloris, auf beiden Seiten des Vergleichs vorzubringen; color,
sapor und odor, die naturgemäss zu einander gehören, werden zusammen
genannt auch in der Parallelstelle II 680 (oben citirt p. 84). Ich be-
merke nebenbei, dass ich nicht sicher weiss, ob Epikur die Farhe ganz
auf eine Linie mit Geruch und Geschmack hat stellen wollen: L. thut
es jedenfalls. Ex his omnibus nun, d. h aus den drei genannten wie
verschiedenen ungenannten ποιότητες, ist ein einziger und einheitlicher
Theil des Kórpers geworden, die verschiedenen Substanzen sind so unter
einander gemischt, dass sie sämmtlich nicht zu sondern sind. Vgl. II 668
quamvis animanie ex omnibus unam ossa cruor venae calor umor viscera
nervi constituunt, quae sunt porro distantia longe; da sind nicht Atom-
gruppen genannt, sondern Körper, die aus solchen zusammengesetzt sind
und dann, wieder unter einander verbunden, ein Lebewesen bilden; sie
alle sind corporis augmina, tragen etwas zum Ganzen des Organismus
bei. Eine Substanz wie sie, una natura, ist auch die Seele, die Mischung
der genannten Atomgruppen. — Um das Bild als treffend zu empfinden,
muss man sich die epikurische Anschauung gegenwärtig halten, wonach
die ποιότητες, odor τι s. w., nicht am Körper haften, sondern im Körper
als seine Bestandtheile sind. Áusserlich ganz ähnlich, aber auf anderer
Anschauung beruhend, das Bild bei Alexander Aphrod. de an. f. 128”,
wo er sich dagegen verwahrt, dass er die Seele, von deren μέρη er doch
spreche, als theilbar auffasse: οὐ γὰρ εἰς ἃ διαιροῦμεν αὐτήν, dc ἐκ
86 COMMENTAR
τούτων xeyupicuévuv cuyxeutévny διαιροῦμεν, ἀλλὰ τῇ τῶν δυνάμεων
ὧν ἔχει καταριθμήςει (quasi mullae. vis) καὶ τῇ τῶν διαφορῶν αὐτῶν
εὑρέςει τὴν διαίρεειν αὐτῆς ποιούμεθα, ὡς ἂν εἰ τὸ μῆλόν τις διαιροίη
εἴς τε εὐωδίαν καὶ εἰς εὔχροιαν καὶ εἰς εχῆμα καὶ eic χυμόν (vgl. dazu
Themist. de an. I 5 p. 68 Sp.) Etwas anders, der epikurischen Auf-
fassung näher kommend, wenden das Bild die Stoiker bei Jambl. Tt. ψυχῆς
(Stob. ecl. I p. 868 W.): ὥςπερ τὸ μῆλον ἐν τῷ αὐτῷ εὐματι τὴν
γλυκύτητα ἔχει καὶ τὴν εὐωδίαν, οὕτω καὶ τὸ ἡγεμονικὸν ἐν ταὐτῷ
φανταςίαν, cuyxarädecıv, ὁρμήν, λόγον cuvelinpe L. (d. h. Epikur)
hat das an sich weniger nahe liegende viscus gewählt, um die Geltung
der Seele als pars corporis wieder zu betonen. — 271 dividit, oben 245
didit: vgl τὰς διαδιδομένας (ὑπὸ τῆς ψυχῆς) τῷ εὐματι κινήεεις
Philod. de ira col 8. Auf die Fleischtheile, viscera, geht dann von den
gröberen Seelenatomen die Bewegung über: unde 272 ist auf ollis zu
beziehen. Dagegen war 245 ganz correct von der quarla natura gesagt:
sensiferos motus didit prima per aríws, d. h. zunächst auf die in den
arius enthaltenen übrigen Seelenatome. |
273 Nam leitet die nähere Darlegung über die Art der Mischung
ein. Zunächst wird die Sonderstellung der vierten Substanz nochmals
energisch hervorgehoben und definirt. Sie ist durchaus ganz verborgen
und versteckt: ist sie ja doch directer sinnlicher Wahrnehmung überhaupt
nicht zugänglich, sondern nur durch einen Schluss gefunden. Subest hier
und 284 darf man nicht etwa als Übersetzung von ὑπόκειται, ὕπεςτι
ansehen im Sinne des Aristoteles und Späterer, denen das ὑποκείμενον
die Substanz im Gegensatz zur Eigenschaft ist; schon deshalb nicht,
weil im Folgenden die Proportion 'guaría: Seele == Seele: Körper’ auf-
gestellt wird, die Seele aber keinesfalls als ὑποκείμενον des Körpers
aufgefasst werden kann. Vielmehr ist swbesi lediglich ein sinnlicherer
Ausdruck für das durch latet Ausgedrückte. — 274 magis hac infra ist
richtig überliefert, nicht in intra zu ändern. Man darf es zwar nicht
vergleichen mit IV 111 primordia (antwm sunt infra nostros sensus, was
Munro richtig erläutert durch II 138 a principiis ascendit motus εἰ exit
paulatim ad nostros sensus: dabei stellt man sich ein gewisses Niveau
vor, unterhalb dessen die Sinne nichts wahrnehmen. Hier dagegen isi
infra esse nur eine neue, durch subest veranlasste Verdeutlichung des latet.
— 275 anima animae: wie die Seele dem Körper, so ist sie der Seele
die Ursache von Bewegung und Empfindung. Den poetischen Ausdruck
erläutern die folgenden Verse. Er mag sonst in anderem Sinne gang-
bar gewesen sein; Meleager A. P. V 155 ἐντὸς ἐμῆς κραδίης τὴν εὔλαλον
Ἡλιοδώραν ψυχὴν τῆς ψυχῆς αὐτὸς ἔπλαςςεν ἔρως, — proporro “dient
ohne Ausnahme der Subsumption gleichnamiger Begriffe unter einander
(Polle, Jahrbb. 98, 1866, 756)’; die Seele hat ‘wieder’ ihre Seele. —
276 #.: Äusserlich ist der Vergleichspunkt zwischen Seele und qwaría
die Kleinheit der Atome im Verhältniss einerseits zum Körper, anderer-
seits zur übrigen Seele; dadurch erklürt sich ihr Verborgensein. Ob die
Atome der ἡμαγία natura auch verhältnissmässig gering an Zahl sind,
wie die der Seele (278), bleibt dahingestell. — 280 An quasi hat
J. E. B. Mayor (bei Munro) Anstoss genommen, da 275 ohne diesen
'apologetischen' Zusatz dasselbe bereits gesagt sei. Aber ein bildlicher
VERS 966—287. — 81
Ausdruck bleibt anima animae immer, und nur dies wird durch quasi
angedeutet: mit der grösseren oder geringeren Bestimmtheit der Aussage
hat der Zusats nichts zu thun. — 281 dominatur corpore tolo: dasselbe
war oben 138 vom Geist gesagt. Wenn es hier von der qwaría, also
etwas ganz Anderem, wiederholt wird, so hat man die Wahl zwischen
zwei Auffassungen. Entweder der Dichter weist ausdrücklich auf jene
frühere Áusserung zurück und will dann sagen: dieselbe Rolle, die bei
rein geistigen Emotionen der animus gegenüber der anima, und durch
sie im Körper, spielt, hat bei aller Empfindung die qwaría gegenüber
dem Best der Seelenatome, und durch sie im Körper, inne. Das scheint
mir etwas gekünstelt, und ich neige der anderen Möglichkeit zu, dass
die Übereinstimmung unbeabsichtigt ist; dann ist sie nicht eben geschickt,
aber doch nicht unerklärlich. Wie die Seele in nostro dominatur corpore
(v. 709), so in der Seele wieder, und also im Ganzen des Menschen,
die quarta. Dass sie herrscht, kann man freilich von ihr nicht ganz in
dem Sinne sagen, wie vom Geist, insofern nicht ihr Wille die Hand]
des Menschen bestimmt; aber domimari kann etwa τὸ κυριιίύτατον εἶναι
bedeuten, “ist das Maassgebende, Wesentlichste’, *hat die höchste Geltung”,
und das lässt sich allerdings von der safwura behaupten, der die Seele
ihr eigentlichstes Wesen, die Empfindung, verdankt.
282 consimili ratione; die quarta ist also unter die übrigen genera
gemischt, und zwar so, dass sie für die Wahrnehmung völlig zurücktritt;
ebenso müssen die drei übrigen unter einander gemischt sein, und zwar
so, dass sie alle hinter einander zurücktreten, wenn ich mich zunächst
so ausdrücken darf: die Meinung des Dichters läfst sich schwer in
Worte fassen. Nur die vierte Natur penitus prorsum late, verbirgt
sich völlig hinter den anderen, so dass sie für die Sinne nie zu Tage
tritt; diese anderen können sich natürlich nicht jedes ganz hinter dem
anderen verstecken, und so ist es erforderlich, dass andererseits auch
jedes der drei vor den beiden anderen bhervoriritt. Also: einerseits
verbirgt sich jedes mehr als die anderem, andererseits tritt es auch
wieder mehr hervor: alis aed subest magis cmineique. Nur so ist es
möglich, dass aus allen geners zusammen eine Einheit entsteht (ab
omnibus fi unum — mixta crest wmam naturam 270), und als solche
in die Erscheinung tritt (videler); wemm eins von den dreien sich ab-
sonderte, würde ein Zustandekommen der Empfindung nicht mehr
möglich sein. — Man empfindet, wie L. mit dem Ausdruck ringt, um
die Vollkommenheit der Mischung, das gegenseitige völlige Sich-
durchdringen der vier Stoffe anschaulich zu machen. Wie können so
disparate Stoffe überhaupt eine Einheit bilden? διαςπαςθήςεται 6p,
ei μή τι Zcraı τὸ xwivov, wie Aristoteles de anima 416a 7 gegen
die Zusammensetzung der Seele bei Empedokles einwendet. Das κωλύον
ist nach Ep. eben die Enge der Verbindung, worin ein Atom das andere
hält und vom anderen gehalten wird, die Wechselseitigkeit der Lage,
ad) nehmen an, dass hier schon auf die "ris ——— —
gezielt isi: mit Unrecht, wie sich gleich noch deutlicher zeigen wird.
Ἴ |
IU
88 COMMENTAR
288—322 Ueber die Beziesungen der drei gröberen Bestandtheile
zu Gemüthszustand und Charakter. “Wärme und Zorn, Wind und Furcht,
Luft und Seelenruhe gehören zusammen; je nach dem Übergewicht der
einen oder anderen Substanz neigen Thiere wie Menschen zu der einen
oder anderen Gemüthsverfassung: diese Naturanlage kann durch Erziehung
gemässigt, aber nie gänzlich ausgetilgt werden. Auch alle übrigen
Charakterverschiedenheiten der Menschen gehen auf Verschiedenheit der
seelischen Composition zurück: das kann ich nicht näher ausführen.
Aber sicher bleibt, dass keinen Menschen seine natürliche Veranlagung
hindern kann, völlig glücklich zu werden.” — Ueber die Functionen der
drei Seelenbestandtheile haben wir abgesehen von dieser Erörterung
zwei nicht ganz übereinstimmende Zeugnisse (s. auch, namentlich über
das zweite, Einleitung p. 42 f£) Aetius IV 8, 11 p. 388 D. (fr. 315): τὸ
μὲν πνεῦμα κίνηειν, τὸν δ᾽ ἀέρα ἠρεμίαν, τὸ δὲ θερμὸν τὴν φαινο-
μένην θερμότητα τοῦ cóparoc... ἐμποιεῖν. Plutarch adv. Col 20
p. 1118 d (fr. 314) von den Epikureern: μέχρι τῶν περὶ cópxac τῆς
ψυχῆς δυνάμεων, αἷς θερμότητα καὶ μαλακότητα καὶ τόνον παρέχει
τῷ εὥματι, τὴν οὐείαν ευμπηγνύντες αὐτῆς Ex τινος θερμοῦ καὶ πνευ-
ματικοῦ καὶ ἀερίώδους οὐκ ἐξικνοῦνται πρὸς τὸ κυριώτατον ἀλλ᾽ ἀπα-
τορεύουςει. τὸ yàp ᾧ κρίνει καὶ μνημονεύει καὶ φιλεῖ καὶ μιςεῖ καὶ
ὅλως τὸ φρόνιμον καὶ λογιςτικὸν ἔκ τινος φηςείν ἀκατονομάςτου
ποιότητος ἐπιγίγνεεθαι. Diese Angaben sind die Grundlagen für das
Verstündniss des vorliegenden Abschnittes. Danach sind die Wirkungen
der einzelnen genera zunächst physiologische: sie bewirken die Körper-
wärme, ferner Bewegung und Ruhe, Weichheit und Spannung. Bei L.
hören wir davon nichts: die Wirkungen sind auf's Geistige ü
die Körperwärme erscheint als Zorneshitze, Bewegung als Schauer der
Furcht, Unbewegtheit als Ruhe des Gemüths. Halten wir damit zusammen,
was L. 314 ff. über weitere seelische Eigenthümlichkeiten sagt, die sich
aus der verschiedenen Gestalt der Seelenatome ableiteten, so erkennen
wir, dass Epikur den kühnen Versuch gemacht hat, auf physischer
Grundlage eine Characterologie aufzubauen, die vom Einfachsten zum
Complicirtesten aufstieg. Von diesem Versuch wüssten wir ohne diese
Lucrezverse nichts, und so gehören sie zu den wichtigsten des Buches:
Usener hat ihnen mit Recht einen Platz in den Epicures eingerkumt
(fr. 316). — Es ist auffallend, dass L. über jene grundlegenden
physiologischen Functionen der drei genera nichts sagt; beim calor war
das vielleicht nicht nöthig, aber für venius und aer verstand es sich doch
nicht ganz von selbst. Aber es war weder für den Haupizweck des
Buches, noch für den speciellen des vorliegenden Abschnittes von
Wichtigkeit: und so lässt es der Dichter bei Seite, der sich ja durch
seine einleitenden Worte derartige Freiheit gewahrt hat. Er ist aber
nicht für das Missverständniss verantwortlich, als seien die von ihm
erwübnten Kräfte der genera die einzigen. Er schliesst es vielmehr
von vorn herein durch das calor ille (auch 292 ille) aus: daneben giebt
es also, muss man schliessen, noch andere Arten des calor. Dasselbe
| besagt das den Abschnitt einleitende ctiam, das man seit Tanaquil Faber
einmüthig in efenim ändert: auch grammatisch sehr bedenklich, denn die
von L. sehr häufig gebrauchte Partikel ist bei ihm nur einmal in
VERS 388. 89
anderer Stellung als am Satzanfang überliefert, VI 912, und da dürfte
nach Analogie von IV 327 und 575 eher etiam zu schreiben sein, als um-
gekehrt hier und V 632 etenim (die Formel quippe ctemim spricht natür-
lich nicht gegen das Gesagte) Sachlich ist hier die Aenderung noch
bedenklicher: denn dass durch die folgenden Erörterungen die früheren
nicht begründet werden sollen, ergiebt sich aus dem Inhalt; cfiam aber
ist ganz am Platze: nachdem im Allgemeinen von dem in der Seele
enthaltenen calor gesprochen ist, sagt L., es sei such, d. h. unter
anderen, folgender specielle calor dabei — Welche Rolle nun eigentlich
die drei genera beim Zustandekommen von Zorn u.s. w. spiclen, wird
man aus L.' Worten nicht mit Bestimmtheit entnehmen können, obwohl
er sich bemüht, durch Wechsel des Ausdrucks Klarheit zu schaffen:
calor quem sumit in ira — aura comes formidinis — slatus aeris
.. pectore tranquillo qui fit. Soviel geht daraus hervor, dass die betr.
Wärme u.s.f. die entsprechenden Gemüthszustände nicht erzeugt, dass
sie vielmehr gewissermaassen aus ihnen hervorgeht, Begleiterscheinung ist.
Die Affecte gehen, wie ganz übereinstimmend auch v. 141 ff. gelehrt wird,
vom animus aus (amimus 288; mens 295; 299), ihr Ursprung liegt,
wie nach dem oben Gesagten zu folgern ist, in der quaría: diese scheint
dann im einzelnen Falle die entsprechenden Atomsorten in Anspruch zu
nehmen, so dass dann diese ihrerseits die körperlichen Symptome hervor-
bringen. Das liesse sich mit ein wenig Phantasie weiter veranschau-
lichen: aber ich sehe viele Möglichkeiten und verzichte daher darauf,
eine auszuführen.
Dass Zorn und Wärme, Furcht und Kälte zusammenhängen, war
allgemein und von Alters her anerkannt. Andererseits hatte die alte
Medicin, und ihr folgend Aristoteles, körperliche wie seelische Eigen-
schaften aus der Mischung der verschiedenen Körperbestandtheile, nament-
lich des Warmen und Kalten, hergeleitet. Erst Epikur, und wie es
scheint er allein, hat den Schritt gethan, die xpäcıc der Seele, nicht
des Körpers, als das für Temperament und Character des Menschen
Massgebende hinzustellen; doch mag an die ‘trockene Seele” Heraklits
erinnert werden. Die später namentlich von Medicinern reich entwickelte
Temperamentenlehre (s. Siebeck Gesch. d. Psych. II 278 f, der aber
p.280 über Lucrez unrichtig urtheilt) war damals noch in ihren ersten
Anfängen. Ich setze zum Vergleich auch des sprachlichen Materials
einen Passus Senecas her (de ira II 19), der aus stoischer Quelle
stammt: opporiwnissima ad iracundiam fervidi animi natura esl. mam
cum elementa sini. quatuor, ignis, aquae, aeris, lerrae, potestates pares
his sunt, fervida, frigida, arida atque humida. εἰ locorum ilaque et
animalium εἰ corporum εἰ morum varietates mixtura elementorum
facit εἰ proinde in aliquos magis incumbunt ingenia, prout alicuius elementi
maior vis abundavii. inde quasdam humidas vocamus aridasque regiones
et calidas et frigidas. | eadem. animalium hominumque discrimina swf:
refert. quanium quisque humidi in se calidique contineat. cuius in. illo
elementi portio praevalebit, inde mores erunt. iracundos fervida anime
natura faciet: est enim actuosus et pertinax ignis. frigidi mixtwa tisáé-
dos facit: pigrum est enim coniractunque frigus. volunt ilaque quidane
ex nostris iram in pectore moveri effervescente circa cor sangwise.
90 COMMENTAR
Das Weitere über Feuchtes und Trockenes geht seinen eigenen Weg.
Auf gleichem Boden fusst die hermetische Schrift Stob. ecl. I p. 468 W.:
e piv... κατὰ τὴν εὠματικὴν διάπηξιν πλεονάςειέ τὸ πῦρ, τὸ τηνι-
καῦτα ἡ ψυχὴ θερμὴ τὴν φύειν ὑπάρχουςα καὶ ἕτερον θερμὸν προς-
λαβοῦςα, ἐκπυρωδεςτέρα γενομένη, ποιεῖ τὸ ζῷον ἐνεργότερον καὶ
θυμικόν, τὸ δὲ cüpa ὀξὺ καὶ εὐκίνητον. εἰ δὲ πλεονάζειεν ὁ ἀήρ, τὸ
τηνικαῦτα καὶ κοῦφον καὶ πηδητικὸν καὶ ἀνέδραςτον γίνεται τὸ ζῷον
καὶ ψυχῇ καὶ εὐματι. Dann über ὕδωρ (εὔρουν τε καὶ εὐφυὲς καὶ
εὐπερίχυτον) und γεῶδες (ἀμβλεῖα ἡ ψυχήλ Man sieht, dass die
Scheidung von ἀήρ und πνεῦμα für die Eigenthümlichkeit epikurischer
Lehre sehr wesentlich ist.
288 Über etiam und ille ist oben gesprochen. — quem sumit, wohl
nach Analogie von arma sumere zu erklären. — im ira cum fervesch
gehört zusammen, nicht sumst in ira; das wäre kahl und die Ausführung
im cum-Batze würde nachhinken, vgl 295 mens effervescit in ira. —
289 ex oculis micat acribus ardor: acrius ist überliefert, was Brieger
vergebens zu halten versucht. Man hätte dabei zu ergänzen quam non
ira. Aber auch die beiden folgenden Symptome der Affecte sind
keine Steigerung früherer Erscheinungen, sondern treten ganz neu auf:
die betrefferden Atomgruppen wirken eben nur bei jenen Affecten, nicht
fortdauernd. Ferner kann ez oculis micat ardor nicht vom natürlichen
Glanz der Augen gesagt werden, sondern nur vom zormig erregten;
flagrant ac micant oculi als signum. irascentis Ben. de ira I 1, 4; micant
ardorem orbes Culex 222 vom wüthenden Cerberus; ora iwment ira, ...
lumina .. igne ... micant. Ovid a. a. ΠῚ 503 sq.: ira ... emicat ex
oculis met. VIII 356; sanguine εἰ igne micant oculi (vom calydonischen
Eber) ebd. 284; igne micant oculi (Drache des Cadmus) ebd. III 88;
oculos igne micantes (Schlange des Aesculap) ebd. XV 674; endlich,
längst als Nachklang unserer Stelle erkannt, toloque ardentis ab ore
scintillae absistunt, oculis micat acribus ignis Aen. XII 102 vom wuth-
schnaubenden Turnus Vgl dann aspectugwe micat flammarum lumine
forro Cul. 173 (Schlange); volium hostis ardore animi micantem ferre non
potuit Liv. VI 13, 2; oculos sibi Romanorum ardere visos aiebant vesanos-
que vollus εἰ furentia ora ebd. VII 33, 17. Bei Philodem περὶ ὀργῆς
die Schilderung der Symptome nur fragmentarisch (Fr. I)... ἐν ταῖς
ὀργαῖς ἔχει τοὺς ὀφθαλμούς, Ecrıv δ᾽ ὅτε καὶ ςτιλβηδόνας προιεμένους.
Das Epitheton acribus wie dann gleich acria oculi subito acriores
Ben. de ira II 8, 2. — 290 est, scil animo. die Einwirkung
heftiger Furcht, formido, auf den Körper schon oben v. 152ff. Die
Schilderung der Symptome weicht hier und 300f. von der dort gegebenen
ab; da die Wirkung der awra zunächst die xívncic ist (s ο.), so wird
die im Körper erzeugte Bewegung betont: 300 f. citius concitat auras und
iremulum molum; hier ciet horrore und concitat artus, das somit hier
geeigneter ist als das von Wakefield und Tohte (Jahrbb. 117, 128) ver-
langte concuiit, in dem das Moment des Bewegtseins nicht so deutlich
hervortritt. "Vgl. v. 748 paror incitat arius. Das braucht nicht nur zur
Flucht zu sein, sondern kann auf jede andere Bewegung, Zittern, Sch
Unruhe τ. 5. f. gehen. — 292 pacati status aeris ille: pacatus Epitheton
constans wie placidws 302, nicht anders als calidus bei vapor, ohne dafs
VERS 388—297. 91
an einen vorhergehenden bewegten Zustand zu denken ist, in dem der
aer eben nicht mehr aer wäre. Stafus pacati acris kann also nicht
heifsen: die Luft im Zustande der Ruhe, wie etwa Seneca (nach Demokrit)
im Gegensatze zum ventus sagt quietum εἰ placidum aeris statum esse,
cum in mullo inani pauca sint corpuscula quaest. nat. V 2. Es kann
überhaupt von keinem eigenthümlichen Zustande der Luftgruppe die
Rede sein, denn nicht die Veränderung, sondern nur das Hervortreten
bestimmter Atomgruppen kommt in Frage. Ich kann also den Genetir
nur epexegetisch fassen: wie 302 gesagt ist placido aere vivit, wo placido
aere doch gewissermaassen eine Beschaffenheit ausdrückt, so hier status
aeris der luftartige Zustand, ἕξις ἀεριύδης, status aerius. Dieser ist
die Begleiterscheinung völliger Gemüthsruhe (pecus iranquillum: der
animus ist ja im pecius), die sich in heiterem Gesichtsausdruck kund
thut: auch hier wird, wie bei Zorn und Furcht, der Zustand des Geistes
und dessen körperliches Symptom angegeben. — 293 Das überlieferte
fit qwi hält Munro mit unzureichenden Belegstellen, da dort, abgesehen
von Anderem, überall metrischer Zwang vorlag.
294 sed Uebergang zu etwas Neuem, der Erklärung der Tempers-
mente mit Hülfe thierischer Analogieen, über deren principielle Be-
rechtigung zu v. 299. Als typische Beispiele dienen Löwe, Hirsch und
Rindvieh, anschliefsend an die im Alterthum geläufige Anschauung, z.B.
Aristot. hist. animal 488b 13 τὰ μὲν γάρ &crı πρᾷα καὶ δύεθυμα καὶ
οὐκ ἐνοτατικά, οἷον βοῦς... τὰ δὲ φρόνιμα καὶ δειλά, οἷον ἔλαφος ...
τὰ δὲ ἐλευθέρια καὶ ἀνδρεῖα καὶ εὐγενῆ, οἷον λέων; nur dass hier nicht
der Lówe als Typus des θυμώδης καὶ ἐνετατικός erscheint (wie über-
haupt nicht bei Aristot.) sondern das Wildschwein. Auch sonst (sz. B. in
der pseudoaristotelischen Physiognomik) gilt in älterer Zeit der Löwe den
Thierpsychologen als Repräsentant des ἀνδρεῖον, μεζαλόψυχον, kurz des
menschlich-männlichen Ideals, der volksthümlichen Anschauung entsprechend,
die sich in der Poesie widerspiegelt: die homerischen Helden sind dem
Löwen vergleichbar an Kraft, Stolz, Trotz und Kampfesmutb. Aber wie
er das gewaltigste Raubthier ist, so ist auch sein Zorn der furchtbarste,
wenn er gereizt ist: ἐάλη τε χανών, περὶ b' ἀφρὸς ὀδόντας τίγνεται,
ἐν δέ τέ ol κραδίῃ ετένει ἄλκιμον ἦτορ u. s. f. IL 20, 168. Aus solchen
Schilderungen hat sich dann später die Vorstellung vom Jähsorn des
Löwen entwickelt, für die m. W. Lucrez der älteste Zeuge ist; vgl. auch
v. 741 acris violentia triste leonum seminium sequitur. Abhängig von
unserer Stelle ist vielleicht Virgil Aen. VII 15 exaudiri gemitus iraeque
leonum, davon Valerius Max. III 237 audit fremitus irasque leonum;
ebenso klingt an Lucrez’ Verse, vgl mit V 862 (genus acre leomem ...
tutatast virtus, volpes dolus ei fuga cervos), Seneca de ira II 16,1 an
iracundia leones adiuvat, pavor cervos, accipitrem impelus, columbam fuga.
Für Galen (s. Physiognom. ed. Fürster II 287, 14. 290, 10) wie für den
Sophisten Adamantius (ib. I 849, 10) ist der Löwe θυμικός, nicht ὀργίλος;
der anon. de physiognom. schildert ihn als saecum cum irritatur, quietum
cum non impelhtur, vchemens cum cibo indiget, tranquillum cum satiatum
est (ib. II 188); aber Boethius de consol IV 8 (ib. 255) sagt: irae im
temperans fremit: leonis animum gestare credatur. — 297 pectora. qwé
fremitu rumpunt u. d. F.: man vergleicht Virg. Aen. XII 526 nunc, nunc
92 COMMENTAR
fiuciuat ira inius, rumpunlur nescia vinci pectora, "petita rei imagine, wie
Heyne zur Stelle gut bemerkt, ‘ab aqua effervescente ei aestuante: quae, dum
vas eam nom capit, luctatur et adlaborat ut. erumpatur’: besser, als rum-
puntur wörtlich zu verstehen. So ὀργῇ ὑπερζεῖν "überkochen'. Vgl. ferner
L/. magnos irarum volvere flucius VI 74. Virg. Aen. XII 831 irarum (anos
volvis sub pectore fluctus; von dem im Kessel erhitzlen Wasser ib.
VII 466 nec iam se capit unda; volat vapor ater ad auras. Rumpi als
Ausdruck für überstarken Affect oder seine Áusserung gehört der Vulgür-
sprache an; pecora rumpuni (vgl. Cul. 182 spiritibus rumpit fauces) ist
wie unser 'die Brust sprengen' weit edler, weil es ein machtvolles Thun
bezeichnet. Zur Schilderung des Zornausbruches würde dies genügen:
aber L. fügt, in neuem Bilde, auch die physiologische Motivirung hinzu:
für das aufwallende calidum wird die Brust zu eng (nec capere ...
flucius possent), es erzwingt sich also einen Ausgang, so dafs zugleich
exprimitur gemilus ... quod semina vocis eiciuntur (v. 495). Ich kann
also Lachmann nicht zugeben, daís v. 298 dem vorhergehenden putide
subiectus sei.
299 cervorum mens: das ist nicht eigentlich zu verstehen, denn ein
λογικόν wie der Mensch haben die Thiere nicht, sie sind im Gegensatze
zum Menschen ἄλογα ζῷα, oder wie Philodem rr. θεῶν (Scott Fr. Here. p. 205 ff.
schärfer sagt τὰ μὴ xpd)eva δόξαις Zia (col 13) im Gegensats zu
τὰ χριύμενα (δόξαις) oder τὰ ὑπολήψεων δεκτικὰ Zia (ib. col 12):
d. h. die geistige Verarbeitung der αἰςθήςεις findet bei ihnen nicht
Statt. Vgl. Cicero de nat. deor. I 31, 87 numquam vidi, inquis (Epicure),
animam ralionis consilique participem in ulla alia misi Aumana figura,
ebd. 89. 98. Polystratus T. ἀλ. xarappov. (Hermes XI p. 404) διὰ τὸ μὴ
κοινωνεῖν λογιςμοῦ (von den Thieren). Da nun der Ursprung der mensch-
lichen πάθη im λογικόν ist, können die thierschen πάθη ihnen nicht
völlig gleichstehen; sie werden aber analog sein, und da auch die thierische
Seele aus den vier Atomgruppen (oder wenigstens analogen) besteht.
lassen sich Vergleiche ausführen. — So wird man nach den weniger
vorhandenen Anhaltspunkten urtheilen müssen. Fr. 309 (Aetius V 26, 3
p. 438 D.) oi Zrunxoi δὲ xal Ἐπικούρειοι οὐκ ἔμψυχα (rà φυτά). τινὲ
γὰρ (d. b. die Thiere) ψυχῆς ὁδρμητικῆς εἶναι καὶ ἐπιθυμητικῆς, τινὲ
δὲ (d. b. die Menschen) καὶ λογικῆς. τὰ δὲ φυτὰ αὐτομάτως wc κινεῖ.
εθαι, οὐ διὰ ψυχῆς. Das ist wohl in dieser Form eigentlich stoisch:
Lehre (vgl Galen de plac. Hipp. p. 476): aber die epikurische mag ih:
nahe gekommen sein und etwa gelautet haben, wie Beneca de ira I 8,
die altstoische wiedergiebt: dicendum est feras ira carere e$ omnia praece
hominem. nam cwm sit inimica rafomi, nusquam iamen nascilur, ^is
wbi rations locus est. inpelus haben! ferae, rabiem, feritatem, incursum
iram quidem non magis quam luxuriam . mula animalia humanis ad
fectibus carent, habent aulem similes dis —— inpulrws. 80 sag'
Philodem a. a. O. col 18, 16, jedem ζῷον komme die ὁρμή zu: abe
er wagt darauf hin nicht den Thieren ohne Weiteres auch προόραςις un
npocdoxia zuzuschreiben, sondern läfst die Möglichkeit des ἀνάλογόν Ju
τούτοις offen (ib. 171) — Vom Mittelpunkt des seelischen Dasein.
das also κατ᾽ ἀναλογίαν als mens bezeichnet ist, geht, gans wi
v. 152. geschildert war, die Bewegung zunächst auf die im ganse
|
|
4
i
*
en τ o0 — τ
B oJ 850 eve
VERS 997—810. 93
Körper vertheilten Seelenatome (v. 800), vom diesem auf die Körper-
atome (v. 301) über. — 302 placido aere: über den Ablativ zu
v. 292. — 808 Die Hitze des Zorns in abermals neuer bildlicher
*Feuer anlegen’, Letzteres — bei L. im eigentlichen Sinne VI 128!
subdebant faces (dem Scheiterhaufen) — wird sehr häufig bildlich
gebraucht, so dafs Virgil es schon vermeidet; Aem. VII 456 in neue:
. Fassung airo lwmime fumanies firit swb pecore iacdas. Vom Zon
z B. Seneca de ira 1 7, 1 hnc flamma subdiia est; L. entwickelt da:
Bild schön weiter: der Qualm der Kienfackel umwölkt den Zomigeı
mit caeca caligo (IV 456 im socis caligime caecm u. &.), so dalı e
Beides möglich; umbram aber ist hier besser überliefert, und wenn auc
L. sonst (III 39. V 482. VI 479) bei suffundere den Ablativ setz
so ist zu beachten, dafs an diesen Stellen bereits eim anderes Obj«
(z. B. omnia suffundens mortis nigrore ΠῚ 39) den Accusstiv in Ar
spruch nimmt. — 305 Der Contrast zum vorigen Bilde gewollt und :
geflissentlich betont, dafs in torpel selbst das für die Furcht nach de
früher Gesagten wesentliche Moment der Bewegung fallem gelassen is
Das Wort umfafst in einziger Weise die Wirkung der Kälte, der Furcl
und der lähmenden Verwundung. — 306 imferuirasque silas: das vo
Dichter Geschriebene kann ich nicht mit Sicherheit herstellen. Με
wird ungern annehmen, das seltene, uns nur aus I. (II 518 u. δ.) b
kannte interwtrasque (über die Form s. Bücheler Ist Decl p 63. Corse
Ausspr. I 769) sei hier durch Verderbniss in Text gersthen; ab
wenn man dann für sitas das nächstliegende sülast — suff, m
als von interuirasque abhängig statt des Acensalivs ceress und leon
eher den Genitiv (wie nach interes etc.) erwarten. Der inm des Ver:
ist nicht zweifelhaft.
307 sic hominum genus est ‘ebenso ist's beim Menschen’, durcha
nicht zu vergleichen mit bequem-lässigen Ausdrücken, wie Cicero p
Bose. Am. 30, 84 sic vila hominum est, et ad maleficium nemo conel
sine spe aique emolumento accedere. — politos pariter. : Polus sonst Teß
mässig von der geistigen Bildung (doch vgl. sores pelire P. etron. e. 5); h
ist auch die moralische Erziehung ein Werk der doctrina, der Belehru
wie v. 821 der ratio, gemeint natürlich die safe Epicwi. In dem ΑἹ
druck polire liegt wohl zugleich noch, dass die scheinbar hergestel
Ausgleichung der Charaktere nur Eusserlich ist, michi m
dringt — 308 ia: da von den mwatwrae zwar, michi aber von 4
vesiigia prima schon gesprochen war, wird iis das gemeinsame Subj
doctrina, das aus dem Nebensatze nicht herausgekoben war, wieder a
nehmen, wie Cicero Acad. II 28, 74 Parmenides Xenophanes, τονὲ!
bonis quamquam versibus, sed lamen illi versibus increpani eorum as
gantiam qui οἷο. Vgl Kühner Gr. II 1, 456, 10. — 309 nalurae
natürhch Genitiv, wie 8320 nalwrarwum vestigia lequi. — 310 Die.
Horaz, der Sat. I 8, 76 ff. das stoische Paradoxem von der Gleichheit
94 COMMENTAR
Fehler bekämpft (ἁμαρτήματα dvica elvat lehrt Epikur fr. 521 D. L.
X 120), auch mit dem Satze excidi penilus vitium irae, cetera. item ne-
queunt. stultis haerentia (1. L) auf epikurischem Boden steht. — 311 pro-
clivius ete.: der Zorn an sich ist kein malum, denn auch dem Weisen
ist er nicht fremd, wie wir aus Philodem zur Genüge wissen, z. B.
col 41 (p. 137 6.) εὐυςχεθήςεταί riciv ὀργαῖς ὁ coqóc: ja, es ist ver-
werflich, in gewissen Fällen, wo es die Natur verlangt, nicht zu zürnen,
quaedam clementius aequo accipere v. 818: Philod. ib. col. 38 (p. 126 G.):
κακὸν ἐροῦμεν τὸ μὴ τὴν φυςεικὴν ὀργὴν ἀναδέχεεθαι — κακῶς γὰρ
ἀκούων καὶ πάςχων Ócnc οὐκ ὀργίζεται, πονηρίας πιςτὸν τεκμήριον
φέρει, κατὰ τὸν Μένανδρον. Daher auch Ciceros Scherz de legg. I 7,
21 solent enim (die condiscipuli des Atticus), id quod virorum bonorum
est, admodum irasci. Fehlerhaft aber sind erstens irae acres, zweitens
das proclivius decurrere. — Proclivius steht II 792 einfach für facilius,
hier aber wohl mit besonderer Absicht; vgl Cicero Tusc. IV, 12, 27
(stoisch) μέ sunt alii ad alios morbos procliviores ... sic alii ad melum,
alii ad aliam perturbationem. ex quo in aliis anzielas, unde anzüá, in
alis iracundia dicilur, quae ab ira differt ... ergo el invidi εἰ malevoli
εἰ timidi εἰ misericordes, quia proclivi ad eas perturbationes, non quia
semper feruntur ... sed haec in bonis rebus, quod alii ad alia bona sunt
aptiores, facilitas nominetur, in malis proclivitas, μὲ significet. lapsionem.
Diese proclivitas heisst bei den Stoikern εὐκαταφορία (D. L. VII 115):
wie sie, mag Epikur den Ausdruck von Aristoteles übernommen haben,
der z. B. Eth. Nic. II 8, 1109 b 2 sagt (es handelt sich um die κακίαι)
«κοπεῖν δὲ bei καὶ πρὸς ἃ αὐτοὶ εὐκατάφοροι écuév: ἄλλοι γὰρ πρὸς
ἄλλα πεφύκαμεν. Proclivius hat den Lucrez zur Wahl des Compositums
decurrere geführt, wie Cicero de rep. I 28, 44 Phalaris, cuius in simili-
tudinem dominatus unius proclivi cursu es facile delabitur. — 312 temp-
telur zu v. 147. — 313 clemens im Gegensatz zum Zorn: Cicero de fin.
II 4, 12 etsi satis clemens sum in disputando, famen | interdum soleo
subirasci. Über die Pflicht zum Zorn s. o. Dagegen kann die Furcht-
losigkeit wohl nicht übertrieben werden, da die Austilgung des φόβος
ja das Hauptstück der epikurischen Lehre ist. — aequo: v. 952 lamentetur
miser amplius aequo, IV 557 spatium .. longius aequo, 1244 concrelius
aequo snillilur (semen). Andere Beispiele aus gleichzeitiger Latinität
bei Wolfflin Archiv f. 1. L. VI 464.
814 inque alis rebus mullis etc.: Cic. de off. I 30, 109 innumera-
biles aliae dissimilitudines sunt. naturae morumque, Die ἤθη sind natür-
lich die Folge oder Begleiterscheinung der φύςεις, und schon Pius er-
klärte sequacis als “qui sequuntur cuiusque naluram’; aber ich be-
zweifle, ob es das besagen will: in sequaz liegt doch die zähe Neigung
zum Folgen, die bei jener Bedeutung nicht betont zu werden brauchte.
Wie II 48 melus hominum curaeque sequaces kann es auch hier heissen
qui aegre homines deserunt, also recapituliren, was in den vorhergehen-
den Versen gesagt war. — 316 Cicero Arat. 234 quarwm ego nunc ne
queo lorios evolvere cursus: die Übereinstimmung mag zufällig sein. —
caecus, was nicht gesehen wird, hier das epikureische ἄδηλον im
Gegensatz zu den φαινόμενα, quae in promplu sunt; dagegen v. 247
und 269 renti cacca potesias (cf. 1277. 295 u. 8.) == ἀόρατος sinnlich
VERS 810—333. 95
gemeint. — 317 sec begründet das Nichtkönnen. — quot, d. h. zu-
nächst figurae, in Folge dessen auch figurarum nomina. Wenn auch die
figurae der einzelnen Átomgruppen im Ganzen und Grossen gleichfürmig
sind, so giebt es doch eine grosse Anzahl feinerer Unterschiede, nach
denen sich wieder Unterabtheilungen feststellen lassen. Nur je eine
dieser Unterabtheilungen ist in ihrem Wesen und in ihrer Wirkung oben
geschildert worden, freilich waren die nomina figurarum auch dort nicht
angegeben. Die epikureische Vorlage des L. scheint also hier sehr in's
Einzelne gegangen zu sein und sich nicht gescheut zu haben, aus den
psychischen Dispositionen auf minutióse Formunterschiede der Atome
zu schliessen, wie das in gröberen Zügen für die verschiedenen physi-
schen Wirkungen der Elemente etc. L. selbst II 333 versucht hat —
819 video firmare polesse ist überliefert, grammatisch unanstössig, vgl.
IV 456 in noclis caligine caeca cernere censemus (scil. nos) solem, 470 mil
scire (scil se) fatetur, V 890 (ven) siccare prius confidunt omnia posse
(sciL se), und such dem Sinne nach besser als das abschwüchende vider,
was nach Faber allgemein geschrieben wird: der Ausdruck des Zweifels
in einer solch grundlegenden Frage widerspricht dem Geiste der Lehre
und der Gewohnheit des Lucrez. Nicht zu vergleichen wäre mit eideor
das vorsichtige ausim confirmare II 178, V 196: die Sätze sind ja
hypothetisch. — 321 Für das verdorbene soctis ist abzuweisen Lambins
doctis; gerade bei den indocti soll ja die ratio wirken. Marulls dictis
lässt sich vielleicht vertheidigen; aber dem Überlieferten näher steht
Lachmanns nobis, grammatisch wie sachlich vortrefflich, der Dativ der
Person ist gerade bei depellere häufig, und eben hier, wo der Dichter
seinen Hörern eine beruhigende Versicherung giebt, schliesst er durch
nobis sehr wirkungsvoll sich mit ihnen zusammen. — 322 dignam dis
vilam: dieselbe Verheissung, die Epikur dem Menoikeus am Schluss des
Briefes giebt (p. 66 Us.): Zhceic . . . ὡς θεὸς ἐν ἀνθρώποις οὐδὲν
γὰρ ἔοικε θνητῷ ζῴψ ζῶν ἄνθρωπος ἐν ἀθανάτοις ἀγαθοῖς. Er hatte
ja selbst schon in jungen Jahren Ähnliches an sich erfahren: (φάςματα)
περιγίνεται ἡμῖν, schreibt er (Inschr. v. Oin., fr. 10* p. 427), ... οἷα
tiv διάθεειν ἡμῶν Ic6Beov ποιεῖ καὶ οὐδὲ διὰ τὴν θνητότητα τῆς
ἀφθάρτου καὶ μακαρίας pücewc λειπομένους ἡμᾶς deixvucıv. ὅτε μὲν
γὰρ ζῶμεν, ὁμοίως τοῖς θεοῖς χαίρομεν. Dass sich Epikur anheischig
machte, καὶ τῷ Διὶ ὑπὲρ εὐδαιμονίας διαγωνίζεςθαι͵ hat Aufsehen er-
regt, s. die Zeugnisse fr. 602: es war ernstlich gemeint, nicht poetische
Phrase, wie etwa Theokrit 29, 7 χύταν μὲν có θέλῃς, μακάροιειν Icav
ápépav.
323—349 Über die gegenseitige Abhängigkeit von Leib und
Seele. ‘Leib und Seele erhalten sich gegenseitig und können ebenso
wenig wie der Duft und die Körner des Weihrauches, ohne beide zu
Grunde zu gehen, von einander getrennt werden. Sie leben von Anfang
an gemeinsam, und keins kann ohne das andere Empfindung haben.
Deshalb zerfällt auch der Körper, der nie für sich allein existirt hat,
nach dem Abscheiden der Seele. So ist also ihr Leben von der Ent-
stehung her unlöslich an einander gebunden, und darum kann auch
cuunddera zwischen ihnen stattfinden. Die Feststellung des Gedanken-
ganges macht Schwierigkeiten, weil L. in diesem Abschnitt zwei Sätze
96 COMMENTAR
verschmolzen hat, die zwar einander nahe verwandt, aber nicht identisch
sind, nämlich 1. die materielle Existenz von Leib und Seele, 2. ihre
Fähigkeit zu empfinden ist unlöslich verbunden. Für die Seele ist ja
Zusammenbleiben == Leben und Leben == Empfinden, für den Körper gilt
das Erstere nicht ohne Weiteres. Existiren und Empfinden wird getrennt
z. B. v. 550 bei Körperteilen: secreta ab nobis nequeunt sentire neque esse;
562 durare el sensibus uti, — Dazu kommt ferner, dass Lucrez das eine
nothwendige Glied der Beweisführung, dass n&mlich die Seele auf den
Körper angewiesen ist, hier möglichst bei Seite lässt, weil das ja das
Thema seines zweiten 'Hauptstückes v. 411 ff. sein soll Äusserlich be-
trachtet ist nun der erste der beiden genannten Sätze Hauptzweck des
Abschnittes, denn die cawsa salutis, mit der er beginnt, kehrt in der
Clausel v. 848 wieder: wodurch denn auch die einheitliche Conception
des Ganzen bewiesen und der Versuch Briegers widerlegt wird, mit
v. 836 zu schliessen und 337—349 als ein nachträglich
in den Zusammenhang nicht eingepasstes Stück auszusondern (über den
Zusammenhang weiter zu v. 337). Aber Satz 2, der v. 383—336 ge-
streift wird, ist deshalb auch seinerseits wesentlich, weil die folgenden
Abschnitte, v. 350f£, daran anknüpfen: um zu diesen die Überleitung
zu gewinnen, ist die Clausel in v. 348. 849 durch einen Rückweis aut
jenen Satz erweitert, s. zu coniunctam 849. — Epikur beschränkt sich
im Herodotbrief darauf, Satz 2 auszuführen; nur von der Seele wird
einmal das διαςπείρεςθαι erwähnt (p. 21, 8 Us.), dann aber gleich wieder
auf die sensiferi motus eingegangen: wenn dieser Satz bewiesen war,
verstand sich der andere von selbst, war überdies gleichgültig. Aber
er hat sonst auch das materielle Zusammenhalten von Leib und Seele
betont: Diogenes v. Oin. fr. 31 Us.: fj ψυχὴ τὸν ὅλον ἄνθρωπον διέ-
Zwcev οὕτως xal ávrébnce δεςμουμένη, ὥςπερ τῶν ὀπῶν Ó βραχύτατος
ἄπλατον γάλα. Die eine Seite der Behauptung bestreitet Posidonius bei
Achilles Tatius isag. c. 13: ἀγνοεῖν τοὺς Ἐπικουρείους ἔφη, ὡς οὔτε
cópara τὰς ψυχὰς ευνέχει, ἀλλ᾽ αἱ ψυχαὶ τὰ εὐματα — womit natür-
lich nicht gesagt ist, dass Epikur das Letztere geleugnet habe; nur gegen
ihn kann sich ferner richten Alex. Aphrod. de an. f. 145" En ei f ψυχὴ
λεπτομερές τι εὦμα oü0ca cuvexeı μὲν τὸ εὦμα αὐτή, πάλιν δὲ cuvé-
χεται ὑπ᾽ αὐτοῦ, Ecraı καὶ τοῦτο τὸ παχυμερέςτατον εὦμα ψυχή, εἴγε
τὸ ευνέχον ψυχή.
923 haec igitur matura schliesst nicht unmittelbar an die letzten
Verse des vorausgehenden Stückes an, wo von nalura in ganz anderem
Sinne die Rede war, sondern nimmt das haec natura von v. 231 wieder
auf, so dass es auch ohne bemerkbare Lücke unmittelbar auf v. 230
folgen könnte. — 324 custos: vitai claustra coercens v. 396. —
325 kehrt V 554 wieder, von der Erde und der sie umgebenden Luft
gesagt, s. zu v. 349. — 326 sine pernicie kann nach der voraus-
geschickten These nur heissen “ohne dass Beide, Körper und Seele, zu
Grunde gehen’. Vgl. I 451 coniunctum est id quod nusquam sine perwi-
ciali discidio potis est sciungi seque gregari; pondus uli saxist, calor ignis,
liquor aquas: auch hier trifft die pernicies, wenn ich z. B. das Wasser
gefrieren lasse, liquor und aqua. 80 wird auch das folgende Beispiel
vom Weihrauch in diesem Sinne aufzufassen sein, obwohl es besser als
_
VERS 252.--586. 91
Gegenstück zu dem v. 389 ff. Ausgeführten nur die Unmöglichkeit ver-
anschaulichen würde, dass der Körper besteht, wenn die Seele vergeht.
natura eius v. 328 geht streng genommen nur anf tAus, nicht auf odor,
aber dieser gehört zum Wesen des (hus, und auch er verschwimmt in
die Lüfte, wenn er seinen Kürper verlassen hat. So ist denn auch mit
omnia v. 330 Körper und Seele gemeint. 8. ferner su v. 582. —
328 haud facile est: nicht nur “nicht leicht”, sondern überhaupt unmög-
lich, 8. zu 361. Die Sache selbst ist bekannt, olent quaedam non nisi usta,
sicut tura murraeque Plin. n. h. XXI 18, 38 (cf. Theophr. de causis pl.
VI 17, 8). — 329 corpore toto: denn einzelne Theile des Körpers können
ohne Gefahr für das Ganze entseelt sein. — 331 sinplexis etc. greift über
die Ausführung des negativen sec divelli posse videntur zurück auf die
positive Erläuterung der These, des communibus inter se radicibus haerent,
und bestimmt diese gemeinsamen Wurzeln näher: ihre Atome sind so
eng verbunden, dass sie als in einander verschlungen (inplexa) bezeichnet
werden können, vgl zu v. 216 animam nezam per venas viscera mervos.
Diese Vereinigung datirt ab origine prima, denn die Seele ist cuyye-
γενημένη mit dem Körper, wie Ep. ep. I p. 20, 14 Us. sagt und L.
selbst im Weiteren noch oft betont, s. gleich v. 344—346. Bo entsteht
denn eine vita consors, cf. v. 771 vis animé .. consors (cum corpore) in
origine prima; wobei wohl an die juristische Bedeutung des Wortes zu
denken ist (Munro) “in Gütergemeinschaft lebend’, z. B. von Miterben;
übrigens schon bei Cicero ohne diese Beziehung häufig. Von der xoi-
γωνία des Körpers und der Seele spricht auch Philod. de morte col. VIII
(nach v. Arnim, Rh. M. 48, p. 366). — 333 nec sibi quaeque ete.: der
Begriff des consortium wird ausgeführt: sie haben gleichen Antheil (nicht
nur am Leben, sondern auch) am Zustandekommen der Empfindung, die
ohne Beider Zusammenwirken nicht möglich ist. So sagt Epikur ep. I
p. 20, 7 καὶ μὴν καὶ ὅτι ἔχει ἣ ψυχὴ τῆς αἰεθήςεως τὴν πλείετην
αἰτίαν, δεῖ κατέχειν" οὐ μὴν εἰλήφει ἂν ταύτην, εἰ μὴ ὑπὸ τοῦ λοιποῦ
ἀθροίεματος ἐετεγάζετό πως. τὸ δὲ λοιπὸν ἄθροιςμα Trapackeväcav
ἐκείνῃ τὴν αἰτίαν ταύτην μετείληφε καὶ αὐτὸ τοιούτου ευμπτιύματος
παρ᾽ ἐκείνης, οὐ μέντοι πάντων ὧν ἐκείνη κέκτηται: vgl Einl p. 86.
Nec sibi quaeque sine allerius vi ist aussergewöhnlich gesagt, aber das
Gewollte konnte nicht wohl anders ausgedrückt werden. Es soll nicht die
Behauptung negirt werden 'eins von Beiden, unbestimmt welches, kann
allein, ohne Hülfe des Anderen empfinden’ — das hiesse sec wira; auch
soll nicht die Reciprocität wesentlich betont werden “ohne gegenseitige
Hülfe können sie nicht empfinden’, was durch sec alfera geschähe; son-
dern es wird bestritten, dass jedes von Beiden für sich empfände, für sich,
ohne Hülfe des Anderen. Das würde annähernd auch mec utraque
haben (über uterque alterum etc. s. Thielmann Archiv VII 860), aber ohne
Bezeichnung des Separirten, Isolirten, das in wec sibi quaeque liegt und
dureh seorsum im folgenden Verse nochmals hervorgehoben wird. So
ist quisque überall, wo es „für uterque" steht, durch den Sinn ge-
fordert. — 385 Die Gemeinsamkeit der Thätigkeit wird, entsprechend
der starken Betonung des Gegentheils im Vorhergehenden, eindringlich
hervorgehoben: communis, inter eas, utrimque. Die Empfindung glüht in
uns wie eine Flamme, die immer von Neuem angefacht wird: das gleiche
Lueretius v. Hargun. 3
98 COMMENTAR
Bild schon II 943 accensi sensus, 959 amissos accendere sensus; aus-
geführt IV 925 «ubi nulla lalens animai pars remanerel in membris, cinere
wt multa latet obrutus ignis, unde reconflari sensus. per membra repente
possel, μὲ ex igni caeco consurgere. flamma?
337 praelerea ist überliefert. Aber ein neues Argument wird im
Folgenden nicht beigebracht. Neu ist freilich der Hinweis darauf, dass
kein Körper je ohne Seele entsteht oder wächst: aber nicht darauf liegt
der Nachdruck, sondern auf der Thatsache, dass nach dem Abscheiden
der Seele auch der Körper nicht mehr dauert: nur das wird weiter aus-
geführt und veranschaulicht. Das ist aber genau dasselbe, was schon vor-
her v. 326 und 330, dort von Körper und Seele gemeinsam, gesagt war:
es kann also nicht hier durch praeterea wie etwas Neues wieder eingeführt
werden, ohne dass ein Stagniren des Gedankenfortschrittes eintritt, das
L. nicht zuzutrauen ist. Mit propterea ist das vermieden. Nur die
gemeinsame Tbütigkeit von Leib und Seele erhält beide: deshalb ent-
steht oder wächst denn auch nie der Körper ohne Seele, und wenn sie
geschieden ist, dauert er wenigstens nicht, sondern löst sich auf. So
f&hrt auch Epikur nach den oben citirten S&tzen fort (p. 20, 12): διὸ
ἀπαλλατγείεης τῆς ψυχῆς οὐκ ἔχει τὴν αἴςθηςιν (τὸ λοιπὸν ἄθροιςμα):
nur dass er streng bei der αἴςθηςις bleibt, während L. zur These des
Abschnittes (s. o. die einleitenden Bemerkungen) zurückkehrt. praeterea ist .
statt proplerea auch II 760. VI 888 überliefert; IV 528 und VI 406 |
schwanken die Vossiani zwischen beiden. — nec gignitur: s. zu 346. —
339 Das Wasser entlässt, dimittit, die Wärme, ohne dass Gewalt nóthig :
wäre und ein divelli Statt fände. Die Wärme ist eben nicht von Ursprung :
her mit dem Wasser verbunden, kein proprium (357) des Wassers,
sondern hinzugetreten, qui daíus est 340 ἅτε ἐπείεακτος ὧν; vgl. VI 858
umorem calido donare vapore; 876 fit uli cuae semina cumque habet
(aqua) ignis dimittat. — convellere bezeichne; meist ‘etwas, das vorher
in sich oder in Anderem befestigt war, mit Gewalt aus dieser festen
Lage herausreissen' so dass sich ein Zusammenhang löst. Hier wird ein
. Zusammenhang geleugnet, und zugleich zielt convcllitur auf das folgende
arius pereunt convolsi, wo das Wort besonders gut am Platse ist; es
liegt zu Grunde das Bild vom Bau, dessen Grundfesten aus einander
gerissen werden, vgl su v. 584 tania mulalum putre. ruina conciderit
corpus, penitus quia mota loca sunt fundamenta, und IV 505 convellere
tota fundamenta quibus nixzatur vila salusque. — 843 penitus gehört zu
convolsi, s. 585. — pereunt wird durch compulrescunt erklärt.
844 ex ineunte aevo greift zurück auf corpus per se mec gignitur
umquam. Dies gemeinsame Aufwachsen ist der Grund, wesbalb eine
Trennung verderblich sein muss: discidium wt nequeat fieri ete. Mit
v. 347 könnte der Abschnitt schliessen, denn die These ist bewiesen.
Es wird aber, offenbar um eine Überleitung zum Folgenden zu gewinnen,
weiter gefolgert: 'da also die Bedingungen ihrer Existenz eng mit ein-
ander verknüpft sind, so bilden sie eine nalura coniwncia. Dies com-
iwncium esse war schon 186 und 159 von Geist und Seele ausgesagt
es kann nicht einfach bedeuten “in Zusammenhang stehen, mit einande
verbunden sein’ im Sinne des räumlichen Beieinanderseins, denn da:
brauchte nach dem früher gelehrten weder bewiesen, noch zum vor
VERS 385—850. 99
liegenden Zwecke betont zu werden. Er muss vielmehr die Ueberseizung
eines Terminus sein, der mehr besagt. Wir können ihn erschliessen aus
dem wiederkehrenden Gebrauch des Worts in dem Abschnitt V 534 ff,
der über die Stellung der Erde im Weltall handelt. Dort wird auf
das Verhältniss von Seele. und Leib exemplificirt, ja unser Abschnitt
geradezu citirt: die Erde, heisst es da, ist partibus acriis mundi caeloque
revincia: nam communibus inter se radicibus haerent ex ineunte aevo com-
iuncta (v. 344; 548 prima ab origine) atque. wuniter apta. smonne vides
eliam, quam magno pondere vobis sustineat corpus tenuissima vis animai
proplerea quia tam coniuncia alque uniter apta est? und 562 aer coniwe-
tus terris εἰ nobis est animé vis. Lucrez spricht aber an dieser Stelle
von einer Wechselwirkung von Erde und Luft, die sich daraus erkläre,
dass die Welt gewissermaassen ein Organismus, die Erde eins seiner
Glieder sei: eine Anschauung, die in sehr auffälliger Weise der stoischen
nahekommt. Der stoische Ausdruck für jene Wechselwirkung ist nun
bekanntlich cuunddera, und so wird also auch an unserer Stelle com-
tunctus nichts Anderes sein als ευπαθής, was auch Epikur für das Ver-
hältniss von Leib und Seele braucht; ep. I p. 20, 3 cuunaßtc τῷ λοιπῷ
ἀθροίεματι, 17 xarà τὴν ὁμούρηειν καὶ cupmóOciav. Vgl Philod. de
morte col VIII τὴν εὐμπάθειαν πρὸς τὸ cüpga τῆς ψυχῆς. Auf die
Uebersetzung von cujumo60fc durch coniunctus ist L. nicht allein gekommen:
Cicero müht sich mit der Wiedergabe des Ausdrucks häufig ab, offenbar
ohne sich ganz zu genügen, denn er nennt mehrfach neben seiner
tragung das griechische Wort (de div. II 14, 84; II 60, 124; 69, 142):
neben consensus, concentus, copulatio, coagmentatio, cono continuatio,
cognatio braucht auch er (a.d. a O.) coniunctio. So auch Manilius nach
der Darlegung der εὐμπάθεια ID 105. quis. dubitet post haec. hominem
coniungere caelo? — Lucrez hatte das Wort bereits für etwas ganz Ver-
schiedenes, das cußeßnxöc Epikurs, verwendet, 1449: gemeinsam ist nur in
beiden Fällen die Folge: I 451 coniunctum est id quod musquam sime
perniciali discidio polis est seiungi seque gregari, und das mag die Be-
denken beseitigt haben, die der zwiefachen Verwendung des Terminus
entgegentreten mussten. — Danach werden wir auch die swíua comfagia
v. 345 in gleichem Sinne, als annähernde Wiedergabe von cupmáOcu
zu verstehen haben: so übersetzt auch Cicero de fato 3,5 und 4,7 mit
coniagio naturae oder rerwm. — corporis atque animai mulua contagia
discunt statt des prosaischen corpus atque anima muluis coniagiis discunt.
Die Seele ist im ersten Lebensstadium eben so unentwickelt wie dez
Körper und wächst mit ihm, vgl. 445 ff. Sie tritt nicht etwa bei dez
Geburt erst in den Körper — diese pythagorisirende Anschauung wird
später noch eingehend bekämpft —, sondern ist schon in embryonalem
Zustande, maternis etiam membris alvoque reposta, mit ihm vereinigt: isí
doch selbst der Same ψυχῆς καὶ εἰὐμματος ἀπόςπαςμα (Aet. V 3,5
p. 417 D. fr. 329), enthält also beider Bestandtheile.
850—358 Die Lehre, dass nur die Seele, nicht auch der Körpeı
Empfindung habe, widerspricht oflenkundigen Thatsachen. Wenn de
Körper nach dem Abscheiden der Seele nicht mehr empfindet, so folg
daraus nur, dass die Empfindung nicht ihm als solchem allein gehörte’
Die Frage, ob auch dem Körper, d. b. den Sinnesorganen, oder nur de
19
100 COMMENTAR
Seele Empfindung zukomme, resp. dem belebenden Princip, das an Stelle
der ψυχὴ tritt, — diese Frage scheint bis auf Aristoteles kaum ernstlich
erwogen worden zu sein; noch Theophrast läfst sie fast ganz aufser Acht;
im Fr. de sensibus erwähnt er nur bei Kleidemos (38 p. 510 D.): μόνον
τὰς ἀκοὰς αὐτὰς μὲν οὐδὲν κρίνειν, εἰς δὲ τὸν νοῦν διαπέμπειν, οὐχ
ὥςπερ ᾿Αναξαγόρας ἀρχὴν ποιεῖ πάντων τὸν νοῦν (woraus nicht zu
schliefsen, dafs Anax. sich ausdrücklich zur Sache geluísert habe), und
von Diogenes, dafs er die bewulste Empfindung nicht in den Sinnesorganen,
sondern erst ἐν τῷ περὶ τὸν ἐγκέφαλον ἀέρι, seinem belebenden Princip, zu
Stande kommen liess: de sens. 42 ὅτι δὲ ὁ ἐντὸς ἀὴρ αἰεθάνεται μικρὸν
ὧν μόριον τοῦ θεοῦ, εημεῖον εἶναι διότι πολλάκις πρὸς ἄλλα τὸν νοῦν
ἔχοντες o00' δρῶμεν οὔτ᾽ ἀκούομεν. Platons Auffassung ergiebt sich
z. B. aus Tim. 64b τὸ μὲν γὰρ κατὰ φύειν εὐκίνητον, ὅταν καὶ
βραχὺ πάθος εἰς αὐτὸ ἐμπίπτῃ, διαδίδωςι κύκλῳ μόρια ἕτερα ἑτέροις
ταὐτὸν ἀπεργαζόμενα, μέχριπερ ἂν ἐπὶ τὸ φρόνιμον ἐλθόντα ἐξατγείλῃ
τοῦ Towjcavroc τὴν δύναμιν’ τὸ δ᾽ ἐναντίον ἑδραῖον ὃν κατ᾽ οὐδένα
τε κύκλον ἰὸν πάςχει μόνον, ἄλλο δὲ οὐ κινεῖ τῶν πληςίον, ὥςτε οὐ
διαδιδόντων μορίων μορίοις ἄλλων ἄλλοις τὸ πρῶτον πάθος ἐν αὐτοῖς
ἀκίνητον εἰς τὸ πᾶν ζῷον γενόμενον ἀναίεθητον παρέςχε τὸ παθόν.
