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TOPOGRAPHIE
DEB
STADT ROM IM ALTERTHÜM
VON
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ERSTER BAND.
ERSTE ABTHEILUNG.
MIT ZWEI TAFELN ABBILDUNGEN.
BERLIN,
WEIDMANNSCHE BÜCHHANDLUNG.
1878.
^.
\
^
i
^
WILHELM HENZEN
IN ROM
ZUGEEIGNET.
Vorwort.
Als ich vor mehr als zehn Jahren es unternahm die
grundlegende Arbeit Beckers zeitgemäss umzugestalten und
zu erweitern, richtete sich meine Aufmerksamkeit haupt-
sächlich auf drei Dinge: es musste erstens dem neuen Werke
ein anderer Plan zu Grunde gelegt werden, welcher durch
die Verbindung geschichtlicher und beschreibender Darstel-
lungsweise das Zerreissen zusammengehöriger Dinge ver-
hüten sollte; zweitens galt es die sogenannten Urkunden in
ihrem Zusammenhange zu untersuchen und kritisch zu be-
arbeiten ; drittens den erhaltenen Resten der Stadt und ihrer
Bauten die gebührende und von Becker fast ganz vernach-
lässigte Berücksichtigung zuzuwenden. Konnte und musste
in diesen drei Beziehungen das Beckersche Buch wesentlich
umgestaltet werden, so liess sich dagegen eine erhebliche
Ergänzung der von ihm gesammelten Zeugnisse aus der alten
Litteratur kaum erwarten und unausgesetzte Durchforschung
derselben hat diese Erwartung durchaus bestätigt* Der da-
mals von mir entworfene Plan nun ist bis ins Einzelne fest-
gehalten worden und zur Ausführung gekommen: aber weder
übersah ich, dass die Bearbeitung der Urkunden so umfang-
reiche Untersuchungen erfordern würde, wie sie inzwischen
geführt und im zweiten Bande wie in der Forma urbis ver-
VI VORWORT.
öffentlicht worden sind, noch konnte ich ahnen, dass die
Ueberreste der Stadt in solcher Ausdehnung das Tageslicht
wieder erblicken wurden, wie es seit dem Jahre 1870 ge-
schehen ist. So ist es gekommen, dass die Vollendung des
Buches sich über Gebühr verzögert hat und längst ausge-
arbeitete Theile desselben immer aufs Neue haben über-
arbeitet, einige, wie der dritte Abschnitt dieses ersten Theils,
ganz von Frischem in Angriif genommen werden müssen.
— Ein verhältnissmässig günstiger Zeitpunkt um abzu-
schliessen schien mir durch die Sistirung der grossen Aus-
grabungen auf dem Forum und dem Esquilin im Jahre 1876
angezeigt zu werden. Die dankenswerthe Gewährung eines
halbjährigen Urlaubs seitens des hohen Ministeriums setzte
mich in den Stand im Frühjahr dieses Jahres in Rom neben
einer allgemeinen Revision der neuen Funde noch genauere
Untersuchungen über drei wichtige Hauptfragen anzustellen:
über die Steinmetzzeichen auf der servianischen Mauer, über
die Inschriften und die Zerstörungsgeschichte des Forums,
über den kapitolinischen Tempel. Die Ergebnisse der ersten
liegen in diesem Bande, die der zweiten im dritten Bande
der Ephemeris epigraphica> die der dritten in dem Jahr-
gange 1876 unserer Annali vor. Den Rest der Müsse konnte
ich auf die Vollendung des grösseren Theils dieses Bandes
verwenden, während des Drucks wurde den letzten drei
Abschnitten die Schlussfassnng gegeben. Ich muss aus-
drücklich hervorheben, dass, als ich Schönes und Nissens
Untersuchungen über Pompeji gegen das Ende der vorigen
Herbstferien zu Gesicht bekam, die Arbeit soweit vorge-
schritten war, dass es nicht mehr möglich war, den Auf-
stellungen dieses Buches eine eingehende Berücksichtigung
zuzuwenden; es schien deshalb angemessen etwaige Zustim-
mung oder etwaigen Widerspruch einstweilen zurückzuhalten :
kaum bedarf es der Hervorhebung, dass ich es besonders
bedaure, den ersten Abschnitt der Einleitung ohne Kenntniss
dessen, was Schöne über Material und Baotechnik von Pom-
peji ermittelt hat, haben ausarbeiten zu müssen.
VORWORT. VII
Dies Buch erscheint in einer Zeit, in welcher die plötz-
liche Erfüllung der Hoffnungen, mit denen sich Rafael und
seine Freunde trugen, die Fea zu verwirklichen vergeblich
bestrebt war, wenig oder gar keinen Eindruck zu machen
scheint. Zwar ist es begreiflich, dass die glänzenderen
gleichzeitigen Entdeckungen in Olympia für weitere Kreise
eine stärkere Anziehungskraft ausüben: kaum begreiflich da-
gegen, dass die von den Italiänern in rascher Folge den
fremden Mitforschern vorgelegten neuen Thatsachen bei diesen,
und besonders bei uns Deutschen, bis jetzt so wenig Beachtung
gefunden haben, dass man in unserer breit dahinströmenden
wissenschaftlichen Litteratur sich vergebens auch nur nach
einem Wiederschein der neuen Kunde umsieht. Und doch
sollten gerade wir es freudig und dankbar begrüssen, dass die
italiäniscbe Wissenschaft in mächtigem Aufschwünge sich der
grossen von ihr selbst gestellten Aufgabe gewachsen zeigt.
Dass ich zu wiederholten Malen Gelegenheit gehabt habe in
längerem persönUchem Verkehr mit den römischen Fach-
genossen die Freude an den frisch aus der Erde steigenden
kostbaren Resten der ewigen Stadt zu theilen und ihre Be-
lehrung zu gemessen, ist für mich nicht bloss eine unver-
gessliche Erinnerung: ich habe auch in diesem Verkehr die-
jenige geistige Erfrischung, diejenige ermunternde Theilnahme
gefunden, welche auf einem langen und nicht eben dornen-
losen Wege kaum entbehrt werden kann und welche in der
nordischen Heimath für mich nicht zu finden war. Ich darf
nicht unterlassen allen denen, welche, namentlich im Früh-
jahr des Jahres 1876 in Rom in zuvorkommendster Weise
meinen Wünschen und Fragen entsprochen haben, den herz-
lichsten Dank an dieser Stelle zu wiederholen und sie um
eine unbefangene Prüfung dessen zu bitten, was ich etwa
hie und da im Widerspruch mit ihnen geglaubt habe be-
haupten zu müssen. Zu besonderem Dank aber fühle ich
mich den Herren Direktor Fiorelli und P. Bruzza und meinem
werthen Freunde Rodolfo Lanciani verpflichtet, welche mir
bei den oben erwähnten Untersuchungen vielfach hilfreich
VIII VORWORT.
gewesen sind, nicht minder Sr. Excellenz dem Botschafter
des deutschen Reiches Herrn von Keudell und den Leitern
des deutschen archäologischen Instituts, deren bereitwilliges
Entgegenkommen mir die Arbeit über den kapitolinischen
Tempel erleichtert hat.
Die zweite Abtheilung dieses Bandes hoffe ich in kurzer
Frist nachfolgen lassen zu k&niten: sie wird die bereits in
der Einleitung dieser ersten angekündigten Pläne bringen.
Einstweilen wird der Leser mit einem der besseren nach
1871 erschienenen Pläne der neuen Stadt, insbesondere dem
H. Kieperts, sich genügend zurechtfinden. Nachträge be-
halte ich der zweiten Abtheiiung vor: inzwischen mögen
einige Druck* und Schreibversehen, die mir beim Durch-
laufen des Buches aufgestossen sind, schon hier berichtigt
werden.
Königsberg, im Februar 1878.
H. Jordan.
INHALT.
Seite
Einleitung 1 — 114
§ 1. Die Trümmer und ihre Dentuog 3—36
§ 2. Die Ueberlieferang des Alterthums and die Zer-
störung des Mittelalters 37— 74
§ 3. Die topographische Forsehnng seit dem fünfzehnten
Jahrhundert 75—104
Anhang: Die Stadtpläne 105—114
Erster Theil 115—550
§ 1. Lage, Boden, Klima 117—152
§ 2. Die ältesten Ansiedelungen 153—200
§ 3. Beschreibung der servianischen Mauer und ihrer
Thore 201—245
§ 4. Die tarquinischen Bauten und die servianische
Stadt 246—295
§ 5. Die Stadt der XIV Regionen und ihr Wachsthum 296—339
§ 6. Beschreibung der aurelianischen Mauer und ihrer
Thore . 340—392
§ 7. Brücken-, Ufer- und Hafenbauten, Kloaken und
Wasserleitung 393—480
§ S. Der innere Ausbau 4SI — 550
Tafel I und II zu Theil I § 3.
l
BERICHTIGUNGEN.
S. 7 A. lOZ. 7f. ist das GiUt Herzog bis (<pietra Gabina') za
streichen : diese Angabe bezieht sich aaf das Material der dppu
— 97 A. 39 ist die bibliographische Notiz über Piale aasgefallen :
Dissertazioni, 2 Bde Rom 1832--1834 (-24 Abhandlungen ge<
lesen in der Acad. pont. di arch.) und Ausg. des Venuti (A. 34).
— 107 Z. 10 1. Lafrere.
— 145 A. 37 Z. 3 1. Ambro seh.
— 189 A. 63 Z. 6 1. gehören.
— 196 A. 74 Z. 10 V. unten L certmonia.
— 232 A. 62 ist (%) zu setzen: das (v) gehört in A. 61 a. E.
— 241 Z. 7 1. wir halten.
— 245 A. 82 Z. 5 v. unten 1. = 1, 56 r. Meile.
— 253 Z. 5 V. unten 1. Streben.
— 298 Z. 13 1. Kriegsdocks.
— 305 Z. 2 V. unten streiche: die Vermuthung anderer: es ist
bekanntlich bezeugt Di gg. 1, 15.
— 336 A. 36: De Rossi hat in der Sitzung des Instituts v. 11. Jan.
1855 darüber gesprochen. Vgl. Arch. Anzeiger 1856, 147*.
— 453 A. 80 1. Mon. d. inst 1876 T.
— 460 Z. 6 V. unten streiche ihnen.
— 509 Z. 2 streiche und.
EINLEITUNG.
4
Jordan, rOmiscbe Topographie. I. 1.
5 1-
DIE TRÜMMER UND IHRE DEUTUNG.
Wie andere Städte Italiens so hat auch Rom sein Bau*
material zu Anfang dem Boden entlehnt, den es zu eigen
hatte: dem Boden der Stadt und der nächsten Umgebung^)
(vgl Th. I § 1). Erst die allmähliche Ausdehnung des Ge^
biets, die steigende Kultur imd die V^roUkommnung der
Bauweise gestatteten oder nöthigten aus wdterer Ferne zum
Theil geeignetere Stoffe herbeizuschaffen. In der Stadt selbiat
und ihrem Weichbilde standen — wir sprechen zunächst
?on dem monumentalen Steinbau (saxa quadrata A. 14) —
der submarine Tuf {tofus) der Hügel in verschiedenen Varietäten
1) Noch in der Zeit des Augustus sagt Vitrav von den Stein-
brüchen von Statonia in Etrnrieu (2, 7, 4): quae st prope urbem
estent, dig-nttm esset ut ex bis officinis omnia opera perficereniur,
cum ergo propter propinquitatem necessitas cogat ex
Rubris lapidieinis et Pallensihus et quae sunt urbi proximae
eopiis uti si qui vohierit sine vüiis perficere vta erü praepearandum
(weiter oben § 1 nennt er als mcXies die lapidicinäe Riäfrae Paüenses
Fidenates Albcaiaey vgl. A. 2). — Die Abhängigkeit Roms ivie anderer
Städte Italiens von dem heimischen Material erörtert am besten Promis
Alba Fncense S. 106 fT.; die Wahl des Orts für die *grSkoita-
lischen' Ansiedlungen überhaupt lässt Semper (Stil 1, 451) dnrch das
vorhandene Gestein bedingt sein. Eine der hier entwickelten ganz
iüiiiliche Geschichte des allmählich sich erweiternden Bezngsgebietes
des Baumaterials weist Pompeji anf: vgl. Fiorelli Gli scavi di Pompei
dal 1861 al 1872, Nap. 1873. — Die älteren allgemeinen Besprechungen
des Baumaterials der Stadt von Piranesi, Uggeri (Jonrn. pitt. Bd. 3),
Corsi (Delle pietre antiche 1828. 1833. 1846) u. a., besonders aber
Ton Nibby (b'fters: Foro S. 7 ff. Antichita di Roma \, 1830, Roma
BDt 1, 234 ff.) und Bunsen (Beschr. Roms, Bd. 1) sind durch die
neueren Entdeckungen antiquirt.
1*
4 EINLEITUNG.
zu Gebote, ein schon von den Alten mit Recht wegen seiner
Zersetzbarkeit als schlecht bezeichnetes Material^). Besser
waren , wie sie ebenfalls mit Recht bemerkt haben ^), die den
Eruptionen des Vulkans der Älbanerberge entstammen-
den Lavasorten, wdche sie als lapis Gabinus und lapis Albanus
unterschieden (schon bei Isidorus piperinm), noch brauch-
barer und besonders schöner der längs der Ufer des Flusses
abgelagerte sediipentare, aus dem Apenninepkalk entstammende
lapis (auch wohl silex) Tihurtinus, Dazu kam endlich die
schwatjsliche Lava (ebenfalls silex genannt), deren StrJ^me bis
in die nächste Nähe von Rom reichen und hier vielfach in
ihrer natürlichen erstarrten Form zu Tage liegen, wie im
L Th. § l weiter gezeigt werden wird*). Vom Marmor und
vom Ziegel sehen wir hier noch ab.
>) lieber tofus A. 3 und Th. I. § 1. •>- In dem Abschnitt über
die lapidmnae^ welchen sowohl die ^aoM quadrata als die oaemenia
«ntnommen werden, bezeichnet Vitruv 2, 7 (s. A. 1), die Rübrae
Pallensfss Fidenates Albanae als moUes, die Tiburtinae Amiteminae
Soractinae als temperatae, die etrurischen als durae oder siliceae. Da-
zwischen spricht er von dem toßis ruber, niger^ ' albus Campaniens,
Umbriens und Venetiens, die er zu den molles rechnet. Zu ihren
Fehlern gehört, dass sie leicht durch die Witterung aufgelöst werden.
Den g;anzen Abschnitt entlehnt in verlt^ürzter Gestalt Plinius 36^ 166,
dessen Bemerkung tofus aedißciis inutüis est mortalitate also keinen
besonderen Werth hat.
') Tacitus Ann. 15, 43: saxo Gabino AWanove . . quod is lapis
ifffiibus inpervius est. Dieselbe Eigenschaft scheint Vitruv 9. 0. nur
dem etrurischen harten Gestein beizulegen. Doch müsseo die ßau-
meister des Augustusforum wie Tacitus gedacht haben.
^) S. Promis Alba Fuc. S. 95 ff., welcher gezeigt hat, dass in der
besten Zeit silex den harten Stein überhaupt, insbesondere den Apen-
ninenkalk (s. besonders die Inschrift von Ferentinum CIL 1, 1161
vgl. Gato bei Fest. 2S1: saacis Sabinis^ silicibus repastinandis), den
Travertin, die schwarze Basaltlava — das gewöhnliche Material
der Strassenpflasterung. (Liv. 38, ,21, 3. 41, 27, 5) — ja auch
den Marmor (unten A. 29) bezeichnet. In dem etruskischen sdlc
thufi (und zilachnuce) erkennt daher Corssen Etr. 1, 472 und 663 wohl
mit Re<?ht süieem tofium {etc siliee fabricavit ?): es sei der sogenannte
Nenfro (S. 6S3 f.). Vgl. A. 7. Man ersieht, hieraus daa schwankende
in dem Gebrauch des Wortes tofus.
§ 1.] DIB TRÜMMER. 5
Es ist nun eine noch immer ziemlich allgemein ver-
breitete Ansicht, dass die Römer zur Zeit der Könige sich
ausschliesslich ihres heimischen Tufs, erst in ^er Zeit der
Republik des GalMner und Albaner und erst, gegen Ausgang
der repubUkanischen Epoche de^r Tiburtiner Gesteins bedient
haben ^). Diese Ansicht ist zum Theil geradezu falsch, zum
Theil muss sie in bestimmtere Grenzen eingeschränkt werden.
Zunächst aber ist die Frage berechtigt, ob denn die Bezeich-
nungen lapis Gobinus und Albanus in der That ausschliesslich
die Brüche von Gabii und Alba bezeichnen, während doch
die in diesen gefundenen Varietäten, wie Tb. I § 1 ge-
zeigt werden soll, keineswegs allein dort, sondern im
weiteren Kreise an der nordwestlichen und südöstlichen Ab-
dachung des Gebirges gefunden werden. Wenn sich in
neuester Zeit ein dem Gabikierstein ganz ähnlicher in einem
alten Bruch 1 Kilometer vor porta S. Lorenzo gefunden hat^),
wenn andrerseits, wie es scheint, lapis Tihurtmus nicht blos
den bei Tivoli gebrochenen, sondern überhaupt den weicheren
weissen Kalkstein bezeichnet^), so spricht die Wahrscheinlich-
keit dafür, dass die drei Namen nicht die den Römern allein
bekannten, sondern die Hauptbezugsquellen bezeichnen. Da-
zu kommt, was jede Untersuchung heutzutage erschwert, die
Unsicherheit in der Unterscheidung der Tufarten und des
Sperone an den erbaltenen Gebäuden: die jahrhundertalte
^) Die verschiedeoen Modifikationen aufzuzählen ist unnütz. In der
Hauptsache hat Nibby (s. A. 1) die Ansicht formulirt.
0) Beschreibung bei Lanciani Bull, dell' inst. 1872, 68 f. und mun. 1873,
6, welcher den Stein als *tufa lamellare cinereo' und das. 1874, 48
als ' cappellaccio simile alla Gabina* bezeichnet. Aeholiche schwan«
kende Ausdrucke bei demselben Ann. 1871, 54. 57. Die Mineralogen
haben ihr Urtheil über diese im J. 1872 gemachte Entdeckung meines
Wissens nieht abgegeben: jetzt ist der Bruch wieder verschüttet.
') Schon aus Vitruv 2, 7, 2 (Tiburtina et quae eodem ffenere
$unt) lässt sich dies schliessen. Vgl. Promis in der A. 4 angezogenen
Stelle. Ob aber der lapis albus damit identisch ist, ist zweifelhaft.
Dieser Name ist jetzt von Mommsen auch auf einer früher falsch ge-^
lesenen unteritalis<$h6n Inschrift wi«der hefrgestellf worden (mündliehe
Mittheilung desselben).
6 EINLEITUNG.
Verwitterung hindert häufig eine sichere Bestimmung auf ande-
rem als auf chemischem Wege und erschwert sie auch auf
diesem. Wir sind also bei der Feststellung von Zeitgrenzen
von YCMrnherein zur äussersten Vorsicht gemahnt. Endlich
ist allzuhaufig übersehen wopden, dass die Einführung eines
neuen Materials die weitere Benutzung des alten nicht ans-
schiiesst, und dass eine gleichzeitige Benutzung aller zu verschie-
denen Zwecken sehr wohl denkbar ist. Trotz dieser Schwierig-
keiten dürfen wir hoffen, durch eine Analyse der datirt^i
Denkmäler zu einigermaassen sicheren Ergebnissen zu gelangen.
Die monumentalen Bauten der Königszeit besteben ia
ihren ursprünglichen Theilen in der That, wie es scheint,
nur aus dem den römischen Hügeln entnommenen Material
und die Bruchstellen desselben sind zum grossen Theil noch
nachweisbar^). Aus dem Tuf dieser Hügel sind gebaut die
älteste Befestigung des Palatino die sogenannte servianiscfae
Mauer, die grosse Kloake, das Tullianum unter dem Kapitel :
die aus anderen Gesteinen bestehenden Theile der Wallmauer,
der Kloake und des Tullianum werden wir als jüngere Zu-
thaten auch aus anderen Gründen nachzuweisen versuchen.
Jedoch ist es wahrscheinlich (besonders nach den neuesten
Untersuchungen über die Wallmauer), dass auch Steinbrüche
der nächsten, damals zum Weichbild gehörigen, Umgebung
Roms ihr sehr ähnliches, aber bessere^ Material gleichzeitig
geliefert haben (Th. I, § 3.)- Die erste Anwendung des
Sperone und Peperin dürfte demnach in die republikanische
Zeit fallen: allein den Zeitpunkt näher zu bestimmen, ist
unmöglich. Wir haben nur zu fragen, wie lange sich Rom
^) Steinbruch auf dem Palatin: Laneiani and Visconti Giiida del
Palatino S. 128 ff.; auf dem Kapitol: Ponzi Ann. 1865, 44; hier und
auf anderen Hügeln: Brocchi Dello stato fiaieo del tuolo romano
S. 150 ff.; vor porta S. Lorenzo: s. A. 6. Der Name laututniaey
welcher an dem Nordostabhange des Kapitels haftet, beweist zwar die
Existenz von Steinbrüchen daselhst, gleichzeitig deutet er aber als
Fremdwort (neben dem heimischen lapicidinae) auf eine besondere,
wahrscheinlich spätere Benutzung desselben nach dem Vorbilde der
syrakusanischen Latomien hin (vgl. unten A. 49).
§ 1.] DIE TRÜMMBR. 7
ausschliesslicb dieser drei oder vier Hateriale bedient hat, wie
fräh d^ Travertin hinzugekommen ist
Zur Entseheidung dieser Frage reichen die Trdmmer
römischer Gebäude aus der republilsaDischen Zeit nioht hin.
Sämmtliche erhaltene Tempehreste rühren aus einer. Z^t her,
in wdcher ohnehin die Verwendung des Travertins ausser
Zweifel ist^). Auch will es nicht viel sagen, dass die einzi-
gen erhaltenen Profanbauten der Zeit vor den panischen
Kriegen, die beiden ältesten Wasserle^ungen, Appia und
Am Yetus (wie noch die Mareia aus dem Anfange des 7. Jahr-
hunderts), aus Gabiner- und Albanerstein bestehen, aus Al-
baner Stein wohl auch die Pfeiler des eircus Flammm (doch
wissen wir nicht, ob sie dem ursprünglichen Bau ge-
hören) ^°). Dagegen lehrt uns eine Musterung der erhaltenen
^ Wenn man von den Substractionen des capitolinischen Tempels
absieht, welehe ans Gappellaceio, d.h. römischem Taf, bestehen. Denn
von dem ursprünglichen Ban des Satnrntempeis ist nichts mehr übrig;
dass der Unterbau des Kastortenpels, in welchem Tuf und Travertin
verbaut sind, dem Umbau frühestens des Metellus Delmaticus gehört,
beweisen schon die darauf gefundenen Steinmetzzeichen (ausserdem andere
Umstünde : Th. II) ; alle übrigen Tempel, an denen Travertin verbaut ist
(A. 12), sind entweder später gegründet oder später restaurirt als die
pnnischen Kriege, wie die Erörterungen im IL Th. lehren werden.
*^) Ueber die j4ppia (noch nicht genügend untersucht — vgl.
Tb. I § 7) Fabretti i, 14 (s. die Tafel): 4atera ex lapide Albano
qnibus rivus aretabatnr', und vielleicht gehört dazu der von Descemet
(Ann. 1857, 72) beschriebene Kanal bei S. Sabina mit dem 'mur com-
pos^ de prismes rectaagalaires en tuf granulaire verdatre assembles
sans ciment, 0,40 X 0,27 '; über den ^nio (dessen Kanal in Villa Ne-
groni und specus in Via ^principe Umberto) Herzog Bull, dell' inst.
1861, 13 Cpietra Gabina') und Lanciani Bull. mun. 2, 203 f. 206
('pietre di tufa e Gabine) ; über die Mareia (specus in Via porta S. Le-
renzo) derselbe das. S. 204 ('pietre Gabine e Albane') vgl. Borgnana
deir acqna di Quinte Marcio Re e del sno condotto, R. 1861 S. 17
('pietra Albana; le spond<) di vario gcnere di pietra'). -^ Ueber den
eireus Flaminitu s. Forma urbis S. 22. Jetzt kommt aus Cassiano del
Pozzo (Lnmbroso in der § 3 gen. Schrift S. 48) die Notiz hinzu, dass
gegenüber von S. Gaterina de'Fnnari 'pezzi di trevertino grandissimi'
gefnnden wurden: natürlich ist nicht auszumachen, ob sie überhaupt
zum Circos und noch weniger, ob sie zu dem ersten Bau gehörten.
g EINLEITUNG.
Inschrifiten, dass das Material derselbe, also haoptslchlicii
allerdings das der Grab- und EfarendeiBkinfiler, d^r Altäre und
VotiTBteine, aber aueh gröasorer architekträufeher Werke,
schwerlich vor der ZerstOrong Karthago« und Korinths der
Tibartiner Kalkstein war, dass er s^eit dieser Zeit ab^r* in
stetiger Steigerung die MH'igen Materiale yerdrälügte. Es
darf daher mit Sicherheit behauptet werden, dass eine in dem
Unterbau des <:apltolinisehen Tc^mpels ge^ndene Trävertin-
konstruktion dmi Wi^erherstellungsarbeiten firäbesteft^ dbs
Catulus angehört ^^). Hierzu stimmt auch die sparsame Weise,
mit welcher er ifioch in der Zeit von SuUa and Cäsar an er«*
haltenen Bauten ' verwendet ist. Nur die Kunstformen der-^
seflben, wie Kapitelle, Basen, Gebälkgliederungeh , oder Eck*
stücke und Bindungen, pflegen in dieser Epoche von Tra-
vertin« Cellenwände, Säulenscbäfte, Stylobaten» alle grossen
Mauern überhaupt, wie noch die Umfassungsmauer des Au-^
^^) Von den datirten Inschriften vor dem zweiten ptuiischen Krie§^
steht nach deifi bisher bekannten nur liie Weihnog des Bieoleius, jetzt
im Musen Caf). des Collegio romano (BalL d«ir i. 1873, 89), wi«
mir jetzt auch Dr. DresBel ausdrücklich versichert ^— i6h habe sie
nicht gesehen — anf Traveetin; nicht die Mareeiliisinscfarift in Neapel
CIL 1, 530 — deon Garrucci (Syiloge n. 870) wird riohtig 'iapid«
Albano' angeben -^, nicht die Inschrift von der Via Ostiensis (Eph.
epigr. 1873, ]; Garrucci 567 sagt falsch ^columaa' nad schweigt über
das Material) nach dem gewichtigen Urtheil Ponsia, der den Stein für
'eorniculanisch' erklärt. £in leiser Zweifel an der Richtigkeit der
Angabe über den Stein des ßicoleius wird also immerhin, gestattet
sein. Allft. übrigen In^hriften auf Travertin scheinen dem 7. Jahr-
hundert aazugehöreu und zwar sind die ältesten die de» Mommius 60d?
CIL 1, 541, wenn sie Original ist (ich zweifle mit £. Q. Visconti Philol
1863, 450 ff.), die Bautenin&cbrift von 639 £ph«m. 1874, j98 ff., die
ara sei deo (aaeh 630?), die Inschriften vom Fabierbegen 698 u., s. w«
Die grosse Menge der , archaischen Inschriften steht auf Albfta«r»teia
(Scipioneninschriften, Weihung Fediovei pairei^ . Base des M. Fulvios
Nobilior aus dem Musentempel u. s. w.). Uaglücklicher Weise aber
bietet Ritschl's ,£narratio der Priscae latinitatia monumeata für die
Entscheidung der .vorliegenden Frage |^ar kein, Mommaena erster Baa4
ein unzuJIäogliches Material und ich muss daher erwarten,, meine Auf-
stellungen berichtigt zu sehen. — Ueber den Joppitertempel s. die f. A,
§ 1.] DIB TRUMHBR. 9
gastusforam von Tuf, Sperone oder Peperin gebaut zu wer^
deD, ttad das erste datirte Gebäude, dessen Aussenwand ganz
mit Travertin yerUeidet ist, ist das von CSsar begonnene, von
Augustus vollendete Tbeaterdes Marcellus^'). Bis dahin hatte
man die Mängel, welche der Tnf wie der Peperin, wenn auch
in verschiedenem Grade und in verschiedener Art, fQr Kunst«-
formen mit sich bringt, durch den Stuckdberzug zu ersetzen
gewusst, wie es die bei den Tempelbauten schon früh thätigen
'') Caoina und die ihn ausschreiben schweig^en über das Material
der Tempelbauten entweder ganz (z. B. über das der wichtigen Tempel
anter S. Nieola Ib Carcer«) oder beriehten ungeaiigead, die älteren
sekwanken.oft in ihfen Angaben.. Folgmide. von mir im J, 1867 über
die in Betraoht kommenden Tempel gemachten Aufzeichnungen hab«
ich Jeider nicht noch einmal nachprüfen können: jonischer T. bei
Ponte rotto: Wände und Halbsäulen Tof (ich meine alle, nicht
* viele' vfie Corsi Pietre 71 sagt), Säulen der Vorhalle Travertin;
Raodumpel bei $. Nicola a'C^sariui: Sttalen Tnf^ ein« Basis im
Keller Travertia; T. am Forum hoKtorium (S. NWol» in carcere)}
mittlerer: Stylobat Tuf mit Travertin bekleidet, ßebälk Peperin;
östlicher: Stylobat Travertin, Säulen Peperin; (westlicher — ?);
Palatin: sog. T. des Jappiter Victor, Unterbau Tuf und Peperin.
Ferner (1872. 1876) Castortempel (oben A. 9.): Stylobat Tuf, äussere
Beki^iiBg Travertin; Kapital: Unterbau Tnf, im Kellerraum Tra-
vertin (Neubau des Catulus, vgl. Ann. 1876, 167 ff.). Von anderen
Gebäuden, von denen keios älter als Sulla ist (denn über ^eh Circus
Flaminins s. A. 10) 'Tabularfum' (Bau des Catiilns? jedesfalls dieser
Zeit, einstweilen s. Ann. a. O, S. 156 ff.): Tuf (oder Sperone?
Corsi S. 70), Gebälk, Kapitelle und BHgen Travertin; Grab des
ßibulus (7. Jahrh.): Travertin; pons Fabricius (692, restaurirt 733):
Peperin, bekleidet mit Travertin ; wahrscheiulich gleichzeitig die Be-
kleidung der Tiberinsel: ebenso (Ann. 1867, 390); wahrscheinlich
vob Cäsar gebaut 'TabemeaV der fiasiliea Julia: Taf, Bakstücke
and Bogen Travartin (Hermes 7, 290); die Untersucbungen über das
Pottfyajuslliaater, iheattum lapidewn, worüber A. 35 (Forma S. 22 ff:
OBd Th. n), gettattvn sehwerlich den ursprünglichen Bau von den Ra-
staantionen m adterscheidea. — Unter Augustus (vgl. unten) erscheint
^r Travertin überall: saepta lulia (Pfeiler, mit Ma^mor bekleidet),
^put Firgo, Crypta Salbt u. s. w. Es ist auffallend, 'dass trotisdem
der in dieser Zeit (um 740) sehreibende Vitrnv den Travertin nicht
•Is das herrschende Material bezeichnet (oben A. 2.).
10 EINLEITUNG.
griechischen Baumeister gelehrt hatten ^^). — Wir sehen also,
dass für die Bauten bis auf Augustus das Material gewisse
chronologische Kriterien abgiebt.
Auch die Bauweise der königlichen und republikani-
schen Zeit hat ihre für die Bestimmung der einzelnen Reste
nutzbare Geschichte. Es ist längst bemerkt worden, dass die
Abwesenheit des Polygonalbaus in Rom und in der latinischen
Ebene mit der Beschaffenheit des ältesten Baumaterials, der
vulkanischen Tufe, zusammenhängt ^^). Wie der Apenninen-
kalkstein polygonal, so bricht der Tuf in parallelen graden
Schichten und verarbeitet sich mit Leichtigkeit zu jenen 6
bis 8 Fuss langen, 2 Fuss hohen und breiten Parallelepipeden
{saxa qnadrata), deren man sieh beim Bau aller grossen
Steinkonstruktionen bediente. In der ältesten Zeit ffigte man
diese Blöcke ohne jedes Bindemittel in dem sogenannten
Läufer- und Bindersystem zusammen ^0: in späterer Zeit
tritt mit einer Verminderung des Maasses der Blöcke die regel-
mässige Schichtung nach der Länge der Blöcke ein; Ver-
klammerung mit metallenen Krampen wird bei gewaltigen
Massen, Mörtel zum Bestreichen der genauer gearbeiteten Rei-
bungsflächen verwandt. Aber wann sind diese Veränderungen
eingetreten? Jedes Bindemittel entbehren die palatinisdie
^') Ueber das dealbare columnas Cicero Verr. 1 § 132. 145. 147.
Erhaltene Säulen: jonischer Tempel am Tiber und Rundtempel bei
S. Nicola a'Cesarini (A. 12); Peperinsäulen auf dem Palatin Laneiaui
Guida S. 132. Färbung des Stuck nimmt bekAOBtlich Semper an
(1, 488 f.).
1^) Zuerst richtig beurtheilt von Promis Alba Fuc. 110, vgl.
Abeken Mittelitalien 138 ff.; neuerdings Semper, Der Stil 2, 35^ f.:
^68 ist gewiss nicht zufällig .. dass der Quaderban io solchen Gegenden
seit Urzeiten erblich war in denen vorher blättriges Lagergeateia zum
Gebrauche nahe zur Hand lag.' Saußa quadrata (oder Moecum quadra-
tufn)f welche Vitruv (oben A. 2) den eaementa entgegensetzt, bilden
die Substruction des Capitolium (Liv. 6, 4, 12), eine semita vom cape-
niscben Thor nach dem Marstempel (10, 23, 12); ^petfe quadrato ist
das Grabmal des Porsena gebaut (Varro bei Pliiir 36, 91) u. s. w.
^^) Vgl. Abeken a. 0. 153 Bötticher Tektonik X\ 191 und unten
Tb. I § 5.
{ 1.] DIK TRÜMMER. H
und die sogenannte servianische Mauer, die Kloake und das
Tidliaimm — denn die Eisenklammern an gewissen Theilen
der Wallmauer werden so gut wie der Peperin zu den Merk-
zeichen des Restaurationsbaus gehören ^^). Kein Mörtel ist
bei der Fdgung der Quadern der Leitung der Apfna und des
into Vetus verwandt; sicher dagegen ist die Verwendung eines
dem heut sehr ähnlichen Mörtels bei dem -Tabularium', wel-
dies man trotz der Zweifel an. der Richtigkeit des Namens
in die Zeit des Sulla setzen muss (oben A* 12). Eine Ana-
lyse anderer datirter Bauten fehlt, wird aber auch bei der
Sparsamkeit der Trümmer aus der Zeit vor Solia schwerlich
genauere Zeitgrenzen ergeben. Von untergeordneter Bedeu-
tung ist die Frage, ob schon in dieser Periode und wann die
sogenannte Bossirung (Rustika-Schnitt) der Werkstücke sich
finde. Doch glaube ich auch auf diese Frage wenigstens hin-
weisen zu müssen, da sie sich bei der Beurtheilung eines
Theils der servianischen Mauer als wichtig erweist (s. Th. I § 4).
Ausser an diesem Stück findet sich der Rustika-Schnitt bei-
spielsweise sicher an der Aussenseite der Umfassungsmauer
des Augustus und an der Ostseite des noch nicht sicher be-
nannten rechteckigen Gebäudes, welches später die Basilika
der Heiligen Cosmas und Damianus iuxta templum RamuU
wurde ^').
^*) fibenso die Klammem ia der Decke des Tullianum: s. Th. I
§ 5. Verklammerung io altgriechisclien Bauten : Bötticher 1 , 192.
Hölzerne Dübel, sog^eiianote' Schwalbenschwänze, sollen die Werkstücke
der UmfassuBiTsmaiier des forum Augutti verbinden: aber der sorg*
filtige Uggeri Jeorn, pit. 3 S. 23 hat sie nicht gefunden.
") Für die Appia (?) Descemet, für den Anw Fetus Lanciani in
den A. 10 citirten Stellen. Die ehemische Analyse des Mörtels in den
Fügen des Tabalarium, von Hrn. Laspeyres gemacht, hat mir vor Jahren
Hr. R. Schöne mitzutheilen die Güte gehabt Derselbe machte Ball,
dell'inst. 1868, 114 darauf aufmerksam, dass das restaurirte Stück der
Serviusmauer in Vigna Torlonia (Th. I § 3 «) mit Hilfe von Mörtel,
nicht so das ursprüngliche konstruirt ist. Die Untersuchung ist da
wo es sich nur um eine ganz dünne Lage scharf auf einander gepasster
Blocke bandelt (vgl. Bötticher 1, 12), namentlich wegen der die Fugen
der Tufblöcke zusammenklebenden Feuchtigkeit sehr schwer und die
13 EINLEITUNG.
Fär Ak Geschichte der ältesten Bauten Roms wie fär
die Baugesehichte überhaupt ist die Frage tber die Zeit der
Einführung des voliendeten Keilschnitts des Rundbogens an
Stelle des durch Ueberkragung hergestetllefi Spitzbogens in
Rom und über die Heiniatii des ersteren ron besonderer
Wichtigkeit. Glücklicherweise aber Ifisst sidi die Chronologie
der drei Gebäude, um die es sich für Rom eigentlich allein han-
delt, des ursprünglich in jener rohen Art gedeckten TullianuBi,
des darüberstehenden Baus und der Kloake — beide im Keil-
schnitt gewölbt -^ auch unabhängig von diesem Problem
feststellen und dadurch röckwärts sehr wahrscheinlidi machen,
dass erst die Tarquinier den Bogenbau aus Südetrurien nach
Rom gebracht haben ^®). Bögen annähernd gleichen Alters wie
bisherigen Angaben darüber sind meist unzuverlässig. Ich habe keine
eigenen Beobachtungen beizubringen. — ßossirung: bereits 'an syrisch-
phönikisehen Substructionen ' beobachtet ' (Semper 2, 358). Rom: vgl.
Üggeri 2 T. 45.
^^) Die ganze Frage, welche zu entscheiden weder meine Sache
ist, noch überhaupt nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisis - ent-
schieden werden kann, ist von Canina (Gere antica S. 62 E, Etruria
marittima 1, 174 f. 2, 151 ff. u. anderwärts) so formulirt worden oder
muss nach seinen oft schwankenden Prämissen so formulirt werden:
der untere Theil des 'mamertinisdien Gefängniases' ist,, wie nament-
lich Gell erkannt hatte, ursprünglich ein konisch mittels Ueberkxaguog
gedeckter Bau, demnach wie die Gebäude gleicher Konstruktion, be-
sonders das Brunnenhaus von Tusculum (Ganina Tusculo T. XIV), die
Gräber von Gaere (' Regulin!- Galassi', Gere T. IV = Etr. mar. LI),
Veji CGampana', £. m. XXXV, 2), Monteroni (das. XL) n. a. älter
als der durch die Tarquinier im vollendeten Keilschnitt konstrnirte
Bogen der grossen Kloake; jünger als diese müssen alle übrigen
erhaltenen in Keilschnitt konstruirten Bögen sein,, also auch der
obere Theil des mamertinfsehen Gefängnisses, der Bogen
von Neu-Falerii (E. m. X. XI), die Bägen von Tarquinii (E. m. LXXXVII
vgl. 2, 35), von Sutri (T. XVIII vgl. Nibby Gontorni 3, 140) u. a.
Grade über das Alter der etruskisehen Bogenbauten fehlen abschliessende
Untersuchungen: über die Richtigkeit der Bemerkungen von Promis
Aosta S. 184 f. kann ich daher nicht urtheilen. — Dazu kommt die Be-
merkung von Promis Alba Fne. 113 ff., nach welchem dier Bogen-
wie der Quaderfoau in Rom durch die Natur des Materials mindestens
gefördert worden ist. Anders Semper 1, 488.
1 ] DIB TRÜMMER. • 13
die Kloake haben »ich in Rom nicht erhalten ^^). Aber natur-
lich lässt weder dieser zufällige Umatai^d weitere Schlüsse zu,
noch ist es gestattet, unterirdische Kanäle von vertiältniss«
mlu»sig geringer Breite nur deswegen für uralt .?ii halten^ weil
sie nicht überwölbt sondern durch horizontal oder dachförmig
im Winkel gelegte grosse Steinplatten gedeckt sind^^).
Die mehrfach von Architekten wiederholte allgemeine Be-
hauptung, .dass das 'eigentlich nationale Mauerwerk bei den
Italem' der Ziegelbau oder genauer der Bau aus ungebrann-
ten Ziegeln sei^^), durfte in dieser Allgemeinheit für Rom
nicht haltba* sein. Oeffenliicbe Bauten aus Backsteinen hat
es nach dem unzweideutigen Zeugniss Vitruvs und dem Be-
fand der Trümmer bis in die Epoche des Augustus in Rom
nicht gegeben. Bei dem Fehlen von Resten anderer öffent-
licher Rauten als der grossen Mauerbauten aus saooum qua-
dratum müssen wir es dahin gestellt sein lassen, wie wir uns
^^) NaoMDÜich 19% «szu .tredAu^ro, ddss sich keia Thor der ser-
vianisehen Maner oder doch keine Bedaehang eines solohea erhalten
hat: Th^I $4*5. Der Bogen des restanrirten Stäcka derselhen (A. 17)
kommt wegen seioefi späten Urspcnngs nicht in Betracht.
'°) Der au^ Gabioerstein gebaute Kanal der aqua Marcia von 0,70 1.
Weite ist abwechselnd mit horizoqtalen und im spitzen Winkel gegen-
einander gestellten Platten gedeckt (fdr die Ap}^ (7) bezeugen Fabretti
nod Descemet in der A. 10 oitirten Abhandlung S. 70 ähnliches)^
wahrend die etwaa engeren Kanäle der luUa und TepulHy welche aus
opus reticulatnm bestehen, elUptiach überwölbt sind: Laaciani Ball,
nun. 2, 204 f. Ein allerdings sehr viel breiterer kanalartiger Gang*
welcher unterirdisch yom Forum am Tullianum vorbei nach dem Forum
Jnliam führt, ist nach Parker's Darstellung (Archeol. of Borne 1
(PUtcs), eh.. 3 (coDStr. of Walls) T. XXII, eh.. 4 (Suppl.) T. XIX:
ich habe nicht hinein gelangen können), nicht überwölbt, sondern durch
drei in stampfen Winkeln gegen die senkrechten Wände and gegen
einander gelegten Platten gedeckt. Diese Konstruktion hat also eine
gewisse Aehnlichkeit mit der wie es scheint aralten des Grabes von
Monteroni (Canioa Et m. T. XL). Indessen ist das kein Grund, den
Kanal für gleichaltrig mit dem Tullianum zu halten, und Parkers gapze
Theorie über das alte ^ Gefaogniss ' ist nichtig.
21) So Semper 1, 487 f., ähnlich Bergau Philol. 24, 470 und andere.
Aehnlich verhält es sich mit dem 'nationalrömischen Baustil' (unten A.46).
14 • EINLEITUNG.
die nicht in diesem Stil aufgeführten zu denken haben ^^).
Was die Privatbauten anlangt, so ist es eine schwer wiegende
Thatsache, dass kein einziges der erhaltenen Backsteingraber
in die republikanische Epoche hinaufreicht und dass die um-
fangreichen Aufdeckungen der republikanischen Nekropole auf
dem esquilinischen Felde keine andern als Konstruktionen
aus heimischem Haustein zu Tage gef5rdert haben ^*). Die
beiden einzigen wohlerhaltenen Privatgebäude aus der Zeit
des Uebergangs von der Republik zum Principat, das Wohn-
haus auf dem Palatin und das sogenannte ' Auditorium ' am
servianischen Wall sind aus würfelförmigen Stücken des -hei-
ss) Richtig bemerkt LancuDi (Gaida del Pal. 131) i3)er die selir
alten Bauten auf dem Palatin an der sogenannten Cacasatiege (über
S» Anastasia) : 'e facilissimo avvedersi ch' esse certamente ne riebiamano
ai primi tempi di Roma allorche Faso dei marmi peregrini non solo ma
anche quello dei mattoni era pressoch^ sconoseiuto '. Der einzige
Tempel, dessen Gründängszeit über die obengedacbte Epoche hinauf
datirt und an dem Ziegelwerk meines Wissens erhalten ist (abgesehen
natürlieh von falschen Benennnngen, wie den ^Tempeln des Dens R«di-
culus und des 'Bonos und Virtcis' bei Uggeri Joum. pitt. 2 T. 5
p. 24 f. n. a.), ist der der Juno in der porticus Octaviae: allein sein
Ziegelwerk gehört dem 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr., also einer
Restauration des Tempels an (Forma Urbis S. 33). — Vitruv 2, 8, 9:
iUtque nonnullis cmtatibiu et publica operaet priDoiaa domosHümi
regias e totere structas licet videre, und nun folgt eine Aufzihinng
dieser merkwürdigen Ziegelbauten in Griechenland und Kleinasien , da-
zwischen als einziges Beispiel in Italien die Mauer von Arezzo (A. 27).
Der ganze Zusammenhang zeigt deutlich, dass er in Rom kein öffent-
liches oder vornehmes Gebäude aus Ziegeln kennt. Sehr wichtig wäre
es, wenn Fabretti Recht hatte, dass uns ein Stück des Bmporium des
Aemilius Paulus erhalten sei (opus incertum aus Tuf): aber vgl. Forma
urbis S. 44, unten A. 41.
^) Die ältesten Grabstätten aof dem esquilinischen Felde (Aschen-
kisten, Sarkophage, Grabkammern) sind sämmtlich aus einheimischem
Haustein hergestellt, zu den Grabdenkmälern der sulianischen and der
etwas früheren Zeit ist ausserdem Peperin verwendet (s. besonders
Lanciani Bull. man. 3, 43 ff.), dieser auch zu zahlreichen anderen
Grabdenkmälern, bis Travertin-, Marmor- und Backsteinbau gleichzeitig
um die Zeit Caesars die Herrschaft gewinnen: worüber ich imeinzel-
uen hier nicht handeln kann.
$ ].] DIB TROMMBR. 15
mischen Gesteins in der Weise des opus mcertum und reti"
adatum (s. unten) gebaut'*). Nimmt man hinzu, dass ein
und derselbe Bau, die Stadtmauer von Turin, in eben dieser
Konstruktion von Cäsar begonnen, im Ziegelbau von Augustus
vollendet ist'^), dass in Born die Ziegeistempel nicht über die
augusteische Epoche hinaufreichen , ausserhalb Born in Colo-
nien und Municipien schwerlich über die Zeit des Sulla '®), so
wird man den römischen Backsteinbau schwerlich über-
haupt für älter halten dörfen als die letztgenannte Epoche
and eine frühe Entwickelung desselben in Italien nur für
Etrarien als erwiesen annehmen können. Es stimmt damit
überein, dass Vitruv den Ziegelbau als etwas aussergewöhn-
Hohes für bestimmte Bauten zweckmässiges empfiehlt'^). Wenn
^ lieber beide Oebünde s. Jahresbericht 1875, 776 ff. 783 ff.;
V|fl. unten A. 56 und Th. II.
») Promis Storia deir antiea Torino S. 176 f.
^) Ziegelstempel <s. § 2 A. 27) den Namen des Big^enthümers
der Ziegelei enthaltend, ans republikanischer Zeit sind in römischen
Kolonien und Municipien gefunden worden (zu CIL 1 S. 203 ff. kommen
Bodi M. TuH von Tuscnlum und CaUar vor Nemi, d. h. wahrscheinlich von
den Landgütern des Cicero und Cäsar, De Rossi Ann. 1873, 216 f.),
ii Rom bis jetzt kein einziger; denn vor dem Brennen mit dem Finger
eini^edriickt in einen kreisrunden Ziegel ist das eto C. Antomos
Jahresb. 1876, 184. Daraus folgt naturlich nicht, dass es Ziegeleien
damals nicht gab (s. die f. A.), wohl aber bleibt das Fehlen der
Stempel im Zusammenhang mit den oben erwähnten Thatsachen
im höchsten Grade merkwürdig. — Die oskischen Ziegelstempel von
Pompeji (Mommsen Dial. 175. 185 Bull, degli scavi n. s. 1869, 153)
ickeinen nicht viel alter zu sein als die römische Kolonie; die älte-
sten Hänser bestehen aus Haustein und opus incertum (Fiorelli Scavi,
A. 1.). Aehnlich in Alba Fueense: Promis S. 100.
^) Vitruv 2, 8, 9 videre Ueet . , , in Italia Arreti vetustum mumm
^egie faehtm (oben A. 22) ; sein Ausschreiber Plinins 35, 173: in Italia
quoque hderidus murus ArreU ^ eum euagine eft, so nach Detlefsen
die Hss. ausser fi. (doch schweigt derselbe Philol. 31, 412 f.); höchst
anfallend wäre es, wenn die Bamb. wirklich hätte was in den Texten
steht Arreti et Mevaniae, Steckt in jener Lesart egregieJ — Ziegel
dienen *den sehr alten vejentischen Quader-Mauern als Unterlage'
Abeken Mitteilt. S. 153; Gell, Rome and its vic. > 448 f. mit der Ab-
bildung auf dem Plan von Veji.
16 SINLEiTUNG.
nichtsdestoweniger Varro die Wohngebäude der Altvordeni
als Ziegelbauten, Cicero geradezu die Stadt überhaiipt als
einen Bau Won Ziegeln und Bruchsteinen' und Augustus die-
selbe, wie er sie vorgefunden, als 'Ziegelatadt' b^eichnet,
so bleibt schwerlich eio anderer Ausweg als die Annahme,
dass man bis auf Cicero mit ungebranntein Ziegeln (buer^)
' Privathäuser ganz oder theilweiae gebaut und erst seit dieser
Epoche den Backstembau gepflegt hat. Aber auch diese An-
nahme löst mir die vorhandenen Widerspruche nicht yöUig.^^).
Gleichzeitig mit der Aufnahme des Baeksteinbaues ist die
des Marmorbaues. Erst Auguatus hat nicht blos Rom» son-
dern Italien die Marmorbruche von L^a erschlossen^')^ Bis
'^) Za diesem Resultat scheiot auch Semper 1, 48S gekommen
ZQ sein. Für die letzte Zeit der Republik bezeugt Cicero de div.
2, 47, 99: in totere aut in caemento, ex quipus urbs effecta e^t, vgl
Suet. Aug. 28: urbem , , marmoream $e reiinqu^e quam latericiam
accepitset, und Dio 39, 61, wo die Ueberschwemauag d. J. 700 die
QixCai ix TtXtv^fov i^xo6o/nf}fi^vcct wegschwemmt. . Für die ältere Zeit
die Hauptstelle bei Varro (bei J\oo. 48, 13): antiqui. nostri in domihus
laterieiif paukdum rnodo tuffundatiSf ut htanorpm effugm'ent^ habt-
tabant. Zu diesem Häuserbau sind die anU^ui nach der Vorstellung
der Gelehrten seiner Zeit durch das \'orbild der Vogelnester gelangt
Varro (bei Non. 308, 32): lä hirundmes virgtUis oblitis hdo tegulas
fingebant (so ist wohl zu schreiibea, ingtdims obUU die Hss.) vgl.
Vitr. 2, 1, 2: nmnuÜi Mrundinum nidoM ei earum aedißcatümes imitan-
tes de luto et virguUs facere loca quae subirent, Lucil. (bei Non. 445, 21):
nam laterem qui dudt habet nihil tanpUus umquam quam commune lutum
et paleas caenumque aceratum. Von diesen latericiae structurae {later
und TiUvSog: Cort Et 279) unterscheidet Vitr. 2, 8, 16 f. die wie es
scheint damals neu aufgekommenen testaceae. — Die angeblichen Reste
von in die Erde gegrabenen Wohnetätten aus der Königszeit (M. de Rossi
Buonarotti 1874, 79 ff.) sind problematisch (Jahresber. 1875, 780, 1876,
184). — Uebrigens ist auch hierübjor die Revision djsr, Biaiige3chichte von
Pompeji abzuwarten.
^) Ueber den Marmor als römisches Baumaterial ist jetzt die grund-
legende Arbeit die vod^ Brnzza, Icrizioni dei marml grezzi Ann. 1870,
106 — 204, daneben bat Gorsi DeUe pletre antiche (oben A. 1) Boch
Werth als Katalog der in Rom erhaltenen antiken Säulen. — Die äUe-
ren Angaben über die Qualität des Marmors römischer Bauten sind
nicht immer zuverlässig; wir müssen uns meist begpiügieJi den heutigen
1.] DIE TRÜMMfiR. 17
dahin war Marmor för Bauten ein fremdes, aus dem helle-
nischen Osten und Afrika bezogenes Material, in Rom schwer-
lich bekannt vor den punischen Kriegen, und seit diesen wohl
meist in der Gestalt fertiger Säulen und Werkslücke, welche
so gut wie die plastischen Werke den Gebäuden eroberter
Städte entrissen wurden, um als Beutestöcke heimgebracht
uDd hi^ zum Umbau älterer oder zum Bau neuer Tempel,
sehr sdten und schfkchtern bis auf Cäsar zur Ausschmückung
von PriTathäusern verwendet zu werden *^). AUer Wahrschein-
ücfakeit nach ist der ^Marmortempel' des Metellus Macedbni-
CU8 nichts anderes als ein zum Staunen Roms mit solchen
geraubten Marmorstücken ausgezieiler Tempel und wird eben
wegen der för damalige Zeit ganz alleinstehenden Pracht er-
wähnt: um so mehr als noch SuUa bei der Wiederherstellung
des capitolinischen Tempels ähnlich verfahren ist (Tb. 11)^^).
Staod der Untersuchuoip zn referireo. — Den Marmor von Luna nennt
zwar sehen Varro bei Plinins 36, 135 : Hlicem Luniensem serra secari
(sUesD ist eben marmor, oben A. 3«), ood er ist sowohl den Etrnskern
(Semper 1, 488) als in Rom vor Augnstns wohl bekannt, aber nicht als fian-
material. Ueber den Betrieb der Brüche Bruzza a. 0. 166 ff. vgl. Ita-
ms Lemniacas' znr Uebersetzung des Ratilius Namatianns (Berlin 1872)
S. 199 ff. — Schon Strabo 5, 2, 5 unterscheidet die feinere weisse
nnd die schlechtere blangrane Qualität, über welche unten AA. 84 ff.
Vgl. das Testament des Lingoners (Wilm Exempla 315), welcher sich
eine ara . . ex laptde bmenst quam optimo bestellt (1. Jahrb.).
'^) Die bekannten Notizen über die Verwendung des fremden Mar-
mors (von Ghios, Karystos, Hymettos, Numidien) vor Augustus treten^
was gewShnlich übersehen wird, lediglich io Verbindung mit der Ge-
schichte des Luxus, namentlich der Privath'auser, auf und beziehen sich
favt ausschliesslich anf SSulen. So auch Catos Klage über die 'pavi-
mmta Poettiea (Pestus 242). S. darüber Bmzza a. O. 140. 163. 149.
*') Die vielberühmte Stelle des rhetorisch stark auftragenden Vel-
I^Qs 1, 11 üi>er Q. Metellns Macedonicus: primus aedem ex marmore
ifedt) — vielleicht die aedes lovü MeteUina des Festus 863 und
die a. in p&rHeu MetelU lovü statoris Hermodori des Vitruv 3, 2, 5,
worüber Th. Ü — w^rd in der Regel gemissbraucht um die frühe Ver-
wendmig des fremden Marmors zn beweisen, zugleich mit der noch
weniger besagenden Stelle desselben Schriftstellers über die Porticus
des Co. Oelavius 2, 1, 2; Sehr auffallen würden auch die Phrygiae
cobtmnae der Basilica Aemilia (PHn. 36, 102), wenn diese^ wie Bruzza
Jordan, rOmische Topographie. I. 1. 2
18 EINLEITUNG.
Dass die gewöhnliche Art des Kunstbaus noch nach ' dieser
Zeit selbst für Tempel, welche von siegreichen Feldherrn aus
der Beute prächtiger wiederhergestellt werden sollten, die alte
war und man sich noch immer mit den columnae decUbatae
begnügte, beweist zur Genüge die Wiederherstellung des Castor-
tempels am Markt — an dem doch wahrlich nicht gespart
werden durfte — und bestätigen die Trümmer aller vor-
augustischen Tempel ^2)» — In gewissem Sinne also hat das
geflügelte Wort des Augustus, er habe eine Ziegelstadt ge-
funden, eine Marmorstadt hinterlassen, Recht^^, in der That
ist er der erste, der in grossartigem Maassstabe mit Marmor,
und zwar wohl grosstentheiis mit dem weissen lunensischen,
die öffentlichen Gebäude gebaut oder restaurirt hat* Und
zwar war das ganz besonders Staunenswerthe, dass er nicht
allein Marmorsäulen verwendete und die Wände mit Marmor
inkrustirte, sondern auch mit Marmorquadern baute. Dies ist
von seinen Neubauten, den Tempeln des Jupiter Tonans und
Apollo, bezeugt und es hat also auch von dieser Seite einige
a. 0. 139. 155 aus Cicero ad Att. 4, 16, 14 {eisdem antiquü cohimnis)
schliesst, vou dem Bau vod 575/J 79 herrührten : er übersieht aber, dass
nns ein grosser Neubau vor dem J. 700 bekannt ist (Jahresbericht 1875,
741 ff. und Th. II), dem sie angehören können wenn nicht müssen. —
Die erhaltenen Tempel mit Marmorschmuck gehören sämmtlich nach-
weislich der Kaiserzeit an: die Bauten des Augustus (s. die ff. AA.),
die Neubauten oder Restaurationsbauten des Tiberius und der folgen-
den Kaiser am Forum, der Peripteros am Ponte rotto (aus stilistischen
Gründen; parischer Marmor? Corsi 377), die Säulen in S. Maria in
Cosmcdin (liberianischer Cerestempel?), der Tempel auf Piazza di
Pietra u. a. Wenn die Marmorsäulen bei, Monte di Pieta (Bull. man.
1873, 212 ff.) auch nach Brunns Vermuthong dem Neptunustempel des
Co. Domitins gehören sollten (ich kann das nicht als erwiesen an-
sehen, Jahresbericht 1876, 188) so ist die Annahme eines Nenbaus nicht
ausgeschlossen.
'*) Oben A. 12. 13. Wie Sulla werden eben mehrere verfahren
sein und sich nicht mit dem Erlös aus der Beute (de manibüt, s. Forma
urbis S. 29) begnügt haben, auch nicht mit der praeda einzelner Kanst-
werke wie Marcellus (Hinnad cepit) oder M. Fulvius Nobilior (Ambra-
cia cepit), wie schon die Klagen des Cato über letzteren durchblicken lassen.
•3) Suet. Aug. 28; s. oben A. 28
§ 1.] DIE TRÜMMER. 19
Wahrscheinliehkeit, dass die Marmorquadern , auf welche die
Triumphal* und Consularfasten eingegraben sind, der im J. 718
von ihm neu aufgeführten Regia angehören. Der Tempel des
Mars*l]ltor ist mit Marmor bekleidet und hat marmorne Säu-
len, dasselbe darf wohl von dem Tempel des Divus Julius
angenommen werden ^^). Vorangegangen waren dem Augustus
in dieser Bauweise Cäsar und Pompejus : wir wissen, dass die
Saepta luUa ein Marmorgebäude werden sollten und dass der
Tempel der Venus Genetrix von Marmor war. Hervorragende
Theiie des Theaters des Pompejus, wie die Bühne, müssen eben^
falls mit diesem Material geschmückt gewesen sein: der ganze
fiau kann unmöglich eine Marmorbekleidung gehabt haben ^^).
'^) Marmorquadera und lanensiseher. Marmor: vom Apollotempel
sa{^ Servius za Aen. 8, 720: de solido marmore quod aüatum /uerat de
portu Ltmae, Ganz allgemein bezeugt Strabo 5, 2, 5, dass der Mar-
mor der römischen Prachtbauten von Luna komme. Marmorquadern
{toUdäB glebae) hatte der Tempel des Jupiter TonaAs (Plin; 56, 50) und
ebenso die Regia, wenn die oben erwähnte Hypothese sich' bewährt (be-
stritten habe ich sie Hermes 7, 270 nieht, wie behauptet worden, aber
sie ist nichts weniger als sicher). Ob die Marmorstufen und ein Stück,
des Giebels des Tempels des Divus Julius dem Bau des Augustus oder
dem Neubau Hadrians geboren, vermag ich nicht zu sagen : sie schienen
mir lunensiach zu sein^ Denselbto Marmor nimmt wohl mit Recht
Piale (zu Venuti 1, 136) als Material der Säulen des Mars Ultor am
Arco de' pantaoi an: Venuti glaubte pariscfaen zu erkennen, Corsi
Pietre 301 thasischen (Greco livido). Die Cellawände dieses Tempels
aber bestehen aus Tufquadern und waren nur mit Marmor inkrustirt.
Unsicher ist es ob die erhaltenen Säulen der porticus Octaviae, welche
schwerlich der Restauration des Severus angehöfen, von parischem Mar-
mor sind (so Corsi 33).
*^) Ueber Cäsars «oepto moirmorea Cic. ad Att. 4, 16, 14 (die er-
haltenen Travertinpfeiter ehemals mit Marmor inkrustirt? Forma urbis
S. 35 f.), über seine Venus Genetrix Palladio 4, 3 (Vi fu trovato una
qaantita grandissima di marmo lavorato'). — Das Theater des Pom-
pejus bezeichnet der Kalender (Amit. 12. Aug.): in theatro marmoreo^
dasselbe als theatttttn läpidetem Vitruv 3, 2, 2. Undenkbar ist es, dass
schon zur Zeit des Amit. Kalenders marmoreus für 'steinern' gebraucht
werden konnte (vgl. pons lapideusy marmoreus Th. I § 7), ebenso un-
denkbar aber^ wie oben gesagt, dass das ganze Theater aus Marmor
bestand (vgl. A. 12).
2*
20 EPLEITÜNG.
Dass auch fernerhia die bessere weisse Qualität des kinen*
sisefaen Marmors neben den frem4eii Maroiorarten in Ge-
brauch blieb, lehren die Monument^^^)....;
Es liegt ausserhalb der Grenzen dieser .Erörterungen, die
Verwendung der verschiedenen Marmorarten seit • Augustus
und die kaiserliche Ver«^:altung . der Steinbrüche, und des
Transports im Einzelnen zu. Terfolgen. Die neuesten Ent-
deckungen haben gezeigt, eine wie fast unübersehbare Menge
von Marmor, Granit und Porphyr aus allen Welttheilen nach
Rom strömte und hier am Emporium (s. Tb. I § 7) gelagert
wurde. Die durch die amtlichen Vermerke mf den einge-
führten Stucken bisher gefundenen chronologisehen Indioien
haben die Zeitgrenze von 17 — 206 n. Chr. und für die Zeit
von Domitian bis zu den Antoninen eine besonders grosse
Menge von Daten ergeben. Obwohl die Verwendung werth-
voUer fremder Marmorarten mit diesem Jahre schwerlich auf-
gehört hat, so ist doch das gerade seit diesen Jahren bemerk--
bare Sinken der gesamtnten Kultur, wie es sich in Sprache,
Literatur und Kunst merkwürdig scharf bemerklich macht •O,
eine Thatsache, die vielleicht zur Erklärung jener anderen
dienen kann. Das Sinken der Baukunst in jenen Jahren, der
Begierungszeit der rühm- und baulvstigen Kaiser Sevenis
und CaracaUa, offenbart sich wie im Stil so im Material am
klarsten in deii Ruinen der Kaiserpaläste. Während der Palast
des Domitian die ganze reiche Pracht der kostbarsten farbi-
gen Marmorarten aller Länder entfaltete ^^), stossen wir in
den jüngsten dem 3. Jahrhundert gehörigen Palastrumen auf
^) Nach Corsi bestehen aus diesem Moraior die drei Säiil«n des
Castortempels (Pietre 364), die drei des Vespasiaa and Titve (daa.), die
vom Forum transitorium (dQ2), vom Teoipel «of Piessa di Pietni (87),
die Fokaasäule und zwei gleiche auf dem. Forum geluadene {^64) wozu
jetzt eine vierte kommt.
") S. meine Erörterung dieser Thatsache Forma urhis S. 7.
'^) Ich verweise vorläufig auf meine KaiserpalMste Ro^ms {B* 1867)
und Lanciaois Guida: in dem kleinen Museum auf dem Falatip (^. Gaida
S. 66 ff.) hat Rosa sehr lehrreich die gefundeaeA Arten ^samtiea*
gestellt.
f 1] DIE TRÜMM£R. 21
der SMhälfle des Högels auf .die geringere Qaalität des Mar-
mor von Luna, d^m auch ffir Fnselrriften in jener Zeit —
trugt mich mein Gedfichtniss nieht — 'flber^iegend, wenn
nichft ansschliesslidh, angewandten Materia). Es kommt dazui
dass aller Wahrscheihlicdikeit nach damats und damals zuerst
▼OD älteren Monuiaenten weythvoOe ^ SSulen zum Bau neuer
eilfertig aufgefOhrter Wkke entnommen wurden. Kaum lassen
die Berichte über dai& Sepüzonium eine andere Erklärung
zn^*). Dies Septizoniam aber wa» ausser den nur einmal
erwähnten Thermen der einzige Neubau des Kaisers: aHefibri-^
gen waren Restaarationdbauteix.
Es ist eben giizeiigt n^orden, dass der Backsteinbau in
Rom erst xur Zeit des Augustns Eingang gefunden hat tt^d
dass PriTatbauten jener Zeit* in dem sogenannten ojms relieU'-
latum constroirt waren, ^itiroviws bezdchn^ diese Konstruk-
tion als die zu seiner Zeit allgemiein QMicbe, daneben eine
äkere als das opus iticirtum^% Beididn dienen kleine Wurfe!
aus heimischem Tuf. Jene ist allg^dn bekannt; ob diese,
über deren Wesen gestritten mri, wie man meint, ^ine Ab-
art des in Latiumdoch nicht bekanivten Polygonalbaus sei,
jene sieh aus dieser kunstmässig entwickelt habe', ist eine
Frage, welche die Teohmherbeantiworten mögen ^*). Hier
kommt es allein darauf an, die Dauier des Reticniatbaus zu
fixiren. Seine schon von Vitruv bepierkte, aus der Keilförmig-
keit des Gefüges entstehende ljp)haltbarkeit suchte man, wohl
Dicht vor der Zeit des Nero,. durch Einffiigung horizontaler
^) ZttsammeDgrestellt' Forma urbis S. S7 ff. Bestimmt bezeugt ist,
dass dit SSnleii Von verscIdedeDeta Matertal waren.
^ VitraV 2, 8, 1: structufürum ^enera sunt kaec, reticulatum,
quo nunc omnes iUuntur, et antiqimm quöd incertum dicitur,
*^) Man versiebt jetzt ziemlicb allgemein darnnter den Bau ans
kleinen nicht würfeTHirmf^n, sondern unregelmässigen caetnenta, Rosa
glaubt diese Honstruktionsweise , wie er uns auf Excursionen (1S62.
1863) m^brmals auseinandersetzte, z. B. in den Sobstmktionsmauern
von Terrassen republikanischer Villen bei Tnscuhim nachweisen zu
können. Eben dahin rechnete schon' Fabrelti die Matter des %ogenann-
ten Etaiporhim des Aemilius Paulas, oben A. 22. Ich muss mich be-
giQSen dies anzuführen.
22 ^INiiBlTüNG.
Ziegellagen aufzuheben. Diese Technik erlangte zur Zeit
Hadrians eine besondere Vollendung, nach der Regierung dieses
Kaisers aber scheint die ganze Bauweise zu verschwinden.
Das opus reticulatum diente in allen Häuser- und Zierbauten
dem Bewurf als Träger, als Rohbau dürfte es schwerlich
anders als etwa in Substruktions- und ähnlichen Bauten be*
handelt worden sein**). — Mit dem Verschwinden des Reti-
culatbaus gelangt neben dem monumentatei Quader- und
Marmorbau der B a c k s t e i n b a u zur Alleinherrschaft. Die Eni«
Wickelung der Technik der Fabrikation der Backsteine wie
der Konstruktion ist für die ganze Chronologie der Bauten
der Kaiserzeit also von. grösster Wichtigkeit. Wir besitzen
zum Glück in den Fabrikstempeln der Ziegel (s. § 2 A. 26)
einen sicheren chronologischen Wegweiser, dazu kommen aber
die auch unabhängig von diesen festgestellten Kriterien des
Alters, die Dimensionen der Ziegel und, was davon untrenn-
bar ist, die Art der Bindung derselben durch Mörtel*^). Die
Techniker haben bemerkt, dass die ausgezeichnete Qualität
desselben und seine mit d^ Zeit zunehmende Unzerstörbar-
keit durch seine Zusammensetzung und durch die klimatischen
EinOüsse bedingt wird. .Diese TrelTlichkeit des Mörtels ist
der Grund, weshalb man ihn in Rom je länger je mehr nicht
blos als Bindemittel, sondern als billiges Baumaterial verwen-
**) Kurze Uebersicht über die Geschichte des opus reticulatum bei
Vespigoani Bull. »uo. 2, 147 f. (von Sltereo vgl. Uggeri Journ. pltt.
T. 6. 8 f.)- Zu deo ältesten datirteo Beispielen des reinen Retikulat-
baus gehören das oben A. 24 angeführte Privathaus anf dem Palatin,
der unterirdische Kanal der aqiui lulia, gebaut 719 (ßulL mun. 2, 205),
die Villa der Livia bei Prima porta, das Mausoleum des Augustus (vgl.
auch die Relazione SuUe scoperte archeol. u. s. w. 1873, S. 73)^ der
sogenannte Muro torto am Monte Pincio (honti Dofaitü?), Mischung
mit Ziegelbau zeigen schon die Trümmer des ^^oldenen Hauses des Nero,
für die Hadrianische Bauweise gahen früher die Trümmer der Villa bei
Tivoli, und geben jetzt die vortrefflich erhaltenen datirten Ufer-
bauten am Emporium das beste Beispiel (s. Th. I § 7). Kein Reti-
culatbau \)nter den Antoninen, z. B. Bull. mun. 2, 229.
*^) Es bedarf kaum der Bemerkung, dass auch über diese Fragen
kein eigenes Urtheil beansprucht wird.
1. ] DIE TRÜMMER. 23
det hat, d. h. weshalb die ursprünglich kaum sichtbare Hör-
telscbicht im Lauf der Zeit in stetigem Wachsen begriffen ist,
bis sie fast der Breite der Ziegel gleichkommt. Auch die
Dimensionen der Ziegel selbst verändern sich regelmässig in
der Weise, dass sie ursprünglich bei ausserordentlicher Länge
und Breite sehr dünn sind, später in jenen Dimensionen ab-,
in dieser zunehmen. Der Versuch, diese Veränderungen mit
Hilfe der datirten Backsteinbauten geradezu in einer mathe-
matischen Progression darzustellen, darf als missglückt be-
zeichnet werden und es wird, wo die Daten der Stempel
fehlen, kaum möglich, sein, mehr als Hauptepochen zu be-
stimmen, diese aber auch mit Sicherheit. In den angegebe-
nen Wandelungen treten am deutlichsten hervor die klassische
Schon^teit der Bauten der ersten Hälfte des ersten Jahrhun-
derts; eine starke Veränderung dürfte die Epoche der An-
tonine aufweisen: der Verfall beginnt auch hier mit der Re-
gierung des Sevenis und Caracalla und steigert sich nun in
schnellem Tempo bis zur constantinischen und nachconstan-
tinischen Epoche, deren Ende jene aus Tufstücken, Ziegeln
und Mörtel eilfertig aufgeführten Hauern bezeichnend^).
Noch tiefer in die rein technischen Fragen führen die
verschiedenen Bauweisen, der Rohbau — welcher schon im
1. Jahrhundert trefflich entwickelt und zu Darstellungen von
Kunstformen benutzt ist — , der Bewurfbau, die Konstruktion
der Gewölbe« Wir müssen uns begnügen, auf die chronolo*
**) Ueber die Technik der Ziegelbauten Roms giebt es ausser den
bekannten DarsteUangen von Piranesi, Canina, Nibby u. a. keine nm-
fassende neaere Untersvehnng. Ich nenne besonders Salsenberg Ann.
1818, 156 ff. ond die neueste. hauptsächlich für den Gewölbebau wichtige
Schrift von Choisy, L'art de batir chez ies Romains, Paris 1873. Ur-
heber jener mathematischen Scala ist Parker in der Archeology of Rome
I Text eh. 3. S. 21: anf den Fass kommen im 1. Jahrhundert 10, im 2tea
8, im 3ten 6, im 4ten 4 Ziegel 'incloded raortar' (Jahresbericht 1875,
792). Seine Abbildungen datirter Ziegelbauten sind nur zum Theil
brauchbar, zum Theil sind sie zu klein und zu undeullich. Eine Dar-
stellung und gute Erörterung der spätesten Konstruktionsweise bei
Fea-Biancotti Cerchi T. XVIIf. Aehnlich die Baureste zwischen dem'
Titusbogen und dem Constantinsbogen westlich der Strasse.
24 EINLEITUNG,
gischen Kriterien hinzuweisen , welche nach den Urtheil der
Sachkenner auch in diesen Dingen liegen. Die Lösung schwie-*
riger Probleme wie die Bestininiung des als ^Minerra Mediea*
bekannten -Gebäudes und des ampkUheatrum ccMrmse ist den
so sehr von der genauesten tediinschen Analyse des Baus
wie Yen der Auslegung der vielleicht darauf bezüglichen Zeug-
nisse abhängig ^'^).
Die Geschichte des römischen Baustils ist zwar im
Ganzen wie im Einzelnen von Faehmünnern, inbesondere von
den französischen Architekten (vgl. § 3) vielfach gründlich
behandelt worden^ keineswegs aber in sok&er Weise, dass
die chronologischen Merkmale, deren wir für dk Topographie
bedürfen» systematisch und überzeugend ermittelt wären. Hat
doch über einzelne Denkmäler das Urtheil derselben zwisdien
weit auseinanderliegenden Epochen und Jahrhunderten schwan-
ken können (A. 55). Es tbäte vor allem Noth, aus den da-
tirten Bauten eine umfassende Analyse aller sidieren Verän-
deruQgen zu gewinnen und übersichtlich vorzulegen»
Dass der etruskische Stil beim Bau des capitoUniscfaen
und des Cerestempels (261 d. St.) zur Anwendung kam, ist
bekannt, wahrscheinlich dass die zwischen beide Gründungen
fallenden Bauten des Saturn (257), Mercur (259) und
Castortempels (270), möglich, dass auch noch die nächstfol-
genden (288 Dius Fidiiis 323 Apollo) nach dem etruskisehen
Schema erbaut worden sind (Th. 11 u. A. 9 oben). Für
diese Möglichkeit geben indessen meines Wissens die Trümmer
in Bom keinen Beleg. Freilich ist dabei zu bedeiAen, dass
die fortwährenden Neu- und Umbauten leicht die Spuren
etruskischer oder sogenannter italischer Tempelformen, wie
sie in anderen Städten Italiens erhalten sind, gänzlich ver-
wischt haben können: aber auf der andern Seite ist es von
^) S. besonders Choisy a. 0. und die zerstreuten Bemerkungen an-
derer Architekten, namentlich von Promis, Caristie (Monuments antiqaes
d'Orange), Isabelle (Les edifices circulaires et les domes). (Jeher den
Kuppelbau auch Rahn, Ueber den Ursprung und die Entwickelung des
christl. Central- und Kuppelbaus, L. 1866.
§ 1.] DIE TRÜMMKE. 25
Gewicht, dass audi sonst, wie z. B. ia dem in neuerer Zeit
erst bekannt gewordenen ältesten Gräberbau sich keine Spur
von Emwirkung des Etruekiscben gefunden hat. — Es seheint,
dass der dorüsehe und jonisdi-attische Stil frih nebeneinander
ESngang gefunden und auch das Ornament der Grab- und
Ehrendenkmäler wie der Altäre beherrscht haben. Erst später
wird der korinthische au%enommen worden sein, der seit der
Epoche des Augustu9 mehr und mehr zur Alldnherrschaft
griangt^^). Dass bei den häufigen Neubauten Umformungen
<») FSr die Behauptung Bergaus (Philol. 26, 90 f. vgl. Arch Z.
1866, 20 ff.), dass es einoD ans dem 'etriiskisclien' efitwickelten ^n'atio-
oalea' romischeu Baustil gebe, der voq den Ton Vitrov beselu^iebeaeD
UatersebeiduDgeB des dorisciieii, joniscllen, korintlüficheA noch niehts
wisse — diesem Stil soll sogar das Bibulusdeoknal angehöreii und bei
demselben nicht von dorischen Pilastern gesprochen werden dürfen —
seheinen mir ebenso wie für die damit verknüpfte Annahme des 'natio-
aaleii' Ziegelbaos (oben A. 21) die Beweise zu fehlen, ^ne wissen-
schaftliche Untersuchung von Fachmännern mnsste sich auf eine um-
fassende ÜBtersnchufflg des ThatiiesUndes atüteen nnd an die Bange-
schiebte Pom|»eji6 anknüpfen, fw welche bei fiöttieher u. a. vorgearbei-
tet ist. Zur Technik des jonisehen Stils vgl. bes. Semper 2. 459 L —
Einstweilen stelle ieh über die drei Stile zusammen, was mir erreieh*-
Ur und, wie es seheint, nirgend zusammengestellt ist. — Dorisch:
^TabnlanuiB', unsieherer T. auf dem Palatino östlicher am Forum holi-
torium, Rundtempel a».F. boarium (Hercules Victor); Grabdenkmäler
dorisch (oder mit dorischen Elementen): O. des Bttulus, neugefundenes
auf dem Esquilin, am 4. Meilenstein der Appia (arebaisirend? Canina
V. Appia T. 22, 1. 43, 4); jonisoh: Tempel, westl. und mittlerer
am Forum helitorium, Pseudoperipteros bei Ponte rotto, des Saturn
(s. A. 50), des Neptun i» Marsfelde (?? Bull. mun. 1. T. VI), des Divus
Julius (? Dutert Forum S. 40; die Hermes 9, 353 beschriebene
Möttze scheint die Wahl zwischen joniseh und dorisch zu lassen);
Ehrendenkmal des C. Minueius auf einer Münze des 7. Jahrb. {? MomnH
sea Münzw. S. 649 f. n. 154 <» Bd. 2, 303 f. n. 109 franz. A.);
^joniseh-doriscli': Fa^de und SarkopÜag des Mfiioaengrabes (?).
Fortdauer der Verwendung des dorischen Stils im PorticusstU :
Forum (Jahreaber. 1875, 743 Dutert S. 38), Theater des MarceUus
u. 8. w. Während die au^eaäblten Denkmäler vorangusteiseh sind
oder vorauguateisohe nachbilden, sind die erhaltenen korinthisohen
Tempel (vom Castortempel an) wie es steint, sämmtlich Neubauten
oder Restaurationsbanfeen der Zeit ven Augustus (Mnrs Ültor) an.
26 EIJVLEITÜNG.
aus dem älteren in den jüngeren Stil in Rom wie in Pom-
peji stattgefunden haben, ist erweislich^ andererseits aber
auch das Festhalten an dem älteren durch eine Reihe von
Neubauten hindurch*^). Die Regel des Vitruv, dass bestimm-
ten Gottheiten bestimmte Stile zukommen, erweist sich als
eine Theorie^ welche in Rom nicht festgehalten worden ist^^).
Wie weit nun der griechische Baustil vor den Zeiten des
zweiten punischen Krieges auch den jedesfalls wänig ent^
wickelten Profanbau und Privatbau beherrscht hat, lässt sich
bis jetzt nach den vorhandenen Trümmern nicht genügend
beurtheilen. Seit dieser Zeit zeigen uns sichere Thatsachen,
die Aufnahme der Fremdwörter basilica, tholm, empormmj
vielleicht auch lautumiae (älter — aber wie alt? — camer a,
carcer) und die Herbeiholung bewährter griechischer Baumeister
zum Behuf der Ausführung von Profanbauten wie früher zum
Bau oder zum Dekoriren der Tempel, dass das Wort des Por-
^7) Vgl. A. 49. Die Bau^esckiehte von Pompeji weist Umwand-
loog von dorischen in iiorinthische l^ulen naich (v^l. Overbeck ' 460).
Es ist deshalb für Rom die Frage^ ob bei Neabanten von Tempeln das-^
selbe gewagt wurde. Auffallend ist, dass der Tempel des Saturn zur
Zeit Trajan's (also nach seiner Wiederherstellung durch Plauens), wie
die Darstellung der Reliefschranken des Forums zeigt, joniseh war
(vgl. Jahresber. 1875 S. 740: die anderweitigen hier angedeuteten
Grunde werden gerade durch den Umstand verstärkt, dass die übrigen
dargestellten Tempel sämmtlieh korinthischer Ordnung sind) und dass
diese Ordnung noch in der spätesten uns erhaltenen Restauration bei-
behalten wurde. Dagegen muss für den capitolinischen Jnppitertempel
(Domitian) und wahrscheinlich auch fdr die Tempel des Castor (Tibe-
rius, Domitian) und der Ceres (S. Maria in Cosmedin, Tiberins?),
welche sämmtlieh« korinthisdi sind, eine Verwandlung des Stils ange-
nommen werden, lieber diese Tempel s. das NShere Th. 11.
^^) Vitruv 1,2, 5 veriangt für Minerva Mars Hercules dorische, fdr
Juno Diana Baccfaus jonisdie^ für Venus Flora • Proserpina und die
Nymphen korinthische Tempel. Vgl. Betticher P 275. Der T. des
Hercules am Circus war nach der von De Rossi in den Ann. 1854 T. 3
publicirten Zeichnung allerdings dorisch (?), der Minerventempel des
Nerva aber koriathisoh. Für di« übrigen sind in Rom keine sicheren
Beispiele vorhanden. Die überwiegende Anzahl der auf Münzen dar-
gestellten römischen Tempel sind korinthischer Ordnung. S. A. 50.
1] DIB TRÜMMBR. 27
dus Licinus, die Muse habe seit jener Zeit mit befiögeltem
Sdtritt sich zu dem Krieg^volk des Romuhis begeben, von
der Baukunst so gut wie Ton der Litteratur gilt. Aber Wie
in der Litteratur nationale Elemente in die griechische For-
mensprache übersetzt wurden und diesef umbildeten, so auch
hier. Seit derselben Epoche hören wir von einheimischen
röoiischen Baumeistern; eine nationale Entwickelung ist in
der Konstruktion des üpm mcerhim und dktitpium zu erken-
nen; auch nationale Kunstformen hat man Tielieicfat mit Reicht
gefanden in dem Bogen- und Gewölbebau ^^).
Wir haben gesehen, dass der Bogen (formsf)^^) als Träger
von Lasten seit ältester Zeit in Rom bekannt ist. Die Kloake,
*•) Fremdwörter (vgl. Th. I § 6): hcuiUea, ungewigs . woher, seit
Cato; emporium seit 562. 580. Arch. Z. 1868 S. 19 (vgl. Th. I § 7);
thohts seit 574 (s. A. 54) ; lautumiae vgl. Th. II und A. Ö, über cflrrcer
and camera A. 54 z. E. — lieber die Architekten am genanesten, ob-
wohl mit zahlreichen Miesverstandnissen, Premi«, Gli.tri^itetti « Tarchi-
tettora presso i Romani (Memorie dell' ac di Tor)no 1873, sc. mo-
rali, S. 1 — 181). Ueber den Salaminier Hermodoros (baut in Rom 608
Dod 618 Tempel, vollendet vielleicht 612 die Navalien) Forma urbis
S. 45. Aber um dieselbe Zeit baut der civü Romamis CossuHus (Vitr.
7 pro. 15: Promis S. 167 f. hiUt ihn freilich fSr einen griechischen
Freigelassenen) in Athen das Olyrapieion (bis 589, vgl. Waehsuiath
Athen 1, 643), wie zor Zeit Gicwos Gigas und Marens Slallius das
Odeion (Röckh CIG 1,^357 Vitr. 5, 9, 1 vgl. Wachsmutb 667, Pro-
mis 163 ff.). Auch sonst überwiegen unter den Architekten Roms seit
Marins (Gajns Mucins) die römischen JNameo. Ueber die griechischen
Baumeister des Tr^jato und Hadrian vgl. Th. II.
^ fV>mu? (die Znsammen Stellung mit ^oito;, CorsseO) Krit. Beitr.
175 ganz unsicher) auch in Bautenioschriften der Colonien und Muni-,
cipien seit dem 7. Jahrhundert nicht selten für lasttragende Bögen:
fundamenta fomices CIL 1, 1162 (V erenüiaum) ', aquam .. .fomicesque
1166 (Aletrium); murum ab fornice ad circum et fornicem cistemamque
(Brunnenhaus?) 1412 (Assisium); später portas /omic(em) aedificand{a)
2, 1087 (Ilipa) ;/or]mce« Bull, dell' inst. 1873, 86 (Formiae) wahrschein-
lich zum Hafenbau gehörig, ebenso wohl : portas et pilas pontis (pontis
za streichen?) in Tiberi quibus piUs post aliquot annos^ P. Scipio AJHr
canus et L. Mummius censores locaverunt imponendos, Liv. . 40, 51^ 4
Tgl Hermes 4, 258 und Th. I § 7. -r- Damit stimmt aucl\ der jüngere
Sprachgebrauch überein: z. B. Liv. 36, 23, 3, 44, 11, 5 und Vitruv.
28 BIWLfilTÜNß;
der Oberkau des Tullianum, die zweite Wasserleitung geben
nooh jetzt Zettgni$8 för seine Verwendung, nkht minder sjiie-
geit sich die Tradition des röknisehen Bogenbaus in den Bau-<
tea der römisohen Colonic» und MunicifHen wieder. Dass
im 7. Jahrhundert die stilistische Verwendung desselben im
Arkaden- nnd Porticus^Bau gewöhnlich war, dafür beweisen
die erhaltene Halle des sogenannten Tabularium (vgl. oben
A* 12), die Darstellung ier Villa ftiblica als eines zweistöcki-
gen im unteren Stockwerk von Arkaden getragenen Bauwerks
auf einer ums J. 700 gesoblageaen lüunze, die Beschreibung
des voraugustisdien Circus und die Analogie des ebenfalls
voraugostischen Amphitheaters von Pompeji, während anderer-
seits die Mänzdarstellung der aemilischen Basilika des sieben-
ten Jahrhunderts die Hallen des unteren Stockwerks abwei-
chend von de\a späteren Umbau mit gradlinigem Gebälk zeigt*
Wenn einer vereinzelten Erwähnung zu trauen ist^ so durften
ähnliche Anlagen bereits Sn der Zeit des zweiten punischen
Krieges vorhanden gewesen sein. In der That scheint hier,
wie die Vergleichung ähnlicher hellenistischer und hellenisi-
render Porticusanlagen zeigt, eine selbständige römische
Schöpfung erkepnbar zu sein, wenn auch deren Ursprung im
Dunkel liegt ^^). Das gleiche gilt vielleicht von der Benutzuii^
des fomix als eines freistehenden über Strassen errichteten,
Statuen, Weihgeschenke oder Trophäen tragenden Bogen und
dem verwandten oder gleichen ursprunglich wohl als Ein-
gangsbogen zu geschlossenen Plätzen dienenden tanus. Auch
") Aemilische Basilica, Bau vor 700, (Jahresbericht 1875, 742)
Cohen, Aem. S, T. 1 = Mominseo, Münzw. S. 633 f. ; villa pubUca Bau
des Titas Didius (Cons. 656?) auf der Müuze des Publius Fontejus Ca-
pito, Coheo, Font. 10, T. XVIII = Mommsen S. 638; voraugustischer
Circus, Forma urbis S. 19 f. — Zum Jahr 536 erwähnt Livius 22, 36, 8
eine via fomicata quae ad campum erat, doch gewiss mit dem in der
Stadtchronik gebrauchten Ausdruck, lieber die ähnlichen aber des ßo-
gens entbehrenden Hallenanlagen der hellenistischen Epoche in griechi-
schen Städten und in Pompeji vgl. Adler, die Stoa des Königs Attalos
zu Athen, Berliner Winkelm. Progr. 1874. Amphitheater von Pompeji:
über das Alter Schöne Quaestionum Pomp, specimen 1868; ausser der
Ruine vgl. das Wandbild bei Fiorelli Descr. S. 70.
§ ].] Mfi TRÜMMER. 29
dieser Kunstform begegnen wir schon in der Zeit d^ Sei-
pienen. Sie ist seitdem ein steter Begleiter des wachsenden
Kriegsruhms, ein nationaler Ausdruck des römischen Beamten«^
rahms geblieben. Die lange Reihe der Triumphbogen zeigt
eine ininer zunehmende Bereicherung der For^ mit bild-*
üchem Schmuck, zu welcher sich seit der Zeit 4es Atrgustus
die Pracht des Materials gesellt Sowohl die erhaltenen Bögen
vom Dnisusbogen bis zu den dreithorigen, yielleicht von det
Entwickelung der Stadtthore beeinflussten d^s Sevenift und
GonstantiOf als auch die Beschreibungen der zerstörten, wie
des Fabierbogens und des nach der Wiedergewinnung der
parthischen Feldzeichen dem Augustus errichtetem, gestatten
ans eise genaue Vorstellung von den Verwandlungen dieser
Denkmäler zu gewinnen ^^).
In wunderbarer Voltendung tritt mit dem Pantheon des
Agrippa die kuppelgedeckte Rotunde scheinbar als eme neue
und eig^ithumhch römische Bauform auf. Allein es ist
neuerdings die Vermuthung aufgestellt worden, dass die Vor-
bilder dieser Form im hellenistischen Osten zu suchen sein
^) lieber die'/ormoe# als Ekren- oder DcdieatfonsbSgpeD und deren
ZüsaiBBienhao^ mit den spateren Tfinmplibo^en s. Jetzt fleHri^ Unter-
snehuDg^en Über die eamp. Wandmalerei S. 46 f. Bekannt sind zwei anf
dem Porom boarlnm, einer im Circns (v. J. 55S de numibiis; trafen signa
aurata Liv. 33, 21, 4), einer auf dem Capitol (v. J: 504^ von Scipio ge-
baut in Capi^li» tutversu^ vtatn qua in CapäoHum eitmdüur cum signis
seiptmi auratU et equig duobus -^ darauf? — et tnarmorea duo läbra
mUe fomiceni Liv. 37, 3, 7), der Calpurmus ebendaselbst (Oros. 5, 9)^
ebenda andere (?) dargestellt anf den Reliefs des Forums (Jabresb. 1875,
740) und anf dem Stadtplan (Forma fr. 114); der Fühianus anf dem
Fomm (8. Ejpb. epigr. 1877 n. Tb. II). — Die imi: zn Sinnessa (?)
foTunL porticüms tabermstpee vlaudendum et ianos trU faeiendof (580,
Liv. 41, 27, 12), drei* iani anf dem Forum in Rom (s. Tb. If); später wie
ea sdieiut =» forfdoee (oder areus) : so die drei iani tu Bbiren des Drusns
CIL 6, 911 ; tat iani und der 'ianus gendnu^ Hermes 4, 235'?.; thermae^
tont in Pmteoh? Areb.Zw 1$66, S. 5. — Uebersicbt irad^listiscbe Ana-
lyse der r^miscben Triampbbügen bei Caristle Mon.' anft. d*Orange T;*
XXVltf. Promis Aosta 191 if. lieber den Angnstusbo^en Bpb. ^igr. 1877.
— Verzeielmiss der stadtrömiseben Bd. 2, 41 1 ff.: dazn Boll. mnn. 1, 103.
30 EINLEITUNG.
mochten ^% Diese Annahme, deren Haltbarkeit breitere For-
schung zu priifen haben wird, setzt also den Bau dieses
Tempels (denn das ist er) wegen seiner grossen Dimensionen
ausser Zusammenhang mit den unzweifelhaft alten römischen
Rundtempeln, nicht allein der Vesta, sondern auch des Her-
cules und anderer Götter und mit den runden Altären (A. 58).
Aber ebensowenig erwiesen sind bis jetzt die Sätze, dass das
Bund- und Kuppelgebäude eine nationalitalische Erfindung
o,der dass es ein den Italikern wie der ältesten hellenischen
Bevölkerung gemeinsames gräkoitalisches Erbstuck sei. Auch
haben wir eine sichere Hinweisung auf die Entlehnung
wenigstens gewisser kuppelfönniger Gebäude aus Griechen-
land in dem Fremdworte tholus, für welches ein lateinisches
nicht vorhanden ist, und in dem so benannten kuppelfdrmi-
ge^n Schlachthause, wahrscheinlich einem Bau des Jahres 574.
Ebenfalls ein. Fremdwort, vielleicht älteren Ursprungs, seheint
der technische Ausdruck för gewölbte Räume camera (daher
coneameratio) zu sein'^^).
^) F. Adler, Das Pantheon, im Berliner Winkelmannsprogramm 1871,
S. 16 ff. Eine Analogie aas späterer Zeit würde der Baa des Trajans-
forum naeh dem Master des Ramesseion bilden, wena diese Annahme
wirklich haltbar wäre, worüber Th. II. — Ganz verkehrt ist alles was
der spnst so treffliche Promis Mem. deir ac. di Tarino 1873 (scienze
morali cett.) S. 117 ff. darüber bemerkt: er legt za Grande die Interpola-
tion der Stelle Plin, 36, 102: non et tectum Pantheon lovi ultori ab
j4grippa Jacti, cum theatrum ante texerit Rontae f^alerius Ostiensir
archüectus ludis LibonU, während jetzt allein richtig nach der fiam-
berger Hs. iecium diribitorü ab A. /. gelesen wird, und lasst nan
den Valerias Ostiensis, Erbauer des Pantheon, den GewSlbeban an
den Theatern stndiren.
^) Die verschiedenen Ansichten über den Ursprung der römischen
Rundbauten (Mommsen R. G. 1^ 479 f., Preaner Vesta 102. U8. 248^
Bötticher Tekt. 1* 173, Bahn Central- und Kuppelbau S. 19 ff.
u. a.) entbehren vor allem noch 4es nöthigen Fundaments, einer umfassen-
Aufnahme des Thatbestandes. Ganz unkritisch und übereilt Pyl, Die
griechischen Rundbauten, Gr^ifsw. 1861. Ob und welcher Zosammen*
hang zwischen den griechischen Thesauren, den Nnraghen und den
italischen und griechischen Rundtempeln und Tholen besteht, ist noch
ganz unklar; wichtig aber, dass für die runden .Grabdenkmäler der
§ l.| DI£ TRÜMMER. 31
Was sonst als Gescliichte des römischen Baustils be*-
zeichnct wird, ist <)ie Geschichte (}er Umbildung, zum grossen
Theil MissbilduDg der überlieferten griechischen Formen be-
sonders des prunkenden korinthischen Stils (oben A. 46. 4S).
Diese Geschichte ist von Fachmännern im ganzen auch für
unsere Zwecke genügend behandelt: obwohl chronologische
Bestimmungen auf Grund stilistischer Beobachtung in einzel«
nen Fällen um Jahrhunderte geirrt haben und über einzelne
wichtige Veränderungen überhaupt noch keine sicheren Daten
gesammelt sind^^). iSamenthch ist es möglich gewefien,
aogiistuvheii und späteren Zeit (Ca dcilia Metella, Mausoleum des Aa>
gostas Q. a.) jedenfalls ältere römische Vorbilder bisher niebt ge-
funden sind; und doch kennen wir jejtzt eine Reihe ältester und alter
römischer Grabkammern: keine einzige ist kreisrund, — Ueber den
tholus macelli des Varro bei Non. 180, 13 (514), . das Vorbild der
kaiserlichen maeella, s. Hermes 2, 93 und Th. II. Wenn Bnnios die Him-
melsknppel bezeiehnen will, sa^t er fomiees codi, -^ Für camera oder
camara (jenes hie)t Verrius Flaccus für korrekt » dieses ist auf In-
schriften, z. B. in den Arvalakten, nicht selten) und conotwieratio kenne
ich keine Belege vor der Zeit des Cicero. Die noch dunkele Ge-
schichte des nichtattischen Wortes xa/ndga scheint mir auf die Ueber*
nähme desselben ans dem hellenischen Osten zu weisen, was hier nicht
weiter, verfolgt werden kann. Auch die gewohnliche Ansieht über
carcer ist keineswegs unanfechtbar.
^^) In die Zeit der Antonine hat man das Julierdenkmal von St.
Remy gesetzt, welches nach der lasobrift sieher in die Epoche Cäsars,
spätestens des Augnstus gehört (Ritschi Prise, lat suppl. V. 1864);
dem ersten Jahrhundert gehört sicher die Porta Nigra zu Trier, wel-
che Kngler bis ins 5. und 6. Jahrhundert herabgerückt hatte (Hübner
Monatsber. d. Ak. 1864, 94 ff.); während desselben richtige Meinung
über das jetzt zerstörte Frontispizio di Nerone aus .stilistischen Grün-
den von Semper (Stil 2, 473) für falsch erklärt und dasselbe gar für
ein Rest des goldenen Hauses des Nero (auf dem Qnirinall) ausgegeben
wird. — Andere Beispiele» Alter des Compositencapitells? Dass der
sogenannte Drususbogen diesen Namen in der That mit Recht führt,
ist jetzt so gut als gewiss (Jahresber. 1875 S. 778): er hat dasselbe
bereits, was als Grand gegen die Benennung angeführt worden ist.
lieber den griechischen Ursprung Semper Stil. 2, 474. — Wie
früh kommt die VernadilÜssigung der Theilung des Gebalks i%'
Fries und Architrav vor? Man nimmt an, dass diese Vernaehlässigimg
am Vespasianstempel am Clivus dureh die Restauration des Sevema
82 EINLEITUNG.
grössere Epochen, wie die augusteische, die des Domitian,
des Trajan und des Hadrian , ihre vom einfachen und blü-
henden zum überladenen und gekünstelten fortschreitende
Geschmackswandelung scharf zu charakterisiren und den Be-
ginn des stilistischen Verfalls in den ersten Jahren des dritten
Jahrhunderts als ein jäh hereinbrechendes Ereigniss zu er-
kennen. Es ist femer unzweifelhaft, dass die NacbblQthe
attischer Kunst, welche Rom in der Zeit des Augustus er-
lebte, nicht ohne Einfluss auf die Vervollkommnung der
Architektur geblieben ist, dass griechische Baumeister an der-
selben auch fernerhin einen hervorragenden Antheil ge-
nommen haben (unter Trajan Apollodor, Th. II), dass endlich
auf die stilistischen Veränderungen die Wahl des Materials,
welche oben erörtert ist, einen wesentlichen und stetigen
Einfluss geübt hat. — Es ist bisher von dengrossen öiTent-
lichen Kunstbauten die Rede gewesen. Wir erwähnen hier
noch, dass auch die Entwickelung der Dekoration des Privat-
hauses, welche uns vornehmlich die Baugeschichte von Pompeji
wenigstens bis zur Zeit Vespasians kennen lehrt, in vielen
Fällen für die römische Topographie von Wichtigkeit isf^*).
Ebenso muss auf eine Klasse von Denkmälern noch be-
veranlasst sei: Valladier Raccolta 5 S. 11 (äholiohe Frage fir die
Porta Borsari in Verona: Mommsen CIL 5, 1, 3329). Aber der Miner>
veotempel des Domitian aof dem Fornm transitoriiim ? Forma urbis
S. 27 »> T. XXXVI a
^) Beispiele aus der Zeit des Angustns und der kurz vorher-
gehenden die beiden A. 24 genannten Gebäude und das Zimmer der
Villa der Livia ad Rubra (Prima porta) bei Rom. Man bat in der
Landscfaafts- und Vedntenmanier der Wandgemälde dieser beiden
(pnblicirt leider nur die des 'Auditorium' Bull. mun. 2 T. XVI f.)
die Kunstrichtung des Sextus Tadius (? Plin. 35, 116) erkannt: a.
Heibig, Wandgem. S. 385 ff. Camp. Wandmalerei S. 61 f. Spä-
tere Beispiele dekorirter Privathäuser: Wand-Dekoration eines Privat-
baues spätestens der hadrian. Zeit unter den Thermen des Caraeaila
Bull, deir inst 1S67, 109; aus der der ersten Antonine Pinder Buir
dell' i. 1863, 256 ff. Visconti Bull. mun. 3, 326 ff. — Ausser der be-
kannten Litteratar über Pompeji ist besonders die Untersuchung von
Mau Bull. d. i. ]S76 hervorzuheben.
§ 1.] DIE TRÜMMBR. 33
sonders hingewiesen werden, deren Kunstformen wesentlich
dorch die Zweckmässigkeit bedingt wird, die Befestigungs-
bauten. Für diese sind wir in der glöcklichen Lage, auf
mustergiltige Untersuchungen verweisen zu können : nur haben
sich dieselben leider nicht bis auf die für die Stadt Rom fast
allein in Betracht kommende späteste Bauperiode erstreckt
und wir werden leider auf diese grosse Lücke aufmerksam
machen müssen, wo es sich um die Entscheidung über den
Ursprung der erhaltenen Befestigung und ihrer Thore handelt '^^).
Mit dem Material, der Konstruktion und dem Stil der
Bauten ist ihre Disposition genannt worden als eins der
Mittel der Erkenntniss ihrer ursprünglichen Bestimmungen.
Dass im Mittelalter die Kenntniss der fest ausgeprägten Grund-
formen der Gebäude gänzlich verloren gegangen war, bezeu-
gen die unterschiedslos gebrauchten Namen palatiumj balneum,
Aermae u. a. (s. § 2). Aber noch bis in die jüngste Zeit
hätte das harte, wenn auch freilich wahre Wort eines Philo-
lofgßn gegen ihn selbst gewendet und von einer * unnützen
Klügelei um die Gebäudeformen unbekümmerter Philologen'
gesprochen werden können. Nicht zum geringsten Theil
sind wir jetzt durch die genauere Kenntniss von Pompeji in
den Stand gesetzt^ auch die römischen Trümmer aus ihrer
eigenen Disposition zu erklären, und der glückliche Umstand,
dass die Leiter der römischen Entdeckungen Architekten sind,
hat der philologischen Forschung die Aneignung der Resultate
der technischen Analyse erleichtert. Aber es ist nur eine
Klasse von Gebäuden, auf deren Bestimmung aus ihrem
Schema hier noch besonders hinzuweisen ist, die Tempel.
Von den zwei Grundformen, welche der römische Tempel
aufweist, der kreisrunden und der rechteckigen Form, wird
schon von den alten jene bestimmten Göttern zugetheilt und
es wäre demnach möglich, wenigstens negativ unbenannte
Rundtempel zu bestimmen. Soweit die noch ungenügende Auf-
*') Ich meine die Arbeitea von C. Promis: AlbA Facense 1836,
Storia di Torino 1869, Antichita di Aosta 1862.
Jordan, rOmische Topographie. I. 1. 3
34 EINl-EITülVG.
nähme des Tbatbestaniles es zulässt, soheiut allerdiogs ange-
nommeri werden zu dürfen, dass zwei Kategorien von Gott-
heiten diese Tempel in Rom und Italien bewohnt haben, der
Genius und die ihm verwandten und die unier versfchiedeaen
Namen, verehrte fruchtbare Erdgottin. Abier der Grund dieser
(Erscheinung bedarf nocli ^r Aufklärung und es scheinen
sich fremdartige Elemente spater eingemischt zu haben '^^).
58) Werthvoli aber verdorben ist die SteUe des Serviiis za Aen.
9, 408 (ich gebe Daniels Text) mspendive tholo] . . . älii tholum medium
sacrarum dicvnt genus fabricae Vestae et Pcmthere*: (so D., Pantheon
bat man verbessert) atii teetum sine pärietibus columnis svbnixum,
(Das sind also die < beiden HauptgattüDgen Monopteros und Peripteros.)
aedes autem rotunda$ tribus diu dimnt ßeri deberi FeHae Dianae
vel Herctdi vel Mercurio. £in Name also muss gest^ficbeo werden.
Rundtempel des Hercules (dorischer Peripteros am Forum boarium. De
Rossi Ann. 1854 T. 3; vielleicht korinthischer bei S. Nicola a^ Cesa-
rini; vgl. Hercules Saxanus zii Tivoli?) und der Vesta (Peripteros, s.
Tb. 11) sind bekannt; keinen solchen weiss ich fö» Merour oder Diana
nachzuweisen: für Diana beweist nichts die voa Pyl S. 99« 111 aaipesor
gene Münze der Gens Claudia Morell. p. 1^38, 24, über den. Tempel
von Nemi wissen wir nichts: Bull. d. inst. 1856, 6. An sonstigen
sicheren Namen römischer Rundtempel Bude ich (vgl. Jahresber. 1875,
773) Dea Dia (ganz ttbereinstimmend mit ^Portunus' Ostia: Lanciani
bei Henzen Scavi nel bosce T. IV), Fermia (Nizzaoo^ dens. Bull. 187<0,
31); Mars ultor auf dem Kapltol; Pantheon; Divus Romulus (yarkfdU
von SS. Cosma e Damiano; auch Maxentins am gleichnamigen Circus?
aber Quirinus, Divus ftäius und wahrscheinlich auch Divus Augnstus
keine Rutidtempel); vielleicht Mater matuta (? Rundt. am Tiber).
Die Adnahme, der Penatentempel sei eine Rotunde gewesed, bembt
meiqes Wissens, nur auf der Identificlrnng mt SS. Casma e Damtano
oder S. Teodoro (beides falsch; S. Teodoro noch nicht bestimmt).
Unbestimmbare Rotunde auf dem kapit. Plan fr. 110. Inwiefern sich
griechisches mit einheimischem hier vermischt hat, wie wahrscheinlich
bei den runden arae {ßei)fijiol otyvnTs Bd. 2, 262 Anm.), ist noch nicht
ermittelt. .Weder Pyls unkritische Gompilatian (oben A« 54) noch
Texiers Annahme^ Archit. Byzantloe S. 15. 171 habe* für das RIh
mische zu Resultaten geführt. Die sicheren Namen weisen auf einen
Zusammenhang der runden Form mit dem Kreise der Erdgottheiten
(Hercules-Genius ?) womit auch die Andeutung bei Pestus 236 (rotun-
dam) übereinstimmt. — Es ist also noch eine offene Frage, «b bei Ser-
vius Dianae oder vel Mercuno zu streichen sei.
1] DIE trCmmbr. 35
Für die bei weitem umfangreichste smdere Klasse würden die
bildlichen Ausschmückungen — nicht, wie es scheint, die
Ordnung (oben A. 46 f.)- — auch in Rom von grosser Bedeu-
tung sein und Schlüsse auf die Gottheit zulassen, wie wir
denn beispidsweise von den nicht mehr vorhandenen bezüg«
liehen Giebelbildern des grossen capitolinischen Tempels und
des Tempels des Jupiter Tonans (Th. II) genau unterrichtet
sind : aber mit einer einzigen Ausnahme, dem Schmuck eines
Neptunstempels (und doch ist die Zugehörigkeit dieses er«
haltenen Bildwerks zu einer Ruine im Marsfeld nicht ausser
Zweifel, A. 8^), sind uns meines Wissens an römischen Tempel-
ruinen keine verwerthbare Bildwerke erhalten. Um so werth-
YoUer würde uns eine Theorie sein, welche aus der Orientirung
der Tempel, d, h» aus der Richtung der Tempelaxen und deren
Verhältniss zum Sonnenaufgang, den Namen der Gottheit er-
schliessen zu können glaubt, wenn dieselbe sich bewährte.
Sie gebt aus von der Beobachtung, dass die * römisch-*
italischen' Tempel nach allen Richtungen der Windrose
orientirt seien und sucht diese Thatsache zu erklären, indem
sie annimmt, dass der Sonnenaufgang am'Gründungstage'
des Tempels (Inaugurations- oder Dedicationstag?)'^®) bestim-
mend für das Legen der Längs- (oder Queraxe) des Tempels
gewesen sei, dass demnach der römische Festkalender in
Verbindung mit der Messung der Axenrichtung über die
möglichen Benennungen entscheiden müsse; doch bleibt erstens
eine Klasse von Tempeln übrig, deren Orientirung ausser
aller Beziehung zum Sonnenaufgang steht und daher durch
die aufgestellte Hypothese ihre Erklärung nicht findet ; zwei-
tens ist zu bedenken, dass die Dur^fuhrung der Theorie,
welche dann weiter auf die Orientirung der christlichen
Kirchen erstreckt worden ist, sich bisher wenigstens, mit den
ausser ihr liegenden sicheren topographischen Thatsachen
mehrfach in Widerspruch gesetzt hat. Wir haben demnach
guten Grund uns derselben einstweilen nicht als eines Mittels
*») üeber diese vgl. § 2 A. 6.
3*
36 EINLEITUNG.
zur Entscheidung der Fragen nach der Benennung unbe-
stimmter Rainen zu bedienen ^°).
^) Nissen, Das Templam L. 1869, 162 V.; die Theorie ans^edehot
auf die Kirchen: Rhein. Mas. 28, 513 ff. 29, 369 ff.; vgl. § 2 A. 47.
Die von Nissen anf Grund seiner Theorie beanspruchte Entscheidung
schwebender Fragen ist irrig ausgefallen: über den Saturn- nod über
den Vespasiaotempel (vgl. Forma nrbis S. 27), über den kapitolioiscben
(s. Ann. 1876, 145 ff., Jahresber. 1876, 177).' Tbatsäcblich unrichtigp be-
merkt der Verf. Rh. Mus. (1873), 28, 536, dass erst seit der ^Reinigrung*
der Trümmer vor den 8 Säulen durch die neue Verwaltung (1870) und
Trendelenbargs Anwendung des capit. Plans die Benennung der 8 Säu-
len als 'Saturn' gesichert sei: der Plan war bereits von Cauina
richtig benutzt und die Trümmer vor den 8 Säulen befinden sich beut
in demselben Zustande wie im Jahre 1869. — Meine 'Bedenkeo* im
Hermes 4, 254 ff. richteten sich allein gegen das Umstossen von ander-
weitig feststehenden Tbatsachen.
§ 2.
DIE ÜBERLIEFERUNG DES ALTERTHUMS UND DIE
ZERSTÖRUNG DES MITTELALTERS.
Der Boden der Stadt Rom und was Menschenhände
darauf gebaut haben, weisen ein dreifaches Recht auf, das
des Staates, der Burger und der Staatsgötter. Dem locus
fuhUcus prwatus sacer entsprechen die aedificia publica
frmta sacra. Es mag, was den Boden anlangt, die Abgren-
lang des Staats- und Priyateigenthums durch die Limitation
derartig vollzogen gewesen sein, dass es ursprünglich schrift-
licher Bestimmungen darüber nicht weiter bedurfte: allein
voD dieser Epoche geben uns weder Zeugnisse noch erkenn-
bare Reste der Eintheilung Kunde (Th. 1 § 2. 4). In dem
entwickelten republikanischen Staatswesen sehen wir mehr
und mehr den Grenzstreit zwischen dem Staats- und Privat-
gebiet entbrennen und eine Schlichtung desselben theils von
Fall zu Fall die Entscheidungen der das Staatseigenthum vor
dem Eingriff der Privaten schützenden Beamten (Gensoren,
Aelilen), theils Gesetze und Senatsschlüsse herbeiführen. Es
lässt sich nicht mehr erkennen, wie früh diese Entscheidun-
gen zm- Aufstellung von Grenzsteinen an Ort und Stelle ge-
fuhrt haben und ob über diese Terminationen, ausser in den
Gesetzen, in den Akten der einzelnen Aemter, wie man
vermuthen möchte, schriftliche Aufzeichnungen vorhanden
waren ^).
*) Aaf die staatsrechtUche Seite der Sache kann hier nicht naher
eingegangen werden. Was die Rechte der Censoren und Aedilen (die
Abgrenznng beider ist nicht sicher) und das auf dem censorischen be-
nihende Recht des Kaisers anlangt, so verweise ich auf Mommsen's
38 EINLEITUNG.
Anders steht es mit der Abgrenzung des heiligen Gebiets,
nsot'em bei demselben ausser dem Staat, welcher dasselbe
der Gottheit zu eigen giebt und sie allein in dem Besitz
desselben schützt, die Priesterschaft in mannigfachen Bezie-
hungen zu schriftlichen Aufzeichnungen seit frühester Zeit
veranlasst war. Wir werden zu zeigen haben, dass das
Templum der Stadt und sein consecrirter Grenzstreifen, das
Pomerium, vor der Benutzung durch Private durch Grenzsteine
geschützt war, über deren Standorte und Zwischenräunoie
das zuständige Priesterkollegium zu wachen hatte. Es ist
undenkbar, dass dieses Kollegium nicht in seinen Akten eine
Staatsrecht 2, 416 f. 434 f. 476 f. 930 f. Die durch erhaltene Grenz-
steine (CIL 6, 1262 ff.) bekannten Terininationen (sämmtlich ans der
Kaiserzeit) bezeugen zum Theil den Ueberg«ng des Privatei^entl&tims
in das des Staates durch Kauf, L, Ca^mmms JPiso M, Sahius priae^
tor^) aer{arii) aream ex sfenatusj vfonsultoj ä privaH* publica
pecunia redemtam terminaver{uid) (CIL 6, 1265) — dahin sind die Ter-
ininationen des Tiberufers (Th. I § 7) zu stellen und es ist anzuneh-
men, dass auch bei den häufigen Ankäufen in republikanischer Zeit
(wie z. ß. vom, Behuf des Baues der basilica Porcia) t^rmioirt worden
ist — zum Theil die Tuition oder Restäutioa des fitnatseigentbums dvrch
censorisch^s Edict, . . [e^J s{enatus) ciansulto) censores loca a pitU et
columnis quae a privatis possidebantur causa cognita ex forma (s.
unten) in publicum restituerunt (Or, 3133 = CIL 6, 919). Aehalich
an Stelle der Censoren die Consuln (Mommsen S. 414, 929 f.) des J. 5
n. C. Utwänarunt locium).pubUeum ab private (CIL 6, 1263), atiderer
Art die Termination CIL 6, 826. -^ Eine aJUgefneine lieber Weisung der
loca in urbe publica iuris ambigui an die possessores hat nach Sueton
Aug. 32 Augustus vorgenommen, worüber Mommsen Staatsr. 2, 929.
Es ist ein Zufall, dass uns keine auf die loca publica urbis Romae
bezüglichen leges oder senatus consulta ans republikanischer Zeit er-
halten sind, welche für jene unter Umständen ebeu scfpit wie beisfkiels^
weise der erhaltene Schiedsspruch der Mioucier v. J» 637 (CIL l, 199)
für die Gebiete befreundeter Gemeinden die Grenzen beschrieben huben
werden. Doch enthalt sowohl das Municipalgesetz Cäsars CIL 1, 206
wie das kürzlich gefundene Bruchstück eines Senatsbeschlusse's aus der
Zeit der Gracchen (BuU. mun. 3 T. XIX, vgl. Jahresber. 1876, 185)
eine Reihe von Bestimmungen über die Handhabung der Strassenpolizei,
welche uns einen Einblick in die verwickelten Verhältnisse der wAchsen-
deu Stadt gewähren.
§ 2.] DIE ÜEfiRLlBPßRUNG. 39
ßesebreibung des Laufs des Pomerium besessen haben sollte
und vielleicht ist uns dieselbe für die erste Ansiedlung im
Wesentlichen noch erhalten. Auf dieselbe Quelle führe ich
die kurze, aber in ihrer Bestimmtheit bemerkenswerthe Notiz
über die Roma quadraia im engeren Sinne zuröek, welche
SoUnus aus Yarro erhalten bat (aber beide Th. I § 2).
Aach eine Beschreibung der ältesten Grenze des ager roma-
mis mu8S es gegeben haben mit Bezeidinung der Punkte, an
wekhen die Opfer der Ambarvalien zu vollziehen waren : da-«
för bürgt uns allein schon die Analogie der Priestersehriften
von Iguvium (s. ebenda). Dagegen ist es eine nicht blos
unbegi^ndete , sondern verkehrte Vorstellung, dass in den
Akten der Priesterschaften sich eine Beschreibung einer Art
'Roma Sacra' oder eines Analogen unserer Parochialeintfaei-
lung gefündeo habe und dass uns diese auszugsweise in den
Sacra Argeomm erhalten sei. Eine Eintheilung des Stadt-
gebiete in beilige Distrikte mit Centralheiligthumern kennt
das romische Altertbum sowenig, wie den Begriff der reügiösen
Gemeinde: himmelweit verschieden davon sind die Kultus-
stätten an den Strassenkreuzungen, die compita der vici, bei
denen es sich lediglich um die Heiligkeit der Wege und
Grenzen handelt, und jenes wichtige Bruchstück aus dem
Archiv der pontifices ist nichts anderes, als eine för das
praktische Bedurfniss jährlich sich wiederholender Prozessio-
nen entworfene Beschreibung des Weges zu den 24 Argei
genannten saceüa, deren Bedeutung wir weiterhin aufzuklären
versuchen wollen (Th. I § 4). Wenn wir uns vergegen-
wärtigen, wie gross die Zahl solcher Opförgänge gewesen ist,
wie fest begrenzt das Ceremoniell der sacra nls et eis T^erim,
so werden wir annehmen müssen, dass die, wie wir wissen,
so' weitschichtigen geistlichen Archive an ähnlichen Lokalbe-
schreibuiigeii eine Menge enthalten haben ^).
*) 0a8s die Argeeruited^e, welehe Varro de 1. 1. 5, 45 ff. excerpirt
litt, aos den i&tn pontißcii staiMat) ist nicht bezeugt, ergiebt sich aber
Bit Sieherheit dafatis, «htds sie als Instrnktion für die ptmtißces
publici bei der Vollziehung der Argeeropfer diente, dies wiederum
40 EINLEITUNG.
lieber das, was auf dem Boden der Stadi aus offeat*
liehen Mittein für Staats- und Beligionszwecke erbaut war»
hat es in der Zeit des entwickelten Staatawesens siebrifüiche
Aufzeichnungen verschiedener Art gegeben. Eine zusammen-
hängende authentische Geschichte der öffentlichen Bauten
wurde uns vorliegen, wäre uns die Stadtchronik erhalten.
Entstanden aus der von der Priesterschaft geführten Jahres*-
tafel, enthielt sie während der Zeit der Republik die Anga-
ben über die aus öffentlichen Mitteln bestrittenen Bauten, über
die Brände, Ueberschwemmungen, Krankheiten , Prodigien,
wie überhaupt die für die Stadt wichtigen Ereignisse. Diese
Notizen sind in die Annalen, aus diesen in die uns erhalte-
nen Geschichtsbücher übergegangen^). Eine Art von Fort-
setzung dieser älteren Stadtchronik dürfen wir in den seit
Cäsar publicirten Acta populi^) und der von ihnen verschie-
denen Kaiserchronik erblicken, von denen namentlich die
letzte eine vollständige Aufzählung der kaiserlichen Bauten
anstrebt. Für die Regierung des Augustus besitzen wir die
daraus, dass ihr Grundschema uralt, die eingefügte spezielle Beschrei-
bung der sacella, wie die genannten Orte ergeben, jung ist — wie dies
nach 0. Miiller's Vorgang Bd. 2, 237 ff. ausführlich bewiesen ist. Dazu
stimmt die auch in der Sprache bis auf die nicht beseitigten Zahl-
adljectiva fttrtioeps . . . sexticepsj durchgeführte Modernisimag. Varro
selbst bezeichnet die Schrift als sacra Argewian, wie Bd. 2, 240
gezeigt ist, nach gew^öhnlichem Sprachgebrauch. Dazu Serv. Fold.
Aen. 1, 17: sü autem esse in sacris Tibttrtibus eonsttU übt sie precan^
tur (vergl. Hermes 8, 219). — Spengels Polemik Philol. 1873, 92 ff.
hat mich in keinem wesentlichen Punkt überzeugt.
*) lieber die Stadtchronik und ihren Inhalt nach anderen Niaaen,
Krit. Untersuchungen über die 4. und 5. Dekade des Livius, besonders
S. 86 ff., und Nitzsch, Die römische Annalistik S. 189 ff., dessen An-
nahme (S. 238 ff.), dass die erhaltene Schrift de prodigiis des Julias
Obsequens kein Auszug ans Livius sei, sondern aus den pontificischen
Büchern stamme, wir verwerfen müssen (worüber an einem ander^a
Ort), lieber den Werth der Prodigien für die physische Geschichte der
Stadt Th. I § 1 A. 5. t7. 46. Eine Sammlung der muthsiaasslicb aus
der Stadtchronik stammenden Notizen wird noch vermisst
*) S. Hübner De senatos populique romani actis in Fleckeisens
Jahrbb. Suppl. 1859, 559 ff.
2.] DIE ÜBfiRLK^BRüJVG. 41
eigene Darstellung des Kaisers in seinem Indeüß rerum gesta'^
mn, für die übrigen Regierungen ist sie uns theiis zerstückt
bei den Biographen, theiis in einer amtlicheai Redaktion vom
Jahre 3M n. C. erhalten'^). Aber diese Chroniken sind nicht
selbst Urkunden, sondern aus . urkundlichem Material gezogen,
über dessen grossen Umfapg gelegentliche Erwähnungen und
die Betrachtung des Organismus des Staatswesens beldiren,
— Die in der Stadtchronik bis zu den punischen Kriegen
verzeichneten Bauten sind fast ausschliesslich, von da ab bis
zum Ausgange der Repmblik überwiegend Tempeibauten, wie
dies in c|er Natur der Sache liegt (Tb. I § 2. 4). lieber die
atdes saerae hat es zweierlei 'urkundliche Aufzeichnungen
gegeben^): in der priesterlichen Jahrestafel und den libri
ponüßdi und in den Akten der Staatsbeamten, welchen die
Aosfuhrang und Bestreitung des Baus aus Staatsmitteln ob*
lag. In jenen müssen ausser den fast ausnahmslos allein in
die Stadtchronik übergegangenen Gründungsjahren auch die
') Kaiser Chronik: sogen. Chi^onograpb von 354 (früher Catalogns
inp. Vindoboneosis) , heraus^, von Mommsen, Abh. d. K. Sachs. Ges.
2, 349 ff.y aus unbekannter, aber was die Bauten anlangt, sicher offi-
zieller Quelle, welche zum Theil auch von Eutrop (aus ihm die Hi-
storia miscella) und Hieronymus (aus ihm Gassiodor), seltener bei
SaetMi und den öhrigeo Biographen benutzt ist Analyse der Bauten-
Verzeichnisse (von Aujpistus bis Maxentius) : Bd. 2, 31 ff. — Der Ab-
schnitt im Index des Augostus bei Mommsen, Res gestae d. August!
S. 51 ff. and dazu meine Bemerkungen Eph. epigr. 1, 236 ff.
*) üeber die Notizen in den Amialen auA der Jahrestafel, welche
re^lmäasig das vovere (dureh den Magistrat cum imperio), faciundum
kcan (dsgl. oder duovin) und d^iaare (eben so : vgl. Mommsen Staats-
recht 1, 199. 2, 578 ff.), lAer nur ausnahmsweise das Datum enthalten,
vad die imtaies deorum ss aedtum im Kalender s. fiph. epigr. 1, 232 ff:
als natoHs ist zu betrachten der Tag der Dedication (vgl. oben § 1
\. 60); er bleibt auch nach einer refeeUo und neuen dedicatio der-
selbe, zweite Feste bei demselben Tempel sind keine natales, sondern
aeeeisoriseh (ebend.); die Ortsbezeichnungen im Kalender sind bis auf
Qabedeuteade Variationen {in eireo FlanUmo = ad drcum F., in foro s=s
od oder apud forum) constant und offioiell (daher in CapüoUo nicht
= ad forum), ihre Reihenfolge (nach A. KIngmann's Bemerkung bei
Henzen Acta arv. S. 239) alphabetisch (s. Ephem. epigr. 3, 58 ff.).
42 EINLEITimG.
in den Festkalender übergegangenen Gründungstage, genauer
die Tage der Dedikation, ausserdem aber die ober Lage,
Eigenthum und Ceremoniell festgesetzten leges templerum et
ararum enthalten gewesen sein^). Wie man sich nun auch
den Gesammtbestand dieser Notizen in der Pontificaltafel und
in der Stadtchronik denken mag, klar ist, dass die priester-
lichen Arcbivalien der Regia (s. Th. II) für beide die Quelle
bildeten.
Wie die urkundlichen Aufzeichnungen des Staats über
alle aus Staatsmitt^ hergestellte Bauten, also aach vker
die aedes sacrae in lltester Zeit beschaffen waren, ist ntdit
mehr zu ermitteln. Seit der Errichtung der Censur müssen
sie in den Akten der Censoren> suppl^nentarisch in denen
der Aedilen, seit der Kaiserzeit theiis in den Kanzleien der
betreffenden Curatoren, theiis in der des Stadiprafekten zu
finden gewesen sein (vgl unten). Ueber ihren Inhalt giebt
das System des offentJkhen Bauwesens genügenden AufscUuss.
Dieses System beruht, wie bekannt, auf der locatio condnctio.
Wir wissen, wie die leges locationts beschaffen waren, dass
zu allen Zeiten bei der Abnahme des Baus durch die zu-
ständigen Beamten eine Prüfung der Erfüllung dieser Bedin-
gungen stattfand, und dass dei* Regel nach der Vermerk über
Abnahme des Baus durch das facnmdnm curavit idemque
') Die leges templorum et ararum sind ia ihrer Einriciitniig be*^
kaunt besonders dureh die lex aedis lovü Furfone v. J. 096 CIL 1,
603 , die lex arae d. AuguHi von Naj4)o Or. 2489 und die «hnlidie
von Salona das. 2490, von denen jene auf die le^es arae Jfwnae i»
Aventtno verweist. Sie werden bei der Dedtkation verlesen und ent-
halten die oben kurz erwähnten Hauptpunkte. Ans solehen lege^
stammen also z. B. auch die Nachrichten über die Privileig^en eiozelner
Tempel, wie über das Asylrecht der aedes di'vi hdii (Hermes 9, 35S)
und anderer, über das Erbrecht des von Angastus wiederherfastelMtou
Tempels des* Jnpiter Feretrius (Mommsen Staatir. 2^ 60). Das T«mpel«
Statut von Furfo und das Statut der ara Narbenensis zeigen ferner
deutlich, dass diese le§^es auf Formulare zurückgehen , welche nur in
dem pontificisehen Archiv gelegen haben können (vergl. Hermes 7,
201 ff.).
i 2.] DIE OBERLIEFERUNG. 43
p-dhavü auf den Bau selbst gesetzt wurde ^). — Aber nicbt selten
ist man fiocb weiter gegangen und hat aus denselben Urkun-
den Nachrichten über die Kosten, den Umfang und die tech-
nische Beschaffenheit d^s Baus hinzugefügt. Auch darftber be*
lehren uns zahlreiche Bauleninschrillen, insbesondere eine kürz-
lich gefundene, den Neubau der Via Salaria im J. 639 betreifende,
sowie namentlich was die Maassangaben anlanj^, Inschriften von
Stadtmauerbauten verschiedener Orte und Zeiten ^). Wir ersehen
hieraus, was fireilicb auch ohneZeugnisse klar ist, dass es technisch
genaue Beschreibungen dieser Bauten gab und sind bereditigt auf
dieses urkundliche Material mittelbar die uns erhaltene genaue
Beschreibung des servianiSchen Walls, unmittelbar die dem
^nsiediler Itinerar angehängte noch genai^ere der aureliani-
sehen StadtaiAuer zurückzuführen; diese ist sicher bei Ge-
Ißgeoheit der Abnahme eines Restaurationsbaus (Tom J. 403
0. C^ jene wahrscheinlich bei einer solchen Gelegenheit ver-
fasst werden (Th. I § 3. 5.). — Dass uns von diesem urkund-^
liehen Material so wenig erhalten ist, ist begreiflich. Die
Römer hatten kein Interesse daran, die Dinge, die sie vor
sich sahen, zu beschreiben. Erst die kuiturgeschiditliche
Forschung des Varro hat, um den Zeitgenossen das Werden
^) Den genaueßteA Eijililick gewährt di« Geschichte der Wieder-
kerstelluDg des Gastortempels in den Verrinen 1, 50 ff. Erhaltene Ur-
kunde, wenn auch ans einer römischen Kolonie: lex parieti fadendo
von Pnteoli CIL 1, 577 v. J. 649. Vgl. Mommsen Staatsr. 2, 424 ff.
Die zahlreichen Prohationsinschriften im CIL brauchen nieht einzeln
avfgefSlirt zu werden. Hinzugekommen Ist die in der fg. A. citirte
Inschrift von der Via Salaria.
») Die innerhalb der porta Collina (s. Th. I § 3) gefundene leider
sehr verstümmelte L von 639 £ph. epigr. 2, 199 gieht wie ea
scheint die Akten über die Abnahme des Neubaus der Vi« Salaria mit
den Distanzen und Summen in extenso« Kürzere Angaben über die
Kosten nicht selten: Mommsen a. 0. S. 200. Maassangaben von Mauer-
banten nach Fuss CIL 1, 565 (Capua) 617 (Grumentum) 1161 (Feren-
tinnm) 1179 (Arpinum); aus der Kaiserzeit z. B. die I. von Spalato
CIL 3, 1, 1979 y. WiQ muri p. DCCC, in his turri* una von einer
AbtheiInng Soldaten gebaut ist. Verschieden davon die blossen Auf-
zahlungen von Bauten, wie die Inschrift von Alatri.
44 EINLEITUNG.
des Staats aus seinen Anfangen vor Augen zu stellen, sich
nicht begnügt mit den in die Chronik übergegangenen Notizen,
sondern ist auch für die GescUchte der Stadt und ihrer
Denkmäler zu diesen ersten Quellen hinaufgestiegen, wie die
Benutzung der Argeerurkunde es an einem glänzenden Bei*
spiele beweist.
Mit noch grösserer Bestimmtheit dürfen wir seit der Er-
richtung des Principats und der allmählich vollzogenen Ueber-
Weisung des öffentlichen Bauwesens an besondere ständige
Curatoren ein weitscfaichtiges urkundliches Material über öffent-
liche Bauten voraussetzen. Wir dürfen uns für diese Zeit
im Wesentlichen auf die Untersuchungen des zweiten Bandes
und über den capitolinischen Plan (s. unten) beziehen ^^)^
Es ist dort gezeigt worden (und wir kommen Th. I § 5
darauf zurück), dass die von Agrippa geleitete neue Consti-
tuirung der Stadt und ihre Theilung in 14 Polizeibezirke die
Herstellung eines Stadtplans (forma) veranlasst haben muss,
von welchem uns die Kopie des kapitolinischen Stadtplans
eine schwache aber doch lehrreiche Vorstellung giebt; dass
der erste Theil der Notitia urhis, die Grenzbeschreibung der
14 Regionen, nichts anderes ist als «ine Abschrift der auf diesem
Plan auf der Grenze der Regionen verzeichneten Namen,
denen die ebenfalls auf dem Plan eingetragenen Umfangs-
ziffem der Regionen am Schluss jeder Region hinzugefügt
wurden; dass endlich der zweite Theil des genannten Buchs
uns einen Auszug aus dem urkundlichen Material über die
loca et opera ^hlica (nicht die aedes sacrae^^)) giebt und
*o) S. Mommsen Staatsrecht 2, 929 und 0. Hirschfelcl Unters, anf
dem Gebiet der römischen Verwaltangsgeschichte (B. 1877), welche
jedoch g^erade anf die hier in den Vordergrund tretenden Fragen be-
treffend das Kanzleiwesen nicht naher eingehen.
1^) Es ist festzuhalten, dass das erhaltene Buch eine nur auf
Grund amtlichen Materials für das Publikum entworfene Stadtbe-
Schreibung ist, daher eine aktenmässig voUständige Aufzählung aller
Klassen der loca et opera pubUea nicht erwartet werden darf, wahrend
innerhalb der einzelnen, wie gezeigt wurde, Vollständigkeit beab-
sichtigt war und soweit wir folgen können, erreicht worden ist. Ver-
§ 1] DIB UBBRLIAPERUN6. 45
dass diese beiden Theile zusammen einen Abschnitt des zuerst
während der Regierung Constantins publicirten Staatshandbuchs
gebildet haben.
Wir fassen hier noch kurz die für den Gebrauch dieser
beiden wichtigsten und auf dieselbe Quelle zurückgehenden
Urkunden zusammen.
Die ältere ist der wegen seines Aufstellungsortes an den
Wänden der Treppe des kapitolinischen Museums so genannte
kapitolinische Stadtplan"') in den ersten Regierungs-
jahren des Severus und Caracalla eingegraben auf die Mar-
morbekleidung der Nordwand eines alten Gebäudes hinter
der Basilica der HH.- Cosmas und Damianus. Diese Wand
stiess an eine mit Marmorplatten gedeckte Area, welche man
wahrscheinlich mit Recht für die des vespasianischen Frie*
denstempels hält. Hiernach ist es nicht unwahrscheinlich,
dass der Plan eine eilfertige neue Kopie des amthchen Stadt-
plans an Stelle der durch Brand zerstörten besseren ist,
welche Yespasian zur Veranschaulichung seiner Stadtvermes-
sung hier dem Publikum und zwar afn der Wand der an den
Platz vor dem Friedenstempel anstossenden Stadtpräfektur
aosgestellt hatte ^'). Gerade so trug die Aussenwand des
nisst werden 1. die Namen der am Schlass jeder Region gezahlten
viei (aedicuiae)y 2, die aedes saerae^ beide wohl, weil sie nach
Hnaderten zählten, diese nicht etwa wegen der erfolgten Schliessung
(s. nnten) w^eggelassen , denn sie werden nach wie vor durch die eu-
TtAoret aediuni saerarutn (und prcujecti urbU) er)ialten und ausge-
Mhmuckt. Nicht vernisst werden Stätten des christlichen Kultus
(Bd. 2, lOffl), nicht zu den loea et opera publica im eigentlichen
Sinne gehören nur die FII montes, sind vielmehr von dem Heraus-
geber wahrscheinlich als in einer Stadtbeschreibung unentbehrlich hin-
zagefdgt worden.
^1 ») Für die Behauptung 0. Hirschfelds (Verwaltuogsgesch. S. 294),
dass der kapitolinische Plan mit einer 'genauen topographischen Auf-
■ahne der ganzen Stadt' durch Severus in Verbindung stehe, fehlt
der Beweis.
^) Gesammt* Ausgaben : Fragmenta vestigii veteris Romae ex la-
pidibus Parnesianis nunc primum in lucem edita cum notis Jo. Petri
Bellorii, Rom 1673, 20 TT. in Kupfer. Wiederholt von Xav. Ganale Ichno-
paphia veteris Romae R. 1764 mit Hinzufdgung neuer Stucke aufT. 21—26,
46 EINLEITUNG.
Atrium Libertatis den Situationsplan gewisser zu vertheilen-
der campaniseher Aecker. Jenes Gebäude wucde demnach die
Stadtpräfektur und diese, seitdem Severus und Caracalla ihre
Hauptstadt zur sacra ürhs regionum XIIIl erhoben hatten,
templum Urbü (wohl zu unterscheiden von dem fempium
Romae) genannt worden sein. Was uns bu der Annahme
berechtigte, in diesem Plan eine wenn auch noch so flüch-
tige Reproduktion der amtlichen fimna zu erkennen, waren
die von jenen Kombinationen unabhängigen Wahrnehmungen :
dass sie dui*chweg den Charakter eiiies von jeder Terrain-
darstellung oder aufrissähnlichen Vedutenmanier entfernten
streng durchgeführten Grun<kisses trägt; dafö sie bei einer
Fülle der gröbsten Versehen und Flüchtigkeiten, den Zeichen
der Eilfertigkeit des Werks, eine Menge trefflicher und ge*-
n^uer Details in den Grundrissen der iilfentlichen Bauten auf-
weist, dass endlich wer eine halb{Aantastische Darstellung der
Stadt ohne Betrachtung eines detailUrten Originals hätte ent-
werfen wollen, sieher nicht jenes Gewirr Ton Plätzen, Strassen,
Gassen, Häusern und Häuschen in den Marmor geraeisselt
hätte, von denen der am Fuss der Mauer stehende Beobachter
nichts erkennen konnte. — Die Namen der Gebäude und
Strassen waren eingeschrieben. — Der Maassstab des Original-
plans scheint 1 : 300 gewesen zu sein. — Sicher war nicht
Norden dem Beschauer oben; einer genauen Orientir^ng
nach Osten widersprechen einige Fragmente. Ed ist aber zu be-
von Piranesi, Autich. Rora. 1 T. 2—4 (mit Fortlassung; von nur 7 der Bello^
rischen, zumTheil nach den Steinen reyidirt) und vonCaniaa anf derPiaaU
topografica di Roma^ zuerst 1832 (mit Weg^lassung von i^ur 3 Stucke»
der . ersten 20 Tafeln). Eine seit Fea Mise. 1, 52 eierte Ausgftbe
von Amaduzzi 1771 existirt nicht. — Neue Funde vom Juli 1867:
Tocco und Henzen AnnaU 1867. — JVeue Gesammtausgabe , nach den
von mir in den Monatsberichteu d. Berl. Ak. 1S67, 527ir. aufgestelUao
Grundsätzen, mit Unterstützung .der Akademie unternommen: Forma
urbis Romae regionum XIIII ed. H. Jordan. Berlin 1874 (stuf 33 TT«,
ia Farbendruck). Kritischer JBeitrag zur Geschichte der aur noch ia
den Handzeichnungen (s. oben) cod. Vat. 3439 erhaltepea Stücke
A. Trendelenburg Annali 1872. Vgl. m. Einleitung S. 30*., auf welch»
ich überhaupt verweise.
§ 2] DIE ÜfiBRLIEPEBUNG. 47
achten, dass bei dem Mangel grösserer zusammenhängender
Stöcke die Grenze der Fehler im lehnen der Winkel^ welche
sicher vorhanden waren, unbestimmbar ist. ^^). — Die Bruch-
stücke des Plans hab^i sich zum grössten Theil zwischen
1561 ubA 1565 unter 4er Regierung Pius IV., eisige im J. 1867
zu Fusfihen der erwähntea Wand gefunden und die Wand be-
wahrt n9ch jetzt die Löcher, in welchen die die einzelnen
Platten haltenden EisfflostiGte gesessen haben. Die zuffl'st
gefundenen Stucke gingen in den Besitz der Famese über,
dann in den der Stadt. Läder ist eine Anzahl v^ Stücken
vor der Uebersiedelung aus dem palazzo Farnese in das kapi-
toUniscbe Museum verloren gegangen. Für diese sind wir
auf die in der vatikanischen Bibliothek noch vorhandenen
gleich nach d^r Auffindung vielläeht von Giov. Dosi gefertig-
ten Zei<^nungen angewiesen, welche für die verlorenen Stücke
sämmtlich (?), für die erhaltenen nur noch zürn Theil erhalten
sind. Anf diesen Zeichnungen beruht die erste Publikation
durch Belloriy welche mit unwesenUichen Veränderungen bis auf
die meinige wiederholt worden ist
Die ursprüngliche Natitia urhis regionum XIIIP^) ist unter
>') Was natürHch nicht gleichbedentend ist mit der von Becker
od mir zurilckgewieseiMii Behanptang^ von Urlichs, dass der Plan
o^hftiipt keine OrientiroBi; . hatte, lieber die von Trendelenbiir^ anf
Grand der INissenschen Orieiitiranystheorie behauptete Orieatireng des
Plans nach Osten (Osten oben) s. Forma S, 16. Aber Nissen selbst
zweifelt jetzt in der Jenaer L.-Ztgf. 1875, 756: 'die Möglichkeit wäre
der RTw'igan^ werth ob der Plan am Ende nicht nach dem Solstiz,
d. b. OfiO orieetirt gewesen'. Itä habe aaeh dem a. O. gesagten keinen
Grund zu weiterer EpwägiMig.
^*) Die Ausgaben vor Preller, Die Regionen der Stadt Rom, Jena
1846, unbrauchbar. Die von ihm beseitigte Menge der Vulgat-Hss.
noch einmal bei Urlichs im Codex top. nrbis Romae (vgl. § 3). Im
Ansehluss an Preller: auf Grund neuer Vergleichung der von ihm
benutzten Hss» ßd. 2, 541^. und die versuchte Rekonstruktion des
Originals in m. For^a urbia S. 47 if. Dass In der Kritik des Origi-
nals noch weiter gegangen werden kann, ist Jahresbericht 1875, 752 f,
angedeutet worden. — Zeitbestimmung . im An^ckLoiss an Mommien
Abh. d. S, G. 2, 601 ff.: Bd. 2, 3 ff. Form« a. 0., ebepd. und Bd. 2,
299 ff.; zur Geschichte des Texte»: im 15. Jahrhundert tritt der nijassii;
48 RINLEITÜNG.
der Regierung Constantins vor 334 (vielleicbt schon vor 315)
yerfasst, wie das Fehlen des in jenem Jahre dedicirten equu»
CanstafUim (yielieicht das Fehlen des m diesem dedicirten
Triamphbogens) beweist und liegt uns in zwei Redaktionen
vor, von denen die ältere durch die Loslösung toh dem
grösseren Ganzen den ihr zukommenden Titel Notitia einge-
büsst, die jüngere ihn gegen die halbbafrbarische yon dem
Schreiber des Archetypus herröhrende Cuiiomm urhis regio-
num XIIII vertauscht hat. Jene ist vor, diese nach 357 —
in welchem der in jener fehlende in dieser erwähnte 6te Obeliric
errichtet' wurde , publicirt — letztere jedesfiills vor 450, wie
das Fehlen des pons Theüäom et VäUntmiani beweist (Th. I
§ 7), vielleicht vor 403, wie das Fehlen d^ in dem Einsiedler
Itinerar erhaltenen Beschreibung der Thore der honorianischen
Mauer sehr wahrscheinlich macht. Die jüngere Ausgabe giebt,
abgesehen von der obenein noch durch den Schreiber des
Archetypus verschlimmerten Vulgärspradie, das Original reiner
wieder als die ältere. Diese ist ein glossirtes Exemplar des
Originals und die Einreihung der Glossen in den Text hat,
wie sich noch diplomatisch sicher nachweisen lässt, Verwir-
rung in die Reihenfolge des ursprünglich in zwei Columnen
geschriebenen Textes gebracht. Einige Schreibfehler dieses
Originaltextes haben sich in beide Ausgaben fortgepflanzt und
fordern zu besonders skeptischer Behandlung beider Texte
auf. — Es giebt eine aus beiden Ausgaben contaminirte Re-
cension; der Text der Notitia ist im ganzen Mittelalter stark
gelesen, seit dem 15. Jahrhundert massig, durch Poavinius
stark interpolirt worden. Die unter den falschen Namen
Victor und Rufus verbreiteten interpolirten Texte haben als
ittterpolirte Text als Fietor aaf, man weiss nicht weshalb (Bd. 2, 302),
yielieicht unter Mitwirknng des Pomponins Laetns; Stoff zur Inter-
polation gaben die um dieselbe Zeit bekannt gewordenen Namen der
vici auf der eapitolinisehen Basis. Zur Ueberlieferung dieses 'Victor':
das. 305 ff. Unkritischer Wiederabdruck bei Urlicfas a. O. lieber dea
von Panvinius gefälschten Searttts Rvfua s. § 3.
§ 2.] DIE ÜBE»UEFB&UNG. 49
echf gegoltaa, bi». diesei durch Preüers dipiomiUifldbe Aus-
gabe wieder in ihr Recht «iiigesetzt worden siad.
Während der erste Tbeii , die Grenzbeachreibung der
Regionen, für das grosse Publikum voe untergeordnetem In*
teresse sein musste, war der aweite Thei) mit seiner massen-
weise Toflgenommenen Aufzählung der öffentlichen Orte und
Denkmäler ein für den Fremden brauchbares Handbuch. Als
solches sdhetat es denn auch losgeUkst von dem ersten Theil
and Tielfach termehrt benutzt worden zu sein : es lag wahr-
seheiniicb als gesonderter Fährer dnrch Rom schon dem
Qlympioder (scbrieb: na^h 425)» dem Polemius Sil?ius (448)
und Zacharias (546) vor und wird mit s^nem .Verzeichniss
der Stadtthore die Grundlage der ältesten christlichen Pilger-
fC^er gd)ild«t haben ^^). Ohne Zweifel hat einem solchen
Fremdenführer von jeher ein Orientirungsplan beigel^en,
aber wir können, was bei der Geringfügigkeit solcher Pro-
duktionen begreiflich ist, kein. Zeugniss darüber beibringend^).
U) Olympiodor Ui Phot. jSd, 27 s. Bd. 2, 173. — Des Polemias
Silvins enarraüo JaMeta/^tmi urbis «os dem Aohaag des Curiosum mit
einem selbst'aiidifieii Zusatx (Bd. 2, 176) gedruckt voo Mommsen Abh.
4. Sachs. 6. d. W. 3, 269 ff. vrgL 8, 694 ff. : «, ßd. 2, 147 ff. —
Zftckarias, syrisehe UebersetxaDg seiner Kireheogesclilchte: s. Bd. 2,
149 ff. Dft^u gehSrt dann die fiesehreibuog der hoBoriaoischea Mauer
im A00&. Eins, worüber Tb. I § B. — Hie Zusätze zu den Breviarien
^r Naftitia zusammeogeatellt Bd. 2,. 575 ff. Zu bfripbtigeu ist zu
Zacharias d. iO (Bd. 2» 15B) pUtor^ qui apenmtur et vendunt dass wie
waaderude Sohlächter a« auch wauderade Kueheubäcker vorkomme d
(Marqoardt Haudh. 5, 2, 29)w
^) Die Existenz voo DAralelluagea der Stadt in jeaer Uberail —
bfiAei^ptera und Aaayrera wia bei den Griechen, Forma urbis S. 11 f.
§ 9 — iälichen, zwischen Grundriss und Aufriss schwankenden Manier
ist meines Wissenl oieiht beaei^t, wird aber um so eher angenommen
werden dopten, als ähnliche Darsteilungen fremder Länder in Rom
ganz gewöhnlich gewesen zu sein scheinen; ich habe a. 0. yer-
sessen Liviua 41, 28y Sff. anzuführen: tabula m aede MtftrU Matutae
mm iadiee koe poiita e§t ' T. Semproni . . . hone taMam donum Im
dgdit*; Sardima$ insulas forma erast atqiiß in ea simulaera fugnarwn
fiä0. Ans der Zeit des Socialkriegs ist dasBruchstüisk einer wie es scheint
äbaliehen Darstellung (Fresko) neuerdings aufdem Esquilin gefunden worden.
Jordan, rOmisehe Topographie. I. 1. ^
50 filNL^miNO.
Eine sdiwaehe Spur f Ahrt darauf, da«s scholl früher ähnliche
Fremdenhandbucher existirt haben ^0« Gbcafalls kt es mOg.-
Ikh, und fast aus der Existenz von iUusfanrten^ ^Souvenirs ^
des Badeortes Baja zu schliessen, das»' es Illustrationen
gab, welche die ''Wunder' Roms Cur die zahfaneichen Fremden
aller Länder darstellten^®). — Wir erwähnen gleich hier am
seliicklichsten ^ dass bildliche Darstellungen roaiscber
Gd:Niude, wie die Aiünztypen und zahlr^cke arbahene Mar-
mörreliefs beweisen, mit grossem Greschidk und rschliger Her-
vorhebung des Qiarakteristischen m Rom zu allen Zeiten ver--
fertigt worden sind. Eine kritische «Bearbeitimg diesto ganzen
Denkmalerklasse fehlt '^^). .
1') Nefamlidi firklärnngen dep 'siebeu Wander Rotai^ wil der Ur-
«Iterthümeir: Bd. 2, 143 fiP.
>"). S. Bd. 2, 144 f., woselbst an ai^dere IllustratiaoeD , wie ao
die varronischen imagines erinnert werden durfte.
*®) Miinzbilder: Auswahl der wichtigeren bd Donaldson Archi-
tectara numismatica London 1859 nnd in €aninas Edifizi (sehr nnza-
verlässig:; falsches nicht ausgeschieden); Brläaterangva xerstreut in
dei* numismatisehen und arohitektoniseh^n Littentnt. Die Gontroverse
betrifft var allem den Grad der GeAauigkeit der DarstelliiBg. Sie isl
meist durch die Grösse des Müozbildes bedingt. Wo diese die Detait-
lirung gestattet, pflegt dieselbe masterhaft trea zu seiDy wie z. B. bei
der Darstellung des cireus maasinmt (Forma urbis S. 17 S,)^ des bums
^eminus (Hermes 4, 236), der aedes dbd lulü (das. -9, 353 f.). Dass,
sei es wegen der Kleinheit, sei es zum Zweck gritsserer Deutlichkeit
des Charakteristischen, vielfach UngenauigkeiteB vorkommen, ist «ft,
z. B. von Fea Le terme Tauriaae S. 26 betont, aber stark übertrieben
worden. Phantasiestücke sind selbstverständlich ausgeschlossen. All«
gemein nnd zum Theil veraltet die fienerknngea von 'Stieglitz Archäol.
der Baukunst 2, 1, 43 ff. — Reliefdarstelluagen häufig, leider «ft
wegen des Mangels an kunstgeschichtlichem Interesse nicbt benditet: über
die des Forums, der Via sacra, des capitoHuisdien Tempels s. die betr.
Abschnitte Th. II. Anderer 'porta Trigemina' Areb. Z. 1S72, T. 6«,
'porta trinmphnlis' Moo. d. inst. 1854, 78; Stück der Trinmphnistrasne
am Titusbogen; Tempel der Venns und Roma Mtua. d. last. 8, 1, d«r
Faustina (? Sarkophag) Dütschke Ant. Bilder in Obmntalien 2, 180, der
Venus und Roma (? Raonl-Roehette Mon. ined. T. VlII, 1 Fea Terme
Tanr. S. 23, Lnbbert Jlfem. dell' inst. 2, 154) ; der Fortuna und Roma
(??) Arch; Z. 1847 T. 4; fiibliotheca Ulpia (?) Sehö'ae und Reaoderf
§ 2.] DIE ÜBERLIEFBRUN6. 51
Die gelehrte Behandlung der Geschichte der städti*
sehen Denkmäler und OertHchkeiten lässt sich fast bis in die
Anfange der Annalistik hinauf verfolgen. Sie beschäftigt sich
früh mit der ErkUrung merkwärdiger Namen voi Gebäuden
und Orten — Cato scheint daran besonderen Antheil zu
haben — und mit der Lokalisirang der erst unlängst in
äiren Details in Rom heimisch gewordenen Ursprungslegende^
Manche der harmlosen und werthlosen Versuche dieser Art
gewinnen im Laufe der Zeit das Ansehen einer Ton Mund
zu Mnnd fortgepflanzten Lokalsage, während doch der Mangel
einer echten Sagenbildung kaum irgend so deutlich hervortritt,
ab in dem Fehlen aller Lokalheroen^ aller den Berg und den
Hmn, die Qnrile und den Fluss als lebendig wirkende Kräfte
veranschaulichenden Gottheiten (vgl. Th. I § 1). Ganz fremd-
artig nimmt sich in dieser' von dem immer bewegten Sagen-
leben Athens so weit verschiedenen Welt die weitüberschätzte
Kakusfabel aus und der erborgte mythische Mantel, mit wel-
chem Properz und Ovid, ja zum Theil schon Fnnius aus
Namen wie Numa und Egeria, Tarpeia und Tatius Lokalliguren
der Sage zu schaffen versucht haben ^ hat allmählich aufge-
Ltterm n. 20. 115; stark restaurirtes R^ef in V. Lndovisi (sebmale
Wand 1. vom Eiogan;); Fragmetit (Stidtthor ?) Mvseo Chiaramonti
B. 469; Prafmeot In J. 1867 voa nir bei Andreoli gesehen (Kaiser
und zwei Begrieiter aaf eioer tensa mit den oapitolinisefaen Gottheiten,
rechts davon ein Mann durch einen Triam{^bogen reitend). — Zn ver-
Sleichen sind die narstennnseo der Trajans- nnd Antoninssäule, die
Rdtefs von CvpnA (Arch. Z. 1868, 96 ff.), das Wandbild von Pompeji
das AmpMtbeater darstellend Gioro. degli scavi n. s. 1869 T. 8 und
das daselbst häralieh gefnndene Relief, welches einen Theil des Forums
von Pompeji darstellt, die Darstellongen des Hafens von Portns u. a*
Aieh hier meist realistische Genauigkeit (bis aaf die Säuleuordaunf,
Sänlenzahl etc., abgesehen von Flüchtigkeiten, wie ein faofsäuliger
Tempel statt eines seehssSuligeu auf einem der Reliefs am Forum u. a);
selten freie €omposition, aber auch diese sehr änsserlich und kenntlich
(s. Via sacra). Fast ausnahmslos bilden diese Darstellungen den Hinter«
grand zu historischen Scenen und müssen dcüshalb den von Heibig
Unters, über die campadische Wandmalerei S. 359 AT. erörterten faisto-
riseh-idjINschen Landsehafts-Darstellungen angereiht werden.
4*
52 BINLBttUNCl
hört, den Schein der Lokalsage aufrecht zu erhalten '^). Was
an wirklich alter sagenhafter Ueberlieferung über die Denk-
mäler der Vorzeit sich erhalten hatte, waren die wenigen
Legenden, welche sich an die Tempelgründungen hefteten*^).
Um so eifriger war die namentlich in der Epoche des Ban*
desgenossenkrieges sich breiter ausdehnende Gelehrsamkeit
^muht, den ganzm Strom der griechischen euhemeristiscben
Fabelbucher nach Rom heräberzuleiten und mit den Göttern und
Festen auch die Ortsnamen und Denkmäler an der Hand eiper ge-
setzlosen Etymologie historisch zu deuten'^). Aus solchen Hän-
^) Wir stehen bei der Beurtheiluog der sogenannteD römischen Lokal-
sage im wesentliehen auf dem Standpunkt Sehweglers und verweiaeo
für das einzelne auf diesen, auf Merkels Prolegomena zu d«D Pastep
und auf die Anmerkungen zu der 3. Ausgabe von Prellers rö'miacber
Mythologie, welcher durchweg nach unserer Auffassung darin irrt, dasa
er die ovidischen Zuthaten von den überlieferten Thatsachen nicht
scheidet. — Schon Cato hat das Asyl auf dem Capitol behandelt wie
die späteren (Origg. 2, 20 m. A.), yi^Heicht auch den Ursprang der
turris MatniUa erzählt (Festus 131 vgl. Or. 2, 24). Vgl» auok m.
Proleg. S. XXXIII. JNicht zu überseheD ist, dass aueh an der Lokaliai-
rung der Ursprungslegende die Priesterschaft ihren wesentlicben An-
theil hat, wofür die aedes RomuU und das palatinische Pomeriom (Th. I
§ 2) sichere Beweise geben. — Auch die bildende Kunst hat aus dem
dürftigen und erklügelten Stoff keine fruchtbaren Motive zu gawiaiMta
vermocht, wie die wenigen Aeliefdarstellnngen rümiacher Lokalgott-
halten (Reifferscheid Mem. dell' inst. 2, 469 ff.) und die aeugefundenen
Bilder der Ursprnngslegende (Bricio Pitture e Sepolori seop: aull' £s-
quilitto R. 1876) schlagend beweisen.
'^) Tempellegenden, nicht zahlreich : Gastor «ad PoUux (Epiphaoia),
Aesoulap auf der Insel (Sehlangenwunder in Rom und Aatiom), Magna
Mater (die Veltalin Navisalvia); Juno Regiaa von Veji (Ueberftthraag
nach demAventio); Fortuna mnliebris (sprechendes Bild), wo auadrnck-
lieh auf die pontificiscken Bücher als Quelle verwiesen wird {ms at
jtav UQOfpdvT0)V niQtixovtti ygcttpalf IHonys. 8. 56, vgl. Bph. eptgr,
1, 234). Die Belege s. Th. II am gekörigen Ort
") Wie die Annalisten kurz vor und in dieser Zeit, vor allen
Piso und Valerius Antias, willkürUch erfindend auch in die Lokalalter-
thümer eingriffen, zeigt das Beispiel der fieus ruminalü (Afommsen,
Festgaben für G. Homeyer B. 1871 S. 100), die «Gesebiebte' der KMga-
hänser n. a. (Th. I § 2). Der sullanischen Zeit gehören die Gelehrten
L. Cornelius Epicadus und L. Maoilius an, deren Methode wir in der
f 2.] DIE CfiBRLIEt^EIIUNG. 53
den empfing denn Varro einen grossen Theil des Stoifes
ZQ seinen auch der Orts- und Denkmälerkunde Roms zuge-
wandten Fersefaungen: aber er verschmähte es wie oben ge-
sagt glücklicherweise nicht, über eine Anzahl von Thatsachen
Erhebungen mit Hilfe archivaliscfaer Quellen anzustellen. Dies
ergiebt sich fdr die fieiligthümer deutlich aus der mit der
Theorie der Priesterschriften eng verbundenen Systematik in
dem hierher gebörigea Abschnitt de locis seiner Antiqmtates
renim dwinarum; för die Analyse des entsprechenden der
humanae fehlt es leider ganz an genugenden Anhaltspunkten.
Aber die Methode seiner Forschung und das benutzte Material
liegt uns einmal in dem unter ganz anderen Gesichtspunkten
grnppirten Abschnitt de locis in seinem späteren Werk de
Ungua latina vor, andererseits in den zahlreichen Fragmenten
der die Kulturgeschichte des römischen Volks behandelnden
Monographie de vita popnli romani, endlich in der mit Verrius
Flaccus (Festus) und Solinus' Quelle anhebenden späteren
Litteratur, welche auch fdr dieses Kapitel .der Antiquitäten
mehr und mehr zu einer blossen Epitomirung des Varro
herabsank ^). Ueberall können und müssen wir auf der einen
Argeerfabel genau verfolgen können (Bd. 2, 264). Ihnen nnd ihresglei*
(4ett darf man daher gewiss den grössten Theil der sogenannten Lokal-
ugen, welche von der Nanendentnng abhängen, tnschreiben, z. B. die
Eponymen des maceUum e^a forum cuppedinü: MamuM MaeeÜu* nnd
Numefüis Aequitius Cuppes, (die Namen erfunden; die Geschichte wahr
Bad ¥on Cato erasählt; s. m. Frg. Samml. S. LIV nnd Hermes 2, 89 f.),
nit den ErklSrnngen nach derselben Schablone Aequimeiktm ab aequata
MaeU domo, Argüetum a leto Argi (vgL die Argei), CafritoHum a capüe
&U ibi vwento und viele andere; anch Felabrum a veUs (oder ve/tendo),
auf weldi«r die thSrichte Geschichte von der ehemaligen Ueberflnthnng
^Niederung zwischen den Bergen beruht.
") Die dnrch Ritschi angeregte Forschung über die varronische
Sehriftotellerei , deren Abschlnss die längst erwartete Fragment-
Mflmliing bringen soll, mnss als bekannt vorausgesetzt werden. Nur
föp die A^ diüinae ist durch Merkel genügend vorgearbeitet, die
schwierigere Aufgabe, die humanae zu constrairen, ist erst neuerdings
Bit Glück in Angriff genommen. Von den beiden Haoptstellen in dem
erhaltenen Werk bildet die eine einen Kommentar zu den oben be-
54 KIWLBITIJNI&.
Seite die werthvoUsten Excerpte aus urkimdlicben QußUeo, auf
der anderen Seite die w^ertblpse ihm bereite . fast fertig über-
lieferte Erklärungsmetbode deutlich unterscheiden: da^ sicbla-^
gendste Beispiel für beides giebt seine BehandJ^ng des Ar-
geerdienstes. — Nicht mehr deutlich ist es, in wieweit neben
Yarro Zeitgenossen wie INepos oder Atticu^s selbsistandige
sprochenen smra Argeormm (abg^dPiiekt.Bd* 2, 59^), die andere (d,
141 ff.) will die aedificia in aJ>8ti^geiider Liaie. (Stadt, Strasae, Hao»)
erörtern. Die auf diesem Faden aufgereihten topographiseheo Namea
werden in freier und von topographischer Ordnung ganz unahbängiger
Weise behandelt, wie ich (Hermes 4, 252 f.) nach Becker (De muris
S. 58 f. Top. S. 260) gezeigt habe. Dass Varro hier Viele» wieder-
holt hatte, was er in jinkiq. kum, L Flll (de hcis} zum Tboil a«s-
fUhrlicher und mit anderen Etymologien erzliihit hatte, lehrt die Ver*
gleichung der Artikel über Cispius (und Oppius?) de 1. L. 5, 50 mit
Festus {septimontium) S. 348 (woselbst das Citat Varro rerum hu-
manarum L VIII) und über mucellum und forum cuppedinis (vgl.
A. 18) de 1. 1. 5, 146 mit Dbnat. zu Ter. Eun. 2, 2, 25 {Varro kutna-*
tkxrum rerum). Indessen ist es jetzt nicht mehr möglich, festtu*
stellen, in welchem Umfange hier die Topographie zur Sprache kam.
— Die für die Kulturgeschichte wichtigen Epochen der Stadt-
geschichte waren in den ßüchern de vita p. R. (frgg. ed. Rettner,
Halle, 1863) behandelt; wie wichtiges Material auch diese ent-
hielten, zeigen die Fragmente (Alter der Tempel, Köaigshäasar,
Forum). Ueher die Benutzung der varronischen Büclfeer bei (h'id . a.
Merkel, Proleg. in fastos. Für Verrius Flaeeus and Festas kann,, wie
schon Müller sah, kein Zweifel sein, dass |e^6r nieht die Büeber de
lingua latina^ sondern die älteren ^ntt^ätates henutzte. Beispielsweise
giebt Festus unter Berufung auf Varro (S. 48) uqd ohne diese S. 125
die ia den Anti({aitäten vorkommende, in de 1, 1. fehlende oder ver-
kürzte Erklärung > on macellutn ,und /orttm cuppeditHsy des CUpmr uad
Oppius (s. A. 22); auch die Erklär uAg von Palatiufn S. 220 ist
nicht aus de 1. 1. 5, 53, sondern aus den Antiquitäten entlehnt: wenn
die übrigen Erklärungen der Namen der Berge bei Festus (S. 19, 44t
254b, 322^, SIG^) mit dea de 1. 1. 5, 41 ff. gegebenen ühereiastiameD,
so beweist dies begreiflicher Weise JNichts gegea die Annahme. Eine
vollständige Beweisführung kann natürlich, hier nicht gegeben werden.
— Ueher Solin vgl. Mommsens Einleitung und Bd. 2, 142. Daas dejp
Katalog der Königshäuser aus Varro entlehnt ist, zeigt die Verglai-
ehung von Soliu § 22. 23 mit Varro de vita p, /?. 1. 1 bei Non. 531
(vgl. Th. 1 § 2).
§ 2.] DIE ÜBfiRLISreBtlNG. 55
Stadien a«f diesem Gdiiete angestellt babeH und was das^
wie es scbeiBt, vielgeldsend Buch deserateo» exempJa, m
dgenen Sammlungen geipotea bat. ^-. Die Urkiindeüf«rsGhuDg
über die römiseke Sitadtgeschiohte aber ist unseres Wissens
mit der fipodke desYaDre oderdes Yerrius Fkccua gesehlos*
seiir und was uns darüber bei d^ späteren gelegentlich be<«
gegnet , habeii wir durchweg ak varroniscb zu betpaehten.
Es yerstdit sich, dass es> bei «der Wiedeiigabe varroniscber
Lebrentüb«r Uenkmäler und Naiaen, welche nicht mehr . vorr
banden waren, sieht ohne die gröbsten Miss Verständnisse. ab^
geht. Die» gilt besonders . von den mit Ausnahme- das Asr
eonius ja allein erhabenen späteren Auslegern der hlassisch^a
Autoren, wekhe'die in äil^en Kommentaren vorgefundenen No-
tizen mit ihrer' eigene Auslegung der vorliegenden Stellen
nnglücklieh ^^nermisehen und so Hehac^tungen 2ti Stande brin^
gen, welche den Werth von Zeugnissen nieht haben '^).
Es ist nicht dieses Orts, die sämmtlichen Sehriftäteller,
bei denen sich, gelegentliche Aeuss er ungen über den
aaigeaiblieklichen/ Zlistadd Roms finden, nach dem mehr oder
wenigei^ ihrer Uiiheilsfähigk^ mi klaseyUkiren; doch mnssen
wir anf ' den nicht selten begangenen Fehler aufmerksam
machen« solche Zeugnisse ,mit jenen über frühere Zustände
auf eine Linae >zu.«fitelleni^ £inem in Rom schreibenden Matm^
der sekie fünf Siniie beisanunien hi^, nicht zu- glaube ^. was
er von redils und links ^ ven vorhandenen oder nieht vor«
handenen Bauten bezeugt, ist iwillkürllch. Fteiilich sind das
selbstverständliche Dinge: aber die Topographie scheint mit
^) So die: servtftiiiadiea Kojmiieatare za Virg^il, kioch anehr die
Seholien dos Porfirioa und die vM ihm «oh weiientlich. aiieh in den
topegrapManliaa JVotiaea ilntienscliciidondeQ «p&teren (sogeiiaontoc Acroo),
vpB detnen da« obea foftagpc« in voUem Umfaiife gilt,, wid sohoa öfter
U' Jien&atf 4> 249 f...uQd Jahi^asberiolit 1S75, 757) hervorgehoben ist^
|tr oieM za r^den von dem CömiaenMtor Cn^qoMnus. ladessen lassen
sich die ßeaMreiiter der Tej»ognl|)hie darüber nicht belehren. £iae
rühmliehe .Ausaahaie ««eht wie überall so aaeh hier De Rossi Abo*
1873, 214 f. ' .
56 ' ESNLEITÜNG; '
einer gewiesen Vorliebe die einfachsten Grundsätze nicht allein
der Auslegung, sondern auch der Logik zu verlengnen^^)«
Zorn Thml zu den gelegentlic^n Erwähnungen, zum
Theil zu den oben bespeachenen Urkunden gehdren die In-
schriften. Sie kommen hier unter dem Gesichtspunkt ihrer
Fundortezur Erörterui^. Nur yerhSltnissmässig wenige
befinden sich noch an ihrem alten Aufstellungsort und geben
somit ohne Umschweif über die Orte und Denkidller, von
denen sie sprechen, Auskunft; manche sind schon im Alter-
thum von ihrem Platz entfernt und anderw^ig benutzt wor-
den, noch mehre seit den Zerstörungen des 7. und 8. Jahr-
hunderts ebenfalls zu baulichen Zwecken» seit dem löten in
die Häuser und Museen der Sammler verschleppt worden.
Ein lehrreiches Beispiel geben die Akten der Arvalbrüder,
von denen sich Stücke bei S. Peter und in den Katakomben
vor porta S. Sebastiano gefunden haben. Indessen muss
man doch die Verschleppung als die Ausnahme betrachten :
in der Regel wird der Fundort des Steins einc^n Sohluss auf
den Standort zulassen und diese Annahme* bewährt sieh durch
die äberwiegende Mei^e der Fälle. So sind denn die Fund -
notizen der Steine, der erhaltenen wie der verlorenen, eine
ungemein wichtige Quelle der Topographie und eine topo-
graphisch geordnete Sammlung der stadtrömischen Inschriften,
deren Provenienzen bekannt sind , wie sie vom 7. bis zum
16. Jahrhundert mit der Stadtbeschreibung veri)unden ge*
wesen ist, wird nach Vollendung der Sammlung aller im Cor-
*^) Es verdient erwähnt zu werden, dass zu dem Satze 'jetzt ist
hier die novo via^ der gerade Gegensatz nach topographischer Logik
nicht lautet 'früher war sie hier nicht', sondern 'früher war sie wo
anders' (so Rosa), und dass mit Hilfe dieses Syllogismoa bewieaen
worden ist, dass das comitium verlegt worden sei (Jahresbier. 1875^
747). Selbst Lanciani kommt über diesen Stein deaAnstosses nieht hin-
weg: prata Quineüa übi nunc navalia sunt soll beweisen, dass diese
navaUa erst seit kurzem bestandein im Gegensatz zu den Siteren am
Aventia (Annali 1871, 85). Dass die unbedeutenden W6rtchen ante,
postf sub u. s. w. selbst bei späten Scholiaisten etwas zu bedeuten
haben, scheint nicht allgemein anerkannt zu werden.
§ 2 ] DIB OfifiRLlBPERUiNG. 57
pus inscriptionum latinaruin dringendes Beduifn»« sein^*).
Besonders wichtig sind die Ziegelstempe], welche in Rom
erst mit der Kaiserzeit beginnen. Sowohl die durdi die An-
gäbe des Gonsulats datirten (nur aus- der kurzen Periode von
110 — 161 n. G. bekannt) wie diejenigen, deren Zeit mehr
oder weniger genau durch die auf denselben genannten Kaiser,
Aägehörige der kaiserlichen FamiHe oder Priyatpersonen
(der Eigenthömer, Pachter oder Direktoren der Ziegeleien)
bestimmt werden kann, gehen für die Zeit der Erbauung
(oder Ausbesserung) der Gebäude wenigstens dfie Grenze, 'T«»*
der dieselben nicht entstanden sein können: itt wie weit es
erlaubt ist, aus den Stempeln auch die Grenze, nach welcher
die betreffenden Ziegel nicht verbaut sein können, musß erst
die ToUständige Sammlung^ derselben lehren ^^).
*>) De Rossi AoBali 1858, 54 ff. Nkitürlich kommt es auf die jedes*
maligeir Umstände der Auffindmig aü. Gaaze Stadtgegendeo, wie das
Forum und Um^ebon|p sind in yerschiedenen Zeiten zum Ablagern voa
Schutt benutzt worden: hier kommt es also darauf an, zu wissen, oh
ein Stein unmittelbar auf dem alten Niveau oder über demselben in
der oft bis zu 10* M. hohen Sehuttmasse gefunden ist; vgl. Laodani
Bull. man. 4, 49 und meine Sylloge inseriptionum fori romani (Eph.
epigr. 1877). Für zahlreiche Inschriften lasst sich die Wanderung von
dem Fundort bis ins Museum durch verschiedene Stadion aus den Pro-
renienzDOtizen des 15. und 16. Jahrhunderts verfolgen. — lieber die
Fälschung der Fundnotizen durch Ligorius' s. } 3.
^) Allgemeine Uebersieht bei Marquardt, Privatalterth. 1, 166 f.,
2, 256 ff., woselbst die Arbeiten Berghesi's u. a. über die oben er*
wähnten Hauptsätze unvollständig verzeichnet sind. Aelter« Haupt-
Sammlungen: Fabretti lascr. ant., Marini iscr. doliari im cod. Vat 1271
vielfach benatzt von Preller, Regidnea, u. a. Die Provenienzen in äl-
terer Zeit leider- wenig beachtet. Massenhafter Zuwachs der neueren
Ausgrabungen: Schriften des Instituts, Bulletino municipale^ (späteste
Zeit s. A. 36). Eine Durchsicht der Papiere de« CiL im J. 1867 hat
wenig wichtiges ergehen. — Keine republikanischen Stempel aus
Rom $ i A. 26. ~- Vermuthlifdi hat Marini mit der Behauptung
(bei Preller, Regionen, S. 212) *che col solo ajuto delle iscrizioni do-'
liari mai si fissa l'epoca di un' edifizio ' die oben berührte Frage über
die Zeitgrenze abwärts im Auge gehabt, welche nicht endgiltig gelöst
werden kann, ehe die Sammlung der Ziejirelstempe] im CIL erschienen
•ein wird. Für die mit der Consuiatsmarke versehenen Ziegel nimmt
58 EINIiBlTüMft-
Aus^erM«^^ deruI>rigeAlnachi'tftei), welche >mcbLt wegien
ihres Fundorte, sondern wegen ihres Inhalts für die Topo-«
graphie Yon Wichtigkeit sind, begnüge ich mich«, na9h foK
gende besonderai hervorzuheben: den Bs^utenkatalog in dem
hidex rerum gestarum des Augustus (oben), die iVam^ der vici
auf der £hrenbasis des Hadrian (Bd. 2, 29:1 ff. 585 f.) , die
Grabschriften der Gescbäftsteufe, welche mit d^ Angabe ihres
Gescbalta die Lage ihres . Geschäftslokals ve^bipden^^), die
m^kwördigea mit dem, Namen der W^nnng.des Hejrrn be-
sefariebenen Sklavenmarkea^^), eadlich die aucU für die Topo-
graphie s0 ausgiebigen Akten der Arval^n^^).
man allgemein 'di6 Verwendung in dem angegebenen Jahre an (verg*!.
z. B. Laneiani Ball, deir in^t. 1870, 46 f. Aün. 1868; 174 ff.) ^
Uebrigens kann auch 'die BescdiaffeBheil der Bauwerke zur UeutUDg der
Stempel beitragen. Ein Beispiel giebt die Controverse über die Basi-
licä des Constantin (Ziegel mit OFFSBFDOM» schwcrrlicli T^OHitütnae),
hei welcher zum er&teH Mal die Wichtigkeit .der letzteren für die To*
pographie ins rechte Licht gerückt werden i$t vgL Xh. 11 und £pb«
epig. 1877.
^^) Nicht die Banquierä allein (Marqnardt Staatsverwaltung 1, 64),
soDdern die Gescfaäftsleate überhaupt und nur diese (Memorie delV inst.
2, 239) nennen auf ihren Grabsteinen die Stadtgegend ihres Geschäft^ (nicht
die augustisehe Region, vgl. Th, I § 5 und die f. A«) — was besonders
deutlich wird durch die Erwähnung zweier Geschäfte (Heiizea 5080) e
pigmentaHo neg^&tianti EsquüUy isdem ad statumn J^land — hüu^
noch mit Hinznfügung eines nahen DeiikoMUs (n^otiator pentmß ßt vi^
norum de Feiabro a qt$attuQr searü, Henz; 5087). Die gewöhnliche
Verbindung ist die mit a, dßy ad, 'vereinz<^lt sind argentarius maeelli
mofftd. (SehÖne-Benndorf Lat. 245) und qui lm]an^ in ^bvrß [m]aiore ad
Ninfals] (Marini Arv, 347 a, vgl Or. <2^81)^ . AusfiMwUeh Arch. Z. 1871» 67 ff.
'^) Am vollständigsten jetzt bei D& Aos^i Bull.« d^ Areh« cri»t«
1874, 49 if. VgL.aQch Marqaardt Privatalt, 1, 19;^. Beispielweise!
(n. 1 SS Or. 2831): lanuarim dißor, servus sum D^oßtri §s^e€(j^iAris ser
naitis qmi manet iti regione quinta in areaJtoarti.: (zugleich unter de^^
10 bekimntea sämmtlich der Zeit Coastaatin'a d-. Gr. eogeibioyirigen Exr
emplaren .das einzigei, welches die augnstiscbe Qegion ^not) Qd^ (n* ^
= Or. 2832): tene rne ne fugiam et revoca tne in foro TmißHiiin pur*-
puretica ad Patcasium domifmm metim,
'0) In.HeAzenß die . zahlreichen neaei) F^ade ttprfwsendor Bearbei*
tung,. Acta fratrum arvalium, B. 1874=»CIl4 6, 1, 2023 ff«, vgl. des*
aelbei« S^avi nel bosco sacro dei fratelli arvali B* 1868* .
t
§ 2.] DIE ÜBERUE^EBUNG. 59
MU Hilfe dieser ansehnlichen RestQ achr^licher lieber-
liefemng sind wir ioa Stande, ein Bild von dem Zustande
der alten Stadt zu ent werfen, in welchem die vorhandenen
Trümmer ihre richtige Stelle eitalten. Aber es ist häufig
die Frage au^eworfen oder, sogar stillschweigend bejaht wor-
den, ob neben der schriftlichen eine mündliebe U eber-
lief er ung 9ttß. dem Alterthum sich durch die Sturme der
Jahrhunderte hindurcli^erettethabq. Zwar selten begegnet man
in unserem Jahrhundert noch solchen Verirrungen, wie beispiels-
weise — um: gerade zwqi um die Topographie unbestritten
hochverdiente Männer zu nennen — bei Niebuhr und Preller,
von denen jener alles Ernstes glaubte, dass die 'schöne Tar-
peja' im Mun^e der Bewohner des Kapitols noch fortlebe,
ohne die Gelehrigkeit zu beachten, mit weichet* jeder Bettel-
knabe noch heut aus dem Munde der Fremdenführer, die
ihren Guida auswendig wissen, jedes Wort zu gleich nütz-
lichem Gebrauch auffangen: dieser den schon im späteren
Alterthum verschollenen Namen des lupiter Feretrms in einer
nicht einmal richtig überlieferten Legende des 14. Jahrhun-
derts wiederzufinden glaubtf^^): aber scheinbar unverfang^
lieber ist die stillschweigende Voraussetzung, dass. Namen
>>) NieiiQhr in der 2. Ausgabe der K. G, (1827). 1, 2^: 'MädcheA
aas den naheo Hänsera führten uns und erzählten dabei: tief im Berge
sitae die sebb'ne Taryeja mit Gold oad^Ge^clmieide bedeckt, verzaubert;
wer zu ihr va J^Mguueo s«qhe, finde deii Weg ninuDer, ein eiqzigesmal
habe der ßrüder der einen sie. gesehen. Die BewQhner dieser Gegend
sind Schmiede vnd Bauerwirthe ol^ne einigen, Anflug von jener schein-
bar lebf^nden Kenntpiss desAUerthums, die aus den trübsten Quellen
trivialer Bücher sua andere Klassen kommt. Durch wahre mündliciie
(Jeberliefernng ist Tarpc|)a seit drittehalbtansend Jahren in dem Munde
des Volks'. Man lese, wie z. B. Dureau ^t la Malle (1819) in jener
Gegend die Häuser durchsucht hat, um den tarpcjischen Felsen zu fin-
den (Mem. de Tac. v. d. J.): dass es bei solchem Suchen nicht ohne
Erzählen abgeht, wird jeder, in Rem erfahren, gar nicht zu gedenken,
dass die Ciceroni mit ihiiem Vasi i^ der Hand damals wie heut thätig
waren. In unsero mittelalterlichen Qaellen ist keine Sjrar der Sage
vorhanden, und doch knüpfen dieselben an die Höhlen unter dem
Kapitel an. — Ueber Prellers 'Juppitei: Feretrius' s. Bd. 2, 498.
60 filNLElTÖNG.
von Strassen und Gebäuden sich im Volke erhalten und man-
cherlei Nachricht über dieselben sich bis zu uns fortgepflanzt
haben können ''). Nach unserer Auffassung beschränkt sich
diese ganze Tradition ausschliesslich auf das, was die Kirche
und* die Kirchen in ihren Namen und Urkunden aus der
letzten Epoche des Alterthums gerettet haben: nicht eine
einzige hiervon unabhängige echte Ueberlieferung ist mir in
mittelalterlichen Quellen oder gar in der heutigen Volkssage
begegnet und was einer solchen ähnlich sieht, ist immer
zurückzuführen auf litterarische Versuche mittelalterlicher
Schriftsteller, welche mit Hilfe von einem halben Dutzend
alter Schriften selten mit Glück, immer mit Phantasie sich
in den Ruinen zurecht zu finden versuchen» Ist dies seit
dem Erscheinen der Mirabilia, d. h. seit dem 12ten Jahr-
hundert mit diplomatischer Genauigkeit zu beweisen, so ist
es für die an Beweismitteln arme ältere Zeit wünschenswerth,
zuerst den Gang der Zerstörungsgeschichte Roms zu
überWicken **).
Die Zerstörung öffentlicher Denkmäler und die Wieder-
herstellung zerstörter mögen sich im Alterthum vom Eingang
des 3. bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts noch die Wage ge-
halten haben. Die Zerstörung zum Behuf der neuen Ver-
wendung des Materials reicht**) bis zu jener Epoche hinauf,
'^) Sie ist so allgemein verbreitet, dass es keiner Belege bedarf.
**) Ueber die fUr das Mittelalter benutzten Hilfsmittel ist schon
Bd. 2 Vorr. gesproeben. Kenner haben mir ausser den von mir be-
natzten keine irgendwie erheblichen mittelalterlichen Quellen, welche
für die hier erörterten Fragen in Betracht kamen, nachweisen kSn*
neu, was ich wegen manches allgemein gehaltenen Tadels hervor-
hebe. — Ueber die Mirabilia s. § 3. — Es muss hier noch besonders
auf die tief einschneidenden Untersuchungen des ersten Kenners des
christlichen Roms, De Rossi (vgl. § 3), sowie auf die gelehrten Auf-
sStze von C. Corvisieri (im Buonarotti: eine grössere Publikation steht
in Aussieht) hingewiesen werden. Unbrauchbar sind auch auf diesem
Gebiet die Arbeiten F. Gori's, wenig nützlich die O. Pellegrini's, von
dem eine neue Bearbeitung des Nibby erwartet wird.
*^) Von den in allen Zeiten vorgekommenen Zerstörungen dureh
Naturereignisse, Ueberschwemmungen, Erdbeben (über beide Th. I § 1)
{ 2.] DIE ÜBERLIEFERUNG. 61
hielt sieb ab^ ia engen Cremen. Die ersten christlichen
Kaiser haben zwar dem heidnischen Kultus die Geldmittd
entzogen und die Tempel geschlossen, nicht aber diese und
die Kjaltusbilder zerstört. Im Gegentheil haben wir urkund-
liche Beweise für die Sorge ^ wdche sie im 4. und 5. Jahr-
hundert den Tempdb wie allen öffentlichen Gebäuden zu*
wendeten: Brandschaden und Zer$torungen durch Feindes
Hand werden noch regelmassig durch Restaurationsbauten
ausgeglichen, das Forum und die öffentlichen Geb&ude durch
Anfstellung von Statuten geschmückt, Neubauten ausgeführt
und die Grabstätten früherer Jahrhunderte geschützt ^^). Für
die Zeit des Theoderich (seit 500 in Born) und Athalarich
(526 — 534)^^) beweisen neben den Berichten Cagsiodors . die
und Brände sehen wir hier ab. Für das Abbrechen alter Gebäude seit
der bezeichneten Epoche geben das Septizonium und der Constantins-
bog^en sichere Belege (oben S. 21. Bd. 2, 10).
») lieber die christliche« Kaiser De Rossi Ann. 1858, 69 f. Bull,
erist. 1866, 5d* 1868, 69. Basen wiederhergestellter oder zum Schmuck
von 6t;bäuden durch die $tadtprä£ekten seit 3:31 aufgestellter Statuen:
CIL 6, 1651—1672 (vgl. Forum, Basilica Julia). Herstellungen nach
einer barbarica inoursio (der von 455 ?) CIL n. 1663 ; der Stadtpräfekt
d. J. 483 (?) simitlarum Mmerbae abolendo incendio tumuÜus civUis igni
keto eadente eonfradum. . . . p^ heaUtudine tempori$ rettüuU das. 1664;
Herstallung der ConstaDÜnsthermen parvo sumptu o. 1750. — Neu-
bauten: FL Eurydes Epiiynehmw v. c. prattf, urbi (450) condiior huius
fori n. 1662 in mehren Exemplaren (s. die Additi). Grabstätten ge-
schont: Th. I § 6.
**) The ode rieh, Berichte über Wiederherstellnogen bei Cassiodor
Var. 2, 34 {vm'versa pecuma quae fuemt fabricü deputata Romanis * . .
Herum Momams ffioembus 4ippUcäur)y 3, 30 (Kloaken), 7, 6 vgl. 3, $3
(Wasserleitnngea), 4, 51 (Theater); über Theodahat ders. 10,30; 12,
19. Ziegfastempal: Theoderwu rem, Fabretti Inscr. 521, 337 Fea Terme
Taoriaae S. «30 (auch auf dem Palatin: Lanciani Goida S. 92); regnante
d, «. Theoderieo ConHatäiw v. e. p, «. dic(avit) auf einer Säule in S. Maria
Mavicell« CIL 6, 1665, Wiederherstellung einer Statue(?) [rege] Theo-
äerieo , , * in tgtr^a Littertatis qtuw veUn [Uäe . . . (das übrige unsicher)
aL6, 1794, vgl. m. Forma urbi« S. 31 f. ~ Athalarich: Cassiod. 9, 16;
Ziegelstempel -r i^* d. n, Mhal{ancus) . . | Felix Roma De Rossi Bull,
erist. 1871, 78 f. (ungenau Gori Buonarotti 1S72, 133) nach dem Vorbilde
der FeUdtof eaeevli des Constantio (De Bossi Bull.^mun. 1, 123 ff.).
6^ iSfiVLEItUNO.
Ziegelstempel eiiie rege Bauthätigkeit. V^n den ^rei viel-
besprochenen Plund^uQgen Roms hat die erste duroh Alarick
(410) Oberhaupt geringen, die zweite durch Geift^rioh (455)
grossen Schaden nur an den gi'ossen Metalikunstwerken^^)
angerichtet, erst die dritte durch Totiias (546) kann, wie wk
gfeich sehen werden, als d^ Anfang der Zerstörung Roms
betrachtet werden. Und doch hat auch Tctilas den nach-
folgenden Räubern viele werthvolle Beute gelassen. Noch
Constans H. (641 — 668) fand die vergoldeten Rosse ^ auf dem
Triumphbogen des grossen Circus, vergoldete Ziegel auf dem
capitolinischen Tempel und dem Pantheon (?)'*). Erst im
8. und 9. Jahrhundert wird der letzte Rest dieser Denkmälm*
verschwunden sein bis auf den Marc Aurel, welchen sein
falscher Name, und wenige andere Bildwerke, welche ein
glücklicher Zufall vor der Entführung oder Vernichtung be-
wahrt hat^*).
<^) Ueber Alarieh De Rössi BuU. citis«. 1865, 5 ff. U6ber Getserich
tt. a. Cassiodor 2. d. J.: per Ginsertcum ümnibu* opänis vaeuata est Roma^
») Fea zu Winckelmana 2, 419 ff. «. Bd. 2, S72 n. 5. V^l. den
Abschnitt über das Kapitel.
'*) Daten für die Geschichte der Gold- ood Bronzedenknliler : die
jüngere Ausgabe der Notitia (vor 450, vielleicht vor 403) er\('ähiit
dei aurei und den Soonenkoloss als vorhanden, das Brevitrdes Zaclui*
rias (geschrieben nach der Verwüstang von 546) ausser diesen 37Ctt
aenea simulacra regum et dueuni^ jedesfrtls ans einem vor 546 geachrie*
benen vollständigerem Curiosnm (Bd. 2, 47. 150). Die Mirabiliea be*
weisen nicht allein, dass im 12. Jahrhundert keine £rzbilder ansaer
dem Marc Aurel (Bd; 2, 370 f.) vx>rfaaBdeD waren, sondern auch dass zu
den Wundern Roms, deren frühmittelalterliche VerMldmisse der Ver»
fasser aufnahm, wie Septem areus, ptUatia u. s. w., die Brcbilder «ieht
gehörten. Ausser dem Marc Aurel erwähnen mittelalterliehe Qeellen,
soviel mir bekannt, nur die irriger Weise dem Senneakoless zugeschrie-
benen Stücke einer Kolossalstatue (Kopf und Hand), welche im 13. Jahrb.
vor dem Lateran standen, (jetzt im Hof des Conservatorenpalastea (Bd. 2,
372. 510 f.), daher wohl die 'Sammlang von Bronze im Lateran*, Braun
Mus. 119. 143* — Gerettet ausserdem (abgesehen von kleinen Bron-
zen): der Hercules im Yatican aus dem Pompejestheater (durch Umstwrt
verletzt, aber sorgfaltig vermauert gefunden G. L. V(isconti) Mnsei V««
ticaoi 1870, Piocl. n. 544 vgl. Bull. 1864, 227 Ann. 1868, 196), der an-
dere im Kapitel (vom T. des Hercules Victor?), die Wölfin, der Dor«-
$ 2] DIE ÜBERLIEFERtlNG. 68
Doch die Statuen rind nicht die Stadt; Ue Zerftiöniiig
der Stadt darf nwin datiren von der Vepwäslung durch
Totilas 546, nicht wegen des Umfangs der damals erfolgten
Niederbrennung, der Einstflrte und der Zertrömmernng vielen
Sehmucks, sondern wegen der Verödung, Verarmung und
Vernichtung der Civilisation , die im Gefolge dieser Schreck^
Bisse sich einfanden *^). Forttfn hört der Wiederaafbüu des
Zerstörten auf und der allmaUiebe natürliche Verfall der
nidit mehr in Stand enthaltenen Gebäude wächst schnell £s
stimmt zu dieser Thatsaehe sehr gut, dass die Verwaiidlung
von Tempeln, auch hie und da eines prächtigen Proltsbaus,
in christUche Kirchen, sich nicht viel über die Mitte des
6. Jahrhunderts hinauf verfolgen lässt. Wenn die Neueren
aber mit der Annähmet dass jede leidlich aite KiiK^be ur-
sprdTigUch ein Tempel gewesen sei, sehr freigebig sind , und
für bestimmte heidnische Gottheiten bestimmte Heilige als
Nachfolger annehmen, so muss gegen diese, bei dem Mangel
einer kritischen Geschichte der Kirchen (unten) noch sehr
sdilecht begründete Methode gerade für die früheste Zeit
Einspruch erhoben und darauf aufmerksam gemacht werden,
dass in dieser vielmehr eine Anzahl christlicher Kultusstatten
(besonders die Tüuli) aus Privathäuserri hervorgingen; wo-
durch «ich aujch erklärt, dass uns als Beinamen der Kirchen
eine Reihe aller Strassennamen , aber so gat.wie keine auf
die ehemalige heidnisch^ Verehrung (wie super Mmervam)
hinweisende erhalten sind. Um dieselbe Zeit wird die Hin-
wegnahm^ der werthvoUen Säulen und marmornen Wandbe-
kleidungen aus den verlassenen Pracht- und Palfistbs^uten,
•nsziehtP, der 'CaimnaB', Broozri^pfe des ' Brutus* im Kapitel, des
Aagastvs ih der vatik. Bibliothek, die Trütnmer vot Thierfig^ien aus
Trastibyer*; der Hol#ssalkopf im Kapilol-; in den.weitläafi^euliiui-
Ben der esqiiiliuis€ke<A Gärten ist niclit eia eioziges
grosses Bronzeweb^L gefnn^lea, von kleineren eine .geringe ZM
(Bdll. warn. 3, 34. 252« 4, 822).
^) De Boss! lasor. tht. %,. 516 f., weioher hervorkebt, .weleJies
Licht tnf die schwindende Knltnr das AvfhUren der ehristlichen Grab-
Schriften seit 546 wirft, üeber Zacbarias Klage. Bd«. 2, 149.
64 £lNL£lTt}N6.
der BniDne&aierratbe — wie Maskea , . Schalen und Figure
— und sovielen anderen iuarmornea Straßsenschmacks, d<
Sarkophage und Grabreli^, zum Behuf der Erbauung un
Ausstattung der zahireicben n^eu entstehenden Kirchen. häufig«
geworden sei ^^) ; aber auch die am Boden liegenden Trürnm«
^on Marmordenkmälern, welche die weiten Parkanlagen d«
Salluste und Licinier, der Lamia und PaUas geziert hattei
mussten das Mat^ial zu Haus- und Kirch^bauten her
geben ^^). Es ist zu verwundern, da/is unter ^tn tausendoi
verstümmelter Harmorwerke^ welche die Museen füllen, docl
eins oder das andere durch Zufall oder eine inmitten diese
Barbarei seltene Fürsorge fast unversehrt auf uns gekomm^
^1) lieber die Verwaidhug dar Tempel in Kirchen Maraa^oa
Delle cote gentileecfae e profape trasportate ad uso delle ehiese (A
1744) S. 2S6ff. Texter et PuUao L'arohiteetnre Byzantiue (Und. 1864;;
S. 79 ff. und De Rossi im Ball, crist. Die ältesten mir bekannten
sicher datirten UinwaDdlnngen ^ind: btuüica lunü Basti, gebaat 31?
(steht iti irgendwelchem Zusammenhang mit deikt Kalt der Plairier)'dett
h. Andreas dedicirt unter Simplieiua 4i66 — 483 (s. die klassiaehe Ar^
heit von De Aoaai BoU. erist. 1871, Iff. 410; onbekaantes Gebäad«
(Tempel?) d. dem H. Clemens unter Hormisda £»14 — 523 (ders. Bull, crist
1870, 129 ff.), Rotunde des Divus Romulus d. den HH. Cosmas und
Damianus unter Felix IV 526—530 (ders. a. 0. 1867, 61 ff.); das Pan-
theon der Maria im J. 608 (Bd. 2, 366), denen sich wahr sehe toiieh manche
andere, wie S. Maria sopra Minerva (ältor ala 7^), S. IVicoIa in Car-
cere anreihen lassen werden. Für die bei weitem meisten angeblieh
alten Kirchen ateht entweder die Epoche nicht fest (z. B. die Kirchen
in den beiden erhaltenen Tempeln am Tiber) oder es ist unsicher ob
sie in Tempeln geweiht sind (S. Maria Liberatrice, S. Teodoro,
S. Adriano, S. Martina; sicher kein Tempel S. Stefano rotondo). -*
Ohne genügenden Beweis werden viele Kirchen für Tempel erklärt:
neuerdings von Nissea Rh. M. 28, 548. 29, 407 die Kirche S. Priaea für
den Tempel der Diana (vgl. die Ibissen wie es achaint niofaft bekannte
Untersuchung von De Rossi über den titidus nsd die Ihtmu AfpnJUu
et Priscae im Bull, erist. 1867, 44ff. 186Sy d5f. und dens. über die
Entstehung der tätdi avs Privathävaern das. 1S63, 27 f.). <— Ueber die
Beraubung der antiken Bauten ein reiches Material bei Marangoni 301 ff.
343 ff. und Corsi delle pietre antiche, was freilieh nach den neueren Ent*
deckungen erheblich zu vermehren wäret
^') S. Lanclani im Bull, mnnie. 3, 78 f.
{ 2] DIE ÜBERLIfiFBEUNG. 65
und dass der T^lligen Zerstörung, welche^ wie Wir jetzt
issen, schon im 9. Jahrhundert das Foram seines Marmor-
i^des beraubt hatte, ein einziges. Werk, die kürzlich ent-
ckten mit Reliefs ausd^ Zeit Trajans bedeekten Marmor-^
nken haben entgehen können ^^). Datu kam denn (seit
em 8. Jahrhundert?) das Radikalmittel der KalkbrennereL
ttf dem JttarmoFfossboden der wohl;. kaum ein Jahrhundert
her noch, benutzten Basilica Julia , und dem Pflaster vor
lern noch stehenden Faustinentempel haben sieh idie Kalk->
ben mit den Resten der von nah und fern herbeige-
leppten Statuen und Grabdenkmaler vorgeCanden, und der
ame Caikarmm, welchen seit dem. frühen Mittebltei* beispie]&*
weise eine ganze Gegend des an Marmortfümmern überreidr^oi
üaisfeldes trägt, giebt Ton der ßegelmassigkeit nnd Aiisdeh-
DUDg dieser Yernichtungsweise eine annähernde Vorstellung^*).
£ine andere Art der Zerstörung endliefa, welche wir bisher
noch nnyollkommen kennen, hat ausser dem Marmor auch
den Traveütin betroffen. . Die römische Curie hat ndbmlich
&ach«eislich seit dem> Anfang des 15. Jahrhunderts, wahr**
Kheiniich schon früher, alte. Gebäude oder Terrains, welche
Trümmer zu bergen, schienen, als Steinbruche verpachtet
oder selbst ausbetiten lassen.. Auf diese Weise ist bis in die
Zeit Sixtus V. (s. unten) eine grosse Masse Yon antikem
Baumaterial beseitigt, sind Paläste und Kirchen aus demselben
aufgeführt worden. Schon jet2t lässt sich erkennen, daSS
. ■ ',
^) Die eapiftaliusdie Venils vermaveii; gefunden • (io der Sabara),
ahnlkh wie der kroezeae Hercales A. 39. — Für die Marmorsohreoken des
Pornms- ist dieser auffallende Hoistand (über den Zustand des Forams
I. Th. li) in dea bisherigen^'S^preeJiaoi^en and aa<A vt>a mir früher über-
Mibea. worden. Sollte der äbei^ denselben stellende, leider ror seiner
Zerstörung nicbt genauer untersuchte 'mittelalterliche Thurn'-- der
Gloekeathurm derRirebe SS. Sergio e Baeche gewesea si^in? S/ jetzt
Bph. ep. 1877.
^ KallEgniben^.Pva zu Wlnokelmänn 3,M7ff. Gregorovius 3,365;
Aaf dem Foram« Lanciani Bq14. d. i. 18T2, 244; 263 f. vgl. Hermes 7, 270;
in circns Flaminins: bezeagt darch den Namen in ctücarioyde catche-
forto. Bd. 2, 439 mitNachtr. JS. XVH; auf <d(^ Esquilia: Lanciani
Bill. man. 2, 215»
Jordan, rOmisolie Topographie. I. 1« 5
66 BINLSITÜNO.
K. B. ein Theä der Gel^udereste de$ Forums diesen in-
dustriellen Unter netimungen zum Opfier gefallen ist;'^^).
