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Full text of "Topographie der stadt Rom im alterthum"

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TOPOGRAPHIE 


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STADT  ROM  IM  ALTERTHÜM 


VON 


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ERSTER    BAND. 


ERSTE  ABTHEILUNG. 


MIT  ZWEI  TAFELN  ABBILDUNGEN. 


BERLIN, 

WEIDMANNSCHE  BÜCHHANDLUNG. 

1878. 


^. 


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^ 


WILHELM  HENZEN 


IN  ROM 


ZUGEEIGNET. 


Vorwort. 


Als  ich  vor  mehr  als  zehn  Jahren  es  unternahm  die 
grundlegende  Arbeit  Beckers  zeitgemäss  umzugestalten  und 
zu  erweitern,  richtete  sich  meine  Aufmerksamkeit  haupt- 
sächlich auf  drei  Dinge:  es  musste  erstens  dem  neuen  Werke 
ein  anderer  Plan  zu  Grunde  gelegt  werden,  welcher  durch 
die  Verbindung  geschichtlicher  und  beschreibender  Darstel- 
lungsweise das  Zerreissen  zusammengehöriger  Dinge  ver- 
hüten sollte;  zweitens  galt  es  die  sogenannten  Urkunden  in 
ihrem  Zusammenhange  zu  untersuchen  und  kritisch  zu  be- 
arbeiten ;  drittens  den  erhaltenen  Resten  der  Stadt  und  ihrer 
Bauten  die  gebührende  und  von  Becker  fast  ganz  vernach- 
lässigte Berücksichtigung  zuzuwenden.  Konnte  und  musste 
in  diesen  drei  Beziehungen  das  Beckersche  Buch  wesentlich 
umgestaltet  werden,  so  liess  sich  dagegen  eine  erhebliche 
Ergänzung  der  von  ihm  gesammelten  Zeugnisse  aus  der  alten 
Litteratur  kaum  erwarten  und  unausgesetzte  Durchforschung 
derselben  hat  diese  Erwartung  durchaus  bestätigt*  Der  da- 
mals von  mir  entworfene  Plan  nun  ist  bis  ins  Einzelne  fest- 
gehalten worden  und  zur  Ausführung  gekommen:  aber  weder 
übersah  ich,  dass  die  Bearbeitung  der  Urkunden  so  umfang- 
reiche Untersuchungen  erfordern  würde,  wie  sie  inzwischen 
geführt  und  im  zweiten  Bande  wie  in  der  Forma  urbis  ver- 


VI  VORWORT. 

öffentlicht  worden  sind,  noch  konnte  ich  ahnen,  dass  die 
Ueberreste  der  Stadt  in  solcher  Ausdehnung  das  Tageslicht 
wieder  erblicken  wurden,  wie  es  seit  dem  Jahre  1870  ge- 
schehen ist.  So  ist  es  gekommen,  dass  die  Vollendung  des 
Buches  sich  über  Gebühr  verzögert  hat  und  längst  ausge- 
arbeitete Theile  desselben  immer  aufs  Neue  haben  über- 
arbeitet, einige,  wie  der  dritte  Abschnitt  dieses  ersten  Theils, 
ganz  von  Frischem  in  Angriif  genommen  werden  müssen. 
—  Ein  verhältnissmässig  günstiger  Zeitpunkt  um  abzu- 
schliessen  schien  mir  durch  die  Sistirung  der  grossen  Aus- 
grabungen auf  dem  Forum  und  dem  Esquilin  im  Jahre  1876 
angezeigt  zu  werden.  Die  dankenswerthe  Gewährung  eines 
halbjährigen  Urlaubs  seitens  des  hohen  Ministeriums  setzte 
mich  in  den  Stand  im  Frühjahr  dieses  Jahres  in  Rom  neben 
einer  allgemeinen  Revision  der  neuen  Funde  noch  genauere 
Untersuchungen  über  drei  wichtige  Hauptfragen  anzustellen: 
über  die  Steinmetzzeichen  auf  der  servianischen  Mauer,  über 
die  Inschriften  und  die  Zerstörungsgeschichte  des  Forums, 
über  den  kapitolinischen  Tempel.  Die  Ergebnisse  der  ersten 
liegen  in  diesem  Bande,  die  der  zweiten  im  dritten  Bande 
der  Ephemeris  epigraphica>  die  der  dritten  in  dem  Jahr- 
gange  1876  unserer  Annali  vor.  Den  Rest  der  Müsse  konnte 
ich  auf  die  Vollendung  des  grösseren  Theils  dieses  Bandes 
verwenden,  während  des  Drucks  wurde  den  letzten  drei 
Abschnitten  die  Schlussfassnng  gegeben.  Ich  muss  aus- 
drücklich hervorheben,  dass,  als  ich  Schönes  und  Nissens 
Untersuchungen  über  Pompeji  gegen  das  Ende  der  vorigen 
Herbstferien  zu  Gesicht  bekam,  die  Arbeit  soweit  vorge- 
schritten war,  dass  es  nicht  mehr  möglich  war,  den  Auf- 
stellungen dieses  Buches  eine  eingehende  Berücksichtigung 
zuzuwenden;  es  schien  deshalb  angemessen  etwaige  Zustim- 
mung oder  etwaigen  Widerspruch  einstweilen  zurückzuhalten : 
kaum  bedarf  es  der  Hervorhebung,  dass  ich  es  besonders 
bedaure,  den  ersten  Abschnitt  der  Einleitung  ohne  Kenntniss 
dessen,  was  Schöne  über  Material  und  Baotechnik  von  Pom- 
peji ermittelt  hat,  haben  ausarbeiten  zu  müssen. 


VORWORT.  VII 

Dies  Buch  erscheint  in  einer  Zeit,  in  welcher  die  plötz- 
liche Erfüllung  der  Hoffnungen,  mit  denen  sich  Rafael  und 
seine   Freunde  trugen,  die   Fea   zu  verwirklichen  vergeblich 
bestrebt  war,  wenig  oder  gar  keinen  Eindruck  zu  machen 
scheint.      Zwar    ist    es    begreiflich,    dass    die    glänzenderen 
gleichzeitigen  Entdeckungen   in  Olympia    für  weitere  Kreise 
eine  stärkere  Anziehungskraft  ausüben:  kaum  begreiflich  da- 
gegen,   dass   die   von    den  Italiänern   in  rascher  Folge  den 
fremden  Mitforschern  vorgelegten  neuen  Thatsachen  bei  diesen, 
und  besonders  bei  uns  Deutschen,  bis  jetzt  so  wenig  Beachtung 
gefunden  haben,  dass  man  in  unserer  breit  dahinströmenden 
wissenschaftlichen  Litteratur  sich  vergebens  auch  nur  nach 
einem  Wiederschein  der  neuen  Kunde  umsieht.     Und  doch 
sollten  gerade  wir  es  freudig  und  dankbar  begrüssen,  dass  die 
italiäniscbe  Wissenschaft  in  mächtigem  Aufschwünge  sich  der 
grossen  von  ihr  selbst  gestellten  Aufgabe  gewachsen  zeigt. 
Dass  ich  zu  wiederholten  Malen  Gelegenheit  gehabt  habe  in 
längerem    persönUchem    Verkehr    mit    den    römischen  Fach- 
genossen  die  Freude  an  den  frisch  aus  der  Erde  steigenden 
kostbaren  Resten  der  ewigen  Stadt  zu  theilen  und  ihre  Be- 
lehrung zu  gemessen,  ist  für  mich  nicht  bloss  eine  unver- 
gessliche  Erinnerung:  ich  habe  auch  in  diesem  Verkehr  die- 
jenige geistige  Erfrischung,  diejenige  ermunternde  Theilnahme 
gefunden,   welche  auf  einem  langen  und  nicht  eben  dornen- 
losen  Wege  kaum  entbehrt  werden  kann  und  welche  in  der 
nordischen  Heimath  für  mich  nicht  zu  finden  war.     Ich  darf 
nicht  unterlassen  allen  denen,  welche,  namentlich  im  Früh- 
jahr  des  Jahres  1876  in  Rom  in  zuvorkommendster  Weise 
meinen  Wünschen  und  Fragen  entsprochen  haben,  den  herz- 
lichsten Dank  an  dieser  Stelle  zu  wiederholen  und   sie  um 
eine  unbefangene  Prüfung  dessen   zu   bitten,   was  ich  etwa 
hie   und  da  im   Widerspruch  mit  ihnen  geglaubt  habe  be- 
haupten zu  müssen.    Zu  besonderem  Dank  aber  fühle  ich 
mich  den  Herren  Direktor  Fiorelli  und  P.  Bruzza  und  meinem 
werthen  Freunde  Rodolfo   Lanciani  verpflichtet,  welche   mir 
bei   den  oben  erwähnten  Untersuchungen   vielfach    hilfreich 


VIII  VORWORT. 

gewesen  sind,  nicht  minder  Sr.  Excellenz  dem  Botschafter 
des  deutschen  Reiches  Herrn  von  Keudell  und  den  Leitern 
des  deutschen  archäologischen  Instituts,  deren  bereitwilliges 
Entgegenkommen  mir  die  Arbeit  über  den  kapitolinischen 
Tempel  erleichtert  hat. 

Die  zweite  Abtheilung  dieses  Bandes  hoffe  ich  in  kurzer 
Frist  nachfolgen  lassen  zu  k&niten:  sie  wird  die  bereits  in 
der  Einleitung  dieser  ersten  angekündigten  Pläne  bringen. 
Einstweilen  wird  der  Leser  mit  einem  der  besseren  nach 
1871  erschienenen  Pläne  der  neuen  Stadt,  insbesondere  dem 
H.  Kieperts,  sich  genügend  zurechtfinden.  Nachträge  be- 
halte ich  der  zweiten  Abtheiiung  vor:  inzwischen  mögen 
einige  Druck*  und  Schreibversehen,  die  mir  beim  Durch- 
laufen des  Buches  aufgestossen  sind,  schon  hier  berichtigt 
werden. 

Königsberg,  im  Februar  1878. 


H.  Jordan. 


INHALT. 


Seite 

Einleitung 1 — 114 

§  1.    Die  Trümmer  und  ihre  Dentuog 3—36 

§  2.    Die  Ueberlieferang  des  Alterthums  and  die  Zer- 
störung des  Mittelalters 37—  74 

§  3.    Die  topographische  Forsehnng  seit  dem  fünfzehnten 

Jahrhundert 75—104 

Anhang:  Die  Stadtpläne 105—114 

Erster  Theil 115—550 

§  1.    Lage,  Boden,  Klima 117—152 

§  2.    Die  ältesten  Ansiedelungen 153—200 

§  3.    Beschreibung  der  servianischen  Mauer  und  ihrer 

Thore 201—245 

§  4.    Die   tarquinischen   Bauten   und   die    servianische 

Stadt 246—295 

§  5.  Die  Stadt  der  XIV  Regionen  und  ihr  Wachsthum  296—339 
§  6.    Beschreibung  der  aurelianischen  Mauer  und  ihrer 

Thore     . 340—392 

§  7.    Brücken-,  Ufer-  und  Hafenbauten,  Kloaken  und 

Wasserleitung 393—480 

§  S.     Der  innere  Ausbau 4SI — 550 

Tafel  I  und  II  zu  Theil  I  §  3. 


l 


BERICHTIGUNGEN. 


S.    7      A.  lOZ.  7f.  ist  das  GiUt  Herzog  bis  (<pietra  Gabina')  za 
streichen :  diese  Angabe  bezieht  sich  aaf  das  Material  der  dppu 

—  97     A.  39   ist   die    bibliographische  Notiz  über  Piale    aasgefallen : 

Dissertazioni,  2  Bde  Rom   1832--1834  (-24  Abhandlungen   ge< 
lesen  in  der  Acad.  pont.  di  arch.)  und  Ausg.  des  Venuti  (A.  34). 

—  107  Z.  10  1.  Lafrere. 

—  145  A.  37  Z.  3  1.  Ambro  seh. 

—  189  A.  63  Z.  6  1.  gehören. 

—  196  A.  74  Z.  10  V.  unten  L  certmonia. 

—  232  A.  62  ist  (%)  zu  setzen:  das  (v)  gehört  in  A.  61  a.  E. 

—  241  Z.  7  1.  wir  halten. 

—  245  A.  82  Z.  5  v.  unten  1.  =  1,  56  r.  Meile. 

—  253  Z.  5  V.  unten  1.  Streben. 

—  298  Z.  13  1.  Kriegsdocks. 

—  305  Z.  2  V.  unten  streiche:   die  Vermuthung  anderer:   es  ist 

bekanntlich  bezeugt  Di  gg.  1,  15. 

—  336  A.  36:   De  Rossi  hat  in  der  Sitzung  des  Instituts  v.   11.  Jan. 

1855  darüber  gesprochen.     Vgl.  Arch.  Anzeiger  1856,  147*. 

—  453  A.  80  1.  Mon.  d.  inst    1876  T. 

—  460  Z.  6  V.  unten  streiche  ihnen. 

—  509  Z.  2  streiche  und. 


EINLEITUNG. 


4 


Jordan,  rOmiscbe  Topographie.    I.    1. 


5  1- 

DIE  TRÜMMER  UND  IHRE  DEUTUNG. 

Wie  andere  Städte  Italiens  so  hat  auch  Rom  sein  Bau* 
material  zu  Anfang  dem  Boden  entlehnt,  den  es  zu  eigen 
hatte:  dem  Boden  der  Stadt  und  der  nächsten  Umgebung^) 
(vgl  Th.  I  §  1).  Erst  die  allmähliche  Ausdehnung  des  Ge^ 
biets,  die  steigende  Kultur  imd  die  V^roUkommnung  der 
Bauweise  gestatteten  oder  nöthigten  aus  wdterer  Ferne  zum 
Theil  geeignetere  Stoffe  herbeizuschaffen.  In  der  Stadt  selbiat 
und  ihrem  Weichbilde  standen  —  wir  sprechen  zunächst 
?on  dem  monumentalen  Steinbau  (saxa  quadrata  A.  14)  — 
der  submarine  Tuf  {tofus)  der  Hügel  in  verschiedenen  Varietäten 

1)  Noch  in  der  Zeit  des  Augustus  sagt  Vitrav  von  den  Stein- 
brüchen von  Statonia  in  Etrnrieu  (2,  7,  4):  quae  st  prope  urbem 
estent,  dig-nttm  esset  ut  ex  bis  officinis  omnia  opera  perficereniur, 
cum  ergo  propter  propinquitatem  necessitas  cogat  ex 
Rubris  lapidieinis  et  Pallensihus  et  quae  sunt  urbi  proximae 
eopiis  uti  si  qui  vohierit  sine  vüiis  perficere  vta  erü  praepearandum 
(weiter  oben  §  1  nennt  er  als  mcXies  die  lapidicinäe  Riäfrae  Paüenses 
Fidenates  Albcaiaey  vgl.  A.  2).  —  Die  Abhängigkeit  Roms  ivie  anderer 
Städte  Italiens  von  dem  heimischen  Material  erörtert  am  besten  Promis 
Alba  Fncense  S.  106  fT.;  die  Wahl  des  Orts  für  die  *grSkoita- 
lischen'  Ansiedlungen  überhaupt  lässt  Semper  (Stil  1,  451)  dnrch  das 
vorhandene  Gestein  bedingt  sein.  Eine  der  hier  entwickelten  ganz 
iüiiiliche  Geschichte  des  allmählich  sich  erweiternden  Bezngsgebietes 
des  Baumaterials  weist  Pompeji  anf:  vgl.  Fiorelli  Gli  scavi  di  Pompei 
dal  1861  al  1872,  Nap.  1873.  —  Die  älteren  allgemeinen  Besprechungen 
des  Baumaterials  der  Stadt  von  Piranesi,  Uggeri  (Jonrn.  pitt.  Bd.  3), 
Corsi  (Delle  pietre  antiche  1828.  1833.  1846)  u.  a.,  besonders  aber 
Ton  Nibby  (b'fters:  Foro  S.  7  ff.  Antichita  di  Roma  \,  1830,  Roma 
BDt  1,  234  ff.)  und  Bunsen  (Beschr.  Roms,  Bd.  1)  sind  durch  die 
neueren  Entdeckungen  antiquirt. 

1* 


4  EINLEITUNG. 

zu  Gebote,  ein  schon  von  den  Alten  mit  Recht  wegen  seiner 
Zersetzbarkeit  als  schlecht  bezeichnetes  Material^).  Besser 
waren ,  wie  sie  ebenfalls  mit  Recht  bemerkt  haben  ^),  die  den 
Eruptionen  des  Vulkans  der  Älbanerberge  entstammen- 
den Lavasorten,  wdche  sie  als  lapis  Gabinus  und  lapis  Albanus 
unterschieden  (schon  bei  Isidorus  piperinm),  noch  brauch- 
barer und  besonders  schöner  der  längs  der  Ufer  des  Flusses 
abgelagerte  sediipentare,  aus  dem  Apenninepkalk  entstammende 
lapis  (auch  wohl  silex)  Tihurtinus,  Dazu  kam  endlich  die 
schwatjsliche  Lava  (ebenfalls  silex  genannt),  deren  StrJ^me  bis 
in  die  nächste  Nähe  von  Rom  reichen  und  hier  vielfach  in 
ihrer  natürlichen  erstarrten  Form  zu  Tage  liegen,  wie  im 
L  Th.  §  l  weiter  gezeigt  werden  wird*).  Vom  Marmor  und 
vom  Ziegel  sehen  wir  hier  noch  ab. 

>)  lieber  tofus  A.  3  und  Th.  I.  §  1.  •>-  In  dem  Abschnitt  über 
die  lapidmnae^  welchen  sowohl  die  ^aoM  quadrata  als  die  oaemenia 
«ntnommen  werden,  bezeichnet  Vitruv  2,  7  (s.  A.  1),  die  Rübrae 
Pallensfss  Fidenates  Albanae  als  moUes,  die  Tiburtinae  Amiteminae 
Soractinae  als  temperatae,  die  etrurischen  als  durae  oder  siliceae.  Da- 
zwischen spricht  er  von  dem  toßis  ruber,  niger^ '  albus  Campaniens, 
Umbriens  und  Venetiens,  die  er  zu  den  molles  rechnet.  Zu  ihren 
Fehlern  gehört,  dass  sie  leicht  durch  die  Witterung  aufgelöst  werden. 
Den  g;anzen  Abschnitt  entlehnt  in  verlt^ürzter  Gestalt  Plinius  36^  166, 
dessen  Bemerkung  tofus  aedißciis  inutüis  est  mortalitate  also  keinen 
besonderen  Werth  hat. 

')  Tacitus  Ann.  15,  43:  saxo  Gabino  AWanove  .  .  quod  is  lapis 
ifffiibus  inpervius  est.  Dieselbe  Eigenschaft  scheint  Vitruv  9.  0.  nur 
dem  etrurischen  harten  Gestein  beizulegen.  Doch  müsseo  die  ßau- 
meister  des  Augustusforum  wie  Tacitus  gedacht  haben. 

^)  S.  Promis  Alba  Fuc.  S.  95  ff.,  welcher  gezeigt  hat,  dass  in  der 
besten  Zeit  silex  den  harten  Stein  überhaupt,  insbesondere  den  Apen- 
ninenkalk  (s.  besonders  die  Inschrift  von  Ferentinum  CIL  1,  1161 
vgl.  Gato  bei  Fest.  2S1:  saacis  Sabinis^  silicibus  repastinandis),  den 
Travertin,  die  schwarze  Basaltlava  —  das  gewöhnliche  Material 
der  Strassenpflasterung.  (Liv.  38,  ,21,  3.  41,  27,  5)  — ja  auch 
den  Marmor  (unten  A.  29)  bezeichnet.  In  dem  etruskischen  sdlc 
thufi  (und  zilachnuce)  erkennt  daher  Corssen  Etr.  1,  472  und  663  wohl 
mit  Re<?ht  süieem  tofium  {etc  siliee  fabricavit  ?):  es  sei  der  sogenannte 
Nenfro  (S.  6S3  f.).  Vgl.  A.  7.  Man  ersieht,  hieraus  daa  schwankende 
in  dem  Gebrauch  des  Wortes  tofus. 


§  1.]  DIB  TRÜMMER.  5 

Es  ist  nun  eine  noch  immer  ziemlich  allgemein  ver- 
breitete Ansicht,  dass  die  Römer  zur  Zeit  der  Könige  sich 
ausschliesslich  ihres  heimischen  Tufs,  erst  in  ^er  Zeit  der 
Republik  des  GalMner  und  Albaner  und  erst,  gegen  Ausgang 
der  repubUkanischen  Epoche  de^r  Tiburtiner  Gesteins  bedient 
haben ^).  Diese  Ansicht  ist  zum  Theil  geradezu  falsch,  zum 
Theil  muss  sie  in  bestimmtere  Grenzen  eingeschränkt  werden. 
Zunächst  aber  ist  die  Frage  berechtigt,  ob  denn  die  Bezeich- 
nungen lapis  Gobinus  und  Albanus  in  der  That  ausschliesslich 
die  Brüche  von  Gabii  und  Alba  bezeichnen,  während  doch 
die  in  diesen  gefundenen  Varietäten,  wie  Tb.  I  §  1  ge- 
zeigt werden  soll,  keineswegs  allein  dort,  sondern  im 
weiteren  Kreise  an  der  nordwestlichen  und  südöstlichen  Ab- 
dachung des  Gebirges  gefunden  werden.  Wenn  sich  in 
neuester  Zeit  ein  dem  Gabikierstein  ganz  ähnlicher  in  einem 
alten  Bruch  1  Kilometer  vor  porta  S.  Lorenzo  gefunden  hat^), 
wenn  andrerseits,  wie  es  scheint,  lapis  Tihurtmus  nicht  blos 
den  bei  Tivoli  gebrochenen,  sondern  überhaupt  den  weicheren 
weissen  Kalkstein  bezeichnet^),  so  spricht  die  Wahrscheinlich- 
keit dafür,  dass  die  drei  Namen  nicht  die  den  Römern  allein 
bekannten,  sondern  die  Hauptbezugsquellen  bezeichnen.  Da- 
zu kommt,  was  jede  Untersuchung  heutzutage  erschwert,  die 
Unsicherheit  in  der  Unterscheidung  der  Tufarten  und  des 
Sperone    an   den  erbaltenen    Gebäuden:  die  jahrhundertalte 

^)  Die  verschiedeoen  Modifikationen  aufzuzählen  ist  unnütz.  In  der 
Hauptsache  hat  Nibby  (s.  A.  1)  die  Ansicht  formulirt. 

0)  Beschreibung  bei  Lanciani  Bull,  dell'  inst.  1872, 68  f.  und  mun.  1873, 
6,  welcher  den  Stein  als  *tufa  lamellare  cinereo'  und  das.  1874,  48 
als  ' cappellaccio  simile  alla  Gabina*  bezeichnet.  Aeholiche  schwan« 
kende  Ausdrucke  bei  demselben  Ann.  1871,  54.  57.  Die  Mineralogen 
haben  ihr  Urtheil  über  diese  im  J.  1872  gemachte  Entdeckung  meines 
Wissens  nieht  abgegeben:  jetzt  ist  der  Bruch  wieder  verschüttet. 

')  Schon  aus  Vitruv  2,  7,  2  (Tiburtina  et  quae  eodem  ffenere 
$unt)  lässt  sich  dies  schliessen.  Vgl.  Promis  in  der  A.  4  angezogenen 
Stelle.  Ob  aber  der  lapis  albus  damit  identisch  ist,  ist  zweifelhaft. 
Dieser  Name  ist  jetzt  von  Mommsen  auch  auf  einer  früher  falsch  ge-^ 
lesenen  unteritalis<$h6n  Inschrift  wi«der  hefrgestellf  worden  (mündliehe 
Mittheilung  desselben). 


6  EINLEITUNG. 

Verwitterung  hindert  häufig  eine  sichere  Bestimmung  auf  ande- 
rem als  auf  chemischem  Wege  und  erschwert  sie  auch  auf 
diesem.  Wir  sind  also  bei  der  Feststellung  von  Zeitgrenzen 
von  YCMrnherein  zur  äussersten  Vorsicht  gemahnt.  Endlich 
ist  allzuhaufig  übersehen  wopden,  dass  die  Einführung  eines 
neuen  Materials  die  weitere  Benutzung  des  alten  nicht  ans- 
schiiesst,  und  dass  eine  gleichzeitige  Benutzung  aller  zu  verschie- 
denen Zwecken  sehr  wohl  denkbar  ist.  Trotz  dieser  Schwierig- 
keiten dürfen  wir  hoffen,  durch  eine  Analyse  der  datirt^i 
Denkmäler  zu  einigermaassen  sicheren  Ergebnissen  zu  gelangen. 
Die  monumentalen  Bauten  der  Königszeit  besteben  ia 
ihren  ursprünglichen  Theilen  in  der  That,  wie  es  scheint, 
nur  aus  dem  den  römischen  Hügeln  entnommenen  Material 
und  die  Bruchstellen  desselben  sind  zum  grossen  Theil  noch 
nachweisbar^).  Aus  dem  Tuf  dieser  Hügel  sind  gebaut  die 
älteste  Befestigung  des  Palatino  die  sogenannte  servianiscfae 
Mauer,  die  grosse  Kloake,  das  Tullianum  unter  dem  Kapitel : 
die  aus  anderen  Gesteinen  bestehenden  Theile  der  Wallmauer, 
der  Kloake  und  des  Tullianum  werden  wir  als  jüngere  Zu- 
thaten  auch  aus  anderen  Gründen  nachzuweisen  versuchen. 
Jedoch  ist  es  wahrscheinlich  (besonders  nach  den  neuesten 
Untersuchungen  über  die  Wallmauer),  dass  auch  Steinbrüche 
der  nächsten,  damals  zum  Weichbild  gehörigen,  Umgebung 
Roms  ihr  sehr  ähnliches,  aber  bessere^  Material  gleichzeitig 
geliefert  haben  (Th.  I,  §  3.)-  Die  erste  Anwendung  des 
Sperone  und  Peperin  dürfte  demnach  in  die  republikanische 
Zeit  fallen:  allein  den  Zeitpunkt  näher  zu  bestimmen,  ist 
unmöglich.    Wir  haben  nur  zu  fragen,  wie  lange  sich  Rom 

^)  Steinbruch  auf  dem  Palatin:  Laneiani  and  Visconti  Giiida  del 
Palatino  S.  128  ff.;  auf  dem  Kapitol:  Ponzi  Ann.  1865,  44;  hier  und 
auf  anderen  Hügeln:  Brocchi  Dello  stato  fiaieo  del  tuolo  romano 
S.  150  ff.;  vor  porta  S.  Lorenzo:  s.  A.  6.  Der  Name  laututniaey 
welcher  an  dem  Nordostabhange  des  Kapitels  haftet,  beweist  zwar  die 
Existenz  von  Steinbrüchen  daselhst,  gleichzeitig  deutet  er  aber  als 
Fremdwort  (neben  dem  heimischen  lapicidinae)  auf  eine  besondere, 
wahrscheinlich  spätere  Benutzung  desselben  nach  dem  Vorbilde  der 
syrakusanischen  Latomien  hin  (vgl.  unten  A.  49). 


§  1.]  DIE  TRÜMMBR.  7 

ausschliesslicb  dieser  drei  oder  vier  Hateriale  bedient  hat,  wie 
fräh  d^  Travertin  hinzugekommen  ist 

Zur  Entseheidung  dieser  Frage  reichen  die  Trdmmer 
römischer  Gebäude  aus  der  republilsaDischen  Zeit  nioht  hin. 
Sämmtliche  erhaltene  Tempehreste  rühren  aus  einer. Z^t  her, 
in  wdcher  ohnehin  die  Verwendung  des  Travertins  ausser 
Zweifel  ist^).  Auch  will  es  nicht  viel  sagen,  dass  die  einzi- 
gen erhaltenen  Profanbauten  der  Zeit  vor  den  panischen 
Kriegen,  die  beiden  ältesten  Wasserle^ungen,  Appia  und 
Am  Yetus  (wie  noch  die  Mareia  aus  dem  Anfange  des  7.  Jahr- 
hunderts), aus  Gabiner-  und  Albanerstein  bestehen,  aus  Al- 
baner Stein  wohl  auch  die  Pfeiler  des  eircus  Flammm  (doch 
wissen  wir  nicht,  ob  sie  dem  ursprünglichen  Bau  ge- 
hören) ^°).    Dagegen  lehrt  uns  eine  Musterung  der  erhaltenen 

^  Wenn  man  von  den  Substractionen  des  capitolinischen  Tempels 
absieht,  welehe  ans  Gappellaceio,  d.h.  römischem  Taf,  bestehen.  Denn 
von  dem  ursprünglichen  Ban  des  Satnrntempeis  ist  nichts  mehr  übrig; 
dass  der  Unterbau  des  Kastortenpels,  in  welchem  Tuf  und  Travertin 
verbaut  sind,  dem  Umbau  frühestens  des  Metellus  Delmaticus  gehört, 
beweisen  schon  die  darauf  gefundenen  Steinmetzzeichen  (ausserdem  andere 
Umstünde :  Th.  II) ;  alle  übrigen  Tempel,  an  denen  Travertin  verbaut  ist 
(A.  12),  sind  entweder  später  gegründet  oder  später  restaurirt  als  die 
pnnischen  Kriege,  wie  die  Erörterungen  im  IL  Th.  lehren  werden. 

*^)  Ueber  die  j4ppia  (noch  nicht  genügend  untersucht  —  vgl. 
Tb.  I  §  7)  Fabretti  i,  14  (s.  die  Tafel):  4atera  ex  lapide  Albano 
qnibus  rivus  aretabatnr',  und  vielleicht  gehört  dazu  der  von  Descemet 
(Ann.  1857,  72)  beschriebene  Kanal  bei  S.  Sabina  mit  dem  'mur  com- 
pos^  de  prismes  rectaagalaires  en  tuf  granulaire  verdatre  assembles 
sans  ciment,  0,40  X  0,27 ';  über  den  ^nio  (dessen  Kanal  in  Villa  Ne- 
groni  und  specus  in  Via  ^principe  Umberto)  Herzog  Bull,  dell'  inst. 
1861,  13  Cpietra  Gabina')  und  Lanciani  Bull.  mun.  2,  203  f.  206 
('pietre  di  tufa  e  Gabine) ;  über  die  Mareia  (specus  in  Via  porta  S.  Le- 
renzo)  derselbe  das.  S.  204  ('pietre  Gabine  e  Albane')  vgl.  Borgnana 
deir  acqna  di  Quinte  Marcio  Re  e  del  sno  condotto,  R.  1861  S.  17 
('pietra  Albana;  le  spond<)  di  vario  gcnere  di  pietra').  -^  Ueber  den 
eireus  Flaminitu  s.  Forma  urbis  S.  22.  Jetzt  kommt  aus  Cassiano  del 
Pozzo  (Lnmbroso  in  der  §  3  gen.  Schrift  S.  48)  die  Notiz  hinzu,  dass 
gegenüber  von  S.  Gaterina  de'Fnnari  'pezzi  di  trevertino  grandissimi' 
gefnnden  wurden:  natürlich  ist  nicht  auszumachen,  ob  sie  überhaupt 
zum  Circos  und  noch  weniger,  ob  sie  zu  dem  ersten  Bau  gehörten. 


g  EINLEITUNG. 

Inschrifiten,  dass  das  Material  derselbe,  also  haoptslchlicii 
allerdings  das  der  Grab-  und  EfarendeiBkinfiler,  d^r  Altäre  und 
VotiTBteine,  aber  aueh  gröasorer  architekträufeher  Werke, 
schwerlich  vor  der  ZerstOrong  Karthago«  und  Korinths  der 
Tibartiner  Kalkstein  war,  dass  er  s^eit  dieser  Zeit  ab^r*  in 
stetiger  Steigerung  die  MH'igen  Materiale  yerdrälügte.  Es 
darf  daher  mit  Sicherheit  behauptet  werden,  dass  eine  in  dem 
Unterbau  des  <:apltolinisehen  Tc^mpels  ge^ndene  Trävertin- 
konstruktion  dmi  Wi^erherstellungsarbeiten  firäbesteft^  dbs 
Catulus  angehört  ^^).  Hierzu  stimmt  auch  die  sparsame  Weise, 
mit  welcher  er  ifioch  in  der  Zeit  von  SuUa  and  Cäsar  an  er«* 
haltenen  Bauten  '  verwendet  ist.  Nur  die  Kunstformen  der-^ 
seflben,  wie  Kapitelle,  Basen,  Gebälkgliederungeh ,  oder  Eck* 
stücke  und  Bindungen,  pflegen  in  dieser  Epoche  von  Tra- 
vertin«  Cellenwände,  Säulenscbäfte,  Stylobaten»  alle  grossen 
Mauern  überhaupt,  wie  noch  die  Umfassungsmauer  des  Au-^ 


^^)  Von  den  datirten  Inschriften  vor  dem  zweiten  ptuiischen  Krie§^ 
steht  nach  deifi  bisher  bekannten  nur  liie  Weihnog  des  Bieoleius,  jetzt 
im  Musen  Caf).  des  Collegio  romano  (BalL  d«ir  i.  1873,  89),  wi« 
mir  jetzt  auch  Dr.  DresBel  ausdrücklich  versichert  ^—  i6h  habe  sie 
nicht  gesehen  —  anf  Traveetin;  nicht  die  Mareeiliisinscfarift  in  Neapel 
CIL  1,  530  —  deon  Garrucci  (Syiloge  n.  870)  wird  riohtig  'iapid« 
Albano'  angeben  -^,  nicht  die  Inschrift  von  der  Via  Ostiensis  (Eph. 
epigr.  1873,  ];  Garrucci  567  sagt  falsch  ^columaa'  nad  schweigt  über 
das  Material)  nach  dem  gewichtigen  Urtheil  Ponsia,  der  den  Stein  für 
'eorniculanisch'  erklärt.  £in  leiser  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der 
Angabe  über  den  Stein  des  ßicoleius  wird  also  immerhin,  gestattet 
sein.  Allft.  übrigen  In^hriften  auf  Travertin  scheinen  dem  7.  Jahr- 
hundert aazugehöreu  und  zwar  sind  die  ältesten  die  de»  Mommius  60d? 
CIL  1,  541,  wenn  sie  Original  ist  (ich  zweifle  mit  £.  Q.  Visconti  Philol 
1863,  450  ff.),  die  Bautenin&cbrift  von  639  £ph«m.  1874,  j98  ff.,  die 
ara  sei  deo  (aaeh  630?),  die  Inschriften  vom  Fabierbegen  698  u.,  s.  w« 
Die  grosse  Menge  der  ,  archaischen  Inschriften  steht  auf  Albfta«r»teia 
(Scipioneninschriften,  Weihung  Fediovei  pairei^ .  Base  des  M.  Fulvios 
Nobilior  aus  dem  Musentempel  u.  s.  w.).  Uaglücklicher  Weise  aber 
bietet  Ritschl's  ,£narratio  der  Priscae  latinitatia  monumeata  für  die 
Entscheidung  der  .vorliegenden  Frage  |^ar  kein,  Mommaena  erster  Baa4 
ein  unzuJIäogliches  Material  und  ich  muss  daher  erwarten,,  meine  Auf- 
stellungen berichtigt  zu  sehen.  —  Ueber  den  Joppitertempel  s.  die  f.  A, 


§  1.]  DIB  TRUMHBR.  9 

gastusforam  von  Tuf,  Sperone  oder  Peperin  gebaut  zu  wer^ 
deD,  ttad  das  erste  datirte  Gebäude,  dessen  Aussenwand  ganz 
mit  Travertin  yerUeidet  ist,  ist  das  von  CSsar  begonnene,  von 
Augustus  vollendete  Tbeaterdes  Marcellus^').  Bis  dahin  hatte 
man  die  Mängel,  welche  der  Tnf  wie  der  Peperin,  wenn  auch 
in  verschiedenem  Grade  und  in  verschiedener  Art,  fQr  Kunst«- 
formen  mit  sich  bringt,  durch  den  Stuckdberzug  zu  ersetzen 
gewusst,  wie  es  die  bei  den  Tempelbauten  schon  früh  thätigen 


'')  Caoina  und  die  ihn  ausschreiben  schweig^en  über  das  Material 
der  Tempelbauten  entweder  ganz  (z.  B.  über  das  der  wichtigen  Tempel 
anter  S.  Nieola  Ib  Carcer«)  oder  beriehten  ungeaiigead,  die  älteren 
sekwanken.oft  in  ihfen  Angaben..  Folgmide.  von  mir  im  J,  1867  über 
die  in  Betraoht  kommenden  Tempel  gemachten  Aufzeichnungen  hab« 
ich  Jeider  nicht  noch  einmal  nachprüfen  können:  jonischer  T.  bei 
Ponte  rotto:  Wände  und  Halbsäulen  Tof  (ich  meine  alle,  nicht 
*  viele'  vfie  Corsi  Pietre  71  sagt),  Säulen  der  Vorhalle  Travertin; 
Raodumpel  bei  $.  Nicola  a'C^sariui:  Sttalen  Tnf^  ein«  Basis  im 
Keller  Travertia;  T.  am  Forum  hoKtorium  (S.  NWol»  in  carcere)} 
mittlerer:  Stylobat  Tuf  mit  Travertin  bekleidet,  ßebälk  Peperin; 
östlicher:  Stylobat  Travertin,  Säulen  Peperin;  (westlicher  — ?); 
Palatin:  sog.  T.  des  Jappiter  Victor,  Unterbau  Tuf  und  Peperin. 
Ferner  (1872.  1876)  Castortempel  (oben  A.  9.):  Stylobat  Tuf,  äussere 
Beki^iiBg  Travertin;  Kapital:  Unterbau  Tnf,  im  Kellerraum  Tra- 
vertin (Neubau  des  Catulus,  vgl.  Ann.  1876,  167  ff.).  Von  anderen 
Gebäuden,  von  denen  keios  älter  als  Sulla  ist  (denn  über  ^eh  Circus 
Flaminins  s.  A.  10)  'Tabularfum'  (Bau  des  Catiilns?  jedesfalls  dieser 
Zeit,  einstweilen  s.  Ann.  a.  O,  S.  156  ff.):  Tuf  (oder  Sperone? 
Corsi  S.  70),  Gebälk,  Kapitelle  und  BHgen  Travertin;  Grab  des 
ßibulus  (7.  Jahrh.):  Travertin;  pons  Fabricius  (692,  restaurirt  733): 
Peperin,  bekleidet  mit  Travertin ;  wahrscheiulich  gleichzeitig  die  Be- 
kleidung der  Tiberinsel:  ebenso  (Ann.  1867,  390);  wahrscheinlich 
vob  Cäsar  gebaut  'TabemeaV  der  fiasiliea  Julia:  Taf,  Bakstücke 
and  Bogen  Travartin  (Hermes  7,  290);  die  Untersucbungen  über  das 
Pottfyajuslliaater,  iheattum  lapidewn,  worüber  A.  35  (Forma  S.  22  ff: 
OBd  Th.  n),  gettattvn  sehwerlich  den  ursprünglichen  Bau  von  den  Ra- 
staantionen  m  adterscheidea.  —  Unter  Augustus  (vgl.  unten)  erscheint 
^r  Travertin  überall:  saepta  lulia  (Pfeiler,  mit  Ma^mor  bekleidet), 
^put  Firgo,  Crypta  Salbt  u.  s.  w.  Es  ist  auffallend,  'dass  trotisdem 
der  in  dieser  Zeit  (um  740)  sehreibende  Vitrnv  den  Travertin  nicht 
•Is  das  herrschende  Material  bezeichnet  (oben  A.  2.). 


10  EINLEITUNG. 

griechischen  Baumeister  gelehrt  hatten  ^^).  —  Wir  sehen  also, 
dass  für  die  Bauten  bis  auf  Augustus  das  Material  gewisse 
chronologische  Kriterien  abgiebt. 

Auch  die  Bauweise  der  königlichen  und  republikani- 
schen Zeit  hat  ihre  für  die  Bestimmung  der  einzelnen  Reste 
nutzbare  Geschichte.  Es  ist  längst  bemerkt  worden,  dass  die 
Abwesenheit  des  Polygonalbaus  in  Rom  und  in  der  latinischen 
Ebene  mit  der  Beschaffenheit  des  ältesten  Baumaterials,  der 
vulkanischen  Tufe,  zusammenhängt  ^^).  Wie  der  Apenninen- 
kalkstein  polygonal,  so  bricht  der  Tuf  in  parallelen  graden 
Schichten  und  verarbeitet  sich  mit  Leichtigkeit  zu  jenen  6 
bis  8  Fuss  langen,  2  Fuss  hohen  und  breiten  Parallelepipeden 
{saxa  qnadrata),  deren  man  sieh  beim  Bau  aller  grossen 
Steinkonstruktionen  bediente.  In  der  ältesten  Zeit  ffigte  man 
diese  Blöcke  ohne  jedes  Bindemittel  in  dem  sogenannten 
Läufer-  und  Bindersystem  zusammen ^0:  in  späterer  Zeit 
tritt  mit  einer  Verminderung  des  Maasses  der  Blöcke  die  regel- 
mässige Schichtung  nach  der  Länge  der  Blöcke  ein;  Ver- 
klammerung mit  metallenen  Krampen  wird  bei  gewaltigen 
Massen,  Mörtel  zum  Bestreichen  der  genauer  gearbeiteten  Rei- 
bungsflächen verwandt.  Aber  wann  sind  diese  Veränderungen 
eingetreten?    Jedes   Bindemittel   entbehren   die   palatinisdie 

^')  Ueber  das  dealbare  columnas  Cicero  Verr.  1  §  132.  145.  147. 
Erhaltene  Säulen:  jonischer  Tempel  am  Tiber  und  Rundtempel  bei 
S.  Nicola  a'Cesarini  (A.  12);  Peperinsäulen  auf  dem  Palatin  Laneiaui 
Guida  S.  132.  Färbung  des  Stuck  nimmt  bekAOBtlich  Semper  an 
(1,  488  f.). 

1^)  Zuerst  richtig  beurtheilt  von  Promis  Alba  Fuc.  110,  vgl. 
Abeken  Mittelitalien  138  ff.;  neuerdings  Semper,  Der  Stil  2,  35^  f.: 
^68  ist  gewiss  nicht  zufällig  ..  dass  der  Quaderban  io  solchen  Gegenden 
seit  Urzeiten  erblich  war  in  denen  vorher  blättriges  Lagergeateia  zum 
Gebrauche  nahe  zur  Hand  lag.'  Saußa  quadrata  (oder  Moecum  quadra- 
tufn)f  welche  Vitruv  (oben  A.  2)  den  eaementa  entgegensetzt,  bilden 
die  Substruction  des  Capitolium  (Liv.  6,  4,  12),  eine  semita  vom  cape- 
niscben  Thor  nach  dem  Marstempel  (10,  23,  12);  ^petfe  quadrato  ist 
das  Grabmal  des  Porsena  gebaut  (Varro  bei  Pliiir  36,  91)  u.  s.  w. 

^^)  Vgl.  Abeken  a.  0.  153  Bötticher  Tektonik  X\  191  und  unten 
Tb.  I  §  5. 


{  1.]  DIK  TRÜMMER.  H 

und  die  sogenannte  servianische  Mauer,  die  Kloake  und  das 
Tidliaimm  —  denn  die  Eisenklammern  an  gewissen  Theilen 
der  Wallmauer  werden  so  gut  wie  der  Peperin  zu  den  Merk- 
zeichen des  Restaurationsbaus  gehören  ^^).  Kein  Mörtel  ist 
bei  der  Fdgung  der  Quadern  der  Leitung  der  Apfna  und  des 
into  Vetus  verwandt;  sicher  dagegen  ist  die  Verwendung  eines 
dem  heut  sehr  ähnlichen  Mörtels  bei  dem  -Tabularium',  wel- 
dies  man  trotz  der  Zweifel  an.  der  Richtigkeit  des  Namens 
in  die  Zeit  des  Sulla  setzen  muss  (oben  A*  12).  Eine  Ana- 
lyse anderer  datirter  Bauten  fehlt,  wird  aber  auch  bei  der 
Sparsamkeit  der  Trümmer  aus  der  Zeit  vor  Solia  schwerlich 
genauere  Zeitgrenzen  ergeben.  Von  untergeordneter  Bedeu- 
tung ist  die  Frage,  ob  schon  in  dieser  Periode  und  wann  die 
sogenannte  Bossirung  (Rustika-Schnitt)  der  Werkstücke  sich 
finde.  Doch  glaube  ich  auch  auf  diese  Frage  wenigstens  hin- 
weisen zu  müssen,  da  sie  sich  bei  der  Beurtheilung  eines 
Theils  der  servianischen  Mauer  als  wichtig  erweist  (s.  Th.  I  §  4). 
Ausser  an  diesem  Stück  findet  sich  der  Rustika-Schnitt  bei- 
spielsweise sicher  an  der  Aussenseite  der  Umfassungsmauer 
des  Augustus  und  an  der  Ostseite  des  noch  nicht  sicher  be- 
nannten rechteckigen  Gebäudes,  welches  später  die  Basilika 
der  Heiligen  Cosmas  und  Damianus  iuxta  templum  RamuU 
wurde  ^'). 

^*)  fibenso  die  Klammem  ia  der  Decke  des  Tullianum:  s.  Th.  I 
§  5.  Verklammerung  io  altgriechisclien  Bauten :  Bötticher  1 ,  192. 
Hölzerne  Dübel,  sog^eiianote' Schwalbenschwänze,  sollen  die  Werkstücke 
der  UmfassuBiTsmaiier  des  forum  Augutti  verbinden:  aber  der  sorg* 
filtige  Uggeri  Jeorn,  pit.  3  S.  23  hat  sie  nicht  gefunden. 

")  Für  die  Appia  (?)  Descemet,  für  den  Anw  Fetus  Lanciani  in 
den  A.  10  citirten  Stellen.  Die  ehemische  Analyse  des  Mörtels  in  den 
Fügen  des  Tabalarium,  von  Hrn.  Laspeyres  gemacht,  hat  mir  vor  Jahren 
Hr.  R.  Schöne  mitzutheilen  die  Güte  gehabt  Derselbe  machte  Ball, 
dell'inst.  1868,  114  darauf  aufmerksam,  dass  das  restaurirte  Stück  der 
Serviusmauer  in  Vigna  Torlonia  (Th.  I  §  3  «)  mit  Hilfe  von  Mörtel, 
nicht  so  das  ursprüngliche  konstruirt  ist.  Die  Untersuchung  ist  da 
wo  es  sich  nur  um  eine  ganz  dünne  Lage  scharf  auf  einander  gepasster 
Blocke  bandelt  (vgl.  Bötticher  1,  12),  namentlich  wegen  der  die  Fugen 
der  Tufblöcke  zusammenklebenden  Feuchtigkeit  sehr   schwer   und  die 


13  EINLEITUNG. 

Fär  Ak  Geschichte  der  ältesten  Bauten  Roms  wie  fär 
die  Baugesehichte  überhaupt  ist  die  Frage  tber  die  Zeit  der 
Einführung  des  voliendeten  Keilschnitts  des  Rundbogens  an 
Stelle  des  durch  Ueberkragung  hergestetllefi  Spitzbogens  in 
Rom  und  über  die  Heiniatii  des  ersteren  ron  besonderer 
Wichtigkeit.  Glücklicherweise  aber  Ifisst  sidi  die  Chronologie 
der  drei  Gebäude,  um  die  es  sich  für  Rom  eigentlich  allein  han- 
delt, des  ursprünglich  in  jener  rohen  Art  gedeckten  TullianuBi, 
des  darüberstehenden  Baus  und  der  Kloake  —  beide  im  Keil- 
schnitt gewölbt  -^  auch  unabhängig  von  diesem  Problem 
feststellen  und  dadurch  röckwärts  sehr  wahrscheinlidi  machen, 
dass  erst  die  Tarquinier  den  Bogenbau  aus  Südetrurien  nach 
Rom  gebracht  haben  ^®).    Bögen  annähernd  gleichen  Alters  wie 

bisherigen  Angaben  darüber  sind  meist  unzuverlässig.  Ich  habe  keine 
eigenen  Beobachtungen  beizubringen.  —  ßossirung:  bereits  'an  syrisch- 
phönikisehen  Substructionen '  beobachtet '  (Semper  2,  358).  Rom:  vgl. 
Üggeri  2  T.  45. 

^^)  Die  ganze  Frage,  welche  zu  entscheiden  weder  meine  Sache 
ist,  noch  überhaupt  nach  dem  heutigen  Stande  unserer  Kenntnisis  -  ent- 
schieden werden  kann,  ist  von  Canina  (Gere  antica  S.  62  E,  Etruria 
marittima  1,  174  f.  2,  151  ff.  u.  anderwärts)  so  formulirt  worden  oder 
muss  nach  seinen  oft  schwankenden  Prämissen  so  formulirt  werden: 
der  untere  Theil  des  'mamertinisdien  Gefängniases'  ist,,  wie  nament- 
lich Gell  erkannt  hatte,  ursprünglich  ein  konisch  mittels  Ueberkxaguog 
gedeckter  Bau,  demnach  wie  die  Gebäude  gleicher  Konstruktion,  be- 
sonders das  Brunnenhaus  von  Tusculum  (Ganina  Tusculo  T.  XIV),  die 
Gräber  von  Gaere  (' Regulin!- Galassi',  Gere  T.  IV  =  Etr.  mar.  LI), 
Veji  CGampana',  £.  m.  XXXV,  2),  Monteroni  (das.  XL)  n.  a.  älter 
als  der  durch  die  Tarquinier  im  vollendeten  Keilschnitt  konstrnirte 
Bogen  der  grossen  Kloake;  jünger  als  diese  müssen  alle  übrigen 
erhaltenen  in  Keilschnitt  konstruirten  Bögen  sein,,  also  auch  der 
obere  Theil  des  mamertinfsehen  Gefängnisses,  der  Bogen 
von  Neu-Falerii  (E.  m.  X.  XI),  die  Bägen  von  Tarquinii  (E.  m.  LXXXVII 
vgl.  2,  35),  von  Sutri  (T.  XVIII  vgl.  Nibby  Gontorni  3,  140)  u.  a. 
Grade  über  das  Alter  der  etruskisehen  Bogenbauten  fehlen  abschliessende 
Untersuchungen:  über  die  Richtigkeit  der  Bemerkungen  von  Promis 
Aosta  S.  184  f.  kann  ich  daher  nicht  urtheilen.  —  Dazu  kommt  die  Be- 
merkung von  Promis  Alba  Fne.  113  ff.,  nach  welchem  dier  Bogen- 
wie  der  Quaderfoau  in  Rom  durch  die  Natur  des  Materials  mindestens 
gefördert  worden  ist.    Anders  Semper  1,  488. 


1  ]  DIB  TRÜMMER.  •  13 

die  Kloake  haben  »ich  in  Rom  nicht  erhalten  ^^).  Aber  natur- 
lich lässt  weder  dieser  zufällige  Umatai^d  weitere  Schlüsse  zu, 
noch  ist  es  gestattet,  unterirdische  Kanäle  von  vertiältniss« 
mlu»sig  geringer  Breite  nur  deswegen  für  uralt  .?ii  halten^  weil 
sie  nicht  überwölbt  sondern  durch  horizontal  oder  dachförmig 
im  Winkel  gelegte  grosse  Steinplatten  gedeckt  sind^^). 

Die  mehrfach  von  Architekten  wiederholte  allgemeine  Be- 
hauptung, .dass  das  'eigentlich  nationale  Mauerwerk  bei  den 
Italem'  der  Ziegelbau  oder  genauer  der  Bau  aus  ungebrann- 
ten Ziegeln  sei^^),  durfte  in  dieser  Allgemeinheit  für  Rom 
nicht  haltba*  sein.  Oeffenliicbe  Bauten  aus  Backsteinen  hat 
es  nach  dem  unzweideutigen  Zeugniss  Vitruvs  und  dem  Be- 
fand der  Trümmer  bis  in  die  Epoche  des  Augustus  in  Rom 
nicht  gegeben.  Bei  dem  Fehlen  von  Resten  anderer  öffent- 
licher Rauten  als  der  grossen  Mauerbauten  aus  saooum  qua- 
dratum  müssen  wir  es  dahin  gestellt  sein  lassen,  wie  wir  uns 


^^)  NaoMDÜich  19%  «szu  .tredAu^ro,  ddss  sich  keia  Thor  der  ser- 
vianisehen  Maner  oder  doch  keine  Bedaehang  eines  solohea  erhalten 
hat:  Th^I  $4*5.  Der  Bogen  des  restanrirten  Stäcka  derselhen  (A.  17) 
kommt  wegen  seioefi  späten  Urspcnngs  nicht  in  Betracht. 

'°)  Der  au^  Gabioerstein  gebaute  Kanal  der  aqua  Marcia  von  0,70 1. 
Weite  ist  abwechselnd  mit  horizoqtalen  und  im  spitzen  Winkel  gegen- 
einander gestellten  Platten  gedeckt  (fdr  die  Ap}^  (7)  bezeugen  Fabretti 
nod  Descemet  in  der  A.  10  oitirten  Abhandlung  S.  70  ähnliches)^ 
wahrend  die  etwaa  engeren  Kanäle  der  luUa  und  TepulHy  welche  aus 
opus  reticulatnm  bestehen,  elUptiach  überwölbt  sind:  Laaciani  Ball, 
nun.  2,  204  f.  Ein  allerdings  sehr  viel  breiterer  kanalartiger  Gang* 
welcher  unterirdisch  yom  Forum  am  Tullianum  vorbei  nach  dem  Forum 
Jnliam  führt,  ist  nach  Parker's  Darstellung  (Archeol.  of  Borne  1 
(PUtcs),  eh..  3  (coDStr.  of  Walls)  T.  XXII,  eh..  4  (Suppl.)  T.  XIX: 
ich  habe  nicht  hinein  gelangen  können),  nicht  überwölbt,  sondern  durch 
drei  in  stampfen  Winkeln  gegen  die  senkrechten  Wände  and  gegen 
einander  gelegten  Platten  gedeckt.  Diese  Konstruktion  hat  also  eine 
gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  wie  es  scheint  aralten  des  Grabes  von 
Monteroni  (Canioa  Et  m.  T.  XL).  Indessen  ist  das  kein  Grund,  den 
Kanal  für  gleichaltrig  mit  dem  Tullianum  zu  halten,  und  Parkers  gapze 
Theorie  über  das  alte  ^  Gefaogniss '  ist  nichtig. 

21)  So  Semper  1,  487  f.,  ähnlich  Bergau  Philol.  24,  470  und  andere. 
Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  'nationalrömischen  Baustil'  (unten  A.46). 


14  •  EINLEITUNG. 

die  nicht  in  diesem  Stil  aufgeführten  zu  denken  haben  ^^). 
Was  die  Privatbauten  anlangt,  so  ist  es  eine  schwer  wiegende 
Thatsache,  dass  kein  einziges  der  erhaltenen  Backsteingraber 
in  die  republikanische  Epoche  hinaufreicht  und  dass  die  um- 
fangreichen Aufdeckungen  der  republikanischen  Nekropole  auf 
dem  esquilinischen  Felde  keine  andern  als  Konstruktionen 
aus  heimischem  Haustein  zu  Tage  gef5rdert  haben  ^*).  Die 
beiden  einzigen  wohlerhaltenen  Privatgebäude  aus  der  Zeit 
des  Uebergangs  von  der  Republik  zum  Principat,  das  Wohn- 
haus auf  dem  Palatin  und  das  sogenannte  '  Auditorium '  am 
servianischen  Wall  sind  aus  würfelförmigen  Stücken  des  -hei- 


ss)  Richtig  bemerkt  LancuDi  (Gaida  del  Pal.  131)  i3)er  die  selir 
alten  Bauten  auf  dem  Palatin  an  der  sogenannten  Cacasatiege  (über 
S»  Anastasia) :  'e  facilissimo  avvedersi  ch'  esse  certamente  ne  riebiamano 
ai  primi  tempi  di  Roma  allorche  Faso  dei  marmi  peregrini  non  solo  ma 
anche  quello  dei  mattoni  era  pressoch^  sconoseiuto '.  Der  einzige 
Tempel,  dessen  Gründängszeit  über  die  obengedacbte  Epoche  hinauf 
datirt  und  an  dem  Ziegelwerk  meines  Wissens  erhalten  ist  (abgesehen 
natürlieh  von  falschen  Benennnngen,  wie  den  ^Tempeln  des  Dens  R«di- 
culus  und  des  'Bonos  und  Virtcis'  bei  Uggeri  Joum.  pitt.  2  T.  5 
p.  24  f.  n.  a.),  ist  der  der  Juno  in  der  porticus  Octaviae:  allein  sein 
Ziegelwerk  gehört  dem  2.  oder  3.  Jahrhundert  n.  Chr.,  also  einer 
Restauration  des  Tempels  an  (Forma  Urbis  S.  33).  —  Vitruv  2,  8,  9: 
iUtque  nonnullis  cmtatibiu  et  publica  operaet  priDoiaa  domosHümi 
regias  e  totere  structas  licet  videre,  und  nun  folgt  eine  Aufzihinng 
dieser  merkwürdigen  Ziegelbauten  in  Griechenland  und  Kleinasien ,  da- 
zwischen als  einziges  Beispiel  in  Italien  die  Mauer  von  Arezzo  (A.  27). 
Der  ganze  Zusammenhang  zeigt  deutlich,  dass  er  in  Rom  kein  öffent- 
liches oder  vornehmes  Gebäude  aus  Ziegeln  kennt.  Sehr  wichtig  wäre 
es,  wenn  Fabretti  Recht  hatte,  dass  uns  ein  Stück  des  Bmporium  des 
Aemilius  Paulus  erhalten  sei  (opus  incertum  aus  Tuf):  aber  vgl.  Forma 
urbis  S.  44,  unten  A.  41. 

^)  Die  ältesten  Grabstätten  aof  dem  esquilinischen  Felde  (Aschen- 
kisten, Sarkophage,  Grabkammern)  sind  sämmtlich  aus  einheimischem 
Haustein  hergestellt,  zu  den  Grabdenkmälern  der  sulianischen  and  der 
etwas  früheren  Zeit  ist  ausserdem  Peperin  verwendet  (s.  besonders 
Lanciani  Bull.  man.  3,  43  ff.),  dieser  auch  zu  zahlreichen  anderen 
Grabdenkmälern,  bis  Travertin-,  Marmor-  und  Backsteinbau  gleichzeitig 
um  die  Zeit  Caesars  die  Herrschaft  gewinnen:  worüber  ich  imeinzel- 
uen  hier  nicht  handeln  kann. 


$  ].]  DIB  TROMMBR.  15 

mischen  Gesteins  in  der  Weise  des  opus  mcertum  und  reti" 
adatum  (s.  unten)  gebaut'*).  Nimmt  man  hinzu,  dass  ein 
und  derselbe  Bau,  die  Stadtmauer  von  Turin,  in  eben  dieser 
Konstruktion  von  Cäsar  begonnen,  im  Ziegelbau  von  Augustus 
vollendet  ist'^),  dass  in  Born  die  Ziegeistempel  nicht  über  die 
augusteische  Epoche  hinaufreichen ,  ausserhalb  Born  in  Colo- 
nien  und  Municipien  schwerlich  über  die  Zeit  des  Sulla '®),  so 
wird  man  den  römischen  Backsteinbau  schwerlich  über- 
haupt für  älter  halten  dörfen  als  die  letztgenannte  Epoche 
and  eine  frühe  Entwickelung  desselben  in  Italien  nur  für 
Etrarien  als  erwiesen  annehmen  können.  Es  stimmt  damit 
überein,  dass  Vitruv  den  Ziegelbau  als  etwas  aussergewöhn- 
Hohes  für  bestimmte  Bauten  zweckmässiges  empfiehlt'^).  Wenn 

^  lieber  beide  Oebünde  s.  Jahresbericht  1875,  776  ff.  783  ff.; 
V|fl.  unten  A.  56  und  Th.  II. 

»)  Promis  Storia  deir  antiea  Torino  S.  176  f. 

^)  Ziegelstempel  <s.  §  2  A.  27)  den  Namen  des  Big^enthümers 
der  Ziegelei  enthaltend,  ans  republikanischer  Zeit  sind  in  römischen 
Kolonien  und  Municipien  gefunden  worden  (zu  CIL  1  S.  203  ff.  kommen 
Bodi  M.  TuH  von  Tuscnlum  und  CaUar  vor  Nemi,  d.  h.  wahrscheinlich  von 
den  Landgütern  des  Cicero  und  Cäsar,  De  Rossi  Ann.  1873,  216  f.), 
ii  Rom  bis  jetzt  kein  einziger;  denn  vor  dem  Brennen  mit  dem  Finger 
eini^edriickt  in  einen  kreisrunden  Ziegel  ist  das  eto  C.  Antomos 
Jahresb.  1876,  184.  Daraus  folgt  naturlich  nicht,  dass  es  Ziegeleien 
damals  nicht  gab  (s.  die  f.  A.),  wohl  aber  bleibt  das  Fehlen  der 
Stempel  im  Zusammenhang  mit  den  oben  erwähnten  Thatsachen 
im  höchsten  Grade  merkwürdig.  —  Die  oskischen  Ziegelstempel  von 
Pompeji  (Mommsen  Dial.  175.  185  Bull,  degli  scavi  n.  s.  1869,  153) 
ickeinen  nicht  viel  alter  zu  sein  als  die  römische  Kolonie;  die  älte- 
sten Hänser  bestehen  aus  Haustein  und  opus  incertum  (Fiorelli  Scavi, 
A.  1.).    Aehnlich  in  Alba  Fueense:  Promis  S.  100. 

^)  Vitruv  2,  8,  9  videre  Ueet .  , ,  in  Italia  Arreti  vetustum  mumm 
^egie  faehtm  (oben  A.  22) ;  sein  Ausschreiber  Plinins  35,  173:  in  Italia 
quoque  hderidus  murus  ArreU  ^  eum  euagine  eft,  so  nach  Detlefsen 
die  Hss.  ausser  fi.  (doch  schweigt  derselbe  Philol.  31,  412  f.);  höchst 
anfallend  wäre  es,  wenn  die  Bamb.  wirklich  hätte  was  in  den  Texten 
steht  Arreti  et  Mevaniae,  Steckt  in  jener  Lesart  egregieJ  —  Ziegel 
dienen  *den  sehr  alten  vejentischen  Quader-Mauern  als  Unterlage' 
Abeken  Mitteilt.  S.  153;  Gell,  Rome  and  its  vic.  >  448  f.  mit  der  Ab- 
bildung auf  dem  Plan  von  Veji. 


16  SINLEiTUNG. 

nichtsdestoweniger  Varro  die  Wohngebäude  der  Altvordeni 
als  Ziegelbauten,  Cicero  geradezu  die  Stadt  überhaiipt  als 
einen  Bau  Won  Ziegeln  und  Bruchsteinen'  und  Augustus  die- 
selbe, wie  er  sie  vorgefunden,  als  'Ziegelatadt'  b^eichnet, 
so  bleibt  schwerlich  eio  anderer  Ausweg  als  die  Annahme, 
dass  man  bis  auf  Cicero  mit  ungebranntein  Ziegeln  (buer^) 
'  Privathäuser  ganz  oder  theilweiae  gebaut  und  erst  seit  dieser 
Epoche  den  Backstembau  gepflegt  hat.  Aber  auch  diese  An- 
nahme löst  mir  die  vorhandenen  Widerspruche  nicht  yöUig.^^). 
Gleichzeitig  mit  der  Aufnahme  des  Baeksteinbaues  ist  die 
des  Marmorbaues.  Erst  Auguatus  hat  nicht  blos  Rom»  son- 
dern Italien  die  Marmorbruche  von  L^a  erschlossen^')^    Bis 

'^)  Za  diesem  Resultat  scheiot  auch  Semper  1,  48S  gekommen 
ZQ  sein.  Für  die  letzte  Zeit  der  Republik  bezeugt  Cicero  de  div. 
2,  47,  99:  in  totere  aut  in  caemento,  ex  quipus  urbs  effecta  e^t,  vgl 
Suet.  Aug.  28:  urbem ,  ,  marmoream  $e  reiinqu^e  quam  latericiam 
accepitset,  und  Dio  39,  61,  wo  die  Ueberschwemauag  d.  J.  700  die 
QixCai  ix  TtXtv^fov  i^xo6o/nf}fi^vcct  wegschwemmt.  .  Für  die  ältere  Zeit 
die  Hauptstelle  bei  Varro  (bei  J\oo.  48,  13):  antiqui.  nostri  in  domihus 
laterieiif  paukdum  rnodo  tuffundatiSf  ut  htanorpm  effugm'ent^  habt- 
tabant.  Zu  diesem  Häuserbau  sind  die  anU^ui  nach  der  Vorstellung 
der  Gelehrten  seiner  Zeit  durch  das  \'orbild  der  Vogelnester  gelangt 
Varro  (bei  Non.  308,  32):  lä  hirundmes  virgtUis  oblitis  hdo  tegulas 
fingebant  (so  ist  wohl  zu  schreiibea,  ingtdims  obUU  die  Hss.)  vgl. 
Vitr.  2,  1,  2:  nmnuÜi  Mrundinum  nidoM  ei  earum  aedißcatümes  imitan- 
tes  de  luto  et  virguUs  facere  loca  quae  subirent,  Lucil.  (bei  Non.  445, 21): 
nam  laterem  qui  dudt  habet  nihil  tanpUus  umquam  quam  commune  lutum 
et  paleas  caenumque  aceratum.  Von  diesen  latericiae  structurae  {later 
und  TiUvSog:  Cort  Et  279)  unterscheidet  Vitr.  2,  8,  16  f.  die  wie  es 
scheint  damals  neu  aufgekommenen  testaceae.  —  Die  angeblichen  Reste 
von  in  die  Erde  gegrabenen  Wohnetätten  aus  der  Königszeit  (M.  de  Rossi 
Buonarotti  1874,  79  ff.)  sind  problematisch  (Jahresber.  1875,  780,  1876, 
184).  —  Uebrigens  ist  auch  hierübjor  die  Revision  djsr,  Biaiige3chichte  von 
Pompeji  abzuwarten. 

^)  Ueber  den  Marmor  als  römisches  Baumaterial  ist  jetzt  die  grund- 
legende Arbeit  die  vod^  Brnzza,  Icrizioni  dei  marml  grezzi  Ann.  1870, 
106 — 204,  daneben  bat  Gorsi  DeUe  pletre  antiche  (oben  A.  1)  Boch 
Werth  als  Katalog  der  in  Rom  erhaltenen  antiken  Säulen.  —  Die  äUe- 
ren  Angaben  über  die  Qualität  des  Marmors  römischer  Bauten  sind 
nicht  immer  zuverlässig;  wir  müssen  uns  meist  begpiügieJi  den  heutigen 


1.]  DIE  TRÜMMfiR.  17 

dahin  war  Marmor  för  Bauten  ein  fremdes,  aus  dem  helle- 
nischen Osten  und  Afrika  bezogenes  Material,  in  Rom  schwer- 
lich bekannt  vor  den  punischen  Kriegen,  und  seit  diesen  wohl 
meist  in  der  Gestalt  fertiger  Säulen  und  Werkslücke,  welche 
so  gut  wie  die  plastischen  Werke  den  Gebäuden  eroberter 
Städte  entrissen  wurden,  um  als  Beutestöcke  heimgebracht 
uDd  hi^  zum  Umbau  älterer  oder  zum  Bau  neuer  Tempel, 
sehr  sdten  und  schfkchtern  bis  auf  Cäsar  zur  Ausschmückung 
von  PriTathäusern  verwendet  zu  werden  *^).  AUer  Wahrschein- 
ücfakeit  nach  ist  der  ^Marmortempel'  des  Metellus  Macedbni- 
CU8  nichts  anderes  als  ein  zum  Staunen  Roms  mit  solchen 
geraubten  Marmorstücken  ausgezieiler  Tempel  und  wird  eben 
wegen  der  för  damalige  Zeit  ganz  alleinstehenden  Pracht  er- 
wähnt: um  so  mehr  als  noch  SuUa  bei  der  Wiederherstellung 
des  capitolinischen  Tempels  ähnlich  verfahren  ist  (Tb.  11)^^). 

Staod  der  Untersuchuoip  zn  referireo.  —  Den  Marmor  von  Luna  nennt 
zwar  sehen  Varro  bei  Plinins  36,  135 :  Hlicem  Luniensem  serra  secari 
(sUesD  ist  eben  marmor,  oben  A.  3«),  ood  er  ist  sowohl  den  Etrnskern 
(Semper  1, 488)  als  in  Rom  vor  Augnstns  wohl  bekannt,  aber  nicht  als  fian- 
material.  Ueber  den  Betrieb  der  Brüche  Bruzza  a.  0.  166  ff.  vgl.  Ita- 
ms  Lemniacas'  znr  Uebersetzung  des  Ratilius  Namatianns  (Berlin  1872) 
S.  199  ff.  —  Schon  Strabo  5,  2,  5  unterscheidet  die  feinere  weisse 
nnd  die  schlechtere  blangrane  Qualität,  über  welche  unten  AA.  84  ff. 
Vgl.  das  Testament  des  Lingoners  (Wilm  Exempla  315),  welcher  sich 
eine  ara .  .  ex  laptde  bmenst  quam  optimo  bestellt  (1.  Jahrb.). 

'^)  Die  bekannten  Notizen  über  die  Verwendung  des  fremden  Mar- 
mors (von  Ghios,  Karystos,  Hymettos,  Numidien)  vor  Augustus  treten^ 
was  gewShnlich  übersehen  wird,  lediglich  io  Verbindung  mit  der  Ge- 
schichte des  Luxus,  namentlich  der  Privath'auser,  auf  und  beziehen  sich 
favt  ausschliesslich  anf  SSulen.  So  auch  Catos  Klage  über  die  'pavi- 
mmta  Poettiea  (Pestus  242).    S.  darüber  Bmzza  a.  O.  140.  163.  149. 

*')  Die  vielberühmte  Stelle  des  rhetorisch  stark  auftragenden  Vel- 
I^Qs  1,  11  üi>er  Q.  Metellns  Macedonicus:  primus  aedem  ex  marmore 
ifedt)  —  vielleicht  die  aedes  lovü  MeteUina  des  Festus  863  und 
die  a.  in  p&rHeu  MetelU  lovü  statoris  Hermodori  des  Vitruv  3,  2,  5, 
worüber  Th.  Ü  —  w^rd  in  der  Regel  gemissbraucht  um  die  frühe  Ver- 
wendmig  des  fremden  Marmors  zn  beweisen,  zugleich  mit  der  noch 
weniger  besagenden  Stelle  desselben  Schriftstellers  über  die  Porticus 
des  Co.  Oelavius  2,  1,  2;  Sehr  auffallen  würden  auch  die  Phrygiae 
cobtmnae  der  Basilica  Aemilia  (PHn.  36,  102),  wenn  diese^  wie  Bruzza 

Jordan,  rOmische  Topographie.    I.    1.  2 


18  EINLEITUNG. 

Dass  die  gewöhnliche  Art  des  Kunstbaus  noch  nach '  dieser 
Zeit  selbst  für  Tempel,  welche  von  siegreichen  Feldherrn  aus 
der  Beute  prächtiger  wiederhergestellt  werden  sollten,  die  alte 
war  und  man  sich  noch  immer  mit  den  columnae  decUbatae 
begnügte,  beweist  zur  Genüge  die  Wiederherstellung  des  Castor- 
tempels  am  Markt  —  an  dem  doch  wahrlich  nicht  gespart 
werden  durfte  —  und  bestätigen  die  Trümmer  aller  vor- 
augustischen  Tempel  ^2)»  —  In  gewissem  Sinne  also  hat  das 
geflügelte  Wort  des  Augustus,  er  habe  eine  Ziegelstadt  ge- 
funden, eine  Marmorstadt  hinterlassen,  Recht^^,  in  der  That 
ist  er  der  erste,  der  in  grossartigem  Maassstabe  mit  Marmor, 
und  zwar  wohl  grosstentheiis  mit  dem  weissen  lunensischen, 
die  öffentlichen  Gebäude  gebaut  oder  restaurirt  hat*  Und 
zwar  war  das  ganz  besonders  Staunenswerthe,  dass  er  nicht 
allein  Marmorsäulen  verwendete  und  die  Wände  mit  Marmor 
inkrustirte,  sondern  auch  mit  Marmorquadern  baute.  Dies  ist 
von  seinen  Neubauten,  den  Tempeln  des  Jupiter  Tonans  und 
Apollo,  bezeugt  und  es  hat  also  auch  von  dieser  Seite  einige 

a.  0.  139.  155  aus  Cicero  ad  Att.  4,  16,  14  {eisdem  antiquü  cohimnis) 
schliesst,  vou  dem  Bau  vod  575/J  79  herrührten :  er  übersieht  aber,  dass 
nns  ein  grosser  Neubau  vor  dem  J.  700  bekannt  ist  (Jahresbericht  1875, 
741  ff.  und  Th.  II),  dem  sie  angehören  können  wenn  nicht  müssen.  — 
Die  erhaltenen  Tempel  mit  Marmorschmuck  gehören  sämmtlich  nach- 
weislich der  Kaiserzeit  an:  die  Bauten  des  Augustus  (s.  die  ff.  AA.), 
die  Neubauten  oder  Restaurationsbauten  des  Tiberius  und  der  folgen- 
den Kaiser  am  Forum,  der  Peripteros  am  Ponte  rotto  (aus  stilistischen 
Gründen;  parischer  Marmor?  Corsi  377),  die  Säulen  in  S.  Maria  in 
Cosmcdin  (liberianischer  Cerestempel?),  der  Tempel  auf  Piazza  di 
Pietra  u.  a.  Wenn  die  Marmorsäulen  bei, Monte  di  Pieta  (Bull.  man. 
1873,  212  ff.)  auch  nach  Brunns  Vermuthong  dem  Neptunustempel  des 
Co.  Domitins  gehören  sollten  (ich  kann  das  nicht  als  erwiesen  an- 
sehen, Jahresbericht  1876,  188)  so  ist  die  Annahme  eines  Nenbaus  nicht 
ausgeschlossen. 

'*)  Oben  A.  12.  13.  Wie  Sulla  werden  eben  mehrere  verfahren 
sein  und  sich  nicht  mit  dem  Erlös  aus  der  Beute  (de  manibüt,  s.  Forma 
urbis  S.  29)  begnügt  haben,  auch  nicht  mit  der  praeda  einzelner  Kanst- 
werke  wie  Marcellus  (Hinnad  cepit)  oder  M.  Fulvius  Nobilior  (Ambra- 
cia  cepit),  wie  schon  die  Klagen  des  Cato  über  letzteren  durchblicken  lassen. 

•3)  Suet.  Aug.  28;  s.  oben  A.  28 


§  1.]  DIE  TRÜMMER.  19 

Wahrscheinliehkeit,  dass  die  Marmorquadern ,  auf  welche  die 
Triumphal*  und  Consularfasten  eingegraben  sind,  der  im  J.  718 
von  ihm  neu  aufgeführten  Regia  angehören.  Der  Tempel  des 
Mars*l]ltor  ist  mit  Marmor  bekleidet  und  hat  marmorne  Säu- 
len, dasselbe  darf  wohl  von  dem  Tempel  des  Divus  Julius 
angenommen  werden  ^^).  Vorangegangen  waren  dem  Augustus 
in  dieser  Bauweise  Cäsar  und  Pompejus :  wir  wissen,  dass  die 
Saepta  luUa  ein  Marmorgebäude  werden  sollten  und  dass  der 
Tempel  der  Venus  Genetrix  von  Marmor  war.  Hervorragende 
Theiie  des  Theaters  des  Pompejus,  wie  die  Bühne,  müssen  eben^ 
falls  mit  diesem  Material  geschmückt  gewesen  sein:  der  ganze 
fiau  kann  unmöglich  eine  Marmorbekleidung  gehabt  haben  ^^). 

'^)  Marmorquadera  und  lanensiseher.  Marmor:  vom  Apollotempel 
sa{^  Servius  za  Aen.  8,  720:  de  solido  marmore  quod  aüatum  /uerat  de 
portu  Ltmae,  Ganz  allgemein  bezeugt  Strabo  5,  2,  5,  dass  der  Mar- 
mor der  römischen  Prachtbauten  von  Luna  komme.  Marmorquadern 
{toUdäB  glebae)  hatte  der  Tempel  des  Jupiter  TonaAs  (Plin;  56,  50)  und 
ebenso  die  Regia,  wenn  die  oben  erwähnte  Hypothese  sich'  bewährt  (be- 
stritten habe  ich  sie  Hermes  7,  270  nieht,  wie  behauptet  worden,  aber 
sie  ist  nichts  weniger  als  sicher).  Ob  die  Marmorstufen  und  ein  Stück, 
des  Giebels  des  Tempels  des  Divus  Julius  dem  Bau  des  Augustus  oder 
dem  Neubau  Hadrians  geboren,  vermag  ich  nicht  zu  sagen :  sie  schienen 
mir  lunensiach  zu  sein^  Denselbto  Marmor  nimmt  wohl  mit  Recht 
Piale  (zu  Venuti  1,  136)  als  Material  der  Säulen  des  Mars  Ultor  am 
Arco  de'  pantaoi  an:  Venuti  glaubte  pariscfaen  zu  erkennen,  Corsi 
Pietre  301  thasischen  (Greco  livido).  Die  Cellawände  dieses  Tempels 
aber  bestehen  aus  Tufquadern  und  waren  nur  mit  Marmor  inkrustirt. 
Unsicher  ist  es  ob  die  erhaltenen  Säulen  der  porticus  Octaviae,  welche 
schwerlich  der  Restauration  des  Severus  angehöfen,  von  parischem  Mar- 
mor sind  (so  Corsi  33). 

*^)  Ueber  Cäsars  «oepto  moirmorea  Cic.  ad  Att.  4,  16,  14  (die  er- 
haltenen Travertinpfeiter  ehemals  mit  Marmor  inkrustirt?  Forma  urbis 
S.  35  f.),  über  seine  Venus  Genetrix  Palladio  4,  3  (Vi  fu  trovato  una 
qaantita  grandissima  di  marmo  lavorato').  —  Das  Theater  des  Pom- 
pejus bezeichnet  der  Kalender  (Amit.  12.  Aug.):  in  theatro  marmoreo^ 
dasselbe  als  theatttttn  läpidetem  Vitruv  3,  2,  2.  Undenkbar  ist  es,  dass 
schon  zur  Zeit  des  Amit.  Kalenders  marmoreus  für  'steinern'  gebraucht 
werden  konnte  (vgl.  pons  lapideusy  marmoreus  Th.  I  §  7),  ebenso  un- 
denkbar aber^  wie  oben  gesagt,  dass  das  ganze  Theater  aus  Marmor 
bestand  (vgl.  A.  12). 

2* 


20  EPLEITÜNG. 

Dass  auch  fernerhia  die  bessere  weisse  Qualität  des  kinen* 
sisefaen  Marmors  neben  den  frem4eii  Maroiorarten  in  Ge- 
brauch blieb,  lehren  die  Monument^^^)....; 

Es  liegt  ausserhalb  der  Grenzen  dieser  .Erörterungen,  die 
Verwendung  der  verschiedenen  Marmorarten  seit  •  Augustus 
und  die  kaiserliche  Ver«^:altung  .  der  Steinbrüche,  und  des 
Transports  im  Einzelnen  zu.  Terfolgen.  Die  neuesten  Ent- 
deckungen haben  gezeigt,  eine  wie  fast  unübersehbare  Menge 
von  Marmor,  Granit  und  Porphyr  aus  allen  Welttheilen  nach 
Rom  strömte  und  hier  am  Emporium  (s.  Tb.  I  §  7)  gelagert 
wurde.  Die  durch  die  amtlichen  Vermerke  mf  den  einge- 
führten Stucken  bisher  gefundenen  chronologisehen  Indioien 
haben  die  Zeitgrenze  von  17 — 206  n.  Chr.  und  für  die  Zeit 
von  Domitian  bis  zu  den  Antoninen  eine  besonders  grosse 
Menge  von  Daten  ergeben.  Obwohl  die  Verwendung  werth- 
voUer  fremder  Marmorarten  mit  diesem  Jahre  schwerlich  auf- 
gehört hat,  so  ist  doch  das  gerade  seit  diesen  Jahren  bemerk-- 
bare  Sinken  der  gesamtnten  Kultur,  wie  es  sich  in  Sprache, 
Literatur  und  Kunst  merkwürdig  scharf  bemerklich  macht  •O, 
eine  Thatsache,  die  vielleicht  zur  Erklärung  jener  anderen 
dienen  kann.  Das  Sinken  der  Baukunst  in  jenen  Jahren,  der 
Begierungszeit  der  rühm-  und  baulvstigen  Kaiser  Sevenis 
und  CaracaUa,  offenbart  sich  wie  im  Stil  so  im  Material  am 
klarsten  in  deii  Ruinen  der  Kaiserpaläste.  Während  der  Palast 
des  Domitian  die  ganze  reiche  Pracht  der  kostbarsten  farbi- 
gen Marmorarten  aller  Länder  entfaltete ^^),  stossen  wir  in 
den  jüngsten  dem  3.  Jahrhundert  gehörigen  Palastrumen  auf 

^)  Nach  Corsi  bestehen  aus  diesem  Moraior  die  drei  Säiil«n  des 
Castortempels  (Pietre  364),  die  drei  des  Vespasiaa  and  Titve  (daa.),  die 
vom  Forum  transitorium  (dQ2),  vom  Teoipel  «of  Piessa  di  Pietni  (87), 
die  Fokaasäule  und  zwei  gleiche  auf  dem. Forum  geluadene  {^64)  wozu 
jetzt  eine  vierte  kommt. 

")  S.  meine  Erörterung  dieser  Thatsache  Forma  urhis  S.  7. 

'^)  Ich  verweise  vorläufig  auf  meine  KaiserpalMste  Ro^ms  {B*  1867) 
und  Lanciaois  Guida:  in  dem  kleinen  Museum  auf  dem  Falatip  (^.  Gaida 
S.  66  ff.)  hat  Rosa  sehr  lehrreich  die  gefundeaeA  Arten  ^samtiea* 
gestellt. 


f  1]  DIE  TRÜMM£R.  21 

der  SMhälfle  des  Högels  auf  .die  geringere  Qaalität  des  Mar- 
mor von  Luna,  d^m  auch  ffir  Fnselrriften  in  jener  Zeit  — 
trugt  mich  mein  Gedfichtniss  nieht  —  'flber^iegend,  wenn 
nichft  ansschliesslidh,  angewandten  Materia).  Es  kommt  dazui 
dass  aller  Wahrscheihlicdikeit  nach  damats  und  damals  zuerst 
▼OD  älteren  Monuiaenten  weythvoOe  ^  SSulen  zum  Bau  neuer 
eilfertig  aufgefOhrter  Wkke  entnommen  wurden.  Kaum  lassen 
die  Berichte  über  dai&  Sepüzonium  eine  andere  Erklärung 
zn^*).  Dies  Septizoniam  aber  wa»  ausser  den  nur  einmal 
erwähnten  Thermen  der  einzige  Neubau  des  Kaisers:  aHefibri-^ 
gen  waren  Restaarationdbauteix. 

Es  ist  eben  giizeiigt  n^orden,  dass  der  Backsteinbau  in 
Rom  erst  xur  Zeit  des  Augustns  Eingang  gefunden  hat  tt^d 
dass  PriTatbauten  jener  Zeit*  in  dem  sogenannten  ojms  relieU'- 
latum  constroirt  waren,  ^itiroviws  bezdchn^  diese  Konstruk- 
tion als  die  zu  seiner  Zeit  allgemiein  QMicbe,  daneben  eine 
äkere  als  das  opus  iticirtum^%  Beididn  dienen  kleine  Wurfe! 
aus  heimischem  Tuf.  Jene  ist  allg^dn  bekannt;  ob  diese, 
über  deren  Wesen  gestritten  mri,  wie  man  meint,  ^ine  Ab- 
art des  in  Latiumdoch  nicht  bekanivten  Polygonalbaus  sei, 
jene  sieh  aus  dieser  kunstmässig  entwickelt  habe',  ist  eine 
Frage,  welche  die  Teohmherbeantiworten  mögen ^*).  Hier 
kommt  es  allein  darauf  an,  die  Dauier  des  Reticniatbaus  zu 
fixiren.  Seine  schon  von  Vitruv  bepierkte,  aus  der  Keilförmig- 
keit  des  Gefüges  entstehende  ljp)haltbarkeit  suchte  man,  wohl 
Dicht  vor  der  Zeit  des  Nero,. durch  Einffiigung  horizontaler 

^)  ZttsammeDgrestellt' Forma  urbis  S.  S7  ff.  Bestimmt  bezeugt  ist, 
dass  dit  SSnleii  Von  verscIdedeDeta  Matertal  waren. 

^  VitraV  2,  8,  1:  structufürum  ^enera  sunt  kaec,  reticulatum, 
quo  nunc  omnes  iUuntur,  et  antiqimm  quöd  incertum  dicitur, 

*^)  Man  versiebt  jetzt  ziemlicb  allgemein  darnnter  den  Bau  ans 
kleinen  nicht  würfeTHirmf^n,  sondern  unregelmässigen  caetnenta,  Rosa 
glaubt  diese  Honstruktionsweise ,  wie  er  uns  auf  Excursionen  (1S62. 
1863)  m^brmals  auseinandersetzte,  z.  B.  in  den  Sobstmktionsmauern 
von  Terrassen  republikanischer  Villen  bei  Tnscuhim  nachweisen  zu 
können.  Eben  dahin  rechnete  schon' Fabrelti  die  Matter  des  %ogenann- 
ten  Etaiporhim  des  Aemilius  Paulas,  oben  A.  22.  Ich  muss  mich  be- 
giQSen  dies  anzuführen. 


22  ^INiiBlTüNG. 

Ziegellagen  aufzuheben.  Diese  Technik  erlangte  zur  Zeit 
Hadrians  eine  besondere  Vollendung,  nach  der  Regierung  dieses 
Kaisers  aber  scheint  die  ganze  Bauweise  zu  verschwinden. 
Das  opus  reticulatum  diente  in  allen  Häuser-  und  Zierbauten 
dem  Bewurf  als  Träger,  als  Rohbau  dürfte  es  schwerlich 
anders  als  etwa  in  Substruktions-  und  ähnlichen  Bauten  be* 
handelt  worden  sein**).  —  Mit  dem  Verschwinden  des  Reti- 
culatbaus  gelangt  neben  dem  monumentatei  Quader-  und 
Marmorbau  der  B  a  c  k  s  t  e  i  n  b  a  u  zur  Alleinherrschaft.  Die  Eni« 
Wickelung  der  Technik  der  Fabrikation  der  Backsteine  wie 
der  Konstruktion  ist  für  die  ganze  Chronologie  der  Bauten 
der  Kaiserzeit  also  von.  grösster  Wichtigkeit.  Wir  besitzen 
zum  Glück  in  den  Fabrikstempeln  der  Ziegel  (s.  §  2  A.  26) 
einen  sicheren  chronologischen  Wegweiser,  dazu  kommen  aber 
die  auch  unabhängig  von  diesen  festgestellten  Kriterien  des 
Alters,  die  Dimensionen  der  Ziegel  und,  was  davon  untrenn- 
bar ist,  die  Art  der  Bindung  derselben  durch  Mörtel*^).  Die 
Techniker  haben  bemerkt,  dass  die  ausgezeichnete  Qualität 
desselben  und  seine  mit  d^  Zeit  zunehmende  Unzerstörbar- 
keit  durch  seine  Zusammensetzung  und  durch  die  klimatischen 
EinOüsse  bedingt  wird.  .Diese  TrelTlichkeit  des  Mörtels  ist 
der  Grund,  weshalb  man  ihn  in  Rom  je  länger  je  mehr  nicht 
blos  als  Bindemittel,  sondern  als  billiges  Baumaterial  verwen- 

**)  Kurze  Uebersicht  über  die  Geschichte  des  opus  reticulatum  bei 
Vespigoani  Bull.  »uo.  2,  147  f.  (von  Sltereo  vgl.  Uggeri  Journ.  pltt. 
T.  6.  8  f.)-  Zu  deo  ältesten  datirteo  Beispielen  des  reinen  Retikulat- 
baus  gehören  das  oben  A.  24  angeführte  Privathaus  anf  dem  Palatin, 
der  unterirdische  Kanal  der  aqiui  lulia,  gebaut  719  (ßulL  mun.  2,  205), 
die  Villa  der  Livia  bei  Prima  porta,  das  Mausoleum  des  Augustus  (vgl. 
auch  die  Relazione  SuUe  scoperte  archeol.  u.  s.  w.  1873,  S.  73)^  der 
sogenannte  Muro  torto  am  Monte  Pincio  (honti  Dofaitü?),  Mischung 
mit  Ziegelbau  zeigen  schon  die  Trümmer  des  ^^oldenen  Hauses  des  Nero, 
für  die  Hadrianische  Bauweise  gahen  früher  die  Trümmer  der  Villa  bei 
Tivoli,  und  geben  jetzt  die  vortrefflich  erhaltenen  datirten  Ufer- 
bauten am  Emporium  das  beste  Beispiel  (s.  Th.  I  §  7).  Kein  Reti- 
culatbau  \)nter  den  Antoninen,  z.  B.  Bull.  mun.  2,  229. 

*^)  Es  bedarf  kaum  der  Bemerkung,  dass  auch  über  diese  Fragen 
kein   eigenes   Urtheil   beansprucht  wird. 


1.  ]  DIE  TRÜMMER.  23 

det  hat,  d.  h.  weshalb  die  ursprünglich  kaum  sichtbare  Hör- 
telscbicht  im  Lauf  der  Zeit  in  stetigem  Wachsen  begriffen  ist, 
bis  sie  fast  der  Breite  der  Ziegel  gleichkommt.  Auch  die 
Dimensionen  der  Ziegel  selbst  verändern  sich  regelmässig  in 
der  Weise,  dass  sie  ursprünglich  bei  ausserordentlicher  Länge 
und  Breite  sehr  dünn  sind,  später  in  jenen  Dimensionen  ab-, 
in  dieser  zunehmen.  Der  Versuch,  diese  Veränderungen  mit 
Hilfe  der  datirten  Backsteinbauten  geradezu  in  einer  mathe- 
matischen Progression  darzustellen,  darf  als  missglückt  be- 
zeichnet werden  und  es  wird,  wo  die  Daten  der  Stempel 
fehlen,  kaum  möglich,  sein,  mehr  als  Hauptepochen  zu  be- 
stimmen, diese  aber  auch  mit  Sicherheit.  In  den  angegebe- 
nen Wandelungen  treten  am  deutlichsten  hervor  die  klassische 
Schon^teit  der  Bauten  der  ersten  Hälfte  des  ersten  Jahrhun- 
derts; eine  starke  Veränderung  dürfte  die  Epoche  der  An- 
tonine aufweisen:  der  Verfall  beginnt  auch  hier  mit  der  Re- 
gierung des  Sevenis  und  Caracalla  und  steigert  sich  nun  in 
schnellem  Tempo  bis  zur  constantinischen  und  nachconstan- 
tinischen  Epoche,  deren  Ende  jene  aus  Tufstücken,  Ziegeln 
und  Mörtel  eilfertig  aufgeführten  Hauern  bezeichnend^). 

Noch  tiefer  in  die  rein  technischen  Fragen  führen  die 
verschiedenen  Bauweisen,  der  Rohbau  —  welcher  schon  im 
1.  Jahrhundert  trefflich  entwickelt  und  zu  Darstellungen  von 
Kunstformen  benutzt  ist  — ,  der  Bewurfbau,  die  Konstruktion 
der  Gewölbe«    Wir  müssen  uns  begnügen,  auf  die  chronolo* 

**)  Ueber  die  Technik  der  Ziegelbauten  Roms  giebt  es  ausser  den 
bekannten  DarsteUangen  von  Piranesi,  Canina,  Nibby  u.  a.  keine  nm- 
fassende  neaere  Untersvehnng.  Ich  nenne  besonders  Salsenberg  Ann. 
1818,  156  ff.  ond  die  neueste. hauptsächlich  für  den  Gewölbebau  wichtige 
Schrift  von  Choisy,  L'art  de  batir  chez  ies  Romains,  Paris  1873.  Ur- 
heber jener  mathematischen  Scala  ist  Parker  in  der  Archeology  of  Rome 
I  Text  eh.  3.  S.  21:  anf  den  Fass  kommen  im  1.  Jahrhundert  10,  im  2tea 
8,  im  3ten  6,  im  4ten  4  Ziegel  'incloded  raortar'  (Jahresbericht  1875, 
792).  Seine  Abbildungen  datirter  Ziegelbauten  sind  nur  zum  Theil 
brauchbar,  zum  Theil  sind  sie  zu  klein  und  zu  undeullich.  Eine  Dar- 
stellung und  gute  Erörterung  der  spätesten  Konstruktionsweise  bei 
Fea-Biancotti  Cerchi  T.  XVIIf.  Aehnlich  die  Baureste  zwischen  dem' 
Titusbogen  und  dem   Constantinsbogen  westlich  der  Strasse. 


24  EINLEITUNG, 

gischen  Kriterien  hinzuweisen ,  welche  nach  den  Urtheil  der 
Sachkenner  auch  in  diesen  Dingen  liegen.  Die  Lösung  schwie-* 
riger  Probleme  wie  die  Bestininiung  des  als  ^Minerra  Mediea* 
bekannten  -Gebäudes  und  des  ampkUheatrum  ccMrmse  ist  den 
so  sehr  von  der  genauesten  tediinschen  Analyse  des  Baus 
wie  Yen  der  Auslegung  der  vielleicht  darauf  bezüglichen  Zeug- 
nisse abhängig  ^'^). 

Die  Geschichte  des  römischen  Baustils  ist  zwar  im 
Ganzen  wie  im  Einzelnen  von  Faehmünnern,  inbesondere  von 
den  französischen  Architekten  (vgl.  §  3)  vielfach  gründlich 
behandelt  worden^  keineswegs  aber  in  sok&er  Weise,  dass 
die  chronologischen  Merkmale,  deren  wir  für  dk  Topographie 
bedürfen»  systematisch  und  überzeugend  ermittelt  wären.  Hat 
doch  über  einzelne  Denkmäler  das  Urtheil  derselben  zwisdien 
weit  auseinanderliegenden  Epochen  und  Jahrhunderten  schwan- 
ken  können  (A.  55).  Es  tbäte  vor  allem  Noth,  aus  den  da- 
tirten  Bauten  eine  umfassende  Analyse  aller  sidieren  Verän- 
deruQgen  zu  gewinnen  und  übersichtlich  vorzulegen» 

Dass  der  etruskische  Stil  beim  Bau  des  capitoUniscfaen 
und  des  Cerestempels  (261  d.  St.)  zur  Anwendung  kam,  ist 
bekannt,  wahrscheinlich  dass  die  zwischen  beide  Gründungen 
fallenden  Bauten  des  Saturn  (257),  Mercur  (259)  und 
Castortempels  (270),  möglich,  dass  auch  noch  die  nächstfol- 
genden (288  Dius  Fidiiis  323  Apollo)  nach  dem  etruskisehen 
Schema  erbaut  worden  sind  (Th.  11  u.  A.  9  oben).  Für 
diese  Möglichkeit  geben  indessen  meines  Wissens  die  Trümmer 
in  Bom  keinen  Beleg.  Freilich  ist  dabei  zu  bedeiAen,  dass 
die  fortwährenden  Neu-  und  Umbauten  leicht  die  Spuren 
etruskischer  oder  sogenannter  italischer  Tempelformen,  wie 
sie  in  anderen  Städten  Italiens  erhalten  sind,  gänzlich  ver- 
wischt haben  können:  aber  auf  der  andern  Seite  ist  es  von 


^)  S.  besonders  Choisy  a.  0.  und  die  zerstreuten  Bemerkungen  an- 
derer Architekten,  namentlich  von  Promis,  Caristie  (Monuments  antiqaes 
d'Orange),  Isabelle  (Les  edifices  circulaires  et  les  domes).  (Jeher  den 
Kuppelbau  auch  Rahn,  Ueber  den  Ursprung  und  die  Entwickelung  des 
christl.   Central-   und  Kuppelbaus,  L.  1866. 


§  1.]  DIE  TRÜMMKE.  25 

Gewicht,  dass  audi  sonst,  wie  z.  B.  ia  dem  in  neuerer  Zeit 
erst  bekannt  gewordenen  ältesten  Gräberbau  sich  keine  Spur 
von  Emwirkung  des  Etruekiscben  gefunden  hat.  —  Es  seheint, 
dass  der  dorüsehe  und  jonisdi-attische  Stil  frih  nebeneinander 
ESngang  gefunden  und  auch  das  Ornament  der  Grab-  und 
Ehrendenkmäler  wie  der  Altäre  beherrscht  haben.  Erst  später 
wird  der  korinthische  au%enommen  worden  sein,  der  seit  der 
Epoche  des  Augustu9  mehr  und  mehr  zur  Alldnherrschaft 
griangt^^).    Dass  bei  den  häufigen  Neubauten  Umformungen 

<»)  FSr  die  Behauptung  Bergaus  (Philol.  26,  90  f.  vgl.  Arch  Z. 
1866,  20  ff.),  dass  es  einoD  ans  dem  'etriiskisclien'  efitwickelten  ^n'atio- 
oalea'  romischeu  Baustil  gebe,  der  voq  den  Ton  Vitrov  beselu^iebeaeD 
UatersebeiduDgeB  des  dorisciieii,  joniscllen,  korintlüficheA  noch  niehts 
wisse  —  diesem  Stil  soll  sogar  das  Bibulusdeoknal  angehöreii  und  bei 
demselben  nicht  von  dorischen  Pilastern  gesprochen  werden  dürfen  — 
seheinen  mir  ebenso  wie  für  die  damit  verknüpfte  Annahme  des  'natio- 
aaleii'  Ziegelbaos  (oben  A.  21)  die  Beweise  zu  fehlen,  ^ne  wissen- 
schaftliche Untersuchung  von  Fachmännern  mnsste  sich  auf  eine  um- 
fassende ÜBtersnchufflg  des  ThatiiesUndes  atüteen  nnd  an  die  Bange- 
schiebte  Pom|»eji6  anknüpfen,  fw  welche  bei  fiöttieher  u.  a.  vorgearbei- 
tet ist.  Zur  Technik  des  jonisehen  Stils  vgl.  bes.  Semper  2.  459  L  — 
Einstweilen  stelle  ieh  über  die  drei  Stile  zusammen,  was  mir  erreieh*- 
Ur  und,  wie  es  seheint,  nirgend  zusammengestellt  ist.  —  Dorisch: 
^TabnlanuiB',  unsieherer  T.  auf  dem  Palatino  östlicher  am  Forum  holi- 
torium,  Rundtempel  a».F.  boarium  (Hercules  Victor);  Grabdenkmäler 
dorisch  (oder  mit  dorischen  Elementen):  O.  des  Bttulus,  neugefundenes 
auf  dem  Esquilin,  am  4.  Meilenstein  der  Appia  (arebaisirend?  Canina 
V.  Appia  T.  22,  1.  43,  4);  jonisoh:  Tempel,  westl.  und  mittlerer 
am  Forum  helitorium,  Pseudoperipteros  bei  Ponte  rotto,  des  Saturn 
(s.  A.  50),  des  Neptun  i»  Marsfelde  (??  Bull.  mun.  1.  T.  VI),  des  Divus 
Julius  (?  Dutert  Forum  S.  40;  die  Hermes  9,  353  beschriebene 
Möttze  scheint  die  Wahl  zwischen  joniseh  und  dorisch  zu  lassen); 
Ehrendenkmal  des  C.  Minueius  auf  einer  Münze  des  7.  Jahrb.  {?  MomnH 
sea  Münzw.  S.  649  f.  n.  154  <»  Bd.  2,  303  f.  n.  109  franz.  A.); 
^joniseh-doriscli':  Fa^de  und  SarkopÜag  des  Mfiioaengrabes  (?). 
Fortdauer  der  Verwendung  des  dorischen  Stils  im  PorticusstU : 
Forum  (Jahreaber.  1875,  743  Dutert  S.  38),  Theater  des  MarceUus 
u.  8.  w.  Während  die  au^eaäblten  Denkmäler  vorangusteiseh  sind 
oder  vorauguateisohe  nachbilden,  sind  die  erhaltenen  korinthisohen 
Tempel  (vom  Castortempel  an)  wie  es  steint,  sämmtlich  Neubauten 
oder  Restaurationsbanfeen  der  Zeit  ven  Augustus  (Mnrs  Ültor)  an. 


26  EIJVLEITÜNG. 

aus  dem  älteren  in  den  jüngeren  Stil  in  Rom  wie  in  Pom- 
peji stattgefunden  haben,  ist  erweislich^  andererseits  aber 
auch  das  Festhalten  an  dem  älteren  durch  eine  Reihe  von 
Neubauten  hindurch*^).  Die  Regel  des  Vitruv,  dass  bestimm- 
ten Gottheiten  bestimmte  Stile  zukommen,  erweist  sich  als 
eine  Theorie^  welche  in  Rom  nicht  festgehalten  worden  ist^^). 
Wie  weit  nun  der  griechische  Baustil  vor  den  Zeiten  des 
zweiten  punischen  Krieges  auch  den  jedesfalls  wänig  ent^ 
wickelten  Profanbau  und  Privatbau  beherrscht  hat,  lässt  sich 
bis  jetzt  nach  den  vorhandenen  Trümmern  nicht  genügend 
beurtheilen.  Seit  dieser  Zeit  zeigen  uns  sichere  Thatsachen, 
die  Aufnahme  der  Fremdwörter  basilica,  tholm,  empormmj 
vielleicht  auch  lautumiae  (älter  —  aber  wie  alt?  —  camer a, 
carcer)  und  die  Herbeiholung  bewährter  griechischer  Baumeister 
zum  Behuf  der  Ausführung  von  Profanbauten  wie  früher  zum 
Bau  oder  zum  Dekoriren  der  Tempel,  dass  das  Wort  des  Por- 


^7)  Vgl.  A.  49.  Die  Bau^esckiehte  von  Pompeji  weist  Umwand- 
loog  von  dorischen  in  iiorinthische  l^ulen  naich  (v^l.  Overbeck  '  460). 
Es  ist  deshalb  für  Rom  die  Frage^  ob  bei  Neabanten  von  Tempeln  das-^ 
selbe  gewagt  wurde.  Auffallend  ist,  dass  der  Tempel  des  Saturn  zur 
Zeit  Trajan's  (also  nach  seiner  Wiederherstellung  durch  Plauens),  wie 
die  Darstellung  der  Reliefschranken  des  Forums  zeigt,  joniseh  war 
(vgl.  Jahresber.  1875  S.  740:  die  anderweitigen  hier  angedeuteten 
Grunde  werden  gerade  durch  den  Umstand  verstärkt,  dass  die  übrigen 
dargestellten  Tempel  sämmtlieh  korinthischer  Ordnung  sind)  und  dass 
diese  Ordnung  noch  in  der  spätesten  uns  erhaltenen  Restauration  bei- 
behalten wurde.  Dagegen  muss  für  den  capitolinischen  Jnppitertempel 
(Domitian)  und  wahrscheinlich  auch  fdr  die  Tempel  des  Castor  (Tibe- 
rius,  Domitian)  und  der  Ceres  (S.  Maria  in  Cosmedin,  Tiberins?), 
welche  sämmtlieh«  korinthisdi  sind,  eine  Verwandlung  des  Stils  ange- 
nommen werden,    lieber  diese  Tempel  s.  das  NShere  Th.  11. 

^^)  Vitruv  1,2,  5  veriangt  für  Minerva  Mars  Hercules  dorische,  fdr 
Juno  Diana  Baccfaus  jonisdie^  für  Venus  Flora  •  Proserpina  und  die 
Nymphen  korinthische  Tempel.  Vgl.  Betticher  P  275.  Der  T.  des 
Hercules  am  Circus  war  nach  der  von  De  Rossi  in  den  Ann.  1854  T.  3 
publicirten  Zeichnung  allerdings  dorisch  (?),  der  Minerventempel  des 
Nerva  aber  koriathisoh.  Für  di«  übrigen  sind  in  Rom  keine  sicheren 
Beispiele  vorhanden.  Die  überwiegende  Anzahl  der  auf  Münzen  dar- 
gestellten römischen  Tempel  sind  korinthischer  Ordnung.     S.  A.  50. 


1]  DIB  TRÜMMBR.  27 

dus  Licinus,  die  Muse  habe  seit  jener  Zeit  mit  befiögeltem 
Sdtritt  sich  zu  dem  Krieg^volk  des  Romuhis  begeben,  von 
der  Baukunst  so  gut  wie  Ton  der  Litteratur  gilt.  Aber  Wie 
in  der  Litteratur  nationale  Elemente  in  die  griechische  For- 
mensprache übersetzt  wurden  und  diesef  umbildeten,  so  auch 
hier.  Seit  derselben  Epoche  hören  wir  von  einheimischen 
röoiischen  Baumeistern;  eine  nationale  Entwickelung  ist  in 
der  Konstruktion  des  üpm  mcerhim  und  dktitpium  zu  erken- 
nen; auch  nationale  Kunstformen  hat  man  Tielieicfat  mit  Reicht 
gefanden  in  dem  Bogen-  und  Gewölbebau  ^^). 

Wir  haben  gesehen,  dass  der  Bogen  (formsf)^^)  als  Träger 
von  Lasten  seit  ältester  Zeit  in  Rom  bekannt  ist.    Die  Kloake, 


*•)  Fremdwörter  (vgl.  Th.  I  §  6):  hcuiUea,  ungewigs .  woher,  seit 
Cato;  emporium  seit  562.  580.  Arch.  Z.  1868  S.  19  (vgl.  Th.  I  §  7); 
thohts  seit  574  (s.  A.  54) ;  lautumiae  vgl.  Th.  II  und  A.  Ö,  über  cflrrcer 
and  camera  A.  54  z.  E.  —  lieber  die  Architekten  am  genanesten,  ob- 
wohl mit  zahlreichen  Miesverstandnissen,  Premi«,  Gli.tri^itetti  «  Tarchi- 
tettora  presso  i  Romani  (Memorie  dell'  ac  di  Tor)no  1873,  sc.  mo- 
rali,  S.  1 — 181).  Ueber  den  Salaminier  Hermodoros  (baut  in  Rom  608 
Dod  618  Tempel,  vollendet  vielleicht  612  die  Navalien)  Forma  urbis 
S.  45.  Aber  um  dieselbe  Zeit  baut  der  civü  Romamis  CossuHus  (Vitr. 
7  pro.  15:  Promis  S.  167  f.  hiUt  ihn  freilich  fSr  einen  griechischen 
Freigelassenen)  in  Athen  das  Olyrapieion  (bis  589,  vgl.  Waehsuiath 
Athen  1,  643),  wie  zor  Zeit  Gicwos  Gigas  und  Marens  Slallius  das 
Odeion  (Röckh  CIG  1,^357  Vitr.  5,  9,  1  vgl.  Wachsmutb  667,  Pro- 
mis 163  ff.).  Auch  sonst  überwiegen  unter  den  Architekten  Roms  seit 
Marins  (Gajns  Mucins)  die  römischen  JNameo.  Ueber  die  griechischen 
Baumeister  des  Tr^jato  und  Hadrian  vgl.  Th.  II. 

^  fV>mu?  (die  Znsammen  Stellung  mit  ^oito;,  CorsseO)  Krit.  Beitr. 
175  ganz  unsicher)  auch  in  Bautenioschriften  der  Colonien  und  Muni-, 
cipien  seit  dem  7.  Jahrhundert  nicht  selten  für  lasttragende  Bögen: 
fundamenta  fomices  CIL  1,  1162  (V erenüiaum) ',  aquam  ..  .fomicesque 
1166  (Aletrium);  murum  ab  fornice  ad  circum  et  fornicem  cistemamque 
(Brunnenhaus?)  1412  (Assisium);  später  portas  /omic(em)  aedificand{a) 
2, 1087  (Ilipa)  ;/or]mce«  Bull,  dell'  inst.  1873,  86  (Formiae)  wahrschein- 
lich zum  Hafenbau  gehörig,  ebenso  wohl :  portas  et  pilas  pontis  (pontis 
za  streichen?)  in  Tiberi  quibus  piUs  post  aliquot  annos^  P.  Scipio  AJHr 
canus  et  L.  Mummius  censores  locaverunt  imponendos,  Liv. .  40,  51^  4 
Tgl  Hermes  4,  258  und  Th.  I  §  7.  -r-  Damit  stimmt  aucl\  der  jüngere 
Sprachgebrauch  überein:  z.  B.  Liv.  36,  23,  3,  44,  11,  5  und  Vitruv. 


28  BIWLfilTÜNß; 

der  Oberkau  des  Tullianum,  die  zweite  Wasserleitung  geben 
nooh  jetzt  Zettgni$8  för  seine  Verwendung,  nkht  minder  sjiie- 
geit  sich  die  Tradition  des  röknisehen  Bogenbaus  in  den  Bau-< 
tea  der  römisohen  Colonic»  und  MunicifHen  wieder.  Dass 
im  7.  Jahrhundert  die  stilistische  Verwendung  desselben  im 
Arkaden-  nnd  Porticus^Bau  gewöhnlich  war,  dafür  beweisen 
die  erhaltene  Halle  des  sogenannten  Tabularium  (vgl.  oben 
A*  12),  die  Darstellung  ier  Villa  ftiblica  als  eines  zweistöcki- 
gen im  unteren  Stockwerk  von  Arkaden  getragenen  Bauwerks 
auf  einer  ums  J.  700  gesoblageaen  lüunze,  die  Beschreibung 
des  voraugustisdien  Circus  und  die  Analogie  des  ebenfalls 
voraugostischen  Amphitheaters  von  Pompeji,  während  anderer- 
seits die  Mänzdarstellung  der  aemilischen  Basilika  des  sieben- 
ten Jahrhunderts  die  Hallen  des  unteren  Stockwerks  abwei- 
chend von  de\a  späteren  Umbau  mit  gradlinigem  Gebälk  zeigt* 
Wenn  einer  vereinzelten  Erwähnung  zu  trauen  ist^  so  durften 
ähnliche  Anlagen  bereits  Sn  der  Zeit  des  zweiten  punischen 
Krieges  vorhanden  gewesen  sein.  In  der  That  scheint  hier, 
wie  die  Vergleichung  ähnlicher  hellenistischer  und  hellenisi- 
render  Porticusanlagen  zeigt,  eine  selbständige  römische 
Schöpfung  erkepnbar  zu  sein,  wenn  auch  deren  Ursprung  im 
Dunkel  liegt  ^^).  Das  gleiche  gilt  vielleicht  von  der  Benutzuii^ 
des  fomix  als  eines  freistehenden  über  Strassen  errichteten, 
Statuen,  Weihgeschenke  oder  Trophäen  tragenden  Bogen  und 
dem  verwandten  oder  gleichen  ursprunglich  wohl  als  Ein- 
gangsbogen zu  geschlossenen  Plätzen  dienenden  tanus.    Auch 

")  Aemilische  Basilica,  Bau  vor  700,  (Jahresbericht  1875,  742) 
Cohen,  Aem.  S,  T.  1  =  Mominseo,  Münzw.  S.  633  f. ;  villa  pubUca  Bau 
des  Titas  Didius  (Cons.  656?)  auf  der  Müuze  des  Publius  Fontejus  Ca- 
pito,  Coheo,  Font.  10,  T.  XVIII  =  Mommsen  S.  638;  voraugustischer 
Circus,  Forma  urbis  S.  19  f.  —  Zum  Jahr  536  erwähnt  Livius  22,  36,  8 
eine  via  fomicata  quae  ad  campum  erat,  doch  gewiss  mit  dem  in  der 
Stadtchronik  gebrauchten  Ausdruck,  lieber  die  ähnlichen  aber  des  ßo- 
gens  entbehrenden  Hallenanlagen  der  hellenistischen  Epoche  in  griechi- 
schen Städten  und  in  Pompeji  vgl.  Adler,  die  Stoa  des  Königs  Attalos 
zu  Athen,  Berliner  Winkelm.  Progr.  1874.  Amphitheater  von  Pompeji: 
über  das  Alter  Schöne  Quaestionum  Pomp,  specimen  1868;  ausser  der 
Ruine  vgl.  das  Wandbild  bei  Fiorelli  Descr.  S.  70. 


§  ].]  Mfi  TRÜMMER.  29 

dieser  Kunstform  begegnen  wir  schon  in  der  Zeit  d^  Sei- 
pienen.  Sie  ist  seitdem  ein  steter  Begleiter  des  wachsenden 
Kriegsruhms,  ein  nationaler  Ausdruck  des  römischen  Beamten«^ 
rahms  geblieben.  Die  lange  Reihe  der  Triumphbogen  zeigt 
eine  ininer  zunehmende  Bereicherung  der  For^  mit  bild-* 
üchem  Schmuck,  zu  welcher  sich  seit  der  Zeit  4es  Atrgustus 
die  Pracht  des  Materials  gesellt  Sowohl  die  erhaltenen  Bögen 
vom  Dnisusbogen  bis  zu  den  dreithorigen,  yielleicht  von  det 
Entwickelung  der  Stadtthore  beeinflussten  d^s  Sevenift  und 
GonstantiOf  als  auch  die  Beschreibungen  der  zerstörten,  wie 
des  Fabierbogens  und  des  nach  der  Wiedergewinnung  der 
parthischen  Feldzeichen  dem  Augustus  errichtetem,  gestatten 
ans  eise  genaue  Vorstellung  von  den  Verwandlungen  dieser 
Denkmäler  zu  gewinnen  ^^). 

In  wunderbarer  Voltendung  tritt  mit  dem  Pantheon  des 
Agrippa  die  kuppelgedeckte  Rotunde  scheinbar  als  eme  neue 
und  eig^ithumhch  römische  Bauform  auf.  Allein  es  ist 
neuerdings  die  Vermuthung  aufgestellt  worden,  dass  die  Vor- 
bilder dieser  Form  im  hellenistischen  Osten   zu  suchen  sein 


^)  lieber  die'/ormoe#  als  Ekren-  oder  DcdieatfonsbSgpeD  und  deren 
ZüsaiBBienhao^  mit  den  spateren  Tfinmplibo^en  s.  Jetzt  fleHri^  Unter- 
snehuDg^en  Über  die  eamp.  Wandmalerei  S.  46  f.  Bekannt  sind  zwei  anf 
dem  Porom  boarlnm,  einer  im  Circns  (v.  J.  55S  de  numibiis;  trafen  signa 
aurata  Liv.  33,  21,  4),  einer  auf  dem  Capitol  (v.  J:  504^  von  Scipio  ge- 
baut in  Capi^li»  tutversu^  vtatn  qua  in  CapäoHum  eitmdüur  cum  signis 
seiptmi  auratU  et  equig  duobus  -^  darauf?  —  et  tnarmorea  duo  läbra 
mUe  fomiceni  Liv.  37,  3,  7),  der  Calpurmus  ebendaselbst  (Oros.  5,  9)^ 
ebenda  andere  (?)  dargestellt  anf  den  Reliefs  des  Forums  (Jabresb.  1875, 
740)  und  anf  dem  Stadtplan  (Forma  fr.  114);  der  Fühianus  anf  dem 
Fomm  (8.  Ejpb.  epigr.  1877  n.  Tb.  II).  —  Die  imi:  zn  Sinnessa  (?) 
foTunL  porticüms  tabermstpee  vlaudendum  et  ianos  trU  faeiendof  (580, 
Liv.  41,  27,  12),  drei*  iani  anf  dem  Forum  in  Rom  (s.  Tb.  If);  später  wie 
ea  sdieiut  =»  forfdoee  (oder  areus) :  so  die  drei  iani  tu  Bbiren  des  Drusns 
CIL  6,  911 ;  tat  iani  und  der  'ianus  gendnu^  Hermes  4,  235'?.;  thermae^ 
tont  in  Pmteoh?  Areb.Zw  1$66,  S.  5.  —  Uebersicbt  irad^listiscbe  Ana- 
lyse der  r^miscben  Triampbbügen  bei  Caristle  Mon.'  anft.  d*Orange  T;* 
XXVltf.  Promis  Aosta  191  if.  lieber  den  Angnstusbo^en  Bpb.  ^igr.  1877. 
—  Verzeielmiss  der  stadtrömiseben  Bd.  2,  41 1  ff.:  dazn  Boll.  mnn.  1,  103. 


30  EINLEITUNG. 

mochten  ^%  Diese  Annahme,  deren  Haltbarkeit  breitere  For- 
schung zu  priifen  haben  wird,  setzt  also  den  Bau  dieses 
Tempels  (denn  das  ist  er)  wegen  seiner  grossen  Dimensionen 
ausser  Zusammenhang  mit  den  unzweifelhaft  alten  römischen 
Rundtempeln,  nicht  allein  der  Vesta,  sondern  auch  des  Her- 
cules und  anderer  Götter  und  mit  den  runden  Altären  (A.  58). 
Aber  ebensowenig  erwiesen  sind  bis  jetzt  die  Sätze,  dass  das 
Bund-  und  Kuppelgebäude  eine  nationalitalische  Erfindung 
o,der  dass  es  ein  den  Italikern  wie  der  ältesten  hellenischen 
Bevölkerung  gemeinsames  gräkoitalisches  Erbstuck  sei.  Auch 
haben  wir  eine  sichere  Hinweisung  auf  die  Entlehnung 
wenigstens  gewisser  kuppelfönniger  Gebäude  aus  Griechen- 
land in  dem  Fremdworte  tholus,  für  welches  ein  lateinisches 
nicht  vorhanden  ist,  und  in  dem  so  benannten  kuppelfdrmi- 
ge^n  Schlachthause,  wahrscheinlich  einem  Bau  des  Jahres  574. 
Ebenfalls  ein.  Fremdwort,  vielleicht  älteren  Ursprungs,  seheint 
der  technische  Ausdruck  för  gewölbte  Räume  camera  (daher 
coneameratio)  zu  sein'^^). 

^)  F.  Adler,  Das  Pantheon,  im  Berliner  Winkelmannsprogramm  1871, 
S.  16  ff.  Eine  Analogie  aas  späterer  Zeit  würde  der  Baa  des  Trajans- 
forum  naeh  dem  Master  des  Ramesseion  bilden,  wena  diese  Annahme 
wirklich  haltbar  wäre,  worüber  Th.  II.  —  Ganz  verkehrt  ist  alles  was 
der  spnst  so  treffliche  Promis  Mem.  deir  ac.  di  Tarino  1873  (scienze 
morali  cett.)  S.  117  ff.  darüber  bemerkt:  er  legt  za  Grande  die  Interpola- 
tion der  Stelle  Plin,  36,  102:  non  et  tectum  Pantheon  lovi  ultori  ab 
j4grippa  Jacti,  cum  theatrum  ante  texerit  Rontae  f^alerius  Ostiensir 
archüectus  ludis  LibonU,  während  jetzt  allein  richtig  nach  der  fiam- 
berger  Hs.  iecium  diribitorü  ab  A.  /.  gelesen  wird,  und  lasst  nan 
den  Valerias  Ostiensis,  Erbauer  des  Pantheon,  den  GewSlbeban  an 
den  Theatern  stndiren. 

^)  Die  verschiedenen  Ansichten  über  den  Ursprung  der  römischen 
Rundbauten  (Mommsen  R.  G.  1^  479  f.,  Preaner  Vesta  102.  U8.  248^ 
Bötticher  Tekt.  1*  173,  Bahn  Central-  und  Kuppelbau  S.  19  ff. 
u.  a.)  entbehren  vor  allem  noch  4es  nöthigen  Fundaments,  einer  umfassen- 
Aufnahme  des  Thatbestandes.  Ganz  unkritisch  und  übereilt  Pyl,  Die 
griechischen  Rundbauten,  Gr^ifsw.  1861.  Ob  und  welcher  Zosammen* 
hang  zwischen  den  griechischen  Thesauren,  den  Nnraghen  und  den 
italischen  und  griechischen  Rundtempeln  und  Tholen  besteht,  ist  noch 
ganz  unklar;    wichtig  aber,  dass  für  die  runden  .Grabdenkmäler  der 


§  l.|  DI£  TRÜMMER.  31 

Was  sonst  als  Gescliichte  des  römischen  Baustils  be*- 
zeichnct  wird,  ist  <)ie  Geschichte  (}er  Umbildung,  zum  grossen 
Theil  MissbilduDg  der  überlieferten  griechischen  Formen  be- 
sonders des  prunkenden  korinthischen  Stils  (oben  A.  46.  4S). 
Diese  Geschichte  ist  von  Fachmännern  im  ganzen  auch  für 
unsere  Zwecke  genügend  behandelt:  obwohl  chronologische 
Bestimmungen  auf  Grund  stilistischer  Beobachtung  in  einzel« 
nen  Fällen  um  Jahrhunderte  geirrt  haben  und  über  einzelne 
wichtige  Veränderungen  überhaupt  noch  keine  sicheren  Daten 
gesammelt   sind^^).     iSamenthch    ist    es    möglich    gewefien, 

aogiistuvheii  und  späteren  Zeit  (Ca dcilia  Metella,  Mausoleum  des  Aa> 
gostas  Q.  a.)  jedenfalls  ältere  römische  Vorbilder  bisher  niebt  ge- 
funden sind;  und  doch  kennen  wir  jejtzt  eine  Reihe  ältester  und  alter 
römischer  Grabkammern:  keine  einzige  ist  kreisrund,  —  Ueber  den 
tholus  macelli  des  Varro  bei  Non.  180,  13  (514), .  das  Vorbild  der 
kaiserlichen  maeella,  s.  Hermes  2,  93  und  Th.  II.  Wenn  Bnnios  die  Him- 
melsknppel  bezeiehnen  will,  sa^t  er  fomiees  codi,  -^  Für  camera  oder 
camara  (jenes  hie)t  Verrius  Flaccus  für  korrekt »  dieses  ist  auf  In- 
schriften, z.  B.  in  den  Arvalakten,  nicht  selten)  und  conotwieratio  kenne 
ich  keine  Belege  vor  der  Zeit  des  Cicero.  Die  noch  dunkele  Ge- 
schichte des  nichtattischen  Wortes  xa/ndga  scheint  mir  auf  die  Ueber* 
nähme  desselben  ans  dem  hellenischen  Osten  zu  weisen,  was  hier  nicht 
weiter,  verfolgt  werden  kann.  Auch  die  gewohnliche  Ansieht  über 
carcer  ist  keineswegs  unanfechtbar. 

^^)  In  die  Zeit  der  Antonine  hat  man  das  Julierdenkmal  von  St. 
Remy  gesetzt,  welches  nach  der  lasobrift  sieher  in  die  Epoche  Cäsars, 
spätestens  des  Augnstus  gehört  (Ritschi  Prise,  lat  suppl.  V.  1864); 
dem  ersten  Jahrhundert  gehört  sicher  die  Porta  Nigra  zu  Trier,  wel- 
che Kngler  bis  ins  5.  und  6.  Jahrhundert  herabgerückt  hatte  (Hübner 
Monatsber.  d.  Ak.  1864,  94  ff.);  während  desselben  richtige  Meinung 
über  das  jetzt  zerstörte  Frontispizio  di  Nerone  aus  .stilistischen  Grün- 
den von  Semper  (Stil  2,  473)  für  falsch  erklärt  und  dasselbe  gar  für 
ein  Rest  des  goldenen  Hauses  des  Nero  (auf  dem  Qnirinall)  ausgegeben 
wird.  —  Andere  Beispiele»  Alter  des  Compositencapitells?  Dass  der 
sogenannte  Drususbogen  diesen  Namen  in  der  That  mit  Recht  führt, 
ist  jetzt  so  gut  als  gewiss  (Jahresber.  1875  S.  778):  er  hat  dasselbe 
bereits,  was  als  Grand  gegen  die  Benennung  angeführt  worden  ist. 
lieber  den  griechischen  Ursprung  Semper  Stil.  2,  474.  —  Wie 
früh  kommt  die  VernadilÜssigung  der  Theilung  des  Gebalks  i%' 
Fries  und  Architrav  vor?  Man  nimmt  an,  dass  diese  Vernaehlässigimg 
am  Vespasianstempel   am  Clivus   dureh   die    Restauration   des  Sevema 


82  EINLEITUNG. 

grössere  Epochen,  wie  die  augusteische,  die  des  Domitian, 
des  Trajan  und  des  Hadrian ,  ihre  vom  einfachen  und  blü- 
henden zum  überladenen  und  gekünstelten  fortschreitende 
Geschmackswandelung  scharf  zu  charakterisiren  und  den  Be- 
ginn des  stilistischen  Verfalls  in  den  ersten  Jahren  des  dritten 
Jahrhunderts  als  ein  jäh  hereinbrechendes  Ereigniss  zu  er- 
kennen. Es  ist  femer  unzweifelhaft,  dass  die  NacbblQthe 
attischer  Kunst,  welche  Rom  in  der  Zeit  des  Augustus  er- 
lebte, nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Vervollkommnung  der 
Architektur  geblieben  ist,  dass  griechische  Baumeister  an  der- 
selben auch  fernerhin  einen  hervorragenden  Antheil  ge- 
nommen haben  (unter  Trajan  Apollodor,  Th.  II),  dass  endlich 
auf  die  stilistischen  Veränderungen  die  Wahl  des  Materials, 
welche  oben  erörtert  ist,  einen  wesentlichen  und  stetigen 
Einfluss  geübt  hat.  —  Es  ist  bisher  von  dengrossen  öiTent- 
lichen  Kunstbauten  die  Rede  gewesen.  Wir  erwähnen  hier 
noch,  dass  auch  die  Entwickelung  der  Dekoration  des  Privat- 
hauses, welche  uns  vornehmlich  die  Baugeschichte  von  Pompeji 
wenigstens  bis  zur  Zeit  Vespasians  kennen  lehrt,  in  vielen 
Fällen  für  die  römische  Topographie  von  Wichtigkeit  isf^*). 
Ebenso  muss  auf  eine  Klasse  von  Denkmälern  noch  be- 


veranlasst  sei:  Valladier  Raccolta  5  S.  11  (äholiohe  Frage  fir  die 
Porta  Borsari  in  Verona:  Mommsen  CIL  5,  1,  3329).  Aber  der  Miner> 
veotempel  des  Domitian  aof  dem  Fornm  transitoriiim  ?  Forma  urbis 
S.  27  »>  T.  XXXVI  a 

^)  Beispiele  aus  der  Zeit  des  Angustns  und  der  kurz  vorher- 
gehenden die  beiden  A.  24  genannten  Gebäude  und  das  Zimmer  der 
Villa  der  Livia  ad  Rubra  (Prima  porta)  bei  Rom.  Man  bat  in  der 
Landscfaafts-  und  Vedntenmanier  der  Wandgemälde  dieser  beiden 
(pnblicirt  leider  nur  die  des  'Auditorium'  Bull.  mun.  2  T.  XVI  f.) 
die  Kunstrichtung  des  Sextus  Tadius  (?  Plin.  35,  116)  erkannt:  a. 
Heibig,  Wandgem.  S.  385  ff.  Camp.  Wandmalerei  S.  61  f.  Spä- 
tere Beispiele  dekorirter  Privathäuser:  Wand-Dekoration  eines  Privat- 
baues  spätestens  der  hadrian.  Zeit  unter  den  Thermen  des  Caraeaila 
Bull,  deir  inst  1S67,  109;  aus  der  der  ersten  Antonine  Pinder  Buir 
dell'  i.  1863,  256  ff.  Visconti  Bull.  mun.  3,  326  ff.  —  Ausser  der  be- 
kannten Litteratar  über  Pompeji  ist  besonders  die  Untersuchung  von 
Mau  Bull.  d.  i.  ]S76  hervorzuheben. 


§  1.]  DIE  TRÜMMBR.  33 

sonders  hingewiesen  werden,  deren  Kunstformen  wesentlich 
dorch  die  Zweckmässigkeit  bedingt  wird,  die  Befestigungs- 
bauten. Für  diese  sind  wir  in  der  glöcklichen  Lage,  auf 
mustergiltige  Untersuchungen  verweisen  zu  können :  nur  haben 
sich  dieselben  leider  nicht  bis  auf  die  für  die  Stadt  Rom  fast 
allein  in  Betracht  kommende  späteste  Bauperiode  erstreckt 
und  wir  werden  leider  auf  diese  grosse  Lücke  aufmerksam 
machen  müssen,  wo  es  sich  um  die  Entscheidung  über  den 
Ursprung  der  erhaltenen  Befestigung  und  ihrer  Thore  handelt  '^^). 

Mit  dem  Material,  der  Konstruktion  und  dem  Stil  der 
Bauten  ist  ihre  Disposition  genannt  worden  als  eins  der 
Mittel  der  Erkenntniss  ihrer  ursprünglichen  Bestimmungen. 
Dass  im  Mittelalter  die  Kenntniss  der  fest  ausgeprägten  Grund- 
formen der  Gebäude  gänzlich  verloren  gegangen  war,  bezeu- 
gen die  unterschiedslos  gebrauchten  Namen  palatiumj  balneum, 
Aermae  u.  a.  (s.  §  2).  Aber  noch  bis  in  die  jüngste  Zeit 
hätte  das  harte,  wenn  auch  freilich  wahre  Wort  eines  Philo- 
lofgßn  gegen  ihn  selbst  gewendet  und  von  einer  *  unnützen 
Klügelei  um  die  Gebäudeformen  unbekümmerter  Philologen' 
gesprochen  werden  können.  Nicht  zum  geringsten  Theil 
sind  wir  jetzt  durch  die  genauere  Kenntniss  von  Pompeji  in 
den  Stand  gesetzt^  auch  die  römischen  Trümmer  aus  ihrer 
eigenen  Disposition  zu  erklären,  und  der  glückliche  Umstand, 
dass  die  Leiter  der  römischen  Entdeckungen  Architekten  sind, 
hat  der  philologischen  Forschung  die  Aneignung  der  Resultate 
der  technischen  Analyse  erleichtert.  Aber  es  ist  nur  eine 
Klasse  von  Gebäuden,  auf  deren  Bestimmung  aus  ihrem 
Schema  hier  noch  besonders  hinzuweisen  ist,  die  Tempel. 

Von  den  zwei  Grundformen,  welche  der  römische  Tempel 
aufweist,  der  kreisrunden  und  der  rechteckigen  Form,  wird 
schon  von  den  alten  jene  bestimmten  Göttern  zugetheilt  und 
es  wäre  demnach  möglich,  wenigstens  negativ  unbenannte 
Rundtempel  zu  bestimmen.  Soweit  die  noch  ungenügende  Auf- 

*')  Ich  meine  die  Arbeitea  von  C.  Promis:  AlbA  Facense  1836, 
Storia  di  Torino  1869,  Antichita  di  Aosta  1862. 

Jordan,  rOmische  Topographie.    I.    1.  3 


34  EINl-EITülVG. 

nähme  des  Tbatbestaniles  es  zulässt,  soheiut  allerdiogs  ange- 
nommeri  werden  zu  dürfen,  dass  zwei  Kategorien  von  Gott- 
heiten diese  Tempel  in  Rom  und  Italien  bewohnt  haben,  der 
Genius  und  die  ihm  verwandten  und  die  unier  versfchiedeaen 
Namen,  verehrte  fruchtbare  Erdgottin.  Abier  der  Grund  dieser 
(Erscheinung  bedarf  nocli  ^r  Aufklärung  und  es  scheinen 
sich   fremdartige  Elemente  spater  eingemischt  zu  haben  '^^). 


58)  Werthvoli  aber  verdorben  ist  die  SteUe  des  Serviiis  za  Aen. 
9,  408  (ich  gebe  Daniels  Text)  mspendive  tholo]  .  .  .  älii  tholum  medium 
sacrarum  dicvnt  genus  fabricae  Vestae  et  Pcmthere*:  (so  D.,  Pantheon 
bat  man  verbessert)  atii  teetum  sine  pärietibus  columnis  svbnixum, 
(Das  sind  also  die  <  beiden  HauptgattüDgen  Monopteros  und  Peripteros.) 
aedes  autem  rotunda$  tribus  diu  dimnt  ßeri  deberi  FeHae  Dianae 
vel  Herctdi  vel  Mercurio.  £in  Name  also  muss  gest^ficbeo  werden. 
Rundtempel  des  Hercules  (dorischer  Peripteros  am  Forum  boarium.  De 
Rossi  Ann.  1854  T.  3;  vielleicht  korinthischer  bei  S.  Nicola  a^  Cesa- 
rini;  vgl.  Hercules  Saxanus  zii  Tivoli?)  und  der  Vesta  (Peripteros,  s. 
Tb.  11)  sind  bekannt;  keinen  solchen  weiss  ich  fö»  Merour  oder  Diana 
nachzuweisen:  für  Diana  beweist  nichts  die  voa  Pyl  S.  99«  111  aaipesor 
gene  Münze  der  Gens  Claudia  Morell.  p.  1^38,  24,  über  den.  Tempel 
von  Nemi  wissen  wir  nichts:  Bull.  d.  inst.  1856,  6.  An  sonstigen 
sicheren  Namen  römischer  Rundtempel  Bude  ich  (vgl.  Jahresber.  1875, 
773)  Dea  Dia  (ganz  ttbereinstimmend  mit  ^Portunus'  Ostia:  Lanciani 
bei  Henzen  Scavi  nel  bosce  T.  IV),  Fermia  (Nizzaoo^  dens.  Bull.  187<0, 
31);  Mars  ultor  auf  dem  Kapltol;  Pantheon;  Divus  Romulus  (yarkfdU 
von  SS.  Cosma  e  Damiano;  auch  Maxentins  am  gleichnamigen  Circus? 
aber  Quirinus,  Divus  ftäius  und  wahrscheinlich  auch  Divus  Augnstus 
keine  Rutidtempel);  vielleicht  Mater  matuta  (?  Rundt.  am  Tiber). 
Die  Adnahme,  der  Penatentempel  sei  eine  Rotunde  gewesed,  bembt 
meiqes  Wissens,  nur  auf  der  Identificlrnng  mt  SS.  Casma  e  Damtano 
oder  S.  Teodoro  (beides  falsch;  S.  Teodoro  noch  nicht  bestimmt). 
Unbestimmbare  Rotunde  auf  dem  kapit.  Plan  fr.  110.  Inwiefern  sich 
griechisches  mit  einheimischem  hier  vermischt  hat,  wie  wahrscheinlich 
bei  den  runden  arae  {ßei)fijiol  otyvnTs  Bd.  2,  262  Anm.),  ist  noch  nicht 
ermittelt.  .Weder  Pyls  unkritische  Gompilatian  (oben  A«  54)  noch 
Texiers  Annahme^  Archit.  Byzantloe  S.  15.  171  habe*  für  das  RIh 
mische  zu  Resultaten  geführt.  Die  sicheren  Namen  weisen  auf  einen 
Zusammenhang  der  runden  Form  mit  dem  Kreise  der  Erdgottheiten 
(Hercules-Genius  ?)  womit  auch  die  Andeutung  bei  Pestus  236  (rotun- 
dam)  übereinstimmt.  —  Es  ist  also  noch  eine  offene  Frage,  «b  bei  Ser- 
vius  Dianae  oder  vel  Mercuno  zu  streichen  sei. 


1]  DIE  trCmmbr.  35 

Für  die  bei  weitem  umfangreichste  smdere  Klasse  würden  die 
bildlichen  Ausschmückungen  —  nicht,    wie   es  scheint,    die 
Ordnung  (oben  A.  46  f.)-  —  auch  in  Rom  von  grosser  Bedeu- 
tung sein  und  Schlüsse  auf  die  Gottheit  zulassen,   wie  wir 
denn  beispidsweise  von  den  nicht  mehr  vorhandenen  bezüg« 
liehen  Giebelbildern  des  grossen  capitolinischen  Tempels  und 
des  Tempels  des  Jupiter  Tonans   (Th.  II)  genau  unterrichtet 
sind :  aber  mit  einer  einzigen  Ausnahme,  dem  Schmuck  eines 
Neptunstempels  (und  doch  ist  die  Zugehörigkeit  dieses  er« 
haltenen  Bildwerks  zu  einer  Ruine  im  Marsfeld   nicht  ausser 
Zweifel,  A.  8^),  sind  uns  meines  Wissens  an  römischen  Tempel- 
ruinen keine  verwerthbare  Bildwerke  erhalten.    Um  so  werth- 
YoUer  würde  uns  eine  Theorie  sein,  welche  aus  der  Orientirung 
der  Tempel,  d,  h»  aus  der  Richtung  der  Tempelaxen  und  deren 
Verhältniss  zum  Sonnenaufgang,  den  Namen  der  Gottheit  er- 
schliessen  zu  können  glaubt,    wenn  dieselbe  sich  bewährte. 
Sie  gebt    aus   von   der    Beobachtung,    dass    die   *  römisch-* 
italischen'    Tempel    nach    allen    Richtungen    der    Windrose 
orientirt  seien  und  sucht  diese  Thatsache  zu  erklären,  indem 
sie  annimmt,  dass  der  Sonnenaufgang  am'Gründungstage' 
des  Tempels  (Inaugurations-  oder  Dedicationstag?)'^®)  bestim- 
mend für  das  Legen  der  Längs-  (oder  Queraxe)  des  Tempels 
gewesen    sei,   dass   demnach   der  römische  Festkalender  in 
Verbindung    mit   der   Messung   der   Axenrichtung   über   die 
möglichen  Benennungen  entscheiden  müsse;  doch  bleibt  erstens 
eine  Klasse  von  Tempeln  übrig,    deren  Orientirung  ausser 
aller  Beziehung  zum  Sonnenaufgang  steht  und  daher  durch 
die  aufgestellte  Hypothese  ihre  Erklärung  nicht  findet ;  zwei- 
tens ist   zu  bedenken,   dass  die  Dur^fuhrung  der  Theorie, 
welche   dann   weiter   auf  die   Orientirung    der    christlichen 
Kirchen  erstreckt  worden  ist,  sich  bisher  wenigstens,  mit  den 
ausser   ihr  liegenden    sicheren    topographischen   Thatsachen 
mehrfach  in  Widerspruch  gesetzt  hat.     Wir  haben  demnach 
guten  Grund  uns  derselben  einstweilen  nicht  als  eines  Mittels 


*»)  üeber  diese  vgl.  §  2  A.  6. 

3* 


36  EINLEITUNG. 

zur   Entscheidung   der  Fragen   nach   der  Benennung    unbe- 
stimmter Rainen  zu  bedienen  ^°). 


^)  Nissen,  Das  Templam  L.  1869,  162  V.;  die  Theorie  ans^edehot 
auf  die  Kirchen:  Rhein.  Mas.  28,  513  ff.  29,  369  ff.;  vgl.  §  2  A.  47. 
Die  von  Nissen  anf  Grund  seiner  Theorie  beanspruchte  Entscheidung 
schwebender  Fragen  ist  irrig  ausgefallen:  über  den  Saturn-  nod  über 
den  Vespasiaotempel  (vgl.  Forma  nrbis  S.  27),  über  den  kapitolioiscben 
(s.  Ann.  1876,  145  ff.,  Jahresber.  1876,  177).'  Tbatsäcblich  unrichtigp  be- 
merkt der  Verf.  Rh.  Mus.  (1873),  28,  536,  dass  erst  seit  der  ^Reinigrung* 
der  Trümmer  vor  den  8  Säulen  durch  die  neue  Verwaltung  (1870)  und 
Trendelenbargs  Anwendung  des  capit.  Plans  die  Benennung  der  8  Säu- 
len als  'Saturn'  gesichert  sei:  der  Plan  war  bereits  von  Cauina 
richtig  benutzt  und  die  Trümmer  vor  den  8  Säulen  befinden  sich  beut 
in  demselben  Zustande  wie  im  Jahre  1869.  —  Meine  'Bedenkeo*  im 
Hermes  4,  254  ff.  richteten  sich  allein  gegen  das  Umstossen  von  ander- 
weitig feststehenden  Tbatsachen. 


§  2. 

DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  ALTERTHUMS  UND  DIE 
ZERSTÖRUNG  DES  MITTELALTERS. 

Der  Boden  der  Stadt  Rom  und  was  Menschenhände 
darauf  gebaut  haben,  weisen  ein  dreifaches  Recht  auf,  das 
des  Staates,  der  Burger  und  der  Staatsgötter.  Dem  locus 
fuhUcus  prwatus  sacer  entsprechen  die  aedificia  publica 
frmta  sacra.  Es  mag,  was  den  Boden  anlangt,  die  Abgren- 
lang  des  Staats-  und  Priyateigenthums  durch  die  Limitation 
derartig  vollzogen  gewesen  sein,  dass  es  ursprünglich  schrift- 
licher Bestimmungen  darüber  nicht  weiter  bedurfte:  allein 
voD  dieser  Epoche  geben  uns  weder  Zeugnisse  noch  erkenn- 
bare Reste  der  Eintheilung  Kunde  (Th.  1  §  2.  4).  In  dem 
entwickelten  republikanischen  Staatswesen  sehen  wir  mehr 
und  mehr  den  Grenzstreit  zwischen  dem  Staats-  und  Privat- 
gebiet entbrennen  und  eine  Schlichtung  desselben  theils  von 
Fall  zu  Fall  die  Entscheidungen  der  das  Staatseigenthum  vor 
dem  Eingriff  der  Privaten  schützenden  Beamten  (Gensoren, 
Aelilen),  theils  Gesetze  und  Senatsschlüsse  herbeiführen.  Es 
lässt  sich  nicht  mehr  erkennen,  wie  früh  diese  Entscheidun- 
gen zm-  Aufstellung  von  Grenzsteinen  an  Ort  und  Stelle  ge- 
fuhrt haben  und  ob  über  diese  Terminationen,  ausser  in  den 
Gesetzen,  in  den  Akten  der  einzelnen  Aemter,  wie  man 
vermuthen  möchte,  schriftliche  Aufzeichnungen  vorhanden 
waren  ^). 