Danach kommt also αἴζθηςις nur zu Stande, wenn das πάθος sich bis
‚zur Seele fortpflanzt, aber es scheint doch, als ob sie dann auch dem
τόπος παθιύν zukäme Ebd. 67 ab heifst ihm φιυνή die Bewegung
vom Ohr bis zur Seele, ἀκοή die durch die Seele verursachte Bewegung
vom Kopf bis zur Leber. Auch Aristoteles hat sich nicht unzweideutig
geäussert — ein Beweis, dafs ihm die Frage als solche nicht vorlag.
Er definirt gelegentlich (de somno 4544 9) die Sinnesempfindung als
Kívncíc τις διὰ τοῦ cóparoc τῆς ψυχῆς; aber wenn er (probl. XI 33,
903 a 20) den Epicharmvers γοῦς ὁρᾷ ete. (über den zu v. 360) als Beleg
für die Behauptung citirt, dass xwpıcdeica αἴςθηεις διανοίας καθάπερ
ἀναίεθητον πόνον ἔχει so beweist das für unsere Frage nichts, und
es finden sich Aeusserungen genug, die den Sitz des Gesichtssinnes
z. B. schon in das Auge, nicht erst in das psychische Centralorgan zu
verlegen scheinen; vgl de an. III 2, 426 68 ἑκάςτη μὲν οὖν αἴεθηςις
τοῦ ὑποκειμένου αἰςεθητοῦ ἐςτιν, ὑπάρχουκα ἐν τῷ αἰεθητηρίψ fj αἰςθητήριον
(vgl Bäumker, des Aristot. Lehre v. ἃ. &uíseren und inneren Sinnes-
vermögen, Lpz. 1877 p. 78 ff, und Poppelreuter, zur Psychol. des Aristot.
Theophr. Strato, Lpz. 1892). Über Demokrits Stellung wissen wir nichts
bestimmtes: aber wir dürfen annehmen, dass er, wie dann Epikur, dem
Körper Empfindung zuschrieb, da er als wesentliche Thätigkeit der
Seele ja nicht die Empfindung, sondern die Bewegung ansah (Aristot.
de an. 403 b 27 ff. — etwa nur, weil er die Empfindung der Bewegung
subsumirte?) Mit Entschiedenheit scheint sich zuerst Theophrasts
Schüler Straton in dem von Lucrez bekämpften Sinne geäussert zu haben:
Aet. IV 28, 3 p. 415 D.: Στράτων καὶ τὰ πάθη τῆς ψυχῆς καὶ τὰς
αἰςθήςεις ἐν τῷ ἡγεμονικῷ, οὐκ ἐν τοῖς πεπονθόςι τόποις cuvícracóat,
ausführlicher [Plut.] de lib. et aegr. c. 4 Στράτων ὁ φυεικὸς οὐ μόνον
τὰς ἐπιθυμίας ἀλλὰ καὶ τὰς λύπας, οὐδὲ τοὺς φόβους xal τοὺς φθό-
vouc καὶ τὰς ἐπιχαιρεκακίας, ἀλλὰ καὶ πόνους καὶ ὀδύνας xal ἀλγη-
δόνας καὶ ὅλως πᾶεαν αἴεθηειν ἐν τῇ ψυχῇ ευνίεταςθαι φάμενος
VERS 850—853. 101
καὶ τῆς ψυχῆς τὰ τοιαῦτα πάντα εἶναι, μὴ τὸν πόδα πονούντων
ἡμῶν ὅταν προςκρούεωμεν, μηδὲ τὴν κεραλὴν ὅταν κατάξωμεν, μὴ
τὸν δάκτυλον ὅταν ἐκτέμωμεν᾽ ἀναίεθητα γὰρ τὰ λοιπὰ πλὴν τοῦ
ἡγεμονικοῦ (das Str. von der ψυχή nicht wesentlich unterschied), πρὸς
ὃ τῆς πληγῆς ὀξέως ἀναφερομένης τὴν αἴςθηειν ἀλγηδόνα καλοῦμεν.
Aber auch die Stoa vertrat einen ähnlichen Standpunkt: Nemesius de
nat. hom. 7 p. 175 M. ἀλλοιοῦται μὲν γὰρ τὰ αἰεθητήρια, διακρίνει δὲ
τὴν ἀλλοίωειν fj αἴςθηεις (vgl Aet. IV 23, 1), und diese wird u. a. de-
finirt als δύναμις ψυχῆς ἀντιληπτικὴ τῶν αἰςθητῶν (ebd.) Mit grofser
Entschiedenheit sprach der Stoiker, dem Cicero Tusc. I 20, 46 folgt:
nos enim ne munc quidem oculis cernimus ea quae videmus; meque est
enim ullus sensus in corpore, sed, «ut non physici solum docent. verum —
eliam medici, qui ista aperta et patefacía viderunt, viae quasi quaedam
sunt ad oculos ad auris ad naris a sede animi perforatae. | itaque saepe
aut cogitatione aut aliqua vi morbi impedili apertis atque. integris. εἰ
oculis εἰ auribus scc videmus sec sentimus, ut facile intellegi possit. ani-
mum οἱ videre et audire, non eas partis quae quasi fenestrae sint animi, quibus
lamen sentire nihil queat. mens, nisi id agat εἰ adsit. Als Lehre ‘der
Meisten’ bekämpft dies noch Galen de plac. Hippocr. p. 641: οἴονται
μὲν οὖν oi πλεῖςτοι xal διὰ τοῦ νεύρου τὴν ἀπὸ τῶν προςπιπτόντων
ἀλλοίωςειν ἀναδιδομένην ἐπὶ τὸ τῆς ψυχῆς ἡγεμονικὸν εἰς διάγνωειν
ἄγειν ἡμᾶς αὐτῶν. — Von all diesen Gegnern scheint Lucrez wesent-
lich die Stoa ins Auge zu fassen: auf sie passt am Besten das zu
animam gesetzte permiriam corpore toto, denn als ὅλη dı’ ὅλου τοῦ
cóparoc κεκραμένη gilt ja den Stoikern die ψυχή. Freilich braucht
man nur von der materialistischen Fassung abzusehen, um auch die
aristotelische Lehre darin wiederzufinden, s. z. B. de an. gener. 741a 10
ἀδύνατον δὲ npöcwrov ἢ χεῖρα ἢ cápxa εἶναι ἢ ἄλλο τι μόριον pi)
ἐνούεης αἰεθητικῆς ψυχῆς: wie denn anzunehmen ist, dafs auch Straton
sich durch den ganzen empfindenden Leib das αἰςθητικὸν πνεῦμα erstreckt
dachte: Tertull. de an. 14 (Straton Aenesidemus Heraclitus) unitatem animae
tuentur quae in totum corpus diffusa ... variis modis emicet (s. Poppel-
renter a. a. O. p. 49£.). ᾿
850 quod superest, als Uebergangsformel namentlich im 5. u. 6. Buche,
auch um wichtige Uebergänge zu markiren, öfters gebraucht (nicht etwa
um Schlufsbemerkungen anzuknüpfen), schliefst hier eine Reihe von
polemischen Erórterungen an, die zunächst zur Erhärtung der vorher
. bewiesenen These von der cuprmóOcia des Körpers mit der Seele dienen.
— refulare heifst bei L. ‘widerlegen’, mit sächlichem Object (II 867.
246 (id) V 727 (astrologorum artem), vgl. III 525 refutatus “Widerlegung”.
So auch hier: dafs die Widerlegung nach L'. Ansicht irrig ist, thut
nichts zur Sache: der Ausdruck ist anschaulicher als negare, kommt ihm
aber in der Bedeutung hier ganz nahe. Dadurch erklürt sich auch der
Acc. c. Inf, der sonst bei dem Verbum nicht nachgewiesen ist. Also
Lambins Conjectur renuíat überflüssig. — 351 über permiriam corpore
loto s. die einleitenden Bemerkungen oben. — 352 mominitamus steht
für nominamus, wie 1028 imperitarunt für imperarunt; so III 808 dis-
crepitans, VI 1105 discrepilant. — 868 manifestas res verasque: mani-
festa sind die ἐναργῆ Epikurs, d. h. alles, was die αἰςθήςεις uns lehren;
102 COMMENTAR
all dies sind aber, weil ἐναργῆ, Thatsachen, res verae, wobei das Ad-
jectiv den in res liegenden Begriff des Wirklichen nur nochmals hervor-
hebt. Vgl. II 244 ne f'ingere motus obliquos videamur et id res vera
refulel. namque hoc in promptu manifestumque esse videmus. III 523
usque adeo falsae rationi (ψευδὴς δόξα) vera videtur res occurrere. —
repugnat entgegen dem Gebot αἰςθήςει μηδὲ μιᾷ μάχεεθαι Plut. adv.
Col. c. 5 fr. 250. — 354 quid sit etc. ‘denn wer wird uns Rechenschaft
darüber ablegen, was das Empfinden des Körpers sei, wenn es nicht
das offenkundig durch die Thatsachen selbst Gegebene thut?' Die
Thatsachen sind unsere Empfindungen: diese lehren uns, dafs der Körper
oder ein Körpertheil Empfindungen hat, z. B. schmerzt — und wir
müssen es glauben, denn wir haben kein Kriterium, das diese alcOncic
zu widerlegen vermöchte. Dem Sinne nach genau dasselbe, was L. IV 482
sagi: quid maiore fide porro quam sensus haberi debet? an ab sensu
falso ratio orta valebit dicere eos contra, quae tota ab sensibus orta est?
Man würde so auch an unserer Stelle eher quid (Nom.) als quis erwarten,
aber das konnte leicht als Accusativ mifsverstanden werden. — adfere:
Munro vergleicht gut Cic. Tusc. I 29, 70 credo equidem in capite (esse
animum), εἰ cur credam adferre possum. 8. ferner Cic. pro Caecina 34, 100
adferant velim, quibus lege aut rogatione civitas aut libertas erepta. sit.
So 1, Öfters reddere == rationem reddere: I 566. II 179. V 197. —
856 ipsa res wie oben res cera; II 1050 «fi docwi res ipsaqwe per se
vociferatur. — palam dare, durch docuit erläutert, vertritt das sonst,
freilich nicht in guter Latinit&t (s. Thielmann, das Vb. dare im Lat,
Lpz. 1882 p. 42) vorkommende palam facere (vgl. manifesta palam res
indicat I 803). Reichhaltige Sammlungen für ähnlichen Wechsel in
Thielmann’s Schrift, Beispiele aus L. stellt Munro zu IV 41 zusammen.
856 L. macht sich selbst im Sinne des Gegners den Einwurf, dafs
der Körper ja nach dem Abscheiden der Seele nicht mehr empfinde —
woraus dann folge, dafs auch im Leben nicht er, sondern nur die Seele
Empfindung gehabt habe. Solche Einwürfe werden öfters durch at
eingeführt, I 803. 897 mit eingeschobenem imquis, VI 673 ohne solches:
wie dort mit scilicet, wird hier die Widerlegung mit emim gegeben, das in.
dieser Verwendung aus Cicero bekannt genug ist. So γάρ und ἀλλὰ váp.
857 'Jawohl; und zwar deshalb, weil er verliert, was bei Lebzeiten
nicht sein wirklicher, eigenthümlicher Besitz war’, quod non proprium
fuit eius in aevo: Epikur ep. I 64 p. 20, 12 διὸ ἀπαλλατείςης τῆς ψυχῆς
οὐκ ἔχει τὴν alcöncıv. οὐ γὰρ αὐτὸ ἐν ἑαυτῷ ταύτην ἐκέκτητο τὴν
δύναμιν, sondern sie ist ein ςύμπτωμα des Körpers (s. Einleitung p. 36),
gehört also nicht zu seinem dauernden, unzerstórbaren Eigenthum. Solches:
Eigentbum aber bezeichnet proprium esse ausdrücklicher noch als ἴδιον
im Gegensatz zum vorübergehenden Besitz: z. B. Horaz sat. II 2, 138
nunc ager. Umbreni sub nomine, nuper Ofelli diclus, erit nulli proprius:
weil, wenn nichts Anderes, so doch sicher der Tod ihn dem Besitzer
nimmt. Terenz Andr. 959 ego dcorum vilam eapropter. sempiternam esse
arbitror, quod voluptates eorum propriae sunt. Daher auch proprius
öfters mit perpetuus Ὁ. Ä. verbunden auftritt, x. B. Cic. pro imp. 16, 48,
post red. in sen. 4, 9. Der Gegensats zu proprium in einer A
bei Plut. de lib. et aegr. c. 6, die ich hersetse, weil sie der epikurischen
VERS 262---860. 103
Anschauung nahe kommt: ὅπου γὰρ ἐπὶ τῶν ἀγγείων ἔργον ici
διακρῖναι πότε τῇ περὶ αὐτὰ κακίᾳ τὸ ἐγκεχυμένον διέφθαρκε καὶ
πάλιν πότε τῶν ὑγρῶν νοςηςάντιυν διαβέβρωται᾽ Fi πού τε τῆς ψυχῆς
ἀναμεμιγμένης εἰς τὸ εὦμα καὶ κατὰ cüvkpaciv ἑνωτικὴν εὐυμπεφυκυΐας
ἄπορόν Ecrıv ἐκκαθᾶραι τὴν διαφοράν. ὄρους ψυχῆς καὶ αὐματος
ἐπιζητεῖς, οὖς fj φύεις ἀνεῖλεν, ἐκ δυοῖν μίαν τενέςθαι copılouevn;
καὶ τῷ λόγῳψ παρενδῦναι ἀρχόμενος διαςτέλλεις κοινωνίαν οὐδενὶ
λυτὴν οὐδὲ χωριςτὴν A μόνψ τῷ θανάτψ; ἐκεῖνος δὲ τὰ πρὸς ἄλληλα
ευνδεθέντα διακόψας A ἀποκρίνας θάτερον ἐξελέγξει τὴν ἑκατέρου
φύειν ὅςον εἶχεν ἀλλότριον. — 358 Der Schluss des Verses, über
liefert perditum expellitur aevo. quam, ist längst richtig hergestellt:
perdit, quom expellitur aevo. Das Subject muss natürlich für perdit
und expellitur das gleiche sein, nämlich corpus (und müsste das anch
bei Munros Conjectur qwam expellitur anie: scil anima nach Munro)
Aevo expelli — vita expelli ganz unanstóssig; Cic. pro Mur. 16, 34 non
ante quam illum vita expulit (freilich durch das vorhergehende ez omwé-
bus oris ac notis sedibus hoste pulso vorbereitet); Arnobius δίδοτε ez
pelere e vita und vila: 140 VIL 49. 44. Auch in dieser Verwendung
entspricht αἰών: Il 24, 725 ἄνερ, ἀπ᾽ αἰῶνος νέος deo. — mulla-
que praeterea perdit (Lachmanns sulla ist sachlich wie sprachlich un-
möglich, 8. Goebel observ. Lucretianae p. 31f.) kann nur heissen: “der
Körper verliert ja auch ausserdem’, d. h. ausser der Empfindung, "beim
Tode Vieles’. Der scheinbare Widerspruch zu v. 214 mors omnia praestal
vitalem praeler sensum calidumque vaporem erklärt sich aus der Verschieden-
heit des Zusammenhanges: dort war in omnia das sinnlich Wahrnehm-
bare zusammengefasst, hier ist an alle δυνάμεις τῆς ψυχῆς gedacht: Denken,
Bewegung u.s. f. Aber ungeschickt ist die Ausdrucksweise, denn der
flüchtige Leser kann praeterea auf das vorliegende quod non proprium
fuit eius beziehen statt auf das zurfückliegende semére. Man wird diese
Unbequemlichkeit hinnehmen als veranlasst durch das Streben nach
Kürze, das in diesem Abschnitt auch sonst (in 354f. 362. 864. 392 £^
die Klarheit beeinträchtigt.
359—369. “Unsere unmittelbare Empfindung spricht ferner. gegeı
die Behauptung, dass nicht die Augen sähen, sondern der Geist durel
sie. Zudem müsste man ja dann ohne Augen noch besser sehen können’
— Mit der Frage, ob auch dem Körper Empfindung zukomme, häng!
wie wir oben sahen, eng die andere zusammen, ob die bewusste Em
pfindung in den Sinnesorganen oder erst in einem seelischen Centra
organe zu Stande komme. Die Erörterung eines Specialfalls dies:
Problems schliesst sich also hier ganz naturgemäss an. Nebenbei b
merkt, ist dies rein psychologisch-physiologische Problem von de
erkenntnisstheoretischen der Wahrnehmungszuverlässigkeit ganz verschi
den. — 360 ut foribus reclwsis: das Bild geht vielleicht auf Herakl
zurück; Sext. Empir. VII 129 in einem (auf Aenesidem fussende
s. Diels Dox. p. 210, v. Arnim Quellenunters. z. Philo p.87) Beric
über Her: ἐν yàp toic ὕπνοις μυςάντων τῶν αἰςθητικῶν πόρων xu
ζεται τῆς πρὸς τὸ περιέχον εὐμφυῖας ὃ ἕν ἡμῖν νοῦς... ἐν !
ἐγρηγορόει πάλιν διὰ τῶν αἰςθητικῶν πόρων ὥςπερ διά τινυν Θυρίδι
προκύψας καὶ τῷ περιέχοντι ευμβαλὼν λογικὴν ἐνδύεται δύναμ
104 COMMENTAR
. Während Heraklit selbst (s. ebd. 126) die von L. bekämpfte Lehre
nicht getheilt hat, machten sich ihre späteren Vertreter das Bild zu
Nutze; so der oben zu v. 850 citirte, von Cicero benutzte Stoiker und
vielleicht, wenn auch in etwas anderem Sinne, Straton und Aenesidemos:
Sext. Empir. VII 350 oi δὲ αὐτὴν (τὴν διάνοιαν) εἶναι τὰς αἰεθήεεις,
καθάπερ διά τινων ὀπῶν τῶν αἰεθητηρίων προκύπτουςαν, ἧς cráceuc
ἦρξε Crpárwv τε ὁ φνυεικὸς καὶ Alvncidnuoc. Vgl. ferner Philo fr. p.
615 Mang. (citirt von Diels ἃ. δ. O.) αἱ αἰεθήςεις θυρίειν ἐοίκαςι. διὰ
γὰρ τούτων ὡςανεὶ θυρίδων ἐπειςέρχεται τῷ vip & κατάληψις τῶν
αἰεθητῶν, καὶ πάλιν ὁ νοῦς ἐκκύπτει διὰ αὐτῶν. μέρος δέ ἐςτι τῶν
θυρίδων, λέτω δὴ τῶν αἰεθήεεων, fj ὅρασις. Anon. physiognom. II
p. 17 Förster: hos enim (scil. oculos) tamquam fores animae videri volunt:
nam εἰ animam dicunt per oculos emicare ei solum hunc aditum esse per
quem animus adiri atque snirospici possit. — Die Worte des L. erinnern
ferner an den bekannten, unter Epicharms Namen gehenden Spruch vóoc
δρῇ καὶ νόος ἀκούει, τἄλλα κωφὰ xal τυφλά (p. 255 Lor.), der, wie
er auch ursprünglich gemeint sein mag, Öfters in ähnlichem Zusammen-
hange eitirt wird: so von Aristoteles probl XI 38 (s. o.); Plut. de sollert.
anim. III 6 (Straton?) p. 961a. — 361 Das überlieferte difficile est sucht
Munro zu halten: es stehe für “ist unmöglich’, was dann wieder gleich
‘ist thöricht” wäre. Aber seine Parallelen genügen nicht, um diese
doppelte Vertretung glaublich zu machen: haud facile est v. 328. 830
vertritt gewiss ein vorsichtig gesagtes neqwit, aber durch die stehende
Adverb-Verbindung haud facile == οὐκ ἄν wird das erleichtert; V 526
quid in hoc mundo sit eorum ponere. certum difficile est ist wirklich von
einer (wenn auch im Sinne Epikurs unüberwindlichen) Schwierigkeit die
Rede, ebenso wie Livius VIII 40,3 nec facile est aut rem rei aut
awcorem auctori praeferre: “man entschliesst sich schwer ... vor-
zuziehen’. Ein dici nequit liesse sich verstehen: dann würde dici den
Begriff des Berechtigten, Begründeten involviren: das geht aber bei
difficile est nicht an. Ich bleibe also bei Lambins desipere .est, was in
solchen Fällen der Gewohnheit des L. (III 880; V 165. 1048) wie dem
Ton antiker und speciell epikurischer Polemik überhaupt entspricht, den
wir ja aus Philodem zur Genüge kennen. — ducat die Handschr.; man
könnte anführen II 868 nec conira pugnant in prompiw cognila quae
suni, sed magis ipsa manu ducunt εἰ credere. coguni; aber wenn die
Metapher ‘zu etwas hinleiten' ganz ungezwungen und ohne Weiteres
begreiflich ist (vgl. gleich den folgenden Vers), so scheint mir 'dagegen
führen’ (nur das nämlich, nicht “anderweit führen” könnte c. ducere nach
L. Sprachgebrauch heissen) zu weit hergeholt: Lambins confra ... dicat
ziehe ich mit den Neueren (ausser Christ quaest Lucretianae p. 11)
vor, vgl. IV 483 an ab sensu falso ralio orta valebit dicere eos conira,
quae ἰοία ab sensibus oría esi? — 362 Den Vers, an dem noch Munro
und Brieger Anstoss nehmen, hat bereits Polle Philol XXVI p. 330
ganz richtig erklärt: ‘der Gesichtssinn' (genauer: unsere Empfindung
während des Sehens) "weist unausweichlich an die Augen selbst als das
fanctionirende Organ’, wobei dem Dichter ein bestimmtes Object zu
trahit ebenso wenig vorschwebt wie II 869 ipsa mane ducunt ei credere
cogunt und an unzähligen anderen Stellen. Das Folgende nennt einen
VERS 360—366. 105
der deutlichsten Fälle dieses trahi εἰ detrudi: wenn wir versuchen, in
helles Licht zu sehen, müssen wir oft genug die Augen schliessen, da
sie uns schmerzen: IV 304 splendor quicumque est acer aduril saepe
oculos. Zum Ausdruck írahit vgl. Vol Herc* VII 17 col 28, wo es
sich um Epikurs Versuch handelt, den Sitz des λογιζόμενον μέρος τῆς
Ψυχῆς zu bestimmen (fr. 318): ... ποῦ μάλιςθ᾽ ἡ κείνηςις xol τὸ
πάθος Eixeı" φανερῶς γὰρ ἐπὶ τὸν θώρακα fj δλκὴ τείνεται. —
863 cum saepe nequimus ein eigenthümlich verkürzter Ausdruck für cum,
ut saepe fil, nequimus. — 364 wir können Glünzendes nicht ansehen,
und zwar weil unsere Augen in ihren Functionen gehindert werden
(praepedire häufig so von Körpertheilen, auch 478): also sind es die
Augen, die sehen, nicht der Geist, wie durch den Gegensats der folgen-
den Verse noch deutlicher wird. — lwmina luminibus stellt Munro zu
den pointelosen und lediglich um des Klanges willen gebildeten Wort-
spielen, deren sich bei L. eine ganze Heihe finde. Gewiss hat sich auch
L. in diesem Punkt von der nationalr&mischen Neigung nicht völlig
freigemacht, ich rechne z. B. dahin das Spiel mit latitare I 875. 877;
aber unter den dort von Munro aufgezählten beurtheile ich die meisten
anders: die Wiederholung desselben Worts in verschiedenem Sinne ist
theilweise ganz unbeabsichtigt (wie die von res ... rebus u. s. £.), theil-
weise doch nicht nur auf äusserliche Wirkung berechnet: so zweifellos an
unserer Stelle. Die wissenschaftliche Erklärung des Phänomens giebt L.
IV 299 ff, hier eine mehr poetische, die doch auch wissenschaftliche
Vertreter gebabt hat: das Licht des Auges wird durch ein
das von aussen kommt, verdunkelt; vgl Galen, der de usu part. X, 3,
III p. 775 ff. K. den gleichen Vorgang bespricht, p. 777 εἰ δ᾽ ὑπομένεις
Tt καὶ φυεικώτερον ἀκοῦςαι, λύχνον καιόμενον ἤ τινα ἑτέραν φλόγα
καταθεὶς ἐν ἡλίψ λαμπρῷ, μαραινομένην αὐτίκα θεάςῃᾳ καὶ μέν τε
καὶ φλογὸς ἥςτινος οὖν μεγάλης εἰ πληείον θείης τὸν λύχνον, ἤ
τινα ἑτέραν μικροτέραν, αὐτίκα εβέννυται, νικυμένης ἀεὶ καὶ διαφορου-
μένης τῆς ἐλάττονος αὐγῆς ὑπὸ τῆς μείζονος. Das beruht auf der
Auffassung des Auges als des ὄργανον αὐγοειδέετατόν Te καὶ ἡλιοει-
bécratov, Galen ib. 1. III 10 p. 242 K. — 365 quod foribus (Dat.) non
fit, nämlich das praepediri, da sie selbst an der Thätigkeit des Behens
gar nicht betheiligt sind (neque enim wilum suscipiunt laborem): denn
wir sind es ja, die sehen, qwia (so Lachm.) cernimus ipsi. Qua (so
Häschr.) kann 'insofern' nicht begründend, sondern nur einschrünkend
bedeuten, wozu hier keinerlei Veranlassung ist, ebenso wenig wie zu
einer localen Bestimmung ‘wo wir sehen’. — Übrigens fasst L. in diesem
Gegenargument, und mehr noch im Folgenden, das simile von den Oupí-
᾿ bec so derb an, wie es selten ein Bild verträgt: natürlich wollte, wer
den Vergleich gemacht hat, nicht damit die Mitwirkung der Sinnes-
organe leugnen, denn deren Afficirung (b. d. Stoikern ἀλλοιοῦεςθαι
s. Nemes. oben 8. 101, πάθη Aet. IV 23, 1, bei Straton πληγή) isi
selbstverständliche Voraussetzung der afcOnci. Freilich, wenn Posi
donius wirklich wie Cicero Tusc. 130, 46 (s. 0.) gesprochen und den
augenblicklichen Zweck zu Liebe die Sinnesorgane als hindernd fü
die Wahrnehmung bezeichnet hat, so könnte er sich kaum darüber be
klagen, mit den Lucrezischen Argumenten ad absurdum geführt zu werder
106 COMMENTAR
— 367 praeterea: über dies ineplissimum argumentum ereifert sich
Lactanz de op. 8, der es so wiedergiebt ‘si mens per oculos videt, erulis
et effossis oculis magis videret, quoniam evolsae cum postibus fores plus
inferunt luminis quam δὲ fuerint obductae. Darin ist LJ postibus ipsis
richtig paraphrasirt: als pars pro toto stehen die Pfosten für die ganze
Thür, sonst sogar für die Thürflügel, Virg. Aen. II 480 postisque a
cardine vellit aeratos, ib. 493 emoti. procumbunt cardine postes. Aber
der Zusatz quam δὲ fwerimt obduciae kommt auf des Eifernden eigene
Rechnung.
870—395 *Demokrits Ansicht, dass im menschlichen Leibe je ein
Seelenatom sich zwischen je zwei Körperatome einschiebe, ist unhaltbar.
Denn daraus, dass wir die Berührung durch winzige Körper nicht
empfinden, folgt, dass diese nicht mehrere Seelenatome berührt haben:
die Seelenatome mfssen also in verhältnissmässig grosser Entfernung
von einander liegen, also auch an Zahl den Körperatomen nachstehen.’
— Die hier bekämpfte Ansicht Demokrits ist uns sonst nicht über-
liefert: aus anderen Quellen wissen wir nur, dass er die Seelenatome
durch den ganzen Leib vertheilt sein liess (Aristot. de an. 409b 2 u. A.).
Dass er die Mischung vom Seele und Leib eine Nebeneinanderstellung
der Atome sein liess, ergab sich als Consequenz seines Systems; vgl. 372
singula privis adposita mit Alex. Aphr. de mixt. p. 214, 18B.: Δημό-
κριτος μὲν οὖν ἡγούμενος τὴν λεγομένην xpäcıv γενέεθαι κατὰ παρά-
Becıv cwudrwv, διαιρουμένων τῶν κιρναμένων elc μικρὰ καὶ τῇῷ
παρ᾽ ἄλληλα θέεει τὴν μῖξιν ποιουμένυν. — Die Veranlassung, von
Demokrit abzuweichen, war für Epikur offenbar das φαινόμενον, das er
hier als Argument für seine eigene Lehre anführt: die Thatsache, dass
gewisse Eindrücke zu gering für unser Wahrnehmungsvermögen sind.
Das wird hier nur für den Gefühlssinn ausgeführt, gilt aber natürlich
ebenso gut für das Gesicht, s. IV 115 ff. — L. behandelt die Frage etwas
ausführlicher, weil sie ihm Gelegenheit giebt, im Sinne der eigenen
Lehre über die Betheiligung der Seelen- und Körperatome beim Zu-
standekommen der Wahrnehmung wenigstens andeutungsweise aufzuklären.
Das steht in keinem engsten Zusammenhange mit dem unmittelbar Vorher-
gehenden, wohl aber mit dem Abschnitt 323—349, und ist nur deshalb
nicht gleich dort angefügt, weil sich noch nothwendiger dort die Verse 350 fl.
anschlossen. Einen anderen, geeigneteren Platz für diese Erörterung
gab es überhaupt nicht, denn das vierte Buch, an das man denken
könnte, handelt περὶ αἰεθητῶν, nicht περὶ alcOfgceuc. — Der Gedanken-
gang ist wohl disponirt: 370—373 Ansicht Demokrits. 374—380 Gegen-
these. 381—390 Beweis 391—395 Clausel, die aber nicht auf den
Beginn des Abschnitts, sondern nur auf L.’ Gegenthese zurückgeht, sum
Beweis, dass diese das Wesentliche ist.
870 Illud in his rebus: L. wendet diese Formel, die ich nur bei ihm
finde, oft zur Einleitung und mit besonderer Vorliebe da an, wo er wie
hier eine fremde Ansicht widerlegen (I 370. 1052. IV 822) oder einem
Einwurf des Lesers zuvorkommen will (I 80. II 308. IV 898. V 247.
666. 1091. VI 1056; ausserdem nur noch II 216. 581. III 319.
VI 1230). Das liegt einfach daran, dass in diesen Fällen die ihm
sonst geläufigen Formeln nicht passien — 371 kehrt V 622 wieder.
VERS 861—371. 107
Sancia sententia erinnert an Lucilius Valeri semientia dia (v. 1174),
was Horas nachahmt mit sententia dia Catonis (sat. Y 2, 33) Die
Verbindung Democrili-viri wäre ohne die prüdicative Bestimmung sanda
nicht möglich. Man hat zwar dergleichen im Griechischen zu finden
geglaubt, so z. B. Soph. Aias 817 δῶρον μὲν ἀνδρὸς "Extopoc verbunden,
& Lobeck z St; aber da gehört ἀνδρὸς ξένων ἐμοὶ μάλιςτα pucndevroc
zusammen, s. Kaibel Elektra p. 75, der auch die übrigen hierher gehörigen
Stellen bespricht. Bei Lucrez ist sanctus ursprünglich als Attribut za
vir gedacht, denn speciell Demokrits Ansicht über die Lage der Seelen-
atome im Körper als sancta zu bezeichnen, konnte dem Dichter nicht
beikommen. Aber von der Heiligkeit des Mannes fällt natürlich cin
Abglanz auch auf jede seiner Áeusserungen, und so kann L., wie das
Dichter gern thun, das eigentlich dem Genetiv zukommende Attribut zum
regirenden Nomen stellen, I 81 impia rationis elementa, 119 gentis Italas
hominum; Hor. od. III 1, 40 dolentem nec Phrygius lapis nec purpurarum
sidere clarior delenit usus usus. — 872 singula privis == singula. singulis. —
373 adposita s. oben. — aliernis variare: variare intr. häufig bei L. und
immer als “verschieden sein’, entweder so, dass ein Gegenstand in ver-
schiedenen Phasen verschieden auftritt, oder dass mehrere unter einander
verschieden sind; ferner im part. präs. == varius, von
ständen, wie I 115 in coelu variantis acervi, *mannigfalüg'. Hier ist
alternis (sc. vicibus) variant primordia sehr eigenthümlich gesagt für
primordia allernant, eine Ausdrucksweise, die, soviel ich sehe, nicht
nachgeahmt worden ist. Aber es ist begreiflich, wie variare von der
Bedeutung des successiven Verschiedenseins, d. h. sich Veränderns, dazu
kommen kann ein rBumliches Abwechseln, sich Ablösen zu bezeichnen.
Transitiv Virg. Aen. IX 164 iuvenes variant vices ‘sie lösen sich ab’.
— ac neclere membra "und so die Verknüpfung des Körpers zu Stande
komme’, alternis wirkt auch hierbei noch. Ueber nectere von Àtom-
verbindungen gesagt s. zu 217.
374 Dass die Seelenatome kleiner seien als die des Körpers, hat
Demokrit ebenfalls angenommen und es widerspricht auch nicht der
von L. hier bekämpften Lehre; wenn es also der eigentlichen Gegen-
behauptung numero concedunt vorausgeschickt wird, so soll es diese zu
der Gesammtanschauung ergänzen, dass die Seele überhaupt quantitativ
weit hinter dem Körper zurücksteht: ‘sie sind weniger zahlreich, wie
sie ja auch viel kleiner sind Vgl. Diog. v. Oin. fr. 82 Us.: καὶ τὰς
εἰ μὴ τὸν ἀριθμὸν Tcov τῶν ἀτόμων ἔχει τῷ cıbyarı (ἢ ψυχή) next
τε τοῦ λογικοῦ τιθεμένη μέρους αὐτῆς καὶ τοῦ ἀλόγου κτλ. — anima.
elementa: wenn L. sich den Hiat erlaubt hat, statt elementa minor:
animai zu schreiben — und nach dem, was Leo Plaut. Forsch. 308 f
829 ausgeführt hat, wird man an der Möglichkeit nicht zweifeln —
so bewog ihn die Absicht, den Hauptbegriff anima, der im Gegensata
zu Corpus und viscera steht, durch die Stellung hervorzuheben. —
977 dumtazat zieht man seit Lachmann zum Vorhergehenden und inte:
pungirt danach stark, m. E. mit Unrecht. Es könnte nur zu rara gehöre
und soll da nach Munro ‘nur’, ‘so viel und nicht mehr" bedeuten: das tin
es zwar häufig, aber einleuchtender Weise nur bei ganz bestimmte
Begriffen wie Zahlen, nicht bei so vagen Angaben wie rarus. Ande
108 COMMENTAR
z. B. Hor. a. p. 23 denique sit quidvis, simplez dumtaxat εἰ unum, “nur
wenigstens’, wobei eigentlich mehr erwartet wird: auch das passt hier
nicht. Zudem würde der wí-Satz dann scheinbar die Folge des rara
dumtarat angeben, was doch nicht der Fall ist. dwmíarat muss vielmehr
diesen εὐ δῖ einleiten, der dann eine Erläuterung des Vorhergehenden
mit beschränkender Nebenbedeutung giebt: 'rara, insofern als man be-
haupten darf” Aehnlich II 128 dumtazat rerum magnarum parva
potest. res exemplare dare: “das angeführte Beispiel ist nämlich insofern
berechtigt, als...” — dissita s. zu 143. — promittere in der Bedeutung
‘versichern, bestimmt behaupten’, so dass man eine Gewähr dafür über-
nimmt, auch 876 non dat quod promitiit, den Uebergang zur Bedeutung
‘versprechen’, wobei der Begriff des Zuktinftigen mit aufgenommen wird,
I 411 hoc tibi .. possum promittere; ... lingua .. funde. — 378 quantula
prima: der Gedanke ‘so grols die kleinsten Körper sind, deren
Empfindung in uns erweckt, so gross ist der Abstand der Seelenatome
von einander’ — verlangt zu quaniula nothwendig einen Zusatz, der die
unterste Grenze der Grösse ausdrückt, also prima, nicht priva, wie
Bentley und Lachmann auch hier wollten. Vgl. IV 112 minora
quae primum oculi coeplani non posse tueri. corpora ist möglichst weit
von prima getrennt, um nicht corpora prima als einen Begriff, d. h.
Atome (s. 161), verstehen zu lassen. Auch v. 380 ist exordia prima
animai wohl richtig überliefert; exordia gebraucht L. zwar auch allein
für Atome, aber nur in der Verbindung cunctarum exordia rerum (8. zu
v. 81); prima exordia dagegen ist ein vollgültiger Ersatz für primordia,
und die Hervorhebung der einzelnen Seelenatome für sich durch priva
wäre hier überflüssig, fast störend.
881 Leichteste Kürper werden in vier Gruppen aufgeführt: Staub
und Kreide haften am Körper, Nebel und Spinnenfäden begegnen uns
in der Luft, Spinnweb, Federchen und Samenhärchen fallen von oben,
Thierchen kriechen oder springen auf unserer Haut — alles Einzelne
mit voller Proprietät des Ausdrucks geschildert. inierdum: denn in
grösseren Massen empfindet man auch den Staub am Körper. — adhaesus
auch IV 1242 V 842 VI 472 zum Ersatz von adhaesio, sonst wie es
scheint von Niemandem gebraucht. Der Inhalt des Gedichte verlangt
eine der lateinischen Sprache sonst fremde Fülle von Abstractis, die
Form begünstigt vor Allem jene Bildungen auf -fws, -sus; so hat L.
allein oder doch fast allein adactus, adauctus, commutatus, conciliatus,
concussus, disieclus, eiectus, intactus (I 454 neben tactus), itus (sonst fast
nur als Correlat zu ambitus, reditus u. 8), mactatus, opinatus, oppressus,
proiectus, refutatus, subortus, summalus, transspectus: bei manchen davon
ist es ganz klar, dass zunächst die Bildung auf -io dem Schriftsteller
vorschwebte. — 382 corpore kann nicht zu sentire gehören, sondern, wie
membris zu incussam sidere, nur zu adhaesum: das Verbalsubstantiv hat
die Kraft des Verbs behalten, analog den bekannten Beispielen obtempe-
ralio legibus, domum itio. — incussam cretam: das Anfliegen von zer-
staubter Thonerde kann nicht wohl gemeint sein, incu! wäre dafür kein
passender Ausdruck. Eher ist wohl mit Bockemüller an die stündige
Verwendung der creía zum Schminken oder Pudern zu denken; so schildert
Martial VIII 88 ein ganz besonders dünnes Goldplättchen: 15 wec vaga
VERS 311—391. 109
lam tenuis discurrit aranea tela ... crassior in facie velulae síal crda
Fabullae. — 388 Die Synizese aranei ist freilich einzig dastehend; aber
L. braucht das Wort, da er araneas nicht schreiben konnte, und so
wusste er sich zu helfen. Mir ist das wahrscheinlicher, als die Existenz
einer Nebenform araniws, die L. Müller de r. m.? 297 annimmt, und von
der wir sonst keine Spur haben. Der Ursprung des Wortes ist noch
nicht mit Sicherheit eruirt; im Übrigen sagt Servius zu Georg. IV 246
mit Recht sciendum, maiores animal ipsum masculino genere appelak
*hic araneus’, retia. vero quae faciunt feminino: die Spinne heisst aranca
erst bei Catull (68, 49); araneum Spinnweb findet sich nicht vor
Phaedrus (II 8, 23). — 384 obretimur euntes vom Netze, das über
unsern Weg gespannt ist; sind dagegen die Fäden morsch geworden, so
fällt das Netz herunter, die Spinne legt gleichsam ihr altes Kleid ab.
Als Spinnweb hat viefam vestem Serenus Sammonicus verstanden: v. 956
Bähr. si vero caput infestus conliserit clus, ex oleo necti vestis debebit
arachnes (vgl. mit Plin. n. h. 29, 114 fracto capiti aranei tela ex oleo εἰ
aceto inposita non nisi volnere sanato abscedit), und Donat zu Ter. Eun.
v. 688: Lucretius araneae dizit vietam vestem, ἃ. e. putri mollitie
ditam (vgl Prop. IH 6, 388 putris εἰ in vacuo tezelur aranea lodo) —
387 Vgl. II 230 nam per aquas quaecumque cadunt aique aéra rarum,
haec pro ponderibus casus celerare necessesi. Je leichter der Gegenstand
ist, desto schwerer, d. h. langsamer, weniger gern fällt er (der Ausdruck
gravatum ist der Antithese zu Liebe gewählt), plerumque, falls ihn nicht
etwa ein Windstoss mit sich führt. Das leise Fallen hat zur Folge,
dass er nur mit einem kleinen Theil seiner Oberfläche unsere Haut be-
rührt und somit nicht genug Atome trifft, um eine Empfindung zu er-
wecken. — 388 itum zu 381. — 389 priva vestigia: das Beispiel ist
mit Bedacht als letztes aufgeführt; wir haben hóchstens eine Gesammt-
empfindung, nicht aber erwecken die einzelnen Füsschen Einzelempfindungen:
sie setzen zu wenig Atome in Bewegung, wie in der nun folgenden
Clausel abschliessend erklärt wird. Vgl. IV 259 venius enim quoque
paulatim cum verberat οἱ cum acre. fiuit. frigus, non privam quamque
solemus particulam venti sentire el frigoris eius, sed magis wnorswm.
891 ‘Es müssen schon viele Körperatome getroffen und dadurch
bewegt werden, ehe zugleich auch zwei Seelenatome die Erschütterung
der Körperatome bemerken, d. h. durch den Stoss getroffen werden, so
dass sie sich an der Bewegung betheiligen, also die communes molus
(385) zu Stande kommen, die Vorbedingung des sentiscere sind’. Das
ist offenbar der Sinn der Verse, zuerst von Goebel (s. u.) richtig erkannt.
Die Fassung ist nicht eben glücklich zu nennen: beim ersten Lesen wird
man primordia animai verbinden, und erst nähere Ueberlegung lässt
keinen Zweifel darüber, dass semina Subject, primordia Object ist;
ferner ist die Beziehung von mulfa nicht klar; endlich, wenn prismordia
im Gegensatz zu animai semina steht, erwartet man eine nähere Be-
stimmung dazu. Liesse sich dem allen, wie man von Marull bis Lach-
mann versucht habt, durch einfache Umstellung von v. 392, 398 abhelfen
so nähme man das gern an; aber es geht nicht, denn semina muss au
animai folgen, da (wie Goebel obs. Lucr. 1854, p. 40 zuerst gesagt hat
die semina corporibus nostris inmixla per arius schlechterdings nur di
110 COMMENTAR
Seelenatome sein können; man entgeht dem auch nicht, wenn man wie
Brieger corporibus nostris in mizta schreibt (d. h. in corpore nostro snizta):
solche Feinheit existirte nicht für antike Leser, und der Zusatz würe
dann ausserdem ganz müssig. Von anderen aus der Umstellung folgenden
Schwierigkeiten sehe ich ab. — Die Stellung von primordia, das er
auch zu mulis verstanden wissen will, sucht Munro zu I 15 durch
Parallelen zu schützen: aber von den dort angeführten Constructionen
ist keine vergleichbar; vor Allem nicht Relativsätze wie Hor. ep. 2, 87
quis non malarum quas amor curas habet haec inter obliviscilur. Man
wird also besser mulia absolut fassen als 'Vieles'. — sentiscant: dass die
Atome der Seele empfinden, konnte L. im eigentlichen Sinne nicht
sagen, denn sie sind und bleiben insensilia, wohl aber, mit einem Bilde,
das sie die Erschütterung merken, d. h. selbst mit erschüttert werden.
— 894 Für quantis, das ganz sinnlos ist, haben Frühere íamtis, Lach-
mann quam in his geschrieben; aber die intervalla sind so lange nicht
genannt worden, dass eine Verweisung darauf mit kis mir bedenklich
erscheint. Dem Sinne wie der Ueberlieferung nach liegt qwam sis, oder
wenn man will qwaom swis näher; sis hat L. III 1025, freilich in einem
Enniuseitat, aber einsilbiges swo auch I 1022 == V 420. “In ihren
Intervallen’ gehört eng mit tudilantia zusammen. T'uditaniia vereinigt
in sich die drei Momente des concwrsare, coire, dissullare: in diesen
Formen verlaufen also die sensiferi motus, von denen im Vorhergehenden
so oft die Rede war. Auffallend genug, dass wir das erst am Schluss
des ganzen Abschnitts erfahren: aber die ganze Lehre von der alcOncac
ist hier eben nicht data opera behandelt, sondern in die Erörterung über
den Zusammenhang zwischen Leib und Seele verflochten, so gut es ging.
— Der sensifer motus unterscheidet sich in dieser Beschreibung nicht
von der allgemeinen Bewe der Atome: ihr Zusammentreffen heisst
concursus I 634. 685 u. 0. (concursio Cic. de fin. I 6, 17; 20), εύγκρουεις,
ihr Zusammenbleiben coefus I 1026 u. ὅ. (cUvoboc), dessen Zusammenhang
mit coire (II 568 u. ὅ.λ, ευμβαίνειν (fr. 284, 32, vgl. ευνελθεῖν und dcuve-
Aeuctoc Inschr. v. Oin. fr. 20 Us), also noch deutlich empfunden wird;
kommt dieser coeíus nicht zu Stande, so ist die Folge des Anpralls das
ἀποπάλλεεθαι, dissilire (II 87) oder resultare (II 98 u. 6.). Über die
Ausgestaltung der Lehre im Einzelnen, z. B. wie sich zur Eigenbewegung
der Atome die durch Sinneseindrücke hervorgerufene verhält, oder wie
die Seelenatome überhaupt sich treffen können, da doch nicht nur das
inane sondern auch Körperatome dazwischen liegen — darüber wissen
wir nichts, nicht einmal, ob Epikur sich diese Frage selbst gestellt hat.
396—416 'Der Geist ist für die Erhaltung des Lebens wichtiger
als die Seele; denn ohne den Geist vermag auch die Seele nicht mehr
im Körper zu verweilen, während die Seele, wenn auch nicht ganz, so
doch grossentheils mitsammt den entsprechenden Theilen des Körpers weg-
genommen sein kann, ohne dass das Leben schwindet. So findet zwischen
Geist und Seele das gleiche Verhältniss statt, wie im Auge zwischen
Pupille und deren Umkreis: nur die Pupille ist für die Erhaltung der
Sehkraft völlig unentbehrlich”. — Dass dieser Abschnitt unmittelbar an
v. 349 anschliesst, ohne Berücksichtigung der vv. 350—395, sah Lach-
mann; aber seine Folgerung, dass L. also jene Verse später geschrieben
VERS 391—408. 111
und nicht für diese Stelle bestimmt habe, ist nicht zwingend Wir
sahen, dass die Versgruppen 350 ff. eng an das Vorhergehende anschliessen
und an dieser Stelle zwar entbehrt werden könnten, aber auch nirgend
anderswo unterzubringen waren. Vom Gange der Hauptuntersuchung
führen sie freilich ab, und zu ihr kehrt L» nun abbrechend zurück,
aber ohne ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen. Formeln wie «i
redeam illuc unde abii wendet er nicht an, sondern überlässt es dem
Leser, die 'Anmerkungen' oder Excurse sich aus dem Texte heraus
zuheben. — Serv. Dan. zu Aen. X 487: qwidam secundum — Epicureos
animam per tolum corpus. divisam esse volunt, εἰ exinde posse fieri wd
quis ampulala parie corporis vivat: animum vero esse τὸ ἧτεμονικόν
animae, sine quo vivere nom possumus kann ans L. genommen sein; die
Lehre, dass das Leben wesentlich am Geiste hänge, ist als epikurisch
sonst nicht überliefert. Diogenes v. Oin. (fr. 32 Us.) behauptet nur in
Ausdrücken, die an die des L. erinnern, dass für die Erhaltung des
Lebens die Seele weit wichtiger sei als der Körper: (αἰτίαν δὲ τοῦ ζῆν
N) μὴ ζῆν διπλῆν fj ψυχὴ παρέχει τῇ quce. Wenn der Körper durch
Krankheit völlig entkr&ftet ist, ὅμως fj ψυχὴ παραμένουςα οὐκ ἐᾷ
θνήςεκειν τὸ ζῷον. καὶ οὐ τοῦτο δὲ μόνον τῆς ὑπεροχῆς enpeióv ἐςτιν,
ἀλλὰ καὶ χειρῶν ἀποκοπαί, πολλάκις δὲ ἀγκώνων ὅλων A βάςεων πυρὶ
καὶ cbfpu λῦςαι τὸ Ζῆν (vitai solvere claustra) οὐ δύνανται" τοςοῦτον
αὐτοῦ τὸ ψυχικὸν ἡμῶν βαειλεύει μέρος (dominantior ad vitam). Askle-
piades, der die von L. vorgetragene Lehre nicht anerkennt, legt doch in
seiner Argumentation das Hauptgewicht auf das sapere: Tertull. de an. 15
Asclepiades. etiam illa argumentatione cectatur, quod pleraque. animalia
ademplis eis partibus corporis, in quibus plurimum existimatur principale
consistere, el. insuper vivant aliquatenus εἰ sapiant nihilominus, ul muscae
et vespae et locustae, si capita decideris, μὲ caprae e$ tesiudines et anguillae,
si corda detraxeris; itaque principale non esse, quod si fuissel, amissus
cum suis sedibus vigor animae non perseveraret. Chalcidius in Tim.
c. 216 überträgt diese Argumentation irrthümlich von Asklepiades auch
auf Demokrit und Epikur. — Das ganze Stück ist übrigens offenbar in
wenig glücklicher Stunde geschrieben, .wie zahlreiche Unebenheiten,
grössere und kleinere, beweisen; aber gerade, weil sie sich hier häufen,
darf man sie nicht durch Textänderung oder Athetesen beseitigen wollen.
896 vitas claustra auch I 415, VI 1153, das Gegentheil von coer-
cere ist I 415 resolvere: durch die geöffneten Thore entflieht das Leben.
Für diese Auffassung des Bildes (im Gegensatz zu daustra == Boll-
werk) spricht ausser coercere auch die Ergänzung dominanlior ad vitam:
das Leben steht mehr in der Gewalt des animus. als der vis animas, die
allein es nicht zu halten vermag. Vgl ritae vinclum 599; anima ct
animus conclusa 569. — 398 Selbst aus abgeschlagenen Gliedern, die doch
nichts vom animus enthalten, entweichen die Seelenatome erst nach und
nach, nicht auf einmal: s. v. 643 ff.; aber doch kann L. mit Recht hier
ein residere, 'fest am Orte verweilen’, in Abrede stellen, da ja während
des Entweichens alle Atome gleichzeitig in Bewegung kommen. — 401 εἰ
gelidos artus etc. bereitet den Gegensatz at mand in vila vor. —
408 δ: membra bedeutet 403 genau dasselbe wie 404, nämlich den ge-
gliederten Körper. Denn circum caedere. membra. kann nicht heisser
112 COMMENTAR
‘rings die membra abschneiden’, somderm mur ‘die sembra ringsum
caedere, und zwar dadurch, dass ihmem Stücke abgeschnitten oder sonst
Wunden beigebracht werden. In beiden Fällen wird den membra ein
Theil der Seele entzogen, membris remosciur, da sie entweder mit den
Körperstücken abgeschnitten wird oder aus den Wunden entweicht: cir-
cum anima adimitur entspricht also genam dem circum membra caeduntur.
Danach wird man íruscus auch nicht als Rumpf im Gegensatz zu den
membra verstehen dürfen: der Wechsel des Subjects vom mane in vita
402 zu quamvis est wäre zudem hart und, wie mich dünkt, unlucrezia-
nisch. Sondern truncus ist Adjectiv umd gehört zu vivit 405: es wird
durch adempta ... remota ergänzt und erkl&ri. Nach Munro wären die
membra 404 'das noch Übrigbleibende oder der truncus’, dagegen 403
das Abgeschnittene — das ist nicht mur very Àarsh, sondern unmöglich.
Brieger coniciert unnöthig und unschön edempia animae vi cum membris-
que remola, womit nur die ganze Seele gemeint sein könnte. — 405 Die
epische Formel aetheriae aurae, die Lachmann beanstandete, fand L.
vermuthlich bereits geprägt vor: nach ihm brauchen sie Virgil, Ovid,
Martial: Munro vergleicht gut Sem. Here. Ost. 893 superest εἰ awras |
ille caelestes. irahit. Der Dichter I. darf gewiss von "himmlischen |
Lebenslüften' sprechen, ohne pedantiseh zu erwägen, dass nach epikurei-
scher Lehre der aether keine Luft ewtkält; so lässt er I 250 den pater
aether Regen herabsenden. Der Ausdruck ist gerade hier am Platze,
wo das kahle vivió dichterisch veranschaulicht werden soll, während
I 771, wo die Luft neben den drei andern Elementen genannt wird,
und IV 933, wo von der Beeinfmesumg des Körpers Aurch die ihn
umgebenden Luftmassen die Rede ist, eeriec aurae vollauf genügten,
V 501 sogar allein möglich waren, da die Luft hier geradezu dem Aether
gegenüber gestellt wird. — Ähnliche Wendungen bei Epikur mögen
übrigens zu dem Missverstándniss bei Pa.-Gzlen hist. phil. 24 geführt
haben: Ἐπίκουρος τὸν ἐφελκόμενον ἔξισθεν ἀέρα διὰ τῆς εἰςπνοῆς τὴν
ψυχὴν ὑπέλαβεν. — 4067. Die beiden Verse sind ziemlich abrupt an-
gefügt; es scheint, dass erst nachträglich, vielleicht nach der Ausführung
des folgenden Vergleiches, dem Dichter die Einschränkung der Be-
hauptung manel in vila cui mens animusque remansit nothwendig er-
schienen ist. omnimodis, sonst bei L. "auf alle Weise’ (x. B. II 489)
oder "in jedem Fall’ (s. B. I 683), sieht hier in offenbarem Gegensatse
zu magna parie animai und kann also mur “durchaus, ganz’, scil. . anima
privatus, verstanden werden. "Man darf zwar nicht die Ense Seele
wegnehmen, so dass nur der Geist übrig bleibt; denn i
kann
noch zögern, aus dem Leben zu scheiden, im eia cuncari εἰ haererc? —
wobei nicht ausgeschlossen ist, dass dech moch später der Tod als in-
directe Folge jenes Verlustes eintriti
409 υἱναία potestas als Versschluss auch 558. 680: hier mit be-
sonderer Absicht dem Vergleich zu Liebe, da die Sehkraft das Leben
des Auges ist. — 410 Auch hier r drüagt sieh die i
Eiuschränkung sogleich auf. lwmimis erbis könnte natürlich, so wie orbis
so oft allein, das ganze Auge bedewiem, und so hat es wohl ein sehr
VERS 408—417. 113
eifriger Leser des L., der Verf. des Culex, verstanden, wenn er schrieb
(222) sanguineique micant. ardorem luminis orbes. Aber hier hat L.
offenbar den Kreis um die Pupille gemeint, für den er keine bessere
Bezeichhung fand. lumen ist == oculus wie v. 364. Also 'nur darfst
du nicht den ganzen Kreis zerstóren (wie man auch nicht die ganze
Seele entfernen darf)’: das wird erklärt durch e£ circum caedas, ‘A. h.
rings um den Augapfel herum schneiden, so dass dieser allein übrig
bleibt. Die Negation versteht sich natürlich auch zum zweiten und
dritten Satzgliede et caedas und solamque relinquas: da Beides mit der
Handlung des ersten identisch ist, konnte L. nicht mit sew fortfahren.
So knüpft er IV 1275 das zweite Glied des negativen Satzes, da es eng
mit dem ersten zusammengehürt, durch qwe an: ne complerentur crebro
gravidaeque iacerent; et im gleichen Falle z. B. bei Quintil. insi or. ΠῚ
8, 70 haec adolescentes sibi scripla sciant, ne aliler quam dicturi suni
exerceri velint. et ἐμ desuescendis morentur. — 412 quoque, weil das
folgende at si ... peresa est schon vorschwebt, übrigens auch durch si
pupwla mansit incolumis vorbereitet ist. — Die Beziehung von eorum
ist freilich nicht ganz klar: aber schon Lachmann, dessen übrige Be
denken gegen die Echtheit des Verses durch das zu v. 410f. Gesagte
beseitigt sind, gab zu, dass ommis orbis pupulae und pupula ipsa gemeint
sein könne. Das ist weit glaublicher als Briegers Deutung, L. habe
eorum geschrieben parwm considerate, quasi v. 408 oculis non oculo ez
start. L. mag sich mit eorum geholfen haben, weil die Sehkraft, di
man eigentlich genannt zu sehen erwartet, nicht ohne Umständlichkeil
zu bezeichnen war. — 415 Das Augenlicht verlischt, ‘wenn auch de
Umkreis sonst gänzlich unversehrt ist’. An alioqui hat Lachmann mi
Unrecht Anstoss genommen: das Wort ist ja zweifellos alt, wenn wir
auch zuerst bei Livius wiederfinden; und wenn es die Dichter (auss
Horaz in den Sermonen) weiterhin verschmähen, so spricht das nich
gegen die einmalige Verwendung durch Lucrez Das Fehlen des Ve
bums ist freilich gegen L.’ Gepflogenheit; man kann schwanken, ob auc
dies zu den Unvollkommenheiten des Abschnitts zu rechnen, oder «
der Anstoss durch Kannengiesser's (Philol. XLIII, 536) einfache Ánderur
alioquist zu beseitigen ist. — 416 Der Schlussvers weist nicht wie übli
direct auf die These des Abschnitts zurück: die Beweisführung hat
aber auseinandersetzen müssen, in welcher Weise das Verweilen des Geist
und der Seele im Körper, einzeln und zusammen, geordnet ist, und w
dabei die Seele vom Geiste zwar abhängiger ist, als er von ihr, δὲ
doch auch der Geist nicht völlig die Seele entbehren kann: das ist ἃ]
ein foedus, das beide an einander fesselt. Der Begriff des foedus liegt hi
besonders nahe, aber L. spricht auch regelmässig von foedera natur
wo wir von Naturgesetzen reden; ihm ist das Weltall eben kein dui
einmaligen Gesetzesact geordnetes Reich, sondern eine in unaufhörlic]
Wechselwirkung aller Bestandtheile sich entwickelnde und fortpflanze:
Verbindung. |
417—827 Zweiter Haupttheil: Geist und Seele vergeh
im Tode.
417—424 Einleitende Verse. ‘Nun werde ich darthun, dass G
und Seele geboren sind und sterben müssen: da sie zusammen ein We
Lucretius v. Human. 8
114 - COMMENTAR
ausmachen, kann ich sie beide mit einem der beiden Namen bezeichnen.’
— nunc age hier als Übergangsformel, für den neuen Gegenstand frische
Aufmerksamkeit des Lesers fordernd; im Nebensatz folgt eine Anrede, wie
Cie. Cato M. 7, 24 eine Aufforderung: age, ut ista divina siudia omit-
(amus, possum nominare ex agro Sabino rusticos Romanos; ohne der-
artiges IV 673 nunc age, quo pacto naris adiectus odoris tangat agam. —
salicos et mortalis giebt, so gut das in dieser Kürze angeht, und ohne
besonderen Nachdruck darauf zu legen, die beiden Hauptgesichtspunkte
des ganzen Abschnitts. Die Sterblichkeit nachzuweisen ist freilich das
einzig wesentliche Ziel, und damit ausschliesslich beschäftigen sich
vv. 425—669; aber zum erschöpfenden Beweise ist es auch nöthig, die
Lehre von der Präexistenz der Seele zu widerlegen, sie als naliva zu
zeigen, und das geschieht v. 670— 789 (über 800—829 s. u). Die
Beachtung dieser Zweitheilung des ganzen Capitels, von Bockemüller
im Wesentlichen richtig erkannt, hätte vor mancher voreiligen Aenderung
der überlieferten Reihenfolge der Versgruppen bewahren können. —
unimantibus: der weitere Begriff, weil sich der Nachweis auch mit auf
Thiere bezieht, s. v. 657. 719. 741. 776. Das war erforderlich, um
der Lehre von der Seelenwanderung zu begegnen. — 418 levis: das
Epitheton ist nicht bedeutungslos: die Seele ist leicht wie Lufthauch
und Rauch, aurarum leves animae V 236, und verflüchtigt sich daher
such wie diese: das wird ja gleich im ersten Argument ausgeführt —
419 conquisita diu u. s. f. geht nicht etwa darauf, dass L. die zahl-
reichen nun folgenden Argumente mühsam zusammengesucht habe; son-
dern er hat die einzelnen Verse, carmina, um sie in Ordnung vorlegen
zu können (disponere), suchen oder erfinden müssen (I 148 quaerentem
diclis quibus e$ quo carmine demum ... (uae possim praepandere lumina
senti): dulcis ist der labor des Dichters (γλυκύταται φροντίδες Pindar
Ol. I 19), nicht des Materialsammlers. disponere: I 52 ımea dona tibi studio
disposta fideli, V 629 id doceo, plurisque sequor disponere causas, II 644
quae bene εἰ eximie quamwis disposta ferantur ... sunt lamen a vera
ralione repulsa. Die Worte lehren also nichts darüber, ob L. all seine
Argumente in einer Schrift beisammen vorfand, oder sie sich erst selbst
zusammen suchen musste. — 420 digna (ua vita möchte ich trotz Lach-
manns Widerspruch mit Wakefield als digna moribus (wis ac viriutibus
erklären. Der Gedanke ist dann durchaus passend: die viríus des
Memmius ist ja für L. der Ansporn zur Dichtung, I 140, ihrer muss |
also das ihm gewidmete Werk würdig sein. Und wie vifa allein z.B.