Vom 7. bis zum 11. lahrhundert ist diese systetnatisdie
und so zu sage^ friedliche Zerstörung mit langsamem Erf dg
thätig gewesen. Aber auch von* kriegerischen Verwöstungen
wissen wir, welebe diesen Gang stossweise beschleunigt haben.
Nur in diesem Sinne dürfen die Fehden des it. Jahrhunderts
und die Niederbrennung eines Thmls der noch stehenden
alten Denkmiäler durch den Normannen Robert: Guiskard
(1084) als epochemachend genannt werden ^^).
Diese Zeratörungen haben Schut(anhftufungen und da^^
durch verhältidiSMnässig geringe T^rainveränderungen nach
sich gezogen (Th. 1 § 1), fast unberührt dagegen blieben
die Richtungen der grossen Hanp^strassen; Umgestidtungen
auch in dieser Reziehung veranlassten' erst: aihndhlich und
theilweise die seit dem 13. und 14. Jahrhundert begonnenen
Aufräumungen und Neubauten,, z. R. auf dem Kapitoi^^),
durchgreifend aber, wenigstens für einen ganzen Stadttheil,
die Monti, dieRauthätigkeit des, wie schon bemerkt, letzten
Zerstörers der alten Denkmäler,' Sixtus Y. • Hätten Zeit und
Geld ausgereicht, wir würden beut ron den kaum ein Dutzend
ausmachenden grösseren Ruinen auch nicht eine mehr be-
^) Die aü^ivaliselioo Qoellea tia^ bialier iipr mgeniif fad «osge«*
beutet. Eu^en IV. lä&st 1431 nadi Marmor hu S. A(ifiapo gral^fm (Gre-
gorov. i, 559). [Jeber die Verpaehtutf^ des Forum, des Golosseams, der
Cremend von S. Nieolo in Carcere wichtif« Aussog» aas den Akten der
Curie von 1450>-1$50 bei von Zahn Ball. daU iMt. t867^ 191 ff. MfinlK
Revue arch. 1S76 SeptlTOff. S. m. Syllocre inson fori raaiaBi.(fiph. ep.
1S77). Ueber die Verweadung der Warkatücke des Golossenn sani. Bau
der Paläste ü Veaaaia, Fariieaa, Ca»e«ller.ia seit Paui II: Nihky
fl. a. 2, 418.
:«•) Ueber Bobert Gujiskard Bd» 2, 376. Dev Cireus maximas, da«
Septizoninm, das Colosseum, das Forum (Fabierbogeo) gebeu Beispiele
für die UmwaudluDg antiker Q^hmda iu<.Fe«Ui|igan and deren Zer-
fitöruug durch BrancaleoAe 1257 (6re9»reyia8,.5).i^l$);..<wa8 galegent-
licb schon im 2. Bde. barührt ist. Vgl. Th. IL : .
*7) Für das Forum uad das Kapital sinddiar Einzug iKada V.
und die Bauten Michelangelos von besonderer Wichtigkeit. S. B4 .2,451»
§ 2.| DIE ÜBERLKFERUNG. 67
sitzen uBd wie die Anlage der Strasse Qnattro Fontane ein
neues Profil der Hügel hergestellt und einen Theil der alten
Strassenzuge verwischt bat, so würde es der ganzen alten
Stadt ergangen sein^^. M«n darf dabei freilich nidit ver-
gessen, dass die Zerstörung des Alten einem lebendigen Neuen
die nothwendigen Wege bereiten sollte^®) und kann daher
die mit gleicher Kühnheit und gleichem Erfolg, aber mit
grösserer Schonung und grösserem Nutzen für die Wissen^
Schaft unternommene Vollendung seines Werks seit dem
Jahre 1870 — die Herstellung einer direkten und bequemen
Verbindung des Ausgangspunktes der Eisenbahnen mit dem
Berzen der Stadt durch die Via nazionale, den Anbau des
Esquflin*®) — in der Thsrt ab die Vollendung der Wieder-
■ - - - 1
^) Die BanteUangen der Regleroof^ Sixtns V bis anf v. Hüboer
(Sixte-QuiBt P. 1870) 2, 124ff 405?. enthalten, wie schon Bd. 2, 464
bemerkt worden, noch immer nicht die io viele Fragen der alten
Topographie eingreifende, urkondliche Geschichte der Zerstörung alter
DenkmKler. Wieviel aus einer nao zu hoffenden systematischea Aus*
natzua^ der Akten gewonnen werden wird, habe ich gelernt bei eiier
flüchtigen mir durch die Zuvorkommenheit, des Hr. C. Corvisieri ge-
statteten Durchsicht der Mandati segreti von 1587 ff. (1872 in dem
neuen Arcfalvio governativo auf piazza Migoanelli). Es finden sich
dtrin die detailltrtesten Anweisungen an D. Fontana über vorzu-
nehmende Zerstörungen antiker Moaameute, deren Material nament-
lieh bei den Neubanten in 5^ Maria maggiore und fontaoa Termini
verwendet werden sollte. Glücklicherweise wurden nicht alle diese
Pläne ausgeführt. So schreibt der Papst über den 'Janus quadrifrons'
(Mand. 4. Jan. 1588 f. 41^): cav, Dom, Fontana tiro architetto fara
guasiare larco hoario poeto presola fontana di sangiorgio e potra
99nrim diquei marmi per fmr Ü piedutaUo per la gugUa di tan giq,
leteraao n. s. w. und ein andermal -iAIand. 1587 f. ,36"^) an denselben,
er solle marmo pietre e nmüi dope le irovasti nehmen, besonders
eigne sich ein Grab in der Nähe von S. Paolo: vgl. BulL'mun. 1, 78.
^^) Die Absichten des Papstes bezeichnet am besten der grossartige
Plan das Colosseum in ein Fabrik- und Wobngebäude für die Armen
1« verwandeln, worüber Fontana Di alcune fabbriche fatte in Roma
ed in Napoli, R. 1590, berichtet.
M) Vgl. die Stadtpläne seit 1870 und das Bullettino municipale.
Die weitachichtige BrochnreaUtteratar ist für die alte Topographie ohne
hteressa.
5*
68 EINLEITUIKG.
aufrichtung der Stadt aus' dem Schutt der Zerstörung be-
grussen, wie sie im 12. Jahrbondert der Dichte erhofll hatte:
Roma vetusta fuiy $ed nunc w>i&a Ronui vocabar:
eruta ruderihis culmm ad dUa fero.
Der unklaren Vorstellung nun, als ob durch diese un-
unterbrochene Reihe von Zerstörungen sich eine mOndliche
Ueberlieferung in Namen und Lokalsagen erhalten habe , ist
erst die neueste Forschung wenigstens insoweit entg^en ge-
treten, als sie an der Hand der mittelalterlichen Stadtbe-
schreibungen nachzuweisen versuchte, dass seit dem 14. Jahr-
hundert eine willkärliche und von missverstandenen Zeug*
nissen beeinflusste Erklärungsweise die bis dahin noch zum
grossen Theil an Orten und Strassen haftenden alten Namen
verrückt oder beseitigt habe'^). In der That hat uns auch
die genauere Untersuchung über die Geschichte der um 1150
verfassten Mirabilien gelehrt, dass, was in der um ein Jahr-
hundert jüngeren Ausgabe dieses Buchs an selbständigen Zu-
sätzen und Auslegungen enthalten ist, ohne Ausnahme als
willkürliche und meist irrige Theorie zu betrachten ist und
zum Schaden der Sache bis ins 16. Jahrhundert das Ansehen
authentischer Ueberlieferung behauptet hat (unten § 3). Aber
dieselbe Untersuchung hat uns gelehrt, dass auch in den
echten Mirabihen, wenn man die älteren, zum Theil direkt
von schriftlichen Aufzeichnungen des Alterthums abhängigen
ßestandtheile dieses Buches und die als Dichtung sich selbst
gebende Rekonstruktion der alten Stadt aussondert, eine so
grosse Menge von Irrthümern in dem Material übrig bleibt,
dass man die Epoche des Abreissens der alten Tradition viel
höher hinaufzurücken genöthigt ist. Diese Ansicht, welche
wir auch jetzt noch festhalten, darf hier wenigstens von einer
Seite her noch schärfer begründet werden **).
^') Dies ist De Rossis Ansiclit, besonders in der Sclirift Le prime
raccolte di antiche iscrizioni (s. § 3).
^') Auch dieser Theil meiner Untersiichiin^en über die Mira-
bilien (vgl. auch {3 z. A.) hat bisher eine saehknndige Kritik
nicht erfahren. Der Kern der Sache wird durch die Bemerkung
§ 2.] DIE ÜBBRL1EFERUN6. 69
Dass, wie oben gfesagt worden, die ganze vermeintliche
Volkstradition lediglich eine kirchliche ist, lässt sich, wie
ich glaube, beweisen. Es giebt meines Wissens keinen einzigen
alten Namen einer Strasse, eines Platzes oder einer Stadt-
gegend, der sich anders als durch die Beinamen der ältesten
Kirchen bis ins Mittelalter erhalten hätte und es sind deren
überhaupt nur wenige: Capitolium (S. Mariae in C. Bd. 2, 366),
eaimpus Martius (S. Mariae in c. M.), Suhira (S. Agathae
super Suburam; S. Agathae, S. Andreae, S. Petri Marcellini,
S. Salvatoris, S. Sergii de Subura; S. Martini in capite Su-
burae? Bd. 2, 127 f.), Montts (? S. Martini in montibus), Fe-
lahrum (S. Georgii in V.), Horrea (S. Johannis, S. Jacobi in
Orreis), maceUtm Lmae (S. Viti in macello). Via lata (S.
Mariae, S. MarcelH in v. 1.), via sacra (SS. Cosmae et Da-
miani in clivo yiae sacrae u. a. Bd. 2, 482); tnci und clivi
(vgl. Bd. 2, 587 if.): capitis Africae (S. Agathae in Africo?
Bd. 2, 351), argentarim {clivus: S. Nicolai in clivo argen-
tario), locus Orfei (? S. Luciae, S. Martinae in Orfea Bd. 2,
127), Imgus (S. Yitalis in v. 1.), Pallacinae {balneae: S. Lau-
rentii, S. Andreae in Pallacinis oder Pallacina, S. Marci iuxta
Pallacinis), patricius (S. Potentianae in v. p.), Scauri (clivus:
S. Gregorii in clivo Scauri). Dazu kommen einige Namen,
welche von alten Monumenten — welche ebenfalls Strassen
oder Plätzen Namen gegeben haben können — herstammen:
tkfas {herharius: S. Arcbangeli ad Alapbantum Bd. 2, 447),
Minerva (S. Mariae super Minervam), tria faia (S. Martinae,
S. Hadriani in tribus fatis, Bd. 2, 482), hwus (Jutumae: S.
Silvestri in lacu Bd. 2, 500), mica aurea (S. Johannis und
SS. Cosmae et Damiani in m. a., unten A. 55). Die Grün-
y. GieMbrecbts (Oentsclie Gesch. 1 der letzten Ansg, im Anh.) nicht
einmtl berührt and das * vielleicht' anderer gelegentlicher Beurtbeiler
beweist leider nichts. Ich ninss abwarten ob Kenner der mittelalter-
liehen Litteratar mir methodische Fehler nachweisen werden. £8 ver-
steht sich dass dies nicht ohne Kenntnis des römischen Alterthnms
nSglich ist.
70 BINLEITUNG.
düngen dieser Kirchen gehen sum Tbeil . nachweislich, zum
Theil wahrscheinlich in die Zeit des Uebergangs aus der alte«
zur mittleren Zeit zurück, in welcher die alten Namen noch
in lebendigem Gebrauch waren, und es ist femer zu be-
denken, dass, wo einmal ein alter Name durch eine Kirche
in die Zeit der Barbarei hinubergerettet war« er sieb bei
jüngeren Kirchengrundungen derselben Gegend wiederholte^').
Eine zweite Klasse von aUen Namen ist aus dea
authentischen Martyrerakten in die jüngeren Umarbeitungen
übergegangen und ist in diesen nicht seken irrig gedeutet
worden (Bd. 2, 380 ff.). Dass dies in keiner Weise den
Werth der ursprünglichen Angabe schmälert, ist (a. 0.) mehr-
fach gezeigt worden, und muss hier noch ehimal an eiiiem
wichtigen Beispiel hervorgehoben werden. Es ist durch die
Märtyrerakten so gut wie irgend eine Thatsache aus der spä-
teren Kaiserzeit bezeugt, dass die Vorführung Angeschuldigter
B*) In Erman gelang einer kritiselen Gesekielite der römise^n
Kirchen (Bd. 2 Vorr.) laUasen wir uns sranSchst an iie Vereeiobiuese
aus dem 13. und 14. Jahrhundert, besonders an den Turiner bei
Papencordt (aus ihm bei Urlichs Cod. top. 170 ff.) halten. Unge-
druckt ein anderer des Signorili: s. z. B. De Rossi Bull, crist.
1869, S5. Die gedruckten älteren Urkunden (zu denen auch der Liber
pentificalis zählt) habe idi» soweit sie erreichbar waren, bcimtxt nod
durchgehends die besten Hilfsmittel^ Martinellis Roma ex ethaica aaera
R. 1653) und Zaccagnis Katalog (bei Mai Spicil VIII) yergUche», auch
den uQgedruckten Grimaldis (cod. Vat. 6437, s. Hermes 2, 412 ff.)
eingesehen, die Goidenlitteratur aber und überhaupt die zahllosen
abgeleiteten Quellen ganz hei Seite gelassen. Danach ist das obige
Verzeichniss entworfen, welches hei dem jetaigsn Zsst^nde des Ma-
terials nicht auf Vollständigkeit Anspruch machen kann. Belege für
die mehrfach und in den angeführten Hauptquelleo vorkommenden
Namen habe ich nicht gegeben, um so weniger, als sie an den be-
treffenden ^Stellen Th. II vorkommen. Doch bemerke ich, daas der
Name Montes als alte Bezeichnung, wofür ihn Lanciani (BuU. man.
3, 203) hält, zweifeUiaft ist (Jahreaber. JS76, 1$1), und d«uss der locus
Orphd mit Wahrscheinlichkeit zu dea Name« der vici gereebnet
werden kann: vgl. locus Fundani, compitum Fakriei (vgl, Plaeidos
gl. p. 464 M. 45 D.: FaMd compitum ubi n^unc locus , #. Bueheler
Jahrb. f. Ph. 1872, 567) und christl. Grabsehr. v. 375 de regkme FIIJ
a lacu cunicli Bull, crist. 1871, 75 f.
§ 2.] DIE ÜftBRLIEFSBUJNG. 71
vor de» Stadtpifalekten m Tdlure geschah und muss dahef
schlediterding^ ein Amtdokal der Fräfekten in dieser Gegend
angenommen werden. Späler abet ist der Name von der
Nord- auf die Södseite des: Forums gewandert und mit den
Trammem der nidit mehr genannten Biasilica Julia ideattfi*
cirt wofden^^). Es* kann gieieh hier eriniiert werden, dass
aucb sonst ein soichea Wandem von Namen vorkommt: der
Name des drcus FkttamiuB geht auf das . Stadiwn, spärter auf
das Theater des Marcellna über und verschwindet dann; der
eofossMs iugm am^hitlmatrum der Martyrerahten wird zum ea-
hssm ümphitheatri ioiet c$losaem) unA geht auf das Amphi-
thaateir über (a. Bd. 2, &10); die porta Copena wandert mit dem
RegioaeABamen nadi der nahen Ostieuäs, die Collina nach
der o^en Camdia (Bd. 2, 32a. 339. 383. 580); gewandert
endlich sind die Namen htuäim luhä und Ulpia nach dem
Lateran (Bd. 2, S« XYIl 2it 468) «näi, wie es scheint, der
Name mica aurea vom Caelius nach dem Janiculum ^'^).
Eine dritte Klasse baden die Namen der alten 14 Regio-
n^, welche, w^is sehen Bd. 2^ 315 IT. gezeigt worden ist, sich
bis ins 13^ Jahrhundert erbahen haben, abef abgesehen von
den über das 7. Jahrhundert hinaufreichenden, also dem
Alterüwm gehörigen Zeugnissen sich meines Wissens aus-
ssUiesstiek in den Schriften der Cudrie (Liher pentificalis) und
in UAimdeii des 10. bis 12. Jahrhunderts, welche den Besitz-
stand von Kirchen und Klöstern regeln , vorfinden. Auch
M) JM»2, 881 ilD«l 488 FoFBia uthut p. Q: wenn M ommsea Sta»tfii*.
2, d8(^ tiiQjtstlcidi dieas NschriclitaD al» 'am» saAr tivübeii Qaeileo ga-
Ittiaeii^ h^nMimtf «o ist das aorioblig: eine aadcva Fsa^e ist es, wie
ißB &Udt|wälaGl daaii lian in. Tettute za litzea.
») Die schon Bd. 2 S. XV angeführte Urkunde das Rag. Farf. 470
¥. k 909 hei Gelletti (da« kk IMtr niaht wiader ein&ehea kann) nennt
4aa JUnstor SS» G^nrnae et Dämiam quod oti siktm trmut^erim in
wma mre«r dasaalbei die UrkL hei Ifarioi Pup. 160. 1«3 Cappi Dias.
deir ac. poBt. 15, 217. 225; ebenda seihst Kinche S. hhtmnis in Mica
OKora« (Bd 2, 343). Wohtfr die gangbare Meinong stammt) dass der
Name ans in tf»M mareo eormtepirt sei (MartinelU Raoia aaera 94),
viisft ich.«iohti, Denkbar ist übrigens, daaa sehoik im Altcrthum eine
sweits fnimmuretk dart eJEistirte.
72 IZB^LEITUffG»
Uer darf ein WaMernder Namen wenigstens unteF den
benachbarten' Regionen angenommen werden:^^);
Nach Abzug dieser drei Klassen bleibt ims nun freilich
eine kleine Anzahl von antiken Namen ^brig, deren Zu-
sammenhang mit der sohiütlichen kirchlichen Ueberlieferung
nur nicht nachweisbar ist: vereinzelt temfhim (=s Iheatrum)
M^arcelU (998 Bd. 2, 339), .namnatkio', urbs (oAdTiUmplum
c= Castro) Racennaiiumj gallinae albae; ja der ZuM bat es
gewollt, dass ein sonst nur aus einer, einzigen alten Dicbter-
stelle bekannter Lokalname, ad ptrum, in einer Urkunde
Innoeenz III. wiederauftaucht'^^): indessen ausgeschlossen ist
bei diesen wenigen und vielleicht noch einigen anderen Na-
men der für die meisten nachgewiesene Ursprung nicht und
die Annahme, dass ein grosser Theil der aken Namen sich
durch die Inschriften der Gebäude fortgej^flanzt habend ent*
behrt jeder sicheren Begründung ^^). Nichts kann schlagen*
^) Ich bin gespaniit auf De Rossis BeweisföhniDg für die Richtig-
keit der aU^emeiaen von mir bekAmpften Anoahme^ 4aM die erväh.otea
Regionen besondere 'kirchliche' seien (De Rossi Bull., crist. 1870,110}.
Der von mir früher geführten Untersuchung weiss ich nichts hinzu-
zufügen als folgende neue Angaben: iuxta themuu Viocfdianas reffione
^ (b JV) Reg. Honorii a. 0. S. 94. 111 ; ect^siam S, Ciriaci . . in
termig DiotMumis et domum moffiorem . . . otnma posita RomoB regimie
tertia justa veneräbüem Titidum <S. Stuannae Stück eUe^ vei*n und
am Schluss verstümmelten Bulle ungewisser Zeit bei den^s. i^^.O. 1869,
05; de regione FIIH a lacu cunicU christl. Grabschrift y. J. B75 bei
dems. a. O. 1871, 75 f. Die letzte Insohrift beweist überhaupt nichts
(a. 0. S. 321). Die beiden Bullen Ddaaen sich- widersprechend
für denselben Ort statt der alten 6ten eine' die 3te, die'> «Ädere die
4te, was ich nur auf die a. 0. S. 819 angenommeoea Vei^weiclishtngeii
zurückfuhren kann.
^') Martial 1, 117; yeii seiner Wobauag auf dem Qairiaal: longtim
est, n velit ad Pirwm venire. Einen Ort ad Ptrum aaf dem Qmrinal
erwähnt die Bulle Innoeenz III (Reg. 2, 102) vom J, 1199 ^naohgewiesea
von mir Arch. Zeitung 1871 S. 71).
^) Man ist -früher mit der Annahme, dass die Inschriften ' die Be-
nennungen erhalten haben, sehr freigebig gewesen: aber das ¥olk las
sie nicht und die Gelehrten verstanden sie nicht. Der Verf. der Mi*
rabilien schreibt mit Hilfe des Regionenbuchs, de* Kaleaders und des
§ 2. DIE Ob'ERLIEPERUJVG. 73
der das Gregentbeii beweisen, als dass die volkstnasisigen Be-
nennungen einer Reihe von Gebäuden mit wohl erhaltenen
Inschriften nichts mit diesen gemein haben. Aber auch sonst
Terleugnet die äheste legendenhafte Ueberlieferüng bis hinauf
ins 8. Jahrhundert jeden Zusammenhang mit dem Alterthutn:
selten, dass sie wenigstens in erkennbarer Weise, wie es die
Slteste Silvesterfabel thut, an eine alte Lokalität erinnert
(Bd. 2, 494 ff.). Neubildungen sind die meisten gangbaren
Bezeichnungen ffir alte Monumente und Orte*^'), nicht Um-
bildungen alter Nafmen durch die Volksetymologie, nicht ein-
'~r 1 ij ffjB --■ ~ - ■ t '
Ovid; nm die noch zahlreich an den Gebäuden vorhandenen Inschriften
kümmert er sich gar nicht: zwei Aasnahmen (S. 435. 471), von denen
die eine (471) ein ergStzIiehes Seitenstütfk zn Rienzi's Interpretation
des fom/äriwn ala patmartum giebt, sind an so attükllender. Ebenso
vereinzelt, aber bei der Kürze und VerstäodUehkoit' der Inschriften ibe-*
greifiich, locus gut dicüur Opus PraxüeUs (Bd. 2,, .528). — Für die mit
Inschriften versehenen Gebäude beweisen obige Behauptung die Ab-*
schnitte de palatiis uod de arcubus in den Mirabilien, Bd. 2, 401 ff.
Dazu kommt z.B. die Area di Noe fiit* den Miner vetatempel des iVerva
(wohl sicher älter als das 14. Jahrb.) und MÜdereS. was bitvniebt.atiB«
fohrlich behandelt werden kann (vgl. A. 59.). Natürlich ist abzusehen
von den in direktem Anschluss an das Regionenbuch u. a. Schriften
überlieferten Namen.
^) Master falscher Erklärangen: gaÜuzze »» Gai et Lud (basilica),
eraUeula »r crypta ComeUi (Balbi), worüber Bd. 2, 5d4; nicht minder
eoUiseum »= coBis Iseum^ trotz der vorhandenen vollständigen Reihe
der Namen coloseus ampkäheatri .... coUisaeus, über welche S. 71,
(Corvisieri Buonar. 1870, 69) und arcus diburi (Bd. 2, 417), nach der
LA. einer Urk. diribi = diribitorium (derselbe); arcus detrasi der
Constanstinsbogen (ausser Bd. 2, 411 s. Ürk. s. XIII/XIV bei Crescim-
beni St. della eh. di S. Giov. av. p. Lat. S. 213 u. S, SoXv, de areu
detrasi im Turiner Kirchen-Katalog) von Thracien (!1) nach Govi (in
der § 3 A. 1 z. £. Schrift S. 22), während er doch selbst eine Familie
de Trost anführt, von der der Bogen (nicht umgekehrt) benannt sein muss :
es wird ein Thurm der Familie dort gestanden haben. Aehnlich der
Bogen bei dem Thurm de toseetis (Bd. 2, 416) und, wie ich denke,
wohl auch der Bogen trqfoU (s. a. 0.). Genauere Untersuchungen, die
idi jetzt nicht anstellen kann, werden gewiss noch eine ganze Reihe
von Ynlgärnamen aof Familiennamen zurückführen: vgl. Bd. 2, 310.
Bedarf es der Erinnerung, dass die Logik und die Gesetze der Wort-
bildnng auch für mittellateinische und romanisehe Wörter gelten?
74
£3NL£ITUN€K
mal Neubildungen mit Hilfe irgend einer antiken Reiniiiiaceiu;
bei dem Aufhören alles Verständnisses für die ursprunglictie
Bestimmung derselben ^ wofür die allgemeine Bezeichnung
pälatium Zeugniss ablegt, gehen sie meist aus von der trünuner-*
haften Erscheinung und deren zufälliger Form. Beispiele
von Yerdrehui^en alter Namen mit Hilfe der Volksetymoioigie
sind selten und die Neigung der Neueren in unverständlichen
Yulgärnamen ecbte^ alte Bezeichnungen zu suchen, wie boffeat-
lieb genügend bewiesen worden ist, ganz verkehrt.
. Hiernach glaube i^h, dass, von einer lel^eQdigen Forf^
Pflanzung altrömischer Ueberlieferung über die Denkmäler
der Stadt ausserhalb des Kreises der kirchlichen Urkunden
und der dürftigen schriftstellerischen Benutzung einzelner
alter Schriften keine Rede sein kann und dass der tapogra«-
phischen Forschung überall da, wo sie in den mittelalter-
lichen Quellen neben thatsächüchen Angaben auf geschieht-
Uche Reminiscenzen und alte Namen stosst, welche nicht
innerhalb jenes Kreises liegen, der Weg der aussersten
Skepfli» vorgezeiehnet ist
'. r
§ 3.
DIE TOPOGRAPHISCHE FORSCHUNG SEIT DEM
FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERT.
Während dio muBdliehe Kuad« de$ antiken Lebena, so
w^t sie ÜB OertUcbkeitea uad Denkmäi^ der Stadt anlangt«
im achten Jabiiiund^rt au Grunde gegaingen ist^ ist der dünne
Faden schriltUeber Veberiieferung tm der Hand der Kirefaa
weitergesponnen worden (§ 2). Aber den mittelalterlich^i
P^iegeten ist er in deth Labyrinth verfaHender, ihn fremd
anschauender Gebäude und Kunstwerke kein Ariadnefaden
gewesen. Wir haben im zweiten Bande zu beweisen gesucht,
me \m zum zwölften Jahrhundert dem wissbegierigen Pilger
Hod Fremden in Rom HilfsbuciikiB und Wegweiser gedient
haben, welche mit mehr oder' weniger Geschick aus den
dürftigen Resten des alten Regionenbuches zurecht gemacht
waren; dass um die Mitte jenes Jahrhunderts eip poetischer
Kopf, begeistert durch die Idee des Wledererst^ens der
alten Herrlichkeit Roms in dem Buche Hirabilia den Ver^
such wagte, selbstständig erfindend die damals yorhandene
Trämmerwelt zu erklären und diesem Versuch jene älteren
Kataloge römischer Denkmäler in systematischer Folge vor*
anstellte; dass dieses Buch im lä, und zu Anfang d^
14. Jahrhunderts in zwei neuen , an wiUkörliehen Zusätzen
und Missverständnissen deis urspröhglichen Textes reichen
Bearbeitungen weiter verbreitet worden und namentlich in
dieser jüngeren Gestalt bjs ins 15. Jahrhundert l^n zu kano-
nischem Ansehen gelangt ist^). Wir sehen die ersten Geister
^) Am ipi^iDea Aii^steUm^pen äbejr die h», (rniQdl9|pe nnd Ge$<;]udbit^
deir Uel^erUefi»V«Di^ 4er- Mi;r«MIi<ftny welche eine «lad^^imdige Beurthei-
Iqjb^ iil)erMii|>t mch^ oicht e^falirei) llKiilieQ» fiode ich niehts wesent-
76 EIJNLEITÜNG.
Italiens seit dem Ausgange des 13. Jahrhunderts entweder
den Versuch eines Verständnisses der Trummerstadt gar nicht
wagen — so Dante und Petrarca — oder in sklavischer Ab-
hängigkeit von jenem Buche verharren und aus den Irrgängen
der mittelalterlichen Legendenbildung keinen Ausgang finden
— so Fazio degli überti, Cola Rienzi nach der Mitte des
14. und Nicola Signorili im ersten Viertel des 15. Jahrhun-
derts. So gross war diese Abhängigkeit, dass sie selbst nicht
gebrochen wurde durch das erwachende Verständniss für die
bis dahin seit Jahrhunderten von Gelehrten und Ungelehrten
flicht mehr verstandenen Urkundenzeugnisse, die Inschriften :
weder Rienzi noch Signorili, welche sie beachteten und sam-
melten, haben es vermocht, sie topographisch zu verwerthen^).
Uches ztt äodern. Der Apparat bei Urlichs Cod. top. S. 91 ff. ^t-
hält nickt die von mir Bd. 2, 359 vermisste Hs. der Vallicellia.aa
('cuius apographo uti licebat, saec. ut videtur XIV neglegeater scrip-
tus' . . 'apogr. a Bunseno acceperam cuias corruptelas referre nihil
attioet' warum?); die nach Kellermano und eigener Vergleichang
mitgsetheiltea Lesarten der Hs. Golenna-Barberini, welche durch iJVib^y
sehr fleissig benutzt war (es «oll, na^b U« ein ^Vaticaous sine namero
olim Golumnensis s. XIII in.' sein^ vgl. a. 0.) ändern so wenig wie
die übrigen dort mitgetheilten anderer Hss. den Text. Auch die Er-
weiterungen eines von Detlefsen Philol. Anzeiger 3, 544 ausgezogenen
cod. Yät. 1959 — dgl. in einer diplomatischen Ausgabe zu berücksich-
tigen sein werden -^ lehcem für die alte Topographie nichts neues.
. — Mfirtinus liegt jetzt in. Weiland's Bearbeitung (Mon. G. SS. Bä. 22)
vor. Auch aus dieser habe ich zu 2, 387 f. nichts erhebliches nachzn*
tragen. — Es ist selbstverständlich, dass jüngere Mirabilientexte noch
bis ins 16. Jahrhundert hinein für Reisende und Halbgelehrte die Haupt-,
ja meist die einsige Autorität sind. Abhängigkeit von ihnen zeigen
in vielen Stücken Zi, B.' die jüngst herausgegebene Beaehr. d. Stadt von
Nikolaus Muffel (geschr. nach 1452, herausg. von W. Vogt, Pitbl. des
Stuttg. litt. Vereins 1876) und die Antiquarie prospettiche romane in
Versen (vor 1499, neu herausg. von Govi, Intorno ad un opuscolo ra-
rissimo : . . R. 1876, Estr. aus den Atti dell' ac. dei Lincei t. 3), aus
denen für alte T. wenig zu lernen ist.
^) Ueber Dante, Petrarca und die von mir 2, 393 besprochene De-
scriptio urbis, welche Signorili in das Staatshandbuch der Curie auf-
nahm, s. De Rossi in der schon 2 S. XVT citirten Abhandlung Bull,
d. i. 1S71, 3 ff., woselbst nachgewiesen wird, dass der Vf. Cola Rienzi
3.] DIB FoaSCHUNC. 77
Erst um die Mitte des 15^ Jahrhunderts') wwen es theils
diese Inschriften, theils. die wieder ans Licht gezogenen alten
Schriftsteller, unter ihnen, weiin.auch in kläglicher Gestalt
(unten A. 7.) das zwar nie .vergessene aher durch die Mira-
bilien verdrängte Buch.Notitia Regionum, welche zu einer
Pröfupg der mittelalterlichen Tradition und zu den ersten
Versuchen ihr gegenüber die. Alten selbst z\un Worte kom?
men zu lassen führten. Solche Versuche verdsinken wir
Flavius Blondus ausForU (1388—1463), Poggius (138Q— 1459
in Rom 1402—1452), Bernard Rucellai (1449— 1514(?)).
Unter den Arbeiten dieser Männer ragt ganz besonders hervor
die ^ Roma instaurata' des Blondus, im Vergleich mit der noch
damals und später verbreiteten Guidenlitteratur eine gelehrte^
ja die erste mit systematischer Benutzung der SchriftqueUen
entworfene Topographie, voll von selbständigen, wenn auch
häufig noch g^nz verkehrten Ansichten, welche die folgende^
Arbdten bis auf Marlianis zweite Ausgabe fast ganz beherrscht
hat, ja deren Einfluss in vielen Einzelheiten bis in die tra-
ditionellen Annahmen der Litteratur des vorigen Jahrhunderts
verfolgt werden kann. — Des Poggius thatsächliche Angaben
ut (beistimmend Henzeii CIL 6) 1 S. XV). An dem Urtheil nber das
Bach und aber SignoriU wird dadurch nicht« geändert. — lieber Fazio
degli überti Bd. 2, 388 ff* — U^ber eine< bis dahin an«;edriickte Be-
sebreibang Roms ans dem Ende des 14. Jahrhunderts von Giov. Caval*
Uno de Cerroni s. Corvisieri Baenar. 1870 S. 70. Bald darauf ist sie
aas G. Friedlanders Papieren von Urlichs Cod. top. 139 ff. gedruokt
worden.
?) Verseichniss üer topographischen Litteratur bis 1653 bei Mar-
tiaelli Rom« ex etha. sacra S. 406 ff.^ fortgeführt von Bansen,. Besebr.
1 S. XIII ff. (bis 1827) und Cadina Indic. top. 3. A. (bis 1850). Kurze
and m<a8t richtige Beortheilnng' der Hauptleistuagen bei Becker De muris
(onten), Aufzählung der ältesten bei Panvinius in Mars Spicil. 8/653 ff«
— Auch für uns ist Mtrtinelli bis 1653 der Führer. — Für die Stadt-
pläne fehlte es bisher überhaupt an einer sachkundigen Behandlung (s.
deo Anhang), für die Abbildaogen wird hier wenigstens der Versuch
daes gesichteten Katalogs geitaacfat. —^ Ausser anderen Lücken ist
lamentlieh das Fehlen eines systematischen Auszugs aus den älteren
romischien Zeitungen und ZeitsehrifleB fiälbar, eine Arbeit, die ich
selbst nioht habe ausfuhres können.
78 filNLBmiNG.
ober den Zustand der Ruinen sind an Zahl sehr gering, bei
Rucellai fehlen sie ganz^). Aber nicht das Wiederaufleben
des Verständnisses der schriflMehen Quellen allein gab den
Anstöss zu der Neugröndung dieser Discipiin. Aueh die so
lange nicht mehr beachtete Baukunst fand ihre sachkundigen
Beurtheiler wieder: Gelehrte und Baumeister gingen Hand in
Hand in dem Wiederaufbau der alten Stadt. Im Jiaihre 1 451
gab Leo Baptista Alberti (f 1472?) sein Buch ^ber die Ban-
kunst heraus, in welchem er zuerst der Ueberreste des ' agger
Tarquinii^ gedenkt: Poggius begleitete dasselbe mit einer
schönen an Lorenzo Medici gerichteten Yarrede. In Rom
finden wir später Lorenzo mit Alberti und Rucellai zusam-
men. Gerade in dieselbeii Jahre (1450—1467) fallt der
r^ymische Aufenthalt des Architekten Francesco i\ Giorgio
Martini aus Siena (1430 — 1502), von dessen eifrigen Studien
über die römisdien Bauwerke sein jetzt in Turin befindliches
Skizzenbuch, die älteste einer langen Reihe unten zu be-
sprechender Arbeiten, Zeugniss giebt*^).
*) Blovkdj^»: jRoHii instftoraU, suerst s. «., 1474 n^ ö., da«n »
den Opera Basel 1531 S. 21$ ff. (welche A. ich beantze); vgl. GtegQ-
rovins 7, 571 ff. — Poggias: De fortanae varietate «rbia Aomae et
de raina eins dewriptio- in dea Opera Basel 1538 S. 131 ff. ond Hist
de var. fort. 1. IV, ex ns. bibl; Ottob. nunc prionHn ed. a Dom. Oeargio
Paris 1723 (jetzt wiederholt bei Urliehs Cod. S. 235 f.); ersterea
sehr allsemeia i^ehalteo, letzteres mit einis^a wiehtif^ea Details (x. B.
Bd. 2, 159). Uebar dielnsohrifteDsamiilaag xn reforiraa ist hier nicht
der Ort. S. De Rossi le prime racolte 105 ff. CIL 6, 1 S. XXVIII. —
Rucellai (Orieellarias), auf deo «Eaerst De Rossi Le prime rac. 21
wieder aafmeriksam gemadit hat: de vrbe Roma im 2. Band« roo Bee*
eaeeis Remm It. scriptores, Florenz 1770; mit guter Binlaitang, r^l,
Tirab. 6, 2, 9 ff. Ueb^p das Bd. 2 S. XV aad 201 berührte Oerüdit,
dass P. VictOTrios lfi37. 39 das vorliegende Bach radigirt habe^ Bwl«
ieh CIL 6, 1 S. XUli heine Belehmag. Der Artikel Roma ia den f leidi-
zaitigea Comm. granim. des Tortellios (t 14^) ist bis anf das Ver-
zeichaiss der Thore werthlos.
^) lieber Alberti Tirab. 7, 614 nnd i. Meyers Allg. KöastieriexikoB
1, 188 ff. In dem zaerst 1485 ia Florena gedraekten Buche <De re aedi>
floatoria* findet sieh aussaridar aben gedachten Bamerknag (1. i Bl. 65a)
und einer Beschreibung der anrelianischen Maaer nichts för die Topo«
S a.] Dlfi P0R8GHUMG. 79
Diese Bestrebungen stehen unter dem Einfluss der
WiederaufriGhtung des Papsttbums in Rom Und der von
Ptorenz and Oberitalien ausgehenden hnmattietischen Bewe«
fung. Ihrem Impnise verdanken die topographischen Studien
den Ailfschwung, den eie in Rom in dem letzten Drittel des
15. Jahrhunderts genommen haben. Es war Pomponiüs
Laetus (f 149S) und der Kreis seiner Schüler und Freunde,
welche jene ersten Versuche dnrch allseitiges Interesse für
die litteraris^^e und epigraphiscbe Forschung fortsletzten und
▼ertieften. Zwar die kleine Schrift ^de Tetustate ütbis*,
welche seinen Namen trägt, ist nichts weiter, als ein lUctat
über einige Hauptmerkwürdigkeiten der alten Stadt, das. sein»
Schuler zum Druck gebracht haben. Weldie Belehrung und
Anregung aber von ihm ausgegangen ist, zeigt sich sowohl
in den Arbeiten der nächsten Folgezeit, wie auch in den
Notizen über die Ausgrabungen in der Nähe des Forums.
Seit mehr als einem Jahrhundert hatte die Curie den Boden
der ah^n Stadt als einen . eintrigliehen Steinbruch angesehen
und banlustigen Unternehmern zur Ausbente verpachtet ($ %
A. 45): seit jener Zeit werden Nachgrabungen zwar schwer-
lich allein zu wissenschaftlichen Zwecken unternommen« w^hl
aber jene indostrieilen Unternehmungen wistfepachaftlich be-
obachtet und zum eralenmal die Fundnotieen der Steine
topographisch verwerthet'). Es Ist möglich, obwohl' nficht
graphie Wichtiges« üeker aei&ea Vairkekr in Rom B4. 2, 308. -- Fran-
cMiso di Oeorglo Martini: C. Promis, ViU di F. 4,G, M., kesondars
abgedmekt ava Salmao, Tratitto di arciU.' civile e militare di Praa«
eaaaiy G. M. 1841, 2 Bde., vgl. Vaaari ad. Le Moaoiev4, 204 ff: and
Crew e. and Cayalaaselie, Oaseh. der it. Mal. 4, 71 fft der . -deatackea
Aaagabe. Ans dem y«o- ftamia karz kasprechainaB ZeiekaMgear ist elo^
CUpitoliom*) im finU. maa. 8 T. XVii f. im Faestmile pabjidrt.
•) Uebar Pompaaiaa Laetoa nach Tiraboaehi (6, 2, 996 ff. Mail.) be
Rtaai Roma sotterraBea I y§l. dia Notisea bei Gräsaa 2, 8^ 671 ff.
Biao geoiicrBBde Mooographia Mit leidar. Das Book dei Laalus sllafat im
cadox Marsiaana des Petrna Sabiona hinter daa laaohriften, die Laetoa
gaaammelt hatte <€1L 6, 1 S« XLV). Der älteste mir aad wie aa aeheiot,
aaeh Marioi Arv. 54J beUoate Druck (io meinem Besita) tat betitelt
^Pomponina jLaetos do romanae. nvbia vetnatate noviter liipraeaaüs ae
80 . £iNL£ITl]N6. .
erweislich, dass. Ate Entzifferung der Namefii der vid auf der
capitoliniscbea Basis Laetus oder d^ch s^ine SäiCiler veraH^
lassten,.. dieselben in ein Exemplar der bereits aus Schrift*
&teU^n mterpolirten 'Notitia r^iouum' einzuschalten: jedes-
falls ii^t dies noch zu seinen Lßb^^eiten geschehen. Au dem
Namen 'Publius Yictor' aber, der diesem unschuldigen Schuler*
versuch, wie früher, 'Paulus Diaconus' oder ^Sextus Rufos'
— : nicht ZU: verwechseln mit der. Fälschung des .Panvinius,
von welcher nachher — dem nichtinterpolirten Text, gegeben
wurde, dürf^ er unschuldig sein.^). — Unt^. dem Eiofluss
7-: "T — ' ' *
per fifarindni^ de Blancliellis PraeDestioiim emendatus', am Schluss ^im-
praesBum Roittä« per lacobnm Ma^oehimi' äüno MBXV ^ie V JNoveAib.';
dUb Aua$»be vin 1510 mit |ple&cb4m TiMl erwüliHt Praller Regr. 47,
der Abdruck in. dea MazodiUch^q Anejbares y, J^ 1523 fügt im Tit«l
die Worte esc Publio Fictore et Fäbio ei». — Der Titel des Drucks
VOQ 1515 and die Worte qüat. b* exeundo a domo Pom-ponii zeigen,
dass die Fassung nicbt von Pomponius herrührt. Daza kommt, dass
dem Bach in der Ausgabe '1'515 (aod 1510) die Regiones antiquae urbi*
Vigehängt siol, afo^druckt (wie ich Hermes 2, 414 f. gezeilgt habe) aas
der von einem , Schüler ^ /^aetus geschrije))ea«n und^ voa dfaivi ^pjTAe*
ceptor Pomponius' durchcorrigirten Hs. <;od. Yat. 3394. £s ^fgiebt
sich hieraus, dass das ganze ßUchlein eine Schülerarbeit ist, gemacht
nach den Lehrvorträgen des Laetus. Üeber das dazu benutzte Buch
obeb I 2 A. 14^ aber den <P. Victor' A. 7, über des Laetus Theil-
BI|l|mA^ an. d^n Avsgrabtiagen : meine 8yila|^ insor* fori rimiaai, Bpbfe*
merjis epigraphica 1877 (wichtig die Briefe.!« .^fa;15|6 heraaaciege«'
benen * Opera').
^) S. Bi» 2, 2.91 ff. Wann jenes A. 5 besiMroobeiie interpaUrU
Exemplar eatstanden ist, ist nicht gewiss: es käme darauf an, fest*
zustcdleB , wie alt die a. a. 0. S. 309 B. IV besprochen« laterpolatioa
des Varro 5, ^54 sacriportus est in ea sie, welche sich in .deo Regio*
aen wieierfioidet) ist. t- Dass der Name PubUus Fioior, der um 1495
bei Petras Sabinas^ also im engstem Zasammenhaoge mit Laetvs , aaf-
taucht, mögliehei! Weise doch eita paar Jahrzehende älter, ist^ wird oioht
bctetritteo werden ; möglieh -^ aber auch nur möglich 1 — dass er mit dea
NameagebuBgea dar römisehea Akademie zusammeahängt, deaea wahr*
aeheialich auch folgende. in den Jahrea 146S~-1476. in Umlauf gesetatt
Sehriftea; entstaminen : Eficedian Drusi {i^^^* ^71^^ Mestailai d» pro*
gam.Mugusti (1475^.1477), die GetHa Por$9nao des C. (so) Füimma
(1475). und die üütoria PapiHi (1476) (s. Harmes 3, 428). Jedeafalls
hat Laetus. hier so wenig wie soast eiae Fälsehaag bagaagea.
13.] DIK FORiSeRüNG. g]^
AesLaetus eitstand des FronceBco degli Albeftini (f 1515 ?)i
Stadtbeschreibung (geschrieben 1509) und seine Sammlung
der stadtrdmisehen Inschriften, jenes ein zwar nicht gelehrt
tes, aber für uns namentlich wegen der Schilderung des
damadigen Zustandes der Trümmer und der neuen Stadt nicht
an wichtiges Handbuch^); ebenso das erste antiquarisch^topo*^
graphische Werk von Bedeutung, die Antiquitäten des mit
Laetus und Albertihi eng verbundenen Andreas Pulvius
▼on Palestrina (1523). Es ist nicht genügend beachtet wor-^
den, dass die fegenden Arbeiten bis auf Ligorius: von Marliani
(besodders die erste Ausgabe), Faune, Gannicci u. a. in
ihren thatsächlichen Angaben zum grossen Theil von ihm ab«*
hangig sind, ja, wenn auch iqpQerhalb gewisser Grenzen, zu ihm
in dem Verhältmss von Abschriften zum Archetypen stehen*).
— Fulvitts ist uns aber ausserdem von besonderem Interesse
wegen seines Verhältnisses zu Rafael. Der Gedanke, das
alte Rom aus seinen Trümmern wiederherzustellen — vielleicht
sogar durch systeifiatische Ausgrabungen ~ ist zwischen bei^
den verhandelt worden und hat, wenn er auch mieht zur Aus*-
fuhrung gelangte, doch unzweifelhaft dazu beigetragen , jene
*) Francisew SaDctis Jaoobi de Albertiiiis: OpuscaHmi de mihabi-
libu Dovae et veterts nrbis Aoauie, Rom hei Mazzochi 15iO (geaebne^
bei 1609), aoeb italienisch Flor. 1610 nach ilehes Praef. ad Amhr.
Trav. S. LVII, dann wiederholt ia dem enkorrektea Dmck {v§L &. fiv
Bd. 2, 160) .'De Borna prisca et neva varä avctores' bei demaeibeo R*.
1623 (mit dem ^Victor', dem aogeDaaDten Laetus de vetustate erbis
aad einigen aaderea jetzt niebt mehr braachbaran Saeheni von mir
eitipt, aber die erste Ausgabe verglichen) und Basel 1619 (7), Lyiea-
1520; eine Aasgabe von 1606 scheint nicht zu existiren. . S. Max Jor*'
dan zu Oowe and CavaloaaeUe 2, 444 ff. -^ Ueber die bei Mazttochi
ohne seiaen Namen gedrnckten Epigranmata ant. arbie (1631) 9/ CIL
6, 1 S. XLVI. — Die Vorrede an JnUna II sagt, data Cardinal Galeiotti
ihn zQ' dem Buch veranlaaat habe; dem Titel feigen Distiohen dea
Fnlmü.
*) Andreas Fulvins ('Pompooii amiciseimoB anditor' aagt Albtfrtini
f XLn^): AntilIai^te8 nrbis .Eomne R. 1627 (begonnen ontar Jalias 11 7
A. lO), sehr sehleeht wiederholt 1646. Die ital. Ansgabe .Y«n. 1643
(HartinelU) habe icli nicht gesehen , noch nicht die Yen. ven 1£>88' mit
Holzsehn. (Pasanv. Rafael 1, 316).
Jordan, rOmuohe Topog^phie* L 1« 6
82 BmL£lTl»fG.
ktine Epoche eioer lebendigen und allaeitiigeii Beschäftigung
mit' der Top<igraphie herbeituführen, welche mit den Namen
des Ligorius und Panvinius einerseits, Dosi's und Du Perac's
andrerseits abschliesst^^).
Sehr ungieidi im Werth freilich sind zunächst die aati-
quarisch^topographischen Büch^ dieser Epoche. Originell ist
der aus dem Kreise des Rafael und Fulvius hervorgegangene
Rekonstruktionsversucb des Fabius Calvus (1532); die Aus-
führung dürftig ^^). Abhängig von Fulvius ist, wie schon ge-*
sagt, die erste. Ausgabe von Harlianis 'Topographia' (1534X
die zweite durchweg umgearbeitete, bezeichnet (obwohl auch
nitht ganz selbständig) doch einen erheblichen Fortschritt.
Gesundes Urtheil, richtige Interpretation der Schriftsteller,
eine verständige Benutzung der Inschriften, wenige, aber gute,
von aller Phantasterei entfernte Grundrisse und Aufrisse und
ein für damalige Zeit achtungswerther Plan der alten Stadt
ohne phantastische Restauration bilden die i Vorzüge dieses
unter den Arbeiten des 16. Jahrhunderts hervorragenden und
noch jetzt vor allen wichtigen Buches ^^)» — Abhängig von
^^) Berübfliter Brief zuerst dem CMtiptioae, daaii Rafael zagpe-
sekrteben^ aogeblich vom J« 1519 (Passayant Rafael h ^^ ff* ^^^ ^*)f
ygh mit dea Worten der Vorrede des Fulvius: 'priscafue loca tum per
regiones explorans observavi qoas Raphael Urbinas . . paacis ante die-
bbs quam e vita decederet me indioante peniclUo lioxerat'. H. Griaua
(Zahn's Zs. f. Knustwiss. 4, 187 1^ 64 ff.) sucbl aaohzuweiseu dass der
Brief "unter Julius II von Ai Fulvius geschrieben sei: es sei die Vor*>
rede zu einer von Fulvius und Rafael geplanten bildliehfln uud schrift-
lichen Restauration des alten Rom. VgL Ranke Päpste 1^(1874), 311
und A» 11. lieber Ausgrabungen zu Rafaer« Zeit oben A. 6.
^^) Fab. Calvi:' Autiquae- urbis Roma« cum regionibus simnlacmm
Rl 1532^, wegen einiger eia|pestreuter Notizen wichtig,., im Ganxen
nichts weiter als eine Wiederholung dar iaterpolirten N^itia mit bild-
licher Darstellung der alten Regionen. Etwa eine schwache Ausfübrang
des A. 10 besprochiefDen Plans?
1*) B. Marliani: Antiquae urbis Romae topogiraphia R. 1554 und
gleichzeitig au Lyon (mit einer Vorrede an Jean Bellay^ der die
Diocletiansthermen ausgraben liess: Nibby R« a^ 2, 802) « wiederbolt
Basel 1550 u. ö. (accessere Hier. Ferrutii additionee Van. 1588, welche
3J DIte FORSCHUNG. 83
Marüani und Fulvius und trotz seiner starken Verbreitung
ganz unbedeutend ist das kurz darauf erschienene Bttch des
Lucius Pannus (1549), ebenso in seinem historischen Theil
das des ungelehrten Architekten Gamucci (1565): doch
wird die ürtheilslosigkeit auf jenem Gebiet durch die Sach-
kenntniss in der Beurtheilung der ßautrömmer einigermaassen
aufgewogen. Neben diesen immerlrin nicht unwichtigen Hufs-
mittehi für das Studium der TrQmmerstadt um die Mitte des
16. Jahrhunderts durften von den zahlreichen Fremdenführern
Qüd Beschreibungen der alten und neuen Stadt mit ihren
Kunstsammlungen für topographische Zwecke kaum eins
und das andere genannt werden — obwohl naturlich die
ausführlicheren hie und da eine sonst nicht erhaltene
Nachricht enthalten. Nur unter diesem Gesichtspunkt mag
hier noch die eigentlich nur wegen des angehängten Katalogs
Ton Kunstwerken wichtige Beschreibung Roms von Lucio
Mauro (1556) erwähnt werden. Dagegen ist es zu bedauern,
dass die 'Roma' unseres deutsehen Landsmanns 6. Fabri-
cius (1550) nichts weiter sein sollte, als ein kurzer Abriss
für seine Freunde. Auch in diesem engen Rahmen enthält
das Büchlein eigene Beobachtungen und Urtheile, welche dem-
selben neben dem Weriie seines Freundes Marlkni einen
selbständigen Werth verleihen^*).
wegeti der Baaten Sixtns V nicht unwichtig sind); g^anz umgearbeitet;
Orbis Romae Topographia R. 1544, wozu im J. 1553 ein Nachtrag er-
schiea (nnten A. 14).
^') Lucio Fanno: Deir antichita della citta di Roma Yen. 1548«.
1552 (letztere, wie es scheint, etwas verändert, habe ich nicht
gesehen), De antiquitatibus nrbis Romae Yen. ]549, mit einem aus-
führlichen Nachwort über das Forum (diese Ausg. citire ich). — B.
Gamucci: LibrI quattro delle antichita della citta di Roma Yen. 1565
(von mir citirt), unkorrekt der Druck von Porcacchi Yen. 1569. Auch
sonst noch wiederholt (1580. 1588?) — Lucio Mauro: Le ant. della
cita di Roma Yen. 1556, dahinter Aldroandi delle statue antiche
1558 (daraus die Ausgrabungsberichte bei Fea Mise' 1 S. CGYI CT.).
Auch Yen. 1562. — 6. Fabricii Chemnicensis Roma, Basel 1850
(ungleich mit dem Itinernnl 1. unus. 1547 und Antiquitatis monomenta
iosignia 1549). In der Yorrede gedenkt er der Anleitung, die ihm
6*
84 EINLEITUNG.
Ganz andere Wege schlug um dieselbe Zeit der Neapoli*
tan er Pirrho Ligorio ein. In der Kenntniss der alten
Schriftsteller kaum Dilettant, aber ein kundiger Architekt von
ungemeiner Beweglichkeit und Leichtigkeit der Auffassung
hat er allen monumentalen Resten des alten Rom seine Auf-
merksamkeit zugewandt und den Versuch gewagt, den allge-
mein verbreiteten Ansichten der römischen historischen Schule
neue und originelle gegenüber zu stellen. Es ist längst er-
kannt worden, dass er auf dem Gebiet der E^iigraphik wie
der Topographie sich zahlloser Fälschungen schuldig gemachl
haty nicht minder indessen, dass die diesen Fälschungen als
Basis dienenden thatsächlichen Beobachtungen, welche in
seinen bändereichen handschriftlichen Sammlungen niederge-
legt sind, eine Menge beachtenswerther Angaben enthalten.
Für die Topographie sind jene Sammlungen nur ungenügend
ausgenutzt und erwarten noch ihren systematischen Kritiker«
Das kleine gedruckte Buch, welches, wie es scheint, einen
Sturm von Entrüstung seitens der Angegriffenen hervorge*-
rufen hat, giebt nur die Quintessenz seiner zum grossen
Theil freilich verunglückten Hypothesen ^^). — An ihn schliesst
Marliani gegeben nud der Unterluiltangen in Rom bei SaUmioiea (vgL
S. 88) ; unrichtig heisst es CIL 6, 1 S. LI S . descrlptioneBi orbis mooa-
mentorumque eins ex libris compiUUm ' : F. ist für die DenJ^mäler
nioht selten selbständiger und gewissenhafter Zenge. £s genügt, anf
das von De Rossi Ann. 1858, 308 und von mir das. 1867, 394 beige-
brachte zu verweisen.
^) Ligorius: Uebersicht über die in JVeapel (verf. vor 1566),
Turin (nach 1566) und auf der Bodleiana (zum Theil jedesfalls vor
1566) erhaltenen handschr. Arbeiten: CIL 6, 1 S. LI ff. Auf die
Wichtigkeit der Berichte und Zeichnungen in dem oben gedachten
Sinne hat zuerst Fea (Fasti S. XII), dann besonders De Rossi Ann.
1858, 21 ff. 51 ff. 308 ff., zuletzt Lanciani BulL deU' inst 1871,
268 ff. und munic. 1, 230 (mit Beziehung auf die Hdschr. der Bodle-
iana) aufmerksam gemacht. — Aus eigener Anschauung kenne ich lei-
der nur einen Band der Turiner Sammlung und habe so wenigstena
zum Theil mich selbst von der Richtigkeit der Auffassung De Rossi's,
was die Topographie anlangt, überzeugt (vergL Forma urbis & 43).
Dass neben reiner Erfindung von Fnndnotizen u. s. w. auch wichtiges
§ 3] DIB FORSCmiNG. g5
Sich theilweise Panvinius (1529 — 156S) an, zunäctet in
der FäliciiuDg: denn unzweifelhaft ist ab solche der Ter-*
meintlich aus ekier uralteOr Handschrift gezogene ^Sextus
Ruf US ' zu bezeichnen; nicht minder eine Reihe, sei es tdh
3un selbst g^lschter, oder von Ligorius übernommener
bischer Inschriften, an denen seine 'Imago antiquae urbis*
reich ist. Dann aber ist er^ wie Ligorius, ein Mann von
umfassender Kenntniss der D<«ikmäler. Seine ebenfalls noch
zum groston Theil nicht gedruckten KoUektaneen sind von
wenigen für diese Zwecke benutzt worden. Den Dilettanten
Ligorius überragt er naturlich durch seine umfassende philo*
bgische Gelehrsamkdt^'^).
ud ricbtipeg thatsacliliches Materifll noch «nverwerthet in jenen an»*
senhaften Arbeiten steckt, ist durch die genannten Arbeiten ausser
Zweifel gestellt und daher der Satz Hn üs quoqne quae de aedificiis
SDtiquis rebusque topographicis tradit fide minime dignus est' (CIL
a. 0. S. LIII) in dieser Allgemeinheit unrichtig. Hoffentlich wird der
Abschnitt der ^falsae* hinter den 'nrbanae' die Ligorianischen Fund«»
lotiKea bringen. — Die Masse der Zeichnungen ist bis jetst noch ganz
onbekaont, soweit sie nicht bei späteren (Boissard u. a») auftauchen.
Einige Auskunft bei De Rossi Bull, crist. 1867, 66. Ann. 1854, 28.
1858, 285. Gedruckt: Libro delle antichitä di Roma, nebst Paradosse
Yen. 1553. — Der oben A. 12 genannte Nachtrag des Marliani
^Topographiae urbis Ronae nuper adiecta' (s. 1. et a. 12 Seiten im
Format der Top., S. [9]: 'hoc anno 1553^), auf welchen ich Hermes^
7, 262 zuerst aufmerksam gemacht habe, bekimpft withend die An-
lichten eines '8trepsiades\ der 'arcbitectns' und Verbreiter lügenhafter
ffilder (wohl des in demselben J. publioirten Stadtplans des Ligorius^
über wichen unten) genannt wird: ieh wüsste nicht, wer anders als
Ugorioa gemeint sein konnte, aber nicbtt alles pas8t> wenigstens auf
iM gedruckte Buch. Auch einer der in dem Nachwort des Paunna
(eben A. 13) bekSmpften Gelehrten muss Ligorius sein. Vgl. Th. II
(den Abschnitt vom Forum). — Scharf Verurtheilende Randglossen des
Gittadini (t 1627) bei Martiaelli, Roma sacra S. 423 ff.
1!») Panvinius: Antiquae urbis imago Ven. 1558, Paris 1588 (diesA
Ausg. benutze ich), worin der Sextus Rufos (über welchen Bd. 2, 301);
Fasti vom selben J. u. D., Verr. zu den Antiq. bei Mai, SpiciL VUi u. a«
Die cum grossen Theil ungedruokten Arbeiten des P. hat wiedefo«
besonders De Rossi ausgebeutet: y^, (ausser der Uebersicht CIL 6, 1
S. LIII) Ball, crist. 1867 S. 63,
86 EmLEITUNG.
In derselben Epoche gewinnen die rein architektonischea
Studien eine immer grössere Ausdehnung. Wir haben hier
über die mit wenigen Ausnahmen noch unpid)licirten Skizzen-
bucher bis zur Mitte des Jahrhunderts und die ersten Stiche
bis auf Du Perac kurz zu berichten. Leider ist es noch un-
genügend bekannt, wie weit gerade die ersten Männer ihrer
Zeit, Lionardo, Rafad, Bramante, Michelangelo sich an diesen
Bestrebungen betheiligten und ich beschränke mich hier, was
die Handzeichnungen anlangt, auf eine Erörterung der grosse^
ren von mir eingesehenen oder sonst näher bekannten
Sammlungen der übrigen Meister ^^).
Dem oben genannten ältesten bekannten Skizzenbach
des Martini folgt das jetzt publicirte des Mailänders Bartolo*
meo Suardi, genannt il Bramantino (1455? — 1536, in
Rom 1499. 1503. 1513), eines Schülers des Lionardo (?) und
Genossen des Bramante, welcher jedoch von Zeichnungen
nach stadtrömischen Denkmälern wenige und diese vielleicht
nur zum Theil nach den Originalen enths^t^^). — Ausser-
ordentlich reichhaltig dagegen sind die in Florenz, Siena und
Rom erhaltenen Sammlungen von Skizzen und ausgeführten
Zeichnungen des älteren Giuliano da Sangallo (1443 bis
^) Das i^renig^e allgemein bekannte, aber Rafael nnd Lioaardo (über
dessen Schrift von der Malerei s. M. Jordan in Zabn's Jahrb. f. Konst-
wlss. 5, 273 ff.) soll hier nicht wiederholt werden. Ueber ^die Samm-
lang der Handzeichnaogen ital. Architekten in der Gal. d. Uffizien in
Florenz' hat A. Jahn (in v. Zahn's Jahrb. 2, 1869, 142 ff.) berichtet,
doch gerade mit Uebergehong der hier in Betracht kommenden Skizzen*
büeher. Diese hai>e ich im J. 1872 benatzt^ was ich bemerke wegea der
seit 1869 wie es seheint mehrmals vorgenommenen Umordnangea der
Blätter (s. Forma arbis S. 27. 39). — Inhaltsangabe der Hanptsammlan-
gen der Handzeichnangen des 16. Jahrh. bei Canina Edif. 1, 3. A.
^^) ßramantino's Skizzenbach auf der Ambrosiana facsimiiirt in der
Ausgabe von Mongeri, Le rovine di Roma al principio del secolo XVI,
stadi del Bramantino, Mail. 1875; die top. Erläaternngen angeafigend,
wie ich Jahresbericht 1875, 761 ff. gezeigt habe. Weder die Ausgabe
noch meine Beartheüang erwähnt > die deutsche Aasgabe von Growe o.
CavalcajtöUe 6 (1876), 23 f. -* Die oben, gegebenen Daten ans dem Leben
nach Mongeri.
3.] DIE FORSCHUNG. 87
1517, zuerst im Dienst des Lorenzo Medici, dann unter
Alexander VI. und Julius II. in Rom), daneben die in Florenz
befindlicben des jüngeren Antonio da Sangallo (f 1546;
in Rom seit 1512)^^ und die in Florehz, Siena und Rom
befindlichen des Baldassare Peri'uzzi^*). Hit diesen Namen
ist die Menge der vorhandenen Handzeichnungen diesrer Epoche
noch entfernt nicht erschöpft. Abgesehen von Llgöno (oben)
and Pailadio (unten) enthalten die vorhandenen Sammlungen
ie& Plghius, Ursin US u. a. eine grosse Anzahl anonymer
1«) Ueber die beiden Sangallo: Vasari (ed. le Monn.) 7, 209 ff.
10, Iff. G. Ravioli Notizie sui lavori di architettara militare sui
scritti disegni editl ed inediti dei novo Sangalli, fasc. 1 R. 18^.
Ueber Antonio: Ricci im Buonar. 1S68, 59 ff. — Ginliano: Skizzen-^
kaeh in Siena (nicbt gesdian) korz besehrMen Canioa fidif; 1 S;' 4
Yasari S. 217 f. Mate Gmingw Nachr. 1872 N, 4 S. 45 ff. De9sdh^i|
Stadien auf der Bibl, Barberiniana in Rom (cod. 822): Marini Arv.
721 Ravioli S. 7 Canina a. 0. Daraus pnblicirt z. B. im Facsimile
ein Blatt bei De Rossi Ball, crist. 1871 T. IIl. IV; ein Orundiiss
Veonti-Piale 1. 141. — Skizzenbach in den Offizien zu Florenz (ans
4«r Itbreria Strozzi), 1872 (s. A. 16) ia aiaer' Mappe: *dise|^i di
Franeesco o meglio di Ginliano da Sangallo Nr. 21 ', in ^% S. 2->-23
riJmiBdie Bauten. -*- Maassan^ben dtrchgängig (? A. 21.) im braceio
Fiorentino. — Antonio (?), Blätter in den Uffizien^ jetzt ebenfails
io Mappen. Verceiehnis 4er ^Stadi d'antiokglie di Roma ed'iritri InogM-
bei Vasari S. 46ir.
^) Ueber Perrnzzi: Vasari 8. 219 ff. Crowe n. Cavälcaaelle
4, 402, ebne Notiz über die Zeiobnnngen. Redtenbacher Mittlieilnngett
•OS der Sammlung d. arcfa;- Handzr in der G. d. UfUcien zn P. Kärlsr.
1870 gibt einstweilen nnr die Entwürfe zu Neabatiten. -^ Skizzen-
Imciiin den Uffizien Mher <cod. 209 deBa MbL annessa aila gaL degli
Ufttzi . . ib. cod. 1€4' (Canina a. 0., der ein Veneidmist gibt, Mel^
cbierri App. agli atti e mon.* de fratelli arvali R. JB&5 S. &7,* vgl*
Vas. 8, 230. 232. 237), jetzt aufgelöst und in Mappen mit fremdem
iQsammen unter P's. Namen. Wichtig Mappe n.' 36 (il3) 70 61. kleine
Bleistiitokizzeil mit Maassangaben durebgäogig (? A. 21) nach Palm. —
Skizzenbueh in Siena Vasari- S.- 2^4. — ^ Einige» in der Samm«*
taig Orsini im Vatlcian (tgl. A. 20). — Faesimiles einiger BUltteh
Ann. delllnst. tav. d'ag. G. Mon. dell'i. 1954 T. 3. Anderes bei
Serlio (unten). -^ Einiges von dem Sohn, Silvester,' ebenda, vgL
Pini La scrittnra degli ärtisti riprod« eon la fotografia Flar. 1809
diip. 3. — Benutzt in dem Addendn CIL 6, 1, ^94. 966, <
3g EINLEITÜKGv
Skizzen ^^). leb habe anderwärts an einigen Bdspielen ge-
zeigt, dass diese Arbeiten zw^r überall citirt, «ber keineswegs
ausgebeutet worden sind. Die genaiaen Darstellungext und
Messungen von ganz oder theilweisf^ . zerstörtep Monumenten
sind auch topographisch von Wichtigkeit und eine von eineoä
Fachmann unternommene Publikation des noch heut wlchtir
gen aus diesen Studienbuchern ist ein dringendes Bedürfnisse^)«
— Marlianis Einfluss mag es zum Theil verdapkt werden, dass
seit dem Jahre 1544 eine Reihe von Abbildungen römischer
Ruinen und Kunstdenkmäler von Salamanca gestochen und, zuerst
ih losen Blättern, dann als Sammlung unter dem Titel 'Spe-
cülum romanae ma'gnificehtiae^ von Antonio Lafrerio
publicirt worden sind^^). Wir werden weiter unten sehen,
dads dieselbe Handlung auch die ersten. StiAdtpläne in Um-
lauf setzte. Bald schlössen sich sowohl Yedutensammluügen,
als rein architektonische Studien mit erläuterndem Text an.
Unter j^nen ist die älteste die des Hieronymus, Eock (1551),
*^) Grosse Summlims yon Handzeieliiiiiogen yersebiedeier Miei8t«r
in dem ehemals Orsinischen cod. Vat 3439 b^scbrleben von mir
Forma urbis S. 2* Kobnrger Sammhing besehriebea von Matz Gott.
I4achr. 1872 Nr. 4 (leider grade mit Uebergebiuig der Architektur),
daraus ^wei Bl. Arch. Z. 1872 & 1 »ad 9 (vgl. Jfahreab. 1875, 760 f.).
Weniges in der Sammlung desPighius (in Rom 1547^— &5)^ in nerlin
(von mir ebgesehen): pict A, 61 f.. 113 (f. (CIL 6» 1 S. L*). Dosi:
Gal. d. Uff., s. A. Jahn (A. 16) S. U& a. A. 23.
't) 3. Forma orhis S. 27. 39 ff. Daselbst übtor die verschMenea
Maassstäbe und deren Verwendaog, braceio Fiorentino oder Tos^ano
(Sadgallo) «^ Q, ^86 gemessen an Labaccos Stuch* (0,291 nach; Soa*
motfti)i piede Viceatino (Pall^dio) r^. 0^ 3^0 i^nd der ültere palmo Ho-
laano.^:*? 0, 380.. £iAe neuere Untefau^liuag von- einem Saehveratäii-
digoo gibt es meioes Wissens nicht.
**) (Jeher die veirseliiedenen GoBamiAtaosgabea des ^eenliim
s« Cerroti im CIL 1 S. 308 vgl. Catalogo. ragionato- dei libri d'arte
ed'ant. possed. dal coote Cicogoana,. Pisa 1821 J|4. 2 <N. 3886. Das
älteste Blatt dat. vom J. 1544, in. welchem Majpliaais -2« A«sg»be„er-
lehien; über den Verkdir der Gelehrt<in, besonders Afarlianis, hei
Salamanca- und Tranuesinus eine Andentnng bei Fabricius (oben A* 13.)
Ich habe benutzt das Exemplar der Barberin. XI 13, das Dreadener
und zwei im Jl^liner Kuasthandel mr y^rg^wim^^^»
S 3.] DIE FORSCHUNG. S9
ungescbicit wiederbolt toq Pjttoni mit einem bia auf
weaiges ünbrauohb«ren Text des Ytoeeozo Scamoe^d (1,583);
flelbständig, aber sehr docrftig in dcir AusfübruQg die Veduten
des Job. Ant Dosi (1569), vortrefiUch diqenigea. des Du
Perac (1&7&), kaum nenneas^e^h daneben die kleinen
Dkstrationen bei Gamueci (oben)^^). Streng arcbitckto-»
niscbe Studien dagegen besitzen wir voji A. Labacco, dem
Schüler des Sangatto (t557), Seb. Serlio, dem Schüler des
Permzzi, und von A« Palladio, v^n dem es e^Q^ grosse
Anzahl noch nicht publicirter Handzeichnungen giebt^^).
Die bisher genannten Abbildungen und beschreib i^igen
Bind um so widitiger, ahk siie uüs die Sti^t ver den Zerstör
rangen und DmwälauHgen is^t der Regierungszeit Sixtus V«
(§ 2 A. 48) danstbUen. Nicht allein für die wenigen, abev
bedeutenden von ihm' zerstörten Denkmäler — das Septi-*
Konium« das Forum des Nerva mit dem Minerventempel —
lind sie für uns die einzigen und, soweit sie yon einander
anabhangig sind, gleich wichtigen Quellen ^nd wir werden
**) Hier. Kock; Praecipaa aliquot rom. antiquitatis ruioaram mo-
nnmenta, Antw. 155), 59 Bl. nach Nagler 3, 21. Das in meinem Be-*
sitz befindliche Exemplar hat 24 BL A — X, welche sämmtlich (ver"-.
kehrt) von Pittoni in ScitooztiB Diicorsi sopra Tant. di Roma
(Yen. 1583) wiederhoilt sind (was schon Biancoai bei Caoina Ind. S. 9 A.
22 richtig bemerkt, vgl. Nagler U, 897). ^ J. A. Dosi (vgl. Förmig
S. 3): Urbis Romae aedificiorom illustrinm quae supersunt (gestochen
▼00 J. ß. de Cavaleriis) 1569. Die Originale nach A. Jahn (s. A. 16}
S. 149 in der Sammlung der Offizien. — Da Perac: I Vestigi dell^
utichiti di Rottra R. 1576 (iber seine Sammlang ligorianiseber In-
idurift«n >GU;/ ^ 1 S. LIV)^ , .
^) Labacco: Libro appair^enente all' architettara R.. 1557.
Serlio, Architettura libro 1— IV Ven. 1559—1562, benatzt Perrnzzis
Zeichnnngen; vgl. Vasari 8, 232. 234 Forma S. 23 § 14. A. Palla-
iio: f qnattro libri delF architettara Ven. 1570 and die restaarir-
ten Theraea, Le terme dei romaai pnbbl. da 0. B Scamozzi Vicente
1797 (die früheren Ansgaban von Barliogton 1732 «od Cameron 1772
Unn . ich nicht benatzen). Hpindzeichnangen im Besitz des Herzogs
von Devonshire: Canina Edif. 1 S. 5 A. 4 vgl. Indic. S. 7. — Ganz
mbedentend die kleine antiquarische Schrift Le antich. di Röiiia Ven.'
1554 a. o.
90 EINLEITUNG.
die zahllose Menge der nach 1500 ersehienenen Bilder und
Beschreibungen jener Denkmäler ganz nnberüisksichtigt lassen
müssen; sondern sie enthalten auch über die Terraingestai'*
tung, über Kirchen und andere mittelalterliche Bauten, welche
für die alte Topographie von Bedeutung sind, ein nicht genug
beachtetes, wenn auch nicht reiches Material. Dagegen treten
vom Ausgang des 16. bis zum Ausgang des 19. Jahfhunderts
ergänzend einmal die regelmässigeren und ausführlicheren
Ausgrabutigsberichte, dann später die vervoUkommeteren nr^
chitektoniscfaen Publikationen der noch jetzt erhaltenen Denk*
liiäler ein. Namentlich die ersteren entsckädigen uns für die
Ebbe, welche in der wissenschaftficheii Behandlung des Gegen**
Standes herrscht. Denn in der That hat die Geschichte der
topographischen Litteratur von Ligorio tmd Panvinio bis anf
Fea im Ganzen und Grossen, was die wissenschaftliehe Be*
gründung und fieurtheilung anlangt, und mit Ausnahme
einiger wichtiger Specialforschlingen, nur von Stillstand oder
Rückschritt zu berichten: eine Brscheinung-, die Niemaiiden
verwundern wird, der den gleichen Gang der antiquarisch^
philologischen und epigraphischen Studien in derselben Zeit
verfolgt. Für die Topographie aber, lag die besondere Ver-
anlassung namentlich in der Wirkung« welche die interpoürtea
oder gefälschten Texte des * Victor' und 'Rufus* (oben) und
dias Vergessen der echten Notitia ausüben musste. Nichts
ist bezeichnender neben dieser Unbekümmertheit um vor-
handene Quellen, als dass ein neuer Fund, wie der der
Bruchstücke des kapitolinischen Stadtplans (zwischen 15&1
und 1565), volle hundert Jahre für die Wissfenschäftso gut
wie verloren gewesen ist und dass selbst nach dessen erster
Publikation (1683) wiederum nahezu dieselbe Zeit verstrich,
ehe seine Bedeutung richtig erkannt und die Belehrung, die
er gewährt, in weiteren Kreisen aufgenommen wurde.
Gleich in der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts be-
gegnen wir einein die beginnend0 ünproduktivität kenrizeich -
nenden, aber über die Grenzen Italiens verbreiteten Buch,
der Topographie des J. J. Boissard (1597ff.), welche, ah-
{ 5.] DIB FORSCHUNG. 91
gesehen von dem einfach wieder abgedruckten Marliani und
onkritisch benuUien ligorianischen Papieren, 80 gut wie nichts
Brauchbares enthalt^ '^). Gleichzeitig beginnt mit Fiaminio
Vaccas im Jahre 1594 aufgeschriebenen Erinnerungen über
Ausgrabungen und Entdeckungen in Rom die besagte Reihe
der noch nicht genügend pubiidrten Berichte^^): ihm fol-
gen gegen die Mitte des Jahrhunderts Cassiano del Pozzo,
späterhin Bartoli und Ficoroni, Yenuti, Winekelmann und
Guattani in den unten zu nennenden Werken. -*- Bis zur
Mitte des 17. Jahrhunderts finden wir, abgesehen von einzehien
nicht rein topographischen Arbeiten (denen des Lipsius und
Pancirolos), gelehrten und ungelehrten Bearbeitungen des kirch-
Men Roms und Guiden dller Art^^), nicht eine einzige nennens--
w^he Schrift ausser des Alexander Donatus (f 1640) Roma
Tetos 4C recens (zuerst 1638). Diese überragt die Litteratur
des Jahrhunderts unbedingt, was grundliche Gelehrsamkeit^
selbständiges Urtheil und grossentheils richtige Würdigung
der Vorgänger anlangt; es ist eine durchweg achtungawertfae
und noch jetzt braudibare Leistung'^). Aber sie wurde, in
den Schatten gestellt durch die gewandtere und bestechendere
Darstellujdg Famiano Nardinis (zuerst 1666)» der mit vollstem
'*) Boissard: Romanae nrbia topoyra^diia Frankf. (a. d. Oder) 1597
(1627) in 3 Theilea; im ersten die Anweisung Rom ia 4 Tagten za
sehen, wiederholt in Schott's Itinerarium Italiae, Wesel 1625, S. 350 ff.
Aidere Bearbeitungen sind für uns werthlos.
■•) Fiaminio Vacca's (vgl. aber ihn ßuonarotti 1867, 108 ff.) Me-
norie, geschrieben 1594, gedruckt zuerst 1794, dann nach zwei hs. Exera-
plarea von Fea Mise. 1 S. 52 ff. nicht ohne kleine Ntchbeiserungen ;
itellenweise genauer in Nibby's A. des Nai^ini Bd. 4.
**) Lipsius' Admiranda (1599), Pandroli's Ausgaben der Notitit
(1602), Severanus Memorie sacre delle sette ohiese di Roma (1630)^
Bosiüs' Roma snbterranea (1632. 1651) u. a. m. Uuter den Guiden
aiaehe anonyme, wie Delle maraviglie 4i Roma 1598 (s. Zaccagni bei
Mai Spicil. 9, 458), um welche ich mich nicht bemüht habe. Die von
■ir ebgesehenen boten keinen Ertrag (von Deutschen z. B. Lorenz
Sehrader, 1592, Bd. 2 S. 256).
*) A. Doaatna Roma vetus ac recens R. 1638. Ich citire die ^editi4
«^' Amsterd. 1695.
92 EmLBITUNG.
Recht als der Urheber aller nan folgenden Verwirrung and
als das Verderben der ganzen Topographie bezeichnet worden
ist. Nicht zuerst, aber am systematischsten nnd folgerichtig*
sten hat er die falschen Texte des Regionenbucbs zur Grnnd^
läge seines phantasierollen Baus gemacht und mit Hilfe der-
selben, unbekümmert um die einleuchtendsten Beweisfäh-
rangen der klassischen Topographen, ganze Stadtgegenden
versetzt (Forum, Subura). Die vor ihm und nach ihm mit
Glück geübte Unkritik in der Benutzung alter und mittel-
alterlicher Zeugnisse — das kühne Hantieren mit verschrie-
benen, verdruckten, missdeuteten und erfundenen Namen,
das Vermischen aller Zeiten und aller Grade der Glaubwür-
digkeit und Unglaubwfirdigkeit — bei ihm zur VirtuositSt
ausgebildet, hat die unselbständigen Köpfe in einem Grade
verblendet, dass es des vereinten Anlaufs der tüchtigsten
Forscher unseres Jahrhunderts bedurft hat, um sein Gebäude
über den Haufen zu werfen. Es versteht sich, dass ein
Mann von dein Geschick und der Loka&enntniss Nardinis in
vielen Einzelheiten das Richtige getroffen hat und so ist sein
Buch in der Gestalt, die ihm die schüchtern verbessernde
Hand Nibbys (unten) gegeben hat, noch heut nicht ent-
behrlich*®). — Ungefähr um dieselbe Zeit fanden die ge-
legentlichen Ausgrabungen und die Denkmäler der Architektur
an dem Turiner Cassiano del Pozzo (f 1657) und den
römischen Freunden Pietro Sante Bartoli und Giov. Pietro
Bellori eifrige und geschickte Beobachter und Zeichner ^^),
*B) Farn. Nardioi:. Roma antiea R. 1660. 1771, zuletzt vod Niblyy
R. 1818 in 4 fiden. (Bd. 4 enthält die Memorie des Vaeea, Nibby delle
Vie, Faleonieri über die Pyramide des Cestius.) mit Plänen von De Ro-
manis, über welche unten.
^) Del Poxzo: J. Lambroso, Notizie snlla vita di G. d. P., Turin
1875, theilt seine Anfzeichnun|^en über Ans^prabuni^en mit (dürftig);
über die Handzeichniingen Matz in der A. 20 angeführten Schrift (vgl.
CIL 6, 1 S. LIX). ^ ßartoli: Anfzeiehnnngen bei Fea Mise. 1 &
CCXXII ff. Seine Publikationen (z. Th. erläutert von Bellori): beson-
ders Gli antichi sepolcri di Roma, Picturae antiquae oryptarnm rom. et
sepolcri Nasonum, Golonna Trigana. lieber seine HandseiehnuBgou
( 3.] DIE FORSCHUNG. 93
etnzelne llieile d«r Topographie eiaen wiesenschaftlichen Be*
urtheiler ersten Ranges in Rafael Fabretti (seit 1680), dem
man noch den ihm eng yerbundenen Franc Biancbini
anscbliessen muss^^), endlich die TechnilL der römischen
Architektur einen jenem ebenbürtigen Bearbeiter in dem
französischen Architekten Anton Desgodetz: seine epoche-»
machende Publikation der wichtigsten Baudenkmäler (1682)
hat erst zu Anfang dieses Jahrhunderts würdige Nachfotge
seitens seiner Landsleute gründen (s. unten) '^). Daneben
hat die unermüdlicbe Buchhandlung von G. B. De Bossi ein6
Anzahl Abbildungen in Veduteomanier geliefert, welche zwar
für uns nicht mehr von Werth sind, aber zusammen mit
den im selben Verlage erschienenen Planen (unten) viel zur
Verbreitung der Kenntniss der Stadt beigetragen haben ^).
Noch trostloser ist die Oede vom Ausgang des 17. bis
zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Wertbios ist der topo-
graphische Abriss bei M in u toll (1689). Die Berichte Fran-
cesco Ficoroni's (seit 1709) liefern brauchbares Roh*
material» aber ohne jede wissenschaftliche Verarbeitung ^-^
von anderen Berichten aus diesem Jahrhundert ist bis jetzt
nur wenig bekannt — ; nicht viel höher steht die ToUstandige
Stadtf>eschrei]bung des auf anderen Gebieten geschätzten, durch
seine Stellung als Commissar der Alterthömer und Haus-
antiquar des Cardinal Albani einOussreichen Rid. Venuti
(1763). Alberto Cassios Monographie über die Wasserlei-
(worauf mich £. Hiihaer anfmerksam macht) Woodward im Gentelman
Magazine 3. Ser. 19, 1866 S. 29 ff. — Bellori: Aussähe des Stadt-
plans (oben § ^) nnd Veteres .arcas Ao^ustorum.
. '^) Fahr etti: De aquis et aqaaednctibas veteris Romae R. 1.680 (ich
benutze die 2. Ausgabe R. 1738), De oolumna Traiana 1683 (mit dem
wichtigen Anhang über das Kapitol, s. Th. II) und Inscr. ant. 1702
(vgl. CiL 6, 1 S. LX f.). -p Biancbini, Palazzo de' Gesari op. post
Verona 1738 (s. Th. IL).
*') Desgodetz: Les edificos antiques de Roma dessines et mesures
tres exactement Paris 1682.
<•) HanptsächHch: I vestigi dell' antichita di Roma 1653 f, und die
Ueineren Veduten in dem Ritratto di Roma antica 1654. 8. b. ö.
94 EINLEmiNC.
tungen (1756) ist ifam zum CnglAck u&ter den Händen zo
einer toUständigen topographischen Periegese aligeschwollen«
in deren wüsten Massen man mit Möhe ein oder das andere
brauchbare Korn herausfindet °^). Daneben sind für einzelne
Fragen die Arbeiten der Architekten C. Fontana (seit 1694)
und Vignoli (1705), der gelehrten Antiquare Montfaucon
(seit 1702) und Mabillon (äeit 1723) von Wichtigkeit, and
selbst aus der Guidenlitteratar darf ein Name, Yasi, aus def
Vedutenlitteratur Overbeke und Barbault angeführt wer-
den ^'^). Abseits von diesen mehr oder minder unbedeuten-
den, oder doch nur beiläufig in die Topographie eingreifenden
Arbeiten stehen die bildlichen und kartographischen Dar-
stellungen der Trummerstadt von Giambattista Piranesi
(1707 — 1778) nicht allein, wie allgemein atierkannt, geniale
künstlerische Leistungen, sondern auch Werke von hoher
Bedeutung für die Wissenschaft. Seit Rafaels Zeit (oben
A. 10) ist von Niemandem ein so umfassender Plan zur
Veranscbaalichung aller erhaltenen antiken Baureste entwcNrfen,
von Niemandem überhaupt, wenn man den einzigen Canina
ausnimmt^ ein solcher auch nur annäherungsweise ausgeführt
worden. Messungen und Aufnahmen auch -der nicht pittoresk
wirkenden und mancher jetzt untergegangener Trümmer, die
erste eingehende Beachtung und Würdigung d^s kapitolini-
schen Stadtplans, der Versuch, eine kartographische Darstel-
lung der Trümnier zu geben, sichern namentlich den beiden
Hauptwerken, den 'Antichitä' und dem 'Campo Marzo^ den
^) Miotttöli: Romaoa antiquitas dissertatfonibas historieocriticis ill.
R. 1689 (S. 89—171). — Ficoroni: Le vesligrie e raritä di Roma antica
R. 1744; weniges topographische in anderen Schriften, znsammengeslellt
bei Fea Mise. Bd. 1. — Venuti: Descrizione topografica R. 1763, brauch-
bar in d^r' Ausgabe Piales R, 1824 in 2 Bdn. lieber seine Stellnug
Justi Winckelm. 2, 2, 24 f. — Cassio: Corso delle acque R. 1756, 2 Bde.
'^) Die Monographien s. am gehörigen Ort. — Montfaucon's Dia-
rinm Italicum und Mabillon*s Museum Italicum konimen nur für die
mittelalterlichen Quellen in Betracht (Bd. 2; 360. 664). — Väsis Itine-
risirio 1794. — Overbeke: Reliquiae antiquae urbis Romae Amst. 1707,
3 Bdef. — Barbault: Les plus baux monuments de Röme ancienne R; 1761 f.
{ 3] DIE FOJtSCBiING. %
Werth epoebeoi^cheiider und für alle Zeiten uoentbehrlicbier
Arbeiten. Der oft wiederholten Behauptung, dass die Brauch^
barkeit derselben wegen der willkürlichen Ausschmückung
des erhaltenen eine sehr zweifelhafte sei, ist. entschieden .zu
widersprechen ^')^ — Seine Arbeiten aind durch seinen Sohn
Francesco (f 1810) ergänzt und neu aufgelegt worden.
Wir haben die Epoche erreicht, in welcher wie in dem
ersten Drittel des 16. Jahrhunderts ein n^uer Aufschwung
der gesammten Alterthumswissenschaft auch die Topographie
aus ihrer Lethargie erweckte. An diesem Aufschwung haben
Italiener und Deutsche gleichen Antbeil. Ist es iiafnentlich
Gaetano Marinis bekanaten epigrs^hisch- antiquarischen Ar*
httten zu verdanken, dass die eingeschrumpfte Kenntmss der
urkundlichen Reste der alten Stadt wieder lebendig wurde,
inneren Zusammenhang und Umfang gewann, so haben
Winckelmann und Niebuhr, indem sie .4^3 Kulturleben
der alten Volker in seinem Gesammtorganismus vor unseren
Augea wieder .auferstehen liesseu,* der Topographie in. ^ dem
grossen Bilde zuerst die richtige Stelle angewiesen und ihr
ToUig neue Quellen in dem Kunst- und Staatswesen Roms
eröffnet. Es konnte nicht fehlen, dass unter diesem mächti*
gen Impulse die Sehnsucht wieder erwachte , was von der
alten Stadt unter dem Schutt der Jahrhunderte erhallen wäre,
durch umfassende Ausgrabungen wieder aufzudecken. £s ist
das Verdienst Carlo Fea 's, diesen Gedanken klar erfasst und
die Ausführung desselben so geschickt eingeleitet zu haben,
das^ gleich die ersten Spatenstiche in eine der wichtigsten
ODd durch die Aftergelehrsamkeit des 17. und 18« Jahrhun-
*•) Giamb. PiranMtt L« aatiehita Roauaie K. 1756 4 fide. Campa
Marzo 1762; aasaeriltei zaUreicke kleiaere Publikationen iuicl..einz^ne
Blätter von ihm oad dem Sohoe Fraoceseo, welche gekörigen QrU be^
rSekaiektigl sind (Kgl, Bibl. Berlio. Gesammtauagiibe in 17 fi4en4, vgli
Nagler 11, 3S9 f.). — In der Regel findet man nur Beortbeünn^eo de*
Uiostleriaeken Gkarakters (». besonders Justi Winckelm. 2, 1, dSi^ ff.)*'
l^D Weklk setner oft vergessenen oder unterschätzten topograpbiseh-
irehitektonisehen Leistungen kkt von JNeneren nammtlich Laaeiaoi wohl
erkannt. Vgl. auch Forma urbis S. 34 § 4.
96 filNLBmiNG.
derts ganz verdankelte Frage, dh Fofumsfrage, unefwartetes
lidit brachten. Zugleidi gab ihm seine amtliche StdiaDg
als comissario delle antichitä Gelegenheit, den erhaltenen Ban^
d^nkmälern wirksanien Schutz gegen fieschfidigenges za gei
Währen und sie theilweise von * den Anbauten der Jahrhun«^
derte zu befreien. Nimtiat man dazu die scharfe, oft freilich
überscharfe Kritik, wdcher Fea eine Reihe von Eihzelfiragen
unterzog, die lebendige Vereinigung phU(riogischen Wissens
und richtigen Verständnisses für die Bautrummer, so dari
man ihn wohl als einen der Begränder der nevtea wissen*
schaftlicheä Topographie, wenn nicht gerade zu als den Be^i
grönder derselbe^ bezeichnen'^'). Aber er stand* nicht allein^
Mit sehr verschiedenartiger Begabung , aber mit derselben^
wesentlich' auf die Ausbeutung der erhaltemen Reste
gerichteten Methode arbeiteten gleichzeitig bald in engem
Verein, bald in scharfem Gegensatz zu ibm Guattani und
Uggeri, Nibby und Piale, und noch Bunsen und Canina^
Während die beiden erstgenannten föglich noch der äkeren
'3') f'ea: amtliche Stellang uod Pläne: Mise. 2, Vorred«, Prodrome
S. 49, Cenni biografici di G. Fea R. 1836 (ein vollständiges Verzeich*
niss seiner Schriften enthaltend)* 'Vertheidignng der Carte: Bei dirittl
del prineipato 'ätigli antichi edifizi pnUici sacri «proltDi io öcoasioo#
del Panteon 1806, L'iotegrita M Paateoii riveadicata pl prineipato anA
CoBclttsione per Tintegrita del Panteon 1807. — Hauptschriften topo«',
graphischen Inhalts: Uebersetzung des Winckelmann mit Kommentar
nnd der Abhandlang Solle rovine di Roma 1783, Mlsceüanea filolo*
gica (etrthaltend die Berichte des 16. bis 18. Jahrhunderts) 1, 1796^
Nuebtrag: 2, 1836. -^ Erster Bericht über die Aosgrahnagea 1803: b«i
INibbyRoma ant. 1, 484 ff.; 1813—1820: Varietä di notiäe 1820; voa
d«]i zahlreichen kleinen Schriften sind noch imnor wichtig: 1811 Lo
termc Taiirianc^ 1813 Gas. sidr arenä e aul podio dtll' aofit Fkviild
Iscrizioai di moo. poblici, Notizie degli acavi.neir «afit Flavio -e ■41
farc Tri^ano, 1816 Prodrome di nuove osservazioBi, 1819 La basilic«
di Costpntino sbandita dalla via sacra (gegen Nibby), 1S20 Nnovi foi
dei fasti, 1827 Indicazione del foro romaae (wiederholt im Ball. dellS
inst. 1836), 1829 La scoperU dell' aciiiia di Mercurio, 1882 StorUi
delle aeqae n. a. m. Botbehiiich iat die fiiieova deaeriziono da
Roma 1821. .
^ 3] Dlfi FORSCHCJNG. 97
ule zugezählt werden können ^^) und nur in beschr&nktem
asse und in Einzelheiten gefördert haben, verdanken wir
n übrigen recht eigentlich die breite Grundlage der Denk-
älerforschung. Nibby hat seine ungemeine Kenn tniss aller
ten Reste und seine für einen Italiener damaliger Zeit acht-*
en Kenntnisse in alter und mittelalterlicher Litteratur
uchtbalr zu machen gewusst in grösseren darstellenden Ar-^
iten, welche noch jetzt gute Dienste .leisten, und wiewohl
nst ein wenig scharfer und selbständiger Kopf, doch mit
lack gegen Fea und die allgemeine Meinung eine Haupte
age (über die Basilica Constantins) entschieden. Ungelebrti
er mit einer Sicherheit des Blicks, die ihn vor allen gek-
annten auszeichnet, hat Piale alle Hauptfrage der Reihe
ch geprüft und wie erst die spätere kritische Forschungi
bwohl lange nicht genug, anerkannt hat, fast durchgängig
Mas Richtige getroffen« Die Arbeiten Bunsen's und Canina'fi
endlich führen uns in verschiedenen Richtungen bereits bis
en die Mitte des Jahrhundtf ts, in welcher Zeit ein kurzer
tillstand eingetreten ist^^). — Die Abbildungen aus dieser
poche — abgesehen von den Arbeiten der französischen
Architekten (unten) — stehen noch unter dem Einfluss Pi-*
ranesi's. Mit Uebergehung der kleineren für uns werthlosen
erwähne ich die pittoresken Darstellungen von Rossini und
die wissenschaftlich wichtigen von Uggeri^^).
•8) Guattaai: Monnmeiiti antichi 1784—1789 (wichtig der ietste
Band); Memorie enoiclopediche 1806—1810. 1816. 1817; Roma de*
scritta 1805, 2 Bde. (für den Palatio noch brauchbar). — Ueber U8;9eri
I. A. 40.
'^) A. Nibby: Del, tempio diella Pace e della basiliea di GoatMi*
tbo 1S19, Dei Foro roaano 1820, Le mnra di Roma 1820, Ausg. des
Hardini 1828, Delle antichita diRoma 1, 1830 (entbehrlich), Roma neu'
tnoo 1838 Parte I antica II moderaa (4 Bde., nadi seinem Tode her-
ausgegeben). Auch die Aaalisi dei ditorni kommt hier und da in
Betracht.
*») Rossini: Antioh. di Roma 1823, 101 Bl. z. Th. nach Piranesi
(vgL Nagler 13, 442 f.). A. Uggeri: Journ^s pittoremfues des
edifices de Rome anetenne R. 1800—1814 Bd. 1—3 und Suppl. 1. 2^
Jordan, römische Topographie« Li. <
98 EINLEITUNG.
Die Gründung des zwar der Idee und der Form nach
internationalen, thatsächlich aber von Anfang an wesentlich
deutschen archäologischen Instituts auf dem Kapitol, des nun*
mehrigen Reichsinstituts, greift epochemachend in die topo*
graphischen Studien ein. Die von ihm herausgegebenea
Schriften sind bis zum Jahre 1872 als Hauptarchiv auch dex
römischen Topographie zu betrachtend^). Die Gedanken Nie-
buhr's ausführend, angeregt von Fea und mit ihm und den
äbrigen römischen Gelehrten in regstem Verkehr, hat B unsen
es verstanden, den Deutschen von dem Stande der danaaligen
römischen Denkmäler-Studien zuerst ein lebendiges Bild zu
geben. Den Fortschritt, den die ^Beschreibung Ronas' in
dieser Beziehung in der deutschen Forschung bezeichnet,
kann Niemand verkennen. Die Anregung, welche von diesem
Kreise ausging, trug bald ihre Früchte: die Arbeiten von
Ambrosch, Papencordt und^ Abeken, weiche in die
Topographie Roms eingreifen, wären schwerlich ohne dieselbe
entstanden. Abgesehen von Uebersetzungen oder Bearbei-
tungen fremder Werke, besass die deutsche Litteratur bis
dahin nur eine einzige, freilich sehr achtbare und noch jetzt
unentbehrliche Arbeit, die Sachsens. Indessen es fehlte dem
Verfasser die eigene Anschauung und der Sinn für das Leben
der alten Stadt ^^). Auch haben Bunsen und seine Hitar-*
heiter und Fortsetzer, Gerhard und L, Urlichs — die
«^) vgl. < Bunsen' 1, 338. 347 deutsche Ausg. — Annali und Bul-
lettini dell' institato di corrisp. arclieologiea seit 1829; seit dem Jahre
1872 fehlen darin regelmässige Berichte über Topographie; es treten
dafür die des Ballettioo manicipale ein (unten).
*^) Ambrosch Studien und Andeutungen im Gebiet des altrömischen
Bodens und Gultns Breslau 1839. Papencordt Geschichte Roms im
Mittelalter. Abeken Mittelitalien vor den Zeiten der römischen Herr*
Schaft Stuttg. 1843. — Pie deutschen Bearbeitungen des Boissard, Car-
din! (Adler Ausf. Beschreibung der Stadt Rom Altona 1781), Burtoa
(übers, von Sichler 1823) und die deutschen Reisebeschreibungen dieser
Zeit sind werthlos. — G. Sachse Geschichte u. Beschreibung der alten
Stadt Rom Hannover 1824 2 Bde. (der 2te aus den Papieren des Vf.
nach seinem Tode), nicht blos als Chronik unentbehrlich, sondern auch
in der Untersuchung einzelner Fragen vorzüglich.
; 3.] DIB FORSCHUNG.
Beiträge der öbrigeu gehen die alte Topographie wenig ai
aelbsttfaätig in die wissenschaftliche Beurtheilung topogra^ ._
scher Probleme eingegriffen und deren Lösung gefördert (ich
ainnere an das Forum, das Capitoi, das Marsfeld). Leider
rafate aber das grosse Werk nicht auf eicherer philologisch-
kritischer Grundlage. Weder die zerstreuten Zeugnisse der
illen waren geni^end gesammelt, noch die grösseren 'Ur-
knnden' metfaodiadi untersucht**). Diese nolhwendige Grund-
lage im Wesentlichen — wenigstens was die antike Litterrior
anlangt — für alle Zeilen hergestellt zu hahen, ist das
Verdienst Wilhelm Adolph Becker's. Freilich ist es ebenso
imbeatreitbar, dass Becker in einseitiger Weise es verschmäht
hat, sich mit den Trünimern und der Dcukmälraforschung
auch Dur bekannt zu machen, und dass sein verkehrtes Ur-
theil über die letztere ihn zu ungerechter Verurtbeilung sei-
Der Voi^Dger geführt hat; selbst dass er MissgriRe in der
philologischen Behandlung des Gegenslandes gethan hat, muss
**) N i e b Q h r 'a ' Abriss der Geschiehtn des Wicbatbmu and Verfallet
itr alten und der Wiederberstellunt; der aeaeo Stadt Rom' 1S23
B«achr. 1, 111 ff. = Kl. Schriften 1, 407 ff. nnd Feas o. a. Diss. solle
loviDe entbalteo die Groadliniea des topographisch-historischen Theils
itr 'Beschreibnng der Stadt R'. und sind auch fdr den Übrigens lesens-
«erthen Aperfo des prioc vicissltudes de la top. de R. von Raoul-itacbette
(Revae de Paris IS'iä; auch Deutsch L. 1S34} hestimmend gewesen. —
Beschreibung der Stadt Rom von Platner, Sunsea, Gerhard,
Röstell, Sluttg. 1S29 fr. (fortgesetzt von L. Urlichs) in 6 Bden. mit
Bilderheft. Ueber Buuscn's Abhh. über das Forum {Ball. 1836, Ann.
1837) und Gerhard's Abb. della basilica Giulia (Bffem. lett. dl Rania
Nov. 1S23) s. den betreffenden Abschnitt Kürzere Fassung in 1 Bde. von
Platner a. Urlichs 1843. Zur Entstehungsgeschichte des Werks (Plan von
Niebuhr und Braudis 1817—16): Bunsen's Dcnkw. ], 388 f. der Ueberg,
-- Dag auf dem Titel versprochene 'Urkuodenbuch von E. Gerhard uad
E. Sarti' (s. Gerhard Aicb. Zeitung 1865, 9T) erschien nicht, der Cadei
topographicns nrbis Ramae van Urlicbs (Würzb. 1 871) hat einen anderen
Plan (vgl. § 2, 14 und oben A. 1). Von demselben Verf. ausser den
Streitschrilten (A. 46) und kleineren Beiti'hgen (Rh. M., Arch. Z.):
De curia Julia Hem. dell' inst. 2, 77, Das Forum Verh. der 24. Phi-
lologeavers. L. 186G, S3 ff., die Brücken Sitiungsber. der Münchener
«. (philoB.-hisl. K.) 1870, 459 ff.
100 EINLEITUNG.
zugegeben werden. Aber es galt zunächst und vor Allem in
einen sicheren Baugrund die Fundamente tief und fest zu
legen und mit den herkömmlichen wie mit neu hinzuge-
kommenen Phantasiegebilden gründlich aufzuräumen : dass
ihm dies gelungen ist, dafür dürfte der. beste Beweis in dei
fast vollständigen Abhängigkeit aller späteren Arbeiten von
dem von ihm verarbeiteten Material (besonders der einziges
nach ihm erschienenen Gesammtdarstellungen von Hebet
und Oyer) und in der auch von Italienern endlich ifam ge-
zollten Anerkennung liegen**). — Seine Arbeit ist in gluck-
lichster Weise und zur rechten Zeit durch L. Preller'fl
Begionenbuch ergänzt worden. Auch wies derselbe nament-
lich der Darstellung und Gruppirung des Materials neue und
richtige Wege, indem er eine Verbindung der periegetischen
mit der geschichtlichen Betrachtung als das Ziel der Topo-
graphie erkannte und damit auf die von Niebuhr gegebe-
nen Andeutungen zurückgriff, und betonte, wie vor ihm schon
Ambrosch, nach ihm Bubino die engen Beziehungen zwischen
BeUgionsgeschichte und Topographie**). — Der Streit, wel-
cher sich zwischen Becker, Urlichs und PrelJer entspann, hat
zwar sehr zur schärferen Behandlung einer Beihe von Detail-
fragen beigetragen, wohl aber auch manchen verdrossen und
**) W. A. Becker: De Romae veteris mnris atque portis L. 1842,
HaDdbuch der römischen Alterthümer 1 (Top. der Stadt Rom) L. 1843.
Ueber die Streitschriften s. A. 46. Das in m. Besitz befindliche Hand-
exemplar Becker's enthält von seiner Hand nur die Nachtrage, welche
Handb. 2, 1, 395 fi^. gedruckt sind. — Hierher gehört das oben genannte
Buch von Reber, Ruinen Roms u. der Campagna L. 1863. Vgl. A. 47.
Ueber Dyer unten.
<*) L. Preller, Die Regionen der Stadt Rom, Jena 1846. Von den
kleinen Beiträgen zur T. ist ein Theil in die Ausgew. Aufsätze (L.
1864) 47 ff. aufgenommen (hervorzuheben der Aufsatz über das Gapitol),
nicht die wichtigen Abhandlungen 'Rom und der Tiber', Ber. der sacbs.
Ges. der Wissensch. 1848, 131 ff. 1849, 134 ff Vgl. A. 46. — Von
Rubino gehört z. Th. hierher das nachgelassene Werk Beiträge zur
Vorgeschichte Italiens (1868), in welchem freilich die gröbste Vernach-
lässigung der Quellenkritik mit scharfsinnigen Kombinationen verfloch-
ten ist.
{ 3.] DIB FORSCHUNG. 101
abgeschreckt^^). Es mag damit zusammenhängen, dass seit
den vieraiger Jahren die deutsche Forschung mehr und mehr
in's Stocken gerathen ist. Die einzigen umfassenderen Dar-
stellungen nach Becke]", die E. Braun's und F. Reber's, sind
wesentlich reproduktiv. Nur die Untersuchungen Mommsen's
über einige topographische Kardinalfragen haben seitdem noch
einen neuen Anstoss gegeben. Die Wirkung desselben zeigt
sidi namentlich in den weiteren Behandlungen der Forum-
firage bei Detlefsen, Reber u. a.^0*
Wahrend die Franzosen nur durch kartographische und
architektonische Spezialuntersuchungen und Abbildungen in
der topographischen Forschung dieses Jahrhunderts vertreten
sind — ich nenne die Arbeiten von Caristie, Valadier, Isabelle,
Ghoisy und zuletzt Dutert^^) — sind die Engländer an der-
^) Streitschriften : Preller's Rec. Jenaer AUg. L. Z. 1844 N. 121 ff.
Dtgegen Becker: Die Wfra. Topographie in Rom, eine Warnung L. 1844
(das ^B m. Besitz befindliche Handexemplar Preller's enthält von seiner
Hand einige antikritische Bemerkungen). Urlichs : Römische Topogr. in
Leipzig Stuttg. 1845. Becker : Zur röm. Top., Antwort an Hrn. Uriichs.
L 1845. Urlichs: Römische Topogr. in Leipzig. U. Antwort an Hm,
Becker. Bonn 1845. Vgl. über dies * bellum si dis placet topographicum'
Mommsen Ann. 1845, 324.
^^) E. Braun, Aufsätze ans seinem Nachlass. Philol. Suppl. 2, 381 ff.
VgL die Ruinen und Museen Roms, Braunschw. 1854, und die Aufsätze
in den Beilagen der Augsb. AUg. Ztg. 15. JVov. 1855 bis 13. Okt. 1856.
Mommsen: Brückenfrage, Ber. der sächs.. Ges. der Wissensch. 1850 (S,
Th. I § 7). De comitio romano curiis Janique templo Ann. 1845,
2SS ff. Ueber die Lage des prätorischen Tribunals Jahrb. des gem. deut-
sehen Rechts 6, 389 ff. u. a. m. — Detlefsen De comitio Ann. 1860, 128 ff.
Reber, Curia Hostilia Münch. 1858, Ruinen 1862 (vgl. A. 44). — End-
lieh Ziegler Illustr. z. Topogr, d. a. Rom m. yerständigem Text. Stuttg.
1875 ff. VgL Jahresb. 1875, 793.
^) Ampere's Histoire romaiae ä Rome kommt nicht in Betracht. —
A. Caristie, Plan et coope d'une partie du forum R. Paris 1821. Va-
lidier (über sein Leben Giorn. arcad. 1867 Bd. 209 =: 64 NS S. 94 ff)
Racolta delle piü insigni fabbriche di Roma antica (1 — 7) R. 18 jO —
1826. Isabelle Les edifices circulaires et les d6mes P. 1855. Parallele
das saUe rondes de l'Italie, P. 1863 (vergl. ) 1 A. 44). — Choisy l'art
de batir chez les Romains. P. 1873 (ebenda A. 44}. — Dutert: Palatin
102 EllN LEITUNG.
selben durch eine Anzahl beschreibender und hanptsächlidi
der Erklärung der erhaltenen Denkmäler gewidmeten, freilich
wenig über den Standpunkt der Guiden erhabenen Bücher
betheiligt. Die älteren — von Lumisden, Burgess, Gell —
enthalten kaum einzelnes noch jetzt Brauchbare, von den
' neueren ist Dyer*s Arbeit eine lesbare und nicht urtheilslosa
Bearbeitung des Becker'schen Handbuchs, Parker's noch nicht
abgeschlossene Archeoiogy ein jeder wissenschaftlichen Grund*
läge entbehrendes dilettantisches Buch von unbequemster Form,
welches unerwähnt bleiben könnte, wenn es nicht einige sonst
nicht oder schwer zu erlangende Abbildungen enthielte ^^).
Seit dem Jahre 1848 haben die Italiener wieder die
Führung übernommen. Der erste jetzt lebende Kenner des
christlichen Boms, J. B. De Bossi, ist für uns zugleich der
Wegweiser durch die urkundliche Geschichte der antiken
Bauwerke und hat durch seine epigraphischen und antiqua-
rischen Musteruntersuchungen neue Bahnen eröffnet ^°). —
(Revue arch. 1873) und Forum (P. 1876): vgl. Jahresber. 1875, 776 f.
1876, 171 ff. — Nicht publicirt sind m. W. die Arbeite» der Schüler
der franz. Akademie in Rom, aufbewahrt in der Ecole des beaux arts
(vgl. Büdinger s Unters, z. röm. Raisergesqhichte 1, 137). Anderes mag
mir entgangen sein. — lieber Tournon s. unten S. 109.
*^) Lumisden : Remarks on the antiquities of Rome and its environs
L. 1797. Rurgess; The top. and antiquities of Rome. L. 1831, 2 Rde.
(beide entbehrlich, ebenso fiurton 1821. 1828, mir nur in Sickler's
Uebers. bekannt.) Gell: Rome and its vicinity, brauchbar in der 2. Aus-
gabe von Bunbury, L. 1846. — Dyer: Ancient Rome, L. 1864 (Sep.-
Abdr. aus Smith Dict. of Gr. and Rom. Geogr. 1856), dess. Hist. of
the city of Rome, L. 1865. Die zahlreiche Menge der neueren illn-
strirten und nicht illustrirten Guiden — zu denen auch Burn's Rome
and the Gampagna (2. A. 1876) gehört — übergehe ich. — Parker: Ar-
cheoiogy of Rome, Vol. I (2 ßde, Text, Plates), Oxf. u. Lond. 1874,
dazu Suppl. 1876; Forum Rom., Via sacra (2 Abth.) 1876 (s. Jahresber.
1875, 789. 1876, 169).
^) Die bekannten Hauptwerke Roma sotterranea (1. 2), Inscriptiones
christianae (1), Le prime raccolte di antiche iscrizioni (R. 1852, Giorn.
arc. Bd. 127. 128) enthalten viele gelegentliche Winke, welche wich'
tiger sind als dick» Bucher anderer. Von den rein topographischeo
Untersuchungen sind die über die ara maxima, den arcus Fabianns,
.• •:
:-. • ,. • • • •
§ 3.] DIE FORSCHUNG. 103
Mit seinem Hauptwerk, den Edifizi di Roma antica, gehört
auch L. Canina der neuesten Epoche an. Sein grosses Ver«-
dienst besteht hauptsächlich in der nach dem Vorgange Pi-
ranesi's unternommenen und energisch ausgeführten bildlichen
Darstellung und Restauration der ganzen Stadt und der
glücklichen Anwendung des capitolinischen Stadtplans. Die
Willküriichkeiten und Fehler, welche die beigegebenen Pläne
(S. 112) wie die Abbildungen entstellen, schmälern dies Ver-
dienst freilich, müssen bei jeder Benutzung in Betracht ge-
sogen werden und hätten besonders vor mechanischer Repro-
duktion warnen sollen.* Solche Reproduktionen sind zum Theil
die Illustrationen zu Reber's Ruinen (oben A. 44), manche Abbil«
düngen der Berliner Baudenkmäler und viele andere: hingegen
scheinen die Abbildungen Turconi^s von ihm unabhängig zu sein.
Die Indicazione topografica ist in ihrer letzten Gestalt noch
immer ein brauchbares Hilfsmittel, von Spezialuntersuchungen
erwähnen wir hier das Forum und das Theater des Pompejus*').
Zu seinen Schülern zählen ausser Ravioli, Tocco u. a. (s.
das Forum) auch Pietro Rosa, welcher die Pläne Fea's
wiederaufgenommen und als Beamter seit 1861 Napoleons,
seit 1870 des Königreichs Italien die Trümmer des Palatin
und des Forum von ihrem Schutt befreit hat. Dass er diese
Aufgabe mit grossem Geschick und Eifer gelöst und damit
die Cohorten der vigiles, den Musentempel (Ann. 1854. 1858. Bnll.
1869) die wichtig^step ; ferner über das templam divi Romali (1867),
die Basilica Jnnii Bassi (1870) n. a. in seinem Bull, di archeol. crist
(seit 1863).
^^) Ueber Caninas karto^rapbiscbe Arbeiten S. 1 1 1 f. — Indicazione
topografica di Roma antica R. 1831, 4. Anfl. 1850. Arcbit antica Bd. 3
(a. Romana) 1832. Del foro romano e sne adjacenze 1834. 2. Aufl.
1G45 (mit Atlas). Edifizi di Roma antica R. 1848—1856, 6 Fol. (mit
durchlaufender Zäblung der Tafeln in den Tafelbänden 2. 4. 6; 1. 3. 5
Text; 5. 6 Contorni). Das gelehrte Material wiederholt sich überall,
und ist 4eshalb durchgängig die letzte Ausgabe der Indicazione allein
eitirt worden. Ausserdem vgl. oben § 1 A. 18. — Turconi: Fabbriche
antiche di Roma Mail. 1857. — Denkm. d. Baukunst Lf* 2. 3. — Ein^
vollständige Aufzählung wird nicht beabaichti|^.
104 EINLEITUNG.
eadlieh erfüllt hat, ^as Jahrhunderte lang vergebiicli ange-
strebt worden ist, hat die Wissenschaft dankbar anzuerkennen.
Nur ist zu bedauern, dass derselbe nicht gleichzeitig Beob*
achtungen , weldie er allein zu machen Gelegenheit hatte,
aufgezeichnet und überhaupt noch bis heut nicht die Resul-
tate seiner Arbeiten in wissenschaftlicher Form allgemein zu-
gänglich gemacht hat. Auch die in Folge der letzt^i Ver-
änderungen in der Verwaltung an die Stelle der Rosa'schen
getretenen amtlichen Berichte 6« Fiorelli'$ entsprechen
bis jetzt nicht den gehegten Erwartungen'^^). — Gerade das
Gegentheil gilt von R. Lanciani, dem Sekretär der archäo-
logischen Kommission des Municipio. Das Hauptfeld seiner
Beobachtungen, die Ausgrabungen auf den Hügeln, hat der-
selbe in mustergilt^r Weise und rasch allen Mitforsehern
zfugänglich gemacht und die vorliegende Arbeit wird tqd der
tiefgebenden Wirkung seiner mannigfaltigen Untersuchungen
allerorts Zeagniss ablegen '^^).
'^^) Rosa's und seiner Gehilfen (Pellegrini, Brizio, anfangs aaeh
Lanciani) gedrnckte Berichte sind spärlich. Kleine Commnniqne's
in dem Bull, dell' inst, fiber den Palatin (seit 18&2, auch photogr. ver-
vielfältigter Plan), und das Forum (seit 1870) und der grössere Bericht
Sülle scoperte an^heologiche della citta e provincia di Roma, relazione
pres. a. S. E. il ministro di pub. istr. dalla R. Sopraintendeoza degli
scavi della provincia di Roma. R. 1873. Die mir durch die Güte des
Hrn. Fiorelli zur Durchsicht verstatteten hs. Rapporti (settimanali und
straordinarii) della R. Sopr. (1872—1876, Lücke 1874) sind, wie in
der Ephemeris epigr. 1877 (Inscr« fori) auseinandergesetzt worden ist,
sehr mangelhaft redigirt, die darin nach dem Muster der pompcjanischen
zu erwartenden genauen Angaben über die Aufdeckung fehlen. — Fio-
reUi: Notizie degli scavi di antichita communicate alla R. Accademia
dei Lincei (gesehen habe ich die Hefte Jan. — Sept.) 1876. S. Jahres-
ber, 1875, 1876. aa. 00.
^') R. Lanciani: Le mura di Roma Ann. 1871. Guida del Palatino
(mit G. L. Visconti) 1873. Berichte und Unterstichungen im Bull, dell' inst.
1871. 1872 und in dem von ihm redigirten Bull, della commissione
arch. municipale seit Nov. 1872, 4 Bde. Vgl. Jahresb. a. 0. Ueber
seinen Plan von Rom unten.
§ 3.] ANHANG: DIE STADTPLÄNE. 105
ANHANG.
DIE STADTPLÄNE.
Eine kritische Erörterung der neueren Stadtpläne er-
schien mir ein um so grösseres Bedürfnisse als die Urtheils-
losi$(keit, mit welcher dieselben von den Topographen yon
jeher benutzt worden sind, auch dem Laien erkennbar, alle
Detailuntersuchung aufs Aeusserste erschwert und beispiels-
weise eine genaue Darstellung der Topographie des Forums
geradezu unmöglich macht. Die folgende Skizze — im
Wesentlichen von der Hand eines Sachverständigen, des Herrn
H. Matzat — wird wenigstens eine genügende Warnung vor
der Benutzung werthloser Dutzendarbeiten und eine nützliche
Hinweisung auf die alleinigen Quellen unseres heutigen
Wissens abgeben. Eine strenge Scheidung derjenigen Pläne,
welche die moderne Stadt darstellen und die Trümmer als
Beiwerk behandeln und derjenigen, welche letztere und ihre
Restauration als Hauptsache oder alleinigen Gegenstand be-
handeln, ist nicht durchführbar^^). Ausgeschlossen werden
hier Spezialpläne einzelner Stadtgegenden oder Gebäude (wie
^) Die Ujitersnchong hat Hr. Matzat auf meine VeraDlassunffP
im J. 1870, damals Stndirender, aaf Grand des auf dea Bibliotheken
voo Königsberg und Berlin nnd des in meinem Besitz befindlichen
Materials geführt nnd mir jetzt, da er anderweitig durch Amts-
geschäfte in Anspruch genommen ist, gestattet seinen damals aafge-
schriebenen Bericht nach Gutdünken zu benutzen. Ich habe überall
da, wo der Vf. über technische Dinge urtheilt, mögliehst seine Worte
in Aafnhrangszeichen gegeben, im übrigen zusammengezogen und meine
seit 1870 gesammelten Nachträge eingefügt. Diese besonders zu kenn-
zeichnen, erschien mir nicht nöthig. — Die Ungleichmässigkeit in der
Art der Beschreibung der von mir gesehenen Pläne des 16. Jahrh.
Böge man entschnldigen : ich habe sie zu verschiedenen Zeiten in Dres-
den, Berlin, Rom flüchtig untersucht. Die älteren Plane verzeichnet
Martinelli R. sacra S. 443 ff.
106 EINLEITUNG.
namentlich die des Forums), über welche Th. 11, und die zahl-
losen Pläne des alten Rom zu Unterrichtszwecken.
Die Pläne Roms — abgesehen von dem antiken capito-
linischen (oben S. 45 f.) und den mittelalterlichen (Bd. 2,
333 f.) — zerfallen in zwei Hauptgruppen, die älteren mehr
oder minder willkürlichen Darstellungen, die jüngeren auf
regelrechter Vermessung beruhenden, seit NoUi.
Unter der ersten Gruppe sondern sich wieder als be-
sonders wichtig für das 16. Jahrhundert der Plan von Bu-
falini (1551), für das 17. der Plan von Falda da Val-
duggia (1676) aus. Gemeinsam ist fast allen die von der
jetzt üblichen abweichende Orientirung, welche der Tradition
der mittelalterlichen folgt (Osten oben '^*) ; selten anders , z. B.
Westen: Plan von 1557), ferner den meisten eine schiefe
Perspektive halb aus der Vogelschau oder eine Verbindung
von Aufriss und Grundriss der Gebäude. Wir zählen sie der
Zeit nach auf und beginnen, da Rafael, Fabius Galvus (1532)
und Marliani (1544) bereits oben A. 10 ff. besprochen sind, mit
1. Leon. Bufalini, R. 26. Mai 1551, 20 BU. Das ein-
zige leider defekte und falsch zusammengeklebte Exemplar auf
der barberinischen Bibliothek in Rom. Unschätzbare Darstel-
lung der Stadt vor den grossen Umwälzungen seit Sixtus V. In
mehreren von einander abhängigen Reduktionen verbreitet *•).
^) Ueber diese wahrscheinlich oicht antike, sondern christliche
Orientiranj^ s. Forma nrbis S. 16 § 16.
^) Beschreibung des barberinischen Exemplars (ein Gerücht von
einem in England befindlichen hat sich bisher nicht bestätigt) von Bergan
in Naumann's Archiv f. d. zeichn. Künste 13 (1867), 151 f. (es fehlen
4 BU. , die übrigen falsch zusammengeklebt). Die eingetragenen alten
Namen geben die damals herrschende topographische Theorie wieder.
Von mir 1867 benutzt. — Reduktionen von NoUi (unten) nnd nach ihm
bei Fortia d'Urban Projet d'nne nouvelle bist, romaine (R. 1813, nach
Bergan), Adler (A. 42) und v. Reumont G. R. Bd. 3. — Fälschlich
ist in antiq. Katalogen als Reduktion des Bufallini ein ebenfalls im
J. 1551 erschienener kleiner Plan bezeichnet worden, welcher nach
Matzats Bemerkung 4m Stile äßs Ligorius' gehalten ist: Situs nrbia
Romae . . . Joannes Oporinus typographus BasUiensis exeudebat.
§ 3.] AJ^HANG: DIE STADTPLÄNE. 107
2. Pyrrhus Ligorius, Effigies antiquae Romae ex
yestigiis , aedificiorum roinis . . . Michael Tramezinus publ.
1553, mehrfach wiederholt. Restaurationsversuch; als solcher
wichtig für das Verständniss seiner noch unvollkommen be-
kannten Ansichten über die alte Topographie (A. 14). Oefters
wiederholt: bei van Schoel Rom 1602, beim Donat und von
dem Altorfer Professor D. Köler Tr XV. der Descriptio orbis
antiqni. Ich benutze den Nachstich bei Donat. Yermuthlich auch
in dem Plan von P. Merula Descr. urbis Romae 1594. Es folgen
3 — 7 kleinere Pläne im Verlage von Lafreri (vgl. oben
S. 88) und zwar 3. Urbis Romae descriptio ex typis et
diligentia Ant. Lafreri . . . Jac. Belga in aes incidebat . . . Ro-
mae idib. Novemb. 1555 (m. 0,55x0,89); 4. gleiche Firma
1557, von Franc. Paciotus (047x0,55); 5. Formis Anton.
Lafrerii Sequani düigentissime express. an. 1557 (0,35 x 0,46,
Westen oben), 6. gezeichnet von J. A. Dosi, Romae Calendis
Januarij 1561 Seb. a Regibus Clodiensis in aere incidebat;
7 restaurirter Plan (unter Mitwirkung von Fulvius Ursinus?)
von Du Perac, impensa Antoni Lafrery 1573 (0,21 x0,56).
Von allen diesen Plänen ist der beste No. 4, wegen sauberer
und treuer Detailzeichnung nicht ohne Werth. Die /übrigen
bedeuten wenig*').
^^) Diese Plane habe ich in den verschiedenen Exemplaren des
Speculam rom. magoificentiae (A. 22) benutzt. N. 6: der Stecher sagt
in der Widmaog an Gab. Palaeotius ^expressi iamdudum . . meis aeneis
tabellis Jo. Anton. Dosii Floren, mann delineatis Urbem Romam . . et
Bt ea in li^cem prodiret audentias tao nomin i dicata exit*. Ueber Dosi
oben A. IS. — In der Gal. d. Uffizien fand ich 1872 von dem jüngeren
Perrazzi (A. 19, Mappe 2) ein Bl. (on^fahr 0,80 X 0,120), den 4. Theil
eines grossen Plans (Capitol-Engelsbnrg), der als Pause gedient hat.
£inen ähnlichen (ob denselben kann ich nicht sagen) das. beschreibt
A. Jahn in der A. 16 a. Abh. S. 145 und er giebt an, es sei 'wahr-
scheiDlich' das Original eines von Letarouilly benutzten Stiches von
1555. — Noch erwähne ich hier einen von v. H'dbner Sixte-Quint 2,
133 im departement' des estampes in Paris gesehenen Plan von M582'
«od die mir ebensowenig wie dieser vorgekommenen Plane von Andreas
Vaecarios 1603 und Antonius Tempesta 1606 (Kupferstich) wiederholt
von Paulus Maupinus 1625 (Holzschnitt).
108 EINLEITUNG.
8 — 13. Die seit 1665 in der römischen Officin von
Giov. Giac. De Rossi (de Rubeis) publicirten Pläne; (ygL
$. 93) und zwar 8. Pianta di Roma 1665; 9. Urbis Romae
sciographia ex antiquis monumentis accuratissime delineaia
1674 und die beiden von Giov. Bapt Falda da Valduggia
(de Valle Udiae) gezeichneten und gestochenen Pläne, 10«
sive pianta et Recentis Romae ichnographia et hypsographia
(1 Bl. fol.) facies ad magnificentiam qua sub Älexandro YIL
p. m. urbs ipsa directa exculta et decorata est J. B. Falda
de Valle Udiae del. et ine. (o. J.) und besonders 11 der
grössere in 12 Bl. Nuova pianta et alzata della cittä di
Roma . . . dis. et intagl. da G. B. Falda da Valduggia (Inno-
cenz XL gewidmet) 1676, in neuer Auflage 1697 und con
Taggiunte delle nove fabbriche sin' alF anno presente
1705, auch in einer kleineren Ausgabe 13 Nuova pianta della
cittä di Roma. Der Werth des grossen Plans, welcher bis
in's kleinste Detail das Innere der Häusercomplete , Gärten,
Villen u. s. w. darstellt, ist für die Kenntniss der Stadt im
17. Jahrhundert ausserordentlich gross. — ^Zu Grunde mag
diesen Plänen wohl eine Art oberflächlicher, nach und nach
ausgedehnter und vervollständigter Aufnahme Falda's liegen,
etwa mit Schätzungen nach Schritt oder nach dem Augen-
maass'. Auch in Deutschland fand dieser Plan durch Homann
und andere in verdienter Weise Verbreitung**).
An der Spitze der zweiten Gruppe steht der bis auf den
heutigen Tag die Grundlage aller Stadtpläne bildende, ja in
manchen, Details nur genau wiederholte Plan
M) Von d6B genannten Planen benutze ich den von 1705 (in m.
Besitz), gesehen habe ich die von 1676 nnd 1679 (Dresden, Kapfer-
Stichkabinett), die übrigen verzeichnet Hr. Matzat. Die Widmang der
Ausgabe 1705 zählt die zahlreichen Publikationen der Firma auf. —
Ferner: Urbis Romanae sciographia . . R. 1674 excud. Francisc Villa-
moena (Restauration)' und einen andern von Matt. Greg. De Rossi
1680 (modern): beide ohne Werth (Dresden das,}. -^ Die Bearbeitungea
von Homann, Urbis Romae veteris ac modernae accurata delineatio,
Norimbergae (o. J.) und Veteris et modernae Urbis Romae ichnogra-
phia . . cura et sumtu Matthaei Sentteri (o. J. u. 0.) verzeiehnet Hr. M atzat.
§ 3] ANHANG: DIE STADTPLÄNE. 109
14. Ton Gio. Batt. NoUi, Nttova pianta di Roma in 12
grossen Bl. R. 174S, mit beigefugter Reduktion in 1 Bl. und der
Reduktion des Bufalini (oben). ' Maassstab ungefähr 1 : 3000,
der erste Stadtplan, der auf exakten Messungen beruht*. Von
den zahhreichen Wiederholungen oder Bearbeitungen mit und
ohne Nennung des Namens Nollfs ist hier nur besonders
hervorzuheben ^^)
15. Tournon, Plan de detail de 1a ville de Rome
leve sur Fechelle de 13 eentimetres pour 100 m. (ca» 1:7700),
1812 in 17 Bl.; der Vf., Präfekt während der französischen Okku-
pation und Leiter der Ausgrabungen (Forum des Trajan
u. 8. w.) und Verschonerungsarbeiten » ' will damit glauben
machen, er hätte bei diesen Unternehmungen, über die er in
einem mit dem Plan zusammengehörigen Buch (Etudes sta-
tistiques sur Rome P. 1831, 2 Bde.) berichtet, eigene neue
Aufnahmen gemacht, während sein Plan nichts anders als
eine noch dazu ziemlich schlechte Reduktion des NoUi ist'.
16. Piranesi's Plan in den Antich. romane, Bd. 1
1784. Er ist auf dem reducirten Plan NoUi's als Mitarbeiter
genannt. ^Sein Plan ist ziemlich roh, das Moderne ist nidit
dargestellt, dafür aber die antiken Reste in grösserer Voll«'
ständigkeit gegeben\ lieber den V^erth seiner Angaben
S. 94 f.
17. 'Mit Benutzung Nolli's und Piranesi's, aber auch
eigener Specialuntersuchungen an Ort und Stelle*, arbeitete
der Architekt Antonio De Romanis einen Stadtplan aus,
der (in 14 BL, nach den Regionen, von verschiedenem Maass-
stab und einem Gesammtplan) Nibby's Ausgabe des Nardini
beigegeben wurde (oben A. 29). 'Die Darstellung des Moder-
nen fehlt wie bei Piranesi, die antiken Reste sind in sorg-
fältiger, oft minutiöser Darstellung verzeichnet wie bei diesem.
Auch auf das Terrain ist viel Sorgfalt verwendet, doch ist es
^) Genauigkeit: vgl. über die aurelianische Mauer Bd. 2, j63. Die
kgl. Bibliothek in Berlin besitzt allein 8 verschiedene meist namenlose
Reproduktionen in kleinerem Format; allenfalls zu nennen Monaldini
R. 1827 (1 : 7000).
1 10 EINLEITUNG.
ganz absonderlich stark markirt behandelt. Die Quelle für
die Terraindarstellung ist meist Noili, doch finden sich hin
und wieder kleine Abweichungen, welche Berichtigungen nach
der Autopsie des Verfassers sein müssen, da sie zu der so*
gleich zu erwähnenden neueren offiziellen Quelle stimmen.
An eine etwaige Benutzung dieser durch De Romanis ist nicht
zu deoken, weil er nicht überall, wo sie von NoUi abweicht,
auf ihrer Seite steht'. — In veränderter Gestalt mehrmals
wiederholt
18. Stier und Knapp, in dem Bilderheft zur Beschr.
Roms (1 : 6600), 'gute Reduktion Nollfs mit vermehrter Nomen*
klatur, Orientirung nach dem wahren Norden und Randab-
theilung nach Minuten und Sekunden'.
Es folgt endlich die neue Aufnahme der modernen
Stadt auf der Grundlage von Höhenmessungen (1802) und
einer vollständigen Triangulation (1815) durch die Direzione
del Censo. Vor der Publikation derselben konnten sie Ca-
nina, Melchiorri (1832) und wahrscheinlich Trojani (1835
und vor 1842 ?) benutzen, die amtliche Publikation erfolgte
zuerst 1842^°). Im Einzelnen bemerken wir über diese
Pläne folgendes:
^) \gl. Posizione geografica de' principali laoghi di Roma e de'
siioi cootorni, opuscnlo di Antoaio Conti e Giacomo Rieehebach pro-
fessori ed astroaomi del Collegio Romaoo. R. (Stamp. de Romaois)
1824. Darin wird genaa auseinandergesetzt, wie die Triangulation im
J. 1815 mit Zugrundelegung der Basis (Strasse Porta Angelica) auf dem
rechten Ufer ausgeführt wurde. Wichtig: Verzeichniss der 'elevazione
di alcuni segnali sul livello del mare' S. 98 fif. — Die Vf. sagen S. 4,
dass ihre Resultate für die Konstruktion eines zuverlässigen Plans nutz-
bar seien und in der That erwähnt Canina in einer 1833 geschriebe-
nen Abhandlung unter denen, welche ihm bei Aufnahme des Pompejus-
theaters halfen, die Mitglieder der Direzione del Censo march. Marina
Becchio und den canonieo Richebach (Diss. deU* ac. pont. di arch. 18315,
20). Damals also war der Plan offenbar schon entworfen und wurde
von C. benutzt. Näheres habe ich in Rom 1872 in dem Bureau des
Census nicht ermitteln können. — Die von mir 1872 eingesehenen
Originalblätter, welche regelmässig fortgeführt werden, haben keine
Terrainzeichnung j Maassstab 1 : 1000. Vgl. Forma urbis S. 17 § 2.
§3] ANHANG: DIE StAÜTPLANE. lU
19. L. Canina, Planta topografica di Roma antica,
1832 (zu seiner Indicazione, s. oben) und 1850 (mit Zu-
sätzen). 1 : 5000. Das sehr roh behandelte Terrain ist noch
das NoUi'sche, dagegen weicht die Darsteüung des Modernen
in einer Menge von Spezialitäten von Nolli ab, obwohl Ca-
nina nur die Strassen ohne detaillirte Zeichnung des Innern
der Häuserquartiere u. s. w. angiebt. lieber die eingetragenen
antiken Reste und deren Restauration s. oben.
20. Melchiorri, Planta dl Roma ridotta dalla Dire-
zione del Censo con permesso di quel dicastero, im 2. Rde.
seiner Guida metodica 1836. — *1 : 15000 (nicht 1500, wie
auf dem Plan steht). Terrain noch nach Nolli \
21. Fü. Trojani, Planta dl Roma R. 1835 (1 : 20000),
^sehr fein gestochen, im Terrain nach Nolli \ und desselben
Planta topografica di Roma verlegt von Cuccionl (o. Jahr,
unter Benedict XVI. , 1 : 5000). 'Dieser Plan ist zuerst
auch im Terrain entschieden unabhängig von Nolli; wahr-
scheinlich hat die Dir. del Censo bis 1832, wo Canina
ihre Originalaufnahme benutzte, das Terrain noch gar nicht
verzeichnet gehabt und erst später aufnehmen lassen. Auch
im Modernen ist hier zuerst die neue Quelle ganz ausge-
beutet'.
22. Die amtliche Publikation führt den Titel Planta
topografica della Direzione generale del Censo (1:4000),
in 4 BL, 1842, zweite fortgeführte und berichtigte Ausgabe
(ebenso) 1866. 'Das Terrain auf diesem Plan ist ziemlich
hölzern behandelt und nur bei bedeutender Reduktion aus
ihm entlehnbar; das Moderne, weit spezieller als bei Nolli,
zeigt in den Details massenhafte Abweichungen von diesem,
die sich theils durc& grössere Exaktheit der Aufliahme, theils
durch zahlreiche im Lauf der Zeit eingetretene wirkliche Ver-
änderungen erklären. Für grössere Entfernungen dagegen
die kreuz und quer darauf gemessen worden sind, ergeben
die beiden Pläne eine recht befriedigende Uebereinstimmung^
die Im Allgemeinen Vertrauen zu beiden Aufnahmen erweckt
nur dass eben die NolU'sche von geringerer Exaktheit im
112 EINLEITUNG.
Detail ist'. Von den alten Resten ist in der ersten Ausgabe
— dem Zweck des Plans gemäss — nur das Wichtigere ein-
getragen; 'die Zusätze der zweiten sind meist unbrauchbar':
z. B. 'sind die Ausgrabungen Rosa's auf dem Palatin nach
der photograpbiscben Reduktion seiner Originalausgabe (Plan
des fouilles du« Palais des Cesars R. Juin 1866) zwar hinzu-
gefügt, aber falsch eingesetzt'* — Die Originalauf nähme
(1 : 1000 s. A* 60) ist in diesen Publikationen in einer im
Ganzen genauen und sorgfältigen Reduktion wiedergegeben,
wie mich namentlich Lanciani nach eigener Untersuchung
versichert (1876).
23. Auf dieser Grundlage beruhen ferner die späteren
Publikationen Ganina's, besonders der grosse Plan der
Parte media di Roma antica (1 : 1000) in 15 Bl., in seinen
Ediflzi Bd. 2, 1848 (s. oben). Einzelne Theile des Plans
sind älter, z. B. die Darstellung des Capitols und Forums
(=:=: Diss. deir ac pontif. di arch.' 8, 1835, T. IV) und des
Pompejustheaters (das. 6 zu S. 178). Ebenso der von Rosa
ausgeführte Plan der Via Appia Mon. deir inst. 5 (1853),
T. 57.
Trotz des grossen Maassstabs ist der erstgenannte Plan
— abgesehen von der Nachlässigkeit des Stichs — voll von
Willkürlichkeiten und Ungenauigkeiten, die Behandlung des
Terrains roh, die Benutzung des Censusplans durchweg un-
zuverlässig. Auf dem zweitgenannten ist die ursprünglich
richtige, später falsch corrigirte Zeichnung der aureiianischen
Mauer noch deutlich erkennbar. — Sehr mit Unrecht sind
daher Spezialpläne z. B. des Forums in neuester Zeit fast
ausschliesslich aus Canina wiederholt und ausgezeichnete ältere
Originalaufnahmen, von denen seiner Zeit die Rede sein wird,
ignorirt worden»
Die neuesten Pläne, soweit sie bisher untersucht
worden sind, gehen noch immer auf Nolli zurück, vielleicht
mit einziger Ausnahme des zu Foumier's *Rom und die Cam-
pagne' gehörigen (L. 1862. 1865), welcher den Censusplan
zur Grundlage hat Dies gilt namentlich von dem schönen
§3.] ANHANG: DIE STADTPLÄNE. 113
Stich Letarouiliy's , Plan top. de Rome moderne, P. 1841,
dem zwar elegaat aussehenden, aber Uederliobea Fomari's,
Pianta della citta di Roma, R. 1864, 1868, der nidit efnmal
direkt aus Nolli, sondern aus Tonrnon (oben 15) entlehnt
ist und den wiederum auf Fornari beruhenden Plänen zu
Reber's 'Ruinen', L. 1862, und zu Bädeker's Rom und
Mittelitalien (1866), . weicher letztere H. Kiepert» Namen
trägt Unter den Planen, welche die grossen Veränderungen
und Ausgrabungen seit 1870 ivenigstens oberflächlich dar*
stellen, verdient der bei Löscher 1876 erschienene (yon Carlo
M»re) eine Erwähnung.
Die zahlreichen zu Lehrzwecken entworfenen DarsteK
lungen der alten Stadt übergehen wir. Ihre Grundlage bil^
den, mehr oder weniger flöchtig benutzt, die bn^er erörterten
Pläne, ihre grösser^ oder geringere* Brauchbarkeit hängt von
den zur Darstellung kommenden topographischen Ansichteil
ab. Nur der Plan Becker's und die Plane der alten und
mittelalterlichen Stadt von H. Kiepert mögen genannt weitlea
Nach dem bisher Dargelegten ist der ^npfindlichste
Mangel in dem benutzbaren Kartenmaterial der einer den
neueren Anforderungen entsprechenden, die Höhenverhältnisse
zuverlässig darstellenden TeiTainzeichilung, welche nicht, wie
das gewöhnlich geschieht, mit der Linie der aurelianischen
Stadtmauer abschliessen durfte. Und doch giebt es zwei
trefl'liche Hilfsmittel, welche nur von der alten Topographie
verschmäht worden sind: die Carta top. di Roma e dei suoi
contomi von unserem Moltke (1845; 1:25000) und der
Plan de Rome et des environs ä Fechelle de 1 pour 20000
(links in der Ecke:) leve par les officiers de TEtat Major
et publie au Depot de la Guerre en 1856 revu en 1868.
Namentlich letzterer gestattet durch eine Reihe von Höhen-
angaben eine theilweise Darstellung der Hügel in Isohypsen
und muss solange aushelfen, bis die zu erwartende Aufnahme
des italienischen Generalstabs erschienen sein wird.
Indessen ist namentlich für die inneren Stadttheile auch
damit noch nicht viel gewonnen. Um das alte Terrain,
Jordan, rOmisohe Topographie. I. 1. o
1 14 EINLEITUNG.
welches von einer ungefähr zwischen 1 und 10 Metern Mäch-
tigkeit schwankenden Sdrattmasse bedeckt ist, einigermaßen
zur Ansohaoung zu bringen, bedürfte es einer systematischen
Verwendung der zahllosen Angaben über Ausgrabungen, des
amtlichen Materials über die in Betrieb handlichen Wasser-
werke, Strassenbauten u. s. w. zum Zwecke der Herstelhing
ivon Terrainprofilen und Durchschnitten.
Diese Aufgabe zu lösen, wird nur den römischen Ge-
lehrten möglich sein. Wir dürfen hoffen, dass auch sie yon
R. Lanciani in Betracht gezogcm werden wird. Einstweilen
ist derselbe seit Jahren mit der Eintragung aller neu^en
Entdeckungen in einen vergrösserten Censusplan beschäftigt
und hat tob dieser die Terratndarstellung zunächst aos-
sohliessende Arbeit berehs yiel versprechende Proben gegeben ^^).
Es ergiebt sich aus dieser Uebersicht von selbst, wes-
halb in vorliegender Arbeit alle Angaben über Entfernungen,
alle Vei^leichungen der heutigen mit der alten Stadt, wo
nicht besondere Umstände es anders verlangten, durchgängig
dem amtlichen Censusplan entnommen, alle abgeleiteten
Quellen unberücksichtigt geblieben sind ; es eiigaben sich au8
der Untersuchung Herrn Matzat die Regeln, welche ihn bei
Anfertigung der beizugebenden Ueb^sicktsplane leiten mussten.
^^) S. LanciaDi's BericLt in den Atti dell' ac. dei Lincei 18. Juni
1976. Abschnitte des Plans im Bnllettino municipale.
ERSTER THEIL.
8*
• • #
§ 1.
LAGE, BODEN, KLIMA:
f •
t
Die 'sieben HügeT Roms «Theben sieh wie die Bui^-
hügel von FMenä, Antemna, Ardea und anderer alter An--
siedeiungea in mSssiger Höhe aus einer weltenförmigen Tom
Tiber und seinen ZvMssön durchschnittenen Eb(»ie) welche
in ihrer Breite von dem Fusse der Apcinninen bis zum
tyrrhenisofaen Meere, etwa 30 r. Migiien im Mittel, in ihrer
Länge von TeorFaema -^ wo das Völskergebirge Ins ins Meer
vors{Hringend sie absdiliesst ^-> bis zu den nördlich ober
Givita tecchia gleichfalls, wenn auch weniger scharf Grenze
bildenden Höhen, w^enig mehr als 100 Migiien ifiisst. Diese
ganze Ebene > verdankt, wk die heutige Geologie annimmt M»
ihre Ekitstehui^ einer verhältnissmässig jungen valkaniscfaeri
Hebung: ursprungtieh submarin, tauchte sie zu den Pfissen
^) Gniii<|lcigende AcbeH: Bracehi Qrilo stato fisico del stola di R^ni«
R. 1820 (vgl. B^schr. 1, 45 ff.); die obife Darstelloag mas^ite sich (zun
Theil wörtlich) den AnsfübruDgen des unter den jetzt lebenden ge-
Btusten Kenners der "latinischen Geologie, Ponzi, anschliessen: s.
hauptsächlich Sallo stato fisico del suolo di Roma, Giorn. Are. 1858
Bd. 155 »9 IVS. S. 28 ff.; S^rU naturale del Lazio, das. Bd. 158
>B 12, 104 ff. (diese u. a. Arbeiten beurtfaeilt azd ergaazi vmi Ratfa,
Zs. der deutschen geol. Ges. 1866, 487 ff.); Storia £si^ca dell' italia
centrale, Atti della reale acad. dei Lincei 1870/71 Bd. 24, 191 ff.,
Dci monti Mario e Vaticano, das. 1874/75 JNS. Bd. 2, 545 ff. —
öeber M. De Rossi's Arbeiten A. 2. 4.: die fibrigen (Fr. degli Abbati,
iel soolo fisico di Roaia, Cosenza 1864, kenne ich nicht) scheinen voz
PoBzi mehr oder weniger abhängig zu sein: auch P. Mantovani, in dem
ZOT Orientimng brauchbaren Buch Desorizione della campagna romana,
R. (Löscher) 1876.
118 THEILI.
des Kalksteingebirges der Apenninen auf, in ihren oberen
Schichten bestehend aus vulkanischem Tuf, wellenförmig» wie
sie heut dem Blick erscheint; nur wenige Steilen ragten
über der durchschnittlich gleichmässigen Fläche um kaum
100 Fuss kuppenförmig hervor. Durch diese lockerge-
schichtete Masse mussten die aus dem Apennin hervorbre-
chenden Wasser, über welche wir unten genauer zu berichten
haben, sich den Weg zu der neuen Meeresgrenze suchen.
Sie schnitten ihr Bett wenig tief eia und lagerten an den
Uferwänden die Gebilde ab, welche sie aus ihrem Ursprungs-
gebiete mit sieh gebracht hatten. -^ In einer weiteren
EiiOche schufen die vulkanischen Kräfte, gegen die Södgrense
jener Ebene hin, die Tufschicht dorchbrechend eifte;n mäch-
tigen Krater, dessen Ränder jetat den äussern Riag des
Albanergehirges bilden. 'Erst taach dem Zuräcktreten des
pliobenischen Meeres entiändete sich der laltinische Yidkaii,
welcher ausserhalb der Meeresfluth brannte und seine ganz^
Bildung in der atmosphärischen Luft Vollzog. Wahrend d^
erste feuerspeiende Kegel wuchs, ergossen sich die Quater-
narwasser und durchsetzten in ihrem hohen Niv^iu u^iit den
Abspülungen der Berge die von dem Vulkan ausgeworfenen
Massen. Diese erste Periode des iatinisohen Vulkmismus
bildete den Ring der Berge von Tuseulom, Rocca Priora,
des Algidus, der Hügel von Genzano, Ariccia, Albano, Marino
und Grottaferrata' ^). Innerhalb dieses Kessels bildete sich in
einer zweiten Periode ein neuer Krater, der Monte Cavi (954 oi.
über dem Meere), in einer dritten eine kraterartige Einsenkung,
der jetzige Albanersee (Spiegel 285 m. ü. d. M., Tiefe unge^
fähr 150). Zeugen dieser vulkanisdien Thätigkeit sind ausser
der der Bildung des Vesuvs homogenen Kraterbildung die
vulkanischen Ablagerungen und Auswurfe, und zwar aus der
ersten Periode des sogenannten Sperone, welcher die Haupt-
masse des nordöstlichen äusseren Ringes, besonders der
Tuskulaner Berge, bildet, aus der zweiten und dritten (?)
>) So M. St. De Rosfti, Am. d«U' inst. 1867, 20, «of wekliea «ndlt
Ponzi Atti 1874/75 Bezug Diuimt.
§ J.] LAGE, BOJMSNi KLIMA. 119
fks Peperino, bei dessen Entstekuiig, wie man anniinmt,
die gewaltigen vulkanischen Regengüsse luitwirkte&t und
welcher den wetüichen und südivestlichen Theil des Gebirges
bildet. Die urspröngliohe Ausdehiktiiig :die8flr dem ktinischen
Vulkan ent&taniBiendeti Gebilde ist nach nicht nit Sieberheit
XU bestimmen. Für den Pcqiorin nimmt man einen Kreis
mit dem Radius von. 7 Miglien an, für dtn Sftenone eine
noch geringere Verbreitusg. Indessen haben sieh neuerdings
in nachstet Nahe von Rom Ablagerungen einer dem Operone
ganz ähnlichen Masse über dem Tuf gdunden Ceappellaccio'
s. Einl. § 1 A. 6). Endlich kennt man zwei Ströme fester
Lava, welche in südwestlicher Richtung bis in die Nähe
Roms noch jetzt verfolgt werden können: sie endigen dei*
eine beim Grabmal der Cäcilia Metella , der dmkä^e südlicher
in der Nähe der via Ardeatina 4 Miglien Vor porta S. Paolo ^).
Wir haben bereits gesehen (Einl. § 1 S. 5), dass das rer
publikanische Rom sich des Sperpne un4 .Peperino zu seinen
öffentlichen Bauten etwa bis in die Zeit der. Zersiöruug von
Karthago und Korinth neben den submarinen Tufgebilden
seiner nächsten Umgebung bediente — erst nach dieser Zeit
suchte und fand man in den Travertinablagerungen an der
Grenze des vulkanischen Gebiets ein schöneres und besseres
Material — und dass es aus den mächtigen Lavasteinen seine
Strassen gebaut hat.
Sind über die Folge der Hauptepochen der Bildung des
römischen Bodens die Geologen einig, so sind sie es nicht
über die absolute Zeitbestimmung des Aufbörens der Eruptio-
nen des latinischen Vulkans^). Und gerade diese wäre für
*) Hierüber gceaB Tom Rath a. O. S. 533.
*) CoDtroverse zwischen Ponii ud^M. De Hossi^ besonders lebhaft
verhaDdelt in dan Sitonngpen das lasfitut« vom J. 1871 (sw Bull. deU' i.
1871 8. 34—^); dan de« letzteren Utttersuchaasen über die palä-
«tnologischen Fnnde von Latiu» besonders unter dem Peperin des
Albaoerbarses, primo rapporto: Ana. d. i. 1867, 5 ff. aecando: tviorn»
•rc. 1866 Bd. 203 » 68 JHS. S. 06 ff., terzo: Corriapondeaza >scien^
tIAca diRoflu, Dee. 1870 (mir anmgänglidi), quarto: Ann. 1871, 239 ff.
De Rossi verftdkt die Fortdauer von Eruptionen in bisCorisoher Zeit
120 THBIL l.
/
uns von grosser Wichtigkeit, denn es knüpft sich daran
die Fri^, ob auch auf dem Boden der Stadt Rom noch
in historischer Zeit vulkanische Erscheinungen beobachtet
worden sind. Schwerlich darf, wie neuerdings geschehen ist,
der Stein- und Erdregen, welcher in der ZdA zwischen dem
zweiten und dritten panischen Kriege auf dem Alhanergebirge
und in Rom (aber auch anderwärts , . wie z. B. im Picener-
lande) beobachtet und als Prod^inm proeurirt wird, als
histortsches Zeugniss für Eruptionen eines Kraters des Albaner-
berges gelten ^). Dagegen wurde es von entscheidender Wich-
gegen Poozi. Aber wie es mit seiaeo historischen Beweisen steht, er-
giebt sich allein schon daraus, dass er in der weiter unten a. Abhand-
lang über den Tiber init der Epoche der Landang des Aeneas als mit
einer unverdächligen Ci rosse rechnet. Was die geologisdie Beweis*
f üb rang anlangt, so glauben wiir ohne Gefahr Ponzi folgern , zu köanea.
^) Die oft aufgeworfene Frage bat zuletzt M. de fiossi Bull, dell' i.
1871, 50 ff. (vgl. S. 96) in dem oben angedeuteten Sinne beantwortet.
Sie muss hier, wenigstens zur Sicherung der Thatsachen, genauer be-
handelt werden. Der Steinregen (technisch lapide, lapidüms pluä, nidit
Utpidan ; auch lapiäeo imbri phtä 30, 38, 9 und gar imbri Utpidaoü 43,
13, 4) findet sieb in den Büchern 21 — 45 des Livius^ also in eioera Zeit-
raum von 50 Jahren, als Prodigium verzeichnet im Albanergebirge:
zu Aricia 22, 36, 7. 35, 9, 4 zu Lanuvium 23, 31, 15. 35, 9, 4 (stre-
paus daselbst beim T. der Juno 31, 12 vgl. 29, 14, 4); endlich in
j4lhano nwnte biduum contmenter 26, 7, 7; in Rom: auf dem Aveatin
(wo die Kakushöhle: A. 10) 22, 36, 7. 35, 9, 4. 38, 36, 4; auf der Seite
ge^a den Gircus {in armäustro) 27, 37, 4; auf dem Palatin 30, 38, 9;
in agro romano 44y 18, 6; in anderen italischen Gegenden (diese
Stellen lasst De Rossi fort): m Piceno 21, 62, 6 CumisSO, 38, 9 (gleichzeitig
Erdversenknngen in Velietri); Terraeinae et Jmitemi 37, 37, 3; Reate
43, 13, 4 in agro FeientiAi, 18, 6. Diese Stellen sollen also BrnptieiieA
des Monte Cavi zwischen 536 und 586 beweisen? Natürlich findet sieh
in der Königszeit das vorbildliche Beispiel für dies prodigium and seine
Procuration: 1, 37, und eine Wiederholung desselben nach der Grün-
dung des T. der Jano Moneta, p, Hmüe wtusto manUs jifbam predigi» (I)
7, 28, 1, sonst aber in der ersten Dekade kein anderes. Aos der
zweiten Dekade hat Zooaras (aus Dio) 8, 12 ein soldies z. J. d. Si.
497 erhalten (in Rom, auf dem Albanerberge und anderwärts). Daza
kommt nnn: Erdregen {terra pluü; zu Rom? aUquoties) 34, 45, 6; zu
Amiternum 35, 21, 3; zu Aazimom 42, 20, 5; Blutregen {s€tnguifi€
p.) zu Rom auf dem forum boarium 24, 40^ 7, aaf der area Vulcani
{ 1] LAGE, HODEN, KLIMA. 121
tigkeit sein, wenn die Nachrichten sieh als zuverlässig her
währteo, dass unter und in der obersten Peperinschicht in
der Nähe von Albano und Ariocia, wie alte Grabstatten nebst
rohen Th<mgeOissen so eiaige Eiemplare der römischen
Libraiasse sich gefunden haben ^). Denn wenn mit Mommsen
die Einfuhrung dieser Münze in die Zeit der Decemvirn m
setzen ist (viel früher aber kami sie schwerlich angenommen
Verden^), so würden die letztes Aschenregen aus einem der
albanischen Krater nach dieser Zeit anzunehmen sein: die
Akten sind über diese Frage noch nicht geschlossen. Wäre
dem so, so würde immerhin, was audi dagegen gesagt wor-
den ist, das völlige Schweigen der (Jeberlieferung über ein
solches Ereipiiss (wir rechnen, wie gesagt, den Stein- und
Erdregen nicht hierher) kaum verstandlich sein, noch auf*
fallender, dass, wenn his in die erwähnte Epoche wiederholte
Ausbrüche stattgefunden hätten, weder von einer Zerstörung
irgend einer der zahlreichen Städte und Ortschaften im Ge-
biet des älbanisdien Vulkans jemals die Rede ist, noch in
den Religionsvorstellungen und Gebräuchen, soviel wir sehen
(Concordiae) 39, 46, 5. 56, 6. 40, 19^ 2 — wie später anf dem co-
Butiam oBd der Graecostasis, d. h. ebenda. Obs. 24. 37. 31 — ; za
Gdes 24, 40, 7; zu Satarnia 42, 20, 5; MilchregeD (lade p.) zn Pri*
▼enutm 27, 11, 5, später auf dem eoraitiom Obs. 43. — Es ist öbri-
Seas leieht zu sekea, das» in der ganzen ersten Dekade absesdien von
so angeBrällis juagev Efflndansen wie 1, 37. 7, 28 eigeiiüiehe pro-
ügia wie sie in der 3. — 5. Dekade aas gleieh^eitigen Aufzeicbnon-
gea überliefert s)ad, nicht vorkoaunen. Vgl. fiinl. § 2 A. 3 und
oalea A. 46.
*) Dies veraalasste die A. 4. angegebene Ceatroverse. Den ge-
aaaesten Bericht über die einzelnen Funde (von 1819, 1848, 1865. 1868
aas der Gegend von Albano, Ariocia, Genzano, Givita Lavigna) steht
bei De Rossi Ann. 1871, 260 ff. Die Aussagen sind unverdächtig, die
allgemeia gehaltenen Zweifel Ceseilis Bull. S. 46 unberechtigt: freilich
aber ist weder De Rossi noch sonst ein Geologe Augenzeuge gewesen.
^) Mommsen Müazw. S. 174ff. Dass die Münztypen der Librai-
asse aus hunsthi^orischen Gründen nicht höher als in das Bnde des
& Jahrh. v. Chr. gerückt werden können, hob fielbig Bull. a. 0. S. 38 f.
hervor.
122 THEIL L
können, die rttlkanisehen Mächte sich verkörpert haben, wie
dies in anderen Gegenden, in denen die Vulkane noch thätig
waren, der Fall gewesen ist*). — Indessen, wenn auch
Eruptionen nicht mehr stattgefiinden haben, so können doch
andere vulkanische Enscheinungen , Wie Erderschütteningen,
Hervorbrechen heisser und schwefelhaltiger Qndlen, plötdiche
Versenkungen und Spaltungen des Erdbodens fortgedauert
haben, wie solche noch bis in die neueste Zeit in der Nähe
der Stadt vorgekommen sind*). Unleugbare Beweise liefert
dafür die Geschichte aller Jahrhunderte, namentlich für die
Erderschuttemngen. Auch mögen auf vulkanische Kräfte mit
Recht gedeutet werden: der dampfende Schlund des Teren-
tum auf dem Marsfelde (nahe dem Fhiss), der feuerspeiende
Cacus in der Höhle am Aventin, auf dem römischen Forum
die plötzlich entstandene Erdspalte, in welche Curtius sich
hineinstürzt; die heisseri Quellen, die aquae lautuloBy in der
Tiefe der Subura nahe dem Fofum, welche noch in histo-
rischer Zeit vorhanden waren ^% Aber noch einmal ist hier her-
^) So auf deu grriechischen Inseln und in Grossgriecbenland. Der
italische Vuhanus und das Fest der Folcanalia haben nichts mit den
'vulkanischen Kräften' zu than. Vgl. die f. A.
*) S. Ponzi Sulla ernzione solforosa u. s. w. in den Atti deU* ae. p«Bt.
dei noovi Lineei 1857 (welche Schrift ich nnr ans den Referat von Ratfas
a. 0. S. 507 IT. kenne). Am Südabhange des Sorakte stürzte unter Bädh«
tigpeu DetonatioBen, Emporschleodera von £rd- und Wassermasaen und
Schwefeldunst ein bedeutendes Stück des Bodens ia die Tiefe, also fthn-
Hob wie die Prodigien von Velletri beriditen (v. J. 552 Liv. 30, 38, 9): in
VeUlemo agro terra ingentibus eaoemis consedit srboretquein j^rojkn^
dum kaustae nnd (556 L. 32, 9, 3): terra Fdäris triam iufferum spatio
cavema ingenti desederat, Wohl zu beachten ist dass die Annahme
der locus Curtius sei im J. 392 durch eine ähnliehe VeraolassiiDg' ant-
standen von Livius selbst als eine Hypothese bezeichnet wird (7, 6 vgl.
Tb. IL).
i<^) Beispiele für Erdbeben Liv. 34, 55. 35, 40 Obsequent 68 (12S);
Annalen v. J. 443 p. C. (Mommsen Chrooogr. S. 665); im Mittelalter 1349
(Fea Bovine 364) u. s. w. — Heisse Quellen: Claasen Aeneaa S. 771 f.
lieber das solum fumans des terentnm, die Cacushlfhle am Aventin (aaf
dem Aventin regnet es Steine: oben A. 5) and den lamu Curtius s. Mars-
feld, Aventin, Forum. Mefitis (auf dem Cespius, Fest. 351, d. h. bei
§ 1.] LAGE, BOMEBN, KLIMA. 123
vorznheben, dass, während der Kultus der QueU- und Wald-^
gött«r auf dem rdmi^chen Boden «in sehr< verleiteter iet,
vulkaniaehe Micihte, Feste oder Subnungen zu deren 9e-*
steftigung nicht 2um Yorschem kommen.
EntedieideBd und «maassgebend für die Gestaltung des
Bodens wie der Knlturentwickelang der alten Stadt ist der
Strom mit den ia ihrem Bleich einfaßenden Zuflössen. Wie
die Stedt ihn sich durch Kunstbauten aUmflhlich dienstbar
2u machen gewusst'^hat, wird später gezeigt werden: hier
haben wir es mit seiner ursprünglichen Naturgewalt zu
thun^^)- — Der ^Bergstrom' — das ist wahrscheinlich
die Bedeiitttog des Namens dieses Stroms, Tiberis^^) — iritt
in der NShe ton OrHelo aus dem Felsengebieit der Apenninen
hervor, nimmt seiftai Weg längs dclr Grenze der vulkanischen
— i.iiii I
S. Padenziaoa, s. Th. II, Esquilio) wird wie bakanot an zaklreichea
Orten Italiens, wo sich Schwefelquellen finden verehrt (Preller Myth.
522 f.). Mit der Febris hat sie "nichts in tSinn: unten S. 143 ff. — (Jeher
die aqtuut htuMae einstweilen melee Bemerktini^ett Hermes 4, 233 und
M. Be AoMi In Visomitis ond Laaoianis PldatiBo 6. iO.
^1) Bie älteren Schriften über den Tiber verseiehnet PreUer 'Rom
und der Tiber', Abh. d. säehs. G. d. W. 1^48, 131 ff. 1849> 134 ff.
Fnndamentalwerke : Tonini, 11 Tevere incatenato R. 1668 (darin ein
Verzeicbniss der Ueberschwemmungen) und Gamberini und Chiesa, Delle
Mgioai e de' #emedj dell« inondaziont del Tevere n. s. w. Fi. 1746.
Uebersiefat den 'neuesten I^ltterator im Boonaretti 1^71. Uueire Dar^
Stellung fosst besonders auf Ponzi, Storia (seelogiisa del Tevere« in
Giorn. arc. 1859 Bd. 164 c^ NS. 18, 129 ff.; Aubert, Roma e I'inon-
dazione de! Tevere, das. 1868 6d. 211 := NS. 66 S. 142 ff. und die
Benrtheilnng dieser Schrift von M. de Rossi !n den Atti dell'ac. pont.
dei nuofvi Linced 13. Aog. 19T1 (Se^ratabsivg).
*') Daae Tühians wie Tib-ur eineraeits (trotz der verschiedenen
Quantität), Tif^rnum und Tif-ata andererseits mit dem von Varro
(de re r. 3, 1 6) bezeugten sabinischen Ortsnamen Tebae zusammenhängen,
ist sehr wahrscheinlich : nicht so zweifellos dagegen wie Corssen (Krit.
Naehtr. 201 f. Ansspr. 1^ 162) annimmt, dass Varros Erklärung tebae=^
coäes daa riehlige triHt. Die Herleitndg von dem etmskisehen Kirnig^
Tkebarü, dem aieiUsdren Tybris, und dem KSbige Tiherinus (s. beson-
ders Varro 1. 1. 5, 30 Serv. Aen. 8, 332), können hier enf sich be-
ruhen. Das hohe Alter des Namens steht fest: er kam in den Augnral-
büchern vor (Cic. de mt. d. 3, 20).
124 THEIL L
Ebene und wendet sich in der NShe des Soracte südwärts,
um in einem Lauf von nngefShr 30 Miglien dasselbe zu
durchschneiden. Schon in seinem oberen Lauf durch zahi^
reiche Zuflüsse, besonders den aus den toskanischctn Bei^fen
herabkomraenden Flüssen Clanis und» Pallia verstirkt, nioimt
er auch in der Ebene deren mehre, rechts besonders die
Cremerar links die AUia und den Anio, im Gebtete dier
Stadt selbst einige kleinere auf den Hohen des AQiaaerge*
hirges entspringende Bäche auf (s. unten). Er windet sich
jetzt in fortwährender Schlangenlinie durch ein im ACttel
etwa 1^^ Miglien breites Thal, dessen meist schroff, oft senk*
recht abfallende Ränder sich in ziemlich geradoi LinieD in
einer Durcbsdinittshdhe von etwa 30 Metern über dem heu*
tigen Flussspieget hinziehen. Erheblich erweitert sich das
Thal erst (bis zu 6 und mehr Miglien) einige Miglien unter-
halb fiom. Es ist von den Geologen daraus geschlossen
worden, dass der aus den Apenni.nen hervorbrechende Strom
zuerst in der Breite des heutigen Thals mit reissender Ge-
walt seinen Lauf dem Meere zu genommen und Badi Auf-
nahme der bedeutenden Wassermassen, welche ihm der Anio
aus dem südlicheren Theil des Gebirges, ebenfalls die vul-
kanische Ebene durchfurchend zugeführt hatte, mit ver-
doppelter Kraft seinen Weg fortgesetzt habe. Einen grossen
Kreis bis zu den Füssen des Monte Mario beschreibend, er-
weiterte er nun sein Bett bedeutend. Aher zwischen dem
Aventin und Janiculum schien die Bahn sich ihm zu ver-
engen : so kam es, dass er nach Süden einen Seitenarm ent-
sandte, welcher getrennt von dem Hauptstrom seinen Weg
suchte. Die Reste der so zerschnittenen Tufmasse ^hlieben
wie Inseln im grossen Strome stehen: es sind das Kapitol,
der Palatin und der Aventin'^**). Aber diese Breite des Flusses
war nicht von Dauer: er trat aus seinem ursprünglichen
Bette, dem nunmehrigen Thal in sein heutiges zurück.
Wenn wir die Richtigkeit dieser Ansichten unsrerseits
dahin gestellt sein lassen müssen, so ist doch wiederum zu
»<') So Ponzi Atti delP ac. dei Lincei 1874/75 S. 564.
1.] LAGE, BODEJV, KLIMA. 125
bestreiten, daas bei den Bevölkerungen, deren Ansiedelung
auf den sieben Hügeln wir zu besprechen haben, sich irgend
eine Ueberlieferung, sei es aber jenen uraprungliehen Zustand,
sei es über das alloiähliche Zurücktreten des Flusses in sein
heutiges Bett erhalten bat Da die entgegengesetzte Au^
fassui^ noch immer einer Missdeutung alter Zeugnisse über
die Beschaffenheit der Stadt jw den Tarquiniern als Grund-
lage dient, und selbst von der geologischen Forschung zum
Zweck der Zeitbestimmung der oben geschilderten Biidungs-
epochen yerwendet wird^'), so haben wir dieselbe einer
genauen Prüfung zu- unterziehen.
Zunächst sind alle Schlüsse, wdche aus ein^ angeb*
^ liehen, im Lauf der geschichtlichen Jahrhunderte noch er-
'kennbaren grossen Veränderung des Klimas gezogen werden,
hinfällig: diese Veränderung selbst ist, wie unten gezeigt
werden wird, in dem angenommenen Grade unerweislich, ja
unwahrscheinlich. Nicht zum geringsten Theil aber beruht
jene Annahme grade wieder auf d«r Meinung, dass uns un-
verdächtige älteste Zeugnisse die Natur des Stroms, was
Wassennasse, Farbe und Gewalt anlangt, Yöllig anders dar-
stellen, als er den Römern der Zeit des Augustus und den
heutigen erscheint. Wenn nebmlich in den priesterliphen Ge-
beten, deren hohes Aher nicht bezweifelt werden darf, der
* Bergstrom' mit den Namen 'Sage' und * Weissstrom' be-
zeichnet wird, so wird in jenem ein Zeugniss fQr die Er-
innerung an seine thalbildende Natur, in diesem für die Er-
ianerung an seine das Schneewasser der.Apeoninen in der
Breite des heutigen Thals an der Stadt voruberwälzende Ge-
walt erblickt: beide Namen sollen auf den 'gelb' dahin flies-
senden Strom nicht passen ^^). Indessen alljährlich 'sägt'
^) Selbst PoDzi, von fiath n. a. Fachmäooer stätaen sieh «af die
ta^lieken IristoriedieD ZeopiUwe: am w^testea geht Ib deren oakri-
tischen Benatznng M. De Hoasi.
^^) Verg, Aen. 8, 62 ff.: ßg^o sumplaio quem ßumMe eentu strin-
gentem ripa» et pmgtda cuUm seeantem, omemlmt Tylni» eaelo gra-
Utsimus amnis, dazo Serv.: ^strmffentem ripa^, radentem immimentem,
Nam hoc eH Tihetini ßuminü "proprium adeo ut (tb anäquis Rumon
I
126 THEIL I.
der Strom noch heut die bröckeligen Uferränder an, wesn
die starken Regengüese ihn piötzlicfa bis zu £Mt. 7 Metern
aber seinen mittleren Stand (unten) ansehweilen machen, und
seine dann wie Gebirgewasser dahinjagenden Flathen erschei-
nen in der That nieht blos gelblich, sondent 'weisslich' wie
der Schaum. -^ Viel wiehtiger erscheint auf den ersten Btick
die Behauptung der Alten, dass zur Zeit des Romuius das
Forum wie das Marsfeld Sämpfe, das Thal des Cireus und
die. Tiefe zwischen Kapitel und Palatin Ton (tea Wastem des
Flusses bedeckt gewesen und mit Nachen befahren worden
seien. Allein diese Vorstellung, welche ja auf sohriftiicher
UeberiieferuBg nicht beruhen kann, ist lediglich her^usge-
spönnen aus unrichtigen SchlQssen und frischen Etymologien.
Der Uh^us Curtius auf dem Forum wurde gegen den un*
zweifelhaften Sprachgebrauch des Worts zum 'Teich', das
VelaJbmm musste vom Kahnfahren (a veketido^ seil. Uniribui)^
der Germalus von den angespülten Zwillingen (a jjrermanti),
der Yertumnus an der Ecke des Velabrum und der Tuskergasse
von der dort erfolgten Umkehr des Hochwassers benannt
sein^^). Den Anlass zu diesen Etymologien gaben die Thal«^
dicttis Sit quasi ripas rtiminans et exedens . in s actis gtiam Serra di-
eebatur . , , in aliqtta etiam urbis parte Terentwn {taiymiuin Dan.) dMtut
90 quod ripaw terai. DtEu käme nook FoMurmts, wenn MoAimseii 4i«
FoUmmaUa (27. Aigr« CIL 1 S. 400) richtig gedeutet hätte, was ich
hezweifle, (über den ebenfalls höchst zweifelhafleo Rumon s. § 2), aber
schwerlich Albula: Verg. 8, 332 amisä verum vetus AÜnda nomen. Dazu
Serv.: onHquum hoc nomen a colorehabuü nod so Festns Aqsz. S. 4.
Anders Varro I. I. 5, 30 (s. A. 12): stmi qui Tiberim priseum nomm
Uitinum Albulam vwUmtwai Utteris prodiderunt. JSs scheint hiernj^h
nicht, dass die heiligen ßächer den Hainen enthielten^ sehr möglich
aber (A. 30), dass derselbe überhaupt miss verständlich anf den Tiber
bezogen worden ist nnd ein Flnss im Stromgebiet des Tiber j4lb€L^
AWuSa hiesB, dessen Personifikation der jttosis {—^ AUi^nsis) pater der
Ittsehr. £pb. cp. 2, 198 wäre. Die gewöhnliche Farbe des innerhalb
der Stadt immer strndelreichen Flusses ist. allerdings gelhlieh (JUams
Tiberis Her. C. 1, 2, 13. 2, 3, 18 vortidbus rapidü el tmuUaJUnms Aarena
V. Aen. 7, 31), indessen widerspricht dies sewenig dem aßms wie dem
ctfendeus (eben).
") Der Atentin, sagt Varro 5, 43, war von den übrigen Bergen
1.] LAGE, ßODBN, KLIMA. 127
Sachen, dass das Thal des Cireud wi^ die Tiefe zwischen den
Hügeln, dem Palatin und Kapitol an kleinen Wasserläufen
reich waren, wie sie es noch sind, welche. man durch Kunst*
bauten später reguürte, und dass die höchsten Stande des
Tiberwassers bis in die Stadt hinein Yerwästungen anrichte*
len, wie noch heute. Diese Thatsachen rechtfertigen aber in
keiner Weise jene Schlusafolgerung: am wenigsten die auch
noch j^tzt vielfach als Grundpfeiler derselben betrachtete
Anlage der grossen Kloake; deren Bestimmung vielmehr, wie
sich später zeigen wird, nur gewiesen sein kann^ das Centrum
der Stadt vor den in diese Tiefe peariodisch von den Bergen
zusammenströmenden Flutben und den periodisch steigenden
Grundwassern zu schützen. Wenn hinzugefugt wird, dass
man ja noch später zum Palatin wie zum Emporimn auf
Stufen heraufgestiegen sei, so mag das als ein lehrreiches
Beispiel gelten, wie die einmal irre geleitete Phantasie auch
die unverfänglichsten Dinge zu missbrauchen verstand. Es
Ueiben also nur die falschen JEtymologien und die falsche
Schlussfolgerung übrig und jene Zeugnisse der alten Schrift*
steller beweisen nichts ^^). Ebensowenig ist es erweislich,
foMi&us dtsditstt» . iUtque eo esv urbe advehebantur raUbus » cutus ves*
tif^: quod ea, qua tum aqua, dUsituf Feiabrum (so die Hs. richtig: die
Bd. 2, 600 rorg^escklagene Aeiideraof^ ist iiberflüsng), et unde escBndebani
ad infimam (ßmam die Hs.) novam viam loetu t sacellitm labrum a ve-
hendo (locus saeer . Fdabrum a v. Tnriebas, sehwerlidh richtige, vgl. § 2
A. 40). vekfturam facere eUam rmno dicuniar qui idmereede faciunt
(f 2 A. 71). — Ders. § 54: Germ^Uum a §^ermatdt Rmnulo-et Remo quod
ad ficym. rumtnalem et ii ibi invetitiy quo aqua hiberna eos detulerat, —
Ders. § 156 {aqum Umhdae, oben S. 122): ab hie (?) paku fuä in minere
VMfrO) a quo quod ibi vehebantar Unträms Felebrum ut illud maius de
quo supra dictum, I>ers. § 149 (naeb Piso) über den lacus (hrtius:
leeum ptdustrem qui tum fuit in foro antequam doacae factae sunt,
Nicbte anderes lehren die Späteren (Sehwegler 1, 673 A. 3). Ans
Varro slammt die von Ovid F. 6, 403 Prop. 4, 2, 18 überlieferte Ety*
molegie Fertumnue a verso amne* Auch die porta Flumentana wird
Merhergezogen: § 3 A. 4*
^) lieber den Aufgang zum Palatin s. § 8 ; über den Kloakenban
f 4. 7. --' Kaum der £rwiUiBung wertb ist die f€du4 Capreae im Mars-
felde: 8. unten A. 30.
128 THfilL f.
dass die noch jetzt alljährlich eintretenden und in grösseren
Zwischenräume eine bedeutende Höhe erreichenden lieber*
schwemmungen noch bis ins Mittelalter hinein die heulagen
höchsten Wasserstände überstiegen, in kleineren Zwischen-
räumen sieh wiederholt haben, und auf eine der heutigen
ausserordentlich überlegene Wassermasse schliessen lassen.
Vielmehr zeigen dieselben bis hinauf in das 6. Jahrhundert
der Stadt (aus früherer Zeit besitzen wir überhaupt keine
zuverlässigen Beobachtungen) im Wesentlichen dieselben Er-
scheinungen wie beute : doch kommen wir auf diesen Beweis
weiter unten (A. 25) zurück ^^).
^') Ueberschwemmangen in den Livianischen Annalen: keine io der
1. nnd 2. Dekade (soweit man nach &tü für die Prodigien meist ge-
naoen Ansseiireibeiii urtheilen kann ausser der die Ümgebanif von Veji
verkeereBdea 4, 49, 2); in der 3. im J. 539 (24, 9, 6 bü eoanno)-, 552
(30, 38, 10 Circo inundato); 561 (35, 9, 2: Tiberis loca , plana inun^
davü circa portam Flumentanam etiam conlapsa qiiaedam ruinis
sunty zum zweitenmal c. 21, 5: infestiore quam priore ifnpetu inlatus
utbi duoM pontei, aedißeia muUamaxime circa Flumentanam por-
tam evertit); 565 (38, 28,4: T. duodeei0ns campum Martium planaque
urbi^ tnundavit). — Aus dem 7< iahrh. ist mir keine bekannt. Die
folgenden (z. Th. bei Friedlander Darst. 1*, 30): J. 700 Dio 39, 61
m0J€ iv naai fikv rötg mSCui^ lot^ %v t^ ftorrci ov9i — loea plana —
TieXayCaat, Einsturz von Hausern, Umkommen von Menschen. Was Cieero
ad Qttiotum fr. 3, 7 berichtet, dass die Gegend vor der porta Capena
und pitcina ptMca überschwemmt worden seien, besieht sieh auf das
gleichzeitige AosehweUen des ALno: Bd. 2, 106. — 710/711 (? nach
Caesars Tode, Hör. C. 1, 2 . . ire deieetum mwummUa regit templaque
Fegtae^ Franke Fastl Hör. 143 ff.); 727 (Dio 53, 20: n§Xayiaag näaav
rriv iv wms mdiots 'Piof^riv)', 732 (Dio 64, 1); 741 (Dio 41, 25: zun
Theater des Balbus konnte man nur «uf Kähnen gelMgen); n. Ch. 4
(Dio 55, 22, 3 o T. ti^v n yi<pv^av xat4ov^$ xal nltat^v li^v noUv inX
kntä ffin^Qas inoiiiOf)', Anfidius Bassvs [?} =» Gassiod. Chroa. z. J. 5 {per-
dies octo). Auch in der Folgezeit kommen unter jedem Kaiser Ueber-
schwemmungen vor (vgl. Friedlaender Darst. a. 0.). Der stehende tech-
nische Ausdruck scheint loea plana urbis inundavit zu sein (auch Tac.
A. 1, 76). Bemerkenswerth nur J. n, Chr. 69 Tac. Hist. 1, 86 . . proruto
ponte sublicio ac strage obstantis molis refUsut nofiimodo iaeenäa
{adiacentia Ritter; doch wohl patmtia) ei plana urbig loea *ed etiam secura
eius modi casuum implevity und Plut. Otho.4, 5: TioXh fAi^giijs noUtuSj
nXetOTov S'iy ej tov inl n^naei diantolovai aXroVy d. h. die porticus
i ].] LAGE, BODEN, KLIMA. 129
,h Wir gelangen also auch von die&er Seite her zu dem
tesultat, dass keine Zeugnisse beweisen (Hier auch nur wahr-«
^eiDJich niachen, dass diejenige Bevölkerung« mit deren
fsiedlang wir uns beschäftigen, auf den sieben Hügeln den
ten Akt jener grossen georgischen Entwickelung mit an*
jehen habe, deren Epochen die heutige Naturwissenschaft
']estellt zu haben glaubt. Damit wird nun freilich nicht
iugnet, dass in der Zeit, über welche geschichtliche Kunde
erhalten hat,: durch kunstmässige Regulirung der Wasser-
Jfe Sümpfe in der Niederung trocken gekgt worden sind
dass der mittlere Wasserstand des Flusses sidi verändert
»en kann. Ist jenes an sich glaublich, so wird dieses um
^wahrscheinlicher, als auch die Kästenbildung an der Mün-
l^llg des Flus&es sich in grossem Maassstab verändert hat und
mV^ jetzt verändert, dei^es^talt, dass alljährlich eine Xn^
•1^1^ von durchschnittlich 9 Metern stattßndet. Es
tinit Recht bemerkt worden, dass mit dieser Anschwem-
ig jedesfalls wieder eine Erhöhung des Flussbettes in
'"liibiDdung stehe, welche auf die Veränderung des mittleren
^ Jßserstandes wahrscheinlidi eingewirkt habe^^). Man meint
jncia wie Preller Reg. 168 unzweifelhaft richtig bemerkt, da von
" Aerschwemmungen der korrea vor porta Trigemina, an die sonst za
^ Men wäre, nie die Rede ist — Es ist hiemaeh iilar, dass wie hevttü^
"ü^ ^^ ^^^ ^^ Mittelalter (genaue Besohreibuogen im Liber pontifi-
^fSs: Hermes 2, 78 f.) regelmässig das Marsfeld überschwemmt wurde
'^' 'H die Wasser an den Barrieren des Capitols sich brechen : äusserst
'^Jen überflutheten sie Theile der inneren Stadt (552; 710. 711? und die
illiogslegende oben A. 15), worüber weiter unten, wo von der Höhe des
* bserstandes die Rede ist. Periodisch häufigere Ueberschwemmnngen
^fc; Mittelalter) beweisen keine wesentliche Veränderung des Flusses.
1^1 18^ D^P g^iQ Hafen von Ostia liegt von der heutigen Mündung des
'*'Bsse8 fast 4 Miglien, der Hafen des Claadios and Trajtn von der
> ^Bidaag der ^fossa Trmam fast 2 Migliea landeinwärts. — Wenn M.
'^Rossi in der A. 11 a. Abhandlung berechnet, dass bei der Ankunft
^ p Aeneas der Tiber ungefähr 7 Miglien Vioa der heutigen Mündung
Meer fiel vnd auch dies zu den Beweisen der damals noeh nicht
'^Abschluss gelangten Qnaternarperiode rechnet, so bedarf das keiner
^ Verlegung« — Ueber die heutige Durehschnittszifier der Anschwem-
^■Dg Lanciani Ann. 1858, 153 (3, 10 M. bei Fiaaicioo =» fQt9^
Jordan, rOmiache Topogr»phie. I. 1. v
130 THEIL I.
aber för das Steigen des Wasserstandes sichere Beweise zu
haben. Einmal nämlich scheinen die Uferbauten am Empo-
rium, welche der Zeit Hadrians angehören, auf einen um
1 Meter unter dem heutigen stehenden mittleren Wasser-
stand berechnet zu sein, ferner hat man bemerkt, dass die
sämmtlichen kleinen Quellenläufe, auf die man bei Ausgra-
bungen und ßauten häufig stosst, höher liegen als das Niveau
der alten Strassen; endlich hat man schon früher darauf auf-
merksam gemacht, dass der älteste Bau, die grosse Kloake
auf einen viel niedrigeren Stand des Tibers, als der heutige
ist, berechnet war^^). Die Richtigkeit dieser Behauptungen
zugegeben, wird sich ein sicheres Urtheil Aber die angebliche
Veränderung erst fällen lassen, wenn wir, soweit dies nach
dem beutigen Stande der Forschung möglich ist, die hypso-
metrische Gestalt des alten Stadtbodens selbst an der Hand
sicherer Thatsachen erörtert haben werden.
Die Veränderungen, welche mit dem alten Boden seit
dem Ausgang des Alterthums, ja zum Theil im Alterthum
selbst vorgegangen sind und welche daher bei jeder topogra-
phischen Frage in Betracht gezogen werden müssen, sind an
einzelnen Stellen nicht unerheblich. Nicht allein ist es be-
zeugt, dass im Alterthum durch Brände und Neubauten der
Boden aufgehöht worden ist, und einige Funde übereinander
liegender alter Pflasterungen bestätigen dies^^), sondern die
Trümmer lehren auch , dass seit dem Ende der Republik
durch ausgedehnte Bauten kleinere Einsenkungen der Hügel
überbrückt, künstliche Terrassirungen an den Hügelrändern
Traiani, 9, 02 an der Flassmündung). Vgl. Gaoevari in der unten a.
Relazione S. 43 ff.
^^) Ueber das Emporiom Brozza bei M. De Rossi a. 0., vgl. § 7,
über die Quellen Aubert in der A. 11 a. Abhandlung; über die Kloake
unten und § 7.
'°) Frontin. de aquis 1, 18: nam et colles sensim (so Bücheler:
colUsi sint die H.) propter frequentiam ineendioruni excreverunt rudere,
Erhöhung der Area am Tempel des Divus Julius um M. 0,50: Jahres-
bericht 1876, 175. Das Pflaster des Macellum Liviae liegt erheblicli
Über dem älteren Strassen pflaster.
S 1.] LAGE, BODEN, KLIMA. 131
hergestellt, hinderliche Höhenzüge durchbrochen oder abge-
tragen worden sind^^). Dazu kamen nun die Zerstörungen
des Mittelalters besonders seit dem 10. Jahrhundert (Einl.
§ 2) : ganze ' Berge ^ in deir Ebene gegen den Fluss, wie der
Monte Giordano und Monte Citorio, verdanken ihre Ent-
stehung nur dem Zusammensturz antiker Gebäude, wie der
Monte Testaccio der Anhäufung von Gefässscherben aus den
nahen Magazinen des Emporium; die von der Höhe der
Hügel herabstürzenden Trümmer begruben die Abhänge der
Hügel unter mächtigen Schuttbergen, welche dann die jahr-
hundertalte Vegetation in grüne, scheinbar natürliche Berg-
lehnen verwandelte. Allein alle diese Veränderungen sind
natürlich nicht im Stande gewesen, die Physiognomie des
Terrains der Stadt wesentlich zu verändern. Wer heut auf
dem Dache des deutschen Hauses auf dem Kapitol, also un-
mittelbar vor der Front des einstigen Jupitertempels seinen
Standpunkt nimmt, dem liegen gegen Osten und Süden die
dort allmählich in langen Linien ansteigenden, hier durch
scharf geschnittene Thäler getrennten sieben Hügel wesentlich
in denselben Profilen zu Füssen, wie dem Beschauer zur
Zeit des Augustus; und gegen Westen schliesst sich das
Bild heut wie damals durch die burgartig ansteigende, mäch-
tigere Erhebung des Janiculum. Besser als jede Beschreibung
es vermag, werden folgende Zahlen die Gestaltung des Terrains
veranschaulichen **),
*i) Gemeint sind die Ueberbrückang der Einsattelung des Palatin,
eine ähnliche des Qmrinal und die an den meisten Hügeln, z. B. am
Vininal noch jetzt erkennbaren Untermaoemngen , welche Gärten und
HÜQser getragen haben, worüber Th. II.
>*) In Ermangelnng einer den heutigen Anfordernngen ganz ent-
sprechenden kartographischen Darstellnng, stützen wir uns, was die
hypsometrischen Messungen anlangt, hauptsächlich auf die im § 3 beur-
tbeilte franzSsische Generalstabskarte (1856), und die zu dem Atlas der
Relazione Canerari (1874, vgl. unten) gehörige Terrainkarte der Cam-
pa^aa (fol. 6). Dazu kommen die älteren Messungen von Shokburg,
Sehonw und Calandreili (entlehnt aus Brocdu Stato fisico S. 211), Conti
und Ricchebach (in der S. 1 10 A. 60 a. Schrift) und einige wenige
9*
132
THE1L I.
1. Erhebungen des linken und rechten Ufers.
Meter Über d. Meere
nach d. franz. Plan
(*) u. a.
Quirinal. . . PörU Salara 66*
' Servianische ' Mauer in den
Gärten des Sallust 69*
Plateau der Diocletiansthermen,
wahrscheinUch ursprünglich
60 + 7 67 Canevari
Alte Strasse bei denselben . . 60
Wasserbehälter an der Sud-
seite 57
Hof des Kgl. Palastes (wahr-
scheinlich wenig über dem
alten Niveau) 48 Calandrelli
Viminal. . • Terrassenniveau nahe der Strasse
Quattro Fontane 54*
Esquilin • . . Serviuswall in Villa Negroni . 67 Schouw
Fussboden der Kirche S. Maria
Maggiore 54
Niveau der Wasserleitungen
Anio vetus — Anio nova (s. § 7) 45,68 — 65,0
Altes Pflaster unter Porta
S. Lorenzo (s. § 7) 47,80
Platz vor S. Pietro in vincoli (?) 46*
Caelius . . . Platz vor S. Stefano rotondo 48 Calandrelli
Aventin. . . Sudliche Höhe bei S. Saba . . 37*
Nördliche Höhe bei S. Alessio 46*
Beaere bei Gelegenheit der Nenbaoten «nf dem Esqvilin gemachte (Ca-
nevari io den Atti della r. ac. dei Lincei S. 2 VoL 2. 1874/75 S. 419).
-^ Uebrigens will ich nicht verhehlen, dass die anf der fhiazosischea
Karte eingetragenen abgernndeten Zahlen (in Meter) wie mir scheint,
zum Theil nicht anf eigenen Messaogen berahen, sondern ans dea
Siteren (in Par. Fass mit Decimaleo) übernemmen sind. Ueber den
Fhus 8. A. 23.
§1.]
LAGE, BOD£N, KLIMA.
133
PaJatin . . .
Kapitol . . .
Höchster Punkt, Nordseite des
sog. Palastes des Domitian . 52*
Höhe von S. Bonaventura ... 52 Calandrelli
Westliche Ecke der Rupe Tarpea 46 Shukburg
Boden der Kirche Araceli. . . 49 Calandrelli
Janiculum . . Höhe von Porta S. Pancrazio . 84*
Yatican ... Bei Porta Pertusa 62*
2. Thäler, Niveau M. über dem Meere.
heutiges.
Platz bei S. Anastasia
(ebenso Strasse S. Paolo
unter S. Saba, nur 2 — 3
M. niedriger Ebene am
Monte Testaccio , Via
della Salara) 21
altes.
Strasse längs des Circus
54 Palm unter der
Kirche, also ca. 2 1 — 12
(BulLdeiri. 1863, 113) 9
Pflaster des VJaous qua-
drifrons' (Scaccia) . .11,7
Forum an der Phokas-
Säule 11,8
'Pflasterhöhe' desBasa-
ments des Rundtempels
am Tiber (Scaccia) . 13,2
Tullianum (s. § 7) . . 16
Piscina publica (§ 3
A. 60) 17 ,
Area des Colosseum:
höchster Punkt des C.
71,18 u. d.M. (Conti u.
Ricchebach), Gebäude
50,54 (Desgodetz) . . 20,64
Summa sacravia(Titus-
bogen) 28,99
134
THEIL I.
Piazza di Venezia (= mitt-
lere Höhe des Corso
nach Shukburg's Mes-
sung) 15 *
Pflaster in der Gegend
der Minerva Via S. Ig-
nazio 6 M. unter heu-
tigem Boden (hs. Rap-
porti della Sopraint.
22 Aug. 73), also
etwa 15 — 6
Pantheon: Kuppelhöhe
nach Conti u. Ricche-
bach 62,0 ü. M., über
dem Fussboden (Des-
godetz)44,2.Unterbau,
6 Stufen? Also Platz
vor dem Pantheon
62,0 bis 44,2— X . . l7,8-x
3. Der Fluss").
Wasserstand des Jahres 1871/72.
üeber
Meereshöhe.
0 des Pegels bei Ripetta 0,97
Jahresdurchschnitt :
niedrigster Stand des Wassers über 0 . . 5,68 6,65
*') Ausser den ältereo Arbeiten (A. 11: leider kano ich jetzt die-
jenige Liootte's im 2. ßde. des Giorn. arcadico nicht mehr einsehen)
vgl. die Beobachtungen bei Canevari (A. 32) S. 137 ff. und die neuesten
von BetocchiAtti dell' ac. dei Lincei 1874/75 2« serie Bd. 2, 532ffl —
Da mir zuverlässige und reichhaltige Beobachtuagen einer grösseren
Periode nicht erreichbar sind, so habe ich es vorgezogen, oben die
Beobachtungen eines Jahres nach Canevari beispielsweise zu geben.
Uebrigens differiren davon die hie und da vorkommenden Angaben
über den durchschnittlichen mittleren und höchsten Stand, deren Ge-
nauigkeit ich nicht beurtheilen kann, kaum um 1 Meter. — Die Höhe
des Pegels von Ripetta entnehme ich Ganevari's Bericht in den Atti
deir ac. dei Lincei 1874/75 S. 418, die ältere Angabe über das Ge-
fäll in der Stadt stimmt mit neueren (z. B. M. De Rossi). Natürlich
können hiernach die obigen Aufstellungen nur als relativ brauchbar be-
zeichnet werden.
§ 1] LAGE, BODBN, KLIMA. 135
mittlerer 6,39 7,36
höchster 13,35 14,35
Dieselben Wasserstande an Ponte rotto,1 . , . , , „^
Differenz 20 ( Calandrelli ) - U^Z^^T tu
^.^r'«"' ^""'^""^ '^ ^'^^" '"höchster 12;40
1,925 M. j
Aker Wasserstand:
zur Zeit Hadrians, mittlerer um ca. 1 M. niedri-
ger, also bei Ponte rotto ehemals 4,44
höchster (vorausgesetzt, dass er bis zu derselben
Höbe wie heut stieg) 11,40
'Verschüttungsboiden' der Cloaca maxima bei ihrem
Ausfluss (Linötte) 4,84
Höhe von 12 UeberschwemmuDgen Ton 1495 bis
1805:
berechnet nach den Beschr. Roms 1,39 wie-
derholten Anzeichnungen an der Ripetta und S.
Maria sopra Minerya, niedrigste (1702) 14,21
höchste 1598 (?) 18,37
Es ergiebt sich aus der vorstehenden Tafel für die Er-
hebungen des Terrains, dass die Burg des Janiculum die
Hügel des linken Ufers bedeutend überhöht, dass diese selbst
mit Einscbluss des Kapitols fast alle genau die gleiche Höhe
erreichen, und dass nur die östliche Hügelkette, die eigent-
lichen colles Quirinal und Viminal, um ein geringes den Durch-
schnitt der höchsten Punkte der montes der Stadt überragt ^^).
Dieser Umstand wird sich später als wichtig für die Ge-
schichte der ähesten Befestigung herausstellen: hier mag
darauf verwiesen werden, dass er auch der Anschauung der
augusteischen Zeit über den * windigen Wall ' (§ 3) entspricht.
— Für die Niederung ergiebt sich, dass der Boden derselben
in der Kaiserzeit durchweg — das Marsfeld ebenso wie die
**) lieber diese Nomenkiatnr § 2: dass der heutige Name Monti in
seiner aneh die eolles begreifenden Ausdehnung schwerlich alt ist, ist
schon EinL § 2 A. 53 bemerkt worden.
136 THBIL 1.
zwisehen dem Kapitol, Palatin und Aventin eingesebnittenen
Thäler, etwa 9 — 11 M. über dem Meere, also durchschoittlich
4% — 6^^ M. über dem muthmaasslichen mittleren Wasserstand
lag, dass es regelmässig von den nach der Analogie der
heutigen Natur des Flusses vorauszusetzenden jährlich wieder-
kehrenden höchsten Wasserständen erreicht und von den
periodisch damals wie heut sich wiederholenden ausserge-
wöhnlichen Ueberschwemmungen um 6 — 7 Bt überfluthet
wurde. Auch dass eine Hochfiluth des Almo (dessen Ufer
vor p. Sebastiano die Höhe von 16 M. hat) die Niederung
des fiscina publica überschwemmen musste (A. 17), ist da-
durch erwiesen ^'*). — Es ergiebt sich ferner, dass die Un-
bequemlichkeit des Verkehrs, welche heutzutage die Ungleich-
heit des Terrains verursacht und erst seit Sixtus V. zu durch-
greifenden Abhilfemaassregeln geführt hat, in alter Zeit er-
heblich grösser, das Erklimmen der damals um ruüd 10 Meter
mehr über die Thäler ansteigenden Hügeln auf Strassen von
stärkerer Steigung bedeutend schwieriger gewesen sein nouss.
— Es bleibt uns übrig, die Beschaffenheit der einzelnen
Hügel und die Zuflüsse des Tiber in den Thälern genauer
zu betrachten.
3^) Hiernach vermag ich nicht einzusehen, wie M. De Rossi in der
A. 17 a. Abhandlung S. 18 dazu kommt zu behaupten, dass die Ueber-
scbwemmungen im alten Rom 'spessissimo' die Höhe von IS — 20 M. er-
reichten und ganz regelmässig, was in der neneren Zeit kaum drei oder
viermal vorgekommen sei, die Niederung zwischen Aventin und Kapitol
erreicht hätten. Denn wir habeu vielmehr oben A. 17 gezeigt, das« mit
ebenfalls äusserst seltenen Ausnahmen (die noch nicht einmal beisouders
gut bezeugt sind) im Alterthum dasselbe Gebiet wie heut überschwemmt
wurde. Ausserdem aber wäre es an sich nicht verwunderlich, wenn
diese Ausnahmen häufiger gewesen wären. Debn was der Vf. als sicher
annimmt, dass die Barriere zwischen dem Kapitol und dem Flu9s, an
welcher sich heut die Ueberschwemmuug zu brechen pflegt, auch früher
vorhanden war, ist falsch. Vielmehr ist doch auch auf dieser Strecke
das Terrain durch Schuttanhäufungen erheblich hoher geworden. End-
lich kommt die von ihm hervorgehobene Differenz des alten und des
heutigen mittleren Wasserstandes von 1 M. nicht in Betrachts
i 1.] LAGE, BODEN, KLIMA. 137
Nicht allein durch ihre Hohe, sondern auch durch ihre
geologische Struktur unterscheiden sich die Erhebungen des
rechten Ufers wesentlich von denen des linken. ' Der Hügel-
zug des Janiculura besteht in seiner unteren grösseren Hälfte
aus fast horizontalen Bänken von gelbem Sande und von
verkitteter Muschelbreocia, weldie, wie am Monte Mario, von
einer wenig mächtigen Schicht vulkanischen Tufs bedeckt
werden*. Aehnlich der Vaticanische Hügel nördlich und der
Monte verde südlich. Anders die Erhebungen des linken
Ufers, welche ausschliesslich aus Tnf und zwar in ihrer
Hauptmasse aus gelblichem oder grünlich grauem bröcke-
ligen, zum Theil aus röthlichem sogenannten Steintuf be-
stehen'^). Ihrer Entstehung gemäss haben diese isolirteh
Tufcylinder ursprünglich mehr oder minder schroff abfallende
Seitenflächen gehabt, welche durch Kunst ebenso leicht in
senkrechte Wände zu verwandeln (§ 3), wie schwer durch
Strassenaufgänge (cUvi) zugänglich zu machen waren. Erst
die Bauten und Zerstörungen der Jahrhunderte haben diese
Burgen in meist sanft aosteigende Hügel umgeschaffen und
ihre Höhe vermindert. Ihre von Natur plateanartigen Ober-
flächen hat man sich noch bis gegen das Ende der Re-
publik zum Their bewaldet zu denken (unten). Die Zer-
setzbarkeit des Gesteins brachte es mit sich, dass die ein-
sickernde Feuchtigkeit sich leicht im Innern der Hügel in
Gängen und Höhlen ansammelte und senkrechte Absprengun-
gen nach aussen verursachte, welche in alter wie in neuer
Zeit die Umfange der Hügel vermindert und die Ansiedlun-
gen in der Tiefe gefährdet haben (vgl. z. B. Th. H, Kapitel).