*)  Aaf  die  staatsrechtUche  Seite  der  Sache  kann  hier  nicht  naher 
eingegangen  werden.  Was  die  Rechte  der  Censoren  und  Aedilen  (die 
Abgrenznng  beider  ist  nicht  sicher)  und  das  auf  dem  censorischen  be- 
nihende  Recht  des  Kaisers  anlangt,   so  verweise   ich   auf  Mommsen's 


38  EINLEITUNG. 

Anders  steht  es  mit  der  Abgrenzung  des  heiligen  Gebiets, 
nsot'em  bei  demselben  ausser  dem  Staat,  welcher  dasselbe 
der  Gottheit  zu  eigen  giebt  und  sie  allein  in  dem  Besitz 
desselben  schützt,  die  Priesterschaft  in  mannigfachen  Bezie- 
hungen zu  schriftlichen  Aufzeichnungen  seit  frühester  Zeit 
veranlasst  war.  Wir  werden  zu  zeigen  haben,  dass  das 
Templum  der  Stadt  und  sein  consecrirter  Grenzstreifen,  das 
Pomerium,  vor  der  Benutzung  durch  Private  durch  Grenzsteine 
geschützt  war,  über  deren  Standorte  und  Zwischenräunoie 
das  zuständige  Priesterkollegium  zu  wachen  hatte.  Es  ist 
undenkbar,  dass  dieses  Kollegium  nicht  in  seinen  Akten  eine 


Staatsrecht  2,  416  f.  434  f.  476  f.  930  f.  Die  durch  erhaltene  Grenz- 
steine (CIL  6,  1262  ff.)  bekannten  Terininationen  (sämmtlich  ans  der 
Kaiserzeit)  bezeugen  zum  Theil  den  Ueberg«ng  des  Privatei^entl&tims 
in  das  des  Staates  durch  Kauf,  L,  Ca^mmms  JPiso  M,  Sahius  priae^ 
tor^)  aer{arii)  aream  ex  sfenatusj  vfonsultoj  ä  privaH*  publica 
pecunia  redemtam  terminaver{uid)  (CIL  6,  1265)  —  dahin  sind  die  Ter- 
ininationen des  Tiberufers  (Th.  I  §  7)  zu  stellen  und  es  ist  anzuneh- 
men, dass  auch  bei  den  häufigen  Ankäufen  in  republikanischer  Zeit 
(wie  z.  ß.  vom,  Behuf  des  Baues  der  basilica  Porcia)  t^rmioirt  worden 
ist  —  zum  Theil  die  Tuition  oder  Restäutioa  des  fitnatseigentbums  dvrch 
censorisch^s  Edict,  .  .  [e^J  s{enatus)  ciansulto)  censores  loca  a  pitU  et 
columnis  quae  a  privatis  possidebantur  causa  cognita  ex  forma  (s. 
unten)  in  publicum  restituerunt  (Or,  3133  =  CIL  6,  919).  Aehalich 
an  Stelle  der  Censoren  die  Consuln  (Mommsen  S.  414,  929  f.)  des  J.  5 
n.  C.  Utwänarunt  locium).pubUeum  ab  private  (CIL  6,  1263),  atiderer 
Art  die  Termination  CIL  6,  826.  -^  Eine  aJUgefneine  lieber  Weisung  der 
loca  in  urbe  publica  iuris  ambigui  an  die  possessores  hat  nach  Sueton 
Aug.  32  Augustus  vorgenommen,  worüber  Mommsen  Staatsr.  2,  929. 
Es  ist  ein  Zufall,  dass  uns  keine  auf  die  loca  publica  urbis  Romae 
bezüglichen  leges  oder  senatus  consulta  ans  republikanischer  Zeit  er- 
halten sind,  welche  für  jene  unter  Umständen  ebeu  scfpit  wie  beisfkiels^ 
weise  der  erhaltene  Schiedsspruch  der  Mioucier  v.  J»  637  (CIL  l,  199) 
für  die  Gebiete  befreundeter  Gemeinden  die  Grenzen  beschrieben  huben 
werden.  Doch  enthalt  sowohl  das  Municipalgesetz  Cäsars  CIL  1,  206 
wie  das  kürzlich  gefundene  Bruchstück  eines  Senatsbeschlusse's  aus  der 
Zeit  der  Gracchen  (BuU.  mun.  3  T.  XIX,  vgl.  Jahresber.  1876,  185) 
eine  Reihe  von  Bestimmungen  über  die  Handhabung  der  Strassenpolizei, 
welche  uns  einen  Einblick  in  die  verwickelten  Verhältnisse  der  wAchsen- 
deu  Stadt  gewähren. 


§  2.]  DIE  ÜEfiRLlBPßRUNG.  39 

ßesebreibung  des  Laufs  des  Pomerium  besessen  haben  sollte 
und  vielleicht  ist  uns  dieselbe  für  die  erste  Ansiedlung  im 
Wesentlichen  noch  erhalten.  Auf  dieselbe  Quelle  führe  ich 
die  kurze,  aber  in  ihrer  Bestimmtheit  bemerkenswerthe  Notiz 
über  die  Roma  quadraia  im  engeren  Sinne  zuröek,  welche 
SoUnus  aus  Yarro  erhalten  bat  (aber  beide  Th.  I  §  2). 
Aach  eine  Beschreibung  der  ältesten  Grenze  des  ager  roma- 
mis  mu8S  es  gegeben  haben  mit  Bezeidinung  der  Punkte,  an 
wekhen  die  Opfer  der  Ambarvalien  zu  vollziehen  waren :  da-« 
för  bürgt  uns  allein  schon  die  Analogie  der  Priestersehriften 
von  Iguvium  (s.  ebenda).  Dagegen  ist  es  eine  nicht  blos 
unbegi^ndete ,  sondern  verkehrte  Vorstellung,  dass  in  den 
Akten  der  Priesterschaften  sich  eine  Beschreibung  einer  Art 
'Roma  Sacra'  oder  eines  Analogen  unserer  Parochialeintfaei- 
lung  gefündeo  habe  und  dass  uns  diese  auszugsweise  in  den 
Sacra  Argeomm  erhalten  sei.  Eine  Eintheilung  des  Stadt- 
gebiete in  beilige  Distrikte  mit  Centralheiligthumern  kennt 
das  romische  Altertbum  sowenig,  wie  den  Begriff  der  reügiösen 
Gemeinde:  himmelweit  verschieden  davon  sind  die  Kultus- 
stätten an  den  Strassenkreuzungen,  die  compita  der  vici,  bei 
denen  es  sich  lediglich  um  die  Heiligkeit  der  Wege  und 
Grenzen  handelt,  und  jenes  wichtige  Bruchstück  aus  dem 
Archiv  der  pontifices  ist  nichts  anderes,  als  eine  för  das 
praktische  Bedurfniss  jährlich  sich  wiederholender  Prozessio- 
nen entworfene  Beschreibung  des  Weges  zu  den  24  Argei 
genannten  saceüa,  deren  Bedeutung  wir  weiterhin  aufzuklären 
versuchen  wollen  (Th.  I  §  4).  Wenn  wir  uns  vergegen- 
wärtigen, wie  gross  die  Zahl  solcher  Opförgänge  gewesen  ist, 
wie  fest  begrenzt  das  Ceremoniell  der  sacra  nls  et  eis  T^erim, 
so  werden  wir  annehmen  müssen,  dass  die,  wie  wir  wissen, 
so'  weitschichtigen  geistlichen  Archive  an  ähnlichen  Lokalbe- 
schreibuiigeii  eine  Menge  enthalten  haben  ^). 


*)  0a8s  die  Argeeruited^e,  welehe  Varro  de  1. 1.  5,  45  ff.  excerpirt 
litt,  aos  den  i&tn  pontißcii  staiMat)  ist  nicht  bezeugt,  ergiebt  sich  aber 
Bit  Sieherheit  dafatis,  «htds  sie  als  Instrnktion  für  die  ptmtißces 
publici   bei  der  Vollziehung  der   Argeeropfer   diente,    dies  wiederum 


40  EINLEITUNG. 

lieber  das,  was  auf  dem  Boden  der  Stadi  aus  offeat* 
liehen  Mittein  für  Staats-  und  Beligionszwecke  erbaut  war» 
hat  es  in  der  Zeit  des  entwickelten  Staatawesens  siebrifüiche 
Aufzeichnungen  verschiedener  Art  gegeben.  Eine  zusammen- 
hängende authentische  Geschichte  der  öffentlichen  Bauten 
wurde  uns  vorliegen,  wäre  uns  die  Stadtchronik  erhalten. 
Entstanden  aus  der  von  der  Priesterschaft  geführten  Jahres*- 
tafel,  enthielt  sie  während  der  Zeit  der  Republik  die  Anga- 
ben über  die  aus  öffentlichen  Mitteln  bestrittenen  Bauten,  über 
die  Brände,  Ueberschwemmungen,  Krankheiten ,  Prodigien, 
wie  überhaupt  die  für  die  Stadt  wichtigen  Ereignisse.  Diese 
Notizen  sind  in  die  Annalen,  aus  diesen  in  die  uns  erhalte- 
nen Geschichtsbücher  übergegangen^).  Eine  Art  von  Fort- 
setzung dieser  älteren  Stadtchronik  dürfen  wir  in  den  seit 
Cäsar  publicirten  Acta  populi^)  und  der  von  ihnen  verschie- 
denen Kaiserchronik  erblicken,  von  denen  namentlich  die 
letzte  eine  vollständige  Aufzählung  der  kaiserlichen  Bauten 
anstrebt.    Für  die  Regierung  des  Augustus  besitzen  wir  die 

daraus,  dass  ihr  Grundschema  uralt,  die  eingefügte  spezielle  Beschrei- 
bung der  sacella,  wie  die  genannten  Orte  ergeben,  jung  ist  —  wie  dies 
nach  0.  Miiller's  Vorgang  Bd.  2,  237  ff.  ausführlich  bewiesen  ist.  Dazu 
stimmt  die  auch  in  der  Sprache  bis  auf  die  nicht  beseitigten  Zahl- 
adljectiva  fttrtioeps  . .  .  sexticepsj  durchgeführte  Modernisimag.  Varro 
selbst  bezeichnet  die  Schrift  als  sacra  Argewian,  wie  Bd.  2,  240 
gezeigt  ist,  nach  gew^öhnlichem  Sprachgebrauch.  Dazu  Serv.  Fold. 
Aen.  1,  17:  sü  autem  esse  in  sacris  Tibttrtibus  eonsttU  übt  sie  precan^ 
tur  (vergl.  Hermes  8,  219).  —  Spengels  Polemik  Philol.  1873,  92  ff. 
hat  mich  in  keinem  wesentlichen  Punkt  überzeugt. 

*)  lieber  die  Stadtchronik  und  ihren  Inhalt  nach  anderen  Niaaen, 
Krit.  Untersuchungen  über  die  4.  und  5.  Dekade  des  Livius,  besonders 
S.  86  ff.,  und  Nitzsch,  Die  römische  Annalistik  S.  189  ff.,  dessen  An- 
nahme (S.  238  ff.),  dass  die  erhaltene  Schrift  de  prodigiis  des  Julias 
Obsequens  kein  Auszug  ans  Livius  sei,  sondern  aus  den  pontificischen 
Büchern  stamme,  wir  verwerfen  müssen  (worüber  an  einem  ander^a 
Ort),  lieber  den  Werth  der  Prodigien  für  die  physische  Geschichte  der 
Stadt  Th.  I  §  1  A.  5.  t7.  46.  Eine  Sammlung  der  muthsiaasslicb  aus 
der  Stadtchronik  stammenden  Notizen  wird  noch  vermisst 

*)  S.  Hübner  De  senatos  populique  romani  actis  in  Fleckeisens 
Jahrbb.  Suppl.  1859,  559  ff. 


2.]  DIE  ÜBfiRLK^BRüJVG.  41 

eigene  Darstellung  des  Kaisers  in  seinem  Indeüß  rerum  gesta'^ 
mn,  für  die  übrigen  Regierungen  ist  sie  uns  theiis  zerstückt 
bei  den  Biographen,  theiis  in  einer  amtlicheai  Redaktion  vom 
Jahre  3M  n.  C.  erhalten'^).  Aber  diese  Chroniken  sind  nicht 
selbst  Urkunden,  sondern  aus .  urkundlichem  Material  gezogen, 
über  dessen  grossen  Umfapg  gelegentliche  Erwähnungen  und 
die  Betrachtung  des  Organismus  des  Staatswesens  beldiren, 
—  Die  in  der  Stadtchronik  bis  zu  den  punischen  Kriegen 
verzeichneten  Bauten  sind  fast  ausschliesslich,  von  da  ab  bis 
zum  Ausgange  der  Repmblik  überwiegend  Tempeibauten,  wie 
dies  in  c|er  Natur  der  Sache  liegt  (Tb.  I  §  2.  4).  lieber  die 
atdes  saerae  hat  es  zweierlei  'urkundliche  Aufzeichnungen 
gegeben^):  in  der  priesterlichen  Jahrestafel  und  den  libri 
ponüßdi  und  in  den  Akten  der  Staatsbeamten,  welchen  die 
Aosfuhrang  und  Bestreitung  des  Baus  aus  Staatsmitteln  ob* 
lag.  In  jenen  müssen  ausser  den  fast  ausnahmslos  allein  in 
die  Stadtchronik  übergegangenen  Gründungsjahren  auch  die 


')  Kaiser  Chronik:  sogen.  Chi^onograpb  von  354  (früher  Catalogns 
inp.  Vindoboneosis) ,  heraus^,  von  Mommsen,  Abh.  d.  K.  Sachs.  Ges. 
2,  349  ff.y  aus  unbekannter,  aber  was  die  Bauten  anlangt,  sicher  offi- 
zieller Quelle,  welche  zum  Theil  auch  von  Eutrop  (aus  ihm  die  Hi- 
storia  miscella)  und  Hieronymus  (aus  ihm  Gassiodor),  seltener  bei 
SaetMi  und  den  öhrigeo  Biographen  benutzt  ist  Analyse  der  Bauten- 
Verzeichnisse  (von  Aujpistus  bis  Maxentius) :  Bd.  2,  31  ff.  —  Der  Ab- 
schnitt im  Index  des  Augostus  bei  Mommsen,  Res  gestae  d.  August! 
S.  51  ff.  and  dazu  meine  Bemerkungen  Eph.  epigr.  1,  236  ff. 

*)  üeber  die  Notizen  in  den  Amialen  auA  der  Jahrestafel,  welche 
re^lmäasig  das  vovere  (dureh  den  Magistrat  cum  imperio),  faciundum 
kcan  (dsgl.  oder  duovin)  und  d^iaare  (eben  so :  vgl.  Mommsen  Staats- 
recht 1,  199.  2,  578  ff.),  lAer  nur  ausnahmsweise  das  Datum  enthalten, 
vad  die  imtaies  deorum  ss  aedtum  im  Kalender  s.  fiph.  epigr.  1,  232  ff: 
als  natoHs  ist  zu  betrachten  der  Tag  der  Dedication  (vgl.  oben  §  1 
\.  60);  er  bleibt  auch  nach  einer  refeeUo  und  neuen  dedicatio  der- 
selbe, zweite  Feste  bei  demselben  Tempel  sind  keine  natales,  sondern 
aeeeisoriseh  (ebend.);  die  Ortsbezeichnungen  im  Kalender  sind  bis  auf 
Qabedeuteade  Variationen  {in  eireo  FlanUmo  =  ad  drcum  F.,  in  foro  s=s 
od  oder  apud  forum)  constant  und  offioiell  (daher  in  CapüoUo  nicht 
=  ad  forum),  ihre  Reihenfolge  (nach  A.  KIngmann's  Bemerkung  bei 
Henzen  Acta  arv.  S.  239)  alphabetisch  (s.  Ephem.  epigr.  3,  58  ff.). 


42  EINLEITimG. 

in  den  Festkalender  übergegangenen  Gründungstage,  genauer 
die  Tage  der  Dedikation,  ausserdem  aber  die  ober  Lage, 
Eigenthum  und  Ceremoniell  festgesetzten  leges  templerum  et 
ararum  enthalten  gewesen  sein^).  Wie  man  sich  nun  auch 
den  Gesammtbestand  dieser  Notizen  in  der  Pontificaltafel  und 
in  der  Stadtchronik  denken  mag,  klar  ist,  dass  die  priester- 
lichen Arcbivalien  der  Regia  (s.  Th.  II)  für  beide  die  Quelle 
bildeten. 

Wie  die  urkundlichen  Aufzeichnungen  des  Staats  über 
alle  aus  Staatsmitt^  hergestellte  Bauten,  also  aach  vker 
die  aedes  sacrae  in  lltester  Zeit  beschaffen  waren,  ist  ntdit 
mehr  zu  ermitteln.  Seit  der  Errichtung  der  Censur  müssen 
sie  in  den  Akten  der  Censoren>  suppl^nentarisch  in  denen 
der  Aedilen,  seit  der  Kaiserzeit  theiis  in  den  Kanzleien  der 
betreffenden  Curatoren,  theiis  in  der  des  Stadiprafekten  zu 
finden  gewesen  sein  (vgl  unten).  Ueber  ihren  Inhalt  giebt 
das  System  des  offentJkhen  Bauwesens  genügenden  AufscUuss. 
Dieses  System  beruht,  wie  bekannt,  auf  der  locatio  condnctio. 
Wir  wissen,  wie  die  leges  locationts  beschaffen  waren,  dass 
zu  allen  Zeiten  bei  der  Abnahme  des  Baus  durch  die  zu- 
ständigen Beamten  eine  Prüfung  der  Erfüllung  dieser  Bedin- 
gungen stattfand,  und  dass  dei*  Regel  nach  der  Vermerk  über 
Abnahme    des   Baus    durch   das    facnmdnm  curavit  idemque 


')  Die  leges  templorum  et  ararum  sind  ia  ihrer  Einriciitniig  be*^ 
kaunt  besonders  dureh  die  lex  aedis  lovü  Furfone  v.  J.  096  CIL  1, 
603 ,  die  lex  arae  d.  AuguHi  von  Naj4)o  Or.  2489  und  die  «hnlidie 
von  Salona  das.  2490,  von  denen  jene  auf  die  le^es  arae  Jfwnae  i» 
Aventtno  verweist.  Sie  werden  bei  der  Dedtkation  verlesen  und  ent- 
halten die  oben  kurz  erwähnten  Hauptpunkte.  Ans  solehen  lege^ 
stammen  also  z.  B.  auch  die  Nachrichten  über  die  Privileig^en  eiozelner 
Tempel,  wie  über  das  Asylrecht  der  aedes  di'vi  hdii  (Hermes  9,  35S) 
und  anderer,  über  das  Erbrecht  des  von  Angastus  wiederherfastelMtou 
Tempels  des*  Jnpiter  Feretrius  (Mommsen  Staatir.  2^  60).  Das  T«mpel« 
Statut  von  Furfo  und  das  Statut  der  ara  Narbenensis  zeigen  ferner 
deutlich,  dass  diese  le§^es  auf  Formulare  zurückgehen ,  welche  nur  in 
dem  pontificisehen  Archiv  gelegen  haben  können  (vergl.  Hermes  7, 
201  ff.). 


i  2.]  DIE  OBERLIEFERUNG.  43 

p-dhavü  auf  den  Bau  selbst  gesetzt  wurde  ^).  —  Aber  nicbt  selten 
ist  man  fiocb  weiter  gegangen  und  hat  aus  denselben  Urkun- 
den Nachrichten  über  die  Kosten,  den  Umfang  und  die  tech- 
nische Beschaffenheit  d^s  Baus  hinzugefügt.  Auch  darftber  be* 
lehren  uns  zahlreiche  Bauleninschrillen,  insbesondere  eine  kürz- 
lich gefundene,  den  Neubau  der  Via  Salaria  im  J.  639  betreifende, 
sowie  namentlich  was  die  Maassangaben  anlanj^,  Inschriften  von 
Stadtmauerbauten  verschiedener  Orte  und  Zeiten  ^).  Wir  ersehen 
hieraus,  was  fireilicb  auch  ohneZeugnisse  klar  ist,  dass  es  technisch 
genaue  Beschreibungen  dieser  Bauten  gab  und  sind  bereditigt  auf 
dieses  urkundliche  Material  mittelbar  die  uns  erhaltene  genaue 
Beschreibung  des  servianiSchen  Walls,  unmittelbar  die  dem 
^nsiediler  Itinerar  angehängte  noch  genai^ere  der  aureliani- 
sehen  StadtaiAuer  zurückzuführen;  diese  ist  sicher  bei  Ge- 
Ißgeoheit  der  Abnahme  eines  Restaurationsbaus  (Tom  J.  403 
0.  C^  jene  wahrscheinlich  bei  einer  solchen  Gelegenheit  ver- 
fasst  werden  (Th.  I  §  3.  5.).  —  Dass  uns  von  diesem  urkund-^ 
liehen  Material  so  wenig  erhalten  ist,  ist  begreiflich.  Die 
Römer  hatten  kein  Interesse  daran,  die  Dinge,  die  sie  vor 
sich  sahen,  zu  beschreiben.  Erst  die  kuiturgeschiditliche 
Forschung  des  Varro  hat,  um  den  Zeitgenossen  das  Werden 


^)  Den  genaueßteA  Eijililick  gewährt  di«  Geschichte  der  Wieder- 
kerstelluDg  des  Gastortempels  in  den  Verrinen  1,  50  ff.  Erhaltene  Ur- 
kunde, wenn  auch  ans  einer  römischen  Kolonie:  lex  parieti  fadendo 
von  Pnteoli  CIL  1,  577  v.  J.  649.  Vgl.  Mommsen  Staatsr.  2,  424  ff. 
Die  zahlreichen  Prohationsinschriften  im  CIL  brauchen  nieht  einzeln 
avfgefSlirt  zu  werden.  Hinzugekommen  Ist  die  in  der  fg.  A.  citirte 
Inschrift  von  der  Via  Salaria. 

»)  Die  innerhalb  der  porta  Collina  (s.  Th.  I  §  3)  gefundene  leider 
sehr  verstümmelte  L  von  639  £ph.  epigr.  2,  199  gieht  wie  ea 
scheint  die  Akten  über  die  Abnahme  des  Neubaus  der  Vi«  Salaria  mit 
den  Distanzen  und  Summen  in  extenso«  Kürzere  Angaben  über  die 
Kosten  nicht  selten:  Mommsen  a.  0.  S.  200.  Maassangaben  von  Mauer- 
banten  nach  Fuss  CIL  1,  565  (Capua)  617  (Grumentum)  1161  (Feren- 
tinnm)  1179  (Arpinum);  aus  der  Kaiserzeit  z.  B.  die  I.  von  Spalato 
CIL  3,  1,  1979 y.  WiQ  muri  p.  DCCC,  in  his  turri*  una  von  einer 
AbtheiInng  Soldaten  gebaut  ist.  Verschieden  davon  die  blossen  Auf- 
zahlungen von  Bauten,  wie  die  Inschrift  von  Alatri. 


44  EINLEITUNG. 

des  Staats  aus  seinen  Anfangen  vor  Augen  zu  stellen,  sich 
nicht  begnügt  mit  den  in  die  Chronik  übergegangenen  Notizen, 
sondern  ist  auch  für  die  GescUchte  der  Stadt  und  ihrer 
Denkmäler  zu  diesen  ersten  Quellen  hinaufgestiegen,  wie  die 
Benutzung  der  Argeerurkunde  es  an  einem  glänzenden  Bei* 
spiele  beweist. 

Mit  noch  grösserer  Bestimmtheit  dürfen  wir  seit  der  Er- 
richtung des  Principats  und  der  allmählich  vollzogenen  Ueber- 
Weisung   des   öffentlichen  Bauwesens  an  besondere  ständige 
Curatoren  ein  weitscfaichtiges  urkundliches  Material  über  öffent- 
liche Bauten  voraussetzen.     Wir  dürfen  uns  für  diese   Zeit 
im  Wesentlichen  auf  die  Untersuchungen  des  zweiten  Bandes 
und  über  den  capitolinischen  Plan  (s.  unten)    beziehen  ^^)^ 
Es   ist   dort   gezeigt   worden   (und  wir  kommen  Th.  I  §  5 
darauf  zurück),  dass  die  von  Agrippa  geleitete  neue  Consti- 
tuirung  der  Stadt  und  ihre  Theilung  in  14  Polizeibezirke  die 
Herstellung  eines  Stadtplans  (forma)  veranlasst  haben  muss, 
von  welchem  uns  die  Kopie  des  kapitolinischen  Stadtplans 
eine  schwache  aber  doch  lehrreiche  Vorstellung  giebt;  dass 
der  erste  Theil  der  Notitia  urhis,  die  Grenzbeschreibung  der 
14  Regionen,  nichts  anderes  ist  als  «ine  Abschrift  der  auf  diesem 
Plan   auf   der  Grenze    der   Regionen   verzeichneten  Namen, 
denen  die  ebenfalls  auf  dem   Plan  eingetragenen  Umfangs- 
ziffem  der  Regionen  am  Schluss  jeder  Region  hinzugefügt 
wurden;  dass  endlich  der  zweite  Theil  des  genannten  Buchs 
uns  einen  Auszug  aus   dem   urkundlichen  Material  über  die 
loca  et  opera  ^hlica  (nicht  die  aedes  sacrae^^))  giebt  und 


*o)  S.  Mommsen  Staatsrecht  2,  929  und  0.  Hirschfelcl  Unters,  anf 
dem  Gebiet  der  römischen  Verwaltangsgeschichte  (B.  1877),  welche 
jedoch  g^erade  anf  die  hier  in  den  Vordergrund  tretenden  Fragen  be- 
treffend das  Kanzleiwesen  nicht  naher  eingehen. 

1^)  Es  ist  festzuhalten,  dass  das  erhaltene  Buch  eine  nur  auf 
Grund  amtlichen  Materials  für  das  Publikum  entworfene  Stadtbe- 
Schreibung  ist,  daher  eine  aktenmässig  voUständige  Aufzählung  aller 
Klassen  der  loca  et  opera  pubUea  nicht  erwartet  werden  darf,  wahrend 
innerhalb  der  einzelnen,  wie  gezeigt  wurde,  Vollständigkeit  beab- 
sichtigt war  und  soweit  wir  folgen  können,  erreicht  worden  ist.    Ver- 


§  1]  DIB  UBBRLIAPERUN6.  45 

dass  diese  beiden  Theile  zusammen  einen  Abschnitt  des  zuerst 
während  der  Regierung  Constantins  publicirten  Staatshandbuchs 
gebildet  haben. 

Wir  fassen  hier  noch  kurz  die  für  den  Gebrauch  dieser 
beiden  wichtigsten  und  auf  dieselbe  Quelle  zurückgehenden 
Urkunden  zusammen. 

Die  ältere  ist  der  wegen  seines  Aufstellungsortes  an  den 
Wänden  der  Treppe  des  kapitolinischen  Museums  so  genannte 
kapitolinische  Stadtplan"')  in  den  ersten  Regierungs- 
jahren des  Severus  und  Caracalla  eingegraben  auf  die  Mar- 
morbekleidung der  Nordwand  eines  alten  Gebäudes  hinter 
der  Basilica  der  HH.-  Cosmas  und  Damianus.  Diese  Wand 
stiess  an  eine  mit  Marmorplatten  gedeckte  Area,  welche  man 
wahrscheinlich  mit  Recht  für  die  des  vespasianischen  Frie* 
denstempels  hält.  Hiernach  ist  es  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  der  Plan  eine  eilfertige  neue  Kopie  des  amthchen  Stadt- 
plans an  Stelle  der  durch  Brand  zerstörten  besseren  ist, 
welche  Yespasian  zur  Veranschaulichung  seiner  Stadtvermes- 
sung hier  dem  Publikum  und  zwar  afn  der  Wand  der  an  den 
Platz  vor  dem  Friedenstempel  anstossenden  Stadtpräfektur 
aosgestellt  hatte  ^').     Gerade    so  trug  die    Aussenwand  des 

nisst  werden  1.  die  Namen  der  am  Schlass  jeder  Region  gezahlten 
viei  (aedicuiae)y  2,  die  aedes  saerae^  beide  wohl,  weil  sie  nach 
Hnaderten  zählten,  diese  nicht  etwa  wegen  der  erfolgten  Schliessung 
(s.  nnten)  w^eggelassen ,  denn  sie  werden  nach  wie  vor  durch  die  eu- 
TtAoret  aediuni  saerarutn  (und  prcujecti  urbU)  er)ialten  und  ausge- 
Mhmuckt.  Nicht  vernisst  werden  Stätten  des  christlichen  Kultus 
(Bd.  2,  lOffl),  nicht  zu  den  loea  et  opera  publica  im  eigentlichen 
Sinne  gehören  nur  die  FII  montes,  sind  vielmehr  von  dem  Heraus- 
geber wahrscheinlich  als  in  einer  Stadtbeschreibung  unentbehrlich  hin- 
zagefdgt  worden. 

^1 »)  Für  die  Behauptung  0.  Hirschfelds  (Verwaltuogsgesch.  S.  294), 
dass  der  kapitolinische  Plan  mit  einer  'genauen  topographischen  Auf- 
■ahne  der  ganzen  Stadt'  durch  Severus  in  Verbindung  stehe,  fehlt 
der  Beweis. 

^)  Gesammt* Ausgaben :  Fragmenta  vestigii  veteris  Romae  ex  la- 
pidibus  Parnesianis  nunc  primum  in  lucem  edita  cum  notis  Jo.  Petri 
Bellorii,  Rom  1673,  20  TT.  in  Kupfer.  Wiederholt  von  Xav.  Ganale  Ichno- 
paphia  veteris  Romae R.  1764  mit  Hinzufdgung  neuer  Stucke  aufT.  21—26, 


46  EINLEITUNG. 

Atrium  Libertatis  den  Situationsplan  gewisser  zu  vertheilen- 
der  campaniseher  Aecker.  Jenes  Gebäude  wucde  demnach  die 
Stadtpräfektur  und  diese,  seitdem  Severus  und  Caracalla  ihre 
Hauptstadt  zur  sacra  ürhs  regionum  XIIIl  erhoben  hatten, 
templum  Urbü  (wohl  zu  unterscheiden  von  dem  fempium 
Romae)  genannt  worden  sein.  Was  uns  bu  der  Annahme 
berechtigte,  in  diesem  Plan  eine  wenn  auch  noch  so  flüch- 
tige Reproduktion  der  amtlichen  fimna  zu  erkennen,  waren 
die  von  jenen  Kombinationen  unabhängigen  Wahrnehmungen : 
dass  sie  dui*chweg  den  Charakter  eiiies  von  jeder  Terrain- 
darstellung  oder  aufrissähnlichen  Vedutenmanier  entfernten 
streng  durchgeführten  Grun<kisses  trägt;  dafö  sie  bei  einer 
Fülle  der  gröbsten  Versehen  und  Flüchtigkeiten,  den  Zeichen 
der  Eilfertigkeit  des  Werks,  eine  Menge  trefflicher  und  ge*- 
n^uer  Details  in  den  Grundrissen  der  iilfentlichen  Bauten  auf- 
weist, dass  endlich  wer  eine  halb{Aantastische  Darstellung  der 
Stadt  ohne  Betrachtung  eines  detailUrten  Originals  hätte  ent- 
werfen wollen,  sieher  nicht  jenes  Gewirr  Ton  Plätzen,  Strassen, 
Gassen,  Häusern  und  Häuschen  in  den  Marmor  geraeisselt 
hätte,  von  denen  der  am  Fuss  der  Mauer  stehende  Beobachter 
nichts  erkennen  konnte.  —  Die  Namen  der  Gebäude  und 
Strassen  waren  eingeschrieben.  —  Der  Maassstab  des  Original- 
plans scheint  1  :  300  gewesen  zu  sein.  —  Sicher  war  nicht 
Norden  dem  Beschauer  oben;  einer  genauen  Orientir^ng 
nach  Osten  widersprechen  einige  Fragmente.  Ed  ist  aber  zu  be- 

von  Piranesi,  Autich.  Rora.  1  T.  2—4  (mit  Fortlassung;  von  nur  7  der  Bello^ 
rischen,  zumTheil  nach  den  Steinen  reyidirt)  und  vonCaniaa  anf  derPiaaU 
topografica  di  Roma^  zuerst  1832  (mit  Weg^lassung  von  i^ur  3  Stucke» 
der .  ersten  20  Tafeln).  Eine  seit  Fea  Mise.  1,  52  eierte  Ausgftbe 
von  Amaduzzi  1771  existirt  nicht.  —  Neue  Funde  vom  Juli  1867: 
Tocco  und  Henzen  AnnaU  1867.  —  JVeue  Gesammtausgabe ,  nach  den 
von  mir  in  den  Monatsberichteu  d.  Berl.  Ak.  1S67,  527ir.  aufgestelUao 
Grundsätzen,  mit  Unterstützung  .der  Akademie  unternommen:  Forma 
urbis  Romae  regionum  XIIII  ed.  H.  Jordan.  Berlin  1874  (stuf  33  TT«, 
ia  Farbendruck).  Kritischer  JBeitrag  zur  Geschichte  der  aur  noch  ia 
den  Handzeichnungen  (s.  oben)  cod.  Vat.  3439  erhaltepea  Stücke 
A.  Trendelenburg  Annali  1872.  Vgl.  m.  Einleitung  S.  30*.,  auf  welch» 
ich  überhaupt  verweise. 


§  2]  DIE  ÜfiBRLIEPEBUNG.  47 

achten,  dass  bei  dem  Mangel  grösserer  zusammenhängender 
Stöcke  die  Grenze  der  Fehler  im  lehnen  der  Winkel^  welche 
sicher  vorhanden  waren,  unbestimmbar  ist.  ^^).  —  Die  Bruch- 
stücke des  Plans  hab^i  sich  zum  grössten  Theil  zwischen 
1561  ubA  1565  unter  4er  Regierung  Pius  IV.,  eisige  im  J.  1867 
zu  Fusfihen  der  erwähntea  Wand  gefunden  und  die  Wand  be- 
wahrt n9ch  jetzt  die  Löcher,  in  welchen  die  die  einzelnen 
Platten  haltenden  EisfflostiGte  gesessen  haben.  Die  zuffl'st 
gefundenen  Stucke  gingen  in  den  Besitz  der  Famese  über, 
dann  in  den  der  Stadt.  Läder  ist  eine  Anzahl  v^  Stücken 
vor  der  Uebersiedelung  aus  dem  palazzo  Farnese  in  das  kapi- 
toUniscbe  Museum  verloren  gegangen.  Für  diese  sind  wir 
auf  die  in  der  vatikanischen  Bibliothek  noch  vorhandenen 
gleich  nach  d^r  Auffindung  vielläeht  von  Giov.  Dosi  gefertig- 
ten Zei<^nungen  angewiesen,  welche  für  die  verlorenen  Stücke 
sämmtlich  (?),  für  die  erhaltenen  nur  noch  zürn  Theil  erhalten 
sind.  Anf  diesen  Zeichnungen  beruht  die  erste  Publikation 
durch  Belloriy  welche  mit  unwesenUichen  Veränderungen  bis  auf 
die  meinige  wiederholt  worden  ist 

Die  ursprüngliche  Natitia  urhis  regionum  XIIIP^)  ist  unter 

>')  Was  natürHch  nicht  gleichbedentend  ist  mit  der  von  Becker 
od  mir  zurilckgewieseiMii  Behanptang^  von  Urlichs,  dass  der  Plan 
o^hftiipt  keine  OrientiroBi; .  hatte,  lieber  die  von  Trendelenbiir^  anf 
Grand  der  INissenschen  Orieiitiranystheorie  behauptete  Orieatireng  des 
Plans  nach  Osten  (Osten  oben)  s.  Forma  S,  16.  Aber  Nissen  selbst 
zweifelt  jetzt  in  der  Jenaer  L.-Ztgf.  1875,  756:  'die  Möglichkeit  wäre 
der  RTw'igan^  werth  ob  der  Plan  am  Ende  nicht  nach  dem  Solstiz, 
d.  b.  OfiO  orieetirt  gewesen'.  Itä  habe  aaeh  dem  a.  O.  gesagten  keinen 
Grund  zu  weiterer  EpwägiMig. 

^*)  Die  Ausgaben  vor  Preller,  Die  Regionen  der  Stadt  Rom,  Jena 
1846,  unbrauchbar.  Die  von  ihm  beseitigte  Menge  der  Vulgat-Hss. 
noch  einmal  bei  Urlichs  im  Codex  top.  nrbis  Romae  (vgl.  §  3).  Im 
Ansehluss  an  Preller:  auf  Grund  neuer  Vergleichung  der  von  ihm 
benutzten  Hss»  ßd.  2,  541^.  und  die  versuchte  Rekonstruktion  des 
Originals  in  m.  For^a  urbia  S.  47  if.  Dass  In  der  Kritik  des  Origi- 
nals noch  weiter  gegangen  werden  kann,  ist  Jahresbericht  1875,  752  f, 
angedeutet  worden.  —  Zeitbestimmung .  im  An^ckLoiss  an  Mommien 
Abh.  d.  S,  G.  2,  601  ff.:  Bd.  2,  3 ff.  Form«  a.  0.,  ebepd.  und  Bd.  2, 
299 ff.;  zur  Geschichte  des  Texte»:  im  15.  Jahrhundert  tritt  der  nijassii; 


48  RINLEITÜNG. 

der  Regierung  Constantins  vor  334  (vielleicbt  schon  vor  315) 
yerfasst,  wie  das  Fehlen  des  in  jenem  Jahre  dedicirten  equu» 
CanstafUim  (yielieicht  das  Fehlen  des  m  diesem  dedicirten 
Triamphbogens)  beweist  und  liegt  uns  in  zwei  Redaktionen 
vor,  von  denen  die  ältere  durch  die  Loslösung  toh  dem 
grösseren  Ganzen  den  ihr  zukommenden  Titel  Notitia  einge- 
büsst,  die  jüngere  ihn  gegen  die  halbbafrbarische  yon  dem 
Schreiber  des  Archetypus  herröhrende  Cuiiomm  urhis  regio- 
num  XIIII  vertauscht  hat.  Jene  ist  vor,  diese  nach  357  — 
in  welchem  der  in  jener  fehlende  in  dieser  erwähnte  6te  Obeliric 
errichtet'  wurde ,  publicirt  —  letztere  jedesfiills  vor  450,  wie 
das  Fehlen  des  pons  Theüäom  et  VäUntmiani  beweist  (Th.  I 
§  7),  vielleicht  vor  403,  wie  das  Fehlen  d^  in  dem  Einsiedler 
Itinerar  erhaltenen  Beschreibung  der  Thore  der  honorianischen 
Mauer  sehr  wahrscheinlich  macht.  Die  jüngere  Ausgabe  giebt, 
abgesehen  von  der  obenein  noch  durch  den  Schreiber  des 
Archetypus  verschlimmerten  Vulgärspradie,  das  Original  reiner 
wieder  als  die  ältere.  Diese  ist  ein  glossirtes  Exemplar  des 
Originals  und  die  Einreihung  der  Glossen  in  den  Text  hat, 
wie  sich  noch  diplomatisch  sicher  nachweisen  lässt,  Verwir- 
rung in  die  Reihenfolge  des  ursprünglich  in  zwei  Columnen 
geschriebenen  Textes  gebracht.  Einige  Schreibfehler  dieses 
Originaltextes  haben  sich  in  beide  Ausgaben  fortgepflanzt  und 
fordern  zu  besonders  skeptischer  Behandlung  beider  Texte 
auf.  —  Es  giebt  eine  aus  beiden  Ausgaben  contaminirte  Re- 
cension;  der  Text  der  Notitia  ist  im  ganzen  Mittelalter  stark 
gelesen,  seit  dem  15.  Jahrhundert  massig,  durch  Poavinius 
stark  interpolirt  worden.  Die  unter  den  falschen  Namen 
Victor  und  Rufus  verbreiteten  interpolirten  Texte  haben  als 


ittterpolirte  Text  als  Fietor  aaf,  man  weiss  nicht  weshalb  (Bd.  2,  302), 
yielieicht  unter  Mitwirknng  des  Pomponins  Laetns;  Stoff  zur  Inter- 
polation gaben  die  um  dieselbe  Zeit  bekannt  gewordenen  Namen  der 
vici  auf  der  eapitolinisehen  Basis.  Zur  Ueberlieferung  dieses  'Victor': 
das.  305  ff.  Unkritischer  Wiederabdruck  bei  Urlicfas  a.  O.  lieber  dea 
von  Panvinius  gefälschten  Searttts  Rvfua  s.  §  3. 


§  2.]  DIE  ÜBE»UEFB&UNG.  49 

echf  gegoltaa,   bi».  diesei  durch  Preüers  dipiomiUifldbe  Aus- 
gabe wieder  in  ihr  Recht  «iiigesetzt  worden  siad. 

Während  der  erste  Tbeii ,  die  Grenzbeachreibung  der 
Regionen,  für  das  grosse  Publikum  voe  untergeordnetem  In* 
teresse  sein  musste,  war  der  aweite  Thei)  mit  seiner  massen- 
weise Toflgenommenen  Aufzählung  der  öffentlichen  Orte  und 
Denkmäler  ein  für  den  Fremden  brauchbares  Handbuch.  Als 
solches  sdhetat  es  denn  auch  losgeUkst  von  dem  ersten  Theil 
and  Tielfach  termehrt  benutzt  worden  zu  sein :  es  lag  wahr- 
seheiniicb  als  gesonderter  Fährer  dnrch  Rom  schon  dem 
Qlympioder  (scbrieb:  na^h  425)»  dem  Polemius  Sil?ius  (448) 
und  Zacharias  (546)  vor  und  wird  mit  s^nem  .Verzeichniss 
der  Stadtthore  die  Grundlage  der  ältesten  christlichen  Pilger- 
fC^er  gd)ild«t  haben  ^^).  Ohne  Zweifel  hat  einem  solchen 
Fremdenführer  von  jeher  ein  Orientirungsplan  beigel^en, 
aber  wir  können,  was  bei  der  Geringfügigkeit  solcher  Pro- 
duktionen begreiflich  ist,  kein.  Zeugniss  darüber  beibringend^). 


U)  Olympiodor  Ui  Phot.  jSd,  27  s.  Bd.  2,  173.  —  Des  Polemias 
Silvins  enarraüo  JaMeta/^tmi  urbis  «os  dem  Aohaag  des  Curiosum  mit 
einem  selbst'aiidifieii  Zusatx  (Bd.  2,  176)  gedruckt  voo  Mommsen  Abh. 
4.  Sachs.  6.  d.  W.  3,  269  ff.  vrgL  8,  694  ff. :  «,  ßd.  2,  147  ff.  — 
Zftckarias,  syrisehe  UebersetxaDg  seiner  Kireheogesclilchte:  s.  Bd.  2, 
149 ff.  Dft^u  gehSrt  dann  die  fiesehreibuog  der  hoBoriaoischea  Mauer 
im  A00&.  Eins,  worüber  Tb.  I  §  B.  —  Hie  Zusätze  zu  den  Breviarien 
^r  Naftitia  zusammeogeatellt  Bd.  2,.  575  ff.  Zu  bfripbtigeu  ist  zu 
Zacharias  d.  iO  (Bd.  2»  15B)  pUtor^  qui  apenmtur  et  vendunt  dass  wie 
waaderude  Sohlächter  a«  auch  wauderade  Kueheubäcker  vorkomme d 
(Marqoardt  Haudh.  5,  2,  29)w 

^)  Die  Existenz  voo  DAralelluagea  der  Stadt  in  jeaer  Uberail  — 
bfiAei^ptera  und  Aaayrera  wia  bei  den  Griechen,  Forma  urbis  S.  11  f. 
§  9  —  iälichen,  zwischen  Grundriss  und  Aufriss  schwankenden  Manier 
ist  meines  Wissenl  oieiht  beaei^t,  wird  aber  um  so  eher  angenommen 
werden  dopten,  als  ähnliche  Darsteilungen  fremder  Länder  in  Rom 
ganz  gewöhnlich  gewesen  zu  sein  scheinen;  ich  habe  a.  0.  yer- 
sessen  Liviua  41,  28y  Sff.  anzuführen:  tabula  m  aede  MtftrU  Matutae 
mm  iadiee  koe  poiita  e§t  '  T.  Semproni  .  .  .  hone  taMam  donum  Im 
dgdit*;  Sardima$  insulas  forma  erast  atqiiß  in  ea  simulaera  fugnarwn 
fiä0.  Ans  der  Zeit  des  Socialkriegs  ist  dasBruchstüisk  einer  wie  es  scheint 
äbaliehen  Darstellung  (Fresko)  neuerdings  aufdem  Esquilin  gefunden  worden. 

Jordan,  rOmisehe  Topographie.    I.    1.  ^ 


50  filNL^miNO. 

Eine  sdiwaehe  Spur  f Ahrt  darauf,  da«s  scholl  früher  ähnliche 
Fremdenhandbucher  existirt  haben  ^0«  Gbcafalls  kt  es  mOg.- 
Ikh,  und  fast  aus  der  Existenz  von  iUusfanrten^  ^Souvenirs ^ 
des  Badeortes  Baja  zu  schliessen,  das»' es  Illustrationen 
gab,  welche  die  ''Wunder'  Roms  Cur  die  zahfaneichen  Fremden 
aller  Länder  darstellten^®).  —  Wir  erwähnen  gleich  hier  am 
seliicklichsten ^  dass  bildliche  Darstellungen  roaiscber 
Gd:Niude,  wie  die  Aiünztypen  und  zahlr^cke  arbahene  Mar- 
mörreliefs  beweisen,  mit  grossem  Greschidk  und  rschliger  Her- 
vorhebung des  Qiarakteristischen  m  Rom  zu  allen  Zeiten  ver-- 
fertigt  worden  sind.  Eine  kritische  «Bearbeitimg  diesto  ganzen 
Denkmalerklasse  fehlt '^^).  . 


1')  Nefamlidi  firklärnngen  dep  'siebeu  Wander  Rotai^  wil  der  Ur- 
«Iterthümeir:  Bd.  2,  143  fiP. 

>").  S.  Bd.  2,  144  f.,  woselbst  an   ai^dere  IllustratiaoeD ,    wie    ao 
die  varronischen  imagines  erinnert  werden  durfte. 

*®)  Miinzbilder:  Auswahl  der  wichtigeren  bd  Donaldson  Archi- 
tectara  numismatica  London  1859  nnd  in  €aninas  Edifizi  (sehr  nnza- 
verlässig:;  falsches  nicht  ausgeschieden);  Brläaterangva  xerstreut  in 
dei*  numismatisehen  und  arohitektoniseh^n  Littentnt.  Die  Gontroverse 
betrifft  var  allem  den  Grad  der  GeAauigkeit  der  DarstelliiBg.  Sie  isl 
meist  durch  die  Grösse  des  Müozbildes  bedingt.  Wo  diese  die  Detait- 
lirung  gestattet,  pflegt  dieselbe  masterhaft  trea  zu  seiDy  wie  z.  B.  bei 
der  Darstellung  des  cireus  maasinmt  (Forma  urbis  S.  17  S,)^  des  bums 
^eminus  (Hermes  4,  236),  der  aedes  dbd  lulü  (das. -9,  353  f.).  Dass, 
sei  es  wegen  der  Kleinheit,  sei  es  zum  Zweck  gritsserer  Deutlichkeit 
des  Charakteristischen,  vielfach  UngenauigkeiteB  vorkommen,  ist  «ft, 
z.  B.  von  Fea  Le  terme  Tauriaae  S.  26  betont,  aber  stark  übertrieben 
worden.  Phantasiestücke  sind  selbstverständlich  ausgeschlossen.  All« 
gemein  nnd  zum  Theil  veraltet  die  fienerknngea  von 'Stieglitz  Archäol. 
der  Baukunst  2,  1,  43  ff.  —  Reliefdarstelluagen  häufig,  leider  «ft 
wegen  des  Mangels  an  kunstgeschichtlichem  Interesse  nicbt  benditet:  über 
die  des  Forums,  der  Via  sacra,  des  capitoHuisdien  Tempels  s.  die  betr. 
Abschnitte  Th.  II.  Anderer  'porta  Trigemina'  Areb.  Z.  1S72,  T.  6«, 
'porta  trinmphnlis'  Moo.  d.  inst.  1854,  78;  Stück  der  Trinmphnistrasne 
am  Titusbogen;  Tempel  der  Venns  und  Roma  Mtua.  d.  last.  8,  1,  d«r 
Faustina  (?  Sarkophag)  Dütschke  Ant.  Bilder  in  Obmntalien  2,  180,  der 
Venus  und  Roma  (?  Raonl-Roehette  Mon.  ined.  T.  VlII,  1  Fea  Terme 
Tanr.  S.  23,  Lnbbert  Jlfem.  dell'  inst.  2,  154) ;  der  Fortuna  und  Roma 
(??)  Arch;  Z.  1847  T.  4;   fiibliotheca  Ulpia  (?)  Sehö'ae  und  Reaoderf 


§  2.]  DIE  ÜBERLIEFBRUN6.  51 

Die  gelehrte  Behandlung  der  Geschichte  der  städti* 
sehen  Denkmäler  und  OertHchkeiten  lässt  sich  fast  bis  in  die 
Anfange  der  Annalistik  hinauf  verfolgen.  Sie  beschäftigt  sich 
früh  mit  der  ErkUrung  merkwärdiger  Namen  voi  Gebäuden 
und  Orten  —  Cato  scheint  daran  besonderen  Antheil  zu 
haben  —  und  mit  der  Lokalisirang  der  erst  unlängst  in 
äiren  Details  in  Rom  heimisch  gewordenen  Ursprungslegende^ 
Manche  der  harmlosen  und  werthlosen  Versuche  dieser  Art 
gewinnen  im  Laufe  der  Zeit  das  Ansehen  einer  Ton  Mund 
zu  Mnnd  fortgepflanzten  Lokalsage,  während  doch  der  Mangel 
einer  echten  Sagenbildung  kaum  irgend  so  deutlich  hervortritt, 
ab  in  dem  Fehlen  aller  Lokalheroen^  aller  den  Berg  und  den 
Hmn,  die  Qnrile  und  den  Fluss  als  lebendig  wirkende  Kräfte 
veranschaulichenden  Gottheiten  (vgl.  Th.  I  §  1).  Ganz  fremd- 
artig nimmt  sich  in  dieser'  von  dem  immer  bewegten  Sagen- 
leben Athens  so  weit  verschiedenen  Welt  die  weitüberschätzte 
Kakusfabel  aus  und  der  erborgte  mythische  Mantel,  mit  wel- 
chem Properz  und  Ovid,  ja  zum  Theil  schon  Fnnius  aus 
Namen  wie  Numa  und  Egeria,  Tarpeia  und  Tatius  Lokalliguren 
der  Sage  zu  schaffen  versucht  haben  ^  hat  allmählich  aufge- 


Ltterm  n.  20.  115;  stark  restaurirtes  R^ef  in  V.  Lndovisi  (sebmale 
Wand  1.  vom  Eiogan;);  Fragmetit  (Stidtthor  ?)  Mvseo  Chiaramonti 
B.  469;  Prafmeot  In  J.  1867  voa  nir  bei  Andreoli  gesehen  (Kaiser 
und  zwei  Begrieiter  aaf  eioer  tensa  mit  den  oapitolinisefaen  Gottheiten, 
rechts  davon  ein  Mann  durch  einen  Triam{^bogen  reitend).  —  Zn  ver- 
Sleichen  sind  die  narstennnseo  der  Trajans-  nnd  Antoninssäule,  die 
Rdtefs  von  CvpnA  (Arch.  Z.  1868,  96  ff.),  das  Wandbild  von  Pompeji 
das  AmpMtbeater  darstellend  Gioro.  degli  scavi  n.  s.  1869  T.  8  und 
das  daselbst  häralieh  gefnndene  Relief,  welches  einen  Theil  des  Forums 
von  Pompeji  darstellt,  die  Darstellongen  des  Hafens  von  Portns  u.  a* 
Aieh  hier  meist  realistische  Genauigkeit  (bis  aaf  die  Säuleuordaunf, 
Sänlenzahl  etc.,  abgesehen  von  Flüchtigkeiten,  wie  ein  faofsäuliger 
Tempel  statt  eines  seehssSuligeu  auf  einem  der  Reliefs  am  Forum  u.  a); 
selten  freie  €omposition,  aber  auch  diese  sehr  änsserlich  und  kenntlich 
(s.  Via  sacra).  Fast  ausnahmslos  bilden  diese  Darstellungen  den  Hinter« 
grand  zu  historischen  Scenen  und  müssen  dcüshalb  den  von  Heibig 
Unters,  über  die  campadische  Wandmalerei  S.  359  AT.  erörterten  faisto- 
riseh-idjINschen  Landsehafts-Darstellungen  angereiht  werden. 

4* 


52  BINLBttUNCl 

hört,  den  Schein  der  Lokalsage  aufrecht  zu  erhalten  '^).  Was 
an  wirklich  alter  sagenhafter  Ueberlieferung  über  die  Denk- 
mäler der  Vorzeit  sich  erhalten  hatte,  waren  die  wenigen 
Legenden,  welche  sich  an  die  Tempelgründungen  hefteten*^). 
Um  so  eifriger  war  die  namentlich  in  der  Epoche  des  Ban* 
desgenossenkrieges  sich  breiter  ausdehnende  Gelehrsamkeit 
^muht,  den  ganzm  Strom  der  griechischen  euhemeristiscben 
Fabelbucher  nach  Rom  heräberzuleiten  und  mit  den  Göttern  und 
Festen  auch  die  Ortsnamen  und  Denkmäler  an  der  Hand  eiper  ge- 
setzlosen Etymologie  historisch  zu  deuten'^).  Aus  solchen Hän- 

^)  Wir  stehen  bei  der  Beurtheiluog  der  sogenannteD  römischen  Lokal- 
sage im  wesentliehen  auf  dem  Standpunkt  Sehweglers  und  verweiaeo 
für  das  einzelne  auf  diesen,  auf  Merkels  Prolegomena  zu  d«D  Pastep 
und  auf  die  Anmerkungen  zu  der  3.  Ausgabe  von  Prellers  rö'miacber 
Mythologie,  welcher  durchweg  nach  unserer  Auffassung  darin  irrt,  dasa 
er  die  ovidischen  Zuthaten  von  den  überlieferten  Thatsachen  nicht 
scheidet.  —  Schon  Cato  hat  das  Asyl  auf  dem  Capitol  behandelt  wie 
die  späteren  (Origg.  2,  20  m.  A.),  yi^Heicht  auch  den  Ursprang  der 
turris  MatniUa  erzählt  (Festus  131  vgl.  Or.  2,  24).  Vgl»  auok  m. 
Proleg.  S.  XXXIII.  JNicht  zu  überseheD  ist,  dass  aueh  an  der  Lokaliai- 
rung  der  Ursprungslegende  die  Priesterschaft  ihren  wesentlicben  An- 
theil  hat,  wofür  die  aedes  RomuU  und  das  palatinische  Pomeriom  (Th.  I 
§  2)  sichere  Beweise  geben.  —  Auch  die  bildende  Kunst  hat  aus  dem 
dürftigen  und  erklügelten  Stoff  keine  fruchtbaren  Motive  zu  gawiaiMta 
vermocht,  wie  die  wenigen  Aeliefdarstellnngen  rümiacher  Lokalgott- 
halten  (Reifferscheid  Mem.  dell'  inst.  2,  469  ff.)  und  die  aeugefundenen 
Bilder  der  Ursprnngslegende  (Bricio  Pitture  e  Sepolori  seop:  aull'  £s- 
quilitto  R.  1876)  schlagend  beweisen. 

'^)  Tempellegenden,  nicht  zahlreich :  Gastor  «ad  PoUux  (Epiphaoia), 
Aesoulap  auf  der  Insel  (Sehlangenwunder  in  Rom  und  Aatiom),  Magna 
Mater  (die  Veltalin  Navisalvia);  Juno  Regiaa  von  Veji  (Ueberftthraag 
nach  demAventio);  Fortuna  mnliebris  (sprechendes  Bild),  wo  auadrnck- 
lieh  auf  die  pontificiscken  Bücher  als  Quelle  verwiesen  wird  {ms  at 
jtav  UQOfpdvT0)V  niQtixovtti  ygcttpalf  IHonys.  8.  56,  vgl.  Bph.  eptgr, 
1,  234).    Die  Belege  s.  Th.  II  am  gekörigen  Ort 

")  Wie  die  Annalisten  kurz  vor  und  in  dieser  Zeit,  vor  allen 
Piso  und  Valerius  Antias,  willkürUch  erfindend  auch  in  die  Lokalalter- 
thümer  eingriffen,  zeigt  das  Beispiel  der  fieus  ruminalü  (Afommsen, 
Festgaben  für  G.  Homeyer  B.  1871  S.  100),  die  «Gesebiebte'  der  KMga- 
hänser  n.  a.  (Th.  I  §  2).  Der  sullanischen  Zeit  gehören  die  Gelehrten 
L.  Cornelius  Epicadus  und  L.  Maoilius  an,  deren  Methode  wir  in  der 


f  2.]  DIE  CfiBRLIEt^EIIUNG.  53 

den  empfing  denn  Varro  einen  grossen  Theil  des  Stoifes 
ZQ  seinen  auch  der  Orts-  und  Denkmälerkunde  Roms  zuge- 
wandten Fersefaungen:  aber  er  verschmähte  es  wie  oben  ge- 
sagt glücklicherweise  nicht,  über  eine  Anzahl  von  Thatsachen 
Erhebungen  mit  Hilfe  archivaliscfaer  Quellen  anzustellen.  Dies 
ergiebt  sich  fdr  die  fieiligthümer  deutlich  aus  der  mit  der 
Theorie  der  Priesterschriften  eng  verbundenen  Systematik  in 
dem  hierher  gebörigea  Abschnitt  de  locis  seiner  Antiqmtates 
renim  dwinarum;  för  die  Analyse  des  entsprechenden  der 
humanae  fehlt  es  leider  ganz  an  genugenden  Anhaltspunkten. 
Aber  die  Methode  seiner  Forschung  und  das  benutzte  Material 
liegt  uns  einmal  in  dem  unter  ganz  anderen  Gesichtspunkten 
grnppirten  Abschnitt  de  locis  in  seinem  späteren  Werk  de 
Ungua  latina  vor,  andererseits  in  den  zahlreichen  Fragmenten 
der  die  Kulturgeschichte  des  römischen  Volks  behandelnden 
Monographie  de  vita  popnli  romani,  endlich  in  der  mit  Verrius 
Flaccus  (Festus)  und  Solinus'  Quelle  anhebenden  späteren 
Litteratur,  welche  auch  fdr  dieses  Kapitel  .der  Antiquitäten 
mehr  und  mehr  zu  einer  blossen  Epitomirung  des  Varro 
herabsank  ^).    Ueberall  können  und  müssen  wir  auf  der  einen 


Argeerfabel  genau  verfolgen  können  (Bd.  2,  264).  Ihnen  nnd  ihresglei* 
(4ett  darf  man  daher  gewiss  den  grössten  Theil  der  sogenannten  Lokal- 
ugen, welche  von  der  Nanendentnng  abhängen,  tnschreiben,  z.  B.  die 
Eponymen  des  maceUum  e^a  forum  cuppedinü:  MamuM  MaeeÜu*  nnd 
Numefüis  Aequitius  Cuppes,  (die  Namen  erfunden;  die  Geschichte  wahr 
Bad  ¥on  Cato  erasählt;  s.  m.  Frg.  Samml.  S.  LIV  nnd  Hermes  2,  89  f.), 
nit  den  ErklSrnngen  nach  derselben  Schablone  Aequimeiktm  ab  aequata 
MaeU  domo,  Argüetum  a  leto  Argi  (vgL  die  Argei),  CafritoHum  a  capüe 
&U  ibi  vwento  und  viele  andere;  anch  Felabrum  a  veUs  (oder  ve/tendo), 
auf  weldi«r  die  thSrichte  Geschichte  von  der  ehemaligen  Ueberflnthnng 
^Niederung  zwischen  den  Bergen  beruht. 

")  Die  dnrch  Ritschi  angeregte  Forschung  über  die  varronische 
Sehriftotellerei ,  deren  Abschlnss  die  längst  erwartete  Fragment- 
Mflmliing  bringen  soll,  mnss  als  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Nur 
föp  die  A^  diüinae  ist  durch  Merkel  genügend  vorgearbeitet,  die 
schwierigere  Aufgabe,  die  humanae  zu  constrairen,  ist  erst  neuerdings 
Bit  Glück  in  Angriff  genommen.  Von  den  beiden  Haoptstellen  in  dem 
erhaltenen  Werk  bildet  die  eine   einen  Kommentar   zu  den  oben  be- 


54  KIWLBITIJNI&. 

Seite  die  werthvoUsten  Excerpte  aus  urkimdlicben  QußUeo,  auf 
der  anderen  Seite  die  w^ertblpse  ihm  bereite .  fast  fertig  über- 
lieferte Erklärungsmetbode  deutlich  unterscheiden:  da^  sicbla-^ 
gendste  Beispiel  für  beides  giebt  seine  BehandJ^ng  des  Ar- 
geerdienstes.  —  Nicht  mehr  deutlich  ist  es,  in  wieweit  neben 
Yarro  Zeitgenossen  wie  INepos  oder  Atticu^s  selbsistandige 


sprochenen  smra  Argeormm  (abg^dPiiekt.Bd*  2,  59^),  die  andere  (d, 
141  ff.)  will  die  aedificia  in  aJ>8ti^geiider  Liaie.  (Stadt,  Strasae,  Hao») 
erörtern.  Die  auf  diesem  Faden  aufgereihten  topographiseheo  Namea 
werden  in  freier  und  von  topographischer  Ordnung  ganz  unahbängiger 
Weise  behandelt,  wie  ich  (Hermes  4,  252  f.)  nach  Becker  (De  muris 
S.  58  f.  Top.  S.  260)  gezeigt  habe.  Dass  Varro  hier  Viele»  wieder- 
holt hatte,  was  er  in  jinkiq.  kum,  L  Flll  (de  hcis}  zum  Tboil  a«s- 
fUhrlicher  und  mit  anderen  Etymologien  erzliihit  hatte,  lehrt  die  Ver* 
gleichung  der  Artikel  über  Cispius  (und  Oppius?)  de  1.  L.  5,  50  mit 
Festus  {septimontium)  S.  348  (woselbst  das  Citat  Varro  rerum  hu- 
manarum  L  VIII)  und  über  mucellum  und  forum  cuppedinis  (vgl. 
A.  18)  de  1.  1.  5,  146  mit  Dbnat.  zu  Ter.  Eun.  2,  2,  25  {Varro  kutna-* 
tkxrum  rerum).  Indessen  ist  es  jetzt  nicht  mehr  möglich,  festtu* 
stellen,  in    welchem  Umfange   hier  die  Topographie  zur  Sprache  kam. 

—  Die  für  die  Kulturgeschichte  wichtigen  Epochen  der  Stadt- 
geschichte waren  in  den  ßüchern  de  vita  p.  R.  (frgg.  ed.  Rettner, 
Halle,  1863)  behandelt;  wie  wichtiges  Material  auch  diese  ent- 
hielten, zeigen  die  Fragmente  (Alter  der  Tempel,  Köaigshäasar, 
Forum).  Ueher  die  Benutzung  der  varronischen  Büclfeer  bei  (h'id .  a. 
Merkel,  Proleg.  in  fastos.  Für  Verrius  Flaeeus  and  Festas  kann,,  wie 
schon  Müller  sah,  kein  Zweifel  sein,  dass  |e^6r  nieht  die  Büeber  de 
lingua  latina^  sondern  die  älteren  ^ntt^ätates  henutzte.  Beispielsweise 
giebt  Festus  unter  Berufung  auf  Varro  (S.  48)  uqd  ohne  diese  S.  125 
die  ia  den  Anti({aitäten  vorkommende,  in  de  1,  1.  fehlende  oder  ver- 
kürzte Erklärung  >  on  macellutn  ,und  /orttm  cuppeditHsy  des  CUpmr  uad 
Oppius  (s.  A.  22);  auch  die  Erklär uAg  von  Palatiufn  S.  220  ist 
nicht  aus  de  1.  1.  5,  53,  sondern  aus  den  Antiquitäten  entlehnt:  wenn 
die  übrigen  Erklärungen  der  Namen  der  Berge  bei  Festus  (S.  19,  44t 
254b,  322^,  SIG^)  mit  dea  de  1. 1.  5,  41  ff.  gegebenen  ühereiastiameD, 
so  beweist  dies  begreiflicher  Weise  JNichts  gegea  die  Annahme.  Eine 
vollständige  Beweisführung  kann  natürlich,  hier  nicht  gegeben  werden. 

—  Ueher  Solin  vgl.  Mommsens  Einleitung  und  Bd.  2,  142.  Daas  dejp 
Katalog  der  Königshäuser  aus  Varro  entlehnt  ist,  zeigt  die  Verglai- 
ehung  von  Soliu  §  22.  23  mit  Varro  de  vita  p,  /?.  1.  1  bei  Non.  531 
(vgl.  Th.  1  §  2). 


§  2.]  DIE  ÜBfiRLISreBtlNG.  55 

Stadien  a«f  diesem  Gdiiete  angestellt  babeH  und  was  das^ 
wie  es  scbeiBt,  vielgeldsend  Buch  deserateo»  exempJa,  m 
dgenen  Sammlungen  geipotea  bat.  ^-.  Die  Urkiindeüf«rsGhuDg 
über  die  römiseke  Sitadtgeschiohte  aber  ist  unseres  Wissens 
mit  der  fipodke  desYaDre  oderdes  Yerrius  Fkccua  gesehlos* 
seiir  und  was  uns  darüber  bei  d^  späteren  gelegentlich  be<« 
gegnet ,  habeii  wir  durchweg  ak  varroniscb  zu  betpaehten. 
Es  yerstdit  sich,  dass  es>  bei  «der  Wiedeiigabe  varroniscber 
Lebrentüb«r  Uenkmäler  und  Naiaen,  welche  nicht  mehr .  vorr 
banden  waren,  sieht  ohne  die  gröbsten  Miss  Verständnisse. ab^ 
geht.  Die»  gilt  besonders .  von  den  mit  Ausnahme-  das  Asr 
eonius  ja  allein  erhabenen  späteren  Auslegern  der  hlassisch^a 
Autoren,  wekhe'die  in  äil^en  Kommentaren  vorgefundenen  No- 
tizen mit  ihrer'  eigene  Auslegung  der  vorliegenden  Stellen 
nnglücklieh  ^^nermisehen  und  so  Hehac^tungen  2ti  Stande  brin^ 
gen,  welche  den  Werth  von  Zeugnissen  nieht  haben '^). 

Es  ist  nicht  dieses  Orts,  die  sämmtlichen  Sehriftäteller, 
bei  denen  sich,  gelegentliche  Aeuss er ungen  über  den 
aaigeaiblieklichen/  Zlistadd  Roms  finden,  nach  dem  mehr  oder 
wenigei^  ihrer  Uiiheilsfähigk^  mi  klaseyUkiren;  doch  mnssen 
wir  anf '  den  nicht  selten  begangenen  Fehler  aufmerksam 
machen«  solche  Zeugnisse  ,mit  jenen  über  frühere  Zustände 
auf  eine  Linae  >zu.«fitelleni^  £inem  in  Rom  schreibenden  Matm^ 
der  sekie  fünf  Siniie  beisanunien  hi^,  nicht  zu-  glaube ^.  was 
er  von  redils  und  links  ^  ven  vorhandenen  oder  nieht  vor« 
handenen  Bauten  bezeugt,  ist  iwillkürllch.  Fteiilich  sind  das 
selbstverständliche  Dinge:    aber  die  Topographie  scheint  mit 


^)  So  die:  servtftiiiadiea  Kojmiieatare  za  Virg^il,  kioch  anehr  die 
Seholien  dos  Porfirioa  und  die  vM  ihm  «oh  weiientlich.  aiieh  in  den 
topegrapManliaa  JVotiaea  ilntienscliciidondeQ  «p&teren  (sogeiiaontoc  Acroo), 
vpB  detnen  da«  obea  foftagpc«  in  voUem  Umfaiife  gilt,,  wid  sohoa  öfter 
U'  Jien&atf  4>  249  f...uQd  Jahi^asberiolit  1S75,  757)  hervorgehoben  ist^ 
|tr  oieM  za  r^den  von  dem  CömiaenMtor  Cn^qoMnus.  ladessen  lassen 
sich  die  ßeaMreiiter  der  Tej»ognl|)hie  darüber  nicht  belehren.  £iae 
rühmliehe  .Ausaahaie  ««eht  wie  überall  so  aaeh  hier  De  Rossi  Abo* 
1873,  214  f.  '  . 


56  '     ESNLEITÜNG;     ' 

einer  gewiesen  Vorliebe  die  einfachsten  Grundsätze  nicht  allein 
der  Auslegung,   sondern  auch  der  Logik  zu  verlengnen^^)« 
Zorn  Thml  zu  den  gelegentlic^n  Erwähnungen,    zum 
Theil  zu  den  oben  bespeachenen  Urkunden  gehdren  die  In- 
schriften.   Sie  kommen  hier  unter  dem  Gesichtspunkt  ihrer 
Fundortezur   Erörterui^.    Nur  yerhSltnissmässig  wenige 
befinden  sich  noch  an  ihrem  alten  Aufstellungsort  und  geben 
somit  ohne  Umschweif  über  die  Orte  und  Denkidller,   von 
denen  sie  sprechen,  Auskunft;  manche  sind  schon  im  Alter- 
thum  von  ihrem  Platz  entfernt  und  anderw^ig  benutzt  wor- 
den, noch  mehre  seit  den  Zerstörungen  des  7.  und  8.  Jahr- 
hunderts ebenfalls  zu  baulichen  Zwecken»  seit  dem  löten  in 
die  Häuser  und  Museen  der  Sammler  verschleppt   worden. 
Ein   lehrreiches  Beispiel  geben   die  Akten  der  Arvalbrüder, 
von  denen  sich  Stücke  bei  S.  Peter  und  in  den  Katakomben 
vor  porta  S.  Sebastiano   gefunden   haben.      Indessen    muss 
man  doch  die  Verschleppung  als  die  Ausnahme  betrachten : 
in  der  Regel  wird  der  Fundort  des  Steins  einc^n  Sohluss  auf 
den  Standort  zulassen  und  diese  Annahme*  bewährt  sieh  durch 
die  äberwiegende  Mei^e  der  Fälle.    So  sind  denn  die  Fund - 
notizen  der  Steine,  der  erhaltenen  wie  der  verlorenen,  eine 
ungemein  wichtige  Quelle  der  Topographie  und  eine  topo- 
graphisch geordnete  Sammlung  der  stadtrömischen  Inschriften, 
deren  Provenienzen  bekannt  sind ,  wie  sie  vom  7.  bis  zum 
16.  Jahrhundert  mit  der  Stadtbeschreibung    veri)unden    ge* 
wesen  ist,  wird  nach  Vollendung  der  Sammlung  aller  im  Cor- 


*^)  Es  verdient  erwähnt  zu  werden,  dass  zu  dem  Satze  'jetzt  ist 
hier  die  novo  via^  der  gerade  Gegensatz  nach  topographischer  Logik 
nicht  lautet  'früher  war  sie  hier  nicht',  sondern  'früher  war  sie  wo 
anders'  (so  Rosa),  und  dass  mit  Hilfe  dieses  Syllogismoa  bewieaen 
worden  ist,  dass  das  comitium  verlegt  worden  sei  (Jahresbier.  1875^ 
747).  Selbst  Lanciani  kommt  über  diesen  Stein  deaAnstosses  nieht  hin- 
weg: prata  Quineüa  übi  nunc  navalia  sunt  soll  beweisen,  dass  diese 
navaUa  erst  seit  kurzem  bestandein  im  Gegensatz  zu  den  Siteren  am 
Aventia  (Annali  1871,  85).  Dass  die  unbedeutenden  W6rtchen  ante, 
postf  sub  u.  s.  w.  selbst  bei  späten  Scholiaisten  etwas  zu  bedeuten 
haben,  scheint  nicht  allgemein  anerkannt  zu  werden. 


§  2  ]  DIB  OfifiRLlBPERUiNG.  57 

pus  inscriptionum  latinaruin  dringendes  Beduifn»«  sein^*). 
Besonders  wichtig  sind  die  Ziegelstempe],  welche  in  Rom 
erst  mit  der  Kaiserzeit  beginnen.  Sowohl  die  durdi  die  An- 
gäbe  des  Gonsulats  datirten  (nur  aus-  der  kurzen  Periode  von 
110 — 161  n.  G.  bekannt)  wie  diejenigen,  deren  Zeit  mehr 
oder  weniger  genau  durch  die  auf  denselben  genannten  Kaiser, 
Aägehörige  der  kaiserlichen  FamiHe  oder  Priyatpersonen 
(der  Eigenthömer,  Pachter  oder  Direktoren  der  Ziegeleien) 
bestimmt  werden  kann,  gehen  für  die  Zeit  der  Erbauung 
(oder  Ausbesserung)  der  Gebäude  wenigstens  dfie  Grenze,  'T«»* 
der  dieselben  nicht  entstanden  sein  können:  itt  wie  weit  es 
erlaubt  ist,  aus  den  Stempeln  auch  die  Grenze,  nach  welcher 
die  betreffenden  Ziegel  nicht  verbaut  sein  können,  musß  erst 
die  ToUständige  Sammlung^  derselben  lehren  ^^). 

*>)  De  Rossi  AoBali  1858,  54  ff.  Nkitürlich  kommt  es  auf  die  jedes* 
maligeir  Umstände  der  Auffindmig  aü.  Gaaze  Stadtgegendeo,  wie  das 
Forum  und  Um^ebon|p  sind  in  yerschiedenen  Zeiten  zum  Ablagern  voa 
Schutt  benutzt  worden:  hier  kommt  es  also  darauf  an,  zu  wissen,  oh 
ein  Stein  unmittelbar  auf  dem  alten  Niveau  oder  über  demselben  in 
der  oft  bis  zu  10*  M.  hohen  Sehuttmasse  gefunden  ist;  vgl.  Laodani 
Bull.  man.  4,  49  und  meine  Sylloge  inseriptionum  fori  romani  (Eph. 
epigr.  1877).  Für  zahlreiche  Inschriften  lasst  sich  die  Wanderung  von 
dem  Fundort  bis  ins  Museum  durch  verschiedene  Stadion  aus  den  Pro- 
renienzDOtizen  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  verfolgen.  —  lieber  die 
Fälschung  der  Fundnotizen  durch  Ligorius'  s.  }  3. 

^)  Allgemeine  Uebersieht  bei  Marquardt,  Privatalterth.  1,  166  f., 
2,  256  ff.,  woselbst  die  Arbeiten  Berghesi's  u.  a.  über  die  oben  er* 
wähnten  Hauptsätze  unvollständig  verzeichnet  sind.  Aelter«  Haupt- 
Sammlungen:  Fabretti  lascr.  ant.,  Marini  iscr.  doliari  im  cod.  Vat  1271 
vielfach  benatzt  von  Preller,  Regidnea,  u.  a.  Die  Provenienzen  in  äl- 
terer Zeit  leider-  wenig  beachtet.  Massenhafter  Zuwachs  der  neueren 
Ausgrabungen:  Schriften  des  Instituts,  Bulletino  municipale^  (späteste 
Zeit  s.  A.  36).  Eine  Durchsicht  der  Papiere  de«  CiL  im  J.  1867  hat 
wenig  wichtiges  ergehen.  —  Keine  republikanischen  Stempel  aus 
Rom  $  i  A.  26.  ~-  Vermuthlifdi  hat  Marini  mit  der  Behauptung 
(bei  Preller,  Regionen,  S.  212)  *che  col  solo  ajuto  delle  iscrizioni  do-' 
liari  mai  si  fissa  l'epoca  di  un'  edifizio '  die  oben  berührte  Frage  über 
die  Zeitgrenze  abwärts  im  Auge  gehabt,  welche  nicht  endgiltig  gelöst 
werden  kann,  ehe  die  Sammlung  der  Ziejirelstempe]  im  CIL  erschienen 
•ein  wird.    Für  die  mit  der  Consuiatsmarke  versehenen  Ziegel  nimmt 


58  EINIiBlTüMft- 

Aus^erM«^^  deruI>rigeAlnachi'tftei),  welche  >mcbLt  wegien 
ihres  Fundorte,  sondern  wegen  ihres  Inhalts  für  die  Topo-« 
graphie  Yon  Wichtigkeit  sind,  begnüge  ich  mich«,  na9h  foK 
gende  besonderai  hervorzuheben:  den  Bs^utenkatalog  in  dem 
hidex  rerum  gestarum  des  Augustus  (oben),  die  iVam^  der  vici 
auf  der  £hrenbasis  des  Hadrian  (Bd.  2,  29:1  ff.  585  f.) ,  die 
Grabschriften  der  Gescbäftsteufe,  welche  mit  d^  Angabe  ihres 
Gescbalta  die  Lage  ihres .  Geschäftslokals  ve^bipden^^),  die 
m^kwördigea  mit  dem,  Namen  der  W^nnng.des  Hejrrn  be- 
sefariebenen  Sklavenmarkea^^),  eadlich  die  aucU  für  die  Topo- 
graphie s0  ausgiebigen  Akten  der  Arval^n^^). 

man  allgemein  'di6  Verwendung  in  dem  angegebenen  Jahre  an  (verg*!. 
z.  B.  Laneiani  Ball,  deir  in^t.  1870,  46  f.  Aün.  1868;  174  ff.)  ^ 
Uebrigens  kann  auch  'die  BescdiaffeBheil  der  Bauwerke  zur  UeutUDg  der 
Stempel  beitragen.  Ein  Beispiel  giebt  die  Controverse  über  die  Basi- 
licä  des  Constantin  (Ziegel  mit  OFFSBFDOM»  schwcrrlicli  T^OHitütnae), 
hei  welcher  zum  er&teH  Mal  die  Wichtigkeit  .der  letzteren  für  die  To* 
pographie  ins  rechte  Licht  gerückt  werden  i$t  vgL  Xh.  11  und  £pb« 
epig.  1877. 

^^)  Nicht  die  Banquierä  allein  (Marqnardt  Staatsverwaltung  1,  64), 
soDdern  die  Gescfaäftsleate  überhaupt  und  nur  diese  (Memorie  delV  inst. 
2, 239)  nennen  auf  ihren  Grabsteinen  die  Stadtgegend  ihres  Geschäft^  (nicht 
die  augustisehe  Region,  vgl.  Th,  I  §  5  und  die  f.  A«)  —  was  besonders 
deutlich  wird  durch  die  Erwähnung  zweier  Geschäfte  (Heiizea  5080)  e 
pigmentaHo  neg^&tianti  EsquüUy  isdem  ad  statumn  J^land  —  hüu^ 
noch  mit  Hinznfügung  eines  nahen  DeiikoMUs  (n^otiator  pentmß  ßt  vi^ 
norum  de  Feiabro  a  qt$attuQr  searü,  Henz;  5087).  Die  gewöhnliche 
Verbindung  ist  die  mit  a,  dßy  ad,  'vereinz<^lt  sind  argentarius  maeelli 
mofftd.  (SehÖne-Benndorf  Lat.  245)  und  qui  lm]an^  in  ^bvrß  [m]aiore  ad 
Ninfals]  (Marini  Arv,  347  a,  vgl  Or.  <2^81)^ .  AusfiMwUeh  Arch.  Z.  1871»  67  ff. 

'^)  Am  vollständigsten  jetzt  bei  D&  Aos^i  Bull.«  d^  Areh«  cri»t« 
1874,  49  if.  VgL.aQch  Marqaardt  Privatalt,  1,  19;^.  Beispielweise! 
(n.  1  SS  Or.  2831):  lanuarim  dißor,  servus  sum  D^oßtri  §s^e€(j^iAris  ser 
naitis  qmi  manet  iti  regione  quinta  in  areaJtoarti.: (zugleich  unter  de^^ 
10  bekimntea  sämmtlich  der  Zeit  Coastaatin'a  d-.  Gr.  eogeibioyirigen  Exr 
emplaren  .das  einzigei,  welches  die  augnstiscbe  Qegion  ^not)  Qd^  (n*  ^ 
=  Or.  2832):  tene  rne  ne  fugiam  et  revoca  tne  in  foro  TmißHiiin  pur*- 
puretica  ad  Patcasium  domifmm  metim, 

'0)  In.HeAzenß  die . zahlreichen  neaei)  F^ade  ttprfwsendor  Bearbei* 
tung,.  Acta  fratrum  arvalium,  B.  1874=»CIl4  6,  1,  2023  ff«,  vgl.  des* 
aelbei«  S^avi  nel  bosco  sacro  dei  fratelli  arvali  B*  1868*    . 


t 


§  2.]  DIE  ÜBERUE^EBUNG.  59 

MU  Hilfe  dieser  ansehnlichen  RestQ  achr^licher  lieber- 
liefemng  sind  wir  ioa  Stande,  ein  Bild  von  dem  Zustande 
der  alten  Stadt  zu  ent werfen,  in  welchem  die  vorhandenen 
Trümmer  ihre  richtige  Stelle  eitalten.  Aber  es  ist  häufig 
die  Frage  au^eworfen  oder,  sogar  stillschweigend  bejaht  wor- 
den, ob  neben  der  schriftlichen  eine  mündliebe  U eber- 
lief er  ung  9ttß.  dem  Alterthum  sich  durch  die  Sturme  der 
Jahrhunderte  hindurcli^erettethabq.  Zwar  selten  begegnet  man 
in  unserem  Jahrhundert  noch  solchen  Verirrungen,  wie  beispiels- 
weise —  um:  gerade  zwqi  um  die  Topographie  unbestritten 
hochverdiente  Männer  zu  nennen  —  bei  Niebuhr  und  Preller, 
von  denen  jener  alles  Ernstes  glaubte,  dass  die  'schöne  Tar- 
peja'  im  Mun^e  der  Bewohner  des  Kapitols  noch  fortlebe, 
ohne  die  Gelehrigkeit  zu  beachten,  mit  weichet*  jeder  Bettel- 
knabe noch  heut  aus  dem  Munde  der  Fremdenführer,  die 
ihren  Guida  auswendig  wissen,  jedes  Wort  zu  gleich  nütz- 
lichem Gebrauch  auffangen:  dieser  den  schon  im  späteren 
Alterthum  verschollenen  Namen  des  lupiter  Feretrms  in  einer 
nicht  einmal  richtig  überlieferten  Legende  des  14.  Jahrhun- 
derts wiederzufinden  glaubtf^^):  aber  scheinbar  unverfang^ 
lieber    ist    die    stillschweigende  Voraussetzung,    dass.  Namen 


>>)  NieiiQhr  in  der  2.  Ausgabe  der  K.  G,  (1827).  1,  2^:  'MädcheA 
aas  den  naheo  Hänsera  führten  uns  und  erzählten  dabei:  tief  im  Berge 
sitae  die  sebb'ne  Taryeja  mit  Gold  oad^Ge^clmieide  bedeckt,  verzaubert; 
wer  zu  ihr  va  J^Mguueo  s«qhe,  finde  deii  Weg  ninuDer,  ein  eiqzigesmal 
habe  der  ßrüder  der  einen  sie.  gesehen.  Die  BewQhner  dieser  Gegend 
sind  Schmiede  vnd  Bauerwirthe  ol^ne  einigen,  Anflug  von  jener  schein- 
bar lebf^nden  Kenntpiss  desAUerthums,  die  aus  den  trübsten  Quellen 
trivialer  Bücher  sua  andere  Klassen  kommt.  Durch  wahre  mündliciie 
(Jeberliefernng  ist  Tarpc|)a  seit  drittehalbtansend  Jahren  in  dem  Munde 
des  Volks'.  Man  lese,  wie  z.  B.  Dureau  ^t  la  Malle  (1819)  in  jener 
Gegend  die  Häuser  durchsucht  hat,  um  den  tarpcjischen  Felsen  zu  fin- 
den (Mem.  de  Tac.  v.  d.  J.):  dass  es  bei  solchem  Suchen  nicht  ohne 
Erzählen  abgeht,  wird  jeder,  in  Rem  erfahren,  gar  nicht  zu  gedenken, 
dass  die  Ciceroni  mit  ihiiem  Vasi  i^  der  Hand  damals  wie  heut  thätig 
waren.  In  unsero  mittelalterlichen  Qaellen  ist  keine  Sjrar  der  Sage 
vorhanden,  und  doch  knüpfen  dieselben  an  die  Höhlen  unter  dem 
Kapitel  an.  —  Ueber  Prellers  'Juppitei:  Feretrius'  s.  Bd.  2,  498. 


60  filNLElTÖNG. 

von  Strassen  und  Gebäuden  sich  im  Volke  erhalten  und  man- 
cherlei Nachricht  über  dieselben  sich  bis  zu  uns  fortgepflanzt 
haben  können '').  Nach  unserer  Auffassung  beschränkt  sich 
diese  ganze  Tradition  ausschliesslich  auf  das,  was  die  Kirche 
und*  die  Kirchen  in  ihren  Namen  und  Urkunden  aus  der 
letzten  Epoche  des  Alterthums  gerettet  haben:  nicht  eine 
einzige  hiervon  unabhängige  echte  Ueberlieferung  ist  mir  in 
mittelalterlichen  Quellen  oder  gar  in  der  heutigen  Volkssage 
begegnet  und  was  einer  solchen  ähnlich  sieht,  ist  immer 
zurückzuführen  auf  litterarische  Versuche  mittelalterlicher 
Schriftsteller,  welche  mit  Hilfe  von  einem  halben  Dutzend 
alter  Schriften  selten  mit  Glück,  immer  mit  Phantasie  sich 
in  den  Ruinen  zurecht  zu  finden  versuchen»  Ist  dies  seit 
dem  Erscheinen  der  Mirabilia,  d.  h.  seit  dem  12ten  Jahr- 
hundert mit  diplomatischer  Genauigkeit  zu  beweisen,  so  ist 
es  für  die  an  Beweismitteln  arme  ältere  Zeit  wünschenswerth, 
zuerst  den  Gang  der  Zerstörungsgeschichte  Roms  zu 
überWicken  **). 

Die  Zerstörung  öffentlicher  Denkmäler  und  die  Wieder- 
herstellung zerstörter  mögen  sich  im  Alterthum  vom  Eingang 
des  3.  bis  zur  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  noch  die  Wage  ge- 
halten haben.  Die  Zerstörung  zum  Behuf  der  neuen  Ver- 
wendung des  Materials  reicht**)  bis  zu  jener  Epoche  hinauf, 

'^)  Sie  ist  so  allgemein  verbreitet,   dass  es  keiner  Belege  bedarf. 

**)  Ueber  die  fUr  das  Mittelalter  benutzten  Hilfsmittel  ist  schon 
Bd.  2  Vorr.  gesproeben.  Kenner  haben  mir  ausser  den  von  mir  be- 
natzten keine  irgendwie  erheblichen  mittelalterlichen  Quellen,  welche 
für  die  hier  erörterten  Fragen  in  Betracht  kamen,  nachweisen  kSn* 
neu,  was  ich  wegen  manches  allgemein  gehaltenen  Tadels  hervor- 
hebe. —  Ueber  die  Mirabilia  s.  §  3.  —  Es  muss  hier  noch  besonders 
auf  die  tief  einschneidenden  Untersuchungen  des  ersten  Kenners  des 
christlichen  Roms,  De  Rossi  (vgl.  §  3),  sowie  auf  die  gelehrten  Auf- 
sStze  von  C.  Corvisieri  (im  Buonarotti:  eine  grössere  Publikation  steht 
in  Aussieht)  hingewiesen  werden.  Unbrauchbar  sind  auch  auf  diesem 
Gebiet  die  Arbeiten  F.  Gori's,  wenig  nützlich  die  O.  Pellegrini's,  von 
dem  eine  neue  Bearbeitung  des  Nibby  erwartet  wird. 

*^)  Von  den  in  allen  Zeiten  vorgekommenen  Zerstörungen  dureh 
Naturereignisse,  Ueberschwemmungen,  Erdbeben  (über  beide  Th.  I  §  1) 


{  2.]  DIE  ÜBERLIEFERUNG.  61 

hielt  sieb  ab^  ia  engen  Cremen.  Die  ersten  christlichen 
Kaiser  haben  zwar  dem  heidnischen  Kultus  die  Geldmittd 
entzogen  und  die  Tempel  geschlossen,  nicht  aber  diese  und 
die  Kjaltusbilder  zerstört.  Im  Gegentheil  haben  wir  urkund- 
liche Beweise  für  die  Sorge  ^  wdche  sie  im  4.  und  5.  Jahr- 
hundert den  Tempdb  wie  allen  öffentlichen  Gebäuden  zu* 
wendeten:  Brandschaden  und  Zer$torungen  durch  Feindes 
Hand  werden  noch  regelmassig  durch  Restaurationsbauten 
ausgeglichen,  das  Forum  und  die  öffentlichen  Geb&ude  durch 
Anfstellung  von  Statuten  geschmückt,  Neubauten  ausgeführt 
und  die  Grabstätten  früherer  Jahrhunderte  geschützt  ^^).  Für 
die  Zeit  des  Theoderich  (seit  500  in  Born)  und  Athalarich 
(526 — 534)^^)  beweisen  neben  den  Berichten  Cagsiodors  .  die 


und  Brände  sehen  wir  hier  ab.  Für  das  Abbrechen  alter  Gebäude  seit 
der  bezeichneten  Epoche  geben  das  Septizonium  und  der  Constantins- 
bog^en  sichere  Belege  (oben  S.  21.  Bd.  2,  10). 

»)  lieber  die  christliche«  Kaiser  De  Rossi  Ann.  1858,  69  f.  Bull, 
erist.  1866,  5d*  1868,  69.  Basen  wiederhergestellter  oder  zum  Schmuck 
von  6t;bäuden  durch  die  $tadtprä£ekten  seit  3:31  aufgestellter  Statuen: 
CIL  6,  1651—1672  (vgl.  Forum,  Basilica  Julia).  Herstellungen  nach 
einer  barbarica  inoursio  (der  von  455  ?)  CIL  n.  1663 ;  der  Stadtpräfekt 
d.  J.  483  (?)  simitlarum  Mmerbae  abolendo  incendio  tumuÜus  civUis  igni 
keto  eadente  eonfradum. . . .  p^  heaUtudine  tempori$  rettüuU  das.  1664; 
Herstallung  der  ConstaDÜnsthermen  parvo  sumptu  o.  1750.  —  Neu- 
bauten: FL  Eurydes  Epiiynehmw  v.  c.  prattf,  urbi  (450)  condiior  huius 
fori  n.  1662  in  mehren  Exemplaren  (s.  die  Additi).  Grabstätten  ge- 
schont: Th.  I  §  6. 

**)  The ode rieh,  Berichte  über  Wiederherstellnogen  bei  Cassiodor 
Var.  2,  34  {vm'versa  pecuma  quae  fuemt  fabricü  deputata  Romanis  * .  . 
Herum  Momams  ffioembus  4ippUcäur)y  3,  30  (Kloaken),  7,  6  vgl.  3,  $3 
(Wasserleitnngea),  4,  51  (Theater);  über  Theodahat  ders.  10,30;  12, 
19.  Ziegfastempal:  Theoderwu  rem,  Fabretti  Inscr.  521,  337  Fea  Terme 
Taoriaae  S.  «30  (auch  auf  dem  Palatin:  Lanciani  Goida  S.  92);  regnante 
d,  «.  Theoderieo  ConHatäiw  v.  e.  p,  «.  dic(avit)  auf  einer  Säule  in  S.  Maria 
Mavicell«  CIL  6,  1665,  Wiederherstellung  einer  Statue(?)  [rege]  Theo- 
äerieo ,  ,  *  in  tgtr^a  Littertatis  qtuw  veUn  [Uäe  .  . .  (das  übrige  unsicher) 
aL6,  1794,  vgl.  m.  Forma  urbi«  S.  31  f.  ~  Athalarich:  Cassiod.  9, 16; 
Ziegelstempel  -r  i^*  d.  n,  Mhal{ancus) . .  |  Felix  Roma  De  Rossi  Bull, 
erist.  1871,  78  f.  (ungenau  Gori  Buonarotti  1S72,  133)  nach  dem  Vorbilde 
der  FeUdtof  eaeevli  des  Constantio  (De  Bossi  Bull.^mun.  1,  123  ff.). 


6^  iSfiVLEItUNO. 

Ziegelstempel  eiiie  rege  Bauthätigkeit.  V^n  den  ^rei  viel- 
besprochenen Plund^uQgen  Roms  hat  die  erste  duroh  Alarick 
(410)  Oberhaupt  geringen,  die  zweite  durch  Geift^rioh  (455) 
grossen  Schaden  nur  an  den  gi'ossen  Metalikunstwerken^^) 
angerichtet,  erst  die  dritte  durch  Totiias  (546)  kann,  wie  wk 
gfeich  sehen  werden,  als  d^  Anfang  der  Zerstörung  Roms 
betrachtet  werden.  Und  doch  hat  auch  Tctilas  den  nach- 
folgenden Räubern  viele  werthvolle  Beute  gelassen.  Noch 
Constans  H.  (641 — 668)  fand  die  vergoldeten  Rosse  ^  auf  dem 
Triumphbogen  des  grossen  Circus,  vergoldete  Ziegel  auf  dem 
capitolinischen  Tempel  und  dem  Pantheon  (?)'*).  Erst  im 
8.  und  9.  Jahrhundert  wird  der  letzte  Rest  dieser  Denkmälm* 
verschwunden  sein  bis  auf  den  Marc  Aurel,  welchen  sein 
falscher  Name,  und  wenige  andere  Bildwerke,  welche  ein 
glücklicher  Zufall  vor  der  Entführung  oder  Vernichtung  be- 
wahrt hat^*). 

<^)  Ueber  Alarieh  De  Rössi  BuU.  citis«.  1865,  5  ff.    U6ber  Getserich 
tt.  a.  Cassiodor  2.  d.  J.:  per  Ginsertcum  ümnibu*  opänis  vaeuata  est  Roma^ 

»)  Fea  zu  Winckelmana  2,  419  ff.  «.  Bd.  2,  S72  n.  5.     V^l.   den 
Abschnitt  über  das  Kapitel. 

'*)  Daten  für  die  Geschichte  der  Gold-  ood  Bronzedenknliler :   die 
jüngere  Ausgabe   der  Notitia   (vor  450,   vielleicht   vor  403)   er\('ähiit 
dei  aurei  und  den  Soonenkoloss  als  vorhanden,  das  Brevitrdes  Zaclui* 
rias  (geschrieben  nach  der  Verwüstang  von  546)  ausser  diesen  37Ctt 
aenea  simulacra  regum  et  dueuni^  jedesfrtls  ans  einem  vor  546  geachrie* 
benen  vollständigerem  Curiosnm  (Bd.  2,  47.  150).    Die  Mirabiliea   be* 
weisen  nicht  allein,   dass  im   12.  Jahrhundert  keine  £rzbilder  ansaer 
dem  Marc  Aurel  (Bd;  2,  370  f.)  vx>rfaaBdeD  waren,  sondern  auch  dass  zu 
den  Wundern  Roms,  deren  frühmittelalterliche  VerMldmisse  der  Ver» 
fasser  aufnahm,  wie  Septem  areus,  ptUatia  u.  s.  w.,  die  Brcbilder  «ieht 
gehörten.  Ausser   dem  Marc  Aurel   erwähnen  mittelalterliehe   Qeellen, 
soviel  mir  bekannt,  nur  die  irriger  Weise  dem  Senneakoless  zugeschrie- 
benen Stücke  einer  Kolossalstatue  (Kopf  und  Hand),  welche  im  13.  Jahrb. 
vor  dem  Lateran  standen,  (jetzt  im  Hof  des  Conservatorenpalastea  (Bd.  2, 
372.  510  f.),  daher  wohl  die  'Sammlang  von  Bronze  im  Lateran*,  Braun 
Mus.  119.  143*  —   Gerettet  ausserdem  (abgesehen  von  kleinen  Bron- 
zen): der  Hercules  im  Yatican  aus  dem  Pompejestheater  (durch  Umstwrt 
verletzt,  aber  sorgfaltig  vermauert  gefunden  G.  L.  V(isconti)  Mnsei  V«« 
ticaoi  1870,  Piocl.  n.  544  vgl.  Bull.  1864,  227  Ann.  1868,  196),  der  an- 
dere im  Kapitel  (vom  T.  des  Hercules  Victor?),  die  Wölfin,  der  Dor«- 


$  2]  DIE  ÜBERLIEFERtlNG.  68 

Doch  die  Statuen  rind  nicht  die  Stadt;  Ue  Zerftiöniiig 
der  Stadt  darf  nwin  datiren  von  der  Vepwäslung  durch 
Totilas  546,  nicht  wegen  des  Umfangs  der  damals  erfolgten 
Niederbrennung,  der  Einstflrte  und  der  Zertrömmernng  vielen 
Sehmucks,  sondern  wegen  der  Verödung,  Verarmung  und 
Vernichtung  der  Civilisation ,  die  im  Gefolge  dieser  Schreck^ 
Bisse  sich  einfanden  *^).  Forttfn  hört  der  Wiederaafbüu  des 
Zerstörten  auf  und  der  allmaUiebe  natürliche  Verfall  der 
nidit  mehr  in  Stand  enthaltenen  Gebäude  wächst  schnell  £s 
stimmt  zu  dieser  Thatsaehe  sehr  gut,  dass  die  Verwaiidlung 
von  Tempeln,  auch  hie  und  da  eines  prächtigen  Proltsbaus, 
in  christUche  Kirchen,  sich  nicht  viel  über  die  Mitte  des 
6.  Jahrhunderts  hinauf  verfolgen  lässt.  Wenn  die  Neueren 
aber  mit  der  Annähmet  dass  jede  leidlich  aite  KiiK^be  ur- 
sprdTigUch  ein  Tempel  gewesen  sei,  sehr  freigebig  sind ,  und 
für  bestimmte  heidnische  Gottheiten  bestimmte  Heilige  als 
Nachfolger  annehmen,  so  muss  gegen  diese,  bei  dem  Mangel 
einer  kritischen  Geschichte  der  Kirchen  (unten)  noch  sehr 
sdilecht  begründete  Methode  gerade  für  die  früheste  Zeit 
Einspruch  erhoben  und  darauf  aufmerksam  gemacht  werden, 
dass  in  dieser  vielmehr  eine  Anzahl  christlicher  Kultusstatten 
(besonders  die  Tüuli)  aus  Privathäuserri  hervorgingen;  wo- 
durch «ich  aujch  erklärt,  dass  uns  als  Beinamen  der  Kirchen 
eine  Reihe  aller  Strassennamen ,  aber  so  gat.wie  keine  auf 
die  ehemalige  heidnisch^  Verehrung  (wie  super  Mmervam) 
hinweisende  erhalten  sind.  Um  dieselbe  Zeit  wird  die  Hin- 
wegnahm^  der  werthvoUen  Säulen  und  marmornen  Wandbe- 
kleidungen aus   den   verlassenen   Pracht-  und  Palfistbs^uten, 


•nsziehtP,  der  'CaimnaB',  Broozri^pfe  des  ' Brutus*  im  Kapitel,  des 
Aagastvs  ih  der  vatik.  Bibliothek,  die  Trütnmer  vot  Thierfig^ien  aus 
Trastibyer*;  der  Hol#ssalkopf  im  Kapilol-;  in  den.weitläafi^euliiui- 
Ben  der  esqiiiliuis€ke<A  Gärten  ist  niclit  eia  eioziges 
grosses  Bronzeweb^L  gefnn^lea,  von  kleineren  eine  .geringe  ZM 
(Bdll.  warn.  3,  34.  252«  4,  822). 

^)  De  Boss!  lasor.  tht.  %,.  516 f.,  weioher  hervorkebt,  .weleJies 
Licht  tnf  die  schwindende  Knltnr  das  AvfhUren  der  ehristlichen  Grab- 
Schriften  seit  546  wirft,    üeber  Zacbarias  Klage.  Bd«.  2,  149. 


64  £lNL£lTt}N6. 

der  BniDne&aierratbe  —  wie  Maskea , .  Schalen  und  Figure 
—  und  sovielen  anderen  iuarmornea  Straßsenschmacks,  d< 
Sarkophage  und  Grabreli^,  zum  Behuf  der  Erbauung  un 
Ausstattung  der  zahireicben  n^eu  entstehenden  Kirchen. häufig« 
geworden  sei  ^^) ;  aber  auch  die  am  Boden  liegenden  Trürnm« 
^on  Marmordenkmälern,  welche  die  weiten  Parkanlagen  d« 
Salluste  und  Licinier,  der  Lamia  und  PaUas  geziert  hattei 
mussten  das  Mat^ial  zu  Haus-  und  Kirch^bauten  her 
geben ^^).  Es  ist  zu  verwundern,  da/is  unter  ^tn  tausendoi 
verstümmelter  Harmorwerke^  welche  die  Museen  füllen,  docl 
eins  oder  das  andere  durch  Zufall  oder  eine  inmitten  diese 
Barbarei  seltene  Fürsorge  fast  unversehrt  auf  uns  gekomm^ 


^1)   lieber  die    Verwaidhug   dar  Tempel  in   Kirchen  Maraa^oa 
Delle  cote  gentileecfae  e  profape  trasportate   ad  uso  delle  ehiese  (A 
1744)  S.  2S6ff.    Texter  et  PuUao  L'arohiteetnre  Byzantiue  (Und.  1864;; 
S.    79 ff.    und  De  Rossi   im   Ball,    crist.     Die    ältesten    mir  bekannten 
sicher  datirten  UinwaDdlnngen  ^ind:  btuüica  lunü  Basti,  gebaat   31? 
(steht  iti  irgendwelchem  Zusammenhang  mit  deikt  Kalt  der  Plairier)'dett 
h.  Andreas   dedicirt  unter  Simplieiua  4i66 — 483  (s.  die  klassiaehe  Ar^ 
heit  von  De  Aoaai  BoU.  erist.  1871,  Iff.  410;   onbekaantes  Gebäad« 
(Tempel?)  d.  dem  H.  Clemens  unter  Hormisda  £»14 — 523  (ders.  Bull,  crist 
1870,    129  ff.),  Rotunde   des  Divus  Romulus  d.   den  HH.  Cosmas   und 
Damianus  unter  Felix  IV  526—530  (ders.  a.  0.  1867,  61  ff.);  das  Pan- 
theon der  Maria  im  J.  608  (Bd.  2,  366),  denen  sich  wahr  sehe  toiieh  manche 
andere,  wie  S.  Maria  sopra  Minerva  (ältor  ala  7^),  S.  IVicoIa  in  Car- 
cere  anreihen  lassen  werden.    Für   die  bei  weitem  meisten  angeblieh 
alten  Kirchen  ateht  entweder  die  Epoche  nicht  fest  (z.  B.  die  Kirchen 
in  den  beiden   erhaltenen  Tempeln  am  Tiber)  oder  es  ist  unsicher  ob 
sie    in    Tempeln    geweiht    sind    (S.    Maria   Liberatrice,    S.    Teodoro, 
S.  Adriano,    S.  Martina;    sicher  kein  Tempel  S.  Stefano  rotondo).   -* 
Ohne   genügenden   Beweis   werden  viele  Kirchen  für  Tempel   erklärt: 
neuerdings  von  Nissea  Rh.  M.  28,  548.    29,  407  die  Kirche  S.  Priaea  für 
den  Tempel  der  Diana  (vgl.  die  Ibissen  wie  es  achaint   niofaft  bekannte 
Untersuchung  von  De  Rossi  über  den  titidus  nsd  die  Ihtmu  AfpnJUu 
et  Priscae  im  Bull,  erist.  1867,  44ff.   186Sy  d5f.  und  dens.  über  die 
Entstehung  der  tätdi  avs  Privathävaern  das.  1S63,  27  f.).  <—  Ueber  die 
Beraubung  der  antiken  Bauten  ein  reiches  Material  bei  Marangoni  301  ff. 
343  ff.  und  Corsi  delle  pietre  antiche,  was  freilieh  nach  den  neueren  Ent* 
deckungen  erheblich  zu  vermehren  wäret 

^')  S.  Lanclani  im  Bull,  mnnie.  3,  78  f. 


{  2]  DIE  ÜBERLIfiFBEUNG.  65 

und  dass  der  T^lligen  Zerstörung,  welche^  wie  Wir  jetzt 
issen,  schon  im  9.  Jahrhundert  das  Foram  seines  Marmor- 
i^des  beraubt  hatte,  ein  einziges. Werk,  die  kürzlich  ent- 
ckten  mit  Reliefs  ausd^  Zeit  Trajans  bedeekten  Marmor-^ 
nken  haben  entgehen  können  ^^).  Datu  kam  denn  (seit 
em  8.  Jahrhundert?)  das  Radikalmittel  der  KalkbrennereL 
ttf  dem  JttarmoFfossboden  der  wohl;. kaum  ein  Jahrhundert 
her  noch,  benutzten  Basilica  Julia ,  und  dem  Pflaster  vor 
lern  noch  stehenden  Faustinentempel  haben  sieh  idie  Kalk-> 
ben  mit  den  Resten  der  von  nah  und  fern  herbeige- 
leppten  Statuen  und  Grabdenkmaler  vorgeCanden,  und  der 
ame  Caikarmm,  welchen  seit  dem. frühen  Mittebltei*  beispie]&* 
weise  eine  ganze  Gegend  des  an  Marmortfümmern  überreidr^oi 
üaisfeldes  trägt,  giebt  Ton  der  ßegelmassigkeit  nnd  Aiisdeh- 
DUDg  dieser  Yernichtungsweise  eine  annähernde  Vorstellung^*). 
£ine  andere  Art  der  Zerstörung  endliefa,  welche  wir  bisher 
noch  nnyollkommen  kennen,  hat  ausser  dem  Marmor  auch 
den  Traveütin  betroffen.  .  Die  römische  Curie  hat  ndbmlich 
&ach«eislich  seit  dem>  Anfang  des  15.  Jahrhunderts,  wahr** 
Kheiniich  schon  früher,  alte.  Gebäude  oder  Terrains,  welche 
Trümmer  zu  bergen,  schienen,  als  Steinbruche  verpachtet 
oder  selbst  ausbetiten  lassen..  Auf  diese  Weise  ist  bis  in  die 
Zeit  Sixtus  V.  (s.  unten)  eine  grosse  Masse  Yon  antikem 
Baumaterial  beseitigt,  sind  Paläste  und  Kirchen  aus  demselben 

aufgeführt  worden.     Schon  jet2t  lässt  sich    erkennen,    daSS 

.  ■      ', 

^)  Die  eapiftaliusdie  Venils  vermaveii;  gefunden  •  (io  der  Sabara), 
ahnlkh  wie  der  kroezeae  Hercales  A.  39.  — Für  die  Marmorsohreoken  des 
Pornms-  ist  dieser  auffallende  Hoistand  (über  den  Zustand  des  Forams 
I.  Th.  li)  in  dea  bisherigen^'S^preeJiaoi^en  and  aa<A  vt>a  mir  früher  über- 
Mibea.  worden.  Sollte  der  äbei^  denselben  stellende,  leider  ror  seiner 
Zerstörung  nicbt  genauer  untersuchte  'mittelalterliche  Thurn'--  der 
Gloekeathurm  derRirebe  SS.  Sergio  e  Baeche  gewesea  si^in?  S/ jetzt 
Bph.  ep.  1877. 

^  KallEgniben^.Pva  zu  Wlnokelmänn  3,M7ff.  Gregorovius  3,365; 
Aaf  dem  Foram«  Lanciani  Bq14.  d.  i.  18T2,  244;  263  f.  vgl.  Hermes  7,  270; 
in  circns  Flaminins:  bezeagt  darch  den  Namen  in  ctücarioyde  catche- 
forto.  Bd.  2,  439  mitNachtr.  JS.  XVH;  auf  <d(^  Esquilia:  Lanciani 
Bill.  man.  2,  215» 

Jordan,  rOmisolie  Topographie.    I.    1«  5 


66  BINLSITÜNO. 

K.  B.  ein  Theä  der  Gel^udereste  de$  Forums  diesen  in- 
dustriellen Unter netimungen  zum  Opfier  gefallen  ist;'^^). 

Vom  7.  bis  zum  11.  lahrhundert  ist  diese  systetnatisdie 
und  so  zu  sage^  friedliche  Zerstörung  mit  langsamem  Erf dg 
thätig  gewesen.  Aber  auch  von*  kriegerischen  Verwöstungen 
wissen  wir,  welebe  diesen  Gang  stossweise  beschleunigt  haben. 
Nur  in  diesem  Sinne  dürfen  die  Fehden  des  it.  Jahrhunderts 
und  die  Niederbrennung  eines  Thmls  der  noch  stehenden 
alten  Denkmiäler  durch  den  Normannen  Robert:  Guiskard 
(1084)  als  epochemachend  genannt  werden  ^^). 

Diese  Zeratörungen  haben  Schut(anhftufungen  und  da^^ 
durch  verhältidiSMnässig  geringe  T^rainveränderungen  nach 
sich  gezogen  (Th.  1  §  1),  fast  unberührt  dagegen  blieben 
die  Richtungen  der  grossen  Hanp^strassen;  Umgestidtungen 
auch  in  dieser  Reziehung  veranlassten' erst:  aihndhlich  und 
theilweise  die  seit  dem  13.  und  14.  Jahrhundert  begonnenen 
Aufräumungen  und  Neubauten,,  z.  R.  auf  dem  Kapitoi^^), 
durchgreifend  aber,  wenigstens  für  einen  ganzen  Stadttheil, 
die  Monti,  dieRauthätigkeit  des,  wie  schon  bemerkt,  letzten 
Zerstörers  der  alten  Denkmäler,' Sixtus  Y.  •  Hätten  Zeit  und 
Geld  ausgereicht,  wir  würden  beut  ron  den  kaum  ein  Dutzend 
ausmachenden  grösseren  Ruinen  auch  nicht  eine  mehr  be- 


^)  Die  aü^ivaliselioo  Qoellea  tia^  bialier  iipr  mgeniif fad  «osge«* 
beutet.  Eu^en  IV.  lä&st  1431  nadi  Marmor  hu  S.  A(ifiapo  gral^fm  (Gre- 
gorov.  i,  559).  [Jeber  die  Verpaehtutf^  des  Forum,  des  Golosseams,  der 
Cremend  von  S.  Nieolo  in  Carcere  wichtif«  Aussog»  aas  den  Akten  der 
Curie  von  1450>-1$50  bei  von  Zahn  Ball.  daU  iMt.  t867^  191  ff.  MfinlK 
Revue  arch.  1S76  SeptlTOff.  S.  m.  Syllocre  inson  fori  raaiaBi.(fiph.  ep. 
1S77).  Ueber  die  Verweadung  der  Warkatücke  des  Golossenn  sani.  Bau 
der  Paläste  ü  Veaaaia,  Fariieaa,  Ca»e«ller.ia  seit  Paui  II:  Nihky 
fl.  a.  2,  418. 

:«•)  Ueber  Bobert  Gujiskard  Bd»  2,  376.  Dev  Cireus  maximas,  da« 
Septizoninm,  das  Colosseum,  das  Forum  (Fabierbogeo)  gebeu  Beispiele 
für  die  UmwaudluDg  antiker  Q^hmda  iu<.Fe«Ui|igan  and  deren  Zer- 
fitöruug  durch  BrancaleoAe  1257  (6re9»reyia8,.5).i^l$);..<wa8  galegent- 
licb  schon  im  2.  Bde.  barührt  ist.    Vgl.  Th.  IL     :  . 

*7)  Für  das  Forum  uad  das  Kapital  sinddiar  Einzug  iKada  V. 
und  die  Bauten  Michelangelos  von  besonderer  Wichtigkeit.    S.  B4  .2,451» 


§  2.|  DIE  ÜBERLKFERUNG.  67 

sitzen  uBd  wie  die  Anlage  der  Strasse  Qnattro  Fontane  ein 
neues  Profil  der  Hügel  hergestellt  und  einen  Theil  der  alten 
Strassenzuge  verwischt  bat,  so  würde  es  der  ganzen  alten 
Stadt  ergangen  sein^^.  M«n  darf  dabei  freilich  nidit  ver- 
gessen, dass  die  Zerstörung  des  Alten  einem  lebendigen  Neuen 
die  nothwendigen  Wege  bereiten  sollte^®)  und  kann  daher 
die  mit  gleicher  Kühnheit  und  gleichem  Erfolg,  aber  mit 
grösserer  Schonung  und  grösserem  Nutzen  für  die  Wissen^ 
Schaft  unternommene  Vollendung  seines  Werks  seit  dem 
Jahre  1870  —  die  Herstellung  einer  direkten  und  bequemen 
Verbindung  des  Ausgangspunktes  der  Eisenbahnen  mit  dem 
Berzen  der  Stadt  durch  die  Via  nazionale,  den  Anbau  des 
Esquflin*®)  —  in  der  Thsrt  ab  die  Vollendung  der  Wieder- 

■  -    -  -  1 

^)  Die  BanteUangen  der  Regleroof^  Sixtns  V  bis  anf  v.  Hüboer 
(Sixte-QuiBt  P.  1870)  2,  124ff  405?.  enthalten,  wie  schon  Bd.  2,  464 
bemerkt  worden,  noch  immer  nicht  die  io  viele  Fragen  der  alten 
Topographie  eingreifende,  urkondliche  Geschichte  der  Zerstörung  alter 
DenkmKler.  Wieviel  aus  einer  nao  zu  hoffenden  systematischea  Aus* 
natzua^  der  Akten  gewonnen  werden  wird,  habe  ich  gelernt  bei  eiier 
flüchtigen  mir  durch  die  Zuvorkommenheit,  des  Hr.  C.  Corvisieri  ge- 
statteten Durchsicht  der  Mandati  segreti  von  1587  ff.  (1872  in  dem 
neuen  Arcfalvio  governativo  auf  piazza  Migoanelli).  Es  finden  sich 
dtrin  die  detailltrtesten  Anweisungen  an  D.  Fontana  über  vorzu- 
nehmende Zerstörungen  antiker  Moaameute,  deren  Material  nament- 
lieh  bei  den  Neubanten  in  5^  Maria  maggiore  und  fontaoa  Termini 
verwendet  werden  sollte.  Glücklicherweise  wurden  nicht  alle  diese 
Pläne  ausgeführt.  So  schreibt  der  Papst  über  den  'Janus  quadrifrons' 
(Mand.  4.  Jan.  1588  f.  41^):  cav,  Dom,  Fontana  tiro  architetto  fara 
guasiare  larco  hoario  poeto  presola  fontana  di  sangiorgio  e  potra 
99nrim  diquei  marmi  per  fmr  Ü  piedutaUo  per  la  gugUa  di  tan  giq, 
leteraao  n.  s.  w.  und  ein  andermal -iAIand.  1587  f.  ,36"^)  an  denselben, 
er  solle  marmo  pietre  e  nmüi  dope  le  irovasti  nehmen,  besonders 
eigne  sich  ein  Grab  in  der  Nähe  von  S.  Paolo:  vgl.  BulL'mun.  1,  78. 

^^)  Die  Absichten  des  Papstes  bezeichnet  am  besten  der  grossartige 
Plan  das  Colosseum  in  ein  Fabrik-  und  Wobngebäude  für  die  Armen 
1«  verwandeln,  worüber  Fontana  Di  alcune  fabbriche  fatte  in  Roma 
ed  in  Napoli,  R.  1590,  berichtet. 

M)  Vgl.  die  Stadtpläne  seit  1870  und  das  Bullettino  municipale. 
Die  weitachichtige  BrochnreaUtteratar  ist  für  die  alte  Topographie  ohne 
hteressa. 

5* 


68  EINLEITUIKG. 

aufrichtung  der  Stadt  aus'  dem  Schutt  der  Zerstörung   be- 
grussen,  wie  sie  im  12.  Jahrbondert  der  Dichte  erhofll  hatte: 

Roma  vetusta  fuiy  $ed  nunc  w>i&a  Ronui  vocabar: 

eruta  ruderihis  culmm  ad  dUa  fero. 
Der  unklaren  Vorstellung  nun,  als  ob  durch  diese  un- 
unterbrochene Reihe  von  Zerstörungen  sich  eine  mOndliche 
Ueberlieferung  in  Namen  und  Lokalsagen  erhalten  habe ,   ist 
erst  die  neueste  Forschung  wenigstens  insoweit  entg^en  ge- 
treten,  als   sie  an   der  Hand  der   mittelalterlichen  Stadtbe- 
schreibungen nachzuweisen  versuchte,  dass  seit  dem  14.  Jahr- 
hundert eine  willkärliche  und   von  missverstandenen  Zeug* 
nissen  beeinflusste  Erklärungsweise  die  bis  dahin  noch  zum 
grossen  Theil  an  Orten  und  Strassen  haftenden  alten  Namen 
verrückt  oder  beseitigt  habe'^).     In  der  That  hat  uns  auch 
die  genauere  Untersuchung  über  die  Geschichte  der  um  1150 
verfassten  Mirabilien  gelehrt,  dass,  was  in  der  um  ein  Jahr- 
hundert jüngeren  Ausgabe  dieses  Buchs  an  selbständigen  Zu- 
sätzen und  Auslegungen  enthalten  ist,   ohne  Ausnahme  als 
willkürliche  und  meist  irrige  Theorie  zu  betrachten  ist  und 
zum  Schaden  der  Sache  bis  ins  16.  Jahrhundert  das  Ansehen 
authentischer  Ueberlieferung  behauptet  hat  (unten  §  3).    Aber 
dieselbe  Untersuchung  hat  uns  gelehrt,   dass  auch   in  den 
echten  Mirabihen,   wenn  man  die  älteren,   zum  Theil  direkt 
von  schriftlichen  Aufzeichnungen  des  Alterthums  abhängigen 
ßestandtheile  dieses  Buches  und  die  als  Dichtung  sich  selbst 
gebende  Rekonstruktion  der  alten  Stadt  aussondert,  eine  so 
grosse  Menge  von  Irrthümern  in  dem  Material  übrig  bleibt, 
dass  man  die  Epoche  des  Abreissens  der  alten  Tradition  viel 
höher  hinaufzurücken  genöthigt  ist.    Diese  Ansicht,  welche 
wir  auch  jetzt  noch  festhalten,  darf  hier  wenigstens  von  einer 
Seite  her  noch  schärfer  begründet  werden  **). 


^')  Dies  ist  De  Rossis  Ansiclit,  besonders  in  der  Sclirift  Le  prime 
raccolte  di  antiche  iscrizioni  (s.  §  3). 

^')  Auch  dieser  Theil  meiner  Untersiichiin^en  über  die  Mira- 
bilien (vgl.  auch  {3  z.  A.)  hat  bisher  eine  saehknndige  Kritik 
nicht   erfahren.     Der    Kern    der   Sache    wird    durch    die   Bemerkung 


§  2.]  DIE  ÜBBRL1EFERUN6.  69 

Dass,  wie  oben  gfesagt  worden,  die  ganze  vermeintliche 
Volkstradition  lediglich  eine  kirchliche  ist,  lässt  sich,  wie 
ich  glaube,  beweisen.  Es  giebt  meines  Wissens  keinen  einzigen 
alten  Namen  einer  Strasse,  eines  Platzes  oder  einer  Stadt- 
gegend, der  sich  anders  als  durch  die  Beinamen  der  ältesten 
Kirchen  bis  ins  Mittelalter  erhalten  hätte  und  es  sind  deren 
überhaupt  nur  wenige:  Capitolium  (S.  Mariae  in  C.  Bd.  2,  366), 
eaimpus  Martius  (S.  Mariae  in  c.  M.),  Suhira  (S.  Agathae 
super  Suburam;  S.  Agathae,  S.  Andreae,  S.  Petri  Marcellini, 
S.  Salvatoris,  S.  Sergii  de  Subura;  S.  Martini  in  capite  Su- 
burae?  Bd.  2,  127  f.),  Montts  (?  S.  Martini  in  montibus),  Fe- 
lahrum  (S.  Georgii  in  V.),  Horrea  (S.  Johannis,  S.  Jacobi  in 
Orreis),  maceUtm  Lmae  (S.  Viti  in  macello).  Via  lata  (S. 
Mariae,  S.  MarcelH  in  v.  1.),  via  sacra  (SS.  Cosmae  et  Da- 
miani  in  clivo  yiae  sacrae  u.  a.  Bd.  2,  482);  tnci  und  clivi 
(vgl.  Bd.  2,  587  if.):  capitis  Africae  (S.  Agathae  in  Africo? 
Bd.  2,  351),  argentarim  {clivus:  S.  Nicolai  in  clivo  argen- 
tario),  locus  Orfei  (?  S.  Luciae,  S.  Martinae  in  Orfea  Bd.  2, 
127),  Imgus  (S.  Yitalis  in  v.  1.),  Pallacinae  {balneae:  S.  Lau- 
rentii,  S.  Andreae  in  Pallacinis  oder  Pallacina,  S.  Marci  iuxta 
Pallacinis),  patricius  (S.  Potentianae  in  v.  p.),  Scauri  (clivus: 
S.  Gregorii  in  clivo  Scauri).  Dazu  kommen  einige  Namen, 
welche  von  alten  Monumenten  —  welche  ebenfalls  Strassen 
oder  Plätzen  Namen  gegeben  haben  können  —  herstammen: 
tkfas  {herharius:  S.  Arcbangeli  ad  Alapbantum  Bd.  2,  447), 
Minerva  (S.  Mariae  super  Minervam),  tria  faia  (S.  Martinae, 
S.  Hadriani  in  tribus  fatis,  Bd.  2,  482),  hwus  (Jutumae:  S. 
Silvestri  in  lacu  Bd.  2,  500),  mica  aurea  (S.  Johannis  und 
SS.  Cosmae  et  Damiani  in  m.  a.,  unten  A.  55).    Die  Grün- 


y.  GieMbrecbts  (Oentsclie  Gesch.  1  der  letzten  Ansg,  im  Anh.)  nicht 
einmtl  berührt  and  das  *  vielleicht'  anderer  gelegentlicher  Beurtbeiler 
beweist  leider  nichts.  Ich  ninss  abwarten  ob  Kenner  der  mittelalter- 
liehen  Litteratar  mir  methodische  Fehler  nachweisen  werden.  £8  ver- 
steht sich  dass  dies  nicht  ohne  Kenntnis  des  römischen  Alterthnms 
nSglich  ist. 


70  BINLEITUNG. 

düngen  dieser  Kirchen  gehen  sum  Tbeil .  nachweislich,  zum 
Theil  wahrscheinlich  in  die  Zeit  des  Uebergangs  aus  der  alte« 
zur  mittleren  Zeit  zurück,  in  welcher  die  alten  Namen  noch 
in  lebendigem  Gebrauch  waren,  und  es  ist  femer  zu  be- 
denken, dass,  wo  einmal  ein  alter  Name  durch  eine  Kirche 
in  die  Zeit  der  Barbarei  hinubergerettet  war«  er  sieb  bei 
jüngeren  Kirchengrundungen  derselben  Gegend  wiederholte^'). 
Eine  zweite  Klasse  von  aUen  Namen  ist  aus  dea 
authentischen  Martyrerakten  in  die  jüngeren  Umarbeitungen 
übergegangen  und  ist  in  diesen  nicht  seken  irrig  gedeutet 
worden  (Bd.  2,  380  ff.).  Dass  dies  in  keiner  Weise  den 
Werth  der  ursprünglichen  Angabe  schmälert,  ist  (a.  0.)  mehr- 
fach gezeigt  worden,  und  muss  hier  noch  ehimal  an  eiiiem 
wichtigen  Beispiel  hervorgehoben  werden.  Es  ist  durch  die 
Märtyrerakten  so  gut  wie  irgend  eine  Thatsache  aus  der  spä- 
teren Kaiserzeit  bezeugt,  dass  die  Vorführung  Angeschuldigter 

B*)  In  Erman gelang  einer  kritiselen  Gesekielite  der  römise^n 
Kirchen  (Bd.  2  Vorr.)  laUasen  wir  uns  sranSchst  an  iie  Vereeiobiuese 
aus  dem  13.  und  14.  Jahrhundert,  besonders  an  den  Turiner  bei 
Papencordt  (aus  ihm  bei  Urlichs  Cod.  top.  170  ff.)  halten.  Unge- 
druckt  ein  anderer  des  Signorili:  s.  z.  B.  De  Rossi  Bull,  crist. 
1869,  S5.  Die  gedruckten  älteren  Urkunden  (zu  denen  auch  der  Liber 
pentificalis  zählt)  habe  idi»  soweit  sie  erreichbar  waren,  bcimtxt  nod 
durchgehends  die  besten  Hilfsmittel^  Martinellis  Roma  ex  ethaica  aaera 
R.  1653)  und  Zaccagnis  Katalog  (bei  Mai  Spicil  VIII)  yergUche»,  auch 
den  uQgedruckten  Grimaldis  (cod.  Vat.  6437,  s.  Hermes  2,  412  ff.) 
eingesehen,  die  Goidenlitteratur  aber  und  überhaupt  die  zahllosen 
abgeleiteten  Quellen  ganz  hei  Seite  gelassen.  Danach  ist  das  obige 
Verzeichniss  entworfen,  welches  hei  dem  jetaigsn  Zsst^nde  des  Ma- 
terials nicht  auf  Vollständigkeit  Anspruch  machen  kann.  Belege  für 
die  mehrfach  und  in  den  angeführten  Hauptquelleo  vorkommenden 
Namen  habe  ich  nicht  gegeben,  um  so  weniger,  als  sie  an  den  be- 
treffenden ^Stellen  Th.  II  vorkommen.  Doch  bemerke  ich,  daas  der 
Name  Montes  als  alte  Bezeichnung,  wofür  ihn  Lanciani  (BuU.  man. 
3,  203)  hält,  zweifeUiaft  ist  (Jahreaber.  JS76,  1$1),  und  d«uss  der  locus 
Orphd  mit  Wahrscheinlichkeit  zu  dea  Name«  der  vici  gereebnet 
werden  kann:  vgl.  locus  Fundani,  compitum  Fakriei  (vgl,  Plaeidos 
gl.  p.  464  M.  45  D.:  FaMd  compitum  ubi  n^unc  locus ,  #.  Bueheler 
Jahrb.  f.  Ph.  1872,  567)  und  christl.  Grabsehr.  v.  375  de  regkme  FIIJ 
a  lacu  cunicli  Bull,  crist.  1871,  75  f. 


§  2.]  DIE  ÜftBRLIEFSBUJNG.  71 

vor  de»  Stadtpifalekten  m  Tdlure  geschah  und  muss  dahef 
schlediterding^  ein  Amtdokal  der  Fräfekten  in  dieser  Gegend 
angenommen  werden.  Späler  abet  ist  der  Name  von  der 
Nord-  auf  die  Södseite  des: Forums  gewandert  und  mit  den 
Trammem  der  nidit  mehr  genannten  Biasilica  Julia  ideattfi* 
cirt  wofden^^).  Es*  kann  gieieh  hier  eriniiert  werden,  dass 
aucb  sonst  ein  soichea  Wandem  von  Namen  vorkommt:  der 
Name  des  drcus  FkttamiuB  geht  auf  das .  Stadiwn,  spärter  auf 
das  Theater  des  Marcellna  über  und  verschwindet  dann;  der 
eofossMs  iugm  am^hitlmatrum  der  Martyrerahten  wird  zum  ea- 
hssm  ümphitheatri  ioiet  c$losaem)  unA  geht  auf  das  Amphi- 
thaateir  über  (a.  Bd.  2,  &10);  die  porta  Copena  wandert  mit  dem 
RegioaeABamen  nadi  der  nahen  Ostieuäs,  die  Collina  nach 
der  o^en  Camdia  (Bd.  2,  32a.  339.  383.  580);  gewandert 
endlich  sind  die  Namen  htuäim  luhä  und  Ulpia  nach  dem 
Lateran  (Bd.  2,  S«  XYIl  2it  468)  «näi,  wie  es  scheint,  der 
Name  mica  aurea  vom  Caelius  nach  dem  Janiculum  ^'^). 

Eine  dritte  Klasse  baden  die  Namen  der  alten  14  Regio- 
n^,  welche,  w^is  sehen  Bd.  2^  315  IT.  gezeigt  worden  ist,  sich 
bis  ins  13^  Jahrhundert  erbahen  haben,  abef  abgesehen  von 
den  über  das  7.  Jahrhundert  hinaufreichenden,  also  dem 
Alterüwm  gehörigen  Zeugnissen  sich  meines  Wissens  aus- 
ssUiesstiek  in  den  Schriften  der  Cudrie  (Liher  pentificalis)  und 
in  UAimdeii  des  10.  bis  12.  Jahrhunderts,  welche  den  Besitz- 
stand  von  Kirchen   und  Klöstern   regeln ,   vorfinden.     Auch 

M)  JM»2,  881  ilD«l  488  FoFBia  uthut  p.  Q:  wenn  M ommsea  Sta»tfii*. 
2,  d8(^  tiiQjtstlcidi  dieas  NschriclitaD  al»  'am»  saAr  tivübeii  Qaeileo  ga- 
Ittiaeii^  h^nMimtf  «o  ist  das  aorioblig:  eine  aadcva  Fsa^e  ist  es,  wie 
ißB  &Udt|wälaGl  daaii  lian  in.  Tettute  za  litzea. 

»)  Die  schon  Bd.  2  S.  XV  angeführte  Urkunde  das  Rag.  Farf.  470 
¥.  k  909  hei  Gelletti  (da«  kk  IMtr  niaht  wiader  ein&ehea  kann)  nennt 
4aa  JUnstor  SS»  G^nrnae  et  Dämiam  quod  oti  siktm  trmut^erim  in 
wma  mre«r  dasaalbei  die  UrkL  hei  Ifarioi  Pup.  160.  1«3  Cappi  Dias. 
deir  ac.  poBt.  15,  217.  225;  ebenda  seihst  Kinche  S.  hhtmnis  in  Mica 
OKora«  (Bd  2,  343).  Wohtfr  die  gangbare  Meinong  stammt)  dass  der 
Name  ans  in  tf»M  mareo  eormtepirt  sei  (MartinelU  Raoia  aaera  94), 
viisft  ich.«iohti,  Denkbar  ist  übrigens,  daaa  sehoik  im  Altcrthum  eine 
sweits  fnimmuretk  dart  eJEistirte. 


72  IZB^LEITUffG» 

Uer   darf  ein  WaMernder  Namen  wenigstens  unteF   den 
benachbarten'  Regionen  angenommen  werden:^^); 

Nach  Abzug  dieser  drei  Klassen  bleibt  ims  nun  freilich 
eine  kleine  Anzahl  von  antiken  Namen  ^brig,  deren  Zu- 
sammenhang mit  der  sohiütlichen  kirchlichen  Ueberlieferung 
nur  nicht  nachweisbar  ist:  vereinzelt  temfhim  (=s  Iheatrum) 
M^arcelU  (998  Bd.  2,  339),  .namnatkio',  urbs  (oAdTiUmplum 
c=  Castro)  Racennaiiumj  gallinae  albae;  ja  der  ZuM  bat  es 
gewollt,  dass  ein  sonst  nur  aus  einer,  einzigen  alten  Dicbter- 
stelle  bekannter  Lokalname,  ad  ptrum,  in  einer  Urkunde 
Innoeenz  III.  wiederauftaucht'^^):  indessen  ausgeschlossen  ist 
bei  diesen  wenigen  und  vielleicht  noch  einigen  anderen  Na- 
men der  für  die  meisten  nachgewiesene  Ursprung  nicht  und 
die  Annahme,  dass  ein  grosser  Theil  der  aken  Namen  sich 
durch  die  Inschriften  der  Gebäude  fortgej^flanzt  habend  ent* 
behrt  jeder  sicheren  Begründung  ^^).    Nichts  kann  schlagen* 


^)  Ich  bin  gespaniit  auf  De  Rossis  BeweisföhniDg  für  die  Richtig- 
keit der  aU^emeiaen  von  mir  bekAmpften  Anoahme^  4aM  die  erväh.otea 
Regionen  besondere  'kirchliche'  seien  (De  Rossi  Bull.,  crist.  1870,110}. 
Der  von  mir  früher  geführten  Untersuchung  weiss  ich  nichts  hinzu- 
zufügen als  folgende  neue  Angaben:  iuxta  themuu  Viocfdianas  reffione 
^  (b  JV)  Reg.  Honorii  a.  0.  S.  94.  111 ;  ect^siam  S,  Ciriaci  .  .  in 
termig  DiotMumis  et  domum  moffiorem  . . .  otnma  posita  RomoB  regimie 
tertia  justa  veneräbüem  Titidum  <S.  Stuannae  Stück  eUe^  vei*n  und 
am  Schluss  verstümmelten  Bulle  ungewisser  Zeit  bei  den^s.  i^^.O.  1869, 
05;  de  regione  FIIH  a  lacu  cunicU  christl.  Grabschrift  y.  J.  B75  bei 
dems.  a.  O.  1871,  75  f.  Die  letzte  Insohrift  beweist  überhaupt  nichts 
(a.  0.  S.  321).  Die  beiden  Bullen  Ddaaen  sich-  widersprechend 
für  denselben  Ort  statt  der  alten  6ten  eine' die  3te,  die'> «Ädere  die 
4te,  was  ich  nur  auf  die  a.  0.  S.  819  angenommeoea  Vei^weiclishtngeii 
zurückfuhren  kann. 

^')  Martial  1,  117;  yeii  seiner  Wobauag  auf  dem  Qairiaal:  longtim 
est,  n  velit  ad  Pirwm  venire.  Einen  Ort  ad  Ptrum  aaf  dem  Qmrinal 
erwähnt  die  Bulle  Innoeenz  III  (Reg.  2,  102)  vom  J,  1199  ^naohgewiesea 
von  mir  Arch.  Zeitung  1871  S.  71). 

^)  Man  ist -früher  mit  der  Annahme,  dass  die  Inschriften ' die  Be- 
nennungen erhalten  haben,  sehr  freigebig  gewesen:  aber  das  ¥olk  las 
sie  nicht  und  die  Gelehrten  verstanden  sie  nicht.  Der  Verf.  der  Mi* 
rabilien  schreibt  mit  Hilfe  des  Regionenbuchs,   de*  Kaleaders  und  des 


§  2.  DIE  Ob'ERLIEPERUJVG.  73 

der  das  Gregentbeii  beweisen,  als  dass  die  volkstnasisigen  Be- 
nennungen einer  Reihe  von  Gebäuden  mit  wohl  erhaltenen 
Inschriften  nichts  mit  diesen  gemein  haben.  Aber  auch  sonst 
Terleugnet  die  äheste  legendenhafte  Ueberlieferüng  bis  hinauf 
ins  8.  Jahrhundert  jeden  Zusammenhang  mit  dem  Alterthutn: 
selten,  dass  sie  wenigstens  in  erkennbarer  Weise,  wie  es  die 
Slteste  Silvesterfabel  thut,  an  eine  alte  Lokalität  erinnert 
(Bd.  2,  494  ff.).  Neubildungen  sind  die  meisten  gangbaren 
Bezeichnungen  ffir  alte  Monumente  und  Orte*^'),  nicht  Um- 
bildungen alter  Nafmen  durch  die  Volksetymologie,  nicht  ein- 

'~r  1      ij     ffjB  --■ ~   -  ■  t  ' 

Ovid;  nm  die  noch  zahlreich  an  den  Gebäuden  vorhandenen  Inschriften 
kümmert  er  sich  gar  nicht:  zwei  Aasnahmen  (S.  435.  471),  von  denen 
die  eine  (471)  ein  ergStzIiehes  Seitenstütfk  zn  Rienzi's  Interpretation 
des  fom/äriwn  ala  patmartum  giebt,  sind  an  so  attükllender.  Ebenso 
vereinzelt,  aber  bei  der  Kürze  und  VerstäodUehkoit'  der  Inschriften  ibe-* 
greifiich,  locus  gut  dicüur  Opus  PraxüeUs  (Bd.  2,,  .528).  —  Für  die  mit 
Inschriften  versehenen  Gebäude  beweisen  obige  Behauptung  die  Ab-* 
schnitte  de  palatiis  uod  de  arcubus  in  den  Mirabilien,  Bd.  2,  401  ff. 
Dazu  kommt  z.B.  die  Area  di  Noe  fiit*  den  Miner vetatempel  des  iVerva 
(wohl  sicher  älter  als  das  14.  Jahrb.)  und  MÜdereS.  was  bitvniebt.atiB« 
fohrlich  behandelt  werden  kann  (vgl.  A.  59.).  Natürlich  ist  abzusehen 
von  den  in  direktem  Anschluss  an  das  Regionenbuch  u.  a.  Schriften 
überlieferten  Namen. 

^)  Master  falscher  Erklärangen:  gaÜuzze  »»  Gai  et  Lud  (basilica), 
eraUeula  »r  crypta  ComeUi  (Balbi),  worüber  Bd.  2,  5d4;  nicht  minder 
eoUiseum  »=  coBis  Iseum^  trotz  der  vorhandenen  vollständigen  Reihe 
der  Namen  coloseus  ampkäheatri  ....  coUisaeus,  über  welche  S.  71, 
(Corvisieri  Buonar.  1870,  69)  und  arcus  diburi  (Bd.  2,  417),  nach  der 
LA.  einer  Urk.  diribi  =  diribitorium  (derselbe);  arcus  detrasi  der 
Constanstinsbogen  (ausser  Bd.  2,  411  s.  Ürk.  s.  XIII/XIV  bei  Crescim- 
beni  St.  della  eh.  di  S.  Giov.  av.  p.  Lat.  S.  213  u.  S,  SoXv,  de  areu 
detrasi  im  Turiner  Kirchen-Katalog)  von  Thracien  (!1)  nach  Govi  (in 
der  §  3  A.  1  z.  £.  Schrift  S.  22),  während  er  doch  selbst  eine  Familie 
de  Trost  anführt,  von  der  der  Bogen  (nicht  umgekehrt)  benannt  sein  muss : 
es  wird  ein  Thurm  der  Familie  dort  gestanden  haben.  Aehnlich  der 
Bogen  bei  dem  Thurm  de  toseetis  (Bd.  2,  416)  und,  wie  ich  denke, 
wohl  auch  der  Bogen  trqfoU  (s.  a.  0.).  Genauere  Untersuchungen,  die 
idi  jetzt  nicht  anstellen  kann,  werden  gewiss  noch  eine  ganze  Reihe 
von  Ynlgärnamen  aof  Familiennamen  zurückführen:  vgl.  Bd.  2,  310. 
Bedarf  es  der  Erinnerung,  dass  die  Logik  und  die  Gesetze  der  Wort- 
bildnng  auch  für  mittellateinische  und  romanisehe  Wörter  gelten? 


74 


£3NL£ITUN€K 


mal  Neubildungen  mit  Hilfe  irgend  einer  antiken  Reiniiiiaceiu; 
bei  dem  Aufhören  alles  Verständnisses  für  die  ursprunglictie 
Bestimmung  derselben  ^  wofür  die  allgemeine  Bezeichnung 
pälatium  Zeugniss  ablegt,  gehen  sie  meist  aus  von  der  trünuner-* 
haften  Erscheinung  und  deren  zufälliger  Form.  Beispiele 
von  Yerdrehui^en  alter  Namen  mit  Hilfe  der  Volksetymoioigie 
sind  selten  und  die  Neigung  der  Neueren  in  unverständlichen 
Yulgärnamen  ecbte^  alte  Bezeichnungen  zu  suchen,  wie  boffeat- 
lieb  genügend  bewiesen  worden  ist,  ganz  verkehrt. 

.  Hiernach  glaube  i^h,  dass,  von  einer  lel^eQdigen  Forf^ 
Pflanzung  altrömischer  Ueberlieferung  über  die  Denkmäler 
der  Stadt  ausserhalb  des  Kreises  der  kirchlichen  Urkunden 
und  der  dürftigen  schriftstellerischen  Benutzung  einzelner 
alter  Schriften  keine  Rede  sein  kann  und  dass  der  tapogra«- 
phischen  Forschung  überall  da,  wo  sie  in  den  mittelalter- 
lichen Quellen  neben  thatsächüchen  Angaben  auf  geschieht- 
Uche  Reminiscenzen  und  alte  Namen  stosst,  welche  nicht 
innerhalb  jenes  Kreises  liegen,  der  Weg  der  aussersten 
Skepfli»  vorgezeiehnet  ist 


'.    r 


§  3. 

DIE  TOPOGRAPHISCHE  FORSCHUNG  SEIT  DEM 
FÜNFZEHNTEN  JAHRHUNDERT. 

Während  dio  muBdliehe  Kuad«  de$  antiken  Lebena,  so 
w^t  sie  ÜB  OertUcbkeitea  uad  Denkmäi^  der  Stadt  anlangt« 
im  achten  Jabiiiund^rt  au  Grunde  gegaingen  ist^  ist  der  dünne 
Faden  schriltUeber  Veberiieferung  tm  der  Hand  der  Kirefaa 
weitergesponnen  worden  (§  2).     Aber  den  mittelalterlich^i 
P^iegeten  ist  er  in  deth  Labyrinth  verfaHender,  ihn  fremd 
anschauender   Gebäude    und  Kunstwerke  kein   Ariadnefaden 
gewesen.     Wir  haben  im  zweiten  Bande  zu  beweisen  gesucht, 
me  \m  zum  zwölften  Jahrhundert  dem  wissbegierigen  Pilger 
Hod  Fremden  in  Rom  HilfsbuciikiB  und  Wegweiser  gedient 
haben,    welche   mit   mehr  oder'  weniger  Geschick  aus  den 
dürftigen  Resten  des  alten  Regionenbuches  zurecht  gemacht 
waren;  dass  um  die  Mitte  jenes  Jahrhunderts  eip  poetischer 
Kopf,   begeistert  durch   die  Idee  des  Wledererst^ens  der 
alten  Herrlichkeit  Roms  in  dem  Buche  Hirabilia  den  Ver^ 
such  wagte,   selbstständig  erfindend  die  damals  yorhandene 
Trämmerwelt  zu  erklären  und   diesem  Versuch  jene  älteren 
Kataloge  römischer  Denkmäler  in  systematischer  Folge  vor* 
anstellte;    dass   dieses  Buch  im    lä,  und  zu  Anfang    d^ 
14.  Jahrhunderts  in  zwei  neuen ,  an  wiUkörliehen  Zusätzen 
und   Missverständnissen   deis   urspröhglichen   Textes   reichen 
Bearbeitungen  weiter  verbreitet  worden  und   namentlich  in 
dieser  jüngeren  Gestalt  bjs  ins  15.  Jahrhundert  l^n  zu  kano- 
nischem Ansehen  gelangt  ist^).    Wir  sehen  die  ersten  Geister 

^)  Am  ipi^iDea  Aii^steUm^pen  äbejr  die  h»,  (rniQdl9|pe  nnd  Ge$<;]udbit^ 
deir  Uel^erUefi»V«Di^  4er-  Mi;r«MIi<ftny  welche  eine  «lad^^imdige  Beurthei- 
Iqjb^  iil)erMii|>t  mch^  oicht  e^falirei)  llKiilieQ»  fiode  ich  niehts   wesent- 


76  EIJNLEITÜNG. 

Italiens  seit  dem  Ausgange  des  13.  Jahrhunderts  entweder 
den  Versuch  eines  Verständnisses  der  Trummerstadt  gar  nicht 
wagen  —  so  Dante  und  Petrarca  —  oder  in  sklavischer  Ab- 
hängigkeit von  jenem  Buche  verharren  und  aus  den  Irrgängen 
der  mittelalterlichen  Legendenbildung  keinen  Ausgang  finden 
—  so  Fazio  degli  überti,  Cola  Rienzi  nach  der  Mitte  des 
14.  und  Nicola  Signorili  im  ersten  Viertel  des  15.  Jahrhun- 
derts. So  gross  war  diese  Abhängigkeit,  dass  sie  selbst  nicht 
gebrochen  wurde  durch  das  erwachende  Verständniss  für  die 
bis  dahin  seit  Jahrhunderten  von  Gelehrten  und  Ungelehrten 
flicht  mehr  verstandenen  Urkundenzeugnisse,  die  Inschriften : 
weder  Rienzi  noch  Signorili,  welche  sie  beachteten  und  sam- 
melten, haben  es  vermocht,  sie  topographisch  zu  verwerthen^). 