Hor. epp. I 10, 38 reges εἰ regum vita. praecurrere amicos für Lebens-
glück steht, so kann es gewiss auch Lebensführung bedeuten, aus-
gehend von Wendungen wie paneg. Pis. 5 hinc (ua me virtus rapit et
miranda per omnes vita modos, 9 quid pleni numeroso consule fasti
profuerint cui vita labat. Dass vita dann mur in bonam partem ver-
standen wird, ist ja selbstverst&ndlich. Lachmanns cura ist jedenfalls
nicht möglich, denn diese Sorge kann nicht nur die Mühe des Lesens
sein; ganz anders Virg. ecl. 3, 61 illi (sciL lovi) mca carmina curae:
also werden sie, ist der Gedanke, mir gelingen. Ähnliche Wendungen
cul 10 wf tibi digna (wo poliantur carmina sensu, paneg. Pis. 214 quod
si digna (wa minus est ea. pagina laude. — 121 ‘Beides unter einem
VERS 411.- (95. 115
Namen begreifen’ heisst wirwmque eorum sub uno nomine iungere oder,
was dasselbe ist, uno nomine subiungere: das ist hier gemeint, nicht
‘beide Namen unter einem begreifen’, μέν. nomen uni subi.
Der eine Name, anima oder animes, ist das Joch, unter dem beide Be-
griffe gehen, dem sie subsummirt werden. Adjectiv und Verb kehren
424 wieder: die Sache (im Gegensatz zum Namen) ist etwas Einheit-
liches (unum) und in sich verbunden (inter se coniuncta). Das subsian-
tivische unum == una nalura ist nachdrücklicher als una. Vgl 136
animum aique animam dico coniuncta teneri inter se alque unam naluram
conficere ex se; 186 μέ quiddam fieri. videatur αὖ omnibus unum. —
422 pergam s. zu 178. — 428 dicere: das Subject ergänzt sich ohne
Weiteres aus dem Vorhergehenden. Uebrigens hat L. von der Freiheit,
die er sich erst hier ausdrücklich wahrt, schon vorher gelegentlich Ge-
brauch gemacht, s. zu v. 237; aber hier muss er es ausdrücklich her-
vorheben, weil Gefahr vorhanden ist, dass z. B. seine für die Sterblich-
keit der Seele gegebenen Beweise nicht als für den Geist verbindlich
anerkannt werden: etwas Derartiges lag vorher fern.
425—444 Das erste Argument ist hergeleitet aus der physischen
Beschaffenheit der Seele. ‘Die Seelenatome sind äusserst klein, kleiner
selbst als die Atome so leicht beweglicher Dinge wie Wasser, Nebel
oder Rauch. Nun zerfliessen aber die genannten Dinge leicht, wenn sie
nicht durch etwas Festes zusammengehalten werden. Also wird die
Seele, sobald sie den Körper verlassen hat, sich noch rascher in ihre
Atome auflösen.” Dieser Syllogismus tritt bei L. nicht klar hervor: er führt
die beiden ersten Glieder 425 und 434 gleichmälsig mit qwoniam ein
und sollte diese beiden Vordersätze mindestens durch et verbinden: aber
der Gedanke des ersten wird durch Ergänzungen, die sich dem Dichter
aufdrängen, erweitert, bis die Form des Satzes gesprengt wird, so dass
eine regelrechte Fortführung ' nicht mehr möglich ist und mit nu
igitur quoniam neu begonnen werden muss. Dies starke Anakoluth (al:
solches schon von Lambin ganz richtig beurtheilt) steht selbst bei L.
der doch öfters in den lüssigen Stil des Lehrvortrags verfällt, einzij
da; aber man darf es nicht durch Correctur beseitigen wollen, da sic
die Entstehung recht wohl erklären lässt. ‘Da ich gezeigt habe, das
die Seele aus ganz kleinen Atomen besteht” — dies ist 179 ft. gi
schehen —, ‘viel kleineren selbst als Wasser etc — dies war zwi:
a. a. O. implicite geschehen, aber nicht ausdrücklich; da nun L. a
diese Exempel im Folgenden seinen Beweis gründen will, erscheint .
ihm angemessen, jene Behauptung hier nochmals speciell zu rech
fertigen: es geschieht durch eine Specialisirung der auch a. a. O. ve
wendeten Thatsache der grofsen Beweglichkeit des Geistes: — *de
er ist viel beweglicher, d. h. lässt sich durch kleinere Ursachen bewege
wird er doch im Schlafe selbst durch die Abbilder von Rauch u
Nebel bewegt' —: damit wird freilich der erst in Buch IV entwickelt
Theorie der eldwia, die sich von den Dingen loslósen, vorgegriff
ausführlich kann diese natürlich hier nicht ἐν παρέργῳ dargek
werden, aber wenigstens ein vorläufiger Hinweis ist erforderlich, ı
die Bewegung des Geistes durch imagines überhaupt verständlich
machen — ‘denn ohne Zweifel sind es simwlacra des Rauchs u. =.
116 | COMMENTAR
die uns dann treffen’ (vgl. die etwas abweichende Erklärung des Ana-
koluths von Brieger praef. p. XXII) Damit ist der Ausgangspunkt so
weit verlassen, dass ein wirkliches Zurückkehren zu umständlich sein
würde. Der begonnene Satz bleibt unvollendet, auch seine These wirkt
nur stillschweigend weiter; es wird im Folgenden gar nicht mehr erwähnt,
dass die Kleinheit der Atome schuld ist an dem Ausfliessen des Wassers
aus dem geborstenen Gefässe und an dem Zerfliessen von Rauch und Nebel
in der Luft, und dadurch wird das ganze Argument etwas unübersicht-
lich und unklar. — Zu seiner Ergänzung und Bestätigung dient dann
ein anderes 440 mit qwippe etenim angeknüpftes Argument: ‘wenn der
Körper nicht mehr dicht genug ist, um die Seele zu halten, wie könnte
das die Luft thun?' Das berührt sich mit einem anderen in vv. 464 ff.,
dort freilich mit besonderer Rücksicht auf die Möglichkeit der Lebens-
thätigkeit, eingehender behandelten Argument.
425 tenuen: dazu versteht man leicht animam, oder allgemeiner:
die res, von der ich rede. — 428 nam: damit wird nicht die Ursache
der Erscheinung angegeben — denn die Beweglichkeit ist gerade umgekehrt
die Folge der Atomgestalt — sondern nur die Behauptung (docwi) als
berechtigt erwiesen: aus der Wirkung (mobilitas) wurde auf die Ursache
(tenuitas) zurückgeschlossen. Thatsächlich richtig hätte L. also auch
mit iam fortfahren können, wodurch Lachmann das Anakoluth beseitigen
wollte: aber nach dem oben Gesagten ist für das Argument nicht die
mobilitas, sondern die tenuitas das Wesentliche; und L. kann sich auch
nicht für eines von Beiden auf die frühere Erörterung berufen, in der
er Beides (oder keins von Beiden) bewiesen hat. — 429 Die mobilitas
besteht nicht darin, dass eine kleine Ursache sehr heftige Bewegung
erzeugt, sondern darin, dass schon eine sehr kleine Ursache zur Bewegung
ausreicht, 188 momine μέλ parvo possint inpulsa moveri. Also ist magis
mit (emwi, nicht mit movelur zu verbinden. — 430 ubi causaler Be-
deutung sich annähernd, wie v. 162, anders im folgenden Verse. Dass
die imagines, die sich von den Dingen loslösen, sehr fein und zart sind, wird
im IV. Buche regelmässig hervorgehoben, z. B. 42. 63. 158, besonders
110ff. Als Beispiel werden aber hier nicht die Bilder gewählt quae
percipiunt oculos. visumque lacessunt (IV 729), sondern die noch viel
feineren (IV 726. 756), die nur den Geist berühren, also nur Vor-
stellungs-, nicht Gesichtsbilder sind. Solche Vorstellungsbilder nehmen
wir wachend eben so wohl auf wie schlafend (IV 757 1E): hier wird
nur vom Schlaf gesprochen, weil das allgemeiner verständlich ist, —
481 ‘So, wenn wir im Traum sehen, wie Altäre Opferdunst in die
Lüfte hauchen und Rauch aufsteigen lassen: denn ohne Zweifel sind es
Abbilder, die da zu uns gelangen.” quod genus ist durch die leichte
Ellipse der Copula fast zur Conjunction geworden (so auch z. B. in der
Rhet ad Her. häufig), ein quod genus cum von einem velut cum, οἱ
cum (102) nicht wesentlich verschieden: II 194 quod genus e nostro cum
missus corpore sangwis emicat. — in somnis: von den Pluralformen des
Worts hat L. nur diese, immer mit in (IV 34. 770. 789. 965. 972. 988.
1006. 1012. 1097. V 62. 885. 1171. 1181.); andere Pluralformen
kommen nach Neue Formenl I 422 vor Catull (somnos 64, 331) über-
haupt nicht vor. in sommis lässt sich bei L. überall “im Traum” übersetzen,
VERS 495—437. 117
und das ist auch sonst die regelmässige Anwendung: zu Ter. And. 490
si se illam in somnis quam illum amplecti maluit bemerkt Donat aus
drücklich (aber wohl irrthümlich) per noctem ait und verweist auf die
einzig zweifelhafte, aber auch ganz für sich zu beurtheilende Plautusstella,
Merc. 225 miris modis di ludos faciunt hominibus mirisque exemplis
somnia in somnis danunt (die übrigen Stellen bei Müller Plaut. Pros. 464).
Bei L. wäre also höchstens somno sopiti, wie somno devincti IV 1097
sepulti V 975 (vgl. leto sopitus III 904, sopitus quiete 1038, castore
sopita VI 794), nicht somnis sopili zu erwarten, was Lachmann wollte
(guod genus est, somn. s.); zudem aber ist der Begriff des Träumens hier
nicht zu entbehren. sopiti dient lediglich zur Veranschaulichung. — alle
„in die Höhe’ 1 in alias aeris auras 456; IV 801 alte... simulacra feruntur
‘aus der Höhe’. — 432 vapor sonst bei L. ‘Wärme’, hier ‘Opferdunst”, xvica,
— 433 nam procul haec dubio nobis simulacra ' geruntur ist überlieferi:
dafs geri nicht heifsen kann 'gebracht werden, herankommen', wulste
Lambin und schrieb genuntur. IV 148 und 159 hat er das von den Ab-
schreibern verkannte geni sicher mit Hecht wiederhergestellt: hier nicht,
denn es kommt hier nicht auf das Entstehen der Bilder an, sondern
darauf, dafs sie zu uns gelangen. Ich schreibe feruntur, was der ständige
Ausdruck für die Bewegung der simulacra ist, und erkläre mir den Vers
als stark zusammengedrüngten Ausdruck für procul dubio haec, quae
nobis feruntur (i. e. animo nostro accidunt IV 881), simulacra sunt (non
res ipsae). Damit ist freilich nur eindringlich das wiederholt, was
v. 430 gesagt war: aber mehr war hier auch nicht thunlich. Die Dunkel-
belt der Fassung ist uns schon öfters bei derartigen kurzen Zus&tzen
begegnet: sie wird übrigens auch durch die fast allgemein gebilligte
Correctur Bentley's hénc für haec nicht gehoben.
435 Der doppelte Ausdruck difflwere umorem und laficem discedere
malt das unaufhalisame Fliessen des Wassers; auch ist discedere ἀπιέ-
vai mehr als diffluere, denn beim 'Auseinanderfliessen' könnte immer
noch eine Art Zusammenhang gewahrt bleiben. Von der Seele werden
dann gar drei Ausdrücke gebraucht: s.u. — 436 fumus discedit in auras:
der Vergleich der abgeschiedenen Seele mit dem verfliessenden Rauch
auch v. 456. 598) geht auf Epikur zurück: Sext. adv. math. IX 73
* 337) καθ᾽ αὑτὰς διαμένουειν (αἱ ψυχαὶ) καὶ οὐχ, ὡς ἔλεγεν ὃ Ἐπί-
κουρος, ἀπολυθεῖςαι τῶν εωμάτων καπνοῦ δίκην cxidvavren: und Augustin
serm. CL (V 811 M.) Epicurei ... dicunt prius animam post mortem
dissolvi quam corpus; adhuc, inquiunt, post efflalum spiritum manente
cadavere el integris membrorum lineamentis aliquantum durantibus anima
moz μὲ exierit, veluti fumus vento diverberata dissolvitur. Epikur wie
Plato (Phäd. p. 381a μὴ ... [h ψυχὴ] εὐθὺς ἀπαλλαττομένη τοῦ
εὠώματος, ὥςπερ πνεῦμα ἢ καπνὸς biackebacOeica οἴχηται διαπταμένη)
war vorausgegangen Il. 23,100 (ψυχὴ) ᾧχετο ... ἠύτε καπνός. Bei
Späteren dann sehr häufig; "Nebel und Rauch verbindet wie Lucrez auch
Plut. de sera vind. p. 5600 τὰς ψυχὰς ἀπολλυμένας ... εὐθὺς ὥςπερ
ὁμίχλας ἣ καπνοὺς ἀποπνεούςας τῶν εὠμάτων, wo epikorische Lehre
gemeint ist. — 437 diffundi — perire — dissolvi in corpora prima: die
Häufung der Ausdrücke und die Genauigkeit des letzten ist gerade bei
der ersten Erwähnung des Vorgangs begreiflich; dissolvi kehrt im
118 COMMENTAR
Folgenden am häufigsten wieder, da es die Thatsache schärfer bezeich
als perire; so gebraucht auch Epikur mit Vorliebe διαλύεςθαι, das
dem φθείρεεθαι εἰς τὸ μὴ ὄν entgegenstellt p. 5, 15; 7, 1, wie L. 12
dissolvere dem ad nilum interemere; vgl I 262 hawd igilur pem
pereunt. quaecumque videniwur.
440 Der Gedanke ist mit v. 439 abgeschlossen: was mit qwi
etením angeknüpft wird, dient nicht zur Begründung des unmittel
Voraufgehenden, sondern bringt ein neues Argument, das gleichberecht
neben dem letzten steht und auch mit praeterea hätte angefügt wen
können. Ueber diesen Gebrauch von eenim (ebenso v. 800, sec e
607) s. Madvig zu de fin. I 1, 3; opusc. II 80. Die Bezeichnung
Körpers als des Gef&íses der Seele ist hier durch den Vergleich |
den vasa conquassata, aus deren Ritzen das Wasser fliesst, vorbereit
sie kehrt III 798 (== V 137) und 553 wieder, hier aber mit dem Zus
sive aliud quid vis polius coniunclius ei fingere: und in der That
der Vergleich nur insofern zutreffend, als der Körper die f
zusammen hält wie das Gefäss die Flüssigkeit, nicht zutreffend a
insofern, als ja Körper und Seele mit einander vermischt sind. G
ohne physische Beziehung Cicero Tusc. I 22, 52 corpus quidem δι
vas est aut aliquod animi receptaculum: αὖ animo (uo quicquid agi
id agitur a te. Aber als ernstlich zur Veranschaulichung des physisc
Verhältnisses gemeint bekämpft es Alex. Aphr. de an. 1. mant. p. 115,
Br. ἀλλ᾽ οὐδὲ ὡς ἐν ἀγγείῳ τῷ cipan εἴη ἂν fj ψυχή. εἴη ràp
καὶ οὕτως οὐχ ὅλον ἔμψυχον τὸ cüpa. Mit der physiologischen ἃ
wendung von ἀγτεῖον (z. B. Adern als Gefüss des Blutes, Knochen
Markes) hat das Bild nichts zu thun. Gar nicht hierher zu ziehen :
natürlich häufige Wendungen wie Seneca ad Marc. cons. 11, 3 guwid
homo? quodlibei quassum vas ct qwolibet fragile iactatw. — 441 «
cohibere nequit: wozu das Object cam sich chne Weiteres ergänzt.
442 ac rarefactum detracto sangwine venis erklärt das bildliche «
quassatum. Wenn Blut entströmt, so erschlaffen die Adern, die übri
Bestandtheile des Körpers können sich also ausdehnen, rareflunt; aus.
so erweiterten πόροι aber giebt der Körper mehr Nahrungsstof
sich, als er aufnimmt: μέ multa remittant ei plus dispendi faciant σι
vescitur actas II 1126; sure igitur pereunt, cum rarefacda fluendo :
ebd. 1139. Auf eine ähnliche Behauptung Epikurs mag der Irrtl
des Hippolytos philos. 22, 5 (fr. 340) zurückgehen: αἷμα: qàp αὖ
(scil. τὰς ψυχὰς) εἶναι, οὗ ἐξελθόντος ἢ tpanevroc ἀπόλλυςθαι 6
τὸν ἄνθρωπον. — 448 cohibere περιέχειν Epic. p. 21, 12, vgl. |
corpus enim aique animans erit aér, si cohibere sese animam ... poi
VI 106 (nubes) nequirent. cohibere nives gelidas et grandinis imbris (o
einen gewissen Grad von Dichtigkeit) — 444 Der Sinn des Ve
muss klärlich sein “da doch die Luft weniger dicht ist als unser Körp
das verdorbene incohibescit wird kaum neben rarus magis etwas ves
lich Neues ausser dem Verbum enthalien; vielleicht incohibensque
(Nencini Stud. Ital. III 215): die Bildung ist ebenso gut wie etwa
445—458 “Da die Seele mit dem Körper entsteht, zunimmt :
im Alter abnimmt, so wird sie auch mit ihm vergehen.” — Damit
VEBS 431—447. I
ginnt eine Reihe von Argumenten, die sich auf die εὐμπάθεια Y
Leib und Seele gründen: bis 525. Zuerst der Parallelismus des norms!
Lebens, dann die Afficirung der Seele durch Störungen des Körperlebe
— Die Frage, wie sich die Zu- und Abnahme ‚der geistigen Kri
schein
erklärt,
worden zu sein, dass man annahm, die Seele wachse wie der Kör
und mit Ihm zugleich, und wie die Kräfte des Körpers, so schwin
auch die er Seele im Alter. Herodot lässt III 134 Atossa zu Dar
sagen vOv p ἄν τι καὶ ἀποδέξαιο ἔργον, ἕως νέος elc fjuxinv: ı
ξανομένῳ γὰρ τῷ εὐματι ευναύξονται καὶ al φρένες, τηράςκοντι
εὐὐτηρδέκοικι καὶ ἐς τὰ πρήγματα πάντα ἀπαμβλύνονται, schon Ben!
führte die Stelle und zwar mit dem Lemma Demokrit hier an. }
eigentbümliche Theorie über das αὔξεςθαι der Seele entwickelt
hippokrat Schrift περὶ διαίτης I c. 25 (VI p. 496 L.). Auch sp
haben sich die Mediciner damit beschäftigt: Galen hat in seinem m
einischen Commentar zu Plat. Timaios gelehrt, ὅτι αὐξανομένψ τῷ
ματι εὐυναυξάνονται καὶ τῆς λογικῆς ψυχῆς αἱ δυνάμεις (Eustath.
Od. Od 2 815), also geistiges Wachsthum mit dem körperlichen in Zusamr
hang gebracht. Ja man nahm das Wachsen der Seele als. Thatsache
bediente sich seiner als Argument für die Körperlichkeit der 8
Augustin de quant. an. c. 26 (I 1050M.): cur aelate μὲ corpus ΟἹ
Ha αἱ anima vel crescat. vel. crescere. videatuw. — quis. enim neget pc
infanmdes ne bestiarum quidem nonnullarum asiuliae comparandos?
autem dubii ülis crescentibus. etiam. ipsam in eis quodammodo cre
— Und dass man dabei an eine quantitative Veränderung
Seele glaubte, zeigt Tertull de an. 37 amémam swbsiantia crescer:
est, ne etiam decrescere substantia credatur atque ita et defe
credatur. Darin ist also auch Lucrez Folgerung auf die Ver,
lichkeit der Seele gezogen. Dass Epikur ein allmähliches quantit:
Wachsen der Seele lehrte, war nur consequent: L. spricht von i
Wachsen oder Zunehmen auch v. 681. 745. 793; das Gleich
Tractat περὶ θεῶν (V.H? VI 6 cool. 7, Seott fragm.
p. 249) ἐπεὶ yàp f ψυχὴ μεικρῷ cópan mapareivouca κατὰ τὴν
... (ουγναύξεται ...., und unter den μεταβολαί der Seele
Philod. de morte col. 9 auf: καθάπερ ἐπὶ τῆς aü£fjcewc τῆς ἀπὸ
παιδίων ἐπὶ τὴν ἀκμὴν καὶ τῆς ἁπάςης ἀπὸ τῶν ἄκρων φθίεεω
τῆρας.
445 das gigni wird nur erwühnt, nicht ausgeführt, weil dam
zweiten Argumentenreihe v. 668 ff. vorgegriffen würde. — 447 i
‘noch nicht gefestigt”, I 259 nova proles artubus infirmis ... ludit. — ı
fw: das zielloee Umherschweifen hat mit der Schwäche des K
nichts zu thun; aus dem Allgemeinbegriff “unstete Bewegung"
hier der specielle *unsichere, schwankende Bewegung’ abgeleitet
hl
i
trag. fr. 151 R. arbores vento vagant (wenn das Non. p. 467 nicht
ciat statt vacawi) Bo hat es wohl auch Prudentius aufgefass‘
e. Symm. II 318 ff. sich augenscheinlich an diese Stelle anlehnt: i»
repä, infirmus tilubat pueri gressusque animusque, sangwine x
120 COMMENTAR
lido fervet nervosa suventa, moz stabilita venit maluri roboris aelas — dan»
abweichend: ultima consiliis melior, sed viribus aegra, corpore succumba
mentem purgata senecius. — 448 sic sequitur: den schwankenden Be
wegungen des Körpers “folgt” der Geist, d. h. er thut dasselbe wie jenem
da auch er noch keine Festigkeit gewonnen hat. Vgl. Terenz Hec. 314
pueri inter sese quam pro levibus noxiis iras gerunt quapropter? — quia
enim qui eos gubernat animus eum. infirmum gerunt. — 449 adolev.
aetas: Liv. 14,8 cum primum adolevit aetas, sonst mit Zusätzen wi
prima (Virg. Georg. II 362) oder matura (Aen. XII 438). Der robust
vis des Körpers entspricht die aucíior vis des Geistes: diese Kräft.
unterliegen im Kampfe gegen die validae vires der Zeit. — robusta
adolevit viribus und obíusis ceciderunt viribus klingen absichtlich an eir;
ander an: die absteigende Linie verläuft parallel der aufsteigenden
nur in umgekehrter Richtung. — 451 quassatwm erinnert an das obe
gebrauchte Bild vom Gefäss. — 452 obiusis, das in übertragener Be
deutung meist auf geistigem Gebiete (wozu auch die Sinne gehörer:
gebraucht wird, hier von der Körperkraft, wie im folgenden Vers andere;
seits claudicare vom Körper auf den Geist übertragen ist. — cade»
häufig von menschlichen Gliedmaassen, auch medicinisch ‘schwach werden
noch kräftiger Hor. sat. II 3, 154 stomacho ruenti. — 458 lingua “anirz
. interpres’ VI 1147; Aristoteles probl. 875 Ὁ 32 ὅταν fj ψυχὴ πάθῃ τ
cuurräcxer καὶ fj yAlıcca. — Die dreifache Gliederung jedenfalls wah;
scheinlicher, als dass mens auch Subjekt zu delirat war; 464 demen
lil. enim deliraque fatur; 478 praepediuntur crura ..., tardescit lingu«
madet mens. Lachmanns labat ist sehr glücklich; vgl. Celsus III 19 it
mens in illis ( phreneticis) labat, in hoc (cardiaco) constat. Dann hätte
wir auch hier Metapher vom Körperlichen aufs Geistige. Zu delird
vgl. Arnob. II 7, der unter den unlösbaren Fragen aufsählt animus qe
inmortalis a vobis ei deus esse narratur, cur in aegris aeger sit, in is
fantibus stolidus, in senectute defessus delira ecfuttiat εἰ insana? —
455 Der Vergleich mit der Auflösung des Körpers ist hier nicht g«
zogen, um nicht späteren Erörterungen vorzugreifen: s. v. 556fl. -,
cen fumus s. zu 486. — 457 quandoquidem: über die Wiederholung de
Arguments am Schluss des Abschnitts s. zu 216. — Zu den Infinitive
ist, wie fessa 458 zeigt, corpus εἰ amima als Subject zu verstehen. -
458 falisci, eigentlich ‘Risse bekommen’, ist in der übertragenen B.
deutung ‘erschöpft werden’ nicht selten, von L. mit besonderer ΑἹ
sicht gewählt, um an die Theorie vom rarefieri der durch Alter od«
sonstige Einflüsse geschwächten Körper (s. IL 1118 ff. und zu 442) 2
erinnern.
459—525: Ueber die Theilnahme der Seele an den Störungen d.
körperlichen Befindens. "Wie der Körper, so erleidet auch die See
Schmerz (459—462) und Krankheit. Beides führt zum Tode (463 — 473
Ja in der Trunkenheit (476—486) wie bei der Epilepsie (487—50!
sind die Störungen des ganzen Organismus die Folge seelischer Affe
tionen: wenn diese im schützenden Körper möglich sind, wird ein For
dauern der Seele ausserhalb des Körpers erst recht unmöglich sein. — Au
wenn Krankheiten der Seele geheilt werden, beweist das ihre Sterblic
keit: denn Heilung ist Veränderung, Unsterbliches duldet aber keine Ve
VERS 441---61. |. 1901
änderung (510—525) — Der Schluss von den Leiden der Seele auf
ihre Vergänglichkeit ist ein stehendes Argument der Unsterblichkeits-
leugner, das schon Platon zu kennen scheint, wenn er Rep. X p. 008 ἢ,
behauptet, dass die Seele vergänglich wäre, nur wenn ihr eigen
thümliches Übel (τὸ εύμφυτον κακόν) sie zerstörte: das sei aber für
sie die Schlechtigkeit, wie für den Körper die Krankheit. Ohne Zweifel
hat Epikur das Argument wieder aufgenommen, ebenso wie dann
Panaitios: Cic. Tusc. 1 82, 79 nihil esse quod doleat, quia id aegrum
esse quoque possil; quod awíem in morbum cadat, id etiam interilurum:
dolere autem animos, ergo eliam interire. S. ferner Serv. zu Aen. VI 724:
omae quod corrumpilur aeernum non est. si animus. insanil irascilur
desiderat timet, care aeternitate, cui sunt ἰδία coniraria: nam passio
aeternitatem. resolvit. Das wird dann (von spliistoischem Standpunkte
aus?) widerlegt, s. zu v. 474.
459 corpus wi ipsum s. zu v. 128. — 461 die curae acres als
allgemeinster Ausdruck für seelisches Leiden stehen voran, luctus und
metus, λύπη und φόβος, sind specielle Arten. So cuppedinis acres ...
curae und (imores verbunden V 45, cuppedo und timor als curae
zusammengefasst VI 25. 34; s. ferner zu 994. Diese rein seelischen
Leiden werden ganz kurz abgehandelt und mit v. 462 nur ein vor
läufiger Abschluss erzielt, da die principielle Begründung der Behauptung
auch noch für das Nächste gilt und also erst 472 folgen kann; parti-
cipem leti quoque, weil der dolor zum morbus, dieser zum Tode führt.
— 468 ff. die Beeinflussung des Geisteszustandes durch körperliche Krank-
heiten. Dementia, delirium und lefhargus werden hier nur als Begleit-
oder Folgeerscheinungen körperlicher Krankheiten betrachtet; vgl. Cel-
sus III 18 εἰ febrium quidem curatio exposita est. . supersunt. vero. alii
corporis affectus, qui Mic superveniunt: es werden dann insania, cardio
' cus, lefhargus behandelt. Lefhargus als accessionis (Fieberanfall) malun
ders. III 20. Deliriem in Folge von Verwundung: Celsus V 26, 26
S. ferner Galen de loc. aff V, vol VIII p.829 K. παραφροεύναι pt
οὖν γίγνονται κἀπὶ τῷ τῆς vacrpóc cróuam κακοπραγοῦντι καὶ δια
καέει πυρετοῖς καὶ πλευρίτιειν καὶ περιπνευμονίαις.Ό. Dagegen heis:
v. 828 der furor 'animi proprius, s. zur Stelle. — avius errat. παρα
φέρεται (scil. ἐκ τῆς ὁδοῦ), πλανᾶται: als μοχθηρά τις καὶ πλημμελὶὴ
xivncıc der Seelenkräfte bezeichnet die napappocuvn Galen de symptor
diff. vol. VII p. 60. — 465 gravi lethargo: wobei sich t
paene dormiendi necessitas (Cels. III 20) einstellt. Da hier die Störu
der seelischen Functionen im lebenden Körper geschildert werden so
kann altus aelernusque sopor nicht den Tod bedeuten, trotz aeterms
soporem v. 921 und zahlreichen ähnlichen Wendungen (s. zur Stell.
sondern es ist ein Schlaf, der so lange dauert, wie der Kranke noch le
wie aeternus maeror v. 907 ein lebenslanger Kummer; Hor. epp. I 10,
serviet. aeternum. ‘zeitlebens’; dass die Krankheit leicht tödlich wirkt,
bekannt. — 468 nutu cadenti ist sehr eigenthümlich gesagt: das Haı
sinkt auf die Brust, er ist 'eingenickt' (nufare für schlafen O
met. 1 717; vgl. summaque percutiens nutanti pectora mento ebd. XI 62
Die Vorstellungen capite cadenti und capite nutanti sind zu einer ne
vereinigt. — 467 unde negwe exaudit voces und ad vitam revocasstes :
122 COMMENTAR
versuchen den Kranken zu wecken, denn si confinens ei somnus est, wi:
que excitandus est (Celsus III 20). Dafür kannte man verschiedene
Mittel: ein sehr drastisches wendet der Arzt des gravi lefhargo oppressud _
bei Horaz sat. II 3, 145 ff. an. Dass der Kranke weder hört noch die :
Umstehenden erkennt, ist für seinen Geisteszustand bezeichnend, und
dazu mussten qui circumstant eingeführt werden; aber dabei packt den
Dichter das rein Menschliche des Vorganges und er bringt das auch
dem Leser nahe durch den Zusatz lacrimis rorantes ora genasque, der*
die innerliche Theilnahme der Umstehenden und diese somit als dem»
Kranken nahe verwandt oder befreundet kennzeichnet. Solches Ver-.
weilen findet sich bei L. häufig und in verschiedenster Form; es zeigt,-
wie nahe den Dichter der rerum natura menschliche Verhältnisse und*
Empfindungen berühren, und zugleich, wie er Situationen wirklich sieht,:
wenn er sie auch nur flüchtig streift. Man hat dabei nirgends, wie bei“
anderen Didaktikern so oft, das peinliche Gefühl, als suche er nach*
Gelegenheiten, wo sich die trockene Materie durch Zusätze und Ab-*
schweifungen, die eigentlich nicht zur Sache gehören, ein wenig schmack- -
. haft herrichten lasse. — Zu lacrimis rorantes ora genasque vgl. lacrimis -
spargunt rorantibus ora genasque II 977: der hier besonders ausgedrückte:
Thütigkeitsbegriff hat sich dort mit dem Zustandsbegriff in rorare ver-:.
einigt; der Accusativ ora genasque ist also an beiden Stellen gleichartig.
— 471 penetrant, wie 476 penetravit und 485 si durior insinuarit causa,: |
aus der Vorstellung heraus, dass das Eindringen eines fremden Körpers.
in die infervalla einer Atomverbindung diese vernichtet, s. zu v. 171.,
— contagia morbi heisst VI 1236 einfach die ‘Ansteckung’ — hier miti
besonderer Beziehung: die comíagia mwiwa des Leibes und der Seele,:
die nach v. 345 Bedingung des Lebens sind, erzeugen auch Krankheit
und Tod. Vgl. 734 mala mulla animus contagibus fungitur eius (scil;
corporis). — 472 nam dolor ac morbus, gl. ausser den oben zu 459 „
angeführten Stellen Sextus adv. math. IX 70 πᾶν τὸ ἀλγοῦν θνητόν"
écriv.. — leti fabricator: Schmerz und Krankheit als langsam und plan-ı
mässig schaffende Kräfte, deren Werk der Tod ist — das Frappirendev
des Bildes beruht darauf, dass die Thätigkeit, die sonst als zerstörende t,
gedacht zu werden pflegt, hier als aufbauende erscheint; die Vorstellung ἢ
des Todes, nicht die des Lebens, beherrscht den Gedanken. und der Tod, ,
nicht das Leben, steht dem Dichter als das Positive vor Augen, weil;
er bewiesen werden soll Wenn aber Apuleius metam.: VI 32 sagt Mc
suis saltem liberis manibus sortem sibi fabricare poterit, so ist das nur;
eine geschmacklose, gesuchte Variante für mortem sibi parere; als Bei-
spiel für Oden Schwulst bildet der auctor δὰ Her. IV 10, 15 poenite
igilur istum, qui montis belli fabricatus est, campos sustulit. pacis. — x
418 Die Erfahrung hat uns belehrt: nec ratione alia mortales essc vi
demwr, infer nos nisi quod morbis aegrescimus isdem atque illi quos a vita 1
natura removit V 348. — Ein Leser hat v. 510 an den Hand geschrieben,
el quoniam mentem sanari corpus μὲ aegrum, um darauf hinzuweisen, ᾿
dass das Argument Giltigkeit behalte, auch wenn die Krankheit nicht
zum Tode führt; so wie einer auf die Frage 761 die Antwort durch.
Beischreiben von v. 746 gegeben hat; die Verse sind dann in den Text
gerathen. Dazu ist dann hier der Vers, zur Sinnlosigkeit entstellt, :
—
*
VERS 461---484. 123
nochmals wiederholt worden, εἰ pariter mentem sanari corpus inani: die
Entstellung kann ich nicht erklüren.
476 Die Wirkungen des Weins auf Geist und Körper haben vie-
fach zum Versuch der Erklärung gereizt: in Aristoteles’ Problemen füllen
Óca περὶ olvorrocíav καὶ μέθην das ganze dritte Buch. Epikur hat die
Frage im Symposion behandelt, s. p. 115 f. Us. Hier wird angenommen,
dass der Wein zunächst auf die Seele und erst durch diese auf den
Körper wirkt. — penetravit s. zu 471. — 477 in venas: vgl. VI 946 diditur
in cenas cibus omnis (und II 1118 ff), nach der herrschenden Ansicht,
dass Speise und Trank durch die Adern sich dem Körper einverleiben;
8. auch zu v. 442. Dass insbesondere aber der Wein die Adern an-
schwellt, weiss man; sehr drastisch der Peripatetiker Lykon bei Rut
Lupus 1. II p. 108 vom Trunkenbold cwius venae non sanguine sed vimo
sunt repletae, wozu Ruhnken Paralleles anführt. — ardor: dass der
Wein von Natur feurig sei, ist die nächstliegende Anschauung; subtilere
Philosophen hatten freilich aus gewissen seiner Wirkungen geschlossen,
dass er im Gegentheil ψυκτικός von Natur sei, und Epikur hatte den
Mittelweg eingeschlagen, ihn καθόλου weder θερμαντικός noch ψυκτικός
zu nennen, τῆς δὲ τοιαύτης φύςεως καὶ τῆς οὕτω διακειμένης θερμαν-
τικὸν τὸν τοςοῦτον, A τῆςδε τὸν τοςοῦτον εἶναι ψυκτικόν (fr. 59).
Aber L. ist glücklicher Weise nicht pedantisch genug, um desshalb auf
das anschauliche vini ardor zu verzichten. — 478 gravitas membro-
rum etc. ist die Folge der seelischen Störung ebenso wie langwor terrae-
que petitus v. 172, denn die Seele sustinet. corpus V 557, sie bewegt
den Leib beim Gehen (IV 887) und Springen (V 559). — 479 vacil-
lanti: vacillantes κραιπαλῶντες CGL. II. 208. — tardescit lingua ein
singul&rer Ausdruck, sehr bezeichnend: das balbufire des Trunkenen wird
auf seine Ursache, die geringere Bewegungsfühigkeit der Zunge (Aristot.
probl III 31, 875b 84 [ἡ γλῶττα τῶν μεθυόντων] δυςκινητοτέρα oóca
οὐ δύναται ᾿διακριβοῦν) zurückgeführi. "Vgl Aristot. & ἃ. O. διὰ τί
τῶν μεθυόντων f τλῶττα πταίει;. .ἢ διότι ἐν ταῖς μέθαις h ψυχὴ
ςυμπαθὴς τενομένη πταίει; τῆς ψυχῆς οὖν τοῦτο παςχούςης εἰκὸς καὶ
τὴν γλῶτταν ταὐτὸ näcxeıv ἀπ᾿ ἐκείνης τὰρ fj τοῦ λέγειν ἀρχή. —
madet mens, nant oculi, vgl. Ovid. fast. VI 673 vinis oculique animique
natabant. Vino madere, madidum esse Ὁ. Aehnliches wird meist vom ganzen
Menschen gesagt; L. kann es ganz eigentlich vom Geiste behaupten,
dessen Atome sich mit den Feuchtigkeitsatomen des Weines vermischen.
Man mag an die αὔη ψυχή Heraklits denken; vgl. z. B. Clem. Alex.
Paed. II 2 p. 184 P. οὕτω δ᾽ ἂν καὶ fj ψυχὴ ἡμῶν ὑπάρξαι καθαρὰ
καὶ ξηρὰ καὶ φωτοειδής, αὐγὴ δὲ ψυχὴ ξηρὰ ᾿ςοφωτάτη καὶ äpiern,
ταύτῃ δὲ καὶ ἐποπτική, οὐδέ ἐετι κάθυγρος ταῖς ἐκ τοῦ οἴνου
μιάςεειν νεφέλης δίκην «εωματοποιουμένη. — 480 clamor, singultus,
iurgia characterisiren aufs Kürzeste drei verschiedene Stadien oder Typen
der Trunkenheit. Trimalchio z. B. durchläuft sie alle drei, Andere sind
einseitiger. — 481 Der an und für sich entbehrliche, ja störende Vers
dient als bequemer Uebergang zur Wiederaufnahme der Frage cur ea
sunt. — 488 corpore im ipso s. zu 128. — 484 conturbari inque pediri:
cf. IV 921 sensus hic in nobis, quem cum sopor inpedit esse, tum sobis
animam periurbatam esse pulandumst. Da jede verlurbaiio eine
124 COMMENTAR
Lockerung der Atomenverbindung ist, so ist durch die Wirkung dem
Weines die Möglichkeit bewiesen, dass eine stärkere Ursache die Ver"
bindung auch gänzlich lösen kann; was ewig ist, darf nichts in sic,
eindringen lassen quod qweat arlas dissociare intus partis v. 808. —
insinuarit zu 471.
487—509 Epilepsie. Von den Symptomen der Krankheit führt I |
v. 492 ff. mindestens drei auf Affectionen der Seele zurück; kein Zweifel, dass
er auch bei den nicht näher erörterten Symptomen das Gleiche annahm,
die Epilepsie also als eine ursprünglich seelische Erkrankung ansakı
die den Körper stark in Mitleidenschaft zieht. Das wird durch die um.
bekannte medicinische Theorie einigermaassen gerechtfertigt, obwohl
meines Wissens nichts vorliegt, was sich mit der von L. befolgten gena.
deckte. Die hippokratische Schrift περὶ ἱερῆς voUcou fasst die Kran
heit als schleimige Affection des Gehirns (das freilich αἴτιος xal
ἄλλων voUcuv τῶν μεγίετων ist e. 8), c. 11: ganz ähnlich aber
die μανία bestimmt (c. 15), wie denn der Nachweis, dass die Vernun
ihren Sitz im Gehirn habe, einen breiten Raum einnimmt. Und so
klärt auch noch Galen die Epilepsie daraus, dass Feuchtigkeit die Weg
des ψυχικὸν πνεῦμα im Gehirn verstopfe, und unterscheidet sie voj
anderen Krämpfen τῇ βλάβῃ τῆς διανοίας καὶ τῶν olcOfcewv (de loc
aff. III, vol. VIII p. 173); vgl. ferner Ps.-Gal. medicus XIV 789 cuvi:
crataı περὶ τὰς ἀρχὰς τῶν ἀπὸ κεφαλῆς νεύρων, δι᾽ ὧν fj afcónac xox
f| xivncic εἰς πᾶν τὸ ςὦμα διαδίδοται ... διὸ xatanintoucıv ol τῷ πάθε
ἐχόμενοι, ἐμφραττομένων αὐτοῖς τῶν ὁδῶν τῆς τε —— καὶ τῆ.
κινήςεως, ἀφρῶει δὲ διὰ τὸν κλόνον τῶν ὑγρῶν, dc γίνεται ἀπὸ Tot
«παςμοῦ νεύρων. Sieht man nun alcóncic und xivncıc nicht als Func
tionen der ἀπὸ κεφαλῆς veüpa, sondern der Seele an, so ergiebt sick
sofort Lucrez Theorie: der corrupti corporis humor, von dem auch e
(v. 503) die Krankheit ausgehen lässt, aficirt eben zunächst nicht meh!
das Gehirn, sondern die Seele. — Mit der Schilderung des L. halte
zusammen Hippokr. L 1. c. 7 ἄφωνός τε γίνεται xal πνίτεται, xal ἀφρὸς
ἐκ τοῦ cróuatoc ἐκρεῖ, xal οἱ ὀδόντες cuvnpelkac, xal oi xeipec
ευςπῶνται, καὶ τὰ ὄμματα διαςτρέφονται, xal οὐδὲν qpovéovav, ἐνίοις
δὲ καὶ ὑποχωρεῖ fj κόπρος κάτω (wobei das Hinfallen mer
Weise fehlt) Darauf werden, ähnlich wie bei L., die einzelnen Symp,
tome erklärt (z. B. ἄφωνος μέν ἐςτιν ὁκόταν... ἄφωνον xaßıcräc.
καὶ ἄφρονα τὸν ἄνθρωπον), natürlich ohne Heranziehung der Seele, di«
der Verfasser als selbständig existirend nicht anerkennt, sondern dara
dass das φλέγμα den Zutritt der Luft zu den verschiedenen Körper,
theilen absperre. — Die genaue Beschreibung der mannigfachen Con,
vulsionen des Körpers (tremit artus, extentat nercos, torquelur, in ia
membra fatigat) mag auf eigener Beobachtung beruhen. Dem ingemi
und anhelat inconstanter entspricht πνίγεται bei Hippokrates; in einer
modernen Beschreibung der Epilepsie finde ich, “das Athmen ist be
schleunigt, kurz, keuchend oder róchelnd; Patient &chst, schreit E
stóhnt'. — 489 spwmas agit übliche Verbindung, z. B. Ennius ann. v. 50
(vom einhersprengenden Rosse) spirit«s ez anima calida spwmas agi.
albas, worin auch zum Folgenden die Erwähnung der anima Beach
- verdient. — 490 desipit scheint absichtlich zwischen die ——
VERS 484—492. 125
Symptome des fremere und ezíieníare gestellt, um anzudeuten, dass eine
wesentliche Verschiedenheit der Symptome nicht obwaltet — forqueri ist
ohne nähere Bestimmung nur in übertragener Bedeutung üblich: hier ist,
wie so oft bei L., die eigentliche mit einbegriffen.
492—494 Wie in der Hippokratischen Schrift (s. o.) folgt auf das
Krankheitsbild die Erklärung der einzelnen Symptome. Die Herstellung des
verdorbenen Verses 493 bietet grosse Schwierigkeiten, da die Meinung
des Dichters nicht von vorn herein klar ist. Lachmann schrieb agens
animam spumal, quasi: er wollte also in dem. Satze nur die Erklärung
(ines Symptoms, des spumare, finden. Mit Unrecht, glaube ich; denn es
wäre doch höchst auffällig, wenn das. für die Epilepsie bezeichnendste
und auch von L am Ausführlichsten geschilderte, die Convulsion des
Körpers und der Gliedmassen, in der Erklärung gänzlich übergangen
würde. Es hat ferner gegen seine und frühere Auffassungen der Stelle
Tohte (Jahrbb. 117, 1878, p. 130) richtig bemerkt, dass distracta per
arius unmöglich von der vis morbi gesagt sein könne: sie ist es ja, die
selbst distrahi. Tohte und Brieger (Burs. Jahresbericht 1879, p. 196)
bezogen nun disfraca auf die Seele, was auch wirklich am Nächsten
liegt: unten 499 vis animé aique animas conturbalur εἰ μὲ docui divisa
seorsum disieclatur eodem illo distracta veneno, 507 distracta laborent,
590 animae naluram ... disiraciam corpore in ipso, 7199 animam distracam
in corpore loto. Aber das führt, soviel ich sehe, zu keiner befriedigenden
Lösung. Tohte sehrieb qwia οὐδέ morbi distracta per artus, turbat agens
anima (Nominativ) spumas, dem Sinn nach leidlich, aber eine Singularität,
wie die Längung des a vor sp, bei L. beispiellos, durch Conjectur ein-
zuführen, ist mehr als bedenklich. Brieger nahm den Ausfall eines
Verses an: qwia vi sorbé disiracia per arlus lum penilus disiectatur
natura animai, twrbat (scil. homo) agens omimam, spumams ui Ῥαχὶα
ist der Wechsel des Subjects ebenso unerträglich wie die Wiederholung
von anima unschón, und wenn man auch íwrbat homo “ἰδὲ in Ver-
wirrung' sich gefallen lassen wo wollte, so "Ὁ vire der Ausdruck für die con-
vulsivischen Zuckungen des Körpers doch recht schwach. Ich glaube
also davon abgehen zu müssen, disiracía auf die Seele zu beziehen, und
sehe dann nur die Möglichkeit, die membra darunter zu verstehen.
Membra, der Körper, disiracía per arius wäre kaum auffallender gesagt
als ΥἹ 797 (u zu 151) lemguewfia membra per arius solcont Die Er-
klärung schlösse dann unmittelbar an das Ende der vorhergehenden
Schilderung an: is isclando membra fatiga, nimirum quia vis morbi
membra distrahi ef turbat. Das ist bei L. die häufigste Verwendung
von simirum quia, τ. B. 224 nilo minor res ipsa videlur, nimirum quia ...
semina sucos efficiunt, 565 anima alique animus per se mil posse videtur,
nimirum, quia ... tenentur corpore ab omni, II 937 nequeunt ullius corporis
esse sensus ... Wimirum quia maleries disiecta tenctur. Ist dies richtig,
so muss die vis morbi auch im Folgenden Subject bleiben, und da von
ihr selbst das Schäumen nicht ansgesagt sein kann, werden wir auf die
Correctur agens anima (Ablativ) spwmas, μέ geführt: die Kraft der
Krankheit treibt aus der Seele, die natürlich in den sembra selbst
iurbatw, Schaum heraus, wie in dem oben eitirten Enniusvers spiritus
er anima calida spwmas agit albas der Athem Schaum hervortreibt —
126 COMMENTAR
wenngleich da unter anima wohl nicht wirklich “Seele” zu verstehen
ist. Dazu passt der folgende Vergleich wi in aequore salso . . . fervescunt
vollkommen: die Seele wird mit dem Meer, die vis morbi mit den viribus
ventorum verglichen. Das ist offenbar ebenfalls Ummodelung der geläufigen
medicinischen Theorie, vgl. Galen comm. in Hippocr. aph., vol. XVII B 544
διττὴν &cpalécrepóv écti φάναι τὴν véveciv εἰναι (τοῦ ἀφροῦ), κατὰ μὲν
τοὺς ς«φοδροὺς ἀνέμους ἐμπίπτοντας τῇ θαλάττῃ διὰ πληγὴν ἰςχυράν,
ἐπὶ δὲ τῶν λεβήτων διὰ τὴν θερμαείαν.υ οὕτω δὲ κἂν τοῖς ζψων
cuyacıv ἐν μὲν τοῖς ἐπιληπτικοῖς ς«παςμοῖς ἡ cuvrovia τῶν
κινήτεων τὸν ἀφρὸν εἴωθε γεννᾶν, und vol XIV p. 739 (citirt zu 487)
διὰ τὸν κλόνον τῶν ὑγρῶν.
495 erprimitur gemitus: die Atome der Stimme pressen wir sonst
selbst aus dem Körper heraus, IV 547 voces cum corpore nostro exprimi-
mus; hier werden sie durch die Kraft der Krankheit herausgetrieben —
so ist auch eiciuntur 497, nicht eliciuntur angemessen, vgl Epik. ep. I
p. 14, 5 εὐθὺς τὴν γινομένην πληγὴν ἐν ἡμῖν ὅταν φωνὴν ἀφίωμεν,
τοιαύτην ἔκθλιψιν (so Brieger; ἐκλίθην und ἐκλήθην codd.) ὄγκων τινὸς
ῥεύματος πνευματιύδους ἀποτελεςτικὴν ἀποτελεῖεθαι. Dabei ist der
Verstand, der sonst mit Hilfe von Zunge und Lippen die Laute arti-
eulirt, nicht thätig: die creváZovrec gehören wie die βήςςοντες xai πταί-
povrec zu denen, die φυςικῶς κινούμενοι Töne von sich geben, fr. 335.
Deshalb sind die seméwa vocis auch glomerala, in ungeordneten Haufen,
nicht figurata oder articulata IV 549f. Das Mechanische des Vorgangs
wird durch v. 498 weiter erläutert: die semina cocis werden nicht mit
Willen aus der Brust zum Munde hinausgeführt, sondern sie gehen nur
gewissermaassen gewohnheitsmässig, also φυςεικῶς, nicht ἐπιςτημόνωυς,
da wo ihnen der Weg gebahnt ist ubi illis sunt munita viai, wie vera
viai 1 659 sirata viarum IV 415 u. &. — Wieso der Schmerz mit den
gemitus zusammenhängt, wird nicht klar: mit omnino scheint L. eine
längere Erörterung darüber abzulehnen, um sich auf die Constatirung
der Natur des Vorgangs selbst zu beschränken: “überhaupt, such wenn
nicht körperlicher Schmerz damit zusammenhängt, entsteht der gemilus
dadurch, dass Stimmatome ausgetrieben werden’. Bei der allgemeinen
perturbatio des ganzen ἄθροιςμα, die in der Epilepsie eintritt, ist das
ganz begreiflich. — 500 Das conturbari, das v. 492f. erwähnt war
(ut docui), wird durch divisa disiectatur distracta erläutert und dabei
nachdrücklich eingeschärft, dass die Störung lediglich auf einer Trennung
der Atome beruht, die vereinigt sein müssen, um zu functioniren; &hn-
lich, wenngleich nicht so durchgreifend, ist "der Vorgang beim Schlaf,
der uns ja auch der Besinnung beraubt: IV 944 fit uti pars animai
distracta per arius non queat esse coniuncta. inler se neque molu mulsa
fungi, inter enim. saepit codus nalura viasque: ergo sensus. abit mutatis
motibus alte. — eodem illo veneno, von dem ich oben gesprochen habe;
d. i. die vis morbi. — 502 morbi causa müssen nach VI 1090 ff. gewisse
krankheitbringende Atome sein, die von aussen in den Körper ein«
gedrungen sind, der dadurch corrumpitur: und zwar wird die 'Flüssigd
keit" in ihm aus ihrer natürlichen Lage gedrängt; sie veranlasst nuni
die weiteren Krankheitserscheinungen und heisst deshalb acer. So ent-
steht z. B. Fieber, wenn die Galle zu sehr anschwillt (und also üben
VERS 493—510. 191
ihre Grenzen tritt), IV 664. Welche Flüssigkeit hier in Frage kommt,
ob der Schl allein oder auch n je schwarze e — „bei le
Theorien wurden für die Epilepsie ve -- ."mit gutem
Rechte unerörtert; wir dürfen ihm auch keinen VöFwurf daraus machen,
dass er erst hier, am Schluss der Beschreibung, die Entstehung der
Krankheit näher erklärt. / Als ein Mangel könnte es eher empfunden
werden, dass nicht klar gesagt wird, in welcher ung der acer
corrupti corporis humor zu den Störungen der Seele steht, ob er sie ver
anlasst oder mit ihnen parallel geht: dass das Erstere richtig ist, ergiebt
sich erst aus der E g des ganzen Zusammenhangs, s. zu 487.
Es kam eben L. nur darauf an, die Leiden, denen die Seele in der
sonst schützenden Hülle des Körpers ausgesetzt ist, an einem ausgeführten
Krankheitsbilde zu veranschaulichen: was diesem Hauptzweck nicht dient,
lässt er zurücktreten. — 504 Zunächst stellt sich die xivncıc, dann die
alcóncic wieder ein: damit ist dann die ganze Seele wiedergewonnen
(animam receptat), die bei dem Schäumen u.s. w. offenbar den Körper theil-
weise verlassen hatte, wie sie es auch im Schlafe thut. — quasi vaccillans
primum consurgit, er macht Anstalten, aufzustehen, vgl. 174 quasi exsur-
gendi incerta voluntas, kann aber zunächst, primum, sich noch nicht fest
auf den Füssen halten.
506 haec bezeichnet unbestimmt den Gegenstand der Erörterung,
der dem Dichter vorschwebt, also Geist und Seele. — in ipso s. zu 128.
— 507 iaclari ist in übertragener Bedeutung für ‘geplagt werden’
üblich: z. B. Hor. sat. Π 8, 21 mazima pars hominum morbo iactatur
eodem. L. wendet es, wie er das zu thun liebt, so an, dass auch die
ursprüngliche Bedeutung zu ihrem Bechte kommt — vgl disiecatur
v. 501 — und somit gewissermaassen die translatio erläutert wird. —
miseris modis und ähnliche Verbindungen (miris "modis 11293, mullis
modis oft) namentlich in der Umgangssprache beliebt, s. Lorenz, Einl
zu Pseud. p. 57. — distracía wird hier nochmals wiederholt, um das
distrahi nach dem Tode um so glaublicher erscheinen zu lassen. —
509 cum validis veniis: anima vento diverberata dissolvitur Augustins
Epikureer, citirt zu v. 436. So wird hier im Ernst behauptet, was
Platon nur im Scherz als Befürchtung der Unsterblichkeitsleugner hin-
stellte, Phäd. p. 772 d ὅμιυς δέ μοι δοκεῖς... δεδιέναι τὸ τῶν παίδων,
μὴ ὡς ἀληθῶς 6 ἄνεμος αὐτὴν Exßalvoucav ἐκ τοῦ εὐματος buipucg
καὶ bixckebávvuciv, ἄλλως τε καὶ ὅταν τύχῃ τις μὴ ἐν νηνεμίᾳ, ἀλλ᾽
ἐν μεγάλῳ τινὶ πνεύματι ἀποθνήεκων.
| 510—525 Gegen die letzten Argumente mag eingewendet worden
sein, dass sie für die Sterblichkeit nichts bewiesen, da der Mensch an
geistigen Erkrankungen ja nicht sterbe, sondern die Seele entweder
lange Zeit, bis zum Tode, gestört bleibe, oder aber Heilung finde.
L. lässt dies so wenig gelten, dass er selbst die Heilung als neues Argu-
ment benutzt. — mentem sanari ist nichts Anderes als mentem fiect
medicina (das εἰ erklärend); dies flecti ist aber wie jede Veränderung
nur auf dreierlei Art möglich: durch Hinzufügung, Wegnahme oder Um-
stellung der Theile: all dies ist nicht zulässig, wenn die Seele unsterblich
sein soll, denn jede Veränderung ist Untergang des Bestehenden. — So
führen bei Philo de aet. mundi c. 22 die Vertheidiger der ἀφθαρεία
128 COMMENTAR
vier Arten der φθορά, wie sie gleich statt Veränderung sagen, an:
πρόεθεειν, ápaípeciv, μετάθεειν, ἀλλοίωςιν (entsprechend den vier Arten
der κίνηεις Aristot. de an. 406 b 12 φορά, ἀλλοίωεις, φθίεις, aöEncıc),
und weisen nach, dass auf das Weltall keine derselben zutreffe. Für den
Epikureer sind μετάθεεις und ἀλλοίωεις identisch, die μεταβλητικὴ xívncic
nur ein εἶδος τῆς μεταβατικῆς, fr. 291. So nennt Epikur ep. I, p. 15,
netadeceıc, mpocóbouc, ἀφόδους neben einander; nach Lucrez II 769
wird das Meerwasser zu Schaum, wenn ordo principiis mulatus et addita
demplaque quaedam. — Man beachte die Variirung des Ausdrucks:
addere — tribui, traiecere — transferri, detrahere — defluere. — Für
hilum ohne Negation wird ausser dieser Stelle nur IV 515 angeführt:
et libella aliqua si ex parti claudicat hilum, wo es sich wirklich um
Haares oder Fadens Breite handelt. Hier dagegen schwebt dem Dichter
schon die negative Fassung des Gedankens seque hilum v. 518 vor. —
519. 520 Diesen Hauptsatz epikurischer Physik schärft L. öfters mit
den gleichen Worten ein: I670f. 792f. II 753f. Man wird eine Sen-
ientia Epikurs voraussetzen dürfen, die aber nicht erhalten ist: die Sache
selbst wird öfters berührt, so steht ep. I p. 15, 2 ἄφθαρτα und rijv τοῦ
μεταβάλλοντος φύειν οὐκ ἔχοντα gleich. Vgl. auch Philo a ἃ. O. δυὰς
μὲν οὖν προςθέςει μονάδος elc τριάδα φθείρεται μηκέτι μένουςα δυάς etc.
— Die prosaische Fassung des Gedankens würde sein: “wenn etwas sich
verändert, so bedeutet das (d. h. dieser Vorgang) den Untergang dessen,
was vorher war’. Sehr viel eindrucksvoller nennt der Dichter das sich
veründernde selbst den Tod des früheren, in unmittelbar verständlicher
Metonymie. Das mufari wird nochmals veranschaulicht durch finibws
suis exire, was einmal daran erinnert, dass alle Veränderung räumlich
ist, und sodann die Vorstellung erweckt, dass allem Bestehenden von
Natur feste Schranken seiner Existenz angewiesen sind; als Inbegriff de1
Naturerkenntniss wird öfters (I 76. 594. V 88. VI 65) genannt, zu wissen
quid possit oriri, quid nequeat, finita potestas quanam sil ratione atque
alte terminus haerens. — 521 Also sind Krankheit wie Heilung Symp-
tome, die den Tod verkündigen, mortalia signa: «npueiov θανατῶδες
Hippokr. prognost. vol II p. 118 L., wofür L. VI1182 signa sortis
Celsus II 6 indicia oder notae mortis sagt. Der Nachsatz meoríalia signa
mittit ist zwischen die beiden disjunctiven Vordersätze gestellt: so wird
recht augenfällig klar, dass er die Folge der einen wie der and
Voraussetzung enthält. — 522 mitiere: vgl. Caesar b. c. 1 71,3 Aframi
anos conira multis rebus sui timoris signa misisse (wo nichts zu &ndern)
— 523 vera res s. zu 353. — occurrere: der Dichter empfindet die ur
sprüngliche Bedeutung so stark, dass ihm das Bild des Angreifende
der zurückgeschlagen wird (VI 32 qwibus e portis occurri cuique deceret)
lebhaft vor Augen steht, und er es weiterführt: auch die Flucht wire
ihm abgeschnitten, wenn er sich dann zurückzieht. Nur dies kann woh,
eunti hier heissen; vgl. gleich im Folgenden hominem paulatim cerninne,
ire, 593 videlur ire anima ac tolo solvi de corpore velle, VI 564 protr
taeque trabes inpendent ire paratae. Der falsa ratio von der Unsterbli
keit wurde mit der res vera des aegrescere begegnet, dann die Ausfl
der Heilung abgeschnitten (vgl den ἄφυκτος λόγος Aischin. 8, 17
Plat. Euthyd. 276 e): das ist die zweischneidige Widerlegung,
΄
΄
—
VERS 510—531. 129
ferrum heisst VI 168 das Beil. L. wendet diese Form der Argumentatio
in fast technisch exacter Weise an I 974 alleruirwn fatearis enim sumas-
gue necesse est: quorum. utrumque libi effugium praecludit . . . nam sioe
.. Site. .., vgl Quintil inst or. V 10,69 fü eliam ez dwobus, quorum
necesse est alterum verum esse, eligendi adversario potestas, efficituwrque
ut utrum. elegerit. noceat. (Cic. de inv. 1 29 genus. argumentandi per com-
plexionem). Hier ist der Geist gewissermaassen vor das δίλημμα gestellt,
ob er krank sein oder geheilt werden will — refufatu zu 881.
526—633 Nachdem die Schicksale, denen die Seele bei Lebzeiten
des Menschen unterworfen ist, betrachtet sind, folgen nun Argumente,
die sich a) auf den Vorgang des Sterbens selbst (526—547. 580—614),
b) auf die Existenzbedingungen der Seele nach dem Tode (548—679.
615—633) berufen. Die erste Reihe wird durch ein der zweiten an-
gehöriges Stück (548—579) unterbrochen: über die Veranlassung
8. zu 548. Auch die vv. 592—606 scheinen auf den ersten Blick
nicht am gehörigen Orte zu stehen, aber man erkennt auch hier noch
den Grund der Einfügung: s. zu 592.
526—547 ‘Die Seele verlässt beim Tode den Körper nicht auf
ein Mal, sondern stückweise, ist also nicht unzerstörbar. Denn die
Annahme, dass sie sich aus den einzelnen Körpertheilen an einen Ort
zusammenziehe und dann erst als Ganzes aus dem Körper scheide, ist
unzulässig: übrigens würde auch, wenn sie zuträfe, die Vergänglichkeit
der Seele nur bestätigt werden”. — Dass die Seele nicht als Ganzes
den Körper verlässt, sondern schon während des Abscheidens ihre
Einheit aufgiebt, ἐν τῷ ἐκβαίνειν διαφορεῖται καὶ διαςκεδάννυται
(fr. 337), ist auch der Kern der Erörterung 580 ff. Offenbar hat Epikur
Gewicht darauf gelegt, weil hierbei noch aus wahrnehmbaren Vorgängen
gefolgert werden kann, wührend für das Schicksal der Seele nach dem
Tode nur mit Analogieschlüssen operirt werden kann. — 526 ire su
524 eunti. — 527 Der einzige Fall bei L., wo nach zwei Spondeen
zu Anfang des Verses Wortende eintritt: membratim schreitet der Vers.