— Es ist schon Einl. § 2 gezeigt worden, dass diese Hügel
für die ältesten städtischen Bauten das Material lieferten. Es
fehlte auch nicht an der für die Ziegel- und Mörtelbereitung
Qöthigen Materialen, der Mergel- und Thonerde und der
Puzzolatierde: reiche Schichten jener besitzt der vaticanische
^) Die aogeführten Worte siod die vom Rath's (s. A. 1.) S. 495.
In öbiigen s. die Arbeiteo PoDsi's. Ein oäheres £iAgehen auf das
Miaeralogiaebe liegt uaa fera.
138 THEIL I.
Hfigel und der Name Argihtum weist sie auch in der Tiefe
zwischen den ^Hügeln ^ nach; diese findet sich, wie neuere
Untersuchungen gezeigt haben, in verschiedenen Tiefen zwi-
schen den Tufbänken der 'HügeP gelagert und ist dort
schon in alter Zeit gegraben worden ^^). .
Unter den zahlreichen Zuflüssen des Tiber, welebe
das Stadtgebiet berühren, ist der bedeutendste der Almo^ der
heutige Acquataccio, dessen Quellen in der Nähe von Marino
gesucht werden und welcher vor der porta Appia der Stadt
so nahe kommt, dass er bei starken Anschwelhingen die
Ebene unter dem Aventin und die Piscina Publica über-
schwemmen konnte ^^). Ein zweites Flüsschen tritt jetzt und
trat schon im späteren Alterthum bei der Porta Metrovia in
die Stadt und rinnt durch das Circusthal in den Tiber. Es
ist jetzt unter dem Namen Marana (Sumpfwasser, von mara)
bekannt. Da die Alten das Circusthal als ursprünglich unter
Wasser stehend betrachteten, so ist es möglich, dass ein
Gewässer hier in ältester Zeit vorhanden war, auch deuten
darauf die in der ganzen Umgegend dieses Thals noch jetzt
nachweisbaren Quellen (S. 139 f.). Indessen scheinen durch
^^) tJeber die 'marna argilosa' des Vatikaa s. Poozi, v^. Man-
tovani S. 34 f. Die bis zu einer Tiefe von mehr als 30 M. gelangte
Untersuchung des Terrains zwischen den Diocletiansthermen und dem
Serviuswall ergab nachCanevari (in den Atti 1874/75 S. 419) welcher
genau über die Puzzolangruben handelt (die Zahlen bedeuten Höhe
über dem Meere): banchi di tufo 58, 80 — cave di pozzolana 54, 60
— banchi di tufo 61, 40 — cave di pozzolana 48, 40 — terra tufacea
47, 35 — lapilli 45, 40 u. s. f.
^) S. Nibby Dintorai 1, 135 ff. und Bd. 2> 112: die dort ver-
sprochene Widerlegung Forchhammers, welcher (Gründung Roms S. 37)
den Almo durch das Thal des Circos ffiessen lässt, scheint mir jetzt
nach abermaliger Erwägung des von Nibby, Visconti und mir a. 0, ge-
sagten entbehrlich. Vgl. Th. IL Der Name Acqoataccio wird neuer-
dings mit porta Appia y im M. A. poria d'Aecia, aber gewiss mit Un-
recht zusammengebracht, in der überaus gelehrten Abhandlung Corvi-
sieris über die mittelalterliche j4qua Toeia, Baanarotti 1870, 42. 66.
177. 207 ff, welche sich über die verschiedenen Wasseriäufe der Süd-
seite der Stadt und die mittelalterlichen Benennungen verbreitet.
1.] LAGE, fiODEN, KLIMA. 139
die Anlage der Wasserleitungen in der Kaiserzeit auch an-
dere Wasser kunstlich hierher geleitet zu sein und es bleibt
zweifelhaft, mit welchem Recht man mit dem beschriebenen
Flusschen die aqua Crabra identificirt hat» welche sich in den
A^io ergoss^^). Endlich wird ein Bach auf dem Harsfelde,
die Pßtnmia amnüj genannt: andere Namen, welche in den
Gebeten der Augurn standen, lassen sich nicht mehr identi-
fidren ^^). — Ausserdem ist das Gebiet der alten Stadt reich an
Quellen, welche zum Theil noch jetzt fiiessen oder kürzlich
wiederentdeckt sind. Bis zur Anlegung der Wasserleitung haben
dieselben die Stadt und die Burg mit Trinkwasser versorgt
und sind, wie später gezeigt werden wird (§ 7), sorgfältig
geschützt worden. Es ist schon bemerkt worden, dass,
während die Tulkanischen Kräfte in dem stadtrömischen
Kultus gar keine Rolle spielen, die Quellgottheiten eine alte
und weitverzweigte Verehrung gemessen. Das beweisen das
**) Die ganze Frage ist noch nicht genügend aufgeklart and lässt
sieh am wenigsten so kurzweg beantworten, wie es Forchhammer
(Grondung Roms S. 33 f.) gethan hat. — Eine spätere Ableitung der
Crabra in das Circusthal wird angenommen (z. B. von Nibby Dintorni
1, 527 f. Westphal Kampagne S. 22). Diese versorgte die, wie jetzt
festgestellt ist, niedrig gelegene Tuskulaner Villa des Cicero und an-
dere mit Wasser (Gic de lege agr. 3, 2 epist. fam. 16. IS pro Balbo
26 FroBiin 1, 9). De Rossi (Ann. d. i. 1873, 209) weist nach, dass
der alte Piame noch im 11. Jahrb. (aqua eapra) vorkommt. Vgl. § 7.
— Gorvisieri a. 0. S. 193 ff. glaubt die aqua Maranae von der vom
Caelins herabkommenden im M. A. aqua circuli benannten Quelle unter^
scheiden zu können und meint, dass jene aus den Wasseransammlungen
zwischen portaLatina und Metrovia (wann?) sich gebildet habe. Aber
alle seine Gombinationen scheinen mir die Sache nicht endgiltig zu
entscheiden.
^) Ueber die Petronia amnis (und den Catifans) — möglich, dass
damit die paluM Caprae zusammenhängt — s. Th. 11, Marsfeld. Gicero de
n. d. 3, 20, 52: in augurum precatione Tiberinumy Spinonem, Mmonem
(so Ursinus: anemonem die Hss.; antenem die Leidener von 2 Hd.),
Nodmung, aha propinquorum fluminum nomina videmus. Dahin gehört
wohl der Name des Plnssgottes (Krztäfelchen aus Rom oder Umgegend):
Albsi patre (£ph. epigr. 2, 198 n. 296), den Henzen Alb(en)si auflöst,
nod den ich schon oben A. 14 mit JlbulOf Alba zusammengestellt habe.
140 THEIL I.
zum Cyclus der ältesten Feste gehörige Fest der Fontinalia
(13. Oktober), die Kulte des Föns auf dem Caelius, der /«-
turna (oder Diuturna) am Fusse des Palatin und auf dem
Marsfelde, hier neben den heimischen Lumpae, der Camenae
und der Egeria gegen den Almo hin, endlich einer später
unter den Schutz des Mercur gestellten heiligen Quelle. Um
so auffallender wäre es, wenn sich an das alte Quellhaus der
Burg, das Tullianum, kein Kultus geknüpft hätte. Indessen
glauben wir in der Tfaat die Spuren eines solchen in der
benachbarten Verehrung des Janus zu erkennen. Hiernach
ist es begreiflich, dass in der Zeit, in welcher die griechische
Kultur in Rom heimisch geworden war, die dieser angehöri-
gen Formen der Verehrung der Nymphen leicht mit der alt-
überlieferten Verehrung der städtischen Quellgottheiten ver-
schmolzen wurden'^).
Die dürftigen und durch subjektive Auffassung oft ent-
stellten Nachrichten über das Klima des alten Rom müssen
an den exakten Beobachtungen des heutigen geprüft ii^rden ^^).
^^) lieber die noch jetzt oder jetzt wieder keaotliclieii alten QuelleB-
läufe (wichtig besonders die Juturaa am Palatin) s. im allgemeinen.
Fea Storia delle acqoe u. s. w. (1832) S. 1 fi& vgl. Scoperta deir
autica aoqua di Mercurio, besonders aber Corvisieri in der A. 28
a. Abh. — lieber Foutas: Henzen Acta arv. S. 146 m. Forma urbis
S. 43; Jnturna und die INymphen auf dem Marsfelde: Mommsen
Eph. epigr. 1872, 86 {Lumpae, osk. Diumpai, zuerst von Mommsen
Dial. 256 richtig als italisch erkannt und mit limpidus ver^lichea.: vgl.
deos. zu CIL 4, 815 und Ritschi Opp. 2, 490); Janus als Gatte der
Juturna: Arnobius 3, 29 vgl. § 4; über fons Mercurü Bd. 2, 520.
Vgl. überhaupt Th. II. — lieber Nymphen und Nympfaäen vgl. Bd. 2,
380. Jahn Beitr. 62 ff. u. a.
^^) Für die Temperatur- und klimatischen Verhältnisse Roms ist
wie natürlich besonders Brocchi Stato fisico S. 215 ff. Secehi, Clima di
Roma Gioru. arc. 1864 Bd. 187 ==42 NS. S. 113ff. und 191 ^ 46S. 222ff.
(dem die obigen Zahlen entlehnt sind) benutzt worden, durch welche
die ältere Litteratur (vgl. Beschr. d. St. R. 1, 88) wenigsteaa für
unsere Zwecke überflüssig geworden ist. Dazu kommen die grossen
den Gesammtzustand der Campagna untersuchenden Arbeiten von Cane-
vari Cenoi suUe Condizioni altimetriche ed' idrauliche dell' agro ro-
mano (Ann. del ministem di agricoltura ind. e com. Bd. 71, Rom 1874
§ 1.] LAGE, BODEN, KLIMA. 141
Diese ergeben, dass Rom jetzt ein für seinen Breitengrad
sehr mildes, hauptsäcblich durch die Nähe der See tempe-
rirtes Klima besitzt. Seine mittlere Temperatur + 15^ 2 cent.
ist um 2^ höher als die Durchsehnittstemperatur seiner
Breite (41^ 54 n. R). Die Hitze ste^t höchsten« bis + 42^
die Kälte fällt nicht bis unter — 7^, die mittleren Zahlen
der höchsten Wärme und der höchsten Kälte sind + 32°
und — V. Daher der Schnee in Hom und apaf den Albaner-
bergen zwar eine gewöhnliche, das Liegenbleiben desselben
aber eine seltene Erscheinung ist. Schneebedeckt sehen im
Winter dau^nd die fernen Abruzzen, zum Theii auch die
Haupter der Sabinerberge, selten der Soracte herüber. Regen-
tage besitzt Rom 95 (besond^s Mai, Oktober), wolkenlose
(besonders Ende Juni bis Ende August constant) 155, die
ährigen gelten als bedeckte (88) oder wolkige (trübe; 122).
Diese Beobachtungen stellen wir den Beobachtungen über das
Klima Athens gegenüber, eine Vergleichung , die in vieler
BeaehuBg lehrreich ist°^):
Rom. Athen.
Mittlere höchste Temperatur + 32« + SO^»
Mittlere niedrigste Temperatur — V +4«
Regentage 95 95,25
wolkenlose 155 192,50
bedeckte 88 148,75
trübe (wolkige) 122 23,75
mit Atlas), von Pareto Rel. snlle cond. agrarie ed igieniche della campagna
diRom« (iD dens. Ann. Florenz 1872) und dess. Saggio di stndi meteor.
sdI clima di Roma v. s. w. Atti della r. Ac. dei Liacei 1874 — 75 (2 Ser.
Yol. 2) S. 659 ff. lieber die ärztUclie Litteratur s. A. 35.
^) S. die bei Wachsmuth (Athen 1, 108) wieder abgedruckte TabeUe
Schmidts, deren 5 fache Abstufung ('klare, halbklare, trübe, bedeckte, Re-
gentage') sich für unsere Zwecke wohl auf die vierfache Seechis (pioggia;
sereai, nnvolosi, coperti) rednciren Hess. Die Beobaehtoogen umfassen
forAthea 12, färRom llJalire (1850-^1860). Die vollstäDdige Tabelle
4er RaroiDeter- und Thermemeterstände s. beiSecchi a. O.fid. 42 zuS. 128,
vgl. dens. Sulla pioggia oss. al ColiegioRom. dal 1825 al 1874 in den Atti
deU' ac. pontif. dei naavi Linoei Bd. 28 (1874/5) S. 115 ff. and Pareto
S. 29/^2. Das Detail zu* erörter« ist natürlieh nicht uasere Sache,
142 THEIL I.
Man sieht, dass der Himmel Athens den römischen
an Klarheit und Wärme erheblich übertrifft. — Die Lage
Roms in ungefähr gleichem Abstand nördlich von dem
hohen Wall der Apenninen, südlich von dem Meere und
die Natur der Winde bedingen und modificiren diese an sich
gemässigten Temperaturverhältnisse in einer für die Gesund-
heit des Menschen günstigen Weise. Zwar der afrikanische
Scirocco bringt flussaufwärts mit hoher Temperatur brennende,
drückende , trübe Luft , welche zugleich erregend und be-
schwerend auf den Menschen einwirkt, die Tramontana im
Winter über die schneebedeckten Apenninen mit blendender
Klarheit auch eisig scharfe Luft: aber in Rom wirkt weder
jener so versengend wie in Sicilien und Neapel, noch diese
so rauh wie die tobende Bora in Triest und Venedig. —
Das Verhältniss des Nord- zum Südwind im Jahre wird auf
288,4:274,8 angegeben®*). Im Sommer pflegt ein täglicher
Wechsel der Luftströmung, oft freilich kaum merklich —
am Tage Südwest, Morgens und Nachts Nordost — die Hitze
zu mildern.
Nicht minder günstig sind wenigstens theilweise die Be-
dingungen des Bodens und des Wassers. Ein Theil der
Stadt erhebt sich, wie wir sahen, auf Hügeln bis zu einer
nicht unbedeutenden Höhe über dem Flussthal; namentlich
die östlichen Höhen sind den kuhleren Luftströmungen frei
ausgesetzt. Bei einer allgemeinen Entwaldung der Campagna
besitzt Rom ausgedehnte mit Bäumen bestandene waldähn-
liche Parkanlagen. Es besitzt noch immer eine leidlich grosse
Anzahl von Quellen, welche gesundes Wasser spenden: dazu
kommt die ungeheure Masse des Gebirgswassers, welche ihr,
durch Leitungen zugeführt, nicht allein kaltes Trinkwasser
bester Art liefert, sondern auch durch zahlreiche und um-
fangreiche Springbrunnen in der heissen Zeit Kühlung ver-
breitet und in Verbindung mit dem Kloakensystem eine
gründliche Reinigung der Strassen erleichtert®*). Es ist da*
««) Winde: nach Secchi a. 0. Bd. 46 S. 229ff., vgl. A. 36.
'*) Ueber die in Aktivität befindüchen alten' und neuen Leitungen das
§ 1 ] LAGE, BODEN, KLIMA. 143
her nicht zu verwundern, dass, wie die Sterblichkeitsziflem
beweisen (es wird jetzt 22,6 auf 1000 Einwohner für Rom,
30,5 für Florenz, 35 für Neapel angegeben), Rom im Ganzen
zu den gesunden Städten gehört, trotzdem ein auf lokale
Ursachen zurückzuführendes Uebel, die Malaria- Fieber, Rom
wie die ganze römische Campagna in verschiedenen Graden der
Intensität alljährlich heimsucht. Dieselben treten mit grosser
Regelmässigkeit mit Ausgang Juni ein, steigern sich bis zum
August und verschwinden um Mitte Oktober. Die mittlere
Temperatur schwankt in dieser Zeit zwischen 25 und 20^,
die vorherrschende Windrichtung ist Süd, Südwest, West
(259,8 : 168,1 der übrigen Winde). Man will beobachtet
haben, dass die verschiedenen Stadttheile in verschiedenem
Maasse von ihnen befallen werden, am stärksten die verödeten
in der Peripherie gelegenen, die dem Fluss nahen tief gele-
genen häufig weniger als die an den Rändern der Hügel an-
steigenden. Es scheint unter den einsichtigen Fachmännern
Uebereinstimmung darüber zu herrschen, dass mehre Ursachen
bei der Erzeugung des Uebels thätig sind. Das in der Regel
plötzliche Auftreten der Krankheit zu Ende Juni, d. h. zu
einer Zeit, wo nach den häufigen Regengüssen des Mai und
dem damit verbundenen hohen Stande des Tiber und der
zahlreichen kleinen z. Th. unterirdischen Wasserlänfe die
Sommerhitze mächtig hereinbricht und der Wasserstand jäh
sinkt, führt zu der Annahme, dass namentlich das Verdunsten
der zurückbleibenden stagnirenden Lachen sein Theil an dem
Entstehen hat. Als weniger sicher gilt es, dass die Miasmen,
welche um dieselbe Zeit in dem niedrigen und sumpfigen,
die Wasserläufe der Ebene träge, oft gar nicht abführenden
Küstensaum der Campagna entstehen, und diesen selbst fast
unbewohnbar machen, durch den um diese Zeit vorherrschen-
amtliehe Werk von Fea Storia delle acqne anticbe sorgenti in Roma
Q. 8. w. R. 18S2, 4^ äb«r daft heutige Trinkwasser (Leitnngs- nnd Qnell-
wasser) and dessen chemische Analyse Cavalieri San Bartolo Sülle acqne
(lella mod. Roma, Giorn. arc. 1858, 140 ff. Tocco im Bnonarotti 1872,
182 ff. Ceselli dat. 1873, 102 ff. n. a. m.
144: THEIL L
den Sud- und Sudwestwind der Stadt zugetragen werden; end-
lich dass in äbnlidiier Weise die Miasmen der ganzen so gut
wie unbewohnten und unbebauten Campagna auf die Stadt
zurückwirken®^).
Vergleicht man diese Thatsachen mit dem, was, wie ge-
sagt, ganz sporadisch und oft in der unzuverlässigsten Form
aus dem Älterthum über das Riima überliefert ist, so steht
zunächst die Frage zur Beantwortung, ob eine wesentUebe
Veränderung der Temperaturverhältnisse nachweisbar ist»
Dass von direkten Beweisen für oder gegen eine Ver-
änderung der mittleren Temperatur kaum die Bede sein
kann, wo exakte Beobachtungen über die alte Zeit fehlen,
ist einleuchtend. Doch würden allenfalls sichere Schlüsse
aus den gleichzeitigen Aufzeichnungen der Pontifices über
aussergewöhnlichen Schneefall, Frost, Dürre u. s. w. zu ziehen
sein, wenn diese nur in einiger Vollständigkeit vorlägen.
Nun haben wir aber aus dem 4., 5. und 6. Jahrhundert nur
je einen Bericht über einen ungewöhnlich strengen Winter
und dürfen annehmen, dass wenigstens aus dem 6. kein
wichtiges ähnliches Ereigniss unbekannt geblieben ist. Die
Erscheinungen dieser Winterfröste — vöUiges Zufrieren . des
Tiber, 40tägiger Schnee auf dem Forum, Vernichtung der
Vegetation — werden allerdings schon von den Berichter-
stattern im Anfang des 1. und im Ausgang des 4. Jahrhun-
derts n. C. als in dieser Zeit ganz unerhört bezeichnet,
und es wird dadurch zugleich den Uebertreibungen oder
B>) Temperatur und Winde der ungesandea Zeit: Pareto a. O. S.
32. Statistik der römischen Fieber nach den Beobachtmififen in den
französischen Militärhospitälern (1849) von Jacquotot Gazette medicale
de Paris 1849 n. 47 p. 903, 48, 917. 51. 977, in den grossen römi-
schen (S. Spirito n. a.) von Morecchini (1842) und Balley (1863), resn-
mirt und beurtheilt von Valentiner, Die Krankenhospitäler in Rom,
Berl. klin. Wochenschrift 1870 N. 27 ff. vgl. Pareto a. O. S. 149ff.
För die Verbreitung in der Stadt sind die aas langjähriger Praxis ge-
schöpften Beobachtungen römischer Aerzte wie Tanssig (Le dimat
romain R. 1870 vgl. Baonar. 1871, 142ff.), Baleiftra (L'igiene nella
campagna e citta dl Roma B. 1875) u. a. nicht unwichtig. — Vgl. A. 45«
§1] LAGE, BODEN, KLIMA. 145
poetischen Mater^ien einzetner Scbrift^eller (terd^bea Zeiten
ihre richtige Stalte angewiesen'^); über dM Mittekiter wie
die neäere Zeit kennt wenigstens einzeln«, wenn nic^ht gleiche,
doch ähnliche Beispiele, und es bl^t d^ninaefa auf alle Fl^le
höchst mis^Iieh, tmS dieee 'dürftigen Beweise hin anzunehmen,
dliss ^ie mittlere niedl*igste Temperatur vor der Zdt 4es
Augustns niedriger gewesen sei, als (Me 4er heutigen ( — 4^,
emzeln — 70)»8^.' x]\^ üebrige, was dafür angefahrt wirdj
^). Liyim n^ J. 355 ^5, 13) :. mi^,)?ur ojnm^ ,hi9m^ gelfda «c Hwosa ft(U
adeo lU viae ckmsae, T^berü innavigabiUs fuerit- Geoauer DiopysFr. Am^
brosch 12, 8: der Sclmee sei, wo er am dünost^a lag, 7 F. hoch gewesen;
Häaser verschbeiten, Menschen kamen um u. s.w.: tovto t6 nad-oi oijti
iTQOTBQov noTi yevofievov iV löro^fag y^(f^ m^ invra -i^ j(u^la
naQHXti^fA^ ca^* ßßu^ Im« tavTiad-* Tjfiäs xgovov ufa^ip yi ttvi
fo^e^miqa tov fi^üfWi mut^ aop vnkQ Id^vwf y^y^ofAßPov «ff' '^Xlrfa"
novtov.naQuXXrjXov' TOT€ dh.n qb)jov xal fiovov ^^^ßfi J^S sitoy
d-viag xQttffstos t] tov neQi^/ovtog tiJvJ« rijfv y^v (pvaig.
Aber (wie schon Becker S. $6 bemerkt) ähbliches wird von AugosUn.
C. 0. 8, 17^am J. 464 berichtet (JedeAftiÜs ants Li^ltisl. 15) t\ . . quiü ki&ms
Ula' mtmorabäiäJaiK mcreäihiU ünm9»äai0 i^emma, yl nivihu$\ h^r^
rmida aUitudif^ ef^ißm im- fora per dies J(.L manen^ilfus fiber^s quoque
glacie duraretur. si nostris temporibus accidissety quae ütietquanta
iüe^sentJ Aehniieh (Kiäne and Felder fiigeo auGi^uAde) Zanartis 8,
7 S. 192 Diiid. QeriAgfngIfier 675>Liv. 40, 45, 1: hietM eo.anmmm
taemx ei.tnnm iempetttttum g^eneri ßtäf arbores quae »bn6a>iaej¥ig:(nibu*
Munf daissärateunolm et^a tum aUpumto tftum aÜas lottgiarßtä, Htiraa
1, d {jKides ut aka^ er spHeht poetiseh vao eioem hartes Wiotejr» J^e-,
Mögt aber nicht das Znfricfreii des Tiber) ünA der ÜieselieisBapfoQ bei
Marlial 4, 18 befweü^ii utarnicj^ts. <
'^y Weaa NfeMir H. G. d, fi55^8«irt,. eaf sei dtem Winter d«s J. 484 in
den: seitdem Teiflossenen 2000 Jahren, .heiiier ^Itfichgiakjommen und. {d*c«
bemerlLtc 'die .Mast so dürftif^en Ghronikeii nwl pübatiieheft Biogmfkhiea
der fiastercB Zdte» erwähnte jgefade von NatareaUmitUteii so viel,
dws ihr Stiii8ckiv«icpej& V4»lULMniDtoit xureieht, dieses za beiK«ise&',. so
ist daipegen ' doch aü die Biographie SrergiMs ILlo. 5 zu erianerit. lo
■caiester Zeit iat utoalgstens tügeAän^e» Liegeabieiben. des SolineeB auf
dem Foi^nm, GefiriercR 4er Fotttöa« aal Piastza Barberiai u. ä. vofffer
kemmeu. ladassen 'V.^rmaig ichl üb.ar die mittlere nail.aeaere Zeit ibein
vWlstäadiflie« Material zm bi^en. Ueislgevs fiücpt Niebuiu^: .selbst a« Q.
biaza: 'dass das nittlare Klima Wafmßt gew^ardea sei, ist aber ganz
falsch.' ...
Jordan, rOmische Topographie. L 1. 1^
146 THBIL I.
sind Schlussfolgerungen noch viel unsicherer Art Es ist
richtig, dass in den Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung
der vorschreitende Anbau des Landes die Walder zurückge-
drängt und dass die Verminderung der Waldflache hier wie
anderwärts eine Veränderung der periodischen feuchten Nieder-
schläge herbeigeführt haben muss. Im letzte Jahrhundert
der Republik bestanden noch aahkeiche luai auf den Hügeln
Roms, nothdürftig geschützt durch den Kultus ^ aber immer
mehr eingeengt durch die Kultur'^). Damit stimmt überein die
Rolle, welche in den ältesten Zeiten der Wolf in der Religion
Roms wie Italiens spielt, eine Rolle, welche nur verständlich
ist, wenn man sich Wälder in nächster Nähe der Ansiedlun-
gen denkt: nicht minder, dass schon im 6. Jahrhundert das
Erscheinen eines Wolfs in der Stadt ein Prodigium ist^®). —
Es ist ferner richtig, dass auch die Jahrhunderte des Verfalls
Veränderungen in der physischen Reschaffenheit des Landes
herbeigeführt haben. Wir wissen, dass die latinische Ebene,
einst reich an Ackerbau treibenden Städten, seit dem 4. Jahr-
hundert mehr und mehr verödet; die südwärts führenden
Strassen verfallen, die Thore schliessen sich (Rd. 2, 233);
'9) Varro de 1. 1. 5, ÖO (v^n den biet der Melitis and Lucina): quo"
Tum angtuU fine»; mm mirmti: iam diu enim lote AvaHUae numen est
(auariUa un^eS F: 8. Bd. 2, 601). Das. 152: laurdum ...ab nUra Umrm
quod ea ün excUa est aedifieatus vtciM, üt inter saermn. viam et moeaUtcm
edüum Cameta a ^oomiM quae abseütae loco reHquerunt notnen (aas Varro
Plinias 16, 37). Diese Stellen, sowie die hier nicht weiter zu hehao-
dekde Bedeatun^ von lucus widerlegen genügend die hingeworfene Ver-
mothnng (Pareto S. 114 a. A.), dass diese tuet ana wenigen an die
Tempel aogepBanste» BSamen bestanden haben. Naoien von luet (die
besternten aof dem rechten Ufer): aeseuletumy *j4thiemarum, Camema^
rwny *Dette Diae, Etqinlmtu^fagvtal, *Furrinarum^ lauretmn^ Laver •
nacy Läritinaej Lucmae, Meßtis, PeteUmiu, PoeteUue^ qu/eredum^ Feetme;
duo tuet anf dem Capitol and aaf dem Caelias (? Becker A* 1053).
^) Wölfe im Koitus: es braoeht für die Stadt Rom aar an die
Utperüi and die ürspningslegende erinnert tm werden. Wölfe in der
Stadt ein Prodigiam: Liv. 32, 29, 2. 41, 9, 6. Ihr Brseheinen in der
NKbe der Stadt mag seit den Zeitoa der Verödung der Campagna wie*
der höoilger geworden sein. Noeh im J^ 1580 missen Preise auf das
Erlegen derselben ausgesetzt werden (Gregorovios 6, 605 A.).
S 1.1 LAGE, BODEN, KLIMA. 147
die Regulirung der Tiberniündung wird vernachlässigt, die
Häfen yerfiiUen ; im 6. und 7. Jahrhundert vollendet sich die
Verödung : das Volk flieht vor den plündernden Barbaren-
zfigen, endlich vor den Seeräubern in die schützenden Mau^n
der Stadt So gelangten die durch die Natur des Bodens
von jeher gegebenen, von der Kultur mit Glück bekämpften
schädliehen Elemente zur Herrschaft und die Miasmen der
entvölkerten und schlecht entwässerten Ebene dringen bis in
die Stadt, wie sie es noch heut thun. — Es ist endlich richtig,
dass di« Vegetation, vielleicht sogar die Thierwelt Roms —
wenigstens die Ra^en der Hausthiere — sich wesentlich ver-
ändert haben ^^). Allein alle diese Thatsachen beweisen, wie
auch neuerdii^ von den mristen Sachverständigen anerkannt
wird, durchaus nidit eine Veränderung der mittleren Tempe-
ratur: am allerwenigsten wird dieselbe aus der ganz hypo-
thetischen Annahme >iner Verminderung der Wassermasse
des Tiber gefolg wt werden dürfen^*). — Wenn andrerseits
der Festkalender der ältesten und der landwirthsdiaftliche
Kalender der historischen Zeit, wie es scheint, in allen
wesentlichen Punkten eine Uebereinstimmung des Charakters
der Jahreszeiten von ehemals und heute nachweisen, so wird
— natärlich abgesehen von der prähistorischen Zeit, die uns
nichts angeht — die Annahme einer Veränderung der mitt-
leren Temperatur als unerweislich, ja höchst unwahrscheinlich
zurückgevriesen werden müssen ^^).
^*) leh wiederkole nicht, was am» HonuBtens €»«8chichte vad Hebi^
Raltnrpaanzea allsenein bekaaat itl — des letaterea Baeb eathalt
ibrifCBs aMaebe sehr bestreitbare Bebaaptaag -*-, verweise aasserdem
aber, aamentlich far die Thierra9eD aaf die freilich aach aieht ab»
sAUesseBde Darstrilaag voa Fireto a. O. S. 74 f.
^ Seeehi, Pareto aad die maistea der a. aeoerea SebriftsteUer
konaieB za dem obea aagesebeaea Resaltat: aaders M. Oe Rossi ia der
§ 1 A. 11. eitinea Schrift.
tt) Fiir dea Fest-Kaleader verweise ich aaf Mommseas aad
HascULsa bekaaate Uatersachaasea. Für die Vergleichans des . altea
ludwirthsekafUiehea Kaleaders, wie er aaneatlicb bei Varro de re
mstica 1, 36 aad Virsil vorliest, mit dem beatigea fehlt es meines
10*
148* TIfEIL T.
I>9igejgen kt ^ eebr wohl m^Hchj dass di« b^t'edt^ am-
g^gebeiieit • Vei^nrdeimtige» der Bödenk-dtur das KliiAa' der
Sttfd« ifa seiner Einwirkung auf di« Gesundheit derMefischen
tertod^rt hat; Aber''^ii(sh Iti dieser Beziehvtng uiiahnt eine
geiMiue^ Betracktftiyg del* alt^' Zeugnisse zur grössten Vorsieht
und .211 TolIsUndfgem Ablieben von jenen vereinzelten sob-»
jekti^ier und' mbmentsln^r i^timmung ent^rungen^n Aeiisse-
rungeb; tfelch^ ohne jede Beweisktäft sind. Die Frage Ist
abet* hier zunähst iso z« stellen i hat das aHe Rom di«
heutigen öndemieohen' MalamaOeber oder ihnen ver^andtb
gehabt unfd* welcher Art sind die? von den altdn Ms pBi^ntia
be^eichTieten Epidemien gewesen, 'welche' in grösseren Zwi^
dcheRrä*fnnen Stadt und Ihngebtkng heimsuehieii?
' Die Alten klagen darnbbr ; d^ss Rotii • im - itetbet uhge*
snnd'sei-uiid dass 'dais Fieber' in dieser Zeit' wülhe.':2iiP
Zeit des Horaz gUt dies bffenha^ als eine re^elmlssig Urieder^
kbhrendo-Plag^, vor der, we^'s-verihag/ sich beiw^hrt; ibdem
er d^h Auft^thah in idbn Bergen isiit der Stadt vebtaüscht ^^><
Ebenso ausgemacht ist es^ d^s'die: Üuft.Ronis fitterhaupt äki
ungesund ^attt ausdröeklich ivird gesagt,. dass^effetdiä WaisB«r'*
leittfngen d^ Oebel lerHeblich gesMiept hätMn^ tidd die
Geschieht^phitosophen; wekhen- die Aufgdbe a^el, 'diu i Weis-
■ ■ ' tt I ' 11
Wissen«' wmA «AjOiaer gMaujen .Ui^tek'iHcäaQg. pocih ist die ,klLV>«4a-i
rische Identität aller für Charakteristik der Jahreszeiten weseotlicher
Handlangen ausser Zweifel: Abweichungen wie die der Erntezeiten
(Hea jetzt Anfang Mai, Pareto S. 103, nach Varro gegen Ende Juni;
Korn'jetst ita'd^r MMstwig D^-hM) ilmii, in de^ fiodMlMBiifc 20.' Jani
bü« :&. Juiiv Pafieto :S. 51, 120, ntrah :Vai>M -30. ifrai ^i^ d4. Jult). #er-
d>eil sehwerlteh'föp eine VeHjl«diiThng:'<ioa Kltinag''ver#«rtbet^'Viierd«o
klteneb. = • ' " »• \v- .•-.■• . ,' ■•! • .,
^) Darauf beziekeii ^icll di^ Steilen flon Bpiattü^'Tv^Slff.^ ^hmi fMta
pf^&tm 'MÜfrque diisignalofn^ ä^^^nd- HtS^rUm» atHs} dtun-ptufif ümnis
fiibeT'elmike^hulh paM^ aßMoM^Ue seduHiag M opSUa^fWensiradthieÜ
Febres et testamenta resig-nat, Sat. 2, 6, 18 ff. i.nat nt4xim trae ianUUio *petd#
two plHmbeuBiAüstänaiäämToiwtpm ^fpavuiidbUüla^ qubesia^ aeBf#a0i*Aehn-
lich'Carii. 3» 14, 1& f. J4iv: ft. 4^ 56: imnJetiJ^ro ümikniapruMk miktttmAj
iam ^uattmriam spkrdUUbwfi'aegris («roti iler- Züeaddnti^dt fftt «Mh^
weir^g qFi/<»t^ftafr» <»t^tk zu lüerfamden). « • • .
§ 1.] LAGE, BOBm, KLIMA. 1^9
Mt de« Sladigrui^erß .aueb'iaiis der Wdbl des. pits v^cbzMi
weiseiir.pir^yiNeQ .otf^obar 'etwAa .koJi^tliicb Ropis Hügel .'a)s
itterki«rurdig g^»und iiuautt^p eiptr iiogeAupdeo G«^g)wl?)^
^. kdosL jiibmfk^fik Yf4h\ lum Zweifel, j^^in, do«s miadjest^Ofi
äboUcJbfq ^edioguiieefi,. me eae^.bfpitidie ft^nl^iiafiaberin d^r
olmebia in^ Mdliphei^ KUm«^ beaoful^^. /gefabrlicben .Perilod^
dßß Hocttsoiaiiißfs jm)id.Herbsle6,.er9i9Hge|i, j^ixch ^i. aller i Zeit
r^Qlmäs&ig ^Vltlerl^plffQDde Fieber, w^ettgt 'lieben: — ^ob ebpft
g^Aai^ die jßtot herrs^heodevi ..wbßd.idich i^^bt att&mdchen
las^eQ,;.d^ }^ifffi. exakte Bßacbr^ib^sig, 4^. altfm vctrbj^&dett iirt.
Dofoh li^iiid jg^i^ auf meinen Ua^tfii^. a^foierHsam, gf^t^cbt
werdep,. weW^jr..d^;..V«>rband/ei>sei^. dei; par^ldOl^ Fjorw
de» Malwiafeber^ ift alter. Zei4 direkt :f,\K h^mimk\^^mL
Nicht jsebr gPQC^s G^iobt J^ge ich acif .dea JJiQttus der
Feim; die JMf/?li> i#t, wif^ oben, gß^^eigt- wurden, ^ur
diirqb. eio Mi^^vfi^tändniss .in. diefi« Fü^^n^oeipge^pgePI
worden ^^). — Der Benennung nach verschieden von diesen
~r ■ — r- ... .1
«B) F4roiiti»n;s ^g;t in der jiQch moht sicher g^bjeüte^ Stella de «mj. 88;
die sglubrüat^firbi»: Zierde dureji JXervas Vejpmehruug der Wafi$.er^erke
fewiüQ^: «e per&mteA, guidetn aquaeotiQsae (ptio die Hs<) sunt: alia (jidftf
B.) mtofdUinrum facißx^ jmrior tpiritus, et.e^ußQfgr^oHs cßelji ^ipMs
gfud^ veteres t 4e mbi wfqmU wir fuü esf rej^Qtus. ßüchele^: {wteres
urkü i. a. fssunt rmnotaef pline rechte Wahrscheiolichkc^it. I)as^e.l^p
blickt durch bei CUtero de rep. 2, & locumque d^egU et fontpv^f ^!^un-
iaxtem et» in l^ßgjifine pestilmH s^luhr^ : cpUes en^im sunt^ jjui cu^ per-
ßoHUtri^tup^iulfcrmtMwJ^^ Dj^e^ep bat mit dem.KUo^^
juchtd 2U thuDj^ .K^'a9 ^Ixal^o 5) % 2 3,* 229 ,& £. voa den ZlwiUinf ea sf^^,:
xfiv Inttrid^loi^f yiie au8 4ew ^<))|p^iidea he^vor^ej^t niid .n^nieii^lich.iuis
der ^it Cicero- we^otlich libereio^tivun^den Ben^erkiuiff § ^ .S* 231
a]p«<xa ^' ioTly (die laiiaische Küste) .^vdaifuav xoil T^afd^ifOQp^ ^kifp
Ter Tfulv Idgisaxwv u. s. w.
M) Viel uafiriifihtVarfs Hia- t^id Qerredeu in alfer und neuer. Zeit:
,Yqn älteren & B. bei De JStfatth^is (jlulto de^la dea Febbre.;.Difis. ^p\V ^iq.
r«»u,4i:arch. 182;! (1, 1). Vgl.! auch JReygk, Z. f.. d^AJl^rdu-W. 1849
IL.3. 1856, \^% Hirsch .(Handhuch dar. J^torisch- ^gr^liiflc)ie|?i Pa-
tholqgie 1, 18., 48 t). entscheidet nichts. Die ßes^hreibungen der /ebris
ffioiidüma tertiana ^arUtua bei Celsus u. a. werden mit Unrecht immeir
150 THEIL I.
Fiebern ist die pestäeniia, deren in langen Zwisclienräumen
sich wiederholendes epidemisches Auftreten von den Pontifices
verzeichnet worden ist. Fast regelmässig wird dieselbe ab
eine Krankheit geschildert, welche ungeheure Massen von
Menschen in kurzer Zeit hinrafft und Entsetzen verbreitet;
auch sie tritt — wenigstens soweit die Jahreszeit genannt
wird^ — im Sommer und Herbst auf, wie es scheint regel-
mässig zuerst als Viehseuche, erst dann als Menschenseuche;
aussergewöhnliche Naturerscheinungen, oft vulkanischer Art,
auBsergewöhnliche Menschenanhäufungen erscheinen als Ur-
sachen oder beseitende Umstände. Es scheint bisher unbe-
achtet geblieben zu seiü, dass ein einzigesmat der Verlauf
der Krankheit durch zwei wichtige Thatsachen angedeutet
wird: Eintreten des Todes in der Regel spätestens am sie-
benten Tag, bei denen» die die Krankheit bestehen, häufig
im Gefolge ein Quartanfieber^'). Diese Beschreäung sdieint
als Beschreibnogen des römischeo Fiebers angefdlirt: sie sind ja den
grieehischen Quellen entlehnte Erörterungen dieser überall vorkommen-
den Rrankheitsformen. — Ueber die MefitU oben A. 10 . Die nach Cicero
(Legg. 2, 11, 28. De nat d. 3, 25, 63) nnd PTinins (N. h. 2, 16)
aaf dem Palatin verehrte Fehru (von der Verehrung anf dem Esqnilin
spricht nur Valerius Maximt|s 2, 5, 6: s. Bd. 2, 520) ist uralt; ob ihre
Deutung als Fiebergöttin zur Zeit Ciceros richtig und sie sieht
vielmehr die Göttin der heissen Zeit sei, lasse ich hier dahingestellt:
die Etymologie steht nicht sicher (fervere vglt. Corssen A. 1*, 102,
fp^ßofiai, 'beben' Fick W; B. t<, 690 MnllenhofT bei Curtius Et. « 300)
und es fehlt an Analogien ahnlicher Kulte {Orhona und Mda Fortuna
welche Cicero anführt, sind keine solche). — Aueh im Mittelalter
dauern Fieberepidemien (ob alljährlich?) fort. Bekannt sind aus den
11. Jahrhundert die Verse des Petrus Damianus (in denen es heisst:
Romanae febres dabäi nmt iure fideles, s. Beschr. d. St R. 1, 103),
eine grosse Fieberepidemie vom August d. J. 1167 (Gregoroviua 4,
450) u. a. m.
*^) Pestü ~ ohne Zweifel mit Corssen Rrit. Beitr. 396 Beitr. z,
ital. S^r. 334 nach Pott's Vorgänge von perdo^ * perd-tis, abzuleiten
— bezeichnet ursprünglich, synonym mit lues, jedes die animalische und
vegetabilische Welt ergreifende, zerstörende Uebel, Gegensatz Mthu
(terra pestem teneto, salus hie maneio fieschwörungsvers bei Varro r. r.
1, 2, 27). Davon petHlensj pestilentia (vgl. Celsus 1, 2. 10). Chronik
J
§ 1.] LAGE, IK)DEN, KLIMA. 151
< den G«daDken, dass es sich auch bei dieser Krankheit um
eine Form der Malariafieber handle, nicht auß^uschliessen^^).
Es nass dahingestellt bleiben, ob dieser Fall mit den übrigen
aus dem 6. Jahrhundert berichteten gleichartig sei. Ohne
genügenden Grund hat man die pesUlentiae Roms älterer Zeit
für Fälle der orientalischen Beulenpest oder für Blattern
ausgegeben. Die Einschleppung orientalischer Krankheiten
wäre an sich bei dem regen Handelsverkehr, den beispiels-
weise in sehr froher Zeit die sädetrurisdien Städte mit der
•»
der 'PestütBzeii' naeh Livins: lo der ersten Dekade 3, 6. 32. i, 20. 21.
5, 13. 6, 20. 7, 27; in der 3. ~ 5. nur 27, 23. 38, 44. 40, 19, 6. 41,
21, später v. J. 589 Obsq. 13, v. J. 612 Gros. 5, 4. lieber spätere
A. 48. — Jahreszeit: August (3, 6), Sommer (5, 13). Verlauf: 580
4t, 21 : qtä inciderant, haud facüe sepHmum diem supenUfonty qiä
supertxvarant Umginquo, tnaapime quartanae, impUeabantur morbo.
**) lieber die Besebreibuog des Livius (41, 21) theilt mir auf meine
Bitte aneiu Kollege Naunyn folgendes mit: 'Es handelt sich bei dieser
Krankheit, ifvohl aller Wahrscheinlichkeit nach, um das Uebergehen
eines continuirlichen Malariafiebers in die gewöhnliche intermittirende
Form desselben. Das dauernde Herrschen der Malaria in Rom kann
ja nicht zweifelhaft sein und dass namentlich an solchen Orten wo
Malaria herrscht, Einflüsse vorübergehender Art diese Krankheit in
pernicioseren Formen auftreten machen, ist sicher. Selbst wenn man
die Identität der von Livius hier erwähnten quartana mit der gewöhn-
lichen Malaria intermitt(^ns festhält, wäre freilich immer noch möglich,
dass es sich um eine typhusartige Efkrankung bei jenem continuirlichen
Fieber gehandelt habe. Die neueren Erfahrungen (vgl. z. fi. Riess
Beob. über Febris recurrens Berl. klin. Wochenschrift 1869 N. 31 Se-
nator ebend. 1871 N. 32) zeigen wie eine entschieden den Typhoiden-
krankkeiten angehörige Krankheitsform Intermittens im Gefolge hat.* —
Die Pest bei Livius 4, 21 wird mit der gleichzeitigen athenischen in
Zusaoimenhang gebracht (Niebnhr 2', 573. Häser, Handb. d. Gesch. der
Medicin 3', 6, der S. 3 die Berechtigung unter pestilenäa eine be-
stimmte Krankheit zu verstehen leugnet). Ansichten älterer Aerzte
welche die römischen pestilentiae mit der Bubonenpest identificirten bei
Schwegler R. G. 2, 61 7 ff. Jedoch meint man jetzt dass letztere erst
unter Justinian im J. 542 (so Hirsch in dem A. 45 citirten Handb. 1,
142. 213) oder schon zur Zeit Cyprians 251 — 266 (so Häser in dem
a. Handbuch 3', 3) nach Europa gelangt sei. Die Epidemien der
152
THBIL l
Levante itiiterhielteiü, sehr. denkbar: indessen scheint es soii^t
an jedem sicheren [Anhalt lur <liQse Annahme . zu fehlen und
nameütlicb ist das Auftretem der Beul^npest in Europ;^ vor
Jitötinian im bdohsteo Grade unwahi*scheialioh.
frühereu Kaiserzeit (z. B. die unter Nero, Suet. Nero 39) sind kaum
bestimmbar; die grosse *Pcst' unter Marcos (Capitol; Marcus 15,
Veras 8) gfilt jetzt (Häser a. 0. S. Q4]f.) als ein« Gomplicirdii^ ver-
uchiodener Hraoih^teN» oaineotliclL di«r ^t^rn ü^A de^ Ru]|r«
1 . f
ll-
i • '
• • :• §.2. . .
ME ÄLTESTEN MfflEDELÜNGEN.
Dass ' die goi^enaiiliite Geschidite der sieben Könige in
äireNi weseatücheli The)], der VerfassungsgiBSchichte, eine Kette
wohl odef -^h«]' er^tinener Erfiridungen, Rücfcseldüsse «nd
Wortef ((lärungen sei, diese Ansicht büdet ffir uns ^ie Voraus-
setzung fardie l£ritik dtr in dieselbe verwebten Gesebichte
der siädtiseben Bafut^ und der ätadferweilerung. Wir könn-
ten eme selche also< Mer^ wo wir es mit den geschichtlichen
Spuren der alteVi- Ansiedelungen m tbun haben, föglich bei
Seite lassen» wenn wjr nicht glaubten, auch unsererseits durch
die Analyse- dAeses topographisehen Theils zur Begründung
jener Auffassung beitragen zu können; ausserdem aber fussen
noch immer. Hypothesen, über die wichtigsten Fragen der
Topographie so zuversichtlich auf die traditioDelle Entste-
hujBigsga^hicJbte der Stadt» dass wir auicb. aus diesem Grunde
nicht vemmden können, ^unseren Sitandpunkt klar zu be-
zdchfien.'
Die sogenannte Geschichte der Erweiterung der Stadt
vor der Üinmauerung der sieben Hügel ist so unzertrennlich
von dien Ang^beA über die Wohnungen der Könige, dass ein
gemeiissa'mer Ui'sp^ung nitbht zu verkennen ist. Jene ist be-
reits hn 2. Bande analysirt und (das. 'S. 206 ff.) gezeigt wor-
den, dass die Vereiiiigung der sieben Hügel Roms nach der
Vorstellung itj^r römischen Annalisten durch Servius.TuUius
154: THEIL I.
io der Weise vollendet worden ist, dass derselbe den Esqai-
lin (und Yiminal) zur Stadt zog und durch den Wailbau die
Ringmauer schloss ; dass es in den besten Quellen nicht oain-
der fest stand, dass zu Anfang nach der Besiegung des Titus
Tatius wie das Kapitol so der Quirinal zu der Niederlassung
der geeinigten Palatiner und Sabiner gehörten — worauf wir
unten zurückkommen — , dass einstimmig die Hinzuziehung
des Aventin dem Ancus Marcius zugeschrieben wurde, und
dass eine wesentliche Verschiedenheit der Ueberlieferung nur
den Caelius betrifft, so nehmlich, dass die einen ihn unter
Tullus, andere unter Ancus, noch andere unter dem ersten
Tarquinius colonisiren liessen^). Dass dieser ganzen Er-
weiterungsgeschichte allerdings die Kunde einer doppelten
Ansiedelung zu Grunde liegte wird «ich weiterhin zeigen; so-
weit sie aber an die Namen der einzelnen Könige anknäpflt,
verdient sie nicht mehr Glauben als die flbrigen an diese
Namen geknüpften geschichtlichen Notizen und ^ muss von
vornherein als eine offene Frage betrachtet werden, ob die
mit der Hinzuziehung der Esquilien zur Stadt unlöslich ver-
knüpfte Nachricht von der späteren Voll^dung, der Befesti-
gung durch Servius Tullius ') für mehr zu halten sei, als
^) Die dort gegebenen Nachweisnngea wiederkole ieh oicht. Die
bei Livius alleia 1, 44 (aus ilim Viri ilL 7, 6) auftreteode Beiift«p-
lang, dass der Quirinal .durch Servius zur StadI gezogen sei» ist weiter
nichts als der Ausdruck der Ueberlegong, dass der aervianische Wall
ja auch den Quirinal umspannt und fiigt sich der übrigen Ueberliefe-
rung nlcbt Ob man die Neuerung dem Piso, Valerius oder wem sonst
zuschreiben will, ist gleichgiltig. Ebenso vereinzelt und wahracheia-
lieh irrthiimlich aberliefert ist die Aosiedlnng der.SAbuMr ^nrch R«;-
mulus auf dem Aventin (A. 53). — Von dem dem unsrigen entgegeng«-
setzten Standpunkt aus behandeln mehr oder weniger aUe Topographea
die sogenannte Erweiterungsgeschichte; am eingehendsten (ausser Am-
brosch und RuMno, Binl. § 3) Piale Del tempio di Giano (1819),
Della foadatione di Roma und Del sesondo recinto fatto da Romolo (1822),
Orioli Settimonzio Giorn. Are. 1853 Rd. 133, DeUe tre prime triba
romane Diss. dell' ac. Rom. di arch. 13 (1855), 153 ff. 215 ff. aad
Zinzow Das älteste Rom oder das Septimontium, Progr. des Gymn. von Py-
ritz 1866. Eine Widerlegung im einzelnen yerbietet sich für ans von selbst.
*) Ebenso wie der servianische Wall nimmt der Bsquilia, wie
S 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDELUNGEN. 155
ein Glied jener Kette von Schlussfolgeruqgen, welche gerade
durch ihre Gleichartigkeit ond scheinbare Folgerichtigkeit ihren
späten Ursprung verrathen« — Zu einem gleichen Ergebniss
fährt die Betrachtung der KönigabSuser. *) Der Vollender
des Synökismos wohnt natürlich auf seinem Esqailin, ebenda
sein Schwiegersohn und Nachfolger, der letzte K5nig : an den
guten König mochte die Strasse der 'Gfltigen^ (tncus cuprim)^
an den ^übermüthigen* und seine unmenschliche Gattin die
'Verbrecherstrasse' erinnern *). Von dem Gründer Roms gab
anten weiter gezeigt werden soll, eiae Sonderstellao^^ io der Ueber-
liefemDg ein.
*) VerzeidiBiss der RSoi^shaaser bei Solia. 1, 18. 21 IT. aus Varro
ie vita populi R. (yfL Non. S. 581), wie schon Einl. $ 2 bemerkt
worden. Die N^neren haben die systenatisehe Erfindung niebt genii-
send erkannt: Ambroicb Stadien S. 37. 39 f. Rubino Beiträge S. 229 IT.
aber dessen Verirrungen A. 9. Auf die einzelnen Ortsangaben komme
ich im Tb. II zurück.
*) Solin 25: Servius TuUius Esquüinus (Var. esquiUnis) supra cU-
man UtHum. Es mag sein, dass (was Bd. 2, 244 bestritten wurde)
dies dureh die Cognoauna Cnfiitolimu, Antitinentii u. a. (über welche
unten) and das folgende (26) Tarquinnu Superbus ei ipse Espalinus
(Var. quilvmuy esquiUnü) geschützt wird; dennoch erscheint mir die
Verbesserung EsquilHs wegen der Analogie der übrigen Notizen vorzu-
ziehen. Ueber Tarquinius Superbus Solin a. 0. : Btquäimu eupra eüoum
PwBium ad ftigetalem laeum (vielmehr ÜMCtim), also wahrscheinlich
auf der HSke von S. Pietro in vineoli (Bd. 2, 254 f.). D«r Grund die-
ser Ansetzang seheint mir kein anderer als die historische Erklärung
des cnteKs eeeterahu itictue a TuUüt Supei^ tueare (Varro 5, 159), der
nnmittelbar zur Wohnung 6ee Servius, der Ja den Esquilin bewohnen
musste, also auch des Tarquinius führte, wie aus der kritisch schwie-
rigen Stelle des Livius 1, 48 hervorgeht (vgl. Th. II). Dass der Name
vteiw seeleratus (ähnlich vicui sobrüti?) sehr alt sei, ist zu bezweifeln:
8. § 8. Für den vieus eyprius (so Liv. Varro Dionys.) liegt zwar nur
die Deutung des Varro a« 0. vor a eypro quod iHSaltim cives additi ecn"
aederunt^ qtd a bono omine id appeÜmnad: nam eyprum Sabina bonum,
indessen wissen wir ja, dass Varro selbst an verschiedenen Stellen
verschiedene Ableitungen gab und da uns das Wort jetzt auch aus dem
Umbrischen bekannt ist: Ckbrar nudrer = Cuprae matria (Gorss. Zs. f.
vgl. Spr. 20, 81), so ist die Annahme durchaus zulässig, dass von einer
soldieo Gi^ttin die Strasse benannt war (vgl. unten A. 56) und dass
diese Benennung auf den 'guten* König führte.
156 • THBIL. Li '
es zwei WpbnuDgen« wi^lohe, wi« er reihst unter die Götter
versetzt war , als ä)B8ecrirte HoibgthuiQer «rhalten tvurded^
auf dem Pulatio, wo.^yr erzogen wocdeci und. die iecsftejSla4t
gegründet bette und auf dem Ka^ilol, dem iAtabftJlitldpnnkt
der neuen Doppetetadt £])eu4ai auf darArx, wobnt statuTr
lieb auch TiJUus Taltiuft'^),! JS^ü 4en . übrigen K^igda halte
es die Erfindung nicbt* s^ .lekbt: doel^ war e«. giiboteiw dua
Erfinder der Staatsreligiont 4eni Sabiner Nqoia« zuer&t. auf
dem sabiniaeben Quirbial M'obneo upd däua dk geietUobe
regia beziehen zu lassen ^). Konnte man dann sein Gegen-
stück, deü friedfertigen Ancus, recHt gut in odef bei der
damus regi$ bei dem Larentempel unterbringe^ , so mochte
schon die An^log^e diesem Tei^pele, yielleicbt auch der StoJ^e
des Königs bereehtigen^ den TuUus auf der Höhe ;dep Velia
— der noch später g'efürebteten Feste — - beim i^eilateiäleitvpel
wohnen zu lassen; freilich mussten diejenigen, nach welchen
er den Caelius der Stadt einverleibt hatte, ihn dann ^ut die-
sen Berg ül^ersiedeln ^)4 So bleibt der erste Ts^quipius über;
iich weisd nicht beatimmt anzugebeB, weshalb man idieaen m
^) j[lajnuljDs iKo^Qt nach Solm 1, 18 i|ii tugurium FMustutf. auf dev
Germalos: dies ist die cßßa^ später ,<»h^ Rwmdif .üi^fr w«lQhe £4. 2,
208 f.> abe/r. auch, auf 4aiq Kapital ^i^^bt. es. Jiae)^ Vitruv. % 1» $ eii\e
R/ftmuli (Mua: die nothwendige Folge der £U*o|ieruii|p des Kapitols (v^l.
Tb. II): aus ähQÜcben GirüiideD.&iekea J>(iHaa «jwi Tarjiiunius um. (qnt«n).
Beide casae siod die eQQ§eerirtea. W^ibohäpaer des l^tadtgrUa^i^i^y .wfs
Preller Avfg. Ayfs^ S. 486 uict^ ei:kaiutt liait. üeber< d^a .Jf^]|i$«r
Feretriua Tb. IL i. . .
^) Solia 21 : Numa in coll^primum QuiritiaUs iifiinde.prop^ aedßm
Featae in regia quae.ß^Auc ita ßpp^fatur* \gl,.^*\9*
7) Solia 22 f.: TulUu^.Mos^iJUuSy tibi pa$tea thvm Pe^ß^um Oddes
facta est , , . Ancus Mwcim^ in summa, aacm v.ia ubi aedfis Itotrum ^^
Es moss . ann^aoimneQ «w^rde», ^a^s die. Quelle Varre ist; iiej^a al#o
aus diesem citirt wird (Neu« 531) Tullum HosiUiufß in f^eiOs, ,ulbi mtftc
est aedis dcum Penatitun , ^incum in Palatio ad portam MugUmis sub
sinzstra, so kann die zweite Notiz aucb.nur di? ]\ähe .^es J[fareiuteiii-
pels bedeuten. — TaUus auf dem.C^^iAs: Pioays. d, \f l<4vias.i, 30:
ibique dein de habitavit. Diese Wobnaag wii*4 nut il^D,/»^st iurcb
Blitzschlag vernichtet (das. 31). -r- Ueber die drohende Yelia A- 65.
$ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIfeDELUNGEN. 157
äflinhtelbariftter Nähe des Ancirs untjergebracht hat ^). — Es ist
Dar, dads die AngelpUDkta cKes^t* Erfitldütigen die zwi«fach«n
K^nigskluser regia und d&mu» rtgH {%* Tb. 11) sind und dass in
dem Register der J^ourstigeii Thtfteti d^r Könige, wie in der
De«ituiig eines Namens i^dtus Melemlti^), das 'ewar dilrflige
aber doch ebön ofusrefiehende Material tur DunMlihrung de(^
Sjrstemßittk gegeben war. Wie selbst kritische and sonst m%
der Art' der Quelkin vertraute Gelehrte in diesen der albani-
schen .Königstafel an A^rmlk^eit gleichen Erfindang m%
Unkehfraos der !ri<^htigeli Sthkrisfolgeruhg eine Yolksträdition
über die ältesten 'Hei^tbdmer haben finden können, bleibt
mir uderkMrlioh ^). . • • . . » v
üisMfioh- bestellt ist' es mit der ßescMoMe de^ könig-^
liehen Bä u t enL« K^r 'efne Thatsacbe liegt' d^selben wiederum,
im^ wir zeigen werdien, zu Grunde: die Ei^lfinerung an die
Banthiltigkeit ein^s emgewandeHen Herr8^hferg«sdilechts; alles
ahier, m^ daröber hidausgeht, h^t nicht den mindesten Wertli
und ist mit ähnlichen Mitteln und nach ähnlichem Master
wie die Sta^dterweitungsgeschlchte und itir' Anhängsel, das
Verieichjllss der feöni^shäuser, zusanlmengeleinft worden.
Der erste Eroberer nach dei; Gründung. de^ Staats, der 'reiche'
ToUh» muss aucih das erste Beispiel der. naehnalig. so ge-
9)''So}iD;24:' Tanqßätm» PHtotu ad Mwtgoniam 'pottäm tuppa sum'-
mmn noMun trimti Livi«i 1^ 4I( «tf Statardt und zwar tnit 'des oberen
FeMtera naoh d«r vüp^va\ dies sdietnt ebeii«»- lehr auf die Identilüt
nit der W^h&tmgdes. Abcut (A, f) aktimit d<ft> d«s Soperbos (A. 4)
M 4ea«e». Letetere* .taimml SeliWds^M' {i^ 779) nod wobi schon An-
Biiif PetiallB bei Plioi 34^ 13 an, dd er di« Slat«e der GIoeHa corMra
hm» Stmorii aetUmin v^HUkth SuperbiOmius erwähnt; Dio Fräs« i^M,
•dhwieri; and wird Tk« tt in aideretn ZesniihieikhtfÄsr erHrtert werden«
^ Beai A«8gitDg8{tanict, die ngim^ hat Anbrosoh' inef'st riehtif^
beaKtheilt; im öhrigeA ist e^ nwht mt KIkrfaett gekonimteD. Auch
nit der Akribie ist es nicht weit btrj so sagt er S.d7, die 'Süge'
habie dte Nonia im-Tbapel des QnirMns, in cei'la Qumntdi wohnen
lasden^ idc witus nicht lvkl«nnl: m^ soi/e Iß. steht bw fiolin (A. %) \i^ den
Bm. und bei -S«liiiasius.s.w*:. Bio Myaticisnen>ilnbino's^ Welche die ge-
falseb^ GHate dar OHge gieatis roaiaMie Anrid-ften Victor und Rofas
znr Basis haben (vgl. Bd. 2, 5 IG), zu widerlegen, ist unmöglich.
158 THEILI*
wohnlichen Bauten aus dem Beuteertrag {de nuadbiis) geben :
noch in spater Zeit trug die Curie seinen Namen {cwrta
Ho$tüia). Unausweichlich war dann der Schluss» dass das
Comitium, ihr Yorplatjs, von demselben Könige eii^efriedigt
wurde ^^). ' Der Schöpfer des Yerfassungsstaates baut das
Staatsgefangniss, das fortan seinen Namen tragt (TMianium)\
nur dass es Leute gab, die denn doch die Uebelthäter auch
vor dieser Zeit in sicheres Gewahrsam gebracht wissen woll-
ten und so den Ancos vorher wSbsaa den earcer erbauen
liessen "). — In die Geschichte des Mauerbaues werden
natürlich die Könige von Ancus an der Reihe nach, wie
sie die Stadt erweitern, hineingezogen. Aber ein beach-
tenswerther Rest editer Kunde lässt des Geschlecht der
Tarquinier zuerst den monumentalen Steinbau einfahren,
die grosse Stadtmauer, die Kloake, den Juppitertempel und
den Circus bauen: nur mischt sich hier gleich wieder, an-
gehängt an eine falsche Etymologie {YMbnm a vdü), die
10) Der dives TuUus des Horaz C. 4, 7, 75 (riehtig verstanilen von
Schwegler 1, 577 A. 3) fecä et gaepsü de mamtbüs eomüwm et eurieon
(Cic. de rep. 2, 17, 31, yg^I. Varro 5, 155); die gangbare Brklärang
ist nm nichts besser beglaubigt wie die allgemein aufgegebene des
TulUanum und die nor bei Vopiseus (Anrel. 41 Tac. 3) yorkonmettde
Bezeichnung für den damaligen * Senat', curia PomjriUanay kann mnt
keine Weise als Zengniss fnr das kSniglicbe Alter betraehtet werden :
vermathlich ist er eine voräbergehend beliebte feierliehe BenenniiBi^,
welche an die eecurüa* temporis Pompilian»\ Amm. 14, 6, 6, erinnern
soll. Ich bin auch jetit noch der Meinung (Hermes 8, 218), dass der
Name von dem Neubau eines Hostilieri herrührt: ton diesem im 6.
und 7. Jahrb. sehr mächtigen und sich selbst für uralt haltenden ple-
bejischen Geschlecht (vgl. Mommsen Forsch. 1, 104) konnte sehr wohl
der Ruhm eines solchen Baues mit Recht oder mit Unrecht beanspraeht
werden. Soll man ernstlich glauben, dass vor dem 6. Jahrhundert die
Curie am Gomitium auf den Namen des dritten Königs getauft worden
Ist? Mir erscheint das widersinnig.
") Festus S. 356: TulUanum . . Servmm TuUium regem aedißcasee
aiuntf daher bei Varro 5, 151 : ideo quod additum a Tuüio beiBubehal-*
ten, nicht a TuUo zu sehreiben ist, wie Schwegler 1, 668 a. 1 richtig
bemerkt. — Ancus als Erbauer des eareer: Livius 1, 38, 8. Vgl. f 4
und Th. n.
I 2.] DIE ALTESTEIN ANSIEDELUNGEN. 159
lediglidi auf falschen Schlussfolgeruogen beruhende Erlaute-*
rang ein, dass der Kloakenbau erst das Forum trocken ge«
legt (worüber § 1) und so dem Comitium diesen grösseren
lor den Markiverkehr bestimmten Raum beigegeben habe ^^).
Die Vertheüung dieser Bauten zwischen dem ersten und
zweiten Tarquinius, die, wie sich zeigen wird, unhaltbare
VervoUständigung der Geschichte durch die Erfindung der
Befestigung auf dem reehten Ufer, die ebenfölk höchst be-
denklidie Rolle, die der römische Theseus, Servius, als Wall*-
erbauer spielt, zeigen die Hand eines oder mehrerer jüngerer
Schriftstellar, welche die sieben Könige möglichst gleichmässig
mit Thaten ausstatten zu müssen glaubten. Aber noch mehr.
Drei falsche Etymologien und jenes * erste BeispieP eines
staatsrechtlichen Akts, des Baues de manibiiB, dem sich
vidlkommen gleichartig die römischen Stiftungen der Heilig-
thümer des Juppiter Feretrius und Stator als vorbildliche
Beispiele, jenes der spoUa opima, dieses der G^lobung eines
Tempels durch den Feldherrn vor dem Feinde, anreihen ^^),
weisen deutli<^ auf eine Zeit sammelnder und klügelnder
u) Die StoUea über den Miuerbaa { 9 z. A. Uelirigeos ist die
IVaditioB bis auf Nebendinge ziemlich fest. Den Aocns schreibt die
Qaelle des Livios (vgl. A. II) die Befestigung auf dem Janicolam, die
Tiberbrücke, den caroer, die Hafenanlagen von Ostia za (so schon En-
Bivs bei Festos 258. 142 s:= Ann. 145 V.), also ausser dem offenbar
später eingesehfvSrztea earegr eigentlich keine der stadtischen Bauten.
Der ernte Tarqninias moss dann nach der livianischen ErzShlnng den
Tempel fundameatiren, den Girens anlegen^ die Entwässerung durch die
Kloake vornehmen (L. 1, 35, 8. 37, 6, 7), der zweite die prächtigere
AvfflUimng des Tempeis planen, den Circns ausbauen, die Hauptkloake
anl^^n (1, 53. 56).
**) Tempel in Schlachten gelobt und de mambiu gebaut sind
hiiiAg: vgl. Forma nrbis S. 28 (wo noch Vitr. 5, 5, 8 biozugefdgt und
tnf Mommsen Hermes 1, 176 verwiesen werden konnte); die Cnrie
und das Comitium sind templä. Dass auch die Weihung des Heiligthums
des Jappiter Stator dahin gehört, bedarf keines Beweises ; über das des
Feretrius A. 15. — Dass die Etymologien des relabnan, TulUanum^
der curia HogüHa älter seien, als die graechisdie Zeit, ist nicht zu er-
weisen.
160 THEILl.
Gelehrsamkeit bitiy dieselbe Zdt^ in der man cbs^ erste .Bei*^
spiel* eines Perdueltions-- und eines ProV^kolkvisprözesfies
der Geschichte <einf4gte und mit Mfe «iner fälschen iEtymo-*
iQgie das Fetialenrecht von .den ^biUigdenkendett^ A/equieolet-n
herüberkommen liess^^). — Es iit bemibiieaA'^^hin^i dass
die EHindang sich nieht in gleicher Weise ym. an^ik Prdfan-
bauten so an die. heiligen gewagt, oder. doch nur schuditern
die Thatsache bestritten bat, dass dier tanffiinificfae Temitelbau
in den Akten des Pontificaloollegiums als der erste ver-
zeichnet stand, von. dessen VoUendüng zugleich die Vec-*
ehrung von Götterbildern 'datirte. Zu der Kategfä»e der
sttceUa fana und dle^tcbra (Bd. 2^ 271 ff«), gehörten also die
Heiligthfimer des römischen Urstaats« das Vcstär, Lar^o- und
Penatenheiligthum und die wenigen^» angebiicb. vbn dea.Koiii-
gen vor den Tarquiniern gegründeten Kultnsstiäfftpn.V). Wenn
sieh daneben die Notiz findet, dass ein odeir ^et andere König
doch* ein froheres fanum schon in eine eigenttiehe aeies wer^
wandelt ^^), und Servius seiner Patironiki der Fortuna «UeiA
mindestens drei Heiligthumer und den Teni|!>el dbr . Diana
1^ Das inane studmni ditßendi qßae friimu quisqae ete Rumumis
duei^Hs feeisBet (Seaeea de brev. vitae 13) eraoaifie tarn -^ iieveits z«r
Zeit Ctcero's aasgebildetes -^ System vba Ges6hie}|l^älsdMiligpeiL üebcr
die Prosesse Mommseb Hermes. 4) 22.i •' ..?
") Varro de tfita.p. R» f!\oa. 494)r: Aoeo aediSf qMme:ntmc esi^
muUü anms pest faoia f tM .(xm£ P) «119110. (nrnnia .(ontttonc.P) r^giis
temporiöus ddubra pmna fewsta (ich vocAutlM JauiMäX ^y^mvBm% r.i u«
s.-w.}. Damit stiniiit liberein, dass die roflMUisokeiiiHaiiil^tUimer y^t
ihrer NengrÜDdunig durch Aagnsttos als kleine KapeUen'JbaaaifchDot.wer*
den, das Heiligthum der Fides als soOraHum (Liv. U 29), die.daa Pavor
nod Pallor (Liv. 1, 21, 7) wie die auf dem Kapitol durch Tac^|«i«
exangarirten (Cato bei Festas S. 162 aater fM^tüfum) als/BRir. Eben-
falls stimmt, dass nach Vavrb (Anguslan. - de eiv. 4^ äi a. A.) liie fi^taaer
170 Jahre lang kdine Bilder hatten, yenniathliirf» aisU najoh üim. Tar*
qninias der ältere liaerBt ein sadches imlcapitolintaahMktTaaip^l.wcikte«
S. Kdtner VarroniafSbe Stadien (ttalle 1865) &5Jf..And Detlefsea
De arte Ronu anti^vissisM <Progir. GliiekMGadt 1867) S..3 f.;
>>) 80 heisst es vtBA Aacas •h«l >Liv.. 1, 33, B^ t^gte^pie rebus
hello gestis aedis lovU Feretrii amplificata. . ,
§ 2J DIE ÄLTESTEN ANSIEDELUNGEN. 161
weiht ^^, so sehen wir auch hier die nachbessernde schrift-
stellerische Hand, welche Dinge, die in offenem Widerspruche
mit der besten Ueberlieferung stehen, zu bestimmten Zwecken
eiDschwarzt. Es leidet kaum einen Zweifel, dass auch fdr
diese Dinge Valerius Antias wenigstens die später allgemein
giltige Formulirung des Details gefunden und dass schon
Varro gerade wie Cicero ihn jeder für seine Zwecke ausge-
nutzt hat, obwohl dieser ihn gar nicht, jener nur flüchtig
erwähnt, yermuthlich als einen in jedermanns Händen befind-
lichen, wenn auch nicht sonderlich angesehenisn Schrifsteller ^^).
*^) lieber die Tempelbauteo oder Grund uogen des Servius haben
aagenscheialich sehr verschiedene Ansichten und bei den jüng^eren An-
nalisten sehr willkürliche Hypothesen bestanden. Allgemein wird ihm
der Tempel der Diana aaf dem Aventin (13. Aogast) zugeschrieben,
iass er auch den der Laoa daselbst (28. März) gestiftet habe (Tac.
Add. 15, 41), scheint Ovid (F. 3, 883) nicht zu wissen. — Von For-
tanentempeln schweigt Livius ganz, zwei kennt Dionys. 4, 27: tov fikv
iv ayoQ^ ry xalov/^^vy ßoaqCtj^, jov 6h Hsqov ln\ laig Tjiöai tov
Tiß^Qtog, rjv avS^eiav nQosfjyoQevaev, tag xal vvv vno 'PcofictfoiV
xaXeZrai. Ersterer ist der bei Livius mehrfach genannte fin foro
boario 33, 27 inira portam Carmentalem 25, 7: seinen Dedicationstag
kennen wir nicht), der zweite' ist, wie längst bemerkt worden ist
(Becker 478 f.), das von Varro 6, 17 dem Servias beigelegte fanuM
Fortis (!) Fortunae secundum Tfberim extra ttrbeniy dessen populärer
natalis (ders. bei Non. 8. 144) der 24. Juni ist. Schwierigkeit macht
der amit. Kai. z. d. T.: Fortt Forhmae trans Ttber{im) ad müliar{ium)
prifn(um) et sext(um); und ad seoetum sind die alten Dedicationen an
die Fors Fortuna geifunden worden (CIL 6, 1, 167 — 169). Also zwei
servianische Heiligl^ümer trans Tiberttn? Danibdr s. Th. IL —
Endlich erwähnt Plinius 36, 163 aedem Fortunae quam Sieiam appeU
lant a Servio rege sacratam, welche Nero in das goldene Haus ein-
sebloss. So nehmlich mnss geschrieben werden {si iam die Leidener
Hs., setoTu mit der Bamb. die übrigen, S&iam Vulg.), wenn die Insehr.
Or. IS V. J. 12 n. C, welche durch Smetius' Abschrift (29, 6) bekannt
ist, richtig gelesen worden ist: . . Sieiae (so) Fortunae . . . mag. vici
tandaliari reg, IUI. Apokryph ist natürlich auch der Dius Fidios des
letzten Tarqninius (Dionys. 9, 60).
SS) Für die Details der Geschichte des kapitolinischen Tempelbanes
ist Valerius Hauptquelle (§ 3 A. 17 O; Th. 11). Dass er stark in der
oben bezeichneten Methode der 'ersten Beispiele* gearbeitet hat, ist
aach sonst nachweislich und von Mommsen bei Gelegenheit der 'ei>sten^
Jordan, rOmisehe Topographie. I. 1. 11
162 THEIL I.
« MüsseD wir dem Dach die traditionelle Entwickeluags-
geschichte der Stadt von Romulus bis zu den Tarqaixiiera
bei Seite legen., i^o besitzen wir dagegien von der Gründung
der Stadt auf dem Palati um Nachrichten, welche zum.Tbeil
mit dem Befund der Trümmer in merkwürdiger Weise üb^-
einstimmen. Freilich kann nun beispielsweise über die An-
zahl der Thore der Romulusstadt eben so wenig eine schrift*-
liche Überlieferung auf uns gekommen sein, wie über die
erste Anlage des Comitium. Aber wir haben es hier mit
einer Gruppe von üeberlieferungen zu thun, welche mit den
bisher behandelten gar keinen Zusammenhang haben: den
Üeberlieferungen des ältesten Kultus. — Unschätzbar ist für
uns die Nachricht, dass am 15. Februar, dem Luperkalienfest,
die Gilde der luperci in Thierfelle gekleidet einen Umlauf um
die 'alte palatinische Stadt' hielt. Diese an den sogenannten
Kalender des Numa geknüpfte Nachricht ^cfst so gut wie alle
ihres gleichen und wie das Ceremoniell selbst in das höchste
Alterthum zurück^®). Es ist kein Zweifel, dass dieser Umlauf
Prozesse X-^' 1^) liervorgehobea worden. Dasselbe gilt von der. Ge-
ßdiichte des Ursprunges der Beredsamkeit in Cicero's Brutns (Hermes
ß, 209 if.). Damit wäre vereinbar, wenn Piso des Livins HauptqueU«
für die Königs^rescMchte wäre. Indessen haben die bisherigen Unter;-
sachangen die Sache noch nicht ins Reine gebracht*
^^) Aelias Tubero bei Dionys. 1, 80 lässt die Hirten des Nnmitor
den Romalas und Remus Überfallen; als sie das arkadische Fest feierten:
^vixa ix^V'^ ''ovg nagl to IlalkdvTiov oixovvras roiv v^wv ix tov
^vxniiov Jsd-vxQtag nsQiaX^alv iriv X(pf4>i]v yvfjiyovg *. tovto Sk
Xftd-OQfAov Tiva Tpv xojfXfflAv TidzQiQV l^vvaiOf Qjf xal vvv Mt$
öqatav, Varro 6, 34 (vom Lupercalientage, dies februatus quod tum
februaiur populus^ id est kipercis nudü lustratur miiiquum oppidum
Palatinum gregibus humanis cinctum (unten^ vgl^ . 5 , 165 antiqutim
oppidum), Plut. Rom. 21: xal ydq aQ^of^-^vris Trjg 7i€QidQOft^g
tovg Aovniqxovs o^to/biev ivrev^ev onov tov '^Piof^vXov ixT€d^vat Jt^-
yovmv, Dass %m Caesars Zeit auch 4a andere Theile der Stadt' ge-
laufen wurde (Marquardt Handb. 4, 404), sagt Plut. Gaes. %\ nicht:
^taO-iovai iivd tijv noXiv yvfivoC: sie musstenja gerade den Mittel-
punkt der Stadt, die sacva via, darchlaufen. Mommsen vermuthete CIL 1 S.
364 in der; Stelle des Varro: a regibus ßomanis moenibus cinctum und
wiederholt dies gegen meinen Widerspruch (Bd. 2, 269) neuerdings im
§ 2.] DIE ÄLTESTEN AWIIDELUNGEN. 163
die Lustration der Stadt bedeutete, ausgehend vom Lupercal
and zu ihm zurückkehrend. Ich habe sehon Bd. 2, 269
darauf aufmerksam gemacht, dass der Weg, den die< luperei
bei diesem Umlauf zur Zeit Caesars einschlogeo, >ftie 'mitten
durch die St«dt\ d. b. über die sacra. viO' fährte (A* 19)
und da&s dieser Weg kein anderer war als das Pomerin'm
der palatinischen Stadt, dessen Lauf. zur Zeit Caesars
erkennbar, durch Grenzsteine gesichert war, wie der Lauf
des Pomerium der servianischen Stadt. Das bezeugt Tacitui^
ausdrücklich, wahrscheinlich gestützt auf die Avgiifaihilcher
des M. Valerius Messalla : . wie die Sorge für das servianisthe
Pomerium den Augurn nach Ausweis der noch erhalteiten
Steine desselben oblag, so auch die des palatinisdien. Es
ist aber nöthig , ehe wir von der Bedeutung dieses Pomerivm
weiter handeln, die taciteifiche Beaohreibung desselben zu
prüfen ^^). — Messalla, auf welchen wir a. 0. die Beschrei-
Beraies 10, 49. leli mus« dabei bleibeo, dass es unmöglich ist anzo-
nehmen, dass Varro an den Mauern des Palatium mehrere 'römisehe
K«oige' bauen lässt (welcher alte Schriftsteller weiss davon?) ui^dhikin
nicht zugeben dass. in g^e^es humani als Bezeichnung der mit Thier-
feilen geschürzten midibiperci etwas 'Skurriles' liegt.
*°) Tacitns Ann. 12, 24 (wo er von den Erweitehingen des Poine-
riua spricht, s. § b)t sed iidtium oondendi et qaod primum pomerinm
Ramulus posuerit mscere haud absvstd^tm reor. 4igitur a foro boario^ «^t
aereum tauri smulacrum atpidmus, quiaidgenuM m^imaliumariärotiibr
däur, sulcus designandi oppidi coeptus ut magnam Herculis aram amplec-
teretur. inde certis spatiisinteriecUlapides per imamontisPalatiniaaariam
Comi, ni$x eurias veteret, tum ad saeellwm Latum fotumque Aomanum:
et Cttpüolium non a Romulo sed a Tito Tatio additum urbi eredidere. So
die Hs., nnr dass sie conaü und krum de f&nanque romamuA hat, aber
de hat schon der Korrektor gestrichep. Qaiiil iat depn. Sinma genügt,
wie ßecker (De muris S. 14 Top. S. 101 f«).iwMt vor ihm Mancher (wie es.
scheint auch Niebubr 1?, 298) bemerkt faal. Für .4ie .Beaehreibutgt.dfis.
Pomerium kommt Weissenborns Aenderong (von Pfipperdey aofgeiiom-
meo) Lamm, inde f^rum Romanum; f^rumqtte auf dassalbe hinaus; ieh;
halte sie aber fiir unrichtig, weil diA Bemerkung über die Stadterweite^
rong schwerlich etwas Anderes als einen ,der.»Mi»tea betecffioB Jconnteä^
Kltter'a Lamm; dein forumque R. et CßpitMmi u, ^w» Jboraubt uns
des BotliweiMiigea Endpunktes, Orelti'e Ltfrundae Jofumqite R, ist, wdn»
11*
164 TKBIL I.
bung des Tacitus zuräckfuhrten und aus dem wir ihn er-
gänzen dörfen, bezeugt, dass das palatinische Pomerium in
der Tiefe den palatinischen Berg umz«og^^). In der
Zeit, in welcher er schrieb, und später ferstand man unter
dem 'palatinischen Berge' die Erhebung in derjenigen Aus-
dehnung, welche nachmals die Kaiserbauten bis zum dritten
Jahrhundert eingenjommen haben, d.h. von der Ecke über
dem Vestatempel bis zum Septizonittm , von der Cacusstiege
über dem Eingänge zum Cireus bis gegen S. Bonaventura
hin : bis hieher reichte der Bezirk des Apollotempels, welcher
in PäUuio lag. Von dem Berge hatte die 10. augustische
Region ihren Namen; sie begriff ab^r auch die umgrenzenden
Tiefen, wie die in fast allen Punkten yerständliche Grenz-
bescbreibung beweist (Th. II). Es steht also zunächst mit
dem Sprachgebrauch der klassischen Zeit in Widerspruch,
wenn man angenommen bat, dass von den beiden durch
eine Einsattelung^^) geschiedenen Erhebungen des Palatium nur
die nördliche das alte Palatium sei und . dass die Linie des
Pomerium bei Tacitüs nur dieses umlaufen könne. Die
ganze Hypothese wird durch die Reste der Befestigung viel-
mehr widerlegt als gestützt (s. unten) und die zum Beweise
herbeigezogenen Zeugnisse bes^gßn nicht, was sie soUep. Vor
allen Dingen aber spricht Tacitus selbst dagegen. Er be*
schreibt das Pomerium folgc^adermaassen (A. 20): bei der
Gründung der Stadt habe man wie üblich (s, unten) die Furche
vom Forum boarium aus zu zietien begonnen, um die ara
maxima des Hercules einzuschlies^l&ii: 'von da' (also von der
dftlHdi «a Laremtia gedacht ist,' ufimb'glicb, w«iia damit gar das allbe-
kanote LareDheiltgthiun- beaeiehnet seie seil, widersinnig. Die entge-
genstehenden Ansicliten (Bmi^en 1, IdSff., Piale Snlla fondazione di
Roma 1822) zu Wideriegeo, scheint hiernach iiberflä^sig.
SA) Messaik (nehmliish M. Valerhis Messalla Corvians Consul TOI
dessen Bücher d^ auspiom mehpfach citirt werden: Bd. 2, 208) bei
GeUins 18, 14, 2: imii^äsnmum autem pomerium quoda Romulo insH-
tutum est Pälatiard m&Ntis radicibuB term^nabatur {dltrüber mehr unten).
s*) lieber diese s. tatiten Th. 11. Rosa^s Annahme verwirft mit
B>eeht Lanciani Annali d'. J. 1871, 42 ff. nnd Guida del Pafatino S.29. 77 1
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDELUNGEN. 165
Front des Circas maximus, etwa zwischen S. Maria in Cos-
medin und S. Anastaaia), ^gtelien in bestimmten Zwischen-
räumen Steine längs des Fusses des paiatinischen Berges bis
zum Altar des Consus' (an der ersten Metä des Circus) ^weiter
bis Zu den alten Corien' (in der Nähe des späteren Septizonium),
*dann zum Larenheiligthum* (auf der oberen sacra via) 'und
zum römischen Forum ' (d* h. dem Anfang desselben am Fa-
bierbogen, bei der regia und dem Yestatempel). Dass von hier
aus die Linie zum Anfangspunkt zurückkehrte und hier nkht
anders laulen konnte, als längs des Berges in beträchtKcher
Tiefe unter dem heutigen Boden (wie S. Teodoro zeigt), ist
selbstverständlich, dass der Yestatempel und das Yelahrum
ausgeschlossen blieben, ausdrücklich bezeugt ***). — Mit den
einzelnen Punkten steht es so: sicher ist zunächst die Lage
der ara maxima, weiter kann man zweifeln Ober die Lage
der ara*Consi und curiae veteres: ist jene wirklich mit den
frimae metae (worüber unten) bei den carceres und nicht
am entgegengesetzten Ende des Circus anzusetzen, so ist
es geradezu unmöglich, die Curien gansj nahe denselben
südlich von S. Anastasia anzunehmen, denn es würde keinen
Sinn gehabt haben, drei so nahe liegende Punkte zur Be-
zeichnung der Liilie zu wählen. Ausserdem verweisen die
Notitia und das Verzeichniss der vici der Region sie deutlich
in die Nähe des Septizonium, und zwar zwischen dieses und
die Larenkapelle, welche auf der sacra via stand. Ist also
die bis jetzt noch nicht topographisch untersuchte Höhe von
S. Bonaventura ein Theil des paiatinischen Berges, so wird
kaum etwas anderes übrig bleiben, als die Curien unter dieser
in der Nähe des Constantinbogen zu suchen ^*). Es ist hier-
'*•) Dioayst 2, 65 führt als Beweis daför^ dass der Yestatempel
seinerzeit aieht eine GründuDg des Romalüs sei, an ou t^s ter^aytififov
xaXovfUnis *P(6fifig . . ixroc haxtv. Die genaue BestiniBiiDg der
Lage desselben ist noeb nieht selansen (Tb. 11 ; Inser. fori rom. Eph.
ep. 1877> -- Vdabrwni A. 40.
*>) Dahin versetsen sie nneb PreUer, Laneiani n. a. loh begaüse
mich hier hervorzuhebeD, dass die Pfetitia curiam vetterem^ Foriunam
IQQ THEIL I.
bei unsicher, ob das Thal des Circus mk- oder ob es ausge-
scbiossen bliebe schwerlich entcheidet für da» letztere, dass
Augustus* den Circus als eigene Region konstituirt hat.
Niffimt man als Eckpunkte S. Anastasia-Septizonium-Ecke
bei S. Bonaventura -S. Maria Liberatrice an und misst längs
der Strassen die direkten Abstände, so erhält man mit
Ausschluss des Circus eisen Um&ng ron etwa 1700 M. ==
4930 r. F., mit Einscfaluss des Grcus von gegen 500 F.
mehr. Wenn die augustjsche lOte Region 11510 F. maass,
so ist schon Bd. 2, 08 bemerkt worden, dass dieses wie die
übrigen Umfaugsmaasse so hoch ist, weil als Grenzen der
Region die Linien der vici mit ihren . Winkeln und Krüm-
muogen gemessen wurden ^^).
Tacitus selbst bezeichnet das pomerium als die Grenze
der Stadt, welche der Grunder durch den Pflug zog. Eine
Reihe von Zeugnissen, weldie eine undurchbrechUche Phalanx
zu bilden scheinen, erläutern diesen Gebrauch als einen etrus-
jkiscben und altlatinischen. Varro — und nicht anders soll
schon Cato erzählt hab^ — lässt jede Stadt in Latium,
genauer die Colonien, nach ^etruskisch^n. Ritus ^ gegründet
werden. Dieser Ritus bestand darin,. dass das Areal der
Stadt durch den Pflug bezeichnet wurde. Der Grunder spannte
vor denselben Stier und Kuh; nach rechts hinwendend, um-
furchte er die künftige Stadt; die 'ürfurche' (sukus ptmi-
respicientem, septizonium Severi bat (wahrscheinlich vom Forum her be-
schreibend) die kapitolinische Basis vico curiarum, Fortunae respicientU,
**) Es handelt sich hier garnieht um den Umfang des ßerges,
dessen Umriss wegen der aufliegendoD Sehottmassen , angelehnten Ge-
bäude und Torspringeaden Terrassen aiuch jetzt nach schwer beslimBi-
bar ist, sondern um das Pomerium in der TiefCi Wenn der Umfang
des * Berges' von Lumisden (Rome S. 156) auf 5550' engl. = 1692 J5 M.,
von Lanciani (Guida S. 9) auf 1744 M., der Umfang der Region von
Bnnsen (s. Bd. 2, 98) auf 7875' angegeben wird, so sind das natürifeh
Resultate von Messungen an flollis und dem Censusplan, die jeder naefa-
mäehen kann und die verschieden ausfallen. Die ersten beiden Maasse
sind nicht unerheblich zu gross, wenn man die wahren Högelrander
missi^. Geoanere Angaben^ als die eben gemachten ^för das Pomerium),
können keinen Anspruch auf Trene haben.
§ 2] DIE ÄLTESTBN ANSIEDELUNGEN. lQ^
gemis) bezeichnete den Graben^ die nach innen faHende Scholle
den Wall; die Thore Hess er frei und 'trug^ an ihrer Stelle
den Pflug (daher pürta). Ihre Zahl war nach ' etruskischem
Ritus' drei. Was 'hinter der Mauer' lag, nannte man po$(ty
maerium oder pomerium; es war dies ein Raum, durch Grenz-
sleine bestimmt, welcher nicht bebaut werden durftei Wäh^
rend ansiserhatb der Mauer der ager effatm beginnt, umschliesst
das pomerium innen den Raum der städtischen Auspicien ^^;
Dieise Linie bildete ein Qnadrat (Roma quadr&ta), das Tem«<
plam der Stadt« Die 'Regionen' des Templums waren mit
dem Augurnstab bezdcfanÄ und nach den Himmelsgegenden
gerichtet worden, wie man das Stadtgebiet der €olonie und
den Lagerraum abzustecken pflegte. Es gehörte danii endlich
aedidazo«, dass im Mittdpunkte des Q«»drats eine Grube
^) leli gebe zonräcbst was Varro 5, 143 aber das Ceremoniell
lehrt: oppida eondebant in Lotio Etrusco ritu mulii (ufmuUa Aug.), id est
iunctis bobus tauro et vacca interiore, aratro circuma^-ebänt sulcum. hoc
faciebant reügianis causa die auspicato ut fossa et mute essent munifi.
terrmn unde eoBCülpserant fossttm vocabant et tnircrsus iactam (so M.,
feetam F) tnurum : postea qui ßebat orbis urbis principium (natttr-
lieh hinter dem WaÜ^ nicht dranssen, wo die urbs ja nicht sein
konnte, v^l. A. 27). Eben so schon 'Cato' b. Serv. Aen. 5, 755 (ftt)i-
lieh ist hier und sohst bei S^rviüs das Citizen ans €ato nicht ubb^
denktich, wie Proleg. S. XX VIR untf Hermes a, 417 gezei^ worden ist),
wdeher auch die obige Erklärung der poHae giebt: aber qua in oppi^
dum pcrtareni Varro § 142. — Die Furche prifnigefäus suleus (Festtis
AiMz. 296). ^- Varro fährt flort: (orbis) qui quod erat p^st mumm post*
tnoerium äietum', boque (so schreibe ich: i^usqueF, eiusque ambitu Vnlg.,
ew« qtio Tora.) auspicta urbttna fhnuntur. cippi pomerii staiit ei
dfcum t arifclam {Ardeam Tarn., Arieiam Sciop.) et circum Romom.
quäte et oppida qtiOe prius eranf circumducta aratro ab uf%e (orbc
Vnlg«) et urvo nrbes et ideo cotoniae ut urbes conduntar quod intra pome*
rhm poHuntHT (». A. 32).^ Di« Etymologie aosV. Pestns S. 250*20 veltäi
pstmo({rium] (und LMn« 1, 44, 4): anders Antistins Labeo beiFestas
249: quan promoerium (so die Hs. nach Keil) . . . id est proaimumi
iwro (so der Anaang). -^ Etymologie nnd Definition stammt ans der
Aogapalwissenaehaft. Mesaalla (A..21): pomerium est toeus intra agrum
(vgl. -Varro 6, 53) effatum per tdtius urbis eireuüwn pone muros regi-
«Nitii certis ddermOuitus qui facit fihem nrbam smspiciif über die
Grenzsteine des palatinischen Roms ob^n S. 163* Vgl: A.' 27.
168 THEIL L
gegraben und in dieselbe die Erstlinge der Feldfrucht gelegt
wurden« der mundus der Stadt Es ist begreifiicb, dass zur
Erklärung des Wortes urbs der 2um Quadrat im graden Ge-
gensatz stehende Kreis {arbis) dennoch herangezogen wurde:
die Gestalt des Ringes des servianischen Pomeriutn rechtfer-
tigte einigermaassen dies etymologische Kunststück (§ 4)^^). .
Mit welchem Rechte diese Ueberlieferung die Vorschriften
über die Anlage von Colonien und Lager auf die Stadt Rom
anwendet, und mit welchem Rechte sie diese Vorschriften
als etruskisch betrachtet, kann einstweilen auf sich beruhen«
Hier ist es unsere Aufgabe, den Regriff des Pomeriums in-
soweit ins Auge zu fassen, als derselbe für die Frage nach
der palatinischen Stadtbefestigung entscheidend ist. — Schon
die Gelehrten der augusteischen Zeit haben zuwider dem. klaren
3*) Varro bei Solin 1, 17 f. (vgl. oben S. 39): Romam condidit
Rmnulus , . . dictaque primum est Roma quadrata quod ad aequäibrium
foret posüa (d. h. wie man die Colonie und das Lager mit dem
MessiDstrument orientirte) ; ea ineipä a süva quae est in area j4poüinif
et ad superciUum scalarum Cad habet terminum, ibi Romulus mansi-
tavit qui auspicato murorum fundamenta iecit u. s. w. Wenn diese
Silva in der sog. Villa Mills zu suchen ist (vgl. Th. II), so ist mit
beiden Punkten der nw. und so. Endpunkt des ganzen von der Burg-
mauer umscfalossenen Berges bezeichnet. (Im dies mit dem unten
erörterten Pomerium und der Auffassung des Diooys 1, 88: TieQiy^afpet
raT^dyaovov oxijf^ct r^ Xoffxpy in Einklang zu bringen, ist es unum-
gänglich nothw endige anzunehmen, dass der Ausdruck Roma quadrata
technisch in doppeltem Sinne gebraucht wurde: einmal zur BezeichnuBg
der Linie des Pomeriums, zweitens der parallelen Linie der Befesti-
gung der Arx. Darauf geht wohl auch Dio Fr. 4, 15, welcher eine
Ikeqa noXig tfTQuymfos von der des Romulus unterscheidet. — Der
Utuus des Romulus, mit dem er die Regionen bezeiehnet hatte,
lag in der curia saliorum auf dem Palatin (Cic. de div. 1 , 17. 30).
Missverständlich Festus 258: quadrata Roma in Palatio ante temphan
j4poüinis didtur, ubi reposita sunt quae solent boni ominis gratia in
urbe condenda adhiheriy quia saxo munüus est iniHo in speciem qua-
dratam, eius loci Enmus numiinit : et i quis e erat Roniae regnare
quadratae (schwerlich doch Servius, wie Hertz ihn sagen lässt: qui
sextus erat; se sperat Seal.) u. s. w. Dies ist der nmndus^ über dessen
Einrichtung Festus 157, Ovid F. 4, 821 ff., ygl. Bücheier Ind. lect. von
Greifswald 1868/69 S. 5 ff. u. Th. IL
§ 2] DIE ÄLTESTEN ANSIEDELUNGEN« 169
SinD des geschilderten Ceremoniells wie der von den ältesten
Quellen gegebenen und wahrscheinlich — nicht si^r — richtigen
Etymologie postmaerium, das Pomeriam *zu beiden Seiten der
Mauer oder des Walles, die neueren auch wohl das ^hinter'
der Mauer ausschiesslich ausserhalb derselben gesucht ^^). Die-
ser Yorstellong widersprechen ausserdem die Analogie des
Intervallum des römischen Lagers und des unbebauten Strei-
fen Landes innerhalb der Mauer in Pompeji*^, vor allem
aber ist sie unvereinbar mit dem sicher erweislichen Lauf
'^) Schreibung: pomerium ohne Ausnahme die Steine des kaiser-
lichen Pomerium, die Lex regia Fespasiam CIL 6, 1, 930 z. 14^ die gute
1u. Ueberliefernng (so die Hs. des Licinian S. 11 Bonn); griechisch
nwftri^&ov. Etymologie: Ritschi Op. 2« 551 f. geht aas von Festns
AiMz. 248 posimermm pontificale potnoertum am poH als Compositum
po$-te zu erweisen; nach 'aasreichenden Analogien' könne angenommen
werden , dass die amtlich feststehende Schreibung pomerium durch
vnlgäre Aussprache aus potmoerium entstanden sei* Aber die von
Gorssen Ausspr. 1', 707 yorglicbenen sämmtlich spätlateinisehen Bei-
spiele {obedire u, dgl.) beweisen nichts und andere giebt es nicht.
Wenn Mommsen (Hermes 10, 41) wegen des < hohen Alters der Bildung'
trotz der von ihm anerkannten Irregularität der Umlautung an der
Etymologie festhält, so thut er recht daran. Es wäre denkbar, dass
in dem merum der Argeerurkunde (Varro 5, 50) und dem vielleicht
ans aequimerium entstandenen aequimeiium (unten A. 69) sich Reste
der ältesten Aassprache erhalten hätten und auch der Uebergang von
Sucusa in Subura findet in unserem Altlatein keine, in verwandten
italischen Mundarten aasreichende Erklärung (A. 56). — Dass die Augural-
disciplin seihst unter poH murum 'innerhalb' verstanden, ergiebt sich
in schlagender Weise aus Varro's Worten (A. 25). Aber anders Li-
vius 1, 44: pomerium verhi vün solam intuenies postmoerium interpre-
tanhir esse (A. 26), est mdem magit cireamoerium locus quem in eonr
dettdis urbütus quonäam EtrusH qua murum dueturi eratd eertis circa
termmis inmtgurato conseerabant, ut neque iuteriore parte aedificia
moembus amtinuarentury quaemmc vulgo etütm eoniungunt (s. unten § 3),
et extrinsecus pttri aUquid ab humano euUu pateret sah, hoc spaUum^
guod neque habüari neque arari fas erat, non magis quod post murum
esset quam quod murus post idj pomerium Romani appeUarunt. Die
richtige Erklärung von post murum hat Mommsen, 'der Begriff des
Pomeriam' Hermes 10, 40, entwickelt. Eben so hatte ich die Sache
in dem vor lahren entworfenen Abschnitt behandelt.
**) *War die ältere Anlage der Städte und Roms selbst der Lager-
170 THEIL I.
des servjanischen Pomerium und dessen Vorschiebung durch
Sulla, d. h. dar Freigebung des bis dahin noch geschützten
Streifen consecrirten* Landes hinter der servianischen Mauer
(s. § 4. 5). Freilich hat es auch ausserhalb der Maoer
und, wo ein solcher vorhanden war, des Grabens wenig-
stens in späterer Zeit, einen Streifen Landes gegeben, welcher
nicht bebaut werden durfte, eine Art Glacis^®). Indessen
hat die Freihaltung desselben mit der Auspidengrenze nichts
zu thun, beruhte vielmehr nur auf gesetzlichen oder polia^i-
liehen Bestimmungen zum Schutz der Vertheidigungsfähigkeit
der Mauer. Es ist möglich, dass diese Bestimmungen das
Ueberschreiten der 'geheiligten' Mauer geradezu als ferdmlUo
bezeichneten und dass der Tod des Remus eine Exemplifi-
kation dieses Rechtssatzes ist *®). — Endlich lassen sich mit
der hier gebilligten Anschauung sehr wohl die nicht zahl-
reichen Fälle vereinigen, in denen der Begriff des Pomerium
in geschichtticher Zeit sich in seiner Anwendung auf die realen
Verhältnisse des Staatslebens zeigt. Sie myogen gleich hier
kurz erörtert werden. — Die Grenze dfer städtischen Auspi-
cien ist zugleich die Grenze des bürgerlichen und des krie-
gerischen Regiments; ausserhalb des Pomerium — also schon
auf der Mauer — beginnt die unbeschränkte Macht des Kriegs-
form aaalog, so erklärt sich auch der nrsprÜDgliehe Siso von Poneriiun
genau durch das IntervaUum im Lager, das bei befestigten Städtea den*
s elben Grund und dieselbe Veranlassung finden musste, als im Lager*.
Klenze Philol. Abh. S. 157, der überhaupt die Analogien zwisefaea
dem Lager und der Stadt (Colonie) zuerst erkannt hat (vgl. § 4. 5): «ber
das Pomerium von Pompeji, Nissen, Templum S. 73 f.
29) Die Existenz eines solchen ausserhalb der servianischen Be-
festigung wird § 4 nachgewiesen werden und es leuehtet ein, dass ein
^solcher «xistiren musste. fir findet sich auch, ausserhalb der Befesti*
gnng griechischer Städte.
^) Viri ilL 1, 4: {Romulus) edixit ne quis vaäum iraasiUrei.
Aehnlich schon Ennius: Sehwegler 1 , 389. 43S. 2u den stmetae rea
gehören nach späterem Redit muri, portae (Gajus 2, 8. Digg. 43, 6> 2,
vgl. Lübbert Q. pont. S. 48.) Die Auffassung des PigUus (Ann. 1, 17^
welcher jenes ^Edict' ^m Romulus als Lex perdueliiotiis bezeidmet,
scheint mir im Sinne der Quellen richtig zu sein.
i 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDELUNGEN. 171
reckte ^^). Nur ausserhalb des Pomerium dfirfen die ftemd-
landiscfaen Götter, wie ursprünglich die Gesandten fremder
Staaten ihr^i Wohnsitz aufechlagen, durften wohl auch ur*
sprünglich die Todten bestattet werden ^^). Die Befugniss
des Fddherrn, nach siegreichem Vordringen diese Grenze
weiter hinauszurAcken, müss^ wir hier noch uner6rtert
lassen: wir werden sehen, dass dies vermeintlich durch alle
Zeiten zwar nicht ausgeübte, aber doch virtuell bestehende Recht
sdne Entstehung einer sehr jungen Theorie verdankt (§ 5).
Wenn sich nun spiUer herausstellen wird, dass für die
8«rvianiscfae Stadt die Linie des Pomeriums und die Mauer
an einer Seite auseinander fallen, so ist doch nach dem
oben aus den Auguralbuchera entwickdten kein Zweifel, dass
das Zusammenfalten beider als der ideelle ursprungliche Zu*
stand galt und wir müssen demnach im Sinne der Augum
Pomerium und Wall der ^ alten palatinischen Stadt' (oben
A. 19) als räumlich verbunden betrachten, die Hauer oder den
Wall demnach mit ihren Thoren in der Tiefe des Thaies
suchen. Hier aber gerathen wir in einen scheinbaren Wider*
Spruch mit den monumentalen Thatsacfaen. Denn durch die
'^) Für die staatsrechtliche Seite der Sache ist hauptsächlich aaf
M«BBi8eiis Behandlmiir io der A. 27 eitirtea Abhamiloog nnä Staatsr.
P, 61 IT. zn verweiseo. Auf die topegraphisehen Folgertugen und
Streitfragen müssen wir § 4. 5. eiogehen.
*') Ueber dieGi>tter eastra pomerium: Amhrosch Stad. S. 190 ff. vgl.
Bannes 6, 316 ff. — Daaa der Gmadsatz der 12 Tafieln hominem mor-
(Wim in urhe ne sepMo neve nrüo (10, 1 Scholl) das Pomerinm ui
Aage hat, scUiesst Monunaon richtig Eph. epigr. 3, 110 aus der Lex
eoL Genetivaec 73: ne qins mtra fines oppidi eoUmfiae)vey qua aru"
trufn ^ireumduatum erit, hominem mortuom inferto nern ihi hu"
mato neve hominis monimentwn ihi aedifieato und der Erkläraag der
Juristen (Paulas Rec. 1, 21, 2 n. A.) ne fimesteutur taera civitatii,
Biese Vorschrift gilt jedenfalls für die servianiaehe Stadt von Anfang an
(§4 A. 29): sie wird bestätigt durch die ausnahmsweise gestattete
Beerdigung in der Stadt (unten A. 6&> und nicht widerlegt durch die
Theorie der Grammatiker (Serv.n. A« 5,64. 6,152) welche aus dem
Dienste der Laren auf die BeAtattung im Hause schlössen (s. PreUer
R. M. 486>
172 THEIL I.
Ausgrabungen der Jahre 1851 und 1861 ff. sind eine Anzahl
Reste einer gewaltigen Quadermauer zu Tage gefördert wor-
den, welche nach der Analogie der Mauern anderer latinischer
Städte unzweifelhaft als Reste der paiatinischen Befestigung
anzusehen sind, welche sich aber nicht auf der Linie des
Pomerium im Thale, sondern auf halber Höhe an den Rän-
dern des Berges finden. Der fragmentarische Zustand dersel-
ben rührt daher, dass durch die Kaiserbauten ein Theil der
Mauer fortgenommen, ein anderer als Unterbau benutzt wurde.
Das Material ist der Tuf des Hügels selbst, die Steinbrüche
sind noch nachweisbar. Die Wichtigkeit dieser Reste ver-
langt eine genaue Beschreibung derselben ^^). Geht man auf
der Seite Forum -S.Anastasia auf dem etwa auf halber Höhe
des Berges laufenden zum Circus fuhrenden modernen Wege,
so findet man schon (1) über S. Teodoro dnzelne grosse
Tuf blocke in den kaiserlichen Backsleinbauten steckend; (2)
an der Ecke über dem Yelabrum ein grosses Stuck von 7
Lagen, welche auf dem natürlichen Felsen aufliegen, wdter
(3) 3 Lagen unter Casino Nussiner, (4) 7 Lagen: eines Stdcks,
welches senkreckt gegen den Hugelrand stdsst, unterhalb der
sogenannten Akademie, (5) etwa 60 M. weiter 3 Lagen an
der Grenze der Villa Mills. Endlich (6) Gndet sich ein Rest
zur Rechten der von der via sacra aus ansteigenden Strasse
unmittelbar vor der Front des domitianischen Palastes und
^) Am genauesten Lanciani; Annali 1871, 44 ff. Gniäa del Pal.
S. 77 f., dessen Angaben ich an Ort nnd Stelle geprüft habe. Nur
das Stück an der Grenze der villa Mills (5) habe ich trotz wiederholter
Versocfae nicht gefunden. Die Btöcke (1) bei S. Teodoro erwähnt
Laaciani nicht. Konstruktion : Läufer und Binder. Maasse (nach Lan-
ciani): Höhe durchweg durchschn. 0>59 (doch maaiss ich an dem Stuck
am Velabram auch 0,56), Länge der Läufer ],34 bis 1^62, Dicke der
Mauer am Velabrum 1,41. lieber die Steinbrüche unter dem T. de
< Jupiter Victor' 's. Guida del Pal. S. 129. Sie sind später als Cister-
Ben benutzt worden. Auch der hinter dem Stuck am Velabrum in
den Berg getriebene Stollen, in welchen man jg^ebnekt hinangehen kann,
scheint ein soldier Steinbruch zu seia. Darüber unten Th. IL Unbrauch-
bar die Abbildungen bei Parker Bd. 1 (Plates), ungenau die des Stückes
2 in den Mon. dell' inst. 5 J. XXXIX vgl. Ann. 1852, 325. BuU. 1859, 139.
$ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDELUNGEN. 173
uDgefahr parallel mit dieser. Vor der Entdeckung des Stückes
5 konnte dieses * als ein Rest der die nördliche Hälfte des
Berges gegen die Einsattelung tun abschliessenden Befesti-
gang gelten und so allenfalls die oben verworfene Hypothese
über die Einschränkung des alten Palatium auf jene Hälfte
stötzen. JetfiSt ist das nicht mehr möglich; ferner sieht man
deutlieh, wenigstens an einer Stellö (2), dass die Mauer
«st in bedeutender Höhe auf den Felsen aufsetzte ^ gerade
so, wie man es an der Burgmauer von Ardea, aber auch an
der alten Mauer des Quirinals sieht. Lassen wir die Frage
hier noch bei Seite, ob die fibrigen Hügel Roms ehemals
eben so viel selbständige Burgen uüd Gemeinden bildeten,
so ist das eine klar, dass, während die Quirinalmauer für
einen Theil der servianischen Befestigung gelten kann, dies
unmöglicb ist bei der Palatinmauer. Im Zusammenhang mit
den Traditionen über das Pomerium und den zu erörternden
Nachrichten über die Thore des Palatium betrachtet, könnten
die erwähnten Reste auch von dem hartnäckigsten Zweifler
für Nichts anderes als Reste einer torservianisohen Befestigung
des Palatium gehalten werden, obwohl die Schichtungsweise
und die Maasse ihrer Werkstücke nicht erheblich von den
sicheren servianischen Mauerresten abweicht, was immerbin
hervorgehoben werden muss ^^) t «e sind ohne Bindemittel
im Läufer- und Bindersystem geschichtet, die Höhe der Blöcke
beträgt durchschnittlich 2 r. F., die Länge ist verschieden.
Haken wir nun fest, dass die Befestigung^ deren Trüm-
mer ehalten sind, die der palatinischen Burg ist, während
zu Füssen derselben« 'die Urftirche' gezogen und das Pome-
rium abgegrenzt war, So müssen wir noth wendig die Nach-
richten, welche uns über die Thore der *alten palatinischen
Stadt' (fippidum) erhalten sind, in d(ßr oben be;»chriebenen
Linie im Thal, suchen. Allein hier zeigt sichs deutlich, dass
die Berichterstatter, denen einerseits die Burgmauer, anderer-
^) Dass 4as StKidc über dem Velabram einen viel roheren Eindruck
mteht, als die servianischen R^ste, will nicht viel sagen. Die Blöcke
siad hier zum Theil aos den Fugen gegangen und sehr stark verwittert.
174 THEIL I.
seits die Linie des Pomerium mit ihren Steinen, nicht aber
Reste des Walls und der Thore desselben vor Augen waren,
bei dem Bestreben, nicht allein die Theorie mit den Th«t-
Sachen, sondern auch die von beiden ganz unabhängige Ge-
schichte der Stadterweitening mit ihnen in Einklang zu setzen,
in Verwirrung geriethen, und die Neueren haben diese Ver-
wirrung, statt sie auf ihre naturliche Ursache zurückzuführen,
durch künstliche Mittel zu beseitigen versucht. Zwei Dinge
standen* zunächst fest: einmal, dass die romuliscbe Stadt,
nach ' etruskischem Ritus' gegründet (oben), nadi demselben
auch drei Thore gehabt haben müsse ^'^), zweitens, dass auf
der Hdhe der Burg ^das alte palattnische Thor' — yiel-
leicht bedeutet dasselbe der zweite Name mugionia (A. 36) —
noch zu sehen war und der Sprachgebrauch wies damit deut-
lich auf die Thatsache hin, dass der palat&nische Berg noch
zu der Zeit, als Augustus sich auf demselben als zweite
Romulus niederliess, nur einen natürlichen Aufgang und ein
Thor hatte, während er von der Seite des Forum boarium
wie von der des Vestatempels her ftuf Treppen erstiegen
werden musste^^). --^ Ob damals ein zweiter ^Aufgang, d«f
") Plinius 3, 66 (Qaelle? vgl. Bd. 2, 142): urbem tres portas ha-
buntem Htumulus reliquä, ut phinmas tradentibus credamus, Deha so
verbessert Detlefsen richtig: 4ie Hss. aut ut mit offenbarer InterpolatieB,
nur die 2te Hd. in VH schiebt ausserdem //// nach credamus ein, um
die Lesart verständlich zu machen. Dass man in der Regel der Stadt nnr
ein Thor zuschrieb, ist so gut wie bezeugt (A. 36. 39), als zweites
konnte man fnglich die Romanttla rechhen : von einem vierten glebt es
keine Andeatung. Entscheidend ist der Aussprach i»r prudentet Ettuteoe
ducipUnae bei Servius Fold. zu Ae. t, 4lb: apvd eonditores Etru»-
earum urHum non putattu iuttas urbes fuiss% in, qußus notn tres portae
essent dedtcatae et votivae et (doch wohl et vota?) tot templa, levis lu-
nonis Minervae.
••) Die Sabiner werdet ad veterem portam Palatt geschlagen (Liv.
1, 12), der nachmaligen poHa Palaä (Ov. Trist. 3, 1, 21), d. h. der
nvkai Mvxojvides (Dionys. 2, 50). Heber Aufgang und Tiior dnatw^ilen
Lanciani Guida S. 110. — - Der zweite Name: bei Varro 5, 164 steht
tnudomsj bei Nonius S. 531 misgioneSf bei Solin 1, 2A.mugoniit^ bei
Festus Ausz. 144 mugUnäa (?), bei Diooys. 2, 50 nctqii «atc /«v-
TLUJvlai nvXa$c {fivQOiviai Chis., fwvQmvitH Urb.); Varro leitet offen-
§ 2] DIE ÄLTESTEN ANSIEDELUNGEN. 175
dms Yietmae, wirkücli bis zur Höbe der Burg führte, ist
angewiss, und wenn dies der Fall, ungewias, wann derselbe
gebaut ißt; gewißs, da&s siich bis jetzt im : ganzen. Umfang des
Beiges mit Ausnahme eines einzigen clivus, des Th. II näher
zu beschreibenden zum 'palatinischen Thc»*^ fuhrenden — er
stßigt von der sacra via abbiegend hinauf — kein zweiter
gefunden k&L Denn die Pfla3terstras8e, welche unmittelbair
lunter S. Maria Liberatrice unter den Bogengängen der Kaiser-
paläste hinauffuhrt und welche bereits zur Zeit der Flavier
Torhanden gewesen sein mag, wird mit Unrecht als ein uralter
Aufgang betrachtet und mit deui clivus Victoriae identificirt ^^).
— Diese Annahme eine$ Burgaufganges aber wird ferner
unterstützt durch die Analogie alier antiken, speäell der noch
jetzt in ihren ursprünglichen Formen kenntlichen . latinischen
Bargbauten. Ausser dem ebenfalls nur auf einem cUvm zu-
gänglichen Kapitol und den Burgen von Fidenae und Antemna
muss hier besonders auf Ardea und das umbrische Iguvium
verwiesen werden, auf Ardea wegen seiner Burg mit ihrem
einzigen Aufgang auf der Südseite und der auf den Felsen
angesetzten Burgmauer und den Besten seiner uralten Um-
wallung gegen Norden, auf Iguvium wegen der um den Burg-
högel laufenden vierseitigen Grenze mit drei Thoren, welche
der 'etruskischen' Stadtanlage genau entspricht ^^).
bar (wie Nonius) a mugüu, Festus a Mugio quodam qui eidem tuendae
praeerat ab. Ich vermuthe, dass p. mug-onia oder mMg-ionia, vielleicht
vuig-onüf zu mm-eo steht, wie eol-onus m col-o uod (wie muo-idä)
verschimmelt, alt bedeutete. — Treppen: die scalae Caci über S, Aaa-
sUsia und die 'Stafen' zur porta Momanula unten A. 40.
^) Die Bestimmung des clivus Fictoriae (A. 40) häng;t mit der £r-
UäniQg eines Stjickes des kapitoiinischen Stadtplans zusammen (Forma
f'r- 37), welche auch die neuesten Versuche (s. Th. IT) nicht ins Reine
gebracht haben.
^) Ueber Ardea Gell. Rome » 95 ff. Nibby Dintorni 1, 241 f. Pro-
vas Alba Fuc. S. 184. Abeken Mitteilt. S. 16a, Die zweite Umwallung
^•g, wie Nibby meint, einer späteren Erweiterung der Stadt gehören, Aus-
graboogen fehlen. — Ueber Iguvium s. Aufrecht und Kirchhoff, U. Sprachd.
^>124 Breal Tabl. Eng. 53 u. unten. Dass jede axqa oder arx
o«r einen Aufgang hatte, ist bekannt und lÄsst sich für die latinischen
176 THEIL I.
Die Verwirrung nun zeigt sich deutlich in der Behand-
lung der Thore des Palatium bei Varro. Nach der Erörte-
rung der merkwürdigen Namen servianischer Stadtthore be-
merkt derselbe, auch innerhalb der Ringmauer gebe es partae :
erstens auf dem Palatium das mucionische Tbor, aus welchem
man das Vieh aus der alten Stadt auf die Weide getrieben
habe — mit Hinweisung auf die andererwärts bestimmter ge*
gebene Etymologie porta mngionia a mugüu, während andere
den Namen von dem Thorhuter Mueio ableiteten — ;
zweitens die Romanula von Roma benannt, welches eine Treppe
nach der Nova via und dem Heiligthum der Volupia hat; das
dritte sei die lanualis, welche ausdrücklich als der Janus des
Numa auf der Nordseite des Marktes bezeichnet wird *•).
Von diesen drei Thoren also ist das erste das Burgthor auf
der Höhe, das zweite soll am Fuss des divm Victwiae ge-
standen haben ^°), kann also nicht in der Burgmauer, sondern
Burghügel noch nachweisen. Auf Rosas mündlichen Mittheilungen
(1861 f.) beruht, was fiergau Philol. 25, 661 f. darüber sagt.
^) Varro 5, 164: praeter ea intra muros dici video porUu: in
Palatio Mudonis a muffitu, quod ea pecus in buceta eireum fbucita
circum Müller, budtatum F; bucetatum — exigebat Seal.) antiquum
oppidum exigebant; alferam Romcmulam [Romuleamt A. 41) o^ Roma
dictam, quae habet gradui in Nova via (so Seal.: noualia F) tertia est
loTtuaUs dicta ab lanOy et ideo ibi positum lani nmulacrum et tos
instituluinj ut scribit in armaUbus Piso, ut sit aperta nisi quotn beüum
Sit nusquam,
*^) Ausser Varro (A. 39) nur Festus S. 262: fiomanam poriam
vulffus appeliat übi ex epistyUo defluä aqua, qui locus ab anHquis
appellari soUtus est statuae Cinciaey quod in eo fuit sepulcrum famiUae
(vermuthlich auch das Haus : A. 4S). sed porta Romana instituta est a
Romulo infimo cUvo Fictoriae ^ qui locus gradibus in quadram for^
malus est, appeÜata atäem Romana a Sabinis praecipue quod ea proxi-
mus adiius erat Romam., Diese Angaben werden erst verständlich
durch Vergleichung der Stellen des Varro 5, 164 (s. A. 39): quae habet
gradus in nova via, und 6,24 (Felabrum, sepulcrum Accaeji qui
uterque locus extra urbem antiquam fuit non longo a porta Roma-'
mda; endlich 5, 43: . . Felabrum et unde eseendebant ad infmam
novam viarrt locus sacer (s. § 1 A. 15). — Der zweite Artikel des
Festus S. 269 wird wohl so zu ergänzen sein: Romanam portam ante
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ÄNSIEDLUNGEN. 177
nur in der Wallmauer gesucht werden; das dritte, der Janus
Geminus, weder in der einen noch in der anderen: denn es
stand auf der Nordseite des Forum (Th. II), Hier drängt
sich die Erweiterungsgeschichte ein. Trotz der Burgmauer
und des Pomerium 'zu Füssen des Palatium' muss der kapi-
tolinische Hügel wegen der falschen Erklärung des Asyls
inter dnos lucos schon im Besitz des Stadtgründers sein**):
dadurch wird die höchst schüchtern ausgesprochene Behaup-
tung veranlasst, Romulus habe die palatinische Stadt erweitert
und dieser Behauptung dient zur Bestätigung die falsche Er-
klärung der porta belli, des Janus Geminus, als eines Stadt-
thors sammt der vor demselben aufsprudelnden heissen
Quellen, welche den Feind in das sonderbarer Weise offen-
stehende Thor nicht eindringen lassen *^). Mit den beiden
falschen Erklärungen steht und fällt die sogenannte Geschichte
der Stadterweiterung durch Romulus oder ist vielmehr aus
ihnen herausgesponnen wie die Geschichte von der Ueber-
schwemmung der Tiefe zwischen den Bergen aus der Erklä-
rung von lacus Curtius, Velabrum, Vertumnus. Wie aber der
im Volksmunde übliche Name des Janus Geminus * Kriegs-
thor' falsch gedeutet wurde, so auch der des Burgthors
nmgonia (vielleicht *das verwitterte') und des angeblichen
Stadtthors romana: unzweifelhaft ist auch dieser aus derEnt-
[Romuleam voci\tatam ferunt , quae fuerit [ab Romulo appeUata], nicht
antea Roimilam. Jedesfalls ist bezeugt, dass 'pwrta Romana (nicht wie
bei Varro überliefert ist Romanulä) die übliche Benennang ist.
^') Dass die Auknüpfnog des griechischen, den Römern unbekann-
ten Asylrechts (vgl. Hermes 9, 348. 358) an die Statte inter duos lu-
cos^ wo der deus lucans, der rächende Vejovis, thront, eine reine In-
terpretation ist, die dann weiter mit dem Weiberraub verbunden, den
Ursprung der gens Romuli erklären muss (vgl. Schwegler 1, 466 ff.), be-
darf heut keiner näheren Begründung. Vgl. Th. II.
*^) Den Ausdruck porta lanuaUs gebraucht nur Varro; über den
Janustempel, seine Benennungen {portae heilig iantts Quirini) und Lage,
sowie über die von Ovid. F. 1, 259 ff. Met. 14, 778 ff. und Macrobius
S. 1, 9, 17 (aus Varro?) erzählte und an die aquae latitolae (oben
§ 1 A. 10) anknüpfende Geschichte s. jetzt Hermes 4, 229 ff. vgl. Th. II.
Jordan, rOmiache Topographie. I. 1. 12
178 THEIL I.
Stellung eines Volksausdrucks für einen Wasserleitungsbogen
hervorgegangen *^).
Während also alles, was über die drei Thore der Ro-
mulusstadt, deren Namen und Lage, über eine ursprüngliche
palatinische und eine nachmalige das Kapitol umfassende
Stadt, überliefert ist zu den völlig gleichgiltigen Erfindungen
von dem Schlage der zu Anfang dieses Abschnitts erörterten
gehört, bleibt die Thatsache bestehen, dass der palatinische
Hügel eine ummauerte Arx mit einem Burgthor gev^esen
ist, welche nach allen Analogien eine Ansiedelung zu ihrea
Füssen voraussetzt, und dass eine von Jenen Erfindungen
ganz unabhängige üeberlieferung — das Fest der Luperealien
und die priesterliche Bestimmung des palatinischen Pomerium
— für das Vorhandensein einer solchen Zeugniss ablegt.
Man pflegte sie als die 'alte palatinische Stadt' zu bezeich-
nen: aber die Klügelei der Gelehrten legte ihr den Namen
der Siebenhügelstadt Roma bei und gab ihr den Eponymen
Romulm (s. unten).
Zwischen der Gründung dieser Ansiedelung und der
Gründung der durch die Mauer auch räumUch sich kennzeich-
nenden Siebenhügelstadt liegt die Kluft einer zeitlich nicht
messbaren, nicht einmal in ihren Haupterscheinungen be-
kannten Entwickelungsgeschichte. Wir haben zu Anfang die-
ses Abschnitts gesehen, wie leichten Schrittes die römischen
Gelehrten darüber hinweggekommen sind: es ist nicht unsere
Sache, denselben oder ähnliche Pfade einzuschlagen, sondern
**) Da das *Thor' ein Wasserleitungsbogen war und vernünftiger
Weise doch der Name mit der palatinischen Stadt nichts zu thun ha-
ben kann, so denke ich an einen Volksausdruck wie die späteren porta
pluens, arcus stillans, meta sudans, aqua fervens (Bd. 2, 19): etwa ru-
minula oder runiimia neben rumina? Jedesfalls kann der wohl nur
mittelalterliche Name arcus Ronianus aus den Märtyrerakten (Bd. 2,
382, wo Acta SS. 18. Jan. S. 549 hinzuzufügen ist) nicht zur Erklä-
rung herangezogen werden. — Möglich bleibt es aber immer, dass die
statuae Cinciae in irgend einer Weise die Benennung ^römisches' Thor
veranlasst haben. — lieber inuffoina A. 36.
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLÜJNGEN. 179
zu fragen, ob jene Eutwickelung auf dem Boden der Stadt
irgend welche Spuren zurückgelassen hat.
Es kann kein Zweifel sein, dass die schroff ansteigenden
Höhen um das Palatium herum wie dieses Ansiedelungen
trugen. Sogar Reste von Befestigungen ahnlich den beschrie-
benen der palatinischen glaubt man am Caelius, Viminalis
und Kapitol zu besitzen: allein wir werden sehen (§ 3 A. 11),
dass diese Reste bis jetzt wenigstens nicht gestatten , mit
Sicherheit von anderen 'Hugelburgen' zu sprechen. Verrathen
die Namen ursprünglich gesonderte Niederlassungen? Alle
Deutungsversuche müssen von der Zergliederung der Bildungs-
form ausgehen und den wichtigen Satz im Auge behalten,
dass auch vermeintlich uralte Namen (und mit dieser Be-
zeichnung ist man meist schnell bei der Hand), ihre Entste-
hung weit auseinander liegenden Zeiten verdanken können.
Wir gehen nun von der Beobachtung aus, dass von den
'Bergen' (nwntes) des linken Ufers, der AverUinus, Pdatinus,
Capüolinm, Esquilinus, dazu vielleicht Cermalmsis, Ceronienm
einerseits, der Oppius, Cispim, Caelius andererseits augen-
scheinlich gleiche oder ähnliche Bildungsformen haben und
dass beiden gegenüber ein ursprunglich, wie es scheint,
namenloser collis mit seinen fünf Erhebungen Yminalis, Qm-
rmalis, Salutarts, Mucialis, Latiaris, erscheint, deren Namen
unter einander gleiche, von denen der montes abweichende
Bildung haben. Von diesen Namen waren zur Zeit des Cicero
die der montes Oppius, Cispms, Ceroniensis sicher, vielleicht
auch der des Cermalensis (Cermalus) ausser Gebrauch
gekommen **). Ein hohes Alter aller verbürgt die Argeerurkunde :
M) Für Oppius and Cüpius hat dies schon Becker richtige bemerkt
(S. 534); es mag hinzugefügt werden, dass auch die uns vorliegende
Redaktion des Kalenders nur noch in Exquiliis, in Carirüs kennt (Prän.
1. März, 13. Dec.) — Plutarch freilich sagt ausdrücklich (Rom. 3, 5):
X^i^lov . . o vvv KfQfjLaXov xaXovat, nakai Sk FiQfiavov und in der
Erzählung eines Prodigiums v. J. 558 Livius 33, 26, 9: Tusco vieo aique
ind» Cermalo; sonst aber scheint in der klassischen Zeit der Name nicht
geläufig zu sein. Unsicher die Vulgate bei Cicero ad Att. 4, 3, 3 Milo^
nis domuin earn quae est in Cemialo für das hs. meatnque ceramio.
12*
180 THEIL L
aber freilich wird zu fragen sein, ein wie hohes. Die technische
Terminologie des pontificischen Kalenders nennt den Quirinal
überwiegend mit dem allgemeinen Namen collis, selten collts
Quirinalis: da nun neben der regio Esquilina und porta Esqui-
lina die regio und porta Collina (über die salii collini unten)
stehen und das Argeerfragment den collis Quirinalis als einen
der colles der collinischen Region nennt, so ist wohl kein
Zweifel, dass in der Zeit des servianischen Synökismos der
collis einen Individualnamen noch nicht oder nicht mehr
führte. Die Behauptung alter Grammatiker, der nachmalige
Quirinal habe ursprünglich collis Agonius geheissen, ist nichts
als ein falscher Schluss und gehört in dieselbe Reihe mit
den ebenfalls erklügelten älteren Namen des Kapitols {Satur-
nius, dann Tarpeius) und Aventin {Murcus): für den Caelius
scheint es dem Scharfsinn der Gelehrten nicht gelungen zu sein,
einen Urnamen zu konstruiren*^). — Eben so ist es mir un-
zweifelhaft, dass das Capitolium, 'Hauptberg', diesen sonst
unerklärlichen Namen erst erhalten hat, als er der Sitz der
Schutzgottheiten der Siebenhugelstadt geworden war. Dies
besagt auch die Tradition: was dieselbe aber von früheren
Namen zu erzählen weiss, beruht, wie gesagt, auf Schluss-
folgerungen **).
Als gleichartige Bildungen erkennt man auf den ersten
Blick die Namen des mons Palatinus und Aventinm. Schon
einigen oder einem der klassischen Grammatiker ist die frei-
") Festus 254: Quirinalis collis y qui nunc dicitur, olim ^g^nius
(egonus die Hs.) appelläbatur , antequam in eum contmigrareni fere (?)
Sabini {sahinis Hs.) Curibus venientes post foedus inter Romulum et
Tatium ictum. a quo hanc appellationem sortitus est. Der Auszug^ S. j 0
giebt auch für die poria Collina den sonst nirgend vorkommenden Na-
men j4gonensis an. Vgl. Mommsen R. G. I, 54; über Murcus A. 70.
^) Capitolium setzt capitöHs voraus: dass dieses zu eapit-alis
steht wie prini-öris zu prim-äris, prim^ärius, ist schon Hermes 4, 246
gesagt worden: vgl. Corss. A. 2^, 84. — Auf die falsche Etymologie
a capite OU ihi invento der Alten kommen wir Th. H zurück, lieber
die saturnische Stadt auf dem mons Saturnius mit ihrem Bargthor
s. Varro 5, 42 (Bd. 2, 599).
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLUNGEN. 181
lieh unabweisbare Analogie der Gau- und Landschaftsnamen
oder der aus diesen entstandenen Namen der ländlichen Tri-
bus nicht entgangen ^^). Die tribus Stellatma und der Päla-
tmns, die OuferUma, Trümeniina nebst dem pagus AmetUinus
und der Aventinus haben in ihrer Bildung eine schwerlich
zufallige Aehnlichkeit Für die Oufentina können wir die
Entstehung aus dem Flussnamen Oufens und auch die Be-
deutung dieses Namens nachweisen: ob in gleicher Weise
die Tromentina von einem Tromens herkommt, muss bezwei-
felt werden ^^), zumal noch andere Ortsnamen zur Vergleichung.
heranzuziehen sind, welche mit Flüssen schwerUch zu thun
haben. Die latinischen Städtenamen Carventum Laurmtum
Namentum und das römische terentum werden wohl mit
Recht mit dem römischen lauretnm (vgl. aesculetum, querce-
tum, argiletum) und der tribus Teretina auf ein Bildungsgesetz
zurückgeführt*^). So ergiebt sich für den Aventinm mens und
*'"') Varro de gente p. R. (anders als de 1. 1., A. 52) bei Serv. A.
7, 657: Satnnos a Romulo suseeptos ütum accepisse montem quem ab
Avente fluvio provineiae suae appeüaverunt j4ventinum, ders. 1. 1. 5, 53
PtdaHum . . quod ^borigines ex c^o Reatino, qui appeUaiur Peledium,
ibi consederunt. Damit ist natürlich weder die Existenz des Flusses
Avens noch einer Ortschaft PaUüium im Sabinerlande erwiesen, zudem
wahrscheinlich die erste Notiz noch durch Schuld des Servius verwirrt
(oben A. 1 und Schwegler 1, 491 f.).
^) Die alten Etymologien für die angeführten Tribus bei Festus
194. 343. 367. Vgl. Mommsen Fors«^. 1, 106, Grotefend Imp. rom.
tributim descr. S. 1 ff. Dass Vf-ens und Auf-idus vgl. ub^er ovd^^Q
zu yndh-y fruchtbar, zu stellen sind, ist wahrscheinlich (Gorssen Ausspr.
1', 151. 353). — Den pagus Amentinus bei Rom nennt nur die
Inschrift Or. 3796.
^) Dass Laurentum zu laureUan s» loretttm (in Rom auf dem Aven-
tio, vgl. quercetum pinetum hartindinetum u. a.) einerseits, zu Carven-
tum u. s. w. (welche ich an die Stelle des apulischen Feretitum setze)
andererseits gehört, nehme ich mit Corssen Krit. Beitr. 174. 470 an. lieber
argüetum von argiUa oben § 1. Dass der Lorbeer erst mit dem grie>
ehisdien Apollokultus nach Italien gekommen sei (Hehn, Kulturpflanzen
' 197 ff.), ist nicht erwiesen. — lieber die tribus Teretina (von 2Ve#,
Teretinates) s. Grotefend a. 0« S. 4. — Die Ableitung von terentum
von terere (Servius z. A. 8, 63. Festus 351<^ 11 f.?) und von terra
(Fest. Augz. 350) spricht für diese Form und gegen tarentum trotz
182 THEIL I.
fogus die Möglichkeit der Ableitung von einem Flusseben
Ävens — und wer wollte behaupten, dass dies nicht der später
verschollene Name eines in den Tiber einfallenden Wasser-
laufs gewesen sei, z. B. des sonst nicht benannten im Thale
des Circus (oben § 1 S. 138) — oder von einem Ort Avenium
oder Avetum? Für den Palatimis besitzen wir den Ortsnamen
Palatium, Ob derselbe im Sabinischen vorhanden war, oder
ob auch dies nur eine historisch-etymologische Hypothese ist,
muss dahingestellt bleiben ^^). Mag Avens oder AverUum mit
Ovis und Palatium mit Eile$ und pa-scere zusammenhängen
oder nicht — ich sehe kein Mittel, dies festzustellen *^) — , so
der Fabel. Wahrscheinlich triflft erstere das richtige, aber nicht in
dem Sinne des Servius (a. 0. quod Tiberis ripets teral\ sondern es ist
eine Erdhöhle, eine vulkanische Spalte (vgl. oben § 1 und Curtius Et.
222), wie der Fluss Teres 'Riss' sein mag.
^) Die ältesten bekannten Etymologien des Aventinus und Pakt-
tinusy die des JNaevius (b. Varro 5, 43. 54), lassen jenen ab avibusy
quod eo se ferrent ab Tiberi aves (?), diesen vom balare der Heerden
benannt sein (an das palare derselben dachte Verrius Flaccus Fest. 220).
Wahrscheinlich sind die übrigen aa. 00. erwähnten Versuche sämmt-
lieh jünger, sicher die meisten nicht viel alter als die Philologen-
Schule des Aelius Stilo : der Aventin ab adventu der Latiner oder vom
albanischen Könige gleichen Namens oder ab advectu, nam olim palu-
dibus mons erat ab reUquis düclusus (von Varro gebilligt); der Palatin
von dem arkadischen Pallaution oder was davon nicht wesentlich ver-
schieden ist von der Pallantia, der Tochter Euanders (vgl. Bd. 2, 603
zu Z. 2, Schwegler 1,443 f.), oder von einem Palatium der Aboriginer:
s* A. 53.
'^) Die alte Herleitung des Aventin von einem Fluss Avens (A. 47)
beruht freilich nicht auf Ueberlieferung. Eben so misslich ist es, wie schon
0. Müller bemerkt hat, die Glosse amilas agnus recentts parius (Fest.
Ausz. 14) als Beweis für erhaltenes a in ovis otg gelten zu lassen
(Curt. Et. 392) und ich muss daher meinen Vorschlag (Kaiserpaläste
S. 31) av(t}-entum mit Ohrj zusammenzustellen zurücknehmen. — Die
Ableitung des Palatin a Pale pastarali dea (Solin 1, 15) und die Deu-
tung 'Weideplatz' ist denkbar (Pälätium Päles): die Deutung Corsseus
(Ausspr. 1, 426 ff.): der Göttin als 'nährende, hütende', des Orts als
'geschützter Platz', schiebt der Bedeutung der Wurzel {pa-, nähren =
schützen) etwas fremdes unter und das antiquum oppidum PalaHnum
(oben A. 39 f.), wenn es überhaupt diesen Namen führte, ist ja nicht
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLUNGEN. 188
haben wir doch so viel gewonnen, dass wir beide Högel mit
Sicherheit als zwei uralte latinische Gaunamen betrachten
dürfen. Dass das Palatium eine Ansiedelung getragen hat,
ist oben gezeigt worden. Die alte Besiedelung des Aventin
durch eine latinische Gemeinde hat in der Rivalität zwischen
beiden Bergen bei der Gründung der Stadt Romn, in der
Gründung des Dianenheiligthums und in der noch spät fort-
dauernden Sonderstellung des 'plebejischen' Berges einen
deutlichen Ausdruck gefunden **), und alles dies wird duirch die
junge annalistische Erfindung, nach welcher der Berg bis zUr
Secession mit Urwald bedeckt und unbewohnt gewesen sei,
nicht widerlegt. — Der Gauname Palatium ist dann auf eine
der vier städtischen Regionen übergegangen: der Ämntinns,
welcher, wie das Captolium, ausserhalb der VierregiüiienBtadt
blieb, hat noch in der augustischen Regioneneintheilung seine
Sonderstellung bewahrt.
Wie Aventin und Palatium, so sind auch Esquiliae und
Subura alte Gaunamen ^^). Die jetzt herrschende Ansicht,
dass Esquiliae — dies, nicht Exquiliae ist die altherkömm-
liche Schreibung — die 'Vorstadt' bedeute und in inquilinus
sein Gegenbild habe, steht sprachlich und sachlich auf schwa-
die arar, — Ob mau den flamen PäUttualis des Eonins übexiiaupt
richtig hierherzieht, ist unsicher und kann auf sich beruhen.
52) lieber die SondersteUung des Aventins Schwegler 2, 598 ffl
onteii § 4 und Th. IL
^) Die Inschriften kennen, soviel mir bekannt ist, nur die Form
Esquiliae (so die Fasten im Cognomen EsqmlirmSj Esquiliae Henz. 5080, die
Tribus regelmässig Esq, Or. 2621, 3091) mit einziger Ausnahme des Prän.
Kalenders (1. März Exquiliis): aber Mommsen hat (CIL 1 S. 387) richtig
bemerkt, dass dies eine gelehrte Schreibart ist: dasselbe gilt von
dem lunoni Curriti des Arvalkalenders (Herrn. 8, 219) und von
Suceusanus (A. 56). Die Hss. schwanken (schon die ältesten: s Cic.
de rep. 2, 5, 11 Veron. Liy. 3, 66, x ders. zweimal das. 67. 6§) zwi-
schen s und X. Dies beweist also das Gegentheil von dem was Schweg*
Icr 1, 727 Corssen Ausspr. 2*, 1023 f. wollen: die Schreibart mit s
ist, wie namentlich die Abkürzung der Tribus (man denke an Suc. und
Ouf.) zeigt, wenigstens die altherkömmliche und die Schreibart Exquiliae
in Hss. hat denselben Werth wie die nicht seltene j4dventinus (vgl. A. 50).
184 THEIL 1.
chen Füssen ^^) und man thut jedesfalls wohl daran, die
Möglichkeit offen zu lassen, dass darin der Name einer Stadt
oder doch einer selbständigen Niederlassung, Esqu-iliae wie
Urb'iliae, Cut-iliae, steckt. Dass der Name syntaktisch noch
in der klassischen Zeit wie die Städtenamen behandelt wird
— und dieser allein von allen römischen Ortsnamen — weist
jedenfalls auch auf das ursprüngliche Bestehen einer geson-
derten Niederlassung hin: eben so erkläre ich mir den auf-
fallenden Namen des pagus montanus = Esquüinm ^^). Dieser
pagus EsquiUnus hat einer servianiscben Region den Namen
gegeben. — Es hätte auffallen sollen, dass während die Namen
der esquilinischen, collinischen und palatinischen Region mit
natürlichen Terraingliederungen, an welchen auch später noch
diese Namen hafteten, übereinstimmen, dies bei der subu-
^) Es kann ja ein alter Uebergang von x zu s vorliegen: allein
das oft verglichene sescentis beweist garnichts. Wo ist sonst in
alter Zeit ex vor c (g) in es übergegangen? Daher kann anch mqtälmus,
'Binwohner', nichts für die Ableitung von ex und colefe beweisen und
das von Huschke angenommene exquilinus — 'der Bürger, der ausser-
halb Roms mit einem niederen Bürgerrecht wohnte' (Serv. S. 60) —
existirt, wenn überhaupt, nur bei Solin (oben A. 4). Die alten Etymologien
ab excubiis, quod excuUae sint a reg^e TuUio (Varro 5, 49) bedürfen keiner
Widerlegung, eine dritte von aesculus (s. Bd. 2, 243) ist wegen des
ae und wegen der Ableitungssilbe bedenklich. Ich halte also daran
fest, dass die Ableitung von excolere eben so wenig feststeht, wie die
der f^dia von €los>
^^) Madvig in seiner Ausg. des Livius (Bd. 1, 1 S. XIV) bemerkt,
dass Esquilias (nicht in E,) ire gesagt wird, ebenso (Cic. de legg. 2,
11, 28 de nat. d. 3, 25, 63) in Palatio — Esquiiüs und giebt Kl. Schrif-
ten S.. 299 (wo er ahnliche Erscheinungen in neueren Sprachen erörtert)
als Grund an, dass es ein Dorf gewesen sei. Freilich die Gegenfrage:
warum dann nicht auch Palatium, Palati? würde unberechtigt sein.
Aber ganz klar ist die Sache nicht. — Unter den Pfamen der Stadt-
römischen pag;i (unten) ist der kürzlich durch eine Inschrift etwa der
sullanischen Zeit bekannt gewordene pa^us rmmtanus auf dem Es-
quilin der einzige ohne Individualnamen. Dass montanus schwerlich
mit den heutigen 'Monti' zu thun hat, ist schon S. 70 bemerkt worden.
Möglich erscheint die Annahme, dass der Esquilinus als mons im Ge-
gensatz zum QuirinaUs als coUis gedacht wurde, wo es sich um die
Benennung eines pagus in jener Gegend handelte.
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLÜNGEN. 185
ranischen nicht der Fall ist. Denn in historischer Zeit ist
Subura der Namen des Stadttbeils, welcher von den Abhängen
des coUis und der Esquiliae eingeschlossen wird, während den
bei weitem grössten Theil der Region der mons Caelius aus-
macht. Dass dieser oder seine Umgebung ebenfalls noch in
historischer Zeit Sttbura oder Subura maior genannt worden
sei, ist eine schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
aufgekommene falsche Theorie (s. Th. II). Aber freilich ist
es kaum glaublich, dass ursprünglich der Name Subura an
jener schmalen Thalmulde gehaftet und trotzdem als Be-
nennung der Region gedient habe, ja gradezu unmöglich,
wenn die Nachricht über das Fest der * Sieben Berge', unter
denen die Subura ist, einen Sinn haben soll (unten). Es
haben also die alten wie die neueren Etymologen geirrt,
wenn sie das Wort als ein mit sub zusammengesetztes be-
trachteten. Auch hier empfiehlt sichs statt die Wurzel durch
ein verzweifeltes Kunststück biosiegen zu wollen, die Bildung
zu analysiren. Nichts kann nun sicherer sein, als dass die
jüngere Form Sub-üra aus der uralten Suc-üsa, pagus Su^-
usanus, deren Suffix Analogien genug hat, einem zwar
italischen, vielleicht aber nicht latinischen Gaunamen, durch
Lautwandelung entstanden ist. Schwerlich wird die Wurzel
desselben ein Thal bedeuten ^^). Es muss aber beachtet wer*
^) Für die oben ausgesprochene Ansicht muss wenigstens die Be»
weisführung angedeutet werden: ich komme an einem passenderen Ort
darauf zurück. Varro 5, 48: eidem regiowi {Stiburanae) attribtäa Su-
Jmra [quod sub muro terreo Carinarum], in ea est Argeorum saeemhü
sextum. Suburam {subura F) lunius scribä ab eo quod fuerit sub antiqua
urbe, cui testimonio potesf esse quod subest ei hco qui terreus tnurus
voeatur. sed a pag^o potius Succusano diefam puto Succusam^ nunc
swibitur (nehmlich die Sucusa »» Subura als Tribusname) tertia HUera
e non b pagus Suecusanus quod suocurrit Carints, So lese ich jetzt
mit F (abweichend von Bd. 2, 601); der in { ] gesetzte Satz ist als
ein offenbar aus dem Schluss des Ganzen entlehnter, an jener Stelle
ganz ungehöriger Zusatz su beseitigen. Varro's Ansicht yariirt Ver-
rius bei Fest. 309 {. . a stativo praesidio quod solitutn sit succurrere
Exquüis infestantibus eam urMs partem Gabims; eine andere Etymo-
logie in dem zerstörten Artikel S« 302, succtsanam?) — Die Inschrif-*
186 THEIL l
den, dass die Terraingestaltung der suburanischen Region
durch die Anlage des goldenen Hauses und seines stagnum,
dessen Tiefe dann das flavische Amphitheater aufnahm und
durch die späteren Bauten westlich von diesem so wesentlich
verändert worden ist, dass es heut unmöglich ist ihren
ursprünglichen Zustand sich zu veranschaulichen.
Sollte demnach der Caelins mens — dies ist die allein
verbürgte Schreibung des Namens *^) — seinen Namen erst
ten bestätigeQ, dass die Tribus Suc. abgekürzt wird (CIL 6,1, ]97ff,),
ausgeschrieben heisst sie sowohl auf loschriften als bei Schriftstellern
(z ß. IRN 6808 Liv. epit. 20. Varro 5, 56) Suburana, örtlich fallen Su-
bura und der angebliche j^^^t/« zusammen. Trotzdem Sucusa und Sübura
nicht für identisch zu halten, ist unmöglich, ebenso unmöglich mit
Corssen Ausspr. 1', 355 suc-cttsanus mit cus-ia, cu-ria (Haus) zusam-
men zu bringen, wobei Subura unberücksichtigt bleibt. — Man hat
nur die Wahl, ob man Sub-üra aus Suc-usa (oder Suq-usa) oder aus
Sug-usa (die Abkürzung würde dann vor der Einfuhrung des c festge-
setzt worden sein) ableiten will. (Augenscheinlich ist Succusaniis
nur etymologische Schreibart, vgl. A. 53.) Ersteres ist nur durch
die Mittelstufe *Sup'Usa möglich, wenn t) Wechsel von p und h (oder
q), 2) Sinken von p zu b — beides ist im Italischen nachweisbar,
im Altlateiaischen noch zweifelhaft — , 3) Schwächung des f zu r in
dem Suffix -ü-sa, -üra (vgl. fig-ura^ nat-ura u. a. m.) als gesetzmassige
Lautwaudelungen gelten. — Abermalige Schwächungen sind die spaten
Vulgärformen Sibura, Sebura: Bd. 2, 17, vgl. CTG 6447. — Vgl. un-
ten S. 198. — »Was nun aber die in suq-üsa = süp-üsa = sub-üra stek-
kende Wurzel iup =■ suk heisst, wage ich nicht zu vermuthen.
^^) Dass die Schreibart CaehW die allein riehtige ist, beweist, ob-
wohl der Name in republikanischen Urkunden aicl^t vorkommt, der
Beiname der Verginier Caeliomontanus (kapit. Fasten), die Lyoner
Rede des Kaisers Claudius (Col. 1 : rmmteni CaeUum . . a Ca»lio\ die von
Smetius gesehene Inschrift aus dem ]. Jahrh. Or. 2617 {de campo
Caelemontano) und die Inschrift v. J. 201 CIL 6, 1, 1259, deren Ueber-
lieferung nur zwischen areus Caelimontanos und Caelenumtanos (nicht
Coe/., wie noch Borghesi Fasti 1, 61 glaubte) schwankt. Ebenso die
gute hs. Ueberlieferung z. B. bei lliceFo de rep. 2, 18, bei Var^o ub4
Livius durchgänig, und noch, wie ich hier nach abermaliger Ein-
sicht meiner Kollationen konstatire, in den Scriptores Historiae Augu-
stae (P überall Caelius, auch Marcus c. 1, B, wie es scheint, ebenso
regelmässig Celius) und im Regienenbuch R. II. Iin Fronto von Mai
V. J. 1823 S. 54 steht zwar Caelius, aber in der A. von 1346 S. 41
§ 2] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLÜINGEN. • 187
in verhältnissmässig später Zeit erhalten haben oder ein Theil
des alten pagus Sumsanus diesen Namen geführt haben, wie
Theile des Esquilinus die Namen Oppius^ Cispiu$ ? Wir stellen
zunächst die Thatsache fest, dass die Namen dieser drei Berge,
welche sämmtHch schon die Argeerurkunde nennt, mit den
Namen von drei plebejischen Gentes identisch sind, und dass
der Name des saxum Tarpeium (vielleicht des mom Tarpems)
mit einem patricischen freilich nicht ganz sicheren Gentil-
namen zusammenfällt. Die Alten leiten nun die Namen der
Berge von den eingewanderten Stammvätern dieser Familien
her, und zwar den des Caelius von dem Etrusker Caeles
Vibenna^^), die des Oppius und Cispius von gleichnamigen
Geschlechtshäuptern aus Anagnia und Tusculum, welche unter
den Königen — gleichviel unter welchen — Jener als Feind,
diese als Freunde die später nach ihnen benannten Höhen
besetzt hielten ^®). — Das Adelsgeschlecht der Tarpeii kommt in
eiüem Consulat des J. 300 der Stadt vor; die Existenz des-
selben kann schwerlich bezweifelt werden. Sein £ponym gilt
ab der Burgvogt des Titus Tatius®^). Dass nun jene Er-
(= Naber S. 31) Caelius i freilich ohne ßemerkuog. Ein auch nur leid-
liches hs. Zeugniss für die Schreibung mit oe Isienne ich nicht, die mit
e beweist bekanntlich nichts für oe.
^) Ueber diesen s. nnten. — In geschichtlicher Zeit giebt es so-
wohl Caeiü als CoeUi: zu jenen gehören, wie jetzt fe&tsteht (Benzen
CIL 1 S. 475 Acta Arv. S. 179), die Aufi, zu diesen die Finiciani (CIL
], 641) und Caldi (Borghesi Dec. 6, 9. 10); auf den Aschenkisten von
S. Gesario finden sich Caelü,
^^) Die Geschichte von dem Anagniner Cispius und dem Tuscu*
IftDer Oppius, die die Berge besetzen, während TuUas gegen Veji im
Felde steht, erzählt Varro bei Festus 348 (oben S. 54). Die Oppü blühen
im 6. Jahrhundert d. St., Cispii kennen wir im 7. Jahrb. (CIL 1, 631 ;
<lergelbe oder ein Verwandter ist 697 Voikstribun: Or. Onom. u. d.
W.). Die örtliche Znsammengehörigkeit beider 'Berge' zwingt dazu
auch in dem Cespius der Argeerurkunde nur die ältere Schreibung des
Gentilnameos zu sehen und nicht etwa an ein Appellativum zu denken.
^) Die CoBsuln des J. 300 heissen Sf. Tarpmiu, A. Atemius,
^it der Authentioität des Namens der Lex Atemia Tarpeia sieht es
«twas übel aus (Mommsen Münzw. S. 175 f.) und die mythische virgo
Vestalis des JNamens beweist natürlich nichts; wohl aber für die IVa-
188 • THEILI.
klarungen bestenfalls aus den Familienchroniken jener Gentes
stammen und demnach die Existenz der Eponymen oder gar
die Richtigkeit der an sie geknüpften Thaten nicht beweisen,
bedarf keiner Erörterung. Wer dagegen leugnet, dass die
genannten 'Berge' ihre Namen von den Gentes haben, hat
nur die Wahl zwischen zwei wie mir scheint gleich unmög-
lichen Annahmen: entweder muss er den Gentilnamen von
den Namen römischer Stadtgegenden ableiten, wofür es weder
Analogie noch Erklärung giebt^^), oder er muss annehmen»
dass das Zusammenfallen der Namen ein zufälliges ist. Und
was spräche wohl für eine solche Annahme? Ich muss also
die auch an sich bedenklichen Versuche die Namen des Caelius
und Tarpems Ton Appellativen herzuleiten — an den Oppius
und Cispius hat sich meines Wissens Memand gewagt —
und mit den echten Ortsnamen in eine Reihe zu stellen für
methodisch verfehlt ansehen. — Dass eine Göttin Tarpeia
existirt hat ist nicht richtig, ein luppiter Caelius als Lokal-
gott widerspricht unserer Auffassung nicht ^^).
Ist diese Auffassung richtig und ist es ferner nicht denk-
bar, dass jene * Berge' von einzelnen Mitgliedern der
Gentes benannt worden sind (denn die Ueberlieferung über
die Eponymen beweist nichts und es liegt auf der Hand,
ja es ist bezeugt, dass die Benennung von vici und clivi^
wie der Puhlidm^ Cosconius u. a., nach ihren Erbauern nicht
verglichen werden kann, §8), so folgt daraus, dass ganze
menbildoog der Vergleich des Cog^nomen Tarpa und der zahlraichea
Gentünamen auf -eius. lieber die Etymologie von Tarpa weiss man
nichts (auch in Gurtius' Stud. 5, 382 wird kein AofschloBS gegeben)
vgl. unten A. 62.
^^) Keine Analogie bieten die Cognomina Sacramentis^ Tuscivi-
canusy Esqtälinusy CapüoHnus, Montanus (?), u. a., über welehe S. 192,
und die Gentilnamen, welche von ausserrömischen Ortsnamen her-
kommen (vgl. Hühner Eph. epigr. 1878, 83 ff.).
•*) Caelius y von caedere^ der *Hau', Bücheier Rh. M. 18, 447. —
Tarpeius hat Orioli mit Tarquinius identificirt (Diss. dell' ac. di arch.
13, 241). Vielleicht gehört zu terp-, Tarp-at Tarp-eius auch Turp-
enus, ein Flussname, CIL 1, 1541. — Die ^Göttin' Tarpeia ist eine
Deutung des Piso : Diooys. 2, 40 Ueber luppüer Caelius Bd. 2, 259.
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLüNGEN. 189
plebejische Geschlechter geschlossene dorfartige Ansiedlun-
gen auf jenen Höhen gehabt haben. Vergegenwärtigt man
sich aber den Zustand der Höhen in der ältesten Zeit —
wir sahen dass sie zum Theil bewaldet waren (§ l S. 146) —
so erscheint es ganz natürlich, dass die aus zugewanderten oder
gewaltsam übersiedelten latinischen Gemeinden sich bildende
oder doch ergänzende Plebs allmählich die Höhen besetzte,
während die Niederung längst dicht bevölkert war. Dass
nun in der Zeit des Ständekampfs und der ersten sozialen
Umwälzungen die hoch gelegenen Wohnungen mächtiger ple-
bejischer Geschlechter eine Drohung werden konnten, ist nicht
Mos ein nahe liegender Gedanke, sondern es haben sich wie
es scheint auch Ueberlieferungen darüber erhalten, welche
zum Theil an das Raubritterthum und Fehdewesen des Mittel-
alters erinnern. Die Hochverrathsprocesse gegen die ple-
bejischen Demagogen Spurius Cassius und Spurius Maelius
und ihren patricischen Nacheiferer Manlius Capitolinus endeten
mit ihrem Tode und der Niederreissung ihrer auf dem Esqui-
lin, am Abbang und auf der Höhe des Kapitols gelegenen
Häuser; ein gleiches Schicksal hatte der Landesverräther
Marcus Vaccus auf dem Palatin*'); zwei ungenannte, aber durch
die Legende zu Eponymen des ehemaligen auf der Höhe über
der Subura erbauten Macellum, ein gewisser Mancinus, später
auf dem Palatin Fulvius Flaccus und Cicero. Zwar die Strafe
selbst ist von der Lage des Hauses unabhängig; dass indessen
"") Ueber alle vier Cicero de domo 38, 101, über den Fuadaner
M. Vitrnvins, Vaccus Livias 8, 19. Die drei erstea und der vierte
PaU liegen, was das Verbrechen anlan^, verschieden; jene behandelt
Mommsen Hermes 5, 228 ff. und zeigt (S. 240), dass gerade die Haus-
schleifangen zu den ursprünglichen Theilen der Geschichte des Cassius
gehört. Die Lage des Hauses des Cassius, auf dessen Area der Tellus-
tempel errichtet wurde, ist übrigens nicht ganz sicher: s. Th. II. Ueber
aequimelivm unten A. 72. Manius Macellus und /feqtätius Cuppes oben
S. 53 A. 22 (das macelhmi lag hoch, Th. II). — Die verwirrten JVo-
tizen im Auszug des Festus S. 131: Mancini tiftäa appellabantur quod
Mancinus hahuü domum quae puhUcata est eo interfecto und 366: Ti*
fata iUeeta, Romae autem curia Tifata, werden wohl mit Unrecht auf
dasselbe Gebäude bezogen. Mancinus einer der Hostilii?
190 THEIL I.
die hohe Lage der Wohnungen derjenigen, welche nach der
Tyrannis getrachtet haben sollten, als ein wichtiges Moment
betrachtet wurde, hat die Ueberlieferung deutlich in der Ge-
schichte von PopHcola ausgedrückt, der den Verdacht des
gleichen Verbrechens zerstreute, indem er sein Haus von der
Höhe der Velia an den Fuss derselben verlegte^^). Gab es
also etwa burgartig befestigte Häuser? Ich wusste keine an-
dere Erklärung für den ^Mamilierthurm' in der Subura, da
wir die Ansicht einer vorservianischen Befestigung des er-
weiterten Palatium haben verwerfen müssen ^^). — Ich weiss
wohl, dass namentlich, was das Kapitel mit seinen patricischen
Bewohnern anlangt, noch ganz andere Motive in die Ueber-
Heferang hineinspielen (vgl. § 4. 5): indessen ganz von der
^) Die Nachrichteu über das Haus der Valerier sind auch durch
Mommsea CIL 1 S. 285 Doch nicht ganz aufgeklärt. Es stand fest,
dass einer Reihe von Männern mrtutis causa für sie und ihre Nach-
kommen die Bestattung am Forum durch Volksschluss bewilligt war:
zu ihoen gehörten die Valerier, derea Ehrendenkmäler sich dort Doch
zur Zeit des Augustns befanden (Gic. de. legg. 2, 23, 58. Plut. Q.
rom. 79, nach Varro; Inschr. zweier Valerii Messallae — Vater und
Sohn, Consuln 723 und 693. 699 — , wahrscheinlich vom Forum stam-
mend : Lanciani Bull. mun. 4, 4S ff. vgl. £ph. ep. 3, 1 ff.). Anderer-
seits lässt Valerius Antias dem Dictator M. Valerins v. J. 260 ein
Haus 171 Palatio auf Staatskosten bauen, nach dem lückenhaften and
auch in der neuesten Ausgabe nicht ins Reine gebrachten Bericht des
Asconius zu Pison. § 52, andere Quellen (dass es nur jüngere waren, steht
keineswegs fest; mir seheint bei Asc. der Name des Annalisten hinter
de viris daris ausgefallen zu sein) berichteten dasselbe vom . Valerins
Poplicola, nennen aber das Haus die einen sübFeliü (so Asc.) die an-
dern in Felia (Gic. har. resp. 8, 16). Ganz anders Livius 2,. 7, wo
Valerins aeiUfieabat in FeUa und dann wegen der Befürchtung des Volks
das Haus inira f^eÜam infimo eUvo errichten lässt. Freilich steht nur
so viel fest, dass die Valerier unten am Forum Haus und Grabdenk-
mäler hatten, ebenso wie die Gincier: denn ihr Grab infimo cHvo f^ic'
toriae (oben A. 40) setzt das Wohnhaos voraus.
^) An der Mamifia iurns intra Suhurae regionem (Fest* 131)
hefteten die siegreichen Suburaner den Kopf des Oktoberpferdes an
(ders. 178): den Namen scheint schon Gato von dem Freunde desTar-
qninius hergeleitet zu haben (m. Proleg. S. XXXV)*
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLUNGEN. 191
Hand zu weisen scheint der Zusammenhang dieser Nachrich-
ten mit den plebejisch benannten Bergen nicht zu sein.
Was hingegen die ursprüngliche städtische Ansiedelung
zu Füssen der palatinischen Burg und später auf der in un-
gefähr gleichem Niveau zwischen dem Kapitol und Palatin,
dem 'Huger, dem Esquilin und der Yelia ausgebreiteten Nie-
derung anlangt^ ist von einer räumlichen Eintheiiung dersel-
ben nach den Geschlechtern, Curien und Stammtribus, nicht
allein gar kein Rest vorhanden, sondern es sprechen, wenn
ich nicht irre, deutliche Beweise dafür, dass, wenn eine solche
jemals vorhanden gewesen wäre, sie doch spurlos und zwar
bereits in frühester Zeit zu Grunde gegangen sein müsste.
Hätte nämlich eine Auftheilung unter die drei Tribus und
ihre Glieder stattgefunden, so würde man doch erwarten*
dass grade die Kultusstätten der Curien an die räumliche
Drittelung gebunden gewesen wären und die Ueberfluthung
durch spätere Ortseintheilungen überdauert hätte. Allein die
üeberlieferung der klassischen Zeit bezeugt unzweideutig, dass
damals die Kultushandlungen von 23 Curien in einem viel-
leicht in der Nähe der porta Capena gelegenen Gebäude voll-
zogen wurden, welches die 'Neuen Curien' hiess, die der
7 übrigen in einem die * alten Curien' benannten Gebäude
auf der Velia, und der Grund dafür sollte sein, dass bei der
üebersiedlung der sacra aus diesem von Romulus gebauten
Hause, in jenes, dessen Erbauer nicht bekannt war, für die
sieben Curien die Exauguration nicht voUziebbar war, wie für
den Terminus bei der Erbauung des capitojinischen Tempels.
Das also steht fest, dass die Grammatiker der Zeit Ciceros
und Varros keine anderen über die Stadt vertheilten 'Curien'
als Kultusstätten der so benannten GUeder der Geschlechts«
tribus kannten, und es sind daher einzelne ctenae (Versamm-
luDgshäuser), die uns an verschiedenen Stellen der Stadt genannt
^Verden, mit jenen nicht zu verwechseln ^^). Es steht hiermit
^) Festns 174: Novae curiae proxime cotnpüum Fabi*icium —
dieses noch spät genannt (oben S. 70 A. 53 z« £.), ob im vicus Fa^
bricii der 1. Region, ist unsiclier — aedificatae sunt quod parum
192 ThEIL I.
nicht im Widerspruch, dass einzelne gentihcische Kultusstätten
in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Stellen der Stadt ge«
nannt werden*^), im vollsten Einklang aber, dass eine geringe
Anzahl consularischer Familien des 3. Jahrhunderts Cogno-
mina von einer beschränkten Zahl von Stadtgegenden oder
Strassen entlehnen: Capitolmm (Maehi Manlii Quinctii Sestii
Tarpeii), Esquilinus (Lioinii Minucii Sergii Verginii), Vaticanus
(Romilii Sestii), AverUinensis (Genucii), Fontinalis (Aternii),
Sacraviensimsis (f), Caeliomontanus (Verginii), wozu vereinzelt
aus dem 6. Jahrhundert Tmcivicanus kommt. Sind jene Co-
gnomina des 3. Jahrhunderts glaubwürdig, so beweisen sie,
dass diese Gentes nicht allein im 3. Jahrhundert, sondern
viel früher in bestimmen Stadtgegenden gesonderte Wohnsitze
nicht hatten — denn wie hätte eine Familie, z. B. der
Quinctii, dazu kommen sollen sich Capitolini zu nennen, wenn
die ganze Gens den ßerg bewohnt hätte, von den Vaticani
amplae ei*ant v et er es a Romulo factae — ebenfalls noch spät ge-
nannt (beim Constantinsbogen? S. 165) — üheis populum in partis XXX
distrihuerat, ut in ea sacra curarent, quae cum ex veteribus in novas
eüocarentur, septent cttriarum per religionet evocari non potuerunt, itaque
Foriensü Raptae Feliensis (so August.: uellensis die Hs.) yeUiiae res
divinae fiunt in veteribus curiis : freilich nur 4 , aber ich deake eher
an Ausfall als an Aeaderang von septem. — Die Täia erwähnt ders.
367, die Faucia Livias 9, 38 ('anscheinend gentilicisch* Mommsen
RG. 1 », 67 vgl. dens. über die Tribusnamen R. F. 1, 106). Die An-
sieht der Alten (vgl. Becker Handb. 2, 1, 32), dass die NamcB von den
Sabinerinnen herkämen, hängt gewiss allein an der unerklärten Rapta,
— Da curia überhaupt 'Versammlungshaus' heisst (Corssen Ausspr.
1', 354, Curtius Et. 15S, Hermes 8, 217 £F.), so konnten neben diesen
'neuen und 'alten' Curien sehr wohl einzelne alte curiae nach Ge-
schlechtern benannt bestehen, wie die ^cculeia (Varro 6, 23), die c.
Maneini (A. 63); etwa auch die Hostilia? Doch s. A. 10.
^^) So das sacrißduiri statum in Quirinali coUe g'enti Fahiae (Liv.
5, 46) — denn das wird mit den luperci FaMani zusammenhängen — ,
die Sacra der Gornelii Pisones (plebejisch) in Caeliculo (Cic. de har.
resp. 15, 32), womit Marquardt Handb. 4, 144 irrig die aedes Herculis
AemiUana und das Isium Metellinum zusammenwirft: diese (auch die
aedes lovis Metellina) und die wenigen nach Gentes benannten vici —
der vicus Corneliorum fallt weg (Bd. 2, 265 f.) — haben ihre Namen
von den Erbauern: s. § 8. ,
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLüNGEiM. 193
gar nicht zu reden? — sind sie es nicht — und allerdings
unterliegt ihre Authenticität zum grössten Theil ernsten Be-
denken— ^"so beweisen sie aber auch, dass gewisse Familien
oder gar Individuen aus besonderen Veranlassungen sich von
ihrem Wohnort benannten und damit ebenfalls, dass von
einem Wohnen nach Gentes kein M eiisch etwas wusste. •^) —
Sonst aber giebt es meines Wissens auch keine noch so
schwache Andeutung, welche uns berechtigte eine nach Stäm-
men und Geschlechtern erfolgte Auftheilung des stadtischen
Bodens anzunehmen: die 24 Argeerkapellen haben damit
nichts zu thun^®). — Wie in geschichtlich heller Zeit die
Bärger der Stadt gewohnt haben wird weiterhin § 8 gezeigt
werden.
Die Abhänge di^ ^Berge' und die Thäler zwischen
ihnen haben von Alters her besondere Namen. Man wird
von vornherein vermuthen, dass die Form oder die Eigen-
schaften des Terrains ihrer Bildung zu Grunde liegen. Doch
der Nachweis lässt sich nur in wenigen Fällen mit einiger
Wahrscheinlichkeit fuhren. Wir haben schon früher argiktmn
^) Diese Beinamen finden sich nur in den Consula/fasten in den
JJ. 252 — 391 d. St., der Praetor d. J. 587 P, Terentius Tusciveicanus
(so die Hs., corrigirt -vic-) bei Livius 45, 17. Einzelne Erfin«
dangen, wie Sp, Tarpeius Montanus CapäoHrmg Consnl 300 (der decb
etwas zu viel des Gnten von seinem Berge angenommen hat) und das
ganze Consnlat 381 Sacraviense et CaeHmontano { man kennt keine Gens
mit dem Cognomen Saeraviensis) sind augenfällig und es ist im allgemeinen
v»a Mommsen bekanntlich nachgewiesen, dass und wie die Fastenredak-
toren die nur zweinamigen älteren Gensain dreiaamig gemacht haben.
Eine genauere Darlegung kann hier nicht gegeben werden.
^^) Der Versuch Nissens (Tempi. 145) die Ramnes in der Mitte
(Palatiom), die Tities östlich (sablniseher Quirinal), die Lnceres westlich
(auf dem Aventin) wohnen zu lassen wird von ihm selbst nur als elfte
vorläufige Vermnthung bezeichnet. Für . die Annahme indessen , von
welcher sie ausgeht, dass der Kultus des Juppiter, der Juno und der
Minerva als Staatsgattheiten der drei Tribus ursprünglich sei un4 dem
Joppiter der Ramnes auf dem Kapitol die Minerva der Luceres auf
dem Aventin und die Juno der Tities auf dem Quirinal entsprechen,
scheint mir jeder Beweis zu fehlen, lieber die drei Gatter § 4. —
Ueber die Orte der sacra gentiUcia A. 67. ^
JorduB, römische Topographie. Li. - IB
194 TOBIL L
und terentwm als solche Namen bezeichnet. Ebendahia dürfte
die vaUis murda, das Hodte' oder 'sumpfige' Thal gehören,
Ton welchem die dort verehrte Venus ihren Beinamen ent-
lehnte, nicht umgekehrt ^^). Es ist oben ($1) die Ansidit
der Alten verworfen worden, dass das Yelabnim ehemals
unter Wasser gestanden habe und dass der Name vom Fah-
ren mit Kähnen herkomme. Ob die Entstehung dieses Namens
überhaupt ufaer die Zeit hinaufreicht, in wekher die ganze
Gegend zwischen Palatin, Kapitol, Forum und Fluss als eine
dicht bebaute zu denken ist, d. h. um eine sidiere Epodie
zu nennen, über die Zeit, in welcher der kapitolinische Tem-
pel entstand (§ 4) , ist eine offene Frage. Unsere Nachrich-
ten bezeichnen seit dem Beginn der Litteratur den Ort als
eine Strasse oder einen Platz, auf welchem Esswaareb feil
waren; die pompa circensis passirte dassdbe (s. Th. II). Dass
ein solcher Platz nur von den einmal im Jahr oder «bei
ausserordentlichen Gelegenheiten ausgespannten veU$ benaant
sei, wird niemand für wahrscheinlich halten, an die vela an-
legender Schiffe ist, da der Platz gar nicht an den Tiber
stiess, ebenfalls nicht zu denken. Die unmittelbare Nachbar-
schaft des Forum boarium und die Nähe des holitörium legt
es dagegen nahe, die varroniscfae Etymologie, nach welcher
das Wort mit velatura zusammenhängt, festzuhalten, aber in
'^) Maa glaubt gemeinhin ausgehen zu müssen von der Stelle ies Varro
5, 154: intutnus circus ad murcim, aber ich halte sie für yersdirie*
ben; schwerlidi sagt Varro etwas anderes als Livins t, S^ md Mureum.
Dass nun die Fenus Murcia von der vaUi$ Murcia, wie die Chaeina ron der
doaca benannt ist, seheint mir einleuchtend. Wir erfshnen ven eineni
Worte mttreiduB t= desidiöms, segms , bei Gelegenheit der Erklfirnng
&tr.dea Murdda (Arnob. 4, 9 Aug. CD. 4, 16); aber auch in derplan-
tlnisdien Glosse mntricidum: ignavutn stuUum bei Fiastus Anas. 125
scheint dasselbe zu stecken (vgl. L0we Prodromus corp. glossar. S. 282 f).
Ich möchte daher mur - e - ius mit mar ^e ^ eo, mor ^ iar (vgl
Curt. Et. 333)^ zusammenstellen (wegen des Vokals vgl. t^ffOy tngU"
Hum u. a.). — Zweifelhafter steht es mit murcus (s. LSwe a. O.) das
auch als Cognomen voricommt. Vgl. iltib*er N. Jahrbb. 77, 843.
79, 473. . .
I 2] DIE ÄLTESTEN AN81EDLÜNGEN. 195
«Dem andern Sinne als er selbst annimmt: es k5note der
Hatz der 'Fuhrleute' sein. Indessen auch dies hat sprach«^
h'che und sachliche Bedenken: keine dagegen, so viel ich
sehe, die Annahme, dass das Wort Schwinge, Mulde be^
deute, was die Form des Terrains passend bezeichnen
wurde. Dann wäre der Name sehr alt^^). Ist dies richtig,
so wird auch das in nächster Nähe befindliche hochgelegene
aequimdium vermuthlich seinen Namen von der Beschaffen
heit des Terrains erhalten haben ^^). — Drei * Berge' oder
richtiger Bei^gabhänge erscheinen in der Argeerurkunde in
der Form ihrer Derivate mit dem Suffix -ensis gebildet
flermalensis, Veliensis, Ceroniemis'^^)', der letzte Name ist.
") Varro 5, 44 (s. oben § 1 A, 15): f^elabrum a vehendo: vela-
turam J'acere etiam nunc dicuntur qui id mercede faciunU Ders. de
r> r. ], 2, 14: die Bauern sagen vea und vella statt via und viüa^
beides kommt von vehi: item dicunt qui vecturis vivunt vellaturam (?)
/flcere. Dass vectura von der 'Fuhre' zu Wasser wie zu Lande ge-
brancht wird ist bekannt: wenn auch velatura für die letztere gebraucht
wurde, so ist vollends die Ableitung von velum von vehi (s. Curtius
Et. 192) erwiesen. Nissen Temp. 84 identilicirt die Fahr- oder Fähr-
leute mit den 'Kaufleuten', diese mit den veUteSy was ich nicht verstehe.
— Die Glosse bei Festus Ausz. 77: evelatum eventilatum, unde vela-
^rüy qutbus Jrumenta ventilantur (wo Müller mit Recht des Salmasins
^endening evdUalum e, unde valli verwirft); also für ve/i^t/ia^rz/m sagte
nao auch velabrum. Ob und wie evelare und dieses velabrum mit velum
und vehi zusammenhängt, brauchen wir hier nicht zu untersuchen. Hier-
mit wäre zugleich die Schwierigkeit in der Erklärung des Suffixes
weggefallen: denn weder curia calabra noch Fenafrum beweisen, was
Corssen will (Krit. Beitr. S. 351 ff.), dass -brum auch den Ort, wo
etwas geschieht, bezeichnen könne: alle Bildungen mit diesem Suffix be-
deuten das Instrument.
^^) Die Lage am Abhang des Kapitel (? super aequimelium die Sub-
stractioD des Tempels Liv. 38, 28 s. Th. II.) Hesse an eine Umwandlung
aus aequi - mer - ium, vgl. po - mer - tum (A. 27) denken. Ebenso
^^riUa PaliUat Eine ähnliche Volksmythologie liegt vielleicht in dem
^amen der porUi Romanula (ruminula?) vor.
^') In der Argeerurkunde stand möglicherweise (vgl. Bd. 2 , 245.
^W) ursprünglich CeroUensis mons Sucusanus mons — Germcdensis
«iwif FeUen$is mons. Irgend eine Veränderung hat Varro jedesfalls
beim Aasschreiben der Urkunde vorgenommen. Das Suffix -ensis wird
13*
196 THEIL I. i
wie oben gesagt, sicher, vielleicht aach der erste in vor-
klassischer Zeit, ausser Gebrauch gekommen. Wie dem
Palatinus und Aventinus ein Palatium und Aventumj so liegt
diesen Bildungen ein Germalm, Yelia (später Veliae)^ Cm-
nmm zu Grunde. Die Wurzel aller drei Ortsbezeichnungea
aber ist bis jetzt nicht ermittelt, ausdrücklich als falsch z«
bezeichnen die geläufige Deutung von Velia als Sumpf oder
buschige, feuchte Niederung^*).
Auf dem rechten Ufer finden wur endlich die alten fOf^
laniculmsis und (mms) Vaticanus ungewisser ßedeutung.
vorwiegend an Städtenamen angehängt zur Bezeichnung des Aufenthalte
oder Ursprungs (Corssen Krit. Beiträge 414. 481 Hühner Eph. epigr.
1873, 90 f)
''*) FeUa (so Cicero, der amit. Kalender 25. Mai, Augustes im In-
dex, VeUae bei Varro JNonius 531 Ascon. zur Pis. § 53) ist einer der alten
sieben montes (unten), nach Dionys 5, 19 sogar ein X6(pog vniQxslfjievoi
r^S äyoqäg vxpriXog ImeixoSs oeal nsgCto/biog (vgl. A. 64), also weder
'Sumpf noch 'Niederung' (vgl. 'iXog) wie noch immer wiederholt wird
(Nissen Temp. 84). — Cermalus a germanis Varro 5, 54 {bei Festus
55 unter c, ebenso geschrieben bei Varro, Fest. 340. 348 n. dea
A. 44 aa.); die Bildung ist mir unklar (-älus als diminuirendes
iSuffix nicht lateinisch; zu vgl. Hort - altis? Cent - um - alus?), die Wor-
zel möglicherweise dieselbe wie in germen (also auch mit germanw
verwandt Corss. Nachtr. 236): Fick Wß. 1», 522. — Die berüchtigte
Stelle des Varrö (5, 47) über Ceroniensis und Carinae — jenes allein
aus der Argeerurkunde bekannt — schreibe ich jetzt so: cum Caelio
coniundae Carinae et inter eas (inter Carinas heisst in Carinis) quem
locum Ceroniensem {cerolensem F) appellatum apparetf quod primae regionis
quartum sacrarium ^scriptum sie est: 'Ceroniensis {cerolienses F) quarti-
ceps circa Mtnervium qua in Caeliommitem (celio monte F) itur, in TahemdUi
esV, Ceroniensis {cerulensis F) a Carinarum iunctu dictus; Carinae pole a
caerimonia {postea cerioniaF, cmmoma schon Becker) quod hinc oritur
Caput sacrae viae ab Streniae sacello [q[uae pertinet in arcem] qua sacra quot-
quot mensibusferunturin arcem et per quam augures ex arce profecti söhnt
inaugurare. Das in [] gesetzte ist ungehörig; eine zweite ähnliche Glosse
findet sich bald darauf (oben A. 56). Ein pagus Ceronius wie ein Le-
monvus? Ob das Wort mit cerus zusammenhängt ist nicht zu ent-
scheiden. Von den alten Erklärungen der Carinae bei Servius Aen.S,
361 : Carinae sunt ojedificia, facta in carinarum modum quae erant drca
templum TeUuris oder Carinas monteni nominatum quod ager suburha-
nus Carüs (??) oder vom carinare der Säbini nobiles kann die erste
§ 2.] DIE ÄLTESTEN AUSSIEDLUNGEN. 197
Analogien latinischer Ortsnamen, für jenen z. B. Comiculunif
^Sur diesen Satricum können angeführt werden").
Wir haben gesehen, dass der Strom, der diese Hügel-
grappe durchströmt, seinen Namen Tiberis vielleicht von einem
nur noch in dem samnitischen Mundarten erhaltenen Worte,
jder 'Berg' (?) bedeutet, erhalten hat. Die 'alte Stadt' auf dem
Palatium lässt die Legende von einem Eponymen Roma be-
nennen. Auch die Deutung dieses Namens ist unsicher; doch
deutet die tribus Romilia darauf hin, dass auch er zu den
latinischen Gaunamen gehört ^^).
richtig sein; wir wissen es nicht. Es steht fest, dass die Carinae auf
der Höhe la^en (Th. II): von unten gesehen erschienen sie wie ein
Krdwall: Suhura quod sub muro terreo Carinarum, was wnnderlich
^enog als ein Erdwall auf den Carinen gefasst worden ist.
'5) laniculum, nicht laniculus (Becker S. 653). Eine Form la-
nuculum setzen die griechischen Schreibungen IdvoxXov Plut. Nnma
22, 2 'lävovxXov ders. Mar. 42, 2 und der vicus lanuclentis auf der
Basis voraus (Mem. dell' inst. 2, 232) neben lanicolensis CIL 1 S. 205.
Die vereinzelte Ansicht (Pestus Ausz. 104) , dass der Name zur Zeit
der Siebenhügelstadt 'Ausfallthor' bedeute, stützt sich auf die § 3 ver-
worfene Hypothese der Befestigung auf dem rechten Ufer. Die gewöhn*
liehe Meinung sah darin die Stadt des Janus (die Stellen bei Schwegler
1, 242 A)» — Vatieamis cottü (oder montes Faticani^ jenes bei Festns
379, dieses bei Cicero ad. Att. 13, 33, 4) ein etruskischer d^'er, der
vatum responso von den Römern erobert wird (Festus Ausz. 379 : Varro
leitete von Fagitanus deus ab, Gell. 16, 17). Beides verräth wenig-
stens Gefühl für die oben bezeichnete Bildung. Sehr möglich, dass ein
alter Januskultus den Namen jenes pagus veranlasst hat, die Wurzel
Aieses ist unklar.
^^) Nach dem bisher erörterten wird man den alten Distriktsna-
men, der also einen ager RomiliuSf dieser ein Roma voraussetzt^ zu-
erst heranziehen. Die neuere Theorie (die alte , welche von Romuhu
oder ^(o/Lifi ausgeht, ist hinfällig, Schwegler 1, 419 f.) halt sich entweder
an ruma Brust {dtva Ruminaf ficu$ ruminalis) und Rumoriy den ver-
meintlich älteren Namen des Tiber (Serv. A. 8, 63. 90) und führt
diese Bildungen auf }/srü fliessen, griech. ^i/-, ^i&t (s. Curtius Et. 354)
zurück: Ru-ma, Rö-ma soll also 'Stromstadt' heissen (so Gorssen
Zs. f. vgl. Spr. 10, 18, Krit. Beitr. 427, Ausspr. 1», 364. 1012) oder
^üpft an Ram - nes an (Mommsen R. G. 1, 43). Sprachlich ist beides
möglich, erwiesen weder das eine noch das andere.
198 THEILl. i
i
Diese Umschau unter den ältesten Ortsnamen der Si9*
benhugelstadt bat ergeben, dass die Bildung derselben ded
lateinischen Sprachgebiet angehört. Nur ganz vereinzelte
Spuren scheinen über dasselbe hinaus in die nächstverwandteft
Mundarten oder doch in eine in dem uns vorliegenden Altlatc»*
nisch verschollene Lautgestaltung zu führen: der angeblicb
sabinische und umbrische cnprius vicus^ die Lautwandlang 5ti-
eusa, Subura; pomoeHum,p(miermm{aequimelium?); unerklärt
bleibt die Bildung Cermalus, Der grössere Theil der diesen Bil*
düngen zu Grunde liegenden Wurzeln ist uns dunkel, nicht
weil die Möglichkeit verschlossen wäre sie innerhalb des La-
teins zu finden, aber weil uns meistentheils die Kriterien der
im Gebrauch ausgeprägten Bedeutung fehlen um mit Wahr-
scheinlichkeit die richtigen zu ermitteln. Auf dem ganzen
Gebiete der Stadt aber finden wir, mit Ausnahme der näch-
sten Umgebung des kapitolinischen Tempels {viciLs tuscus;
favisa?) und eines einzigen unerklärten Thornamens {Ra-
tutnenna?) keine Spur von Namen, welche die Merkmale der
fremdartigen etruskischen Mundart trugen (s. § 4). — Die
Namen der 'Berge' Palatium, Sucusa, Esquiliae, Aventinus
sind Gaunamen. In merkwürdigem Gegensatz zu ihnen steht
einerseits der namenlose 'Hüger mit seinen von Gottheiten
benannten einzelnen Erhebungen, andrerseits der ^ Hauptberg',
das Rapitol; in jenem Gegensatz spiegelt sich die ursprüng-
liche Zweiheit der Ansiedlungen, in diesem die erfolgte Ver-
einigung beider unter den beide beherrschenden Göttern.
In eine jüngere Periode der Besiedelung führen uns einige
Högelnamen, welche mit den Namen zugewanderter Geschlech-
ter zusammenfallen. — Wir stellen diesen Thatsachen die
wenigen sacralen Traditionen gegenüber, welche, wie man
meint, die Brücke von dem ältesten palatinischen Gau zur
Stadt Rom bilden oder doch bilden sollen.
Wie die Palatiner mit den gegenüber wohnenden Suca-
sanern in Fehde gestanden, darüber meint man in dem all-
jährlichen Kampf der Sacravienser und Suburaner um das
§ 2.] DIE ÄLTESTEN ANSIEDLÜNGEN. 199
Octoberrofls eine Ueberlieferung zu haben ^^). Dann nnusftte
eine Zeit gekommen sein, in welcher die Sucusa mit dem
Ka|»tol^ dem Oppius und Ci&pius bereits mit dem Palatium,
dem Certialus <ind der Velia zu einer Gaugemeinde ver-
einigt war: das Fest S^timentium, an welchen die Bewohner
dieser ^ Berge' feierten, gab davon Zeugniss^^). In dieser
Zeit waren ilie Leute auf dem 'HugeP, obwohl den 'Berg-
leuten ' stammverwandt, noch aelbstündig oder feindlich. Jene
wie diese hatten ihren italischen Marskaltus, jene wie diese
zu Ehre des Gattes den Umlauf der luperdy den Waffentanz
dar salif^). — Die doppelte Niederlassung auf dem colUa
und dem Palatitm und deren Vereinigung wird schwerlich
geleugnet werden können. Allein das Fest Septimontium als
Erinneruiig an eine aus jenen Bergen bestehende Stadtge-
meinde zu fassen, das scheint mir äusserst gewagt. Mit der
Ueberlieferung über das Fest sieht es nicht zum besten aus
(Bd. 2, 211); unter den Bergen finden sich zwei Namen
(Oppius, Cispius)y welche schwerlich in die Urzeit der Gau-
bildnsgen hinaufireiehen. Der spätere Gegensatz der montani
und pagani ist mit Unrecht hierher gezogen worden (§ 4).
'^) Festas 178: October equus appeüatur qui in campo Martio
mense Octobri immoUrtur quodannis (so) Marti higarum victrioum dex-
terior, de mius capite non levis contentie solebat esse inter Subura-
nenses et Sacravienses, ut hi in regiae pariete Uli ad turrim Mami-
Ham^ id figerent. Sind dean Sacravienses die Palatiner? Setzeo denn
aU§ sacralen Kollegien selbständige GemeindeiL voraus?
7^.) Das wesentliche hat Niehuhr richtig erkannt. — Es muss hier
wledüerliolt werden (Bd. 2, 210 f.), dass der eiozige Zeuge dieser Nach-
richt Antistins Labeo ist (Festus 348 vgl. 340. 341) und dass wie wei-
ter (§ 4) zu zeigen sein wird mindestens eine Umdeutuog des Festes auf
die servianischen 7 Berge alter ist als Antistins. — Die Sucusa scheint
hier noch in der älteren Ausdehnung des Namens zu stehen, jedenfalls
als monsj nicht als die enge Schlucht zwischen dem coUis 'und den
fisquilien.
'^^) lieber die Salier und Luperker Mommsen R. G. 1^, 54; es bleibt
Q&erklärt, weshalb der eoUis keinen Individualnamen hatte oder warum
derselbe unterging: Niebuhrs 'Quirium' ist aus diesem richtigen Gefühl
entstanden, aber völlig unhaltbar.
200 THEIL 1.
Gegen die Verwerthung der Opferung des Octoberrosses müssen
wir uns prinzipiell erklären. So weit wir sehen können
setzen die ältesten Festfeiern des Kalenders des König IVuina
die ummauerte Siebenhugelstadt, den gesicherten. Flussüber-
gang, den Besitz des rechten Stromufers voraus und wir
werden daher auf sie bei der Erörterung der servianischen
Stadt zurückkommen. Jeder Schritt, den wir weiter zurück
thun auf dem Wege der Analyse der sacra scheint uns in das
Labyrinth jener Versuche der Alten zurück zu führen, die
Epochen der Stadterweiterung bis auf Servius und die Tar-
quinier zu bestimmen. — Der Name Roma haftet an keinem
der sieben Hügel; festen Boden gewinnen wir unter den
Füssen erst mit der Voraussetzung der so benannten um-
mauerten Siebenhügelstadt. Wie dieselbe und wann dieselbe
diesen Namen erhalten hat, auf diese Frage scheint uns die
wunderbare Versetzung des ruminalischen Feigenbaums von
der Stelle, wo die Zwillinge gelandet waren, auf das Gomi-
tium unter dem Kapitol, von der alten palatinischen in das
Herz der servianischen Stadt, die richtige Antwort zu geben ^^).
^) Wean, wie Mommsen vermutbet hat (Eiol. § 2 A. 22), die ur-
spriingUche Legende die ficus ruminaUs nur auf dem nachmaligen
Comitium kannte , wo sie in einem saeptum — wie nns jetzt die
Reliefs vom Forum deutlich zeigen — von den sacerdoies' pubHei
verehrt wurde (Plin. 15, 77. Tac. Ann. 13, 58. Jahresbericht 1875,
755), so würde dies ein Beweis dafür sein, dass das PontificatcoUe-
gium unbekümmert um die palatinische Zwiliingslegende das Comi-
tium mit Rom zugleich entstehen Hess (vgl. Eph. epigr. 1 , 240).
Eine junge Erfindung aber ist die Versetzung durch Attns Navius
schwerlich, so wenig wie der Glaube an die palatinische ßcu* (Schweg-
ler 1, 393): vgl. Th. 11.
§3.
BESCHREIBUNG DER SERVIANISCHEN MAUER UND
IHRER THORE.
Um die Zeit des Untergangs der Republik besass Rom
noch eine grossen Theils wohl erhaltene Ringmauer. Als
Erbauer derselben bezeichnete die übereinstimmende Ueber-
Keferung die Könige: nur ob einem oder mehren und wel-
chen das staunenswerthe Werk zuzuschreiben sei schien frag-
lich^). Denn während die einen den Ancus Marcius nicht
^) Die älteste Traditioa lässt den Caelius und Aventin von Ancus
zor Stadt ziehen. Demselben KSnige wird die Befestifping des Jsni-
calum and die Anlage der ersten Brücke über die Insel , endlich die
Anlage von Ostia und der fossae Quiritium bei Ostia, nicht bei Rom
(Schwegler 1, 601 und, besonders über die fossae Qutrüütm, Preller,
Ber. d. sachs. Ges. 1849, 5 ff.) beigelegt. Wenn vir. ill. 3 von Ancns
gesagt wird nova tnoenia oppido eircumdedity Flor. 1, 1, 14 muro moe-
nia eampleants est, so kommt das gegen die übrige Tradition nicht in
Betracht. — Von Tarqninins Priscas, dem nicht die Hinznnahme neuer
Hügel zugeschrieben wird, Collen der Bau der Kloaken, die Anlage des
Forum, de^ Jupitertempel herrühren (oben § 2 A. 12): ferner, muro
lapideo eirüumdare urbem parabat (Liv« 1, 36, ebenso viri ill. 4,
onr Hreumdedit), xä ntxrj t^s noXitog aytoaxi^itt xal (pavla Tals
Iqyaalaig ovta nqßtog iSoiir^tfaio (? so der Urbinas, iSoitlfiaae
die übrigen: (pxo^o/iiri<fccro Bücheier) XK^oig afxa^iaCoig siQyaö-
fiivois nQos xavova (Dionys. 3, 67). So föllt dem Servius nur das
Schliessen der Linie durch Befestigung des von ihm hinzugezogenen
Hügels durch Wall und Graben zu: Strabon 5, 3, 6 S. 234 sagt, indem
er von Tarquinins schweig^, von Ancus: ot^re okov ixnlriQfacfai r^y
204 TBEIL I.
Den Umfang der Mauer schätzte man dem der athenischen gleich,
also auf 43 Stadien, nach römischer Rechnung 5% Meilen^).
Diese Angaben können wir heut an den Trümmern sel-
ber prüfen. Während in früheren Jahrhunderten wenig mehr
als die schuttbedeckte Linie des 'Walls' bekannt war^), haben
die Ausgrabungen der letzten 15 Jahre nicht allein diesen in
seiner ganzen Ausdehnung biosgelegt, sondern auch so zahl-
serviaDischen Maaerlioi«, nicht etwa -r> so Preller Jeo. L. Zeit. 1844,
488 Reg. 75 — an Thore zu den einzelnen 'Hägelburgen' (s. §2 S. 179)
gedacht werden kann, mag die Zahl auch unbeqnem gross erscheinen,
worüber am Schlnss. — Die portae XXXFII sind merkwürdiger Weise
noch in dem zweiten Anhang der Notitia erwähnt (schwerlich wie Prel-
ler meint aus Plinius interpolirt: ßd. 2, 89). — Eine Vergleichang des
verstümmelten Artikels bei Varro de 1. 1. 5, 163 mit den 18 bezügli-
chen Artikeln des Festus macht es wahrscheinlich, dass Varro auch in
den Antiquitäten oder , wo er sonst etwa ausführlich über die Thore
sprach (Einl. § 2 A. 23) nicht alle vorhandenen, sondern die irgend
wie merkwürdigen, und ausser den Stadtthoren auch die poi'tae in-
tra urbem (oben S. 176) behandelte. Die Artikel bei Festus sind:
1 CoUatia (?) 2 Catularia 3 Flumentana * 4 FontinaUs * 5 Lavemalis
6 Minutia* (= trigemina?) 7 Muffionia 8 Naevia* 9 Novalis 10 Pem.-
dana 11 Querqueiularia 12 Quirinalis * (:» Collinä) 13 Romana 14 Ro-
duscfüana * 15 Ratmnena * 16 Salutaris * 17 seelerata * (= Carmen'-
talis) 18 Fiminalis "" (wozu kaum die stercoraria S. 344 gehört) d. b.
von den servianischen Thoren nur die mit dem Stern bezeichneten
10 (resp. deren verschiedene Benennungen), die übrigen 8 grossen theils
^Thore' im uneigentlichen Sinn.
') Dionys 4, 13 vgl. Thuc. 2, 13. Dass dieses Maass von der Be-
festigung auf dem linken Ufer verstanden wurde und für diese zutrifft
wird unten A. 82 gezeigt werden.
«) Schon L« B. Alberti de re aedificatoria (1485) Bl. 65& (und nach
ihm Rucellai de urbe 880) sagt 'Vitruvii quoque ratio placet quam Vi-
deo Bomae passim a veteribus architectis ac praesertim in Tarquinii
aggere observatum ut anterides substituerentur'. Er meint Vitr. 6, 11,
6. Doch ist es kaum möglich, dass damals ein Theil der Wallmauer mit
ihren Strebepfeilern blos lag und Alberti wird daher spätere Anbauten
wie die jetzt wieder entdeckten Bull. mun. 4 T. XX gesehen haben. —
Nur wenige Reste der 'Königsmauer' wurden im 17. Jabrh. bemerkt
(unten); im ganzen war die Kenntniss des Mauerlaufs so gering, dass
die Namen der servianischen und der aurelianischen Thore fortwäh-
rend verwechselt wurden. S. § 5.
§ 3.] DIE SERVIANISCHE MAUER. 205
reiche Stucke der Mauer zu Tage gefordert, dass wir über
den Lauf derselben nur an einer grösseren Stelle, freilich
gerade der wichtigsten, zweifelhaft sein können. Ausbesserun-
gen der Mauer sind noch an mehren Stellen (Aventin, Wall?),
die Spuren aller Zerstörung und der Anbauten vom 1. Jahr-
hundert der Raiserzeit an fast überall, besonders deutlich an
dem Wall erhalten. Wir wollen nun zunächst diesen Lauf
und die erhaltenen Reste beschreiben und die Lage der
Thore bestimmen, unbekümmert um die Frage nach dem
Ursprung des Werks und werden daher auch die Erörterung
der Bauweise wie aller übrigen Merkmale des Alters, unter
denen als das wichtigste die auf den Steinen erhaltenen Stein-
metzzeichen gelten, im nächsten Abschnitt vornehmen ^). Zu*
vor jedoch haben wir die angeblichen Ueberreste von Um-
mauerungen der einzelnen Hügel, ausser den palatinischen,
zu erörtern.
Dass das Capitolium mit seiner Arx als selbständig ver-
theidigungsfähige Burg sich halten konnte nach der Einnahme
der Stadt, beweist die Geschichte der Einnahme der Stadt
durch die Gallier und beweisen noch später die Tumultscenen
der Gracchischen und der vitellianischen Zeit. Sowohl auf
der Seite der Arx wie auf der des Jupitertempels haben sich
Untermauerungen des Berges nach der Südseite erhalten,
welche wahrscheinlich den Berg auch nach dieser Seite hin
vertheidigungsfähig machten: wie alle alten Burgen (s. § 2),
so hatte auch die capitolinische ursprünglich nur einen Auf-
^) Was vor allem Noth that , die aach hier sich eiodräoj^eiidea
falsch geleseoen oder gedeuteten Namen aoszamerzen und die Nachrichteo
der Alten vollständig und genau zu gehen hat Becker de muris und
Top. S. 129 ff. geleistet. Beachtenswerth noch immer die 4 Diss. Pia-
le's: Delle porte . . nella parte Orientale, settentrionali, mendionali, del
m. Aventino. Entdeckuogen: am Aventin 1852; am Wall 1861; wei*
tere hier nnd im ganzen Umkreis der Mauer seit 1870. Veraltet und in
dem litterarischen Theil ungenügend : Bergau Philo]. 25(J867),637flf. Grund-
legend: R. Lanciani SuUe mura e porte di Servio, Ann. 1871, 40 — 85
(m. Tafel Mon. 9. T. XXXVII) — citirt Ann. — nehst den Naehträgea im
Boll. mun. 1, 85 f. 138 ff. 2, 199. 3,45. 4, 29ff. 127ff. zu dessen dnreh-
206 THEIL I.
gang, den capitolinischen Clivus^^). Aber auch auf dem Caelius
und auf dem Viminalis haben sich ähnliche mächtige Unter*
mauerungen an Stellen gefunden, welche ausser Zusammen-
hang mit der Stadtbefestigung, nach dem Innern der Stadt
gerichtet sind, dort das riesenhafte Stück einer Quadermauer
zwischen der Kapelle S. Silvia und S. Gregorio, hier an dem
Nordabhange gegenüber von S. Vitale. Es ist nicht mit
Sicherheit zu sagen, ob diese ihrer Konstruktion nach der
Stadtmau^ der capitolinischen und der alten palatinischen
Mauer gleichartigen Reste ursprünglich selbständigen Befesti-
gungen jener Berge angehören oder gleichzeitig mit der Ring-
mauer lediglich zum Schutz der bröckelnden Hügelabhänge
aufgeführt worden sind^^).
Wir verfolgen nun die Mauer von der Westecke des
Kapitols beginnend zunächst gegen Norden und kehren schliess-
lich zu dem Ausgangspunkte zurück.