Uches  ztt  äodern.  Der  Apparat  bei  Urlichs  Cod.  top.  S.  91  ff.  ^t- 
hält  nickt  die  von  mir  Bd.  2,  359  vermisste  Hs.  der  Vallicellia.aa 
('cuius  apographo  uti  licebat,  saec.  ut  videtur  XIV  neglegeater  scrip- 
tus'  .  .  'apogr.  a  Bunseno  acceperam  cuias  corruptelas  referre  nihil 
attioet'  warum?);  die  nach  Kellermano  und  eigener  Vergleichang 
mitgsetheiltea  Lesarten  der  Hs.  Golenna-Barberini,  welche  durch  iJVib^y 
sehr  fleissig  benutzt  war  (es  «oll,  na^b  U«  ein  ^Vaticaous  sine  namero 
olim  Golumnensis  s.  XIII  in.'  sein^  vgl.  a.  0.)  ändern  so  wenig  wie 
die  übrigen  dort  mitgetheilten  anderer  Hss.  den  Text.  Auch  die  Er- 
weiterungen eines  von  Detlefsen  Philol.  Anzeiger  3,  544  ausgezogenen 
cod.  Yät.  1959  —  dgl.  in  einer  diplomatischen  Ausgabe  zu  berücksich- 
tigen sein  werden  -^  lehcem  für  die  alte  Topographie  nichts  neues. 
. —  Mfirtinus  liegt  jetzt  in.  Weiland's  Bearbeitung  (Mon.  G.  SS.  Bä.  22) 
vor.  Auch  aus  dieser  habe  ich  zu  2,  387  f.  nichts  erhebliches  nachzn* 
tragen.  —  Es  ist  selbstverständlich,  dass  jüngere  Mirabilientexte  noch 
bis  ins  16.  Jahrhundert  hinein  für  Reisende  und  Halbgelehrte  die  Haupt-, 
ja  meist  die  einsige  Autorität  sind.  Abhängigkeit  von  ihnen  zeigen 
in  vielen  Stücken  Zi,  B.'  die  jüngst  herausgegebene  Beaehr.  d.  Stadt  von 
Nikolaus  Muffel  (geschr.  nach  1452,  herausg.  von  W.  Vogt,  Pitbl.  des 
Stuttg.  litt.  Vereins  1876)  und  die  Antiquarie  prospettiche  romane  in 
Versen  (vor  1499,  neu  herausg.  von  Govi,  Intorno  ad  un  opuscolo  ra- 
rissimo  : . .  R.  1876,  Estr.  aus  den  Atti  dell'  ac.  dei  Lincei  t.  3),  aus 
denen  für  alte  T.  wenig  zu  lernen  ist. 

^)  Ueber  Dante,  Petrarca  und  die  von  mir  2,  393  besprochene  De- 
scriptio  urbis,  welche  Signorili  in  das  Staatshandbuch  der  Curie  auf- 
nahm, s.  De  Rossi  in  der  schon  2  S.  XVT  citirten  Abhandlung  Bull, 
d.  i.  1S71,  3  ff.,  woselbst  nachgewiesen  wird,  dass  der  Vf.  Cola  Rienzi 


3.]  DIB  FoaSCHUNC.  77 

Erst  um  die  Mitte  des  15^  Jahrhunderts')  wwen  es  theils 
diese  Inschriften,  theils.  die  wieder  ans  Licht  gezogenen  alten 
Schriftsteller,  unter  ihnen,  weiin.auch  in  kläglicher  Gestalt 
(unten  A.  7.)  das  zwar  nie  .vergessene  aher  durch  die  Mira- 
bilien  verdrängte  Buch.Notitia  Regionum,  welche  zu  einer 
Pröfupg  der  mittelalterlichen  Tradition  und  zu  den  ersten 
Versuchen  ihr  gegenüber  die.  Alten  selbst  z\un  Worte  kom? 
men  zu  lassen  führten.  Solche  Versuche  verdsinken  wir 
Flavius  Blondus  ausForU  (1388—1463),  Poggius  (138Q— 1459 
in  Rom  1402—1452),  Bernard  Rucellai  (1449— 1514(?)). 
Unter  den  Arbeiten  dieser  Männer  ragt  ganz  besonders  hervor 
die  ^  Roma  instaurata'  des  Blondus,  im  Vergleich  mit  der  noch 
damals  und  später  verbreiteten  Guidenlitteratur  eine  gelehrte^ 
ja  die  erste  mit  systematischer  Benutzung  der  SchriftqueUen 
entworfene  Topographie,  voll  von  selbständigen,  wenn  auch 
häufig  noch  g^nz  verkehrten  Ansichten,  welche  die  folgende^ 
Arbdten  bis  auf  Marlianis  zweite  Ausgabe  fast  ganz  beherrscht 
hat,  ja  deren  Einfluss  in  vielen  Einzelheiten  bis  in  die  tra- 
ditionellen Annahmen  der  Litteratur  des  vorigen  Jahrhunderts 
verfolgt  werden  kann.  —  Des  Poggius  thatsächliche  Angaben 

ut  (beistimmend  Henzeii  CIL  6)  1  S.  XV).  An  dem  Urtheil  nber  das 
Bach  und  aber  SignoriU  wird  dadurch  nicht«  geändert.  —  lieber  Fazio 
degli  überti  Bd.  2,  388  ff*  —  U^ber  eine<  bis  dahin  an«;edriickte  Be- 
sebreibang  Roms  ans  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts  von  Giov.  Caval* 
Uno  de  Cerroni  s.  Corvisieri  Baenar.  1870  S.  70.  Bald  darauf  ist  sie 
aas  G.  Friedlanders  Papieren  von  Urlichs  Cod.  top.  139  ff.  gedruokt 
worden. 

?)  Verseichniss  üer  topographischen  Litteratur  bis  1653  bei  Mar- 
tiaelli  Rom«  ex  etha.  sacra  S.  406  ff.^  fortgeführt  von  Bansen,.  Besebr. 
1  S.  XIII  ff.  (bis  1827)  und  Cadina  Indic.  top.  3.  A.  (bis  1850).  Kurze 
and  m<a8t  richtige  Beortheilnng'  der  Hauptleistuagen  bei  Becker  De  muris 
(onten),  Aufzählung  der  ältesten  bei  Panvinius  in  Mars  Spicil.  8/653  ff« 
—  Auch  für  uns  ist  Mtrtinelli  bis  1653  der  Führer.  —  Für  die  Stadt- 
pläne fehlte  es  bisher  überhaupt  an  einer  sachkundigen  Behandlung  (s. 
deo  Anhang),  für  die  Abbildaogen  wird  hier  wenigstens  der  Versuch 
daes  gesichteten  Katalogs  geitaacfat.  —^  Ausser  anderen  Lücken  ist 
lamentlieh  das  Fehlen  eines  systematischen  Auszugs  aus  den  älteren 
romischien  Zeitungen  und  ZeitsehrifleB  fiälbar,  eine  Arbeit,  die  ich 
selbst  nioht  habe  ausfuhres  können. 


78  filNLBmiNG. 

ober  den  Zustand  der  Ruinen  sind  an  Zahl  sehr  gering,  bei 
Rucellai  fehlen  sie  ganz^).  Aber  nicht  das  Wiederaufleben 
des  Verständnisses  der  schriflMehen  Quellen  allein  gab  den 
Anstöss  zu  der  Neugröndung  dieser  Discipiin.  Aueh  die  so 
lange  nicht  mehr  beachtete  Baukunst  fand  ihre  sachkundigen 
Beurtheiler  wieder:  Gelehrte  und  Baumeister  gingen  Hand  in 
Hand  in  dem  Wiederaufbau  der  alten  Stadt.  Im  Jiaihre  1 451 
gab  Leo  Baptista  Alberti  (f  1472?)  sein  Buch  ^ber  die  Ban- 
kunst  heraus,  in  welchem  er  zuerst  der  Ueberreste  des  '  agger 
Tarquinii^  gedenkt:  Poggius  begleitete  dasselbe  mit  einer 
schönen  an  Lorenzo  Medici  gerichteten  Yarrede.  In  Rom 
finden  wir  später  Lorenzo  mit  Alberti  und  Rucellai  zusam- 
men. Gerade  in  dieselbeii  Jahre  (1450—1467)  fallt  der 
r^ymische  Aufenthalt  des  Architekten  Francesco  i\  Giorgio 
Martini  aus  Siena  (1430 — 1502),  von  dessen  eifrigen  Studien 
über  die  römisdien  Bauwerke  sein  jetzt  in  Turin  befindliches 
Skizzenbuch,  die  älteste  einer  langen  Reihe  unten  zu  be- 
sprechender Arbeiten,  Zeugniss  giebt*^). 

*)  Blovkdj^»:  jRoHii  instftoraU,  suerst  s.  «.,  1474  n^  ö.,  da«n  » 
den  Opera  Basel  1531  S.  21$  ff.  (welche  A.  ich  beantze);  vgl.  GtegQ- 
rovins  7,  571  ff.  —  Poggias:  De  fortanae  varietate  «rbia  Aomae  et 
de  raina  eins  dewriptio-  in  dea  Opera  Basel  1538  S.  131  ff.  ond  Hist 
de  var.  fort.  1.  IV,  ex  ns.  bibl;  Ottob.  nunc  prionHn  ed.  a  Dom.  Oeargio 
Paris  1723  (jetzt  wiederholt  bei  Urliehs  Cod.  S.  235  f.);  ersterea 
sehr  allsemeia  i^ehalteo,  letzteres  mit  einis^a  wiehtif^ea  Details  (x.  B. 
Bd.  2,  159).  Uebar  dielnsohrifteDsamiilaag  xn  reforiraa  ist  hier  nicht 
der  Ort.  S.  De  Rossi  le  prime  racolte  105  ff.  CIL  6,  1  S.  XXVIII.  — 
Rucellai  (Orieellarias),  auf  deo  «Eaerst  De  Rossi  Le  prime  rac.  21 
wieder  aafmeriksam  gemadit  hat:  de  vrbe  Roma  im  2.  Band«  roo  Bee* 
eaeeis  Remm  It.  scriptores,  Florenz  1770;  mit  guter  Binlaitang,  r^l, 
Tirab.  6,  2,  9  ff.  Ueb^p  das  Bd.  2  S.  XV  aad  201  berührte  Oerüdit, 
dass  P.  VictOTrios  lfi37.  39  das  vorliegende  Bach  radigirt  habe^  Bwl« 
ieh  CIL  6,  1  S.  XUli  heine  Belehmag.  Der  Artikel  Roma  ia  den  f  leidi- 
zaitigea  Comm.  granim.  des  Tortellios  (t  14^)  ist  bis  anf  das  Ver- 
zeichaiss  der  Thore  werthlos. 

^)  lieber  Alberti  Tirab.  7,  614  nnd  i.  Meyers  Allg.  KöastieriexikoB 
1,  188  ff.  In  dem  zaerst  1485  ia  Florena  gedraekten  Buche  <De  re  aedi> 
floatoria*  findet  sieh  aussaridar  aben  gedachten  Bamerknag  (1.  i  Bl.  65a) 
und  einer  Beschreibung  der  anrelianischen  Maaer  nichts  för  die  Topo« 


S  a.]  Dlfi  P0R8GHUMG.  79 

Diese  Bestrebungen  stehen  unter  dem  Einfluss  der 
WiederaufriGhtung  des  Papsttbums  in  Rom  Und  der  von 
Ptorenz  and  Oberitalien  ausgehenden  hnmattietischen  Bewe« 
fung.  Ihrem  Impnise  verdanken  die  topographischen  Studien 
den  Ailfschwung,  den  eie  in  Rom  in  dem  letzten  Drittel  des 
15.  Jahrhunderts  genommen  haben.  Es  war  Pomponiüs 
Laetus  (f  149S)  und  der  Kreis  seiner  Schüler  und  Freunde, 
welche  jene  ersten  Versuche  dnrch  allseitiges  Interesse  für 
die  litteraris^^e  und  epigraphiscbe  Forschung  fortsletzten  und 
▼ertieften.  Zwar  die  kleine  Schrift  ^de  Tetustate  ütbis*, 
welche  seinen  Namen  trägt,  ist  nichts  weiter,  als  ein  lUctat 
über  einige  Hauptmerkwürdigkeiten  der  alten  Stadt,  das.  sein» 
Schuler  zum  Druck  gebracht  haben.  Weldie  Belehrung  und 
Anregung  aber  von  ihm  ausgegangen  ist,  zeigt  sich  sowohl 
in  den  Arbeiten  der  nächsten  Folgezeit,  wie  auch  in  den 
Notizen  über  die  Ausgrabungen  in  der  Nähe  des  Forums. 
Seit  mehr  als  einem  Jahrhundert  hatte  die  Curie  den  Boden 
der  ah^n  Stadt  als  einen .  eintrigliehen  Steinbruch  angesehen 
und  banlustigen  Unternehmern  zur  Ausbente  verpachtet  ($  % 
A.  45):  seit  jener  Zeit  werden  Nachgrabungen  zwar  schwer- 
lich allein  zu  wissenschaftlichen  Zwecken  unternommen«  w^hl 
aber  jene  indostrieilen  Unternehmungen  wistfepachaftlich  be- 
obachtet und  zum  eralenmal  die  Fundnotieen  der  Steine 
topographisch  verwerthet').    Es  Ist  möglich,    obwohl'  nficht 

graphie  Wichtiges«  üeker  aei&ea  Vairkekr  in  Rom  B4.  2,  308.  --  Fran- 
cMiso  di  Oeorglo  Martini:  C.  Promis,  ViU  di  F.  4,G,  M.,  kesondars 
abgedmekt  ava  Salmao,  Tratitto  di  arciU.'  civile  e  militare  di  Praa« 
eaaaiy  G.  M.  1841,  2  Bde.,  vgl.  Vaaari  ad.  Le  Moaoiev4,  204  ff:  and 
Crew e.  and  Cayalaaselie,  Oaseh.  der  it.  Mal.  4,  71  fft  der . -deatackea 
Aaagabe.  Ans  dem  y«o-  ftamia  karz  kasprechainaB  ZeiekaMgear  ist  elo^ 
CUpitoliom*)  im  finU.  maa.  8  T.  XVii  f.  im  Faestmile  pabjidrt. 

•)  Uebar  Pompaaiaa  Laetoa  nach  Tiraboaehi  (6,  2,  996 ff.  Mail.)  be 
Rtaai  Roma  sotterraBea  I  y§l.  dia  Notisea  bei  Gräsaa  2,  8^  671  ff. 
Biao  geoiicrBBde  Mooographia  Mit  leidar.  Das  Book  dei  Laalus  sllafat  im 
cadox  Marsiaana  des  Petrna  Sabiona  hinter  daa  laaohriften,  die  Laetoa 
gaaammelt  hatte  <€1L  6,  1  S«  XLV).  Der  älteste  mir  aad  wie  aa  aeheiot, 
aaeh  Marioi  Arv.  54J  beUoate  Druck  (io  meinem  Besita)  tat  betitelt 
^Pomponina  jLaetos  do  romanae.  nvbia  vetnatate  noviter  liipraeaaüs  ae 


80  .  £iNL£ITl]N6.  . 

erweislich,  dass.  Ate  Entzifferung  der  Namefii  der  vid  auf  der 
capitoliniscbea  Basis  Laetus  oder  d^ch  s^ine  SäiCiler  veraH^ 
lassten,..  dieselben  in  ein  Exemplar  der  bereits  aus  Schrift* 
&teU^n  mterpolirten  'Notitia  r^iouum'  einzuschalten:  jedes- 
falls  ii^t  dies  noch  zu  seinen  Lßb^^eiten  geschehen.  Au  dem 
Namen  'Publius  Yictor'  aber,  der  diesem  unschuldigen  Schuler* 
versuch,  wie  früher,  'Paulus  Diaconus'  oder  ^Sextus  Rufos' 
— :  nicht  ZU:  verwechseln  mit  der. Fälschung  des  .Panvinius, 
von  welcher  nachher  —  dem  nichtinterpolirten  Text,  gegeben 
wurde,  dürf^  er  unschuldig  sein.^).  —  Unt^.  dem  Eiofluss 
7-: "T — '  '       * 

per  fifarindni^  de  Blancliellis  PraeDestioiim  emendatus',  am  Schluss  ^im- 
praesBum  Roittä«  per  lacobnm  Ma^oehimi'  äüno  MBXV  ^ie  V  JNoveAib.'; 
dUb  Aua$»be  vin  1510  mit  |ple&cb4m  TiMl  erwüliHt  Praller  Regr.  47, 
der  Abdruck  in.  dea  MazodiUch^q  Anejbares  y,  J^  1523  fügt  im  Tit«l 
die  Worte  esc  Publio  Fictore  et  Fäbio  ei».  —  Der  Titel  des  Drucks 
VOQ  1515  and  die  Worte  qüat.  b*  exeundo  a  domo  Pom-ponii  zeigen, 
dass  die  Fassung  nicbt  von  Pomponius  herrührt.  Daza  kommt,  dass 
dem  Bach  in  der  Ausgabe  '1'515  (aod  1510)  die  Regiones  antiquae  urbi* 
Vigehängt  siol,  afo^druckt  (wie  ich  Hermes  2,  414  f.  gezeilgt  habe)  aas 
der  von  einem ,  Schüler  ^  /^aetus  geschrije))ea«n  und^  voa  dfaivi  ^pjTAe* 
ceptor  Pomponius'  durchcorrigirten  Hs.  <;od.  Yat.  3394.  £s  ^fgiebt 
sich  hieraus,  dass  das  ganze  ßUchlein  eine  Schülerarbeit  ist,  gemacht 
nach  den  Lehrvorträgen  des  Laetus.  Üeber  das  dazu  benutzte  Buch 
obeb  I  2  A.  14^  aber  den  <P.  Victor'  A.  7,  über  des  Laetus  Theil- 
BI|l|mA^  an.  d^n  Avsgrabtiagen :  meine  8yila|^  insor*  fori  rimiaai,  Bpbfe* 
merjis  epigraphica  1877  (wichtig  die  Briefe.!«  .^fa;15|6  heraaaciege«' 
benen  *  Opera'). 

^)  S.  Bi»  2,  2.91  ff.  Wann  jenes  A.  5  besiMroobeiie  interpaUrU 
Exemplar  eatstanden  ist,  ist  nicht  gewiss:  es  käme  darauf  an,  fest* 
zustcdleB ,  wie  alt  die  a.  a.  0.  S.  309  B.  IV  besprochen«  laterpolatioa 
des  Varro  5,  ^54  sacriportus  est  in  ea  sie,  welche  sich  in  .deo  Regio* 
aen  wieierfioidet)  ist.  t-  Dass  der  Name  PubUus  Fioior,  der  um  1495 
bei  Petras  Sabinas^  also  im  engstem  Zasammenhaoge  mit  Laetvs ,  aaf- 
taucht,  mögliehei!  Weise  doch  eita  paar  Jahrzehende  älter,  ist^  wird  oioht 
bctetritteo  werden ;  möglieh  -^  aber  auch  nur  möglich  1 —  dass  er  mit  dea 
NameagebuBgea  dar  römisehea  Akademie  zusammeahängt,  deaea  wahr* 
aeheialich  auch  folgende. in  den  Jahrea  146S~-1476. in  Umlauf  gesetatt 
Sehriftea;  entstaminen :  Eficedian  Drusi  {i^^^*  ^71^^  Mestailai  d»  pro* 
gam.Mugusti  (1475^.1477),  die  GetHa  Por$9nao  des  C.  (so)  Füimma 
(1475).  und  die  üütoria  PapiHi  (1476)  (s.  Harmes  3,  428).  Jedeafalls 
hat  Laetus. hier  so  wenig  wie  soast  eiae  Fälsehaag  bagaagea. 


13.]  DIK  FORiSeRüNG.  g]^ 

AesLaetus  eitstand  des  FronceBco  degli  Albeftini  (f  1515  ?)i 
Stadtbeschreibung  (geschrieben  1509)  und  seine  Sammlung 
der  stadtrdmisehen  Inschriften,  jenes  ein  zwar  nicht  gelehrt 
tes,  aber  für  uns  namentlich  wegen  der  Schilderung  des 
damadigen  Zustandes  der  Trümmer  und  der  neuen  Stadt  nicht 
an  wichtiges  Handbuch^);  ebenso  das  erste  antiquarisch^topo*^ 
graphische  Werk  von  Bedeutung,  die  Antiquitäten  des  mit 
Laetus  und  Albertihi  eng  verbundenen  Andreas  Pulvius 
▼on  Palestrina  (1523).  Es  ist  nicht  genügend  beachtet  wor-^ 
den,  dass  die  fegenden  Arbeiten  bis  auf  Ligorius:  von  Marliani 
(besodders  die  erste  Ausgabe),  Faune,  Gannicci  u.  a.  in 
ihren  thatsächlichen  Angaben  zum  grossen  Theil  von  ihm  ab«* 
hangig  sind,  ja,  wenn  auch  iqpQerhalb  gewisser  Grenzen,  zu  ihm 
in  dem  Verhältmss  von  Abschriften  zum  Archetypen  stehen*). 
—  Fulvitts  ist  uns  aber  ausserdem  von  besonderem  Interesse 
wegen  seines  Verhältnisses  zu  Rafael.  Der  Gedanke,  das 
alte  Rom  aus  seinen  Trümmern  wiederherzustellen  —  vielleicht 
sogar  durch  systeifiatische  Ausgrabungen  ~  ist  zwischen  bei^ 
den  verhandelt  worden  und  hat,  wenn  er  auch  mieht  zur  Aus*- 
fuhrung  gelangte,  doch  unzweifelhaft  dazu  beigetragen ,  jene 

*)  Francisew  SaDctis  Jaoobi  de  Albertiiiis:  OpuscaHmi  de  mihabi- 
libu  Dovae  et  veterts  nrbis  Aoauie,  Rom  hei  Mazzochi  15iO  (geaebne^ 
bei  1609),  aoeb  italienisch  Flor.  1610  nach  ilehes  Praef.  ad  Amhr. 
Trav.  S.  LVII,  dann  wiederholt  ia  dem  enkorrektea  Dmck  {v§L  &.  fiv 
Bd.  2,  160)  .'De  Borna  prisca  et  neva  varä  avctores'  bei  demaeibeo  R*. 
1623  (mit  dem  ^Victor',  dem  aogeDaaDten  Laetus  de  vetustate  erbis 
aad  einigen  aaderea  jetzt  niebt  mehr  braachbaran  Saeheni  von  mir 
eitipt,  aber  die  erste  Ausgabe  verglichen)  und  Basel  1619  (7),  Lyiea- 
1520;  eine  Aasgabe  von  1606  scheint  nicht  zu  existiren.  .  S.  Max  Jor*' 
dan  zu  Oowe  and  CavaloaaeUe  2,  444  ff.  -^  Ueber  die  bei  Mazttochi 
ohne  seiaen  Namen  gedrnckten  Epigranmata  ant.  arbie  (1631)  9/ CIL 
6, 1  S.  XLVI.  —  Die  Vorrede  an  JnUna  II  sagt,  data  Cardinal  Galeiotti 
ihn  zQ'  dem  Buch  veranlaaat  habe;  dem  Titel  feigen  Distiohen  dea 
Fnlmü. 

*)  Andreas  Fulvins  ('Pompooii  amiciseimoB  anditor'  aagt  Albtfrtini 
f  XLn^):  AntilIai^te8  nrbis .Eomne  R.  1627  (begonnen  ontar  Jalias  11  7 
A.  lO),  sehr  sehleeht  wiederholt  1646.  Die  ital.  Ansgabe  .Y«n.  1643 
(HartinelU)  habe  icli  nicht  gesehen ,  noch  nicht  die  Yen.  ven  1£>88'  mit 
Holzsehn.  (Pasanv.  Rafael  1,  316). 

Jordan,  rOmuohe  Topog^phie*    L    1«  6 


82  BmL£lTl»fG. 

ktine  Epoche  eioer  lebendigen  und  allaeitiigeii  Beschäftigung 
mit'  der  Top<igraphie  herbeituführen,  welche  mit  den  Namen 
des  Ligorius  und  Panvinius  einerseits,  Dosi's  und  Du  Perac's 
andrerseits  abschliesst^^). 

Sehr  ungieidi  im  Werth  freilich  sind  zunächst  die  aati- 
quarisch^topographischen  Büch^  dieser  Epoche.  Originell  ist 
der  aus  dem  Kreise  des  Rafael  und  Fulvius  hervorgegangene 
Rekonstruktionsversucb  des  Fabius  Calvus  (1532);  die  Aus- 
führung dürftig  ^^).  Abhängig  von  Fulvius  ist,  wie  schon  ge-* 
sagt,  die  erste. Ausgabe  von  Harlianis  'Topographia'  (1534X 
die  zweite  durchweg  umgearbeitete,  bezeichnet  (obwohl  auch 
nitht  ganz  selbständig)  doch  einen  erheblichen  Fortschritt. 
Gesundes  Urtheil,  richtige  Interpretation  der  Schriftsteller, 
eine  verständige  Benutzung  der  Inschriften,  wenige,  aber  gute, 
von  aller  Phantasterei  entfernte  Grundrisse  und  Aufrisse  und 
ein  für  damalige  Zeit  achtungswerther  Plan  der  alten  Stadt 
ohne  phantastische  Restauration  bilden  die  i  Vorzüge  dieses 
unter  den  Arbeiten  des  16.  Jahrhunderts  hervorragenden  und 
noch  jetzt  vor  allen  wichtigen  Buches  ^^)»  —  Abhängig  von 


^^)  Berübfliter  Brief  zuerst  dem  CMtiptioae,  daaii  Rafael  zagpe- 
sekrteben^  aogeblich  vom  J«  1519  (Passayant  Rafael  h  ^^  ff*  ^^^  ^*)f 
ygh  mit  dea  Worten  der  Vorrede  des  Fulvius:  'priscafue  loca  tum  per 
regiones  explorans  observavi  qoas  Raphael  Urbinas  . .  paacis  ante  die- 
bbs  quam  e  vita  decederet  me  indioante  peniclUo  lioxerat'.  H.  Griaua 
(Zahn's  Zs.  f.  Knustwiss.  4,  187 1^  64  ff.)  sucbl  aaohzuweiseu  dass  der 
Brief  "unter  Julius  II  von  Ai  Fulvius  geschrieben  sei:  es  sei  die  Vor*> 
rede  zu  einer  von  Fulvius  und  Rafael  geplanten  bildliehfln  uud  schrift- 
lichen Restauration  des  alten  Rom.  VgL  Ranke  Päpste  1^(1874),  311 
und  A»  11.    lieber  Ausgrabungen   zu  Rafaer«  Zeit  oben  A.  6. 

^^)  Fab.  Calvi:' Autiquae-  urbis  Roma«  cum  regionibus  simnlacmm 
Rl  1532^,  wegen  einiger  eia|pestreuter  Notizen  wichtig,.,  im  Ganxen 
nichts  weiter  als  eine  Wiederholung  dar  iaterpolirten  N^itia  mit  bild- 
licher Darstellung  der  alten  Regionen.  Etwa  eine  schwache  Ausfübrang 
des  A.  10  besprochiefDen  Plans? 

1*)  B.  Marliani:  Antiquae  urbis  Romae  topogiraphia  R.  1554  und 
gleichzeitig  au  Lyon  (mit  einer  Vorrede  an  Jean  Bellay^  der  die 
Diocletiansthermen  ausgraben  liess:  Nibby  R«  a^  2,  802) «  wiederbolt 
Basel  1550  u.  ö.  (accessere  Hier.  Ferrutii  additionee  Van.  1588,  welche 


3J  DIte  FORSCHUNG.  83 

Marüani  und  Fulvius  und  trotz  seiner  starken  Verbreitung 
ganz  unbedeutend  ist  das  kurz  darauf  erschienene  Bttch  des 
Lucius  Pannus  (1549),  ebenso  in  seinem  historischen  Theil 
das  des  ungelehrten  Architekten  Gamucci  (1565):  doch 
wird  die  ürtheilslosigkeit  auf  jenem  Gebiet  durch  die  Sach- 
kenntniss  in  der  Beurtheilung  der  ßautrömmer  einigermaassen 
aufgewogen.  Neben  diesen  immerlrin  nicht  unwichtigen  Hufs- 
mittehi  für  das  Studium  der  TrQmmerstadt  um  die  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  durften  von  den  zahlreichen  Fremdenführern 
Qüd  Beschreibungen  der  alten  und  neuen  Stadt  mit  ihren 
Kunstsammlungen  für  topographische  Zwecke  kaum  eins 
und  das  andere  genannt  werden  —  obwohl  naturlich  die 
ausführlicheren  hie  und  da  eine  sonst  nicht  erhaltene 
Nachricht  enthalten.  Nur  unter  diesem  Gesichtspunkt  mag 
hier  noch  die  eigentlich  nur  wegen  des  angehängten  Katalogs 
Ton  Kunstwerken  wichtige  Beschreibung  Roms  von  Lucio 
Mauro  (1556)  erwähnt  werden.  Dagegen  ist  es  zu  bedauern, 
dass  die  'Roma'  unseres  deutsehen  Landsmanns  6.  Fabri- 
cius  (1550)  nichts  weiter  sein  sollte,  als  ein  kurzer  Abriss 
für  seine  Freunde.  Auch  in  diesem  engen  Rahmen  enthält 
das  Büchlein  eigene  Beobachtungen  und  Urtheile,  welche  dem- 
selben neben  dem  Weriie  seines  Freundes  Marlkni  einen 
selbständigen  Werth  verleihen^*). 

wegeti  der  Baaten  Sixtns  V  nicht  unwichtig  sind);  g^anz  umgearbeitet; 
Orbis  Romae  Topographia  R.  1544,  wozu  im  J.  1553  ein  Nachtrag  er- 
schiea  (nnten  A.  14). 

^')  Lucio  Fanno:  Deir  antichita  della  citta  di  Roma  Yen.  1548«. 
1552  (letztere,  wie  es  scheint,  etwas  verändert,  habe  ich  nicht 
gesehen),  De  antiquitatibus  nrbis  Romae  Yen.  ]549,  mit  einem  aus- 
führlichen Nachwort  über  das  Forum  (diese  Ausg.  citire  ich).  —  B. 
Gamucci:  LibrI  quattro  delle  antichita  della  citta  di  Roma  Yen.  1565 
(von  mir  citirt),  unkorrekt  der  Druck  von  Porcacchi  Yen.  1569.  Auch 
sonst  noch  wiederholt  (1580.  1588?)  —  Lucio  Mauro:  Le  ant.  della 
cita  di  Roma  Yen.  1556,  dahinter  Aldroandi  delle  statue  antiche 
1558  (daraus  die  Ausgrabungsberichte  bei  Fea  Mise' 1  S.  CGYI  CT.). 
Auch  Yen.  1562.  —  6.  Fabricii  Chemnicensis  Roma,  Basel  1850 
(ungleich  mit  dem  Itinernnl  1.  unus.  1547  und  Antiquitatis  monomenta 
iosignia    1549).    In  der  Yorrede   gedenkt   er   der  Anleitung,   die  ihm 

6* 


84  EINLEITUNG. 

Ganz  andere  Wege  schlug  um  dieselbe  Zeit  der  Neapoli* 
tan  er  Pirrho  Ligorio  ein.  In  der  Kenntniss  der  alten 
Schriftsteller  kaum  Dilettant,  aber  ein  kundiger  Architekt  von 
ungemeiner  Beweglichkeit  und  Leichtigkeit  der  Auffassung 
hat  er  allen  monumentalen  Resten  des  alten  Rom  seine  Auf- 
merksamkeit zugewandt  und  den  Versuch  gewagt,  den  allge- 
mein verbreiteten  Ansichten  der  römischen  historischen  Schule 
neue  und  originelle  gegenüber  zu  stellen.  Es  ist  längst  er- 
kannt worden,  dass  er  auf  dem  Gebiet  der  E^iigraphik  wie 
der  Topographie  sich  zahlloser  Fälschungen  schuldig  gemachl 
haty  nicht  minder  indessen,  dass  die  diesen  Fälschungen  als 
Basis  dienenden  thatsächlichen  Beobachtungen,  welche  in 
seinen  bändereichen  handschriftlichen  Sammlungen  niederge- 
legt sind,  eine  Menge  beachtenswerther  Angaben  enthalten. 
Für  die  Topographie  sind  jene  Sammlungen  nur  ungenügend 
ausgenutzt  und  erwarten  noch  ihren  systematischen  Kritiker« 
Das  kleine  gedruckte  Buch,  welches,  wie  es  scheint,  einen 
Sturm  von  Entrüstung  seitens  der  Angegriffenen  hervorge*- 
rufen  hat,  giebt  nur  die  Quintessenz  seiner  zum  grossen 
Theil  freilich  verunglückten  Hypothesen  ^^).  —  An  ihn  schliesst 


Marliani  gegeben  nud  der  Unterluiltangen  in  Rom  bei  SaUmioiea  (vgL 
S.  88) ;  unrichtig  heisst  es  CIL  6,  1  S.  LI  S  .  descrlptioneBi  orbis  mooa- 
mentorumque  eins  ex  libris  compiUUm ' :  F.  ist  für  die  DenJ^mäler 
nioht  selten  selbständiger  und  gewissenhafter  Zenge.  £s  genügt,  anf 
das  von  De  Rossi  Ann.  1858,  308  und  von  mir  das.  1867,  394  beige- 
brachte zu  verweisen. 

^)  Ligorius:  Uebersicht  über  die  in  JVeapel  (verf.  vor  1566), 
Turin  (nach  1566)  und  auf  der  Bodleiana  (zum  Theil  jedesfalls  vor 
1566)  erhaltenen  handschr.  Arbeiten:  CIL  6,  1  S.  LI  ff.  Auf  die 
Wichtigkeit  der  Berichte  und  Zeichnungen  in  dem  oben  gedachten 
Sinne  hat  zuerst  Fea  (Fasti  S.  XII),  dann  besonders  De  Rossi  Ann. 
1858,  21  ff.  51  ff.  308  ff.,  zuletzt  Lanciani  BulL  deU'  inst  1871, 
268  ff.  und  munic.  1,  230  (mit  Beziehung  auf  die  Hdschr.  der  Bodle- 
iana) aufmerksam  gemacht.  —  Aus  eigener  Anschauung  kenne  ich  lei- 
der nur  einen  Band  der  Turiner  Sammlung  und  habe  so  wenigstena 
zum  Theil  mich  selbst  von  der  Richtigkeit  der  Auffassung  De  Rossi's, 
was  die  Topographie  anlangt,  überzeugt  (vergL  Forma  urbis  &  43). 
Dass  neben  reiner  Erfindung  von  Fnndnotizen  u.  s.  w.  auch  wichtiges 


§  3]  DIB  FORSCmiNG.  g5 

Sich  theilweise  Panvinius  (1529 — 156S)  an,  zunäctet  in 
der  FäliciiuDg:  denn  unzweifelhaft  ist  ab  solche  der  Ter-* 
meintlich  aus  ekier  uralteOr  Handschrift  gezogene  ^Sextus 
Ruf  US '  zu  bezeichnen;  nicht  minder  eine  Reihe,  sei  es  tdh 
3un  selbst  g^lschter,  oder  von  Ligorius  übernommener 
bischer  Inschriften,  an  denen  seine  'Imago  antiquae  urbis* 
reich  ist.  Dann  aber  ist  er^  wie  Ligorius,  ein  Mann  von 
umfassender  Kenntniss  der  D<«ikmäler.  Seine  ebenfalls  noch 
zum  groston  Theil  nicht  gedruckten  KoUektaneen  sind  von 
wenigen  für  diese  Zwecke  benutzt  worden.  Den  Dilettanten 
Ligorius  überragt  er  naturlich  durch  seine  umfassende  philo* 
bgische  Gelehrsamkdt^'^). 


ud  ricbtipeg  thatsacliliches  Materifll  noch  «nverwerthet  in  jenen  an»* 
senhaften  Arbeiten  steckt,  ist  durch  die  genannten  Arbeiten  ausser 
Zweifel  gestellt  und  daher  der  Satz  Hn  üs  quoqne  quae  de  aedificiis 
SDtiquis  rebusque  topographicis  tradit  fide  minime  dignus  est'  (CIL 
a.  0.  S.  LIII)  in  dieser  Allgemeinheit  unrichtig.  Hoffentlich  wird  der 
Abschnitt  der  ^falsae*  hinter  den  'nrbanae'  die  Ligorianischen  Fund«» 
lotiKea  bringen.  —  Die  Masse  der  Zeichnungen  ist  bis  jetst  noch  ganz 
onbekaont,  soweit  sie  nicht  bei  späteren  (Boissard  u.  a»)  auftauchen. 
Einige  Auskunft  bei  De  Rossi  Bull,  crist.  1867,  66.  Ann.  1854,  28. 
1858,  285.  Gedruckt:  Libro  delle  antichitä  di  Roma,  nebst  Paradosse 
Yen.  1553.  —  Der  oben  A.  12  genannte  Nachtrag  des  Marliani 
^Topographiae  urbis  Ronae  nuper  adiecta'  (s.  1.  et  a.  12  Seiten  im 
Format  der  Top.,  S.  [9]:  'hoc  anno  1553^),  auf  welchen  ich  Hermes^ 
7,  262  zuerst  aufmerksam  gemacht  habe,  bekimpft  withend  die  An- 
lichten  eines '8trepsiades\  der  'arcbitectns'  und  Verbreiter  lügenhafter 
ffilder  (wohl  des  in  demselben  J.  publioirten  Stadtplans  des  Ligorius^ 
über  wichen  unten)  genannt  wird:  ieh  wüsste  nicht,  wer  anders  als 
Ugorioa  gemeint  sein  konnte,  aber  nicbtt  alles  pas8t>  wenigstens  auf 
iM  gedruckte  Buch.  Auch  einer  der  in  dem  Nachwort  des  Paunna 
(eben  A.  13)  bekSmpften  Gelehrten  muss  Ligorius  sein.  Vgl.  Th.  II 
(den  Abschnitt  vom  Forum).  —  Scharf  Verurtheilende  Randglossen  des 
Gittadini  (t  1627)  bei  Martiaelli,  Roma  sacra  S.  423  ff. 

1!»)  Panvinius:  Antiquae  urbis  imago  Ven.  1558,  Paris  1588  (diesA 
Ausg.  benutze  ich),  worin  der  Sextus  Rufos  (über  welchen  Bd.  2,  301); 
Fasti  vom  selben  J.  u.  D.,  Verr.  zu  den  Antiq.  bei  Mai,  SpiciL  VUi  u.  a« 
Die  cum  grossen  Theil  ungedruokten  Arbeiten  des  P.  hat  wiedefo« 
besonders  De  Rossi  ausgebeutet:  y^,  (ausser  der  Uebersicht  CIL  6,  1 
S.  LIII)  Ball,  crist.  1867  S.  63, 


86  EmLEITUNG. 

In  derselben  Epoche  gewinnen  die  rein  architektonischea 
Studien  eine  immer  grössere  Ausdehnung.  Wir  haben  hier 
über  die  mit  wenigen  Ausnahmen  noch  unpid)licirten  Skizzen- 
bucher  bis  zur  Mitte  des  Jahrhunderts  und  die  ersten  Stiche 
bis  auf  Du  Perac  kurz  zu  berichten.  Leider  ist  es  noch  un- 
genügend bekannt,  wie  weit  gerade  die  ersten  Männer  ihrer 
Zeit,  Lionardo,  Rafad,  Bramante,  Michelangelo  sich  an  diesen 
Bestrebungen  betheiligten  und  ich  beschränke  mich  hier,  was 
die  Handzeichnungen  anlangt,  auf  eine  Erörterung  der  grosse^ 
ren  von  mir  eingesehenen  oder  sonst  näher  bekannten 
Sammlungen  der  übrigen  Meister  ^^). 

Dem  oben  genannten  ältesten  bekannten  Skizzenbach 
des  Martini  folgt  das  jetzt  publicirte  des  Mailänders  Bartolo* 
meo  Suardi,  genannt  il  Bramantino  (1455?  — 1536,  in 
Rom  1499.  1503.  1513),  eines  Schülers  des  Lionardo  (?)  und 
Genossen  des  Bramante,  welcher  jedoch  von  Zeichnungen 
nach  stadtrömischen  Denkmälern  wenige  und  diese  vielleicht 
nur  zum  Theil  nach  den  Originalen  enths^t^^).  —  Ausser- 
ordentlich reichhaltig  dagegen  sind  die  in  Florenz,  Siena  und 
Rom  erhaltenen  Sammlungen  von  Skizzen  und  ausgeführten 
Zeichnungen  des  älteren  Giuliano  da  Sangallo  (1443  bis 


^)  Das  i^renig^e  allgemein  bekannte,  aber  Rafael  nnd  Lioaardo  (über 
dessen  Schrift  von  der  Malerei  s.  M.  Jordan  in  Zabn's  Jahrb.  f.  Konst- 
wlss.  5,  273  ff.)  soll  hier  nicht  wiederholt  werden.  Ueber  ^die  Samm- 
lang  der  Handzeichnaogen  ital.  Architekten  in  der  Gal.  d.  Uffizien  in 
Florenz'  hat  A.  Jahn  (in  v.  Zahn's  Jahrb.  2,  1869,  142  ff.)  berichtet, 
doch  gerade  mit  Uebergehong  der  hier  in  Betracht  kommenden  Skizzen* 
büeher.  Diese  hai>e  ich  im  J.  1872  benatzt^  was  ich  bemerke  wegea  der 
seit  1869  wie  es  seheint  mehrmals  vorgenommenen  Umordnangea  der 
Blätter  (s.  Forma  arbis  S.  27.  39).  —  Inhaltsangabe  der  Hanptsammlan- 
gen  der  Handzeichnangen  des  16.  Jahrh.  bei  Canina  Edif.  1,  3.  A. 

^^)  ßramantino's  Skizzenbach  auf  der  Ambrosiana  facsimiiirt  in  der 
Ausgabe  von  Mongeri,  Le  rovine  di  Roma  al  principio  del  secolo  XVI, 
stadi  del  Bramantino,  Mail.  1875;  die  top.  Erläaternngen  angeafigend, 
wie  ich  Jahresbericht  1875,  761  ff.  gezeigt  habe.  Weder  die  Ausgabe 
noch  meine  Beartheüang  erwähnt  >  die  deutsche  Aasgabe  von  Growe  o. 
CavalcajtöUe  6  (1876),  23  f.  -*  Die  oben,  gegebenen  Daten  ans  dem  Leben 
nach  Mongeri. 


3.]  DIE  FORSCHUNG.  87 

1517,  zuerst  im  Dienst  des  Lorenzo  Medici,  dann  unter 
Alexander  VI.  und  Julius  II.  in  Rom),  daneben  die  in  Florenz 
befindlicben  des  jüngeren  Antonio  da  Sangallo  (f  1546; 
in  Rom  seit  1512)^^  und  die  in  Florehz,  Siena  und  Rom 
befindlichen  des  Baldassare  Peri'uzzi^*).  Hit  diesen  Namen 
ist  die  Menge  der  vorhandenen  Handzeichnungen  diesrer  Epoche 
noch  entfernt  nicht  erschöpft.  Abgesehen  von  Llgöno  (oben) 
and  Pailadio  (unten)  enthalten  die  vorhandenen  Sammlungen 
ie&  Plghius,  Ursin  US  u.  a.  eine  grosse  Anzahl  anonymer 

1«)  Ueber  die  beiden  Sangallo:  Vasari  (ed.  le  Monn.)  7,  209  ff. 
10,  Iff.  G.  Ravioli  Notizie  sui  lavori  di  architettara  militare  sui 
scritti  disegni  editl  ed  inediti  dei  novo  Sangalli,  fasc.  1  R.  18^. 
Ueber  Antonio:  Ricci  im  Buonar.  1S68,  59 ff.  —  Ginliano:  Skizzen-^ 
kaeh  in  Siena  (nicbt  gesdian)  korz  besehrMen  Canioa  fidif;  1  S;'  4 
Yasari  S.  217  f.  Mate  Gmingw  Nachr.  1872  N,  4  S.  45  ff.  De9sdh^i| 
Stadien  auf  der  Bibl,  Barberiniana  in  Rom  (cod.  822):  Marini  Arv. 
721  Ravioli  S.  7  Canina  a.  0.  Daraus  pnblicirt  z.  B.  im  Facsimile 
ein  Blatt  bei  De  Rossi  Ball,  crist.  1871  T.  IIl.  IV;  ein  Orundiiss 
Veonti-Piale  1.  141.  —  Skizzenbach  in  den  Offizien  zu  Florenz  (ans 
4«r  Itbreria  Strozzi),  1872  (s.  A.  16)  ia  aiaer' Mappe:  *dise|^i  di 
Franeesco  o  meglio  di  Ginliano  da  Sangallo  Nr.  21 ',  in  ^%  S.  2->-23 
riJmiBdie  Bauten.  -*-  Maassan^ben  dtrchgängig  (?  A.  21.)  im  braceio 
Fiorentino.  —  Antonio  (?),  Blätter  in  den  Uffizien^  jetzt  ebenfails 
io  Mappen.  Verceiehnis  4er  ^Stadi  d'antiokglie  di  Roma  ed'iritri  InogM- 
bei  Vasari  S.  46ir. 

^)  Ueber  Perrnzzi:  Vasari  8.  219  ff.  Crowe  n.  Cavälcaaelle 
4,  402,  ebne  Notiz  über  die  Zeiobnnngen.  Redtenbacher  Mittlieilnngett 
•OS  der  Sammlung  d.  arcfa;-  Handzr  in  der  G.  d.  UfUcien  zn  P.  Kärlsr. 
1870  gibt  einstweilen  nnr  die  Entwürfe  zu  Neabatiten.  -^  Skizzen- 
Imciiin  den  Uffizien  Mher  <cod.  209  deBa  MbL  annessa  aila  gaL  degli 
Ufttzi  .  .  ib.  cod.  1€4'  (Canina  a.  0.,  der  ein  Veneidmist  gibt,  Mel^ 
cbierri  App.  agli  atti  e  mon.*  de  fratelli  arvali  R.  JB&5  S.  &7,*  vgl* 
Vas.  8,  230.  232.  237),  jetzt  aufgelöst  und  in  Mappen  mit  fremdem 
iQsammen  unter  P's.  Namen.  Wichtig  Mappe  n.'  36  (il3)  70  61.  kleine 
Bleistiitokizzeil  mit  Maassangaben  durebgäogig  (?  A.  21)  nach  Palm.  — 
Skizzenbueh  in  Siena  Vasari-  S.-  2^4.  — ^  Einige»  in  der  Samm«* 
taig  Orsini  im  Vatlcian  (tgl.  A.  20).  —  Faesimiles  einiger  BUltteh 
Ann.  delllnst.  tav.  d'ag.  G.  Mon.  dell'i.  1954  T.  3.  Anderes  bei 
Serlio  (unten).  -^  Einiges  von  dem  Sohn,  Silvester,'  ebenda,  vgL 
Pini  La  scrittnra  degli  ärtisti  riprod«  eon  la  fotografia  Flar.  1809 
diip.  3.  —  Benutzt  in  dem  Addendn  CIL  6,  1,  ^94.    966,  < 


3g  EINLEITÜKGv 

Skizzen  ^^).  leb  habe  anderwärts  an  einigen  Bdspielen  ge- 
zeigt, dass  diese  Arbeiten  zw^r  überall  citirt,  «ber  keineswegs 
ausgebeutet  worden  sind.  Die  genaiaen  Darstellungext  und 
Messungen  von  ganz  oder  theilweisf^ .  zerstörtep  Monumenten 
sind  auch  topographisch  von  Wichtigkeit  und  eine  von  eineoä 
Fachmann  unternommene  Publikation  des  noch  heut  wlchtir 
gen  aus  diesen  Studienbuchern  ist  ein  dringendes  Bedürfnisse^)« 
—  Marlianis  Einfluss  mag  es  zum  Theil  verdapkt  werden,  dass 
seit  dem  Jahre  1544  eine  Reihe  von  Abbildungen  römischer 
Ruinen  und  Kunstdenkmäler  von  Salamanca  gestochen  und,  zuerst 
ih  losen  Blättern,  dann  als  Sammlung  unter  dem  Titel  'Spe- 
cülum  romanae  ma'gnificehtiae^  von  Antonio  Lafrerio 
publicirt  worden  sind^^).  Wir  werden  weiter  unten  sehen, 
dads  dieselbe  Handlung  auch  die  ersten.  StiAdtpläne  in  Um- 
lauf setzte.  Bald  schlössen  sich  sowohl  Yedutensammluügen, 
als  rein  architektonische  Studien  mit  erläuterndem  Text  an. 
Unter  j^nen  ist  die  älteste  die  des  Hieronymus,  Eock  (1551), 


*^)  Grosse  Summlims  yon  Handzeieliiiiiogen  yersebiedeier  Miei8t«r 
in  dem  ehemals  Orsinischen  cod.  Vat  3439  b^scbrleben  von  mir 
Forma  urbis  S.  2*  Kobnrger  Sammhing  besehriebea  von  Matz  Gott. 
I4achr.  1872  Nr.  4  (leider  grade  mit  Uebergebiuig  der  Architektur), 
daraus  ^wei  Bl.  Arch.  Z.  1872  &  1  »ad  9  (vgl.  Jfahreab.  1875,  760  f.). 
Weniges  in  der  Sammlung  desPighius  (in  Rom  1547^— &5)^  in  nerlin 
(von  mir  ebgesehen):  pict  A,  61  f..  113 (f.  (CIL  6»  1  S.  L*).  Dosi: 
Gal.  d.  Uff.,  s.  A.  Jahn  (A.  16)  S.  U&  a.  A.  23. 

't)  3.  Forma  orhis  S.  27.  39  ff.  Daselbst  übtor  die  verschMenea 
Maassstäbe  und  deren  Verwendaog,  braceio  Fiorentino  oder  Tos^ano 
(Sadgallo)  «^  Q,  ^86  gemessen  an  Labaccos  Stuch*  (0,291  nach;  Soa* 
motfti)i  piede  Viceatino  (Pall^dio)  r^.  0^  3^0  i^nd  der  ültere  palmo  Ho- 
laano.^:*?  0,  380..  £iAe  neuere  Untefau^liuag  von- einem  Saehveratäii- 
digoo  gibt  es  meioes  Wissens  nicht. 

**)  (Jeher  die  veirseliiedenen  GoBamiAtaosgabea  des  ^eenliim 
s«  Cerroti  im  CIL  1  S.  308  vgl.  Catalogo.  ragionato-  dei  libri  d'arte 
ed'ant.  possed.  dal  coote  Cicogoana,.  Pisa  1821  J|4.  2  <N.  3886.  Das 
älteste  Blatt  dat.  vom  J.  1544,  in.  welchem  Majpliaais -2«  A«sg»be„er- 
lehien;  über  den  Verkdir  der  Gelehrt<in,  besonders  Afarlianis,  hei 
Salamanca-  und  Tranuesinus  eine  Andentnng  bei  Fabricius  (oben  A*  13.) 
Ich  habe  benutzt  das  Exemplar  der  Barberin.  XI  13,  das  Dreadener 
und  zwei  im  Jl^liner  Kuasthandel  mr  y^rg^wim^^^» 


S  3.]  DIE  FORSCHUNG.  S9 

ungescbicit  wiederbolt  toq  Pjttoni  mit  einem  bia  auf 
weaiges  ünbrauohb«ren  Text  des  Ytoeeozo  Scamoe^d  (1,583); 
flelbständig,  aber  sehr  docrftig  in  dcir  AusfübruQg  die  Veduten 
des  Job.  Ant  Dosi  (1569),  vortrefiUch  diqenigea.  des  Du 
Perac  (1&7&),  kaum  nenneas^e^h  daneben  die  kleinen 
Dkstrationen  bei  Gamueci  (oben)^^).  Streng  arcbitckto-» 
niscbe  Studien  dagegen  besitzen  wir  voji  A.  Labacco,  dem 
Schüler  des  Sangatto  (t557),  Seb.  Serlio,  dem  Schüler  des 
Permzzi,  und  von  A«  Palladio,  v^n  dem  es  e^Q^  grosse 
Anzahl  noch  nicht  publicirter  Handzeichnungen  giebt^^). 

Die  bisher  genannten  Abbildungen  und  beschreib  i^igen 
Bind  um  so  widitiger,  ahk  siie  uüs  die  Sti^t  ver  den  Zerstör 
rangen  und  DmwälauHgen  is^t  der  Regierungszeit  Sixtus  V« 
(§  2  A.  48)  danstbUen.  Nicht  allein  für  die  wenigen,  abev 
bedeutenden  von  ihm'  zerstörten  Denkmäler  —  das  Septi-* 
Konium«  das  Forum  des  Nerva  mit  dem  Minerventempel  — 
lind  sie  für  uns  die  einzigen  und,  soweit  sie  yon  einander 
anabhangig  sind,  gleich  wichtigen  Quellen  ^nd  wir  werden 


**)  Hier.  Kock;  Praecipaa  aliquot  rom.  antiquitatis  ruioaram  mo- 
nnmenta,  Antw.  155),  59  Bl.  nach  Nagler  3,  21.  Das  in  meinem  Be-* 
sitz  befindliche  Exemplar  hat  24  BL  A — X,  welche  sämmtlich  (ver"-. 
kehrt)  von  Pittoni  in  ScitooztiB  Diicorsi  sopra  Tant.  di  Roma 
(Yen.  1583)  wiederhoilt  sind  (was  schon  Biancoai  bei  Caoina  Ind.  S.  9  A. 
22  richtig  bemerkt,  vgl.  Nagler  U,  897).  ^  J.  A.  Dosi  (vgl.  Förmig 
S.  3):  Urbis  Romae  aedificiorom  illustrinm  quae  supersunt  (gestochen 
▼00  J.  ß.  de  Cavaleriis)  1569.  Die  Originale  nach  A.  Jahn  (s.  A.  16} 
S.  149  in  der  Sammlung  der  Offizien.  —  Da  Perac:  I  Vestigi  dell^ 
utichiti  di  Rottra  R.  1576  (iber  seine  Sammlang  ligorianiseber  In- 
idurift«n  >GU;/  ^  1  S.  LIV)^  ,    . 

^)  Labacco:  Libro  appair^enente  all'  architettara  R..  1557. 
Serlio,  Architettura  libro  1— IV  Ven.  1559—1562,  benatzt  Perrnzzis 
Zeichnnngen;  vgl.  Vasari  8,  232.  234  Forma  S.  23  §  14.  A.  Palla- 
iio:  f  qnattro  libri  delF  architettara  Ven.  1570  and  die  restaarir- 
ten  Theraea,  Le  terme  dei  romaai  pnbbl.  da  0.  B  Scamozzi  Vicente 
1797  (die  früheren  Ansgaban  von  Barliogton  1732  «od  Cameron  1772 
Unn .  ich  nicht  benatzen).  Hpindzeichnangen  im  Besitz  des  Herzogs 
von  Devonshire:  Canina  Edif.  1  S.  5  A.  4  vgl.  Indic.  S.  7.  —  Ganz 
mbedentend  die  kleine  antiquarische  Schrift  Le  antich.  di  Röiiia  Ven.' 
1554  a.  o. 


90  EINLEITUNG. 

die  zahllose  Menge  der  nach  1500  ersehienenen  Bilder  und 
Beschreibungen  jener  Denkmäler  ganz  nnberüisksichtigt  lassen 
müssen;  sondern  sie  enthalten  auch  über  die  Terraingestai'* 
tung,  über  Kirchen  und  andere  mittelalterliche  Bauten,  welche 
für  die  alte  Topographie  von  Bedeutung  sind,  ein  nicht  genug 
beachtetes,  wenn  auch  nicht  reiches  Material.  Dagegen  treten 
vom  Ausgang  des  16.  bis  zum  Ausgang  des  19.  Jahfhunderts 
ergänzend  einmal  die  regelmässigeren  und  ausführlicheren 
Ausgrabutigsberichte,  dann  später  die  vervoUkommeteren  nr^ 
chitektoniscfaen  Publikationen  der  noch  jetzt  erhaltenen  Denk* 
liiäler  ein.  Namentlich  die  ersteren  entsckädigen  uns  für  die 
Ebbe,  welche  in  der  wissenschaftficheii  Behandlung  des  Gegen** 
Standes  herrscht.  Denn  in  der  That  hat  die  Geschichte  der 
topographischen  Litteratur  von  Ligorio  tmd  Panvinio  bis  anf 
Fea  im  Ganzen  und  Grossen,  was  die  wissenschaftliehe  Be* 
gründung  und  fieurtheilung  anlangt,  und  mit  Ausnahme 
einiger  wichtiger  Specialforschlingen,  nur  von  Stillstand  oder 
Rückschritt  zu  berichten:  eine  Brscheinung-,  die  Niemaiiden 
verwundern  wird,  der  den  gleichen  Gang  der  antiquarisch^ 
philologischen  und  epigraphischen  Studien  in  derselben  Zeit 
verfolgt.  Für  die  Topographie  aber,  lag  die  besondere  Ver- 
anlassung namentlich  in  der  Wirkung«  welche  die  interpoürtea 
oder  gefälschten  Texte  des  *  Victor'  und  'Rufus*  (oben)  und 
dias  Vergessen  der  echten  Notitia  ausüben  musste.  Nichts 
ist  bezeichnender  neben  dieser  Unbekümmertheit  um  vor- 
handene Quellen,  als  dass  ein  neuer  Fund,  wie  der  der 
Bruchstücke  des  kapitolinischen  Stadtplans  (zwischen  15&1 
und  1565),  volle  hundert  Jahre  für  die  Wissfenschäftso  gut 
wie  verloren  gewesen  ist  und  dass  selbst  nach  dessen  erster 
Publikation  (1683)  wiederum  nahezu  dieselbe  Zeit  verstrich, 
ehe  seine  Bedeutung  richtig  erkannt  und  die  Belehrung,  die 
er  gewährt,  in  weiteren  Kreisen  aufgenommen  wurde. 

Gleich  in  der  Wende  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  be- 
gegnen wir  einein  die  beginnend0  ünproduktivität  kenrizeich  - 
nenden,  aber  über  die  Grenzen  Italiens  verbreiteten  Buch, 
der  Topographie  des  J.  J.  Boissard  (1597ff.),  welche,  ah- 


{ 5.]  DIB  FORSCHUNG.  91 

gesehen   von  dem  einfach  wieder  abgedruckten  Marliani  und 
onkritisch  benuUien  ligorianischen  Papieren,  80  gut  wie  nichts 
Brauchbares    enthalt^ '^).     Gleichzeitig   beginnt  mit  Fiaminio 
Vaccas  im  Jahre  1594  aufgeschriebenen  Erinnerungen  über 
Ausgrabungen  und  Entdeckungen  in  Rom  die  besagte  Reihe 
der  noch  nicht  genügend  pubiidrten  Berichte^^):  ihm  fol- 
gen gegen  die  Mitte  des  Jahrhunderts  Cassiano  del  Pozzo, 
späterhin   Bartoli  und  Ficoroni,   Yenuti,  Winekelmann  und 
Guattani  in  den  unten  zu  nennenden  Werken.  -*-  Bis  zur 
Mitte  des  17.  Jahrhunderts  finden  wir,  abgesehen  von  einzehien 
nicht  rein  topographischen  Arbeiten  (denen  des  Lipsius  und 
Pancirolos),  gelehrten  und  ungelehrten  Bearbeitungen  des  kirch- 
Men  Roms  und  Guiden  dller  Art^^),  nicht  eine  einzige  nennens-- 
w^he  Schrift  ausser  des  Alexander  Donatus  (f  1640)  Roma 
Tetos  4C  recens  (zuerst  1638).    Diese  überragt  die  Litteratur 
des  Jahrhunderts  unbedingt,    was  grundliche  Gelehrsamkeit^ 
selbständiges  Urtheil   und   grossentheils   richtige   Würdigung 
der  Vorgänger  anlangt;  es  ist  eine  durchweg  achtungawertfae 
und  noch  jetzt  braudibare  Leistung'^).    Aber  sie  wurde,  in 
den  Schatten  gestellt  durch  die  gewandtere  und  bestechendere 
Darstellujdg  Famiano  Nardinis  (zuerst  1666)»  der  mit  vollstem 


'*)  Boissard:  Romanae  nrbia  topoyra^diia  Frankf.  (a.  d.  Oder)  1597 
(1627)  in  3  Theilea;  im  ersten  die  Anweisung  Rom  ia  4  Tagten  za 
sehen,  wiederholt  in  Schott's  Itinerarium  Italiae,  Wesel  1625,  S.  350  ff. 
Aidere  Bearbeitungen  sind  für  uns  werthlos. 

■•)  Fiaminio  Vacca's  (vgl.  aber  ihn  ßuonarotti  1867,  108  ff.)  Me- 
norie,  geschrieben  1594,  gedruckt  zuerst  1794,  dann  nach  zwei  hs.  Exera- 
plarea  von  Fea  Mise.  1  S.  52  ff.  nicht  ohne  kleine  Ntchbeiserungen ; 
itellenweise  genauer  in  Nibby's  A.  des  Nai^ini  Bd.  4. 

**)  Lipsius'  Admiranda  (1599),  Pandroli's  Ausgaben  der  Notitit 
(1602),  Severanus  Memorie  sacre  delle  sette  ohiese  di  Roma  (1630)^ 
Bosiüs'  Roma  snbterranea  (1632.  1651)  u.  a.  m.  Uuter  den  Guiden 
aiaehe  anonyme,  wie  Delle  maraviglie  4i  Roma  1598  (s.  Zaccagni  bei 
Mai  Spicil.  9,  458),  um  welche  ich  mich  nicht  bemüht  habe.  Die  von 
■ir  ebgesehenen  boten  keinen  Ertrag  (von  Deutschen  z.  B.  Lorenz 
Sehrader,  1592,  Bd.  2  S.  256). 

*)  A.  Doaatna  Roma  vetus  ac  recens  R.  1638.  Ich  citire  die  ^editi4 
«^'  Amsterd.  1695. 


92  EmLBITUNG. 

Recht  als  der  Urheber  aller  nan  folgenden  Verwirrung  and 
als  das  Verderben  der  ganzen  Topographie  bezeichnet  worden 
ist.  Nicht  zuerst,  aber  am  systematischsten  nnd  folgerichtig* 
sten  hat  er  die  falschen  Texte  des  Regionenbucbs  zur  Grnnd^ 
läge  seines  phantasierollen  Baus  gemacht  und  mit  Hilfe  der- 
selben, unbekümmert  um  die  einleuchtendsten  Beweisfäh- 
rangen  der  klassischen  Topographen,  ganze  Stadtgegenden 
versetzt  (Forum,  Subura).  Die  vor  ihm  und  nach  ihm  mit 
Glück  geübte  Unkritik  in  der  Benutzung  alter  und  mittel- 
alterlicher Zeugnisse  —  das  kühne  Hantieren  mit  verschrie- 
benen, verdruckten,  missdeuteten  und  erfundenen  Namen, 
das  Vermischen  aller  Zeiten  und  aller  Grade  der  Glaubwür- 
digkeit und  Unglaubwfirdigkeit  —  bei  ihm  zur  VirtuositSt 
ausgebildet,  hat  die  unselbständigen  Köpfe  in  einem  Grade 
verblendet,  dass  es  des  vereinten  Anlaufs  der  tüchtigsten 
Forscher  unseres  Jahrhunderts  bedurft  hat,  um  sein  Gebäude 
über  den  Haufen  zu  werfen.  Es  versteht  sich,  dass  ein 
Mann  von  dein  Geschick  und  der  Loka&enntniss  Nardinis  in 
vielen  Einzelheiten  das  Richtige  getroffen  hat  und  so  ist  sein 
Buch  in  der  Gestalt,  die  ihm  die  schüchtern  verbessernde 
Hand  Nibbys  (unten)  gegeben  hat,  noch  heut  nicht  ent- 
behrlich*®). —  Ungefähr  um  dieselbe  Zeit  fanden  die  ge- 
legentlichen Ausgrabungen  und  die  Denkmäler  der  Architektur 
an  dem  Turiner  Cassiano  del  Pozzo  (f  1657)  und  den 
römischen  Freunden  Pietro  Sante  Bartoli  und  Giov.  Pietro 
Bellori  eifrige  und  geschickte  Beobachter  und  Zeichner ^^), 


*B)  Farn.  Nardioi:.  Roma  antiea  R.  1660.  1771,  zuletzt  vod  Niblyy 
R.  1818  in  4  fiden.  (Bd.  4  enthält  die  Memorie  des  Vaeea,  Nibby  delle 
Vie,  Faleonieri  über  die  Pyramide  des  Cestius.)  mit  Plänen  von  De  Ro- 
manis, über  welche  unten. 

^)  Del  Poxzo:  J.  Lambroso,  Notizie  snlla  vita  di  G.  d.  P.,  Turin 
1875,  theilt  seine  Anfzeichnun|^en  über  Ans^prabuni^en  mit  (dürftig); 
über  die  Handzeichniingen  Matz  in  der  A.  20  angeführten  Schrift  (vgl. 
CIL  6,  1  S.  LIX).  ^  ßartoli:  Anfzeiehnnngen  bei  Fea  Mise.  1  & 
CCXXII  ff.  Seine  Publikationen  (z.  Th.  erläutert  von  Bellori):  beson- 
ders Gli  antichi  sepolcri  di  Roma,  Picturae  antiquae  oryptarnm  rom.  et 
sepolcri   Nasonum,  Golonna  Trigana.     lieber  seine   HandseiehnuBgou 


( 3.]  DIE  FORSCHUNG.  93 

etnzelne  llieile  d«r  Topographie  eiaen  wiesenschaftlichen  Be* 
urtheiler  ersten  Ranges  in  Rafael  Fabretti  (seit  1680),  dem 
man  noch  den  ihm  eng  yerbundenen  Franc  Biancbini 
anscbliessen  muss^^),  endlich  die  TechnilL  der  römischen 
Architektur  einen  jenem  ebenbürtigen  Bearbeiter  in  dem 
französischen  Architekten  Anton  Desgodetz:  seine  epoche-» 
machende  Publikation  der  wichtigsten  Baudenkmäler  (1682) 
hat  erst  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  würdige  Nachfotge 
seitens  seiner  Landsleute  gründen  (s.  unten) '^).  Daneben 
hat  die  unermüdlicbe  Buchhandlung  von  G.  B.  De  Bossi  ein6 
Anzahl  Abbildungen  in  Veduteomanier  geliefert,  welche  zwar 
für  uns  nicht  mehr  von  Werth  sind,  aber  zusammen  mit 
den  im  selben  Verlage  erschienenen  Planen  (unten)  viel  zur 
Verbreitung  der  Kenntniss  der  Stadt  beigetragen  haben  ^). 

Noch  trostloser  ist  die  Oede  vom  Ausgang  des  17.  bis 
zum  Ausgang  des  18.  Jahrhunderts.  Wertbios  ist  der  topo- 
graphische Abriss  bei  M  in  u toll  (1689).  Die  Berichte  Fran- 
cesco Ficoroni's  (seit  1709)  liefern  brauchbares  Roh* 
material»  aber  ohne  jede  wissenschaftliche  Verarbeitung  ^-^ 
von  anderen  Berichten  aus  diesem  Jahrhundert  ist  bis  jetzt 
nur  wenig  bekannt  — ;  nicht  viel  höher  steht  die  ToUstandige 
Stadtf>eschrei]bung  des  auf  anderen  Gebieten  geschätzten,  durch 
seine  Stellung  als  Commissar  der  Alterthömer  und  Haus- 
antiquar des  Cardinal  Albani  einOussreichen  Rid.  Venuti 
(1763).    Alberto  Cassios  Monographie   über  die  Wasserlei- 


(worauf  mich  £.  Hiihaer  anfmerksam  macht)  Woodward  im  Gentelman 
Magazine  3.  Ser.  19,  1866  S.  29  ff.  —  Bellori:  Aussähe  des  Stadt- 
plans (oben  §  ^)  nnd  Veteres  .arcas  Ao^ustorum. 

.  '^)  Fahr  etti:  De  aquis  et  aqaaednctibas  veteris  Romae  R.  1.680  (ich 
benutze  die  2.  Ausgabe  R.  1738),  De  oolumna  Traiana  1683  (mit  dem 
wichtigen  Anhang  über  das  Kapitol,  s.  Th.  II)  und  Inscr.  ant.  1702 
(vgl.  CiL  6,  1  S.  LX  f.).  -p  Biancbini,  Palazzo  de'  Gesari  op.  post 
Verona  1738  (s.  Th.  IL). 

*')  Desgodetz:   Les  edificos  antiques  de  Roma  dessines  et  mesures 
tres  exactement  Paris  1682. 

<•)  HanptsächHch:  I  vestigi  dell'  antichita  di  Roma  1653  f,  und  die 
Ueineren  Veduten  in  dem  Ritratto  di  Roma  antica  1654.  8.  b.  ö. 


94  EINLEmiNC. 

tungen  (1756)  ist  ifam  zum  CnglAck  u&ter  den  Händen  zo 
einer  toUständigen  topographischen  Periegese  aligeschwollen« 
in  deren  wüsten  Massen  man  mit  Möhe  ein  oder  das  andere 
brauchbare  Korn  herausfindet  °^).     Daneben  sind  für  einzelne 
Fragen  die  Arbeiten  der  Architekten  C.  Fontana  (seit  1694) 
und  Vignoli  (1705),  der  gelehrten  Antiquare  Montfaucon 
(seit  1702)  und  Mabillon  (äeit  1723)  von  Wichtigkeit,  and 
selbst  aus  der  Guidenlitteratar  darf  ein  Name,  Yasi,  aus  def 
Vedutenlitteratur  Overbeke  und  Barbault  angeführt  wer- 
den ^'^).    Abseits  von  diesen  mehr  oder  minder  unbedeuten- 
den, oder  doch  nur  beiläufig  in  die  Topographie  eingreifenden 
Arbeiten   stehen   die   bildlichen   und    kartographischen    Dar- 
stellungen   der   Trummerstadt    von   Giambattista   Piranesi 
(1707 — 1778)  nicht  allein,  wie  allgemein  atierkannt,  geniale 
künstlerische  Leistungen,    sondern   auch   Werke   von   hoher 
Bedeutung   für   die   Wissenschaft.     Seit  Rafaels   Zeit   (oben 
A.  10)   ist   von  Niemandem    ein  so   umfassender  Plan    zur 
Veranscbaalichung  aller  erhaltenen  antiken  Baureste  entwcNrfen, 
von  Niemandem  überhaupt,   wenn  man  den  einzigen  Canina 
ausnimmt^  ein  solcher  auch  nur  annäherungsweise  ausgeführt 
worden.   Messungen  und  Aufnahmen  auch  -der  nicht  pittoresk 
wirkenden  und  mancher  jetzt  untergegangener  Trümmer,  die 
erste  eingehende  Beachtung  und  Würdigung  d^s  kapitolini- 
schen Stadtplans,  der  Versuch,  eine  kartographische  Darstel- 
lung der  Trümnier  zu  geben,  sichern  namentlich  den  beiden 
Hauptwerken,  den  'Antichitä'   und  dem  'Campo  Marzo^  den 


^)  Miotttöli:  Romaoa  antiquitas  dissertatfonibas  historieocriticis  ill. 
R.  1689  (S.  89—171).  —  Ficoroni:  Le  vesligrie  e  raritä  di  Roma  antica 
R.  1744;  weniges  topographische  in  anderen  Schriften,  znsammengeslellt 
bei  Fea  Mise.  Bd.  1.  —  Venuti:  Descrizione  topografica  R.  1763,  brauch- 
bar  in  d^r' Ausgabe  Piales  R,  1824  in  2  Bdn.  lieber  seine  Stellnug 
Justi  Winckelm.  2,  2,  24  f.  —  Cassio:  Corso  delle  acque  R.  1756,  2  Bde. 

'^)  Die  Monographien  s.  am  gehörigen  Ort.  —  Montfaucon's  Dia- 
rinm  Italicum  und  Mabillon*s  Museum  Italicum  konimen  nur  für  die 
mittelalterlichen  Quellen  in  Betracht  (Bd.  2;  360.  664).  —  Väsis  Itine- 
risirio  1794.  —  Overbeke:  Reliquiae  antiquae  urbis  Romae  Amst.  1707, 
3  Bdef.  —  Barbault:  Les  plus  baux  monuments  de  Röme  ancienne  R;  1761  f. 


{  3]  DIE  FOJtSCBiING.  % 

Werth  epoebeoi^cheiider  und  für  alle  Zeiten  uoentbehrlicbier 
Arbeiten.  Der  oft  wiederholten  Behauptung,  dass  die  Brauch^ 
barkeit  derselben  wegen  der  willkürlichen  Ausschmückung 
des  erhaltenen  eine  sehr  zweifelhafte  sei,  ist.  entschieden  .zu 
widersprechen  ^')^  —  Seine  Arbeiten  aind  durch  seinen  Sohn 
Francesco  (f  1810)  ergänzt  und  neu  aufgelegt  worden. 

Wir  haben  die  Epoche  erreicht,  in  welcher  wie  in  dem 
ersten  Drittel  des  16.  Jahrhunderts  ein  n^uer  Aufschwung 
der  gesammten  Alterthumswissenschaft  auch  die  Topographie 
aus  ihrer  Lethargie  erweckte.  An  diesem  Aufschwung  haben 
Italiener  und  Deutsche  gleichen  Antbeil.  Ist  es  iiafnentlich 
Gaetano  Marinis  bekanaten  epigrs^hisch- antiquarischen  Ar* 
httten  zu  verdanken,  dass  die  eingeschrumpfte  Kenntmss  der 
urkundlichen  Reste  der  alten  Stadt  wieder  lebendig  wurde, 
inneren  Zusammenhang  und  Umfang  gewann,  so  haben 
Winckelmann  und  Niebuhr,  indem  sie .4^3  Kulturleben 
der  alten  Volker  in  seinem  Gesammtorganismus  vor  unseren 
Augea  wieder  .auferstehen  liesseu,*  der  Topographie  in.  ^ dem 
grossen  Bilde  zuerst  die  richtige  Stelle  angewiesen  und  ihr 
ToUig  neue  Quellen  in  dem  Kunst-  und  Staatswesen  Roms 
eröffnet.  Es  konnte  nicht  fehlen,  dass  unter  diesem  mächti* 
gen  Impulse  die  Sehnsucht  wieder  erwachte ,  was  von  der 
alten  Stadt  unter  dem  Schutt  der  Jahrhunderte  erhallen  wäre, 
durch  umfassende  Ausgrabungen  wieder  aufzudecken.  £s  ist 
das  Verdienst  Carlo  Fea 's,  diesen  Gedanken  klar  erfasst  und 
die  Ausführung  desselben  so  geschickt  eingeleitet  zu  haben, 
das^  gleich  die  ersten  Spatenstiche  in  eine  der  wichtigsten 
ODd  durch  die  Aftergelehrsamkeit  des  17.  und  18«  Jahrhun- 

*•)  Giamb.  PiranMtt  L«  aatiehita  Roauaie  K.  1756  4  fide.  Campa 
Marzo  1762;  aasaeriltei  zaUreicke  kleiaere  Publikationen  iuicl..einz^ne 
Blätter  von  ihm  oad  dem  Sohoe  Fraoceseo,  welche  gekörigen  QrU  be^ 
rSekaiektigl  sind  (Kgl,  Bibl.  Berlio.  Gesammtauagiibe  in  17  fi4en4,  vgli 
Nagler  11,  3S9  f.).  —  In  der  Regel  findet  man  nur  Beortbeünn^eo  de* 
Uiostleriaeken  Gkarakters  (».  besonders  Justi  Winckelm.  2,  1,  dSi^  ff.)*' 
l^D  Weklk  setner  oft  vergessenen  oder  unterschätzten  topograpbiseh- 
irehitektonisehen  Leistungen  kkt  von  JNeneren  nammtlich  Laaeiaoi  wohl 
erkannt.    Vgl.  auch  Forma  urbis  S.  34  §  4. 


96  filNLBmiNG. 

derts  ganz  verdankelte  Frage,  dh  Fofumsfrage,  unefwartetes 
lidit  brachten.  Zugleidi  gab  ihm  seine  amtliche  StdiaDg 
als  comissario  delle  antichitä  Gelegenheit,  den  erhaltenen  Ban^ 
d^nkmälern  wirksanien  Schutz  gegen  fieschfidigenges  za  gei 
Währen  und  sie  theilweise  von  *  den  Anbauten  der  Jahrhun«^ 
derte  zu  befreien.  Nimtiat  man  dazu  die  scharfe,  oft  freilich 
überscharfe  Kritik,  wdcher  Fea  eine  Reihe  von  Eihzelfiragen 
unterzog,  die  lebendige  Vereinigung  phU(riogischen  Wissens 
und  richtigen  Verständnisses  für  die  Bautrummer,  so  dari 
man  ihn  wohl  als  einen  der  Begränder  der  nevtea  wissen* 
schaftlicheä  Topographie,  wenn  nicht  gerade  zu  als  den  Be^i 
grönder  derselbe^  bezeichnen'^').  Aber  er  stand*  nicht  allein^ 
Mit  sehr  verschiedenartiger  Begabung ,  aber  mit  derselben^ 
wesentlich' auf  die  Ausbeutung  der  erhaltemen  Reste 
gerichteten  Methode  arbeiteten  gleichzeitig  bald  in  engem 
Verein,  bald  in  scharfem  Gegensatz  zu  ibm  Guattani  und 
Uggeri,  Nibby  und  Piale,  und  noch  Bunsen  und  Canina^ 
Während   die  beiden  erstgenannten  föglich  noch  der  äkeren 


'3')  f'ea:  amtliche  Stellang  uod  Pläne:  Mise.  2,  Vorred«,  Prodrome 
S.  49,  Cenni  biografici  di  G.  Fea  R.  1836  (ein  vollständiges  Verzeich* 
niss  seiner  Schriften  enthaltend)*  'Vertheidignng  der  Carte:  Bei  dirittl 
del  prineipato  'ätigli  antichi  edifizi  pnUici  sacri  «proltDi  io  öcoasioo# 
del  Panteon  1806,  L'iotegrita  M  Paateoii  riveadicata  pl  prineipato  anA 
CoBclttsione  per  Tintegrita  del  Panteon  1807.  —  Hauptschriften  topo«', 
graphischen  Inhalts:  Uebersetzung  des  Winckelmann  mit  Kommentar 
nnd  der  Abhandlang  Solle  rovine  di  Roma  1783,  Mlsceüanea  filolo* 
gica  (etrthaltend  die  Berichte  des  16.  bis  18.  Jahrhunderts)  1,  1796^ 
Nuebtrag:  2,  1836.  -^  Erster  Bericht  über  die  Aosgrahnagea  1803:  b«i 
INibbyRoma  ant.  1,  484 ff.;  1813—1820:  Varietä  di  notiäe  1820;  voa 
d«]i  zahlreichen  kleinen  Schriften  sind  noch  imnor  wichtig:  1811  Lo 
termc  Taiirianc^  1813  Gas.  sidr  arenä  e  aul  podio  dtll'  aofit  Fkviild 
Iscrizioai  di  moo.  poblici,  Notizie  degli  acavi.neir  «afit  Flavio  -e  ■41 
farc  Tri^ano,  1816  Prodrome  di  nuove  osservazioBi,  1819  La  basilic« 
di  Costpntino  sbandita  dalla  via  sacra  (gegen  Nibby),  1S20  Nnovi  foi 
dei  fasti,  1827  Indicazione  del  foro  romaae  (wiederholt  im  Ball.  dellS 
inst.  1836),  1829  La  scoperU  dell'  aciiiia  di  Mercurio,  1882  StorUi 
delle  aeqae  n.  a.  m.  Botbehiiich  iat  die  fiiieova  deaeriziono  da 
Roma  1821.  . 


^  3]  Dlfi  FORSCHCJNG.  97 

ule  zugezählt  werden  können  ^^)  und  nur  in  beschr&nktem 
asse  und  in  Einzelheiten  gefördert  haben,  verdanken  wir 
n  übrigen  recht  eigentlich  die  breite  Grundlage  der  Denk- 
älerforschung.  Nibby  hat  seine  ungemeine  Kenn tniss  aller 
ten  Reste  und  seine  für  einen  Italiener  damaliger  Zeit  acht-* 
en  Kenntnisse  in  alter  und  mittelalterlicher  Litteratur 
uchtbalr  zu  machen  gewusst  in  grösseren  darstellenden  Ar-^ 
iten,  welche  noch  jetzt  gute  Dienste  .leisten,  und  wiewohl 
nst  ein  wenig  scharfer  und  selbständiger  Kopf,  doch  mit 
lack  gegen  Fea  und  die  allgemeine  Meinung  eine  Haupte 
age  (über  die  Basilica  Constantins)  entschieden.  Ungelebrti 
er  mit  einer  Sicherheit  des  Blicks,  die  ihn  vor  allen  gek- 
annten auszeichnet,  hat  Piale  alle  Hauptfrage  der  Reihe 
ch  geprüft  und  wie  erst  die  spätere  kritische  Forschungi 
bwohl  lange  nicht  genug,  anerkannt  hat,  fast  durchgängig 
Mas  Richtige  getroffen«  Die  Arbeiten  Bunsen's  und  Canina'fi 
endlich  führen  uns  in  verschiedenen  Richtungen  bereits  bis 
en  die  Mitte  des  Jahrhundtf  ts,  in  welcher  Zeit  ein  kurzer 
tillstand  eingetreten  ist^^).  —  Die  Abbildungen  aus  dieser 
poche  —  abgesehen  von  den  Arbeiten  der  französischen 
Architekten  (unten)  —  stehen  noch  unter  dem  Einfluss  Pi-* 
ranesi's.  Mit  Uebergehung  der  kleineren  für  uns  werthlosen 
erwähne  ich  die  pittoresken  Darstellungen  von  Rossini  und 
die  wissenschaftlich  wichtigen  von  Uggeri^^). 


•8)  Guattaai:  Monnmeiiti  antichi  1784—1789  (wichtig  der  ietste 
Band);  Memorie  enoiclopediche  1806—1810.  1816.  1817;  Roma  de* 
scritta  1805,  2  Bde.  (für  den  Palatio  noch  brauchbar).  —  Ueber  U8;9eri 
I.  A.  40. 

'^)  A.  Nibby:  Del,  tempio  diella  Pace  e  della  basiliea  di  GoatMi* 
tbo  1S19,  Dei  Foro  roaano  1820,  Le  mnra  di  Roma  1820,  Ausg.  des 
Hardini  1828,  Delle  antichita  diRoma  1,  1830  (entbehrlich),  Roma  neu' 
tnoo  1838  Parte  I  antica  II  moderaa  (4  Bde.,  nadi  seinem  Tode  her- 
ausgegeben).  Auch  die  Aaalisi  dei  ditorni  kommt  hier  und  da  in 
Betracht. 

*»)  Rossini:  Antioh.  di  Roma  1823,  101  Bl.  z.  Th.  nach  Piranesi 
(vgL  Nagler  13,  442  f.).  A.  Uggeri:  Journ^s  pittoremfues  des 
edifices   de   Rome   anetenne  R.  1800—1814  Bd.  1—3  und  Suppl.  1.  2^ 

Jordan,  römische  Topographie«    Li.  < 


98  EINLEITUNG. 

Die  Gründung  des  zwar  der  Idee  und  der  Form  nach 
internationalen,  thatsächlich  aber  von  Anfang  an  wesentlich 
deutschen  archäologischen  Instituts  auf  dem  Kapitol,  des  nun* 
mehrigen  Reichsinstituts,  greift  epochemachend  in  die  topo* 
graphischen  Studien  ein.  Die  von  ihm  herausgegebenea 
Schriften  sind  bis  zum  Jahre  1872  als  Hauptarchiv  auch  dex 
römischen  Topographie  zu  betrachtend^).  Die  Gedanken  Nie- 
buhr's  ausführend,  angeregt  von  Fea  und  mit  ihm  und  den 
äbrigen  römischen  Gelehrten  in  regstem  Verkehr,  hat  B  unsen 
es  verstanden,  den  Deutschen  von  dem  Stande  der  danaaligen 
römischen  Denkmäler-Studien  zuerst  ein  lebendiges  Bild  zu 
geben.  Den  Fortschritt,  den  die  ^Beschreibung  Ronas'  in 
dieser  Beziehung  in  der  deutschen  Forschung  bezeichnet, 
kann  Niemand  verkennen.  Die  Anregung,  welche  von  diesem 
Kreise  ausging,  trug  bald  ihre  Früchte:  die  Arbeiten  von 
Ambrosch,  Papencordt  und^  Abeken,  weiche  in  die 
Topographie  Roms  eingreifen,  wären  schwerlich  ohne  dieselbe 
entstanden.  Abgesehen  von  Uebersetzungen  oder  Bearbei- 
tungen fremder  Werke,  besass  die  deutsche  Litteratur  bis 
dahin  nur  eine  einzige,  freilich  sehr  achtbare  und  noch  jetzt 
unentbehrliche  Arbeit,  die  Sachsens.  Indessen  es  fehlte  dem 
Verfasser  die  eigene  Anschauung  und  der  Sinn  für  das  Leben 
der  alten  Stadt  ^^).  Auch  haben  Bunsen  und  seine  Hitar-* 
heiter  und  Fortsetzer,   Gerhard    und   L,   Urlichs  —  die 

«^)  vgl.  < Bunsen'  1,  338.  347  deutsche  Ausg.  —  Annali  und  Bul- 
lettini  dell'  institato  di  corrisp.  arclieologiea  seit  1829;  seit  dem  Jahre 
1872  fehlen  darin  regelmässige  Berichte  über  Topographie;  es  treten 
dafür  die  des  Ballettioo  manicipale  ein  (unten). 

*^)  Ambrosch  Studien  und  Andeutungen  im  Gebiet  des  altrömischen 
Bodens  und  Gultns  Breslau  1839.  Papencordt  Geschichte  Roms  im 
Mittelalter.  Abeken  Mittelitalien  vor  den  Zeiten  der  römischen  Herr* 
Schaft  Stuttg.  1843.  —  Pie  deutschen  Bearbeitungen  des  Boissard,  Car- 
din! (Adler  Ausf.  Beschreibung  der  Stadt  Rom  Altona  1781),  Burtoa 
(übers,  von  Sichler  1823)  und  die  deutschen  Reisebeschreibungen  dieser 
Zeit  sind  werthlos.  —  G.  Sachse  Geschichte  u.  Beschreibung  der  alten 
Stadt  Rom  Hannover  1824  2  Bde.  (der  2te  aus  den  Papieren  des  Vf. 
nach  seinem  Tode),  nicht  blos  als  Chronik  unentbehrlich,  sondern  auch 
in  der  Untersuchung  einzelner  Fragen  vorzüglich. 


;  3.]  DIB  FORSCHUNG. 

Beiträge  der  öbrigeu  gehen  die  alte  Topographie  wenig  ai 
aelbsttfaätig  in  die  wissenschaftliche  Beurtheilung  topogra^  ._ 
scher  Probleme  eingegriffen  und  deren  Lösung  gefördert  (ich 
ainnere  an  das  Forum,  das  Capitoi,  das  Marsfeld).  Leider 
rafate  aber  das  grosse  Werk  nicht  auf  eicherer  philologisch- 
kritischer Grundlage.  Weder  die  zerstreuten  Zeugnisse  der 
illen  waren  geni^end  gesammelt,  noch  die  grösseren  'Ur- 
knnden'  metfaodiadi  untersucht**).  Diese  nolhwendige  Grund- 
lage im  Wesentlichen  —  wenigstens  was  die  antike  Litterrior 
anlangt  —  für  alle  Zeilen  hergestellt  zu  hahen,  ist  das 
Verdienst  Wilhelm  Adolph  Becker's.  Freilich  ist  es  ebenso 
imbeatreitbar,  dass  Becker  in  einseitiger  Weise  es  verschmäht 
hat,  sich  mit  den  Trünimern  und  der  Dcukmälraforschung 
auch  Dur  bekannt  zu  machen,  und  dass  sein  verkehrtes  Ur- 
theil  über  die  letztere  ihn  zu  ungerechter  Verurtbeilung  sei- 
Der  Voi^Dger  geführt  hat;  selbst  dass  er  MissgriRe  in  der 
philologischen  Behandlung  des  Gegenslandes  gethan  hat,  muss 

**)  N  i  e  b  Q  h  r  'a  '  Abriss  der  Geschiehtn  des  Wicbatbmu  and  Verfallet 
itr  alten  und  der  Wiederberstellunt;  der  aeaeo  Stadt  Rom'  1S23 
B«achr.  1,  111  ff.  =  Kl.  Schriften  1,  407  ff.  nnd  Feas  o.  a.  Diss.  solle 
loviDe  entbalteo  die  Groadliniea  des  topographisch-historischen  Theils 
itr  'Beschreibnng  der  Stadt  R'.  und  sind  auch  fdr  den  Übrigens  lesens- 
«erthen  Aperfo  des  prioc  vicissltudes  de  la  top.  de  R.  von  Raoul-itacbette 
(Revae  de  Paris  IS'iä;  auch  Deutsch  L.  1S34}  hestimmend  gewesen. — 
Beschreibung  der  Stadt  Rom  von  Platner,  Sunsea,  Gerhard, 
Röstell,  Sluttg.  1S29  fr.  (fortgesetzt  von  L.  Urlichs)  in  6  Bden.  mit 
Bilderheft.  Ueber  Buuscn's  Abhh.  über  das  Forum  {Ball.  1836,  Ann. 
1837)  und  Gerhard's  Abb.  della  basilica  Giulia  (Bffem.  lett.  dl  Rania 
Nov.  1S23)  s.  den  betreffenden  Abschnitt  Kürzere  Fassung  in  1  Bde.  von 
Platner  a.  Urlichs  1843.  Zur  Entstehungsgeschichte  des  Werks  (Plan  von 
Niebuhr  und  Braudis  1817—16):  Bunsen's  Dcnkw.  ],  388  f.  der  Ueberg, 
--  Dag  auf  dem  Titel  versprochene  'Urkuodenbuch  von  E.  Gerhard  uad 
E.  Sarti'  (s.  Gerhard  Aicb.  Zeitung  1865,  9T)  erschien  nicht,  der  Cadei 
topographicns  nrbis  Ramae  van  Urlicbs  (Würzb.  1 871)  hat  einen  anderen 
Plan  (vgl.  §  2,  14  und  oben  A.  1).  Von  demselben  Verf.  ausser  den 
Streitschrilten  (A.  46)  und  kleineren  Beiti'hgen  (Rh.  M.,  Arch.  Z.): 
De  curia  Julia  Hem.  dell'  inst.  2,  77,  Das  Forum  Verh.  der  24.  Phi- 
lologeavers.  L.  186G,  S3  ff.,  die  Brücken  Sitiungsber.  der  Münchener 
«.  (philoB.-hisl.  K.)  1870,  459  ff. 


100  EINLEITUNG. 

zugegeben  werden.  Aber  es  galt  zunächst  und  vor  Allem  in 
einen  sicheren  Baugrund  die  Fundamente  tief  und  fest  zu 
legen  und  mit  den  herkömmlichen  wie  mit  neu  hinzuge- 
kommenen Phantasiegebilden  gründlich  aufzuräumen :  dass 
ihm  dies  gelungen  ist,  dafür  dürfte  der.  beste  Beweis  in  dei 
fast  vollständigen  Abhängigkeit  aller  späteren  Arbeiten  von 
dem  von  ihm  verarbeiteten  Material  (besonders  der  einziges 
nach  ihm  erschienenen  Gesammtdarstellungen  von  Hebet 
und  Oyer)  und  in  der  auch  von  Italienern  endlich  ifam  ge- 
zollten  Anerkennung  liegen**).  —  Seine  Arbeit  ist  in  gluck- 
lichster Weise  und  zur  rechten  Zeit  durch  L.  Preller'fl 
Begionenbuch  ergänzt  worden.  Auch  wies  derselbe  nament- 
lich der  Darstellung  und  Gruppirung  des  Materials  neue  und 
richtige  Wege,  indem  er  eine  Verbindung  der  periegetischen 
mit  der  geschichtlichen  Betrachtung  als  das  Ziel  der  Topo- 
graphie erkannte  und  damit  auf  die  von  Niebuhr  gegebe- 
nen Andeutungen  zurückgriff,  und  betonte,  wie  vor  ihm  schon 
Ambrosch,  nach  ihm  Bubino  die  engen  Beziehungen  zwischen 
BeUgionsgeschichte  und  Topographie**).  —  Der  Streit,  wel- 
cher sich  zwischen  Becker,  Urlichs  und  PrelJer  entspann,  hat 
zwar  sehr  zur  schärferen  Behandlung  einer  Beihe  von  Detail- 
fragen beigetragen,  wohl  aber  auch  manchen  verdrossen  und 

**)  W.  A.  Becker:  De  Romae  veteris  mnris  atque  portis  L.  1842, 
HaDdbuch  der  römischen  Alterthümer  1  (Top.  der  Stadt  Rom)  L.  1843. 
Ueber  die  Streitschriften  s.  A.  46.  Das  in  m.  Besitz  befindliche  Hand- 
exemplar Becker's  enthält  von  seiner  Hand  nur  die  Nachtrage,  welche 
Handb.  2,  1,  395  fi^.  gedruckt  sind.  —  Hierher  gehört  das  oben  genannte 
Buch  von  Reber,  Ruinen  Roms  u.  der  Campagna  L.  1863.  Vgl.  A.  47. 
Ueber  Dyer  unten. 

<*)  L.  Preller,  Die  Regionen  der  Stadt  Rom,  Jena  1846.  Von  den 
kleinen  Beiträgen  zur  T.  ist  ein  Theil  in  die  Ausgew.  Aufsätze  (L. 
1864)  47  ff.  aufgenommen  (hervorzuheben  der  Aufsatz  über  das  Gapitol), 
nicht  die  wichtigen  Abhandlungen  'Rom  und  der  Tiber',  Ber.  der  sacbs. 
Ges.  der  Wissensch.  1848,  131  ff.  1849,  134  ff  Vgl.  A.  46.  —  Von 
Rubino  gehört  z.  Th.  hierher  das  nachgelassene  Werk  Beiträge  zur 
Vorgeschichte  Italiens  (1868),  in  welchem  freilich  die  gröbste  Vernach- 
lässigung der  Quellenkritik  mit  scharfsinnigen  Kombinationen  verfloch- 
ten ist. 


{  3.]  DIB  FORSCHUNG.  101 

abgeschreckt^^).  Es  mag  damit  zusammenhängen,  dass  seit 
den  vieraiger  Jahren  die  deutsche  Forschung  mehr  und  mehr 
in's  Stocken  gerathen  ist.  Die  einzigen  umfassenderen  Dar- 
stellungen nach  Becke]",  die  E.  Braun's  und  F.  Reber's,  sind 
wesentlich  reproduktiv.  Nur  die  Untersuchungen  Mommsen's 
über  einige  topographische  Kardinalfragen  haben  seitdem  noch 
einen  neuen  Anstoss  gegeben.  Die  Wirkung  desselben  zeigt 
sidi  namentlich  in  den  weiteren  Behandlungen  der  Forum- 
firage  bei  Detlefsen,  Reber  u.  a.^0* 

Wahrend  die  Franzosen  nur  durch  kartographische  und 
architektonische  Spezialuntersuchungen  und  Abbildungen  in 
der  topographischen  Forschung  dieses  Jahrhunderts  vertreten 
sind  —  ich  nenne  die  Arbeiten  von  Caristie,  Valadier,  Isabelle, 
Ghoisy  und  zuletzt  Dutert^^)  —  sind  die  Engländer  an  der- 


^)  Streitschriften :  Preller's  Rec.  Jenaer  AUg.  L.  Z.  1844  N.  121  ff. 
Dtgegen  Becker:  Die  Wfra.  Topographie  in  Rom,  eine  Warnung  L.  1844 
(das  ^B  m.  Besitz  befindliche  Handexemplar  Preller's  enthält  von  seiner 
Hand  einige  antikritische  Bemerkungen).  Urlichs :  Römische  Topogr.  in 
Leipzig  Stuttg.  1845.  Becker :  Zur  röm.  Top.,  Antwort  an  Hrn.  Uriichs. 
L  1845.  Urlichs:  Römische  Topogr.  in  Leipzig.  U.  Antwort  an  Hm, 
Becker.  Bonn  1845.  Vgl.  über  dies  *  bellum  si  dis  placet  topographicum' 
Mommsen  Ann.  1845,  324. 

^^)  E.  Braun,  Aufsätze  ans  seinem  Nachlass.  Philol.  Suppl.  2,  381  ff. 
VgL  die  Ruinen  und  Museen  Roms,  Braunschw.  1854,  und  die  Aufsätze 
in  den  Beilagen  der  Augsb.  AUg.  Ztg.  15.  JVov.  1855  bis  13.  Okt.  1856. 
Mommsen:  Brückenfrage,  Ber.  der  sächs..  Ges.  der  Wissensch.  1850  (S, 
Th.  I  §  7).  De  comitio  romano  curiis  Janique  templo  Ann.  1845, 
2SS  ff.  Ueber  die  Lage  des  prätorischen  Tribunals  Jahrb.  des  gem.  deut- 
sehen Rechts  6,  389  ff.  u.  a.  m.  —  Detlefsen  De  comitio  Ann.  1860, 128  ff. 
Reber,  Curia  Hostilia  Münch.  1858,  Ruinen  1862  (vgl.  A.  44).  —  End- 
lieh Ziegler  Illustr.  z.  Topogr,  d.  a.  Rom  m.  yerständigem  Text.  Stuttg. 
1875  ff.  VgL  Jahresb.  1875,  793. 

^)  Ampere's  Histoire  romaiae  ä  Rome  kommt  nicht  in  Betracht.  — 
A.  Caristie,  Plan  et  coope  d'une  partie  du  forum  R.  Paris  1821.  Va- 
lidier (über  sein  Leben  Giorn.  arcad.  1867  Bd.  209  =:  64  NS  S.  94  ff) 
Racolta  delle  piü  insigni  fabbriche  di  Roma  antica  (1 — 7)  R.  18 jO — 
1826.  Isabelle  Les  edifices  circulaires  et  les  d6mes  P.  1855.  Parallele 
das  saUe  rondes  de  l'Italie,  P.  1863  (vergl.  )  1  A.  44).  —  Choisy  l'art 
de  batir  chez  les  Romains.  P.  1873  (ebenda  A.  44}.  —  Dutert:  Palatin 


102  EllN  LEITUNG. 

selben  durch  eine  Anzahl  beschreibender  und  hanptsächlidi 
der  Erklärung  der  erhaltenen  Denkmäler  gewidmeten,  freilich 
wenig  über  den  Standpunkt  der  Guiden  erhabenen  Bücher 
betheiligt.  Die  älteren  —  von  Lumisden,  Burgess,  Gell  — 
enthalten  kaum  einzelnes  noch  jetzt  Brauchbare,  von  den 
'  neueren  ist  Dyer*s  Arbeit  eine  lesbare  und  nicht  urtheilslosa 
Bearbeitung  des  Becker'schen  Handbuchs,  Parker's  noch  nicht 
abgeschlossene  Archeoiogy  ein  jeder  wissenschaftlichen  Grund* 
läge  entbehrendes  dilettantisches  Buch  von  unbequemster  Form, 
welches  unerwähnt  bleiben  könnte,  wenn  es  nicht  einige  sonst 
nicht  oder  schwer  zu  erlangende  Abbildungen  enthielte  ^^). 

Seit  dem  Jahre  1848  haben  die  Italiener  wieder  die 
Führung  übernommen.  Der  erste  jetzt  lebende  Kenner  des 
christlichen  Boms,  J.  B.  De  Bossi,  ist  für  uns  zugleich  der 
Wegweiser  durch  die  urkundliche  Geschichte  der  antiken 
Bauwerke  und  hat  durch  seine  epigraphischen  und  antiqua- 
rischen Musteruntersuchungen   neue  Bahnen   eröffnet  ^°).  — 


(Revue  arch.  1873)  und  Forum  (P.  1876):  vgl.  Jahresber.  1875,  776  f. 
1876,  171  ff.  —  Nicht  publicirt  sind  m.  W.  die  Arbeite»  der  Schüler 
der  franz.  Akademie  in  Rom,  aufbewahrt  in  der  Ecole  des  beaux  arts 
(vgl.  Büdinger  s  Unters,  z.  röm.  Raisergesqhichte  1,  137).  Anderes  mag 
mir  entgangen  sein.  —  lieber  Tournon  s.  unten  S.  109. 

*^)  Lumisden :  Remarks  on  the  antiquities  of  Rome  and  its  environs 
L.  1797.  Rurgess;  The  top.  and  antiquities  of  Rome.  L.  1831,  2  Rde. 
(beide  entbehrlich,  ebenso  fiurton  1821.  1828,  mir  nur  in  Sickler's 
Uebers.  bekannt.)  Gell:  Rome  and  its  vicinity,  brauchbar  in  der  2.  Aus- 
gabe von  Bunbury,  L.  1846.  —  Dyer:  Ancient  Rome,  L.  1864  (Sep.- 
Abdr.  aus  Smith  Dict.  of  Gr.  and  Rom.  Geogr.  1856),  dess.  Hist.  of 
the  city  of  Rome,  L.  1865.  Die  zahlreiche  Menge  der  neueren  illn- 
strirten  und  nicht  illustrirten  Guiden  —  zu  denen  auch  Burn's  Rome 
and  the  Gampagna  (2.  A.  1876)  gehört  —  übergehe  ich.  —  Parker:  Ar- 
cheoiogy of  Rome,  Vol.  I  (2  ßde,  Text,  Plates),  Oxf.  u.  Lond.  1874, 
dazu  Suppl.  1876;  Forum  Rom.,  Via  sacra  (2  Abth.)  1876  (s.  Jahresber. 
1875,  789.  1876,  169). 

^)  Die  bekannten  Hauptwerke  Roma  sotterranea  (1.  2),  Inscriptiones 
christianae  (1),  Le  prime  raccolte  di  antiche  iscrizioni  (R.  1852,  Giorn. 
arc.  Bd.  127.  128)  enthalten  viele  gelegentliche  Winke,  welche  wich' 
tiger  sind  als  dick»  Bucher  anderer.  Von  den  rein  topographischeo 
Untersuchungen  sind  die  über  die  ara  maxima,  den  arcus   Fabianns, 


.•  •: 


:-. •    ,.  •  •  •   • 


§  3.]  DIE  FORSCHUNG.  103 

Mit  seinem  Hauptwerk,  den  Edifizi  di  Roma  antica,  gehört 
auch  L.  Canina  der  neuesten  Epoche  an.  Sein  grosses  Ver«- 
dienst  besteht  hauptsächlich  in  der  nach  dem  Vorgange  Pi- 
ranesi's  unternommenen  und  energisch  ausgeführten  bildlichen 
Darstellung  und  Restauration  der  ganzen  Stadt  und  der 
glücklichen  Anwendung  des  capitolinischen  Stadtplans.  Die 
Willküriichkeiten  und  Fehler,  welche  die  beigegebenen  Pläne 
(S.  112)  wie  die  Abbildungen  entstellen,  schmälern  dies  Ver- 
dienst freilich,  müssen  bei  jeder  Benutzung  in  Betracht  ge- 
sogen werden  und  hätten  besonders  vor  mechanischer  Repro- 
duktion warnen  sollen.*  Solche  Reproduktionen  sind  zum  Theil 
die  Illustrationen  zu  Reber's  Ruinen  (oben  A.  44),  manche  Abbil« 
düngen  der  Berliner  Baudenkmäler  und  viele  andere:  hingegen 
scheinen  die  Abbildungen  Turconi^s  von  ihm  unabhängig  zu  sein. 
Die  Indicazione  topografica  ist  in  ihrer  letzten  Gestalt  noch 
immer  ein  brauchbares  Hilfsmittel,  von  Spezialuntersuchungen 
erwähnen  wir  hier  das  Forum  und  das  Theater  des  Pompejus*'). 
Zu  seinen  Schülern  zählen  ausser  Ravioli,  Tocco  u.  a.  (s. 
das  Forum)  auch  Pietro  Rosa,  welcher  die  Pläne  Fea's 
wiederaufgenommen  und  als  Beamter  seit  1861  Napoleons, 
seit  1870  des  Königreichs  Italien  die  Trümmer  des  Palatin 
und  des  Forum  von  ihrem  Schutt  befreit  hat.  Dass  er  diese 
Aufgabe  mit  grossem  Geschick  und  Eifer  gelöst  und  damit 


die  Cohorten  der  vigiles,  den  Musentempel  (Ann.  1854.  1858.  Bnll. 
1869)  die  wichtig^step ;  ferner  über  das  templam  divi  Romali  (1867), 
die  Basilica  Jnnii  Bassi  (1870)  n.  a.  in  seinem  Bull,  di  archeol.  crist 
(seit  1863). 

^^)  Ueber  Caninas  karto^rapbiscbe  Arbeiten  S.  1 1 1  f.  —  Indicazione 
topografica  di  Roma  antica  R.  1831,  4.  Anfl.  1850.  Arcbit  antica  Bd.  3 
(a.  Romana)  1832.  Del  foro  romano  e  sne  adjacenze  1834.  2.  Aufl. 
1G45  (mit  Atlas).  Edifizi  di  Roma  antica  R.  1848—1856,  6  Fol.  (mit 
durchlaufender  Zäblung  der  Tafeln  in  den  Tafelbänden  2.  4.  6;  1.  3.  5 
Text;  5.  6  Contorni).  Das  gelehrte  Material  wiederholt  sich  überall, 
und  ist  4eshalb  durchgängig  die  letzte  Ausgabe  der  Indicazione  allein 
eitirt  worden.  Ausserdem  vgl.  oben  §  1  A.  18.  —  Turconi:  Fabbriche 
antiche  di  Roma  Mail.  1857.  —  Denkm.  d.  Baukunst  Lf*  2.  3.  —  Ein^ 
vollständige  Aufzählung  wird  nicht  beabaichti|^. 


104  EINLEITUNG. 

eadlieh  erfüllt  hat,  ^as  Jahrhunderte  lang  vergebiicli  ange- 
strebt worden  ist,  hat  die  Wissenschaft  dankbar  anzuerkennen. 
Nur  ist  zu  bedauern,  dass  derselbe  nicht  gleichzeitig  Beob* 
achtungen ,  weldie  er  allein  zu  machen  Gelegenheit  hatte, 
aufgezeichnet  und  überhaupt  noch  bis  heut  nicht  die  Resul- 
tate seiner  Arbeiten  in  wissenschaftlicher  Form  allgemein  zu- 
gänglich gemacht  hat.  Auch  die  in  Folge  der  letzt^i  Ver- 
änderungen in  der  Verwaltung  an  die  Stelle  der  Rosa'schen 
getretenen  amtlichen  Berichte  6«  Fiorelli'$  entsprechen 
bis  jetzt  nicht  den  gehegten  Erwartungen'^^).  —  Gerade  das 
Gegentheil  gilt  von  R.  Lanciani,  dem  Sekretär  der  archäo- 
logischen Kommission  des  Municipio.  Das  Hauptfeld  seiner 
Beobachtungen,  die  Ausgrabungen  auf  den  Hügeln,  hat  der- 
selbe in  mustergilt^r  Weise  und  rasch  allen  Mitforsehern 
zfugänglich  gemacht  und  die  vorliegende  Arbeit  wird  tqd  der 
tiefgebenden  Wirkung  seiner  mannigfaltigen  Untersuchungen 
allerorts  Zeagniss  ablegen '^^). 


'^^)  Rosa's  und  seiner  Gehilfen  (Pellegrini,  Brizio,  anfangs  aaeh 
Lanciani)  gedrnckte  Berichte  sind  spärlich.  Kleine  Commnniqne's 
in  dem  Bull,  dell'  inst,  fiber  den  Palatin  (seit  18&2,  auch  photogr.  ver- 
vielfältigter Plan),  und  das  Forum  (seit  1870)  und  der  grössere  Bericht 
Sülle  scoperte  an^heologiche  della  citta  e  provincia  di  Roma,  relazione 
pres.  a.  S.  E.  il  ministro  di  pub.  istr.  dalla  R.  Sopraintendeoza  degli 
scavi  della  provincia  di  Roma.  R.  1873.  Die  mir  durch  die  Güte  des 
Hrn.  Fiorelli  zur  Durchsicht  verstatteten  hs.  Rapporti  (settimanali  und 
straordinarii)  della  R.  Sopr.  (1872—1876,  Lücke  1874)  sind,  wie  in 
der  Ephemeris  epigr.  1877  (Inscr«  fori)  auseinandergesetzt  worden  ist, 
sehr  mangelhaft  redigirt,  die  darin  nach  dem  Muster  der  pompcjanischen 
zu  erwartenden  genauen  Angaben  über  die  Aufdeckung  fehlen.  —  Fio- 
reUi:  Notizie  degli  scavi  di  antichita  communicate  alla  R.  Accademia 
dei  Lincei  (gesehen  habe  ich  die  Hefte  Jan. — Sept.)  1876.  S.  Jahres- 
ber,  1875,  1876.  aa.  00. 

^')  R.  Lanciani:  Le  mura  di  Roma  Ann.  1871.  Guida  del  Palatino 
(mit  G.  L.  Visconti)  1873.  Berichte  und  Unterstichungen  im  Bull,  dell'  inst. 
1871.  1872  und  in  dem  von  ihm  redigirten  Bull,  della  commissione 
arch.  municipale  seit  Nov.  1872,  4  Bde.  Vgl.  Jahresb.  a.  0.  Ueber 
seinen  Plan  von  Rom  unten. 


§  3.]  ANHANG:   DIE  STADTPLÄNE.  105 


ANHANG. 


DIE  STADTPLÄNE. 

Eine  kritische  Erörterung  der  neueren  Stadtpläne  er- 
schien mir  ein  um  so  grösseres  Bedürfnisse  als  die  Urtheils- 
losi$(keit,  mit  welcher  dieselben  von  den  Topographen  yon 
jeher  benutzt  worden  sind,  auch  dem  Laien  erkennbar,  alle 
Detailuntersuchung  aufs  Aeusserste  erschwert  und  beispiels- 
weise eine  genaue  Darstellung  der  Topographie  des  Forums 
geradezu  unmöglich  macht.  Die  folgende  Skizze  —  im 
Wesentlichen  von  der  Hand  eines  Sachverständigen,  des  Herrn 
H.  Matzat  —  wird  wenigstens  eine  genügende  Warnung  vor 
der  Benutzung  werthloser  Dutzendarbeiten  und  eine  nützliche 
Hinweisung  auf  die  alleinigen  Quellen  unseres  heutigen 
Wissens  abgeben.  Eine  strenge  Scheidung  derjenigen  Pläne, 
welche  die  moderne  Stadt  darstellen  und  die  Trümmer  als 
Beiwerk  behandeln  und  derjenigen,  welche  letztere  und  ihre 
Restauration  als  Hauptsache  oder  alleinigen  Gegenstand  be- 
handeln, ist  nicht  durchführbar^^).  Ausgeschlossen  werden 
hier  Spezialpläne  einzelner  Stadtgegenden   oder  Gebäude  (wie 


^)  Die  Ujitersnchong  hat  Hr.  Matzat  auf  meine  VeraDlassunffP 
im  J.  1870,  damals  Stndirender,  aaf  Grand  des  auf  dea  Bibliotheken 
voo  Königsberg  und  Berlin  nnd  des  in  meinem  Besitz  befindlichen 
Materials  geführt  nnd  mir  jetzt,  da  er  anderweitig  durch  Amts- 
geschäfte in  Anspruch  genommen  ist,  gestattet  seinen  damals  aafge- 
schriebenen  Bericht  nach  Gutdünken  zu  benutzen.  Ich  habe  überall 
da,  wo  der  Vf.  über  technische  Dinge  urtheilt,  mögliehst  seine  Worte 
in  Aafnhrangszeichen  gegeben,  im  übrigen  zusammengezogen  und  meine 
seit  1870  gesammelten  Nachträge  eingefügt.  Diese  besonders  zu  kenn- 
zeichnen, erschien  mir  nicht  nöthig.  —  Die  Ungleichmässigkeit  in  der 
Art  der  Beschreibung  der  von  mir  gesehenen  Pläne  des  16.  Jahrh. 
Böge  man  entschnldigen :  ich  habe  sie  zu  verschiedenen  Zeiten  in  Dres- 
den, Berlin,  Rom  flüchtig  untersucht.  Die  älteren  Plane  verzeichnet 
Martinelli  R.  sacra  S.  443  ff. 


106  EINLEITUNG. 

namentlich  die  des  Forums),  über  welche  Th.  11,  und  die  zahl- 
losen Pläne  des  alten  Rom  zu  Unterrichtszwecken. 

Die  Pläne  Roms  —  abgesehen  von  dem  antiken  capito- 
linischen  (oben  S.  45  f.)  und  den  mittelalterlichen  (Bd.  2, 
333  f.)  —  zerfallen  in  zwei  Hauptgruppen,  die  älteren  mehr 
oder  minder  willkürlichen  Darstellungen,  die  jüngeren  auf 
regelrechter  Vermessung  beruhenden,  seit  NoUi. 

Unter  der  ersten  Gruppe  sondern  sich  wieder  als  be- 
sonders wichtig  für  das  16.  Jahrhundert  der  Plan  von  Bu- 
falini  (1551),  für  das  17.  der  Plan  von  Falda  da  Val- 
duggia  (1676)  aus.  Gemeinsam  ist  fast  allen  die  von  der 
jetzt  üblichen  abweichende  Orientirung,  welche  der  Tradition 
der  mittelalterlichen  folgt  (Osten  oben  '^*) ;  selten  anders ,  z.  B. 
Westen:  Plan  von  1557),  ferner  den  meisten  eine  schiefe 
Perspektive  halb  aus  der  Vogelschau  oder  eine  Verbindung 
von  Aufriss  und  Grundriss  der  Gebäude.  Wir  zählen  sie  der 
Zeit  nach  auf  und  beginnen,  da  Rafael,  Fabius  Galvus  (1532) 
und  Marliani  (1544)  bereits  oben  A.  10  ff.  besprochen  sind,  mit 

1.  Leon.  Bufalini,  R.  26.  Mai  1551,  20  BU.  Das  ein- 
zige leider  defekte  und  falsch  zusammengeklebte  Exemplar  auf 
der  barberinischen  Bibliothek  in  Rom.  Unschätzbare  Darstel- 
lung der  Stadt  vor  den  grossen  Umwälzungen  seit  Sixtus  V.  In 
mehreren  von  einander  abhängigen  Reduktionen  verbreitet  *•). 


^)  Ueber  diese  wahrscheinlich  oicht  antike,  sondern  christliche 
Orientiranj^  s.  Forma  nrbis  S.  16  §  16. 

^)  Beschreibung  des  barberinischen  Exemplars  (ein  Gerücht  von 
einem  in  England  befindlichen  hat  sich  bisher  nicht  bestätigt)  von  Bergan 
in  Naumann's  Archiv  f.  d.  zeichn.  Künste  13  (1867),  151  f.  (es  fehlen 
4  BU. ,  die  übrigen  falsch  zusammengeklebt).  Die  eingetragenen  alten 
Namen  geben  die  damals  herrschende  topographische  Theorie  wieder. 
Von  mir  1867  benutzt.  —  Reduktionen  von  NoUi  (unten)  nnd  nach  ihm 
bei  Fortia  d'Urban  Projet  d'nne  nouvelle  bist,  romaine  (R.  1813,  nach 
Bergan),  Adler  (A.  42)  und  v.  Reumont  G.  R.  Bd.  3.  —  Fälschlich 
ist  in  antiq.  Katalogen  als  Reduktion  des  Bufallini  ein  ebenfalls  im 
J.  1551  erschienener  kleiner  Plan  bezeichnet  worden,  welcher  nach 
Matzats  Bemerkung  4m  Stile  äßs  Ligorius'  gehalten  ist:  Situs  nrbia 
Romae  . . .  Joannes  Oporinus  typographus  BasUiensis  exeudebat. 


§  3.]  AJ^HANG:    DIE  STADTPLÄNE.  107 

2.  Pyrrhus  Ligorius,  Effigies  antiquae  Romae  ex 
yestigiis ,  aedificiorum  roinis . . .  Michael  Tramezinus  publ. 
1553,  mehrfach  wiederholt.  Restaurationsversuch;  als  solcher 
wichtig  für  das  Verständniss  seiner  noch  unvollkommen  be- 
kannten Ansichten  über  die  alte  Topographie  (A.  14).  Oefters 
wiederholt:  bei  van  Schoel  Rom  1602,  beim  Donat  und  von 
dem  Altorfer  Professor  D.  Köler  Tr  XV.  der  Descriptio  orbis 
antiqni.  Ich  benutze  den  Nachstich  bei  Donat.  Yermuthlich  auch 
in  dem  Plan  von  P.  Merula  Descr.  urbis  Romae  1594.    Es  folgen 

3 — 7  kleinere  Pläne  im  Verlage  von  Lafreri  (vgl.  oben 
S.  88)  und  zwar  3.  Urbis  Romae  descriptio  ex  typis  et 
diligentia  Ant.  Lafreri . . .  Jac.  Belga  in  aes  incidebat . . .  Ro- 
mae idib.  Novemb.  1555  (m.  0,55x0,89);  4.  gleiche  Firma 
1557,  von  Franc.  Paciotus  (047x0,55);  5.  Formis  Anton. 
Lafrerii  Sequani  düigentissime  express.  an.  1557  (0,35  x  0,46, 
Westen  oben),  6.  gezeichnet  von  J.  A.  Dosi,  Romae  Calendis 
Januarij  1561  Seb.  a  Regibus  Clodiensis  in  aere  incidebat; 
7  restaurirter  Plan  (unter  Mitwirkung  von  Fulvius  Ursinus?) 
von  Du  Perac,  impensa  Antoni  Lafrery  1573  (0,21  x0,56). 
Von  allen  diesen  Plänen  ist  der  beste  No.  4,  wegen  sauberer 
und  treuer  Detailzeichnung  nicht  ohne  Werth.  Die /übrigen 
bedeuten  wenig*'). 


^^)  Diese  Plane  habe  ich  in  den  verschiedenen  Exemplaren  des 
Speculam  rom.  magoificentiae  (A.  22)  benutzt.  N.  6:  der  Stecher  sagt 
in  der  Widmaog  an  Gab.  Palaeotius  ^expressi  iamdudum  .  .  meis  aeneis 
tabellis  Jo.  Anton.  Dosii  Floren,  mann  delineatis  Urbem  Romam  .  .  et 
Bt  ea  in  li^cem  prodiret  audentias  tao  nomin i  dicata  exit*.  Ueber  Dosi 
oben  A.  IS.  —  In  der  Gal.  d.  Uffizien  fand  ich  1872  von  dem  jüngeren 
Perrazzi  (A.  19,  Mappe  2)  ein  Bl.  (on^fahr  0,80  X  0,120),  den  4.  Theil 
eines  grossen  Plans  (Capitol-Engelsbnrg),  der  als  Pause  gedient  hat. 
£inen  ähnlichen  (ob  denselben  kann  ich  nicht  sagen)  das.  beschreibt 
A.  Jahn  in  der  A.  16  a.  Abh.  S.  145  und  er  giebt  an,  es  sei  'wahr- 
scheiDlich'  das  Original  eines  von  Letarouilly  benutzten  Stiches  von 
1555.  —  Noch  erwähne  ich  hier  einen  von  v.  H'dbner  Sixte-Quint  2, 
133  im  departement' des  estampes  in  Paris  gesehenen  Plan  von  M582' 
«od  die  mir  ebensowenig  wie  dieser  vorgekommenen  Plane  von  Andreas 
Vaecarios  1603  und  Antonius  Tempesta  1606  (Kupferstich)  wiederholt 
von  Paulus  Maupinus  1625  (Holzschnitt). 


108  EINLEITUNG. 

8  — 13.  Die  seit  1665  in  der  römischen  Officin  von 
Giov.  Giac.  De  Rossi  (de  Rubeis)  publicirten  Pläne;  (ygL 
$.  93)  und  zwar  8.  Pianta  di  Roma  1665;  9.  Urbis  Romae 
sciographia  ex  antiquis  monumentis  accuratissime  delineaia 
1674  und  die  beiden  von  Giov.  Bapt  Falda  da  Valduggia 
(de  Valle  Udiae)  gezeichneten  und  gestochenen  Pläne,  10« 
sive  pianta  et  Recentis  Romae  ichnographia  et  hypsographia 
(1  Bl.  fol.)  facies  ad  magnificentiam  qua  sub  Älexandro  YIL 
p.  m.  urbs  ipsa  directa  exculta  et  decorata  est  J.  B.  Falda 
de  Valle  Udiae  del.  et  ine.  (o.  J.)  und  besonders  11  der 
grössere  in  12  Bl.  Nuova  pianta  et  alzata  della  cittä  di 
Roma . . .  dis.  et  intagl.  da  G.  B.  Falda  da  Valduggia  (Inno- 
cenz  XL  gewidmet)  1676,  in  neuer  Auflage  1697  und  con 

Taggiunte  delle  nove  fabbriche sin'  alF  anno  presente 

1705,  auch  in  einer  kleineren  Ausgabe  13  Nuova  pianta  della 
cittä  di  Roma.  Der  Werth  des  grossen  Plans,  welcher  bis 
in's  kleinste  Detail  das  Innere  der  Häusercomplete ,  Gärten, 
Villen  u.  s.  w.  darstellt,  ist  für  die  Kenntniss  der  Stadt  im 
17.  Jahrhundert  ausserordentlich  gross.  —  ^Zu  Grunde  mag 
diesen  Plänen  wohl  eine  Art  oberflächlicher,  nach  und  nach 
ausgedehnter  und  vervollständigter  Aufnahme  Falda's  liegen, 
etwa  mit  Schätzungen  nach  Schritt  oder  nach  dem  Augen- 
maass'.  Auch  in  Deutschland  fand  dieser  Plan  durch  Homann 
und  andere  in  verdienter  Weise  Verbreitung**). 

An  der  Spitze  der  zweiten  Gruppe  steht  der  bis  auf  den 
heutigen  Tag  die  Grundlage  aller  Stadtpläne  bildende,  ja  in 
manchen, Details  nur  genau  wiederholte  Plan 


M)  Von  d6B  genannten  Planen  benutze  ich  den  von  1705  (in  m. 
Besitz),  gesehen  habe  ich  die  von  1676  nnd  1679  (Dresden,  Kapfer- 
Stichkabinett),  die  übrigen  verzeichnet  Hr.  Matzat.  Die  Widmang  der 
Ausgabe  1705  zählt  die  zahlreichen  Publikationen  der  Firma  auf.  — 
Ferner:  Urbis  Romanae  sciographia  .  .  R.  1674  excud.  Francisc  Villa- 
moena  (Restauration)'  und  einen  andern  von  Matt.  Greg.  De  Rossi 
1680  (modern):  beide  ohne  Werth  (Dresden  das,}.  -^  Die  Bearbeitungea 
von  Homann,  Urbis  Romae  veteris  ac  modernae  accurata  delineatio, 
Norimbergae  (o.  J.)  und  Veteris  et  modernae  Urbis  Romae  ichnogra- 
phia . .  cura  et  sumtu  Matthaei  Sentteri  (o.  J.  u.  0.)  verzeiehnet  Hr.  M atzat. 


§  3]  ANHANG:   DIE  STADTPLÄNE.  109 

14.  Ton  Gio.  Batt.  NoUi,  Nttova  pianta  di  Roma  in  12 
grossen  Bl.  R.  174S,  mit  beigefugter  Reduktion  in  1  Bl.  und  der 
Reduktion  des  Bufalini  (oben).  '  Maassstab  ungefähr  1 :  3000, 
der  erste  Stadtplan,  der  auf  exakten  Messungen  beruht*.  Von 
den  zahhreichen  Wiederholungen  oder  Bearbeitungen  mit  und 
ohne  Nennung  des  Namens  Nollfs  ist  hier  nur  besonders 
hervorzuheben  ^^) 

15.  Tournon,  Plan  de  detail  de  1a  ville  de  Rome 
leve  sur  Fechelle  de  13  eentimetres  pour  100  m.  (ca»  1:7700), 
1812  in  17  Bl.;  der  Vf.,  Präfekt  während  der  französischen  Okku- 
pation und  Leiter  der  Ausgrabungen  (Forum  des  Trajan 
u.  8.  w.)  und  Verschonerungsarbeiten »  '  will  damit  glauben 
machen,  er  hätte  bei  diesen  Unternehmungen,  über  die  er  in 
einem  mit  dem  Plan  zusammengehörigen  Buch  (Etudes  sta- 
tistiques  sur  Rome  P.  1831,  2  Bde.)  berichtet,  eigene  neue 
Aufnahmen  gemacht,  während  sein  Plan  nichts  anders  als 
eine  noch  dazu  ziemlich  schlechte  Reduktion  des  NoUi  ist'. 

16.  Piranesi's  Plan  in  den  Antich.  romane,  Bd.  1 
1784.  Er  ist  auf  dem  reducirten  Plan  NoUi's  als  Mitarbeiter 
genannt.  ^Sein  Plan  ist  ziemlich  roh,  das  Moderne  ist  nidit 
dargestellt,  dafür  aber  die  antiken  Reste  in  grösserer  Voll«' 
ständigkeit  gegeben\  lieber  den  V^erth  seiner  Angaben 
S.  94  f. 

17.  'Mit  Benutzung  Nolli's  und  Piranesi's,  aber  auch 
eigener  Specialuntersuchungen  an  Ort  und  Stelle*,  arbeitete 
der  Architekt  Antonio  De  Romanis  einen  Stadtplan  aus, 
der  (in  14  BL,  nach  den  Regionen,  von  verschiedenem  Maass- 
stab und  einem  Gesammtplan)  Nibby's  Ausgabe  des  Nardini 
beigegeben  wurde  (oben  A.  29).  'Die  Darstellung  des  Moder- 
nen fehlt  wie  bei  Piranesi,  die  antiken  Reste  sind  in  sorg- 
fältiger, oft  minutiöser  Darstellung  verzeichnet  wie  bei  diesem. 
Auch  auf  das  Terrain  ist  viel  Sorgfalt  verwendet,  doch  ist  es 


^)  Genauigkeit:  vgl.  über  die  aurelianische Mauer  Bd.  2,  j63.  Die 
kgl.  Bibliothek  in  Berlin  besitzt  allein  8  verschiedene  meist  namenlose 
Reproduktionen  in  kleinerem  Format;  allenfalls  zu  nennen  Monaldini 
R.  1827  (1  :  7000). 


1 10  EINLEITUNG. 

ganz  absonderlich  stark  markirt  behandelt.  Die  Quelle  für 
die  Terraindarstellung  ist  meist  Noili,  doch  finden  sich  hin 
und  wieder  kleine  Abweichungen,  welche  Berichtigungen  nach 
der  Autopsie  des  Verfassers  sein  müssen,  da  sie  zu  der  so* 
gleich  zu  erwähnenden  neueren  offiziellen  Quelle  stimmen. 
An  eine  etwaige  Benutzung  dieser  durch  De  Romanis  ist  nicht 
zu  deoken,  weil  er  nicht  überall,  wo  sie  von  NoUi  abweicht, 
auf  ihrer  Seite  steht'.  —  In  veränderter  Gestalt  mehrmals 
wiederholt 

18.  Stier  und  Knapp,  in  dem  Bilderheft  zur  Beschr. 
Roms  (1 :  6600),  'gute  Reduktion  Nollfs  mit  vermehrter  Nomen* 
klatur,  Orientirung  nach  dem  wahren  Norden  und  Randab- 
theilung nach  Minuten  und  Sekunden'. 

Es  folgt  endlich  die  neue  Aufnahme  der  modernen 
Stadt  auf  der  Grundlage  von  Höhenmessungen  (1802)  und 
einer  vollständigen  Triangulation  (1815)  durch  die  Direzione 
del  Censo.  Vor  der  Publikation  derselben  konnten  sie  Ca- 
nina,  Melchiorri  (1832)  und  wahrscheinlich  Trojani  (1835 
und  vor  1842  ?)  benutzen,  die  amtliche  Publikation  erfolgte 
zuerst  1842^°).  Im  Einzelnen  bemerken  wir  über  diese 
Pläne  folgendes: 


^)  \gl.  Posizione  geografica  de'  principali  laoghi  di  Roma  e  de' 
siioi  cootorni,  opuscnlo  di  Antoaio  Conti  e  Giacomo  Rieehebach  pro- 
fessori  ed  astroaomi  del  Collegio  Romaoo.  R.  (Stamp.  de  Romaois) 
1824.  Darin  wird  genaa  auseinandergesetzt,  wie  die  Triangulation  im 
J.  1815  mit  Zugrundelegung  der  Basis  (Strasse  Porta  Angelica)  auf  dem 
rechten  Ufer  ausgeführt  wurde.  Wichtig:  Verzeichniss  der  'elevazione 
di  alcuni  segnali  sul  livello  del  mare'  S.  98  fif.  —  Die  Vf.  sagen  S.  4, 
dass  ihre  Resultate  für  die  Konstruktion  eines  zuverlässigen  Plans  nutz- 
bar seien  und  in  der  That  erwähnt  Canina  in  einer  1833  geschriebe- 
nen Abhandlung  unter  denen,  welche  ihm  bei  Aufnahme  des  Pompejus- 
theaters  halfen,  die  Mitglieder  der  Direzione  del  Censo  march.  Marina 
Becchio  und  den  canonieo  Richebach  (Diss.  deU*  ac.  pont.  di  arch.  18315, 
20).  Damals  also  war  der  Plan  offenbar  schon  entworfen  und  wurde 
von  C.  benutzt.  Näheres  habe  ich  in  Rom  1872  in  dem  Bureau  des 
Census  nicht  ermitteln  können.  —  Die  von  mir  1872  eingesehenen 
Originalblätter,  welche  regelmässig  fortgeführt  werden,  haben  keine 
Terrainzeichnung  j  Maassstab  1  :  1000.    Vgl.  Forma  urbis  S.  17  §  2. 


§3]  ANHANG:   DIE  StAÜTPLANE.  lU 

19.  L.  Canina,  Planta  topografica  di  Roma  antica, 
1832  (zu  seiner  Indicazione,  s.  oben)  und  1850  (mit  Zu- 
sätzen). 1  :  5000.  Das  sehr  roh  behandelte  Terrain  ist  noch 
das  NoUi'sche,  dagegen  weicht  die  Darsteüung  des  Modernen 
in  einer  Menge  von  Spezialitäten  von  Nolli  ab,  obwohl  Ca- 
nina nur  die  Strassen  ohne  detaillirte  Zeichnung  des  Innern 
der  Häuserquartiere  u.  s.  w.  angiebt.  lieber  die  eingetragenen 
antiken  Reste  und  deren  Restauration  s.  oben. 

20.  Melchiorri,  Planta  dl  Roma  ridotta  dalla  Dire- 
zione  del  Censo  con  permesso  di  quel  dicastero,  im  2.  Rde. 
seiner  Guida  metodica  1836.  —  *1  :  15000  (nicht  1500,  wie 
auf  dem  Plan  steht).    Terrain  noch  nach  Nolli  \ 

21.  Fü.  Trojani,  Planta  dl  Roma  R.  1835  (1 :  20000), 
^sehr  fein  gestochen,  im  Terrain  nach  Nolli \  und  desselben 
Planta  topografica  di  Roma  verlegt  von  Cuccionl  (o.  Jahr, 
unter  Benedict  XVI. ,  1  :  5000).  'Dieser  Plan  ist  zuerst 
auch  im  Terrain  entschieden  unabhängig  von  Nolli;  wahr- 
scheinlich hat  die  Dir.  del  Censo  bis  1832,  wo  Canina 
ihre  Originalaufnahme  benutzte,  das  Terrain  noch  gar  nicht 
verzeichnet  gehabt  und  erst  später  aufnehmen  lassen.  Auch 
im  Modernen  ist  hier  zuerst  die  neue  Quelle  ganz  ausge- 
beutet'. 

22.  Die  amtliche  Publikation  führt  den  Titel  Planta 
topografica  della  Direzione  generale  del  Censo  (1:4000), 
in  4  BL,  1842,  zweite  fortgeführte  und  berichtigte  Ausgabe 
(ebenso)  1866.  'Das  Terrain  auf  diesem  Plan  ist  ziemlich 
hölzern  behandelt  und  nur  bei  bedeutender  Reduktion  aus 
ihm  entlehnbar;  das  Moderne,  weit  spezieller  als  bei  Nolli, 
zeigt  in  den  Details  massenhafte  Abweichungen  von  diesem, 
die  sich  theils  durc&  grössere  Exaktheit  der  Aufliahme,  theils 
durch  zahlreiche  im  Lauf  der  Zeit  eingetretene  wirkliche  Ver- 
änderungen erklären.  Für  grössere  Entfernungen  dagegen 
die  kreuz  und  quer  darauf  gemessen  worden  sind,  ergeben 
die  beiden  Pläne  eine  recht  befriedigende  Uebereinstimmung^ 
die  Im  Allgemeinen  Vertrauen  zu  beiden  Aufnahmen  erweckt 
nur   dass  eben  die   NolU'sche   von   geringerer  Exaktheit  im 


112  EINLEITUNG. 

Detail  ist'.     Von  den  alten  Resten  ist  in  der  ersten  Ausgabe 

—  dem  Zweck  des  Plans  gemäss  —  nur  das  Wichtigere  ein- 
getragen; 'die  Zusätze  der  zweiten  sind  meist  unbrauchbar': 
z.  B.  'sind  die  Ausgrabungen  Rosa's  auf  dem  Palatin  nach 
der  photograpbiscben  Reduktion  seiner  Originalausgabe  (Plan 
des  fouilles  du«  Palais  des  Cesars  R.  Juin  1866)  zwar  hinzu- 
gefügt, aber  falsch  eingesetzt'*  —  Die  Originalauf  nähme 
(1 :  1000  s.  A*  60)  ist  in  diesen  Publikationen  in  einer  im 
Ganzen  genauen  und  sorgfältigen  Reduktion  wiedergegeben, 
wie  mich  namentlich  Lanciani  nach  eigener  Untersuchung 
versichert  (1876). 

23.  Auf  dieser  Grundlage  beruhen  ferner  die  späteren 
Publikationen  Ganina's,  besonders  der  grosse  Plan  der 
Parte  media  di  Roma  antica  (1 :  1000)  in  15  Bl.,  in  seinen 
Ediflzi  Bd.  2,  1848  (s.  oben).  Einzelne  Theile  des  Plans 
sind  älter,  z.  B.  die  Darstellung  des  Capitols  und  Forums 
(=:=:  Diss.  deir  ac  pontif.  di  arch.'  8,  1835,  T.  IV)  und  des 
Pompejustheaters  (das.  6  zu  S.  178).  Ebenso  der  von  Rosa 
ausgeführte  Plan  der  Via  Appia  Mon.  deir  inst.  5  (1853), 
T.  57. 

Trotz  des  grossen  Maassstabs  ist  der  erstgenannte  Plan 

—  abgesehen  von  der  Nachlässigkeit  des  Stichs  —  voll  von 
Willkürlichkeiten  und  Ungenauigkeiten,  die  Behandlung  des 
Terrains  roh,  die  Benutzung  des  Censusplans  durchweg  un- 
zuverlässig. Auf  dem  zweitgenannten  ist  die  ursprünglich 
richtige,  später  falsch  corrigirte  Zeichnung  der  aureiianischen 
Mauer  noch  deutlich  erkennbar.  —  Sehr  mit  Unrecht  sind 
daher  Spezialpläne  z.  B.  des  Forums  in  neuester  Zeit  fast 
ausschliesslich  aus  Canina  wiederholt  und  ausgezeichnete  ältere 
Originalaufnahmen,  von  denen  seiner  Zeit  die  Rede  sein  wird, 
ignorirt  worden» 

Die  neuesten  Pläne,  soweit  sie  bisher  untersucht 
worden  sind,  gehen  noch  immer  auf  Nolli  zurück,  vielleicht 
mit  einziger  Ausnahme  des  zu  Foumier's  *Rom  und  die  Cam- 
pagne'  gehörigen  (L.  1862.  1865),  welcher  den  Censusplan 
zur  Grundlage  hat    Dies  gilt  namentlich  von  dem  schönen 


§3.]  ANHANG:  DIE  STADTPLÄNE.  113 

Stich  Letarouiliy's ,  Plan  top.  de  Rome  moderne,  P.  1841, 
dem  zwar  elegaat  aussehenden,  aber  Uederliobea  Fomari's, 
Pianta  della  citta  di  Roma,  R.  1864,  1868,  der  nidit  efnmal 
direkt  aus  Nolli,  sondern  aus  Tonrnon  (oben  15)  entlehnt 
ist  und  den  wiederum  auf  Fornari  beruhenden  Plänen  zu 
Reber's  'Ruinen',  L.  1862,  und  zu  Bädeker's  Rom  und 
Mittelitalien  (1866),  .  weicher  letztere  H.  Kiepert»  Namen 
trägt  Unter  den  Planen,  welche  die  grossen  Veränderungen 
und  Ausgrabungen  seit  1870  ivenigstens  oberflächlich  dar* 
stellen,  verdient  der  bei  Löscher  1876  erschienene  (yon  Carlo 
M»re)  eine  Erwähnung. 

Die  zahlreichen  zu  Lehrzwecken  entworfenen  DarsteK 
lungen  der  alten  Stadt  übergehen  wir.  Ihre  Grundlage  bil^ 
den,  mehr  oder  weniger  flöchtig  benutzt,  die  bn^er  erörterten 
Pläne,  ihre  grösser^  oder  geringere*  Brauchbarkeit  hängt  von 
den  zur  Darstellung  kommenden  topographischen  Ansichteil 
ab.  Nur  der  Plan  Becker's  und  die  Plane  der  alten  und 
mittelalterlichen  Stadt  von  H.  Kiepert  mögen  genannt  weitlea 

Nach  dem  bisher  Dargelegten  ist  der  ^npfindlichste 
Mangel  in  dem  benutzbaren  Kartenmaterial  der  einer  den 
neueren  Anforderungen  entsprechenden,  die  Höhenverhältnisse 
zuverlässig  darstellenden  TeiTainzeichilung,  welche  nicht,  wie 
das  gewöhnlich  geschieht,  mit  der  Linie  der  aurelianischen 
Stadtmauer  abschliessen  durfte.  Und  doch  giebt  es  zwei 
trefl'liche  Hilfsmittel,  welche  nur  von  der  alten  Topographie 
verschmäht  worden  sind:  die  Carta  top.  di  Roma  e  dei  suoi 
contomi  von  unserem  Moltke  (1845;  1:25000)  und  der 
Plan  de  Rome  et  des  environs  ä  Fechelle  de  1  pour  20000 
(links  in  der  Ecke:)  leve  par  les  officiers  de  TEtat  Major 
et  publie  au  Depot  de  la  Guerre  en  1856  revu  en  1868. 
Namentlich  letzterer  gestattet  durch  eine  Reihe  von  Höhen- 
angaben  eine  theilweise  Darstellung  der  Hügel  in  Isohypsen 
und  muss  solange  aushelfen,  bis  die  zu  erwartende  Aufnahme 
des  italienischen  Generalstabs  erschienen  sein  wird. 

Indessen  ist  namentlich  für  die  inneren  Stadttheile  auch 
damit  noch  nicht  viel  gewonnen.     Um   das   alte   Terrain, 

Jordan,  rOmisohe  Topographie.    I.    1.  o 


1 14  EINLEITUNG. 

welches  von  einer  ungefähr  zwischen  1  und  10  Metern  Mäch- 
tigkeit schwankenden  Sdrattmasse  bedeckt  ist,  einigermaßen 
zur  Ansohaoung  zu  bringen,  bedürfte  es  einer  systematischen 
Verwendung  der  zahllosen  Angaben  über  Ausgrabungen,  des 
amtlichen  Materials  über  die  in  Betrieb  handlichen  Wasser- 
werke, Strassenbauten  u.  s.  w.  zum  Zwecke  der  Herstelhing 
ivon  Terrainprofilen  und  Durchschnitten. 

Diese  Aufgabe  zu  lösen,  wird  nur  den  römischen  Ge- 
lehrten möglich  sein.  Wir  dürfen  hoffen,  dass  auch  sie  yon 
R.  Lanciani  in  Betracht  gezogcm  werden  wird.  Einstweilen 
ist  derselbe  seit  Jahren  mit  der  Eintragung  aller  neu^en 
Entdeckungen  in  einen  vergrösserten  Censusplan  beschäftigt 
und  hat  tob  dieser  die  Terratndarstellung  zunächst  aos- 
sohliessende  Arbeit  berehs  yiel versprechende  Proben  gegeben  ^^). 

Es  ergiebt  sich  aus  dieser  Uebersicht  von  selbst,  wes- 
halb in  vorliegender  Arbeit  alle  Angaben  über  Entfernungen, 
alle  Vei^leichungen  der  heutigen  mit  der  alten  Stadt,  wo 
nicht  besondere  Umstände  es  anders  verlangten,  durchgängig 
dem  amtlichen  Censusplan  entnommen,  alle  abgeleiteten 
Quellen  unberücksichtigt  geblieben  sind ;  es  eiigaben  sich  au8 
der  Untersuchung  Herrn  Matzat  die  Regeln,  welche  ihn  bei 
Anfertigung  der  beizugebenden  Ueb^sicktsplane  leiten  mussten. 


^^)  S.  LanciaDi's  BericLt  in  den  Atti  dell'  ac.  dei  Lincei  18.  Juni 
1976.    Abschnitte  des  Plans  im  Bnllettino  municipale. 


ERSTER  THEIL. 


8* 


•       •       # 


§  1. 

LAGE,  BODEN,  KLIMA: 

f  • 

t 

Die  'sieben  HügeT  Roms  «Theben  sieh  wie  die  Bui^- 
hügel  von  FMenä,  Antemna,  Ardea  und  anderer  alter  An-- 
siedeiungea  in  mSssiger  Höhe  aus  einer  weltenförmigen  Tom 
Tiber  und  seinen  ZvMssön  durchschnittenen  Eb(»ie)  welche 
in  ihrer  Breite  von  dem  Fusse  der  Apcinninen  bis  zum 
tyrrhenisofaen  Meere,  etwa  30  r.  Migiien  im  Mittel,  in  ihrer 
Länge  von  TeorFaema  -^  wo  das  Völskergebirge  Ins  ins  Meer 
vors{Hringend  sie  absdiliesst  ^->  bis  zu  den  nördlich  ober 
Givita  tecchia  gleichfalls,  wenn  auch  weniger  scharf  Grenze 
bildenden  Höhen,  w^enig  mehr  als  100  Migiien  ifiisst.  Diese 
ganze  Ebene > verdankt,  wk  die  heutige  Geologie  annimmt M» 
ihre  Ekitstehui^  einer  verhältnissmässig  jungen  valkaniscfaeri 
Hebung:   ursprungtieh  submarin,  tauchte  sie  zu  den  Pfissen 


^)  Gniii<|lcigende  AcbeH:  Bracehi  Qrilo  stato  fisico  del  stola  di  R^ni« 
R.  1820  (vgl.  B^schr.  1,  45  ff.);  die  obife  Darstelloag  mas^ite  sich  (zun 
Theil  wörtlich)  den  AnsfübruDgen  des  unter  den  jetzt  lebenden  ge- 
Btusten  Kenners  der  "latinischen  Geologie,  Ponzi,  anschliessen:  s. 
hauptsächlich  Sallo  stato  fisico  del  suolo  di  Roma,  Giorn.  Are.  1858 
Bd.  155  »9  IVS.  S.  28  ff.;  S^rU  naturale  del  Lazio,  das.  Bd.  158 
>B  12,  104  ff.  (diese  u.  a.  Arbeiten  beurtfaeilt  azd  ergaazi  vmi  Ratfa, 
Zs.  der  deutschen  geol.  Ges.  1866,  487  ff.);  Storia  £si^ca  dell'  italia 
centrale,  Atti  della  reale  acad.  dei  Lincei  1870/71  Bd.  24,  191  ff., 
Dci  monti  Mario  e  Vaticano,  das.  1874/75  JNS.  Bd.  2,  545 ff.  — 
öeber  M.  De  Rossi's  Arbeiten  A.  2.  4.:  die  fibrigen  (Fr.  degli  Abbati, 
iel  soolo  fisico  di  Roaia,  Cosenza  1864,  kenne  ich  nicht)  scheinen  voz 
PoBzi  mehr  oder  weniger  abhängig  zu  sein:  auch  P.  Mantovani,  in  dem 
ZOT  Orientimng  brauchbaren  Buch  Desorizione  della  campagna  romana, 
R.  (Löscher)  1876. 