— Fahle Farbe, Empfindungslosigkeit und Kälte erscheinen vv. 529 ff.
nach einander und erschöpfen das Bild des Todes — inde bezeichnet
mehr den ursächlichen Zusammenhang der Ereignisse, in post inde ist
der zeitliche noch besonders ausgedrückt, wie in quid tum postea und
ähnlichen Wendungen der Umgangssprache; anders VI 768 post hinc
animas Acheruntis in oras ducere, wo hinc ganz räumlich zu verstehen
ist; wieder anders V 1007 tum penuria deinde cibi languentia leto membra
dabat, wo tum im Gegensatz zum folgenden nunc steht. — 530 ire
iractim ungefähr == trahi, worin hier der Begriff des Langsamen liegt,
wie oft.in írahere. Daher tractim: lene CGL IV 186. Etwas anders
VI 118 ire diverso motu radentes corpora traciim, d. i. ila μέ trahant. ef
trahantur, ἑλκηδόν, von Wolken, die an einander vorbeiziehen. Ennius
ann. 418 interea faz occidit oceanumque rubra lractim obruit acthra. —
531 Eine Anknüpfung an das Vorhergehende, wie sie L. sonst mit dem
einfachen af zu geben pflegt, kann kaum fehlen, und schon deshalb ist
mir Munros scinditur iique unwahrscheinlich; aber afqwi, wie Marull u. A.
schrieben, ist nicht anzunehmen: abgesehen von der Stellung, die sich
sonst nie zu finden scheint, spricht dagegen, dass L. das Wort nie ge-
Lucretius v. πιπεν, 9
130 COMMENTAR
braucht (wie z. B. auch Varro nicht), so oft er auch bei seiner viel
in Syllogismen sich bewegenden Darstellung Gelegenheit dazu hA
ergo würde ganz am Platze sein; man müsste dann freilich annehm
es sei ausgefallen und die Lücke beliebig ergänzt. Ferner wird x
ungern die Erwähnung der bisher noch nicht genannten anima entbeka;
die Lachmanns «sque adeo haec eliminiert, also wohl animae statt a
zu lesen; endlich ist ein Hinweis auf den vorher geschilderten Vor.
erwünscht, wozu das überlieferte haec ganz geeignet ist. — Die Stell
von quoniam hinter dem Verbum ist ganz singulär (I 362
officiumst quoniam ist doch nicht gleichwerthig) und nur dad
einigermaassen gerechtfertigt, dass ein zweites Satzglied folgt.
532 Wie die Pflanze aus dem Erdboden (V 212) oder das Kind |
dem Mutterleibe (IV 1228), so tritt die Seele aus dem Körper her
exsistit: das ist weit anschaulicher als ein exit oder Aehnliches, wei
der Leser mit dem Dichter den Vorgang gleichsam beobachtet: w
es natürlich völlig gleichgültig ist, dass man in Wirklichkeit die 5...
nicht sieht. Genau so 589 von derselben Sache cooriri, das doch s«,
ebenfalls ein Entstehen zu bezeichnen pflegt. iR
533—539 Zweifellos ist das von L. hier widerlegte Gegenargung
wirklich gegen die aus dem allmählichen Erkalten des Leichnams ,
zogene Folgerung vorgebracht worden: von wem, weiss ich nicht.
Reflex der Anschauung, dass die Seele sich noch im Körper zusamr.,
ziehe, um ihn dann auf ein Mal verlassen zu können, bei Plut. G
p. 987 ἃ πολλῶν δὲ (θηρίων) θνῃςκόντων fj ἀλκὴ μετὰ τοῦ θυμοειὲ-
ἀποχωρήςαςά που καὶ cuvaßporcdeica περὶ ἕν τι τοῦ εὐματος μό
ἀνθίεταται τῷ κτείνοντι, καὶ πηδᾷ καὶ ἀτανακτεῖ, μέχρις ἂν dee
πῦρ ἐγκαταςβεεθῇ παντάπαει καὶ ἀπόληται. — 533 ipsam se p
also freiwillig, um den Körper zu verlassen, wie die Schlange |
Haut (s. 614), während doch die Seele offenbar widerwillig und |
mechanischem Zwange gehorchend entweicht. Auch wenn ein Theil.
Seele, wie es wirklich beim Schlaf geschieht, aus den Gliedern :
Innere des Körpers zurücktritt, introrsum abdita cedit IV 945, ist.
ein rein mechanischer Vorgang: conirusa magis concessi in a
IV 918. Im Gegensatz zur Vereinigung, dem conducere, der Tk,
steht die Trennung der Empfindung, d.h. der Seele, von den mem,
das drückt diducere besser aus als das allgemein recipirte deducere. |
536 Da das gleiche Quantum von Seelenatomen immer das gl«
Quantum von Empfindung ergeben muss, müsste an irgend einer £i
des Körpers die Empfindung intensiver werden: das Nachlassen ders.
im Schlaf erklärt sich ja hauptsächlich durch den Verlust von Se.
atomen. — 5837 sensus hier der Zustand der Empfindung, ähnlich .
504 omnis redit in sensus; vgl. Cicero Tusc. II 21, 49 lamentanfzz,
volnere (verwundet). Bei Gemüthszustinden in c. AbL bekann
häufiger. — 539 dispargitur: λυομένου τοῦ ὅλου ἀθροίεματος fj v
διαςπείρεται Epikur ep. I p. 21, 8 Us.
540 Wenn auch diese intensivere Empfindung bei der Annahm«
Gegner nicht gefordert würde, so bliebe das Resultat doch das gle,
denn dann verliert eben die Seele beim Zusammenziehen ihre e
thümliche Fähigkeit, sie wird empfindungslos, obbrwiesci, was mit,
VERS 531—551. 131
Tod aufs Gleiche hinauskommt. Zu obbrwiescere vgl. Lactanz div. inst.
VII 12 non enim anima corpore deficiente sed corpus anima decedente
brutescit, quia sensum. omnem trahit secum. — 542 lumina lincunt: die
alliterirende Verbindnng stammt schon von Naevius Lycurg. v. 31 wbi
bipedes volucres lino linquont hsnina (Il. 18, 11 λείψειν φάος ἠελίοιο);
denn bei Ennius lwmina reliquit s. zu 1025, und Cicero de cons, div.
111,18 ritalia lumina liquit. — 545 contracta suis € partibus entspricht
offenbar dem partis conducere in unum 534, so dass mit Munro die
Theile der Seele zu verstehen sind: II 159 schreibt Munro mit Recht
(primordia) suis e partibus una. — Coniracta ist dann prägnant gesagt:
'zusammengezogen und nun aus den einzelnen Theilen eine zusammen-
gedrängte Masse bildend? — 546 quando causal, wie meist bei L,
== quandoquidem: da die Thatsache feststeht, dass im ganzen Menschen
Leben und Empfindung allmählich schwindet, so steht auch ein allmähliches
Absterben der Seele fest, mag es nun so oder so zu erklären sein. —
hominem tolum, nicht etwa nur den Körper.
548—579. L. weisss noch mehr Argumente dafür, dass die Beele
nicht als unversehrtes Ganzes den Leib verlässt: 580 ff. führt er sus,
dass der Verfall des Leibes nach dem Tode auf völlige Zerrütiung des
ganzen ἄθροιςμα schliessen lasse. Er hätte das gleich hier anschliessen
können, und wäre so streng im Geleise fortgefahren; aber er zog es vor,
da er, vielleicht in seiner Vorlage an späterer Stelle, zwei
fand, die sich auf die εὐμπάθεια von Leib und Seele stützten, diese
hier einzuschalten und durch diese Vorbereitung jenem anderen grösseres
Gewicht zu geben. Dass er Zusammengehöriges damit auseinander riss,
kümmerte ihn nicht; er stellte ja einen neuen, wenn auch weniger auf-
fälligen Zusammenhang her. ‘Der Geist ist, wie die Sinneswerkzeuge,
ein Organ des Körpers; wie jene, wird er also vom Körper getrennt
nicht functioniren können (548—558). Ferner sind Seele und Körper
überhaupt, um zu leben, auf einander angewiesen: nur das Gewebe des
Körpers vermag die Seelenatome so dicht zusammenzuhalten, dass die
Bewegungen ermöglicht werden, die Empfindung bewirken (559 —579)'
Erst ein blosser Analogieschluss auf den (Geist als pars corporis von
den übrigen paries; dann der allgemeine Satz von der gegenseitigen
Abhängigkeit des Körpers und der Seele, für die Seele bekräftig
durch die Erklärung, wieso der Körper ihr zum Functioniren unent
behrlich ist.
548 hominis pars, wie v. 94 ff. bewiesen wurde. Durch dem Zusat
una wird die Gleichberechtigung mit den übrigen Körpertheilen noe
mehr hervorgehoben, == ung ez hominis parlibus. — loco quae fix
manet certo: hier drängt sich ein Gedanke ein, der v. 615 ff. als gm
sondertes Argument ausgeführt wird. Er dient hier mit dazu, eine
gewissen Anschluss an das Vorhergehende herzustellen: der Geist is
wie jeder Körpertheil, nur an seiner ihm zugewiesenen Stelle im Stani
zu functioniren; er kann sich also nicht mit der übrigen Seele irgendw
glomerari, ohne unterzugehen. — 550 sensus hier wie 562 sensibus *
"Sinnesorgan', alcOnrfpiov, was L. propier egestatem patrii sermonis miel
von alcencic unterscheiden kann. So auch xz. B. IV 525 pellere sSesssu
zx τὸ αἰςθητήριον κινεῖν Epik. p. 14, 11. — 551 et veluti — sic anime
9*
132 COMMENTAR
dafs die Verknüpfung anakoluthisch aufzufassen ist, hat Brieger (Proleg
p. XXII) gesehen: zu quoniam mens est... fehlt der Nachsatz. Ab
Satsbau wie Gedanke würen unklar geworden, wenn nach dem zu
Nebensaiz gehörigen Einschub reist ... sunt der Hauptsatz mit vels
begonnen hätte: und doch wollte L. den Vergleich, der dort nachfolg
musste, hier voranstellen, um nicht mit ihm, sondern nfit der zu beweisend.
Behauptung abzuschliessen. So fährt also L. fort, als ob er begonnen hät
mens esi hominis pars: dies Herausfallen aus der Construction ergab si:
so natürlich, dass man es überhaupt nur bei sehr aufmerksamem Les:
bemerkt. Lachmann entging der Anstoss nicht: er fasste die gan
Satzreihe bis féngere 557 als zum Vordersatz gehörig, liess diesen Con
plex durch quandoquidem ... adhaeret denique resümirt werden und b
gann den Nachsatz mit corporis 558 — ein Versuch, die strenge For
zu retten, der dem Gedanken äusserste Gewalt anthut. — Zum Inha
vgl II 910 nequeant per se paries sentire necesse est: namque alio sens
membrorum. respicit omnis, nec manus a nobis polis est secrela neque ul
corporis omnino sensum pars sola tenere. Zum sentire wird aber bi
ausdrücklich das esse gefügt, worauf es ja wesentlich ankommt. -
in parvo lincuntur tempore tabi, wie Lachmann schrieb, ist unmöglic
der Verwesung überlassen bleibt der Leib sofort beim Abscheiden d
Seele, so dass der Zusatz im p. t. unerklärlich wäre: denn tabes in p.
für labes quae intra breve tempus futura est ist ganz unlateinisch D
Zusatz kann nur gemacht sein, weil etwas ausgesagt war, was nic]
sofort nach dem Tode, aber doch im Verlaufe von kurzer Zeit (so
parvo t. V 106, VI 818, i» brevi spatio II 78) eintritt: das besa,
licuntur tabe; Ovid Met. II 807 (Aglaurus) lentaque miserrima tabe liquit
Met. IX 174 caecaque medullis tabe liquefactis. Danach bestimmt sich aut
die richtige Auffassung von íasen: es kann nicht zu parvo gehören =
quamvis parvo, wie I 578 (famen ex aeterno tempore == ex tempore quas
vis longo. Vielmehr möchte ich es hier durch Annahme einer Ellip
erklären, wie sie bei ef (amem sehr häufig, mehrfach auch bei L. (s. ἃ
Stellen bei Munro zu V 1177) vorkommt (zahlreiche Beispiele k
Karsten Mnemos. n. s. XVIII 307 f£., dessen Auffassung ich aber nic
theile): refertur particula ad facifum intellectum et concessionem. contra
eius quod antea positum est, wie Madvig zu Cic. de fin. II 84 sagt.
ist wohl z. B. auch das blosse famen in der bekannten Aeusserung Cicea
(ad Qu. fr. II 9, 3) über Lucrez' carmina zu erklären: multis lumini?
ingenii, mullac tamen artis. Also hier: ‘sondern, wenn sie überhax
noch zunächst weiter existiren, so fallen sie doch binnen Kurzem «
Verwesung anheim’. — 554 et ipso homine hinzugefügt, weil der Ge
hominis, nicht corporis (im Sinne von 'Leib") pars ist. Aber es |
gleichsam in Klammern zu denken; der Gedanke haftet bereits wie«
am Gegensatz von Leib und Seele, wie das Folgende zeigt: denn +
animi ist der Leib, nicht der Mensch. Das hatten wir bereits ΟἿ
v. 440: hier ist aber nicht, wie dort, die Vorstellung einer Flüssigk.
die durch das Gefüss zusammengehalten werden muss, wachgerufen, x
deshalb empfindet der Dichter das Bild als unzulänglich: er möchte ,.
enge Verbindung, cowiunciio, noch deutlicher veranschaulichen: das Gef
verbindet sich nicht mit seinem Inhalt, während die Seele ja comerza ı
VERS 551—566. 133
per venas viscera nervos v. 691, also eine παρεμπλοκή vorhanden ist,
s. zu 217.
558 Wie von selbst ergiebt sich aus den letzten Worten die Er-
wügung, dass die Natur dieses conezus an sich schon die Ver
gänglichkeit der Seele bedinge: der Grund zu dem Argument war
v. 823 ff. gelegt: aber dort war der Hauptgesichtspunkt die Erhaltung
des Körpers durch die Seele, die andere Seite des Verhältnisses war ge
flissentlich im Hintergrund gelassen. Im Einzelnen finden sich natürlich
mit jenem Abschnitte zahlreiche Berührungen, die ich nicht einzeln an-
merke. — 559 coniuncla Neutrum, weil corpus aique animus wie be-
grifflich so auch grammatisch wirken. — 560 vitalis edere motus nicht
zu vergleichen mit II 443 varios quae possint edere (== hervorrufen)
sensus oder 816 variis formis variantes edere tactus, sondern mit II 810
summa (amen summa videatur stare quiete, praeler quam siquid proprio
dat corpore motus == sich bewegt; Livius XLIV 9, 6 cum alios decursu
edidissent snotus. 8. zu v. 355. — 561 In mec autem tritt die gegen-
überstellende Bedeutung von autem ‘andererseits’ recht deutlich hervor.
— 563 seilicet e. q. s.: der Gedankengang erforderte eigentlich, dass
hier nicht wieder auf ein einzelnes Organ exemplificirt, sondern der
ganze Körper zum Vergleich berangezogen würde. Aber L. greift auf
das im Vorhergehenden angewandte Beispiel zurück, weil es anschaulicher
ist, dass das Auge einer sehützenden Umgebung, der «ςτεγάζοντα καὶ
περιέχοντα, Augenhöble u.s. w. bedarf, als dass der ganze Körper in
seiner Existenz durch die Seele geschützt wird. — avolsus radicibus:
vgl 325 communibus inter se radicibus haerent (corpus. εἰ anima). —
564 seorsum corpore loto: L. braucht seorsum häufig, aber überall sonst
ohne Zusatz: die Verbindung mit a ist in der gleichzeitigen Litteratur
häufig; der blosse Ablativ scheint sich nur hier zu finden: die separative
Kraft des Casus wird also dabei sehr stark empfunden. So wechselt L.
auch bei procul mit dem blossen Ablativ und a. — 566 nimirum: wieder
erhalten wir ganz beiläufig ein wichtigesStückder Lehre vom Zustandekommen
der Empfindung, die, wie schon früher bemerkt, nicht im Zusammenhang
dargestellt wird. Genau so, nur weniger eingehend, bei Gelegenheit des
Sterblichkeitsbeweises Epikur, ep. I p. 21, 8 (s. Einleitung p. 38) καὶ
μὴν καὶ Auouévou τοῦ ὅλου ἀθροίεματος ἡ ψυχὴ διαςπείρεται καὶ
οὐκέτι ἔχει τὰς αὐτὰς δυνάμεις οὐδὲ κινεῖται, ὥςτε οὐδ᾽ αἴεθηειν
κέκτηται. οὐ γὰρ οἷόν τε νοεῖν τὸ αἰςθανόμενον μὴ ἐν τούτῳψ τῷ
ευςτήματι καὶ ταῖς κινήςεςει ταύταις χριύμενον, ὅταν τὰ «ετεγζάζοντα καὶ
περιέχοντα μὴ τοιαῦτα ἧ, ἐν οἷς νῦν οὖςα ἔχει ταύτας τὰς xivfáceic.
— quia lencntur ... nec... possunt primordia dissultare: die Stellung des
Subjects im zweiten disjunctiven Satztheil eine Form des ἀπὸ κοινοῦ, die
sich naturgemäss aus der Stellung des Subjects am Schluss der ganzen
Periode entwickelt, wobei der negierende Satz als Ergänzung des positiven
Satzgliedes eingeschoben erscheint: quia tenentur (nec possunt .dissultare)
primordia. — miztim taucht erst sehr spät wieder auf; den reichlichen
Gebrauch der Adverbia auf -im, von denen in klassischer Zeit viele ab-
gekommen sind (s. die Zusammenstellungen von L. Meyer K. Z. VI 301 ff.
Corssen Krit. Beitr. p. 288 ff.), hat L. mit den archaischen Schriftstellern
gemein; so 524 ff. kurz nach einander die freilich allgemeiner üblichen
184 COMMENTAR |
paulatim, membratim, tractim, particulatim; ἅπαξ λεγόμενα des L. odi!
ausserdem nur ganz vereinzelt gebraucht adumbralim, gravatim,
ratim, filatim, propritim, éuxlim. — per venas ete. wird man lieber
mizfim als zu tenentur ziehen; das Adverb wird noch als Verbalf
empfunden, 288 commirta per artus. — 569 conclusa im Gegensatz ,
libera: gegen diese Auffassung polemisirt noch Porphyrios sentent.
intellig. duc. 29 τὸ ἀςώματον ἂν ἐν cópari καταςχεθῇ, οὐ ευγκλ
εθῆναι δεῖ, ὡς ἐν ζωγρείῳ θηρία" ευτκλεῖςεαι γὰρ αὐτὸ οὐδὲν οὔ
δύναται καὶ περιλαβεῖν ςῶμα᾽ οὐδ᾽ ὡς Acxöc ὑγρόν τι ἕλκει A πνε
— 612 ff. wiederholen in anderer Form den Gedanken von 440 ff: axa
dort soll die Seele durch die Luft, nicht durch sich selbst
gehalten werden, was sie ja auch lebend nicht thut: also ist hier s
anima 574 ganz unmöglich und Wakefields in se animam das Richtig
— in cos molus giebt die Wirkung des concludere an, analog di d:
häufigen Wendungen in orbem, in frontem u. & Schon weil conclude:
hier vom περιέχον gesagt, ganz offenbar an das vom περιεχόμενον 54
. gebrauchte conclwsa erinnern soll, ist Faber's Coniectur in eo pote
" concludere motus, wo das Wort in ganz anderem Sinne gebraucht wi!
zu verwerfen. Zwar scheut sich sonst L. vor solchem Bedeutungswech:
nicht, s. mutare 755f1.; aber hier ist der Ausdruck condudere f
περιέχειν, wie die Gegensätze libera 569, eiecta 571.577 zeigen, »
besonderer Sorgfalt gewählt. — 575 in nervis deutet nur die einzeln
oben 566 f. genannten Bestandtheile des ganzen Körpers gegenüber ^
ipso corpore an. — 576 resoluto corporis omni tegmine τοῦ «ςτεγάζοντ-:
λυθέντος Epik. ep. Ip. 21, 8. — 577 eiectis ist, wiederholt aus 571, x
die Veränderung gegentiber dem conclusum esse recht nachdrücklich” h
vorzuheben; statt der Seele sind die vifales awrae (s. zu 407), =
eigentlich nur den Athem bezeichnen, genannt: dadurch wird recht =
schaulich, wie die Seelenatome in der freien Luft verschwimmen.
579 quoniam coniunda est causa duobus vgl. 848 quoniam coniuncta
causa salwíis: auch hier sind trots der voraufgehenden sensus ama
atque animam Leib und Seele gemeint; der Schluss wiederholt «
Anfangs constatirte inter se coniuncta valent.
580—591 Unmittelbar an die letzten Worte anschliessend folgt
neues Árgument die Erwügung, dass der Untergang des von der Se
verlassenen Körpers sich nur durch eine gewaltige Erschütterung «
Grundfesten des ganzen Organismus erklären lasse, indem die Seele «
Leib durch alle seine Gänge und Poren verlassen und dabei den =
sammenhang der Körperatome gelockert habe. Also ist sie nicht
Ganzes, sondern stückweis geschieden: damit ist L. zu der v. 547 v
lassenen Gedankenreihe zurückgekehrt. — Schon II 944 ff. war geler
dass der Tod erfolgt, wenn ein widernatürlich heftiger Stoss Körper c
Seele treffe: dissolvonfur enim posilurae principiorum ei penitus mo
vitalis inpediuntur, donec maleries, omnis concussa per artus, vitalis ani»:
nodos a corpore soltit dispersamque foras per caulas eicit omnis. Ὁ
die Natur dieses Vorgangs erfahren wir hier Näheres. Nimmt man
dass die Seele als Ganses und auf einem einzigen Wege, etwa du,
die Kehle, den Leib verlässt, so würden dessen Atome nur wenig
ihrer Lage erschüttert werden, und das ἄθροιςμα könnte in seiner |
VERS 566—593. | 135
herigen Verfassung bestehen bleiben. Da das aber nicht der Fall ist,
muss die Seele sich aus allen Poren einen Ausgang gesucht habe —
s. zu v. 255 —, wobei denn die Körperatome aus ihren Verbindungen
gelöst worden sind. — 589 ex imo .. penitusque cooría ... wi fumus
diffusa: vgl. IV 90 praeterea omnis odor, fumus, vapor, atque aliae res
consimiles, ideo diffusa e rcbus abundant, ex allo quia dum veniunt
intrinsecus (so Lachmann für exirinsecus) orlae scinduntur per iter feum
sec reca viarum ostia sunt qua contendant exire coortae (über cooria s.
ferner zu 532) IV 698: der Geruch vergeht leicht disiractus in aeris
auras, ex alio primum quia viz emillitur ex re: nam penilus fluere alque
recedere rebus odores significat, quod fracta magis redolere videntur omnia,
quod contrita, quod igni conlabefacta. — Der Vergleich mit dem Bauch
ist also hier weittragender als oben v. 428 ff: wie die Entziehung der
Rauchatome aus dem Holze (I 871) dessen Vernichtung mit sich bringt,
so die Entziehung der Seelenatome die Vernichtung des Leibes: und wie
der Rauch vergeht, weil er durch alle foramina des Holzes a
ist, so die Seele. Von hier aus fällt auch erst das rechte Licht auf
den oben v. 327 verwendeten Vergleich mit dem brennenden Weihrauch.
— 584 atque ideo umschreibt und erläutert das Vorhergehende. — pwire:
II 1144 moenia mundi expugnata dabunt labem pulrisque ruinas; hier
zugleich im übertragenen wie im eigentlichen Sinne; so auch conciderit:
vgl IV 505 convellere tota fundamenta quibus mizatur vila salusque: non
modo enim ralio ruat omnis, vila quoque ipsa concidat e. q. s. Das Bild
auch bei Epikur fr. 61 p. 117, 30 καθόλου μὲν γὰρ ἐξ ἕδρας τὰ cvo-
para μεθιςτάναι ... τὸν ἄκρατον. ἂν δὲ οὕτως ἔχοντα τὸν ὄγκον ἡμῶν
γαλήνη μὴ παραλάβῃ καὶ ὕπνος ἀλλ᾽ ἕτεραι διὰ τῶν ἀφροδιείων xıyhceic,
ἐκθλιβομένων καὶ μοχλευομένων τῶν μάλιετα cuvbeiv καὶ κολλᾶν τὸ
εὧμα πεφυκότων, κίνδυνός ἐετιν ἀνάςτατον τίνεςθαι τὸν ὄγκον ὥςπερ
οἶκον ἐκ θεμελίων κινούμενον. — 587 viarum omnis flexus: IV 98 per iter
flezum (oben zu 581), wo die Erklärung hinzugefügt ist. — 588 muläi-
modis ut noscere possis leitet die Clausel ein, entsprechend dem häufigeren
quare eliam alque eliam. — 590 Bevor noch die aeris aurae die Atome
der Seele zerstreuen können, ist diese schon von selbst, durch innere Ein-
flüsse, noch im Körper drin, distracta: die Zusätze sibi und corpore im
ipso betonen das. — 591 prolapsa enaret schliesst sich schön zum Bilde
der entschwebenden Seele zusammen; sowohl labi wie sare mit ihren
Compositis werden von Dichtern gern gebraucht, um den ruhigen Flug
zu veranschaulichen.
592—606 'Ja sogar, wenn die Seele die Grenzen des Lebens nicht
verlässt, wird ihr Bau oft so stark erschüttert, dass sie der gänzlichen
Trennung vom Körper nahe zu sein scheint: so bei der Ohnmacht, wo
der Körper mit ihr zusammenbricht: wenig mehr, und sie wäre ganz
aufgelöst. Wie sollte sie also nach dem Tode ohne die schützende Hülle
des Körpers Bestand haben können?’ — Die Thatsache, dass schon zu
Lebzeiten des Menschen die Seele im Körper tiefgreifenden Störungen
ausgesetzt ist, hat L. oben v. 459 ff. bereits in mannigfacher Wendung
als Argument verwerthet. Er konnte sie hier wieder vorbringen und
zwar in jede der beiden sich durchkreuzenden Reihen einfügen, d. h.
entweder folgern: ‘also wird sie, wenn der Tod erfolgt, erst recht in
186 . COMMENTAR
ihren Grundfesten erschüttert sein, also distrahi", oder: 'also wird sie n
dem Tode erst recht nicht im Stande sein, für sich weiter zu exist Νὰ
L. schlägt einen Mittelweg ein: er schliesst das Argument an den
weis für die Zerstückelung der Seele während des Sterbens an und
tont diesen Zusammenhang, indem er mit labefacta 593, conquasse-
600, ipso cum corpore conlabefiunt 601 in dem vorhin ausgeführten Bj
bleibt und erwähnt, wie auch der Körper gleichzeitig die rwina erlei«
aber dann biegt er mit der Clausel quid dubitas tandem 603 in |
andere Auffassung ein — vorübergehend nur, denn 607 mec sibi ea
kehrt zur ersteren zurück. Ein derartiges Abbiegen vom stren
Wege oder Hineinspielen verwandter Gedanken fanden wir mehrfach,
zu 440. 548): man durfte deswegen nicht die Verse 592— 606 von
Stelle rücken wollen, zumal da sie sowohl nach 575 (Munro) wie n
579 (Christ) andere Zusammenhänge zerreissen.
592 finis vilae dum verlitur intra: eine Steigerung gegen das ἃ
hergehende, wie quim efiam angiebt; vorhin wurde geschildert, wie
Seele finibus vilae exit, jetzt ein Zustand, in dem sie zwar ihre
“ male Lage, aber doch noch nicht die Grenzen verlassen hat, die
Leben vom Tode scheiden. Die Anknüpfung würde weder nach
noch nach 579 am Platze sein. — 594 Sie scheint im Begriffe zu :
— velle, wie IV 518 sam rucre ut quaedam videantur velle — zu ge
— 8. 526 —, d. h. (ac) sich vom ganzen Körper zu lösen, wozu
an einzelnen Theilen wohl bereits den Anfang gemacht hat. Und ;
die Seele, so zeigt auch der Körper Symptome, die denen des Ta
nahekommen, quasi supremo tempore: Blässe und Hinfälligkeit. — cac
membra erinnert an conciderit corpus 585; die Glieder sind mollia, wie
standsunfähig wie auch im Schlaf: gewissermassen eine Vorstufe für .
labescere 581. — 596 Den Gegensatz der Glieder zum Rumpfe her--
zuheben, hat hier keinen rechten Sinn: so wird nicht írwnco cav,
(Lachmann), sondern ommia corpore membra die richtige Ergänzung =|
Vgl. 154 palloremque cxistere tolo corpore, wobei natürlich ebensowe;
wie hier Nacktheit vorausgesetzt wird; ferner Ovid Met. III 39 sano
que relinquit corpus ei attonitos. subitus tremor occupat artus. Der Κακ
erscheint blutleer, auch darin dem Leichnam defracto sangwine venis -
ähnlich. — Man könnte erwarten, als besonders geeignetes Beispiel
oft mit dem Tode verglichenen Schlaf verwendet zu finden, bei dem
Seele ja wirklich zertheilt wird, da ein Theil von ihr den Körper -
lässt. In der That scheinen Epikureer den Schlaf als Argument für
Sterblichkeit der Seele herangezogen zu haben: Philodem περὶ ®
ἀτωτῆς V. H.! VI eol. 12, Scott frg. Hercul. p. 168 bei der Erörterung
Frage, ob die Götter schlafen: ἄτοπον μὲν γὰρ εἶναι δοκεῖ προχείρ"
διὰ τὸ μετακόςμηειν νεανικὴν ἐν ταῖς τοιαύταις xatacräcecı τίνες:
περὶ τὰ ζῷα καὶ πολλὴν ἔχουςαν θανάτῳ προςεμφέρειαν᾽ δι᾽ ἣν aix
καὶ περὶ τοῦ φθίρεεθαι τὴν ψυχὴν οὐκ ἀπίθανος ευντίθεται λόγος
μεταβαίνων ἀπὸ τοῦ .. πίπτειν ... Aber dazu müsste L. einer späte
Erörterung vorgreifen, was er möglichst vermeidet. Somit wählt
als Beispiel die Ohnmacht und beruft sich dabei, wie er es liebt, |
die im Volksmunde geläufigen Ausdrücke. — 597 awimo male fac.
und animam liquisse sind gleichbedeutend: Plaut. Mil 1331 animo s».
|
VERS 593—609. 181
faciumst huic repente miserae, 1346 animus hanc modo hic reliquerat von
der fingirten Ohnmacht der Philocomasium. L. variirt mit animus und
anima, um Beides als afficirt hinzustellen, obwohl man regelmässig awi-
mus linguit λιποθυμῶ sagt, da anima nicht das Bewusstsein bedeutet. —
598 Die ängstliche Geschäftigkeit der Hülfeleistenden wird durch das
unpersönliche irepidatur vortrefflich bezeichnet: sie empfinden, wie schon
die von ihnen gebrauchten Ausdrücke lehren, die Gefahr, in der die
Seele schwebt, und möchten gern etwas thun, cwpiumt, um das letzte
Band, das den Ohnmächtigen noch im Leben hält und das auch bereits
zu zerreissen droht, zu fassen, reprehendere, vgl VI 568 vis mullo
refrenet res neque ab exilio possit reprehendere euntis.' — 600 conquassa-
tur enim begründet die Einführung des Beispiels quod genus est. —
602 gracior paulo causa vgl 485 paulo si durior insinuarit- causa
fore ut pereant aevo privata futuro. — 608 prodita mit dem Neben-
begriff der Verlassenheit, Hülflosigkeit, der dann im folgenden Verse
kunstvoll gesteigert wird. — 605 possit: hier ist wieder der Begriff
der anima allein eingetreten, während oben haec... conlabefiunt Geist
und Seele umfasst. — omnem per acvom εἰς πάντα τὸν αἰῶνα oder
δι᾿ αἰῶνος.
607—614. "Niemand hat beim Sterben die Empfindung, dass die
Seele auf einmal und als Ganzes scheidet, allmählich in die Kehle, dann
den Schlund aufsteigt und so durch Mund und Nase entweicht; sondern
Jeder empfindet das allmähliche Absterben der einzelnen Körpertheile.
Das würde nicht der Fall sein, wäre die Seele unsterblich”. — Als
letztes Argument dieser Reihe noch ein Appell an die untrügliche
afconcic, die jeden Sterbenden lehrt, dass seine Seele nicht unversehrt
den Leib verlässt, sondern in der Auflösung begriffen ist. Begründet
wird durch neque — enim nicht gerade das unmittelbar Vorhergehende,
sondern die ganze bereits mannigfach erhärtete These, die v. 589 ff.
nochmals formulirt war, s. über dies entm zu 440; den Anfang hatte
die Berufung auf die Wahrnehmungen des Zuschauers (cernimus 526)
gemacht, den Schluss bildet die Wahrnehmung des Sterbenden selbst.
— Dass der vom Dichter beabsichtigte Anschluss dieser Verse an 591
durch die später gedichteten und von ihm nicht hier eingefügten
592—606 zerrissen sei (Brieger), ist nicht zu erweisen; man müsste
denn annehme-, dass enim durchaus nur das unmittelbar Voraufgebende
begründen könne, was, wie gesagt, nicht der Fall ist. Dagegen würde
ich Anstoss daran nehmen, wenn nach Wegfall der vv. 592—606 un-
mittelbar auf das Resumé mullimodis wt noscere possis ein neuer sodes:
noscendi durch neque enim eingeführt werden sollte. An der überlieferten
Versfolge ist also in diesem ganzen Abschnitt nichts zu ändern —
608 incolumem: dies Gefühl könnte nach L.’ Auffassung nicht quälend
oder schmerzhaft sein: also wäre die Erscheinung der Todesangst nich:
zu erklären. — 609 nach der volksthümlichen Anschauung, die L. hie
bekämpft, steigt die Seele des Sterbenden empor ins Antlitz (s. Crusiu
Unters. z. Herod. p. 54), also zunächst in die Kehle, dann höher hinau
über den Schlund — supera fauces —, wie L. halb ironisch die Vor
stellung ausmalt: zuletzt schwebt sie auf den Lippen oder Nasenflügelz
Petron. 62 mihi animam in naso esse, Meleager A. P. V 197 βαιὸν ἔχει
138 COMMENTAR
τό τε λειφθέν, Ἔρως, ἐπὶ xeikecı πνεῦμα u. Α. m. — supera als Pri
auch VI 561 supera lerram. — 610 Statt dass man bei unge
vollem Bewusstsein die Seele allmählich aufsteigen fühlte und «
dem Momente des Todes die Empfindung auf einmal schwände
man vielmehr an einzelnen Stellen des Körpers für sich das £
der Seele — 528ff. war das ausgeführt —, genau so, wie ma
dass Auge oder Ohr, jedes an seiner Stelle, in parti quemque sw
mehr functionirt. — 613 Die Todesangst wird poetisch so gedeut
die Seele ihre allmähliche Auflösung bejammere: man hat ohne
an die ψυχὴ ὃν πότμον Yoödwca Homers zu denken. — non tam
magis (== sed potius) mit leichtem Anakoluth, wodurch das zwei
glied selbständiger wird, wie bei Cic. de fin. 11, 1 quidam auf
tam id reprehendunt, si remissius agatur, sed tantum studium
multam operam ponendam in eo non arbilrantur. — 614 ire fora
klagen würde sie darüber, sondern im Gegentheil sich freuen:
gänzt jeder leicht, vgl. z. B. Liv. XLV 20,9 orantes ne nova
crimina plus obesse Rhodiis aequum censerent quam. antiqua men,
prodesse, wie Weissenborn richtig erklärt. — ω anguis: IV
lubrica serpens exuit in spinis vestem. Vermuthlich war das 1
Anhängern der Unsterblichkeitslehre gebraucht worden. Der ]
Gewand der Seele übrigens eine sehr geläufige Vorstellung, ar
schon Plat. Phad. 87b 91d.
615—628 “Der Geist wobnt im Körper nie anderwo als ar
festen Sitz in der Brust: das kann nur darauf beruhen, das
Dinge von Natur der Ort angewiesen ist, wo es zu exisliren
Wie käme es auch sonst, dass am menschlichen Körper, der
äusserst vieltheilig ist, alle Glieder ststs sich in der gleichen
zeigen? Bo verlangt es das unumstössliche Naturgesets'. —
schnitt berührt sich inhaltlich nahe mit den vv. 785—799,
selbe Argument ausgeführter enthalten. Aber die Form ist,
mit Absicht, so verschieden wie möglich, der Gedanke an ein
also völlig ausgeschlossen. Vielmehr hat auch hier (s. zu 59
und dieselbe Thatsache des Seelenlebens zwiefach als Argument
785 ff. wird das Hauptgewicht darauf gelegt, dass die Entste
Seele ohne Körper, also ihre Prüexistenz, nicht denkbar sei: hie
es sich, wenn auch eine ausdrückliche Angabe fehlt, doch
ganzen Zusammenhang wesentlich um die Unmöglichkeit de
existenz Die Folgerung des Arguments wird nicht ausdrüc
zogen: das weicht ab von der stehenden Gepflogenheit des L. und
seine besonderen Gründe, s. zu 785ff. Aber ein ernstlicher
wird dadurch nicht herbeigeführt, denn es wird ja auch ohne .
Leser den Schluss ziehen: wenn jedem Ding ein bestimmter
gewiesen ist, wbi possit durare, so wird der Geist eben ausse
Körpers nicht dauern können. — Der Abschnitt setzt die v. !
lassene Gedankenreihe fort: er enthält im Grunde nur di
gemeinerung des v. 558ff. gebrachten Arguments. — 617 I
omnibus unmittelbar nach regionibus hielt noch Lachmann für c
aber das Missverständniss, als gehöre beides zusammen, ist ja sc
unis ausgeschlossen. — 618 ad nascendum und wbi ... pos
"ung der
X- handelt
Aach dem
"4r Post-
lich ge-
1f hat wohl
"«Missstand
!Y3ies jeder
$ Ort an-
"irhalb des
580 ver-
Be Verall-
en Dativ
ἥν nmöglich:
bon durch
! igit stehen
VERS 609—629. 139
sich grammatisch gleich, oder besser vielleicht: cería loca ist vor wbi
quidquid wiederholt zu denken. — cuique und quidquid bezeichnet alles
Existirende; in den beiden folgenden Versen dagegen ist, wie arlubus
und membrorum zeigen, vom Körper und seinen Gliedern die Hede.
Also kann unmöglich esse 620 von possit 619 abhängig sein: nicht dem
Körper, sondern seinen einzelnen Theilen ist ja ein fester Platz zugetheilt.
Ich nehme daher mit Munro nach 619 den Ausfall eines oder mehrerer
Verse an. Der Gedanke des ersten Satzes ist mit durare creatum ab-
geschlossen: den des folgenden festzustellen, ist ausser durch die Lücke
noch durch die Corruptel perfotis 620 erschwert. Aber der Umstand,
dass die Glieder immer in derselben Ordnung auftreten, muss sicher als
Folge des vorher und nachher constatirten Naturgesetzes, und somit
wohl als neuer Beleg dafür hingestellt gewesen sein: dann hat viel-
leicht Bernays mit partitis das Richtige getroffen, und der Gedanke würe
zu ergünzen, wie ich es oben versucht habe. — 621 Manil II 764
effluat in canum rerum praeposterus ordo. — 622 sequitur res rem "ist
Eins an das Andere gebunden’, =. B. die Wärme an das Feuer, die Kühle
an das Wasser; also auch Geist und Seele an den Körper. Vgl. II 255
ex infinito ne causam causa scequatw. — 623 fluminibus ... in igni, die
Präposition nur zum zweiten der sich entsprechenden Substantive gesetzt,
wie 786 nec cruor in lignis neque saxis. sucus inesse nur zum ersten.
— flumina empfahl sich durch den Anklang an flamma. Olympiodor
in Phüd. p. 48 F. verwendet dasselbe Argument wie L., οὐδὲ γὰρ τὸ
πῦρ θερμότητα ἐπάγον wuEedic écrit δεκτικόν, aber um das Gegentheil
zu beweisen, dass nämlich die Seele nicht empfindungslos werden, also
nicht sterben könne,
624—633 “Eine weitere Existenzbedingung für die abgeschiedenen
Seelen wäre der Besitz der Sinnesorgane, und in der That pflegt man
ihnen diesen zuzuschreiben; aber ohne den Rest des Körpers kann die
Seele auch nicht Augen, Nase u.s. f. haben.” Das Argument beruht au:
der Identificirung von Sein und Empfinden, die uns schon öfters be
gegnete. Bekämpft wurde es bereits durch Posidonius, den Cicero Tusc
I 22, 50 ausschreibt: sed plurimi conira nituntur animosque quasi capit
damnatos morte muliant, neque aliud. est quicquam cur incredibilis is avi
morum videatur. aeternitas, nisi quod nequeunt. qualis animus sit cacan
corpore intellegere εἰ cogitatione comprehendere. Die von L. aufgestellt
Forderung der fünf Sinne bestritt natürlich Posidonius: seinen Auswe;
dass auch im Körper der Geist, nicht die Augen sähen, hat L. bere:
361 ff. widerlegt. Vgl. Tusc. I 16, 37 gegen die Anschauung, dass di
irdische Leben nach dem Tode eben so fortgesetzt werde: animos eni
per se ipsos viventis non poterant mente complecti: formam aliquam fig
ramque quaerebant. inde Homeri tota Necyia (scriptorum saecla prioı
Lucrez) ... has famen imagines logui volunt, quod fieri sec sine ling:
nec sine palato nec sine faucium, laterum, pulmonum vi εἰ figura pote
nihil enim animo videre poterant: ad oculos omnia referebant. — 626
opinor ironisch: für den gesunden Menschenverstand ist ein semfire oh
sensus undenkbar. — 627 proponere zu 183. — 629 pictores — τ.
Polygnot; unter den scripfores sind nicht nur die Verfasser der za!
reichen Νεκυῖαι zu verstehen; man erinnert sich z. B. des heraklitisck
140 COMMENTAR
ψυχαὶ ὀςμῶνται καθ᾽ Ἅιδην (fr. 38B.) Vgl. Demosth. c. Aristogit. I 52
μεθ᾽ ὧν Ζώγραφοι τοὺς ἀςεβεῖς ἐν “Λιδου γτράφουειν, Plaut. Capt. 998
vidi cgo multa saepe picla quae. Acherunti fierent. cruciamenta, Cic. Tusc.
I 6, 11 hacc poetarum et pictorum porlenta. — saecla priora von Ur-
alters her, wohl mit dem Nebengedanken, dass die gleichzeitigen Ver-
treter der Unsterblichkeitslehre sich dieser Folgerung vergebens zu
entziehen suchen. — 631 at neque sorsum beruft sich nicht sowohl
auf die Thatsache, dass manus atque oculus naresve seorsum secreta
a nobis nequeunt sentire neque esse (551, vgl. II 910), sondern
wil den Gegnern die lächerliche und Jedem sofort als thöricht ein-
leuchtende Annahme unterschieben, dass die Seelen zwar keinen Körper
besässen, wohl aber die einzelnen Organe gesondert an sich trügen.
— 633 haud igitur eine glänzende Verbesserung Lachmanns; L. konnte
weder auditum für sonilum sagen, noch so geschmacklos sein, zu aures
sentire noch auditu hinzuzufügen. possunt: trotz anima 632, weil
durch die Verse 627ff. die Vorstellung einer Mehrzahl von Seelen ge-
. weckt worden ist.
684—669 'Da die Seele durch den ganzen Körper verbreitet ist,
so muss ein rascher Streich, der den Körper mitten durchhaut, auch die
Seele theilen: Theilbares ist aber nicht unsterblich (684—641). Die
Beobachtung bestätigt das: wenn in der Schlacht einzelne Körpertheile
abgeschlagen werden, so bewahren sowohl diese wie der Rest des Körpers
Empfindung, also Seele (642—656). Ja, man kann sogar z. B. eine
Schlange in viele Stücke zerhauen, deren Jedes fortfährt, Lebensäusse-
rungen zu zeigen: da das Thier aber nur eine Seele gehabt. haben kann,
so ist diese in viele Theile zerschnitten, demnach eben so gut wie der
gleichzeitig zerschnittene Körper sterblich” — Das Argument berührt
sich zwar einigermaassen mit der Reihe 526—547 u. s. f., insofern auch
dort von einem scindi der Seele die Rede war: aber dort wurde nur der
Vorgang des Sterbens ins Auge gefasst, während hier auch die Ab-
irennung eines Theiles der lebenden Seele in Frage kommt. Deshalb
ist der Abschnitt nicht in jene Reihe eingefügt, sondern an den Schluss
der ganzen ersten Gruppe von Argumenten gestellt. — Das Argument
kennt Olympiodor, der in Phaed. p. 98 F. sagt, zur Annahme, dass die
Seele χωριζομένη διαςκεδάννυται habe f, διὰ παντὸς τοῦ εὐματος
δίηξις μεριετοῦ ὄντος geführt. Auch schloss man aus der Theilbarkeit
der Seele auf ihre Körperlichkeit (s. auch zu 657): deshalb leugnet jene
Voraussetzung z. B. Claudianus Mamertus de statu an. 118 sed forsitan
dicis: illa pars animae, quae in scribentis digitis est, movelur, et reliqua
non movelur. hoc illi porro. contendunt. qui animam partilem putant ...
inquiramus igitur, dissicine in paries animus queat. II 3 secari. omne
corpus in parles polest . .. modo tu videris ulrumnam, cum cuiuslibet
animantis una sit anima, dividi haec eadem possit, ut iterum quolalibet
purs animae anima sit, sicut quotfalibe! pars corporis corpus est. quod quia
sunorum neminem reor posse dicere ... Faustus berührt die Frage in
dem Briefe, gegen den Claudianus sein Buch schreibt, nicht: aber die
Lehre von der partilis ania mag damals andere Vertreter gehabt haben;
von den corporalibus nosiri saeculi Epicurcis aut Cynicis spricht Claud.
II 9, und als Epikureer sollen offenbar die sowmnwlli nostrates verdächtigt
VERS 639—644. 141
werden h gegen die sich der heftige Ausfall im vorhergehenden Capitel
richtet.
686 Die Theilung muss rasch erfolgen, damit die Annahme aus-
geschlossen ist, dass während derselben die Seele sich aus der einen
Hälfte in die andere hinüberziehe; daher subilo und celeri icfu; auch in
praeciderit liegt der Begriff des Jähen, Unvorbereiteten. — 638 dispertifa
el discissa dissicielur eine Fülle des Ausdrucks, wie oben v. 435 ff, um
den Begriff des “auseinander” einruschürfen. — dissiciefur nicht — dis-
tacietur, sondern == dis-secabitur, wie in der oben citirten Claudianstelle
dissici durch secari wieder aufgenommen wird; s Ribbeck frgm. com.
p. XV; dagegen I 650 acrior ardor enim conductis partibus esset, langwi-
dior porro disiectis disque supatis. — 642 falciferos currus (so auch
V 1301) übersetzt ἅρματα δρεπανηφόρα, sonst falcati. — memorant sehr
gewissenhaft, denn L. kennt sie nicht &us eigener Anschauung. Gegen die
Römer hatte sie Antiochus in der Schlacht bei Magnesia verwendet, bei
welcher Gelegenheit sie Livius XXXVII 41 ausführlich beschreibt, da sie
im Kampfe eine wichtige Rolle spielten: die Schlacht hatte auch Ennius
besungen, und an seine Schilderung mag L. denken; Wendungen wie
permixta caede calentis, pugnam caedesque petessit, scandit et instat haben
echt epischen Klang; s. ferner zu 654. Aber auch Mithridates führte
noch Sichelwagen, Appian b. Mithr. 6. 18. — abscidere membra: wirk-
lich scheint zu solchen Beobachtungen die furchtbare Wirkung der
Sicheln eher Anlass gegeben zu haben als die anderer Waffen; s. Appian
& a O. καὶ τοῖς Βιθυνοῖς τὰ δρεπανηφόρα ἅρματα ἐμπίπτοντα μετὰ
ῥύμης διέκοπτε καὶ διέτεμνε τοὺς μὲν ἀθρόως εἰς δύο, τοὺς δ᾽ ἐς μέρη
πολλά, τό TE τιγνόμενον ἐξέπληττε τὴν crparıdv τοῦ Νικομήδους, ὅτε
ἴδοιεν ἡμιτόμους ἄνδρας ἔτι ἐμπνόους A ἐς πολλὰ διερριμέ-
vouc, A τῶν δρεπάνων ἀπηρτημένους. Curtius Rufus IV 57 amputata
virorum membra hund. iacebant, et quia calidis adhuc volneribus
aberat dolor, trunci quoque et debiles arma non omittebant, donec
mulio sanguine effuso exanimati procumberent. — 648 permixta caede
calentis: auf den Menschen bezogen müsste es mindestens calenfi heissen.
Es ist vielmehr, wie V 1813 von den wüthenden Schlachtlówen, so hier
von den Streitwagen gesagt, deren rasende Fahrt — und damit zugleich
die mobilitas mali — so veranschaulicht wird; mefaque fervidis evilata
rolis Horaz. — caede permixta: Blut und Fleischtheile hafteten an ihnen,
wie dort au den Löwen, Virg. Aen. XI 634 permixti caede virorum
semianimes volvontur equi und Catull 64, 359 cuius (Scamandri) iter
caesis angurlans corporum acervis alta tepefaciet permizta flumina caede
klingen an, ohne genau dasselbe zu besagen. — 644 (íremere cideatwr,
zum Beweise, dass noch Seelentheile, reliquiae animai 656, darin ent-
halten sind: so auch 653 digilos agitat pes und am Deutlichsten 654 ff.
vom Haupte. Dagegen ist der grösste Theil der Seele, vor Allem der
Geist im Körper verblieben, wie dessen ohne Störung fortgesetzte Thätig-
1) 'innezam visceribus animam corporis claustris neluds et contineri decer-
nit’ — man könnte denken, Lucrez sei gemeint; aber es wird nur der Satz des
Faustus p. 11, 3 Eng. wiederholt: (anima) inserta membris et inligata visceri-
bus .. . tenetur inclusa.
149 | COMMENTAR
keit zeigt. Die mobilitas mali ist so gross, dass der Geist, ja au
Seele und Körper, kurz hominis vis nicht einmal den Schme
empfindet: um so viel weniger wird sich also aus dem abgehauene
Körpertheil die Seele haben zurückziehen können. Zur Schnelligkeit d
Vorgangs kommt aber als weiterer Grund die Eingenommenheit d
Geistes, denn animus cetera perdit. praeter quam quibus est in rebud
deditus ipse IV 814. Die Anknüpfung des neuen Grundes mit ef sim
wie IV 1275 ne complereniur crebro .. εἰ simul ipsa viris Venus «
concinnior essei. Asyndetisch folgt dann die Schilderung der Thatsacher
auf denen die Bebauptungen über den animus beruhen, ähnlich wi
v. 1060 exit saepe foras magnis ex aedibus ille, — 648 petessit: Subjec
ist der Mann, dessen Bild natürlich bei der ganzen Schilderung den
Dichter lebendig vor Augen steht; petessit drückt weniger die Wiedes
holung, als die Energie des Strebens aus. — 650 rotas falcesque: die ἃ
den Rädern befestigten Sicheln. — 653 moribundus: da er Seele ha.
lebt er, aber er ist im Sterben begriffen, da die Seele ohne Geir
nirgends lange verweilen kann. — 654 capwt abscisum: vgl. Ennius any
fr. 462 oscitat in campis caput a cervice revolsum, semianimesque mica,
oculi lucemque requirunt.
657 quin eliam führt zum Schluss einen besonders schlagend
Beweis ein, der den Verfechtern der Unkörperlichkeit und Unsterblic
keit der Seele viel zu schaffen gemacht hat. Schon Aristoteles wies (
an. 411b 19, 413b 16) auf die Thatsache hin, dass wie bei Pflanze,
so auch bei den ἔντομα Zia nach der Zerstückelung die einzeln«*
Theile noch fortleben; er folgerte aher daraus nur, dass die nieder«
Seelentheile nicht τόπῳψ ywpıcra seien. Bei Augustin de quar
an. c. 62 führt Evodius als letztes Argument gegen die Unkörperlichke: ,
an, er erinnere sich quantum pueri mirare soleremus palpitantes lacertaree
caudas ampulalas a cetero corpore; quem molum sine anima fieré vae |
modo mihi persuadere possum, neque quo pacto fiat μὲ nullum sit anim,
spatium, quando praecidi etiam cum corpore potest, intellego. August
selbst erinnert sich, wie man kürzlich einen longus vermiculus mit de
Schreibgriffel in viele Stücke zertheilt habe, die sich alle bewegte.
atque unum ipsorum stilo tactum contorquebat se ad doloris locun. D
Thatsache, meint er, sei freilich sehr schwer mit der Unkürperlichke
der Seele zu vereinigen, und es gehóre ein reifer Geist dazu, um ;
begreifen quod a quibusdam doctissimis viris dicilur animam per —
ipsam μωΐο modo, sed tamen per corpus posse partiri (c. 68 extr.). -
lingua, cauda, corpore, je mit einem Attribut: lingua vibrat (wie Vir-
Aen. II 211, Culex 166, Ov. Met. III 34, Stat. Theb. V 509, Silius V |
222), cauda micat — der Schwanz ist keine Waffe, mit der sie drohe -
‘ninari’ könnte; corpus procerum, der Leib ist zum Angriff gestrecl
vgl Ovid Met. III 78 longa trabe rectior exstat Silius VI 227 rapid |
que resolvens coniorlos orbes derecto corpore totam extendit moles
So erwähnt auch Virg. Georg. III 422 Kopf, Leib und Schwans d |
Schlange: iamque fuga timidum caput abdidit alte, cum medü nexus e
iremaeque agmina caudae solvontur. — 658 serpentis utrumque == ulramg-
partem, wie es Wakefield wollte, würde Niemand verstanden haben, ab
sachlich halte ich es für richtig. Qwim efiam schliesst nämlich offenb ,
VERS 644—910. 143
eng an die Verse 634—641 an, in Form (si — si) wie Inhalt: beide
Abschnitte stammen höchst wahrscheinlich aus L’ Vorlage, nicht so
642—656, die, wie ich vermuthe, nachträglich eingelegt sind, wobei
eine Abänderung des bereits Vorhandenen L. nicht nöthig erschien. Bei
dieser Annahme würde der ursprüngliche Zusammenhang gewesen sein:
1. wenn du einen Körper in zwei Theile theilst... 2. ja sogar, wenn
du dann die beiden Theile einer Schlange wieder in viele zertheilsi —
serpentis utramque in multas partis. — Brieger-Giussani's Conjectur frus-
cum für wíirwmque ist zunächst sehr verlockend, aber der Rumpf könnte
nur im Gegensatz zu colla und cauda stehen, und es soll nicht er allein,
sondern die ganze Schlange zerstückelt werden: eine pars prior (662)
wird immer bleiben, auch wenn der Hals dabei nicht geschont worden
ist. — 660 Die Theile thun dasselbe, was die ganze lebende Schlange
nach einer Verwundung, ancisa, thun würde, sie winden sich und eitern:
saxa spargens (abo möge Atreus am Felsen hängen, wünscht Thyestes bei
Ennius tr. fr. 414; die Schlangen bei Virg. Aen. III 29 terram tabo
maculant. — 663 «wt premat um zu beissen (IV 1109 pressantes dentibus
ora Ovid Met. V 537 septem grana presserat ore. suo X 704 dente
premunt domilo Cybeleia frena leones vgl. oris pressus Cie. de or. III
12, 43), nämlich sich selbst, wie aus dem vorhergehenden se petere zu ent-
nehmen ist: dadurch wird bekanntlich der Schmerz gelindert. Object
könnte auch an sich recht wohl dolorem sein, wie Lachmann wollte, aber icta
wäre obne den Zusatz ardemii dolore matt und müssig. — 667 ergo: die
Annahme, dass viele Seelen in dem einen Körper gewesen seien, braucht
nur ausgesprochen zu werden, um sogleich als gänzlich absurd und un-
annehmbar einzuleuchten: so kann denn aus ihr direet die Folgerung
gezogen werden, dass die eine Seele getheilt worden ist.
670—678. “Wenn die Seele unsterblich wäre und bei der Geburt
in den Körper einträte, warum hat sie dann keine Erinnerung mehr an
ihre Vergangenheit? Liegt das aber daran, dass sie eine grosse Ver-
änderung durchgemacht hat, so spricht auch dies für ihre Sterblichkeit”.
— Hiermit beginnt die zweite Argumentenreihe, die sich in erster Linie
gegen die Präexistenz der Seele wendet. L. deutet durch nichts an,
dass er zu etwas Neuem übergehe: ihm ist die Pr&existenz nothwendige
Voraussetzung der Unsterblichkeit: neben immortalis nafwra animai cow-
stai steht als völlig gleichwerthig ef in corpus nascentibus insinuatur.
Ein Beweis wird gar nicht für nöthig gehalten: nicht nur nach den
Voraussetzungen des epikurischen Systems ist ohne Weiteres klar, dass
nicht entstanden sein darf, was unvergänglich sein soll In der That
sind in der Vorstellung der Alten von jeher und immer Präexistens und Un-
sterblichkeit verbunden gewesen, bei Orphikern und Pythagoreern,
Platon und Aristoteles, Posidonius und Varro. So kann denn z. B.
Platon die ἀνάμνηςις als Unsterblichkeitsbeweis verwenden: sie wäre
unmöglich εἰ μὴ ἦν που ἡμῶν fj ψυχὴ πρὶν ἐν τῷδε τῷ ἀνθριυπίνιψῳ
εἴδει γενέεθαι ὥςτε καὶ ταύτῃ ἀθάνατόν τι ἔοικεν fy ψυχὴ εἶναι (Phaed.
p. 72e), und andererseits L. hier mit der ἀγάμγηεις zugleich die Un-
sterblichkeit leugnen. Schon Aristoteles sah sich genöthigt zu erklären,
warum wir trots der Prüexistenz des voüc keine Erinnerung an das
frühere Dasein haben (de an. 430a 23), und noch Aeneas von Gaza
144 COMMENTAR :
(Theophr. p. 17 Boiss.) lässt gegen die Unsterblichkeit den Euxitheos eiz
wenden εἰ προβεβίωκεν t ψυχή, ἐμέμνητο ἂν ἢ ἀνεμιμνήςκετο. ... εἶτ
τοῦ μὲν δημιουργοῦ καὶ τοῦ νοητοῦ κάλλους ἀναμιμνύκκεται, ὅθεν μακρά
τινα χρόνον ἀπέετη᾽ τοῦ δὲ προτέρου βίου καὶ ἐπιτηδευμάτων κι
παθημάτων καὶ πατρίδος καὶ γονέων παντελῶς ἐπιλέληςται͵ ὅθεν χθὲ
μετῳκίζετο.
671 im corpus nascentibus insinualur und extrinsecus insinuari 68!
698. 722 (vgl. 679 perfecto corpore mobis inferri, 105 recens in corps
eunt) geben das θύραθεν ἐπεικιέναι (Aristot. de gen. an. 736 b 28) ode
θύραθεν eickpivecGat (Aet. plae. IV 5, 11 p. 392 D.) der Vorlage wieder. -
672 super ante actam aetate meminisse kann ebensowohl bedeuten “übe
das bisher verflossene Leben hinaus eine Erinnerung haben’ (super =
supera, vgl V 826 cur supera beilum Thebanum et funera Troiae no
alias al quoque res cecinere poelae; dann wäre anie acta aetas wie οἱ
ante acia priorque 1Π 985 das bisherige Leben; aetas ante acta I 233
die bisher verflossene Zeit), wie “auch noch das vorige Leben in Erinnerun
haben’ (super == insuper, einem eliam, wie oft bei L., nahekommenc
' dann ist anie aca aelas wie vita prior 1885. das Leben vor dei
jetzigen; 832 ante acto lempore vor unserer Geburt; so ὁ πρότερος βίο
oder fj προβιοτή). Nach dem Zusammenhang ist hier allein die zwei
Deutung möglich: die Bezeichnung des gegenwärtigen Lebens als 'di
bisher verflossene’ wäre hier durchaus unangebracht, wo. der Gedani
an die Fortsetzung dieses Lebens ganz fern liegt, und dem ante a. αἱ
mem. entspricht klärlich gestarum (actarum 675) rerum vestigia tener
dazu 677 quae fuit ante im Gegensatz zu quae nunc est. — 674 Di
Gegner wird dies Vergessen aus der Veränderung der Seele erklären, di
beim Eintritt in den Körper erfolgt. Plato Phaed. p. 75e λαβόντι
πρὶν τενέεθαι TIrvöpevor ἀπωλέεαμεν (τὰς ἐπιςτήμαο); vgl. das
Plutareh bei Olympiodor in Phaed. p. 129 ὅτι ἐν τῇ πρώτῃ Yeveceı
cpodporäm μεταβολή écriv- αὕτη δὲ ἐκπλήςςει τὴν μνήμην, καὶ Tapdı
Touca λήθην ἐμποιεῖ. Gegen ähnliche Annahmen zu Gunsten der Seelei
wanderung wird 7541f. der schon öfters benutzte Grundsatz ins Fel
geführt, dass Unsterbliches überhaupt keine Veränderung zulasse; hit
etwas anders: eine Veränderung, die so gewaltig ist, dass jede Spur va
Erinnerung dabei erlischt, ist vom Tode kaum zu unterscheiden. -
675 Für μνήμη waren memoria und recordatio ausgeschlossen, refinenti
hat L. vielleicht selbst gebildet in Anlehnung an den Gebrauch vo
tenere 618. — 676 longius ist, wie hier, auch v. 789 und V 138 übe
liefert; longiler, was man dafür einsetzt, m. W. nur im Citat dies
Stelle bei Nonius p. 515 M. (Iongiter pro longe) und Charisius p. 18
(longiter). Der Comparativ “nieht gar weit ist nicht anzutastei
vgl Plaut. Trin. 721 video caculam militarem me futurum. haud. longi
‘in nicht gar langer Zeit”. — longius errat eine schöne Umbildung d
trivialen Bedensart lomge esse oder abesse: das Ziel ist der Tod, w.
das Ziel nicht erreicht, irrt umher. So auch 924 longe ab sensifer
primordia motibus erras 860 deerrarunt passim molus ab sensibus, -
678 esse creatam, und also ebenfalls vergehen wird. -
679—112 ‘Wenn der Körper beim Eintritt der Seele schon ferti
wäre, so wäre das gemeinsame Wachsthum von Körper und Seele nic!
VERS 610---688. 145
denkbar: diese müsste vielmehr wie in einer Höhle für sich leben, und
dabei doch der ganze Körper Empfindung besitzen. Also ist die Seele
geboren und sterblich: denn käme sie von aussen in den Körper, so
könnte sie nicht eng mit ihm verbunden sein (und doch lehrt im Gegen-
theil die Beobachtung, dass nicht nur die Weichtheile, sondern auch die
Knochen, ja selbst die Zähne Empfindung haben); und da sie so mit
dem Körper gemischt ist, kann sie ihn nicht als Ganzes verlassen
(679—697). Wollte man aber annehmen, die Seele verbreite sich beim
Eintritt durch den ganzen Körper, so würde sie ja eben dabei unter-
gehen, wie die Speise, die sich durch den Körper zertheilt (698—712)'.