Die ganze Nordseite des kapitolinischen Berges war, wie
IL Th. genauer zu zeigen ist, durch senkrechtes Abschroffen
des Felsens unzugänglich gemacht. Reste dieser Arbeit sind
noch jetzt unter palazzo Caffarelli und dem Kloster Araceli
zu sehen. Auf etwa halber Höhe desselben, lief die als Brust-
wehr dienende Mauer, von welcher neuerdings tief unter dem
weg genauen Angaben ich bei einer zweimaligen Nachprüfang sämmt-
lieber Stücke (1872. 1876) nnr sehr geringfügige Nachträge za geben
vermag, welche besonders im § 4 zur Sprache kommen werden. £%eD-
daselbst beziehe ich mich anf die im Texte eingefügten Zeichen a .&..
Wo nicht ausdrücklich das Gegeatheil bemerkt ist, habe ich die Stücke
selbst gesehen. Meinen Beobachtungen füge ich die Jahreszahl bei.
^^) Genaueres über die Befestigung des Kapitols nach der Stadt-
seite 8. Th. 11 und unten § 4.
11) S. Lanciani Ann. S. 46 f. Das Stück bei S. Silvia wurde Bull. d.
i. 1869 , 68 der Serviusmauer zugetheilt , was wegen der Richtung un-
möglich ist. Erhalten 14 oder 15 Lagen (1872). — Viminal: bei den ,
Resten des falschen 'lavacrum Agrippinae', Nordseite 4 Lagen rother
Tuf, h. 0,59, darüber 9 Lagen Mel kleinere' Quadern, ähnlich denen
in Vigna Spithöver; ein Stück solcher an der Südwestecke des Hügels.
Von mir nicht gesehen, jetzt durch die Anschüttungen verdeckt.
§ 3] DI£ SERVIAJVlSCHe: MAUER. 207
Niveau des Jupilerteinpelg (uaterbalb des Portals zürn palazzö
CaSiarelii) einige Stüo((e zum Yarachein gefcommen sind (a)^^).
Von der Arx musste sich die Mauer etwas gegen den Nord-
dihang des Berges senken. Ein Rest derselben (b) ist im
J. 1862 auf dem höchsten Punkte der Via di Harforio, des
nur wenig unter dem heutigen Niveau übenden alten elivus
vgentarim beim Umbau eines Hauses an der Westseite der
Stoasse (etwa 50 Schritt nördlich von der Ecke des vicolo d.
ehiavi d'oro) gefunden worden ^^). Dieses StCkik bestimmt
also die Lage eines Stadtthors, durch welches hier die alte
Strasse, deren Pflaster ebenfalls grfunden wurde,, nach dem
Marsfelde fuhren musste. Dies kann keine Midere als die
Fiaminia sein, welobe ui.der Richtung des heutigen Corso
bis auf Macer de' corvi und dann östlich abbiegend nach dem
gedachten Thore hinauflief. Unmittelbar vor demselben ist
ihre Richtung identisch mit der heuligen sicher durch die
vor diesem wie vor allen Thoren an der Strasse liegenden
aoch erhaltenen Gräber, besonders durch das dem hinauf-
gehenden zur linken befindliche des G. Poplieius Bibulus aus den
letzten Decennien der Republik").
i>) A Plaa und BeseliMtbiinff Laoc. BaU. rauo. 1, 138 ff. T. IV: zwei
Stacke neben einaiider 5 irnd 7 Lagen, k. 0,5(9, auf dem Felsen aufliegend. —
Die Stucke stehen anil der halben Höhe der heutigen Steigung von piazza
Araeeli nach inlaaza del Gampidogiio, das Pflaster der enteren liegt etwa
6 M. über dem einer alten Strasse, welehe die porta Carmentalis und Ra-
tomena verband. Vgl. § 4. Aussen angelehAt fanden sieh Ziegelbauten^
welche naeh den Stempeln dem 2. Jahrhundert gehören. S. 143 ff.
M) I» Leider nur ungenügend beschrieben von Pellegrini Bull.
i. i. 1870, 11211 und auch von Lanciani (so scheint es) nicht gese->
ben, so wenig wie von min '1862' giebt Lanciani Aon. S. 52 an: in
äen Wintern 1861/62 1862/63 Jiabe kh in Rom nichts davon ge-
hört. Keine Maasse. Pellegriois Angabe zwischen den Häusern N. 81 A
md 81 E ergiebt die obige BestimmiBg (1872).
^*) Ueberdie Strasse einstweilen Forma urMs S. 35 § 5. Ueber
die Gräber: «us der Inschrift dos Aibulasgrabes (CIL 1,635) C. Pop"
UeiB C, f. B&ndo akU pL himorü vittuHwque oaussa ^miatus conntÜo
popifllgifo üusu hoas monumento quo ipw poitnrmqtn eius ii^erreniur
piätlioe iatu eit, ist froher irrig geschlossen worden, dass die Ehre
208 THBIL l
Ehe indessen der Name dieses Thors ; besprochen wer-
den kann, muss der weitere Lauf der Iraner bis zum Quiri-
nal untersucht werden.
Dass zwischen dem Quirinal und dem Kapitol vor dem
bereits Yon Caesar beabsichtigen, aber erst von Trajan aus-
geführten Durchbruch, welcher das grosse Forum mit dem
Marsfelde in bequeme Verbindung bringen sollte , an der
Stelle der nachmaligen Tiefe ein Höhenzug strich, wird ans-
fuhrlicher im IL Th. gezeigt werden. Die Entdeckungen des
J. 187^6 haben nun auf dem Abhang des Quirinals über
dem Trajansforum beim Neubau des pal. Antonelli ein Stück
der Ringmauer auf halber Höhe des Berges zu Tage gefor-
dert und an derselben Stelle muss rin Thor angenommen
werden, auf welches die via Magnanapoli stiess. Ein daselbst
gefundenes gewölbtes kleines Thor aber ist sicher kein Stadt-
thor (c)^'^). Von da aus lässt sich der Lauf der Mauer weiter
in der Bestattaog innerhalb der Stadt bestand. Dagegen schon Becker
de moris 69 und Mommsen a. 0. S. f 4. Die Inschrift war ausser
längs der erwähnten Strasse auch noch auf der der Stadt zugewandten
Südseite des Denkmals wiederholt, an welcher also parallel der Mauer
und die A. 12 erwähnte fortsetzend ebenfalls eine Strasse lief. — Ab-
bildungen: Bramantino, Bovine T. X; Jahresbericht 1B75, 762; fehlen,
wie es scheint, im 16. und 17. Jahrhundert; später (bis auf Canina T.
CCLXXVII) häufig, aber meist ungeaagend. Gut Piranesi Ant. 2 T. IV. V.
Zu der angedeuteten ZeitbestimmuDg (e^ Mommsen) stimmt die einfache
dorische Ornamentirung des Denkmals, über welche vgl. Bergau, Philol.
26, 82 ff.; unsinnig Magni in Bnonarotti 1873, 61 ff. Reste von Back-
Steingräbern auf der gegenüberliegenden Seite der Strasse. Das grosate
gilt ohne genügenden Grund für das der Claudier. (Canioa hid.ll8u. A.):
hcumque stbi ad septUitiram mb CapüoUo accepä Suet Tib. 1. Auch
zu diesen gehörige Inschriften: lo]cus pubUc[e datus? Pellegrini a. 0.
S. 113, und A (?) Qdvus C. l. | . . . , via di Marforio N. 100 (1876:
ich weiss nicht, ob publiclrt).
^^) e Erste Entdeckung, besprochen in rümischen Zeitungen, z. B.
Fanfnlla 17. Nov. 1875; kurz beschrieben von Lano. Bull. man. 4, 35 f;
Grundriss ebenda T. XVI-~XV]1: im Mai 1876 nicht mehr vollständig er-
halten. Die Mauer läuft zum Theil parallel mit via del Quirinale,
wendet daan aber im stumpfen Winkel und parallel mit via Magnana-
poli, so dass ersterea Stück etwa von N.O. nach S. W*, letzteres von W.
§ 3.] DIE SERVIAJVISCHE MAUER. 209
nordwärts immer längs des Hügelrandes verfolgen. Ob nun
vor der Tieflegung jenes Bergrückens zwischen dem Thor am
Kapitol und dem am Quirinal die Mauer auf der Linie der
kürzesten Entfernung zwischen dem Thor am Kapitol und
dem am Quirinal lief, d. h. ungefähr die Südfront der basi-
lica Ulpia entlang, oder noch weiter nach Süden eingezogen
war, das wird sich überhaupt nicht mehr entscheiden lassen,
da mit der ehemaligen Höhe auch die Mauerreste verschwun-
den sein müssen. Unerklärlich aber ist es mir, wie man sie
nach der Entdeckung des Thors am Kapitol hat nördlich von
der Trajanssäule bis über piazza SS. Apostoli hat laufen lassen
können ^*). — Jenen beiden ihrer Lage nach sicheren Thoren
werden jetzt allgemein die Namen Ratumena (vielmehr Ratu-
mmna) und Fontinalis beigelegt. Von letzterem führte eine
Säulenhalle bis nach der ara Martts auf dem Marsfelde, man
hält sie für das Thor bei pal. Antonelli. Erstere soU ihren
nach O. steht, kaam 4^ nach N. von der Strassenflucht von v. Magna-
napoli abweichend, ^ar letzteres habe ich noch vollständig gesehen:
3 Lagen gelbliche TufblÖcke, gewöhnliche Maasse (auf der mittleren
aach pal. Ant. 2 Steinmetzzeichen), Von dem andern im Neubau Reste;
das Thor (7 — 9. Juni, eigene Messung), ursprünglich 2, 11 1. Höhe (jetzt
nachdem die unterste Lage der Quadern weggebrochen 2, 67) 1, 95 1.
Weite. Der Bogen besteht aus einer andern Art Tuf als die Mauer.
Aosserhalb, d. b* nach dem Trajansforum , parallel lauft eine zweite
sehr alte Quadermauer (nicht mehr zu sehen), ßathselhaft ist mir, dass
wie L. richtig angiebt , auch die Quadermauern selbst auf Beton auf-
liegen und doch stimmen Maasse (h. o, 56. 54. 59) Konstruktion (Läufer
vnd Binder) und Material (gelblicher Tuf) genau mit dem zweiten
Stack überein. — Neueste Nachgrabungen haben bei der Kirche S. Caterina
di Siena einen alten Begräbnissplatz aufgedeckt und damit die ur-
sprüngliche Anlage eines Thors an dieser Stelle noch wahrscheinlicher
gemacht (Lanciani Bnll. mun. 4, 123 ff. vgl. A. 17).
^^) So meinte Lanc. Ana. S. 53 um die Mauerlinie mit der Grenze
zwischen der 1. und 6. Region in Uebereinstimmung zu bringen und
sie dem Standort der 1. Goh. der Vigiles an der Nordseite von p. SS.
Apostoli nahe zu rücken. Beides aber ist möglich ohne jene Annahme.
S. jetzt Bnll. mun. 4, 35. Freilich steht die Trajanssäule wo ehemals
der Berg war (s. Th. H) und das Grab Trajans liegt mtra urbem
{Eütr. 8, 6, 8. § 4).
Jordan, rOmisohe Topographie. I. 1. 1^
210 THEIL I.
Namen von einem Vejenter Ratumenna haben, dessen Ge-
spann zur Zeit des jüngeren Tarquinius, nach Abwerfung des
Führers, wie es scheint, durch eben dieses Thor nach dem
kapitolinischen Tempel gelangte. Beide Thore müssen
allerdings , da für sie auf der Strecke zwischen Fluss und
Kapitol doch schwerlich Raum ist, zwischen Kapitol und Qui-
rinal, gesucht werden. Indessen muss doch bedacht werden,
dass die Legende über den Ratumenna die Möglichkeit nicht
ausschliesst , dass dies 'Thor' kein Thor der Stadtmauer,
sondern ein Thor des kapitolinischen Temenos war und es
kann daher die Benennung der Ratumenna durchaus nicht
als sicher gelten ^^).
*^) üeber die Fontinalis Livius (z. J. 561) 35, 10: porticum al-
teram , . . ab porta Fontinali ad Mortis aram qua in Campum iter
esset perduxit; Festus Ausz. S. 85: Fontinalia Fontium sacra (oben
§ 1) unde et Romae Fontinalis porta. Neaerdiogs haben sich, wo
das Thor angenommen werden muss, sehr reiche Queliwasseradern ge-
funden (Bull. mun. 4, 123). Noch in der Kaiserzeit erhalten, wie der
tablarius a porta FonUnal{i) bei Fabr. 712, 332 = Grut. 624, 11 und
der [siU?]cariiLs ah [porta F]ontinal(i) bei Or. Henz. 5095 beweisen.
Vielleicht gehört dahin auch das Cognomen Fontinalis der Aternii (§ 2
S. 192). Die Ratumenna (so die Ueberlieferung bei Plin. und Fest.,
auf die auch ruhimannam bei Sol. führt) wird nur bei Gelegenheit der
Th. II näher zu erörternden die Gründung des kapitolinischen Tempels
begleitenden Prodigien erwähnt Nach Valerius Antias, dem Plutarch
Popl. 13 folgt, geben die vejentischen Künstler die für den Tempel be-
stellte thönerne quadriga ißiqfJLa) nach Vertreibung des letzten Tarqui-
niers erst heraus, nachdem die Rosse eines Vejenters, der in Veji beim
Rennen gesiegt hat, mit ihm nach Rom durchgegangen sind a^Qt' ou la
KansTfoXCtf} nQogfiC^avreg i^^ßaXov avTov Ivxavd-a naqa ji]V nv-
Xrflf ffl/ vvv ^PaxovfjLivav xaXovai. Dieselbe Geschichte (mit einer hier
nicht in Betracht kommenden Variante) erzählt nach Verrius Flaccus
Festus S. 274: Ratumenna porta a nomine eius appellata est qui
ludicro certamine quadrigis Victor Etrusci {clarusci die Hs.) generis
iuvenis Feis constematis equis eaecussus Romae periit: qui equi fe-
runtur non ante constitisse quam pervenirent in CapüoUum u. s. w.
Ebenfalls aus Verrius (den er im Index nennt) hat sie Plioius 8, 161
(aus ihm Solin. 45, 15): . eodem (n. in Capitolium aurigam) pervemsse
a Feis cum palmu et Corona effuso Ratumenna qui ibi vicerat: unde
postea nomen portae est. Diese Erzähluog zwingt nicht zu der An-
§ 3] DIE SERVIANISCHE MAUER. 211
Sicherer ist der Lauf der Mauer von dem letztgenannten
Punkt bis zum coUinischen Thor. In geringen Abständen haben
sich hier, stets an dem Rande des Hügels, Reste erhalten, zunächst
ein Stück auf der oberen Terrasse des Garten Colonna (d)"),
dann ein im J. 1866 bei der Anlage des neuen Aufgangs
zum Quirinal bei den sogenannten Ställen des B^nini gefun-
denes (e)"), weiterhin, wo die Linie des Hügels fast im
rechten Winkel gegen N. 0. wendet, ein anderes 1873 beim
Bau der Stalle des Kgl. Palastes gefunden {t)^). Auch hier
zeigte sich, dass die Hauerlinie überall den Anbauten der
Kaiserzeit als Fundament oder Stütze gedient hat. Von hier
au scheint die Linie südlich vom Platz Barberini in der
Richtung auf den gleichnamigen Palast gelaufen zu sein,
uuter dessen Fundamenten im 17. Jahrhundert ein Stück (g)
nähme, dass die Ratumemm ein Stadttbor sei (v^I. A. 6); ist sie eias,
so mnss es allerdings wohl das am Nordabhange des Kapitols befiodliche
sein. Ueber die £tymologie des Namens s. § 4 A. 16.
^^) d Garten Colonna, 3te Terrasse von unten. Pittoreske Abbil-
dang bei Braun Ann. d. i. 1852 zu 324 ff. Jetzt wegen eines daran ange-
brachten Wasebtroges schwer zugänglich, auch von Lanc. Ann. S. 54
nicht gemessen. Die sichtbaren Lagen schienen mir (1872) aus klei-
nereo, nicht im Läufer- und Bindersystem geschichteten Blöcken (wie
Im zu bestehen. Darauf erhebt sich eine Backsteinmauer.
^^) e 'fra il portone detto della Panatteria e le stalle del Bemini',
perpendikulär gegen Nordsüdlinie des Platzes, lang 16, 30 bis zu 3, 55
hoch, 1, 72 dick. Gewöhnliche Schichtung und Maasse, 'tufa simile allo
sperone'. Lanc. Ann. S. 54, Abbildung T. n. 1. Von mir nicht mehr
gesehen. Vgl. den Bericht des Augenzeugen R. Bergan, PhiloL 25, 653
^rch. Zeitung 1867 n. 218 S. 22.
^^) f 'nel giardlno annesso al pal. regio del Quirinale tagliaadosi le
terra nella parte sovra staute al lavatore commnnale onde erger le
scnderie reali e formare la strada per scendere aUa contrada del lava-
tore sudd. ... si e rinvenuto un bei tratto del recinto di Servio TuUio
^go m. 14, 37 largo nella fiancata 7, 70' hs. Rapport! settim. della r.
sopraint. 6. Sept. 1873 (genauer 'a sin. salendo per la via della Pan-
i^etteria sul Quirinale' das. 3. Okt. d. J.). Ueberbaut mit Ziegelbauten.
Unzugänglich, wohl zum Theil zerstört. Lanciani Bull. mun. 1, 225 ver-
spricht eine Publikation. Es mag weiter noch ein Stück gefunden sein :
^ kürzlich gefunden 'entro i giardini del Quirinale' erwähnt zwei
Stücke Lanciani Bull. mun. 1 (Sept. Oct. 1873), 233 f.
14*
212 THEIL I.
zum Vorschein kam; sie wendete dann südwärts bis zur
Kreuzung der Via Quattro fontane und der Via del Qiiirinale
— Venti Settembre (di Porta Pia), woselbst an der Ostseite
der Strasse Quattro Fontane unter dem ersten Hause ein
Stück 1873 gefunden wurde (h)^^). Hier muss sie wieder
fast im rechten Winkel gegen Osten gewendet haben: denn
in den Gärten der Kirchen S. Susanna (I) und S. Maria della
Vittoria (k)^') finden sich weitere Reste und endlich erheben
sich auf ihr die Terrassen der sallustischen (später kaiser-
lichen) Gärten, wie man noch heut an drei Stellen in der
Villa Spithöyer (früher Vigna Barberini) deutlich erkennen
kann (1 m n)^^). An der Südseite der Via di Porta Pia,
>i) s Bartoli mem. 3 t (bei Fea Mise. 1, 229 f.) 'sfogandosi ilterreao
attorno al primo piano del palazzo de' signori Barberini fn gnasta parte
delle mart fatta dal re . . . | . . . (so F. : lies dai re) le quali appoggia-
yano il piano del coUe ad alli piedi di esse mura ove fn fatto
11 fondamento per erigervi la Gaglia ' (die jetzt im vat. Garten befind-
liche Bd. 2, 185 Fea Mise. 1; 99 A. 6) '. . v' era un stanzone attiguo
apli altri (?) di altezza piu di 30 palmi sieche altri 30 essendo siao
aUa sommita del terreno vergine dinotava essere oltre modo precipi-
toso aache da quella parte'. Vgl. n. 98 S. 250. Zuerst benutzt von
Lanc. S. 56. 1b ^a fior' di terra', Material 'pietra gabina', 2^^ M. lang,
Vji breit. Rapport! settim. della r. sopraint. 15. Dec. 1873. Soll
noch zn sehen sein.
^) I Bartoli Mem. 98 S. 250 'si rede ilmedesimo mnro' (der < Wall
des Tarquinios bei S. Maria maggiore') 'dietro 1' orto di s. Susanna
crednto eosi per essere della medesima materia' (sog. cappellaccio)
'ancor che molto piü stretto che non oltrepassa gli S palmi'.
Von mir 1867 nicht gefunden , von Lanciani nicht gesehen. —
l&s.Vennti-Piale 1,157. Abbildung bei Reber Ruinen S. 509. Noch 6 Lagen
sichtbar (1867); kleine Blöcke, lang 0,81—0,86, hoch 0,25—0,28.
Von Lanc. Ann. a. 0. nicht gesehen.
**) 1 Westecke unter dem neuen Casino, 3 Lagen kleiner Blocke
z. B. 0, 79 X 0,29. Die Lagen treten nach oben jedesmal um etwa
\^ Cent, zurück, m bei dem Nymphäum, 2 Lagen eben solcher (0,81
X 0,29 messbar)^ auf dem Felsen anfliegend, von Ziegelwerk überbaut
(beide gemessen 1867). n an der Nordostecke kleines Stück gefunden
1869 (1872 zum Theil zerstört), aus 9 Lagen ähnlicher Blöcke be-
stehend Lanc. Ann. S. 57 T. n. 2, der Im nur er^vdihnt und die
§ 3.] DIE SERVIANISCHB MAUER. 213
welche die Mauer durchbricht, begann dann mit der Piyrta
ColUna der Wall.
Auf dem beschriebenen Abschnitt zwischen der porta
PimtmtUh (?) und der Collina müssen die beiden Thore San-
qualü unA Salutaris gesucht werden ^^). Die Lage des letzte-
ren in der Nähe des pal. Barberini, vielleicht an der West-
seite der Strasse Quattro Fontane, ist um so wahrschein-
licher, als neuerdings inschriftliche Funde die Lage des
Tempels der Salm ebendort vermuthen lassen. Der clwus
Salutaris führte zu dem Thor hinauf. Sicherer ist die Lage
der SanquaUs (und bestimmt dadurch diejenige der aedes
Sanct), da unmittelbar unterhalb des Stückes e an der Süd-
seite der Via della Dataria ein Grabmal eines C. Sempronius
seiner Schwester und Mutter aus dem Ende der republika-
nischen Zeit gefunden wurde, jene Strasse also, wie die aus
der Ratumena führende, ein über ihr stehendes Thor voraus-
setzt ^'^). — Schwerlich hat es ausser den bisher genannten
Thoren auf der beschriebenen Linie vom Kapitol bis zum
Walle noch andere gegeben, es musste denn sein, dass die
Maaer an '5 oder 6' Pankten siclitbar sein llisst. — Ueber die späte-
ren Bauten s. Th. U.
'^) Ueber die SanquaUs Festas Ausz. S. 345: SanquaUs porta ap-
pdlatur proxima aedi Sand (also = Sancalis), über die Salutaris
ders. Ausz. 327: Salutaris porta appeUata est ab aede SaluUs quae
ei prexima fuit. Daher denn, was gewöhnlich übersehen wird, 485
d. St. aedis Salutis ftdminis ictu dissoluta, pars muri suh eodem
loco de caelo ut dicunt tacta est (Gros. 4, 4). Festas S. 326 scheint
eine zweite Etymologie, [ob sa]lutaiiofies angeführt zu haben. Der
divus Salutis wird von Symmachns £p. 5, 54 (nicht 52: Bd. 2,594»
parvas aedes sub divo Salutis) und im Lib. pontif., Innoe. 6 (1 p. 132
Vign.: dotnum in divo Salutis balneatae) genannt.
») Näheres über die Sabitarü s. Bd. 2, 264 und II. Th. (Quirinal),
woselbst die von Lanc. Ann. S. 58 nicht verwertheten Ausgrabungen
der Via Rasella (Bull. d. i. 1869, 42 ff.) näher zu erörtern sind. Die
Sanqualis hatte schon Becker richtig fixirt. Grabmal (Travertin, sehr
elegante jonisirende Architektur) mit der Inschrift Cn. Sempronius Cn.
/. RomiiUa) Sempronia Cn, /, soror Larda M\ f, mater^ abgebildet
bei Bergan Arch. Z. 1866, 20 und Lanciani Bull. mun. 4 T. XII: ist
in den Kgl. Ställen verbant und war mir nicht zugänglich.
214 THEIL I.
Anlage des Trajansfornm ein solches zerstört und hier in der
Einsattelung der Aufgang zu suchen sei, welcher zum Flora-
tempel führte (vgl. Th. II).
Von der porta Collma bis zur Esquilina erstreckte sich,
in der Mitte unterbrochen durch die parta Viminalis, der mit
Thürmen und Graben bewehrte 'WalT (o). Wahrscheinlich
aus älterer, vielleicht amtlicher Quelle, beschreibt ihn Dionys
genau: er war 7 Stadien lang und (ohne den Graben) 50 F.
breit, nach aussen durch einen 30 F. tiefen, *an der schmäl-
sten Stelle' (Sohle?) 100 F. breiten Graben geschützt. Der
Wall selbst bestand aus einer Erdaufschüttung, welche auf
der Seite des Grabens durch eine starke Mauer gestutzt und
gedeckt wurde. Thürme — so fügt Strabo hinzu und an-
dere bestätigen es — bewehrten die Mauer, in der Mitte be-
fand sich die porta Vimmalis. Dieser Wall (gemeinhin und
noch spät agger genannt) zeigte sich den Zeitgenossen des
Augustus noch in seiner ganzen Mächtigkeit und galt ihnen
als ein Werk des Servius TuUius, manchen als voUendet von
Tarquinius Superbus ^^). Aber schon damals konnte er nicht
^) Diooys. 9, 68: fv Ss /(ogtov c rrjg T^oXstos ^nifiax^i^fOTarov
iartVy ano täv AiaxvXivatv xaXovjLcivoiv tivXcSv f^^XQ'' ''^'^ KoXXCvtüV
XSigonof^tcDg ioerlv oj^vobv. Jc((fQog te yccQ oQfoqvxtai nqo avrov
TiXärog tj ßga^vtarri fj,sCC(ov ixarbv no6wv xal ßdd-og fatlv avrijg rqia^
xovranovv' TeT/og ^h vnsQav^OTtjxe T^g tdipQov x^fiari öwsj^o/uevov
%vSod^av v^Xtß xal nXarsT, olov f^rixe XQioTg xouaasffsia&^vai /urire
vTioQinro/LiivüJV ttSv d-EfXEXtwv avatQanrjvai. rovto to ;^0)(>^ov ima
fiiv iatt fiaXidTa ^nl fjiijxog ara^tcav, TtsvrrixoVTa Sh noötav in\
nXcctog. (Vielleicht nomittelbar aos Varro, mittelbar ans amtlicher
Qaelle, vgl. oben A. 4). Strabon 4, 3, 7 S. 234: jaifgov ßa^sTav
oQv^avtBg sig to ivSog i^i^avto rrjV yrjv xal l^huvav oaov f|a-
axdSiov ;^W/Ma knl t^ ivrog 6(pQii Trjg rdcpQov xal knißaXov isT^og xal
nvgyovg dnb t^? KoXXCvag jtvXrjg f^^/Qi Trjg ^EaxvXCvag, vno fjtäaep ^k
T^ /(üfittTi TQi'tT] iarl nvXri ofnawuog r^ OvifjLivdXi Xoipq) (unten 41)
Vgl. Cicero de rep. 2, 6: cuius {urbis) is est tractus ductusque cum
Romuli tum etiam reliquorum regum sapientia finiius ex omni parte
arduis praeruptisque m,ontibus, ut unus adiius qui esset tnier Esqui-
linum Quirinalemque montem maximx) agiere obiecto fössa cingeretur
vastissima. Varro bei Censorin 17, 8 (oben): murus ac turris quae
sunt inter portam Collinam, et Esquilinam. Sollte die turris hortorum
§ 3.] DIE SERVIANISCHE MAUER. 215
mehr in seiner ganzen Länge sturmfrei erhalten sein :
man hatte begonnen den Graben zu füllen, das breite Po-
merium zu bebauen, ja Wall und Mauer zu durjchbrechen,
um Gärten und Spaziergänge auf luftiger Höhe zu. schaffen ^^).
In der Epoche der Antonine lehnten sich zahlreiche Wohn-
und Badehäuser zu beiden Seiten an die Mauer an, allmäh-
lieb wurde der ganze mächtige Graben eingeebnet, die drei
Thore ganz oder theilweise beseitigt oder durch moderne
Bauten ersetzt, wie die Esquüina durch den Ehrenbogen des
Gallienus. Bis ins 5. und 6. Jahrhundert folgten zahlreiche Ver-
änderungen : neue Bauten ersetzten ganz oder theilweise die
alten, christliche Kapellen scheinen sich in die früh-kaiserlichen
Privathäuser eingenistet zu haben, bis endlich die Jahrhunderte
der Zerstörung eine Einöde schufen, die zu Schuttablagerungen,
endlich zu neuen PQanzungen und Gartenanlagen führten.
So entstand über den Besten der alten Wallmauer ein Erd-
Caesaris ad portam Collinam (Obseqa. prod. 71, die GarteD sonst un-
bekannt) ein Thnrm der Wallmauer sein? Diesen Wall verstärkte Tar-
qninins Snperbas. Dionys. 4, 54: trig TtoXstog tä nQog raßlovg q>iqoih-
ra Tov nsQißokov äiä noXvxstg^cts l|(u;|fi;^o£fro tdq>QQv OQv^afjLivog ev"
QvriQuv x«l riixog dviyeCqag vijjTjkoteQov xal nvQyoig dialaßdtv to
Xoagiov nvxvoiiQoig. Daher Plinins 3, 67 : clauditur ab Oriente aggere
Tärquinü Superbi inter prima opere miräbili. namque eum rrmris aequa-
vit qtia tnäxime patehat aditu piano. Hierher gehb'rt auch die Definition
des Varro 1. L 5, 141 : quod exaggeräbünt aggeres dieti et qui aggerem
Qordinepei moerus. Früher hat man fälsohlioh einea agger Servil von
einem a. TarqnmU unterschieden, worüber schon Fabretti De aquis 3, 5
richtig urtheilt, neuerdings sogar die Zuthaten des Tarquioius wieder
erkennen wollen (A. 33). Der gewöhnliche Name ist agger (s. die f. A.).
37) Ueber die ersten Gartenanlagen des Maecenas und die allmäh-
liche Verwandelung des Gebiets süb aggere s. Th. II. Die Ausdrücke
des Horaz 3-1, S, 13: aggere in aprico spatiari und Juvenal 8, 43:
venioso suh aggere konnte bis vor kurzem jeder an Ort und Stelle
verificiren , letzterer wird besonders erläutert durch die Thatsache,
dass der Monte di Giustizia der höchste Punkt Roms und der fri-
schen Tramontane ausgesetzt war (vgl. § 1 S. 135). Nach der Nähe des
agger bezeichnet man die Wohnung : super aggerem Lampr. Heliog. 29, po-
marius de aggere Grut 651, 11. Ueber den campus VimvnaHs tub
aggere der Notitia R. V. (überliefert mhager) Bd. 2, 129 f. Th. IL
216 THEIL I.
und Schutt wall, welcher durch seine Gestalt die Kunde des
Werks fortpflanzte. Sein höchster Punkt trug eine Roma;
es war der nun verschwundene Monte della Giustizia. Die
Eisenhahnbauten im J. 1861 durchschnitten diese Strasse an
einer Stelle, die grossen Neubauten seit 1871 führten dazu,
nach Abtragung der Hölle in der ganzen Ausdehnung alles
was noch gerettet war wieder ans Licht zu bringen, leider
das meiste, um es bald für immer zu zerstören (s. die AA.
28 fl^.). — Diese Entdeckungen lassen die Beschreibung des
Dionys in allen Theilen genau erscheinen, lehren aber sehr
viel mehr als dieser giebt. Die Linie des Walls nähert sich
in ihrem Lauf der Gestalt einer flachen gegen Osten aus-
biegenden Curve, welche kurz, ehe sie ihren südlichen End-
punkt erreicht, durch einen einspringenden stumpfen Winkel
unterbrochen wird^^). Die Länge beträgt wenig über 1300 M.
= beinahe 7\^ Stadien, d. h. wenig mehr als Dionys angiebt.
Strabons 6 Stadien = 1109,4 M. beruhen auf einer Schätzung
der kürzesten Entfernung beider Endpunkte ^^). Die Reste
lassen sich mit ganz geringen Unterbrechungen auf der ganzen
Linie verfolgen. Ich beschreibe in der Richtung von ISordea
nach Süden: auf die Zeit und Art der Erbauung komme
ich § 4 zurück (vgl. die beigegebenen Tafeln L R).
Im Jahre 1872 hatten die Vorbereitungen zum Bau des
Finanzpalastes etwa 30 M. südlich von der Via Venti Settembre
und auf der Fortsetzung der Linie, welche wir nördlich von
dieser Strasse verlassen haben, eine Schicht von 3 Lagen
'^) Die ersten geoaueo ZeicbDuogen gab Lanciaoi Bull. man. 1,
T. 1, 2. T. V. VI. Die Hauptstücke auch auf der Pianta di Roma
von Mar^ (R. 1876).
^) Gemessen (unter Vergleichung des Censusplans) an den A. 28
genannten Plänen: dass eine Messung an den älteren Plänen erheb-
lich weniger ergeben musste (3900 F. bei Nolli) liegt an der Ober-
flächlichkeit der Zeichnung. Schon JVibby aber (Mura 109) behauptet
durch Abschreiten längs der damals sichtbaren Erhöhung vom Gallienns-
bogen bis nachVigna Barberini dasMaass von 7 Stadien gebau verificirt zu
haben. — Weshalb Lanciani Bull. mun. 4, 155 an Strabos 6 Stadien fest-
hält und ebenda S. 129 richtiger 8 Stadien rechnet, weiss ich nicht.
§ 3.] DIE SERVI ANiSCH£ MAUER. 2 1 7
Quadern zu Tagen gefördert. Es hat sich später gezeigt,
dass dies die nördliche Flankenmauer der porta Collina
war, die südliche, nebst Resten eines viereckigen Thurms (?)
und der Fortsetzung der Mauer nach Süden, fand sich später.
Auch die Spuren des Grabens hat man geglaubt in einem
18 M. breiten und 15 M. tiefen ausserhalb längs der Mauer-
reste laufenden Streifen des Terrains zu erkennen, welches
nur aus Schuttmasse verschiedener Zeiten bestand. Es fanden sich
Reste des Pflasters der durch das Thor führenden und einer pa-
rallel mit der Mauer innerhalb laufenden Strasse, zahlreiche
Ziegelbauten an sie angelehnt Von alle dem ist jetzt nichts
mehr zu sehen (o^)^^). Von dem Hof des Finanzpalastes
an aber Hessen sich bis zur Ostecke der Diocletiansthermen
(Hai-Juni 1876) die Reste der Mauer ununterbrochen, wenn
auch in völlig zerrüttetem Zustand, verfolgen. Und zwar
zeigte sich eine Aussenmauer von grossen Tufblöcken, der
gewöhnlichen Grösse und Konstruktion, und in einer Ent-
fernung von 36 Schritt (nach Lancianis Plan 25 M.) inner-
halb eine zweite ihr parallele aus kleineren regelmässig ge-
schichteten Rlöcken von Capellacio, aber durch quergelegte
Blöcke von dem Material und der Grösse der vorderen Mauer
in bestimmten Distanzen unterbrochen, und zwar waren beide
^^) o ^ Canevari, Notizie suUe fondazioai dell' edificio pel mioistero
delle Finanze in Roma, in deo Atti della r. academia dei Lincei Ser.
2 Vol. II 1874. 75 S. 417 ff. mit 4 Tafelo, von d^nen die 4. deo Grand-
riss der gefundenen antiken Reste (ohne Maassstab und Orientirung)
giebt. Danach jetzt Bull. mun. 4 T. XIX S. 165 ff. — Leider enthalten
diehs. Rapporti della Sopraintendenza Jan. — Juli 1873 nicht genaueres
als der gedruckte Bericht: Sülle scoperte archeologiche u. s. w. 1873
S. 32ff. , aus dem ich heraushebe: östlich vom Thor ein Stück der
Mauer 1. 16, 45, weiterhin ein zweites, ein drittes westlich: 'la con-
servazione era assai migliore sul lato esterno dell' aggere dove ancora
si pote distinguere l'originaria costruzione e disposizione dei blocchi
non che constatare la presenza degli addentellati e torrioni (?) che
sorgevano ad una distaoza costante di m. 5, 90 fra loro' (hierüber und
über das Thor s. § 4). Die Uinea interna' war vollkommen zerstört:
von den Resten einer inneren Parallelmauer wie bei o ^ spricht nur
Lanc. Bull. 4, 38 ('se la memoria non m'iaganna').
218 THEIL 1.
besonders gut erhalten unmittelbar an dem zuletzt bezeich-
neten Punkte (o^)^^). Von der vorderen Mauer war hier
ein Stück von 5 Lagen, von der hintern eins von
etwa 8 Lagen erhalten; die Blöcke der ersteren trugen
Steinmetzzeichen (§ 4). — Längs der Ostseite des Gentral-
bahnhofs war man damals mit dem Abtragen des Monte della
Giustizia beschäftigt: Backsteinbauten der Kaiserzeit und eine
Kapelle des 15. Jahrhunderts ragten aus demselben hervor.
Inzwischen hat man hier ein grosses Stück von 12 Lagen
Quadern gefunden, die unterste ruht auf dem TufTelsen, an-
gebaut war ein spätrömisches Privathaus (o *)**). — An der
Südostecke des Centralbahnhofs wurde im J. 1861 der Wall,
wie gesagt, behufs Legung der Bahn schräg durchschnitten.
Hier stiess man im März 1862 beim Durchstich des Walls
auf ein 25 M. langes Stück der äusseren Wallmauer. Die-
selbe ruhte auf einem, von der Sohle des Grabens bis zum
Rande desselben, 3,20 hohen und 3,63 breiten Fundament
von Tufblöcken, auf diesem stand die Mauer 3,32 breit be-
stehend aus 4 Lagen Peperin- und 8 Lagen Tufblöcken,
>^) o * Plao und Beschreibung (uavolUtäadig) des Stücks an der
Ecke der Diocletiansthermen bei Laoc. Ball. mun. 4, 24 ff. T. III. In
einem ^Thurm' (? Nische?) der inneren Maaer fand sich umgestürzt die
a. 0. abgebildete Ära mit der Inschrift Fermino \ A. Postumnts A, f.
A. n. Albt(nus) \ duovir lege Plaetoria (Ende 7. Jahrh.). Meine Be-
schreibung nach Skizzen vom Mai 1876. — Nach Lancianis Plan (Bull.
1 T. I) und einer Notiz (das. S. 234; wohl auch 4, 37) mnss neben
diesem Stuck ein zweites etwa gleich grosses gestanden haben, das 1S76
bereits zerstört war.
>*) o ^ Briefliche Mittheilung desP. Bruzza vom 2. Aug. 1876: 'soUo
il moDte della Giustizia si e trovato un magoifico tratto di aggere che
conserva ancora dodici ordini di massi. essendosi scavato al piede del
muro , cominciando dal punto dove il primo ordine di massi poggiava
suUa terra vergine, si trovö una stanza dipinta di eta imperiale ch'era
stata fabricata nel ibsso ch'era innanzi al muro'. Dies scheint dasselbe
Stück zu sein, welches in dem inir erst nach Abschlass des Manuskripts
zugegangenen 4. Heft des Bull. mun. (Okt. — Dec.) 1876, S. 171 be-
schrieben und auf dem Plan T. XVIll c^' verzeichnet ist. Nach diesem
maass es in der Länge ungefähr 12 M. und hatte an der Innenseite einen
halbkreisförmigen thurmartigen Ausbau, ähnlich wie das Stück o ^
§ 3.] DIE SERVIANISGHE MAUER. 219
erstere 0,75 hoch, letztere 0,59. Die Peperinhlöcke waren
durch eiserne Krampen verklammert. Die Höhe des erhaltenen
Stücks war gegen 8 M. Die Schichtung war die des Läufer-
und Bindersystems. In Abständen von durchschnittlich 5^ M.
war die Mauer nach aussen durch Pfeiler von durchschnitt-
lich 2 Q.-M. Stärke und derselben Konstruktion wie die
Mauer verstärkt. Ein kleines Stuck dieser Mauer war 1876
noch erhalten. An die Mauer lehnte sich der Wall. Der erste
Durchstich schien zu ergeben, dass über einer Schicht gelblicher
Erde eine graubläuliche lagerte und man hat in letzterer die Ver-
stärkung des Walls durch den Tarquinus erkennen wollen. Ge-
nauere Untersuchungen haben erwiesen, dass der aus dem Gra-
ben ausgehobene und zur Aufschüttung des Walls verwendete
Boden deutlich die Schichten desselben in umgekehrter Ord-
nung, wie sie gelegen hatten, unterscheiden Hess: zu Un-
terst lag eine Schicht * terra vegetale', es folgte Granulartuf
(sabbia tufacea), zuoberst lag die in dieser Gegend 8 M. tief
liegende schwärzliche Puzzolane. Man berechnete aus der
Böhe und Breite des Walls 6,40 X 21,00 (oben 13,00), dass
der Graben eine Breite von über 32 M., eine Tiefe von
3,20 M. gehabt haben müsse. Von Thürmen hat sich keine
Spur gefunden. Dagegen haben die damaligen und die wei-
teren Ausgrabungen 1868 — 1871 ergeben, dass an die Innen-
seite des Walls sich Gebäude seit der Zeit der Antonine an-
gelehnt hatten (ein solches mit schönen Malereien hatte sich
fast vollständig erhalten) und dass ausserhalb des Walls in
einem Abstand von 48,50 eine 4,80 breite Pflasterstrasse
demselben parallel lief. Es ist hervorzuheben, dass an dieseih
Stück sich keine Steinmetzzeichen gefunden haben (o*)'^^).
^) o ^ Bericht, Pläne nnd Aufrisse von Bergaa und Pinder, Ann.
deir i. 1862, 126 ff. t. d'ag§^. IK. Nachträge und Berichtigungen von
Lanc. Ann. S. 59 ff. , vgl. dens. Bull. Man. 2, 199 ff., dem ich fast
durchweg gefolgt bin. — Die Hypothese über die Verstärkung des
Walls durch Tarqninius steht bei Bergau und Pinder S. 135, dieselben
halten die beschriebenen Pfeiler für die von Tarquinius gebauten Thürme
und noch einmal Bergau Philol. a. 0. 649. Diese unmögliche Annahme wies
Lanciani Ann. S. 61 BuU. S. 200 zurück. Neuestens (BuH. mun. 4, 130)
220 THEIL I.
Aehnliche Stücke des Walls sind dann seit der Anlage
der neuen Strassen auf dem Esquilln von dem erwähnten
Punkt bis zum Gallienusbogen mehrfach zum Vorschein ge-
kommen und bald dem Erdboden gleich gemacht worden.
Aber nirgend hat man bis jetzt die Verstärkung der Mauer
durch Pfeiler und — wenigstens nicht meines V^issens —
die Verwendung von Eisenklammern wieder beobachtet^*). —
Ein weiteres sehr bedeutendes Stück der äusseren Mauer auf
Piazza Fanti beGndet sich an dem Punkt, wo dieselbe zur
Bildung des einspringenden Winkels in südwestlicher Rich-
tung einbiegt. Dadurch entsteht ein nach Osten aussprin-
gender stumpfer Winkel von fast 155^. Von den die beiden
Schenkel desselben bildenden Mauern waren ursprünglich
noch Stücke von je etwa 20 M. Länge erhalten, im Scheitel-
punkt des Winkels (oder vielmehr wo der nördliche Schenkel
endet) ist nach innen ein thurmartiger halbkreisförmiger Bau
von 8,20 Durchmesser derselben Konstruktion augebaut, wie
es scheint, um von Innen den ausspringenden Winkel gegen
feindliche Minirarheit zu schützen (vgl. A. 32 z. E. und § 4).
Das ganze merkwürdige Stück, an welches sich von aussen
wiederum Backsteinbauten anlehnen, ist mit Steinmetzzeichen
bedeckt (o^)^*). — Es folgten nun noch zwei grössere Stucke,
welche den Schenkeln des einspringenden Winkels angehör-
ten: sie sind bis auf weniges verschwunden (o®)®^). End-
lich bezeichnet der Ehrenbogen des Gallienus die Stelle der
alten porta Esquilina: die durch sie führende Strasse so wie
scheint auch er in denselben Fehler za verfallen. S. § 4. — lieber das
Gebäude mit Wandgemälden ausführlich Bergan und Finder Ann. 1863,
256 ff., Köhler das. 450 f. und genauer Visconti im Bull. mun. 3, 226 ff.
T. XXII. XXIII. Ueber die Strasse ausserhalb 'des Walls besonders
Lanciani Bull. mun. 1, 244. Vgl. § 4.
^) Lanciani Bull. 2, 200, woselbst zwei Durchschnitte abgebil-
det sind.
>^) o ^ Lanciani Bull. 2, 201 f. Die mir von Hans Droysen Hermes
10, 461 f. darüber gemachten Mittheiluogen beziehen sich wesentlich
auf die Steinmetzzeichen (§ 4), ergänzen aber jene: Dicke der Mauer
4 M., Blöcke 1, 10 — 1, 48 X 0, 53—0, 56.
^) o 6 Ich habe mir darüber leider nichts genauerea notirt
§ 3.] DIE SERVIANISCHE MAUER. '' 221
Tor dem Thor Grabdenkmäler des 7. Jahrhunderts zu beiden
Seiten derselben sind gefunden worden'^).
Bestimmt sind bereits die beiden nach den ausdrück-
lichen Zeugnissen der Alten den Wall begrenzenden Thore,
die Collina und die Esquilina. Als strategische Grenzpunkte
des Walls werden sie auch in der Geschichte der Erstürmung
Roms im J. 666 genannt ^^). Es ist begreiflich, dass neben dem
gewiss ursprünglichen Namen Collina auch Quirinalis vor-
kommt, schwerlich aber ist der ebenfalls damit identische
Name Agonemis jemals in der Volkssprache üblich gewesen
(oben § 2 A. 45). Zur Bestätigung des über die Lage der
ColUna gesagten dient es, dass die Axe der durch das Thor
führenden Pflasterstrasse in ihrer Verlängerung genau die
Mitte der später geschlossenen porta Nomentana der aurelia-
nischen Mauer trifft und dass auch in der Mitte zwischen
beiden Thoren in der Via Castelfidardo auf derselben Linie,
80 M. südlich der Axe der Strasse Venti Settembre die
Reste derselben Strasse, der via Nomentana gefunden worden
sind. Aus demselben Thor aber lief eine zweite Strasse nach
Norden die via Salaria, in der Richtung der Via del Macao
längs deren Ostseite vier Gräber gefunden worden sind: das
eine derselben, das Grab eines Jünglings, steht bereits ausser-
halb der porta Salaria, welche in der aurelianischen Mauer
der Collina an dieser Seite entsprach ^^). Endlich stimmt es zu
>^) Lage am genauesten mit den letzten Entdeckungen: Lanciani
Bull. mun. 3, 191 ff. T. XX.
•«) Bei App. Civ. 1, 58, wo Sulla rag AlaytvKvug nvXag (so ist
offenbar für rag KoiXCag zu schreiben) und Pompejus rägKoXXCvag forcirt.
Vgl. Florus 2, 9, 6.
8») Strabo 5, 3, 1 S. 228 :- ij ^aXa^ia 666g . . dg ijv xal ri Nay
fievravrj avfintnTH ano x^ff avti\g nvXrjg äq^ofAivri tr^g KolXivr\g,
lieber die Reste beider Strassen kurz Lanciani Ann. S. 63 Bull. mun.
1, 253, 4, 166; über die innerhalb des Thors (beim ministero delle fi-
Danze) gefundene , einen Neubau v. J. 639 betreffende Inschrift Eph.
epigr. 2, 199 ff.; über die Gräber C. L. Visconti, U sepolcro di Q. Sul-
picio Massimo, R. 1871. Ueber den vicus poriae CoUinae vgl. § 4.
Tempel des Honos.: Gic. de legg. 2, 23, 58, die Inschrift (Henzen Bull.
222 THEIL I.
der Lage des Thors, dass in unmittelbarer Nähe desselben
vor kurzem eine alte Dedication an den Honos gefunden
worden ist, dessen Tempel extra portain Collinam von Cicero
erwähnt wird und dass Vespasian die Stellung der ^Vitellianer
in den sallustischen Gärten umgeht indem er das coUinische
Thor einnimmt. Ein vicus portae Collinae wird in der 3. Re-
gion genannt — Dass der Ehrenbogen des Gallienus die
Stelle der alten Esquilina einnimmt, ist jetzt ebenfalls ausser
Zweifel. Nach Strabos ausdrucklichem Zeugniss führten aus
dem esquilinischen Thor die via Praenestina und Labicana
heraus und auch die Tiburtina kann nur aus dieser, nicht
aus der porta Viminalis heraus gefuhrt haben. Die Art ihrer
Verzweigung und ihr Verhältniss zu den Thoren der aurelia-
nischen Mauer, der Praenestina -Labicana (p. Maggiore) und
Tiburtina (p. S. Lorenzo) hat aber Schwierigkeiten, welche
noch dadurch erhöht werden, dass die Anlage des Macellum
Litnae^ wie die neuesten Funde gezeigt haben, zur Verän-
derung des Strassenlaufs gefuhrt haben. Es muss diese Frage
im § 6 wieder aufgenommen werden*^). Die porta Viminalis
endlich, welche Strabo in 'die Mitte des Walls \ natürlich
ohne den Anspruch mathematischer Genauigkeit, versetzt,
wird sonst nur noch in Verbindung mit dem colUs Viminalis
und mit den drei Wasserleitungen Marcia Tepiüa lulia, welche
hier geendet haben sollen, genannt. Die Auffindung des Laufes
derselben in unmittelbarer Nähe des jetzigen Bahnhofs , sowie
der Reste einer Strasse, welche in gerader Richtung von
der Porta chiusa der aurelianischen Mauer auf dem Monte
della Giustizia jenseits weiter auf die Nordecke des Bahn-
hofs und längs der offenbar n^cb ihr orientirten dreieckigen
(jetzt zerstörten) Piscina der Diocletiansthermen weiterlief.
d. i. 1873, 89 ff.) 35 M. vom Wall in via del Macao gefunden. Kampf
des Vespasian: Tacitns Bist. 3, 82, erläntert Bd. 2, 123 f.
*^) Strabo 5, 3, 9, S. 237: rj Aaßixavri aQ^of^ivri filv ano Trjg
^HaxvXivrjg nvXrjg a(p* ris xal r Ilqaivsaxlvri u. s, w., s. Lanciani
BaU. mun. 2, 43 ff. 3, 305, wodurch seine frühere Besprechung Ann. S.
66 ff. antiquirt ist.
I
§ 3.] DIE SERVIANISCHE MAUER. 223
Hessen das Thor mit Sicherheit nördlich vom Monte di
Giustizia, gegenüber dem östlichen Hauptportal des jetzigen
Bahnhofs yermuthen. Die jüngsten Zerstörungsarbeiten schei-
nen dies bestätigt zu h^ben. Auch stimmt dazu die muth-
maassliche Lage der 3. Cohorte der Vigiles (§ 5 A, 11) und
die Nähe des über der aus dem Thor hinausführenden Strasse
errichteten ßogens des Gordianus. Die weitere Frage, wie
die beschriebene Strasse hiess, ist § 6 zu erörtern. Vor
dem Thor ist der campus Viminalis sub aggere zu suchen,
welchen nur die JNotitia R. V. nennt, innerhalb der vicus
Chilis Viminalis '^^y Ueber die grosse Nekropole s. Th. IL
Von dem esquilinischen Thor herüber nach dem Caelius
ist der Lauf der Mauer unsicher. Dass zunächst die ganze
Ebene östlich der Via Merulana und die Höhe des Lateran
ausgeschlossen blieb, bedarf heut keines Beweises mehr^^). Die
Hauer musste auch hier an dem Hügelrande des Esquilin
laufen. Indessen ist das auch jetzt noch nicht genügend
untersuchte Terrain in seiner ursprünglichen Gestalt kaum
erkennbar. Den nächsten Rest der Mauer glaubte man vor
«) Strabo 4, 3, 7, S. 234 (s. A. 26): vno fJiiatp j(p ;fai^«Tt
t^Cti] iail nvXri ofxwwfxog rtß Oinfiivdlt X6<pfp. Festns sagt nar,
dass bei der porta Fiminalis die ara lovü Fiminei (37(>) and extra
portarn V. ein sacellum Naeniae i^estanden habe ( 163 ) , Frontin de
aq. 1, 19, die drei vereinigten Leitungen Julia Tepula Marcia ad
yimindleTn usque portam deveniunt Die Lage des Thors bestimmten
I nach der Richtung der Strasse vermuthungsweise schon Becker S.
! 173 Lanciani Ann. S. 64, vgl. Rosa ßuU. d'. inst. 1862, 132. Ent-
deckung des Laufs der Wasserleitungen und ihres Terminalcippen
1869. 1874. 1876: Visconti BulL d. inst. 1869, 212 ff. Lanciani ßulL
man. 2, 204 ff.: der SteUe des Thors: 4, 168 ff., T. XVIIL Ueber die
Wasserleitungen s. § 7, über den Bogen des Gordian Bull. mun.
1, 103. 234, über die Reste der Strasse innerhalb des Thors das.
1 f 232. Die Inschrift mit dem JNamen des vicus collis FiminaUs
pabl. Bull. mun. 1, 154 ist nach Lanciani das. 2, 199 in den Trüm-
mern eines alten Gebäudes Ecke via principessa Margherita und via
Gioberti, wie es scheint nicht am alten Fleck gefunden worden.
^') Schon Piale (A. 9) hat dies richtig erkannt. Die Entdeckungen
der Gräberstadt und der Gärten Östlich der via Merulana beweisen
es jetzt unwiderleglich.
224 THEIL I.
wenigen Jahren an der Via Merulana 45 M. südlich der Ein-
munderung der Via di Sette sale zu finden: dies muss in-
dessen ein Irrthum sein, denn unzweifelhaft gehört der ser-
vianischen Mauer (p) ein im J. 1874 gefundenes Stuck,
welches etwa 150 M. südöstlich von jenem und ebenso weit
südlich vom Gallienusbogen liegt. Dieses Stück, bestehend
aus 5 vollständig erhaltenen Schichten gelblicher TuiTblöcke»
welche mit Steinmetzzeichen genau derselben Art wie die
Mauern des Walls bedeckt sind, ist unter einem Winkel von
etwa 68® durchschnitten durch das unter dem Namen
'Auditorium des Haecenas' berühmt gewordene Gebäude, unci
zwar derart, dass dieses zu zwei Dritteln innerhalb zu
einem Drittel ausserhalb zu stehen kam^^). Die Richtung dieses
Stücks weicht nun freilich auch von der fast genau von Sü-
den nach Norden laufenden Linie der kürzesten Entfernung
jenes Gebäudes und des Gallienusbogen um etwa 20® östlich
ab, so dass man sich zwischen beiden Punkten die Mauer in
einer nach Osten gewendeten flachen Curve oder einem aus-
springenden Winkel denken muss. Allein da diese Annahme
mit der strategischen Anlage der porta Esquüina in bester
Uebereinstimmung (§ 4), das beschriebene Stück sicher ser-
^') p Jenes Stück (von mir nicht gesehen) an der Via Mernlana
'costruzione di opera qaadrata di tufa nascosta dal muro di recinto
deir örto attigao, la quäle presenta tatti i contrasegni comoni agli
altri resti delle mura primitive' Lanc. Ann. S. 71, Abbildung T. n.
7. Nach der Rekapitulation seiner früheren Untersuchung Bull. mun.
4, 29 zu schliessen, scheint er jetzt selbst das Stück aufgegeben zu
haben : er erwähnt es nicht, rechnet dagegen hier ein Stück Quader-
mauer ' nella vigna che forma angolo tra le yie Labicana e Meru-
lana' zur Mauer, welches er Ann. S. 71 als aus 'ein oder zwei
Steinen', bestehend , wie mir scheint mit Recht ans dem Spiel ge-
lassen hatte. — Das Stück beim Auditorium : ungenügend beschrieben
und abgebildet bei Vespigniani Bull. mun. 2, 141 T. XI. XII. XIII.
Dass auf der Abbildung T. XII. XIII. Steinmetzzeichen zu sehen seien,
hatte ich zuerst bemerkt und sie dann nach Dr. De Boors Mitthei-
lung publicirt Hermes 10, 126. Die Maasse und Schichtung der Blöcke
sind die gewöhnlichen, an einer Stelle (der äussersten südlich) sieht
man die Mauer auf dem Tuf des Hügels aufliegen.
§ 3J DIE SERVIANISCHE MAUER. 225
Tianisch ist, so wird jenes Stück in Via Menilana nicht zur
Stadtmauer gehören. — £benso wenig gehören dazu die grossen
Quadermauern, auf denen die Unterkirche von S. demente
ruht**) und man fmdet eine sichere Spur der Mauer über-
haupt erst wieder auf der Höhe der Kirche SS. Quattro
coronati, in deren Unterbau längs der gleichnamigen Strasse
man bis vpr kurzem einige offenbar derelben gehörige Blöcke,
freilich wohl nicht mehr am alten Platz sah (q)**). — Von
hier bis zu der Mauer bei porta Capena ist bis jetzt kein
Stück der Befestigung zum Vorschein gekommen. Indessen
ruhen wahrscheinlich die alten Ziegelkonstruktionen längs der
Villa Mattei auf den Resten der Mauer und es kann auch
^egen der Regioneneintheilung nicht gezweifelt werden, dass
die Mauer sich am Rande des Hügels hielt. Zwischen SS.
Quattro Coronati und der Villa Mattei ist die Linie unsicher **').
Das Hauptthor am Caelius war die porta Caelimontana,
ja, wie der Name anzudeuten scheint, das einzige. Auf die
Nähe des Caelius einerseits, des Esquilin andrerseits weisen
die Notizen über eine porta Querquetulana^"^). Grosse Strassen
**) Richtig De Rossi BüU. crist. 1870, 151 Lanciani Ann. S. 72:
Dicht Läufer- und Bindersystem , unzweifelhaft spätrepublikanischen
Ursprungs. Vgl. Th. II.
*^) Q Die 'wenigen Steine' in der Vigne gegenüber St. Pietro
c Mareellino (s. A. 43) — von mir nicht gesehen — beweisen nichts.
— Unter SS. Quattro schienen mir 1872 verbaut zu sein (sehr zer-
stört) : untere Lage ein langer Block 0,70, obere ein Binder 0,50 breit,
Hohe ungefähr 0,60. 1876 nicht mehr zu finden. Lanciani Ann. S.
73 T. n. 9.
^) Trotz oft wiederholten Suchens in den Vignen zwischen S. Stefano
und S. Gregorio ist es Bergau (Philol. 25, 646 ff.) , Lanciani (Ann. S.
75) und mir nicht gelungen einen Stein der Mauer zu entdecken.
Indessen ist die Schuttanhäufung unter den antiken Ziegelsubstruk-
tionen von Villa Mattei auf denen das kultivirte Gartenland liegt
sicher gross und die Mauerreste können sich erst in erheblicher Tiefe
finden.
*'') Als benachbart der EsquUina erscheint das Thor bei Cicero
in Pis. 23, 55: cum eg^o CaeUmontana introüsse (Pisonem) dixissem,
spofuione me ni Esqidlina introüset homo promptus laeessmt u. s. w.
Jordan, rOmiaehe Topographie. Li. 15
226 THßlL I.
führten in alter Zeit nicht nach Süden: wir kennen keine
solche ^wischen der Labicana und der Latina. Jedoch be-
weisen ein von Severus und Caracalla wiederhergestellter Bogen
bei dem Hospital des Laterans, im 12. Jahrhundert arcus Basilis
genannt, und Gräberfunde in derselben Gegend (campus Cae-
lemmtanus?), dass hier vom Colosseum kommend eine Strasse
hinausführte^^). Ihr muss in der aurelianischen Mauer die
porta Asinaria entsprochen haben. War dies, wie es in der
That den Anschein hat, der Hauptaufgang (ursprünglich der
einzige) am Caelius, so ist die porta Caelimantima in der
Senkung unterhalb St. Quattro coronati zu suchen und es
würde innerhalb des Thors der vicus capitis Äfricae ent-
(s. porta trvumphalis); 25, 61 (Piso wird redend eing^eführt): sie redü
{ex Macedoniä) ut ad portam Esquilinam Maoedonicam lauream cor-
culcarim, ipse cum kominibus quindecim. male vestitis ad portam Cae-
limontanam, ntiens pervenerim. Erwähnt wird sie von Liv. 35, 9, 3
{fulmine icta) und gemeint ist sie vielleicht von dems. 2, 11 {CaM>
monte cohortes edttcit), aus welcher Stelle nur hervorgeht, dass sie
zwischen der Naevia am Aventin und der CoUina lag. — Festns S.
261: Querquetulanae virae putantur si^ificari nymphae praesidentes
querqueto virescentij quod genus indicant ßdsse intra portam. quae ab
eo dicta sit Querquetularia. Plin. 16, 37: {vrbs) sUvarum dUtinguebatur
insignibuSf fagutali love ettamnunc tibi Uicus fageus, porta Querque-
tulana. Der Caelius soll ursprünglich mons Querquetulanus geheissen
haben (Tac. Ann. 4, 65). — Varro 5, 49 rechnet den lucus fagutaUs
zu den loca viciniae des Esquilin (Bd. 2, 601); genau aber lässt er
sich nicht bestimmen (bei S. Pietro in vinco]i? Bd. 2, 253 f.)
^) Auf den arcus Basilis oder lokannis Basilii (zuerst erwähnt
in einer Bulle Innocenz III v. 1211, noch gesehen von Signoriü
'ante hospitale s. Angeli prope Lateranum , iuxta formas antiquas'),
welcher ein Strassenbogen der arcus Caelemjontani war, haben zuerst
De Rossi Le prime racc. S. 28 ff. Gorvisieri Buonarotti 1S70, 178 f.
aufmerksam gemacht. Vgl. Lanc. Ann. S. 74. Im Mittelalter führte diese
Strasse, genannt via maior (in der Prozessionsordnuog Benedicts S.
143, d. h. die grosse Strasse, wie pons m, Bd. 2, 331, palatium
und templum maius das. 448, porta maior) oder sancta (De Rossi
a. 0. S. 30) oder Laleranensis bei S. demente und an der Ostseite
des Colosseums vorüber, und ist vielleicht die Fortsetzung der alten
via saera (Bd. 2, 448 f. und Th. II). lieber die Gräber vgl. Lan-
ciani Ann. 73.
§ 3.] DIE SERVIANISCHE MAUER. 227
sprechen haben, die Qtierquetulana aber müsste weiter öst-
lich gelegen haben. Indessen muss bemerkt werden, dass
ein zweiter alter Weg auf und über den CaeUus durch den
divus Scauri, den Bogen des Dolabella, die Tiefe zwischen
S. Stefano rotondo und S. M. in Navicella und die perta
Metrovia der aurelianischen Mauer bezeichnet wird. Es bleibt
dahingestellt, ob hier ein drittes Thor oder gar die Caeli-
montana zu suchen ist'^^).
Die Tiefe zwischen dem Caelius und S. Balbina, wo wir
die Mauer wiederfinden, musste befestigt sein und hier lag
die porta Capena, aus welcher die 'Königin der Strassen' die
via Äppia hinausführte. Die Zeugnisse der alten Schriftsteller
weisen ihr unzweideutig ihren Platz am Abhang des Caelius,
ein mittelalterliches vor dem Septizonium an^^). Der seit
^) Laue. Ana. S. 73 f. meint die lieutige V. Labicaoa mög« eiJier
alten zu diesem Thor führenden Strasse entsprechen.
»>) Richtig bemerkt von Nibby Mara S. ]78 f., dann von Fiale Porte
merid. S. 11; zuletzt Lanc. Ann. S. 76 der auf Vacca mem. 119 aofmerk-
sam macht. Vgl. Bull. mun. 4, 170. Den Namen der porta Ferentma,
entstanden aus der falschen Lesart inl rrjs 'Pe^evtivrjg nvXtis (1. vXtji)
bei Plut Rom. 24, hat Becker S. 177 beseitigt.
<^*) Den Namen (s. § 4) leitet Servius zu Aen. 7, 697 von der vejen>
tischen Golonie Capena ab : ttnde et porta Capena quae iuxta Camena^ est
nomen aceepit. Es ist der lucus Camenarum der 1. Region, welche
von dem Thor ihren Namen hat und ausserhalb der Mauer lag (danach
auch der vicus Camenarum Bd. 2, 114 u. Th. II). Genauer Frontin de
aq. 1, 19: Marcia atUem partim mi post hortos Paüantianos in rioum
qiä vocatur Hercfulaneus deicä. ii per Cadium ductus ipsius montis
usibus nihil ut inferior subministrans firätur supra portam Cape-
nam, und e. 5 (vgl. 22) von der a. Appia; ihre Leitung laufe proasime
(?) portam Capenam. Von der Leitung der Marcia also sagt Martial
3, 47: Capena grandi qua plmt gutta , Juvenal 3, 11: svbtUtit ad
veteres areus madidamque Capenam , wozu die Scholien : qua supra
eam arcus est quem, nunc appettant still antem. Vgl. A. 58. Der
Name desselben Thors findet sich in den Märtyrerlegenden und daraus
in den Mirabilien c. 10 m. Ausg. (s. Bd. 2, 380. 617 f.): inius portam
{Appiam oder S. Sebastiano) areus siillae (= arcus stiUans) ante sep-
temsoUum (Septizonium; schlechte Hss. stdlae, stellans), der Katalog
der Bauten Domitians (Bd. 2 , 32 n. 5) lasst ihn portam Capenam neu-
15*
228 THEIL I.
den Anfängen der Topographie über die genauere Bestim-
mung des Orts geführte Streit wäre nun geschlichtet, wäre
es richtig, dass die Ausgrabungen der Jahre 1867 und 1871
Reste des Thors selbst zu Tage gefördert haben. Dies ist
freilich ein Irrthum, indessen ist die Lösung der Frage durch
dieselben erleichtert worden. Sie haben nehmlich die Reste
der Stadtmauer zwischen beiden Hügeln, auf einer die heutige
Via dl porta S. Sebastiano rechtwinklig schneidende, vom
Abhang des Caelius in der Yigna von S. Gregorio bis jenseits
der Strasse gegen den Aventin hinreichenden graden Linie
leider nur Torübergehend blosgelegt. Der Schnittpunkt der
Mauer und der Strasse liegt auf dieser gemessen 1470 M.
von der porta S. Sebastiano entfernt (r)'^^). Angenommen
baneD. Dass das Thor hoch lag, folgt mit grosser Wahrscheialichkeit
ans Ovid F. 6, 19: (Marti) quam prospieit ipsa adpositum tectae porta
Capena viae, lieber diese auch im Einsiedler Itioerar vorkommende
via tecia Bd. 2, 353.
BS) Verwechslung mit der porta Appiai s. nnteo § 5. Seit Auf-
findung des Meilensteins sind die Differenzen nicht mehr gross. Unten
A. 54.
^^) r Erste Ausgrabung im Sommer 1867, zweite 1S71. Verband-
lungen zwischen Rosa und Parker im Institut: Bull. 1868, 113. 1869,
67 ff. Bericht und Plan von Parker : Archeologia or misc. tracts vol. 42
(1869) T. ni (verkleinert Archeology of Rome, Snppl. to the first vol. 1876,
T. X. XI; auch vonMarre ia seinen Stadtplan 1876 eingetragen). Ausführ-
licher F. Gori imBnonarotti 1872, 80ffv woselbst S. 83 über die erneute
AusgrabuDg -von 1871 berichtet wird. — De Rossi und Lanciani Augen-
zeugen: Lanc. Ann. S. 79. — Die Reste bestanden aus Tufblöcken,
an 4 — 5 Stellen aufgedeckt (Maasse fehlen). Nach Lanciani bestand das
angebliche Thor der ersten Ausgrabung aus eioer 'interruzione delle
mura . . insieme ad alcuni poligoni di siliee', was doch etwas allgemein
klingt gegen die bestimmte Behauptung (Gori S. 82) die Strasse sei in
einer Breite von 3 M. (im Thor) gefunden worden. Aber freilich thut
man gut Goris Zeugnisse bei Seite zu lassen. Dass die 'stipiti di traver-
tino' des Thors selbst 1871 gefunden seien, kann in dieser Allgemein-
heit auch nichts (a. 0.) beweisen noch weniger 'ein Ziegelstemper
aus Domitians Zeit, lieber die Wasserleitung unten. Die Zeichnung
bei Parker Arch. T. X ist ungenügend und wir müssen uns begnügen
die Linie der Mauer zu kennen bis nochmalige Nachgrabungen das
Richtige erweisen.
{ 3.J DIE SERVIANISCHE MAUER. 229
nun, dass diejenigen Trümmer auf dieser Linie , welche in
der Vigna östlich der Strasse gefunden wurden, wirklich
zu dem Thor gehörten, so wurde die Lage desselben um
ein geringes von der anderweitig zu ermittelnden Lage ab-
deichen. Da nehmlich der erste Meilenstein der Via Appia^
wie behauptet wird, an seinem ursprünglichen Standort in
Yigna Nari vor porta S. Sebastiano gefunden worden ist, so
müsste das Thor, von dem aus die Meilen zählten, genau
1 römische Heile von jenem Standort zu finden sein. Hierauf
fussend hat namentlich Canina berechnet, dass das Thor un-
gefähr in nächster Nähe der Einmündung der Via di S. Bai-
bina in die Via Appia über dieser gestanden habe*^^), d. h.
etwa 105 M. südhch der gefundenen Mauerlinie, eine Diffe-
renz, die auf die Länge von 1481,75 M. (so rechnet Ca-
nina die Meile) nicht so gross ist, dass sie nicht aus den
etwaigen Abweichungen der alten Via Appia von der heutigen
allenfalls erklärt werden könnte. Freilich ist nun die Voraus-
setzung Caninas, dass die alte und die heutige Appia sich
decken, wie namentlich Rosa gezeigt hat, falsch: die alte
lief bereits von den Scipionengräbern an östlich der heutigen
in grader Richtung auf die Höhe von S. Gregorio zu'^'^).
Wenn nun in Folge dessen das Thor nicht in die Tiefe,
sondern auf halbe Höhe des Caelius zu setzen ist^^), so än-
^) Von älteren kamen der riclitig^en Annahme sehr nahe Fabretti
de aqais 1^ 12 und Fiale Porte meridionali S. 13 ff. Genauer Canina
Via Appia S. 36 Annali 1853, 134f. und sonst. Der Abstand von Vigna
Nari von porta S. Sebastiano wird auf 114, 18 M. angegeben.
^) Rosa hat dies oft genug mündlich erläutert (ich habe es 1861
gehört), dann im fiull. 1868 a. 0. Daher Lanciani Ann. u* a. Haupt-
beweise: 1) in dem Garten von S. Sisto vecchio haben sich zu Ficoronis
Zeit und im Garten von Guidi, welcher anstösst, im J. 1855 4 M. tief
die Reste der alten Appia gefunden ; Gräber längs der Strasse sah Fi-
coroni; 2) unmittelbar unter dem Abhang des Caelius fand man 1851
Gräber längs der alten ^Strasse die in der Richtung auf S. Gregorio zu-
lief. Rosa war Augenzeuge.
^) Was es heissen soll, wenn Bergau das Thor selbst 'unterhalb
der Futtermaner von Vigna Mattei' gefunden haben wiU Philol. 25, 662
verstehe ich nicht. Ohne Graben war und ist dort nichts zu finden.
230 THEIL I.
dert, soviel ich sehen kann, dies garnichts an der Berechnung
der Entfernung. Lässt man das Thor auf der gefundenen
Linie stehen, so bilden die alte und die neue Via Appia die
Schenkel eines gleichschenkligen Dreiecks, dessen Spitze bei
den Scipioneogräbern liegt, dessen kleine Basis die Mauef
zwischen der Via Appia und dem Caelius ist. Wollte man
aber gar annehmen es habe nördlich der gefundenen Maaer-
linie unter S. Gregorio gestanden, die Mauer habe also vom
Thor aus zuerst rechts abbiegend südwärts ihren Lauf ge-
nommen, dann westlich gewendet und in grader Linie das
Thal überschritten, so würde die Differenz des Maasses noch
grösser werden. Da die Ausgrabungen wieder zugeschüttet
sind, so ist man darauf angewiesen einfach das, wenn auch
nicht sehr bestimmt lautende Urtheil der Sachkundigen, dass
das Thor selbst (s. A. 53) nicht gefunden worden sei, einstweilen
anzunehmen. Kann nach dem Gesagten es sich schwerlich um
eine grössere Differenz, als ein geringes mehr östlich oder
westlich auf der kurzen Mauerlinie zwischen Via S. Sebastiano
und dem CaeUus handeln und müssen wir danach jene
Differenz von 100 M. wohl oder übel irgendwie erklären, so
bleibt endlich noch eine Bemerkung zu machen : das Septi-
zonium, welches nach einem ausdrucklichen und werthyoUen
Zeugniss den auf der Via Appia hereinkommenden Lands-
leuten des Septimius Severus 'entgegentreten sollte' "^O» muss
demnach wohl mit seiner Hauptaxe zu der porta Capena in
Beziehung gesetzt worden sein. Ein ebenfalls nicht zu ver-
achtendes mittelalterliches Zeugniss setzt das Thor 'vor
das Septizonium' (oben A. 51) und errichtet man auf der
Mitte der Front des bekannten Grundrisses des Gebäudes ein Loth
gegen Süden, so trifft dies ebenfalls fast senkrecht auf die
gefundene Mauer an dem Abhang des Hügels da, wohin mit
Wahrscheinlichkeit der Lauf der Via Appia geführt werden
muss. — Hier also endete auch zu Frontins Zeiten über
dem Thore die aqua Marcia, später scheint sie längs und auf
der Mauer nach dem Aventin weiter geleitet zu sein. Die
^^) Spartianos Sev. 24: s. Forma nrbis S. 37 § 14.
§ 3.] DIE SERVIANISGHE MAUER. 231
aqua Appia dagegen lief sehr nahe dem Thor nach dem
Aventin herüber^®).
Wir finden die Mauer wieder am Abhang des sogenann-
ten Aventin zur rechten der Strasse nach S. Balbina unter
dem zu dieser Kirche gehörigen Garten. Ein grosses Stück,
11 Lagen hoch, dient hier als Futtermauer des steilen Berg-
abhangs (s). Auf der gegenüberliegenden Westseite jenes
Gartens ist im J. 1859 ein zweites Stück entdeckt, wie es
scheint aber wieder zerstört worden (t)'*'). In den Gärten
des Klosters S. Saba und den angrenzenden Vignen sind, sowohl
auf der Ostseite (s^), wie auf der Nordseite des Klosters (am
Abhang längs der Via di porta S. Paolo, t^) Stücke erhalten.
Die Mauer scheint also von S. Balbina nach S. Saba über den
Bergrücken und dann im Thal eine Strecke zurückgelaufen
sein. Auch die Aedicula der 4. Cohorte der Vigiles hat sich
hier gefunden****). Jenseits des Thals findet sie sich wieder
^) Die Stellen des Frontin über den Lauf der Marcia und Appia
A. 51. lieber die von Parker gefundenen Reste einer Leitung sebr
nnznverläs«iger Bericht von Gori Bnonar. 1872, 81 f. Vgl. Lanciani
Ann. 78. 80. ßall. man. 2, 203, nnten § 7.
^^) m Gesehen aber nicht gemessen von Lanciani Ann. S. 80. Schlechte
Abbildung bei Parker Arch. 1,2 Primit. fortif. T. XX. Identisch mit dem
Stück <near the church of S. Balbina' welches Gell Topogr. 2, 405 »
2. Aufl. S. 494 abbildet: Höhe der Lagen 1. 10' engl. F., Läufer lang 5. 8'.
Aber er zeichnet nur 5 Lagen. — t ^dove un lato del monistero ri-
guarda verso occidente' C. L. Visconti BuU. d. i. 1859, 11, 'visibile
anch' ora sulla metä circa del lato occidentale del monastero ora reclu-
sorio pei gioyani detenuti' Lanc. Ann. S. 80: von mir nicht gesehen.
^) (m^) Ostseite von Saba? 'nella vigna Cardoni presse il muro di
cinta che la divide dal? orto del monastero di S. Saba' Visconti Bull.
1859, 17. Jetzt zerstört und zum Neubau jener Mauer verwendet.
Lanc. Ann. 80. — (t^) Znerst bemerkt von Braun Ann. 1855, 91: in
Vigna Branciaforte gegenüber der Vigna Torlooia haben sich in dem
noch erhaltenen Gusswerk, welches den Raum zwischen Mauer und
Hügel füllte, die deutlichen Spuren von mindestens 7 Lagen der
später weggebrochenen Quadern erhalten: drei Binder gemessen zu
ungefähr 0^55 X 0,55 (1867). Die Gesammthöhe giebt Lanc. auf
12,20 an. Auch von Bergan beschrieben Philol. a. 0. 645. Im Som-
mer 1870 sollen 7 Lagen erhaltener Blöcke durch Parker anter
232 THEIL 1.
am Südabhang der Yigna Torlonia (früher Maccarani).
stützt das grosse etwa noch 25 Lagen hohe Stück (a) wieder
den Bergabhang. Die Maasse und Schichtungsweise sind die
gewöhnlichen, aber von den übrigen alten Stücken unter-
scheidet sich dieses durch seinen scharf ausgebildeten Rustika-
schnitt. Ferner ist in die obersten 5 Lagen ein Restau-
rationsbau eingesetzt. Derselbe besteht aus einem mächtigen
Rundbogen aus Quadern von 2,50 Höhe im Lichten. Zum
Behuf der Einfügung dieses Bogens hat man ein grösseres
Stück des alten Baus zerstört und dann die Lücken zu beiden
Seiten desselben mit kleineren Blöcken (z. Theil 0,43, z.
Theil 0,25 — 0,30 hoch) ausgefüllt. Bei dem Neubau ist
Mörtel verwendet. Der Bogen scheint zur Entwässerung
des dahinterliegenden Terrains gedient zu haben. — Schon
40 Schritt weiter (in derselben Vigna) in nordwestlicher
Richtung ündet man ebenfalls am Hügelrande ein kleineres
Stück, welches bis zu 11 Lagen blosgelegt ist (v)*^), weiter
längs der Yia della Marmorata an dem Bogen S. Lazaro
wenige Steine (x)®^), welche auf dem Tuff des Hügels auf-
liegen, endlich unter S. Sabina gegenüber dem Flussufer ein
den beschriebenen gefanden worden sein (Lanc. Ann. 81), wonach
wir das ursprüngliche Niveau der Strasse Piscina publica auf höchstens
21 — 4 = 17 M. über dem Meer (s. oben S. 133) schätzen können. —
Ueber die Cohorte der Vigiles Lanc. 80. Ich hatte sie schon im Jahre
1867 gesehen.
«) (u) Pittoreske Abbildung Mon. dell' inst. 1855 T. XXI— XXV mit
Brauns Erläuterung (== Reber Ru. 443). Exakter Lanc. T. n. 11, aber
noch immer nicht genügend. Die oben gegebenen Maasse des neuen
Stücks, auf welches mich zuerst Hr. R. Schöne aufmerksam machte
(Hermes 2,409), ebenfalls nicht ausreichend (1876). Höhe des Bogens
nach Lanciani Bull. mun. 4, 37. Auf den Rustikaschnitt der alten
Blöcke (ich maass Höhen 0,53 — 0,56, Längen 1,25—1,58) scheint
niemand geachtet zu haben. Den Zwischenraum zwischen der Mauer
und den Hügel füllte 'opera a sacco' (Lanc. a. 0. Ueber die die Mauer
hier berührenden, zum Theil durchbrechenden kaiserlichen Bauten ders.
BuU. d'i. 1870, 55 ff.) — Auch das kleine Stück erwähnt Lanc. S. 82.
'') W Von der Strasse aus erkennbar. 4 Lagen. Lanc. S. 82.
I 3.] DIE SERVliVNISCHE MAUER. 233
grösseres Stück derselben Art (y)®*). — Die Mauer folgte
also nördlich der Einsattelung zwischen S. Saba und Vigna
Torlonia dem Rande des Berges zwischen sich und dem Fluss
eine Strasse offen lassend, welche ein Thor voraussetzt.
Die Bestimmung der Thöre zwischen der porta Capma
und dem Fluss hängt Ton der Bestimmung der Strassen ab.
Wir wissen, dass es deren drei gab: die Ostimsis, von wel-
cher sich die Laurentina abzweigte, zunächst dem Fluss,
dann die Lavmatis, endlich die Ardeatina^^). Nur für die
erste wurde, so scheint es, in der aurelianischen Mauer ein
Thor bestimmt, die parta Ostimsis oder S. Paolo: die An-
nahme, dass auch die letzte ein solches gehabt habe, ist
mindestens unsicher (§ 6). Dies erklärt sich, wie schon
ßd. 2, 233 gezeigt wurde, zur Genüge aus der Verödung des
Küstenstrichs auf dem linken Tiberufer. Dass die Strasse
nach Ostia durch die parta Trigemina am Fluss führte, ist
sicher (unten), die Strasse nach Layinium müssten wir dem-
nach durch das Thor in der Einsattelung zwischen S. Saba
und Yigna Torlonia legen und es bliebe für die Strasse nach
Ardea ein noch jetzt vorhandener Aufgang an der Westecke
der Thermen des Caracalla. Indessen ist gerade der Lauf
jener Strassen unmittelbar vor der Stadt nicht vollkommen
klar. Andrerseits leuchtet es ein, dass eine grosse Verkehrs-
ader das Circusthal und die innere Stadt mit der Vorstadt
Piscina publica verbinden musste und zu einem Hauptthor in
eben jener Einsenkung Gavinatische Strasse?) führen. Als
ein solches Hauptthor wird uns denn in der That die porta
Naevia genannt, welche hier mit Sicherheit anzunehmen ist^^).
^) (x) S. Descemet Sur les fouilles executees ä S. Sabina. Paris
1863. 4^^. Gesehen aber nicht gemessen. Aach nicht Lanc. A. 82.
^) S. Rosa, Ann. 1859, 186 ff.
^) Dies schliesse ich daraus, dass während die Raudusculana und
Lavemalis nur von Antiquaren erwähnt werden, die Naevia als frequen-
tirtes Thor auch sonst vorkommt: bei Liyius 2, 11, wo sie neben der
ColHna und Caelimontana als strategisch wichtig bezeichnet wird;
bei Obseqnens prod. 44: urbs lustrata capra cormbus ardemtibus per
urbem ducta porta Naevia emissa reUctaq^e; man jagte sie zu den lanii
234 TfifEIL I.
Dieses Thor scheint wie der gleichnamige vicm portae Nae-
viüB zur 12. Region gehört zu haben, zu derselben gehörte
der vicm portae Rttdmcvlcmae und wir müssen daher die
porta Raudusculana, welche auch sonst mit jener zusammen
genannt wird, wohl auf der Linie S. Saba bis S. Balbina
suchen (ardeatinische Strasse?). Indessen bleibt dann für
die zwischen ihr und der Capena zu suchende Lavernalü
schwerüch Platz. Nicht giuckUcher sind andere Versuche die
drei Thore unterzubringen : mir scheint ihre Lage einstweilen
nicht sicher bestimmt werden zu können (vgl. § 6)^*).
pisdnenses (s. Th. 11) welche die victimae lieferten; endlich, wie ich
aus der Vergleichnng mit Obsequens schliesse, ohne Namen bei Plautus
Psend. 326 ff. Worüber Bd. 2, 106 f. Vgl. A. 66.
••) Leider ist Varro 5, 163 verstiimmelt: . . ligionem Porcius de-
Signal quom de Ennio soribens dicit eum coluüse Tutämae looa
(Ennius wohnte auf dem Aventin: Sueton. reliq. S. 24 Reiffersch.). se-
quitur porta Naetna, quod in nemorihus Naeviis (naevius die Hs.)':
etenim loca, ubi ea, sie dicta. dein de porta Randusculana {raudus-
cula die Hs.; s. unten) quod aerata fuit. aes raudus dictum: ex eo in
veteribus mancipiis scriptum ^ raudusculo Ubram fervto\ hine Laver-
nalü ab ara Lavemae quod ihi ara eins. Wenn Varro hier vom
Aventin ausgehend lokale Ordnung einhält so sind hierdurch die drei
Thore bestimmt. Die kapitolinische Basis nennt in der 12. Region
nebeneinander (42. 43) vico portae Rudusculanoje, vico porta Naevia
(so), die Reihenfolge der vici scheint hier ebenso wie die Grenzbe-
Schreibung der 12. Region in der Notitia zu nöthigen beide Thore an
die Südwestseite der Region zu setzen (Bd. 2, 107). Ich verstehe daher
nicht Lanciani Ann. 83, welcher schliesst: Varro beschreibe die Thore
von Osten nach Westen, weil die genannten vici der 12. Region an>
gehörten. Und deshalb setzt er die Naevia nach S. Balbina, die
Raudusculana nach S. Saba, die Lavernalis in die Tiefe unter S. Saba!
— Tomassetti (Bull. mnn. 4, 144) scheint von der Annahme auszu-
gehen dass die Lage der Naevia bekannt sei. — Für die Raudusculana
(so Fest.) oder Rodusculana (so Val. Max.) — schwerlich wie bei Varro
überliefert ist rauduscula — giebt Festus Ausz. 275 neben der varro-
nischen Etymologie (vgl. 265 aes infectum raudusculum) eine zweite
quod rudis et impolüa Sit relieta, Valerius Maximus 5, 6, 3 eine dritte:
sie sei, von der effigies aerea eines Genucius Gipus benannt. S. § 4.
— Für die LavemaUs die Ableitung von der Laverna und ihrem lucus
obscurus auch bei Festus 117.
§ 3.] DIE SERVIANISCHE MAUER. 235
Bedeutender als alle diese Thore aber war die porta
Trigemina. Die alten Zeugnisse versetzen sie an den Fuss
des Tom fiyrum boarium auf den Ayentin führenden clivus
Publicim, wo die saHnae waren, d. h. die Niederlagen des
aus Ostia durch dieses Thor eingeführten Salzes und bei
dem Endpunkt der aqua Appia. Diese Angaben fuhren auf
den noch heut 'Salara vecchia' benannten Ort unterhalb
S. Sabina. Die frühere Annahme, welche das Thor und jenen
Clivus an die Westecke des Aventin beim Priorat von Malta
versetzte, wird durch die Entdeckung der Mauer unter S. Sa-
bina ausgeschlossen, die genauere Bestimmung aber einstweilen
noch nicht möglich^^). lieber die Vorstadt extra portam Ttige-
^') Der Nam6 Trig^emina (so die Inschr. Or. 4210 Ubrarius ab
extr(a) porta Trigemina Heoz. 5091 meÜar(ius) a port{a) Trigem{ina)\
die hs. Lesart iergemina kommt dagegen nicht in Betracht) kann nur
das 'dreifache Thor' bedenten, vermathlich also ein Thor mit einem
Hanptdorehgang über der via nnd zwei Seiten dnrchgängen über den
temitae (doch s. § 4). Umnöglich ist die Erklärung Piales Delle porte
del' Aventino R. (1824) 1S34 S. 13 » tertia gemina, Ueber die
Lage Frontin de aqais 1, 5: ductus (aquae Appiae) habet longitudinem
a capite usque ad SalinaSy qui locus est ad portam tergeminam p. XI
CXC . . incipit distribui imo Publidi clwo ad portam Trigeminam»
Solin 1, 8: Caeus habitavit locum cui SaUnae nomen est uhi Trige-
mina nunc porta. Endlieh die Geschichte der Flacht des G. Gracchus,
welche Becker S. 144 richtig beurtheilt: über diese ausführlicher unten.
Ueber den cHvus vgl. Th. U. Reste der Kanäle der aqua Appia
glaubt Descemet (Anuali d. J. 1857, 62 ff. und in der A. 63 ange-
fdhrten Abhaidlung) unter S. Sabina gefunden zu haben. Hiernach
nad wegen des Mauerrests IL ist die Ansicht, dass das Thor an der
südwestl. Ecke des Aventins gelegen habe unhaltbar. Richtig setzen
sie Piale a. 0. Bunsen 1, 634 Canina u. A. in die Nahe des arco della
Salara. Nimmt man mit Rosa a. 0. an, dass die alte via Ostiensis von
der Ecke des Aventin zwischen Fluss und Monte testaccio hindurch
direkt auf die Basilika S. Paolo zulief, so würde der erste Meilenstein
wenig diesseits der aurelianischen Mauer zu stehen kommen, was zu den
übrigen Distanceu passt. — Unterhalb des Priorats von Malta sucht
das Thor auch Westphal, Campagna S. 3. — Zuletzt hat mir Lanciani
mitgetheilt, dass er in einem Hause bei der Salara Reste des Thors
selbst entdeckt zu haben glaube, wovon er freilich Bull. mun. 4,169
noch nichts sagt. — Auf einem jetzt verlorenen nur in einer Zeichnung
236 THEIL L
minam s. Th. II, nur muss gleich hier die Vermuthung aus-
gesprochen werden, dass das daselbst stehende Denkmal des i
Minncius Augurinm vielleicht zu der Benennung einer porta
Minueia Anlass gegeben hat die eben die trigemina sein
durfte ®®).
So bleibt uns die schwierige Frage nach dem Lauf der
Mauer zwischen der porta Trigemina und dem Kapitol, deren
definitive Entscheidung wir noch erwarten müssen, ohne
jedoch im mindesten an dem AusfaU derselben zweifelhaft
zu sein.
Eine aligemeine Erwägung des Systems der sogenannten
servianischen Befestigung (§ 4) wird bestätigen was Cicero
klar ausspricht, dass das Princip derselben die geschickte Be-
nutzung des Terrains war: die einen weiten Kreis natürlicher
Bastionen bildenden Hügel durften nur in den kleinen
Zwischenräumen durch kurze Mauern geschlossen werden, um
eine burgartige Umwallung der Stadt zu bilden. Eine Aus-
nahme bildeten zunächst nur die gegen Osten flach verlau-
fenden Abdachungen des Quirinal. Diese mussten durch ein
grösseres Werk geschützt werden, das die naturlichen Ver-
theidigungsmittel durch künstliche zu ersetzen hatte. Eine
zweite grosse Lücke — freilich weniger als halb so gross
wie jene — klaffte zwischen Kapitol und Aventin: allein hier
schützte ja der breite reissende und selbst in der Zeit des
niedrigsten Wasserstandes strudelreiche Fluss und am rech-
ten Ufer befand sich die Burg auf dem Janiculum, einen er-
sten Anprall der feindlichen Südetrusker auszuhalten wohl
geeignet (s. unten). Ausdrücklich wird nun, wenn auch nur
des 36. J. erhalteDen Relief welches ein einbogiges Thor von zwei
runden Thürmen flankirt, dahinter einen Tempel darstellt, will der Er-
klärer des 16. Jahrh. die porta trigemina und den T. des Hercules er-
kennen ; mit ihm £. Schulze Arch. Ztg. 1872, 58 ff. Dass seine Er-
klärung ungenügend ist, habe ich Jahresbericht 1875, 760 f gezeigt.
^) Festus 122: Minueia porta Romae ed dicta ab ara Minutiqttem
deum putahant, 147 : Minutia porta appellata est m quod proxima est sa-
cdloMinum; über das Denkmal des Minucius MommsenMünzw. 541, Th. IL
[§ 3.] DIE SER VIANISCHE MAUER. 237
gelegentlich, bezeugt dass ein Theil der Stadt durch den
Fhiss, andere Theile durch die Mauern gedeckt waren
und dass die Stadt gegen den Fluss hin keine
Mauern besass. Mögen dies nun die beiden Gewährs-
männer Livius und Dionysios, für ihre Zeit, die Zeit des
Augastus, bezeugen oder aus einem und demselben Annali-
«ten ausschreiben (sie sprechen von Porsenas Ueberfall)^®) so
sehe ich doch keine Möglichkeit die Glaubwürdigkeit eines
solchen in Rom geschriebenen klassischen Zeugnisses entwe-
der geradezu zu bestreiten oder was schlimmer ist zu um-
gehen durch die Annahme, zwar keine Mauer aber doch ir-
gend eine Art von Befestigung habe die Stadt gegen den
Fluss hin gehabt ^^). Wäre dies dennoch möglich, so würde
man römische Schriftsteller der augusteischen oder voraugu-
steischen Zeit mit den hallucinirenden Scholiasten des 5. und
6. Jahrhunderts auf eine Linie stellen welche über Namen
die sie nicht verstanden und über Denkmäler welche sie nur
aus Büchern kannten auf gut Glück ihre Einfälle vorbringen
(Einl- § 2). Wenn wir ferner die porta Trigemina richtig
angesetzt haben und bedenken dass dieselbe den Weg ver-
sperrte nach einer stromaufwärts liegenden Brücke ^^) so ist
damit gesagt dass man nicht auf einem Streifen Landes
längs des Flusses ausserhalb der Mauer nach dieser Brücke
gelangen konnte. Allein es ist die Frage eine wie lange
Strecke des Ufers nördlich dieses Thors unbefestigt blieb?
Auf der andern Seite steht es fest dass ein Hauptthor,
^) lieber die Geschichte des Porsena vgl. den Abschnitt über die
Brücken. Liv. 2, 10 : alia muris alia Tiberi obiedo videbantur tuta, Dionys.
5,23: atelx^atog ovda (^ noXie) ^>f f(ov naqa rov nojafxbv fiegiov
QDd ganz ebenso 9, 68 : xal rd fikv Inl Xoipoig xeififva xal nixQaig
unoTOfiois vn avtijg (u/vQ(ofj,iva rijg (pvasiog xal oXiyrjg S^ofxiva (pv-
Xoix^Sf tä dk vno tov Tißiquog xejeix'^afiiva norafiov,
70) Becker S. 143 führt als allenfalls mögliche Parallele die Be-
festigung des Flusses durch Aurelian an. Aber niemand sagt oder
könnte sagen, dass Aurelian die Stadt mit Mauern umgab, dass aber
einen Theil derselben der Fluss schütze.
71) Auch hierüber s. den Abschnitt über die Brücken.
238 . THEIL L
die porta CarmentaliSj unter dem Südabhang des Kapitols stand
wie unter dem Nordabhang die Ratumena und dass das fo-
rum holitoriwn von jeher extra partam Carmentalem, also
ausserhalb der Stadtmauer, lag das forum boarium dagegen
intra portam; jenes gehörte der 9., dieses der 11. Regioa
an^^). Lage und Grenzen beider fora sind uns bekannt
Das holitorium bildete ein Rechteck von ungefähr 80 X 130 m.
dessen östliche Langseite ungefähr vom Arco de'saponari
bis zur Via della Consolazione reichte, derart dass ein Theil
der Linie mit der Westseite des Vicolo della bufala zusam-
menfällt. Das boarium reichte nördlich von dem areus Cm-
stantmi (dem sogenannten Janus Quadrifrons) , wo es die
Grenze der 8. Region berührte, bis an ponte rotto, und dehnte
sich südlich bis an die Front des Circus aus. Die Hauer
muss demnach zwischen den bezeichneten Linien gesucht
werden ^^). Die alten Zeugnisse über die Lage ^ev porta Cor-
mentalis geben einen ziemlichen Spielraum auf der Linie des
südlichen Abhanges des Kapitols ^^).
'') Hauptstellen über die Geschichte der g^rossen Feuersbranst
von 539 Livius 24, 47 : solo aequaia omfua tnter SaUnas (oben A. 67)
ac portam Capenam cum Aequimelio iugarioqtui vico, in templis Fortunae
ac Matris Matutae et Spei extra portam late vagatus ignis sacra pro-
fanaque multa absumpsit. 25, 7 (III viri) reficiendis aedihus Fortunae et
Matris Matutae intra portam Carmentalem sed et Spei extra por-
tam; dazu ders. 33, 21 : fomices in foro boario ante Fortunae aedan
et Matris Matutae und 21,62: Spei in foro koUtorio, Da wir die Lage
des forum holitorium kenueD, so ist die Frage ob die erhaltenen
Tempel unter S. Nicola in carcere, bei ponte rotto und S. Maria in
Cosmedin mit den von Livius genannten zum Theil identisch seien von
der hier behandelten ganz unabhängig.
^^) lieber die Lage beider fora s. Th. IL Am genauesten ist die
Lage des holitorium durch die Auffindung der Umfassungsmauer and
des Pflasters bestimmt, worüber ich einstweilen auf Fiale Porte dell'
Aventino S. 21 Nibby R. a. 1, 102 Lanciani BulL mun. 3, 173 verweise;
die des boarium bis jetzt nur durch Kombinationen. Die oben ge-
nannten Punkte sind sicher; über die Grenzbeschreibung der hier zn-
sammentrefl^enden 9. 11. 8. Region s. Bd. 2, 98 ff. und was gleichzeitig
Lanciani Ann. S. 48 bemerkt (wo er indessen ganz irrig die aedes Ma-
tris deum der 11. Reg. für den T. der Mater Matuia hält).
^*) Dionys. 1, 32: ßtofAOvg id'taadfjirjv t^gvfi^vovg KaQfAivti^ filv
I 3.] DIE SERVIANISCHE MAUER. 239
Nähme man nun an, die porta CarmenUüis habe an dem
lordwestUchen Abhang des Berges, also an der Nordostsecke
es Forum gestanden, so müsste sie längs desselben südlich
elaufen und dann irgend wo ziemlich im rechten Winkel
echend gegen den Fluss /bis oberhalb ponte rotto gefuhrt
^Verden sein. Da für einen solchen Lauf weder in der Ter-
raingestaltung noch sonst ein Grund zu finden sein möchte,
so werden wir das Thor an die Südwestecke des Berges
pcken. Yon hier aus lässt sich eine das Forum ausschliessende
[grade Linie gegen den Fluss ziehen, welche etwas oberhalb
ponte rotto denselben treffen würde. Und in der That ist
die grade Linie an sich die wahrscheinlichste und wird ausser-
dem noch dadurch wahrscheinlicher, dass (wie § 1 gezeigt
I wurde) vom Kapitel gegen den Fluss hin eine jetzt nicht
I mehr deutlich erkennbare Terrainerhebung strich, welche sich
\ zur Befestigung eignete. Nehmen wir an dass auf dieser
: vno T(^ xaXovfiiv(p KanntoXlt^ naga talg KctQfievtiüi nvXms- Solin.
I 1, 13: pars etiam inßma Capitolini montis habäaculum Carmentae fuit,
vbi Carmentis mmc fanum est, a qua Carmentali portae 9iomen datum,
Voo den Sabineru Livius 2, 49, 8 : infelici via dextro lano portae Car^
\ mentalis profecti, was also heissen muss 'so dass der Janustempel zur
Rechten war' (also nicht dextro iano), wenn bei Ovid Fast. 2,201 f.
^ richtig gelesen wird Carmentis portae dextra est via proxima lano, ire
per hanc noU, quisquis es: omen habet (Heinsius und ßecker lesen dex-
tro e. V. p. iano). Mommsen de comitio (Annali dell' J. 1845) § 16
vermuthet, man habe die porta lanualis mit dem dexter ianus der p. Cor-
mentalis verwechselt. Die Späteren haben gemeint, die Fabier seien
durch diese gezogen und es sei daher porta scelerata genannt worden:
Festus S. 334 Ausz.: scelerata porta quae et Carmentalis dicta
^nd S. 285: relig^ioni est quibusdam p« Carmentali egredi et in aede
laniy quae est extra eam senatum haberi^ quod ea egressi sex et trecenti
FabU apud Cremeram, omnes interfecti sunt cum in aede lani s. c. fac-
tum esset ut proficiscerentur. So auch Serv. zu Aen. 8, 337. Ueber
die ganze Geschichte und den Tempel des Janus m/oro holitorio einst-
weilen Hermes 4, 334. — Das Forum und das Thor werden durch den
uomittelbar unter dem Kapitol laufenden vicus iug-arius verbunden:
Liv. 27^ 37; der Ausdruck por/a Carmentalis cum /^equimelioLiv. 24, 47
deutet auf die unmittelbarste IN ähe des letzteren welches unterhalb derSub-
straktiou des Kapitols, hart an dem Berge lag (Liv. 38, 28 oben § 2 A. 72).
240 THEIL I.
iim|
Linie nahe dem Fluss ein zweites Thor lag das durch seim
Namen die Nähe desselben bekundet, die Flumentana,
stimmt mit dieser Annahme alles uberein was uns von
Gegend extra portam Flummtanam berichtet wird^^).
drittes hier anzunehmen verbietet die Kürze der Entfernu
(kaum 200 M.) fär die ursprungliche Anlage unbedin
dass in späterer Zeit ein drittes angelegt sei ist an sich m
heb, dass es aber die sogenannte porta triumphalis nicht
wesen sei halten wir trotz wiederholter entgegengesetzter
hauptungen, für vollkommen ausgemacht '^). Noch unbegrei
^^) Festus Ausz. 89: Flumentana porta Romae appellata quod
beris partem ea (etwa Tiberim parte ea?) fluonsse afprmant. Dass di^
die uomittelbare Nahe des Lopercal bezeichae, hat Becker mit volU
Recht geleugnet: die Legeade iiess die gaoze Niederung bis zum li
percal und Velabrum überflathet seia (§ 1). Die Ueberschwemmai
^ gen extra portam Flumentanam {frumentariam nur ein cod. Voss Lij
35, 9. 21) -sind am leichtesten von denen im unteren Marsfelde zu vei
stehen (§1), und eben dort können sehr gut eorum aedißcia, qui hA
bitant extra portam Flumentanam aut in AendLianü — nehmlich el^
gante Villen im Gegensatz zu den rusticae — gelegen haben: Varij
de rr. 3, 2 vgl. Cic. ad Att 7, 3, 9: cum portam Flumentanam Coeliä
occupavit, Marini Arv. 254: aurifex extra port{am) Flument{anam
Es war das W^estende, worüber Th. II. — Keine Schwierigkeit macl
Livius 6, 20, 11 (Process des Manlius): prodieta die in Petdinum U
cum extra portam Flumentanam (frumentanam Leid« ], fruTnentariai
schlechte), unde conspectus in Capitolium non essety conciUum popuH in
dictum est. Wer sagt wie weit vor dem Thor der sonst unbekannt
Hain war ? Auf dem Marsfeld etwa bei pal. di Venezia hatte man dai
ganze Kapitol unmittelbar vor sicli, in der Gegend der navaUa z. B
am Tiber unter Bäumen nicht. Daher die Alternative Mommsens Her
mes 5, 252 : entweder sei das Thor anderwärts zu suchen (in der Näh«
der Trigemina, wie er will, ist sie nicht unterzubringen) oder extra p
F. sei ein schlechter Zusatz späterer Annalisten, zurückzuweisen. Alh
Erwähnungen stimmen zu der angegebenen Lage. — Beckers Zweifei
an der Richtigkeit des Namens erledigen sich durch die gegebenei
Varianten.
^>) S. § 6 und das Marsfeld. Schon hier müssen wir aber aus-
drücklich hervorheben, dass die einzige Stelle, welche allenfalls be-
weisen kb'nnte, dass diese porta eine solche im eigentlichen Sinn und
nicht ein fomix gewesen sei, Cicero in Pis. 25, geradezu witzlos ist
3.] DIE SBRVI ANISCHE MAUER. 241
eher ist es wie hier ein viertes gestanden haben soll: alle Grunde
it denen man die pwta navalis hier unterbringen will fallen
it der wie es scheint un vertilgbaren falschen Navalientheorie^^).
ndlich ist es zwar richtig dass die Expansionskraft der Stadt
[erade nach dieser Seite hin sehr leicht zum Niederreissen
er Mauer gefuhrt haben kann und dass wenig Hoffnung ist
inen Stein derselben wiederzufinden, halten aber daran fest
ass mindestens die Thor^ zur Zeit Ciceros und Caesars noch
rhalten waren.
Ist an diesen Thatsachen wenn ich nicht irre nichts zu
ndern, so ist es freilich schwierig damit zu vereinigen was
ir über die Befestigung des rechten Ufers und die Verbin-
ung beider Ufer durch die ursprdnglich eine Brücke wissen,
enn nach der § 7 zu begründenden wie uns scheint allein
öglichen Auffassung sind beide Ufer bis zum J. 692 d. St.,
h. bis in die Zeit, in welcher die Mauer zu ver-
'|illen begann, nur durch eine Brücke, den pom sublicms
erbunden gewesen und diese führte über die Insel. Sie war
Iso ausser Zusammenhang mit der Mauer auf dem linken Ufer,
ie Gegner jener Brückentheorie scheinen diese Konsequenz
erselben für genügend zu halten um die Theorie zu besei*
ligen. Man braucht nur dagegen zu fragen: 1) wie bat man
nn in einer Zeit in welcher die Angriffe streitbarer Völker
och immer zu erwarten waren, >^ie Kriegswerft, die navalia^
eit oben im Marsfeld bauen können? Oder soUen diese
twa mit der Stadt durch Mauern verbunden gewesen sein?
) Ist denn nicht die Befestigung des lamculum ebenfalls
usser Verbindung' mit der Stadt? 3) Ist denn Athen vor
rtpeoD maa die triumpkaUs^ Cselimontana uod EtquiUna dpleichstellt, ge-
hweige dass die Gleichstellung nothwendig sei, wie mit anderen
rn<«nciaiii Ann. S. 49 meint. JXeuerdings scheint er zu meinen, dass die
)eipom forum koUtorittm in der Axe desselben südlich bis S. Galla fdh-
ende alte Strasse durch jenes Thor gefuhrt habe Bull. mua. 3, 173. Das
an sein: aber das Thor stand trotzdem auf dem Marsfelde (s. Th. If).
^0 Nur bei Festns erwhlint Ausz. 179: navalis parta a vicinia
um diday woraus nicht folgt, dass sie ein Sudtthor war. Ueber
t navaUa s. § 7.
Jordan, rOmiBohe Topographie. I. 1. 16
242 THfilL I.
Erbauung der langen Mauern mit seinen) Hafen nicht in der-
selben Lage gewesen wie Rom mit seiner Brücke und seinem
Brückenkopf? — Aber selbst zugegeben jene Theorie wäre
falsch und die einzige vorhandene Brücke (denn daran kann
freilich nicht gezweifelt werden) führte in die Stadt, da
wo später der vermeintliche pon$ Aernüim (Ponte rotte) ge-
baut wurde, so wird damit die fortifikatorische Frage nur un-
wesentlich verschoben. Denn nach wie vor bleibt diese
Brücke nun ausser Zusammenhang mit dem hmeulum auf
dem rechten Ufer. Ich komme mit diesen Sätzen auf die
mit Unrecht bei Seite gelegte Aufl'assung Niebuhrs zurück ^*).
Nichts ist sicherer als dass ganz im Gegensatz zu der
auf ganz anderen Voraussetzungen beruhenden aurelianischen
Befestigung das rechte Ufer bis auf die einer selbständigen
Hügelburg gleichen iirx laniculensis gar nicht befestigt war.
Freilich müssen wir hier scheinbar in den oben (Einl. S..55)
gerügten Fehler verfallen und einem ausdrücklichen Zeugniss
bester Zeit, dem des.Livius, widersprechen. Ehe man indessen
dasselbe billigt bedenke man, dass die älteste Tradition das
laniculum von der Geschichte des Synökismos und des Mauer-
baus der Tarquinier ausschliesst (oben S. 154. )59..200 fl), dass
niemals von einem Thor auf dem rechten Ufer die Rede ist,
dass wenn wir eine ^servianische' Befestigung des laniculum
analog der aurelianischen annehmen wollen, wir nach der Na-
tur des Terrains und der durch die Mauern der Stadt auf
dem linken Ufer gegebenen Technik nur an einen Quaderbau
denken können, der mindestens die doppelte Länge des esqui-
hniscken Walls haben müsste (vgl. A. S2), und dass mit dieser
Annahme die Thatsache geradezu unvereinbar ist, dass sich auf
jenem verhältnissmässig wenig durchfurchten und überbauten
^^) Niebnhr, Rom. G. 1, 439: die Ansichten der nieisten fassen «üf
der im Text besprocheneB Livinsstelle. Willkürliche Annthmen wie die
Piales (Degli ant arsenali S. 21 Del seeoodo recioto di Roma S. 17)
dass die porta ?iavaUs uad fenetteüa, Stadtthore auf dem rechten Ufer
gewesen seien, bedürfen keiner Widerle^ang. Lanciani übergeht das
rechte Ufer mit Stillschweig^en.
§ 3,] DIE SERVIANISGHE MAUER. 243
Boden kein Stein derselben erhalten haben sollte. Lirius
nun sagt folgendes:! *auch das Janicnlum wurde hinzuge^
fügt' (der Stadt), 'nicht aus Mangel an Platz, sondern dass
es nicht einmal dem Feinde als Burg dienen könnte. Es
beliebte dasselbe nicht allein durch eine^ (oder 'die') 'Mauer
sondern auch behufs bequemer Kommunikation durch die erst
damals über den Tiber gelegte Holzbrücke mit der Stadt zu
verbinden'. Nach unserer Ansicht über die Holzbrücke frei-
lich ist die Beweiskraft der Stelle ohnehin gelähmt: denn
auch die Brücke war mit der Stadt nicht in fortißkatorischer
Verbindung. Aber selbst bei der Annahme, dass diese Brücke
in die Stadt führte zwingt nichts jene 'Mauer' als eine, rich-
tiger zwei das weit entfernte Janiculum mit dem Fluss ver*^
bindende Mauern aufzufassen. Vielmehr ist es sprachlich ge-
rechtfertigt jene 'Verbindung' der ursprünglich fremdefi Nie-
derlassung mit Rom in der Befestigung und militärischen
Besetzung derselben und in der Anlage des Flussüberganges
zu sehen ^^). Und dass dies richtig ist, das ganze Zeugniss also
sich auf eine bei Livius nicht ungewöhnliche stilistische
Schwäche reducirt, beweisen die aus derselben Quelle stam-
menden Worte des Dionys. Ausser dem vermeintlichen
Zeugniss des Livius aber giebt es kein einziges direktes oder
indirektes für das Vorhandensein einer Verbindung des Jani-
eulum mit dem Fluss. Weder die Geschichte des Angriffs des
Porsena noch die sehr breit aber wenig klar erzählte Ge-
schichte der Einnahme der Stadt durch Marius setzen das-
selbe voraus*®). Doch muss ausdrücklich hervorgehoben wer-
'^) Livhis 1, 22: Itmiculum quoque adieeium non inopia locorum^
ied ne quando ea arx h^stium esset i MJ[ non muro scilum sed eliam
ob eammodäatem ämeris ponte sübHcio tum primutn in Tiberi facto
eoniungi urln plaeuit, Diony». 3, 45: ire^x^^^ *^ xalovfievov */ay/-
tokov • • xal (pQov^ttv taaviffv iy aifitp xatiatijaiv,
^^) Dofis der Bericht Appians b. e. 1, 67 ff. über iie Binnabine Roms
durch Marias Cinaa noA Garbo vorsichtig zu benutzea sei, mag; er auch
Mg Livius entDommea seio, hat auch ßunsen 1, 622 bemerkt. .Ciana
W>crt ipegeBÜber der p. CoUina, Marius holt aus Etrnrien Hilfstruppeu,
worauf alle drei ia%QajonäSivo>v inl tqv nojafiQv jpv Tiß^^iog ig
16*
244 THEIL L
deD, dass die Araß auf dem Kapitol mit der Arx des Janicu-
lum vielleicht schon von alten Schriftstellern einigemal ver-
wechselt worden ist^^). Dagegen glaube ich zwei indirekte
Zeugnisse gegen die Existenz einer Befestigung des rechten
TQia ^latQid-ivrig, Ktwaic fikv xnl KdgßtüV avv avx^ xtfi nohti^
avTtx^v (bei p. ColliDa oder traos Tiberim?), ^e^ioigiog ök vnkQ rriv
noXtv uvoj xal Magiog TtQog t^ S-akdaay, Der Tiber wird über-
brückt und die Zufuhr abgeschnitten, Ostia erobert. Daraof beisst es
c. 68: XXavJiov Sk ^Aitniov x^^^^QX^ iHxoqwUtxovina t9\£ 'IHofitig
Tov Xofpop tov xttlovfJLtvov 'Ittvovxlov IV noTt na^&vra vtp* iavjw
j^g avf^ialag dva/AVriaag 6 Magiog ig triv noUv igijX&iv vnaV"
oiyd-ilOfig aviifi nvXrig ntgl £(o xal tov KCvvav eigeSi^aTo, aJU'
ovrofr fAhv avxlxa i^etoa&tioav *Oxtaovtov xal Hof^inrjCov aifiaiv
InidqafjLotTfov, Erst spater rücken Marins ond Tlie Uebrigen ohoe
Schwertstreich ein. Vgl. Livins Epit 80; Cinna et Marius cum Cor-
hone et Sertorio lanieulum oppvgnaverimt et fugati ab Octavio coH"
fule recetserunt u. s. w. Die Einnahme des Janicalnm erwähnen korx
Flor. 2, 9, 13 Plut. Mar. 42, 2. Also zog Marius ungehindert über die
Brücke und durch die Stadt und öffnete das collinische Thor von innen?
^*) Es ist die nur bei Dio 37, 27. 28 vorkommende Nachricht, dass
von Alters her während der Centuriatcomitien auf dem Marsfelde das
vexiUum auf dem Janiculum aufgezogen und daselbst eine Wache auf-
gestellt worden sei: xal ht xai vvv oalag tvixa nomtau Dies
wäre auffällig und könnte für eiue engere Verbindung mit der Stadt
geltend gemacht werden. V^enn nun Livius 39, 15 sagt: cum
vexillo in arce posito comitiorum causa exercUus eductus esset
und 30 Tage lang das vexillum russi coloris in aree aufge-
pflanzt war (Macrob. S. 1, 16, 15, Serv. z. A. 8, 1, Festus Ausz. 103
u. iusti dies), so kann in diesen Stellen unmöglich mit dem Worte arx
etwas anderes als die arx (auf dem Kapitol) bezeichnet sein, wie dies
auch Lange R. A. 1, 410 richtig erkannt zu haben scheint: das Jaoi-
culum verstehen darunter Becker S. 654, Marquardt 2, 8, 90. 93. Noch
weniger kann (wie letzterer S. 74 meint) das ianiculnm verstanden wer-
den , bei Livius 4, 18: dietäiore arcem Romanam respectante .. ut
ab auffuribuSf simuJL aves rite admisissent, ex composito toUeretur Si-
gnum, Also Auspicien auf dem Janicnlum? Der Dictator steht am Zu-
sammenfluss des Tiber und des Anio , ungefähr bei Castel Giubileo.
Dort wird, soviel ich mich erinnere, der Monte Mario durch den
Hügel von Antemnae verdeckt, rechts von diesem ist grade noch der
Vatican sichtbar. Ob freilich eine Fahne auf dem Kapitol sichtbar sein
konnte, weiss ich nicht anzugeben (vgl. das Kapital). (Inwahrschein-
lieh ist es mir. Auch vom sogenannten mons sacer beim pons Nomen-
§ 3.] DIB SERVIANISCHE MAUER. 245
Ufers anführen zu können. Einmal wird der Umfang der
Mauern Roms dem Athens gleichgesetzt und auf 5% Meilen
angegeben. Dies passt auf die Befestigung des linken Ufers
und wurde erheblich durch eine Mauerlinie auf dem rechten
Ufer überschritten werden **). Zweitens hat noch das erweiterte
Pomerium der Kaiserzeit mit dem Fluss abgeschnitten (Ǥ 5),
was schwerlich geschehen vyäre wenn eine Mauer auf dem
rechten Ufer existirt hätte.
Schliesslich erwähnen wir dass auf falschen Lesarten
beruhen die Namen einer porta Ferentina (oben A. 50) und einer
Metia, auf einer Confusion die Collatina^^), und dass die X/J
portae (oben A. 6, Th. II), die triumphalis (oben A. 76), die
navaUs (A. 77), die Minucia (A. 68), piacularis, catularia,
fmestella^^) keine Stadtthore waren, um anderer Erfindungen
älterer Topographen nicht zu gedenken.
tanns kann man von der ganzen Stadt nnr die zur linken eben über
die Hügel hervorragenden Figuren auf dem Lateran sehen.
«s) Ueber die Vergleiehnpg mit Athen A. 7. Nibby (Mura S< 99)
berechnete den Umfang der Mauer auf dem linken Ufer auf 7845 Schritt
= 39225 Fuss. Allein die von uns beschriebene Linie wird schwerlich
die Länge von 2S700 F. =» 5«^ r. Meilen erheblich übersteigen. Die
Messung ist oft wiederholt worden. Nun beträgt die Entfernung der
porta S. Pancrazio von der Inselbrücke in der Luftlinie rund 1300 M.:
es würden also schon zwei im geringen Abstände von einander von der
Insel direkt nach der Höhe des Janiculum geführte Mauern das Maass des
Umfangs um 2600 M. = 7800 F. == 0>64 r. Meile erhöhen. Dass eine
solche Führung der Mauern möglich sei, wird niemand annehmen : eine
weitere Ausdehnung aber, welche die natürlichen Terrainverhältnisse
zur Grundlage haben müsste, würde unbedingt einen Ueberschuss von
gegen 2 Miglien ergeben.
^) Die MeUa oder Maecia ist von Ritschi (1842) Op. 2, 375 be-
seitigt (falsche LA bei Plautus Cas. 2, 6 z. A. Pseud. 331): natürlich
ohne Erfolg für Parker u. ä. (s. Bull. d. i. 1868, 113 Jahresber. 1875,
1%). — Festns Ausz. S. 37 i Collatia oppidum . . . a qua porta Romae
Coüatina: aber die Strasse nach C. fährt ans der p. Esquilina heraus
(Becker 179).
^) Die piacularis porta (nur bei Festus 213) offenbar kein Stadt-
thor, die Catulariä nur bei dems. 45 schwerlich ein solches (schon
wegen des Namens: anders Mommsen CIL 1 S. 392). Ueber die fe-
nettella s. Th. IL
§ 4.
DIE TARQUINISCHEN BAUTEN UND DIE SERVIANISCHE
STADT.
*Die Weisheit der Könige' hatte nach der richtigen An-
sicht der Alten die Stadtmauer rings auf steil abfallenden
Felsen geführt und den einzigen von der Natur nicht be-
wehrten Theil der Stadtgrenze durch Wall und Graben ge-
deckt (§ 3 A. 26). Diese natürliche Grundlage der Befesti-
gung hatten die Quaternarwasser geschaifen: steil abgerissen
erhoben sich im Norden und Süden die Hügelburgen (oben
S. 124), aber gegen Osten verlief wellenförmig, unberührt
von jenem Anprall, die Hochebene. Nur an ihrer nördlich-
sten dem Tiber zugewandten Spitze steigt sie jenseits der
Linie des Walb von der porta Collina (etwa 69 V, über d.
M.: oben S. 132) nach einer muldenartigen Senkung noch
einmal bis zu gleicher Höhe (Monte Parioli 70), weiter süd-
lich senkt sie sich allenthalben ziemlich gleichmSssig, obwohl
nicht stark (50 bis 30 M. über d. M.), in einem Bogen von
rund 2000 M. Radius bU zu dem nächsten in westlicher
Richtung dem Tiber zueilenden Wasserlauf, dem Anio und
seinen von Süden her kommenden Zuflüssen. Wir werden
sehen wie der Wallbau dieser natürlichen Terrainbildung sich
anschloss. Dass der Plan zu einer solchen Befestigung ein
einheitlicher war, wird schwerlich geleugnet werden. Die
Analyse des Baus im einzelnen hat nun zunächst festzustel-
len, ob wir gezwungen sind die Ausführung auf weit aus
einander liegende Zeiträume auszudehnen, ferner ob uns die
Trümmer selbst über den Erbauer und die Zeit des Baus
Aufschluss geben.
§ 4.] TARQÜINISCHE BAUTEN UiND SERVIANISCHE STADT. 247
Die über die Ebene im Norden und Süden Ursprünge
lieh bis za zweihundert Fuss sich erhebenden TufhAgel
sind an ihrer Aussenseite in unersteigliche Burgen verwan-
delt worden, theils indem man sie bis auf halbe Höhe und
mehr kunstlich zu senkrechten Felswänden schnitt, theils in^
dem man den zerrissenen und bröckelnden Abhängen dersel*-
ben einen Mantel von Quadern umlegte ixäd die Zwischen^
räume zwischen diesem und dem Berge mit Gusswerk aus-
fällte. Jene Weise ist an der Nordseite des Kapitols, wahr^
scheinlicb auch an der Nordseite des Quirinais diese am
Aventin zu beiden Seiten des Haupthors (ta) bemerkbar.
Es bedurfte keines Grabens um senkrechte Wände von 50
und mehr Fuss zu schätzen, aber ohne Zwdfel hat man das
Werk gekrönt durch eine rings umlaufende der Besatzung
als Brustwehr dienende Mauer. Es sind die untern Quader^
schichten derselben welche wir hie und da auflagernd auf
einem horizontalen Einschnitt in den Felsen finden (adv).
Diese Brustwehr müssen wir uns durchschnittlich auf ^/g der
Höhe der Berge laufend hinter derselben also nothwendig
einen fireien durch jenen Einschnitt gesohalFenen Raum den*
ken ^). Die Dicke der den Berg stutzenden Futtermauer be-
trug gegen 4 M., die der Brustwehr hat an keiner Stelle mit
Sicherheit bestimmt werden können. — Die passartigen meist
sehr schmalen Einsattelungen zwischen den Hageln bildeten
^) \gh Lftociani Bull. muii. 1, 141: 'la linea della fortificazione
era piaatala su d'una risega artificiale delia rupe dne a terzi cirea dalk
sua altexza . . al disotto della risega la rupe era scalpellata vertical-
meate u. a. w. mit Beziehuns auf die Befestiguns des Kapitols. la
ganz ähnlicher Weise sind z. B. die Stadtmauern von Veji (Caoina
£lr. mar. T. XXXVI Text 1, 119), von Caere (das« T. XLV, 1. 171)
und von Ardea behandelt, lieber letztere s. onten. Das von oben
nachstürzende Terrain hat den freien Raum freilich meist verdeckt,
aber die Terrainformation bei C scheint ihn noch zv zeigen. — Die
Schätzung, in welcher Höhe des Berges die Brustwehr lief, ist natürlich
wegen der Sohnttanhättfungen vosicher; sicher bei a. — Hierdurch wird
die Ansicht Caninas, welcher die Mauer auf dem obersten Hügelrand
aufsetzt (Edifizi T. 16 n. sonst) medificirt. Unriehtig Bergan Philo!, a<
0. S. 641 und 26, 82.
248 THBIL I.
die üatüriichen Bettungen fär die Anlage der Thore. Wo sie
sich tfaalarüg erweiterten und tief senkten, mussten sie durch
Mauern verscbiossen werden. Bis jetzt haben sich die Reste
einer solchen Mauer in der Ausdehnung von etwa 300 M.
nur bei der porta Capena gefunden. Die Bescfareibuag der-
selben -*- sie sind jetzt wieder verschüttet — lässt nicht er-
kennen, ob wie behauptet worden ist (s. unten) die Kon-
struktion dieser Mauer der des agger ähnlich war, ob auch
hier Wall und Graben die Stadt deckten. Nur dass sie in
schnurgrader Richtung vom Caelius zum Aventin lirf scheint
sicher zu sein ($ 3 S. 228).
Dass nicht der Wall allein, von dem es ausdrücklich be-
zeugt ist, sondern auch die auf der Höhe der Hügel lauf^de
Mauer Thürme besass, darf nach den Zeugnissen über alt-
italische Städtemauern und deren üeberresten vermuthet wer-
den, ja es wird dies geradezu durch das ausserordentliche
Amt der Fünfinänner ' zur Wiederherstellung der Mauern und
Thürme' — doch schwerlich allein des Walls — bezeugt.
Indessen sind Reste derselben ausser am Wall (unten) bis
jetzt nicht gefunden worden^). — Die Brustwehr wie die
Wallmauer besass unzweifelhaft Zinnen und Scharten. Es
scheint dass man ursprünglich die Brustwehren selbst projm-
gnacula^ die Zinnen pinnae genannt hat. Erhalten haben sie
sich nirgend^). — Die Thore waren, so weit wir sehen kön-
s) lieber das erwtÜiBte Amt s. § 3 A. 4. — lieber die Thärme alt-
italischer Städte vgl. Promis Alba Fac. 135 ff. Abeken, Mittelitaliea
S. 160 ff. — Zeugnisse z. B. turrigerae Antemnae Virg. A. 7, 631. 160.
Serv. zu 9, 350; die Inschrift von Aeclanum: yorias turreis moirot
ttareisque aequas quam moiro (CIL 1, 1230). Wie die Römer in
der Zeit des zweiten punischen Krieges Thürme bauten zeigt wohl am
sichersten das 513 d. St. gebaute Falerii (S. Maria di FaUeri), wo ein
Thor zwischen zwei je 11,60 entfernten viereckigen in der Front 5,50
breiten Thürmen erhalten ist (Canina Etr. mar. T. X. XI. 1, 69). Vgl.
unten.
^) Diese Unterscheidung habe ich ßd. 2, 168 vgl. Hermes 2, S5
nadizuweisen gesucht. Das Suffix a-culum deutet auf den Ort, wo
mtiü propug^mä. Gebrauch: Varro 5, 142. Livius 23, 18, 9. Tac. Hist.
2, 19. 3, 84 Veg. 4, 19. Dazu noch Plautus Bacch. 710: ea halHäa si
§ 4] TARQUINISCH£ BAUTEN UND S£RVIAN1SCH£ STADT. 249
nen, auf den Pässen so angelegt, dass sie durch die zu bei-
den Seiten vorspringenden Uugel flankirt waren; der Auf-
gang zu ihnen musste von der vorliegenden Ebene aus eine
ziemlich starke Neigung haben (vgl. Carmentalis, Raiumma,
Citpena^ Caelimontana), Dass sie ausserdem durch Thärme
gedeckt waren, beweist zwar nicht die alte Abbildung eines
Stadtthores (nach einer ganz unsicheren Vermuthung die
Trigemina in Rom), folgt aber wenigstens f£ür die Zeit etwa
der punischen Kriege aus der seit jener Zeit üblichen Thor-
konstruktion der römischen Colon.ien und darf für die ur-
sprüngliche Anlage aus der Analogie anderer italischer Städte
geschlossen werden^). Das einzige Thor dessen Reste bisher
zum Vorschein gekommen sind, die CoUina, war, so weit die
ungenügende Darstellung der jetzt verschwundenen Reste ein
Urtbeil zulässt, von zwei im Grun'driss rechteckigen Thürmen
flankirt , - deren Längsaxen gegen die Aussenseite der Stadt
um ein geringes divergirten, vermuthlich weil unmittelbar vor
dem Thore zwei Strassen sich trennten. Die OeiTnung des-
selben nach aussen scheint 15 M. betragen zu haben; der
ganze Bau aber trug die Spuren späterer Restaurationen'^).
perverlam turrim ei propugnacuhj Mil. 334: deturbabo tarn ego tUum
de pugnaeidis (so iat überliefert; das Wort wird sonst nur noch ans
Ammian 21, 12, 18. belebt). — Die pnmae mttromm: Serv. z. Aen. 9,
168 Acron. zu Hör. Epod. 1, 2 Isid. Orig. 15, 2. — Später wird pro-
pugnaeula für pinnae gebraucht. Ueber ihre muthmassliche Gestalt § 6.
^) Thor von Enerita : Münze * der gens Garisia bei Cohen T. XI,
16. 17, vgl. Maria T. XXVI, 4. Ueber die Thore der augusteischen
Zeit Promis Aosta S. 142 ff. Hübner Monatsber. d. Ak. 1864, 95 ff.,
über die altitalischen Promis an den A. 2. a. Stellen. '
^) Dass ein gewölbtes Thor am Qnirinal kein Stadthor ist, ist § 3 A. 15
gezeigt worden. Porta CoUina: Grundriss von Canevari, das. A. 30.
Dazu der wichtige Bericht der Sopraintendenza , Sulle scoperte archeo-
logiehe n. s. w. 1873 S. 33: Ue costruz. di difesa . . consistono in dne
grandi avancorpi la cui figura s'approssima a quella d'un quadrato sor-
gevano l'uno di rimpetto air nitro, pero non situati su due linee per-
fettamente parallele ma piulosto coovergenti fra loro, le qoali si veni-
vano restringendo a misura che avvicinavansi presso l'entrata', was
ans strategischen Gründen erklärt wird (s. unten) ..'presentavano nna
250 THEIL I.
— Auch über die Art der Deckung und des Verschlusses der
Thore ist mit Sicherheit nichts zu ermitteln^). Dass es
Thore zu zwei und drei Durchgängen gab, schliesst man ohne
genügende Sicherheit aus dem Namen der Trigemma, den an>
geblichen zwei tani der Carmentalis oder gar aus dem Aus-
laufen mehrerer Strassen aus einem Thor wie der EsqniUna:
die CoUina hatte nur einen Durchgang, die beiden aus ihr
herausführenden Strassen zweigten sich erst vor dem Thore
ab. Es wird berichtet, dass die Raudusculana mit einem ge-
hörntm Kopf verziert war. Man würde sich denselben nach
der Analogie z. B. der Thore von Pompeji und Volaterrae,
der Arkaden des Amphiteatres von Capua, ja noch eines
wenn auch späten kaiserlichen Thors, der danach benannten
Taurina {Tifmrtina) in Rom, als Verzierung des Bogensehlusses
denken müssen, wäre nicht in freilich wenig glaubwürdiger Weise
bezeugt, dass derselbe ehern war und die Thorflugel zierte.
Im Ganzen verhindert auch hier die noch ungenügende Unter-
suchung über die altitalischen Befestigungen ein sicheres Ur-
theiF) (A. 4).
costruzione differente dell' aggere per essere i loro massi
di peperino assai piü piccoli e di forma piuttosto paral-
lelepipeda rettangolare che quadrata', also vielleicht Neubau
— des Tari|«inius Snperbns! — Lanciani, der BulL mno. 4, 35 diesen
Bericht unerwähnt lässt, fügt hinzu 4dentico sistema pno cwsere stato
segnito nella munizione della porta Fontinale snl culmine di Magnana-
poU'. Indessen sind die Reste hier za gering, nin ein sicheres Urtheil
za fällen (vgl. § 3 A. 15). Da Gahevaris Plan (wiederholt von Lan-
eiani) nicht einmal einen Maassstab hat, so kann die obige Maassangabe
nar annähernd richtig sein. Uebrigeas stimmt sie wohl zu der gewöha*
Uchen Breite der viae publica» mit ihren semitae,
^) Für die Ueberwölbang der Thore spricht scbon das Material:
Promis Alba 130 f. Dass die Thore hölzernen Verschluss hatten und
dass die hölzernen Thüren mit Eisen oder Kupfer beschlagen waren,
versteht sich; bezeugt ist jenes durch Diodor 14, 115: rtts nvXag i^
inojpav (die Gallier), dieses durch Varro 5, 163: pitrta Runduscnhmä
quod aerata fuit (mag nun die Erklärung des Namens richtig sein oder
nicht). Indessen fragt es sich, ob diese Art des Verschlusse« die äl-
teste war. S. Promis Alba 131 n. 154.
^) Ueber die oben genannten servianlschen Thore s. § 3 AA. 40.67.74,
§ 4.) TARQÜINISCHE BAUTEN ÜJMD SERVIANISCHE STADT. 25 1
Das Material und die Konstruktion der Ursprung*
Kchen Theile sind durchweg gleichartig. Verwendet ist der Tuf
der Hügel selbst in rechtwinklig geschnittenen Blöcken von
durchschnittlich 0,592 Höhe und Breite und einer zwischen
etwa 0,70 und 3,00 wechselnden Länge. Das Höhenmaass ist
dasselbe an den Tufblöcken der älteren palatinischen Ring-
mauer, fast dasselbe an den Mauern sudetrurischer Städte, wie
Tarqttinii, Nepi, Sutri, aber auch grösseres (0,70 Caere) oder
geringeres (0,40 Ardea) kommt bei ähnlichen Mauern vor.
Wo es an der Serviusmauer sich findet (0,75 Peperinblöcke
am Wall, 0,25 — 0,30 am Quirinal und an der Rückwand
des Walls), liegt wie wir sehen werden, ohnehin die Ver-
muthuDg nahe, dass die betreffenden Stucke einer anderen
Zeit angehören. — Diese Blöcke sind durchweg im sogenann-
ten Läufer- und Bindersystem lothrecht (soweit nicht die
eindringende Nässe die Massen aus den Fugen getrieben hat)
geschichtet, ohne jedes Bindemittel (die eiserne Verklamme*
rung an einem Stück des Walls wird sich wieder als jünger
erweisen), fundamentirt auf dem Felsen. Dieselbe Konstruk^
tion finden wir an der Palatinmauer, bei einem Theil der
über die Collina oben A* 5. — Bildlicher Schmuck : Val. Max. 5, 6, 3
erzählt von dem dem Prätor Genucins Cipos bei seinem Ansriicken aus
der Stadt begegneten Wunder, in capite eins subito veluti cornua erep-
serunt und dass diese capitis effi^es aerea (aereüe B) portae qnae
excesserat inclusa est dictaque Raudusculana, narrt (nam fehlt B)
oHm aeraraudera dieebantur. Ovid scheinbar bestimmter Met. 15, 620:
eomuaque aeratis miram referenüa fomiim postibus inseulpunt Ion-
grnn mansura per aevum. Mit dem Actaeon vergleicht den Cipus kurz
Plin. I], 123. Keiner von diesen Zeugen hat wohl das Bild noch ge-
sehea und es bleibt möglich, dass nur die Etymologie des Thornamens
veranlasste, daraus ein ehernes zu machen. — Bekannt sind z. B. die (nicht
ftidier gedeuteten) Köpfe des Nolaner Thors in Pompeji und des Bogen-*
tbors von Volterra (vgl. Aheken Mitteilt. 159). Ueber die Taurina
i 6y über das Amphithoater von Capua Friedländer Darst. 2', 547.
Weleker Art das Bild an der RauduscuUma gewesen sei, lässt die of-
feabar ciceronenbafte Deutung desselben (vgl. PreUer Myth. 282} nicht
deatlich erkenaen. -*• Sollte etwa die trigemina ihren Namen von einem
Bilde haben?
252 THEIL I.
sudetrurischen Städte und in Ardea^). — Abweichungen von
diesen gemeinsamen Kennzeichen der echten Mauer dürfen ^ir
als Spuren jüngerer Restaurationsarbeiten betrachten. Der
zum Zweck der Entwässerung in die Futtermauer am Aybo*
tin (a) eingezogene Bogen zeigt die Verwendung des Mörtels
und die zu beiden Seiten desselben vorgenommenen Ausfül-
lungen der grossen Lücke besteht aus Werkstücken von fast
der halben Höhe der übrigen und kennzeichnet sich auf
den ersten Blick als spatere Arbeit. Aber auch das durch
äussere Streben verstärkte Stück des WaUs südlich von der
porta Viminalis (o^) und die Thürme der p(n*ta Coüma tra-
gen die sicheren Spuren späterer Ausbesserung: in beiden
ist der sonst im ganzen Umfang der Befestigung nicht beo-
bachtete Peperln verbaut, jenes ausserdem, so viel wir bis
jetzt wissen das einzige Stück welches eine Verklammerung
der Blöcke aufweist. Die Zeit dieser Ausbesserungen lässt
sich nicht feststellen (unten). — Abweichend von den übri-
gen unzweifelhaft alten Stücken besteht die Untermaue-
rung der Nordseite des Quirinals (d?iklnin) aus Blöcken
von fast genau der balben Höhe der gewöhnlich ver-
wendeten, welche regelmässig mit der langen Seite in der
^) Maasse : nach 'mehr als ] 00 Messungen an verschiedenen Stellen'
erhielt Lanciani (Ann. d. i. j871, 54) als mittlere Höhe 0,592 »= 2 r. Fnss
zn 0,296 gerechnet. Dagegen kommen allerdings meine weniger zahl-
reichen Messungen kaum in Betracht: doch s. unten. Die Peperia-
blöcke an der Wallmauer: h. 0,75 (Aon. 1862, 133) während freilieh
die darüber liegenden Tuf blocke wieder die gewöhnliche Höhe
haben (Ann. 1871, 61). Palatinmauer : das. S. 44. ?Jur nach Caninas
Aufrissen in der Etruria maritima Nepi(T.XVI[): 0,60. Sutri (XVIII):
0,60. Tarquinü (LXXVIl): 0,55— 0,60. — C^ere (XLVf.) 0,70. Ardea
(gemessen 1867): 0,40. -— Konstruktion: Veji: Ganina E. M. 1, 119,
]\epi, Sutri (? nach den aa. TT.), Ardea (1867), Anders Caere , wo
sämmtliche 'parallelepipedi' mit den Kopfseiten nach vorn geschichtet
sind ('metodo proprio dei tempi piu vetusti* Canina 1, 171), und Tar-
quinü (? 'opera approssimativamente quadrata' ders. 2, 34 f.); ganz an-
ders Norchia (Contenebra?), wo die ebenfalls rechtwinklich geschnittenea
Steine von der verschiedensten Grösse sind und nach Analogie des Poly-
gonalbaus geschichtet (T. XCII).
§ 4] TARQÜINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCIIfi STADT. 253
Hauerfront liegen. Das Material ist grünlicher Tuf'). —
Dieser Untermauerung gleicht in Maass und Konstruktion
(das Material scheint, obwohl auch Tuf, doch von jenem
verschieden zu sein) eine der Wallmauer und wie be-
hauptet wird auch anderen Theiien der Befestigung innerhalb
derselben parallel laufende Mauer. Es ist von Wichtigkeit festzu-
stellen ob die erwähnten Verschiedenheiten nöthigen für die innere
und äussere Mauer verschiedene Bauperioden anzunehmen.
Die im § 3 (o) beschriebenen Ueberreste des agger^
welchen die Tradition dem Servius TuUius zuschreibt, zeigen,
dass der Schutz der im Osten nicht durch natürliche Mittel
festen Stadt in einem Graben von ungeheurer Breite (30 M.
breit 4 M. tief) und einem dem entsprechenden Erdwall be-
stand. Die Aussenseite des Erdwalls bildete eine 4 M. dicke
Quadermauer, welche in Material und Schichtungsweise von
den übrigen Stücken der Befestigung sich durch nichts unter-
scheidet, abgesehen von dem soeben als restaurirt bezeichne-
ten Stück südlich der porta YminaUs, Es ist schon bemerkt
worden (oben S. 159), dass die Nachricht von der Erhöhung
des Walls und der Vermehrung der Thurme durch Tarqui-
nitts nicht um ein Haar glaubwürdiger ist, als die übrigen
Nachrichten über die Bauten der einzelnen Könige, und dass
der Versuch in dem Durchschnitt des Erdwails die Aufschüt-
tung des Tarquinius nachzuweisen, abgesehen von seiner Bo-
denlosigkeit, deshalb fehl gegangen ist, weil die vermeintlich
spätere oberste Aufschüttung nur die aus dem tiefsten Theil
des Grabens stammende von den höheren verschiedene Erd-
schicht ist. Es ist unbegreiflich wie man auch neuerdings
die oben beschriebenen Strecken an dem restaurirten Stück
für die von Tarquinius hinzugefügten Thürme hat halten
können, trotzdem die Kleinheit derselben (2X2 M.) und die
geringen Abstände (etwa 5 M. i. L.) den Gedanken an Thürme
nach den Vorschriften der Alten und dea erhaltenen Resten
•) S. §3 A. IS. 22. 23. Gemessen sind klmit, 0,25—29, worauf
zaerst Schone aufmerksam machte (s. Hermes 2, 409), also uogpefahr die
Hälfte desMaasses der gewShnlicheD Stöcke, == 1 r. Fass (Hermes 7, 290).
254 THBIL I.
von Festungsthurmen ausschliessen ^^). — Wenn uns eigent-
liche Thurme, deren Vorhandensein bezeugt ist, nicht erhal-
ten "Wären, so würde dies angesichts der Thatsache, dass von
der Linie der äusseren Mauer doch nur Bruchstöcke gefunden
worden sind, deren keins der Länge eines massigen norma-
len Zwischenraums zweier Thürme gleich kommt, nicht zu
verwundern sein. Und in der That ist bis jetzt ausser den
noch dazu wahrscheinlich in späterer Zeit umgebauten
Thürmen der pürta Colltna keiner zum Vorschein gekommen.
Doch haben sich zwei thurmähnliche Konstruktionen erhal-
ten, welche wegen ihrer sehr eigenthumlichen Beschaffenheit
eine nähere Untersuchung verdienen. — Die Linie des Walls
bildet dem oben geschilderten Terrain folgend von der porta
Collma aus zunächst eine der Graden, dann weiter südlidi
eine einer flachen nach aussen ausbiegenden Kurve sich
nähernde Linie, deren östlichster Vorsprung auf der neuen
piazza Fanti liegt; gleich nach diesem wendet sich der Wall
mit seinem letzten Stück in einem einspringenden Winkel
südwestlich gegen die parta EsqmVna^ so dass die linke
Flanke derselben durch jenen Vorsprung Deckung hatte und
der Angreifer in seiner Rechten bedroht war^*). Wo
jener äusserste Vorsprung nach Osten im stumpfen Winkel
bricht, lehnt sich an den nördlichen der beiden Schenkel
von innen eine halbkreisförmige Untermauerung mit dem
^^) Lanciani Bull. itauD. 4, 130 nennt die Streben 'speroni o torri'
und schliesst aus ihrem Vorkommen auf die Glaubwürdigkeit der Nach-
richt des Dionysios (§ 3 A. 33). Was die A. 2 erwähnten, vielfach
noch ungenügenden Untersuchungen über die Thürm« sicher gestellt
haben, ist dass sie nach Ausweis der Trümmer italischer Mauerbauten
sehr sparsam und in ungleichen Abständen angebracht wurden. Wenn
die Theoretiker Bogenschussweite vorschreiben, so haben sie diese
Regel von der jüngeren Fortifikation abstrahirt.
^^) Dies scheint der Zweck des einspringenden Winkels in der
That zu sein, obwohl die Mauer nördlich vom Thor zunäehst etwa 100 M.
in der Verlängerung der Axe des Thors läuft, und erst dann im stumpfeo
Winkel nach aussen bricht. Auch südlich vom Thor muss sie nach
den Resten beim 'Auditorium' zu schliesaen^ vorgesprungea sein. S*
Lancianis Plan Bull. mun. 2. T. V. Vi.
§ 4.] TARQÜINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 255
Radius von 4,10 so an, dass das Ende des Bogens in den
Scheitelpunkt des Winkels trtift. Der Ausbau ist nicht spä-
ter hinzugefugt, sondern gehört zu der ursprünglichen Kon-
struktion ^^). Ein ähnlicher aber kleinerer halbrunder Aus-
bau nach innen (Radius etwa 3 M.) hat sich kürzlich nörd-
lich von der porta \minalis gefunden und zwar an einem
etwa 12 M. langen Mauerstück ^^). Diese Ausbauten mussten
in der Erdraasse des an die Mauer von innen sich anlehnen-
den Walls stecken und scheinen, besonders wenn sie sich
noch baufiger wiederholt haben die Widerstandsfähigkeit der
Futtermauer erhöht zu haben: ob nur an Stellen wo die
Mauer ausspringende Winkel bildete, ist aus den beschrie-
benen Beispielen nicht zu entscheiden^^); ebenso wenig ob
sie sich über die Oberfläche des Walls erhoben und thurm-
artige. Verstärkungen d^ Rrustwehr bildeten.
Innerhalb der Aussenmauer des Walls fanden sich auf
einer in einem Abstand von etwas über 25 M. von derselben
laufenden Linie von der pwrta Collina bis in die Nähe der
Viminalis Reste einer zweiten Mauer, eben der oben erwähnten
aus kleineren in der Länge geschichteten Rlöcken von Cappel-
laccio. Es war unverkennbar, dass diese Mauer bestimmt war
als Contreescarpe der Futtermauer des Walls zu dienen: wie
an der ähnlicben Futtermauer des Quirinals lehnte sie sich
^3) Der van mir Hermiss 10, 461 mitgetbeiltea Beschreibung des
Stücks von HaDs Droysen (der ich das Maass entnehme: genauer als
die Lancianis Bull. mun. 2, 201) habe ich nach eigener Anschauung
niehts hinzuzufügen. An der Urspriinglidikeit der Konstruktion kanii
kein Zweifel sein, lieber die Steinmetzzeichen unten.
*^) Lanciani Bull. mun. 4, 171 ; das Maass nach seinem Plan T. XVII.
Nach meiner Abreise gefunden. Der Plan zeigt das Mauerstück schnür-
gerade ; aber im Text sagt er, dieses wie das A. 12 beschriebene Stück
entsprächen beide 'ad nn angole nuilto ottuso della oortina' (?).
**) Sonst kommt es vor, dass ausspringende Winkel der Mauer
von aussen durch einen vorgelegten runden oder polygonalen Thurm
geschitzt werden: jenes findet sich in Alba Fncensis (Promis 153 f.),
dies in Ardea (Abeken S. 161); do(^ ist der Thnrm von Ardea jedea-
falls in seiner jetzigen Gestalt nicht ursprünglich.
256 THEIL T.
rückwärts in einem Winkel von 5 — 6° gegen den Wall, ihre
der Stadt zugewandte Seite war sorgßltig behauen, die dem
Wall zugewandte nicht: ihr Abstand Ton der Aussenmauo*
stimmt auffallend mit der bekannten Breite des Walls uberein.
Auch habe ich gegenüber den Diocletiansthermen Spuren Ton
riegelartigen im rediten Winkel in den Wall hineinragenden Quer-
mauern aus grösseren Blöcken des gewöhnlichen gelblichen Tufs
bemerkt ^^).. Eine nach der Stadtseite sich öffnende quadra-
tische Nische in welcher die Ära des Verminus gefunden wor-
den ist hat man mit Unrecht für einen 'Thurm' und mit
freilich immer mehr schwindender Sicherheit die ganze Mauer
als eine vorservianische Befestigung ausgegebene^). Die ge-
gebene Beschreibung widerlegt dies zur Genüge und es kann
nur gefragt werden ob die Anlage der Mauer, welche un-
zweifelhaft als Contreescarpe des WaUs gedient hat, dem ur-
sprünglichen Bau angehört oder später ist als derselbe. Ohne
nun einer sachverständigen Entscheidung vorgreifen zu wollen
muss ich doch die Grunde die mir für die letzte Annahme
1^) Vgl. das § 3 Gesagte. Das Maass des Abstaads (an der Ecke |
der Diocletiansthermen) nach dem Plan Bull. mun. 4 T. III nnd XV11I
(36 Schritt mein Maass; übrigens nicht überall gleich Bull. S. 131).
Die Ausdeftang der Maaer Hess sich (4. Mai 1876) von den Diocle-
tiansthermen bis an den Finanzpalast {porta Colkna} verfolgen. Qner-
maner: damals sichtbar gegenüber den Thermen (ich finde sie bei Lan-
ciani nicht ermähnt). Die Blöcke derselben darchschnittlich 0,50 hoch;
die der Frontmaner 0,26 (s. § 3). Mir schien kein Zweifel an der
Gleichzeitigkeit der Front- und der Quermauer.
i>) Lanciani Ball. mnn. 4, 24 ff. (Januar — März), bes. S. 28: <il
monomento' (die Ära, §3 A. 31) 'fn rinvenuto io ana torre rettangolare
spettante a fortificazione che tatto indnce a credere anteriore allo sta*
bilimento deir aggere serviano'. Der Grandriss T. HI, 2 giebt ein
Quadrat von 5 X 5 M. Ich habe in jener Gegend im Mai unter den
Trümmern dieses Stück nicht gefunden: aber ebend. S. 121 f. 131 heisst
es, die Maaer sei als selbstständige Vertheidigangslinie za schwach!
und die oben auch von mir wahrgenommenen fiigcnthümlichkeiten j
werden richtig beschrieben, S. 172, sie sei gleichzeitig oder heiDahe
gleichzeitig mit der Aassenmaner: ohne dass ich za ersehen vermöchte^
ob der Verf. sie noch immer für älter oder jetzt für jünger als dia
Aussenmauer hält.
§4.] TARQUMSCHE BAUTEN ÜNÖ SERVIANISCHE STADT. 257
2u sprechen scheinen , angeben : eratens sind Konstruktion
und Material voll^ übereinstimmend mit denen einer Anzahl
kurzlich gefundener Grabkammern, welche man schwerlidi
ober die Zeit der Gracchen hinaufrücken kann^O) zweitens
entscheidet üwar das Schweigen des Dionysios über diesen
wichtigen Theil des agger nicht gegen dessen Ursprünglich-
keit, rnuss aber doch dagegen bedenklich machen; drittens
Stehen so yiel mir bekannt ist keine technischen Bedenken
der Annahme entgegen, dass man den Erdwall gegen die
Stadt hin auf diese Weise erst spater geschützt hat und die
Konstruktion der Stadtmauer von Pompeji, bei welcher der
Abstand zwischen den beiden das Fällwerk einschliessenden
ursprünglichen Mauern etwa ^ der Breite des serrianischen
Walls, betjrägt, kann nicht als ein gleichartiges Beispiel zum
Beweis herangezogen werden. Mir scheint also mindestens
ein absprechendes Urtheil über diesen Punkt nicht gerecht-
fertigt zu sein. — Es ist nun aber weiter behauptet worden,
dass 'jedesmal wenn die Befestigung einen horizontalen oder
nur gering geneigten Boden überschritt, sie jedesmal' — im
Gegensatz zu der oben beschriebenen anf den Felswänden
aufgesetzten Brustwehrform — 'mit einem Erdwall nebst
innerer Futtermauer verbunden war; so zwischen der porta
Esquüina und SS, Pietro e Marcellino und bei der porta
FinUm(dh' (am Quirinal) 'und CoUina'. Der Abstand beider
Manem oder die Dicke des Walls sei freilich an diesen Stellen
geringer gewesen : bei der FmJtinalü wird sie auf 6 — 7 M.
angegeben. Allein die Beweise für diese Behauptung sind so
unsicher, die angeblichen Beste der zweiten Mauer bei der
Fimtmalis und südlieh der Esquäma (das Stück bei der Collma
gehört ja zu dem eig^tlichen Wall) so dürftig, dass ich die
Richtigkeit der ganzen Annahme zu bezweifeln mich für be-
^^y U«bef 4ie Gt'iber BaU. »ao. 2, 4». 3, 44. 53. 191 f. iabresbe-
riebt 1875 ä 7S2. 1S76, 182 f. Die Blocke dnrchschnittlleb 0,26 hoeb,
Koastraktioa* ntui Bearbeitiuig der- der inneren Wallnaiier vöUis gleieb;
bei bäufin^r Setruelitavf beider tuunitteibar bintereinander scbien mir
die Annahme eines grossen Unterschieds in der Zeit unmögilcb.
Jordan, römieohe Topographie. I. 1. 17
258 THEIL I.
rechtigt halte ^^). — Nach dem bisher gesagten darf also woh)
auch das Mauerstäck am Quirinal wie die Contreescarpe des
Walls yermuthungsweise als jüngerer Bau betrachtet werden.
Für die Zeit welcher die besprochenen Restaurations-
bauten zuzuschreiben sind, lässt die Geschichte der Mauer
einen weiten Spielraum offen. Wenn wir auch die Verstär-
kung des Walls durch den letzten Tarquinier ins Reich der
Fabel verweisen mussten (oben A. 2), so lässt sich doch wohl
denken, dass jene Reste einer Restauration desselben in sehr
früher Zeit entstanden sind. Die Verwendung oder Nicht-
verwendung von Kalk mag auch hier noch einmal zu siche-
ren Resultaten fuhren. Nichts aber hindert uns noch in der Zeit
des Bundesgenossenkrieges Ausbesserungen der Befestigung
anzunehmen: tiefer hinabzugehen ist nicht möglich, da mit
^^) S. Lanciani zuletzt Bull. mun. 4, 122 vgl. 3, 45. 4t, 37. Dt
ich gegen seioe BeobachtuDgen io diesem Punkte einige Bedeokeo
habe und dieselben die Grundlage unserer Kenntnisse bilden, stelle ich
sie hier yollstÜBdig zusammen. Hinter dem Stock bei pal: Antonelli
(c) waren es (so sagt er 4, 37) 'poche pietre sgretolate', welch« nack
ihm zu jener Mauer gehörten, ' a. m. 6, 75 di distanza della fronte in-
terna del muro di Servio . . . . ; a partire di questo punto del Quiri-
nale fino alla intersezione delle mura Serviane con la via Merulaaa
in presso che tutti i luoghi eye quelle mura furono rinvenute sodo
apparse tracce di un recinto interiore . . . io ne ho esaminato vestigii
nel giardino Antonelli [c], nella villa Spithöver [I Hin], nella piazza del
Macao (o^), sotto il Monte di Giustizia [o'j, e presse la via Merolana'
(genauer 3, 45: 'un altro fu demolito or sono alcuni mesi per dar Inogo
allo stabilimento della piazza triangolare sulla via Merulana*, d.h. pT)
'e se la memoria oon m' inganna ne debbono esser apparse tracce anehe
nel recinto del Ministem delle Fioanze (ohne Zweifel: s. § 3 A. 30)'.
Sieht man von den zum Wall gehörigen Stücken ab, so bleiben also
nur zwei demselben unmittelbar sich anschliessende Mauerstücke übrig:
denn ganz unsicher sind doch die Reste bei der porta Fontinalis (§ S|
A. 15). Auf dieser Grundlage kann wahrlich die gedachte Hypothese!
nicht sicher ruhen. Entscheidend würde das Stüek bei porta Capena sein, |
#enn die Beschreibung brauchbar wäre (oben S. 248). — Wer das wüste |
Durcheinander jener Trümmer aufmerksam beobachtet hat, wird zngebeo) '
dass man sich über die Bestimmung * weniger verschobener Steine'
tauschen kann.
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1
§ 4.] TARQÜINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 259
der Freigebung des Pömerium durch Sulla (§. 5) die Ge^
schichte der Zerstörung der Mauer beginnt.
Wir haben bisher die Steinmetzzeichen auf der
Stadtmauer und auf dem Palatin^^) aus dem Spiel gelassen.
Eine ausfuhrliche Besprechung derselben scheint mir an die-
ser Stelle nicht vermieden werden zu können. Denn es han-
delt sich um nichts geringeres, als um die Frage ob diese
Zeichen uns über die Nationalität und die Zeit der Erbauer
der Befestigung Auskunft geben und ob wir in ihnen eine
Schrifturkunde aus der römischen Königszeit besitzen. Sie
finden sich fast regelmässig auf den Kopfseiten (nur vereinzelt
auf den Laugseiten) der grossen Blöcke des gelblichen aus
den römischen Hügeln stammenden Tufs und zwar, soweit
wir wissen, an der äusseren Futtermauer des Walls (o^^*^)
und an der dieser auch sonst gleichartigen Ringmauer süd-
lich von porta Esquüina (p) und bei der Fontinalis am Qui-
rinaP^), ausserdem auf den sicher aus den Brüchen des
^^) Die Zeichen auf dem Palatia sind von Lanciani Guida del
Pal. 132 erwähnt, von mir zuerst Hermes 7, 482 ff. nach eigener
Abschrift publicirt worden, desg]. die der Wallmauer das. 10, 126 ff.
461 ff. nach De Boors und Hans Droysens Abschriften. Im J. 1876
(4. Mai ff., 6. Juni f.) habe ich sammtiiche damals noch erhaltene selbst
abgeschrieben. Vorher hatte Bruzza sie gesammelt: diese Sammlung
ist jetzt in den Ann. d. inst. 1876 72 ff. (tav. d'agg. IK) gedruckt.
Einige der von ihm gesehenen Zeichen waren zur Zeit meiner An-
wesenheit nicht mehr vorhanden, manche mögen durch Wetter und
Luft gelitten haben: indessen muss bemerkt werden, dass auf den
a. 0. gegebenen Abbildungen mindestens einige der Zeichen in einer
Schärfe und Eleganz erscheinen, welche sie in der That nicht gehabt
haben (vgl. A. 20 f^) und dass die Abbildung weniger Zeichen im
BuU. mun. 2 T. XU. XHI eine viel richtigere Vorstellung gewährt. Die
von mir gesehenen Matterstücke habe ich nach eigener Zeichnung T. I.
II abbilden lassen, um die Vertheilung der Zeichen zu veranschaulichen,
was Bmzzas Tafeln nicht ermöglichen: übrigens muss ich auf diese
verweisen. — Erst während des Druckes erfahre ich von Mau genauer,
welche Zeichen das Stück o' hatte (s. A. 23).
^) Von denen bei der Fontinalis sagt Bruzza (S. 76): 'di quelle
deUe mura che cingevano il Quirinale due sole ne apparvero (45. 130)
sui tufi di Opera quadrata in quella parte ove i lavori di sterro aprono
17*
260 THEIL I.
Palatin slammenden gelblichen Tufbldcken eines auf dem
Palatin selbst befindlidien noch nicht bestimmten, gewiss aber
altrepubiikanischen Gebäudes ^^). Sie haben sich sonst weder
an den übrigen Resten der Stadtmauer gefunden (insbesondere
nicht an dem grossen Stück am Aventin), nicht an den aus
kleineren Blöcken konstruirten Mauern, der inneren Futter-
mauer des Walls und der des Quirinals, nicht (mit Ausnahme
eines eineigen zweifelhaften Beispiels'^), auf den Blöcken der
Substruktion des kapitolinischen Tempels, nicht auf den
1a naora strada, quasi di faccia alla eh. di S. Caterina: ma. appeva
Vedute per isfaldatura dei massi disparvero'. ludessea gt^hn an der
erwähnten Stelle befanden sich wenigpstcna noch im Juni 1876 deutlidb
sichtbar zwei von den a. 0. abgehildeten verschiedene Zeichen:
diese also mUssten, obwohl sie io die Augen fielen, dem Vf. entgangen
sein oder er hat dieselben nicht genau wiedergegeben und es ist
dann unrichtig, dass sie gleich nach der Auffindung verschwunden sind.
Ich gebe die Zeichen T. 11, 1 1 nach meiner Zeichnung. »-~ Die Zeiehei
südlich der Esquäina waren sammt der Mauer (am 'Auditorium') noch
in demselben Zustande erhalten wie sie gefundeo wurden, von denen
der verschiedenen Stücke der Wallmauer mögen einige verloren sein,
besonders von dem Stück auf Piazza del Macao (Bruzza S. 94, vgl.
T. J, 1. 2).
3^) lieber das Gebäude seihst vgl. Th. II; dass der gelbliche
bröckelige Tuf der Werkstücke dem Tuf des Hügels vollkommen gleicht,
ist unbestreitbar. Lanciani Guida S. 132 sagt zwar vorsichtig wie
inuner von dem Stein 'sembra tratto dalle latomie stesse del colle\*
ist es aber glaublich, dass man sich von weither ein schlechtes Bau-
material geholt haben wird, während ganz dasselbe zur Stelle war und
auch sonst dort verbaut worden ist? Gerade dieser Umstand ist aber
wichtig: unten A. 23.
2') Ein nicht tief eingemeisseltes, sondern leicht eingeritztes X
(n. 129) 'se ne vide sni massi di cappellaocio che formarano la
eostruzione del tempio di Giove Capitolino' Bruzza (S. 76 vgl. 104).
Auch De Rossi sah es (Ann. 1876, 14S): 1876 konnte ich es nicht
finden. Dass gerade ein solches Zeichen durch eine zufällige Ver-
letzung des Steines entstehen konnte, wird Niemand leugnen. That-
sache ist, dass auf den zahllosen sowohl im Garten Caffarelli blos-
liegenden als auch im Palast verbaut gefundenen Blöcken weder die
genannten Herren noch die deutschen Arohitekten noch ich ein zweites
Zeichen gefunden haben.
§ 4.] TARQUIINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 261
Mauern des Palatin, Caelias (S. Gregorio) und YiminaL Es
ist also unmöglich zu behaupten, dass die Zeichen auf den*
jenigen Mauern fehlen, deren Material in der IVahe des Baus
gebrochen wurde und dass sie Zeichen der Arbeiter ent-
fernt gelegener Bruche seien, bestimmt den Ort des Bruchs
zu bezeichnen. Es ist ferner zwar richtig, dass gewisse Zeichen
zwar nicht ausschliesslich, doch vorwiegend und massen-
haft auf geiiiissen Stücken der Mauer vorkommen: allein es
ist unmöglich daraus zu schliessen, dass man das allmähliche
Fortschreiten des Baus mit dem nach und nach herange-
schafften Material an den Zeichen sdbst beobachten könne ^^).
In ganz ähnlicher Weise finden sich die Zeichen auf der
Stadtmauer von Pompeji: auch hier kdirt ein und dasselbe
Ziehen vielmals an ein und demselben Stück, anderwärts
nkbt oder doch vereinzelt wieder, auch hier finden sich ein-
zelne Blöcke auf denen die verschiedensten Zeichen bunt
durcheinander stehen. Nur ei neu Unterschied in der äusseren
Anordnung wüsste ich nach dem mir vorliegenden Material
anzugeben: auf den römischen Blöcken habe ich stets nur
je ein Zeichen gefunden, auf denen von Pompeji sind je
zwei nicht selten, ja es kommen drei auch vier vor. Andere
Stadtmauern sind theils nicht vollständig genug erhalten,
tbeils nicht genügend untersucht um dasselbe an ihnen kon-
'') Beides behauptet Brnzza S. 78: jenes widerlegt siek durch die
oben i^ebenea Tfaatsachen, dieses wird so begründet: 'imperocche 1'
A era quasi miicaaieDte iu quelle spazio che e fra la chiesa di S. Ab-
tonio e la stazioae ed uiiita col V - dietro alle terme Diocleziane ed
Qaa sola relta presse alla via Meralaaa. La E deminava solameate
nel centFo fra S. Aataaio e la stazione, il K sotto aU' astica villa Ca-
serta fra la via MerulkDa e Tarce di Gallien« e il P in quel tratto
che era coperto dal monte dette della Giustizia'. Dies letzte Stück
BMI9S o* (§ 3 A. 32) seio: über dasselbe schreibt mir jetzt (s. A. J9)
Maas '^ häofigp, ferner ^; <^, das eine finde manchmal mit leiser
Krömnuni^; A einmal, wenn ich nicht irre, P ein Paar mal'. Ferner
sind H und 1\ nur auf p masseahaft vertreten. — Wie kommt es aber,
^s auf «^ E AüT auf dem Rundbau, H/ nur auf der graden Mauer
vorkommt? Bruzzas Hypothese erklürt dies nicht.
262 THEIL I.
statiren zu können ^^). Zu welchem Zweck nun und ron
wem diese Zeichen eingehauen worden sind, mag dahin gestellt
bleiben^*): viel wichtiger ist die Frage ob diese Zeichen
einem Alphabet und welchem sie entstammen. Auch diese
löst sich in befriegender Weise wenn man die Zeichen in
Rom und Pompeji miteinander vergleicht.
Die römischen Zeichen sowohl, auf der Stadtmauer wie
auf dem Palatin sind durchgängig tief (bis zu 1 Centim., ja
mehr) und regelmässig in den weichen Tuf eingesdinitten
und zwar vor dem Versetzen der Blöcke, daher dasselbe
Zeichen auf nebeneinander liegenden Stücken in verschiedenen
Stellungen vorkommt; eine verschwindend kleine Anzahl von
Zeichen ist leicht eingeritzt und es kann nicht nachdrücklich
genug hervorgehoben werden, dass die Beurtheilung dieser
fast den Graffiti zuzuzählenden Zeichen manchen Schwierig-
keiten unterliegt, welche sich aus der weichen und bröckeligen
Natur des Gesteins von selbst ergeben. £s ist nun unbe-
streitbar, dass nur unter den letztgenannten Zeichen solche
bemerkt worden sind, welche gekrümmte Linien von Buch-
2^) Da mit dem von Zangemeister CIL 4, 2550 zusammengestellten
Material für idie vorliegende Frage nicht auszukommen ist, so wandte
ich mich an Hn. Mau, welcher im August v. J. im Pompeji sammtliche
ihm erreichbare Zeichen abzuschreiben und die Stellen, wo sie sich
finden, genau zu beschreiben die Güte hatte. Leider ist es an dieser
Stelle nicht möglich seinen Bericht vollständig abzudrucken. Ich
muss mich begnügen T. II, 13 ein Mauerstück (südwestlich vom Her-
culanerthor, pietra di Sarno) und J4 ein Paar als charakteriatiscfa
ausgewählte Stücke wiederzugeben, und zwar lediglich um die Ver-
theilung der Zeichen auf der Mauer zu veranschaulichen. — Zwei
Zeichen auf einem Block in Rom sah Bruzza einmal n. 118. — Ueber
die Zeichen auf der Mauer von Tarraco Hübner Hermes 1, 88 ff. Allerlei
von griechischen Mauern bei Bruzza S. 74.
'<^) Dass sie vor dem Versetzen der Blöcke als Anweisung für die
Arbeiter auf dieselben geschrieben wurden (wie ich früher vermuthete)
wird schwerlich anzunehmen sein; aber ich sehe auch nicht wie die
affallende Thatsache, dass sich dieselben Zeichen gruppenweise zusam-
menfinden, in Bruzza's Vermuthung, dass sie im Steinbruch eingehaueii
wurden, eine Erklärung ßnden soll.
§ 4.] TARQUmiSGH£ BAUTEN WD SERVIAIV1SGHE STADT. 263
Stäben nachzuahmen schienen^^) und dass sämmtliche tiefein-
gesclmlttene Zeichen aus Kombinationen grader Striche
bestehen; dass unter diesen Kombinationen einige wenige
▼orkommen wekhe mit Zeichen des lateinischen Alphabets
zusammenfallen, andere welche weder mit Zeichen des latei-
nischen noch eines der sonst in Betracht kommenden über-
einstimmen, ja solche bei denen eine Uebereinstimnmng mit
ähnlichen Zeichen des Alphabets geflissentlich vermieden zu
sein scheint, keiiie welche die Hypothese rechtfertigen, dass wir
es mit einer ausgedehnten Anwendung des etruskischen
Alphabets zu thun haben. Das äusserste was zugegeben wer-
den kann ist dass 4 Zeichen den Buchstaben des latei-
nischen Alphabets AEHN oder Z^^) (denn die Stellung
3^) Ich hatte Hermes 10, 463 f. behauptet, dass kein eioziges Zei-
chen vorkomme, welches einem der durch Curveo gebildeten Buchstaben
CDßOPQR ähnlich sehe, Brnzza bestreitet dies un4 meint G, P ausserdem
aber gekröninte Linien an A (Mittelstrioh und Spitze) und dem von
ihm für K und x (Zahlzeichen) gehaltenea Zeichen nachweisen zu kön-
■ea. Allein wer seine Abbildangen ansieht wird die oben gemachte
Uoterscheidnog der Art der Zeichen gerechtfertigt finden und ich ge-
stehe offen, dass ich den wenigen geritzten Exemplaren eines Zeichens
mit krummen Linien gegenüber den vielen gehauenen mit graden keine
Beweiskraft beilegen kann. Gesehen habe ich selbst übrigens kein ein-
ziges, lieber ACKJ. s. A. 27.
*^) Ausser den oben genannten will Brazza die Buchstaben GFIKLP,
die Zahlzeichen i 11 III V ? X X (50) nachweisen. Ich muss das be-
streiten und zwar auf Grund seiner eigenen Angaben. Ich verweise
dabei auf das, was ich A. 26 über die geritzten Zeichen gesagt habe.
Das gekrümmte 0 fand sich nach ihm einmal auf dem Palatin, viermal
am Wall: es sind sSmmtMch kleine geritzte Zeichen (n. 1. 33. 34.
55. S. 94), die ich nicht gesehen habe. Den zweimal vorkommenden
stumpfen Winkel (57. 58) für ein C zu halten , sehe ich also eben so we-
nig NÖthigung als den zweimal vorkommenden spitzen (18. 97, denn 95
gehört ja sicher, 96 wahrscheinlich zu dem sogenannten K) für ein V zu
halten. Von den 3 Beispielen des F (Palatin) fallt nach Bruzzas
eigener Abbildung das einzige recbtsläufige auch von mir gesehene
(12) weg, es ist ja deutlich verstümmeltes £; die beiden vermeintlich
linkslaufigen (10. 11) gleichzeitig die einzigen angeblich links-
IXufig geschriebenen Buchstaben unter den mindestens 100
bnchstabenähnlichen Zeichen, bedürfen also nicht weiterer Wider-
264 THEIL I.
auf den Steinui entscheidet daröber nicht) so ähnJieh sehen
dass sie als solche betrachtet werden können, keinesfall«
müssen. Dass Zahlzeichen unter ihnen vorkommen beruht auf
rein willkürhcher Annahme. >^ Ganz zu demselben Ergd>nis6
füluren die Zeichen von Pompeji (A. 24). Unter den unge-
fähr 26 verschiedenen Zeichen ist bei weitem die Mehrzahl
so gestaltet, dass sie Buchstaben irgend eines der in Betriieht
kommenden Alphabete nicht sein können, Bacfastaben ähnlich
sind nur KH E F V ( und die Verbindung >l^: in der letzten
könnte man das dem oskischen eigene d finden, die öbri*
gen wurd^ ans dem oskischen Alphabet erklärbar sein'^.
Bei dem jetzigen Stande der Kenntniss ist es nicht möglidi
auch die Zeichen auf den Stadtmauern von Tarraco, Cnmae
u. a. Städten heranzuziehen, unzulässig mit den besprochenen
Zeichen die späteren und spätrömischen Steinmetzzeichen
leguD^. — Dass K nachgewiesen sei, bestreite ieh ^»tsehiedea —
nod verweise anf Bruzzas n. 78 ff. Alle von mir ^esehetien Formen
glieben sich darin , dass der Haiiptstrieh des aDgebhcheo K ganz
kurz war^ die beiden darauf im Winkel stehenden Qaerstriche sie
zusammen trafen und lang Ovaren. — Für P sollen zwei geritzte Zeiehen
(93. 94) und ein gescbnittenes (15) gelten (vgL A« 23), für T ffar oin en-
mal yorkommender stumpfer Winkel (92) der oWenhair nur deshalb
nicht als C angesehen worden ist, weil ein Schenkel etwa» gescliwiui'
gen ist. Mit demselben Reckt hätte ein spitzer Winkel mit einem
kurzen Schenkel (16. 17) statt für eine zweite Form des P für L
gehalten werden können. — lieber die Zaklen Tässt sich gar uicht
streiten: nur I II III V ? X und für 50 X oder ^k sollen vorkommeii.
Ich kann in ^ so wenig ein Zahlzeicken, wie in £ ein doppeltes E
sehen ; die drei Striche sind regelmässig so gestellt, dass zwei oder
alle drei convergiren« — Das Vorkommen von Zeichen, welche mit
Buchstaben nichts zu thun haben , giebt Bruzza selbst zu (S. 95).
— Der einzige Beweis für den etruskischen Ursprung des vermeiot-
licben Alphabets liefert ein mehrmals wiederkehrendes geritztes ge-
bogenes A (39. 40. 41 ; nieht 29) neben vielen gradlinigen.
^^^) Griechische, etruskisehe und oskisebe Bucbstaben wollte Ma-
zois 1 T. XIII S. 35 erkennen. Die Yergleiehung der Abbildaagen bei
Zangemeister und Mazois mit den Zeichnungen Mau's scbeinen mir
kaum einen andern Sehluss als den oben gezogenen zu gestatten. In-
dessen mag es sein, dass darüber nur die Autopsie entscheiden kann.
§ 4.] TARQ(IfNI$€HE BAUTfilV UfTO SERVIANISCHE STADT. 365
ohne weitereg 2» idemificiren. — Kennzeichen fdr die Zeit dei
Baus der Stadtmauer und für die Natiomlität der Erbauer gdbea
die StenimetKaeiGbeR also nicht ab: ist die Deber-einstioimung
einiger derselben mit Buchstaben des lileinischen AlphabeU
(denn auf das etruskische führt keine einzige
sichere Spur) wirklich m^br »)s eine zufiMige und bei
einer mögUehst mamrigf^igen* Kombination grader Striche
kaum zu vermeidende ^ so lernen wir leider daraus nichts
weiter als was keines Beweises bedarf, dass in der ohnehin
nidat um Jahrhunderte sehwankenden Epoche der Erbauung
der Mauern in Rom tm Alphabet bekannt war und d^s es
mit dem sonst nachwrislichen sdtiateinisehen mindestens vier
oder fünf Zeichen gemein hatte. <^ Ebenso wird man die
Thatsaclie dass Zeiehen auf dem grössten Theii der Blauer,
bisher nicht, dagegen >wohi auf d^ Wallmauer und den ihr
nahe gelegenen Theilen der.(|uirinalidchen und esqmlinisGhen
Ringmauer gefunden worden sind, scbwerücii als den sicheren
Beweis für die Un^ichzeitigkeit dieser Theile - ansehen
können. Fr^lkh in Pompeji finden sie sich im ganzen Um-
fang der Stadtmauern und zwar ohne Unterschied auf den
aus Terschiedenem Material bestehend^oi unteren und oberen
Schichten ; zum besten Beweise, dass diese Schichten nicht ver*
sdnedenen Epochen angehören. Auffallend Ueibt. also die
üngleichmässigkeit der itömisdien Zeichen und kann wie ge«
sagt worden ist nicht aus dem irrig behaupteten Umstände
hergeleitet werden, dass die Theile, auf denen sie sich finden,
aus weithergeholtem, die, an denen sie fehlen, aus nahe zur
Hand befindlichem Gestein erbaut sind. Wenn wir indessen
den Kreis der Mauer überblicken, auf dem sie fehlen sotten,
so steht uns fi eigentlich als Beobachtungsfeld einer sicheren
Untersuchung bis jetat nur die Untermauening des Ayentin
Dach der Södseite zu Gebote. Ist es so undenkbar, dass
diese einer anderen Zeit angehört, wie die Ring-
mauer? Man sollte jedaniills diese Frage offen lassen, einmal
deswegen, weil dieser Berg eine SondersteUung neben den dbri*
gen in der Geschichte einnimml, zweitens weil die Bossage der
266 THEIL I.
Blöcke so viel mir bekannt ist nur an der Mauer des Ayentin
vorkommt Vgl. S. 26SL
Wir haben im § 2 gesehen dass das Pomerium «iner
latinischen Stadt der innerhalb des Walls oder der Mauer
frei bleibende bestimmte Raum, die consecrirte Grenze der
Herrschaft der Stadtgötter ist. Da sowohl das Pomerium
der palatinischen Stadt wie das erweiterte Pomerium Roms
seit Sulla durch Grenzsteine bezeichnet war, so aius-
sen wir dasselbe wohl für das servianisohe Pomerium an-
nehmen. Was wir über die äussere, räumliche Beschaffenheit
desselben erfahren, ist die befremdende That&acfae, dass
Mauer und Pomerium wenigstens an einer Stelle sich nicht
deckten: der in den Hauerring eingeschlossene Aventin lag
extra pomeriwn bis zur Zdt des Kaiser Claudius (§ 5).
Da dies als etwas besonders Merkwürdiges erwähnt wird,
müssen wir wohl annehmen, dass Mauer und Pomerium im
übrigen zusammenfielen.
Dass dies in der That der Fall war, dafür besitzen wir
den voUgiltigsten Beweis in der Anlage der Gräber unmittel-
bar vor den Stadtthoren im ganzen Umfange der übrigen
Stadt — vor der Ratnmmna (?) an d^r Nordecke des Kapitols,
der FatUmalü, Salutaris, Coüina, Vimmalis, Esquäma^ CaeUmon-
tana, Cafena: s. § 3 — und wenn auf. der kurzen Strecke vom
Kapitol nach dem Fluss, wo der Lauf der Mauer noch nicht ganz
sicher festgestdlt ist, alte Gräber nicht gefunden worden sind,
so beweist die Thatsache, dass noch zur Zeit des Augustus
die Porticus der Octavia ausserhalb des Pomerium lag —
zwischen ihr und der Mauer aber lag nur das Forum holi-
torium — und dass wieder Kaiser Claudius es war, welcher
das Pomerium auf dieser Seite hinausrüokte (§ 5) , ebenfalls
unwiderleglich, dass auch auf diesen Strecken das Pomerium
nicht ausserhalb der Mauer lief. Dass die Bestattung der
Todten wie die Ansiedlung fremder Gottheiten ausserhalb des
Pomerium nicht allein durch uraltes Herkommen, sondern
auch durch Gesetze angeordnet und dass in der Zeit der
Republik nur durch Volksschluss das Privilegium des Ehren-
1 4.] TARQUmiSCHE BAUTBN UND SERVIANISCHE STADT. 267
begräbnisses innerhalb' der Stadt (am Harkt) ertheilt wurde,
ist schon gesagt worden (s. § 2 A. 32. 64). Noch im ersten Jahr*
hondert der Kaiserzeit werden beide Vorsdiriften streng be-
folgt und die Beisetzung der Asche Trajans auf seinem Forum
als ein ganz einzig dastehendes Privilegium bezeichnete^).
Wenn daher in der Zeit der Republik auf dem Marsfelde,
ungewiss wo, ein Bach oder Fluss, Fßtnma amnis die Grenze
zwischen dem Gebiet der städtischen und militärischen Au-
spicien bildete, so kann daraus, mag dies erklärt werden wie
es wolle, angesichts so unzweideutiger Beweise, wie die bei-
gebrachten sind, unter keinen Umständen grfolgert werden,
dass schon in jener Zeit ein Theil des Marsfeldes innerhalb
des Pomerium lag^^). — Wie zwischen der porta Capena
und dem Fluss das den Aventin ausschliessende Pomerium
geführt war, ist ganz unbekannt (vgl. unten). — Zur Zeit
Yarros standen die Grenzsteine des Pomerium: es ist kein
Wunder, dass keiner sich erhalten hat, da die Linie des
*^) So wenigstens Entrop. 8, 5 : solus omnfwn wdra urbem sepuUus
est, nehmlich onter der Saale, wi« es wahrscheinlich von ihm selbst
beabsichtigt war (vgl. jedoch Tb. II). Wenn der Ansdrack des Eutrop
strenge zu nehmen ist, was ich freilich kaum zu behaupten wage, so
würde er auch fär den an dieser Stelle unsicheren Lauf der Stadt-
mauer (§ 3 A. 16) entscheidend sein. Die Gewährung eines Begräbnisses
anf dem Marsfelde durch Volksbeschluss (Marquardt Privatalt. 1, 362 f.)
hat mit dem Pomerium eben so wenig zu schaifen wie die Errichtung
des Grabes des Bibulus vor der porta Ratumenna (§ 3 A. 14).
^) Festus 250 : Petroma amnU est in Tiberim perßuens quam ma-
^strafus transeunt cum in eampo quid agere voluid, quod genus ausfiel
peremne vocatur. Auch nach Mommsens Erläuterungen (Staatsr. 1', 93
A. 6 und 100 A. 3) ist mir nicht klar, was dieser Bach mit dem jw-
merium in der bekannten Geschichte bei Cicero (de n. d. 2, 4, 11, de
dir. 1, 17, 34) zu thun hat Gracchus hatte wahrend der Consulwahl
anf dem Marsfeld auf kurze Zeit sich nach der Stadt begeben, dann
wieder nach dem Marsfelde, ohne, wie er es musste, von neuem bei
Ueberschreitung des pomerium Auspicien anzustellen : quod inauspieato
pomerium transgressus esset (leider ist die Herstellung der, wie es
scheint, etwas abweichenden, von Mommsen übergangenen Darstellung
des Licinian p. 10. H Bonn, ganz unsicher). Nach meiner Auffassung
kaon der petronische Bach hiermit nichts zu thun haben.
266 TiBIL I.
Pomeriuni durch die Kaiser seit Claudius neu regulirt worden
ist. ' — Ueber die Breite deg servianischen Pomeriun sind
wir nicht unterrichtet. Sehliessen können wir auf dieseUie
aus dem Abstände einer inn^balb des Walis laufenden Strasse
von diesem. Eine ausserhalb wahrscheinlich alle Thofe mit
einander verbindende Ringjstrasse« welche das Bestehen grös-
serer Vorstädte voraussetzt, hielt sich wahrscheiulich auf der
Grenzlinie des militflrisch nothwendigen Ghcis^^). — Es er^
giebt sich also, dass die Linie des Pomeriums wie die Mauer
eine Figur beschrieb, welche mit dem für jenes voraus*
zusetzende Quadrat nidit die entfernteste Aebnlicfakeit hat
(unten).
Von den 9 ^ nachgewiesenen Thoren der servianischen
Mauer können wohl einige erst in späterer Zeit abgelegt
sein: viele schwm'lich. Wir müssen uns vergegenwärtigen,
dass zur Zeit der Anlage der Befestigung Feindesland
kaum 10 Millien von den Thoren begann, von Heerstrassen
*^) Bei deoi Unbaii de» Eekkautes Piasza Araeeli und Via Giulio
Ronano (friUi«r Padaebi«) fasd man 6 M. tief dag Pflaster der Strasse,
weldie diep&ria CarmmUalis asd Ratumeua verband: worass mit Sicher*
beit aaf die ^avpiezia deli' aatico ponerio' za sehliessen sei: Laa-
oiaai Ball« maa. 1^ 145. Das> Eckhavs mag naob nosetahrer Schätzung
vea den besrabeaea Foss des Feise» 40 M. entfernt sein. Vom Wall
ders. ebd. 2^ 201: läass des äussere» Randes des noch erkennbarea
Grabaas (s. Bull. muo. 1^ 244 «ad § 3) and innerhalb der Maser
liefen Stratsea, deren %* T« erhalteiies Pflaster der späten Kaiser-
2eit aageh&re: aber sie seien ohne Zweifel gleichzeitig mit dem
fian des Walles angelegt (?) <aUo scope forse di bea defiaire i liniti
del pomerio'. Von der inneren Strasse finde ich bei ihm nur die An-
gabe, dass ein Stüeh zwischen den a. 0. T. V. VI. mit 4. 5 bezeich-
neten Gebänden laufe — dies Stück wird etwa 40 M. von der A.iissen-
maoer entfernt setn, al9<^> nach Abzog von etwa 30 M. Wallbreit«,
20 M. Yom Wall — dann, dass hinter dem Wall längs der Ostseite
der Diecktiansthermen eine Strasse lief, als» wohl parallel der dort
erhaltenen inneren Wallmaner, 15 M. nnd mehr entfernt (BolL man. 4
T. ni). Von dieser aber muss sieh eine dem Wall parallele nncb
jwrfa CMnm hin abgezweigt haben : sie erscheiat (auf Canevari's Plan,
oben A« 5) nahe dem Thore in einem Abstand von 30 M. von der Mauer.
Ist dies die innere]}
I 4.] TARQUINISCH£ BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 269
nach entfernten, später befreundeten oder unterworfenen
Landstrichen und StUdten nicht die Rede ist, und dass
die Thore angelegt an den natürlichen Mündungen der die
Stadt durchschneidenden Thäler als Endpunkte der mit
diesen zusammenfallenden Verkehrswege zu betrachten sind
(si. unten). Eine beacbtenswerthe Bestätigung für diese an
sich einleuchtende Beobachtung und zugleich ein Zeugniss für
das hohe klUx der Thore geben die Namen: kein ein-
ziges ist von etwaigen Zielpunkten ausserhalb der Stadt be-
nannt (vgL A« 36), vielmehr sind mit gleich zu besprechenden
geringen Ausnahmen die Thore am Kapitel und der Nord-
und Westseite des Quirinal nach den unmittelbar bei den-
selben belegenen Heiligthumern (Cwrmentalis, JFon^maZi«, San-
qndlis, Salutmis), die ost- und südwärts folgenden nach den
anlieg4^nden Hügeln <i|er Stadt (CoJUna, YminaU$i Esquilina,
Cadimontam, Querquetulana) benannt. Anders geartet sind
die Namen am Aventin: zwei Thore führen plebejische
Familiennamen (Minucia^ Naevia)^ ein drittes vielleicht den
Namen eines man daif wohl sagen plebejischen {ieiligthums
(LavernaU$). Es bleibt uns die Flummtanaj die unerklärte
Trigemmß (vgl. A^ 7. a. E.), und endlieh die ihrer Bildung nach
ebenso eigenthümlich^ Namen Ratumenna und Capena. Keins
von aUen diesen Thoren erregt den Verdacht späterer Anlage
(vielleteht mit Ausnahme der Vimmaiii) oder späterer Um-
nennnng '^). Die früher hervorgehobene Thatsache, dass nur
die Gipfel des collis nach Götternamen, die des Esquilin und
"') Was B«rgatt meint, wenn ar sagt, die Aolage des Thores an
der Nordecke des Kapitols (das man als Ratumena zu bezeichnen
pflegt) widerspreche dem 'Geist der servianischen Befestigongskunst '
(PhiloL 25, 663. 26, 83), weiss ich nicht. Ueber die angeblich späte
Beaennaog des Thores A. 34. — Auffallend ist, dass die FiminaUt so
äusserst selten genannt wird und dass, wie es scheint, keine Haupt-
strasse aus ihr hinausführte. Es wäre wohl denkbar, dass sie ent-
weder eine Art kleiner Ausfallspforte gewesen oder später gebrochen
wäre. — Die einzigen Thore, deren Reste gefunden worden sind, die
CüUma und FontmaUs (7) sind sicher ursprünglich, wenn auch jene wahr-
•cheinlich für das Auslaufen zweier Landstrassen später umgebaut.
270 THEIL T.
anderer montes nach Gentilnamen benannt waren (S. 179 fi.)
stimmt in auffaUender Weise mit der Benennung der Thore
des Quirinals nach Göttern und der priesterlichen Benennung
des colUs als agmius, Opferhügel, eine Spur des hohen Alters
einer in der späteren Volkssprache festgehaltenen Eigenthum-
lichkeit, der engen Verbindung von Caelius mans (weder mons
Caelius noch Caelius ist häufig) bezeugt der Name der pinrta
Cdeliommtana^ nicht Caeliana. Wenn demnach kein Grund
vorhanden ist, für die so sicher ursprüngliche Capena eine Um-
nennung anzunehmen, so ist damit auch zugleich die Mög-
lichkeit ausgeschlossen, sie als das einzige nach dem Ziel-
punkt einer aus ihr auslaufenden Landstrasse benannte Thor
zu betrachten. Am wenigsten wäre dabei an Capua zu
denken, welches — ganz abgesehen von der grammatischen
Schwierigkeit — doch erst für eine sehr späte Zeit überhaupt
in Betracht käme. Aber auch die schon von alten Gram-
matikern wie es scheint vorgeschlagene Annahme eines nah
belegenen lucm Capenm ist offenbar ohne jeglichen Anhalt
und zieht »den Namen des grade auf der entgegengesetzten
Seite der Stadt belegenen etruskischen Capena willkuhrlich
hierher ^^). Sollte nun der freilich etruskisch klingende Name
der Ratumenna em Fingerzeig sein, auch die Capma für eine
etruskische, nicht mehr erklärliche Benennung zu halten?
Dies würde einige Aufmerksamkeit verdienen, wenn wir nicht
über jenen Namen als den eines Stadtthors schon gegründete
**) Varros Erkläraog; kennea wir nicht, vielleicht hat er den Na-
men gar nicht zu erklären versacht (wenigstens fehlt ein entsprechen-
der Artikel bei Festus, vgl. Einl. § 2). — Servins zur Aen. 10, 697:
lucosque Capenos] hos dieit Cato V^eientum condidisse auxilio r^U
Propertü qui eos Capenam cum adolevissent miserat: unde et poria Ca-
pena quae (etwa quia?) iuxta Capenos est nomen accepU. So Daniel.
Dass hinter Feientum etwas ausgefallen ist, sah Niebahr. Die Rede
kann nur sein von dem mit Veji engverbandenen Capena; ebenso
müssen wir annehmen, das der lucus Capenatis, den Cato im 1. Buch
der Origines erwähnte (Fr. ], 26 m. Ausg.), der Hain der Capeoaten
in Etrurien ist. — Von Capva, Capua hatte doch wohl Capumü
werden miissen.
f 4] TARQUINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT- 271
Zweifel hätten äussern müssen ^^). Dazu kommt, dftss doch die
Namen der sämmtlichen übrigen Thore echt lateinisch, die
Endung -ewus in der That zwar selt^D aber doch sicher als
lateinische, nachweisbar ist. Wir glauben deshalb den Namen
Ct^pena zwar nicht sicher erklären, doch aber als lateinisch
und nicht von einem Städtenafmen abgeleitet betrachten zu
können *'^). — Was wir von den Namen anderer italischer
Stadtthore wissen — von ihrer Zahl wird unten die Rede
sein — ist so dürftig, dass es zur Yergleichung kaum zu
verwerthen ist: nicht zu rechtfertigen ist jedesfails die all-
gemein gangbare Vorstellung, dass sie in der Regel von den
Zielpunkten der auslaufenden Strassen hergenommen wor*
den sind**).
^) Ob6B § 3 A. 17. Die dort belegte Geschichte von dem vejen-
tischen Wagealenker Ratumenna (dean darauf führt die beste (Jeher-
lieferuDg) ist eio Seitenstück zu der Legende von der thönernen Qua-
driga auf dem Kapitol und als historisches Zeugniss für den Ursprung
des Namens werthlos. Sie ist aber kaum erklärlich, wenn der Name
nicht wirklich Raiumerma lantiBte «nd so aa die etraskisehen Naman
PorsennUy Fibenna (vgl. Corssen Etr. 2, 142 f.) erinnerte. Schon aua
diesem Grunde halte ich die Vermuthung von Curtius (Comm. in hon.
Ritsch. S. 227), dass RatumenOf vgl. rota, 'Wagenthor', T^o/rilatog
nvXrj sei, für unwahrscheinlich, obwohl sie für sicher richtig gilt
(Corsaen Ausspr. 1, 528 Beckstein in Cnrt. Stud. 8, 391 ; er selbst er-
wähnt sie nicht Etym. ' 345): .wie sollte aber ausserdem, da die
Wagenlenkergeschichte wegfällt, unter so vielen Thoren gerade dieses
zu der Bezeichnung 'Wagenthor' gekommen sein? Die wahre Bedeu-
tung des freilich wahrscheinlich lateinischen Wortes (A. 35) war und
ist unbekaniit.
^) Die Behandlung des lateinischen Suffixes -enus bei Corssen
Ausspr. 1, 305. 2, 303 und L. Meyer vgL Gr. 2, 186 genügt nicht.
Es mag hier nur an den lateinischen Eigennamen Rufr-enus und den
pränestfnisdien Turp-enus pat^ (CIL 1, 1541 vgl. Bull. d. i. 1863,
12. 1864, 38) erinnert werden. So künnte also auch porta RatumSna =^
Ratumenna lateinisch sein. Seltene, aber lateinische Bildungen sind
auch Capit-öli-unt, Sue-üsa (oben § 2).
>•) So z. B. Promis (Torino S. 197. 207), für Rom unter Bezug-
nahme auf den längst beseitigten Namen pnrta Ferenthtä (§ 3 A. 50)
und die Namen der anrelianischen Mauer. Aus der verhältnissmässig
272 THßlL f.
Die bisherige UatersuchuDg hat ergeben, dass das aus
einem Gedanken entsprang^ne System der Befestigung der
Stadt in gleicbmässiger Weise ausgeführt worden ist; dass
die nachweislich i^der wahrsclreintioh jüngeren Tbeile den
Oiarakter des Werks unangetastet gelassen. haben, und dass
kein Grund vorhanden ist, den. Wallbau für junger zu halten
als die übrige Mauer. -^ Keine sichere JSpur führte uas
ferner auf etruskis che Erbauer: ja die alten Thornamen
scheinen einen solchen geradezu aoszuschliessen. Wenn die
Steinmetzzeicbea die Kenntpiss eines Alphabets vorausaetaen,
so ist wenigstens nicht der geringste Griuid vorhanden, das-
selbe für das. etrusfciache zu halten; um so weniger, als sie
ohne jede wesentliche Verschiedenheit an einem alten Ge-
bäude auf dem Palatin wiederkehren, also auf einer Statte,
welche selbst die römischen Gelehrten mit ihrer Etruskomanie
ganz zu verschonen genöthigt gewesen sind. Ihrzu käme
dann, wenn die bisherigen Beobachtungen zuverlässig wären,
das wichtige Kriterium des römischen oder vielleicht eines
älteren italischen Maasses, welches beim Schnöden der Werk-
stücke zur Anwendung gekommen wäre. Indessen sowohl
hierüber wie über die Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten,
welche die Konstruktion mit südetrurischen Bauten aufzuweisen
scheint, ist es bei dem jetzigen Stande der Forschung ge-
rathen, das Urtheil auszusetzen. Wir bleiben bei dem n^a-
tiven Resultat stehen und fragen weiter, eh die mit derselben
Einstimmigkeit den Tarquiniern zugeschriebenen Bauten, der
späten Zeit des aussebildeten Strassenbaues rühren gewiss die Beispiele
der porta Secusma (Turin), r^rceüwa (Mailand, Mar. Arv. 772), Ro-
mana (Turin; aber ein Zeagniss feiilt), yielleicfat einer Rtnnana in
Padiia {extra poriam [ro]manmn CIL 5, 1, 2856) her. Dagegen habet
wir allerdings in Igavium ein ' Trebulaoer-', in Pompeji eia ^N»laner-'
und Sarner-Thor (? für das Stahianer ist wenigstens pünUram Stafut-
nam = pantem Stabianum jetzt nicht mehr anzaführea); andererseits
in Capua eine poria lovü (Liv. 26, 14, 6) benannt nach Art. eines
Theila der römischen Tbore. Die nach den Wegen benannten Atmia
and Cimina van Falerii der Inschr. Or. 1303 Qarrneci piss. urch. 36
sind bedenklich. ,
§ 4.] TARQÜINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 273
Tempel and die Kloake, sicherere Spuren ihres Ursprungs
an sich tragen als die Stadtmauer ^*^).
Der kapitolinische Tempel (s. Th. II) ist unzweifelhaft
etruskischen Ursprungs: das etruskische Schema, der Stil,
die ursprungliche Ausschmückung beweisen es. Das einzige,
was von dem ursprünglichen Bau erhalten ist oder als ur-
sprunglich angesehen werden kann, ein Theil der Substruktion,
lägst freilich wegen der ganz yerschiedenartigen Bestimmung,
eine Vergleichung mit dem Mauerbau nicht zu. Doch ist es
^eUeicht bemerkenswerth, dass sichere Beispiele von Steinmetz-
zeichen auf derselben nicht gefunden worden sind (oben
Ä. 22). In vier Worten und Einrichtungen hat ausserdem
die von etruskischen Bauleuten ausgeführte Arbeit ihre Spuren
deutlich hinterlassen: dem vicus Ttiscus, den favisae, dem
triumpuSy der fompa, Dass die römischen Gelehrten über den
Ursprung des Namens vicus Tttscus nur Vermuthungen aufgestellt
haben, wenn sie denselben bald mit der einen, bald mit der
anderen der beiden angeblichen etruskischen Invasionen, der
des Galle Vipina und der des Porsenna in Verbindung brach-
ten und dass es uns freisteht, eine wahrscheinlichere Er-
klärung zu suchen, wird schwerlich bestritten werden. Un-
wahrscheinlich sind beide Erklärungen in dem Maasse, wie es
>^*) Dass die Genauigkeit, mit welcher Lancianis Durchschnitts-
maass der Höhe der Blöcke dem Maass von 2 römischen Fnss (0,592 es
2x0,296) entspricht; nicht ganz unbedenklich ist, und dass meine
freilich nicht gleich zahlreichen Messungen in der Regel (vgl. z. B.
§ 2 A. 33, § 3 A. 60. 61) weniger (etwa 0,53—0,56) ergeben haben,
glaube ich um so mehr hervorheben zu müssen, als sich dasselbe Re-
soitat auch für die Messungen der ungefähr 1 F. hohen Blöcke heraus-
stellte. Man sieht leicht, dass dies aof die Frage führt, ob der später
gangbare römische Fuss oder ein kleinerer zu Grunde liegt: bewahren
sich meine Messungen bei genauerer Nachprüfung, so würde ein Fnss
von 0,265 — 0,289, im Mittel von 0,27 angewandt sein, und dies ist der
Fnss, welcher dem von den Alten als oskisch und umbrisch bezeichneten
Voraus zu Gruude liegt (Holtsch Metrol. S. 288 vgl* Nissen Tempi.
S. 95). Ich muss mich auf diese Andeutungen beschränken: die ganze
Frage über den Ursprung und die Zeit der fiinführuog des römischen
Normalfusses liegt ausserhalb des Kreises meiner Untersuchungen.
JordaD, römische Topographie. T. 1. 1^
274 THEIL L
die Geschiebte dieser Inyasionen selbst ist'^). Es ist nun
merkwürdig genug, dass wie es scheint ein drittes Ereigniss,
wekbes sich ungesucht zur Erklärung bietet, der Bau des
kapitolinischen Tempels, verschmäht worden ist Wir werden
sehen (§ S), dass die Handwerkerzünfte in besonderen Vier-
teln und Gassen gewohnt haben und dass die Strassennamea
dies bezeugen. Die Herstellung eines Riesenbaus, wie des
kapitolinischen Tempels, musste viele Hände lange Zeit be-
schäftigen; dass tuskische Bauleute den Tempel gebaut haben,
ist uBzweifelhafL Was ist also natürlicher, als dass diese
die in der Nähe ihres Bauplatzes gelegene Gasse bezogen
haben und dass nach ihnen die Gasse benannt worden ist?