118  THEILI. 

des  Kalksteingebirges  der  Apenninen  auf,  in  ihren  oberen 
Schichten  bestehend  aus  vulkanischem  Tuf,  wellenförmig»  wie 
sie  heut  dem  Blick  erscheint;  nur  wenige  Steilen  ragten 
über  der  durchschnittlich  gleichmässigen  Fläche  um  kaum 
100  Fuss  kuppenförmig  hervor.  Durch  diese  lockerge- 
schichtete Masse  mussten  die  aus  dem  Apennin  hervorbre- 
chenden Wasser,  über  welche  wir  unten  genauer  zu  berichten 
haben,  sich  den  Weg  zu  der  neuen  Meeresgrenze  suchen. 
Sie  schnitten  ihr  Bett  wenig  tief  eia  und  lagerten  an  den 
Uferwänden  die  Gebilde  ab,  welche  sie  aus  ihrem  Ursprungs- 
gebiete  mit  sieh  gebracht  hatten.  -^  In  einer  weiteren 
EiiOche  schufen  die  vulkanischen  Kräfte,  gegen  die  Södgrense 
jener  Ebene  hin,  die  Tufschicht  dorchbrechend  eifte;n  mäch- 
tigen Krater,  dessen  Ränder  jetat  den  äussern  Riag  des 
Albanergehirges  bilden.  'Erst  taach  dem  Zuräcktreten  des 
pliobenischen  Meeres  entiändete  sich  der  laltinische  Yidkaii, 
welcher  ausserhalb  der  Meeresfluth  brannte  und  seine  ganz^ 
Bildung  in  der  atmosphärischen  Luft  Vollzog.  Wahrend  d^ 
erste  feuerspeiende  Kegel  wuchs,  ergossen  sich  die  Quater- 
narwasser  und  durchsetzten  in  ihrem  hohen  Niv^iu  u^iit  den 
Abspülungen  der  Berge  die  von  dem  Vulkan  ausgeworfenen 
Massen.  Diese  erste  Periode  des  iatinisohen  Vulkmismus 
bildete  den  Ring  der  Berge  von  Tuseulom,  Rocca  Priora, 
des  Algidus,  der  Hügel  von  Genzano,  Ariccia,  Albano,  Marino 
und  Grottaferrata'  ^).  Innerhalb  dieses  Kessels  bildete  sich  in 
einer  zweiten  Periode  ein  neuer  Krater,  der  Monte  Cavi  (954  oi. 
über  dem  Meere),  in  einer  dritten  eine  kraterartige  Einsenkung, 
der  jetzige  Albanersee  (Spiegel  285  m.  ü.  d.  M.,  Tiefe  unge^ 
fähr  150).  Zeugen  dieser  vulkanisdien  Thätigkeit  sind  ausser 
der  der  Bildung  des  Vesuvs  homogenen  Kraterbildung  die 
vulkanischen  Ablagerungen  und  Auswurfe,  und  zwar  aus  der 
ersten  Periode  des  sogenannten  Sperone,  welcher  die  Haupt- 
masse des  nordöstlichen  äusseren  Ringes,  besonders  der 
Tuskulaner  Berge,    bildet,  aus  der  zweiten  und  dritten  (?) 

>)  So  M.  St.  De  Rosfti,  Am.  d«U'  inst.  1867,  20,  «of  wekliea  «ndlt 
Ponzi  Atti  1874/75  Bezug  Diuimt. 


§  J.]  LAGE,  BOJMSNi  KLIMA.  119 

fks  Peperino,  bei  dessen  Entstekuiig,  wie  man  anniinmt, 
die  gewaltigen  vulkanischen  Regengüsse  luitwirkte&t  und 
welcher  den  wetüichen  und  südivestlichen  Theil  des  Gebirges 
bildet.  Die  urspröngliohe  Ausdehiktiiig  :die8flr  dem  ktinischen 
Vulkan  ent&taniBiendeti  Gebilde  ist  nach  nicht  nit  Sieberheit 
XU  bestimmen.  Für  den  Pcqiorin  nimmt  man  einen  Kreis 
mit  dem  Radius  von.  7  Miglien  an,  für  dtn  Sftenone  eine 
noch  geringere  Verbreitusg.  Indessen  haben  sieh  neuerdings 
in  nachstet  Nahe  von  Rom  Ablagerungen  einer  dem  Operone 
ganz  ähnlichen  Masse  über  dem  Tuf  gdunden  Ceappellaccio' 
s.  Einl.  §  1  A.  6).  Endlich  kennt  man  zwei  Ströme  fester 
Lava,  welche  in  südwestlicher  Richtung  bis  in  die  Nähe 
Roms  noch  jetzt  verfolgt  werden  können:  sie  endigen  dei* 
eine  beim  Grabmal  der  Cäcilia  Metella ,  der  dmkä^e  südlicher 
in  der  Nähe  der  via  Ardeatina  4  Miglien  Vor  porta  S.  Paolo  ^). 
Wir  haben  bereits  gesehen  (Einl.  §  1  S.  5),  dass  das  rer 
publikanische  Rom  sich  des  Sperpne  un4  .Peperino  zu  seinen 
öffentlichen  Bauten  etwa  bis  in  die  Zeit  der.  Zersiöruug  von 
Karthago  und  Korinth  neben  den  submarinen  Tufgebilden 
seiner  nächsten  Umgebung  bediente  —  erst  nach  dieser  Zeit 
suchte  und  fand  man  in  den  Travertinablagerungen  an  der 
Grenze  des  vulkanischen  Gebiets  ein  schöneres  und  besseres 
Material  —  und  dass  es  aus  den  mächtigen  Lavasteinen  seine 
Strassen  gebaut  hat. 

Sind  über  die  Folge  der  Hauptepochen  der  Bildung  des 
römischen  Bodens  die  Geologen  einig,  so  sind  sie  es  nicht 
über  die  absolute  Zeitbestimmung  des  Aufbörens  der  Eruptio- 
nen des  latinischen  Vulkans^).     Und  gerade  diese  wäre  für 


*)  Hierüber  gceaB  Tom  Rath  a.  O.  S.  533. 

*)  CoDtroverse  zwischen  Ponii  ud^M.  De  Hossi^  besonders  lebhaft 
verhaDdelt  in  dan  Sitonngpen  das  lasfitut«  vom  J.  1871  (sw  Bull.  deU'  i. 
1871  8.  34—^);  dan  de«  letzteren  Utttersuchaasen  über  die  palä- 
«tnologischen  Fnnde  von  Latiu»  besonders  unter  dem  Peperin  des 
Albaoerbarses,  primo  rapporto:  Ana.  d.  i.  1867,  5  ff.  aecando:  tviorn» 
•rc.  1866  Bd.  203  »  68  JHS.  S.  06 ff.,  terzo:  Corriapondeaza  >scien^ 
tIAca  diRoflu,  Dee.  1870  (mir  anmgänglidi),  quarto:  Ann.  1871,  239  ff. 
De  Rossi  verftdkt   die  Fortdauer   von  Eruptionen  in  bisCorisoher  Zeit 


120  THBIL  l. 

/ 

uns  von  grosser  Wichtigkeit,  denn  es  knüpft  sich  daran 
die  Fri^,  ob  auch  auf  dem  Boden  der  Stadt  Rom  noch 
in  historischer  Zeit  vulkanische  Erscheinungen  beobachtet 
worden  sind.  Schwerlich  darf,  wie  neuerdings  geschehen  ist, 
der  Stein-  und  Erdregen,  welcher  in  der  ZdA  zwischen  dem 
zweiten  und  dritten  panischen  Kriege  auf  dem  Alhanergebirge 
und  in  Rom  (aber  auch  anderwärts , .  wie  z.  B.  im  Picener- 
lande)  beobachtet  und  als  Prod^inm  proeurirt  wird,  als 
histortsches  Zeugniss  für  Eruptionen  eines  Kraters  des  Albaner- 
berges  gelten  ^).   Dagegen  wurde  es  von  entscheidender  Wich- 

gegen  Poozi.  Aber  wie  es  mit  seiaeo  historischen  Beweisen  steht,  er- 
giebt  sich  allein  schon  daraus,  dass  er  in  der  weiter  unten  a.  Abhand- 
lang über  den  Tiber  init  der  Epoche  der  Landang  des  Aeneas  als  mit 
einer  unverdächligen  Ci rosse  rechnet.  Was  die  geologisdie  Beweis* 
f üb  rang  anlangt,  so  glauben  wiir  ohne  Gefahr  Ponzi  folgern ,  zu  köanea. 
^)  Die  oft  aufgeworfene  Frage  bat  zuletzt  M.  de  fiossi  Bull,  dell'  i. 
1871,  50  ff.  (vgl.  S.  96)  in  dem  oben  angedeuteten  Sinne  beantwortet. 
Sie  muss  hier,  wenigstens  zur  Sicherung  der  Thatsachen,  genauer  be- 
handelt werden.  Der  Steinregen  (technisch  lapide,  lapidüms  pluä,  nidit 
Utpidan ;  auch  lapiäeo  imbri  phtä  30,  38,  9  und  gar  imbri  Utpidaoü  43, 
13,  4)  findet  sieb  in  den  Büchern  21 — 45  des  Livius^  also  in  eioera  Zeit- 
raum von  50  Jahren,  als  Prodigium  verzeichnet  im  Albanergebirge: 
zu  Aricia  22,  36,  7.  35,  9,  4  zu  Lanuvium  23,  31,  15.  35,  9,  4  (stre- 
paus  daselbst  beim  T.  der  Juno  31,  12  vgl.  29,  14,  4);  endlich  in 
j4lhano  nwnte  biduum  contmenter  26,  7,  7;  in  Rom:  auf  dem  Aveatin 
(wo  die  Kakushöhle:  A.  10)  22,  36,  7.  35,  9,  4.  38,  36,  4;  auf  der  Seite 
ge^a  den  Gircus  {in  armäustro)  27,  37,  4;  auf  dem  Palatin  30,  38,  9; 
in  agro  romano  44y  18,  6;  in  anderen  italischen  Gegenden  (diese 
Stellen  lasst  De  Rossi  fort):  m  Piceno  21, 62, 6  CumisSO,  38,  9  (gleichzeitig 
Erdversenknngen  in  Velietri);  Terraeinae  et  Jmitemi  37,  37,  3;  Reate 
43,  13,  4  in  agro  FeientiAi,  18,  6.  Diese  Stellen  sollen  also  BrnptieiieA 
des  Monte  Cavi  zwischen  536  und  586  beweisen?  Natürlich  findet  sieh 
in  der  Königszeit  das  vorbildliche  Beispiel  für  dies  prodigium  and  seine 
Procuration:  1,  37,  und  eine  Wiederholung  desselben  nach  der  Grün- 
dung des  T.  der  Jano  Moneta,  p,  Hmüe  wtusto  manUs  jifbam  predigi»  (I) 
7,  28,  1,  sonst  aber  in  der  ersten  Dekade  kein  anderes.  Aos  der 
zweiten  Dekade  hat  Zooaras  (aus  Dio)  8,  12  ein  soldies  z.  J.  d.  Si. 
497  erhalten  (in  Rom,  auf  dem  Albanerberge  und  anderwärts).  Daza 
kommt  nnn:  Erdregen  {terra  pluü;  zu  Rom?  aUquoties)  34,  45,  6;  zu 
Amiternum  35,  21,  3;  zu  Aazimom  42,  20,  5;  Blutregen  {s€tnguifi€ 
p.)  zu  Rom  auf  dem  forum  boarium  24,  40^  7,   aaf  der  area  Vulcani 


{  1]  LAGE,  HODEN,  KLIMA.  121 

tigkeit  sein,  wenn  die  Nachrichten  sieh  als  zuverlässig  her 
währteo,  dass  unter  und  in  der  obersten  Peperinschicht  in 
der  Nähe  von  Albano  und  Ariocia,  wie  alte  Grabstatten  nebst 
rohen  Th<mgeOissen  so  eiaige  Eiemplare  der  römischen 
Libraiasse  sich  gefunden  haben  ^).  Denn  wenn  mit  Mommsen 
die  Einfuhrung  dieser  Münze  in  die  Zeit  der  Decemvirn  m 
setzen  ist  (viel  früher  aber  kami  sie  schwerlich  angenommen 
Verden^),  so  würden  die  letztes  Aschenregen  aus  einem  der 
albanischen  Krater  nach  dieser  Zeit  anzunehmen  sein:  die 
Akten  sind  über  diese  Frage  noch  nicht  geschlossen.  Wäre 
dem  so,  so  würde  immerhin,  was  audi  dagegen  gesagt  wor- 
den ist,  das  völlige  Schweigen  der  (Jeberlieferung  über  ein 
solches  Ereipiiss  (wir  rechnen,  wie  gesagt,  den  Stein-  und 
Erdregen  nicht  hierher)  kaum  verstandlich  sein,  noch  auf* 
fallender,  dass,  wenn  his  in  die  erwähnte  Epoche  wiederholte 
Ausbrüche  stattgefunden  hätten,  weder  von  einer  Zerstörung 
irgend  einer  der  zahlreichen  Städte  und  Ortschaften  im  Ge- 
biet des  älbanisdien  Vulkans  jemals  die  Rede  ist,  noch  in 
den  Religionsvorstellungen  und  Gebräuchen,  soviel  wir  sehen 


(Concordiae)  39,  46,  5.  56,  6.  40,  19^  2  —  wie  später  anf  dem  co- 
Butiam  oBd  der  Graecostasis,  d.  h.  ebenda.  Obs.  24.  37.  31  — ;  za 
Gdes  24,  40,  7;  zu  Satarnia  42,  20,  5;  MilchregeD  (lade  p.)  zn  Pri* 
▼enutm  27,  11,  5,  später  auf  dem  eoraitiom  Obs.  43.  —  Es  ist  öbri- 
Seas  leieht  zu  sekea,  das»  in  der  ganzen  ersten  Dekade  absesdien  von 
so  angeBrällis  juagev  Efflndansen  wie  1,  37.  7,  28  eigeiiüiehe  pro- 
ügia  wie  sie  in  der  3. — 5.  Dekade  aas  gleieh^eitigen  Aufzeicbnon- 
gea  überliefert  s)ad,  nicht  vorkoaunen.  Vgl.  fiinl.  §  2  A.  3  und 
oalea  A.  46. 

*)  Dies  veraalasste  die  A.  4.  angegebene  Ceatroverse.  Den  ge- 
aaaesten  Bericht  über  die  einzelnen  Funde  (von  1819, 1848, 1865. 1868 
aas  der  Gegend  von  Albano,  Ariocia,  Genzano,  Givita  Lavigna)  steht 
bei  De  Rossi  Ann.  1871,  260  ff.  Die  Aussagen  sind  unverdächtig,  die 
allgemeia  gehaltenen  Zweifel  Ceseilis  Bull.  S.  46  unberechtigt:  freilich 
aber  ist  weder  De  Rossi  noch  sonst  ein  Geologe  Augenzeuge  gewesen. 

^)  Mommsen  Müazw.  S.  174ff.  Dass  die  Münztypen  der  Librai- 
asse aus  hunsthi^orischen  Gründen  nicht  höher  als  in  das  Bnde  des 
&  Jahrh.  v.  Chr.  gerückt  werden  können,  hob  fielbig  Bull.  a.  0.  S.  38  f. 
hervor. 


122  THEIL  L 

können,  die  rttlkanisehen  Mächte  sich  verkörpert  haben,  wie 
dies  in  anderen  Gegenden,  in  denen  die  Vulkane  noch  thätig 
waren,  der  Fall  gewesen  ist*).  —  Indessen,  wenn  auch 
Eruptionen  nicht  mehr  stattgefiinden  haben,  so  können  doch 
andere  vulkanische  Enscheinungen ,  Wie  Erderschütteningen, 
Hervorbrechen  heisser  und  schwefelhaltiger  Qndlen,  plötdiche 
Versenkungen  und  Spaltungen  des  Erdbodens  fortgedauert 
haben,  wie  solche  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  in  der  Nähe 
der  Stadt  vorgekommen  sind*).  Unleugbare  Beweise  liefert 
dafür  die  Geschichte  aller  Jahrhunderte,  namentlich  für  die 
Erderschuttemngen.  Auch  mögen  auf  vulkanische  Kräfte  mit 
Recht  gedeutet  werden:  der  dampfende  Schlund  des  Teren- 
tum  auf  dem  Marsfelde  (nahe  dem  Fhiss),  der  feuerspeiende 
Cacus  in  der  Höhle  am  Aventin,  auf  dem  römischen  Forum 
die  plötzlich  entstandene  Erdspalte,  in  welche  Curtius  sich 
hineinstürzt;  die  heisseri  Quellen,  die  aquae  lautuloBy  in  der 
Tiefe  der  Subura  nahe  dem  Fofum,  welche  noch  in  histo- 
rischer Zeit  vorhanden  waren  ^%  Aber  noch  einmal  ist  hier  her- 


^)  So  auf  deu  grriechischen  Inseln  und  in  Grossgriecbenland.  Der 
italische  Vuhanus  und  das  Fest  der  Folcanalia  haben  nichts  mit  den 
'vulkanischen  Kräften'  zu  than.     Vgl.  die  f.  A. 

*)  S.  Ponzi  Sulla  ernzione  solforosa  u.  s.  w.  in  den  Atti  deU*  ae.  p«Bt. 
dei  noovi  Lineei  1857  (welche  Schrift  ich  nnr  ans  den  Referat  von  Ratfas 
a.  0.  S.  507  IT.  kenne).  Am  Südabhange  des  Sorakte  stürzte  unter  Bädh« 
tigpeu  DetonatioBen,  Emporschleodera  von  £rd-  und  Wassermasaen  und 
Schwefeldunst  ein  bedeutendes  Stück  des  Bodens  ia  die  Tiefe,  also  fthn- 
Hob  wie  die  Prodigien  von  Velletri  beriditen  (v.  J.  552  Liv.  30,  38,  9):  in 
VeUlemo  agro  terra  ingentibus  eaoemis  consedit  srboretquein  j^rojkn^ 
dum  kaustae  nnd  (556  L.  32,  9,  3):  terra  Fdäris  triam  iufferum  spatio 
cavema  ingenti  desederat,  Wohl  zu  beachten  ist  dass  die  Annahme 
der  locus  Curtius  sei  im  J.  392  durch  eine  ähnliehe  VeraolassiiDg'  ant- 
standen  von  Livius  selbst  als  eine  Hypothese  bezeichnet  wird  (7,  6  vgl. 
Tb.  IL). 

i<^)  Beispiele  für  Erdbeben  Liv.  34,  55.  35,  40  Obsequent  68  (12S); 
Annalen  v.  J.  443  p.  C.  (Mommsen  Chrooogr.  S.  665);  im  Mittelalter  1349 
(Fea  Bovine  364)  u.  s.  w.  —  Heisse  Quellen:  Claasen  Aeneaa  S.  771  f. 
lieber  das  solum  fumans  des  terentnm,  die  Cacushlfhle  am  Aventin  (aaf 
dem  Aventin  regnet  es  Steine:  oben  A.  5)  and  den  lamu  Curtius  s.  Mars- 
feld, Aventin,  Forum.    Mefitis  (auf  dem  Cespius,  Fest.  351,  d.  h.  bei 


§  1.]  LAGE,  BOMEBN,  KLIMA.  123 

vorznheben,  dass,  während  der  Kultus  der  QueU-  und  Wald-^ 
gött«r  auf  dem  rdmi^chen  Boden  «in  sehr<  verleiteter  iet, 
vulkaniaehe  Micihte,  Feste  oder  Subnungen  zu  deren  9e-* 
steftigung  nicht  2um  Yorschem  kommen. 

EntedieideBd  und  «maassgebend  für  die  Gestaltung  des 
Bodens  wie  der  Knlturentwickelang  der  alten  Stadt  ist  der 
Strom  mit  den  ia  ihrem  Bleich  einfaßenden  Zuflössen.  Wie 
die  Stedt  ihn  sich  durch  Kunstbauten  aUmflhlich  dienstbar 
2u  machen  gewusst'^hat,  wird  später  gezeigt  werden:  hier 
haben  wir  es  mit  seiner  ursprünglichen  Naturgewalt  zu 
thun^^)-  —  Der  ^Bergstrom'  —  das  ist  wahrscheinlich 
die  Bedeiitttog  des  Namens  dieses  Stroms,  Tiberis^^)  —  iritt 
in  der  NShe  ton  OrHelo  aus  dem  Felsengebieit  der  Apenninen 

hervor,  nimmt  seiftai  Weg  längs  dclr  Grenze  der  vulkanischen 

— i.iiii   I 

S.  Padenziaoa,  s.  Th.  II,  Esquilio)  wird  wie  bakanot  an  zaklreichea 
Orten  Italiens,  wo  sich  Schwefelquellen  finden  verehrt  (Preller  Myth. 
522  f.).  Mit  der  Febris  hat  sie  "nichts  in  tSinn:  unten  S.  143  ff.  —  (Jeher 
die  aqtuut  htuMae  einstweilen  melee  Bemerktini^ett  Hermes  4,  233  und 
M.  Be  AoMi  In  Visomitis  ond  Laaoianis  PldatiBo  6.  iO. 

^1)  Bie  älteren  Schriften  über  den  Tiber  verseiehnet  PreUer  'Rom 
und  der  Tiber',  Abh.  d.  säehs.  G.  d.  W.  1^48,  131  ff.  1849>  134  ff. 
Fnndamentalwerke :  Tonini,  11  Tevere  incatenato  R.  1668  (darin  ein 
Verzeicbniss  der  Ueberschwemmungen)  und  Gamberini  und  Chiesa,  Delle 
Mgioai  e  de'  #emedj  dell«  inondaziont  del  Tevere  n.  s.  w.  Fi.  1746. 
Uebersiefat  den 'neuesten  I^ltterator  im  Boonaretti  1^71.  Uueire  Dar^ 
Stellung  fosst  besonders  auf  Ponzi,  Storia  (seelogiisa  del  Tevere«  in 
Giorn.  arc.  1859  Bd.  164  c^  NS.  18,  129 ff.;  Aubert,  Roma  e  I'inon- 
dazione  de!  Tevere,  das.  1868  6d.  211  :=  NS.  66  S.  142 ff.  und  die 
Benrtheilnng  dieser  Schrift  von  M.  de  Rossi  !n  den  Atti  dell'ac.  pont. 
dei  nuofvi  Linced  13.  Aog.  19T1  (Se^ratabsivg). 

*')  Daae  Tühians  wie  Tib-ur  eineraeits  (trotz  der  verschiedenen 
Quantität),  Tif^rnum  und  Tif-ata  andererseits  mit  dem  von  Varro 
(de  re  r.  3,  1 6)  bezeugten  sabinischen  Ortsnamen  Tebae  zusammenhängen, 
ist  sehr  wahrscheinlich :  nicht  so  zweifellos  dagegen  wie  Corssen  (Krit. 
Naehtr.  201  f.  Ansspr.  1^  162)  annimmt,  dass  Varros  Erklärung  tebae=^ 
coäes  daa  riehlige  triHt.  Die  Herleitndg  von  dem  etmskisehen  Kirnig^ 
Tkebarü,  dem  aieiUsdren  Tybris,  und  dem  KSbige  Tiherinus  (s.  beson- 
ders Varro  1.  1.  5,  30  Serv.  Aen.  8,  332), können  hier  enf  sich  be- 
ruhen. Das  hohe  Alter  des  Namens  steht  fest:  er  kam  in  den  Augnral- 
büchern  vor  (Cic.  de  mt.  d.  3,  20). 


124  THEIL  L 

Ebene  und   wendet  sich  in  der  NShe  des  Soracte  südwärts, 
um   in    einem  Lauf  von  nngefShr   30  Miglien   dasselbe   zu 
durchschneiden.     Schon  in  seinem  oberen  Lauf  durch  zahi^ 
reiche  Zuflüsse,  besonders  den  aus  den  toskanischctn  Bei^fen 
herabkomraenden  Flüssen  Clanis  und»  Pallia  verstirkt,  nioimt 
er  auch  in  der  Ebene  deren  mehre,   rechts  besonders  die 
Cremerar   links   die  AUia   und   den  Anio,   im   Gebtete    dier 
Stadt  selbst  einige  kleinere  auf  den  Hohen  des  AQiaaerge* 
hirges  entspringende  Bäche  auf  (s.  unten).    Er  windet  sich 
jetzt   in   fortwährender  Schlangenlinie  durch  ein   im    ACttel 
etwa  1^^  Miglien  breites  Thal,  dessen  meist  schroff,  oft  senk* 
recht  abfallende  Ränder  sich  in  ziemlich  geradoi  LinieD   in 
einer  Durcbsdinittshdhe  von  etwa  30  Metern  über  dem  heu* 
tigen  Flussspieget   hinziehen.    Erheblich  erweitert   sich    das 
Thal  erst  (bis  zu  6  und  mehr  Miglien)  einige  Miglien  unter- 
halb  fiom.     Es   ist   von   den   Geologen   daraus   geschlossen 
worden,  dass  der  aus  den  Apenni.nen  hervorbrechende  Strom 
zuerst  in  der  Breite  des  heutigen  Thals  mit  reissender  Ge- 
walt seinen  Lauf  dem  Meere  zu  genommen  und  Badi  Auf- 
nahme der  bedeutenden  Wassermassen,  welche  ihm  der  Anio 
aus  dem  südlicheren  Theil   des  Gebirges,    ebenfalls  die   vul- 
kanische  Ebene    durchfurchend   zugeführt  hatte,    mit    ver- 
doppelter Kraft  seinen  Weg  fortgesetzt  habe.    Einen  grossen 
Kreis  bis  zu  den  Füssen  des  Monte  Mario  beschreibend,   er- 
weiterte er  nun  sein  Bett  bedeutend.    Aher  zwischen   dem 
Aventin  und  Janiculum  schien  die  Bahn  sich  ihm  zu   ver- 
engen :  so  kam  es,  dass  er  nach  Süden  einen  Seitenarm  ent- 
sandte,   welcher  getrennt  von  dem  Hauptstrom  seinen  Weg 
suchte.    Die  Reste  der  so  zerschnittenen  Tufmasse  ^hlieben 
wie  Inseln  im  grossen  Strome  stehen:    es  sind  das  Kapitol, 
der  Palatin  und  der  Aventin'^**).    Aber  diese  Breite  des  Flusses 
war  nicht  von  Dauer:    er  trat   aus   seinem  ursprünglichen 
Bette,  dem  nunmehrigen  Thal  in  sein  heutiges  zurück. 

Wenn  wir  die  Richtigkeit  dieser  Ansichten  unsrerseits 
dahin  gestellt  sein  lassen  müssen,  so  ist  doch  wiederum  zu 

»<')  So  Ponzi  Atti  delP  ac.  dei  Lincei  1874/75  S.  564. 


1.]  LAGE,  BODEJV,  KLIMA.  125 

bestreiten,  daas  bei  den  Bevölkerungen,  deren  Ansiedelung 
auf  den  sieben  Hügeln  wir  zu  besprechen  haben,  sich  irgend 
eine  Ueberlieferung,  sei  es  aber  jenen  uraprungliehen  Zustand, 
sei  es  über  das  alloiähliche  Zurücktreten  des  Flusses  in  sein 
heutiges  Bett  erhalten  bat  Da  die  entgegengesetzte  Au^ 
fassui^  noch  immer  einer  Missdeutung  alter  Zeugnisse  über 
die  Beschaffenheit  der  Stadt  jw  den  Tarquiniern  als  Grund- 
lage dient,  und  selbst  von  der  geologischen  Forschung  zum 
Zweck  der  Zeitbestimmung  der  oben  geschilderten  Biidungs- 
epochen  yerwendet  wird^'),  so  haben  wir  dieselbe  einer 
genauen  Prüfung  zu- unterziehen. 

Zunächst  sind  alle  Schlüsse,  wdche  aus  ein^  angeb* 
^  liehen,  im  Lauf  der  geschichtlichen  Jahrhunderte  noch  er- 
'kennbaren  grossen  Veränderung  des  Klimas  gezogen  werden, 
hinfällig:  diese  Veränderung  selbst  ist,  wie  unten  gezeigt 
werden  wird,  in  dem  angenommenen  Grade  unerweislich,  ja 
unwahrscheinlich.  Nicht  zum  geringsten  Theil  aber  beruht 
jene  Annahme  grade  wieder  auf  d«r  Meinung,  dass  uns  un- 
verdächtige älteste  Zeugnisse  die  Natur  des  Stroms,  was 
Wassennasse,  Farbe  und  Gewalt  anlangt,  Yöllig  anders  dar- 
stellen, als  er  den  Römern  der  Zeit  des  Augustus  und  den 
heutigen  erscheint.  Wenn  nebmlich  in  den  priesterliphen  Ge- 
beten, deren  hohes  Aher  nicht  bezweifelt  werden  darf,  der 
*  Bergstrom'  mit  den  Namen  'Sage'  und  *  Weissstrom'  be- 
zeichnet wird,  so  wird  in  jenem  ein  Zeugniss  fQr  die  Er- 
innerung an  seine  thalbildende  Natur,  in  diesem  für  die  Er- 
ianerung  an  seine  das  Schneewasser  der.Apeoninen  in  der 
Breite  des  heutigen  Thals  an  der  Stadt  voruberwälzende  Ge- 
walt erblickt:  beide  Namen  sollen  auf  den  'gelb'  dahin  flies- 
senden   Strom   nicht    passen ^^).     Indessen  alljährlich   'sägt' 

^)  Selbst  PoDzi,  von  fiath  n.  a.  Fachmäooer  stätaen  sieh  «af  die 
ta^lieken  IristoriedieD  ZeopiUwe:  am  w^testea  geht  Ib  deren  oakri- 
tischen  Benatznng  M.  De  Hoasi. 

^^)  Verg,  Aen.  8,  62 ff.:  ßg^o  sumplaio  quem  ßumMe  eentu  strin- 
gentem  ripa»  et  pmgtda  cuUm  seeantem,  omemlmt  Tylni»  eaelo  gra- 
Utsimus  amnis,  dazo  Serv.:  ^strmffentem  ripa^,  radentem  immimentem, 
Nam  hoc  eH  Tihetini  ßuminü  "proprium  adeo  ut  (tb  anäquis  Rumon 

I 


126  THEIL  I. 

der  Strom  noch  heut  die  bröckeligen  Uferränder  an,  wesn 
die  starken  Regengüese  ihn  piötzlicfa  bis  zu  £Mt.  7  Metern 
aber  seinen  mittleren  Stand  (unten)  ansehweilen  machen,  und 
seine  dann  wie  Gebirgewasser  dahinjagenden  Flathen  erschei- 
nen  in  der  That  nieht  blos  gelblich,  sondent  'weisslich'  wie 
der  Schaum.  -^  Viel  wiehtiger  erscheint  auf  den  ersten  Btick 
die  Behauptung  der  Alten,  dass  zur  Zeit  des  Romuius  das 
Forum  wie  das  Marsfeld  Sämpfe,  das  Thal  des  Cireus  und 
die. Tiefe  zwischen  Kapitel  und  Palatin  Ton  (tea  Wastem  des 
Flusses  bedeckt  gewesen  und  mit  Nachen  befahren  worden 
seien.  Allein  diese  Vorstellung,  welche  ja  auf  sohriftiicher 
UeberiieferuBg  nicht  beruhen  kann,  ist  lediglich  her^usge- 
spönnen  aus  unrichtigen  SchlQssen  und  frischen  Etymologien. 
Der  Uh^us  Curtius  auf  dem  Forum  wurde  gegen  den  un* 
zweifelhaften  Sprachgebrauch  des  Worts  zum  'Teich',  das 
VelaJbmm  musste  vom  Kahnfahren  (a  veketido^  seil.  Uniribui)^ 
der  Germalus  von  den  angespülten  Zwillingen  (a  jjrermanti), 
der  Yertumnus  an  der  Ecke  des  Velabrum  und  der  Tuskergasse 
von  der  dort  erfolgten  Umkehr  des  Hochwassers  benannt 
sein^^).    Den  Anlass  zu  diesen  Etymologien  gaben  die  Thal«^ 

dicttis  Sit  quasi  ripas  rtiminans  et  exedens  .  in  s actis  gtiam  Serra  di- 
eebatur  .  , ,  in  aliqtta  etiam  urbis  parte  Terentwn  {taiymiuin  Dan.)  dMtut 
90  quod  ripaw  terai.  DtEu  käme  nook  FoMurmts,  wenn  MoAimseii  4i« 
FoUmmaUa  (27.  Aigr«  CIL  1  S.  400)  richtig  gedeutet  hätte,  was  ich 
hezweifle,  (über  den  ebenfalls  höchst  zweifelhafleo  Rumon  s.  §  2),  aber 
schwerlich  Albula:  Verg.  8,  332  amisä  verum  vetus  AÜnda  nomen.  Dazu 
Serv.:  onHquum  hoc  nomen  a  colorehabuü  nod  so  Festns  Aqsz.  S.  4. 
Anders  Varro  I.  I.  5,  30  (s.  A.  12):  stmi  qui  Tiberim  priseum  nomm 
Uitinum  Albulam  vwUmtwai  Utteris  prodiderunt.  JSs  scheint  hiernj^h 
nicht,  dass  die  heiligen  ßächer  den  Hainen  enthielten^  sehr  möglich 
aber  (A.  30),  dass  derselbe  überhaupt  miss verständlich  anf  den  Tiber 
bezogen  worden  ist  nnd  ein  Flnss  im  Stromgebiet  des  Tiber  j4lb€L^ 
AWuSa  hiesB,  dessen  Personifikation  der  jttosis  {—^  AUi^nsis)  pater  der 
Ittsehr.  £pb.  cp.  2,  198  wäre.  Die  gewöhnliche  Farbe  des  innerhalb 
der  Stadt  immer  strndelreichen  Flusses  ist. allerdings  gelhlieh  (JUams 
Tiberis  Her.  C.  1,  2, 13.  2,  3,  18  vortidbus  rapidü  el  tmuUaJUnms  Aarena 
V.  Aen.  7,  31),  indessen  widerspricht  dies  sewenig  dem  aßms  wie  dem 
ctfendeus  (eben). 

")  Der  Atentin,   sagt  Varro  5,  43,   war  von  den  übrigen  Bergen 


1.]  LAGE,  ßODBN,  KLIMA.  127 

Sachen,  dass  das  Thal  des  Cireud  wi^  die  Tiefe  zwischen  den 
Hügeln,  dem  Palatin  und  Kapitol  an  kleinen  Wasserläufen 
reich  waren,  wie  sie  es  noch  sind,  welche. man  durch  Kunst* 
bauten  später  reguürte,  und  dass  die  höchsten  Stande  des 
Tiberwassers  bis  in  die  Stadt  hinein  Yerwästungen  anrichte* 
len,  wie  noch  heute.  Diese  Thatsachen  rechtfertigen  aber  in 
keiner  Weise  jene  Schlusafolgerung:  am  wenigsten  die  auch 
noch  j^tzt  vielfach  als  Grundpfeiler  derselben  betrachtete 
Anlage  der  grossen  Kloake;  deren  Bestimmung  vielmehr,  wie 
sich  später  zeigen  wird,  nur  gewiesen  sein  kann^  das  Centrum 
der  Stadt  vor  den  in  diese  Tiefe  peariodisch  von  den  Bergen 
zusammenströmenden  Flutben  und  den  periodisch  steigenden 
Grundwassern  zu  schützen.  Wenn  hinzugefugt  wird,  dass 
man  ja  noch  später  zum  Palatin  wie  zum  Emporimn  auf 
Stufen  heraufgestiegen  sei,  so  mag  das  als  ein  lehrreiches 
Beispiel  gelten,  wie  die  einmal  irre  geleitete  Phantasie  auch 
die  unverfänglichsten  Dinge  zu  missbrauchen  verstand.  Es 
Ueiben  also  nur  die  falschen  JEtymologien  und  die  falsche 
Schlussfolgerung  übrig  und  jene  Zeugnisse  der  alten  Schrift* 
steller    beweisen   nichts  ^^).    Ebensowenig   ist  es    erweislich, 

foMi&us  dtsditstt»  .  iUtque  eo  esv  urbe  advehebantur  raUbus  »  cutus  ves* 
tif^:  quod  ea,  qua  tum  aqua,  dUsituf  Feiabrum  (so  die  Hs.  richtig:  die 
Bd.  2,  600  rorg^escklagene  Aeiideraof^  ist  iiberflüsng),  et  unde  escBndebani 
ad  infimam  (ßmam  die  Hs.)  novam  viam  loetu  t  sacellitm  labrum  a  ve- 
hendo  (locus  saeer  .  Fdabrum  a  v.  Tnriebas,  sehwerlidh  richtige,  vgl.  §  2 
A.  40).  vekfturam  facere  eUam  rmno  dicuniar  qui  idmereede  faciunt 
(f  2  A.  71).  —  Ders.  §  54:  Germ^Uum  a  §^ermatdt  Rmnulo-et  Remo  quod 
ad  ficym.  rumtnalem  et  ii  ibi  invetitiy  quo  aqua  hiberna  eos  detulerat,  — 
Ders.  §  156  {aqum  Umhdae,  oben  S.  122):  ab  hie  (?)  paku  fuä  in  minere 
VMfrO)  a  quo  quod  ibi  vehebantar  Unträms  Felebrum  ut  illud  maius  de 
quo  supra  dictum,  I>ers.  §  149  (naeb  Piso)  über  den  lacus  (hrtius: 
leeum  ptdustrem  qui  tum  fuit  in  foro  antequam  doacae  factae  sunt, 
Nicbte  anderes  lehren  die  Späteren  (Sehwegler  1,  673  A.  3).  Ans 
Varro  slammt  die  von  Ovid  F.  6,  403  Prop.  4,  2,  18  überlieferte  Ety* 
molegie  Fertumnue  a  verso  amne*  Auch  die  porta  Flumentana  wird 
Merhergezogen:  §  3  A.  4* 

^)  lieber  den  Aufgang  zum  Palatin  s.  §  8 ;  über  den  Kloakenban 
f  4.  7.  --'  Kaum  der  £rwiUiBung  wertb  ist  die  f€du4  Capreae  im  Mars- 
felde: 8.  unten  A.  30. 


128  THfilL  f. 

dass  die  noch  jetzt  alljährlich  eintretenden  und  in  grösseren 
Zwischenräume  eine  bedeutende  Höhe  erreichenden  lieber* 
schwemmungen  noch  bis  ins  Mittelalter  hinein  die  heulagen 
höchsten  Wasserstände  überstiegen,  in  kleineren  Zwischen- 
räumen sieh  wiederholt  haben,  und  auf  eine  der  heutigen 
ausserordentlich  überlegene  Wassermasse  schliessen  lassen. 
Vielmehr  zeigen  dieselben  bis  hinauf  in  das  6.  Jahrhundert 
der  Stadt  (aus  früherer  Zeit  besitzen  wir  überhaupt  keine 
zuverlässigen  Beobachtungen)  im  Wesentlichen  dieselben  Er- 
scheinungen wie  beute :  doch  kommen  wir  auf  diesen  Beweis 
weiter  unten  (A.  25)  zurück  ^^). 

^')  Ueberschwemmangen  in  den  Livianischen  Annalen:  keine  io  der 
1.  nnd  2.  Dekade  (soweit  man  nach  &tü  für  die  Prodigien  meist  ge- 
naoen  Ansseiireibeiii  urtheilen  kann  ausser  der  die  Ümgebanif  von  Veji 
verkeereBdea  4,  49,  2);  in  der  3.  im  J.  539  (24,  9,  6  bü  eoanno)-,  552 
(30,  38,  10  Circo  inundato);  561  (35,  9,  2:  Tiberis  loca  , plana  inun^ 
davü  circa  portam  Flumentanam  etiam  conlapsa  qiiaedam  ruinis 
sunty  zum  zweitenmal  c.  21,  5:  infestiore  quam  priore  ifnpetu  inlatus 
utbi  duoM  pontei,  aedißeia  muUamaxime  circa  Flumentanam  por- 
tam evertit);  565  (38, 28,4:  T. duodeei0ns  campum  Martium  planaque 
urbi^  tnundavit).  —  Aus  dem  7<  iahrh.  ist  mir  keine  bekannt.  Die 
folgenden  (z.  Th.  bei  Friedlander  Darst.  1*,  30):  J.  700  Dio  39,  61 
m0J€  iv  naai  fikv  rötg  mSCui^  lot^  %v  t^  ftorrci  ov9i  —  loea  plana  — 
TieXayCaat,  Einsturz  von  Hausern,  Umkommen  von  Menschen.  Was  Cieero 
ad  Qttiotum  fr.  3,  7  berichtet,  dass  die  Gegend  vor  der  porta  Capena 
und  pitcina  ptMca  überschwemmt  worden  seien,  besieht  sieh  auf  das 
gleichzeitige  AosehweUen  des  ALno:  Bd.  2,  106.  —  710/711  (?  nach 
Caesars  Tode,  Hör.  C.  1,  2  . .  ire  deieetum  mwummUa  regit  templaque 
Fegtae^  Franke  Fastl  Hör.  143 ff.);  727  (Dio  53,  20:  n§Xayiaag  näaav 
rriv  iv  wms  mdiots  'Piof^riv)',  732  (Dio  64,  1);  741  (Dio  41,  25:  zun 
Theater  des  Balbus  konnte  man  nur  «uf  Kähnen  gelMgen);  n.  Ch.  4 
(Dio  55,  22,  3  o  T.  ti^v  n  yi<pv^av  xat4ov^$  xal  nltat^v  li^v  noUv  inX 
kntä  ffin^Qas  inoiiiOf)',  Anfidius  Bassvs  [?}  =»  Gassiod.  Chroa.  z.  J.  5  {per- 
dies  octo).  Auch  in  der  Folgezeit  kommen  unter  jedem  Kaiser  Ueber- 
schwemmungen  vor  (vgl.  Friedlaender  Darst.  a.  0.).  Der  stehende  tech- 
nische Ausdruck  scheint  loea  plana  urbis  inundavit  zu  sein  (auch  Tac. 
A.  1,  76).  Bemerkenswerth  nur  J.  n,  Chr.  69  Tac.  Hist.  1,  86  . .  proruto 
ponte  sublicio  ac  strage  obstantis  molis  refUsut  nofiimodo  iaeenäa 
{adiacentia  Ritter;  doch  wohl  patmtia)  ei  plana  urbig  loea  *ed  etiam  secura 
eius  modi  casuum  implevity  und  Plut.  Otho.4,  5:  TioXh  fAi^giijs  noUtuSj 
nXetOTov  S'iy  ej  tov  inl  n^naei  diantolovai  aXroVy  d.  h.  die  porticus 


i  ].]  LAGE,  BODEN,  KLIMA.  129 

,h  Wir  gelangen  also  auch  von  die&er  Seite  her  zu  dem 
tesultat,  dass  keine  Zeugnisse  beweisen  (Hier  auch  nur  wahr-« 
^eiDJich  niachen,  dass  diejenige  Bevölkerung«  mit  deren 
fsiedlang  wir  uns  beschäftigen,  auf  den  sieben  Hügeln  den 
ten  Akt  jener  grossen  georgischen  Entwickelung  mit  an* 
jehen  habe,  deren  Epochen  die  heutige  Naturwissenschaft 
']estellt  zu  haben  glaubt.  Damit  wird  nun  freilich  nicht 
iugnet,  dass  in  der  Zeit,  über  welche  geschichtliche  Kunde 
erhalten  hat,:  durch  kunstmässige  Regulirung  der  Wasser- 
Jfe  Sümpfe  in  der  Niederung  trocken  gekgt  worden  sind 
dass  der  mittlere  Wasserstand  des  Flusses  sidi  verändert 
»en  kann.  Ist  jenes  an  sich  glaublich,  so  wird  dieses  um 
^wahrscheinlicher,  als  auch  die  Kästenbildung  an  der  Mün- 
l^llg  des  Flus&es  sich  in  grossem  Maassstab  verändert  hat  und 
mV^  jetzt  verändert,  dei^es^talt,  dass  alljährlich  eine  Xn^ 
•1^1^  von  durchschnittlich  9  Metern  stattßndet.    Es 

tinit  Recht  bemerkt  worden,  dass  mit  dieser  Anschwem- 
ig  jedesfalls  wieder  eine  Erhöhung  des  Flussbettes  in 
'"liibiDdung  stehe,  welche  auf  die  Veränderung  des  mittleren 
^  Jßserstandes  wahrscheinlidi  eingewirkt  habe^^).    Man  meint 

jncia  wie  Preller  Reg.  168  unzweifelhaft  richtig  bemerkt,  da  von 
"  Aerschwemmungen  der  korrea  vor  porta  Trigemina,  an  die  sonst  za 
^  Men  wäre,  nie  die  Rede  ist  —  Es  ist  hiemaeh  iilar,  dass  wie  hevttü^ 
"ü^  ^^  ^^^  ^^  Mittelalter  (genaue  Besohreibuogen  im  Liber  pontifi- 
^fSs:  Hermes  2,  78  f.)  regelmässig  das  Marsfeld  überschwemmt  wurde 
'^'  'H  die  Wasser  an  den  Barrieren  des  Capitols  sich  brechen :  äusserst 
'^Jen  überflutheten  sie  Theile  der  inneren  Stadt  (552;  710.  711?  und  die 
illiogslegende  oben  A.  15),  worüber  weiter  unten,  wo  von  der  Höhe  des 
*  bserstandes  die  Rede  ist.  Periodisch  häufigere  Ueberschwemmnngen 
^fc;  Mittelalter)  beweisen  keine  wesentliche  Veränderung  des  Flusses. 
1^1  18^  D^P  g^iQ  Hafen  von  Ostia  liegt  von  der  heutigen  Mündung  des 
'*'Bsse8  fast  4  Miglien,  der  Hafen  des  Claadios  and  Trajtn  von  der 
> ^Bidaag  der  ^fossa  Trmam  fast  2  Migliea  landeinwärts.  —  Wenn  M. 
'^Rossi  in  der  A.  11  a.  Abhandlung  berechnet,  dass  bei  der  Ankunft 
^  p  Aeneas  der  Tiber  ungefähr  7  Miglien  Vioa  der  heutigen  Mündung 
Meer  fiel  vnd  auch  dies  zu  den  Beweisen  der  damals  noeh  nicht 
'^Abschluss  gelangten  Qnaternarperiode  rechnet,  so  bedarf  das  keiner 
^ Verlegung«  —  Ueber  die  heutige  Durehschnittszifier  der  Anschwem- 
^■Dg  Lanciani  Ann.  1858,  153  (3,  10  M.  bei  Fiaaicioo  =»  fQt9^ 
Jordan,  rOmiache  Topogr»phie.    I.    1.  v 


130  THEIL  I. 

aber  för  das  Steigen  des  Wasserstandes  sichere  Beweise  zu 
haben.  Einmal  nämlich  scheinen  die  Uferbauten  am  Empo- 
rium,  welche  der  Zeit  Hadrians  angehören,  auf  einen  um 
1  Meter  unter  dem  heutigen  stehenden  mittleren  Wasser- 
stand berechnet  zu  sein,  ferner  hat  man  bemerkt,  dass  die 
sämmtlichen  kleinen  Quellenläufe,  auf  die  man  bei  Ausgra- 
bungen und  ßauten  häufig  stosst,  höher  liegen  als  das  Niveau 
der  alten  Strassen;  endlich  hat  man  schon  früher  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dass  der  älteste  Bau,  die  grosse  Kloake 
auf  einen  viel  niedrigeren  Stand  des  Tibers,  als  der  heutige 
ist,  berechnet  war^^).  Die  Richtigkeit  dieser  Behauptungen 
zugegeben,  wird  sich  ein  sicheres  Urtheil  Aber  die  angebliche 
Veränderung  erst  fällen  lassen,  wenn  wir,  soweit  dies  nach 
dem  beutigen  Stande  der  Forschung  möglich  ist,  die  hypso- 
metrische Gestalt  des  alten  Stadtbodens  selbst  an  der  Hand 
sicherer  Thatsachen  erörtert  haben  werden. 

Die  Veränderungen,  welche  mit  dem  alten  Boden  seit 
dem  Ausgang  des  Alterthums,  ja  zum  Theil  im  Alterthum 
selbst  vorgegangen  sind  und  welche  daher  bei  jeder  topogra- 
phischen Frage  in  Betracht  gezogen  werden  müssen,  sind  an 
einzelnen  Stellen  nicht  unerheblich.  Nicht  allein  ist  es  be- 
zeugt, dass  im  Alterthum  durch  Brände  und  Neubauten  der 
Boden  aufgehöht  worden  ist,  und  einige  Funde  übereinander 
liegender  alter  Pflasterungen  bestätigen  dies^^),  sondern  die 
Trümmer  lehren  auch ,  dass  seit  dem  Ende  der  Republik 
durch  ausgedehnte  Bauten  kleinere  Einsenkungen  der  Hügel 
überbrückt,   künstliche  Terrassirungen  an  den  Hügelrändern 


Traiani,  9,  02  an  der  Flassmündung).  Vgl.  Gaoevari  in  der  unten  a. 
Relazione  S.  43  ff. 

^^)  Ueber  das  Emporiom  Brozza  bei  M.  De  Rossi  a.  0.,  vgl.  §  7, 
über  die  Quellen  Aubert  in  der  A.  11  a.  Abhandlung;  über  die  Kloake 
unten  und  §  7. 

'°)  Frontin.  de  aquis  1,  18:  nam  et  colles  sensim  (so  Bücheler: 
colUsi  sint  die  H.)  propter  frequentiam  ineendioruni  excreverunt  rudere, 
Erhöhung  der  Area  am  Tempel  des  Divus  Julius  um  M.  0,50:  Jahres- 
bericht 1876,  175.  Das  Pflaster  des  Macellum  Liviae  liegt  erheblicli 
Über  dem  älteren  Strassen pflaster. 


S  1.]  LAGE,  BODEN,  KLIMA.  131 

hergestellt,  hinderliche  Höhenzüge   durchbrochen  oder  abge- 
tragen worden  sind^^).    Dazu  kamen  nun  die  Zerstörungen 
des  Mittelalters  besonders  seit  dem   10.  Jahrhundert  (Einl. 
§  2) :  ganze  '  Berge  ^  in  deir  Ebene  gegen  den  Fluss,  wie  der 
Monte   Giordano   und  Monte  Citorio,    verdanken   ihre   Ent- 
stehung nur  dem  Zusammensturz  antiker  Gebäude,   wie  der 
Monte  Testaccio  der  Anhäufung  von  Gefässscherben  aus  den 
nahen   Magazinen    des  Emporium;   die   von    der   Höhe   der 
Hügel  herabstürzenden  Trümmer  begruben  die  Abhänge  der 
Hügel  unter  mächtigen  Schuttbergen,  welche  dann  die  jahr- 
hundertalte Vegetation  in  grüne,  scheinbar  natürliche  Berg- 
lehnen   verwandelte.     Allein  alle   diese  Veränderungen    sind 
natürlich  nicht  im  Stande  gewesen,    die  Physiognomie  des 
Terrains  der  Stadt  wesentlich  zu   verändern.     Wer  heut  auf 
dem  Dache  des  deutschen  Hauses  auf  dem  Kapitol,  also  un- 
mittelbar vor  der  Front  des  einstigen  Jupitertempels  seinen 
Standpunkt  nimmt,  dem  liegen  gegen  Osten  und  Süden  die 
dort  allmählich  in  langen  Linien   ansteigenden,   hier  durch 
scharf  geschnittene  Thäler  getrennten  sieben  Hügel  wesentlich 
in  denselben  Profilen  zu  Füssen,  wie  dem   Beschauer   zur 
Zeit  des  Augustus;   und   gegen  Westen   schliesst   sich   das 
Bild  heut  wie  damals  durch  die  burgartig  ansteigende,  mäch- 
tigere Erhebung  des  Janiculum.     Besser  als  jede  Beschreibung 
es  vermag,  werden  folgende  Zahlen  die  Gestaltung  des  Terrains 
veranschaulichen  **), 


*i)  Gemeint  sind  die  Ueberbrückang  der  Einsattelung  des  Palatin, 
eine  ähnliche  des  Qmrinal  und  die  an  den  meisten  Hügeln,  z.  B.  am 
Vininal  noch  jetzt  erkennbaren  Untermaoemngen ,  welche  Gärten  und 
HÜQser  getragen  haben,  worüber  Th.  II. 

>*)  In  Ermangelnng  einer  den  heutigen  Anfordernngen  ganz  ent- 
sprechenden  kartographischen  Darstellnng,  stützen  wir  uns,  was  die 
hypsometrischen  Messungen  anlangt,  hauptsächlich  auf  die  im  §  3  beur- 
tbeilte  franzSsische  Generalstabskarte  (1856),  und  die  zu  dem  Atlas  der 
Relazione  Canerari  (1874,  vgl.  unten)  gehörige  Terrainkarte  der  Cam- 
pa^aa  (fol.  6).  Dazu  kommen  die  älteren  Messungen  von  Shokburg, 
Sehonw  und  Calandreili  (entlehnt  aus  Brocdu  Stato  fisico  S.  211),  Conti 
und  Ricchebach  (in   der  S.  1 10  A.  60  a.  Schrift)  und   einige   wenige 

9* 


132 


THE1L  I. 


1.    Erhebungen  des  linken  und  rechten  Ufers. 

Meter  Über  d.  Meere 

nach  d.  franz.  Plan 

(*)  u.  a. 

Quirinal.  .  .    PörU  Salara 66* 

'  Servianische '  Mauer  in  den 
Gärten  des  Sallust 69* 

Plateau  der  Diocletiansthermen, 
wahrscheinUch  ursprünglich 
60  +  7 67  Canevari 

Alte  Strasse  bei  denselben  .  .    60 

Wasserbehälter  an  der  Sud- 
seite     57 

Hof  des  Kgl.  Palastes  (wahr- 
scheinlich  wenig   über   dem 

alten  Niveau) 48   Calandrelli 

Viminal.  .  •    Terrassenniveau  nahe  der  Strasse 

Quattro  Fontane 54* 

Esquilin  •  .  .    Serviuswall  in  Villa  Negroni   .    67  Schouw 

Fussboden  der  Kirche  S.  Maria 
Maggiore 54 

Niveau  der  Wasserleitungen 
Anio  vetus — Anio  nova  (s.  §  7)    45,68 — 65,0 

Altes  Pflaster  unter  Porta 
S.  Lorenzo  (s.  §  7) 47,80 

Platz  vor  S.  Pietro  in  vincoli  (?)    46* 
Caelius  .  .  .    Platz  vor  S.   Stefano  rotondo    48    Calandrelli 
Aventin.  .  .    Sudliche  Höhe  bei  S.  Saba  .  .    37* 

Nördliche  Höhe  bei  S.  Alessio    46* 


Beaere  bei  Gelegenheit  der  Nenbaoten  «nf  dem  Esqvilin  gemachte  (Ca- 
nevari io  den  Atti  della  r.  ac.  dei  Lincei  S.  2  VoL  2.  1874/75  S.  419). 
-^  Uebrigens  will  ich  nicht  verhehlen,  dass  die  anf  der  fhiazosischea 
Karte  eingetragenen  abgernndeten  Zahlen  (in  Meter)  wie  mir  scheint, 
zum  Theil  nicht  anf  eigenen  Messaogen  berahen,  sondern  ans  dea 
Siteren  (in  Par.  Fass  mit  Decimaleo)  übernemmen  sind.  Ueber  den 
Fhus  8.  A.  23. 


§1.] 


LAGE,  BOD£N,  KLIMA. 


133 


PaJatin   .  .  . 


Kapitol  .  .  . 


Höchster  Punkt,  Nordseite  des 

sog.  Palastes  des  Domitian  .  52* 

Höhe  von  S.  Bonaventura ...  52  Calandrelli 

Westliche  Ecke  der  Rupe  Tarpea  46    Shukburg 

Boden  der  Kirche  Araceli.  .  .  49  Calandrelli 


Janiculum .  .    Höhe  von  Porta  S.  Pancrazio .    84* 
Yatican  ...    Bei  Porta  Pertusa 62* 


2.    Thäler,  Niveau  M.  über  dem  Meere. 


heutiges. 

Platz  bei  S.  Anastasia 
(ebenso  Strasse  S.  Paolo 
unter  S.  Saba,  nur  2 — 3 
M.  niedriger  Ebene  am 
Monte  Testaccio ,  Via 
della  Salara) 21 


altes. 

Strasse  längs  des  Circus 
54  Palm  unter  der 
Kirche,  also  ca.  2 1  — 12 
(BulLdeiri.  1863, 113)   9 


Pflaster  des  VJaous  qua- 
drifrons'  (Scaccia)  .  .11,7 

Forum  an  der  Phokas- 
Säule 11,8 

'Pflasterhöhe'  desBasa- 
ments  des  Rundtempels 
am  Tiber  (Scaccia)    .  13,2 

Tullianum  (s.  §  7)  .  .  16 

Piscina  publica  (§  3 
A.  60) 17      , 

Area  des  Colosseum: 
höchster  Punkt  des  C. 
71,18  u. d.M.  (Conti  u. 
Ricchebach),  Gebäude 
50,54  (Desgodetz)  .  .  20,64 

Summa  sacravia(Titus- 
bogen) 28,99 


134 


THEIL  I. 


Piazza  di  Venezia  (=  mitt- 
lere Höhe  des  Corso 
nach  Shukburg's  Mes- 
sung)   15  * 


Pflaster  in  der  Gegend 
der  Minerva  Via  S.  Ig- 
nazio  6  M.  unter  heu- 
tigem Boden  (hs.  Rap- 
porti  della  Sopraint. 
22  Aug.  73),  also 
etwa  15 — 6 


Pantheon:  Kuppelhöhe 
nach  Conti  u.  Ricche- 
bach  62,0  ü.  M.,  über 
dem  Fussboden  (Des- 
godetz)44,2.Unterbau, 
6  Stufen?  Also  Platz 
vor  dem  Pantheon 
62,0  bis  44,2— X  .  .  l7,8-x 

3.    Der  Fluss"). 
Wasserstand  des  Jahres  1871/72. 

üeber 
Meereshöhe. 

0  des  Pegels  bei  Ripetta 0,97 

Jahresdurchschnitt : 

niedrigster  Stand  des  Wassers  über  0    .  .    5,68    6,65 


*')  Ausser  den  ältereo  Arbeiten  (A.  11:  leider  kano  ich  jetzt  die- 
jenige Liootte's  im  2.  ßde.  des  Giorn.  arcadico  nicht  mehr  einsehen) 
vgl.  die  Beobachtungen  bei  Canevari  (A.  32)  S.  137  ff.  und  die  neuesten 
von  BetocchiAtti  dell'  ac.  dei  Lincei  1874/75  2«  serie  Bd.  2,  532ffl — 
Da  mir  zuverlässige  und  reichhaltige  Beobachtuagen  einer  grösseren 
Periode  nicht  erreichbar  sind,  so  habe  ich  es  vorgezogen,  oben  die 
Beobachtungen  eines  Jahres  nach  Canevari  beispielsweise  zu  geben. 
Uebrigens  differiren  davon  die  hie  und  da  vorkommenden  Angaben 
über  den  durchschnittlichen  mittleren  und  höchsten  Stand,  deren  Ge- 
nauigkeit ich  nicht  beurtheilen  kann,  kaum  um  1  Meter.  —  Die  Höhe 
des  Pegels  von  Ripetta  entnehme  ich  Ganevari's  Bericht  in  den  Atti 
deir  ac.  dei  Lincei  1874/75  S.  418,  die  ältere  Angabe  über  das  Ge- 
fäll in  der  Stadt  stimmt  mit  neueren  (z.  B.  M.  De  Rossi).  Natürlich 
können  hiernach  die  obigen  Aufstellungen  nur  als  relativ  brauchbar  be- 
zeichnet werden. 


§  1]  LAGE,  BODBN,  KLIMA.  135 

mittlerer 6,39      7,36 

höchster 13,35     14,35 

Dieselben  Wasserstande  an  Ponte  rotto,1    .  ,  .    ,       ,  „^ 
Differenz   20    ( Calandrelli )   -    U^Z^^T   tu 

^.^r'«"'  ^""'^""^  '^  ^'^^"  '"höchster     12;40 
1,925  M.  j 

Aker  Wasserstand: 
zur  Zeit  Hadrians,  mittlerer  um  ca.  1  M.  niedri- 
ger, also  bei  Ponte  rotto  ehemals 4,44 

höchster  (vorausgesetzt,  dass  er  bis  zu  derselben 

Höbe  wie  heut  stieg) 11,40 

'Verschüttungsboiden'  der  Cloaca  maxima  bei  ihrem 

Ausfluss  (Linötte) 4,84 

Höhe  von  12  UeberschwemmuDgen  Ton   1495  bis 
1805: 

berechnet  nach  den  Beschr.  Roms   1,39  wie- 
derholten Anzeichnungen  an  der  Ripetta  und  S. 

Maria  sopra  Minerya,  niedrigste  (1702) 14,21 

höchste  1598  (?) 18,37 

Es  ergiebt  sich  aus  der  vorstehenden  Tafel  für  die  Er- 
hebungen des  Terrains,  dass  die  Burg  des  Janiculum  die 
Hügel  des  linken  Ufers  bedeutend  überhöht,  dass  diese  selbst 
mit  Einscbluss  des  Kapitols  fast  alle  genau  die  gleiche  Höhe 
erreichen,  und  dass  nur  die  östliche  Hügelkette,  die  eigent- 
lichen colles  Quirinal  und  Viminal,  um  ein  geringes  den  Durch- 
schnitt der  höchsten  Punkte  der  montes  der  Stadt  überragt  ^^). 
Dieser  Umstand  wird  sich  später  als  wichtig  für  die  Ge- 
schichte der  ähesten  Befestigung  herausstellen:  hier  mag 
darauf  verwiesen  werden,  dass  er  auch  der  Anschauung  der 
augusteischen  Zeit  über  den  *  windigen  Wall '  (§  3)  entspricht. 
—  Für  die  Niederung  ergiebt  sich,  dass  der  Boden  derselben 
in  der  Kaiserzeit  durchweg  —  das  Marsfeld  ebenso  wie   die 


**)  lieber  diese  Nomenkiatnr  §  2:  dass  der  heutige  Name  Monti  in 
seiner  aneh  die  eolles  begreifenden  Ausdehnung  schwerlich  alt  ist,  ist 
schon  EinL  §  2  A.  53  bemerkt  worden. 


136  THBIL  1. 

zwisehen  dem  Kapitol,  Palatin  und  Aventin  eingesebnittenen 
Thäler,  etwa  9 — 11  M.  über  dem  Meere,  also  durchschoittlich 
4% — 6^^  M.  über  dem  muthmaasslichen  mittleren  Wasserstand 
lag,  dass  es  regelmässig  von  den  nach  der  Analogie  der 
heutigen  Natur  des  Flusses  vorauszusetzenden  jährlich  wieder- 
kehrenden höchsten  Wasserständen  erreicht  und  von  den 
periodisch  damals  wie  heut  sich  wiederholenden  ausserge- 
wöhnlichen  Ueberschwemmungen  um  6 — 7  Bt  überfluthet 
wurde.  Auch  dass  eine  Hochfiluth  des  Almo  (dessen  Ufer 
vor  p.  Sebastiano  die  Höhe  von  16  M.  hat)  die  Niederung 
des  fiscina  publica  überschwemmen  musste  (A.  17),  ist  da- 
durch erwiesen ^'*).  —  Es  ergiebt  sich  ferner,  dass  die  Un- 
bequemlichkeit des  Verkehrs,  welche  heutzutage  die  Ungleich- 
heit des  Terrains  verursacht  und  erst  seit  Sixtus  V.  zu  durch- 
greifenden Abhilfemaassregeln  geführt  hat,  in  alter  Zeit  er- 
heblich grösser,  das  Erklimmen  der  damals  um  ruüd  10  Meter 
mehr  über  die  Thäler  ansteigenden  Hügeln  auf  Strassen  von 
stärkerer  Steigung  bedeutend  schwieriger  gewesen  sein  nouss. 
—  Es  bleibt  uns  übrig,  die  Beschaffenheit  der  einzelnen 
Hügel  und  die  Zuflüsse  des  Tiber  in  den  Thälern  genauer 
zu  betrachten. 


3^)  Hiernach  vermag  ich  nicht  einzusehen,  wie  M.  De  Rossi  in  der 
A.  17  a.  Abhandlung  S.  18  dazu  kommt  zu  behaupten,  dass  die  Ueber- 
scbwemmungen  im  alten  Rom  'spessissimo'  die  Höhe  von  IS — 20  M.  er- 
reichten und  ganz  regelmässig,  was  in  der  neneren  Zeit  kaum  drei  oder 
viermal  vorgekommen  sei,  die  Niederung  zwischen  Aventin  und  Kapitol 
erreicht  hätten.  Denn  wir  habeu  vielmehr  oben  A.  17  gezeigt,  das«  mit 
ebenfalls  äusserst  seltenen  Ausnahmen  (die  noch  nicht  einmal  beisouders 
gut  bezeugt  sind)  im  Alterthum  dasselbe  Gebiet  wie  heut  überschwemmt 
wurde.  Ausserdem  aber  wäre  es  an  sich  nicht  verwunderlich,  wenn 
diese  Ausnahmen  häufiger  gewesen  wären.  Debn  was  der  Vf.  als  sicher 
annimmt,  dass  die  Barriere  zwischen  dem  Kapitol  und  dem  Flu9s,  an 
welcher  sich  heut  die  Ueberschwemmuug  zu  brechen  pflegt,  auch  früher 
vorhanden  war,  ist  falsch.  Vielmehr  ist  doch  auch  auf  dieser  Strecke 
das  Terrain  durch  Schuttanhäufungen  erheblich  hoher  geworden.  End- 
lich kommt  die  von  ihm  hervorgehobene  Differenz  des  alten  und  des 
heutigen  mittleren  Wasserstandes  von  1  M.  nicht  in  Betrachts 


i  1.]  LAGE,  BODEN,  KLIMA.  137 

Nicht  allein  durch  ihre  Hohe,  sondern  auch  durch  ihre 
geologische  Struktur  unterscheiden  sich  die  Erhebungen  des 
rechten  Ufers  wesentlich  von  denen  des  linken.  '  Der  Hügel- 
zug des  Janiculura  besteht  in  seiner  unteren  grösseren  Hälfte 
aus  fast  horizontalen  Bänken  von  gelbem  Sande  und  von 
verkitteter  Muschelbreocia,  weldie,  wie  am  Monte  Mario,  von 
einer  wenig  mächtigen  Schicht  vulkanischen  Tufs  bedeckt 
werden*.  Aehnlich  der  Vaticanische  Hügel  nördlich  und  der 
Monte  verde  südlich.  Anders  die  Erhebungen  des  linken 
Ufers,  welche  ausschliesslich  aus  Tnf  und  zwar  in  ihrer 
Hauptmasse  aus  gelblichem  oder  grünlich  grauem  bröcke- 
ligen, zum  Theil  aus  röthlichem  sogenannten  Steintuf  be- 
stehen'^). Ihrer  Entstehung  gemäss  haben  diese  isolirteh 
Tufcylinder  ursprünglich  mehr  oder  minder  schroff  abfallende 
Seitenflächen  gehabt,  welche  durch  Kunst  ebenso  leicht  in 
senkrechte  Wände  zu  verwandeln  (§  3),  wie  schwer  durch 
Strassenaufgänge  (cUvi)  zugänglich  zu  machen  waren.  Erst 
die  Bauten  und  Zerstörungen  der  Jahrhunderte  haben  diese 
Burgen  in  meist  sanft  aosteigende  Hügel  umgeschaffen  und 
ihre  Höhe  vermindert.  Ihre  von  Natur  plateanartigen  Ober- 
flächen hat  man  sich  noch  bis  gegen  das  Ende  der  Re- 
publik zum  Their  bewaldet  zu  denken  (unten).  Die  Zer- 
setzbarkeit  des  Gesteins  brachte  es  mit  sich,  dass  die  ein- 
sickernde Feuchtigkeit  sich  leicht  im  Innern  der  Hügel  in 
Gängen  und  Höhlen  ansammelte  und  senkrechte  Absprengun- 
gen  nach  aussen  verursachte,  welche  in  alter  wie  in  neuer 
Zeit  die  Umfange  der  Hügel  vermindert  und  die  Ansiedlun- 
gen  in  der  Tiefe  gefährdet  haben  (vgl.  z.  B.  Th.  H,  Kapitel). 
—  Es  ist  schon  Einl.  §  2  gezeigt  worden,  dass  diese  Hügel 
für  die  ältesten  städtischen  Bauten  das  Material  lieferten.  Es 
fehlte  auch  nicht  an  der  für  die  Ziegel-  und  Mörtelbereitung 
Qöthigen  Materialen,  der  Mergel-  und  Thonerde  und  der 
Puzzolatierde:  reiche  Schichten  jener  besitzt  der  vaticanische 

^)  Die  aogeführten  Worte  siod  die  vom  Rath's  (s.  A.  1.)  S.  495. 
In  öbiigen  s.  die  Arbeiteo  PoDsi's.  Ein  oäheres  £iAgehen  auf  das 
Miaeralogiaebe  liegt  uaa  fera. 


138  THEIL  I. 

Hfigel  und  der  Name  Argihtum  weist  sie  auch  in  der  Tiefe 
zwischen  den  ^Hügeln ^  nach;  diese  findet  sich,  wie  neuere 
Untersuchungen  gezeigt  haben,  in  verschiedenen  Tiefen  zwi- 
schen den  Tufbänken  der  'HügeP  gelagert  und  ist  dort 
schon  in  alter  Zeit  gegraben  worden  ^^).  . 

Unter  den  zahlreichen  Zuflüssen  des  Tiber,  welebe 
das  Stadtgebiet  berühren,  ist  der  bedeutendste  der  Almo^  der 
heutige  Acquataccio,  dessen  Quellen  in  der  Nähe  von  Marino 
gesucht  werden  und  welcher  vor  der  porta  Appia  der  Stadt 
so  nahe  kommt,  dass  er  bei  starken  Anschwelhingen  die 
Ebene  unter  dem  Aventin  und  die  Piscina  Publica  über- 
schwemmen konnte  ^^).  Ein  zweites  Flüsschen  tritt  jetzt  und 
trat  schon  im  späteren  Alterthum  bei  der  Porta  Metrovia  in 
die  Stadt  und  rinnt  durch  das  Circusthal  in  den  Tiber.  Es 
ist  jetzt  unter  dem  Namen  Marana  (Sumpfwasser,  von  mara) 
bekannt.  Da  die  Alten  das  Circusthal  als  ursprünglich  unter 
Wasser  stehend  betrachteten,  so  ist  es  möglich,  dass  ein 
Gewässer  hier  in  ältester  Zeit  vorhanden  war,  auch  deuten 
darauf  die  in  der  ganzen  Umgegend  dieses  Thals  noch  jetzt 
nachweisbaren  Quellen  (S.  139  f.).    Indessen  scheinen  durch 


^^)  tJeber  die  'marna  argilosa'  des  Vatikaa  s.  Poozi,  v^.  Man- 
tovani  S.  34  f.  Die  bis  zu  einer  Tiefe  von  mehr  als  30  M.  gelangte 
Untersuchung  des  Terrains  zwischen  den  Diocletiansthermen  und  dem 
Serviuswall  ergab  nachCanevari  (in  den  Atti  1874/75  S.  419)  welcher 
genau  über  die  Puzzolangruben  handelt  (die  Zahlen  bedeuten  Höhe 
über  dem  Meere):  banchi  di  tufo  58,  80  —  cave  di  pozzolana  54,  60 
—  banchi  di  tufo  61,  40  —  cave  di  pozzolana  48,  40  —  terra  tufacea 
47,  35  —  lapilli  45,  40  u.  s.  f. 

^)  S.  Nibby  Dintorai  1,  135  ff.  und  Bd.  2>  112:  die  dort  ver- 
sprochene Widerlegung  Forchhammers,  welcher  (Gründung  Roms  S.  37) 
den  Almo  durch  das  Thal  des  Circos  ffiessen  lässt,  scheint  mir  jetzt 
nach  abermaliger  Erwägung  des  von  Nibby,  Visconti  und  mir  a.  0,  ge- 
sagten entbehrlich.  Vgl.  Th.  IL  Der  Name  Acqoataccio  wird  neuer- 
dings mit  porta  Appia  y  im  M.  A.  poria  d'Aecia,  aber  gewiss  mit  Un- 
recht zusammengebracht,  in  der  überaus  gelehrten  Abhandlung  Corvi- 
sieris  über  die  mittelalterliche  j4qua  Toeia,  Baanarotti  1870,  42.  66. 
177.  207  ff,  welche  sich  über  die  verschiedenen  Wasseriäufe  der  Süd- 
seite der  Stadt  und  die  mittelalterlichen  Benennungen  verbreitet. 


1.]  LAGE,  fiODEN,  KLIMA.  139 

die  Anlage  der  Wasserleitungen  in  der  Kaiserzeit  auch  an- 
dere Wasser  kunstlich  hierher  geleitet  zu  sein  und  es  bleibt 
zweifelhaft,  mit  welchem  Recht  man  mit  dem  beschriebenen 
Flusschen  die  aqua  Crabra  identificirt  hat»  welche  sich  in  den 
A^io  ergoss^^).  Endlich  wird  ein  Bach  auf  dem  Harsfelde, 
die  Pßtnmia  amnüj  genannt:  andere  Namen,  welche  in  den 
Gebeten  der  Augurn  standen,  lassen  sich  nicht  mehr  identi- 
fidren  ^^).  —  Ausserdem  ist  das  Gebiet  der  alten  Stadt  reich  an 
Quellen,  welche  zum  Theil  noch  jetzt  fiiessen  oder  kürzlich 
wiederentdeckt  sind.  Bis  zur  Anlegung  der  Wasserleitung  haben 
dieselben  die  Stadt  und  die  Burg  mit  Trinkwasser  versorgt 
und  sind,  wie  später  gezeigt  werden  wird  (§  7),  sorgfältig 
geschützt  worden.  Es  ist  schon  bemerkt  worden,  dass, 
während  die  Tulkanischen  Kräfte  in  dem  stadtrömischen 
Kultus  gar  keine  Rolle  spielen,  die  Quellgottheiten  eine  alte 
und  weitverzweigte  Verehrung  gemessen.    Das  beweisen  das 


**)  Die  ganze  Frage  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklart  and  lässt 
sieh  am  wenigsten  so  kurzweg  beantworten,  wie  es  Forchhammer 
(Grondung  Roms  S.  33  f.)  gethan  hat.  —  Eine  spätere  Ableitung  der 
Crabra  in  das  Circusthal  wird  angenommen  (z.  B.  von  Nibby  Dintorni 
1,  527 f.  Westphal  Kampagne  S.  22).  Diese  versorgte  die,  wie  jetzt 
festgestellt  ist,  niedrig  gelegene  Tuskulaner  Villa  des  Cicero  und  an- 
dere mit  Wasser  (Gic  de  lege  agr.  3,  2  epist.  fam.  16.  IS  pro  Balbo 
26  FroBiin  1,  9).  De  Rossi  (Ann.  d.  i.  1873,  209)  weist  nach,  dass 
der  alte  Piame  noch  im  11.  Jahrb.  (aqua  eapra)  vorkommt.  Vgl.  §  7. 
—  Gorvisieri  a.  0.  S.  193  ff.  glaubt  die  aqua  Maranae  von  der  vom 
Caelins  herabkommenden  im  M.  A.  aqua  circuli  benannten  Quelle  unter^ 
scheiden  zu  können  und  meint,  dass  jene  aus  den  Wasseransammlungen 
zwischen  portaLatina  und  Metrovia  (wann?)  sich  gebildet  habe.  Aber 
alle  seine  Gombinationen  scheinen  mir  die  Sache  nicht  endgiltig  zu 
entscheiden. 

^)  Ueber  die  Petronia  amnis  (und  den  Catifans)  —  möglich,  dass 
damit  die  paluM  Caprae  zusammenhängt  —  s.  Th.  11,  Marsfeld.  Gicero  de 
n.  d.  3,  20,  52:  in  augurum  precatione  Tiberinumy  Spinonem,  Mmonem 
(so  Ursinus:  anemonem  die  Hss.;  antenem  die  Leidener  von  2  Hd.), 
Nodmung,  aha  propinquorum  fluminum  nomina  videmus.  Dahin  gehört 
wohl  der  Name  des  Plnssgottes  (Krztäfelchen  aus  Rom  oder  Umgegend): 
Albsi  patre  (£ph.  epigr.  2,  198  n.  296),  den  Henzen  Alb(en)si  auflöst, 
nod  den  ich  schon  oben  A.  14  mit  JlbulOf  Alba  zusammengestellt  habe. 


140  THEIL  I. 

zum  Cyclus  der  ältesten  Feste  gehörige  Fest  der  Fontinalia 
(13.  Oktober),  die  Kulte  des  Föns  auf  dem  Caelius,  der  /«- 
turna  (oder  Diuturna)  am  Fusse  des  Palatin  und  auf  dem 
Marsfelde,  hier  neben  den  heimischen  Lumpae,  der  Camenae 
und  der  Egeria  gegen  den  Almo  hin,  endlich  einer  später 
unter  den  Schutz  des  Mercur  gestellten  heiligen  Quelle.  Um 
so  auffallender  wäre  es,  wenn  sich  an  das  alte  Quellhaus  der 
Burg,  das  Tullianum,  kein  Kultus  geknüpft  hätte.  Indessen 
glauben  wir  in  der  Tfaat  die  Spuren  eines  solchen  in  der 
benachbarten  Verehrung  des  Janus  zu  erkennen.  Hiernach 
ist  es  begreiflich,  dass  in  der  Zeit,  in  welcher  die  griechische 
Kultur  in  Rom  heimisch  geworden  war,  die  dieser  angehöri- 
gen  Formen  der  Verehrung  der  Nymphen  leicht  mit  der  alt- 
überlieferten Verehrung  der  städtischen  Quellgottheiten  ver- 
schmolzen wurden'^). 

Die  dürftigen  und  durch  subjektive  Auffassung  oft  ent- 
stellten Nachrichten  über  das  Klima  des  alten  Rom  müssen 
an  den  exakten  Beobachtungen  des  heutigen  geprüft  ii^rden  ^^). 


^^)  lieber  die  noch  jetzt  oder  jetzt  wieder  keaotliclieii  alten  QuelleB- 
läufe  (wichtig  besonders  die  Juturaa  am  Palatin)  s.  im  allgemeinen. 
Fea  Storia  delle  acqoe  u.  s.  w.  (1832)  S.  1  fi&  vgl.  Scoperta  deir 
autica  aoqua  di  Mercurio,  besonders  aber  Corvisieri  in  der  A.  28 
a.  Abh.  —  lieber  Foutas:  Henzen  Acta  arv.  S.  146  m.  Forma  urbis 
S.  43;  Jnturna  und  die  INymphen  auf  dem  Marsfelde:  Mommsen 
Eph.  epigr.  1872,  86  {Lumpae,  osk.  Diumpai,  zuerst  von  Mommsen 
Dial.  256  richtig  als  italisch  erkannt  und  mit  limpidus  ver^lichea.:  vgl. 
deos.  zu  CIL  4,  815  und  Ritschi  Opp.  2,  490);  Janus  als  Gatte  der 
Juturna:  Arnobius  3,  29  vgl.  §  4;  über  fons  Mercurü  Bd.  2,  520. 
Vgl.  überhaupt  Th.  II.  —  lieber  Nymphen  und  Nympfaäen  vgl.  Bd.  2, 
380.  Jahn  Beitr.  62  ff.  u.  a. 

^^)  Für  die  Temperatur-  und  klimatischen  Verhältnisse  Roms  ist 
wie  natürlich  besonders  Brocchi  Stato  fisico  S.  215  ff.  Secehi,  Clima  di 
Roma  Gioru.  arc.  1864  Bd.  187  ==42  NS.  S.  113ff.  und  191  ^  46S.  222ff. 
(dem  die  obigen  Zahlen  entlehnt  sind)  benutzt  worden,  durch  welche 
die  ältere  Litteratur  (vgl.  Beschr.  d.  St.  R.  1,  88)  wenigsteaa  für 
unsere  Zwecke  überflüssig  geworden  ist.  Dazu  kommen  die  grossen 
den  Gesammtzustand  der  Campagna  untersuchenden  Arbeiten  von  Cane- 
vari  Cenoi  suUe  Condizioni  altimetriche  ed'  idrauliche  dell'  agro  ro- 
mano  (Ann.  del  ministem  di  agricoltura  ind.  e  com.  Bd.  71,  Rom  1874 


§  1.]  LAGE,  BODEN,  KLIMA.  141 

Diese  ergeben,  dass  Rom  jetzt  ein  für  seinen  Breitengrad 
sehr  mildes,  hauptsäcblich  durch  die  Nähe  der  See  tempe- 
rirtes  Klima  besitzt.  Seine  mittlere  Temperatur  +  15^  2  cent. 
ist  um  2^  höher  als  die  Durchsehnittstemperatur  seiner 
Breite  (41^  54  n.  R).  Die  Hitze  ste^t  höchsten«  bis  +  42^ 
die  Kälte  fällt  nicht  bis  unter  —  7^,  die  mittleren  Zahlen 
der  höchsten  Wärme  und  der  höchsten  Kälte  sind  +  32° 
und  —  V.  Daher  der  Schnee  in  Hom  und  apaf  den  Albaner- 
bergen zwar  eine  gewöhnliche,  das  Liegenbleiben  desselben 
aber  eine  seltene  Erscheinung  ist.  Schneebedeckt  sehen  im 
Winter  dau^nd  die  fernen  Abruzzen,  zum  Theii  auch  die 
Haupter  der  Sabinerberge,  selten  der  Soracte  herüber.  Regen- 
tage besitzt  Rom  95  (besond^s  Mai,  Oktober),  wolkenlose 
(besonders  Ende  Juni  bis  Ende  August  constant)  155,  die 
ährigen  gelten  als  bedeckte  (88)  oder  wolkige  (trübe;  122). 
Diese  Beobachtungen  stellen  wir  den  Beobachtungen  über  das 
Klima  Athens  gegenüber,  eine  Vergleichung ,  die  in  vieler 
BeaehuBg  lehrreich  ist°^): 

Rom.  Athen. 

Mittlere  höchste  Temperatur +  32«  +  SO^» 

Mittlere  niedrigste  Temperatur —  V  +4« 

Regentage 95  95,25 

wolkenlose 155         192,50 

bedeckte 88         148,75 

trübe  (wolkige) 122  23,75 

mit  Atlas),  von  Pareto  Rel.  snlle  cond.  agrarie  ed  igieniche  della  campagna 
diRom«  (iD  dens.  Ann.  Florenz  1872)  und  dess.  Saggio  di  stndi  meteor. 
sdI  clima  di  Roma  v.  s.  w.  Atti  della  r.  Ac.  dei  Liacei  1874 — 75  (2  Ser. 
Yol.  2)  S.  659  ff.    lieber  die  ärztUclie  Litteratur  s.  A.  35. 

^)  S.  die  bei  Wachsmuth  (Athen  1,  108)  wieder  abgedruckte  TabeUe 
Schmidts,  deren  5 fache  Abstufung  ('klare,  halbklare,  trübe,  bedeckte,  Re- 
gentage') sich  für  unsere  Zwecke  wohl  auf  die  vierfache  Seechis  (pioggia; 
sereai,  nnvolosi,  coperti)  rednciren  Hess.  Die  Beobaehtoogen  umfassen 
forAthea  12,  färRom  llJalire  (1850-^1860).  Die  vollstäDdige  Tabelle 
4er  RaroiDeter-  und  Thermemeterstände  s.  beiSecchi  a.  O.fid.  42  zuS.  128, 
vgl.  dens.  Sulla  pioggia  oss.  al  ColiegioRom.  dal  1825  al  1874  in  den  Atti 
deU'  ac.  pontif.  dei  naavi  Linoei  Bd.  28  (1874/5)  S.  115  ff.  and  Pareto 
S.  29/^2.    Das  Detail  zu*  erörter«  ist  natürlieh  nicht  uasere  Sache, 


142  THEIL  I. 

Man  sieht,  dass  der  Himmel  Athens  den  römischen 
an  Klarheit  und  Wärme  erheblich  übertrifft.  —  Die  Lage 
Roms  in  ungefähr  gleichem  Abstand  nördlich  von  dem 
hohen  Wall  der  Apenninen,  südlich  von  dem  Meere  und 
die  Natur  der  Winde  bedingen  und  modificiren  diese  an  sich 
gemässigten  Temperaturverhältnisse  in  einer  für  die  Gesund- 
heit des  Menschen  günstigen  Weise.  Zwar  der  afrikanische 
Scirocco  bringt  flussaufwärts  mit  hoher  Temperatur  brennende, 
drückende ,  trübe  Luft ,  welche  zugleich  erregend  und  be- 
schwerend auf  den  Menschen  einwirkt,  die  Tramontana  im 
Winter  über  die  schneebedeckten  Apenninen  mit  blendender 
Klarheit  auch  eisig  scharfe  Luft:  aber  in  Rom  wirkt  weder 
jener  so  versengend  wie  in  Sicilien  und  Neapel,  noch  diese 
so  rauh  wie  die  tobende  Bora  in  Triest  und  Venedig.  — 
Das  Verhältniss  des  Nord-  zum  Südwind  im  Jahre  wird  auf 
288,4:274,8  angegeben®*).  Im  Sommer  pflegt  ein  täglicher 
Wechsel  der  Luftströmung,  oft  freilich  kaum  merklich  — 
am  Tage  Südwest,  Morgens  und  Nachts  Nordost  —  die  Hitze 
zu  mildern. 

Nicht  minder  günstig  sind  wenigstens  theilweise  die  Be- 
dingungen des  Bodens  und  des  Wassers.  Ein  Theil  der 
Stadt  erhebt  sich,  wie  wir  sahen,  auf  Hügeln  bis  zu  einer 
nicht  unbedeutenden  Höhe  über  dem  Flussthal;  namentlich 
die  östlichen  Höhen  sind  den  kuhleren  Luftströmungen  frei 
ausgesetzt.  Bei  einer  allgemeinen  Entwaldung  der  Campagna 
besitzt  Rom  ausgedehnte  mit  Bäumen  bestandene  waldähn- 
liche Parkanlagen.  Es  besitzt  noch  immer  eine  leidlich  grosse 
Anzahl  von  Quellen,  welche  gesundes  Wasser  spenden:  dazu 
kommt  die  ungeheure  Masse  des  Gebirgswassers,  welche  ihr, 
durch  Leitungen  zugeführt,  nicht  allein  kaltes  Trinkwasser 
bester  Art  liefert,  sondern  auch  durch  zahlreiche  und  um- 
fangreiche Springbrunnen  in  der  heissen  Zeit  Kühlung  ver- 
breitet und  in  Verbindung  mit  dem  Kloakensystem  eine 
gründliche  Reinigung  der  Strassen  erleichtert®*).    Es  ist  da* 

««)  Winde:  nach  Secchi  a.  0.  Bd.  46  S.  229ff.,  vgl.  A.  36. 

'*)  Ueber  die  in  Aktivität  befindüchen  alten' und  neuen  Leitungen  das 


§  1  ]  LAGE,  BODEN,  KLIMA.  143 

her  nicht  zu  verwundern,  dass,  wie  die  Sterblichkeitsziflem 
beweisen  (es  wird  jetzt  22,6  auf  1000  Einwohner  für  Rom, 
30,5  für  Florenz,  35  für  Neapel  angegeben),  Rom  im  Ganzen 
zu  den  gesunden  Städten  gehört,  trotzdem  ein  auf  lokale 
Ursachen  zurückzuführendes  Uebel,  die  Malaria- Fieber,  Rom 
wie  die  ganze  römische  Campagna  in  verschiedenen  Graden  der 
Intensität  alljährlich  heimsucht.  Dieselben  treten  mit  grosser 
Regelmässigkeit  mit  Ausgang  Juni  ein,  steigern  sich  bis  zum 
August  und  verschwinden  um  Mitte  Oktober.  Die  mittlere 
Temperatur  schwankt  in  dieser  Zeit  zwischen  25  und  20^, 
die  vorherrschende  Windrichtung  ist  Süd,  Südwest,  West 
(259,8 :  168,1  der  übrigen  Winde).  Man  will  beobachtet 
haben,  dass  die  verschiedenen  Stadttheile  in  verschiedenem 
Maasse  von  ihnen  befallen  werden,  am  stärksten  die  verödeten 
in  der  Peripherie  gelegenen,  die  dem  Fluss  nahen  tief  gele- 
genen häufig  weniger  als  die  an  den  Rändern  der  Hügel  an- 
steigenden. Es  scheint  unter  den  einsichtigen  Fachmännern 
Uebereinstimmung  darüber  zu  herrschen,  dass  mehre  Ursachen 
bei  der  Erzeugung  des  Uebels  thätig  sind.  Das  in  der  Regel 
plötzliche  Auftreten  der  Krankheit  zu  Ende  Juni,  d.  h.  zu 
einer  Zeit,  wo  nach  den  häufigen  Regengüssen  des  Mai  und 
dem  damit  verbundenen  hohen  Stande  des  Tiber  und  der 
zahlreichen  kleinen  z.  Th.  unterirdischen  Wasserlänfe  die 
Sommerhitze  mächtig  hereinbricht  und  der  Wasserstand  jäh 
sinkt,  führt  zu  der  Annahme,  dass  namentlich  das  Verdunsten 
der  zurückbleibenden  stagnirenden  Lachen  sein  Theil  an  dem 
Entstehen  hat.  Als  weniger  sicher  gilt  es,  dass  die  Miasmen, 
welche  um  dieselbe  Zeit  in  dem  niedrigen  und  sumpfigen, 
die  Wasserläufe  der  Ebene  träge,  oft  gar  nicht  abführenden 
Küstensaum  der  Campagna  entstehen,  und  diesen  selbst  fast 
unbewohnbar  machen,  durch  den  um  diese  Zeit  vorherrschen- 


amtliehe  Werk  von  Fea  Storia  delle  acqne  anticbe  sorgenti  in  Roma 
Q.  8.  w.  R.  18S2,  4^  äb«r  daft  heutige  Trinkwasser  (Leitnngs-  nnd  Qnell- 
wasser)  and  dessen  chemische  Analyse  Cavalieri  San  Bartolo  Sülle  acqne 
(lella  mod.  Roma,  Giorn.  arc.  1858,  140  ff.  Tocco  im  Bnonarotti  1872, 
182  ff.  Ceselli  dat.  1873,  102  ff.  n.  a.  m. 


144:  THEIL  L 

den  Sud-  und  Sudwestwind  der  Stadt  zugetragen  werden;  end- 
lich dass  in  äbnlidiier  Weise  die  Miasmen  der  ganzen  so  gut 
wie  unbewohnten  und  unbebauten  Campagna  auf  die  Stadt 
zurückwirken®^). 

Vergleicht  man  diese  Thatsachen  mit  dem,  was,  wie  ge- 
sagt, ganz  sporadisch  und  oft  in  der  unzuverlässigsten  Form 
aus  dem  Älterthum  über  das  Riima  überliefert  ist,  so  steht 
zunächst  die  Frage  zur  Beantwortung,  ob  eine  wesentUebe 
Veränderung  der  Temperaturverhältnisse  nachweisbar  ist» 

Dass  von  direkten  Beweisen  für  oder  gegen  eine  Ver- 
änderung der  mittleren  Temperatur  kaum  die  Bede  sein 
kann,  wo  exakte  Beobachtungen  über  die  alte  Zeit  fehlen, 
ist  einleuchtend.  Doch  würden  allenfalls  sichere  Schlüsse 
aus  den  gleichzeitigen  Aufzeichnungen  der  Pontifices  über 
aussergewöhnlichen  Schneefall,  Frost,  Dürre  u.  s.  w.  zu  ziehen 
sein,  wenn  diese  nur  in  einiger  Vollständigkeit  vorlägen. 
Nun  haben  wir  aber  aus  dem  4.,  5.  und  6.  Jahrhundert  nur 
je  einen  Bericht  über  einen  ungewöhnlich  strengen  Winter 
und  dürfen  annehmen,  dass  wenigstens  aus  dem  6.  kein 
wichtiges  ähnliches  Ereigniss  unbekannt  geblieben  ist.  Die 
Erscheinungen  dieser  Winterfröste  —  vöUiges  Zufrieren .  des 
Tiber,  40tägiger  Schnee  auf  dem  Forum,  Vernichtung  der 
Vegetation  —  werden  allerdings  schon  von  den  Berichter- 
stattern im  Anfang  des  1.  und  im  Ausgang  des  4.  Jahrhun- 
derts n.  C.  als  in  dieser  Zeit  ganz  unerhört  bezeichnet, 
und   es  wird   dadurch   zugleich   den   Uebertreibungen   oder 


B>)  Temperatur  und  Winde  der  ungesandea  Zeit:  Pareto  a.  O.  S. 
32.  Statistik  der  römischen  Fieber  nach  den  Beobachtmififen  in  den 
französischen  Militärhospitälern  (1849)  von  Jacquotot  Gazette  medicale 
de  Paris  1849  n.  47  p.  903,  48,  917.  51.  977,  in  den  grossen  römi- 
schen (S.  Spirito  n.  a.)  von  Morecchini  (1842)  und  Balley  (1863),  resn- 
mirt  und  beurtheilt  von  Valentiner,  Die  Krankenhospitäler  in  Rom, 
Berl.  klin.  Wochenschrift  1870  N.  27  ff.  vgl.  Pareto  a.  O.  S.  149ff. 
För  die  Verbreitung  in  der  Stadt  sind  die  aas  langjähriger  Praxis  ge- 
schöpften Beobachtungen  römischer  Aerzte  wie  Tanssig  (Le  dimat 
romain  R.  1870  vgl.  Baonar.  1871,  142ff.),  Baleiftra  (L'igiene  nella 
campagna  e  citta  dl  Roma  B.  1875)  u.  a.  nicht  unwichtig.  —  Vgl.  A.  45« 


§1]  LAGE,  BODEN,  KLIMA.  145 

poetischen  Mater^ien  einzetner  Scbrift^eller  (terd^bea  Zeiten 
ihre  richtige  Stalte  angewiesen'^);  über  dM  Mittekiter  wie 
die  neäere  Zeit  kennt  wenigstens  einzeln«,  wenn  nic^ht  gleiche, 
doch  ähnliche  Beispiele,  und  es  bl^t  d^ninaefa  auf  alle  Fl^le 
höchst  mis^Iieh,  tmS  dieee  'dürftigen  Beweise  hin  anzunehmen, 
dliss  ^ie  mittlere  niedl*igste  Temperatur  vor  der  Zdt  4es 
Augustns  niedriger  gewesen  sei,  als  (Me  4er  heutigen  ( — 4^, 
emzeln  — 70)»8^.'  x]\^  üebrige,  was  dafür  angefahrt  wirdj 


^).  Liyim  n^  J.  355  ^5, 13) :.  mi^,)?ur  ojnm^  ,hi9m^  gelfda  «c  Hwosa  ft(U 
adeo  lU  viae  ckmsae,  T^berü  innavigabiUs  fuerit-  Geoauer  DiopysFr.  Am^ 
brosch  12,  8:  der  Sclmee  sei,  wo  er  am  dünost^a  lag,  7  F.  hoch  gewesen; 
Häaser  verschbeiten,  Menschen  kamen  um  u.  s.w.:  tovto  t6  nad-oi  oijti 
iTQOTBQov  noTi  yevofievov  iV  löro^fag  y^(f^  m^  invra  -i^  j(u^la 
naQHXti^fA^  ca^*  ßßu^  Im«  tavTiad-*  Tjfiäs  xgovov  ufa^ip  yi  ttvi 
fo^e^miqa  tov  fi^üfWi  mut^  aop  vnkQ  Id^vwf  y^y^ofAßPov  «ff'  '^Xlrfa" 
novtov.naQuXXrjXov'  TOT€  dh.n qb)jov  xal  fiovov  ^^^ßfi  J^S  sitoy 
d-viag  xQttffstos  t]  tov  neQi^/ovtog  tiJvJ«  rijfv  y^v  (pvaig. 
Aber  (wie  schon  Becker  S.  $6  bemerkt)  ähbliches  wird  von  AugosUn. 
C.  0. 8,  17^am  J.  464  berichtet  (JedeAftiÜs  ants  Li^ltisl.  15)  t\  . .  quiü  ki&ms 
Ula'  mtmorabäiäJaiK  mcreäihiU  ünm9»äai0  i^emma,  yl  nivihu$\  h^r^ 
rmida  aUitudif^  ef^ißm  im-  fora  per  dies  J(.L  manen^ilfus  fiber^s  quoque 
glacie duraretur.  si  nostris  temporibus  accidissety  quae ütietquanta 
iüe^sentJ  Aehniieh  (Kiäne  and  Felder  fiigeo  auGi^uAde)  Zanartis  8, 
7  S.  192  Diiid.  QeriAgfngIfier  675>Liv.  40,  45,  1:  hietM  eo.anmmm 
taemx  ei.tnnm  iempetttttum  g^eneri ßtäf  arbores  quae  »bn6a>iaej¥ig:(nibu* 
Munf  daissärateunolm  et^a  tum  aUpumto  tftum  aÜas  lottgiarßtä,  Htiraa 
1,  d  {jKides  ut  aka^  er  spHeht  poetiseh  vao  eioem  hartes  Wiotejr»  J^e-, 
Mögt  aber  nicht  das  Znfricfreii  des  Tiber)  ünA  der  ÜieselieisBapfoQ  bei 
Marlial  4,  18  befweü^ii  utarnicj^ts.  < 

'^y  Weaa  NfeMir  H.  G.  d,  fi55^8«irt,.  eaf  sei  dtem  Winter  d«s  J.  484  in 
den:  seitdem  Teiflossenen  2000  Jahren,  .heiiier  ^Itfichgiakjommen  und.  {d*c« 
bemerlLtc  'die  .Mast  so  dürftif^en  Ghronikeii  nwl  pübatiieheft  Biogmfkhiea 
der  fiastercB  Zdte»  erwähnte  jgefade  von  NatareaUmitUteii  so  viel, 
dws  ihr  Stiii8ckiv«icpej&  V4»lULMniDtoit  xureieht,  dieses  za  beiK«ise&',.  so 
ist  daipegen '  doch  aü  die  Biographie  SrergiMs  ILlo.  5  zu  erianerit.  lo 
■caiester  Zeit  iat  utoalgstens  tügeAän^e»  Liegeabieiben. des  SolineeB  auf 
dem  Foi^nm,  GefiriercR  4er  Fotttöa«  aal  Piastza  Barberiai  u.  ä.  vofffer 
kemmeu.  ladassen  'V.^rmaig  ichl  üb.ar  die  mittlere  nail.aeaere  Zeit  ibein 
vWlstäadiflie«  Material  zm  bi^en.  Ueislgevs  fiücpt  Niebuiu^:  .selbst  a«  Q. 
biaza:  'dass  das  nittlare  Klima  Wafmßt  gew^ardea  sei,  ist  aber  ganz 
falsch.'  ... 

Jordan,  rOmische  Topographie.    L    1.  1^ 


146  THBIL  I. 

sind  Schlussfolgerungen  noch  viel  unsicherer  Art  Es  ist 
richtig,  dass  in  den  Jahrhunderten  vor  unserer  Zeitrechnung 
der  vorschreitende  Anbau  des  Landes  die  Walder  zurückge- 
drängt und  dass  die  Verminderung  der  Waldflache  hier  wie 
anderwärts  eine  Veränderung  der  periodischen  feuchten  Nieder- 
schläge herbeigeführt  haben  muss.  Im  letzte  Jahrhundert 
der  Republik  bestanden  noch  aahkeiche  luai  auf  den  Hügeln 
Roms,  nothdürftig  geschützt  durch  den  Kultus ^  aber  immer 
mehr  eingeengt  durch  die  Kultur'^).  Damit  stimmt  überein  die 
Rolle,  welche  in  den  ältesten  Zeiten  der  Wolf  in  der  Religion 
Roms  wie  Italiens  spielt,  eine  Rolle,  welche  nur  verständlich 
ist,  wenn  man  sich  Wälder  in  nächster  Nähe  der  Ansiedlun- 
gen  denkt:  nicht  minder,  dass  schon  im  6.  Jahrhundert  das 
Erscheinen  eines  Wolfs  in  der  Stadt  ein  Prodigium  ist^®).  — 
Es  ist  ferner  richtig,  dass  auch  die  Jahrhunderte  des  Verfalls 
Veränderungen  in  der  physischen  Reschaffenheit  des  Landes 
herbeigeführt  haben.  Wir  wissen,  dass  die  latinische  Ebene, 
einst  reich  an  Ackerbau  treibenden  Städten,  seit  dem  4.  Jahr- 
hundert mehr  und  mehr  verödet;  die  südwärts  führenden 
Strassen  verfallen,   die  Thore  schliessen  sich  (Rd.  2,  233); 

'9)  Varro  de  1. 1.  5,  ÖO  (v^n  den  biet  der  Melitis  and  Lucina):  quo" 
Tum  angtuU  fine»;  mm  mirmti:  iam  diu  enim  lote  AvaHUae  numen  est 
(auariUa  un^eS  F:  8.  Bd.  2,  601).  Das.  152:  laurdum  ...ab  nUra  Umrm 
quod  ea  ün  excUa  est  aedifieatus  vtciM,  üt  inter  saermn.  viam  et  moeaUtcm 
edüum  Cameta  a  ^oomiM  quae  abseütae  loco  reHquerunt  notnen  (aas  Varro 
Plinias  16,  37).  Diese  Stellen,  sowie  die  hier  nicht  weiter  zu  hehao- 
dekde  Bedeatun^  von  lucus  widerlegen  genügend  die  hingeworfene  Ver- 
mothnng  (Pareto  S.  114  a.  A.),  dass  diese  tuet  ana  wenigen  an  die 
Tempel  aogepBanste»  BSamen  bestanden  haben.  Naoien  von  luet  (die 
besternten  aof  dem  rechten  Ufer):  aeseuletumy  *j4thiemarum,  Camema^ 
rwny  *Dette  Diae,  Etqinlmtu^fagvtal,  *Furrinarum^  lauretmn^  Laver • 
nacy  Läritinaej  Lucmae,  Meßtis,  PeteUmiu,  PoeteUue^  qu/eredum^  Feetme; 
duo  tuet  anf  dem  Capitol  and  aaf  dem  Caelias  (?  Becker  A*  1053). 

^)  Wölfe  im  Koitus:  es  braoeht  für  die  Stadt  Rom  aar  an  die 
Utperüi  and  die  ürspningslegende  erinnert  tm  werden.  Wölfe  in  der 
Stadt  ein  Prodigiam:  Liv.  32,  29,  2.  41,  9,  6.  Ihr  Brseheinen  in  der 
NKbe  der  Stadt  mag  seit  den  Zeitoa  der  Verödung  der  Campagna  wie* 
der  höoilger  geworden  sein.  Noeh  im  J^  1580  missen  Preise  auf  das 
Erlegen  derselben  ausgesetzt  werden  (Gregorovios  6,  605  A.). 


S  1.1  LAGE,  BODEN,  KLIMA.  147 

die  Regulirung  der  Tiberniündung  wird  vernachlässigt,  die 
Häfen  yerfiiUen ;  im  6.  und  7.  Jahrhundert  vollendet  sich  die 
Verödung :  das  Volk  flieht  vor  den  plündernden  Barbaren- 
zfigen,  endlich  vor  den  Seeräubern  in  die  schützenden  Mau^n 
der  Stadt  So  gelangten  die  durch  die  Natur  des  Bodens 
von  jeher  gegebenen,  von  der  Kultur  mit  Glück  bekämpften 
schädliehen  Elemente  zur  Herrschaft  und  die  Miasmen  der 
entvölkerten  und  schlecht  entwässerten  Ebene  dringen  bis  in 
die  Stadt,  wie  sie  es  noch  heut  thun.  —  Es  ist  endlich  richtig, 
dass  di«  Vegetation,  vielleicht  sogar  die  Thierwelt  Roms  — 
wenigstens  die  Ra^en  der  Hausthiere  —  sich  wesentlich  ver- 
ändert haben ^^).  Allein  alle  diese  Thatsachen  beweisen,  wie 
auch  neuerdii^  von  den  mristen  Sachverständigen  anerkannt 
wird,  durchaus  nidit  eine  Veränderung  der  mittleren  Tempe- 
ratur: am  allerwenigsten  wird  dieselbe  aus  der  ganz  hypo- 
thetischen Annahme  >iner  Verminderung  der  Wassermasse 
des  Tiber  gefolg wt  werden  dürfen^*).  —  Wenn  andrerseits 
der  Festkalender  der  ältesten  und  der  landwirthsdiaftliche 
Kalender  der  historischen  Zeit,  wie  es  scheint,  in  allen 
wesentlichen  Punkten  eine  Uebereinstimmung  des  Charakters 
der  Jahreszeiten  von  ehemals  und  heute  nachweisen,  so  wird 
—  natärlich  abgesehen  von  der  prähistorischen  Zeit,  die  uns 
nichts  angeht  —  die  Annahme  einer  Veränderung  der  mitt- 
leren Temperatur  als  unerweislich,  ja  höchst  unwahrscheinlich 
zurückgevriesen  werden  müssen  ^^). 


^*)  leh  wiederkole  nicht,  was  am»  HonuBtens  €»«8chichte  vad  Hebi^ 
Raltnrpaanzea  allsenein  bekaaat  itl  —  des  letaterea  Baeb  eathalt 
ibrifCBs  aMaebe  sehr  bestreitbare  Bebaaptaag  -*-,  verweise  aasserdem 
aber,  aamentlich  far  die  Thierra9eD  aaf  die  freilich  aach  aieht  ab» 
sAUesseBde  Darstrilaag  voa  Fireto  a.  O.  S.  74  f. 

^  Seeehi,  Pareto  aad  die  maistea  der  a.  aeoerea  SebriftsteUer 
konaieB  za  dem  obea  aagesebeaea  Resaltat:  aaders  M.  Oe  Rossi  ia  der 
§  1  A.  11.  eitinea  Schrift. 

tt)  Fiir  dea  Fest-Kaleader  verweise  ich  aaf  Mommseas  aad 
HascULsa  bekaaate  Uatersachaasea.  Für  die  Vergleichans  des .  altea 
ludwirthsekafUiehea  Kaleaders,  wie  er  aaneatlicb  bei  Varro  de  re 
mstica  1,  36  aad  Virsil  vorliest,  mit  dem  beatigea  fehlt  es  meines 

10* 


148*  TIfEIL  T. 

I>9igejgen  kt  ^  eebr  wohl  m^Hchj  dass  di«  b^t'edt^  am- 
g^gebeiieit  •  Vei^nrdeimtige»  der  Bödenk-dtur  das  KliiAa'  der 
Sttfd«  ifa  seiner  Einwirkung  auf  di«  Gesundheit  derMefischen 
tertod^rt  hat;  Aber''^ii(sh  Iti  dieser  Beziehvtng  uiiahnt  eine 
geiMiue^  Betracktftiyg  del*  alt^' Zeugnisse  zur  grössten  Vorsieht 
und  .211  TolIsUndfgem  Ablieben  von  jenen  vereinzelten  sob-» 
jekti^ier  und'  mbmentsln^r  i^timmung  ent^rungen^n  Aeiisse- 
rungeb;  tfelch^  ohne  jede  Beweisktäft  sind.  Die  Frage  Ist 
abet*  hier  zunähst  iso  z«  stellen  i  hat  das  aHe  Rom  di« 
heutigen  öndemieohen'  MalamaOeber  oder  ihnen  ver^andtb 
gehabt  unfd*  welcher  Art  sind  die?  von  den  altdn  Ms  pBi^ntia 
be^eichTieten  Epidemien  gewesen,  'welche' in  grösseren  Zwi^ 
dcheRrä*fnnen  Stadt  und  Ihngebtkng  heimsuehieii? 

'  Die  Alten  klagen  darnbbr ;  d^ss  Rotii  •  im  -  itetbet  uhge* 
snnd'sei-uiid  dass  'dais  Fieber'  in  dieser  Zeit'  wülhe.':2iiP 
Zeit  des  Horaz  gUt  dies  bffenha^  als  eine  re^elmlssig  Urieder^ 
kbhrendo-Plag^,  vor  der,  we^'s-verihag/  sich  beiw^hrt;  ibdem 
er  d^h  Auft^thah  in  idbn  Bergen  isiit  der  Stadt  vebtaüscht  ^^>< 
Ebenso  ausgemacht  ist  es^  d^s'die:  Üuft.Ronis  fitterhaupt  äki 
ungesund  ^attt  ausdröeklich  ivird  gesagt,. dass^effetdiä  WaisB«r'* 
leittfngen  d^  Oebel  lerHeblich  gesMiept  hätMn^  tidd  die 
Geschieht^phitosophen;  wekhen- die  Aufgdbe  a^el, 'diu i  Weis- 


■  ■  ' tt  I        '    11 


Wissen«'  wmA  «AjOiaer  gMaujen  .Ui^tek'iHcäaQg.  pocih  ist  die  ,klLV>«4a-i 
rische  Identität  aller  für  Charakteristik  der  Jahreszeiten  weseotlicher 
Handlangen  ausser  Zweifel:  Abweichungen  wie  die  der  Erntezeiten 
(Hea  jetzt  Anfang  Mai,  Pareto  S.  103,  nach  Varro  gegen  Ende  Juni; 
Korn'jetst  ita'd^r  MMstwig  D^-hM)  ilmii,  in  de^  fiodMlMBiifc  20.' Jani 
bü«  :&.  Juiiv  Pafieto  :S.  51,  120,  ntrah  :Vai>M -30.  ifrai  ^i^  d4.  Jult).  #er- 
d>eil  sehwerlteh'föp  eine  VeHjl«diiThng:'<ioa  Kltinag''ver#«rtbet^'Viierd«o 
klteneb.         =  •     '  "       »•    \v-    .•-.■•  .    ,'  ■•!    • ., 

^)  Darauf  beziekeii  ^icll  di^  Steilen  flon  Bpiattü^'Tv^Slff.^  ^hmi  fMta 
pf^&tm 'MÜfrque  diisignalofn^  ä^^^nd-  HtS^rUm»  atHs}  dtun-ptufif  ümnis 
fiibeT'elmike^hulh  paM^  aßMoM^Ue  seduHiag  M  opSUa^fWensiradthieÜ 
Febres  et  testamenta  resig-nat,  Sat.  2,  6,  18  ff.  i.nat  nt4xim  trae  ianUUio *petd# 
two  plHmbeuBiAüstänaiäämToiwtpm  ^fpavuiidbUüla^  qubesia^  aeBf#a0i*Aehn- 
lich'Carii.  3»  14, 1&  f.  J4iv:  ft.  4^  56:  imnJetiJ^ro  ümikniapruMk  miktttmAj 
iam  ^uattmriam  spkrdUUbwfi'aegris  («roti  iler-  Züeaddnti^dt  fftt  «Mh^ 
weir^g  qFi/<»t^ftafr»  <»t^tk  zu  lüerfamden).  «    •  •     . 


§  1.]  LAGE,  BOBm,  KLIMA.  1^9 

Mt  de«  Sladigrui^erß  .aueb'iaiis  der  Wdbl  des.  pits  v^cbzMi 
weiseiir.pir^yiNeQ  .otf^obar  'etwAa  .koJi^tliicb  Ropis  Hügel  .'a)s 
itterki«rurdig  g^»und  iiuautt^p  eiptr  iiogeAupdeo  G«^g)wl?)^ 
^.  kdosL  jiibmfk^fik  Yf4h\  lum  Zweifel,  j^^in,  do«s  miadjest^Ofi 
äboUcJbfq  ^edioguiieefi,.  me  eae^.bfpitidie  ft^nl^iiafiaberin  d^r 
olmebia  in^  Mdliphei^  KUm«^  beaoful^^.  /gefabrlicben  .Perilod^ 
dßß  Hocttsoiaiiißfs  jm)id.Herbsle6,.er9i9Hge|i,  j^ixch  ^i. aller i Zeit 
r^Qlmäs&ig  ^Vltlerl^plffQDde  Fieber,  w^ettgt  'lieben:  — ^ob  ebpft 
g^Aai^  die  jßtot  herrs^heodevi  ..wbßd.idich  i^^bt  att&mdchen 
las^eQ,;.d^  }^ifffi.  exakte  Bßacbr^ib^sig,  4^.  altfm  vctrbj^&dett  iirt. 
Dofoh  li^iiid  jg^i^  auf  meinen  Ua^tfii^.  a^foierHsam,  gf^t^cbt 
werdep,.  weW^jr..d^;..V«>rband/ei>sei^.  dei;  par^ldOl^  Fjorw 
de»  Malwiafeber^  ift  alter. Zei4  direkt  :f,\K  h^mimk\^^mL 
Nicht  jsebr  gPQC^s  G^iobt  J^ge  ich  acif  .dea  JJiQttus  der 
Feim;  die  JMf/?li>  i#t,  wif^  oben,  gß^^eigt-  wurden,  ^ur 
diirqb.  eio  Mi^^vfi^tändniss  .in.  diefi«  Fü^^n^oeipge^pgePI 
worden  ^^).  —  Der  Benennung  nach  verschieden  von  diesen 

~r ■ — r-     ...  .1 

«B)  F4roiiti»n;s  ^g;t  in  der  jiQch  moht  sicher  g^bjeüte^  Stella  de  «mj.  88; 
die  sglubrüat^firbi»:  Zierde  dureji  JXervas  Vejpmehruug  der  Wafi$.er^erke 
fewiüQ^:  «e per&mteA, guidetn  aquaeotiQsae  (ptio  die  Hs<)  sunt: alia  (jidftf 
B.)  mtofdUinrum  facißx^  jmrior  tpiritus,  et.e^ußQfgr^oHs  cßelji  ^ipMs 
gfud^  veteres  t  4e  mbi  wfqmU  wir  fuü  esf  rej^Qtus.  ßüchele^:  {wteres 
urkü  i.  a.  fssunt  rmnotaef  pline  rechte  Wahrscheiolichkc^it.  I)as^e.l^p 
blickt  durch  bei  CUtero  de  rep.  2,  &  locumque  d^egU  et  fontpv^f ^!^un- 
iaxtem  et»  in  l^ßgjifine  pestilmH  s^luhr^ :  cpUes  en^im  sunt^  jjui  cu^  per- 
ßoHUtri^tup^iulfcrmtMwJ^^  Dj^e^ep  bat  mit  dem.KUo^^ 

juchtd  2U  thuDj^  .K^'a9  ^Ixal^o  5)  %  2  3,*  229  ,&  £.  voa  den  ZlwiUinf  ea  sf^^,: 

xfiv  Inttrid^loi^f  yiie  au8  4ew  ^<))|p^iidea  he^vor^ej^t  niid  .n^nieii^lich.iuis 
der  ^it  Cicero-  we^otlich  libereio^tivun^den  Ben^erkiuiff  §  ^  .S*  231 
a]p«<xa   ^'   ioTly  (die  laiiaische  Küste)  .^vdaifuav  xoil  T^afd^ifOQp^  ^kifp 

Ter  Tfulv  Idgisaxwv  u.  s.  w.  

M)  Viel  uafiriifihtVarfs  Hia-  t^id  Qerredeu  in  alfer  und  neuer.  Zeit: 
,Yqn  älteren  &  B.  bei  De  JStfatth^is  (jlulto  de^la  dea  Febbre.;.Difis.  ^p\V  ^iq. 
r«»u,4i:arch.  182;!  (1,  1).  Vgl.!  auch  JReygk,  Z.  f..  d^AJl^rdu-W.  1849 
IL.3.  1856,  \^%  Hirsch  .(Handhuch  dar. J^torisch- ^gr^liiflc)ie|?i  Pa- 
tholqgie  1,  18., 48  t).  entscheidet  nichts.  Die  ßes^hreibungen  der /ebris 
ffioiidüma  tertiana  ^arUtua  bei  Celsus  u.  a.  werden  mit  Unrecht  immeir 


150  THEIL  I. 

Fiebern  ist  die  pestäeniia,  deren  in  langen  Zwisclienräumen 
sich  wiederholendes  epidemisches  Auftreten  von  den  Pontifices 
verzeichnet  worden  ist.  Fast  regelmässig  wird  dieselbe  ab 
eine  Krankheit  geschildert,  welche  ungeheure  Massen  von 
Menschen  in  kurzer  Zeit  hinrafft  und  Entsetzen  verbreitet; 
auch  sie  tritt  —  wenigstens  soweit  die  Jahreszeit  genannt 
wird^ —  im  Sommer  und  Herbst  auf,  wie  es  scheint  regel- 
mässig zuerst  als  Viehseuche,  erst  dann  als  Menschenseuche; 
aussergewöhnliche  Naturerscheinungen,  oft  vulkanischer  Art, 
auBsergewöhnliche  Menschenanhäufungen  erscheinen  als  Ur- 
sachen oder  beseitende  Umstände.  Es  scheint  bisher  unbe- 
achtet geblieben  zu  seiü,  dass  ein  einzigesmat  der  Verlauf 
der  Krankheit  durch  zwei  wichtige  Thatsachen  angedeutet 
wird:  Eintreten  des  Todes  in  der  Regel  spätestens  am  sie- 
benten Tag,  bei  denen»  die  die  Krankheit  bestehen,  häufig 
im  Gefolge  ein  Quartanfieber^').    Diese  Beschreäung  sdieint 


als  Beschreibnogen  des  römischeo  Fiebers  angefdlirt:  sie  sind  ja  den 
grieehischen  Quellen  entlehnte  Erörterungen  dieser  überall  vorkommen- 
den Rrankheitsformen.  —  Ueber  die  MefitU  oben  A.  10 .  Die  nach  Cicero 
(Legg.  2,  11,  28.  De  nat  d.  3,  25,  63)  nnd  PTinins  (N.  h.  2,  16) 
aaf  dem  Palatin  verehrte  Fehru  (von  der  Verehrung  anf  dem  Esqnilin 
spricht  nur  Valerius  Maximt|s  2,  5,  6:  s.  Bd.  2,  520)  ist  uralt;  ob  ihre 
Deutung  als  Fiebergöttin  zur  Zeit  Ciceros  richtig  und  sie  sieht 
vielmehr  die  Göttin  der  heissen  Zeit  sei,  lasse  ich  hier  dahingestellt: 
die  Etymologie  steht  nicht  sicher  (fervere  vglt.  Corssen  A.  1*,  102, 
fp^ßofiai,  'beben'  Fick  W;  B.  t<,  690  MnllenhofT  bei  Curtius  Et. «  300) 
und  es  fehlt  an  Analogien  ahnlicher  Kulte  {Orhona  und  Mda  Fortuna 
welche  Cicero  anführt,  sind  keine  solche).  —  Aueh  im  Mittelalter 
dauern  Fieberepidemien  (ob  alljährlich?)  fort.  Bekannt  sind  aus  den 
11.  Jahrhundert  die  Verse  des  Petrus  Damianus  (in  denen  es  heisst: 
Romanae  febres  dabäi  nmt  iure  fideles,  s.  Beschr.  d.  St  R.  1,  103), 
eine  grosse  Fieberepidemie  vom  August  d.  J.  1167  (Gregoroviua  4, 
450)  u.  a.  m. 

*^)  Pestü  ~  ohne  Zweifel  mit  Corssen  Rrit.  Beitr.  396  Beitr.  z, 
ital.  S^r.  334  nach  Pott's  Vorgänge  von  perdo^  *  perd-tis,  abzuleiten 
—  bezeichnet  ursprünglich,  synonym  mit  lues,  jedes  die  animalische  und 
vegetabilische  Welt  ergreifende,  zerstörende  Uebel,  Gegensatz  Mthu 
(terra  pestem  teneto,  salus  hie  maneio  fieschwörungsvers  bei  Varro  r.  r. 
1,  2,  27).    Davon  petHlensj  pestilentia  (vgl.  Celsus  1,  2.  10).    Chronik 


J 


§  1.]  LAGE,  IK)DEN,  KLIMA.  151 

<  den  G«daDken,  dass  es  sich  auch  bei  dieser  Krankheit  um 
eine  Form  der  Malariafieber  handle,  nicht  auß^uschliessen^^). 
Es  nass  dahingestellt  bleiben,  ob  dieser  Fall  mit  den  übrigen 
aus  dem  6.  Jahrhundert  berichteten  gleichartig  sei.  Ohne 
genügenden  Grund  hat  man  die  pesUlentiae  Roms  älterer  Zeit 
für  Fälle  der  orientalischen  Beulenpest  oder  für  Blattern 
ausgegeben.  Die  Einschleppung  orientalischer  Krankheiten 
wäre  an  sich  bei  dem  regen  Handelsverkehr,  den  beispiels- 
weise in  sehr  froher  Zeit  die  sädetrurisdien  Städte  mit  der 


•» 


der  'PestütBzeii'  naeh  Livins:  lo  der  ersten  Dekade  3,  6.  32.  i,  20.  21. 
5,  13.  6,  20.  7,  27;  in  der  3.  ~  5.  nur  27,  23.  38,  44.  40,  19,  6.  41, 
21,  später  v.  J.  589  Obsq.  13,  v.  J.  612  Gros.  5,  4.  lieber  spätere 
A.  48.  —  Jahreszeit:  August  (3,  6),  Sommer  (5,  13).  Verlauf:  580 
4t,  21 :  qtä  inciderant,  haud  facüe  sepHmum  diem  supenUfonty  qiä 
supertxvarant  Umginquo,  tnaapime  quartanae,  impUeabantur  morbo. 

**)  lieber  die  Besebreibuog  des  Livius  (41,  21)  theilt  mir  auf  meine 
Bitte  aneiu  Kollege  Naunyn  folgendes  mit:  'Es  handelt  sich  bei  dieser 
Krankheit,  ifvohl  aller  Wahrscheinlichkeit  nach,  um  das  Uebergehen 
eines  continuirlichen  Malariafiebers  in  die  gewöhnliche  intermittirende 
Form  desselben.  Das  dauernde  Herrschen  der  Malaria  in  Rom  kann 
ja  nicht  zweifelhaft  sein  und  dass  namentlich  an  solchen  Orten  wo 
Malaria  herrscht,  Einflüsse  vorübergehender  Art  diese  Krankheit  in 
pernicioseren  Formen  auftreten  machen,  ist  sicher.  Selbst  wenn  man 
die  Identität  der  von  Livius  hier  erwähnten  quartana  mit  der  gewöhn- 
lichen Malaria  intermitt(^ns  festhält,  wäre  freilich  immer  noch  möglich, 
dass  es  sich  um  eine  typhusartige  Efkrankung  bei  jenem  continuirlichen 
Fieber  gehandelt  habe.  Die  neueren  Erfahrungen  (vgl.  z.  fi.  Riess 
Beob.  über  Febris  recurrens  Berl.  klin.  Wochenschrift  1869  N.  31  Se- 
nator ebend.  1871  N.  32)  zeigen  wie  eine  entschieden  den  Typhoiden- 
krankkeiten  angehörige  Krankheitsform  Intermittens  im  Gefolge  hat.*  — 
Die  Pest  bei  Livius  4,  21  wird  mit  der  gleichzeitigen  athenischen  in 
Zusaoimenhang  gebracht  (Niebnhr  2',  573.  Häser,  Handb.  d.  Gesch.  der 
Medicin  3',  6,  der  S.  3  die  Berechtigung  unter  pestilenäa  eine  be- 
stimmte Krankheit  zu  verstehen  leugnet).  Ansichten  älterer  Aerzte 
welche  die  römischen  pestilentiae  mit  der  Bubonenpest  identificirten  bei 
Schwegler  R.  G.  2,  61 7  ff.  Jedoch  meint  man  jetzt  dass  letztere  erst 
unter  Justinian  im  J.  542  (so  Hirsch  in  dem  A.  45  citirten  Handb.  1, 
142.  213)  oder  schon  zur  Zeit  Cyprians  251 — 266  (so  Häser  in  dem 
a.  Handbuch   3',  3)   nach   Europa   gelangt   sei.      Die  Epidemien    der 


152 


THBIL  l 


Levante  itiiterhielteiü,  sehr. denkbar:  indessen  scheint  es  soii^t 
an  jedem  sicheren  [Anhalt  lur  <liQse  Annahme .  zu  fehlen  und 
nameütlicb  ist  das  Auftretem  der  Beul^npest  in  Europ;^  vor 
Jitötinian  im  bdohsteo  Grade  unwahi*scheialioh. 


frühereu  Kaiserzeit   (z.  B.  die  unter  Nero,   Suet.  Nero  39)  sind  kaum 
bestimmbar;    die   grosse  *Pcst'  unter  Marcos    (Capitol;  Marcus    15, 
Veras  8)   gfilt  jetzt  (Häser  a.  0.  S.  Q4]f.)   als  ein«  Gomplicirdii^  ver- 
uchiodener  Hraoih^teN»  oaineotliclL  di«r  ^t^rn  ü^A  de^  Ru]|r« 


1  .  f 


ll- 


i  • ' 


•  •  :•    §.2.  .  . 

ME  ÄLTESTEN  MfflEDELÜNGEN. 

Dass '  die  goi^enaiiliite  Geschidite  der  sieben  Könige  in 
äireNi  weseatücheli  The)],  der  VerfassungsgiBSchichte,  eine  Kette 
wohl  odef  -^h«]'  er^tinener  Erfiridungen,  Rücfcseldüsse  «nd 
Wortef ((lärungen  sei,  diese  Ansicht  büdet  ffir  uns  ^ie  Voraus- 
setzung fardie  l£ritik  dtr  in  dieselbe  verwebten  Gesebichte 
der  siädtiseben  Bafut^  und  der  ätadferweilerung.  Wir  könn- 
ten eme  selche  also<  Mer^  wo  wir  es  mit  den  geschichtlichen 
Spuren  der  alteVi-  Ansiedelungen  m  tbun  haben,  föglich  bei 
Seite  lassen»  wenn  wjr  nicht  glaubten,  auch  unsererseits  durch 
die  Analyse-  dAeses  topographisehen  Theils  zur  Begründung 
jener  Auffassung  beitragen  zu  können;  ausserdem  aber  fussen 
noch  immer.  Hypothesen,  über  die  wichtigsten  Fragen  der 
Topographie  so  zuversichtlich  auf  die  traditioDelle  Entste- 
hujBigsga^hicJbte  der  Stadt»  dass  wir  auicb.  aus  diesem  Grunde 
nicht  vemmden  können,  ^unseren  Sitandpunkt  klar  zu  be- 
zdchfien.' 

Die  sogenannte  Geschichte  der  Erweiterung  der  Stadt 
vor  der  Üinmauerung  der  sieben  Hügel  ist  so  unzertrennlich 
von  dien  Ang^beA  über  die  Wohnungen  der  Könige,  dass  ein 
gemeiissa'mer  Ui'sp^ung  nitbht  zu  verkennen  ist.  Jene  ist  be- 
reits hn  2.  Bande  analysirt  und  (das.  'S.  206  ff.)  gezeigt  wor- 
den, dass  die  Vereiiiigung  der  sieben  Hügel  Roms  nach  der 
Vorstellung  itj^r  römischen  Annalisten  durch  Servius.TuUius 


154:  THEIL  I. 

io  der  Weise  vollendet  worden  ist,  dass  derselbe  den  Esqai- 
lin  (und  Yiminal)  zur  Stadt  zog  und  durch  den  Wailbau  die 
Ringmauer  schloss ;  dass  es  in  den  besten  Quellen  nicht  oain- 
der  fest  stand,  dass  zu  Anfang  nach  der  Besiegung  des  Titus 
Tatius  wie  das  Kapitol  so  der  Quirinal  zu  der  Niederlassung 
der  geeinigten  Palatiner  und  Sabiner  gehörten  —  worauf  wir 
unten  zurückkommen  — ,  dass  einstimmig  die  Hinzuziehung 
des  Aventin  dem  Ancus  Marcius  zugeschrieben  wurde,  und 
dass  eine  wesentliche  Verschiedenheit  der  Ueberlieferung  nur 
den  Caelius  betrifft,  so  nehmlich,  dass  die  einen  ihn  unter 
Tullus,  andere  unter  Ancus,  noch  andere  unter  dem  ersten 
Tarquinius  colonisiren  liessen^).  Dass  dieser  ganzen  Er- 
weiterungsgeschichte allerdings  die  Kunde  einer  doppelten 
Ansiedelung  zu  Grunde  liegte  wird  «ich  weiterhin  zeigen;  so- 
weit sie  aber  an  die  Namen  der  einzelnen  Könige  anknäpflt, 
verdient  sie  nicht  mehr  Glauben  als  die  flbrigen  an  diese 
Namen  geknüpften  geschichtlichen  Notizen  und  ^  muss  von 
vornherein  als  eine  offene  Frage  betrachtet  werden,  ob  die 
mit  der  Hinzuziehung  der  Esquilien  zur  Stadt  unlöslich  ver- 
knüpfte Nachricht  von  der  späteren  Voll^dung,  der  Befesti- 
gung durch  Servius  Tullius ')  für   mehr  zu  halten  sei,  als 

^)  Die  dort  gegebenen  Nachweisnngea  wiederkole  ieh  oicht.  Die 
bei  Livius  alleia  1,  44  (aus  ilim  Viri  ilL  7,  6)  auftreteode  Beiift«p- 
lang,  dass  der  Quirinal  .durch  Servius  zur  StadI  gezogen  sei»  ist  weiter 
nichts  als  der  Ausdruck  der  Ueberlegong,  dass  der  aervianische  Wall 
ja  auch  den  Quirinal  umspannt  und  fiigt  sich  der  übrigen  Ueberliefe- 
rung nlcbt  Ob  man  die  Neuerung  dem  Piso,  Valerius  oder  wem  sonst 
zuschreiben  will,  ist  gleichgiltig.  Ebenso  vereinzelt  und  wahracheia- 
lieh  irrthiimlich  aberliefert  ist  die  Aosiedlnng  der.SAbuMr  ^nrch  R«;- 
mulus  auf  dem  Aventin  (A.  53).  —  Von  dem  dem  unsrigen  entgegeng«- 
setzten  Standpunkt  aus  behandeln  mehr  oder  weniger  aUe  Topographea 
die  sogenannte  Erweiterungsgeschichte;  am  eingehendsten  (ausser  Am- 
brosch  und  RuMno,  Binl.  §  3)  Piale  Del  tempio  di  Giano  (1819), 
Della  foadatione  di  Roma  und  Del  sesondo  recinto  fatto  da  Romolo  (1822), 
Orioli  Settimonzio  Giorn.  Are.  1853  Rd.  133,  DeUe  tre  prime  triba 
romane  Diss.  dell'  ac.  Rom.  di  arch.  13  (1855),  153  ff.  215  ff.  aad 
Zinzow  Das  älteste  Rom  oder  das  Septimontium,  Progr.  des  Gymn.  von  Py- 
ritz  1866.  Eine  Widerlegung  im  einzelnen  yerbietet  sich  für  ans  von  selbst. 

*)  Ebenso    wie   der   servianische  Wall  nimmt   der  Bsquilia,   wie 


S  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDELUNGEN.  155 

ein  Glied  jener  Kette  von  Schlussfolgeruqgen,  welche  gerade 
durch  ihre  Gleichartigkeit  ond  scheinbare  Folgerichtigkeit  ihren 
späten  Ursprung  verrathen«  —  Zu  einem  gleichen  Ergebniss 
fährt  die  Betrachtung  der  KönigabSuser.  *)  Der  Vollender 
des  Synökismos  wohnt  natürlich  auf  seinem  Esqailin,  ebenda 
sein  Schwiegersohn  und  Nachfolger,  der  letzte  K5nig :  an  den 
guten  König  mochte  die  Strasse  der  'Gfltigen^  (tncus  cuprim)^ 
an  den  ^übermüthigen*  und  seine  unmenschliche  Gattin  die 
'Verbrecherstrasse'  erinnern  *).    Von  dem  Gründer  Roms  gab 


anten  weiter  gezeigt  werden  soll,  eiae  Sonderstellao^^  io  der  Ueber- 
liefemDg  ein. 

*)  VerzeidiBiss  der  RSoi^shaaser  bei  Solia.  1,  18.  21  IT.  aus  Varro 
ie  vita  populi  R.  (yfL  Non.  S.  581),  wie  schon  Einl.  $  2  bemerkt 
worden.  Die  N^neren  haben  die  systenatisehe  Erfindung  niebt  genii- 
send  erkannt:  Ambroicb  Stadien  S.  37.  39  f.  Rubino  Beiträge  S.  229  IT. 
aber  dessen  Verirrungen  A.  9.  Auf  die  einzelnen  Ortsangaben  komme 
ich  im  Tb.  II  zurück. 

*)  Solin  25:  Servius  TuUius  Esquüinus  (Var.  esquiUnis)  supra  cU- 
man  UtHum.  Es  mag  sein,  dass  (was  Bd.  2,  244  bestritten  wurde) 
dies  dureh  die  Cognoauna  Cnfiitolimu,  Antitinentii  u.  a.  (über  welche 
unten)  and  das  folgende  (26)  Tarquinnu  Superbus  ei  ipse  Espalinus 
(Var.  quilvmuy  esquiUnü)  geschützt  wird;  dennoch  erscheint  mir  die 
Verbesserung  EsquilHs  wegen  der  Analogie  der  übrigen  Notizen  vorzu- 
ziehen. Ueber  Tarquinius  Superbus  Solin  a.  0. :  Btquäimu  eupra  eüoum 
PwBium  ad  ftigetalem  laeum  (vielmehr  ÜMCtim),  also  wahrscheinlich 
auf  der  HSke  von  S.  Pietro  in  vineoli  (Bd.  2,  254  f.).  D«r  Grund  die- 
ser Ansetzang  seheint  mir  kein  anderer  als  die  historische  Erklärung 
des  cnteKs  eeeterahu  itictue  a  TuUüt  Supei^  tueare  (Varro  5,  159),  der 
nnmittelbar  zur  Wohnung  6ee  Servius,  der  Ja  den  Esquilin  bewohnen 
musste,  also  auch  des  Tarquinius  führte,  wie  aus  der  kritisch  schwie- 
rigen Stelle  des  Livius  1,  48  hervorgeht  (vgl.  Th.  II).  Dass  der  Name 
vteiw  seeleratus  (ähnlich  vicui  sobrüti?)  sehr  alt  sei,  ist  zu  bezweifeln: 
8.  §  8.  Für  den  vieus  eyprius  (so  Liv.  Varro  Dionys.)  liegt  zwar  nur 
die  Deutung  des  Varro  a«  0.  vor  a  eypro  quod  iHSaltim  cives  additi  ecn" 
aederunt^  qtd  a  bono  omine  id  appeÜmnad:  nam  eyprum  Sabina  bonum, 
indessen  wissen  wir  ja,  dass  Varro  selbst  an  verschiedenen  Stellen 
verschiedene  Ableitungen  gab  und  da  uns  das  Wort  jetzt  auch  aus  dem 
Umbrischen  bekannt  ist:  Ckbrar  nudrer  =  Cuprae  matria  (Gorss.  Zs.  f. 
vgl.  Spr.  20,  81),  so  ist  die  Annahme  durchaus  zulässig,  dass  von  einer 
soldieo  Gi^ttin  die  Strasse  benannt  war  (vgl.  unten  A.  56)  und  dass 
diese  Benennung  auf  den  'guten*  König  führte. 


156  •        THBIL.  Li  ' 

es  zwei  WpbnuDgen«  wi^lohe,  wi«  er  reihst  unter  die  Götter 
versetzt  war ,  als  ä)B8ecrirte  HoibgthuiQer  «rhalten  tvurded^ 
auf  dem  Pulatio,  wo.^yr  erzogen  wocdeci  und. die  iecsftejSla4t 
gegründet  bette  und  auf  dem  Ka^ilol,  dem  iAtabftJlitldpnnkt 
der  neuen  Doppetetadt  £])eu4ai  auf  darArx,  wobnt  statuTr 
lieb  auch  TiJUus  Taltiuft'^),!  JS^ü  4en .  übrigen  K^igda  halte 
es  die  Erfindung  nicbt*  s^  .lekbt:  doel^  war  e«.  giiboteiw  dua 
Erfinder  der  Staatsreligiont  4eni  Sabiner  Nqoia«  zuer&t.  auf 
dem  sabiniaeben  Quirbial  M'obneo  upd  däua  dk  geietUobe 
regia  beziehen  zu  lassen  ^).  Konnte  man  dann  sein  Gegen- 
stück,  deü  friedfertigen  Ancus,  recHt  gut  in  odef  bei  der 
damus  regi$  bei  dem  Larentempel  unterbringe^ ,  so  mochte 
schon  die  An^log^e  diesem  Tei^pele,  yielleicbt  auch  der  StoJ^e 
des  Königs  bereehtigen^  den  TuUus  auf  der  Höhe  ;dep  Velia 
—  der  noch  später  g'efürebteten  Feste  — -  beim  i^eilateiäleitvpel 
wohnen  zu  lassen;  freilich  mussten  diejenigen,  nach  welchen 
er  den  Caelius  der  Stadt  einverleibt  hatte,  ihn  dann  ^ut  die- 
sen  Berg  ül^ersiedeln  ^)4  So  bleibt  der  erste  Ts^quipius  über; 
iich  weisd  nicht  beatimmt  anzugebeB,  weshalb  man  idieaen  m 


^)  j[lajnuljDs  iKo^Qt  nach  Solm  1,  18  i|ii  tugurium  FMustutf.  auf  dev 
Germalos:  dies  ist  die  cßßa^  später  ,<»h^  Rwmdif  .üi^fr  w«lQhe  £4.  2, 
208  f.>  abe/r.  auch,  auf  4aiq  Kapital  ^i^^bt.  es.  Jiae)^  Vitruv.  %  1»  $  eii\e 
R/ftmuli  (Mua:  die  nothwendige  Folge  der  £U*o|ieruii|p  des  Kapitols  (v^l. 
Tb.  II):  aus  ähQÜcben  GirüiideD.&iekea  J>(iHaa  «jwi  Tarjiiunius  um.  (qnt«n). 
Beide  casae  siod  die  eQQ§eerirtea.  W^ibohäpaer  des  l^tadtgrUa^i^i^y  .wfs 
Preller  Avfg.  Ayfs^  S.  486  uict^  ei:kaiutt  liait.  üeber<  d^a  .Jf^]|i$«r 
Feretriua   Tb.   IL  i.  .  . 

^)  Solia  21 :  Numa  in  coll^primum  QuiritiaUs  iifiinde.prop^  aedßm 
Featae  in  regia  quae.ß^Auc  ita  ßpp^fatur*    \gl,.^*\9* 

7)  Solia  22 f.:  TulUu^.Mos^iJUuSy  tibi  pa$tea  thvm  Pe^ß^um  Oddes 
facta  est  , , .  Ancus  Mwcim^  in  summa, aacm  v.ia  ubi  aedfis  Itotrum  ^^ 
Es  moss .  ann^aoimneQ  «w^rde»,  ^a^s  die.  Quelle  Varre  ist;  iiej^a  al#o 
aus  diesem  citirt  wird  (Neu«  531)  Tullum  HosiUiufß  in  f^eiOs,  ,ulbi  mtftc 
est  aedis  dcum  Penatitun ,  ^incum  in  Palatio  ad  portam  MugUmis  sub 
sinzstra,  so  kann  die  zweite  Notiz  aucb.nur  di?  ]\ähe  .^es  J[fareiuteiii- 
pels  bedeuten.  —  TaUus  auf  dem.C^^iAs:  Pioays.  d,  \f  l<4vias.i,  30: 
ibique  dein  de  habitavit.  Diese  Wobnaag  wii*4  nut  il^D,/»^st  iurcb 
Blitzschlag  vernichtet  (das.  31).  -r-   Ueber  die  drohende  Yelia  A-  65. 


$  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIfeDELUNGEN.  157 

äflinhtelbariftter  Nähe  des  Ancirs  untjergebracht  hat  ^).  —  Es  ist 
Dar,  dads  die  AngelpUDkta  cKes^t*  Erfitldütigen  die  zwi«fach«n 
K^nigskluser  regia  und  d&mu»  rtgH  {%*  Tb.  11)  sind  und  dass  in 
dem  Register  der  J^ourstigeii  Thtfteti  d^r  Könige,  wie  in  der 
De«ituiig  eines  Namens  i^dtus  Melemlti^),  das 'ewar  dilrflige 
aber  doch  ebön  ofusrefiehende  Material  tur  DunMlihrung  de(^ 
Sjrstemßittk  gegeben  war.  Wie  selbst  kritische  and  sonst  m% 
der  Art'  der  Quelkin  vertraute  Gelehrte  in  diesen  der  albani- 
schen .Königstafel  an  A^rmlk^eit  gleichen  Erfindang  m% 
Unkehfraos  der  !ri<^htigeli  Sthkrisfolgeruhg  eine  Yolksträdition 
über  die  ältesten 'Hei^tbdmer  haben  finden  können,  bleibt 
mir  uderkMrlioh  ^).  .       •   •        .  .  »     v 

üisMfioh-  bestellt  ist'  es  mit  der  ßescMoMe  de^  könig-^ 
liehen  Bä u t enL«  K^r  'efne Thatsacbe  liegt' d^selben  wiederum, 
im^  wir  zeigen  werdien,  zu  Grunde:  die  Ei^lfinerung  an  die 
Banthiltigkeit  ein^s  emgewandeHen  Herr8^hferg«sdilechts;  alles 
ahier,  m^  daröber  hidausgeht,  h^t  nicht  den  mindesten  Wertli 
und  ist  mit  ähnlichen  Mitteln  und  nach  ähnlichem  Master 
wie  die  Sta^dterweitungsgeschlchte  und  itir'  Anhängsel,  das 
Verieichjllss  der  feöni^shäuser,  zusanlmengeleinft  worden. 
Der  erste  Eroberer  nach  dei;  Gründung. de^  Staats,  der  'reiche' 
ToUh»  muss  aucih  das  erste  Beispiel  der.  naehnalig.  so  ge- 


9)''So}iD;24:'  Tanqßätm»  PHtotu  ad  Mwtgoniam  'pottäm  tuppa  sum'- 
mmn  noMun  trimti  Livi«i  1^  4I(  «tf  Statardt  und  zwar  tnit  'des  oberen 
FeMtera  naoh  d«r  vüp^va\  dies  sdietnt  ebeii«»- lehr  auf  die  Identilüt 
nit  der  W^h&tmgdes. Abcut  (A,  f)  aktimit  d<ft>  d«s  Soperbos  (A.  4) 
M  4ea«e».  Letetere*  .taimml  SeliWds^M'  {i^  779)  nod  wobi  schon  An- 
Biiif  PetiallB  bei  Plioi  34^  13  an,  dd  er  di«  Slat«e  der  GIoeHa  corMra 
hm»  Stmorii aetUmin v^HUkth SuperbiOmius  erwähnt;  Dio  Fräs«  i^M, 
•dhwieri;  and  wird  Tk«  tt  in  aideretn  ZesniihieikhtfÄsr  erHrtert  werden« 

^  Beai  A«8gitDg8{tanict,  die  ngim^  hat  Anbrosoh'  inef'st  riehtif^ 
beaKtheilt;  im  öhrigeA  ist  e^  nwht  mt  KIkrfaett  gekonimteD.  Auch 
nit  der  Akribie  ist  es  nicht  weit  btrj  so  sagt  er  S.d7,  die  'Süge' 
habie  dte  Nonia  im-Tbapel  des  QnirMns,  in  cei'la  Qumntdi  wohnen 
lasden^  idc  witus  nicht  lvkl«nnl:  m^  soi/e  Iß.  steht  bw  fiolin  (A.  %)  \i^  den 
Bm.  und  bei  -S«liiiasius.s.w*:.  Bio  Myaticisnen>ilnbino's^  Welche  die  ge- 
falseb^  GHate  dar  OHge  gieatis  roaiaMie  Anrid-ften  Victor  und  Rofas 
znr  Basis  haben  (vgl.  Bd.  2,  5 IG),  zu  widerlegen,  ist  unmöglich. 