— 679 Nach der Lehre des θύραθεν eicxpivechar erfolgt die Beseelung
erst bei der Geburt, wo also der Körper bereits fertig ist, perfecto corpore.
Vgl. Ennius (dessen Seelenwanderungsglauben L. I 117 ff. berührt) ann.
v. 10ff ova parire solet. genus pinnis condecoratum, non animam: e
post inde venil divinitus pullis ipsa anima. Dabei bleibt, wie L. hier
ausführt, die Vermischung mit dem schon fertigen Körper unerklärt:
auch Aristoteles liess seinen von aussen eingetretenen Geist ἀμιγής sein.
— 680 animi: oben v. 495 ff., wo vom Wachsthum der Seele die Rede
war, wurde mens, nicht anima genannt, vgl auch 747 vis animi pariter
crescit cum corpore toto, hier wäre vielleicht anima passender gewesen,
da 685 von der Empfindung des ganzen Körpers die Rede ist. — 682 haud
da conveniebat scil. eam inferri, ut (nunc) videatur cresse. ἴω. verbindet
convenit “es schickt sich’ stets mit Infinitiv. — Sie dürfte nicht mit dem
Körper heranwachsen — dass sie es thut, war 445 ff dargelegt — und
nicht in ipso sanguine: wieder, wie schon 442, eine Spur der Vorstellung
von dem nahen Zusammenhang der Seele mit dem Blute; da die Speise,
die dem Körper Wachsthum verleiht, zunächst durch die Adern sich ver-
breitet, so wird auch die Seele zunächst im Blute genährt und wächst
dort. — 685 convenit: Übergang vom irrealen ins nahe hypothetische
Verhültniss; sie muss ganz unabhängig vom Körper und dessen Wachs-
thum für sich leben, und zwar so, dass dennoch u. s. w., μέ tamen: dass der
ganze Körper, nicht nur eine bestimmte Stelle Empfindung habe, wurde
öfters betont. — affluat: d. i. adfluat, nicht wie Dombart, Jahrbb. 1877
p. 341 meinte, afluat: s. Joh. Stöcklein, Untersuchungen zur Bedeutungs-
lehre, 1894, p. 814 — 686 Die Unmöglichkeit, dass bei völliger Ab-
geschlossenheit der Seele doch der Körper empfinden könne, muss nach
allem Vorangegangenen so unmittelbar einleuchten, dass hier ebenso wie
vorhin v. 667 ein ausdrücklicher Hinweis darauf geradezu pedantisch
wäre: also kann sogleich die Folgerung gezogen werden. — origo und
letum, interiisse und creatam esse 618, natalis dies und funus 712, natiowus
und mortalis 417, compta und distracta IV 27 eine kunstvoll varüirte
Zusammenstellung. — 687 leti lege: in gleichem Sinne V 58 mec validas
valeant aevi rescindere leges; hier giebt es kein foedus (s. zu 416), sondern
alles Gewordene muss sich unter das harte Gesetz des Todes beugen.
688 nam: dieser Fall ist nicht den zu 216 besprochenen beizusählen,
wo nach der Schlussfolgerung der Beweispunkt nochmals angeführt wird:
denn wenigstens des zweiten Arguments nec... exire videntur posse ist
noch mit keiner Silbe gedacht worden. Sondern es wird hier mit name,
wie sonst häufig mit enim, etwas Neues, freilich mit dem Vorhergehenden
Lucretius v. HEIRZB. 10
146 COMMENTAR
eng zusammenhüngendes angeschlossen. Die Betonung des gemeinsamen
Lebens von Körper und Seele hat nämlich die Vorstellung der räum-
lichen Vermischung beider hervorgerufen: auch diese wäre beim Eintritt
der Seele nach der Geburt unmöglich. Diese Vorstellung verlangt durch
eine weitere Ausführung veranschaulicht zu werden: so wird 691 paren-
thetisch ein neuer Satz namque ita conexa est eingefügt, und darnach
erst wird der begonnene disiunctive Satz mit mec, fam contextae cum
sini 695 zu Ende geführt Einen ganz ähnlichen Einschub hatten
wir 428: dort aber hatte er das Gefüge des Satzes gesprengt, das hier
erhalten bleibt. — Lachmanns an sich unwahrscheinliche Umstellung der
vv. 690—694 hinter 685 ist danach nicht nur überflüssig, sondern ver-
wischt den Gedankengang und hat ausserdem zur Folge, dass v. 685
entweder mit Lachmann und Brieger corrigirt oder mit Bernays und
Munro getilgt werden muss. — (anto opere: ἴω. spricht von etwas Be-
kanntem, was nicht hindert,. dass eine nähere Darlegung dann doch
noch wünschenswerth erscheint. — 690 Vielmehr ist das gerade Gegen-
. theil des non potuisse offenbare Thatsache; contra fieri ist wie contra
evenire, accidere u. &. verbreitet; vgl. contra csse 108. Eine merkwürdige
Variation des Verses, die aber dasselbe besagt, ist IV 1088 quod fieri totum
conira nalura repugnat: repugnat erklärt Munro hier richtig als conira-
dicens affirmat. — manifesta docet res Versschluss I 893. II 565. VI 139.
249. — 692 ossa vgl. 250 postremis datur ossibus atque medullis. —
693 morbus für morbi dolor, VI 657 aut alium quemvis morbi per membra
dolorem: obturgescit enim. subito pes, arripit acer. saepe dolor dentes. Die
Mediciner sprechen freilich stets nur vom dolor dentium: schreibt man
aber deshalb mit Lachmann hier morsus, so hätte L. gerade das durch-
schlagendste Indicium für seine These weggelassen — stringor wird
als üm. λεγ. geführt; stringere für das Wirken der Kälte ist bekannt. —
694 opprimere darauf drücken, hier “darauf beissen’, s. zu 668: das
Wort hat sonst in der Regel die speciellere Bedeutung des Zusammen-
oder Niederdrückens, aber vgl. 1851 wam quid in oppressu calido durabit
eorum, μὲ mortem effugiat, ldi sub dentibus ipsis? — Danach würde
man i^ [frugibus erwarten; aber das darauf Beissen ist zugleich ein
Herausbeissen aus dem Brode, deshalb e. De hätte dies “heraus aus’
nicht wiedergegeben: darum schrieb L. nicht swbifo de, sondern subilis
(sc. dentibus) e. So erklärt jetzt auch Nencini Riv. di fil. 1896 p. 308.
Der Begriff des Raschen, Plótzlichen ist erforderlich, weil bei langsam
vorsichtigem Kauen ja der Schmerz vermieden wird. — 695 mec ezire
incolumes: nachtrüglich wird hier die Ursache der Erscheinung angegeben,
die auf Grund der Beobachtung bereits mehrfach verwerthet war, dass
nämlich die Seele nicht als Ganzes den Leib verlässt. — exire et exsolvere
se € mervis, wie 1811 vita omnibus e nervis atque ossibus. exsolvatur,
dagegen 1932 animum nodis exsolvere, wo der Vorgang nicht so deut-
lich als ein räumlicher vorgestellt wird; da dies bei exsolvere meist der
Fall ist, ist such der blosse Ablativ dabei die Regel. Vgl v. 1060
exit magnis ex aedibus mit 519 swis mulalum finibus exit.
698 Die Seele kann, wenn sie von aussen kommt, den Körper
nicht durchdringen, ohne sich dabei aufzulösen. Die Seelenatome sind
mit denen des Körpers vermischt: wäre diese Mischung aber so ent-
VERS 688—708. 141
standen, dass eins zum andern hinzugethan wäre, wie etwa Wasser zum
Wein, so hätte das nach Epikurs xpäcıc-Lehre doch nur geschehen
können, οὐκ αὐτῶν τῶν μιγνυμένων εωμάτων «ςψζομένων ἐν τῇ
διαιρέςει, ἀλλ᾽ ἀναλυομένων εἰς τὰ croixeia. καὶ τὰς ἀτόμους, ἐξ ὧν
Exacrov αὐτῶν εὐυγκείμενόν πιυς τὸ μὲν οἶνος ἦν τὸ δὲ ὕδωρ τὸ δὲ
μέλι τὸ δ᾽ ἄλλο τι. Die Mischung kommt also φθορᾷ τε xol yevéca
τινῶν zu Stande: fj γὰρ εἰς τὰ «τοιχεῖα ἀνάλυςεις ἑκάςτου καὶ fi ἐκ
τῶν croixciuv cóvOecic αὐτῶν τὸ μὲν Tévecc, τὸ δὲ φθορά (fr. 290,
Alex. Aphrod. de mixt. p. 214 Br). — 700 tanto quique magis: ebenso
V 338. 343 quod si forte... credis .. tanto quique magis victus faleare
necessest, ursprünglich, wie Lachmann zu VI 459 (vicina cacumina caelo
quam sint quoque magis tanto magis edita fumant) richtig erklärt "um
je so viel mehr, hier aber nur ein verstärktes íawío magis. "Wenn
die Seele sich bei der Geburt durch den Körper verbreitet, so wird sie
um so mehr dann, beim Tode, ausgegossen fusa (1038 animam mori-
bundo corpore fudit) zugleich mit dem Körper untergehn: denn schon
jenes permanare war ein Untergehen.' — Man könnte daran denken, cum
corpore fusa als confusa corpore zu verstehen “bei der Vermischung
mit dem Körper’, weil sonst immer nur von diesem perire die Rede
ist: aber dagegen spricht schon die Analogie von 758 quare dissolei
quoque debent posse per arlus, denique wi inlereant una cum corpore
cunctae. L. Gedanke, der nicht ganz klar hervortritt ist wohl: “wenn
der Gegner annimmt, dass die Seele permanat (also, wie L. interpretirt,
perit), so ist es ja doch mit der Unsterblichkeit nichts, und es liegt
viel näher anzunehmen, dass die Seele nicht erst beim Eintritt in den
neuen Leib, sondern schon beim Verlassen des alten vergeht” — Dass
dissolvi und perire identisch ist, versteht sich; aber vielleicht wird nicht
Jeder zugeben, dass das permanare gleich dem dissolvi ist; deshalb wird
702 dispertitur enim per caulas corporis omnis hinzugefügt: dass dies
ohne ein dissolvi nicht möglich ist, leuchtet ein. Genau so 756 gwod
mulatur enim, dissolvitur, interit ergo: traiciuntur enim partes atque ordine
migrant; da wird die Identität von mutari und dissolos begründet. —
Lachmann schrieb dispertitus und bezog es auf den cibws; aber seine
Begründung de anima enim hoc dicetur infra "dum quasi per caulas?
rechnet nicht mit der Häufigkeit solcher Wiederholungen bei L., und
gegen L. Gepflogenheit wäre es, dem vergleichenden μέ ein so grofses
Stück des Satzes vorausgehen zu lassen. — 703 Die Speise vergeht, da sie
sich ja in Bestandtheile des Körpers, die Empfindung haben, verwandelt,
II 879 omnes natura cibos in corpora viva vertit; sie ergänzt das, was der
Körper verliert (vgl. II 1128 fluere atque recedere corpora rebus multa ...
sed plura accedere debent), aliam naturam sufficit ex se. — in membra
aique arius omnis, und zwar, wie die Seele, per caulas corporis: je
mehr sich die Speise vertheilt, desto nahrhafter ist sie: daher rühmt
der epikurisch gebildete Koch des Damoxenos (Athen. III p. 102 d,
III p. 350 Kock) παρὰ δ᾽ ἐμοὶ τρέφει τὸ προςφερόμενον βρῶμα καὶ
λεπτύνεται ὀρθῶς TE διαπνεῖ. τοιγαροῦν εἰς τοὺς πόρους ὁ χυμὸδε
δμαλῶς πανταχοῦ ευνίεταται. Als Beleg dafür qwam raro corpore siet
res, wird VI 946 angeführt diditur in cenas cibus omnis, auget. alstqwe
corporis ertremas quoque partis unguiculosque, — Gegen die Zulässigkeit
105
148 COMMENTAR
des Vergleichs wendet sich übrigens noch Ammonios (Ὁ) nach Nemes. de
nat. hom. p. 129 sq. M.: ἐπὶ μὲν yàp τῶν cwudrwv fj ἕνωεις ἀλλοίιυειν
τῶν εὐνιόντων πάντως ἐργάζεται, ἐπειδήπερ eic ἄλλα cópara pera-
βάλλεται, dic τὰ croixeia elc τὰ ευγκρίματα, καὶ al τροφαὶ εἰς αἷμα,
τὸ δὲ αἷμα εἷς εάρκα καὶ τὰ λοιπὰ μόρια τοῦ εὐματος. ἐπὶ
δὲ τῶν νοητῶν Évucic μὲν γίνεται, ἀλλοίωεις δὲ οὐ παρακολουθεῖ ...
καὶ fj ψυχὴ ζωὴ οὖςα, εἰ ἐν τῇ κράςει μετεβάλλετο, ἠλλοιώθη ἂν καὶ
οὐκέτι ἂν ἦν Ζιυή (vgl. Priscian. solut. p. 50 sq. Byw.). — 708 quibus
haec animi natura creatur entspricht dem aliam naturam sufficit ex se
oben. Also: es kommt doch auf ein nasci der Seele hinaus, und dazu
muss etwas Anderes, nämlich eine frühere Seele, vergangen sein gemäss
der Bedingung alles Werdens: »atalis dies und funus sind unzertrennlich.
713—740 ‘Bleiben im Leichnam Reste der Seele zurück? Wenn ja,
so ist sie zertheilt, also sterblich (718—716); wenn nein, woher ent-
stehen im verwesenden Körper die unzähligen neuen Lebewesen? Nimmt
man an, dass Seelen in sie von aussen eintreten, und stófst sich auch
. daran nicht, dass tausende dahin kommen, wo vorher eine war, so hat man
nur die Wahl, ob sich die Seelen die Körper selbst bilden, oder erst in
die fertigen eintreten (717—729). Das Erstere ist undenkbar: denn weder
haben die Seelen irgend welche Veranlassung, sich Kórper zu bilden,
noch die Fähigkeit dazu (730—737). Das Zweite ist unmöglich, da
(wie früher eingehend nachgewiesen) die enge Verbindung der Seele mit
dem Körper dann nicht entstehen könnte (738—740)' — Von den
beiden Theilen des Hauptdilemmas richtet sich nur der zweite (717—740)
gegen die Prüexistenz: da auf ihm aber das grüfste Gewicht liegt, der
erste dagegen ganz kurz erledigt wird, steht das Stück mit vollem
Recht in dieser Gruppe von Argumenten. — 713 Die Frage war von
Demokrit bejaht worden, der sich darauf berief, dass Haare und Nägel
des Leichnams zunächst noch weiter wachsen (Tertull. de an. 51), τοῦ
πλείονος (θερμοῦ xai αἰςεθητικοῦ) διαπνεομένου (Aet. IV 4,7 p. 890D.).
Ueber diese Lehre war eine Controverse zwischen Épikur und Demokriteern ^ -
entstanden: Cic. Tusc. I 84, 82 (fr. 17) fac enim sic animum interire
wt corpus: num igitur aliquis dolor aut omnino post morlem sensus in
corpore est? nemo id quidem dicit, etsi Democritum insimulat Epicurus,
Democriti negant. — Lucrez unterlässt es, sich selbst ausdrücklich für
eine der beiden von ihm genannten Möglichkeiten zu entscheiden: nach
898 sine menfe animoque nequit. residere per arius. lemporis exiguam
partem pars ulla animai musste er seine Frage verneinen. — praeterea
hier ganz ausnahmsweise nicht an erster Stelle, dem Versrhythmus zu
Liebe. — 715 haud erit wi: vgl unten 725 hoc est «t quaerendum
videatur, 188 est ulqui insinuentur, V 126 non est ut. putetur, V 978
non eral μὲ fieri. possel. — 1716 partibus amissis, was also der v. 515 fl.
aufgestellten Forderung widerspricht. — 717 sinceris membris ist un-
möglich von der Seele zu verstehen, als Gegensatz zu parlibus amissis:
weder hat L. von membra der Seele gesprochen — es ist die stehende
Bezeichnung des Körpers und L. gebraucht es in übertragener Bedeutung
nur vom mundus (mazima mundi membra V 248. 380), den er ja auch
sonst mit einem Organismus vergleicht —, noch kann ablaía wohl absolut
gesagt sein; vgl 439 cwm semed ex hominis membris ablata recessit.
VERS 703—7929. 149
Andererseits hätte es keinerlei Sinn, im Gegensatz zu rancenli viscere
719 hier die Unversehrtheit des Körpers zu betonen, denn dass der
lebendige Leib nicht verwest war, versteht sich von selbst. Man könnte
das Ueberlieferte höchstens so erklären, dass die sembra sincera sein
müssen, wenn die Seele überhaupt als Ganzes entweichen soll, wührend
bei einer Zerstückelung des Körpers ja auch die Seele mit getheilt wird.
Ich ziehe dieser künstlichen Interpretation Fabers Conjectur sincera e
vor; vgl 531 nec uno tempore sincera cexistil; dasselbe was 608. 696
incolumis heisst. sincera steht im Gegensatz zu libata, wie ia ut nullas
partis liquerit zu partibus amissis. — 718 nullas parlis ex se für nullas ex
suis partibus, da das Ganze ja dasselbe ist, wie all seine Theile zusammen.
— 719 Die Würmer, die im Leichnam entstehen, gehören zu den in
der antiken Zoologie viel behandelten ζῷα αὐτομάτως oder χωρὶς μίξεως
γινόμενα, deren Sextus hypot. I 41 viele Classen aufzählt. Wie L.
selbst sich ihre Entstehung denkt, sagt er hier nicht: aber er muss
sich den Vorgang analog der Entstehung von Würmern aus feuchter
Erde gedacht haben, die er II 871 (vgl. 898. 928. V 797) als Beweis
für die Verwandlung der insensilia in animalia anführt (vgl. Lactanz
div. inst. VII 7 Democritus vermiculorum modo pulavii homines. ceffusos
esse de terra nullo auctore. nullaque ratione). — Auf Epikureer kann
also gehen, was Jambl. περὶ ψυχῆς, Stob. ecl. I p. 376 W. berichtet (oi
περὶ Δημόκριτον καὶ Ἐπίκουρον sind vorher erwähnt): oi δὲ xarà
μεταβολὴν ἐξ ἑνὸς ζῴου φθειρομένου πολλὰ ζῷα καὶ πολλὰς Zwäc
παράγοντες... τὸ ἀπέραντον πλῆθος τῶν φυχῶν ἐπινοοῦειν ἐν τῷ
ἀεὶ πλεῖον τίγνεεθα. Möglich, dass Demokrit die Entstehung der
Thiere aus den im Körper zurückbleibenden Seelenresten erklärt hatte.
Als Beispiel für den Kreislauf von Leben und Tod die Entstehung von
Lebewesen im toten Körper olov εὐλῶν xal τῶν τοιούτων θηρίων bei
Olympiod. in Phaed. p. 112, vgl. p. 178 Finckh. — 720 vermes exspirant
statt der Seele, wie II 354 das geopferte Kalb einen Blutstrom ‘aus
haucht’, sanguinis exspirans calidum de pectore flumen. — 121 exos οἷ
exsanguis U. 8. f. dient nur zur Veranschanlichung; vgl. Arnobius IV 8
si exos genus humanum celui. quidam vermiculi nasceremur und vu 17
fervescere vermibus οἱ fluctuare.
723 privas in corpora jede für sich in ihren Körper, wozu auch
noch ertrinsecus gehört. — 724 cur milia mulla animarum: ganz ühn-
lich widerlegt bei Aeneas Gaz. Theophr. p. 17 Boiss. Euxitheos die Pr&-
existenzlehre, indem er fragt, wie sich dabei die Entstehung der Bienen
im todten Ochsen erklären lasse: ἄρ᾽ οὖν fj μία ψυχὴ κερματιςθεῖςκα elc
τὰς μυρίας bieckébacrat, ἃς ευλλέξας ὁ βοῦς μόνος κατεῖχεν, A τὰς
πολλὰς ἐκείνη προςκαλεςαμένη τὰς τῶν μελιττῶν ἀγέλας cuvéracce;
ταῦτά μοι καταγέλαςτα διαφαίγεται. — 727 wie 709 ironisirt L. die
gegnerische Auffassung durch Ausführung des Einzelnen: die Seelen
müssten jedes wurmbildende Atom einzeln einfangen und sich daraus dann
ihren Aufenthaltsort, ubi sinf, zimmern. Es ist kaum anzunehmen, dass
diese Ansicht wirklich je vertreten worden ist: trotzdem wird sie von
L. wie im Ernste wiederlegt. — 729 quasi kann hier nicht dazu dienen,
einen Ausdruck abzuschwächen oder zu entschuldigen; ein Bild liegt ja
nicht vor, und ähnliche Wendungen sind schon wiederholt (679. 689.
150 ᾿ COMMENTAR
698) dagewesen. Vielmehr scheint quasi einem “etwa” an Bedeutung
nahe zu kommen; so auch 814 quia nulla loci sil copia circum quo
quasi res possint discedere. — 180 cur faciant: von den metaphysischen
Ursachen der Wiedergeburt, wie sie die Vertreter der Lehre annahmen,
sieht L. ganz ab; von seinem Standpunkte aus sind sie garnicht dis-
eutirbar. Der Grund, weshalb die Seelen sich Körper suchen, könnte
nur physischer Natur sein; nicht eine jenseitige Macht, sondern nur die
Rücksicht auf das wtile (785) könnte sie veranlassen, sich einen Leib
zu bauen. wfile würde es ihnen aber nur erscheinen, wenn sie damit
einem Zustand der Unlust zu entgehen hofften: φυακῶς καὶ ἀδιδάκτως
τὸ Lov φεύγει μὲν τὴν ἀλγηδόνα, bubxer δὲ τὴν fjbovüv fr. 398.
Es ist aber nicht abzusehen, wodurch sie belästigt werden sollten, qua
re laborent (vgl. laborat 738): morbi, algus und fames werden dann als
labores aufgezählt: — 731 suppeditat hat ganz die Kraft eines un-
persönlichen Verbs wie licet angenommen; daher davon abhängig der
Infinitiv dicere, der nicht als substantivirt aufgefasst zu werden braucht.
^ — 788 corpus adfine: κατὰ τὴν ὁμούρηειν Epik. ep. I p. 20,17. Alle
Unlust beruht in letzter Linie auf körperlichen Leiden, daher alle Lust.
auf der Abwesenheit derselben, χαρᾶς ἀρχὴ ἁπάεης fj τῆς εαρκὸς εὐςτά--
θεια nach Plut. c. Epic. 5 fr. 600; sec gaudere quemquam | nisi. propter-
corpus nec dolere Cic. de fin. II 80, 98 fr. 430. So auch, wenngleich
in anderem Sinne, die stoische Lehre bei Berv. Aen. VI 724 animus per
se nihil patitur, sed laborat ez corporis coniunctione ... quamdiu est ine
corpore, palitur eius contagiones. Vgl. ferner Philod. de morte col VIIN
τὴν εὐυμπάθειαν πρὸς τὸ εὦμα τῆς ψυχῆς, εἰ καὶ τὰ πολλὰ w(ócov»
μετ᾽ ὀχλήςεως αἰτία... — 736 cwm subeant, sie bilden den Körper,
während sie gleichzeitig sich in ihn schiniegen, sie bilden ihn
hängigen Satzes gedacht. — 738 Die zweite Möglichkeit kann nach de
Ausführungen 679 ff, auf die der Prosaiker hier verweisen würde, kur|
abgelehnt werden: ἐυμπάθεια (679—685) und εὐμπλοκή (688—694
könnten dann nicht stattfinden. confagia wird dureh den Genitiv cosi
sensus näher bestimmt: ‘gegenseitige Berührung, die zu gemeinsamer Em}
pfindung führt.
741—775. "Geistige Eigenschaften bleiben (ebemso wie körperliche"
in den einzelnen Gattungen constant und vererbem sich von eine"
Generation auf die andere, und zwar zeigt sich diese Aehnlichkeit voi'
Beginn des Lebens an: das ist nur so zu erklären, dass der Geist ar
demselben Zeugungsact wie der Körper hervorgeht und mit diesem g.'
meinsam heranwächst: vertauschten die unsterbliehen Seelen einen Körp:
mit dem andern, so müssten in einer Gattung ganz verschiedene Ind"
viduen auftreten (741—753). Die Annahme, dass die Beele sich unt.
dem Einflusse:des Körpers verändere, ist mit ihrer Unsterblichkeit u:
vereinbar (154—159). Vertauschen aber die Seelen ihrem Körper imm -
mur mit einem solchen der gleichen Gattung, so bleibt doch die anfün'
VERS 729—741. 161
liche Schwäche des Geistes unerklärlich (760— 764): denn auch dabei
ist nicht zuzugeben, dass die Seele sich nach ihrem Körper veründere
(765—768). — Ferner ist nur bei der Annahme gemeinsamer Ent-
stehung die gemeinsame Weiterentwickelung von Geist und Körper bis
zur Vollreife zu erklären (769—771), und nur durch die Annahme
gemeinsamen Verfalls (also auch gemeinsamer Entstehung) das Scheiden
der Seele aus dem gealterten Körper, wozu eine unsterbliche Seele keine
Veranlassung hätte, da ihr auch im verfallenden Körper keine Gefahren
drohen (772—775)’. — Die Thatsache, dass Geist und Körper gemein-
sam entstehen, heranwacbsen und verfallen, war schon vv. 445 fl. ver-
werthet: dort wurde aber der Schluss daraus gezogen, dass auch ihr endliches
Schicksal das gleiche sein werde. Hier wird dieselbe Thatsache, wenn
auch in gänzlich abweichender Form, als Beweis gegen die Präexistenz
der Seele benutzt. Und während dort das gigni pariter nur behauptet
und dann nicht weiter betont worden war, liegt hier dem Zusammenhang
entsprechend darauf das Hauptgewicht, und der Beweis dafür wird aus-
führlich gegeben. Dabei tritt die Seelenwanderungslehre auf, ohne als
besondere Ansicht Einzelner eingeführt zu werden: sie wird als Bestand-
theil des Unsterblichkeitsglaubens empfunden. Das ist beim antiken
Schriftsteller nicht zu verwundern: Nemesius sagt nicht ganz mit Un-
recht (p. 115 M.) κοινῇ μὲν οὖν πάντες Ἕλληνες ol τὴν ψυχὴν ἀθά-
γατον ἀποφηνάμενοι τὴν μετενειυμάτωςειν δογματίζουειν. Bekämpft
hat die Lehre auch Diogenes v. Oin. in seinem Abriss des epikurischen
Systems, fr. 37 f. Us. p. 452f.
141 Dass Rasseeigenschaften wie violentia und pavor auf der Zu-
sammensetzung der Seele beruhen, war 288 ff. gezeigt; seminiwm die aus
gleichem Samen erzeugte Gattung, IV 1005 εἰ quo quaeque magis sunt
aspera seminiorum (am magis in somnis eadem saevire necessust. Fast
dasselbe ist saeclum: vgl. V 862 principio genus acre leomem sacvaque
saecla tutatast virtus, volpes dolus εἰ fuga cervos. Da ist fuga besser
am Platze als hier, wo L. das Bedürfniss empfindet, noch die Eigen-
schaft, die zur Flucht antreibt, den pator, hinzuzufügen. Vgl. Virg. Aen.
IX 719 inmisitque fugam Teucris atrumque timorem nach IL 9, 1 ᾿Αχαιοὺς
θεςπεείη ἔχε φύζα, φόβου xpuóevtoc Eraipn. Die einfache Correctur
cervis (für cerros), durch die jeder grammatische Anstoss schwindet,
könnte man nur verschmähen, wenn man annimmt, durch v. 748 werde
die Antwort auf die Frage im Sinne des Dichters gegeben, dadurch also
den folgenden Erörterungen vorgegriffen (denn Lachmanns Einfall, den
Vers einem lrrisor des Dichters zuzuschreiben und dari == monstrari,
patrius pavor. incitat == imitantur pavorem patrum zu fassen, war eine
seltsame Verirrung, der man nicht hätte folgen sollen). Das ist aber nicht
der Fall: der Vers besagt nur, was II 664 ausgedrückt ist sefimest
parentum naturam (vgl. auch IV 1214 primordia ... quae patribus
patres tradunt ab stirpe. profecta); dass sich die Eigenschaften von den
Eltern auf die Kinder vererben, ist eine Thatsache, die auch die An-
hänger der Seelenwanderung nicht leugnen können, die sie aber auf ihre
Weise erklären; und nur diese Thatsache soll hier oonstatirt werden:
die fuga geht von den Eltern auf die Kinder über, und dieselbe Furcht
die jene hatten, der pafriws pavor, jagt auch diese. Unvorsichtig ge-
152 COMMENTAR
wählt ist also höchstens der Ausdruck daíur, weil er genau genommen
den Boden der Thatsachen verlässt und in die Auffassung, die der
Dichter vertritt, bereits hineinspielt: aber ein Missverständniss war trotz-
deın kaum zu befürchten. — Vgl. die skeptische Bekämpfung der Astro-
logie bei Cic. de div. II 45, 94 quid? quod non intellegunt. seminum vim,
quae ad gignendum procreandumque plurimum calet, funditus tolli, medi-
ocris error cst? — quis enim non vide et formas el mores et plerosque
status ac molus effingere a parentibus liberos? quod non contingeret, si
haec non vis εἰ nalura. gignentium efficeret, sed temperatio lunae caelique
woderatio. — 744 All’ diese Eigenschaften entwickeln sich nicht etwa
im Geiste für sich allein, sondern membris ingeniogue, die ja coniuncta
sind; und zwar zeigen sie sich ex ineunte aevo (vgl. 344), wie besonders
betont wird: denn träten sie erst später hervor, so könnte man sie auf
den Einfluss der Umgebung, auf Erziehung u. s. w. zurückführen. —
746 Dass jedes Ding nur aus seinem ihm bestimmten Bamen erwachsen
kann, betont L. öfters, nachdem er es I 159 ff. ausführlich dargelegt hat,
um den Satz mil posse creari de milo zu erhärten; 169 seminibus quia
cerlis quaeque creantur. L. dachte wohl hier an jene Ausführung, wenn
er den Vers begann wie I 176 si non, cerla suo quia lempore semina
rerum cum confluxzerunt, patefil. quodcumque creatur. Man würde auch
hier das Adjectiv eher bei semine erwarten, wie I 169 (s. o.) II 707
omnia quando seminibus certis. cería generice creata conservare. genus
crescenlia posse videmus, IV 1225 wilo magis haec de semine cerio fiunt.
Auch ist der blosse Ablativ bei crescit auffällig (I 189 omnia quando
paulatim crescunt ut. par est semine cerlo crescere ist sehr unsicher) und
mit II 1114 terreno corpore lerra crescit nicht zu vergleichen; man
müsste creata aus crescit heraushören. Beide Anstösse werden beseitigt,
wenn man mit ceria die Ablative swo scmine seminioque verbindet. —
749 vgl Horaz od. IV 4, 29 fortes crcantur fortibus et bonis: est in
iuvencis, est in equis palrum virtus, neque. inbellem feroces. progenerant
aquilae columbam. — 753 desiperen! — saperent s. zu 299.
754 quod aiunt: diesen Ausweg erwähnt Alex. Aphrod. de anima
f. 128”: die Behauptung, der Mensch unterscheide sich von Fröschen u. a.
μὴ τῇ τῆς ψυχῆς δυνάμει ἀλλὰ ὀργανικῷ τινι cópam sei nicht ver-
schieden τῆς ὑπό τινῶν λεγομένης pereuyuydiceuc ... fj αὐτὴ μὲν γὰρ
ἐν πᾶςι τοῖς ἐμψύχοις ἔεται ψυχή, κατὰ δὲ τὰς τῶν cwudrwv διαφορὰς
διαφόρως ἐνεργήςει, ὃ κἀκεῖνοι λέγουειν. Bei einer ähnlichen Aporie
schlägt den gleichen Ausweg ein der (stoisch-platonische) Gewährsmann
des Servius zu Aen. VI 724: non esse in animis dissimilitudinem sed in
corporibus quac prowt fuerint. vel vicacia vel torpentia, ita. εἰ animos
faciunt ... cum ad corpus venerit (mens) non nalura sua utitur, sed ex
cius qualitate sutatur. Er macht sich auch fast denselben Einwurf wie
L.: occurit illud: omne quod corrumpitur aeternum non est. si animus
insanit irascitur desiderat timet, caret acternitate, cui sunt ista. contraria:
nam passio aeternitatem resolvit. — 166 fl. Ahnlich wie 517 ff. und 701 ff,
aber doch dem Zusammenhang entsprechend etwas anders gewendet. Bei
der statio findet eine Dislocirung der Theile Statt; also werden sich
diese auch beim Eintritt in den Körper auflösen können, und wenn
dann nicht sämmtlich, so doch jedenfalls mit dem Körper zugleich ver-
VERS 741—712. 153
gehen. — mwlalur nimmt das fleci des vorhergehenden Verses wieder
auf (vgl 515. 516 cowwware — flectere), ohne Rücksicht darauf, dass
es eben in anderm Sinne, als 'vertauschen' gebraucht war. — 760 sin
führt einen neuen Ausweg der Gegner ein, wie z. B. I 770 sin ila forte
pulas. Brieger will das überlieferte sic halten; es zeige, dass vorher
Verse ausgefallen seien, die den durch v. 764 geforderten Hinweis auf
die übrigen Classen von Lebewesen enthalten haben müssten. Aber die
Gegner werden zu dieser Áusdehnung ihrer Lehre gar keine Veranlassung
gehabt haben, während sie L. recht wohl als nothwendige Consequens
durch v. 764 andeuten konnte. Vgl. Gregor v. Nyssa de an. p. 2818
(ed. Paris. 1638, p. 102 Krab.) τινὲς μὲν γὰρ ὑβρίζουςι τῇ κοινότητι
τὸ ἀνθρώπινον, τὴν αὐτὴν ἀνὰ μέρος ἀνθρώπου τε xai ἀλόγου ψυχὴν
διοριζόμενοι Yirvecdan, μετενδυομένην τὰ cipara καὶ πρὸς τὸ Apecxov
ἀεὶ μεταβαίνουςαν, ἢ πτηνὸν ἢ ἔνυδρον ἢ χερεαῖόν τι ζῷον γινομένην
μετὰ τὸν ἄνθρωπον, καὶ πάλιν ἀπὸ τούτυν πρὸς τὴν ἀνθριυπίνην ἐπ-
ανιέναι φύειν’ ἕτεροι δὲ (Emped.) καὶ μέχρι τῶν θάμνων τὸν τοιοῦτον
λῆρον éxrelvovav .... τοῖς δὲ τοῦτο δοκεῖ μόνον τὸ ἐξ ἀνθρώ-
που ἕτερον ἄνθρωπον ἀεὶ μεταλαμβάνειν, καὶ διὰ τῶν αὐτῶν
πάντοτε τὸν ἀνθριύπινον διεξάγεςθαι βίον, νῦν μὲν ἐν τούτοις, πάλιν
δὲ ἐν ἑτέροις τῶν αὐτῶν ψυχῶν εἷς τὸ διηνεκὲς γινομένων. Wer
diese zuletzt Erwähnten sind, weiss ich nicht. --- 762 nec prudens οἷα.
erläutert das Vorhergehende; prudens “mit einer auf Erfahrung begrün-
deten Umsicht und Einsicht begabt” ist hier bezeichnender als sfullus;
puerorum aetas. improvida I 939. Daran wird dann in der oben an-
gedeuteten Absicht eine Analogie aus dem Thierischen angeschlossen: sec
tam doctus equae e. 4. s. — 765 Dagegen könnte wieder, wie schon oben,
behauptet werden, dass die Seele xarà τὰς τῶν cwudrwv διαφορὰς
διαφόρως ἐνεργήςει (Alex. Aphr. zu v. 754); confugient tenerascere für
illuc confugient ut dicant ten.; nicht ganz so kühn Cicero Verr. III 83,
191 an... illuc confugies, vecturae difficullate adductos ternos denarios
dare maluisse, im Grunde nicht verschieden von milio me venturum —
aliquem qui dicat me v., oder adducor rem ita esse == eo addwcor «t
credam rem ita esse; defendo me fecisse == in defensione dico m. f. —
167 mutata (anto opere == 774; das Argument inhaltlich dem dortigen
gleich, aber hier eigenartig pointirt: cifam amittere ist gleich mori, mag
es nun ‘ein’ Leben, wie hier priorem, oder 'das' Leben sein. — 770 ce-
pilum aetatis tangere florem «x V 847; vgl. I 564 aevi contingere florem,
die ersehnte Blüthe berühren, d. h. zu ihr gelangen; Virg. Aen. VI 828
si lumina vitae attigerint. Durch den Zusatz cupilum wird flos aetatis
als ein erstrebtes und erstrebenswerthes Ziel hingestellt, und somit auch
die Vorstellung wachgerufen, dass sich der Erreichung des Ziels ein
Hinderniss in den Weg stellen könne. Im Übrigen ist das Bild ja eines
der meistverwendeten, auch im Griechischen, z. B. Solon (Bergk II p. 50)
fiBnc ἐρατοῖςειν ἐπ᾿ ἄνθεει. — 771 consors in origine prima verweist auf
die Auseinandersetzung 831 ff. zurück: ab origine prima fiunt consorté
praedita. vita. — 772 Als Bubject zu quid sibi vult den Infinitiv exire
scil vim animi zu fassen, ist grammatisch nicht unbedenklich (Munros
Übersetzung whal means it by passing out ist jedenfalls incorrect) Zu-
dem lautet die Frage besser "warum entschliesst sich die Seele, den Leib
154 COMMENTAR
zu verlassen’ als "was hat es zu bedeuten, dass sie verlässt’, denn es
soll hervorgehoben werden, dass die Seele, die freiwillig in den Körper
eintritt, ihn auch aus eigener Initiative wieder verlässt. Ich fasse also
quid als adverbialen Accusativ. — Die eigene Erklärung des Vorgangs
unterdrückt L., um nicht lästiger Einförmigkeit zu verfallen: nach dem
Vorigen versteht es sich von selbst, dass der gemeinsame Verfall die
Folge der gemeinsamen Entstehung ist. — 774 Der Körper als Haus
(vgl. das sehr häufige, auch von Demokrit gebrauchte cxíjvoc), wie bei
Bion (Teles p. 10H.) καθάπερ ἐξ οἰκίας... οὕτω καὶ ἐκ τοῦ cuparíou
ἐξοικίζομαι. Seneca. ep. 30, 2 «ubi (in senili corpore) tamquam in putri
aedificio omnis iunctuwa discluditur . . . circumspiciendum est quomodo
exeas. — aelatis spalio fessa vetusto: II 1174 spatio aetatis defessa ve-
lusto; aetatis spatium == aelas, dann sogar spatium allein: V 827 mulier
spatio defessa vetusto.
776—188 “Dass bei Zeugung und Geburt unzählige Seelen warten und
um den Vortritt mit einander kämpfen sollen, ist eine ganz lächerliche Vor-
- stellung; oder haben etwa gar die Seelen unter einander abgemacht, dass,
wer zuerst anlangt, das Vorrecht auf den betreffenden Körper hat? —
Unter ähnlichen absurden Consequenzen der Seelenwanderungslehre führt
Gregor v. Nyssa de an. p. 235 b (112 Krab.) an τὸ olecdaı τὴν ψυχὴν τὰς
cuvödouc τῶν ἐν cuZuyla Ζώντων περιεργάζεεθαι ἢ τὰς Aoxelac ἐπι--
τηρεῖν, ἵνα τοῖς φυομένοις εὐμαεῖιν εἰεκριθῶειν: die Uebereinstimmung
mit L. ist frappant, aber die weitere Ausführung weicht von L. ab. Dass!
die bekämpfte Ansicht wirklich je aufgestellt worden sei, ist kaum glaublich, |
aber nahe kommt ihr doch die Vorstellung gewisser Platoniker, die Porphyr..
πῶς ἐμψ. τὰ ἔμβρυα XI 2 (p. 48 Kalb.) bekämpft: οὔτ᾽ οὖν ἀναγκαζο.
μένη ἢ αὐτοκίνητος ψυχὴ εἴςειειν εἰς τὰ εώματα οὔτ᾽ ἔτι μᾶλλον ἐπι 1
τηροῦςεα τὸ cröpa καὶ τὰς ῥῖνας, rà καταγέλαςτα δὴ ταῦτα ἃ καὶ;
λέγων dv τις αἰεχύνοιτο, ἐφ᾽ οἷς τινες τῶν Πλατωνικῶν ceuvüvovrai*
... 8 οὔθ᾽ ὥςπερ ὄρνεον διὰ θυρίδος εἰς οἰκίαν, οὕτως ἵπταται διὰ.
«τόματος ἢ ῥινῶν fj ψυχὴ διὰ τοῦ ἀέρος πετομένη Vgl. ferner-
Hermipp. de astrol p. 60 K.-V. gegen die Seelenwanderung: navränacıwt
ἄτοπον qácxev πανταχῇ περιιέναι ZnroUcac οἴκηειν (τὰς ψυχάς), ὁπότ
μῖξις ἐν ζῴοις γένοιτο. --- 776 conubia Veneris sind die cóvobot τῶνυξ
ἐν cuZuyig Zuvrwv, conubium bei Dichtern und späteren Prosaikern hä
für concubitus: das wird hier durch den Zusatz Veneris noch verdeutlich
(Munro führt an Ovid am. II 7, 21 quis Veneris famulae conubia libea
inire ... cedit), denn Venus waltet nicht über der Ehe, sondern übe
der geschlechtlichen Liebe (sogar IV 1268 riris Venus wi concimni
esset == concubitus). Und zwar nicht nur der Menschen, sondern alle
Lebendigen: aber wenn auch Spätere coniugium, maritus u A. (ver
nubunt aliles Perv. Ven. 2) unbedenklich von Thieren brauchen, wi
doch L. unter conubia nur menschliche verstanden haben. conubia Veneri
und paríws ferarum ergänzen sich also zu den Gesammtbegriffen '
gattung und Geburt von Menschen und Thieren’; wo ein conubium sta
gefunden hat, warten die Seelen auf den partus. — ferae hier fü;
armenta feraeque (II 921), colucres armenta feraeque et. pecudes et aqua
(IV 1197) als Vertreter des ganzen Thiergeschlechte, wie IV 686. I 25:
hinc alitur. porro nosirum genus. atque ferarum (vgl. u. a. II 598, Polla
VERS 172—181. 155
de artis voc. Lucr. p. 45). — 778 Asyndetisch wird an praesto esse
angefügt exspectare cerlareque, um die Lächerlichkeit der Vorstellung
augenscheinlich zu machen. Sie streiten mit einander, weil sonst, wie
Gregor a. a. Ὁ. die Situation ausmalt, dowoc ἐν τῷ μέεψ καὶ ἀλῆτις
ἣ ψυχὴ περιπλανήςεται, τῶν μὲν οὐρανίων ἀπορρυεῖςα, εὐματος δέ,
ἂν οὕτω τύχῃ, πρὸς ὑποδοχὴν ἀμοιρήςαςα, und zwar praeproperanter,
mit komischer Hast. — 788 neque viribus contendant, sondern höchstens
celeritate. Auch hier wieder kann sich der Dichter jede kritische Be-
mer ersparen.
184—805 'In der Natur sehen wir Alles an einen bestimmten Ort
gebunden: so kann auch die Seele nicht ausserhalb des Körpers ent-
stehen oder bestehen. Wäre das möglich, so würde viel eher noch der
Geist an beliebigen Stellen des Körpers sich finden, wobei er doch noch in
demselben Gefässe bliebe. Da nun selbst im Körper wieder der Seele
und dem Geist bestimmte Orte angewiesen sind, so können sie noch viel
weniger ausserhalb des Körpers existiren (784— 797). Also muss, wenn
der Körper vergangen ist, auch die Seele, die schon vorher im Körper
aufgelöst war, vergangen sein. Es ist nämlich überhaupt widersinnig,
eine gemeinsame Existenz und Wirksamkeit von Sterblichem und Unsterb-
lichem anzunehmen: denn es giebt doch nichts, was so von Grund aus von
einander verschieden wäre: und das sollte gemeinsam den Stürmen des
Lebens Trotz bieten? (798—805)’. — Der Grundgedanke des Arguments
war bereits früher in anderem Zusammenhange verwerthet: s. zu v. 615.
Ueber die Anfügung der letzten Verse zu 798. — Die Verse 784—797
hat L. im 5. Buche (128ff.) wiederholt, wobei er nur Anfang 58
statt denique) und Schluss (formamque animalem statt durare genique) ab-
zuändern brauchte. Sie liefern ihm dort ein vortreffliches Argument
gegen die Beseeltheit der Himmelskörper und sind so ganz an ihrem
Platze: aber man erkennt doch, dass sie von bier dorthin ü
sind, nicht umgekehrt: denn wenn V 126 gesagt war, der Geist könne
nicht cum quovis corpore sein, so durfte strenggenommen 132 nicht
schlechthin sine corpore, ohne den Zusatz "den ihr bestimmten’ gesagt
werden; und wenn auch 141 sehr geschickt ergänzt wird extra corpus
formamque animalem, so empfindet man doch, dass erira corpus ursprüng-
lich als Gegensatz zu in corpore gedacht war. — Die Ueberlieferung
der Verse deckt sich (abgesehen von den gleichberechtigten Varianten
im ersten Verse aequore im alto und aeqwore salso) in beiden Büchern
vollständig: es ist schon aus diesem Grunde sehr bedenklich, sie ab-
zuändern (Lachm. 789 longiter, 790 quid si posset, Madvig advers. crit.
II 24 798 iam, dun .. . maneret). |
785 pisces in arvis: vielleicht mit Rücksicht auf die fabwla pisces
posse vivere sub terra et effodi, non capi (Sen. qu. nat. III 17), s. darüber
Theophrast bei Athen. VIII p. 331. 332a und Polyb. 34, 10; auch als prodi-
gium: Liv. XLII 2, 5 in Gallico agro quo inducerdur aratrum sub exsistem-
libus globis pisces cmersisse; Iuven. 13, 65 mirandis sub aratro piscibus
invenlis. Dann könnte auch im folgenden Verse an das häufig als prodigisems
gemeldete Weinen, Schwitzen, Bluten von Götterbildern gedacht sein. —
787 crescat et insit mit Umkehrang der natürlichen Folge wie unten
797 dwurare genique, VI 527 celcra quae. seorsum crescunt. soorsumgeue
156 COMMENTAB
creantur. — 189 longius s. zu 676. — 790 Die Verbindung qwod enim
hat Lachmann mit Recht für incorrect erklärt, und doch ist es nicht
möglich, enim zum Hauptsatze zu ziehen: denn wenn es auch an erster.
Stelle VI 1277 wiederkehrt (was Lachmann mit Unrecht leugnet),
so wird es sich doch als Betheuerungspartikel, die es hier sein müsste,
. im Nachsatze nicht rechtfertigen lassen — ganz abgesehen davon,
dass L. diesen Gebrauch sonst überhaupt nicht kennt. Madvig a. a. O.
hält quod si posset enim, ohne doch auf die entgegenstehenden Bedenken
einzugehen: analoge Fälle werden also auch ihm nicht bekannt gewesen
sein. Trotzdem schliesse ich mich ihm an. Die relativische Anknüpfung
ist bei L. bereits so überaus häufig, dass er sie nur noch schwach als
solche empfunden haben mag und sich also nicht scheute, sie auch da
anzuwenden, wo er, wie hier, auf die ausdrückliche Betonung des causalen
Verhältnisses durch enim nicht verzichten wollte; vgl. Varro r. r. I1 4, 8
ul volutentur in luto; quae enim illorum requies, ut lacatio hominum. —
Munros Versuch, der Construction durch eine Parenthese (posset emim
sullo prius) aufzuhelfen und den Nachsatz mit soleret beginnen zu lassen,
ist sachlich wie sprachlich (Trennung von si und possci/) gänzlich ver-
unglückt. — 792 “Der Geist würde... sein können, und demnach
auch wirklich an beliebigem Orte entstehen’: dieser nothwendige Fort-
schritt des Gedankens wird verwischt, wenn auch innasci noch dem posse
untergeordnet und von soleret getrennt wird. An innasci quavis in
parie schliesst sich dann eng an fandem— manere: ‘würde doch dabei
wenigstens .. . bleiben. Tandem in codem gehört zusammen; dabei
kommt íandem einem saltem oder (amen an Bedeutung nahe, könnte
aber auch als bloss hervorhebend gemeint sein: den Uebergang von
dieser Anwendung zu jener (jüngeren, s. Langen Beitr. p. 88 ff.) illustrirt
z. B. Terenz Eun. 1055 perfice hoc precibus pretio, «t haeream in parte
aliqua. tandem. apud Thaidem; vgl. dann Titinn. fr. 58 R. sin forma odio
sum, landem at moribus placeam viro. — in eodem homine natürlich
nicht “im selben Menschen’, sondern “in demselben, nämlich im Menschen’,
was durch in eodem vase völlig klar wird. Ein Ortswechsel im gleichen
Organismus wäre noch eher möglich, als ein Aufenthalt ganz ausserhalb |
dieses Organismus, 797 fotum extra corpus. — 194 quod quoniam findet |
sich nur hier bei L., ist aber sonst nicht ungewöhnlich — cerfwm ac
dispositumst 187 ist hier mit Nachdruck erweitert zu constat certum dis-
j videtur
798—805 Nachdem in den vorhergehenden Versen, dem Zusammen- |
hang gemäss, ebenso wie 677. 686. 711. mit peinlicher Gewissenhaftig-
keit das Entstehen neben dem Bestehen genannt war (crescat εἰ imsif, |
oriri ncque esse, esse el inmasci, esse et crescere, durare genique), überrascht |
es hier, lediglich den Schluss auf das periisse gezogen zu sehen, zumal da
v. 796 f. als Clause] völlig ausgereicht hätte. Es überrascht ferner disira- |
c«m in corpore tolo, wovon seit v. 614 nicht mehr die Rede war. Daran.
schliesst dann mit qwippe etenim ein Hinweis auf den starken Gegensatz |
zwischen Bterblichem und Unsterblichem, der ein Zusammenwirken un-
möglich mache: auch dies fällt an dieser Stelle auf, wenn auch nicht
wegen der Ánknüpfung mit cfenim: denn das braucht nicht das unmittel-.
bar Vorhergehende zu begründen. Die erwähnten Anstösse würden aber,
4d
VERS 181---800. 161
beseitigt oder doch sehr gemildert, wenn die vv. 798—805 hinter 623
stünden. Da wird mit vollem Recht nur vom Untergang der Seele ge-
sprochen, und vom distrahi war unmittelbar vorher die Rede; da fehlte
die Clausel, die hier vom Ueberfluss ist; da war der allgemeine Satz
aufgestellt seguitur res rem, und das Zusammenbestehen von unvereinbaren
Gegensätzen als unmöglich bezeichnet: den Paaren ‘Flamme und Wasser,
‘Feuer und Kälte’ schliesst sich als drittes “Ewiges und Vergängliches’
ungezwungen an. Ich will aber nun nicht etwa die Verse dorthin
stellen, sondern bin im Gegentheil der Ansicht, dass sie L. zwar zu-
nächst in jenem Zusammenhange geschrieben, dann aber selbst hierher
gestellt bat. Der Grund liegt auf der Hand: das Argument beruht nicht,
wie alle bisher vorgebrachten, auf Thatsachen oder der thatsächlichen
Unmöglichkeit von Consequenzen, die sich aus dem Unsterblichkeitsdogma
ergeben, sondern auf der allgemeinen Erwägung, dass morlale und ader-
sum nicht gemeinsam wirken können: es eignete sich also dazu, den
Uebergang zu dem ganz auf principiellen Erwägungen fussenden ab-
schliessenden Capitel 806—829 zu bilden; da nun das Argument, zu dem
es den Abschluss bildete (615—623), in nur wenig veränderter Form
784 ff. wiederkehrte, enstschloss sich L. zu jener Umstellung, ohne der
geringen Missstände zu achten, die sich daraus ergaben. — 799 disir.
in c. t. vgl. 590 disiractam corpore in ipso. Zur Hervorhebung des
Ganzen ist hier kein Grund abzusehen; eher noch, wenn die Verse
nach 623 stünden, da dort bei der Beweisführung selbst nur der Qeist
genannt war, während aus dem allgemeinen Saize segwilur res rem auf
die ganze Seele geschlossen werden konnte, — 800 iungere, consentire,
fungi mutua eine erschöpfende Bezeichnung für den Begriff des cuunadeiv;
zum letzten Ausdruck vgl 168 parifer fungi cum corpore εἰ «ma consem-
lire animum nobis in corpore cermis; IV 946 pars (animae) ... won
queat esse coniuncia inter se neque motu mulua fungi, II 76 inter se
mortales sutua vicont. Den drei Synonymis entsprechen drei entgegen-
gesetzte: diversius aut magis inter se disiunctwun discrepitansque: inter se
ist nur zum mittleren Gliede gesetzt, wirkt aber auch vorwärts und
rückwärts. Von einander verschieden sind nun im Grunde nur die beiden
Wesenheiten, man würde also als Fortsetzung nur erwartsn quam mortale
et immortale, oder mit leichter Aenderung der Construction quam mortale
immortali. Dazu kommt aber noch der Vers iunctum in concilio saevas
tolerare procellas, der in mehrfacher Hinsicht höchst auffällig ist. Damit
ist nämlich der ursprüngliche Gedanke “was ist mehr von einander ver-
schieden?', fallen gelassen und es hat sich der weitere untergeschobem
*was ist unwahrscheinlicher, als dass so verschiedene Dinge gemein-
sam . .?*; und zweitens ist nun nicht mehr von gemeinsamer und wechsel-
seitiger Thätigkeit, sondern — ein ganz neu auftauchender Gedanke —
“ von gemeinsamem Ertragen der Lebensstürme die Rede. Diese spielen
nun zwar nicht im Vorhergehenden, wohl aber im Folgenden eine Rolle:
an die Behauptung, dass auch das angebliche immortale den saerae pro-
cellae ausgesetzt ist, schliesst die methodische Untersuchung über deren
Möglichkeit ungezwungen an. Die Richtigkeit also meiner Vermuthung
über den Ursprung der vv. 798 ff. vorausgesetzt, ist wohl die weitere
nicht zu kühn, dass der Abschnitt ursprünglich mit 804 schloss und 805
168 | COMMENTAR
erst bei der Umstellung hinzugefügt wurde: damit würde sich das selt-
same Abbiegen in Form und Gedanken hinreichend erklären, ohne dass
man mit Brieger eine Lücke nach 804 anzunehmen brauchte. — Zu
mortale quod est vgl 11079 nec quod inane autem est wlli subsistere
debet: auch hier dient die Umschreibung statt des einfachen mortale zur
Hervorhebung des Begriffs — 805 conciliwn sonst regelmässig von der
Vereinigung der Atome, durch die ein εὔγκριμα entsteht: so ist auch hier
die innigste Verbindung gemeint, wie sie erforderlich ist, um gemein-
sam saeras tolerare procellas. .
806—829. “Was ewig ist, muss entweder gegen jede Einwirkung
von aussen unempfindlich sein, wie die Atome, oder überhaupt keine
Berührung zulassen, wie das Leere, oder keinen Raum um sich haben,
wohin es sich auflösen und woher zerstörende Kräfte kommen könnten.
Auch die Annahme, dass die Seele dank ihrer eigenthümlichen Constitution
unangreifbar sei, ist falsch; sie leidet ja unter der Krankheit des Körpers
und durch den Gedanken an Zukünftiges und Gegenwärtiges; dazu
kommen noch andere seelische Krankheiten” — Die Verse 806—818,
in denen die Möglichkeiten ewiger Dauer aufgezählt werden, kehren
V 8511f. fast wortgetreu unter den. Argumenten für die Vergänglichkeit
der Welt wieder, und es leidet keinen Zweifel, dass sie in diesem Zu-
sammenhange, nicht ursprünglich für unsere Stelle, gedichtet worden
sind. Während dort v. 364 ff. ganz correct nachgewiesen wird, dass
auf die Welt keine der drei Möglichkeiten zutrifft, wird hier still-
schweigend als selbstverständlich angenommen, dass die Seele weder
solida noch inanis noch der summa summarum gleich sei, und es wird
nur im Anschluss daran eine Behauptung widerlegt, die höchstens zur
ersten Möglichkeit in Beziehung gesetzt werden kann, wahrscheinlich
aber als ganz selbständig gedacht ist. Ferner hat es dort sehr guten
Sinn, als dritte Möglichkeit das Fehlen «eines Raumes ausserhalb auf-
zustellen, denn zu den Beweisen für die Unzerstörbarkeit des Weltalls
gehörte, dass ἐκτὸς οὐδέν ἐςτι τοῦ κόςμου, πάντων εἰς τὴν ευμπλή-
ρώςειν αὐτοῦ ευνερανιεθέντων (Philo de aet. mundi p. 611 M.): betreffs
der Seele liegt der Gedanke an jene Möglichkeit ganz fern. — Also
hat entweder L. selbst die Verse nachträglich aus dem 5. Buche hier
eingefügt; oder sie sind von einem 'lecfor philosophus’ hier als Parallel-
stelle beigeschrieben gewesen und fälschlich in den Text gerathen, dem-
nach zu streichen: so Lachmann (dem ausser Giussani-Brieger Alle ge-
folgt sind). Etwas Aehnliches ist I 44 ff. zweifellos geschehen (vgl. auch
zu 475), die Möglichkeit an sich auch hier zuzugeben, da vv. 819 ff,
auch wenn sie unmittelbar an 805 anschlössen, verständlich sein würden,
die beanstandeten Verse also auf den ersten Blick entbehrlich scheinen.
Aber sie sind doch unentbehrlich. Die vv. 819—829 beweisen aus
den Krankheiten des Geistes seine Sterblichkeit: das war v. 459 ff. be-
reits so ausführlich geschehen, dass hier blosse Andeutungen genügen.
Warum diese Wiederholung? Warum hier, nach allen gegen die Pr&-
existenz gerichteten Argumenten wieder eins, das lediglich den Untergang -
im Auge hat, also in die frübere Reihe gehört? Warum geht hier L.
plötzlich auf den Standpunkt des Gegners ein, was er sonst nur thut,
wenn er Einwände gegen seine eigenen Argumente zurückweist? Diese
VERS 800—816. 159
Fragen sind nur zu beantworten, wenn wir vv. 806—818 halten. Als
L. Buch 5 schrieb, fand er in seiner Vorlage den erschöpfenden Nach-
weis, dass die Welt nicht unvergänglich sein könne, weil ihr alle Be-
dingungen der Ewigkeit fehlen. Das musste auch für die Seele zu-
treffen; und so entschloss sich L., den zahlreichen im 3. Buch gegebenen
Argumenten noch dies neue, methodisch höchst bedeutsame hinzuzufügen.
Die gegebene Stelle dafür war der Schluss: nach der langen Reihe von
Einzelbeweisen war ein letzter umfassender, der auf den allgemeinen
Begriff der Ewigkeit sich berief, sehr wohl am Platze. Dabei erliess
er sich und dem Leser die Feststellang der Thatsache, dass die Seele
weder ganz von Leerem frei noch selbst das Leere sei, noch den ganzen
Raum des Alls ausfülle, und beschränkte sieh darauf, einen Einwand gegen
die Gültigkeit des allgemeinen Satzes für die Seele zurückzuweisen.
807 respuere ictus nec. penetrare pati sibi quicquam: vgl. Philo
a. ἃ. O. p. 610 &rac δὲ τοῖς φθορὰν ἐνδεχομένοις αἰτίαι διτταὶ τῆς
ἀπωλείας" hi μὲν ἐντός, fj δὲ ἐκτὸς mpoünóxewrat. Dieselbe Unter-
scheidung hat L. hier, nur dass bei ihm alle zerstörenden Kräfte,
z. B. auch Krankheiten, von aussen kommen: aber die einen wirken
durch Stoss oder Schlag, die andern dringen ein und wirken dann von
innen (intus 809) auflösend; vgl I 528 haec (die Atome) seque dissolvi
plagis extrinsecus icta possunt, sec porro penitus penetrata reteszi .
nam meque conlidi sine imami posse videlur quicquam wec framgi sec
findi ..., nec capere umorem neque item manabile frigus nec penetralem
ignem, 222 vis ... quae res diverberel icu aut intus penetret per inania
dissolvatque. — respuere: TI 888 lumen. per cormum transit, at. imber
respuitur ‘prallt ab’; respuentes ictus von Diamanten Plin. n. h. 37, 57.
— 808 penetrare sonst stets mit Angabe des Wohin (in, ad, per ete.)
oder mit Object, das hier durch sibi pati ersetzt wird. — 814 sit
ist hier und V 859 überliefert und nicht mit Lachmann in fif abzu-
ändern, denn der Satz qwia nulla loci sit copia circum steht mit den
vorhergehenden qwia swnt solido cum corpore und plagarum quia sunt
experlia nicht auf gleicher Stufe: dort sind feststehende Eigenschaften
der betreffenden Gegenstünde angegeben, daher der Indicativ; hier handelt
es sich um etwas ausserhalb des Gegenstandes Befindliches, die loci copia,
die für ihn nur gegebenen Falls, wenn ihn nämlich eine plaga trifft, in
Betracht käme, daher der Conjunctiv: si accipiamt plagam, iamen locus
non sit quo possint discedere. Im Folgenden meque extra quis locws
... séque corpora suni werden dann wieder thatsächliche Angaben
gemacht, ebenso wie VI 827 posterius fi uli ... sit quoque vita comenda,
propterea quod magna mali fit copia circum. — 816 summarum sunm,
in Buch 5 folgt v. 868 hanc rerum summam, unsere Welt, als Gegensatz
zur summa der Welten, dem All Dessen Unveränderlichkeit und Ewig-
^ keit ist nachgewiesen II 308 nec rerum summam commutare «lla potest
vis: nam neque quo possit genus ullum materiai effugere ex omni quicquams
est, neque in omne seorsum unde coorla queat nova vis inrumpere οἱ omnem
naturam rerum mutare et vertere molus. In ganz ähnlicher Weise wird hier
die aeternitas des Alls nochmals begründet: dass kein Auseinandergehem
möglich ist, genügt nicht, denn dadurch wäre z. B. ein comlidi nicht
ausgeschlossen; aber hierzu wären fremde Körper erforderlich, und auch
160 COMMENTAR
die kónnen nicht vorhanden sein, παρὰ yàp τὸ πᾶν οὐδέν écnv, ὃ ἂν
εἰεελθὸν eic αὐτὸ τὴν μεταβολὴν ποιήςαι Epik. ep. I p. 6, 3. —
817 diffugiant steht neben dissilians V 362 gleichberechtigt, wie oben
in alto neben salso; vgl. effugere 1 305 (oben citirt); I 1094 ne moenia
mundi diffugiant subito magnum per inane soluta. Dasselbe Wort war
öfters von der vergehenden Seele gebraucht (122. 255. vgl. 222), ist
also hier besser am Platze als dissiliant. Als Subject wird man nicht
summae, sondern allgemein res zu denken haben.