— Diese Bauleute brachten aus ihrer Heimath die Kunst mit,
in den Felsboden, auf dem sie Tempel errichteten, höhlen-
artige Baume zur Bergung von Tempelgeräth oder Schätzen
einzugraben. Solche fanden sich in Rom allein beim kapi-
toUnischen Tempel und hiessen mit einem in Rom allein
hi'cr vorkommenden wahrscheinlich etruskischen
Namen favisae^^ — Mit der Gründung des Dreigötter-
87) Vgl. Schwegler 1, 511 f. 2, 52 ff. Beide Erklärangen sind von
Festns 355 aufgenommen worden. Ueber die erste wird A. 56 avsfSlir-
licher gesprochen werden: die zweite knüpft an den frenndschaftlichen
Abzug des Porsenna an and lässt die vor Aricia geschlagenen Etmsker
in Rom bleiben: hü locus ad habitandum datur, quem deinde Tuscum
vicum appellarunt Liv. 2, 14, 9. Ebenso Dionys. 5, 36, verkürzt
Festas a, O., verzerrt der sog. Aeron zn Hör. S. 2, 3, 328. Gleiehen
Werth hat die Erklärung der Mucia prata als Belohnung des C Mu-
cius — Scaevola oder Cordus? — Liv. 2, 13, 5.
^) Alles was über die favisae oder favüsae gesagt wird (Th. II), Jbe-
zieht sich nur auf die Höhlen auf der Area des kapitoltaische» Tempeis,
welche mit den zwischen den Grundmauern dieses wie anderer Tempel
vorhandenen SJellerräumen nichts gemein haben; solche Höhlen hat
schoa 0. Müller Etr. 2, 399 als etroskische erkannt. Das Wort fa-
vüüi welches die Alten mit flare zusammenbringen, Neuere (Fröhde
Zs. I. vgl. Sprf. 18. 160) mit foveOf x^'^^y ^^ ^^ einem Suffix ge-
bildet, welches Corssen (Krit. Beitr. 484 Etr. 1, 204. 2, 138) gans
vergeblich bemüht war als altlateinisches nachzuweisen: das von iha
übergangene etruskische manUssa ist das einzige genau entsprechende
{ 4.] TARQUBVTSCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 275
tempels kam, wie allgemein zugestanden wird, das CeremonieU
der Götterprozessionen an den ludi circemes und der Sieges-
prozession des heimkehrenden Feldherrn nach Born; Naoh
dem Cincus gew^det war die Front des Tempels. Die Wör-
ter iriumpm und pompa haben griechisches Gepräge und die
Folgerung da&s sie durch die südetrurischm mit griechisoher
Kultur T^^ptvaaten Tarquinier nach Rom gekommen sind, ist
unausweichlich. — Mir ist es kein Zweifel dass auch die
kapitolinische Göttertrias keine einheimisch - latinische odm*
gar eine allgemein italische Göttergruppe sondern eiae süd-
eCrurische, vielleicht griechischeist, welche erst mit der Aus-
dehnung der römischen Herrschaft eine römisch - italische
wurde ^^).
Das hohe Alter der Kloake wird mit Unrecht angezweifelt:
das Material und die Konstruktion ergeben durchaus keine
Bedenken; es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass
wenn ^ie Ausführung clieses Riesenbaus in d^ fruhrepubli«^
kanischen Epoche erfolgt wäre (im 6. Jahrhundert war er
sicher vorhanden) das Stadtbuch uns keine Nachricht darüber
bewahrt haben sollte. Der Eindruck den die ßauten des
Appius Claudius machten, zeigt wie lange es her war, dass
im, Profänbau Grossartiges geleistet worden war. Auf der
anderen Seite ist es unmöglich, den Bau für bedeutend älter
ids die Ummauerung der Siebenhügelstadt zu halten. ¥er-
AppellativniQ. Aacl^ hierüber wird anderwärts ausführlich gehandelt
werden. Iia der, Kürze Aon. 1876 S. 171.
^^) Die Aasicht des Varro .6, 68, dass^ w triumpe (filso auch trium^
fufj sj^ätejT triumpkus) voa ^QCttfißog entlehat sei (vgl. über dieaef
Bernhardy Gr. L. G. 2», 1 S. 64»), ist unzweifelhaft richtig (vgl
Cwr^aen 2, 163)) das AJter der JBntlehnung zwar nicht durch das triumpe
des Apv^i^eagebets (der Schlussraf kann sehr wohl jünger sein als das
^ige), aher durqh die Institution des Triumphzuges yerhji^rgt. Pas-
«alhe gilt y>ob der p&mpa, £s ist kaum gli^nUich, dass der GStterzug
je aadera. benannt worden sei als zu Plautus' Zeit. — Ob auch thetua
Fremdwort ist — dies^ die durch das Militärdiplom v. J. 60 n. C. n. 2
im CIL 3, 2 verbürgte Schreibung — mag dahingestellt bleiben. — Göt-
tertrias: uAten A. 47.
18*
276 THEIL I.
anlasst durch das Bedürfniss die dichte Bevölkerung in der
Niederung vor pmodisch wiederkehrenden durch Regengüsse
und Grundwasser hervorgerufenen Ueberfinthungen zu schützen,
setzt sie das aufblühende Leben dieser neuen Stadt unzweifel-
haft voraus. Aber dass die Tarquinier sie gebaut haben, lässt
sich weder beweisen noch widerlegen. Höchstens kann in
der Anwendung des. Bogens ein Wahrscheinlichkeitegmnd für
die Ausfuhrung durch südetrurische Bauleute gefunden
werden *°).
Von den sogenannten Bauten der Tarquinier wenden wir
uns zur servianischen Stadt. Die Ueberlieferung schreibt
dem Gründer der reformirten Verfassung wie die Einfuhrung
der Yermögensschätzung als Grundlage für die politischen
Rechte und militärische Gliederung der Bürgerschaft so die
Eintheilung des Gebietes der Stadt, deren Ummauerung er
vollendet haben soll, in vier Theile, tribm, zu, deren jede er
nach den darin belegenen Hügdn basannt habe^^X Die
*^) Vgl. § 7 nod oben S. 12. -^ Der lateinisciie Name ist keio
entBcheideoder Beweis. Das Suffix yob do-äc-a ist lateinisch (Corsaen
1, 195. 590), für die Wurzel führt man Plinius 15, 119 an, welcher
die Venys Cltuicina von cltuire, furgare ableitet: sie habe ihr Heilig-
thum, wo die Römer und Sabiner Frieden geschlossen hätten. Man
vergleicht yXv-tfii u. a. (Curtius 151). Der Beiname der Göttin ist ron
dem Ort hergenopimen, wo das saoellum stand. Vielleieht aber gehört
hierher noch die fossa chtilia,
") Dionys. 4, 14: eis rixTaqag fioiqag ^lekwv tr^v noXtv xaX
&i(ifvog inl rtSv X6(p(ov ratg fioCqtttg rag (Tiixl'riaeig, t^ fjik» HaXa-
j£vrjv, T^ 6k Soßoqävriv^ t^ 6k TQtrrji KoVdvriV (die Hs8. xolkatCvrfV),
ijf 6k ttta^tr^ Ttov (JLOtQWf 'itfxvUvfjVf tnqdipvlav inoiffas tipf noUv
iivai TQ(<pvlov ovaav timg. Livius 1, 43 nach der ReeensSon des Pfi*
comachus: quadHfariam enim urbe dwisa regiordbusque {quae M
von 1. Hd.) eoüüms qut kaMtabantur partes eas tribus appeUavüi die
Lesung anderer Hss. regUmtbus coUibusque ist Konjektur. Allein weder
in dieser noch in Mommsens Fassung (Tribus S. 2) regionibusque ^eoüi-
busque qta h, ist der Relativsatz verständlich. Wegen der als sehr
wahrscheinlich anzunehmenden Uebereinstimmnng mit IMonys schreibe
ich: dwisa regümibus, a collibus, quibus habitabantur, u. s. w« PIvss
(N. Schweiz. Mus. 6, 59): regimibus quae tolHbus qtdnque h.; allein
damit bürdet er Livius eine Willkürlichkeit in der Zählung der Berge
§ 4.] TARQÜINISCHE BAUTKN UND SERVUNISCHE STADT. 277
Feldmark, über deren Umfang unten zu handeln ist, theilte
derselbe m Gaue, pagi ein. Jene bildeten fortan bis in die
spätesten Zeiten die tribus urbanae, diese den Stamm zu den
allmäbUch mit der Erweiterutig des Staatsgebiets an ZaM
wachsenden tribus rustteae^% Dass die städtischen Regionen
von Servius in md eingetheilt worden seien ist dne junge
Erfindung (unten). Die Namen jener Tribus waren in d^
in geschichtlicher Z^it feststehenden Reihenfolge, welche zu«
gleich emen Vorrang der beiden ersten vor den zwei letzten
bedingte (Bd; 2, 247) Svburana Palatina Esquäina CoUina.
Das Gebiet, wdehes diese 4. Tribus bildete, stellte die Ver^
einigung des ursprünglich gesondert bewohnten colUs mit den
alhnählidi an die palatinische Burg angeschlossenen motUes
(oben § 2 S. 199) dar und reichte sowdt wir sehen können
im ganzen äusseren Umkreise bis an, nicht über die Stadt-
mauer. Die Namen der Tribus, die unten zu erörternde
Vertheilung der Argeerkapellen und ein ausdrückliches Zeug-
niss (s. unten) beweisen» dass von dieser Viertelseintheilung
ausgeschlossen blieben das Kapitel und der Aventin. Damit
stimmt die Thätsache überein, dass religiöse Genossenschaften
aaf. — Die Abweichung ia der Anfsahlaag bei Dioays von der oben
«ligegebeneB offiEiellen ist unerheblich, da sie die nach der Rang-
ordnung zuaammengehörigen Paare zusammen lässt. Dass die Reihen-
folge in der Argeerurkande Suburana EsquiUna Coüinu Palatina nur
dem Zweck der Prozession dient und die hier vorkommende Bezeidi-
nnog regio nicht eine Verschiedenheit der regicnes und der tribus be^
SHindet, will ich nicht abermals erörtern. Uebrigens nennt Dionys
wie Varro und Liyius die Tribus ftoT^i, partes urbis,
*^) Dionys. a. 0. o. 15. — Was über diese pagi (von pag^ : Gors-
Mn 1, dddy die Alten falsoh, aber mit richtigem Gefühl für das Wesen
der Sache, von nify^, Fest; p. 221; quod ccmmuni fmte uterentur) und
ibre ZM seit Mommsens Tribus 15 ff. 211 ff. gesagt worden ist (vgl.
Marquardt Slaatsverw. 1, 5 f.) berührt die Topographie nicht näher,
lieber ihre Nlunen ist § 2 gehandelt worden. Die Aufhebung derselben
in Italien durch die cäearisohen Gesetze von 49 und 45 v. C^ hat die
sacfalen Yerbände auf dem Lande und gewisse communale in der Stadt,
letztere walurscbeinlieh bis auf Augustns, bestehen lassen. VgL De^
lefsen Bull. delV inst. 1861, 48 ff.
278 THEIL 1.
auf dem Kapitol, Aventin und im Thale des Circus nocli in
geschichtlicher Zeit diese innerhalb der Ringmauer befind-
liehen Gegenden als Gaue, pagi, bezeichnen, wie solche un-
mittelbar bei der Stadt ausserhalb der Ringmauer, auf dem
Janiculum, dem Esquilin und sonst bestanden. In dem Maasse
wie die Organisation der Stadt vorräckte, verwandelte sie vr-
sprüngliche ländliche Gaue in städtisches Gebiet Ein Beweis
dafür aus vorservianischer Zeit ist der pagus Sucnsawus^ der
ursprünglich ein Vorwerk der palatinischen Stadt, nun eins
ihrer 4 Viertel war^^). Der Sprachgebrauch bewahrte noch
spät die Erinnerung an dieses stets nach aussen sich yer-
^) Folgende stadtische pagi sind bekannt (s. Detlefsen in dem A. 42 a.
Aufsatz vgl. Mommsen R. G. 1^, 111 and zu CIL 1,805). 1. Janienlam.
CIL 1, 801. 802 «== 6, 2220. 2190 magUtri pagi lamcolengis erbauen
porticu(m) [ce]llafn cuUnam aram und , . . . gs. (?) astos et mace[riam]
de pagi sente7ii{ia) : die erste Inschrift auf einer Travertinplatte, die
zweite im opus signinnm, beide gefunden in Trastevere beim Baa der
Tabacksfabrik am Fnss von S. Pietro in montorio , graechisehe Zeit
•^ 2. Aventin. Henzen 6010: mag(i8ter) coWfigit) lupere9r(um) et Capi-
titlinor(um) et Mercurial(ium) et paganar{um) Aventinimsium) XXVI
vir . . . , unvollständige nicht mehr vorhandene Inschrift von Lanuvium
aus der Zeit des Augustus, vgl. CIL 1 S. 186. — 3. Subura, älter Su-
ensa, von pagui Sucusanus. Yarro de 1. 1. 5, 49 (obien S. 185 f.) —
4. Esqnllint StUck eines Volkssehlusses (?) aus der Zeit das Sulla BnlL
munic. 1875 t. XIX Z. 7: ... quei haee looa ab paag» Montamo . . .,
SchlnSB fehlt (oben S. 184). — 5. 6. Kapitol und Circus* Cicero ad
Qninium fr. 2, 5, 3: M, Furtum Flaocum ; . CapiioUm et Mercuriaies
de collegio «ieeerunt. Mitglieder der CapitoUni aus der Zeit des Augustus
Henz. 6010 (s. N. 2) und der Republik CIL 1, 805 {Oesipu^ (kgaiaut
mag. Capi[toL] mag, luperc. viat, tr,). Das Collegiam angeUioli 364 ge-
stiftet (Liv. 5, 50 s. unten A. 46). — An die Legend« über die Grün-
dung des T. des Mercuriw am Circus knüpften die Annalisten die
Stiftung eines coUegivm mercatorum. Ob diese von Cicero und in der
N. 2. a. Insdir. genannten Mercuriaies ebenfalls sn einem pague gehör-
ten, muss dabiflgestellt bleiben. — 7. (?) Ein mag{istet) de duobue pa-
geU et vicei Stdpicei CIL 1, 804 »6, 2221, woselbst Ritsehl Pr. lat
Suppl. V. t. YD fehlt. Nuove memorie deir i. S. 242 habe ich ver-
muthet, dass diese duo pagi unmittelbar vor der porta Capena z«
suchen seien. leb sehe jetat, dass wabrseheinlieh Jhie peigi- wie Septem
pagi^zum Eigennamen geworden ist.
§ 4.] TARQÜIISISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 279
schiebende VerbältDiss in den Namen der morUam pojimu^^).
— Femer muss es im Zusammenhange damit stehen, dass
der ATentin, wie er niemals den städtischen Tribus mnrerleibt
worden ist» so bis 2u der die alte Ordnung durchbrecheaden
Nennung des Kaisers Claudius ausserhalb des Pomeriizm ge-
legen hat. Wenn die Untersuchung (s. $ 5) ergeben wird
dass die Linie des senrianischen Pomeriums bis Sulk längs
der Stadtmauer lief und zwar nachweislich von dem Kapilol
bis zur pmia Capena, so müssen wir annehmen, dass es um
den Aventin auszuschliessen , vom Kapitol südwärts auf der
westlichen Seite des Palatium im Circusthal lief. Auf diese
Weise deckt sich das Gebiet der 4 Tribus mit dem von dem
Pomerium umschlossenen, nur dass das Kapitol wie un-
zweifelhaft innerhalb des Pomerium, so unzweifelhaft ausser-
halb des Tribusgd)iets lag. Wenn man nun mcht annehmen
will, dass die Ringmauer welche den Aventin einschloss, jun-
ger ist als die übrige (S. 265), so folgt aus diesen Thatsachen mit
Nothwendigkeit dass derjenige König, dessen grosser Gedanke
und gewaltige Macht die lose verbundenen Niederlassungen
durch Umlegung eines steinernen Ringes für immer in eine
Stadt, die Siebenhügelstadt, umschuf, zugleich von der
religiösen und bürgerlichen Eintheilung derselben den Aventin
und das Kapitol ausschloss. Die Grunde die dazu nöthigten
sind unzweideutig bezeugt durch die fernere Geschichte
beider Berge.
Zu den unzweifelhaftesten Thatsachen gehört es, dass
4er Diana auf dem Aventin wie am Nemisee latinische Ge-
meinden gemeinsam ein Heiligthum weihten. Aber es ist
eine irrige Vorstellung der späteren Zeit dass dies in einer
^) Mammsea hat mit Recht (Tribus 212) in den Ansdrückea der
tie:c Salpicia (b. Festus 340): mon]tani paganive si{fi9 aquam divi-
dunto] aod Ciceros de domo 28, 74: nulium est in hat urbe coUeffium.
flt«2)i pag^ani aut montam u. s. w. die Gesammtheit der pld>g urbana
crkanot: nur glaube ich nicht, dass diese mon^M mit dea«a des alten
*eptmontium etwas za schaffen haben (oben S. 199), aedi weoi^^er mit
dea Argeern (untea)«
280 THEIL I.
Ton Menschen nicht hewobnten Waldeinsamkeit aoch auf dem
Aventin geschdied sei. Yiehnehr haben wir allen Grund an-
zuiehmoi dass dieser sonem Um&ng nach grösste der
römischen Hügel Ansiedlungen schutzverwandter Yon dem
Stadtgründer nicht in den Organismus der Vierstadt auf-
genommener Latiner getragen habe**).
Eine Frage Ton watgreifendoer Bedeutung ist die der
Ausschliessung des Kapitels (vgL Th. II.). — Die Gründung
dnes GoUegiuras Ton Leuten welche ^das Kapitol und die
Burg' (d. h. das Kapitol im weiteren Sinne) bewohnen und
das bald darauf folgende Verbot £är Patricier dl>eiidaselbst
nidit zu wohnen ist mit der Geschichte des Betters und des
Hochyenrathers Marcus Manüus und der Erklärung si»nes Bei-
namens CapüoUmu verwebt, die Führung dieses Beinamens
in anderen patricischen Familien des 4. Jahrhundtfts unter-
liegt wie schon hervorgehoben wurde manchen ernsten Be-
denken. Nicht minder auffallend wäre es wenn wirklich nach
Eriass jenes Verbots Plebejern fortan ges'tattet worden wäre
den Berg zu bewohnen. Ich kann vielmehr das angebUch in
^ Die TOB Livios 3, 31 knrx erwütste lex leüia de AvenUno
pmbUeaitdo y. J. 298 kaan mmoslich dabin yentuden werden, dass
der Berf^ ganz «der xim grossen Theil, wie Dionys sagt (10^ 31 ovx
anas tote ^papo^ nnbewokat war. Seine ErziUnng entlüUt die dent-
lichsten Sporen, dass seine Quelle spatere Anschannngen eiunisdite
(ganz besonders charakteristisch ist der Ban der uuuIob e. 32, ygl. § 8).
Sidit Ban auch ganz ab yon den in der Rönigszeit dahin nbersiedeltea
Gemeinden, so sprechen der Gannane (oben S. 183) and das Collegium
der JvaUmaues (oben A. 43), yor allem aber di« Ilmtsacfae, dass die
seryianisehe Befestigiing ihn einschloss, dentUdi für, die yerhaltnisa-
massig spate Anlegung einer gepflasterten Fahrstrasse, des eUvus Pu-
bUeius^ nicht gegen die Annahme einer alten Ansiedelang. Den Bei-
namen AveMtutnuU fahren nur die Genncii in den Gonsnlaten 389 — 392.
Da es mit diesen Ortsbeinamen iberbaopt bedenklieh st^t (oben 192 f.),
so A^iiflt anch dieser Beiname der Vorkampfer der Plebs (Mommsen
Forsch. 1, 111) als absiehtUche Dlastration zn der jüngeren Version
anzosehen sein. Mir seheint, dass das fMkmn des Berges sich mit
alten Ansiedelnden verträgt, ohne dass man sich an Dionys so eng
anznschliessen brauch^ wie es Schwegler 2^ 598 ff. g^han hat.
§ 4.J TARQÜINISCHE BAUTEN UND SERVIANTSCHE STADT. 281
Folge des Hochverraths des Manlius erlassene Verbot in Ver-
bindung mit der nicht zu leugnenden Existenz eines heiligen
GoUegiums von Kapitolinem für nichts anderes halten als für
die Formulirung der Thatsache dass nach Gründung der ser-
vianischen Stadt die ausschliessliche Benutzung der beiden
Gipfel des Berges zu religiösen Zwecken- von selbst eine ge-
setzliche Regelung des Anbaus des ganzen Berges herbeiführte.
Dazu kommt, dass die mit der religiösen Hand in Hand gehende
militärische Bestimmung desselben als Citadelle für den Anbau
überhaupt schwerüch mehr als die Abhänge unter der Burg-
mauer übrig liess und dass die Bebauung derselben so gut
me bei griechischen Akropolen nach militärischen Rücksichten
eingeschränkt sein musste. Wir haben endlich noch das
werthroUe Zeugniss dass im Jahre 666 die 'um das Kapitol*
belegenen der Staatspriesterschaft bis dahin überwiesenen
öffentlichen Grundstücke vom Staate eingezogen und an Pri-
vate für Rechnung der Staatskasse veräussert worden sind
(vgl. § 5). Es ist sehr wahrscheinlich dass diese Ueber-
weisung in den Beginn der Entwicklung der servianischen
Stadt selbst fällt, jedesfalls sehe ich keinen Grund sie erheb-
lich tief hinabzurückeh. Alles das genügt vollkommen zur
Erklärung der Thatsache, dass das Kapitel ausser der Regionen-
eintheilung lag und in jenen Gegensatz zur Stadt trat den
noch die klassische Sprache durch die Formel whs et Cafi-
tolium bezeichnet *•).
^) Nach dem galUschen Brande 364 wird ein GoUeginm . . ex ns
qui in CapüoUo atque arce habitarent gestiftet und ludi Capitoltni ein-
gesetzt (Liv. 5, 50), nach der Vernrtheilnng des Manlios Gapitolinas ein
Volksschlnss dorehgeb rächt ne qui» patridus in arce aut in CapüoUo
habitaret (6, 20 vgl. Mommsen Hermes 5, 245). Jenes GoUeginm wird
nach der Zeit des Angastus nicht mehr erwähnt (vgl. A. 43, 5. 6). Den
f^vauLmen CapitoHnu» führen in den Fasten des 4. Jahrhunderts ausser den
Manliern 4 altpatrieische Gentes (oben S. 176), aber gefälscht ist er
offenbar bei den Maelii (354. 358 vgl. aeqiämelium) und F. Sestius (302
softst Capito), Ich weiss nicht, wie alt der Beiname in plebejischen
Familien ist (z. B. Petillii, Munzraeister d. J. 711; thörichte Erklärung
des Beinamens bei Porph. zu Hör. Sat. 1, 4, 14), Das GoUegium und
282 THEIL L
Dass der Name mans Tarpems der alte Name für den
ganzen Berg gewesen sei ist unerweislich: alle Spuren führen
darauf dass er eine auf Deutung beruhende Verallgemeinerung
des saxum Tarpeium ist (oben S. 187). Der Name cqN^
tolium haftet an dem südlichen Gipfel welcher von dem
nordlichen durch eine tiefe Einsattelung getrennt ist, und
dieser heisst arx. Der technische besonders scharf im Ka*
lender und den übrigen die heiligen Orte angehenden Ur*
künden hervortretende Sprachgebrauch kennt nur diese Doppd-
bezeichnung, sie liegt den besprochenen die Bewohnerschaft
betreffenden Bestimmungen zu Grunde. Es ist natürlich
dass a parte potiore daraus und nebenher sich der allgemeine
Name mom CapitolinuSf Capäolini entwickelt hat. Wir haben
schon angedeutet (oben § 2 S. 180) dass der Name eapüelhim,
Hauptberg, weder von der Höhe noch von der Ausdehnung
des Berges oder seines südlichen Theils herrühren kann: es
ist der Berggipfel der zu Häupten oder als Haupt der Stadt
den Sitz der Stadtgötter tragt. Keineswegs ist damit gesagt
dass seine Entstehung der Gründung des etruskischen
Tempels gleichzeitig ist: wohl aber scheint es unzweifelhaft
dass er einerseits mit der ummauerten Stadt andrer-
seits mit der arx zusammen eine Schöpfung des Stadt-
gründers ist: das angeblich ältere cafüolium des Qui-
rinal beweist nichts dagegen ^^). In Wechselbeziehung zu den
die Gog^nomina beweisen, dass nicht der ganze Berg in alter Zeit
Tempelgpt war, das Verbot bestätigt» dass mindestens ein grosser Theil
der Bebauung entzogen war. Ueber den Anbau nach 666 s. Th. ü.
— Orosius 5, IS: loca publica quae in jeireuitu CapUolii pontifieibus
auguribus decemvirü et flammünu tradäa erant, cogente inopia ven-
dUa mnty von Gnaeus Pompejua Proeonsnl 666: zuerst richtig ver-
werthet von Ambrosch Studien u. Andeutungen S. 198. 203. Ueber
den Zusammenhang dieser Haaasregel mit der Aufhebung des alten
Pomerium s. § 5. — ürbs et CapitoUumi Caesar Ciy. 1, 6, 7 vgL
Hermes S, 88*
^^) Freilieh sagt Varro 5, 158: Capitolium vettu quod ibi saeel^
tum JovU lunmU Minervae et id 4mtiqmu$ quam aedie quae in Capi-
toUo facta est und um den Parallelismas vallstäadig zu maehea, findet
§ 4.] TÄRQÜINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 283
Stadtgöttern auf dem södlicben Gipfel steht das Himmels-
observatorium der SiebeDhügetstadt auf dem nördlichen.
Zwischen beiden wacht wie zwischen dem linken und rechten
Ufer auf der heiligen Brücke (unten) der Rficher Vater Ve-
jovis. Aber der Name selbst scheint anzudeuten dass ausser
dem Himmelsobservatorium der um ein geringes höhere
nördliche Gipfel die ^ Wehr ' der Stadt trug. Dies kann nicht
so verstanden werden als ob nur dieser Gipfel befestigt ge*
Wesen wäre. Trümmer und Geschichte beweisen (vgl. S. 205 f.)
zur Genfige dass der ganze Berg mit seinem ursprünglich
einzigen yertbeidigungsfähigen Aufgang von der Seite des
Forums die für alle Fälle sidiere Festung bildete auf dem
sieh aQeh dw auguraeulufn auf dem Quirinal wie auf der arx (Bd. 2,
264): aber ist deno mit Ambrosch Stadien 172 uod denen, die ihm
folgen, diese Altersbestimmung ohne weiteres zu glauben? Sind deno
die Gegenüberstelluog des älteren sacellum und der jüngeren aedes
(o1)en § 2 A. 15), der durchgeführte Gegensatz der sabinischeo und der
palatittiAchen Stadt, das Fehlen eines ladividoalnamens des tollis nicht
ebenaoyiele G^gvogründe gegen die Authentieitat der varronischen Da-
tirung? Das capüoliwn auf demAveotin ist eine Fiction der Neueren
(Eph. epigr. 1, 236 ff.). Ich bestreite ferner, dass das Vorkommen von
capitoUa römischer Städte (vgl. Braun, die Rapitolia, Bonn 1849) etwas
anderes beweise, als dass mit der wachsenden römischen Herrschaft der
Name capitoUum wie die Namen anderer stadtrömisoher Denkmäler, z. B.
der ro$tra (Eph. epigr. 1877) oder Stadtgegenden und Strassen
(vgl. § 8) in die romanisirten Städte eindrang; was das Ckipütdum
ffernicum (hometum die Hss.) bei Plin. 3, 63 dagegen beweisen soll
(Schwegler 1, 794 u. A.), verstehe ich nicht; unverdächtige Zeugnisse
fSr ein capitoUum einer Dicht romanisirtee Stadt sind mir unbekaont.
Endlich ist schon oben die jetxt fast aUgemein gangbare Ansicht, dass
die 3 kapitolinischen Gottheiten eine altitalische Trias seien, zurück-
gewiesen worden. Es giebt meines Wissens keinen Beweis dafür
(denn das § 2 A. 35 angeführte Zeugniss über die drei GStter und
drei Thore der Etruskerstätte beweist doch für die in allen etrns-
ki sehen Städten verhandenen Tempel dieser 3 Götter genau so wenig
wie für die Existenz von 3 Thoren in denselbeo: vgl. A. 49*^); nicht
l^estützt wird sie durch die Dreigöttertempel in Städten des römischen
Reichs ; gegen dieselbe scheinen mir mythologische Gründe zu sprechen^
welche freilich hier nicht entwickelt werden können.
284 THEIL I.
im Falle räuberiscber Ueberrumpelung der Stadt in tiefini^
Fiieden wie im Falle der Durchbrechung des weit ausgedehn*
ten Mauerrings im Kriege die Schätze des Staats sicher ge-
borgen waren: unter dem Throne des Juppiter auf dem ca^
pitolmm und später in der Münze auf der arx. Aber
die Geschichte lehrt ebenfalls dass der südliche Hügel, auf
den der Burgweg fährte und der von der Seite des Flusses
und des Marsfeldes her allenfalls zu ersteigen war, der schwache
Punkt dieser Burg war; nur gegen diesen richten sich die
bekannten glücklichen oder unglücklichen AngriffsTersuchey
nicht gegen. die arx. Sollte man ihr nicht den Staatsschatz
anvertraut haben ehe der Tempel des Saturn und die Münze
entstanden? Als den militärischen Hauptplatz kennzeichnet
die arx auch die Kriegsfahne, welche hier weithin sichtbar
wehte, während die Hörner von den Mauern herab die Bür-
ger zu den Waffen riefen (§ 3 AA. 81 u. 4). Zu Suren
Füssen endlich befindet sich nach der jetzt gangbaren Mei-
nung der Burgbrunnen, das tvllianum. Indessen muss ein-
gestanden werden dass diese namentlich auf der Analogie des
Burgbrunnens von Tusculum ruhende Annahme Schwierig-
keiten macht. Ist es richtig dass die Konstruktion dieses
Gebäudes dasselbe in die Zeit nicht nur vor dem Bau der
Kloake sondern auch wahrscheinlich vor dem der Stadtmauer
verweist, so ist es also auch älter als die Burg deren Schaf-
fung uns unzertrennlich scheint von der der Stadtmaua*.
Und welche nachpalatlnische und vorservianische Stadt sollte
— wenn wir von der hoffentlich genugsam zurückgewiesenen
Erweiterungsgeschichte absehen — ihre arx auf jenem Gipfel
erbaut haben? Dazu kommt nun femer, dass in unmittel-
barer Nachbarschaft sich das alte Heiligthum des Janus be-
fand, dessen Beziehungen zu den Quellgottheiten schon be-
rührt worden sind. Es darf wohl die Frage aufgeworfen
werden, ob wir es hier mit einem alten Quellheiligthum zu
thun haben. Wir kommen auf die Beurtheilung dieses Bau-
werks (§ 7 Theil II) zurück. Doch mag es sich damit verhalten
wie es wolle : das eine scheint uns keinem Zweifel zu unter-
§ 4. ] TARQÜINISCHE BAUTEN ÜWD SERVIANISCHE STADT. 285
liegen dass der ganze Burghugel als Göttersitz und Ge-
wahrsam des Schatzes desselben Ursprungs ist wie die Stadt-
mauer und die Regionenstadt, der Tempel der drei Götter,
der ihn voraussetzt, also jünger.
Das Pomerium welches die Stadt der Tier Viertel um-
läuft ist ideal als Templum gedacht und soll ein Quadrat sein,
dessen Seiten nach den Himmelsgegenden gerichtet sind.
Diese Gestalt hatte wie gezeigt wurde nach priesterlicher
Festsetzung das Pomerium der ^ alten palatinischen Stadt';
ebenso legten die Römer ihre Kolonien an und die Aehnlich-
keit der Grundform des Lagers ist längst bemerkt worden.
Aliein das Pomerium der servianischen Stadt hat weder mit
einem Quadrat noch mit irgend einer geometrischen Figur
eine Aehnlichkeit: gebunden — bis auf ein Stück im Westen
— an die wesentlich der Terrainfonnation angepasste Mauer
beschreibt es mit dieser eine ganz unregelmässige bald zungen-
förmig ausspringende bald busenförmig eingezogene immer
ttndulirende Linie. Diese Tbatsache scheint das grübelnde
Gewissen des Kaiser Claudius beschwert zu haben: denn die
Figur, welche sein neues von der Mauer losgerissenes Po-
merium beschrieb, nähert sich auffallend der quadratischen
Form (§ 5). Fehlt es so an allen Kriterien nach denen
man gewisse Abschnitte des Pomerkim als die Nord- und
Sftd-, die Ost- und Westregion desselben begrenzen könnte,
so sieht es auch mit der Lage der vier Viertel des zu den-
kenden Quadrats und ihrer Theilung durch eine Nord -Süd-
linie (Gardo) und eine Ost-WestHnie (Decumanus) nicht zum
besten aus. Als den Decumanus hat man die saera via zu
erkennen geglaubt ^^); Und in der That, wenn man der aus
den Priest^schriften geschöpften Versicherung folgt, dass die-^
selbe reichte vom saceUum Strmiae in der Gegend südöstlich
vom Colosseum bis auf die ara> (oben § 2 A. 74), so blieben
auf jeder Seite dieser Linie zwei Regionen , auf der als die
südliche zu betrachtenden die Suburana und Palatina^ auf
^) GötUing De sacra via, Progr. Jena 1837, und Staatsverf. S. 202 ;
mit ihm Nissen Tempi S. 85^
286 THEIL I.
der Dördiichen die Esqutlina und Coüma, Es musste dann
der Cardo gesucht werden. Die sudliche Hälfte schien sich
ungezwungen in der Strasse zwischen Gaelius und Palatin zu
bieten; allein der nördlichen Fortsetzung, welche in d^ Luft-
linie zur porta CoUma fuhrt (unten), entspricht kdlne auch
nur annähernd der Graden ähnelnde Hauptstrasse und d«r
Gedanke an den späteren Untergang einer solchen ist durch
die Terrainbildung ausgeschlossen: erst die gewaltsamen Um-
gestaltungen der Strassenläufe seit Sixtus V. haben theilweise
die uralten natürlichen Verkehrsadern durchbrochen. Setzt man
sich auch über diese Schwierigkeit hinweg^ so ist doch selbst
die Sacra via als Decumanus nicht ohne Bedenken. Denn es ist
nichts weniger als ausgemacht, dass der Name derselben in der
von den Priestern bestimmten Ausdehnung jemals gebraucht
worden (s. Th. H) und sicher, dass ihr Westende überhaupt kein
Thor erreicht hat. Femer fällt diese Ost-Westlinie mit einer
der yier Seiten des pälatinischen Pomerium zusammen : sie
bildet dessen Nordseite. Es wurde daraus folgen dass für das
palatinische Pomerium als die nach Osten gewandte Front die
Seite gegenüber dem Caelius zu betrachten wäre: diese Front
hat kein Thor, — Bei der vdlligen Unsicherheit über die
schneidenden Linien und der Abwesenseit eiaer dem Quadrat
ähnlichen Umfangslinie kann auch von vier nach der Analogie
des Lagers und der rdmischen Kolonie aufzunehmenden Haupt-
thoren unter den mindestens 12 ursprünglichen Stadt-
thoren^^) nicht die Rede sein. Selbst zugegeben die viasacra
sei der Decumanus und endete, wie dann freilich nothwendig
anzunehmen, ist, nicht auf der arx sondern an einem Thor,
so konnte dies Thor do^fa nur das unmittelbar an der ars
belegene (die sogenannte Rattime$ma) sein, nicht die Carmenr
talis, zu welcher von der sacra via abbiegend der viims tu-
gurius führte ^^). Als das ent^iprechend^ OsttfafH* wäi^e eben
^) Die 37 der Zeit Vespasians (§ 3 A. 5) Bind natürlieh niebt
nrsprüoglieh: auf 12 wird laaD nach dem § 3 gesagUo kommen. Als
Normalzahl der Thore der < etruskischen ' Stadt gilt 3: §2 A. 35.
^*) Als sicher bezeichnet Nissen S. %ß die Ei^nsdkaft der Cot'
mentalis als porta decumana, als möglidi die der Capena als prind-
§ 4.] TARQÜINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 287
SO nothwendig das Thor am Caelius (Caelimontana?) anzu-
sehen , for das Nordthor bliebe die Wahl zwischen den drei
Wallthoren, von einem Südthor kann bei der Inkongruenz
des Pömeriam und der Uauer nicht gesprochen werden.
Von dem Torausgesetzten Stadttemplum der servianischen
Stadt lässt sich also besten Falls behaupten, dass unter gänz-
licher Aufgabe der bei der Gründung yon Kolonien nach
ausdrücklichen Zeugnissen und den erhaltenen Resten zur
Anwendung gekommenen mathematischen Grundform, die
Idee des Pomerium als der Auspiciengrenze zur praktischen
Anwendung gekommen ist und es kann sein dass auch die
vier Viertel als ideale Grundbestandtheile desselben zu be-
trachten sind. Einer weiteren Durchführung der Aehnlichkeit
des 4ier Kolonie und dem Lager gemeinsamen Grundschema
widerstreiten die topographischen Thatsachen: die principielle
Richtigkeit der Forderung, dass dieses Grundschema das aller
italisdier Städte sei, haben wir nicht zu untersuchen.
D^ Umlauf um das Pomerium der palatinischen Stadt
an den Lupercdien galt nach priesterlicher Auffassung der
Lustration derselben. Keine Stadt, keine Feldflur entbehrt
em solches seine Grenzen weihendes und schützendes Fest.
Hat auch die Vierregionenatadt ein solches?
Die Inkongruenz der vier Regionen und der Stadtmauer,
welche die sieben Hügel umschloss, haben die Alten nicht zu
erklären vermocht. Sie mag auch daran Schuld sein dass
man als den Geburtstag der urbs Roma den angd^lichen Tag
der Gründung der urhs antiqaa oder des oppidum PdleUinum
durch Romulus, <Ue Paräia feierte. Dennoch ist die Grün-
dung jener wie (heser in religiösen Formen gefeiert worden :
wie das palatinische Pomerium an den LupercaUen umlaufen
warde, so haben Fest- und Opferumzuge das Pomerium der
servianischen Stadt und die Grenze des servianischen Staats-
gebiets gesühnt.
palis dextra: jenes nur weff^en des bösen omen und des Namens porta
icderata, worüber sich jeder nach der Beseltaffettheit der JNachrichteii
§ 3 A. 74 ein Urtheil bilden kann.
288 THEIL I.
Die von Yarro im pontificischen Archiv excerpirte Ur-
künde sacra Argeorum lehrt, dass in jedem der 4 'Stadttheile'
6 8€tcella, benannt argeif waren. Zu diesen sacella begab sich
am 16. 17. März die Staatspriesterschaft; man weiss nicht
was daselbst geschah: nur ist es gewiss dass die Flaminica
Trauer hatte. Am 15. Mai wiederholte sich ihr Besuche
24 Binsenpuppen wurden (ebenfalls argei. genannt?) an die
Tiberbröcke getragen; im Zuge gingen der Stadtprätor und
von der Burgerschaft * die Berechtigten \ Die Puppen wurden
nach vorhergegangenem Opfer von der Brücke in den Fluss
geworfen. Die Betheiligung des Stadtprätors in Gemeinschaft
mit der St'aatspriesterschaft bei diesem Feste wie bei dem
Opfer für Hercules Victor, dem Feste der Bona Dea und
wenigen anderen, die Vollziehung der Haupthandlung durch
die vestalischen Jungfrauen, denen Gebet und Gelübde für
das Heil des Staates am Staatsheerde zufallen, bärgen dafür
dass der Ausdruck mit welchem das Hauptfest am 15. Mai
bezeichnet wird, ^die grösste Sühnfeier', mehr ist als eine
bedeutungslose Phrase und dass das Fest ein Sühnfest fiör
die Stadt der vier Regionen ist. Ferner ist es sicher dass
an dem Hauptfest die genannten Theilnehmer die 24 saceÜa
besuchten und bei ihnen opferten; die vier Regionen wurden
dabei in Prozession umgangen, die Prozession begann an der
Grenze der palatinischen und suburanischen und endete da-
selbst. Man muss wohl annehm^i dass von dem Endpunkt
über die sacra via zur Tiberbrucke gezogen wurde um das
Schluss- und Hauptopfer darzubringen. Weder der Name der
argei noch die Zahl ist bis jetzt erklärt worden: die Bedeu-
tung des Festes tritt vielleicht in ein heileres Licht wenn
wir ein zweites gleich wichtiges aber gleich dunkeles zur
Vergleichung heranziehen, die Ambarvalien'^^).
^) Vgl. oben S. 39. Es ist nützlich, noch einmal die berahmte
Stelle des Varro 5, 41 ff. in ihrem Znsammenhange herzusetzen:
übt nunc est Roma Septimontiwn nominatum (sicher, trotz einer Um-
stellung in der Hs.) ah tot montibus quos postea ttrbs muris com-
prehendit e quü Capitolium dictum quod . . . Aventinuni aUquod dt
causü dicunt . . . reliqua urbis loea oHm disereta, cum Argeorum ta-
§ 4J TARQUINISCHE BAUTEN UND SERVIANISCHE STADT. 289
Der bekannte Bericht des Straban lautet: ^zwischen
dem 5« uad 6» Meilenstein von Rom ^ebt es einen Ort Festi (?).
Diesen hält man für die Grenze des Stadtgebiets' (zur Zeit
der Gründung durch Romulus und Remus). *Die Priester
Yollziefaen am selben Tage dort und an vielen anderen
Grenzorten das Fest der ambarvia\ Dies geschah am
29. Mai. Auf denselben Tag fällt das Fest im Hain der Dea
Dia am 6. Heilenstein von Rom auf dem rechten Ufer des
Tibers, an welchem die Ackerbrüder zum Mars beten, dem-
selben Gott zu welchem der Gutsherr beim Umzug um die
Feldmark betet, jene wie dieser um Abwehr alles Schadens
von dem umgangenen Gebiet. Es müsste der wunderlichste
Zufall sein, wenn jener räthselhafte Ort nicht eben der Hain
der Dea Dia, eine der Opferstätten auf der Grenzlinie des
Staatsgebiets wäre: dass uns die Nachricht von den übrigen
verloren gegangen ist, ist sehr natürlich, da Augustus, als er
aus dem Archiv der Pontifices das unzweifelhaft als sacra
fratrum arvalium noch erhaltene Ritual, von dem .uns die
igttvinischen Tafeln einen Begriff machen künnen, hervorzog
und die nicht mehr in Thätigkeit befindliche Genossenschaft
reaktivirte, gewiss einsah dass in der damals ringsum dicht
bebauten Campagna der vollständige Opferumzug um die alten
erofria in septem et viginti f artig urbi* sint disposita (so F: doch ist
sehon wegen des Folgeoden, wie ich auch jetzt noch überzeugt bin,
Dothwendig zo leseo sacraria XXIIII in IUI partis; nicht sturaria in
XXII JI partis). j^rgeos dictos , . , e quis (nehmlich von den //// par-
tes, aber doch nicht von XXIIII) prima scripta est regio Suburana
(folgen die 4 Hegiooen in der oben angegebenen Ordnung) . . . tn Su-
burcmae regioms parte princeps (folgten in jeder Region die Argei
princeps bis sexticepsy vollständig erhalten in keiner). Dazu vgl. 6, 24 :
. dies Septimoniium nominaius ab his septem mmtibus in quihus sita urbs
est, — Das Argeerfest nennt Piatarch Q. R. 86: o fiiyicjog täv xa-
&a^fiwv^ — Die Betheiligung des Stadtprätors geht ans dem verallge-
nieinernden Satz des Dionys 1, 38: aiQarr^öt re xal ttSv aXJnov no'
liTtSv ove naqilvai zaig l^^ovQyCaig d^ifxig wohl hervor. Daher die Steile
zu den von Mommsen Staatsr. 2^, 1, 226 vgl. CIL 1 S. 540 zusammen-
gestellten nachzutragen ist. Im Uebrigen verweise ieh auf die Unter-
suchung im 2. Baude.
Jordan^ rOmiache Topographie. I. 1. 19
290 THKIL I.
€renzorte für die vornehmen H^ren wenn dberiiaapt aus-
fuhrbar so doch sehr unbequem werden musste^^). Die An-
kn&pfung des Arvalendienstes an Romulus gehört zu dem
gleich weiter zu erörternden pontifieischen Zurechtmachungen.
— Ich glaube also dass der Hain der- Dea Dia zu den alten
Grenzorten des Gebiets gehört und so gut wie der der #tir-
rinae auf dem rechten Ufer ein nicht eu beseitigendes Zeug-
niss dafür ablegt dass der rechte (Jferrand des Tiber Staats-
gebiet, nicht Feindesland war^'). Ganz dasselbe folgt aus der
^1) Strabo 5, 3, 2 S. 230 sagt, die nächsten Ortschaften Collatia,
Antemnae, Pidenae^ Labicnui liegen anb TQcaxovra 17 fiiXQtp nXeiovwv
irjg *Pb}firig araöCtov. fiiTft^v yovv Tov nifAnrov xa\ tov ixrov Kdijv
Tcor ra fiCkta Siaar\fiaiv6vt(üV rrg ^Pufirjs xaXinui tonog ^arct,
TovTov S'oQiov ttno(f)a£vovai Trjg roT€ 'Pui/naiaiv yijSj ot d'UQOfivijfioiftg
S'vaiav initslovöiv ivrav&a t« xa\ iv äXXoig jonoig nlcioaiv tag 6q(ois
av&rifi€Qov riv xaXovai lifdßaQovtav. Freilich lag nur Anteinnae in der
angegebenen Entfernung von 30 Stadien, die übrigen viel weiter (5, S,
15 Alillien = 40, 64, 120 Stadien). Dass die 6 bis 6 Meilen mit der
Lage des Hains der Dea Dia stimmen nnd dass der Ort aielit mit Nie-
bohr laadeiowärts, sondern gegen das Meer hin, wo zur Zeit des Ro-
mulus plurimum agri romani lag (Fest. 213 vgl. Mommsen Tribns
S. 15. 215), zu suchen ist, hat ausser anderen Rubino Vorgesch. It
S. 215 richtig bemerkt und die gegen die Identität der Ambarvien
und des Maifestes der Dea Dia immer wieder erhobenen Einwen-
dungen scheinen mir auch jetzt (vgl. Bd. 2, 236) ganz hinHillig,
wiewohl die letzte Beweisführung für dieselbe (von Henzea Acta arv.
S. 46 ff.), wie ich anderwärts zeigen werde, ebenfalls aicht durchweg
stichhaltig ist. In derselben Richtung ist auch die Remoria des Dionys
1 , 85 > der Xoipog ov ngoüto tov Ttßiqtog X€(fjievog an^^wv tijg
*Pi6/4rig afjKpl rovg TQtaxoma aradlovg (also 3^ M.), zu suchen, w^he
auch Festus 276 {Remurinus ager) kennt. Wenn der Vf. der Origo
g. Rom. (23, 1) sie auf einen coüü qui aberat a Palatio näUhus
quinque (so die Hs.) verlegt, so liegt es nach der Hermes 3, 3891*.
nachgewiesenen Quellenbenutzung näher an ein Verseben als an eiae
Beziehung auf den Aryalenhain zu denken, um so mehr, als die Remoria
nach der Vorstellang der Alten auf dem linken Ufer zu suchen ist: am
Etruseorum agrum a Romano Tiberis diseluderet, Pest. 213 vgl. A. 32.
M) Weder trans Tiberim vendere (Gell. 20, 1, 47 Beeker Haadk.
2, ], 107 Hnschke Nexnm S. 86) noch tränt Tiberim relegare (Liv. 3,
§ 4.] TARQÜINISCHE BAUTEN ÜNP SERVIANISCHE STADT. 291
ftolle jdie das Jaiuculum (oben) und die septejn pagi auf- dem
etruskischeu Ufer ia ältester Zeit spielten, dasselbe vor allem
aus der voja den Pontifices gebaute^ und erhaltenen Tiber-
hrücke. Sie führt nicht in Feindesland, sondern bildet, wie
ic^sphap öfters jhervoi^^ oben habe, die Verbindung zwischen
den gleich alten sacra tds et eis Tiberim, deren Zusammenbang
jeden Augenblick d^r Yater Tiberinus zu zerreissen droht*
Nicht den schwächsten Be^veis für die Richtigkeit der An-
nahme dass diese Brücke über die Insel führte sehe ich in
dem uralten Heiligthum des Yater Vejoyis, dessen Stellung
iiier eine llhnliche ist wie zwischen capüoUum und arx (S. 283).
-~ Die Frage über die Ausdehnung des servianischen Staats-
gebiets > .über die £poche der Gründung des Seehafens und
qt>er deißsen Veji)indung . mit Rom (vgl. § 7) liegt ausserhalb
der Qrenzen der Topographie^^).
Aber, noch ein drittes Fest gehört in diese Reihe, das
^tm(Mitmi (S. 199). Die älteste uns zugängliche Ueber-
lieferung Casst dasselbe als Fest der sieben servianischen
Berge, e|ne etwas jüngere,, ungewiss ob nach älterem Vorgange,
als das Fest der um das Pal^tium gruppiiiien vorservianischen.
Es ist wohl möglich dass wir in dem Argeerfest, den
Amharviea und dem Septimontium einen ursprünglich zu-
sammenhängenden Gyclus von Festen der servianischen Stadt
— als der ummauerten und der Regionenstadt — und ihres
Clebiets zu erkennen haben.
Es kann nicht auffallen dass der Zusammenhang und
die, ursprüngliche Bedeutung dieser Feste sich verdunkelt hat.
Nicht ohne Vorgänger und Anknüpfungspunkte hat Augustus
13. 8,.. 14. 26, 34) beweist, dass Feindesland jenseits der Brücke bc-
ISvia f(iid stromabwärts reichte.
**) lieber die septem pagi Schwegler 2, 739 vgl. § 4 A. 43 z. E.;
«ber die Mcr« cm et uU Tiberim Varro 5, 83* Gellius 12, 13. — üeber
dan Umfang des römischen Gebietes nach Vertreibung der Könige:
1^. MiUien (Radius?) Eutrop J, 8 (aus ihm Hieron. zu 1505), 20
Augustin CD. 3,* 15. Vgl. Schwegler 2, 684.
19*
292 THEfL I.
die Romuluslegende zum Staatsdogma gemacht; indem er
dem vergötterten Romulus den vergötterten Caesar anreihte, das
lupercal als die Landnngsstätte der Zwillinge und den mundm
der Romulusstadt neben seinem eigenen Hause kennzeichnete,
und das CoUegium der Arvalen als das der Pflegebi^der des
Romulus reaktivirte: denn mindestens in die Zeit d^ pu-
nischen Kriege zurück reicht sicher die Consecration der dop-
pelten aedes (oder casa) Romuli, die Einreihung des Romulw
unter die Götter, vielleicht auch die räumliche Feststellung
des palatinischen Pomerium und die Erfindung der Hinaus-
schiebung desselben durch Romulus nach der Ueberwindang
der Sabiner (vgl. § 5). Dass dieses immer stärkere Vor-
drängen der Romulusfabel und die Einführung derselben in
den Staatsgottesdienst mit frühzeitigen Berathungen und Ent-
scheidungen der höchsten priesterlichen Collegien im Zu-
sammenhang stehen, und dass diese Collegien ebensowohl bei
diesen Entscheidungen wie bei der theologischen Feststellung
der Rangklassen der Götter durch die immer tiefer eindringende
hellenistische Aufklärung beeinflusst wurden, ist unzweifel-
haft. In dieselbe Reihe theoretischer Entscheidungen ge-
hört auch die Lehre von dem Geheimnamen Roms*^). Diese
Neuerungen können nicht ohne Einfluss auf den Kalender
^) Augustus : über den divus lulius Jf ermes 9, 342 ff., über äifi
rdmulischeD firinoeraDgen auf dem PaUtin Th. 11^ über die Arvalen
(reorganisirt zwischen 742 und 752, also wahrscheinlich 746, als die
14 Regionen eingerichtet wurden) 0. Hirschfeld Gott. geL Aaz. 1869
(St. 38) S. 1500 f. — Frühere Zeit: aedes Romuli und pomerium der
palatinischen Stadt oben S. 163 tf. Ueber die Götterklassen kann hier
nicht in der Kürze gehandelt werden, wie denn überhaupt eine eingehende
Darlegung der hier und A. 55 angedeuteten Ansichten vorbehalten
bleibt. — Den Geheimnamen Roms erwähne ich hier besonders, weil
uns die Geschichte von der frevelhaften Ausplauderung desselben dordi
Valerius Soranus wahrscheinlich einen der wenigen chronologischen
Anhaltpunkte in der Geschichte der Aufklärung giebt (vgl. Tenffel L.
G. § 134, 1): sonst geht er die Topographie nichts an. Vgl. Becker
Handb. 2, 1, 14 f. Bernays im Hermes 11, 132. 134 und Riese das.
12, 143 f.
§ 4.] TARQUiJNISCHE BAUTEN UND SERVIAJVISCHE STADT. 293
geblieben sein und längst ist beispielsweise die Begriffs-
bestimmang der Tage, welche die Note N und ^P tragen wie
diese Dtfierenzirung selbst und manches andere als ein Zeichen
jüngerer Redaktion erkannt worden. Allein es scheint mir
nicht genügend erwogen worden zu sein, dass die Grundlage
dieses Kalenders, welchen die alte Ueberlieferung wie die
neuere Kritik als den Kalender des Numa zu bezeichnen
pflegt, nicht wohl etwas anderes sein konnte als der Fest^
cydus in der Gestalt, wie ihn nach Gründung der s er yi atti-
schen Stadt und des servianischen Staats das geistliche
Sachverständigencollegium desselben, die Erbauer und Hüter
der beifigen Brücke, die pontifkes festgestellt hatten: ebenso
wie das örtüche System aller Hauptheiligthümer — die Götter
auf der Burg, der Vesta-, der Laren- und Penatentempel an
der heiUgen Strasse — die Siebenhügelstadt voraussetzt. Dass
in einem solch:en Kalender nicht Feste zum Andenken an die
GronduBg dieser neuen Stadt, nicht abwehrende und sühnende
Opferumzuge um die Stadtgrenze und die Grenze der Feld-
mark einen hervorragenden Platz gehabt haben sollten, ist
gradezu undenkbar: dass sie wie gezeigt wurde in ihrem Zu-
sammenhange nicht mehr klar hervortreten, weiss ich nur
durch die dogmatische Entwicklung der vorservianischen
Stadtgrundung zu erklären '^'^).
Aus der vorstehenden Untersuchung glauben wir folgen-
des Ergebniss zu gewinnen. Der Bau der Ringmauer und
die Einrichtung des kapitolinischen Berges als Akropolis sind
mit der Uintheilung der Stadt in vier Regionen unlöslich ver-
bunden; das Argeeropfer gilt der Gründung der Stadt der
^) Dass Feste and Gebräuche der vorservianischen AnsiedelangeD
ia den hier als servianisch bezeiehoetea Kalender aofgenommen wor-
<iea sind., «oU nieht beatritten werden : wohl aber glanbe ich, dass die
aaaeatUch in der Erkläruag des Systems der Haoptfeste noch so
schwankende oder, wo sie durchgreifen will (wie die Huschkes), so
fehlgehende Methode grade von dem oben behaupteten Standpunkt aus
zu befriedigenderen Resultateii gelangen muss. Vgl A. 54,
294 THEIL I.
vier Regionen. Nichts verräth den etrasUischöir Ursprung
dieser, der servianischen Stadt. Alier WahtscheinH(M«il? Badhf
war sie längst gegründet; als mit Hilfe sudetruskisohcf fiiaafeul«p
der Gottersftz auf dem Kapitol zu einefm mäehtigen DröÄjgöttef-
tempel umgestaltet und im Gefolge dieser ümgestaltwog di«
altnatidbaleh Rennspiele im Circusthal mit deaf naohmaligeAi
fremdländischen Pomp ausgestattet wurden; auch die'Erbaottn^
der die Entwässerung der Unterstadt sichernden iLlo^ke ßih
nach der Erbauung des Mauerrittgs und mag ebdn jefcjer
in der Kultur vorschreitcnden Epoche angehören, welche den
monumentalen Kunsthau einführle.
Die volksth&mliche Ueherlieferung hat nicht alMisi diese
letzten Bauten, sondern auch den Mauerbau likiiti eingewan^'
derten Königsgeschleeht der Tärcpiinier zugeschrieben; erst
die mehr und mehr sich entwickelnde Theorie der Stadt*
erweiterung d6n früheren Königen die unbehotfenen An-
fänge zu diesem Werke. Aber die Reste deseelben he*
lehren uns, wenn es dessen bedürfte, dass diese Theorie
grundlos ist. Die Inkongruenz der ummauerten • Siebe»-
hügelstadt und der mit dem heimischen Verfassufigsorgamsmus
aufs engste terbundenen Regionenstadt hat die ahe Theorie
mch nicht genügend zu erklären gewusst* Ab^ wie sie ein
ähnliches Räthsel, das Entstehen der servianischeh -«us. d(ef
palatinischen Stadt durch die symbolische Legende t^q der Ver-
setzung des Feigenbaums lösen zu können glaiubte (S. StOO), so
hslt sie das Wunder der Erscheinung des Servius TulMns inmitten
des Tarquiniergeschlechts erdacht, um die scheinbaren G«g«»*
Sätze der tarquimschen Bauten und der servianisehea ätadt
miteinander zu versöhnen. Dieses Wunder trat in der volks-
mässigen Ueherlieferung mit naiver ünbekümmertheit um Syn-
chronismen und Namen auf: erst klügere Zeiten haben» wie
den Geburtstag und den Geheimnamen Roms, so den ur^rüBg*-
liehen Namen des Servius Tullius in dein eines südetrüskiiichen
Bandenföhrers Maißtrna ermittelt und ihre Freude darap ge-
habt, in dem .Gefährten desselben Caik Vipim den Eponymen
§ 4.] TARQUINISCHB BAUTEIL UJND SERVIAJVISCHE STADT. 295
eines der sieben Berge und somit wieder ein Stück des
etraskischen Drittels des römischen Volks zu entdecken ^^).
^) Die vom Kaiser Claadias ans etraskiseher Lokalsage hervor-
gezogene Geschichte vom Mastama, dem nachmaligen Servius Tnllius
nod seinem Gefährten Caelius Fivenna (Lyoner Rede, vgl. Ritschi Rh.
M. 9, 442) hat zwar scheinbar durch die Entdeckung des mit Bei-
schriften versehenen Gemäldes in dem Grabe von Vulci eine erhöhte
Bedentung erhalten: ein Caüe Fipinas, den einige Männer gefangen
halten — darunter ein Cneve Tarchumes Rumach — wird von einem
Macgtma befreit (Mon. deir inst 6. 7 T. XXXI vgl. Corssen Etr. 1,
331 f. 416. 1005 f.): indessen allermindestens muss doch zuerst gefragt
werden, was die Beinrbeiter der Rö'oigsgeschichte berechtigte, mit Be-
seitigung der latinischen Geschichte von dem gefangenen Ocriculaner
Fürstenkinde eine in äüdelruriea spielende Fehde nach Rem zu ver-
setzen. Dass der Beiname des Tarchumes Rumach «== Romanu* (?) dio
Richtigkeit der Identificirung nicht beweist, scheint mir schon daraus
hervorzugehen, dass die Handluug des Bildes weder mit der bei Clan-
dfns überlieferten Mastamafabel noch mit der ans dieser herausge«
sponnenan Geschichte vom Ursprung des vicus Ttucus bei Festus 365:
[(ptod F'o[\ciente$ fraire^ Codes et Fibenn[a, quos äicunt re§;em] Tar^
qmniutn Romam secum max[ime adduxisse, cum habitäjrint (s. Müller,
Etr. 1', 111) auch nur leidlich vereinbar ist. Zudem haben wir den
Caelius und ticus Tuscus hoiFentlich richtig auf ganz andere Ursprünge
znnlekgefvhrt (& 186 f. 274). Ich stimme wie Schwegler in der
BenrtheUfing der Mastarn«*'€resQhichte durehans und nach Auffindung
jenes Bildes erst recht mit Niebnhrs Auffassung in der 1. Auflage 2»
529 überein. Uebrigens macht es der jetzige Staod der Etrusker-
forschung zur Pflicht, sich so ungläubig wie möglich in diesen Dingen
zu verhalten: wenn beispielsweise Deecke mit scharfer Kritik und in
der Baoptsac^e wohl richtig die Fremdartigkeit der Etmsker gegenüber
den Italikern verficht und uns gleichzeitig zu den etruskisehen Luceres
noch einen zweiten etruskisehen Stamm, die Tities, verschalen möchte
(zn Müllers Etr. 1, 466. 472), so haben wir allen Grund uns einst-
weilen an Thatsachen zu halteo, die, wie der nichtetrnskische Charakter
der StadtgründuBg, abseits der sprachwissenschaftlichen Frage stehen.
§ 5.
DIE STADT DER XIV REGIONEN UND IHR WAGHSTHUM.
Nicht die Eintheiiüng in vier Regionen hat der Stadt
Rom ihr Gepräge gegeben und ihre Weiterentwicklung be-
dingt: es waren die Bauten, weiche der Volksglaube der
Dynastie der Tarquinier zuschrieb, die Ringmauer und die
grosse Kloake. Denn jene mit ihren Thoren wies der Be-
völkerung die unverrückbare Grenze ihres Umfangs und die
unverrückbaren Hauptrichtungen ihres Verkehrs an, diese
sicherte für immer den Anbau des centralen und zugleich des
einzigen ebenen Theils, der Tiefe zwischen den sieben Hfigeki
und dem Fluss. — Jenseits der Hauern oder des Grabens
beginnt Feindesland: sturmfrei hegen sie da, innen und aussen
von Streifen unbebauten Landes begrenzt. In den Jahr-
hunderten in denen Rom mühsam erst zum Vororte Latiums,
dann zur beherrschenden Stadt Italiens sich aufschwingt,
konnte sich aussen um die Stadtmauer kein Gürtel von Vor-
städten bilden. Vor den Thoren finden sich wenige Heilig-
thümer und die Gräber (S. 171); der Waffen- und Tummelplatz
der Bürgerschaft; wohl erst später der Krautmarkt und strom-
abwärts an der Strasse nach Ostia der Landungsplatz für die
heraufkommenden Galeeren und was an bescheidenen mer-
kantilen Anlagen dafür erforderlich ist. Die * Landgemeinden'
oder 'Gaue' (die pagi), welche jenseits der Zone der Hauer
hegen, müssen noch in dem letzten Jahrhundert der Re-
publik gegenüber den 'Bergen der Stadt' ihren eigenthöm-
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 297
liehen Charakter bewahrt haben; erst in den letzten Jahr-
zehenden desselben wohnt der Städter ausnahmsweise vor den
Tfaoren (s. Th. II), ist der religiöse und rechtliche Schutz der
Ringmauer gegen Anbauten aufgehoben worden.
Lange hat es gewährt bis innerhalb des gegebenen
Rahmens bei wachsender Bevölkerung, gesteigertem Verkehr
mit der Aussenwelt und erweitertem Gesichtskreis die bauliche
Entwiekelung der Stadt einen Aufschwung nahm. Während
die wahrscheinlich fast roUständig erhaltene Geschichte des
Tempelbaus bis zum zweiten punischen Kriege nur dürftige
Fortschritte aufweist, schweigt die Stadtchronik beharrlich
aber Profanbauten bis zum pyrrhischen Kriege und das Fehlen
aller Bautrümmer, welche man ihnen zuweisen könnte, be-
stätigt dasselbe. In der That kann in dieser Jahrhunderte
umfassenden Periode, in welcher Rom nach aussen seine ge-
bieterische Stellung in Italien, im Innern die Kläi*ung seiner
standischen Gegensätze erarbeitete, kein einziges Werk ge-
schaffen worden sein, das nur entfernt an die Grossartigkeit
der Bauten der Tarquinier herangereicht hätte. Erst zur Zeit
des pyrrhtschen Krieges begegnen wir Werken von gleicher
Kühnheit des Gedankens und gleicher Macht in der Ueber-
Windung der physischen Schwierigkeiten: der Bau der ersten
Heerstrasse und der ersten Wasserleitung dürfen als epoche«
machend fär die Entwiekelung der Stadt bezeichnet werden,
und irren wir nicht, so ist der aufgeklärte Geist ihres Er-
bauers, des Appius Claudius, wie zu seinen litterarischen Be-
strebungen so auch zu diesen Schöpfungen durch griechische
Vorbilder angeregt «worden^). — Es kam dann die Zeit, in
welcher Roms siegreiche Heere in Sictlien, Hellas und im hel-
^) Appias steht an der Spitze der römischen Litteratur mit der
ersten g^eschri^benen Rede and dem ersten nicht Rultaszwecken die-
tiendea Gedicht. Den Znsammenhaag in den Nachrichten über diese
versifieirten Weisheitssprüche and seinen Versuch einer Reform der
Orthographie so' wie die Anlehnnng ersterer an Pythogaräisches hat
Mommsen in der glänzenden Charakteristik dieses Mannes R. F. 1, 303
erkaADt; vgl. jedoch Hermes 6, 203. lieber die Wasserleitung § 7.
298 THEIL I.
lenischea 0$tea standen. Griechische Muster, sei es avs
dem Matterlandc, sei es wül& den Kolonien Süditalien^ und
Siciliens^), £anden seit dem zweiten punisdien Kriege bei
der vorwärtsstrebenden, iatelligenten, auch 4er griechischen
Geistesbildung zugewandten römi&chen Nobilitat volles Yer-
standniss, und die gefüllten Staatskassen, die pldtzlich an-
geschwollenen Familienreichthumer verlockten da^u , dem
Staate wie dem Hause die bciqueBaüerea und schonerea Ein-
richtungen der alten hellenischen Kultur zu Gute kommea
zu lassen. So entstanden seit jener Epoche nicht alleia in
raschester Aufeinanderfolge neue und reichere Tempelbauten,
sondern auch — es sind die ersten Profanbauten von Be-
deutung — der Handelshafen und die Kriegsdoggs (§ 7),
die Basilike^n am Markt und die Schlachthalle (ma>cellum)*
Mit den griechischen Baumeistern wanderten Schiffsladungen,
voll bisher nicht gesehenen fremdländischen Baumaterials»
voll fertiger Säulen (oben S. 17) und marmorner wie metallner
Kunstwerke, die Beute aus Feindesland, in die nioch schmuck-
arme Bauern- und Soidatenstadt Rom herüber. Die Fremd-
wörter em^orivm» boBüica, tholm^ vielleicht camera und lau^
tumiae haben in dieser Zeit das Burgerrecht erhalten (EinL
§ 1 A. 49 f.) Allein es blieb immer das alte Rom in engen
Thälern und auf steil zugänglichen Bergen, mit schlechten
uud winkligen Strassen ^''), übervölkert in jener Ebene zwischen
den Hügeln und dem Fluss, nach allen Seiten je länger je
mehr in seiner Expansion gehemmt durch den doppelten
Ring des Pomerium und der bewehrten Mauer, besonders
empfindlich eingeschnürt, wo die Bewegung immer voller und
breiter hinausdrängte, vom Forum nach dem Marsfelde, dem
Westende der Stadt. Man vergegenwärtige sich die Verbin-
^) Dass die mit ^f iechisaher Kultur langst kekanutea campanisohei
Städte vielfach die Master abgaben, kann wohl kein Zweifel sei». Bei*
spielsweise sind wahrscheinlich die Hallen am Forum, TieUeicht die
Basiliken dorther, nicht ans Hellas nach Rom verpflanzt wordeip (§ 8).
Ueber den älteren Tempelbau S. 24 f.
^) Cic. de lege agr. 2, 35, 96 vgl. § S.
§ 5] DI£ STADT DER XI¥ RBGIOJNEIN. 299
duttjg:ea di&i Stadt mil der Ebene am FliifiS, die über die.
WttirscdH des Mapilols Uetlieriidai eogenr Sti^ssen s^u beidea
Seiteii des nach NoiJdwesten mit senkt echten Wäipden ebne
Zugang sich erhebendien: Kapitels: es* war das in der That
längst eJfB uoerträglicheii Zustand« ;
Dil s^ien mr zkeiai SulJa/ den Verbuch maehenr
wenigstens ein bedentendee Bautefrain innerhalb der Stadt
zu gewinnen durch die Freigebungtd^ lan§0 der Mauer durch
das PomeriuA geschötKten Zone (ß, ttnten)v AUein das Durch*
brechen dieses inneren Ringes konnte nur vorübergehenden
Nate^ haben. Durdigreifender waren, die Pläne Caesars,
i/?elcher wenigstens nach der Seite., wo es am meisten J\otb
that, gegen das Marafeld, a'ttdh d^p äusseren Ringi die Stadlr
matter, zu sprengen unit^rnahm. Es ist klar daas er diesen
Gedanken gehabt bat, äds er damit umging, daa Forum mit
dem Marsfelde auf der Ni^rdseite des Kafutoto ioi direkte und
bequeme Verbindung zu seUen, später sogar das gan^e Mars-
ieid zu bebauen und den alten Spiel** und Uebungsplatz des
röiidisdien Volks, das 'Feld', w^ter hinaus auf die vaticani*
seilen Wiesen z» verlegen^). Allein auf wenig ist davon
atmgeiahri' worden : die Anlage des julischen Forum blieb wie
spater die Anlage des auppustisoben ^f halbem Wege stehen
u»d eriät Ti'ajcLn bat durch die Niederleguog des Höhenzuges
zwischen Kapiftol und Quirinal und den. JBlau< seines Forums
den cdesarischen. Gedartiken zur Wahiiieit gemacht. Es ist
kaum zu* glauben , dass Caesar die entsprechende Fessel an
dep Sädwestseite des Bclrgee, welche die Hauptverkehrsader
untärb^nd, mcht eben&Us sollte haben lösen wollen. Und
j_^
^) Schon im J. YOO^ sorllten grosse ßaaten auf dem Marsfelde in
Airgriff gefloüin^n werden (€ie* ad^ Alt. 4, 16, 4); itt J. 709 Ist wie-
dal'holt voft deh Pjmnen Cäesaiis da migenda urbe die Rede (nd Att. 13,
20. 33» 35; MoipmaeA Staatsr. 2^ 717), ua<i ^V^ (33,.^): ^ ponte
Mulvio Tiberim duci secundum montes Faticanos^ campum Martium.
coaedificari, iUum autem Fatieanum campum fieri quasi Martium cam^
fumk'^ \^l. Hermea 7^ 276 nod di* Abadbnitt^ über das FoofuBl uad
die Kaiserfora, Th. II.
300 THEIL I.
in der That finden wir ihn ja beschäftigt mit der Nieder-
reissang von Häusern, ja von Tempehi am carm^talischen
Thor. Ein grossartiger Bauplatz sollte hier für das zu er-
bauende Theater gewonnen werden^): man kann sich denken
— genauere Nachrichten fehlen — dass die Freilegung des-
selben nicht vor sich geben konnte, ohne gleichzeitig die Zu-
gänge zur Stadt zu erweitern oder zu y er mehren. — Wohl
konnte man im Sinne späterer Vorgänge diese Pläne als eine
abermalige Erweiterung des Pomerium bezeichnen, wenn eine
solche auch in der That von Caesar nicht ausgeführt worden
ist (unten). Dass damit weitere organisatorische Maass-
regeln zur Umgestaltung der Stadt in Verbindung standen,
wird nicht berichtet: aber die tiefeindringende Sorge für das
städtische Leben Italiens, welche uns sein Municipalgesetz
vergegenwärtigt, macht es wahrscheinlidi. So werden wir
denn auch auf diesem Gebiet Augustus als den glücklichen
Erben und Testamentsvollstrecker Caesars und die neue
augustische Ordnung wesentlich als eine caesarische zu be-
trachten haben. Auch darin erkennen wir den caesarischen
Gedanken, dass diese Ordnung mit unverkennbarer Tendenz
die altrepubiikanische Physiognomie der Stadt verwischte.
Hatte schon Caesar in diesem Sinne dem alten Forum eine
neue Gestalt gegeben und das Auge von dem Schauplatz der
republikanischen Freiheit auf das neue Forum abgelenkt,
dessen Centrum der Tempel seiner Ahnfrau Venus bildete,
hatte in demselben Gedanken Augustus das alte Forum ge-
wissermaassen in einen Vorplatz des Tempels des vergötterten
Caesar umgeschafPen und sein eigenes Haus auf dem Palatin
zur Seite der Hütte des Stadtgründers zu einem öffentlichen
und heiligen Gebäude gemacht, so darf wohl angenommen
werden, dass es neben dem praktischen Bedurfniss der po-
litische Gedanke war, welcher dazu führte, an die Stelle der
republikanischen Ringmauerstadt die neue grössere der 14
«) Die ausdrücklich be^eni^e fi^sekigung des Tempels der Pietas
sagt geaug: genaueres Th. iL
§ 5] DIE STADT DER XIV REGIOJVBN. 301
Regionen zu setzen, in deren nnter eider einhdtlichen Po^lizei-
Verwaltung eentralisirtem. System die Namen und Grenzen der
alten Gaue keine Aufnahme fai^den, die unverwischbarep Ge-
nossenschaften ihrer vid aber zu eben so vielen Trägern der
Idee des KaiseriCultus omgeschaffen wnrden,
Marcus Ägrippa unternahm es in seiner Aedilität im
Jahre 721 für die Gesundheit und Wohnlijßbkeit der Stadt
wichtige Einrichtungen, die Wasserabfuhr und die Wasser-
zufuhr KU regeln, die vorhanitencin Riesenbauten der Königs^
zeit (die Kloaken) und der Republik (die Wasserleitungen)
auszubessern, zu vamehren und die Verwaltung derselben
auf diejenige Höhe zu heben, welche den vorgeschrittenen
Anforderungen der Zeit entsprach (fid* 2, 58 ff. und § 7).
Da nun derselbe Agrippa die Vermessung des romischen
Reiches und die scbriftiiehe und bildliche Darstellung der-
selben ausführte, so ist es höchst wahrsdieinlich , dass die
für jene ädiliciscben Unternehmungen uqerläaslicben Ver-
messungen und Erhebungen eben nur einen Theil einer mit
der ReichsTermeisaung Hand in Hand gehenden Stadtvermes*-
sung bildeten, welche n&thwendig' zu einem Stadtplan wie
jene zu einer Reicbskarte fährte (Einl. § 2, S. 44 ff.)- Wir
wissen ferner, dass nach dem Scheitern der Reform der
Censur im J. 732 < Augustus alimahUch die Verwaltung der
Stadt auf anderem Wege umgestaltete und unter Reschrän-
kung, zum Theil Beseitigung des von jeher mangelhaften,
jetzt vollends ungenügenden Verwaltungsapparats der jähr-
lich wechselnden^ Beamten, die Pflege der polizeilichen Sicher-
heit, der Gesundheit und Reinlichkeit der Stadt mehr und
mehr in die eigene Hand nahm und besonderen kaiserlichen
Verwaltungsbeamten ubertfug. So entstanden das besondere
Amt der Aufsicht über die Wasserleitungen 743 und die
Reorganisation des Feuerlöschdienstes 759 ; es ist nicht sicher
bekannt ob dazu schon unter Augustus das Amt der Aufsicht
über die öffentlichen Bauten kam, sicher erst unter Tiberius
ist die Aufsicht über die Stromregulirung zu einem geson-
derten und stehenden Arote gemacht, noch später mit dem-
802 /VilBlL I.
selben die Änfskfat über die Kloaken^ ifereinigt word^D^).
Mitten zwischen ütßea grossen JN^ubiidan^en tritt. im J» 746
plötzlieh, ohne dass unsere iQui^llen jdiesein Emgniss irgend
eine Bedeutung beilegten, die Sehöpfirag: det EiniheiluBg
der Stadt in 14 Regionen in. Kraft. Wir erfabrien bri
dieser Gelegenheit nur noeh dass. zu. dpn resfioms die vki,
als Unterbeziriie, in ein bestimantes Verhältniss ge^ota^t wor«-
den, und dass der Aufsichisdienst in j«aen al^abrlich durclis
Loos unter die gewählten repnblikanisdiea Magistrate. yertbeUt,
in diesen jährlich wechselnden ma^istri aus der Mitte der id
denselben wohnhaften Leuten Biederen Standes >(wie wir
sonst wissen den Freigelassenen, und 2war je vieü^n ia jedem
vkm) übertragen wurde uüd dads diese EinriclUiuig n^cb im
'S. Jahrhundert fortbestand. Indessen ist diese letzte ^adi*
rieht nicht getiau, denn wir finden schon - im. J. 136 in jed^
Region einen dem Freigelassenenstande angehörig^ curMr
mit einem denuntiator zur Seile. Wir wissen f^rnor , dfuss
nach mehrfachen wie es- scheint nicht zur Ansföhrmig ge^
kommenen Reorganisatidnsversucllen zur Zeit Constantios des
Grossen in jeder Region 2 tmr&twes und 48 momagii^
thätig waren. Unklar ist die fiestnnmnng d«r im erst^
Jahrhundert vorkommenden kaiserlichen Freigelassenen a ttr
gionibus und ihres procura$m'^). — Dass die erwähnien Aemter
^) Alles dies iat so vallstäa^dig von MomnuieB Staatsrecht 2, 968 ff.
..jBiitwickelt worden, dass ich die Belege für die oben aa. Daten hier
nicht zu wiederholen brauche. Das Buch von 0. Hirschfeld Unters,
auf dem Gebiete der romischen Verwaltungsgesehichte 1, 1877; bat auch
für unseren Gegenstand einzelne Nachtrüge geliefert.. .AM di« Eiiiwea-
dnngen, welche der Vf. S. 1^7 gegjeo meine Auffassung der munera
in dem Bericht iU>er die Ae4ilität des Agrippa Bd. 2, 63 ff. gemacht
hat; komme i<^ § 7 zurück.
®) Suet. Aug. 30: spatium urhis in regiones vicosque divisit insH-
tuiUjue tti Ülas annui magistratus sortÜo tuerentur^ kM mägigtn e
plebe cuiusque viemiae leeU. Dia 55, 8 z. J. 748: oi &k ^rj errtrourel
(lri;:{for) intfiMhjtoiv Tivwv bc tqij dr^fiovy ovg xaX aTevomd^ovg ya-
avjQigjoi^ XfaQloig,(tiV ccv uQ^^cjaiv f^fiiqaig Tioi ^^qr^ad^ai iSo^, ^ u
SovXtCtt ri Toig ayoQavo/xoig rdSv ^finifinqttfiivbjv %v&ctt om'ov€fee im-
§ 5.] DFE STADT DBB XIV REGIONEN. 303
der neuen Ordnung wenn auch nicht lediglich so doch über-
•wiege^nd einen ^saeralen Charakter' und mit den allgemeinen
städtischen Angelegenheiten wenig zu thun gehabt haben, ist
zwar ridbitig daraus geschlossen worden, dass wir von ihrem
4ie8cAäflskreis kaum etwas anderes erfahren als dass sie den
Bau und die Instanderhaltung der Larenkapellen und bezirks-
weise Torzunehmenden Opferhandiungen besorgt haben: allein
-die Bezirke selbst, in denen sie funktionirten, sind deshalb
nieht derselben geringfügigen Zwecke wegen geschaffen worden
(vgl. § 8). Eine Eintheilung, welche auf einer Vermessung der
serviaiiischen Altstadt beruht und zu derselben eine bestimmte
Anzahl von Vorstädten hinzuschlägt, welche die Grenzen der
Bezirke nach den Strassenfluchten der i^tct regnlirt und die-
selben mit der Messstange bis auf den halben Fuss bestimmt,
ist weder von heut auf Morgen herzu$tellen und wir halten
ans daher fdr berechtigt die im J. 746 ins Leben getretene
Ordnung als das Resultat langwieriger Vorarbeiten zu be-
trachten, noch kann sie etwas anderes bezwecken als für die
'^eiehzeitig unternommene Reform der Verwaltungszweige die
unentbehrliche topographische Grundlage herzustellen. Es
trägt sich ob der Nachweis dafür gefuhrt werden kann^).
Sicher ist es, dass die neue Eintheilung das lokale Grund-
schema fdr ddh neuen Sieherheitsdienst abgab, welcher ohne
ein solches gar nicht mit Genauigkeit arbeiten konnte. Die
fQanri, xuItol xal ixeivtov xal tc5v drifiA^mv t&v te cft^cctrjycSv näaav
triv noliv, ig ^exar^üfff^a f^i^fi V€firi^€t(fav, xXi^Qtp nQOsrax^ivrütv o xal
inrv yiyyijai. Vgl. CIL .6, 1, 826 Z. 17. Ans d^n lascbriften der magistfi
Vißorutn wissen wir (Marini bei Visconti Mus. Piocl. 4, 343 vgl. Ann. dell'
inst. 1862, 321 f.), dass diese, je vier in der Region, jährlich wechsel-
ten und das erste 'Amtsjahr mit dem 1. August 746 begonnen hat. —
Ueber die späterisn Umgestaltungen Bd. 2, 77 f. und jetzt Mommsen Staatsr.
2, 982; über 4li^ Sklavea aad Freigelassenen a regionibus und ihren pro-
curaior Hivsehfeld Verwaltnogsgeschichte 1, 151.
^) Mir scheint bei Mommsen Staatsr. 2', 1, 151 (auf den ich iibri-
Seos auch für die folgenden allgemeinen Bemerkungen verweise) und
bei Hirschfeld die Bedeutung der Regioneneintheilung für den Verwal-
tungsdienst nicht in das richtige Licht gesetzt zu sein.
304 THEIL I.
13 Jahr nach dem Inkrafttreten der neuen Ordnung herbei-
geführte Reform des Feuerlöschwesens ruht, wie sich zeigea
wird, auf der Regioneneintheilung. Dass die 7 Cohorten der
'Wächter', eine Truppe von nicht weniger als 7000 Mann,
nicht blos eine Feuerwehr waren, sondern den eigentlicheD
poUzeilichen Sicherheitsdienst der Stadt hatten und dass ihr
Kommandant sogar eine beschränkte Kriminaljustiz ausübte,
steht fest. Das Yerhältniss des Chefs der Vigiles zu dem
Stadtpräfekten in Polizeisachen ist in spätrer Zeit das einer
niederen zu einer höheren Instanz. Das Amt des letzteren
als Centraldirektor der städtischen Polizei ist während der
Regierung des Augustus wie bekannt noch nicht zu einem
ständigen geworden: man darf daher freilich die Stellung
die der Stad^)räfekt in späterer Zeit unzweifelhaft als Polizei-
direktor der urhs regionum XIIII hatte und die sich beson-
ders deutlich darin zeigt, dass sein Amtsiokal wahrscheinlich
mit dem templum Vrhü zusammenfallt in welchem der Ka-
tasterplan lag und an dessen Aussenseite eine Kopie desselben
für das Publikum aufgehängt war (oben S. 44 ff.), nicht
ohne weiteres in die Zeit der Entstehung der Regionen-
eintheilung zuruckverlegen. Allein da der Kaiser selbst in
dieser Zeit die oberste Instanz bildet^ so wird man nothwen-
diger Weise annehmen müssen, dass sowohl 4er Präfekt der
Vigiles als auch die Jahresbeamten, denen die Regionen durchs
Loos zufallen, an den Kaiser wie später an den Präfekten
über die polizeilichen Zustände der Stadt nach den Bezirken
berichtet haben und es ist wohl zu bedenken, dass die auf
der Eintheilung der Regionen und Quartiere beruhende neue
Kultusordnung zwar dem Namen nach eben nur eine solcbe
war, der Sache nach aber eine politische Ueberwachung des
in diese neue Formen eingezwängten genossenschaftlichen
Lebens der gewerbtreibenden Volksklassen, für welches wäh-
rend der Zeit der Revolution grade die Quartiere und die
wiederkehrenden Feste derselben die immer fertige lokale
Organisation abgegeben hatten. Erhellt so die Wichtigkeit
der nach Regionen und Quartieren geordneten compüa mit
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 305
den Bildern der kaiserlichen Hauslaren und des Genius des
Caesar, so werden auch die scheinbar lose neben den grossen
Äemtern hergehenden Vorsteher der Regionen und Quar-
tiere nicht mehr in dem Lichte harmloser Festordner und
fiultasbeamten erscheinen. — Es mag endlich darauf hin-
gewiesen werden, dass die viä in ihrer neuen Abgrenzung
für die Regulirung der Wasservertheilung (vgl. Bd. 2, 51 f.),
die Reinigung und Erhaltung der Strassen, für die mit
der Leitung dieser Verwaltungszweige betrauten Beamteei
gewissermaassen die topographischen Grundeinheiten, für die
Geschäftswelt aber die durch Namen und bildliche Merk^
zeichen kenntlichen festen Gliederungen bildeten, nach denen
man sich in der immer wachsenden Stadt orientirte. — Ge-
nügen diese allgemeinen Bemerkungen, um zunächst die Wich-
tigkeit der neuen Ordnung zu beweisen und sie im wesent-
lichen als eine Bezirkseintheilung zu polizeilichen Zwecken
ZQ charakterisiren, so haben wir nun ihr topographisches
System zu erörtern^*).
Wir wissen, dass in der Zeit der Republik eine Mann-
schaft aus publici bestehend unter dem Befehl der tres viri
noetumi 'um die Mauer und die Thore herum' ihre Wacht-
häuser hatten. Dass an ihre Stelle auch räumlich dk augusti-
schen 7 Wächtercohorten traten, hat bereits De Rossi durck
Kombinirung der Ortsangaben der Notitia über die cahortts
vigilum mit den Fundorten von Dedicationsinschriften dieser
Truppenkörper glänzend erwiesen und spätere Entdeckungen
haben seine Ansicht lediglich bestätigt. Es bestätigte sich da-
durch zugleich die Vermuthung anderer, dass Je eine WächtOT-
abtheilung den Dienst in je zwei Regionen versehen haben
^^) Bei den Juristea spielt die Fragte, was unter urbanus {praediumy
tupellex, minüteria u. s. w.) zu verstehen sei, eine Rolle nnd es kommt
dabei der Bd. 2, 94 f. erörterte nnd unten weiter tn behanddLad^ Ge-
gensatz zwischen urbs und Roma^ dem Raum innerhalb der Mauer und
bis zu den continentia aedifida, zur Sprache. Man sollte erwarten,
^ass auch der urbs reffionum XIF gedacht würde: dies i^schieht aber
nicht, wofür ich keine genügende Erklärung weiss.
Jordan, römische Topographie. I. 1. 20
306 THEIL I.
muss*). Hierdurch war es nun aber sehr nahe gelegt, an-
zunehmen, dass auch für die Regionen selbst die Mauer
das Grundschema gewesen ist und ein Theii derselben die
nunmehrige Altstadt, ein anderer die aus den Vorstädten
entstehende Neustadt gebildet hat; dass mithin, wie richtig
von Lanciani hervorgehoben ist®), schwerlich eine und die-
selbe Region Theile beider umfasst hat. In der That fallen
denn auch ganz in den Mauerring die 2. 3. 4. 6. 8. 10. 11.,
ganz ausser denselben, wie schon längst allgemein angenom*
men wurde, die 1. 7. 9. 14. Region und es muss daher ver-
muthet werden, dass auch die 5. nicht blos zum grössten
Theil, sondern ganz ausserhalb der Mauer gelegen hat. Eine
Ausnahme bilden vielleicht (unten) die 12. und 13. Region,
von denen diese sicher, jene vielleicht in späterer Zeit über
die Mauer hinausgriff: denn diese Ausdehnung ist offenbar
erst durch eine der späteren Grenzregulirungen herbeigeführt
worden, über welche unten genauer zu handeln ist. Für die
spezielle Bestimmung der Grenzlinie dieser Region ergeben
sich dadurch freilich Schwierigkeiten, welche zu lösen noch
nicht gelungen ist^°). Die folgende Tabelle veranschaulicht
die Lage der Kasernen der Wächtercohorten in den Re-
gionen und an den Thoren und giebt in der zweiten Columne
die muthraaassliche Yertheilung des Dienstes derselben. Die
besternten Regionen liegen ausserhalb der Mauer.
^) Ueber die frühere OrdouDg Mommsea Staatsr. V, 313. — Paa-
lus Digg. 1, 15, 1: apud vetustiores incendiis arcendis triumviri prae-
erant . . . erat autem familia publica circa portas {portam die Hss.)
et muros disposita qtiae inde si opus esset euoeabatur. De Rossi,
Le stazioni delle sette coorti dei vigili nella citta di Roma, Anoali
1858, 265 ff. 391 f. Auf ihn beziehe ich mich im folgeoden und tra^e
die seitdem gemachten Entdeckungea nach. Die Inschriften jetzt CIL
6. 1, 2959 ff. Ueber die Annahme des Dienstes je einer Cohorte io zwei
Regpioneo vgl. A. 11.
') Anoali 1871, 48 und später Sfter besonders mit Bezog anf die
5te Region (A. 10).
>o) lieber die 13te Bd. 2, 104, über die 12te and 13te unten
beim Pomerium. Ueber die 5te Lanciani a. 0. S. 70 und Bali,
mun. 2, 42 f. 3, 200. Es ist richtig, dass von den 10 Namen,
§ 5.]
DIE STADT DER XIV REGIONEN.
307
Käser
oen der Cohorten
Regionen
Cohorten-
dienst
nach der
Vostitia,
nach den In-
schriften
Stadtthore
I
* Porta Ca pena
}v
n
Caelimontiam
1
v
bei S. Stefano ro-
tondo
porta Caeli-
montana?
in
Isis et Serapis
!")
IV
TemplamPacis
V
* Esqniliae
"'
II
bei S. Easebio oder
porta Esqui-
S. Bibiana?
lina
VI
Alta SemiU
'
HI
SüdosteckederlHo-
porta Vimi-
cleiiaBsthermeQ
nalis
VII
*Via lata
1
I
bei paLMati, Nord-
seite von piazza
SS. Apostoli
porta San-
qnalis
vm
Porom roma-
M
VI
keinelnschrift:
porta Ratn-
num
*
nach der Notitia,
zwischen dem
Tr^ans- nnd
grossen Forum
men«?
IX
* Campas Mar-
1
tins
X
Palatinm
XI
Circns Maxi-
mns
[vi
ß
VIl
4
1
XII
Piscina Pa-
biica
j,v
IV
bei S. Saba
porta Naevia?
xin
Aventinns
I
XIV
"^TransTiberim
VIl
keinelnschrift:
/*•
exmbäoruun anf
dem Jaaicttlnm
^welche die Notitia nennt, jetKk 8 (oder doeh 7, denn yem Herculeg
Suüanus wissen wir niehta) sieher anaserhalb der Mauer fkllen und
dasa demnaoh vermnthlieh aneh der erste und letzte^ laetu Orfei und
IHs patrida nicht innerhalb der Mauer zu suchen sind. Allehi iek
aehe noch nicht, wie man den sidier verbürgten alten Namen der
Kirchen S. Lueia nnd 8. Martino in Orfea oder in Offeo (es ist unzu-
lässig, in dem crtheo des Eins. Itin. etwas anderes als einen Schreib-
fehler zu sehen: Bd. 2, 495 vgl. 127 f.) damit vereinigen will 6nd die
20*
308 THEIL I.
Es ergiebt sich aus den Fundorten der Inschriften, dass
die Kasernen 1 — 6 in der Nahe d«r Thore lagen, am wei-
testen von dem Thor die Ite, und zwar im ganzen Umkreis
der Mauer; dass die 7te in Trastevere liegen musste, ist ein-
leuchtend. Nimmt man an, was schon durch die Zahl 7 und
durch die vielleicht erst späteren 14 exeuhitoria bedingt war,
dass der Dienst lokal geordnet war, so könaen natürlich nur
die 2 einer Kaserne nächst gelegenen Regionen für dieselbe
in Betracht kommen. Die Annahmen sind demnach für die
1. — 6. Region wohl unzweifelhaft sicher. Für die übrigen
ist uns jetzt durch das einzige direkte Zeugniss über den
Dienst, welches lehrt, dass dife 7. Cohorte mit der 9. Region
zu thun hatte, ein Anhalt gegebien. Die Verbindung der 7.
und 9. statt der 7. und 13. Region erscheint noch natür-
licher, wenn man uusere Ansicht über die Brücken adoptirt:
es gab unterhalb der Insel bis auf Kaiser Probus keine Brücke.
Schwerlich ist gegen die Ordnung der übrigen yiel einzu-
wenden und man sieht, dass man, soviel als es die Kom-
munikationsverhältnisse gestatteten, die Regionen nach der
laufenden Nummer paarweise zusammen liess. Dagegen
vermag ich für die Numerirung der Cohorten km Prinzip
zu entdecken: ihre Nummern laufen weder mit den Zahlen
der Regionen noch fügen sie sich sonst, wie man es erwar-
ten sollte, einer räumlichen Ordnung ^^). — Da übrigens
Isis patricia von dem nahen vieus pätricit^s deshalb losznreissea, weil
es aach eine Pudicitia patricia ganz wo anders giebt nnd weil eine
ganz vage Nachrieht bei Bartoli von der Entdeckung eines Hempio
egizio' bei SS. Pi«tro « MarceUino spricht (Fea Mise. 1, 222) scheint
mir ebenfalls seiir ktthti, wi« schon lahresberichte 1875, 786 hervor-
gehoben worden ist. Wir kommen im 11. Tb. auf die Frage zaröck.
*^) In der Ha«pts2iclle folg« ich natürlich De Ressi. Qer Fondert
einer 4toäicula der Gehorte oder CenCnrie (Geh. 4) oder einer Wethmg
an den.^enui« cokorHs (Goh. 4) beweist fiGfaer, der einer Dedicatioa
^or Gehörte an den Kaiser Bit grösster Wthracheinlichkett für dn
Lage. Die isäcbriftliehen Hanptheweise (z. Th. nach De Rossie Arbeit
gefmdeo) sind leigende 1. Gehort«: Detkn&ler Vea pll. Muti GIL 6, 1,
233 {genio eofu primae) 10ft2 (Ded. v. 241) 1056 <Ded. y. 265i s. De
Rossi S. 271). — 2. Goh.: n. 1059 <Ded. v. 210), bei S. Bifaiana — S.
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 309
sammtiicbe erhaltene Ii^chriften der Yigües wohl älter sind,
als der ijdfang des 3. Jahrhunderts, die Nothia aber den Zu-^
stand der eonstantinischen Zeit vergegenwärtigt, sa kann es
sein, dass wir die ursprüngliche augnstische Yertheilfiiig nicht
meinr yoUstandig kennen ^^).
Easebio? Nicht ganz sicher: vgl. Visconti BulL moa, 3, 214 H«nzen
das. 4, 63. — 3. Coh. : n. 3761 (D. eines praef, v^gHum] v. 193),.
innerlialh der Diocletiansthermen an der Ecke dem Bahnhof gegenüber
gefonden (BoU. mon. 1, 249), also, irie ieh Bd. 2, 122 TeriMithete, bei^
der j9. Finrnmlü* Ua^iohere Vermnthvngy dass die Kaserne stelbst
am Thor innerhalb des Walls gefnndiea sei: Laaciani Bull. man. 4, 174.
— 4. Goh.: lange vermisste Inschrift n. 219 bei S. Saba (Bd. 2, 107
Laaciaui Ann. 1871, 80) zwischen Via S. Paolo and Via S. Saba, also
wahrscheinlich uamittelbar nebeii p. Naevia (Inschrift: der Aedicala-
V* J. 130: 1, etae Gentnrle der Goh. aediculam matmoream cum^ vatoU
aereis . . . fecü, 2, der €enturio ceniuriaepaimentum-^trax/^)*"^ Gob. ^;.
n. 1057. 1058 Denkm. vom Gaelias, Villa Mattei. (Ded. v. 210) vgk
Tb, II. — Coh. 6: keine Steine; in der Notitia zwischen templum,
Traiani et columna cochUs und hasüica argentaria^ der vascularia des
Aabaogs (Bd. 2, 216). Das führt, wie imiber die basäica zu erUttrea
seta BWigy mit Nethwendif keit zur porta Ratumena auf der Höhe det
Vi« di Marforio (oben § 3). — Coh, 7: über das im J. 1867 in Tra^t«-
vere entdeckte excubüorium der 7. Cohorte s. die t. A» Unter den
Graffiti in diesem Gebäude findet sich einer (n. 55 Henz.), in welchem
die Worte ch{ors) VII vig{ilum\ centttria Faustini, termis Ner{onianis),
wie Benzen S. 116 ff. richtig bemerkt, in Verbiodttng* Ait den yorattf-^
geb«nd«a, e]Qkorifi) Vll vilfft\l(ufn) Neron \ (?) kwm andere Heutmug
als auf den Dieast bei jenen Thermen zulassen. Heuzeu hal; d^halb
richtig R. 7. 9 — 13. 14 zusammengelegt. Das übrige ergiebt sich
danach von selbst.
^^ Es ist wohl zu beachten, dass die Dedicatianen der Cohorten mit
Severus und Caracalla beginnen (193. 210. 243: A. 11), deren Reorgani-
satioB der Garnison bekannt ist (vgl. Bd. 2, 70 f.). Unter denselben
Kaisern ist das 1^^ ff. auf Monte di Piore bei S. Crisogono in Trastevere
ausgegrabene eäicuHtoritanr der 7. Cohorte gebaut und die GraMi aaf den
Wänden des Gebäudes enthalten Baten v. 215—239: Henzea A*n. 1874,
124. Ueber den Fnnd s. Bull. d. i. 1867, 8 ff. C. L. Visconti La sta-
zione (irrig) della eoorte 7. dei vigili im Giorn. aro. 1865 Bd. 195 <»
50 NS. (2. Ausg. R. 1867, ungenügend: es ist noch nicht einmal ein
Gmodriss pnbHcirt; über den Brminen Ann. 1867, 399). Die Graffiti
jetzt CIL 6, 1, 2998 ff. vgl. Henzen Ann; 1874, 11 1 ff. — Auffallend bleibt
es, dass die Notitia nicht die Kasernen, die sonst regehhässig eoHm
310 THEIL L
Je^er weitere Schritt, den wir in der Beurtheilung der
14 neuen Bezirke thun, wird erschwert durch die sich auf-
drängende Frage, in wie weit die Grenzbeschreibung der
constanÜBischen Notitia und die Statistik dieses Buchs Rück-
schlüsse auf die augustische Organisation zulassen» Es steht
fest und ist im 2. Bande ausführlich nachgewiesen, dass die-
ses Buch durchweg den Zustand der Stadt zur Zeit der
Herausgabe desselben darstellt. Es steht fest, dass die Namen,
welche die Begionen hier führen, nicht der augustischen
Ordnung angehören und dass schon unter Vespasian eine
Vermessung der Stadt vorgenommen worden ist, welche un-
zweifelhaft mit Veränderungen der Begionengrenzen und einer
theilweise. neuen Zutheilung von Quartieren zusammenhängt
(unten)* Man wird also Veränderungen nothwendig annehmen
müssen und es gilt, die Grösse derselben zu schätzen. —
Was aber zunächst die Namen anlangt, so ist das späte
Aufkommen derselben indirekt bezeugt durch das Fehlen aller
urkundlichen Zeugnisse vor der Zeit Constantins und durch
die Beschaffenheit einiger Namen selbst: des der 3. Im et
Serapis — die Errichtung von Heiligthömern dieser Gott-
heiten in der Altstadt ist sicher jünger als Augustus, vielleicht
nicht älter als das dritte Jahrhundert — , der 4. Templum
Paci$ — denn derselbe ist 75 n. C. gegründet — ^ der 6,
Mtipsemta — denn das ist ein durchaus untechnischer, wie
es scheint, der Volkssprache angehöriger nur hier vorkom-
mender Ausdruck, an dessen Stelle man zur Zeit des Augustus
sicher coUina oder quirinalis gesetzt hätte ^^) — , der 7. Via lata
heisren (Bd. 2 a. 0.), sondera cohors I a. s. w. uod im Anlian^ cokartet
viffUum VII quorum excuhüoria XIIII nennt. £3 scheint, dass diese ex-
CMbitoria nur von kleinen Manascli«ften, die den Dienst hatten^ bezof^en
wurden und allerdings ist es nicht denkbar, dass das kleine ewcubiionum
in der 14..Re£;ion der ganzen 7. Cohprte als Kaserne gedient hat. —
£ine Ka^^rne (castra) glaubte man irrig auf dem Caelios gefnoden zu
haben (s. Th. 11). Wo stecken sie aber?
^3) Richtig urtheilte Preller , Regionen S. 69. Was über semäa
Bd. 2, 121 gesagt ist, ist falsch: s. das. 482. 635. Das Wort muss aber
in . dem vora^u^zusetzenden Sinne der Vulgärsprache entlehnt sein, lieber
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 311
— einer yolksthämlichen Benennung der breit neben der
via Flaminia herlaufenden Porticusanlage der Saepta, welche
sich vor der Zeit Constantins nicht findet. Die übrigen Namen
(unter ihnen der einer servianischen Tribus Esquiliae) sind
die altherkömmlichen der natürlichen Gliederungen der Stadt.
— Augenscheinlich haben sämmtliche Namen niemals amt-
liche Giltigkeit gehabt, sondern sind von dem Herausgeber
der aus amtlichen Materialien für das Publikum . zusammen-
gestellten Notitia grösserer Anschaulichkeit halber den im Volke
zu verschiedenen Zeiten aufgekommenen Sprachgebräuchen
entlehnt worden. Auch die den römischen nachgebildeten
Regionen Constantinopels werden nur nach den Nummern
benannt.
Wie der Grundriss der neuen Bezirkseintheilung die
servianische Mauer, so ist die Zahl der Regionen eine Ver-
doppelung der Zahl der servianischen sieben Berge, so jedoch,
dass weder die Berge in ihrer räumlichen Ausdehnung noch
sonst eine frühere Eintheilung der Stadt als bedingend für
den Lauf der Grenzen angenommen wurden. Ist die Fest-
stellung der Zahl der Wächtercohorten jünger als die der
Regionen, so hat sich jene nach dieser gerichtet^*). — Die
Errichtung von 14 Bezirken, welche zunächst als Grundlage
des Sicherheitsdienstes dienen sollen, setzt eine annähernd
gleiche Grösse der einzelnen Bezirke voraus: doch können
natürlich besondere Rücksichten in einzelnen Fällen auch Un-
gleichmassigkeiten bedingt haben. Die constantinische Notitia
bestätigt diese Voraussetzung durch die im ganzen richtig
die via lata s. Forma S. 35 § 5. — Bis jetzt ist keine unverdächtige In-
schrift bekannt, welche den JVamen einer Region enthielte. Aber
anch die Bezeichnung mit den Nummern ist in die Volkssprache nicht
eiDgedrungen, wie die £inl. § 2 A. 28 f. angeführten Inschriften beweisen.
^*) ^Augusts Regionen, eine ganze praktisch gedachte £intheilang,
haben ihre Zahl von der Verdoppelung der ältesten Eintheilung der
Stadt'. JXiebuhr R. 0. 1^, 401 : vielmehr von dem servianischen Septi-
montium (§ 4). Wie die Zahl der 7 Berge stets als ideale festgehalten
Worden ist, ist bei der Analyse der verschiedenen Kataloge der septem
montes im 2. Bde. gezeigt worden.
312 THEIL I.
Überlieferten Umfaogsziffera der Regionen. Ich setze den-
selben gleich die Zahlen der vici bei, über welche uniea za
sprechen sein wird:
R. VIII 14067... 34
IX 32500 ... 35
R.I I221IV2 (12219 N)... 10
II 12200 7
III 12350 12
IV 13000 8
V 15600 15
VI 15700 17
VII 13300 15
X 11500... 20
XI 11500... 21 (19 C, 18 Cb)
XII 12000 ... 17
XIH 18000 ... 18 (17 C, 35 Cb)
XIV 33388 ... 78
Die Analyse der Notitia führte uns zu dem Resultat,
dass das ganze Buch uns den Zustand Roms in der Zeit
Constantins des Grossen darstellt, dann, dass die Be-
schreibung der Grenzen von dem auf dem laufenden erhal-
tenen amtlichen Plan in der Kanzlei des Stadtpräfekten ab-
gelesen sei und wir müssen annehmen, dass auf diesem Plan,
wie auf Croquis und Grundrissen auch sonst, die Umfangs-
ziffern eingetragen waren ^^). Haben wir demnach die Gren-
zen und Umfange der Regionen in der Zeit Constantins vor
uns, so ist die Möglichkeit einer theilweisen Veränderung
derselben seit Augustus an sich denkbar, ja streng genommen,
das Gegentheil nicht denkbar. Man erwäge nur, dass die
Anlage der Fora des Augustus, des Nerva und Trajan und
des Bezirks des vespasianischen Friedenstempels, wie bezeugt
ist und sich von selbst versteht, ganze Stadttheile, d. h. grosse
Gruppen von vici beseitigten: und zwar, ohne dass dabei die
Regionengrenze berücksichtigt werden konnte. Es ist kaum
anders möglich, als dass die Grenzen nach solchen Verän-
derungen neu bestimmt worden sind. Ein direkter Beweis
für eine Veränderung im Innern der Stadt lässt sich
meines Wissens nicht beibringen ; auch für eine Veränderung
in der l. Region lässt sich nicht anführen, dass es zur Zeit
Constantins in der 2. Region ein antrum (atrium?) Cyclopis
gab, während in einer offenbar älteren Inschrift ein vicus ab
(so) Cyclopis in der 1. genannt wird (Bd. 2, 294): denn be-
greiflicher Weise kann bei zwei aneinander grenzenden Be-
«) S* jetzt Forma urbis S. 10 f. § 5» ff.
§ 5.] DIE STADX DER XIV REGIONEN. 313
zirken ein Denkmal in der einen an der Grenze der andern
den Namen einer in dieser laufenden Strasse Teranlasst haben.
Dagegen scheint die Vermehrung der vici mit den oben kon-
statirten Ungleichmässigkeiten der Regionengrenzen in Zu-
sammenhang zu stehen, und wir müssen diese Vermehrung
hier zunächst näher ins Auge fassen. Dies ist aber wiederum
nicht möglich, ohne schon hier eine kritische Prüfung der
Ueberlieferung der Zahlen in der Notitia vorzunehmen, so-
weit dieselben durch die Vergleichung der Summe der über-
lieferten Einzelansätze mit der überlieferten Summe zu kon-
trolliren sind, d. h. mit Ausschluss der nicht summirten
Umfangszahlen. Folgendermaassen sind uns also die Zahlen
überliefert:
<=Eaxaäaa<<a
n
^=.§=.S=.2a55.«B
5 5 5 5 S
"S-^-|-J-|=.|- 1^:^ f
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 315
Abgesehen von einigen falschen Wiederholungen (ich habe
dieselben mit dem Stern bezeichnet) erscheint die Ueber-
lieferung der Einzelansätze, einmal wegen der weit überwie-
genden Uebereinstimmung beider Recensionen, dann wegen
der ftSar eine solche Art der Ueberlieferung nicht übermässigen
I Abweichang der wirklichen von den überlieferten Summen
I im Ganzen glaubwürdig und wir werden daher die Schreib-
^ febler eher in den überlieferten Summen als in den Einzel-
ansätzen suchen müssen. Die grösste Difierenz zwischen den
^ überlieferten und den berechneten Summen trifil nun grade
I die vici* sie würde auch nicht erheblich gemindert, wenn
f wir annähmen, dass die einzige Hs. b (von iV), die noch dazu
I nicht die maassgebende ist, das richtige erhalten hätte. Wohl
aber haben wir Gründe, welche gegen die Richtigkeit der
überlieferten und für die Richtigkeit der berechneten Sum-
men sprechen. Diese liegen in der Vergleichung der Summe
der zur Zeit Vespasians gezählten vici (comfita Lamm in dem
unten A. 33 a. Bericht des Plinius sind die aediculae der No-*
titia, in jedem vicm eine: § 8) einerseits und der Ver-
hältnisszaUen der vici von 5 Regionen im J. 136 (kapit Basis)
mit den entsprechenden der Zeit Constantins andrerseits. In
dieseff Regionen befanden sich (Bd. 2, 294):
im J. 136 zur Zeit Constantins
R. 1
9
10
10
6
20
12
12
17
13
17
18 (80 C, 17 iN)
14
22
78
66
143
Man vergleiche
•
nun
die Summe der viei in den 14 Re-
gionen .
Dordisdinittczalil
zur Zeit Vespasians
265
18,9
zar Zeit Constaotiiii
1
Summe der EiuzelaiuäUe 307 (304)
21,9 (21,7)
Uebcflieferte Summe
423
30,2
316 THEIL I.
in den R^ionen 1. 10. 12. 13. 14:
im J. 136 6e 13,2
zur Zeit CooMantins 142 28,2
la den 5 Regionen 1. 10. 12. la 14 iat also in 200
Jahren eine durchgängige Vermehr nng, in d^ 14. Region auf
das 3 — 4 fache eingetreten, falte die Zablea der Notitia rieh-
tig sind. Zugleich ist die Zahl 7S doppelt so gross als die
der demnächst höchsten Zahlen (in der 8. und 9. R.) i»sm
sieht akov dass die Durchschnittszahl 28,2 von nur 5 Re-
gionen durchaus nicht für die Richtigkeit der Ourchschnitt»-
zahl 30,2 in 14 Regionen spridht, die Gesanuntsumme der
vm zur Zeit Constantins Tielmehr aller Wahrscheinüehkeit
näher bei 307 (304) als bei d^r überlieferten Zahl 423 zu suchea
ist Wenn diese Annahmen, wie ich hoffe, so wahrscheinlich
sind, wie es bei solchen unvoUstandigen Daten 2iu erwarten
ist, so wird es schwerlich Zufall s^in, dass während die Umr-
fangsziffern von 2 Regioneu (9. 14) das Doppelte der Durch-
Schnittsziffer von 16236 erreichen (9:32500, 14:33388)
alle übrigen nur eine massige Schwankung (11500 — 15700,
nur 13 : 18000) zeigen. Eine allgemeine Erwägung der Ent-
Wickelung der Stadt aber (vgl. Tk U) ze^gt , dass grade das
Westende (die Regionen 9. 14, deren natürliche ZAam-
mengehörigkeit äu^serlich die Ordnung des Sicherheitsdienstes
bezeugt: S. 308) in stetigem und rapidem Wachsthum begriffen
gewesen ist: und zwar haben sich diesseits und jenseits des
Stroms die Grenzea von Prachtbauten (R. 9) oind gewerb-
lichen Anlagen (R. 14) immer weiter hinausgeschoben, was
das Wachsen der Dichtigkeit der Revölkerung wenigstens jen-
seits bedingt hat.
Glauben wir für diese Vorstädte also ein Vorschieben
der Regionengrenze nach Augustus, also die Annahme be-
gründet zu haben, die ja an sich die nächstUegende ist, dass
die äussere Grenze der Polizeidistrikte von Anfang an nur
bewohnte Sta^ttheile einschliessen sollte ^^), so stehen uns
^B) Das Gegeatheil scheint Redbertos aBZüDehmen in ctor nicht
volIendeteB Arbeit ^Bedeoken ^egea den vo» den Top«gvt^OD ange-
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 317
fSr die ubrigefi peripbenschen Stadttbeile Beweismitte] gleichen
WeFtfaes mokt zu Geb^e. Wobl wissen wir, dass ^e 13.
und yiellercht die 12. Region, weon man der constantinischen
Grenzbeschpeibttiig folgt, aber die Mauern hinausgriffen und
dies scheint dem ursprünglichen Eintiieilangsprindp zu wider-
sprechen. Allein einen sicheren Beweis für eine spätere Ver-
schiebung giebt das um so weniger, als es auffallen musste,
wenn die alte Vorstadt vor porta Trigemina ausser der Polizei-
grenze gelegen hätte (vgl. oben). Anders steht es mit der
5. Region. Es ist nicht ohne Bedeutung, dass das Umfangs-
maass derselben sich nicht yon dem Durchschnitssmaass der
übrigen entfernt, dass nachweislich (s. Th. II) die Vorstadt
vor dem esquilinischen Thor zur Zeit des Augustus ein be-
deutendes Leben gehabt hat; und dass die Unmöglichkeit,
das Umfangsmaass mit den in der Grenzbeschreibung ge-
nannten Grea^unkten in Einklang zu setzen jedesfalls, wenn
8se nicht überhaupt blos eine scheinbare und durch unsere
lückenhafte Kennti»sB veranlasste ist, eine andere Erklärung
zttiisst, als die Annalnne einer spSteren Ausdehnung der
Grenze. — Doch wir müssen die Frage über den Umfang
der augustisdii» Regionenstadt hier fallen lassen, um zu dem
Eintheiiiingsprincip zurückzukehren.
Den festen Gru»driss gab die servianiscfae Stadtmauer
ab, die ausserhalb d^selben Hegenden Regionen 1. 5. 7. 9.
14 sind im wesentlichen die PoJizeidistrikte der Vorstädte.
Innei^halb der Mauer lagen die 4 servianischen Regionen, das
nommeQeD Tvtkt der «vreinnisciieii Maner' (in HiUebMiads Jahrb. f.
NatioaalökoBomie 23 (1874), 1 ff.), wo als Aoalogiea für 4i« erst
später za begründende Hypothese S. 22 ein 'polizeilich abgegrena-
ter mit Argeerkapelle versehener vieas' (in einer der servianischen
Regionen) 'in dem nnr ein einziges Hans steht' (es ist das aedificium
^ohnn tit ifr Argeerarkunde Bd. 2, 288 f.) uad der Bebaacngsplan
vaa Berlin auf^efährt werden. EUe Widerlegung im Biozelnen ist
schoB wegen des fragmentarischen Charakters der Arbeit aicbt möglich,
sehr zu bedauern, dass der Vf. sein eigentliches Ziel, die Beurtheiluog
der Hypothesen über die Bevölkerungsstatistik, nicht mehr hat errei-
chen können (vgl. § 6. 7).
318 THEIL L
Kapitol und der Aventin, jenes als Akropolis, dieser als ple-
bejischer pagus, ursprungiiGh nicht in diese eingeschlossen.
Weder die Reibenfolge noch das Gebiet jener Tribus deckt
sich mit den inneren Distrikten der augustischen Ordnung,
wie schon Bd. 2, 248 ff. gezeigt worden ist.
Die servianischen nach der richtigen und der
falschen Ordnung den augustischen Regionen
gegenüber
servianische Regionen
politische Rangfolge angeblich Folge nach der
ArgeeTurkonde
PaJatina 10 Suburana 2. 3. 4»
Suburana 2. 3. 4. Esquilina 5
Esquilina 5 Collina 6
CoUina 6 Palatina 10
Dazu kämen die augustischen Regionen 10 — 13. Hierdurch
kann die aus anderen Gründen zurückgewiesene Behauptung,
als sei die in der Argeerurkunde befolgte Reihenfolge die
ursprüngliche, nicht bewiesen werden. Dass eine neue Ord-
nung gar nicht umhin konnte, im Ganzen und Grossen die
der servianischen £intheilung selbst zu Grunde liegende
wesentlich durch die Terraingestaltung bedingte Gliederung
auch ihrerseits zu Grunde zu legen, ist an sich klar. Dass
aber die scheinbar zusammenfallenden Haupttfaeile nicht ganz
zusammenfallen, zeigt das Beispiel der 3. augustischen Re-
gion, welche theilweise der alten esquilinischen , theilweise
der alten suburanischen zugehört (Bd. 2, 253), und zeigt die
über die MauerUnie hin und her springende, die Vorstädte
und die innere Stadt durcheinander verwerfende Numerirung
1. 2, 5. 6, 7. 8. 9. 10. Da sich endlich auch ihrer Be-
stimmung nach die tribiis urbanae und die 14 Polizeidistrikte
gar nichts angehen, so ist in der That ein länger^ Verweilen
bei der unnöthiger Weise viel besprochenen Frage des Zu-
sammenhangs der servianischen und augustischen Regionen
überflüssig.
Es versteht sich von selbst, dass die Reviereintheilung
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 319
auf das servianische Stadttemplum und sein Pomerium
keine Rücksicht nahm: niemals sind unseres Wissens die Re-
gionen 1. 14, erst nach Augustus R. 12. 13 und der nörd-
liche Theil von 7. 9 in das Pomerium aufgenommen worden.
Dennoch sind die Erweiterungen des Pomerium, welche die
schriftstellerische Ueberlieferung dem Sulla, Caesar, Augustus,
Claudius, Nero, Trajan, Aurelian zuschreibt, als Symptome des
Wachsens der Stadt von Wichtigkeit, und der Umstand, dass
Augustus unter den Erweiterern erscheint, macht es wün-
schenswerth, die Frage an dieser Stelle zu behandeln ^^).
Freilich die Ueberlieferung selbst erregt ibchon deshalb Be-
denken, weil sie Yespasians gar nicht gedenkt, weil Augustus
selbst von der Ausübung dieses doch anscheinend wichtigen
^^) Die schriftstellerischen Nachrichten über die Erweiterung des
Pomerium seit Sulla sind folgende: Messalla der Augur, Gonsul 701
(oben § 2 A. 21), sprach nach Gellius 13, 14 von omnes qui 'pomerium pro-
tulerunt, worauf Gellius, vermuthlich nach ihm, Servius Tullius und
den dwus luUus nennt. Mittelbar aaf Messalla beruht (s. A. 24) die
Darstellung des Tacitus Ann. 12, 24: et pomerium urbis auxü Caesar
(d. h. Claudius im J. 50) more prisco^ quo iis qui protulere Imperium
etiam. terminos urbis propagare datur, nee tarnen duces romani (die
Feldherren der Republik) quamquam magnis nationibus subactis usur-
paverant nisi L. Sulla et divus Augustus. regum in eo ambitio
vel gloria varie vulgata: sed initium condendi et quod pomerium. Ro-
mulus posuerit noscere haud absurdum reor . . . , nun folgt die § 2
A. 15 erörterte Beschreibung des palatinischen Pomerium bis zu den
nicht zum Folgenden zu ziehenden Worten ad sacellum Larum forum-
que romanum. et Capitolium non a Romulo sed a Tito Titio addi-
ium urbi credidere: mox pro fort u na pomerium aucium (nehmHek
von den übrigen Konigen bis auf Servius Tullius, wie deutlich
Dionys 4, 13 sagt: oben S. 202 A. 1). et quos tum Claudius terminos
posuerit facile cognitu et publicis aotibus perscriptum. Hiermit steht
nicht im Widerspruch, dass man zu Senecas Zeit (de brev. vit. 13, 8)
meinte Sullam ultim,um protulisse imperium (s. unten). Dio 43,
50 von Caesar: to 7i(ofii^Qiov ItiI TtXelov iTis^riyays vgl. 44, 49,
von [Augustus (z. J. 746) 55, 6: ta tov n, S^ta infjv^ae. Nur die
Kaiser nennt Vopiscus Aurel. 21: addidit (pomerio) Augustus, addidit
Traianus, addidit Nero sub quo Pontus Pokmomacus et Alpes Cottiae
romuno nomini sunt tributae. Von Vespasian (und Hadrian) wissen
wir nur durch die Steine.
320 THEIL I.
Rechtes schweigt, wo er darüber hätte sprechen können, weil
Vespasian als seinen Vorgänger in derselben nicht Augastns,
sondern Claudiiis bezeichnete^), und eine urkundliche Bestä-
tigung für die Betheiligung des Äugustus an der Erweiterong
nicht vorhanden ist. Doch sehen wir zunächst, was jenes
Recht überhaupt bedeutet und wie es entstanden ist.
Das Pomerium der palatinischen Stadt war zum Behuf
der jährlich vorzunehmenden uralten Lustration derselben
durch das AugurenkoUegium in einer nicht bestimmbaren Zeit
terminirt worden: liach d^n Tode Sullas bezeugt Yarro, dass
auch *um Rom' herum Steine das Pomerium bezeichneten,
d. h. das den Aventin ausschliessende servianische. Zwischen
der Gründung des palatinischen und des servianischen Roms
liegen nach der Vorstellung der römischen Annalisten stufen-
weise fortschreitende Erweiterungen der ersten Niederlassung,
welche durch Berechnung, ohne jede Grundlage überlieferter
Thatsachen^ lange vor Sulia in ein System gebracht waren.
Die nothwendige Folge dieser Anschauung war, dass mit jeder
Erweiterung der Stadt und ihrer Befestigung bis auf den
Vollender derselben, Servius TuUius (oben A. 17), auch das
Pomerium, ohne welches ja ideell keine Stadt denkbar ist,
vorgerückt werden musste. Wenn nun Sulla seit Servius
Tullius der erste sein soll, welcher das Pomerium abermals
vorschob und zwar, weil es ein Recht desjenigen, welcher
die Grenzsteine des römischen Staatsgebiets vorgeschoben
hatte, war, die Grenzsteine des städtischen Pomerium vorzu-
schieben, so liegt es auf der Hand, dass ein solches angeb-
liches Recht, das von Servius Tullius bis Sulla kein einzige
von jenen unzähligen siegreichen Imperatoren geübt hat,
während doch ihre Triumphe in den Staatsurkunden ver-
zeichnet standen und von manchem die öffentlichen Ehren-
^^) AagpoLstQs schweigt im lodex rerom gestajram; Vespasitn io der
soganannten Lex regia CIL 6, 1, 930, wo es heisst (Z. 14 f.): utique
ei fines pomerü praferre pramovere, cum ex republica censehü esse,
Uceat ita uti ticuit Tu Claudio Caesari Germamoo. — Riehtig hebt
dies schoo Henzen in der A. 24 citirten Abhaadlaog hervor.
S 5.] DIE STADT DBR XIV REGIONEN. 321
denkmäler stolz yerkündeten : fines tmferii propagamt ^'), in
der That nicht edstirt hat. — Als es sich aber für Sulla
darum handelte, dem Volke eine der königlichen ähnliche
Machtstellung annehmbar zu mächen, ^suchte er', wie der
Augur Messalla es aus den Akten wusste (A. 20), 'einen
Rechtsgrund, das Pomerium vörzusohieben^ und sich damit
als ien Nachfolger des Servius Tullius und der Könige dar-
zustellen. Er wird sich also an das AugorencoUegium ge-
ivendet haben und da sich in deren Archiv feststellen Hess,
dass 'die Köhige* die 'Stadterweiterungen,, d. h. damals Ge-
bietserweiterungen, durch Pomerienerweiterungen bezeichneten,
die Siebenhägelstadt aber durch die Stadtmauer geschlossen
war, so glaubte man, das angebliche Königsrecht wieder aufk-
leben lassen zu können in der neuen Formulirung, dass das
Poonerium der Stadt erweitem dürfe, wer das Gebiet der«
selben in Italien erweitert habe: eine Formulirung, in wel-»
eher die sullanische Trennung Italiens und der Provinzen
zum Ausdruck kommt und welche in späterer Zeit einer
weiteren Fassung weichen musste, wenn nicht der Rechts-
titel verloren gehen sollte^®); Nur so erklart sichs, dass in
der That seit der Königszeit zuerst SuUa das Pomerium er-
weiterte und die opportune Wiederentdeckung dieses könig*
^^) Cicero de rep. 2, 15 nach Oetlefseos sicherer Herstellaog: iUa
laus in summorüm imperatorum. indsa monimentis ^ßnis imperu propa-
gavit ' (vgl. das auctis p. R. finibtu pomerium ampliavü der kaiserlichea
Pomeriensteine A. 30), wo doch nnr an Grabdenkmäler auf Staats-
kosten mit Inschriften , welche für die Elegien der aagnstischen Zeit
die Muster abgegeben haben werden, xn denken sein dürfte. Ein Bei-
spiel ist meines Wissens nicht erhalten.
^) Bei Gellins a. 0. (nicht wörtlich) proferendi imperii tUahm
quaenviL Dass er es gethan, sagt anch Dio 4S, 50. Die Theorie ober
das Recht entwickelt nach Sulla der Angnr Messalla a. 0. (nicht
wörtlich): habebal mäem tut proferendi imperii. qui populum romanum
agro de hoetihus capto auaperat^ genauer Seneca a. 0. : Stdlam ultimum
proUdisse pomerium quod nunquam provindali sed Italiae agro acquisito
proferre moris apud antiquos fuit. Also liess man Caesars Erweite-
nwg nicht als reehtsgiltig gelten. Zu Anrelians Zeit konnte das Recht
der ttben qui agri barbarid aUqua parte rem p. loeupletaverit (Vop. a. (X.).
Jordan, rOmiaölie Topographie. Li« 21
822 TBEIL L
liehen Reehts steht miz^etfelbaft im ZusatnmeBhaog mit jenen
froher (§ 3 A. 35) besprochenen aUs dein Kreise und dein
Berathttngen der Plriest^rsehaft bertorgegangenän Entochei-
dungen, wdchen aum Thni die Remullisfiibel ihre feste Ge-
stalt und gewiss auch manckes königliche Recht ihren Ur-
sprnng Yerdanken*^). AiKh das ist ausser Zweifel, dass sid
SaDa jenen Rechlstitel nicht etwa bat herstellen lasse» ^ nln
diejenigen gesetzlichen Bestiinniungeik^ wdche an die Grenze
des Pomerium gebunden waren, zu verändern. Denn gerade
wo das Pomerium allein noch von praktischer Bedeutung
war, am Marsfelde, hat er dasselbe so wenig yerindert wk
seine Nachfolger bis auf Claudius. Es ist ausdrücklich be*
zeugt, dass das Theater des Pompejud bei seineb Binweifaui^
und die Porticus der Octavia zur Zeit des Augustue ansiserbsIlA
des Pomerinm lagen*'). Wenn daher Varro (§ 2 A. 25) sagt, dass
Pomeriensteine ^um Rom' standen uud dies die suBänischeB
(tou Caesar wird gleich die Rede sein) waren, so bleibt nur
tbrig anzunehmen, dass Sulla nach Uebereinkunft mit dem
Augnrencollegium die längst verschwundenen alten Ponrerien«
steine wiederherstellte und sie, wenn überhaupt, inner-
halb der Ringmauer — soweit das Pomerium öbeiiiaupt
mit ihr lief — vorrückte. Erinnert man sich nun^ dass das
Pomerium ursprünglich einen breiten unbebauten consecrirten
Streifen zwischen der Stadt und der Mauer fi'ei liess, so
wird man es bei dem Zustande der Stadt zur 2eit des Sulla
sehr begreiflich finden, wenn er die gewiss schon vielfach
vorgekommenen Beeinträchtigungen dieser Ordnung durch die
zuständige geistliche Behörde unter dem Willkomm »en Vor^
*^) MommseD Sttatsr. 2^ 1^ 716 sAgt: <dd^ Refoht, dem Lauf der
Rittginaiier ibzniocUrn od«r it ic «s technioli faeisst, den MaserWAfp top*
tMcüÄebtü, ist altes KSaigsreebt'. AHein am die Sfoaer iiandelt «i
sieh in Rom nicht und wie kaM dds Reeht, dea 'llaiier^e^' ran^
•ehieben, erloschea seiny Ich kaoa das gfanze 'Recht' mii^ als eise
AbstraktioB aas den aoffehliehea küaigliehefe StadterweiteraaseB he-
traehteo.
^) Vom Theater DIo 4«^ SO. 41, 3; von der Carie in d* Partie«
der Octavia derselbe 5<^ 8.
S 5.] DIB STADT DEA XIV REGIONEN. 323
•nd des königlichen Vorräehis legaHsiren lies«, 4. h. das
Pomerittiti bis hart an die MaueiT vorrückte und so
die Bebauung der frukei* freigehaltenen Zone frei-
st «ib. Trifft diese ErkldriMOig dlis richtige, so darf wdil an-
gr^nommen werden, daes die im J. 666 erfolgte Einziehung
4^r Prieateriindereien um das K^pitot (oben S* 282) ein
Yoriaofer dieser zugleich staatsrechtlichen und finanziellen
Maaasregei gewes^ ist Ausgeführt kann sie aber wohl
s4}hwerlioh vor der Dietatur sein und iliag durch ein mit den
übrigen organisatorischen Maassregein zusamttieiahai^endes
besonderes Gesets zur Ausführung gelungt sein^^*).
Nach den oben b<srvorgehobeoen /schwerwiegenden That-
s^ebeni dem Schlveigen des Augu^ttn und des Vespasian,
wird es nun vollends anehr als wahrscfaeinlich genannt wer-
den dürfen, dass die Nachrichten, welche uns von den Kaiser-
biographen über die Pomerienerweiterungen des Caesar und
des Augustus dberkommen sind, auf einer Verwechselung be*
ruhen« Für Augustus ist dies um so wahrscheinlicher, als
seine Pomerienerweiterung in das i, 746 gesetzt wiiid (A« 17),
m welchem die neue Regiopeneintboilung in Kraft trat (A. 6)»
und auch Caesars Stadter weiter ungspläne (A. 3) werden als
Pomerienerweiterung gegolten haben. Vielmehr reihte sich
woiü unonttdbar an dea Akt des Sulla, der das alte
Pomerium aufhob, der des Claudius an, der in der
That es zuerst erweiterte, d.h. jenseits der Mauer
yerlegte^^). Die erhaltenen Grenzsteine (s. unten) bezeugen
^^*) Mommsen (Staatsr. 2^, 1, 716) meint, es möge hei Gegelegea-
heit des kapitolinischen Tempelbaus geschehen sein: einen Grand dafür
finde ich nicht
'') Voa Caesar spricht nur Gellius — es ist nicht wahrscheinlich,
dass er neben Messalla noch eine andere Quelle benutzte — , von
Augnstas und nicht von Caesar Tacitus and Vepiscus. Tacitaa ent-
lehnt, was er über das Pomerium vor Claudius sagt, mittelbar gewiss
ans Messalla, aber seine anmittelbare Qnelle konnte die ^otiz über
Aogostas hinzufügen. Die vermeintlichen Terminalcippea des Angoslas
sind, wie Benzen Hermes 2, Hl nachgewiesen hat, Fälschungea des
Ligorins auf Grund der Terminalcippen des Tiberofe^s.
21*
324 ''^BIL I.
dass er auctis fopüli romani finibm pomertum ampliävit ter^
minavitque. Dasselbe bezeugen van Vespasian und Titas die
Steine, wahrend die hadrianischen nur yon einer auf Yer*
anlassang dieses Kaisers durch die Augurn vorgenommenen
Wiederherstellung sprechen: coüegium augufum auetore imp . . .
termmos pomerü restituendos euravü. Die Schriftsteller all^a
nennen ausserdem als Erweiterer Nero und Trajan, worauf
wir unten zuräckkommen. Da wir nan für die Pomerien-
erweiterung des Claudius schwerlich anders geartete Gründe
zu suchen haben, als für seine Vervollständigung des latei-
nischen Alphabets und seine sonstigen, halb den Stuben-
gelehrten, halb den Pfaffen verrathenden LucolH*ationen , so
hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er, eingedenk
des auguralen Satzes von der Untrennbarkeit der Stadtmaaer
und des Pomerium in Erttiangelung einer neuen Mauer we^
nigstens die Grenze der Stadt der 14 Regionen wieder mit
dem Pomerium vereinigen und, wenn möglich, die Gestalt
desselben der vorgeschriebenen Quadratform nähern wollte.
Damit stimmt, was wir aber die Ausdehnung seines Pome-
riums wissen, uberein. Allein es ist nicht möglich, die Daten
über die kaiserlichen Pomerienerweiterungen des Claudius,
des Vespasian und Titus und über die Wiederherstellung der
Steine durch Hadrian, welche uns die erhaltenen Grenzsteine
selbst geben, von einander zu trennen und wird sich schliess-
lich herausstellen, dass wenigstens die claudische Erweiterung
und die hadrianische Wiederiierstellung einer früheren Er-
weiterung, soweit wir sehen können, nicht erheblich differiren.
Wir erörtern daher die claudische Erweiterung mit Hilfe der
Fundorte aller erlialtenen Grenzsteine^*).
Die Schriftsteller berichteii als das wichtigste dieser Er-
^) lieber 4iose s. im Allgemeinen Henzen im Bull. 1857, 8 ff. and
jetzt CIL 6, 1, 1281—1233, wo indessen die Provenienzen nicht ganz
vollständig gegeben sind. leb ergänze im folgenden ans den von mir
friiber eingesehenen tind schon Hermes 4, 407 ff. verwertheten Scheden.
Von meiner dortigen Anffassting finde ich nur in unwesentlichen Dingen
abzuweichen Veranlassung.
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 325
Weiterung nur die Hineinziehung des Aventin in das Po-
merium'^). Sie sagen nicht, ob damit die 13. augustische
Region allein gemeint ist oder auch die 12. Wir können
€8 nicht entscheiden, müssen aber annehmen, dass letzteres
der Fall ist und dass die Pomeriengrenze auf dieser Seite
fortan mit der Regionengrenze und der Linie der alten Mauer
Eusammenfiel«n. Wir besitzen auf dieser Seite der Stadt
keinen Grenzstein des Claudius, wohl aber einen des Vespa*
sian und Titus, der zwischen porta S. Paolo und Monte
testacdo gerade gegenüber dem alten servianischen Stadtthor
stand (a)^^). Es kann sein, dass Titus und Vespasian, welche
ad extrema tectorum die Stadt vermessen haben und wafarschein-
lid> die Regionengrenze demgemäss erweitern Hessen (unten),
auf dieser Seite die Vorstädte in das Pomerium und die Re-
gionen aufnahmen. Jedesfalls wird dies nach dem oben Be-
merkten nicht unter Augustus geschehen sein. Es mag also
hierauf zurückzuführen sein, dass die Notitia die Grenze der
13. Region über die Mauer ausdehnt. Dass dieser Stein der
47 te in der vespasianischen Linie war, beweist, wie gezeigt
werden, soll, dass er einer der letzten der Linie war und dass
die Termination im Marsfeld begann. — Wir besitzen ferner
^) Nor di«s wird berichtet rem Gellins mit Berafnngp aaf einen
Grammatiker {quod mm pridem ego in t elydü grammaHci veteris
ewnmentario offendix [LoBUi] FeÜeu MercUin Jahrb. f. PhiL Sappl.
1S60, 691, lEra]ekdü Hertz Rh. M. 1862, 578 ff.) und von Seneca in
der nach Hirschfelds BeweisführnDg Philol. 29, 95 f. im J. 49 oder 50
Yerfassten Schrift de brevitate vitae* Allgemein Vespasian in der Lex
regia, oben A. 18.
s«) A «» CIL n. 1232, nicht mehr zu sehen: nach Henzen Bali. a. 0.
nnd bei Mommsen Hermes 10, 50 stand der Stein inneriialb der
Mauer nnweit des 6. Thurms von p. S. Paolo nach dem Flnss. Die
Inschrift befand sieh anf der Ostsoite, 'sah also weder nach der >Stadt
noeh nach nassen'. Allein diese letzte Angabe lasst sich weder mit
dem Censnsplan noch mit der Skizze vereinigen , welche mir durch
M ommsens Gute vorgelegen hat. Nach dieser stand der Stein in einem
modernen der Mauer parallelen Graben derartig im rechten Winkel
gegen die Mauer gerichtet, dass die Hauptseite der Via di pörta S. Paolo,
also der porta Naevia zugewendet gewesen sein muss (s. A. 30 z. £.).
326 THEIL I.
drei dftiidische Steine, welche schwerlieh von ihren urspjrdng-
liehen Standorten entfernt gefunden worden sind: einor ist
im Harsfeld, wahrscfaeinUeh in den Fondament^i der Kirche
S. Ki^o (b), ein zweiter vor porta Salara (e), ein dritter iü
der Mähe der porta khtravia^ südlich vcm S. Stefano auf den
Caeli<i9 gefunden <d)*^). Die Umsl^de des Fundes, wenigstens
des ersten und dritten, vBif liehen mit der Thatsaehe, dass der
zweite und dritte von der servianischen Maner in ähnlicher
massiger Distanz gefunden worden sind, wie der vespasianiache,
zwingen fast zu der Annahme, dass das daudisohe Pomerima
in dem Abschnitt der Stadt von porta CMna his Caelimm^
tana und das vespasianische vor porta Nuema von einander
nieht verschieden sind. — Es bleib^i zwei (oder drei) Steine
der badrianiscben Linie übrig, von denen der eine ungewissen
Fundorts ist (e), der andere nodi jetzt in d^n Keller eines
Hauses bei Chiesa nuova im Marsfialde steht und der 5te seiner
Termination ist (#)^'). Der Fundort des dritten (9) bei
S7) 1^ ^ CIL n. 1231» nach Branfslleftcia ^ne fopdameoU 4i sco
Bia^io' (della Pagootta), freilich oach Podager bei Fea Fasti S. 41
(vgl. P. £. Visconti Bull. mua. 2, 4) 'dum cloaca quae est prope aedem
d. Luciae iostanraretur ante os ipsius cloacae eflT. lapis hie qnadratas
ex marmore Tibartino ab imo in solam defixas olim erat*. Jetzt einge-
mauert Via di S. Lacia N. 146 nahe der Via dal Paüegrtao. Dass
Branellesehi Recht hat, wird unten die Rechnnag ergeben. *~ e == CIL
n. 1231^ 'oelia Salaria vecehia all' estremita della vigna de' Mari
rignardante la porta Saiara' Fea Fasti S. 40 nad ähnlidi Ifarangoni. —
d »: CIL o. 123P 'presse le mura di Roma alle radiei del Celiolo . .
10 palmi ineirea sotto 11 tprreno fangaso' ond zwar bei der 'aoqna
Crabra che vi passa' (Ficoroni bei Fea Mise. 2, 180), was als« in die
Nähe der porta Metrovia föhrt
») e «» CIL 1233^ giebt Ligorio einmal (Neap.) an: 'tolta daUa
chiesa traspontioa' (im Borge novo Bd. 2, 369), einmal (Tanrin. 15) Tor
Porta del pepolo, wo nehmUch ein Stein der Termination der Ttbemler
gefunden ist, mit Hilfe dessen er die avgostisehen Pomeriensteine faUehte
(A. 23). Alle übrigen kenne« ihn nur im pal. Gesi im Borge (Aid. jnn.,
Wingb., Boiis.), was über die Provenienz oiohts besagt — W^^ CIL n.
1232 steht noeh im KtUer des Haases Piazaa Sforza Gesarini 16 <ao
1876) mit der Sehriftseite gegen Chiesa anova, also das Marsfeid g^
wendet: s. Hermes 2, 407 und genauer Jahresberichte 1876 S. 168 L
§ 5.] DIE STADT pEJk ^Y REGIOiNEN. ß27
S. Stefano del Cacoo iel Bach dem unten Gesagten mit der
Linie 4f^ PomeriHm im Ijbursfeld nicht zu yereinigen \\ai
fPttS9 wohl, wenn es anders mit dem Stein seine Richtigkeit
hat, eine Verachleppuqg dahin aus de^i nördlichen Theii de^
Karflfeide^ ^ — wie solche YersQ^eppungen ja mehrfach vor*
llomiAQp: ohm S. 59 — a|igQPQYI^p6p werden^^). Ausdrück-
lich l^e^hnep diese St^pe ^ch sds einer Wiederherstellung,
Hiebt ErweiterilPg des Poiperium angehörig.
Die Greuj^steine (/enntm) eines zu schutzenden oder zi^
kean^eifchnenden Gehiets sind, wie schon Bd. 2, 81 gezeigt
Wiir4e, h^ld iq verschiedenen« ba)d in glejcheQ Abstanden
auüBesteUt wordqn; das angewapadte daass ist stets der. Fuss,
9iaht, der Schritt. I« b^id^ Fallen pflegen dje Abstinde so-*
wohl wie auch die Or4puDgs;¥f(hl 4^ Steine auf de^ Steipen
selbst vermerkt zu werdep. Upgleiche Abstände haben z. B.
im StfÄn^ der Termin^tion des Tiberufers, gleiche und zwar
S40 F^ oder 2 aW^i die der Wasserleitungen. Wenp daher
de^ badftianische Steip e^^) den Abstand zu 480 F. angiebt,
Schlechte Abbildung bei Parker Archeol. Suppl. to vol. I pl. XX.
Umgeben war der Stein, wie es scheint, von Travertiogetäfel.
M) Ficoroni bei Fes Mise. 1, 133: *neU' anno 1735 [so] accanU
ai moBastero di s. Stefano del Cacco nei fondamenti dl certe case fu
trovata piia ^»«jrjaione d^Tr^jim^, dal)« quäle si rilevav^ che qaest'
in^peratore i^ves^e dilatato il pomerlo osia il circ<mdario della citta*.
J^ieueFdiogs f^i^ilt i^iir Qoi^il^i^nA m%, dass in den Papieren Anrelio
Gamieri's ^ich die I^otiz finde: Ud S. Stepba^nm vulgo di Cacco
^i&aa« 173^ [so] «o; <« c. ^oUegmm aucfore — curai!U'\ die Inschrift
ist eia zweites Exemplar des hadrianischen $teins f. -^ Die Notiz
l^i Fioproni hatt# ioh Hermes 2, 412 übersehe^. Aber es wird dadurch
nichts an dem dovt und hier behaupteten geiindart. In wie weit ein
li^weifel an der Gfnf pigk^it der Angabe berechtigt ist — dass dies
^emplar «^ s, e, haben s«ll, während das vollständig erhaltene zweite
und d«s gut überlieferte dritte e es nicht haben, ist doch höchst selt-
HS| — mögen die Epigrapluker dpsmacheii.
^) Ipb stelle hier zusammen, was das anasere der Steine anlangt
Kur H II fl f (Travertin) sind erhalteq, die erhaltenen z. T. unvoll-
ständig: wenigstens f^Ut die oberste Deckplatte i auf welcher wahr-
s^i^lie)! regelfuäsaig das nur noch auf b. gelesene potnerium stand.
Dann folgte die Bezeichnung der Termination, also entweder imp
328 HTEIL I.
so ist daraus mit Sicherheit zu schliessen, dass dies Maass
4 actm bedeutet und eben deshalb anzunehmen, dass die
Steine der hadrianischen Termination des Pomerium wie die
der Termination der Wasserleitung gleiche Distanzen hatten.
Wenn nun dieser selbe Stein die Ordnungsnummer 5 tragt
und an der Nordseite der Stadt dem Tiber nahe steht, der
Stein a an der Südseite der Stadt nahe dem Tiber die Num-
mer 47 9 zwischen beiden aber ein dritter d auf derselben
Seite die Nummer 35 (nicht 15: s. A. 30), so sollte man
meinen, dass diese 3 beziehungsweise 4 Zahlen werthvolle
Daten für die Feststellung des Laufs des Pomerium sein
mussten. Lassen wir deshalb zunächst den Einwand, dass
ja alle 3 Steine verschiedenen Terminationen angehdren, bei
Seite und sehen, was die Rechnung ergiebt
Nehmen wir an, dass der Stein N. 35 (d) an der Spitze
des einspringenden Winkels der aurelianischen Mauer auf
Piazza della Ferratella gestanden hat, wozu die Fundnotizen
berechtigen (A. 27), so stimmt die kürzeste Entfernung des-
selben von dem Stein N. 47 (a), gemessen auf dem Census-
plan (wie alles folgende), derartig mit dem geforderten Maass
von 12 Distanzen zu 480 F. überein, dass Niemand leugnen
(Clandias, Vespasiaa) . . censar auctU p, r, finünu pomerium ampUavä
terminavüque (im Plural Titns und Vespasian) oder coUegium augurum
auctore imp . . . (Hadrian) terminos pomerü restituendos euravü {^ Tg:
nur 9 setzt ex s. c. vor, A. 29). Gewiss trugen die SeiteoflächeD
aller Steine, wie es auch sonst üblieh ist, die Ordnungsnummer and das
Maass des Abstandes von Stein zu Stein {cetiis spaüis interieeü lapides,
\tfie Tacitus, § 2 A. 20, yom palatinisehen Pomerimn sagt). Aber erhalten
sind beide nur an f: links p(edes) CCCCLXXX rechts A^, nur die
Ordnungsnummer an a: links XLFII und d: links XXXV nach
Como, XF nach Ficoroni. Jenes ergiebt sich aus der Rechnung als
das richtige. — Der Abstand von 480 F. ist schon von Mommsen
CIL 6 S. 256 als das 4fache des aicttu erkannt worden. — Bndlieh
steht es fest, dass die beiden einzigen an ihrem ursprünglichen Platz
gefundenen Steine (fte) mit der Hauptin sehrift gegen die
Stadt gewendet standen: ein Umstand, der zu weiterer Bestäti-
gung der ohen vertretenen Ansicht über die Lage des Pomeriam inner-
halb der Mauer hätte verwendet werden soUen.
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 329
wird, dass N. 47 derselben Numerirung wie N. 35 angehört
(wie immer rechne ich den altr. Fuss zu 0,296 M.):
Kürzeste Entfernung von d und a 1764 M. 5221,4 F.
12 Distanzen Zwischen N. 35 und N. 47 . . 5760
Man ersieht hieraus also, dass zwischen beiden Punkten die
Linie des Pomerium der Graden sehr nahe kam, — kleine
Brechungen sind selbstverständlich überall nötbig gewesen
— nnd dass das Pomerium hier den grösseren Theil der
1. Region, wie ihn wenigstens die constantinische Notitia an^
giebt, ausschloss (vgl unten). Stehen nun 35 und 47 trotz
des verschiedenen Ursprungs der Termination in Beziehung
zu einander, so wird dasselbe von N. 5 und N. 37 gelten
und anzunehmen sein, dass die Steine im Norden beim Fluss
beginnend*^) und bei ihm im Süden aufhörend durchzählten.
Eine ebenso genaue Kontrolle wie für 35 und 47 ist natur-
lich für 5 und 37 unmöglich. Nehme ich aber dazu, dass
ein Stein c unweit porta Salara gefunden ist, d. h. annähernd
soweit vor parta Collina wie d vor porta Caelimontana und
a vor porta Naevia, so ist es möglich, dass das kaiserliche
Pomerium wenigstens von porta Collina bis p. Naevia sich
in einer und derselben Distanz von der Stadtmauer bewegte.
Unter dieser Voraussetzung darf die Kirche S. Eusebio vor
parta Bsquilina als ein wahrscheinlicher Punkt in der Linie
angenommen werden und wir erhalten:
M. r. F.
30 Abstände zwischen N. 5 und N. 35 14400
Kürzeste Entfernungen
zwischen N. 5 und Porta Salara . . . 2860
zwischen Porta Salara und S. Eusebio 1480
zwischen S. Eusebio und N. 35 . . . 1650
5990 20239
Differenz: 5839
'^) Dies konnte nicht verkannt werden nnd ist von Mommsen
CIL 6, 1 za 1233 erkannt worden; weitere Konsequenzen hat er nicht
gezogen nnd Henzen fügt hinzu: 'mihi non videtur de ea re quidqnam
probabiliter statui posse'.
830 TIIE5L l
AUeia augeoaoheialich weM( der Um&tapd, d^^ wir so
über 5Q00 F. nicbt, wie bei di^Qr Art )dessi>9g ^u erwartei^
wäre, weniger, sondern mehr Als das gejordorte M^ass er-
halten auf die Unrif^htjgHeit dea Ansi^tzes hi|i. Niemand ^agt
uns ja auch, d»ss dap Pomeriuin wici im Sqden lu^d i»
Norden auch im Osten weit uher d^Q Mime^ ^jfi^dei^t wa?
und wir dürfen auch au« imder» tirupdei^ ^^rap zweifeln,
dass es der FaU war. Nehmen wir 911« da/ss d^ Pomerium
hier die Mauer nicht oder um eine für die Messung gleiche
giltige Distanz uber^britt und ändern danach den Ansatz, so
erhalten wiri
M. r.F.
30 Abstände zwifichen Pi. 5 und N. 35 . . ^ . . 14400
Kurzeste Entfernungen
zwischen N- ^ und poriß CülUm • • %740
zwischen p, Collinß und S^qmlwiß , I.30Q
zwischen Esquilmß und N, 35 . r ^ • 1500
5540 18716
Bifferenz: 431Q
Hat sich so die Differenz auch um rund 1500 F. ?» 500 M«
reducirt, so ist sie trotzdem noch so bedeutend, dass sie
nicht durch die hlosse Annahme yon massigen Abweicjiim«
gen von der Qraden erklärt werden kann. Ist es nun auch
roisslich, bei einem Abstand, der ja fost ^ der ganzen Linie
beträgt, ohne weitere Anhaltspunkte Vermuthungen aufzu-
stellen, so möge man doch folgende ThatsaiQben in Erwägung
ziehen: wenige Schritt südlich von der Ecl^e der Via in Lu-
cina stand bis zum J. 1662 ober der via lata der Bogep des
Kaiser Marcus, welcher nach wabrscheiiilicbfr Vermuthung
die Regionengrenze hezeichuete (a. S. 336). INur höchstens
100 M. südlich schneidet die Linie der kürzesten Entfernung
de9 Steins IS. 5 von porta Collina die Strasse. Nördlich die-
ser oder der durch den Bogen bezeichneten Grenze finden
wir kein in der Notitia erwähntes Gebäude: sollte hier nicht
die Grenze der Regionen (7. 9) mit der Linie des Pomerium
zusammengefallen sein? Es scheint also nichts anderei^ übrig
§ 5] DIE STADT JD£R XIV REGIONEN. 331
2u Ueiben, als a&zuaehmeiL, dass durch die auagedehoieü
bis an und vielleicht hier und da üb^ die Pomerieagreaze
reichendea Praebtanlagea (die Linie N. 5 — Bo^ii des Marcus
sehueidel. z. B. das Stadium) auf dieser Seite die Aufstellung
der Steine in regelrechten Abständen ein« Unterbrechung err
litten hat. Dagegen lässt sic^ einwenden, dass in der Nähe
von S. Stefano del Cacco ein badrianiscber Stein gefundea
worden sdn soll (g ) und dass die Kaiser Vespasian und Titus
w^fiig nönäieh von diesem Punkt die Naeht vor dem Triumph
zttbraditieo, was, wenn die alten Formen beobachtet worden
sind, €aflpa pamerium geschehen ist. Indessen hei der Aur
nähme eines Ausbiegens der Linie nach Süden wird jene
UBbeqyeBie Differenz noch grösser; ob die alten Formen
beobachte! worden sind oder ob nicht virimehr, obwohl das
Pomepium durch Claudius hinaosgeruekt worden war, doch
wegen der nicht venröckbareft fortn trtumpbdis (§ 3 A. 76)
jener nun in der That innerhalb des Pomerium belegene Ort
doch in irgend einer Form als Rastort des Heeres vor dem
Einzug beibehalten worden ist, ist nicht zu entscheiden; über
den Stein selbst ist sogar ein Z^vetfel erlaubt ^^). — Musste
auch auf die Locke des Beweisverfahrens hingewiesen wer*
den^ so acheint dasselbe doch nicht alleiyi durch das bisher
Gesagte genügend begründet zu sein, sondern auch in der
ifeoeh übrigen Betrachtung des Anfangs und des Endes der
Linie volle Bestätigung zu erhalten.
Mit Sidierheit können wir über den Anfang uiiheilen:
Kürzeste Entfemufigen des Steins N. 5 *
von der Frottt von S. Biagio . . . 1 1 IM M. 506,7 F.
von der Front von S. Luda . . . . ) 170 574,3
vom Tibmifer 250 844,5
Hieraus folgt also mit grosser Wahrscfaeinhohkeit, dass der
^) Ick. Iiftlt^ i|)to aa der Ifern^s 2, 4U f. fta^^f^ocikeBea Ansieht
fest: 4id Auf dßa SXein ^ gej^rüudete Bel^mptmi^ van UrUclis, daas der
flaminiäche Circus erst durch Trajaa in das Pomerium hinein^ezogeu
sei, ist durch die Auffindung des claudischen Steins bei Ghlesa nuova
eÄdgiltig beseitig^.
332 THEIL h
Stein b in der That aus nächster Nähe von S. Biagio stammt,
dass er (bei' einer Differenz von 20 F.) als N« 4 zu bezeich-
nen ist und dass die Steine N. 1 — 3 nicht auf der kürzesten
Linie nach dem Fluss gestanden haben können: der nächst
vorhergehende Stein N. 3 würde in die Mitte des Flusses
zu stehen kommen. Für diese Steine und ihre Distanzen
bleibt uns noch ein Maass, entweder von 3 Distanzen »=
1440 F. s=: 426,24 M., oder, nimmt man an, was wahrscbeiH-
lieber ist, dass der erste Stein den ersten Abstand von einem
bekannten oder anderw«itig b^eichneten Anfangspunkt an-
zeigte, von 4 Distanzen ::^ 1920 F. = 572,32 M. übrig. Ist
es in vieler Beziehung unglaublich, dass die Linie des Pome-
rium sich auf das rechte Ufer erstreckte, so müssen wir mü
diesem Maass stromabwärts gehen. Halten wir uns an d^
Lauf der dem Ufer parallelen Via &iulia» so gelangen wir mit
N. 1 fast 200 M. oberhalb von dem Punkt, an welchem die
aurelianische Mauer auf dem rechten Ufer ansetzt, mit der
nächsten Distanz aber in unmittelbare Nähe desselben (55 M).
— Ueberschritt die Linie auch unterhalb der Stadt den Fluss
nicht, so würde sie nach N. 47 mit weiteren 3 Abständen
denselben nicht erreicht haben, wohl aber mit weiteren 4 in
gerader Linie längs der Westseite des ^Emporium\ und
zwar genau an dem Punkt, an welchem die aurelianisdie
Mauer auf dem rechten Ufer ansetzt, in einer Linie, welche
auch von der Regionengrenze der fraglichen Zeit nicht
überschritten zu sein scheint: es würde dann die Zahl der
Steine gerade 50 betragen haben. — Ich weiss sehr wohl,
dass diese letzten Ansätze keinen Anspruch auf Sicherheit
haben. Was aber diese Erwägungen über Anfang und
Ende der Linie doch unterstützt, ist Folgendes: war das
Pomerium ursprunglich an die Mauer gebunden, so ist
es auffallend, dass das kaiserliche Pomerium seit Claudius in
geringer Entfernung nördlich des Punktes zu zählen anfangt,
wo nach unserer Meinung die alte Mauer den Fluss erreichte:
wir mochten also glauben, dass jenes wie das ältere längs
der unbefestigten Strecke des Flusses nicht ter-
§ 5.] DIfl STADT DER XIV REGIONEN. 333
minirt war. — Verfolgen wir aber endlich die Figur der be-
schriebenen Pomerienlinie) so- finden wir, dass dieselbe zwar
kein Quadriait, wohl aber ein unregelmässiges Viereck bildet,
dessen eine Seite durch die ideelle Linie des Flusses, gebil-
det wird. Dass also die Wiederhersteliung des Stadttemplum
der Zweck der Termination gewesen ist, leuchtet ein und
dass dieses Stadttemplum sich möglichst an die weltliche
Stadtgrenze halten sollte, ist schon oben gesagt worden: ein
Znsammenfallen beider war nicht erreichbar, da die Regionen-
grenze so wenig wie die Stadtmauer nach den Gesichtspunkten
der Auguralwissenschaft normirt war.
Hat sich uns also durch Rechnung bestätigt, ras wir
bei unbefangener Betrachtung erwarten mussten, dass die lau-
fenden Nummern 5 35 47 der erhaltenen Steine derselben
Zählung angehören, so werden wir genöthigt, anzunehmen,
dass die vespasianische ^Erweiterung' von der claudiscben,
von Jener die trajanische oder deren hadrianisdbe Restitution
räumlich sehr wenig abweichen: auf der Strecke im Süden
N. 37 — 47 die claudische Ton der vespasianischen gar nicht,
vielleicht auf der Strecke von N. 5-- 37 die hadrianische von
den froheren auf kleine Distanzen; dass mithin Claudius der
Schöpfer des kaiserlichen Pomerium ist, an welchem in der
Folgezeit nichts Wesentliches geändert worden ist. — Wenn
noch Aurelian nach Vollendung des Mauerbaus dasselbe er-
weitert haben soll (Bd. 2, 1 72 u. § 6), so kann fuglich nur
angenommen werden , dass er es im ganzen Umfang der
Stadt mit der Hauerlinie in Einklang setzte.
Wir haben bisher die vespasianische Vermessung der Stadt
nur in einem Punkte in Betracht gezogen: wir fanden, dass die
Zahl der vici Roms zur Zeit Constantins nicht unbedeutend höher
war als zur Zeit Vespasians. Wir haben jetzt die übrigen Daten
der Veimessung mit den Angaben über die Grösse Roms zu ver-
gleichen und stützen uns dabei auf die Untersuchung Bd. 2,
86 ff. 170 ff. Die Vermessung des Jahres 74 ergab also*'):
*>) Plinius 3, 66. 67 (Bd. 2, 86): (1) moenia eins eoüegere amhitu
wiperarUibtu censoribusque Fespasianis anno eonditae DCCCXXFI m»
334 THEIL L
1 . Umfang der InMitfa .... ISMO Schritt
2. ZM 4er t^' ...... 265
8. Summe der kureesteD Entferöun-
gen der servianischeB Thore Tom
mäkirüim äHrmuH 20500 Scbritt
4. LtegSB der Strassen aller vid bis
Eiir Grenae der bewohnteik Stadt
einscMiesslieb der rmstm proBtoria 20000 Schritt (fisilsch).
Die aarbliattische Mauer miast {b. § 6 A. 9) auf dem
Unken Ufer iO,5S (Bmiardini) oder 11,13 (NoUi) Miglien.
Wir wissen bestimmt, dois die 14. Region zur Zeit €<ni*
stantins im Nordiln. das valicatiiache Gebiet umfeeste; dass
sie andh im Buden, vieiteicbt im Westen aber die aureiianische
Maoer binausgriff, ergiebt ach mit Skhefheii aus dem, wie
schon oben gezeigt inrurde, anfi^lleiid grossen Umfang^maass
Ton 33000 F. t^ 6,6 Miliiea, vergtichen mit dem Haass der
das beutige Trastevere umspannenden z. Th. raittelalterlicbeD«
z. Th. modern^i Befestignng a» 5^5 Miglieti ohne' die Befesti«
gung der Engelsburg. Der Umfang der von der äurefianisehett
Mauer eingeschlossenen Stadt mit den von derselben ausgesdbloä*
senen Abschnitteti Trastäveres der constantiniscfaen Zrit über-
steigt also mit 10,8 (oder 11,13) + 6,6 = 16,64 (oder 17,19)
MiUien den Umfang der im J. 71 zu 13,2 M* gemessenen om
p, Xllt' CC. conplexä mofiteg Septem ipsa dividitur in reffiones Xlllt
(2) cotnpita Lamm (d. li. riet, obenS. 315) CCLXF, (B) eiusdem spä-
Uum mentUTM tutrente ä inäiarid in capite R^mmri f&ri dahtt^ ad n«-
guUu portas, quae Mwä hodie nanmro JULXFil, üa. ut XII parkte wemd
numerentur praetereaaturque ex vetenbuM VU gsoe esse desierunt
(so F^ H': duodecim parte reanturgue ex die übrigen; s. § 3 A. 6),
ef/icit passuum per directttm XX m. DCCLXP^ (nur F von 1. Hd.
XXX M.\ dass CCtXy eine off^stnbare Wiederholung der 2a]il def
tompHa Larmn iftt, bitte Bd. 1, 96 noeh b#Miidiiiter b^tdat werde«
sollen); (4) ad ßarifema vero Ußtarum euin eaäris pra^ioriis -ak rnnkm
miliario per vioos amnium viarum mensura coUiß^it paulo ampliui .XX p«
(unmögliche Zahl, wiederholt aus der vorigen: gewährlos die Vnlgate
XL: 8. unten). Die verschiedenartigen Auslegungen der Neueren (be-
»onders s. Piala Della grandesza di Roma ai tempo di Plinio, 1833)
|u:üfe ieh hier nicht nochmals.
§ 5.] DIE STADT DER XTV REGIONEN. 335
ilind 3^ bis 4. Ddss dieder Umfang (1) die städtisch benvohn-
tcA aassefiM^n Vei^tldte nmspsDiite^ also denselben Umkreis^
bis ett vretofaeiti die Strasse jensdts der ^ernaniscfaen Tbore
get^^den Würdeti (4)^ soheist mir unleugbar; unsklier dage-
gen und im Grunde unerbebliehf ob auf Grund dieser Messung
die Region^ngrenze von jenen Kaisern vorgenickt worden ist
wie 4&e Pdlneriengrenze. Die Messing 4 ist ferner olfenbar
bebafe der H^rtMliung def Strassen iünerbaib des Staditgdiiets
toi'gen&Mrnien Worden. Die ZäUung der Meilen der viae pu-
iUeme begann voh 4ea Thoren der servianischen Stadt: eine
andere Zäbhmg ist nie angeführt worden ooeh hätte eine andere
ohne die grössten Verwirrungen eingeführt werden können (Bd.
2^ 8^ unten § 6 A. 54). Die Instanderfaaltung der t?Mto bildete das
Amt eigener cier^rforea. Von Rechtswegen iftüssen diese ihre
Thätigkeit an den Thoren der Altstadt begönne») haben. Es
ist aber die Frage, ob dies bei der Ausdehnung der Polizei-
verwaltong liber den Mauerring nieiit Sishwierigkeiten gemacht
bat und nidit auf Grund der vespasianischen Vermessung die
itinerbalb des Stadtbezirks liegenden Abschnitte der Heer-
strassen unter die Verwaltung der städtischen Bauten gestellt
worden sind^*). — Endlich: so sonderbar auch die Mes-
sung 3 sieh ausnimmt und so wenig ihr Zweck klar ist,
se ergiebt sich doch die Ricbt^keit unserer Auffassung durdl
RecAnung unzweifelhiift^*)-
M) l«h hAe Bd. % 00 ff. wohl Üiit (Jireoht cMRitriiirt mensüPa eol-
iigU pst* vitof omnium tiatum ; eft mnsffte 4ad doch fer ifias emkinm vieo*
tum heissed. ^er SIbu der Messaog ist naeh dam dMn seiagtea kUr.
Die losdirm CIL 6, 1, 981: imp, Caesäti VeäpmnMO ^ffi • . . (v. i. 7t)
t. e,f fuod vias urbin n^legenHu mtpwi€r(um) i&mp9t^mn) ^ürrupta^ i$t-
fmm gua rmfüiolit^ hut schon JPreHer herbe%es6g«!B (Res* 75), aber nicht
in dem aog^edeateten Sinne verwerthet. Bise zweite von ihn vf^^Uchenie,
W^lsbe dem VefrpebisD die todäks Titi iih i^ 7S eantemdori cdu/Hmo-
vnatnm pMcarum H rBstitmioH aetUym ^acrarut» widsien (s. 9S4t F#el-
hr mbr« a. 0. statt dles^ di« UgeviMiaebe Dmiblelte an), bat weder der
Zeit DOiA der Sacke nai^ mit der Stadtvermeaeunj^ etwas za tb«h
lieber die weaigten ves^iaalsefaen Bauten rgL Forma fkkm 8. S $ -2.
^) Die Heebiittiig Bd. 2, SO ist nach ernevten M^nntgea ^ bd<-
richtigto «od ta Ter?ollaÜlfidigen. G^aüf^end messbar sind die A'b>>
336 THEIL I.
Noch manche Frage knüpft sich an die Stadtvermessung
des J. 74. Wir kennen drei Grenzsteine einer um die Stadt
Rom gezogenen Octroilinie von Kaiser Marcus und seinem
Sohn: einer ist vor Porta del popolo, einer an der via Salaria,
der dritte bei S. Maria maggiore gefunden. Hat diese Grenze
mit der Regionesgrenze jener Zeit etwas gemein? — Vor
den Thoren der servianischen Mauer sind seit Augustus in
grösseren und kleineren Abstanden über den Strassen Triumph-
bögen erbaut worden (§ 6 A. 20*). Sind diese oder einige
von ihnen auf der Regionengrenze errichtet worden? Eine
sichere Antwort weiss ich weder auf die eine noch die an-
dere Frage zu geben ^^).
Dass über den Umfang der aurelianischen Mauer hinaus
die Stadt, abgesehen von Trastevere, nie erheblich gewachsen
ist, wird im Einzelnen eine Betrachtung der Vorstädte (Th. 11)
ergeben. Eine Stadt oder gar Stadtmauer von 40 oder 50
Millien im Umfang ist also ein Unding: der Radius dieser
Kreise wurde uns bis zum 6. oder 8. Meilenstein der Land-
strassen fuhren.- Aber auch die in verschiedenen Gestal-
stäade von 10 Thorea vom miUarvuni am Severusbogen : Capena 1100 M.,
EsquiUna 1430, *Naevia' (Thor zwischen der 12. und 13. R.) 1200,
Collina 2000, FinUnaÜs 1700, 'Ratumena' (Th. an der Nordecke des
Kapitels) 180, FonÜnaUt 450, SanqualU 750, Salutarü 1200, 'CoA-
montana' (Th. unter SS. Qoattro coronati) 1150, zusammen 11160 M.,
Dnrchschnittsabstand 1116 M. = 767,8 Schritt: Durchschnittsabstand
nach Plinins nach der nnzweifelhaft in dem letzten Theil anricbtiipen
oder doch unsicheren Zahl 20765: 561,2; hält man 20500 für echt;
554,3. Dürfte man die nur in F überlieferte Zahl 30000 für riehtis
halten, so . käme man mit 810,8 dem Durchschnitt der 10 f^emeesenea
Abstände ganz nahe, darf man dies nicht, so ist doch die Differenz von
200 nicht genügend, um die Summe der per amfradum lanfenden Strassea
als das Object der Messung anzunehmen.
^) Zollgrenze: CIL 6, 1, 1016: (Marcus und Gommodaa) hos Uh
pidet eansUtui iuuerunt propter eontroversüu^ quae inter meraUores M
maneipes ortae erant^ ut finem demanstrarerU vectigdi f<nicuiarü 0t
atuarii promercaUum Mwundum veterem legem temel dumtaxat exigtmdo.
Wenn ich nicht irre, hat De Rossi mich einmal gesprächsweise auf die
Bezidknng der Oetroigrenze zur Stadtgrenze aufmerksam gemacht: ob
er sich sonst darüber geäussert hat^ kann ich augenblicklidi nicht sagen.
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 337
ten auftauchende Nachricht, dass Rom einen Umfang Ton 21
oder 22 Millien gehabt habe, ist unglaublich und muss auf Irr-
tbam beruhen'®^). Man braucht sich nur zu yergegenwäirtigen,
dass ein Radius yon d% M. uns auf der via Affpia bis zum Circus
des Maxentius, auf der Flamrnia bis nach dem Ponte molle,
auf der Salaria und Nomentana über den Anio hinausfuhren
würde: Annahmen, welche mit dem, was wir über die Vor-
Städte wissen, in grellem Widerspruch stehen. Denn natürlich
kann es sich nicht darum handeln, ob dieser oder jener
Vornehme am 5ten oder am lOten Meilenstein einen Land-
*'') Nor der Umfang der Stadtmauer, nicht der Stadt, wird von
Vopisens Aur. 89 zu qumquag^inta prape miHa angegeben. Da eine
solche Mauer nicht existirt hat (§ 6), so ist die Stelle verdorben oder
beruht auf Misaverständniss: fast scheint es doch noch das leichteste
anzunehmen, dass Vopiscus die genaue Zahl des Mauerumfangs nach der
den Architekten allein geläufigen Zählung in Füssen zu 55000 F. vor-
fand und diese sich falsch in Schritt übersetzte (vgl. ßd. 2, 172 ff.).
-< Die Nachricht bei Olympiodor (Phot. 63, 23; Bd. 2, 577): ro
ralxos fUTQtj&ky na^k ^AfifKovos ytfOfi^iQov . . . (txoiH xal ivo^ fuUov
SidatrifjLa ^/oy aneMxO-rj, und damit auffallend übereinstimmend die
Angabe der ältesten Redaktion der Mirabilien (c. 3 ßd. 2, 608) : in cir-
cuitu vero eins sunt müiaria XXII excepto Transtiberim et civäate
Leonina, wogegen weder die Zahl XLII (nicht XIII) der Graphia noch
die Zahl XXf^II s. XXIF (so) des Anonymus ia Betracht konmt. Dass
Olympiodor nicht die Mauer (t6 thxos), sondern moenia, die Stadt,
meine oder moenia falsch übersetzt habe, ist ganz unglaublich. In jener
Zeit konnte an der Vermessung des Umfangs der Vorstädte ein G«o-
flaeter oder richtiger der Staat (denn zum Vergaügen that das nie^
maad) gar kein Interesse haben; dagegen fällt die, wie ich denke, mit
gr«98ter Wahrscheinlichkeit ermittelte Zeit dieser Messung (Bd. 2, 173 f.)
mit der Zeit der Dedioation der restaurirten Mauer zusammen und so
kann denn kein Zweifel sein, dass diese gemeint ist. Da aber die
Notiz in den Mirabilien auf den Umfang der mittelalterlichen Stadt
auf dem linken Ufei* gar nicht passt und aller Wahrscheinlichkeit nach
aas derselben Quelle geflossen ist wie die des Olympiodor, nehmüch
tmn dem von mir naehgewiesenen nicht mehr erhaltenen Anhang der
letsten Aasgabe der Notitia, so werden die 21 und die 22 Millien aaf
nidits anderem als auf einem Schreibfehler der Quelle XXI, dann XXII
statt XI beruhen und der Zusatz der Mirabilien exwpio u. s. w. ist eine
unrichtige Erklärung des Redactors.
Jordan, rOmische Topographie. I. 1. ^^
338 THBIL I.
atz gehabt bat: bätte man auf diese Weise den UmfaDg
der Stadt bestimmen wollen, so bätten die Berge von Tivoli
und Fraseati und die Seebäder ?on Nettano und Fiumictno
passend den äussersten Kreis der Grossstadt gebildet. Es
bandelt sich vielmehr immer am die * äussersten Häaser'
des PliniuSy d. b. für Rom wie für jede andere Stadt um
die Grenze zusammenhängender städtischer Bebauung» und
diese Grenze lässt sich über den bezeichneten Umkreis von
bdcbstens 16 M. nicht erweitern.
Soweit also die Hypothesen über die wachsende Volksmenge
Roms auf jene grossen umfange fussen oder sie bestätigen
sollen, lassen wir sie ganz aus dem Spiel. Aber so wün-
schenswerth es auch sonst wäre, den topographischen Rabmen
durch eine einigermaassen sichere Bevölkerungsstatistik^^)
zu füllen, so gänzlich missgtückt sind doch alle bisherigen
Versuche, eine solche aufzustellen. Wir verzichten daher
darauf, die verschiedenen Hypothesen zu erörtern. Auf die
einzige annähernd sichere Grundlage, auf der zu wahrschein-
liehen Resultaten zu kommen ist, die Zahlen der Häuser und
Strassen, müssen wir im | 8 näher eingehen.
Die topographische Entwickelungsgeschichte der Stadt
seit Augustus lehrt uns dasselbe wie die politische Geschichte:
die netten Formen, welche, vorbereitet durch Sulla und Cae-
^) S. die Uebersiclit übei* die verschtedenea HypotheMo bei Fried-
länder Darstell. 1^ 64 ff. Sie scheitern alle an der völligeD Unsicher-
hmt des ebien Faktors, der Zahl der Sklaven. Von denk FläehernnhaÜ
der angeblichen 50 MiUienstadt wollte RodberUu m der A. 16 a. Ab>
handhing ausgehen. Dass auch abgesehen von diesem falscheo Aaa-
gangspunkt — soweit sich über die nicht veUendele Arbeit «rthei'
len lässt — sein Verfahren irrig ist, wird § 8 gezeigt werden. —
Auch eine verwandte Frage, die nach der Zahl der wehrfähiges
Hiinisohen Bürger, welche doch anf viel sichereren VorauaaetKangcn be>
rnht, hat bis jetst nicht befriedigend gelöst werden können (s. Momn-
sen Hermes 11, 49). «— > Direkte Zeugnisse über die Volkszahl der Stadt
fehlen ganx; nach allgemeinen firwagungeo kann man nanehmen, dus
die Zeit der Fla vier so siemlich den Höhepunkt gebildet hat, der
rasche Niedergang wird mit dem Anfang des 3. Jahrhunderts begonnen
haben.
§ 5.] DIE STADT DER XIV REGIONEN. 339
sar, praktisch augewendet von Augustus, die alte Ringmauer-
Stadt zur frei nach aussen sich entwickelnden Vierzehn-
regionenstadt umgeschaflen haben, sind ohne jede wesentliche
Veränderung bis zu Anfang des 3. Jahrhundert maassgebend
geblieben. Der um diese Zeit eingetretene Abfall von dem
in den Formen des Principats fortlebenden Geist des alten
römischen Staatswesens kennzeichnet sich für die Stadt Rom
wenigstens äusserlich dadurch, dass die Reichshauptstadt,
stolz bis dahin in dem Gefühl, das Haupt und der Mittelpunkt
des römischen Reichs, das goldene und ewige Rom zu sein,
sich nun olficiell darstellt oder dargestellt wird als die grosse
Hofburg des Kaisers, die vrbs sacra regtmum Xllin^).
*') Der umbÜicus auf dem Markt neben dem miHarium aureum
bezeichnet (gewiss das Centram der Welt: Bd. 2, 454, wo des o/LKpalog
zu Atben und besonders desjenigen zu Antiochia hatte gedacht werden
müssen (0. Maller De foro Atb. 2 § 5 Aot. Amt. 1 § 22). — Ueber
Roma aurea (dichterisch: doch vgl. Anson. Ordo nob. urb. S* 95 Seal.
und Bd. 2, 374. 425) nnd aetema (seit Iladrian fast technisch) Fried-
länder Darstell. 1^ 68; über sacra m. Forma S. 8 § 2.
22*
§ 6.
BESCHREIBUNG DER ÄURELLÄNISGHEN MAUER UND
IHRER THORE.
Es ist bezeugt, dass die servianische Mauer, deren ver-
theidignngsfahigeu Zustand wir bis auf Sulla yerfolgt haben,
erst durch Aurelian durch eine neue umfangreichere ersetzt
worden ist^). Der Bau, welchen die drohenden Einfälle der
Barbaren herbeiführten, wird vor das Jahr 272 gesetzt^). Er
wurde nicht vollendet: erst Kaiser Probus, der Erbauer der
8ten steinernen Brücke, soll ihn vollendet haben*). Die
Mauer erlitt im Lauf der Zeit, wie es scheint, starke Be-
schädigungen. Der Versuch des Maxentius, einen Graben zur
Yertheidigung der Stadt im J. 354 zu ziehen, mag damit zu-
sammenhängen^). Vor allem aber lehrt die Inschrift an drei
*) Zosimas 1, 49: iieix^ad^ ^k tote (von Aureliao) ^ 'Ptof^rj n^o-
*) Vopiscus Aurel. 21 (nach dem Markomannenkrieg^e und vor dem
Kriege gegen Zeoobia 272, vgl. Clinton z. d. J. und Tillemont Anrel.
Art. 8) : muros urbis dilatavü nee tarnen pomerio addidit eo tempore sed
postea und 39 : muros urbis sie ampliavit ut *]- qtänqvaginta milia mu^
rorum eins ambitus teneant. Victor Cnes. 35: muri» quam vaUdissimit
laxiore ambitu circumvallat. Die Stadtchronik (Bd. 2, 33: Ghronogr.
S. 64S, 8 Mo., Eutr. 9, 15, Gros. 7, 23) nennt den Mauerbau nud den
Bau des Sonnentempels zusammen: daher Euseb. Hieron. S. 180 z. J. 275
(aus ihm Cassiodor): templum Solts aedificat et Romam, firmioribus muris
vaüta. Vgl. A. 65.
') So allein Zosimus 1, 49: avve7tXr}Q(üdrj ßacftXevovrog ZfQoßov
To Tuxog. lieber die Brücke § 7.
*) Chronograph von 354 S. 648, 36: fossatum aperuü sed non per-
fedt. Dass in dieser Zeit aber die Stadtmauern überhaupt vorhanden
waren, habe ich zum (Jeberfluss Bd. 2, 153 f. aus den gleichzeitigen
Schriften De mort. pers. 27, 1 und Panegyr. Const. Aug. d. 18 nachgewiesen.
§ 6.] DIE AURELfAJNISCHE MAUER. 34,1
erhaltenen Sladttboren, dass der- Senat auf Antrag des Sti*
licho den Kaisern Arcadius und Honorius an denselben Bild*
Bisse aufgestellt hat, weil sie 'der ewigen Stadt die Mauern,
Thore und Thürme wiederhergestellt und ungeheure
Trümmer beseitigt haben' und dass dies ausgeführt worden
ist durch den Stadtpräfekten Flavius Macrobius Longinianus
(t 408) im Jahre 403*^). Rom konnte nun, wie es der
Dichter mit etwas stark aufgetragenem Lobe seines Herrn
ausdrückt, mit seinen 'neuen Mauern' und seinen 'schnell
errichteten Thürmen' dem Anprall der Geten ruhig entgegen-
sehen^). Wahrscheinlich besitzen wir noch die bei der Ab-
^) Gleiehlautende Inseliriften der Tiburtina, Praenestina, Portuensis
(vielleiclit »nch der Ostunsis^ ontea) €IL 6, 1, 11 88 — 1190: <. p,
q. r. impp» €aes9, dd, rm. invütissimis pfindpibus /ircadio et Honoria
victorib. ac triumfatorib, semper Augg, \ob instauratos urbiaetemae
muros portas ac turres egestis (fnmensis) ruderib. (ex süggesUonje v. c. | et
inlustrü com, et mag. utriiisq. miUtiae Stilichonis} ad perpetuitatem
nominU eorum \ tfmulacra constituit \ curante Fl. Macrobio Longimano
V. c. praef. urb. d, n» m, q, eorum (die Zeilenabtheiluog ist die der
erhaltenen Exemplare: das in O S^etzte fehlt jetzt auf der Tibur-»
ttna; Z. 3 ruderibus steht auf der Tiburtina^ Z. 2 victoribus ac trium"
fatoribus geben die Abschriften von der Portuensis), Dass diese Thore
selbst nicht von Honorius erbaut, sondern nur umgebaut sind, zeigt
die Inschrift. Sie sagt ferner nicht ausdrücklich, dass alle Thore wieder-
hergestellt worden sind, und es ist nicht wahrscheinlich, dass an
sämmtlichen (auch den nicht umgebauten) Thoren die Bilder und mit
ihnen die Inschrift angebracht und später zerstört worden sind. Die
simuiacra der Kaiser trug auch der im J. 405 errichtete Bogen im Mars-
feld: A. 64. — Das egestis immensis ruderibus bezieht sieh auf die
starke in Folge des Zusammensturzes vieler Theile der ursprünglichen
Mauer, aber auch schon durch frühere Bauten verursaehte Schuttanhäu-
fang und Aufhöhung hdes Bodens, welche ganz zu beseitigen unmöglic
war. Bei Porta S. Lorenzo liegt das Niveau des neuen Thors 1,930
M. über dem alten (Promis Alba Fuc. S. 15); ähnlich bei P. S. Paolo.
') Claudian de sexto cons. Hon. 529: addebant pulcrum noua moe'-
nia vuUum audiio perfecta reeens rutnore Getarum . . . erexit subitas
turres cinctosque coegit Septem conünuo montes iuvenescere muro, nach
der Schlacht bei Pollentia 403: Clinton S. 559, 3. Auf dieselbe Zeit
habe ich Bd. 2, 173 Olympiodors Zeugniss über die Vermessung der
te^xv ^^r Stadt xa^* ov xai^ov Fotd^ot trjv nqotiqav xat* avtrs ini-
dqofiriv inoi^aavTo zu beziehen versucht (s. unten).
342 THSIL I.
nähme des Baus voi^elegte Beschreibung desselhen (S. 346 f.).
Auch diese WiedorhersteUnng, deren Umfang die ebenfalls
ruhmredige Inschrift offenbar überschätzt, bat nicht lange
Yorgehalten. Ein Drittheil soll samrot den Thoren darch
die Erstürmung Roms durch Totilas (546) zn Grunde ge-
gangen und das Zerstörte durch Belisar ersetzt w<Mrden
sein^). Theile dieser wiederhergestellten Mauer sind immer
aufs neue zerstört und wieder aufgebaut worden, beson-
ders durch die Päpste Hadrian I und Leo IV, weldier die
cimtas Lemtina hinzufugte; dann Öfters durch den römischen
Senat, seit dem 15. Jahrhundert wieder durch die Päpste,
besonders Paul III — welcher zuerst Sangallo, dann Michel-
angelo die Leitung der Arbeiten übertrug — , Gregor Xfll und
Urban VIII. Diesen Restaurationen fielen zwei Thore ganz
zum Opfer, die Portuensis und die porta S. Pancratü\ zwei
andere wurden geschlossen, die Nomentana und Asmaria.
Zahlreiche Inschriften und Wappen bezeugen an Ort und
Stelle diese Umwälzungen^). Aber noch steht auch von den
ältesten Theilen genug, um (wie unten geschehen) die Kon-
struktion des ursprünglichen Baus zu erkennen. Die letzte
Veränderung führte der 20. September 1870 herbei: die
') Prokop. Goth. 3, 22 S. 370: rov fdv ovv n^ftflolov roaovtw
xaB-Hliv oaov is tQiTTifiogiov rov navros fialiaxa und 24 S. 378:
ndaae yaq {tag niflag) dtatp&iiqag hv^tv: beides nach Ausweis der
Trümmer eine Uebertreiboii^.
^) Haoptrestanratiooen Hadrians I, Liber pont. e. 5 (2 S. 201 Vl^.:
muros aique turres Romanae ttrbü, quae dinttae erant et tuque ad
fundamenta distructae^ novüer restauravii), Leos IV, c. 38 (3 S. 90: mw
ro$, qui longo iam senio atque vetusiate mmia fracti tarn fundüus tidnh
bantur . . . XF ab ipso solo turres . . restaurari praeeepäf s. A. 55).
Näheres in der Hanptschrift: Le raura di Roma disegnate da Sir W.
Gell ill. da A. Nlbby Rom 1820 (der Text nicht voUst&adicf wiederholt
Roma antica 1, 114 ff.), Nachträge bis zum Ende des 15. Jahrb. bei
Ravioli im Giora. arc. 1868 Bd. 212:«=67NS, S. 20 ff. ~ Piale Delle
mura Aureiiane (1822) 1833 nnd im Venati Bd. 1, Bnnsen Beschr. Bd. 1
(vgl. A. 14). Unbrauchbar der 2. Abschnitt in Plirkers Areheol. Vol. i
(Text). Ueber die Abbildungen A. 14.
§ 6] DIE AURELIANISCHG MAUER. 34g
Bresche bei Porta Pia zerstörte ein grosses Stück der alten
Mauer: dieses hat man wieder ersetst; dagegen ist die bau^
fällige forta Salaria beseitigt worden (s. unten).
£s ist schwer begreiHich, wie mau Angesichts dieser
Thatsachen, vor aUesn dem ansdrücklichen Zeugniss an drei
der erhaltenen Thore zum Trotz, jemals hat bestreiten k6n«>
nen, dass die heutig Mauer, mit Ausnahme weniger leicht
erkennbarer kleiner Stflcke, auf den Fundamenten der ur^
sfirunglichen von Aurelian und Probus gebauten, von Ho-
jioriiis und Arcadias wiederhergestellten steht. Qiese Ansicht
stutzt sich darauf, dass das Haass der erhaltenen Mauer 12
Millien kaum erreicht, während alte Zeugnisse dasselbe auf
21, 30, 40 ja 50 Millien angeben, und sucht die überlieferten
Maasse ausserdem durch die rein aus der Luft gegriflene
liehaisptnng, dass sie durch die Ausdehnung d^ bewohnten
Stadt gerechtfertigt werden, als die allein möglichen nacb-
suweistti. Natürlich muss grade im Gegentheil die Kritik
jener theils auf Missverständniss beruhenden, theils verschrie-
benen Zetignisse von der sicheren Thatsache des Maasses der
einzigen seit der Königszeit gebauten Stadtmauer ausgehen
(s. § 5) ^). — Dazu kommt dass die Annahme, ein Mauerbau
^) Nibby Mura c. 5. stützt seirie Bebauptmog, c^ass die anrelia-
aiftcbe Mauer ver^chwundoa sei, aaf die im Text zarückgewieseaen
Grande und o^eiot das Zeugniss der Thoriasobriften , ob inataü-
ratos urbi aeternae muros, mit folgendem gradezn unglaublichen
laterpretatioaskunststück zu beseitigen: ^stava bane il dire tnstau-
rare muros il eiogerla di ouovo' (S. 230). Trotz der gründlichen
Widerlegung Piales und Buasens (s. A. B) kehrt das Phantom der 50
M^len langea Mauer immer wieder, zuletzt noeh in der § 5 A.
16. 3d. besprochenen Arbeit von Hodbertus 'über den Trakt der
aarelianischen Mauer'. — Die Messung der erhaltenen Maaer (über
die Zeugnisse s. § 5) stellt sich nach dem Bd. 2, 171 Gesagten so: die
Länge der Mauer aaf dem Haken Ufer beträgt einschliessUch der
Mauer längs des Flusses, aber ohne darechnung der Vorsprünge der
251 quadratischen Thürme (251 X 8 Meter» 1,29 MigUe) nach Ber-
nardiai 10,25—1,29 « 8,96 Miglien; nach Nelli, wenn derselbe eben-
falls die Vorsprünge nicht mitrechnete, 10,80-^1,29 ^ 9,51 Miglien.
Auf dem Censusplan misst sich die Vi»%ß der Mauer des rechten
344 TH81L L
Ten 50, ja selbst 20 Miliien llmfong, sei spnrios Terschwvn-
den, schon bei der Festi^eit, ja beinahe Unserstörbarkeit
des Materials geradezu widersinnig ist, und dass die Behanp-
timg, selbst die ältesten Theile der Mauer Terriethen durch
die Technik des Ziegelbaus und des Baustils das 5te, nicht
das 3te Jahrhundert, grundlos ist. — Es ist endlich unrich-
tig, dass die barbarische Zerstörung und Entweihung von
Grabdenkmälern zum Besten dieses Mauerbaus die Zeit des
Uebergangs ins Mittelalter bekunde. Vielmehr zeigen uns
einzelne sichere Beispiele deutlich, dass man Grabdenkmäler,
welche in die tradrte Befestigungslinie fielen, um sie zu
schonen, in Thürme und Mauer eingeschlossen hat, d. h.
mit ihnen gerade so verfahren ist, wie Aogustus und seine
Beamten mit den Gräberstätten vor dem esquihnischen Thor.
Dass einzelne Ausnahmen von dieser Schonung schon bei dem
ursprünglichen Bau voi^ekommen sein mögen, kann kein Ein-
wurf sein: zumal mit dem Beginn des 3. Jahrhunderts die
Zerstörung öffentlicher Denkmäler zur Gewinnung brauch-
baren Materials für Neubauten nachweislich ihren Anfang
nimmt ^'^).
Ufers za 2350 M. = 1,62 Miglien, for den ganzen UmfaDg erlialten wir
also nach BernardiBi 10,58, Dach Nolli 11,13, oder wenn die Vorspränge
der Thürme mitznreehnea sind 11,87 bezw. 12,42 Miglien. Sehr wahr-
seheinlieh ist es aber, dass die alte Berechnung die Vorsprang« nicht
rechnete.
* ^^) Was den Stil anlangt, so ist man allerdings einem Renner wie
Promis gegennber, welcher (Aosta S. 145) die Thore 'tntte ddi' epoca
Onoriana o posteriore* nennt, in Verlegenheit. Allein was wird —
das ist doch nicht wegzodispntiren — ans dem intUtttmdi^ muros por-
tas turres der Inschrift? Dann aber scheint seine stilistische Analvse
der Thore (A. 18) keineswegs jene Behaaptong zu rechtfertigen, ja der
Zustand beispielsweise der Ostiensis sie zn widerlegen. — Die Grab-
denkmäler des Salpicins Quirinins in einem Thorm der Salaria^ des
Enrysaces in einem Aet Labieama-PraenesUna^ des Cestius vnd Hadrian
in der Enceinte sind wohlerhalten , wie die Graber des Bsqnilin zor
Zeit des Aogostns überdeckt, nicht zerstört (Ball. man. 2, 55 f. 3
T. XX Th. n). Wahrscheinlich also ist man bei der ersten
Anlage der porta NumentoRa mit dem Grabe des Q. Haterias nicht
§ 6.] DIE AURELIANIBCHE MAUER. 345
Der Plan, die Stadt Rom mit einer neuen Mauer zu
umgeben, konnte, gefasst unter dem Eindruck der herauf-
ziehenden Wetterwolken der Barbarenangriffe, keinen anderen
Zweck haben, als der hauptstädtischen Bevölkerung einen mög-
liehst vollständigen Sdiutz zu geben, d. h. soviel als möglich
die urbs regianum XIV zu sichern. Allein dieser Zweck
konnte nur annähernd erreicht werden: denn einerseits be-
dingte die Bodengestaltung Abweichungen von der vorgezeich-
neten Linie, andererseits maditen die riesenhaften Verhält-
nisse des Werks es wünschenswerth , etwa geeignete Ge-
bäude der Befestigung als Theile einzuverleiben. Wir können
nachweisen, däss dies der Plan und die Ausführung des
Werks gewesen ist. Sicher ausgeschlossen von der Mauer
blieben nur wenige Abschnitte der^^urch die constantinische
Notitia als zur Regionenstadt gehörig bezeichneten bewohnten
Th^e der Stadt: von der 14. Region das vaticanische Ge-
biet, von der 1. R. die Strecke bis zum Almo"); eingeschlossen
wurden in die Mauer von dem nach derselben Urkunde ausser-
halb der Regionengrenze liegenden Theile die nördlich der 7.
und 9. R. gelegene Zone, vielleicht die westlich vor der
13. und 14. gelegene, die Ebene des Monte testaccio ^^).
Wir haben § 5 gesehen, dass die Differenz zwischen der con-
stantinischen Regionengrenze und der Aussenlinie der Vor-
anders verfahren, wiewohl das Geg^entheil vou Cardinali (s. CIL 6, 1,
1426) behauptet wird: 4n qaesto sito come altrove le mura attaali
nrbaae, che attriboiscoasi per vecchia tradizione ad Anreliano, sono cos-
trutte sopra avvanzi di pia aatica data, frai quali dee porsi certameote
il nominato sepolcro che da bell' ornameDto della via Nomeotana fu con-
daoDato a servire di fondameoto (?) die una delle torri che difendevaDO
la porta'. Mao faod daselbst auch Reste der Bekleidung des Grabes
und die der Inschrift Q, Haterius .... o .... | sortit. tr. pL pr. FU
[uir, epfäonu]m a . . .
1^) lieber die U Region (Marstempel and die in der Notitia nun
folgenden Monumente bis zum Almo) Bd. 2, 109 ff.; über die der 14.
und das vaticanische Gebiet oben S. 316 f.; die 5. Region macht noch
Schwierigkeiten in ihrer Grenzbestimmung (§ 5 A. 10).
") üeber 7. .9. s. oben S. 330, über 13. 14. S. 317.
346 THßlL. I.
stadjte keine »ekv bedoutende sein kann. So viel wie möglich
also schloBs die Mauer die Stadt ein. Aber im Einzduea
bestimmte den Lauf die Rucksicht auf die foriifikatorischea
Schwierigkeiten. Aus keinem anderen Grunde ist die parta
Flaimtua über die Stadtgreoze hinaus nach Norden vor-
geschoben worden» als weil sich in der trefiUchen Substrok-
tion der Garten des Piocio (Muro torto) ein fertiges unmittel-
bar anschliessendes Stück der Befestigung darbot. Von da
aus ostwärts war die Richtung nach dem Prätorianerlag«r,
einer ebenfalls fertigen Bastion, gegeben, und wieder yoi
hier aus boten sich als bequeme und feste Stütze des Werks
die Pfeilerreihen und Strassenöbergänge der Wasserleitungen
bis hinab zum amphüheairum castrense. Die südliche Linie ist
wesentlich durch die Terraingestaltung bedingt Die Mauer steht
grossen Theils auf dem Höhenrande, in starker Steigung fuhren
die alten Landstrassen bis zu den neuen Thoren (besonders der
Äppia und Astnaria) hinauf. Die Anlage grade der Haupt-
thore in weit ausspringenden Winkeln (Flamima, iVoenesItiia,
Appia) erscheint demnach als ein Nothbehelf, nicht minder
die offenbar nur zur Sicberimg des Janiculum gebaute, um
die Ausdehnung der bewohnten Stadt sich nicht kümmernde
Befestigung des rechten Ufers. Die veränderten Mittel der
Kriegführung und die Menge der Stromübergänge endlich
zwangen im graden Gegensatz zu der servianischen Befesti-
gung, den Strom nicht als Deckung für die Stadt auf dem
linken Ufer zu betrachten, sondern durch eine Mauer zu
schützen, welche einen freilich ungenügenden Anschluss ao
die Befestigung des rechten Ufers hatte (unten).
Wir besitzen eine Beschreibung der Mauer und ihrer
Thore (Bd. 2, 578 ff.), welche verbunden mit einer von einem
Stadtplan abgelesenen Itinerar und einer Sammlung stadt-
römischer Inschriften das berühmte Reisehandbuch der Ein-
siedler Handschrift bildet. Dass diese Beschreibung nicht im
9. Jahrhundert entworfen sein kann und dass sie, wenn
dies nicht der Fall ist, nothwendig als von dem den Bau
leitenden Architekten in;i J. 403 entworfen, den Akten
§ 6.] DiE AUREUAJNISCHE MAUER. 347
der Stadtprafektur einTerleibt, aus diesen in die Ileisehand*
böcher obergegangen zn betraebten i^t, glauben wir im Bd. 2,
156 ff. naebgewiesen lu babeo. Aas derselben Quelle
stammt das in mebren Exemplaren auf uns gekommene Ver-
zeichniss der Tbore (das. 580 ff. ygl. 165 f.) ^^). Die Be-
scbreibuDg bestätigt das oben ober die Identität der heuligen
und der aurelianiscb-honorianiscben Mauer Gesagte und ist
für diejenigen Theüe« welche heut entweder fast ganz Ter-
scbwundan oder wesentlich verändert sind, ein sicbrerer Weg«
weiser als der zwar ortskundige, aber nicht selten im Aus«
druck unklare Prokop. Auch für einige jetzt nicht mehr
erhaltene bauliche Einrichtungen ist sie die einzige Quelle:
sie giebt von Thor zu Thor die Anzahl der Thurme, Zinnen»
grossen und kleinen Fenster, der Aborte und Pförtchen. Wir
beschäftigen uns mit dem baulichen Detail nur soweit, als
e» nöthig ist, um die erhaltenen Ruinen und die Beschreibung
zu vergleichen. Eine detaillirte technische Analyse der Mauer
und eine sichere Unterscheidung der verschiedenen Bauperioden
wird ohne Zweifel von berufener Seite gegeben werden ^^).
Der ursprüngliche aurelianisch - probianische Bau, auf
^') Ich fiode an der a. 0. gegefoeaea BeweisfdhruDg nichts za
ändern und brauche die ohne Bewei» wieder vorgebrachten alten
BehanptuDgen Raviolis (io der A. S a. Schrift S. 20. 25 f.) u. A.
nicht abermals za widerlegen. Nur zweifle ich jetzt, ob die an der
Mauer achlechterdings nicht nachweisbaren und mir noch immer räth-
seihaften castella des Benedict und der Mirabilien, welche in der Ein-
siedler Hs. fehlen, zu der ursprünglichen Beschreibung gehören (vgl.
Bd. 2, 165) und glaube, daas sich die früher unbeantwortet gebliebe-
nen Fragen über die Bedeutung der fenestrae minores (A. 16) und die
Beschaffenheit der prapug^nacula (A. 17) in einer für meine Ansicht
günstigen Weise erledigen. Ueber einige Einwendungen gegen dieselbe
s. unten A. 49. 55.