158  THEILI* 

wohnlichen  Bauten  aus  dem  Beuteertrag  {de  nuadbiis)  geben : 
noch  in  spater  Zeit  trug  die  Curie  seinen  Namen  {cwrta 
Ho$tüia).  Unausweichlich  war  dann  der  Schluss»  dass  das 
Comitium,  ihr  Yorplatjs,  von  demselben  Könige  eii^efriedigt 
wurde  ^^).  '  Der  Schöpfer  des  Yerfassungsstaates  baut  das 
Staatsgefangniss,  das  fortan  seinen  Namen  tragt  (TMianium)\ 
nur  dass  es  Leute  gab,  die  denn  doch  die  Uebelthäter  auch 
vor  dieser  Zeit  in  sicheres  Gewahrsam  gebracht  wissen  woll- 
ten und  so  den  Ancos  vorher  wSbsaa  den  earcer  erbauen 
liessen ").  —  In  die  Geschichte  des  Mauerbaues  werden 
natürlich  die  Könige  von  Ancus  an  der  Reihe  nach,  wie 
sie  die  Stadt  erweitern,  hineingezogen.  Aber  ein  beach- 
tenswerther  Rest  editer  Kunde  lässt  des  Geschlecht  der 
Tarquinier  zuerst  den  monumentalen  Steinbau  einfahren, 
die  grosse  Stadtmauer,  die  Kloake,  den  Juppitertempel  und 
den  Circus  bauen:  nur  mischt  sich  hier  gleich  wieder,  an- 
gehängt an  eine  falsche  Etymologie  {YMbnm  a  vdü),  die 


10)  Der  dives  TuUus  des  Horaz  C.  4,  7,  75  (riehtig  verstanilen  von 
Schwegler  1,  577  A.  3)  fecä  et  gaepsü  de  mamtbüs  eomüwm  et  eurieon 
(Cic.  de  rep.  2,  17,  31,  yg^I.  Varro  5,  155);  die  gangbare  Brklärang 
ist  nm  nichts  besser  beglaubigt  wie  die  allgemein  aufgegebene  des 
TulUanum  und  die  nor  bei  Vopiseus  (Anrel.  41  Tac.  3)  yorkonmettde 
Bezeichnung  für  den  damaligen  *  Senat',  curia  PomjriUanay  kann  mnt 
keine  Weise  als  Zengniss  fnr  das  kSniglicbe  Alter  betraehtet  werden : 
vermathlich  ist  er  eine  voräbergehend  beliebte  feierliehe  BenenniiBi^, 
welche  an  die  eecurüa*  temporis  Pompilian»\  Amm.  14,  6,  6,  erinnern 
soll.  Ich  bin  auch  jetit  noch  der  Meinung  (Hermes  8,  218),  dass  der 
Name  von  dem  Neubau  eines  Hostilieri  herrührt:  ton  diesem  im  6. 
und  7.  Jahrb.  sehr  mächtigen  und  sich  selbst  für  uralt  haltenden  ple- 
bejischen Geschlecht  (vgl.  Mommsen  Forsch.  1,  104)  konnte  sehr  wohl 
der  Ruhm  eines  solchen  Baues  mit  Recht  oder  mit  Unrecht  beanspraeht 
werden.  Soll  man  ernstlich  glauben,  dass  vor  dem  6.  Jahrhundert  die 
Curie  am  Gomitium  auf  den  Namen  des  dritten  Königs  getauft  worden 
Ist?    Mir  erscheint  das  widersinnig. 

")  Festus  S.  356:  TulUanum  . .  Servmm  TuUium  regem  aedißcasee 
aiuntf  daher  bei  Varro  5,  151 :  ideo  quod  additum  a  Tuüio  beiBubehal-* 
ten,  nicht  a  TuUo  zu  sehreiben  ist,  wie  Schwegler  1,  668  a.  1  richtig 
bemerkt.  —  Ancus  als  Erbauer  des  eareer:  Livius  1,  38,  8.  Vgl.  f  4 
und  Th.  n. 


I  2.]  DIE  ALTESTEIN  ANSIEDELUNGEN.  159 

lediglidi  auf  falschen  Schlussfolgeruogen  beruhende  Erlaute-* 
rang  ein,  dass  der  Kloakenbau  erst  das  Forum  trocken  ge« 
legt  (worüber  §  1)  und  so  dem  Comitium  diesen  grösseren 
lor  den  Markiverkehr  bestimmten  Raum  beigegeben  habe  ^^). 
Die  Vertheüung  dieser  Bauten  zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Tarquinius,  die,  wie  sich  zeigen  wird,  unhaltbare 
VervoUständigung  der  Geschichte  durch  die  Erfindung  der 
Befestigung  auf  dem  reehten  Ufer,  die  ebenfölk  höchst  be- 
denklidie  Rolle,  die  der  römische  Theseus,  Servius,  als  Wall*- 
erbauer  spielt,  zeigen  die  Hand  eines  oder  mehrerer  jüngerer 
Schriftstellar,  welche  die  sieben  Könige  möglichst  gleichmässig 
mit  Thaten  ausstatten  zu  müssen  glaubten.  Aber  noch  mehr. 
Drei  falsche  Etymologien  und  jenes  *  erste  BeispieP  eines 
staatsrechtlichen  Akts,  des  Baues  de  manibiiB,  dem  sich 
vidlkommen  gleichartig  die  römischen  Stiftungen  der  Heilig- 
thümer  des  Juppiter  Feretrius  und  Stator  als  vorbildliche 
Beispiele,  jenes  der  spoUa  opima,  dieses  der  G^lobung  eines 
Tempels  durch  den  Feldherrn  vor  dem  Feinde,  anreihen  ^^), 
weisen   deutli<^  auf  eine  Zeit   sammelnder  und    klügelnder 


u)  Die  StoUea  über  den  Miuerbaa  {  9  z.  A.  Uelirigeos  ist  die 
IVaditioB  bis  auf  Nebendinge  ziemlich  fest.  Den  Aocns  schreibt  die 
Qaelle  des  Livios  (vgl.  A.  II)  die  Befestigung  auf  dem  Janicolam,  die 
Tiberbrücke,  den  caroer,  die  Hafenanlagen  von  Ostia  za  (so  schon  En- 
Bivs  bei  Festos  258.  142  s:=  Ann.  145  V.),  also  ausser  dem  offenbar 
später  eingesehfvSrztea  earegr  eigentlich  keine  der  stadtischen  Bauten. 
Der  ernte  Tarqninias  moss  dann  nach  der  livianischen  ErzShlnng  den 
Tempel  fundameatiren,  den  Girens  anlegen^  die  Entwässerung  durch  die 
Kloake  vornehmen  (L.  1,  35,  8.  37,  6,  7),  der  zweite  die  prächtigere 
AvfflUimng  des  Tempeis  planen,  den  Circns  ausbauen,  die  Hauptkloake 
anl^^n  (1,  53.  56). 

**)  Tempel  in  Schlachten  gelobt  und  de  mambiu  gebaut  sind 
hiiiAg:  vgl.  Forma  nrbis  S.  28  (wo  noch  Vitr.  5,  5,  8  biozugefdgt  und 
tnf  Mommsen  Hermes  1,  176  verwiesen  werden  konnte);  die  Cnrie 
und  das  Comitium  sind  templä.  Dass  auch  die  Weihung  des  Heiligthums 
des  Jappiter  Stator  dahin  gehört,  bedarf  keines  Beweises ;  über  das  des 
Feretrius  A.  15.  —  Dass  die  Etymologien  des  relabnan,  TulUanum^ 
der  curia  HogüHa  älter  seien,  als  die  graechisdie  Zeit,  ist  nicht  zu  er- 
weisen. 


160  THEILl. 

Gelehrsamkeit  bitiy  dieselbe  Zdt^  in  der  man  cbs^ erste  .Bei*^ 
spiel*  eines  Perdueltions--  und  eines  ProV^kolkvisprözesfies 
der  Geschichte  <einf4gte  und  mit  Mfe  «iner  fälschen  iEtymo-* 
iQgie  das  Fetialenrecht  von  .den  ^biUigdenkendett^  A/equieolet-n 
herüberkommen  liess^^).  —  Es  iit  bemibiieaA'^^hin^i  dass 
die  EHindang  sich  nieht  in  gleicher  Weise  ym.  an^ik  Prdfan- 
bauten  so  an  die. heiligen  gewagt,  oder. doch  nur  schuditern 
die  Thatsache  bestritten  bat,  dass  dier  tanffiinificfae  Temitelbau 
in  den  Akten  des  Pontificaloollegiums  als  der  erste  ver- 
zeichnet stand,  von.  dessen  VoUendüng  zugleich  die  Vec-* 
ehrung  von  Götterbildern 'datirte.  Zu  der  Kategfä»e  der 
sttceUa  fana  und  dle^tcbra  (Bd.  2^  271  ff«),  gehörten  also  die 
Heiligthfimer  des  römischen  Urstaats«  das  Vcstär,  Lar^o-  und 
Penatenheiligthum  und  die  wenigen^»  angebiicb.  vbn  dea.Koiii- 
gen  vor  den  Tarquiniern  gegründeten  Kultnsstiäfftpn.V).  Wenn 
sieh  daneben  die  Notiz  findet,  dass  ein  odeir  ^et  andere  König 
doch*  ein  froheres  fanum  schon  in  eine  eigenttiehe  aeies  wer^ 
wandelt  ^^),  und  Servius  seiner  Patironiki  der  Fortuna  «UeiA 
mindestens   drei  Heiligthumer   und   den  Teni|!>el   dbr  .  Diana 


1^  Das  inane  studmni  ditßendi  qßae  friimu  quisqae  ete  Rumumis 
duei^Hs  feeisBet  (Seaeea  de  brev.  vitae  13)  eraoaifie  tarn  -^  iieveits  z«r 
Zeit  Ctcero's  aasgebildetes  -^  System  vba  Ges6hie}|l^älsdMiligpeiL  üebcr 
die  Prosesse  Mommseb  Hermes. 4)  22.i  •'  ..? 

")  Varro  de  tfita.p.  R»  f!\oa.  494)r:  Aoeo  aediSf  qMme:ntmc  esi^ 
muUü  anms  pest  faoia  f  tM  .(xm£  P)  «119110.  (nrnnia  .(ontttonc.P)  r^giis 
temporiöus  ddubra  pmna  fewsta  (ich  vocAutlM  JauiMäX  ^y^mvBm%  r.i  u« 
s.-w.}.  Damit  stiniiit  liberein,  dass  die  roflMUisokeiiiHaiiil^tUimer  y^t 
ihrer  NengrÜDdunig  durch  Aagnsttos  als  kleine  KapeUen'JbaaaifchDot.wer* 
den,  das  Heiligthum  der  Fides  als  soOraHum  (Liv.  U  29),  die.daa  Pavor 
nod  Pallor  (Liv.  1,  21,  7)  wie  die  auf  dem  Kapitol  durch  Tac^|«i« 
exangarirten  (Cato  bei  Festas  S.  162  aater  fM^tüfum)  als/BRir.  Eben- 
falls stimmt,  dass  nach  Vavrb  (Anguslan.  -  de  eiv.  4^  äi  a.  A.)  liie  fi^taaer 
170  Jahre  lang  kdine  Bilder  hatten,  yenniathliirf»  aisU  najoh  üim.  Tar* 
qninias  der  ältere  liaerBt  ein  sadches  imlcapitolintaahMktTaaip^l.wcikte« 
S.  Kdtner  VarroniafSbe  Stadien  (ttalle  1865)  &5Jf..And  Detlefsea 
De  arte  Ronu  anti^vissisM  <Progir.  GliiekMGadt  1867)  S..3  f.; 

>>)  80  heisst  es  vtBA  Aacas  •h«l  >Liv..  1,  33,  B^  t^gte^pie  rebus 
hello  gestis  aedis  lovU  Feretrii  amplificata.  .    , 


§  2J  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDELUNGEN.  161 

weiht  ^^,  so  sehen  wir  auch  hier  die  nachbessernde  schrift- 
stellerische Hand,  welche  Dinge,  die  in  offenem  Widerspruche 
mit  der  besten  Ueberlieferung  stehen,  zu  bestimmten  Zwecken 
eiDschwarzt.  Es  leidet  kaum  einen  Zweifel,  dass  auch  fdr 
diese  Dinge  Valerius  Antias  wenigstens  die  später  allgemein 
giltige  Formulirung  des  Details  gefunden  und  dass  schon 
Varro  gerade  wie  Cicero  ihn  jeder  für  seine  Zwecke  ausge- 
nutzt hat,  obwohl  dieser  ihn  gar  nicht,  jener  nur  flüchtig 
erwähnt,  yermuthlich  als  einen  in  jedermanns  Händen  befind- 
lichen, wenn  auch  nicht  sonderlich  angesehenisn  Schrifsteller  ^^). 

*^)  lieber  die  Tempelbauteo  oder  Grund uogen  des  Servius  haben 
aagenscheialich  sehr  verschiedene  Ansichten  und  bei  den  jüng^eren  An- 
nalisten sehr  willkürliche  Hypothesen  bestanden.  Allgemein  wird  ihm 
der  Tempel  der  Diana  aaf  dem  Aventin  (13.  Aogast)  zugeschrieben, 
iass  er  auch  den  der  Laoa  daselbst  (28.  März)  gestiftet  habe  (Tac. 
Add.  15,  41),  scheint  Ovid  (F.  3,  883)  nicht  zu  wissen.  —  Von  For- 
tanentempeln  schweigt  Livius  ganz,  zwei  kennt  Dionys.  4,  27:  tov  fikv 
iv  ayoQ^  ry  xalov/^^vy  ßoaqCtj^,  jov  6h  Hsqov  ln\  laig  Tjiöai  tov 
Tiß^Qtog,  rjv  avS^eiav  nQosfjyoQevaev,  tag  xal  vvv  vno  'PcofictfoiV 
xaXeZrai.  Ersterer  ist  der  bei  Livius  mehrfach  genannte  fin  foro 
boario  33,  27  inira  portam  Carmentalem  25,  7:  seinen  Dedicationstag 
kennen  wir  nicht),  der  zweite' ist,  wie  längst  bemerkt  worden  ist 
(Becker  478  f.),  das  von  Varro  6,  17  dem  Servias  beigelegte  fanuM 
Fortis  (!)  Fortunae  secundum  Tfberim  extra  ttrbeniy  dessen  populärer 
natalis  (ders.  bei  Non.  8.  144)  der  24.  Juni  ist.  Schwierigkeit  macht 
der  amit.  Kai.  z.  d.  T.:  Fortt  Forhmae  trans  Ttber{im)  ad  müliar{ium) 
prifn(um)  et  sext(um);  und  ad  seoetum  sind  die  alten  Dedicationen  an 
die  Fors  Fortuna  geifunden  worden  (CIL  6,  1,  167 — 169).  Also  zwei 
servianische  Heiligl^ümer  trans  Tiberttn?  Danibdr  s.  Th.  IL  — 
Endlich  erwähnt  Plinius  36,  163  aedem  Fortunae  quam  Sieiam  appeU 
lant  a  Servio  rege  sacratam,  welche  Nero  in  das  goldene  Haus  ein- 
sebloss.  So  nehmlich  mnss  geschrieben  werden  {si  iam  die  Leidener 
Hs.,  setoTu  mit  der  Bamb.  die  übrigen,  S&iam  Vulg.),  wenn  die  Insehr. 
Or.  IS  V.  J.  12  n.  C,  welche  durch  Smetius'  Abschrift  (29,  6)  bekannt 
ist,  richtig  gelesen  worden  ist:  . .  Sieiae  (so)  Fortunae  . . .  mag.  vici 
tandaliari  reg,  IUI.  Apokryph  ist  natürlich  auch  der  Dius  Fidios  des 
letzten  Tarqninius  (Dionys.  9,  60). 

SS)  Für  die  Details  der  Geschichte  des  kapitolinischen  Tempelbanes 
ist  Valerius  Hauptquelle  (§  3  A.  17  O;  Th.  11).  Dass  er  stark  in  der 
oben  bezeichneten  Methode  der  'ersten  Beispiele*  gearbeitet  hat,  ist 
aach  sonst  nachweislich  und  von  Mommsen  bei  Gelegenheit  der  'ei>sten^ 

Jordan,  rOmisehe  Topographie.    I.    1.  11 


162  THEIL  I. 

«  MüsseD  wir  dem  Dach  die  traditionelle  Entwickeluags- 
geschichte  der  Stadt  von  Romulus  bis  zu  den  Tarqaixiiera 
bei  Seite  legen.,  i^o  besitzen  wir  dagegien  von  der  Gründung 
der  Stadt  auf  dem  Palati  um  Nachrichten,  welche  zum.Tbeil 
mit  dem  Befund  der  Trümmer  in  merkwürdiger  Weise  üb^- 
einstimmen.  Freilich  kann  nun  beispielsweise  über  die  An- 
zahl der  Thore  der  Romulusstadt  eben  so  wenig  eine  schrift*- 
liche  Überlieferung  auf  uns  gekommen  sein,  wie  über  die 
erste  Anlage  des  Comitium.  Aber  wir  haben  es  hier  mit 
einer  Gruppe  von  üeberlieferungen  zu  thun,  welche  mit  den 
bisher  behandelten  gar  keinen  Zusammenhang  haben:  den 
Üeberlieferungen  des  ältesten  Kultus.  —  Unschätzbar  ist  für 
uns  die  Nachricht,  dass  am  15.  Februar,  dem  Luperkalienfest, 
die  Gilde  der  luperci  in  Thierfelle  gekleidet  einen  Umlauf  um 
die  'alte  palatinische  Stadt'  hielt.  Diese  an  den  sogenannten 
Kalender  des  Numa  geknüpfte  Nachricht  ^cfst  so  gut  wie  alle 
ihres  gleichen  und  wie  das  Ceremoniell  selbst  in  das  höchste 
Alterthum  zurück^®).   Es  ist  kein  Zweifel,  dass  dieser  Umlauf 


Prozesse  X-^'  1^)  liervorgehobea  worden.  Dasselbe  gilt  von  der.  Ge- 
ßdiichte  des  Ursprunges  der  Beredsamkeit  in  Cicero's  Brutns  (Hermes 
ß,  209  if.).  Damit  wäre  vereinbar,  wenn  Piso  des  Livins  HauptqueU« 
für  die  Königs^rescMchte  wäre.  Indessen  haben  die  bisherigen  Unter;- 
sachangen  die  Sache  noch  nicht  ins  Reine  gebracht* 

^^)  Aelias  Tubero  bei  Dionys.  1,  80  lässt  die  Hirten  des  Nnmitor 
den  Romalas  und  Remus  Überfallen;  als  sie  das  arkadische  Fest  feierten: 
^vixa  ix^V'^  ''ovg  nagl  to  IlalkdvTiov  oixovvras  roiv  v^wv  ix  tov 
^vxniiov  Jsd-vxQtag  nsQiaX^alv  iriv  X(pf4>i]v  yvfjiyovg  *.  tovto  Sk 
Xftd-OQfAov  Tiva  Tpv  xojfXfflAv  TidzQiQV  l^vvaiOf  Qjf  xal  vvv  Mt$ 
öqatav,  Varro  6,  34  (vom  Lupercalientage,  dies  februatus  quod  tum 
februaiur  populus^  id  est  kipercis  nudü  lustratur  miiiquum  oppidum 
Palatinum  gregibus  humanis  cinctum  (unten^  vgl^ .  5 ,  165  antiqutim 
oppidum),  Plut.  Rom.  21:  xal  ydq  aQ^of^-^vris  Trjg  7i€QidQOft^g 
tovg  Aovniqxovs  o^to/biev  ivrev^ev  onov  tov  '^Piof^vXov  ixT€d^vat  Jt^- 
yovmv,  Dass  %m  Caesars  Zeit  auch  4a  andere  Theile  der  Stadt'  ge- 
laufen wurde  (Marquardt  Handb.  4,  404),  sagt  Plut.  Gaes.  %\  nicht: 
^taO-iovai  iivd  tijv  noXiv  yvfivoC:  sie  musstenja  gerade  den  Mittel- 
punkt der  Stadt,  die  sacva  via,  darchlaufen.  Mommsen  vermuthete  CIL  1  S. 
364  in  der;  Stelle  des  Varro:  a  regibus ßomanis  moenibus  cinctum  und 
wiederholt  dies  gegen  meinen  Widerspruch  (Bd.  2,  269)   neuerdings  im 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  AWIIDELUNGEN.  163 

die  Lustration  der  Stadt  bedeutete,  ausgehend  vom  Lupercal 
and  zu  ihm  zurückkehrend.  Ich  habe  sehon  Bd.  2,  269 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  der  Weg,  den  die<  luperei 
bei  diesem  Umlauf  zur  Zeit  Caesars  einschlogeo,  >ftie  'mitten 
durch  die  St«dt\  d.  b.  über  die  sacra.  viO'  fährte  (A*  19) 
und  da&s  dieser  Weg  kein  anderer  war  als  das  Pomerin'm 
der  palatinischen  Stadt,  dessen  Lauf. zur  Zeit  Caesars 
erkennbar,  durch  Grenzsteine  gesichert  war,  wie  der  Lauf 
des  Pomerium  der  servianischen  Stadt.  Das  bezeugt  Tacitui^ 
ausdrücklich,  wahrscheinlich  gestützt  auf  die  Avgiifaihilcher 
des  M.  Valerius  Messalla : .  wie  die  Sorge  für  das  servianisthe 
Pomerium  den  Augurn  nach  Ausweis  der  noch  erhalteiten 
Steine  desselben  oblag,  so  auch  die  des  palatinisdien.  Es 
ist  aber  nöthig ,  ehe  wir  von  der  Bedeutung  dieses  Pomerivm 
weiter  handeln,  die  taciteifiche  Beaohreibung  desselben  zu 
prüfen  ^^).  —  Messalla,  auf  welchen  wir  a.  0.  die  Beschrei- 


Beraies  10,  49.  leli  mus«  dabei  bleibeo,  dass  es  unmöglich  ist  anzo- 
nehmen,  dass  Varro  an  den  Mauern  des  Palatium  mehrere  'römisehe 
K«oige'  bauen  lässt  (welcher  alte  Schriftsteller  weiss  davon?)  ui^dhikin 
nicht  zugeben  dass.  in  g^e^es  humani  als  Bezeichnung  der  mit  Thier- 
feilen  geschürzten  midibiperci  etwas  'Skurriles'  liegt. 

*°)  Tacitns  Ann.  12,  24  (wo  er  von  den  Erweitehingen  des  Poine- 
riua  spricht,  s.  §  b)t  sed  iidtium  oondendi  et  qaod  primum  pomerinm 
Ramulus  posuerit  mscere  haud  absvstd^tm  reor.  4igitur  a  foro  boario^  «^t 
aereum  tauri  smulacrum  atpidmus,  quiaidgenuM  m^imaliumariärotiibr 
däur,  sulcus  designandi  oppidi  coeptus  ut  magnam  Herculis  aram  amplec- 
teretur.  inde  certis  spatiisinteriecUlapides  per  imamontisPalatiniaaariam 
Comi,  ni$x  eurias  veteret,  tum  ad  saeellwm  Latum  fotumque  Aomanum: 
et  Cttpüolium  non  a  Romulo  sed  a  Tito  Tatio  additum  urbi  eredidere.  So 
die  Hs.,  nnr  dass  sie  conaü  und  krum  de  f&nanque  romamuA  hat,  aber 
de  hat  schon  der  Korrektor  gestrichep.  Qaiiil  iat  depn.  Sinma  genügt, 
wie  ßecker  (De  muris  S.  14  Top.  S.  101  f«).iwMt  vor  ihm  Mancher  (wie  es. 
scheint  auch  Niebubr  1?,  298)  bemerkt  faal.  Für  .4ie  .Beaehreibutgt.dfis. 
Pomerium  kommt  Weissenborns  Aenderong  (von  Pfipperdey  aofgeiiom- 
meo)  Lamm,  inde  f^rum  Romanum;  f^rumqtte  auf  dassalbe  hinaus;  ieh; 
halte  sie  aber  fiir  unrichtig,  weil  diA  Bemerkung  über  die  Stadterweite^ 
rong  schwerlich  etwas  Anderes  als  einen  ,der.»Mi»tea  betecffioB  Jconnteä^ 
Kltter'a  Lamm;  dein  forumque  R.  et  CßpitMmi  u,  ^w»  Jboraubt  uns 
des  BotliweiMiigea  Endpunktes,  Orelti'e  Ltfrundae  Jofumqite  R,  ist,  wdn» 

11* 


164  TKBIL  I. 

bung  des  Tacitus  zuräckfuhrten  und  aus  dem  wir  ihn  er- 
gänzen dörfen,  bezeugt,  dass  das  palatinische  Pomerium  in 
der  Tiefe  den  palatinischen  Berg  umz«og^^).  In  der 
Zeit,  in  welcher  er  schrieb,  und  später  ferstand  man  unter 
dem  'palatinischen  Berge'  die  Erhebung  in  derjenigen  Aus- 
dehnung, welche  nachmals  die  Kaiserbauten  bis  zum  dritten 
Jahrhundert  eingenjommen  haben,  d.h.  von  der  Ecke  über 
dem  Vestatempel  bis  zum  Septizonittm ,  von  der  Cacusstiege 
über  dem  Eingänge  zum  Cireus  bis  gegen  S.  Bonaventura 
hin :  bis  hieher  reichte  der  Bezirk  des  Apollotempels,  welcher 
in  PäUuio  lag.  Von  dem  Berge  hatte  die  10.  augustische 
Region  ihren  Namen;  sie  begriff  ab^r  auch  die  umgrenzenden 
Tiefen,  wie  die  in  fast  allen  Punkten  yerständliche  Grenz- 
bescbreibung  beweist  (Th.  II).  Es  steht  also  zunächst  mit 
dem  Sprachgebrauch   der   klassischen   Zeit   in  Widerspruch, 

wenn  man  angenommen  bat,  dass  von  den  beiden  durch 
eine  Einsattelung^^)  geschiedenen  Erhebungen  des  Palatium  nur 

die  nördliche  das  alte  Palatium  sei  und .  dass  die  Linie  des 
Pomerium  bei  Tacitüs  nur  dieses  umlaufen  könne.  Die 
ganze  Hypothese  wird  durch  die  Reste  der  Befestigung  viel- 
mehr widerlegt  als  gestützt  (s.  unten)  und  die  zum  Beweise 
herbeigezogenen  Zeugnisse  bes^gßn  nicht,  was  sie  soUep.  Vor 
allen  Dingen  aber  spricht  Tacitus  selbst  dagegen.  Er  be* 
schreibt  das  Pomerium  folgc^adermaassen  (A.  20):  bei  der 
Gründung  der  Stadt  habe  man  wie  üblich  (s,  unten)  die  Furche 
vom  Forum  boarium  aus  zu  zietien  begonnen,  um  die  ara 
maxima  des  Hercules  einzuschlies^l&ii:  'von  da'  (also  von  der 


dftlHdi  «a  Laremtia  gedacht  ist,'  ufimb'glicb,  w«iia  damit  gar  das  allbe- 
kanote  LareDheiltgthiun-  beaeiehnet  seie  seil,  widersinnig.  Die  entge- 
genstehenden Ansicliten  (Bmi^en  1,  IdSff.,  Piale  Snlla  fondazione  di 
Roma  1822)  zu  Wideriegeo,  scheint  hiernach  iiberflä^sig. 

SA)  Messaik  (nehmliish  M.  Valerhis  Messalla  Corvians  Consul  TOI 
dessen  Bücher  d^  auspiom  mehpfach  citirt  werden:  Bd.  2,  208)  bei 
GeUins  18,  14,  2:  imii^äsnmum  autem  pomerium  quoda  Romulo  insH- 
tutum  est  Pälatiard  m&Ntis  radicibuB  term^nabatur  {dltrüber  mehr  unten). 

s*)  lieber  diese  s.  tatiten  Th.  11.  Rosa^s  Annahme  verwirft  mit 
B>eeht  Lanciani  Annali  d'.  J.  1871, 42  ff.  nnd  Guida  del  Pafatino  S.29.  77 1 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDELUNGEN.  165 

Front  des  Circas  maximus,  etwa  zwischen  S.  Maria  in  Cos- 
medin  und  S.  Anastaaia),  ^gtelien  in  bestimmten  Zwischen- 
räumen Steine  längs  des  Fusses  des  paiatinischen  Berges  bis 
zum  Altar  des  Consus'  (an  der  ersten  Metä  des  Circus)  ^weiter 
bis  Zu  den  alten  Corien'  (in  der  Nähe  des  späteren  Septizonium), 
*dann  zum  Larenheiligthum*  (auf  der  oberen  sacra  via)  'und 
zum  römischen  Forum '  (d*  h.  dem  Anfang  desselben  am  Fa- 
bierbogen,  bei  der  regia  und  dem  Yestatempel).  Dass  von  hier 
aus  die  Linie  zum  Anfangspunkt  zurückkehrte  und  hier  nkht 
anders  laulen  konnte,  als  längs  des  Berges  in  beträchtKcher 
Tiefe  unter  dem  heutigen  Boden  (wie  S.  Teodoro  zeigt),  ist 
selbstverständlich,  dass  der  Yestatempel  und  das  Yelahrum 
ausgeschlossen  blieben,  ausdrücklich  bezeugt  ***).  —  Mit  den 
einzelnen  Punkten  steht  es  so:  sicher  ist  zunächst  die  Lage 
der  ara  maxima,  weiter  kann  man  zweifeln  Ober  die  Lage 
der  ara*Consi  und  curiae  veteres:  ist  jene  wirklich  mit  den 
frimae  metae  (worüber  unten)  bei  den  carceres  und  nicht 
am  entgegengesetzten  Ende  des  Circus  anzusetzen,  so  ist 
es  geradezu  unmöglich,  die  Curien  gansj  nahe  denselben 
südlich  von  S.  Anastasia  anzunehmen,  denn  es  würde  keinen 
Sinn  gehabt  haben,  drei  so  nahe  liegende  Punkte  zur  Be- 
zeichnung der  Liilie  zu  wählen.  Ausserdem  verweisen  die 
Notitia  und  das  Verzeichniss  der  vici  der  Region  sie  deutlich 
in  die  Nähe  des  Septizonium,  und  zwar  zwischen  dieses  und 
die  Larenkapelle,  welche  auf  der  sacra  via  stand.  Ist  also 
die  bis  jetzt  noch  nicht  topographisch  untersuchte  Höhe  von 
S.  Bonaventura  ein  Theil  des  paiatinischen  Berges,  so  wird 
kaum  etwas  anderes  übrig  bleiben,  als  die  Curien  unter  dieser 
in  der  Nähe  des  Constantinbogen  zu  suchen  ^*).     Es  ist  hier- 


'*•)  Dioayst  2,  65  führt  als  Beweis  daför^  dass  der  Yestatempel 
seinerzeit  aieht  eine  GründuDg des  Romalüs  sei,  an  ou  t^s  ter^aytififov 
xaXovfUnis  *P(6fifig  .  .  ixroc  haxtv.  Die  genaue  BestiniBiiDg  der 
Lage  desselben  ist  noeb  nieht  selansen  (Tb.  11 ;  Inser.  fori  rom.  Eph. 
ep.  1877>  --  Vdabrwni  A.  40. 

*>)  Dahin  versetsen  sie  nneb  PreUer,  Laneiani  n.  a.  loh  begaüse 
mich  hier  hervorzuhebeD,  dass  die  Pfetitia  curiam  vetterem^  Foriunam 


IQQ  THEIL  I. 

bei  unsicher,  ob  das  Thal  des  Circus  mk-  oder  ob  es  ausge- 
scbiossen  bliebe  schwerlich  entcheidet  für  da»  letztere,  dass 
Augustus*  den  Circus  als  eigene  Region  konstituirt  hat. 
Niffimt  man  als  Eckpunkte  S.  Anastasia-Septizonium-Ecke 
bei  S.  Bonaventura -S.  Maria  Liberatrice  an  und  misst  längs 
der  Strassen  die  direkten  Abstände,  so  erhält  man  mit 
Ausschluss  des  Circus  eisen  Um&ng  ron  etwa  1700  M.  == 
4930  r.  F.,  mit  Einscfaluss  des  Grcus  von  gegen  500  F. 
mehr.  Wenn  die  augustjsche  lOte  Region  11510  F.  maass, 
so  ist  schon  Bd.  2,  08  bemerkt  worden,  dass  dieses  wie  die 
übrigen  Umfaugsmaasse  so  hoch  ist,  weil  als  Grenzen  der 
Region  die  Linien  der  vici  mit  ihren .  Winkeln  und  Krüm- 
muogen  gemessen  wurden  ^^). 

Tacitus  selbst  bezeichnet  das  pomerium  als  die  Grenze 
der  Stadt,  welche  der  Grunder  durch  den  Pflug  zog.  Eine 
Reihe  von  Zeugnissen,  weldie  eine  undurchbrechUche  Phalanx 
zu  bilden  scheinen,  erläutern  diesen  Gebrauch  als  einen  etrus- 
jkiscben  und  altlatinischen.  Varro  —  und  nicht  anders  soll 
schon  Cato  erzählt  hab^  —  lässt  jede  Stadt  in  Latium, 
genauer  die  Colonien,  nach  ^etruskisch^n. Ritus ^  gegründet 
werden.  Dieser  Ritus  bestand  darin,. dass  das  Areal  der 
Stadt  durch  den  Pflug  bezeichnet  wurde.  Der  Grunder  spannte 
vor  denselben  Stier  und  Kuh;  nach  rechts  hinwendend,  um- 
furchte er  die  künftige  Stadt;  die  'ürfurche'  (sukus  ptmi- 


respicientem,  septizonium  Severi  bat  (wahrscheinlich  vom  Forum  her  be- 
schreibend) die  kapitolinische  Basis  vico  curiarum,  Fortunae  respicientU, 
**)  Es  handelt  sich  hier  garnieht  um  den  Umfang  des  ßerges, 
dessen  Umriss  wegen  der  aufliegendoD  Sehottmassen ,  angelehnten  Ge- 
bäude und  Torspringeaden  Terrassen  aiuch  jetzt  nach  schwer  beslimBi- 
bar  ist,  sondern  um  das  Pomerium  in  der  TiefCi  Wenn  der  Umfang 
des  *  Berges'  von  Lumisden  (Rome  S.  156)  auf  5550'  engl.  =  1692  J5  M., 
von  Lanciani  (Guida  S.  9)  auf  1744  M.,  der  Umfang  der  Region  von 
Bnnsen  (s.  Bd.  2,  98)  auf  7875'  angegeben  wird,  so  sind  das  natürifeh 
Resultate  von  Messungen  an  flollis  und  dem  Censusplan,  die  jeder  naefa- 
mäehen  kann  und  die  verschieden  ausfallen.  Die  ersten  beiden  Maasse 
sind  nicht  unerheblich  zu  gross,  wenn  man  die  wahren  Högelrander 
missi^.  Geoanere  Angaben^  als  die  eben  gemachten  ^för  das  Pomerium), 
können  keinen  Anspruch  auf  Trene  haben. 


§  2]  DIE  ÄLTESTBN  ANSIEDELUNGEN.  lQ^ 

gemis)  bezeichnete  den  Graben^  die  nach  innen  faHende  Scholle 
den  Wall;  die  Thore  Hess  er  frei  und  'trug^  an  ihrer  Stelle 
den  Pflug  (daher  pürta).  Ihre  Zahl  war  nach  '  etruskischem 
Ritus'  drei.  Was  'hinter  der  Mauer'  lag,  nannte  man  po$(ty 
maerium  oder  pomerium;  es  war  dies  ein  Raum,  durch  Grenz- 
sleine bestimmt,  welcher  nicht  bebaut  werden  durftei  Wäh^ 
rend  ansiserhatb  der  Mauer  der  ager  effatm  beginnt,  umschliesst 
das  pomerium  innen  den  Raum  der  städtischen  Auspicien  ^^; 
Dieise  Linie  bildete  ein  Qnadrat  (Roma  quadr&ta),  das  Tem«< 
plam  der  Stadt«  Die  'Regionen'  des  Templums  waren  mit 
dem  Augurnstab  bezdcfanÄ  und  nach  den  Himmelsgegenden 
gerichtet  worden,  wie  man  das  Stadtgebiet  der  €olonie  und 
den  Lagerraum  abzustecken  pflegte.  Es  gehörte  danii  endlich 
aedidazo«,  dass  im  Mittdpunkte  des  Q«»drats  eine  Grube 


^)   leli  gebe   zonräcbst    was   Varro    5,  143  aber  das  Ceremoniell 

lehrt:  oppida  eondebant  in  Lotio  Etrusco  ritu  mulii  (ufmuUa  Aug.),  id  est 

iunctis  bobus  tauro  et  vacca  interiore,  aratro  circuma^-ebänt  sulcum.   hoc 

faciebant  reügianis  causa  die  auspicato  ut  fossa  et  mute  essent  munifi. 

terrmn  unde  eoBCülpserant  fossttm  vocabant   et  tnircrsus  iactam  (so  M., 

feetam  F)  tnurum :  postea  qui ßebat  orbis  urbis  principium  (natttr- 

lieh   hinter   dem  WaÜ^   nicht  dranssen,   wo  die   urbs   ja    nicht  sein 

konnte,  v^l.  A.  27).    Eben  so  schon  'Cato'  b.  Serv.  Aen.  5,  755  (ftt)i- 

lieh  ist  hier  und  sohst  bei  S^rviüs  das  Citizen   ans  €ato  nicht  ubb^ 

denktich,  wie  Proleg.  S.  XX VIR  untf  Hermes  a,  417  gezei^  worden  ist), 

wdeher  auch  die  obige  Erklärung  der  poHae  giebt:  aber  qua  in  oppi^ 

dum  pcrtareni  Varro  §  142.  —  Die  Furche  prifnigefäus  suleus  (Festtis 

AiMz.  296).  ^-  Varro  fährt  flort:  (orbis)  qui  quod  erat  p^st  mumm  post* 

tnoerium  äietum',  boque  (so   schreibe  ich:  i^usqueF,  eiusque  ambitu  Vnlg., 

ew«   qtio  Tora.)   auspicta    urbttna   fhnuntur.      cippi  pomerii  staiit  ei 

dfcum   t  arifclam  {Ardeam  Tarn.,  Arieiam  Sciop.)  et  circum  Romom. 

quäte   et  oppida   qtiOe  prius  eranf  circumducta  aratro  ab   uf%e   (orbc 

Vnlg«)  et  urvo  nrbes  et  ideo  cotoniae  ut  urbes  conduntar  quod  intra  pome* 

rhm  poHuntHT  (».  A.  32).^  Di«  Etymologie  aosV.  Pestns  S.  250*20  veltäi 

pstmo({rium]  (und  LMn«  1,  44,  4):  anders  Antistins  Labeo  beiFestas 

249:  quan  promoerium  (so  die  Hs.  nach  Keil)  . . .  id  est  proaimumi 

iwro  (so  der  Anaang).  -^  Etymologie  nnd  Definition  stammt  ans  der 

Aogapalwissenaehaft.    Mesaalla  (A..21):  pomerium  est  toeus  intra  agrum 

(vgl. -Varro  6,  53)  effatum  per  tdtius  urbis  eireuüwn  pone  muros  regi- 

«Nitii   certis  ddermOuitus  qui  facit  fihem  nrbam  smspiciif  über  die 

Grenzsteine  des  palatinischen  Roms  ob^n  S.  163*    Vgl:  A.'  27. 


168  THEIL  L 

gegraben  und  in  dieselbe  die  Erstlinge  der  Feldfrucht  gelegt 
wurden«  der  mundus  der  Stadt  Es  ist  begreifiicb,  dass  zur 
Erklärung  des  Wortes  urbs  der  2um  Quadrat  im  graden  Ge- 
gensatz stehende  Kreis  {arbis)  dennoch  herangezogen  wurde: 
die  Gestalt  des  Ringes  des  servianischen  Pomeriutn  rechtfer- 
tigte einigermaassen  dies  etymologische  Kunststück  (§  4)^^).  . 
Mit  welchem  Rechte  diese  Ueberlieferung  die  Vorschriften 
über  die  Anlage  von  Colonien  und  Lager  auf  die  Stadt  Rom 
anwendet,  und  mit  welchem  Rechte  sie  diese  Vorschriften 
als  etruskisch  betrachtet,  kann  einstweilen  auf  sich  beruhen« 
Hier  ist  es  unsere  Aufgabe,  den  Regriff  des  Pomeriums  in- 
soweit ins  Auge  zu  fassen,  als  derselbe  für  die  Frage  nach 
der  palatinischen  Stadtbefestigung  entscheidend  ist.  —  Schon 
die  Gelehrten  der  augusteischen  Zeit  haben  zuwider  dem.  klaren 


3*)  Varro  bei  Solin  1,  17  f.  (vgl.  oben  S.  39):  Romam  condidit 
Rmnulus  , . .  dictaque  primum  est  Roma  quadrata  quod  ad  aequäibrium 
foret  posüa  (d.  h.  wie  man  die  Colonie  und  das  Lager  mit  dem 
MessiDstrument  orientirte) ;  ea  ineipä  a  süva  quae  est  in  area  j4poüinif 
et  ad  superciUum  scalarum  Cad  habet  terminum,  ibi  Romulus  mansi- 
tavit  qui  auspicato  murorum  fundamenta  iecit  u.  s.  w.  Wenn  diese 
Silva  in  der  sog.  Villa  Mills  zu  suchen  ist  (vgl.  Th.  II),  so  ist  mit 
beiden  Punkten  der  nw.  und  so.  Endpunkt  des  ganzen  von  der  Burg- 
mauer  umscfalossenen  Berges  bezeichnet.  (Im  dies  mit  dem  unten 
erörterten  Pomerium  und  der  Auffassung  des  Diooys  1,  88:  TieQiy^afpet 
raT^dyaovov  oxijf^ct  r^  Xoffxpy  in  Einklang  zu  bringen,  ist  es  unum- 
gänglich nothw endige  anzunehmen,  dass  der  Ausdruck  Roma  quadrata 
technisch  in  doppeltem  Sinne  gebraucht  wurde:  einmal  zur  BezeichnuBg 
der  Linie  des  Pomeriums,  zweitens  der  parallelen  Linie  der  Befesti- 
gung der  Arx.  Darauf  geht  wohl  auch  Dio  Fr.  4,  15,  welcher  eine 
Ikeqa  noXig  tfTQuymfos  von  der  des  Romulus  unterscheidet.  —  Der 
Utuus  des  Romulus,  mit  dem  er  die  Regionen  bezeiehnet  hatte, 
lag  in  der  curia  saliorum  auf  dem  Palatin  (Cic.  de  div.  1 ,  17.  30). 
Missverständlich  Festus  258:  quadrata  Roma  in  Palatio  ante  temphan 
j4poüinis  didtur,  ubi  reposita  sunt  quae  solent  boni  ominis  gratia  in 
urbe  condenda  adhiheriy  quia  saxo  munüus  est  iniHo  in  speciem  qua- 
dratam,  eius  loci  Enmus  numiinit :  et  i  quis  e  erat  Roniae  regnare 
quadratae  (schwerlich  doch  Servius,  wie  Hertz  ihn  sagen  lässt:  qui 
sextus  erat;  se  sperat  Seal.)  u.  s.  w.  Dies  ist  der  nmndus^  über  dessen 
Einrichtung  Festus  157,  Ovid  F.  4,  821  ff.,  ygl.  Bücheier  Ind.  lect.  von 
Greifswald  1868/69  S.  5  ff.  u.  Th.  IL 


§  2]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDELUNGEN«  169 

SinD  des  geschilderten  Ceremoniells  wie  der  von  den  ältesten 
Quellen  gegebenen  und  wahrscheinlich — nicht  si^r — richtigen 
Etymologie  postmaerium,  das  Pomeriam  *zu  beiden  Seiten  der 
Mauer  oder  des  Walles,  die  neueren  auch  wohl  das  ^hinter' 
der  Mauer  ausschiesslich  ausserhalb  derselben  gesucht  ^^).  Die- 
ser Yorstellong  widersprechen  ausserdem  die  Analogie  des 
Intervallum  des  römischen  Lagers  und  des  unbebauten  Strei- 
fen Landes  innerhalb  der  Mauer  in  Pompeji*^,  vor  allem 
aber  ist  sie  unvereinbar  mit  dem  sicher  erweislichen  Lauf 

'^)  Schreibung:  pomerium  ohne  Ausnahme  die  Steine  des  kaiser- 
lichen Pomerium,  die  Lex  regia  Fespasiam  CIL  6, 1, 930  z.  14^  die  gute 
1u.  Ueberliefernng  (so  die  Hs.  des  Licinian  S.  11  Bonn);  griechisch 
nwftri^&ov.  Etymologie:  Ritschi  Op.  2«  551  f.  geht  aas  von  Festns 
AiMz.  248  posimermm  pontificale  potnoertum  am  poH  als  Compositum 
po$-te  zu  erweisen;  nach  'aasreichenden  Analogien'  könne  angenommen 
werden ,  dass  die  amtlich  feststehende  Schreibung  pomerium  durch 
vnlgäre  Aussprache  aus  potmoerium  entstanden  sei*  Aber  die  von 
Gorssen  Ausspr.  1',  707  yorglicbenen  sämmtlich  spätlateinisehen  Bei- 
spiele {obedire  u,  dgl.)  beweisen  nichts  und  andere  giebt  es  nicht. 
Wenn  Mommsen  (Hermes  10,  41)  wegen  des  < hohen  Alters  der  Bildung' 
trotz  der  von  ihm  anerkannten  Irregularität  der  Umlautung  an  der 
Etymologie  festhält,  so  thut  er  recht  daran.  Es  wäre  denkbar,  dass 
in  dem  merum  der  Argeerurkunde  (Varro  5,  50)  und  dem  vielleicht 
ans  aequimerium  entstandenen  aequimeiium  (unten  A.  69)  sich  Reste 
der  ältesten  Aassprache  erhalten  hätten  und  auch  der  Uebergang  von 
Sucusa  in  Subura  findet  in  unserem  Altlatein  keine,  in  verwandten 
italischen  Mundarten  aasreichende  Erklärung  (A.  56).  —  Dass  die  Augural- 
disciplin  seihst  unter  poH  murum  'innerhalb'  verstanden,  ergiebt  sich 
in  schlagender  Weise  aus  Varro's  Worten  (A.  25).  Aber  anders  Li- 
vius  1,  44:  pomerium  verhi  vün  solam  intuenies  postmoerium  interpre- 
tanhir  esse  (A.  26),  est  mdem  magit  cireamoerium  locus  quem  in  eonr 
dettdis  urbütus  quonäam  EtrusH  qua  murum  dueturi  eratd  eertis  circa 
termmis  inmtgurato  conseerabant,  ut  neque  iuteriore  parte  aedificia 
moembus  amtinuarentury  quaemmc  vulgo  etütm  eoniungunt  (s.  unten  §  3), 
et  extrinsecus  pttri  aUquid  ab  humano  euUu  pateret  sah,  hoc  spaUum^ 
guod  neque  habüari  neque  arari  fas  erat,  non  magis  quod  post  murum 
esset  quam  quod  murus  post  idj  pomerium  Romani  appeUarunt.  Die 
richtige  Erklärung  von  post  murum  hat  Mommsen,  'der  Begriff  des 
Pomeriam'  Hermes  10,  40,  entwickelt.  Eben  so  hatte  ich  die  Sache 
in  dem  vor  lahren  entworfenen  Abschnitt  behandelt. 

**)  *War  die  ältere  Anlage  der  Städte  und  Roms  selbst  der  Lager- 


170  THEIL  I. 

des  servjanischen  Pomerium  und  dessen  Vorschiebung  durch 
Sulla,  d.  h.  dar  Freigebung  des  bis  dahin  noch  geschützten 
Streifen  consecrirten*  Landes  hinter  der  servianischen  Mauer 
(s.  §  4.  5).  Freilich  hat  es  auch  ausserhalb  der  Maoer 
und,  wo  ein  solcher  vorhanden  war,  des  Grabens  wenig- 
stens in  späterer  Zeit,  einen  Streifen  Landes  gegeben,  welcher 
nicht  bebaut  werden  durfte,  eine  Art  Glacis^®).  Indessen 
hat  die  Freihaltung  desselben  mit  der  Auspidengrenze  nichts 
zu  thun,  beruhte  vielmehr  nur  auf  gesetzlichen  oder  polia^i- 
liehen  Bestimmungen  zum  Schutz  der  Vertheidigungsfähigkeit 
der  Mauer.  Es  ist  möglich,  dass  diese  Bestimmungen  das 
Ueberschreiten  der  'geheiligten'  Mauer  geradezu  als  ferdmlUo 
bezeichneten  und  dass  der  Tod  des  Remus  eine  Exemplifi- 
kation dieses  Rechtssatzes  ist  *®).  —  Endlich  lassen  sich  mit 
der  hier  gebilligten  Anschauung  sehr  wohl  die  nicht  zahl- 
reichen Fälle  vereinigen,  in  denen  der  Begriff  des  Pomerium 
in  geschichtticher  Zeit  sich  in  seiner  Anwendung  auf  die  realen 
Verhältnisse  des  Staatslebens  zeigt.  Sie  myogen  gleich  hier 
kurz  erörtert  werden.  —  Die  Grenze  dfer  städtischen  Auspi- 
cien  ist  zugleich  die  Grenze  des  bürgerlichen  und  des  krie- 
gerischen Regiments;  ausserhalb  des  Pomerium  —  also  schon 
auf  der  Mauer  —  beginnt  die  unbeschränkte  Macht  des  Kriegs- 


form  aaalog,  so  erklärt  sich  auch  der  nrsprÜDgliehe  Siso  von  Poneriiun 
genau  durch  das  IntervaUum  im  Lager,  das  bei  befestigten  Städtea  den* 
s  elben  Grund  und  dieselbe  Veranlassung  finden  musste,  als  im  Lager*. 
Klenze  Philol.  Abh.  S.  157,  der  überhaupt  die  Analogien  zwisefaea 
dem  Lager  und  der  Stadt  (Colonie)  zuerst  erkannt  hat  (vgl.  §  4. 5):  «ber 
das  Pomerium  von  Pompeji,  Nissen,  Templum  S.  73  f. 

29)  Die  Existenz  eines  solchen  ausserhalb  der  servianischen  Be- 
festigung wird  §  4  nachgewiesen  werden  und  es  leuehtet  ein,  dass  ein 
^solcher  «xistiren  musste.  fir  findet  sich  auch,  ausserhalb  der  Befesti* 
gnng  griechischer  Städte. 

^)  Viri  ilL  1,  4:  {Romulus)  edixit  ne  quis  vaäum  iraasiUrei. 
Aehnlich  schon  Ennius:  Sehwegler  1 ,  389.  43S.  2u  den  stmetae  rea 
gehören  nach  späterem  Redit  muri,  portae  (Gajus  2,  8.  Digg.  43,  6>  2, 
vgl.  Lübbert  Q.  pont.  S.  48.)  Die  Auffassung  des  PigUus  (Ann.  1,  17^ 
welcher  jenes  ^Edict'  ^m  Romulus  als  Lex  perdueliiotiis  bezeidmet, 
scheint  mir  im  Sinne  der  Quellen  richtig  zu  sein. 


i  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDELUNGEN.  171 

reckte  ^^).  Nur  ausserhalb  des  Pomerium  dfirfen  die  ftemd- 
landiscfaen  Götter,  wie  ursprünglich  die  Gesandten  fremder 
Staaten  ihr^i  Wohnsitz  aufechlagen,  durften  wohl  auch  ur* 
sprünglich  die  Todten  bestattet  werden  ^^).  Die  Befugniss 
des  Fddherrn,  nach  siegreichem  Vordringen  diese  Grenze 
weiter  hinauszurAcken,  müss^  wir  hier  noch  uner6rtert 
lassen:  wir  werden  sehen,  dass  dies  vermeintlich  durch  alle 
Zeiten  zwar  nicht  ausgeübte,  aber  doch  virtuell  bestehende  Recht 
sdne  Entstehung  einer  sehr  jungen  Theorie  verdankt  (§  5). 
Wenn  sich  nun  spiUer  herausstellen  wird,  dass  für  die 
8«rvianiscfae  Stadt  die  Linie  des  Pomeriums  und  die  Mauer 
an  einer  Seite  auseinander  fallen,  so  ist  doch  nach  dem 
oben  aus  den  Auguralbuchera  entwickdten  kein  Zweifel,  dass 
das  Zusammenfalten  beider  als  der  ideelle  ursprungliche  Zu* 
stand  galt  und  wir  müssen  demnach  im  Sinne  der  Augum 
Pomerium  und  Wall  der  ^ alten  palatinischen  Stadt'  (oben 
A.  19)  als  räumlich  verbunden  betrachten,  die  Hauer  oder  den 
Wall  demnach  mit  ihren  Thoren  in  der  Tiefe  des  Thaies 
suchen.  Hier  aber  gerathen  wir  in  einen  scheinbaren  Wider* 
Spruch  mit  den  monumentalen  Thatsacfaen.    Denn  durch  die 


'^)  Für  die  staatsrechtliche  Seite  der  Sache  ist  hauptsächlich  aaf 
M«BBi8eiis  Behandlmiir  io  der  A.  27  eitirtea  Abhamiloog  nnä  Staatsr. 
P,  61  IT.  zn  verweiseo.  Auf  die  topegraphisehen  Folgertugen  und 
Streitfragen  müssen  wir  §  4.  5.  eiogehen. 

*')  Ueber  dieGi>tter  eastra  pomerium:  Amhrosch  Stad.  S.  190  ff.  vgl. 
Bannes  6,  316  ff.  —  Daaa  der  Gmadsatz  der  12  Tafieln  hominem  mor- 
(Wim  in  urhe  ne  sepMo  neve  nrüo  (10,  1  Scholl)  das  Pomerinm  ui 
Aage  hat,  scUiesst  Monunaon  richtig  Eph.  epigr.  3,  110  aus  der  Lex 
eoL  Genetivaec  73:  ne  qins  mtra  fines  oppidi  eoUmfiae)vey  qua  aru" 
trufn  ^ireumduatum  erit,  hominem  mortuom  inferto  nern  ihi  hu" 
mato  neve  hominis  monimentwn  ihi  aedifieato  und  der  Erkläraag  der 
Juristen  (Paulas  Rec.  1,  21,  2  n.  A.)  ne  fimesteutur  taera  civitatii, 
Biese  Vorschrift  gilt  jedenfalls  für  die  servianiaehe  Stadt  von  Anfang  an 
(§4  A.  29):  sie  wird  bestätigt  durch  die  ausnahmsweise  gestattete 
Beerdigung  in  der  Stadt  (unten  A.  6&>  und  nicht  widerlegt  durch  die 
Theorie  der  Grammatiker  (Serv.n.  A«  5,64.  6,152)  welche  aus  dem 
Dienste  der  Laren  auf  die  BeAtattung  im  Hause  schlössen  (s.  PreUer 
R.  M.  486> 


172  THEIL  I. 

Ausgrabungen  der  Jahre  1851  und  1861  ff.  sind  eine  Anzahl 
Reste  einer  gewaltigen  Quadermauer  zu  Tage  gefördert  wor- 
den, welche  nach  der  Analogie  der  Mauern  anderer  latinischer 
Städte  unzweifelhaft  als  Reste  der  paiatinischen  Befestigung 
anzusehen   sind,    welche   sich  aber  nicht  auf  der  Linie  des 
Pomerium  im  Thale,  sondern  auf  halber  Höhe  an  den  Rän- 
dern des  Berges  finden.    Der  fragmentarische  Zustand  dersel- 
ben rührt  daher,  dass  durch  die  Kaiserbauten  ein  Theil  der 
Mauer  fortgenommen,  ein  anderer  als  Unterbau  benutzt  wurde. 
Das  Material  ist  der  Tuf  des  Hügels  selbst,  die  Steinbrüche 
sind  noch  nachweisbar.     Die  Wichtigkeit  dieser  Reste  ver- 
langt eine  genaue  Beschreibung  derselben  ^^).    Geht  man  auf 
der  Seite  Forum -S.Anastasia  auf  dem  etwa  auf  halber  Höhe 
des  Berges  laufenden  zum  Circus  fuhrenden  modernen  Wege, 
so  findet  man   schon  (1)  über  S.  Teodoro  dnzelne   grosse 
Tuf  blocke  in  den  kaiserlichen  Backsleinbauten  steckend;  (2) 
an  der  Ecke  über  dem  Yelabrum  ein  grosses  Stuck  von  7 
Lagen,  welche  auf  dem  natürlichen  Felsen  aufliegen,   wdter 
(3)  3  Lagen  unter  Casino  Nussiner,  (4)  7  Lagen:  eines  Stdcks, 
welches  senkreckt  gegen  den  Hugelrand  stdsst,  unterhalb  der 
sogenannten   Akademie,  (5)   etwa   60  M.  weiter  3  Lagen  an 
der  Grenze  der  Villa  Mills.    Endlich  (6)  Gndet  sich  ein  Rest 
zur  Rechten  der  von  der  via  sacra  aus  ansteigenden  Strasse 
unmittelbar  vor  der  Front  des   domitianischen  Palastes  und 


^)  Am  genauesten  Lanciani;  Annali  1871,  44  ff.  Gniäa  del  Pal. 
S.  77  f.,  dessen  Angaben  ich  an  Ort  nnd  Stelle  geprüft  habe.  Nur 
das  Stück  an  der  Grenze  der  villa  Mills  (5)  habe  ich  trotz  wiederholter 
Versocfae  nicht  gefunden.  Die  Btöcke  (1)  bei  S.  Teodoro  erwähnt 
Laaciani  nicht.  Konstruktion :  Läufer  und  Binder.  Maasse  (nach  Lan- 
ciani): Höhe  durchweg  durchschn.  0>59  (doch  maaiss  ich  an  dem  Stuck 
am  Velabram  auch  0,56),  Länge  der  Läufer  ],34  bis  1^62,  Dicke  der 
Mauer  am  Velabrum  1,41.  lieber  die  Steinbrüche  unter  dem  T.  de 
< Jupiter  Victor'  's.  Guida  del  Pal.  S.  129.  Sie  sind  später  als  Cister- 
Ben  benutzt  worden.  Auch  der  hinter  dem  Stuck  am  Velabrum  in 
den  Berg  getriebene  Stollen,  in  welchen  man  jg^ebnekt  hinangehen  kann, 
scheint  ein  soldier  Steinbruch  zu  seia.  Darüber  unten  Th.  IL  Unbrauch- 
bar die  Abbildungen  bei  Parker  Bd.  1  (Plates),  ungenau  die  des  Stückes 
2  in  den  Mon.  dell'  inst.  5  J.  XXXIX  vgl.  Ann.  1852,  325.  BuU.  1859, 139. 


$  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDELUNGEN.  173 

uDgefahr  parallel  mit  dieser.    Vor  der  Entdeckung  des  Stückes 

5  konnte  dieses  *  als  ein  Rest  der  die  nördliche  Hälfte  des 

Berges  gegen  die  Einsattelung  tun   abschliessenden  Befesti- 

gang  gelten  und  so  allenfalls  die  oben  verworfene  Hypothese 

über  die  Einschränkung  des  alten  Palatium  auf  jene  Hälfte 

stötzen.    JetfiSt  ist  das  nicht  mehr  möglich;  ferner  sieht  man 

deutlieh,    wenigstens   an    einer  Stellö   (2),   dass  die   Mauer 

«st  in  bedeutender  Höhe  auf  den  Felsen  aufsetzte  ^  gerade 

so,  wie  man  es  an  der  Burgmauer  von  Ardea,  aber  auch  an 

der  alten  Mauer  des  Quirinals  sieht.    Lassen  wir  die  Frage 

hier   noch   bei  Seite,  ob  die  fibrigen  Hügel  Roms  ehemals 

eben   so  viel  selbständige  Burgen  uüd  Gemeinden  bildeten, 

so  ist   das    eine  klar,   dass,  während  die  Quirinalmauer  für 

einen  Theil  der  servianischen  Befestigung  gelten  kann,  dies 

unmöglicb  ist  bei  der  Palatinmauer.     Im  Zusammenhang  mit 

den  Traditionen  über  das  Pomerium  und  den  zu  erörternden 

Nachrichten  über  die  Thore  des  Palatium  betrachtet,  könnten 

die  erwähnten  Reste  auch  von  dem  hartnäckigsten  Zweifler 

für  Nichts  anderes  als  Reste  einer  torservianisohen  Befestigung 

des  Palatium  gehalten  werden,  obwohl  die  Schichtungsweise 

und  die  Maasse  ihrer  Werkstücke   nicht  erheblich  von  den 

sicheren   servianischen  Mauerresten  abweicht,  was  immerbin 

hervorgehoben   werden  muss  ^^)  t  «e  sind  ohne  Bindemittel 

im  Läufer-  und  Bindersystem  geschichtet,  die  Höhe  der  Blöcke 

beträgt  durchschnittlich  2  r.  F.,  die  Länge  ist  verschieden. 

Haken  wir  nun  fest,  dass  die  Befestigung^  deren  Trüm- 
mer ehalten  sind,  die  der  palatinischen  Burg  ist,  während 
zu  Füssen  derselben«  'die  Urftirche'  gezogen  und  das  Pome- 
rium abgegrenzt  war,  So  müssen  wir  noth wendig  die  Nach- 
richten, welche  uns  über  die  Thore  der  *alten  palatinischen 
Stadt'  (fippidum)  erhalten  sind,  in  d(ßr  oben  be;»chriebenen 
Linie  im  Thal,  suchen.  Allein  hier  zeigt  sichs  deutlich,  dass 
die  Berichterstatter,  denen  einerseits  die  Burgmauer,  anderer- 


^)  Dass  4as  StKidc  über  dem  Velabram  einen  viel  roheren  Eindruck 
mteht,  als  die  servianischen  R^ste,  will  nicht  viel  sagen.  Die  Blöcke 
siad  hier  zum  Theil  aos  den  Fugen  gegangen  und  sehr  stark  verwittert. 


174  THEIL  I. 

seits  die  Linie  des  Pomerium  mit  ihren  Steinen,  nicht  aber 
Reste  des  Walls  und  der  Thore  desselben  vor  Augen  waren, 
bei  dem  Bestreben,  nicht  allein  die  Theorie  mit  den  Th«t- 
Sachen,  sondern  auch  die  von  beiden  ganz  unabhängige  Ge- 
schichte der  Stadterweitening  mit  ihnen  in  Einklang  zu  setzen, 
in  Verwirrung  geriethen,  und  die  Neueren  haben  diese  Ver- 
wirrung, statt  sie  auf  ihre  naturliche  Ursache  zurückzuführen, 
durch  künstliche  Mittel  zu  beseitigen  versucht.  Zwei  Dinge 
standen*  zunächst  fest:  einmal,  dass  die  romuliscbe  Stadt, 
nach  ' etruskischem  Ritus'  gegründet  (oben),  nadi  demselben 
auch  drei  Thore  gehabt  haben  müsse ^'^),  zweitens,  dass  auf 
der  Hdhe  der  Burg  ^das  alte  palattnische  Thor'  —  yiel- 
leicht  bedeutet  dasselbe  der  zweite  Name  mugionia  (A.  36)  — 
noch  zu  sehen  war  und  der  Sprachgebrauch  wies  damit  deut- 
lich auf  die  Thatsache  hin,  dass  der  palat&nische  Berg  noch 
zu  der  Zeit,  als  Augustus  sich  auf  demselben  als  zweite 
Romulus  niederliess,  nur  einen  natürlichen  Aufgang  und  ein 
Thor  hatte,  während  er  von  der  Seite  des  Forum  boarium 
wie  von  der  des  Vestatempels  her  ftuf  Treppen  erstiegen 
werden  musste^^).  --^  Ob  damals  ein  zweiter  ^Aufgang,  d«f 

")  Plinius  3,  66  (Qaelle?  vgl.  Bd.  2,  142):  urbem  tres  portas  ha- 
buntem  Htumulus  reliquä,  ut  phinmas  tradentibus  credamus,  Deha  so 
verbessert  Detlefsen  richtig:  4ie  Hss.  aut  ut  mit  offenbarer  InterpolatieB, 
nur  die  2te  Hd.  in  VH  schiebt  ausserdem  ////  nach  credamus  ein,  um 
die  Lesart  verständlich  zu  machen.  Dass  man  in  der  Regel  der  Stadt  nnr 
ein  Thor  zuschrieb,  ist  so  gut  wie  bezeugt  (A.  36.  39),  als  zweites 
konnte  man  fnglich  die  Romanttla  rechhen :  von  einem  vierten  glebt  es 
keine  Andeatung.  Entscheidend  ist  der  Aussprach  i»r  prudentet  Ettuteoe 
ducipUnae  bei  Servius  Fold.  zu  Ae.  t,  4lb:  apvd  eonditores  Etru»- 
earum  urHum  non  putattu  iuttas  urbes  fuiss%  in,  qußus  notn  tres  portae 
essent  dedtcatae  et  votivae  et  (doch  wohl  et  vota?)  tot  templa,  levis  lu- 
nonis  Minervae. 

••)  Die  Sabiner  werdet  ad  veterem  portam  Palatt  geschlagen  (Liv. 
1,  12),  der  nachmaligen  poHa  Palaä  (Ov.  Trist.  3,  1,  21),  d.  h.  der 
nvkai  Mvxojvides  (Dionys.  2,  50).  Heber  Aufgang  und  Tiior  dnatw^ilen 
Lanciani  Guida  S.  110.  — -  Der  zweite  Name:  bei  Varro  5,  164  steht 
tnudomsj  bei  Nonius  S.  531  misgioneSf  bei  Solin  1,  2A.mugoniit^  bei 
Festus  Ausz.  144  mugUnäa  (?),  bei  Diooys.  2,  50  nctqii  «atc  /«v- 
TLUJvlai  nvXa$c  {fivQOiviai  Chis.,  fwvQmvitH  Urb.);   Varro  leitet  offen- 


§  2]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDELUNGEN.  175 

dms  Yietmae,  wirkücli  bis  zur  Höbe  der  Burg  führte,  ist 
angewiss,  und  wenn  dies  der  Fall,  ungewias,  wann  derselbe 
gebaut  ißt;  gewißs,  da&s  siich  bis  jetzt  im : ganzen. Umfang  des 
Beiges  mit  Ausnahme  eines  einzigen  clivus,  des  Th.  II  näher 
zu  beschreibenden  zum  'palatinischen  Thc»*^  fuhrenden  —  er 
stßigt  von  der  sacra  via  abbiegend  hinauf  —  kein  zweiter 
gefunden  k&L  Denn  die  Pfla3terstras8e,  welche  unmittelbair 
lunter  S.  Maria  Liberatrice  unter  den  Bogengängen  der  Kaiser- 
paläste hinauffuhrt  und  welche  bereits  zur  Zeit  der  Flavier 
Torhanden  gewesen  sein  mag,  wird  mit  Unrecht  als  ein  uralter 
Aufgang  betrachtet  und  mit  deui  clivus  Victoriae  identificirt  ^^). 
—  Diese  Annahme  eine$  Burgaufganges  aber  wird  ferner 
unterstützt  durch  die  Analogie  alier  antiken,  speäell  der  noch 
jetzt  in  ihren  ursprünglichen  Formen  kenntlichen  .  latinischen 
Bargbauten.  Ausser  dem  ebenfalls  nur  auf  einem  cUvm  zu- 
gänglichen Kapitol  und  den  Burgen  von  Fidenae  und  Antemna 
muss  hier  besonders  auf  Ardea  und  das  umbrische  Iguvium 
verwiesen  werden,  auf  Ardea  wegen  seiner  Burg  mit  ihrem 
einzigen  Aufgang  auf  der  Südseite  und  der  auf  den  Felsen 
angesetzten  Burgmauer  und  den  Besten  seiner  uralten  Um- 
wallung gegen  Norden,  auf  Iguvium  wegen  der  um  den  Burg- 
högel  laufenden  vierseitigen  Grenze  mit  drei  Thoren,  welche 
der  'etruskischen'  Stadtanlage  genau  entspricht  ^^). 


bar  (wie  Nonius)  a  mugüu,  Festus  a  Mugio  quodam  qui  eidem  tuendae 
praeerat  ab.  Ich  vermuthe,  dass  p.  mug-onia  oder  mMg-ionia,  vielleicht 
vuig-onüf  zu  mm-eo  steht,  wie  eol-onus  m  col-o  uod  (wie  muo-idä) 
verschimmelt,  alt  bedeutete.  —  Treppen:  die  scalae  Caci  über  S,  Aaa- 
sUsia  und  die  'Stafen'  zur  porta  Momanula  unten  A.  40. 

^)  Die  Bestimmung  des  clivus  Fictoriae  (A.  40)  häng;t  mit  der  £r- 
UäniQg  eines  Stjickes  des  kapitoiinischen  Stadtplans  zusammen  (Forma 
f'r-  37),  welche  auch  die  neuesten  Versuche  (s.  Th.  IT)  nicht  ins  Reine 
gebracht  haben. 

^)  Ueber  Ardea  Gell.  Rome  »  95  ff.  Nibby  Dintorni  1,  241  f.  Pro- 
vas Alba  Fuc.  S.  184.  Abeken  Mitteilt.  S.  16a,  Die  zweite  Umwallung 
^•g,  wie  Nibby  meint,  einer  späteren  Erweiterung  der  Stadt  gehören,  Aus- 
graboogen  fehlen. — Ueber  Iguvium  s.  Aufrecht  und  Kirchhoff,  U.  Sprachd. 
^>124  Breal  Tabl.  Eng.  53  u.  unten.  Dass  jede  axqa  oder  arx 
o«r  einen  Aufgang  hatte,  ist  bekannt  und  lÄsst  sich  für  die  latinischen 


176  THEIL  I. 

Die  Verwirrung  nun  zeigt  sich  deutlich  in  der  Behand- 
lung der  Thore  des  Palatium  bei  Varro.  Nach  der  Erörte- 
rung der  merkwürdigen  Namen  servianischer  Stadtthore  be- 
merkt derselbe,  auch  innerhalb  der  Ringmauer  gebe  es  partae  : 
erstens  auf  dem  Palatium  das  mucionische  Tbor,  aus  welchem 
man  das  Vieh  aus  der  alten  Stadt  auf  die  Weide  getrieben 
habe  —  mit  Hinweisung  auf  die  andererwärts  bestimmter  ge* 
gebene  Etymologie  porta  mngionia  a  mugüu,  während  andere 
den  Namen  von  dem  Thorhuter  Mueio  ableiteten  — ; 
zweitens  die  Romanula  von  Roma  benannt,  welches  eine  Treppe 
nach  der  Nova  via  und  dem  Heiligthum  der  Volupia  hat;  das 
dritte  sei  die  lanualis,  welche  ausdrücklich  als  der  Janus  des 
Numa  auf  der  Nordseite  des  Marktes  bezeichnet  wird  *•). 
Von  diesen  drei  Thoren  also  ist  das  erste  das  Burgthor  auf 
der  Höhe,  das  zweite  soll  am  Fuss  des  divm  Victwiae  ge- 
standen haben  ^°),  kann  also  nicht  in  der  Burgmauer,  sondern 


Burghügel    noch    nachweisen.      Auf   Rosas    mündlichen    Mittheilungen 
(1861  f.)  beruht,  was  fiergau  Philol.  25,  661  f.  darüber  sagt. 

^)  Varro  5,  164:  praeter ea  intra  muros  dici  video  porUu:  in 
Palatio  Mudonis  a  muffitu,  quod  ea  pecus  in  buceta  eireum  fbucita 
circum  Müller,  budtatum  F;  bucetatum  —  exigebat  Seal.)  antiquum 
oppidum  exigebant;  alferam  Romcmulam  [Romuleamt  A.  41)  o^  Roma 
dictam,  quae  habet  gradui  in  Nova  via  (so  Seal.:  noualia  F)  tertia  est 
loTtuaUs  dicta  ab  lanOy  et  ideo  ibi  positum  lani  nmulacrum  et  tos 
instituluinj  ut  scribit  in  armaUbus  Piso,  ut  sit  aperta  nisi  quotn  beüum 
Sit  nusquam, 

*^)  Ausser  Varro  (A.  39)  nur  Festus  S.  262:  fiomanam  poriam 
vulffus  appeliat  übi  ex  epistyUo  defluä  aqua,  qui  locus  ab  anHquis 
appellari  soUtus  est  statuae  Cinciaey  quod  in  eo  fuit  sepulcrum  famiUae 
(vermuthlich  auch  das  Haus :  A.  4S).  sed  porta  Romana  instituta  est  a 
Romulo  infimo  cUvo  Fictoriae  ^  qui  locus  gradibus  in  quadram  for^ 
malus  est,  appeÜata  atäem  Romana  a  Sabinis  praecipue  quod  ea  proxi- 
mus  adiius  erat  Romam.,  Diese  Angaben  werden  erst  verständlich 
durch  Vergleichung  der  Stellen  des  Varro  5,  164  (s.  A.  39):  quae  habet 
gradus  in  nova  via,  und  6,24  (Felabrum,  sepulcrum  Accaeji  qui 
uterque  locus  extra  urbem  antiquam  fuit  non  longo  a  porta  Roma-' 
mda;  endlich  5,  43:  .  .  Felabrum  et  unde  eseendebant  ad  infmam 
novam  viarrt  locus  sacer  (s.  §  1  A.  15).  —  Der  zweite  Artikel  des 
Festus  S.  269  wird  wohl  so  zu  ergänzen  sein:  Romanam  portam  ante 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ÄNSIEDLUNGEN.  177 

nur  in  der  Wallmauer  gesucht  werden;  das  dritte,  der  Janus 
Geminus,  weder  in  der  einen  noch  in  der  anderen:  denn  es 
stand  auf  der  Nordseite  des  Forum  (Th.  II),  Hier  drängt 
sich  die  Erweiterungsgeschichte  ein.  Trotz  der  Burgmauer 
und  des  Pomerium  'zu  Füssen  des  Palatium'  muss  der  kapi- 
tolinische Hügel  wegen  der  falschen  Erklärung  des  Asyls 
inter  dnos  lucos  schon  im  Besitz  des  Stadtgründers  sein**): 
dadurch  wird  die  höchst  schüchtern  ausgesprochene  Behaup- 
tung veranlasst,  Romulus  habe  die  palatinische  Stadt  erweitert 
und  dieser  Behauptung  dient  zur  Bestätigung  die  falsche  Er- 
klärung der  porta  belli,  des  Janus  Geminus,  als  eines  Stadt- 
thors sammt  der  vor  demselben  aufsprudelnden  heissen 
Quellen,  welche  den  Feind  in  das  sonderbarer  Weise  offen- 
stehende Thor  nicht  eindringen  lassen  *^).  Mit  den  beiden 
falschen  Erklärungen  steht  und  fällt  die  sogenannte  Geschichte 
der  Stadterweiterung  durch  Romulus  oder  ist  vielmehr  aus 
ihnen  herausgesponnen  wie  die  Geschichte  von  der  Ueber- 
schwemmung  der  Tiefe  zwischen  den  Bergen  aus  der  Erklä- 
rung von  lacus  Curtius,  Velabrum,  Vertumnus.  Wie  aber  der 
im  Volksmunde  übliche  Name  des  Janus  Geminus  *  Kriegs- 
thor' falsch  gedeutet  wurde,  so  auch  der  des  Burgthors 
nmgonia  (vielleicht  *das  verwitterte')  und  des  angeblichen 
Stadtthors  romana:  unzweifelhaft  ist  auch  dieser  aus  derEnt- 


[Romuleam  voci\tatam  ferunt ,  quae  fuerit  [ab  Romulo  appeUata],  nicht 
antea  Roimilam.  Jedesfalls  ist  bezeugt,  dass  'pwrta  Romana  (nicht  wie 
bei  Varro  überliefert  ist  Romanulä)  die  übliche  Benennang  ist. 

^')  Dass  die  Auknüpfnog  des  griechischen,  den  Römern  unbekann- 
ten Asylrechts  (vgl.  Hermes  9,  348.  358)  an  die  Statte  inter  duos  lu- 
cos^ wo  der  deus  lucans,  der  rächende  Vejovis,  thront,  eine  reine  In- 
terpretation ist,  die  dann  weiter  mit  dem  Weiberraub  verbunden,  den 
Ursprung  der  gens  Romuli  erklären  muss  (vgl.  Schwegler  1,  466  ff.),  be- 
darf heut  keiner  näheren  Begründung.    Vgl.  Th.  II. 

*^)  Den  Ausdruck  porta  lanuaUs  gebraucht  nur  Varro;  über  den 
Janustempel,  seine  Benennungen  {portae  heilig  iantts  Quirini)  und  Lage, 
sowie  über  die  von  Ovid.  F.  1,  259  ff.  Met.  14,  778  ff.  und  Macrobius 
S.  1,  9,  17  (aus  Varro?)  erzählte  und  an  die  aquae  latitolae  (oben 
§  1  A.  10)  anknüpfende  Geschichte  s.  jetzt  Hermes  4,  229  ff.  vgl.  Th.  II. 

Jordan,  rOmiache  Topographie.    I.    1.  12 


178  THEIL  I. 

Stellung  eines  Volksausdrucks  für  einen  Wasserleitungsbogen 
hervorgegangen  *^). 

Während  also  alles,  was  über  die  drei  Thore  der  Ro- 
mulusstadt,  deren  Namen  und  Lage,  über  eine  ursprüngliche 
palatinische  und  eine  nachmalige  das  Kapitol  umfassende 
Stadt,  überliefert  ist  zu  den  völlig  gleichgiltigen  Erfindungen 
von  dem  Schlage  der  zu  Anfang  dieses  Abschnitts  erörterten 
gehört,  bleibt  die  Thatsache  bestehen,  dass  der  palatinische 
Hügel  eine  ummauerte  Arx  mit  einem  Burgthor  gev^esen 
ist,  welche  nach  allen  Analogien  eine  Ansiedelung  zu  ihrea 
Füssen  voraussetzt,  und  dass  eine  von  Jenen  Erfindungen 
ganz  unabhängige  üeberlieferung  —  das  Fest  der  Luperealien 
und  die  priesterliche  Bestimmung  des  palatinischen  Pomerium 
—  für  das  Vorhandensein  einer  solchen  Zeugniss  ablegt. 
Man  pflegte  sie  als  die  'alte  palatinische  Stadt'  zu  bezeich- 
nen: aber  die  Klügelei  der  Gelehrten  legte  ihr  den  Namen 
der  Siebenhügelstadt  Roma  bei  und  gab  ihr  den  Eponymen 
Romulm  (s.  unten). 

Zwischen  der  Gründung  dieser  Ansiedelung  und  der 
Gründung  der  durch  die  Mauer  auch  räumUch  sich  kennzeich- 
nenden Siebenhügelstadt  liegt  die  Kluft  einer  zeitlich  nicht 
messbaren,  nicht  einmal  in  ihren  Haupterscheinungen  be- 
kannten Entwickelungsgeschichte.  Wir  haben  zu  Anfang  die- 
ses Abschnitts  gesehen,  wie  leichten  Schrittes  die  römischen 
Gelehrten  darüber  hinweggekommen  sind:  es  ist  nicht  unsere 
Sache,  denselben  oder  ähnliche  Pfade  einzuschlagen,  sondern 


**)  Da  das  *Thor'  ein  Wasserleitungsbogen  war  und  vernünftiger 
Weise  doch  der  Name  mit  der  palatinischen  Stadt  nichts  zu  thun  ha- 
ben kann,  so  denke  ich  an  einen  Volksausdruck  wie  die  späteren  porta 
pluens,  arcus  stillans,  meta  sudans,  aqua  fervens  (Bd.  2,  19):  etwa  ru- 
minula  oder  runiimia  neben  rumina?  Jedesfalls  kann  der  wohl  nur 
mittelalterliche  Name  arcus  Ronianus  aus  den  Märtyrerakten  (Bd.  2, 
382,  wo  Acta  SS.  18.  Jan.  S.  549  hinzuzufügen  ist)  nicht  zur  Erklä- 
rung herangezogen  werden.  —  Möglich  bleibt  es  aber  immer,  dass  die 
statuae  Cinciae  in  irgend  einer  Weise  die  Benennung  ^römisches'  Thor 
veranlasst  haben.  —  lieber  inuffoina  A.  36. 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLÜJNGEN.  179 

zu  fragen,   ob  jene  Eutwickelung  auf  dem  Boden  der  Stadt 
irgend  welche  Spuren  zurückgelassen  hat. 

Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  die  schroff  ansteigenden 
Höhen  um  das  Palatium  herum  wie  dieses  Ansiedelungen 
trugen.  Sogar  Reste  von  Befestigungen  ahnlich  den  beschrie- 
benen der  palatinischen  glaubt  man  am  Caelius,  Viminalis 
und  Kapitol  zu  besitzen:  allein  wir  werden  sehen  (§  3  A.  11), 
dass  diese  Reste  bis  jetzt  wenigstens  nicht  gestatten ,  mit 
Sicherheit  von  anderen  'Hugelburgen'  zu  sprechen.  Verrathen 
die  Namen  ursprünglich  gesonderte  Niederlassungen?  Alle 
Deutungsversuche  müssen  von  der  Zergliederung  der  Bildungs- 
form  ausgehen  und  den  wichtigen  Satz  im  Auge  behalten, 
dass  auch  vermeintlich  uralte  Namen  (und  mit  dieser  Be- 
zeichnung ist  man  meist  schnell  bei  der  Hand),  ihre  Entste- 
hung weit  auseinander  liegenden  Zeiten  verdanken  können. 
Wir  gehen  nun  von  der  Beobachtung  aus,  dass  von  den 
'Bergen'  (nwntes)  des  linken  Ufers,  der  AverUinus,  Pdatinus, 
Capüolinm,  Esquilinus,  dazu  vielleicht  Cermalmsis,  Ceronienm 
einerseits,  der  Oppius,  Cispim,  Caelius  andererseits  augen- 
scheinlich gleiche  oder  ähnliche  Bildungsformen  haben  und 
dass  beiden  gegenüber  ein  ursprunglich,  wie  es  scheint, 
namenloser  collis  mit  seinen  fünf  Erhebungen  Yminalis,  Qm- 
rmalis,  Salutarts,  Mucialis,  Latiaris,  erscheint,  deren  Namen 
unter  einander  gleiche,  von  denen  der  montes  abweichende 
Bildung  haben.  Von  diesen  Namen  waren  zur  Zeit  des  Cicero 
die  der  montes  Oppius,  Cispms,  Ceroniensis  sicher,  vielleicht 
auch  der  des  Cermalensis  (Cermalus)  ausser  Gebrauch 
gekommen  **).  Ein  hohes  Alter  aller  verbürgt  die  Argeerurkunde : 


M)  Für  Oppius  and  Cüpius  hat  dies  schon  Becker  richtige  bemerkt 
(S.  534);  es  mag  hinzugefügt  werden,  dass  auch  die  uns  vorliegende 
Redaktion  des  Kalenders  nur  noch  in  Exquiliis,  in  Carirüs  kennt  (Prän. 
1.  März,  13.  Dec.)  —  Plutarch  freilich  sagt  ausdrücklich  (Rom.  3,  5): 
X^i^lov  .  .  o  vvv  KfQfjLaXov  xaXovat,  nakai  Sk  FiQfiavov  und  in  der 
Erzählung  eines  Prodigiums  v.  J.  558  Livius  33,  26,  9:  Tusco  vieo  aique 
ind»  Cermalo;  sonst  aber  scheint  in  der  klassischen  Zeit  der  Name  nicht 
geläufig  zu  sein.  Unsicher  die  Vulgate  bei  Cicero  ad  Att.  4,  3,  3  Milo^ 
nis  domuin  earn  quae  est  in  Cemialo  für   das    hs.  meatnque  ceramio. 

12* 


180  THEIL  L 

aber  freilich  wird  zu  fragen  sein,  ein  wie  hohes.  Die  technische 
Terminologie  des  pontificischen  Kalenders  nennt  den  Quirinal 
überwiegend  mit  dem  allgemeinen  Namen  collis,  selten  collts 
Quirinalis:  da  nun  neben  der  regio  Esquilina  und  porta  Esqui- 
lina  die  regio  und  porta  Collina  (über  die  salii  collini  unten) 
stehen  und  das  Argeerfragment  den  collis  Quirinalis  als  einen 
der  colles  der  collinischen  Region  nennt,  so  ist  wohl  kein 
Zweifel,  dass  in  der  Zeit  des  servianischen  Synökismos  der 
collis  einen  Individualnamen  noch  nicht  oder  nicht  mehr 
führte.  Die  Behauptung  alter  Grammatiker,  der  nachmalige 
Quirinal  habe  ursprünglich  collis  Agonius  geheissen,  ist  nichts 
als  ein  falscher  Schluss  und  gehört  in  dieselbe  Reihe  mit 
den  ebenfalls  erklügelten  älteren  Namen  des  Kapitols  {Satur- 
nius,  dann  Tarpeius)  und  Aventin  {Murcus):  für  den  Caelius 
scheint  es  dem  Scharfsinn  der  Gelehrten  nicht  gelungen  zu  sein, 
einen  Urnamen  zu  konstruiren*^).  —  Eben  so  ist  es  mir  un- 
zweifelhaft, dass  das  Capitolium,  'Hauptberg',  diesen  sonst 
unerklärlichen  Namen  erst  erhalten  hat,  als  er  der  Sitz  der 
Schutzgottheiten  der  Siebenhugelstadt  geworden  war.  Dies 
besagt  auch  die  Tradition:  was  dieselbe  aber  von  früheren 
Namen  zu  erzählen  weiss,  beruht,  wie  gesagt,  auf  Schluss- 
folgerungen **). 

Als  gleichartige  Bildungen  erkennt  man  auf  den  ersten 
Blick  die  Namen  des  mons  Palatinus  und  Aventinm.  Schon 
einigen  oder  einem  der  klassischen  Grammatiker  ist  die  frei- 


")  Festus  254:  Quirinalis  collis  y  qui  nunc  dicitur,  olim  ^g^nius 
(egonus  die  Hs.)  appelläbatur ,  antequam  in  eum  contmigrareni  fere  (?) 
Sabini  {sahinis  Hs.)  Curibus  venientes  post  foedus  inter  Romulum  et 
Tatium  ictum.  a  quo  hanc  appellationem  sortitus  est.  Der  Auszug^  S.  j  0 
giebt  auch  für  die  poria  Collina  den  sonst  nirgend  vorkommenden  Na- 
men j4gonensis  an.     Vgl.  Mommsen    R.  G.  I,  54;    über  Murcus  A.  70. 

^)  Capitolium  setzt  capitöHs  voraus:  dass  dieses  zu  eapit-alis 
steht  wie  prini-öris  zu  prim-äris,  prim^ärius,  ist  schon  Hermes  4,  246 
gesagt  worden:  vgl.  Corss.  A.  2^,  84.  —  Auf  die  falsche  Etymologie 
a  capite  OU  ihi  invento  der  Alten  kommen  wir  Th.  H  zurück,  lieber 
die  saturnische  Stadt  auf  dem  mons  Saturnius  mit  ihrem  Bargthor 
s.  Varro  5,  42  (Bd.  2,  599). 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLUNGEN.  181 

lieh  unabweisbare  Analogie  der  Gau-  und  Landschaftsnamen 
oder  der  aus  diesen  entstandenen  Namen  der  ländlichen  Tri- 
bus  nicht  entgangen  ^^).  Die  tribus  Stellatma  und  der  Päla- 
tmns,  die  OuferUma,  Trümeniina  nebst  dem  pagus  AmetUinus 
und  der  Aventinus  haben  in  ihrer  Bildung  eine  schwerlich 
zufallige  Aehnlichkeit  Für  die  Oufentina  können  wir  die 
Entstehung  aus  dem  Flussnamen  Oufens  und  auch  die  Be- 
deutung dieses  Namens  nachweisen:  ob  in  gleicher  Weise 
die  Tromentina  von  einem  Tromens  herkommt,  muss  bezwei- 
felt werden  ^^),  zumal  noch  andere  Ortsnamen  zur  Vergleichung. 
heranzuziehen  sind,  welche  mit  Flüssen  schwerUch  zu  thun 
haben.  Die  latinischen  Städtenamen  Carventum  Laurmtum 
Namentum  und  das  römische  terentum  werden  wohl  mit 
Recht  mit  dem  römischen  lauretnm  (vgl.  aesculetum,  querce- 
tum,  argiletum)  und  der  tribus  Teretina  auf  ein  Bildungsgesetz 
zurückgeführt*^).   So  ergiebt  sich  für  den  Aventinm  mens  und 

*'"')  Varro  de  gente  p.  R.  (anders  als  de  1.  1.,  A.  52)  bei  Serv.  A. 
7,  657:  Satnnos  a  Romulo  suseeptos  ütum  accepisse  montem  quem  ab 
Avente  fluvio  provineiae  suae  appeüaverunt  j4ventinum,  ders.  1.  1.  5,  53 
PtdaHum  . .  quod  ^borigines  ex  c^o  Reatino,  qui  appeUaiur  Peledium, 
ibi  consederunt.  Damit  ist  natürlich  weder  die  Existenz  des  Flusses 
Avens  noch  einer  Ortschaft  PaUüium  im  Sabinerlande  erwiesen,  zudem 
wahrscheinlich  die  erste  Notiz  noch  durch  Schuld  des  Servius  verwirrt 
(oben  A.  1  und  Schwegler  1,  491  f.). 

^)  Die  alten  Etymologien  für  die  angeführten  Tribus  bei  Festus 
194.  343.  367.  Vgl.  Mommsen  Fors«^.  1,  106,  Grotefend  Imp.  rom. 
tributim  descr.  S.  1  ff.  Dass  Vf-ens  und  Auf-idus  vgl.  ub^er  ovd^^Q 
zu  yndh-y  fruchtbar,  zu  stellen  sind,  ist  wahrscheinlich  (Gorssen  Ausspr. 
1',  151.  353).  —  Den  pagus  Amentinus  bei  Rom  nennt  nur  die 
Inschrift  Or.  3796. 

^)  Dass  Laurentum  zu  laureUan  s»  loretttm  (in  Rom  auf  dem  Aven- 
tio,  vgl.  quercetum  pinetum  hartindinetum  u.  a.)  einerseits,  zu  Carven- 
tum u.  s.  w.  (welche  ich  an  die  Stelle  des  apulischen  Feretitum  setze) 
andererseits  gehört,  nehme  ich  mit  Corssen  Krit.  Beitr.  174. 470  an.  lieber 
argüetum  von  argiUa  oben  §  1.  Dass  der  Lorbeer  erst  mit  dem  grie> 
ehisdien  Apollokultus  nach  Italien  gekommen  sei  (Hehn,  Kulturpflanzen 
'  197  ff.),  ist  nicht  erwiesen.  —  lieber  die  tribus  Teretina  (von  2Ve#, 
Teretinates)  s.  Grotefend  a.  0«  S.  4.  —  Die  Ableitung  von  terentum 
von  terere  (Servius  z.  A.  8,  63.  Festus  351<^  11  f.?)  und  von  terra 
(Fest.  Augz.  350)   spricht   für  diese  Form  und  gegen  tarentum  trotz 


182  THEIL  I. 

fogus  die  Möglichkeit  der  Ableitung  von  einem  Flusseben 
Ävens  —  und  wer  wollte  behaupten,  dass  dies  nicht  der  später 
verschollene  Name  eines  in  den  Tiber  einfallenden  Wasser- 
laufs gewesen  sei,  z.  B.  des  sonst  nicht  benannten  im  Thale 
des  Circus  (oben  §  1  S.  138)  —  oder  von  einem  Ort  Avenium 
oder  Avetum?  Für  den  Palatimis  besitzen  wir  den  Ortsnamen 
Palatium,  Ob  derselbe  im  Sabinischen  vorhanden  war,  oder 
ob  auch  dies  nur  eine  historisch-etymologische  Hypothese  ist, 
muss  dahingestellt  bleiben  ^^).  Mag  Avens  oder  AverUum  mit 
Ovis  und  Palatium  mit  Eile$  und  pa-scere  zusammenhängen 
oder  nicht  —  ich  sehe  kein  Mittel,  dies  festzustellen  *^)  — ,  so 


der  Fabel.  Wahrscheinlich  triflft  erstere  das  richtige,  aber  nicht  in 
dem  Sinne  des  Servius  (a.  0.  quod  Tiberis  ripets  teral\  sondern  es  ist 
eine  Erdhöhle,  eine  vulkanische  Spalte  (vgl.  oben  §  1  und  Curtius  Et. 
222),  wie  der  Fluss  Teres  'Riss'  sein  mag. 

^)  Die  ältesten  bekannten  Etymologien  des  Aventinus  und  Pakt- 
tinusy  die  des  JNaevius  (b.  Varro  5,  43.  54),  lassen  jenen  ab  avibusy 
quod  eo  se  ferrent  ab  Tiberi  aves  (?),  diesen  vom  balare  der  Heerden 
benannt  sein  (an  das  palare  derselben  dachte  Verrius  Flaccus  Fest.  220). 
Wahrscheinlich  sind  die  übrigen  aa.  00.  erwähnten  Versuche  sämmt- 
lieh  jünger,  sicher  die  meisten  nicht  viel  alter  als  die  Philologen- 
Schule  des  Aelius  Stilo :  der  Aventin  ab  adventu  der  Latiner  oder  vom 
albanischen  Könige  gleichen  Namens  oder  ab  advectu,  nam  olim  palu- 
dibus  mons  erat  ab  reUquis  düclusus  (von  Varro  gebilligt);  der  Palatin 
von  dem  arkadischen  Pallaution  oder  was  davon  nicht  wesentlich  ver- 
schieden ist  von  der  Pallantia,  der  Tochter  Euanders  (vgl.  Bd.  2,  603 
zu  Z.  2,  Schwegler  1,443  f.),  oder  von  einem  Palatium  der  Aboriginer: 
s*  A.  53. 

'^)  Die  alte  Herleitung  des  Aventin  von  einem  Fluss  Avens  (A.  47) 
beruht  freilich  nicht  auf  Ueberlieferung.  Eben  so  misslich  ist  es,  wie  schon 
0.  Müller  bemerkt  hat,  die  Glosse  amilas  agnus  recentts  parius  (Fest. 
Ausz.  14)  als  Beweis  für  erhaltenes  a  in  ovis  otg  gelten  zu  lassen 
(Curt.  Et.  392)  und  ich  muss  daher  meinen  Vorschlag  (Kaiserpaläste 
S.  31)  av(t}-entum  mit  Ohrj  zusammenzustellen  zurücknehmen.  —  Die 
Ableitung  des  Palatin  a  Pale  pastarali  dea  (Solin  1,  15)  und  die  Deu- 
tung 'Weideplatz'  ist  denkbar  (Pälätium  Päles):  die  Deutung  Corsseus 
(Ausspr.  1,  426  ff.):  der  Göttin  als  'nährende,  hütende',  des  Orts  als 
'geschützter  Platz',  schiebt  der  Bedeutung  der  Wurzel  {pa-,  nähren  = 
schützen)  etwas  fremdes  unter  und  das  antiquum  oppidum  PalaHnum 
(oben  A.  39 f.),   wenn  es  überhaupt  diesen  Namen  führte,  ist  ja  nicht 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLUNGEN.  188 

haben  wir  doch  so  viel  gewonnen,  dass  wir  beide  Högel  mit 
Sicherheit  als  zwei  uralte  latinische  Gaunamen  betrachten 
dürfen.  Dass  das  Palatium  eine  Ansiedelung  getragen  hat, 
ist  oben  gezeigt  worden.  Die  alte  Besiedelung  des  Aventin 
durch  eine  latinische  Gemeinde  hat  in  der  Rivalität  zwischen 
beiden  Bergen  bei  der  Gründung  der  Stadt  Romn,  in  der 
Gründung  des  Dianenheiligthums  und  in  der  noch  spät  fort- 
dauernden Sonderstellung  des  'plebejischen'  Berges  einen 
deutlichen  Ausdruck  gefunden  **),  und  alles  dies  wird  duirch  die 
junge  annalistische  Erfindung,  nach  welcher  der  Berg  bis  zUr 
Secession  mit  Urwald  bedeckt  und  unbewohnt  gewesen  sei, 
nicht  widerlegt.  —  Der  Gauname  Palatium  ist  dann  auf  eine 
der  vier  städtischen  Regionen  übergegangen:  der  Ämntinns, 
welcher,  wie  das  Captolium,  ausserhalb  der  VierregiüiienBtadt 
blieb,  hat  noch  in  der  augustischen  Regioneneintheilung  seine 
Sonderstellung  bewahrt. 

Wie  Aventin  und  Palatium,  so  sind  auch  Esquiliae  und 
Subura  alte  Gaunamen  ^^).  Die  jetzt  herrschende  Ansicht, 
dass  Esquiliae  —  dies,  nicht  Exquiliae  ist  die  altherkömm- 
liche Schreibung  —  die  'Vorstadt'  bedeute  und  in  inquilinus 
sein  Gegenbild  habe,  steht  sprachlich  und  sachlich  auf  schwa- 


die  arar,  —  Ob  mau  den  flamen  PäUttualis  des  Eonins  übexiiaupt 
richtig  hierherzieht,  ist  unsicher  und  kann  auf  sich  beruhen. 

52)  lieber  die  SondersteUung  des  Aventins  Schwegler  2,  598  ffl 
onteii  §  4  und  Th.  IL 

^)  Die  Inschriften  kennen,  soviel  mir  bekannt  ist,  nur  die  Form 
Esquiliae  (so  die  Fasten  im  Cognomen  EsqmlirmSj  Esquiliae  Henz.  5080,  die 
Tribus  regelmässig  Esq,  Or.  2621,  3091)  mit  einziger  Ausnahme  des  Prän. 
Kalenders  (1.  März  Exquiliis):  aber  Mommsen  hat  (CIL  1  S.  387)  richtig 
bemerkt,  dass  dies  eine  gelehrte  Schreibart  ist:  dasselbe  gilt  von 
dem  lunoni  Curriti  des  Arvalkalenders  (Herrn.  8,  219)  und  von 
Suceusanus  (A.  56).  Die  Hss.  schwanken  (schon  die  ältesten:  s  Cic. 
de  rep.  2,  5,  11  Veron.  Liy.  3,  66,  x  ders.  zweimal  das.  67.  6§)  zwi- 
schen s  und  X.  Dies  beweist  also  das  Gegentheil  von  dem  was  Schweg* 
Icr  1,  727  Corssen  Ausspr.  2*,  1023  f.  wollen:  die  Schreibart  mit  s 
ist,  wie  namentlich  die  Abkürzung  der  Tribus  (man  denke  an  Suc.  und 
Ouf.)  zeigt,  wenigstens  die  altherkömmliche  und  die  Schreibart  Exquiliae 
in  Hss.  hat  denselben  Werth  wie  die  nicht  seltene  j4dventinus  (vgl.  A.  50). 


184  THEIL  1. 

chen  Füssen  ^^)  und  man  thut  jedesfalls  wohl  daran,  die 
Möglichkeit  offen  zu  lassen,  dass  darin  der  Name  einer  Stadt 
oder  doch  einer  selbständigen  Niederlassung,  Esqu-iliae  wie 
Urb'iliae,  Cut-iliae,  steckt.  Dass  der  Name  syntaktisch  noch 
in  der  klassischen  Zeit  wie  die  Städtenamen  behandelt  wird 
—  und  dieser  allein  von  allen  römischen  Ortsnamen  —  weist 
jedenfalls  auch  auf  das  ursprüngliche  Bestehen  einer  geson- 
derten Niederlassung  hin:  eben  so  erkläre  ich  mir  den  auf- 
fallenden Namen  des  pagus  montanus  =  Esquüinm  ^^).  Dieser 
pagus  EsquiUnus  hat  einer  servianiscben  Region  den  Namen 
gegeben.  —  Es  hätte  auffallen  sollen,  dass  während  die  Namen 
der  esquilinischen,  collinischen  und  palatinischen  Region  mit 
natürlichen  Terraingliederungen,  an  welchen  auch  später  noch 
diese  Namen  hafteten,  übereinstimmen,  dies  bei  der  subu- 


^)  Es  kann  ja  ein  alter  Uebergang  von  x  zu  s  vorliegen:  allein 
das  oft  verglichene  sescentis  beweist  garnichts.  Wo  ist  sonst  in 
alter  Zeit  ex  vor  c  (g)  in  es  übergegangen?  Daher  kann  anch  mqtälmus, 
'Binwohner',  nichts  für  die  Ableitung  von  ex  und  colefe  beweisen  und 
das  von  Huschke  angenommene  exquilinus  —  'der  Bürger,  der  ausser- 
halb Roms  mit  einem  niederen  Bürgerrecht  wohnte'  (Serv.  S.  60)  — 
existirt,  wenn  überhaupt,  nur  bei  Solin  (oben  A.  4).  Die  alten  Etymologien 
ab  excubiis,  quod  excuUae  sint  a  reg^e  TuUio  (Varro  5,  49)  bedürfen  keiner 
Widerlegung,  eine  dritte  von  aesculus  (s.  Bd.  2,  243)  ist  wegen  des 
ae  und  wegen  der  Ableitungssilbe  bedenklich.  Ich  halte  also  daran 
fest,  dass  die  Ableitung  von  excolere  eben  so  wenig  feststeht,  wie  die 
der  f^dia  von  €los> 

^^)  Madvig  in  seiner  Ausg.  des  Livius  (Bd.  1,  1  S.  XIV)  bemerkt, 
dass  Esquilias  (nicht  in  E,)  ire  gesagt  wird,  ebenso  (Cic.  de  legg.  2, 
11,  28  de  nat.  d.  3,  25,  63)  in  Palatio  —  Esquiiüs  und  giebt  Kl.  Schrif- 
ten S..  299  (wo  er  ahnliche  Erscheinungen  in  neueren  Sprachen  erörtert) 
als  Grund  an,  dass  es  ein  Dorf  gewesen  sei.  Freilich  die  Gegenfrage: 
warum  dann  nicht  auch  Palatium,  Palati?  würde  unberechtigt  sein. 
Aber  ganz  klar  ist  die  Sache  nicht.  —  Unter  den  Pfamen  der  Stadt- 
römischen  pag;i  (unten)  ist  der  kürzlich  durch  eine  Inschrift  etwa  der 
sullanischen  Zeit  bekannt  gewordene  pa^us  rmmtanus  auf  dem  Es- 
quilin  der  einzige  ohne  Individualnamen.  Dass  montanus  schwerlich 
mit  den  heutigen  'Monti'  zu  thun  hat,  ist  schon  S.  70  bemerkt  worden. 
Möglich  erscheint  die  Annahme,  dass  der  Esquilinus  als  mons  im  Ge- 
gensatz zum  QuirinaUs  als  coUis  gedacht  wurde,  wo  es  sich  um  die 
Benennung  eines  pagus  in  jener  Gegend  handelte. 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLÜNGEN.  185 

ranischen  nicht  der  Fall  ist.  Denn  in  historischer  Zeit  ist 
Subura  der  Namen  des  Stadttbeils,  welcher  von  den  Abhängen 
des  coUis  und  der  Esquiliae  eingeschlossen  wird,  während  den 
bei  weitem  grössten  Theil  der  Region  der  mons  Caelius  aus- 
macht. Dass  dieser  oder  seine  Umgebung  ebenfalls  noch  in 
historischer  Zeit  Sttbura  oder  Subura  maior  genannt  worden 
sei,  ist  eine  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts 
aufgekommene  falsche  Theorie  (s.  Th.  II).  Aber  freilich  ist 
es  kaum  glaublich,  dass  ursprünglich  der  Name  Subura  an 
jener  schmalen  Thalmulde  gehaftet  und  trotzdem  als  Be- 
nennung der  Region  gedient  habe,  ja  gradezu  unmöglich, 
wenn  die  Nachricht  über  das  Fest  der  *  Sieben  Berge',  unter 
denen  die  Subura  ist,  einen  Sinn  haben  soll  (unten).  Es 
haben  also  die  alten  wie  die  neueren  Etymologen  geirrt, 
wenn  sie  das  Wort  als  ein  mit  sub  zusammengesetztes  be- 
trachteten. Auch  hier  empfiehlt  sichs  statt  die  Wurzel  durch 
ein  verzweifeltes  Kunststück  biosiegen  zu  wollen,  die  Bildung 
zu  analysiren.  Nichts  kann  nun  sicherer  sein,  als  dass  die 
jüngere  Form  Sub-üra  aus  der  uralten  Suc-üsa,  pagus  Su^- 
usanus,  deren  Suffix  Analogien  genug  hat,  einem  zwar 
italischen,  vielleicht  aber  nicht  latinischen  Gaunamen,  durch 
Lautwandelung  entstanden  ist.  Schwerlich  wird  die  Wurzel 
desselben  ein  Thal  bedeuten  ^^).    Es  muss  aber  beachtet  wer* 


^)  Für  die  oben  ausgesprochene  Ansicht  muss  wenigstens  die  Be» 
weisführung  angedeutet  werden:  ich  komme  an  einem  passenderen  Ort 
darauf  zurück.  Varro  5,  48:  eidem  regiowi  {Stiburanae)  attribtäa  Su- 
Jmra  [quod  sub  muro  terreo  Carinarum],  in  ea  est  Argeorum  saeemhü 
sextum.  Suburam  {subura  F)  lunius  scribä  ab  eo  quod  fuerit  sub  antiqua 
urbe,  cui  testimonio  potesf  esse  quod  subest  ei  hco  qui  terreus  tnurus 
voeatur.  sed  a  pag^o  potius  Succusano  diefam  puto  Succusam^  nunc 
swibitur  (nehmlich  die  Sucusa  »»  Subura  als  Tribusname)  tertia  HUera 
e  non  b  pagus  Suecusanus  quod  suocurrit  Carints,  So  lese  ich  jetzt 
mit  F  (abweichend  von  Bd.  2,  601);  der  in  {  ]  gesetzte  Satz  ist  als 
ein  offenbar  aus  dem  Schluss  des  Ganzen  entlehnter,  an  jener  Stelle 
ganz  ungehöriger  Zusatz  su  beseitigen.  Varro's  Ansicht  yariirt  Ver- 
rius  bei  Fest.  309  {. .  a  stativo  praesidio  quod  solitutn  sit  succurrere 
Exquüis  infestantibus  eam  urMs  partem  Gabims;  eine  andere  Etymo- 
logie in  dem  zerstörten  Artikel  S«  302,  succtsanam?)  —  Die  Inschrif-* 


186  THEIL  l 

den,  dass  die  Terraingestaltung  der  suburanischen  Region 
durch  die  Anlage  des  goldenen  Hauses  und  seines  stagnum, 
dessen  Tiefe  dann  das  flavische  Amphitheater  aufnahm  und 
durch  die  späteren  Bauten  westlich  von  diesem  so  wesentlich 
verändert  worden  ist,  dass  es  heut  unmöglich  ist  ihren 
ursprünglichen  Zustand  sich  zu  veranschaulichen. 

Sollte  demnach  der  Caelins  mens  —  dies  ist  die  allein 
verbürgte  Schreibung   des  Namens  *^)  —  seinen  Namen   erst 


ten  bestätigeQ,  dass  die  Tribus  Suc.  abgekürzt  wird  (CIL  6,1,  ]97ff,), 
ausgeschrieben  heisst  sie  sowohl  auf  loschriften  als  bei  Schriftstellern 
(z  ß.  IRN  6808  Liv.  epit.  20.  Varro  5,  56)  Suburana,  örtlich  fallen  Su- 
bura  und  der  angebliche  j^^^t/«  zusammen.  Trotzdem  Sucusa  und  Sübura 
nicht  für  identisch  zu  halten,  ist  unmöglich,  ebenso  unmöglich  mit 
Corssen  Ausspr.  1',  355  suc-cttsanus  mit  cus-ia,  cu-ria  (Haus)  zusam- 
men zu  bringen,  wobei  Subura  unberücksichtigt  bleibt.  —  Man  hat 
nur  die  Wahl,  ob  man  Sub-üra  aus  Suc-usa  (oder  Suq-usa)  oder  aus 
Sug-usa  (die  Abkürzung  würde  dann  vor  der  Einfuhrung  des  c  festge- 
setzt worden  sein)  ableiten  will.  (Augenscheinlich  ist  Succusaniis 
nur  etymologische  Schreibart,  vgl.  A.  53.)  Ersteres  ist  nur  durch 
die  Mittelstufe  *Sup'Usa  möglich,  wenn  t)  Wechsel  von  p  und  h  (oder 
q),  2)  Sinken  von  p  zu  b  —  beides  ist  im  Italischen  nachweisbar, 
im  Altlateiaischen  noch  zweifelhaft  — ,  3)  Schwächung  des  f  zu  r  in 
dem  Suffix  -ü-sa,  -üra  (vgl.  fig-ura^  nat-ura  u.  a.  m.)  als  gesetzmassige 
Lautwaudelungen  gelten.  —  Abermalige  Schwächungen  sind  die  spaten 
Vulgärformen  Sibura,  Sebura:  Bd.  2,  17,  vgl.  CTG  6447.  —  Vgl.  un- 
ten S.  198.  — »Was  nun  aber  die  in  suq-üsa  =  süp-üsa  =  sub-üra  stek- 
kende Wurzel  iup  =■  suk  heisst,  wage  ich  nicht  zu  vermuthen. 

^^)  Dass  die  Schreibart  CaehW  die  allein  riehtige  ist,  beweist,  ob- 
wohl der  Name  in  republikanischen  Urkunden  aicl^t  vorkommt,  der 
Beiname  der  Verginier  Caeliomontanus  (kapit.  Fasten),  die  Lyoner 
Rede  des  Kaisers  Claudius  (Col.  1 :  rmmteni  CaeUum  . .  a  Ca»lio\  die  von 
Smetius  gesehene  Inschrift  aus  dem  ].  Jahrh.  Or.  2617  {de  campo 
Caelemontano)  und  die  Inschrift  v.  J.  201  CIL  6,  1, 1259,  deren  Ueber- 
lieferung  nur  zwischen  areus  Caelimontanos  und  Caelenumtanos  (nicht 
Coe/.,  wie  noch  Borghesi  Fasti  1,  61  glaubte)  schwankt.  Ebenso  die 
gute  hs.  Ueberlieferung  z.  B.  bei  lliceFo  de  rep.  2,  18,  bei  Var^o  ub4 
Livius  durchgänig,  und  noch,  wie  ich  hier  nach  abermaliger  Ein- 
sicht meiner  Kollationen  konstatire,  in  den  Scriptores  Historiae  Augu- 
stae  (P  überall  Caelius,  auch  Marcus  c.  1,  B,  wie  es  scheint,  ebenso 
regelmässig  Celius)  und  im  Regienenbuch  R.  II.  Iin  Fronto  von  Mai 
V.  J.  1823  S.  54  steht  zwar   Caelius,  aber  in  der  A.  von  1346  S.  41 


§  2]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLÜINGEN.  •       187 

in  verhältnissmässig  später  Zeit  erhalten  haben  oder  ein  Theil 
des  alten  pagus  Sumsanus  diesen  Namen  geführt  haben,  wie 
Theile  des  Esquilinus  die  Namen  Oppius^  Cispiu$  ?  Wir  stellen 
zunächst  die  Thatsache  fest,  dass  die  Namen  dieser  drei  Berge, 
welche  sämmtHch  schon  die  Argeerurkunde  nennt,  mit  den 
Namen  von  drei  plebejischen  Gentes  identisch  sind,  und  dass 
der  Name  des  saxum  Tarpeium  (vielleicht  des  mom  Tarpems) 
mit  einem  patricischen  freilich  nicht  ganz  sicheren  Gentil- 
namen  zusammenfällt.  Die  Alten  leiten  nun  die  Namen  der 
Berge  von  den  eingewanderten  Stammvätern  dieser  Familien 
her,  und  zwar  den  des  Caelius  von  dem  Etrusker  Caeles 
Vibenna^^),  die  des  Oppius  und  Cispius  von  gleichnamigen 
Geschlechtshäuptern  aus  Anagnia  und  Tusculum,  welche  unter 
den  Königen  —  gleichviel  unter  welchen  —  Jener  als  Feind, 
diese  als  Freunde  die  später  nach  ihnen  benannten  Höhen 
besetzt  hielten  ^®).  —  Das  Adelsgeschlecht  der  Tarpeii  kommt  in 
eiüem  Consulat  des  J.  300  der  Stadt  vor;  die  Existenz  des- 
selben kann  schwerlich  bezweifelt  werden.  Sein  £ponym  gilt 
ab  der  Burgvogt  des  Titus  Tatius®^).    Dass  nun  jene  Er- 


(=  Naber  S.  31)  Caelius  i  freilich  ohne  ßemerkuog.  Ein  auch  nur  leid- 
liches hs.  Zeugniss  für  die  Schreibung  mit  oe  Isienne  ich  nicht,  die  mit 
e  beweist  bekanntlich  nichts  für  oe. 

^)  Ueber  diesen  s.  nnten.  —  In  geschichtlicher  Zeit  giebt  es  so- 
wohl Caeiü  als  CoeUi:  zu  jenen  gehören,  wie  jetzt  fe&tsteht  (Benzen 
CIL  1  S.  475  Acta  Arv.  S.  179),  die  Aufi,  zu  diesen  die  Finiciani  (CIL 
],  641)  und  Caldi  (Borghesi  Dec.  6,  9.  10);  auf  den  Aschenkisten  von 
S.  Gesario  finden  sich  Caelü, 

^^)  Die  Geschichte  von  dem  Anagniner  Cispius  und  dem  Tuscu* 
IftDer  Oppius,  die  die  Berge  besetzen,  während  TuUas  gegen  Veji  im 
Felde  steht,  erzählt  Varro  bei  Festus  348  (oben  S.  54).  Die  Oppü  blühen 
im  6.  Jahrhundert  d.  St.,  Cispii  kennen  wir  im  7.  Jahrb.  (CIL  1,  631 ; 
<lergelbe  oder  ein  Verwandter  ist  697  Voikstribun:  Or.  Onom.  u.  d. 
W.).  Die  örtliche  Znsammengehörigkeit  beider  'Berge'  zwingt  dazu 
auch  in  dem  Cespius  der  Argeerurkunde  nur  die  ältere  Schreibung  des 
Gentilnameos  zu  sehen  und  nicht  etwa  an  ein  Appellativum  zu  denken. 

^)  Die  CoBsuln  des  J.  300  heissen  Sf.  Tarpmiu,  A.  Atemius, 
^it  der  Authentioität  des  Namens  der  Lex  Atemia  Tarpeia  sieht  es 
«twas  übel  aus  (Mommsen  Münzw.  S.  175  f.)  und  die  mythische  virgo 
Vestalis  des  JNamens  beweist  natürlich  nichts;  wohl  aber  für  die  IVa- 


188      •  THEILI. 

klarungen  bestenfalls  aus  den  Familienchroniken  jener  Gentes 
stammen  und  demnach  die  Existenz  der  Eponymen  oder  gar 
die  Richtigkeit  der  an  sie  geknüpften  Thaten  nicht  beweisen, 
bedarf  keiner  Erörterung.  Wer  dagegen  leugnet,  dass  die 
genannten  'Berge'  ihre  Namen  von  den  Gentes  haben,  hat 
nur  die  Wahl  zwischen  zwei  wie  mir  scheint  gleich  unmög- 
lichen Annahmen:  entweder  muss  er  den  Gentilnamen  von 
den  Namen  römischer  Stadtgegenden  ableiten,  wofür  es  weder 
Analogie  noch  Erklärung  giebt^^),  oder  er  muss  annehmen» 
dass  das  Zusammenfallen  der  Namen  ein  zufälliges  ist.  Und 
was  spräche  wohl  für  eine  solche  Annahme?  Ich  muss  also 
die  auch  an  sich  bedenklichen  Versuche  die  Namen  des  Caelius 
und  Tarpems  Ton  Appellativen  herzuleiten  —  an  den  Oppius 
und  Cispius  hat  sich  meines  Wissens  Memand  gewagt  — 
und  mit  den  echten  Ortsnamen  in  eine  Reihe  zu  stellen  für 
methodisch  verfehlt  ansehen.  —  Dass  eine  Göttin  Tarpeia 
existirt  hat  ist  nicht  richtig,  ein  luppiter  Caelius  als  Lokal- 
gott  widerspricht  unserer  Auffassung  nicht  ^^). 

Ist  diese  Auffassung  richtig  und  ist  es  ferner  nicht  denk- 
bar, dass  jene  *  Berge'  von  einzelnen  Mitgliedern  der 
Gentes  benannt  worden  sind  (denn  die  Ueberlieferung  über 
die  Eponymen  beweist  nichts  und  es  liegt  auf  der  Hand, 
ja  es  ist  bezeugt,  dass  die  Benennung  von  vici  und  clivi^ 
wie  der  Puhlidm^  Cosconius  u.  a.,  nach  ihren  Erbauern  nicht 
verglichen  werden  kann,  §8),  so  folgt  daraus,  dass  ganze 

menbildoog  der  Vergleich  des  Cog^nomen  Tarpa  und  der  zahlraichea 
Gentünamen  auf  -eius.  lieber  die  Etymologie  von  Tarpa  weiss  man 
nichts  (auch  in  Gurtius'  Stud.  5,  382  wird  kein  AofschloBS  gegeben) 
vgl.  unten  A.  62. 

^^)  Keine  Analogie  bieten  die  Cognomina  Sacramentis^  Tuscivi- 
canusy  Esqtälinusy  CapüoHnus,  Montanus  (?),  u.  a.,  über  welehe  S.  192, 
und  die  Gentilnamen,  welche  von  ausserrömischen  Ortsnamen  her- 
kommen (vgl.  Hühner  Eph.  epigr.  1878,  83  ff.). 

•*)  Caelius  y  von  caedere^  der  *Hau',  Bücheier  Rh.  M.  18,  447.  — 
Tarpeius  hat  Orioli  mit  Tarquinius  identificirt  (Diss.  dell'  ac.  di  arch. 
13,  241).  Vielleicht  gehört  zu  terp-,  Tarp-at  Tarp-eius  auch  Turp- 
enus,  ein  Flussname,  CIL  1,  1541.  —  Die  ^Göttin'  Tarpeia  ist  eine 
Deutung  des  Piso  :  Diooys.  2,  40    Ueber  luppüer   Caelius   Bd.  2,  259. 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLüNGEN.  189 

plebejische  Geschlechter  geschlossene  dorfartige  Ansiedlun- 
gen  auf  jenen  Höhen  gehabt  haben.     Vergegenwärtigt  man 
sich   aber  den   Zustand  der  Höhen   in  der  ältesten  Zeit  — 
wir  sahen  dass  sie  zum  Theil  bewaldet  waren  (§  l  S.  146)  — 
so  erscheint  es  ganz  natürlich,  dass  die  aus  zugewanderten  oder 
gewaltsam  übersiedelten  latinischen  Gemeinden  sich    bildende 
oder    doch   ergänzende  Plebs  allmählich  die  Höhen  besetzte, 
während    die  Niederung    längst   dicht  bevölkert  war.     Dass 
nun   in   der  Zeit  des  Ständekampfs  und  der   ersten  sozialen 
Umwälzungen  die  hoch  gelegenen  Wohnungen  mächtiger  ple- 
bejischer Geschlechter  eine  Drohung  werden  konnten,  ist  nicht 
Mos  ein  nahe  liegender  Gedanke,  sondern  es  haben  sich  wie 
es    scheint   auch  Ueberlieferungen  darüber  erhalten,   welche 
zum  Theil  an  das  Raubritterthum  und  Fehdewesen  des  Mittel- 
alters   erinnern.      Die  Hochverrathsprocesse    gegen   die   ple- 
bejischen Demagogen    Spurius   Cassius   und  Spurius  Maelius 
und  ihren  patricischen  Nacheiferer  Manlius  Capitolinus  endeten 
mit  ihrem  Tode  und  der  Niederreissung  ihrer  auf  dem  Esqui- 
lin,  am   Abbang  und  auf  der  Höhe  des  Kapitols  gelegenen 
Häuser;    ein    gleiches    Schicksal   hatte    der   Landesverräther 
Marcus  Vaccus  auf  dem  Palatin*');  zwei  ungenannte,  aber  durch 
die  Legende  zu  Eponymen  des  ehemaligen  auf  der  Höhe  über 
der  Subura  erbauten  Macellum,  ein  gewisser  Mancinus,  später 
auf  dem  Palatin  Fulvius  Flaccus  und  Cicero.   Zwar  die  Strafe 
selbst  ist  von  der  Lage  des  Hauses  unabhängig;  dass  indessen 

"")  Ueber  alle  vier  Cicero  de  domo  38,  101,  über  den  Fuadaner 
M.  Vitrnvins,  Vaccus  Livias  8,  19.  Die  drei  erstea  und  der  vierte 
PaU  liegen,  was  das  Verbrechen  anlan^,  verschieden;  jene  behandelt 
Mommsen  Hermes  5,  228  ff.  und  zeigt  (S.  240),  dass  gerade  die  Haus- 
schleifangen  zu  den  ursprünglichen  Theilen  der  Geschichte  des  Cassius 
gehört.  Die  Lage  des  Hauses  des  Cassius,  auf  dessen  Area  der  Tellus- 
tempel  errichtet  wurde,  ist  übrigens  nicht  ganz  sicher:  s.  Th.  II.  Ueber 
aequimelivm  unten  A.  72.  Manius  Macellus  und  /feqtätius  Cuppes  oben 
S.  53  A.  22  (das  macelhmi  lag  hoch,  Th.  II).  —  Die  verwirrten  JVo- 
tizen  im  Auszug  des  Festus  S.  131:  Mancini  tiftäa  appellabantur  quod 
Mancinus  hahuü  domum  quae  puhUcata  est  eo  interfecto  und  366:  Ti* 
fata  iUeeta,  Romae  autem  curia  Tifata,  werden  wohl  mit  Unrecht  auf 
dasselbe  Gebäude  bezogen.    Mancinus  einer  der  Hostilii? 


190  THEIL  I. 

die  hohe  Lage  der  Wohnungen  derjenigen,  welche  nach  der 
Tyrannis  getrachtet  haben  sollten,  als  ein  wichtiges  Moment 
betrachtet  wurde,  hat  die  Ueberlieferung  deutlich  in  der  Ge- 
schichte von  PopHcola  ausgedrückt,  der  den  Verdacht  des 
gleichen  Verbrechens  zerstreute,  indem  er  sein  Haus  von  der 
Höhe  der  Velia  an  den  Fuss  derselben  verlegte^^).  Gab  es 
also  etwa  burgartig  befestigte  Häuser?  Ich  wusste  keine  an- 
dere Erklärung  für  den  ^Mamilierthurm'  in  der  Subura,  da 
wir  die  Ansicht  einer  vorservianischen  Befestigung  des  er- 
weiterten Palatium  haben  verwerfen  müssen  ^^).  —  Ich  weiss 
wohl,  dass  namentlich,  was  das  Kapitel  mit  seinen  patricischen 
Bewohnern  anlangt,  noch  ganz  andere  Motive  in  die  Ueber- 
Heferang  hineinspielen  (vgl.  §  4.  5):  indessen  ganz   von   der 


^)  Die  Nachrichteu  über  das  Haus  der  Valerier  sind  auch  durch 
Mommsea  CIL  1  S.  285  Doch  nicht  ganz  aufgeklärt.  Es  stand  fest, 
dass  einer  Reihe  von  Männern  mrtutis  causa  für  sie  und  ihre  Nach- 
kommen die  Bestattung  am  Forum  durch  Volksschluss  bewilligt  war: 
zu  ihoen  gehörten  die  Valerier,  derea  Ehrendenkmäler  sich  dort  Doch 
zur  Zeit  des  Augustns  befanden  (Gic.  de.  legg.  2,  23,  58.  Plut.  Q. 
rom.  79,  nach  Varro;  Inschr.  zweier  Valerii  Messallae  —  Vater  und 
Sohn,  Consuln  723  und  693.  699  — ,  wahrscheinlich  vom  Forum  stam- 
mend :  Lanciani  Bull.  mun.  4,  4S  ff.  vgl.  £ph.  ep.  3,  1  ff.).  Anderer- 
seits lässt  Valerius  Antias  dem  Dictator  M.  Valerins  v.  J.  260  ein 
Haus  171  Palatio  auf  Staatskosten  bauen,  nach  dem  lückenhaften  and 
auch  in  der  neuesten  Ausgabe  nicht  ins  Reine  gebrachten  Bericht  des 
Asconius  zu  Pison.  §  52,  andere  Quellen  (dass  es  nur  jüngere  waren,  steht 
keineswegs  fest;  mir  seheint  bei  Asc.  der  Name  des  Annalisten  hinter 
de  viris  daris  ausgefallen  zu  sein)  berichteten  dasselbe  vom .  Valerins 
Poplicola,  nennen  aber  das  Haus  die  einen  sübFeliü  (so  Asc.)  die  an- 
dern in  Felia  (Gic.  har.  resp.  8,  16).  Ganz  anders  Livius  2,.  7,  wo 
Valerins  aeiUfieabat  in  FeUa  und  dann  wegen  der  Befürchtung  des  Volks 
das  Haus  inira  f^eÜam  infimo  eUvo  errichten  lässt.  Freilich  steht  nur 
so  viel  fest,  dass  die  Valerier  unten  am  Forum  Haus  und  Grabdenk- 
mäler hatten,  ebenso  wie  die  Gincier:  denn  ihr  Grab  infimo  cHvo  f^ic' 
toriae  (oben  A.  40)  setzt  das  Wohnhaos  voraus. 

^)  An  der  Mamifia  iurns  intra  Suhurae  regionem  (Fest*  131) 
hefteten  die  siegreichen  Suburaner  den  Kopf  des  Oktoberpferdes  an 
(ders.  178):  den  Namen  scheint  schon  Gato  von  dem  Freunde  desTar- 
qninius  hergeleitet  zu  haben  (m.  Proleg.  S.  XXXV)* 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLUNGEN.  191 

Hand  zu  weisen  scheint  der  Zusammenhang  dieser  Nachrich- 
ten mit  den  plebejisch  benannten  Bergen  nicht  zu  sein. 

Was  hingegen  die  ursprüngliche  städtische  Ansiedelung 
zu  Füssen  der  palatinischen  Burg  und  später  auf  der  in  un- 
gefähr gleichem  Niveau  zwischen  dem  Kapitol  und  Palatin, 
dem  'Huger,  dem  Esquilin  und  der  Yelia  ausgebreiteten  Nie- 
derung anlangt^  ist  von  einer  räumlichen  Eintheiiung  dersel- 
ben nach  den  Geschlechtern,  Curien  und  Stammtribus,  nicht 
allein  gar  kein  Rest  vorhanden,  sondern  es  sprechen,  wenn 
ich  nicht  irre,  deutliche  Beweise  dafür,  dass,  wenn  eine  solche 
jemals  vorhanden  gewesen  wäre,  sie  doch  spurlos  und  zwar 
bereits  in  frühester  Zeit  zu  Grunde  gegangen  sein  müsste. 
Hätte  nämlich  eine  Auftheilung  unter  die  drei  Tribus  und 
ihre  Glieder  stattgefunden,  so  würde  man  doch  erwarten* 
dass  grade  die  Kultusstätten  der  Curien  an  die  räumliche 
Drittelung  gebunden  gewesen  wären  und  die Ueberfluthung 
durch  spätere  Ortseintheilungen  überdauert  hätte.  Allein  die 
üeberlieferung  der  klassischen  Zeit  bezeugt  unzweideutig,  dass 
damals  die  Kultushandlungen  von  23  Curien  in  einem  viel- 
leicht in  der  Nähe  der  porta  Capena  gelegenen  Gebäude  voll- 
zogen wurden,  welches  die  'Neuen  Curien'  hiess,  die  der 
7  übrigen  in  einem  die  *  alten  Curien'  benannten  Gebäude 
auf  der  Velia,  und  der  Grund  dafür  sollte  sein,  dass  bei  der 
üebersiedlung  der  sacra  aus  diesem  von  Romulus  gebauten 
Hause,  in  jenes,  dessen  Erbauer  nicht  bekannt  war,  für  die 
sieben  Curien  die  Exauguration  nicht  voUziebbar  war,  wie  für 
den  Terminus  bei  der  Erbauung  des  capitojinischen  Tempels. 
Das  also  steht  fest,  dass  die  Grammatiker  der  Zeit  Ciceros 
und  Varros  keine  anderen  über  die  Stadt  vertheilten  'Curien' 
als  Kultusstätten  der  so  benannten  GUeder  der  Geschlechts« 
tribus  kannten,  und  es  sind  daher  einzelne  ctenae  (Versamm- 
luDgshäuser),  die  uns  an  verschiedenen  Stellen  der  Stadt  genannt 
^Verden,  mit  jenen  nicht  zu  verwechseln  ^^).    Es  steht  hiermit 


^)  Festns  174:  Novae  curiae  proxime  cotnpüum  Fabi*icium  — 
dieses  noch  spät  genannt  (oben  S.  70  A.  53  z«  £.),  ob  im  vicus  Fa^ 
bricii  der    1.  Region,    ist    unsiclier   —    aedificatae   sunt    quod  parum 


192  ThEIL  I. 

nicht  im  Widerspruch,  dass  einzelne  gentihcische  Kultusstätten 
in  verschiedenen  Zeiten  an  verschiedenen  Stellen  der  Stadt  ge« 
nannt  werden*^),  im  vollsten  Einklang  aber,  dass  eine  geringe 
Anzahl  consularischer  Familien  des  3.  Jahrhunderts  Cogno- 
mina  von  einer  beschränkten  Zahl  von  Stadtgegenden  oder 
Strassen  entlehnen:  Capitolmm  (Maehi  Manlii  Quinctii  Sestii 
Tarpeii),  Esquilinus  (Lioinii  Minucii  Sergii  Verginii),  Vaticanus 
(Romilii  Sestii),  AverUinensis  (Genucii),  Fontinalis  (Aternii), 
Sacraviensimsis  (f),  Caeliomontanus  (Verginii),  wozu  vereinzelt 
aus  dem  6.  Jahrhundert  Tmcivicanus  kommt.  Sind  jene  Co- 
gnomina  des  3.  Jahrhunderts  glaubwürdig,  so  beweisen  sie, 
dass  diese  Gentes  nicht  allein  im  3.  Jahrhundert,  sondern 
viel  früher  in  bestimmen  Stadtgegenden  gesonderte  Wohnsitze 
nicht  hatten  —  denn  wie  hätte  eine  Familie,  z.  B.  der 
Quinctii,  dazu  kommen  sollen  sich  Capitolini  zu  nennen,  wenn 
die  ganze  Gens  den  ßerg  bewohnt  hätte,  von  den  Vaticani 

amplae  ei*ant  v  et  er  es  a  Romulo  factae  —  ebenfalls  noch  spät  ge- 
nannt (beim  Constantinsbogen?  S.  165)  —  üheis  populum  in  partis  XXX 
distrihuerat,  ut  in  ea  sacra  curarent,  quae  cum  ex  veteribus  in  novas 
eüocarentur,  septent  cttriarum  per  religionet  evocari  non  potuerunt,  itaque 
Foriensü  Raptae  Feliensis  (so  August.:  uellensis  die  Hs.)  yeUiiae  res 
divinae  fiunt  in  veteribus  curiis :  freilich  nur  4 ,  aber  ich  deake  eher 
an  Ausfall  als  an  Aeaderang  von  septem.  —  Die  Täia  erwähnt  ders. 
367,  die  Faucia  Livias  9,  38  ('anscheinend  gentilicisch*  Mommsen 
RG.  1 »,  67  vgl.  dens.  über  die  Tribusnamen  R.  F.  1,  106).  Die  An- 
sieht der  Alten  (vgl.  Becker  Handb.  2,  1,  32),  dass  die  NamcB  von  den 
Sabinerinnen  herkämen,  hängt  gewiss  allein  an  der  unerklärten  Rapta, 
—  Da  curia  überhaupt  'Versammlungshaus'  heisst  (Corssen  Ausspr. 
1',  354,  Curtius  Et.  15S,  Hermes  8,  217  £F.),  so  konnten  neben  diesen 
'neuen  und  'alten'  Curien  sehr  wohl  einzelne  alte  curiae  nach  Ge- 
schlechtern benannt  bestehen,  wie  die ^cculeia  (Varro  6,  23),  die  c. 
Maneini  (A.  63);  etwa  auch  die  Hostilia?  Doch  s.  A.  10. 

^^)  So  das  sacrißduiri  statum  in  Quirinali  coUe  g'enti  Fahiae  (Liv. 
5,  46)  —  denn  das  wird  mit  den  luperci  FaMani  zusammenhängen  — , 
die  Sacra  der  Gornelii  Pisones  (plebejisch)  in  Caeliculo  (Cic.  de  har. 
resp.  15,  32),  womit  Marquardt  Handb.  4,  144  irrig  die  aedes  Herculis 
AemiUana  und  das  Isium  Metellinum  zusammenwirft:  diese  (auch  die 
aedes  lovis  Metellina)  und  die  wenigen  nach  Gentes  benannten  vici  — 
der  vicus  Corneliorum  fallt  weg  (Bd.  2,  265  f.)  —  haben  ihre  Namen 
von  den  Erbauern:  s.  §  8.  , 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLüNGEiM.  193 

gar  nicht  zu  reden?  —  sind  sie  es  nicht  —  und  allerdings 
unterliegt  ihre  Authenticität  zum  grössten  Theil  ernsten  Be- 
denken— ^"so  beweisen  sie  aber  auch,  dass  gewisse  Familien 
oder  gar  Individuen  aus  besonderen  Veranlassungen  sich  von 
ihrem  Wohnort  benannten  und  damit  ebenfalls,  dass  von 
einem  Wohnen  nach  Gentes  kein  M eiisch  etwas  wusste.  •^)  — 
Sonst  aber  giebt  es  meines  Wissens  auch  keine  noch  so 
schwache  Andeutung,  welche  uns  berechtigte  eine  nach  Stäm- 
men und  Geschlechtern  erfolgte  Auftheilung  des  stadtischen 
Bodens  anzunehmen:  die  24  Argeerkapellen  haben  damit 
nichts  zu  thun^®).  —  Wie  in  geschichtlich  heller  Zeit  die 
Bärger  der  Stadt  gewohnt  haben  wird  weiterhin  §  8  gezeigt 
werden. 

Die  Abhänge  di^  ^Berge'  und  die  Thäler  zwischen 
ihnen  haben  von  Alters  her  besondere  Namen.  Man  wird 
von  vornherein  vermuthen,  dass  die  Form  oder  die  Eigen- 
schaften des  Terrains  ihrer  Bildung  zu  Grunde  liegen.  Doch 
der  Nachweis  lässt  sich  nur  in  wenigen  Fällen  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  fuhren.   Wir  haben  schon  früher  argiktmn 

^)  Diese  Beinamen  finden  sich  nur  in  den  Consula/fasten  in  den 
JJ.  252 — 391  d.  St.,  der  Praetor  d.  J.  587  P,  Terentius  Tusciveicanus 
(so  die  Hs.,  corrigirt  -vic-)  bei  Livius  45,  17.  Einzelne  Erfin« 
dangen,  wie  Sp,  Tarpeius  Montanus  CapäoHrmg  Consnl  300  (der  decb 
etwas  zu  viel  des  Gnten  von  seinem  Berge  angenommen  hat)  und  das 
ganze  Consnlat  381  Sacraviense  et  CaeHmontano  { man  kennt  keine  Gens 
mit  dem  Cognomen  Saeraviensis)  sind  augenfällig  und  es  ist  im  allgemeinen 
v»a  Mommsen  bekanntlich  nachgewiesen,  dass  und  wie  die  Fastenredak- 
toren die  nur  zweinamigen  älteren  Gensain  dreiaamig  gemacht  haben. 
Eine  genauere  Darlegung  kann  hier  nicht  gegeben  werden. 

^^)  Der  Versuch  Nissens  (Tempi.  145)  die  Ramnes  in  der  Mitte 
(Palatiom),  die  Tities  östlich  (sablniseher  Quirinal),  die  Lnceres  westlich 
(auf  dem  Aventin)  wohnen  zu  lassen  wird  von  ihm  selbst  nur  als  elfte 
vorläufige  Vermnthung  bezeichnet.  Für .  die  Annahme  indessen ,  von 
welcher  sie  ausgeht,  dass  der  Kultus  des  Juppiter,  der  Juno  und  der 
Minerva  als  Staatsgattheiten  der  drei  Tribus  ursprünglich  sei  un4  dem 
Joppiter  der  Ramnes  auf  dem  Kapitol  die  Minerva  der  Luceres  auf 
dem  Aventin  und  die  Juno  der  Tities  auf  dem  Quirinal  entsprechen, 
scheint  mir  jeder  Beweis  zu  fehlen,  lieber  die  drei  Gatter  §  4.  — 
Ueber  die  Orte  der  sacra  gentiUcia  A.  67.  ^ 

JorduB,  römische  Topographie.    Li.  -  IB 


194  TOBIL  L 

und  terentwm  als  solche  Namen  bezeichnet.    Ebendahia  dürfte 
die  vaUis  murda,  das  Hodte'  oder  'sumpfige'  Thal  gehören, 
Ton  welchem  die  dort  verehrte  Venus  ihren  Beinamen  ent- 
lehnte, nicht  umgekehrt  ^^).    Es  ist  oben  ($1)  die  Ansidit 
der  Alten  verworfen   worden,    dass   das   Yelabnim   ehemals 
unter  Wasser  gestanden  habe  und  dass  der  Name  vom  Fah- 
ren mit  Kähnen  herkomme.    Ob  die  Entstehung  dieses  Namens 
überhaupt  ufaer  die  Zeit  hinaufreicht,  in  wekher  die  ganze 
Gegend  zwischen  Palatin,  Kapitol,  Forum  und  Fluss  als  eine 
dicht  bebaute  zu  denken  ist,  d.  h.  um  eine  sidiere  Epodie 
zu  nennen,  über  die  Zeit,  in  welcher  der  kapitolinische  Tem- 
pel entstand  (§  4) ,  ist  eine  offene  Frage.     Unsere  Nachrich- 
ten bezeichnen  seit  dem  Beginn  der  Litteratur  den  Ort  als 
eine  Strasse   oder  einen  Platz,   auf  welchem  Esswaareb   feil 
waren;  die  pompa  circensis  passirte  dassdbe  (s.  Th.  II).    Dass 
ein   solcher  Platz   nur    von    den    einmal  im  Jahr  oder  «bei 
ausserordentlichen  Gelegenheiten  ausgespannten  veU$  benaant 
sei,  wird  niemand  für  wahrscheinlich  halten,  an  die  vela  an- 
legender Schiffe  ist,   da  der  Platz  gar  nicht  an  den  Tiber 
stiess,  ebenfalls  nicht  zu  denken.    Die  unmittelbare  Nachbar- 
schaft des  Forum  boarium  und  die  Nähe  des  holitörium  legt 
es  dagegen  nahe,  die  varroniscfae  Etymologie,  nach   welcher 
das  Wort  mit  velatura  zusammenhängt,  festzuhalten,  aber  in 


'^)  Maa  glaubt  gemeinhin  ausgehen  zu  müssen  von  der  Stelle  ies  Varro 
5, 154:  intutnus  circus  ad  murcim,  aber  ich  halte  sie  für  yersdirie* 
ben;  schwerlidi  sagt  Varro  etwas  anderes  als  Livins  t,  S^  md  Mureum. 
Dass  nun  die  Fenus  Murcia  von  der  vaUi$  Murcia,  wie  die  Chaeina  ron  der 
doaca  benannt  ist,  seheint  mir  einleuchtend.  Wir  erfshnen  ven  eineni 
Worte  mttreiduB  t=  desidiöms,  segms ,  bei  Gelegenheit  der  Erklfirnng 
&tr.dea  Murdda  (Arnob.  4,  9  Aug.  CD.  4,  16);  aber  auch  in  derplan- 
tlnisdien  Glosse  mntricidum:  ignavutn  stuUum  bei  Fiastus  Anas.  125 
scheint  dasselbe  zu  stecken  (vgl.  L0we  Prodromus  corp.  glossar.  S.  282 f). 
Ich  möchte  daher  mur  -  e  -  ius  mit  mar  ^e  ^ eo,  mor  ^  iar  (vgl 
Curt.  Et.  333)^  zusammenstellen  (wegen  des  Vokals  vgl.  t^ffOy  tngU" 
Hum  u.  a.).  —  Zweifelhafter  steht  es  mit  murcus  (s.  LSwe  a.  O.)  das 
auch  als  Cognomen  voricommt.  Vgl.  iltib*er  N.  Jahrbb.  77,  843. 
79,  473.  .    . 


I  2]  DIE  ÄLTESTEN  AN81EDLÜNGEN.  195 

«Dem  andern  Sinne  als  er  selbst  annimmt:  es  k5note  der 
Hatz  der  'Fuhrleute'  sein.  Indessen  auch  dies  hat  sprach«^ 
h'che  und  sachliche  Bedenken:  keine  dagegen,  so  viel  ich 
sehe,  die  Annahme,  dass  das  Wort  Schwinge,  Mulde  be^ 
deute,  was  die  Form  des  Terrains  passend  bezeichnen 
wurde.  Dann  wäre  der  Name  sehr  alt^^).  Ist  dies  richtig, 
so  wird  auch  das  in  nächster  Nähe  befindliche  hochgelegene 
aequimdium  vermuthlich  seinen  Namen  von  der  Beschaffen 
heit  des  Terrains  erhalten  haben  ^^).  —  Drei  *  Berge'  oder 
richtiger  Bei^gabhänge  erscheinen  in  der  Argeerurkunde  in 
der  Form  ihrer  Derivate  mit  dem  Suffix  -ensis  gebildet 
flermalensis,   Veliensis,  Ceroniemis'^^)',   der  letzte    Name   ist. 