819 Dass von den drei angeführten Müglichkeiten ewiger Dauer
auf die Seele keine zutrifft, ist ohne Weiteres klar, und der Dichter darf
sich also den Beweis, ja sogar die Behauptung ersparen: nicht so im
5. Buch, denn der dritte der genannten Fälle war ja wirklich für die
Welt in Anspruch genommen worden, und so werden denn dort be-
greiflicher Weise auch die beiden ersten mit kurzen Worten berührt.
Hier dagegen schliesst L. sofort eine Widerlegung derer an, die für die
Beele eine Ausnahmestellung beanspruchen und behaupten, obwohl sie
. weder solida, noch inane, noch summa summarum, sei, eigne ihr doch
kraft ihrer eigenthümlichen Natur Unzerstörbarkeit: ‘wenn sie aber, nicht
sus einem der genannten Gründe, sondern vielmehr (magis) deshalb
unsterblich sein soll ...' Die anima wird nicht genannt: das ist hier
noch auffallender als 425 quoniam tenuem constare minulis corporibus
docui; aber sie steht ja fortwährend zur Erörterung und beherrscht die
Gedanken des Dichters wie des Lesers, so dass jedes Missverstündniss
ausgeschlossen ist. Ich glaube nicht, dass man dieser fehlenden Er-
wähnung wegen den Ausfall von Versen anzunehmen hat, in denen doch
nichts gestanden haben könnte, was zu sagen der Mühe werth gewesen
wäre. — Die neue Begründung der Unsterblichkeit ist nun, dass sie
durch ihre Lebenskraft, das Lebenspendende in ihr — so wäre etwa
res vilales zu übersetzen —, geschützt und gehalten werde: das wird
dann nach zwei Seiten hin erläutert durch awí quia ... aut quia. Vilales
res ist gleich vitalia; vgl. II 575 nunc hic nunc ilic superant. vitalia
rerum ct superantur ilem; vilales aurae, motus Ὁ. &. oft bei L. Hier ist
der Ausdruck absichtlich ganz allgemein gehalten, da& sich das Wesen
dieser res vitales nicht näher angeben lässt. Schreibt man statt dessen,
wie es seit Lambin allgemein geschieht, jefalibus ab rebus, so erhält
man gar nichts Neues: denn lefalibus ab rebus ist auch z. B. das inane
geschützt, wie überhaupt alles Unvergüngliche. — Als schützende Kräfte
werden die res vitales sehr lebendig gedacht, daher ab statt des blossen
Ablativs. — Sehr sonderbar ist der Einfall Munros: it may perhaps be a
question schether the “vilalibus αὖ rebus" of mss. was not used by Lucr.
in (he sense of “letalibus’ «with contempluous allusion to the usc of *vitalia'
as an euphemism for *mortualia'. — 821 “entweder giebt es überhaupt
nichts, was die Lebenskraft angreifen könnte, oder es wird jeder An-
griff rechtzeitig zurückgeschlagen' Man kann vielleicht an den von
Plato Rep. X 608d geführten Beweis denken, der darauf hinausgeht,
dass, da die Seele durch das ihr eigenthümliche Uebel, die Schlechtig-
keit, nicht zerstört werde, sie überhaupt von zerstörenden Kräften nichts
zu befürchten habe. — 824 1. führt eine Ansicht, die er zu bekämpfen
gedenkt, häufig wie hier si habendast mit einem realen Bedingungssatse ein:
VERS 816—828. 161
streng logischer Weise kann dann die Widerlegung nur so gegeben werden,
dass eine andere anerkannte Thatsache 818 mit dieser Bedingung unver-
einbar hingestellt wird; so geschieht es z.B. 1 654 cur lam variae res
possent essc, ez uno si-sunt igni creatae? II 924 quod. si forte démitiumt,
quid opus fuit adiribui? Ὑ 324 si nulla fuit origo, cur cecinere poetae
IV 387 quod si quatiunt, cur non qualiunt. Anders, wenn die Ein-
führungsformel quod si forte aliquis pwtat u. ἃ. lautet: dann wird ent-
weder einfach die Irrigkeit der Ansicht constatirt (errat u. s. w,
1391. II 80. 225. III 350), oder eine ähnlich abweisende Wendung ge-
braucht (II 931 huic satis erit planum facere), oder die aus der Bedingung
sich ergebende Folgerung genannt, (I 665 quod si forte alia credumt
ratione polesse ignis in coelu stingui mulareque corpus, scilicet occidel ad
nilum, ni mirum, funditus ardor omnis; 110. 916. II 560. III 538 at
tamen debet. 698. V 343 tanto quique magis victus fateare necessest). Da
nun hier eine solche Formel fehlt, konnte auch die Abweisung nicht
lauten, wie sie Marull ergänzte scilicet a vera longe ratione remotumst;
und vollends unlogisch hätte L. seine eigene Ansicht als die aus der
supponirten falschen Hypothese sich ergebende Folgerung hingestellt,
wenn er nach Lachmanns Ergänzung geschrieben hätte mulla famen
tangunt animum mala, mulla pericla. Diese misslungenen Ergänzungen
zeigen aber recht deutlich, wie schwierig für L. die correcte Fortsetzung
der einmal begonnenen Construction war, da er nicht einen Widerspruch
der These mit einer anderen Thatsache aufdecken, sondern das gerade
Gegentheil der These behaupten wollte. Er liess also die begonnene
Periode unvollendet und fuhr fort, als ob er nicht quod si forte haben-
dast, sondern at non habendast gesagt hätte: ähnliche Freiheiten fanden
wir bereits mehrfach (s. zu v. 429. 551). — 825 Statt passivischer oder
reflexiver Wendung maceralur oder se macerat wählt L. das absonder-
liche advenit id quod. macerat, um auf quia non veniunt aliena salulis xu
antworten. — 827 praeteritis male admissis: aus den häufigen Ver-
bindungen admittere scelus, flagitium wird auch admittere allein wie unser
‘etwas begeben’ in malam partem verstanden, admáéssa die Vergehen;
hier durch ein Adverb verdeutlicht wie V 1228 timor ne quid. ob ad-
missum foede diclumve superbe; “wenn solche male admissa auch schon in
der Vergangenheit liegen, so quälen sie doch noch den Geist’: peccata
nimmt lediglich das Nomen des Abl abs. wieder auf. Remordere von
Gewissensbissen bei L. auch IV 1135 conscius ipse animus se forte re-
mordet desidiose agere aetatem. Das Wort ist sehr selten, und in dieser
speciellen Bedeutung kenne ich es aus der classischen Latinität sonst
nicht (wohl aber mordere, Cic. Tusc. IV 20, 45 melius est conscientia
morderi, Mart. XII 84 si citare velis acerba quaedam et tristes animi
cavere morsus); Forcellini citirt Pelag. ep. ad Demetriad. 4 quid est quod
conscientia remordemur: jedenfalls beweist die Uebereinstimmung der
romanischen Sprachen, dass jene eingeengte Bedeutung die regelmässige,
in der gewöhnlichen Sprache wohl ausschliessliche war. — Ueber den
Begriff der “Reue” bei Epikur zu v. 1018.
828 Mit adde führt L. meist ganz kurze ergänzende Zusätze ein,
I 847 adde quod inbecilla nimis primordia fingit; IV 1121 adde qwod
absumunt viris pereunique labore, adde quod alterius. sub nutu. degitur
Lucretius v. Hzrwsg. 11
162 COMMENTAR
aetas; VI 330 adde quod c parvis et levibus est elementis, 611 addc vagos
émbris ... adde suos fontis (dagegen weiterführend ist huc accedit wi,
1192. 215 u. 6.) So werden auch hier noch ganz kurz drei geistige
Affectionen aufgezählt, auf die nach der eingebenden Erörterung v. 459 ff.
nicht mehr näher einzugehen ist, die aber die zweite der vorher ge-
nannten Annahmer als irrig erweisen: denn wenn auch die durch körper-
liche Krankheit hervorgerufenen Leiden der Seele mit jener wieder ver-
schwinden und Furcht, Sorge, Reue als im Grunde unschädlich betrachtet
werden sollte, pulsa prius quam quid noceami sentire queamus, so ist
das bei specifisch geistigen Erkrankungen sicher nicht angängig. Zunächst
furor, animé proprius genannt im Gegensatz zu snorbis cum corporis acgret,
weil er allein von den geistigen Erkrankungen ohne Begleitung von
Fieber auftritt, z B. Galen vol. XVII A 159 (comment. in Hippocr.
epid. I lib. II) μανίας (Ἵππ. καλεῖ) τὰς ἄνευ πυρετοῦ παραφροεύνας,
Cael. Aurel chron. I 5 est autem (furor sive insania quam Graeci μανίαν
cocant) alienatio tardans sime febribus, quo a phrenilicis discernitur.
. Danach wird man auch unter oblivia rerum nicht die Begleiterscheinung
einer anderen Krankheit zu verstehen haben (wie z. B. der Pest, VI 1213
atque etiam quosdam cepere oblivia rerum cunctarum), sondern ein specifisch
geistiges Leiden; Archigenes hatte ein eigenes Buch geschrieben ἔνθα
διδάςκει μνήμης βεβλαμμένης &váxrnciv, Galen de loc. aff. III vol. VIII
p.148. — 829 lethargus war bereits 465 ff. behandelt; in dem schönen
Bilde der nigrae undae wirkt die Vorstellung des flumen Lethaewm mit.
830—1094 Dritter Haupttheil: ὃ θάνατος οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς.
830—869 'Da also die Seele sterblich ist, so geht uns der Tod
nichts an: wie wir in vergangenen Zeiten, als der punische Krieg die
ganze Welt bewegte, kein Uebel empfunden haben, so werden wir nichta
empfinden, wenn sich Leib und Seele getrennt haben, wir, die wir danm
eben nicht mehr sein werden (830—842) Angenommen selbst, die
Seele empfindet nach dem Tode, so empfinden wir doch nicht, die wix
Leib und Seele sind. Und selbst wenn die Atome, aus denen wir jetzt
bestehen, sich in Zukunft genau so wieder zusammenfiriden sollten, würde
uns das nichts angehen: ebensowenig, wle wir jetzt eine Empfindung vo
früberem Dasein haben. Es ist nämlich ganz glaublich, dass diesel
Atomverbindung schon öfters dagewesen ist: aber in der Zwischenzei
hat es keine Empfindung gegeben, und so ist der Zusammenhang unter
brochen (848—862). Ein Leiden ist nicht denkbar ohne eine Perso
die leidet: da der Tod nun das verhindert, haben wir im Tode nicht;
zu fürchten: wenn einer gestorben ist, ist's so gut, als wäre er nie ge.
boren (863—869)’. — Hiermit beginnt L., die practischen Folgerungen.
zu ziehen, auf die es ihm bei der ganzen Seelenlehre wesentlich an
kommt, wie er das im Vorwort selbst ausgesprochen hat. Dieser erst
Abschnitt ist eine Ausführung der an zweiter Stelle in die Κύριαι δόξα.
aufgenommenen Sentenz Epikurs: ὃ θάνατος οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς" τὸ τὰ
διαλυθὲν ἀναιςθητεῖ' τὸ δ᾽ ἀναιεθητοῦν οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς, deren Ein
gangsworte Cic. de fin. II 31, 100 übersetzt wie L., mortem sikil a
nos pcrünere. Den lucrezischen Gedankengang finden wir annähern
genau wieder in dem aus epikurischen Quellen geflossenen Satze de
Axiochos p. 3865 d ὡς οὖν ἐπὶ τῆς Δράκοντος ἣ Κλειεθένους πολιτεία
VERS 858---888. 163
οὐδὲν περὶ «ἃ κακὸν Av’ ἀρχὴν γὰρ οὐκ ἧς, περὶ ὃν ἂν ἦν᾽ οὕτως
οὐδὲ μετὰ τὴν τελευτὴν γενήςεται᾽ εὖ γὰρ οὐκ ἔςει, περὶ ὃν ἔσται.
Den Sinn des Relativsatzes περὶ ὃν ἔςται geben die vv. 868 .--- 869
wieder, vor denen ein Excurs eingeschoben ist, s. za v. 843 und 862. Be-
merkenswerth ist, dass wir bei L. einen scheinbar zwingenden, in Wahr-
heit aber nur rhetorisch wirkungsvollen Schluss Epikurs nicht finden,
ep. III p. 61, 6 6 θάνατος οὐδὲν πρὸς fyiüc, ἐπειδή περ ὅταν ἡμεῖς
. μὲν ὦμεν, ὃ θάνατος οὐ πάρεςτιν" ὅταν δ᾽ ὁ θάνατος παρῇ, τόθ᾽ ἡμεῖς
οὐκ écuév: οὔτε οὖν πρὸς τοὺς Lüvrac ἐςτὶν οὔτε πρὸς τοὺς τε-
τελευτηκότας, ἐπειδή περ περὶ οὖς μὲν οὐκ ἔςτιν, ol δ᾽ οὐκέτι elcdv.
831 Natura animé mortalis habetur anders als 532 mortalis haben-
dast, 819 inmortalis habendast, aber auch nicht zu vergleichen mit I 758
quid a vero iam distet habebis, wo habere — tenere im Sinne von erfasst
haben, wissen: sondern habeiwur ein verstärktes est, wie Sallust Cat 1
virtus clara aeternaque habetur, lug. 89 habebantur fidelissimi "erwiesen
sich, waren treu’. — 883 Der hannibalische Krieg als grösstes Ereigniss
der römischen Geschichte ist als Beispiel hier weit besser geeignet, als in
der oben citirten Axiochosstelle die Zeiten des Drakon und Kleisthenes:
‘selbst von dieser heftigsten Erschütterung haben wir nichts verspürt”.
Dem Gegenstand entsprechend erhebt sich hier die Sprache zu epischem
Schwung, im Stile hoher Poesie z. B. die Verschránkung omnia cum
belli trepido concussa tumuliu horrida contremuere (vgl. Enn. ann. 811
Africa terribili tremit horrida terra tumullu) und in dubio fuere wtro-
rum ... cadendum esset. omnibus humanis für in dubio fuere omnes
homines etc.; aetheris oris: Ennius sat. v. 3 liquidas pilatasque aetheris
oras, häufig bei L. Die Verse (oder ihr Vorbild?) haben grossen Ein-
druck gemacht, wie zahlreiche, längst aufgewiesene Nachklänge bei
Späteren beweisen: Cul 84 Graecia cum limit venientis undique Persas.
Lucan. Phars. I 304 non secus ingenti bellorum Homa iumultu conculitur,
quam si Poenus transscenderit Alpes Hannibal. Arnob. VII 50 Hansi-
balem illum Poenum ... sub quo anceps et dubia res Romana contremeit,
e magnitudo írepidavit; Liv. XXIX 17, 6 in discrimine est »unc kuma-
num omne genus, ulrum vos am Carthaginienses principes lerrarwm
videat. — 837 omnes humani, 'alles, was menschliches Antlitz trügt",
erweckt die Vorstellung des Allumfassenden viel mehr als ommes homines ;
ähnlich Varro Marcop. sat. 289 nafura humanis omnia sunt. paria "allem,
was Theil hat am Begriffe Mensch’. Nachdrücklich hervorgehoben werden
sollte der Begriff auch v. 79 morüis formidine vilae percipit humanos
odiem: da kann es aber nur in dem Sinne sein "Wesen, die doch
an der menschlichen Vernunft Theil haben’. — 838 Wenn Körper und
Seele getrennt sind, werden wir nicht mehr sein, denn die Persönlich-
keit besteht aus beiden innig verbundenen Wesenheiten. Das ist epiku-
rische Lehre: Plut. adv. Col. 20 fr. 314 τὸ ἐξ ἀμφοῖν... cóparoc
τοιοῦδε καὶ ψυχῆς, ἄνθρωπός écriv. Sextus hyp. III 229 ond δὲ xai
dc εἴπερ εὐυνεςτήκαμεν ἐκ ψυχῆς xal cóparoc (so auch Philod. π. ar.
e. 22, 26), 6 δὲ θάνατος bidiucic écri ψυχῆς καὶ cóparoc, ὅτε μὲν
ἡμεῖς écuév, οὐκ ἔςτιν 6 θάνατος, οὐ γὰρ διαλυόμεθα, ὅτε δὲ ὃ θάνα-
toc Écnv, οὐκ ἐςμὲν ἡμεῖς τῷ γὰρ μηκέτι τὴν cócraav. εἶναι τῆς
ψυχῆς καὶ τοῦ cóparoc οὐδὲ ἡμεῖς ἐεμέν. Epikur hat diese Gleich-
115
164 COMMENTAR
werthigkeit von Körper und Seele für die ‘Individualität’ des Menschen
betont im Gegensatz zu der spiritualistischen Lehre, die das Wesen des
Menschen allein im Geiste sah, z B. Plat legg. XII 959 Ὁ τελευ-
τηςάντων Adrecdaı καλῶς εἴδωλα εἶναι τὰ τῶν νεκρῶν «εώματα, τὸν
δὲ ὄντα ἡμῶν ἕκαςτον ὄντιως ἀθάνατον, ψυχὴν ἐπονομαζόμενον,
παρὰ θεοὺς ἄλλους ἀπιέναι. — 840 haud quidquam accidere omnino
poterit sensumqwe movere: das ist absichtlich möglichst allgemein aus-
gedrückt “es giebt für uns überhaupt kein Ereigniss mehr’, da der
allgemeine Satz mors nil ad nos erst begründet, und zwar durch die
Leugnung jeder alcOncic begründet wird, sowohl der Lust wie des
Schmerzes: vgl. Epikur ep. III p. 60, 15 μηδὲν πρὸς ἧμᾶς εἶναι τὸν
θάνατον’ ἐπεὶ πᾶν ἀζαθὸν καὶ κακὸν ἐν αἰςθήςει' crépncic. δὲ
écrlv αἰεθήεεως ὃ θάνατος. Erst v. 861 wird dann speciell das misere
aegreque esse hervorgehoben. Danach wäre auch besser v. 832 das
aegrum unerwühnt geblieben: es ergab sich nur zu unmittelbar aus dem
gewählten Beispiel. — 842 terra mari miscebitur; griechisches Sprich-
wort vó οὐρανὸν εὐυνάπτειν, καὶ τῇ 6óÀaccav ἀναμιγνύναι: ἐπὶ Tüv
«φόδρα ὀργιζομένων ἀμφότερα [Diogen.] Vind. II 14, und im selben
Sinne öfters bei lateinischen Autoren, auch bei Juvenal II 25 qwis cae-
lum terris non misceat ei mare caelo, wobei der Anklang an L. zufällig
sein wird. Hier natürlich nicht in jenem sprichwörtlichen Sinne, son-
dern == ‘und wenn die ganze Welt einstürzt'. Dabei mügen die (auch
Cicero de fin. III 19, 64 bekannten) Verse ἐμοῦ θανόντος γαῖα μιχθήτω
πυρὶ, οὐδὲν μέλει por, τἀμὰ τὰρ καλῶς ἔχει (F. Tr. Gr. adesp. 513)
vorgeschwebt haben.
843 posiquasm nosiro de corpore distracla est, wie animae naluram
corpore toto exirahere 329: auffallend ist dieser Gebrauch von distrahi,
das sonst in diesem Buche regelmässig die Auflösung der Seele be-
zeichnet; aber ebenso ist wohl IV 28 distracta als Gegensatz zu cum
corpore compía zu fassen. So sagt Philodem de morte col IX τοὺς
ἀποςπαςμοὺς τῆς ψυχῆς ἀπὸ τοῦ cóparoc, der epikurische Freund
Senecas ep. 30, 14 in ipsa distractione animae corporisque, ebd. son du-
bitare autem se quin. .. anima ... mec. magna vi distrahercur a cor-
pore. Auch de bei distrahere ist ungewöhnlich (vgl. I 1017 dispulsa suo
de coetu maleria copia); aber man hätte nicht daran denken dürfen
sentire (Empfindung haben!) de n. c. zusammenzufassen; Wendungen wie
Caes. b. G. V 32, 1 ex nocturno fremilu vigiliisque de profectione eorum
senserunt sind etwas ganz Verschiedenes. Lachmann interpungirt nach
corpore: wie er die Stelle verstanden wissen will, weiss ich nicht. —
845 comptw coniugioque consistimus: wie soust durch Wiederholung von
dis- den Begriff der Trennung, so verstärkt L. hier durch das drei-
malige cum die Vorstellung engster Zusammengehörigkeit, — compius
identificirt Lachmann zu II 1061 mit co&mpfio, wie eine der strengen
Formen römischer Ehe hiess, indem er, wenn ich ihn recht verstehe,
leugnet, dass in coémptio der Begriff des Kaufens enthalten sei: 'complws
εἰ conemplio a coniungendo dicuntur'. Das trifft kaum zu, da bei der
co&mplio, und nur bei ihr, ja doch wirklich ein Kauf, wenn auch kein
gegenseitiger Statt fand, und die Bezeichnung damit zusammenhüngen
muss, In den Compositis comere und compius hat dagegen emere diese
VERS 858—851. | 165
Bedeutung des Kaufens natürlich nicht, also comptus Vereinigung.
Das wird durch coniugium ergünzi: da discidium, xu dem es in Gegen-
satz tritt, oft gleich divortium, Ehescheidung, ist, wird man auch conm-
iugium als Ehe, also bildlich fassen dürfen, ohne die allgemeine, sonst
meines Wissens nicht nachweisbare Bedeutung 'Vereinigung' einführen
zu müssen; aber der Zusammenhang mit coniungere (349 comiunciam
naluram consistere eorum u. δ.) wird dabei gefühlt, V 1012 mulier con-
iuncta viro concessit. )
847 Mit si ias sentit hatte sich L. vorübergehend auf den falschen
Standpunkt der Gegner gestellt, ohne das wie 540 si iam libeat con-
cedere falsum ausdrücklich zu sagen; auffallend genug, denn L. traut
seiner eigenen Lehre unéndlich viel mehr Überzeugungskraft zu als
Cicero (um von dem skeptischen Sokrates der Apologie zu schweigen),
der im 1. Buche der Tusculanen genau so wie der Verfasser des
Axiochos Trostgründe für beide Fülle, der Sterblichkeit wie der Unsterb-
lichkeit vereinigt. Es kam L. wohl darauf an, den Satz τῷ μηκέτι
τὴν cócraciv. εἶναι τῆς ψυχῆς καὶ τοῦ εὐματος οὐδὲ ἡμεῖς ἐςμέν nach-
drücklich einzuprägen. Mit mec δὲ maferiem nostram collegerit. aetas. post
obitum tritt er wieder auf den Boden der eigenen Schule: Justinus de
resurrect. c. 6 (fr. 2832) κατὰ τὸν Ἐπίκουρον δὲ τῶν ἀτόμων ἀφθάρ-
τῶν οὐςῶν καὶ τοῦ κενοῦ παρὰ τὴν ποιὰν τάξιν καὶ θέειν τῶν ἀτό-
μὼν ευντεθειμένων γίνεται τά τε ἄλλα ευγκρίματα καὶ τὸ cüpa, χρόνψ
δὲ διαλυόμενον διαλύεται πάλιν εἰς τὰς ἀτόμους, ἐξ ὧν καὶ ἐγένετο.
τούτων μενουεῶν ἀφθάρτων οὐδὲν ἀδύνατόν éctiv ευνελθουςῶν πάλιν
καὶ τὴν αὐτὴν τάξιν καὶ θέειν λαβουςῶν ποιῆςαι ὃ πρότερον ἐγεγόνει
ἐξ αὐτῶν cópga καὶ ὅμοιον ὥςπερ εἴ τις ψηφοθέτης ἐκ ψηφίδων
ποιήςει ζῴου μορφήν, ἔπειτα τούτων ὑπὸ χρόνου διαλυθέντων ἢ ὑπ᾽
αὐτοῦ τοῦ ποιήεαντος τὰς αὐτὰς ἔχων ψήφους, ἐςκορπιςμένας ευναγα-
γιύν, οὐκ ἀδυνατήςει εὐλλέξας αὐτὰς καὶ διαθεὶς ὁμοίως ποιῆςαι τὸ
αὐτὸ εἶδος τοῦ ζῴου. Ja aus den Grundsätzen der epikurischen Lehre,
die L. 854 ff. anführt, ergiebt sich für den Epikureer nicht nur die Mög-
lichkeit, sondern die Nothwendigkeit derartig wiederholter Bildungen:
οὐδὲν ξένον ἐν τῷ παντὶ ἀποτελεῖται παρὰ τὸν ἤδη γεγενημένον χρόνον
ἄπειρον fr. 266 (Plut. stromat. fr. 8. Dox. p. 581). — Die Zeit, adas,
ist in schönem Bilde gedacht, wie sie die zerstreuten Theile und Theilchen
mühsam aufsucht, sammelt und wieder zusammenfügt: das ist der poetische
Ausdruck für ein rein zufälliges, nur im Hinblick auf die Unendlichkeit
der Zukunft 'nothwendig' eintretendes Ereigniss. — 849 Wenn dieselbe
Atommasse, materies, in derselben Anordnung wiederkehrt, so ist voll-
kommene Identität vorhanden, also wird dann uns, die wir jetzt leben,
das Lebenslicht wiedergegeben sein, und doch geht das uns jetzt Lebende
nichts an. V. 852 sind so zwei ‘wir’ unterschieden, qui swnc sumus und
ante qui fuimus. — 851 rcpetentia “Erinnerung” hat auch Arnobius II
26, 28, offenbar aus dieser L.-Stelle; repetere ist ja für “in Gedanken
wiederholen, sich erinnern’ ganz üblich; vgl reprehendere 858. Streng
logisch ist es nun gewiss nicht, zu sagen, 'die Wiedererinnerung an uns
ist unterbrochen’, und deshalb wollte Lachmann refinentia schreiben; aber
es ist wohl zu begreifen, wie beim Dichter der Gedanke inferrupfa est
retinentia noslri mit dem anderen rcpcfenfia nostri non iam est zu einem,
166 ᾿ COMMENTAR
interrupla cst. repctentia nostri, verschmolz. — 852 Da hier der Gedanke
nicht weiter geführt, sondern nur ergünzt oder begründet wird, kann εἰ
nicht zur Verknüpfung der Sätze dienen; ef nunc kenne ich aber nur
in der Bedeutung “auch jetzt noch’, == etiamnunc, die es hier nicht haben
kann. Mit μὲ würde dagegen sehr passend unser jetziger Zustand mit
dem der Wiedergeborenen parallelisirt. — mil de nobis, de partitiv ge-
meint, wäre eine ganz unerhörte Verbindung, für die Wendungen wie
cetera de genere hoc durchaus keine zutreffende Analogie sind. Sondern
der Gebrauch von de ist im Grunde derselbe wie im folgenden neque
iam de ills nos adfici angor und etwa vergleichbar mit de beim un-
persönlichen sihi curae cst, Cic. ad fam. X 1, 1 mihi maximae curae est
non de mea quidem vita (vgl. Hofmann-Andresen zu X 24, 2). — 854 Für
die Zukunft war die Wiedergeburt nur als Möglichkeit in Betracht ge-
zogen, und es bedurfte also nicht des Beweises, dass diese Möglichkeit
wirklich vorhanden sei; jetzt ist aber unser Verhältniss zu unseren Vor-
läufern als Argument angeführt, und es wird mit Bestimmtheit von nos,
qui fuimus gesprochen. Dagegen könnte leichtlich eingewendet werden:
‘wir empfinden jetzt nichts von einem früheren Dasein, weil wir zufällig
noch nicht gewesen sind; aber wer bürgt uns dafür, dass wir nicht sein
werden, und dass dann die Nachwirkungen unseres jetzigen Daseins ein-
treten?’ Deshalb erfordert das qui fuimus eine Rechtfertigung, die
854—858 gegeben wird. Vgl dazu die oben citirte Justinstelle. —
856 adcredere 'zu dem Glauben gelangen’, ad wie in addwbitare, ada-
mare u. &. — 858 reprehendere: es ist uns verloren gegangen, und wir
können es mit dem erinnernden Geiste nicht wieder fassen (599 extre-
mum vilae reprehendere veinclum), weil eben die repefentia nostri unter-
brochen ist, wie die beiden folgenden Verse weiter ausführen: die Atome
waren ja freilich während der vilai pausa in Bewegung, aber diese motus
waren, da die Seelenatome nicht in corpore conclusa gehalten wurden,
keine sensiferi, vgl. 924 longe ab sensiferis primordia motibus errant.
861 Schritt für Schritt ist L. vom geraden Wege der Erörterung
weiter abgeführt worden: vom Nichtsein nach dem Tode zu dem neuen
zukünftigen Sein, das doch ausser Zusammenhang mit uns steht; von
da zu der Zusammenhangslosigkeit unseres jetzigen Daseins mit etwaigen
früheren. Wenn er nun mit debet enim fortfährt, so dient das nicht
etwa zur Begründung des zuletzt Gesagten: das wird vielmehr völlig
ignorirt, denn während eben noch von einem neuen Sein die Rede war,
wird hier wieder das völlige Nicht-Sein betont: es wird nicht behauptet,
wenn sich auch unsere Atome wieder vereinigen, so werden wir das
nicht sein, sondern ganz allgemein: der Tod vernichtet das Sein, auf
ihn folgt das Nicht-Sein. Aber bei der ganzen voraufgehenden Dar-
legung hat doch innerlich der Gedanke dominirt, dass wir im Tode
nichts zu fürchten haben, nil mors est ad nos: und an diesen wird nun,
ungeachtet des gelockerten äusseren Zusammenhangs, wieder angeknüpft. Wir
haben also hier eine Wiederholung der öfters beobachteten Compositions-
art; auch z.B. 607 wurde durch enim nicht das unmittelbar Vorauf-
gehende, sondern die ganze These des Abschnittes begründet, s. zu 440.
Zudem ist hier die Abschweifung weit weniger umfangreich und entfernt
sich weniger vom Gange der Hauptuntersuchung als das z. B. 350—895
VERS 851—879. 161
der Fall war. — Die Annahme, dass L. Zusätze xu (vorläufig bereits
abgeschlossenen) Partieen des Gedichts gemacht habe, ohne sie in den
Zusammenhang cinzupassen, und dass diese nun, vom Herausgeber ein-
geschoben, den unvollendeten Zustand des Ganzen bezeugten, diese An-
nahme könnte hier vielleicht noch am ehesten, für die Verse 848— 860,
Glauben beanspruchen; denn es ist nicht zu leugnen, dass Vers 861 auf
842 ohne bemerkbare Lücke folgen würde, wührend er an 860 nicht
unmittelbar anschliesst. Aber es ist doch wohl zweifellos, dass L. die
Verse, wenn er sie später gedichtet hat, nicht etwa ohne Rücksicht
auf das bereits Vorhandene, sondern gensu für die Stelle gedichtet
hat, an der sie jetzt stehen, denn Vers 843 f£ sind inhaltlich wie
formell (s. B. Beziehung von wnifer apti 846 auf 839) die tadellose
Fortsetzung des Vorhergehenden: man müsste also dem Dichter die
seltsame Arbeitsweise zutrauen, dass er (nicht in einem, sondern, nach den
Vertretern dieser Anschauung, in sehr zahlreichen Fällen) bei seinen Zu-
sätzen zwar den Anschluss nach oben beachtet, den nach unten aber zunächst
völlig vernachlässigt habe, um dann später all diese Vernachlässigungen
wieder gut zu machen. Ich meinerseits halte das für viel weniger
wabrscheinlich, als die Erklärungen, die ich in diesem und ähnlichen
Fällen versucht habe. Und schliesslich, wer an der einfachen Fort-
führung mit enim 861 Anstoss nimmt, frage sich doch, wie denn nun
L. bei der in Aussicht genommenen Ueberarbeitung den Anstoss hätte
beseitigen sollen, Er hätte höchstens den Vers nil igilur mors est ad
nos neque pertinet hilum in dieser oder anderer Form wiederholen
können: verbessert hätte er damit nach meinem Gefühle nichts. — Der
Gedanke ebenso bei Seneca ep. 36, 7: mors nullum habet incommodum:
esse enim debet aljquis, cuius sit incommodum. — 867 neque hilum
differre: es ist so gut, als wäre er überhaupt noch nie geboren gewesen.
Eine ganz ähnliche Construction von an Livius XXXVI 17, 10 condidit
se intra rupes ..., iMra penitus relraclis castris: quod quantum interest
ud timorem ostendendum, an muris alicuius urbis obsidendum sese incluserit?
wo ebenfalls, wie Weissenborn richtig erklärt, der dem am ... sese incle-
serit entsprechende Fragesatz wíirum inira fauces retracta casira habeat
aus dem Vorhergehenden zu ergänzen ist; desgl Liv. XLIV 25,11 mihi
inicresse, an Pellae pecunia esset. So wird hier verstanden das nicht
gesagte uirum iam aliquo tempore nalus fuerit; gestorben sein und nie
gewesen sein kommt auf eins hinaus. — 869 morlalem vilam —
mors immortalis (mors aeterna 1091): vgl. Amphis b. Athen. VIII 336 c
q 238 K-) θνητὸς 6 βίος, ὀλίγος οὐπὶ γῇ xpóvoc ὁ θάνατος δ᾽
θάνατός écrv, ἂν ἅπαξ τις ἀποθάνῃ.
870—893 ‘Wer sich beklagt, dass nach seinem Tode sein Leichnam
verwesen, verbrennen oder von Thieren zerfleischt werden wird, mit dem
steht's noch nicht ganz richtig, mag er auch selbst behaupten, an eine
Empfindung im Tode nicht zu glauben: ohne es zu wissen, sieht er den
Leichnam noch als sich selbst an und bedenkt nicht, dass, wenn er
gestorben ist, kein zweites Ich Schmerz empfindet, wenn der Körper
zerfleischt oder verbrannt wird (870—887). Denn wenn es ein Uebel
ist, von wilden Thieren zerfleischt zu werden, so ist Verbrennung oder
jede andere Art der Bestattung kein geringeres (888—893)' Hier
δ 08
t
% . >
- 0» a BP’ gerri
e-.* 4 -
ΟΝ
.
"e. -
m... =
168 - COMMENTAR
sind zwei, im Grande verschiedene τόποι nicht ganz ungezwungen ver-
einigt, s. xu 888. — 870 Das indignari bezeichnet nicht sowohl Furcht
vor dem Schmerz — denn der Betreffende behauptet ja von der
Empfindungslosigkeit des todten Körpers überzeugt zu sein —, sondern
ein Auflehnen gegen das, was ihm unwürdig erscheint, 884 hinc indignatur
se mortalem esse creatum, 1045 tw vero dubitabis εἰ indignabere obire;
Sulpicius (Cic. epp. IV 5, 4) hew nos hommmculi indignamur si quis
nosirum — interiit. Etwa ἀγανακτεῖν. Vgl. Kiessling zu Hor. epp.
II 2, 207 mortis formidine εἰ ira. L. behauptet aber, unbewusst wirke
doch die Furcht vor dem Schmerze; ganz ebenso Sokrates im Axiochos
365 0: ἀντίεχει δὲ δέος τι, ποικίλως περιαμύττον τὸν νοῦν, el creph-
couai τοῦδε τοῦ φωτὸς καὶ τῶν ἀγαθῶν, ἀειδὴς δὲ καὶ ἄπυςτος ὁποί-
ποτε xelcoua εηπόμενος, εἰς εὐλὰς καὶ κνιύύδαλα μεταβάλλων. — cuv-
ἅπτεις γάρ, ὦ ᾿Αξίοχε, παρὰ τὴν Avemmcraclav ἀνεπιλογίετως τῇ ἀναι-
cOncíg αἴεθηειν, καὶ ςεαυτῷ ὑπεναντία καὶ ποιεῖς καὶ λέτεις,
οὐκ ἐπιλογιζόμενος ὅτι ἅμα μὲν ὀδύρει τὴν ἀναιςθηείαν, ἅμα δὲ ἀλγεῖς
ἐπὶ εήψεει καὶ crephceı τῶν ἀγαθῶν. — indignari se ipsum: statt etwa
zu sagen suam vicem indignari (Liv. II 81, 11), wird die Person selbst
genannt, weil eben in der Identificirung der Person mit dem Leichnam
schon der Irrthum liegt; daher ist auch in pwíescat und interfiat “er” als
Subject beibehalten. Unten 880 tritt dann corpus wi Iacereni in
Gegensatz zu ipse swi misere. — 873 non sincerum sonere: das Bild
vom Thongefüss, das durch Anklopfen (xwdwviZeıv, te ipsum concute
Hor. sat. 1 3, 35) auf seine Unversehrtheit geprüft wird, seit Plato
(The&t. p. 179 ἃ διακρούοντα εἴτε ὑγιὲς εἴτε cadpdv φθέγγεται) sehr
beliebt: sincerum (Ennius fr. trag. 106 nam segue irati neque. blandi
quicquam sincere sonunt) wegen des Doppelsinns “unversehrt” und 'auf-
richtig” hier besonders geeignet. — 876 non dat id quod promittit
scil. nullum sensum in morte esse, εἰ id unde promittit sciL posi discidium
corporis εἰ animae kominem non iam esse qui possit sentire oder (denn
der folgende Vers erklärt dies unde) mortuum radicilus e vila sub-
latum csse. — Unde vertritt in der gebräuchlichen Weise ein Relativ-
pronomen mit Prüposition, Sall Jug. 14, 22 tibi immaluro et «nde
minime decuit vita erepta cst. Mit Wendungen, wie sie Bentley zu
Horaz sat. II 2, 31 (unde datum sentis lupus hic Tiberinus an alio captus
hict?) zusammenstellt, hat die vorliegende nichts gemein. Dare *wirk-
lich zugeben’ als Gegensatz zu promitlere wie sonst facere wu. & —
877 Mit se cicit ist CLE I 97, 12 inmodice ne quis vilae sco( pulis
hae>reat, cum sit paratus portus eiac(ulant)ibus, qui nos excipiat ad
quiet(em perpe)uam kaum zu vergleichen; vielmehr ist wohl (olli d
cicit, beides durch radicitus bestimmt, als tv διὰ δυοῦν zu fassen: 'so
schwer ist es, sich als nichtseiend zu denken’.
879 Wenn sich einem das Bild des zerfleischten Körpers vor die
Seele stellt (proponi! s. zu 188), so bemitleidet er (irrthümlicher Weise)
sich selbst, denn er vermag es nicht, seine Persönlichkeit von dem
Leichnam zu trennen. Die dem diridere zu Grunde liegende räumliche
Vorstellung drängt zur weiteren Veranschaulichung: ‘er entfernt sich nicht
weit genug vom hingestreckten Körper’ (removet zu 69); daraus ergiebt
sich für illum se fingit die bildliche Umschreibung 'er tritt heram (ad-
VERS 870—891. 169
sans), so dass er ihn berühren (comíaminare conlingere C G L IV 42,
contingere. allaminure ebd. 86) und ihm so Theil an seiner Empfindung
geben kann’, vgl. VI 1188 croci contacta colore II 501 purpura Thessalico
concharum lacia colore, III 896 pectus dulcedine fangen Damit ist
denn ganz klar gemacht, dass jenem indignari eine Verdoppelung des
eigenen Ich zu Grunde liegt, während es doch in vera snorte nicht, wie im
Phantasiebilde, neben dem todten Ich, dem iacens, noch ein zweites
lebendes, síams (887), geben wird. Vgl. Plat. Phaed. 115c οὐ πείθυ
Κρίτωνα, ὡς émb εἰμι οὗτος ὁ Σωκράτης ὃ νυνὶ διαλεγόμενος καὶ διατάττων
ἕκαςτον τῶν λεγομένων, ἀλλ᾽ οἴεταί με ἑκεῖνον εἶναι, ὃν ὄψεται ὀλίγον
ὕςτερον νεκρόν, καὶ épuwrQ δή, πῶς μὲ θάπτῃ, wo freilich unter dem
wahren Ich die Seele verstanden wird. — 888 Bisher ist unterschiedslos
von den verschiedenen Arten des körperlichen Vergehens gesprochen
worden (wie in der oben citirten Axiochosstelle); das wird durch mam
gerechtfertigt, und dabei kurz der Werth, der gemeinhin auf fórmliche
Bestattung gelegt wird, als eingebildet dargethan, in einer der Popular-
philosophie sehr gel&ufipen Form: τί Ocobópw μέλει πότερον ὑπὲρ
γῆς ἢ ὑπὸ τῆς εήπεται (Plut. an. vitios, ad infel suff. p. 499 d) und
Theodoros’ Schüler Bion bei Teles p. 23H. εἰ δὲ μὴ κρυφθείης, ἀλλὰ
ἄταφος ῥιφθείης, τί τὸ bucyepéc; ἢ τί διαφέρει ὑπὸ πυρὸς xaraxav-
θῆναι ἢ ὑπὸ κυνὸς καταβρωθῆναι f) ἐπάνω τῆς τῆς ὄντα ὑπὸ κοράκων
h κατορυχθέντα ὑπὸ «κωλήκων; Mit weitschweifiger Gelehrsamkeit be-
handelte dann den τόπος Chrysipp (vgl Cic. Tuse. I 48 ff) andere
Stoiker folgten ihm; von gesuchter Trivialität die Declamation bei
Petron c. 115. Dass Epikureer auf demselben Standpunkt gegenüber
den Bestattungsriten stehen, ist selbstverstündlich: Ep. verneint die Frage
el εοφὸς ἀνὴρ ταφῆς φροντιεῖ (fr. 578); vgl. Philodem de morte c. 32
τὸ δ᾽ ὑπ᾽ ἰχθύων καταβρωθῆναι χεῖρον ... οὐδὲν ἔχει τοῦ τῇ κεκρυμ-
μένον ὑπ᾽ εὐλῶν καὶ ε«κωλήκων A κείμενον ἐπὶ γῆς ὑπὸ πυρός, ὅταν
ve μήτ᾽ ἐκείνυν μήτε τούτων αἴςθηεις ἢ τῷ λειψάνῳ. L.
sich die Banalität des ὅταν μὴ αἴςθηεις j, indem er Worte wählt, die
eine alcOncic voraussetzen — suffocari, rigere, urgeri —: dadurch leuchtet
die Absurdität der Vorstellung ohne Weiteres ein. — 889 tradare
*hin- und herzerren’ sehr anschaulich von den Thieren, die sich die Beute
streitig machen. — 891 Von der Verbrennung, die zunächst allein in
Frage kam, werden durch au? drei weitere Arten der Bestattung ge-
schieden: .. swffocari alque rigere ... urgerive. in melle situm: Honig
oder Wachs zur Einbalsamirung des Leichnams namentlich im Orient
gebräuchlich (Herod. I 189. Xenoph. Hell V 8, 19. Ioseph. b.L I 9, 1.
— Stat. εἶν. III 2, 117. Cic. Tusc. I 45, 108. Plin. n. h. VII 35.
XXII 108 sellis natura lalis est μὲ pulrescere corpora non sinat), nach
Varro (sat. 81 B. ut selle servarent) auch von Demokrit empfohlen. —
892 summo cubat aeqwore saxi: von Begrübnissarten (denn nur eine
solche, nicht die expositio der Leiche, kann gemeint sein) die wir kennen,
kann hier wohl nur das Beisetzen in steinernen Grabkammern, ohne
Sarg, in Frage kommen; in summo ist freilich auch so noch nicht ganz
richtig, da man darunter doch die Felsoberfläche verstehen sollte: aber
es wird schon an den Gegensatz des Liegens auf den Steinbetten zu dem
Begrabensein in der Erde, der inkumalio, gedacht. — aequor die gleich-
110 . COMMENTAR
mässig ebene Fläche, IV 107 spccwlorum cz acquorc, Ennius ann. 140
per aequora campi. — 893 urgeri ponderc terrae gemahnt an die unausrottbare
Vorstellung, dass der Todte die Last der auf ihn geh&uften Erde em-
pfinde, die Vorstellung, die in dem Wunsche sit tibi terra levie ihren
Ausdruck findet.
894—911 'Auch das bange Mitleid mit Verstorbenen und die
übermüssige Trauer der Hinterbliebenen werden durch klare und überzeugte
Einsicht in das Wesen des Todes gelindert' — Die Einführung von
Áeusserungen eines fingirten Gegners in directer Rede gehört zu den
wirksamsten Kunstmitteln des Diatribenstils. L. wendet sie in eigen-
thümlieher Form an, dem Inhalt seiner Diatribe entsprechend. Es sind
keine Gründe mehr zu widerlegen, kein Gegner ist mehr zu überzeugen;
die Wissenschaft hat mit ni} mors est ad nos ihr letztes Wort gesprochen.
Aber die Trauer am offenen Grabe weicht nicht vor Argumenten: hier
hilft nur Zuspruch und Trost. So lässt uns denn L. die Todtenklage
selbst mit anhören und zeigt, dass die feste Ueberzeugung vom Auf-
hören der alcOncic im Tode geeignet sei, auch Mitleid und Trauer zu
lindern. — 894 domus accipiet te laeta wird ausgemalt durch neqwe
uxor neque occurrent nali, wobei aber als Prädicat zu uxor noch mehr
accipiet als occurret! hinzuzudenken ist. — «xor optima und dulces mati
sind stehende Verbindungen; an L. dachte Virgil Georg. II 523 dulces
pendent circum oscula nati, casta. pudicitiam servat. domus; Aen. I 502
Latonae tacitum pertemplant gaudia pectus vielleicht ebenso, wie L. hier, an
Tl. 18, 556 βαειλεὺς δ᾽ ἐν τοῖει εἰωπᾷ ... ἑςτήκει ... γηθόευνος xfip.
tungent s. zu 883. Den Infinitiv beim Verbum der Bewegung (occurrent ...
praeripere) hat L. nur an dieser einen Stelle. — 897 factis florentibus
esse wohl dasselbe, was Cic. or. I 1,1 ausdrückt Aomoribus e£ rerum -
gestarum gloria florere; vgl. V 828 quo tot facta virum toliens cecidere
nee usquam acternis famae monimentis insita florent. Zum Gebrauch
des Ablativs vgl IV 392 adsiduo suni omnia molw 1171 esto quanto
vis oris honore V 1279 floretque reperbun laudibus οἱ miro est ... honore.
Der metaphorische Gebrauch von florere, der ja überhaupt weite Grenzen
hat (Nägelsbach Stil." 442), ist bei L. besonders ausgebreitet, x. B. IV 450
florentia lumina flammis, V 1164 nunc in magnis florent sacra. rebus
locisque, V 1442 mare velivolis florebat puppibus (πέλαγος ἀνθοῦν vé-
xpoic Aesch. Ag. 645); Serv. zu Aen. VII 804 (florentes aere catervas)
Ennius et Lucretius florere dicunt omne quod nitidum est. — tuisque prae-
sidiwm: für den Verstorbenen gilt ja auch hier nec iam desiderat; weniger
leicht kann Philodem dem Lebenden über seine Sorge um das Loos
der Zurückbleibenden hinweghelfen, denn (col 25) τὸ καταλείπειν γονεῖς
ἣ παῖδας ἢ γαμετὴν A τινας ἄλλους τῶν ἐπιτηδείων, ἐν ευμφοραῖς
écoué£vouc διὰ τὴν καταςτροφὴν ἡμῶν A καὶ τῶν ἀναγκαίων ἐλλείψον-
τας, ἔχει μὲν ἀμέλει φυεικώτατον δηγμὸν καὶ δακρύων προέεεις ἐγείρει
τῷ νοῦν ἔχοντι μόνον A nálicra. — 898 omnia — unus: die Anti-
these ergiebt sich leicht aus dem Gedanken; vgl. Cornel. Severus b. Sen. suas. 6
quid favor aut coctus, pleni quid honoribus anni profuerant? sacris ex-
culta quid artibus aetas? abstulit una dies aevi decus. CIL. X 2488 abstulit
haec «unus iot lanitaque munera. nobis. perfidus. infelix. horrificusque dies.
— 899 pracmia vilae bezeichnet Alles, was das Leben auszeichnet und glück-
VERS 892—906. — 171
lich macht, τελευτήςαντι ευναναιρεῖται πάντα bi div dv nc εὐδαι-
μονήςειεν Lykurgos 60; so auch 956 vilai pracmia, V 1450 praemia,
delicias quoque vilae; 5 qui talia nobis ... praemia liquit, uns beglückt
hat; vgl Cic. Tusc. V 7,20 Xerxes refertus omnibus praemiis donisque
fortunae; Plin. n. h. XIV 137 (vinum constat) tanta. dulcedine, ut magna
pars non aliud vitae praemium intellegat; Hor. sat. I 5, 35 insani prac-
mia scribae die Auszeichnungen, Amtsabzeichen des zum Aedilen avancirten
scriba. — Zum Gedanken vgl. die crépncic τῶν ἀγαθῶν τοῦ ζῆν Axioch.369 d,
illud angit vel potius excruciat, discessus ab omnibus iis quae sunt. bona
in vita Cic. Tusc. I 34, 83. — 902 ‘Wenn sie davon sich wirklich
innerlich überzeugten’ dictisque sequantur: man könnte das vielleicht
auffassen ‘und dieser Ueberzeugung in Worten Ausdruck güben, statt
sich in unbegründeten Klagen zu ergehen’; vgl. Epikurs Vorschrift (Sprach-
sammlung n. 41) μηδαμῇ λήγειν τὰς ἐκ τῆς ὀρθῆς qilocoopíac φωνὰς
ἀφιέντας "nimmer aufhören, die Kernsprüche aus der wahren Philosophie
sich vorzusagen' (Usener Wiener Stud. 10, 189) Aber um Gram und
Furcht zu vertreiben, genügt doch das bee videre animo: daa Qwväc
ἀφιέναι soll ja nur dazu dienen, die Ueberzeugung zu festigen. Ich
fasse also dictis sequi analog zu vestigiis sequi Liv. IX 45, 16 u. 0.; "es
nicht nur sagen (addere), sondern fest davon überzeugt sein, also den
durch die Worte vorgezeichneten Weg verfolgen. — 903 dissolvant se
angore: dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der Mensch an die
Furcht gefesselt war, während sonst L. regelmässig Furcht u. s. w. als im
Menschen wohnend ansieht, doch vgl. auch II 46 vacuum pectus curaque
solutum 19 cura semolus metuque. Ueber angor zu 998.
904 'Andere wieder preisen zwar den Gestorbenen glücklich, geben
sich aber selbst ausschweifender Trauer hin’. Dass der Standpunkt
dessen, der hier redet, ein von dem vorigen verschiedener ist, ergiebt sich
aus den Worten: jede besondere Einführung wäre schwerfällig und vom
Uebel — 906 cinefactum in cinerem dissolutum, figuratio μὲ tepefachwn
εἰ labefactum Non. p. 98, der als Beleg diesen Vers anführt. Lachmann
bestritt die Erklärung: ‘cinefactus non est is qui cinis faclus est, quem
latine licebat dicere cinificatum ..., sed prope cinefactus est qui iam
prope cineris colorem e adspectum nanctus est’. Die Abschwächung des
cinefactus durch prope wäre höchst unpoetisch, und in Verbindung mit
bustum kann bei dem Wort an nichts Anderes gedacht werden, als an
die Verbrennung der Leiche; es ist aber auch gar nicht abzusehen,
warum das zu Grunde liegende Verbum, *cinerere oder *cinere (Deecke,
Facere und fieri in der Composition mit anderen Verben, p. 22), nicht
‘zu Asche werden’, cinefieri also “zu Asche gemacht werden” bedeutet.
haben sol. prope ‘nahe bei’: dass sie dabei standen und mit eigenen
Augen saben, wie der theure Leib zu Asche wurde, hat den Schmerz
verstärkt: die Klage am Scheiterhaufen oder Grab wird ja von den
Dichtern immer wieder als besonders herzzerreissend geschildert; man
denke an die eingangs der Andria erzählte Scene, oder vgl. Tib. I 1, 61
flebis εἰ arsuro positum me Delia lecto; II 4, 46 ardentem flebitur ante
rogum; Stat. silv. II 1, 31 iuxta busta profusis matribus; IH 8,8
quis inexpleto rumpentem pectora questu complexwnque rogos incum-
bentemque favillis aspiciens; 40 similis gemeui — proiectus ad ignis;
172 COMMENTAR
V 3,241 seiungere malrem iam gelidis nequeo buslis. — horrificus dies
in der zu 898 citirten Inschrift der Todestag. — 907 insatiabiliter wohl
von L. gebildet: wie bei Hor. epp. I 14,7 fratrem macrenlis, rapto de
fralre dolentis insolabiliter (s. Kiessl. z. St.) ist die lange Wortform
in bestimmter malender Absicht gewählt. — So reden die Grabschriften,
fletus in perpeluo miserae reliquisti dolore C. L. E. I 537, hunc miseri in-
gemucre parentes. perculsi longo luctu iristitiaque perenni 526, ac tribus
est dala nunc requies ... mihi soli cura. relicta est vitaque cum gemilu
544 (mit Buechelers Ergänzungen); καὶ có μέν, ὦ πάντειμε, γόων
ἀπάτερθεν laveıc, μοχθηρὸν μερόπων ἐκπρολιποῦςα Blov: cóc δὲ πόεις
δύετλητα πανημέριος τολυπεύςεει, Öccwv ἀέναον δάκρυον ἐκπροχέων
e. 4. 8. Kaibel 562 (Romae) — 909 Die Frage will nicht Schmerz
und Trauer überhaupt als unberechtigt hinstellen, vielmehr τοῖς ávai-
poücı λύπας xai δάκρυα καὶ «ετεναγμοὺς ἐπὶ ταῖς τῶν φίλων τελευ-
ταῖς μάχονται καὶ λέγουςει τὴν εἰς τὸ ἀπαθὲς xadecrücav ἀλυπίαν ἀφ᾽
ἑτέρου κακοῦ μείζονος ὑπάρχειν, ὠμότητος A δοξοκοπίας ἀκράτου καὶ
λύπης, διὸ πάςχειν τι βέλτιον εἶναι καὶ λυπεῖεθαι καὶ νὴ Δία λιπαί-
veıv τοὺς ὀφθαλμοὺς καὶ τήκεεθαι, wie Ep. selbst τ. a. in seiner Trost-
schrift an Dositheos gesagt hat (Plut. c. Ep. c. 20 fr. 120): er be-
hauptete ja such λυπήςεςθαι τὸν cop6v (Diog. Laert. X 119 fr. 597).
Wohl aber geht ein actermus maeror über das Maass des Natürlichen
hinaus; und da mag der Gedanke, den der Leidtragende ja selbst aus-
gesprochen hat, rem ad somnum et quietem. rediisse, lindernd wirken.
So hält wohl auch Philodem (de mort. c. 17) beim Tode von Jünglingen
den Gedanken für tröstlich, dass sie πολλὰ cuvamoicovrat τῶν ἐν τῷ
ζῆν κακῶν. — Es genügt hier der blosse Hinweis auf die eigene
Aeusserung des Klagenden: sehr überflüssig und widersinnig aber würe
es, ihm den eingehenden Beweis seiner Auffassung eris privalus dolo-
ribus zu liefern und die vv. 919 ---980 gleich hier anzuschliessen; die
dazwischen liegenden vv. 912—918 sind also an dieser Stelle unent-
behrlich. |
912—930 'Auch beim Becher gedenken Viele der Kürze des Lebens-
genusses, der einmal vergangen niemals wiederkehren werde. Als ob
man im Tode Verlangen nach Trank oder sonst irgend etwas empfände.
Verlangt man doch selbst im Schlafe nach nichts: wie viel weniger im
Tode, von dem es kein Erwachen giebt”. — 'Geniesse dein Leben: bald
wird Alles dahin sein’ — die Mahnung ist zu allen Zeiten in unzähligen
Wendungen wiederholt worden. Zwei Gelegenheiten vor Allem sind
dazu geeignet, sie einzuschürfen: die Entbehrung jedes Genusses im Tode,
aus der heraus die Grabschrift den Lebenden mahnt; und die Fülle des
Genusses, «bi discubuere tenentque pocula homines: da liess man sich ja
geflissentlich durch Skelette und skelettgeschmückte Becher an den Tod
erinnern und Mahnungen su raschem Genusse zurufen, Mahnungen, die
alle im Grunde auf ein ζῶν! ‘solange du lebst!” hinauslaufen. Der Genuss-
mensch, der sich Epikureer dünkt, mag so denken und sprechen: der
echte Schüler Epikurs geniesst das Leben als Leben, ohne des Gedankens
an den Tod zur Aufstachelung der Lust zu bedürfen. Aber immerhin
hätte, vom Standpunkte eines consequenten Hedonismus aus, der Gedanke
an die Entbehrungen des Todes einen gewissen practischen Werth, wenn
VERS 906—918. 173
er zu ausgiebigerem Genusse des Lebens führte; das kann L. hier nicht
brauchen, und so hört er denn von den Reden der Bechernden nicht
die Mahnung zur Fróhlichkeit, sondern nur die melancholische Betrachtung
über die Kürze des Genusses, die sich mit dem Gedanken an die künftige
Entbehrung verbindet: auch hier mitten im Geniessen Todesfurcht, meqwe
ullam esse voluptatem liquidas puramque relinquit. — 918 saepe steht
im Nebensatze, bezieht sich aber auf's Ganze, wie 1050 mec reperire
potes libi quid sit saepe sali II 85 nam cum cila saepe obvia conflizere,
fit wt diversa repente dissiliant IV 33 eadem nobis vigilantibus mentes
terrificant alque in somnis, cum saepe figuras contuimur; vgl. auch III 363.
— inumbrant: cxıdZeıv umbrare von Blumen und Kränzen wie auch
von Haar und Bart häufig, II 627 ningunique rosarum floribus wmbrantes
matrem comilumque catervas; ora, wie Stat. Theb. I 108 centum illi
(Tisiphonae) stantes umbrabant ora cerastae: in ähnlichen Verbindungen
pflegen sonst fempora genannt zu werden (beim Bart genae), also das,
was bedeckt wird; hier muss an den Schatten gedacht sein, der vom
Kranz aufs Antlitz fällt: denn statt caput ist ora nicht gesagt worden.
Aber der Kranz braucht ja auch nicht auf dem Scheitel zu sitzen;
Tib. I 7,45 frons redimite corymbis; Anakr. fr. 54 ἐπὶ δ᾽ ὀφρύειν celi-
vuv crepavíckouc θέμενοι. — Den Becherrand zu bekrünzen, scheint
in Rom nicht Sitte gewesen zu sein. — 914 ex animo mit voller Ueber-
zeugung: es ist nicht nur leicht hingeworfene Redensart, die zum Trinken
locken soll, sondern die Furcht vorm Tode haftet in ihnen. — homullus
wie Sulpicius (zu v. 870) nos homunculi, Petron. c. 84 nos miseros! quam
lotus homuncio nil est; C. G. L. II 227 ἀνθρωπάριον (aus der stoischen
Popularlitteratar bekannt) homullus homuncio. — 915 iam fuerit, Futurum
des Perf. Prüs. — 916 Aoc mali (1050 tibi quid sit mali, 909 quid sit
amari tanto opere) cum primis eorum (molis) sit: cum primis ist also -
noch durchaus nicht zum Adverb erstarrt. Vgl. Sen. ep. 99, 4 hoc habet
inter reliqua mali dolor isle. — 917 Die Form torro neben torreo ist
zwar sonst m. W. nicht überliefert, aber das gleiche Schwanken ist so
häufig (vgl Lindsay lat. langu. p. 476 Iob le présent p..371 u ὅλ
dass ihre Möglichkeit anzuerkennen ist; L. gebraucht auch fwlgere neben
fulgere, densare neben densere. Lachmann schrieb forres: für die Existenz
der Form neben dem Mascul. forris giebt die gelegentliche Ueberlieferung
in Glossaren keine Gewähr: C. G. L. II 237 ἀπόκαυμα ustilatio torres,
aber torris ὁ δαλός Prise. 1169 (und C. G. L. Π 199) und baAóc: ξύλου
ἀπόκαυμα Et. M., so dass dort forris in der üblichen Bedeutung == fustis
adustus in foco (C. G. L. IV 185. 575. V 249) gemeint sein wird; C. G. L.
IV 397 torres: lignum perustum vel siccum. Auch C. G. L. V 249 terris
(Var. forris): titio wstio liegt dieselbe Glosse vor. — Die Zusammen-
stellung der Verben wie V 901 flamma quidem cum corpora fuloa leonum
tam soleat. torrere alque were; das Adjectiv arida nur beim zweiten
Gliede, weil die Trockenheit nur dörrt, nicht brennt. — 918 insideat
steht mit sif, nicht mit exwrat parallel.
918 Die letzte allgemeine Behauptung leitet über zum Vergleich
des Todes mit dem Schlafe, womit der Abschnitt schliesst: der Ver-
gleich ergänzt zugleich das gegenüber der ersten und zweiten vox popw-
laris v. 900 u. 909 Bemerkte. Da íamquam insideat verstanden wird
.
* s.
» -
. un -α
D . .
.