^^) Brauchbar ist neben Nibbys Beschreibung allein die des Archi-
tekten Stier bei Bunsen 1, 651, Dazu die gelegentlichen Bemerkungen
in den Schriften von C. Promis (Alba Fucense, Antichita di Aosta,
Antichita di Torino). Bavioli (A. 8) giebt wenig mehr als was mit
Hilfe von INibby und den Stadtplänen jeder ohne Autopsie lernt. Ab-
348 THBIL I.
dessen Fundamenten also die Restaurationen sich erfaobeo,
sollte, den Höhenlinien folgend und vorhandene Bauten be-
nutzend, eine Enceinte bilden, deren Vertheidigung nidit
etwa von der regelmässigen hauptstädtischen Garnison, son*
dem von einer grossen Armee, die sich in die Stadt gewor«
fen hätte, zu führen wäre. Diesem Zweck entspricht die
Einrichtung der Mauer Tollkommen. Aufgesetzt auf die Hugel-
ränder präsentirte sie sich nach aussen doppelt so hoch wie
nach innen, in einer Höhe ton 52 F., ohne Graben. In
regelmässigen Abständen wird sie Ton quadratischen Thürmen
unterbrochen, welche über die Mauer sich bedeutend erheben
und zwei Stockwerke enthalte; ein mit Tonnengewölben ge-
deckter Gang dient längs der ganzen Innenseite der Be-
satzung zu sicherer Aufsteilung und freier Bewegung und bil-
det zugleich den Fussboden für die hinter den Zinnen auf-
zustellenden Vertheidiger. Die Vertheidigung wird nach dem
System jener Zeit bewirkt, theils durch den Pfeäschuss, theils
durch Schleudern oder Herabsturzen von Steinen ^'^). Jenem
dienten die von dem gedeckten Gange aus nach aussen sich
öffnenden Schiessscharten (fenestrae), diesem die nicht mehr
erhaltenen Zinnen (jproptignacula). Die Scharten sind, wie
die Beschreibung übereinstimmend mit der Mauer zeigt, zu je
6^ — 7 zwischen je 2 die Wölbung des Ganges tragenden
Pfeilern angebracht. Die Thürme scheinen nach aussen ur-
sprünglich je 5 kleinere Scharten gehabt zu haben (vielleicht
die fenestrae minores der Beschreibung), nach innen in der
bildnogen nageBÜgeod: Overbeke, Piraoesi Ant. 1. T. VIfl, Gell, Uggeri
2 T. 27, Canioa Edif. T. XIX ff. Ueber die Thore A. 18.
") Prok. Goth. 1, 14 S. 76: (ßelisar) tatfqov afjupt tb rdxog
ßad-etav T€ xal Xoyov ä$iay nokkov kj^aas, 'della quale niun vestigio
rimaDe' JVibby S. 244. Vgl. A. 4. — Die Distanz der Thärme, aof
den Pfeilschuss berechnet (vgl. Promis Alba Fnc. S. 135 f.) , beträgt
in der Regel 25—30 M., steigt aber Dach Umständen bis 130 (vgl.
Trastevere, Flnssbefestigang). Uebrigens ist eine Würdigung des mili-
tärisehen Charakters des Bauwerks bei den ganz ungenügenden Vorar-
beiten mir wenigstens unmöglich.
§ 6.] DIE AURELIANISCHE MADER. 349
Regel zwei bis drei grosse üb«*wölbte Fenster ^^). Die nicht
erhaltenen frapugnaeula bestanden aus je einer Brüstangs-
maner, pinna^ mit dem' dazu geh^igen zum Herabwerfen von
Steinen u. s. w. geeigneten Einschnitt. Beide zusammen
haben, wie die Zählung der prapugnaeUla mit Sicherheit er*
giebt, eine Breite von 2i M. oder über 8 Fuss gehabt ^0. —
^^) Di6 teoholsolie Beschreibuiig im Gänsen nach Stier bei BttUfen
Bd. 1* — Aof der Strecke von porta PraeneaUna bis Mmaria ^ebt
die Beschreibung: fenestrae maiores forinsecu9 CLXXX minores CL.
Auf der wohl erhaltenen Strecke von der ^sinaria bis zum amphithea-
trum castrense ergab meine Zählung (1876) 79 Scharten der Mauer;
nach demselben Verhältniss würde die ganze Strecke etwa 200 gehabt
habea, was zo den maiores stimmt, da das ampkitheatrum selbst ab-
zaziehen ist. Jeder Tharm hat ursprünglich, wie es seheint, drei Schar-
ten vorn, je eine auf jeder Seite gehabt. Dies wären auf der gedach-
ten ganzen Strecke 26 x 5 =» 130, also bei Berücksichtigung von allerlei
unkontrol Urbaren Abweichungen, eine für die minores mögliche Zahl.
Und wo wären sie anders zu suchen? Denn an die je 2 — 3 gewölbten
Fenster der Thürme nach innen kann wegen der Grösse und wegen
der Zahl gar nicht gedacht werden. Usklar bleibt es mir, ob die
gleich grossen Fenster der Thorgallerien und der die Thore flankiren-
renden Thürme mitgezählt wurden. Die poria Asinaria allein hat
(nach meiner Zählung) von diesen in den zwei Gallerien über dem
Thor unten 5, oben 6 etwas kleinere, und ursprünglich scheinen in
den beiden vorspringenden Mauerwinkeln neben jedem der beiden
Thürme naeh vorn 2, seitlich eins gesessen zu haben (erhalten neben
dem Ostthnrm): zusammen 17 grosse Fenster nach aussen, wozu dann
noch je vier kleine an jedem Thurm kommen. Die zu erwartende
detaillirte Analyse der ganzen Mauer wird auch diese Fragen zu lösen
haben. «
^^) Ueber pinnae und propugnaeula oben § 4 A* 8. Es kann un-
möglich Zttftill sein, dass von den 14 Absohnitten der Maaer in 9 Ab-
schnitten die Verhfiltnisszahl zwischen der Zahl der propugnaeula und
der Mauerlänge im Mittel 2,51 beträgt (Schwankung zwischen 2,32
und 2,61, und zwar nur zweimal 2,32. 2,37, sonst 2,51—61), d. fa. fdr
das propugnaculum (pinna und Einschnitt), selbst bei einer so nage*-
nagenden Messung, wie ich sie am Gensusplan vornehmen konnte, die
censtante Breite von rund 2,60 M. oder 8 F. ergi^. Die Abweichun-
gen der übrigen Abschnitte erklären sieh jedesmal aus der Unsicher-
heit des Laufs der ganz zerstörten oder durch neue Werke ersetzten
Mauer: 7,5 OstumsU — (Flussl — ) AureHa\ 1,62 Fluss -— ComeUa, 8,10
850 THWL L
Die Thore, nur 2uin Theil darch späteren Umban veranstal-
tet, waren ursprünglich in dem reinen Stil der augusteischen
Zeit konstruirt. Gewölbt, mit Ausnahme yon dreien eiobogig,
und mit Fallgattern vorsehen, waren sie von je zwei nach
aussen halbkreisförmigen Thürmen flankirt^^). lieber dem
Thore lief, die Tfaurme verbindend, ein Stockwerk, welches
nach aussen in der Regel 4 — 6 grosse überwölbte Fenster
hatte. — Auf eine dauernde Aufstellung und Kasemirung von
Wachtkomniandos (wahrscheinlich in den mit grossen Fenstern
versehenen Thürmen und Thorüberbauten) deuten die neces-
Appfa - OiHenns (Bastion Sanyallo). Nicht erUäriieh ans diesen
Gräaden sind mir nur: 3,17 Pinckma - Nomentana, 2,01 Nomeniana -
Salaria, wo ja aber aueh die Möglichkeit der Verderbniss der liber^
lieferten Zahlen nicht ausgeschlossen ist. Diese Betrachtung seheint
mir, wie oben A. 13 gesagt, wieder für den alten Ursprung der Be-
sdireibung zu sprechen: das Maass von 8 F. passt schwerlich auf
mittelalterlidie Zinnen, kemmt dagegen dem der Mauer von Povipcji
wenigstens nach dem restakrirten Aufriss bei Mazois 1 T. XII, 1 (man
misst die Breite zu 8| Pieds ==: 9| r. F.) nahe. Die gefundene Nor-
malzahl ist wichtig für die Bestimmung unsicherer TJwre (Metrovia)
und Mauerstreeken (z. B. am Flnss).
^^) Thore: die A.hhilduBgen aller ei^alteneu (einzelne s. unten)
bei Overbeke, Gell (zu Nibby) und Canina ungenügend: aueh Photo-
graphien genügen nicht, noch weniger nach solchen gemachte Zeich-
nungen wie bei Reber oder gar bei Parker Vol. I. Was geleistet
werden sollte, hat C. Promis gezeigt. — Noch immer werden mit
alleiniger Rücksicht auf das Zeugniss des Prokop (A. 7) alle Thore
für bar|)arischen Ursprungs erklärt Promis zeigt (Torino S. 210 IT.),
dass eine oder zwei Gallerien über dem einen oder mehreren Thor-
bogen charakteristisch seien für die Konstruktion des 1. Jahrhunderts.
Diese Gallerien sind von Pilastern flankirt: so noch die porta Borsari
in Verona (doch vgl. Einl. § 1 A. 55): 'tralaseio quelle a Roma di
Arcadio e Onorio, dove la sola Asinaria ha una meschina galleria cos
fonestrelle, essende totte ad una passata sola' (& 213). Allein das
ist unrichtig: die ^^nnaria und nicht sie allein hat eine doppelte, die
meisten übrigen Thore eine einfache Gallerie; zwei Dorebgäoge die
nraprüngliehe Oaftsjvm, die Portumni und die als ein Thor zu be-
trachtende ProBnettimt-Lalrieana (freilich wohl aämmtlich wegen der
Boppelatraasen). — Thorverscbluss: Nibby S. 245 f.
§ 6.] DIE AURELUmS€HB MAUER. 351
saria (iD »pater Sprache necessariae) oder Aborte, welche die
Beschreibung auffuhrt* Nachgewiesen sind m noch nicht
(Bd. 2, 168 f.).
Die Benennung der Tfaore, weiche vom J. 403 daiiren
mag (die Beschreibung der Eins. Hs. nennt ein erhaltenes
aber geschlossenes Thor, die 'Clno^a', gar nicht und nennt
die Pmciana schon clausa) weicht ab von dem bei der ser-^
vianischen Mauer befolgten System (S. 269 ff.). Sie heissen
nach den aus ihnen hinausfuhrenden Strassen, sind aber
schon im 6. Jahrhundert daneben nach den nahen Kirchen
benannt worden (A. 66). Es sind folgende vierzehn: 1. Fla^
minia (5. Valmtini), 2. Salaria {S. Silvestri), 3. Bnct'ana,
4. Nimeniana, 5. Tiburtina {S. Lmrmtn), 6. Praenesttna-La-
hicana^ 7. Asinaria {S. Johannis), 8. Latina, 10. Appia (S. Se-
bastiam), \l. Osiienm {S. Pault\ 12. PartuensiSy Id. Aurelia
{S, Pancratii), 14. Cornelia (S. Peiri); um so auffallender
ist der noch unerklärte Nanoe 9. Mttrotna. Yolksthämlidiie
Bezeichnungen des frühen Mittelalters sind die Doppekiainen :
Tawrma (7tftur(a»a), Mmr {Praemsiina-^Ajibicima), Verwechs-
lungen mit den nahen servianischen Thornaroisn aus derselben
Zeit (vgl. S. 71): Copewa (Osiienst^), CoUiM {CmieUa)^%
£s kann wohl sein, dasß schon Aurelian den 14 Beginnen
zu Liebe die Herstellung von 14 Thoren« welche die Beschrei-
bung von 403 aufzählt und Prokop kennt, beabsichtigte. Sicher
gehörte zu den ursprunglichen Thoren, wie die Trefflichkeit des
^^) Ich habe Bd. 2, 165 f. gezeigt, 4ass die Listen der Thore in
dem von Wilhelm von Malmesbury benutzten Pilgerfdhrer ans dem
7. Jahrhundert vad in den Mirabilien mit der Einsiedler Mauerbeschrei-
bang genau übereiu stimmen, was weiterhin für die Bestimmuag einiger
Thore (besonders Praenestina - Labicofm, Tiburtina, Comdia) von eat-
scheidender Wichtigkeit ist. Ueher 4ie einzelnen Namen s. die be-
treffenden Absohnitte. — Die mit dem JB^ginn der topographischen Sta*
dien (vgl. z. B. Tortellis Artikel Roma in den Commentarii grammatici
Yen. 1471) aaftretende Coufasion der Namen der k^iglichen qnd der
kai^rlichea Stadtmauer ist jetat ohne Interesse und wird hier über-
gangen.
352 THEIL I.
Baas und das Entsprechen der servianischen VirnmaUs beweist,
das Ton der Beschreibung von 403 übergangene namenlose
'Chiusa' (A. 26), und so möchte man denn die wegen ihres
Namens auffallende Metrovia als ein erst später in die Reihe
dafür eingetretenes Thor betrachten. ' — Ausser den 14 Thoren
hatte die Mauer eine Anzahl 'Pf5rtchen\ deren Bestimmung
Schwierigkeiten macht '^).
Die Aufgabe, welche wir zu lösen haben, ist die Be-
schreibung des Mauerzuges auf Grund einer durchgängigen
Yergleichung der erhaltenen Reste mit der Beschreibung des
J. 403 und der mit derselben zusammenhängenden in dop-
pelter Ueberlieferung vorliegenden Liste der Thore und Stras-
sen, deren kritischen Werth wir bereits eingehend geprüft
haben. Nur an wenigen Stellen ist durch die Umgestaltungen
der späteren Zeit, über deren Ausdehnung und Details noch
kein abschliessendes Unheil möglich ist, der Gang der Mauer
oder die Lage der ursprünglichen Thore unsicher. Für diese
Stellen kommt namentlich der spätere Zustand der viaefu-
blicae in Betracht, wie wir ihn an der Hand der Notitia früher
(Bd. 2, 230 ff,) dargelegt haben: ausserdem aber ein Umstand,
dessen Wichtigkeit zwar nie verkannt, neuerdings aber erst
ins rechte Licht gesetzt worden ist. Seit der Zeit des
Augustus sind in immer zunehmendem Maasse bald in näherem,
bald in fernerem Abstand von den servianischen Thoren über
den aus denselben hinausfuhrenden Strassen Triumphbogen
errichtet worden. Diese (z. Th. schon im § 3 berücksichtigt)
zeigen uns in zweifelhaften Fällen die Richtung der Strassen
nach den neuen Thoren *••).
«0) Ppokop Goth. 1, 19 S. 9S, 18: §f« füv rij^ TtoUias 6 nBQtßokoQ
^ hrta nifXag xal nvXCittg xtvag. Der Aasdrnck nvUg ri>ep wird »w-
nahmsweise auch der von ihm sonst nvlfi i^enaDiiten Finduna (a. imtea)
beigpelegt. Daher die nvXi^es nidit cvsammeDfallen mit den posiemae V
des Einsiedler Itinerars, den pottenOae V der Mirabilien, über welehe
unten A. 56.
>^) S. besonders Lanciani Boll. mi». 4, 169 f. üeber einzeiae
derselben wie über die von der Hfauer berlihrten Oertlichkeitien «nd
benutzten Denkmäler ist Th. II zu vergleichen.
§ 6.] DIE AUREUANISCHB: MAUER. 353
Die Porta del Popolo {porta popult)^ von Pius IV 1561
neu erbaut, fuhrt dksen Namen schon im 15. Jahrhundert
von der benachbarten Kirche S. Maria del Popolo. Es ist
sicher, dass die alte paria Flamnia (im Mittelalter auch p. S.
Vaihntim) weiter Östlich am Abhang des Monte Pincio ge-
standen hat. Wann sie von dort in die Tiefe versetzt wor-
den ist, bleibt unsicher. Die via Slumma, welche aus der
''porta Rat%mmim' auslief (§ 3 S. 207), müsste demnach»
während sie in ihrem südlichen Abschnitt (sicher zwischen
piazza Sciarra und der Via di S. Lorenzo in Lucina, wo die
Triumphbögen des Claudius und Marcus die Richtung an-
zeigen) dem heutigen Corso entsprach, in ihrem nördlichen
Lauf um einen Winkel von ungefähr 5 ° östlich von der heu-
tigen Strasse abgewichen sein. Doch ist meines Wissens bis
jetzt diese Frage nicht endgiltig gelöst^^). — Die Befestigung
bis zur porta Pineiana besteht aus der fast unmittelbar an
das Thor sieh anschliessenden aus dem 1. Jahrhundert her-
rührenden und schon vor dem 6« Jahrhundert geborstenen
Substmktion des Monte Pincio, dem 'muro torto'^^) und d^
sich anschliessenden gewöhnlichen Mauer. Nur geringe Stücke
'^) ^ofte Flaminia (Fiammifiea die f^wöhDÜclie mittelalterlidi«
Form): porta S, FaUntini z. B. Urk. von 1071 bei Galletti Primic. 371,
ebenso noeh die jüngereii Mirabilien. Porta populi z* & Signorili.
Die Kirche des Namens erbaut 1099. — Ueber die Triumphbiii^en einst-
weilen Bd. 2, 415. 417 f. -— Grab auf Pia^a del Popolo: Vacca Memoria
113. Vgl.. Tb. IL — Procop. 1, 23 S. 109: ov firjv oiSk 7tvlf}S
knlv tuTi^oso^os, vf&B auf die Lage in der Ebene aicbt passt. Dass
die Verlegung vor dem Jahre 716 geaehehen sei» schliesst Nibby S. 304
gaos mit Unrecht aus der Beachreibung der Ueberaehwemmong dieaea
iahres; weiche 'durch das Thor eintrat' (Lib. pont. Gregor U c. 6).
Dass die Flnth damals wie unter Hadrian 1 (das* Hadr. I c. 94), wo
sie dos Thor a fundamenHt abriss, bis an die Wurzeln des Pincio
dringen konnte, ist zweifellos (vgl. Hermes 2, 77 f.). Ob anderweitige
Zeugnisse vorliegen, weiss ich nicht.
>') Den mqlßoXog zwischen der nvhi ^la(nivla und der nvl^
ntyxiavtj nannten die Römer tov niglßokov Suqqwyota (Procop. 1, 23
S. 110). Vgl. Einl. § 1 A. 42 u. Th. II.
Jordan, rOmisohe Topographie. I. 1. 23
354 THEIL 1.
des ursprünglichen Baus derselben sind erbalten, von den 24
(29?) Thörmen gelten 7 für honorianisch, zwei für belisarisch.
Die porta Pinciana (geschlossen seit 1808) benannt von
der via Ptnciana, einer Deviation der Salaria (Bd. 2, 234),
beide von der domv» Pinciana und ihren Gärten auf dem
noch heut so benannten ßerge (Bd. 2, 402), ist von zwei
runden Thürmen flankirt. Das griechische Kreuz im Bogen-
schlüssel und die wie man meint auf dieses Thor zu bezie-
hende Benennung 'belisarisches Thor', gelten als Beweise,
dass es von Belisar gebaut ist: bis stichhaltigere beigebracht
werden, liefert für mich die Einsiedler Beschreibung den Gegen-
beweis^^). — Von da bis zur Salaria ist der honorianische
Bau (22 Thärme) im Ganzen wohl erhalten.
Die porta Salaria, benannt von der aus der Coüma
hinausführenden via Salaria ($ 3 A. 39), war von 2 runden
Thürmen flankirt. Eine Gallerie von 3 Fenstern lief über
dem Thorbogen. Seit der Erstürmung durch Alarich (409)
war sie mehrfach restaurirt worden. Bei der Niederreissung
der Thürme im J. 1871 fand man, dass der östliche über dem
sorgfältig conservirten Grabdenkmal eines Knaben aus der Zeit
des Domitian erbaut war^^). — Von dieser alten Mauer bis
zur Namentana (10 Thürme?) ist durch die Schliessung dieses
>>) Prokop nennt das Thor (s. Bachner in der A. 49 a. Abh. S. 206)
7 mal nvUs (Goth. 1, 19 S. 96. 23, 109. 24, 131. 2, 2, 150. 9, 181 f.),
5 mal TtvXri oder nvXai (1, 29, 140. 2, 1, 149. 5, 165 f. 10, 186) nnd
übergeht es 1, 19, 93 (A. 26). Die Eins. Beschr. v. J. 403 nennt es
clausa, die noch ältere Notitia lässt die via Pinciana ans; aber das
Thor war zu Prokops Zeit wieder passirbar, die Strasse {via Pinciana
Bins. It. 11, 7; cum pervenit ad Salariam, nomen perdit Wilhelm), eine
Seitenstrasse derSedaria vetus oder nova (De Rossi R. s. 1, 155. 177),
noch später, das Thor noch bis 1808. — Ob die nvhj rj BeXiffa^ia
tovofxaatai vvv (Prok. 1, 18 S. 89. 22, 106) ein Doppelname der Pinciana
oder der Salaria ist (so ßaehoer S. 201 ff., vgl. Th. II, Pinciiu), scheint
mir nicht anszamachen. — Abb. d. Pinciana Overbeke f . a 2 Gell T. V.
«*) Vgl. Procop. Vandal. 1, 2 S. 315. AbbUdung Gell T. VBI.
Grab: Visconti II sepolcro di Q. Sulpicio Massimo R. 1872. Nibby be-
zeugt S. 321, die beiden Thärme hätten anf den Fandamenten zweier
quadratischer mit Marmor bekleideter älterer Thürme gestanden. j
§ 6.] DIE AURELIANISCHE MAUER. 355
Thors und Anlage der Porta Pia (1564), besonders aber
dnrch die Restauration nach der Beschiessung von 1871 nur
wenig übrig geblieben.
Die porta Nomentana, benannt von der ebenfalls aus der
Collina herausfuhrenden via Nomentana (a. 0.), war von
2 runden Thürmen ilankirt, deren südlicher, wie schon oben
A. 10 beschrieben worden ist, auf oder über dem Grabe emes
0- Haterius — vielleicht des berühmten Redners — erbaut
war. Es folgt als Theil der Mauer das Prätorianerlager*'*). —
Wenig mehr als 100 Meter südlich von demselben befindet
sich ein heut Porta chiusa genanntes Thor ohne Thurme,
mit einer Gallerie von 4 (?) Fenstern über dem Bogen: die
Mauerbeschreibung und die Thorverzeichnisse nennen weder
das Tbor noch die in bedeutenden Resten erhaltene Strasse,
welche durch dasselbe aus der YminaKs kommend hinaus^
führte und über welcher wahrscheinlich bis zum 15. Jahr-
hundert der Bogen des Gordian stand. Dies ist sehr auf-
faUend (vgl. S. 352) und muss wohl, da wir namentlich die
mae publica^ alle kennen, mit einer Verlegung eines Strassen-
laufs (der Cöüatina?) zusammenhängen (vgl unten)**). — Die
3^) Eine Abbildung kenne ich nicht.
*•) Abbildung Gell T. XI (Aussen seite), Parker Archeologia or misc.
tracts of antiq. 1869 T. 11 (Innenseite; brauchbar). — Prok. Goth. 1,
19 S. 93 zählt 5 Thore [nvXai) von der Flaminta bis zor Praenesttna,
muss also die Chiusa qnd die Piamana (als nvU^X) qieht mitzäbleh
(vgl. A. 23). — Auch Lanciani Bull. mun. 4, 174 findet keine Erklärung:
über die Meinung^ dass die v. Tiburtina hier gelaufen sei, unten A. 32.
Werkstücke des ßogens des Gordian ; welchen Albertini 'non longe a
porta Viminali' sah (vgl. Bd. 2, 420), sind ca. 200 M. weit nördlich von
der alten Strasse gefunden worden (Vespignani Bull. mun. 1, 103 ff.
T. II), aber nicht in situ: sie sind dahin verschleppt (Lanciani S. 235 f.)
'■ — In der Notitia fehlt die via CoUatina als ausser Gebrauch befindlich
(Bd. 2, 234). Ist diese statt wie später «eine Abzweigung der v. Tibur-
tina ursprünglich eine von der p. Viminalis ausgehende selbständige
Strasse gewesen ? Fabretti (A. 32) Hess sie durch Porta S. Lorenzo aus-
laufen, Nibby S. 344 zwischen dem 7. und 8. Thurm südlich der p. Tibur-
tina durch ein jetzt vermauertes Thor, welches schon Sigoorili intra p,
S. Laurentii et p, Dominae (= magglore) erwähnt: er fugt eine kindliche
Erklärung hinzu (Bd. 2, 5S2 z. E.). — Der Anfang des Laufes der
23*
356 THEIL I.
Maner yon d«r Chiusa bis zur Tiburtma (die Zahl der vr-
sprunglichen Thärme vob der iVotneiUafta bis zu dieser giebt
das Einsiedler Itinerar auf 57 an, Reste von 36 oder 39 sind
erhalten) ist selo* stark zersiM und in den verschiedensten
Epochen restaurirt.
Schwierigkeiten macht der Lauf der Strassen, wekhe
aus der alten parta Esquüma^ an deren Stelle der Bogen des
Galli^us getreten war, ausUefen und die Lage der sie auf-
nehmenden neuen Thore^^).
Die porta T^rtina oder S. Laureniä^ benannt von der
wie sich ergeben wird aus der Esquilma herausführenden
(s. unten) bei der alten Basilika des h. Laurentius m agro
Verona vorbeifährenden Strasse nach Tibur, im Mittehdter
auch nach d^n Stierkopf im Bogeüschlässel des Wasser-
leitungsbogens an der Innenseite*7(Kttrma benannt, trägt noch
jetzt die den Kais^n Honorius und Arcadius gewidmete
£hreninscbrift (oben A. 5). Innerhalb des Thors steht über
der Strasse der von Vespasian und Severus restaurirte Bogen
des Augustus, welcher die drei Wasserleitungen Mta, Tepukt^
Marcia über die Strasse föhrte (v. J. 749). Beide Tfaünoe
sind im 15. Jahrhundert neu gebaut, die Travertinsubstruktion
des ursprünglichen nördlichen hat sich zum Theii erhalten.
Bis zur Praenestina ist die Mauer, wie schon oben bemerkt
wurde, zum grossen Theil in die Bogenreihe jener Leitungen
hineingebaut, aber wie gewöhnUch mit Thärmen (19? 9 ho-
noridDisch ?) versehen ^®).
Collatina ist soviel ich weiss nicht genau bekannt (Nibby Vie S. 9S
Westphal Kampagne S. 99).
^) S. Lanciani in der § 3 A. 40 angeführten Abhandlnng. — Der
schmucklose Bogen (arco di S. Vito) trägt die Inschrift CIL 6, 1, 1106:
GaUieno cUmentisHmo principij cuiu* invicta virtus sola pietate superata
e$t^ et Saloninae sanctissimae Aug, Aurelius Fictor v, e. dicatissimut
nummi maisstatique eorum, Abbild, (dreibogig!): Sangallo cod. Barb.
f. 25; in einem Ex. des Speculum r. mago. ohne Jahr und Autor; fehlt
in den meisten Publikationep des 16. Jbdts.; auch sonst selten. Gaoiiit
Ed. CCLVI. Die beste mir bekannte: Rossini (1820).
'^) Ueber die Benennung des Thors Taurina (so die Mirabilien) i.
§ 6.] DIE AUREUAIHISCHE MAUER. 357
Die zwei neben einander stehenden und architektonisch
mit einander verbundenen Thore pwta PramestitM (nördl.)
und poria Labkana (südL), daher auch als ein Thor betrach-
tet und als solches im Mittelalter 'das grosse* {porta maior,
daher noch jetzt Maggiore), auch von der Nähe des räthsei-*
haften Sessorium (S. Croce) Sessorimuiy oder bald mit dem
einen-, bald mit dem anderen Namen bezeichnet, hatten ihre
Namen von den beiden aus der Esquilina hinausführenden
viae, der Praenestina und der Lahicana (oben S. 222). Die
Labieana trägt noch jetzt die Ehreninschrift des Honorius und
Arcadius (oben A. 5) : sie ist jetzt offen, die Praenestina ge-
schlossen, frfther war es umgekehrt. — Die beiden äusseren
Thürme (quadratisch) gelten für mittelalterlich, der zwischen
beiden Thoren stehende halbrunde stand, wie schon gesagt
(A. 10), als Hülle über dem wohl erhaltenen Grabe des
Bäckers M. Vergilius Eurysaces (7. Jahrhundert), welches mit
seinen auf das Handwerk bezüglichen Reliefs und seiner in
saturnisch^Q Versen abgefassten Inschrift neuerdings wieder
zum Vorschein gekommen ist. Sein trapezf5rmiger Grund«
riss ist durch die von hier (also schon zu Ende der Republik)
divergirenden Strassenläufe bedingt. — Innerhalb des Thors
steht über denselben Strassen errichtet der die Leitungen der
aqua Claudia und Anio novus nach dem Caelius führende
Doppelbogen, erbaut von Claudius (im J. 52), hergestellt von
Vespasian (71) und Titus (81)").
Bd. 2, 319. 32S. Abbild.: SaogaUo cod. Barb. f. 27'; seit Ltfreri&s (1566)
hiiu6g. Besoaders Piraneti Ges. WW. Bd. 9 Fig^. V—Vni osd Rossini
(1S20). Schlechte Front- and RückenaDsicht bei GeU T. XII. XIII. -^
lieber den Wasserlei tonfsbogen, seine Inschriften and die Ueberreste der
Leitungen s. § 7. Schon Nibby hat genau S. 343 f. die in der Maaer
steckenden Reste der älteren Bauten beschrieben, neoerdings vgl. Lan-
ciani Bull* mun. 2, 204.
^) Prokop Goth. 1, IS f. und die Einsiedler Besehreibang nennen
nur die poria Praenestina; Wilhelm: perta maier ^ oHm Sircurana
dicebatur (schlechtere Hss. siracusanai verdorben aus Sosoriana d. h.
seswrtana, von dem nahen Sessormtny ygl. A. 32 und Bd. 2, 410) et
via Laoieaiut, die MirabiUen: p, Lameaua quae tUeitur maiar. Also
358 THEIL I.
Die Identität der Thore S. Lorenzo s= Tiburtina, Mag-
giore s=z H'aenestma - Labieana für die Zeit seit 403 ist
also über jeden Zweifel erhaben. Aber es ist auch sicher^
dass in den letzten Decennien der Republik, als das Denkmal
des Eurysaces errichtet wurde, die via Praenestina und die
Labieana sich erst unmittelbar bei demselben abzweigten and
dasB Augustus den mächtigen Strassenbogen der drei Wasser-
leitungen nicht über einer unbedeutenden Seitenstrasse, son-
dern über einer Hauptstrasse errichtet hat, deren Breite
übrigens genau die Breite der die via Tiburtina fortsetzenden
Yaleria ist. Dass nun diese Hauptstrasse keine andere als
die Tiburtina gewesen sei und dass dieselbe zur Zeit des
Augustus ebenfalls von dem esquilinischen Thor ausging,
scheint durch die Erzählung des Eintritts der Tiburtiner
Flötenspieler in die Stadt 'durch die Esquilien' ebenfalls be-
wiesen zu sein^^). Wenn femer zur selben Zeit gesagt wird,
war Praenesimay spater maiorf die gewSluiliche Bezeichaiiag fSr das
ganze Thor, wahrscheinlich weil die porta wie die via Labieana wegea
ihres Zieles mehr und mehr ausser Gebrauch kam^ daher auch später
(wann?) geschlossen wurde. Das mittelalterliche maior heisst hier
wie sonst {pons, artus^ via maiori Bd. 2, 166) 'gross' und ist wohl
nicht mit Nibby S. 351 von S. Maria maggiore (S. Maria maior schon
im Eins. Itin. : Bd. 2, 374) herzuleiten, wohl aber vielleicht der ver-
einzelt im 15. Jahrb. vorkommende Name porta Dominae oder della
Donna (A. 27). — Denkmal des £urysaces mit der Inschrift (CIL 1,
1014. 1015 = 6, 1, 1958): est hoe Tnorämerdum Mareei Fergilei Eury-
sacis II pistoris redemptoris: apparet (ganz steht dieselbe auf beiden
den beiden Strassen zugewandten Fronten, die erste Hälfte bis |] mit
der Variante Marci Feitgüi auf der der Stadt zugewandten Seite)
Ann. deir inst 1838, 202 ff. (mit T. J ff.) Ganina Bdif. T. CCXXV
(Grnndriss) und GCLXXVIII. — Abb. des Thors: Sangallo cod. Barb.
f. 5'; seit Lafrerius (1549 vortrefflich) in sammtlichen SammluDgea
rämisch«r Bauwerke, interessant nur die noch vor Schliessung der
Praenestina und Zerstörung des mittleren Thurmes (1838) gezeidine-
ten, Zw B. Dosi T. 69 Dtt Perac 25 Overbeke Bd. 1 f. a7 Gell T. XIV.
XV. — Jetziger Zustand Ganina Edif. GGXXVI. — Die Inschriftea
des Wasserleitungsbogens s. § 7*
^^) Auf die der via f^ahria gleiche Breite des angustischen Bogen«
(5, 320 M.) hat Promis Alba Fne. S. 14 f. aufmei4sam gemacht. Die
!
J
§ 6.] DIE AURELIANISCHE MAUER. 359
die via Labieana gehe wie die Praenestina von der porta Es-
quilina aus und lasse diese und das esquilinische Feld links,
so widerspricht dies durchaus nicht der Annahme, dass sie
beides noch kurz vor, d. h. westlich von dem Denkmal des
Eurysaces gethan habe, dass mithin der Lauf der später als
die pranestinische erbauten labicanischen Strasse mit dem
Lauf jener bis zu jenem Denkmal zusammenfiel^). Damit
steht im besten Einklang, dass unzweifelhaft in alter Zeit aus
der porta Virntnalis keine Hauptstrasse, also auch nicht die
Tihurtina hinausführte, und dass der aus ihr hinausfuhrenden
Strasse {CoUatina? oben A. 26) auch in der aurelianischen
Mauer nur ein später geschlossenes kleines Thor entsprach.
— Es bedarf also schwerlich noch einer Widerlegung der
vor Entdeckung des Eurysacesdenkmals und einer richtigen
Würdigung der Thor- und Strassenverzeichnisse allenfalls ent-
Geschiehte bei Livins 9, 30 ohne Angabe des Orts, bei Oy. F. 6, 677:
iamque per Esquäias Romanam intraverat urbem {turba). Es ist na-
türlich nur eine Aasflucht, wenn gesagt worden ist^ sie hätten einen
Umweg gemacht. Für die Zeit des Ovid ist das Zeugniss jedenfalls
beweiskräftig.
'^) Das sehen im § 3 angezogene Zeugniss des Strabo 5, 3, 9 S.
237: in die via Laiina avfjLniniEi xa\ ^ Aaßixavri agxofji^Vfi fihf ano
T^; ^HaxvXivrjs nvXrjg a(p' r^ xoX f\ Ügaiv^atCviij iv aqvateq^ 6h ä(p€i<fa
xal tavTTjv xal t6 tiMw j6 *Haxv)Xvov nqoeioiv hcl nUiovg xwf
ixatov xal Bfxoöt atadimv xal nXrfaidaaaa t^ uiaßtx^ u. s. w. Lan*
ciani meint (BoU. mun. 2, 44)^ Strabo müsste, wenn die Abzweigung
nicht unmittelbar am Thore stattgefunden hätte, gesagt haben agxouitfil
fih ano rffi 'HaxvXivrjg nvhfig nlrjalov ^Poifjirjg wie er es bei der
Abzweigung der Latina von der j4ppia thue: das Minks lassen' der
Praenestina und des camptes EsquHmus müase vor dem Denkmal des
Eurysaces geschehen sein. Für Beides sehe ich nicht die mitadeste
Nötbignng. Es muss angenommen werden, dass die Meilcnzahluag der
Praenestina wie der Labieana vom Thor begann: dann aber konnte
auch, mag niui die Doppelstrasse bis zur Trennung als solche erkenn«
bar gewesen sein oder nicht, sehr gut gesagt werden was Strabo sagt.
Die Ausdehnung des campus ist ungewiss: ich sehe aber gar keiaett
Grund, ihn so einzuengen, dass nicht gesagt werden konnte, die Labi-^
eana habe ihn und die Praenestina links gelassen. Ueber die Schwierig-
keiten; welche Lancianis Ansicht macbt,. unten^
360 THEIL I.
schuidbaren Annahmen: dass die Porta Chiusa die Tihurlma,
die P. S. Lorenzo die ^Collatina\ die zwischen dieseni Thor
nnd Porta Maggiore befindliche kleine Pforte (oben A. 26)
die Praenestina sei, oder dass eine Verlegung der Strassen
in der Weise stattgefunden habe, dass die via Tiburttna ur-
sprunglich Ton der p. Vmmälis nach der Chiusa gelaufen,
dann nach P. S. Lorenzo verlegt worden, die via Praeneitina
ursprünglich nach P. S. Lorenzo gelaufen, später vor Porta
Maggiore von der Labieana abgezweigt worden sei, womit
denn ein Wechsel der Thornamen verbanden gewesen sein
müsse ^^). — Aber auch die neueste Ansicht (A. 3t), dass die
via Praenestina und Labieana unmittelbar vor der porta Es-
quilina, wie die Salaria und Nomentana vor der p, Coüina,
aber in einem ganz unbedeutenden Winkel auseinander ge*
laufen seien, um nach einem fast parallelen Lauf von etwa
1200 M. sich wieder zu vereinigen und dann jenseits jenes
Denkmals sich abermals zu trennen, geht wenigstens aus von
einer falschen Auslegung der oben erwähnten Beschreibung,
nach welcher die Labieana die Praenestina und das esquili-
nische Feld links liess, und hat an sich wenig Wahrschein-
lichkeit^^). Indessen ist nicht zu leugnen, dass sowohl die
*>) Ersteres ist Fabrettis Anskbt (De aquis 3, 4), letzteres Piales
(z« Venuti 1, 228 vgl. 218) odcI INiebulirs Besebr. R. 1, 658 ff. 3, ],
&71 ff. Im ganzen richtig nrtbeilt darüber Becker S. 201 ff. — Alle
yermeioftUoben Zeugnisse für diese Aosicfaten fallen weg. Im Liber
pontificalis (Silvester c. 27 Bd. 1, 102 Vign.) haben die Hss. (voran
der Neap.) omnem agrum a porta Sosoriana (d« i. Se^oriana, vgl. A. 29)
viam etinerariam usque ad viam Latinam; statt etinerariam ist Pnu-
nettinam gesdirieben worden (s. Becker de maris 122). Ein blosses
Versehen enthält eine Urk. v. 1286 (Galletti Primic. S. 346): extra
portam maurtmi sive portam heati Laurentii, Das von Urlichs (Top.
in Leipz 2, 2) angezogene Zeugoiss Gregor des Gr. über die Lage
der Kirche des 0. Jammrias auf der via Praenestina (an p. S, Lau-
rentü der Liber pont.) wird jetzt durch das von De Rossi heransge-
gebene Verzeichniss der Heiiigengräber, welches ganz richtig jene Kirche
an der mVz Tthurtina nennt (R. sott. 1, 1423. 9. 1&2), beseitigt.
<*) Lanciani a. 0, 44, welefaer selbst eingesteht, dass ein von der
Labieana getrennter Laaf der Praenestina diesseits von Porta maggiore
§ 6J DIE AUR£LIANfSCHE MAUER. 361
Idder früher sehr schledit beobachteten und ungenau be-
schriebenen Funde yon Pllasterstrassen auf dem esquiliniscben
Felde als auch die Orientirung der innerhalb der aureliani-
sehen Mauer vor der paria EsqtiiUna gefundenen Gräber, so-
wie des offenbar an einem bivinm stehenden Monumentes
Hrofei di Mario' mancherlei Schwierigkeiten machen und dass
eine theilweise Umlegung der Strassenläufe, wie die neuesten
Entdeckungen gelehrt haben, sicher durch die Anlagen der
augustischen Zeit, die maecenatischen Gärten und das ma-
cellttm Lißiae, veranlasst worden ist. Wir wissen jetzt so viel,
dass in republikanischer Zeit eine grosse Strasse aus der
Esqnüina etwa in der Mitte der jetzt verschwundenen Strassen
porta S. Lorenzo und S. Bibiana lief. Ob dies die alte Tt-
hurtma war, ist bis jetzt noch ganz ungewiss und müssen
weitere Funde abgewartet werden. Aber weder die Benennung
der honorianischen Thore, noch die Thatsache, dass durch
die p. VimmaUs nie eine Hauptstrasse gelaufen ist, wird da-
durch geändert werden ^^). — Der Mauerlauf bis zu dem
jetzt wenigstens nicht nachweisbar sei. Doch führt er aus Severano
Sette chiese 1, 639 (mir jetzt unzugänglich) die Beschreibung einer
alten Strasse an, welche die Richtung Gallieausbogen {p. Esquüinä) —
trofei di Mario — basiliea di Gaio e Lucio (d. h. 'Minerva medica')
hatte 'e torciendo se ne viene a la porta (Maggiore)'. Welchen Zweck
ein solcher flacher Bogen gehabt haben sollte, ist nicht einzusehen.
Wenn dies aber dieselbe Strasse ist, wie Lanciani annimmt, von der
ein Stück nach Yacca (Mem. 16) in der Vigna von Francesco d'Aspra
gefunden wurde, d. h. nach ßufalinis Plan zwischen 'Minerva medica'
und Porta S. Lorenzo, aber näher an dieser, so ist ein solcher -dem
Halbkreis sich nähernder Bogen einer grossen Landstrasse auf die
kurze Distanz you ca. ^ H>m. Meilen (zwischen porta Esquilina und dem
Enrysacesgrabe) doch ganz unglaublich und gegen die Analogie aller
bekannten Strassen auslaufe Roms und wir müssen einstweilen bestrei-
ten, dass ehne ndrdlich von den Trofei laufende Strasse die PraeneHina
sei. Vgl. A. 34.
^) Gt'äber: noch steht das 'Casatonda' genannte Grab ungewisser
Benennung, dessen kürzlich aufgedeckter Unterbau ein unregelmässiges
Viereck darstellt, dessen Nordseite nach einer Strasse gerichtet zu
sein scheint; dann nahe der P. Maggie re in der ehemaligen Villa
Magnani (jetzt Grundstück der Societä fondiaria Italiaua) an der Nord-
362 THEIL I.
Scheitelpunkt des stark ausspringenden spitzen Winkels war
wieder bedingt durch die Pfeilerreihe der claudischen Wasser-
leitung, weiterhin durch das amphüheatrum castreme, von dem
die südliche Hälfte der aus einem doppelten Stockwerk offener
Arkaden bestehenden Umfassungsmauer durch Vermauern der-
selben bequem in ein Stück der Vertheidigungslinie verwan-
delt werden konnte und man hatte sich aus diesem Grunde
die Vortheile des Terrains, welches erst hinter der Mauer
stark ansteigt, entgehen lassen, ja auch die Bewehrung der
so hergestellten Mauer mit Zinnen und Thürmen unterlassen.
So bot diese Strecke mit dem aussen angebauten Thier-
Zwinger (vivarium) dem Feinde ein günstiges Angrü&objekt
dar. Erst westlich von dem Amphitheater beginnt wieder
die regelmässige Konstruktion und reichte bis zum J. 1574
ununterbrochen bis zur parta Asinaria: in diesem Jahre wurde
sie etwa 30 M. östlich von derselben durchbrochen, um durch
die neue porta S. Giovanni die Via Appia nuova zu legen
und die Asinaria zu schliessen. Die Strecke zwischen Porta
S. Giovanni und dem Amphitheater ist eine der wenigen in
Seite der Via di P. Maggiore das Golambariam der libert. et familiae
L. Arrunti L. f,, eotdeclit 1736, und ein namenloses (Piranesi Aot 2
T. VII — XIX vgl. Boll. mon. 2, 55) ; weiterhin das der Freigelassenen
der Statilii Tauri, entdeckt 1872 (s. firizio, Pittare e sepolcri scop«
suU' Esquilino dalla soc. fondiaria Italiana, R. 1876, vgl. Bnll. man.
3, 153 Jahresberichte 1876, 186): vgl. über diese Gräber A. 10. — Die
Benennung und das Alter der Trofei di Mario ist noch unsicher (s.
§ 7). — Entdeckung der Strasse aus p. EsquiUna etwa 3 M. unter dem
iViveau der kaiserlichen Anlagen (zur Seite republikanische Gräber):
Lanciani Bull. mun. 3, 193 T. XX. Wenn derselbe aber sagt, diese
Strasse treffe die aurelianische Mauer Mn un punto distante di circa
m. 250 dair arco di Augusto (p. S. Lorenzo)' — in diesem Fall würde
sie die JVordecke der Trofei berühren — so kann ich dies nicht ver-
stehen. Die Axe der Strasse weicht nach seinem Plan ca. 6^ nördlich
von der Axe der Via (und Kirche) S. Vito ab; verlief sie nun weiter
in grader Richtung, so ergiebt dies die oben angegebene Lage: sie
berührt dann nicht die Trofei und trifft nicht 250, sondern 170 M.
südlich von Porta S. Lorenzo die Mauer (Censusplan). Die Fortsetzung
ist nicht gefunden worden.
§ 6.] DIE AUREUANISCHE MAUER. 363
ihrer ursprunglidien Gestalt erhaltenen. Von p. Praenestina
bis Äsinaria standen 26 Thürme^'^).
Die sehr wohl erhaltene, ganz aus Backsteinen gebaute
jpor^a A$inaria — von zwei runden Thännen flankirt, über
dem Thorbogen 2 Gallerien — bat ihren Namen Yon der zur
Zeit der Erbauung des Thors unzweifelhaft noch gangbaren
via Ästnariä^ welche aus der p. Caelmöntana der servianischen
Hauer hinausführte und die Latina und Appia schneidend in
die Ardeatma mündete. Die Richtung d^ Strasse innerhalb
des Thors bezeichnet der ehemals vor dem Hospital des
Laterans stehende Strassenbogen der claudischen Wasser-
leitung (§ 3 A. 48). Wie die Wasserleitung und die Strasse
innerhalb des Thors im Mittelalter vom Lateran benannt
worden sind {via, forma Lateranensis) , so auch das Thor
(p. Lateranensis, S, Johannis). Geschlossen wurde es 1408. —
Die Mauer zieht sich von da bis zum nächsten Thor in Zick-
zack- und Bogenlinien hin: ihr Lauf muss also auch hier
durch ältere ihr als Fundamente dienende Bauten bedingt sein.
Und in der That erkennt man nodi jetzt die Substruktionen
des Caelius vor dem Lateran (über deren Benennung Tb. II)
als solche. Die ganze Strecke ist bis ins 12. Jahrhundert stark
restaurirt, von den 20 ursprünglichen Thürmen kaum die
Hälfte erhalten»«).
*^) S. Prokop Ootb. 1, 22. 23, wo das vivarium (s. Tb. U) genannt
wird. AnsdriiekliclL wird hier (c. 23 S. 111) die Vemachlässignng des
Bans von Zinnen nnd Thürmen genannt. Ob dies jedoch auf die im J. 403
eingeweihte Maner Bezug hat, ist fraglich, da die Zahl der propugnaeula
(504) auf die Strecke von 1300 M. fast genau die A. 17 ermittelte
Normalbreite derselben (2,57) ergiebt. Die alte Angabe über die Zahl
der Thüme lässt sich als richtig nachweisen (Bd. 2, 164). Die Strecke
vom Amphitheater bis P. S. Giovanni habe ich schon A. 16 erörtert.
^) Fta j4sinaria (der Ursprung ihres Namens unbekannt) in der
Notitia am Schhiss des Verzeichnisses: Bd. 2, 234. Festns 282: refrt-
eibus cum ait Cäto in ea quam scribtit cum edisseftavit Fulvi Nolnlioris
censuram, sigmficat aquam eo nomine quae est svpra viam ArdeaÜnam
inter lapidem secundum et tertüum, qua inrtgantur horti infra viam
ArdeaUnam et j4nnariam usque ad LaUnam, Vgl. Nibby Vie S. 110 f.
nnd A. 37 a. B. Das Thor aach bei Prokop Goth. 1, 14 S. 75. 3, 20
364 TREIL I.
Die Uebereinstimmung der Tfaorverzeichnisse beweist,
dass das nächste Thor nicht mittelalterlichen Ursprungs ist,
sondern mmdestens zu dem honorianischen Bau gehört: dass
es, wenn auch nicht in seiner jetzigen Gestalt, zu dem ur-
sprüngUchen Bau gehört, ist' deshalb wahrscheinlich, weil eine
alte vom Bogen des Dolabella (A* 40) auf dem Caelius herab-
kommende Strasse darauf stösst. Ferner stimmt die aus dem
13. Jahrhundert stammende Ortsangabe ubi rivt^ mflmt cwi-
tatem genau zu der Stelle, wo noch jeti^ ein kleines Thor
in dem einspringenden Winkel bei Piazza della Ferrat^a
(ohne Thürme und Gallerie) in der Mauer sich befindet und
die Marrana in die Stadt fliesst (S. 138 f.), endlich die
Normalzahi der Zinnen zu der Strecke von porta Asmasria bis
zu diesem Tfaore* Trotzdem bleibt der rathselbafte nicht
einmal sidier überlieferte Name porta Metrovia oder Metroma,
der einzige, der nicht Ton einer auslaufenden Strasse her-
genommen ist, sehr auffallend und eine grosse Strasse scheint
überhaupt aus diesem Thore nicht ausgelaufen zu sein. —
Die sidi anschliessende Mauer bis znvpwrta Latma (20 Thürme)
ist stark restaurirt: sie ist zum Tbeil aus Werkstücken lilterer
Gebäude aufgeführte^).
S. 360. 362. Baulicher Zustand: oben AA. 16. 18. — Beaeamiog nach
dem Lateran seit dem 7. Jahrhundert: S, lohanms bei Wilhelm (aber
im Eins. Itinerar ^siuaria); Latwanensis die Mi2^abilieo (vg;i. Nibby
S. 361). Ueber die gleichnamige forma und via Bd. 2, 229.. 352, —
Mauer am Lateran: Gell T. XX.
^^) Die Einsiedler Beschreibung und die Thorverzeichnisse nennen
übereinstimmend zwischen der jisinaria und Latina ^t Metrovia: die
Schreibung mit v findet sich in der Eins. Hs. (Mauerbeschreibung und
Itinerar 8 wiederholt), einer Urkunde von 885 {Mitrobi=^ Märovi:
Galletti Primic. S. 96, den ich aber jetzt nicht wieder einsehen kann),
der Vita Johanns XVIII (de regione Metrovi nach Watt^richs Text Vitae
pont. 1, 69 vgl. Gregorovius 4, 8)^ der Becensiou der Mirabilien bei
Albinus (porta Mitrovi), guten Hss. der Briefe Gregors des Gr. 11, 43
nach den Benedictinern (Paris 1705 Bd. 2); dagegen haben n die Mira-
bilien bei Romuald {mieront)^ die Graphia (juetronü) und Hss. der
Briefe Gregors a. 0., vereinzelt ist bei Wilhelm die Verschreiboi^
metpoH, metr^sa (wie bei demselben sircursnä). Hiernach scheint
§ 6.] DI£ AUR£LUNISCHE MAU£Il. 365
Aus der porta Capena der Eonigsmaaer lief die via Appia,
von der sich östlich etwa 700 M. vor dem Thor die Latina
(v^!U8 oder not>a? Ä. 37 a. £.) abzweigte. Von den Gräbern
vor und nach der Trennung der Strassen wird Th. 11 die
Rede sein (vgl. Bd. 2, 114). Hier ist noch zu erwähnen,
dass von den drei Bögen des Veriis, Trajan und Drusus,
weiche die Notitia am Schluss der 1. Region nennt, der letzt«
genannte vielleicht der innerhalb des Thors stehende * Drusus*
bogen ^ ist, der Standort der beiden andern ist unbekannt ^^).
Tifeirovia, Metrovi die bessere Üeberlieferung^ zu seio. Aber die Her-
leitnng^ des Namens ist uDsicher: *da qnalche Santo' Nibby S. 365
(aber von welchem?); MrixqioCa von der Mttgna mater am Almo Forch*
liammer Gründung Roms S. 39 (aber die Marrana ist niisht der Almo,
§ 1 A. 29). Der Zusatz Martins zu den Mirabilien ubi rivus influit
civitatem will nicht den noch jetzt vorhandenen niedrigen Bogen, durch
welchen die Marrana fliesst, sondern das daneben befindliche vermauerte
Thop (Abbildung Overbeke fol. a 9 Gell T. XXI) bezeichnen. Vgl.
BiiDsen 1, 665. — Der Stadtplan aus dem 13. Jahrb. (Bd. 2, 3So) ver-
wirrt die Thornamen der Nordseite so, dass von W. nach 0. p. Tau-
rtna, Pineiana, Metronia, Numentana folgen. Zwischen Pinciana und
Metronia fliesst der Tiber in die Stadt! — Gregor sagt a. 0., man
gelange durch das Thor auf die via Latina vel Appiay das £. Itinerar
führt zu dem Thor vom Septizonium aus über den Caelius (verwirrt).
— Mauer: Gell T. XXII f. — Sollte die im 3. Jahrhundert vorkom-
mende via Latina vetus et nwa (Eph. epign 1, 133 f.) mit diesem Thor
etwas, zu thun haben, die nova durch dasselbe ausgelaufen sein?
•*) Die Notitia schllesst R. I: flumen Mmonis, afcum divi VeH
Partkiei et divi fraiani et Drusi (Bd. 2, 114) und die kapit. Basis hat
in der 1. Rugion einen vicus Drusianus. Dem Andenken des Drusus
werden nach Tacitus A. 4, 9 im J. 23 eadem quae in Germanicttm
bewilligt, u. A. arcus Romas (ders. 2, 83 vgl. Dio 55, 2), genauer (von
Drusus): marmoreum arcum cum iropaeis Romas in via j4ppia (Suet.
Claad. 1). Darstellung auf Münzen: Eckhel 6, 176f. Cohen Bd. 1 S. 134
Morelli Drus. Germ. 14. 15. Nnn sind, wie mir De Rossi mittheilte
(s. Jahresb. 1875, 778), die Bruchstücke der beiden SeDatabeschlüsae zu
Ehren des Drusus und Germanicus (CIL 6, 1, 911. 912) in der Nfihe des
^Dnususbogens' gefunden worden. Ob diese Mittheilnng nur auf Bianehini
sich stützt, nach welchem sie ans dem Familiengrabe des Dmaiifl und
^ermanicns bei jenem Bogen stammen, ist aus den Add. des CIL- S. 841
(welche mir zu Eink § 1 A. 55 noch nicht vorlagen), nidit ersichtlich
366 ™En^ I-
Die ma Laiina fährte in der aurelianischen Mauer durch die
von zwei runden Thürmen flankirten mit einer Gallerie yer-
Behenen parta Latina, die Appia durch die mächtige von zwei
bis zur halben Höhe quadratischen oben nach aussen halb-
runden Thürmen flankirten mit einer doppelten Gallerie ver-
sehenen porta Appia (im Mittelalter Daccia^ wohl erst seit
dem 15. Jahrhundert 5. Sebastiani). Die schwierige Frage,
ob bis zu diesem Thore oder aus demselben zum Marstempel
eine via tecta führte, ist später (Th. II) wieder aufzunehmen.
Das Material zu dem Quaderunterbau der Thurme ist weisser
Marmor und stammt jedesfalis von älteren Gebäuden, vielleicht
von den damals schon verlassenen Prachtvillen ausserhalb
des Thores. — Die griechischen christlichen Inschriften an
beiden Thoren werden bald für byzantinische Restaurationen,
bald för den byzantinischen Ursprung der beiden Gebäude,
wie sie jetzt erhalten sind, geltend gemacht. — Die Mauer
zwischen beiden Thoren (12 Thurme) ist verhältnissmässig
gut erhalten*®).
(De Rossi wird oicht erwäbot): ist dem so, so bat natürlich der Fundort
wenig Beweiskraft; aber meiner Erinaerung nach berief sich De Rossi
nicht auf Bianchini. Stilistische Gründe sprechen für, mindestens aicht
gegen die Ricbtigkeit der Benennung (vgL Ein). S. 29, ebenso die a. Münz-
bilder) : die Umformung zu einem Strasseobogen «iner Wasserleitung durch
Caracalla (§ 7) mag an seiner ursprünglichen Dekoration^ wie schon JNibhy
Mura S. 371 ff. verständig auseinandergesetzt hat, Manches geändert
haben. — Abbildungen zahlreich: gut Rossini (1S20, zweimal); Ganina
Edif. CGXLIV. — Von dem Bogen des Trigan auf der Appia stammen nach
Prellers Vermuthang (Reg. S. 62) die Reliefs an dem ConttantinsbogeB.
Der Trjgansbogen wäre also kurz vor 315 zerstört oder doch beraubt
worden (Bd. 2, 8 ff.).
'^) Die p, Latina (jetzt geschlossen) hat im Bogenschlüsgel das
christliche Monogramm zwischen A und (i) (aussen), die Appia des-
gleichen OeOY XAPIC, darunter Afie KCÜNON ARS r6(i)Pn
(so Nibby 367. 370). Ein eigenes Urtheil über die Konstruktion dieser
Thore habe ich nicht , bezweifle indessen stark, dass der quadratische
Unterbau der Thurme der Appia aus dem 6. oder 7. Jahrh. herrührt.
— Ueber den Namen porta d'Acia (seit dem 12. Jahrh. 7) Corvisieri
im Buonarotti 1870 S. 45. — Abbildungen der Appia seit dem 16. Jahrb.
(alte Erwähnungen beider Thore ausser den Verzeichnissen fehlen) nicht
§ 6.] DIE AURELIANISGHE MAUER. 367
Ziehen der porta Capena und dem Fluss ä^en, wie
S. 233 ff. gezeigt wurde, vier servianische Thore, die Naeviaj
Raudusculana, LavemaUs und Trigemina; vier Strassen liefen
auf dieser Strecke aus und zwar in der Richtung von der
Capena nach dem Fluss die Ardeatina, Lavinatis, Laurmtina^
Osttensis, aber die vorletzte von der letzten sich abzweigend:
sicher ist nun, dass die Ostienm aus der Trigemina — vor
welcher der Bogen des Lentulus und Crispinus vom J. 2
n. C. bis zur Zeit des Poggius stand *^) — auslief und zwar
wahrscheinlich längs des Flusses westlich von Monte testaccio
(das. A. 67), wahrscheinlich schien uns, dass die Naevia das
nächstwichtige Thor war und am Eingang der Piscina publica
lag, wahrscheinlich der Ausgangspunkt der Lavinatis, Andrer-
seits stimmten die auf die Urkunde von 403 zurückgebenden
Verzeichnisse der honorianischen Thore und das Verzeichniss
der mae der constantinischen Notitia darin überein, dass sie
auf der Strecke zwischen porta Capena (Appia) und dem Fluss
nur noch zwei Strassen, die Ostiensis und Ardeatina kennen,
so dass also über die in Folge der Verödung der Gegend
eingetretene EntbehrUchkeit der via Lavinatis kein Zweifel
sein kann. Die Frage bleibt nur, ob das gänzliche Schweigen
nicht bloss der Thorverzeichnisse, sondern aller Quellen über
eine zu der via gehörige porta Ardeatina beweist, dass nie
eine solche in der kaiserlichen Mauer existirt hat — und es
wäre ja sehr wohl denkbar, dass man auf die Strasse ausser-
selten (1566 Speculom?), aber da seitdem fast keioe VeräDderangen vor*
geDommen siad, ohne Interesse: keine genügend. Z. B. Overbeke 1 f .
a 11 Gell. T. XXV. — Seltener von der Latina, z. ß. Overbeke das.
10 Gell XXIV.
^) Poggius las 4n arcn iuxta Tiberim ultra acbolam Graecam'
(S. Maria in Cosmedin) die Inschrift P, Lenttäus Cn, f. Sdpio T. Quinc"
tius Crispinus Falerianus cos. ex s, c. fadundum curavenmt idemque
^obaveruni (CIL 6, 1, 1385). Die Form der loscbrift ist genan die
der Inschrift des Bogens des Dolabella und Silanns vom J. 10, über
Welchen § 7 (das. 1384): P. Cornelius P. f. Dolabella C, lunius C f.
Süanus flamen Martial(is) ex s. c fadundum curaverunt idemque pro^
baverunt.
368 THEIL L
baih derjffismer auf einer Zweigstrasse der Äppia oder O^imsis
gelangt wigre — oder ob ein Jetzt vermauertes angebliches
Tbor an dem öatlichen Ende der Bastion des S. Gallo die
Ardeatina ist. Ich weiss zwar diese Frage nicht zu entschei-
den, muss aber jedesfalls als erwiesen ansehen, dass das Thor
seit 403 als solches nicbt mehr gerechnet wurde ^^). — Eine
zweite Frage betrifft den Lauf der via Ostiensis. Man nimmt
neuerdings eine Verlegung derselben von der Westseite des
Monte testaccio auf die Ostseite desselben an. Auch diese
Annahme ist nicht ganz sicher. — Das Thor selbst ist das
einzige unter allen Stadttboren, welches vor dem J. 403 . und
zwar an seiner heutigen Stelle erwähnt wird. Wenig spater
tritt der Name S. Pauli auf: nach der Basüica des Apostels
führte vom Thore aus eine Porticus. — Es ist nrsprünglich
wie die p. Portuenm zweibogig gewesen; beide Bögen stehen,
der ostliche ist vermauert. Da von den 3 zwedbogigen Thor^n
der Stadtmauer aus zweien sicher je 2 Strassen führten
{PortumsiSy. Labtcana^PraenestiHo), so ist dasselbe auch von
dem 3ten zu vermuthen (unten): es führte ursprünglich wie
aus de:^ Portueitsis die via Campana und Portuensis^ so aas
^
*^) i* ie Thorverzeieknisse nennen nar die OsHensis, aueh Wilfaelai)
aber er^jchiebt (11^) die Bemerkung ein: de via ardeatina* inUsr viam
Appiam *: Ostensem est via Ardeatina. Damit stimmen di^ Verzeich-
nisse der Märtyrergräber (bei De Rossi R.sott. 1, 180 vgl. Nibby S. 201)
überein : sie nennen auch die Strasse, nicht das Thor, Vgl. auch Preller
Ber. d. sächs. G. d. Wiss. 1849, 38. lieber die Strassen der Notitia
Bd. 2, 233. — üeber das geschlosseue Ther Nibby S. 375: 'arco Ute-
rizio con ornati della stessa materia e dae mezze colonne di finissimo
gusto e di bella costrazione apparteneote a qnalche fabbrica del primo
secolo dell' impero ed inserito da Onorio nelle mura, ande servirsene
per la porta Ardeatina tagliandone parte per ineastrarvi an grossolano
architrave di travertino'. Aber kein einziges Stadtthor der honoria-
nischen Mauer ist in dieser Weise hergestellt! Auch ein zweites ver-
mauertes Pförtchen giebt es in der Nahe und nun werden gar eine
frühere und eine spätere porta Ardeatina angenommen (Nibby R. a. 1,
151 und schon Vennti 2, 15), Poggias Var. fort. 1 S. 23 sagt, dass
^literae' wie an der Ostiensis andeuten, dass Hoaorius und ArcAdius
sie gebaut (??). •
\
i 6.] DIE AURELIAiMISCHE MAUBR. 369
der Ostieniis die Laurentma und Osttmsis? — Ausserhalb
dieses Ulteren Th<ve8 ist ein von zwei runden Tharmen flan-
kirtes einbogiges mit einer (jetzt yermauerten) Gallerie an-
gebaut worden. Es mnss wieder dahingestellt bleiben, ob
das innere honorianisch ist oder seiner nrsprCinglichen An-
lage nach aorehanisch. Es ist bezeugt — könnte aber auf
Verwechslung mit der Pm^emis beruhen — dass auch die-
ses Thor die Ehreninschrift des Areadius und HoncMrins (A. 5)
trug. — Der Name der pwta Capena haftet mindestens bis
ins 5. Jahrhundert sicher an dem alten servianischen Thor:
im Mittelalter finden wir diesen Namooi auf die porta Ostiemis
übergegangen^').
Die Mauer von der parta Latina bis Appia (12 Thfirme)
ist im Ganzen wohl erhalten; von da Ms zur Ostiensis ist sie
nicht allein durch die über 400 M. lange Bastion Sangallo's
ganz unterbrochen und es erklären sich daraus die Differenz
zwischen d^ alten Zählung der Thürme und der vorhandenen
Zahl (49 : 38) sowie die hier nicht unerheblich zu grosse
Verhältnisszahl der Zinnen (3,10 statt 2,50), sondern auch
durchweg durch Restaurationen der verschiedensten Zeit ent-
stellt. — Für noch stärker restaurirt gilt die Mauei strecke
von der Ostiemis bis zum Fluss, bis zu welchem sie ia ziem-
^) Ammiaa 17, 4, 12 (sehrieb vor 403) vom Obelisken ^'^es God-
stantios: per portam OsHensem piscmamque publicam circo ihlattis est
maximOf-yf^l. Bd. % 106. 154 und Th. II. — Kämpfe um die nvXri ri Ilavlov
Tov anoaroXov o/utovvfiog lau Prok. Goth. 2, 4 S. 159. 3, 36 S. 433
(man lockt listig die Besatzung an den Tiber; der Weg hinaus führt
■aeh Gentumcellaa). OtUensem portam quae est domni Pauli apostoH
der sogen. Aethicus (s. § 7) S. 41 (hinter Gronovs Mola 1696). — Die
orroo; axQi is tov vmv (des Paulus, 14 Stadien von der Stadtmauer aa
1^ Mil.) ^irixovaa ix rrjg noUfos erwähnt Prokop Goth. 2, 4 S. 160;
erhalten im 7. Jahrb. nach dem Eins. hin. 9, 7 ff. : inde ad portam
Ostettsü, inde per portieum usque ad ecdesiam Menne et de Merme
usque ad S, Paubwi apostobttn. Dieselbe die porUeus ipsius eccksiae
bei Gregor d. Gn Epp. 14, 14 (s. Bd. 2, 113)? — Abbildung des Thors
2. B. Gell T. XXIX f. vgl. Nibby 377 f. — Die Inschrift erwähnt
Poggias (s. A. 41) nur an der Ostiensis, aber freilich er allein (nicht
erwähnt im CIL). — Porta Capena: Bd. 2, 154. 323.
Jordan, römische Topographie. I. 1. "^
370 ™WL I.
lieh gerader Richtuog sO^westiieh läuft, unmittelbar neben
dem Tbore die Grabpyramide des Cestius als Tburm be-
nutzend ^'). Indessen stehen die Thurme auf dieser Strecke,
wie namentlich die regelmlissigen und kleinen Abstände dei^
selben, wie sie z. B. auf der Strecke amfhitheatrum casiretm
— porta Äsmaria sich finden, zeigen, auf ihren alten Fun-
damenten. Da es jetzt 25 an der Zahl sind, die alte Be-
schreibung aber *yon fürta OsHenm bis zum Tiber' 35 zählt,
so ist zu erwarten, dass die Mauer nicht da, wo sie den
Tiber im spitzen Winkel trifft» geendet hat, aondera nord^-
wärts längs des Ufers weiter gelaufen sein wird. Diese Ver-
muthung wird für die Mauer von 403 zur Yölligen Gewisslieit,
sobald man die Yerbältnisszahl der Zinhen in Betracht zieht
Es gab deren ^von porta 0$timm bis zum Tiber' 733« Die
Strecke bis zum Fluss beträgt 900. Meter, die Strecke von
da längs des Flusses bis zu der Stelle, an der auf dem
rechten Ufer die Mauer begann, fast genau eh^ so viel.
Für eine Mauerstrecke von 1800 M. ^rgiebt sich als Durch-
schnittsbreite die der oben gefundenen Normalbreite fast gleiche
von 2,44, für eine Strecke von 900 M. also 1,22. Gleich-
zeitig abex wird es wahrscheinlich, dass, wenn die Beschrei-
bung fehlerlos überliefert ist, die Thurme längs des Flusses
in bedeutend grösseren Abständen als auf der Landseite an-
gelegt waren. — Diese Berechnung ist von entscheidender
Wichtigkeit, weil die Mauer am Fluss ebenso wie die Bauten
des Emporium stark zerstört, die Reste aber noch ungenügend
untersucht sind. Ich muss mich begnügen, anzugeben, dass
der zuverlässige Plan von Falda die Mauer noch zu Anfang
des 18. Jahrhunderts ununterbrochen, wenn auch offenbar
theils restamirt, theils in der Höhe unvollständig bis zu dem
«') losofarifteii (CIL 6, 1, 1374) auf 2 Seiten wiederholt C. CesUtu
L. f. Pob, ßpulo pr, tr. pL FH vir epulonum (aaf der Ostaeite darmiter
opus apiohUuut ex testmnenio diebus CCCXXX arbitraiu Ponti P. f»
Cla, Melae heredis et Pothi /.)• Beschreibnii^ea : Felconieri bei Nar-
dini-JVibby fid. 4; Baosen 3, 1, 435 ff. Akbilduiigea zahlreick: a. be-
sonders Piranesi Aot. 3 T. XL ff. Canina Edif. GGLXXX.
% 6.] Dlfi AUREUANISCBE MAUER. 371
der jMxria Porluetuis gegenüberliegenden Punkt fortlaufen und
hier mit einem in den Fiuss vorspringenden ^adratischen
Thurm ibscihliessen lässit, dem auf dem andern Ufer ein
gleicher entspricht. Et^a 4 mebr oder wem^r verstörte
Thürme sind in ungleichen Abstanden auf der ganzen Strecke
sichtbar. Etwas abweichend sehiidert das Ende der Mauer
ein neuetter Bericht: danach schiiesst sie mit einem qua*
dratisdien Thurm kurz vor der Stelle, wo sie drüben sich
fortsetzt; dann folgt ein kiei»^ etwa 5 M« im Geviert grosser
gepflasteiter Platz, mit Trümmern aniiegender Privatgebäude,
dann ein Stock mittelalterlicher Mauer, welche mit einem
el>enfalls mitteialterliehen runden Thurm gegenüber der Fort-*
Setzung der Mauer atuf dem rechten Ufer abschliesst. Wir
wissen, dass im 9. Jalarfaundert der Fluss und die Stadt
gegen den Angriff 8er Sarazenen zu Schiff durch Ketten^
welche von Thorm tm Thurm gespannt wurden ^ vertheidfgt
wurdev es ist sehr wahrseheinKdi/ dass Aehnliohes die Er-*
bauer der aurehanisdi**honorianischen Mauer beabsichtigten,
annaal wir beim Eintritt des Flusses in die Stadt eine gleiche
Vorriebtung kennen lernen werden ^^).
Der Lauf 4er Mauer auf dem rechten Ufer ist sicher,
die Benennung eines Haüptthors macht Schwieri^eiten. Bis
Kam J. 1643 stand die porta J^tumsis, welche die Ehrenin-
schrift des Honoi'ius und Arcadius (A. 5) trug, 480 M. strom-
abwärts vor der heutigen Porta Portese, vom Floss (nach der
Einsiedler BeGchreibwag) 4 Thiirme (also bei gewöhnlichem
Abstand etwa 100 M»> entfernt. Das Thor selbst haftte zwei
nur durch einen Pilaster getrennte Oeffnungen, zwei runde
.11 — I ■ ■ ■ «i^i.*.
t >^)GeiMia'uotersac&t hat dasfiode dtirManer in neuesler &it ouf
P. .JBrazzs (1876)) den. kdi'^^liige BMt^rcibaogr rerdaBke. Ich selbst
hake in AiB Visnen am Floss niobt. gdangea kSnoen and der holte
WasserstoDd (Aürs 1S72) ver&iodeHe mteh die Uatepsadiang de» Ufers
so weit über das- BApoffMi Mttaua stromabwärts aussadehaea. Doeh
looQiite ich von S. Pietro lo Mantorio ans deiltlieh grosse Stiieke d«r
M«uer and eioea oaeb hj^chferageadeR Tbitria erkeaneoi -^ Sperrong des
Flvases in <J- 'B4e' gegea die Saraaeneasebiffe: Liber j^antif., Leo iV
c. 38 ff. (3 S. 90 Visa.). Vgl. A. 48.
24*
372 THEIL L
Thürme^^). Von da stieg die Häuer mit 29 Tfafrmen, 400
Zinnen bis ztir heutigen Porta S. Pancrasio/ weiche im J. 1644
nur um ein Geringes von der alten — (»her d^en Namen
wir unten sprechen — entfernt ist Die Reste der Mauer,
welche man besonders deutlieh von dem neuen Garten bei
der Acqua Paola aus sieht, stimmen wohl zu der Beschrei-
bung. Es ergiebt sich, dass die Thürme auf dieser Strecke
den ziemlich grossen Abstand von 40 H. gehabt haben fas-
sen, was sich durch das ansteigende Terrain recfatft»tigt
(Reste von 17 Thürmen findet man noch auf dem Plan 1
Falda's, auf dem Censusplan sind sie fatst ganz verschwunden)
und dass die Zinnenbreite mit beinahe 3 M. die Normalbreite
I
um etwas übertrifft. — Das Thor steht auf der Höhe des
Janiculum (84 M.). Die Mauer führt dann wieder bergab und
endet etwa 140 M. stromaufwärts von Ponte Sisto. Der Plan
von Falda zeigt deutlich, dass die Hänser auf der Nordseite
der Via delle fornaci auf der Linie der Mauer stehen; ein
grosses Stück derselben mit 4 Thurmen erstreckt sich von
der Porta Settimiana durch den Garten der Farnesina bis za
dem bezeichneten Punkt. — Die Beschreibung derselben er-
giebt mit 24 Thürmen, 327 Zinnen für Jene wie auf der
vorigen Strecke den etwas weiten Abstand von über 35 M.,
für diese die Normalgrösse ypn 2, 60. lieber 4m AnscUuss
an das rechte Ufer s. unten. — Von dem Thor S. Pan-
crazio bis zum Fluss erwähnen weder die Einsiedler Beschrei-
bung noch die älteren V^zeichnisse der Thore noch sonst
eine alte Quelle ein Thor« Er»l die Mirabilien nenn^i ein
*5) Eotfemung von Porta Poptese Dach NoUi vgl. Nibby R. a. 1,
153. Abbildanir <)es Thors böi Pighras cod. iBeroL f. 118: das Thor
besteht hier aus 2 nur dnrdt «inen Pfeilar getrennten gleichoi Bogen,
über denen in drei Zeilen die Inschrift läuft; keino Galierieb N«r
auf der lioken Seite hat es einen mndei Thorm. Unabli'&Agig von Pighins
ist wohl die vor 1643 gezeichnet« AbbilAng Nardinis (S. 36 dar
Ausg» 1660 «» ed. Nibfoy.l, 68): sie* zeigt 2 runde Thürme, den Bogea
rechts (zunächst dem PIuss?) vermauert uni'ieharaklcrisirt das Thor als
Ziegelbau mit Pfeilern und Bögen aas Quadern. — Ueber die Strassen
s. unten.
§ 6.] DIE AURELIANISCHE MAUER. 373
drittes Tbor von Trastevere und dieses scheint damals (im
12. Jahrhundert) den Namen Septimiana gefüihrt zu haben.
Dass es an derselben Stelle die Mauer durchbrach, wo es
von Ateiander VI. (1492 — 156S) *voh Grund auf wieder-
bergestelk* wurde und dann im J. 1798 seine heutige Gestalt
erhielt, ist unzweifelhaft *•). Da es aber sicher bis zum 6. Jahr-
hundert weder als eigentliches Stadtthor noch selbst als
^Pfortcfaen' vorhanden war, so muss wohl die Annahme, dass
es ein slier voü Seplimins Severus gebauter Bogen gewesen
sei irrthümlich sein und es kann das zwischen dem 6. und
12. Jahrhundert entstandene Thor sehr wohl seinen Namen
Yon der damals nach den Bauten dieses Kaisers so benannten
Stadtgegend erbalten haben ^0* — I^^ss wie beim Austritt des
Stromes aus der Stadt so hier beim Eintritt Vorsorge ge-
troffen war für die Sperrung desselben durch Ketten von
Thurm zu Thurm, ergiebt sich mit Wahrscheinlichkeit aus
^^) Dl« . Mirabilien c. 4: porte Irans Tiberim IUI: p^ria Septi-
tniana septe^n Naide* iunete lano (etymologische Deutung im Aoschluss
an Ovid Met. 14,785: Bd. 2,. 378), p. JureUa vel aurea^ p, Portuensts.
Gleichzeitige Urkunde (1123, Coppi Diss. deU' ac. poiit. 15, 217): S,
lohannis prope portam S. Sävestri, iuxta portam Septimianam. — Die
1798 beseitigte lasohrift Alexander VI bei Nibby R. a. 1, 154 '. . 06
utiUiatem puhlieam a ftmdameniis restituiV. ISach ihm (1509) schrieb
Albertini f. 11^ 'p. Septimiana quae nomen adhuo retinet' und meines
Wissens zuerst A. Fulyius (1527) f. XI^ 'quam portam vetustate iam
collabeotem Alexander VI ouperrime a fnndamentis instaoravit et in
meliorem formam redegit ubi Septimii antea legebatur in-
scriptip'. Die^ schreiben ihm ia gewohnter Weise die folgenden
As^y^aphen direkt oder indirekt nach (zuerst Marliani 1534 f. 20'
'liffirmant', 1544 f. 17'^ ^aivnt') und ich glaube daher das Zeugniss des
Falvins als das einzige, dieses aber als einen aus dem Namen gezogenen
Schluss betrachten zu dürfen. — Wann das unzweifelhaft früher nicht
vorhandene Thor angelegt worden ist, würde sich mit Sicherheit er-
mitteln lassen, .^sfenn man. wüsste, wann die Via Loogara ihre heutige
Richtung erhaben hat: ich finde darüber nichts Zuverlässiges.
^').üebcr die Sepimiana der Notitia R. XIV and die bekannte
Stalle der Vita des Severus c. 19 -* ißnuae. {balmaeT) in Transtiberina
regime ad portam. Tiominu stU — s. Th. H. .
374 THBIL I.
Prokops Schilderung eines Versuchs, die an Ponte Sisto an«
gebraditen Mahlen zu zersti^ren^).
^) Die Behandlang der wUb%eii Stelle des Prok«p Gdtk« 1, 19
S, 95 ff. bei Becker S. 194 f. ist sebr unglöeklich : «r kämmart sieh
um die sichereo Reste der Mauer garnichti Prokop schildert xn-
nächst die Befestig^ung von Trastevere (S. 194 f.): er meint, man habe
den Berg (Xocpos) nnd das gegenüberliegende Ufer (t^v xaj* avtov rov
notafiov ox^^) besonders wegen der auf jenem befiudlicheo MiOileii
(Th. II) befestigt und damit der Feind von idort Hiebt über den Ploss
setzen und die Stadt leicht angreifen könne; (e^iavT^s ovv rairrtf rp
y€(pvQ(f Jov TioTafiov ^vvdnxetv t€ zo xelxoQ tSo^av wxX oixüxs
av^vag iv X^Q^V ^^ aviiniQag SHfidfxevoi fjiiaov jrjg noUwg t6 Tißi-
QiSog n^noCrivtttt qEvfia. Weiter erzählt er, dass die Gothen durch
Abbrechen der Wasserleitungen die Miiblen auf dem Janiculum, welche
die Stadt mit Brod verssrgten, zum Stehen braehtea und dass Belisar
schwimmende Mühlen .an Ponte Sisto und zwar unterhalb deaselb«B
konstruirte: ^finQoa^ev jijg yscpvQag, rjg aqji nqbg Tip nsQißoX^
ovcfrjg ifjLV^oS^Vf (Sxoivovg dqxriaag l| kxaHQag rov noiafiov ox^g
(bg ttoiata IvTfTttfAivovg, ravtaig te Xifxßovg Svo na^ dlXi\hivg iw^^
€fag, n66ag dvo an* dXXriX(av M^onag, tj fidhara ^ röäv vdartov
iniQQori ix rov tijg ysipvq-ag xvQTtafjLaxog axfid^övaa xa-
T^€i.. fjLvXag T€ 6vo iv Xä/ußqy ixm^Qfx) iv^-ifjttvog ig tb fjtera^tt rtjv
fifjXavriv amxqifiaaiv tj tag /nvXag atqiifeiv eioiS'ei^ inixttva <J? aXXag
j€ ttXOLTOvg ixofiivag täv «tl oma&ev xara loyov ^Sitffiiv^ xeti rag
fjtfjXttvag TQontp x^ avr$ iTtl TiXiltfrov ivißctXe. Darauf warfen die
Gothen grosse Baumstämme in den Fluss, von denen Mie meisten'
durch den Strom gegtn die Nachen geschlendert wurden und die Müh-
len zerstörten. Dagegen operirt mit Glück Belisar: €tXv€f€ig fjtaxqag
atÖTjqäg nQog r^ y^ipvqt^ (doch wohl richtiger ttqo rijg yetpvgag)
fJQxvosv i^ixvovfiivag nqog TißeQiv vXov, tclg &r] nqognfTrrovra
^ifinavttt offa 6 natafiog tip^qe ^wioxecto xa xai dvjci^i ig xk ngoato
iXfOQH' xavxtt Ti aviXxovteg äil olg th t^ov tovxo inixino
ig xrjv ytfv Ifp^QoV. xavra Si inoUt oif x oOovtov xtSv fivXcov
'irexct fj oxi oaov iv&^v^i ie Siog Sk xa\ l^vro&av ijXdi fiTj Xa-
^(oatv axdxois noXXatg oi TioXifjLiot ivtog tijg yt(pvQag xttl
iv f^itf^j noXei ytvofiBvoi. ffieraus folgt doeh nothwendig: dass
der Standpunkt des Erzählers in der Stadt ist; däss die Mublea
unterhalb der Bracke angebracht; die Retten oberhalb hei (rich-
tiger vor) der Brücke 'über den ganzen Fluss* gespannt waren; dies
setzt eine starke Wider läge voraus, eine solche, aber gabeb die Eck-
thürme ab. Wäre dies nicht so und sehloiiseo die Mauern unmittel-
bar an die Brücke an (was P. mit keinem' Wort sagt und was that-
§ 6.] DIE AUAEUANISCHE MAUER. 375
Die Beschrabung der Mauer mid das Itinerar der Ein-
siedler Handschrift nennen das Thor auf der Höhe des Jani-
c^olam porta AureHa, das Verzeichniss der Thore und Strassen
bei Wilhelm mit iem Znsatz, es heisse jetzt S. Pancraiii; jene
Urkunde das Thor an der £ngelsburg porta S. Petrin diese
dasselbe porta Comelü^ mit dem Zusatz 'jetzt iS^. Petri\ Da-
gegen nennt Prokop das Thor an der Engelsburg Aurelia,
und zwar, wo er es zuerst nennt, mit dem Zusatz 'jetzt
naMsh dem Apostelfürston Petrus benannt, welcher in der Nähe
begraben liegt' (tergl. A. 61), das Thor auf dem Janiculum
Pancratiana oder 'das transtiberinische\ Dass sich Prokop
darin nicht irren kann, versteht sich Ton seihst, ebenso sicher
aber ist es, dass nur ein gänzlidies Verkennen der Entstehung
und des Werths jener beiden Urkunden ihnen eine Ver-
wechslung des Namens aufbürden kann. Auch ist mit den
Thoren die Sache gar nicht abgethan: es handelt sich um die
Strassen ^^), Wie alle übrigen honorianischen Thore (die
süehlich fakch ist), so wäre auch das Aufflscben der Stamme durch
die Römer nnmögMcb, die ganze Taktik (s. besonders den Schluss) nn-
verstäadlioh.
*®) S. die Titorverzeiclinisse. Im Eins. Itinerar führt der Weg
6 a porta Aurdia usqu€ ad portam PraenesHnam über den pons maior
(oAten)» da» Forum n. s. w. — Prokop Gotb. 1, 19 S. 93 f.: man bielt
die Tbore von jder FlamUna bis zar PraeneHina belagert} errichtete
dans auf dem rechten Tibernfer in den neronischen Wiesen eine sie-
bente Sdianze und bedrohte durcb diese äkXac ^vo rijs noleatg nvXai
. . Ti}j» T€ AvQf\Ueafy fj v(hf IHr^v tov x&v XQiattar xoqvtpalov Sre
nov nXfieim^ xHfiivotr inwwfjLog iffn, xal tfjv vnhq rbv narrafjihv. An
den übrigen SteUen S. 106 (2mal). 108. 109. 131 wird das Thor ohne
Znsata nuA^ M^U» genannt« Da» bier tj vnkq rov notCLfiov genannte
zweite Tbor kann natürlich nur Porta S. Pancrazio sein, weldie Pro-
kop sonst aasserdem mit ihrem Heiligennamen nennt, und zwar 1, 18
S* 9^1 nilr^ ^ vnk^ n&ia^bif TYßs^iv Hayx^at^ov avd^bg ctylov Into"
yufws ovaa nrnd 1, 23 S. 109: ic nvltf» t^v vnk^ notttfiov ^ Hayuqa-
ftatfff xaleitaty vgl. 1, 28 S. I32:^^mr6; nvXthf nwyxQtaiavm^ «V ifnkQ
Tlßi^v nt^scfivv eUfi, Richtig also sagt z. B. Nibby Mura S. 381 (vgl. 295)
im AnscUnss an die Worte und im Sinne Prokops 'la porta Trasti-
berina poi isbiamata Pancraziboa': ebenso Becker S. 197 und Bochner in
der verständigen Abhandlnng 'über das aarelisdie Tbor' (Zs. f. d- Alter-
376 l'HBIL I.
einzige Metravia macht eine Ausnahme und ist nicht erklärt)
so haben auch diese beiden ihre Hauptnamen von den Strassen,
welche ihre Lage bedingten, erhalten. Eine via transtiberina
giebt es nicht, wohl aber sicher, wenigstens zur Zeit des
Antoninus Pius, 2 viae Äureliae, vetus et mwa, und eine
mit der TfiumphaUs nahe verbundene (Tomeita*®). Die älteste
Ueberlieferung setzt das Grab und den Passionsort des Petras
an die via Aurelia^ eine andere wohl jüngere an den 1. Meilen-
stein der CoineUa: die Benennung parta Camelia für das
Thor an der Engelsburg kann also kein Irrthum sein'^^). Eben-
tfaumswissenschaft 1855, 193 ff.) S. 197; was icb nicht erwähoen würde,
wenn nicht G. Gott (Mänchener Diss. D« porta Anrelia 1877 S. 7 f.)
mit seiner Uebersetzung der ersten Stelle des Prokop *das aurelischa
und transtiberinische oder das in Trastevere gelegene Thor* etwas Neues
zu sagen beanspruchte und behauptete, dass ^omnes adhuc astygraphi'
geirrt haben. Auch das ist nicht richtig, dass, wie der Vf. S. S
sagt, Prokop vjrkQ rov norafibv immer für die Region trans Tiberim^
ixTos Tov Tißigi^os immer 'de nniversa ulteriore ripa* gebraucht: das
Janiculum liegt ihm 1, 19 S. 94 ixros tov Tifi^^iSog^ eben in der
Region. -- Dass die ganze Frage nur im Zusammenhang mit der
Strassenfrage gelöst werden kann, hat zuerst Fabretti De aquis 1, 17 §t.
gezeigt, Becker S. 195 f. u. A. sind ihm wie natürlich gefolgt. Allein
die Bedeutung der Einsiedler Beschreibung ist bisher verkannt worden.
^) Die schon Bd. 2, 235 citirte luscbrift eines curator vtarttm
j4ureliae veteru et novae, Comeliae et TrirnnphaUs (Gr. Henz. 3307 =■
6501); die eines inifieliiTrjg 66»v Av^riKas xal T[^aiayjy?]? — wohl
nicht T[QiovfjupdXris]i vgl. Henz. 5451 — bei Marini Arv. 748 gehört
nicht hierher. Daher die via Aurelia in terriiofio inumphali (A. 51).
Ueber den Lauf der Strassen weiterhin. Vgl. Memmsen Staatsr. 2, 997
Hirschfeld Verw. 1, 113.
B^) Grab des Petrus nach dem Berner Papstkatalog (Lipsios Ghron.
der römischen Bischöfe Kiel 1869) S. 271: seputtus est via Au-
relia in templo ApoUonis iuxta locum ubi crücifixue est (^iuMta
palatium Neronianum in Faticanum in ierräorio triumphale'} — das
Eingeklammerte wohl glossatorische Erweiterungen — , naeh den Griiber-
Verzeichnissen bei De Rossi R. sott. 1, 182 f.: iuxta viam Cefmeiiam
ad primum müiaritan und via FaUcana. Die an das Petrusgrab sieh
knüpfenden Streitfragen berühren wir hier nicht (vgl. Th. II). Nor
an das Eine erinnere ich, was ich bei Lipsios, Die Quellen der rön.
Petrussage (Kiel 1872) S. 95 ff., nicht erwähnt finde, dass die <Tere-
§ 6.] DIE AUmSLIANISCHfi MAUER. 377
sowenig zu verwerfen sind die Angaben, wiewohl sie nur in
kirchlichen Urkunden Torkommen, dass sich die Kirche des
h. Pancratius vor dem gleichnamigen Thor und die in der
Richtung auf das Thor führende Wasserieitung des Trajan an
der via ÄureUa^ erstere am 2. Meilenstein befanden '^^). Da-
mit ist allein schon» wenn es dessen noch bedarf, die Be-
rechtigung der Benennung ptn^ta Aurelia =s 5. Pancratii nach-
gewiesen und es bleibt nur die Frage, ob dies der Ursprung-
liehe oder der spätere Name des Thors ist und wann und
wie die porta S. Pstri zu dem gleichen Namen gekommen ist.
— Langst ist eingesehen worden (A. 49), dass die via AureUa
vetvs et nova d. h. eine Verlegung der Strasse den Anlass
gegeben haben muss. Allein wir k&nnen noch nicht den An-
spruch erheben, die Geschichte und topographische Ver-
zweigung dieser wie der übrigen vom rechten Ufer aus-
binthe', bei welcher die im 5. Jahrhandert redigirten Acta Petri et
Pauli den Leichnam des Petros provisorisch beisetzcD lassen, in nächster
Nahe der Engfelsborg zu suchen ist (s. Bd. 2, 430 Nachtr. S. XVII).
lo den Acta SS. kommt die via Cornelia auch sonst vor: via Cor-
nelia (Jurelia Baronius) miliario XIIl {Xllt) ad Nymphas catabassi
(SS. Marii et soc. 19 Jan. S. 580); in silvam in via Cornelia ah urbe
Roma milHario decimo in fundo qtti vocatur Büxo (SS. Rnflnae et Se-
cQDdae 10 Juli S. 28; v. J. 257?). Ich bemerke aber ausdrücklich, dass
icli hier weder für die Vollständigkeit einstehe noch mich auf eine
Untersuchung dieser Notizen einlassen kann. Soviel sieht man, dass
der Interpolator der Mirabilien mehrerlei Anlass hatte, in dem Kapitel
de locis in SS. passionibus (c. 10) einzuschieben: via Cornelia per
pahtem Müvium (7) et exit in strata quae dicitur (so die Prager Hs.:
stratam ohne q, d. die übrigen) via JdireUa iuata girolum (d. h;
Circus des Caligula oder des Hadrian?). ^Wahrscheinlich meii^t er aber
den Ort der Passion des Petrus.
^^) Die schon von Fabretti benutzten Acta S. Antonini 22. Aug.
S. 498 und die Acta SS. Eusebii Pontiani u. A. 25 Aug. S. 116 vgl.
118: via AureUa iuxta formam Traianam (oder Trai'uni); ähnlich an-
dere bei Fabretti, die ich jetzt nicht verificiren kann. — Liber pontif.
Honor. 5 (1 S. 246 Vign.): fecit basiHcam beato Pancratio via Murelia
milUario ab urbe II et ibi canstituit molam in loco Traiani iuxta murum
cirntatis et formam, quae ducit aquam a lacu Sabaiino, et sub se
formam, quae conducit aquam ad Tiberim,
378 THfilL 1,
gehenden Strassen ins Klare zn bringen. Vor überdHeii
Entscheidungen muss man hier um so mehr auf der Hot
sein, als mit der ganzen Frage die Brctokenfrage Terwebt ist
Ich fasse zusammen was bisher ermittelt worden ist.
Das Verzeichniss der vtae in der constantinisdien No-
titia nennt, wie ich im 2. Bande gezeigt habe, alle Haupt-
strassen (d. h. die von den Thoren Roms ausgehenden) in
richtiger topographischer Folge, mit einziger Ausnahme der
zu beiden Seiten des Flusses laufenden Strassen, die um-
zustellen sind. Thut man dies, so bleiben in dem hißt*
hergehörigen Abschnitt (ich s^ze sämmtliehe Zw^ggtrassen
in Klammern) folgende Namen: 9 Flaminia [10 Äennlia 11
CMia 12 Valeria] 13 Äurelia [14 iJampana] 16 P&rtHemU
(Fluss) 15 Ostiensis [17 landcuknsi^ — es fehlt aus de»
oben besprochenen Gründen die Lavinatis — [\S Laurentmä\
19 Ärdeatina (die nächste wäre die Appia^ mit der das Ver-
zeichniss beginnt): nun folgen noch ziemlich bunt durchein-
ander 10 Namen Ton Zweigstrassen, unter denen für die
hier behandelten Fragen in Betracht kommen 25 Cijmelia 26
Triumphalis. Von diesen Strassen liefen, wie jetzt feststeht,
die Portuensis und Campana aus der porta Portuensis aus,
oder vielmehr zweigte sich jene wahrscheinlich von dieser ab
und lief hart am Fluss jene rechts lassend (A. 54), das Netz
der übrigen Strassen ist nur bruchstückweise bekannt; dass
die laniculensis ein anderer Name für die im Verzeichniss
fehlende Vitellia sei, ist unsicher (Bd. 2, 236), eine Zweig-
strasse nmss sie sein wie diese. Das Verzeichniss kennt also
zwischen porta Flammia und Portuensis nur eine Hauptstr^se,
die Aurelia, und zwei anderweitig als hierhergehörig bekannte
Zweigstrassen, die Cornelia und Triumphalis. Es steht nun
nach den Itinerarien fest, dass diese eine Aurelia, deren
Alter- und Erbauer wir nicht kennen, nach Centumcellae und
weiter bis nach Genua lief. Es ist deshalb mit Recht an-
genommen worden, dass die Bezeichnung vetus et nova nur
von dem Auslaufen der Strasse aus der Stadt verstanden
werden könne. Der Neubau muss vor Antoninus Pius ge-
^
§ 6.] DIE AURELUNISCBE MAUER. 379
sehehen sein (A. 50). Man nimmt j^tzt ferner, wie eg
scheint, allgemein an, die vetm sei Ober das Janiculum ge-
lafafen und habe die Errichtung und Benennung der forta
Aurdia bedingt, die nova von der Engelsbröcke aus durch
Porta Cavallegieri; beide bStten sich jenseits des Janiculum
Täreinigt. Es scheint, dass Funde alten Pflasters in den er-
wähnten Richtungen den einzigen Anhalt für diese Ansicht
bilden, dazu die Erwägung, dass eine Strasse nach Centunir*
cellae ursprünglich kaum anders als über das Jadicolüm ge-
führt werden konnte, sollte sie sich nicht von der Campana
am FIuss abzweigen, und dass nach Erbauung einer der
beiden Brücken in der Nähe des Vafticans zur Vermeidung
der steilen Steigung üfber den höchsten Punkt des rechts-
seitigen Höhenzuges eine zweite Strasse bis jenseits desselben
angelegt wurde. Innerhalb der Stadt hat man eine alte
Pflasterung in der Richtung von P. S. Pancrazio nach Ponte
rotte geftinden: diese hi^ man für die vetas, die also auif
dem linken Ufer aus porta Flumentana ausgelaufen sein
würde. Indessen müsste dann Ponte rotte nicht, wie wir
annehmen, pons Probt sein. Dass in späterer Zeit eine Strasse
auch zu dieser Brücke geführt haben muss, versteht sich von
selbst: die Awrdia aber konnte über die Insel oder über den
pwu Awrüm$ laufen, lieber die Cornelia und Triumphalis
unten"). ■ — Wie unsicher also auch die topographische Be-
^ Soviel ick weiss, beruhen die Ansiehten der Neuereii (ich kaoB
GaniatB Etraria marittina jetzt leider nicht benutzen, indessen hat er
seine Ansidit in der Indicaziene S« 599 f. kurz angegeben) über die
Verzweigung dw beidev j4urdiae jenseits des Flusses ledigHch auf
Fufaretti (A. 49). < Den Brbaner der Aurdia kennen wir nicht. Fa-
bretti S. 43 argnnentirt so: sie sei sehr alt (?), habe also nur über
den pen$ siMcius fuhren körnen; diesen hUter für Ponte rotte i *dum
htoe rectum tritiimqne in Btrurian maritimaia* iter conspicimus, ut ex^
eavatio inter viUam Marehionis de NobiÜbus et coeniHiiiim S. Petri in
Monte anreo et novissima viae sfliee stratae ezinde yersus eeelesiam
mosiaiinm SS. Cosmatis et Damiani ipsumqne sublieium tendentis de-
teetio aperte doeent.^ Diese Strasse' hätten sehen die Vestalinoen, als
sie nach Caere flüchteten, eingeschlagen uod diese Aurelia sei also
380 THEfL L
fttimmung der beiden AureUae ist, so ist es doch unleugbar,
dass die Benennung der honorianiscben' parta Äwrelta von
der via Äurelia vetus im 5. Jahrhundert die grösste Wahr-
scheinlichkeit hat, und dass demnadi, wenn Prokop ina 6.
Jahrhundert dieselbe nur mit dem Heiligennanken, die paria
S. Petri aber, welche mit der via ComeUa in Verbindung
steht, Äurelia nennt, dieser Name in jener Zeit wegen der
stärkeren Benutzung der bequemeren via Aurelia nova in
Aufnahme gekommen sein muss. Ich mache endlich noch
darauf aufmerksam, dass das vorliegende Quellenmaterial noch
nicht gestattet zu entscheiden, (d), wie zu erwarten wäre, die
über den Tiber führenden Strassen wie alle übrigen von den
Thoren der servianischen St^tmaner ihre Meilen gezählt
haben ^%
Auf dem Jünken« Ufer muss die Mauer gegenüber dem Ende
auf dem rechten wied^ begonnen und sich bis zur parta
Flamma fortgesetzt haben. Die Einsiedlef Beschreibung giebt
uralt (Liv. 5, 40 CIL 1 p. 285 Elog. XXV ^ ÖL 6, 1, 1272). Aber
die Bestimmung des pons sublicüis ist falsch (§ 7), eine von dem wah-
ren pons suhlicius über das Janiculum führende Strasse muss allerdings
alt sein. — Strasse von Porta S. Pancrazio über Ponte rotte (Forum,
Snbnra) nach Porta nuggidre beschrieben iin Eins. hin. tk* 6 (Bd. 2, 193).
M) Vgl. oben S. 334« Die Kirehe S^^Pancrazio liegt Hof 4er hen-
tigeo Strasse^ mag man sie über Ponte rotte oder über die Insel füh->
ren, etwas über 1"% Miglien vor dem in Betracht kommenden Thore
der servianischen Stadt, der Flumentana (§ 3 A. 75): dazu stimmt die
Angabe des Liber pootificalis A. 52. litr Arvalenhaio (ia der Vigna
Ceccarelli) liegt an der via Campana^ nach. Henzen jenseits des 6. Meilen-
steins vor poria Portumuis (idi messe bei Holtke wie anf der fvan-
zesischen Generaktabskarte nur 4^ vor poirta Portes«^ 4^ vor der
Porttienns).; es müsste also die «. CampemtL ihre Meilen Von dem Punkt
der Abzweigung von der b ^üter eh PoHuentis an gezahlt haben, da ja
die parta Portuensis zu jenier Zeit nicht existirte und auch später die
Meilen stets von den aUen (serviaaisehen). Thoren gezahlt worden
sind. Das zweibogige Thor (bben A. 45) würde also an der Stelle der
TrennuBg errichtet worden sein. -^ Noeh unsieherer steht es mit der
Zählung der ComeUa (unten)* — Die jiemiäia zählte als Fortsetzung
der Fiaminia die Meilen der letzteren weiter (Mommsen Staatsrecht
2, 997).
§ 6.] DIE AURELIAiNföOHE MAUER. 381
ihr Tom Fluss bis mr Brücke von S. Petor (1200 M.) 9
Thurme 489 Zinnen^ ron ^ »ach der porta Flaminia (1600
M.) 16 Thurme 782 Zinnen. Wir erhalten also ab Durchs
schnittsabstand der Thurme auf der ersten Strecke 133, auf
der zweiten 100 M^ als Durchschnittsgr^sse der Zinne dort
% 4y hier 2, 0: d. h. die Thurme standen auf der ganzen
Streck« um das fünf- und vierfache so weit wie gewöhnlich.
Die ZiBiienbreite ^ifernt sich auf der zweiten Strecke nicht
unbedeutend von der normalen. — Prokop beschreibt zwei-
mal die Mauer zwischen der Engelsbrucke und der Porta del
Popolo fast mit denselben Ausdrucken: man habe sie wegen
des vorbeifiiessenden Stroms für kaum angreifbar gehalten
und daher in der Regel schwach besetzt. Aber an der zweiten
Stelle fügt er noch bestimmter hinzu: sie sei nachlässig ge-
baut gewesen, 'niedrig und ganz von Thurmen entblosst'.
Wer nun annimmt, dass .diese Worte buchstäblich richtig
ajnd u^d vo9 der Brücke his dahin, wo die Mauer den Fluss
verliess, in der Mitte des 6. Jahrhunderts kein Tfaurm
stand, hat der Einsiedler B)sschreibung gegenüber die Wahl
zwischen zwei Möglichkeiten : ist sie, wie wir annehmen, alten
Ursprungs, so. müssen zwischen 403 und der Zeit Prokops
16 Thurme spurlos vensehwunden sein; ist sie mittelalter-
lichen Ursprungs, so müssen zwischen dem 6. und der Mitte
des" 9. Jahrhunderts 16 Thurme ganz neu erbaut worden
sein. Mir scheint das Eine ebenso unmöglich wie das Andere.
Wer sollte w(dil gerade . an der 'schwer angreifbaren' Fluss-
Seite alle Thurme zerstört haben, so dass von ihrer Existenz
keine Kunde blieb? Aber wie ist es andererseits denkbar,
dass, während der Restaurationsbau, durch welchen unter
Leo IV. 15 Thurme im ganzen Umfange der Stadt
wieder heirgesteUt wurdet, .YOi\ den Geschichtsschreibern der
Curie wie alle Bauten der Päpfste mit grös&ter Uhiständiich-
keit beschrieben wird, der Neubau von 16 Thürmen an der
Wasserseite, d. h*. die Herstellung eines ganz neuen Ver-
thßidjgungssystems, von ihnen gar nicht erwähnt worden sein
sollte? . Noch mehr: sollten wirkUch die Erbauer der Enceinte
382 Tii£'^ I • '
eine Strecke yqH' IjßOO H.,ain Fluss guiz ohne Tburme er-
baut haben, während sie, die ent^prectieade Sirecke unterhanb
der Stadt, mit Thurmen versahen, aber, wie die Natur der
Sache es mit sich brachte, die Bistaneen derselben unge-
wöhnlich weit nahmen? Diese Grfinde machen es mir un*
möglich, die Worte Prokops . als eine buchstäblich richtige
Beschreibung der Mauer zwischen der Engelsbrücke und der
Porta del Popolo anzusehen« Obwohl ich nun eine .genügende
Erklärung des scheinbaren Irrthums nkbt geben, kami, so
muss doch hervorgehoben werdem, dass die stilistische Zer-
fahrenheit des Prokop wohl geslattejt, eine ungenaue V^all-
gemeinerung des nur für einen Tbeil jener Mauerstrecke zu-
treffenden Ausdrucks anzunehmen '^^).
^^) Maa betrachte die ganze Geschichte bei Prokop Gotfa* 2, 9
S. 183 im ZusammenhaDge: Vitiges versacht vergeblich die porta Pin-
eiOTid ZQ nbermmpeln^ darauf ersinnt er neue List gegeA den n^QfßoXog:
7Ut\ fjv yaq us «vr^ Intfiuxoi fictliara fjtcH^^ tji tov Tfßi^t^o^ 17 ^«^
iatiVf . Inel tccvjti ol nalai 'Puf(LialQi (A« - 65) ^qawhni^, rov vi^fxxos
7^ 6xi'Q(ifi(XTi TÖ leT^os änrjfiilijfi^vüßg iöeifunno^ ß^X^ ^^ avro x«l
nvQy(ov €Qrj(4.ov TtavTanuai, notriaa/^evoi ^^ov h&ivöe ijXmCs
rriv noXiv alqriaeiv. ov^k yoiQ ov^i tl (fvXaxrrJQiov Xoyov a^iov iv-
ruvd-a UTvxfjxev elvac. So Diadorfs Text ohne Konstruktioa und Iiter-
pnnktion. Vielleicht ist vor ^ifav etwas ansgefaUen. Ob fiQciX^
(niedrig) Tf avxo xal n. L richtig ist, kötq^e auch bezweifelt werden:
ist es richtig, so heisst freilich nvQytov i. n, ebenso ^ie av^qwv L n,
(S. 28, 8) *ganz leer an'. Weiter wird erzählt: zwei Römer, welche
bei S. Peter wohnen, werden bestimmt mit Wein Nachts naqa lovg
ixaCvTji (f'^ovQovg zu gehen und in denselben einen Schlaftrunk za thun.
Der Feldherr selbst harrt äxctjov^ X&d^(^ iv t^ ir^ip^ ^X^ ^^ Ttt^a'*
axiv^ TtoiTjadfievoc um, wenn die WlM^hter schliefen, auf ein Zeidien
Svv xXifiafi tov notafjLOV ^vaßaCvQtmag, Tqv l^£&e0iV i^ negtßoXip
noii^Gaad-ai. Aber der Plan wird verrathen.' Ganz ähnlich schildert
er in der A. 61 erörterten Stelle die Mauer, scbweigt aber über die
Thurme. Aber wo wurden die (fiivXttxt^^ta untergebracht? — Jeu«
Stelle 'besonders' soll aaeh Gott S. 11 (s. A. 49) beweisen, daas die Mauer-
beschreibung, mittelalterlich sei: sie könne ja aus den 'päpstlichen Ar-
chiven' stammen. Aus diesen Archive;! stammt z. B^ die Nachricht über
Leo IV: XF' a solo turresy quas fundäus dirutäs repperU, novis fabri-
6U restaurari praecepit (Liber pont. Leo IV c. 38, 3 S. 90 Vign.)
Während es nieht für nöthig befunden worden ist eine der vorliegenden
§ 6.] DIE AURELIANISC^E MAUER. 883
Mauer • und Thdrme seheiaen l^jei Galegenheit des Ab-
bau^es des Marsfeldea zerstört worden za sem: eine unsichere
V^nnuthuQg. bezeicboet 'Tor di Nona' als einen der alten
Thorme. WieTid etwa von den allentbaUien längs des Ufers
sichtbaren Resten Ton Ziegelmauern d«n Fundamenten der«
selben angehört, ist noch nicht genOg^^d uatersucht. — Die
Einsiedler Bescbreibang zahlt femer auf dem linken Ufer vom
Tiber nach der Petersturucke 2, von da nach p» Flaminia 3
^Pf Örtchen' (p^st^rulaet mittelalterlich po^emae Bd. 2, 167),
welche, also hi Friedenszeiten ilie Kommunikation, mit dem
Flass unterhielten. Eine der beiden des ersten Abschnitts
scheint bei $S. Faustina e Giovtta zu suchen und hiess
im Mittelalter po$tenda de Epmofo^ die zweite hat man bei
SS. Giovanni de' Fiorentini vermuihet: jedesfalls hat die
neronische Brücke, zu der sie 4aw gefuhrt hätte» im J. 403
langst nicht mehr bestanden ($ 7). Von den drei des zweiten
Abschnitts kennt man zwei mit ihren mittelalterlichen Namen,
postervfo jSL Agathas und f. a Pifm^ beide unterhalb der
beutigen ßipetta, die dritte nicht '^).
Während die übrigen 2!ur Zeit der Anlage der Befestigung
ähnliche ßtschreihvog 4w Mauer der civüat Leonina zu eatwerfen
(Bd. 2, 160 f.), sollten bei Gelegenheit einer stellenweisen Restanration
der alten Mauer die Zahlen der Zinnen von Thor zu Thor festgestellt
worden sein? Die übrigen Beweise muss ich abwarten.
W) Heber die nvlidig Prokops AÄ. 20. 23. — lieber die posferula
qu€ voeatur de Episcopa {Utk. v. 1^12 Gralletti Primic. 244 vgl. 81)
vgl. Nibby IL «. 1, 137, — Dnrdk die posterula S. ^gathae drang bei
Ueberschwemmungen der Fluas in das Marsfeld und ergoss sieh nach S.
Lorenzo in Lucina: Liber pont. Sergius IT c. 22 (3 S. 51), Nicolaus c.
15 (3 S. 178), ßenediet III c. 23 (3 S. 159). D«eseU)e und die p. a
Pigna cum ecclesia S- ßfasii nennt die Bulle Agapets v. 955: worüber
Nibby a. 0. S. 138. — Der Ordo Benedicti nennt auf dem Wege zur
Engelsbrücke i^. Trifenem iuxta posterulas (Bd. 2, 665), welche Kirche
nach Galletti Priraic. 166 'ora e incorporata nella gran fabhriea di S.
Agostino\ — Einige wohl erst später gebrochene und dann wieder ver-
mauerte Pfdrtchen beschreibt Nibby Mura (S. 320. 341. 344. 356). —
Uebrigens höre ich, dass von Gorvisieri eine gelehrte Arbeit über die
posterulae zu erwarten ist. •
3g4 TBBIL 1.
existirenden Flussöbergänge des Stadtgebiets — Ponte Sisto,
die InselbröckeD' und Ponte rotto — innerhalb der beim
Eintritt und Austritt des Flusses durch besondere Vor-
kehrungen geschätzten Befestigung lagen, führt die Brücke
Hadrians ungedeckt auf das rechte Ufer. Aber es bot sich
in einer Entfernung von 35 M. von der Brücke, genau in
der Axe derselben liegend, das Grabdenkmal des Hadrian mit
seinem quadratischen Unterbau von 90 X 90 M. Grundfläche
und dem auf demselben stehenden, die Stadtmauer hodi
überragenden cy]inderf5rmigen Oberbau, eine fertige Bastion
von solidester Konstruktion als natürlicher Brückenkopf dar
und wurde, wie andere Grabdenkmäler, ein Theil der Be-
festigung. Wie dies geschehen sei, beschreibt Pxokop deut-
lich: das 'ausserhalb des aurelischen Thors' stehende, * einen
Steinwurf von der Stadtenceinte' (des linken Ufers) entfernte
Denkmal wurde mittels zweier 'von der Enceinte bis zu dem-
selben reichender Befestigungen' zu einem Theil der Stadt-
mauer gemacht und glich so einem hohen '|dem dort befind-
lichen Thor vorgelegten Thurme\ Da sich zwischen der
Enceinte und dem rechtsseitigen Fort mit seinen beiden
Schenkelmauern der Fluss und die Brücke befinden, so muss
wohl auch hier durch Eckthürme auf beiden Ufern die
Deckung des Flussübergangs und Sperrung des Flusses her-
gestellt worden sein. — Genaueres erfahren wir durch die
Einsiedler Beschreibung. Nach derselben befanden sich —
wie man auch die Stelle abtheilen mag (unten) — 'am
Hadrianium 6 Thürme 164 Zinnen* und die entsprechende
Anzahl Fenster"). Die normale Zinnenbreite von 2, 50
^) Prokop 1, 22 S. 106: Mqutvov rov ^Pvifiattov avToxQaTOQoc
tonfog ?|(ö nvXfjg AvQijlCttg iaxlv anix^v xov niQtßoXov otfov
Xt&ov ßolTjv, ^iafitt, Xoyov a^iov. TtiTiodjTai yaq ix Xi9ov UaQlov
xa\ ol XiS^oi ig aXXi^Xovg fiefivxccaiv ov&^v SXXo ivrog ^x^vrsg. nXBv^al
T€ aifTov Tiaaaqig etotv tffai ttXX^Xatg, ivQog fiiv axs&ov Tt ig
Xld-ov ßoXfjv ix dar 71 ?;foi;(ra, firjxog &h VTiho t6 tr^g noXicag reixog.
aydXfima dk äv(0 ix Xi&ov etal rov avtov dv&QtSv re xal tnntov Stcv^
fidaia oia, tovtov ^tj tov rdfpov ol ndXai avd-qontoi {(.66x€i yctQ rjf
noXii innsCxiOfia elvai) rsix^afiaat dvo ig avtbv an 6 tov nsgiflo-
§ 6.] DIE AURELIANISCHE MAUER. 385
setzt för den hier beschriebenen Abschnitt der Mauer eine
Lange Ton 390 H. voraus. Nun war noch im Ausgang des
Mittelalters, wie früher ausfuhrlich gezeigt worden ist (Bd. 2,
430 ff.), der quadratische Unterbau des Grabmals mit 4
Eckthürmen und Zinnen versehen. Nimmt man an, dass
jene beiden Schenkelmauern in gerader Linie als Verlange«
rangen der Ost« und Westseite des Unterbaus bis zum Fluss
liefen, so wurde die Befestigungslinie dieses Aussenwerks eine
Länge von 340 M. gehabt haben. Die wahrscheinlichere An-
nahme, dass sie in ausspringenden Winkeln oder stromauf-
und stromabwärts weiter ausgreifend ein grösseres Vorterrain
deckten, nähert dieses Maass dem geforderten noch mehr.
Waren ferner jene 4 Thärme an den Ecken des Unterbaus,
wie es sehr wahrscheinlich ist, ebenfalls alt oder auf alten
Fundamenten wieder hergestellt, so bleiben uns noch 2 von
den in der Beschreibung aufgeführten 6 Thürmen übrig und
wir dürfen sie als Eckthürme gegen den Fluss betrachten.
Jede Schenkelmauer wäre also von 2 Thürmen in der nicht
ungewöhnlichen Distanz von 35 M. gedeckt worden. — Das
Bild, welches wir uns aus der Einsiedler Beschreibung von
dem Brückenkopf der Engelsbrücke machen können, stimmt also
zu der Beschreibung Prokops, wie zu erwarten war, sehr gut.
Allein weder die eine noch die andere giebt ein direktes
Zeugniss darüber, wo das Stadtthor gestanden hat: wir sagen
das Stadtthor, denn allerdings beweisen beide (über die
Einsiedler Beschreibung A. 62), dass nur eins an dieser
Stelle gewesen ist. Die Schwierigkeit aber besteht darin, dass»
Xov dtfixovai fiäQos elvtti jov x^Cxovg nenoCrp^ai, ^oix€ yovv nvqy^i
vy/ijl^ nvXirig jijs ixelvrji nQoßeßXrifi4v(^. — Eins. Beschr. 18
(Bd. 2, 580): in Hadrianio sunt (s. A. 62) turreg FI fropugnacula
CLXIIl fenettrae u. s. w. — Der Ausdruck ot ndXai ävd^^noi eot*
scheidet nicht, ob Aurelian, Probns oder Honorius das Vorwerk ange-
Ufß hat (A. 66). Kein Grund gegen die Anlage unter Aurelian ist,
wie schon Büchner a. Oi S. 198 f. richtig bemerkt, dass das Hadria-
nmm ein Grab ist (s. jetzt A. 10): für die ursprüngliche Anlage spricht
der hervorgehobene Umstand, dass der Schutz der Flussübergange zu
dem Befestigungssystem gehört.
Jordan, rOmiBohe Topogpraphie. I. !• «^
38e THBIL I.
wenn das Thor in der westlichen Sdienkelmauer stand, nicbi
allein die Ausdrücke Prokops^ clie Engelsburg stehe ^ausser-
halb des aurelischen Thors' und sei 'ein demselben vorge-
fegter Thunn' unverstandlich «ind, sondern auch die wunder^-
lielie Annahme nothwendig wird, dass der Zugang zur Brücke
von der Stadt her der Sache nach ein die Maner durch-
brechendes Thor ist, ohne als solches angesehen zu werden ^^).
Dann bleibt die Auswahl unter zwei Möglichkeiten: entweder
war eben dieses Thor am Eingang der Brücke die portä
Awrelia, oder aber es stand am Ausgang der Brocke und
die Yerbindungsmauem der Engelsburg hatten Anschluss
an seine Thürme^^). Die Angabe Prokops, dass das Grab-
^) Die Ausdrücke Prokops sisd A. 57 «sgefUhrt and von Bachaery
welcher das Thor auf das rechte Ufer an den Anfang der Brücke setzt,
a. 0. S. 197 richtig beartheilt. Gott, welcher das Thor in der Schenkel-
mauer sucht, muss den Ausdruck i^o) nvlrjs uivgrjXiag trotz alles Dre-
hens -und Wendens für ^vitios' ^klären.
^) Mit Unrecht sagt Büchner a. 0., dass der Ausdruck des Aethi-
eus, (der Plnss) mtrai p6r fortam S. Petriy für das rechte Ufer 'e^t-
scheide ' (A. 61), bemerkt dagegen richtig, dass die Annahme, das Thor
habe auf dem rechten Ufer an der Brücke gestanden, nicht durch die
Gegenüberstellung der nvlri vtiIq tov norafiov (S. Pancratii) bei Pro-
kop 1, 23 S. 107 ausgeschlossen wird. — Mittelalterliche Zeugnisse:
Ordo Benedicti n. 4 (Bd. 2, 664 ff.): transienr onAe S, Trifontm wxU
Posterulas usque ad pontem Badrianumy intrat per poniem ei
eüpü per portam ColUnam ante templum est castoüum Hadriwii, Diese
Stelle würde für das 12. Jahrhundert entscheiden, wenn die durch-
gängige UebereiustimmuDg von pseudoantiken Namen in dieser
Urkunde und in den Mirabilien , auf welche ich früher nicht
gemerkt habe, nicht allerlei Zweifel veranlasste: die Mirabilien
nennen die porta CoUina ante castellmn Adriani. Dann die schon
Bd. 2, 430 angezogene Urkunde Von 984, in welcher es nach
Coppis Druck (Diss. dell' ac. pont. 15, 299) heisst: medietalem de terra
sementarida posüam foris porta beatf Petri apostoii .. .. (so)
parietinas que appellardur centucellas hco qui vocatur staCnello et intra
affines ah uno totere terra de loharmes tJlfft' g-enitori tito et a secund»
et tertio vet quarto latere parietinas ahtiquas et via que ducit ad prata
Dleronis et ad porta beati Petri ctpostoU. Entscheidend ist die Stelle
bicht, ebensowenig, soviel ich sehe, die Geschichte der BelageruDg des
Desiderius im Liber pont. Steph. III c. 29 (2 S. 157 Vign.).
§ 6.] DIE AÜRELIANIßCttE MAUER. 3g7
mal ausserhalb das Thors einen Steinwurf von der 'Eneeinte',
»also der «linksseitigen Mauer stehe, ist auffallend. Es i^tebt
van der finceinte 135 M., während auch die Seile desselben,
welche 90 M. lang ist, ^ungefähr einen Stein wurf lang ge«
nannt wird. Stand nun das Thor: am linken Ufer, so hätte
aUeräings ein korrekt schreibender Sehriftsteller die Ent-
fernung von dem eben genannten Thor, nicht von der En-
eeinte, angegeben, und so scheint der Ausdruck für die Lage
des Tbdrs auf dem rechten Ufer zu sprechen: aber man
fragt nun erst recht, warum nicht die Entfernung des Grab-
mals von diesem Thor oder vom Flnssufcr bemessen wurde.
Ein mittdaUerliches Zeogniss aus dem 12. Jahrhundert giebt
die Lage der ^porfa Collina^ unzweideutig auf dem rechten
Ufer an. Aber das Zeugniss selbst entscheidet nicht für das
6. Jahrhundert. Beide Annahmen aber versetzen uns in die
Lage, einen nicht als Stadtthor geltenden unbenannten Aus-
gang in der westlichen Schenkelmauer anzunehmen: denn
nur ein Thor wird hier genannt. Ich halte demnach keine
der beiden letzten Annahmen für erweislich richtig, die erste
för onmoglicfa. Es wird trotzdem nützlich sein, die beiden
HttupDquellen noch einer genaueren Analyse zu unterziehen.
Die Belagerangen der Stadt, wekhe Prokop beschreibe^
haben durchgangig das Ziel, die Thore gewaltsam oder durch
List zu öffnen. Nur ausnahmsweise glaubt der Belagerer
eine besonders schwache oder schwach besetzte Stelle der
Enceinte ersteigen zu können. Die Beschretbung des Angnffs
gegen das aurelisehe Thor?^ wird durch die bereits erörterte
Beschreibung der hier ganz einzigen Vertheidigungswerke ein-
«•) Prokop 1, 22. Auf eine detaillirte Beurthcilnng der abweichen-
den Ansickten verzicbte ieh; am klarsten spricht über die selbst weni^
klare Darstellung Becker S. 196 f. Bedenken geg^en den Text zn erhe-
ben, ist b^i dem jetzt vorliegeodea Zostand desselben mtsslich, die
TOB GÜtt a. O. benatzteo hs. Hilfsmittel ändern an 4er vorliegenden
BesebreibiiDg, wie es sdieiot, Nichts. Abskhtlieh unterscheide idi im
Fel^eaden ^ennsQfßoloc^l» 'Enoeinte' von den nicht immer in gkieher
Bedeutung gdnranehten Wörtern rei^or, ti^tafjut, ^filaner', ^Befestigung'.
25*
388 TBEIL I.
geleitet Dann folgt die Erzählung der Angriffs- uad Vcr-
tbeidiguilgsQperationen. •— Bolisar ertheilt zunächst dem Kom-«
mandanten der EogelslHirg den Befehl, ' dass er auch d i e
sich anschliessende Mauer, welche nur eine schlechte
und kaum nennen» werthe Besatzung haite, v^rtheidigen solle.
Denn da* auf dieser Seite die Enceinte am wenigsten anp*eff-
bar war, weil der Strom daran vorbeifloss',. so hatte er sie
— er wiederholt sich hier oder der Text ist interpolirt —
'nut einer kaum nennenswejrthen Besatzung' versehen. Fast
mit dendelben Worten scfaüdert er anderwärts die links-
seitige Mauer zwischen der Brücke und dem fla-
natinisehen Thor: es ist also sicher,, dass hier der Theil
der Enceinte gemeint ist, derv an der Brücke beginnend, sidi
stromaufwärts zog^^). Der Kommandant nun hört, der Feind
wolle 'einen Flussübergang versuchen' und begiebt sich des-
halb scbneU mit einem kleinen Trupp nach dem bedrohten
Punkt, die Mehrzahl erhielt den Befehl, 'das Thor und das
Grabmal' zu bewache. 'Da greifen die Gothen das aurelische
Thor und den Hadriansthurm an, ohne Geschütz aber mit
Leitern und einer Menge Bogenschützen', und zwar gedeckt
durch ihre riesigen Schilde, 4ind 'die Halle, welche nadi der
Peterskirche fuhrt". Sie machen sich daran, die Mauer zu
ersteigen: sie beschiessen die Zinnen und greifen das Grab
von drei Seiten her an. Aber sie werden zurückgetrieben:
denn man hat die Marmorstatuen auf dem Grabmal zer-
trümmert und schleudert die Stucke auf die Angreifer herab.
In diesem Augenblick erscheint der Kommandant, 'nachdem
er diejenigen^ welcbe den Flussübergang versucht, zurück-
geschreckt und leicht verjagt hatte, weil dort die Befestigung
nicht so vollständig, wie der Feind geglaubt hatfe, unbewacht
geblieben war. 3o blieb man beim aureUschen Thor sicher;
' 1 1*11 IM II ■ i4 > I
. ^) 'Das8 die (pvXaxti tau t^ixovg tov i^oftivov (107, 11) sieh aof
Aw Mauer stronnnfwärtB bezieht^ beweist die folgeDdefieschreibuiig
dieses uixo^f vgL A. 55, mni des versuchte« Btromäbergaiig«^ der in
näelister Nähe der Brücke dodi< schwerüob -stiittfiDdeo fconote. Richtete
9t, sioh'gegdn die Brficke, so oniisste diese ärwIAat werden.
6.] DIE AUREL1AMSCHE MAUER. 3g9
der Feind aber wandte sich nach dem Thar jenseits des
Flusses, dem pankraziscben\ -^ Es ist also klar, dass die
Belagerer in zwei Angriffskolonnen gegen das aürelische Thor
vorgehen: die eine versucht dasselbe mit seinem Vor'-
i^erk in der Front zu stÖrmen, die andere durch emen
Str(Kmübergang oberhalb der Brücke und Ersteigung der links^
zeitigen Hauer in den Rücken desi^elben zu gelangen, um
es vo:n innen zu Offnen, wie dies Ihnlieh mit dem
ofttiensischen Thore versucht worden ist Die ganze Er-
zählung ist a)so mit der Annahme vereinbar, dass das Thor
auf dem linken Ufer gestanden hat Doch ist eis auflallend,
dass darin der Brücke mit keinem Wort gedacht wird.
Die Einsiedler Beschreibung, deren genaue Angaben über
den Zustand des Forts auf dem rechten Ufer wir kennen ge-
lernt haben, besehreibt die Enceinte von dem * Petersthor'
ausgehend und zu ihm zurackkehrend. Ihr erster Abschnitt
ireicht vom Petei^hor nach dem ilaminischen; von da führt
sie von Thor zu Thor, zwischen dem ostiensischen and
portuensischen wie zwischen dem aurehschen (pankrazi^chen)
und ihrem Ausgangspunkt nennt sie den Fiuss. Sie nennt
ihn nicht wieder, wo wir es erwarten, sondern beschreibt
nach nochmaliger Nennung des Petersthors das Aussenwerk.
Spradilich wie sachhch unmöglich ist es, aus der durch di6
Sonderstellung dieses Werks gerechtfertigten besonderen Be-
sehreibung die Erwähnung eines ^ Petersthors* und eines
* Petersthoi's am Hadrianum' herauszulesen:^^) keine An-
B') Die Us. hat nach dem 1&. Abschnitt a flümine Tiberi usqut
ad portam Sei Petri, wie ich Bd. 2, 580 oach Dochmaliger Einsicht von
Mommsens CoUation angegeben habe: PORTA SCI PETRI \ (d. hr.
Zeilenschluss) IN HADRUNld sunt turres FI ppg. CLXIIII (das
Folgende fortlaofend) , was GStt (8. 2. 10 f.) ni<iht gelesen zu haben
si^heiiit; d. b. der Schreiber d6r-Hs. selbst theilte so ab, wie ich S.
167 vorschlug r Pwia S. Petri\ in Hadrianio sunt . . . Dass, wenn maii
nach Hadrianio interpungirt, iunf tiirres . . (wo denn?) sinnlos ist
und dass el»en deshalb PORTA S, PETRI als bcgreiflfche Wieder-
holung des Ausgangspunkts (vgl. A. 65) zu betrachteb' fst, habe ich
a. 0. gesagt and habe d^m- Nichts hiflzazurdgfin. -^ Die'Uebereinstim-
390 THBIL I.
deutuDg giebt es son»t, welche für ein solcbeft Doppelthor
und gar für einen solchen Doppelnamen spräche. Die ans
derselben Quelle abgeleiteten ThorT^zeichnisse kennen an
derselben Stelle nur ein Thor und bezeugen ausdrucklieb,
dass dies Thor bald Cornelia bald 5. Petri hiess ; nur ein» er-
wähnt Prokop selbst und nennt es Aurelia und wir dürfen
aach dem oben Gesagten an d^ Identität der Ci^meUa-Aurdiüi
nicht zweifeln. Wenn aber in der That hier nur ein Thor
vorhanden war und dasselbe in der Schenkelmauer nicht
gestanden haben kann, so bleibt, soviel ich sehe, wieder nur
die Annahme übrig, dass es auf dem linken Ufer stand und
diese Annahme scheint die Einsiedler Beschreibung geradeza
zu fordern.
Wir haben daher auf die Frage, wie der Ausgang nach
dem Yatican zu denken ist, nur zu antworten, dass derselbe
als Stadtthor nicht betrachtet wurde und finden eine Be-
stätigung dieser Meinung gerade darin, dass der Angriff der
Gothen gegen das 'Denkmal und das Thor' gerichtet wird und
dass in der Beschreibung des misslungenen Sturms selbst des
Thorbaus gar nicht, wohl aber der bis an das Aussenwerk
reichenden und die Angreifer deckenden Halle gedacht wird ^').
— Auf dem linken Ufer stand unmittelbar an der Brücke^
vielleicht also ähnlich wie der Drususbogen hinter Porta S.
Sebastiane^ der Triumphbogen des Gratian Yalentinian und
Theodosius, wahrscheinlich nicht weit von ihm der nur zwei
Jahre nach der Einweihung der honorianischen Mauer dem
Honorius xmd Arcadius geweihte, wie die von ihnen restau-
rirten Thore mit ihren Bildnissen geschmückt ^^).
mui^ der Thorverzeichniise ist schon hervorgehoben worden. Ueb#r
CoUina s. S. 351. •
9*) Prokop S. 108 9 8: vno yoQ j^- m^ x^vnzofievot iXa^opi
^ is tov IHtqov tov anoaxoXov vsmv <f»}}9(&. Dieselbe portious er-
wähnt der Ordo Benedicti 4. 5 (Bd. 2, 665). Bachner meint «. 0. S. 197
es habe eine nvX^ hinaasgefilhrt, die porta S, Peiri in Hadriamo. In
den von ihm angezogenen Stellen des Prokop S» 131. 145< 148. 150.
152 finde ich keine Andeutung derselben.
^) Der Anonymus der Einsiedler S«mmlang las (n. 7) <in «rcn
§ 6.] DIE AURELIANISCHE MAUER. 391
Born, die kaiserliche Reflid€nzstadt, das Haupt d«rWeU),
bot im 6. Jahrhundert im Ringe seiner Bfsfejstiguiig, welche
schon damals als das Werk der 'Alten' bezeichnet wurde,
das neue Bild der Hauptstadt der christiiefaen Welt dar^^).
Strahlenförmig fihrten aus seinen Thoren die alten Strassen
an den verfallenden Gräbern der heidnischen Zeit hinaus zu
zu den 'Ruhestätten' und Grabkirdien der Märtyrer, weicli^
den Thoren ihre Namen aufdrängten. Es erschien besonders
bedeutsam, dass der Strom in die Stadt trat, wo es zum
Grabe des Apostels Petrus, dass er sie verliess wo es zum
Grabe des Apostels Paulus hinausging ; auch äusserlich kenn*
zeichnete sich dieser Parallelismus durch die Hallen, welche
zu jenen Gräbern von den Thoren führten und welche von
der Menge der dort verkehrenden Gläubigen Zeugniss ab-
legen. Es ist daher kein Wunder, dass, während das Staats-
intus Romae' die Inschrift v. J. 405 (CiL 6, 1, 1196): impjp. clernen-
tissimis fdicissimis toto orbe victoribus ddd. nn[n] Arcadio Honorio Theo-
dosio Auggg\ ad perenne indicmm triumpho[rum]f quod Getarum natio-
nem in omne aevum doc[u]ere exti[ng^i\f arcum simulacris eorum tro^
paeuque dec6rQ\tu'm] s. p, q. r. totius operis splendore . . . und ^io arcu
proximo ponte Petri' die andere (das. 1184): imperatores Caesares
ddd. nun, Gratianus Falmtimanus et Theodosius Pn FeUces semper
Auggg. arcum ad eoncludendum omne opus porticuum maximarum
aetemi nornmis sui pecunia propria fieri ornariq{ue) iusserunt. Die
Stelle des letzteren ist durch die gleichzeitigen Angaben des Ordo Be-
nedict! und der Mirabilien an der Brücke und bei S. Orso (S. Giovanni
de Fiorentini) sicher (im CIL findet man statt dessen die Paraphrase
der Mirabilien, den Anonymus Magliabecchianus citirt), die Annahme
der Stelle des andern in nächster Nähe jenes beruht nur auf einer
wahrscheinlichen Kombination von De Rossi Le prime raccolte S. 121.
lieber beide das Genauere Bd. 2, 413 f. Zu bedenken ist doch, dass
das Eins. Itinerar auf dem Weg von der Bfücke an nur einen Bogen
nennt, lieber die porticus maximae Bd. 2, 7 u. Th. IL
^^) Die Erbauer des neQißoXog heissen im Gegensatz zu Belisar ol
naXat 'Pio/natoi (Goth. 2, 8 S. 183) oder ot ndXai ävd-Q(onoi (1, 22
S. 107), was dadurch nicht an Bedeutung verliert (wie Buchner S. 198 f.
meinte), dass dieselben Ausdrücke auch von den Erbauern des Viva-
rium (2, 1 S. 145) und der vaticanischen Vorstadt (2, HS. 187) ge-
braucht werden.
892 THEIL L
handbuch aus der Zeit Constantins des Grossen die Heer-
Strassen von der ältesten und zugleich der ^Königin der
Stras8en\ der appischen, ausgehend, aufzählte, die Beaiiiei-
tungen dieses Handbuchs und deren Ausschreiber nach dem
Jahre 403 im Hinblick auf das damalige Fremdenpublikom
die Aufzählung der Thore und Strassen mit & Peter odor
S. Paul begannen, ja dass jenem der Vorrang eingeräumt
worden ist**).
^) S. Peter und. S. Paul am Kia- und Austritt des Flusses: der
sog. Aethicas S. 41, dessen Ausdruck intrat per poriam S. J*etri
übrigeDS mit keiner der Aniiahmen über die Lage des Thors recht ver-
einbar ist: etwa per pontem S. Petrin Die Verzeichnisse der Einsiedler
Sammlung und bei Wilhelm beginnen mit der parta Cornelia ^=- S, P^ri^
das sonst übereinstimmende der Mirabilien mit der Capena (d. h. Osti-
ensü) B= S. PauU, Es zeigt sieh also auch in diesem Punkte (vgl. oben
A. 46) die Selbständigkeit des Vf. der Mirabilien. — Die Eins. Be-
schreibung hebt die porta S, Petri durch die Stellung und die Wieder-
holung besonders hervor (A. 62): ob nur letztere oder auch erstere
demjenigen verdankt wird, der die Mauerbeschreibuog mit dem Itinerar
verband, ist nicht zu entscheiden. — (Jeher die Verbindung der christ-
lichen Denkmäler mit dem Regionenbuch Bd. 2, 11. 146 f.
§. 7.
BRÜCKEN-, UFER. UND HAFENBAUTEN, KLOAKEN
UND WASSERLEITUNG.
Das Bett des reiasenden Tiberstroms ^) hat jetzt im Bereich
deor aurelianischen Stadtmauer eine ziemlich gleichmässige
Breite von 100 M., so .jedoch, dass es auf einer ganz kurzen
Strecke längs des mittleren Tbeils des Marsfeldes sich bis zu
60, unterhalb am Emporium bis zu 75 M. verengt. Grade
^) Die mehrfach zu benutzende Hauptstelle des Aethicns (hinter
Gronovs Mela v. J. 1696) S. 40 f. lautet: fluvwrum rex puleher Tiberü,
cui prtmatum aeternae urbis Romae singularit tribuit magnitudo, nasci'
tur ex monte Apermino, eurrü miUia CCCC. per urbem sacram
geminatur et facti insulam regioni quartae decimae, übt duo pontes
appellantur. post iterum, tibi urms effectui, per pontem Lepidi,
qui nunc äbutive d plebe lapideus düitur, iuxta forum bearmm,
quem Ca | cum dicunt, iransiens adunatur, gratUsimo sono depictus
verticibtu suorum turbinym et maritimas naves suseipiens et medüer-
raneas adducens y de Etruria velSabiniSy ingressus per domni (so die Hs.
hier und unten: diui der Text) apostcU Petrip&rtam (pontem? § 6 A. 66)
intra Ostiemem portam, quae e$t domni apostoli PauH, et viam Por-
tuensem, quae est sancti FoeUeU mm'tyru, urbem egredäur, qua naves
de Portu urbis ad demmam tottus mundi Jiamam ascendunt. hie iterum
circa Sextum Pfulippif quod praedium missale appeUatur, geminatur et
in duobus ex uno effectus insulam Jäeit inier Por tum (so die Hs.:
portam der Druek) urbis et Osti4»n cim'tatem, uH populus Romanus
cum urbis pra^ecto veL consule Castorum ,celebrandorum cwsa egredir
dar sdlennüate iucunda, insula vero, quam /aeü intra urbis Portum
et OsOam civäatem, tantae viriditaHs amoenäatisque est, ut neque
aestivis mensibus nepte hiemaUbus pasturae admirabiles herbas dekabeatf
Ha autem vemaU tempore rosa vel eaeteris floribus adimpktur ut prae
mmietate odoris et floris insula ipsa elibanus {Libanus draekt Gron.:
verbessert Bd. 2, 425) almae Feneris mmcupetur*
394 THEIL I.
da, wo die nördliche Befestigungslinie der servianischen
Stadt von ihren natürlichen Unterbauten, den steilen Hügel-
rändern, zum Flusse hinabsteigt, hatte derselbe, als er seinen
Lauf gewaltsam brach, an einem Tufhugei, welcher die west-
liche Fortsetzung des kapitolinischen zu sein scheint, einen
so kräftigen Widerstand gefunden (A. 14. 15.), dass die
Wassermassen links und rechts ausweichend sich in zwei
Kanälen, hvks bis «u 60, rechts bis zu 45 M. verengt, hin-
durchpressten und erst nach einer Strecke von 300 M.
unterhalb der so gebildeten Insel in einer strudeLreichen
Stromschnelle wiedervereinigen konnten*). — Ob und mit
welchen Mitteln die Bewohner der Gaue auf dem linken Ufer
mit denen auf dem rechten einen regelmässigen Verkehr
unterhalten haben, ist natürlich unbekannt. Wenn die anna-
listische Stadtgeschichte König Ancus zum Erbauer ^) der ur-
sprünglich einzigen Tiberbrücke macht und die gelehrte
Erklärung des vermeintlich älteren Argeeropfers folgerecht
<lie ersten Binsenpuppen von einer eigens zum Behuf des
Opfers errichteten Interimsbrücke stürzen lässt, so hat
dies nach unserer Auflassung nicht die geringste Bedeu-
tung. Dass hingegen, das lateinische Wort pom^ Brücke
(für welches jedesfalls die allgemeinen Bedeutungen Pfad,
Steg nicht als die ursprünglichen nachweisbar sind: viel-
') Die Maasse nack den Briicken und nach dem Censasplaa, Etwas
z« gross schätzt Dionys 9, 68 die ßreite auf 4 Plethren »» 120 M. —
Die Stromschnelle unterhalb d«r Insel ist für die Geschichte des Brüeken-
baus von entscheidender Wichtigkeit. Dass grade an dieser Stelle
die Sehwierigkeiten auch für eine vorgeschrittene Technik kaum tu
tiberwinden sind, ist öfters bei Gelegenheit der projektirten Wieder-
herstellung von Poate rotto von fachmännischer Seite (z, B. in dem
unten a. Gutachten von P. Lauciani) hervorgehoben worden. Ausser-
dem vgl. Preller, Rom u. d. Tiber A. 164 (Berichte d. süclis. Ges. d.
W. 1849, 136). Leider kann ich auch für diesen § die Sobrift voo
Gamberiri und Ghiesa (s. §«. i. A. 11) nicht wieder einsehen.
') Ueber Aneus als Erbauer der Brücke oben S. 159 : daher das erste
Argeebo)[»fer TOB üempom qui nunc gubUcius ücüur^^id temptu instruäus
dargebracht ward: Varro b.Maerob.^. 1, 11, 47 vgl. Bd. 2, 199. 282.
§ 7.] BRÜGK&N. 395
leicht hat es ^Hängewerk' bedeutet), sich auch in dein oächsi*
verwandten oskischen Dialekt nachweisen lässt, während das
Griechische wie andere verwandte Sprachen die Bezeichnung
der Brficke von vers4^hiedenen Wurzeln gebildet haben, darf
als ein wichtige^ Zeughiss für eine den liahkern eigen*
thumfiche Technik des Brückenbaues gelten. Damit steht in
Uebereinstimmusg, dass nach einer freilich sehr uBvoUstan-r
digea üeherlieferting auch die Benennung der senkrecht in
das Flu«sbett eingearammten Hohplahie, von d^en als dem
charakteristischen Bestandtheil die Tib^brücke ihren Namen
pons suhliems hatte, ja vielleicht dieser Name selbst bei' den
Volskern üblich war*). Vor Allem aber wird das hohe Alter
^) Es ist merkwürdig fCAugi dass die nächstverwandteu Sprachen
hier auseinaodergeheo: ,vgL yiipvqa uosicherer Ableitung (mit yofxipos
zusammenJiäQgend ? Cjortius 173) und die dem Slavischea, Deatschea
und Gallischen gemeinsamea die firöcke als 'Braue übßr dem Wasser-
ange' bezeichnenden Wörter (so Fick WB. 2, 420). — Oskisch: ponttritm
Stafianam = pontem Stabianum in der Wegebaninscbrift von Pompeji
Fabr. 2785 = Eph. epigr. 2, 166 (vgl. ßücheler Jen. L. Z^1874 n, 567).
Die allgemein angenommene Herkunft von pont von ypät, gehen vgl.
nazog, durch welche gräkoitalisches panti Weg »= Brücke begründet wird
(auch, für yi(fvqa sucht Gurtius 270 eine ähnliche Erklärung: 'Damm',
vgl. GQrssen 2, 179 Fi4;k 2, 142 u. A.) kaun wenigstens nicht durch
den 'älteren Sprachgebrauch' im Lateinischen gestützt werden. Denn
pons, Zugang zu dem Abstimmuugsraum, ist metonymisch aufzufassen
und verhältnissmässig spätes Ursprungs. Auch sonst. lässt sich keine Spnr
einer ursprünglich allgemeineren Bedeutung nachweisen. Ich schlage
daher die Ableitung von pen-d'-eo vor, zu welchem pon-U steht wie
zu *min-eo mon-ti und, was den Vokal anlangt 5 zu teg-o tog-a, —
lieber pon^ sublicius s. den zerstörten Artikel des Festus 293: stibU''
dum pon[tem . . . ptUant] appellatum [a . . . . ? vo]\ oabulo Fohco[rum
quo appeUant ügna 1] in latütidinem [externa ...??] ter Formiam . . ,
u. s. w. (das Folgende scheint nur die Verschiedenheit der Deklina-
tion, fiublioes oder sublicae, behandelt zu haben). Dass das Wort
sublifia technisch den senkrecht eingerammten tragenden Pfahl, nicbt
den Querbalken bedeutet, ergiebt sich wohl mit Sicherheit aus Caesar Gall.
4, 17. 7, 35 und der Glosse sublices xazaTirjyH' Deutlich gezeichnet
sind sie auch auf der A. 13 beschriebenen Münze des Antoninus Plus ;
sie eracl|«inett hier zu dreien verkoppelt wie. die schräg gestellten
Träger an. der Rheinbrücke Caesars. Dionys, der sie sah, sagt 5, 24 z. £, ;
396 THEIL L
das Bolzbrückenbaues in Italien enviesen durch die im rö-
mischen Staatskultus festgehaltene Technik desselben. Denn
der pms sublicius, welcher Jahrhunderte lang die einzige
Brocke Roms gewesen und, auch nachdem steinerne Brücken
gebaut worden waren, aus religidsen Gründen erhalten
worden ist, war ohne je^ Anwendung von Metall herge-
stellt und musste so stets erneuert werden*^): diese Vor-
schrift ist unbedenklich ebenso wie das Verbot, sieh eiserner
Werkzeuge im Gottesdienst zu bedienen, aus der Unbe^
kanntschaft derjenigen Zeit, aus welcher die ftituaige^etze
stammen, mit eisernem Geräth zu erklären^). Dass nun in
nsgl ToXg vnBQsCafxaai rtav aavCStov oxi^o^i^vog 6 ^ovg o^vs r^v xa\
divag inoUt fjieydXag. lieber die Etymologie vgl. Gorssen 1, 499.
^) Der Beweis ist von Piale, Degli aotichi ponti di Roma al tempo
del secolo V, R. (1828) 1832 S. 3 ff., und unablia'ngig von ihm voo
Becker De mnris S. 78 f. (vgl. Top. S. 693 f.) vollständig geführt wor-
den. — Die jedesfalls auf Varro zarückgehenden Zeugnisse (über die
Stelle de 1. 1. 5, 83 s. A. 8) sind folgende. Diooys 3, 45: xat rrjv
^uXCvriv y€(f)VQav 7\v avev /alxov xccl cdSriqov d-ifivg vn aurtov
StaxQareZadre^ tdiv ^vXwVy txilvog (Ancus Marciiis'\.^7r«^fri/«e Ttp Ttßi'
^€1 Xfyeraif ^växQirov nagovrog dta(f>vXaTTov&lVy iigäv elvat vofxl-
tovreg. si di rt novrjtreiev avtijg /nigog, ot legotpavrat ^fQanevovai
S-v^Cag rivag InneXovytsg afia t^ xataaxevy narqCovg. Vgl. 5, 24:
ivXoipQttxtog (yitpvga) ävev <Si6riQ0v Mefxivri lalg accvlffiv avtalg,
^v xal fi^XQ^S ifjiov toiixvTrjv {pvX^ttovaiv t>l *Pmfi(dot. Plinius 36,
100 berichtet über die Holzkonstraktion des Buleoterion zu Ryrikos
$ine ferreo clavo , . , ut eadmantur trabes sine fuUutü et reponantur:
quod item Romae relig-iosum est, posteaquam CocUte Horatio defen-
dente aegre revuUum est, Plut. Narna. 9 (die hölzerne Brücke unter
Obhut der isQsZg): ov yaq &ifiiTov dXX* inctQatov rjysta&ai 'Pta-
(laCovg trjv xardXvaiv rrjg ^vXlvrjg yetpvQag. Xfytrai Sk xal t6 nafA-
nav av€v aiSijqov xarä Srj rt Xoyiov (fvyy€yofJi(pm(T^at jm
roh ^vXiov» rj ik Xtd-lvri u. s. w. (unten A. 21). -- Zerstörung dorck
Ueberschwemmung in den JJ. 561 {düos pontes Liv. 35, 21, 5 s. A. 16)
694. 722. 731. 4 n. C. (Dio 37, 58. 50, 8. 53, 33. 55, 22) 69 n. C.
(Tac. Bist. 1, 86); Wiederherstellung des Pius (Capitölin. c. Sund die
A. 13 beschriebene Münze). — Ausserdem bezeugt Seneca de v. betta
25, dass die Bettler am pons subUeius standen, Macrobius, dass sie
noch im 5. Jahrhundeii; vorhanden war (A. 3);
^) Bekannt sind das Piacularopfer d^r Arvalen eb ferrum inlatum
(vgl. Benzen AcU S. 132), die in das Tempelstatut von Purfo CIL
§ 7.] BRÜCKEN. 397
Rom die Sorge für die Erhaltung der Hotebrucke dem in der
biatcmschen Zeh als Leiter des Staatskuhus erscheinenden
PrieisteiioSegiani tnßel, Ja dass dasselbe sogar davon seinen
Namen fowtifkes, Bruokenmacber , erhielt; ist zwar in
aker und neuer Zeit bei oberflächlicher Betrachtung an**
sttesig erschienen , ist aber nicht nur bei richtiger Erwä-
gung der bisher entwickelten Thatsachen begreiflich , sondern
fuhrt eugleich zum Yerstäniniss dts ursprünglichen Charakters
der pöw^ßcii. Weim uns nehmlich aus der Menge der
Funktionen desseibeb ato hervorragend wichtig und sicher
ursprufAg^h die B^obaohtung der Gestirne zum Behuf der
Jahreseintbeilung oiiid die Handhabung des Schriltwesens zum
Behuf der dauernden und wortKdien Feststellung des bindenden
Wortes im Kultus — im Gegensatz zur Ueberlieferung von Mund
zu Mund — entgegentreten , wir mithin in diesem Kollegium,
die Trager, wenn man so sagen darf, der wissenschaftlichen
Grundbegriffe des Kultus, zu erkennen haben, so gesellt
sich zu dieser ihrer Wissenschaft passend die Kenntniss der
schwierigen Technik des Brückenbaues; aber nur dann wird
die Benennung nach derselben erklärlich, wenn urs^prünglich
diese Kenntniss für den Staat von höchster. Bedeutung war.
Dies war. sie in der ThatiUi^doppelter Beziehung, in reli*
giöser und militärischer^). •^— Wir glauben gezeigt zu haben,
- — i.. .. . *
], 60S) aufldHicklioh 'a«%edoismeii« Bi^lanböiM de» ferro oeH fHr die
Reparaturbaiiten, di« Vorsehrlftteii «ber eherne statt eiserner Geräthe
für 4ie von den ponitfioes tn vollKieheaden Opfei* (Festes p. 249 b),
worüber Bd, 2, 274 -ff. Dazu kommt das ohne ei^enie NSgel gebaute
Schiff des Aeaea» i« den navaHa, worüber unten.
') Die Erklärung Varro's pontificeM a ponte (A. 8) ist, wie auch
Mommsen richtig gesehen hat (in der A. 9 a. Abhaadluag S. 9i3), die
allein miigliehe,' und Scaeroia'a Oleiehaiss (das.) poniißces a posse et
faeere ut päHficei will eben nur ein solches, keinesweges eine etymo-
logische Berleitung sein. Wir halten aber hier gemäss der oben
S. 293 angedeateten Gruadänschanung daran fest, dasd den pontißces
erst in aerviauifeolien Staat und für die servianisdie Stadt jedesfklls
ihre liislerisefa bekannte Stellung im o^(/o eaöerdahim, angewiesen wor-
den ist. Damit ist dib Möglichkeit der Annähme gegeben, dass 4ies
Collegintt Kundiger sich aus einer Zanft von Hrückenbauern entwickelt
398 THBIL I.
dass da8 servianische Rom, welches allein noch eine
metbodiscbe Analyse seiner Einrichtungen zuSatsst, das rechte
Stromufer beheiTBchle und dass der Arvalendienst ein Rest
des dem Schutz der Feldmark dieses Staats geweihten
Kultus ist; dasd das Argeeropfer von der Holzbrficke dem
immer wankeimülbigen drohenden Strome gilt, welcher all-
jährlich seine Opfer fordert und den Zusammenhang zu zer^
reissen droht, der ~ wöltlieh und religiös rr- zwischen den
beiden Ufern besteht Wie die servianiscbe Akropolis die
weltlichen und heiligen Schatze der Nation schdtat, das
Pomeriam ideell den weltlichen und heiligen Schutz der
Ringmauer darstellt, so. bildet die Brücke das Band einer*
seits der swrn m et ti^a Tükerirny andrerseits der um-
mauerten Stadt auf dem linken Ufer mit dem zwar offenen,
aber in Zeiten der Gefahr durch den Auszug des Heer*
banns auf die schützende Höhe des Janiculum zu deckenden
rechten. Sie gebort deshalb au den heiligen Statten, auf
welchen die Salier von Alters heir ihren Waffentanz auffuhren^).
h^be, wie sie auch sonst in Italien bestanden haben wird (denn iiacb.-
gewieseb ist die nrspriingliclie Existenz von ponfifiees in italischen
StSdtea bisher so wenigp wie die' des eapüolium und seiner 3 Götter),
derea kasteonüssi; überlieferte Witeentchaft auch frende Einflibse
aufnehfteo mochte. Dass die Siffführnng o^r doch anigedeiiDte Ai-
wendang des griechischen Alphabets durch sie zuerst und schon ia der
Königszeit stattgefunden hat, d^ran ist Dfi9h den Charakter der äHeaten
Schriftstücke nicht zu zweifeln; ihre BefeiHuiog zu griechischer oder
orientalischer Zeitmeasungskunst lehrt die Geachichte des Kalenderf
trotz aller controversen Fragen deutlich genog. Aaf die späterea Be^
Ziehungen zur helleni^eheB Kultur ist obea a. 0« aufmerksam gemacht
worden^
^) Die schon S. 291 benutzten Worte Varro*a 5, 83: pöntifieesj itf
Seaevola Quinius jHmtitfeof maapumus dieebatf a po$*e et faeere td paü»
fices; ego a ponte arbürorj nam ab hi$ subÜeius est fadus prmntm
et fut FJ restitutus saepe; cum ideo saera et uU et ei$ Tikerm nw
mediocri rüu fiant (syati^Ltisch wie § 90 obMiui/t eb abseidenäoy cum
id ideo faeerent . . .). Offeobar wurde in den J^aftifletibüciheni mit
dieser Formel die Gesammtheit .4er gaerii nrb^na ioaerhalh das Poaie-
rinm und die nicht minder alten und wichtigen Opfer auf dem rechten
Ufer zusammengefasst, u«d es sind damit nicht etwa die Piacvlaropfer,
§ 7.] BRÜCKEN. 89^9
Die in massigen Grenzen wechselnde Breite des Flusses
ist gegen den Ausgang det repuUikanischen Zeit Ton der
heutigen nicht erheblich verschieden gewesen (A. 1.); die in
frühere Zeit hinaufreichenden Nachrichten über die Ueber-
schwemmungen berechtigen zu der Annahtne, dass überhaupt
keine grosse Veränderung der Ufer und des Beittes stattge-
funden haben. Wir dürfen also die natürlichen Bedingungen
für die Geschichte der Brücken Roms^) nach dem heu-
tigen Zustande des Flusses schätzen. Für die Bestimmung
der Lage der ältesten Brücke, über welche kein Zeugniss
unzweideutige Auskunft giebt^^), kommen nun zweierlei Rück-
welche bei der RestitatioD dtrzttbriogeB wareo^ ^meint (Marquardt
4, 185). — Waffentanz der Salier: CatuU 17, 1 ff. wsl, Serv. Fnld. 2,
165. Marqnardt S. 375.
®) Der erste Versuch die erhaltenen und zerstörten Brücken Roms
za benennen ist von dem letzten Redaktor der Mirabillen zn Anfang
d«s 15. Jahrhunderts gemacht worden und besteht in einer verfehlten
Kombinirupg des mittelalterlichea nnd des alten Brüokenverzeichnissea
(s. Bd. 2, 202 ff.), von welcher sich die Topographen bis auf Piale und
Becker (A. 5) nicht haben losmachen können. Selbständig baben zuerst
Preller (Reg. S. 243 ff.) und Mommsen (Berichte d. s'ächs. Ges. d. Wiss,
1850, 203 ff.) die Untersuchung weitergeführt, ohne sich jedoch auf eine
Analyse des alten Verzeiehnisses einzulasseo. Dies ist von mir in den
Novae ^uaest. top., Königsb. Progr. 1868 und Bd. 2 versucht worden : theila
zustimmend, theils ablehnend verhalten sich dazu Urlichs, Sitzungsber.
der Münchener Ak. 1870, 459 ff. und Wecklein, Hermes 6, 178 ff. Die hier
gegebene Untersachung weicht von der früheren namentlich wegen des
seitdem gefundenen' wiehtigen ' chronologischen Zeugnisses über dea
pons Aemüius erheblich ab. Da es an einer sachkundigen Analyse der
erhaltenen Bauwerke noch fehlt| so kana auch diese nur als ein Ver-
snob betrachtet werden. Vgl. A. 19.
10) Kein Zeugniss ist das der Vergilscholien zu Aen. 8, 646,
welche dea pons sublieius dem lapideus («= Lepidi = Ponte r.otto ?)
gleicl^etzea: die übrigen zweideutigen Anspielungen kommen im Ver-
lauf der Darstelliuig zur Erörterung. — Dem Mittelalter war selbst der
Name abhanden gekommen; zuerst in der jüngsten Bearbeitung der
Mirabillen zu Anfang des 15. Jahrhundefts taucht er in der Form
Siäpiduf oder Horatü CocU* .wieder auf und wird hier dem pons ma-
moreus (der Brücke unter dem Aventin) des Mirabilienverzeichnisses
aus unbekannten Gründen beigelegt Wie andere Erfindungen dieses
400 THBIL I.
sichten in Betracht, die Leichtigkeit od^ Ausföhrbarkeit des
Baus und das Verhaltniss zur Befestigung der Stadt Denn
selbst wenn eine standige Hohbrucke von den Bewohnern
der vorservianischen Ortschaften errichtet worden wäre,
wurde doch der Erbauer der servianischen Mauer, falls die-
selbe seinen Zwecken nicht gedient hätte, Mittel gefunden
haben, sie an einen passenden Ort zu Yerlegen. Von dem
ersten Gesichtspunkt aus ergiebt sich, nach dem zu Anfang
Gesagten, die Wahrscheinlichkeit, dass die Brückenbauer,
wie man treffend gesagt liat, den naturlichen Brückenpfeiler,
die Insel, sich nicht haben entgehen lassen ^^); und dass sie
die Stromschnelle unter der Insel vermieden haben; von dem
zweiten aus halten wir an der Auffassung fest, dass der Finss
von der Absenkung des Kapitols nach der Insel bis zu der des
Aventin die Hauer ersetzte, dass weder das Janiculum , noch
die alten Navalien (unten) mit der Stadt in fortifikatoriscber
Verbindung standen. Die entgegengesetzte, fast allgemeine
Annahme einer regeh^echten Befestigung auf dem rechten
Ufer verdankt in der That wohl ihren Ursprung einer unwill-
kürlichen Unterschiebung des Bildes ^ welches die aurelia-
nische Befestigung abgiebt, und lässt die unseres Erachtens
unzweifelhafte Tbatsache ausser Acht, dass die Yertheidigungs-
front der servianischen Stadt gegen Norden und Osten gmchtet
war und ein Angriff von dem rechten, römischen, Ufer
des Tiber her zu den ganz aussergewöhnlichen Gefahren
gehörte, und falls er stattfand, nach Maassgabe der dama-
vielgebrtachten Handbnclis hat auch diese BeoennoDip (sie findet sick
schoD 1484 bei lafessura als die gaogpbare: Nlbby R. a. 1, 204) bei den
Astygraphen des 16. Jahrhanderts Glauben {gefunden und sich seitdem
weitergeschleppt. Daneben findet sich die Identifieimn; mit dem pons
Aemitius wohl zuerst bei Laetns (daher denn beim falschen Victor
R. Xl), wohl nach Anleitangp des Vergilscholions (Bd. 2, 203), nad
daraus ist die yon Becker und Piale beseitigte Theorie der an die
Stelle der Holzbriicke getreteneu steinernen aemilischen geworden.
") Dies ist der von Mommsen a. 0. zum ersten Mal geltend ge-
machte Gesichtspunkt. Seine übrige Beweisführung stützt sieh nament*
lieh auf die unten erörterten Inschriften der Brüeke Quattro eapi.
§ 7.] BRÜCKEN. 401
Ugen Angriffsmittel von vornherein als ein aussichtsloses und
durch den reissenden Strom genügend verhindertes Wage-
stück galt. Zu diesen allgemeinen Erwägungen kommt nun
erstens das einzige Zeugniss, welches wenigstens relativ
die Lage der Brücke bezeichnet: sie lag nach demselben
^Yor der Stadt'; es ist also gradezu unmöglich, sie
zwischen porta Flumentana und Trigemina in die Stadt
münden zu lassen, da, wo der Fluss die Vertheidigungslinie
derselben statt einer Mauer bildete^'). Das Zeugniss lässt
demnach die Wahl zwischen der .auf Grund einer Vermuthung
des 15. Jahrhunderts allgemein beliebten Annahme, dass die
Brücke vor pbrta Trigemina über den Fluss geführt hat
— es ist dann eine Nebenfrage, ob sie im 5. Jahrhundert
ganz beseitigt und durch die Brücke des Theodosius und
Yalentinian ersetzt worden ist, oder in der Nähe derselben
bis zu jener Zeit, seit welcher sie verschwindet, bestanden
hat — oder ob sie die Insel als Brückenpfeiler benutzt hat.
In beiden Fällen müssen wir die Heldenthat des Horatius
Codes dahin verstehen, dass er verhinderte, dass der Feind
mit den fliehenden Römern zugleich in das Thor eindrang,
was freilich der ausführlichste Bericht nicht hervortreten
") Polybios 6, 55 («. A. 17): tijs yetfvgag — rj xitjai nqb
xr^g noleoDSf was lateinisch trotz Becker's Widerspruch (S. 697)
nicht anders als ante oder extra urbem wiedergegeben werden kano,
wie Mommsen S. 323 richtig bemerkt. Man kann dafür geradezu Iv
tf 7iQoaaTSi(p setzen. Man wende nicht ein, dass die Ebene uoter
dem Janiculum bei Dionys (s. A. 17) ein riQoxeCfievov ty noXei nediov
heisst: sie verhält sich zur Stadt ahnUch wie das Marsfeld. Ware
die Mauer längs des Flusses gelaufen und hätte einen Uferrand freige-
lassen, so hätte eine hier in die Stadt führende ßrUcke allenfalls
'vor der Stadt' genannt werden köonen, nimmermehr eine Brücke, die
grade ins Herz der Stadt hineinführte. Ebenso hat Mommsen bemerkt,
dass bei Appian Civ. 1; 58. die Brücke unter den 'Endpunkten' der
Stadt vorkommt: Sulla besetzt die porla Esquilina (§ 3 A. 38), Pompejus
die CoUina: xal jqCtov (liXog) inl ttjv ^vXCvriv yiq>vqav i/ioQfi xal
rhäQtov nqo lüiv reix^v h dia^oj^rjv vn^/jieive' roTg öh vnoXoCnoig
b ZvXXag ig trpf noXiv Ix^Q^*- hoch darf man freilich Appian nicht
streng beim Wort nehmen (§ 3 A. 80).
Jordan, rOmisclie Topographie. I. 1. ^6
402 THEIL I.
lässt (A. 17). — Nun scheint uns aber für die zweite Mög-
lichkeit ein sehr gewichtiger Umstand zu sprechen: die alte
Kultusstatte des Vejovis auf der Insel. Die gewöhnliche An-
nahme, dass die Verbindung der Insel mit beiden Ufern
durch 'zw ei. Brücken' erst kurz nach der Gründung des
Aesculaptempels (dedicirt 463 d. St.) hergestellt worden sei,
ist unhaltbar. Es ist vielmehr unzweifelhaft, dass die beiden
einzigen städtischen Kultusstätten des Vejovis, die auf dem
Kapitol und die auf der Insel, so alt sind wie irgend
eine andere der servianisch^n Stadt, dass also seit ältester
Zeit die Insel mindestens mit dem linken Ufer an einer
Stelle, wo sich der Strom stark verengt, in anderer Ver-
bindung als durch die zeitweilig überhaupt unterbrochene
mittels Nachen oder Fähre gestanden hat. Dazu kommt,
dass die ursprüngliche Bedeutung des Kultus jenes im Lauf
der fortschreitenden Hellenisirung der Staatsreligion mehr
und mehr in den Hintergrund gedrängten und an beiden
Orten, auf der Insel durch den griechischen Asklepios, auf
der Burg durch das griechische Asyl, so zu sagen gebän-
digten Gottes, in unzweideutigem Zusammenhange mit dem
Ort steht: er erscheint als verderbendrohender Gott dort
neben der 'heiligen Brücke* — die Insel selbst führt den
Namen der * heiligen' vielleicht erst seit der Gründung des
alle übrigen Heiligthümer derselben überstrahlenden Aesculap-
tempels — , der durch den Strom stets bedrohten Vermittlerin
zwischen beiden Ufern, hier auf dem heiligen Burghugel,
dem Horte der Staatsgötter und des Staatsschatzes^^). Die
traditionelle Geschichte der Tarquinier lässt nun freilich das
Marsfeld aus den eingezogenen Domanialäckern derselben und
die Insel aus der im Jahre 1 der Republik auf diesen
18) Für den Kultus des Vejovis auf der lasel haben wir nur da*
Zeugniss des Praen. Kai. z. 1 Januar: dass indessen an der Urspriiog-
lichkeit des Kultus nicht [zu zweifeln ist, habe ich Comment. in hoo.
Momms. S. 356 CT. gezeigt. Die datirten Tempel auf der Insel siad
jünger als der des Aesculap, aber keineswegs steht dies von allei
Kultusstätten daselbst fest. S. Th. If.
§ 7.] BRÜCKEN. 408
geschnittenen und in den Fluss geworfenen Feldfrucht ^t*
stehen ^^): und so ist es denn zu verwundern, daas man
nicht langst 2ur Bettung der Geschichte die geologische Er-
klärung einer späten Eatatehung der Insel durch eine vulka*
nische Hebung versucht hat. Da indessen die fachwissen-»
schaftlicben Stimmen bisher eine solche Hypothese nicht
haben laut werden lassen ^'^), so .müssen wir entweder den
zweiten Theil der Geschichte als ein Anhängsel des ersten
betrachten, dessen Entstehung aus allerlei (alachen Deutungen
der Kultusstätt^ des Marsfeldes auch wir nicht bezweifeln;
oder annehmen, dpa eine priesterliche Tradition den Änlass
iiur Erfindu^ig gegeben hat und dass in den pontificischra
Böchem neben der Einweihung des kapitolischen Tempels
eine Wiederainweihung der Inselbrucke gestanden hat. —
Wie es sich damit auch verhalten möge» das Alter des
Yejoviskultus auf der Insel scheint uns ausser Zweifel
und der Gedanke r dass sie, die augenfällig dem Strom lauf
sein eigenthümlkshes Gepräge gab, ohne Kultusstätten ge*-
blieben sein sollte, während es deren in Trastevere nicht
wenige gab, nur dann erträglich, wenn mit einiger Wahr-
, t •
^) Ueber die lasel Li via« 2, 5: die reife Speltsaat V4m denkönigL
Aeker im MarsfeXd wird in Tiberim Imi flueniem^ wpta^ iä primis calori^
bus solety geworfeo. Was der Floss hioabfUhrte, blieb aqd dort häa*
gen: pastea credo additas moles msrmque admtum, ut tarn emhiens area
firmaqtte tempUs . quoquß ßc portidbus suUm^is eyr«ai. Qbüz ebeoso
erz^t den Ursprung der vijtfos UffxlifTiiov hQci Dlonys 5, 13 (oboe
das eredo n, s. w^ des L.)* ^iw junge Version (A. 16) lasst den Ter-*
qiunins auf dvir loseL aterben. Ue.ber die 3«deutang d^r Legende von
der Entstebui^g. des Marsfeldes urtbeilt Schwegler 2, 46 ricbtig; hier-
über spricht er nicht« — Von d^r Brücke sagt Dionys (oben A. 5)
ts^äv ^h(ti vofi(CovT€S uod ,.es ergiebt.. siich . die Qualität eines /ooaf#
soQßr ans den Piacnlaropfera (oben A. 8) ; {derselbe nennt die Insel a. 0.
Vfjaos ldaxlt]n4ov hgu, Plotarch Popl. 8 Ic^a* Von irgend welohen
Profanbanten oder Wohnhänsern auf derselben ist mir ?Iioht8 bekannt.
^^) Bei Poazi ist mir in den oben § 1 A. 1 a. Schriften eine genauere
Ererjter^og der Insel nicht vorgekommen. Allgemein aber scheint an-
genoinmea zu werden, dass sie in der oben bezeichneten Weise in der
Epoche der Bildung, des Tiberbetts entstanden ist.
26*
404 THEIL 1.
sdieinlkhkeit eine geologisch« Veranlassung dazu gefunden
werden könnte.
Die älteste Erwähnung der InselbrQcken findet sich in
dem aus der Stadtchronik geflossenen annalistiscben Bericht
über die Ueberschwemmung des J. 561 d. St. : dieselbe zer-
störte duo$ pmtes und viele Häuser, besonders in der Gegend
der porta Flumentana, Da in diesem Jahre eine zweite
(steinerne) Brücke sicher noch nicht Torfaanden war, die
Insel aber schon nachweislich seit der Zeit der gracchischen
Revolution und bis ins Mittelalter hinein mter duos pontes
hiess, so scheint mir der angezogene Bericht einen unum-
stösslichen, wenn auch indirecten Beweis für die Lage der
damals einzigen Brücke abzugeben, man müsste denn an-
nehmen , dass dem Wortlaut der Chronik der Sprachgebraudi
der späteren Zeit substituirt worden sei^')» und dass die-
^*) Livias 35, 21, 5: der Tiber zerstört duos ponteiy aedifieia
multa drca portetm Fktmentanam, ' — Damals existirte noch keine
Steinbrücke, es bätte also drei Hol zbriicken gegeben: was ancbUrliehs
aDzuDehmen scheint (S. 481. 487). Aber sein pons maximus «= sublicius
im Gegensatz zn den duo (sublicii?) existirt nicht (A. 16*). Macrobius
3, 16, 14 ff. citirt ans der Rede des Titius fiir das fannische Lnxnsgesetz
V. J. 593 die Worte . . . lupum germanum qui tnter duos ponies eaptus
fuit und aus Lncilins . . . hunc (ducit) pmtes Ttbermus {iiberinos die
Hss.) duo inter eaptus catillo, was Horaz Sat. 2, 2, 31 f. vor Augen
hat: unde datum sentis lupus kic Tibermus an alto eaptus hietf pon-
Usne inter iactatus an amnis ostia sub Tusci. Die Insel xalilTat (ptovj
tüv AaiCvtov fJtiiffi Svolv yetpvq^v (Flut. Popl. 8). Auf dem kapit.
Stadtplan faeisst sie inter duos pontes (Fr. 42 m. A.), vgl. die dort an-
geführten Stellen des Aethicns (A. 1) : insulam . . . ubi duo pontes
appellanttir, des Chronogr. von 354 S. 645 M.: (Tarqoinias, s. A. 14)
inter duos pontes a populo Romano fuste niactatus und den alten Bei-
namen der Kirche S. Bartolomep inter duo pontes. Diese Zeugnisse
setzen es ausser Zweifel, dass duo pontes nnr Me Inselbracken sein
kSnnen, wiewohl der Fischfang zwischen den 2 Brücken (also an dem
oberen oder unteren Ende der Insel?) seltsam erseheint. An sieh
mUglieh ist es, dass der Ausdruck pontes bei Ovid F. 6^ 474 dichterisch
fiir das formelhafte duo pontes steht wie bei Prop. 6, 8, 31 Tärpmos
inter lueos fdr das in Prosa allein übliche inter duos hieos (Comm.
Momms. S. 664; doch s. unten A. 25), nicht möglich also^ dass Fron-
§ 7.] BRÜCKEN. 405
selbe die Verwüstung der Insel duroh Uebetrschwemmung
gemeldet habe, von welcher meines Wissens sonst nie die
Rede ist. Aber auch diese an sich schon bedenkliche An*-
nähme wird dadurch noch niisslicher, dass die mehrfach
erwähnte Zerstörung der Holzbrücke (hier der Brücken) und
der Gegend am 'Flussthor' offenbar in einem örtlichen Zu-
sammenhange stehen. — Dieser Kette von Beweisen für
die alte Ueberbrückung der Insel stehen nun Thatsachen
gegenüber, welche ich zwar mit dieser Annahme nicht voll-
ständig zu reimen weiss, welche aber, ehe nicht eine andere
Erklärung für jene gefunden wird, nicht ausreichen , auch
nur mit 'gleicher Wahrscheinlichkeit eine andere Lage der
Brücke zu beweisen. Ich muss mich begnügen, sie hier
möglichst objektiv zu beleuchten.
Die Holzbrücke wird regelmässig pons suhlidus im Sin-
gular genannt, und es ist, so oft sie auch erwähnt wird,
niemals von. der Insel die Rede, was nur ungenügend da-
durch erklart wird , dass die Brücke über die Insel ununter-
brochen fortgelaufen sei"*). In üebereinstimmung damit
zeigt uns die Darstellung der Heldenthat des Horatius Codes
auf der Münze des Antoninus Pius eine weite Bogenspannung
über den Fluss und zu beiden Seiten kurze horizontale
tio die loselbräcken meint, wenn er sa^t quotiens pontei reficiuntur
(De aq. 11).
^*') Vgl. A. 5 aDd die von den Alten wahrseheinlich riefatig er-
klärte Redensart sexagenarios de ponte (Bd. 2, 284). Ueber die von
Mommsen beseitigte falsche Lesart tectum pontis (lies ptmtifieis) maximi
bei Obsequens 75 s. Bd. 2 S. XIV. Richtig hat gegen Mommsen's Er-
klärungsversuch (S. 324) Urlichs (S. 485) die Bedentang des Sprach-
gebranchs hervorgehoben. Für den Ploral lässt sich kein sicheres
Beispiel anführen (A. 16). Andrerseits ist es bemerken swerth, dass die
RSmer die Brücke stets pons subUcius nennen (roboreus^ ligneus u. A.
ist poetisch oder nnteohnisch), nicht leicht (natürlich ansser im weiteren
Verlanf einer Erzählung) blos ponsi bei Varro 5, 180 ist längst richtig
ad pontificem {pontem die Hs.) deponebant verbessert worden, wie von
Mommsen bei Obseqnens pontificis maanmi für pontis. Ebenso regel-
mässig sagen die Griechen y(<pvqa ^vUvri (Dio in den A. 5 a. Stellen
mit Ansnahme der letzten, wo |. fehlt).
406 THBIL I.
Stege, keine Andeutnng der Insel, und die ausfuhrliciiste
Erzählung des Ereignisses deutet an^ was fireilieh, wie ob^i
gezeigt wurde, unubersteigliche Hindemisse bereitet, dass
die Brücke in die Stadt fährte, wo sie mauerlos war^^.
>^ Die oft besprochene Münze (Cohen Emp. Bd. 2 S. 326 Pins Sl%
von der mir ein Staniolabdruck nach der Sohwefelpaste des Pariser
Exemplars im Köoigl. Kabinett zn Berlin vorliegt, (die Abbildung bei
Urlichs n. 2 ist ziemlich genau), zeigt die Brücke bestehend aus
einem hohen Bogen in der Mitte, dessen Hälfte links aber fehlt,
und links und rechts anschliessenden horizontalen Stegen, welche
gegen die Landseiten (keine Andeutung des Ufers) abgeschnitten er-
scheinen (vermnthlich Andeutung der wegen Raummangels nicht dar-
gestellten Fortsetzung). Bogen und Stege ruhen auf 5 aus ja drei
nah an einander gestellten (verkoppelten)' Hölzern bestehendeji senk-
rechten mhlices (A. 4)^ von denen eine den Scheitel des Bogens
unterstützt. Davor nach links schwimmend Cooles, rechts auf der
Horizontale 2 Etrusker (einer mit abwärts geschwungenem Speer),
links 3 Römer (zwei in ruhiger Haltung, «iner knieend' die Axt fiber
dem fehlenden Theil des Bogens schwingend). Piale irrt also, der (lyie
es scheint nur nach Sambuco) steinerne Pfeiler erkennen will (S. 5).
Sehr auffallend bleibt der Bogen und seine Stütze. — Erzählungen
(Schwegler 2, 52): nach Polybios 6^ 55 kämpft Codes ^nl r^ xarav-
UXQI tijs ysfpvQag niQttxi Tfjg inl tov Tißiqidog, ^ xiitai ttqo Tr^g
noliiogy insl nl^&og intiptQOfjtevov elSi tdiv 'ßor\d^vvttov loZg Tcalt^
fitoigy 6i(cavTa firi ßiaadfiivoi naganiccoffiy €ig ztjv nokiVy
ßo&v bttatqaifdvta Totg xatomvy <os taxog atw/cft^aennag diaana^
xrpf yä(pvQav . . . Siaanaad-^Camg Sk rrig y^ipvqag ot noXifiiot r%
OQfA^g iMtoXv&fiaav 6 ^k Jüixli^g iavwov eig toy norafjiov iv tolg onXoig
u. s. w. Nach Dionys 5, 22 ff. besetzen die Römer das Janiculnm und
stellen die Hauptmacht in Trastevere auf, kv t^ ngoxatfji^ptp ^g
TcoXeatg ntdi(p; Porsenna nimmt das Janieulum; darauf, iTtit^tf nlffüCow
79; yeifvgag iyiv€to xal rovg ^Pmfia^ovg i&edcfctfo n^xad^fiipovgy
greift er an und schlagt die Römer; die Fliehenden drängen Big rrfy
TioXiv ^la fJLiäg ysifvqag . . . oXiyov t€ n&vv 7\ noXig i^hfOtv dXmytu
xaiä x^Tog aT£/j|fi<rTo; oioa ix tüv naga tov noTafÄÖv
fAiQfSv, ei avv€i<fineaov eig avr^r afia roig fp£vyova§,v ol
^ifüxovieg, Codes und die beiden Genossen w^ren auf dem reektea
Ufer den Nachdringenden, auch diese weichen, man ruft aas der Stadt
dem Codes zu (ävuxttXovfjiiviüV uvtov ano itfi noXamg tc5v ttnarmv
xal TÖfV aXXtov noXiiäv), er aber antwortet, man solle die Brücke ab-
brechen (^1/ (f^ jLtia xax fxiivovg Toifg ^Qovovg ^vXoipquTnog u. s; w. :
§ 7.] BRÜCKEN. 407
Für die Erzählung der Flucht des Gajus Gracchus vom
Aventin nach Trastevere giebt es überhaupt noch keine be<-
friedigende Erklärung, was zum Theii an der noch nicht
gelungenen Bestimmung der Lage des Dianentempels liegt.
Wenn es heisst, Gracchus sei vom Tempel der Diana aus
geflohen und die Freunde hätten den Verfolgern an der
pcrta Trigemina und am pons suhlkms gewehrt, so versetzt
uns diese Angabe fast in die Nothwendigkeit, die Holzbrücke
zwischen pcrta Trigemina und dem nördlichen Ende der
Stadtmauer zu suchen, eine Annahme, die wir oben als
unmöglich bezeichnen mussten*^). Nicht zu verwerthen
endlich ist die Darstellung der Ankunft der Schlange auf
der Insel auf einer Münze des Antoninus Pius (s. A. 25).
Hiermit sind, soviel ich weiss, die Beweismittel für die
Lage der Holzbrücke erschöpft (vgl. S. 412). Es hängt aber
mit dieser Frage die zweite zusammen, wann Rom die
erste steinerne Brücke erhalten und wie sich der
Brückenbau weiter entwickelt hat^^). Durften wir die Kunst
oben A. 5): es geschieht n. s. w. Nicht wesentlich weicht der kürzere
Bericht des Livins 2, 10 ab, die übrigen besagen nichts von Be-
deutong.
1^) Die zuerst von Preller (Aufsätze S. 513 f.) vollständig heran-
gezogenen Berichte (Orosiua 5, 12 Viri ill. 65, 5 ss Val. Max. 4, 7, 3
Plnt. C. Gracch. 16 App. Civ. 1, 26) differiren nur in unwesentlichen
Punkten. Nnr die Quelle von Val. Max. = Viri ill. erzählt, dass zu-
erst in porta Trigemina (Val.) oder apud portam T, (V. i.); dann in
ponie sübUeio den Verfolgern gewehrt wurde, die übrigen erwähnen
nur die Brücke (Or. kürzt am Schluss willkürlich): woraus sogut wie
nichts Sicheres zu schliessen ist. Wir kommen auf den Ursprung der
Abweichungen und die für die Topographie des Aventin wichtigen An-
deutuDgen Th. II zurück.
^^) Die Entwickelung des Brückenbaus wäre nach Urlichs fol-
gende gewesen: die sublicische Brücke lag vor porta Trigemina; seit
dem Bau des Aesculaptempels (463 d. St.) wurde die Insel durch die
duo pontes (Holzbrücken) mit den Ufern verbunden (ähnlich schon
Becker 652), von den so existirenden dreien hiess die sublicische nun
pons maximus (unrichtig: A. 16*). Die erste Steinbrücke in der
Nähe der Stadt war der pons Mulvius (als solche vor 532 gebaut).
Im J. 575 bauten die Censoren einen pons, keine Brücke, sondern eine
408 THEIL L
des Holzbrückenbaus in die frühesten Zeiten hinaiifrücken
und als eine den mittelitalischen Stammen gemeinsame an-
sehen, so ist es ungewiss, wann der Bau steinerner Brücken
in Italien aufgekommen ist. Das wesentliche und sdiwie-
rige desselben ist die Einsenkung der steinernen Pfeiler
in das Flussbett « nur eine Anwendung einer längst geubtrai
Technik die Ueberspannung der Pfeiler mit Bogen. Es
ist mindestens noch zweifelhaft, ob diese Kunst zur Zeit
des 2. punischen Krieges verbreitet war: der allerdings
durch die Anlage der flaminischen Strasse geforderte Bau
des potts Mulvins kann sehr wohl ein Holzbau gewesen
sein (S. 415), das durch die Chronik bezeugte Abbrechen
aller Brücken über den Tiber (ausser einer?) nach der
Schlacht am trasimenischen See, lässt schwerlich eine andere
Erklärung zu, als dass sie von Holz waren und das Alter
der in Italien erhaltenen steinernen Brücken ist mit Sicher-
heit bis jetzt nicht zu bestimmen ^^). — Unglückliche-
Wasserleitung über den Flnss; im J. 638 der Qua stör Aemilios,
identisch mit dem von Frontin de aquis 96 erwähnten curator (tquarumy
die erste Stein brücke in der Stadt ^ 'zugleich eine Stutze der Wasser-
leitung', wie die Münze es darstelle (A. 27), denpons Aemüius « Ponte
rotte ; dann folgte der Fabricius 692 u. s. f. Allein dass man einen alle
Requisite einer Steinbrücke vereinigenden Bau hergestellt haben sollte,
ohne eine Brücke daraus zu machen, wird schwerlich Beifall finden;
über den angeblichen qu'ästorischen Bau s* A. 27. — Was Wecklein
meint — der Bau der ersten Steinbrücke sei von Livius in der
2. Dekade erzählt worden (A. 21): es sei der pon$ Lepidi^ noch spät
lapideus genannt (Ponte rotto); die zweite sei pons AemiUus, der Bau
d. J. 575, der spätere Neronianus am obern Ende des Marsfeldes an
dem dort belegenen portus — erledigt sich durch die folgende Dar-
stellung von selbst.
^^) Livius 22, 8: ut muros iurresque firmarent et prae$idia dU-
ponerent pontesque rescinderent flummum. Daneben hat Zonaras 8, 25
S. 245 Dind. (aus Dio = Livius?): xdg je yetfvQos tou TißiQiSognXriv
fiiäs xa^ellov, schwerlich Bedeutung. — Es fehlt bis jetzt meines
Wissens an jeder zuverlässigen Chronologie der älteren römischen
und italischen Steinbrucken. (Jeher pons Mulvius s. unten. Für
uralt, weil der cloaca maxima ähnlich (!) gilt der Ponte deila catena zu
Cori (Nibby analisi 1, 508 f.), für sehr alt der Ponte di Nono auf der
S 7.) ^ BRÜCKEN. 409
weise nun lehrt das einzige Zeugniss, welches uns über
den Bau der ersten Steinbrücke Roms erhalten ist, nur
den Namen, nicht die Zeit und die Lage der Brücke
kennen: sie soll Yon einem Quästor Aemilius gebaut worden
sein^^). Durch die kürzlidi folgte Auffindung eines
Stücks des Kalenders von Allifae ist es nun festgestellt,
dass enoi pom Aemilim schon vor dem J. 723 bestanden
hat^^). Diese Brücke ist also weder von dem Censor des
J. 732 noch von dem Consul des J. 733 gebaut und die
früher yon Anderen und tou mir aufgestellten Vermuthungen,
dass der pons AemUius in diesen Jahren gebaut und ent-
via Gabina (später Praenestina) und der Ponte Salaro (das. 591. 593).
Vgl. auch Canina Etr. mar. T. LXXVII (Tarquinü). Aber mit diesen
Schätzungen ist so ivenig anzufangen wie mit den allgemeinen Bemer-
kungen Abekens Mittelit. 183 ff. Vollends ist der Schluss ans den
Wasserleitungen (hier kommt überhaupt nur die unterirdische appische
in Betracht) auf eine frühe Entwickelung des Steinbrückenbaus (Weck-
lein S. 181), wie jeder sieht, hinfällig«
^^) Plutarch Numa 9 spricht von dem pons sublmus i^vXlvf}
yi(fVQa)f der nicht zerstört werden dürfe : ^ 6k lid^Cvt} nolXols varsgov
iSiiQyaadti xQovoig vn AlfiiXlov tafiiivovtog. Die verschiedenen An-
sichten über die Stelle sind folgende: um sie auf den Bau vom J. 575
(s. unten) zu beziehen, schrieben Nibby und Becker rifjtrjtevovtog
(de muris S. 79); ebenso (Leipz. Berichte S. 323) oder vTtarevovrog
(CIL) Mommsen, um sie auf die Restauration des pons Fabricius durch
die Censoren des J. 732 oder die Consuln des J. 733 (Inschr. der
Brücke) zu beziehen; vTrarevovTog auch Wecklein, welcher an einen
Bau aus der Periode der 2. Dekade des Livius (Consul d. J. 522?)
denkt (S. 181). Nur Urlichs vertheidigt den < Quästor' S. 481 ff. und
setzt den Bau ins J. 638 (unten).
>^) Herausg. Eph. epigr. 3, 85 f. Es heisst zum 17. Aug.: feriae
Portuno ad pontem AemiUumy lano ad iheatrum MarceUi, Dass der
Kalender vor 725 aufgestellt ist, folgt, wie Mommsen CIL 1 S. 294
bemerkt, daraus, dass der 28. August darin noch die Note C bat,
während seit 725 an deren Stelle die Note ^ trat. Die bisher be-
kannten, übrigens wesentlich gleichlautenden Zeugnisse (AemiU Vall.,
lano a, t M. fehlt im Amit.) erlaubten bis zum J. 760/7 n. C, nach
welchem das Vall. geschrieben ist, herab zu gehen. Den Werth des
chronologischen Datums für die Brückenfrage hat Mommsen a. 0. nicht
bemerkt.
410 THBIL I.
weder der nachmalige pam Genius, noch spätere Gra-
tiani (S. Bartolomeo) , oder der ehemalige pons Fdbrim
(Quattro capi) sei (Bd. 2. 198 f.), werden dadurch ausge-
schlossen. Da aber femer die dnzige erhaltene Nachricht
über die Lage des pons Amiüius mit der Annahme, dass er
oberhalb der Insel zu suchen sei, unrereinbar isf ), und
an ein spurloses Verschwinden einer antiken Brücke nicht
gedacht werden kann, so bleiben uns nur die beiden
Brücken unterhalb der Insel zur Auswahl, Ponte rotte und
die unter dem Aventin, welche wir als pms Theodom «I
Väkntmani aus dem mittelalterlichen Yerzeicbniss nachge-
wiesen haben (s. unten). Denn an sich wäre es denkbar, dass
diese letzte, welche in dem Verzeichniss der constantinischen
Notitia fehlt, darin fehlte, nicht weil sie zu jener Zeit noch
nicht, sondern weil sie nicht mehr vorhanden gewesen
wäre 9 wie der aus dem letzten Grunde darin fehlende pam
Neronianus, und dass die genannten Kaiser die vor langer
Zeit zerstörte Brücke wiederhergestellt hätten. Eine sichere
SS) £8 ist die konfuse Beschreibang^ der Sdileifang^ der Leiche
des Heliogabal bei Lampridius c. 17: tractus per publicum addüa m-
iuria cadaveri, ut in cloacam müites mitterent (nehmlich ans den
La^er, wo er getödtet wurde, schleifte man ibn (fiar ndarjs jijg noXsui
bis zor Kloake: Herodian 5, 8, 9 Dio 79,21), sed cum tum eepisset
cloaca foriuHo, per pontem Aemüium adnexo pondere, ne fluitaretj in
Tiberim abiectus est, ne unquam sepüiri passet . tractum est eadaeeir
eius etiam per drei spatia priusquam in THberim praedpitareiiir. Dass
man die Leiehe vom Circns zur nächsten Brücke gesdileppt haben
wird, ist klar; über die Kloake unten. Von derselben Brücke werden
nach den Märtyrerakten die Christen gestürzt, nach Lactanzens auf
Verwechslung mit dem subUcius beruhender Angabe die Argeer (über
Beides Bd. 2, 199) und soll sich nach Jnvenals Rath der Lebens-
müde stürzen (Sat. 6, 24), während auffallend genug bei derselben
Gelegenheit sein Vorbild Horaz Sat. 2, 3, 36 (geschrieben 721) dea
Fabridus nennt (vgl. Bd. 2, 199 f.) — Schlüsse ans dem Stillschweigen
der Schriftsteller sind trügerisch: immerhin ist es merkwürdig, dass
weder Cicero noch Varro die fabricische und aemilische Brücke (dieser,
wo er doch Gelegenheit dazu hatte, bei Erwähnung der PortunaUa, vgl.
unten) erwähnen.
§ 7.] BRÜCKEN. 411
Entscheidung lässt sieb, soviel ich sehen kann> jetzt nieht
treffeil. Für die herkömmliche Ansidtt, daiss pims AemiUuB
Ponte rotto sei, ist namentlich in neuerer Zeit ein Zeugniss
des 5i Jafaii). n. C. Reitend gemadit wwden, nach welchem
Ponte rotto damals vom Volke pons lapideus genannt worden
sei, eigentlich aber pimi Lepidi geheissen habe. Dies kann
richtig sein: der alte Name der von einem Aemilius Lepidus
erbauten Bracke kann sieh so in einer Zeit erhalten haben,
in welcher sie^ wie wir sehen werden, offieiell nach ihrem
Wiederhersteller pons Probt . hiess. Weniger Wahrscheinhch*
keil schemt mir die Aufiiassnng zu haben, dass jene Volks-
beeeicbnung die Ueberliefernng bewahrt habe, dass dies die
erste steinerne Brücke sei. Dass mindestens 5 Jahrhunderte
lang eine soldie Bezeichnung sich erhalten haben sollte« ist
zwar nicht gradezu unmöglich, aber meines Wissens nicht
durch ein ähnliches Beispiel zu belegen ^^). Allein da es
sehr möglieh ist, dass irgend eine uns unbekannte Ursache
den Namen ' stdneme Brocke^ in später Zeit bat aufkommen
2*) Aethicns (oben A. 1): per pontem Lepidi, qui nunc abusive
a plebe lapideus dicäur, Weeklein S. 180 führt als Analogie die
Beneninog des Theaters des Pompq'us thuatrum lapideum bei Vitmv
an, welche demselben auch nach dem Bau anderer steinern«!* Theater
geblieben sei. Allein diese aus Becker A. 1310 und 1474 wiederholte
Behauptung ist grundlos. Vitruv schrieb um 740, jedenfalls nicht
Jahre nach der Kinweihung der Theater des Baibus und Marcellus;
der Ausdruck kommt meines Wissens nur bei ihm vor, was bei der
Häufigkeit der BrwähBUBgen noch in später Zeit (vgl. Th. II) von
Gewicht ist, and wenn der amiteroische Kalender dasselbe Theater
theatrum tnafmor^'m nennt neben dem theatrum Marcelli, so hat das
mit dem 'steinernen' keinen Zusammeahang (oben S. 19). -^ Dass keine
ausreichende Analogie in dem oft lange Zeit festgehaltenen Gebrauch
von novus liegt (Bd. 2, 76), ist einleuchtend: es handelt sich bei diesem
Wort um einen Gegensatz zu vetus, der immer seine relative Wahr-
heit behält. Eher hätte darauf hingewiesen werden können, dass in
manchen deutschen Städten der Name der ersten geptftasterten Haupt-
Strasse sich als 'Steinstrasse % 'Steinweg', 'Steindamm' Jahrhunderte
lang erhalten hat (vgl. § 8), obwohl das Herbeiziehen moderner Ana-
logien immer etwas Missliches hat.
412 ^H^l' I-
lassen und die Deutung 'Brüdce des Lepidus* eben nur eine
solche» und zwar eine falsche ist, so muss wohl auch die
zweite Möglichkeit, dass der pom AemiUus von Theodosius
und Yalentinian wiederhergestellt worden ist, in Betracht
gezogen werden. Für diese lasst sieh anführen, dass In
diesem Fall das Vorkommen des Namens AemUius in der
Notitia befriedigend zu erklären wäre, während bei dem
Zusammenfallen mit pons Probi (s= Ponte rotto) für eine
Brücke ein Doppelname Tokäme (s. unten), und der aller-
dings sehr wichtige Umstand, dass für den Bau einer ersten
Steinbrücke die gefährliche Stromschnelle der denkbar unwahr-
scheinlichste Ort ist Allein durdischlagend sind diese Gründe
nicht. Endlich mag hier die zwar meist in erste Linie ge-
stellte,, nach dem bisher Gesagten aber wenig brauchbare
dichterische Angabe erwähnt werden, dass das forum boarium
den pmtes und dem Circus 'verbunden' sei: ob den Insd-
brücken und dem damals schon gebauten pms Aemühu
öder dem suibUctus oder beiden letzteren, lässt sidh nicht
entscheiden. Ein die Insel und eine Brücke darstellendes
Münzbild belehrt eben so wenig. Eine Entscheidung wird
nur herbeigeführt werden können durch eine technische
Analyse der Reste der Brücken (die bisherigen genügen gar
nicht), vor AQem aber durch eine Wiederaufdeckung des, wie
wir sahen, noch ganz unklaren ursprünglichen Strassenlaufs
von Trastevere^^).
*^) Ovid F. 6, 477 f.: pontibus ei magno iuncia est cekberrinia
Circo area, quae posäo de bove nomen habet» (Jeber pontes oben A. 16.
Die Darstellung^ der Landan^ der Schlange auf der Insel auf der
Münze des Antoninns Pias (Cohen Bd. 2, S. 326 n. 376 Abb. bei
Urlichs n. 1 vgl. S. 475: mir liegt ein Abdruck der Schwefelpaste
des Pariser Exemplars vor): vorn rechts der Tiber einem ankom-
menden Schiff' {rostra deutlich) die Hand entgegenstreckend. Das Schiff
führt durch den links stehenden von 2 hohen fiögen einer gewSlbten
Brücke durch; hinter dem Tiber Land ansteigend, als Felsen charak-
terisirt, darauf ein Baum und eine Gebäudegruppe (Thurm und Tempel,
vgl. Glandian 1, 226 ff.); dahin schwingt sich vom Vordertheil des Schiffs
aus die Schlange, lieber dem Schiff unter dem Bogen ein kleines nach
§ 7.] BRÜCKEN. 413
Ueber die Zeit des Baus sebweigt das Zeugniss, von
dem wir ausgingen (A. 21): der Ausdruck *sebr lange Zeit^
iiach dem Bau der Holzbrücke durch König- Ancus Marciud
ist zwar im Munde eines Schriftstellers der Zeit Kaiser
Hadrians eher ein Hinweis auf die BIütiieKeit der Republik
(und über die Zeit zwischen dem 2ten und 3ten puni^
sehen Kriege wird überhaupt nicht hinaufzugehen sein), als
auf die Epoche ihres Untergangs. Aliein mit Sicherheit ist
auch das nicht zu behaupten. Die Betheiligung der Aemilier
an den öffeuftlidien Bauten Ist famer seit dem punischeh
Kriege bis hinab auf den Triumyir Aemilius Lepidus, seinen
Bruder Paulus und deren Descendenten eine so grosse,
leider aber nicht mehr im Einzelnen nachweisbare**), dass
es aussichtslos zu sein scheint , zu untersuchen , welcher
rechts g^ewandtes Männchen, 'le pilote* nach Cohen (ebenso U.): aber
H. Droysen schreibt mir, dass * zwischen ihm und dem Schiff festes
Land angedetitet ist* und bernft sich auf die gleiche Beobachtung
y. Sallets. AufiPallend fflso ist Val. Max. 1, 8, 2: {ang^uisj , . tri
ripam Tiheris e^ressis legatis in insulam, übt templum dt-
eatttm est, tranavit. Ist dieser Moment dargestellt, so stiegen die
Gesandten unterhalb der Insel auf dem rechten Ufer oder auf der Insel
ans. Mir ist die Darstellung weder verständlich, wenn die Brücke die
aemilische, noch wenn sie, was ich für wahrscheinlicher halte, di0
fabricische sein soll. Die snblicische ist sie sicher nicht; der Ana-
chronismus aber ist erträglich.
*") Genaueres wissen wir nur über die zum Monopol der Aemilier
gewordene Basilica (Jahresberichte 1875, 741 ff. u. Th. II). Ueber
den ludtts j4emiltus ungewisser Lage, welcher nur bei Horaz (Ars po.
32 ff.) erwähnt wird, zur Zeit des Porphyrion , also im 4. Jahrhundert,
noch erhalten als balineum Polyeteli, s, Hermes 9, 416, ff. Unverdächtig
ist Porphyrions Erklärung /4emilü Lepidi, wenn auch nicht hinzugefügt
wird, welcher Lepidus gemeint ist. — Unsicher ist die Bestimmung
der Fragmente des kapit. Plans 24 [basilica] EmiOla] und 95 portic[us] [
j4e[milia], wie in der Adnot. gezeigt worden ist — Hauptstelle über
die Aemilier Cicero PhiL 13, 4, 8 (im J. 711): plurifna urbis örna*
tnenta ipsius (des Triumvirn), fratris tnaiorumque tnonufnenta, was
sehr danach aussieht, als wenn die monumenta (nach bekanntem
Sprachgebrauch) nur die von deä früheren Aemiliern und dem Bruder
umgebaute und ausgeschmückte Basilica sei. — Ueber die Münze
die f. A.
4U THKIL I.
Aemilier vor 725 die Brück« gebaut hat. Denn der Versach,
jenen Quästor zu retten und ihn den Brückenbau als eicrafar
aqmnan im J. 638 vollziehen zu lassen, scheint mir un-
haltbar^^), ganz zvireifelhaft die Annahme, an. welche man
wohl denken könnte , dass der räthselhafte Bau einer Brücke,
welcher durch die Censoren der Jahre 575 und 612 ver-
dungen war, nach diesem Jahre durch, einen Aemilier abge-
nommen und deshalb unter dam Namen dieses vielleicht
ausserordentlichen Beamten benannt worden sei. Dass dieser
Bau mindestens anders vcarstanden: werden kann, wird tmten
gezeigt werden.