")  Varro  5,  44  (s.  oben  §  1  A,  15):  f^elabrum  a  vehendo:  vela- 
turam  J'acere  etiam  nunc  dicuntur  qui  id  mercede  faciunU  Ders.  de 
r>  r.  ],  2,  14:  die  Bauern  sagen  vea  und  vella  statt  via  und  viüa^ 
beides  kommt  von  vehi:  item  dicunt  qui  vecturis  vivunt  vellaturam  (?) 
/flcere.  Dass  vectura  von  der  'Fuhre'  zu  Wasser  wie  zu  Lande  ge- 
brancht  wird  ist  bekannt:  wenn  auch  velatura  für  die  letztere  gebraucht 
wurde,  so  ist  vollends  die  Ableitung  von  velum  von  vehi  (s.  Curtius 
Et.  192)  erwiesen.  Nissen  Temp.  84  identilicirt  die  Fahr-  oder  Fähr- 
leute mit  den  'Kaufleuten',  diese  mit  den  veUteSy  was  ich  nicht  verstehe. 
—  Die  Glosse  bei  Festus  Ausz.  77:  evelatum  eventilatum,  unde  vela- 
^rüy  qutbus  Jrumenta  ventilantur  (wo  Müller  mit  Recht  des  Salmasins 
^endening  evdUalum  e,  unde  valli  verwirft);  also  für  ve/i^t/ia^rz/m  sagte 
nao  auch  velabrum.  Ob  und  wie  evelare  und  dieses  velabrum  mit  velum 
und  vehi  zusammenhängt,  brauchen  wir  hier  nicht  zu  untersuchen.  Hier- 
mit wäre  zugleich  die  Schwierigkeit  in  der  Erklärung  des  Suffixes 
weggefallen:  denn  weder  curia  calabra  noch  Fenafrum  beweisen,  was 
Corssen  will  (Krit.  Beitr.  S.  351  ff.),  dass  -brum  auch  den  Ort,  wo 
etwas  geschieht,  bezeichnen  könne:  alle  Bildungen  mit  diesem  Suffix  be- 
deuten das  Instrument. 

^^)  Die  Lage  am  Abhang  des  Kapitel  (?  super  aequimelium  die  Sub- 
stractioD  des  Tempels  Liv.  38,  28  s.  Th.  II.)  Hesse  an  eine  Umwandlung 
aus  aequi  -  mer  -  ium,  vgl.  po  -  mer  -  tum  (A.  27)  denken.  Ebenso 
^^riUa  PaliUat  Eine  ähnliche  Volksmythologie  liegt  vielleicht  in  dem 
^amen  der  porUi  Romanula  (ruminula?)  vor. 

^')  In  der  Argeerurkunde  stand  möglicherweise  (vgl.  Bd.  2 ,  245. 
^W)  ursprünglich  CeroUensis  mons  Sucusanus  mons  —  Germcdensis 
«iwif  FeUen$is  mons.  Irgend  eine  Veränderung  hat  Varro  jedesfalls 
beim  Aasschreiben  der  Urkunde  vorgenommen.     Das  Suffix  -ensis   wird 

13* 


196  THEIL  I.  i 

wie  oben  gesagt,  sicher,  vielleicht  aach  der  erste  in  vor- 
klassischer Zeit,  ausser  Gebrauch  gekommen.  Wie  dem 
Palatinus  und  Aventinus  ein  Palatium  und  Aventumj  so  liegt 
diesen  Bildungen  ein  Germalm,  Yelia  (später  Veliae)^  Cm- 
nmm  zu  Grunde.  Die  Wurzel  aller  drei  Ortsbezeichnungea 
aber  ist  bis  jetzt  nicht  ermittelt,  ausdrücklich  als  falsch  z« 
bezeichnen  die  geläufige  Deutung  von  Velia  als  Sumpf  oder 
buschige,  feuchte  Niederung^*). 

Auf  dem  rechten  Ufer  finden  wur  endlich  die  alten  fOf^ 
laniculmsis   und    (mms)    Vaticanus    ungewisser   ßedeutung. 


vorwiegend  an  Städtenamen  angehängt  zur  Bezeichnung  des  Aufenthalte 
oder  Ursprungs  (Corssen  Krit.  Beiträge  414.  481  Hühner  Eph.  epigr. 
1873,  90  f) 

''*)  FeUa  (so  Cicero,  der  amit.  Kalender  25.  Mai,  Augustes  im  In- 
dex, VeUae  bei  Varro  JNonius  531  Ascon.  zur  Pis.  §  53)  ist  einer  der  alten 
sieben  montes  (unten),  nach  Dionys  5,  19  sogar  ein  X6(pog  vniQxslfjievoi 
r^S  äyoqäg  vxpriXog  ImeixoSs  oeal  nsgCto/biog  (vgl.  A.  64),  also  weder 
'Sumpf  noch  'Niederung'  (vgl.  'iXog)  wie  noch  immer  wiederholt  wird 
(Nissen  Temp.  84).  —  Cermalus  a  germanis  Varro  5,  54  {bei  Festus 
55  unter  c,  ebenso  geschrieben  bei  Varro,  Fest.  340.  348  n.  dea 
A.  44  aa.);  die  Bildung  ist  mir  unklar  (-älus  als  diminuirendes 
iSuffix  nicht  lateinisch;  zu  vgl.  Hort  -  altis?  Cent  -  um  -  alus?),  die  Wor- 
zel  möglicherweise  dieselbe  wie  in  germen  (also  auch  mit  germanw 
verwandt  Corss.  Nachtr.  236):  Fick  Wß.  1»,  522.  —  Die  berüchtigte 
Stelle  des  Varrö  (5,  47)  über  Ceroniensis  und  Carinae  —  jenes  allein 
aus  der  Argeerurkunde  bekannt  —  schreibe  ich  jetzt  so:  cum  Caelio 
coniundae  Carinae  et  inter  eas  (inter  Carinas  heisst  in  Carinis)  quem 
locum  Ceroniensem  {cerolensem  F)  appellatum  apparetf  quod  primae  regionis 
quartum  sacrarium  ^scriptum  sie  est:  'Ceroniensis  {cerolienses  F)  quarti- 
ceps  circa  Mtnervium  qua  in  Caeliommitem  (celio  monte  F)  itur,  in  TahemdUi 
esV,  Ceroniensis  {cerulensis  F)  a  Carinarum  iunctu  dictus;  Carinae  pole  a 
caerimonia  {postea  cerioniaF,  cmmoma  schon  Becker)  quod  hinc  oritur 
Caput  sacrae  viae  ab  Streniae  sacello  [q[uae  pertinet  in  arcem]  qua  sacra  quot- 
quot  mensibusferunturin  arcem  et  per  quam  augures  ex  arce  profecti  söhnt 
inaugurare.  Das  in  []  gesetzte  ist  ungehörig;  eine  zweite  ähnliche  Glosse 
findet  sich  bald  darauf  (oben  A.  56).  Ein  pagus  Ceronius  wie  ein  Le- 
monvus?  Ob  das  Wort  mit  cerus  zusammenhängt  ist  nicht  zu  ent- 
scheiden. Von  den  alten  Erklärungen  der  Carinae  bei  Servius  Aen.S, 
361 :  Carinae  sunt  ojedificia,  facta  in  carinarum  modum  quae  erant  drca 
templum  TeUuris  oder  Carinas  monteni  nominatum  quod  ager  suburha- 
nus  Carüs  (??)     oder  vom  carinare  der  Säbini  nobiles  kann  die  erste 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  AUSSIEDLUNGEN.  197 

Analogien  latinischer  Ortsnamen,  für  jenen  z.  B.  Comiculunif 
^Sur  diesen  Satricum  können  angeführt  werden"). 

Wir  haben  gesehen,  dass  der  Strom,  der  diese  Hügel- 
grappe  durchströmt,  seinen  Namen  Tiberis  vielleicht  von  einem 
nur  noch  in  dem  samnitischen  Mundarten  erhaltenen  Worte, 
jder  'Berg'  (?)  bedeutet,  erhalten  hat.  Die  'alte  Stadt'  auf  dem 
Palatium  lässt  die  Legende  von  einem  Eponymen  Roma  be- 
nennen. Auch  die  Deutung  dieses  Namens  ist  unsicher;  doch 
deutet  die  tribus  Romilia  darauf  hin,  dass  auch  er  zu  den 
latinischen  Gaunamen  gehört  ^^). 


richtig  sein;  wir  wissen  es  nicht.  Es  steht  fest,  dass  die  Carinae  auf 
der  Höhe  la^en  (Th.  II):  von  unten  gesehen  erschienen  sie  wie  ein 
Krdwall:  Suhura  quod  sub  muro  terreo  Carinarum,  was  wnnderlich 
^enog  als  ein  Erdwall  auf  den  Carinen  gefasst  worden  ist. 

'5)  laniculum,  nicht  laniculus  (Becker  S.  653).  Eine  Form  la- 
nuculum  setzen  die  griechischen  Schreibungen  IdvoxXov  Plut.  Nnma 
22,  2  'lävovxXov  ders.  Mar.  42,  2  und  der  vicus  lanuclentis  auf  der 
Basis  voraus  (Mem.  dell'  inst.  2,  232)  neben  lanicolensis  CIL  1  S.  205. 
Die  vereinzelte  Ansicht  (Pestus  Ausz.  104) ,  dass  der  Name  zur  Zeit 
der  Siebenhügelstadt  'Ausfallthor'  bedeute,  stützt  sich  auf  die  §  3  ver- 
worfene Hypothese  der  Befestigung  auf  dem  rechten  Ufer.  Die  gewöhn* 
liehe  Meinung  sah  darin  die  Stadt  des  Janus  (die  Stellen  bei  Schwegler 
1,  242  A)»  —  Vatieamis  cottü  (oder  montes  Faticani^  jenes  bei  Festns 
379,  dieses  bei  Cicero  ad.  Att.  13,  33,  4)  ein  etruskischer  d^'er,  der 
vatum  responso  von  den  Römern  erobert  wird  (Festus  Ausz.  379 :  Varro 
leitete  von  Fagitanus  deus  ab,  Gell.  16,  17).  Beides  verräth  wenig- 
stens Gefühl  für  die  oben  bezeichnete  Bildung.  Sehr  möglich,  dass  ein 
alter  Januskultus  den  Namen  jenes  pagus  veranlasst  hat,  die  Wurzel 
Aieses  ist  unklar. 

^^)  Nach  dem  bisher  erörterten  wird  man  den  alten  Distriktsna- 
men,  der  also  einen  ager  RomiliuSf  dieser  ein  Roma  voraussetzt^  zu- 
erst heranziehen.  Die  neuere  Theorie  (die  alte ,  welche  von  Romuhu 
oder  ^(o/Lifi  ausgeht,  ist  hinfällig,  Schwegler  1, 419 f.)  halt  sich  entweder 
an  ruma  Brust  {dtva  Ruminaf  ficu$  ruminalis)  und  Rumoriy  den  ver- 
meintlich älteren  Namen  des  Tiber  (Serv.  A.  8,  63.  90)  und  führt 
diese  Bildungen  auf  }/srü  fliessen,  griech.  ^i/-,  ^i&t  (s.  Curtius  Et.  354) 
zurück:  Ru-ma,  Rö-ma  soll  also  'Stromstadt'  heissen  (so  Gorssen 
Zs.  f.  vgl.  Spr.  10,  18,  Krit.  Beitr.  427,  Ausspr.  1»,  364.  1012)  oder 
^üpft  an  Ram  -  nes  an  (Mommsen  R.  G.  1,  43).  Sprachlich  ist  beides 
möglich,   erwiesen  weder  das  eine  noch  das  andere. 


198  THEILl.  i 

i 

Diese  Umschau   unter  den  ältesten  Ortsnamen  der  Si9* 
benhugelstadt  bat  ergeben,  dass  die  Bildung  derselben  ded 
lateinischen    Sprachgebiet    angehört.      Nur    ganz    vereinzelte 
Spuren  scheinen  über  dasselbe  hinaus  in  die  nächstverwandteft 
Mundarten  oder  doch  in  eine  in  dem  uns  vorliegenden  Altlatc»* 
nisch  verschollene  Lautgestaltung  zu   führen:    der  angeblicb 
sabinische  und  umbrische  cnprius  vicus^  die  Lautwandlang  5ti- 
eusa,  Subura;  pomoeHum,p(miermm{aequimelium?);  unerklärt 
bleibt  die  Bildung  Cermalus,    Der  grössere  Theil  der  diesen  Bil* 
düngen   zu  Grunde  liegenden  Wurzeln  ist  uns  dunkel,    nicht 
weil  die  Möglichkeit  verschlossen  wäre  sie  innerhalb  des  La- 
teins zu  finden,  aber  weil  uns  meistentheils  die  Kriterien  der 
im  Gebrauch  ausgeprägten  Bedeutung  fehlen  um  mit  Wahr- 
scheinlichkeit die  richtigen  zu  ermitteln.     Auf   dem   ganzen 
Gebiete  der  Stadt  aber  finden  wir,  mit  Ausnahme  der  näch- 
sten Umgebung    des    kapitolinischen  Tempels    {viciLs   tuscus; 
favisa?)  und  eines    einzigen    unerklärten    Thornamens    {Ra- 
tutnenna?)  keine  Spur  von  Namen,  welche  die  Merkmale  der 
fremdartigen  etruskischen  Mundart  trugen   (s.  §  4).  —    Die 
Namen    der    'Berge'    Palatium,  Sucusa,  Esquiliae,  Aventinus 
sind  Gaunamen.    In  merkwürdigem  Gegensatz  zu  ihnen  steht 
einerseits   der  namenlose  'Hüger  mit  seinen  von  Gottheiten 
benannten  einzelnen  Erhebungen,  andrerseits  der  ^  Hauptberg', 
das  Rapitol;  in  jenem  Gegensatz  spiegelt  sich  die  ursprüng- 
liche Zweiheit  der  Ansiedlungen,  in  diesem  die  erfolgte  Ver- 
einigung  beider    unter    den   beide    beherrschenden   Göttern. 
In  eine  jüngere  Periode  der  Besiedelung   führen   uns  einige 
Högelnamen,  welche  mit  den  Namen  zugewanderter  Geschlech- 
ter zusammenfallen.  —  Wir  stellen  diesen   Thatsachen    die 
wenigen  sacralen   Traditionen    gegenüber,    welche,    wie   man 
meint,  die  Brücke   von   dem  ältesten  palatinischen  Gau  zur 
Stadt  Rom  bilden  oder  doch  bilden  sollen. 

Wie  die  Palatiner  mit  den  gegenüber  wohnenden  Suca- 
sanern  in  Fehde  gestanden,  darüber  meint  man  in  dem  all- 
jährlichen Kampf   der  Sacravienser   und  Suburaner  um   das 


§  2.]  DIE  ÄLTESTEN  ANSIEDLÜNGEN.  199 

Octoberrofls  eine  Ueberlieferung  zu  haben  ^^).  Dann  nnusftte 
eine  Zeit  gekommen  sein,  in  welcher  die  Sucusa  mit  dem 
Ka|»tol^  dem  Oppius  und  Ci&pius  bereits  mit  dem  Palatium, 
dem  Certialus  <ind  der  Velia  zu  einer  Gaugemeinde  ver- 
einigt war:  das  Fest  S^timentium,  an  welchen  die  Bewohner 
dieser  ^ Berge'  feierten,  gab  davon  Zeugniss^^).  In  dieser 
Zeit  waren  ilie  Leute  auf  dem  'HugeP,  obwohl  den  'Berg- 
leuten '  stammverwandt,  noch  aelbstündig  oder  feindlich.  Jene 
wie  diese  hatten  ihren  italischen  Marskaltus,  jene  wie  diese 
zu  Ehre  des  Gattes  den  Umlauf  der  luperdy  den  Waffentanz 
dar  salif^).  —  Die  doppelte  Niederlassung  auf  dem  colUa 
und  dem  Palatitm  und  deren  Vereinigung  wird  schwerlich 
geleugnet  werden  können.  Allein  das  Fest  Septimontium  als 
Erinneruiig  an  eine  aus  jenen  Bergen  bestehende  Stadtge- 
meinde zu  fassen,  das  scheint  mir  äusserst  gewagt.  Mit  der 
Ueberlieferung  über  das  Fest  sieht  es  nicht  zum  besten  aus 
(Bd.  2,  211);  unter  den  Bergen  finden  sich  zwei  Namen 
(Oppius,  Cispius)y  welche  schwerlich  in  die  Urzeit  der  Gau- 
bildnsgen  hinaufireiehen.  Der  spätere  Gegensatz  der  montani 
und  pagani  ist  mit  Unrecht  hierher  gezogen  worden  (§  4). 


'^)  Festas  178:  October  equus  appeüatur  qui  in  campo  Martio 
mense  Octobri  immoUrtur  quodannis  (so)  Marti  higarum  victrioum  dex- 
terior,  de  mius  capite  non  levis  contentie  solebat  esse  inter  Subura- 
nenses  et  Sacravienses,  ut  hi  in  regiae  pariete  Uli  ad  turrim  Mami- 
Ham^  id  figerent.  Sind  dean  Sacravienses  die  Palatiner?  Setzeo  denn 
aU§  sacralen  Kollegien  selbständige  GemeindeiL  voraus? 

7^.)  Das  wesentliche  hat  Niehuhr  richtig  erkannt.  —  Es  muss  hier 
wledüerliolt  werden  (Bd.  2,  210  f.),  dass  der  eiozige  Zeuge  dieser  Nach- 
richt Antistins  Labeo  ist  (Festus  348  vgl.  340.  341)  und  dass  wie  wei- 
ter (§  4)  zu  zeigen  sein  wird  mindestens  eine  Umdeutuog  des  Festes  auf 
die  servianischen  7  Berge  alter  ist  als  Antistins.  —  Die  Sucusa  scheint 
hier  noch  in  der  älteren  Ausdehnung  des  Namens  zu  stehen,  jedenfalls 
als  monsj  nicht  als  die  enge  Schlucht  zwischen  dem  coUis  'und  den 
fisquilien. 

'^^)  lieber  die  Salier  und  Luperker  Mommsen  R.  G.  1^,  54;  es  bleibt 
Q&erklärt,  weshalb  der  eoUis  keinen  Individualnamen  hatte  oder  warum 
derselbe  unterging:  Niebuhrs  'Quirium'  ist  aus  diesem  richtigen  Gefühl 
entstanden,  aber  völlig  unhaltbar. 


200  THEIL  1. 

Gegen  die  Verwerthung  der  Opferung  des  Octoberrosses  müssen 
wir   uns   prinzipiell    erklären.     So    weit   wir  sehen  können 
setzen  die  ältesten  Festfeiern  des  Kalenders  des  König  IVuina 
die  ummauerte  Siebenhugelstadt,  den  gesicherten.  Flussüber- 
gang,    den  Besitz   des  rechten  Stromufers   voraus   und    wir 
werden  daher  auf  sie  bei  der  Erörterung  der  servianischen 
Stadt  zurückkommen.     Jeder  Schritt,  den  wir  weiter  zurück 
thun  auf  dem  Wege  der  Analyse  der  sacra  scheint  uns  in  das 
Labyrinth  jener  Versuche   der  Alten  zurück  zu  führen,    die 
Epochen  der  Stadterweiterung  bis  auf  Servius  und  die  Tar- 
quinier  zu  bestimmen.  —  Der  Name  Roma  haftet  an  keinem 
der  sieben  Hügel;   festen  Boden   gewinnen   wir   unter    den 
Füssen  erst  mit  der  Voraussetzung  der  so  benannten   um- 
mauerten Siebenhügelstadt.     Wie  dieselbe  und  wann  dieselbe 
diesen  Namen  erhalten  hat,  auf  diese  Frage  scheint  uns  die 
wunderbare  Versetzung  des  ruminalischen  Feigenbaums  von 
der  Stelle,   wo  die  Zwillinge  gelandet  waren,  auf  das  Gomi- 
tium  unter  dem  Kapitol,  von   der  alten  palatinischen  in  das 
Herz  der  servianischen  Stadt,  die  richtige  Antwort  zu  geben  ^^). 


^)  Wean,  wie  Mommsen  vermutbet  hat  (Eiol.  §  2  A.  22),  die  ur- 
spriingUche  Legende  die  ficus  ruminaUs  nur  auf  dem  nachmaligen 
Comitium  kannte ,  wo  sie  in  einem  saeptum  —  wie  nns  jetzt  die 
Reliefs  vom  Forum  deutlich  zeigen  —  von  den  sacerdoies'  pubHei 
verehrt  wurde  (Plin.  15,  77.  Tac.  Ann.  13,  58.  Jahresbericht  1875, 
755),  so  würde  dies  ein  Beweis  dafür  sein,  dass  das  PontificatcoUe- 
gium  unbekümmert  um  die  palatinische  Zwiliingslegende  das  Comi- 
tium mit  Rom  zugleich  entstehen  Hess  (vgl.  Eph.  epigr.  1 ,  240). 
Eine  junge  Erfindung  aber  ist  die  Versetzung  durch  Attns  Navius 
schwerlich,  so  wenig  wie  der  Glaube  an  die  palatinische  ßcu*  (Schweg- 
ler    1,   393):  vgl.   Th.   11. 


§3. 

BESCHREIBUNG  DER  SERVIANISCHEN  MAUER  UND 

IHRER  THORE. 

Um  die  Zeit  des  Untergangs  der  Republik  besass  Rom 
noch  eine  grossen  Theils  wohl  erhaltene  Ringmauer.  Als 
Erbauer  derselben  bezeichnete  die  übereinstimmende  Ueber- 
Keferung  die  Könige:  nur  ob  einem  oder  mehren  und  wel- 
chen das  staunenswerthe  Werk  zuzuschreiben  sei  schien  frag- 
lich^).    Denn  während  die  einen   den  Ancus  Marcius  nicht 


^)  Die  älteste  Traditioa  lässt  den  Caelius  und  Aventin  von  Ancus 
zor  Stadt  ziehen.  Demselben  KSnige  wird  die  Befestifping  des  Jsni- 
calum  and  die  Anlage  der  ersten  Brücke  über  die  Insel ,  endlich  die 
Anlage  von  Ostia  und  der  fossae  Quiritium  bei  Ostia,  nicht  bei  Rom 
(Schwegler  1,  601  und,  besonders  über  die  fossae  Qutrüütm,  Preller, 
Ber.  d.  sachs.  Ges.  1849,  5  ff.)  beigelegt.  Wenn  vir.  ill.  3  von  Ancns 
gesagt  wird  nova  tnoenia  oppido  eircumdedity  Flor.  1, 1, 14  muro  moe- 
nia  eampleants  est,  so  kommt  das  gegen  die  übrige  Tradition  nicht  in 
Betracht.  —  Von  Tarqninins  Priscas,  dem  nicht  die  Hinznnahme  neuer 
Hügel  zugeschrieben  wird,  Collen  der  Bau  der  Kloaken,  die  Anlage  des 
Forum,  de^  Jupitertempel  herrühren  (oben  §  2  A.  12):  ferner,  muro 
lapideo  eirüumdare  urbem  parabat  (Liv«  1,  36,  ebenso  viri  ill.  4, 
onr  Hreumdedit),  xä  ntxrj  t^s  noXitog  aytoaxi^itt  xal  (pavla  Tals 
Iqyaalaig  ovta  nqßtog  iSoiir^tfaio  (?  so  der  Urbinas,  iSoitlfiaae 
die  übrigen:  (pxo^o/iiri<fccro  Bücheier)  XK^oig  afxa^iaCoig  siQyaö- 
fiivois  nQos  xavova  (Dionys.  3,  67).  So  föllt  dem  Servius  nur  das 
Schliessen  der  Linie  durch  Befestigung  des  von  ihm  hinzugezogenen 
Hügels  durch  Wall  und  Graben  zu:  Strabon  5,  3,  6  S.  234  sagt,  indem 
er  von  Tarquinins  schweig^,  von  Ancus:   ot^re  okov  ixnlriQfacfai  r^y 


204  TBEIL  I. 

Den  Umfang  der  Mauer  schätzte  man  dem  der  athenischen  gleich, 
also  auf  43  Stadien,  nach  römischer  Rechnung  5%  Meilen^). 
Diese  Angaben  können  wir  heut  an  den  Trümmern  sel- 
ber prüfen.  Während  in  früheren  Jahrhunderten  wenig  mehr 
als  die  schuttbedeckte  Linie  des  'Walls'  bekannt  war^),  haben 
die  Ausgrabungen  der  letzten  15  Jahre  nicht  allein  diesen  in 
seiner  ganzen  Ausdehnung  biosgelegt,  sondern  auch  so  zahl- 


serviaDischen  Maaerlioi«,  nicht  etwa  -r>  so  Preller  Jeo.  L.  Zeit.  1844, 
488  Reg.  75  —  an  Thore  zu  den  einzelnen  'Hägelburgen'  (s.  §2  S.  179) 
gedacht  werden  kann,   mag   die  Zahl  auch  unbeqnem  gross  erscheinen, 
worüber  am  Schlnss.  —  Die  portae  XXXFII  sind  merkwürdiger  Weise 
noch  in  dem  zweiten  Anhang  der  Notitia  erwähnt  (schwerlich  wie  Prel- 
ler meint  aus  Plinius  interpolirt:  ßd.  2,  89).  —  Eine  Vergleichang  des 
verstümmelten  Artikels  bei  Varro  de  1.  1.  5,  163   mit  den  18  bezügli- 
chen Artikeln  des  Festus  macht  es  wahrscheinlich,  dass  Varro  auch  in 
den  Antiquitäten  oder ,    wo    er   sonst  etwa  ausführlich  über  die  Thore 
sprach  (Einl.  §  2  A.  23)  nicht    alle  vorhandenen,    sondern  die  irgend 
wie   merkwürdigen,   und   ausser  den  Stadtthoren    auch  die   poi'tae  in- 
tra  urbem    (oben  S.  176)  behandelte.      Die  Artikel    bei    Festus    sind: 
1  CoUatia    (?)   2  Catularia  3  Flumentana  *  4  FontinaUs  *  5  Lavemalis 
6  Minutia*  (=  trigemina?)  7  Muffionia  8  Naevia*  9  Novalis   10  Pem.- 
dana   11  Querqueiularia   12  Quirinalis  *   (:»  Collinä)  13  Romana  14  Ro- 
duscfüana  *   15  Ratmnena  *   16  Salutaris  *   17  seelerata  *  (=   Carmen'- 
talis)   18  Fiminalis  ""  (wozu  kaum  die  stercoraria  S.  344  gehört)  d.  b. 
von    den  servianischen  Thoren    nur    die   mit  dem  Stern  bezeichneten 
10  (resp.  deren  verschiedene  Benennungen),  die  übrigen  8  grossen theils 
^Thore'  im  uneigentlichen  Sinn. 

')  Dionys  4,  13  vgl.  Thuc.  2,  13.  Dass  dieses  Maass  von  der  Be- 
festigung auf  dem  linken  Ufer  verstanden  wurde  und  für  diese  zutrifft 
wird  unten  A.  82  gezeigt  werden. 

«)  Schon  L«  B.  Alberti  de  re  aedificatoria  (1485)  Bl.  65&  (und  nach 
ihm  Rucellai  de  urbe  880)  sagt  'Vitruvii  quoque  ratio  placet  quam  Vi- 
deo Bomae  passim  a  veteribus  architectis  ac  praesertim  in  Tarquinii 
aggere  observatum  ut  anterides  substituerentur'.  Er  meint  Vitr.  6,  11, 
6.  Doch  ist  es  kaum  möglich,  dass  damals  ein  Theil  der  Wallmauer  mit 
ihren  Strebepfeilern  blos  lag  und  Alberti  wird  daher  spätere  Anbauten 
wie  die  jetzt  wieder  entdeckten  Bull.  mun.  4  T.  XX  gesehen  haben.  — 
Nur  wenige  Reste  der  'Königsmauer'  wurden  im  17.  Jabrh.  bemerkt 
(unten);  im  ganzen  war  die  Kenntniss  des  Mauerlaufs  so  gering,  dass 
die  Namen  der  servianischen  und  der  aurelianischen  Thore  fortwäh- 
rend verwechselt  wurden.    S.  §  5. 


§  3.]  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  205 

reiche  Stucke  der  Mauer  zu  Tage  gefordert,  dass  wir  über 
den  Lauf  derselben  nur  an  einer  grösseren  Stelle,  freilich 
gerade  der  wichtigsten,  zweifelhaft  sein  können.  Ausbesserun- 
gen der  Mauer  sind  noch  an  mehren  Stellen  (Aventin,  Wall?), 
die  Spuren  aller  Zerstörung  und  der  Anbauten  vom  1.  Jahr- 
hundert der  Raiserzeit  an  fast  überall,  besonders  deutlich  an 
dem  Wall  erhalten.  Wir  wollen  nun  zunächst  diesen  Lauf 
und  die  erhaltenen  Reste  beschreiben  und  die  Lage  der 
Thore  bestimmen,  unbekümmert  um  die  Frage  nach  dem 
Ursprung  des  Werks  und  werden  daher  auch  die  Erörterung 
der  Bauweise  wie  aller  übrigen  Merkmale  des  Alters,  unter 
denen  als  das  wichtigste  die  auf  den  Steinen  erhaltenen  Stein- 
metzzeichen gelten,  im  nächsten  Abschnitt  vornehmen  ^).  Zu* 
vor  jedoch  haben  wir  die  angeblichen  Ueberreste  von  Um- 
mauerungen  der  einzelnen  Hügel,  ausser  den  palatinischen, 
zu  erörtern. 

Dass  das  Capitolium  mit  seiner  Arx  als  selbständig  ver- 
theidigungsfähige  Burg  sich  halten  konnte  nach  der  Einnahme 
der  Stadt,  beweist  die  Geschichte  der  Einnahme  der  Stadt 
durch  die  Gallier  und  beweisen  noch  später  die  Tumultscenen 
der  Gracchischen  und  der  vitellianischen  Zeit.  Sowohl  auf 
der  Seite  der  Arx  wie  auf  der  des  Jupitertempels  haben  sich 
Untermauerungen  des  Berges  nach  der  Südseite  erhalten, 
welche  wahrscheinlich  den  Berg  auch  nach  dieser  Seite  hin 
vertheidigungsfähig  machten:  wie  alle  alten  Burgen  (s.  §  2), 
so  hatte  auch  die  capitolinische  ursprünglich  nur  einen  Auf- 


^)  Was  vor  allem  Noth  that ,  die  aach  hier  sich  eiodräoj^eiidea 
falsch  geleseoen  oder  gedeuteten  Namen  aoszamerzen  und  die  Nachrichteo 
der  Alten  vollständig  und  genau  zu  gehen  hat  Becker  de  muris  und 
Top.  S.  129  ff.  geleistet.  Beachtenswerth  noch  immer  die  4  Diss.  Pia- 
le's:  Delle  porte  .  .  nella  parte  Orientale,  settentrionali,  mendionali,  del 
m.  Aventino.  Entdeckuogen:  am  Aventin  1852;  am  Wall  1861;  wei* 
tere  hier  nnd  im  ganzen  Umkreis  der  Mauer  seit  1870.  Veraltet  und  in 
dem  litterarischen  Theil  ungenügend :  Bergau Philo].  25(J867),637flf.  Grund- 
legend: R.  Lanciani  SuUe  mura  e  porte  di  Servio,  Ann.  1871,  40 — 85 
(m.  Tafel  Mon.  9.  T.  XXXVII)  —  citirt  Ann.  —  nehst  den  Naehträgea  im 
Boll.  mun.  1,  85  f.  138 ff.  2,  199.  3,45.  4,  29ff.  127ff.  zu  dessen  dnreh- 


206  THEIL  I. 

gang,  den  capitolinischen  Clivus^^).  Aber  auch  auf  dem  Caelius 
und  auf  dem  Viminalis  haben  sich  ähnliche  mächtige  Unter* 
mauerungen  an  Stellen  gefunden,  welche  ausser  Zusammen- 
hang mit  der  Stadtbefestigung,  nach  dem  Innern  der  Stadt 
gerichtet  sind,  dort  das  riesenhafte  Stück  einer  Quadermauer 
zwischen  der  Kapelle  S.  Silvia  und  S.  Gregorio,  hier  an  dem 
Nordabhange  gegenüber  von  S.  Vitale.  Es  ist  nicht  mit 
Sicherheit  zu  sagen,  ob  diese  ihrer  Konstruktion  nach  der 
Stadtmau^  der  capitolinischen  und  der  alten  palatinischen 
Mauer  gleichartigen  Reste  ursprünglich  selbständigen  Befesti- 
gungen jener  Berge  angehören  oder  gleichzeitig  mit  der  Ring- 
mauer lediglich  zum  Schutz  der  bröckelnden  Hügelabhänge 
aufgeführt  worden  sind^^). 

Wir  verfolgen  nun  die  Mauer  von  der  Westecke  des 
Kapitols  beginnend  zunächst  gegen  Norden  und  kehren  schliess- 
lich zu  dem  Ausgangspunkte  zurück. 

Die  ganze  Nordseite  des  kapitolinischen  Berges  war,  wie 
IL  Th.  genauer  zu  zeigen  ist,  durch  senkrechtes  Abschroffen 
des  Felsens  unzugänglich  gemacht.  Reste  dieser  Arbeit  sind 
noch  jetzt  unter  palazzo  Caffarelli  und  dem  Kloster  Araceli 
zu  sehen.  Auf  etwa  halber  Höhe  desselben,  lief  die  als  Brust- 
wehr dienende  Mauer,  von  welcher  neuerdings  tief  unter  dem 


weg  genauen  Angaben  ich  bei  einer  zweimaligen  Nachprüfang  sämmt- 
lieber  Stücke  (1872.  1876)  nnr  sehr  geringfügige  Nachträge  za  geben 
vermag,  welche  besonders  im  §  4  zur  Sprache  kommen  werden.  £%eD- 
daselbst  beziehe  ich  mich  anf  die  im  Texte  eingefügten  Zeichen  a  .&.. 
Wo  nicht  ausdrücklich  das  Gegeatheil  bemerkt  ist,  habe  ich  die  Stücke 
selbst  gesehen.    Meinen  Beobachtungen  füge  ich  die  Jahreszahl  bei. 

^^)  Genaueres  über  die  Befestigung   des  Kapitols  nach   der  Stadt- 
seite 8.   Th.  11  und  unten  §  4. 

11)  S.  Lanciani  Ann.  S.  46  f.  Das  Stück  bei  S.  Silvia  wurde  Bull.  d. 
i.  1869 ,  68  der  Serviusmauer  zugetheilt ,  was  wegen  der  Richtung  un- 
möglich ist.  Erhalten  14  oder  15  Lagen  (1872).  —  Viminal:  bei  den  , 
Resten  des  falschen  'lavacrum  Agrippinae',  Nordseite  4  Lagen  rother 
Tuf,  h.  0,59,  darüber  9  Lagen  Mel  kleinere' Quadern,  ähnlich  denen 
in  Vigna  Spithöver;  ein  Stück  solcher  an  der  Südwestecke  des  Hügels. 
Von  mir  nicht  gesehen,  jetzt  durch  die  Anschüttungen  verdeckt. 


§  3]  DI£  SERVIAJVlSCHe:  MAUER.  207 

Niveau  des  Jupilerteinpelg  (uaterbalb  des  Portals  zürn  palazzö 
CaSiarelii)  einige  Stüo((e  zum  Yarachein  gefcommen  sind  (a)^^). 
Von  der  Arx  musste  sich  die  Mauer  etwas  gegen  den  Nord- 
dihang  des  Berges  senken.  Ein  Rest  derselben  (b)  ist  im 
J.  1862  auf  dem  höchsten  Punkte  der  Via  di  Harforio,  des 
nur  wenig  unter  dem  heutigen  Niveau  übenden  alten  elivus 
vgentarim  beim  Umbau  eines  Hauses  an  der  Westseite  der 
Stoasse  (etwa  50  Schritt  nördlich  von  der  Ecke  des  vicolo  d. 
ehiavi  d'oro)  gefunden  worden  ^^).  Dieses  StCkik  bestimmt 
also  die  Lage  eines  Stadtthors,  durch  welches  hier  die  alte 
Strasse,  deren  Pflaster  ebenfalls  grfunden  wurde,, nach  dem 
Marsfelde  fuhren  musste.  Dies  kann  keine  Midere  als  die 
Fiaminia  sein,  welobe  ui.der  Richtung  des  heutigen  Corso 
bis  auf  Macer  de'  corvi  und  dann  östlich  abbiegend  nach  dem 
gedachten  Thore  hinauflief.  Unmittelbar  vor  demselben  ist 
ihre  Richtung  identisch  mit  der  heuligen  sicher  durch  die 
vor  diesem  wie  vor  allen  Thoren  an  der  Strasse  liegenden 
aoch  erhaltenen  Gräber,  besonders  durch  das  dem  hinauf- 
gehenden zur  linken  befindliche  des  G.  Poplieius  Bibulus  aus  den 
letzten  Decennien  der  Republik"). 


i>)  A  Plaa  und  BeseliMtbiinff  Laoc.  BaU.  rauo.  1,  138  ff.  T.  IV:  zwei 
Stacke  neben  einaiider  5  irnd  7  Lagen,  k.  0,5(9,  auf  dem  Felsen  aufliegend.  — 
Die  Stucke  stehen  anil  der  halben  Höhe  der  heutigen  Steigung  von  piazza 
Araeeli  nach  inlaaza  del  Gampidogiio,  das  Pflaster  der  enteren  liegt  etwa 
6  M.  über  dem  einer  alten  Strasse,  welehe  die  porta  Carmentalis  und  Ra- 
tomena  verband.  Vgl.  §  4.  Aussen  angelehAt  fanden  sieh  Ziegelbauten^ 
welche  naeh  den  Stempeln  dem  2.  Jahrhundert  gehören.    S.  143  ff. 

M)  I»  Leider  nur  ungenügend  beschrieben  von  Pellegrini  Bull. 
i.  i.  1870,  11211  und  auch  von  Lanciani  (so  scheint  es)  nicht  gese-> 
ben,  so  wenig  wie  von  min  '1862'  giebt  Lanciani  Aon.  S.  52  an:  in 
äen  Wintern  1861/62  1862/63  Jiabe  kh  in  Rom  nichts  davon  ge- 
hört. Keine  Maasse.  Pellegriois  Angabe  zwischen  den  Häusern  N.  81 A 
md  81 E  ergiebt  die  obige  BestimmiBg  (1872). 

^*)  Ueberdie  Strasse  einstweilen  Forma  urMs  S.  35  §  5.  Ueber 
die  Gräber:  «us  der  Inschrift  dos  Aibulasgrabes  (CIL  1,635)  C.  Pop" 
UeiB  C,  f.  B&ndo  akU  pL  himorü  vittuHwque  oaussa  ^miatus  conntÜo 
popifllgifo  üusu  hoas  monumento  quo  ipw  poitnrmqtn  eius  ii^erreniur 
piätlioe  iatu  eit,  ist  froher  irrig  geschlossen  worden,  dass  die  Ehre 


208  THBIL  l 

Ehe  indessen  der  Name  dieses  Thors ;  besprochen  wer- 
den kann,  muss  der  weitere  Lauf  der  Iraner  bis  zum  Quiri- 
nal  untersucht  werden. 

Dass  zwischen  dem  Quirinal  und  dem  Kapitol  vor  dem 
bereits  Yon  Caesar  beabsichtigen,  aber  erst  von  Trajan  aus- 
geführten Durchbruch,  welcher  das  grosse  Forum  mit  dem 
Marsfelde  in  bequeme  Verbindung  bringen  sollte ,  an  der 
Stelle  der  nachmaligen  Tiefe  ein  Höhenzug  strich,  wird  ans- 
fuhrlicher  im  IL  Th.  gezeigt  werden.  Die  Entdeckungen  des 
J.  187^6  haben  nun  auf  dem  Abhang  des  Quirinals  über 
dem  Trajansforum  beim  Neubau  des  pal.  Antonelli  ein  Stück 
der  Ringmauer  auf  halber  Höhe  des  Berges  zu  Tage  gefor- 
dert und  an  derselben  Stelle  muss  rin  Thor  angenommen 
werden,  auf  welches  die  via  Magnanapoli  stiess.  Ein  daselbst 
gefundenes  gewölbtes  kleines  Thor  aber  ist  sicher  kein  Stadt- 
thor (c)^'^).    Von  da  aus  lässt  sich  der  Lauf  der  Mauer  weiter 


in  der  Bestattaog  innerhalb  der  Stadt  bestand.    Dagegen  schon  Becker 
de  moris  69   und  Mommsen  a.  0.    S.  f  4.    Die  Inschrift  war    ausser 
längs  der  erwähnten  Strasse  auch  noch  auf  der  der  Stadt  zugewandten 
Südseite  des  Denkmals  wiederholt,  an  welcher  also  parallel  der  Mauer 
und  die  A.  12  erwähnte  fortsetzend  ebenfalls  eine  Strasse  lief.  —  Ab- 
bildungen: Bramantino,  Bovine  T.  X;  Jahresbericht  1B75,  762;  fehlen, 
wie  es  scheint,  im  16.  und  17.  Jahrhundert;  später  (bis  auf  Canina  T. 
CCLXXVII)  häufig,  aber  meist  ungeaagend.  Gut  Piranesi  Ant.  2  T.  IV.  V. 
Zu  der  angedeuteten  ZeitbestimmuDg  (e^  Mommsen)  stimmt  die  einfache 
dorische  Ornamentirung  des  Denkmals,  über  welche  vgl.  Bergau,  Philol. 
26,  82  ff.;    unsinnig  Magni   in  Bnonarotti  1873,   61  ff.  Reste  von  Back- 
Steingräbern  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  der  Strasse.   Das  grosate 
gilt  ohne  genügenden  Grund  für  das  der  Claudier.  (Canioa  hid.ll8u.  A.): 
hcumque  stbi  ad  septUitiram  mb  CapüoUo  accepä  Suet  Tib.  1.    Auch 
zu  diesen  gehörige  Inschriften:   lo]cus  pubUc[e  datus?    Pellegrini  a.  0. 
S.  113,  und  A  (?)  Qdvus  C.    l.   |  . . . ,   via  di  Marforio  N.  100  (1876: 
ich  weiss  nicht,  ob  publiclrt). 

^^)  e  Erste  Entdeckung,  besprochen  in  rümischen  Zeitungen,  z.  B. 
Fanfnlla  17.  Nov.  1875;  kurz  beschrieben  von  Lano.  Bull.  man.  4,  35 f; 
Grundriss  ebenda  T.  XVI-~XV]1:  im  Mai  1876  nicht  mehr  vollständig  er- 
halten. Die  Mauer  läuft  zum  Theil  parallel  mit  via  del  Quirinale, 
wendet  daan  aber  im  stumpfen  Winkel  und  parallel  mit  via  Magnana- 
poli, so  dass  ersterea  Stück  etwa  von  N.O.  nach  S. W*,  letzteres  von  W. 


§  3.]  DIE  SERVIAJVISCHE  MAUER.  209 

nordwärts  immer  längs  des  Hügelrandes  verfolgen.  Ob  nun 
vor  der  Tieflegung  jenes  Bergrückens  zwischen  dem  Thor  am 
Kapitol  und  dem  am  Quirinal  die  Mauer  auf  der  Linie  der 
kürzesten  Entfernung  zwischen  dem  Thor  am  Kapitol  und 
dem  am  Quirinal  lief,  d.  h.  ungefähr  die  Südfront  der  basi- 
lica  Ulpia  entlang,  oder  noch  weiter  nach  Süden  eingezogen 
war,  das  wird  sich  überhaupt  nicht  mehr  entscheiden  lassen, 
da  mit  der  ehemaligen  Höhe  auch  die  Mauerreste  verschwun- 
den sein  müssen.  Unerklärlich  aber  ist  es  mir,  wie  man  sie 
nach  der  Entdeckung  des  Thors  am  Kapitol  hat  nördlich  von 
der  Trajanssäule  bis  über  piazza  SS.  Apostoli  hat  laufen  lassen 
können  ^*).  —  Jenen  beiden  ihrer  Lage  nach  sicheren  Thoren 
werden  jetzt  allgemein  die  Namen  Ratumena  (vielmehr  Ratu- 
mmna)  und  Fontinalis  beigelegt.  Von  letzterem  führte  eine 
Säulenhalle  bis  nach  der  ara  Martts  auf  dem  Marsfelde,  man 
hält  sie  für  das  Thor  bei  pal.  Antonelli.    Erstere  soU  ihren 


nach  O.  steht,  kaam  4^  nach  N.  von  der  Strassenflucht  von  v.  Magna- 
napoli  abweichend,  ^ar  letzteres  habe  ich  noch  vollständig  gesehen: 
3  Lagen  gelbliche  TufblÖcke,  gewöhnliche  Maasse  (auf  der  mittleren 
aach  pal.  Ant.  2  Steinmetzzeichen),  Von  dem  andern  im  Neubau  Reste; 
das  Thor  (7 — 9.  Juni,  eigene  Messung),  ursprünglich  2,  11 1.  Höhe  (jetzt 
nachdem  die  unterste  Lage  der  Quadern  weggebrochen  2,  67)  1,  95  1. 
Weite.  Der  Bogen  besteht  aus  einer  andern  Art  Tuf  als  die  Mauer. 
Aosserhalb,  d.  b*  nach  dem  Trajansforum ,  parallel  lauft  eine  zweite 
sehr  alte  Quadermauer  (nicht  mehr  zu  sehen),  ßathselhaft  ist  mir,  dass 
wie  L.  richtig  angiebt ,  auch  die  Quadermauern  selbst  auf  Beton  auf- 
liegen und  doch  stimmen  Maasse  (h.  o,  56.  54.  59)  Konstruktion  (Läufer 
vnd  Binder)  und  Material  (gelblicher  Tuf)  genau  mit  dem  zweiten 
Stack  überein.  —  Neueste  Nachgrabungen  haben  bei  der  Kirche  S.  Caterina 
di  Siena  einen  alten  Begräbnissplatz  aufgedeckt  und  damit  die  ur- 
sprüngliche Anlage  eines  Thors  an  dieser  Stelle  noch  wahrscheinlicher 
gemacht  (Lanciani  Bnll.  mun.  4,  123  ff.  vgl.  A.  17). 

^^)  So  meinte  Lanc.  Ana.  S.  53  um  die  Mauerlinie  mit  der  Grenze 
zwischen  der  1.  und  6.  Region  in  Uebereinstimmung  zu  bringen  und 
sie  dem  Standort  der  1.  Goh.  der  Vigiles  an  der  Nordseite  von  p.  SS. 
Apostoli  nahe  zu  rücken.  Beides  aber  ist  möglich  ohne  jene  Annahme. 
S.  jetzt  Bnll.  mun.  4,  35.  Freilich  steht  die  Trajanssäule  wo  ehemals 
der  Berg  war  (s.  Th.  H)  und  das  Grab  Trajans  liegt  mtra  urbem 
{Eütr.  8,  6,  8.  §  4). 

Jordan,  rOmisohe  Topographie.    I.    1.  1^ 


210  THEIL  I. 

Namen  von  einem  Vejenter  Ratumenna  haben,  dessen  Ge- 
spann zur  Zeit  des  jüngeren  Tarquinius,  nach  Abwerfung  des 
Führers,  wie  es  scheint,  durch  eben  dieses  Thor  nach  dem 
kapitolinischen  Tempel  gelangte.  Beide  Thore  müssen 
allerdings ,  da  für  sie  auf  der  Strecke  zwischen  Fluss  und 
Kapitol  doch  schwerlich  Raum  ist,  zwischen  Kapitol  und  Qui- 
rinal,  gesucht  werden.  Indessen  muss  doch  bedacht  werden, 
dass  die  Legende  über  den  Ratumenna  die  Möglichkeit  nicht 
ausschliesst ,  dass  dies  'Thor'  kein  Thor  der  Stadtmauer, 
sondern  ein  Thor  des  kapitolinischen  Temenos  war  und  es 
kann  daher  die  Benennung  der  Ratumenna  durchaus  nicht 
als  sicher  gelten  ^^). 


*^)  üeber  die  Fontinalis  Livius  (z.  J.  561)  35,  10:  porticum  al- 
teram  ,  .  .  ab  porta  Fontinali  ad  Mortis  aram  qua  in  Campum  iter 
esset  perduxit;  Festus  Ausz.  S.  85:  Fontinalia  Fontium  sacra  (oben 
§  1)  unde  et  Romae  Fontinalis  porta.  Neaerdiogs  haben  sich,  wo 
das  Thor  angenommen  werden  muss,  sehr  reiche  Queliwasseradern  ge- 
funden (Bull.  mun.  4,  123).  Noch  in  der  Kaiserzeit  erhalten,  wie  der 
tablarius  a  porta  FonUnal{i)  bei  Fabr.  712,  332  =  Grut.  624,  11  und 
der  [siU?]cariiLs  ah  [porta  F]ontinal(i)  bei  Or.  Henz.  5095  beweisen. 
Vielleicht  gehört  dahin  auch  das  Cognomen  Fontinalis  der  Aternii  (§  2 
S.  192).  Die  Ratumenna  (so  die  Ueberlieferung  bei  Plin.  und  Fest., 
auf  die  auch  ruhimannam  bei  Sol.  führt)  wird  nur  bei  Gelegenheit  der 
Th.  II  näher  zu  erörternden  die  Gründung  des  kapitolinischen  Tempels 
begleitenden  Prodigien  erwähnt  Nach  Valerius  Antias,  dem  Plutarch 
Popl.  13  folgt,  geben  die  vejentischen  Künstler  die  für  den  Tempel  be- 
stellte thönerne  quadriga  ißiqfJLa)  nach  Vertreibung  des  letzten  Tarqui- 
niers  erst  heraus,  nachdem  die  Rosse  eines  Vejenters,  der  in  Veji  beim 
Rennen  gesiegt  hat,  mit  ihm  nach  Rom  durchgegangen  sind  a^Qt'  ou  la 
KansTfoXCtf}  nQogfiC^avreg  i^^ßaXov  avTov  Ivxavd-a  naqa  ji]V  nv- 
Xrflf  ffl/  vvv  ^PaxovfjLivav  xaXovai.  Dieselbe  Geschichte  (mit  einer  hier 
nicht  in  Betracht  kommenden  Variante)  erzählt  nach  Verrius  Flaccus 
Festus  S.  274:  Ratumenna  porta  a  nomine  eius  appellata  est  qui 
ludicro  certamine  quadrigis  Victor  Etrusci  {clarusci  die  Hs.)  generis 
iuvenis  Feis  constematis  equis  eaecussus  Romae  periit:  qui  equi  fe- 
runtur  non  ante  constitisse  quam  pervenirent  in  CapüoUum  u.  s.  w. 
Ebenfalls  aus  Verrius  (den  er  im  Index  nennt)  hat  sie  Plioius  8,  161 
(aus  ihm  Solin.  45,  15):  .  eodem  (n.  in  Capitolium  aurigam)  pervemsse 
a  Feis  cum  palmu  et  Corona  effuso  Ratumenna  qui  ibi  vicerat:  unde 
postea  nomen  portae  est.    Diese  Erzähluog   zwingt  nicht  zu  der  An- 


§  3]  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  211 

Sicherer  ist  der  Lauf  der  Mauer  von  dem  letztgenannten 
Punkt  bis  zum  coUinischen  Thor.  In  geringen  Abständen  haben 
sich  hier,  stets  an  dem  Rande  des  Hügels,  Reste  erhalten,  zunächst 
ein  Stück  auf  der  oberen  Terrasse  des  Garten  Colonna  (d)"), 
dann  ein  im  J.  1866  bei  der  Anlage  des  neuen  Aufgangs 
zum  Quirinal  bei  den  sogenannten  Ställen  des  B^nini  gefun- 
denes (e)"),  weiterhin,  wo  die  Linie  des  Hügels  fast  im 
rechten  Winkel  gegen  N.  0.  wendet,  ein  anderes  1873  beim 
Bau  der  Stalle  des  Kgl.  Palastes  gefunden  {t)^).  Auch  hier 
zeigte  sich,  dass  die  Hauerlinie  überall  den  Anbauten  der 
Kaiserzeit  als  Fundament  oder  Stütze  gedient  hat.  Von  hier 
au  scheint  die  Linie  südlich  vom  Platz  Barberini  in  der 
Richtung  auf  den  gleichnamigen  Palast  gelaufen  zu  sein, 
uuter  dessen  Fundamenten  im  17.  Jahrhundert  ein  Stück  (g) 

nähme,  dass  die  Ratumemm  ein  Stadttbor  sei  (v^I.  A.  6);  ist  sie  eias, 
so  mnss  es  allerdings  wohl  das  am  Nordabhange  des  Kapitols  befiodliche 
sein.    Ueber  die  £tymologie  des  Namens  s.  §  4  A.  16. 

^^)  d  Garten  Colonna,  3te  Terrasse  von  unten.  Pittoreske  Abbil- 
dang  bei  Braun  Ann.  d.  i.  1852  zu  324  ff.  Jetzt  wegen  eines  daran  ange- 
brachten Wasebtroges  schwer  zugänglich,  auch  von  Lanc.  Ann.  S.  54 
nicht  gemessen.  Die  sichtbaren  Lagen  schienen  mir  (1872)  aus  klei- 
nereo,  nicht  im  Läufer-  und  Bindersystem  geschichteten  Blöcken  (wie 
Im  zu  bestehen.    Darauf  erhebt  sich  eine  Backsteinmauer. 

^^)  e  'fra  il  portone  detto  della  Panatteria  e  le  stalle  del  Bemini', 
perpendikulär  gegen  Nordsüdlinie  des  Platzes,  lang  16,  30  bis  zu  3,  55 
hoch,  1,  72  dick.  Gewöhnliche  Schichtung  und  Maasse,  'tufa  simile  allo 
sperone'.  Lanc.  Ann.  S.  54,  Abbildung  T.  n.  1.  Von  mir  nicht  mehr 
gesehen.  Vgl.  den  Bericht  des  Augenzeugen  R.  Bergan,  PhiloL  25,  653 
^rch.  Zeitung  1867  n.  218  S.  22. 

^^)  f  'nel  giardlno  annesso  al  pal.  regio  del  Quirinale  tagliaadosi  le 
terra  nella  parte  sovra staute  al  lavatore  commnnale  onde  erger  le 
scnderie  reali  e  formare  la  strada  per  scendere  aUa  contrada  del  lava- 
tore sudd.  ...  si  e  rinvenuto  un  bei  tratto  del  recinto  di  Servio  TuUio 
^go  m.  14,  37  largo  nella  fiancata  7,  70'  hs.  Rapport!  settim.  della  r. 
sopraint.  6.  Sept.  1873  (genauer  'a  sin.  salendo  per  la  via  della  Pan- 
i^etteria  sul  Quirinale'  das.  3.  Okt.  d.  J.).  Ueberbaut  mit  Ziegelbauten. 
Unzugänglich,  wohl  zum  Theil  zerstört.  Lanciani  Bull.  mun.  1,  225  ver- 
spricht eine  Publikation.  Es  mag  weiter  noch  ein  Stück  gefunden  sein : 
^  kürzlich  gefunden  'entro  i  giardini  del  Quirinale'  erwähnt  zwei 
Stücke  Lanciani  Bull.  mun.  1  (Sept.  Oct.  1873),  233  f. 

14* 


212  THEIL  I. 

zum  Vorschein  kam;  sie  wendete  dann  südwärts  bis  zur 
Kreuzung  der  Via  Quattro  fontane  und  der  Via  del  Qiiirinale 
—  Venti  Settembre  (di  Porta  Pia),  woselbst  an  der  Ostseite 
der  Strasse  Quattro  Fontane  unter  dem  ersten  Hause  ein 
Stück  1873  gefunden  wurde  (h)^^).  Hier  muss  sie  wieder 
fast  im  rechten  Winkel  gegen  Osten  gewendet  haben:  denn 
in  den  Gärten  der  Kirchen  S.  Susanna  (I)  und  S.  Maria  della 
Vittoria  (k)^')  finden  sich  weitere  Reste  und  endlich  erheben 
sich  auf  ihr  die  Terrassen  der  sallustischen  (später  kaiser- 
lichen) Gärten,  wie  man  noch  heut  an  drei  Stellen  in  der 
Villa  Spithöyer  (früher  Vigna  Barberini)  deutlich  erkennen 
kann  (1  m  n)^^).     An  der  Südseite  der  Via  di  Porta   Pia, 


>i)  s  Bartoli  mem.  3  t  (bei  Fea  Mise.  1,  229  f.)  'sfogandosi  ilterreao 
attorno  al  primo  piano  del  palazzo  de'  signori  Barberini  fn  gnasta  parte 
delle  mart  fatta  dal  re  . .  .  |  . . .  (so  F. :  lies  dai  re)  le  quali  appoggia- 
yano  il  piano  del  coUe  ad  alli  piedi  di  esse  mura  ove  fn  fatto 
11  fondamento  per  erigervi  la  Gaglia '  (die  jetzt  im  vat.  Garten  befind- 
liche Bd.  2,  185  Fea  Mise.  1;  99  A.  6)  '.  .  v'  era  un  stanzone  attiguo 
apli  altri  (?)  di  altezza  piu  di  30  palmi  sieche  altri  30  essendo  siao 
aUa  sommita  del  terreno  vergine  dinotava  essere  oltre  modo  precipi- 
toso  aache  da  quella  parte'.  Vgl.  n.  98  S.  250.  Zuerst  benutzt  von 
Lanc.  S.  56.  1b  ^a  fior'  di  terra',  Material  'pietra  gabina',  2^^  M.  lang, 
Vji  breit.  Rapport!  settim.  della  r.  sopraint.  15.  Dec.  1873.  Soll 
noch  zn  sehen  sein. 

^)  I  Bartoli  Mem.  98  S.  250  'si  rede  ilmedesimo  mnro'  (der  <  Wall 
des  Tarquinios  bei  S.  Maria  maggiore')  'dietro  1'  orto  di  s.  Susanna 
crednto  eosi  per  essere  della  medesima  materia'  (sog.  cappellaccio) 
'ancor  che  molto  piü  stretto  che  non  oltrepassa  gli  S  palmi'. 
Von  mir  1867  nicht  gefunden ,  von  Lanciani  nicht  gesehen.  — 
l&s.Vennti-Piale  1,157.  Abbildung  bei  Reber  Ruinen  S.  509.  Noch  6  Lagen 
sichtbar  (1867);  kleine  Blöcke,  lang  0,81—0,86,  hoch  0,25—0,28. 
Von  Lanc.  Ann.  a.  0.  nicht  gesehen. 

**)  1  Westecke  unter  dem  neuen  Casino,  3  Lagen  kleiner  Blocke 
z.  B.  0, 79  X  0,29.  Die  Lagen  treten  nach  oben  jedesmal  um  etwa 
\^  Cent,  zurück,  m  bei  dem  Nymphäum,  2  Lagen  eben  solcher  (0,81 
X  0,29  messbar)^  auf  dem  Felsen  anfliegend,  von  Ziegelwerk  überbaut 
(beide  gemessen  1867).  n  an  der  Nordostecke  kleines  Stück  gefunden 
1869  (1872  zum  Theil  zerstört),  aus  9  Lagen  ähnlicher  Blöcke  be- 
stehend Lanc.  Ann.  S.    57  T.  n.   2,    der   Im  nur  er^vdihnt  und   die 


§  3.]  DIE  SERVIANISCHB  MAUER.  213 

welche  die  Mauer  durchbricht,  begann  dann  mit  der  Piyrta 
ColUna  der  Wall. 

Auf  dem  beschriebenen  Abschnitt  zwischen  der  porta 
PimtmtUh  (?)  und  der  Collina  müssen  die  beiden  Thore  San- 
qualü  unA  Salutaris  gesucht  werden  ^^).  Die  Lage  des  letzte- 
ren in  der  Nähe  des  pal.  Barberini,  vielleicht  an  der  West- 
seite der  Strasse  Quattro  Fontane,  ist  um  so  wahrschein- 
licher, als  neuerdings  inschriftliche  Funde  die  Lage  des 
Tempels  der  Salm  ebendort  vermuthen  lassen.  Der  clwus 
Salutaris  führte  zu  dem  Thor  hinauf.  Sicherer  ist  die  Lage 
der  SanquaUs  (und  bestimmt  dadurch  diejenige  der  aedes 
Sanct),  da  unmittelbar  unterhalb  des  Stückes  e  an  der  Süd- 
seite der  Via  della  Dataria  ein  Grabmal  eines  C.  Sempronius 
seiner  Schwester  und  Mutter  aus  dem  Ende  der  republika- 
nischen Zeit  gefunden  wurde,  jene  Strasse  also,  wie  die  aus 
der  Ratumena  führende,  ein  über  ihr  stehendes  Thor  voraus- 
setzt ^'^).  —  Schwerlich  hat  es  ausser  den  bisher  genannten 
Thoren  auf  der  beschriebenen  Linie  vom  Kapitol  bis  zum 
Walle  noch  andere  gegeben,  es  musste  denn  sein,  dass  die 

Maaer  an  '5  oder  6'  Pankten  siclitbar  sein  llisst.  —  Ueber  die  späte- 
ren Bauten  s.  Th.  U. 

'^)  Ueber  die  SanquaUs  Festas  Ausz.  S.  345:  SanquaUs  porta  ap- 
pdlatur  proxima  aedi  Sand  (also  =  Sancalis),  über  die  Salutaris 
ders.  Ausz.  327:  Salutaris  porta  appeUata  est  ab  aede  SaluUs  quae 
ei  prexima  fuit.  Daher  denn,  was  gewöhnlich  übersehen  wird,  485 
d.  St.  aedis  Salutis  ftdminis  ictu  dissoluta,  pars  muri  suh  eodem 
loco  de  caelo  ut  dicunt  tacta  est  (Gros.  4,  4).  Festas  S.  326  scheint 
eine  zweite  Etymologie,  [ob  sa]lutaiiofies  angeführt  zu  haben.  Der 
divus  Salutis  wird  von  Symmachns  £p.  5,  54  (nicht  52:  Bd.  2,594» 
parvas  aedes  sub  divo  Salutis)  und  im  Lib.  pontif.,  Innoe.  6  (1  p.  132 
Vign.:  dotnum  in  divo  Salutis  balneatae)  genannt. 

»)  Näheres  über  die  Sabitarü  s.  Bd.  2,  264  und  II.  Th.  (Quirinal), 
woselbst  die  von  Lanc.  Ann.  S.  58  nicht  verwertheten  Ausgrabungen 
der  Via  Rasella  (Bull.  d.  i.  1869,  42  ff.)  näher  zu  erörtern  sind.  Die 
Sanqualis  hatte  schon  Becker  richtig  fixirt.  Grabmal  (Travertin,  sehr 
elegante  jonisirende  Architektur)  mit  der  Inschrift  Cn.  Sempronius  Cn. 
/.  RomiiUa)  Sempronia  Cn,  /,  soror  Larda  M\  f,  mater^  abgebildet 
bei  Bergan  Arch.  Z.  1866,  20  und  Lanciani  Bull.  mun.  4  T.  XII:  ist 
in  den  Kgl.  Ställen  verbant  und  war  mir  nicht  zugänglich. 


214  THEIL  I. 

Anlage  des  Trajansfornm  ein  solches  zerstört  und  hier  in  der 
Einsattelung  der  Aufgang  zu  suchen  sei,  welcher  zum  Flora- 
tempel führte  (vgl.  Th.  II). 

Von  der  porta  Collma  bis  zur  Esquilina  erstreckte  sich, 
in  der  Mitte  unterbrochen  durch  die  parta  Viminalis,  der  mit 
Thürmen  und  Graben  bewehrte  'WalT  (o).  Wahrscheinlich 
aus  älterer,  vielleicht  amtlicher  Quelle,  beschreibt  ihn  Dionys 
genau:  er  war  7  Stadien  lang  und  (ohne  den  Graben)  50  F. 
breit,  nach  aussen  durch  einen  30  F.  tiefen,  *an  der  schmäl- 
sten Stelle'  (Sohle?)  100  F.  breiten  Graben  geschützt.  Der 
Wall  selbst  bestand  aus  einer  Erdaufschüttung,  welche  auf 
der  Seite  des  Grabens  durch  eine  starke  Mauer  gestutzt  und 
gedeckt  wurde.  Thürme  —  so  fügt  Strabo  hinzu  und  an- 
dere bestätigen  es  —  bewehrten  die  Mauer,  in  der  Mitte  be- 
fand sich  die  porta  Vimmalis.  Dieser  Wall  (gemeinhin  und 
noch  spät  agger  genannt)  zeigte  sich  den  Zeitgenossen  des 
Augustus  noch  in  seiner  ganzen  Mächtigkeit  und  galt  ihnen 
als  ein  Werk  des  Servius  TuUius,  manchen  als  voUendet  von 
Tarquinius  Superbus  ^^).    Aber  schon  damals  konnte  er  nicht 


^)  Diooys.  9,  68:  fv  Ss  /(ogtov  c  rrjg  T^oXstos  ^nifiax^i^fOTarov 
iartVy  ano  täv  AiaxvXivatv  xaXovjLcivoiv  tivXcSv  f^^XQ''  ''^'^  KoXXCvtüV 
XSigonof^tcDg  ioerlv  oj^vobv.  Jc((fQog  te  yccQ  oQfoqvxtai  nqo  avrov 
TiXärog  tj  ßga^vtarri  fj,sCC(ov  ixarbv  no6wv  xal  ßdd-og  fatlv  avrijg  rqia^ 
xovranovv'  TeT/og  ^h  vnsQav^OTtjxe  T^g  tdipQov  x^fiari  öwsj^o/uevov 
%vSod^av  v^Xtß  xal  nXarsT,  olov  f^rixe  XQioTg  xouaasffsia&^vai  /urire 
vTioQinro/LiivüJV  ttSv  d-EfXEXtwv  avatQanrjvai.  rovto  to  ;^0)(>^ov  ima 
fiiv  iatt  fiaXidTa  ^nl  fjiijxog  ara^tcav,  TtsvrrixoVTa  Sh  noötav  in\ 
nXcctog.  (Vielleicht  nomittelbar  aos  Varro,  mittelbar  ans  amtlicher 
Qaelle,  vgl.  oben  A.  4).  Strabon  4,  3,  7  S.  234:  jaifgov  ßa^sTav 
oQv^avtBg  sig  to  ivSog  i^i^avto  rrjV  yrjv  xal  l^huvav  oaov  f|a- 
axdSiov  ;^W/Ma  knl  t^  ivrog  6(pQii  Trjg  rdcpQov  xal  knißaXov  isT^og  xal 
nvgyovg  dnb  t^?  KoXXCvag  jtvXrjg  f^^/Qi  Trjg  ^EaxvXCvag,  vno  fjtäaep  ^k 
T^  /(üfittTi  TQi'tT]  iarl  nvXri  ofnawuog  r^  OvifjLivdXi  Xoipq)  (unten  41) 
Vgl.  Cicero  de  rep.  2,  6:  cuius  {urbis)  is  est  tractus  ductusque  cum 
Romuli  tum  etiam  reliquorum  regum  sapientia  finiius  ex  omni  parte 
arduis  praeruptisque  m,ontibus,  ut  unus  adiius  qui  esset  tnier  Esqui- 
linum  Quirinalemque  montem  maximx)  agiere  obiecto  fössa  cingeretur 
vastissima.  Varro  bei  Censorin  17,  8  (oben):  murus  ac  turris  quae 
sunt  inter  portam  Collinam,  et  Esquilinam.    Sollte  die  turris  hortorum 


§  3.]  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  215 

mehr     in    seiner    ganzen    Länge    sturmfrei    erhalten     sein : 
man    hatte  begonnen  den  Graben  zu  füllen,  das  breite  Po- 
merium   zu  bebauen,  ja  Wall  und  Mauer  zu  durjchbrechen, 
um  Gärten  und  Spaziergänge  auf  luftiger  Höhe  zu.  schaffen  ^^). 
In    der  Epoche   der  Antonine  lehnten  sich  zahlreiche  Wohn- 
und   Badehäuser  zu  beiden  Seiten  an   die  Mauer  an,  allmäh- 
lieb   wurde  der  ganze  mächtige  Graben  eingeebnet,    die  drei 
Thore    ganz    oder   theilweise    beseitigt  oder  durch  moderne 
Bauten  ersetzt,  wie  die  Esquüina  durch  den  Ehrenbogen  des 
Gallienus.  Bis  ins  5.  und  6.  Jahrhundert  folgten  zahlreiche  Ver- 
änderungen :  neue  Bauten  ersetzten  ganz  oder  theilweise  die 
alten,  christliche  Kapellen  scheinen  sich  in  die  früh-kaiserlichen 
Privathäuser  eingenistet  zu  haben,  bis  endlich  die  Jahrhunderte 
der  Zerstörung  eine  Einöde  schufen,  die  zu  Schuttablagerungen, 
endlich    zu   neuen  PQanzungen   und  Gartenanlagen  führten. 
So  entstand  über  den  Besten   der  alten  Wallmauer  ein  Erd- 


Caesaris  ad  portam  Collinam  (Obseqa.  prod.  71,  die  GarteD  sonst  un- 
bekannt) ein  Thnrm  der  Wallmauer  sein?  Diesen  Wall  verstärkte  Tar- 
qninins  Snperbas.  Dionys.  4,  54:  trig  TtoXstog  tä  nQog  raßlovg  q>iqoih- 
ra  Tov  nsQißokov  äiä  noXvxstg^cts  l|(u;|fi;^o£fro  tdq>QQv  OQv^afjLivog  ev" 
QvriQuv  x«l  riixog  dviyeCqag  vijjTjkoteQov  xal  nvQyoig  dialaßdtv  to 
Xoagiov  nvxvoiiQoig.  Daher  Plinins  3,  67 :  clauditur  ab  Oriente  aggere 
Tärquinü  Superbi  inter  prima  opere  miräbili.  namque  eum  rrmris  aequa- 
vit  qtia  tnäxime  patehat  aditu  piano.  Hierher  gehb'rt  auch  die  Definition 
des  Varro  1.  L  5, 141 :  quod  exaggeräbünt  aggeres  dieti  et  qui  aggerem 
Qordinepei  moerus.  Früher  hat  man  fälsohlioh  einea  agger  Servil  von 
einem  a.  TarqnmU  unterschieden,  worüber  schon  Fabretti  De  aquis  3,  5 
richtig  urtheilt,  neuerdings  sogar  die  Zuthaten  des  Tarquioius  wieder 
erkennen  wollen  (A.  33).  Der  gewöhnliche  Name  ist  agger  (s.  die  f.  A.). 
37)  Ueber  die  ersten  Gartenanlagen  des  Maecenas  und  die  allmäh- 
liche Verwandelung  des  Gebiets  süb  aggere  s.  Th.  II.  Die  Ausdrücke 
des  Horaz  3-1,  S,  13:  aggere  in  aprico  spatiari  und  Juvenal  8,  43: 
venioso  suh  aggere  konnte  bis  vor  kurzem  jeder  an  Ort  und  Stelle 
verificiren ,  letzterer  wird  besonders  erläutert  durch  die  Thatsache, 
dass  der  Monte  di  Giustizia  der  höchste  Punkt  Roms  und  der  fri- 
schen Tramontane  ausgesetzt  war  (vgl.  §  1  S.  135).  Nach  der  Nähe  des 
agger  bezeichnet  man  die  Wohnung :  super  aggerem  Lampr.  Heliog.  29,  po- 
marius  de  aggere  Grut  651,  11.  Ueber  den  campus  VimvnaHs  tub 
aggere  der  Notitia  R.  V.   (überliefert  mhager)  Bd.   2,   129  f.  Th.  IL 


216  THEIL  I. 

und  Schutt  wall,  welcher  durch  seine  Gestalt  die  Kunde  des 
Werks  fortpflanzte.     Sein  höchster  Punkt  trug   eine  Roma; 
es  war   der  nun   verschwundene  Monte  della  Giustizia.     Die 
Eisenhahnbauten  im  J.  1861  durchschnitten  diese  Strasse   an 
einer  Stelle,  die  grossen  Neubauten  seit  1871  führten  dazu, 
nach  Abtragung    der  Hölle  in  der  ganzen  Ausdehnung  alles 
was  noch  gerettet   war  wieder  ans  Licht  zu  bringen,  leider 
das  meiste,  um  es  bald  für  immer  zu  zerstören  (s.  die  AA. 
28  fl^.).  —  Diese  Entdeckungen  lassen   die  Beschreibung  des 
Dionys  in  allen  Theilen  genau  erscheinen,   lehren  aber  sehr 
viel  mehr  als  dieser  giebt.     Die  Linie  des  Walls  nähert  sich 
in   ihrem  Lauf  der  Gestalt   einer  flachen  gegen  Osten   aus- 
biegenden Curve,  welche  kurz,  ehe  sie  ihren  südlichen  End- 
punkt erreicht,  durch  einen  einspringenden  stumpfen  Winkel 
unterbrochen  wird^^).    Die  Länge  beträgt  wenig  über  1300  M. 
=  beinahe  7\^  Stadien,  d.  h.  wenig  mehr  als  Dionys  angiebt. 
Strabons  6  Stadien  =  1109,4  M.  beruhen  auf  einer  Schätzung 
der  kürzesten  Entfernung  beider  Endpunkte  ^^).    Die  Reste 
lassen  sich  mit  ganz  geringen  Unterbrechungen  auf  der  ganzen 
Linie  verfolgen.     Ich  beschreibe  in  der  Richtung  von  ISordea 
nach  Süden:    auf   die  Zeit  und  Art  der  Erbauung  komme 
ich  §  4  zurück  (vgl.  die  beigegebenen  Tafeln  L  R). 

Im  Jahre  1872  hatten  die  Vorbereitungen  zum  Bau  des 
Finanzpalastes  etwa  30  M.  südlich  von  der  Via  Venti  Settembre 
und  auf  der  Fortsetzung  der  Linie,  welche  wir  nördlich  von 
dieser  Strasse   verlassen  haben,   eine   Schicht   von  3  Lagen 


'^)  Die  ersten  geoaueo  ZeicbDuogen  gab  Lanciaoi  Bull.  man.  1, 
T.  1,  2.  T.  V.  VI.  Die  Hauptstücke  auch  auf  der  Pianta  di  Roma 
von   Mar^  (R.   1876). 

^)  Gemessen  (unter  Vergleichung  des  Censusplans)  an  den  A.  28 
genannten  Plänen:  dass  eine  Messung  an  den  älteren  Plänen  erheb- 
lich weniger  ergeben  musste  (3900  F.  bei  Nolli)  liegt  an  der  Ober- 
flächlichkeit der  Zeichnung.  Schon  JVibby  aber  (Mura  109)  behauptet 
durch  Abschreiten  längs  der  damals  sichtbaren  Erhöhung  vom  Gallienns- 
bogen  bis  nachVigna  Barberini  dasMaass  von  7  Stadien  gebau  verificirt  zu 
haben.  —  Weshalb  Lanciani  Bull.  mun.  4,  155  an  Strabos  6  Stadien  fest- 
hält und  ebenda  S.  129  richtiger  8  Stadien  rechnet,  weiss  ich  nicht. 


§  3.]  DIE  SERVI ANiSCH£  MAUER.  2 1 7 

Quadern  zu  Tagen  gefördert.  Es  hat  sich  später  gezeigt, 
dass  dies  die  nördliche  Flankenmauer  der  porta  Collina 
war,  die  südliche,  nebst  Resten  eines  viereckigen  Thurms  (?) 
und  der  Fortsetzung  der  Mauer  nach  Süden,  fand  sich  später. 
Auch  die  Spuren  des  Grabens  hat  man  geglaubt  in  einem 
18  M.  breiten  und  15  M.  tiefen  ausserhalb  längs  der  Mauer- 
reste laufenden  Streifen  des  Terrains  zu  erkennen,  welches 
nur  aus  Schuttmasse  verschiedener  Zeiten  bestand.  Es  fanden  sich 
Reste  des  Pflasters  der  durch  das  Thor  führenden  und  einer  pa- 
rallel mit  der  Mauer  innerhalb  laufenden  Strasse,  zahlreiche 
Ziegelbauten  an  sie  angelehnt  Von  alle  dem  ist  jetzt  nichts 
mehr  zu  sehen  (o^)^^).  Von  dem  Hof  des  Finanzpalastes 
an  aber  Hessen  sich  bis  zur  Ostecke  der  Diocletiansthermen 
(Hai-Juni  1876)  die  Reste  der  Mauer  ununterbrochen,  wenn 
auch  in  völlig  zerrüttetem  Zustand,  verfolgen.  Und  zwar 
zeigte  sich  eine  Aussenmauer  von  grossen  Tufblöcken,  der 
gewöhnlichen  Grösse  und  Konstruktion,  und  in  einer  Ent- 
fernung von  36  Schritt  (nach  Lancianis  Plan  25  M.)  inner- 
halb eine  zweite  ihr  parallele  aus  kleineren  regelmässig  ge- 
schichteten Rlöcken  von  Capellacio,  aber  durch  quergelegte 
Blöcke  von  dem  Material  und  der  Grösse  der  vorderen  Mauer 
in  bestimmten  Distanzen  unterbrochen,  und  zwar  waren  beide 


^^)  o  ^  Canevari,  Notizie  suUe  fondazioai  dell'  edificio  pel  mioistero 
delle  Finanze  in  Roma,  in  deo  Atti  della  r.  academia  dei  Lincei  Ser. 
2  Vol.  II  1874.  75  S.  417  ff.  mit  4  Tafelo,  von  d^nen  die  4.  deo  Grand- 
riss  der  gefundenen  antiken  Reste  (ohne  Maassstab  und  Orientirung) 
giebt.  Danach  jetzt  Bull.  mun.  4  T.  XIX  S.  165  ff.  —  Leider  enthalten 
diehs.  Rapporti  della  Sopraintendenza  Jan.  —  Juli  1873  nicht  genaueres 
als  der  gedruckte  Bericht:  Sülle  scoperte  archeologiche  u.  s.  w.  1873 
S.  32ff. ,  aus  dem  ich  heraushebe:  östlich  vom  Thor  ein  Stück  der 
Mauer  1.  16,  45,  weiterhin  ein  zweites,  ein  drittes  westlich:  'la  con- 
servazione  era  assai  migliore  sul  lato  esterno  dell'  aggere  dove  ancora 
si  pote  distinguere  l'originaria  costruzione  e  disposizione  dei  blocchi 
non  che  constatare  la  presenza  degli  addentellati  e  torrioni  (?)  che 
sorgevano  ad  una  distaoza  costante  di  m.  5,  90  fra  loro'  (hierüber  und 
über  das  Thor  s.  §  4).  Die  Uinea  interna'  war  vollkommen  zerstört: 
von  den  Resten  einer  inneren  Parallelmauer  wie  bei  o  ^  spricht  nur 
Lanc.  Bull.  4,  38  ('se  la  memoria  non  m'iaganna'). 


218  THEIL  1. 

besonders  gut  erhalten  unmittelbar  an  dem  zuletzt  bezeich- 
neten Punkte  (o^)^^).  Von  der  vorderen  Mauer  war  hier 
ein  Stück  von  5  Lagen,  von  der  hintern  eins  von 
etwa  8  Lagen  erhalten;  die  Blöcke  der  ersteren  trugen 
Steinmetzzeichen  (§  4).  —  Längs  der  Ostseite  des  Gentral- 
bahnhofs  war  man  damals  mit  dem  Abtragen  des  Monte  della 
Giustizia  beschäftigt:  Backsteinbauten  der  Kaiserzeit  und  eine 
Kapelle  des  15.  Jahrhunderts  ragten  aus  demselben  hervor. 
Inzwischen  hat  man  hier  ein  grosses  Stück  von  12  Lagen 
Quadern  gefunden,  die  unterste  ruht  auf  dem  TufTelsen,  an- 
gebaut war  ein  spätrömisches  Privathaus  (o  *)**).  —  An  der 
Südostecke  des  Centralbahnhofs  wurde  im  J.  1861  der  Wall, 
wie  gesagt,  behufs  Legung  der  Bahn  schräg  durchschnitten. 
Hier  stiess  man  im  März  1862  beim  Durchstich  des  Walls 
auf  ein  25  M.  langes  Stück  der  äusseren  Wallmauer.  Die- 
selbe ruhte  auf  einem,  von  der  Sohle  des  Grabens  bis  zum 
Rande  desselben,  3,20  hohen  und  3,63  breiten  Fundament 
von  Tufblöcken,  auf  diesem  stand  die  Mauer  3,32  breit  be- 
stehend   aus    4  Lagen  Peperin-  und   8  Lagen    Tufblöcken, 

>^)  o  *  Plao  und  Beschreibung  (uavolUtäadig)  des  Stücks  an  der 
Ecke  der  Diocletiansthermen  bei  Laoc.  Ball.  mun.  4,  24  ff.  T.  III.  In 
einem  ^Thurm'  (?  Nische?)  der  inneren  Maaer  fand  sich  umgestürzt  die 
a.  0.  abgebildete  Ära  mit  der  Inschrift  Fermino  \  A.  Postumnts  A,  f. 
A.  n.  Albt(nus)  \  duovir  lege  Plaetoria  (Ende  7.  Jahrh.).  Meine  Be- 
schreibung nach  Skizzen  vom  Mai  1876.  —  Nach  Lancianis  Plan  (Bull. 
1  T.  I)  und  einer  Notiz  (das.  S.  234;  wohl  auch  4,  37)  mnss  neben 
diesem  Stuck  ein  zweites  etwa  gleich  grosses  gestanden  haben,  das  1S76 
bereits  zerstört  war. 

>*)  o  ^  Briefliche  Mittheilung  desP.  Bruzza  vom  2.  Aug.  1876:  'soUo 
il  moDte  della  Giustizia  si  e  trovato  un  magoifico  tratto  di  aggere  che 
conserva  ancora  dodici  ordini  di  massi.  essendosi  scavato  al  piede  del 
muro ,  cominciando  dal  punto  dove  il  primo  ordine  di  massi  poggiava 
suUa  terra  vergine,  si  trovö  una  stanza  dipinta  di  eta  imperiale  ch'era 
stata  fabricata  nel  ibsso  ch'era  innanzi  al  muro'.  Dies  scheint  dasselbe 
Stück  zu  sein,  welches  in  dem  inir  erst  nach  Abschlass  des  Manuskripts 
zugegangenen  4.  Heft  des  Bull.  mun.  (Okt.  — Dec.)  1876,  S.  171  be- 
schrieben und  auf  dem  Plan  T.  XVIll  c^'  verzeichnet  ist.  Nach  diesem 
maass  es  in  der  Länge  ungefähr  12  M.  und  hatte  an  der  Innenseite  einen 
halbkreisförmigen  thurmartigen  Ausbau,  ähnlich  wie  das  Stück  o  ^ 


§  3.]  DIE  SERVIANISGHE  MAUER.  219 

erstere  0,75  hoch,  letztere  0,59.  Die  Peperinhlöcke  waren 
durch  eiserne  Krampen  verklammert.  Die  Höhe  des  erhaltenen 
Stücks  war  gegen  8  M.  Die  Schichtung  war  die  des  Läufer- 
und Bindersystems.  In  Abständen  von  durchschnittlich  5^  M. 
war  die  Mauer  nach  aussen  durch  Pfeiler  von  durchschnitt- 
lich 2  Q.-M.  Stärke  und  derselben  Konstruktion  wie  die 
Mauer  verstärkt.  Ein  kleines  Stuck  dieser  Mauer  war  1876 
noch  erhalten.  An  die  Mauer  lehnte  sich  der  Wall.  Der  erste 
Durchstich  schien  zu  ergeben,  dass  über  einer  Schicht  gelblicher 
Erde  eine  graubläuliche  lagerte  und  man  hat  in  letzterer  die  Ver- 
stärkung des  Walls  durch  den  Tarquinus  erkennen  wollen.  Ge- 
nauere Untersuchungen  haben  erwiesen,  dass  der  aus  dem  Gra- 
ben ausgehobene  und  zur  Aufschüttung  des  Walls  verwendete 
Boden  deutlich  die  Schichten  desselben  in  umgekehrter  Ord- 
nung, wie  sie  gelegen  hatten,  unterscheiden  Hess:  zu  Un- 
terst lag  eine  Schicht  *  terra  vegetale',  es  folgte  Granulartuf 
(sabbia  tufacea),  zuoberst  lag  die  in  dieser  Gegend  8  M.  tief 
liegende  schwärzliche  Puzzolane.  Man  berechnete  aus  der 
Böhe  und  Breite  des  Walls  6,40  X  21,00  (oben  13,00),  dass 
der  Graben  eine  Breite  von  über  32  M.,  eine  Tiefe  von 
3,20  M.  gehabt  haben  müsse.  Von  Thürmen  hat  sich  keine 
Spur  gefunden.  Dagegen  haben  die  damaligen  und  die  wei- 
teren Ausgrabungen  1868 — 1871  ergeben,  dass  an  die  Innen- 
seite des  Walls  sich  Gebäude  seit  der  Zeit  der  Antonine  an- 
gelehnt hatten  (ein  solches  mit  schönen  Malereien  hatte  sich 
fast  vollständig  erhalten)  und  dass  ausserhalb  des  Walls  in 
einem  Abstand  von  48,50  eine  4,80  breite  Pflasterstrasse 
demselben  parallel  lief.  Es  ist  hervorzuheben,  dass  an  dieseih 
Stück    sich    keine   Steinmetzzeichen  gefunden  haben  (o*)'^^). 

^)  o  ^  Bericht,  Pläne  nnd  Aufrisse  von  Bergaa  und  Pinder,  Ann. 
deir  i.  1862,  126  ff.  t.  d'ag§^.  IK.  Nachträge  und  Berichtigungen  von 
Lanc.  Ann.  S.  59  ff. ,  vgl.  dens.  Bull.  Man.  2,  199  ff.,  dem  ich  fast 
durchweg  gefolgt  bin.  —  Die  Hypothese  über  die  Verstärkung  des 
Walls  durch  Tarqninius  steht  bei  Bergau  und  Pinder  S.  135,  dieselben 
halten  die  beschriebenen  Pfeiler  für  die  von  Tarquinius  gebauten  Thürme 
und  noch  einmal  Bergau  Philol.  a.  0.  649.  Diese  unmögliche  Annahme  wies 
Lanciani  Ann.  S.  61  BuU.  S.  200  zurück.  Neuestens  (BuH.  mun.  4,  130) 


220  THEIL  I. 

Aehnliche   Stücke    des   Walls    sind    dann    seit    der   Anlage 
der   neuen  Strassen   auf  dem  Esquilln  von  dem  erwähnten 
Punkt  bis  zum  Gallienusbogen  mehrfach  zum  Vorschein  ge- 
kommen   und   bald  dem  Erdboden  gleich  gemacht   worden. 
Aber  nirgend   hat  man  bis  jetzt  die  Verstärkung  der  Mauer 
durch  Pfeiler  und  —  wenigstens  nicht  meines  V^issens  — 
die  Verwendung  von  Eisenklammern  wieder  beobachtet^*).  — 
Ein  weiteres  sehr  bedeutendes  Stück  der  äusseren  Mauer  auf 
Piazza  Fanti  beGndet  sich  an  dem  Punkt,  wo  dieselbe   zur 
Bildung   des  einspringenden  Winkels   in  südwestlicher  Rich- 
tung  einbiegt.     Dadurch   entsteht   ein   nach  Osten  aussprin- 
gender stumpfer  Winkel  von  fast  155^.    Von  den  die  beiden 
Schenkel    desselben    bildenden    Mauern    waren    ursprünglich 
noch  Stücke  von  je  etwa  20  M.  Länge  erhalten,  im  Scheitel- 
punkt des  Winkels  (oder  vielmehr  wo  der  nördliche  Schenkel 
endet)  ist  nach  innen  ein  thurmartiger  halbkreisförmiger  Bau 
von  8,20  Durchmesser  derselben  Konstruktion  augebaut,  wie 
es  scheint,  um  von  Innen  den  ausspringenden  Winkel  gegen 
feindliche  Minirarheit  zu  schützen  (vgl.  A.  32  z.  E.  und  §  4). 
Das  ganze  merkwürdige  Stück,   an   welches  sich  von  aussen 
wiederum  Backsteinbauten  anlehnen,  ist  mit  Steinmetzzeichen 
bedeckt  (o^)^*).  —  Es  folgten  nun  noch  zwei  grössere  Stucke, 
welche   den  Schenkeln  des  einspringenden  Winkels  angehör- 
ten: sie  sind  bis  auf  weniges  verschwunden  (o®)®^).     End- 
lich bezeichnet  der  Ehrenbogen  des  Gallienus  die  Stelle   der 
alten  porta  Esquilina:  die  durch  sie  führende  Strasse  so  wie 

scheint  auch  er  in  denselben  Fehler  za  verfallen.  S.  §  4.  —  lieber  das 
Gebäude  mit  Wandgemälden  ausführlich  Bergan  und  Finder  Ann.  1863, 
256  ff.,  Köhler  das.  450  f.  und  genauer  Visconti  im  Bull.  mun.  3,  226  ff. 
T.  XXII.  XXIII.  Ueber  die  Strasse  ausserhalb  'des  Walls  besonders 
Lanciani  Bull.  mun.  1,  244.     Vgl.  §  4. 

^)  Lanciani  Bull.  2,  200,  woselbst  zwei  Durchschnitte  abgebil- 
det sind. 

>^)  o  ^  Lanciani  Bull.  2,  201  f.  Die  mir  von  Hans  Droysen  Hermes 
10,  461  f.  darüber  gemachten  Mittheiluogen  beziehen  sich  wesentlich 
auf  die  Steinmetzzeichen  (§  4),  ergänzen  aber  jene:  Dicke  der  Mauer 
4  M.,  Blöcke  1,  10  —  1,  48  X  0,  53—0,  56. 

^)  o  6    Ich  habe  mir  darüber  leider  nichts  genauerea  notirt 


§  3.]  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.    ''  221 

Tor  dem  Thor  Grabdenkmäler  des  7.  Jahrhunderts  zu  beiden 
Seiten  derselben  sind  gefunden  worden'^). 

Bestimmt  sind  bereits  die  beiden   nach    den  ausdrück- 
lichen  Zeugnissen   der  Alten  den  Wall  begrenzenden  Thore, 
die  Collina  und  die  Esquilina.    Als  strategische  Grenzpunkte 
des  Walls  werden  sie  auch  in  der  Geschichte  der  Erstürmung 
Roms  im  J.  666  genannt  ^^).  Es  ist  begreiflich,  dass  neben  dem 
gewiss   ursprünglichen  Namen   Collina  auch  Quirinalis   vor- 
kommt,  schwerlich   aber  ist   der  ebenfalls  damit  identische 
Name   Agonemis  jemals  in  der  Volkssprache  üblich  gewesen 
(oben  §  2  A.  45).     Zur   Bestätigung  des  über  die  Lage  der 
ColUna  gesagten  dient  es,  dass  die  Axe  der  durch  das  Thor 
führenden  Pflasterstrasse   in   ihrer  Verlängerung   genau   die 
Mitte  der  später  geschlossenen  porta  Nomentana  der  aurelia- 
nischen  Mauer  trifft  und  dass  auch  in  der  Mitte  zwischen 
beiden  Thoren  in  der  Via  Castelfidardo  auf  derselben  Linie, 
80  M.    südlich    der    Axe    der    Strasse    Venti  Settembre  die 
Reste  derselben  Strasse,  der  via  Nomentana  gefunden  worden 
sind.    Aus  demselben  Thor  aber  lief  eine  zweite  Strasse  nach 
Norden  die  via  Salaria,  in  der  Richtung  der  Via  del  Macao 
längs  deren  Ostseite  vier  Gräber  gefunden  worden  sind:  das 
eine  derselben,  das  Grab  eines  Jünglings,  steht  bereits  ausser- 
halb der  porta  Salaria,  welche  in  der  aurelianischen  Mauer 
der  Collina  an  dieser  Seite  entsprach  ^^).    Endlich  stimmt  es  zu 


>^)  Lage  am  genauesten  mit  den  letzten  Entdeckungen:  Lanciani 
Bull.  mun.  3,  191  ff.  T.  XX. 

•«)  Bei  App.  Civ.  1,  58,  wo  Sulla  rag  AlaytvKvug  nvXag  (so  ist 
offenbar  für  rag  KoiXCag  zu  schreiben)  und  Pompejus  rägKoXXCvag  forcirt. 
Vgl.  Florus  2,  9,  6. 

8»)  Strabo  5,  3,  1  S.  228 :-  ij  ^aXa^ia  666g  .  .  dg  ijv  xal  ri  Nay 
fievravrj  avfintnTH  ano  x^ff  avti\g  nvXrjg  äq^ofAivri  tr^g  KolXivr\g, 
lieber  die  Reste  beider  Strassen  kurz  Lanciani  Ann.  S.  63  Bull.  mun. 
1,  253,  4,  166;  über  die  innerhalb  des  Thors  (beim  ministero  delle  fi- 
Danze)  gefundene ,  einen  Neubau  v.  J.  639  betreffende  Inschrift  Eph. 
epigr.  2,  199 ff.;  über  die  Gräber  C.  L.  Visconti,  U  sepolcro  di  Q.  Sul- 
picio  Massimo,  R.  1871.  Ueber  den  vicus  poriae  CoUinae  vgl.  §  4. 
Tempel  des  Honos.:  Gic.  de  legg.  2,  23,  58,  die  Inschrift  (Henzen  Bull. 


222  THEIL  I. 

der  Lage  des  Thors,  dass  in  unmittelbarer  Nähe  desselben 
vor  kurzem  eine  alte  Dedication  an  den  Honos  gefunden 
worden  ist,  dessen  Tempel  extra  portain  Collinam  von  Cicero 
erwähnt  wird  und  dass  Vespasian  die  Stellung  der  ^Vitellianer 
in  den  sallustischen  Gärten  umgeht  indem  er  das  coUinische 
Thor  einnimmt.  Ein  vicus  portae  Collinae  wird  in  der  3.  Re- 
gion genannt  —  Dass  der  Ehrenbogen  des  Gallienus  die 
Stelle  der  alten  Esquilina  einnimmt,  ist  jetzt  ebenfalls  ausser 
Zweifel.  Nach  Strabos  ausdrucklichem  Zeugniss  führten  aus 
dem  esquilinischen  Thor  die  via  Praenestina  und  Labicana 
heraus  und  auch  die  Tiburtina  kann  nur  aus  dieser,  nicht 
aus  der  porta  Viminalis  heraus  gefuhrt  haben.  Die  Art  ihrer 
Verzweigung  und  ihr  Verhältniss  zu  den  Thoren  der  aurelia- 
nischen  Mauer,  der  Praenestina -Labicana  (p.  Maggiore)  und 
Tiburtina  (p.  S.  Lorenzo)  hat  aber  Schwierigkeiten,  welche 
noch  dadurch  erhöht  werden,  dass  die  Anlage  des  Macellum 
Litnae^  wie  die  neuesten  Funde  gezeigt  haben,  zur  Verän- 
derung des  Strassenlaufs  gefuhrt  haben.  Es  muss  diese  Frage 
im  §  6  wieder  aufgenommen  werden*^).  Die  porta  Viminalis 
endlich,  welche  Strabo  in  'die  Mitte  des  Walls \  natürlich 
ohne  den  Anspruch  mathematischer  Genauigkeit,  versetzt, 
wird  sonst  nur  noch  in  Verbindung  mit  dem  colUs  Viminalis 
und  mit  den  drei  Wasserleitungen  Marcia  Tepiüa  lulia,  welche 
hier  geendet  haben  sollen,  genannt.  Die  Auffindung  des  Laufes 
derselben  in  unmittelbarer  Nähe  des  jetzigen  Bahnhofs ,  sowie 
der  Reste  einer  Strasse,  welche  in  gerader  Richtung  von 
der  Porta  chiusa  der  aurelianischen  Mauer  auf  dem  Monte 
della  Giustizia  jenseits  weiter  auf  die  Nordecke  des  Bahn- 
hofs und  längs  der  offenbar  n^cb  ihr  orientirten  dreieckigen 
(jetzt   zerstörten)   Piscina    der  Diocletiansthermen   weiterlief. 


d.  i.  1873,  89  ff.)  35  M.  vom  Wall  in  via  del  Macao  gefunden.   Kampf 
des  Vespasian:  Tacitns  Bist.  3,  82,  erläntert  Bd.  2,  123  f. 

*^)  Strabo  5,  3,  9,  S.  237:  rj  Aaßixavri  aQ^of^ivri  filv  ano  Trjg 
^HaxvXivrjg  nvXrjg  a(p*  ris  xal  r  Ilqaivsaxlvri  u.  s,  w.,  s.  Lanciani 
BaU.  mun.  2,  43  ff.  3,  305,  wodurch  seine  frühere  Besprechung  Ann.  S. 
66  ff.  antiquirt  ist. 


I 
§  3.]  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  223 

Hessen  das  Thor  mit  Sicherheit  nördlich  vom  Monte  di 
Giustizia,  gegenüber  dem  östlichen  Hauptportal  des  jetzigen 
Bahnhofs  yermuthen.  Die  jüngsten  Zerstörungsarbeiten  schei- 
nen dies  bestätigt  zu  h^ben.  Auch  stimmt  dazu  die  muth- 
maassliche  Lage  der  3.  Cohorte  der  Vigiles  (§  5  A,  11)  und 
die  Nähe  des  über  der  aus  dem  Thor  hinausführenden  Strasse 
errichteten  ßogens  des  Gordianus.  Die  weitere  Frage,  wie 
die  beschriebene  Strasse  hiess,  ist  §  6  zu  erörtern.  Vor 
dem  Thor  ist  der  campus  Viminalis  sub  aggere  zu  suchen, 
welchen  nur  die  JNotitia  R.  V.  nennt,  innerhalb  der  vicus 
Chilis  Viminalis '^^y     Ueber  die  grosse  Nekropole  s.  Th.  IL 

Von  dem  esquilinischen  Thor  herüber  nach  dem  Caelius 
ist  der  Lauf  der  Mauer  unsicher.  Dass  zunächst  die  ganze 
Ebene  östlich  der  Via  Merulana  und  die  Höhe  des  Lateran 
ausgeschlossen  blieb,  bedarf  heut  keines  Beweises  mehr^^).  Die 
Hauer  musste  auch  hier  an  dem  Hügelrande  des  Esquilin 
laufen.  Indessen  ist  das  auch  jetzt  noch  nicht  genügend 
untersuchte  Terrain  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  kaum 
erkennbar.    Den   nächsten  Rest  der  Mauer  glaubte  man  vor 

«)  Strabo  4,  3,  7,  S.  234  (s.  A.  26):  vno  fJiiatp  j(p  ;fai^«Tt 
t^Cti]  iail  nvXri  ofxwwfxog  rtß  Oinfiivdlt  X6<pfp.  Festns  sagt  nar, 
dass  bei  der  porta  Fiminalis  die  ara  lovü  Fiminei  (37(>)  and  extra 
portarn  V.  ein  sacellum  Naeniae  i^estanden  habe  ( 163 ) ,  Frontin  de 
aq.  1,  19,  die  drei  vereinigten  Leitungen  Julia  Tepula  Marcia  ad 
yimindleTn  usque   portam  deveniunt      Die  Lage  des  Thors  bestimmten 

I    nach    der    Richtung   der   Strasse    vermuthungsweise   schon    Becker  S. 

!  173  Lanciani  Ann.  S.  64,  vgl.  Rosa  ßuU.  d'.  inst.  1862,  132.  Ent- 
deckung des  Laufs  der  Wasserleitungen  und  ihres  Terminalcippen 
1869.  1874.  1876:  Visconti  BulL  d.  inst.  1869,  212  ff.  Lanciani  ßulL 
man.  2,  204  ff.:  der  SteUe  des  Thors:  4,  168  ff.,  T.  XVIIL  Ueber  die 
Wasserleitungen  s.  §  7,  über  den  Bogen  des  Gordian  Bull.  mun. 
1,  103.  234,  über  die  Reste  der  Strasse  innerhalb  des  Thors  das. 
1  f  232.  Die  Inschrift  mit  dem  JNamen  des  vicus  collis  FiminaUs 
pabl.  Bull.  mun.  1,  154  ist  nach  Lanciani  das.  2,  199  in  den  Trüm- 
mern eines  alten  Gebäudes  Ecke  via  principessa  Margherita  und  via 
Gioberti,   wie  es   scheint  nicht   am  alten  Fleck   gefunden  worden. 

^')  Schon  Piale  (A.  9)  hat  dies  richtig  erkannt.  Die  Entdeckungen 
der  Gräberstadt  und  der  Gärten  Östlich  der  via  Merulana  beweisen 
es  jetzt  unwiderleglich. 


224  THEIL  I. 

wenigen  Jahren  an  der  Via  Merulana  45  M.  südlich  der  Ein- 
munderung  der  Via  di  Sette  sale  zu  finden:  dies  muss  in- 
dessen ein  Irrthum  sein,  denn  unzweifelhaft  gehört  der  ser- 
vianischen  Mauer  (p)  ein  im  J.  1874  gefundenes  Stuck, 
welches  etwa  150  M.  südöstlich  von  jenem  und  ebenso  weit 
südlich  vom  Gallienusbogen  liegt.  Dieses  Stück,  bestehend 
aus  5  vollständig  erhaltenen  Schichten  gelblicher  TuiTblöcke» 
welche  mit  Steinmetzzeichen  genau  derselben  Art  wie  die 
Mauern  des  Walls  bedeckt  sind,  ist  unter  einem  Winkel  von 
etwa  68®  durchschnitten  durch  das  unter  dem  Namen 
'Auditorium  des  Haecenas'  berühmt  gewordene  Gebäude,  unci 
zwar  derart,  dass  dieses  zu  zwei  Dritteln  innerhalb  zu 
einem  Drittel  ausserhalb  zu  stehen  kam^^).  Die  Richtung  dieses 
Stücks  weicht  nun  freilich  auch  von  der  fast  genau  von  Sü- 
den nach  Norden  laufenden  Linie  der  kürzesten  Entfernung 
jenes  Gebäudes  und  des  Gallienusbogen  um  etwa  20®  östlich 
ab,  so  dass  man  sich  zwischen  beiden  Punkten  die  Mauer  in 
einer  nach  Osten  gewendeten  flachen  Curve  oder  einem  aus- 
springenden Winkel  denken  muss.  Allein  da  diese  Annahme 
mit  der  strategischen  Anlage  der  porta  Esquüina  in  bester 
Uebereinstimmung  (§  4),  das  beschriebene  Stück  sicher  ser- 


^')  p  Jenes  Stück  (von  mir  nicht  gesehen)  an  der  Via  Mernlana 
'costruzione  di  opera  qaadrata  di  tufa  nascosta  dal  muro  di  recinto 
deir  örto  attigao,  la  quäle  presenta  tatti  i  contrasegni  comoni  agli 
altri  resti  delle  mura  primitive'  Lanc.  Ann.  S.  71,  Abbildung  T.  n. 
7.  Nach  der  Rekapitulation  seiner  früheren  Untersuchung  Bull.  mun. 
4,  29  zu  schliessen,  scheint  er  jetzt  selbst  das  Stück  aufgegeben  zu 
haben :  er  erwähnt  es  nicht,  rechnet  dagegen  hier  ein  Stück  Quader- 
mauer '  nella  vigna  che  forma  angolo  tra  le  yie  Labicana  e  Meru- 
lana' zur  Mauer,  welches  er  Ann.  S.  71  als  aus  'ein  oder  zwei 
Steinen',  bestehend ,  wie  mir  scheint  mit  Recht  ans  dem  Spiel  ge- 
lassen hatte.  —  Das  Stück  beim  Auditorium :  ungenügend  beschrieben 
und  abgebildet  bei  Vespigniani  Bull.  mun.  2,  141  T.  XI.  XII.  XIII. 
Dass  auf  der  Abbildung  T.  XII.  XIII.  Steinmetzzeichen  zu  sehen  seien, 
hatte  ich  zuerst  bemerkt  und  sie  dann  nach  Dr.  De  Boors  Mitthei- 
lung publicirt  Hermes  10,  126.  Die  Maasse  und  Schichtung  der  Blöcke 
sind  die  gewöhnlichen,  an  einer  Stelle  (der  äussersten  südlich)  sieht 
man  die  Mauer  auf  dem  Tuf  des  Hügels  aufliegen. 


§  3J  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  225 

Tianisch  ist,  so  wird  jenes  Stück  in  Via  Menilana  nicht  zur 
Stadtmauer  gehören.  —  £benso  wenig  gehören  dazu  die  grossen 
Quadermauern,  auf  denen  die  Unterkirche  von  S.  demente 
ruht**)  und  man  fmdet  eine  sichere  Spur  der  Mauer  über- 
haupt erst  wieder  auf  der  Höhe  der  Kirche  SS.  Quattro 
coronati,  in  deren  Unterbau  längs  der  gleichnamigen  Strasse 
man  bis  vpr  kurzem  einige  offenbar  derelben  gehörige  Blöcke, 
freilich  wohl  nicht  mehr  am  alten  Platz  sah  (q)**).  —  Von 
hier  bis  zu  der  Mauer  bei  porta  Capena  ist  bis  jetzt  kein 
Stück  der  Befestigung  zum  Vorschein  gekommen.  Indessen 
ruhen  wahrscheinlich  die  alten  Ziegelkonstruktionen  längs  der 
Villa  Mattei  auf  den  Resten  der  Mauer  und  es  kann  auch 
^egen  der  Regioneneintheilung  nicht  gezweifelt  werden,  dass 
die  Mauer  sich  am  Rande  des  Hügels  hielt.  Zwischen  SS. 
Quattro  Coronati  und  der  Villa  Mattei  ist  die  Linie  unsicher  **'). 
Das  Hauptthor  am  Caelius  war  die  porta  Caelimontana, 
ja,  wie  der  Name  anzudeuten  scheint,  das  einzige.  Auf  die 
Nähe  des  Caelius  einerseits,  des  Esquilin  andrerseits  weisen 
die  Notizen  über  eine  porta  Querquetulana^"^).    Grosse  Strassen 


**)  Richtig  De  Rossi  BüU.  crist.  1870,  151  Lanciani  Ann.  S.  72: 
Dicht  Läufer-  und  Bindersystem ,  unzweifelhaft  spätrepublikanischen 
Ursprungs.     Vgl.   Th.  II. 

*^)  Q  Die  'wenigen  Steine'  in  der  Vigne  gegenüber  St.  Pietro 
c  Mareellino  (s.  A.  43)  —  von  mir  nicht  gesehen  —  beweisen  nichts. 
—  Unter  SS.  Quattro  schienen  mir  1872  verbaut  zu  sein  (sehr  zer- 
stört) :  untere  Lage  ein  langer  Block  0,70,  obere  ein  Binder  0,50  breit, 
Hohe  ungefähr  0,60.  1876  nicht  mehr  zu  finden.  Lanciani  Ann.  S. 
73  T.  n.  9. 

^)  Trotz  oft  wiederholten  Suchens  in  den  Vignen  zwischen  S.  Stefano 
und  S.  Gregorio  ist  es  Bergau  (Philol.  25,  646  ff.) ,  Lanciani  (Ann.  S. 
75)  und  mir  nicht  gelungen  einen  Stein  der  Mauer  zu  entdecken. 
Indessen  ist  die  Schuttanhäufung  unter  den  antiken  Ziegelsubstruk- 
tionen  von  Villa  Mattei  auf  denen  das  kultivirte  Gartenland  liegt 
sicher  gross  und  die  Mauerreste  können  sich  erst  in  erheblicher  Tiefe 
finden. 

*'')  Als  benachbart  der  EsquUina  erscheint  das  Thor  bei  Cicero 
in  Pis.  23,  55:  cum  eg^o  CaeUmontana  introüsse  (Pisonem)  dixissem, 
spofuione  me  ni  Esqidlina  introüset  homo  promptus  laeessmt  u.  s.  w. 

Jordan,  rOmiaehe  Topographie.    Li.  15 


226  THßlL  I. 

führten  in  alter  Zeit  nicht  nach  Süden:  wir  kennen  keine 
solche  ^wischen  der  Labicana  und  der  Latina.  Jedoch  be- 
weisen ein  von  Severus  und  Caracalla  wiederhergestellter  Bogen 
bei  dem  Hospital  des  Laterans,  im  12.  Jahrhundert  arcus  Basilis 
genannt,  und  Gräberfunde  in  derselben  Gegend  (campus  Cae- 
lemmtanus?),  dass  hier  vom  Colosseum  kommend  eine  Strasse 
hinausführte^^).  Ihr  muss  in  der  aurelianischen  Mauer  die 
porta  Asinaria  entsprochen  haben.  War  dies,  wie  es  in  der 
That  den  Anschein  hat,  der  Hauptaufgang  (ursprünglich  der 
einzige)  am  Caelius,  so  ist  die  porta  Caelimantima  in  der 
Senkung  unterhalb  St.  Quattro  coronati  zu  suchen  und  es 
würde   innerhalb    des  Thors    der   vicus   capitis  Äfricae   ent- 


(s.  porta  trvumphalis);  25,  61  (Piso  wird  redend  eing^eführt):  sie  redü 
{ex  Macedoniä)  ut  ad  portam  Esquilinam  Maoedonicam  lauream  cor- 
culcarim,  ipse  cum  kominibus  quindecim.  male  vestitis  ad  portam  Cae- 
limontanam,  ntiens  pervenerim.  Erwähnt  wird  sie  von  Liv.  35,  9,  3 
{fulmine  icta)  und  gemeint  ist  sie  vielleicht  von  dems.  2,  11  {CaM> 
monte  cohortes  edttcit),  aus  welcher  Stelle  nur  hervorgeht,  dass  sie 
zwischen  der  Naevia  am  Aventin  und  der  CoUina  lag.  —  Festns  S. 
261:  Querquetulanae  virae  putantur  si^ificari  nymphae  praesidentes 
querqueto  virescentij  quod  genus  indicant  ßdsse  intra  portam.  quae  ab 
eo  dicta  sit  Querquetularia.  Plin.  16,  37:  {vrbs)  sUvarum  dUtinguebatur 
insignibuSf  fagutali  love  ettamnunc  tibi  Uicus  fageus,  porta  Querque- 
tulana.  Der  Caelius  soll  ursprünglich  mons  Querquetulanus  geheissen 
haben  (Tac.  Ann.  4,  65).  —  Varro  5,  49  rechnet  den  lucus  fagutaUs 
zu  den  loca  viciniae  des  Esquilin  (Bd.  2,  601);  genau  aber  lässt  er 
sich  nicht  bestimmen  (bei  S.  Pietro  in  vinco]i?    Bd.  2,  253  f.) 

^)  Auf  den  arcus  Basilis  oder  lokannis  Basilii  (zuerst  erwähnt 
in  einer  Bulle  Innocenz  III  v.  1211,  noch  gesehen  von  Signoriü 
'ante  hospitale  s.  Angeli  prope  Lateranum ,  iuxta  formas  antiquas'), 
welcher  ein  Strassenbogen  der  arcus  Caelemjontani  war,  haben  zuerst 
De  Rossi  Le  prime  racc.  S.  28  ff.  Gorvisieri  Buonarotti  1S70,  178  f. 
aufmerksam  gemacht.  Vgl.  Lanc.  Ann.  S.  74.  Im  Mittelalter  führte  diese 
Strasse,  genannt  via  maior  (in  der  Prozessionsordnuog  Benedicts  S. 
143,  d.  h.  die  grosse  Strasse,  wie  pons  m,  Bd.  2,  331,  palatium 
und  templum  maius  das.  448,  porta  maior)  oder  sancta  (De  Rossi 
a.  0.  S.  30)  oder  Laleranensis  bei  S.  demente  und  an  der  Ostseite 
des  Colosseums  vorüber,  und  ist  vielleicht  die  Fortsetzung  der  alten 
via  saera  (Bd.  2,  448  f.  und  Th.  II).  lieber  die  Gräber  vgl.  Lan- 
ciani   Ann.   73. 


§  3.]  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  227 

sprechen  haben,  die  Qtierquetulana  aber  müsste  weiter  öst- 
lich gelegen  haben.  Indessen  muss  bemerkt  werden,  dass 
ein  zweiter  alter  Weg  auf  und  über  den  CaeUus  durch  den 
divus  Scauri,  den  Bogen  des  Dolabella,  die  Tiefe  zwischen 
S.  Stefano  rotondo  und  S.  M.  in  Navicella  und  die  perta 
Metrovia  der  aurelianischen  Mauer  bezeichnet  wird.  Es  bleibt 
dahingestellt,  ob  hier  ein  drittes  Thor  oder  gar  die  Caeli- 
montana  zu  suchen  ist'^^). 

Die  Tiefe  zwischen  dem  Caelius  und  S.  Balbina,  wo  wir 
die  Mauer  wiederfinden,  musste  befestigt  sein  und  hier  lag 
die  porta  Capena,  aus  welcher  die  'Königin  der  Strassen'  die 
via  Äppia  hinausführte.  Die  Zeugnisse  der  alten  Schriftsteller 
weisen  ihr  unzweideutig  ihren  Platz  am  Abhang  des  Caelius, 
ein   mittelalterliches   vor  dem   Septizonium   an^^).     Der  seit 


^)  Laue.  Ana.  S.  73  f.  meint  die  lieutige  V.  Labicaoa  mög«  eiJier 
alten   zu   diesem  Thor  führenden  Strasse   entsprechen. 

»>)  Richtig  bemerkt  von  Nibby  Mara  S.  ]78  f.,  dann  von  Fiale  Porte 
merid.  S.  11;  zuletzt  Lanc.  Ann.  S.  76  der  auf  Vacca  mem.  119  aofmerk- 
sam  macht.  Vgl.  Bull.  mun.  4,  170.  Den  Namen  der  porta  Ferentma, 
entstanden  aus  der  falschen  Lesart  inl  rrjs  'Pe^evtivrjg  nvXtis  (1.  vXtji) 
bei  Plut  Rom.  24,  hat  Becker  S.  177  beseitigt. 

<^*)  Den  Namen  (s.  §  4)  leitet  Servius  zu  Aen.  7,  697  von  der  vejen> 
tischen  Golonie  Capena  ab :  ttnde  et  porta  Capena  quae  iuxta  Camena^  est 
nomen  aceepit.  Es  ist  der  lucus  Camenarum  der  1.  Region,  welche 
von  dem  Thor  ihren  Namen  hat  und  ausserhalb  der  Mauer  lag  (danach 
auch  der  vicus  Camenarum  Bd.  2,  114  u.  Th.  II).  Genauer  Frontin  de 
aq.  1,  19:  Marcia  atUem  partim  mi  post  hortos  Paüantianos  in  rioum 
qiä  vocatur  Hercfulaneus  deicä.  ii  per  Cadium  ductus  ipsius  montis 
usibus  nihil  ut  inferior  subministrans  firätur  supra  portam  Cape- 
nam,  und  e.  5  (vgl.  22)  von  der  a.  Appia;  ihre  Leitung  laufe  proasime 
(?)  portam  Capenam.  Von  der  Leitung  der  Marcia  also  sagt  Martial 
3,  47:  Capena  grandi  qua  plmt  gutta ,  Juvenal  3,  11:  svbtUtit  ad 
veteres  areus  madidamque  Capenam ,  wozu  die  Scholien :  qua  supra 
eam  arcus  est  quem,  nunc  appettant  still antem.  Vgl.  A.  58.  Der 
Name  desselben  Thors  findet  sich  in  den  Märtyrerlegenden  und  daraus 
in  den  Mirabilien  c.  10  m.  Ausg.  (s.  Bd.  2,  380.  617 f.):  inius  portam 
{Appiam  oder  S.  Sebastiano)  areus  siillae  (=  arcus  stiUans)  ante  sep- 
temsoUum  (Septizonium;  schlechte  Hss.  stdlae,  stellans),  der  Katalog 
der  Bauten  Domitians  (Bd.  2 ,  32  n.  5)  lasst  ihn  portam  Capenam  neu- 

15* 


228  THEIL  I. 

den  Anfängen  der  Topographie  über  die  genauere  Bestim- 
mung des  Orts  geführte  Streit  wäre  nun  geschlichtet,  wäre 
es  richtig,  dass  die  Ausgrabungen  der  Jahre  1867  und  1871 
Reste  des  Thors  selbst  zu  Tage  gefördert  haben.  Dies  ist 
freilich  ein  Irrthum,  indessen  ist  die  Lösung  der  Frage  durch 
dieselben  erleichtert  worden.  Sie  haben  nehmlich  die  Reste 
der  Stadtmauer  zwischen  beiden  Hügeln,  auf  einer  die  heutige 
Via  dl  porta  S.  Sebastiano  rechtwinklig  schneidende,  vom 
Abhang  des  Caelius  in  der  Yigna  von  S.  Gregorio  bis  jenseits 
der  Strasse  gegen  den  Aventin  hinreichenden  graden  Linie 
leider  nur  Torübergehend  blosgelegt.  Der  Schnittpunkt  der 
Mauer  und  der  Strasse  liegt  auf  dieser  gemessen  1470  M. 
von  der  porta  S.  Sebastiano  entfernt  (r)'^^).     Angenommen 

baneD.  Dass  das  Thor  hoch  lag,  folgt  mit  grosser  Wahrscheialichkeit 
ans  Ovid  F.  6,  19:  (Marti)  quam  prospieit  ipsa  adpositum  tectae  porta 
Capena  viae,  lieber  diese  auch  im  Einsiedler  Itioerar  vorkommende 
via  tecia  Bd.  2,  353. 

BS)  Verwechslung  mit  der  porta  Appiai  s.  nnteo  §  5.  Seit  Auf- 
findung des  Meilensteins  sind  die  Differenzen  nicht  mehr  gross.  Unten 
A.  54. 

^^)  r  Erste  Ausgrabung  im  Sommer  1867,  zweite  1S71.  Verband- 
lungen  zwischen  Rosa  und  Parker  im  Institut:  Bull.  1868,  113.  1869, 
67  ff.  Bericht  und  Plan  von  Parker :  Archeologia  or  misc.  tracts  vol.  42 
(1869)  T.  ni  (verkleinert  Archeology  of  Rome,  Snppl.  to  the  first  vol.  1876, 
T.  X.  XI;  auch  vonMarre  ia  seinen  Stadtplan  1876  eingetragen).  Ausführ- 
licher F.  Gori  imBnonarotti  1872,  80ffv  woselbst  S.  83  über  die  erneute 
AusgrabuDg -von  1871  berichtet  wird.  —  De  Rossi  und  Lanciani  Augen- 
zeugen: Lanc.  Ann.  S.  79.  —  Die  Reste  bestanden  aus  Tufblöcken, 
an  4 — 5  Stellen  aufgedeckt  (Maasse  fehlen).  Nach  Lanciani  bestand  das 
angebliche  Thor  der  ersten  Ausgrabung  aus  eioer  'interruzione  delle 
mura  . .  insieme  ad  alcuni  poligoni  di  siliee',  was  doch  etwas  allgemein 
klingt  gegen  die  bestimmte  Behauptung  (Gori  S.  82)  die  Strasse  sei  in 
einer  Breite  von  3  M.  (im  Thor)  gefunden  worden.  Aber  freilich  thut 
man  gut  Goris  Zeugnisse  bei  Seite  zu  lassen.  Dass  die  'stipiti  di  traver- 
tino'  des  Thors  selbst  1871  gefunden  seien,  kann  in  dieser  Allgemein- 
heit auch  nichts  (a.  0.)  beweisen  noch  weniger  'ein  Ziegelstemper 
aus  Domitians  Zeit,  lieber  die  Wasserleitung  unten.  Die  Zeichnung 
bei  Parker  Arch.  T.  X  ist  ungenügend  und  wir  müssen  uns  begnügen 
die  Linie  der  Mauer  zu  kennen  bis  nochmalige  Nachgrabungen  das 
Richtige  erweisen. 


{  3.J  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  229 

nun,  dass  diejenigen  Trümmer  auf  dieser  Linie ,  welche  in 
der  Vigna  östlich  der  Strasse  gefunden  wurden,  wirklich 
zu  dem  Thor  gehörten,  so  wurde  die  Lage  desselben  um 
ein  geringes  von  der  anderweitig  zu  ermittelnden  Lage  ab- 
deichen. Da  nehmlich  der  erste  Meilenstein  der  Via  Appia^ 
wie  behauptet  wird,  an  seinem  ursprünglichen  Standort  in 
Yigna  Nari  vor  porta  S.  Sebastiano  gefunden  worden  ist,  so 
müsste  das  Thor,  von  dem  aus  die  Meilen  zählten,  genau 
1  römische  Heile  von  jenem  Standort  zu  finden  sein.  Hierauf 
fussend  hat  namentlich  Canina  berechnet,  dass  das  Thor  un- 
gefähr in  nächster  Nähe  der  Einmündung  der  Via  di  S.  Bai- 
bina  in  die  Via  Appia  über  dieser  gestanden  habe*^^),  d.  h. 
etwa  105  M.  südhch  der  gefundenen  Mauerlinie,  eine  Diffe- 
renz, die  auf  die  Länge  von  1481,75  M.  (so  rechnet  Ca- 
nina die  Meile)  nicht  so  gross  ist,  dass  sie  nicht  aus  den 
etwaigen  Abweichungen  der  alten  Via  Appia  von  der  heutigen 
allenfalls  erklärt  werden  könnte.  Freilich  ist  nun  die  Voraus- 
setzung Caninas,  dass  die  alte  und  die  heutige  Appia  sich 
decken,  wie  namentlich  Rosa  gezeigt  hat,  falsch:  die  alte 
lief  bereits  von  den  Scipionengräbern  an  östlich  der  heutigen 
in  grader  Richtung  auf  die  Höhe  von  S.  Gregorio  zu'^'^). 
Wenn  nun  in  Folge  dessen  das  Thor  nicht  in  die  Tiefe, 
sondern  auf  halbe  Höhe  des  Caelius  zu  setzen  ist^^),  so  än- 


^)  Von  älteren  kamen  der  riclitig^en  Annahme  sehr  nahe  Fabretti 
de  aqais  1^  12  und  Fiale  Porte  meridionali  S.  13  ff.  Genauer  Canina 
Via  Appia  S.  36  Annali  1853,  134f.  und  sonst.  Der  Abstand  von  Vigna 
Nari  von  porta  S.  Sebastiano  wird  auf  114,  18  M.  angegeben. 

^)  Rosa  hat  dies  oft  genug  mündlich  erläutert  (ich  habe  es  1861 
gehört),  dann  im  fiull.  1868  a.  0.  Daher  Lanciani  Ann.  u*  a.  Haupt- 
beweise: 1)  in  dem  Garten  von  S.  Sisto  vecchio  haben  sich  zu  Ficoronis 
Zeit  und  im  Garten  von  Guidi,  welcher  anstösst,  im  J.  1855  4  M.  tief 
die  Reste  der  alten  Appia  gefunden ;  Gräber  längs  der  Strasse  sah  Fi- 
coroni;  2)  unmittelbar  unter  dem  Abhang  des  Caelius  fand  man  1851 
Gräber  längs  der  alten  ^Strasse  die  in  der  Richtung  auf  S.  Gregorio  zu- 
lief.   Rosa  war  Augenzeuge. 

^)  Was  es  heissen  soll,  wenn  Bergau  das  Thor  selbst  'unterhalb 
der  Futtermaner  von  Vigna  Mattei'  gefunden  haben  wiU  Philol.  25,  662 
verstehe  ich  nicht.    Ohne  Graben  war  und  ist  dort  nichts  zu  finden. 


230  THEIL  I. 

dert,  soviel  ich  sehen  kann,  dies  garnichts  an  der  Berechnung 
der  Entfernung.  Lässt  man  das  Thor  auf  der  gefundenen 
Linie  stehen,  so  bilden  die  alte  und  die  neue  Via  Appia  die 
Schenkel  eines  gleichschenkligen  Dreiecks,  dessen  Spitze  bei 
den  Scipioneogräbern  liegt,  dessen  kleine  Basis  die  Mauef 
zwischen  der  Via  Appia  und  dem  Caelius  ist.  Wollte  man 
aber  gar  annehmen  es  habe  nördlich  der  gefundenen  Maaer- 
linie  unter  S.  Gregorio  gestanden,  die  Mauer  habe  also  vom 
Thor  aus  zuerst  rechts  abbiegend  südwärts  ihren  Lauf  ge- 
nommen, dann  westlich  gewendet  und  in  grader  Linie  das 
Thal  überschritten,  so  würde  die  Differenz  des  Maasses  noch 
grösser  werden.  Da  die  Ausgrabungen  wieder  zugeschüttet 
sind,  so  ist  man  darauf  angewiesen  einfach  das,  wenn  auch 
nicht  sehr  bestimmt  lautende  Urtheil  der  Sachkundigen,  dass 
das  Thor  selbst  (s.  A.  53)  nicht  gefunden  worden  sei,  einstweilen 
anzunehmen.  Kann  nach  dem  Gesagten  es  sich  schwerlich  um 
eine  grössere  Differenz,  als  ein  geringes  mehr  östlich  oder 
westlich  auf  der  kurzen  Mauerlinie  zwischen  Via  S.  Sebastiano 
und  dem  CaeUus  handeln  und  müssen  wir  danach  jene 
Differenz  von  100  M.  wohl  oder  übel  irgendwie  erklären,  so 
bleibt  endlich  noch  eine  Bemerkung  zu  machen :  das  Septi- 
zonium,  welches  nach  einem  ausdrucklichen  und  werthyoUen 
Zeugniss  den  auf  der  Via  Appia  hereinkommenden  Lands- 
leuten des  Septimius  Severus  'entgegentreten  sollte' "^O»  muss 
demnach  wohl  mit  seiner  Hauptaxe  zu  der  porta  Capena  in 
Beziehung  gesetzt  worden  sein.  Ein  ebenfalls  nicht  zu  ver- 
achtendes mittelalterliches  Zeugniss  setzt  das  Thor  'vor 
das  Septizonium'  (oben  A.  51)  und  errichtet  man  auf  der 
Mitte  der  Front  des  bekannten  Grundrisses  des  Gebäudes  ein  Loth 
gegen  Süden,  so  trifft  dies  ebenfalls  fast  senkrecht  auf  die 
gefundene  Mauer  an  dem  Abhang  des  Hügels  da,  wohin  mit 
Wahrscheinlichkeit  der  Lauf  der  Via  Appia  geführt  werden 
muss.  —  Hier  also  endete  auch  zu  Frontins  Zeiten  über 
dem  Thore  die  aqua  Marcia,  später  scheint  sie  längs  und  auf 
der  Mauer  nach  dem  Aventin  weiter  geleitet  zu  sein.     Die 

^^)  Spartianos  Sev.  24:  s.  Forma  nrbis  S.  37  §  14. 


§  3.]  DIE  SERVIANISGHE  MAUER.  231 

aqua  Appia  dagegen  lief  sehr  nahe  dem  Thor  nach  dem 
Aventin  herüber^®). 

Wir  finden  die  Mauer  wieder  am  Abhang  des  sogenann- 
ten Aventin  zur  rechten  der  Strasse  nach  S.  Balbina  unter 
dem  zu  dieser  Kirche  gehörigen  Garten.  Ein  grosses  Stück, 
11  Lagen  hoch,  dient  hier  als  Futtermauer  des  steilen  Berg- 
abhangs (s).  Auf  der  gegenüberliegenden  Westseite  jenes 
Gartens  ist  im  J.  1859  ein  zweites  Stück  entdeckt,  wie  es 
scheint  aber  wieder  zerstört  worden  (t)'*').  In  den  Gärten 
des  Klosters  S.  Saba  und  den  angrenzenden  Vignen  sind,  sowohl 
auf  der  Ostseite  (s^),  wie  auf  der  Nordseite  des  Klosters  (am 
Abhang  längs  der  Via  di  porta  S.  Paolo,  t^)  Stücke  erhalten. 
Die  Mauer  scheint  also  von  S.  Balbina  nach  S.  Saba  über  den 
Bergrücken  und  dann  im  Thal  eine  Strecke  zurückgelaufen 
sein.  Auch  die  Aedicula  der  4.  Cohorte  der  Vigiles  hat  sich 
hier  gefunden****).    Jenseits  des  Thals  findet  sie  sich  wieder 


^)  Die  Stellen  des  Frontin  über  den  Lauf  der  Marcia  und  Appia 
A.  51.  lieber  die  von  Parker  gefundenen  Reste  einer  Leitung  sebr 
nnznverläs«iger  Bericht  von  Gori  Bnonar.  1872,  81  f.  Vgl.  Lanciani 
Ann.  78.  80.  ßall.  man.  2,  203,  nnten  §  7. 

^^)  m  Gesehen  aber  nicht  gemessen  von  Lanciani  Ann.  S.  80.  Schlechte 
Abbildung  bei  Parker  Arch.  1,2  Primit.  fortif.  T.  XX.  Identisch  mit  dem 
Stück  <near  the  church  of  S.  Balbina'  welches  Gell  Topogr.  2,  405  » 
2.  Aufl.  S.  494  abbildet:  Höhe  der  Lagen  1. 10'  engl.  F.,  Läufer  lang  5.  8'. 
Aber  er  zeichnet  nur  5  Lagen.  —  t  ^dove  un  lato  del  monistero  ri- 
guarda  verso  occidente'  C.  L.  Visconti  BuU.  d.  i.  1859,  11,  'visibile 
anch'  ora  sulla  metä  circa  del  lato  occidentale  del  monastero  ora  reclu- 
sorio  pei  gioyani  detenuti'  Lanc.  Ann.  S.  80:  von  mir  nicht  gesehen. 

^)  (m^)  Ostseite  von  Saba?  'nella  vigna  Cardoni  presse  il  muro  di 
cinta  che  la  divide  dal?  orto  del  monastero  di  S.  Saba'  Visconti  Bull. 
1859,  17.  Jetzt  zerstört  und  zum  Neubau  jener  Mauer  verwendet. 
Lanc.  Ann.  80.  —  (t^)  Znerst  bemerkt  von  Braun  Ann.  1855,  91:  in 
Vigna  Branciaforte  gegenüber  der  Vigna  Torlooia  haben  sich  in  dem 
noch  erhaltenen  Gusswerk,  welches  den  Raum  zwischen  Mauer  und 
Hügel  füllte,  die  deutlichen  Spuren  von  mindestens  7  Lagen  der 
später  weggebrochenen  Quadern  erhalten:  drei  Binder  gemessen  zu 
ungefähr  0^55  X  0,55  (1867).  Die  Gesammthöhe  giebt  Lanc.  auf 
12,20  an.  Auch  von  Bergan  beschrieben  Philol.  a.  0.  645.  Im  Som- 
mer 1870  sollen  7  Lagen  erhaltener  Blöcke   durch  Parker    anter 


232  THEIL  1. 

am  Südabhang  der  Yigna  Torlonia  (früher  Maccarani). 
stützt  das  grosse  etwa  noch  25  Lagen  hohe  Stück  (a)  wieder 
den  Bergabhang.  Die  Maasse  und  Schichtungsweise  sind  die 
gewöhnlichen,  aber  von  den  übrigen  alten  Stücken  unter- 
scheidet sich  dieses  durch  seinen  scharf  ausgebildeten  Rustika- 
schnitt. Ferner  ist  in  die  obersten  5  Lagen  ein  Restau- 
rationsbau eingesetzt.  Derselbe  besteht  aus  einem  mächtigen 
Rundbogen  aus  Quadern  von  2,50  Höhe  im  Lichten.  Zum 
Behuf  der  Einfügung  dieses  Bogens  hat  man  ein  grösseres 
Stück  des  alten  Baus  zerstört  und  dann  die  Lücken  zu  beiden 
Seiten  desselben  mit  kleineren  Blöcken  (z.  Theil  0,43,  z. 
Theil  0,25 — 0,30  hoch)  ausgefüllt.  Bei  dem  Neubau  ist 
Mörtel  verwendet.  Der  Bogen  scheint  zur  Entwässerung 
des  dahinterliegenden  Terrains  gedient  zu  haben.  —  Schon 
40  Schritt  weiter  (in  derselben  Vigna)  in  nordwestlicher 
Richtung  ündet  man  ebenfalls  am  Hügelrande  ein  kleineres 
Stück,  welches  bis  zu  11  Lagen  blosgelegt  ist  (v)*^),  weiter 
längs  der  Yia  della  Marmorata  an  dem  Bogen  S.  Lazaro 
wenige  Steine  (x)®^),  welche  auf  dem  Tuff  des  Hügels  auf- 
liegen, endlich  unter  S.  Sabina  gegenüber  dem  Flussufer  ein 


den  beschriebenen  gefanden  worden  sein  (Lanc.  Ann.  81),  wonach 
wir  das  ursprüngliche  Niveau  der  Strasse  Piscina  publica  auf  höchstens 
21 — 4  =  17  M.  über  dem  Meer  (s.  oben  S.  133)  schätzen  können.  — 
Ueber  die  Cohorte  der  Vigiles  Lanc.  80.  Ich  hatte  sie  schon  im  Jahre 
1867  gesehen. 

«)  (u)  Pittoreske  Abbildung  Mon.  dell'  inst.  1855  T.  XXI— XXV  mit 
Brauns  Erläuterung  (==  Reber  Ru.  443).  Exakter  Lanc.  T.  n.  11,  aber 
noch  immer  nicht  genügend.  Die  oben  gegebenen  Maasse  des  neuen 
Stücks,  auf  welches  mich  zuerst  Hr.  R.  Schöne  aufmerksam  machte 
(Hermes  2,409),  ebenfalls  nicht  ausreichend  (1876).  Höhe  des  Bogens 
nach  Lanciani  Bull.  mun.  4, 37.  Auf  den  Rustikaschnitt  der  alten 
Blöcke  (ich  maass  Höhen  0,53  —  0,56,  Längen  1,25—1,58)  scheint 
niemand  geachtet  zu  haben.  Den  Zwischenraum  zwischen  der  Mauer 
und  den  Hügel  füllte  'opera  a  sacco'  (Lanc.  a.  0.  Ueber  die  die  Mauer 
hier  berührenden,  zum  Theil  durchbrechenden  kaiserlichen  Bauten  ders. 
BuU.  d'i.  1870,  55  ff.)  —  Auch  das  kleine  Stück  erwähnt  Lanc.  S.  82. 

'')  W  Von  der  Strasse  aus  erkennbar.     4  Lagen.  Lanc.  S.  82. 


I  3.]  DIE  SERVliVNISCHE  MAUER.  233 

grösseres  Stück  derselben  Art  (y)®*).  —  Die  Mauer  folgte 
also  nördlich  der  Einsattelung  zwischen  S.  Saba  und  Vigna 
Torlonia  dem  Rande  des  Berges  zwischen  sich  und  dem  Fluss 
eine  Strasse  offen  lassend,  welche  ein  Thor  voraussetzt. 

Die  Bestimmung  der  Thöre  zwischen  der  porta  Capma 
und  dem  Fluss  hängt  Ton  der  Bestimmung  der  Strassen  ab. 
Wir  wissen,  dass  es  deren  drei  gab:  die  Ostimsis,  von  wel- 
cher sich  die  Laurentina  abzweigte,  zunächst  dem  Fluss, 
dann  die  Lavmatis,  endlich  die  Ardeatina^^).  Nur  für  die 
erste  wurde,  so  scheint  es,  in  der  aurelianischen  Mauer  ein 
Thor  bestimmt,  die  parta  Ostimsis  oder  S.  Paolo:  die  An- 
nahme, dass  auch  die  letzte  ein  solches  gehabt  habe,  ist 
mindestens  unsicher  (§  6).  Dies  erklärt  sich,  wie  schon 
ßd.  2,  233  gezeigt  wurde,  zur  Genüge  aus  der  Verödung  des 
Küstenstrichs  auf  dem  linken  Tiberufer.  Dass  die  Strasse 
nach  Ostia  durch  die  parta  Trigemina  am  Fluss  führte,  ist 
sicher  (unten),  die  Strasse  nach  Layinium  müssten  wir  dem- 
nach durch  das  Thor  in  der  Einsattelung  zwischen  S.  Saba 
und  Yigna  Torlonia  legen  und  es  bliebe  für  die  Strasse  nach 
Ardea  ein  noch  jetzt  vorhandener  Aufgang  an  der  Westecke 
der  Thermen  des  Caracalla.  Indessen  ist  gerade  der  Lauf 
jener  Strassen  unmittelbar  vor  der  Stadt  nicht  vollkommen 
klar.  Andrerseits  leuchtet  es  ein,  dass  eine  grosse  Verkehrs- 
ader das  Circusthal  und  die  innere  Stadt  mit  der  Vorstadt 
Piscina  publica  verbinden  musste  und  zu  einem  Hauptthor  in 
eben  jener  Einsenkung  Gavinatische  Strasse?)  führen.  Als 
ein  solches  Hauptthor  wird  uns  denn  in  der  That  die  porta 
Naevia  genannt,  welche  hier  mit  Sicherheit  anzunehmen  ist^^). 


^)  (x)  S.  Descemet  Sur  les  fouilles  executees  ä  S.  Sabina.  Paris 
1863.  4^^.  Gesehen  aber  nicht  gemessen.    Aach  nicht  Lanc.  A.  82. 

^)  S.  Rosa,  Ann.  1859,  186  ff. 

^)  Dies  schliesse  ich  daraus,  dass  während  die  Raudusculana  und 
Lavemalis  nur  von  Antiquaren  erwähnt  werden,  die  Naevia  als  frequen- 
tirtes  Thor  auch  sonst  vorkommt:  bei  Liyius  2,  11,  wo  sie  neben  der 
ColHna  und  Caelimontana  als  strategisch  wichtig  bezeichnet  wird; 
bei  Obseqnens  prod.  44:  urbs  lustrata  capra  cormbus  ardemtibus  per 
urbem  ducta  porta  Naevia  emissa  reUctaq^e;  man  jagte  sie  zu  den  lanii 


234  TfifEIL  I. 

Dieses  Thor  scheint  wie  der  gleichnamige  vicm  portae  Nae- 
viüB  zur  12.  Region  gehört  zu  haben,  zu  derselben  gehörte 
der  vicm  portae  Rttdmcvlcmae  und  wir  müssen  daher  die 
porta  Raudusculana,  welche  auch  sonst  mit  jener  zusammen 
genannt  wird,  wohl  auf  der  Linie  S.  Saba  bis  S.  Balbina 
suchen  (ardeatinische  Strasse?).  Indessen  bleibt  dann  für 
die  zwischen  ihr  und  der  Capena  zu  suchende  Lavernalü 
schwerüch  Platz.  Nicht  giuckUcher  sind  andere  Versuche  die 
drei  Thore  unterzubringen :  mir  scheint  ihre  Lage  einstweilen 
nicht  sicher  bestimmt  werden  zu  können  (vgl.  §  6)^*). 


pisdnenses  (s.  Th.  11)  welche  die  victimae  lieferten;  endlich,  wie  ich 
aus  der  Vergleichnng  mit  Obsequens  schliesse,  ohne  Namen  bei  Plautus 
Psend.  326  ff.  Worüber  Bd.  2,  106  f.     Vgl.  A.  66. 

••)  Leider  ist  Varro  5,  163  verstiimmelt:  . .  ligionem  Porcius  de- 
Signal  quom  de  Ennio  soribens  dicit  eum  coluüse  Tutämae  looa 
(Ennius  wohnte  auf  dem  Aventin:  Sueton.  reliq.  S.  24  Reiffersch.).  se- 
quitur  porta  Naetna,  quod  in  nemorihus  Naeviis  (naevius  die  Hs.)': 
etenim  loca,  ubi  ea,  sie  dicta.  dein  de  porta  Randusculana  {raudus- 
cula  die  Hs.;  s.  unten)  quod  aerata  fuit.  aes  raudus  dictum:  ex  eo  in 
veteribus  mancipiis  scriptum  ^  raudusculo  Ubram  fervto\  hine  Laver- 
nalü ab  ara  Lavemae  quod  ihi  ara  eins.  Wenn  Varro  hier  vom 
Aventin  ausgehend  lokale  Ordnung  einhält  so  sind  hierdurch  die  drei 
Thore  bestimmt.  Die  kapitolinische  Basis  nennt  in  der  12.  Region 
nebeneinander  (42.  43)  vico  portae  Rudusculanoje,  vico  porta  Naevia 
(so),  die  Reihenfolge  der  vici  scheint  hier  ebenso  wie  die  Grenzbe- 
Schreibung  der  12.  Region  in  der  Notitia  zu  nöthigen  beide  Thore  an 
die  Südwestseite  der  Region  zu  setzen  (Bd.  2,  107).  Ich  verstehe  daher 
nicht  Lanciani  Ann.  83,  welcher  schliesst:  Varro  beschreibe  die  Thore 
von  Osten  nach  Westen,  weil  die  genannten  vici  der  12.  Region  an> 
gehörten.  Und  deshalb  setzt  er  die  Naevia  nach  S.  Balbina,  die 
Raudusculana  nach  S.  Saba,  die  Lavernalis  in  die  Tiefe  unter  S.  Saba! 

—  Tomassetti  (Bull.  mnn.  4,  144)  scheint  von  der  Annahme  auszu- 
gehen dass  die  Lage  der  Naevia  bekannt  sei.  —  Für  die  Raudusculana 
(so  Fest.)  oder  Rodusculana  (so  Val.  Max.)  —  schwerlich  wie  bei  Varro 
überliefert  ist  rauduscula  —  giebt  Festus  Ausz.  275  neben  der  varro- 
nischen  Etymologie  (vgl.  265  aes  infectum  raudusculum)  eine  zweite 
quod  rudis  et  impolüa  Sit  relieta,  Valerius  Maximus  5,  6,  3  eine  dritte: 
sie  sei,  von  der  effigies  aerea  eines  Genucius  Gipus  benannt.  S.  §  4. 

—  Für  die  LavemaUs  die  Ableitung  von  der  Laverna  und  ihrem  lucus 
obscurus  auch  bei  Festus  117. 


§  3.]  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  235 

Bedeutender  als  alle  diese  Thore  aber  war  die  porta 
Trigemina.  Die  alten  Zeugnisse  versetzen  sie  an  den  Fuss 
des  Tom  fiyrum  boarium  auf  den  Ayentin  führenden  clivus 
Publicim,  wo  die  saHnae  waren,  d.  h.  die  Niederlagen  des 
aus  Ostia  durch  dieses  Thor  eingeführten  Salzes  und  bei 
dem  Endpunkt  der  aqua  Appia.  Diese  Angaben  fuhren  auf 
den  noch  heut  'Salara  vecchia'  benannten  Ort  unterhalb 
S.  Sabina.  Die  frühere  Annahme,  welche  das  Thor  und  jenen 
Clivus  an  die  Westecke  des  Aventin  beim  Priorat  von  Malta 
versetzte,  wird  durch  die  Entdeckung  der  Mauer  unter  S.  Sa- 
bina ausgeschlossen,  die  genauere  Bestimmung  aber  einstweilen 
noch  nicht  möglich^^).  lieber  die  Vorstadt  extra  portam  Ttige- 


^')  Der  Nam6  Trig^emina  (so  die  Inschr.  Or.  4210  Ubrarius  ab 
extr(a)  porta  Trigemina  Heoz.  5091  meÜar(ius)  a  port{a)  Trigem{ina)\ 
die  hs.  Lesart  iergemina  kommt  dagegen  nicht  in  Betracht)  kann  nur 
das  'dreifache  Thor'  bedenten,  vermathlich  also  ein  Thor  mit  einem 
Hanptdorehgang  über  der  via  nnd  zwei  Seiten dnrchgängen  über  den 
temitae  (doch  s.  §  4).  Umnöglich  ist  die  Erklärung  Piales  Delle  porte 
del'  Aventino  R.  (1824)  1S34  S.  13  »  tertia  gemina,  Ueber  die 
Lage  Frontin  de  aqais  1,  5:  ductus  (aquae  Appiae)  habet  longitudinem 
a  capite  usque  ad  SalinaSy  qui  locus  est  ad  portam  tergeminam  p.  XI 
CXC . .  incipit  distribui  imo  Publidi  clwo  ad  portam  Trigeminam» 
Solin  1,  8:  Caeus  habitavit  locum  cui  SaUnae  nomen  est  uhi  Trige- 
mina nunc  porta.  Endlieh  die  Geschichte  der  Flacht  des  G.  Gracchus, 
welche  Becker  S.  144  richtig  beurtheilt:  über  diese  ausführlicher  unten. 
Ueber  den  cHvus  vgl.  Th.  U.  Reste  der  Kanäle  der  aqua  Appia 
glaubt  Descemet  (Anuali  d.  J.  1857,  62  ff.  und  in  der  A.  63  ange- 
fdhrten  Abhaidlung)  unter  S.  Sabina  gefunden  zu  haben.  Hiernach 
nad  wegen  des  Mauerrests  IL  ist  die  Ansicht,  dass  das  Thor  an  der 
südwestl.  Ecke  des  Aventins  gelegen  habe  unhaltbar.  Richtig  setzen 
sie  Piale  a.  0.  Bunsen  1,  634  Canina  u.  A.  in  die  Nahe  des  arco  della 
Salara.  Nimmt  man  mit  Rosa  a.  0.  an,  dass  die  alte  via  Ostiensis  von 
der  Ecke  des  Aventin  zwischen  Fluss  und  Monte  testaccio  hindurch 
direkt  auf  die  Basilika  S.  Paolo  zulief,  so  würde  der  erste  Meilenstein 
wenig  diesseits  der  aurelianischen  Mauer  zu  stehen  kommen,  was  zu  den 
übrigen  Distanceu  passt.  —  Unterhalb  des  Priorats  von  Malta  sucht 
das  Thor  auch  Westphal,  Campagna  S.  3.  —  Zuletzt  hat  mir  Lanciani 
mitgetheilt,  dass  er  in  einem  Hause  bei  der  Salara  Reste  des  Thors 
selbst  entdeckt  zu  haben  glaube,  wovon  er  freilich  Bull.  mun.  4,169 
noch  nichts  sagt.  —  Auf  einem  jetzt  verlorenen  nur  in  einer  Zeichnung 


236  THEIL  L 

minam  s.  Th.  II,  nur  muss  gleich  hier  die  Vermuthung  aus- 
gesprochen werden,  dass  das  daselbst  stehende  Denkmal  des  i 
Minncius  Augurinm  vielleicht  zu  der  Benennung  einer   porta 
Minueia    Anlass    gegeben    hat  die    eben    die  trigemina    sein 
durfte  ®®). 