174 COMMENTAR
als af non insidet, kann. sogleich mit mec enim requirit. fortgefahren
werden; se vitamque umfasst alle alias res. Der Vergleich von Schlaf und
Tod in gleicher Absicht verwendet von Plat. apol. p. 40 c εἴ γε μηδεμία
afcóncíc Ecrıv, ἀλλ᾽ olov ὕπνος, ἐπειδάν τις καθεύδιυν μηδ᾽ ὄναρ
μηδὲν ὁρᾷ, θαυμάςιον κέρδος ἂν εἴη ὃ θάνατος: denn wenige Tage und
Nüchte im Leben sind glücklicher als eine traumlose Nacht. Also würe
der Tod ein Gewinn: xal γὰρ οὐδὲν πλείων ὁ πᾶς χρόνος φαίνεται
οὕτω δὴ εἶναι A μία νύξ. Dann, wohl gemeinsam auf Krantor zurück-
gehend, Cic. Tusc. I 38, 72 habes somnum imaginem mortis eamque cotlidie
induis: εἰ dubitas quin sensus in morte nullus. sit, cum in eius simulacro
videas esse nullum sensum und Plut. cons. ad. Ap. c. 12 εἰ γὰρ δὴ ὕπνος
τίς ἐετιν ὁ θάνατος καὶ περὶ τοὺς καθεύδοντας μηδέν Ecrı κακόν, δῆλον
ὡς οὐδὲ περὶ τοὺς τετελευτηκότας εἴη ἄν τι κακόν. ἀλλα μήν τε ὅτι
ἥδιςτος ὁ βαθύτατος τί δεῖ καὶ λέγειν. L. verstärkt aber die Beweis-
kraft des Bildes, indem er einerseits die Aehnlichkeit des physischen
Vorgangs — Verstreuung der Seelenatome — hervorhebt, andererseits
zeigt, dass der disiecius materiae im Tode noch weit vollständiger ist
᾿ als im Schlafe. — 919 Aus dem Folgenden ergiebt sich unzweifelhaft,
dass hier vom Schlafe, nicht vom Tode die Rede ist: der ist so sehr
καςίγνητος θανάτοιο, dass dem Schlafenden sogar die vita abgesprochen
werden kann, denn ihm mangelt wie dem Todten der sensus (IV 949),
senlire und vivere aber ist eins (zu 118). Sehr glücklich ist das hier
insofern nicht, als der Leser eben erst aus dem Folgenden sieht, dass
er 920 sopita quiescunt in eigentlichem Sinne zu fassen hat: unertrüglich
würde dieser Missstand, wenn die Verse unmittelbar auf 910. 911 folgten,
wo somnus aíque quies die Ruhe des Todes bedeutet. — 920 pariter
mens εἰ corpus: auch der Geist muss ruhen, damit er nicht, wie v. 112 ff.
geschildert war, curas inanis empfinde: L. denkt also, wie Plato in der
Apologie (s. o.), an den festesten, traumlosen Schlaf. — 921 Wir em-
pfinden dann so wenig ein Bedürfniss nach Veründerung unserer Lage,
dass unseretwegen der Schlaf so wie er ist, sic, ewig dauern, dass also der
somnus collidianus zum somnus aeternus werden dürfte. Dies der unzählig
oft in verschiedenen Variationen wiederholte Euphemismus für den Tod;
anon. P. L. M. III p. 270 Bähr. Nymphius aeterno. devinctus membra
sopore und C.L. E. I 481 Aic iacet aetermo devinchus membra — sopore;
Hor. c. 124, 5 perpetuus sopor; Orell. inscr. 1192 Somno aeternal. C. Mairini
Valenti Philosophi Epicur ... Matrimia coniugi infelicissim. etc. etc. —
922 licet per nos verlangt noch eine Erklärung: der Vers klingt absicht-
lich an 918 an. — 924 errant zu v. 861; vgl. die physische Erklärung
des Schlafs IV 929 ff.; 949 ergo sensus 'abit mulatis snotibus
925 cum ... colligat (so Winkelmann Beitr. z. Krk des L. p. 21) be-
gründet die "vorhergehende Behauptung; der Indicativ colligi wäre nur
auf sehr künstliche Weise zu erklären. — 928 Zu íurba und disiectus
vgl. IV 943 conturbantur enim posilurae pr dh corporis aique animé
957 plurima tum se corpora conlurbant; 959 δέ... coniectus ... animas
altior alque foras eiectus largior et divisior ier se ac distraclior actus:
um den Begriff des 'auseinander' möglichst kurz wiederzugeben, ist hier
disiecdus gebildet. Das überlieferte (urba materine könnte als materia
conturbata verstanden werden wie I 1113 Aac se turba foras dabit omnia |
VERS 918—981. 115
materiai: das conlurbari ginge dem disici voraus. Die Fassung aber,
turbae disiectus maleriai, wäre wegen der beiden Genitive sehr unschön;
ich ziehe daher Goebel's turba εἰ disiectus (quaest. Lucr. p. 29) vor. —
929 nec quisquam expergitus exstat “es giebt Niemanden, der erweckt
worden wäre” (expergitus ab alio excitatus: quem solemus dicere experge-
factum Festus p. 80), und somit kann es einen Solchen auch nicht geben
noch gegeben haben, was auch darüber gefabelt wird: expergiscitur würde
nur die triviale Thatsache constatiren. — 930 secuia est “erreicht hat’,
s zu 211; Ov. Met. Π 611 corpus inmane animae frigus lelale secutum
est. Durch das vorhergehende consequi wird hier die Verwendung des
V. simplex im Sinne des Compositums erleichtert; in anderer Weise
Cie. Tusc. II 12, 28 (Epicurus dicet) in ipso dedecore mali nihil esse, misi
sequantur dolores. quis igitur Epicurum sequitur dolor, cum hoc ipsum
dicit, summum malum esse dolorem, quo dedecus maius a philosopho nullum
931—971 "Wenn die Natur in eigener Person uns die Thorheit
vor Augen führte, die darin liegt, den Tod zu beklagen — denn wer
das Leben genossen hat, mag befriedigt von hinnen gehen; wer nicht zu
geniessen verstanden hat, wird es in Ewigkeit nicht lernen —, so müssten
wir ihr Recht geben (931—951). Wenn aber gar ein Greis sein Lebens-
ende bejammerte, würde sie ihn mit vollstem Rechte schelten: er hat
mit dem Leben noch nicht abgeschlossen, weil er es nicht zu nutzen
verstanden hat: nun muss er Platz machen. Denn kommende Ge-
schlechter verlangen ihr Recht; eins entsteht immer aus dem andern,
und Niemandem gehört das Leben zu eigen (952—971)'. — Unter den
Mitteln, durch die der Diatribenstil philosophische Erörterungen belebt,
steht in erster Linie der Kunsigriff, statt über abstracte Begriffe zu
reden, diese selbst redend auftreten zu lassen: nicht so, dass die perso-
nifieirten Wesen mit mythologischen Personen oder unter einander ver-
handeln, wie im Mythus des Prodikos oder auf Kebes’ Gemälde, sondern,
der derben gegenständlichen Art und Absicht der Diatribe entsprechend
so, dass jene Wesen in’s gegenwärtige Leben hinein, dem Menschen
gegenübertreten, auch nicht im hohen Stile einer göttlichen Erscheinung,
sondern im Umgangstone wie ein Mensch zum andern reden. Die
übliche Einleitungsformel für solche Reden ist εἰ φωνὴν λάβοι τὸ δεῖνα,
Beispiele s. bei Nauck mel. Gr-R. IV 363, Norden in Varr. sat. Men.
Jahrb. Suppl XVIII 344. Die Art, wie bei L. die Natura spricht,
erinnert zumeist an Bions bekannte Prosopopoiie der Πενία, Teles
p. 3, 15 εἰ λάβοι φωνὴν rà πράγματα, ὃν τρόπον xal ἡμεῖς, καὶ δύ-
γαιτο δικαιολογεῖςθαι, οὐκ ἂν εἴποι... καὶ ἡ Πενία ἂν εἴποι πρὸς
τὸν ἐγκαλοῦντα "τί μοι μάχῃ; μὴ καλοῦ δι᾿ ἐμὲ ςτερίςκῃ; μὴ cuoppo-
εύνης; μὴ δικαιοςύνης; μὴ ἀνδρείας; ἀλλὰ μὴ τῶν ἀναγκαίων ἐνδεὴς
ci; u. s. f. Damit ist nicht gesagt, dass L. Bion selbst kannte, wohl
aber wird der Kreis der stilistischen Vorbilder, an die er sich hier an-
lehnt, genau dadurch bestimmt. Es ist mir zweifelhaft, ob Epikur selbst,
der sonst ebenso wenig wie z. B. Metrodor einzelne Wendungen der Dia-
tribe verschmähte (s. Usener Epic. ind. s. v. Bio), sich je in dieser
Ausdehnung im Diatribenstil bewegt hat. In der poetischen Auffassung
der $ücic freilich als lebendiger Macht war er L. vorausgegangen: mit
116. COMMENTAR
Recht fasste Bernays (Theophr. über die Frömmigkeit p. 146) so seim
Spruch (fr. 469) χάρις τᾷ μακαρίᾳ Φύςει, ὅτι τὰ ἀναγκαῖα ἐποίης e
εὐπόριςτα, τὰ δὲ ducnöpicta οὐκ ἀναγκαῖα. Und bei Lucrez ist "
nicht als willkürlich gewähltes Kunstmittel zu betrachten, wenn ib
hier die Natur zur mahnenden, strafenden Meisterin des Mensche
geschlechts wird: hinter den unwandelbaren, todten Gesetzen, die εἶ
Materie erhalten und bewegen, sucht sein tief poetisches Gefühl ei
lebendige Kraft, und an zahlreichen Stellen seines Gedichtes, wo er c
schaffende oder zerstórende Thätigkeit der Natur schildert, meint msg
vom verborgenen Wirken einer persönlichen Allmacht reden zu hören,
So überrascht es denn nicht, wenn die Natur hier selbst das Wort «4.
greift, nachdem die thörichten Menschlein gesprochen haben: der Ze
punkt ihres Auftretens konnte nicht besser gewählt sein. — Seneca m
an L. gedacht haben, wenn er ep. 22, 15 schrieb: peiores morimur quc
nascimur. nosirum isiud, non nalurac vilium est. illa nobiscum qu
debet εἰ dicere 'quid hoc est? sine cupiditatibus vos genui, sine timoriba
sine superstilione, sine perfidia ceterisque pestibus. quales intrastis ezitr
für die spätere Verbreitung der Form zeugt es, wenn selbst ein Th.
dorus Priscianus (eupor. faen. I 2) noch schreibt: interea dum hi (mede
infer se luctantur alque aeger fatiscit, pro pudore wonne videlur natura ἐς
rerum haec dicere: “0 frustra ingratum mortalium genus, occiditur aeg
non moritur, ei misi fragilitas i
932 hoc das im Folgenden genannte morlem congemere Ὁ. 8. w.,
mit folgenden Worten. — 933 quid tibi esi == quid habes; dazu tr-
noch verstärkend (aw/o opere, wie mit esse auch die Adverbien 8c
parum abunde affatim u. a. verbunden werden. Im abhängigen Sa.
verlangt der Sinn durchaus den Indicativ, denn quid libi est quod e-
spricht ganz dem folgenden quid congemis; die gleichzeitige Prosa se
such in solchem Falle gewohnheitsgemäss meist den Conjunctiv, d.
vgl =. B. Cie. Verr. IV 70, 43 quid erat quod Calidius Romae quere
lur ... Si emeras, quid. erat quod. confirmabat. — mortalis: die Anr-
zeigt schon, wie unberechtigt die Klage über den Tod ist, der rz
Wesen des Menschen gehört. — qwod nimis aegris luctibus indulges κα
. 952 si lamentetur amplius aequo: selbst hier wird nur das Uebermaass
λύπη verworfen, und im Folgenden von den Menschen nur verlangt, c.
sie aequo amimo scheiden, nicht μέγα προςπτύςαντες τῷ ζῆν noch u
καλοῦ παίωνος, wie Metrodor (fr. 49 Κὶ von sich und den Sei -
rühmt. — 935 graía: Gegensatz 937 ingrata interiere, 958 ingrata «
anders 1008 animi ingratam naluram. — si kann hier kaum entbe
werden: da das nam bereits auf cur non recedis hinweist, kann
hypothetische Satz nicht als Behauptung ausgesprochen werden, wie
je sonst häufig geschieht, bei L. IV 1164 balba loqui non quit: tQ»
λίζει. — 936 pertusum in vas congesta perfluxere: dabei wird schon an .
v. 1008 vorgebrachte Deutung des Wasserschöpfens im Hades geda- ἢ
sein, laticem pertusum congerere in vas 1009; aber das Bild ist a '
ohnedies verständlich und ohne jene Nebenbeziehung verwendet, *
1) Darüber bat mit feinem Empfinden Sellar in dem meisterhaften Luc E
capitel seiner Roman poeta of the Kepublic (1868 p. 273 ff.) gesprochen. ^ *
VERS 981—941. 11
Plaut, Pseud. 101 non pluris refert quam si imbrem in cribrum ingeres,
wohl auch 357 in periussum ingerimus dicia doliwn; εἰς τὸν πίθον
φέρουςει τὸν τετρημένον von der Hadesstrafe Philetairos FCA II p. 235K.
Vgl. Sen. ep. 99, 5 adquiescamus cis quae iam hausimus, si modo non |
perforato animo hauriebamus εἰ transmillente quidquid acceperat; ep. 22, |
17 non enim apud nos pars cius (vitae) ulla subsedit: transmissa cd
et effluxit. — 988 plenus vilae conviva und 960 satur ac plenus dis
dere rerum: das Gastmahl als Bild des Lebens hat in ähnlichem Bin»
unseres Wissens zuerst Bion verwendet, andeutungsweise erhalten bei
Teles p. 11 H. οὐχ ὑπομένω (wenn der Körper untauglich geworden is)
ἀλλ᾽ ὥςπερ ἐκ cupmocíou ἀπαλλάττομαι οὐδὲν ducxepalvwv, οὕτω xà
ἐκ τοῦ βίου, ὅταν ὥρα jj: zahlreiche Spätere haben dann den Vergleich
in mannigfacher Weise ausgeführt; mit Bezug auf freiwilligen Tod,
wie Bion, such Epikur, Cic. Tusc. V 46, 118 (fr. 499) miki quidem in
vita servanda videtur illa lex, quae in Graecorum conviciis obtinetur “aut
bibat", inquit, ‘aut abeat", εἰ recte. aut enim fruatur. aliquis pariter cum
aliis voluptate polandi, aut, ne sobrius in violentiam vinulentorum incidal,
ante discedat ... haec eadem quae Epicurus totidem verbis dicit. Hiero-
nymus; und so namentlich dann Stoiker. Anders hier L.: der Scheidende
sol] in dankbarer Stimmung, wie ein gesättigter Gast, auf das Genossene
zurückblicken — ich finde diese Wendung vor L. nicht, von ihm hat sie
wohl Horaz, sat. I 1, 117 «£ raro qui se virisse beatum dicat εἰ exaco
contentus tempore vitae cedat wii conviva satur, reperire queamus (wieder
anders ep. II 2, 213/ff: man soll rechtzeitig von den Genüssen des
Lebens abstehen, ne polum largius aequo rideat εἰ pulse lasciva. de-
. cenlius aetas, erinnernd an Plut. cons. ad Ap. 84, p. 120b rmpoawe-
qoírnce τοῦ βίου καθάπερ ἐκ cuunocov, πρὶν εἴς τινα παροινίαν
ἐμπεςεῖν τὴν τῷ μακρῷ γήρᾳ παρεπομένην). Uebrigens bringt L. das
Bild, das gewiss allgemein bekannt war, nur andeutungsweise, wie unten
v. 971 den Gemeinplatz von κτῆςις und yxpfjcic, und hebt ihn über
das Triviale durch eine wohl ihm eigene Pointe in vilae conriva, wc
conviva in Doppelsinn zu verstehen ist, wie L. das liebt — er denkt ofi
an die Grundbedeutung der Worte —; vgl. Cic. Cato 18, 45 bene maiore:
nostri accubilionem epularem amicorum, quia vitae coniunctioncm haberet
conciviwn nominarunt. — plenus: Sen. ep. 98, 15 ipse (senex) vilae plemu
est, cui adici wihil desiderat sua causa, sed eorum quibus wtilis est
μεετός entsinne ich mich in gleichem Sinne gelesen zu haben, wg
Metrodor fr. 59 οὐ μακαριεῖς τὸν γέροντα καθ᾽ Ócov γηράςκων reum:
ἀλλ᾽ el τοῖς ἀγαθοῖς ευὐμπεπλήρωται. — 939 capis quieteim, wie ma.
nach dem Mahle sich zur Ruhe begiebt; die Rnhe ist secura, währen
die Fortsetzung des Genusses immer die Furcht vor Stórung in sic
schliesst: stultus ist der Betreffende, weil er diese sccwrifas nicht =
schützen weiss.
940 profundere wie ἐκχεῖν im Sinne von 'verschwenden' häufig, dah.
gern mit perdere verbunden, Ter. ad. 184 profundat perdat pereat; C
pro Quinct. 12, AO quis (am perditus ac profusus nepos fuisset; epp».
fam. V 5,3 quae ego si non profundere ac perdere videbor, see
viribus sustinebo; sin autem ingrata esse sentiam ...; hier bleibt "
damit im Bilde des eas periwsum. — 941 Ob L. offensa oder offe-se.
Lueretius v. Harz. . 18
118 COMMENTAB
schrieb, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden: in offensa scheint da
offendisse, “angestossen haben’, meist noch deutlich gefühlt zu werdei
Cie. ad Att. IX 24 2 negas tu dubitare quin magna in offensa sim apw.
Atticum; Quint. inst. IV 2, 39 se minus gratiae praecipiendo recta quaa
offensae reprehendendo prava mereamur; offensus (im nicht übertragene
Sinne II 223. 438, IV 359, VI 333) würde (s. zu 381) dem offems:
der Prosa entsprechen und also hier vielleicht besser am Platze seim
vgl repulsa — repulsio, deprensa — deprehensio; Cic. ad fam. XIII 23,
mihi maiori offensioni sunt. quam delectationi possessiunculae meae; Tua
IV 10, 23 quae habent vitiosam offensionem atque fastidium, den vocfjuar-
krankhaften Neigungen, gegenüber gestellt (rà xarà προςκοπὴν div
μενα Stob. ecl. II p. 98 W.). — 943 vitae finem facis: dabei ist eben.
wenig wie v. 1093 qui finem vitai fecit an freiwilligen Tod gedack-
dagegen Ben. ep. 70, 5 nihil existimat (sapiens) sua referre, faciat fina
an accipiat. — 944 “Denn ausser den bisherigen Genüssen kann ich «
nichts verschaffen, was deinen Beifall finden könnte: es bleibt imm,
‚dasselbe. Und bist du auch noch in den Jahren der Genussfähigk-.
und erwartest von der Zukunft etwas, so wird's doch immer 8556 Ἢ
"bleiben, magst du auch in alle Ewigkeit weiter leben.' Derselbe €:
danke bei Philodem de morte c. 19 ὃ δ᾽ ἄφρων οὔτ᾽ ἀξιόλογον 6-a
λήψετ᾽ ἀγαθόν, ἂν xal τὸν Τιθωνοῦ διαγένηται χρόνον — die Volle
dung der Lust ist nicht an lange Dauer gebunden, c. 12 χρόνῳ "wr
μετροῦντες τἀγαθὰ οὐδὲν μέγα περιποιηςόμενοι φαίνονται, also νυν:
der Verständige οὐδ᾽ αὐτὸ (τὸ ἐνδεχόμενον ἀγαθὸν) ἐπὶ πλέον ποθεΐῃ«
οὐδὲ τὸν χρόνον ὡς mpocOfjcovra αὐτῷ μεῖζον ἀγαθόν (Porphyr.
abstin. c. 54 fr. 458): so folgt denn, dass der Weise, wie Epikur sel
sagt (ep. III p. 61, 15) ὥςπερ εἰτίων οὐ τὸ πλεῖον πάντως ἀλλὰ
ἥδιον αἱρεῖται, οὕτω καὶ χρόνον οὐ τὸν μήκιςτον ἀλλὰ τὸν fibi
καρπίζεται. — 945 eadem sunt omnia semper: so tröstet bei Sen. ep. 7 7
der Stoiker den Sterbenden: cogila quam diw iam idem facias: cib:
somnus, libido: per hunc circulum curritur; vgl. die Stimmung «.
Lebensmüden ep. 24, 26 omnia sic transeunt ui revertantur; nihil νι
| facio, nihil novi video: fit aliquando et huius rei nausea. — 948 vive»
N vincere überleben, Serv. δὰ Aen. XI 160 [vivendo vici mea fata] id
supervixi: veleres enim vivendo vincere. dicebant supervivere, μὲ "mi.
virum volwens vivendo saecula vincit (Georg. II 295); vgl. Plaut. Epid. 1
quia licibumst eam (uxorem) libi vivendo vincere. Nach Analogie —
I 202 (homines qui possent) mulia vivendo vitalia vincere saecla, III 1C
licet. quotvis vivendo condere saecla. muss hier saeclum die Generation
Menschen oder — denn das kommt auf eins hinaus — die einer Gene
tion zugemessene Lebenszeit bedeuten. Dann ist also ommia sa.
supervivere ein stark hyperbolischer Ausdruck für 'steinalt werden’, a
doch ein Ausdruck für eine reale Annahme: daher das Futurum pe.
(s. zu 422). Dagegen verlässt die Annahme, dass der mortalis unst.. .
lich sein könne, gänzlich den Boden der Thatsachen; daher si nung»
sis moriturus. — 950 quid respondemus? so folgt bei Bion auf die Rede
Armut Tí ἄν ἔχοις ἀντειπεῖν, und nach einer in ähnliche Form gekleid.
Prosopopoiie bei Horaz (sat, I 2, 68 Auic si muttonis verbis ... die :
haec animus "quid vis tibi?" wu. s. 1.) quid respondere? — Der Indie .
VERS 941—986. 119
Präs. quid respondemus (Ritschl bei Goebel quaest. p. 29 sq. wollte qvid
respondebis, vorher schon Lambin respondeamus oder responderimus) ist
an sich unanstössig; 'Lalini cum semet ipsos aut inter se interrogent qui
faciendum sit, saepe, quemadmodwn nos εἰ Germani in familiari sermon
tamquam de re quae iam fiat indicativo modo praesentis temporis wlunlur
Madvig op. II 40, z.B. Atticus bei Cie, ad Att. XVI 7, 4 nam se
Phaedro mostro esses, expedita cxcusatio esset; nunc quid. respondesma?
Trotzdem würde man hier wohl nach dem Vordersatze si millat den
Conjunctiv erwarten, wie unten 968 iure agat, iure increpet incileique
(vgl Pacuvius trag. fr. 1830 si quis hac me oratione incilet, quid respor
deam?): aber über der langen Rede der Natura ist das Vorhergehende
längst vergessen. — infendere litem, wie actionem, accusationem, crimen,
einen Process anstrengen: das hat "nichts mit der infentio (Gaius IV 41
intentio est ea pars formulae qua actor desiderium suum. concludit), dem
eigentlichen Anspruch des Klägers auf eine bestimmte Leistung des An-
geklagten, zu thun. In ähnlichem Bilde z. B. Cic. de or. I 10, 42 cum
universi (philosophi) in te impetum fecissent, (um singulae familiae litem
libi intenderent; in gleichem Falle sagt Bion a. ἃ. O. δικαιολογεῖεθαι.
iusta wird aber hier eigenthümlicher Weise eine lis genannt, in der das
Recht auf Seiten des Klügers ist; der Gegensatz würde etwa calummiosa
sein. veram cxponere causam bleibt im Kreis der Gerichtssprache; die
‘wahre Sache’ ist die, auf deren Seiten Recht und Wahrheit ist; Cie.
off. III 10, 43 (lantum (iudex) dabit amicitiae μὲ veram amici causam
esse malit; de imp. Pomp. 17, 53 si plus apud porum, Romanum
auctoritas ὑμα quam ipsius p. R. salus et vera causa. valuisset.
952 grandior wird durch senior verstürkt: bei jenem denkt man
nur an die Zahl der Jahre, bei diesem an den durch das Alter ge-
schwächten Körper. Der Greis, der doch widerwillig aus dem Leben
scheidet, vergeht sich gegen die foedera naturai, die das Folgende nennt:
darum würde hier die Natura mit noch grösserem Rechte, magis merito,
schelten: das tocem millere steigert sich zum inclamare, das blosse incre-
pare zum voce acri increpare. — 954 Das unwillige Geheiss 'weg rit
den Thrünen' wird unerträglich matt, wenn man abhinc temporal *
Zukunft' fasst, wie das noch Lachmann wollte. Freilich findet sich ab-
hinc in localem Sinne erst wieder bei Augustin, s. Ploen A.f.LL.IV 118 ff.
(denn Apulei flor. 16 ufi [liber] per omnes provincias eat, totogue abhisw
orbe toloque abhinc tempore laudes benefacti (ui ... repraesentet ist nichi
zu rechnen); aber dabei ist einmal zu berücksichtigen, dass das Wor:
auf weiten Strecken der Litteratur überhaupt fehlt; und dann nötig!
eben (wie Ploen 8. ἃ. O. richtig bemerkt) der Sinn der Stelle, jene Be
deutung, die abkinc ja an sich gerade so gut wie hinc haben könnte, hie
zu constatiren, ebenso wie wir Pacav. trag. v. 21 seque ad Iudos iam ised
abhinc exerceant die Bedeutung “in Zukunft” zu constatiren haben, ob
wohl sie sich erst bei Tertullian wiederfindet. Bestätigt wird hier x
Allem noch abhinc 'von hier' durch die analogen Wendungen Plaut. me1
609 aufer hinc palpationes Poen. 1035 maledicta hinc aufer Pers. 79
turgium hinc. auferas Ter. Phorm. 857 quin {πε hinc pollicitationes aufe
— 956 perfunctus ohne den Nebensinn des "Überstehens', den das Wo:
meist hat, aber auch ohne nach der Seite des 'Geniessens' zu neige
1:5
180 COMMENTAR
denn wahre ἡδονή haben die praemia vitac (zu v. 899) diesem nicht
gebracht, da er statt sich an dem zu freuen, was er hat, immer das ersehnt,
was nicht da ist: 1082 dum abest quod avemus, id exsuperare videtur
cetera: post aliud, cum contigit illud, avanus. Schon unter Demokrits
Namen geht die Sentenz (fr. 60 Nat.) ávofjuovec τῶν ἀπεόντων ὀρέ-
yovraı, tà δὲ παρεόντα ἀμαλδύνουςι: das ist dann in der popular-
philosophischen Litteratur viel variir worden (Norden in Varr. sat.
p. 307), theils auf solche bezogen, die statt sich an dem nahe liegen-
den Guten genügen zu lassen immer nach schwer Erreichbarem streben,
theils, wie hier bei L., auf solche, die mit dem Erreichten nie zufrieden
immer nach Mehr und Hóherem streben, dic ἕτερόν τινα βίον Biwcópevos,
οὐ τὸν παρόντα, wie der Sophist Antiphon (fr. 127 BL) sagt. So bleibt
ihnen das Leben unvollendet: male vivunt, qui semper vivere. incipiunt,
sagte Epikur (fr. 498), weil, wie Seneca ep. 23, 10 erklärt, semper illis
imperfecta vita est. Er fährt fort wie L.: son polest autein stare para-
(us ad mortem, qui modo incipit vivere. id agendum est, ut satis vizerimus:
: nemo hoc putat, qui orditur nunc mazime rilam. Dem Weisen kommt
der Tod stets erwartet: Philod. de morte c. 37 τὸ τοίνυν cuvaprtóZecoo:
θανάτου προςπίπτοντος, ὡς ἀπροςδοκήτου τινὸς καὶ παραδόξου cuvav-
τῶντος, ἡμῖν μὲν οὐχί, γίνεται δὲ περὶ τοὺς πλείετους. Der Tod ad.
sistit ad caput, wie im Märchen vom Gevatter Tod: man tritt an das
Kopfende des lectus, wenn man mit dem Liegenden zu reden hat. Zu-
gleich ist die Gefährdung des caput Gefährdung der Existenz, worauf
die Wendung supra caput essc (s. d. Ausleger zu Sall Cat 54, 24;
Liv. III 17, 2) für die dringendste Gefahr beruht; Tib. 1 8, 79 nescius
ultorem post caput esse deum. — 961 aliena (ua aetate omnia ille,
nicht in dem Sinne, wie Teles epit. p. 6, 14 H. sagt γέρων γέγονας"
μὴ ζήτει τὰ τοῦ νέου, sondern weil die Lebensgenüsse der Jugend,
nicht dem sesez iam marcens gebühren: Ger hat Platz zu machen. Was
zu concede hinzugefügt war, weiss ich nicht: es ist nicht einmal sicher,
wenn auch das Wahrscheinlichste, dass die Personen genannt waren,
denen gewichen werden soll: vgl. Eurip. Suppl 1109 μιςῶ δ᾽ Ócoi xph-
Zovcıv ἐκτείνειν βίον... οὖς χρῆν, ἐπειδὰν μηδὲν delia τῆν,
θανόντας ἔρρειν κἀκποδὼν εἶναι νέοις. Epikt. diss. IV 1, 106 (was
ich auch des Folgenden wegen citire) ἔξελθε, ἀπαλλάγηθι ὡς εὐχάριετος,
ὡς αἰδήμων᾽ δὸς ἄλλοις τόπον. δεῖ τενέοθαι καὶ ἄλλους, καθάπερ
καὶ εὑ ἐγένου ... οὐκ éxcrcg τῶν ἀλλοτρίων; οὐ παραχωρήεεις
τῷ xpeíccovi; Luc. dial mort. 6,1 οὐ τὰρ ἐχρῆν γέροντα ὄντα καὶ
μηκέτι xprcacdaı τῷ πλούτψ αὐτὸν δυνάμενον ἀπελθεῖν τοῦ βίου
παραχωρήςαντα τοῖς νέοις; Hor. epp. II 2, 218 vivere si recle nescis,
decede peritis: lusisti satis, edisti salis alque bibisti: lempus abirc tibi
est. Von dem für magnis hier Vorgeschlagenen — agnus, Maccus,
ad manis, mage sis, humanis, gnavis, gnatis, dignis, iam aliis — ist das
Meiste unmöglich, nichts überzeugend, das letzte noch das beste. Mit
necesse est schliesst Natura eindrucksvoll ihre Rede: Klagen und Wider-
streben hilft nichts, ὅταν finäc τὸ χρεὼν ἐξάγῃ (Metrod. fr. 49 K.);
aber die nccessifas ist hier noch mehr, nämlich das Naturgesetz, das im
Folgenden erläutert wird.
963 iure agere dasselbe wie oben sustam litem intendere: agere
VERS 966.--969. 181
stehender Ausdruck für das Vertreten einer Sache vor Gericht, iure
agere hier ‘so die Sache vertreten, dass das Recht dabei auf Seite der
Natara ist’, abweichend vom sonstigen Gebrauche: denn es steht sonst
entweder im Gegensatze zu lege, rescriptis principum, armis agere (und
so Cic. in Verr. II, II 24, 59 quod iure agere cum Epicrate nihil possent
... idcirco suum decretum pecunia esse templalum), oder bedeutet, dass
die actio gesetzlich zulässig ist, so Cic. de domo 16,42 te cum plebe
iurc agere poluisse ...; quod de me civi ila de re publica merito iulisses,
funus te indixisse rei publicae, quod salvis auspiciis tulisses, iure cgisse
dicebant. — incilare kennen wir sonst nur durch Nonius (p. 124, 36)
Citate aus Pacuvius, Attius und Lucilius sowie durch die Glossare (Loewe
Prodr. 386); Nonius erklärt es als increpare vel inprobare, die Glossare
geben ausserdem die Synonyme inclamare (-itare) und argwere. —
964 Der grosse Kreislauf alles Seienden, der orbis rerum in se remean-
ἔμ (Sen. epp. 36, 11), verlangt, dass etwas untergehe, damit Neues
entstehen könne, denn ex milo mil fi. Der Gedanke ist tröstlich, dass
unser Tod zu etwas nütze ist, und dass jenem ewigen Gesetze nicht nur
wir, sondern alle vergangenen und zukünftigen Geschlechter unterstehen
— Plut. cons. ad Apoll 10 p. 106 e f φύεις ἐκ τῆς αὐτῆς ὕλης πάλαι
μὲν τοὺς προγόνους ἡμῶν é&vécyev, εἶτα cuvexeic αὐτοῖς ἐγέννηςε τοὺς
πατέρας, εἶθ᾽ ἡμᾶς, εἶτ᾽ ἄλλους ἐπ᾽ ἄλλοις ἀνακυκλήτει ---: Keinem ist
das Leben zu dauerndem Besitz verliehen. — Das Gesetz erstreckt sich
auf alles Seiende: daher gleich im Anfang das allgemeine rerum novi-
las und rerum vetustas. — 966 Niemand geht völlig unter, denn neben
dem nihil ex nilo gigni steht der Satz, «wi quicque in sua corpora rursum
dissolvat natura neque ad nilum interemat res (I 215), also haud penitus
pereunt. quaecumque videntur: quando alid. ex alio refici. natura, nec
ullam rem gigni patitur, nisi morte adiwla aliena. Als Trostgrund kennt
das auch Seneca ep. 36, 10, wenngleich etwas anders pointirt: si tania
cupiditas te longioris aevi tenet, cogila mihil eorum quae ab oculis abeunt
εἰ in rcrum naturam, ex qua prodierunt ac moz processura sunt, recow-
duntur, consumi: desinunt ἰδία, non pereunt. Hier wird das völlige Nicht-
sein als barafhrum et Tartara atra bezeichnet, schon mit dem Hinweis
auf die volksthümlichen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode, mit
dem sich v. 978 ff. beschäftigen. Die Zusammenstellung (vgl I. 8,13
ῥίψω éc Τάρταρον ἠερόεντα, τῆλε μάλ᾽, ἧχι BáOwrov ὑπὸ χθονός
ecrı βέρεθρον) auch Dionys. Hal. antiqu. IV 81 (von den geknechteten
Plebejern) ταλαιπωρεῖν ... ἐν ταρτάροις xal βαράθροις δαπανωμένους.
969 haec non minus quam in ante cecidere oder, was ziemlich auf
dasselbe hinauskommt haec nom minus (sc. quam te sequentur) ante quam
lu (sc. cadis) ceciderunt müsste sich auf die postera saecla beziehen, und
dann könnte nur, wie Munro denn auch erklärt, gemeint sein, "jene
Geschlechter haben schon früher existirt und sind vergangen, wie du jetzt
vergehst'. Das würde sich also auf die 854 ff. vorgetragene Lehre be-
ziehen, wonach dieselben Atomcombinationen in der ewigen Zeit sich
wiederholen: ich sehe aber keinerlei Anlass, hier an diese Lehre zu
erinnern, wenigstens nicht in dieser Form, als Rückblick auf die Ver-
gangenheit: etwas Anderes ist es, wenn Seneca ep. 36 nach den zu 966
citirten Worten fortführt: e£ mors, quam pertimescimus ac recusamus,
1 - COMMENTAR
ἐμπέεγη ἐξ vilam, non eripil: veniet ilerum, qui nos in lucem reponat dies,
quem mulli recusarent, nisi oblitos reduceret. Ferner ist die Anknüpfung
mit ergo unberechtigt, die Bestimmtheit der Behauptung nach dem facile
adcredere possis 856 auffallend. Dagegen ist mit anichac alles klar und
einfach: da materies opus est μὲ crescant postera saecla, so sind Geschlechter
vor dieser Zeit hingegangen, wie du jetzt, und werden nach dir hingehen:
so entsteht immer eines aus dem andern.
971 Die Gedankenreihe wird abgeschlossen durch eine in möglichst
knappe Form gedrängte Sentenz, die Gemeingut der tröstenden Popular-
philosophie von ihren litterarischen Anfängen an ist: sie übernahm den Ge-
danken bereits aus Alterem Sentenzengut. Zunächst wohl vom irdischen Gut
gesagt, das seinen Besitzer wechselt (Eurip. Phoen. 555 oütot τὰ χρή-
par’ ἴδια κέκτηνται βροτοί, rà τῶν θεῶν δ᾽ ἔχοντες ἐπιμελούμεθα.
ὅταν tt χρήζως᾽, αὔτ᾽ ἀφαιροῦνται πάλιν, dann Bion Stob. flor. 105, 56
τὰ χρήματα τοῖς πλουςείοις f τύχη οὐ δεδιύρηκεν ἀλλὰ δεδάνεικεν und
viele nach ihm), wird es dann auf das ganze Leben übertragen, das
somit jenen unbeständigen Gütern gleichgestellt wird: Eurip. Suppl. 534
οὔτι γὰρ κεκτήμεθα ἡμέτερον αὐτὸ πλὴν ἐνοικῆςαι βίου, κἄπειτα τὴν
θρέψαςαν αὐτὸ δεῖ λαβεῖν, und dann stehender τόπος der Consolationes
(s. Buresch Leipz. Stud. X p. 104) Dabei bot sich von selbst der
durch den Gleichklang wirkungsvolle Gegensatz von xrijcic und
dar, der auch sonst viel Verwendung fand (Plat Euthyd. 280d. Teles
epit. p. 27,12 H. u. o.): Lucilius macht das zur Hälfte mit, 447 cwm
sciam mil esse in vita proprium mortali datwm, iom, qua tempestate. vico,
χρῆσιν ad me recipio: ein sachlich und formell treffender Gegensatz zu
dem so geeigneten proprius (zu 357) liess sich nicht finden (so dann
auch Horaz sat. II 2, 183 ager .. erit nulli proprius, sed cedel in usum
nunc mihi sunc fibi) Luerez griff in die Sphäre des Rechts; die
Substantiva mancipium, die feierliche Eigenthumserwerbung und strengste
Eigenthumsform, und wsws, Nutzniessung, deckten sich annähernd mit
κτῆσις und Xpficic Gans ähnliche Uebertragung, wie Munro anmerkt,
cnim xpriceı μὲν dwus, xrfcev δὲ Aflici mostri; ergo frucius est tuus,
mancipium illius. Darauf antwortet Cicero 30, 3 cuiws (Alii) quoniam
proprium te esse scribis smancipio ed nexu, mowun auiem usu ei fructu,
contentus isto sum. id est enim cuiusque propriuwum, quo quisque fruitur
dique δίων. Um die unbeschränkte Nutzniessung zu bezeichnen,
ungen sie correct fruchus und wsus frucius (und so Ben. dial VI 10, 2):
L. wählt den allgemeinen Ausdruck usus, natürlich ohne damit etwa
den nudus usus zu meinen oder vorauszuseizen, , dass der Leser das als
sed commodavit. — Andere wenden das Bild so, dass
als Capital auffassen, das uns nicht gehört, dessen Zinsen wir aber ge-
niessen dürfen, Cie. Tuse. 1 39, 93 (natura ) dedit usuram vitae tamquam
pecuniae nulla praestitwa die: so Spätere häufig. —
Dativ gefasst werden (οὐδεν Dativ V 101)
Ablativ sehe ich keine Erklärung,
us“
wie in wswi esse: den
denn usw accipere, wsw capere
\
VERS 969—972. 183
"durch den Gebrauch zu Eigen gewinnen’ ist natürlich nicht zu ver
gleichen. Dann ist auch mancipio Dativ, das an sich ebenso gut Ablativ
sein könnte, da mancipium sowohl die Art der Besitzergreifung als den
Besitz selbst bezeichnet.
972—1023 ‘Die Zeit vor unserer Geburt, in der wir nichts
empfanden, ist der Spiegel, in dem wir die Zeit nach unserem Tode
sehen können: da zeigt sich nichts, wovor wir uns zu fürchten hätten.
Alles nämlich, was von der Unterwelt gefabelt wird, ist wahr für dies
irdische Leben: hier erdulden Thoren die Strafen des Tantalus und der
übrigen acheruntischen Büsser; hier rächen sich begangene Unthaten,
sei es durch Entdeckung und Ahndung, sei es durch die Qualen des
eigenen Gewissens’ Wenn L., wie es durchaus glaublich ist (s Einl
p. 45), im dritten Haupttheile des Buches einer epikureischen Trostschrift
sich anschliesst, so ist er, glaube ich, in diesem Abschnitt von seiner
Vorlage abgegangen: zu dieser Annahme bringt mich die Erwägung der
äusseren und inneren Zusammenhänge — Die Verse 972 ---977 wieder-
holen nur, was oben vv. 832 ff. bereits viel ausführlicher gelehrt war;
die Frage non ommi sommo securius exstat? kommt wieder auf den
Vergleich von Schlaf und Tod zurück, der vv. 919 ff. erledigt zu sein
schien. Aber das Ethos ist ein etwas anderes: die frühere Darlegung
wandte sich an den Verstand und suchte das sil mors est ad nos za
beweisen; hier wird, schon mit dem einleitenden respice, an das Gefühl
appellirt, auf das auch die vorhergehenden Auslassungen zu wirken
versuchten: der Angeredete soll sich recht lebhaft den Zustand nach
dem Tode veranschaulichen, indem er sich das Gefühl zum Bewusstsein
bringt, das er der Vergangenheit gegenüber hegt. Dem entspricht auch
der Ton der eindringlichen Frage sumquid .. num... non. In nahem
inneren Zusammenhang mit dem Voraufgehenden sieht das nicht; der
ist mehr äusserlich durch die Erwähnung der nalura hineingebracht.
Das Folgende 978 ff. schliesst ganz eng an: einem Einwand gegen die
aus den Fragen zu entnehmende Negation wird dadurch zuvorgekommen,
dass das horribile und triste des Todes, wie ihn das Volk sich denkt,
als nicht vorhanden erwiesen wird. Zwischen 1023 und 1024 besteht
keine engere Beziehung, wie sie das ciam 1024 anzudeuten scheint.
Der Zusammenhang des Ganzen gewinnt vielmehr an Festigkeit, wenn
man sich das ganze Stück 972— 1028 wegdenkt: an den tröstlichen
Ausblick auf das Schicksal vergangener und zukünftiger Geschlechter
schliesst mit Aoc etiam tibi (we interdum dicere possis der tröstliche
Hinweis auf das Schicksal der Mächtigsten und Besten vortrefflich an.
Ich würde daraus noch nicht den Schluss ziehen, dass das Stück nicht
in L.’ Hauptvorlage gestanden habe, sondern anderswoher von ihm hinzu-
gefügt sei; aber es kommt hinzu, dass der Inhalt mit dem Vorher-
gehenden und Folgenden nicht völlig zu harmoniren scheint, Nicht als ob
sich etwas fände, was epikurischer Lehre widerstreitet: im Gegentheil,
echt epikurisch ist die Warnung vor dem divom melus inanis, dem petere
ünpcrium, dem numquam. expleri, sowie die Erklärung der Gewissensangst
als der Furcht vor Entdeckung und Strafe. Auch gebührt sicherlich
dem Nachweis, dass die Hadesstrafen nicht zu fürchten seien, in der
Trostschrift eine Stelle: Seneca cons. ad Marc. 19, 4 cogita nullis de-
** .
rm.
184 | CONMENTAR
funclum mulis adfici, illa quae nobis inferos faciunt lerribiles, fabulam
esse, nullas inminere mortuis lenebras mec. carcerem ncc flumina. igne
flagranlia nec oblivionis amnem ncc (tribunalia εἰ reos οἱ in illa libertate
tum laxa ullos iterum tyrannos. luserunt isla. poetae εἰ vanis nos agita-
cere ierroribus. Epikur und seine Schüler (Diog. v. Oin. fr. 12a
φοβοῦμαι yàp οὐδὲν διὰ τοὺς Τιτυοὺς καὶ τοὺς Ταντάλους, οὖς ἀνα-
γράφουειν ἐν “Αἰδου τινές) haben gewiss die Furcht vor den Hades-
schrecken bekämpft und mögen dabei selbst ins Einzelne gegangen und
die physische Unmöglichkeit der einzelnen Vorstellungen gezeigt haben,
wie das L. hier bei Tityos thut (s. zu 984): obwohl es mir nicht unwahr-
scheinlich ist, dass Seneca nicht an bestimmte Aeusserungen Epikurs,
sondern an eben diese Lucrezstelle dachte, wenn er ep. 24, 18 (fr. 341)
schrieb non sum (am incplus ut Epicuream cantilenam hoc loco persequar
et dicam vanos esse inferorum melus, nec Ixioncm rola volvi mec saxum
umeris Sisyphi trudi in adcersum nec. ullius. viscera el renasci posse
collidie εἰ carpi. nemo lam puer. est ul Cerberum timeat. εἰ tenebras. et
larvalem habitum nudis ossibus cohaercntium — die Abweichungen von
L. fallen kaum in's Gewicht. Soweit läge also ein inhaltliches Bedenken
nicht vor: wohl aber scheint mir die Art, wie L. hier die Hadesstrafen
behandelt, in eine epikureische Trostschrift nicht hineinzupassen. Es
ist von der Bekämpfung der Furcht ein weiter Schritt zur allegorischen
Deutung der Strafen auf die selbstverschuldeten Leiden dieses Lebens,
wie sie L. giebt. Bezeichnender Weise lässt er es unausgesprochen, in
welchem Sinne er diese Deutung vornimmt. Es lassen sich da von vorn
herein verschiedene Möglichkeiten denken: zunächst können die Unter-
weltsstrafen als blosses Gleichniss aufgeführt werden, wie z. B. von
Teles p. 25H. ὥςπερ ὁ Τάνταλος ἐν λίμνῃ Éctnkev ... οὕτως ἐνίων
f ἀνελευθερία κτλ., und so das de te fabwla narratur des Horaz sat.
I1,68sqq. Diese Form, der L. am Nächsten steht, ist dem moral-
philosophischen Tractat wie der moralphilosophischen Dichtung, die
von Lastern und Fehlern abschrecken will (s. auch zu 1003), gleich
angemessen, nicht aber recht eigentlich dem Physiker Epikur, der, um
mit dem Tode zu versöhnen, die Furchtvorstellungen der Menge be-
kämpft: genau verstanden wird ja der Wahrheit jener Vorstellungen
durch eine solche bildliche Verwendung keinerlei Abbruch gethan.!)
Und wenn &uch, wie bekannt, Epikur seine Diction mit einzelnen Blumen
des Diatribenstils zu schmücken nicht verschmäht hat, so vereinigt sich
doch eine so durchgeführte Gleichnissrede, wie wir sie hier haben, nicht
mit unserem sonstigen Bilde von epikurischer Schriftstellerei. — Ganz
anderen und höheren Werth kann solche Deutung von anderem Stand-
punkte aus gewinnen: den nämlich, das die Dichter — nicht, wie Ep.
annahm, einfach lügen — sondern dass sie eine versteckte, tiefere
Wahrheit verkünden; und diese eigentlich allegorische Interpretation
bat in diesem Falle besondere Bedeutung dann, wenn unter dem Hades
1) Wenn Lactans div. inst. VII 7 sagt Epicurus erravit, qui w id
esse figmentum. putavit. εἰ illas inferorum s quae ferantur in esse vita
inierpretatus est, so lehrt uns das nichts: denn bei dem bekannten Verhältniss
benvaters zu Lucrez ist es durchaus glaublich, dass hier einfach der
Meister statt des Schülers genannt wird.
VERS 912--- 980. | 185
direct die Erde und das irdische Leben verstanden, nur die jenseitige
Existenz als wirkliches Leben gefasst wird, wie das z. D. Posidonius
that: auf diesem Boden ist die ausführliche neuplatonische Erklärung
der Hadesmythen erwachsen, die Macrobius in somn. Scip. I 10 giebt,
(s. dar. Norden in Varr. sat. Men. p. 331 ff), und die in der ganzen
Tendenz wie im Einzelnen sich durchweg von L. unterscheidet: der dort
erklärte Satz Ai ricont qui e corporum vinclis tamquam c carcere. ecola-
cerunt: cesira cero quae dicitur csse. vila snors cst. steht in schroffstem
Gegensatze zur epikurischen Weltanschauung.
974 Die Personification der Natura wirkt hier nach; sie hält uns
den Spiegel vor, d. h. es ist in der Natur begründet, dass wir nach
dem Tode in der gleichen Lage sind, wie vor der Geburt. Epikurei-
sirend Plinius n. h. VII 55, 190 am Schluss einer Polemik gegen das
Unsterblichkeitedogma: quanto facilius certiusque sibi quemque credere ac
specimen securitatis antegenitali sumere. experimento. — 975 denique
‘schliesslich’, nicht ganz so 759 denique intcreant una cum corpore cundae;
hier deutet es, wie öfters bei Zeitbestimmungen, (ähnlich demum) an,
dass das betreffende Ereigniss, hier also die völlige Ruhe, später eintritt
als man erwarten sollte oder möchte; so 1021 quae sit pocnarum dcnique
finis. Also: die sccurilas, die vor der Geburt unser war, wird uns im
Leben nicht, sondern erst wieder nach dem Tode zu Theil. — 980 Die
ursprüngliche Fassung der Sage scheint gewesen zu sein, dass Tantalus
durch die Furcht vor dem drohenden Felsblock ‚abgehalten wurde, nach
Speise und Trank zu greifen, so dass er ewigen Hunger und Durst
litt (s. Comparetti, Tantalus bei Pindar, Philol 32, 241 f.); so schon
in der 'Arpeibüv κάθοδος (Athen, VII 261 b). Daraus ist dann der
Ταντάλου λίθος sprichwörtlich geworden, und hinter ihm trat Hunger
und Durst in den Erwähnungen der Sage bei griechischen Lyrikern und
Tragikern völlig zurück. Im späteren Alterthum ist die Version der
Odyssee populärer gewesen: aber wie Lucres kennt den Felsblock auch
Cicero (Tusc. IV 16, 35. de fin. I 18, 60) und Virgil (Aen. VI 602,
vgl Ribbeck Proleg. p. 62). Während jene andere Fassung als Allegorie
des nimmer geniessenden Geizes geeignet war (Teles p. 25, 5 u. o.),
tritt in dieser die ewige Furcht als das Wesentliche hervor: so
L. darunter zweierlei, die nichtige Furcht vor den Göttern und vor den
Schlägen des Schicksals: Beides geht ja leicht in einander über. Aehn-
lich der Epikureer bei Cic. de fin. ἃ. a. O. accedi cam. mort, quae, quasi
saxum Tantalo, semper impendel; und Tusc. a. a. O. ... is qui appropie
quans aliquod malum metuit. exanimalusque pendet animi. quam vim —
mali significantes poetae. impendere apud. inferos. sazum Tantalo faciunt
... ea communis poena siulliliae est; omnibus enim, quorum mens ab-
horret a ratione, semper aliqui talis terror impende. Als Bild des divom
melus inanis, wie bei L., Tantalos bei Plut. de superstit. 11 p. 170f.
— aerc impendens saxum gehört natürlich zusammen; mit der Vor-
stellung bei Euripides Or. 5 Τάνταλος κορυφῆς ὑπερτέλλοντα δειμαίνων
πέτρον ἀέρι ποτᾶται hat die des L. keine nahe Verwandtschaft; der Zu-
satz aere sol auf das Ungereimte des Mythus hinweisen. cussa wird
die Furcht wohl deshalb genannt, weil der Stein doch nie füllt, wie
die Furcht vor den Göttern inanis ist, weil diese Götter doch nie wirken;
186 COMMENTAR
andere billige Witze über den Mythus bei Lucian dial mort. 17. —
983 Zu der Furcht vor den Göttern kommt die vor der Τύχη, während
diese doch βραχέα εοφῷ ἐμπίπτει, τὰ δὲ μέτιςτα xal κυριώτατα ὁ
Aoyicuóc διῴκηςε (sent. sel XVI), der Weise also οὐκ οἴεται ἀγαθὸν
ἢ κακὸν ἐκ ταύτης πρὸς τὸ μακαρίως ζῆν ἀνθριύποις δίδοεθαι (ep. III
p. 65,17) Daher denn Metrodors stolzes προκατείλημμαί ce, ὦ Τύχη
(fr. 49 Κι). — casus: auch hier wieder zieht L. neben der übertragenen
die eigentliche Bedeutung des Wortes heran, ebenso wie bei exest 998,
scindunt 994, sufferre laborem 999, explere 1004.
984 Die Bestrafung des Tityos im Acheron ist nicht möglich, denn
die Vögel können nicht ewig sub magno pectore, δέρτρον Ecw δύνοντες
Od. 11, 579, Nahrung finden: mag T. auch noch so gewaltig sein, er
müsste dem Schmerz erliegen oder müsste aufgezehrt werden, nec wilius
viscera et renasci posse colidie εἰ carpi sagt Seneca a. ἃ, O. Man denkt
daran, dass in Polygnots Fresken T. dargestellt war οὐ κολαζόμενος
ἔτι, ἀλλὰ ὑπὸ τοῦ cuvexyoüc τῆς τιμωρίας ἐς ἅπαν ἐξανηλιυμένος,
ἀμυδρὸν καὶ οὐδὲ ὁλόκληρον εἴδωλον (Pausan. X 29, 8). — Die inneren
Widersprüche dieses und der verwandten Mythen betont auch der Stoiker
bei Sext. adv. math. IX 68 εἰ μὲν yàp ἄψυχος ἦν 6 Tiruóc, πῶς oU-
δεμίαν αἴεθηειν ἔχων ὑπὸ τιμωρίαν ἔπιπτεν; el δὲ εἶχε ψυχήν, πῶς
τετελευτήκει; ... εἰ τὰρ (6 Távr.) μήποτε ὑγροῦ καὶ τροφῆς ἐγεύετο,
πῶς διέμενεν ἀλλ᾽ οὐ «πάνει τῶν ἀναγκαίων διεφθείρετο; und mit
ähnlich rationellen Gründen wandte sich der Epikureer Kolotes gegen
den Mythus in Platons Staat, Procl in Hemp. p. 18 Pitra πῶς οὐ
διεφθάρη τὸ εὖμα carév Ev Tocautaıc ἡμέραις τοῦ Ἦρός, καὶ ταῦτα
ψυχῆς μὴ παρούεης; — 987 Der Körper ist '"hingeworfen', den Vögeln
zur Speise, wie ein Leichnam (882 a proiecto corpore VI 1155 perolent
proiecta cadavera); nach dem homerischen ἐπ᾿ ἐννέα κεῖτο πέλεθρα
steht nicht sowohl die ungeheure Grüsse des Körpers, als die ungeheure
Ausdehnung des Raumes vor Augen, den er bedeckt (obtinet), daher
immani proiectu corporis, nicht immané corpore. — 992 Wir haben Tityos
hier, d.h. in vifa, und zwar ist es der, quem volucres lacerant. Die fressenden
Geier bieten sich ohne Weiteres als Bild nagender Sorgen, so bei Macrob.
a. ἃ. O. der formenta conscientiae obnozia flagitio viscera interiora rimanlis;
anthol lat 636 (de interno livore) 21 R. est ales Tityique voltur intus
qui semper lacerat. comesique menie ähnlich wie Petron fr. 25 von
Prometheus: qui vollur iecur intimum pererrat εἰ pectus. trahit intimasque
fibras, non est quem lepidi vocant poetae, sed cordis mala, livor atque luxws.
L. stellt neben Tantalus, den Typus des von Furcht Geplagten, Tityos,
den Typus des Begehrlichen: ἢ yàp διὰ φόβον τις κακοδαιμονεῖ ἢ δι᾿
ἀόριετον καὶ κενὴν ἐπιθυμίαν Epikur fr. 485 (Porphyr. ad Marc. 29).
Begierde, cupido ἐπιθυμία, erzeugt Kümmerniss, λύπη, cura aegritudo
angor (zu 993); ὧν οὐκ εἰεὶν ὀρέξεις πραγμάτων, περὶ τούτων οὐδὲ
λῦπαι γίγνονται sagt Diogenes v. Oin. fr. 8. 80 steht denn in den
ethischen Fragmenten Epikurs und seiner Schüler unendlich oft dem
φόβος die ἐπιθυμία (z. B. sent. sel. IX) oder die λύπη (Diog. v. Oin.
fr. 15 B) oder Beides (ders. fr. 30) gegenüber; Cicero variirt de fin. I
12, 42 ff. zwischen (errores cupidifatesque, ocgritudo εἰ metus, libidines. εἰ
formidines, cura. metusque, angor et metus. So denn auch Lucrez II 19
VERS 980—996. 181
cura semoltus meluque 48 melus hominum curacque sequaces V 45 quantae tum
scindunt hominem cuppedinis acres. sollicitum curae, quantique perinde
timores VI 25 finem siutuit cuppedinis atque timoris. Herausgehoben aus
den cupidincs wird hier der amor, der dann im 4. Buche noch ausführ-
liche Behandlung findet: Epikur definirte den ἔρως als cuvrovov ὄρεξιν
ἀφροδιείων μετὰ οἴςτρου καὶ ἀδημονίας (fr. 483 Hermias in Plat
Phaedr. p. 76). — in amore iacentem, gefesselt in den Banden der Liebe,
wie den Tityus Acherunte iacentem, zerfleischen ihn die Vögel und zerfrisst
ihn die Seelenqual: die Parataxe ist unmittelbar verständlich und weit
eindrucksvoller als exest angor, ut illum volucres lacerant oder vol. lac., id
est exest angor. Dass so der bildliche und eigentliche Ausdruck für ein
und dieselbe Sache durch afque verbunden sind, hat nichts Auffallendes: es
ist einer der Fälle, in denen man von explicativer Bedeutung der
Copulativpartikel redet. So wenn zu einem Individualnamen ein um-
schreibender Zusatz tritt, der die Bedeutung des Gegenstandes für den
vorliegenden Fall hervorhebt: Cie. in Verr. V 72,184 donum dignum
Capitolio aique isla arce ommium nationum Catil. II 10, 23 qwo paco
ἐπὶ Apenninum atque illas pruinas ac nives perferent? de domo 39, 108
hanc vero ἐμ Palatio atque in. pulcherrimo «urbis loco porticum esse palie-
mini? pro Font. 14, 30 ad Apollinem Pyfhium aique ad oraculum orbis
terrae vezandwn; ähnlich de fin. I 10, 34 ín liberos aique in sanguinem
suum (am crudelem fuisse, s. Madvig z. St. Oder das zweite Glied dient
zur ausführlicheren Schilderung des ersten, vertritt also durchaus eine
Apposition: Virg. Aen. IX 569 saxo alque ingenti fragmine | montis
neben X, 127 sarum, haud partem exiguam — montis; Aen. I 258
cernes urbem εἰ promissa. Lavini moenia. Oder ein allgemeinerer
Ausdruck wird durch einen specielleren ersetzt: Cic. de imp. Pomp. 24, 69
quidquid hoc beneficio populi Homani atque hac potestate praetoria
possem; oder ein Fremdwort dureh das Lateinische: de orat. II
67,270 Fannius ... Africanım ... Graeco verbo appellat elpwva; sed
... Socratem opinor in hac ironia. dissimulantiaque ... omnibus prae-
siitisse. Noch anders Cic. pro Cluent. 1,8 memo est enim qui ... sine
vestro ac sine (alium virorum subsidio possil resistere, wo mit (ales viri
ebenfalls die Richter gemeint sind: “ich meine nicht euch gerade per-
sönlich, sondern im Allgemeinen charaktervolle und einflussreiche Männer,
wie ihr das seid. — angor ist synonym von cura, oben 903 awgore
meluque wie II 19 cura metuque; von den cwrae der Liebe handelt
IV 1058 ff; 1060 successit frigida cura, 1067 curam dolorem,
dazu 1184 surgit amari aliquid, quod in ipsis floribus angat. Vgl. Ciceros
Schilderung der aegritudo λύπη: Tusc. III 13, 27 nam cum omnis per-
lurbatio misera est, tum carnificina est aegritudo . . . (kabet) tabem, crucia-
lum, afflictationem, foeditatem, lacerat, exest animwn planeque conficit. —
994 scindunt, in dieser übertragenen. Bedeutung sehr selten, bleibt wie
ezest im Bilde, danach V 45 s. o. Bo wird man, um das Bild nicht zu
trüben, auch cwppedo nicht als das Werkzeug auffassen dürfen, dessen
sich die curae bedienen, sondern (im) alia quavis cuppedine scil. iacentem
verstehen ınüssen, anschliessend an in amore iacentem.
995 Zu den umfassenden Begriffen φόβος und λύπη treten noch
als specielle menschliche Schwächen die ambitio und die Unersättlichkeit,
188 COMMENTAR
zu der auch die ataritia zu zählen ist: diese beiden Laster, die im Vor-
wort allein hervorgehoben waren, werden hier in echt epikurischer Weise
vom Standpunkt des Individualwohles betrachtet. Die Anstrengungen
und Mühen, zu denen die Àomorwm cacca cupido (v. 59) zwingt, konnte
jeder Römer täglich beobachten: so lag es nahe, gerade dies als Sisyphus-
arbeit zu betrachten, zumal für den Epikureer, der gelernt hat, öffentliche
Ehren wie öffentliche Wirksamkeit gering zu schätzen: V 1127 μέ satius
mullo iam sil parere quietum quam regere imperio res celle. Daher heisst
das imperium hier inane, wie bei Horaz die tituli (sat. II 8, 212) und die
ambitio selbst (epp. II 2, 206); vgl. den epikureisirenden (Hirzel Unters.
1105) Sklaven bei Alexis II 306 K. (Athen. VIII 336 f) ἀρεταὶ δὲ πρε-
cBeiai τε καὶ crparmmyiaı κόμποι κενὰ ψοφοῦντες ἀντ᾽ ὀνειράτων: κενός
ein Lieblingswort Epikurs. — imbibit pelere kehrt VI 72 wieder μέ ez
ira poenas petere. inbibat (dewm vis) acris und findet sich ebenso con-
struirt schon vorher Cie. pro Quinet, 6, 27 quod si facere nolit. atque. im-
biberil cius modi rationibus illum ad suas condiciones perducere, wo
keinerlei Veranlassung zu besonders gewählter Ausdrucksweise ist: es
kann also nicht ganz ungebräuchlich gewesen sein, obwohl es sonst nur,
von Späteren abgesehen, Cic. in Verr. a.p. 14, 42 (apinionem), Liv. II 47, 12;
58, 6 (beide Male mit blossem Acc.) belegt ist. Hier drückt es gut aus,
wie der Strebende von seinem Streben ganz erfüllt ist. — recedere häufig
von einem abgeschlagenen Angriff; vgl such Hor. epp. 116,35 *pone,
meum est’ inquit: pono (ristisque recedo. — 1000 adverso nizantem irudere
monte saxum übersetzt Homers cmperróuevoc xepciv Te nociv re λᾶαν
ἄνω ὥθεςκε ποτὶ λόφον genauer als Culex 248 saxum procul adverso
qui monle revolvil; nizans erinnert an 62 miti praestante labore ud
summas emergere opes; das Folgende ἀλλ᾽ ὅτε μέλλοι ἄκρον ὑπερβαλέειν
e summo iam verlice), τότ᾽ ἀποςτρέψαςκε (volvitur) κραταιίς᾽ αὖτις
rusum) ἔπειτα mébovbe xuMvbero (pleni raptim. pelit aequore. campi)
λᾶας ἀναιδής: auf die rhythmische Malerei hat L. verzichtet, im richtigen
Gefühl, dass es sich nicht ziemt, Vollendetes nachzumachen. — per aequora
campi Ennius ann. 140. j z
1008 ingrata animi nalura wie Horaz sat. 12, 8 ἱνογαία ingluvie
(nach Kallim. fr. 106 νειαίρην eic &yópicrov?), weil der animus undank-
bar immer nach Neuem begehrt, nie expletwr satiaturque, vgl. satur. ac
plenus rerum. v. 960. — "Circum redire quid. sit non intellego" Lachmann:
er schrieb, da er auch ein Objeet zu faciwmt vermisste, quod (weil)
faciunt —viclusm. Genau genommen kann man allerdings nicht 'rings
herum zurückkehren’, sondern nur ringsherum gehen und an einen be-
stimmten Punkt zurückkehren. Jedes der Beiden wird dann auch einzeln
von Gestirnen, Zeiten u. s w. gesagt, solis volvenlia lustra (V 931)
wie solis redeuntibus annis (I 311, annus rediens Hor. sat. II 2, 88 u. o.).