^) Deoar (Momnusen n. 124 =^ 155 d. franz. Ausg.; gute AbUl-
dung bei Coheo T. I Aem. 3) geschlagen zwischen 640 nnd 650 (?):
ein Reiter auf stehendem Ross, den Speer aufrecht haltend; das Ross
steht wie auf einer Basis, welche aus drei, gleich hohen Bögen (% ßo
hoch wie die Statue) gebildet wird. ' Die Inschrift (im Umkreis) M^Ae"
mUio (in den Bögen) Lep{ido) kann wegen des Dativs, wie Mommsen
S. 531 (vgl. Blacas S. 345 f.) bemerkt; wohl nur die Wiederholung
der Honorarinschrift eines Monuments jenes Lepidus, vennnthlich eines
Vorfahren des nicht genannten IMünzmeisters sein. Den pons Aemüius
sahen die Erklärer vor Mommsen in den Bögen; Mommsens Wider-
spruch, soweit er sich auf die Annahme stützt, derselbe sei erst 733
gebaut, ist jetzt hinfällig. Er denkt an einen fomixi allein richtig
entgegnet Urliohs S. 483, dass ^das Missverhältniss zur Statue uner-
träglich und ein Ehrenbogen mit 3 Durchgängen für die republikanische
Zeit ungewöhnlich wäre' (ich glaube undenk))ar, Einl. § 1 S. 29; ausser-
dem sind die Bögen gleich hoch, keine Andeutung der arcbitektoBischen
Gliederung) und vergleicht den die aqua Marcia allerdings ganz i;leich
darstellenden Denar (nur 5 statt 3 Bögen, vgL unten); es sei aar pont
Aemüius, erbaut von dem Münzmeister, der als Quästor (Plptarcli)
im J. 63S die cura aquarum gehabt (s. Frontin, A. 19) und in dieser
Eigenschaft die Brücke gebaut und die Wasserleitung herübergeführt
habe; also (?) ein analoger Fall, wie der Bau des fons Fäbridus durch
einen euraior viarum. Die Statue stelle einen Vorfahren dar. £s
genügt jetzt über jene quästorische cura aquarum auf Mosunsea
Staatsr. 2^, 558 vgl. 436 und Hirschfeld Verw. 1,162 zu verweisen. —
Ebensowenig scheint Gavedonis Deutung auf die ro&tra annehmbar
(s. Blacas a. 0.). — Ein Wasserleitungsbau scheint allerdings darge-
stellt zu sein, nichts aber charakterisirt die Brücke. Die Deutung
bleibt ungewiss.
§ 7.] BROCKEN. 415
Sicherern Boden haben wir unter den Füssen, wenn
wir die weitere Entwickelung des Brückenbaus verfolgen,
obwohl auch hier streitige Punkte übrig bleiben und nur
durch eine zu hoffende Analyse der Bauten zu erledigen
sind. Ein wahrscheinlich mittelbar aus der erweiterten
Notitia stammendes mittelalterliches Verzeichniss nennt uns
8 steinerne Brücken, und soviel stehen noch heut oder sind
doch in unzweifelhaften Besten erkennbar: wir gdien sie in
der Beihenfolge stromabwärts, wie sie das Verzeichniss auf-
zahlt, durch.
1. Pom Mulvius (im Anschluss an mittelalterliche Formen
jetzt Ponte Atolle) leitet die via Flaminia über den Fluss,
und ist vielleicht gleichzeitig mit dieser (534), wenn nicht
schon früher, als Holzbau hergestellt, wohl erst im J. 644
von den Censoren als Steinbau verdungen, der Bau von einem
unbekannten ausserordentlichen Beamten des Namens später
abgenommen worden. Von den 6 Bögen sind nur die mitt-
leren 4 antik , wie viel von ihnen (Material Travertin und
Peperin) dem Bau v. 644 angehört, ist unsicher. Nach der
Herstellung der via Flaminia (438) durch Augustus wurde er
mit einem oder zwei Ehrenbögen desselben geschmückt. —
Die jetzige Gestalt erhielt die Brücke 1808^^).
'^) Die Orthographie (Mulvius) steht darch Mon. Anc. 4, 19 fest.
Ebenso die beste hs. UeberlieferuDg (Bentley zu Hör. Serm. 2, 7, 36),
daneben in alten Hds. die Vnlgärformen Molvius, Molvi, Molbiy z. B. Cur.
Not., Vita Gallien. 18, 5, Lib. pontif. öfters, seltener Milvius, z. B. de
mort. pers. 44, 3; mittelalterlich korrumpirt Mole, de Mole u. a. —
Zuerst erwähnt von Liyius 27, 51 z. J. 547 (sonst häufig; berühmt
die Episode der catilinarischen Verschwörung Sali. C. 45, 1 u. A.
und die Maxentinsschlacht ; poetisch Mulvius a^^r Statins Silv. 2, 1,
170 f.). — Viri ill. 72: (Aemilius Scaurus, 644/110) cmsor viam Aemi-
liam stravity pontem Mulvium fecit. Amm. Marc. 27, 3, 9: ad Mulvium
pontem quem struxisse superior dieUur Scaurus. Scaurus galt also als
Erbauer. Sollte der unbekannte Mulvius (Mulvii kommen vor, z. B.
Cic. ad Att. 2, 15, 4 Val. Max. 8, 1 damn. 5), wie Mommsen (zu
Mon. Anc. S. 59) meint, ein älterer oder der erste Erbauer, nicht der
Vollender sein? Die Erwähnung des Livios beweist nicht das Gegen-
theil. — Augustus a. 0. : viam Flaminialm ex] ma[nibiis] j4ri[inino tenus
416 THEIL I.
2. Pöns Äeltus (jetzt nach dem Grabmal Ponte S. An-
gelo), im gewöhnlichen Sprachgebrauch auch Hadriani, viel-
leicht schon im 5. Jahrhundert, wie im früheren Mittel-
alter S. Petri, vom Kaiser Hadrian gleichzeitig mit dem
Grabmal (dem heutigen Kastell S« Angelo, s. § 6 A. 57 und
Th. II) erbaut (im J. 134), führte die via Aurelia nava (Cornelia?)
über den Fluss, wahrscheinlich nach dem Untergang oder
Abbruch des pons Neronianus. Sie war nach der gleichzei-
tigen Münzdarstellung (?) mit Statuen geschmückt. Zu den
5 alten Bögen ^ welche diese darstellt, ist im 16. Jahrhundert
ein sechster gefügt worden. Das Material ist Travertin*').
3. Pons Neronianns heisst in dem mittelalterlichen Ver-
teichniss die nächstfolgende Brücke bei S. Spirito in Sassia,
deren Reste dort am Ufer noch jetzt sichtbar sind. Der Name
ist wahrscheinlich ein volksthümlicher, yielleicht erst mittel-
alterlicher. Dass aber die Anlage der Brücke durch die vati-
canischen Bauten des Gajus gefordert wurde (zwischen der
Insel und Ponte moUe gab es keine Brücke), ist äugen-
« ■ Pill .
^ in ea pontes] o[mnes] praeter Mu[l]vium et Minu[c]ittm [refeeQ (nacfc
dem Griech.). EbreDbb'gen iv zy tov TißiqiSog ye(pvQtf und za Ari-
minum dem Aagnstns errichtet: Dio 53, 22 ygl. Claudian. 28, 520 f.
MünzbUder: Borg^hesi Oeuvres 2, 361 ff. (welcher zu beweisen sacht,
dass zwei oder gar drei Bögen Eingang und Ausgang geziert haben). ^
Baulicher Zustand: Nibby Analisi 2, 580. R. a. 1, 188 f. Eine ge-
nugende Abbildung ist mir nicht bekannt: die beste wohl bei Piranesi
Camp. M. T. XXXIX.
**) Melius Dio 69, 23 und die Notitia, Hadriani untechnisch, PmdenL
perl steph. 12, 49 und das Mittelalter, (z. B. das Verzeichniss und der
Ordo Benedicti); S. Petri yielleicht schon bei Aethicus (§ 6 A. 66),
im Eins. Itinerar. — Spartian Hadr. 19: fecit et sui nominis pontem
et sepulcrum iuxta Tiberim, loschr. noch vom An. Eins, 'in poate
S. Petri* gelesen (CIL 6, 1, 973) imp. Caesar dioi . . .p. p, (Titulatof
d. a. J.) fecit — Münze d. J. nach Eckhel 6, 152 höchst verdächtig, das
Wiener Ex. unecht. Auch das von Donaldson Arch. num. o. 64 abgöb.
Pariser? — Baulicher Zustand: Piale S« 17 f. berichtet, dass beim Bid
der Strasse 'che porta al Vaticano sotto il muro del Castello nel sito pre-
cisamente, dove questo muro fa un poco di angolo ' die Fortsetzung der
Brücke gefunden worden sei. — Abbildung und Analyse Piranesi Ant
4 T. IV. V. vgl. Canina Ed. T. CCXXXIX.
.
§ 7.] BRÜCKEN. 417
fällig. Ob die Brücke schan vor Hadrian zerstört wurde, ist
unsicher, jedesfalls war sie zur Zeit Constantins nicht mehr
im Stande ^0)*
4. Ports Aurelius (jetzt Ponte Sisto nach seinem Wieder-
hersteller), im gewohnlichen Sprachgebrauch auch Antonini,
bereits zu Anfang des 11. Jahrhunderts halb zerstört, im
J. 1475 von Sixtus IV. wiederhergestellt. Wieviel von den
4 grossen Bögen (Material Travertin) noch alt ist, steht nicht
fest. Der Name hat mit dem Namen der via Aurdia {vetus
et novo) Nichts zu thim (§ 6 A. 53). Da keine der grossen viae
über sie führte (vgl. oben S. 375 if.), so kann der Zweck der
Brücke nur gewesen sein, die seit dem Ende des 2. Jahrb.
wachsenden Anlagen im nördlichen Trastevere mit der Stadt
*^) Die Mirabilien pons Nenmianus, aber sehon die Graphia mit
dem Zusatz ad Sassiam (pons ruptus ad S. Spiritum in Sassia der
Aaon.): Bd. 2, 192. Dass die noch jetzt vorhandeneD spSrlicbea Reste
zwischen S. Giovanni de' Fiorentini und S. Splrito mittelalterlich seien
jind garnioht einer Brücke gehörteq, behauptete nach ungenügender
Untersuchung Piranesi (Ant. 4 T. XIJI): dagegen Piale zu Yenuti 2, 190
(1824): ^quando circa 12 aoni sono si cereo di togliere gli avanzi del
poDte presso S. Spirito ... vi si trovo costruzione di travertini' (Yenuti
sagt Travertin und Peperin) ^solidissima e certi avaozi di un
ponte. SU quäle ne' tempi bassi si poterono fare le costruzioni rieo-
nosciute dal Piranesi '. Piranesi wollte Reste einer Brücke bei Tor di
Noaa entdeckt haben (s. unten). — Erfunden sind die Namen pons
yaticantts und triumphalis (unten). — Wie auch die Richtung der
Strai^sen im Marsfelde zu denken ist, richtig hat namentlich Piale
S. 14 f. gezeigt, dass die Lage der Brücke auf die Anlagen des Gali-
gola hinweist und dass Philo aus dem Marsfelde nach den Gärten der
Agrippina nnr über diese Brücke gelangt sein kann. Der Name wird,
wie Piale u. A. ebenfalls gesehen haben, eine volksthümliche Bezeich-
nung sein, wie auch der Circus des Caligala und die Gärten der
Agrippina circus und korti Neronis heissen. — Wenn Prudentios die
Pilger am Peter- u. Paulstage über die Engelsbrücke uaph dem Yaticaa
gehen lässt (A. 29), so beweist das schwerlich, dass die neronische
damals ni-cht mehr vorbanden war: Prokop aber hätte sie bei den S. 374
erörterten Kämpfen erwähnen müssen, wenn sie es gewesen wäre. —
Eine Spur ihres Daseins weist die Ordnung in der NotiUa auf (unten). —
Richtig urtheilt auch Preller Reg. 244.
Jordan, römische Topographie. I. 1, ^ «
418 THEIL I.
direkt zu verbinden und es ist daher wahrscheinlich, dass
der Erbauer Caracalla ist'^)«
5. 6. Die steinernen Inselbrücken (über die hölzer-
nen S. 404) sind: vom rechten Ufer nach der Insel pom
Fabrieius (jetzt nach den 4 antiken am Eingang und Aus-
gang befindlichen Hermen Ponte de' quattro capi) gebaut im
J. 692 von einem eigens bestellten curcUor viarum L. Fa-
brieius, ganz oder theilweise wiederhergestellt im J. 733,
auffallender Weise später nicht mehr genannt, im Mittelalter
wegen des anliegenden Ghetto pons ludaeorum (und so im
Verzeichniss), aus zwei grossen Bogen bestehend, über denen
zu beiden Seiten die Inschriften erhalten sind (Bekleidung
Travertin)^'); von der Insel nach Trastevere: die noch im
'') Die Identität des Aurelius (so nur die Notitia) mit P. Sisto
folgt ans der Reiheofolg« des alten Verzeichnisses mit ziemlicher
Oewissheit (unten); mittelalterlich (so anch im Verzeichniss) p, j4n-
tonini, z. B. Urk. von 1016. 1123 (Bd. 2, 193, 195), welche zugleieh
die Zerstörnog bezeugen. Dahin gehört aneh das Zengniss dor in ihrer
Fassung mittelalterlichen Acta SS. Hippolyti et soc. bei Baronius z. J.
259 § 19 (über welche Bd. 2, 119). Im 12. Jahrhundert heisst das in
Trümmern liegende Theater des Balbns, welches früh seinen INamen
eiogebüsst hat, iheatrum Antonini üucta pontem Antonini (Mirab. e. 9):
es kann demnach sehr wohl pons Antonini (wie pons HadHani neben
Aelius) die volksthümliche Form des alten Namens sein, braucht es
aber nicht (Bd. 2, 436)i Eine von Severns begonnene, von Caracalla
vollendete Brücke konnte pons Aurelius heissen: freilich heissen seine
Thermen Antomnianae (wie Severianae Aleafondrianae). — Die oben
angegebene Bestimmung der Brücke hat n. A. Piale S> 19 richtig er-
kannt. — Geschichte der Wiederherstellnng durch Sixtns IV. und bau-
licher Zustand (4 Travertinbtfgen) : Nibby R. a. 1, 181 fP. Die Abbil-
dungen geben keinen Einblick in die antiken Reste.
'^) Zwei Hauptbögen (a zunächst der Stadt, b der Insel), ia der
Mitte ein Wasserdnrdiilass (c). Inschrift CIL 1, 600 genauer als
6, 1, 1305: (über a und b gleichlautend auf der Ost- nnd Westseite)
Zr. Fabrieius C. f, cur. viar \\ faeiundum eoeravit (über c) eidemque
probaveit (so auf der Ostseite, idemque probavU auf der Westseite);
in kleineren Buchstaben über a nnter der Hauptinsehrift auf der West-
seite: Q, Lepidus M\ (so) f, M, LoUius M. f. cos ex s. c. probavenm
(so; die ganze Zeile nach Brunns Entdeckung moderne Restanratiei),
auf der Ostseite: M. LoUius M. f, Q, Lepi[dus M, f, c]o* ex s, c. /wo-
§ 7.) BRÜCKEN. 419
mittelalterlichen Verzeichniss richtig pom Gratiani genannte
Brücke.' Ihre Identität mit dem pons.Cestius der Notitia
(nur hier genannt) ist namentlich durch die im J. 44S ge-
schriebene Bearbeitung des Polemius Silvius ausser Zweifel.
Der Restaurationsbau Gratians, von welchem die an der Balu-
strade erhaltene Inschrift Zeugniss giebt, ist i. J. 370 (?) dedi-
cirt. Dass der ursprüngliche Bau nach 692 zu setzen ist,
darf als sicher gelten, als höchst wahrscheinlich, dass er vor
das J. 727 fällt. Die Familie der Cestii ist in dieser Zeit
mit den leitenden Staatsmännern in nahem Verkehr gewesen :
welcher von ihnen den Bau, vcrmuthlich auch als curator
viarum, ausgeführt hat, ist nicht auszumachen. Von dem
ursprünglichen Bau scheint Wenig mehr erhalten'^). Auch
der Restaurationsbau (ein grosser und zwei kleine Bögen»
boüerunt, also die Conanla von 738 ; Lepidns ist der Sohn des Triam-
vir, M\f. auf der Westseite unrichtig. — Dio 37| 45 setst den Bau
ins J. 69^ (na<;h der Erwähnung des Skandals am Fest der Bona dea):
TOT£ fih Toivta iyävezo xal ^ y4(pvQa ^ Xid-Cvti xazecxevaadti tj is t6
ytiaCdiov t6 h ttp Ttßiq^i ov (piqovaa *PaßQixüic xXiid^itaa (folgeo an-
dere Geschichten). — Dass die Ueberschwemmung von 732, welche die
sublicische Brücke wegriss, die Beschädigung der Brücke und die Aus-
besserung des J. 733 veranlasst hat, bemerkt schon Piale S. 11 f. —
Baulicher Zustand: wie es nach der Stellung der Inschrift von 733
scheint, ist nur der Bogen zunächst der Stadt in diesem Jahr restau-
rirt worden; der Zustand aller loschrifteo auf der stromaufwärts
sehenden Westseite macht es wahrscheinlich, dass wenigstens die Tra-
vertittbekleidung auch über dem Wasserdurchlass, nicht mehr die
ursprüngliche ist (etwa vonAugustus ersetzt?). Piranesi . hält nur den
vor den Mittelpfeiler vorgesetzten 'sperone' für jüngeren Zusatz, Nibby
1, 175 ff. denkt überhaupt an keine Restauration. — Die Balustraden
modern, die Hermen nach Nibby vielleicht ehemals Pfeiler eines eisernen
Brückengeländers (?). — Material Peperin, Travertin. Abbildung und
Analyse des Baus: Piranesi Ant. 4 T. XVI—XIX (danach Rossini 1820;
die übrigen ohne Belang).
") Gleichlautende Inschriften auf 2 in die Balustraden einge-
lassenen Marmortafel a , von denen eine erst 1840 verloren ging (die
Titulaturen lasse ich weg) CIL 6, 1, 1175: domini nostri imperaloreg
Caesares \ Ft Falentirdanus . . . | FL FaUns . , . \ FL Gratianus . . . |
pontem FeUeU nominis Gratiani in utwn senatus ac populi Rom. can-
sUtui dedicartq. tusserunt (jäher die Titulatur und das Jahr unten). Nur
27*
420 THEIL f.
Material Tuf, Peperin, Travertin, marmorne Balustraden) hat
nicht Stand gehakt und ist im 10. Jahrhundert und im
J. 1679 ausgebessert worden. /
7. Ponte rotto, im 5. Jahrhundert vom Volke pons lapideus
(Lepidi?) genannt, im frühen Mittelalter pons maior, im späteren
pons senatorum oder 5. Mariae, ist wahrscheinlich der ungewiss
von wem und wann, sicher vor 725 gebaute pons Aemilius (oben).
Auf dem linken Ufer stand, den Eingang in die Stadt bezeich-
nend, ein vielleicht das Standbild des Aemilius tragender Bogen,
der Vf. d. Nachträge zu Mazochi las (über den Bögen?) die Inschrift
n. 1176: Gra]tiam irüitnfalü principts pontem Aetemitati Augusii no-
minU cOMecratum in utum senatus poptiUque Romani ddd. nnn, f^alen-
tinianus Valens et Graiianus victores maximi ac perennes incohari per-
fid dedicariq[u0 iusterunt. Mindestens sehr auffallend ist bei einem
officiellen Aktenstück die Abweichung in der Scblussformel von der
erhaltenen Inschrift. Als Jahr der Dedication nimmt Henzen 'ob nn-
merum tribuniciae potestatis' 370 an. Allein das scheint doch unsicher.
Die Inschrift giebt für Valentinian und Valens trib, pot. FII . . . cos 11^
für Gratian trih. pot. II , , , cos; so Henzen ohne Bemerkung (Druck-
fehler?): die Texte vor ihm geben für Gratian trib. pot. III, was auf
369 führt; für Valens und Valentinian aber ipvnrde, wie Wilmanns
Kx. 1091 bemerkt, wenn trib. pot. f7/ richtig ist, cos III zu schreiben
sein, = 370. — Symmachus in der vor 371, vielleicht schon 367 geschrie-
benen Lobrede auf Gratian c. 9. spricht von der Rheinbrücke des Va-
lentinian und der Tiberbrücke: en noster hicomis cave aequalem te
arbitrere Tiberino, quod atnbo principum monumenta gesietis u. s. w.
Die Meinung, dass Symmachus der Vater als Prfifekt 364. 365. (CIL
6, 1, 1698) den Bau begonnen habe, beruht soviel ich weiss, nur auf
Amm. 27, 3, 3, der von ihm sagt: quo instante urbs saeratissima otio eopäs-
quo abundantius solito fruebatttr ^ et ambitioso ponte extdlat atque fir-
tnissimo quem con)didit ipse u. s. w. Aber die Hss. haben fruebedur dedit
(so) ipse^ die Lücke hat Gelenius ausgefüllt. — Cestius nur die Notitia.
Seit Nardini wird geltend gemacht, dass nach 727 eine neu gebaute
Brücke den Namen des Augustus geführt haben wurde: dass Augnstus im
Moo. Anc. die Brücke nicht unter seinen Bauten erwähnt, dürfte auch
ins Gewicht fallen (anders steht es mit der ebenfalls nicht erwähnten
liqna /üisietitta: s. unten). Man wird also an den Münzmeister L. Cestius
(kurz nacii Caesars Tod, Prätor : Mommsen Münzw. S. 658. 742, identisch
mit dem Bruder des an der F. S. Paolo begrabenen?) denken können;
weniger wahrscheinlich an spätere Cestii. — Baulicher Znstand : Nibby
S. 173 f., — Abbildung tind Analyse: Piranesi Ant. 4 T. XXI. XXII.
§ 7.] BRÜCKEN. 421
welchen (zugleich die Brücke ?) Äugustus (nach 742)
wiederherstellte. Zuletzt hat sie^ wie es scheint, Kaiser
Prahus, der Vollender der aurelianischen Mauer, wiederher-
gestellt. Dieser Neubau scheint trotz der gefährlichen Strom-'
schnelle bis ins 13. Jahrhundert bestanden zu haben* Seit-
dem haben wiederholte Zerstörungen (bis 1598) mehrfache
Restaurationsyersuche herbeigeführt, die sich als fruchtlos
erwiesen, und man hat schUesslich die Hälfte durch eine
Kettenbrücke ersetzt (wieviel von den Pfeilern der ursprüng-
lichen 4 Bögen alt ist, ist nicht sicher ermittelt, Material
Traverlin**).
8. Pms Theodosii et YahrUmani (nach der berich-
tigten Lesung des mittelalterlichen Verzeichnisses), auch mar"
moreus oder in ripa Romaea, in der Nähe der Marmorata :
fehlt in der Notitia, weil später (384—392 oder 425--- 450?)
gebaut. Schon im 11. Jahrhundert theil weise zerstört, wurde
die Brücke im J. 1484 bis auf die noch jetzt sichtbaren
^) AethicQS (s. A. 1): der Tiber strömt unterhalb der Insel per
pontem Lepidt qui nunc a plebe abusive lapideus dicitur iuxta forum,
boarium (vgl. Ovid in der A. 25. a. Stelle). — Pons maior EiosI Itin.,
oben A. 49; S. Mariae schon in der Urk, von 1018, Senatcrum seit
der Errichtung des palatium senatorum auf dem Kapitel (Bd. 2, 244 f.)?
lieber die Identität der Brücke mit dem pons Probt der Not. (so nur
diese) s. unten, die Identität mit dem Aemüiits ist oben wahrschein-
lich gemacht. — Äugustus: Signorili las Mn quodam arcu sito in
platea pontis S. Mariae' (= An. Magliab., wie Bd. 2, 419 gezeigt,
daher der Znsatz 'arcus marmoreus' bedeutungslos), Cyriacus Mb
arcnlapideo' (anderwärts 'semifracto lapidis Tiburtini') 'prope domnm
Sabellornm' (d. h. dem Palast Savelli in dem nahen Afareellustheater)
die Inschrift CIL 6, 1, 878: [imp,] Caesar divi f. j4ugustus pont, max,
ex s, c, refeeit (nach 742). Bogen und Brücke hatte De Rossi Le prime
racc. S. 57 auf dem von Bellori Vest. vet. Romae S. 1 publicirten
antiken (?) Bilde zu erkennen geglaubt, den Irrthum aber selbst später
zurückgenommen (s. Bd. 2, 145), was im CIL z. d. J. nicht bemerkt
wird. — Baulicher Zustand: die Untersuchung von P. Lanciani Del
ponte senatorio ora ponte rotte (R. 1826. 4 S. 6f. Grundriss T. I) erstreckt
sich hauptsächlich auf die Chronologie der Restaurationen seit dem
13. Jahrb. Nach ihm wären der 1. und 4. Pfeiler alt, der 2. und 3«
von Gregor XIII gebaut. — Abbildung Canina T. CCXL.
422 'FHKIL I.
Pfeilerstümpfe abgerissen. Die Bögen mit ihren Pfeilern
waren mit Travertin bekleidet''^).
Mehr als diese 8 steinernen Brücken hat es allem An*
schein nach nie gegeben. Die Behauptung, dass Reste einer
9ten bei Tor di Nona vorhanden wären, ist irrig (A. 30).
Seit dem 15. Jahrhundert wurden von den Gelehrten n. 3
pons Vaticanus oder triumphalü^ 4 lanictdensis, 7 Palatimu,
8 sublicms benannt : die letzte Benennung ist falsch (oben A. 10),
die übrigen wären an sich möglich, beruhen aber, wie
Bd. 2, 203 f. gezeigt worden ist, auf einer Verwirrung der
Listen der Brücken und der Berge; der Name triumphalä
offenbar auf einer Yerwertfaung des allbekannten ' Triumphal-
gebieU' (oben § 6 A. 51).
Es ist oben gezeigt worden, dass der pons Aemilm
pnterhalb der Insel zu suchen ist, also nur Ponte rotte oder
>B) Das m. a. Verzeichniss pons marmoreus Theodosn (Theodosü
in ripa r(o)maea die Grapfaia) et pons Falmtiniwüy von mir als eine
Bracke nachgewiesen Novae qaaestt. S. 12 (darin folgen mir Urlichs
S. 466 Wecklein S. 178 f.): marmoreus hat nichts mit der Marmorata,
nichts mit einem 'marmornen Brückengeländer' (Urlichs S. 467), wie
es auchpofi^ Gratiani hat, zu than, sondern ist =» lapideus (Bd. 2, 196).
Urk. d» J. 1016: ad ramum fracti pontis; über die Zerstörnng voa
1484 Nibby S. 203 f., über den baulichen ZusUnd (Material Tnf und
Peperin, Travertinbekleidang) auch Vennti-Piale 2, 53. — Die früher
auf den Ban des pons Gratiani irrig bezogenen Briefe des Symmachos
4, 70. 5, 76 nnd desselben amtliche Berichte als Stadtpräfekt (384—386:
CIL 6, 1, 1699) an die Kaiser 10,45 f. (= Relat. 25 f. ed. Meyer), in
welchen von einem Streit über die Ausgaben für den Bau 'der Brücke
und der Basilica ' {super basiUcae atque pontis immodico sumptu Rel. 25),
besonders der ersten {novi pontis Rel. 26), die Rede ist, hat P^ibby
5. 172 irrig auf eine Brücke ausserhalb Rom und die Paulskirche, Ur-
lichs wohl richtig S. 494 f. auf diese Brücke und den Restanratioosbaii
der basilica Itdia (377) bezogen : der Bau, von dem ein kleiner Theil später
eingestürzt war, kann frühestens 381 fertiggestellt worden sein, da
Symmachus, der als Präfekt die Entscheidung über die Herstellungs»
arbeiten herbeiführte, über den Bau berichtet: Cyriades v, c, Jacilem
profeetum esse suggessit operis sarcUmdi^ cuius siabHitatem- sicuh
assertum est, hiems tertia non resohü.
§ 7.] BRÜCKEN. 423
der nachmalige pms Theodosn et Valentnmni sein kann, ße*-
fragen wir nun sehliesslicb das firuckenverzeiohniss der con-
stantinisehen Notitia. Es ist dabei festzuhalten, dass dasselbe
nachweislich die öffentlichen Bauten vollständig aufzählt (daher
den noch im 5. Jahrb. vorhandenen subUcius nennt, den
nicht mehr vorhandenen oder doch nicht benutzbaren Nero-
nianui nicht), die zur Zeit geltenden officiellen Namen an-
giebt (daher keinai pom lapi4em\ und dass, wie sich am
klarsten an dem Verzeichniss der mae nachweisen lässt, (nur
die Nebenstrassen stehen hier ordnungswidrig, sind also ein-
geschoben), die streng durchgeführte topographische Ordnung
der Urkunde in den vorliegenden Ausgaben durch Einordnen
von Nachträgen unterbrochen oder verschoben worden ist.
Nun nennen beide Ausgaben übereinstimmend pontes octo
(1) Aelius (2) AemiUus (3) Awrelms (4) Mulvius (ö) mblicius
(ß) Fabriciui (7) Cestius et (8) Probu Dies ist also die Liste
der Originalurkunde. Die Spuren der ursprünglichen Ord^
Bung treten unveiiiennbar hervor (1. 3. 6, 7 fraglich 5. 8.);
von den sicher widersprechenden ist der p. Mubms höchst
wahrscheinlich ursprunglich als ausserhalb der Stadt liegend
nicht mit aufgeführt gewesen, ist also wohl sicher nachge-
tragen. Nähme die zweite Stelle statt des Aemüim der ganz
fehlende Neronianus ein, so würden mit Ausnahme des
mblicm alle übrigen in richtiger Reihenfolge stehen, denn
8 Probt für Ponte rotto zu halten, ist erlaubt, ja nach dem
über den pons Theodosn et Yalentiniani Gesagten, gradezu
nothwendig. In diesem Sachverhaltniss scheint mir ein Hin-
weis auf die Entstehung der Verwirrung des Verzeichnisses zu
liegen: der an falscher SteUe eingeschobene Name Aemüim
ist der ältere des nach seinem Wiederhersteller benannten
pom Probt, welcher Name in die Volkssprache nie Eingang
gefunden hat. Das sonst anstössige Vorkommen eines Doppel-
namens in dem Verzeichniss erklärt sich also wohl daher,
dass in der amtlichen Liste, welche dem ersten Herausgeber
vorlag, der Neronianus noch stand, der Herausgeber aber
ihn als nicht mehr existirend strich und ihm, um die Zahl
424 THEIL L
festzuhalten, den AemUus substiiuirte^^). — Was end&ch
den sublicius anlangt, so sieht Jeder, dass seine Stellung am
besten mit der oben erörterten Ansicht, dass er über die
Insel führte, übereinstimmt. Viel ist natürlich daraof nicht
zu geben.
Das in vielen Punkten noch ganz unsichere Ergebniss
dieser Betrachtung darf also so zusammengefasst werden: die
Lage der sublicischen Brücke ist zwar nicht sicher erweislich,
ihre Führung über die Insel aber wahrscheinlich; die Ver-
bindung der Insel mit der Stadt jedesfalls vor dem Bau des
Aesculaptempels anzunehmen. Andresfalls gab es mindestens
schon im J. 561 drei hölzerne Brücken, die ^sublicische"
(wo?) und 2 Inselbrücken. Die erste steinerne Brücke ist
die aemilische, sicher vor 725 gebaut; wie lange, ist unsicher;
es ist wahrscheinlich Ponte rotte; Kaiser Probus hat sie
restaurirt, sie heisst im 5. Jahrhundert die 'steinerne', im
Beginn des Mittelalters die 'grosse': ihr alter Name ist früh
vergessen worden. Die erste steinerne Brücke nach der
Insel ist die fabricische (Quattro capi), gebaut 692, wieder-
hergestellt (vielleicht nur ein Bogen) 733. Dann folgte sehr
bald die erste steinerne von der Insel nach dem rechten
Ufer, die cestische, von Gratian restaurirt; unter Nero die
Brücke nach dem Yatican; diese wurde früh zerstört und
ihr Wiederaufbau durch die Brücke Hadrians überflüssig. Es
folgte die Brücke des Caracalla nach den neugeschaffenen An-
^) Die eben gegebene Liste bat das Coriosom und die eine
der beiden aaaassgebeiideii Bss. der Notitia (S), nur die andere (A)
lässt Aemüius aus und übersckreibt pantes septe (so), die eoata-
minirte (B) lässt die Zabl ans (vgl. Bd. 2 S. XIV. Es ist hiernacb
bedenklieb, wenn nicbt an zulässig , anzunebmen, dass die eise Hs.
uns das Original darstelle (anders liegt die Sacbe, wenn eine Hs.
einen Artikel mehr bat als die Sbrigen, Bd. 2, 23). Andrerseits
keMmt in den Absebnitllen 3 — 10 der Notitia «ater 103 Namen keii
Doppelname yor (s. besonders Bd. 2, 216, 227; was das. 236 über
die via Cmnpana = Portvensis gesagt ist, ist falsch: s. § 6 A. 54), das
Vorkommen eines solchen im Brücken verzeichniss fordert also eine
Erklärung, die ich hier (abweicbend von Bd. 2) versacht habe.
§ 7.] BRÜCKEN. 425
lagen in Trastevere, endlich die der Kaiser Theodosius und
Yalentinian am Aventin.
Mit den ßrückenbauten stehen die Uferbauten^O ^^
engster Verbindung. Dieselben sind doppelter Art: einmal
Quaibauten zur Sicherung der leicht abstürzenden Uferränder
gegen die Gewalt des Stroms in der ganzen Länge des städti-
schen Gebiets, dann Hafenbauten und die Docks der Kriegs-
marine. — Wenn man im 6. Jahrhundert zuerst eine
durch Kunstbauten gesicherte Landungsstelle für die Handels-
fahrzeuge angelegt (unten A. 46) und sich bis dahin, wenn
nicht noch später, mit Holzbrücken begnügt hat, so ist es
unzweifelhaft, dass von steinernen Uferschälungen des ganzen
Flusslaufs damals noch nicht die Rede war. Rührt also das
kleine Stück Quadermauer, welches die Mündung der grossen
Kloake einrahmt, wirklich — was nicht feststeht — aus der
Zeit der Könige her und nicht aus der Zeit der Wiederher-
stellung des Kloakensystems durch Agrippa oder später (vgl.
unten), so ist jedesfalls die Aufmauerung an dieser Stelle
nur zum Schutz der Kloakenmündung geschehen. Es ist
also auch nicht möglich , die aus Tuf mit Travertinbekleidung
bestehende und mit plastischem Schmuck versehene Um-
mauerung der Insel, welche dieser das Ansehen des heiligen
Schififs des Aesculap geben sollte und ihr den Namen der
'heiligen Insel' yerschafft hat, bald nach der Errichtung des
Aescuiaptempels entstehen zu lassen, ja die ausgedehnte An-
wendung des Travertin verbietet uns über die Zeit des
3. puniscben Krieges ^^) hinauf zu gehen. Es stehen ferner in
'^) Za dem Folgenden ist die schon mehrfack genannte Unter-
suchang von Preller ^Rom und der Tiber' (1: Berichte der sächs.
Ges. d. Wiss., 1848, 131 ff., 2. 3: das. 1849, 5 ff. 134 ff.) za ver-
gleichen, welche in sehr klarer Weise namentlich für die Kaiserzeit
die Hanpterscheinangen der hier nur berührten Schiffahrtsverh'ältnisse *
gruppirt. Dazu Marquardt Privatalterth. 2, 10 ff. 20 ff.
^) Reste von Tafsnbstrnktionen befinden sich zu beiden Seiten
der Ostspitze der Insel, anf der Nordseite ist ein Stück der Travertin-
bekleidung (Blöcke z. B. 0,40 X U^^) erhalten, welche zu dem Vorder-
theil des dargestellten Schiffs gehört und als insigne in einer kästen-*
426 ™^IJ^ ^•
der Nähe der Insel noch jetzt auf beiden Ufern einzelne
Stücke von Ufermauern aus Quadern ^^), ein anderes au«
Ziegelwerk findet sich stromabwärts in der Mähe des pon$
Theodosii et Valentmani, dies letzte ist mit 3 Löwenköpfen
spätesten, wenn nicht halbbarbarischen Stils verziert (Bd. 2,
197). Von den Ufermauern des Emporium wird unten die
Rede sein. Wir haben endlich aus dem 3. Jahrhundert
sichere Zeugnisse über den Bau oder Wiederaufbau der ripat
und dieser Ausdruck ist in der späteren Sprache technisch
für den Quai^^). — Die Ausdrücke für das linke und rechte
Ufer ripa Graeca und ripa Rotnaea sind mittelalterlich (Bd. 2,
195. 317 R. I).
förmigen Nische die in der Form der imago behandelte noch deotlieh
als bärtige zu erkennende Reliefbüste des Aesonlap, daneben des
Schlangenstab trägt. Auch die Form der Schiffswandnng und der vor-
springenden TtaQo^og darüber ist erkennbar, darüber, nebea und ia
gleicher Höhe mit dem insigne ein Stierkopf: d. h. es ist heat soviel
erhalten als im 16. Jahrhundert (die Vervielfältigung des Aesculapkopfes
und des Stierkopfs in Zeichnungen des 16. Jahrb. sind willkürlich), wie
Annali 1867, 889 ff. gezeigt worden ist. Abbildung der Reste das.
Tav. d'agg. K (aber leider stilistisch nicht treu) und sehr gut schon
bei Piranesi Ant. 4 T. XV Camp. M. T. XIII. Ligorische Zeichnungen
(in der Orsinischen Sammlung cod. Vat. 3439 f. 42), bei Boissard u.
sonst, welche die Restauration des ganzen Schiffs geben, haben also
keine Gewähr.
^^) S. Ann. a. 0. S. 395. Eine genauere Untersuchnng der Flnsa-
ufer giebt es nicht. — Ueber die vermeintliche TutXr^ axrrj (Plut, Rom. 20),
die noch immer wieder auftaucht (vielmehr die scala Caci) s. Th. II.
^^) Vopisc. Aurel. 47 (Schreiben des Kaisers an den praef. annonae):
Uberinas extruxi ripcLs, vadum alvei tumentis effodL Inschrift, im
CIL 6, 1, 1242 unrichtig als Terminationscippus behandelt, in Traste-
vere gefunden (' ad salinas antiquas ' Gittad.) : (Diocletian und Maximian)
ripam per seriem temporum eonlapsam ad pristinum statum restituerunt
per pedes CX curante Memio Acüio Balbo Säbino v. e. curat, alvei 7V-
berü et riparum et cloaearum saerae urbis. Ohne genugenden Grund
* bezieht Preller 1 S. 148 die Stelle des Briefes Aurelians auf die Ufer
an der Tibermündung. — Die trajanischen auf beiden Ufern gefundenen
Terminationssteine besagen ripam (nicht ripas) ierminavä, die übrigen
lassen das Wort weg. Ripa ist technisch Quai, auch am Meere (hier
im Gegensatz zu Htusy daher in Venedig Riva und Lido), z. B. in Po-
teoli: 8. Arch. Zeitung 1868, 94.
§ 7.] BRÜCKE«. 427
Schon im J. 700 d. St. beginnen die Terminationen
der Tiberufer^^), d. b. in diesem Jahre haben die Cen*
soren auf Veranlassung des Senats die Ufer, welche wie die
Strassen der Stadt öffentlich sind, nach Beseitigung der
dem öffentlichen Verkehr hinderlichen und der Erhaltung der
Uferränder schädlichen Privatbauten die ßreite der als ripae
anzusehenden Uferränder bestimmt und, wie das sonst bei
Terminationen öffentlicher Anlagen üblich ist, durch Grenz-
steine in ungleichen Abständen längs beider Ufer bezeichnet
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dies die erste durchgrei-
fende Maassregel dieser Art, wenn es auch in der Natur der
Sache und des Censorenamts liegt, dass an einzelnen Stellen
^1) S. jetxt CIL 6, 1, 1234—1242 und die Uebersicht S. 266 (wo-
durch die früheren Arheiten von Preller a. 0. u. A. überflüssig ge-
worden sind). — Nach Abzug des irrig zur Termination gezogenen
Steins 1242 (A. 40) bleiben Terminationen folgender Jahre übrig: in
der Formel at s. c. termin, der JJ. 700 (Gensoren M. Valerius Messalla
P. Servilins Isauricus, 11 Steine), 746 (Coasula C. Asiniua Gallua,
C. Marcius Censorinus, auf einigen Exemplaren mit dem Zusatz cura-^
tores riparum, qui primi fuerunt, restüuer.<, 11 Steine), 747/8 (Augustus,
10 Steine), zwischen 15 und 24 n. C. (?, 5 curatores)*^ in der Formel ex
auctontate imp eurator alvei T» e. c. u, terrninavit {terminauit
ripam nur 101) der JJ. 73, 101 (8 Steine), und zwei Restitutionea
der triganiseheB Termination, eine durch Hadrian v. J. 121: restäuä
secundum praecedentem terminationem (4 Steine), eine zweite durch die
Kaiser Marc Aurel und L. Verus im J. 161 (2 Steine): terminos ve-
tmtate collapsos exaltavertmt et restüuerunt r. r. proximo termino ped,
(in beiden Exemplaren ist aus Nachlässigkeit die Zahl ausgelassen)
positos ex auctontate imp, Caesaris Nervae Traiani curante . . . Die
Distaocen sind auf den (nicht numerirten) Steinen (.Trayertia) bei der
ersten Termination garnicht, bei den übrigen nach Fuss angegeben,
r(ecta) r{egione) prox(imo) cippo p . . ,: sie schwanken zwischen (746)
20 und 196, (747) 13»^ und 166*^, (101) 11 und 276^, (121) 43 und
1153f|, was verglichen mit den normirten Distancen der Pomeriensteine
(§ 5) und der der Wasserwerke (unten) sich aus den örtlichen Hittder->
nissen längs des un regelmässigen Flusslaufs erklärt. — Die Fundorte
reidien in allen Terminationen auf beiden Ufern von Ponte Molle bis
S. Paolo fuori, ja einer ist 2 Miglien vor Porta Portese im Fluss ge-
funden worden (y. J. 746 n. 1235 h.); auf dem alten Standort 1234a
und 1240d (Ortsangaben mir nicht klar).
428 THBIL I.
hier wie überall in der Stadt ähnliche 'Schutzhandlungen'
schon früher vorgekommen sein mögen, und sie ist zugleich
die letzte, welche nach den Normen der republikanischen
Verwaltungsgesetze vorgenommen wurde. — Nach dem Unter-
gang der Censur nahm Augustus Veranlassung, als er das
System der neuen Polizeidistrikte Roms in Kraft treten liess, 1
die Termination zu erneuern und — wir wissen nicht,
auf welchem Wege — eine Art Ausbaggerung des Flusslaufi
vorzunehmen. Die ständige Sorge für die Stromregulirung
wurde nun dem neugeschaffenen Amt der euratores dlvd
Tiberis et riparum (später et doacarum) übertragen und die
erhaltenen Grenzsteine lehren uns wiederholte Terminationen
bis zum J. 121 (161) kennen. Die ripae im technischen
Sinne (A. 40) scheinen nach den Fundnotizen der Steine zu
urtheilen von S. Paolo fuori le mura bis nach Ponte molle
gereicht zu haben; die Breite der beiderseitigen Zone lässt
sich nach den 2 noch am alten Platz erhaltenen Steinen
schwerlich genau messen. — Es leuchtet ein, dass Termi-
niren und Quaisbauen nicht dasselbe ist und die Vorstel-
lung, dass seit dem J. 700 die Quaibauten vollendet oder
vervollständigt worden seien, ist wenigstens durch die urkund-
liche Geschichte der Termination nicht bezeugt. — Dennoch
scheinen der Bau der steinernen Inselbrucken (692 und in
den ff. Jahren), die Termination des J. 700, Stil und Technik
der Ueberreste der Inselbauten darauf hinzuweisen, dass
gegen das Ende des 7. Jahrhunderts steinerne Uferbauten
in grösserer Ausdehnung in Angriff genommen worden sind ^^).
Die früher (§ 1) erörterte Natur des Stroms, seine Breite
und Tiefe gestatteten zwar den Verkehr von Handelsschiffen
auf demselben, erschwerten denselben aber erheblich. Die
Ufer ferner boten im Bereich der Stadt und seiner nächsten
Umgebung keinen für das Anlanden grösserer Schiffe gün-
^) Die entgegengesetzte Ansicht über das hohe Alter der stei-
nernen Uferbauten (besonders Preller) stützt sich auf diesen Rest an
der Kloakenmündung und zieht ans der Geschichte des EmporlBin
grade die den hier angenommenen entgegengesetzten Folgerungen.
§ 7.1 BRÜCKEN. 42d
stigen Platz, noch weniger für das Liegenbleiben einer
Handelsflotte. Der Hafen Roms ist daher von Alters her die
20 Millien entfernte ^ Mundungsstadt' Ostia gewesen, nach
jder traditionell^] Stadtgeschichte mit ihren Salzwerken eine
Gründung des Ancus Marcius. Auch dieser Platz bietet von
Natur weder einen gesicherten Ankergrund, noch einen ge-
räumigen Hafen. Spätere Jahrhunderte haben ihn mit immer
erneuten Anstrengungen zu einem solchen zu machen gesucht,
aber nur mit vorübergehendem Erfolg: neben und statt Ostia
und Portus haben Puteoli und andere Seeplätze Italiens der
Weltstadt als Häfen gedient^^). Nur zum Theil sind diese
natürlichen Schwierigkeiten an der sehr späten Entwickelung
des römischen Seewesens schuld: wie spät Rom ein see*
fahrender Staat geworden, wie fremd ihm ursprunglich das
Seewesen gewesen ist, dafür zeugen nicht blos die Entwicke-
lung seiner Handels- und Kriegsmarine, sondern auch die
Entlehnung der Bezeichnungen für die ausgebildete Technik
des Sdiiffswesens von den Griechen, noch deutlicher das
Fehlen von Gottheiten, welche sonst bei seefahrenden Völkern
die Kräfte, Gefahren und Lockungen des vielgestaltigen Ele^
ments zur Anschauung bringen. Es stimmt hierzu sehr
wohl, dass auch das Wort portus, wie es scheint, nur mittels
einer Differenzirung der Stammbildung von derselben Wurzel
wie porta gebildet ist, dass es ursprünglich ganz ohne Be-
ziehung zur See den 'Aufnahme-' oder * Eingangsort' bedeutet
*'^) Die Geschichte und Topog^raphie der HafeDbanteo an der
Strommündung ist durch die nenerea Untersuchungen zu einer so um-
fangreichen Materie angewachsen, dass es untfaunlich ist, sie anhangs-
weise in der römischen Topographie mitzobehandeln. Auch stehen diese
Häfen topographisch in einem viel loseren Zusammenhaog mit Rom
als die Häfen Athens mit Athen. Nach Prellers a. Arbeit tallt die
Aufdeckung von Ostia (seit 1855: neu in Angriff genommen 1871), ober
weiche noch kein zusammenfassender Bericht vorliegt (ausser den
Schriften des Instituts vgl. Snlle scoperte arch. della citta e prov. dl
Roma, relazione della r. sopraintendenza R. 1873 S. 88 ff» und Weniges
in den Notizie Fiorellis), über die kaiserlichen Hafen vgl. Lanciani
Ann. 1868, 144 ff. 0. Hirschfeld Philol. 29, 75 ff.
430 'l'HEIL !.
xrnd diese Bedeutung noch in geschichtlicher Zeit in den
modificirten Gebräuchen 'Magazin, Lager- oder Stapelort'
festgehalten hat. Portunus beschützt nicht den Seefahrer,
sondern wacht zu Rom und zu Ostia über die Sicherheit
der Waarenläger**).
Die Ueberlieferung bringt die Gründung des 'Mundungs-
hafens' mit der Anlage der Meersalzteiche an der Mündung
und der in das Sabinerland führenden Salzstrasse (ma sa-
lariä) in Verbindung, gewiss mit Recht. Die Einfuhr des
durch Verdunstung gewonnenen Seesalzes in das Gebirgs-
iand darf als die älteste Handelsmission Roms, zugleich
hier wie anderwärts eine Mission der Civilisation betrach-
tet werden. Es ist topographisch wichtig, dass die 'Saiz-
strasse^ nicht in Ostia, sondern in Rom beginnt, und dass
in Rom, wo der Fluss aus dem städtischen Gebiete aus-
tritt, vor forta Trigeminaf sich das Salzlager (saUnae) be
findet. Wir müssen daraus schliessen, dass der Transport
des bei Ostia gewonnenen Salzes bis zur Stadt auf dem
Wasserwege geschah , dass es hier gelagert und zu
Lande weiter transportirt wurde. Das regelmässige Pas-
**) Ausdrücke des Seewesens: ich stimme im Ganzen mehr mit
Cnrtins Verh. d. Hamburger Philologenvers. 1855 S. 43 f. als mit
Mommsen R. G. 1^, 200 f. überein. — Götter: Neptunus der Regen-
gott; Salada als Göttin der Salzfluth mehr als bedenklich. Die
Seesiege des 5. und 6. Jahrhunderts werden durch Weihungen voo
Tempeln des Janus, der Lares permarini (in Ermangelung eines andern
Ausdrucks für Seegötter werden die Wegebeschützer des Landes
^Führer zur See'), und die nicht specifisch maritimen TempeHates ge-
feiert. Bekannt sind ferner die Bedeutung von poHus in den Zwölf-
tafeln (vgl. angiportus) und Portunus als detts portarum (eine freilieh
von den alten Mythologen stark zurechtgestutzte Figur): s. Preller
Myth. S. 158. Nicht allein in verhältnissmassig später Zeit heisst
portus * Magazin', wie Preller bemerkt Reg. S. 103 (dazu kommt die
Inschr. bei Garrncci Diss. 1, 41 de portu vinario superiore), sondern
das portorium terrestre der Lex Antonia CIL 1, 204 Z. 31 und die Er-
hebung des portorium in Capua (Liv. 32, 7, 3: 'unerklärt' Marquardt
Staatsverw. 2, 261) weisen deutlich auf die ursprüngliche weitere Be-
deutung hin.
§ 7.] BRÜCKEN. 431
siren der Stromschnelkn bei der Insel und der weitere
Transport stromaufwärts war in der That kaum möglich**).
An derselben Stelle aber haben, wie weiterhin gezeigt
werden wird, die von Ostia heraufkommenden Schiffe
auch Bauholz, Getreide, Wein und in späterer Zeit Bausteine
überseeischen Ursprungs ausgeladen: hier war und blieb der
städtische fortus mit seinen horrea, für deren immer grössere
räumliche Ausdehnung (vgL Th. II) die weite und der Gewalt
der stossweise eintretenden Ueberschwemmungen entrückte
Ebene unter den Mauern der Stadt sich eignete, während die
ebenfalls von Natur dazu wie geschaffene des Marsfeldes zu
ähnlichen Anlagen wegen der einer Sperrung fast gleichkom-^
menden Erschwerung der Durchfahrt bei. der Insel und wegen
der Ueberschwemmungen nicht benutzt werden konnte und
nie benutzt worden ist (unten).
Wie unvollkommen die ersten baulichen Einrichtungen
an dem Stapelplatz gewesen sein müssen, ersehen wir daraus,
dass erst in den Jahren 562. 575. 580 unter den Staats-*
bauten der portus genannt wird. Das Wesentliche dieses
Baus bestand in der Herstellung eines vermuthlich wegen
des Eingangszolls mit einem Zaun umfriedigten und ge-
pflasterten Lagerplatz, emparium, und einer zum Fluss herab-
führenden Steintreppe. Bis dahin also muss das Ufer an
der Ausladestelle sich fast im Naturzustande befunden haben:
wie vielleicht noch zur Zeit des Augustus das Ufer in Tras-
^) Die via salaria ^alt den Alten ebenso wie die saUnae von
Ostia im Einklang mit der Stadtgeschichte als vorservianisch, wie
dentlieh aus dem zerrissenen Artikel des Festns S. 326 hervorgeht
(die Verwebiing in die Aeneasfabel in der von Preller a. 0. 2, 8 heran-
gezogenen Origo g. Rom. 12, wo die noch jetzt nachweisbaren stagna
aquae salsae vicina inter se genannt werden, gehört zn den letzten Ans-
läofern der Fabelbildang), die Erklärung des Namens quia per eam Sa-
hini sal a man deferebant trifft das Richtige. Das hohe Alter der
Strasse als Verkehrsweg nach dem Sabinerlande , wenn anch nicht als
Knnststrasse, ist ausser Zweifel (über die Kunststrasse JNibby Vie
S. 82 ff. und jetzt die § 3 A. 39 a. Wegebauinschrift v. J. 639 =» CIL 6,
1, 3824). — Ueber die Salinen vor porta TrigenUna Th. 11.
432 '^HEIL t.
teyere (A. 57.) Wer den schroff wechselnden Wassersta
und die Verschlammung der Uferränder bedenkt, wird
geben, dass ein so primitiver Zustand mit einem sehr a
gedehnten Schiffsverkehr nicht wohl vereinbar ist. —
muss dahingestellt bleiben, ob ein mit diesen Bauten zuglei
genannter Brückenbau als ein solcher im eigentlichen Sin
oder als ein Quaibau aufzufassen ist. — Die Einrichtung d
Emporium erinnert sachlich und dem Namen nach an Athenf,
Gewiss ist es kein zu gewagter Schlnss, dass wie für di<
gleichzeitige Erbauung neuer Navalien (unten), des tholtis ma*
eelli und der ersten basilica, so für die des Emporium di^
griechischen Einrichtungen Vorbild und Anstoss abgegebei
haben^^). — Aus ganz unzureichenden Gründen hat man ge-
*») Livius 35, 10, 12 zu 562/192: (die Aedileo bauen) porHcm
unam extra portam Trigemmam emporio ad Tiherim adiecto; ders.
40, 5 t za 575/174: (von den Ceusoren M. Aemilins Lepidos uni
M. Fulvius Nofoilior verdingt der letztere) portum et pilas pontis
in Tiberi (so Madwig, Tiberim die Hss.), quibus pHis fornices post aU-
quol annos (? im J. 612) P, Scipio Aßricantis et L. Mummius censoret
locaverunt imponendos ,' ders. 41, 27, 8 zu 580/174: (die Censoren) extra
portam Trigeminam emporium lapide straveruni stipitibusque sae-
pserunt et porticum Aemiliam reficiendam curarunt gradibusque ascenstan
ab Tiberi in emporium feeerunt. Dass emporium und portus hier den-
selben Bau bezeichnen, wie forum piscatorium (Liv. 26, 27, 2. 40, 51)
und macellum (27, 1 1, 76), ist Hennes 2, 90 f. 4, 257 f. gesagt Irrig
ist die Meinung (z. B. Wecklein S. 182), dass, wo der portus war,
auch das Heiligthum des Portunus gewesen sein müsse. Dieses wird
vom Kalender am pons AemiUus, von Fronto (oder seinem Glossator)
ad Caes. 1, 6 S. 19 JVa. (Bd. 2, 199) ohne Ortsangabe Portunitm
genannt. Mit der Annahme, dass diese Brücke Ponte rotto ist, scheint
mir die Bd. 2, 257 vorgeschlagene Aenderung bei Varro 5, 145: secundum
Tiberim ad Portunium (adiunium die Hs.) forum piscarium wohl ver-
einbar und somit die früher verworfene Aufstellung INissens, dass der
Rundtempel am Ponte rotto das Portunium sei, zwar nicht bewiesen,
aber möglich (vgl. Th. II). — Bekannt ist die Abgrenzung des athe-
nischen ifinoQiov durch Grenzsteine und deren Zweck: Böckh Staats-
haush. 1, 85 vgl. Wachsmuth Athen 1, 323 f. Das Wort emporium
kommt zuerst bei INaevius (Fest. 145) vor: es ist hier vielleicht der
Hafen von Panormos. Aehnlich wird das Emporion von Chalkis be
schrieben (Dicaearch fr. 59, 29 Müll., vgl. Fuhr S. 358 f.). — Dass die
§ 7.] HAFENBAUTEN. 433
Sieint, die Trümmer dieser Bauten in der jetzigen Vigna
Torlonia (früher Cesarini), gegenüber der ehemaligen porta
Porttiensis, wiederzufinden. Dort sind noch jetzt Reste der
Umfassungsmauer eines durch eine Mittelwand in 2 gleiche
Hälften getheilten, mit der Langseite dem Ufer parallelen
und gegen dasselbe offenen Gebäudes von ungefähr 60 x 300 M.
Grösse erhalten, von welchen ehemals in der ganzen Breite
desselben Stufen nach dem Fluss liinab führten. Die mit
Mörtel aus kleinen Tufsteinen konstruirten Mauern scheinen
(wenigstens die der Langseite) von Bogenfenstern durch-
brochen gewesen zu sein. Eine in der Nähe gefundene In-
schrift der Kaiserzeit sichert den hier einzuführenden für
den Gebrauch bestimmten Waaren Zollfreiheit. Ob dies
Gebäude das Emporium oder eins . der zahb*eichen horrea
der Gegend sei, deren lange Reihe, so weit unsere Kenntniss
reicht, in der Zeit der Gracchen beginnt, ist noch nicht zu
entscheiden; dass wir es hier nicht mit dem Bau der Jahre
562 ff. zu thun haben, ergiebt sich aus der Beschreibung
desselben ^^).
pilae pontU am natüriiclisteD von einer wirklichen Brücke verstanden
werden, gebe ichzn: aber die Schwierigkeiten, diesen Bau in die Ge-
schichte der römischen Brücken einzureihen, sind schon entwickelt
worden, und ich möchte noch jetzt dabei bleiben, dass in dem Ori-
ginalbericht von einer Landangsbrücke (an die pilae von Pnteoli habe
ich früher erinnert) die Rede war, und dass, sei es Livius, sei es die
Abschreiber potUis aus naheliegenden Gründen hinzugefügt haben.
*^) Genaue von einander unabhängige Beschreibungen und Zeich-
nungen von Fabretti De aquis 3, 14 S. 154 ff. (daraus bei Piale, unten
A. 48) und Piranesi Antich. 1 T. XX, 1. 4 T. XXXVIII, ebenso auf
Faldas Plan v. J. 1676, Grundriss bei Nolli; von der Hinter wand steht
noch ein Theil mit den Bogenfenstern, wie man von S. Pietro in Mou-
torio und dem M. testaccio aus sieht (in die Vigna Torlonia konnte
ich nicht gelangen): Arch. Z. 1868 S. 17 ff. Forma S. 44 vgl. Einl.
1 1 A. 22. 41. Im Juni 1876 bestätigte mir Hr. Gins. Tomasetti aus eige-
ner Anschauung die Existenz eines 'grande recinto di muro massiccio di
tnfa con cemento; di questo muro posto sopra terra esistono tre parti,
una delle quali presenta 7 archi;' ohne Ausgrabungen im grossen Stil
wird man aber nicht weiter kommen. — Die Inschrift Or. 3348
qtäcquid usuarium mvehitur ansarium non debei befand sich nach
Jordan« römische Topographie. I. 1. 28
434 THEIL I.
Von da bis zum Fuss des Aventio, und namentlich an
der Marmorata, sind Reste von allen Dfermauern aus ver-
schiedenen Zeiten erhalten. Die bedeutendsten kamen im
J. 1868 zum Vorschein. Es sind Backsteinmanern aus der
Zeit des Hadrian, in der dieser Zeit eigenen Abwechslung von
von Reticulatbau und horizontalen Bändern von mehreren
Reihen Langziegeln konstruirt (Einl. § 1 A. 42). In verschie-
den grossen Abständen springen aus derselben je zwei von
einem kleinen Platz von beiden Seiten zum Fluss hinab-
führende gemauerte und mit grossen Ziegelplatten belegte
schiefe Ebenen hervor, in dem Scheitel des so gebildeten
Dreiecks aber ist jedesmal eine kragsteinartig hervorragende
und in paralleler Richtung mit der Uferlinie durchbohrte
Travertinplatte befestigt. In einer dieser Vorbauten ist eine
in Terracotta ausgeführte , eine Amphora darstellende Relief-
platte, umrahmt wie das bekannte Ladenschiid in Pompeji,
eingelassen. — Auf dem versandeten Ufer unter diesen Ufer-
bauten fanden sich zahlreiche Blöcke fremden, für die öffent-
lichen Bauten bestimmten Marmors. — Man hat bemerkt,
(^ass die hervorspringenden Steine zur Befestigung der hier
anlegenden Schiffe gedient haben müssen, dass ihre Höhe
über dem mittleren Tiberspiegel ein Wachsen der Höhe des-
selben um 1 M. seit der Zeit Hadrians wahrscheinlich macht,
dass hier ausser dem Marmor auch Wein gelagert haben
muss, und dass vielleicht mit dem Untergang dieses portus vi-
narius (A. 56) die Entstehung des Monte testaccio zusammen-
hängt. — Endlich ergänzen uns diese Uferbauten das Bild,
welches uns zwei Stücke des kapitolinischen Plans von den
ripae mit ihren scälae und den anliegenden horrea geben. —
Das. noch ungenügend untersuchte Detail dieser Bauten können
Fulvius ^sttb Aventino' und wird von Fabretti S. 156 vermutbvBgs-
w eise dem 'Emporium' zagetheilt; dagegea sind in oder bei den Rainen
mehre DedicationeQ an die die horrea beschützenden Gottbeitea
(CIL 6, 1, 1$S. 58S) und ein ß^efäo contervatori horreontm Galbianorum
geweihter Altar (236) gefunden worden (fid. 2, 104. Forma a. 0.
u. Th. II).
§ 7.] HAP£NBA(JT£N. 435
wir nicht beurtheilen : auf den Zusammenhang mit der Han-
deLsvorstadt kommen wir Th. II zurück**).
Ein ganz anderes Bild bieten die Tlberufer oberhalb der
Indek Dass der Tiber oberhalb der Stadt und der Anio mit
Barken befahren werden konnte, wie jetzt, ist sicher. Aber
die alten Angaben über den auf den Wasserstrassen aufwSrts
unterhaltenen HandelsTerkehr zwischen Rom und den Gebirgs-
ländern sind sehr dürftig und allgemein gehalten (vgl. A. 57):
auf keinen Fall begründen sie die Annahme, dass wie heut
unter völlig veränderten Verhältnissen Hipa grande und
Ripetta, so ehemals ein porhis oberhalb, einer unterhalb der
Insel bestanden habe. Zeugnisse dafür giebt es nicht (s. unten)
und die bereits hervorgehobenen in der Natur des Flusses,
in den Nachrichten über 'den Hafen' liegenden Gründe
sprechen dagegen. Dass dadurch nicht ausgeschlossen wird,
dass Barken auch am Marsfelde anlegen konnten, versteht
sich von selbst. Aber wo von solchem Anlegen die Rede
ist, sind es Kriegsschiffe, die es thun: hier sind die
navalia, die Docks der Kriegsmarine^^).
Erst aus der Mitte des 5. Jahrhunderts der StajJt besitzen
wir einigermaassen zuverlässige Nachrichten über die Ent-
^iekelung der römischen Kriegsmarine: die Aufstellung einer
Flotte erscheint damals als ein aussergewdhnliches Ereigniss.
Nicht viel anders ist es bis auf Augustus geworden. Wo
immer die Nothwendigkeit eintrat, dem Feinde auf der See
die Spitze zu bieten, handelte es sich um den Neubau einer
Flotte. Hieraus folgt, dass Rom nicht wie Athen gros»*
*») S. Forma nrbis S. 44f. (fr. 169. 188), woselbst Brnzzas und
Pariheys eiosdilageBde Arbeiten besprochen sind. Die erste Abbiidoo;
bringt die neue mir während des Draeks zugehende Schrift Brazza's
*G]i scavt deir emporio' (ans der Gratalationsschrit zu Pins' IX Jabl-
leum): er verspricht Ausfiihrlicheres in den Annali in geben.
' -^ Die ganze Frage ist zoerst von Piale (Degli antidii arsenali
detti navalia, hinter Delle mnra Anrdiaae 1822) richtig angegriffen,
von Becker (Top. 159 Haodb. 2, 1, 397 R. Top. in Rom S. 19 ff. Zur
t^m. Top. S. 15 f.) entschieden worden. Vgl. Preller Reg. 211 ff.
Rom Q. d. Tiber 3,. 143 u. m. Forma S. 45.
28*
436 THiSIL I.
art^ angelegter ständiger Werften und Docks bedurfte,
welche den Bestand einer regelmässig ergänzten und ver-
piehrten Flotte voraussetzen'^^). Es ist also nicht auffallend,
dass über den Bau, die Reparatur oder das Aufbewahren der
römischen Flotte in den navaUa auf dem Marsfeld
(unten) in der Geschichte der Seekriege nie die Rede ist: wir
hören, dass darin feindliche Schiffe eingestellt werden, (die
der Antiaten im J. 416 d. St., doch nur ein Theil, die
übrigen wurden verbrannt; die des Königs Perseus) und
Kriegsgefangene untergebracht werden; daneben freilich, dass
Staatsschiffe, welche von einer diplomatischen Mission zurück*
kehren (so das Schiff, welches die Schlange von £pidauro8
brachte, das Schiff, auf welchem der jüngere Cato von
Kypros zurückkehrte), nachdem sie die Gesandten wahr-
scheinlich an der porta Flumentana abgesetzt hatten , v^eiter
hinauf in die Navalien fuhren, aus denen sie also ausge-
gangen sein mussten: und damit steht im Einklänge, dass
das Schiff, auf welchem Aeneas nach Italien gelangt sein
sollte, ebenfalls in den Navalien aufbewahrt wurde ^^)«
^) Ueber die Eotwickeluo^ der römischen Kriegsmarine vor
Angnstns verweise ich besonders auf Mommsen Staatsr* 2\ \, 565 f.
Marqoardt Staats verw. 2, 479 ff., welche freilich auf die Frage über
die Navalien nicht eingegangen sind. Die Marine seit Aogastos kommt
hier nicht in Betracht.
^^) S. Forma S. 45. — Zur Zeit des Cincinnatus giebt es noch
keine nävalia (weiter besagt die A. 53 a. Stelle des Livins nichts^ vgl.
£inl. § 2 A. 25). Livius 8, 14, 12: naves Jntiatixim partim in navaHa
Jiomae suhductae pctrtim irusentae u. s. w. 45, 35, 3: Paulus kehrt aof
dem Sechzehnrnderer des Königs zum Staunen der Menge zorück;
4^2,; 12:. naves regiae captoe de MacedmUnu (alle?) invisitatae ante
magnxhiäinit in campo Martio (s. A« 53) subduetae nmt. Polybios
3^,. 5. (3), 9: (zuerst benutzt von Preller) die Oeissela der Karthager
^u, Anfang, des 3. punischea Krieges ifaganofita^^vris sts "^v ^Peifirpf
K^^ov die Hss., verbessert von Gronov: vgl. 18, 44 (24) 7 Liv. 33,
3.0, 5),. ~7 Ankunft der Schlange: es ist klar, dass eg^retsis leffoUs (obea
A.I25).Vda8^ Schiff da die N&valien fahren soll; ebenso das des. Cato (Plot
Gato min; 3.9. Vell. 2, 45 vgl. Drum. 2, 266): die Beamten gehen dem Schiff
nqbs ibv noia/^ov (cum per .Tiberim, sukirei) eatgeg^n : er «hier r^
§ 7.] HAFENBAÜTEN. 437
Dazu kommt nun endlich die Nachricht , dass um die-
selbe Zeit^ als am unteren Tiber das Emporion nach
dem Muster des athenischen gebaut wurde, die Nava-^
lien von dem griechischen Baumeister Hermodoros neu
ungerichtet und mit einer aller Wahrscheinlichkeit nach
nach demselben Huster eingerichteten Werft versehen wur-
den. Vor dieser Zeit also wird man sich schwerlich den
Bau jener Flotte von 300 und mehr Kriegsschiffen im Mars-
felde zu denken haben, vielmehr wird der Bau nach Maass-
gabe der Verhältnisse in einem der latinischen oder sud-
italischen Häfen geschehen, in den Navalien zu Rom aber die
geringe Anzahl von Schiffen, die man ständig hielt, ausser
Dienst gestellt worden sein. Aber auch der Bau des Hermo-
doros wird schwerlich sehr grossartige Dimensionen gehabt
haben, und vollends ist es sicher, dass seit Augustus |die
grossen Flottenstationen auch zugleich die Werften gewesen
sind'^^). — Die navaUa also haben eine sehr untergeordnete
o^^v 7rttQ€$eXavvoyy iTfl vidtg i^rjQovg ßaaiXixfjg avx avijxe tiqotsqov
rj xad^QfiCaai tov aroXov eis ro vewQiov {ad eum hcum tibi erat expo-
nenda pecuniä)» Verraathlich war es gpebräQchfich , dass die Staiats-
schiffe bei solchen Gele^enheiteD vor dem bezeichneten Thor anlegten;
der Grund dafür Hegt nahe: der heimkehrende Feldherr hatte sich von
da nach der viüa publica so herben, während er bei dem Einstellen
des Schiffes in die Docks Nichts zu thiin hatte. — Prokop Gbth: 4, 22
S. 573: unter den Erinnerungen an den Ursprung Roms xal i) vavs
Atvitov . • x(A eh To^e xeirai d'iafxa navrelcag antarov, vetoaoixov
yciQ noitjffdf^evoi iv fiitffi ty noXeinuqä tT(v tov TtßigiSog ox^v.
Es folgt die Beschreibung des Schiffs: fiovriQrjg von 120 X^^^-r<^^^^
Bisen gebaut; vermiitblieh eine Cieeronenlüge (vgh' A. 6): es wird
eins der genommenen feindlichen Kriegsschiffe gewesen sein.
'*) Cicero de. or. 1, 14, 63: nee si hmc üf. Antonio pro Hermö-
doro fuistet de navaUum opere dieepdum. Hermodoros der Salaminier
bant in Rom 608. 618 die Tempel des Juppiter und des Mars (Vitr;
3, 2, 6 Nepos b. Prise. 8, 4, 17 vgl. Einl. § 1 A. 49), möglicherweise
schon früher die Navalträ. Ueber die vetoQia und die axevo&i^xr] im
athenischen Hafen (letztere ein Bau des Philon um 330) s. Böckh Seew.
64 ff. Graser Phtlol. 1872, 62 ff. Wachsmuth Athen 1, 598 f.; 651^
6^8. Itk habe Forma S. 44 dairauf bezogen finnius h'. Serv. z. Ae.
11, 326: isdem campus habet teättrinum navibus Umgit ^SerVitrs
488 ™KI^ '•
Rolle gespielt und ihre Lage oberhalb der Brücke und ausser-
halb der Vertheidigu ngslinien gegenüber dem vatica-
nißchen Gebiet — eine genauere Bestimmung ist wohl
nicht m60ich — ^^) liess dies auch von vornherein erwarten.
Da wir uns die Navalien als einen auf der Landseite von soliden
Mauern umschlossenen .und durch diese -igegen die Gewalt
belegt damit deo Sats, dasB tuttMiHa vmigiUy teapirma ravntfym aeiea.).
Indesseo ist die Anoahme niisslich und es kann hier wie bei Naeviiis (Fest.
145): apud emporium in campo hosUum promoene, von einer feind-
lichen Stadt die Rede sein (vgl. A. 46). — Von den soeben von Moinmsen
Eph. epigr. 3, 319 E behandelten zwei Ebreninsehriften des P. Ln-
eilias Ganala aoa Ostia (Wilm. £x. 1724 1724*> spricht die eine tob
eineio Geldgeschenk desselben ao die Stadt, als diese o6 poüidtatumem
belli navalit ihre Graadstücke verkauft hatte , die andere: idem- natfoie
a L. Coilio aedificatum extru[en\tibut fere collapsum restituit, was
nach Mommsen S. 330 ein navale extruentibus {vnvnrjyia) im Gegen-
satz zu einem n. tvbdueenübus {vitoqi«) bedeuten soll. Gamala war PrÜ-
fekt des Loeius Aeliua, Sohns des Hadrian: MemmseD hält den See-
krieg für den mit den Marcomannen (170 n. C.) geführten. Sachlich
und sprachlich halte ich navale extrueniibu* fnr unmöglich. Vgl. A. 56.
^^) Entscheidend sind, wie Becker geseben bat, iavius 3, 26, 8:
L. Quinctüis trans Tiberim contra eum tpmm loeum, übt nune navalia^
quaUuor iugerum colebat agrum^ Plinius 18, 20; aranti quattuar sua iugera
in Faticano^ quae prata Quitutia appeUrnituTy CüMinnato viaiar aüuUl
dißtaiuram^ womit die Angaben A, 51 in campo Martio (Liv.) und i¥
fiiojjl Tjl noUi (Prok., man denke an die damalige Auadehnong von
Transtiberim) stimmen. Da<)arcb sind die älteren Annahmen (Aventin,
Trastevere) ausgeschlossen. Das Verzeicbniss dar Bauten des Censor
Fulvius (Liv. 40, &1); basüicam post argentaria» novas ei forum pisca-
torium . . et forum ei porticum exh^ portam TrigemMam et aliam
post navalia et ad fanum UercuUs et poH Spei ad Tiberim aedem
Jpoüinis medici (so die Hss.) springt vom Emporium zu den Navalien,
Der letzte Theil nennt Heiltgtbümer am forum hoUtormm: Preller will
deshalb die Navalien so nahe wie möglieb an dasaelbe rücken (ßeg.
S. 242). Mir scheint die« wegen des geganüberliegeiiden ager Fati-
canuSy der soweit nicht ausgedehnt werden kann« unmöglich. Die
oflenbar verdorbene Stelle ist noch nicht sicher gebeilt (s. Tb. II). -^
Wie ein grosses Schiff, ohne (d. bi mit niedergelegtem) M«6t durch eine
der Brücjien nach den Navalien fährt, zeigt die Münze dea Pü^s A. 25,
Die Weite der alten Bögen (uagefäbj^ 20 M.) ist für das gr$SBte der
alten Kriegsschiffe mebr «U gesügend..
§ 7.] HAFEWBAÜTEN. 439
der üeberschwemmungen geschätzten Raum zu denken haben
(er diente als Einschliessungsort für Gefangene), so ist mit
l^ahrsoheinlichkeit die porta navalis als Eingang der Navalien
betrachtet worden '^^). Mit dieser Annahme stimmt die Zeich*
nung eines im Original nur noch zum kleinen Theil erhal-
tenen Stücks des kapitolinischen Plans, dessen verstümmelte
Inschrift den spätlateinischen Singular navdle zu enthalten
scheint, im Wesentlichen so auffallend überein, dass die alte
Annahme, es stelle die Navalien dar, viel Bestechendes hat,
zumal auch die aus dem Maassatab des Plans ungefähr zu
erschliessende Grösse des dargestellten Gebäudes — es würde
eine Längsaxe von mindestens 100 M. gehabt haben — und die
Richtung der Schrift zu dieser Annahme passen '^'^). Nichts*
destoweniger ist dieselbe unsicher: denn wie portus, so hat
das spätlateinische navaU nachweislich auch, wenn nicht
etwa ausschliesslich, die Bedeutung 'Magazin' und es bleibt
somit die Möglichkeit, dass wir einen Stapelplatz der Handels-
scbiffe unterhalb der Stadt vor uns haben. Dass es im *
^) Der Aiiszt des Festas S. 179: naoaUs porta a vidnia navalium
dicta (s^aux unsicher die Brgäazuog des Artikels des Festus S. 178 .. .
üem navalis r]egio u, s. w.). Die 'Nähe' schUesst oieht aas, dass es
das Thor der Umfassaogsmaaer selbst war, zumal bei der bekaonten
Liederlichkeit des Epitomators. Natürlich kano auch an einen nahen
formXf z. B. der A. 53 erwähnten parUsus post navaUa gedacht werden,
Dicht (wie Becker sah, s. § 3 S. 241) an ein Ther der SUdtmaner.
^B) Forma Fr. 61. 61»: deutlich sieht man einen recbteckigen
mindestens von 3 Seiten von Mauern umgebenen Raum, in den in der
Mitte ein Thor fuhrt, darin steht navalem fer^, woraus Bellori navaUoy
Preller nawüe v{fer[utn]f Saohse navale empar\ium], Becker (zweifelnd)
navale merlcat4)rium] gemacht haben (s. die Adnot.). — Wahrschein-
lich war auf dem Plan die Länge des jetzt verstümmelten Gebäudes
0,80, bei der Annahme des Maassstabs 1 : 300 also in Wirklichkeit
240, möglicherweise aber nach den Forma S. 13 erörterten Schwan-
kungen nur (Maassstab 1 : 150) 120 M. Die Längsaxe des sogenannten
Emporium (oben) iat 300 M. 1.; nach Grasers Untersuchungen über die
athenischen SchUfshäuser (Philol. 1872, 62 ff.) würden die Schiffshäuser
für 30 Kriegsschiffe etwa eine Frentläage von 325 engl. F. » 99,08 M.
darateUen.
440 THEIL I.
3. Jahrhundert deren mehre, d. h. eine ganze Reihe für die
verschiedenen Waaren , dort gegeben hat , scheint schon jetzt
durch die oben beschriebenen Entdeckungen an der Marmo-
rata bewiesen zu sein. Wenn daher die Herstellung des ver-
stümmelten Namens navale infer[iu$] richtig sein sollte, so
wurde daraus keineswegs folgen, dass das superius oberhalb
der Insel zu suchen ist: vielmehr wurden beide, wie die
uns der Lage nach ganz unbekannten Weinmagazine portus
vinarius superior und mferior, füglich auf der lang ausge-
dehnten Uferstrecke von der alten porta Trigemma bis zu
der aurelianischen Mauer untergebracht werden können '^^.
Die Dimensionen des Stucks wurden zu denen des oben be-
schriebenen, noch in Trümmern erhaltenen 'Empoiiuni'
passen.
So unsicher dies nun auch einstweilen bleibt, so halten
wir doch an der ausgesprochenen Meinung fest, dass die
Natur der Sache, das vollständige Schweigen der Schrift-
^) Becker (oben A. 49) hatte Recht, wenn er das Vorkommen von na-
vale für navaUa bestritt, deshalb Prellers Ergänzung verwarf (A. 55) nnd
navab'a ausschliesslich als vecigia (welche die vfoiaoixoi enthalten) anf-
fasste, und es ist die Frage, ob in älterer Zeit jemals zwischen navoKa
und navale wie zwischen v^foqiix und vitoqiov (Böckh Seew. S. 64 F.)
geschwankt worden ist. Das Zeugniss der Inschrift des Gamala (oben
A. 52) lassen wir einstweilen ans dem Spiel. Aber auf neu entdeckten
Ziegeliaschriften von Siscia in Pannonien (Eph. epigr. 2, 434) steht «n
Aoc navali in der Bedeutung von 'Ziegelei', woraus sich also ergiebt,
dass navale in die allgemeinere Bedeutung von portus übergegangen
nnd in dieser Bedeutang in später Volkssprache sitigularisch behandelt
worden ist. Daher bei Obseqnens 68 (128) z. J. 710: fulmine navaUa
pleraque tacta nicht zu ändern ist: es sind Magazine. Da nun die
Aufschriften des Stadtplans stark plebejische Färbung haben (Forma S. 7),
so ist navale nicht auffallend, kann aber sowohl die echten navaUa, wie
rgend welchen portus bedeuten. Die Hermes 11, .123 aufgeworfene
Frage, ob das von Canina Arch. ant. 2, 173 publicirte pompejanische
Bild , welches navaUa mit Schiffen darstellen soll, das bei Heibig 1582
aufgeführte ist, mag, da sie noch nicht beantwortet worden ist, hier
noch einmal aufgeworfen werden. Die Wichtigkeit des Gegenstandes
verdient eine Untersuchung: man könnte an Misenum oder Pnteoli deaken.
§ 7] KLO AREN. 441
Steller, ihr Reden über den Handelshafen am unteren Pluss
nicht gestatten, an irgend einen grösseren Stapelplatz im
Norden der Stadt, der den Namen portm verdient hätte, zu
denken. Es dient als Bestätigung dieser Auflassung, dass der
Verkehr, der sich in republikanischer Zeit vor dem Carmen-
talischen und dem Fiussthor concentrirte , ehe Caesar und
seine Nachfolger (oben S. 299 f.) damit aufräumten, durchaus
den Charakter des bäuerlichen, nicht des gewerblichen oder
Schiffsverkehrs trägt. Es darf hier einstweilen an den Gemüse-
markt und an das Volksleben am flaminischen Circus erinnert
i^erden ; vielleicht gehört in diesen Kreis auch die minicische
Getreidehalle. Nur der wahrscheinlich ebenfalls hierher ge-
hörige Fischmarkt könnte als störend gelten: indessen handelt
es sich in ältester Zeit wesentlich um den Verkauf der Fiuss-
fische, und die Flussflscher scheinen in Trastevere gewohnt
zu haben. Keine einzige gewerbliche oder kaufmännische
Anlage wird in älterer Zeit meines Wissens hier genannt und
die Luxusbazare der Kaiserzeit beweisen naturlich für einen
nahen Hafen sowenig, wie etwa heutzutage ähnliche Etablisse-
ments für die Nähe eines Bahnhofs^').
Was uns aus der Stadtchronik über die Geschichte des
mit der Flussregulirung zusammenhängenden Kloake n bans
^^) Ueber die Entwickelong dieser Vorstadt nod über die ge-
DtniiteD Oertiichkeiten Th. IL Zn fra^^eo ist noch, wo man sich den
in dem schmutzigen Gedicht Catal. Verg. 5, 19 ff. geschilderten Vor-
gang zu denken hat: non me vocabis spurca per Cotyttia ad feriatos
fasdnos, nee te movere lumhubt in caitida (so Ribbeck nnd Haupt)
prenHs videbo altaräms flavumque propter Thybrim dentes nauticum
voearey übt adpulsae rates stant in vadis caeno retentae
sordido macraque luciantet aqua. Man kann an Ostia denken:
wahrscheinlicher scheint mir Traatevere, wohin der fremde auch von
Horaz Epo. 17, 56 erwähnte Kultus weist. Die allgemeine Bemerkung
Strabos 5, 3, 7 S. 235 (vgl. Dionys. 9, 36) über die das Baumatertal
nach Rom herabführenden schiffbaren Flüsse, besonders den Tiber, auf
welche Preller u. A. grossen Werth legen, beweist weder einen aus-
gedehnten Handel auf den Wasserstrassen von oben her, noch die
Existenz der von Hafenanlagen oberhalb der InseK
442 THEIL I.
erhalten ist, ist dürftig ^^), Deo Bau der 'Hauptkloake' scfareikt
die Tradition den Tarquiniern zu, lässt aber wohlweislidi
wegen der damit nicht übereinstimmenden Datining d^ An-
lage des Comitinm bereits Ancus Marcius denselben vorbe-
reiten (oben S. 159). Bei dem Wiederaufbau der Stadt nack
dem gallischen Brande sollen die Kloaken zuerst durch Privat-
häuser überbaut worden sein^^). Eine Reinigung derselben
sowie eine Erweiterung ihres Systems durch Anlage neuer
Zweige auf dem Aventin 'und anderwärts^ wurde in der
Censur des J. 570/184 angeordnet Es bleibt unsicher ob
es dieselbe Reinigung ist, welche nach Gajus Acilius 24 Mil-
lionen Sesterzen kostete ^^). Wie die Unternehmang des
J, 570, so erstreckte sich auch die einzige ähnliche, von der
sonst berichtet wird,. die des Marcus Agrippa zugleich auf
die Regulirung der öffentlichen Brunnen, nur dass seitdem
die Zahl der dieselben speisenden Wasserleitungen sich
vermehrt hatte ^^). Wir hören sonst noch Yon Schachtoi,
^) Ueber die Rechtsverbältnisse s. Schmidt Zs. f. gesch. Rechtsw.
15, 51 ff. Za eioer erschöpfenden Darstelluns fehlt die nöthige tech-
nische Voruntersuchung.
^ Liv. 5, 55 (der Wiederaufbau ohne Rücksicht auf gerade Lioien):
ea est causa ut veteres chacae friinum per publicum duetae nunc pri-
Vota passim subeant tecta. Vgl. § 8.
^) Liv. 39, 44, 5 : (Cato und Flaccus) locus siemmdüs lapide däer-
gendasque qua opus esset oloacas, in Aventino et in aUis partibus qua
nondum erant faciendas hcaverunt. In welchem Zusammenhang Cato
*oloacale flumen' pro doücarum omnium oonluvie sagte (Festus Ansz.
S. 59) wissen wir nicht: doch vgl. A. 71 z. A. — Dionys. 3, 67 z. fi.
zählt die tarquinischen Kloaken, Ta<pQot, die Wasserleitnngea nnd
Strassenbauten auf: sie seien auch wegen der nolviiXsiu zu bewon-
dern, tj»^ i$ ivos t^oyov TixfifjQatT* av Tis TcIkw ^AMXior TtoiriadfA^vos
Tov f4.iXXovtos X^yiad-ai ßtßataniiVy os <priaiv itfABitj^eiCtSv nots T«y
Ta<pQ(üV xal fiTpt^ii 6iaqQ€0fAiv(ov rovs tifAtixag rijv avaxa^QOfv avtup
xal TJiv fniax€VTiv x^^^^v fua&mcat taXdvrfov, Unzweifelhaft ist dieser
Gajus Acilius der bekannte, welcher eine griechisch geschrieben«, voa
Livius in lateinischer Uehersetzung benutzte Geschichte Roms kurs I
nach dem 3. punischen Kriege herausgab. Mommsen R. G. 1^, 808 be-
zieht daher die Notiz wohl mit Recht auf das J. 570.
01) (Jeher Agrippa die kurze Parenthefte bei Plinius 36, 104 (der
S 7.] KLOAKEN. 443
durch welche die Kloaken mit dem Niveau der Strassen in
Verbindung standen und von der Beschädigung derselben
durch darüber gewälzte Lasten ^^). — Die Instanderhaltung
der Kloaken ist so lange es Censoren gab, von diesen regel-
mässig verdungen, die polizeiliche Aufsicht wahrscheinlieh
mit der Strasseripolizet verbunden gewesen. Seit der Um^
gestaltung der städtischen Verwaltung durch Augustus hat die
tarqoiaisclie.KloakeobAa hatte die Berge nBterhiJblt) urbe pennli mb-
terque navigata-M, ^grippae in aedäitate post coiuulatum: das Übrige
bezieht sich nicht, wie Fraodseo Agr. S. 63 glaubt, auf den Bau des
Agrippa, soAdern auf den tarqninischen (Ä. 71). Die 49, 43: rovg tb
-uTTovofiovs i^tHttSfiQi xul ig Tov TXßiQtv 61* avxwp i^^nUvae, lo
seiaer Aedilität 721.
^') PUiiius 36, 6 erzahlt vom Transport von Säalen fremden Mar-
mors zam Bau des Hauses des Scaurus: satisdari sibi damni injecti coegü
redemtor cloacarum cum in Palatüim eae traherentur — was doch
schwerlich von dem Einsturz der Gewölbe durch die Erschütterung
veratajiden werden kcao (vgl. A. 71) — und Sneton Gramm. 2 von dem
Unfall des Cratos von Mallos in Rom: cum regione PalaJUi prolapsus
in cloacae foramen erus fregisset — Heiiogahals Leiche versuchte man
wahrscheinlich in der Nähe des Gircus in eine Kloake zu werfen (oben
Al. 23 und Epit. de Gaes. 39 : cum angiutum foramen eloaoee corpus
minime reeiperet). Die Leiche des heiligen Sebastian wird ebenfalls
in die Kloake geworfen,. aber mit besserem Erfolg. Die freilieh nickt
alten aber mit Benutzung alter Lokalnotizen gemachten Akten (20 Jan.
S. 642) erzählen: er wird in medio campo mit Pfeilen beschossen, von
der Wittwe des h* Gastulus aä domum suam in seala ('al. insula^)
esKceUa ad Palatium geführt vad geheilt: deseendit et sUms super
gradus BeUogtd)ali (das HeUogabaUum auf dem Palatin: Bd. 2, 382
B. 10) venientibus imperatoribus dixü, Dioeletiaa lässt ihn in hippO"
dromo Palatü (wahrscheinlich dem jetzt aufgedeckten Stadium auf dem
Palatin: Lanciani Guida S. S6ff.) todtprigeln: tunctulerunt corpus eins
noete et in clüucam mawimam (so der Text der BoUandisten)
miserunt. Er erscheint der h. Lucina dicens m cloaoa iUa quae est
iuxta cireum invenies cerptu meum pendens in gompho. Hieraus
geht hervor, dass in der That die claoca maxima^ die sich ja in der
Nähe des Gircus befindet, gemeint ist, und es ist gleiehgiltig, ob der
Verfasser der Mirabilien, der die Akten, wie Bd. % 380 ff. gezeigt
wurde, ausschreibt, sich diese Kliiake beim Septizonium denkt oder
nicht; denn sicher ist auch das nicht, wie Urlicfas (der nur die Mira-
bilien citirt) annimmt (Brücken S. 474); vgl. meinen Text Bd. 2, 616.
444 TBEIL I.
cura chacantm, wie es in der Natur der Sache liegt, zu def
cura alvei Tiberis et riparum gehört, wenn auch d^r Name
jener in der amtlichen Titulatur erst unter Trajan er-
scheint^'). — Die Kloaken verliefen unter ölTentlichea Plätzen
und unter Privatgrundstücken; Privatpersonen leiteten auf
ihren Grundstucken Kanäle in dieselben: daraus entstanden
Rechtsstreitigkeiten, aber deren Behandlung unsere Nachrich-
ten bis in die letzten Jahrzehende der Republik hinaus-
reichen**). — Noch im 6. Jahrhundert versah das Kloaken-
System in bewundernswürdiger Weise seinen Dienst: erst im
folgenden wird die Sorge für dasselbe aufgehört und die
theilweise gewaltsame Zerstörung begonnen haben *^)..
Das unvollständige Bild, das uns diese Ueberlieferungen
gewähren , müssen wir ergänzen durch die Betrachtung der
*') Der redemptor cloacarum: A. 62. Es ist nicht wohl deaklMir
dass die Verdinj^ung nur ausnahmsweise gesch^en sei, wie Mommsei
Staatsr. 2, 1, 426 L aozanehmen scheint: die besonders hervoi^ebobene
VerdinguDg des J. 570 (A. 00) ist ein grossartiger IVeobaa ; das aas-
gebildete System der letzten Zeit der Repablik aber hat ua zweifelhaft
eine kootinnirliehe Sorge für Rep.%raturarbeitea erfordert. — Aof-
fallenderweise fehlen in der Lex Jnlia mnnicipalis Bestimmungen aber
den Schatz der Kloaken da, wo man sie ei'warten sollte (neben den
Bestimmungen über Strassenpolizei). lieber die seit Trajan erscheinende
Titulatur Mommsen 2, 2, 976. Hirsehfeld Verw. 1, 153 f.
M) S. Cicero p. Caec. 26, 34: praetor de cloaeU^ de fosHs (vgl.
A. 67), de minimü aquarutn iünerumque eontroverms interdicit, und
den Titel Digg. 43, 23 de claacis, in welchem u. A. Trebatius citirt
wird. Das voo Schmidt (A. 59) behandelte juristische Detail geht uns
Nichts an.
^) Prok. Goth. 1, 20 S. 98: 1; ^k rovs vnovofiovg^ dhtSQ ix rijs
mletog, eZ ti ov xa&aqbv, ixßallovatv l|o>, ccatfdXsiaif ^ntvoelv ot)d€-
filav TjvayxuaTo, in€l ig rov norafjLov Ttßigtv tag Ixßolag ^xavaai
OTittVieg xal Siä tovto ovdifiiav. oiov je t^ noket iv&iv6€ nqog teSr
nol€(jiC(ov imßovlriv ytvicd^ai, Cassiod. Var. 3, 30: Reparatur der
splendidae Romanae eivitaiu doaeae quae tantam vUent^us eonferunt
stuporem ut aliarum civitatium miraeula passint superare u. s. w. Notiz
über die Reinigung der Kloaken im J. 1230: Nibby R. a. 1, 653. Die
Kloake auf dem Forum fand man bei der Anfräamung im J. 1872 mit
Bruchstücken von Statuen angefüllt. >.
§ 7.] KLOAREN. 445
Nachbildung der hauptstddtisdien Einrichtungen in den Co^
lonien und Municipien. Wie in Rom so finden wir in Arpi-
nuin den Bau der Kloaken mit dem der Brunnen (hier
Cisternen) verbünden, in den Städteordnungen der Kaiser-
zeit die Aufsicht über die Kloaken mit der über die Strassen*
Die zum Theil augustischen Bauten in Aosta und Turin
und die vielleicht der suilanischen Colonisation angehörigen
in Pompeji beweisen auch für Rom, dass mit den grossen
Hauptsträngen ein System von Nebensträngen in Verbindung
stand und dass der plötzlichen Ansammlung von Regen-
wdsser auf den Strassen durch Abfuhrung desselben in die
Kloaken vorgebeugt wurde, wie dies letzte auch für Parma
ausdrücklich bezeugt wird**). — Als Hauptzweck der doacae
(ursprünglich fossae cloacae, Ableitungsgräben? A. 72) tritt
hier überall das Abfuhren der im Süden plötzlicher und
verheerender als bei uns fallenden Regen wasser hervor; aber
es verstand sich von selbst, dass dieselben Kanäle sowohl
das Wasser der immer messenden Brunnen als auch di^
flüssigen Abgänge und Auswurfsstoffe der Stadt wegzuschaf-
fen hatten. Wie in Pompeji, so ist in Rom das nach-
weislich sehr ausgebildete öffentliche Latrinenwesen mit
den Kloaken in Verbindung gesetzt worden; ebenso haben wohl
überwiegend die Latrinen der Privathäuser mittels Röhren-
leitung sich in dieselben entleert^'). Die Abfuhr hat sich
^) In Arpinam banen die AedUea [v]tas ci[ttemas] olovacasy CIL],
1178 nach Brunns Absehrift. — Promis Aosta S. 136 ff. Torioo 184 ff.
O verbeck Pomp. 357. — Kloaken in Parma: Cassiod. Var. 8, 29 f. {an-
tiqüos cuniculos sive subtwraneot qm. iungtintur ntarginibus platearum
ep. 30) Lex col. Urson. c. 77 (£ph. ep. 3, 95): nquis vias fossas
cloacas II vir aedil{U)ve pttbliee facere immittere comtnutare aedificare
tnunire intra eos fines, qui colon(iae) Iu1{iae) erunt, volet, quot ews ntw
imuria privatorttm ßet^ it ü faoere liceto.
*7) lieber die Öffentlichen Latrinen von Pompeji Miebaeiis Arch.
Anz. 1860, 115 f. In Rom gab es zur Zeit Constantins 144 latrinae
jmblicae, au der im J. 403 dedicirten Stadtmauer 116 neeessaria (n.
UBdificia, wie in Ronstantioopel), worüber Bd. 2, 169. Gefunden haben
sich in Rom solche Anstalten beispielsweise anf dem Palatin, anf dem
fisquilin, in den Titnsthermen (Lanciani Ball. mnn. 1, 243): kein ö'ffeat^
446 TBEIL I.
nur auf den auf den Stras$en und Plätzen, sowie in deo
öifentlichen Gebäuden sich täglich ansammelnden, vielleiebt
auch wie heute an bestimmten Stellen zur Abfuhr deponirtes
Schmutz, namentlich der Kuchen- und Marktwaarenabgäoge
erstreckt ^^). — Fährte die flauptkloake aus der Altstadt mit
dem Regenwasser die Massen des Unraths in den Fluss,
so liegt es nahe anzunehmen, dass dadurch naidentlich in
der Zeit der grossen Dörre und des niedrigen Wasserslandes
beim Scirocco oder auch bei Ueberschwemmungen,. welche
den Ausfluss verhioderten, Miasmen sich entwickelten und
jene ^Pestilenzen' hervorbrachten, welche wir oben S. 150 f.
besprochen haben ^*). — Noch eine andere Frage knüpft sich
liehes Gebäade, kein grösserer Platz wird ohae eine solche so dea-
ken seio und deshalb sind die bekannten bildlichen Drohungen und
schriftlichen Verwünschungen gegen Strassen Verunreinigung (Rom: Or.
H. 7302; Saloaae: A. 68; vgl. Jahn zu Fers. 1, 113) weniger barba-
risch als bei ans zu Lande. Wie alt diese Anstalten sind, wissen
wir nicht: man deutet darauf die Worte des Titius (Macrob. 3, 16):
ad oQtnittum eunt . . dum eunt nulla est in angiporto mnphora quam
tum implent, quippe qui vesicam plencan vini habeant, — Vgl. Fried-
länder Darst. 3, 104 und über die Latrinen in den Häusern Becker
Gallus 2», 195.
^) Das Geschäft der Strassenreinigung leiten zur Zeit der Republik
und wahrscheinlich noch in der Raiserzeit (Mommsen Staatsr. 2*, 1,
688 f.) eigene Beamte viü m urbe purgandU. Offenbar zu ihrer Verin-
guog — es wird auch hier wie bei den Kloaken an Verdingung zu denken
sein — stehen die plottra stercoris exportandei eaussa der Lex
Julia 66 f. Was hier unter stercus zu verstehen ist, lehrt Varro 6, 32:
dies qui vocaiur ^quando stercum delaiumfas* (15. Juni) ab eo appeUa-
tusy quod eo die ex aede Festae (nicht ex alrio) stereus everritur et
per CapitoUnum cUvum in hcum defertur certum und die Inschrift von
Salonae CIL 3, 1, 1966: quisqu{e) in eo vico stereus non posuerii
aut wm cacaverit aut non miaverü habtat iUas (die dreifadie Hekate)
propitias, si neglexerit viderit; also Abfalle und Müll aUer Art; im-
munditiae, 'imnondezzajo'.
*^) Die Aulstaunng durch hohen Wasserstand bezeugt Pliniaa (A. 71).
Aehnliches kam natürlich auch anderwärts vor: so in Parma, nach
Cassiod* 8, 29 (vgL A. 6H): n» sordium obieciione tardata reciprocatu
uttda vestris aedibus ilUdatur; vielleicht in Kyzikos nach Sallast Bist 3,
26 D.: nam omnia (Aid. doch wohl richtig moema) oppidi stagnabaat
S 7.] KLOAKEN. 447
daran. In der Einsattelung des AveDtin nahe dem Circus lag
die Piscina publica; aber nur noch der Name hatte sich um
den Anfang unserer Zeitrechnung erhalten. In glaubwürdiger
Weise wird uns derselbe als ^ßadeteich' erklärt: und in der
That ist es nicht glaublich, dass die Stadt sich den Luxus
eines Fischteichs in so £röher Zeit erlaubt haben sollte.
Ueberdies scfaliesst, was wir über den Betrieb der Fischerei jener
Epoche wissen, diese Annahme wohl geradezu aus. Nun
wissen wir ferner, dass nach dem Siege Gelons in Akragas
ein grosser Badeteich hergerichtet wurde und dieses, Werk
wird mit der Anlage des Kanalisationswerkes in Verbindung
gebracht. Sollte wie für die übrigen Wasserl)auten, so auch
für die Anlage des Schwimmbassins diese oder eine andere
griechische Anlage als Muster gedient haben und die Veran-
lassung des Baus wenigstens zum Theil die Verunreinigung
des Flusses durch die Kloaken gewesen sein? Das Baden im
Fluss ist nach der geschilderten Eigenthumlichkeit desselben
obnehin gefährlich, möglich wohl nur unterhalb der Strom-
schnelle oder, wo es zur Zeit Giceros und Horazens üblich war,
am Marsfeld e'^**). Wir kommen unten darauf zurück.
Das ausgebildete Kloakensystem ist allmählich, zum Theil
erst im J. 570 entstanden. Die erste Anlage sollte, wie
schon gesagt worden ist, den centralen Theil der Stadt
zwischen den Bergen vor üeberfluthung durch die zusam-
menströmenden Wasser sichern und dieselbe in den Tiber
führen. Die Alten bezeichnen dasselbe als ein System von
unterirdischen überwölbten Gräben, welches in einer Haupt-
mündung {cloaca maxima) das zusammenströmende Wasser
redundantibuM doaci$ adtforso aestu marft. Aber eine Hindeutnog aof
die ao sich sehr wahrscheiolicheo Folgea ist mir nicht bekaDot.
^^) Festus 213: piscinae pubUcae hodieque nomen manet, ipsa tum
eoßtat. ad quam ^ natatum et ewerdtatimns ako qui causa veniebat pO'
pulut, finde Lueäius ait: pro obtuso ore pugü PiseinmiHs reses. Ueber
das JNiveaa der Gegeiid oben S. 133. Vgl. Theil II. -^ Akrag^as, T€i«h
{xokvfißif&^a) und Absagskanäle {q>aiwc€g)i Diod. 11, 26 vgl. Sehnbring
fliat. Top. von Akragas S. 38, Holm Gesch. Sic. 1, 248. 429. 2 A. T. IX.
— Baden am Marsfeld«: Marqnardt Privatalterth. 1, 279 A. 52 vgl. Th. II.
448 "THfilL t.
in den Tiber führte. Wir sind noch nicht im Stande, daröber
zu urtheilen, wie viel von den jetzt bekannten Strängen der
ältesten Anlage wirklich gehören^*). Nur gegen die Ursprung-
lichkeit des kolossalen Mündungsbaus (a) selbst (eines etwa
300 Schritt langen und gegen den Fluss sich von etwa 4 M.
zu 3,44 Durchmesser verengenden Gewölbes) lassen sich
keine gegründeten Bedenken erheben ^^). In denselben
'^) Livias 1, 56 oenot den Bau des Tarqaioias doaeam Tnaanmem
receptaculum omnium purgamentorum urhis (vgl. Cato A. 60); daneben
hat sein fi^rlich rhetorischer Ausdrack fossas cloacasqtte (1, 59, 9)
offenbar nicht die techuische Bedeutung (Haupt- und Nebenkanäle), die
man ihm hat beilegen wollen (Abekea Mitteilt. S. 170). Plinius 36, 104
rühmt den servianischen Wall, die Substrnktionen des Kapitols oad
die cloacae: permeant conrivOti teptem amnes cursuqtie praeciptUtor-
rentium modo rapere atque auferre omnia coacH, insuper imbrium moU
concüati vada ac latera quatiunt, aUquando Tiberis retro infusus recipüur
(vgl. A. 69) pugnantque diversi aquarum impetus intus et tarnen obnoxia
firmüas resütä. trakuntur moles supeme tantae non succumbeniibus com
operis (doch vgl. A. 62), pultant mmae sponte praecipäes aut inta^M
moendiisj quatüur solum terrae moiihus: durant tarnen a Tarquiniß
Prisco . . . ainpUtudineni cavü eam fecisse prodäur^ ut vehemjaeni largt
onustafn transmitteret. Die *" siebeo Flüsse ' sind offenbar gelehrte Ad-
spieAiDg an die durch Cato und Varro bekannten reinigenden Sep-
tem flumina bei Regium (Probns zu Vergl. Buc. 5 S. 3 K. m. Proleg.
zu Cato S. XLV). — Das Wort c/oaca, clovaoa (A. 66) — die Bildaags-
form selten und alt — ist noch nicht sicher erklärt. Die Paraphrase
purgare (§ 4 A. 40) hilft nichts (sie ist abstrahirt, was Curtius Et.
151 verkennt), der Stamm in dieser Bedeutung im Lateinischen sonst
nicht nachweisbar, die Vergleichung von xXv-Cot> eben so bedenklich wie
die von lu-o (dehibrum).
'') f» Der bauliche Znstand ist eingehend untersucht von Ficoroni
Vest* S. 10 f. Piranesi De Rom. magnif. et arch. 1761 (Werke Bd. 7)
T. in f. vgl. Ant. 1, 21 Venuti-Piale 1, 99. 2, 66 Linotte Giorn. arc.
2, 160 f. und am ausführlichsten von Abeken Mitteilt. 169 ff. Die übri-
gen mir bekannten Beschreibungen sind unselbständig. Keine genügende
Abbildung. Eingang bei S. Giorgio: Ficoroni a. 0.; Mündung: Piranesi
a. 0., Uggeri Bd. 2, T. 4, 2. Ueber Material und Bogenkonstruktion vgl.
Einl. § 1 A. 18. Th. J S. 276 f. Dass die Kloake von jeher unter
dem Wasserspiegel gemündet habe, wird behauptet, ist aber durch das
neuerdings ausser Zweifel gesetzte allmähliche Steigen des Wasserstandes
(sicher seit Hadrian) wieder zweifelhaft geworden. Die Bohrversnche
§ 7.] RLOAKBN. 449
führte der Hauptstratg (h) wahrscheitilieh von 4er Subara
^kommend quer über das Forum, Tiroselbst er, 2,15 M. breit,
unter der bmlica Mia (und zwar unter dem öetliohen Quer-
schiff) fortläuft, dann in gerader Linie weiten unter den
f Fieniii' und in der Diagonale unter dem sogenannten Janits
quadrifrons hindurch^').
In diesen Hauptstrang münden auf dem Forum 2 Nebeor
stränge: der eine (c) scheint sich von einem mächtigen, längs
des Südabhängs des Kapitels i& der Richtung vom Forum
Caears hinter S. Martino nach dem Velabrum au laufen-
den Kanal (d) beim tulliaimm abzuzweigen, der andere (e),
welcher unter dem Pflaster vor dem Kastortempel gefunden
ist, von der Velia herzukommen^^). Ungewiss ist es noch,
haben noch nicht sidier die «rspruag^Uche Sohle des Kanals ermittelt.
Bf führt in g^ewundeaer Liniey zuletzt im spitzen Kinkel ^egan den
Flnss.
'') Der Lauf des Ilauptttraog^es b Tarn Forum nach der Mfindmig
^ar längst bekannt (JVibby R. a. 1, 654), ist aber bei Gelegenheit dar
Auffindung des Stücks unter der fiasilica (Januar 1872, nach den Akten
der Sopraint. : Bph. ep. 3, 247) genauer konstatirC worden (obige 'An-
gaben nach BrizioBnU. deir L 1872, 226; unvoUständiger die amtliche
Belazione della Sopraint. S. 55 f.). lieber den Lauf e ach dem Fonun
A* 74. — Albertini und Pighias erwihnen einen 'pontieoitn* gegenüber
dem gewöhnlich als Best der Brücke des Calignla bezeichneten Gebäude
bei S. Maria Liberatrice, d* h. in der Linie der Klaake (vgl. fiph; ep.
3, 241).
^«) cd: Plan und Durchschnitt bei Parker (s.Einl. S. 13 A. 20),
Beschreibung von Gori Buonarotti 1868 S. 162 IT.: danach lat der in
aüdlicher Bichtang bis in die Nabe der Consolaziotie zu verfolgende
Arm von ii 1 M. br., 2,10 hoch; der nördliche lässt- sich bis hinter
die Tabernen des Forum luUum verfolgen, beide liegen 'ungefittor' im
X^iveau dos UäUanum, ^ etwas' tiefer e (? der Boden des Tailianum
liegt 5 AI. über dem Forum, unten), welcher nach einem Lauf von
9 121,25 M.' endet ^sopra un ramo della cliMica massima che riconabbi
per la sua costruzziotne originale e per la luoe tramandata dal pertagSo
dischiuso presse il Calcidico della basilica Gialia' {2}. Denselben Ka-
nal bat ähnlich schon Cancellieri (Not. del oarcere TuU. S. 4 f.) be-
schrieben: er giebt die Länge auf 540 Palms: 120,42 an; ich gestehe,
dasB mir Gori's Bericht mit seinen 25 Cenftim. wenig Vertrauen eia-
flösst. Ueber eine Untersuchung des Kanals bei S. Adriane (1742) s«
Jordan, xOmiBcIie Topographie. L 1. 29
450 THEIL L
ob und wie die Kloakensysteme der übrigen Stadttheile mit
der Hauptkloake communiciren. — Das Kloakensystem des
Marsfeldes (f) kann nicht der königlichen Anlage gleichzeitig
sein (vgl § 8). Wie es scheint, Ter dankt es erst der
Epoche der Prachtbauten seit Caesar seinen Ursprung ^^).
Ebenso unsicher ist das Alter und der Zweck des Systems
in der Tiefe des Colosseums (g)^^). Etwas unterhalb der
grossen Kloakenmändung finden sich zwei kleinere (h): ob
diese dienten, die Kanäle des A?entin zu entlehren, ob sie
mit denen am Colosseum in Verbindung stehen, ist noch
nicht ausgemacht, sicher dagegen, dass das reichliche QaeU-
wasser des Palatin am Westabhange des Hügels, in einem
Ficoroni Vest. S. 74 f. — Üeber e Brizio in dem A. 73 a. Berielit:
0^5 br, 1,70 h. — Aasserdem führt ein Kanal aaf dem Niveau des
Forams die 6te der quadratischen Basen (von Westen gerechnet) and
die Stnfen der Basilica durchbrechend ebenfalls in den Hanptstraog.
Mittelalterlich oder modern? Die Kloake in der Subara erwähnt
Jävenal Sat. 5, 105: aber der Lauf ist noch nicht ermittelt.
^') ft Bericht über die Wiederherstellung der aitea und den Bm
neuer Kloaken im Marsfelde unter Urban VIIl. bei Fea Mise. 2, 229.
Aus diesen sehr wichtigen und noch nicht genügend verwertheten Detail-
angaben hebe ich hervor, dass die alten Kloaken hier durchschnittlich
25 bis 35 Palm s=s 5,5 bis 7,7 M. unter dem heutigen Niveau liegen.
Die wenigen mir zugänglichen Hohenangaben über das Marsfeld (S. 134 f.)
genügen nicht, um eine Vorstellung von dem Verhältoiss der Kloaken
zu dem alten Niveau und zum Tiberspiegel zu gewinnen. Die Haupt-
leitung scheint mit der Anlage des Pantheons zusammeazuhäDgi^n.
lieber den alten Mündungspunkt giebt es nur unsichere Vermuthnogeo.
^>) 0 Erste Entdeckung von Kanälen in dieser Gegend: Ficoroni
Vest. dB, vgl. Cessio 2, 192 ff. Venuti-Piale 1, 42 f. Der Streit ist
seitdem bei (irelegeoheit der Untersuchungen der Unterbauten des Co-
losseums (1810 ff. 1870 ff.: verzeichnet zuletzt von Gori, Le Memorie
storiche del Colosseo R. 1875, S. 105 ff.) stets wieder aufgenommen
aber noch nicht zum Abscfaluss gebracht worden. Er dreht sich um
den Zusammenhang der Kanäle, welche vom Esquilin herabkommen mit
der meta Sudans und dem Amphitheater und ihre Verzweigong weiter
nach dem Caelius und Palatin (vgl. Th. II). Die vom Municipio beab-
sichtigte Anlage eines grossen Abzugskanals zwischen Caelius und Pa-
latin wird hoffentlich dem resultatlosen Hin- und Herreden ein Ende
machen.
§ 7.] KLOAKEN. 451
in den Fels gehaueneu Reservoir (i) über dem Niveau der
alten Strasse im Circusthal gesammelt und von dort in die
Hauptkloake geleitet worden ist^^).
Für die Beurtbeilung des ältesten Bduis wird eine künf-
tige Untersuchung aus der Vergleichung der alten Haupt-
kloake Athens Nutzen ziehen. Die neuesten Untersuchungen
über diese scheinen als sicheres Resultat ergeben zu haben,
dass der Hauptstrang ein gewölbter Quaderbau von 4,20 H.
Durchmesser — also fast genau den Dimensionen des römi-
schen — war , in den Seitenstränge mündeten. Es mag
dahingestellt werden, ob, wie behauptet worden ist, die
Wölbung erst später aufgesetzt ist und der Kanal ursprünglich
ganz oder theilweise unbedeckt war^^). Auch für den römi-
^^) li Am genauesten Abeken Mittelit. S. 176 f., wekher an die
Bauten von 570 (A. 60) erinnert: einstweilen schwebt die Vermathnng
ganz in der Luft. Auch die von Descemet Ann. 1857 , 63 ff. be-
schriebenen Kanäle bei S. Sabina werden zu berücksichtigen sein. —
f: in den Fels geschnittene Grotten, zu welchen man durch einen
Sdiacht vor S. Anastasia gelangt, 3 Gänge, 5 M. breit, der eine 35 M.,
4ie andern 20 M. lang mit Stuck überzogen, in welche durch ver-
schiedene Löcher QueUwasser einfliesst, welches ven hi«r weiter in
die Kloake abfliesst (so Gori, BuU. 1867, 1Q5 f.). Sie liegmi nicht
19 Palm (Gori a. 0., wohl Druckfehler), sondern 33 P. =» 7,3 il.
(Ciconetti, das, S. 158: wohl die Decke, nicht die Sohle) unter dem
lieutigen Fnssboden, also (s. oben S. 133) 13,7 M. über dem Meere, d. fa.
etwa 4 M. über der nahen alten Strasse längs des Circus, 2 M. über
dem Pflaster des 'Janus qnadrifrons'. Aus eigener Anschauung (1867)
kann ich hinzufügen, dass man darin nicht aufrecht gehen kann. Mit
Recht also hat Ciconetti bestritten, dass dies das Lupercal sei (vgl.
Jahresber. 1875, 777) und behauptet dass es eine 'piscina' der sogeaaonten
'aqua Argentina' oder 'di S. Giorgio* ist, einer QueUwasserleitung,
über deren alten INamen gestritten wird (vgl. die oben §. 1 A. 28. 31
a. Schriften). Die von Ciconetti nicht beachteten NiveHementsverhält-
nisse bedürfen noch der Erklärung, vieHeioht der Berichtigung.
^®) Ziller in der A. 83 a. Abhandlung, S. 117 ff.: er meint, es sei
aus einem Graben zuerst, und zwar noeh vor dem Bekanntwerden der
Gewölbekonstruktion, eine offene, schliesslich eine gewölbte Kloake ge-
worden. Man findet an demselben Bau den Bogen zum Theil im Keil-
schnitt, zum Theil durch üeberkragung hergestellt (t. VIII, 15. 16).
Die letztgenannte Konstruktion ähnelt der freilieh etwas primitiveren
29*
452 THK^l^ I.
isehen ist es Iraglich, ob eine Wölbung zu einer Zeit, in
irelober er zum Tbeil wenigstens nicht unter bebautem
Terrain verlaufen mochte (vgl. A. 69) überall vorhanden war.
Sichtbar war 'der Kanal' auf dem Forum noch zur Zeit des
Plautus und der Name des Heiligthums der Venus cloacina
daselbst lässt schwerlich ein^ andere Erklärung zu, als
dass es in der N§he der zu Tage liegenden Kloake ge-
ktanden hat^^).
Bedurfte es gewaltiger Bauten um den Tiberstrom zn
bS<ndigen und die alljährlich herabstürzenden Regengüsse un-
schädlich zu machen^ so befand sich andererseits die Stadt
in dem glückltehen Besitz vieler und reichlich fliessender
trinkbarer Quellet (S. lS9f.): sie war nicht wie and^e
Städte des Südens, ausschliesslich oder zum grössten Theil
auf das Sammeln des Regenwassers in Cistemen angewie-
sen^^). Doch auch diese Quellen erforderten zum Schutz
4m 'Ansfällsthors der Akropolis vota Troja' (Arch. Zeitang 1S64, 261^.
Ifebdr die Zeit des Batts lässt sich, wie es scheiot, Sicheres nidit
emiCteln.
'^) In der Parabase des plantinischen Carcalio (4,1) wird cwisehen
idem wmüiuni und der bcuiUca das Cloaemae sacrum genaont (V. 16)
.dann: m nMdio (foro) propter canalem ibi sunt ostentätores meri oad
iPestiis Ansz. 45 sagt: eanaUcolae forenset homines pauperes dieii, quod
6iroa canales fori oonsUterent (nnslohere VermatlniD; anriÜator et emta-
•Uöola Gell. 4, 20). Sind hier 2 verseliiedene Orte gemeiot, wie «Aza-
nehmea ist, so würde von der cloaca eia eanaks za unterscheiden sein,
jefte würde in der Nähe der rostra biossgelegen hahen. Aüthselhaft
ist bis jetzt die Darstellnng der Cloaein{a?) auf den Münzen des Massi-
di«Sy a«f welche wir Tb. II znrnckkoiiiinen.
^^ Cieero de rep. 2, 6 (vgl. § 1 A. 45) rühmt den Romnlas naeb:
locimiq^e delegü «t foniibus abundantem o. s. w. Froutin. 1, 4: ab vrhe
totndUa per annps qtsadring^ehtos quadraginta unum contenti fuenad
Romemi usu aquarum^ quas 4tut ex Tiberi uut ex puteis aut ex f<m-
Ailbu»> havriebani. Des Sammeins von Regen wasser in tistemae (sie
•stehen im Gegensatz zu den puteiy welche viva aqua haben vgl. Ulpiaa
Digg* 43, 22) gescbieht hier nicht einmal Erwähnung; als eines na-
geiiiöbolicben INothbehelfs bei Vitruy 5, 9, 8, Varro de rr. 1, ll« 2.
tAaf dem Padatin will man unter den Trtimmerii der ältesten £««tea
M der Seite des Circas Cisternen gefanden haben, welche ursprünglich
§ 7.] WASSEÄLBITUNG. 453
vor AustrocknuDg, Verunreinigung, Vergchöttung , songCdltige
Ueberwachung und bauliche Einriebtungen. Das auf öffenlM
lichem Grund und Boden quellende und fliessende Wasito^
gehörte dem Staat: seine Nutzung und Vertheilung zu regeln
und zu überwachen y ist Sache der Staatsgewalt gewasen.
Aber mit imx staatlichen ging der religiöse Schutz Hand iü
Hand : die Organisation der alten Genossenachaften . det
^Quelleamänner* oder 'BrunnenBieister' besveist dies. Voit
den vermuthlich zahlreichen Bauten zum Schutz der Quelleit
vor Anlage der Wasserleitungen ist uns nur eins^ das imht^
erwähnte tuüianum, der angebliche Burgbrunnen (S. 284)
erhalten. Seine Bestimmung als Quellhaus ist durch dem
Namen und die Atehnlichkeit des Quellhauses von Toscuhu»
giesichert, die aus dem Felsen springende QueUe, erhält sich
heut wie vor Jahrtausenden in stets gleicher Hdhe^^). Aber>
die Konstruktion des Baus bietet manche Rältoel» deredi
Lösung noch zu erwarten ist Der Bau wurde in den Tuffelae«
des Berges etwa 16 M. über dem Meeresspiegel , also etwaa
mehr als 5 M. übet* dem Pflaster des kaiserlichen Foruv^ft
bei der Phokassäule eingebettet: diese Höhe wmgatenft
Steinbrüche gewesen seien (Lanciani tt. Visconti Gnida del Pal. S. ]2d):f
aber grade an den Rändern des Palatin ist Ueberflusa an QneUwassei»
(S. 455). Die compluvia beweisen nickt, dass die Römer ß^g^nwassev.
getrunken baben. Ich stimme also mit JNiebohr R. G. 3, 359 nichJj
iiberein. Der von ihm beschriebene puteus im Garten der Casa Tar»
pea auf dem Kapitel ist Mon. d. inst. 107. XXX*, 4 abgebildet:
vgl. Tb. II.
^) Ueber die ooüegia foräanorum Radorff Zf. f. g. Reditsw« I5|
214 ff. vgl. Mommsen bei Rruus Fontes iuris ant ' 226 ff. -rr FesM
352 vgl. 353: tulUos aljü dixerunt esse silanos aUi rivos dlii
vehementes proiectumes sanguinis ärcuatim fluentis, quales sunt
Tiburi in Aniene, Ennius in Aiace ^animam misso sangui (so Her-
mann: aiax misso sanguine die Hs.) tepido tfiUii {tulii die Hs.) effiantes
volant\ Aus derselben Quelle Sueton (fr. 157 S, 244 Reiff.); tulU
{tollt Hss.) aquarum proiectus, quales sunt in Aniene flumine quam moj
xime praecipitL Die Ableitung von diesem später verschollenen tulHus
^Springqueir (die Etymologie ist dunkel: die Alten denken an Tullus
oder Servius Tullius, oben § 2 A. 11) hat zuerst Forchhammer Bull,
deir inst. 1839, 30 vorgeschlagen und das Gebäude als Quellhaus gedeutet. *
454 TUEIL I.
wird neuerdiogs als Höhe des jetzigen Fussbodens angegeben.
Dieser Fussboden aber ist augenscheinlich nur um wenige
Zoll über dem alten erhaben. Der Bau besteht aus einer
im Rücken gegen den Burgfelsen fast halbkreisförmigen,
gegen das Thal die geradlinige Sehne dazu bildenden durch
Uebierkragung nach oben sich ringsum wölbenden Mauer von
Tufquadern von wenig mehr als 2 M. Perpendikelfaöhe. An
dem nördlichen Ende der Sehnenmauer ist deutlich zu erkennen,
dass sie auf dem Felsboden aufliegt, gerade so wie die ser-
vianische Stadtmauer. Eine alte Pforte führt in den unten
2u besprechenden Kanal, welcher, wenn die Hühenangabe
richtig ist, in starker Neigung gegen das Forum herabsteigen
muss. Die Decke bildet ein flaches Gewölbe aus Peperinquadern,
in welcher ein kreisähnliches Loch angebracht ist lieber
diesem Queilhaus steht ein zweites Gemach von verschie-
dener Bauart, das Staatsgefängniss (carcer). Man hat
nun angenommen, dass das Quellhaus ursprünglich wie das
lusculanische konisch abschloss, dass man aber später die
Spitze abgerissen und durch das Flachgewölbe ersetzt habe,
dessen späterer Ursprung schon durch die in demselben ge-
fundenen Eisenklammern bewiesen werde. Es ist aber zu
bedenken, dass, wenn nicht weitere bauliche Veränderungen
angenommen werden sollen, in diesem Falle das Quellhaus
überhaupt unzugänglich gewesen wäre: da, wie es scheint,
die Mauer in der Sehne des Kreises mit der der Peripherie
gleichzeitig gebaut ist, so ist es kaum glaublich, dass man
jemals ;auf anderem Wege als von oben in die Kammer ge-
langt ist. Allein der heutige Zustand — die Bestimmung für
den christlichen Kultus hindert jede eingehendere Unter-
suchung — erlaubt nicht ein abschliessendes Urtheil darüber
zu fällen*^). — Wir wissen, dass noch zur Zeit des Augustus
^') Die Litteratur wird § 8 u. Th. II, wo von dem oberen Gemach die
Rede sein wird, erörtert werden. — Der Znstand des Gebäudes — die
nngenügende Erlenehtnn§^, die durcbsickernde and die Quadern inkrusti-
rende Nässe — hindert selbst über das Material ein sicheres Urtheil zo
fallen : dass das Flacbgewölbe aus Peperin besteht, schien auch mir bei
wiederholter UntersuchuDg sicher (1867. 1876); die Wände schienen mir
§ 7.] WASSERLEITUNG. 455
im lupercalf der 'Hoble unter dem eisigen Felsen* Quelien
rieselten und zwar so reichlich, dass sie durch bedeutende
Kunstbauten in die Kloake abgeleitet werden mussten (A. 77).
Dass Augustus die ganze Oertlichkeit dekorativ umgestaltete,
ist bekannt (Th. 11). Ich vermuthe, dass ursprünglich hier
der Burgbrunnen der palatinischen Stadt gestanden hat —
Ein dritter alter Brunnen scheint beim Juppitertempel auf
dem Kapitol erhalten zu sein (A» 80).
Bis in die Mitte des fänften Jahrhunderts ist Rom mit
1867 durchweg aa3 Blöckea des lokalen Tafs zu besteheD, 1876 wurde
ich, wenigstens was Theile der Sehnenwand anlangt, daran wieder irre.
Das Ablösen von Stücken war nicht gestattet. — Eisenklammern in der
flachgew81bten Decke, Ficoroni Vest. 65: 'pezzi di peperino collegati
per mezzo di «pialche spranga di ferro da ma vedata oell' essersi slogato
Qn pezzo di detta pietra' (nur eiserne Nagel sah Abeken, weder 4iMfl
noch jene ich) vgl. Einl. § 1 A. 16, § 4 S. 252. — Die einzige mir be-
kannte Angabe über das Nivellement findet sich in den von E. de Mauro
aufgenommenen von Parker publicirten und von Gori erläuterten Grund-
rissen und Durchschnitten (A. 74). Die schon von Canina verzeichneten
'Tabernen' des /ortim IvMwn nähmlich (zwischen Via di flfarforio und
Vicolo del Ghettarello) liegen nach Gori (S. 157 f.) 17. 16,50. 19, 21 AL
über dem Meere. Diese Angaben verglichen mit dem Anfriss und Grnnd-
riss bei Parker Vol. 1 Suppl. T. XVIII f. ergeben ungefähr die Höhe
von 16 M. für den heutigen Fussboden des Gebäudes. Dieser besteht
(seit dem Jahre 1665) aus einer Lage 'mattoni a coltello* von etwa
7 onc. SB 0,13 M. Dicke: er soll früher aus 'gross! peperini insieme
nniti' bestanden haben (Cancellieri Notizie del earcere Tall. S. 82. 87 u.
T. ni der Ausg. von 1855): sicher entspringt die Quelle aus dem Taf des
Hügels und der alte Fussboden kann nieht viel tiefer gelegen haben, da
der oben A. 74 besprochene alte Gang das gleiche Niveau hat. Das
Wasser der Quelle, modern gefasst, erhält sieh stets in gleicher Hähe.
Es hat die Tiefe von 1 palm. 10 onc. ■» 0,25 M., sein Niveau liegt wenige
Zoll unter dem Fnssboden. — Eine genauere Untersuchung wird grosse
Schwierigkeiten haben, falls nicht die Knltusgenossenschaft expropriirt
wird. Indessen ist mir eine solche von sachkundiger Seite zugesichert
worden und wird hoffentlich Th. II. benutzt werden kännen. — Einst-
weilen muss ich Behauptungen, wie die Abekens (Mitteilt S. 191), dass
der Boden des Gebäudes unterhalb des Pflasters unter dem Severus-
bogen liege, nach den vorliegenden Beobachtungen für falsch halten,
wenn dieselben auch mit dem Bericht über den von hier ausgehenden
unterirdischen Kanal schwierig zu vereinigen sind.
456 ™E1L 1.
seinen Brnnneil und Quellen ausgekommen: da unternabn
ed Appius Claudius aus weiter Ferne durch eine nntertrdiscbe
Leitung der S4adt einen grösseren Wasservorrath zuzuführen.
Aehnliche Werke hesassen damals die Kulturstädte des heHe-
oisohen Stulterlandes und der Colonien längst^'). Nafürlidi
mussle die Kunde daton naeh Rom gelangen. Es ist daher,
lYie & 297 angedeutet wurde, an sich, währscheinlicli , dass
Claudius, der Freund hellenischer Kultur, daroh griechiscbe
YeffbiLder zu sdnem Weorke angeregt worden ist. Vielleicht
lässt sich dafür aber noch ein anderer Grund geltend madien
(S. 457). Seine Nachfolger trachteten danach das Wasser in
iinmer höherem Spiegel in die Stadt zu führen und so
die Bewässerung auch der 50 bis 60 M. über dem Meere
liegenden Höhen der ^sieben Hügel' (S. 132 ff.) zu er-
mögliefaen. Diesen Zweck erreichte zuerst die dritte mit
einem Spiegel ron 55 M. an die Stadt herantretende Leitung,
die Marcia; die folgenden überboten sie noch. Es steht da-
mit in Zusammenhang, dass^ die beiden ersten Leitungen wie
die griechisGhen, ganz unterirdisch, die folgenden (die dritte
evst zu y,o) auch überirdisch geführt wurden. Die Alten
selbst haben die Frage gestellt , ob die unterirdische, d. h.
zugleich niedrige Anlage aus Unkenntniss der Nivellirkunst
oder gegen feindliche Zerstörung beliebt worden sei. Wohl
hat es den Anaohein, dass jenes regelmässige Steigen des
Niveaus der Leitungen seit dem -numantinischeo Kriege
ifcl.H »II |[ )l« I I II
®') A. 77. Das Verdienst ^en Gegeostand Koerst ins richtige Licht ge-
^etst za haben gebiilirt £. Cnrtius (^üeber städtische Wasseri)aaten der
HMleoen' Arch. Z. 1847, 19 ff.); richtig bemerkt er (S. 31): 'uover-
kenjibsr sind auch hier die Hellenen vorang^angen , die Römer sind
auch hier Schüler gewesen.' Auf den Ursprung der römischen ßauten
ist er nicht eivgegangeA. Seitdem sind die Wass^leitungen von Akra-
f^ (von Schiihring Hist. Topographie von Akragas S. 38 f.), von Syrakus
(you dems. Philol. 22, 61 ff.) und von Athen (von dem Architekten Ziller
ia den Mittheilnngeo des B« ArcL Institutes ia Athen 2, 107 ff,) genau
untersuicht worden. Dass diese Werke älter sind als die erste Leitung
in Hom Ist ausser Zweifel. — Ueher die Leitung voa Pompeji ist die
Uatersuchung Ruggiero's .abzuwarten (vgl. 0 verbeck Pomf. ^ 20S ff.).
Ueber das Werk v^d Alatri s. A, 84.
§ 7.] WASSERLEITÜING. 457
auf eine VeryollkominnuQg der Technik des Wasserbaue»
binweist, mit deren Hilfe es sogar mögUeh wurde ^ nach
dem Gesetz der communicirenden Röhren das Wassi^ von
Berg zu Berg zu fahren, wie dies zum Staunen der
Faehm*lnner der Wasserbaumei&ter von Alfttri mit Ueberwin-
ditng bedeutender Schwierigkeiten vm die Zeit der gracchisckcn
Revolution ausgeführt hat; es muss dahingestellt bleiben, ob
die Kunst der Ableitung des Albanersees durch einen unter-
irdischen Emissär von etwa 7500 Fuss Länge mit der Kunst
der Herstellung einer bald unterirdischen, bald überirdischen
I^eitung von 20 bis 40 Millien richtig in Parallele gesetzt
worden ist®*).
Allein mag auch die Uukunde der Baumeister daran Schuld
sein, dass Claudius seine Leitung um die Stadt herum nach
der porta Gofena niedrig geCöhrt hat: immer wird dadurch
noch nicht genügend erklärt, warum er sie weiter an der
Südseite des Circus bis vor die porta Trigemma fährte und
hier zur Vertheilung gelangen liess. Es drängt sich nun
freilieh von selbst die Antwort auf, dass auf diese Weise der
in )enm* Gegend siedebiden geweitlicfaen Bevölkerung ein Di^ost
hat erwiesen werden s<dlen. Aber dazu kommt, 'dass in unmittel^
**) FroDtio 1, 18: omnes aqtiae diversa in urbem lihra perveniwit.
inde fluunt quaedüm tdtioribus l&ds, at qttaedam ertgi in emihentiora
mint possunt: nam et eoüea sennm propter frepientiam meendiorum
excreverunt rudere. Es folgt die Aufzählung der 5 Wasserleitungen
quarum altitudo in omnem, pariem urbis attollitur: in aufsteigender
Linie sind es Mareia Tepula lulia Claudia j4nio novus, deren ^i-
vellement nach £. De Mauro (bei Parker Aqued. S. 152) 54,78S (über
P. S. Lorenzo). 56,712. 5S,192. 62,336. 65,000 ü. d. Meere ergiebt.
Er fährt fort: sed veteres kunmUore derectura perdturerutdy iive nondutn
ad subtile explorata arte librandif seu quia ex industria infra terram
aquas mergebant, ne facüe ab hostibus interciperentur, cum frequenUa
Mlhuc contra Italieos beUa gererentur. Die älteren sind aufsteigend
Alsküm (redites Ufer!) j4ppia Virgo Anio vetus (45,688 nach De
M«iro). — Ueher das Werk von Alatri s. jetzt (vgL Bd. 2, 55 f.) die
überhaupt für die römischen Wasserbauten epoohemacheade Untersuelinng
¥on Secchi: Intorno ad alcane opere idrauUche a»tiehe riBvenoteJ nella
eaApagna di Roma (Estratto der Atti deirac. poot. de'nuovi Liiieei,
R. 1876).
458 ™EIL L
barer Nahe der Leitung am Circus jener alte 'Gemeindeteich'
lag, dessen Muster wir oben S. 448 in dem Badeteich ¥on
Akragas gefunden zu haben glauben. Dass dieser Teich später
eingieng und nur seinen Namen hinterliess, begreift sich
besser, wenn man ihn als den ersten kühnen Versuch be-
trachtet, dem Volk einen gesicherten Badeplatz zu yerschaffen:
er wurde entbehrlich, als der griechische Luxus Aerhalneamit der
Zahl der Leitungen zunahm. Ich glaube also mit Wahrscheinlich-
keit annehmen zu können, dass der Teich mit der Anlage der
appischen Leitung in Verbindung stand und mit ihr gleich-
zeitig gebaut worden ist, dass demnach Claudius seine An-
regung von Akragas erhalten hat Weitere Untersuchungen
werden es im Auge behalten müssen, ob für diese Combina-
tionen auch die technischen Details Zeugniss ablegen ^^^).
In den Bauten seiner Nachfolger tritt das Bestreben
hervor, möglichst den Bewohnern aller Stadtgegenden reich-
liches Trinkwasser zuzuführen (vgl. S.4&6 u. Bd. 2, 294 f.). Dass
erst Trajan zur Versorgung des rechten Ufers eine eigene Leitung
erbaute, dass frühestefts seit dem Bau der steinernen Brücken
zu Ende des 7. Jahrhunderts über diese in Bö^hren das Wasser
vom linken Ufer herübergeleitet und nur aushilfeweise, 'so
oft die Brücken ausgebessert wurden' (oben A. 16 z. E.),
seit Augustus aus der zu anderen Zwecken gebauten Alsietina
Wasser zur Benutzung der Bevölkerung abgegeben wurde
(vgl. Bd. 2, 294 f.), stimmt sehr wohl zu dem, was vrir von
der späten Entwickelung des transtiberinischen Stadttheils
wissen (vgl. oben S. 314 ff.).
In welcher Weise das Wasser der ersten Leitung in der
Stadt oder dem betreffenden Stadttheil durch den Erbauer
vertheilt wurde, ist unbekannt. Eine allgemeinere Versorgung
^*) Der ZasammeahaD^ dieser Baaten unter sieh und mit dem
griechiseheo Vorbilde ist meines Wissens bisher übersehen worden.
Niebuhr (R. G. 3, 359 ff.), der übrigens wohl der einzige ist der die
Frage aufgeworfen hat, erklärt schwerlich richtig den Gang der Lei«
tang aus dem Wassermangel der 'Vorstädte am Strom' und stützt seine
Ansicht auf die irrige Annahme einer Mauer längs des Flusses, welche
zwischen sich und diesem freien Raum gelassen habe.
g 7.] WASSERLEITUING. 459
auch der hocbgelegeneren Stadttheile war, wie gesagt, erst
seit dem Bau der dritten Leitung (frlO d. St.) möglich. Wenn
also unter den grossen Bauunternehmungen des Jahres 570
neben der kostspieligen Erweiterung des Kloakensystems (oben
A. 60) die * Pflasterung der Brunnenbassins. (lactis) mit Stein'
aufgeführt wird (Bd. 2, 50 f.) , so darf man wohl schwerlich
annehmen^ dass diese Maassregel nur das ans den damals
vorhandenen zwei Leitungen * springende Wasser' (aqua sa-
liens) betraf, sondern zugleich die gewiss fortbestehenden
Becken, in denen das Wasser der zahlreichen Quellen (aqua
fontalis) gesammelt wurde, wie der lams lutumae (vgl. Bd. 2,
56 f.). Eine eingehende Darlegung der Technik der Wasser-
leitungen und ihrer Verwaltung liegt ausserhalb der Grenzen
unserer Darstellung. Wir müssen uns begnügen, die für das
Verständniss der Topographie wesentlichsten Thatsachen an-
deutungsweise hervorzuheben (vgl. Bd. 2, 47 ff.). — Ein Theil
der Leitungen wurde in der Nähe der Stadt einem Reinigungs-
process (in den piscinae limariae) unterworfen. Die Kanäle
(speeus) erreichten theils überirdisch a«f Unterbauten oder
Bogenstellungen (suhstructionesy opus areuatum) bei oder in
der Stadt ihre Vertheilungshäuser (castelia), von denen aus
das Wasser durch ein System von Zweig- und Röhrenleitun-
gen in die öffentlichen, wohl grossentheils an den Strassen-
kreuzungen ($ 8) angelegten Brunnen (lacus) geführt wurde.
Seit Agrippa's Reorganisation des Wasserwesens gaben diese
Brunnen mit ihrem bildlichen Schmuck und der verschwen-
derischen Fülle ihres immerströmenden Wassers der Stadt
eine neue Physiognomie, von der die noch in Thätigkeit be-
findlichen ähnlichen Anlagen des päpstlichen Roms, besonders
die acqua Paola, die fbntana di Trevi und fontana di Ter-
mini, eine lebendigere Vorstellung geben, als die jämmerlich
zerstörten Reste einiger der alten, anderer Namen oder Nach-
bildungen (Bd. 2, 59 f. unten A. 88. 103). Wer in der
heissen Jahreszeit an diesen künstlichen Cascatellen das
Volk hat ausruhen und Abends inmitten der Stein-
massen, welche die eingesogene Sonnengluth wieder aus-
460 THEIL I.
Strahlen, erfrischende ßerglüft aihmeo sehen» wird den Stolz
begreifen, mit dem man unter Nerva sich rühmen konnte,
die Ursachen beseitigt zu haben, welche in früherer Zeit die
römische Luft su einer bleischweren und verderbenbringen-
den gemacht hatten. Fügt man hinzu, dass die bis ins dritt«
Jahrhundert stetig sieh vermehrende Wassermasse nicht aUeio
in wachsendem. Maasse den Aufenthalt in allen grossen öffent-
licheo Anlagen, iitöbesondere den parkSfanliehen Anlagen in der
Nähe der Theater und den Thermen (Bd. 2, 220 fif.), zu einer
genussreichen Erholung maditen und die stetige Yermehmng
der öffentlichen Bader (Bd. 2, 66 f.) veranlasste, so wird man
eingestehen, dass die Römer in der Ausbildung und Yerwerthung
des städtischen Wasaerversorgungswesens die Griec^n so be-
deutend übertreffen haben, tos es erklärlich ersdieint, w^m
sie die Leistungen dieser ihrer Lehrmeister auf dieseni Ge-
biete gering schätzten, ja das Gefühl, die Schuler zu sein,
gänMich verloren hatten. — Nur ein Hangel fällt auf: trotz
der ungeheuren Masse des Wassers, trotz einer nach Tau-
senden zählenden wlitärisch oiganisirten Polizeimannschaft,
scheint das Feuerlösohwesen ^ einer sehr niedrigen Stufe
der Ausbildung gestanden zu haben. Wenn man Riesen-
mauern aus feuerfestem Gestein (Einl. § 1 A. 3) um die
grossen öffentlichen Plätze und Complexe von Prunkbauten
gegen Feuersgefabr zog, wenn (so viel ich weiss) nie von
bedeutenderen Löschversuchen Ai» Rede ist, so muss bei der
Bekämpfung der zahbeichen grossen Brände (§ 8) das Wasser
eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben. Diese That-
Sache erklärt sich ab^ woU zur Genüge daher, dass die
Kenntniss beweglicher die Wassermassen empor schleu-
dernder Feuerspritzen ganz unbekannt, die Construction der
ihnen allerdings bekannten Spritzen, für diesen Zweck un-
brauchbar war.
Von dem Getriebe der gesetzlichen und polizeilichen
Regulirung des Wasserwesens in der republikanischen Zeit I
nach der Einfuhrung der Leitungen . haben wir nur ganz
zusammenhangslose Notizen. Und selbst diese geb^n uns
§ 7.] WASSERLEITUNG. 461
Aufschiuss darüber, wie eng das Leitongsw^sen mit dem to-
pographischen Strassennetz verknüpft war. Es muss hier
dahingestellt bleiben, welchen Beamten die tum aquartm in
dieser Zeit (oben A. 27) zufiel. Wir erfahren gelegentlich
von einem Gesetz des Servius Sulpicivis (des Consuls von
703 oder eines älteren?), welches die V^theilung ^n Pri-
Tate jedenfalls nach Quartiren regelte (§ 4 A. 44), von einem
anderen, welches die Verunreinigung des Leitungswassers der
Brunnen verbot und von der polizeilichen Aufsicht, wekhe
über dieselben in jedem Quartier je zwei Mnwohner dessel-
ben auf Gru^nd aedilicischen Befehls ausübten (Bd. 2, 51, vgl
§ 8). — Allgemein bekannt ist der durch Augustus geschaf-
fene neue Organismus jener cura (vgl. S. 3Ö1), welcher in
raustergiltiger Weise den oben angedeuteten Zweck einer
möglichst gleichmässig^ Versorgung der ganzen Stadt mit
Wasser zu erreichen strebte.
Von besonderer Wichtigkeit für die Topographie ist die
seit Augustus nachweisbare Termination der Wasser-
leitungen. In der ganzen Länge des Laufes war jeder Lei-
tung zu beiden Seiten ein der Bebauung und Benutzung ent-
zogener Streifen Landes von bestimmter Breite zugewiesen
und durch Steine, welche von der Quelle nach der Mündung
durchzählten, in regelmässigen Abständen kenntlich gemacht.
Wo die Leitung in dem Bauterrain der Stadt unterirdisch
lief, wird wohl aligemein, wie es för die Marcta Tepula lulia
feststeht, durch besondere polizeiliche Warnungen der Lauf
derselben dem Publicum gewiesen worden sein.
Ich gebe endlich eine kurze chronologisch geordnete
Statistik tler Wasserwerke. Eine topographische Anordnung
erschien hier ni<5ht durchführbar. Jede Entscheidung der
verwickelten Fragen über das Quellgebiet und den Lauf
ausserhalb der Stadt schliesse ich aus^^).
^^} Grundlegend ist noch immer Fabretti de aquis 2. A. 1738 und
Polens Kommentar zum Frontiu; dazu kommt Einzelnes bei Piranesi,
das Binl. §. 3 charakterisirte Buch von Gassio Corao delle a«qo^,
Fea's Storla delle acque, vor Allem aber die trefiflich klaren Artikel
462 • THEIL I.
1. Aqua Appia wurde von dem Censor Äppius Claudius
Caecus im Jahre 44^12 f. aus den Quellen zwischen dem
Anio und der via Praenestina 7 — 8 Millien vor dem esquili-
nischen Thor in einem unterirdischen über 1 1 Millien langen
Kanal bis zu den Salinen vor porta Trigemina geleitet. Wir
wissen, dass sie von dem Tempel der Spes vetm (etwa 1 Millie
vor dem esquilinischen Thor) längs dies Südabhangs des Cae-
]ius geführt war, bei porla Capena (und nur hier) sichtbar
wurde und 60 Schritt weit (über die Strasse) auf Pfeilern
geleitet wurde^ dann wieder unterirdisch bei 8. Balbina vorbei
längs der Südseite des Circus bis zu dem bezeichneten Punkt
lief. An drei — vielleicht nur an einer Stelle — sind Reste
gefunden worden: bei Porta Maggiore (?), zwischen S. Hal-
bina und S. Prisca und bei S. Sabina (?). — Vielleicht
speiste die Leitung ursprünglich die piscina publica (oben).
Augustus hat sie durch Zufuhrung einer Zweigleitung bei der
Spes v&tuA neu in Stand gesetzt ^^).
Nibby's in der ABalisi nod Roma aotica von denen die Neaeren fast
durchweg abhängig sind. — Leider gilt von dem erst wahrend des
Drucks mir zugegangenen 8. Bande von Parkers Archeology (The aqae-
ducts 1877) dasselbe was von den früheren (man vgl. nur den erstaun-
lichen durch ein Facsimile der Hs. Frontins unterstützten Versach
S. 22 ff. statt Spem vderem überall specum wiederherzustellen und die
Lehre über die u4!g;entiana und. die Wasserleitung Hadrians): doch siod
einige ^ivellirungen £. De Mauro's und Mittheilungen Gori's immeriiin
einstweilen nutzbar, auch einiges Wenige über Ausgrabungen die der
Vf. hat ausführen lassen. — Eine genügende technische Analyse fehlt.
^) Zeugnisse: über die Censur Frontin 1, 5 Livius 9, 29 Diod.
20, 36 (über die Prorogation der Censur Mommsen Staatsr. 2*, 1, 339);
Wiederherstellung durch Agrippa Front. 1,9. — Latif und Konstruk-
tion: die Quellen sind nach Frontins Angaben 1, 5 von Nibby (1825)
bei dem casale La Rostica gefunden worden (Analisi 1, 221). Der Lauf
ist unsicher bis zu dem Orte ad Gemellos, qui locus est intra {injra
Buch.) Spem veterem (Frontin 2, 65), in conßnio hortorum Torquatia-
norum (1, 5). Der Tempel lag nach Dionys. 9, 24 1 Meile *vor der
Stadt' (d. h. dem esquilinischen Thor), also fast unmittelbar vor Porta
Maggiore (vgl. Eph. epigr. 1, 218 und Th. If). Der zweite sichere
Punkt: supra terrmn suhstrmtio f et arcuatura proocimum {s. arcuata
proonme?) portam Cayenam passttum sexagiräa (oben § 3 A. 51, 58).
§ 7.] WASSERLEITÜJNG. 463
2. Anio (spater Anio vetus) wurde von den Censoren des
Jahres 482/272 nach der Besiegung des Pyrrhus aus dem
Erlös der Beutegelder verdungen, 484/270 von einem der
zur Vollendung des Baues ernannten Duumvirn Fulvius
Fiaccus vollendet. Das Wasser wurde aus den Quellen ober-
halb Tibur in einem 43 Millien langen Kanal wie die Appia
bis in die Nähe der Spes vetus gefuhrt. Hier musste sie
221 Schritt lang überirdisch geleitet werden; lief dann der
Höhenlinie folgend unterirdisch in nördlicher Richtung, durch-
schnitt den servianischen Wall an der Sudseite des jetzigen
Ende: duatus aus . . a eapüe usque ad SaUnas qui locus est ad portam
Trigeminam uod ineipit distribui tmo Publicii clivo ad portam Trigeminam
(beides Froatia a. 0.)> Mit diesen Notizen würde 1) genau übereiostimmen
die Lage des nach Lanciani Ball, man« 2,203 i. J. 1860 'a m. 450 di distanza
dalla Porta Maggiore fra le vie Labicaoa e Prenestina' gefaodenen Kanals.
Allein im Januarheft des Bull. dell'iDst. 1861, auf welches er sich beruft,
finde ich die Leitung des Anio vetus beschrieben: ist der S. 15 kurz
erwähnte 'secondo condotto abbastanza alte per andarvi a dorso curvato'
gemeint und identisch mit dem von Parker ebenfalls unter Berufung
auf das Bull. arch. beschriebenen und abgebildeten grossen Gebäude
Aqued* T. V? Hier muss eine Verwechslung vorliegen, falls nicht die
*Civilta cattolica Ser. IV, V, X p. 735', auf welche sich ausserdem
Lanciani bezieht (ich kann sie nicht einsehen) Aufklärung giebt. Allein
er selbst citirt daraus Bull. man. 2, 207 die Worte, welche Herzog
von dem specus des Anio gebraucht als Beschreibung des Anio.
2) Stimmt damit die Entdeckung Fabrettis De aquis 1, 14 überein. Er
fand in einer Vigne ^ad angalnm viae quae a cavea Circi ad portam
Ostiensem procedit cum alio viatrio per quod laevorsam ad S. Balbinae
martyris aedem itur' (d. h. grade in der Mitte zwischen S. Balbina und
S. Prisca) einen in den Felsen gearbeiteten Gang von b% F. im Quadrat
und in denselben mit Quadern von 'Albanerstein' eingebaut eine Wasser-
leitung v<»u unten 1' 4'' oben (die Steine traten stufenförmig zurück)
2' 10'' 1. Weite: die Maasse entsprachen genau der Angabe Frontins,
der ad GemeUes . . altitudinem aquae pedum qtUnque, latOudinem pedis
unius dodranüs fand« Vielleicht ist bei S. Sabina ein Stück des Endes
gefunden worden (Einl. § 1 A. 10, 20). — Nivellement nicht genau
bekannt (16. M. unter dem Niveau hei Porta maggiore nach Herzog
Bull. arch. a. 0. würde etwa 50 — 16 =: d4 u. d. Meere ergeben. Die
Umgebung von casal La Rustiea scheint ca. 40 M. ü. d. M. zu liegen.) —
Ueber den ramus Attgustae, der mit ihr if^fira Spem veterem vereinigt
wurde (Front. 1, 5. 2, 65) weiss ich nichts Sicheres.
464 THBIL L.
Bahnhofsgebäudes, lief dann innerhalb des Walls südwärts
bis zur peria EsquiUna, wo sie in ROhrenleitungen vertheilt
wurde. Reste der Leitung sind erhalten: in der Nähe des
Bahnhofs und bei P&rta Maggiore (hier auch die Tefmii»-
tienssteine des Augiistus wid ein Theil .der äberirdischen
Substruotionen) ^^). Zw^ lüUien wr dem esquilinischen Thor
gab sie einen Theil des Wassers in den sogenannten specus
Oetavtaims ab. Diese Nebenleitung gelangte bis in die Gegend
Tor porta Capena zu deo hvrti Äsinimi, d. h. wahrscheinlidi
dem Teirain, auf welchem später die Tbermen der Caracalla
^) Aktennil ssige Ba«{f«flchichte bei Frontin 1, 6: Verdiogong durch
M.' Carius Dentatns und L. Papirias Cursor, e/r manutiis de Pyrrho
eaptis; dann actum in ienatu de oonsttfumando eius aquae opere refe-
renie (ireferent die H«.) *** norunti *** praetor^ {praetorium die Hs.)
tum (in den Lücken der Hs. var iHid nach nö rumi kann doch
sehwerlieh «Cwas Anderes als der Anfang des nomen nnd das £nde des
eo^nomen des Prätors sieeken^ das übrige h«t Bücheier riclitig her-
gestellt) ea> senatum tonsuUo duumviri aquae perdueendae creäti sunt
Curi[tt9 qui eatn] looaverat {loeavani die Hs.) et Fuhrhts Flaeem.
Curius mtra quintum diem quam etat d^mmvirum creatus decesȊ;
ghriae perductae perünuit ad Fulvium, Waram die Leitang trotzdem
nicht aqua Fulvia hiess, wissen wir nicht. <— Lauf nnd Reste: die
Qaellen supra Tihur gesehen von Nibby Aoftlisi 1, 163. Der Laaf
musste Ha exigmte libramento das Doppelte der kürzesten Bntfemnog
messen. ■ (Front 6)? inira seeundum miliarium partem dat in speeum
qui vocatur Odmjianwt . . . (s* weiterhin) reetut vero duettts tecundum
Spem veniens inJtra portam Esquilinam in altos riwts per urbem, didu-
eüur. S. jetzt Lanziani Bull. m«o. 2, 206 ff., dem ich folge. Bei Porta
maggiore war 4er specus bis 1S37 'a fior di terra' (Nibby a. O.) za
sehen; 1861 wurde 16 M. tief der aus Aeticulattati bestehende Kanal
nnd 3 TenBiattion9eippen des Angosttts gefunden (Herzog Bufl. dell'ist.
1861 a. O. CIL 1243 ab und Add.), 1874 Ent^cknng des Kanals (nnd
seiner putei) am Wall yon gleicher Konstruktion (h. 1,60 br. 0,42).
Dem überirdisehen Stück (221 Schritt) gehörten nach Piranesi die von
ihm Ant 1 T. X abgebildeten Reste von Porta maggiore an (so anch
Lane.). -^ Auf dem einen der eippi steht übor der Distunzziffer ////,
auf dem andern naeh Herzog iT//, was Laae. wohl rickti als Nommer
(beginnend vom Thor) anffasst: IFI ^==^ LFI, wie Benzen will, erscheint
auch dann anmSglich wenn «tan von der Qaelle aa gezählt haben sollte. —
Nivellement: A. 84. Es war die Rede davon die Leitung auf das Ka-
pitel zu führen: statt dessen wurde die Marcia gebaut (Front. 7).
§ 7.] WASSERLEITUNG. 466
Standen. Als Strassenbogen dieser Leitung hat vielleicht der
Bogen des Drusus (oben § 6 A. 38) gedient. Doch ist dies
unsicher (vgl. Bd. 2, 227 und Th, II.).
3. Aqua Marcia, wurde vom Prätor Marcius Rex im /.
610/144 begonnen, nachdem er die beiden älteren Leitungen
wiederhergestellt hatte, und ihm zur Vollendung der neuen
Leitung das Amt auf ein Jahr verlängert. Das Werk scheint
aber erst im Jahre 614/140 beendet worden zu sein: die
Leitung wurde in diesem Jahre auf das Rapitol gefuhrt. Das
Wasser wurde aus den Quellen in der Nähe des 36. Meilen-
steins der via Valeria gesammelt, in einer fast 62 Millien langen
Leitung nach Rom gefuhrt, welche fast zu Vio unterirdisch
war; nur ^/,o lief überirdisch über Bogenstellungen oder Unter-,
bauten, von denen der kleinere Theil zur Ueberspannung
von Abgründen im Gebirge diente, bei weitem der grössere
auf die nächste Umgebung der Stadt kotnmt. Die Bedeutung
des Werkes erhellt daraus, dass dem Urheber eine Statue
auf dem Gapitol gesetzt wurde. — Ihr Lauf war hier seit
den Neubauten des Agrippa und des Augustus, der ihr auch
neue Quellen in ihrem Ursprungsgebiet zuführte (aqua Augusta)
mit dem def Tepula und lulia identisch. Im Jahre 79 wurde
ihre Leitung, wiederhergestellt, unter Nerva eine Zweigleitung
nach dem Aventin gefuhrt und ihr treffliches Wasser aus-
schliesslich zum Trinken bestimmt, im Jahre 212/213 durch
Caracalla die Leitung abermals wiederhergestellt und durch
Uinzufügung des fons Antminianus verstärkt — Ueber diese
Herstellungen s. unten ^^).
^) Akteomässige Bao^schichte bei Frontin 1, 9 (noter BerafiiBg
auf Feaestella): . . cum Appiae AnionUque ductus vettutate quassati
privatomm etiam frandibus intereipereniur, datum est a tenaHu neg;otiutn
MareiOy quutum praetor inter cives ius dieebat, eorum ductuum refkienr
dorutn ac vMicandorum. et quomam incrementum urhU eoeigere iride-
batur amplio9hn modum aquae, eidem mandatum a senatu est ut eu-
rarety quatenüi alias aquas quas possety in urbem perduceret : «*«««#
pr[iores (es fiblt vielleicht itaque, vielleicht Nichts) ductus relstUuii\
{rei * * * * 4^ 6ie Hs.), tertiam Ulis uberiorem [per]duxit (so
sehreibe ich: illiobriorum ******* dixw die Hs.; Buch, hat
Jordan, lOmiaohe Topographie. Li. 30
466 THBIL I.
4. Tepnla, wurde im Jahre 629/125 von den Censoren
Cn. Servilius Caepio und L. Casi^ius Longinus Rayiila aus den
Quellen im Gebiet der sogenannten Marrana am Abhang des
Albanergebirges pahe dem 11. Meilenstein der loTma auf das
Eapitol gefuhrt. Sie wurde vereinigt mit der lidia (s. 5).
5. Mia, wurde im Jahre 721/33 von Agrippa in seiner
Ädilität aus demselben Quellgebiet zwei Miilien weiter auf-
wärts gesammelt und in einem 15^^ Miilien langen, in seiner
Nicbto versucht, Uomögliches seine Vorgänger), cui ab auctore Mardae
nomen est Falsch lässt ihn Plinius 36, 121 auch die später gebaute Tepuia
wieder herstellen (Nibby Anal. 3, 153 nimmt eine Interpolatioa des Textes
an). Die von demselben 31, 41 gebrachte Nachricht: vocabatur haecquondam
Aufekt^ Jons autem ipse Püonia — woran sich auch die von Strabo
5, 3, 13 S. 240 aus derselben Quelle entlehnte Behauptung anschliesst,
dass sie in uUvmU PaeUgnorum montibus entspringe und durch den
Fucinersee gehe — , printus eam in urbem ducere auspicatus est Ancus
Marcius unus e regibus, postea Q. Mar eins Rex in praetura, rursusqve
restituü M. Agrippa, ist in ihrem ersten Theil bis jetzt nicht erklärt,
der zweite ist eine Probe der wiltkürlichen Behandlung der Biographie
in den jüngeren Quellen. — Statue auf dem Kapitel: Militärdiplom t.
J. 64 CIL 3 S. 846 : in CapüoUo post aedem lovis o. m. in basi Q, Marci
Regis. Münze des Marcius Philippus 680 — 704 (Mommsen n. 290 Cohen
T. XXVI Marcia 8): Kopf des Königs Ancus )( 5 Bögen, darin aqua
Mar(cia), darüber Reiterstatoe, nach Melchiorri (Appeod. agli atti e
mon. de'frat. arv. S. 30 ff.) der mit der Statue geschmückte Brunnea
der Leitung auf dem Kapitol, was ich nicht für möglich halte: vgl.
oben A. 27. — Qaellen ond Lauf: jene sind jetzt in Ueberein-
stimmung mit Frontins Angaben via Faleria ad tniliarium XXXFI
deverticulo euntibiis ab urbe Roma dextrorsus tniliutn passuum trium
genau nachgewiesen von Gori Bull. man. 1866, 68 f. Der 1242te Stein,
welcher also 59^ Meilen von Rom stehen musste (CIL 1251 b) ist bei
Arsoli gefunden worden. Derselbe bestimmt auch die oach Frootin
800 Schritt ultra fontem Mardae gesammelte Augusta^ welche der Kaiser
in supplementum Mareiae, quotiens siccitates egerent {agerent die Hs.)
auadUo {vgl. 14. 2, 72), herstellte. Er selbst sagt Mon. Anc. 4, 11 f.:
et aqttam quae Marda appeUatur dapUcavi fönte novo in riüum das
imtnisso. Die schwülstige Vertheidigung der Angaben des Plinius von
Cassio Corso d. a. 1, 92 ff. ist für uns ohne Interesse. — Leitung
amplo opere a Spe in Aventinum: Frontin 87 vgl. 76. — Nivellement:
A. 84. Die Pläne zur Wiederherstellung der Leitung (vgl. Borgnana
deir acqua di Q. Marzio Re R. 1861) sind 1869 zur Ausführung gelangt.
§ 7.] WASSERLEITUNG. 467
ersten Hälfte unterirdischen, vom 7. Meilenstein auf Bögen
geführten Kanal in die Stadt geleitet Dieselben Bögen tragen
Yon da ab unter deni Kanal der lulia den der Tepvla, CUber
.jenem den der Marcia (s. unten).. Zugleich stellte Agrippa
die Appia, den Anio und die Marcia wieder her®*).
lui Jahre 749/50 stellte Augustus sämmtUche Leitungen
wieder her und baute bei dieser Gelegenheit den Rogen über
der aus der porta Yminalis hinausfuhrenden Strasse, die
nachmalige porta Tihurtina, welcher noch jetzt seine Dedi-
cationsinschrift trägt: darunter stehen die auf die Herstellun-
gen der Marcia bezuglichen Inschriften der Jahre 212 u. 79 *^).
lieber diese augustische Wiederherstellung des Anio oben A. 86.
Die neuesten Entdeckungen haben im vollen Umfange
^^) lieber die Tepula: (die Censoreo) ex agro Lueuüano, quem
quidam Tusmlanum credunt, Bomani et in CapitoHum adducendam cu-
raverunt. Ort: via Latina ad X miliarium n. s. w; die genaue Be-
schreibang des Laufs ist im Text des Frontin ausgefallen, lieber die
lulia: (Agrippa) ad fmUarium ah urhe XII via Latina . . . atteritts aqua»
pro'prias vires coUegü et Tepulae rivum intercepit. adqmsitae aquae ab
inventore nomen luliae datum est, ita tarnen divisa erogatione ut ma"
neret Tepulae appeüatio. Folgt die Besciireibuog des Laufs und die
Besprecbuog dep aqua Crabra welehe, ohwobl sie praeter eaput luliae
iransflmt, nicht benutzt wurde. (leber diese oben § 1 A. 20. — Das
Yerbältniss beider vor ihrer Vereinigung am 7. Meilenstein ist unklar:
INibby Analisi 3, 155.
^) Senatsbescblttss vom J. 743 (Frontin 125) über Herbeiaciiafiung
von Material zur Herstellung der rivi forniceSf quos augustus Caesar
■se rtfeeturwm impensa sua senatui polUcitus est. Augustus Moa. Anc.
4, 10 f.: rivos aquarum campluribus locis vetustate labenies re/eci. In-
schrift desBogens (über welchen oben S. 356. 358) CIL 6, 1, 1244: imp.
Caesar . . (749/50) riuos ommum. aquarum re/ccit. (Mommsen zu Resg.
5. 56 bemerkt dass im cod. Redianos und bei Ferrarinus dieselbe In-
schrift der <porta Praenestina', im Stosehianus der 'p. Salaria' gegeben
werde; jenes aicher^ dies wahrscheinlich eine Verwechslung: im CIL findet
sich Nichts darüber); darunter 1245: imp. Caesar . . (Caracalla 212)
aquam Marciam variis kasibus impeditam.^ purgato fönte, exdsis et
perjbratis montibus, restituta forma, adquisito eüam fönte novo Anto-
niniano in sacram urbem suam perducendam curavit; darunter 1246:
imp, Titus . . . (79) rivom aquae Marciae vetustate dilapstun refeeit et
aqtfam quae in usu esse desierat reduant,
30*
468 THEIL L
be«titigt, was man bisher mit mehr oder minder grosser
'WahrBcheinlichkeit aus der alten Beschreibung des Laufes
de<r Tepula luUa Mareia vermulhet hatte ^^). Die alte Be-
sthreibung besagt, dade sie von den Piscinen am 7. Meilen-
stein nahe der via Latina auf dieselben Bögen geleitet,
dann (jedesfalls unterirdisch) auf das Niveau des Virninals
gefihrt und bei dem viminalischen Thor wieder zum Vor-
schein gekommen sei. Reste der Bogenleitung sind vor der
Porta Maggiore vorhanden, stecken von da bis zur Porta S.
Lorenzo (dem Strassenbogen des Augustus) in der Stadt-
mauer, und liessen sich noch bis vor nicht langer Zeit von
da aus in grader Richtung auf den Monte di Giustizia an
der Nordseite der Via di S. Lorenzo verfolgen**). In der-
selben Linie aber ist neuerdings an der Ecke dieser und der
neuen Via Milazzo der unterirdische Lauf kaum 2 — 300 M.
nördlich von den Resten der überirdischen Leitung gefunden
worden (A. 95): hier also muss das alte Terrain durch eine
starke Steigung die Verwandlung, der überirdischen in die
tinterirdische Leitung veranlasst haben *^). — Dass ferner die
^1) Frontin 19: hae tres ü pUcinis in eosdem arctts recipütntur,
iUfMnus [ew] hu (?) ett luUae^ inferior Tepulae, dein Marda; quae ad
Hbram [oolUs Vi\minalis eo[nkmotim infra ierram a]ntea f/b^jmter
(«eo «•««*«»«* ntea * * * * enies die Hs.) ad yiminalent tisque
portatn deveniunt: ibi rursus emergunt. So hat Polenos dem Sioiie nadi yor-
treffJkii ergäiiet (ßuentes Bücheier, eurUes Polenad: doch faeisst es rivi
^eunt io deo A. 95 a. Jaselirifteo). Seine £rkliirtiBg ist in allea Stäeken
beitätigt worden : auch den Wechsel des JNiveaus hat er richtige er-
kannit. ^— Ueber die Reste in der NShe der PisoiaeD Fabretti 1, 8.
®^ S. besonders den CeBsi]8]»lan und die älteren, aameBtliefa Falda's
da Vaiduggia: heut ist die ganze Oegead nicht wieder znkenoen, die
Reste vnm Thor an scheinen ganz verschwunden zn sein, lieber die
unterirdische Leitung Laneraoi Bidl. mun. 2, 204 ff* vgL A. 95.
^^) Die uofteriniisehe Leitung der Martin ist 5, 68 M. unter dem heu-
tigen jaeuhergestellteo) Piano der Via S. Lorenzo gefunden. Die Süd-
ecke des Prätorianerlagers liegt 55 M. (franz. Gen. St. Plan), das Piano
des Anfangs der Via nazionale, da wo sie aas der Exedra der Thermes
des Diecledan debouehirt, 52 M. (Lanoianis Mittheitung) über dem Meer«.
Wenn nieh airine Erinnerung nicht trügt, so liegt die erwähnte Gegend
der Via di S. Lorenzo ungefähr in demselben Niveau. Die Mnnia
§ 7.] WASJjfiRJLJEiTÜNG. 4.69
gemeinsame Leitung am virninalischen Tfaar^ wenigstetis Bach
der Wiederherstellung durch Augustus, ihr Ende erreicht hat,
beweisen deutlicher als die ^tte Beschreibung die Fundorte
der je 240 F. von einander entfernt ^aufgestellten Jeru^ina-
tionssteine des Augustus , deren . ejnig.^ . eine> Kantrolle zu-
lassen ^^). Wir nehmen dabei an, dass die Leitung ton Perta
Maggiore bis zur porta Virntualis rund 1600 M^ «±= 5333 F,
lang ist, wozu die vorhandenen Reste berechtigen: so ergiebt
sich folgende^ Resultat:
N. 63 gefunden 1% MiJl. vor
Pqrta Maggiore .... 14333 Normalzahl 15120,
liefe also hier vielleicht mit etwa 46 bis 4^, M. ü< d. M. aateL'irdjsci).
Auf der Porta San Loreozo lieget die Marcia über dem alt«n P0aster
6, 60, über dem Meer nach E. De Mauro (bei Parker Aq. S. 125) 54, 405.
Hieraus würde nach einem freilich sehr nnsfchereir Atfsatz auf ein Ge-
fall Yon ^ bis ^ auf 100 Fass geschlossen werden k$niien^ Vitrav 8^ 7, 1
schreibt für die Leitan^ in eanaies stru^tile$ nach der Its. ÜeberUei^
rang ne minus in centeno» pedes semipede vor (die £pit. S. 293 R.
pede semis inter centenos vel LX pedes). Mit welchem Recht man jetzt
aus Plinias 31, 57 sicilico korrigirt statt umgekehrt, kann ich nicht
sagen. Secchi (s. A. 84) S. 17 benutzt die UeberlieferuDg bei Vitrav.
HoffeDtlich wird die Pablikation uafassender ]>(ivellirttDgen uda einmal
über alle diese Uitöicberheiteii hinweg helfeik,
^) Schon Fabretti 2, 17 f. hat mit den Fundorten gerechnet. Durch
den neu entdeckten Stein N. 2 (Lanciani Bull. mun. 4, 134 if. 172 T.
XVIII) und die genaueren Angaben im CIL 1249 (doch ist hier Läncl
Bdeh nicht berücksichtigt) ist die Aufgabe wesentlich erleiehtert.' -—
H. 63 «= CIL 1249 f, N. 25 « b, N. 5 « a, N. 2 «« « (Add,). ' Ueber
den Fundort von N. 5 vgl. ausser Lanciani aueh Visconti Bull..l869^
215^ nach denen die obige Angabe wohl gerechtfertigt, ist. — Schwie-
rigkeiten bereitet N. 2 (gefunden innerhalb eines kleinen Grebaudes)':
Lanciani giebt aa. 00. auf der einen Seite: // 1 ped CBXXX (die 2ehner
halb zerstört), auf der andern // 1 [pe]d CBIli Heozen l^st' naoli PeDe-^
grini (aber 'contuli') die Zehner gane lort. Die VenmUhung Lanmni's
dass B = DL sei, die Zahl also 480, scheint mir unzuläss%, da B
meines Wissens sonst := Z> ist ; auch stimmt die Rückseite nicht.
Richtig aber hebt er hervor dass locale Hindernisse die Verdoppelung
der Bistanz herbeigeführt haben müssen: ein Steinmetzversehen ist
wohl anzunehmen.
470 THEIL L
N. 25 unmittelbar vor P. M. 5333 Normalzahl 6000,
„ 5 in Vigna Rondinini, we-
nigstens . 1032 „ 1200,
,, 2 50 M. östlich vom alten
Thor 172 „ 480.
Soweit dies also nach der Beschaffenheit der Fundootizen
und der Messung irgendwie zu erwarten, wird durch die
Steine 5, 25, 63 die Nachricht bestätigt, dass der Anfang
der Zählung am viminalischen Thor gemacht war. Der
Stein N. 2 dagegen ist augenscheinlich in die Nähe des
Thores verschleppt; aber er zeigt noch eine andere Unregel-
mässigkeit: sein Abstand von N. 1 scheint nehmlich das
Doppelte des gewöhnlichen betragen zu haben, und es wird
also in der regelmässigen Fortzählung hier in ähnlicher Weise
durch lokale Hindernisse eine Störung eingetreten sein, wie
bei der der Pomeriensteine im Marsfeld (oben S. 329 ff.).
Hiermit steht nun in einem bis jetzt noch nicht aufgeklärten
Widerspruch, dass innerhalb des Walls unmittelbar an
demselben sowohl südlich wie nördlich von dem viminali-
schen Thor die Leitung wiedergefunden worden ist, sudlich
an der Südostecke des Bahnhofs, nördlich in der Richtung
längs der Nordseite der Thermen des Diocletian. An dem
erstgenannten Punkt und dicht am viminalischen Thor (nörd-
lich der dasselbe passirenden alten Strasse) fanden sich ausser-
dem an ihrem ursprünglichen Platz Steine der Wasserbeamlen
der Jahre 39 — 49 n. Chr., welche anzeigen, dass 'hier die
drei Wasserleitungen laufen', also doch wohl unterirdisch
liefen: also eine Art öffentlicher Anzeige, wie man heut-
zutage an den Häusern die Abstände der Gasleitungen von
der Strassenflucht angiebt mit dem Zweck, die Aufdeckung
für Reparaturzwecke zu erleichtem, möglicherweise auch zum
Schutz der wenig unter dem Fussboden laufenden Gewölbe
gegen Beschädigung durch Lasten. Der vom Thor nordwärts
gehende Strang scheint sich in drei divergirende Stränge zu
theilen, der südwäjrts gehende ist leider nicht untersucht
§ 7.] WASSERLEITUNG. 471
worden ^'^). Wohin führten diese Leitungen und wo ist das
Kastell, aus dem sie sich abzweigten, geblieben? Diese Fra*
gen scheinen bis jetzt nicht beantwortet werden zu kdanen.
6. Vtrgo, wurde von Agrippa auf eigene Kosten gebaut
und am 9. Juni 735 dedidrt. Das Wasser wurde aus der
wasserreichen Gegend am 8. Meilenstein der via CoUaiina
in einem über 14 Millien langen^ fast ganz unterirdischem
Kanal geleitet ; nur 1240 Schritt lief sie überirdisch und zwar
nur 700 auf Bögen. Diese Bögen werden ausschliesslich auf
den letzten städtischen Abschnitt zu rechnen sein: denn die
kürzeste Entfernung zwischen den gleich zu beschreibenden
Anfang und Ende der Bögen beträgt rund 500 Schritt. Sie
durchbrach den Monte Pindo, wo bei Villa Medici ihre Lei-
tung sichtbar jst und 2 Terminationssteine der Restauratio-
Pen des Tiberius (36/37) und Claudius (44/45) mit der N. 1
gefunden worden sind. Von der Via Gregoriana an lief sie
sicher auf Bögen über Foutana Trevi, in deren Nähe sie er-
halten sind und eine Inschrift des Claudius vom Jahre 46
tragen. Sie ülierschritt dann die vui lata und endete längs
der Front der saepta, wo ihre Reste ebenfalls bei S.
Ignazio gefunden worden sind. — Ob eine Zweigleitung in
der Richtung der Via Condotti alt ist, ist nicht entschieden:
die Quellen wissen davon Nichts. Von den Werken, welche
sie im Marsfelde bewässerte, ist schon Bd. 2, 65 die Rede
gewesen (vgl. Th. II). — Die Leitung ist, obwohl schon im
8. Jahrhundert theilweise zerstört, niemals ganz ausser Thä-
tigkeit gewesen: seit dem Jahre 1535 ist die Geschichte ihrer
V^iederherstellung aktenmässig beglaubigt Ihren neuen Na-
men, 'acqua di Trevi' (die fontana di Trevi ist 1762 voll-
endet worden) verdankt sie dem mittelalterlichen der regio
trivii (s. Bd. 2, 316, 526»«).
^) Hierüber zuerst Visconti Bull. deU'inst 1869, 212 ff, <2 Steiae
am Bahnhof), dann Lanciani Bull. mon. 4 a. 0. (Stein am Thor). Die
Inschrift lantet (auf allen dreien): hoc rivi agutnium) trium eunt: eippi
positt iussu A. Didi GaUi^ T. Rubri Nepotü, M, ComeU Fimä eurah
tor{um) aquar(um)', Gallus war (nach Frontia 1()2) eurator aquamm in
den JJ. 39-49, die beiden andern seine adiutoret,
M) Dio 54, 11: xo re vStoq to üag^inov xaXovfuvov töis iSloig
472 THEIL I.
7. Älsietma oder Angusta (zu unterscheiden von den
gleichnamigen ErgSnzungsleitungen der Appia und Marda)
im Jahre 752 von Augustus für Speisung seiner Naumachie
in Trastevere angelegt und nur im Nolhbll den Bronnen
zugeführt, führte das Wasser daliin aus dem /actis Ahietinus (lago
di Martignano) in einem über 22 Millien langen in den Fels-
boden geschnittenen Kanal, nur 358 Schritt über Bögen '0*
tiXeaiv Icayaywif Avyovat&if nqo^yhqriai (letzteres, wie schoo Saebse
2, 97 beAerkty falach: Firgo Frontio and die Steine). JVach den Akten
FrontiQ 10: (Jahresbestioimung) Virginem quoquß in agro Lucuttitno
coUectam Romam perduxiU dies quo primum in urhe {urbem die Hs.,
8. Polen.) responderit quintus idus lunias invenitur. Es folgt die Be-
sehreibung der wanderbaren Entdeckung durch eine virguneula, welche
an der Quelle bildlieh dargesleUt sei (andere Erklänyigeo des Namens
bei Plia. 31,42: iuxia est rivus fferctdaneu* quem rtfugiens Virginis
nomen optinuü ond Cessio d. Var. 7, 6 : quod nullus sordihus polluatur)
und des Laafs. Dazu 22 : arcus Firginis initium kahent suh kortis
Luculianis (auf dein Pincio) ßnnmtur in catnpo Martio secundum fron"
fem saeptorum; woselbst sie im 17. Jabrh. ond vor Knrzem gefunden
sind: Forma S. 36*. Strasienbogen in Via del Nazareno aad V. Della
Stamperia mit der Inschrift CiL 6, 1, 1252: Ti. Claudius ... (46 a.C.)
arcus ductus aquae Firginis disturhatos per C Caesarem a fundofnentis
novos fecit ac reslituü. Abbildung: Piranesi Ant. Terminations-
steine (mit der Ueberschrift Firgo)'. die beiden auf dem Pincio ge-
fundenen (einer von Tiberias, der andere von Claudius): / p. CCXL^
der dritte bei Muro torto vor P. del Popolo (von Tiberias): HIlp. CCXL,
also doch wohl verschleppt? Der Anfang der Leitung kann doch nur
westlich von S. Tgnazio angenommen werden: dann würde N. 1 noch
westlich vom Corso, N. 4 westlich von Fontana Trevi gestanden haben. —
Lauf: Nibby Analisi 3, 469 ff. Geschichte: {forma Firgints fraeia das
Eins. It., Bd. 2, 382), besonders seit 1535, bei Fea Storia delle acqne
S. 9 ff. 63 ff. (daselbst S. 24 f. über die Zweigleitung, deren Anlage
er dem Agrippa zuschreibt, die Wiederherstellung den Päpsten) Nibby
R. mod. 2, 16 ff. 47 ff.
^) Aus Frontin 11 hebe ich hervor: quae ratio moverä ^ugustum
providentissimum principem perdueendi Msi&tinam aquamy quae vo-
catur Augusta non satis perspicio . . . njsi forte cum. opus naü-
ptackiae adgrederetur, nequid salubrioribus aquis detraherety hone propm
opere perduxit, Ders. 22: MsieÜnae daetüs post naumachiam.^ cuius
causa mdehir esse f actus, ßnitur. lieber die Naumachie s. Th. 11. ~
Den Lauf fand Nibby im J. 1826 mit der Beschreibung überein stimmeod
§ 7.] WASSERLEITUNG. 473
8. Clandia und 9. Anio nova, von Caligula im Jahre 38
begonnen, von Claudius im Jahre 52 Yoltendet, und am
1. August d« Jahres eingeweiht, wurden beide aus den
Quellen an der via SublaceMis, jene in der Gegend des 38.,
diese in der des 42. Meilensteins gesammelt, bis zum Aus<-
tritt aus dem Gebirge bei Ponte Lupo in getrennten, von da
ab in vereinigten Leitungen, jene 46, diese 58 Heilen lang,
beide etwa 10 Meilen oberirdisch , nach Rom geführt Die
vereinigte Leitung folgte zuerst der im Ptaenestina, über^
schritt sie in südlicher Richtung, erreichte die Laiina, um am
7. Meilenstein, wie die übrigen Leitungen, in Piscinen ge*-
reinigt zu werden. Hier wie auf der ganzen Linie haben
sich bedeutende Reste der Pfeiler und Bögen aus Quadern
von Tuf (Travertin im Bogen) mit den dardberliegenden Ka-
nälen erhalten.
Sie erreichte dann wieder die Praenestina, wo die £a6t*
cana sich von derselben abzweigt und überschritt sie auf
einem mächtigen Doppelbogen, der nachmaligen Porta maggiore
(Analisi 1, 139 f.). Es ist anüalleBd dass Aogafttus zwar die Wieder*
herstelluog der früheren Leitaagen erwähnt (oben A. 90) und das naväUs
proelii spectaculum irans Tiberim (Mominsen S. 66), nicht aber den
Bau der neuen Leitung quae vocatur Augusta. Seine Sorge für Wasser-
versorgung nicht blos der juUachen Colonien sondern aueh der Muni*
cipien in Italien ist bekannt (Mommsen Zs. f. R. G. 15, 287 ff. Nissen
Bull. d. i. 1865, 109 ff. — De Boss! Ann. 1873, 170 ff.). — Die falsche
Lesart algeatina in der einen Hs. B. des Guriosum ist die alleinige
Quelle der beim Anon. Magliab. (S. 15 Merckl.) und in anderen Ab-
sehriften des 15 Jahrh. verbreiteten Lesart algentiana. Mit dieser
operirte nun der anonyme Verf. des 'Victor' weiter, indem er falsch
die Namen 9. 11 j4nguitea /4Ui€tma des allen Verxeichoisses identifi-
cirte (haUia stve kalsiBtäma que augusta), dagegen als einen besonderen
Namen dahinter algmtiana avfaahm. Dies ging in die ^Regionen' des
Laetns über (die vatic. Ha. giebt hatsiä i haiHeHna que amguste [so],
dann algmiiiana), und hatte endlieh weiter zur Folge, dass Fahretti
(3, 13) den falschen Namen auf eine von Tnsculum herabkommende
Leitung bezog (ähnlieh Nibby Analisi 1, 122 f.), Cassio l, 181 dieselbe
für die Antötriniana »» Alf^Bfäiana erklärte. Natürlich lavcbt sie aueh
bei Parker A<f. S. 100 wieder anf. — Nicht gaoa genau giebt die Ge*
nesis der Fälschung De Ressi Ann. 1872, 177.
474 THEIL I.
und endete hinter den harti PäUantiani auf dem Esquilin,
von wo aus sie in Röhrenleilungen ihr Wasser durch die
Stadt vertheilten. — Die Claudia erhielt die aqua Cciemka
und die Curtia und den fims Albudinus als Zuflüsse. Jene
beiden wurden Yon Vespasian im Jahre 71 und von Titus
im Jahre 81 wiederhergestellt.
Bei der Spes vetus gab sie eine, wie es scheint, erst von
Nero hergestellte Zweigleitung ab, welche über den Caelius
nach dem Tempel des Claudius führte. Diese Leitung wurde
im Jahre 201 wiederhergestellt: auf dem wenige Jahre dar-
auf verfertigten kapitolinischen Stadtplan ist dieselbe dar-
gestellt. Im Hittelalter hiess sie forma LcUeranensis (Bd. 2).
Reste derselben (es ist ein Ziegelbau vollendetster Kon-
struktion) stehen mit kurzen Unterbrechungen auf der gan-
zen beschriebenen Linie. An zwei Stellen musste auch diese
Leitung die aus den Thoren der alten Stadtmauer am Cae-
lius hinausfährenden Strassen überschreiten: einmal (vor der
porta Caelmontana?) auf dem jetzt nicht .mehr erhaltenen
sogenannten 'arcus Basilis' (oben S. 226, 336), ein zweites
mal, ungewiss vor welchem Thor, auf dem im Jahre 10 n. Chr.
errichteten sogenannten Bogen des Dolabella (S. 364.
367 Ä. 40). Die ursprüngliche Bestimmung desselben ist
noch nicht ermittelt (vgl. S. 352). — Die Fortsetzung der
Leitung sieht man das Thal zwischen Caelius und Palatin
überschreiten. Dieser Theil ist später, vielleicht erst zum
Behuf der Bewässerung der von Severus auf dem Palatin
errichteten Anlagen gebaut ^^).
^) Ausfilhrlich Frontin 13 ff. ans dem ich hervorhebe: Gaitu Caesar
. . . duoM duelus inchoavit, quod opus Claudius magnißemtissime consum-
tnavit dedicamtque , . . kakndis ^ugustis. BescbreiboDg des Urspmngsgebiets
und des Laufs verifieirt besonders von Nibby Analisi 1, 164 ff. 479 ff. 2, 577
ood von F. Gori (s. oben A. 88). Wenn Frontin die Clandia via Sublaemsi
ad miUarium XXXf^IIl ans dem /ans Caeruleus und Curtius entstehen
lässt und die Länge des Laufs auf m. p, XL^I aufgebt, während Clau-
dius selbst (unten) a miÜiario XXXXF {perducendam curamC) sagt, so
kann dieser Widersprneh soviel ich sehe nicht mit Henzen durch die
Annahme gelöst werden, dass nach Claudius die arcus Nenmiani und
7.] WASSERLEITUNG. 475
10. Die Traianß wurde nach der an der Leitung selbst
10 Müllen vor der Stadt gefundenen Inschrift im Jahre
109/110 aus den), lacus Sabbatinus (lago dl Bracciano;
dabeir im Mittelalter auch Sctbbatma) auf die Höhe des
Jandculum geleitet, welche sie längs der via Aurdia erreichte*
Hier trieb sie die Mühlen und wurde weiter in den damals
an Bevollierung stark zunehmenden transtiberinischen Stadt-
theil vertbeilt. Sie iM im Jahre 1611 von KarlV als Acqüa
Paola wiederhergestellt worden und versieht heut dieselben
Dienste wie ehemals. (S. Bd. 2, 225 f. und oben § 6 A. 48).
Die Annahme einer den Aventin versorgenden zweiten (oder
einer über die Brücken dahin abgezweigten) aqua Tratana
andere Mnzogekoiameii sind: dena Claudias giebt niclit die LSage d«r
Leitung sondern den Abstand des Ursprungs von der Stadt nach dem
Wegemaass an: die Differenz von 10 Millieo kann nur auf die Ver-
längerung dieses im Ursprnngsgebiet geben : wie dies mö'glicb ist, kann
ich nicht entscheiden. — Terminationssteine fehlen. Inschriften des
Strassendeuksuds CIL 6, 1, 1256: Tu Claudius . . . aquas Claudiam ex
fontibus qtä vocmifur Caeruhus et Curtias a milUario XXXF, item
Anienem novam a milliario LXII süa impensa in urbem perducendas
ctaravit; darunter 1257: imp. Caesar Fespasianus . . . aquas Curtiam
et Caeruleam perducta» a dwo Claudio et postea intermissas dilapsasque
per annos novem sua impensa urbi resUiuiij darunter 1258: vmp, T
CaeseBT . . . aquas Curtiam et Caeruleam perductets a divo Claudio et
postea a divo Fespasiana patre suo urbi restüutas cum a capite aquarum
a solo düapsae essent, nova forma reducendas sua impensa curavit
Zweigleitung und Ende nach Frontin 20: finiuntur areus earum post
hortos PaUantianos et inde in usum urbis ßstulis deducuntur» partem
sui Claudia prius in areus qui vocantur Neroniani ad Spem veterem
transfert. hie direcH per Caeliwn montem iuxta iemphim divi Claudii
finiuntur, Signorili las Un fomtis . . . ante hospitale S. Angeli prope
Lateraanm' die Inschrift 1259 : imp. . . . (Severus und Caracalla 201)
areus Caelemontanos plurifariam vetustate eonlapsos et conruptos a soh
sua pecunia restiiuerunt. -^ Auf dem Stadtplan (Fr. 45) ist dem Grund-
riss aqueductium beigeschrieben: das Fehlen des Namens erklärt sieh
daraus dass das Werk eben neu hergestellt war. — Bogen des Dola-
beila, Abbildubg z. B. Reber Ru. S. 464. Da Frontin 87 sagt, dass bis auf
seine Zeit nur die Claudia den Aventin und Caelius bewässerten, so
kann er nicht im J. 10 eine Wasserleitung getragen haben (Benzen
S. 272 oben). — lieber die Leitung nach dem Palatin vgl. Th. 11.
476 *^^^^ '•
beruht meines Wissens alldn auf einer falschen Inschrift
(8. Bd. 2, 296. 309«*).
Uefaer die Leitungen nach Trajan sind wir so unvoll-
ständig unterrichtel, die technischen Untersuchungen der nictit
sicher ben»inten Reste sind trotz breitester Besprechung
noch immer so ungenügend, dass ich im Wesentlichen audb
jetzt noch bei den Resultaten der im Anscbluss an das Ver-
zeichniss der Notitia geführten Untersuchung des 2. Bandes
S. 223 ff. stehen bleiben muss. — Wir haben keine Nach-
rieht von Ldtungsbauten bis auf Severus und Caracalla^^^).
Diese stellten die Mareia luUa Tepuia wieder her (oben 3)
und lugten denselben den fom AwtonmianuB hinzu. Diese
Leitung kann wohl nicht diejenige sein, deren Reste in der
Uichtiing auf die Thermen des Caracalla noch auf Ndliis Plan
verzeichnet sind und in deren Linie der Drususbogen steht:
^) Ich setze Dvr die -Zeugnisse noeh eiamal her: intp. . . aqoAfn
Ttaümam pecunia sua in urbem perdtutit emptis loois per iatihid(inem)
p(edes) XXX (Or. Henz. 5097; vgl. Feas Berieht Storia delle aeqne
S. 263 ff. » Mise. 2, 199 ff.). Münzen : Cohen Trij. a05 » fickhei 6, 425.—
Falsche Inschrift auf einer angeblieh 'in Aventino versus P. S* Paidi'
gefundenen Bleiröhre (Panvin. Rom« 212^ 22): aqua Traiana Q, j4fdeuu
Q.f. Jnian{ianus) cur. thermarum Varianarum (gemacht mit Hälfe der
falschen Lesart ihermas f^arianms statt Surianas Not. R. XIIl; übri-
gens lag dort auch die prwata Treianil)* Bass Trigan irgend eine
Zweigleitttiig nach dem Aventin geführt haben köane, soll natürlich
nicht geleegnet werden.
100^ Frontin spricht c. 88 nnr von einer Ergänzung der bestehen-
den Leitungen und der Ausdehnung ihres VertbeilungssysteiBS. Dass
Hadrian keine neue Wasserleitung für Rom baute beweist das Sehwei-
gen der Qtiel^en, besanders des Spartian, dessen Worte c. 20: nudtas
cmtatea Nadrüm&p(di^ appellavit, ut ipsam ßarthaginem et Athenatrum
partem* aquafum duotut eHam infiKÜosif) hoc nomine mmatpamt, nur
auf die Bauten in den Provinzen bezogen werden können -— ich e^-
innere nur an die grosse peleponnesische Wasserleitung (Hertzberg
firesch. Gr. 2, 313) und an die athenisdie (CiL 3, 1, 549 Wachsmuth
Athen 1, 689) — und vollends beweist Nichts die aegeblieh inschrift-
lioh bezeugte Erriohtuag ein«r Leitung nach Gabu' (vgl. Nibby Anal.
2) 77). Nur durch grüidlidies Missverständniss dieser Zeugnisse ist
Parker zur Annahme einer neuen Leitung liadrians, nach ihm der ge-
wöhnlich Meapanärina genannien (unten), gelangt (Aq. 86 ff.).
§ 7.] WASSERLEITUNG. 477
dies, ist vielmehr wahrscheinlich die Nebenleituog des Anio
vetus (oben). Elbenso unsich^ ist es, ob wir die
11. Severiana, welche nur das Verzeichniss der Notitia
nennt ^^^), als eine Leitung nach den ebenfalls nicht sicher zu
bestimmenden Thermen dieses Kaisers, oder eine Zweig-
leitung zu betrachten haben und wo sie zu suchen ist.
Sieber ist nur, wie der Name es sagt, dass sie nicht die
12. Alexandrina oder Akxandriana ist, die Leitung,
welcbe dieser Kaiser nach glaubwürdiger Ueberlieferung mit
meinen gleichnamigen Thermen im Marsfelde in Verbindung
seta^te. Es bleibt nun von den grossen erhaltenen Haupt-
leitungen eine übrig, welcher sicher keiner der Namen 1 bis
10 zukommt: eine zwischen der via Labicana und firaenes-
iifun in sehr bedeutenden Resten trefflicher Backsteinbogen
erhaltene Leitung, welche sich bis in die Nähe von Porta
maggiore verfolgen lässt. Seitdem Sixtus Y. im Jahre 1585
aus derselben Gegend und in fast identischem Lauf seine
neue Acqua Feiice zum Tbejl mit Benutzung des alten Mate«
rials nach Rom geführt hat, ist ziemlich allgemein angenom-
men worden, dass dies eben die Alexandrina sei^^'). Man hat
101^ VoQ den stadtröroischea Neubauten des Severus uod Caracalla
ist Form« S. 9. 37 ff. gebaodeU worden. V^I. obeo S. 373. Dass die
aqua Severiana uiter denselben nicht genanat wird und nur in der
Notitia erscheint» iumn iVeilich Zweifel daran erregen dasa sie eine
neue Leitung war- Doch vgl. A. 102.
!<>') Lampridius Alex. Sev. 25: ipse nova mutta eonstitaü, in hü
thermas nominis aui iuxta eas quae Neronianae fuerunt aqua indmta quae
AlexanäPiana nunc dicitur. Die Excerpte über die Kaiserbauten nennen
nur die Thermen (Bd. 2, 33), die Notitia beide Werke. Von Restan-
ratioval^auten werden von dem Biographen das Iseum (c. 26) und die
Thermen des Caracalla (c. 25), nicht der Gircus genannt, dessen In-
schrift doch erhalten ist (CiL 6; 1, 1083). Ich führe dies an^ weil man
daraus ersieht wie lückenhaft und zufallig unsere Kenntniss der spä-
teren Kaiserbauten ist. — Gegen Fabrettis Identificirung der ^leofan-
drvna mit der beschriebenen Leitung (s. Bd. 2, 226 f.) ist so viel ich
weiss nichts Stichhaltiges vorgebracht. Denn für Parkers Behauptung,
das Ziegelwerk trage den Charakter des 1. oder 2. Jahrhunderts (Aq.
S. 88 : daher benennt er die Leitung trajanisch oder hadriaoisch, oben
A* 100), werden wir van competenter Seite die Bestätigung abzuwarten
478 THEIL L
dafür auch geltend gemacht, dass in der 5. Region ein
nymphaeum Alexandri genannt wird und hat dieses bald in
der Ruine ^Minerva medica', bald in der Ruine 'Trofei di
Mario' finden wollen (über beide Gebäude s. Bd., 127 ff,,
517 ff.). Die letzte Annahme ist unmöglich, wenn auch eine
sichere Benennung des Monuments noch nicht gelungen ist
Die Wasserhöhe dieses grossartigen, ehemals mit den jetzt
auf der Balustrade des Kapitols stehenden Trophäen verzier-
ten Brunnens {locus) ist viel höher als die der sogenannten
aqua Akxandrina, unsicher ist es, ob sie der Wasserhdhe der
lulia oder des Änio navus entspricht. Bögen der Zweig-
leitung, welche das Wasser dem Monument zuffibrten, stan-
den noch in diesem Jahrhundert. Das Mauerwerk des Mo-
numents wie der Bögen gilt für spät, unter den erwähnten
Trophäen soll eine Widmung (?) eines Freigelassenen des
Domitian stehen. Ein kaiserlicher Bau ist es unzweifelhaft,
errichtet an der Scheide zweier aus dem esquilinischen Thore
ausmündenden Strassen (oben S. 361 f.); wie derselbe zu
dem Namen 'Cimbrum' und 'trofei di Mario' gelangt ist,
wissen wir noch nicht ^^*). — Dagegen hat die Identificirung
babeo. Eatscheideo müssen die Stempel: aber den halb zerstörten auf
einem 4ater . . arcubas primitivis insertns' mit der Inschrift (im Sasseren
Rinjf:) opus doUa [re , . ,]i Aug (im inneren:) ex fig[Unis Caesa]rit
n(ostri)j (im Centram schreitender Hnnd) bei Fabretti 1, 5 T. V. S. 13
kann ich nicht verificiren.
^^^) Ein den 'Trofei' allerdings sehr ähnlicher Bau ist aaf der von
Lenormant pnblicirten Münze des J. 226 (Revne nnm. 1842 S. 336)
dargestellt: indessen ist trotz Visconti (Ball. man. 2, 227) diese Aehn-
lichkeit kein Beweis für die Richtigkeit der Benennung nymphaeum
j4lexandH\ ist die Alsstandrina die von Fabretti so benannte Leitung,
so is^ ihr ^iveaa sicher niedriger als das der Leitung dei* Trofei,
mögen nun die französischen Architekten rechthaben, welche imJ. 1822
das der luka mit ihm übereinstimmend fanden (Nibby Roma ant. 1, 358),
oder Parkers Architekt, der das des Anio novus und der daudüt überein-
stimmend fand (Gori Baooarotti 1871, 126 f. Parker Aq. S. 125 T. XII),
was ich nicht entscheiden kann. — Zeit des Baus: Das Mauerwerk
sowohl der 'Trofei' wie der dazugehörigen Leitungsbögen hielt Nibby
a. 0. für severianischc Arbeit. Die wenigen Buchstaben einer kürzlich
in den Trofei entdeckten grossen Inschrift . . oma . . | . . to . . lehren
§ 7.] WASSERLEITUNG. 479
des nymphaeum Akxandrt mit der * Minerva Medicd\ einem
Gebäude, welches nach der Technik des Ziegelwerks sicher
in's 3. Jahrhundert gehört und dessen Bestimmung alsTheil
eines grossen Wasserwerks durch die kürzlich erfolgte Auf-
deckung der Röhrenleitung ausser Zweifel ist, sehr grosse
Wahrscheinlichkeit, wenn auch wegen der weitreichenden
Folgerungen, welche diese Annahme für die Topographie der
5. Region haben würde, das Urtheil bis zu der hoffentlich
zu erwartenden Beendigung der Ausgrabungen ausgesetzt
werden muss. — Nach alledem ist es immer noch zweifel-
haft, ob die gedachte Leitung die AUxandrina ist, aber
ebenso unzweifelhaft, dass ihr ein anderer Name mit Sicher-
heit nicht beigelegt werden kann.
Yon spater erbauten neuen X.eitungen oder auch nur
von umfangreichen Reparaturen der alten ist uns Nichts be-
kannt Zwar giebt das Verzeichniss der Notitia 19 Namen.
Allein 4 derselben fallen als Namen uns bekannter Neben-
leitungen weg: die drei übrigen sind unerklärt, möglicher-
weise ebenfalls Namen von Zweigleitungen, schwerlieh Doppel-
namen von anderen. Wenn noch später Prokop 14 Leitun-
gen zählt (Bd. 2, 228), so ist es klar, dass er mit Zuhilfe-
nahme einer und der anderen Nebenleitung — welcher, ist
nicht auszumachen und auch gleichgiltig — die Zahl auf 14
abrundete, unzweifelhaft den 14 Regionen und 14 Stadt-
thoren zu Liebe ^°*).
Nichts (LanciaDi ßuli. comun. 1877, 11). Dagegfn ist die Zeit der Ao-
fertigang der durch Sixtus V auf die Balustrade des Kapitols versetzten
Marmortrophäea der Seitenoischco sicher (was Bd. 2, 519 übersehen ist).
Cittadioi (in den Bandglossen zuLigorius bei Martinelli Roma sacra S. 430):
4o fni il primo che scopersi che quelli trofei erano di Oomitiano de
Germanis havendo trovata queila inscrittione sotto uno di essi ancor
prima che fossero mossi di lä. cioe imp. Dom. Aug. \ Ger. per. \ Cre. Üb.*:
so der Druck, die Hss. nach Bruzza Ann. 1870, 111, der Übrigpens nur
die Inschrift selbst wiedergiebt, Chres{tmum) lib{ertum). Demnach
wäre weiter zu nntersuchen von welchem der zahlreichen Domitianiscben
Bauwerke sie stammen können.