So  bleibt  uns  die  schwierige  Frage  nach  dem  Lauf  der 
Mauer  zwischen  der  porta  Trigemina  und  dem  Kapitol,  deren 
definitive  Entscheidung  wir  noch  erwarten  müssen,  ohne 
jedoch  im  mindesten  an  dem  AusfaU  derselben  zweifelhaft 
zu  sein. 

Eine  aligemeine  Erwägung  des  Systems  der  sogenannten 
servianischen  Befestigung  (§  4)  wird  bestätigen  was  Cicero 
klar  ausspricht,  dass  das  Princip  derselben  die  geschickte  Be- 
nutzung des  Terrains  war:  die  einen  weiten  Kreis  natürlicher 
Bastionen  bildenden  Hügel  durften  nur  in  den  kleinen 
Zwischenräumen  durch  kurze  Mauern  geschlossen  werden,  um 
eine  burgartige  Umwallung  der  Stadt  zu  bilden.  Eine  Aus- 
nahme bildeten  zunächst  nur  die  gegen  Osten  flach  verlau- 
fenden Abdachungen  des  Quirinal.  Diese  mussten  durch  ein 
grösseres  Werk  geschützt  werden,  das  die  naturlichen  Ver- 
theidigungsmittel  durch  künstliche  zu  ersetzen  hatte.  Eine 
zweite  grosse  Lücke  —  freilich  weniger  als  halb  so  gross 
wie  jene  —  klaffte  zwischen  Kapitol  und  Aventin:  allein  hier 
schützte  ja  der  breite  reissende  und  selbst  in  der  Zeit  des 
niedrigsten  Wasserstandes  strudelreiche  Fluss  und  am  rech- 
ten Ufer  befand  sich  die  Burg  auf  dem  Janiculum,  einen  er- 
sten Anprall  der  feindlichen  Südetrusker  auszuhalten  wohl 
geeignet  (s.  unten).     Ausdrücklich  wird  nun,  wenn  auch  nur 


des  36.  J.  erhalteDen  Relief  welches  ein  einbogiges  Thor  von  zwei 
runden  Thürmen  flankirt,  dahinter  einen  Tempel  darstellt,  will  der  Er- 
klärer des  16.  Jahrh.  die  porta  trigemina  und  den  T.  des  Hercules  er- 
kennen ;  mit  ihm  £.  Schulze  Arch.  Ztg.  1872,  58  ff.  Dass  seine  Er- 
klärung ungenügend  ist,  habe  ich  Jahresbericht  1875,  760  f  gezeigt. 

^)  Festus  122:  Minueia  porta  Romae  ed  dicta  ab  ara  Minutiqttem 
deum  putahant,  147 :  Minutia  porta  appellata  est  m  quod  proxima  est  sa- 
cdloMinum;  über  das  Denkmal  des  Minucius  MommsenMünzw.  541,  Th.  IL 


[§  3.]  DIE  SER VIANISCHE  MAUER.  237 

gelegentlich,  bezeugt  dass  ein  Theil  der  Stadt  durch  den 
Fhiss,  andere  Theile  durch  die  Mauern  gedeckt  waren 
und  dass  die  Stadt  gegen  den  Fluss  hin  keine 
Mauern  besass.  Mögen  dies  nun  die  beiden  Gewährs- 
männer Livius  und  Dionysios,  für  ihre  Zeit,  die  Zeit  des 
Augastus,  bezeugen  oder  aus  einem  und  demselben  Annali- 
«ten  ausschreiben  (sie  sprechen  von  Porsenas  Ueberfall)^®)  so 
sehe  ich  doch  keine  Möglichkeit  die  Glaubwürdigkeit  eines 
solchen  in  Rom  geschriebenen  klassischen  Zeugnisses  entwe- 
der geradezu  zu  bestreiten  oder  was  schlimmer  ist  zu  um- 
gehen durch  die  Annahme,  zwar  keine  Mauer  aber  doch  ir- 
gend eine  Art  von  Befestigung  habe  die  Stadt  gegen  den 
Fluss  hin  gehabt  ^^).  Wäre  dies  dennoch  möglich,  so  würde 
man  römische  Schriftsteller  der  augusteischen  oder  voraugu- 
steischen Zeit  mit  den  hallucinirenden  Scholiasten  des  5.  und 
6.  Jahrhunderts  auf  eine  Linie  stellen  welche  über  Namen 
die  sie  nicht  verstanden  und  über  Denkmäler  welche  sie  nur 
aus  Büchern  kannten  auf  gut  Glück  ihre  Einfälle  vorbringen 
(Einl-  §  2).  Wenn  wir  ferner  die  porta  Trigemina  richtig 
angesetzt  haben  und  bedenken  dass  dieselbe  den  Weg  ver- 
sperrte nach  einer  stromaufwärts  liegenden  Brücke  ^^)  so  ist 
damit  gesagt  dass  man  nicht  auf  einem  Streifen  Landes 
längs  des  Flusses  ausserhalb  der  Mauer  nach  dieser  Brücke 
gelangen  konnte.  Allein  es  ist  die  Frage  eine  wie  lange 
Strecke  des  Ufers  nördlich  dieses  Thors  unbefestigt  blieb? 
Auf  der  andern  Seite  steht  es  fest   dass  ein  Hauptthor, 


^)  lieber  die  Geschichte  des  Porsena  vgl.  den  Abschnitt  über  die 
Brücken.  Liv.  2, 10 :  alia  muris  alia  Tiberi  obiedo  videbantur  tuta,  Dionys. 
5,23:  atelx^atog  ovda  (^  noXie)  ^>f  f(ov  naqa  rov  nojafxbv  fiegiov 
QDd  ganz  ebenso  9,  68 :  xal  rd  fikv  Inl  Xoipoig  xeififva  xal  nixQaig 
unoTOfiois  vn  avtijg  (u/vQ(ofj,iva  rijg  (pvasiog  xal  oXiyrjg  S^ofxiva  (pv- 
Xoix^Sf  tä  dk  vno  tov  Tißiquog  xejeix'^afiiva  norafiov, 

70)  Becker  S.  143  führt  als  allenfalls  mögliche  Parallele  die  Be- 
festigung des  Flusses  durch  Aurelian  an.  Aber  niemand  sagt  oder 
könnte  sagen,  dass  Aurelian  die  Stadt  mit  Mauern  umgab,  dass  aber 
einen  Theil  derselben  der  Fluss  schütze. 

71)  Auch  hierüber  s.  den  Abschnitt  über  die  Brücken. 


238         .  THEIL  L 

die  porta  CarmentaliSj  unter  dem  Südabhang  des  Kapitols  stand 
wie  unter  dem  Nordabhang  die  Ratumena  und  dass  das  fo- 
rum holitoriwn  von  jeher  extra  partam  Carmentalem,  also 
ausserhalb  der  Stadtmauer,  lag  das  forum  boarium  dagegen 
intra  portam;  jenes  gehörte  der  9.,  dieses  der  11.  Regioa 
an^^).  Lage  und  Grenzen  beider  fora  sind  uns  bekannt 
Das  holitorium  bildete  ein  Rechteck  von  ungefähr  80  X  130  m. 
dessen  östliche  Langseite  ungefähr  vom  Arco  de'saponari 
bis  zur  Via  della  Consolazione  reichte,  derart  dass  ein  Theil 
der  Linie  mit  der  Westseite  des  Vicolo  della  bufala  zusam- 
menfällt. Das  boarium  reichte  nördlich  von  dem  areus  Cm- 
stantmi  (dem  sogenannten  Janus  Quadrifrons) ,  wo  es  die 
Grenze  der  8.  Region  berührte,  bis  an  ponte  rotto,  und  dehnte 
sich  südlich  bis  an  die  Front  des  Circus  aus.  Die  Hauer 
muss  demnach  zwischen  den  bezeichneten  Linien  gesucht 
werden  ^^).  Die  alten  Zeugnisse  über  die  Lage  ^ev  porta  Cor- 
mentalis  geben  einen  ziemlichen  Spielraum  auf  der  Linie  des 
südlichen  Abhanges  des  Kapitols  ^^). 

'')  Hauptstellen  über  die  Geschichte  der  g^rossen  Feuersbranst 
von  539  Livius  24,  47 :  solo  aequaia  omfua  tnter  SaUnas  (oben  A.  67) 
ac  portam  Capenam  cum  Aequimelio  iugarioqtui  vico,  in  templis  Fortunae 
ac  Matris  Matutae  et  Spei  extra  portam  late  vagatus  ignis  sacra  pro- 
fanaque  multa  absumpsit.  25,  7  (III  viri)  reficiendis  aedihus  Fortunae  et 
Matris  Matutae  intra  portam  Carmentalem  sed  et  Spei  extra  por- 
tam; dazu  ders.  33,  21 :  fomices  in  foro  boario  ante  Fortunae  aedan 
et  Matris  Matutae  und  21,62:  Spei  in  foro  koUtorio,  Da  wir  die  Lage 
des  forum  holitorium  kenueD,  so  ist  die  Frage  ob  die  erhaltenen 
Tempel  unter  S.  Nicola  in  carcere,  bei  ponte  rotto  und  S.  Maria  in 
Cosmedin  mit  den  von  Livius  genannten  zum  Theil  identisch  seien  von 
der  hier  behandelten  ganz  unabhängig. 

^^)  lieber  die  Lage  beider  fora  s.  Th.  IL  Am  genauesten  ist  die 
Lage  des  holitorium  durch  die  Auffindung  der  Umfassungsmauer  and 
des  Pflasters  bestimmt,  worüber  ich  einstweilen  auf  Fiale  Porte  dell' 
Aventino  S.  21  Nibby  R.  a.  1, 102  Lanciani  BulL  mun.  3, 173  verweise; 
die  des  boarium  bis  jetzt  nur  durch  Kombinationen.  Die  oben  ge- 
nannten Punkte  sind  sicher;  über  die  Grenzbeschreibung  der  hier  zn- 
sammentrefl^enden  9.  11.  8.  Region  s.  Bd.  2,  98  ff.  und  was  gleichzeitig 
Lanciani  Ann.  S.  48  bemerkt  (wo  er  indessen  ganz  irrig  die  aedes  Ma- 
tris deum  der  11.  Reg.  für  den  T.  der  Mater  Matuia  hält). 

^*)    Dionys.  1,  32:   ßtofAOvg  id'taadfjirjv  t^gvfi^vovg  KaQfAivti^  filv 


I  3.]  DIE  SERVIANISCHE  MAUER.  239 

Nähme  man  nun  an,  die  porta  CarmenUüis  habe  an  dem 
lordwestUchen  Abhang  des  Berges,  also  an  der  Nordostsecke 
es  Forum  gestanden,  so  müsste  sie  längs  desselben  südlich 
elaufen    und  dann  irgend   wo   ziemlich  im   rechten  Winkel 
echend   gegen  den  Fluss  /bis  oberhalb   ponte  rotto  gefuhrt 
^Verden  sein.     Da  für  einen  solchen  Lauf  weder  in  der  Ter- 
raingestaltung noch  sonst  ein  Grund  zu  finden  sein  möchte, 
so  werden    wir    das  Thor    an   die   Südwestecke   des  Berges 
pcken.    Yon  hier  aus  lässt  sich  eine  das  Forum  ausschliessende 
[grade  Linie  gegen  den  Fluss  ziehen,   welche  etwas  oberhalb 
ponte  rotto  denselben  treffen  würde.     Und   in  der  That  ist 
die  grade  Linie  an  sich  die  wahrscheinlichste  und  wird  ausser- 
dem noch   dadurch  wahrscheinlicher,   dass  (wie  §   1   gezeigt 
I  wurde)    vom  Kapitel  gegen   den  Fluss  hin   eine  jetzt  nicht 
I  mehr  deutlich  erkennbare  Terrainerhebung  strich,  welche  sich 
\  zur  Befestigung  eignete.     Nehmen    wir    an    dass   auf  dieser 


:  vno  T(^  xaXovfiiv(p  KanntoXlt^  naga  talg  KctQfievtiüi  nvXms-    Solin. 

I  1, 13:  pars  etiam  inßma  Capitolini  montis  habäaculum  Carmentae  fuit, 
vbi  Carmentis  mmc  fanum  est,  a  qua  Carmentali  portae  9iomen  datum, 
Voo  den  Sabineru  Livius  2,  49,  8 :  infelici  via  dextro  lano  portae  Car^ 

\  mentalis  profecti,  was  also  heissen  muss  'so  dass  der  Janustempel  zur 
Rechten  war'  (also   nicht  dextro  iano),  wenn  bei  Ovid   Fast.   2,201  f. 

^  richtig  gelesen  wird  Carmentis  portae  dextra  est  via  proxima  lano,  ire 
per  hanc  noU,  quisquis  es:  omen  habet  (Heinsius  und  ßecker  lesen  dex- 
tro e.  V.  p.  iano).  Mommsen  de  comitio  (Annali  dell'  J.  1845)  §  16 
vermuthet,  man  habe  die  porta  lanualis  mit  dem  dexter  ianus  der  p.  Cor- 
mentalis  verwechselt.  Die  Späteren  haben  gemeint,  die  Fabier  seien 
durch  diese  gezogen  und  es  sei  daher  porta  scelerata  genannt  worden: 
Festus  S.  334  Ausz.:  scelerata  porta  quae  et  Carmentalis  dicta 
^nd  S.  285:  relig^ioni  est  quibusdam  p«  Carmentali  egredi  et  in  aede 
laniy  quae  est  extra  eam  senatum  haberi^  quod  ea  egressi  sex  et  trecenti 
FabU  apud  Cremeram,  omnes  interfecti  sunt  cum  in  aede  lani  s.  c.  fac- 
tum esset  ut  proficiscerentur.  So  auch  Serv.  zu  Aen.  8,  337.  Ueber 
die  ganze  Geschichte  und  den  Tempel  des  Janus  m/oro  holitorio  einst- 
weilen Hermes  4,  334.  —  Das  Forum  und  das  Thor  werden  durch  den 
uomittelbar  unter  dem  Kapitol  laufenden  vicus  iug-arius  verbunden: 
Liv.  27^  37;  der  Ausdruck  por/a  Carmentalis  cum  /^equimelioLiv.  24,  47 
deutet  auf  die  unmittelbarste  IN ähe  des  letzteren  welches  unterhalb  derSub- 
straktiou  des  Kapitols,  hart  an  dem  Berge  lag  (Liv.  38, 28  oben  §  2  A.  72). 


240  THEIL  I. 


iim| 


Linie  nahe  dem  Fluss  ein  zweites  Thor  lag  das  durch  seim 
Namen  die  Nähe  desselben  bekundet,  die  Flumentana, 
stimmt  mit  dieser  Annahme  alles  uberein  was  uns  von 
Gegend  extra  portam  Flummtanam  berichtet  wird^^). 
drittes  hier  anzunehmen  verbietet  die  Kürze  der  Entfernu 
(kaum  200  M.)  fär  die  ursprungliche  Anlage  unbedin 
dass  in  späterer  Zeit  ein  drittes  angelegt  sei  ist  an  sich  m 
heb,  dass  es  aber  die  sogenannte  porta  triumphalis  nicht 
wesen  sei  halten  wir  trotz  wiederholter  entgegengesetzter 
hauptungen,  für  vollkommen  ausgemacht  '^).     Noch  unbegrei 


^^)  Festus  Ausz.  89:  Flumentana  porta  Romae  appellata  quod 
beris  partem  ea  (etwa  Tiberim  parte  ea?)  fluonsse  afprmant.  Dass  di^ 
die  uomittelbare  Nahe  des  Lopercal  bezeichae,  hat  Becker  mit  volU 
Recht  geleugnet:  die  Legeade  iiess  die  gaoze  Niederung  bis  zum  li 
percal  und  Velabrum  überflathet  seia  (§  1).  Die  Ueberschwemmai 
^  gen  extra  portam  Flumentanam  {frumentariam  nur  ein  cod.  Voss  Lij 
35,  9.  21) -sind  am  leichtesten  von  denen  im  unteren  Marsfelde  zu  vei 
stehen  (§1),  und  eben  dort  können  sehr  gut  eorum  aedißcia,  qui  hA 
bitant  extra  portam  Flumentanam  aut  in  AendLianü  —  nehmlich  el^ 
gante  Villen  im  Gegensatz  zu  den  rusticae  —  gelegen  haben:  Varij 
de  rr.  3,  2  vgl.  Cic.  ad  Att  7,  3,  9:  cum  portam  Flumentanam  Coeliä 
occupavit,  Marini  Arv.  254:  aurifex  extra  port{am)  Flument{anam 
Es  war  das  W^estende,  worüber  Th.  II.  —  Keine  Schwierigkeit  macl 
Livius  6,  20,  11  (Process  des  Manlius):  prodieta  die  in  Petdinum  U 
cum  extra  portam  Flumentanam  (frumentanam  Leid«  ],  fruTnentariai 
schlechte),  unde  conspectus  in  Capitolium  non  essety  conciUum  popuH  in 
dictum  est.  Wer  sagt  wie  weit  vor  dem  Thor  der  sonst  unbekannt 
Hain  war  ?  Auf  dem  Marsfeld  etwa  bei  pal.  di  Venezia  hatte  man  dai 
ganze  Kapitol  unmittelbar  vor  sicli,  in  der  Gegend  der  navaUa  z.  B 
am  Tiber  unter  Bäumen  nicht.  Daher  die  Alternative  Mommsens  Her 
mes  5,  252 :  entweder  sei  das  Thor  anderwärts  zu  suchen  (in  der  Näh« 
der  Trigemina,  wie  er  will,  ist  sie  nicht  unterzubringen)  oder  extra  p 
F.  sei  ein  schlechter  Zusatz  späterer  Annalisten,  zurückzuweisen.  Alh 
Erwähnungen  stimmen  zu  der  angegebenen  Lage.  —  Beckers  Zweifei 
an  der  Richtigkeit  des  Namens  erledigen  sich  durch  die  gegebenei 
Varianten. 

^>)  S.  §  6  und  das  Marsfeld.  Schon  hier  müssen  wir  aber  aus- 
drücklich hervorheben,  dass  die  einzige  Stelle,  welche  allenfalls  be- 
weisen kb'nnte,  dass  diese  porta  eine  solche  im  eigentlichen  Sinn  und 
nicht  ein  fomix  gewesen  sei,  Cicero  in  Pis.  25,  geradezu  witzlos  ist 


3.]  DIE  SBRVI ANISCHE  MAUER.  241 

eher  ist  es  wie  hier  ein  viertes  gestanden  haben  soll:  alle  Grunde 
it  denen  man  die  pwta  navalis  hier  unterbringen  will  fallen 
it  der  wie  es  scheint  un vertilgbaren  falschen  Navalientheorie^^). 
ndlich  ist  es  zwar  richtig  dass  die  Expansionskraft  der  Stadt 

[erade  nach  dieser  Seite  hin  sehr  leicht  zum  Niederreissen 
er  Mauer  gefuhrt  haben  kann  und  dass  wenig  Hoffnung  ist 

inen  Stein  derselben  wiederzufinden,  halten  aber  daran  fest 
ass  mindestens  die  Thor^  zur  Zeit  Ciceros  und  Caesars  noch 
rhalten  waren. 

Ist  an  diesen  Thatsachen  wenn  ich  nicht  irre  nichts  zu 
ndern,  so  ist  es  freilich  schwierig  damit  zu  vereinigen  was 
ir  über  die  Befestigung  des  rechten  Ufers  und  die  Verbin- 
ung  beider  Ufer  durch  die  ursprdnglich  eine  Brücke  wissen, 
enn  nach  der  §  7  zu  begründenden  wie  uns  scheint  allein 
öglichen  Auffassung  sind  beide  Ufer  bis  zum  J.  692  d.  St., 
h.   bis   in    die    Zeit,    in    welcher   die    Mauer    zu    ver- 

'|illen  begann,  nur  durch  eine  Brücke,  den  pom  sublicms 
erbunden  gewesen  und  diese  führte  über  die  Insel.  Sie  war 
Iso  ausser  Zusammenhang  mit  der  Mauer  auf  dem  linken  Ufer, 
ie  Gegner  jener  Brückentheorie  scheinen  diese  Konsequenz 
erselben  für  genügend  zu  halten  um  die  Theorie  zu  besei* 

ligen.  Man  braucht  nur  dagegen  zu  fragen:  1)  wie  bat  man 
nn  in  einer  Zeit  in  welcher  die  Angriffe  streitbarer  Völker 
och  immer  zu  erwarten  waren,  >^ie  Kriegswerft,  die  navalia^ 
eit  oben  im  Marsfeld  bauen  können?  Oder  soUen  diese 
twa  mit  der  Stadt  durch  Mauern  verbunden  gewesen  sein? 
)  Ist  denn  nicht  die  Befestigung  des  lamculum  ebenfalls 
usser  Verbindung'   mit  der  Stadt?   3)  Ist  denn  Athen  vor 


rtpeoD  maa  die  triumpkaUs^  Cselimontana  uod  EtquiUna  dpleichstellt,  ge- 

hweige    dass   die    Gleichstellung    nothwendig    sei,    wie  mit  anderen 

rn<«nciaiii  Ann.  S.  49  meint.    JXeuerdings  scheint  er  zu  meinen,  dass  die 

)eipom  forum  koUtorittm  in  der  Axe  desselben  südlich  bis  S.  Galla  fdh- 

ende  alte  Strasse  durch  jenes  Thor  gefuhrt  habe  Bull.  mua.  3,  173.  Das 

an  sein:  aber  das  Thor  stand  trotzdem  auf  dem  Marsfelde  (s.  Th.  If). 

^0  Nur    bei    Festns  erwhlint    Ausz.  179:  navalis  parta  a  vicinia 

um  diday  woraus  nicht  folgt,  dass  sie  ein  Sudtthor  war.    Ueber 

t  navaUa  s.  §  7. 

Jordan,  rOmiBohe  Topographie.    I.    1.  16 


242  THfilL  I. 

Erbauung  der  langen  Mauern  mit  seinen)  Hafen  nicht  in  der- 
selben Lage  gewesen  wie  Rom  mit  seiner  Brücke  und  seinem 
Brückenkopf?  —  Aber  selbst  zugegeben  jene  Theorie   wäre 
falsch  und  die  einzige  vorhandene  Brücke  (denn  daran   kann 
freilich  nicht  gezweifelt  werden)   führte  in  die  Stadt,  da 
wo  später  der  vermeintliche  pon$  Aernüim  (Ponte  rotte)  ge- 
baut wurde,  so  wird  damit  die  fortifikatorische  Frage  nur  un- 
wesentlich  verschoben.     Denn    nach    wie   vor   bleibt    diese 
Brücke  nun   ausser  Zusammenhang  mit  dem  hmeulum  auf 
dem  rechten  Ufer.     Ich  komme  mit  diesen  Sätzen   auf   die 
mit  Unrecht  bei  Seite  gelegte  Aufl'assung  Niebuhrs  zurück  ^*). 
Nichts  ist  sicherer  als  dass  ganz  im  Gegensatz   zu   der 
auf  ganz  anderen  Voraussetzungen  beruhenden  aurelianischen 
Befestigung  das  rechte  Ufer  bis  auf  die  einer  selbständigen 
Hügelburg  gleichen  iirx  laniculensis  gar  nicht  befestigt   war. 
Freilich  müssen  wir  hier  scheinbar  in  den  oben  (Einl.  S..55) 
gerügten  Fehler  verfallen  und  einem  ausdrücklichen  Zeugniss 
bester  Zeit,  dem  des.Livius,  widersprechen.    Ehe  man  indessen 
dasselbe  billigt  bedenke  man,  dass  die  älteste  Tradition   das 
laniculum  von  der  Geschichte  des  Synökismos  und  des  Mauer- 
baus der  Tarquinier  ausschliesst  (oben  S.  154.  )59..200  fl),  dass 
niemals  von  einem  Thor  auf  dem  rechten  Ufer  die  Rede  ist, 
dass  wenn  wir  eine  ^servianische'  Befestigung  des  laniculum 
analog  der  aurelianischen  annehmen  wollen,  wir  nach  der  Na- 
tur des  Terrains  und  der  durch  die  Mauern  der  Stadt  auf 
dem  linken  Ufer  gegebenen  Technik  nur  an  einen  Quaderbau 
denken  können,  der  mindestens  die  doppelte  Länge  des  esqui- 
hniscken  Walls  haben  müsste  (vgl.  A.  S2),  und  dass  mit  dieser 
Annahme  die  Thatsache  geradezu  unvereinbar  ist,  dass  sich  auf 
jenem  verhältnissmässig  wenig  durchfurchten  und  überbauten 


^^)  Niebnhr,  Rom.  G.  1,  439:  die  Ansichten  der  nieisten  fassen  «üf 
der  im  Text  besprocheneB  Livinsstelle.  Willkürliche  Annthmen  wie  die 
Piales  (Degli  ant  arsenali  S.  21  Del  seeoodo  recioto  di  Roma  S.  17) 
dass  die  porta  ?iavaUs  uad  fenetteüa,  Stadtthore  auf  dem  rechten  Ufer 
gewesen  seien,  bedürfen  keiner  Widerle^ang.  Lanciani  übergeht  das 
rechte  Ufer  mit  Stillschweig^en. 


§  3,]  DIE  SERVIANISGHE  MAUER.  243 

Boden  kein  Stein  derselben  erhalten  haben  sollte.  Lirius 
nun  sagt  folgendes:!  *auch  das  Janicnlum  wurde  hinzuge^ 
fügt'  (der  Stadt),  'nicht  aus  Mangel  an  Platz,  sondern  dass 
es  nicht  einmal  dem  Feinde  als  Burg  dienen  könnte.  Es 
beliebte  dasselbe  nicht  allein  durch  eine^  (oder  'die')  'Mauer 
sondern  auch  behufs  bequemer  Kommunikation  durch  die  erst 
damals  über  den  Tiber  gelegte  Holzbrücke  mit  der  Stadt  zu 
verbinden'.  Nach  unserer  Ansicht  über  die  Holzbrücke  frei- 
lich ist  die  Beweiskraft  der  Stelle  ohnehin  gelähmt:  denn 
auch  die  Brücke  war  mit  der  Stadt  nicht  in  fortißkatorischer 
Verbindung.  Aber  selbst  bei  der  Annahme,  dass  diese  Brücke 
in  die  Stadt  führte  zwingt  nichts  jene  'Mauer'  als  eine,  rich- 
tiger zwei  das  weit  entfernte  Janiculum  mit  dem  Fluss  ver*^ 
bindende  Mauern  aufzufassen.  Vielmehr  ist  es  sprachlich  ge- 
rechtfertigt jene  'Verbindung'  der  ursprünglich  fremdefi  Nie- 
derlassung mit  Rom  in  der  Befestigung  und  militärischen 
Besetzung  derselben  und  in  der  Anlage  des  Flussüberganges 
zu  sehen  ^^).  Und  dass  dies  richtig  ist,  das  ganze  Zeugniss  also 
sich  auf  eine  bei  Livius  nicht  ungewöhnliche  stilistische 
Schwäche  reducirt,  beweisen  die  aus  derselben  Quelle  stam- 
menden Worte  des  Dionys.  Ausser  dem  vermeintlichen 
Zeugniss  des  Livius  aber  giebt  es  kein  einziges  direktes  oder 
indirektes  für  das  Vorhandensein  einer  Verbindung  des  Jani- 
eulum  mit  dem  Fluss.  Weder  die  Geschichte  des  Angriffs  des 
Porsena  noch  die  sehr  breit  aber  wenig  klar  erzählte  Ge- 
schichte der  Einnahme  der  Stadt  durch  Marius  setzen  das- 
selbe voraus*®).    Doch  muss  ausdrücklich  hervorgehoben  wer- 


'^)  Livhis  1,  22:  Itmiculum  quoque  adieeium  non  inopia  locorum^ 
ied  ne  quando  ea  arx  h^stium  esset  i  MJ[  non  muro  scilum  sed  eliam 
ob  eammodäatem  ämeris  ponte  sübHcio  tum  primutn  in  Tiberi  facto 
eoniungi  urln  plaeuit,  Diony».  3,  45:  ire^x^^^  *^  xalovfievov  */ay/- 
tokov  •  •  xal  (pQov^ttv  taaviffv  iy  aifitp  xatiatijaiv, 

^^)  Dofis  der  Bericht  Appians  b.  e.  1,  67  ff.  über  iie  Binnabine  Roms 
durch  Marias  Cinaa  noA  Garbo  vorsichtig  zu  benutzea  sei,  mag;  er  auch 
Mg  Livius  entDommea  seio,  hat  auch  ßunsen  1,  622  bemerkt.  .Ciana 
W>crt  ipegeBÜber  der  p.  CoUina,  Marius  holt  aus  Etrnrien  Hilfstruppeu, 
worauf  alle  drei    ia%QajonäSivo>v  inl  tqv  nojafiQv  jpv    Tiß^^iog  ig 

16* 


244  THEIL  L 

deD,  dass  die  Araß  auf  dem  Kapitol  mit  der  Arx  des  Janicu- 
lum  vielleicht  schon  von  alten  Schriftstellern  einigemal  ver- 
wechselt worden  ist^^).  Dagegen  glaube  ich  zwei  indirekte 
Zeugnisse  gegen  die  Existenz  einer  Befestigung  des  rechten 


TQia  ^latQid-ivrig,  Ktwaic  fikv  xnl  KdgßtüV  avv  avx^  xtfi  nohti^ 
avTtx^v  (bei  p.  ColliDa  oder  traos  Tiberim?),  ^e^ioigiog  ök  vnkQ  rriv 
noXtv  uvoj  xal  Magiog  TtQog  t^  S-akdaay,  Der  Tiber  wird  über- 
brückt und  die  Zufuhr  abgeschnitten,  Ostia  erobert.  Daraof  beisst  es 
c.  68:  XXavJiov  Sk  ^Aitniov  x^^^^QX^  iHxoqwUtxovina  t9\£  'IHofitig 
Tov  Xofpop  tov  xttlovfJLtvov  'Ittvovxlov  IV  noTt  na^&vra  vtp*  iavjw 
j^g  avf^ialag  dva/AVriaag  6  Magiog  ig  triv  noUv  igijX&iv  vnaV" 
oiyd-ilOfig  aviifi  nvXrig  ntgl  £(o  xal  tov  KCvvav  eigeSi^aTo,  aJU' 
ovrofr  fAhv  avxlxa  i^etoa&tioav  *Oxtaovtov  xal  Hof^inrjCov  aifiaiv 
InidqafjLotTfov,  Erst  spater  rücken  Marins  ond  Tlie  Uebrigen  ohoe 
Schwertstreich  ein.  Vgl.  Livins  Epit  80;  Cinna  et  Marius  cum  Cor- 
hone  et  Sertorio  lanieulum  oppvgnaverimt  et  fugati  ab  Octavio  coH" 
fule  recetserunt  u.  s.  w.  Die  Einnahme  des  Janicalnm  erwähnen  korx 
Flor.  2,  9,  13  Plut.  Mar.  42,  2.  Also  zog  Marius  ungehindert  über  die 
Brücke  und  durch  die  Stadt  und  öffnete  das  collinische  Thor  von  innen? 
^*)  Es  ist  die  nur  bei  Dio  37,  27.  28  vorkommende  Nachricht,  dass 
von  Alters  her  während  der  Centuriatcomitien  auf  dem  Marsfelde  das 
vexiUum  auf  dem  Janiculum  aufgezogen  und  daselbst  eine  Wache  auf- 
gestellt worden  sei:  xal  ht  xai  vvv  oalag  tvixa  nomtau  Dies 
wäre  auffällig  und  könnte  für  eiue  engere  Verbindung  mit  der  Stadt 
geltend  gemacht  werden.  V^enn  nun  Livius  39,  15  sagt:  cum 
vexillo  in  arce  posito  comitiorum  causa  exercUus  eductus  esset 
und  30  Tage  lang  das  vexillum  russi  coloris  in  aree  aufge- 
pflanzt war  (Macrob.  S.  1,  16,  15,  Serv.  z.  A.  8,  1,  Festus  Ausz.  103 
u.  iusti  dies),  so  kann  in  diesen  Stellen  unmöglich  mit  dem  Worte  arx 
etwas  anderes  als  die  arx  (auf  dem  Kapitol)  bezeichnet  sein,  wie  dies 
auch  Lange  R.  A.  1,  410  richtig  erkannt  zu  haben  scheint:  das  Jaoi- 
culum  verstehen  darunter  Becker  S.  654,  Marquardt  2,  8,  90.  93.  Noch 
weniger  kann  (wie  letzterer  S.  74  meint)  das  ianiculnm  verstanden  wer- 
den ,  bei  Livius  4,  18:  dietäiore  arcem  Romanam  respectante  ..  ut 
ab  auffuribuSf  simuJL  aves  rite  admisissent,  ex  composito  toUeretur  Si- 
gnum, Also  Auspicien  auf  dem  Janicnlum?  Der  Dictator  steht  am  Zu- 
sammenfluss  des  Tiber  und  des  Anio ,  ungefähr  bei  Castel  Giubileo. 
Dort  wird,  soviel  ich  mich  erinnere,  der  Monte  Mario  durch  den 
Hügel  von  Antemnae  verdeckt,  rechts  von  diesem  ist  grade  noch  der 
Vatican  sichtbar.  Ob  freilich  eine  Fahne  auf  dem  Kapitol  sichtbar  sein 
konnte,  weiss  ich  nicht  anzugeben  (vgl.  das  Kapital).  (Inwahrschein- 
lieh  ist  es  mir.    Auch  vom  sogenannten  mons  sacer  beim  pons  Nomen- 


§  3.]  DIB  SERVIANISCHE  MAUER.  245 

Ufers  anführen  zu  können.  Einmal  wird  der  Umfang  der 
Mauern  Roms  dem  Athens  gleichgesetzt  und  auf  5%  Meilen 
angegeben.  Dies  passt  auf  die  Befestigung  des  linken  Ufers 
und  wurde  erheblich  durch  eine  Mauerlinie  auf  dem  rechten 
Ufer  überschritten  werden  **).  Zweitens  hat  noch  das  erweiterte 
Pomerium  der  Kaiserzeit  mit  dem  Fluss  abgeschnitten  (Ǥ  5), 
was  schwerlich  geschehen  vyäre  wenn  eine  Mauer  auf  dem 
rechten  Ufer  existirt  hätte. 

Schliesslich  erwähnen  wir  dass  auf  falschen  Lesarten 
beruhen  die  Namen  einer  porta  Ferentina  (oben  A.  50)  und  einer 
Metia,  auf  einer  Confusion  die  Collatina^^),  und  dass  die  X/J 
portae  (oben  A.  6,  Th.  II),  die  triumphalis  (oben  A.  76),  die 
navaUs  (A.  77),  die  Minucia  (A.  68),  piacularis,  catularia, 
fmestella^^)  keine  Stadtthore  waren,  um  anderer  Erfindungen 
älterer  Topographen  nicht  zu  gedenken. 

tanns  kann  man  von  der  ganzen  Stadt  nnr  die  zur  linken  eben  über 
die  Hügel  hervorragenden  Figuren  auf  dem  Lateran  sehen. 

«s)  Ueber  die  Vergleiehnpg  mit  Athen  A.  7.  Nibby  (Mura  S<  99) 
berechnete  den  Umfang  der  Mauer  auf  dem  linken  Ufer  auf  7845  Schritt 
=  39225  Fuss.  Allein  die  von  uns  beschriebene  Linie  wird  schwerlich 
die  Länge  von  2S700  F.  =»  5«^  r.  Meilen  erheblich  übersteigen.  Die 
Messung  ist  oft  wiederholt  worden.  Nun  beträgt  die  Entfernung  der 
porta  S.  Pancrazio  von  der  Inselbrücke  in  der  Luftlinie  rund  1300  M.: 
es  würden  also  schon  zwei  im  geringen  Abstände  von  einander  von  der 
Insel  direkt  nach  der  Höhe  des  Janiculum  geführte  Mauern  das  Maass  des 
Umfangs  um  2600  M.  =  7800  F.  ==  0>64  r.  Meile  erhöhen.  Dass  eine 
solche  Führung  der  Mauern  möglich  sei,  wird  niemand  annehmen :  eine 
weitere  Ausdehnung  aber,  welche  die  natürlichen  Terrainverhältnisse 
zur  Grundlage  haben  müsste,  würde  unbedingt  einen  Ueberschuss  von 
gegen  2  Miglien  ergeben. 

^)  Die  MeUa  oder  Maecia  ist  von  Ritschi  (1842)  Op.  2,  375  be- 
seitigt (falsche  LA  bei  Plautus  Cas.  2,  6  z.  A.  Pseud.  331):  natürlich 
ohne  Erfolg  für  Parker  u.  ä.  (s.  Bull.  d.  i.  1868,  113  Jahresber.  1875, 
1%).  —  Festns  Ausz.  S.  37  i  Collatia  oppidum  . .  .  a  qua  porta  Romae 
Coüatina:  aber  die  Strasse  nach  C.  fährt  ans  der  p.  Esquilina  heraus 
(Becker  179). 

^)  Die  piacularis  porta  (nur  bei  Festus  213)  offenbar  kein  Stadt- 
thor, die  Catulariä  nur  bei  dems.  45  schwerlich  ein  solches  (schon 
wegen  des  Namens:  anders  Mommsen  CIL  1  S.  392).  Ueber  die  fe- 
nettella  s.  Th.  IL 


§  4. 

DIE  TARQUINISCHEN  BAUTEN  UND  DIE  SERVIANISCHE 

STADT. 

*Die  Weisheit  der  Könige'  hatte  nach  der  richtigen  An- 
sicht der  Alten  die  Stadtmauer  rings  auf  steil  abfallenden 
Felsen  geführt  und  den  einzigen  von  der  Natur  nicht  be- 
wehrten Theil  der  Stadtgrenze  durch  Wall  und  Graben  ge- 
deckt (§  3  A.  26).  Diese  natürliche  Grundlage  der  Befesti- 
gung hatten  die  Quaternarwasser  geschaifen:  steil  abgerissen 
erhoben  sich  im  Norden  und  Süden  die  Hügelburgen  (oben 
S.  124),  aber  gegen  Osten  verlief  wellenförmig,  unberührt 
von  jenem  Anprall,  die  Hochebene.  Nur  an  ihrer  nördlich- 
sten dem  Tiber  zugewandten  Spitze  steigt  sie  jenseits  der 
Linie  des  Walb  von  der  porta  Collina  (etwa  69  V,  über  d. 
M.:  oben  S.  132)  nach  einer  muldenartigen  Senkung  noch 
einmal  bis  zu  gleicher  Höhe  (Monte  Parioli  70),  weiter  süd- 
lich senkt  sie  sich  allenthalben  ziemlich  gleichmSssig,  obwohl 
nicht  stark  (50  bis  30  M.  über  d.  M.),  in  einem  Bogen  von 
rund  2000  M.  Radius  bU  zu  dem  nächsten  in  westlicher 
Richtung  dem  Tiber  zueilenden  Wasserlauf,  dem  Anio  und 
seinen  von  Süden  her  kommenden  Zuflüssen.  Wir  werden 
sehen  wie  der  Wallbau  dieser  natürlichen  Terrainbildung  sich 
anschloss.  Dass  der  Plan  zu  einer  solchen  Befestigung  ein 
einheitlicher  war,  wird  schwerlich  geleugnet  werden.  Die 
Analyse  des  Baus  im  einzelnen  hat  nun  zunächst  festzustel- 
len, ob  wir  gezwungen  sind  die  Ausführung  auf  weit  aus 
einander  liegende  Zeiträume  auszudehnen,  ferner  ob  uns  die 
Trümmer  selbst  über  den  Erbauer  und  die  Zeit  des  Baus 
Aufschluss  geben. 


§  4.]     TARQÜINISCHE  BAUTEN  UiND  SERVIANISCHE  STADT.     247 

Die  über  die  Ebene  im  Norden  und  Süden  Ursprünge 
lieh  bis  za  zweihundert  Fuss  sich  erhebenden  TufhAgel 
sind  an  ihrer  Aussenseite  in  unersteigliche  Burgen  verwan- 
delt worden,  theils  indem  man  sie  bis  auf  halbe  Höhe  und 
mehr  kunstlich  zu  senkrechten  Felswänden  schnitt,  theils  in^ 
dem  man  den  zerrissenen  und  bröckelnden  Abhängen  dersel*- 
ben  einen  Mantel  von  Quadern  umlegte  ixäd  die  Zwischen^ 
räume  zwischen  diesem  und  dem  Berge  mit  Gusswerk  aus- 
fällte. Jene  Weise  ist  an  der  Nordseite  des  Kapitols,  wahr^ 
scheinlicb  auch  an  der  Nordseite  des  Quirinais  diese  am 
Aventin  zu  beiden  Seiten  des  Haupthors  (ta)  bemerkbar. 
Es  bedurfte  keines  Grabens  um  senkrechte  Wände  von  50 
und  mehr  Fuss  zu  schätzen,  aber  ohne  Zwdfel  hat  man  das 
Werk  gekrönt  durch  eine  rings  umlaufende  der  Besatzung 
als  Brustwehr  dienende  Mauer.  Es  sind  die  untern  Quader^ 
schichten  derselben  welche  wir  hie  und  da  auflagernd  auf 
einem  horizontalen  Einschnitt  in  den  Felsen  finden  (adv). 
Diese  Brustwehr  müssen  wir  uns  durchschnittlich  auf  ^/g  der 
Höhe  der  Berge  laufend  hinter  derselben  also  nothwendig 
einen  fireien  durch  jenen  Einschnitt  gesohalFenen  Raum  den* 
ken  ^).  Die  Dicke  der  den  Berg  stutzenden  Futtermauer  be- 
trug gegen  4  M.,  die  der  Brustwehr  hat  an  keiner  Stelle  mit 
Sicherheit  bestimmt  werden  können.  —  Die  passartigen  meist 
sehr  schmalen  Einsattelungen  zwischen  den  Hageln  bildeten 


^)  \gh  Lftociani  Bull.  muii.  1,  141:  'la  linea  della  fortificazione 
era  piaatala  su  d'una  risega  artificiale  delia  rupe  dne  a  terzi  cirea  dalk 
sua  altexza  . .  al  disotto  della  risega  la  rupe  era  scalpellata  vertical- 
meate  u.  a.  w.  mit  Beziehuns  auf  die  Befestiguns  des  Kapitols.  la 
ganz  ähnlicher  Weise  sind  z.  B.  die  Stadtmauern  von  Veji  (Caoina 
£lr.  mar.  T.  XXXVI  Text  1,  119),  von  Caere  (das«  T.  XLV,  1.  171) 
und  von  Ardea  behandelt,  lieber  letztere  s.  onten.  Das  von  oben 
nachstürzende  Terrain  hat  den  freien  Raum  freilich  meist  verdeckt, 
aber  die  Terrainformation  bei  C  scheint  ihn  noch  zv  zeigen.  —  Die 
Schätzung,  in  welcher  Höhe  des  Berges  die  Brustwehr  lief,  ist  natürlich 
wegen  der  Sohnttanhättfungen  vosicher;  sicher  bei  a.  —  Hierdurch  wird 
die  Ansicht  Caninas,  welcher  die  Mauer  auf  dem  obersten  Hügelrand 
aufsetzt  (Edifizi  T.  16  n.  sonst)  medificirt.  Unriehtig  Bergan  Philo!,  a< 
0.  S.  641  und  26,  82. 


248  THBIL  I. 

die  üatüriichen  Bettungen  fär  die  Anlage  der  Thore.  Wo  sie 
sich  tfaalarüg  erweiterten  und  tief  senkten,  mussten  sie  durch 
Mauern  verscbiossen  werden.  Bis  jetzt  haben  sich  die  Reste 
einer  solchen  Mauer  in  der  Ausdehnung  von  etwa  300  M. 
nur  bei  der  porta  Capena  gefunden.  Die  Bescfareibuag  der- 
selben -*-  sie  sind  jetzt  wieder  verschüttet  —  lässt  nicht  er- 
kennen, ob  wie  behauptet  worden  ist  (s.  unten)  die  Kon- 
struktion dieser  Mauer  der  des  agger  ähnlich  war,  ob  auch 
hier  Wall  und  Graben  die  Stadt  deckten.  Nur  dass  sie  in 
schnurgrader  Richtung  vom  Caelius  zum  Aventin  lirf  scheint 
sicher  zu  sein  ($  3  S.  228). 

Dass  nicht  der  Wall  allein,  von  dem  es  ausdrücklich  be- 
zeugt ist,  sondern  auch  die  auf  der  Höhe  der  Hügel  lauf^de 
Mauer  Thürme  besass,  darf  nach  den  Zeugnissen  über  alt- 
italische Städtemauern  und  deren  üeberresten  vermuthet  wer- 
den, ja  es  wird  dies  geradezu  durch  das  ausserordentliche 
Amt  der  Fünfinänner  '  zur  Wiederherstellung  der  Mauern  und 
Thürme'  —  doch  schwerlich  allein  des  Walls  —  bezeugt. 
Indessen  sind  Reste  derselben  ausser  am  Wall  (unten)  bis 
jetzt  nicht  gefunden  worden^).  —  Die  Brustwehr  wie  die 
Wallmauer  besass  unzweifelhaft  Zinnen  und  Scharten.  Es 
scheint  dass  man  ursprünglich  die  Brustwehren  selbst  projm- 
gnacula^  die  Zinnen  pinnae  genannt  hat.  Erhalten  haben  sie 
sich  nirgend^).  —  Die  Thore  waren,  so  weit  wir  sehen kön- 


s)  lieber  das  erwtÜiBte  Amt  s.  §  3  A.  4.  —  lieber  die  Thärme  alt- 
italischer Städte  vgl.  Promis  Alba  Fac.  135  ff.  Abeken,  Mittelitaliea 
S.  160  ff.  —  Zeugnisse  z.  B.  turrigerae  Antemnae  Virg.  A.  7,  631.  160. 
Serv.  zu  9,  350;  die  Inschrift  von  Aeclanum:  yorias  turreis  moirot 
ttareisque  aequas  quam  moiro  (CIL  1,  1230).  Wie  die  Römer  in 
der  Zeit  des  zweiten  punischen  Krieges  Thürme  bauten  zeigt  wohl  am 
sichersten  das  513  d.  St.  gebaute  Falerii  (S.  Maria  di  FaUeri),  wo  ein 
Thor  zwischen  zwei  je  11,60  entfernten  viereckigen  in  der  Front  5,50 
breiten  Thürmen  erhalten  ist  (Canina  Etr.  mar.  T.  X.  XI.  1,  69).  Vgl. 
unten. 

^)  Diese  Unterscheidung  habe  ich  ßd.  2,  168  vgl.  Hermes  2,  S5 
nadizuweisen  gesucht.  Das  Suffix  a-culum  deutet  auf  den  Ort,  wo 
mtiü  propug^mä.  Gebrauch:  Varro  5,  142.  Livius  23,  18,  9.  Tac.  Hist. 
2,  19.  3,  84  Veg.  4,  19.    Dazu  noch  Plautus  Bacch.  710:  ea  halHäa  si 


§  4]     TARQUINISCH£  BAUTEN  UND  S£RVIAN1SCH£  STADT.     249 

nen,  auf  den  Pässen  so  angelegt,  dass  sie  durch  die  zu  bei- 
den Seiten  vorspringenden  Uugel  flankirt  waren;  der  Auf- 
gang zu  ihnen  musste  von  der  vorliegenden  Ebene  aus  eine 
ziemlich  starke  Neigung  haben  (vgl.  Carmentalis,  Raiumma, 
Citpena^  Caelimontana),  Dass  sie  ausserdem  durch  Thärme 
gedeckt  waren,  beweist  zwar  nicht  die  alte  Abbildung  eines 
Stadtthores  (nach  einer  ganz  unsicheren  Vermuthung  die 
Trigemina  in  Rom),  folgt  aber  wenigstens  f£ür  die  Zeit  etwa 
der  punischen  Kriege  aus  der  seit  jener  Zeit  üblichen  Thor- 
konstruktion der  römischen  Colon.ien  und  darf  für  die  ur- 
sprüngliche Anlage  aus  der  Analogie  anderer  italischer  Städte 
geschlossen  werden^).  Das  einzige  Thor  dessen  Reste  bisher 
zum  Vorschein  gekommen  sind,  die  CoUina,  war,  so  weit  die 
ungenügende  Darstellung  der  jetzt  verschwundenen  Reste  ein 
Urtbeil  zulässt,  von  zwei  im  Grun'driss  rechteckigen  Thürmen 
flankirt ,  -  deren  Längsaxen  gegen  die  Aussenseite  der  Stadt 
um  ein  geringes  divergirten,  vermuthlich  weil  unmittelbar  vor 
dem  Thore  zwei  Strassen  sich  trennten.  Die  OeiTnung  des- 
selben nach  aussen  scheint  15  M.  betragen  zu  haben;  der 
ganze  Bau   aber  trug  die  Spuren  späterer  Restaurationen'^). 


perverlam  turrim  ei  propugnacuhj  Mil.  334:  deturbabo  tarn  ego  tUum 
de  pugnaeidis  (so  iat  überliefert;  das  Wort  wird  sonst  nur  noch  ans 
Ammian  21,  12, 18. belebt).  —  Die  pnmae  mttromm:  Serv.  z.  Aen. 9, 
168  Acron.  zu  Hör.  Epod.  1,  2  Isid.  Orig.  15,  2.  —  Später  wird  pro- 
pugnaeula  für  pinnae  gebraucht.    Ueber  ihre  muthmassliche  Gestalt  §  6. 

^)  Thor  von  Enerita :  Münze  *  der  gens  Garisia  bei  Cohen  T.  XI, 
16.  17,  vgl.  Maria  T.  XXVI,  4.  Ueber  die  Thore  der  augusteischen 
Zeit  Promis  Aosta  S.  142  ff.  Hübner  Monatsber.  d.  Ak.  1864,  95  ff., 
über  die  altitalischen  Promis  an  den  A.  2.  a.  Stellen. ' 

^)  Dass  ein  gewölbtes  Thor  am  Qnirinal  kein  Stadthor  ist,  ist  §  3  A.  15 
gezeigt  worden.  Porta  CoUina:  Grundriss  von  Canevari,  das.  A.  30. 
Dazu  der  wichtige  Bericht  der  Sopraintendenza ,  Sulle  scoperte  archeo- 
logiehe  n.  s.  w.  1873  S.  33:  Ue  costruz.  di  difesa  . .  consistono  in  dne 
grandi  avancorpi  la  cui  figura  s'approssima  a  quella  d'un  quadrato  sor- 
gevano  l'uno  di  rimpetto  air  nitro,  pero  non  situati  su  due  linee  per- 
fettamente  parallele  ma  piulosto  coovergenti  fra  loro,  le  qoali  si  veni- 
vano  restringendo  a  misura  che  avvicinavansi  presso  l'entrata',  was 
ans  strategischen  Gründen  erklärt  wird  (s.  unten)  ..'presentavano  nna 


250  THEIL  I. 

—  Auch  über  die  Art  der  Deckung  und  des  Verschlusses  der 
Thore  ist  mit  Sicherheit  nichts  zu  ermitteln^).  Dass  es 
Thore  zu  zwei  und  drei  Durchgängen  gab,  schliesst  man  ohne 
genügende  Sicherheit  aus  dem  Namen  der  Trigemma,  den  an> 
geblichen  zwei  tani  der  Carmentalis  oder  gar  aus  dem  Aus- 
laufen mehrerer  Strassen  aus  einem  Thor  wie  der  EsqniUna: 
die  CoUina  hatte  nur  einen  Durchgang,  die  beiden  aus  ihr 
herausführenden  Strassen  zweigten  sich  erst  vor  dem  Thore 
ab.  Es  wird  berichtet,  dass  die  Raudusculana  mit  einem  ge- 
hörntm  Kopf  verziert  war.  Man  würde  sich  denselben  nach 
der  Analogie  z.  B.  der  Thore  von  Pompeji  und  Volaterrae, 
der  Arkaden  des  Amphiteatres  von  Capua,  ja  noch  eines 
wenn  auch  späten  kaiserlichen  Thors,  der  danach  benannten 
Taurina  {Tifmrtina)  in  Rom,  als  Verzierung  des  Bogensehlusses 
denken  müssen,  wäre  nicht  in  freilich  wenig  glaubwürdiger  Weise 
bezeugt,  dass  derselbe  ehern  war  und  die  Thorflugel  zierte. 
Im  Ganzen  verhindert  auch  hier  die  noch  ungenügende  Unter- 
suchung über  die  altitalischen  Befestigungen  ein  sicheres  Ur- 
theiF)  (A.  4). 

costruzione  differente  dell' aggere  per  essere  i  loro  massi 
di  peperino  assai  piü  piccoli  e  di  forma  piuttosto  paral- 
lelepipeda  rettangolare   che  quadrata',  also  vielleicht  Neubau 

—  des  Tari|«inius  Snperbns!  —  Lanciani,  der  BulL  mno.  4,  35  diesen 
Bericht  unerwähnt  lässt,  fügt  hinzu  4dentico  sistema  pno  cwsere  stato 
segnito  nella  munizione  della  porta  Fontinale  snl  culmine  di  Magnana- 
poU'.  Indessen  sind  die  Reste  hier  za  gering,  nin  ein  sicheres  Urtheil 
za  fällen  (vgl.  §  3  A.  15).  Da  Gahevaris  Plan  (wiederholt  von  Lan- 
eiani)  nicht  einmal  einen  Maassstab  hat,  so  kann  die  obige  Maassangabe 
nar  annähernd  richtig  sein.  Uebrigeas  stimmt  sie  wohl  zu  der  gewöha* 
Uchen  Breite  der  viae  publica»  mit  ihren  semitae, 

^)  Für  die  Ueberwölbang  der  Thore  spricht  scbon  das  Material: 
Promis  Alba  130  f.  Dass  die  Thore  hölzernen  Verschluss  hatten  und 
dass  die  hölzernen  Thüren  mit  Eisen  oder  Kupfer  beschlagen  waren, 
versteht  sich;  bezeugt  ist  jenes  durch  Diodor  14,  115:  rtts  nvXag  i^ 
inojpav  (die  Gallier),  dieses  durch  Varro  5,  163:  pitrta  Runduscnhmä 
quod  aerata  fuit  (mag  nun  die  Erklärung  des  Namens  richtig  sein  oder 
nicht).  Indessen  fragt  es  sich,  ob  diese  Art  des  Verschlusse«  die  äl- 
teste war.    S.  Promis  Alba  131  n.  154. 

^)  Ueber  die  oben  genannten  servianlschen  Thore  s.  §  3  AA.  40.67.74, 


§  4.)      TARQÜINISCHE  BAUTEN  ÜJMD  SERVIANISCHE  STADT.     25 1 

Das  Material  und  die  Konstruktion  der  Ursprung* 
Kchen  Theile  sind  durchweg  gleichartig.  Verwendet  ist  der  Tuf 
der  Hügel  selbst  in  rechtwinklig  geschnittenen  Blöcken  von 
durchschnittlich  0,592  Höhe  und  Breite  und  einer  zwischen 
etwa  0,70  und  3,00  wechselnden  Länge.  Das  Höhenmaass  ist 
dasselbe  an  den  Tufblöcken  der  älteren  palatinischen  Ring- 
mauer, fast  dasselbe  an  den  Mauern  sudetrurischer  Städte,  wie 
Tarqttinii,  Nepi,  Sutri,  aber  auch  grösseres  (0,70  Caere)  oder 
geringeres  (0,40  Ardea)  kommt  bei  ähnlichen  Mauern  vor. 
Wo  es  an  der  Serviusmauer  sich  findet  (0,75  Peperinblöcke 
am  Wall,  0,25  —  0,30  am  Quirinal  und  an  der  Rückwand 
des  Walls),  liegt  wie  wir  sehen  werden,  ohnehin  die  Ver- 
muthuDg  nahe,  dass  die  betreffenden  Stucke  einer  anderen 
Zeit  angehören.  —  Diese  Blöcke  sind  durchweg  im  sogenann- 
ten Läufer-  und  Bindersystem  lothrecht  (soweit  nicht  die 
eindringende  Nässe  die  Massen  aus  den  Fugen  getrieben  hat) 
geschichtet,  ohne  jedes  Bindemittel  (die  eiserne  Verklamme* 
rung  an  einem  Stück  des  Walls  wird  sich  wieder  als  jünger 
erweisen),  fundamentirt  auf  dem  Felsen.  Dieselbe  Konstruk^ 
tion  finden  wir  an  der  Palatinmauer,  bei  einem  Theil  der 


über  die  Collina  oben  A*  5.  —  Bildlicher  Schmuck :  Val.  Max.  5,  6,  3 
erzählt  von  dem  dem  Prätor  Genucins  Cipos  bei  seinem  Ansriicken  aus 
der  Stadt  begegneten  Wunder,  in  capite  eins  subito  veluti  cornua  erep- 
serunt  und  dass  diese  capitis  effi^es  aerea  (aereüe  B)  portae  qnae 
excesserat  inclusa  est  dictaque  Raudusculana,  narrt  (nam  fehlt  B) 
oHm  aeraraudera  dieebantur.  Ovid  scheinbar  bestimmter  Met.  15,  620: 
eomuaque  aeratis  miram  referenüa  fomiim  postibus  inseulpunt  Ion- 
grnn  mansura  per  aevum.  Mit  dem  Actaeon  vergleicht  den  Cipus  kurz 
Plin.  I],  123.  Keiner  von  diesen  Zeugen  hat  wohl  das  Bild  noch  ge- 
sehea  und  es  bleibt  möglich,  dass  nur  die  Etymologie  des  Thornamens 
veranlasste,  daraus  ein  ehernes  zu  machen.  —  Bekannt  sind  z.  B.  die  (nicht 
ftidier  gedeuteten)  Köpfe  des  Nolaner  Thors  in  Pompeji  und  des  Bogen-* 
tbors  von  Volterra  (vgl.  Aheken  Mitteilt.  159).  Ueber  die  Taurina 
i  6y  über  das  Amphithoater  von  Capua  Friedländer  Darst.  2',  547. 
Weleker  Art  das  Bild  an  der  RauduscuUma  gewesen  sei,  lässt  die  of- 
feabar  ciceronenbafte  Deutung  desselben  (vgl.  PreUer  Myth.  282}  nicht 
deatlich  erkenaen.  -*•  Sollte  etwa  die  trigemina  ihren  Namen  von  einem 
Bilde  haben? 


252  THEIL  I. 

sudetrurischen  Städte  und  in  Ardea^).  —  Abweichungen  von 
diesen  gemeinsamen  Kennzeichen  der  echten  Mauer  dürfen  ^ir 
als  Spuren  jüngerer  Restaurationsarbeiten  betrachten.  Der 
zum  Zweck  der  Entwässerung  in  die  Futtermauer  am  Aybo* 
tin  (a)  eingezogene  Bogen  zeigt  die  Verwendung  des  Mörtels 
und  die  zu  beiden  Seiten  desselben  vorgenommenen  Ausfül- 
lungen der  grossen  Lücke  besteht  aus  Werkstücken  von  fast 
der  halben  Höhe  der  übrigen  und  kennzeichnet  sich  auf 
den  ersten  Blick  als  spatere  Arbeit.  Aber  auch  das  durch 
äussere  Streben  verstärkte  Stück  des  WaUs  südlich  von  der 
porta  Viminalis  (o^)  und  die  Thürme  der  p(n*ta  Coüma  tra- 
gen die  sicheren  Spuren  späterer  Ausbesserung:  in  beiden 
ist  der  sonst  im  ganzen  Umfang  der  Befestigung  nicht  beo- 
bachtete Peperln  verbaut,  jenes  ausserdem,  so  viel  wir  bis 
jetzt  wissen  das  einzige  Stück  welches  eine  Verklammerung 
der  Blöcke  aufweist.  Die  Zeit  dieser  Ausbesserungen  lässt 
sich  nicht  feststellen  (unten).  —  Abweichend  von  den  übri- 
gen unzweifelhaft  alten  Stücken  besteht  die  Untermaue- 
rung  der  Nordseite  des  Quirinals  (d?iklnin)  aus  Blöcken 
von  fast  genau  der  balben  Höhe  der  gewöhnlich  ver- 
wendeten,   welche   regelmässig    mit  der  langen  Seite  in  der 


^)  Maasse :  nach  'mehr  als  ]  00  Messungen  an  verschiedenen  Stellen' 
erhielt  Lanciani  (Ann.  d.  i.  j871,  54)  als  mittlere  Höhe  0,592  »=  2  r.  Fnss 
zn  0,296  gerechnet.  Dagegen  kommen  allerdings  meine  weniger  zahl- 
reichen Messungen  kaum  in  Betracht:  doch  s.  unten.  Die  Peperia- 
blöcke  an  der  Wallmauer:  h.  0,75  (Aon.  1862,  133)  während  freilieh 
die  darüber  liegenden  Tuf blocke  wieder  die  gewöhnliche  Höhe 
haben  (Ann.  1871,  61).  Palatinmauer :  das.  S.  44.  ?Jur  nach  Caninas 
Aufrissen  in  der  Etruria  maritima  Nepi(T.XVI[):  0,60.  Sutri  (XVIII): 
0,60.  Tarquinü  (LXXVIl):  0,55— 0,60.  —  C^ere  (XLVf.)  0,70.  Ardea 
(gemessen  1867):  0,40.  -—  Konstruktion:  Veji:  Ganina  E.  M.  1,  119, 
]\epi,  Sutri  (?  nach  den  aa.  TT.),  Ardea  (1867),  Anders  Caere ,  wo 
sämmtliche  'parallelepipedi'  mit  den  Kopfseiten  nach  vorn  geschichtet 
sind  ('metodo  proprio  dei  tempi  piu  vetusti*  Canina  1,  171),  und  Tar- 
quinü (?  'opera  approssimativamente  quadrata'  ders.  2,  34  f.);  ganz  an- 
ders Norchia  (Contenebra?),  wo  die  ebenfalls  rechtwinklich  geschnittenea 
Steine  von  der  verschiedensten  Grösse  sind  und  nach  Analogie  des  Poly- 
gonalbaus geschichtet  (T.  XCII). 


§  4]      TARQÜINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCIIfi  STADT.     253 

Hauerfront  liegen.  Das  Material  ist  grünlicher  Tuf').  — 
Dieser  Untermauerung  gleicht  in  Maass  und  Konstruktion 
(das  Material  scheint,  obwohl  auch  Tuf,  doch  von  jenem 
verschieden  zu  sein)  eine  der  Wallmauer  und  wie  be- 
hauptet wird  auch  anderen  Theiien  der  Befestigung  innerhalb 
derselben  parallel  laufende  Mauer.  Es  ist  von  Wichtigkeit  festzu- 
stellen  ob  die  erwähnten  Verschiedenheiten  nöthigen  für  die  innere 
und  äussere  Mauer  verschiedene  Bauperioden  anzunehmen. 

Die   im  §  3   (o)  beschriebenen    Ueberreste   des    agger^ 
welchen  die  Tradition  dem  Servius  TuUius  zuschreibt,  zeigen, 
dass  der  Schutz  der  im  Osten  nicht  durch  natürliche  Mittel 
festen  Stadt  in  einem  Graben  von  ungeheurer  Breite  (30  M. 
breit  4  M.  tief)  und  einem  dem  entsprechenden  Erdwall  be- 
stand.    Die  Aussenseite  des  Erdwalls  bildete  eine  4  M.  dicke 
Quadermauer,  welche  in  Material  und  Schichtungsweise  von 
den  übrigen  Stücken  der  Befestigung  sich  durch  nichts  unter- 
scheidet, abgesehen  von  dem  soeben  als  restaurirt  bezeichne- 
ten Stück  südlich  der  porta  YminaUs,    Es  ist  schon  bemerkt 
worden  (oben  S.  159),  dass  die  Nachricht  von  der  Erhöhung 
des  Walls  und   der  Vermehrung  der  Thurme  durch  Tarqui- 
nitts  nicht  um  ein  Haar  glaubwürdiger  ist,   als   die   übrigen 
Nachrichten  über  die  Bauten  der  einzelnen  Könige,  und  dass 
der  Versuch  in  dem  Durchschnitt  des  Erdwails  die  Aufschüt- 
tung des  Tarquinius  nachzuweisen,  abgesehen  von  seiner  Bo- 
denlosigkeit,  deshalb  fehl  gegangen  ist,  weil  die  vermeintlich 
spätere  oberste  Aufschüttung  nur  die  aus  dem  tiefsten  Theil 
des  Grabens  stammende  von  den  höheren  verschiedene  Erd- 
schicht ist.     Es  ist  unbegreiflich  wie  man  auch  neuerdings 
die  oben  beschriebenen  Strecken  an  dem  restaurirten  Stück 
für    die    von  Tarquinius  hinzugefügten  Thürme    hat   halten 
können,  trotzdem  die  Kleinheit  derselben  (2X2  M.)  und  die 
geringen  Abstände  (etwa  5  M.  i.  L.)  den  Gedanken  an  Thürme 
nach  den  Vorschriften  der  Alten  und  dea  erhaltenen  Resten 


•)  S.  §3  A.  IS.  22.  23.  Gemessen  sind  klmit,  0,25—29,  worauf 
zaerst  Schone  aufmerksam  machte  (s.  Hermes  2,  409),  also  uogpefahr  die 
Hälfte  desMaasses  der  gewShnlicheD  Stöcke,  ==  1  r.  Fass  (Hermes  7,  290). 


254  THBIL  I. 

von  Festungsthurmen  ausschliessen  ^^).  —  Wenn  uns  eigent- 
liche Thurme,  deren  Vorhandensein  bezeugt  ist,  nicht  erhal- 
ten "Wären,  so  würde  dies  angesichts  der  Thatsache,  dass  von 
der  Linie  der  äusseren  Mauer  doch  nur  Bruchstöcke  gefunden 
worden  sind,  deren  keins  der  Länge  eines  massigen  norma- 
len Zwischenraums  zweier  Thürme  gleich  kommt,  nicht  zu 
verwundern  sein.  Und  in  der  That  ist  bis  jetzt  ausser  den 
noch  dazu  wahrscheinlich  in  späterer  Zeit  umgebauten 
Thürmen  der  pürta  Colltna  keiner  zum  Vorschein  gekommen. 
Doch  haben  sich  zwei  thurmähnliche  Konstruktionen  erhal- 
ten, welche  wegen  ihrer  sehr  eigenthumlichen  Beschaffenheit 
eine  nähere  Untersuchung  verdienen.  —  Die  Linie  des  Walls 
bildet  dem  oben  geschilderten  Terrain  folgend  von  der  porta 
Collma  aus  zunächst  eine  der  Graden,  dann  weiter  südlidi 
eine  einer  flachen  nach  aussen  ausbiegenden  Kurve  sich 
nähernde  Linie,  deren  östlichster  Vorsprung  auf  der  neuen 
piazza  Fanti  liegt;  gleich  nach  diesem  wendet  sich  der  Wall 
mit  seinem  letzten  Stück  in  einem  einspringenden  Winkel 
südwestlich  gegen  die  parta  EsqmVna^  so  dass  die  linke 
Flanke  derselben  durch  jenen  Vorsprung  Deckung  hatte  und 
der  Angreifer  in  seiner  Rechten  bedroht  war^*).  Wo 
jener  äusserste  Vorsprung  nach  Osten  im  stumpfen  Winkel 
bricht,  lehnt  sich  an  den  nördlichen  der  beiden  Schenkel 
von    innen   eine    halbkreisförmige  Untermauerung  mit  dem 


^^)  Lanciani  Bull.  itauD.  4,  130  nennt  die  Streben  'speroni  o  torri' 
und  schliesst  aus  ihrem  Vorkommen  auf  die  Glaubwürdigkeit  der  Nach- 
richt des  Dionysios  (§  3  A.  33).  Was  die  A.  2  erwähnten,  vielfach 
noch  ungenügenden  Untersuchungen  über  die  Thürm«  sicher  gestellt 
haben,  ist  dass  sie  nach  Ausweis  der  Trümmer  italischer  Mauerbauten 
sehr  sparsam  und  in  ungleichen  Abständen  angebracht  wurden.  Wenn 
die  Theoretiker  Bogenschussweite  vorschreiben,  so  haben  sie  diese 
Regel  von  der  jüngeren  Fortifikation  abstrahirt. 

^^)  Dies  scheint  der  Zweck  des  einspringenden  Winkels  in  der 
That  zu  sein,  obwohl  die  Mauer  nördlich  vom  Thor  zunäehst  etwa  100  M. 
in  der  Verlängerung  der  Axe  des  Thors  läuft,  und  erst  dann  im  stumpfeo 
Winkel  nach  aussen  bricht.  Auch  südlich  vom  Thor  muss  sie  nach 
den  Resten  beim  'Auditorium'  zu  schliesaen^  vorgesprungea  sein.  S* 
Lancianis  Plan  Bull.  mun.  2.  T.  V.  Vi. 


§  4.]      TARQÜINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     255 

Radius  von  4,10  so  an,  dass  das  Ende  des  Bogens  in  den 
Scheitelpunkt  des  Winkels  trtift.  Der  Ausbau  ist  nicht  spä- 
ter hinzugefugt,  sondern  gehört  zu  der  ursprünglichen  Kon- 
struktion  ^^).  Ein  ähnlicher  aber  kleinerer  halbrunder  Aus- 
bau nach  innen  (Radius  etwa  3  M.)  hat  sich  kürzlich  nörd- 
lich von  der  porta  \minalis  gefunden  und  zwar  an  einem 
etwa  12  M.  langen  Mauerstück  ^^).  Diese  Ausbauten  mussten 
in  der  Erdraasse  des  an  die  Mauer  von  innen  sich  anlehnen- 
den Walls  stecken  und  scheinen,  besonders  wenn  sie  sich 
noch  baufiger  wiederholt  haben  die  Widerstandsfähigkeit  der 
Futtermauer  erhöht  zu  haben:  ob  nur  an  Stellen  wo  die 
Mauer  ausspringende  Winkel  bildete,  ist  aus  den  beschrie- 
benen Beispielen  nicht  zu  entscheiden^^);  ebenso  wenig  ob 
sie  sich  über  die  Oberfläche  des  Walls  erhoben  und  thurm- 
artige.  Verstärkungen  d^  Rrustwehr  bildeten. 

Innerhalb  der  Aussenmauer  des  Walls  fanden  sich  auf 
einer  in  einem  Abstand  von  etwas  über  25  M.  von  derselben 
laufenden  Linie  von  der  pwrta  Collina  bis  in  die  Nähe  der 
Viminalis  Reste  einer  zweiten  Mauer,  eben  der  oben  erwähnten 
aus  kleineren  in  der  Länge  geschichteten  Rlöcken  von  Cappel- 
laccio.  Es  war  unverkennbar,  dass  diese  Mauer  bestimmt  war 
als  Contreescarpe  der  Futtermauer  des  Walls  zu  dienen:  wie 
an  der  ähnlicben  Futtermauer  des  Quirinals  lehnte  sie  sich 


^3)  Der  van  mir  Hermiss  10,  461  mitgetbeiltea  Beschreibung  des 
Stücks  von  HaDs  Droysen  (der  ich  das  Maass  entnehme:  genauer  als 
die  Lancianis  Bull.  mun.  2,  201)  habe  ich  nach  eigener  Anschauung 
niehts  hinzuzufügen.  An  der  Urspriinglidikeit  der  Konstruktion  kanii 
kein  Zweifel  sein,    lieber  die  Steinmetzzeichen  unten. 

*^)  Lanciani  Bull.  mun.  4,  171 ;  das  Maass  nach  seinem  Plan  T.  XVII. 
Nach  meiner  Abreise  gefunden.  Der  Plan  zeigt  das  Mauerstück  schnür- 
gerade ;  aber  im  Text  sagt  er,  dieses  wie  das  A.  12  beschriebene  Stück 
entsprächen  beide  'ad  nn  angole  nuilto  ottuso  della  oortina'  (?). 

**)  Sonst  kommt  es  vor,  dass  ausspringende  Winkel  der  Mauer 
von  aussen  durch  einen  vorgelegten  runden  oder  polygonalen  Thurm 
geschitzt  werden:  jenes  findet  sich  in  Alba  Fncensis  (Promis  153  f.), 
dies  in  Ardea  (Abeken  S.  161);  do(^  ist  der  Thnrm  von  Ardea  jedea- 
falls  in  seiner  jetzigen  Gestalt  nicht  ursprünglich. 


256  THEIL  T. 

rückwärts  in  einem  Winkel  von  5  —  6°  gegen  den  Wall,  ihre 
der  Stadt  zugewandte  Seite  war  sorgßltig  behauen,  die  dem 
Wall  zugewandte  nicht:  ihr  Abstand  Ton  der  Aussenmauo* 
stimmt  auffallend  mit  der  bekannten  Breite  des  Walls  uberein. 
Auch  habe  ich  gegenüber  den  Diocletiansthermen  Spuren  Ton 
riegelartigen  im  rediten  Winkel  in  den  Wall  hineinragenden  Quer- 
mauern  aus  grösseren  Blöcken  des  gewöhnlichen  gelblichen  Tufs 
bemerkt ^^)..  Eine  nach  der  Stadtseite  sich  öffnende  quadra- 
tische Nische  in  welcher  die  Ära  des  Verminus  gefunden  wor- 
den ist  hat  man  mit  Unrecht  für  einen  'Thurm'  und  mit 
freilich  immer  mehr  schwindender  Sicherheit  die  ganze  Mauer 
als  eine  vorservianische  Befestigung  ausgegebene^).  Die  ge- 
gebene Beschreibung  widerlegt  dies  zur  Genüge  und  es  kann 
nur  gefragt  werden  ob  die  Anlage  der  Mauer,  welche  un- 
zweifelhaft als  Contreescarpe  des  WaUs  gedient  hat,  dem  ur- 
sprünglichen Bau  angehört  oder  später  ist  als  derselbe.  Ohne 
nun  einer  sachverständigen  Entscheidung  vorgreifen  zu  wollen 
muss   ich  doch  die  Grunde  die  mir  für  die  letzte  Annahme 


1^)  Vgl.  das  §  3  Gesagte.  Das  Maass  des  Abstaads  (an  der  Ecke  | 
der  Diocletiansthermen)  nach  dem  Plan  Bull.  mun.  4  T.  III  nnd  XV11I 
(36  Schritt  mein  Maass;  übrigens  nicht  überall  gleich  Bull.  S.  131). 
Die  Ausdeftang  der  Maaer  Hess  sich  (4.  Mai  1876)  von  den  Diocle- 
tiansthermen bis  an  den  Finanzpalast  {porta  Colkna}  verfolgen.  Qner- 
maner:  damals  sichtbar  gegenüber  den  Thermen  (ich  finde  sie  bei  Lan- 
ciani  nicht  ermähnt).  Die  Blöcke  derselben  darchschnittlich  0,50  hoch; 
die  der  Frontmaner  0,26  (s.  §  3).  Mir  schien  kein  Zweifel  an  der 
Gleichzeitigkeit  der  Front-  und  der  Quermauer. 

i>)  Lanciani  Ball.  mnn.  4,  24  ff.  (Januar  —  März),  bes.  S.  28:  <il 
monomento'  (die  Ära,  §3  A.  31)  'fn  rinvenuto  io  ana  torre  rettangolare 
spettante  a  fortificazione  che  tatto  indnce  a  credere  anteriore  allo  sta* 
bilimento  deir  aggere  serviano'.  Der  Grandriss  T.  HI,  2  giebt  ein 
Quadrat  von  5  X  5  M.  Ich  habe  in  jener  Gegend  im  Mai  unter  den 
Trümmern  dieses  Stück  nicht  gefunden:  aber  ebend.  S.  121  f.  131  heisst 
es,  die  Maaer  sei  als  selbstständige  Vertheidigangslinie  za  schwach! 
und  die  oben  auch  von  mir  wahrgenommenen  fiigcnthümlichkeiten  j 
werden  richtig  beschrieben,  S.  172,  sie  sei  gleichzeitig  oder  heiDahe 
gleichzeitig  mit  der  Aassenmaner:  ohne  dass  ich  za  ersehen  vermöchte^ 
ob  der  Verf.  sie  noch  immer  für  älter  oder  jetzt  für  jünger  als  dia 
Aussenmauer  hält. 


§4.]    TARQUMSCHE  BAUTEN  ÜNÖ  SERVIANISCHE  STADT.     257 

2u  sprechen  scheinen ,  angeben :  eratens  sind  Konstruktion 
und  Material  voll^  übereinstimmend  mit  denen  einer  Anzahl 
kurzlich  gefundener  Grabkammern,  welche  man  schwerlidi 
ober  die  Zeit  der  Gracchen  hinaufrücken  kann^O)  zweitens 
entscheidet  üwar  das  Schweigen  des  Dionysios  über  diesen 
wichtigen  Theil  des  agger  nicht  gegen  dessen  Ursprünglich- 
keit,  rnuss  aber  doch  dagegen  bedenklich  machen;  drittens 
Stehen  so  yiel  mir  bekannt  ist  keine  technischen  Bedenken 
der  Annahme  entgegen,  dass  man  den  Erdwall  gegen  die 
Stadt  hin  auf  diese  Weise  erst  spater  geschützt  hat  und  die 
Konstruktion  der  Stadtmauer  von  Pompeji,  bei  welcher  der 
Abstand  zwischen  den  beiden  das  Fällwerk  einschliessenden 
ursprünglichen  Mauern  etwa  ^  der  Breite  des  serrianischen 
Walls,  betjrägt,  kann  nicht  als  ein  gleichartiges  Beispiel  zum 
Beweis  herangezogen  werden.  Mir  scheint  also  mindestens 
ein  absprechendes  Urtheil  über  diesen  Punkt  nicht  gerecht- 
fertigt zu  sein.  —  Es  ist  nun  aber  weiter  behauptet  worden, 
dass  'jedesmal  wenn  die  Befestigung  einen  horizontalen  oder 
nur  gering  geneigten  Boden  überschritt,  sie  jedesmal'  —  im 
Gegensatz  zu  der  oben  beschriebenen  anf  den  Felswänden 
aufgesetzten  Brustwehrform  —  'mit  einem  Erdwall  nebst 
innerer  Futtermauer  verbunden  war;  so  zwischen  der  porta 
Esquüina  und  SS,  Pietro  e  Marcellino  und  bei  der  porta 
FinUm(dh'  (am  Quirinal)  'und  CoUina'.  Der  Abstand  beider 
Manem  oder  die  Dicke  des  Walls  sei  freilich  an  diesen  Stellen 
geringer  gewesen :  bei  der  FmJtinalü  wird  sie  auf  6  —  7  M. 
angegeben.  Allein  die  Beweise  für  diese  Behauptung  sind  so 
unsicher,  die  angeblichen  Beste  der  zweiten  Mauer  bei  der 
Fimtmalis  und  südlieh  der  Esquäma  (das  Stück  bei  der  Collma 
gehört  ja  zu  dem  eig^tlichen  Wall)  so  dürftig,  dass  ich  die 
Richtigkeit  der  ganzen  Annahme  zu  bezweifeln  mich  für  be- 


^^y  U«bef  4ie  Gt'iber  BaU.  »ao.  2,  4».  3,  44.  53.  191  f.  iabresbe- 
riebt  1875  ä  7S2.  1S76, 182  f.  Die  Blocke  dnrchschnittlleb  0,26  hoeb, 
Koastraktioa*  ntui  Bearbeitiuig  der- der  inneren  Wallnaiier  vöUis  gleieb; 
bei  bäufin^r  Setruelitavf  beider  tuunitteibar  bintereinander  scbien  mir 
die  Annahme  eines  grossen  Unterschieds  in  der  Zeit  unmögilcb. 
Jordan,  römieohe  Topographie.    I.    1.  17 


258  THEIL  I. 

rechtigt  halte ^^).  —  Nach  dem  bisher  gesagten  darf  also  woh) 
auch  das  Mauerstäck  am  Quirinal  wie  die  Contreescarpe  des 
Walls  yermuthungsweise  als  jüngerer  Bau  betrachtet  werden. 
Für  die  Zeit  welcher  die  besprochenen  Restaurations- 
bauten zuzuschreiben  sind,  lässt  die  Geschichte  der  Mauer 
einen  weiten  Spielraum  offen.  Wenn  wir  auch  die  Verstär- 
kung des  Walls  durch  den  letzten  Tarquinier  ins  Reich  der 
Fabel  verweisen  mussten  (oben  A.  2),  so  lässt  sich  doch  wohl 
denken,  dass  jene  Reste  einer  Restauration  desselben  in  sehr 
früher  Zeit  entstanden  sind.  Die  Verwendung  oder  Nicht- 
verwendung  von  Kalk  mag  auch  hier  noch  einmal  zu  siche- 
ren Resultaten  fuhren.  Nichts  aber  hindert  uns  noch  in  der  Zeit 
des  Bundesgenossenkrieges  Ausbesserungen  der  Befestigung 
anzunehmen:  tiefer  hinabzugehen   ist  nicht  möglich,  da  mit 


^^)  S.  Lanciani    zuletzt  Bull.  mun.  4,   122  vgl.  3,  45.  4t,  37.     Dt 
ich   gegen    seioe    BeobachtuDgen    io    diesem    Punkte    einige    Bedeokeo 
habe  und  dieselben  die  Grundlage  unserer  Kenntnisse  bilden,  stelle  ich 
sie  hier  yollstÜBdig  zusammen.     Hinter  dem  Stock  bei  pal:  Antonelli 
(c)  waren  es  (so  sagt  er  4,  37)  'poche  pietre  sgretolate',  welch«  nack 
ihm  zu  jener  Mauer  gehörten,  '  a.  m.  6,  75  di  distanza  della  fronte  in- 
terna del  muro  di  Servio .  .  . . ;    a  partire  di  questo  punto   del  Quiri- 
nale  fino  alla  intersezione  delle  mura  Serviane  con  la  via  Merulaaa 
in  presso  che  tutti  i  luoghi  eye   quelle   mura   furono    rinvenute   sodo 
apparse  tracce  di  un  recinto  interiore  . .  .  io  ne  ho  esaminato  vestigii 
nel  giardino  Antonelli  [c],  nella  villa  Spithöver  [I  Hin],  nella  piazza  del 
Macao  (o^),  sotto  il  Monte  di  Giustizia  [o'j,  e  presse  la  via  Merolana' 
(genauer  3,  45:  'un  altro  fu  demolito  or  sono  alcuni  mesi  per  dar  Inogo 
allo  stabilimento  della  piazza  triangolare  sulla  via  Merulana*,  d.h.  pT) 
'e  se  la  memoria  oon  m'  inganna  ne  debbono  esser  apparse  tracce  anehe 
nel  recinto  del  Ministem  delle  Fioanze  (ohne  Zweifel:  s.  §  3  A.  30)'. 
Sieht  man  von  den  zum  Wall  gehörigen  Stücken  ab,  so  bleiben  also 
nur  zwei  demselben  unmittelbar  sich  anschliessende  Mauerstücke  übrig: 
denn  ganz  unsicher  sind  doch  die  Reste  bei  der  porta  Fontinalis  (§  S| 
A.  15).    Auf  dieser  Grundlage  kann  wahrlich  die  gedachte  Hypothese! 
nicht  sicher  ruhen.    Entscheidend  würde  das  Stüek  bei  porta  Capena  sein,  | 
#enn  die  Beschreibung  brauchbar  wäre  (oben  S.  248).  —  Wer  das  wüste  | 
Durcheinander  jener  Trümmer  aufmerksam  beobachtet  hat,  wird  zngebeo) ' 
dass   man    sich    über   die    Bestimmung  *  weniger  verschobener  Steine' 
tauschen  kann. 


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§  4.]     TARQÜINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     259 

der  Freigebung  des   Pömerium   durch  Sulla  (§.   5)  die  Ge^ 
schichte  der  Zerstörung  der  Mauer  beginnt. 

Wir  haben  bisher  die  Steinmetzzeichen  auf  der 
Stadtmauer  und  auf  dem  Palatin^^)  aus  dem  Spiel  gelassen. 
Eine  ausfuhrliche  Besprechung  derselben  scheint  mir  an  die- 
ser Stelle  nicht  vermieden  werden  zu  können.  Denn  es  han- 
delt sich  um  nichts  geringeres,  als  um  die  Frage  ob  diese 
Zeichen  uns  über  die  Nationalität  und  die  Zeit  der  Erbauer 
der  Befestigung  Auskunft  geben  und  ob  wir  in  ihnen  eine 
Schrifturkunde  aus  der  römischen  Königszeit  besitzen.  Sie 
finden  sich  fast  regelmässig  auf  den  Kopfseiten  (nur  vereinzelt 
auf  den  Laugseiten)  der  grossen  Blöcke  des  gelblichen  aus 
den  römischen  Hügeln  stammenden  Tufs  und  zwar,  soweit 
wir  wissen,  an  der  äusseren  Futtermauer  des  Walls  (o^^*^) 
und  an  der  dieser  auch  sonst  gleichartigen  Ringmauer  süd- 
lich von  porta  Esquüina  (p)  und  bei  der  Fontinalis  am  Qui- 
rinaP^),  ausserdem  auf  den  sicher  aus  den  Brüchen  des 


^^)  Die  Zeichen  auf  dem  Palatia  sind  von  Lanciani  Guida  del 
Pal.  132  erwähnt,  von  mir  zuerst  Hermes  7,  482  ff.  nach  eigener 
Abschrift  publicirt  worden,  desg].  die  der  Wallmauer  das.  10,  126  ff. 
461  ff.  nach  De  Boors  und  Hans  Droysens  Abschriften.  Im  J.  1876 
(4.  Mai  ff.,  6.  Juni  f.)  habe  ich  sammtiiche  damals  noch  erhaltene  selbst 
abgeschrieben.  Vorher  hatte  Bruzza  sie  gesammelt:  diese  Sammlung 
ist  jetzt  in  den  Ann.  d.  inst.  1876  72  ff.  (tav.  d'agg.  IK)  gedruckt. 
Einige  der  von  ihm  gesehenen  Zeichen  waren  zur  Zeit  meiner  An- 
wesenheit nicht  mehr  vorhanden,  manche  mögen  durch  Wetter  und 
Luft  gelitten  haben:  indessen  muss  bemerkt  werden,  dass  auf  den 
a.  0.  gegebenen  Abbildungen  mindestens  einige  der  Zeichen  in  einer 
Schärfe  und  Eleganz  erscheinen,  welche  sie  in  der  That  nicht  gehabt 
haben  (vgl.  A.  20  f^)  und  dass  die  Abbildung  weniger  Zeichen  im 
BuU.  mun.  2  T.  XU.  XHI  eine  viel  richtigere  Vorstellung  gewährt.  Die 
von  mir  gesehenen  Matterstücke  habe  ich  nach  eigener  Zeichnung  T.  I. 
II  abbilden  lassen,  um  die  Vertheilung  der  Zeichen  zu  veranschaulichen, 
was  Bmzzas  Tafeln  nicht  ermöglichen:  übrigens  muss  ich  auf  diese 
verweisen.  —  Erst  während  des  Druckes  erfahre  ich  von  Mau  genauer, 
welche  Zeichen  das  Stück  o'  hatte  (s.  A.  23). 

^)  Von  denen  bei  der  Fontinalis  sagt  Bruzza  (S.  76):  'di  quelle 
deUe  mura  che  cingevano  il  Quirinale  due  sole  ne  apparvero  (45.  130) 
sui  tufi  di  Opera  quadrata  in  quella  parte  ove  i  lavori  di  sterro  aprono 

17* 


260  THEIL  I. 

Palatin  slammenden  gelblichen  Tufbldcken  eines  auf  dem 
Palatin  selbst  befindlidien  noch  nicht  bestimmten,  gewiss  aber 
altrepubiikanischen  Gebäudes  ^^).  Sie  haben  sich  sonst  weder 
an  den  übrigen  Resten  der  Stadtmauer  gefunden  (insbesondere 
nicht  an  dem  grossen  Stück  am  Aventin),  nicht  an  den  aus 
kleineren  Blöcken  konstruirten  Mauern,  der  inneren  Futter- 
mauer des  Walls  und  der  des  Quirinals,  nicht  (mit  Ausnahme 
eines  eineigen  zweifelhaften  Beispiels'^),  auf  den  Blöcken  der 
Substruktion   des    kapitolinischen   Tempels,    nicht   auf  den 


1a  naora  strada,  quasi  di  faccia  alla  eh.  di  S.  Caterina:  ma.  appeva 
Vedute  per  isfaldatura  dei  massi  disparvero'.  ludessea  gt^hn  an  der 
erwähnten  Stelle  befanden  sich  wenigpstcna  noch  im  Juni  1876  deutlidb 
sichtbar  zwei  von  den  a.  0.  abgehildeten  verschiedene  Zeichen: 
diese  also  mUssten,  obwohl  sie  io  die  Augen  fielen,  dem  Vf.  entgangen 
sein  oder  er  hat  dieselben  nicht  genau  wiedergegeben  und  es  ist 
dann  unrichtig,  dass  sie  gleich  nach  der  Auffindung  verschwunden  sind. 
Ich  gebe  die  Zeichen  T.  11,  1 1  nach  meiner  Zeichnung.  »-~  Die  Zeiehei 
südlich  der  Esquäina  waren  sammt  der  Mauer  (am  'Auditorium')  noch 
in  demselben  Zustande  erhalten  wie  sie  gefundeo  wurden,  von  denen 
der  verschiedenen  Stücke  der  Wallmauer  mögen  einige  verloren  sein, 
besonders  von  dem  Stück  auf  Piazza  del  Macao  (Bruzza  S.  94,  vgl. 
T.  J,  1.  2). 

3^)  lieber  das  Gebäude  seihst  vgl.  Th.  II;  dass  der  gelbliche 
bröckelige  Tuf  der  Werkstücke  dem  Tuf  des  Hügels  vollkommen  gleicht, 
ist  unbestreitbar.  Lanciani  Guida  S.  132  sagt  zwar  vorsichtig  wie 
inuner  von  dem  Stein  'sembra  tratto  dalle  latomie  stesse  del  colle\* 
ist  es  aber  glaublich,  dass  man  sich  von  weither  ein  schlechtes  Bau- 
material geholt  haben  wird,  während  ganz  dasselbe  zur  Stelle  war  und 
auch  sonst  dort  verbaut  worden  ist?  Gerade  dieser  Umstand  ist  aber 
wichtig:  unten  A.  23. 

2')  Ein  nicht  tief  eingemeisseltes,  sondern  leicht  eingeritztes  X 
(n.  129)  'se  ne  vide  sni  massi  di  cappellaocio  che  formarano  la 
eostruzione  del  tempio  di  Giove  Capitolino'  Bruzza  (S.  76  vgl.  104). 
Auch  De  Rossi  sah  es  (Ann.  1876,  14S):  1876  konnte  ich  es  nicht 
finden.  Dass  gerade  ein  solches  Zeichen  durch  eine  zufällige  Ver- 
letzung des  Steines  entstehen  konnte,  wird  Niemand  leugnen.  That- 
sache  ist,  dass  auf  den  zahllosen  sowohl  im  Garten  Caffarelli  blos- 
liegenden  als  auch  im  Palast  verbaut  gefundenen  Blöcken  weder  die 
genannten  Herren  noch  die  deutschen  Arohitekten  noch  ich  ein  zweites 
Zeichen  gefunden  haben. 


§  4.]     TARQUIINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.      261 

Mauern  des  Palatin,  Caelias  (S.  Gregorio)  und  YiminaL  Es 
ist  also  unmöglich  zu  behaupten,  dass  die  Zeichen  auf  den* 
jenigen  Mauern  fehlen,  deren  Material  in  der  IVahe  des  Baus 
gebrochen  wurde  und  dass  sie  Zeichen  der  Arbeiter  ent- 
fernt gelegener  Bruche  seien,  bestimmt  den  Ort  des  Bruchs 
zu  bezeichnen.  Es  ist  ferner  zwar  richtig,  dass  gewisse  Zeichen 
zwar  nicht  ausschliesslich,  doch  vorwiegend  und  massen- 
haft auf  geiiiissen  Stücken  der  Mauer  vorkommen:  allein  es 
ist  unmöglich  daraus  zu  schliessen,  dass  man  das  allmähliche 
Fortschreiten  des  Baus  mit  dem  nach  und  nach  herange- 
schafften  Material  an  den  Zeichen  sdbst  beobachten  könne  ^^). 
In  ganz  ähnlicher  Weise  finden  sich  die  Zeichen  auf  der 
Stadtmauer  von  Pompeji:  auch  hier  kdirt  ein  und  dasselbe 
Ziehen  vielmals  an  ein  und  demselben  Stück,  anderwärts 
nkbt  oder  doch  vereinzelt  wieder,  auch  hier  finden  sich  ein- 
zelne Blöcke  auf  denen  die  verschiedensten  Zeichen  bunt 
durcheinander  stehen.  Nur  ei  neu  Unterschied  in  der  äusseren 
Anordnung  wüsste  ich  nach  dem  mir  vorliegenden  Material 
anzugeben:  auf  den  römischen  Blöcken  habe  ich  stets  nur 
je  ein  Zeichen  gefunden,  auf  denen  von  Pompeji  sind  je 
zwei  nicht  selten,  ja  es  kommen  drei  auch  vier  vor.  Andere 
Stadtmauern  sind  theils  nicht  vollständig  genug  erhalten, 
tbeils  nicht  genügend  untersucht  um  dasselbe  an  ihnen  kon- 


'')  Beides  behauptet  Brnzza  S.  78:  jenes  widerlegt  siek  durch  die 
oben  i^ebenea  Tfaatsachen,  dieses  wird  so  begründet:  'imperocche  1' 
A  era  quasi  miicaaieDte  iu  quelle  spazio  che  e  fra  la  chiesa  di  S.  Ab- 
tonio  e  la  stazioae  ed  uiiita  col  V  -  dietro  alle  terme  Diocleziane  ed 
Qaa  sola  relta  presse  alla  via  Meralaaa.  La  E  deminava  solameate 
nel  centFo  fra  S.  Aataaio  e  la  stazione,  il  K  sotto  aU'  astica  villa  Ca- 
serta  fra  la  via  MerulkDa  e  Tarce  di  Gallien«  e  il  P  in  quel  tratto 
che  era  coperto  dal  monte  dette  della  Giustizia'.  Dies  letzte  Stück 
BMI9S  o*  (§  3  A.  32)  seio:  über  dasselbe  schreibt  mir  jetzt  (s.  A.  J9) 
Maas  '^  häofigp,  ferner  ^;  <^,  das  eine  finde  manchmal  mit  leiser 
Krömnuni^;  A  einmal,  wenn  ich  nicht  irre,  P  ein  Paar  mal'.  Ferner 
sind  H  und  1\  nur  auf  p  masseahaft  vertreten.  —  Wie  kommt  es  aber, 
^s  auf  «^  E  AüT  auf  dem  Rundbau,  H/  nur  auf  der  graden  Mauer 
vorkommt?    Bruzzas  Hypothese  erklürt  dies  nicht. 


262  THEIL  I. 

statiren  zu  können  ^^).  Zu  welchem  Zweck  nun  und  ron 
wem  diese  Zeichen  eingehauen  worden  sind,  mag  dahin  gestellt 
bleiben^*):  viel  wichtiger  ist  die  Frage  ob  diese  Zeichen 
einem  Alphabet  und  welchem  sie  entstammen.  Auch  diese 
löst  sich  in  befriegender  Weise  wenn  man  die  Zeichen  in 
Rom  und  Pompeji  miteinander  vergleicht. 

Die  römischen  Zeichen  sowohl,  auf  der  Stadtmauer  wie 
auf  dem  Palatin  sind  durchgängig  tief  (bis  zu  1  Centim.,  ja 
mehr)  und  regelmässig  in  den  weichen  Tuf  eingesdinitten 
und  zwar  vor  dem  Versetzen  der  Blöcke,  daher  dasselbe 
Zeichen  auf  nebeneinander  liegenden  Stücken  in  verschiedenen 
Stellungen  vorkommt;  eine  verschwindend  kleine  Anzahl  von 
Zeichen  ist  leicht  eingeritzt  und  es  kann  nicht  nachdrücklich 
genug  hervorgehoben  werden,  dass  die  Beurtheilung  dieser 
fast  den  Graffiti  zuzuzählenden  Zeichen  manchen  Schwierig- 
keiten unterliegt,  welche  sich  aus  der  weichen  und  bröckeligen 
Natur  des  Gesteins  von  selbst  ergeben.  £s  ist  nun  unbe- 
streitbar, dass  nur  unter  den  letztgenannten  Zeichen  solche 
bemerkt  worden  sind,  welche  gekrümmte  Linien  von  Buch- 


2^)  Da  mit  dem  von  Zangemeister  CIL  4,  2550  zusammengestellten 
Material  für  idie  vorliegende  Frage  nicht  auszukommen  ist,  so  wandte 
ich  mich  an  Hn.  Mau,  welcher  im  August  v.  J.  im  Pompeji  sammtliche 
ihm  erreichbare  Zeichen  abzuschreiben  und  die  Stellen,  wo  sie  sich 
finden,  genau  zu  beschreiben  die  Güte  hatte.  Leider  ist  es  an  dieser 
Stelle  nicht  möglich  seinen  Bericht  vollständig  abzudrucken.  Ich 
muss  mich  begnügen  T.  II,  13  ein  Mauerstück  (südwestlich  vom  Her- 
culanerthor,  pietra  di  Sarno)  und  J4  ein  Paar  als  charakteriatiscfa 
ausgewählte  Stücke  wiederzugeben,  und  zwar  lediglich  um  die  Ver- 
theilung  der  Zeichen  auf  der  Mauer  zu  veranschaulichen.  —  Zwei 
Zeichen  auf  einem  Block  in  Rom  sah  Bruzza  einmal  n.  118.  —  Ueber 
die  Zeichen  auf  der  Mauer  von  Tarraco  Hübner  Hermes  1,  88  ff.  Allerlei 
von  griechischen  Mauern  bei  Bruzza  S.  74. 

'<^)  Dass  sie  vor  dem  Versetzen  der  Blöcke  als  Anweisung  für  die 
Arbeiter  auf  dieselben  geschrieben  wurden  (wie  ich  früher  vermuthete) 
wird  schwerlich  anzunehmen  sein;  aber  ich  sehe  auch  nicht  wie  die 
affallende  Thatsache,  dass  sich  dieselben  Zeichen  gruppenweise  zusam- 
menfinden, in  Bruzza's  Vermuthung,  dass  sie  im  Steinbruch  eingehaueii 
wurden,  eine  Erklärung  ßnden  soll. 


§  4.]      TARQUmiSGH£  BAUTEN  WD  SERVIAIV1SGHE  STADT.     263 

Stäben  nachzuahmen  schienen^^)  und  dass  sämmtliche  tiefein- 
gesclmlttene  Zeichen  aus  Kombinationen  grader  Striche 
bestehen;  dass  unter  diesen  Kombinationen  einige  wenige 
▼orkommen  wekhe  mit  Zeichen  des  lateinischen  Alphabets 
zusammenfallen,  andere  welche  weder  mit  Zeichen  des  latei- 
nischen noch  eines  der  sonst  in  Betracht  kommenden  über- 
einstimmen, ja  solche  bei  denen  eine  Uebereinstimnmng  mit 
ähnlichen  Zeichen  des  Alphabets  geflissentlich  vermieden  zu 
sein  scheint,  keiiie  welche  die  Hypothese  rechtfertigen,  dass  wir 
es  mit  einer  ausgedehnten  Anwendung  des  etruskischen 
Alphabets  zu  thun  haben.  Das  äusserste  was  zugegeben  wer- 
den kann  ist  dass  4  Zeichen  den  Buchstaben  des  latei- 
nischen Alphabets  AEHN  oder  Z^^)  (denn  die  Stellung 

3^)  Ich  hatte  Hermes  10,  463  f.  behauptet,  dass  kein  eioziges  Zei- 
chen vorkomme,  welches  einem  der  durch  Curveo  gebildeten  Buchstaben 
CDßOPQR  ähnlich  sehe,  Brnzza  bestreitet  dies  un4  meint  G,  P  ausserdem 
aber  gekröninte  Linien  an  A  (Mittelstrioh  und  Spitze)  und  dem  von 
ihm  für  K  und  x  (Zahlzeichen)  gehaltenea  Zeichen  nachweisen  zu  kön- 
■ea.  Allein  wer  seine  Abbildangen  ansieht  wird  die  oben  gemachte 
Uoterscheidnog  der  Art  der  Zeichen  gerechtfertigt  finden  und  ich  ge- 
stehe offen,  dass  ich  den  wenigen  geritzten  Exemplaren  eines  Zeichens 
mit  krummen  Linien  gegenüber  den  vielen  gehauenen  mit  graden  keine 
Beweiskraft  beilegen  kann.  Gesehen  habe  ich  selbst  übrigens  kein  ein- 
ziges,   lieber  ACKJ.  s.  A.  27. 

*^)  Ausser  den  oben  genannten  will  Brazza  die  Buchstaben  GFIKLP, 
die  Zahlzeichen  i  11  III  V  ?  X  X  (50)  nachweisen.  Ich  muss  das  be- 
streiten und  zwar  auf  Grund  seiner  eigenen  Angaben.  Ich  verweise 
dabei  auf  das,  was  ich  A.  26  über  die  geritzten  Zeichen  gesagt  habe. 
Das  gekrümmte  0  fand  sich  nach  ihm  einmal  auf  dem  Palatin,  viermal 
am  Wall:  es  sind  sSmmtMch  kleine  geritzte  Zeichen  (n.  1.  33.  34. 
55.  S.  94),  die  ich  nicht  gesehen  habe.  Den  zweimal  vorkommenden 
stumpfen  Winkel  (57.  58)  für  ein  C  zu  halten ,  sehe  ich  also  eben  so  we- 
nig NÖthigung  als  den  zweimal  vorkommenden  spitzen  (18.  97,  denn  95 
gehört  ja  sicher,  96  wahrscheinlich  zu  dem  sogenannten  K)  für  ein  V  zu 
halten.  Von  den  3  Beispielen  des  F  (Palatin)  fallt  nach  Bruzzas 
eigener  Abbildung  das  einzige  recbtsläufige  auch  von  mir  gesehene 
(12)  weg,  es  ist  ja  deutlich  verstümmeltes  £;  die  beiden  vermeintlich 
linkslaufigen  (10.  11)  gleichzeitig  die  einzigen  angeblich  links- 
IXufig  geschriebenen  Buchstaben  unter  den  mindestens  100 
bnchstabenähnlichen  Zeichen,    bedürfen    also    nicht    weiterer  Wider- 


264  THEIL  I. 

auf  den  Steinui  entscheidet  daröber  nicht)  so  ähnJieh  sehen 
dass  sie  als  solche  betrachtet  werden  können,  keinesfall« 
müssen.  Dass  Zahlzeichen  unter  ihnen  vorkommen  beruht  auf 
rein  willkürhcher  Annahme.  >^  Ganz  zu  demselben  Ergd>nis6 
füluren  die  Zeichen  von  Pompeji  (A.  24).  Unter  den  unge- 
fähr 26  verschiedenen  Zeichen  ist  bei  weitem  die  Mehrzahl 
so  gestaltet,  dass  sie  Buchstaben  irgend  eines  der  in  Betriieht 
kommenden  Alphabete  nicht  sein  können,  Bacfastaben  ähnlich 
sind  nur  KH  E  F  V  (  und  die  Verbindung  >l^:  in  der  letzten 
könnte  man  das  dem  oskischen  eigene  d  finden,  die  öbri* 
gen  wurd^  ans  dem  oskischen  Alphabet  erklärbar  sein'^. 
Bei  dem  jetzigen  Stande  der  Kenntniss  ist  es  nicht  möglidi 
auch  die  Zeichen  auf  den  Stadtmauern  von  Tarraco,  Cnmae 
u.  a.  Städten  heranzuziehen,  unzulässig  mit  den  besprochenen 
Zeichen    die   späteren    und    spätrömischen    Steinmetzzeichen 


leguD^.  —  Dass  K  nachgewiesen  sei,  bestreite  ieh  ^»tsehiedea  — 
nod  verweise  anf  Bruzzas  n.  78  ff.  Alle  von  mir  ^esehetien  Formen 
glieben  sich  darin ,  dass  der  Haiiptstrieh  des  aDgebhcheo  K  ganz 
kurz  war^  die  beiden  darauf  im  Winkel  stehenden  Qaerstriche  sie 
zusammen  trafen  und  lang  Ovaren.  —  Für  P  sollen  zwei  geritzte  Zeiehen 
(93.  94)  und  ein  gescbnittenes  (15)  gelten  (vgL  A«  23),  für  T  ffar  oin  en- 
mal  yorkommender  stumpfer  Winkel  (92)  der  oWenhair  nur  deshalb 
nicht  als  C  angesehen  worden  ist,  weil  ein  Schenkel  etwa»  gescliwiui' 
gen  ist.  Mit  demselben  Reckt  hätte  ein  spitzer  Winkel  mit  einem 
kurzen  Schenkel  (16.  17)  statt  für  eine  zweite  Form  des  P  für  L 
gehalten  werden  können.  —  lieber  die  Zaklen  Tässt  sich  gar  uicht 
streiten:  nur  I  II  III  V  ?  X  und  für  50  X  oder  ^k  sollen  vorkommeii. 
Ich  kann  in  ^  so  wenig  ein  Zahlzeicken,  wie  in  £  ein  doppeltes  E 
sehen ;  die  drei  Striche  sind  regelmässig  so  gestellt,  dass  zwei  oder 
alle  drei  convergiren«  —  Das  Vorkommen  von  Zeichen,  welche  mit 
Buchstaben  nichts  zu  thun  haben ,  giebt  Bruzza  selbst  zu  (S.  95). 
—  Der  einzige  Beweis  für  den  etruskischen  Ursprung  des  vermeiot- 
licben  Alphabets  liefert  ein  mehrmals  wiederkehrendes  geritztes  ge- 
bogenes A  (39.  40.  41 ;   nieht  29)  neben  vielen  gradlinigen. 

^^^)  Griechische,  etruskisehe  und  oskisebe  Bucbstaben  wollte  Ma- 
zois  1  T.  XIII  S.  35  erkennen.  Die  Yergleiehung  der  Abbildaagen  bei 
Zangemeister  und  Mazois  mit  den  Zeichnungen  Mau's  scbeinen  mir 
kaum  einen  andern  Sehluss  als  den  oben  gezogenen  zu  gestatten.  In- 
dessen mag  es  sein,  dass  darüber  nur  die  Autopsie  entscheiden  kann. 


§  4.]      TARQ(IfNI$€HE  BAUTfilV  UfTO  SERVIANISCHE  STADT.     365 

ohne  weitereg  2»  idemificiren.  —  Kennzeichen  fdr  die  Zeit  dei 
Baus  der  Stadtmauer  und  für  die  Natiomlität  der  Erbauer  gdbea 
die  StenimetKaeiGbeR  also  nicht  ab:  ist  die  Deber-einstioimung 
einiger  derselben   mit  Buchstaben  des  lileinischen  AlphabeU 
(denn     auf    das    etruskische   führt   keine    einzige 
sichere  Spur)    wirklich  m^br  »)s  eine  zufiMige  und  bei 
einer   mögUehst   mamrigf^igen*  Kombination   grader  Striche 
kaum  zu  vermeidende  ^  so  lernen  wir  leider  daraus  nichts 
weiter  als  was  keines  Beweises  bedarf,  dass  in  der  ohnehin 
nidat  um  Jahrhunderte  sehwankenden  Epoche  der  Erbauung 
der  Mauern  in  Rom  tm  Alphabet  bekannt  war  und  d^s  es 
mit  dem  sonst  nachwrislichen  sdtiateinisehen  mindestens  vier 
oder  fünf  Zeichen  gemein  hatte.  <^  Ebenso  wird  man  die 
Thatsaclie  dass  Zeiehen  auf  dem  grössten  Theii  der  Blauer, 
bisher  nicht,  dagegen  >wohi  auf  d^  Wallmauer  und  den  ihr 
nahe  gelegenen  Theilen  der.(|uirinalidchen  und  esqmlinisGhen 
Ringmauer  gefunden  worden  sind,  scbwerücii  als  den  sicheren 
Beweis   für    die    Un^ichzeitigkeit    dieser    Theile  -  ansehen 
können.    Fr^lkh  in  Pompeji  finden  sie  sich  im  ganzen  Um- 
fang der  Stadtmauern  und  zwar  ohne  Unterschied   auf  den 
aus  Terschiedenem  Material  bestehend^oi  unteren  und  oberen 
Schichten ;  zum  besten  Beweise,  dass  diese  Schichten  nicht  ver* 
sdnedenen  Epochen  angehören.     Auffallend  Ueibt.  also  die 
üngleichmässigkeit  der  itömisdien  Zeichen  und  kann  wie  ge« 
sagt  worden  ist  nicht  aus  dem  irrig  behaupteten  Umstände 
hergeleitet  werden,  dass  die  Theile,  auf  denen  sie  sich  finden, 
aus  weithergeholtem,  die,  an  denen  sie  fehlen,  aus  nahe  zur 
Hand  befindlichem  Gestein  erbaut  sind.    Wenn  wir  indessen 
den  Kreis  der  Mauer  überblicken,  auf  dem  sie  fehlen  sotten, 
so  steht  uns  fi  eigentlich  als  Beobachtungsfeld  einer  sicheren 
Untersuchung  bis  jetat  nur  die  Untermauening  des  Ayentin 
Dach  der  Södseite  zu  Gebote.    Ist  es  so  undenkbar,  dass 
diese  einer  anderen  Zeit  angehört,  wie  die  Ring- 
mauer? Man  sollte  jedaniills  diese  Frage  offen  lassen,  einmal 
deswegen,  weil  dieser  Berg  eine  SondersteUung  neben  den  dbri* 
gen  in  der  Geschichte  einnimml,  zweitens  weil  die  Bossage  der 


266  THEIL  I. 

Blöcke  so  viel  mir  bekannt  ist  nur  an  der  Mauer  des  Ayentin 
vorkommt    Vgl.  S.  26SL 

Wir  haben  im  §  2  gesehen  dass  das  Pomerium  «iner 
latinischen  Stadt  der  innerhalb  des  Walls  oder  der  Mauer 
frei  bleibende  bestimmte  Raum,  die  consecrirte  Grenze  der 
Herrschaft  der  Stadtgötter  ist.  Da  sowohl  das  Pomerium 
der  palatinischen  Stadt  wie  das  erweiterte  Pomerium  Roms 
seit  Sulla  durch  Grenzsteine  bezeichnet  war,  so  aius- 
sen  wir  dasselbe  wohl  für  das  servianisohe  Pomerium  an- 
nehmen. Was  wir  über  die  äussere,  räumliche  Beschaffenheit 
desselben  erfahren,  ist  die  befremdende  That&acfae,  dass 
Mauer  und  Pomerium  wenigstens  an  einer  Stelle  sich  nicht 
deckten:  der  in  den  Hauerring  eingeschlossene  Aventin  lag 
extra  pomeriwn  bis  zur  Zdt  des  Kaiser  Claudius  (§  5). 
Da  dies  als  etwas  besonders  Merkwürdiges  erwähnt  wird, 
müssen  wir  wohl  annehmen,  dass  Mauer  und  Pomerium  im 
übrigen  zusammenfielen. 

Dass  dies  in  der  That  der  Fall  war,  dafür  besitzen  wir 
den  voUgiltigsten  Beweis  in  der  Anlage  der  Gräber  unmittel- 
bar vor  den  Stadtthoren  im  ganzen  Umfange  der  übrigen 
Stadt  —  vor  der  Ratnmmna  (?)  an  d^r  Nordecke  des  Kapitols, 
der  FatUmalü,  Salutaris,  Coüina,  Vimmalis,  Esquäma^  CaeUmon- 
tana,  Cafena:  s.  §  3  —  und  wenn  auf.  der  kurzen  Strecke  vom 
Kapitol  nach  dem  Fluss,  wo  der  Lauf  der  Mauer  noch  nicht  ganz 
sicher  festgestdlt  ist,  alte  Gräber  nicht  gefunden  worden  sind, 
so  beweist  die  Thatsache,  dass  noch  zur  Zeit  des  Augustus 
die  Porticus  der  Octavia  ausserhalb  des  Pomerium  lag  — 
zwischen  ihr  und  der  Mauer  aber  lag  nur  das  Forum  holi- 
torium  —  und  dass  wieder  Kaiser  Claudius  es  war,  welcher 
das  Pomerium  auf  dieser  Seite  hinausrüokte  (§  5) ,  ebenfalls 
unwiderleglich,  dass  auch  auf  diesen  Strecken  das  Pomerium 
nicht  ausserhalb  der  Mauer  lief.  Dass  die  Bestattung  der 
Todten  wie  die  Ansiedlung  fremder  Gottheiten  ausserhalb  des 
Pomerium  nicht  allein  durch  uraltes  Herkommen,  sondern 
auch  durch  Gesetze  angeordnet  und  dass  in  der  Zeit  der 
Republik  nur  durch  Volksschluss  das  Privilegium  des  Ehren- 


1 4.]      TARQUmiSCHE  BAUTBN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     267 

begräbnisses  innerhalb'  der  Stadt  (am  Harkt)  ertheilt  wurde, 
ist  schon  gesagt  worden  (s.  §  2  A.  32. 64).  Noch  im  ersten  Jahr* 
hondert  der  Kaiserzeit  werden  beide  Vorsdiriften  streng  be- 
folgt und  die  Beisetzung  der  Asche  Trajans  auf  seinem  Forum 
als  ein  ganz  einzig  dastehendes  Privilegium  bezeichnete^). 
Wenn  daher  in  der  Zeit  der  Republik  auf  dem  Marsfelde, 
ungewiss  wo,  ein  Bach  oder  Fluss,  Fßtnma  amnis  die  Grenze 
zwischen  dem  Gebiet  der  städtischen  und  militärischen  Au- 
spicien  bildete,  so  kann  daraus,  mag  dies  erklärt  werden  wie 
es  wolle,  angesichts  so  unzweideutiger  Beweise,  wie  die  bei- 
gebrachten sind,  unter  keinen  Umständen  grfolgert  werden, 
dass  schon  in  jener  Zeit  ein  Theil  des  Marsfeldes  innerhalb 
des  Pomerium  lag^^).  —  Wie  zwischen  der  porta  Capena 
und  dem  Fluss  das  den  Aventin  ausschliessende  Pomerium 
geführt  war,  ist  ganz  unbekannt  (vgl.  unten).  —  Zur  Zeit 
Yarros  standen  die  Grenzsteine  des  Pomerium:  es  ist  kein 
Wunder,   dass  keiner  sich  erhalten  hat,   da  die  Linie  des 


*^)  So  wenigstens  Entrop.  8,  5 :  solus  omnfwn  wdra  urbem  sepuUus 
est,  nehmlich  onter  der  Saale,  wi«  es  wahrscheinlich  von  ihm  selbst 
beabsichtigt  war  (vgl.  jedoch  Tb.  II).  Wenn  der  Ansdrack  des  Eutrop 
strenge  zu  nehmen  ist,  was  ich  freilich  kaum  zu  behaupten  wage,  so 
würde  er  auch  fär  den  an  dieser  Stelle  unsicheren  Lauf  der  Stadt- 
mauer (§  3  A.  16)  entscheidend  sein.  Die  Gewährung  eines  Begräbnisses 
anf  dem  Marsfelde  durch  Volksbeschluss  (Marquardt  Privatalt.  1,  362  f.) 
hat  mit  dem  Pomerium  eben  so  wenig  zu  schaifen  wie  die  Errichtung 
des  Grabes  des  Bibulus  vor  der  porta  Ratumenna  (§  3  A.  14). 

^)  Festus  250 :  Petroma  amnU  est  in  Tiberim  perßuens  quam  ma- 
^strafus  transeunt  cum  in  eampo  quid  agere  voluid,  quod  genus  ausfiel 
peremne  vocatur.  Auch  nach  Mommsens  Erläuterungen  (Staatsr.  1',  93 
A.  6  und  100  A.  3)  ist  mir  nicht  klar,  was  dieser  Bach  mit  dem  jw- 
merium  in  der  bekannten  Geschichte  bei  Cicero  (de  n.  d.  2,  4,  11,  de 
dir.  1,  17,  34)  zu  thun  hat  Gracchus  hatte  wahrend  der  Consulwahl 
anf  dem  Marsfeld  auf  kurze  Zeit  sich  nach  der  Stadt  begeben,  dann 
wieder  nach  dem  Marsfelde,  ohne,  wie  er  es  musste,  von  neuem  bei 
Ueberschreitung  des  pomerium  Auspicien  anzustellen :  quod  inauspieato 
pomerium  transgressus  esset  (leider  ist  die  Herstellung  der,  wie  es 
scheint,  etwas  abweichenden,  von  Mommsen  übergangenen  Darstellung 
des  Licinian  p.  10.  H  Bonn,  ganz  unsicher).  Nach  meiner  Auffassung 
kaon  der  petronische  Bach  hiermit  nichts  zu  thun  haben. 


266  TiBIL  I. 

Pomeriuni  durch  die  Kaiser  seit  Claudius  neu  regulirt  worden 
ist.  ' —  Ueber  die  Breite  deg  servianischen  Pomeriun  sind 
wir  nicht  unterrichtet.  Sehliessen  können  wir  auf  dieseUie 
aus  dem  Abstände  einer  inn^balb  des  Walis  laufenden  Strasse 
von  diesem.  Eine  ausserhalb  wahrscheinlich  alle  Thofe  mit 
einander  verbindende  Ringjstrasse«  welche  das  Bestehen  grös- 
serer Vorstädte  voraussetzt,  hielt  sich  wahrscheiulich  auf  der 
Grenzlinie  des  militflrisch  nothwendigen  Ghcis^^).  —  Es  er^ 
giebt  sich  also,  dass  die  Linie  des  Pomeriums  wie  die  Mauer 
eine  Figur  beschrieb,  welche  mit  dem  für  jenes  voraus* 
zusetzende  Quadrat  nidit  die  entfernteste  Aebnlicfakeit  hat 
(unten). 

Von  den  9  ^  nachgewiesenen  Thoren  der  servianischen 
Mauer  können  wohl  einige  erst  in  späterer  Zeit  abgelegt 
sein:  viele  schwm'lich.  Wir  müssen  uns  vergegenwärtigen, 
dass  zur  Zeit  der  Anlage  der  Befestigung  Feindesland 
kaum  10  Millien  von  den  Thoren  begann,  von  Heerstrassen 


*^)  Bei  deoi  Unbaii  de»  Eekkautes  Piasza  Araeeli  und  Via  Giulio 
Ronano  (friUi«r  Padaebi«)  fasd  man  6  M.  tief  dag  Pflaster  der  Strasse, 
weldie  diep&ria  CarmmUalis  asd  Ratumeua  verband:  worass  mit  Sicher* 
beit  aaf  die  ^avpiezia  deli'  aatico  ponerio'  za  sehliessen  sei:  Laa- 
oiaai  Ball«  maa.  1^  145.  Das>  Eckhavs  mag  naob  nosetahrer  Schätzung 
vea  den  besrabeaea  Foss  des  Feise»  40  M.  entfernt  sein.  Vom  Wall 
ders.  ebd.  2^  201:  läass  des  äussere»  Randes  des  noch  erkennbarea 
Grabaas  (s.  Bull.  muo.  1^  244  «ad  §  3)  and  innerhalb  der  Maser 
liefen  Stratsea,  deren  %*  T«  erhalteiies  Pflaster  der  späten  Kaiser- 
2eit  aageh&re:  aber  sie  seien  ohne  Zweifel  gleichzeitig  mit  dem 
fian  des  Walles  angelegt  (?)  <aUo  scope  forse  di  bea  defiaire  i  liniti 
del  pomerio'.  Von  der  inneren  Strasse  finde  ich  bei  ihm  nur  die  An- 
gabe, dass  ein  Stüeh  zwischen  den  a.  0.  T.  V.  VI.  mit  4.  5  bezeich- 
neten Gebänden  laufe  —  dies  Stück  wird  etwa  40  M.  von  der  A.iissen- 
maoer  entfernt  setn,  al9<^>  nach  Abzog  von  etwa  30  M.  Wallbreit«, 
20  M.  Yom  Wall  —  dann,  dass  hinter  dem  Wall  längs  der  Ostseite 
der  Diecktiansthermen  eine  Strasse  lief,  als»  wohl  parallel  der  dort 
erhaltenen  inneren  Wallmaner,  15  M.  nnd  mehr  entfernt  (BolL  man.  4 
T.  ni).  Von  dieser  aber  muss  sieh  eine  dem  Wall  parallele  nncb 
jwrfa  CMnm  hin  abgezweigt  haben :  sie  erscheiat  (auf  Canevari's  Plan, 
oben  A«  5)  nahe  dem  Thore  in  einem  Abstand  von  30  M.  von  der  Mauer. 
Ist  dies  die  innere]} 


I  4.]       TARQUINISCH£  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     269 

nach    entfernten,    später   befreundeten    oder    unterworfenen 
Landstrichen   und   StUdten   nicht    die   Rede   ist,    und   dass 
die  Thore  angelegt  an  den  natürlichen  Mündungen  der  die 
Stadt    durchschneidenden   Thäler    als    Endpunkte    der    mit 
diesen   zusammenfallenden  Verkehrswege  zu  betrachten  sind 
(si.  unten).     Eine  beacbtenswerthe  Bestätigung  für  diese  an 
sich  einleuchtende  Beobachtung  und  zugleich  ein  Zeugniss  für 
das   hohe  klUx  der  Thore  geben  die  Namen:    kein  ein- 
ziges ist  von  etwaigen  Zielpunkten  ausserhalb  der  Stadt  be- 
nannt (vgL  A«  36),  vielmehr  sind  mit  gleich  zu  besprechenden 
geringen  Ausnahmen  die  Thore  am  Kapitel  und  der  Nord- 
und  Westseite  des  Quirinal  nach  den  unmittelbar  bei  den- 
selben belegenen  Heiligthumern  (Cwrmentalis,  JFon^maZi«,  San- 
qndlis,  Salutmis),  die  ost-  und  südwärts  folgenden  nach  den 
anlieg4^nden  Hügeln  <i|er  Stadt  (CoJUna,  YminaU$i  Esquilina, 
Cadimontam,  Querquetulana)  benannt.     Anders  geartet  sind 
die    Namen    am   Aventin:    zwei    Thore    führen    plebejische 
Familiennamen  (Minucia^  Naevia)^  ein  drittes  vielleicht  den 
Namen  eines  man  daif  wohl  sagen  plebejischen  {ieiligthums 
(LavernaU$).    Es  bleibt  uns  die  Flummtanaj  die  unerklärte 
Trigemmß  (vgl.  A^  7.  a.  E.),  und  endlieh  die  ihrer  Bildung  nach 
ebenso  eigenthümlich^  Namen  Ratumenna  und  Capena.  Keins 
von  aUen  diesen  Thoren  erregt  den  Verdacht  späterer  Anlage 
(vielleteht  mit  Ausnahme  der  Vimmaiii)  oder  späterer  Um- 
nennnng  '^).    Die  früher  hervorgehobene  Thatsache,  dass  nur 
die  Gipfel  des  collis  nach  Götternamen,  die  des  Esquilin  und 


"')  Was  B«rgatt  meint,  wenn  ar  sagt,  die  Aolage  des  Thores  an 
der  Nordecke  des  Kapitols  (das  man  als  Ratumena  zu  bezeichnen 
pflegt)  widerspreche  dem  'Geist  der  servianischen  Befestigongskunst ' 
(PhiloL  25,  663.  26,  83),  weiss  ich  nicht.  Ueber  die  angeblich  späte 
Beaennaog  des  Thores  A.  34.  —  Auffallend  ist,  dass  die  FiminaUt  so 
äusserst  selten  genannt  wird  und  dass,  wie  es  scheint,  keine  Haupt- 
strasse aus  ihr  hinausführte.  Es  wäre  wohl  denkbar,  dass  sie  ent- 
weder eine  Art  kleiner  Ausfallspforte  gewesen  oder  später  gebrochen 
wäre.  —  Die  einzigen  Thore,  deren  Reste  gefunden  worden  sind,  die 
CüUma  und  FontmaUs  (7)  sind  sicher  ursprünglich,  wenn  auch  jene  wahr- 
•cheinlich  für  das  Auslaufen  zweier  Landstrassen  später  umgebaut. 


270  THEIL  T. 

anderer  montes  nach  Gentilnamen  benannt  waren  (S.  179  fi.) 
stimmt  in  auffaUender  Weise  mit  der  Benennung  der  Thore 
des  Quirinals  nach  Göttern  und  der  priesterlichen  Benennung 
des  colUs  als  agmius,  Opferhügel,  eine  Spur  des  hohen  Alters 
einer  in  der  späteren  Volkssprache  festgehaltenen  Eigenthum- 
lichkeit,  der  engen  Verbindung  von  Caelius  mans  (weder  mons 
Caelius  noch  Caelius  ist  häufig)  bezeugt  der  Name  der  pinrta 
Cdeliommtana^  nicht  Caeliana.     Wenn  demnach  kein  Grund 
vorhanden  ist,  für  die  so  sicher  ursprüngliche  Capena  eine  Um- 
nennung  anzunehmen,  so  ist  damit  auch  zugleich  die  Mög- 
lichkeit ausgeschlossen,    sie  als  das  einzige  nach  dem  Ziel- 
punkt einer  aus  ihr  auslaufenden  Landstrasse  benannte  Thor 
zu   betrachten.      Am   wenigsten   wäre  dabei    an  Capua   zu 
denken,  welches  —  ganz  abgesehen  von  der  grammatischen 
Schwierigkeit  —  doch  erst  für  eine  sehr  späte  Zeit  überhaupt 
in  Betracht  käme.     Aber  auch  die  schon  von  alten  Gram- 
matikern wie  es   scheint  vorgeschlagene  Annahme  eines  nah 
belegenen   lucm  Capenm  ist  offenbar   ohne  jeglichen  Anhalt 
und  zieht  »den  Namen  des  grade  auf  der  entgegengesetzten 
Seite  der  Stadt  belegenen  etruskischen   Capena   willkuhrlich 
hierher  ^^).    Sollte  nun  der  freilich  etruskisch  klingende  Name 
der  Ratumenna  em  Fingerzeig  sein,  auch  die  Capma  für  eine 
etruskische,    nicht  mehr  erklärliche  Benennung  zu   halten? 
Dies  würde  einige  Aufmerksamkeit  verdienen,  wenn  wir  nicht 
über  jenen  Namen  als  den  eines  Stadtthors  schon  gegründete 


**)  Varros  Erkläraog;  kennea  wir  nicht,  vielleicht  hat  er  den  Na- 
men gar  nicht  zu  erklären  versacht  (wenigstens  fehlt  ein  entsprechen- 
der Artikel  bei  Festus,  vgl.  Einl.  §  2).  —  Servins  zur  Aen.  10,  697: 
lucosque  Capenos]  hos  dieit  Cato  V^eientum  condidisse  auxilio  r^U 
Propertü  qui  eos  Capenam  cum  adolevissent  miserat:  unde  et  poria  Ca- 
pena quae  (etwa  quia?)  iuxta  Capenos  est  nomen  accepU.  So  Daniel. 
Dass  hinter  Feientum  etwas  ausgefallen  ist,  sah  Niebahr.  Die  Rede 
kann  nur  sein  von  dem  mit  Veji  engverbandenen  Capena;  ebenso 
müssen  wir  annehmen,  das  der  lucus  Capenatis,  den  Cato  im  1.  Buch 
der  Origines  erwähnte  (Fr.  ],  26  m.  Ausg.),  der  Hain  der  Capeoaten 
in  Etrurien  ist.  —  Von  Capva,  Capua  hatte  doch  wohl  Capumü 
werden  miissen. 


f  4]      TARQUINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT-     271 

Zweifel  hätten  äussern  müssen  ^^).  Dazu  kommt,  dftss  doch  die 
Namen  der  sämmtlichen  übrigen  Thore  echt  lateinisch,  die 
Endung  -ewus  in  der  That  zwar  selt^D  aber  doch  sicher  als 
lateinische,  nachweisbar  ist.  Wir  glauben  deshalb  den  Namen 
Ct^pena  zwar  nicht  sicher  erklären,  doch  aber  als  lateinisch 
und  nicht  von  einem  Städtenafmen  abgeleitet  betrachten  zu 
können  *'^).  —  Was  wir  von  den  Namen  anderer  italischer 
Stadtthore  wissen  —  von  ihrer  Zahl  wird  unten  die  Rede 
sein  —  ist  so  dürftig,  dass  es  zur  Yergleichung  kaum  zu 
verwerthen  ist:  nicht  zu  rechtfertigen  ist  jedesfails  die  all- 
gemein gangbare  Vorstellung,  dass  sie  in  der  Regel  von  den 
Zielpunkten  der  auslaufenden  Strassen  hergenommen  wor* 
den  sind**). 


^)  Ob6B  §  3  A.  17.  Die  dort  belegte  Geschichte  von  dem  vejen- 
tischen  Wagealenker  Ratumenna  (dean  darauf  führt  die  beste  (Jeher- 
lieferuDg)  ist  eio  Seitenstück  zu  der  Legende  von  der  thönernen  Qua- 
driga auf  dem  Kapitol  und  als  historisches  Zeugniss  für  den  Ursprung 
des  Namens  werthlos.  Sie  ist  aber  kaum  erklärlich,  wenn  der  Name 
nicht  wirklich  Raiumerma  lantiBte  «nd  so  aa  die  etraskisehen  Naman 
PorsennUy  Fibenna  (vgl.  Corssen  Etr.  2,  142  f.)  erinnerte.  Schon  aua 
diesem  Grunde  halte  ich  die  Vermuthung  von  Curtius  (Comm.  in  hon. 
Ritsch.  S.  227),  dass  RatumenOf  vgl.  rota,  'Wagenthor',  T^o/rilatog 
nvXrj  sei,  für  unwahrscheinlich,  obwohl  sie  für  sicher  richtig  gilt 
(Corsaen  Ausspr.  1,  528  Beckstein  in  Cnrt.  Stud.  8,  391 ;  er  selbst  er- 
wähnt sie  nicht  Etym.  '  345):  .wie  sollte  aber  ausserdem,  da  die 
Wagenlenkergeschichte  wegfällt,  unter  so  vielen  Thoren  gerade  dieses 
zu  der  Bezeichnung  'Wagenthor'  gekommen  sein?  Die  wahre  Bedeu- 
tung des  freilich  wahrscheinlich  lateinischen  Wortes  (A.  35)  war  und 
ist  unbekaniit. 

^)  Die  Behandlung  des  lateinischen  Suffixes  -enus  bei  Corssen 
Ausspr.  1,  305.  2,  303  und  L.  Meyer  vgL  Gr.  2,  186  genügt  nicht. 
Es  mag  hier  nur  an  den  lateinischen  Eigennamen  Rufr-enus  und  den 
pränestfnisdien  Turp-enus  pat^  (CIL  1,  1541  vgl.  Bull.  d.  i.  1863, 
12.  1864,  38)  erinnert  werden.  So  künnte  also  auch  porta  RatumSna  =^ 
Ratumenna  lateinisch  sein.  Seltene,  aber  lateinische  Bildungen  sind 
auch   Capit-öli-unt,  Sue-üsa  (oben  §  2). 

>•)  So  z.  B.  Promis  (Torino  S.  197.  207),  für  Rom  unter  Bezug- 
nahme auf  den  längst  beseitigten  Namen  pnrta  Ferenthtä  (§  3  A.  50) 
und  die  Namen  der  anrelianischen  Mauer.    Aus  der  verhältnissmässig 


272  THßlL  f. 

Die  bisherige  UatersuchuDg  hat  ergeben,  dass  das  aus 
einem  Gedanken  entsprang^ne  System  der  Befestigung  der 
Stadt  in  gleicbmässiger  Weise  ausgeführt  worden  ist;  dass 
die  nachweislich  i^der  wahrsclreintioh  jüngeren  Tbeile  den 
Oiarakter  des  Werks  unangetastet  gelassen. haben,  und  dass 
kein  Grund  vorhanden  ist,  den.  Wallbau  für  junger  zu  halten 
als  die  übrige  Mauer.  -^  Keine  sichere JSpur  führte  uas 
ferner  auf  etruskis che  Erbauer:  ja  die  alten  Thornamen 
scheinen  einen  solchen  geradezu  aoszuschliessen.  Wenn  die 
Steinmetzzeicbea  die  Kenntpiss  eines  Alphabets  vorausaetaen, 
so  ist  wenigstens  nicht  der  geringste  Griuid  vorhanden,  das- 
selbe für  das.  etrusfciache  zu  halten;  um  so  weniger,  als  sie 
ohne  jede  wesentliche  Verschiedenheit  an  einem  alten  Ge- 
bäude auf  dem  Palatin  wiederkehren,  also  auf  einer  Statte, 
welche  selbst  die  römischen  Gelehrten  mit  ihrer  Etruskomanie 
ganz  zu  verschonen  genöthigt  gewesen  sind.  Ihrzu  käme 
dann,  wenn  die  bisherigen  Beobachtungen  zuverlässig  wären, 
das  wichtige  Kriterium  des  römischen  oder  vielleicht  eines 
älteren  italischen  Maasses,  welches  beim  Schnöden  der  Werk- 
stücke zur  Anwendung  gekommen  wäre.  Indessen  sowohl 
hierüber  wie  über  die  Aehnlichkeiten  und  Verschiedenheiten, 
welche  die  Konstruktion  mit  südetrurischen  Bauten  aufzuweisen 
scheint,  ist  es  bei  dem  jetzigen  Stande  der  Forschung  ge- 
rathen,  das  Urtheil  auszusetzen.  Wir  bleiben  bei  dem  n^a- 
tiven  Resultat  stehen  und  fragen  weiter,  eh  die  mit  derselben 
Einstimmigkeit  den  Tarquiniern  zugeschriebenen  Bauten,  der 


späten  Zeit  des  aussebildeten  Strassenbaues  rühren  gewiss  die  Beispiele 
der  porta  Secusma  (Turin),  r^rceüwa  (Mailand,  Mar.  Arv.  772),  Ro- 
mana  (Turin;  aber  ein  Zeagniss  feiilt),  yielleicfat  einer  Rtnnana  in 
Padiia  {extra  poriam  [ro]manmn  CIL  5,  1,  2856)  her.  Dagegen  habet 
wir  allerdings  in  Igavium  ein  ' Trebulaoer-',  in  Pompeji  eia  ^N»laner-' 
und  Sarner-Thor  (?  für  das  Stahianer  ist  wenigstens  pünUram  Stafut- 
nam  =  pantem  Stabianum  jetzt  nicht  mehr  anzaführea);  andererseits 
in  Capua  eine  poria  lovü  (Liv.  26,  14,  6)  benannt  nach  Art.  eines 
Theila  der  römischen  Tbore.  Die  nach  den  Wegen  benannten  Atmia 
and  Cimina  van  Falerii  der  Inschr.  Or.  1303  Qarrneci  piss.  urch.  36 
sind  bedenklich.  , 


§  4.]     TARQÜINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     273 

Tempel  and  die  Kloake,    sicherere  Spuren  ihres  Ursprungs 
an  sich  tragen  als  die  Stadtmauer  ^*^). 

Der  kapitolinische  Tempel  (s.  Th.  II)  ist  unzweifelhaft 
etruskischen  Ursprungs:  das  etruskische  Schema,  der  Stil, 
die  ursprungliche  Ausschmückung  beweisen  es.  Das  einzige, 
was  von  dem  ursprünglichen  Bau  erhalten  ist  oder  als  ur- 
sprunglich angesehen  werden  kann,  ein  Theil  der  Substruktion, 
lägst  freilich  wegen  der  ganz  yerschiedenartigen  Bestimmung, 
eine  Vergleichung  mit  dem  Mauerbau  nicht  zu.  Doch  ist  es 
^eUeicht  bemerkenswerth,  dass  sichere  Beispiele  von  Steinmetz- 
zeichen auf  derselben  nicht  gefunden  worden  sind  (oben 
Ä.  22).  In  vier  Worten  und  Einrichtungen  hat  ausserdem 
die  von  etruskischen  Bauleuten  ausgeführte  Arbeit  ihre  Spuren 
deutlich  hinterlassen:  dem  vicus  Ttiscus,  den  favisae,  dem 
triumpuSy  der  fompa,  Dass  die  römischen  Gelehrten  über  den 
Ursprung  des  Namens  vicus  Tttscus  nur  Vermuthungen  aufgestellt 
haben,  wenn  sie  denselben  bald  mit  der  einen,  bald  mit  der 
anderen  der  beiden  angeblichen  etruskischen  Invasionen,  der 
des  Galle  Vipina  und  der  des  Porsenna  in  Verbindung  brach- 
ten und  dass  es  uns  freisteht,  eine  wahrscheinlichere  Er- 
klärung zu  suchen,  wird  schwerlich  bestritten  werden.  Un- 
wahrscheinlich sind  beide  Erklärungen  in  dem  Maasse,  wie  es 


>^*)  Dass  die  Genauigkeit,  mit  welcher  Lancianis  Durchschnitts- 
maass  der  Höhe  der  Blöcke  dem  Maass  von  2  römischen  Fnss  (0,592  es 
2x0,296)  entspricht;  nicht  ganz  unbedenklich  ist,  und  dass  meine 
freilich  nicht  gleich  zahlreichen  Messungen  in  der  Regel  (vgl.  z.  B. 
§  2  A.  33,  §  3  A.  60.  61)  weniger  (etwa  0,53—0,56)  ergeben  haben, 
glaube  ich  um  so  mehr  hervorheben  zu  müssen,  als  sich  dasselbe  Re- 
soitat  auch  für  die  Messungen  der  ungefähr  1  F.  hohen  Blöcke  heraus- 
stellte. Man  sieht  leicht,  dass  dies  aof  die  Frage  führt,  ob  der  später 
gangbare  römische  Fuss  oder  ein  kleinerer  zu  Grunde  liegt:  bewahren 
sich  meine  Messungen  bei  genauerer  Nachprüfung,  so  würde  ein  Fnss 
von  0,265 — 0,289,  im  Mittel  von  0,27  angewandt  sein,  und  dies  ist  der 
Fnss,  welcher  dem  von  den  Alten  als  oskisch  und  umbrisch  bezeichneten 
Voraus  zu  Gruude  liegt  (Holtsch  Metrol.  S.  288  vgl*  Nissen  Tempi. 
S.  95).  Ich  muss  mich  auf  diese  Andeutungen  beschränken:  die  ganze 
Frage  über  den  Ursprung  und  die  Zeit  der  fiinführuog  des  römischen 
Normalfusses  liegt  ausserhalb  des  Kreises  meiner  Untersuchungen. 

JordaD,  römische  Topographie.    T.    1.  1^ 


274  THEIL  L 

die  Geschiebte  dieser  Inyasionen  selbst  ist'^).  Es  ist  nun 
merkwürdig  genug,  dass  wie  es  scheint  ein  drittes  Ereigniss, 
wekbes  sich  ungesucht  zur  Erklärung  bietet,  der  Bau  des 
kapitolinischen  Tempels,  verschmäht  worden  ist  Wir  werden 
sehen  (§  S),  dass  die  Handwerkerzünfte  in  besonderen  Vier- 
teln und  Gassen  gewohnt  haben  und  dass  die  Strassennamea 
dies  bezeugen.  Die  Herstellung  eines  Riesenbaus,  wie  des 
kapitolinischen  Tempels,  musste  viele  Hände  lange  Zeit  be- 
schäftigen; dass  tuskische  Bauleute  den  Tempel  gebaut  haben, 
ist  uBzweifelhafL  Was  ist  also  natürlicher,  als  dass  diese 
die  in  der  Nähe  ihres  Bauplatzes  gelegene  Gasse  bezogen 
haben  und  dass  nach  ihnen  die  Gasse  benannt  worden  ist? 
—  Diese  Bauleute  brachten  aus  ihrer  Heimath  die  Kunst  mit, 
in  den  Felsboden,  auf  dem  sie  Tempel  errichteten,  höhlen- 
artige Baume  zur  Bergung  von  Tempelgeräth  oder  Schätzen 
einzugraben.  Solche  fanden  sich  in  Rom  allein  beim  kapi- 
toUnischen  Tempel  und  hiessen  mit  einem  in  Rom  allein 
hi'cr  vorkommenden  wahrscheinlich  etruskischen 
Namen  favisae^^   —   Mit  der  Gründung   des  Dreigötter- 


87)  Vgl.  Schwegler  1,  511  f.  2,  52  ff.  Beide  Erklärangen  sind  von 
Festns  355  aufgenommen  worden.  Ueber  die  erste  wird  A.  56  avsfSlir- 
licher  gesprochen  werden:  die  zweite  knüpft  an  den  frenndschaftlichen 
Abzug  des  Porsenna  an  and  lässt  die  vor  Aricia  geschlagenen  Etmsker 
in  Rom  bleiben:  hü  locus  ad  habitandum  datur,  quem  deinde  Tuscum 
vicum  appellarunt  Liv.  2,  14,  9.  Ebenso  Dionys.  5,  36,  verkürzt 
Festas  a,  O.,  verzerrt  der  sog.  Aeron  zn  Hör.  S.  2,  3,  328.  Gleiehen 
Werth  hat  die  Erklärung  der  Mucia  prata  als  Belohnung  des  C  Mu- 
cius  —  Scaevola  oder  Cordus?  —  Liv.  2,  13,  5. 