L. wollte aber hier Beides ausdrücken, und zwar so, dass es sowohl vom
Kreislauf der Jahreszeiten wie von Personen gelten könnte, die in regel-
mässiger Folge wiederkehrend etwas bringen: für die letzteren passt
nicht, was Manil III 524 in gleichem Falle sagt, cuiusque sideris vices
agerd redeuntis in orbem. Der Grieche hätte sich mit einem
Doppelcompositum geholfen, περικαταλαβούςτης τῆς (pac "Theophr.
de odor. 39: L. griff zu dem Ausweg, stati circumewnles redire einfach
VERS 995—1008. 189
circum redire zu sagen, was zwar kühn aber nicht misszuverstehen ist. —
Von Personen solite es gelten, sage ich; denn anni lempora sind ja
nicht die ‘Jahre’, sondern die Ὧραι: di ese, nicht, wie Lachmann meinte,
wir selbst oder unsere Genusssucht, faciunt nobis illud: pascunt mobis
- animum (wobei freilich meist swwm zu verstehen, doch xz. B. Virg.
Georg. II 285 non animum modo μὲ pascat prospectus) atque que "umquam
explent satiantque; sie kehren zurück περιπλομένων ἐνιαυτῶν und bringen
als πολυγηθέες jede ihre Erzeugnisse und erfreulichen Gaben, rarios
fetus leporesque: Liberi lepos ist der Wein Plaut. Cure. 99. So wurden
die Horen dargestellt: die eine bringt die Blumen des Frühlings (axi
fempora conspergunt ciridantis floribus herbas II 82), andere den Ertrag
des Feldes, des Obstgartens, der winterlichen Jagd: Φέρουςα heisst eine
von ihnen Hygin. Fab. 183; sie alle dachte man sich allezeit als aero
florente puellas. Aber trotz der Mannigfaltigkeit ihrer Gaben ersättigen
sie uns nicht: so vermögen die blühenden Mädchen im Hades, von
denen man erzählt, das lecke Fass nicht zu füllen. — Das ist eine sehr
überraschende Deutung des Mythus, und man wird ungern davon ab-
gehen, in den Wasserirügerinnen wie in Tantalus, Tityos, Sisyphus
Bilder der für ihren Unverstand büssenden Menschen zu sehn; aber die
Worte des Dichters sind nicht anders zu verstehen. Man begreift erst
so, warum L., statt wie Horaz (e. III 11, 26) und Tibull (I 3, 79) Danai
puellas oder Danai prolem za nennen, nur von blühenden Mädchen spricht:
der Name erweckte die Vorstellung von Schuld und Strafe, die hier
nichts zu thun hat: wird doch auch ihr Thun einfach als laticem perfu-
sum congerere in vas bezeichnet, ohne irgend eine Andeutung einer dabei
erduldeten Qual. Kein Zweifel, dass L. hier einer griechischen Vorlage
folgt: erst durch die Rückübersetzung von annorum tempora wird das
Ganze verständlich. Daraus ergiebt sich aber eine Bestätigung dessen,
was sich über die ursprüngliche Tendenz der ganzen Allegorie erkennen
liess (s. o.): hätte sie in erster Linie bezweckt, die Furcht vor Hades-
strafen zu bannen, so mussten auch die Danaiden als Büsserinnen auf-
treten und gezeigt werden, dass wir lebend deren Strafe erdulden. —
Nun ist die allegorische Deutung der im Hades Wasserschöpfenden auf
die dxölacroı und ἀνόητοι die älteste, die wir auf diesem ganzen Ge-
biete kennen: schon Platon hat sie (Gorg. p. 4932), und Spätere sind
ihm vielfach gefolgt (s. Norden a. a. O. p. 332); was bewog den Autor
des Lucrez oder diesen selbst, hier seine eigenen Wege zu gehen? Die
Allegorie liess sich so durchführen, dass als das Fass der animus dar-
gestellt wurde, im Gegensatz zum Menschen, der ihm nicht Genüge thun
kann. Aber dabei blieb störend die Mehrzahl der Danaiden neben dem
einen Gefäss: uud bei Plato wird denn auch Jedem noch als Schöpf-
gefüss ein durchlöchertes Sieb gegeben, das Bild der einzelnen Seele.
Das haben Spätere nicht; und so wird z. B. auch bei Lukian dial mort.
11,4 der Vergleich anders gewendet: οὐ [ép εἶχον ἔνθα ἂν δέξαιντο τὰ
τοιαῦτα παρ᾽ ἡμῶν (sagt Diogenes) διερρυηκότες ὑπὸ τρυφῆς, καθάπερ
τὰ ςαπρὰ τῶν βαλλαντίων dre εἴ ποτε καὶ ἐμβάλοι τις ἐς αὐτοὺς
ἢ coplav ἢ παρρηείαν ἢ ἀλήθειαν, ἐξέπιπτεν εὐθὺς καὶ διέρρει, τοῦ
πυθμένος ςτέγειν οὐ δυναμένου, οἷόν τι πάςχουειν αἱ τοῦ Δαναοῦ
αὗται παρθένοι elc τὸν τετρημένον πίθον ἐπαντλοῦςαι. Das Bestreben,
190 | COMMENTAR
eine dem Mythus sich eng anlehnende Deutung zu finden, lässt sich hier
wie in der Fassung des L. nicht verkennen. Genau genommen fällt frei-
lich so das Bild aus dem Rahmen der übrigen, und das wird L. nicht
entgangen sein: aber er hat sicher recht gethan, daran keinen Anstoss zu
nehmen. Im gleichen Sinne lässt sich dasselbe Gleichniss VI18 verstehen:
omniaque illius (vasis) vilio corrumpier inlus quae conlata foris et commoda
cumque venirent; partim quod fluzum perlusumque esse videbat ut nulla
posset ralione explerier umquam ... Hier expleri nulla ralione potestur,
wie 11045 dum suppleri summa queatur und bei passivischem Infinitiv
im älteren Latein häufig.
1011 Die übrigen Schreckmittel der Unterwelt werden zusanımen-
gefasst und gedeutet als Bilder irdischer Gewissensqualen oder Strafe
für begangene Unthaten: Cerberus, an erster Stelle als Hüter des Ein-
gangs genannt auch bei Cic. Tusc. I 5, 10 dic quaeso, num te illa terrent,
triceps apud inferos Cerberus; die Furien entsprechend den épivóec, di
θ᾽ ὑπὸ γαῖαν ἀνθρώπους rívuvrat, ὅ τίς x’ ἐπίορκον ópóccy (Tl. 19, 259),
oder den Tloıval: λαμπάειν ἐπιμόνως πυρούμενοι ἸΠοινῶν sind die Uebel-
thäter Axioch. 372a, und vielfach sonst. Dazu kommt lucis egestas:
Lachmann nahm die alte Coniectur lwcis egenus Tartarus auf, quia lucis
egestas sub lerra esse negari non debet. Dem Τάρταρος ἠερόεις (Il. 8, 13)
wird freilich die Finsterniss gern und vornehmlich beigelegt; aber sie
ist ein so wesentliches Schreckniss, dass sie mit gutem Rechte selbständig
auftritt; Seneca ep. 24, 18 nemo (am puer est, μέ Cerberum timeat εἰ
tenebras; dial. VI 19, 4 cogita .. . ἴα, quae nobis inferos faciunt terribiles,
fabulam esse, nullas inminere morluis tenebras etc.; Axiochos fürchtet
sich εἰ crepriconan τοῦδε τοῦ φωτός p. 365 c. Da Lucrez die Existenz
der Acherusia templa (v. 25) überhaupt leugnet, kann er natürlich auch
von der dort herrschenden Finsterniss — nur diese ist j& doch gemeint
— behaupten, sie sei nirgends vorhanden. An die lucis egestas schliesst
endlich sehr passend der Tartarus an, der Ort in der Unterwelt, wo die
Sünder ihre Strafe verbüssen. Als Abgrund wird er von Alters her ge-
dacht, und dabei ergiebt sich die Vorstellung des Schlundes von selbst,
wie L. auch von den fauces Acinae (VI 689, I 724 faucibus eruptos
serum vis μὲ vomat ignis) spricht; für die Aorriferi aestus finde ich
nichts völlig Analoges; aber man denkt leicht an Dämpfe oder Dünste,
aestus der loca Avema, wie sie L. VI 738, s. 816. 823f. 826. 830,
beschreibt und physikalisch erklärt, um dem Aberglauben vorzubeugen,
dass dort die ianua Orci (762) sich befinde; Virg. Aen. VI 240 vom
Avernus: lalis sese halitus atris faucibus effundens supera ad convexa
ferebat. Der Tartarus ist freilich in der Vorstellung, die wir bei L. vor-
aussetzen müssen, von der ianua Orci sehr weit entfernt, aber man kann
sich ja dort ähnliche pestilenzialische Lüfte denken. Aus älterer Zeit
wüsste ich von annähernd Vergleichbarem nur das ctóptov μυκιύμενυν
im Mythus der Republik (X 6156); in der, wie es scheint, sprichwört-
lichen (Arnob. II 53 quemadmodum | dicitur) Redensart Orci fauces, die
erst bei Apuleius (Met. VII 7 solus medüs O. f. evasi) auftritt, ist Orcus
als Ungeheuer gedacht, vgl. Met. IV 20 faucibus ipsis hiantis Cerberi
reluci«bat, — Das Prüdicat zu den Subjecten Cerberus— Tartarus. fehlt,
und statt des folgenden masculinen gwi würde man eher das Neutrum
VERS 1008—1018, 191
erwarten. Munro hilft sich mit Annahme einer Lücke nach v. 1011,
in der das Verbum gestanden habe und vielleicht noch Cocytus, Acheron
Rhadamantys oder Minos, jedenfalls aber Ixion erwähnt gewesen sei;
das Letzte auf Grund von Servius zu Aen. VI 596, wo aber osfendü
(p. 83, 8 Th. per rotam autem ostendit negotiatores qui semper tempestatibus
turbi volcontur) im Gegensatz zu dicit esse (82, 22), dicit sigwi-
' ficari (88, 3), colt significari (83, T) sicher auf Virgil (so Bernays Rh. M.
1847 p. 584), nicht auf Lucrez geht, zumal die Deutung, die Servius
giebt, ganz anderer Art ist als die lucrezianische. Dass Ixion bei L.
fehlt, kann für das Alter seiner Vorlage sprechen, denn er ist bekannt.
lich erst spät in die Unterwelt versetzt worden (unser ältester Zeuge
Apollon. Rhod. III 62): jedenfalls wäre es sehr ungeschickt gewesen, ihn
hier getrennt von den übrigen Büssern einzuführen. Aber auch ein
Verbum ist nicht zu ergänzen: viel eindrucksvoller steht hier, durch iam
vero wie nicht selten eingeführt, der blosse Nominativ im Sinne eines
Ausrufs ‘und vollends Cerberus! So fasste das schon Marull, wenn er
mit Àaec statt qwi fortfuhr; aber die Aenderung ist gar nicht nöthig;
zum relativen Anschluss vergleicht Brieger gut II 342— 47: praeterea
genus. humanum mutaeque natantes . .. quorum «unum quidois generatim
sumere perge. Das Masc. wäre ohne die lucis egesías völlig correct und
ist jetzt gesetzt, weil der persönlich gedachte Tartarus und seine aesíus
den Gedanken vornehmlich beherrschen; bekannt ist Sall Jug. 49, ὅ ipei
(milites) atque signa militaria obscurati. Lachmanns quid? ist jedenfalls
unmöglich, da eine Behauptung, keine Frage folgt. — profecto dient
nicht zur objectiven Bekräftigung, ‘in Wahrheit’, sondern zur Angabe der
eigenen festen Ueberzeugung (Seyffert zu Cic. Lael? p. 14), entspricht
also dem sonst von L. in diesem Sinne gebrauchten μὲ opinor.
1014 Sondern bei Lebzeiten giebt es Furcht vor Strafe und Sühnung
des Verbrechens; insignibus insignis ist hinzugefügt, nicht etwa um ge
ringere Unthaten auszuschliessen, sondern um die Gerechtigkeit und
Abgemessenheit der Strafe anzudeuten. Uebrigens wendet z. B. Cicero
in den Reden insignis weit überwiegend von Dingen an, die sich in malam
partem auszeichnen; insigmite ist fast ausschliesslich in diesem Sinne
üblich (Brix zu Plaut. men. 1008). Als Apposition zu luella (ὅπ. λεγ.)
werden die verschiedenen Straf- und Foltermittel aufgezählt, wie sie in
Rom üblich waren: dass irgend Jemand diese in die Unterwelt verlegt
habe (Dieterich Nekyia p. 140. 205.), ist mit keiner Silbe angedeutet.
Dass zwischen den einzelnen Strafen die Henker erscheinen, braucht nicht
aufzufallen; sie treten an Stelle peinigender Dämonen in der Unterwelt.
Unter robur kann nur das Tullianum verstanden werden, da robwr hier-
für der stehende Name ist, nie statt cculeus crux Ὁ, Ae. vorkommt; nach
Sallusts Schilderung eignet es sich wohl als Gegenstück des Tartarus:
incullu tenebris odore foeda alqwe terribilis eius facies est (Cat. 55).
Pix (Plaut. capt. 596) lammina (Cic. Verr. V 168; Hor. epp. I 15, 86
Val Max. VI 8, 1) taedae (Iuv. I 155) beziehen sich auf Folterang
durch Feuer: mit Fackeln werden die Verdammten von den Tloıval
gebrannt Axioch. 372a. — 1018 Wenn den Missethäter auch die Strafe
nicht erreicht, so trägt er doch die Hölle in der Brust. Gerade die
Furien sind sehr oft allegorisch gedeutet worden (s. Norden a. a. O.),
. . LI τ
4 .» . '
. . t e s [RS
. " .
Li . .
. *
. PC M ,..
, "£t "
. “... «Φυ € ZU * ^
192 * COMMENTAR
auffallender Weise findet sich, wie es scheint, nicht bei griechischen Auto
sondern erst bei Cicero (pro S. Rosc. 24,67; parad. 2,18; de le
I 14, 40) die Deutung auf die Gewissensqualen. Auch L. hat hier w
vornehmlich an die Furien gedacht; adhibet stimulos (Cic. par. ἃ. ἃ.
te conscientiae stimulant maleficiorum tuorum) gemahnt an die olcı
Ἐρινύων (Eurip. Iph. T. 1456), flagella gehören zu ihren häufige
Attributen. — Furcht vor der Strafe ist es, nicht Reue über das
gangene Unrecht, die nach Epikur den Frevler nicht ruhig werden ]&
τοὺς γὰρ ἀδικοῦντας xal παρανομοῦντας ἀθλίως qaci xal repipót
ζῆν τὸν πάντα χρόνον, ὅτι κἂν λαθεῖν δύνωνται, πίετιν περὶ τοῦ
θεῖν λαβεῖν ἀδύνατόν écrv: ὅθεν ὁ περὶ τοῦ μέλλοντος ἀεὶ φά
ἐγκείμενος οὐκ ἐᾷ χαίρειν οὐδὲ θαρρεῖν ἐπὶ τοῖς παροῦει (Plut. c. Ep
fr. 532, vgl. Philod. m. eöceß. fr. 49, 7 G.), auch V 1156 δ΄: etsi f
enim divom genus. humanumque perpetuo. lamen id fore clam diffi.
debet. Dabei ist ein Ende der Qual nicht abzusehen (meque wila ink
finis curarum datur Attius fr. 577), im Gegentheil, man fürchtet
Verschärfung, aetermas quoniam poenas in morte timendumst (I 111).
- forrere, von Geisselhieben statt urere gesagt, würde man sich von irg
einem Manieristen gefallen lassen; nicht von Lucrez Zwischen te
(Lachmann) und torquet kann man schwanken; ich ziehe dies vor,
es dem adhibet stimulos besser entspricht und man überhaupt die St
selbst, nicht den Schrecken vor ihr neben praemeluens genannt zu se
wünscht. Vgl. Iuvenal XIII 192 cur (amen hos iu evasisse putes, «
diri conscia facti mens habet attonitos et surdo verbere caedit occu.
qualiente animo tortore flagellum. Für verbera torquere oder intorgs
stellt Heinsius adv. p. 175 ff. zahlreiche Belege zusammen. — 1028 _
lich wie bei sonstigen Beweisführungen wiederholt L. in der Clause
These quaecumque Acherunie prodita sunt esse, in vila sunt omnia m.
‘kurz, hier, in diesem irdischen Dasein (hic wie 992), wird das ἴω.
der Thoren ein Acherusisches", d. h. machen sie es sich zur Hölle
stulti im technischen Sinne, ἄφρονες oder ἀνόητοι gegenüber den ccc
in epikurischen Schriften sehr häufig, bei L. nur hier, vielleicht noch
1024— 1052. ‘Auch magst du dir vorhalten, dass so viel Grös
und Bessere als du haben sterben müssen, Kónige und Kriegshe?
Dichter und Denker: wie wolltest du murren, der du träumend und
&ngstigend dein Leben nutzlos verbringst? — Der Gedanke, dasm
alle sterben müssen, v. 966 f., findet hier seine Fortsetzung in
anderen, dass auch die Grössten und Besten nicht vom allgeme
Schicksal befreit sind. Und zwar ist das von jeher so gewesen, m.
in der grauen Vorzeit; als deren Repräsentanten nennt Horaz in
lichem Zusammenhange epp. I 6, 27 Numa und Ancus, c. IV 7
Aeneas, Tullus und Ancus: L. wählt Ancus, um dabei einen bekar-
Enniusvers citiren zu können, ann. 150 posiquam lumina sis oculis 7:
Ancus reliquit; auf bonus liegt nur bei L. ein starker Nachd
Über lumina reliquit τὰ v. 542. Zweifelhaft ist sis oculis; man «
an einen Abl. instr. denken, denn er verlüsst das Licht, indem e,
Augen schliesst; aber anders hat es Verrius verstanden: Fest. p,
(sos) interdum pro swos ponebant, wt cum per dalivwm casum ;
Ennius effert "postquam lumina etc Danach würden die Augen al.
— -
-A— e “0... 4
^t
07 |
VERS 1018— 1082. 195 [i |
zunächst betroffene Theil genannt sein, der Dativ also generell gleich |
artig sein z. B. mit Cato r. r. 5, 7 scabiem pecori et iumentis cao. |
Ich halte diese Auffassung für richtig. — 1026 So redet Achill Il. 21, 106
den Lykaon an: τίη ὀλοφύρεαι οὕτως; (vgl 1045) κάτθανε καὶ Te
τροκλος, ὅ περ céo πολλὸν ἀμείνων. | improbe fügt L. hinzu, die Schelt
rede 1046 ff. vorbereitend; und im Gegensatz zu bonus Ancus. —
1028 Auch magnis qui gentibus imperitarunt mag ein Anklang an Enniu
sein; so, als Citat, wird auch besser verständlich Hor. sat. I 68 sec quoi
acus tibi malernus fuit atque paternus olii qui magnis legionibus imper:
tarent: L. scheint da nicht zu Grunde zu liegen. Darauf wird dem
1029—1032 Xerxes nicht genannt, sondern bezeichnet: dass der Name
nicht genannt wird, nicht genannt zu werden braucht, sondern zur Be -
zeichnung die Angabe einer That genügt, bringt deutlich zum Bewusst
sein, wie einzigartig in der Weltgeschichte diese That war: und doch
musste er sterben! In L. Vorlage waren wohl die Verse citirt, die
Plutarch zu gleichem Zwecke cons. ad Apoll 15 p. 110 ἃ anführt (vgl
Bergk P. L. III p. 739) ποῦ yàp τὰ ceuvà κεῖνα, ποῦ bt Außdinc μέ-
τας buváctnc Kpoicoc ἢ Ξέρξης βαρὺν ζεύξας θαλάςεςης αὐχέν᾽ "Enc
ποντίας; ἅπαντες Ἅιδαν ἦλθον καὶ Λάθας δόμους. Aber der einfache
Ausdruck genügte L. nicht, um die Macht des Mannes und die Grösse
der That zu bezeichnen; von dem schlichten ciam siravit geht er weiter
zu den Heerschaaren, die übers hohe Meer ziehen — bei lagiones ist
ebenso wenig wie im horazischen magnis legionibus imperitarent au
schliesslich an Fussvolk zu denken —; dabei ist es denn vor Allem er-
staunlich, dass selbst die Beiterei hinüberzog, und dieser zu Liebe wird
zunächst auch das Fussvolk besonders genannt, pedibus docwit superire,
das auch an sich bedeutungsvoll ist, denn via und iler hätte immerhin
noch von der Schiffahrt gesagt werden können und in docw liegt, dass
Xerxes der erste war, der Solches vermochte. Eine gewisse Ueberfülle
des übrigens mit grosser Kunst variirten Ausdrucks ist vorhanden, abes
sie ist beabsichtigt, um den Eindruck des Ungeheuerlichen, menschliches
Maass Ueberschreitenden zu erwecken: ich kann Lachmann (der v. 1031
als Rest einer älteren Fassung einklammerte) nicht zugeben, dass si
molesia ac prorsus intolerabilis sei. Wie man dieselbe Sache, ohne irgeni
mehr zu sagen, schwülstig behandeln kann, zeigt Sidon. Apollis
c. V 451 nec laniae Sesion iuncherus Abydo Xerzes classis erat, twmida
cum slerneret undas ei pontum sub ponte daret, cum slagna superbo ürve
pit temerala gradu. turmaeque frequentes. Hellespontiaco persallauere pes
fundo. — Bei Verbindungen wie iter dedit ire, dederaique comam diffem
dere ventis Virg. Aen. 1 819, loricam ... donat habere viro V 260, ἐν δι
liam et melun tradam ... ρογίαγε ventis Hor. c. I 16, 2 ist wrol
ursprünglich der Infinitiv Object des regirenden Verbs, der Aecusmt
Object des Infinitivs gewesen; an den genannten Stellen wird aber sch.
das Subst. als Object, der Infinitiv als epexegetischer Zusatz
— Einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden
von viam, iler dare “einen Weg freilassen’ und “einen Weg schaffe
(Thielmann, das Verbum dare p. 57) kann ich nicht anerkenmem. .
salsas lacunas (nec terrestria. de salsis exisse lacumis V 794) erinum,
an das vom auct. ad Her. IV 50, 15 als Beispiel der figura suffiatm 1
Lucretius v. Humns. 18
194 COMMENTAR
geführte nam qui perduellionibus vendilat palriam, non satis subpl
dederil, si praeceps in Neptunias depulius erit. lacunas: der A
stand der beiden Stellen von einander ist deutlich genug. — insulia:
‘darüber hin sprengen’ und 'verhóhnen' in einem Wort, contemsit
günzend. Nicht ganz so gelungen ist Cul 31 won perfossus Athos :
mar 0 vincula ponto iacta ... won Hellespontus pedibus pulsat
equorum. Den durchstochenen Athos als Gegensatz zum überbrücki
Hellespont, ὅ-- πάντες θρυλοῦειν (Isokr. Pan. 80), hat L. verschmäht.
1033 lumine adempto ist Abl. des Zustandes, corpore moribundo eige:
licher Ablativ wie V 812 sucum venis cogebat fundere apertis. Zu fu
vgl. 700 cum corpore fusa peribit.
1034 Scipiadas: die kühne Bildung (von Scipio- statt von Scipio:
wird, wie Lachmann vermuthet, von Ennius herrühren (Aeacides δι
186. 187) und findet sich bereits Lucilius 1018sq. Cornelius Publ
noster Scipiadas; dann epigr. Gr. 674 K. Σκιπιάδαι, gewiss nach lat
nischem Vorbild. So L. Memmiadas I 26 == Menuni dara propago -
Die Metapher belli fulmen, an sich übrigens naheliegend, ist von
oder Ennius vielleicht dem Griechischen entlehnt, Wakefield verwies
Lykophr. Alex. 482 ὁ Afjivioc. πρηςτὴρ Ἐνυοῦς (Aias), man denke aw
an Kepauvóc als Beinamen. Nach L. dann Virg. Aen. VI 842 c
Gracchi genus (relinquat), aut geminos, duo fulmina belli, Scipiadas,
dem Libyae, danach Sil Pun. VII 106 em, «bi nunc Gracchi atque
nunc sunt fulmina gentis Scipiadae (d. h. P. und Cn. Bcipio), auch
664 fulmen subitum Carthaginis Hannibal; und zweifellos in Erinnex-
an Virgil Valer. Max. III 6, 1 über den entarteten Sohn des Africm
dé bomi, quas tenebras e quo fulmine masci passi estis! (vorher inter
fulgentissima cognomina. patris εἰ pairwi). Munro zieht aus dem Wie.
kehren des Beiworts bei Cic. pro Balbo 15, 54 cwm duo fulmina 9m.
imperii subito in Hispania Cn. εἰ P. Scipiones extincti. occidissent
einer Münze der Scipionenfamilie, die auf dem Revers Iuppiter mit Ἢ
und Scepter trägt, den Schluss, dass die Scipionen ihren Namen
εκηπτός und Aehnlichem in etymologischen Zusammenhang gebracht ἢ
Der Gedanke ist ansprechend; aber die ersterwühnten Stellen fliessera
aus einer Quelle, bei Cicero ist wahrscheinlich lwména zu schreibe
Hirschfelder Jahrbb. 1871 p. 202), und die Münze beweist nichts: —
die Münsen der gems Cornelia (nicht nur der Scipionen) öfters lug,
zeigen, so geht das eher auf die Beziehung, in der Scipio Afrä«
maior zu dem Gotte stand, Liv. XXVI 19 und Mommsen röm. M ἃ
p. 564. — 1085 Auch hier Ennianische Beminiscens: Non. p. 1 -
famul, famulus. Ennius lib. IX (ann. 316): mortalem summum fe
repente reddidit, (ce) summo regno wl. famul infimus esset, wie L,
auf Grund des Lucresverses mit Recht statt opfimus schrieb.
Citat gewinnt an Beziehung, wenn bei Banius die Verse, wie "V
p. LXVII mit grosser Wahrscheinlichkest vermuthet, vor der Bchlacy
Zama an Scipio gerichtet wurden.
1036 adde s. zu 828. Die εὑρέται der lepores werden dene
docirinae an die Seite gestellt: dies die Wissenschaft, d. b. Philos
jenes umfasst Alles, was dem Leben Ammmth und Reiz verleiht, vgl
n. h. XXXI 41, 88 sales appellantur, omnisque vilae lepos εἰ x
VERS 1082— 1042. 195
hilurilas laborumque requies non alio magis vocabulo consial. In de
That steht sa} und lepos sehr häufig neben einander, vgl. auch IV 1154
Χαριτῶν μία, ἰοία merum sal. Zu diesen lepores gehören in erster Linie
die Künste, vor allem die Poesie, daher Musaeo contingens cuncia lepore
I 934, adernum da dictis, diva, leporem I 28: so werden denn die
Heliconiadum comites noch besonders genannt; ἐγὼ Μούςῃςειν Ὀλυμπιά-
deccıv ὀπηδός Hom. hymn. in Mere, 450, ὁπαδὸς θεοῦ häufig. Ueber
sie herrscht Homer, der κοίρανος ὕμνων Μαιονίδης (Archias A. P. VII
213), scepira potitus: so sagt Ptolemaeus Euerg. II (Achilles vita Arati):
ἀλλ’ ὅτε λεπτολόγος «κῆπτρον "Ἄρατος ἔχει, vgl. Statius silv. IV 7,5
von Pindar regnator lyricae cokortis. Unter den Philosophen wird Demo-
krit besonders hervorgehoben, bis dann Epikur die ganze Reihe ab
schliesst. — Die Angaben über das Alter Demokrits schwanken zwischen
90 und 109 Jahren; für seinen freiwilligen Tod ist L. der älteste aus
drückliche Zeuge, aber auch die Erzählung des Hermipp bei Diog. Laert.
IX 43 hat eigentlich nur unter dieser Voraussetzung Sinn. Die Veran-
lassung giebt Athen. II 46 e wie L an: Δημόκριτον... λότος ἔχει διὰ
γῆρας (ὑπέργηρως bei Diog. Laert. a a. O.) ἐξάξαι αὑτὸν διεγνωκότα
τοῦ ζῆν καὶ ὑφαιροῦντα τῆς τροφῆς καθ᾽ Exäcmv ἡμέραν, aber bei L
dient die Art der Angabe zugleich zur Characterisirung Demokrits, der
nur ein Leben voll ungeschwächter geistiger Kraft und Thätigkeit für
lebenswerth gehalten habe: in welchem Gegensatz dazu steht der, qui
somno purtem maiorem conleri aevi el vigilans. siertit. — memores molus
wohl zum Theil der fünffachen Allitteration zu Liebe; aber das Beiwort
Weise in noch höheren Ehren stand heut zu Tage; memoria ἰδὲ die
Seele der Beredsamkeit (Quint. inst. IX 2, 1); durch sie ist Lucullus zum
grossen Feldherrn geworden (Cie. Ace. pr. II 1, 2); der Dichter wird
durch das Beiwort memor ausgezeichnet (Prop. III 34, 81; paneg. Mess.
17), kurz, memoria non modo philosophiam, sed omnem vilae usum
omnesque aries una mazime continet (Cie. Ac. pr. II 7, 22). — Wie aber
den Demokrit sein Alter daran erinnern kann, dass sein Gedächtniss
nachlässt, verstehe ich nicht, sehe auch nicht, dass ein Erklärer das ver
standen hat. Mit Bentleys Verbesserung Democritus wird der Sinn vor
trefflich: das Alter gebietet den smemores solus Einhalt. Man könnte
auch an Democriti denken; nicht aber daran, Democritum so zu halten,
dass man memores motus als sog. Ace. graecus auffasst, wie (remit artus
489 perculsi corda I 13 mentes movellas 261 percussi membra timore
V 1223: der Unterschied leuchtet eim. — 1041 Die abgeblasste Wen-
dung morli se offerre wird durch den Zusatz obrius und die Einfügrang
von capu wieder zum anschaulichen Bilde. — ipse. ipse: die Wieder-
holung natürlich nicht beabsichtigt. — 1042 obit Perfect wie redifqwe
502, init IV 314, perit. 771; vgl. L. Mneller de r. m.’ p. 508. — de
curso lumine vilae (vgl. quo decursum prope iam siet II 962, spatiwm
decurrere amoris IV 1196) hängt nicht, wie Lachmann annahm, mit dem
Fackellauf zusammen. Die Metapher decwrrere vitam, vilae spafissee uni
Aehnliches ist von der Rennbahn bergenommen, wie Cic. Cato m. 23, 8!
ganz deutlich zeigt: si qui deus mihi largiatur μὲ ex hac adate repwe
18°
196 COMMENTAR
rascam ... valde recusem, nec vero velim quasi decurso spatio ad σα
.cercs a calce revocari. — Bie ist aber schon in früher Zeit ganz e»
gebürgert (Plaut. Stich. 81 decurso actutis spatio, merc. 547 dece.
spalio breve quod vilae relicuomst; Ter. ad. 859 ego vitam duram pra
ium excurso spatio itio), so dass sie offenbar kaum mehr als Pm
empfunden wurde; wie man also sagt finito lumine vilae (CLE I 473,
kann man auch sagen decurso lumine vilae, und ebenso gut dccwe
primaevae flore iuventae Orient. common. II 231. — Epikur überragt «
menschliche Geschlecht, divina mens 15; vor seinem Glanz erbleicht je.
andere, wie die Sterne bei Sonnenaufgang: restingere also in andem-
Sinne als Cic. or. 1, 5 nec vero Aristotelen in philosophia deterruit a &«
bendo amplitudo Platonis, nec ipse Aristoteles admirabili quadam scie»
εἰ copia ceterorum studia restinzit; sondern wie Meleager A. P. XII
Mutcxoc Ecßecev ἐκλάμψας dcrépac ἠέλιος. Das Gleichniss ist gellicm
siehe Geffcken zu Leonidas 21 (A. P. IX 24), wo ἔμπυρος ἠέλιος == aea
rius sol, V 215 vu. 0.
.1045 Auch diese ganze Apostrophe wird man noch zum Sel
: gespräch ziehen müssen, als Ausführung des improbe 1026; aber
Grunde redet doch der Dichter zum grossen Haufen der Thoren. —
willst nicht sterben, und bist doch schon so gut wie todt’; mori ti»m
quid porro? isla vita non mors est? Sen. ep. 77, 18; qui vero lat&a
εἰ torpent sic in domo sunt quomodo in conditivo. — horum licet in kom
ipso nomen marmori inscribas: mortem suam anlecesserunt ebd. 60, 4, 4
so in vielfacher Variation, auch bei Epiktet, z. B. I 9, 19 νεκρὸς
ὁ παιδευτής, νεκροὶ δ᾽ ὑμεῖς. Das war auch zu Lucrez Zeit schon
θρυλούμενον, sonst hätte es Sallust nicht, Cat. 2, 8 sed multi morte;
dediti centri atque. somno, indocti incultique vitam sicuti. peregrince,
iransiere; quibus profecto contra natwam corpus coluptati, anima 4
fui. eorum ego vitam morlemque iuxta aestimo. Auch die Fass
vexpóc βίος (Julian VI p. 203c) mag schon vor L. da gewesen
dazu dann noch die sprichwörtliche Eedensart vico atqwe videnti;
ähnlichem Oxymoron wie Ter. eun. 73 vivos vidensque pereo. In
Ausführung wird aus einleuchtenden Gründen nicht wie bei Sallust.
dem materiellen Genusse gewidmetes Leben getadelt — wer darin
Befriedigung findet, ist ja nicht zu tadeln —, sondern einerseits
torpere Senecas mit qui somno partem maiorem conteris aevi und υἱσ ἡ
stertis; dieser geläufigen Redensart (s. Otto Spr. unter dormire)
aber sofort ein neuer Sinn untergelegt: er schläft wachend, denn er =
ja unaufhörlich Träume: das sind aber die von den vates
somnia quae vilae rationes vertere possint. fortunasque (uas omnis tur
timore 1 105. So ist sehr geschickt der Uebergang von der Nutzlo
keit zur Genusslosigkeit des Lebens gefunden: und hierauf kam er
wesentlich an, um hier am Schlusse nochmals ausführlicher zu zeigen,
er Anfangs v. 38 andeutete, dass der metus Acheruntis funditus humess;
vilam turbat ab imo. Denn die morbi causa (1070), die der Kra
nicht kennt, ist ja nichts Anderes als die falsche Vorstellung vom .
seits; ἔνιοι θνητῆς qUceuc διάλυςειν οὐκ εἰδότες ἄνθρωποι, Euveidiice
τῆς ἐν τῷ Bip κακοπραγμοςύνης τὸν τῆς βιοτῆς χρόνον ἐν tapa:
καὶ φόβοιει ταλαιπιυρέονςει͵ ψεύδεα περὶ τοῦ μετὰ τὴν τελευτὴν μι
VERS 1042—1088. ᾿ 191
πλαςτέοντες χρόνου Demokrit Stob. Flor. 120, 20. Wilamowits hat
diesen Spruch in Beziehung gesetzt zu den Worten der Amme Eurip.
: Hippol. 191—197; so mag die vorhergehende Schilderung von Phaedr |
unruhigem Zustande mit der im Folgenden von L. gegebenen verglichen :
werden: τόδε cov: φέγγος λαμπρόν, δδ᾽ αἰθήρ, κα δὲ δόμων ἤδη |
vocepäc δέμνια xoírnc: crurvöv δ᾽ ὀφρύων νέφος αὐξάνεται: δεῦρο
γὰρ ἐλθεῖν πᾶν ἔπος ἦν cov τάχα δ᾽ ἐς θαλάμους «πεύεκεις τὸ πάλιν.
ταχὺ γὰρ cpáAAg κοὐδένι χαίρεις, οὐδὲ c' ἀρέςκει τὸ παρόν, τὸ δ᾽
ἀπὸν φίλτερον fü. — 1061 cbrius, d. h. des Verstandes beraubt: die !
Metapher ist im Griechischen in ebenso ausgedehntem oder ausgedehnterem —
Gebrauche als im Deutschen; im Lateinischen fehlt sie fast vollständig,
denn .was man anzuführen pflegt — und mehr kenne ich nicht —, damit
hat es seine eigene Bewandtniss: Hor. c. I 37, 11 (regina) foriuna dulci
cbria spielt auf Kleopratra's Zechgelage an (Kiessling); Cat. 45, 11 pucri
cbrios ocellos, weil die Augen schwimmen wie in der Trunkenheit; Plin. n.
h. XIV 148 exiguo tempore ante proelium Actiacum id volumen evomuit
(Antonius), quo facile intellegatur ebrius iam sanguine civium οἱ lanto
magis eum sitiens — nämlich das Volumen de sua ebriefate; dann noch
etwa Juv. IX 113 vinosus inebriet aurem. Also wird L. hier ein |
μεθύων φόβῳ καὶ λύπῃ übersetzen. Dieser trunkene Zustand wird ge-
schildert in v. 1052, wo Verbum, Particip, Substantiv und Adjectiv auf -
dieselbe Vorstellung " hinarbeiten: er schweift umher, cagatur, und zwar
fluitans, wie ein führer- und steuerloses Schiff (Kraetsch a. a. O. 74),
vgl Cic. pro Best. 20, 46 in hanc reipublicae navem ereplis senalwi
gubernaculis fluitantem in alto, Virg. Aen. V 867 cum pater amisso flui-
tantem errare (navem) magistro sensit; das geschieht incerfo errore anime,
in unsicherem Hin- und Herschwanken des Geistes, ohne Halt noch Ziel,
IV 1077 fluctuat incertis erroribus ardor amantwn, Cic. de fin. V 6, 15
summum autem. bonum si ignoretur, vivendi rationem ignorari necesse est;
ez quo lanus error consequitur, ut. quem. in porlum se recipiant. scire
non possint; de off. II 2, 7 non enim sumus ii quorum vagelur animus
errore nec habeat «umquam quid sequatwr. Vgl. zum ganzen Pacuv.
tr. 302 triplici pertimefactus maerore. animi incerle errans. vagat, und,
auch zum Folgenden, Ennius tr. 187 ofioso in otio animus nescit. quid
vclit. hoc itidemest: enim neque domi nunc os nec militiae sumus; imus
huc, hinc illuc: cum illuc ventum est, ire illinc lubel: incerte errat. animus,
praeter propter vilam civitur; 360 animus aeger semper errat. Verwandt
ist auch der in die epikurische Kunsteprache recipirte Gegensatz von xeı-
μάζεςθαι und τγαληνιᾶν.
1053—1075 “Wenn die Menschen, die ja doch empfinden, dass sie
etwas bedrückt, die Ursache davon wüssten, so würden sie nicht, wie
jetzt, in steter Unruhe leben. Wer immer unschlüssig und nie zufriedex
von einem Ort zum andern irrt, der flieht sich selbst: aber man kanı
sich nicht entfliehen. Wüssten sie nun den Grund ihrer Krankheit, sx
würden sie vor allen Dingen sich der Naturerkenntniss befleissigen
handelt es sich doch dabei nicht um eine Stunde, sondern um de:
Zustand, in dem wir nach dem Tode in alle Ewigkeit sein werden." —
Anknüpfend an die letzten Worte des Selbstgesprüchs wird als die de
Menschen selbst unbekannte Ursache ihrer rast- und freudlosen Unrub
198 COMMENTAR
die Todesfurcht bezeichnet: wenn sie bekämpft werden soll — und
diesem Zwecke dient ja, wie das ganze Buch, so insbesondere der dritte
Haupttheil —, so muss sie zunächst erkannt und auch in ihren ver -
borgenen Wirkungen enthüllt werden. So ist der Abschnitt nur schein-
bar Abschweifung. L. lässt sich vielleicht durch seine Freude an der
Schilderung rein menschlicher Verhältnisse verleiten, ausführlicher zu
werden — namentlich in der Schilderung des Rastlosen 1060 ff. — als un-
bedingt nöthig wäre. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass der antiken
Moralphilosophie die Aufzeigung der Symptome und Folgen eines seelischen
Leidens als Vorbedingung einer wirksamen Bekämpfung ebenso wichtig
erschien als der eigentliche λόγος θεραπευτικός, und dass auch die
epikurische Schule sich darin von Stoikern und Peripatetikern nicht
unterschied: man braucht nur daran zu denken, wie energisch Philodem
im Vorwort zu περὶ ὀργῆς diese Methode (τὰ παρακολουθοῦντα κακὰ
τιθέναι πρὸ ὀμμάτων) vertheidigt. Unter demselben Gesichtspunkt ist
die ausführliche, an den Satirenstil streifende Schilderung der Liebes-
leidenschaft im IV. Buch zu verstehen (καθάπερ καὶ ἐπὶ τῆς ἐρωτικῆς
εἰώθαμεν ποιεῖν ἐπιθυμίας Philod. a.a. O. coL 7).
1053 Man sieht, sie empfinden die Last, denn sie handeln ja quasi
onus deponere possint; in dieses Bild fügt sich sehr glücklich die, wie
Munro mit zahlreichen Beispielen belegt, wegen der Allitteration beliebte
Wendung soles mali (Eurip. κακῶν ἄλλας ὁδούς übersetzt Cic. Tusc.
III 14, 29 mit aliquam molem mali) — Seneea ep. 28, 2 quaeris quare
te fuga ista non adiuvel? lecum fugis. onus animi deponcndwm est: non
ante libi «llus placebit locus wohl im Anschluss an L., s. zu 1068. —
1057 wl nunc plerwnque videmus scil. eos vilam agere: τὰ diesem vor-
gestellten Infinitiv epexegetisch die anderen, nescire und quaerere, deren
Subject aber nicht mehr eos, sondern, aus dem Nebensatz, quemque ist.
— quaerere. semper. commulare locum hat Bentlev mit Recht verbunden,
fer möchte immer von einem Ort zum andern’, womit noch nicht gesagt
ist, dass er es auch wirklich immer thut: die folgende Schilderung be-
trifft ja nur einen speciellen Fall Wenn z. B. Horaz Romae rus optat,
absentem. rusticus. wrbem tollit ad astra levis (sat. II 7, 28), so ist dies
ein quaerere semper commulare locum, das vielleicht zum saepe commutare
führt. Zwar gäbe quaerere semper quid sibi velit einen erträglichen
Sinn, aber comemuiare locum ohne Angabe des wann oder wie oft reicht
nicht sus. Ter. eun. 978 ubi satias fieri coepit, commuto locwn. —
1060 magnis ex aedibus, wie bei Hor. sat. II 7,9 Priscus visit ἐμ -
aequalis, ut aedibus ez magnis subito se conderet eto., er besitst auch
Equipage und Landhaus, ist also reich: und doch nicht zufrieden. —
1061 Klürlich sind zwei Vorgänge geschildert: er geht foras, und kehrt
zurück, weil es foris nicht besser wird: 1062 gehürt also hierher, nicht
wie Bergk wollte nach 1067. Dann fährt er aufs Land, und weiss
auch dort nichts mit sich anzufangen: er schläft oder kehrt in die
Stadt zurück. Dieses Bild der Unschlüssigkeit wird zerstört, wenn man
mit Bergk swbilogue currit verbindet: v. 1061 ist also nothwendig ein
Verbum zu ergänzen. Das revenlat einiger italienischer Handschriften und
Drucke ist so offenbar Conjectur, dass man davon nicht ausgehen darf:
revertit (Präsens. auch V 1153 afgue unde exortast, ad eum plerumque
VERS 1058—1068. 199
reverlit; Non. p. 476 rerortit. Poiuponius Muiali [80 R] cenam. quacritat ;
si ewm emo vocal, revortit maestus ad swacnam sniscr) wird das Richtige
sein. Revisit (Proll de formis ant. Luer. p. 44) ohne jeden Zusatz ist
kaum annehmber: L. construirt es, wie auch Andere, mit ad (II 359
V 636) oder mit dem blossen Accus. (III 1067 IV 285. 393); absolut
steht es freilich IV 1117 redit rabies eadem ct furor ille revisit: aber
da ist es durch das vorhergehende redit eher gerechtfertigt. Rebitit
(rebetit Nencini Stud. Ital III 218) möchte ich L. nicht zutrauen. —
1064 quasi instans “wie einer, der eilt... — Auf inslans folgt un-
mittelbar in scharfem Gegensaize oscilat, das indicium vagi anim εἰ
alucinantis Gell. IV 20: dann geht er entweder in die villa, aber nur
um zu schlafen, abit in somnum: das ist auch ein Weggehen, ein Ver-
such sich zu entfliehen, und zwar gravis nicht vor Müdigkeit, wie es
sonst gravis somno u. K heisst, sondern weil ihn das onus animé gravi-
lale fatigat: er sucht es im Schlaf zu vergessen — oder er strebt
eilends wieder stadtwürts, damit dort das Spiel von Neuem beginne.
1068 fugiat hat zuerst Madvig adv. crit. II 24 richtig gelesen:
die Handschriften theilen zwar fugit af ab, aber das ist keine Ueber-
lieferung; Seneca sagt de tr. an. 2,14 aliud ex alio ier suscipitur αἰ
speclacula spectaculis mulantur; μὲ ait Lucretius: "hoc se quisque modo
semper fugit". sed quid prodest, si non effugit? sequitur se ipse e
urge gravissimus comes; aber das ist klärlich aus dem Gedächtniss
citir. — fugifare gebraucht L. neben fugere unterschiedslos, — qwem
scilicet: d. h. se fugit, scilicet ewm, quem meque effugit neque. effugere
potest, oder μέ non effugit ita effugere. omnino nequit. — Er kommt
nicht vom Fleck, haeret (Hor. sat. II 7, 26 aut quia. non firmus rectum
defendis e haeres, nequiquam caeno cupiens. evellere plantam), und wird
hasserfüllt, gegen sich, das Leben, seine Umgebung, kurz vifae lucisque
videndae odium cos percipit (80): odit absolut wie Hor. sat. II 1, 23
cum sibi quisque timet, quamquam est intacius, et. odi, wo auch der
Gegenstand des Hasses aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, —
Und weshalb das Alles? Nur weil er die Natur seiner Krankheit nicht
erkannt hat, aeger: dass er krank ist empfindet er. Wüsste er, dass
er an Todesfurcht leidet, er würde Alles stehn und liegen lassen (rebus
reliclis, oft in der Komödie u.a.) und sich dem gucioloyeiv bingeben:
und zwar würde er das sicher thun und mit Recht thun, da die Ewig-
keit in Frage steht; der Zustand, in dem wir die ganze Zeit sein
werden oder, wie L. sich ausdrückt, in dem für uns die ganze Zeit
sein wird, die nach unserem Tode noch übrig ist und uns nach unserem
Tode erwartet. Statt resiat et mane (1091 sors aeterna ... manebit)
oder resiat manens (nos) sagt L. in eigenthümlich kühner Wendung
restat manendo; zu VI 333 in remorando haesitat bemerkt Munro richtig,
dase in remorando ein Part. Präs. vertritt: IV 720 in remorando laedere
ne possint ex ulla lumina parte, III 491 in iactando membra fatigat
VI 148 dant in frangendo u.s. £, aber das Gleiche ist bekanntlich beim
blossen Abl. Ger. der Fall, nicht nur in instrumentalem Sinne, Virg.
Aen. II 6 quis talia fando ... temperet a lacrimis, dazu Wagner; Plaut.
men. 882 lumbi sedendo oculi spectando (instr.) dolent, manendo (== dum
maneo) medicum, dum se ez opere recipiat, dazu Brix.
200 COMMENTAR
1076—1094 “Und warum zittern wir in Gefahren für unser Leben?
Sterben inüssen wir doch einmal, und ob wir nun länger leben oder
kürzer — neue Genüsse vermag uns das Dasein doch nicht mehr za
bieten und eben so wenig uns an den alten zu ersättigen; die Zukunft
ist unsicher; und ewig bleibt der Tod und das Nichtsein, mögen wir
auch noch so lange gelebt haben”. — Wenn auch der Tod selbst keine
Schrecken an sich hat, so kann doch noch die ritai cupido, φιλοζψία,
ihn uns fürchten lassen: auch diesen Stachel muss die Consola'io noch
beseitigen, um erschüpfend zu sein. Aber dieser τόπος liegt freilich am
Weitesten vom Wege des L. ab, der es ja nicht mit dem Leben, sondern
mit dem Tode zu thun hat; darum wird er so kurz wie móglich er-
ledigt, gewissermaassen nur die Capitelüberschriften gegeben — ist doch
auch Manches schon vorher berührt worden. Erst der Gedanke an die
Ewigkeit des Todes darf wieder etwas breiter ausgeführt werden. Eines
aber fehlt bei L., was in der verwandten Litteratur sonst nie übergangen
wird: der Gedanke, dass es eher ein Vortheil als ein Unglück sei, vom
Leben erlöst zu werden, das doch vom Anfang bis zum Ende voller
Kummer und Elend ist Ueber diesen Standpunkt ist der Epikureer
dank der beglückenden Lehre seines Meisters erhaben. — 1078 An
certe equidem haben Avancius Lambin Lachmann Anstoss genommen
und certa quidem geschrieben, die Neueren sind gefolgt. Grammatisch
sehe ich dazu keine Nöthigung: wenn L. cquidem sonst nicht hat, so
beweist das nichts, er hat auch cerie ausser an dieser Stelle nur IV 760;
cerle cquidem ist eine in älterer Zeit häufige Verbindung, die auch Virgil
noch anwendet Sachlich aber ist ccría quidem direct unepikurisch:
fest bestimmt ist das Lebensende für keinen von uns. Ein Stoiker dar!
wohl so reden: fixus est cuique terminus: manebit semper ubi positus est. sex
illum ullerius diligentia aut gratia promovebit ... solvitur quod cuique promissum
est; eunt via sua fala nec adicius quicquam nec ex promisso semel demuest
frustra vola ac studia sunt: habebit quisque quantum illi dies primus adseripsi.
und wie die Cantilena weiter lautet, Sen. ad Mare. 21, 5 sqq. Da
heisst aber τῇ τῶν φυεικῶν εἱμαρμένῃ δουλεύειν (Epik- ep. Ill p. 65,18
und nichts verabscheut der Epikureer mehr. Er lehrt oóbeic écrw €
δύναται φυγεῖν θάνατον (1079) καὶ μὴν báctov, καθάπερ qnc
Ἐπίκουρος (fr. 492), ἀπὸ τῆς πρώτης vevéceuc πρός τινα χρόνςε
cucrávroc, ὥςτε πλήονα μὲν μὴ δύναςθαι βιῶςαι ἐλάττονα δὲ bóv«
cdaı, τὴν ἀνάγκην τὴν κατὰ τὸν χρόνον τοῦτον οὐκ ἔςτιν imo:
μεοολαβεῖν (Körte Metrodori fragmenta p. 581). D. h. die Zeit ist }
stimmt, die eine gewisse Atomverbindung längstens dauern kann, de
kann diese zZ
Ianten 'du musst doch zur bestimmten Zeit sterben’, sondern nur 8
kannst du doch nicht leben', woran dann vortrefflich als Weiteres
schliesst, dass auch auf ein langes Leben kein grosser Werth za le
ist — adstat za 959.
1080—1084 Vgl 9444 957 ff.: im Ausdruck gewechselt, nur
stehende Formel dum abest quod avemus kehrt wieder. Oben sp
die Natar ‘ich kann dir nichts Neues mehr finden’, hier wird vom L
VERS 1076—1094. | 201
selbst gesagt, es schaffe keine neuen Genüsse; für die Metapher procudere
— gignere hat L. eine besondere Vorliebe, I 1115. V 850. 856. An Stelle
des nie befriedigten Tischgastes tritt hier der immer Dürstende, vielleicht
anklingend an ein beliebtes Gleichniss der Popularphilosophie, crescá
indulgens sibi dirus hydrops Hor. e. II 2, 13. — 1085 Und wer weiss,
ob uns nicht bei-längerem Leben Unglück erwartet oder uns ein trauriger
Ausgang bevorsteht — ὄντων οὖν coi παμπόλλων παραδειγμάτων περὶ roó-
τῶν ἐννοήθητι τὸν θάνατον οὐκ ὀλίγους ἀπαλλάττειν μεγάλων καὶ χαλεπῶν
κακῶν, ὧν εἰ ἐπεβίωςαν πάντως ἂν ἐπειράθηςαν Plut. cons. ad Apoll. p. 114b.
— 1087 Thöricht endlich wäre der Gedanke ‘wenn wir das Leben noch
hinausziehen, so verkürzen wir die Zeit des Todes, werden weniger lange
todt sein Denn wie der Raum immer unendlich bleibt, so dass ibn
selbst der Blitz nicht durchlaufen könnte mec prorsum facere wi rcstd
sinus ire meando (I 1005), so bleibt auch die Zeit des Todes unendlich ἡ
und wird nicht geringer durch unser Leben: mag man auch ein sacchem
(zu 948) zum andern legen, condere, wie man Früchte und Vorräthe
aufspeichert Mit der stehenden Wendung lusirwm condere (s. Mommsen
St. R. II 332) hat dies saecla condere kaum etwas zu schaffen, denn dort
ist unter lwstrum wohl stets das vom Censor dargebrachte Bühnopfer,
das den Census beschliesst, nicht der fünfjührige Zeitraum verstanden
worden. Ebenso wenig sind Redensarten zu vergleichen wie Virg. ecl. 9, 52
longos ... cantando condere soles: da ist condere, wie Conington richtig bemerkt,
‘begraben’, d. h. “untergehen lassen”. — 1092 So wird, wer heute sein
Leben geendigt hat (fnem ritae fecit zu 943), nicht kürzere Zeit nicht
sein, als wer vor vielen Jahren dahingegangen ist: mit einer allge-
meineren Sentenz, die zu weiterem Nachdenken anregt, entlässt der
Dichter den Leser, wie auch am Schlusse von Buch II, IV und V; epilog-
artig ist nur der Schluss von Buch I, und das ganze Werk endigt ohne
irgend etwas Derartiges: jeder Zusatz würde den Eindruck, den das er-
schütternde Gemälde der Pest dem Leser binterlässt, nur abgeschwücht
haben.
*
* ..
9. .. . , (€
4 not 45 "]
.. tu uud en
d nme U a Vans MERDA
τς τος
"ων —
m.
vr
“ - . « —
-« — — - "e —— ^. c
..o
REGISTER.
Ablativ 75. 91. 152. 170. 171. 187.
194. 109.
: Abstracta 108.
Accusativ 122. 198.
Adverbia auf -im 133.
Allegorie 184.
Anakolutho 115. 131. 138. 161.
Aristoteles 64. 67. 87. 84. 143.
Aristoxenos 62. 64. 66.
Asklepiades 111.
Atome: ihre Eigenschaften 74.
Auflösung der Körper 159.
Augen als θυρίδες 108.
Axiochos 162. 168.
Bestattungsriten 169.
Biene 50,
Caesur 83.
Claudianus Manmverius 140.
Danaiden 189.
Dativ 56. 135. 182. 192.
Definitionen 62.
Demokrit 39. 82. 100. 106. 148. 1965.
Dikaiarchos 68. 64.
Dilemma 128.
Empfindung: ihr Sitz 99; ihre Ent-
stehung 109. 153.
Epallage 107.
Ennius bei L. 58. 141. 142. 145. 168.
192. 193. 194. 197. .
Epikur: von seinen Anhängern ver-
ehrt 47. seine Aussprüche φωναί 50.
Zuversichtlichkeit — 51 und Aus-
schliesslichkeit seiner Lehre 55.
Sicherheit — 48 und Klarbeit der
Erkenntniss 51. Wahrnehmung als
Kriterium 72. 103. Glückseligkeit
des Philosophen 95. Anlagen des
Menschen 94. Individualität 168.
Wiedergeburt 165. Liebe 187. Trauer
172.176. Lust 178. Reue 19%. Furcht
52.55. Furcht u. Begierde 186. Zorn
94. Weltalld1. 8. ferner Geist, Götter,
Seele, Todesfurcht, Veränderung.
E ie 124.
—— 197.
Ewigkeit der Welt 189.
Furcht: ibre Symptome 68. 70. 90.
Furien 191.
Gastmahl als Bild des Lebens 177.
Geist: sein Sitz 687. Schnelligkeit 73.
Analoges bei den Thieron 92. Wich-
tigkeit für dio Erhaltung des Lebens
110. Erkrankungen 121. 163.
Gedüchtniss 195.
Genitiv 91. 178.
Götter 58.
Hadesstrufen 176. 185.
Harmonie s. Seele.
Heraklit 103. .
Hiat 107.
Homer bei L. 53. 138. 170. 186. 188. 193.
lonig zur Einbalsumierung 169.
Horen 189.
Individualnamen umschrieben 49. 198.
Infinitiv 95. 150. 158. 170. 193. |
Intermundien 58.
Interpolation 122.
Ixion 191.
Körper, Gefüss — 118. 133. (iewanc
— 138. Haus der Seele 154. Er
nährung 147.
Krankheit 126.
Macrobius 185.
Metapher 61.
Metrisches 57. 59. 129.
Mischung 106. 147.
Natur personificirt 177.
Nominativ 191.
Ohnmacht 72. 136.
REGISTER 203
Platon 100. 191. 127. 169. Tantalos 185
Praeexistenz 148. Temperamente 89.
P itionen: Stellung 69. Wieder- Tityos 186.
holung 81. Todesfurcht, Ursache der Leidenschaf-
Prodigien 156. ten und Verbrechen 58. der Unruhe
Prooemien 47. 197. des Selbstmords 59.
Prosopopoiie 176. Trunkenheit 123.
Prudentius 54. 119. U , In 101. 106
ebergangsformeln 101. 106. 111. 114.
Rückenmark 82 161. e
Unterwelt 58 ff. 190.
Schlaf 186. 174.
Schlange 142. Veränderung 80. 137. 168.
Schw und Schwan 49 Verbalsubstantiva 108.
Seele als Blut oder Athem 56. al« Har-
‘monie 62. Unkörperlichkeit 71. Be-
standtheile 40. 78. Kräfte 85. 88.
trägt den Körper 65. Teilbarkeit 140.
entweicht aus allen Poren 88. 137.
S. und Geist 39. 62. S. und Körper
schützen sich 84. 96 — sind gleich-
zeitig entstanden 97. 99. — wachsen
gemeinsam 119. S. und Rauch 117.
Seelenwanderung 145. 151. 154.
Seneca 184. 198.
Servins 111. 191.
ichelwagen 141.
Stimme 196.
Stoa 92. 100. 121. 139. 160. 186.
187.
amma und animus 62. 115. 137.
anima animae 886.
araneus 109.
«sper 15.
atque erklärend 136. 187.
atqui 129.
Verba transitiva iniransitiv gebraucht
58.
Vorstellungsbilder 116.
Wiederholungen bei L. 61. 155. 158.
W. des Argumenta 76.
Wind 2
ortspiele 108.
Wortwahl 67.
Würmer, im Leichnam entstehend 149.
Xerxes 198.
Zusätze, nicht vom Herausgeber ein-
gefügt 44. 167.
cawlae 82.
cawsa 179.
cinefo 171.
circum 111. 188.
clamo 51.
.
D
τα --
—— —
"uS Ub CARS us ohh. δὲ andes EX
PM . .
«Ὁ
. .
-
. .
- '. "m6 . .
- — 9 m an: 206, _
. . . . .
-.-» VU Φ -- --- *9 oce [nn = o ln ind bis pM Im t A» VET y M
ον ME τι
ebrius 191.
edo 188.
enim 80. 102. 137. 156. 166.
eo 138.
equidem 300.
etenim 88. 118. 156.
etiam 88.
REGISTEB.
inlustro 48.
insignis is 191.
insinuor 144.
insulto 194.
intendo 179.
inter 88.
} 98.
novitas 10.
numen momengue 09.
φιο 181.
ods 199.
* o"
|
|
L
LJ
εἰ
D
«5
4€
5
profecto 191. seorsum 183. τς
profundo 117. sequaz 94. 115. s
À 186. sequor 171.
108. simul 143.
14. sincerus 148. 168,
proprius 1. sch somnus (in somnis) 116.
propterea und praeterea verlauscht 98. status 91.
76. stultus 199.
prudens 183. exbdo 98.
subiungo 115.
qua 108. sucus 11.
quasi 86. 137. 149 suffundo 93.
71. suis einsilbig 110.
quid 154. 191 suppeditat 150.
quique 141. suspendo 15
91.
genus 116. tamen 132
quoniam . landem 156.
tempto 10.
rarefio 118. torqueo 192
ratıo 51. torres 173
recipio 81. torro 118.
refuto 101. tracti 189.
remordeo 161. traho 104.
removeo 58.
ja 165 unde 168. |
res 57. 14. usus 182. Ι
} 196.
retinentia 144. 119
revertit Praesens 198. 64.
reviso 199. . vario 107
robur 191. ventus 66
rumpo 91. vestis 109
vexo 60.
118. vinco vivendo 178.
scelus 58. viscus 85.
Seipiadas 194 vita 114.
semper 50. vitales res 160.
sensus 180. 131 vociferor δῖ.
sentso 66. vox 517.
168. dıadbidunm 86.
ἄδηλον " διαλύω 118. 30
alcónac tacwelpouo 180.
αἰεθητήριον 131. c 84.
αἰών 82. 108. δύναμι
ἀλλότριος 108. ἔκθλιψις 126.
68. . ἕλκω 106
ἀνάμνηςις 148. 101
ἀνήρ 107. ἕντο 142,
ord Dum 110. thc δὲ. 9.
à 164. ἐπιθυμία 186.
puovia 09. .
ἄφρων 192. ἡγεμονικόν 68. 68,
βάραθρον 181. θύραθεν 144
- ὸ -
wudpiT wir era“
.
- “αἱ - ——-- u —em omo
. .
.
-4. 4
e. Te φί «44 wa men . .„
*- .-
Xx
xp&ac 147.
κτῆςις χρῆεις 182.
λεπτομέρεια 74.
λογικόν 63.
λύπη 186.
μαλακία 48, 1.
μανία 168.
μεθύω 197.
μετακόςμια 53.
γεκρός 190.
ὁπαδός 195.
REGISTER.
ῥοπὴ 69.
-—
andZw 173.
«τόμιον 190.
ευμβαίνυ 110.
εὐμπάθεια 70. 99. 160.
ευμπόειον 177.
εὖμπτιυμα 56. 102.
pov 48.
ευνκλείω 184.
εύνκρουεις 110.
cóvoboc 110. 154.
τύχη 186.
GENERAL sOOKSINDING CO.
| o£ ΠΥ
040
A
6110:
ts,
LT >