^^) Die 4 Nebenleitnngen des Verzeichnisses sind: 6 Hereulea
7 Caerulea 9 Auguutea 18 ^ntoniniana {antoniania die Hss.). — Un-
480 TUEiL l
Dass in der Mitte des 3. Jahrhunderts der Wasser-
leitungsbau plötzlich zum Stehen gekommen ist, ist ein
Symptom der grossen Veränderung des Kulturzustandes in
dieser Epoche. An vereinzelten Riesenbautai hat es freilich
in der unmittelbar folgenden diocletianisch-constantinischen
Zeit nicht gefehlt (ich erinnere an die Thermen Diocletiaos,
die Basilica und die äbrigen Bauten Constantins) und die Be-
wässerung derselben mit den vorhandenen Leitungen wird
nicht unterlassen worden sein. Aber das grossartige System
derselben — die grossartigste Schöpfung der römischen Bau-
kunst im Dienste der städtischen Wohlfahrt — zu erweitern,
fehlten dieser Zeit wohl nicht blos die Mittel, mehr noch
der Sinn, der bis dahin noch den Staatsorganismus beseelt
hatte.
erklärt bleiben 12 Ciminia 13 j4urelia 14 Damnata, Da Doppelaameo
in dem Verzeicbniss so gut wie garnicht nachweisbar sind (oben S. 424),
so ist die Annahme Ciminia «» Aurelia «» Traiana (S^bbatioa) von
vorahereia unwahrscbeinliefa ; Murdia = Aureiiami ist ganz haltlos ;
ob an Interpolation aus den viae (IZ, 29) zu denken ist, bleibt unge-
wiss. Ebensowenig weiss ich jetzt Sichreres über die Danmata (= d(h
traciana [so] derHs. des Silvias?) zu sagen. Wenn eine Diocletianische
Leitung, lovia, existirt hätte (Bd. 2, 228 f.), so wäre sie sicher in dem
constantinischen Verzeicbniss aufgeführt worden. Oder ist dotraciami
s= Diochtiana? Wiederhersteiinngea von Wasserleitiingen in Lambase
dorcb Diocletian sind. bekannt : .Renier 108 f. 117.
§ 8.
DER INNERE AUSBAU.
Während die Umrisse des äussern Wachsihums der Stadt
in den späteren Bildungen sich unverwischt erhalten haben,
wie die Formen yorweltlicher Pflanzen in den Gesteinen
späterer Erdbildungsschichten , hat das feinere Geäder des
ursprünglichen inneren Organismus den Veränderungen der
Jahrhunderte geringeren Widerstand geleistet. Und doch
fuhren so manche Spuren darauf, dass wir in dem kaiser-
lichen das republikanische, in diesem das königliche Rom
noch wiedererkennen dürfen. Nicht allein einzelne Gebäude,
wie das Tullianum, stehen noch da als Marksteine zur Orien-
tirung, sondern Märkte und Hauptstrassen haben im Wesent-
lichen ihre Lage nicht verändert und nicht yerändern kön-
nen. — Wir werden zuerst zu untersuchen haben, wie es
mit der weitverbreiteten Annahme bestellt ist, dass schon im
Alterthum — über das Mittelalter ist in der Einleitung be-
richtet worden — gewaltsame Umgestaltungen, besonders in
Folge grösser Brände, eine völlige Neugestaltung der Ursprung-
lidien Stadt herbeigeführt haben. Denn um eine solche
allein handelt es sich: die zahh^eichen Restaurationsbauten,
die Aufhöhung des Strassenplanums durch die Schuttmassen
(S. 130. § 7 A. 84) kommen hier nicht in Betracht.^)
^) Noch mehr wie io den frühereo Abschoitteo ist hier auf die
AnsfahraDgeii im II. Theil za verweisen. Indessen schien andrerseits
für die dort zn gebende Darstellung die übersichtliche Zusammenfassang
Jordan, rOmische Topogpraphie. Li. 31
482 'I'HBIL I.
Yon sieben grösseren Bränden vor Augustus haben sich
aus der Stadtchronik mehr oder weniger genaue Nachrichten
gerettet. Sieht man von verallgemeinernden und augenschein-
lich übertreibenden Phrasen spätester Schriftsteller ab, so
ergiebt sich aus ihnen deutlich, dass es zwei Ueerde der
Brände gab, die ihrer Natur nach gleichartig waren: das ge-
werbliche Viertel längs des Tiber von porta Trigemina bis zu
den Wurzeln des Kapitols, und die unmittelbare Umgebung
des grossen Forum. Beide enthielten in ihren Läden und
Waarenlagem reichlichen Zündstoff, mit dessen Vernichtung
auch das Feuer, wenn auch oft erst nach zwei- bis dreitägi-
gem Wüthen, aufzuhören pflegte.') Es ist also ein verhält-
nissmässig kleiner Theil der servianischen Stadt, welcher in
älterer Zeit wiederholt der Vernichtung preisgegeben war.
Dass in diesem Theil das Feuer^ einmal ausgebrochen, leicht
Tage lang wüthete, ohne zum Stehen gebracht werden zu
können, ist bei der Natur des damaligen Baumaterials be-
greiflich. — Aber auch die grossen Brände der Kaiserzeit
haben ähnliche Ursachen und ähnlich beschränkte Gebiete
gehabt. Die Heerde derselben waren ausschliesslich die jetzt
der Hauptthatsachen nicht entbehrt werden zu können. Es mtig hier
für die voraognstische Zeit an die; wenn auch kurze, doch scharf ge-
zeichnete Skizze in Sachsens vergessenem Buche 1, 657 ff. erinnert
werden: fdr die Kaiserzeit an Friedländers ausgefohrteres Bild Darst
1 S 1 ff.
') Brände von den Salinen bis zum Kapitol 541 (Liv. 24, 47), vom
Rindermarkt bis zum Tiber 562 (35, 40); in der Umgebung des Fornmä
513 (Oros. 4, 11; nur von dem Vestatempel handeln die von Kempf
zu Val. M. 1, 4, 4 ang. St.) 544 (26, 33) 576 (Obseq. 8). Sehr merk^
würdig ist die Ton Orosins zweimal gegebene Beschreibung eines Braa'-
des, welcher im J. 700 phtrimam urhis partem . . . Xlf^ vtcos (eiut
fügen Hss. an der zweiten Stelle ein) cum vico iugario (6, 14. 7,
2), also wohl wieder die Gegend der Brande von 541. 562, zerstörte.
Liegt hier im Ausdruck eine confuse Einmischung der 14 Regionen
vor? Er fügt hinzu, Augustus habe restauriren müssen! Obsequens 65
(der das J. 704 angiebt) sagt kurz maxima pars urbisy und es mag
danach der Werth des wörtlich gleichen Ausdrucks über den Brand von
643 (Obs. 39, nur bei ihm verzeichnet) bemessen werden.
i 8.] DER INNERfi AUSBAU. 4g3
namemflich llngs des Circus, am Forom ttud der sacra via,
den saepta auf dem Marsfelde in eigenen Magaiiinen oder
den mit den grossen öffentlichen Bauten verbundenen Läden
aufgespeicherten Waaren: so erklärt sich die sich immer
wiederholende ßrandbeschädigung öffentlicher Gebäude, die
sonst weder durch ihr Material, noch durch ihre Benutzung
Anlass zur Entstehung eines Feuers boten. Wenn in der
Regel trotz des unzureichenden Feuerlöschwesens der Brand
auf seinen Heerd beschränkt bleibt und mit der Vernichtung
der Vorräthe sein Ende erreicht, so liegt das daran, dass jene
Bauten meist isolirt standen, oder gar durch Umfassungs-
mauern gegen die umhegenden Strassen geschützt waren. ^)
Besondere Bedeutung wurd von den Alten selbst dem
gallischen und dem neronischen Brande beigelegt: jeder von
ihnen soll das alte Rom vernichtet und die Herstellung eines
völlig neuen veranlasst haben. Man hat bisher unterlassen
zu untersuchen, in wie weit die Beschreibungen beider diese
Annahme rechtfertigen. — Die Details der Beschreibung des
Wiederaufbaus nach dem gallischen Brande sind klaglich zu-
sammengebettelt und im WesentUchen nichts weiter als roiss-
lungene Erklärungen späterer Zustände, mag nun die Quelle
sein, welche sie wolle. Zur Zeit Ciceros konnte man Rom,
die auf Bergen und Thälern gelegene, in ansteigenden
Stockwerken aufgethürmte Stadt mit den schlechten Strassen
') Die grossen Brande der Kaiserzeit bis zum J. 238 zählt
Friedläader Darst. 1^ 27 ff. auf. Spätere: anter Aurelian die Hallen
der Thermen des Garacalla (Ghronogr. S. 648, 10), unter Carinus und
Numerian die Gebäude zu beiden Seiten des Forum (das. Z. 19 f.),
unter Maxeatius der T. der Roma (das. Z. 33). Herstellungen naeh
Bränden (?): der Saturntempel (wann?); die basiHca luHa 372; vgl.
Einl. § 2 A. 35. — lieber das öffentliche Feuerlöschwesen § 7 S. 460.
Doch wird nach dem neronischen Brande durch Vermehrung der
Brunnen ermöglicht ut . . subsidia reprimendU ignibus in propatulo
quisque haberet (Tac. Ann. 15, 43), daher der praef, vig, anordnet
ut aquam unus quisque inquäinus in cenactdo habeat (Digg. 1, 15, 4).
— lieber die Anlage von Läden und Verkaufsständen unter den Hallen
des Erdgeschosses fast aller öffentlicher Gebäude, namentlich der
Schauspielgebäude, vgl. Forma S. 19. 43 Hermes 9, 421.
31*
484 TBBIL I. .
und engen Gassen, verachten lernen, wenn man an Capna
mit seiner bequem in der Ebene entwickeUen Anlage dadite.
Es galt diese Unregelmässigkeit der herrschenden Stadt zu
erklären^). Wäre fiom in seinen ebenen Tbeilea geradlinig
gebaut gewesen, so hatte man aus der angeblichea Thatsache,
dass die Stadt dem Erdboden gleichgemacht worden, den
Schluss gezogen, dass die Verwischung allex Grenzlinien Ton
Staats- und Privateigentbum nun erlaubt habe, nach den
Grundsätzen der Limitation die neue Stadt aufzubauen. Da
dieser Schluss nicht m^lich war, schien der entgegeiigesetzte
zulässig, dass jene Verwischung ein buntes Durcheinander
von Häuserbauten, die freie Auswahl der Bauplätze veranlasst
habe. Und der geneigte Leser mag sich nun ausdenken,
wie es gelungen sein mochte, doch noch die alten Haupt-
verkehrswege nach den Thoren und von diesen zu den
Märkten wieder herzustellen. Aber auch die alten Hauptver-
kehrswege wurden ja nicht wiederhergestellt: denn früher liefen
auf oder unter ihnen die Kloaken, nach dem Wiederaufbau
durchkreuzten sie Staats- und Privateigentbum nach allen
Richtungen. Gewiss ein schülerhafter Versuch, das erst
später weiterverzweigte Kloakensystem zu erklären! Aber viel
wichtiger noch sind die angeblichen Senatsmaassregeln oder
Volksbeschlüsse, nach welchen aus den öffentlichen Ziegeleien
den einzelnen Bürgern die Ziegel unt^ der Bedingung ge-
liefert wurden, dass jene sich verpflichteten, binnen Jahres-
frist den Wiederaufbau zu vollenden. Denn diese Angabe
beweist, dass die Bestimmungen, welche die, Städteordnungen
der cäsarischen Zeit über das Niederreissen und den Wieder-
aufbau von Häusern enthielten, innerhalb gewisser Grenzen
auch für Rom galten und dass man nach diesen si^h frisch-
weg den Wiederaufbau Roms nach dem Brande gedacht hat *).
*) Cicero de lege agr. 2, 35, 96: Romam in moniibus positani
et convaÜibuSy cenaculis sublatam atque suspensarrtj non optimis vm,
angustissimis semüisy prae sua Capua planissimo in Logo explicata
ac prae Ulis aedibiis irridehunt atque contemnent.
^) Die Quellen (besonders Livius 5, 55 Diodor 14, 116 vgl. Schwedt-
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 485
Es steht also mit der sogenannten Gescbichte desselben un-
gefähr wie mit der sogenannten Geschichte der Errichtung
des Plebejerqaartiers auf dem Aventin: nicht ein einziger
Zug ist in beiden alte Ueberlieferung. Wie man sichs über-
haupt denken soll, dass mit der Niederbrennung der Holz-
häuser und Lehmziegelhütten zugleich die Strassenzüge ver-
schwinden konnten, dass in dem Gedächtniss der auf die
Burg gefluchteten Yertheidiger in wenigen Monaten jede Er-
innerung an den Besitzstand ausgelöscht worden, während doch
nachweislich Verheerungen ganzer wesentlich noch mit demsel-
ben Material gebauter Stadttheile in späterer Zeit dies Wunder
nicht gewirkt haben, bleibt mir unyerständfich und ich habe
deshalb einstweilen (oben S. 274) unbedenklich angenommen,
dass der Name und die Lage des vicus Tuscus sich unver-
ändert aus der Zeit ihrer Entstehung, der Zeit der Tarqui-
nier, über den gallischen Brand hinaus bis in die Zeiten des
Plautus, des Cicero und des Martial gerettet haben und die
1er 3, 276 f.) gjtiüQmen in allem Wesentlichen überein : pronU^ee urb*
aedifieari eoepta . . . festinatio curam exemit vicos dirigendiy dum
omisso sui alienique ^.ücrirnine in vacuo aedificant; Wmxav i^ovaiav
xaS-^ oy nQor^qrjfVTai ronov oixtav oixoSofJiitv. Kloaken: nur Livius
(§ 1 A. 59). Ziegeleien: teffula publica praebäa est: saxi materiae-
que caedeTidaB unde quisque veUet ias faetumy praedibus accepiis
00 anno perfecturos; drifioaias xs^afu^ag ^oq'ifyovv a% fii/Qt
jov vvv noXitixal xaXovvtat, Niebohrs (2^ 645 f.) und Schweglers
Deutungen dieser Dinge können wir jetzt bei Seite lassen. Die Städte-
ordnungen der Zeit Caesars bestimmten (Lex Ursen. § 75): nequis in
oppido . . • aedificiuM detegito neue demoUto neve disturbatOy nisi
si praedes II vir{um) arbüratu dederit se redaedificaturum . . .
oder (Lex Malac. § 62): rtoquis in oppido . . . aedifieium . . . (ähn-
lich) quod restäurus intra proximum annum non erit. Das in-
direkte Zeugniss des Livius also hätte fiiglich benutzt werden können
um zu beweisen, dasis ähnliche Bestimmungen schon zur Zeit Caesars
und früher, wie^ nachweislich in der Kaiserzeit (M ommsen Stadtr. 480 ff.
vgL Eph. epi(^. 3, 111), audi för Rom falten. JNiehts Sicheres vermag ich
über die ' Staatsziegeleien ', ^^^'nae/rnddcoe, der Zeit Diedors zu sagen
(vgl. Einl. § 2 A. 27). Doch kann an der richtigen oder unrichtigen
Rückdatirung bestehender Einrichtungen auch hier nicht gezweifelt
werden.
486 THESL I.
weitere Betrachtung der Strassennamen wird die Berechtigung
dieser Annahme bestätigen.
Dem gallischen Brande gleich an umgestaltender Wirkung,
ja als ein zweiter Brand Jlions, gilt schon den Geschicht-
schreibern der flayischen Epoche der neronische: wiederum
war durch ihn das 'alte Bom' in Trümmer gesunken, das
neue erstanden. Indessen, man lasse sich durch die Rhe-
torik nicht täuschen: die Thatsachen widerlegen diese Auf-
fassung mit unerbittlicher Sicherheit. Nicht der neronische
Brand, sondern die Sprengung des Doppelringes der Mauer
und des Pomerinm durch SuUa und Caesar (§ 5) haben die
neue Stadt geschaffen und die kaiserliche Munific^z des
Augustus das kühn begonnene Unternehmen in so grossem
Umfange weitergefördert, dass die späteren, wenn auch nodi
so bedeutenden Bauten dagegen geringfügig erscheinen.
Verschwunden waren nun die alten Häuserlabyrinthe der
Vorstadt am Flussthor einerseits, des Argiletum an der Nord-
seite des Forums andrerseits, ersetzt durch die Prachtanla-
gen dort des Theaters des Marcellus, hier durch die der
beiden fora^ des julischen und des augustiscfaen. Es schlös-
sen sich an die Anlagen auf dem Esquilin, die porticus und
das macellum der Livia, die Durchbrechung und Umgestal-
tung des Walls; Unternehmungen welche sichtlich auf die
Erweiterung der Verkehrsadern nach jener Seite gerichtet
sind und nachweislich mit der Beseitigung der Enge am
esquilinischen Thor die Umlegung der Strassenläufe mit sich
geführt haben (oben § 6 S. 361). Aehnlich wird es anderen
Thoren ergangen sein — nicht allen: denn das coUinische
ist nie beseitigt worden (das. A. 30), das capenische noch
von Domitian wiederhergestellt — : an ihre Stelle traten zum
Theil Triumphbögen (§ 6 A. 20 a) und die Anlage oder doch
die Veryo]]ständigung grosser Verkehrsstrassen längs der Be-
festigungslinie mag in diese ^ Zeit fallen. Dass endlich die
riesenhafte Vermehrung und künstlerische Ausschmückung
der Brunnen auf den Plätzen und an den Strassenkreuzungen
(§ 7), die Aufstellung der Kaiserlaren durch die ganze Stadt
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 487
(anten) nicht ohne vielfache Regulirungen und Erweiterungen
dieser wesentlichen Theile des Strassennetzes durchfuhrbar
waren, versteht sich von selbst. — Betrachten wir nun die
Schilderung des Brandes in ihren Einzelheiten. Die Frage,
io wie weit derselbe als Brandstiftung zu bezeichnen ist, ist
dabei gleichgiltig. Allerdings ist er von allen historisch be-^
kannten der bedeutendste: schon seine neuntägige Dauer —
zwei bis drei Tage währten sonst wohl die grossesten Brände
— beweist dies. Ausgekommen in den Läden des Circus
fand er wie andere Brände in den Magazinen der elften und
der anstossenden achten Region reichliche Nahrung, breitete
sich iQber den Palatin und die Läden der sacra via nach
der Yelia aus und kam am Fuss des Esquilin nur dadurch
zum Stehen, dass man ihm durch Niederreissen ganzer
Strassenviertel die Nahrung entzog: so sollen drei Regionen
(sicher die 11. und 3., dazu die 4. oder 10.?) ganz zerstört
worden, nur vier ganz verschont geblieben sein (sicher die
7. 14,, wohl auch die 2. und 6.): die übrigen sieben seien
^bis auf wenige Häuser' untergegangen^). Aber namenüicb
*) Tacitns Ann. 15, 38: inUium in ea parte drei ortum quae
Palatio Cadioque monHbui eontigua eH, uhi per tabemas qtäbus id
merdmonium ineraty quo f,amma alitur (oben A. 8), sinuä eoeptus
ignü et staäm vaUdus ae vento citus longüudinem drei corripuit.
neque enim domtis munimentis saeptae vd iempla muris dncta aut quit(
aliud morae tnteriaeebat, impetu pervagatum tncenditm plana urbis (vgl,
oben § 1 A. 17), deinde in edUa assurgens et rursus if\feriora popU"
lando anie&t remedia ^heüate tnaU et öbnoxia urhe artis üineribut
huapte et ükie fleäds atque enormibus vids, quaHs vetus Roma fuit^
Nero kebrt auf die Nachriebt, das Feuer nahe dem ^goldnen Hause',
ans Antiam zuriick (39): neque tarnen sisU potuU {igtäs\ quin et Pa^
Uttium et domus et cuneta drcum haurirentur, sed soladum populo
exturhato ae profugo eampnm Mortis ae monumenta ^grippae^ hortos
quin etiam, iuos • . . (40) sexto demum die apud imas Esquilias /(ms
ineendio factus prorutis per immensum aedifidis, ut contimiae vielen-
Hob campüs et velut vacuum cadum oeeurreret, necdum posito metu
(post mdus die Hs.) (flut rediebafy leoius {letfis die 2. Hd., lebis***
die 1.) rursum grassatus ignis patulis magis urbis locis (so möchte
ich mit Streichung der Glosse schreiben: das Uebrige haben Andere
verbessert) eoque strages homtnum minor, delubra deutn et porücus
488 7HEIL I.
die letzte Angabe halt yor einer genaueren Untersudiinig
nicht Stich. Es widerspricht ihr die Schiidening des Laufe
des Brandes, sicherer noch die von dieser rhetorisch gefärb-
ten Beschreibung unabhängige statistische UeberUefernng über
die Zahl der zerstörten Häuser: 4000 imidae 132 domm$.
Denn wenn in der Zeit Constantins allein die drei Regionen
3. 4. 11 nach der besten Ueberlieferung 8014 insulae 236
doniu$ enthielten (oben S. 312 ff.), so ist es, selbst wenn
man die Verdoppelung der Häuserzahl in denselben während
der Zeit von Nero bis auf Constantin annehmen wollte, was
nach dem unten Gesagten geradezu unmöglich ist, augen-
scheinlich, dass die sieben * bis auf wenige Häuser' zerstörte
amoemUäi dicatae latius procidere : plusque infamiae id incendium
habuit, quia in praediis Tigeüini AemilianU proruperat u. s. w. Von
den 14 Regionen quattuor itdegrat manebant, tres solo tentu deiectae,
Septem rdiquis pauea tectorum vestigia supererant, lacera et semusta, Aas-
drncklieh werden als verbrannt gpenannt die Tempel der Lnna und des
Hercnles (mit der ara maxima) am Circns, des Jappiter Stator und
der Vesta (mit der regia) am Palatin. Bei Dio 62, 17 f. fehlt sonst
die ßeschreibnng der Oertlichkeiten, doch sagt er znm Sehluss: ro n yag
Halduov j6 oqos Ovfjinav xal t6 ^iaxqov rov Tavgov r^s J€ lotn^s
noUtos tä (fi/o nov fUqtn ixavdfi. Ueber die Lage des im Privatbesitz
der Statuier verbliebenen, nach dem Brande von ihnen nicht wieder
hergestellten Amphitheaters (s. jetzt Jahresb. 1876, 186) wird gestritten ;
jedenfalls scheint es bei dem Wiederansbruch des Brandes in der bis
dahin unberührt gebliebenen Gegend der 7. oder 9. Region,, wo die
Aemiliana zu suchen sind (Preller Reg. 238 f.; Tb. II), zerstört zu sein.
— Dauer: übereinstimmend mit T. Sueton Mero 38: per sex dies sep-
temque noctes, 'Seneca' (A. 7): f7 dielms; nicht widersprechend die
Inschr. des Domitian CIL 6, 1, 826 Z. 10 f. (vg). A. 11): ... qaando
urbs per novem dies arsit Neronianis temporibus, Ueber den Gang
der Feuersbrunst stimme ich im Ganzen mit Piale (Della grandezza di
Roma al tempo di Plioio S. 15) überein, nur dass ich den Brand des
Amphitheaters in die letzten Tage setze. Dass ein 'bedeutendes Stück'
des Marsfeldes abbrannte (Preller Reg. 165), sagt Tacitus nicht; über
die poriicus amoenitati dicatae l'asst sich streiten (s. Th. II). — Die
hier versuchte Kritik der in der Regel (auch von Schiller, Nero 173 ff.
422 ff.) nicht angezweifelten Schilderung stützt sich wesentlich auf die
von BUcheler zuerst herangezogene statistische Angabe (A. 7).
§ 8.] DER IJNN£R£ AUSBAU. 48d
Regionen ganz leer ausgehen würden^). Es kommt hinzu,
dass, wenn jene Beschreibung in allen Theilen genau wäre,
wir von sehr umfänglichen Wiederherstellungsarbeiten an
den öffentlichen Gebäuden hören mussten, wie wir beispiels-
weise den Umfang des Brandes unter Titus aus dem Bauten-
katalog Domitians (unten) ersehen können. Wenn dies nicht
der Fall ist, wenn uns nicht einmal von einem grossen Neu-
bau des Circus, dem Heerde des Brandes, etwas bekannt ist,
wenn auf dem Palatin das Einl. § 1 besprochene aus der
Zeit des Augustus herrährende Privathaus, und trotz der
ausdrücklichen Versicherung, es sei mit den ältesten Heilig-
thümern um und auf diesem Berge die regia zu Grunde ge*
gangen, die Marmorwände derselben nachweislich die nero-
niscbe Zeit überdauert haben — und überhaupt muss man
sich hüten, angeblich ^verbrannte' öffentliche Gebäude für
vernichtet zu halten — so haben wir Beweise genug, dass
das Flammenmeer selbst von den als untergegangen bezeich-
neten Gegenden weit mehr verschont hat als es die phan-
tastisch aufgeputzte Ueberlieferuug erkennen lässt^).
') In dem untergeschobenen Briefwechsel des Senecaund Paulus heisst es
(Ep. 12 Haase): centum triginta duae domus, insulae IUI FI diebus arsercy
septimus pausam dedä. So die von mir verglichene alte Wolfenbüt-
teler Hs. und die von Bncheler verglichene Strassburger (nur dass hier
CXXXII stand), nach welcher zuerst Bücheier das unmögliche insulae
quatuor der Ausgaben beseitigt hat (N. Jahrb. f. Philol. 1873, 567).
Dass anf 30 insulae 1 domus durchschnittlich kommt, kann nach dem
unten Gesagten uur zur Bestätigung der Angabe dienen ; nicht zur Ver-
dächtigung derselben, dass Tacitus sie in seiner Quelle nicht fand
(domuum et tnsularum et templorum quae amissa sunt numerum
inire haud promptum fuerit c. 41), Wir kennen sonst nur noch 2
ähnliche statistische Angaben: incendium quod trecentas quadraginia
insulas vel domos (entweder ist et d, zu lesen oder vel d, zu streichen)
absumpsit (Capitolin. Pius 9) und die bedenkliche Angabe XIF vicos
cum vico iuffario, oben A. 2.
^) Es ist wenigstens im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die
Marmorquadern, auf denen die Fasten eingegraben waren, die Wände
der von Domitius Calvinus.im J. 715 gebauten r«^ia bildeten: auf jeden
Fall haben sie zu dem Gebäude und seinen Dependenzen gehört (Eph.
epig^r. 3, 267 u. Th. II). Ein anderes Beispiel, die aedes Salutis Claudi
490 THEIL I.
Trotzdem hat der neronisehe Brand unzweifelhaft
grössere Lücken in die Häusermassen gmssen^ als irg^id
einer der uns bekannten früheren und wird namentlich von
der Subura Wenig übrig gelassen haben: die ungeheurea
Schuttmassen wurden zu Schiff nach den Sümpfen von Ostia
geführt. Dass also, wie berichtet wird, bei dem Wiederauf-
bau der eingeäscherten Stadttheile durch das abermalige Ein-
greifen der kaiserlichen Munificenz und der kaiserlichen Bau-
polizei die Verbreiterung der Strassen, die regelmässig^re
Anlage der Yerbindungsgassen, die Vermehrung der freien
Plätze, die Einschränkung der Zahl der Stockwerke und des
Holzbaus wenigstens in den unteren ermöglicht wurde: mit
anderen Worten, dass in diesen Stadttheilen das Strassennetz
und der Häuserbau verbessert wurde, ist glaublich; auch war
eine Neuerung, dass auf Kosten des Kaisers längs der Strassen-
fronten steinerne gedeckte Hallen errichtet wurden, vermuth-
lich also die zur Verbreitung der Brände wesentlich beitra-
genden Holzvorbiauten verboten wurden. Deutlich erkennbar
sind diese Hallen, von welchen etwa die ähnlichen Bauten
des heutigen Verona oder Bologna eine Vorstellung geben
mögen, auf dem kapitolinischen Stadtplan*). Allein eine
principaiu exuHüy auf deren Wänden sich doch bis auf Plinias 35, 19
die älteren Fresken erhalten hatten, habe ich Comm. in hon. Momms.
S. 356 f. besprochen»
^) lieber den Wiederanfbaa Tacitns 43: ceterum urbis quae domui
(der aurea) supererant nof/iy ist post GaUUa incmuUa, nulla disUnttione
nee passim sed dimensis vieorum ordinibus et latis viartim spatiis
eohibüaque aedificiorum aUüudine ae patefactis areii addüisque porti'
albus ^ quae frontem insutarum protefferent y Nero sua pecunia ex^
trudurum purgatasfpie areas dominis traditurum pMcitus est. Vgl.
Suet. Nero 16: formam aedißeiorum urbis novam excoß^tavU, ut
{et ut die Ansg.) ante insulas ac domos porticus essenty de quarum
solarns incendia arcerentur easque sumptu suo extruasü, Stadt-
plan: Forma S. 46. Taeitns spricht im Folgenden von praemia, Sab-
yentionen für die Eigenthümer, nach Maassgabe ihres Vermögens
namentlich — aber wohl nicht ausschliesslich — zur Beschlennigang
des Baues. Dass die hölzernen Vorbauten weder in der ganzen Stadt
noch für immer verschwanden zeigt Friedländer Darst 1^, 9.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 491
▼ollige Veränderung der Verkehrsadern, ist unzweifelhaft auch
durch diese Neubauten selbst in den wirklich ganz einge-
äscfaerten Stadttheilen nicht erzielt worden, und konnte nicht
erzielt werden, ohne Vornahme von Terrainveränderungen^
^wie sie später durchgeführt worden sind.
Auch die späteren Umgestaltungen der Stadt haben nur
einzelne Theile derselben betroffen. Allerdings scheint zur
Herstellung des Friedenstempels im J. 75 die Niederlegung
eines Hügels nothwendig gewesen zu sein, ist ein Theil des
Quirinal abgetragen worden, um das Trajansfornm zu bauen,
ein andere um für die Thermen des Diocletian eine aus-*
reichend grosse und zugängliche Fläche zu gewinnen ^^) ; aller*
dings hat nach dem Brande unter Titos Domitian es sich
angetegen sein lassen, nicht allein die zahlreichen eingeäscher-«
ten oder beschädigten Gebäude wiederherzustellen, sondern
auch aufs Neue für die Beseitigung widerrechtlicher Okkupa-
tion der öffentlichen Strassen und Plätze Sorge zu tragen
— eine nicht aus dem Rahmen der gewöhnlichen Sorge für
die Stadt heraustretende Thätigkeit, welche die Hofpoeten
und Höfhistoriographen über Gebühr gepriesen haben — ^^);
^^) Vgl. im Allgemeineii S. 130; über das sogenannte /ort/m PaeU
Th. U, über das trajaniscbe einstweilen S. 209. Nach Canevari in
dem § 3 A. 30 a. Bericht (S. 432) scheint der Bauplatz für die
IMocl^tiansthermen durch Abtragen einer 7 M . hohen Erdschicht, welche
gegen den Wall hin abgelagert wurde, gewonnen worden zu sein.
11) Brand v. J. 80: Dio 66, 24; Wiederaufbau: Martial. 5, 7, Bau-
tenkatalog Domitians Bd. 2, 31 f. Uebrigens ist ein Theil der im J.
80 beschädigten Bauten erst von Hadrian wiederhergestellt worden:
Forma S. 35 § 6. — Martial 7, 61 {abstukrat totam temerarius insU-*
tor urbem tnqite suo nuÜum Hanne Urnen erat, üusisti tenues, Germamce,
cresoere vieos et modo qua fuerat semita facta via est Ui s. w.) spricht
nur von der Beseitigung der fliegenden Verkaufs- und Geschäftsstände
unter den Strassenhallen (mtlla catenatis pila est praecmcta lagoms)
und sonst. — Die Erbauung vieler iani arcusque cum insignibus tri"
umphorum per regiones urbis (Suet. Dom. 13) mag damit zusammenhän-
gen. — Die Inschrift CIL 6, 1, 826 hat mit diesen Maassregeln
Nichts zu thun: haeo area intra hone deßnitionem dpporum clausa
veribus et ara, quae inferius est, dedicata est ab imp. Caesare
Domitiano Aug, Germanieo ex voto suscepto (von wem ?) quod
492 tHEIL I.
endlich wird in gleicher iVeise der Krahd unter Commodus
die Veranlassung gewesen sein^ dass Severus sich der Strassen-
regnlirung annahm — das Missverhältniss zwischen den noch
kontröUirbaren Leistungen auf dem Gebiete der öffentlichen
Bauten und seiner Ruhmredigkefit ist übrigens Beweis genug,
dass es damit nicht weither gewesen sein kann— ^^): allein
das alles berechtigt in keiner Weise an eine völlige Neuge-
staltung des Strassennetzes der Stadt zu glauben: vielmehr
hat die Natur des Bodens der Siebenhögelstadt das zähe
Festhalten desselben bedingt und in den Strassenzögen des
mittelalterlichen Roms haben sich bis auf die Tage Sixtus V,
ja zum Theil noch bis auf die unsrigen, die uralten zum
grossen Theile erhalten (Einl. § 2). — Selbst auf den zer-
rissenen und dürftigen Bruchstücken des kapitolinischen Plans
wird man eine Bestätigung dafür finden, dass das Rom des
3. Jahrhunderts an jenen 'engen, hin und her sich winden-
den Wegen und unregelmässigen Strassen', so wenig Mangel
hatte, als das ^alte Rom' vor dem neronischen Brande (A.
6 z. A.): fast zu gleichen Theilen zeigen uns die Bruch-
stucke Ueberreste Igeradlinig, rechtwinklig und unregelinässig
gebauter Quartiere und weisen — gewiss nicht zufällig —
eine ganze Scala der verschiedensten Strassenbreiten auf, von
den schmälsten an§iportus und semitae bis zu den breitesten
viae, plateae und arme, oder um modern zu reden, von den
schmälsten Vicoli, Calli oder Chiassi bis zu den breitesten
boulevardähnlichen Corsi oder Largi, Strade oder Piazze^^).
diu erat neghetum nee redäUum inoendiarum arcendorum causa quando
urbs per novem dies arsit Neroniams temporibus, bac lege dedicaia
est: folgeo die Bestimmaiigeo über Freihaltuag der areä und das jülir-
lich von dem die Region verwaltenden Prätor an den Volcanalien in
bringende Opfer.
IS) Hierüber Forma S. 8 f. und oben S. 45.
^^) Ueber das Strassennetz auf dem Stadtplan vgl. Forma S. 46:
fast jede m. Tafeln bietet Belege. Ueber die Breite der Strassen S.
14: sie schwankt ungefähr zwischen 0,018 und 0,060, während dievM
nova (A. 14) durch das Maass von 0,124, die Breite des Flusses durch
0;338 ausgezeichnet sind. Uebersetzt man sieh diese Maasse nach dem
§ 8.] DER mmm ausbau. 493
Die Ueberreste der Strassen > selbst reichen nicht aus ein
auch nur einigerm^assen anschauliches Bild des Straasennetzes
der kaiserlichen Stadt zu geben. Nur ein Stadttheil, die 5.
und ein Theil der 6. Region, ist in neuester Zeit bei Ged-
iegenheit der Anlage neuer Strassen und Gebäude nach aUen
Richtungen hin bis auf den alten Boden durchfurcht worden.
Man ist dabei auch auf die alten Strassenläufe gestossen:
allein bis auf die bereits hervorgehobene Entdeckung einer
doppelten innerhalb und ausserhalb des Walles angelegten
vielleicht die Altstadt umkreisenden Bingatrasse, der auf die
Thore zu laufenden Haupl^traasen und einiger Bruchstöcke
der dieselben schneidenden Querstrassen ist dabei nichts von
Bedeutung gefunden worden.^^) Noch weniger geeignet zur Be*
grändung eines sicheren Urtheils sind die meist unzuverlässig
verzeichneten ; und phaintastisch ergänzten Bruchstücke alter
Pflasterungen in der i&brigen Stadt — Eben so wenig liegt
bis jetzt ein brauchbares Material zur Beurtheilung der Breite
der Strassen vor. Wie wenig man bis jetzt überhaupt die-
sem Gegenstande Aufmerksamkeit gewidniet bat lehrt eine
Vergleichung der Forumspläne, auf denen die Maasse des*
l>losgelegten Strassen in ungeheuerlicher Weise differiren.
Dazu kommt dass selten gesagt wird ob das gefundene Pflastei*
in seiner Breiite vollständig erhalten war, ob Spuren der ur-
sprünglichen margmes und semitae vorhanden waren. Es mag
Dnrcbschnitfisipaassstab 1 : 300 in die Wirkliehkeit, so findet man frei-
lich, dass der Tiber 10 mal zu breit gerajthen ist (vgl. § 7 z. A.), die
grösseren Strassen ungefähr 3 mal; indessen dieses Missverhältniss ist
für ein^n Plan , der bestimmt war aof weite Entfernang zu wirken,
dorcbaus erklärlich, ja nothwendig, und es verliert die Abstufung der
Breiten dadurch nicht ihren Werth. Dass auf modernen Stadtplänen
für den Lehr-. oder Orientirungszweck in der Aegel ebenso verfahren
wird, ist bekannt.
^^) Ich verweise auf Lanciani's Tafeln im Bull. mun. 1 L 11 2
V. VI. 3 XX. 4 III. XVIII. XIX. Die Einl. § 3 a. Abhandlung dessel-
ben stellt eine umfassende Darstellung des Strassennetzes in Aussicht.
Die Rekonstruktion Canina's ist nui* mit grossesten Zweifeln zu be-
nutzen.
494 THfilL I.
daher wenig bedeuten, wenn ich konstatire dass eine erheb-
liche Anzahl von Messungen die Breite yon rund 4,50 — 5,00 M.
= 15,48 — 17,20 r. F. ergeben^ dass aber die Breite d€ar
grösseren Hauptstrassen dieses Maass in der Regel über-
trifft und nicht selten 6,50 M. = 22,36 F. zu erreichen
scheint, gar nicht zu reden von den späteren boulevardartigen
flateae, wie es die via mva vor der forta Capena und die via
lata mit ihrer siebenfachen Halle, der Anfang der tna FlammMy
war. Dass andrerseits jene Hauptstrassen durch die natur-
gemäss bei Neubauten vorrückenden Gebäude an ihrer ur-
sprünglichen Breite verloren haben, ist wenigstens auf dem
Forum deutlich erkennbar. — Es ist dringend zu wünschen,
dass diejenigen, denen allein es möglich ist durch lange Be-
obachtungen an Ort und Stelle über diese noch ganz unge-
nügend bekannten Dinge Licht zu verbreiten, sich der mühe-
vollen Arbeit unterziehen möchten« Freilich steht nicht zu
hoffen, dass man auf diesem Wege je über die Feststellung
der Zustände der mittleren Kaiserzeit hinaus gelangen wird.^^)
Hat diese Betrachtung gelehrt dass nicht einmal die zur
Umgestaltung jeder Stadt wirksamsten Mittel, die grossen
Brände, noch weniger die kostspieligen kaiserlichen Expro-
1^) Beispiele: 4,0 M. in derportaEsquiUnaCtBüll mun. 1875 T. XX);
4, 50 beim Osp. S. Giovanni (Ball* d. i. 1870, 51), bei den castra
praetoria (nach dem Plan Ball. man. T. VII); yariirend zwischen 4 n.
6 M. bei S. Antonio (das. S. 74); 4, 8 aasserhalb des Walls (Ann.
1871, 60. Ball. man. 1, 252); 4, 89 anter dem Titasbo^a (Desgodetz,
doch ist noch der Sockel abzuziehen); 6,0 cHvus CäpUolinus an der
Nordecke des Satarntempels (Caristie Plan et coape); 6, 24 anter dem
Severasbogen (Desgodetz) ; 6, 50 sogen, tia sacra and sog. vicus Tuscui
am Forum (Darchzeichnang nach Rosa*s Aufnahme; doch variirt die
Breite wegen der späteren Umpflasterungen ; vgl. Th. II); 5, 50 -^ x
clivus welcher nach der 'porta MugioruB^ fahrt (nicht vollständig er»-
halten; Rosa's und Lanciani's Pläne geben 10 M., aber ein solches
Stück habe ich nicht gefunden); 6, 15 + ^ Strasse bei der porüeas
Liviae (Forma S. 37 § 10); 15,0 + x platea an der Ripetta (Ball,
d. i. 1869, 227). — Auf eine Vergleichung mit den Strassen von Pom-
peji kann ich nicht eingehen. Torin: Schwanken von 4—5 M., Promis
Torino 184.
§ 8.] DER IJNNfiRB AUSBAU. 495
priationen, im Stande gewesen sind der Altstadt Roms das
Gepräge ihres Jahrhunderte langen naturgemässen Wachs-
thums zu nehmen, dass vielmehr die hauptsächlichen Neuge-
staltungen jenseits der Peripherie derselben liegen, so dürfen
wir die späteren Zeugnisse über die alte und die Zeugnisse
über die spätere Stadt in Ermangelung fast jedes Zeugnisses
aus der Epoche vor den punischen Kriegen zur Herstellung
eines Bildes der Altstadt wohl benutzen. Wir verweisen für
die Begründung im Einzelnen auf die Periegese des II. Th.
Der zweigipflige Burghügel auf welchem die irdischen und
weltlichen Schätze der Stadt geborgen sind oder leicht ge-
borgen Werden können, bietet auf seiner Abdachung gegen
Südosten einen massigen plattformailigen Platz, auf welchem
die YoUbürger der Stadt unter freiem Himmel zur Beschluss-
fassung 'zusammenkommen' konnten; zugleich war dieser
Platz, comitium, der Vorplatz des 'Hauses', in welchem bei
verschlossenen Thüren der höchste Beamte mit seinem Rathe
tagte : der cvria. Er war nach den Himmelsregionen als Qua-
drat abgegrenzt, leicht hatte man die natürliche Erhöhung
durch Kunst zu einem burgartigen Hügel mit steil abfallenden
Randern gestalten können. An seiner Ostseite dehnte sich
weiter, ursprünglich in gleichem Niveau mit der Tiefe zwi-
schen den Tufhügeln und nur durch den Kloakenbau vor
periodischer Ueberschwemmung geschützt, später durch Kunst-
bauten darüber erhaben, der Markt, das forum (ungewissen
Ursprungs). Hier mochte ausser dem Kleinhandel (s« unten)
seit der Gründung der freien Verfassung hauptsächlich die
nicht förmliche Volksversammlung, die conventio, tagen; an
den Markttagen stand man gedrängt um von der Höhe des
comitium her Reden und amtliche Meldungen anzuhören und
die dort aufgestellten Büi^er, welche sich um öffentliche
Aemter bewarben, in Augenschein zu nehmen. Auch wurde
von Alters her hierher die Leiche jedes Bürgers getragen
welcher Staatsämter bekleidet hatte: der bestellte Redner hielt
hier die Lobrede vor der Versammlung, die der Herold ge^
laden, von hier aus ging sie mit dem 'Geehrten' den letzten
496 THiaL I.
Gang, zum Thore hinaus zur Gruft.^®) — Mehr als 5 M. lag
das comitium über dem forum: von jenem aus führte durch
das Burgthor ein einziger Weg zur westlichen Höhe des Burg-
bugeis, steil bergan in einem Winkel von 20^; er mündete
vor dem Tempel des höchsten Juppiter lAid seiner Bei-
sitzerinnen Juno und Minerva , welcher hier in einer Ent-
fernung von reichlich 120 M. vom Comitium und 30 H. höher
als dasselbe thronte. Sein Angesicht wandte der Gott dem
Circus ZU| dem Schauplatz der römischen Spiele: doch sah
man vom Comitium aus die Giebel seines Hauses, wohl auch
die Ostwand desselben. Am Comitium lagen die Kultusstätten
des Vulcan, dessen Zusammenhang mit der Idee der Stadt-
grundung im Festcyclus angedeutet ist, des Janus und des
Saturn. Wir werden später sehen, wie mit dem Bau eines
^*) Von den Etymologien Varros 5, 155 : comitium ab eo quod coibani
eo comitns curiatis et Uüum causa (vgl. A. 21) and forum quo con-
ferrent suat eontroversiof aut quae vendere vellent quo ferrent ist
jene richtig, diese falsch. Die SpmchwisseDschaft und der Ge-
brauch des Worts bieten Unsicheres: zu dem Begriff ^umfriedigter
Raum, Hof, Vorhof* will Gorssen Ausspr. 1', 148. 476 von sanskr.
dhar-, festigen, J. Schmidt bei Nissen Temp. 141 Fick WB 1, 121.
640.. 2, 117 von lit. kslav. dvaras, dorn (Hof, Vorhans, Baus)
gelangen ; wazn dann ^vga, osk. veru (Thor), lat. fores u. A. gehören
soll {forum übergeht Curtins £. 258), nach Einigen nicht /ori, foruU
(Fick 2, 167 vgl. (pa^ao^y, anders wieder Bngge bei Cu. Stud. 4, 328 ff.
— Ob von den von Festus Ausz. 84 erörterten Verschiedenen Bedeu-
tungen das angebliche forum tepuleri der Zwölftafeln, das Cicero
Legg. 2y 24, 61 (oder ein Glostatorf) vestUbulum erklart, als Rest
einer alten allgemeineren Bedeutung 'Hof, Vorhof', oder als Metonymie
zu betrachten ist, ist gleichfalls zweifelhaft: die Analogie von portus
(§ 7 A. 44) und pong (das. A. 4) lässt beide Möglichkeiten offen,
ich muss aber die zweite für wahrscheinlicher halten, da der vor-
ausgesetzte uraprüngliche Begriff von forum 'Hof, Vorhof' durch altes
atrium {atrium publicum in CapOolio^ nU»rium, Libertatis d/ktemum^
Titium, Licinium: A. 61) vertreten, sonst aber gar nicht zu belegen ist. —
Dass comitium und cu7*ia durch alle Zeiten unlöslich verbunden ge-
blieben sind, jenes den Vorplatz dieses bildet, steht jetzt fest (vgl.
Jahresb. 1875, 747. Mommsen Eph. epigr. 2, 273. 283. Th. II): comi-
tium vesttbuhm curiae Liv. 45, 24, 12.
S 8.] DER INNBRE AUSBAU. 497
Tempels für den letzteren die Reihe der Tetnpelbauten be-
§^iQnt uod wahrscbmlich erst spat sich daran die Uebersiie-:
cLelung des Schatzliauses von der Burg, auf das Forum an-
schlie&st Sonst stehen keine Heiligthümer weder hier noch
am Markt: erst am Ostende desselben beginnt eine zwmt«
Reihe derselben (unten).^^)
Wohl möglich, dass von der geräumigen, mauerumge-
benen Area des Tempels aus, an deren Ostrande wir das
^ Ruferbaus' (evria calabra) zu denken haben, wie allmoaat-
lieh der laute gemessene Ruf, der der Stadt den Wechsel
der fönf' und siebentägigen Frist bis zu den INonen ver*
kündigte, so alljährlich zweimal, im März und im Mai, 4ie
Ladung der Bürger zu 'ungebotenem Ding' auf dem Coud-
tium erscholP®). Aber in Waffen erschien das Volk zur
MuS'terung oder zur bewaffneten Volksversammlung auf den
Signalruf des Horns, der vom Ringe der Stadtmauer aus in
die Tfaaler erscbaUte, nicht hier. Gegliedert nach Klassen
und Centurien zogen die Mansenbewehrten ' Kirger hinaus
yors Thjor, wo zwischen dem Fluss und den senkrecht ab-
falkaden Felswänden der Burg und der Hügelbefestigung
das 'Feld' {caw^us) sich dehnt: weithin sichtbar weht von
der Qtadelle die Kriegsfahne. Sie ziehen hinaus zur Muste-
ruDg und zur ^;grossen' Versammlung', an bestimmten Festtagen
zum ' Spiel' ^^). Das Feld beginnt nicht unmittelbar voardem
carmei^talischen Thor: viehnehr durchschreitet man zunächst
die 'Wiesen', dann die Grenze des Feldes, einen kieuaen
Bach, der aus den reichlichen Wasseradern am Quellgotter-
thor sich sammelt und dem Tiber zu eilt. So erreicht man
17) HöheuverbältnUse: Aon. 1876, 154 rgp]. ■§ 7 A. 82. Orieatimag
des Tempels: S. 274 f. Auf das Nivellement des Fornms iommen wir
Th. n zurück.
iB) Mommsen Ghron. S. 16. 142 f. nnd über den Ort der Tribus-
uod CurieDversammluogea Forsch. 1, 189 ff.
1^) LaduDg:. circum moerosx Varro 6, 92; Fahne aof derart: oben
S. 244. — Campus vgl. xrinog^ Feld oder Hof?7 Curtios £t. 148. —
Wiesen : prata Flaminia^ Aemüiana, Vgl. antea. Der Bach Petrcma
amnUi oben S. 267.
Jordan, rOmisohe Topographie« Li. 32
498 THEIL 1.
den 'Gemeindehof' (villa publica), wo die Heerführer mit
ihren Gehilfen sich installiren und die anliegende eiugezäonte
'Hürde* {ovile) oder das 'Gehege' {saepta), der Masterungs-
und Abstimmungsplatz des Heerbanns. Weiterhin dehnt sich,
wohl ebenfalls gehegt oder doch abgegrenzt, sicher der
Nutzung und Beackerung entzogen, der Spielplatz, das eigent-
liche 'Feld', mit seinem Mittelpunkt dem Altar des Mars.
Der ganze Platz, häufig überschwemmt, eine sumpfige Nie-
derung, hat nur durch künstliche Mittel seinem Zweck gemäss,
Tornehmlich als Rennbahn für das Wettrennen (eqvirria) zu
dienen, eingerichtet werden können. Und auch so noch
konnte um die Zeit dieses Festes (27. Februar, 14. März),
wenn die Schneemassen im Gebirge plötzlich sich lösten und
starke Regengüsse fielen, die Feier an einen anderen Ort
verlegt werden müssen. — Die flerrichtung einer gesicherten
Bahn muss lange vorher geschehen sein, ehe das Marsfeld
in dem neuen Gewände steinerner Gebäude und getäfelter
Plätze zum Lustort der verweichlichenden und der Wehr-
pflicht überdrüssigen Bevölkerung wurde. Hat ein Städtchen
wie Alatri, wie wir jetzt hören, um die Zeit der gracchischen
Revolution sein 'Feld, wo sie spielen', durch künstliche
Dränirung trocken gelegt, so wird ohne Zweifel das römische
Marsfeld mindestens durch Abzugsgräben brauchbar gemacht
worden sein, mögen die Reste des Kloakensystems auch
ganz oder theilweise späterer Zeit angehören. Der campus
verhielt sich zu den saepta ähnlich wie das forum zum
comitinm^^).
*^) Wenn man das emporium noch im J. 580 mit einem hölzernen
Zann einfriedigte (S. 432), so wird man auch das oväe oder die saepta
vor Errichtung der marmorea des Cäsar schwerlich anders zu
denken haben: and diese Einrichtung deutet jt auch der Name an. Die
Schreibung septa, die noch immer wieder auftaucht^ ist bekanntlich
falsch, wenn sie auch schon auf dem kapit. Plan vorkommt. Anders
das jedesfalls steinerne saeptum des Comitium (de manubiül) in der
Stadt, üeber saepta und väla publica Th. II. — Der campus ubei-
luduni vOi SXtAti dränirt: Secchi in der §7A. 84 a. Abhandlung S. 22 f.
Reste von Thonröhren haben sich gefunden Mn un basso' fondo presse
§ 8.] DER nVNERB AUSBAU. 499
Ein zweiter Schauplatz von Rennen war der 'Ring'
{circus) zwischen dem Palatin und Aventin; vieUeicht eben-
falls ausserhalb des Pomerium gelegen^ (S. 165 f.) und wie
das Marsfeld ohne Kunstbauten (wegen seiner sumpfigen Be-
schaffenheit) nicht benutzbar, mochte auch der Bau steinerner
Sitzreihen einer viel späteren Epoche angehören (th. II).
Der Zusammenhang der historisch bekannten Ausstattung der
römischen Septemberspiele mit der Gründung des kapitoli-
nischen Tempels steht fest, die Ueberlieferung wird daher
richtig den Kunstbau den Tarquiniern zuschreiben. Nach
seinem Muster durfte die plej)ejische Gemeinde für ihre den
römii^chen nachgebildeten plebejischen Spiele ihren eigenen
Ring zwischen dem Pomerium und dem 'Felde' erbauen,
in den flaminischen Wiesen (ciriMS flamnim). Mit diesen
beiden Ringen ist der römische Staat ausgekommen: denn
die übrigen spät erbauten lagen entweder ausserhalb der Re-
gionen, oder sind, wie der palatinische, wenn überhaupt als
solche und nicht als Stadien, als Privatplätze zu betrachten
(Bd. 2, 45).
Das comitium ist ursprünglich der alleinige Platz wie
für die unbewaffnete Bürgerversammlung, so für das Recht -
sprechen des Königs und seiner Rechtsnachfolger, mag
auch virtuell der Grundsatz gegolten haben, dass dies zu-
lässig ist, wo immer der 'Stuhl' hingesetzt wird — wir ver-
mögen über das Alter des Grundsatzes nicht zu urtheilen —
und mag auch später das forum neben dem comtmm oder
statt desselben zu diesem Zwecke gedient haben. Die har-
renden Parteien werden sich ursprünglich auf dem forum
eingefunden haben ^0* An bestimmten Gerichtstagen trafen sich
la fonUna detta di Chiappitto distante daila citta poco pia di mezzo
Biiglio '. Dies sei der einzige Platz der sich für einen solchen campus
eigne, zugleich aber feucht and ohne natürlichen Abflass ; an Entwässe-
rung zam Behuf des Landhaus sei nicht zu denken. An der Richtig-
keit der Beobachtung kann nicht gezweifelt werden.
**) Romains errichtet die Gerichtsstelle auf dem eomäium bei den
rostra (denn das heisst 2, 29 iv r^ (pavtqonatt^ tijf äyoQ&Sy 1^ 87
kv T^ xQaUattp X^^ naqa joig ifißoXois: ui celdferrimo fori loeOy
32*
506 THEIL I.
hier schon in ältester Zeit die Stadtbewohner und die Bauern
aus den Gauen: man hatte die Wochenmärkte so gelegt,
dass die letzteren mit den Rechtsgeschäften die Handels-
geschäfte verbinden konnten und Schmausereien in der Stadt
werden schon früh hier wie allerwärts den Beschluss der
Geschäfte gebildet haben ^^). — Schon im fünften Jahrhundert
der Stadt gab es am Markt Läden der Wechsler neben denen
der Fleischer: sie müssen schon damals in langen, nur Yon
den wenigen Tempeln, der Curie und den einmündeaden
Strassen (unten) unterbrochenen Reihen die Seiten des
Forums begrenzt haben.
Sie waren verpachtet und die zeitigen Inhaber nicht
aUein verpflichtet, sie zu schliessen, wenn das Forum über-
haupt zum Zweck der Versammlung dem Verkehr geschlossen
wurde, sondern offenbar auch die Front nicht durch will-
kiu'liche Zierrathe zu verändern und die von Staatswegen
ihnen überwiesenen daran anzubringen. — Tagten die Yer-
Eph. epigr. 3, 254 f.), als GerichtssteJIe schlechthin neoHen dasselbe
nicht allein Varro 5, 155 (oben A. 16) Gellius 20, 1, U, sondern auch
Plautus Poen. 5, 3, 12 vgl. Cure. 4, 1, 9 und gleichzeitig (593) Titius
in der wichtigen Stelle bei Macr. 3, 16, 15: ubi horae deoem sunt,
iubent puefutn vocari üt (comitium'^ eat percontatum, quid {com, za
str«ickeft; es ist aus dem Folgenden wiederliolt; oder etwa ut fuae-
sUuvi bat, quid?) in foro gettum sit, qui suaserifU qiä disruaserint,
quot trihus iusserint quot vetuerint. inde ad comitium eunt ne litetn
suam faciant o. s. . w. Stand wirklich in dem Originaltext der
Zwölftafeln in cötnitio äut foro? Weder der Text der Rhet. Her.
2j 1^, 20 giebt dafür ein voUgiltlges Zeogniss noch die schlechten
Witve im €Hr<»lio 3» 30 ff. m me incomitiesJ * Ucetm inforare. ti in--
oomitiare non licet?* u. s. w. Dass rechtlich die Rechtsprechung an
die Person, nicht an den Ort gebunden war, wie Mommsen Jahrb. f.
d. g#in. deutsehe Recht 6, 392 Staatsr. 1^, 379 aosfulirt, ist damit ver-
träglich, sfAwerlich allerdings di« Annahme, dass der Gericbtsherr vom
Wageastnhl spradi: aber ich mnss wiederhalen, seUa curuHs «= cur-
ruH$ ist nicht erwiesen (Hermes 8) 219 f., wo idi nach Mommsen
übersehen haben müsslie, dass Serv. A. 1, 17 schon Bernays Curüit
auB cufüi^ hergestellt hat; ater wo?).
>2) Mommseü Chrohol. > 245 ff., «her dio Schmaosereieii' S. 253
A» 50.
§ 8.] DER INNBRB AUSBAU. 5M
Sammlungen und das Gericht aueh auf dem Platz unter
freiem Himmel, so versteht es sich dodi bei der Natur
des südlichen Klimas von selbst, dass schon damals dea
wartenden, Gesdiafte schliessenden Mannern an den Markt*
lagen und Gerichtstagen Schatten geboten sein musste. Und
in der That dürfen ^ir uns jene Läden nicht anders als in
Verbindung mit hallenartigen gedeckten Gängen denke»,
-welche eine durch Thore {iani} zugängliche Umfriedigung bil-
den: hat man doch schon im Jahre 5S6 am Marslelde ku
ahnlichem Zwecke eine 'gewölbte Strasse* gehabt (Einl. § 1
A. 51) und schon im Jahre 580 in gleicher Weise den Markt
von Sinuessa (?) ausbauen lassen (a. 0., A. 52)^^). Aber diese
Hallen werden weder geräumig noch prächtig zu denken sein.
Es war ein grosser Fortschritt, dass der angebliche GriecheUf-
hasser Cato praktisch und einsichtig genug war, nicht aus
der Verachtung der athenischen Aerzte uud heilenisohen
Litteraten und deren römischer Nachäffer, seiner politischen
Gegner, die Augen verschloss gegen die grossen Vorzuge der
hellenischen Civilisation. Er that einen Schritt von ähnlicher
Bedeutung wie Appius Claudius, als er die erste Basilikii
2«) Tabernen verpachtet: Marquardt Verw. 2, 146. Es ist ein
Beispiel des forum omare bei Triumphen, ut aurata scuta dominis
argentariarutn ad forum omandum dividerentur (Liv. 9, 40), also
genau so, wie später die Tabernen (die novae wie die veteres) dauernd
mit Bildern, und die Langseite der aemilischen Basilica mit Schilden
geschmückt wurde, — Schliessung: Formular bei Varra 6, 91, vgl.
Liv. 9, 7 Cic. in Cat. 4, 8, 17. — Dass die Sonne Schutz verlangte, be-
darf keines Zeugnisses ; doch vgl. Cicero Acad. priora 2, 22, 70: et
ut ii, qui suh novis soUm non non Jerwttj ülem ille cum aestuaret
veterum ut maemanorum sie acadeniicorum, umhram, secutus est:
d. h. in der Sommerhitze sucht man Schatten in den Loggien der
nach Norden sehenden 'alten' Läden der Südseite des Forums, vor
der basüica Sempronia. Aehnlich sucht man den Schatten auf dem
Marsfelde; Scherz bei Varro de rr. 3, 2, 10: itiibi (?), du7n diribentur
inquit (dirimenfur überliefert) suffragia, vis potius villae publicae
utamur umbra quam privati candidati tdbeÜa aedificemus nos (s. Forma
S. 35: die dort vorgeschlagene Aenderung nehme ich zurück, sie
ist grammatisch unmöglich). Vgl. Arch. Zeitung 1871 S. 72 CT.
u. Th. II.
502 THBILI.
an der Nordseite des Forums baute, hinter jenen Hallen
(570) ; ein Gebäude, gross genug, um die handelnden, harren-
den, schwatzenden Marktbesucher, sammt ihrem sauberen
und unsauberen Anhang zu bequemerem und angenehmerem
Aufenthalt aufzunehmen, und wie der Name es besagt, wie
die Wasserwerke des Claudius nach griechischem Muster, ob
nach athenischem, steht dahin ^^). Wie dieser Anstoss weiter
gewirkt hat und die Basiliken seiner Nachfolger die Läden
allmählich zu einem integrirenden Theil ihrer selbst gemacht
haben, ist später (Th. II) zu zeigen. — Es darf als eine un-
mittelbare Folge dieses Schrittes betrachtet werden, dass
schon vier Jahre nachher hinter derselben Nordseite des Fo-
rums weiter östlich der Viktualienmarkt {macellum) mit sei-
nem griechisch benannten Kuppelhause (tholmy^) entstand
^) Ueber die Motive Catos wissen wir leider Nichts: ans der
Rede uU basiUca aedißcetur sind nur die Worte antequam U viUcare
coepä erhalten (m. Fragm. S. 51). Die bekannten Aensserungen über
die griechischen Litteraten und Aerzte (Frg. S. 19. 77) lassen nnr die
gegebene Erklärung zn. Das Mährchen vom späten GriechischlerDen
ist eine thörichte Deutung der Feindschaft wider die Griechenfreuade
Ennius, Fulvius und Genossen. Dass Gato den perikleischen Epltaphios
des Thukydides gut kannte, zeigt ine. or. fr. 19 S. 74 vgl. Thuc. 2)
37. — So sehr auch die Analogie des emporium auf Athen hinweist,
und so wenig wir bis jetzt ausser der athenischen eine ältere hasüica
nachweisen können, so ist doch längst (z. B. von Zestermann Basiliken
S. 72 ff.) richtig bemerkt worden, dass die vereinzelte Ausdrncksweise
des Plato (Charm. z. A.), wo t6 xrjg ßaadix^e tsQov genannt wird,
nicht die Herleitung von der ßaaCleios (Stoa beweist. Ausserdem
muss das Beispiel des amphäheatrunit dessen Heimath noch immer ge-
sucht wird und wohl sicher nicht im hellenischen Mutterlande zu finden
ist, vorsichtig machen. — Ueber den späteren Begriff von basüica und
das Verzeichniss der römischen Basiliken Bd. 2, 216 ff. vgl. De Rossi
Bull, crist. 1870, 1 ff., über die Lage derseU>en Th. IL
'^) Der Zusammenhang von mac-ellum und mac-tare (Curt. Et
238) ist ausser Zweifel, ebenfalls, wie Hermes 2, 89 ff. gezeigt worden,
die Identität des 542 abgebrannten forum pücatortuniy des 543 wieder-
hergestellten maceUum (§ 7 A. 46) und des im J. 574 durch Erbauung
eines tholus (Einl. § 1 A. 54) und umgebender Läden neu hergestellten
maceÜunif das schon Gato (vor 580) nennt, oder forum cuppedinü (Einl.
§ 2 A. 22), des Musters für die kaiserlichen macella Liviae und magnum
(Forma S. 32 § 15).
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 503
und &Q den eigentlichen Markt entlastete* Dass die kurz
vorher und nachher am Handelshafen und den Kriegsdocks
Torgenomoienen Neubauten nach athenischem Muster mit
diesen das plötzliche Aufblühen des Staats kennzeichnenden
Neuerungen in Verbindung stehen, ist schon früher bemerkt
worden (S. 298. 432).
Wir werden später (Tb. II) zu zeigen haben, wie das
'Haupt des Forum \ die Rednerbahne auf demComitium, der
Ausgangspunkt der künstlerischen Ausschmückung desselben
wird und ihr Mittelpunkt bleibt: hierher bringt man die
Trophäen der Seesiege, die Schnäbel der antia tischen und
puniseben Schüfe, hierher die Sonnenuhr aus Sicilien; hier
drängen sich immer dichter bis zum Untergang des Reichs
die Ehrendenkmälelr und Statuen, hier stehen die Grund*
gesetze und die Zeugen der Gründung der Stadt: es ist der
'glänzendste Ort', ja der 'Nabel' des Erdkreises. Nur all-
mählich folgt auch die Area des Forums nach : die einfachen
EiHgangsthore verwandeln sich in statuentragende Ehren- und
Triumphbögen, immer beengender rücken die Frontlinien
neuer oder prächtiger hergestellter Tempel hinein: in dem
Forum Theoderichs, das wieder aus der Erde erstanden ist,
erkennt man nur unsicher die schattenhaften Umrisse des
republikanischen ^%
Im Kalender stehen drei grosse Messen verzeichnet
(15—19. Juli, 20—23. Sept., 18—20. Nov.): sie schliessen
sich wie die Wochenmärkte den Gerichtstagen, s6 den
grossen Spielen an: denen des Apollo, und den beiden
gleichartigen, den römischen und den plebejisjchen. Massen
von Leuten mussten im 6. Jahrhundert an diesen Messen
zusammenströmen. Von jeher scheint der Schauplatz der-
selben nicht das Forum, sondern der Rindermarkt {forum
M) Vgl. einstweilen m. Sylloge inscripttonom fori romani Eph.
epigr. 3, 237 ff., über die Uhr Ritschi Parergra 207 f. ~ Stand anch
eine Kojne der Normalmaasse, welche im Tempel der luno numetä be-
wahrt wurden (Hnltsch. Metrol. § 15, 8), am Markt? Nach dem Bei-
spiel von Pompeji und der JVatur der Sache sollte man es vermutiien.
504 TREIL I.
bamrium) innerhalb, d^ Krautmarkt {forum hotäotium) ausser-
halb der Stadtmauer in der Nähe des cannentaliscfaen Tfaors
gewesen zu sein, und es sind durch diese Namen Zugloch
die beiden wesentiichen Handeteeweige bezeichnet, weldie die
Vei^orgung der Stadt mit Lebensmitteln znr Aufgabe hatten.
Wir wiesen schon oben auf den bäuerlichen Charakter dieser
Gegend hin. An dem Spielplatz des römischen Volkes ent-
wickelt sich der bäuerliche Handel: hier wird für die Er-
holung der Bauern durch die Errichtung des flaminischen
^Ring's' gesorgt und das plebejische Hauptfest gefeiert. Die
Entstehung der Märkte in jener Gegend ist merkwürdig. Sie
haben eine unmittelbare Verbindung mit dem gewerblichen
Viertel, welches vom Velabrum über die Salinen bis an die
Landungsstelle der aufwärts kommenden Schüfe, dem Em-
porium, reicht und sich allmählich zu so grosser Bedeutung
entwickelt hat. Auch dass die Sdiläehterzunft in jener
Gegend, in der Vorstadt fimna, sitzt, wird nicht zufällig smi'^).
<— In der Nähe des Gemüsemarkts müssen die Tiberfischer
ihren Fang zu Markte gebracht haben: von hier gelangten
die Fische in den Kleinhandel auf das grosse Forum, später
auf den Victualienmarkt*®). — Wir haben keinen Grund zu
zweifeln, dass diese Märkte so alt sind wie die ummauerte
Stadt. Kein einziger der sonst bekannten 'Märkte' (Bd. 2,
213 if.) kann auf dieses Alter Anspruch erheben, ja sie sind
nachweislich nachaugustisohen Ursprungs mit einziger Aus-
nahme des ^esc[uiBnischen^ den wohl später das macettum der
^) lieber die mercatus MonmseD a. d. A. 22 a. Stelle. Die Untere
seheidoDg des ^pa&riciscben' Tnereattu auf dem forom bosFimn und der
'plebejischeu' nvndinae vor der Stadt bei Huscbke Jahr 194. 288 ff.
häogt mit seiner GruadaoschauuDjf über den Kalender zusammen und
kann hier nicht kritisirt werden. — lieber die hoUtores (in Metz Cor-
poration) vgl. Hühner Rh. Jahrb. 1873, 161 f.; die späten negoiiaxtet
boarii CIL 6, 1035; die alten latm Pucitwntes: Bd. 2, 106 f.
>^) Das /orum pisearium seeundum Tikerim ad Portunium {ai
ütnium die Hs. : § 7 A. 46) des Varro 5, 14& kann nieht das forttm
füeaiorium »= tnaeeÜum (oben A. 25) sein und ein Fisefamarkt am
FloBs ist nothwendig anzunehmea.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 505
LiTia verdrängte, und vielleicht dürfen wir die Existenz eines
ähnlichen auf dem Caelias annehmen. Aus der grossen Aus-
dehnung der Stadt, der grossen Entfernung namentlich des
esquilinischen Viertels von den Märkten am Fluss, lässt glich
ja wohl die Annahme dieser Märkte als zweier untergeordneter
Sammelpunkte der Leute aus der Sabina und der Campagna
rechtfertigen. Aber wie alt sie sind und was dort verhan*-
delt worden sein mag, ist nicht zu ermitteln. Einer ver-
hältnismässig späten Entwickelung mag auch die Vervielfälti-
gung der ^Spielplätze* angehören: als Märkte im eigentlichen
Sinne sind sie keinesfalls zu betrachten. Denn der Begriff
des Marktes ist ein festbegrenzter : Marktrecht und Marktpolizei
sind mit ihm unzertrennlich verbunden ^^).
Doch wir kehren zu dem grossen Forum zurück.
In nächster Nähe des comitium und der Curie steht das
Staatsgefängniss (career): es ist ein Quaderbau von trapez-
förmigem Grundrisö, mit einem Tonnengewölbe gedeckt, er-
richtet über dem ßurgbrunnen (tnUlicmum) , welcher zugleich
als Exekutionsort dient. Die Zeit des Baus ist ungewiss.
Seine jetzige Gestalt erhielt er zur Zeit des Augustus^^).
^®) Die AiaxvUiog äyoqd des Appian Giv. 1, 48, das maceUum
Liviae, im J. 243 als forum EsquiUnum restaurirt (Becker A. 1145,
P. £. Visconti Bull. man. 1876, 41 ff.), war vielleicht vor Augnstns
BchoD forum (vgl. Th. )I). Aocb der eofnpu* Cadimontanus (Bd. 2,
216) kann msprÜB glich ein Markt gewesen selo. Hier feierte man
anch die equirria weaa das Marsfeld übefsdiwemmt war. — lieber
die campt Bd. 2 a. 0.
^) Vgl. § 7 A. 82. Beste BeschreibuDgen und Abbildungen: Can-
eellieri Notizie del carcere Tnlliano R. 1783 ^ 1855, Gell. Top. S.
495 f. 2. A. Ich komme Th. II auf den Bau und die Beschreibungen
Sallusf s Cat. 55 , der AcU Chrysanthi et Dariae (Bd. 2, 480 f.) u. A.
zurück. -- Inschrift (auf Travertin) CIL 6, 1, 1539: C. Fibius C f,
Rufinus itf. Cocceius M, f. Nerva cos. ex s. c. (unbekannt, aber augustei-
seher Zeit; nicht 22 n. C: s. Benzen); Pestus Ausz. 264: robtu quoque
in cofcere dioUur is locus quo praedpitatur maltjicorum genus , quod
anie arois robusteis includebatur: aber das wäre das tuWanum*^ es liegt
also sicher dne Verwechslung vor. — Die AusdrScke in robore et
tenebns (Liv. 38, 50)^ robur el saxum (Tac. A. 4, 29) beweisen nur
die Existenz des Namens robus neben eafeeTf and da bei Plautuis Cure.
506 THBIL I.
Die Kleinheit des Gefängnisses — es bat die Grösse und
Höhe eines mittelgrossen Zimmers unserer Wohnhäuser — ist
nicht auffallend. Denn die Strafe der Freiheitsberaubung oder
Einschliessung in modernem Sinne kennen die Römer nicht.
Ihr Gefängniss ist ein Zwinger, bestimmt 'unbotmässige^
Bürger einstweilen unschädlich zu machen; den Schuld-
pflichtigen oder den ertappten Dieb für den Gläubiger oder
Bestohlenen zu sichern, bis er dem einen oder dem andern
zur Einsperrung und Fesselung in ihrem eigenen Hause
überantwortet wird; den zum Tode Verurtheilten dem Henker.
Für Kriegsgefangene, sofern sie nicht sofort verkauft werden,
wie für Geissein, auch für Bürger von Rang, pflegt Be-
wachung, sei es in Privathäusern, sei es in geeigneten öffent-
lichen Gebäuden, wie den Docks der Marine oder dem Schatz-
haus angeordnet zu werden. Es erhellt hieraus, dass für
Rom ursprünglich so wenig wie für andere latinische Städte,
welche auch ihren Zwinger besessen zu haben scheinen, da$
Bedürfniss zu mehr als einem oder zu einem ausgedehnten
Gefängniss vorhanden war. Allein mit dem Wachsen des
Staats und der Stadt, mit den Kriegen und Siegen mehrten
sich die aussergewöhnlichen Fälle in denen die Beamten sich
plötzlich vor die Nothwendigkeit gestellt sahen, eine grössere
Anzahl von Personen sofort in sicheres Gewahrsam zu nehmen.
Am Abhang der Citadelle hinter jenem carcer müssen in
den Klüften des Felsens, aus welchem wie aus den Felsen
der übrigen Tufhügel Werkstücke zur Herstellung der weni-
gen monumentalen Bauten der nächsten Umgebung gebrochen
worden waren, angemessene Räumlichkeiten zur Einkerkerung
grösserer Massen von Personen hergestellt worden sein.
Dieser neue Kerker deutet mit seinem griechischen Namen
632 in robusto careere aagenscheiDli^^ von einem Privatgeföngniss za
verstehea ist, so wird jenes rohu9 be^seugen, dass das Staatsgefängniss
mit starken EichenboUen verrammelt war: m earcere et robore heisst
also ^hinter ScUoss und Riegel'. An eine hölzerne Fütterung des
oberen Gemachs ist schwerlich, an eine solche des unteren sicher
nicht zu denken (vgl. Ann, d, i. 1876, 168),
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 507
lautumiae unzweideutig auf sein Vorbild in Syrakus. Nichts
hindert uns die Einrichtung dieses Kerkers bis in die Zeit
des pyrrhischen Krieges hinaufzurücken: in der zweiten
Dekade des Livius wird darüber berichtet worden sein^^).
'^) Es liandelt sich hier nur am den Nachweis, dass es in der That
in Rom wie in anderen latinischen Städten nur ein Staatsgefangniss
gegeben hat. Dass die eigenthümliche Natur der Haft (nicht Gefäng-
D issstrafe) die Kleinheit genügend erklärt, hat aach Becker (dem ich
in der Hauptsache folge) nicht scharf genug hervorgehoben. Varro 5,
151: carcer a coercendoj quod exire prohibentur. in hoc pars quae mb
terra tullianum, ideo quod addüum a Tuüio regei quod SyracusiSy übt
t de causa (sicher unrichtig simili de c. oder gar delicti c.) custodiuntur,
vocantur latomiae, inde lautumia translatum, quod hie quoque in eo loco
lapidvdnae fuerunt (aus Varro Festus Ausz. S. 117). Dass Varro nicht
sagt carcer und lautumiae seien identisch, hat Becker erwiesen (Top.
262 fp. Zur R. Top. 19 ff.). Entscheidend ist Seneca Controv. 9, 27,
20 ff. (Julius Sabinus) . . cum introductus est ex carcere in senatum
postulaturus ut diaria acciperet. tunc diocü de fame questus . . , et cum
diansset f seanianos locupletes in carcere esse: homo inquit adhuc indem-
natus ut possim vivere, parriddas panem peto . . . rogavit ut in lautu-
ndas transferretur: non est inquit quod quemquam vestrum decipiat
nomen ipsum lautumiae: (illae} (zu streichen) minune lauta res est.
Vgl. Livius 32,26, 17 z. J.556: triumviri carceris lautumiarum inten-
tiorem curam. habere iussi (nothwendig ist carceris lautumiarum, nicht
mit Becker 2, 2,230: triumviri carceris zti verbinden). Aber diese lau-
tumiae, in welche die aetolischen prineipes im J. 564 eingesperrt wer-
den (Liv. 37, 3, 8), ist eine Dependenz des career, welche zur Auf-
nahme von Kriegsgefangenen dient, wie früher das Aerar (d^aavQot^
Zon. 8, 3 S. 178 Dind. Niebuhr R. G. 3, 542) und später (im J. 605)
die navalia (§ 7 A. 51) zur Detinirung von Geissein. Auch in den
latinischen Städten gab es einen carcer publicus (Liv. 32, 26, 18), in
Rom jedenfalls keinen zweiten ausserhalb der Stadt (!) an der Stelle
des nachmaligen Tempels der Pietas: dass Plinius 7, 121 seine Quelle
(Verrius =» Fest. 209) missverstanden haben muss, zeigt Becker, und
der Beiname der vielleicht in den Ruinen des Tempels stehenden Kirche
S. Nicola in carcere (Bd. 2, 532 f.), kann, obwohl nicht sicher erklärt,
nichts dagegen beweisen. — Ueber den schon in den älteren Märtyrer-
akten vorkommenden Namen des carcer: custodia oder priuata Mamer-
Uni s. Bd. 2, 382. 480 f. Dass das Wort carcer in das sicilische xaq-
xagov übergegangen ist, scheint mir keineswegs sicher, die Richtigkeit
der Herleitung der latttumiae von den syrakusischen Latomien ist
ausser Zweifel.
508 THEIL I.
Der Markt grenzt an der Osts^ite an die 'heilige Strasse'
(sacra via). Der Sprachgebrauch kennt sie unter diesem
Namen nur in der Ausdehnung vom Markt bis auf die Hdfae
der Yelia, wohin sie längs der Abdachung des Palatins in
starker Steigung emporklimmt (oben S. 285). An ihrem
Anfang unten am Forum wohnt der König in seinem Staats-
hause {regia), neben der Vesta des romischen Volks: weiter
hinauf stehen die Heiligthumer der Laren und Penaten, am
oberen Ende seit dem Sturz des Königthums das Haus des
geistlichen Schattenkönigs (domus regis). Denn dass die
mehren Königshäuser in verschiedenen Stadttheilen eine
litterarische Erfindung sind, glauben wir nachgewiesen zu
haben (§ 2). Erst unter diesem Gesichtspunkt tritt die
Berechtigung und die Bedeutung des einen königlichen
Hauses inmitten der Hausgötter des Staats an der heiligen
Strasse in das rechte Licht. Die Gewährung eines eigenen
Königshauses an den Opferkönig gehört also mit dem Ehren-
platz beim Schmause und dem Opfer am Comitium zu den
Scheinvorrechten desselben : die Summe der geistlichen Rechte
ist auf den Oberpontifex übergegangen, mit ihnen das alte
Königshaus, von jetzt an das geistliche Archiv. Wir glauben
annehmen zu dürfen, dass an der heiligen Strasse ausser der
königlichen ursprünglich keine Wohnungen standen, kein
Privatbesitzthum lag und wir finden dafür noch weitere Be-
stätigung in dem Charakter der Strasse, während der repu-
blikanischen Zeit. Der Staat hat wiederholt Männern, welche
die höchsten Ehren, die obersten Aemter und den Triumph
erworben hatten, Grundstücke und Häuser an dieser Strasse
geschenkt. Wenn andrerseits berichtet wird, dass Häuser
und Grabstätten am Forum und am Palatin solchen Männern
geschenkt wurden, so können diese Nachrichten sehr wohl,
ja sie müssen eigentlich auf dieselbe Lokalität bezogen wer-
den ^^). Eine mindere Auszeichnung, die aber doch gleidi
*>) Auf die g4icra via, die angebiiche grössere AusdehnaBg dersel-
ben, und die beiden Köiigshäuser komme idi Tb. 11 zurück. — Vor»
recbte des rex sacrorum: Marquardt Handb. 4, 262; vg^l. Moramseu
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 509
hier zu erwähnen ist (s. unten), war die von Staatswegen
gestattete und oder angeordnete Ausschmäckung der Häuser
von Trinmphatoren. — Hiermit steht nicht im Widersprach»
dass die 'Leute von der heiligen Strasse' mit denen von der
Subura seit alter Zeit um den Kopf des Oiitoberrosses strei-
ten (S. 199). Denn in der Zeit, aus der dieser Beriebt
stammt, war der Name von der Strasse auf den Bezirk über-
gegangen und die Bewohner der zahlreichen Nebengassen^
welche von der sacra via nach dem Palatin fährten, konnten
nicht anders als sacraviemes genannt werden (s. unten). —
Noch ist hervorzuheben, dass neben der Vesta sich die Casto-
ren niederliessen, am Quell der Juturna : mit dieser Tempel-
grändung ist der Kreis der wenigen Kultu^tätten, welche
im Osten und im Westen an die Schmalseiten des Marktes
sich anreihten geschlossen, die Langseiten haben überhaupt
keine aufzuweisen. — Es lag also der Markt zwischen zwei
der Nutzung und Besiedelung entzogenen Abschnitten des Staats-
landes, der heiligen Burg und der heiligen Königsstrasse.
Die ursprünglichen Hauptverkehrsadern der Stadt führen
von den Thoren, deren Anlage wiederum hauptsächlich durch
die Richtung jener bestimmt wurde (S. 268 ff. 286), nach
dem Forum und den westlich und östlich sich anschliessend
Stftatsr. 2', 14. In 4er Stelle des Varro 6, 31 schreibe ich piod eo
die rem Mocnfieohu litat ad oomäium {tacrifiowlus diuü ad F), also im
Siane Hnackke's (Jahr 162: tacrifieio iustrat); das bloate 'firacheiaen
auf den Coaitmm' {ßacrifidohu it ady Mommaea Ghroo. ' 242, iat weder
darch die Werte des Aasza^^s aas Festas 259 (^tvüiw redua pevfectU
ta comt^uff» venit) gefordert aoeh mir an sich verstäadüch. — Die
INadirtchten ither die vom Staat deo Ginciern uad Valeriera gewährte«
Wobanagen aad BestattttDgea<aur die letztea behaadelt Memmsen Staa^sr.
•ly 357) am Foram oder Palatiom (ehen S. 190) verbinde ich mit Pom-^
pon. Digg. 1, 2^ 2, 37: C» Scipio Nasioa (vielmehr P., Goasalat und
Triomph 563: Zimmera 1, 1, 273 f.) . . cui etüim publice domus m
säera via data est^ quo facilius consuU pos^et. Ebenso ist das Haoa
d6s Vaters des Nero, die domus Domüiana in sacra via (Acta Arv.
S. 61. 82 He.)) sicherMch erblich in dieser an Ehrea and Triamphen
reichen Familie (Soet* Nero 1) gewesan, and darf daher wohl als ein
Staatsgeiahenk tageaehan werden,
510 THEIL I.
den Abschnitten öffentlichen Gebietes: hierher strömten von
allen Seiten als zu dem Schauplatz des öffentlichen Lebens
und Verkehrs die Stadtbürger wie die Bewohner der Gaue
zusammen. Wir können sie durch die Neubauten und
Schutthaufen der Jahrhunderte hindurch verfolgen •*). — Wer
auf der * Salzstrasse' von Norden her kam, betrat durch das
Nordthor des Walls (forta Collina) den höchsten Punkt der
Stadt. Der Weg führte zunächst über die Höhe des Quirl-
nals und hiess im Volksmunde hier wenigstens in später Zeit
'der hohe Pfad' {aUa semit<i)\ er senkte sich dann allmählich
nach dem Argiletum und mündete in der Nähe der Curie
auf den Markt. Nicht ein Name haftete an der ganzen Aus-
dehnung: die vid fOTiae Collinae, longus, Instettis scheinen
Theile dieser Strasse zu sein und die Kirchen S. Susanna
{v. p. Coüinae) und S. Vitale (t;. limgns) ihre Richtung zu
bezeichnen. Ihr letzter Theil muss durch die Anlage des
julischen und augustischen Forums Veränderungen erlitten
haben: zur Zeit Trajans mündete sie in erheblicher Breite
an der Ostseite der Curie**). — Von dem Südthor des
**) leh hebe hier die meines Erachteos entscheidenden Kennzeichen
des unveränderten Fortbestandes der Hanptwe^ hervor. Der Nach-
weis der loiialen Veränderungen wird Th. II gegeben werden.
M) Wegen der noch nicht ganz aufgeklärten ursprünglichen alti-
netrischen Verhältnisse des Qnirinals (das heutige Hochplateau der
Via del Quirinale — Via di Poru Pia :==» Venti Settemhre ist künst-
lich hergestellt, s. Th. II) haben diese Annahmen nur relative Wahr-
scheinlichkeit. — Zu aka semita musste oben S. 310 noch bemerkt
werden, dass ganz ähnlich schon Martial den cUvms über der Snbura
aUttm iramütm nennt (10, 19, 4). Die Entstehung des Namens von
dem clivus bei S. Agata herzuleiten (Niebnhr 3, 357) sehe ich keinen
Grund. — Ftau portae CoUinae (Stein bei S. Susanna gefunden CIL 6,
1, 450) wahrscheinlich in der Richtung vom Thor nach Monte Cavallo:
Lanciani Bull. mun. 4, 166 (flaakirt von Reticulatbanten und Ziegelwerk
des 2. 3. Jahrh.). — Der Name vieus longMs (alt) und seine durdi die
Kirche S. Vitale bestimmte Riehtung darf indessen wohl als Beweis
herangezogen werden: über den Instenu (alt) Bd. 2, 263. — Die Via
Bonnella zwisehen S. Martina und S. Adriano ut nicht alt, das Relief
mit deu Dirstellungen des Form leigt an der Ostseite der Carle (S.
AdriuM?) eine breit eiuaüiidwda Strasse (Jahresh. 1875» 7S6).
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 511
Walls gelangt man in starkem Abstieg hinab, me noch heute,
in die Subura, von da auf den Markt, wie es scheint, auf
dem nehmlichen Wege dessen breitere Oeifnung dem 'Durch-
gangsforum' des Nerva verdankt wird. Ein Weg führte über
die * Kielhöhe' (camae) atn Tellustempel vorbei, wahrschein-
lich auf die heilige Strasse: indessen haben hier die vespa-
sianischen und hadrianischen Bauten vermuthlich die ältesten
Strassenzüge verändert^*). Noch eine dritte Verbindung gab
es vielleicht inmitten dieser beiden: vom viminalischen Thor
führte eine Strasse {tncus eollis Viminalis) in die Tiefe in
der Richtung ebenfalls auf die Subura: ihr wird sich der
vtcns p€Uriems, bezeichnet durch die Kirche S. Pndenziana,
zuletzt wahrscheinlich mcus Cuprius angeschlossen haben ^*).
— Nicht viel besser gelangte man von den Bauernmärkten
am carmentalischen Thor auf der gewundenen Jochmacher-
strasse {vieus mgarms: s. unten) über die südliche Abdachung
des Kapitels kletternd auf den Markt: die Gasse mündete
an der Ostseite des Saturntempels. Dagegen von der forta
Trigemma über den Rindermarkt, das Velabrum und die
Tuskergasse führte die Strasse bequem in der Ebne^^). Bis
. ^) Vielleicht fällt der altus tramßs Suhur^e (A. 34) zum Theil
mit dem oberen TheiJ der Via di S. Luoia in selce, welche vor dem
Bau der Eisenbahn die Verkehrsader zwischen dem alten esqnilinischen
Thore und der Sabura war, zusammen (vgl. Bd. 2, 128). — Carinen:
oben § 2 A. 74; die Area vor dem Tellnstempel liegt xtna triv inl
KaQlvag tpiqovaav oSbv (Oionys. 8, 79).
••) Der [vicus] eoUis Fintmalis der Inschrift Marini Arv. 611 =«
CIL 6, 1, 2227 wird jetzt erst als solcher durch den Stein des maff,
vici coli. F'imin, (das. 2228) gesichert. Fandort: in der Nähe des alten
Thors am Eisenbahnhof. Vgl. Lanciani Ball. man. 2, 199. — Der
alte Streit über den vicus Cyprius (vgl. besonders Becker zur rÖm.
Top. 76 ff.) muss hier noch auf sich berahen.
^) Man pflegt jetzt die Gasse, welche zwischen dem Saturnus-
tempel und der Basilica mündet den vicus iug'arius, die andere, welche
zwischen dieser und dem Castorentempel mündet vicus Tuscus zu nen-
nen. Es ist aber zu beachten, dass der Bau der Basilica den Lauf der
von Süden in das Forum mündenden Strassen verändert haben muss.
Ich nehme an, dass der vicus Tuscus ursprünglich ins Forum mündete^
wo später die Basiliea gebaut wurde. S. Th. U«
512 THEIL !•
zum J. 548 scheint es ganz an einer direkten Verbindang
zwischen den Bauernmärkten und der Gegend am ^Gemeinde-
teicb' gefehlt zu haben: die Leute welche ihr Vieh zur parta
Naevia hereintrieben oder die Ochsenhändler, welche es vom
Harkt zu den Schlächtern am Gemeindeteicb (unten) schaffen
wollten, waren dadurch .behindert Die Anlage einer Sti^asse
Tom Rindermarkt nach ijlem Venustempel am Südende des
Circus half dem Uebelstand ab: hier vereinigte sie sich mit
der von parta Naevia hereinkommenden und zwischen Pala-
tin und Caelius in der Richtui^ auf den Esquitin fortlaufen-
den Hauptstrasse. Späteren Ursprungs mag eine körzlick
wiederentdeckte Hauptstrasse sein, welche vom Rindermari^t
nach dem Flufisthor gefuhrt zu haben scheint — In jene
Strasse zwischen Palatin und Caelius mündete durch das
capenische Thor die appische Strasse. Endlich hat sich wie
es scheint der Lauf der Strasse von dem Hauptthor am
Caelius nach der Velia nie verändert ^^). Aber die neronischen
und vespasianischen Bauten haben von der Gegend des Co-
losseum an unzweifeljiaft die weiteren Verzweigungen der
ältesten Anlagen very^iscbt — Weder der gallische noch der
neronische Brand, weder die Neubauten der Kaiser noch der
Zusammensturt des Reiches haben also die Sparen der
Hauptstrassen des servianischen Roms zu tilgen vermocht
^ Die CeDsoren d. J. 548 viam e foro bovario ad (der Pot
et ad) Veneris circa (et circa Aasgabeo) /oros publicos et aedem
Matris deum in Palatio Jaciendam locaverunt (Liv. 29, 37, 2); nor so
gelesen hat der Bericht eioeo Sina, da der Veonstempel Bothwendig
der im J. 459 (Dedicatioostag 19. Aug.) an der Stelle des alten sßcd-
lum der Fenus Murcia erbaute ist, dessen Lage an der Rnndung des
Circus jetzt feststeht (s. Forma S. 17 § 3). In dem verdorbenen Satz
et extra eandem portam. (Trigeminant) f porticum silices straverunt et
eo publico ab aede Venerit fecerunt (Liv. 41, 27, 9) kann allenfalU eine
Notiz über Verbesserungen jenes Weges stecken ; unmöglich ist,
was Perizonius vorschlägt: et porticum clivo Publicio ad aedem V, /.
— Der Stadtplan (Fr. 38 g) zeigt die erwähnte Abzweigung. — Strasse
vom Caelius: Richtung durch den ^arcu$ Basilii und den alten Bao unter
S. demente bestimmt.
§ 8.] DER IJNNERE AUSBAU. 513
Die Strassen, weiche Ton den Thoren nach dem Markt
führten, werden von Anfang an nothdürftig in fahrbaren
Zustand versetzt worden oder vielmehr die einzigen meist
schlachtenartig zwischen den Höhen sich windenden Wege,
welche Laslthiere und .Lastwagen passiren konnten (viae),
gewesen sein. Denn das Recht in der Stadt zu fahren ist
zwar in älterer Zeit ein Reservatrecht der Götter, der Priester
nnd des Königes: nur selten mag in altrepublikanischer Zeit
einem hochverdienten Bürger wie eine Wohnung an der
heiligen Strasse, so das Recht in die Curie zu fahren ver-
liehen worden sein; aber von jeher müssen durch Lastthiere
oder auf Wagen Bauholz, Steine und Waaren durch die
Strassen bewegt worden sein, und aus dem Stadtgesetz
Caesars ersieht man, dass die Beschränkungen, welche es
dem Lastwagenverkehr auferlegt, eine neue und durchgreifende
Ordnung der Dinge war^®). — Trotzdem giebt es unter den
Strassennamen Roms nur zwei, welche die Benennung ma,
Fahrstrasse, fuhren, und welche zugleich unzweifelhaft in das
höchste Alterthum hinaufreichen, die sacra via und die bis-*
her noch nicht erörterte nova via: alle übrigen heissen vici.
Es fällt auf, dass abweichend von dem gewöhnlichen Sprach*
gebrauch die formelhafte, technische Redeweise in diesen
Namen unbedingt die Vorsetzung des Adjectivums fordert
und also nicht minder, wie die Ableitung eines Ortsadjecti-
vums sacravietim auf ein frühes Znsammenwachsen je beider
Worte zu einem hindeutet. Mag nun der Grund dieser
letzten Erscheinung auch verschieden gedeutet werden kön-
nen — aus dem Vorrath stadtrömischer Lokalnamen wussten
wir als Analogien nur Caelius mons und das nur halb ähn-
liche Tuscioicanm zu nennen — die erstgenannte kann un-
*>) S. Mommsen Staatsr. P, 376 ff. (doch vgl über die sella cur-
ruUs oben A. 21). Plin. 7, 141 von L. Metellas Gonaul 503. 507:
träfuit ei p, R. quod nulli aUi condito aevo fd quoüens m senatum iret
curru veheretur in curiam, — Monicipalgesetz Z. 56 ff. — Dass die
Alten (Varro 5, 22) via von vehi richtig ableiten, steht fest (Gorssen
1*^ 98, 460): über den Gebrauch s. unten.
Jordan, rOmisohe Topographie. I. 1. So
514 THEIL I.
möglich zufällig sein und sie Terlangt eine Erklärung. Die
Unsicherheit der topographischen Bestimmung der nova via
(s. Th. II) erschwert ein^e solche: wenn es aber als sicher
zu betrachten ist, dass sie von der sacra via nach dem Ein-
gang des Circus und der ara maxima führte, so' schont
darin ein Hinweis auf die eigenthümliche Bestimmung der
Strasse zu liegen. Ist sie eine Erweiterung der heiligen und
Königsstrasse nach dem Schauplatz der römischen Spiele
nach der tarquinischen Umgestaltung derselben? Die Alten
selbst scheinen den Bau der Strasse dem Servius TuUius
zugesehrieben zu haben ^^). Indessen sicheren Boden gewin-
nen wir erst durch eine Betrachtung der Individualnamen
der Strassen. Es muss hier einstweilen vorausgesetzt wer-
den, dass vums im engeren Sinn die Hauptstrasse, im wei-
teren die Hauptstrasse mit ihren Seitenstrassen , daneben
auch die von Haupt- und Seitenstrassen begrenzten Häuser-
viertel bedeutet*^)»
**) Die Thatsachc, dass wir etwa 140 StrasseDnamen kennen, dass
diese alle, darnnter die von den Thoren hereinführenden nach diesen
benannten HanptstrasiseD, als vici (th«U weise als clivi, uaten) bezeich-
net werdea^ nur die sacra vifl un^ nova via, in der Stadt als viae, ist
bereits Mem. dell' inst. 2, 237 ff. in ihren Konsequenzen erwogen wor-
den. Die Regel erleidet keine Ausnahme: denn ausserhalb der servia-
nischea Stadt laufen die via lata (der Anfang der Ftamtnia), tecta (zwei
des Namens, Marsfeld und 1. Region), die von Severns gebattte via nava
bei den Thermen. Für den technischen Gebrauch von sacra via, nicht
via sacra, entscheiden die Inschriften und das Compositum sacraviensis,
die überwiegende Zahl der Litteratarzeugnisse fügt sich , wie schon
Becker De muris S. 23 vgl. Zur r. Top. S. 16 bemerkt. Für nova via
stehen nur die Schriftsteller zu Gebote, bezeugen aber dasselbe. —
Die Beziehung der nova via zur ara maxima am Circus hat schon
Monmsen CIL IS. löO bemerkt, lieber den Lauf Th. IL -^ BeiFestus
174 ist freilich Müllers Ergänzung [nova via structa esse dicitur re-
gnante] Servio Tullio u. s. w. unsicher: aber da ein Wort no . .
erklärt sein muss und in der folgenden Zeile [cum in ripam? . . ]
escenderetur auf das Verhält niss der nova via zum Felahrum. passt,
keineswegs so unsicher, wie Becker Top. in Leipzig S. 28 ff. meinte.
Wenn Varro 6, 59 sagt noim via quae via iam diu vettts, so giebt
das allerdings keinen Anhalt für die Zeitbestimmung (vgl. Bd. 2, 7 f.)
*^) Ich verweise auf meine Abhandlang de vicis urbis R. Mem.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 515
Unter den etwa 140 Namen stadtrömischer vict sind
nicht mehr als 16 nachweislich republikanischen Ursprungs.
Unter diesen aber sind Vertreter zweier Klassen von Namen,
welche eine besondere Beachtung verdienen und sicher in
ziemlich alte Zeit hinaufreichen. Es sind einmal die Benen^
nungen nach Handwerken in einer eigenthümlichen sehr alten
sprachlichen Form * unter Töpfern', * unter Sichelschmieden',
' unter Holzhändlern', 'unter Jochmachern *(?), später 'Töpfer-
gasse ' u. s. w., denen wir die chronologisch nicht bestimm-
ten ' Zwiebelgasse ' , ' Wechslergasse * , * Ochsentreibergasse ',
(alte und 'neue'), 'Kornhändler-', 'Riemenschneider-', 'Soh-
lenhändler-', 'ßauholzhändler-', 'Glasergasse', vielleicht auch
'Olivenhändler-' und ' Grashändlergasse' anschliessen müssen **).
Eine zweite Klasse trägt plebejische Gentilnamen: sicher
deU' inst. 2, 215 ff. und ßd. 2, 291 ff. 585 ff. Nur weniges ist seitdem
hinzugekoinmen : Einl. § 2 A. 53. 56. Doch ist es, wie Arch. Z. 1871,
61 ff. auseinandergesetzt worden, wahrscheinlicli, dass eine Anzahl von
Namen von vici in untechuischer Form überliefert und als solche nicht
erkennbar sind. Wenn z. B. ein Geschäftsmann auf seine Firma setzt
a Septem Caesarihus^ so kann leicht ein vicus Septem Caesarum die
Veranlassung sein u. s* f.
**) Die Belege s. Bd. 2: int er figulos^ vnter falcarios, (porticus)
tnter lignarios. Die Argeerurkuode hat statt inter fig-ulosi in figulinis^
eine andere Strasse heisst in derselben Urkunde in tabemola (Bd. 2, 255,
vgl. A. 44). üebcr das inter vicos Ciceros s. unten. Fici alliarius = (ülia-
riorum, arg'entarius, bubularius, (und b. novus\ frumentarius, lorarius,
materiarius, sandaliarius, vitrarius, vgl. Hercules oUvarius^ Elephas her-
barius die von einem vicus olivarius, herbarius, wie ApoUo sandaliarius
vom V. sandaliarius benannt sein werden. Hiernach erkläre ich den
vicus iugarius = iugariorum und iugarius als Jochmacher: dass das
Wort sonst in dieser Bedeutung nicht vorkommt, vielleicht überhaupt
nicht weiter (Colum. 1, 1, 6 ist zweifelhaft), ist kein Hioderniss. Die
Nähe des forufn boarium erklärt die Zunftgasse, wie andrerseits auch
der vicus bubularius nahe dabei gewesen sein wird, wenn anders die
capita bubula regione Palatü damit zusammenhängen. — Manches bleibt
dunkel: so der vicus pulverarius. Aber man denke an die noch jetzt
starke Verwendung des Suffixes: ein Mann der Vipern sammelt nennt
sich einen viperaro u. dgl. Es ist also gar nicht unglaublich, dass
pulverarii irgend eine Hantierung mit Staub bezeichnet. Noch vgl.
area radicaria^ campus lanatarius {lanariust)^ pecuarius.
33*
516 THfilL I.
republikanisch sind die acilische, cosconische, instejische,
publicische, pullische, sulpicische Gasse, Ungewissen Alters
die caesetische, fannische, licinische, plotiscbe, racilianische
(?' diesseitige' und 'jenseitige'), saufejische. Neben dieser
stattlichen Reihe von plebeischen stehen nur zwei patricische
Namen, die 'cornelische' und die 'sergische Gasse', und
einige wenige Cognomina, welche wir hier noch ausser Spiel
lassen (A. 56)*«).
Was die erste Klasse anlangt, so erinnert zunächst die
Form 'unter Töpfern' u. s. w. in auffallender und schwer-
lich zufälliger Weise an die Benennung der aus ddn langen
und regelmässig angelegten Budenreihen der Zünfte hervor-
gegangenen Gassen der Städte des deutschen Mittelalters:
in Köln z, B. hiess es und heisst es zum Theil noch jetzt
'unter Kästen \ 'unter Kostmengern' u. s. w. Anderwärts,
wie in Königsberg, bat sich die Erinnerung an den Ursprung
dieser Strassen in dem Festhalten des Begriffs der Tische
^^f Verkäufer, der 'Bänke', fortgepflanzt; die 'Brodbänken-'
und 'Fleischhänkenstrasse' sind aus den Buden der Bäcker
und Fleischer entstanden **). — Wie hoch hinauf das Zunft-
**) Ficus Aciliusy Insteius (= Insteianus) , PubUdus (cKvus)^ Pul"
UuSj Sulpicius; Caesetius, FanniuSy Licinianus (= Licmius)^ PloUuSy
Racilianus (== Racilius : ulterior, citerior), Saujeius, ComelüiSf Sergius,
Dazu ist zu bemerken: überliefert sind die Formen vicus Insteius (Li-
vius) und Insteianus (Argeerurk. bei Varro); erstere Form ist wohl
gemeint CIL 1, 804 = 6)2221 vicei Sulpicei d. h. vicus Sulpicius; so Publi-
citis PuUius Cosconius bei Varro; häufiger^ aber wohl später ist die
Verbindung mit dem Genitiv, die auf der kapitolinischen ßasis herrscht,
aber wegen des wiederholten Ablativs vico Gonfusion gemacht hat:
denn sicher ist wie vico lanuclensis = lanuclensi so vico Sulpici üUe-
rioris, citerioris = Sulpicio uUeriore oder = Sulpieio ulteriore. Danach
erkläre ich vico Raciliani minor{is), maioris = Raciliano minore = Ra-
diu oder Raeilio minore und t;. Lidnianus = Licinius, Im Uebrigen
s. A. 46.
^) S. besonders Ennen Geschichte der Stadt Köln 1, 672 ff. Erst
im 13. Jahrhundert entstehen in Köln aus den Tabernen', 'Bänken,
'Kästen' der Zünfte, hinter welchen die Häuser der Kaufleute gebaut
werden, Gassen. Hiernach ist es nicht möglich anzunehmen^ dass die
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 517
wesen in Rom datirt, ist bekannt: in den Strassennamen
finden wir eine der ältesten Zünfte, die Töpferzunft vertreten.
Kein Zweifel, dass nur der Zufall uns den Namen der
* Schustergasse' entzogen, den des ' Schusterhofs \ des Ver-
einshauses der Innung erhalten hat ; dass in dem Viertel des
*' Gemeindeteichs ' die Schlächterzunft sogut ihre Gasse gehabt
haben wird, wie am Emporium die 'Holzhändler'. — Die
* Töpfergasse' am Circus und die andere auf dem Esquilin,
die ^ Jochmacherstrasse' am Rindermarkt, die * Holzhändler-
strasse' am Hafen — alle zu den älteren, wenn nicht ältesten,
Namen gehörig — zeigen, dass solche * Reihen' oder 'Zeilen'
in yerschiedenen Stadtvierteln entstanden: dass sie am frü-
hesten, zahlreichsten und zusammenhängendsten in dem ge-^
werblichen Viertel von den Märkten am carmentalischen
Thor bis zum Hafen, und über das Velabrum gegen das
Forum zu entstanden, dass vielleicht ursprünglich ein ge-
setzlicher oder durch die Statuten der Zünfte bedingter
Zwang in bestimmten Vierteln zu wohnen geübt wurde, darf
wohl vermuthet, kann aber meiiies Wissens nicht bewiesen
werden. Die Zeiten über welche die Litteratur reichlich
Auskunft giebt, kennen natürlich solchen Zwang nicht: Handel
und Handwerk sind über die ganze Stadt zerstreut, wenn
auch altes Herkommen und die moderne Sitte Waaren in
grossen Bazaren aufzustapehi , gewisse Centralpunkte für die
einzelnen Geschäftszweige bedingen. Wenn hiernach die
einzige unter den römischen Strassen, welche einen Völker-
namen trägt, die 'Tuskergasse*, in eben diesem Viertel liegt,
und zwar in der Nähe des kapitolinischen Tempels — denn
ihr späteres Einmünden in das Forum am Ostende der ju-
Uschen Basilica beweist Nichts dagegen : Ao37 — , so glauben wir
recht gethan zu haben, sie in die Reihe der Handwerkergassen
in lateinischen und deutschen Urkunden jener Zeit auftauchenden Gas-
sennamen 'inter macellos' (vgl, Ennen S. 668), 'unter Kästen' u. a. in histo-
rischem Zusammenhang mit den republikanischen, nachher ausser Ge-
brauch gekommenen der Stadt Rom stehen.
518 THEIL I.
gestellt und als die Ansiedlung der hier ehemals thätigen
etruskischen Bauhandwerker bezeichnet zu haben ^^).
Einen anderen Ursprung haben die Namen der zweiten
Klasse. Zwei derselben vicus Insteius und compüum d. h. vicus
(s. unten) Acilii, kommen in der Chronik des zweiten puni-
sehen Krieges als bereits vorhanden vor, die Entstehung
einer dritten Strasse, des clivtis Publicms, fällt ins Jahr 517,
die übrigen sind allem Anschein nach sämmtlich, sicher die
meisten älter als der Untergang der Republik ^^). Zwei
Wege scheinen sich für die Erklärung der Namen zu bieten
welche zugleich zur Bestimmung der Zeitgrenze nach rück-
^^) Vgl. Marqnardt Haadb. 4, 152. Die lanü Piscinenses : Bd. 2,
106 f.; atrium sutorium: Hermes 4^232. — Für die selbstverständliche
Tbatsache, dass die Handwerker in bistorischer Zeit ihre Boden in yer-
scbiedenen Tbeilen der Stadt hatten, wird man kaum Zeagoisse ver-
langen: z. B. kennt man die Schuster am Castortempel (Plin. 10, 121),
bei der Spes vetus (Eph. epigr. 1, 218), im Argiletuin (Martial 2, 17);
Beispiele für mehrere Laden eines GeschäftsmanDes in yerschiedenen
Stadtgegenden, Benennung verschiedener Geschäfte nach einer Stadt-
gegend: Arch. Z. 1871, 68 f. — Ausser den Tuskern begegnen nur (Bd.
2, 215) die 'Griechen', als Fremde schlechthin, in der Graecostasis, die
Gallier in den busta Gallica am Kapitol, einem Ausdruck, dem die
'Schwedenscbanzen' in Norddeutschland, allenfalls auch die ^Heiden'-
und 'Hübnengräber' verglichen werden können; nicht hierher gebort der
vicus j4fricus\ die ^Sabinerstrasse' vicus Cuprius ist schon besprochen,
ein Judenviertel existirt nicht (s. unten).
M) Der vicus Insteius kommt vor in der Chronik u. d. J. 540 (Liv. 24,
4) und in der wahrscheinlich um diese Zeit redigirten Argeerurkunde
(hier Insteianus), der vicus AciUus in der Cbronik u. d. J. 535 (Plin.
29, 12 nach Cassins Heaina, welcher sicher in vico JdHo gesagt hat,
statt des von Plinins nach damaligem Gebrauch substituirten in compito
AciUi); über den clivus Publidus A. 47. Republikanisch (nach den
Zeugnissen): Cosconius, Fabricius, PuUiuSy unsicher CaesetiuSj
Fanntus, Licinius (oder Licinianus), Plotius, Sulpicius. Doch sind alle
diese Familien im 6. oder 7. Jahrhundert in Aemtern nachweisbar.
Plebejische Sulpicier: Mommsen R. F. 1, 119 f. PulHus ist ein anf
Inschriften häufiges Gentilicium, ein M. PulHus ist 649 Duovir in Pn-
teoli (CIL 1, 577): daher der PulUus, welcher im J. 505 als Volks-
tribun den Perdnellionsprozess gegen P. Claudius Pulcher anstrengte
(Schol. Bob. Cic. S. 337 Or. Rein, Criroinalr. 482), wohl ohne Grund
von JNfiebuhr (Cic. or. fr. S. 70) angefochten worden ist.
§ 8J V DER INNERE AUSBAU, 519
wärts führen müssen : entweder sind diese wie gezeigt wurde
fast ausschliesslich Yon Plebejern benannten Gassen Quartiere
dieser plebejischen Geschlechter oder sie haben von dem
Bau der Strassen durch plebejische Beamte ihre Namen er-
halten, oder beide Entstehungsarten gingen nebeneinander
her. — Wir haben nun ausdrückliche und glaubwürdige
Zeugnisse dafür, dass die publiciscbe, cosconische und pul-
lische Strasse yon Wegebaubeamten , welche sie angelegt
haben, b^annt sind und dazu gesellt ein ebenso glaubhaftes
Zeugniss, dass der servilische Brunnen am Forum seinen
Namen von dem Erbauer hatte: wir erinnern gleich an zwei
andere, welche plebejische Namen führen, den Brunnen des
Curtius und den des Fundanius und an den Zusammenhang
welchen Strassenbaü und Brunnenanlage haben ^^). Es wird
^^) Varro 5, 158: elwos PuhUcius ab aedäibus plebei PubUdüy qui
eum pttblice aedificarunU simiU de causa PuUius et Cosconius, quod ab
his viocuris dicuntur aedißcati. Von dem ersten genauer Festus 238
(die Hs. von mir 1867 eingesehen): PuUicius clivus appellatus, quem duo
fraires L. M. Publtcü MaÜeoli (publici malteoH Hs.) aedües cur. pecuaris
(die Hg.: pe arU; die 1. Hd, hat unter 0= einen Punkt gesetzt und
am Rande '.' cec' geschrieheu) condemnaUt ex pecuma quam ceperant
coeperat Hs.) munierunt^ ui in Aventinum vehi posset (so schreibe ich:
die Hs. uehicuU hei uenire possü [so], entstanden aus dem doppelten
Verbesserungsversuch ueh{\culi vel venire). — Ganz mit denselben Aus-
drücken ^ie van den eUvi spricht Varro über einen tdcus 5, 152: lau-
reium . . . absUva laurea quod ea ibi exoüa et aedificatus viius. Doch
wird sich ein gewisser Unterschied gleich heraussteUen. — Festus 290;
Servilius lacus appeÜabatur [ab] eo qui eum facienduin curaverat in
principio vici iugari, continens basilicae luliae, in quo loco fuit effigies
hydrae posüä a M. Agrippa. Abweichend von der bekannten fabel-
haften Ur^prungsgeschichte ^^% lacus Ourttus (Schwegler 1, 484, oben
§ 1 A. 15) Varro 5, 150: Cornelius et Lutütius seribwtt eum locum
esse fulguritum »t ex senatus eonsuUo saeptum esse idque factum esse
a Curtio consule cui M, Genucius fuit collega: Curtium, appeUatum
(so schreibe ich: id quod und est F, esse schon H). Diese Ueberliefe-
ruDg ist gewiss falsch (über den Consul Curtius Chilo v. J. 309 vgl.
Mommäen F. 1, 111): vielmehr wird an einen plebejischen Curtier
gedacht werden müssen. — Auch der Fundanier 6es'lacus Fundanii,
nach dem ein vicus benannt war, ist unbekannt. Auch ein lacus PisonisJ
Unten A. 56.
520 ™BIL I.
also nothwendigerweise zuerst die Benennung der Strassen
Ton den Erbauern in Betracht gezogen werden müssea und
diese Betrachtung führt auf die Frage, wie es mit dem An-
fang des Strassenbaus, d. h. der Pflasterung der Strassen,
in Rom bestellt gewesen ist.
Die oben hervorgehobene grosse Aehnlichkeit der Ent-
stehung der römischen und der deutschen Zunftgassen recht-
fertigt es, wenn wir hier noch einmal auf die Analogie ein^
ganz ausser geschichtlichen Znsammenhang stehenden Er-
scheinung yerweisen. Ungepflastert sind die Strassen der
deutschen Städte fast durchweg bis ins 14. Jahrhundert ge-
blieben. In dieser Zeit fängt man an die Hauptstrass^ai,
welche zum Tbore hinausführen und dort in den Land-
Strassen sich fortsetzen zu befestigen und zu pflastern: so
entsteht der 'Damm', der * Steindamm \ der 'Steinweg' oder
'hohe Steinweg', Namen welche sich vielfach bis auf unsere
Tage, also drei bis vier Jahrhunderte lang gehalten haben *^).
— Die dürftigen Notizen über den Strassenbau, welche uns
aus der Stadtcbronik aufbehalten sind, weisen eine ähnliche
Erscheinung für Rom nach. In welchem Zustande die aus
den Thoren Roms hinausfuhrenden Landstrassen, wie die
uralte 'Salzstrasse', die nach Ostia längs dem Fluss, die in
die nahen latiuischen Städte fuhrenden, vor der Mitte des
5. Jahrhunderts der Stadt sich befanden, ist unbekannt
Den Bau der Heerstrassen aus festgefügten polygonalen Lava-
stücken auf gestampfter Kies- oder Puzzolanschicht , wo es
nöthig war über mächtige Quaderunterbauten hinweg, mit
steinernen Rändern (margines, crepidines) und Fusssteigen
(semitae) zur Seite, datiren die Geschiehtschreiber zwar von
Appius Claudius, demselben, der die erste Wasserleitung und
wahrscheinlich den Gemeindeteich gebaut hat: er soll in
^) Vgl. Arnold Yerfassnogsgeschickte der Freistädte 2, 219. Der
'Steindamm' in Königsberg lasst sich schon im 14. Jahrhundert nach-
weisen : es ist ursprünglich der Anfang der ins Samland führenden Land-
strasse. Näher in das Detail dieser Fragen einzugehen ist nicht er-
forderlich.
§ 8.] DER INNBRB AUSBAU. 521
dieser Weise wenigstens einen Theil der nach ihm benannten
appischen Strasse im J. 442 gebaut haben. Allein wenn die
Chronik den Bau eines Fusswegs {semta) aus quadratischen
Platten auf derselben Strecke vom Thor nach dem Mars-
tempel durch die Aedilen des J. 458, die Pflasterung der
Fahrstrasse von da nach Bovillae mit Lava durch die Aedilen
des J. 460 geschehen lässt, so sieht man soviel, dass nach
14 Jahren selbst der erste Abschnitt des Riesenwerks noch
nicht fertiggestellt war. Vielleicht darf angenommen werden,
dass mit dem Bau des Fussweges nach dem Marstempel im
Osten ein ähnlicher Bau, der der 'fiberwölbten Strasse' nach
dem Marsaltar im Westen in Verbindung stand (oben S. 501).
IWenn nur 5 Jahre nach dem Beginn des Baus der appischen
Strasse der censorische Bau von Fahrstrassen ^fiber Land'
gemeldet wird, so werden wir darunter eine umfassendere
Inangriffnahme des Baus grösserer Landstrassen bis zu den
nächsten und wichtigsten Zielpunkten, aber auch bei diesen
Bauten schwerlich schon an eine durchgängige Pflasterung
mit Polygonen, vielmehr an die Herstellung einer Chaussee
durch Aufschüttung eines Damms und Festigung desselben
durch Kies {glareä) zu denken haben. Erst ein Jahrhundert
später beginnt mit dem Bau der flaminischen Strasse (534)
die Reihe der ausgedehnten Heerstrassenbauten^ welche wir
hier nicht weiter zu verfolgen haben. Ebenfalls lassen wir
es dahingestellt, welche Vorbilder für die ersten Bauten maass-
gebend gewesen sind^^).
^ Appm €Undias (442) vum munivit (Liv. 9, 29), ro nUXajov
fiä^os K&ois aT€Q€otg Tutiiatf^maa itno *Pu^ris f*^X^ Kanvtii (Diod.
20, 36); Bau von 458: semitam saxo quadrato a Capena porta ad Mar^
tu straverunt (Liv. 10, 23, 12); yob 460: via a Martis siUce ad Bo-
villas perstrata est (10, 47; beides aas Multgeldern). — Bau v. 447:
viae per agroe publica ünpetua factae (Liv. 9, 43, 25). Dass grosse
Veräoderao§peB später vorsenommea worden siad, leidet keinen Zweifel:
die EbnuBCp des cUvus Mortis (UL.0, 1, 1270) beweist aber nicht, wie Nie-
bnhr 3, 357 behauptet, die im J. 458 s^bante semita sei eine Art von Cor-
donata gewesen. — Ueber die Konstruktion der via j4ppia (gestampfte
Schickt von Pnzzolane und kleinen Steinen) s. Piraneai Ant. 3 T. 7,
522 THEIL I.
Im ersten Drittel des 6. Jahrhunderts begegnen wir nan
den ersten Nachrichten von Strassenbauten innerhalb der
Stadt: es ist zuerst der von plebejisch«» Aedilen ausgeführte
Bau einer 'Fahrstrasse' von der Gegend der Salinen auf den
Aventin, des clitms Puhlicms im J. 517, dann die Anlage
einer ' Strasse ' vom Rindermarkt nach dem Ende des Circus
im J. 550, d. h. einer direkten Verbindung der Bauern-
märkte mit der zum naevischen Thor hinausführenden Haupt-
strasse (A. 38. 50). Man sieht leicht, dass diese Strassen-
bauten durch den bedeutenden Aufschwung des Verkehrs
der Handelsvorstadt veranlasst worden sind. Ob die zweit-
genannte Strasse ganz im Thal oder über demselben lief, ist
unbekannt. Unter dem 'Bau' kann nicht füglich Aie Plani-
rung des unebenen oder fekigen Terrains, eine blosse Erd-
arbeit verstanden, es muss an Pflasterung« oder Chaussirung
gedacht werden. Wenn in der Zeit zwischen den Jahren
517 und 550 die Chronik zwei vici, den Imteius und den
Acilius erwähnt (A. 46), so dürfen wir also nach der hier
begründeten Ansicht über die Strassennamen annehmen, dass
diese Strassen, von denen jene auch ein clivus gewesen zu
sein scheint, kürzere oder längere Zeit vor den Jahren, in
denen sie zum erstenmal genannt werden, chaussirt oder
gepflastert worden sind. Die Pflasterung städtischer Strassen
ist mithin älter als die gleich zu erwähnende Massregel des
J. 580. — Damals zuerst kam aus der griechischen Komödie
das Fremdwort platea für die breitere, vielleicht die gepflasterte
Strasse in Umlauf: diese Bedeutung hat es auch in der
Conversationssprache der klassischen Zeit und in der Amts-
sprache vornehmthuender Provinzialstädte : in die römische
hat es niemals Eingang gefunden. In der spätesten Schrift-
liber die der Flaminia derselbe Campo Marzo T. 38 vgl. Bergier Bist,
des graods chemios de Tempire R. 2, 2 ff. Uefoer das Alter der erlial-
teneu Theile habe ich kein Urtheil. — Die Inschrift der via Solana y,
639 (oben § 7 A. 45) : . . via gld\rea sternenda af fn{l[iario . . Breite
der Appia zwischen den crepidines nach Canina 4, 15 M., anderer
Strassen verscliieden.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 523
und Volkssprache hat es bald die Bedeutung von Strasse
überhaupt, bald bedeutet e& Platz *^*). — Diese Bauten, stück-
weise und auf verhältnissmässig kurze Strecken vorgenom-
men, mochten aus Strafgeldern die Aedilen, aus kärglich
angewiesenen Quoten des Budgets die Censoren unternehmen:
zur Besserung des bei weitem grössten Tbeils der städtischen
Wege genügten so geringe Mittel nicht. — Als nach den
Schlachten von Kynoskephalae (557) und Magnesia (565) das
Geld der Konige Philippos und Antiochus in den Schatz ge-
flossen war, konnte man grössere Arbeiten in Angriff nehmen.
Im J. 570 ist, nach wahrscheinlicher Vermuthung, auf die
Erweiterung des Kloakensystems die Summe von 24 Millio,-
nen Sesterzen verwendet worden. Der Löwenantheil scheint
wieder auf die Handelsstadt am Aventin gefallen zu sein
(S. 442); von den umfassenden Bauten des J. 580 auf die-
selbe mindestens ein erheblicher Theil. Der Bericht über
diese Bauten führt uns verschiedene Gruppen in leider theils
unklarer, theils durch die Lückenhaftigkeit der handschrift-
«»<") Bekannt ist (Mem. dell' inst. 2, 237. 239), dass die Gfieclien viae^
vici mit nlajeTaiy axevtonoC wiedergeben, dass Plautus und Terenz platea
aus den griechischen Originalen entlehnen, aber nicht in dem technischen
Gegensatz zu vicus gebrauchen, sondern allgemein für Strasse (die Stellen
stellen bei Tuchhändler De voc. Gr. in Lat. 1. translatis, Berliner Diss.
S. 54), wie deutlich z. B. aus Mil. 609. Cure. 278 zu ersehen ist. Die
classische Conversationssprache (Cicero meidet das Wort) betont bald
den Gegensatz (z. B. Caes. Civ. 1, 27), bald den oben bezeichneten mo-
dischen Begriff (so Catull 15, 7 vgl. Hör. Ep. 2, 2, 71). Bei den Spä-
teren (so bei den Scriptores h. Aug. und Gassiod. 8, 30) steht es vor-
wiegend für via im AUgemeinea: bei Appuiejus Met. 2, 32 ist prima
platea was 3, 2 primus angiporius (vgl. dens. 2, 18. 27). In den Mu-
nicipien und Provinzialstädten dagegen, und nur in diesen, erscheint
platea (dafür via patula in Cales Wilm. 2032) im amtlichen Sprach-
gebrauch wohl als ^breite Strasse', 'Platz' (so sicher in Lambase Renier
Alg. 184; in Burdigala bei Auson. Ordo nob. urb. S. 100 Seal.; viel-
leicht in den JJ. der Rheiogegend He. 181. 5242. 6611; Saepinum ? ?
6610). Daher in der späten Erklärung des Pariser Glossars (Momms.
Hermes 3, 303), auf welche ich unten zurückkomme, plateae viae Uttae
a porta in purtam. Bei Antoninus martyr de locis sanctis Palaestinae.
(6. Jahrh.) c. 8. 48 scheint es eine Ortschaft (vgl. ^ Mar ret') zu bedeuten.
524 THEIL I.
liehen Ueberlieferung getrübter Darstellung ror. Die Cen-
soren dieses Jahres sollen die Pflasterung der städtischen
Strassen mit Polygonen von Lava, die Aufschüttung der
Heerstrassen mit Kies und die Herstellung von steinernen
Rändern an den letzteren (?) zuerst von allen Censoren,
auch den Bau Ton Brücken rerdungen haben. Dann folgt
die Verdingung der Bauten im Gircus, dann die Pflasterung
des ditms nach dem Kapitol und die Errichtung einer ge-
deckten Halle längs desselben — natürlich mit Fusssteig,
wie anderwärts (oben) — , die Pflasterung des Emporiums
und einer Strasse am Aventin. — Da es nach dem bisher
Gesagten fest steht, dass der Anfang zur Pflasterung der
städtischen Strassen nicht im J. 580 gemacht worden ist,
so kann die Maassregel des J. 580 nur in einer systematischen
Ausdehnung des Strassenbaus bestanden haben, wie die des
J. 570 in einer solchen des Kloakenbaus. Innerhalb welcher
Grenzen die im J. 580 yerfügbaren Mittel für die laufende
Periode der Censur die Ausführung des grossartigen Unter-
nehmens gestatteten, ist unbekannt: dass die Verdingnng der
Pflasterui% des clivus auf das Kapitol, wie des Hafens und
der Anlagen am Aventin besonders genannt werden, erklärt
sich zur Genüge durch die besondere Natur dieser ausser-
halb des Bezirks der eigentlichen vrbs liegenden Bauten.
Auch ist es ganz unglaublich, dass man bis dahin keine
Kunststrasse nach dem Kapitol besessen haben sollte, während
man 100 Jahre früher schon für den Bau eines über eine
Meile langen getäfelten Ganges nach dem Marstempel gesorgt
hatte: vielmehr wird es sich bei der Pflasterung einer solchen
wohl nur um eine erhebliche Verbesserung gehandelt haben *^).
^ Livios 41, 27: eenseres vias stemendas Hlice in urbe, giarea
extra ttrbem substruendas marginandasque prtmi omnium locaverunt
pontesque muliü heis fecerunt et scaenam . . . (folgt der Circnsbaa) et
eUvum CapUolinum süiee stemendum curavertmt et portieum ab aede
Satumi in Capitolium ad senaculum ac super id euriam et extra por-
tam Trigeminam emporifim . . . fecerunt (§ 7 A. 46). et extra eandem
. . . fecerunt (oben A. 38). In den bisherigen Benrtheilangen dieses
Berichts, auch der letzten von Mommsen Hermes 12, 486 ff., ist die Vor-
J
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 525
— Noch eine weitere Frage drängt sich hier auf. Es ist
undenkbar, dass man das comiium und das forum nicht in
sehr früher Zeit gegen Verschlammung durch Regengusse
gesichert und nicht irgend eine Festigung des Bodens, auf
dem die Curien und die Trihus zusammentraten, versucht
haben sollte. Allein ein neckischer Zufall hat uns die beiden
Zeugnisse die wir über die Pflasterung des Forums besitzen,
verdorben. Es bleibt immer nur ein Deutungsversuch, wenn
ich aus dem einen schliesse, dass zu CatOs Zeit das Forum
bereits gepflastert war, aber mit Lava, und eine unsichere
Vermuthung, dass Sulla eine Travertintäfelung herstellte, die
neuerdings 0,50 M. unter d^r späteren noch jetzt fast ganz
erhaltenen vor dem Castorentempel zum Vorschein gekommen
isf^^). — Ebenso ist es undenkbar, dass wenn man im
geschichte der städtischen Strasseobauten ausser Acht gelassen worden.
Auch scheint mir der Zusammenhang der besonders aufgeführten Pflaste-
rangen in der oben angedeuteten Weise befriedigend erklärt zu wer-
den : nicbt sowohl die Bestimmung d^es kapitolinischen clivtts für den
Triumph, wi« Mommsea meint, als vielmehr die Sonderstellung der
Burg überhaupt (oben S. 280 f.) giebt den Schlüssel. — Möglich ist es
übrigens, dass ursprünglich auch der clivus ('Lehne', 'Abhang', Corssen
1, 536) anders behandelt worden ist als die via {vicus) in der Ebene
(vgl. A. 49): später, wie die erhaltenen Pflasterungen des palatinischen
und kapitolinischen zeigen, nicht.
'^) Plinius 19, 24: das Forum wurde durch Marcellns mit einem
vehim überspannt ut salubrius läigantes consistevent ; quantum muiatis
morihus Catonis censoriiy qui sternendum quoque forum muricibus cen-
suerat^ also damit die Litiganten überhaupt nicht stehen könnten. £s
wäre im Geiste Catos, wenn er witzelnd non silidbus sed muricibus
g»8agt und damit auf die damadige Pflasterung hingewiesen hätte. —
Festus 317: Statae mMrxA simiUacrum in foro cokbaiur: poHquam, id
t coUastravit, ne lapides igne corrumperentur, qui pluritnus ibi fiebat
(so Urs.: plurvniis ibi fiebant die Hs.) noctumo tempore , magna pars
populi in suos quique vicos rettulerunt eius deae cuUum.; d. h. die That-
Sache, dass die Statu mater an den compita seit Augustus verehrt
wurde, wird aus dem Wegräumen der Bilder auf dem Forum erklärt.
Huschke schrieb Cotta stravä. Aber ist es wahrscheinlich, dass «iner
der AureUi Cottae so kurzweg genannt worden ist? Auch den Buch-
staben nach glaube ich wahrscheinlicher <^tt//a «^avt^ zu schreiben : aber
es fehlt mir jeder weitere Anhalt ausser einer gewiasen Wahrscheinlich-
526 THEIL I.
6. Jahrhundert begann Strassen auf dem Aventin zu pflastern,
die Sacra via und die nova via noch ungepflasterte Feldwege
gewesen sein sollten: man wird sie im Gegentheil als die
ersten gepflasterten Strassen zu betrachten haben. Die oben
hervorgehobene Thatsache, dass sie die einzigen viae Roms
sind, darf als ein indirekter Beweis dafür gelten. Diese
Namen sind Ueberreste aus einer Zeit, deren Spuren eine
spätere gesetzliche Thätigkeit nicht ganz hat verwischen
können oder wollen.
Der städtische Strassenbau, lange vor dem J. 580 in
Angrifl' genommen, aber nicht über die Befriedigung einiger
dringender Bedürfnisse hinaus vervollkommnet und mit unge-
nügenden Mitteln ausgestattet, hat durch die grosse Unter-
nehmung des J. 580 einen ersten Aufschwung genommen.
Es müssen aber nothwendig mit den uns bekannten senato-
rischen Anordnungen gesetzliche Regelungen in Verbindung
gestanden haben, durch welche der Bau der Heerstrassen
(viae) zum erstenmal von dem der städtischen Strassen (von
nun ausschhesslich vici) definitiv getrennt, jener den Cen-
soren belassen, dieser zunächst — so vermuthe ich — den
eigentlichen Baubeamten, den Aedilen, zugewiesen und ihnen
die Heranziehung der Einwohner (vicini) zum Tragen der
Kosten und Stellen von Arbeitskräften vorgeschrieben wurde.
Allein diese Arbeiten wuchsen lavinenartig: ein glücklicher
Zufall lehrt uns ein Gesetz (ungewiss wann, sicher vor 683
beschlossen), die lex Visellia kennen, welches jedesfalls in
Berücksichtigung der. wachsenden Arbeitslast die Wahl eigener
Beamte für den Strassenbau, d. h. den Neubau der Strassen
{viis stemundis) bestimmte, und die Thätigkeit der Aedilen
auf die Tuition der bereits gebauten Strassen beschränkte.
Wir sahen, dass im J. 570 die Pflasterung der d. h. aller
Brunnenbassins verdungen wurde (§ 7 A. 60 und S. 459)
und dass drei solcher Brunnen wie die vici plebejische Gentil-
keit, dass SaUa auch io dieser Beziehang Caesar vorangeg^Dgen sein
wird, dessen Verbesserung^ des'Fornms bekaaot ist, nnd die semita
saxo quadrato v. i. 458 macht mich bedenklich.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 527
namen führen (A. 47); wenn ferner im J. 580 der Bau *der
Brücken^ verdungen wurde und dabei allerdings zunächst an
Brücken ausserhalb der Stadt zu denken ist, so mag doch
auch der Bau von steinernen Brücken in Aussicht genommen
sein und wie die Strassen und die Brunnen finden wir die
ersten steinernen Inselbrucken von Wegebaubeamten , die
erste steinerne Brücke Roms der Ueberlieferung nach von
einem Quästor gebaut und benannt (§ 7). — Im J, 709 ist
das Municipalgesetz Caesars erlassen. Wir finden hier die
Sorge für die * Pflasterung und Ausbesserung' der Strassen
der Stadt und des Weichbildes bis zum ersten Meilenstein
den Aedilen übertragen. INaturlich geschieht dies wie bei
allen öfientlichen Bauten im Wege der Verdingung, aber es
sind die Hauseigenthümer heranzuziehen zum Bau von Fuss-
wegen (s^mitae) aus 'aneinander schliessenden Steinen' und
wie es scheint innerhalb gewisser Grenzen zur Ausbesserung
der Hälfte des Fahrdamms oder Beseitigung von Hindernissen
auf demselben. Diese Bestimmungen lassen nicht mit Sicher-
heit erkennen, ob die Pflasterung damals in Rom bereits
vollständig durchgeführt war. Doch wird sich gleich zeigen,
dass die Benennung der vici nach Baubeamten von nun an
aufgehört zu haben scheint. Wie es mit der Pflasterung in
der Kaiserzeit gehalten worden ist, ist merkwürdiger Weise
nicht näher bekannt: doch haben wir S. 335 darauf auf-
merksam gemacht , dass wahrscheinlich die Instan^erhaltung
derjenigen Abschnitte der aus den Stadtthoren hinausführen-
den viae publicae, welche innerhalb der Grenze der 14 Re-
gionen liefen, den Curatoren der viae abgenommen wor-
den ist").
^') Die hier YorgetrageneD Sätze weichen in mancher Beziehung
von den Ausflihmngen Mommsens, dem übrigens die Feststellung alles
Wesentlichen verdankt wird, ab. Ich kann an dieser Stelle nicht in
eine ausführliche Erörterung eintreten. — Ueber den Charakter der
Aedilen« als der eigentlichen Baubeamten s. Mommsen Staatsr. 1', 675
2, 468 (der nur S. 470 die Ableitung von aedisy Gebäude, als die allein
mögliche hätte hinstellen sollen.) — Ueber die lex FUelUa ders. 2,650.
Die in Folge dieses Gesetzes gewählten euratGre* viü stemundis und
528 THEIL h
Wir haben bisher nun zwei Klassen von Strassen be-
trachtet: die nach Zünften und die nach Baubeamten be-
nannten. Unter den übrigen wiegen bei weitem Namen jün-
geren Ursprungs vor.
Die wenigen sicher republikanischen Namen: die Lang-
gasse — eine Hauptstrasse — , die Verbrecher-, die Patricier-
und die Strasse der Cupra (?), die Strasse des pallacini-
scben Bades und des nüchternen Mercurs, mögen in ganz
verschiedenen Zeiten entstanden sein und tragen das Ge-
präge individueller volksmassiger Benennung*'). Unter den
übrigen unterscheidet man wiederum einige Gruppen: einige
sind nach alteren Ortsnamen, Thoren und der Nähe von
Gebäuden benannt, wie die Lorbergehölz- , die Volksteichs-,
Curien-, Lagerstrasse, die nach den Thoren benannten
Strassen '^^) ; dann die grosse Menge, welche nach Göttern
viarum scheint mir Varro (s. A. 47) mit den Aedilen zasammen anter
dem untechnisclien Worte viocuri (vgl. vieomagistri neben techni-
schem magütn vici oder vicorum) zu begreifen. — Ueber die Ver-
pflichtnngp der Bürgerschaft die Last des munire zn tragen , giebt die
lex Ursonensis Auskunft : Mommsen 510. 649 f. — Meines Wissens ist
bisher nicht bemerkt worden, dass im J. 580 oder bald nachher eine
gesetzliche Regnlirung eingetreten sein mnss nnd die lex FiseUia sie
nur modificirt haben kann, die Wichtigkeit der Namen ist nicht
erkannt worden. — Ueber die Eponymität vgl. A. 56. — In der Bear-
theilaog des Municipalgesetzes bei Mommsen in dem A. 50 a. Aufsatz
vermisse ich den zwingenden Beweis, dass die Pflasterung noch nicht
durchgeführt sei: als Regel gilt sie offenbar. Schlüsse aus der Pflaste-
rung der meisten oder aller Strassen kleiner Manicipien oder Golonien
sind unsicher. Ueber das Alter der Pfla«teraog von Pompeji habe ieh
kein Urtheil. — Ueber die den Quästoren bis auf Claudius obliegende
Pflasterung s. Mommsen Staatsr. 2, 522.
'') Viele Anlässe der Benennungen sind natürlich ganz dunkel:
über den sceieratus und eiprius oder cuprius oben S. 115. Der patricivs,
quod ibi patricii hahitaverunt, iubente Strvio TulHo ui siquid moUrentur
adversus ipsum ex locis superiorünu ofprimermtur (Festas Aaaz. 221),
kann möglicherweise ziemlich spät von irgend welchen inmitteB stark
plebejischer ßevölkerang aaflatlenden Patricierhänsern benannt sein.
Ueber den vieus PaUadnae s= balnearum Pallaemarum s. Bd. 2, 592 f.
^) Es sind folgende: armÜHsträj eastrerum, euriarum, lanuchnns,
8.] DER INNERE AUSBAU. 529
oder nach KuDstdenkmälern , unter denen das eaput Afrieae
hervorzuheben ist, benannt sind^*), (von jenen ist ein Theil
nachweislich nach nahen Tempeln benannt); endlich finden
wir eine kleine Anzahl von Cognoroina, welche zwar nicht
sicher, aber doch wahrscheinlich von Standbildern der Per-
sonen, allenfalls auch von nahen von denselben ausgeführten
Bauten benannt sind'^^). Es steht nun fest, dass Augustus
loreti (A. 47), ptscinae publicae; portae CoUinae, Ratidusculanae, Fitni-
nalis; stabuli proconsuHs (?), summi choragii, viridiarii. Dahin gehört
auch wohl der Drusianus (beim Drususbogeo). Auch (domus) rostrat(a)eJ
A. 75.
^) VoD GSttern oder deren Tempeln oder Sacella benannt:
j4poUmiSj Bellonao, CamBnamm^ Dianae, Fidetj ForUs Fortunae; For-
lunae dübiae, mammosaey obsequentis, respidentis, dazu Huiusque dieij
Honoris Firtutis ^ lovis FofftdalU^ Larum alitum und putealium (?),
Mamuri (?), Mtnerviusj Mundiciei, Sabitaris (?), SaltUiSy Feneris almae,
Fietoriae; von Denkmälern : capitis Afrieae — wahrscheinlich eine der
Provinz endarstellungen an einem Hause (A. 75); vielleicht alt — da-
neben Africus (?); capitis canterii, colwnnae Kgneae, compiH pastoris,
Cyclopis (?), delfini; lad Fundanüy cunicuU (s. Einl. § 2 A. 56), mUiarii
restituii, tedi; Padi (Flussgott?), siiani saiientisy Statae Siccianae, sta-
tuae Falerianaey triam . . rum (?).
") Caeseris (?), Censorii, Fortunati , Gemini j Quadrati, Strobili
(? Sklavenname); IjOngi Aqtälae (?); Fictoris, wohl auch Triarü. Es
ist bekannt, dass Bauten amtlich den Gentilnamen, nicht das Cognomen
der Beamten führen: so die Brücken pons AemiUus u. s. w., die Wasser-
leitungen aqua Marcta u. s. w., die Basiliken basilica Porcia u. s. w.
Ebenfalls Öffentliche nach den Baubeamten benannte Gebäude sind nach
meiner Auffassung die curia HostiUa (§ 2 A. 10) und die atria Mae-
nium, Titium^ lAdma (unten A. 60). Man muss daher Anstand nehmen
in dem cUvus und vicus Scaurt und dem fons Scaurianus (CIL 6, 1,
]63ff.)j dem clivns Cinnae (bei Rom, Wilm. 311), dem facus Pisonis
(denn so ist doch bei Cic. ad Qnintom 2, 3, 7 unzweifelhaft statt
lueum zu schreiben), technische den clivus Publiciusy locus ServiUus
und LoUianus (Forma S. 43), fons Curtius gleichstehende Ausdrücke
zu sehen. Ebenso untechnisch ist aedes lovis MeteUina (Fest. 363). —
Einen Scanrus kennen wir als Erbauer oder Wiederhersteller von
Ponte moUe (§ 7 A. 28) und haben die Inschrift (Setia) Scaurus
pr{aetor) pro cos. bas{ilieaM): Ritschi PLM T. LXXV A vgl.
Detiefgen Philol. 20, 456 f.
Jordan, römische Topographie. I. 1. 34
530 THEIL I.
seinen 14 neuen Polizeibezirken , die bereits vorhandenen
vici zutheilte, dass wie schon Agrippa eine grosse Anzahl
Kunstwerke an den Brunnen derselben aufgestellt hatte, so
Augustus, als er die alten Coropitalien reorganisirte , Kunst-
werke aller Art zur Aussdamücküng derselben bestimmte.
Die erörterten . Namen scheinen m ho weisen, dass Augustus
die ält^eiv volksthumlichen beibehielt, neu« schuf, indem er
bisher unbenannte vici nach dem neuen Schmuck derselben
benannte: mit einem Worte die Einfuhrung von Namen für
alle vici der Stadt scheint eine der Regioneneinrichtung
gleichzeitige Maassregel zu sein*^^).
Blicken wir nun zurück auf die geschichtliche Entwicke-
lung des Strassenwesens und des Häuserwesens.
Der Pflegvater des Stadtgrunders Faustulus bewohnt als
Hirt ein ^Dach' {tugurium), Romulus selbst hält fest an der
alten Lebensgewobnheit und bewohnt, als er die Ansiedelung
auf dem Palatium gegründet, diese selbige Hütte (casd), ja
noch nach dem Siege über die Sabiner eine gleiche, stroh-
gedeckte auf dem Kapitol. Nicht anders mochten nach der
Vorstellung der Alten die ^Ankömmlinge vom Lande', seine
Bürger, wohnen: auch hatten sie ja ihre Heerden auf dem
Palatium und trieben sie durch das Burgthor auf die Weiden
zu Füssen des Berges hinab. Das war vor Gründung der
servianischen ummauerten Stadt^^). In dieser Stadt giebt
67) Oben S. 302 f. Ueber die Scho^kung von Bildern z. B. der
Stata luater uad des Volcanus s. Marioi bei Visconti Piocl. 4, 348 A.nn.
delV inst. 18Q2, 325. Dionys 4, 14 lasst den Servius TuUius in jeder
der 4 Regionen eine bestimmte Anzahl vici (entsprechend den ländlichen
pagi) einrichten und die compita derselben mit den Larenbildern
schmücken: eine ofifepbare Zurückdatirung des späteren Zastandes, auf
keinen Fall ein geschichtliches Zeugniss. Vgl. A. 62.
68) Varro De re r. 3, 1 Vitruvius 2, 1 n. A. lehren : die casae
und tug^ria (aus teg-uria oder iog-ui*ia, wie tog^-a^ von teg-o) kenn-
zeichne die vUa tvstiea vor Gründung der Stadt mit Mauer nod
Thor; sie siod wie die Bauernhütten der nicht zum Städtebau fort-
geschrittenen Völker strohgedeckt gewesen : so auch das tugtanum
Faustuli und die casa Romuli (oben § 2 A. 5). Diese ganze Theorie
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 531
es nur 'Gebäude^ (aedes), welche dem Bürger mit seinem
Hausstände (familia) als * Behausung^ {domm) dienen: schon
sehr alt muss der Gegensatz des 'Bauernhofs^ (viUa) der
Leute vom Lande sein. Der 'Gemeindehof' (villa publica)
auf dem Marsfeld bei der 'Hürde' (saepta) zeigt, wie die
Form des Bauernhofs hier vor der Stadt die Bauform für
ein Haus abgab, das den Beamten als Amtshaus, Fremden
oder Gästen des römischen Volkes als Herberge diente '^®).
Neben domus haben die Latiner zwei andere Wörter für
Haus aus dem indogermanischen Erbgut mitgebracht: curia
und vicus. Aber jenes hat nur in den individuell geprägten
Bedeutungen 'Familien- oder Geschlechtsgemeinschaft' und
ist im Grande nichts anders als ein ins Römische übersetztes Kapitel
aus Dikäarch, worüber ich an einem andern Orte handeln werde. —
Eine Spar des Geg^ensatzes zwischen städtischer aedicula und bäuerli-
ehern tugurium (in der Bedentung Kapelle) hat sich im Sprachgebrauch
erhalten: der Bauer von Ooblino nennt seine aedicula ein tegurium
(CIL 5, 1, 5005); dass dies keine individuelle Erfindung ist^ dass viel-
mehr diese Bezeichnung in plebejischem Latein allgemein üblich war,
ist Hermes 1, 193 ff. nachgewiesen worden.
^*) Wir haben keinen sicheren Beleg für Singul. aedes in der Beden-
tung *Haus' (auch die von Nene 1', 451 a. Stelle des Plaut. Asin. 1, 3, 67
aedis nobis areast ist keiner, wie man sieht): die allgemeine Bedeu-
tung 'Gebäude', 'Gebautes', welche der älteste und technische Sprach-
gebrauch aufweist (Hans, Laden, Bauernhof, Herberge: Zwölftafeln 8,
9 Seh.; Varro 5, 160; aedü po/^/tco« CIL 1, 551), rechtfertigt den Plural
und macht mich gegen die allgemein gangbare Zusammenstellung mit
al&'(o (= Feuerstelle) ungläubig. Der Singular für 'Gotteshaus' wird
eine wenn auch sehr alte conventioneile Differenzirung sein. — Bei
Plautus wird gefragt quis habiUU in hü aedibus, das Municipalgesetz
vertauscht die generelle Bezeichnung aedes (daher sicher aedäiSy vgl.
oben A. 52) mit aedificium. Unklar ist das aedifidum sobmi est
der Argeerurkunde. — Das von Varro a. 0. irrig für ein Fremdwort
gehaltene domus bezeichnet nach bekanntem Sprachgebrauch das Hans
als 'Behausung' der familia, im Gegensatz zu allem was foris oder in
pubUco ist. Ueber die viüa publica Th. II: die alte Etymologie von villa
quo fructus convehebantur (Varro 5, 30) ist eben so falsch wie die
parallele forum quo ferebant. Der Zusammenhang mit vißus ist wohl
sicher.
34*
532 THEIL I.
^Yersammlungshaus^ Aufnahme gefunden — in letzterer trat
allmählich an seine Stelle atrmm, die Bezeichnung des ge-
meinsamen Raumes der Hausgenossen — , dieses in der den
meisten anderen Zweigen der Völkerfamilie ebenfalls geläu-
figen yerengten Bedeutung * Wohngemeinschaft', 'Dorf% im
Gegensatz zu der loseren Verbindung, welche die zerstreut
liegenden Gehöfte des Gaus (pagus) mit einander haben. —
Das Dorf, vielleicht vor der Periode der Städtegründungen in
Mittelitalien die höchste Entwickelungsform staatlichen Lebens
innerhalb des Stammes und der Stammgemeinde {populus),
stellt sich äusserlich dar als Gruppe von Gehöften, welche
zu beiden Seiten einer oder mehrer sich treffender Haupt-
strassen gelagert das Bild einer einheitlichen Wohnung
geben *°). — Wir haben gesehen, dass die Strassen Roms
von der Aehnlichkeit des Dorfs ihren Namen haben und dass
derselbe seit der regelrechten Sorge für das Strassenwesen
zur amtlichen Alleinherrschaft gelangt ist Es mag sein
dass, wie man neuerdings für Pompeji es hat nachweisen
wollen, die Aehnlichkeit des Dorfes in ältester Zeit noch
weiter ging: dass das Haus in der Stadt Rom mit Garten
und Vorhof von bestimmter Grösse versehen, dem Bauern-
gehöfte des Dorfes ähnlich sah, und dass diese Beschaffenheit
bei fortschreitender Kultur dazu geführt hat, dass eine Zeit
lang wenigstens ein Umgang von geringer Breite (ambitus) jedes
Haus umgeben musste. Da indessen dieser Zustand schon
zur Zeit der Zwölftafeln der heiTschende war, so müsste die
Wandelung in die früheste Zeit hinaufgerückt werden und
^) Ueber curia oben S. § 2 A. 66^ über vicus Captins Et.« 162.
Es scheint sowohl das Germanische wie das Keltische mit dem Latei-
nischen, das Griechische mit dem Altindischen zu gehen. — Der sehr
sachkundige Artikel des Festus 371 unterscheidet 1, die Dorfgemeindefl,
die uns hier nicht naher angehen, 2, cum id genus aedificiorwn defi-
nüur quüie continentia his (vielmehr m) opptdis; quae üineribus regio-
nibusque disiributa inter se distant nominibusque dissimiUbus discrimmt
causa sunt dispartüai vgl. Varro 5, 145. Die dritte Gattung wird untea
erörtert werden. Forma S. 29 § 11, oben A. 56.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 533
wir haben vom topographischen Standpunkt aus auf weiteres
Muthmaassen zu verzichten. Wann auch diese Scheidung
aufgegeben und zuerst Haus an Haus gelehnt und mit ge-
meinsamen Zwischenwanden gebaut wurde, ist ebenfalls un-
bekannt. — Schon in den Dörfern mag die Deckung der
Häuser mit Holzschindeln, der Bau der Wände aus Fachwerk
und Luftziegeln die herrschende gewesen sein: jene hat sich
in Rom bis zum pyrrhischen Kriege, dieser — nur dass
seit dem Aufkommen des Mörtels daneben auch massiv aus
kleinen Tufsteinen gemauert wurde — bis in das 7. Jahr-
hundert erhalten").
Wir haben gesehen (S. 191fr.), dass jede lokale Spur
einer nach Geschlechterstämmen oder Tribus erfolgten Auf-
theilung des städtischen Areals, wenn eine solche stattge-
funden hat, erloschen ist. Was wir als älteste Gliederung
der Stadt innerhalb der vier Viertel erkennen, ist die Wohn-
gemeinschaft in t7ict, unter denen eine Reihe von Gewerb-
treibenden ihre Namen haben. Von den vom Thor nach
dem Markt fuhrenden Fahrstrassen (viae) führten Nebenwege
{semitae), auch ehe sich Haus an Haus geschlossen hatte, ab
wie im Dorfe. Der städtische vicns umfasst eine Haupt-
strasse und Seitengassen, wie in spätester (s. unten) so in
ältester Zeit: der Name der Hauptstrasse umfasst in weiterer
Bedeutung die namenlosen Seitengassen. Diese Seitenwege
'^) la die Detailuntersncbuiig über den Hansbaa, welcbe durch
Nissen neu angeregt ist, kann und braucht hier nicht eingegangen zu
werden. Zwolftafeln : ambitus 7, 1 portus 2, 3. — Üeber Pompeji Fio-
relli Gli scavi di Pompei del 1S61 al 1872, Appendice. Neapel 1873. —
Der Notiz über die Schindelbedachung bei Plinius 16,36 (ans Nepos)
widerstreitet freilich das vermeintliche Zeugoiss über die Staatsziege-
leien nach dem gallischen Brande: dass dies indessen keins ist, habe
ich oben A. 5 gezeigt. Dem atrium privatum steht das publicum gegenüber,
ein Versammlungsort für Körperschaften z. B. sutoriumy auetionarium,
oder Beamte {atrium Libertatis) und wie andere öffentliche Gebäude
oft nach den Erbauern benannt: so die atria Lidnia^ wohl auch die
von Cato gekauften Maenium und Titium^ keinesfalls Wohnhäuser.
534 THEIL I.
mögen sowohl von Strasse zu Strasse bald gerade bald ge-
wunden hindurch gefuhrt , bald als Sackgassen oder ' enge
Buchten' {angiportus) sich geschlossen haben. Die Strassen-
kreuzung zweier oder mehrer sich schneidender oder zusam-
mentreffender Strassen {compitunij bivium, trivium, quadrivium)
giebt den natürlichen Sammelpunkt und Mittelpunkt für
die 'Nachbarn' {vicini, differenzirt von den Dorfge-
nossen vicani), die hier wie im Dorfe die pfadbeschötz en-
den Laren verehren und, seit es Brunnen giebt, Wasser
schöpfen kommen. Tritt die Braut in das Haus des Mannes,
so steuert sie einen As dem Manne, den zweiten dem Haus-
laren, den dritten den Laren des vicus. — Die jüngeren
Annalisten lassen den Servius Tullius jede Region in eine
Anzahl vici zertheilen : dies kann jedesfalls nur als ein Ruck-
schluss aus der republikanischen Zeit gelten (A. 57); im Staats-
organismus bilden sie kein selbständiges Glied. Wir wissen
Nichts über ihre Entstehung und ihr frühestes Leben. Wo
sie zuerst greifbar auftauchen, im siebenten Jahrhundert,
hören wir iwir von jener sacralen Gemeinschaft: ihre
magistri sind Cultusbeamten. Aber sie sind als räumliche
Bezirke da und dienen den Staatsbeamten für einzelne polizei-
liche Zwecke als kleinste Einheiten des städtischen Organis-
mus. — Ist es erlaubt, diese festere Gliederung und schär-
fere räumliche Abgrenzung als eine nothwendige Folge des
engeren Zusammenschliessens der Gassen und Häuser anzu-
sehen und in den je 6 Argeern jeder Region die Vorstufe
dieser vervielfältigten Gliederung zu erkennen ^^)?
^3) Es versteht sich, dass auch der Gebraach all' dieser Ausdrücke
stark schillert: wahrend (nm nnr Einiges anzudeuten) in der Chronik
z. J. 458 (A. 49) und im Municipalgesetz die semüae zur Seite der
viae die Fusssteige sind, sind die angustissimae semüae neben den
7ion optimae viae Roms (oben A. 4) die Seitengassen der Haupt Strassen,
ebenfalls (wahrscheinlich) in der Bauteninschrift von Alatri CIL1, 1166
{semitas in oppido omnis) und bildlich in alten sprtichwortlichen Re-
densarten (Ennius Trag. 272 R. : qui sibi semitam non sapiunt alteri
monstrant viam, Fronto S. 213 Na.: neque viae, quod volgo aiunt, tieque
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 535
Zwischen der Zeit, in welcher die Häuser bereits, in
zusammenhangenden vki, aber noch der Regel nach getrennt
von einander dnrch den Umgang, sich aneinanderreihten
und der Zeit m welcher die Sprengung des Pomerium und
die Auflösung der servianischen Stadt eine Nothwendiglceit
geworden war, liegen Jahrhunderte. Damals lehnten die
Häuser aneinander mit gemeinsamen Zwischenwänden, thurm-
ten sie sich in mehren Stockwerken auf, drängte sich in
denselben bereits eine bunte Bevölkerung von Inquilinen
aller Art in vermietheten Nebenräumen. Natürlich gilt dies
haupti^chlich von der Stadt in der Ebene und in den Thälern:
ganze Hügel, wie das Palatium und die Carinen ha:tten noch
semitae: vgl. Plant. Gare. 2, 3, 8). Daher neben den lares compitales
vi€des die semitales (^rarrnoci Diss. arch. 1, 51) oder semüales dei (Ver^.
Catai. 8, 21). — ^ngiporius heisst bei Plautus Seitengasse^ ivie semita
(Most. 1045. Psend. 960. Pers. 443): ebenso bei Cornific, ad Herenn.
4, 51, 64, Cicero Milon. 24, 64 (neben xricus) , Varro 5, 145, in der
Inschrift von Cales Wilm. 2032 u. s. f. — Die Existenz von magistri
vici in Rom wie in Colonien (in Pompeji m. viel et eompiii CIL 1 S.
448) vor der angastiscben Regioneneintheilnnf^ steht jetzt fest (Bd. 2,
51 ff.). Von den gemeiosamen Interessen erfahren wir nur gelegentlich
Einiges. Die junge Frau: Non. 531 (nach Varro) tertium . . . compito
vicinati solere sacrare {resenare Hss., s. Kettner Varro d. gente p. R.
5. 24). W^asservertheilung : S. 461. — Ehreobezengnngen an Verdiente
Männer (Solla): CIL 1, 584; besonders aber die Feier Aer compäaliä,
der Larenfeste der städtischen viei. Daher bei Plinius 3, 66 compite
Lamm metonymisch die vici, eigentlich die Larencapelleji der vici, welche
offiziell, sowohl in den Dedicationen derselben wie in der Notitia
aediculae heissen (Bd. 2, 96). Die metonymische Bedeutung scheiiit provin-
ziell auch technisch gebraneht zn werden: (3 magisiri und 3 ministri
zu Verona) compitum refeeerunt, teetüm pcarietes allevarunt, valvas Urnen
de sua pecunia Laribus .dant (CIL 5, 1, 3257); (den paganis zu Be-
neveot) . . . compitum a solo pecunia sua fecerunt (Wilm. 1873).
Ebenso ist wohl das quadrivi(um) circumsaeptum der Koblenzer In-
schrift (JNeue Preuss. Z. 20. Juli 1871) zu verstehen. Die Definition
der compita Schol. Pers; 4, 28: hca in quadriviis quasi turres, ubi
sacrificia finita agri cultura fiebcmt geht auf die aus den Agrimen-
soren bekannten Kapellen (Feldm. 302 f. Jahn bei Mommsen Dial.
141). Ein solches Larencompitum ist das den Faii Fatae geweihte
tugurium von Doblino (oben A. 58).
536 THEIL I.
l
Raum genug für Bürgerhäuser im alten Stil, jetzt Palast
der Vornehmen und Reichen mit Vorhof und Garten oder
dessen modernen Ersatz, dem ' Wald ' (A. 64). Chronologisch
lassen sich diese Umbildungen bis auf Sulla nicht verfolgen.
Nur ein Ereigniss tritt in der langen Zeit bedeutungsYole
hervor: die Ueberweisung des ÄTentins an die Plebejer durch
den Staat Wir haben schon oben die Ansicht ausgesprochen,
dass die angebliche Geschichte dieser Ueberweisung irrig
annimmt, der Aventin sei bis dahin eine waldbedeckte men-
schenleere Höhe gewesen. Sie sieht ebenso irrig — und
darin gleicht sie der Geschichte des Wiederaufbaus der Stadt
nach dem gallischen Brande — das Entstehen mehrstöckiger
Miethshäuser als eine Folge der Besiedelung des Hügels an:
man erkennt grade hierin die Hand des Geschichtschreibers,
der die Zustände des 6. und 7. Jahrhunderts, von denen
gleich die Rede sein wird , vor Augen hat. Allein es darf
aus der unzweifelhaft richtig überlieferten Thatsache der
Errichtung eines Plebejerquartiers auf dem Aventin wohl
geschlossen werden, dass die Wohnungsnoth innerhalb des
Pomerium durch die wachsende Zahl der Plebejer fühlbar
wurde und dass denselben was von dem Staatslande auf
jenem Hügel noch frei war, als Eigenthum angewiesen wurde ^^).
Dass der Aventin im 6. Jahrhundert eine volkreiche aber
noch isolirte Stadt für sich bildete, lehrt der oben erörterte
Bau der Strassen an und auf diesem Hügel; dass er niemals
den Charakter der Plebejerstadt verloren hat, bezeugt die
unten erhärtete Thatsache, dass die 13. Region von allen
die geringste Zahl * vornehmer Häuser' besass.
Doch eine genauere Kenntniss der Zustände der Häuser
und Strassen besitzen wir erst seit der Zeit des Sulla. In
der Hauptstadt, wie in jenen Abbildern derselben, den Coio-
^) S. oben S. 280. Dionys 10, 32 über den Hausbau: eial &*
o* avv6vo xal avvt^ug xaX hi nU^ovs awiovres oixiav xar^axtva-
Covto fitav, hiqtov fikv t« xatay^ia Xayxf^v6vJ(»3V , kiäqwv Ji ta
§ 8] DER INNERE AUSBAU. 537
nien tritt uns der Gegensatz zwischen Besitzenden und Pro-
letariat, zwischen Palazzo oder Hotel und Miethswohnung
plötzlich in aller Schärfe entgegen. Wie das alte eigene
Haus zu enge wird, ein Nachbarhaus dazu gekauft und bau*
lieh mit demselben rerbunden wird; wie so der Parvenü
aus der 'Baracke einen Tempel' macht; wie bei der steigen-
den gewerblichen Bevölkerung es nothwendig wird und durch
Einträglichkeit lockt, die Zahl der Läden, vermiethbaren
Schlaf- und Wohnräume zu vermehren: das Alles hat be-
sonders die in den letzten zehn Jahren entstandene Bauge-
schichte Pompejis gelehrt ^^). Indessen für uns handelt es
sich noch um einen weiteren Schritt: wir wissen, dass viele
angesehene Leute in Rom ihr Geld in ländlichem und städ-
tischem Grundbesitz angelegt hatten: der Ertrag des Ackers
oder Gartens und des Miethshauses bezeichnet das Vermögen
der Wohlhabenden. Das Miethshaus heisst 'Insel'. Wie
und wann ist der Name aufgekommen®^)?
Das Wort ist in dieser Bedeutung nicht nachweisbar vor
Cicero: es wäre ein eigenthumlicher Zufall, wenn es in der
M) Trimalchio bei Petronius — der nach Mommsens eiDleuchten-
der Beweisfähraog Hermes 13, 106 ff. Camae schildert — Sat. 77:
Interim aedifieavi hanc donium\ ut scitis casa erat, nunc templum
est: habet quattuor cenatumes q. s. w. Die Anfäng^e des städtisehea
Luxusbaas geisseit schon Cato in den Reden: dicere possuni qmbus
villae atqtie aedes aedipcatae atque expolitae maximo opere citro
atque ebore atqtie pavimentü Poenicis Stent (Fr. S. 55), . . . qui
stulte spondet, qui eupide aedificai (S. 44). — Fiorelli's und Nissen's
Untersuchungen über Pompeji haben die Lösung der hier nur be-
rührten Fragen überhaupt erst ermöglicht. Ueber die eleganten Häuser
des 7. Jahrhunderts s. Th. II (Palatin n. s. w.): charakteristisch für
die Wohnungsverhältnisse aach der bessern Stände in Rom sind die
Geschichten bei Cornific. ad Her. 4, 51 {se aedis maximas euidam amico
ad nuptias commodasse) und Cicero (ad Quint. 2, 3, 7) und die Beschrei-
bung der alten domus TamphiUana mit ihrer süva bei Nepos Att. 13,
If. vgl. Cic. Verr. 1, 19, 51.
^) Worin ich von den bisherigen Behandlungen der Frage (zu-
letzt ausführlich Preller Reg. 86 ff.) abweiche, wird man leicht finden.
538 THEIL I.
Komödie , welche Gelegenheit genug gab , es zu gebrauchen,
eben nur zufallig nicht vorkäme. Wäre es, wie die Gelehr-
ten der Zeit Ciceros oder doch des Augustus angenommen
zu haben scheinen, von dem ältesten mit 'Umgang' ver-
sehenen isolirten Hause gebraucht worden, so wäre es sicher-
lich in den Zwölftafeln vorgekommen und dann von den
Juristen glossirt und definirt worden. Dies ist nicht der
Fall. Auch lag in einer Zeit, in welcher jedes Haus tfaat-
sächlich eine * Insel' war, keine Veranlassung vor den bild-
lichen Ausdruck zu gebrauchen. Ich glaube daher annehmen
zu können, dass der Ausdruck nicht lange vor Cicero auf-
gekommen ist. Der Sprachgebrauch Ciceros lässt keinen
Zweifel darüber, dass es nicht einzelne vermiethbare Räume
von Häusern, sondern vermiethbare Häuser, welche auch
Läden enthalten, bedeutet**). Aber der Sprachgebrauch ist
augenscheinlich noch schwankend, insofern als Cicero für
dieselbe Sache auch vicus gebraucht, und gleichzeitig Vitruv
mit insula das Häuserviertel bezeichnet. Ebenso klar stellt
ein gleichzeitiges oder wenig späteres Dichterwort das 'an-
ständige Haus' und die Insel einander gegenüber und ein
gleichzeitiger Jurist definirt uns die Insel als ein Gebäude
das ein Unternehmer miethet, um einzelne Wohnräume
^^) Cicero OfRc, 3. 16 f. erörtert das dolose Schweigen des
Haasverkäofers. In dieser AnseinandersetzuDg wird insula nnd aedes
in gleicher Bedeutung gebraucht: qui aedes in Caelio monte häbebat . . 'pro-
scripsit insulam u. s. w. Ebenso die insula P. Clodü p. Cael. 7, 17
und Inseln waren offenbar die domus, die Milo in jedem vicus und
angiportus gemiethet haben sollte (p. Mil. 24, 64). — Von dem Er-
trag seiner insnlae spricht er ad Att. 16, 1, 5 vgl. 12, 32, 2 und
die tabemae die ihm baufällig wurden (14, 9, 1) sind eben Theile
derselben (irrig Drumann 6, 385). Vermögen und Freundschaft sollen
Fin. 2, 26, 83 entgegengesetzt werden: jenes heisst fundi et insulae
(vgl. A. 68). Hiernach kann die Definition bei Festus Ausz. S. 111:
insulae proprie dieuntur quae non iung-untur parietibus cum. vidnis
circuituque publica aut privato cingttntur nur als eine missglückte Ab-
leitung des Sprachgebrauchs aus dem weit älteren Zustande der
fläuser betrachtet werden.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 539
{cenacula) weiter zu Termiethen*^). Eine glückliche Ent-
deckuDg lehrt uns in Pompeji eine solche Insel kennen: es
ist die sogenannte Casa di Pansa. Durch Zukauf und Neu-
bau ist diese Insel aus zwei älteren Wohnhäusern entstanden
und enthält ausser der so entstandenen Hauptwohnung (hier
domusT) Läden und Zimmer für 'anständige Herren'. Die
Insel ist verpachtet, und der Pächter vermiethet die einzel-
nen Theile weiter. Niedrigerer Gattung ist die Insel,
die uns Petronius schildert: es ist im Wesentlichen ein
Gasthaus mit Dependenzen, welches seinen Verwalter {pi'ocu-
rator) hat: in den Rechtsbüchern wird ein solcher zu Rom
insularim genannt**).
^^) Natürlich ist auch hier der Sprachgebrauch schillernd: aher genaa
was sonst (A. 66) fundi et insulae ist bei Cicero ad Att. 1, 4, 3 supero
Crassnm divitiü atque omnium vicos et prata contemno, und was
sonst bei ihm vendere insulam, ist Farn. 14, 1, 5 scribis ie vicuia
vendüuram. Von Caelius heisst es ad Att. 7 , 3 , 6 : sed quid est
quod ei vici Luccei {lucceU der Med.) sunt addtcti, weiter nescio cur,
cum portam Fbimentanam Caelius oecuparit^ ego Puteolos non meos Ja-
dam; also die Inseln des Luccejus vor dem Plussthor hatte Caelius
irgendwie an sich gebracht (wie Boot richtig erklärt). — Zweifeln kann
man ob ad Att. 4, 3, 4 assequitur hominetn inter vicos Milo (denn so,
nicht inter lucos, ist nothwendig zu lesen : § 7 A. 16) hierher gehört.
— Dies ist also die dritte Klasse der vici bei Festus (oben A. 60):
tertio cum, id genus aedifidormn definüur, quae in oppido privi in
suo quisque loco proprio ita aedificas, ut in eo aedificio pervium. sä,
quo habitatores ad stuzm quisque habitationem habeat accessum.; qui
non dicuntur vieani sicut hi qui aut in oppidi vicis out hi qui in agris
sunt vieani appeUantur. Catal. Verg. 8, 6: et hoc negat Tryphonis
aemuli domum negare noÖilem insulamve CaeruU, — Alfenus (Schüler
des Snipicius) nach der Epitome des Paulus Digg. 19, 2, 30: es miethet
Jemand eine insida und vermiethet die cenacula: der dominus insulae
lässt die aedifida wegen Baufalligkeit abreissen. Wie wird die Ent-
schädigung für den conductor normirt? — Dagegen meint Vitruv 1, 6, 8.
2^ 9, 16 augenscheinlich die von Strassen gebildeten Viertel und ebenso
der Vf. der Pariser Glossen (oben A. 49^): vici sunt publieae con-
structiones mansionum (die Häuser), insulae qui inter vicos sunt hortL
^) Gemalte Inschrift CIL 4, 138 (nicht mehr vorhanden: insnla
Arriana Polliana Cn, AUeii (überliefert Gn, Alifii) Nigidii Mai: |
!
In unserer Ueberlleferung fehlt uns offenbar ein wich-
tiges Zeugniss über die Inseln. Es scheint mir ausser Frage,
dass der zu Ciceros Zeit noch schwankende Sprachgebrauch
seine Fixirung gradeso wie in älterer Zeit der Sprachgebraudi
Ton vicus (oben) einer gesetzlichen ßestimmung verdankt,
und diese muss vor dem neronischen Brande gegeben sein.
Ein negatives Zeugniss sehe ich zunächst darin, dass in dem
Municipalgesetz von den Eig^nthümern der Häuser und ihren
procuratares, also den insularii (oben), die Rede ist, von den
Inseln nicht, die doch schon vorhanden waren. Es werden
aber ferner Verordnungen des Severus und Caracalla über
die Inseln erwähnt. Um dieselbe Zeit hören wir von Wei-
sungen, welche an die Polizeibehörden ergingen, des Inhalts,
dass den Verwaltern oder Vicewirthen der Häuser, Sklaven
oder Freigelassenen, durch drastische Mittel ihre Verant-
wortlichkeit für Feuersgefahr einzuschärfen sei. Zum Ueber-
fluss beweist ein drittes gleichzeitiges Zeugniss, dass noch
immer 'Insel' kein Theil eines Hauses, sondern ein Haus ist.
Der Inhalt der Verordnungen des Severus und Caracalla über
die Inseln ist unbekannt. Aber unmöglich ist die Annahme,
dass sie den Begriff der Insel neu geschaffen, nothwendig
— nach Allem was wir über ihre Wiederherstellungen städ-
tischer Bauten und über den Stadtplan wissen — die An-
nahme, dass auch diese Verordnungen nur regulirt oder
wiederhergestellt haben, was längst Rechtens war. Daraus
locantur ex k, (i. überl.) luUü* primü tabernae | cum perffulis suis
et cenacula (coen, überl.) | equestria et domus; conductor \ convenäo
primum Cn, Aüeii (wie oben) | Nigidii Mai ser(vum). Die cenaeula
equestria bat mau mit Unrecbt angezweifelt: Preller Reg. S. 92 er-
klärt sie riebtig. Aiieb kann insula nicbt als Ablativ erklärt werden
und in zn ergänzen (s. Zangem. S. 193) ist überflüssig, wenn man rich-
tig interpanktirt. — Die Identificirang der inmla mit dem Hause des
yPansa', auf dessen Pfeiler die Spuren der Inschrift noch vorhanden zn
sein scheinen, rührt von Fiorelli her Descr. dl Pompei S. 105. — Die
instda bei Petronins c. 95, wie es seheint hospüium; der procurator
insulae Bargates (96) ist also nach römischen Begriffen der insulariusj
die insuUirü (95) sind hier die Bewohner oder Bedienten.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 541
folgt, dass schon vor Nero polizeiliche Verordnungen ergan-
gen sind, welche die von den Eigenthumern bewohnten und
die von Vicewirthen verwalteten Häuser streng schieden und
die Verantwortlichkeit der Vicewirthe und der Eigenthümer
der Inseln regulirte. Wem anders könnte eine solche Mass-
regel in der gedachten Zeit zugeschrieben werden als Au-
gustus? In der That die Einrichtung der 14 Polizeibezirke
und der 14 Wäcbtercohorten ist ohne sie nicht wohl denk-
bar. Nach wie vor aber bleiben * Inseln' was sie von An-
fang waren, Häuser, wenn auch ihre räumlichen Verhältnisse
im Laufe der Jahrhunderte sich wesentlich verändert haben
mögen. Dies lehrt ein ßlick auf die Statistik des constan-
tinischen Handbuchs ^^).
Da es an jedem sicheren Massstab für die Be-
stimmung der Durchschnittsgrösse eines Hauses oder
einer Insel in der constantinischen Zeit fehlt, so kann
nur versuchsweise zunächst der Maassstab von Pompeji
angelegt werden ^°). In dieser Stadt scheint nach neue-
^^) Aoicius Paulioas, Präf. 334, cuius Providentia adque utilitas
et integrüas rei publicae corporis corariorum insulas ad pristinum
statum suum secundum leges principum priorum, impieratorum) Fol.
(lies L.) Septimi Severi et M. Aur{dii) Antonini Au^g.^ restaurari
adque adornari pervigilantia sua providit . . (CIL 6, 1, 1682). Re-
script des Sevems und Garacalla an den praef. vig. bei Ulpian Dig^.
1, 15, 4: insularios et eos qui ignem neglegenter apud se hahuerint
potes fustibus vel flageUis eaeaere iübere u. s. w. — Papinian Digg.
32, 9], 6 (es ist von Legaten die Rede; in wiefern z. B. unter domus
auch der hortus mitbegriffen sein könne): appellatione domus insukan
quoque iniunctam domus videri, si uno pretio cum domu fuisset com-
parata et utriusque pensiones simiUter accepto latas rationibus osten-
deretur. — Alle Stellen anzuführen in denen insulae genannt werden,
ist nutzlos: alle mir bekannten — mehrfach ist bei Tacitus und Seneca
von ihnen die Rede — sind mit der Bedeutung Haus vereinbar.
^^) Man wolle für das Folgende bedenken, dass es an alF und jeder
genauen Aufmessung fehlt und dass die alten Grenzen der Regionen und
der Stadt sehr unsicher sind, fis konnte nnr mit Hilfe des Censusplans
eine Schätzung unternommen werden : indessen handelt es sich auch nur
um die Möglichkeit und Unmöglichkeit der einen oder der andern An-
542 THEIL L
ren Angaben die durchschnittliche Grösse der Grand-
fläche eines Hauses (ohne Rücksicht auf die Bauart, die
Benutzungsart u. s. w.) 346 IHM. zu betragen. Das ein-
zige vollständig erhaltene römische Privathaus, das Haus auf
dem Palatin hat einen Flächeninhalt von etwa 800 DM.:
es rührt sicher noch aus dem 1. Jahrhundert her^^). Legt
man den Maassstab von Pompeji an die 90 domus und 280
insulae der 10 Region in Rom und betrachtet sie wie nöthig
als 370 Häuser, so wurden diese eine horizontale Fläche
von 130,000 DM. bedecken; für die Region wird man nicht
zu knapp den Flächenraum von 200,000 DM. ansetzen: es
blieben also für Strassen und öffentliche Bauten 70,000 DM.
übrig. Dies ist zu wenig: denn man wird die Strassen mit
durchschnittlich y,o in Anrechnung bringen dürfen, von den
ausgedehnten Palastanlagen aber bedecken der Palast des
Domitian und der des *Caligula' allein 30,000 DM. Es
ist also die DurchschnittsziiTer 360 zu hoch, wieder aber
nicht um so viel zu hoch, dass wir genöthigt wären insula
für einen einzelnen vermiethbaren Raum eines Hauses zu
nähme nnd über diese scheint auch so entschieden werden za können. —
Von der Vergleichung; des Flächeninhalts mit den Zahlen der Notitia
wollte Rodbertus in der § 5 A. 16. 38 a. an vollendeten Abhandlung
ausgehen. Allein er hat einen Umfang von 50 Millien zu Grunde
gelegt, welcher, wie wir sahen, nie e^istirt hat; hat angenommen,
dass die Regionengrenze eine Art Bebauungsplan darstelle, während
wir doch wissen, dass die Regionenstadt [soweit reichte als continenti
luibitatttr, und hat endlich den Flächeninhalt der Häuser nach modernen
Analogien statt nach denen Pompeji's bestimmen wollen. Dass inner-
halb des Areals der Stadt, wie in der 5. Region, auch grössere
Gartenanlagen sich befanden, ist sicher: im Ganzen aber deckt sich
die Regionenstadt und die Häuserwelt.
") Fiorelli Gli scavi di Pompei, App. S. 12 f., nach dessen An-
sätzen man zu obigen Resultaten gelangt. — Haus in Rom: Forma.
T, XXXVI, 7». Die Häusergrundrisse des Stadtplans sind aus den
in der Ausgabe dargelegten Gründen für diese Fragen nicht zu ver-
werthen. Die Fr. 173 dargestellten, vielleicht domus, würden nach
dem Maassstab 1:300 einen Flächenraum jedes von nur 15 X ^]i^-
gehabt haben!
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 543
halten: vielmehr scheint dies gradezu anmöglich. — Zu
einem etwas anderen Resultat fuhrt die Schätzung des Flächen-
inhalts der constantinischen Stadt: wenn wir dieselbe mit
9 Millionen DM. eher zu hoch als zu niedrig schätzen und die
rund 1800 dmm und 46,000 inmlae der Stadt als 47,800
Häuser von der durchschnittlichen Grundfläche von 350 D M.
rechnen, so würden sie eine horizontale Fläche von nur
1,673,000 DM- bedecken und würde man V5 auf öffentliche
Bauten und Vio auf die Strassen von der Oberfläche der
Stadt abziehen, so blieben noch über 6 Millionen Areal, also
fast das 4fache des geforderten, für die Häuser. Allein es
ist zu bedenken , dass z. B. in der 9. Region auf einen 2
bis 3 mal so grossen Flächeninhalt, wie in der 10. die un-
gefähr gleiche Anzahl von Inseln, wie in dieser kommt und
wir wissen auch sonst, dass in den Regionen ausserhalb der
Altstadt das Yerhältniss zwischen öffentlichen Gebäuden und
Plätzen ein ganz anderes ist, wie innerhalb derselben. Ausser-
dem aber siud bei der ganzen Rechnung noch nicht die
horrea, balnea, pistrina gerechnet worden, welche einen
erheblichen Theil zu den öffentlichen Bauten hinzubringen.
Das Resultat der ungefähren Schätzung ist also ein derartiges,
dass wir mit Sicherheit sagen können, dass das Areal der
Stadt mehr als genügt für die Zahl von etwa 48,000 Häusern
von dem Durchschnittsmaass der pompejanischen, dass also
die Annahme, die Insehi .seien Häuser durchaus gerechtfer-
tigt, eine andere unmöglich erscheint. Doch wir haben noch
andere Mittel der Kontrolle.
Wir ersehen, dass bei einer möglichst gleichen Grösse
der Polizeibezirke — die Schwankung beschränkt sich wie
früher gezeigt wurde auf einzelne — das Yerhältniss der
domm und inmlae in jeder sehr verschieden ist. Kommt
durchschnittUch ein 'Haus^ auf 33,3 Inseln, eine Zahl, welche
fast genau wiederkehrt in der oben erörterten statistischen
Angabe über die Zerstörungen des neronischen Brandes
(sie ist dort 30; es wäre begreif heb, wenn die domm bis
auf Cpnstantin abgenommen hätten, allein die Angabe lässt
544 THEIL I.
diesen Schluss nicht zu), so schwankt die Zahl in 10 Regio-
nen nur zwischen 19 (9te) und 31 (4te), aber in der 3tcn
kommt auf 47, in der 14ten auf 50, in der 13ten gar auf
72 'Inseln' nur ein 'Haus', d. h. es haben in diesen Re-
gionen viel weniger angesehene oder wohlhabende Leute ge-
wohnt als in den übrigen, die meisten in der 9ten. Für
die 13. Region mit ihren horrea, der eigentlichen Handels-
gegend, für die spät entwickelte und so zu sagen nie kur-
fähig gewordene 14. Region bedarf dies keiner Erklärung:
bei der 3. ist das auffallende Verhältniss wohl daraus zu er-
klären, dass die grossen Rauten — das goldene Haus, dann
das flavische Amphitheater und die Porticus der Livia —
den besten Platz einnahmen und die Vornehmen sich fort-
gezogen hatten, in ähnlicher Weise wie vom Palatin, dem
eleganten Viertel der ciceronischen Zeit: wer irgend konnte
hat also später im Westende, der 9. Region, sich seinen Pa-
lazzo errichtet, in der Nähe der reich bewässerten Prunk-
bauten, in der Nähe des Monte Pincio und seiner Park-
anlagen.
Endlich — und damit kehren wir von den Häusern
zu den vici zurück — lesen wir auf dem kapitoli-
nischen Plan Namen derselben in mittelbreite Strassen,
von denen links und rechts Quergassen abgehen, eingetragen.
Die Zahlen des constantinischen Handbuchs beweisen, dass
diese Namen nicht diese Strassen, sondern die Strassen mit
Seitengassen bezeichnen, oder wenn man will, dass die na-
menlosen Seitengassen amtlich zu den Hauptstrassen gerech-
net und nach ihnen benannt wurden. Denn wenn auf den
vicm durchschnittlich 7 Häuser und 227 Tnseln kommen
und man für die Front der Insel auch nur die gewiss nicht
grosse Durchschnittslänge von 10 M. zuerkennt, so kommt
man damit auf eine Durchschnittslänge der Strasse von über
1000 M., d. h. eine Länge, welche fast in sämmtlichen,
sicher in den meisten Regionen die grösstmöglichen Entfer-
nungen zwischen je zwei Grenzpunkten erheblich überschrei-
ten würde: die Annahme ist also gradezu unmöglich und es
§ 8.] DER mNBRE AUSBAU. 545
4
zeigt sich klar, dass wie in ältester so in jüngster Zeit der
Name die Hauptstrasse mit einem lyestimmten Bezirk von
Quergassen, also die Hauptstrasse und das Viertel bezeichnet
bai. Hierin stellt sich uns im Wesentlichen die oben her-
rührte Ordnung des Augustus dar, diese aber hat wiederum'
nur konsequent durchgeführt und mit den Polizeihezirken
ausgeglichen, was längst geschichtlich geworden war: eine
Gliederung der Stadt in kleinste Bezirke. — Die topographische
Abgrenzung der vtet ist uns natürlich unbekannt: doch wissen
wir soviel , dass die älteren campita , die Schnittpunkte der
Hauptstrassen, mit den Larenaltären und den Brunnen, zur
Abgrenzung in der Weise gedient haben, dass fortan jeder
vicMs sein compitum, also eine Hauptkreuzung, als Mittelpunkt
und an diesem Orte seine Kapelle hatte, jeder neu ent-
stehende eine solche erhielt und so konnten schon früh
beide Ausdrücke im Sinne von Viertel mit einander ver-*
tauscht werden. Die Kaiserlaren traten nun an die Stelle
der demokratischen Volkslaren und bildeten fortan mit' dem
Genius des regierenden Kaisers vereint das Wappen des
Kaiserhauses, dem in der Residenzstadt prunkvoll auftretende'
Viertelsmeister durch religiöse Handlungen Achtung zu ver-
schaffen hatten ^^).
'>) Das Wappenwesen ist in Rom wesentlich auf die GesciLleckter
oder Familien beschränkt geblieben (s. A. 76): weder für die Betonen
nod viel sind Wappen oder wappenartige Abzeichen bekannt, wie sie
im Mittelalter seit dem 13. Jahrhundert für jene üblich Wurden (denn
unrichtig deutet Dirksen Schriften 1, 222 Lokalnainen wie dd mala
punica, ad pirum als Wappen: s. Arch. Z. 1871 S. 71)) noch für die
Stadt Rom. Das Sehiff auf den ältesten Kupfermünzen hat sich we-
nigstens, wenn es überhaupt als Wappen gelten darf (vgl. Mommsen
Mnnzw. S. 184)« nur kurze Zeit als solches gehalten und das Bild der
Wölfin mit den Zwillingen ist einerseits überhaupt wie die Sage selbst
verhUltnissmSssig jungen Ursprungs andererseits hat es nur als mi-
litärisches Abzeichen officielle Geltung erhalten und ist Als solches
theils auf die Münzen theils auf die Grabdenkmäler - übergegangen
(Baehofea Ann. 1867, 183 ff.). Auch die kaiserlichen Afezeiehen, der
Triumphatorenkranz, später die Strahlenkrone {Mommsen Stäatsr. 1','
Jordan, rOzaiBche Topographie. I. 1. 35
546 TBEIL l
i
Die centxalisirte Verwaltung der kaiserlichen Residenz '
mit ihrem gewaltigen Beamtenheer hat in dieser topographi-
schen GUederung ihre nothwendige Grundlage erhsdten, der
Verkehr und das Auffinden der Orte und der Menschen eine
dem Wachsen der Stadt angemessene Erleichterung. Ob die
Behörden durch Maueranschläge oder sonstige Merkzeichen
noch weiter nachhalfen, wissen wir nicht: es ist aber kaum
glaublich; sicher ist man nie zur Numerirung der Häuser,
ja nicht einmal zur Benennung aller Seitengassen der tnct
vorgeschritten^^). Für den Dienst der Behörden war der
Stadtplan bestimmt: aber seit dem 3. Jahrhundert mögen,
wie ein grosses Abbild desselben öffentlich aufgestellt wurde,
so für die Fremden kleinere Pläne und 'Fuhrer' bearbeitet
worden sein. Nichts anderes ist im Wesentlichen die Notitia
mit ihren Anhängen (Einl. § 2). Doch es entwickelte sich
neben der spät und stückweise eingeführten amtlichen eine
private Terminologie, welche das Zurechtfinden erleichterte.
Die Einförmigkeit der fensterlosen, ungeschmückten
Häuser- und Strassenfronten unterbrechen nur die öffent-
lichen und heiligen Gebäude und Plätze, die mit Brunnen
und Kapellen geschmückten Strassenkreuzungen. Dem
Suchenden weist man mühsam zählend die so und sovielste
Gasse, den so und sovielsten einer langen, die Läden bilden-
den Reihe von gleich aussehenden Pfeilern^*). Wenn um die
412 ff.), haben nie den festen and aUgemein gilti§^en Charakter des
Wappens angenommen. Dem gegenübier darf das Laren - GeniosbUd
wohl am ehesten als ein solches betrachtet werden , aber nur im
Kreise der Stadt.
^^) Höchst bedenklich scheint mir der angebliche Wegweiser in
palaUum auf einem Pfeiler der Kaiserpaläste (Biancfaini Pal. de' Cesari
S. 194). Ganz anderer Art sind die polizeilichen Weisungen (oben
§ 7 A. 67. 95), zu denen nach den neuesten Untersuchungen auch die be-
rühmte oskische Wandinschrift von Pompeji (Mommsen Dial. 185) za
zählen sein wird.
74) Für das Folgende verweise ich auf Ar eh. Zeitung 1871, 65 ff.
— Zureditweisungen bei Plautns : sextum a porta angiportum, s^imnas
a porta aedts, extra portam terUam tabernam (Pseud. 960. 567. 658);
§ 8.] DER nVBIERB AUSBAU. 547
Zeit der punischen Kriege und vereinzelt noch später dem
Sieger das Recht verliehen wird, Beutestucke an seiner Thur
zu befestigen, so erkennen wir auch hier wieder den Grund-
satz des alten Staatswesens, dass öffentlich nur der sich vor
den Mitbürgern auszeichnen darf, den sie selber durch Ehren
ausgezeichnet haben. So geschmückten Häusern legt die
Volkssprache charakteristische Benennungen bei. Das Schiffs«
scbnäbelhaus des Pompejus giebt ein Beispiel, ein anderes
vielleicht der Strassenname caput Africae: denn leicht geht
von dem hervorragenden Hause der Name auf den vicus
über^*^). Wir ersehen aber zugleich aus jenem Vorrecht
was fireilich auch ohne Zeugniss angenommen werden muss,
dass aller Schmuck auf den Aussenseiten der Häuser der
polizeilidien Kontrolle unterliegt. — Die alten Geschlechter
führen ihre Wappen: wir wissen nicht, ob sie sie sichtbar
an der Äussenseite der Häuser wie im Innern und öffentlich
auf den Münzen angebracht haben ^^). Diejenige Gattung
bei Catall 37, 2: norm a jpüeatis fratribus pila; beiAsconias znrScanr,
45 (S. 23 Seh. u. K.): demonstrasse vobü metmnt me hänc domum in
ea parte Palatii esse, quae, cum ab saera via descenderis ei per prosctr
tnum vicum qui est a sinUtra parte prodieris, posita est. Vgl, Gorni'-
fic. adHerenn. 4, 51, 64: eos simüittidine loci decepios an^porto deer^
rasse,
^^) Die TrinmphatoreB stellten in postibus die Spolien auf (Liv. 3S,
43, vgl. 23, 23) und Cato eifert ne spoUa figereiüur nisi de hoste
capta (m. Frgm. S. XCIY f.). Die domus rostrata des Pompejus : . Ca«-
pitolin. Gord. 3. Cic. Phil. 2, 28, 68 vgl. Arch. Z. S. 69. — Bei Pli-.
nins 35, 7 liest Gronov meines Erachtens richtig: aUae foris et circa
limina domitarum gentium imagines erant adfixis hostium spoliis
quae nee emptort refigere Uceret triumphabantque etiam dominis mutatis
domus, die Hss. haben animorymingsntium (die Leidener für animorumi
aminorum, der Ghiffletianns min<mim)y was mir sinnlos erscheint.
Die Provinzendarstellangen sind bekannt: das caput Africae kann füg-
lich ein solcher Provinzenkopf an einem Triomphatorenhause auf dem
Caelius gewesen sein (A. 55). — In dieselbe Reihe gehört die Ehre,
welche dem Augustus erwiesen wurde: laureis postes aedium mearum
v[incti sunt publice coronaq]ue c[i\vica super ianuam meam fixa [e]*[f]
Resg. 6, 13 mit Mommsens Gomm. S. 102 f.
^*) Ueber die Familienwappen s. Momrasen R. F. 1, 13 f.
35*
548 THBIL l.
voa Hauszeichen, wekhe uns bekannt ist, gehört lediglich
dem Kreise der Gejschäftswelt an: der Kaufmann, der Fabri-
kant, der Schlächter, der Badehauspächter will durch ein
Abzeichen das Publikum anziehen oder orientiren: bald lasst
er die Waare eelbst abbilden, bald eiii Symbol hergenommen
von einem benachbarten bekannten Kunstwerk, bald witzig,
bald ernsthaft. Nach dem Ladeüschilde brennt man nun
das Haus: wie die Bezeichnung der Strasse, so gehört der
Name des Ladens nun zur Firma, die ihn im Geschäfts-
verkehr vor den Berufsgenossen, auf seinem Grabstein vor
der Menge auszeichnet '^^).
Das Pomerium uraschlie;dst die Stadtgemetnde, jen-
seits in der Feldmark ruhen die Todten. Heimische Götter
walten diesseits und jenseits, soweit das Gebiet reicht,
fremde Götter halten erst spät ihren Einzug in die Stadt.
Auch den fremden Menschen ist der Eintritt oder gar die
Niederlassung ursprunglich, wenn überhaupt, nur unter Be-*
schränkungen gewährt worden. Die älteste Form mag die
des Gastreehts sein. Aber selbst die Gäste des römischen
Volks scheinen ursprünglich ausi^erhalb des Pomeriums in
^em Gemeindehof gewohnt zu haben: in historischer Zeit
werden sie auch innerhalb desselben untergebracht. Sie er-
scheinen auf dem Forum auf einer abgesonderten Buhne,
dem ^ Griechenstande \ Erst eine vorgerücktere Civilisation
gewährte dem Fremden überhaupt das Becht dauernder Nie-
derlassung: aber er muss sicbs gef^allen lassen ausgewiesen
zu werden^^. Von einer räumlichen Beschränkung in dieser
späteren Epoche wissen wir Nichts: die Tuskergasse ist die
einzige uns bekannte Strasse, welche einen Volksnamen
fuhrt und die zwangsweise vorgenommene Ansiedlung tus-
cischer Ankömmlinge eine auf falscher Deutung beruhende
") Die Beispiele s. in den A. 74 a. Aufsatz. Sehr merkwürdig ist das
dort publicirte Marmorrelief, die bekannte Graziengruppe ood daneben
eine bekleidete Alte sitzend mit der Unterschrift ad sorores IUI.
78) S. Mommsen R. F.'l, 346 flf. Staatsr. 2«, 131.
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 54g
Fabel. Aus der Ansiedlung der Juden in Trastevere im
7. Jahrhundert folgt nicht, dass man sie wie die fremden
Gotter ausserhalb des Pomerium zu wohnen gezwungen hat.
Zur Zeit des Cicero und des Horäz haben sie ihre Wohnun-
gen und Läden, später auch ihre Synagogen innerhalb der
Stadt '»).
Die ältesten Vorstädte Roms sind die Gräbervor-
fitädte^). Wie in der Stadt die Häuser und Gassen so dran*
gen sich vor der Stadt immer dichter die Grabstätten.
Die lieuesten Entdeckungen haben uns die Typen derselben
in fast vollständiger Reihe von der Köntgszeit an vorgeführt:
wir kennen jetzt die steinerne Lade unter und über der
Erde^ dais einfache republikanische Grabhaus mit Umgang,
die griediischen Kunstformen desselben, den wie es scheint
erst im 7. Jahrhundert aufgekommenen Rundbau und die
C^rabpyramide , endlich die Columbarien^^). ,Es scheint ent-^
schieden zu sein, dass die Zeit der Zwölftafeln wie für die
Häuser und Gassen, so für die Gräber schon bedeutende
Neubildungen der Civilisation aufzuweisen hat. Die Zwölf-
tafeln geben genaue Vorschriften für das Verbrennen : dass
die Einsenkung des Leichnams in die Erde, wie sie bei
einigen altpatricischen Familien Tradition geblieben ist, die
ursprünglich alleinige Form der Bestattung war, scheint
7») 8. Friedlander Darst. 3, 509 ff. Uater den durch Inschriften
heksLünieü Synagogpen führt nnr eine (CIG 6447) einen Ortsnamen: Si-
ßovQtjaüov. Die Forin Sibura für Subura ist auch sonst nachweisbar
(Bd. 2, 17).
^) Ueber das stadtrömische Begräbnisswesen s. Marqaardt Privat-
alterth. 1, 351 ff. Jedoch bedarf der Gegenstand nach den Entdeckungeq
seit dem J. 1871 eiaer darchgreifenden neuen Bearbeitung. Das CIL
wird hoffentlich dafür sorgen, dass uns die topographische Verwer-
thung der Fundstätten der Grabsohriften erleichtert wird. Uebrigens
vgl. Th. IL'
^1) Das Leichenfeld jenseits d«8 Walles ist fast ganz untersucht
worden. Ganz unbekannt waren bis dahin die beiden zuerst genannten
Gattungen: einstweilen vgl. man mein Resum^ aus Laneiani's Unter«
sachuDgen Jahresberichte 1875, 782. 1876, 182 ff.
550 THEIL L
sicher: ob das Verbrennen wesentlich auf griechischen Ein*
fluss zurückzuführen ist, ob nicht, ist zweifelhaft, ebenso
ob ursprünglich nur eine Nekropole existirte — auf dem
esquilinischen Felde — oder ob von Anfang an vor mehre-
ren Thoren gleichzeitig bestattet und verbrannt wurde ^^).
Wir erwarten von topographischen Untersuchungen weitere
Aufschlüsse darüber, ob der Bestattung auf eigenem Grund
und Boden eine Bestattung auf dem Gemeindefelde voraus-
gegangen ist. — Ebenso überblicken wir die ganze Stufen-^
folge des Ranges der Gräber: wir kennen das Grabmal das
der Staat in äusserst seltenen Fällen dem Höchstgeehrten
innerhalb des Pomeriums zugleich mit dem Hause an der
^heiligen Strasse' gewährt (oben A. 32), das Ehrenbegräbniss
auf Staatskosten und auf öffentlichem Grund und Boden vor
dem Thor (§ 3 A. 14), die Gräber aller Klassen von Bürgern auf
eigenem Grundstück sei es an der Heerstrasse sei es später
in den Villen- und Gartenanlagen, der namenlosen Plebejer
ältester und der Juden spätester Zeit^^). Topographische
^') Von den beiden A. 8] erwähn tea ältesten Kategorien der Gra-
ber hat die erste nur Behälter für Leichen, die zweite daneben auch
Cioerarien. Man hat diese Gräber für die pttäcuU quo proiciuntur ca-
davera und diese für die Grabstätten der Armen gehalten. Die oben § 3
A. 16 erwähnten Ausgrabungen bei S. Gaterina di Siena (vor der
alten porta Foräinalis) haben nun steinerne in den Boden eingesenkte
Laden von ganz gleicher Konstruktion wie die der zweiten Kategorie
am Wall zu Tage gefördert. In diesen letzten hat man ßronzegeräth
(kein Eisen!), und die sogenannten Vasi italogreci' oder ^stovlglie la-
ziali', in jenen Reste von Goldschmuck, eine 'elegantissima anforetta
italo-greca' und ein 'balsamario di alabastro' gefunden. Grabschriften
fehlen ganz: wahrscheinlich aus einem der esquilinischen Gräber
stammt ein Tongefäss mit angeblich altgriechischer Schrift ^I
Bruzza Ann. 1876, S. 86 tav. d'agg. L. Die ebenda gefundene einge-
kratzte Inschrift eco C. Antonios ist wenigstens sicher keine .Grabschrift
(Jahresb. 1876, 184). — Man wird einstweilen g^t thun von jeder chro-
nologischen Bestimmung abzusehen: wichtig aber ist die Entdeckung
zweier unzweifelhaft in die früheste Zeit hinaufreichender Grabstätten
vor verschiedenen Thoren.
^) Ein ungemein lehrreiches neues Beispiel eines Columbarinms
§ 8.] DER INNERE AUSBAU. 551
Untersuchungen haben festgestellt, dass die Heilighaltung der
Gräber gewährt hat bis ins fünfte Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung (§ 6 A. 10).
Wir haben schon oben gesehen, wie der letzte der
concentrischen Ringe, die uns das Wachsen Roms darstellen,
der Ring der honorianischen Mauer, zugleich die Verwand-
lung des alten in das christliche Rom veranschaulicht. Die
ursprünglich einzigen Vorstädte der servianischen Stadt sind
die Grabstätten: die Grabstätten der mittleren Kaiserzeit
bergen zugleich die Anfänge des christUchen Lebens der
Stadt. Aber die eigenthümlichen Formen dieses neuen
Lebens, welche uns erst jüngst durch geniale Forschungen er-
schlossen worden sind, liegen zwar nicht der Zeit nach,
aber dem Wesen nach ausserhalb der Grenzen desjenigen
Organismus, dessen räumliche Entwickelung darzustellen unsere
Aufgabe ist
voB Freigelassenen giebt das Colambarium der Statiiii: Jahresb. 1876,
186. Ueber die Judengrabstätten Friedländer a. 0.
Druck Ton W. Pormetter in Berlin.