^)  Alles  was  über  die  favisae  oder  favüsae  gesagt  wird  (Th.  II),  Jbe- 
zieht  sich  nur  auf  die  Höhlen  auf  der  Area  des  kapitoltaische»  Tempeis, 
welche  mit  den  zwischen  den  Grundmauern  dieses  wie  anderer  Tempel 
vorhandenen  SJellerräumen  nichts  gemein  haben;  solche  Höhlen  hat 
schoa  0.  Müller  Etr.  2,  399  als  etroskische  erkannt.  Das  Wort  fa- 
vüüi  welches  die  Alten  mit  flare  zusammenbringen,  Neuere  (Fröhde 
Zs.  I.  vgl.  Sprf.  18.  160)  mit  foveOf  x^'^^y  ^^  ^^  einem  Suffix  ge- 
bildet, welches  Corssen  (Krit.  Beitr.  484  Etr.  1,  204.  2,  138)  gans 
vergeblich  bemüht  war  als  altlateinisches  nachzuweisen:  das  von  iha 
übergangene  etruskische  manUssa  ist  das  einzige  genau  entsprechende 


{  4.]      TARQUBVTSCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     275 

tempels  kam,  wie  allgemein  zugestanden  wird,  das  CeremonieU 
der  Götterprozessionen  an  den  ludi  circemes  und  der  Sieges- 
prozession des  heimkehrenden  Feldherrn  nach  Born;  Naoh 
dem  Cincus  gew^det  war  die  Front  des  Tempels.  Die  Wör- 
ter iriumpm  und  pompa  haben  griechisches  Gepräge  und  die 
Folgerung  da&s  sie  durch  die  südetrurischm  mit  griechisoher 
Kultur  T^^ptvaaten  Tarquinier  nach  Rom  gekommen  sind,  ist 
unausweichlich.  —  Mir  ist  es  kein  Zweifel  dass  auch  die 
kapitolinische  Göttertrias  keine  einheimisch  -  latinische  odm* 
gar  eine  allgemein  italische  Göttergruppe  sondern  eiae  süd- 
eCrurische,  vielleicht  griechischeist,  welche  erst  mit  der  Aus- 
dehnung der  römischen  Herrschaft  eine  römisch  -  italische 
wurde  ^^). 

Das  hohe  Alter  der  Kloake  wird  mit  Unrecht  angezweifelt: 
das  Material  und  die  Konstruktion  ergeben  durchaus  keine 
Bedenken;  es  ist  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich,  dass 
wenn  ^ie  Ausführung  clieses  Riesenbaus  in  d^  fruhrepubli«^ 
kanischen  Epoche  erfolgt  wäre  (im  6.  Jahrhundert  war  er 
sicher  vorhanden)  das  Stadtbuch  uns  keine  Nachricht  darüber 
bewahrt  haben  sollte.  Der  Eindruck  den  die  ßauten  des 
Appius  Claudius  machten,  zeigt  wie  lange  es  her  war,  dass 
im,  Profänbau  Grossartiges  geleistet  worden  war.  Auf  der 
anderen  Seite  ist  es  unmöglich,  den  Bau  für  bedeutend  älter 
ids  die  Ummauerung  der  Siebenhügelstadt  zu  halten.      ¥er- 


AppellativniQ.    Aacl^  hierüber  wird  anderwärts  ausführlich  gehandelt 
werden.    Iia  der,  Kürze  Aon.  1876  S.  171. 

^^)  Die  Aasicht  des  Varro  .6,  68,  dass^  w  triumpe  (filso  auch  trium^ 
fufj  sj^ätejT  triumpkus)  voa  ^QCttfißog  entlehat  sei  (vgl.  über  dieaef 
Bernhardy  Gr.  L.  G.  2»,  1  S.  64»),  ist  unzweifelhaft  richtig  (vgl 
Cwr^aen  2,  163))  das  AJter  der  JBntlehnung  zwar  nicht  durch  das  triumpe 
des  Apv^i^eagebets  (der  Schlussraf  kann  sehr  wohl  jünger  sein  als  das 
^ige),  aher  durqh  die  Institution  des  Triumphzuges  yerhji^rgt.  Pas- 
«alhe  gilt  y>ob  der  p&mpa,  £s  ist  kaum  gli^nUich,  dass  der  GStterzug 
je  aadera.  benannt  worden  sei  als  zu  Plautus'  Zeit.  —  Ob  auch  thetua 
Fremdwort  ist  —  dies^  die  durch  das  Militärdiplom  v.  J.  60  n.  C.  n.  2 
im  CIL  3,  2  verbürgte  Schreibung  —  mag  dahingestellt  bleiben.  —  Göt- 
tertrias: uAten  A.  47. 

18* 


276  THEIL  I. 

anlasst  durch  das  Bedürfniss  die  dichte  Bevölkerung  in  der 
Niederung  vor  pmodisch  wiederkehrenden  durch  Regengüsse 
und  Grundwasser  hervorgerufenen  Ueberfinthungen  zu  schützen, 
setzt  sie  das  aufblühende  Leben  dieser  neuen  Stadt  unzweifel- 
haft voraus.  Aber  dass  die  Tarquinier  sie  gebaut  haben,  lässt 
sich  weder  beweisen  noch  widerlegen.  Höchstens  kann  in 
der  Anwendung  des.  Bogens  ein  Wahrscheinlichkeitegmnd  für 
die  Ausfuhrung  durch  südetrurische  Bauleute  gefunden 
werden  *°). 

Von  den  sogenannten  Bauten  der  Tarquinier  wenden  wir 
uns  zur  servianischen  Stadt.  Die  Ueberlieferung  schreibt 
dem  Gründer  der  reformirten  Verfassung  wie  die  Einfuhrung 
der  Yermögensschätzung  als  Grundlage  für  die  politischen 
Rechte  und  militärische  Gliederung  der  Bürgerschaft  so  die 
Eintheilung  des  Gebietes  der  Stadt,  deren  Ummauerung  er 
vollendet  haben  soll,  in  vier  Theile,  tribm,  zu,  deren  jede  er 
nach   den   darin   belegenen   Hügdn   basannt   habe^^X      Die 


*^)  Vgl.  §  7  nod  oben  S.  12.  -^  Der  lateinisciie  Name  ist  keio 
entBcheideoder  Beweis.  Das  Suffix  yob  do-äc-a  ist  lateinisch  (Corsaen 
1,  195.  590),  für  die  Wurzel  führt  man  Plinius  15,  119  an,  welcher 
die  Venys  Cltuicina  von  cltuire,  furgare  ableitet:  sie  habe  ihr  Heilig- 
thum,  wo  die  Römer  und  Sabiner  Frieden  geschlossen  hätten.  Man 
vergleicht  yXv-tfii  u.  a.  (Curtius  151).  Der  Beiname  der  Göttin  ist  ron 
dem  Ort  hergenopimen,  wo  das  saoellum  stand.  Vielleieht  aber  gehört 
hierher  noch  die  fossa  chtilia, 

")  Dionys.  4,  14:  eis  rixTaqag  fioiqag  ^lekwv  tr^v  noXtv  xaX 
&i(ifvog  inl  rtSv  X6(p(ov  ratg  fioCqtttg  rag  (Tiixl'riaeig,  t^  fjik»  HaXa- 
j£vrjv,  T^  6k  Soßoqävriv^  t^  6k  TQtrrji  KoVdvriV  (die  Hs8.  xolkatCvrfV), 
ijf  6k  ttta^tr^  Ttov  (JLOtQWf  'itfxvUvfjVf  tnqdipvlav  inoiffas  tipf  noUv 
iivai  TQ(<pvlov  ovaav  timg.  Livius  1,  43  nach  der  ReeensSon  des  Pfi* 
comachus:  quadHfariam  enim  urbe  dwisa  regiordbusque  {quae  M 
von  1.  Hd.)  eoüüms  qut  kaMtabantur  partes  eas  tribus  appeUavüi  die 
Lesung  anderer  Hss.  regUmtbus  coUibusque  ist  Konjektur.  Allein  weder 
in  dieser  noch  in  Mommsens  Fassung  (Tribus  S.  2)  regionibusque ^eoüi- 
busque  qta  h,  ist  der  Relativsatz  verständlich.  Wegen  der  als  sehr 
wahrscheinlich  anzunehmenden  Uebereinstimmnng  mit  IMonys  schreibe 
ich:  dwisa  regümibus,  a  collibus,  quibus  habitabantur,  u.  s.  w«  PIvss 
(N.  Schweiz.  Mus.  6,  59):  regimibus  quae  tolHbus  qtdnque  h.;  allein 
damit  bürdet  er  Livius  eine  Willkürlichkeit  in  der  Zählung  der  Berge 


§  4.]     TARQÜINISCHE  BAUTKN  UND  SERVUNISCHE  STADT.     277 

Feldmark,  über  deren  Umfang  unten  zu  handeln  ist,  theilte 
derselbe  m  Gaue,  pagi  ein.  Jene  bildeten  fortan  bis  in  die 
spätesten  Zeiten  die  tribus  urbanae,  diese  den  Stamm  zu  den 
allmäbUch  mit  der  Erweiterutig  des  Staatsgebiets  an  ZaM 
wachsenden  tribus  rustteae^%  Dass  die  städtischen  Regionen 
von  Servius  in  md  eingetheilt  worden  seien  ist  dne  junge 
Erfindung  (unten).  Die  Namen  jener  Tribus  waren  in  d^ 
in  geschichtlicher  Z^it  feststehenden  Reihenfolge,  welche  zu« 
gleich  emen  Vorrang  der  beiden  ersten  vor  den  zwei  letzten 
bedingte  (Bd;  2,  247)  Svburana  Palatina  Esquäina  CoUina. 
Das  Gebiet,  wdehes  diese  4.  Tribus  bildete,  stellte  die  Ver^ 
einigung  des  ursprünglich  gesondert  bewohnten  colUs  mit  den 
alhnählidi  an  die  palatinische  Burg  angeschlossenen  motUes 
(oben  §  2  S.  199)  dar  und  reichte  sowdt  wir  sehen  können 
im  ganzen  äusseren  Umkreise  bis  an,  nicht  über  die  Stadt- 
mauer. Die  Namen  der  Tribus,  die  unten  zu  erörternde 
Vertheilung  der  Argeerkapellen  und  ein  ausdrückliches  Zeug- 
niss  (s.  unten)  beweisen»  dass  von  dieser  Viertelseintheilung 
ausgeschlossen  blieben  das  Kapitel  und  der  Aventin.  Damit 
stimmt  die  Thätsache  überein,  dass  religiöse  Genossenschaften 


aaf.  —  Die  Abweichung  ia  der  Anfsahlaag  bei  Dioays  von  der  oben 
«ligegebeneB  offiEiellen  ist  unerheblich,  da  sie  die  nach  der  Rang- 
ordnung zuaammengehörigen  Paare  zusammen  lässt.  Dass  die  Reihen- 
folge in  der  Argeerurkande  Suburana  EsquiUna  Coüinu  Palatina  nur 
dem  Zweck  der  Prozession  dient  und  die  hier  vorkommende  Bezeidi- 
nnog  regio  nicht  eine  Verschiedenheit  der  regicnes  und  der  tribus  be^ 
SHindet,  will  ich  nicht  abermals  erörtern.  Uebrigens  nennt  Dionys 
wie  Varro  und  Liyius  die  Tribus  ftoT^i,  partes  urbis, 

*^)  Dionys.  a.  0.  o.  15.  —  Was  über  diese  pagi  (von  pag^ :  Gors- 
Mn  1,  dddy  die  Alten  falsoh,  aber  mit  richtigem  Gefühl  für  das  Wesen 
der  Sache,  von  nify^,  Fest;  p.  221;  quod  ccmmuni  fmte  uterentur)  und 
ibre  ZM  seit  Mommsens  Tribus  15  ff.  211  ff.  gesagt  worden  ist  (vgl. 
Marquardt  Slaatsverw.  1,  5  f.)  berührt  die  Topographie  nicht  näher, 
lieber  ihre  Nlunen  ist  §  2  gehandelt  worden.  Die  Aufhebung  derselben 
in  Italien  durch  die  cäearisohen  Gesetze  von  49  und  45  v.  C^  hat  die 
sacfalen  Yerbände  auf  dem  Lande  und  gewisse  communale  in  der  Stadt, 
letztere  walurscbeinlieh  bis  auf  Augustns,  bestehen  lassen.  VgL  De^ 
lefsen  Bull.  delV  inst.  1861,  48  ff. 


278  THEIL  1. 

auf  dem  Kapitol,  Aventin  und  im  Thale  des  Circus  nocli  in 
geschichtlicher  Zeit  diese  innerhalb  der  Ringmauer  befind- 
liehen  Gegenden  als  Gaue,  pagi,  bezeichnen,  wie  solche  un- 
mittelbar bei  der  Stadt  ausserhalb  der  Ringmauer,  auf  dem 
Janiculum,  dem  Esquilin  und  sonst  bestanden.  In  dem  Maasse 
wie  die  Organisation  der  Stadt  vorräckte,  verwandelte  sie  vr- 
sprüngliche  ländliche  Gaue  in  städtisches  Gebiet  Ein  Beweis 
dafür  aus  vorservianischer  Zeit  ist  der  pagus  Sucnsawus^  der 
ursprünglich  ein  Vorwerk  der  palatinischen  Stadt,  nun  eins 
ihrer  4  Viertel  war^^).  Der  Sprachgebrauch  bewahrte  noch 
spät  die  Erinnerung  an  dieses  stets  nach  aussen  sich   yer- 


^)  Folgende  stadtische  pagi  sind  bekannt  (s.  Detlefsen  in  dem  A.  42  a. 
Aufsatz  vgl.  Mommsen  R.  G.  1^,  111  and  zu  CIL  1,805).  1.  Janienlam. 
CIL  1,  801.  802  «==  6,  2220.  2190  magUtri  pagi  lamcolengis  erbauen 
porticu(m)  [ce]llafn  cuUnam  aram  und  , . . .  gs.  (?)  astos  et  mace[riam] 
de  pagi  sente7ii{ia) :  die  erste  Inschrift  auf  einer  Travertinplatte,  die 
zweite  im  opus  signinnm,  beide  gefunden  in  Trastevere  beim  Baa  der 
Tabacksfabrik  am  Fnss  von  S.  Pietro  in  montorio ,  graechisehe  Zeit 
•^  2.  Aventin.  Henzen  6010:  mag(i8ter)  coWfigit)  lupere9r(um)  et  Capi- 
titlinor(um)  et  Mercurial(ium)  et  paganar{um)  Aventinimsium)  XXVI 
vir  . .  . ,  unvollständige  nicht  mehr  vorhandene  Inschrift  von  Lanuvium 
aus  der  Zeit  des  Augustus,  vgl.  CIL  1  S.  186.  —  3.  Subura,  älter  Su- 
ensa,  von  pagui  Sucusanus.  Yarro  de  1.  1.  5,  49  (obien  S.  185  f.)  — 
4.  Esqnllint  StUck  eines  Volkssehlusses  (?)  aus  der  Zeit  das  Sulla  BnlL 
munic.  1875  t.  XIX  Z.  7:  ...  quei  haee  looa  ab  paag»  Montamo .  . ., 
SchlnSB  fehlt  (oben  S.  184).  —  5.  6.  Kapitol  und  Circus*  Cicero  ad 
Qninium  fr.  2,  5,  3:  M,  Furtum  Flaocum  ; .  CapiioUm  et  Mercuriaies 
de  collegio  «ieeerunt.  Mitglieder  der  CapitoUni  aus  der  Zeit  des  Augustus 
Henz.  6010  (s.  N.  2)  und  der  Republik  CIL  1,  805  {Oesipu^  (kgaiaut 
mag.  Capi[toL]  mag,  luperc.  viat,  tr,).  Das  Collegiam  angeUioli  364  ge- 
stiftet (Liv.  5,  50  s.  unten  A.  46).  —  An  die  Legend«  über  die  Grün- 
dung des  T.  des  Mercuriw  am  Circus  knüpften  die  Annalisten  die 
Stiftung  eines  coUegivm  mercatorum.  Ob  diese  von  Cicero  und  in  der 
N.  2.  a.  Insdir.  genannten  Mercuriaies  ebenfalls  sn  einem  pague  gehör- 
ten, muss  dabiflgestellt  bleiben.  —  7.  (?)  Ein  mag{istet)  de  duobue  pa- 
geU  et  vicei  Stdpicei  CIL  1,  804  »6,  2221,  woselbst  Ritsehl  Pr.  lat 
Suppl.  V.  t.  YD  fehlt.  Nuove  memorie  deir  i.  S.  242  habe  ich  ver- 
muthet,  dass  diese  duo  pagi  unmittelbar  vor  der  porta  Capena  z« 
suchen  seien.  leb  sehe  jetat,  dass  wabrseheinlieh  Jhie  peigi-  wie  Septem 
pagi^zum  Eigennamen  geworden  ist. 


§  4.]      TARQÜIISISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     279 

schiebende  VerbältDiss  in  den  Namen  der  morUam  pojimu^^). 
—  Femer  muss  es  im  Zusammenhange  damit  stehen,  dass 
der  ATentin,  wie  er  niemals  den  städtischen  Tribus  mnrerleibt 
worden  ist»  so  bis  2u  der  die  alte  Ordnung  durchbrecheaden 
Nennung  des  Kaisers  Claudius  ausserhalb  des  Pomeriizm  ge- 
legen hat.     Wenn  die  Untersuchung  (s.  $  5)  ergeben  wird 
dass  die  Linie  des  senrianischen  Pomeriums  bis  Sulk  längs 
der  Stadtmauer  lief  und  zwar  nachweislich  von  dem  Kapilol 
bis  zur  pmia  Capena,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  es  um 
den  Aventin  auszuschliessen ,  vom  Kapitol  südwärts  auf  der 
westlichen  Seite  des  Palatium  im  Circusthal  lief.     Auf  diese 
Weise  deckt  sich  das  Gebiet  der  4  Tribus  mit  dem  von  dem 
Pomerium   umschlossenen,   nur   dass   das   Kapitol   wie   un- 
zweifelhaft innerhalb  des  Pomerium,  so  unzweifelhaft  ausser- 
halb des  Tribusgd)iets  lag.    Wenn  man  nun  mcht  annehmen 
will,  dass  die  Ringmauer  welche  den  Aventin  einschloss,  jun- 
ger ist  als  die  übrige  (S.  265),  so  folgt  aus  diesen  Thatsachen  mit 
Nothwendigkeit  dass  derjenige  König,  dessen  grosser  Gedanke 
und  gewaltige  Macht  die  lose  verbundenen  Niederlassungen 
durch  Umlegung  eines  steinernen  Ringes  für  immer  in  eine 
Stadt,  die  Siebenhügelstadt,  umschuf,  zugleich  von  der 
religiösen  und  bürgerlichen  Eintheilung  derselben  den  Aventin 
und  das  Kapitol  ausschloss.     Die  Grunde  die  dazu  nöthigten 
sind    unzweideutig    bezeugt    durch    die    fernere    Geschichte 
beider  Berge. 

Zu  den  unzweifelhaftesten  Thatsachen  gehört  es,  dass 
4er  Diana  auf  dem  Aventin  wie  am  Nemisee  latinische  Ge- 
meinden gemeinsam  ein  Heiligthum  weihten.  Aber  es  ist 
eine  irrige  Vorstellung  der  späteren  Zeit  dass  dies  in  einer 


^)  Mammsea  hat  mit  Recht  (Tribus  212)  in  den  Ansdrückea  der 
tie:c  Salpicia  (b.  Festus  340):  mon]tani  paganive  si{fi9  aquam  divi- 
dunto]  aod  Ciceros  de  domo  28,  74:  nulium  est  in  hat  urbe  coUeffium. 
flt«2)i  pag^ani  aut  montam  u.  s.  w.  die  Gesammtheit  der  pld>g  urbana 
crkanot:  nur  glaube  ich  nicht,  dass  diese  mon^M  mit  dea«a  des  alten 
*eptmontium  etwas  za  schaffen  haben  (oben  S.  199),  aedi  weoi^^er  mit 
dea  Argeern  (untea)« 


280  THEIL  I. 

Ton  Menschen  nicht  hewobnten  Waldeinsamkeit  aoch  auf  dem 
Aventin  geschdied  sei.  Yiehnehr  haben  wir  allen  Grund  an- 
zuiehmoi  dass  dieser  sonem  Um&ng  nach  grösste  der 
römischen  Hügel  Ansiedlungen  schutzverwandter  Yon  dem 
Stadtgründer  nicht  in  den  Organismus  der  Vierstadt  auf- 
genommener Latiner  getragen  habe**). 

Eine  Frage  Ton  watgreifendoer  Bedeutung  ist  die  der 
Ausschliessung  des  Kapitels  (vgL  Th.  II.).  —  Die  Gründung 
dnes  GoUegiuras  Ton  Leuten  welche  ^das  Kapitol  und  die 
Burg'  (d.  h.  das  Kapitol  im  weiteren  Sinne)  bewohnen  und 
das  bald  darauf  folgende  Verbot  £är  Patricier  dl>eiidaselbst 
nidit  zu  wohnen  ist  mit  der  Geschichte  des  Betters  und  des 
Hochyenrathers  Marcus  Manüus  und  der  Erklärung  si»nes  Bei- 
namens CapüoUmu  verwebt,  die  Führung  dieses  Beinamens 
in  anderen  patricischen  Familien  des  4.  Jahrhundtfts  unter- 
liegt wie  schon  hervorgehoben  wurde  manchen  ernsten  Be- 
denken. Nicht  minder  auffallend  wäre  es  wenn  wirklich  nach 
Eriass  jenes  Verbots  Plebejern  fortan  ges'tattet  worden  wäre 
den  Berg  zu  bewohnen.    Ich  kann  vielmehr  das  angebUch  in 


^  Die  TOB  Livios  3,  31  knrx  erwütste  lex  leüia  de  AvenUno 
pmbUeaitdo  y.  J.  298  kaan  mmoslich  dabin  yentuden  werden,  dass 
der  Berf^  ganz  «der  xim  grossen  Theil,  wie  Dionys  sagt  (10^  31  ovx 
anas  tote  ^papo^  nnbewokat  war.  Seine  ErziUnng  entlüUt  die  dent- 
lichsten  Sporen,  dass  seine  Quelle  spatere  Anschannngen  eiunisdite 
(ganz  besonders  charakteristisch  ist  der  Ban  der  uuuIob  e.  32,  ygl.  §  8). 
Sidit  Ban  auch  ganz  ab  yon  den  in  der  Rönigszeit  dahin  nbersiedeltea 
Gemeinden,  so  sprechen  der  Gannane  (oben  S.  183)  and  das  Collegium 
der  JvaUmaues  (oben  A.  43),  yor  allem  aber  di«  Ilmtsacfae,  dass  die 
seryianisehe  Befestigiing  ihn  einschloss,  dentUdi  für,  die  yerhaltnisa- 
massig  spate  Anlegung  einer  gepflasterten  Fahrstrasse,  des  eUvus  Pu- 
bUeius^  nicht  gegen  die  Annahme  einer  alten  Ansiedelang.  Den  Bei- 
namen AveMtutnuU  fahren  nur  die  Genncii  in  den  Gonsnlaten  389 — 392. 
Da  es  mit  diesen  Ortsbeinamen  iberbaopt  bedenklieh  st^t  (oben  192  f.), 
so  A^iiflt  anch  dieser  Beiname  der  Vorkampfer  der  Plebs  (Mommsen 
Forsch.  1,  111)  als  absiehtUche  Dlastration  zn  der  jüngeren  Version 
anzosehen  sein.  Mir  seheint,  dass  das  fMkmn  des  Berges  sich  mit 
alten  Ansiedelnden  verträgt,  ohne  dass  man  sich  an  Dionys  so  eng 
anznschliessen  brauch^  wie  es  Schwegler  2^  598  ff.  g^han  hat. 


§  4.J      TARQÜINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANTSCHE  STADT.     281 

Folge  des  Hochverraths  des  Manlius  erlassene  Verbot  in  Ver- 
bindung mit  der  nicht  zu  leugnenden  Existenz  eines  heiligen 
GoUegiums  von  Kapitolinem  für  nichts  anderes  halten  als  für 
die  Formulirung  der  Thatsache  dass  nach  Gründung  der  ser- 
vianischen  Stadt  die  ausschliessliche  Benutzung  der  beiden 
Gipfel  des  Berges  zu  religiösen  Zwecken-  von  selbst  eine  ge- 
setzliche Regelung  des  Anbaus  des  ganzen  Berges  herbeiführte. 
Dazu  kommt,  dass  die  mit  der  religiösen  Hand  in  Hand  gehende 
militärische  Bestimmung  desselben  als  Citadelle  für  den  Anbau 
überhaupt  schwerüch  mehr  als  die  Abhänge  unter  der  Burg- 
mauer übrig  liess  und  dass  die  Bebauung  derselben  so  gut 
me  bei  griechischen  Akropolen  nach  militärischen  Rücksichten 
eingeschränkt  sein  musste.  Wir  haben  endlich  noch  das 
werthroUe  Zeugniss  dass  im  Jahre  666  die  'um  das  Kapitol* 
belegenen  der  Staatspriesterschaft  bis  dahin  überwiesenen 
öffentlichen  Grundstücke  vom  Staate  eingezogen  und  an  Pri- 
vate für  Rechnung  der  Staatskasse  veräussert  worden  sind 
(vgl.  §  5).  Es  ist  sehr  wahrscheinlich  dass  diese  Ueber- 
weisung  in  den  Beginn  der  Entwicklung  der  servianischen 
Stadt  selbst  fällt,  jedesfalls  sehe  ich  keinen  Grund  sie  erheb- 
lich tief  hinabzurückeh.  Alles  das  genügt  vollkommen  zur 
Erklärung  der  Thatsache,  dass  das  Kapitel  ausser  der  Regionen- 
eintheilung  lag  und  in  jenen  Gegensatz  zur  Stadt  trat  den 
noch  die  klassische  Sprache  durch  die  Formel  whs  et  Cafi- 
tolium  bezeichnet  *•). 


^)  Nach  dem  galUschen  Brande  364  wird  ein  GoUeginm  . .  ex  ns 
qui  in  CapüoUo  atque  arce  habitarent  gestiftet  und  ludi  Capitoltni  ein- 
gesetzt (Liv.  5,  50),  nach  der  Vernrtheilnng  des  Manlios  Gapitolinas  ein 
Volksschlnss  dorehgeb rächt  ne  qui»  patridus  in  arce  aut  in  CapüoUo 
habitaret  (6,  20  vgl.  Mommsen  Hermes  5,  245).  Jenes  GoUeginm  wird 
nach  der  Zeit  des  Angastus  nicht  mehr  erwähnt  (vgl.  A.  43,  5.  6).  Den 
f^vauLmen  CapitoHnu»  führen  in  den  Fasten  des  4.  Jahrhunderts  ausser  den 
Manliern  4  altpatrieische  Gentes  (oben  S.  176),  aber  gefälscht  ist  er 
offenbar  bei  den  Maelii  (354.  358  vgl.  aeqiämelium)  und  F.  Sestius  (302 
softst  Capito),  Ich  weiss  nicht,  wie  alt  der  Beiname  in  plebejischen 
Familien  ist  (z.  B.  Petillii,  Munzraeister  d.  J.  711;  thörichte  Erklärung 
des  Beinamens  bei  Porph.  zu  Hör.  Sat.  1,  4,  14),    Das  GoUegium  und 


282  THEIL  L 

Dass  der  Name  mans  Tarpems  der  alte  Name  für  den 
ganzen  Berg  gewesen  sei  ist  unerweislich:  alle  Spuren  führen 
darauf  dass  er  eine  auf  Deutung  beruhende  Verallgemeinerung 
des  saxum  Tarpeium  ist  (oben  S.  187).  Der  Name  cqN^ 
tolium  haftet  an  dem  südlichen  Gipfel  welcher  von  dem 
nordlichen  durch  eine  tiefe  Einsattelung  getrennt  ist,  und 
dieser  heisst  arx.  Der  technische  besonders  scharf  im  Ka* 
lender  und  den  übrigen  die  heiligen  Orte  angehenden  Ur* 
künden  hervortretende  Sprachgebrauch  kennt  nur  diese  Doppd- 
bezeichnung,  sie  liegt  den  besprochenen  die  Bewohnerschaft 
betreffenden  Bestimmungen  zu  Grunde.  Es  ist  natürlich 
dass  a  parte  potiore  daraus  und  nebenher  sich  der  allgemeine 
Name  mom  CapitolinuSf  Capäolini  entwickelt  hat.  Wir  haben 
schon  angedeutet  (oben  §  2  S.  180)  dass  der  Name  eapüelhim, 
Hauptberg,  weder  von  der  Höhe  noch  von  der  Ausdehnung 
des  Berges  oder  seines  südlichen  Theils  herrühren  kann:  es 
ist  der  Berggipfel  der  zu  Häupten  oder  als  Haupt  der  Stadt 
den  Sitz  der  Stadtgötter  tragt.  Keineswegs  ist  damit  gesagt 
dass  seine  Entstehung  der  Gründung  des  etruskischen 
Tempels  gleichzeitig  ist:  wohl  aber  scheint  es  unzweifelhaft 
dass  er  einerseits  mit  der  ummauerten  Stadt  andrer- 
seits mit  der  arx  zusammen  eine  Schöpfung  des  Stadt- 
gründers  ist:  das  angeblich  ältere  cafüolium  des  Qui- 
rinal  beweist  nichts  dagegen  ^^).  In  Wechselbeziehung  zu  den 


die  Gog^nomina  beweisen,  dass  nicht  der  ganze  Berg  in  alter  Zeit 
Tempelgpt  war,  das  Verbot  bestätigt»  dass  mindestens  ein  grosser  Theil 
der  Bebauung  entzogen  war.  Ueber  den  Anbau  nach  666  s.  Th.  ü. 
—  Orosius  5,  IS:  loca  publica  quae  in  jeireuitu  CapUolii  pontifieibus 
auguribus  decemvirü  et  flammünu  tradäa  erant,  cogente  inopia  ven- 
dUa  mnty  von  Gnaeus  Pompejua  Proeonsnl  666:  zuerst  richtig  ver- 
werthet  von  Ambrosch  Studien  u.  Andeutungen  S.  198.  203.  Ueber 
den  Zusammenhang  dieser  Haaasregel  mit  der  Aufhebung  des  alten 
Pomerium  s.  §  5.  —  ürbs  et  CapitoUumi  Caesar  Ciy.  1,  6,  7  vgL 
Hermes  S,  88* 

^^)  Freilieh  sagt  Varro  5,  158:  Capitolium  vettu  quod  ibi  saeel^ 
tum  JovU  lunmU  Minervae  et  id  4mtiqmu$  quam  aedie  quae  in  Capi- 
toUo  facta  est  und  um  den  Parallelismas  vallstäadig  zu  maehea,  findet 


§  4.]      TÄRQÜINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     283 

Stadtgöttern  auf  dem  södlicben  Gipfel  steht  das  Himmels- 
observatorium  der  SiebeDhügetstadt  auf  dem  nördlichen. 
Zwischen  beiden  wacht  wie  zwischen  dem  linken  und  rechten 
Ufer  auf  der  heiligen  Brücke  (unten)  der  Rficher  Vater  Ve- 
jovis.  Aber  der  Name  selbst  scheint  anzudeuten  dass  ausser 
dem  Himmelsobservatorium  der  um  ein  geringes  höhere 
nördliche  Gipfel  die  ^  Wehr '  der  Stadt  trug.  Dies  kann  nicht 
so  verstanden  werden  als  ob  nur  dieser  Gipfel  befestigt  ge* 
Wesen  wäre.  Trümmer  und  Geschichte  beweisen  (vgl.  S.  205  f.) 
zur  Genfige  dass  der  ganze  Berg  mit  seinem  ursprünglich 
einzigen  yertbeidigungsfähigen  Aufgang  von  der  Seite  des 
Forums  die  für  alle  Fälle  sidiere  Festung  bildete  auf  dem 


sieh  aQeh  dw  auguraeulufn  auf  dem  Quirinal  wie  auf  der  arx  (Bd.  2, 
264):  aber  ist  deno  mit  Ambrosch  Stadien  172  uod  denen,  die  ihm 
folgen,  diese  Altersbestimmung  ohne  weiteres  zu  glauben?  Sind  deno 
die  Gegenüberstelluog  des  älteren  sacellum  und  der  jüngeren  aedes 
(o1)en  §  2  A.  15),  der  durchgeführte  Gegensatz  der  sabinischeo  und  der 
palatittiAchen  Stadt,  das  Fehlen  eines  ladividoalnamens  des  tollis  nicht 
ebenaoyiele  G^gvogründe  gegen  die  Authentieitat  der  varronischen  Da- 
tirung?  Das  capüoliwn  auf  demAveotin  ist  eine  Fiction  der  Neueren 
(Eph.  epigr.  1,  236  ff.).  Ich  bestreite  ferner,  dass  das  Vorkommen  von 
capitoUa  römischer  Städte  (vgl.  Braun,  die  Rapitolia,  Bonn  1849)  etwas 
anderes  beweise,  als  dass  mit  der  wachsenden  römischen  Herrschaft  der 
Name  capitoUum  wie  die  Namen  anderer  stadtrömisoher  Denkmäler,  z.  B. 
der  ro$tra  (Eph.  epigr.  1877)  oder  Stadtgegenden  und  Strassen 
(vgl.  §  8)  in  die  romanisirten  Städte  eindrang;  was  das  Ckipütdum 
ffernicum  (hometum  die  Hss.)  bei  Plin.  3,  63  dagegen  beweisen  soll 
(Schwegler  1,  794  u.  A.),  verstehe  ich  nicht;  unverdächtige  Zeugnisse 
fSr  ein  capitoUum  einer  Dicht  romanisirtee  Stadt  sind  mir  unbekaont. 
Endlich  ist  schon  oben  die  jetxt  fast  aUgemein  gangbare  Ansicht,  dass 
die  3  kapitolinischen  Gottheiten  eine  altitalische  Trias  seien,  zurück- 
gewiesen worden.  Es  giebt  meines  Wissens  keinen  Beweis  dafür 
(denn  das  §  2  A.  35  angeführte  Zeugniss  über  die  drei  GStter  und 
drei  Thore  der  Etruskerstätte  beweist  doch  für  die  in  allen  etrns- 
ki sehen  Städten  verhandenen  Tempel  dieser  3  Götter  genau  so  wenig 
wie  für  die  Existenz  von  3  Thoren  in  denselbeo:  vgl.  A.  49*^);  nicht 
l^estützt  wird  sie  durch  die  Dreigöttertempel  in  Städten  des  römischen 
Reichs ;  gegen  dieselbe  scheinen  mir  mythologische  Gründe  zu  sprechen^ 
welche  freilich  hier  nicht  entwickelt  werden  können. 


284  THEIL  I. 

im  Falle  räuberiscber  Ueberrumpelung  der  Stadt  in  tiefini^ 
Fiieden  wie  im  Falle  der  Durchbrechung  des  weit  ausgedehn* 
ten  Mauerrings  im  Kriege  die  Schätze  des  Staats  sicher  ge- 
borgen waren:  unter  dem  Throne  des  Juppiter  auf  dem  ca^ 
pitolmm  und  später  in  der  Münze  auf  der  arx.  Aber 
die  Geschichte  lehrt  ebenfalls  dass  der  südliche  Hügel,  auf 
den  der  Burgweg  fährte  und  der  von  der  Seite  des  Flusses 
und  des  Marsfeldes  her  allenfalls  zu  ersteigen  war,  der  schwache 
Punkt  dieser  Burg  war;  nur  gegen  diesen  richten  sich  die 
bekannten  glücklichen  oder  unglücklichen  AngriffsTersuchey 
nicht  gegen. die  arx.  Sollte  man  ihr  nicht  den  Staatsschatz 
anvertraut  haben  ehe  der  Tempel  des  Saturn  und  die  Münze 
entstanden?  Als  den  militärischen  Hauptplatz  kennzeichnet 
die  arx  auch  die  Kriegsfahne,  welche  hier  weithin  sichtbar 
wehte,  während  die  Hörner  von  den  Mauern  herab  die  Bür- 
ger zu  den  Waffen  riefen  (§  3  AA.  81  u.  4).  Zu  Suren 
Füssen  endlich  befindet  sich  nach  der  jetzt  gangbaren  Mei- 
nung der  Burgbrunnen,  das  tvllianum.  Indessen  muss  ein- 
gestanden werden  dass  diese  namentlich  auf  der  Analogie  des 
Burgbrunnens  von  Tusculum  ruhende  Annahme  Schwierig- 
keiten macht.  Ist  es  richtig  dass  die  Konstruktion  dieses 
Gebäudes  dasselbe  in  die  Zeit  nicht  nur  vor  dem  Bau  der 
Kloake  sondern  auch  wahrscheinlich  vor  dem  der  Stadtmauer 
verweist,  so  ist  es  also  auch  älter  als  die  Burg  deren  Schaf- 
fung uns  unzertrennlich  scheint  von  der  der  Stadtmaua*. 
Und  welche  nachpalatlnische  und  vorservianische  Stadt  sollte 
—  wenn  wir  von  der  hoffentlich  genugsam  zurückgewiesenen 
Erweiterungsgeschichte  absehen  —  ihre  arx  auf  jenem  Gipfel 
erbaut  haben?  Dazu  kommt  nun  femer,  dass  in  unmittel- 
barer Nachbarschaft  sich  das  alte  Heiligthum  des  Janus  be- 
fand, dessen  Beziehungen  zu  den  Quellgottheiten  schon  be- 
rührt worden  sind.  Es  darf  wohl  die  Frage  aufgeworfen 
werden,  ob  wir  es  hier  mit  einem  alten  Quellheiligthum  zu 
thun  haben.  Wir  kommen  auf  die  Beurtheilung  dieses  Bau- 
werks (§  7  Theil  II)  zurück.  Doch  mag  es  sich  damit  verhalten 
wie  es  wolle :  das  eine  scheint  uns  keinem  Zweifel  zu  unter- 


§  4.  ]     TARQÜINISCHE  BAUTEN  ÜWD  SERVIANISCHE  STADT.     285 

liegen  dass  der  ganze  Burghugel  als  Göttersitz  und  Ge- 
wahrsam des  Schatzes  desselben  Ursprungs  ist  wie  die  Stadt- 
mauer und  die  Regionenstadt,  der  Tempel  der  drei  Götter, 
der  ihn  voraussetzt,  also  jünger. 

Das  Pomerium  welches  die  Stadt  der  Tier  Viertel  um- 
läuft ist  ideal  als  Templum  gedacht  und  soll  ein  Quadrat  sein, 
dessen  Seiten  nach  den  Himmelsgegenden  gerichtet  sind. 
Diese  Gestalt  hatte  wie  gezeigt  wurde  nach  priesterlicher 
Festsetzung  das  Pomerium  der  ^ alten  palatinischen  Stadt'; 
ebenso  legten  die  Römer  ihre  Kolonien  an  und  die  Aehnlich- 
keit  der  Grundform  des  Lagers  ist  längst  bemerkt  worden. 
Aliein  das  Pomerium  der  servianischen  Stadt  hat  weder  mit 
einem  Quadrat  noch  mit  irgend  einer  geometrischen  Figur 
eine  Aehnlichkeit:  gebunden  —  bis  auf  ein  Stück  im  Westen 
—  an  die  wesentlich  der  Terrainfonnation  angepasste  Mauer 
beschreibt  es  mit  dieser  eine  ganz  unregelmässige  bald  zungen- 
förmig  ausspringende  bald  busenförmig  eingezogene  immer 
ttndulirende  Linie.  Diese  Tbatsache  scheint  das  grübelnde 
Gewissen  des  Kaiser  Claudius  beschwert  zu  haben:  denn  die 
Figur,  welche  sein  neues  von  der  Mauer  losgerissenes  Po- 
merium beschrieb,  nähert  sich  auffallend  der  quadratischen 
Form  (§  5).  Fehlt  es  so  an  allen  Kriterien  nach  denen 
man  gewisse  Abschnitte  des  Pomerkim  als  die  Nord-  und 
Sftd-,  die  Ost-  und  Westregion  desselben  begrenzen  könnte, 
so  sieht  es  auch  mit  der  Lage  der  vier  Viertel  des  zu  den- 
kenden Quadrats  und  ihrer  Theilung  durch  eine  Nord -Süd- 
linie (Gardo)  und  eine  Ost-WestHnie  (Decumanus)  nicht  zum 
besten  aus.  Als  den  Decumanus  hat  man  die  saera  via  zu 
erkennen  geglaubt  ^^);  Und  in  der  That,  wenn  man  der  aus 
den  Priest^schriften  geschöpften  Versicherung  folgt,  dass  die-^ 
selbe  reichte  vom  saceUum  Strmiae  in  der  Gegend  südöstlich 
vom  Colosseum  bis  auf  die  ara>  (oben  §  2  A.  74),  so  blieben 
auf  jeder  Seite  dieser  Linie  zwei  Regionen ,  auf  der  als  die 
südliche  zu  betrachtenden    die  Suburana  und  Palatina^  auf 

^)  GötUing  De  sacra  via,  Progr.  Jena  1837,  und  Staatsverf.  S.  202 ; 
mit  ihm  Nissen  Tempi  S.  85^ 


286  THEIL  I. 

der  Dördiichen  die  Esqutlina  und  Coüma,  Es  musste  dann 
der  Cardo  gesucht  werden.  Die  sudliche  Hälfte  schien  sich 
ungezwungen  in  der  Strasse  zwischen  Gaelius  und  Palatin  zu 
bieten;  allein  der  nördlichen  Fortsetzung,  welche  in  d^  Luft- 
linie zur  porta  CoUma  fuhrt  (unten),  entspricht  kdlne  auch 
nur  annähernd  der  Graden  ähnelnde  Hauptstrasse  und  d«r 
Gedanke  an  den  späteren  Untergang  einer  solchen  ist  durch 
die  Terrainbildung  ausgeschlossen:  erst  die  gewaltsamen  Um- 
gestaltungen der  Strassenläufe  seit  Sixtus  V.  haben  theilweise 
die  uralten  natürlichen  Verkehrsadern  durchbrochen.  Setzt  man 
sich  auch  über  diese  Schwierigkeit  hinweg^  so  ist  doch  selbst 
die  Sacra  via  als  Decumanus  nicht  ohne  Bedenken.  Denn  es  ist 
nichts  weniger  als  ausgemacht,  dass  der  Name  derselben  in  der 
von  den  Priestern  bestimmten  Ausdehnung  jemals  gebraucht 
worden  (s.  Th.  H)  und  sicher,  dass  ihr  Westende  überhaupt  kein 
Thor  erreicht  hat.  Femer  fällt  diese  Ost-Westlinie  mit  einer 
der  yier  Seiten  des  pälatinischen  Pomerium  zusammen :  sie 
bildet  dessen  Nordseite.  Es  wurde  daraus  folgen  dass  für  das 
palatinische  Pomerium  als  die  nach  Osten  gewandte  Front  die 
Seite  gegenüber  dem  Caelius  zu  betrachten  wäre:  diese  Front 
hat  kein  Thor,  —  Bei  der  vdlligen  Unsicherheit  über  die 
schneidenden  Linien  und  der  Abwesenseit  eiaer  dem  Quadrat 
ähnlichen  Umfangslinie  kann  auch  von  vier  nach  der  Analogie 
des  Lagers  und  der  rdmischen  Kolonie  aufzunehmenden  Haupt- 
thoren  unter  den  mindestens  12  ursprünglichen  Stadt- 
thoren^^)  nicht  die  Rede  sein.  Selbst  zugegeben  die  viasacra 
sei  der  Decumanus  und  endete,  wie  dann  freilich  nothwendig 
anzunehmen,  ist,  nicht  auf  der  arx  sondern  an  einem  Thor, 
so  konnte  dies  Thor  do^fa  nur  das  unmittelbar  an  der  ars 
belegene  (die  sogenannte  Rattime$ma)  sein,  nicht  die  Carmenr 
talis,  zu  welcher  von  der  sacra  via  abbiegend  der  viims  tu- 
gurius  führte  ^^).    Als  das  ent^iprechend^  OsttfafH*  wäi^e  eben 

^)  Die  37  der  Zeit  Vespasians  (§  3  A.  5)  Bind  natürlieh  niebt 
nrsprüoglieh:  auf  12  wird  laaD  nach  dem  §  3  gesagUo  kommen.  Als 
Normalzahl  der  Thore  der  < etruskischen '  Stadt  gilt  3:  §2  A.  35. 

^*)  Als  sicher  bezeichnet  Nissen  S.  %ß  die  Ei^nsdkaft  der  Cot' 
mentalis  als  porta  decumana,  als  möglidi  die  der  Capena  als  prind- 


§  4.]      TARQÜINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.    287 

SO  nothwendig  das  Thor  am  Caelius  (Caelimontana?)  anzu- 
sehen ,  for  das  Nordthor  bliebe  die  Wahl  zwischen  den  drei 
Wallthoren,  von  einem  Südthor  kann  bei  der  Inkongruenz 
des  Pömeriam  und  der  Uauer  nicht  gesprochen  werden. 

Von  dem  Torausgesetzten  Stadttemplum  der  servianischen 
Stadt  lässt  sich  also  besten  Falls  behaupten,  dass  unter  gänz- 
licher Aufgabe  der  bei  der  Gründung  yon  Kolonien  nach 
ausdrücklichen  Zeugnissen  und  den  erhaltenen  Resten  zur 
Anwendung  gekommenen  mathematischen  Grundform,  die 
Idee  des  Pomerium  als  der  Auspiciengrenze  zur  praktischen 
Anwendung  gekommen  ist  und  es  kann  sein  dass  auch  die 
vier  Viertel  als  ideale  Grundbestandtheile  desselben  zu  be- 
trachten sind.  Einer  weiteren  Durchführung  der  Aehnlichkeit 
des  4ier  Kolonie  und  dem  Lager  gemeinsamen  Grundschema 
widerstreiten  die  topographischen  Thatsachen:  die  principielle 
Richtigkeit  der  Forderung,  dass  dieses  Grundschema  das  aller 
italisdier  Städte  sei,  haben  wir  nicht  zu  untersuchen. 

D^  Umlauf  um  das  Pomerium  der  palatinischen  Stadt 
an  den  Lupercdien  galt  nach  priesterlicher  Auffassung  der 
Lustration  derselben.  Keine  Stadt,  keine  Feldflur  entbehrt 
em  solches  seine  Grenzen  weihendes  und  schützendes  Fest. 
Hat  auch  die  Vierregionenatadt  ein  solches? 

Die  Inkongruenz  der  vier  Regionen  und  der  Stadtmauer, 
welche  die  sieben  Hügel  umschloss,  haben  die  Alten  nicht  zu 
erklären  vermocht.  Sie  mag  auch  daran  Schuld  sein  dass 
man  als  den  Geburtstag  der  urbs  Roma  den  angd^lichen  Tag 
der  Gründung  der  urhs  antiqaa  oder  des  oppidum  PdleUinum 
durch  Romulus,  <Ue  Paräia  feierte.  Dennoch  ist  die  Grün- 
dung jener  wie  (heser  in  religiösen  Formen  gefeiert  worden : 
wie  das  palatinische  Pomerium  an  den  LupercaUen  umlaufen 
warde,  so  haben  Fest-  und  Opferumzuge  das  Pomerium  der 
servianischen  Stadt  und  die  Grenze  des  servianischen  Staats- 
gebiets gesühnt. 


palis  dextra:  jenes  nur  weff^en  des  bösen  omen  und  des  Namens  porta 
icderata,  worüber  sich  jeder  nach  der  Beseltaffettheit  der  JNachrichteii 
§  3  A.  74  ein  Urtheil  bilden  kann. 


288  THEIL  I. 

Die  von  Yarro  im  pontificischen  Archiv  excerpirte  Ur- 
künde  sacra  Argeorum  lehrt,  dass  in  jedem  der  4  'Stadttheile' 
6  8€tcella,  benannt  argeif  waren.  Zu  diesen  sacella  begab  sich 
am  16.  17.  März  die  Staatspriesterschaft;  man  weiss  nicht 
was  daselbst  geschah:  nur  ist  es  gewiss  dass  die  Flaminica 
Trauer  hatte.  Am  15.  Mai  wiederholte  sich  ihr  Besuche 
24  Binsenpuppen  wurden  (ebenfalls  argei.  genannt?)  an  die 
Tiberbröcke  getragen;  im  Zuge  gingen  der  Stadtprätor  und 
von  der  Burgerschaft  *  die  Berechtigten  \  Die  Puppen  wurden 
nach  vorhergegangenem  Opfer  von  der  Brücke  in  den  Fluss 
geworfen.  Die  Betheiligung  des  Stadtprätors  in  Gemeinschaft 
mit  der  St'aatspriesterschaft  bei  diesem  Feste  wie  bei  dem 
Opfer  für  Hercules  Victor,  dem  Feste  der  Bona  Dea  und 
wenigen  anderen,  die  Vollziehung  der  Haupthandlung  durch 
die  vestalischen  Jungfrauen,  denen  Gebet  und  Gelübde  für 
das  Heil  des  Staates  am  Staatsheerde  zufallen,  bärgen  dafür 
dass  der  Ausdruck  mit  welchem  das  Hauptfest  am  15.  Mai 
bezeichnet  wird,  ^die  grösste  Sühnfeier',  mehr  ist  als  eine 
bedeutungslose  Phrase  und  dass  das  Fest  ein  Sühnfest  fiör 
die  Stadt  der  vier  Regionen  ist.  Ferner  ist  es  sicher  dass 
an  dem  Hauptfest  die  genannten  Theilnehmer  die  24  saceÜa 
besuchten  und  bei  ihnen  opferten;  die  vier  Regionen  wurden 
dabei  in  Prozession  umgangen,  die  Prozession  begann  an  der 
Grenze  der  palatinischen  und  suburanischen  und  endete  da- 
selbst. Man  muss  wohl  annehm^i  dass  von  dem  Endpunkt 
über  die  sacra  via  zur  Tiberbrucke  gezogen  wurde  um  das 
Schluss-  und  Hauptopfer  darzubringen.  Weder  der  Name  der 
argei  noch  die  Zahl  ist  bis  jetzt  erklärt  worden:  die  Bedeu- 
tung des  Festes  tritt  vielleicht  in  ein  heileres  Licht  wenn 
wir  ein  zweites  gleich  wichtiges  aber  gleich  dunkeles  zur 
Vergleichung  heranziehen,  die  Ambarvalien'^^). 

^)  Vgl.  oben  S.  39.  Es  ist  nützlich,  noch  einmal  die  berahmte 
Stelle  des  Varro  5,  41  ff.  in  ihrem  Znsammenhange  herzusetzen: 
übt  nunc  est  Roma  Septimontiwn  nominatum  (sicher,  trotz  einer  Um- 
stellung in  der  Hs.)  ah  tot  montibus  quos  postea  ttrbs  muris  com- 
prehendit  e  quü  Capitolium  dictum  quod  .  . .  Aventinuni  aUquod  dt 
causü  dicunt  . . .  reliqua  urbis  loea  oHm  disereta,  cum  Argeorum  ta- 


§  4J     TARQUINISCHE  BAUTEN  UND  SERVIANISCHE  STADT.     289 

Der  bekannte  Bericht  des  Straban  lautet:  ^zwischen 
dem  5«  uad  6»  Meilenstein  von  Rom  ^ebt  es  einen  Ort  Festi  (?). 
Diesen  hält  man  für  die  Grenze  des  Stadtgebiets'  (zur  Zeit 
der  Gründung  durch  Romulus  und  Remus).  *Die  Priester 
Yollziefaen  am  selben  Tage  dort  und  an  vielen  anderen 
Grenzorten  das  Fest  der  ambarvia\  Dies  geschah  am 
29.  Mai.  Auf  denselben  Tag  fällt  das  Fest  im  Hain  der  Dea 
Dia  am  6.  Heilenstein  von  Rom  auf  dem  rechten  Ufer  des 
Tibers,  an  welchem  die  Ackerbrüder  zum  Mars  beten,  dem- 
selben Gott  zu  welchem  der  Gutsherr  beim  Umzug  um  die 
Feldmark  betet,  jene  wie  dieser  um  Abwehr  alles  Schadens 
von  dem  umgangenen  Gebiet.  Es  müsste  der  wunderlichste 
Zufall  sein,  wenn  jener  räthselhafte  Ort  nicht  eben  der  Hain 
der  Dea  Dia,  eine  der  Opferstätten  auf  der  Grenzlinie  des 
Staatsgebiets  wäre:  dass  uns  die  Nachricht  von  den  übrigen 
verloren  gegangen  ist,  ist  sehr  natürlich,  da  Augustus,  als  er 
aus  dem  Archiv  der  Pontifices  das  unzweifelhaft  als  sacra 
fratrum  arvalium  noch  erhaltene  Ritual,  von  dem  .uns  die 
igttvinischen  Tafeln  einen  Begriff  machen  künnen,  hervorzog 
und  die  nicht  mehr  in  Thätigkeit  befindliche  Genossenschaft 
reaktivirte,  gewiss  einsah  dass  in  der  damals  ringsum  dicht 
bebauten  Campagna  der  vollständige  Opferumzug  um  die  alten 


erofria  in  septem  et  viginti  f  artig  urbi*  sint  disposita  (so  F:  doch  ist 
sehon  wegen  des  Folgeoden,  wie  ich  auch  jetzt  noch  überzeugt  bin, 
Dothwendig  zo  leseo  sacraria  XXIIII  in  IUI  partis;  nicht  sturaria  in 
XXII JI  partis).  j^rgeos  dictos  ,  .  ,  e  quis  (nehmlich  von  den  ////  par- 
tes, aber  doch  nicht  von  XXIIII)  prima  scripta  est  regio  Suburana 
(folgen  die  4  Hegiooen  in  der  oben  angegebenen  Ordnung)  .  . .  tn  Su- 
burcmae  regioms  parte  princeps  (folgten  in  jeder  Region  die  Argei 
princeps  bis  sexticepsy  vollständig  erhalten  in  keiner).  Dazu  vgl.  6,  24 : 
.  dies  Septimoniium  nominaius  ab  his  septem  mmtibus  in  quihus  sita  urbs 
est,  —  Das  Argeerfest  nennt  Piatarch  Q.  R.  86:  o  fiiyicjog  täv  xa- 
&a^fiwv^  —  Die  Betheiligung  des  Stadtprätors  geht  ans  dem  verallge- 
nieinernden  Satz  des  Dionys  1,  38:  aiQarr^öt  re  xal  ttSv  aXJnov  no' 
liTtSv  ove  naqilvai  zaig  l^^ovQyCaig  d^ifxig  wohl  hervor.  Daher  die  Steile 
zu  den  von  Mommsen  Staatsr.  2^,  1,  226  vgl.  CIL  1  S.  540  zusammen- 
gestellten nachzutragen  ist.  Im  Uebrigen  verweise  ieh  auf  die  Unter- 
suchung im  2.  Baude. 

Jordan^  rOmiache  Topographie.    I.    1.  19 


290  THKIL  I. 

€renzorte  für  die  vornehmen  H^ren  wenn  dberiiaapt  aus- 
fuhrbar so  doch  sehr  unbequem  werden  musste^^).  Die  An- 
kn&pfung  des  Arvalendienstes  an  Romulus  gehört  zu  dem 
gleich  weiter  zu  erörternden  pontifieischen  Zurechtmachungen. 
—  Ich  glaube  also  dass  der  Hain  der-  Dea  Dia  zu  den  alten 
Grenzorten  des  Gebiets  gehört  und  so  gut  wie  der  der  #tir- 
rinae  auf  dem  rechten  Ufer  ein  nicht  eu  beseitigendes  Zeug- 
niss  dafür  ablegt  dass  der  rechte  (Jferrand  des  Tiber  Staats- 
gebiet, nicht  Feindesland  war^').    Ganz  dasselbe  folgt  aus  der 


^1)  Strabo  5,  3,  2  S.  230  sagt,  die  nächsten  Ortschaften  Collatia, 
Antemnae,  Pidenae^  Labicnui  liegen  anb  TQcaxovra  17  fiiXQtp  nXeiovwv 
irjg  *Pb}firig  araöCtov.  fiiTft^v  yovv  Tov  nifAnrov  xa\  tov  ixrov  Kdijv 
Tcor  ra  fiCkta  Siaar\fiaiv6vt(üV  rrg  ^Pufirjs  xaXinui  tonog  ^arct, 
TovTov  S'oQiov  ttno(f)a£vovai  Trjg  roT€  'Pui/naiaiv  yijSj  ot  d'UQOfivijfioiftg 
S'vaiav  initslovöiv  ivrav&a  t«  xa\  iv  äXXoig  jonoig  nlcioaiv  tag  6q(ois 
av&rifi€Qov  riv  xaXovai  lifdßaQovtav.  Freilich  lag  nur  Anteinnae  in  der 
angegebenen  Entfernung  von  30  Stadien,  die  übrigen  viel  weiter  (5,  S, 
15  Alillien  =  40,  64,  120  Stadien).  Dass  die  6  bis  6  Meilen  mit  der 
Lage  des  Hains  der  Dea  Dia  stimmen  nnd  dass  der  Ort  aielit  mit  Nie- 
bohr  laadeiowärts,  sondern  gegen  das  Meer  hin,  wo  zur  Zeit  des  Ro- 
mulus plurimum  agri  romani  lag  (Fest.  213  vgl.  Mommsen  Tribns 
S.  15.  215),  zu  suchen  ist,  hat  ausser  anderen  Rubino  Vorgesch.  It 
S.  215  richtig  bemerkt  und  die  gegen  die  Identität  der  Ambarvien 
und  des  Maifestes  der  Dea  Dia  immer  wieder  erhobenen  Einwen- 
dungen scheinen  mir  auch  jetzt  (vgl.  Bd.  2,  236)  ganz  hinHillig, 
wiewohl  die  letzte  Beweisführung  für  dieselbe  (von  Henzea  Acta  arv. 
S.  46  ff.),  wie  ich  anderwärts  zeigen  werde,  ebenfalls  aicht  durchweg 
stichhaltig  ist.     In  derselben  Richtung  ist  auch  die  Remoria  des  Dionys 

1 ,  85  >  der  Xoipog  ov  ngoüto  tov  Ttßiqtog  X€(fjievog  an^^wv  tijg 
*Pi6/4rig  afjKpl  rovg  TQtaxoma  aradlovg  (also  3^  M.),  zu  suchen,  w^he 
auch  Festus  276  {Remurinus  ager)  kennt.  Wenn  der  Vf.  der  Origo 
g.  Rom.  (23,  1)  sie  auf  einen  coüü  qui  aberat  a  Palatio  näUhus 
quinque  (so  die  Hs.)  verlegt,  so  liegt  es  nach  der  Hermes  3,  3891*. 
nachgewiesenen  Quellenbenutzung  näher  an  ein  Verseben  als  an  eiae 
Beziehung  auf  den  Aryalenhain  zu  denken,  um  so  mehr,  als  die  Remoria 
nach  der  Vorstellang  der  Alten  auf  dem  linken  Ufer  zu  suchen  ist:  am 
Etruseorum  agrum  a  Romano  Tiberis  diseluderet,  Pest.  213  vgl.  A.  32. 

M)  Weder  trans   Tiberim  vendere  (Gell.  20,  1,  47  Beeker  Haadk. 

2,  ],  107  Hnschke  Nexnm  S.  86)  noch  tränt  Tiberim  relegare  (Liv.  3, 


§  4.]     TARQÜINISCHE  BAUTEN  ÜNP  SERVIANISCHE  STADT.     291 

ftolle  jdie  das  Jaiuculum  (oben)  und  die  septejn  pagi  auf- dem 
etruskischeu  Ufer  ia  ältester  Zeit  spielten,  dasselbe  vor  allem 
aus  der  voja  den  Pontifices  gebaute^  und  erhaltenen  Tiber- 
hrücke.  Sie  führt  nicht  in  Feindesland,  sondern  bildet,  wie 
ic^sphap  öfters jhervoi^^ oben  habe,  die  Verbindung  zwischen 
den  gleich  alten  sacra  tds  et  eis  Tiberim,  deren  Zusammenbang 
jeden  Augenblick  d^r  Yater  Tiberinus  zu  zerreissen  droht* 
Nicht  den  schwächsten  Be^veis  für  die  Richtigkeit  der  An- 
nahme dass  diese  Brücke  über  die  Insel  führte  sehe  ich  in 
dem  uralten  Heiligthum  des  Yater  Vejoyis,  dessen  Stellung 
iiier  eine  llhnliche  ist  wie  zwischen  capüoUum  und  arx  (S.  283). 
-~  Die  Frage  über  die  Ausdehnung  des  servianischen  Staats- 
gebiets >  .über  die  £poche  der  Gründung  des  Seehafens  und 
qt>er  deißsen  Veji)indung .  mit  Rom  (vgl.  §  7)  liegt  ausserhalb 
der  Qrenzen  der  Topographie^^). 

Aber,  noch  ein  drittes  Fest  gehört  in  diese  Reihe,  das 
^tm(Mitmi  (S.  199).  Die  älteste  uns  zugängliche  Ueber- 
lieferung  Casst  dasselbe  als  Fest  der  sieben  servianischen 
Berge,  e|ne  etwas  jüngere,,  ungewiss  ob  nach  älterem  Vorgange, 
als  das  Fest  der  um  das  Pal^tium  gruppiiiien  vorservianischen. 
Es  ist  wohl  möglich  dass  wir  in  dem  Argeerfest,  den 
Amharviea  und  dem  Septimontium  einen  ursprünglich  zu- 
sammenhängenden Gyclus  von  Festen  der  servianischen  Stadt 
—  als  der  ummauerten  und  der  Regionenstadt  —  und  ihres 
Clebiets  zu  erkennen  haben. 

Es  kann  nicht  auffallen  dass  der  Zusammenhang  und 
die,  ursprüngliche  Bedeutung  dieser  Feste  sich  verdunkelt  hat. 
Nicht  ohne  Vorgänger  und  Anknüpfungspunkte  hat  Augustus 


13.  8,..  14.  26,  34)  beweist,   dass  Feindesland  jenseits   der  Brücke  bc- 
ISvia  f(iid  stromabwärts  reichte. 

**)  lieber  die  septem  pagi  Schwegler  2,  739  vgl.  §  4  A.  43  z.  E.; 
«ber  die  Mcr«  cm  et  uU  Tiberim  Varro  5,  83*  Gellius  12,  13.  —  üeber 
dan  Umfang  des  römischen  Gebietes  nach  Vertreibung  der  Könige: 
1^.  MiUien  (Radius?)  Eutrop  J,  8  (aus  ihm  Hieron.  zu  1505),  20 
Augustin  CD.  3,*  15.     Vgl.  Schwegler  2,  684. 

19* 


292  THEfL  I. 

die  Romuluslegende  zum  Staatsdogma  gemacht;  indem  er 
dem  vergötterten  Romulus  den  vergötterten  Caesar  anreihte,  das 
lupercal  als  die  Landnngsstätte  der  Zwillinge  und  den  mundm 
der  Romulusstadt  neben  seinem  eigenen  Hause  kennzeichnete, 
und  das  CoUegium  der  Arvalen  als  das  der  Pflegebi^der  des 
Romulus  reaktivirte:  denn  mindestens  in  die  Zeit  d^  pu- 
nischen  Kriege  zurück  reicht  sicher  die  Consecration  der  dop- 
pelten aedes  (oder  casa)  Romuli,  die  Einreihung  des  Romulw 
unter  die  Götter,  vielleicht  auch  die  räumliche  Feststellung 
des  palatinischen  Pomerium  und  die  Erfindung  der  Hinaus- 
schiebung  desselben  durch  Romulus  nach  der  Ueberwindang 
der  Sabiner  (vgl.  §  5).  Dass  dieses  immer  stärkere  Vor- 
drängen der  Romulusfabel  und  die  Einführung  derselben  in 
den  Staatsgottesdienst  mit  frühzeitigen  Berathungen  und  Ent- 
scheidungen der  höchsten  priesterlichen  Collegien  im  Zu- 
sammenhang stehen,  und  dass  diese  Collegien  ebensowohl  bei 
diesen  Entscheidungen  wie  bei  der  theologischen  Feststellung 
der  Rangklassen  der  Götter  durch  die  immer  tiefer  eindringende 
hellenistische  Aufklärung  beeinflusst  wurden,  ist  unzweifel- 
haft. In  dieselbe  Reihe  theoretischer  Entscheidungen  ge- 
hört auch  die  Lehre  von  dem  Geheimnamen  Roms*^).  Diese 
Neuerungen  können  nicht  ohne  Einfluss  auf  den  Kalender 


^)  Augustus :  über  den  divus  lulius  Jf ermes  9,  342  ff.,  über  äifi 
rdmulischeD  firinoeraDgen  auf  dem  PaUtin  Th.  11^  über  die  Arvalen 
(reorganisirt  zwischen  742  und  752,  also  wahrscheinlich  746,  als  die 
14  Regionen  eingerichtet  wurden)  0.  Hirschfeld  Gott.  geL  Aaz.  1869 
(St.  38)  S.  1500  f.  —  Frühere  Zeit:  aedes  Romuli  und  pomerium  der 
palatinischen  Stadt  oben  S.  163  tf.  Ueber  die  Götterklassen  kann  hier 
nicht  in  der  Kürze  gehandelt  werden,  wie  denn  überhaupt  eine  eingehende 
Darlegung  der  hier  und  A.  55  angedeuteten  Ansichten  vorbehalten 
bleibt.  —  Den  Geheimnamen  Roms  erwähne  ich  hier  besonders,  weil 
uns  die  Geschichte  von  der  frevelhaften  Ausplauderung  desselben  dordi 
Valerius  Soranus  wahrscheinlich  einen  der  wenigen  chronologischen 
Anhaltpunkte  in  der  Geschichte  der  Aufklärung  giebt  (vgl.  Tenffel  L. 
G.  §  134,  1):  sonst  geht  er  die  Topographie  nichts  an.  Vgl.  Becker 
Handb.  2,  1,  14  f.  Bernays  im  Hermes  11,  132.  134  und  Riese  das. 
12,  143  f. 


§  4.]     TARQUiJNISCHE  BAUTEN  UND  SERVIAJVISCHE  STADT.     293 

geblieben  sein  und  längst  ist  beispielsweise  die  Begriffs- 
bestimmang  der  Tage,  welche  die  Note  N  und  ^P  tragen  wie 
diese  Dtfierenzirung  selbst  und  manches  andere  als  ein  Zeichen 
jüngerer  Redaktion  erkannt  worden.  Allein  es  scheint  mir 
nicht  genügend  erwogen  worden  zu  sein,  dass  die  Grundlage 
dieses  Kalenders,  welchen  die  alte  Ueberlieferung  wie  die 
neuere  Kritik  als  den  Kalender  des  Numa  zu  bezeichnen 
pflegt,  nicht  wohl  etwas  anderes  sein  konnte  als  der  Fest^ 
cydus  in  der  Gestalt,  wie  ihn  nach  Gründung  der  s er yi atti- 
schen Stadt  und  des  servianischen  Staats  das  geistliche 
Sachverständigencollegium  desselben,  die  Erbauer  und  Hüter 
der  beifigen  Brücke,  die  pontifkes  festgestellt  hatten:  ebenso 
wie  das  örtüche  System  aller  Hauptheiligthümer  —  die  Götter 
auf  der  Burg,  der  Vesta-,  der  Laren-  und  Penatentempel  an 
der  heiUgen  Strasse  —  die  Siebenhügelstadt  voraussetzt.  Dass 
in  einem  solch:en  Kalender  nicht  Feste  zum  Andenken  an  die 
GronduBg  dieser  neuen  Stadt,  nicht  abwehrende  und  sühnende 
Opferumzuge  um  die  Stadtgrenze  und  die  Grenze  der  Feld- 
mark einen  hervorragenden  Platz  gehabt  haben  sollten,  ist 
gradezu  undenkbar:  dass  sie  wie  gezeigt  wurde  in  ihrem  Zu- 
sammenhange nicht  mehr  klar  hervortreten,  weiss  ich  nur 
durch  die  dogmatische  Entwicklung  der  vorservianischen 
Stadtgrundung  zu  erklären '^'^). 

Aus  der  vorstehenden  Untersuchung  glauben  wir  folgen- 
des Ergebniss  zu  gewinnen.  Der  Bau  der  Ringmauer  und 
die  Einrichtung  des  kapitolinischen  Berges  als  Akropolis  sind 
mit  der  Uintheilung  der  Stadt  in  vier  Regionen  unlöslich  ver- 
bunden;  das  Argeeropfer  gilt  der  Gründung  der  Stadt  der 


^)  Dass  Feste  and  Gebräuche  der  vorservianischen  AnsiedelangeD 
ia  den  hier  als  servianisch  bezeiehoetea  Kalender  aofgenommen  wor- 
<iea  sind.,  «oU  nieht  beatritten  werden :  wohl  aber  glanbe  ich,  dass  die 
aaaeatUch  in  der  Erkläruag  des  Systems  der  Haoptfeste  noch  so 
schwankende  oder,  wo  sie  durchgreifen  will  (wie  die  Huschkes),  so 
fehlgehende  Methode  grade  von  dem  oben  behaupteten  Standpunkt  aus 
zu  befriedigenderen  Resultateii  gelangen  muss.     Vgl  A.  54, 


294  THEIL  I. 

vier  Regionen.  Nichts  verräth  den  etrasUischöir  Ursprung 
dieser,  der  servianischen  Stadt.  Alier  WahtscheinH(M«il?  Badhf 
war  sie  längst  gegründet;  als  mit  Hilfe  sudetruskisohcf  fiiaafeul«p 
der  Gottersftz  auf  dem  Kapitol  zu  einefm  mäehtigen  DröÄjgöttef- 
tempel  umgestaltet  und  im  Gefolge  dieser  ümgestaltwog  di« 
altnatidbaleh  Rennspiele  im  Circusthal  mit  deaf  naohmaligeAi 
fremdländischen  Pomp  ausgestattet  wurden;  auch  die'Erbaottn^ 
der  die  Entwässerung  der  Unterstadt  sichernden  iLlo^ke  ßih 
nach  der  Erbauung  des  Mauerrittgs  und  mag  ebdn  jefcjer 
in  der  Kultur  vorschreitcnden  Epoche  angehören,  welche  den 
monumentalen  Kunsthau  einführle. 

Die  volksth&mliche  Ueherlieferung  hat  nicht  alMisi  diese 
letzten  Bauten,  sondern  auch  den  Mauerbau  likiiti  eingewan^' 
derten  Königsgeschleeht  der  Tärcpiinier  zugeschrieben;  erst 
die  mehr  und  mehr  sich  entwickelnde  Theorie  der  Stadt* 
erweiterung  d6n  früheren  Königen  die  unbehotfenen  An- 
fänge zu  diesem  Werke.  Aber  die  Reste  deseelben  he* 
lehren  uns,  wenn  es  dessen  bedürfte,  dass  diese  Theorie 
grundlos  ist.  Die  Inkongruenz  der  ummauerten  •  Siebe»- 
hügelstadt  und  der  mit  dem  heimischen  Verfassufigsorgamsmus 
aufs  engste  terbundenen  Regionenstadt  hat  die  ahe  Theorie 
mch  nicht  genügend  zu  erklären  gewusst*  Ab^  wie  sie  ein 
ähnliches  Räthsel,  das  Entstehen  der  servianischeh  -«us.  d(ef 
palatinischen  Stadt  durch  die  symbolische  Legende  t^q  der  Ver- 
setzung des  Feigenbaums  lösen  zu  können  glaiubte  (S.  StOO),  so 
hslt  sie  das  Wunder  der  Erscheinung  des  Servius  TulMns  inmitten 
des  Tarquiniergeschlechts  erdacht,  um  die  scheinbaren  G«g«»* 
Sätze  der  tarquimschen  Bauten  und  der  servianisehea  ätadt 
miteinander  zu  versöhnen.  Dieses  Wunder  trat  in  der  volks- 
mässigen  Ueherlieferung  mit  naiver  ünbekümmertheit  um  Syn- 
chronismen und  Namen  auf:  erst  klügere  Zeiten  haben»  wie 
den  Geburtstag  und  den  Geheimnamen  Roms,  so  den  ur^rüBg*- 
liehen  Namen  des  Servius  Tullius  in  dein  eines  südetrüskiiichen 
Bandenföhrers  Maißtrna  ermittelt  und  ihre  Freude  darap  ge- 
habt,  in  dem  .Gefährten  desselben  Caik  Vipim  den  Eponymen 


§  4.]      TARQUINISCHB  BAUTEIL  UJND  SERVIAJVISCHE  STADT.     295 

eines    der   sieben  Berge    und    somit  wieder   ein  Stück    des 
etraskischen  Drittels  des  römischen  Volks  zu  entdecken  ^^). 


^)  Die  vom  Kaiser  Claadias  ans  etraskiseher  Lokalsage  hervor- 
gezogene Geschichte  vom  Mastama,  dem  nachmaligen  Servius  Tnllius 
nod  seinem  Gefährten  Caelius  Fivenna  (Lyoner  Rede,  vgl.  Ritschi  Rh. 
M.  9,  442)   hat   zwar    scheinbar   durch   die  Entdeckung   des   mit  Bei- 
schriften versehenen  Gemäldes  in   dem  Grabe  von  Vulci  eine  erhöhte 
Bedentung   erhalten:   ein   Caüe  Fipinas,   den   einige  Männer   gefangen 
halten  —  darunter  ein  Cneve  Tarchumes  Rumach  —  wird  von  einem 
Macgtma  befreit  (Mon.  deir  inst  6.  7  T.  XXXI  vgl.  Corssen  Etr.  1, 
331  f.  416.  1005  f.):  indessen  allermindestens  muss  doch  zuerst  gefragt 
werden,  was  die  Beinrbeiter  der  Rö'oigsgeschichte  berechtigte,  mit  Be- 
seitigung der  latinischen  Geschichte  von  dem  gefangenen  Ocriculaner 
Fürstenkinde  eine  in  äüdelruriea  spielende  Fehde  nach  Rem  zu  ver- 
setzen.    Dass  der  Beiname  des  Tarchumes  Rumach  «==  Romanu*  (?)  dio 
Richtigkeit  der  Identificirung  nicht  beweist,   scheint  mir  schon  daraus 
hervorzugehen,  dass  die  Handluug  des  Bildes  weder  mit  der  bei  Clan- 
dfns   überlieferten   Mastamafabel   noch  mit  der   ans  dieser   herausge« 
sponnenan  Geschichte  vom  Ursprung  des  vicus  Ttucus  bei  Festus  365: 
[(ptod  F'o[\ciente$  fraire^  Codes  et  Fibenn[a,  quos  äicunt  re§;em]  Tar^ 
qmniutn  Romam  secum  max[ime  adduxisse,  cum  habitäjrint  (s.  Müller, 
Etr.  1',  111)  auch  nur  leidlich  vereinbar  ist.     Zudem  haben  wir  den 
Caelius  und  ticus  Tuscus  hoiFentlich  richtig  auf  ganz  andere  Ursprünge 
znnlekgefvhrt  (&  186  f.  274).      Ich    stimme   wie  Schwegler   in   der 
BenrtheUfing   der   Mastarn«*'€resQhichte  durehans  und  nach  Auffindung 
jenes  Bildes  erst  recht  mit  Niebnhrs  Auffassung  in  der  1.  Auflage  2» 
529  überein.     Uebrigens   macht   es    der  jetzige   Staod   der   Etrusker- 
forschung  zur  Pflicht,  sich  so  ungläubig  wie  möglich  in  diesen  Dingen 
zu  verhalten:  wenn  beispielsweise  Deecke  mit  scharfer  Kritik  und  in 
der  Baoptsac^e  wohl  richtig  die  Fremdartigkeit  der  Etmsker  gegenüber 
den  Italikern  verficht  und  uns  gleichzeitig  zu  den  etruskisehen  Luceres 
noch  einen  zweiten  etruskisehen  Stamm,  die  Tities,  verschalen  möchte 
(zn  Müllers  Etr.  1,  466.  472),   so   haben  wir  allen  Grund  uns   einst- 
weilen an  Thatsachen  zu  halteo,  die,  wie  der  nichtetrnskische  Charakter 
der  StadtgründuBg,  abseits  der  sprachwissenschaftlichen  Frage  stehen. 


§  5. 
DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN  UND  IHR  WAGHSTHUM. 

Nicht  die  Eintheiiüng  in  vier  Regionen  hat  der  Stadt 
Rom  ihr  Gepräge  gegeben  und  ihre  Weiterentwicklung  be- 
dingt: es  waren  die  Bauten,  weiche  der  Volksglaube  der 
Dynastie  der  Tarquinier  zuschrieb,  die  Ringmauer  und  die 
grosse  Kloake.  Denn  jene  mit  ihren  Thoren  wies  der  Be- 
völkerung die  unverrückbare  Grenze  ihres  Umfangs  und  die 
unverrückbaren  Hauptrichtungen  ihres  Verkehrs  an,  diese 
sicherte  für  immer  den  Anbau  des  centralen  und  zugleich  des 
einzigen  ebenen  Theils,  der  Tiefe  zwischen  den  sieben  Hfigeki 
und  dem  Fluss.  —  Jenseits  der  Hauern  oder  des  Grabens 
beginnt  Feindesland:  sturmfrei  hegen  sie  da,  innen  und  aussen 
von  Streifen  unbebauten  Landes  begrenzt.  In  den  Jahr- 
hunderten in  denen  Rom  mühsam  erst  zum  Vororte  Latiums, 
dann  zur  beherrschenden  Stadt  Italiens  sich  aufschwingt, 
konnte  sich  aussen  um  die  Stadtmauer  kein  Gürtel  von  Vor- 
städten bilden.  Vor  den  Thoren  finden  sich  wenige  Heilig- 
thümer  und  die  Gräber  (S.  171);  der  Waffen-  und  Tummelplatz 
der  Bürgerschaft;  wohl  erst  später  der  Krautmarkt  und  strom- 
abwärts an  der  Strasse  nach  Ostia  der  Landungsplatz  für  die 
heraufkommenden  Galeeren  und  was  an  bescheidenen  mer- 
kantilen Anlagen  dafür  erforderlich  ist.  Die  *  Landgemeinden' 
oder  'Gaue'  (die  pagi),  welche  jenseits  der  Zone  der  Hauer 
hegen,  müssen  noch  in  dem  letzten  Jahrhundert  der  Re- 
publik gegenüber  den  'Bergen  der  Stadt'  ihren  eigenthöm- 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  297 

liehen  Charakter  bewahrt  haben;  erst  in  den  letzten  Jahr- 
zehenden  desselben  wohnt  der  Städter  ausnahmsweise  vor  den 
Tfaoren  (s.  Th.  II),  ist  der  religiöse  und  rechtliche  Schutz  der 
Ringmauer  gegen  Anbauten  aufgehoben  worden. 

Lange   hat   es   gewährt    bis   innerhalb    des    gegebenen 
Rahmens  bei  wachsender  Bevölkerung,  gesteigertem  Verkehr 
mit  der  Aussenwelt  und  erweitertem  Gesichtskreis  die  bauliche 
Entwiekelung  der  Stadt  einen  Aufschwung  nahm.     Während 
die   wahrscheinlich  fast  roUständig  erhaltene  Geschichte  des 
Tempelbaus  bis  zum  zweiten  punischen  Kriege  nur  dürftige 
Fortschritte   aufweist,   schweigt  die    Stadtchronik   beharrlich 
aber  Profanbauten  bis  zum  pyrrhischen  Kriege  und  das  Fehlen 
aller  Bautrümmer,  welche  man  ihnen  zuweisen  könnte,  be- 
stätigt dasselbe.     In  der  That  kann  in  dieser  Jahrhunderte 
umfassenden  Periode,  in  welcher  Rom  nach  aussen  seine  ge- 
bieterische Stellung  in  Italien,  im  Innern  die  Kläi*ung  seiner 
standischen  Gegensätze  erarbeitete,   kein  einziges  Werk  ge- 
schaffen worden  sein,  das  nur  entfernt  an  die  Grossartigkeit 
der  Bauten  der  Tarquinier  herangereicht  hätte.    Erst  zur  Zeit 
des  pyrrhtschen  Krieges  begegnen  wir  Werken  von  gleicher 
Kühnheit  des  Gedankens  und  gleicher  Macht  in  der  Ueber- 
Windung  der  physischen  Schwierigkeiten:  der  Bau  der  ersten 
Heerstrasse  und  der  ersten  Wasserleitung  dürfen  als  epoche« 
machend  fär  die  Entwiekelung  der  Stadt  bezeichnet  werden, 
und  irren  wir  nicht,  so  ist  der  aufgeklärte  Geist  ihres  Er- 
bauers, des  Appius  Claudius,  wie  zu  seinen  litterarischen  Be- 
strebungen so  auch  zu  diesen  Schöpfungen  durch  griechische 
Vorbilder  angeregt  «worden^).  —  Es  kam  dann  die  Zeit,  in 
welcher  Roms  siegreiche  Heere  in  Sictlien,  Hellas  und  im  hel- 


^)  Appias  steht  an  der  Spitze  der  römischen  Litteratur  mit  der 
ersten  g^eschri^benen  Rede  and  dem  ersten  nicht  Rultaszwecken  die- 
tiendea  Gedicht.  Den  Znsammenhaag  in  den  Nachrichten  über  diese 
versifieirten  Weisheitssprüche  and  seinen  Versuch  einer  Reform  der 
Orthographie  so'  wie  die  Anlehnnng  ersterer  an  Pythogaräisches  hat 
Mommsen  in  der  glänzenden  Charakteristik  dieses  Mannes  R.  F.  1,  303 
erkaADt;  vgl.  jedoch  Hermes  6,  203.    lieber  die  Wasserleitung  §  7. 


298  THEIL  I. 

lenischea  0$tea  standen.  Griechische  Muster,  sei  es  avs 
dem  Matterlandc,  sei  es  wül&  den  Kolonien  Süditalien^  und 
Siciliens^),  £anden  seit  dem  zweiten  punisdien  Kriege  bei 
der  vorwärtsstrebenden,  iatelligenten,  auch  4er  griechischen 
Geistesbildung  zugewandten  römi&chen  Nobilitat  volles  Yer- 
standniss,  und  die  gefüllten  Staatskassen,  die  pldtzlich  an- 
geschwollenen Familienreichthumer  verlockten  da^u ,  dem 
Staate  wie  dem  Hause  die  bciqueBaüerea  und  schonerea  Ein- 
richtungen der  alten  hellenischen  Kultur  zu  Gute  kommea 
zu  lassen.  So  entstanden  seit  jener  Epoche  nicht  alleia  in 
raschester  Aufeinanderfolge  neue  und  reichere  Tempelbauten, 
sondern  auch  —  es  sind  die  ersten  Profanbauten  von  Be- 
deutung —  der  Handelshafen  und  die  Kriegsdoggs  (§  7), 
die  Basilike^n  am  Markt  und  die  Schlachthalle  (ma>cellum)* 
Mit  den  griechischen  Baumeistern  wanderten  Schiffsladungen, 
voll  bisher  nicht  gesehenen  fremdländischen  Baumaterials» 
voll  fertiger  Säulen  (oben  S.  17)  und  marmorner  wie  metallner 
Kunstwerke,  die  Beute  aus  Feindesland,  in  die  nioch  schmuck- 
arme  Bauern-  und  Soidatenstadt  Rom  herüber.  Die  Fremd- 
wörter em^orivm»  boBüica,  tholm^  vielleicht  camera  und  lau^ 
tumiae  haben  in  dieser  Zeit  das  Burgerrecht   erhalten  (EinL 

§  1 A.  49  f.) Allein  es  blieb  immer  das  alte  Rom  in  engen 

Thälern  und  auf  steil  zugänglichen  Bergen,  mit  schlechten 
uud  winkligen  Strassen  ^''),  übervölkert  in  jener  Ebene  zwischen 
den  Hügeln  und  dem  Fluss,  nach  allen  Seiten  je  länger  je 
mehr  in  seiner  Expansion  gehemmt  durch  den  doppelten 
Ring  des  Pomerium  und  der  bewehrten  Mauer,  besonders 
empfindlich  eingeschnürt,  wo  die  Bewegung  immer  voller  und 
breiter  hinausdrängte,  vom  Forum  nach  dem  Marsfelde,  dem 
Westende  der  Stadt.     Man  vergegenwärtige  sich  die  Verbin- 


^)  Dass  die  mit  ^f  iechisaher  Kultur  langst  kekanutea  campanisohei 
Städte  vielfach  die  Master  abgaben,  kann  wohl  kein  Zweifel  sei».  Bei* 
spielsweise  sind  wahrscheinlich  die  Hallen  am  Forum,  TieUeicht  die 
Basiliken  dorther,  nicht  ans  Hellas  nach  Rom  verpflanzt  wordeip  (§  8). 
Ueber  den  älteren  Tempelbau  S.  24  f. 

^)  Cic.  de  lege  agr.  2,  35,  96  vgl.  §  S. 


§  5]  DI£    STADT  DER  XI¥  RBGIOJNEIN.  299 

duttjg:ea  di&i  Stadt  mil  der  Ebene  am  FliifiS,  die  über  die. 
WttirscdH  des  Mapilols  Uetlieriidai  eogenr  Sti^ssen  s^u  beidea 
Seiteii  des  nach  NoiJdwesten  mit  senkt  echten  Wäipden  ebne 
Zugang  sich  erhebendien:  Kapitels:  es*  war  das  in  der  That 
längst  eJfB  uoerträglicheii  Zustand«  ; 

Dil  s^ien  mr  zkeiai  SulJa/  den  Verbuch  maehenr 
wenigstens  ein  bedentendee  Bautefrain  innerhalb  der  Stadt 
zu  gewinnen  durch  die  Freigebungtd^  lan§0  der  Mauer  durch 
das  PomeriuA  geschötKten  Zone  (ß,  ttnten)v  AUein  das  Durch* 
brechen  dieses  inneren  Ringes  konnte  nur  vorübergehenden 
Nate^  haben.  Durdigreifender  waren, die  Pläne  Caesars, 
i/?elcher  wenigstens  nach  der  Seite.,  wo  es  am  meisten  J\otb 
that,  gegen  das  Marafeld,  a'ttdh  d^p  äusseren  Ringi  die  Stadlr 
matter,  zu  sprengen  unit^rnahm.  Es  ist  klar  daas  er  diesen 
Gedanken  gehabt  bat,  äds  er  damit  umging,  daa  Forum  mit 
dem  Marsfelde  auf  der  Ni^rdseite  des  Kafutoto  ioi  direkte  und 
bequeme  Verbindung  zu  seUen,  später  sogar  das  gan^e  Mars- 
ieid  zu  bebauen  und  den  alten  Spiel**  und  Uebungsplatz  des 
röiidisdien  Volks,  das  'Feld',  w^ter  hinaus  auf  die  vaticani* 
seilen  Wiesen  z»  verlegen^).  Allein  auf  wenig  ist  davon 
atmgeiahri'  worden :  die  Anlage  des  julischen  Forum  blieb  wie 
spater  die  Anlage  des  auppustisoben  ^f  halbem  Wege  stehen 
u»d  eriät  Ti'ajcLn  bat  durch  die  Niederleguog  des  Höhenzuges 
zwischen  Kapiftol  und  Quirinal  und  den.  JBlau<  seines  Forums 
den  cdesarischen.  Gedartiken  zur  Wahiiieit  gemacht.  Es  ist 
kaum  zu*  glauben ,  dass  Caesar  die  entsprechende  Fessel  an 
dep  Sädwestseite  des  Bclrgee,  welche  die  Hauptverkehrsader 
untärb^nd,  mcht  eben&Us  sollte  haben  lösen  wollen.     Und 


j_^ 


^)  Schon  im  J.  YOO^  sorllten  grosse  ßaaten  auf  dem  Marsfelde  in 
Airgriff  gefloüin^n  werden  (€ie*  ad^  Alt.  4,  16,  4);  itt  J.  709  Ist  wie- 
dal'holt  voft  deh  Pjmnen  Cäesaiis  da  migenda  urbe  die  Rede  (nd  Att.  13, 
20.  33»  35;  MoipmaeA  Staatsr.  2^  717),  ua<i  ^V^  (33,.^):  ^  ponte 
Mulvio  Tiberim  duci  secundum  montes  Faticanos^  campum  Martium. 
coaedificari,  iUum  autem  Fatieanum  campum  fieri  quasi  Martium  cam^ 
fumk'^  \^l.  Hermea  7^  276  nod  di*  Abadbnitt^  über  das  FoofuBl  uad 
die  Kaiserfora,  Th.  II. 


300  THEIL  I. 

in  der  That  finden  wir  ihn  ja  beschäftigt  mit  der  Nieder- 
reissang von  Häusern,  ja  von  Tempehi  am  carm^talischen 
Thor.     Ein  grossartiger  Bauplatz  sollte  hier  für  das   zu  er- 
bauende Theater  gewonnen  werden^):  man  kann  sich  denken 
—  genauere  Nachrichten  fehlen  —  dass  die  Freilegung  des- 
selben nicht  vor  sich  geben  konnte,  ohne  gleichzeitig  die  Zu- 
gänge zur  Stadt  zu  erweitern  oder  zu  y  er  mehren.  —  Wohl 
konnte  man  im  Sinne  späterer  Vorgänge  diese  Pläne  als  eine 
abermalige  Erweiterung  des  Pomerium  bezeichnen,  wenn  eine 
solche  auch  in  der  That  von  Caesar  nicht  ausgeführt  worden 
ist   (unten).     Dass    damit   weitere    organisatorische   Maass- 
regeln zur  Umgestaltung  der  Stadt  in  Verbindung  standen, 
wird  nicht  berichtet:  aber  die  tiefeindringende  Sorge  für  das 
städtische   Leben  Italiens,    welche   uns   sein  Municipalgesetz 
vergegenwärtigt,    macht  es  wahrscheinlidi.      So  werden  wir 
denn  auch  auf  diesem  Gebiet  Augustus  als   den  glücklichen 
Erben   und   Testamentsvollstrecker    Caesars    und    die    neue 
augustische  Ordnung  wesentlich  als  eine  caesarische  zu  be- 
trachten haben.     Auch  darin  erkennen  wir  den  caesarischen 
Gedanken,   dass  diese  Ordnung  mit  unverkennbarer  Tendenz 
die   altrepubiikanische   Physiognomie    der    Stadt   verwischte. 
Hatte  schon  Caesar  in  diesem  Sinne  dem  alten  Forum  eine 
neue  Gestalt  gegeben  und  das  Auge  von  dem  Schauplatz  der 
republikanischen   Freiheit   auf   das    neue  Forum   abgelenkt, 
dessen  Centrum   der  Tempel  seiner  Ahnfrau  Venus  bildete, 
hatte  in  demselben  Gedanken  Augustus  das  alte  Forum  ge- 
wissermaassen  in  einen  Vorplatz  des  Tempels  des  vergötterten 
Caesar  umgeschafPen  und  sein  eigenes  Haus  auf  dem  Palatin 
zur  Seite  der  Hütte  des  Stadtgründers  zu  einem  öffentlichen 
und  heiligen  Gebäude  gemacht,    so  darf  wohl  angenommen 
werden,  dass  es  neben  dem  praktischen  Bedurfniss  der  po- 
litische Gedanke  war,  welcher  dazu  führte,  an  die  Stelle  der 
republikanischen  Ringmauerstadt   die  neue  grössere   der  14 


«)  Die  ausdrücklich  be^eni^e  fi^sekigung  des  Tempels  der  Pietas 
sagt  geaug:  genaueres  Th.  iL 


§  5]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIOJVBN.  301 

Regionen  zu  setzen,  in  deren  nnter  eider  einhdtlichen  Po^lizei- 
Verwaltung  eentralisirtem. System  die  Namen  und  Grenzen  der 
alten  Gaue  keine  Aufnahme  fai^den,  die  unverwischbarep  Ge- 
nossenschaften ihrer  vid  aber  zu  eben  so  vielen  Trägern  der 
Idee  des  KaiseriCultus  omgeschaffen  wnrden, 

Marcus  Ägrippa  unternahm  es  in  seiner  Aedilität  im 
Jahre  721  für  die  Gesundheit  und  Wohnlijßbkeit  der  Stadt 
wichtige  Einrichtungen,  die  Wasserabfuhr  und  die  Wasser- 
zufuhr KU  regeln,  die  vorhanitencin  Riesenbauten  der  Königs^ 
zeit  (die  Kloaken)  und  der  Republik  (die  Wasserleitungen) 
auszubessern,  zu  vamehren  und  die  Verwaltung  derselben 
auf  diejenige  Höhe  zu  heben,  welche  den  vorgeschrittenen 
Anforderungen  der  Zeit  entsprach  (fid*  2,  58  ff.  und  §  7). 
Da  nun  derselbe  Agrippa  die  Vermessung  des  romischen 
Reiches  und  die  scbriftiiehe  und  bildliche  Darstellung  der- 
selben ausführte,  so  ist  es  höchst  wahrsdieinlich ,  dass  die 
für  jene  ädiliciscben  Unternehmungen  uqerläaslicben  Ver- 
messungen und  Erhebungen  eben  nur  einen  Theil  einer  mit 
der  ReichsTermeisaung  Hand  in  Hand  gehenden  Stadtvermes*- 
sung  bildeten,  welche  n&thwendig'  zu  einem  Stadtplan  wie 
jene  zu  einer  Reicbskarte  fährte  (Einl.  §  2,  S.  44  ff.)-  Wir 
wissen  ferner,  dass  nach  dem  Scheitern  der  Reform  der 
Censur  im  J.  732  <  Augustus  alimahUch  die  Verwaltung  der 
Stadt  auf  anderem  Wege  umgestaltete  und  unter  Reschrän- 
kung,  zum  Theil  Beseitigung  des  von  jeher  mangelhaften, 
jetzt  vollends  ungenügenden  Verwaltungsapparats  der  jähr- 
lich wechselnden^  Beamten,  die  Pflege  der  polizeilichen  Sicher- 
heit, der  Gesundheit  und  Reinlichkeit  der  Stadt  mehr  und 
mehr  in  die  eigene  Hand  nahm  und  besonderen  kaiserlichen 
Verwaltungsbeamten  ubertfug.  So  entstanden  das  besondere 
Amt  der  Aufsicht  über  die  Wasserleitungen  743  und  die 
Reorganisation  des  Feuerlöschdienstes  759 ;  es  ist  nicht  sicher 
bekannt  ob  dazu  schon  unter  Augustus  das  Amt  der  Aufsicht 
über  die  öffentlichen  Bauten  kam,  sicher  erst  unter  Tiberius 
ist  die  Aufsicht  über  die  Stromregulirung  zu  einem  geson- 
derten und  stehenden  Arote  gemacht,  noch  später  mit  dem- 


802  /VilBlL  I. 

selben  die  Änfskfat  über  die  Kloaken^  ifereinigt  word^D^). 
Mitten  zwischen  ütßea  grossen  JN^ubiidan^en  tritt. im  J»  746 
plötzlieh,  ohne  dass  unsere  iQui^llen  jdiesein  Emgniss  irgend 
eine  Bedeutung  beilegten,  die  Sehöpfirag:  det  EiniheiluBg 
der  Stadt  in  14  Regionen  in. Kraft.  Wir  erfabrien  bri 
dieser  Gelegenheit  nur  noeh  dass.  zu.  dpn  resfioms  die  vki, 
als  Unterbeziriie,  in  ein  bestimantes  Verhältniss  ge^ota^t  wor«- 
den,  und  dass  der  Aufsichisdienst  in  j«aen  al^abrlich  durclis 
Loos  unter  die  gewählten  repnblikanisdiea  Magistrate.  yertbeUt, 
in  diesen  jährlich  wechselnden  ma^istri  aus  der  Mitte  der  id 
denselben  wohnhaften  Leuten  Biederen  Standes  >(wie  wir 
sonst  wissen  den  Freigelassenen,  und  2war  je  vieü^n  ia  jedem 
vkm)  übertragen  wurde  uüd  dads  diese  EinriclUiuig  n^cb  im 
'S.  Jahrhundert  fortbestand.  Indessen  ist  diese  letzte  ^adi* 
rieht  nicht  getiau,  denn  wir  finden  schon  -  im.  J.  136  in  jed^ 
Region  einen  dem  Freigelassenenstande  angehörig^  curMr 
mit  einem  denuntiator  zur  Seile.  Wir  wissen  f^rnor ,  dfuss 
nach  mehrfachen  wie  es-  scheint  nicht  zur  Ansföhrmig  ge^ 
kommenen  Reorganisatidnsversucllen  zur  Zeit  Constantios  des 
Grossen  in  jeder  Region  2  tmr&twes  und  48  momagii^ 
thätig  waren.  Unklar  ist  die  fiestnnmnng  d«r  im  erst^ 
Jahrhundert  vorkommenden  kaiserlichen  Freigelassenen  a  ttr 
gionibus  und  ihres  procura$m'^).  —  Dass  die  erwähnien  Aemter 


^)  Alles  dies  iat  so  vallstäa^dig  von  MomnuieB  Staatsrecht  2,  968  ff. 
..jBiitwickelt  worden,  dass  ich  die  Belege  für  die  oben  aa.  Daten  hier 
nicht  zu  wiederholen  brauche.  Das  Buch  von  0.  Hirschfeld  Unters, 
auf  dem  Gebiete  der  romischen  Verwaltungsgesehichte  1,  1877;  bat  auch 
für  unseren  Gegenstand  einzelne  Nachtrüge  geliefert..  .AM  di«  Eiiiwea- 
dnngen,  welche  der  Vf.  S.  1^7  gegjeo  meine  Auffassung  der  munera 
in  dem  Bericht  iU>er  die  Ae4ilität  des  Agrippa  Bd.  2,  63  ff.  gemacht 
hat;  komme  i<^  §  7  zurück. 

®)  Suet.  Aug.  30:  spatium  urhis  in  regiones  vicosque  divisit  insH- 
tuiUjue  tti  Ülas  annui  magistratus  sortÜo  tuerentur^  kM  mägigtn  e 
plebe  cuiusque  viemiae  leeU.  Dia  55,  8  z.  J.  748:  oi  &k  ^rj  errtrourel 
(lri;:{for)  intfiMhjtoiv  Tivwv  bc  tqij  dr^fiovy   ovg  xaX  aTevomd^ovg  ya- 

avjQigjoi^  XfaQloig,(tiV  ccv  uQ^^cjaiv  f^fiiqaig  Tioi  ^^qr^ad^ai  iSo^,  ^  u 
SovXtCtt  ri  Toig  ayoQavo/xoig  rdSv  ^finifinqttfiivbjv  %v&ctt  om'ov€fee  im- 


§  5.]  DFE  STADT  DBB  XIV  REGIONEN.  303 

der  neuen  Ordnung  wenn  auch  nicht  lediglich  so  doch  über- 
•wiege^nd  einen  ^saeralen  Charakter'  und  mit  den  allgemeinen 
städtischen  Angelegenheiten  wenig  zu  thun  gehabt  haben,  ist 
zwar  ridbitig  daraus  geschlossen  worden,  dass  wir  von  ihrem 
4ie8cAäflskreis  kaum  etwas  anderes  erfahren  als  dass  sie  den 
Bau  und  die  Instanderhaltung  der  Larenkapellen  und  bezirks- 
weise Torzunehmenden  Opferhandiungen  besorgt  haben:  allein 
-die  Bezirke  selbst,  in  denen  sie  funktionirten,  sind  deshalb 
nieht  derselben  geringfügigen  Zwecke  wegen  geschaffen  worden 
(vgl.  §  8).  Eine  Eintheilung,  welche  auf  einer  Vermessung  der 
serviaiiischen  Altstadt  beruht  und  zu  derselben  eine  bestimmte 
Anzahl  von  Vorstädten  hinzuschlägt,  welche  die  Grenzen  der 
Bezirke  nach  den  Strassenfluchten  der  i^tct  regnlirt  und  die- 
selben mit  der  Messstange  bis  auf  den  halben  Fuss  bestimmt, 
ist  weder  von  heut  auf  Morgen  herzu$tellen  und  wir  halten 
ans  daher  fdr  berechtigt  die  im  J.  746  ins  Leben  getretene 
Ordnung  als  das  Resultat  langwieriger  Vorarbeiten  zu  be- 
trachten, noch  kann  sie  etwas  anderes  bezwecken  als  für  die 
'^eiehzeitig  unternommene  Reform  der  Verwaltungszweige  die 
unentbehrliche  topographische  Grundlage  herzustellen.  Es 
trägt  sich  ob  der  Nachweis  dafür  gefuhrt  werden  kann^). 

Sicher  ist  es,  dass  die  neue  Eintheilung  das  lokale  Grund- 
schema fdr  ddh  neuen  Sieherheitsdienst  abgab,  welcher  ohne 
ein  solches  gar  nicht  mit  Genauigkeit  arbeiten  konnte.     Die 


fQanri,  xuItol  xal  ixeivtov  xal  tc5v  drifiA^mv  t&v  te  cft^cctrjycSv  näaav 
triv  noliv,  ig  ^exar^üfff^a  f^i^fi  V€firi^€t(fav,  xXi^Qtp  nQOsrax^ivrütv  o  xal 
inrv  yiyyijai.  Vgl.  CIL  .6, 1,  826  Z.  17.  Ans  d^n  lascbriften  der  magistfi 
Vißorutn  wissen  wir  (Marini  bei  Visconti  Mus.  Piocl.  4,  343  vgl.  Ann.  dell' 
inst.  1862,  321  f.),  dass  diese,  je  vier  in  der  Region,  jährlich  wechsel- 
ten und  das  erste 'Amtsjahr  mit  dem  1.  August  746  begonnen  hat.  — 
Ueber  die  späterisn  Umgestaltungen  Bd.  2,  77  f.  und  jetzt  Mommsen  Staatsr. 
2,  982;  über  4li^  Sklavea  aad  Freigelassenen  a  regionibus  und  ihren  pro- 
curaior  Hivsehfeld  Verwaltnogsgeschichte  1,  151. 

^)  Mir  scheint  bei  Mommsen  Staatsr.  2',  1,  151  (auf  den  ich  iibri- 
Seos  auch  für  die  folgenden  allgemeinen  Bemerkungen  verweise)  und 
bei  Hirschfeld  die  Bedeutung  der  Regioneneintheilung  für  den  Verwal- 
tungsdienst nicht  in  das  richtige  Licht  gesetzt  zu  sein. 


304  THEIL  I. 

13  Jahr  nach  dem  Inkrafttreten  der  neuen  Ordnung  herbei- 
geführte Reform  des  Feuerlöschwesens  ruht,  wie  sich  zeigea 
wird,  auf  der  Regioneneintheilung.  Dass  die  7  Cohorten  der 
'Wächter',  eine  Truppe  von  nicht  weniger  als  7000  Mann, 
nicht  blos  eine  Feuerwehr  waren,  sondern  den  eigentlicheD 
poUzeilichen  Sicherheitsdienst  der  Stadt  hatten  und  dass  ihr 
Kommandant  sogar  eine  beschränkte  Kriminaljustiz  ausübte, 
steht  fest.  Das  Yerhältniss  des  Chefs  der  Vigiles  zu  dem 
Stadtpräfekten  in  Polizeisachen  ist  in  spätrer  Zeit  das  einer 
niederen  zu  einer  höheren  Instanz.  Das  Amt  des  letzteren 
als  Centraldirektor  der  städtischen  Polizei  ist  während  der 
Regierung  des  Augustus  wie  bekannt  noch  nicht  zu  einem 
ständigen  geworden:  man  darf  daher  freilich  die  Stellung 
die  der  Stad^)räfekt  in  späterer  Zeit  unzweifelhaft  als  Polizei- 
direktor der  urhs  regionum  XIIII  hatte  und  die  sich  beson- 
ders deutlich  darin  zeigt,  dass  sein  Amtsiokal  wahrscheinlich 
mit  dem  templum  Vrhü  zusammenfallt  in  welchem  der  Ka- 
tasterplan lag  und  an  dessen  Aussenseite  eine  Kopie  desselben 
für  das  Publikum  aufgehängt  war  (oben  S.  44  ff.),  nicht 
ohne  weiteres  in  die  Zeit  der  Entstehung  der  Regionen- 
eintheilung zuruckverlegen.  Allein  da  der  Kaiser  selbst  in 
dieser  Zeit  die  oberste  Instanz  bildet^  so  wird  man  nothwen- 
diger  Weise  annehmen  müssen,  dass  sowohl  4er  Präfekt  der 
Vigiles  als  auch  die  Jahresbeamten,  denen  die  Regionen  durchs 
Loos  zufallen,  an  den  Kaiser  wie  später  an  den  Präfekten 
über  die  polizeilichen  Zustände  der  Stadt  nach  den  Bezirken 
berichtet  haben  und  es  ist  wohl  zu  bedenken,  dass  die  auf 
der  Eintheilung  der  Regionen  und  Quartiere  beruhende  neue 
Kultusordnung  zwar  dem  Namen  nach  eben  nur  eine  solcbe 
war,  der  Sache  nach  aber  eine  politische  Ueberwachung  des 
in  diese  neue  Formen  eingezwängten  genossenschaftlichen 
Lebens  der  gewerbtreibenden  Volksklassen,  für  welches  wäh- 
rend der  Zeit  der  Revolution  grade  die  Quartiere  und  die 
wiederkehrenden  Feste  derselben  die  immer  fertige  lokale 
Organisation  abgegeben  hatten.  Erhellt  so  die  Wichtigkeit 
der  nach  Regionen  und  Quartieren  geordneten  compüa  mit 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  305 

den  Bildern  der  kaiserlichen  Hauslaren  und  des  Genius  des 
Caesar,  so  werden  auch  die  scheinbar  lose  neben  den  grossen 
Äemtern  hergehenden  Vorsteher  der  Regionen  und  Quar- 
tiere nicht  mehr  in  dem  Lichte  harmloser  Festordner  und 
fiultasbeamten  erscheinen.  —  Es  mag  endlich  darauf  hin- 
gewiesen werden,  dass  die  viä  in  ihrer  neuen  Abgrenzung 
für  die  Regulirung  der  Wasservertheilung  (vgl.  Bd.  2,  51  f.), 
die  Reinigung  und  Erhaltung  der  Strassen,  für  die  mit 
der  Leitung  dieser  Verwaltungszweige  betrauten  Beamteei 
gewissermaassen  die  topographischen  Grundeinheiten,  für  die 
Geschäftswelt  aber  die  durch  Namen  und  bildliche  Merk^ 
zeichen  kenntlichen  festen  Gliederungen  bildeten,  nach  denen 
man  sich  in  der  immer  wachsenden  Stadt  orientirte.  —  Ge- 
nügen diese  allgemeinen  Bemerkungen,  um  zunächst  die  Wich- 
tigkeit der  neuen  Ordnung  zu  beweisen  und  sie  im  wesent- 
lichen als  eine  Bezirkseintheilung  zu  polizeilichen  Zwecken 
ZQ  charakterisiren,  so  haben  wir  nun  ihr  topographisches 
System  zu  erörtern^*). 

Wir  wissen,  dass  in  der  Zeit  der  Republik  eine  Mann- 
schaft aus  publici  bestehend  unter  dem  Befehl  der  tres  viri 
noetumi  'um  die  Mauer  und  die  Thore  herum'  ihre  Wacht- 
häuser  hatten.  Dass  an  ihre  Stelle  auch  räumlich  dk  augusti- 
schen 7  Wächtercohorten  traten,  hat  bereits  De  Rossi  durck 
Kombinirung  der  Ortsangaben  der  Notitia  über  die  cahortts 
vigilum  mit  den  Fundorten  von  Dedicationsinschriften  dieser 
Truppenkörper  glänzend  erwiesen  und  spätere  Entdeckungen 
haben  seine  Ansicht  lediglich  bestätigt.  Es  bestätigte  sich  da- 
durch zugleich  die  Vermuthung  anderer,  dass  Je  eine  WächtOT- 
abtheilung  den  Dienst  in  je  zwei  Regionen  versehen   haben 


^^)  Bei  den  Juristea  spielt  die  Fragte,  was  unter  urbanus  {praediumy 
tupellex,  minüteria  u.  s.  w.)  zu  verstehen  sei,  eine  Rolle  nnd  es  kommt 
dabei  der  Bd.  2,  94  f.  erörterte  nnd  unten  weiter  tn  behanddLad^  Ge- 
gensatz zwischen  urbs  und  Roma^  dem  Raum  innerhalb  der  Mauer  und 
bis  zu  den  continentia  aedifida,  zur  Sprache.  Man  sollte  erwarten, 
^ass  auch  der  urbs  reffionum  XIF  gedacht  würde:  dies  i^schieht  aber 
nicht,  wofür  ich  keine  genügende  Erklärung  weiss. 

Jordan,  römische  Topographie.    I.    1.  20 


306  THEIL  I. 

muss*).  Hierdurch  war  es  nun  aber  sehr  nahe  gelegt,  an- 
zunehmen, dass  auch  für  die  Regionen  selbst  die  Mauer 
das  Grundschema  gewesen  ist  und  ein  Theii  derselben  die 
nunmehrige  Altstadt,  ein  anderer  die  aus  den  Vorstädten 
entstehende  Neustadt  gebildet  hat;  dass  mithin,  wie  richtig 
von  Lanciani  hervorgehoben  ist®),  schwerlich  eine  und  die- 
selbe Region  Theile  beider  umfasst  hat.  In  der  That  fallen 
denn  auch  ganz  in  den  Mauerring  die  2.  3.  4.  6.  8.  10.  11., 
ganz  ausser  denselben,  wie  schon  längst  allgemein  angenom* 
men  wurde,  die  1.  7.  9.  14.  Region  und  es  muss  daher  ver- 
muthet  werden,  dass  auch  die  5.  nicht  blos  zum  grössten 
Theil,  sondern  ganz  ausserhalb  der  Mauer  gelegen  hat.  Eine 
Ausnahme  bilden  vielleicht  (unten)  die  12.  und  13.  Region, 
von  denen  diese  sicher,  jene  vielleicht  in  späterer  Zeit  über 
die  Mauer  hinausgriff:  denn  diese  Ausdehnung  ist  offenbar 
erst  durch  eine  der  späteren  Grenzregulirungen  herbeigeführt 
worden,  über  welche  unten  genauer  zu  handeln  ist.  Für  die 
spezielle  Bestimmung  der  Grenzlinie  dieser  Region  ergeben 
sich  dadurch  freilich  Schwierigkeiten,  welche  zu  lösen  noch 
nicht  gelungen  ist^°).  Die  folgende  Tabelle  veranschaulicht 
die  Lage  der  Kasernen  der  Wächtercohorten  in  den  Re- 
gionen und  an  den  Thoren  und  giebt  in  der  zweiten  Columne 
die  muthraaassliche  Yertheilung  des  Dienstes  derselben.  Die 
besternten  Regionen  liegen  ausserhalb  der  Mauer. 

^)  Ueber  die  frühere  OrdouDg  Mommsea  Staatsr.  V,  313.  —  Paa- 
lus  Digg.  1,  15,  1:  apud  vetustiores  incendiis  arcendis  triumviri  prae- 
erant  .  . .  erat  autem  familia  publica  circa  portas  {portam  die  Hss.) 
et  muros  disposita  qtiae  inde  si  opus  esset  euoeabatur.  De  Rossi, 
Le  stazioni  delle  sette  coorti  dei  vigili  nella  citta  di  Roma,  Anoali 
1858,  265  ff.  391  f.  Auf  ihn  beziehe  ich  mich  im  folgeoden  und  tra^e 
die  seitdem  gemachten  Entdeckungea  nach.  Die  Inschriften  jetzt  CIL 
6.  1,  2959  ff.  Ueber  die  Annahme  des  Dienstes  je  einer  Cohorte  io  zwei 
Regpioneo  vgl.  A.  11. 

')  Anoali  1871,  48  und  später  Sfter  besonders  mit  Bezog  anf  die 
5te  Region  (A.  10). 

>o)  lieber  die  13te  Bd.  2,  104,  über  die  12te  and  13te  unten 
beim  Pomerium.  Ueber  die  5te  Lanciani  a.  0.  S.  70  und  Bali, 
mun.  2,  42  f.  3,   200.      Es   ist    richtig,    dass    von    den    10    Namen, 


§  5.] 


DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN. 


307 


Käser 

oen  der  Cohorten 

Regionen 

Cohorten- 
dienst 

nach  der 
Vostitia, 

nach  den  In- 
schriften 

Stadtthore 

I 

*  Porta  Ca  pena 

}v 

n 

Caelimontiam 

1 

v 

bei  S.  Stefano  ro- 
tondo 

porta  Caeli- 
montana? 

in 

Isis  et  Serapis 

!") 

IV 

TemplamPacis 

V 

*  Esqniliae 

"' 

II 

bei  S.  Easebio  oder 

porta     Esqui- 

S.  Bibiana? 

lina 

VI 

Alta  SemiU 

' 

HI 

SüdosteckederlHo- 

porta    Vimi- 

cleiiaBsthermeQ 

nalis 

VII 

*Via  lata 

1 

I 

bei  paLMati,  Nord- 
seite von  piazza 
SS.  Apostoli 

porta  San- 
qnalis 

vm 

Porom  roma- 

M 

VI 

keinelnschrift: 

porta    Ratn- 

num 

* 

nach  der  Notitia, 
zwischen    dem 
Tr^ans-     nnd 
grossen  Forum 

men«? 

IX 

*  Campas  Mar- 

1 

tins 

X 

Palatinm 

XI 

Circns  Maxi- 
mns 

[vi 

ß 

VIl 

4 

1 

XII 

Piscina      Pa- 
biica 

j,v 

IV 

bei  S.  Saba 

porta  Naevia? 

xin 

Aventinns 

I 

XIV 

"^TransTiberim 

VIl 

keinelnschrift: 

/*• 

exmbäoruun  anf 

dem  Jaaicttlnm 

^welche  die  Notitia  nennt,  jetKk  8  (oder  doeh  7,  denn  yem  Herculeg 
Suüanus  wissen  wir  niehta)  sieher  anaserhalb  der  Mauer  fkllen  und 
dasa  demnaoh  vermnthlieh  aneh  der  erste  und  letzte^  laetu  Orfei  und 
IHs  patrida  nicht  innerhalb  der  Mauer  zu  suchen  sind.  Allehi  iek 
aehe  noch  nicht,  wie  man  den  sidier  verbürgten  alten  Namen  der 
Kirchen  S.  Lueia  nnd  8.  Martino  in  Orfea  oder  in  Offeo  (es  ist  unzu- 
lässig, in  dem  crtheo  des  Eins.  Itin.  etwas  anderes  als  einen  Schreib- 
fehler  zu  sehen:  Bd.  2,  495  vgl.  127  f.)  damit  vereinigen  will  6nd  die 

20* 


308  THEIL  I. 

Es  ergiebt  sich  aus  den  Fundorten  der  Inschriften,  dass 
die  Kasernen  1 — 6  in  der  Nahe  d«r  Thore  lagen,  am  wei- 
testen von  dem  Thor  die  Ite,  und  zwar  im  ganzen  Umkreis 
der  Mauer;  dass  die  7te  in  Trastevere  liegen  musste,  ist  ein- 
leuchtend. Nimmt  man  an,  was  schon  durch  die  Zahl  7  und 
durch  die  vielleicht  erst  späteren  14  exeuhitoria  bedingt  war, 
dass  der  Dienst  lokal  geordnet  war,  so  könaen  natürlich  nur 
die  2  einer  Kaserne  nächst  gelegenen  Regionen  für  dieselbe 
in  Betracht  kommen.  Die  Annahmen  sind  demnach  für  die 
1. — 6.  Region  wohl  unzweifelhaft  sicher.  Für  die  übrigen 
ist  uns  jetzt  durch  das  einzige  direkte  Zeugniss  über  den 
Dienst,  welches  lehrt,  dass  dife  7.  Cohorte  mit  der  9.  Region 
zu  thun  hatte,  ein  Anhalt  gegebien.  Die  Verbindung  der  7. 
und  9.  statt  der  7.  und  13.  Region  erscheint  noch  natür- 
licher, wenn  man  uusere  Ansicht  über  die  Brücken  adoptirt: 
es  gab  unterhalb  der  Insel  bis  auf  Kaiser  Probus  keine  Brücke. 
Schwerlich  ist  gegen  die  Ordnung  der  übrigen  yiel  einzu- 
wenden und  man  sieht,  dass  man,  soviel  als  es  die  Kom- 
munikationsverhältnisse gestatteten,  die  Regionen  nach  der 
laufenden  Nummer  paarweise  zusammen  liess.  Dagegen 
vermag  ich  für  die  Numerirung  der  Cohorten  km  Prinzip 
zu  entdecken:  ihre  Nummern  laufen  weder  mit  den  Zahlen 
der  Regionen  noch  fügen  sie  sich  sonst,  wie  man  es  erwar- 
ten sollte,    einer   räumlichen    Ordnung  ^^).   —   Da    übrigens 

Isis  patricia  von  dem  nahen  vieus  pätricit^s  deshalb  losznreissea,  weil 
es  aach  eine  Pudicitia  patricia  ganz  wo  anders  giebt  nnd  weil  eine 
ganz  vage  Nachrieht  bei  Bartoli  von  der  Entdeckung  eines  Hempio 
egizio'  bei  SS.  Pi«tro  «  MarceUino  spricht  (Fea  Mise.  1,  222)  scheint 
mir  ebenfalls  seiir  ktthti,  wi«  schon  lahresberichte  1875,  786  hervor- 
gehoben worden  ist.    Wir  kommen  im  11.  Tb.  auf  die  Frage  zaröck. 

*^)  In  der  Ha«pts2iclle  folg«  ich  natürlich  De  Ressi.  Qer  Fondert 
einer  4toäicula  der  Gehorte  oder  CenCnrie  (Geh.  4)  oder  einer  Wethmg 
an  den.^enui«  cokorHs  (Goh.  4)  beweist  fiGfaer,  der  einer  Dedicatioa 
^or  Gehörte  an  den  Kaiser  Bit  grösster  Wthracheinlichkett  für  dn 
Lage.  Die  isäcbriftliehen  Hanptheweise  (z.  Th.  nach  De  Rossie  Arbeit 
gefmdeo)  sind  leigende  1.  Gehort«:  Detkn&ler  Vea  pll.  Muti  GIL  6,  1, 
233  {genio  eofu  primae)  10ft2  (Ded.  v.  241)  1056  <Ded.  y.  265i  s.  De 
Rossi  S.  271).  —  2.  Goh.:  n.  1059  <Ded.  v.  210),  bei  S.  Bifaiana  —  S. 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  309 

sammtiicbe  erhaltene  Ii^chriften  der  Yigües  wohl  älter  sind, 
als  der  ijdfang  des  3.  Jahrhunderts,  die  Nothia  aber  den  Zu-^ 
stand  der  eonstantinischen  Zeit  vergegenwärtigt,  sa  kann  es 
sein,  dass  wir  die  ursprüngliche  augnstische  Yertheilfiiig  nicht 
meinr  yoUstandig  kennen  ^^). 

Easebio?    Nicht  ganz  sicher:  vgl.  Visconti  BulL  moa,  3,  214  H«nzen 

das.  4,  63.    —   3.  Coh. :  n.   3761   (D.   eines  praef,  v^gHum]  v.  193),. 

innerlialh  der  Diocletiansthermen  an  der  Ecke  dem  Bahnhof  gegenüber 

gefonden  (BoU.  mon.  1,  249),  also,  irie  ieh  Bd.  2,  122  TeriMithete,  bei^ 

der  j9.  Finrnmlü*     Ua^iohere  Vermnthvngy  dass  die  Kaserne  stelbst 

am  Thor  innerhalb  des  Walls  gefnndiea  sei:  Laaciani  Bull.  man.  4,  174. 

—  4.  Goh.:   lange  vermisste  Inschrift  n.  219  bei  S.  Saba  (Bd.  2,   107 

Laaciaui  Ann.  1871,  80)  zwischen  Via  S.  Paolo  and  Via  S.  Saba,  also 

wahrscheinlich   uamittelbar   nebeii  p.  Naevia   (Inschrift:  der  Aedicala- 

V*  J.  130:  1,  etae  Gentnrle  der  Goh.  aediculam  matmoream  cum^  vatoU 

aereis .  . .  fecü,  2,  der  €enturio  ceniuriaepaimentum-^trax/^)*"^  Gob.  ^;. 

n.    1057.   1058  Denkm.  vom  Gaelias,  Villa  Mattei.  (Ded.  v.  210)  vgk 

Tb,  II.   —    Coh.  6:  keine  Steine;    in  der  Notitia  zwischen   templum, 

Traiani  et  columna  cochUs  und  hasüica  argentaria^  der  vascularia  des 

Aabaogs  (Bd.  2,  216).    Das  führt,  wie  imiber  die  basäica  zu  erUttrea 

seta  BWigy  mit  Nethwendif  keit  zur  porta  Ratumena  auf  der  Höhe  det 

Vi«  di  Marforio  (oben  §  3).  —  Coh,  7:  über  das  im  J.  1867  in  Tra^t«- 

vere   entdeckte   excubüorium  der  7.  Cohorte  s.  die  t.  A»    Unter  den 

Graffiti  in  diesem  Gebäude  findet  sich  einer  (n.  55  Henz.),  in  welchem 

die  Worte  ch{ors)  VII  vig{ilum\  centttria  Faustini,  termis  Ner{onianis), 

wie  Benzen  S.   116  ff.  richtig  bemerkt,  in  Verbiodttng*  Ait  den  yorattf-^ 

geb«nd«a,  e]Qkorifi)  Vll  vilfft\l(ufn)  Neron  \  (?)   kwm   andere  Heutmug 

als  auf  den  Dieast  bei  jenen  Thermen  zulassen.     Heuzeu  hal;  d^halb 

richtig  R.  7.  9  —  13.   14   zusammengelegt.     Das   übrige   ergiebt  sich 

danach  von  selbst. 

^^  Es  ist  wohl  zu  beachten,  dass  die  Dedicatianen  der  Cohorten  mit 
Severus  und  Caracalla  beginnen  (193.  210.  243:  A.  11),  deren  Reorgani- 
satioB  der  Garnison  bekannt  ist  (vgl.  Bd.  2,  70  f.).  Unter  denselben 
Kaisern  ist  das  1^^  ff.  auf  Monte  di  Piore  bei  S.  Crisogono  in  Trastevere 
ausgegrabene  eäicuHtoritanr  der  7.  Cohorte  gebaut  und  die  GraMi  aaf  den 
Wänden  des  Gebäudes  enthalten  Baten  v.  215—239:  Henzea  A*n.  1874, 
124.  Ueber  den  Fnnd  s.  Bull.  d.  i.  1867,  8  ff.  C.  L.  Visconti  La  sta- 
zione  (irrig)  della  eoorte  7.  dei  vigili  im  Giorn.  aro.  1865  Bd.  195  <» 
50  NS.  (2.  Ausg.  R.  1867,  ungenügend:  es  ist  noch  nicht  einmal  ein 
Gmodriss  pnbHcirt;  über  den  Brminen  Ann.  1867,  399).  Die  Graffiti 
jetzt  CIL  6,  1,  2998  ff.  vgl.  Henzen  Ann;  1874,  11 1  ff.  —  Auffallend  bleibt 
es,  dass  die  Notitia  nicht  die  Kasernen,  die  sonst  regehhässig  eoHm 


310  THEIL  L 

Je^er  weitere  Schritt,  den  wir  in  der  Beurtheilung  der 
14  neuen  Bezirke  thun,  wird  erschwert  durch  die  sich  auf- 
drängende Frage,  in  wie  weit  die  Grenzbeschreibung  der 
constanÜBischen  Notitia  und  die  Statistik  dieses  Buchs  Rück- 
schlüsse auf  die  augustische  Organisation  zulassen»  Es  steht 
fest  und  ist  im  2.  Bande  ausführlich  nachgewiesen,  dass  die- 
ses Buch  durchweg  den  Zustand  der  Stadt  zur  Zeit  der 
Herausgabe  desselben  darstellt.  Es  steht  fest,  dass  die  Namen, 
welche  die  Begionen  hier  führen,  nicht  der  augustischen 
Ordnung  angehören  und  dass  schon  unter  Vespasian  eine 
Vermessung  der  Stadt  vorgenommen  worden  ist,  welche  un- 
zweifelhaft mit  Veränderungen  der  Begionengrenzen  und  einer 
theilweise.  neuen  Zutheilung  von  Quartieren  zusammenhängt 
(unten)*  Man  wird  also  Veränderungen  nothwendig  annehmen 
müssen  und  es  gilt,  die  Grösse  derselben  zu  schätzen.  — 
Was  aber  zunächst  die  Namen  anlangt,  so  ist  das  späte 
Aufkommen  derselben  indirekt  bezeugt  durch  das  Fehlen  aller 
urkundlichen  Zeugnisse  vor  der  Zeit  Constantins  und  durch 
die  Beschaffenheit  einiger  Namen  selbst:  des  der  3.  Im  et 
Serapis  —  die  Errichtung  von  Heiligthömern  dieser  Gott- 
heiten in  der  Altstadt  ist  sicher  jünger  als  Augustus,  vielleicht 
nicht  älter  als  das  dritte  Jahrhundert  — ,  der  4.  Templum 
Paci$  —  denn  derselbe  ist  75  n.  C.  gegründet  — ^  der  6, 
Mtipsemta  —  denn  das  ist  ein  durchaus  untechnischer,  wie 
es  scheint,  der  Volkssprache  angehöriger  nur  hier  vorkom- 
mender Ausdruck,  an  dessen  Stelle  man  zur  Zeit  des  Augustus 
sicher  coUina  oder  quirinalis  gesetzt  hätte  ^^)  — ,  der  7.  Via  lata 


heisren  (Bd.  2  a.  0.),  sondera  cohors  I  a.  s.  w.  uod  im  Anlian^  cokartet 
viffUum  VII  quorum  excuhüoria  XIIII  nennt.  £3  scheint,  dass  diese  ex- 
CMbitoria  nur  von  kleinen  Manascli«ften,  die  den  Dienst  hatten^  bezof^en 
wurden  und  allerdings  ist  es  nicht  denkbar,  dass  das  kleine  ewcubiionum 
in  der  14..Re£;ion  der  ganzen  7.  Cohprte  als  Kaserne  gedient  hat.  — 
£ine  Ka^^rne  (castra)  glaubte  man  irrig  auf  dem  Caelios  gefnoden  zu 
haben  (s.  Th.  11).    Wo  stecken  sie  aber? 

^3)  Richtig  urtheilte  Preller ,  Regionen  S.  69.  Was  über  semäa 
Bd.  2,  121  gesagt  ist,  ist  falsch:  s.  das.  482.  635.  Das  Wort  muss  aber 
in .  dem  vora^u^zusetzenden  Sinne  der  Vulgärsprache  entlehnt  sein,    lieber 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  311 

—  einer  yolksthämlichen  Benennung  der  breit  neben  der 
via  Flaminia  herlaufenden  Porticusanlage  der  Saepta,  welche 
sich  vor  der  Zeit  Constantins  nicht  findet.  Die  übrigen  Namen 
(unter  ihnen  der  einer  servianischen  Tribus  Esquiliae)  sind 
die  altherkömmlichen  der  natürlichen  Gliederungen  der  Stadt. 

—  Augenscheinlich  haben  sämmtliche  Namen  niemals  amt- 
liche Giltigkeit  gehabt,  sondern  sind  von  dem  Herausgeber 
der  aus  amtlichen  Materialien  für  das  Publikum .  zusammen- 
gestellten Notitia  grösserer  Anschaulichkeit  halber  den  im  Volke 
zu  verschiedenen  Zeiten  aufgekommenen  Sprachgebräuchen 
entlehnt  worden.  Auch  die  den  römischen  nachgebildeten 
Regionen  Constantinopels  werden  nur  nach  den  Nummern 
benannt. 

Wie  der  Grundriss  der  neuen  Bezirkseintheilung  die 
servianische  Mauer,  so  ist  die  Zahl  der  Regionen  eine  Ver- 
doppelung der  Zahl  der  servianischen  sieben  Berge,  so  jedoch, 
dass  weder  die  Berge  in  ihrer  räumlichen  Ausdehnung  noch 
sonst  eine  frühere  Eintheilung  der  Stadt  als  bedingend  für 
den  Lauf  der  Grenzen  angenommen  wurden.  Ist  die  Fest- 
stellung der  Zahl  der  Wächtercohorten  jünger  als  die  der 
Regionen,  so  hat  sich  jene  nach  dieser  gerichtet^*).  —  Die 
Errichtung  von  14  Bezirken,  welche  zunächst  als  Grundlage 
des  Sicherheitsdienstes  dienen  sollen,  setzt  eine  annähernd 
gleiche  Grösse  der  einzelnen  Bezirke  voraus:  doch  können 
natürlich  besondere  Rücksichten  in  einzelnen  Fällen  auch  Un- 
gleichmassigkeiten bedingt  haben.  Die  constantinische  Notitia 
bestätigt   diese  Voraussetzung  durch  die   im  ganzen  richtig 


die  via  lata  s.  Forma  S.  35  §  5.  —  Bis  jetzt  ist  keine  unverdächtige  In- 
schrift bekannt,  welche  den  JVamen  einer  Region  enthielte.  Aber 
anch  die  Bezeichnung  mit  den  Nummern  ist  in  die  Volkssprache  nicht 
eiDgedrungen,  wie  die  £inl.  §  2  A.  28  f.  angeführten  Inschriften  beweisen. 
^*)  ^Augusts  Regionen,  eine  ganze  praktisch  gedachte  £intheilang, 
haben  ihre  Zahl  von  der  Verdoppelung  der  ältesten  Eintheilung  der 
Stadt'.  JXiebuhr  R.  0.  1^,  401 :  vielmehr  von  dem  servianischen  Septi- 
montium  (§  4).  Wie  die  Zahl  der  7  Berge  stets  als  ideale  festgehalten 
Worden  ist,  ist  bei  der  Analyse  der  verschiedenen  Kataloge  der  septem 
montes  im  2.  Bde.  gezeigt  worden. 


312  THEIL  I. 

Überlieferten  Umfaogsziffera  der  Regionen.  Ich  setze  den- 
selben gleich  die  Zahlen  der  vici  bei,  über  welche  uniea  za 
sprechen  sein  wird: 

R.  VIII  14067...  34 
IX  32500  ...  35 


R.I  I221IV2  (12219  N)...  10 

II  12200 7 

III  12350 12 

IV  13000 8 

V  15600 15 

VI  15700 17 

VII  13300 15 


X  11500...  20 

XI  11500...  21  (19  C,  18  Cb) 

XII  12000  ...  17 

XIH  18000  ...  18  (17  C,  35  Cb) 
XIV  33388  ...  78 


Die  Analyse  der  Notitia  führte  uns  zu  dem  Resultat, 
dass  das  ganze  Buch  uns  den  Zustand  Roms  in  der  Zeit 
Constantins  des  Grossen  darstellt,  dann,  dass  die  Be- 
schreibung der  Grenzen  von  dem  auf  dem  laufenden  erhal- 
tenen amtlichen  Plan  in  der  Kanzlei  des  Stadtpräfekten  ab- 
gelesen sei  und  wir  müssen  annehmen,  dass  auf  diesem  Plan, 
wie  auf  Croquis  und  Grundrissen  auch  sonst,  die  Umfangs- 
ziffern  eingetragen  waren  ^^).  Haben  wir  demnach  die  Gren- 
zen und  Umfange  der  Regionen  in  der  Zeit  Constantins  vor 
uns,  so  ist  die  Möglichkeit  einer  theilweisen  Veränderung 
derselben  seit  Augustus  an  sich  denkbar,  ja  streng  genommen, 
das  Gegentheil  nicht  denkbar.  Man  erwäge  nur,  dass  die 
Anlage  der  Fora  des  Augustus,  des  Nerva  und  Trajan  und 
des  Bezirks  des  vespasianischen  Friedenstempels,  wie  bezeugt 
ist  und  sich  von  selbst  versteht,  ganze  Stadttheile,  d.  h.  grosse 
Gruppen  von  vici  beseitigten:  und  zwar,  ohne  dass  dabei  die 
Regionengrenze  berücksichtigt  werden  konnte.  Es  ist  kaum 
anders  möglich,  als  dass  die  Grenzen  nach  solchen  Verän- 
derungen neu  bestimmt  worden  sind.  Ein  direkter  Beweis 
für  eine  Veränderung  im  Innern  der  Stadt  lässt  sich 
meines  Wissens  nicht  beibringen ;  auch  für  eine  Veränderung 
in  der  l.  Region  lässt  sich  nicht  anführen,  dass  es  zur  Zeit 
Constantins  in  der  2.  Region  ein  antrum  (atrium?)  Cyclopis 
gab,  während  in  einer  offenbar  älteren  Inschrift  ein  vicus  ab 
(so)  Cyclopis  in  der  1.  genannt  wird  (Bd.  2,  294):  denn  be- 
greiflicher Weise  kann  bei  zwei  aneinander  grenzenden  Be- 

«)  S*  jetzt  Forma  urbis  S.  10  f.  §  5»  ff. 


§  5.]  DIE  STADX  DER  XIV  REGIONEN.  313 

zirken  ein  Denkmal  in  der  einen  an  der  Grenze  der  andern 
den  Namen  einer  in  dieser  laufenden  Strasse  Teranlasst  haben. 
Dagegen  scheint  die  Vermehrung  der  vici  mit  den  oben  kon- 
statirten  Ungleichmässigkeiten  der  Regionengrenzen  in  Zu- 
sammenhang zu  stehen,  und  wir  müssen  diese  Vermehrung 
hier  zunächst  näher  ins  Auge  fassen.  Dies  ist  aber  wiederum 
nicht  möglich,  ohne  schon  hier  eine  kritische  Prüfung  der 
Ueberlieferung  der  Zahlen  in  der  Notitia  vorzunehmen,  so- 
weit dieselben  durch  die  Vergleichung  der  Summe  der  über- 
lieferten Einzelansätze  mit  der  überlieferten  Summe  zu  kon- 
trolliren  sind,  d.  h.  mit  Ausschluss  der  nicht  summirten 
Umfangszahlen.  Folgendermaassen  sind  uns  also  die  Zahlen 
überliefert: 


<=Eaxaäaa<<a 


n 


^=.§=.S=.2a55.«B 


5  5  5  5        S 


"S-^-|-J-|=.|-  1^:^  f 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  315 

Abgesehen  von  einigen  falschen  Wiederholungen  (ich  habe 
dieselben  mit  dem  Stern  bezeichnet)    erscheint   die   Ueber- 
lieferung  der  Einzelansätze,  einmal  wegen  der  weit  überwie- 
genden Uebereinstimmung  beider  Recensionen,  dann  wegen 
der  ftSar  eine  solche  Art  der  Ueberlieferung  nicht  übermässigen 
I  Abweichang   der  wirklichen  von  den  überlieferten  Summen 
I  im  Ganzen  glaubwürdig  und  wir  werden  daher  die  Schreib- 
^  febler  eher  in  den  überlieferten  Summen  als  in  den  Einzel- 
ansätzen suchen  müssen.    Die  grösste  Difierenz  zwischen  den 
^  überlieferten  und  den  berechneten  Summen  trifil  nun  grade 
I  die  vici*   sie  würde  auch  nicht  erheblich  gemindert,  wenn 
f  wir  annähmen,  dass  die  einzige  Hs.  b  (von  iV),  die  noch  dazu 
I  nicht  die  maassgebende  ist,  das  richtige  erhalten  hätte.    Wohl 
aber    haben  wir  Gründe,  welche  gegen  die  Richtigkeit  der 
überlieferten  und  für  die  Richtigkeit  der  berechneten  Sum- 
men sprechen.   Diese  liegen  in  der  Vergleichung  der  Summe 
der  zur  Zeit  Vespasians  gezählten  vici  (comfita  Lamm  in  dem 
unten  A.  33  a.  Bericht  des  Plinius  sind  die  aediculae  der  No-* 
titia,    in  jedem  vicm   eine:  §  8)  einerseits   und    der  Ver- 
hältnisszaUen  der  vici  von  5  Regionen  im  J.  136  (kapit  Basis) 
mit  den  entsprechenden  der  Zeit  Constantins  andrerseits.    In 
dieseff  Regionen  befanden  sich  (Bd.  2,  294): 

im  J.  136       zur  Zeit  Constantins 


R.     1 

9 

10 

10 

6 

20 

12 

12 

17 

13 

17 

18  (80  C,  17  iN) 

14 

22 

78 

66 

143 

Man  vergleiche 

• 

nun 

die  Summe  der  viei  in  den  14  Re- 

gionen . 

Dordisdinittczalil 

zur  Zeit  Vespasians 

265 

18,9 

zar  Zeit  Constaotiiii 

1 

Summe  der  EiuzelaiuäUe  307  (304) 

21,9  (21,7) 

Uebcflieferte  Summe 

423 

30,2 

316  THEIL  I. 

in  den  R^ionen  1.  10.  12.  13.  14: 
im  J.  136  6e  13,2 

zur  Zeit  CooMantins  142  28,2 

la  den  5  Regionen  1.  10.  12.  la  14  iat  also  in  200 
Jahren  eine  durchgängige  Vermehr nng,  in  d^  14.  Region  auf 
das  3 — 4  fache  eingetreten,  falte  die  Zablea  der  Notitia  rieh- 
tig  sind.     Zugleich  ist  die  Zahl  7S  doppelt  so  gross  als  die 
der  demnächst  höchsten  Zahlen  (in  der  8.  und  9.  R.)  i»sm 
sieht  akov   dass  die  Durchschnittszahl  28,2  von  nur  5  Re- 
gionen durchaus  nicht  für  die  Richtigkeit  der  Ourchschnitt»- 
zahl  30,2  in  14  Regionen  spridht,  die  Gesanuntsumme  der 
vm  zur  Zeit  Constantins  Tielmehr   aller  Wahrscheinüehkeit 
näher  bei  307  (304)  als  bei  d^r  überlieferten  Zahl  423  zu  suchea 
ist    Wenn  diese  Annahmen,  wie  ich  hoffe,  so  wahrscheinlich 
sind,  wie  es  bei  solchen  unvoUstandigen  Daten  2iu  erwarten 
ist,  so  wird  es  schwerlich  Zufall  s^in,  dass  während  die  Umr- 
fangsziffern  von  2  Regioneu  (9.  14)  das  Doppelte  der  Durch- 
Schnittsziffer   von  16236  erreichen  (9:32500,  14:33388) 
alle  übrigen  nur  eine  massige  Schwankung  (11500 — 15700, 
nur  13  :  18000)  zeigen.    Eine  allgemeine  Erwägung  der  Ent- 
Wickelung  der  Stadt  aber  (vgl.  Tk  U)  ze^gt ,  dass  grade  das 
Westende  (die  Regionen  9.  14,  deren  natürliche  ZAam- 
mengehörigkeit  äu^serlich  die  Ordnung  des  Sicherheitsdienstes 
bezeugt:  S.  308)  in  stetigem  und  rapidem  Wachsthum  begriffen 
gewesen  ist:  und  zwar  haben  sich  diesseits  und  jenseits  des 
Stroms  die  Grenzea  von  Prachtbauten   (R.  9)  oind  gewerb- 
lichen Anlagen  (R.  14)  immer  weiter  hinausgeschoben,   was 
das  Wachsen  der  Dichtigkeit  der  Revölkerung  wenigstens  jen- 
seits bedingt  hat. 

Glauben  wir  für  diese  Vorstädte  also  ein  Vorschieben 
der  Regionengrenze  nach  Augustus,  also  die  Annahme  be- 
gründet zu  haben,  die  ja  an  sich  die  nächstUegende  ist,  dass 
die  äussere  Grenze  der  Polizeidistrikte  von  Anfang  an  nur 
bewohnte  Sta^ttheile  einschliessen  sollte ^^),  so  stehen  uns 

^B)  Das  Gegeatheil    scheint   Redbertos   aBZüDehmen   in    ctor  nicht 
volIendeteB   Arbeit  ^Bedeoken  ^egea  den  vo»  den  Top«gvt^OD  ange- 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  317 

fSr  die  ubrigefi  peripbenschen  Stadttbeile  Beweismitte]  gleichen 
WeFtfaes  mokt  zu  Geb^e.     Wobl  wissen  wir,  dass  ^e  13. 
und  yiellercht  die  12.  Region,  weon  man  der  constantinischen 
Grenzbeschpeibttiig  folgt,  aber  die  Mauern  hinausgriffen  und 
dies  scheint  dem  ursprünglichen  Eintiieilangsprindp  zu  wider- 
sprechen.   Allein  einen  sicheren  Beweis  für  eine  spätere  Ver- 
schiebung giebt  das  um  so  weniger,  als  es  auffallen  musste, 
wenn  die  alte  Vorstadt  vor  porta  Trigemina  ausser  der  Polizei- 
grenze gelegen  hätte  (vgl.  oben).     Anders  steht  es  mit  der 
5.  Region.    Es  ist  nicht  ohne  Bedeutung,  dass  das  Umfangs- 
maass  derselben  sich  nicht  yon  dem  Durchschnitssmaass  der 
übrigen  entfernt,   dass   nachweislich  (s.  Th.  II)  die  Vorstadt 
vor  dem  esquilinischen  Thor  zur  Zeit  des  Augustus  ein  be- 
deutendes  Leben   gehabt  hat;   und  dass    die  Unmöglichkeit, 
das    Umfangsmaass   mit   den  in  der  Grenzbeschreibung   ge- 
nannten Grea^unkten  in  Einklang  zu  setzen  jedesfalls,  wenn 
8se  nicht  überhaupt  blos  eine  scheinbare  und  durch  unsere 
lückenhafte  Kennti»sB  veranlasste  ist,  eine  andere  Erklärung 
zttiisst,   als   die   Annalnne   einer   spSteren  Ausdehnung   der 
Grenze.   —   Doch  wir  müssen  die  Frage  über  den  Umfang 
der  augustisdii»  Regionenstadt  hier  fallen  lassen,  um  zu  dem 
Eintheiiiingsprincip  zurückzukehren. 

Den  festen  Gru»driss  gab  die  servianiscfae  Stadtmauer 
ab,  die  ausserhalb  d^selben  Hegenden  Regionen  1.  5.  7.  9. 
14  sind  im  wesentlichen  die  PoJizeidistrikte  der  Vorstädte. 
Innei^halb  der  Mauer  lagen  die  4  servianischen  Regionen,  das 


nommeQeD  Tvtkt  der  «vreinnisciieii  Maner'  (in  HiUebMiads  Jahrb.  f. 
NatioaalökoBomie  23  (1874),  1  ff.),  wo  als  Aoalogiea  für  4i«  erst 
später  za  begründende  Hypothese  S.  22  ein  'polizeilich  abgegrena- 
ter  mit  Argeerkapelle  versehener  vieas'  (in  einer  der  servianischen 
Regionen)  'in  dem  nnr  ein  einziges  Hans  steht'  (es  ist  das  aedificium 
^ohnn  tit  ifr  Argeerarkunde  Bd.  2,  288  f.)  uad  der  Bebaacngsplan 
vaa  Berlin  auf^efährt  werden.  EUe  Widerlegung  im  Biozelnen  ist 
schoB  wegen  des  fragmentarischen  Charakters  der  Arbeit  aicbt  möglich, 
sehr  zu  bedauern,  dass  der  Vf.  sein  eigentliches  Ziel,  die  Beurtheiluog 
der  Hypothesen  über  die  Bevölkerungsstatistik,  nicht  mehr  hat  errei- 
chen können  (vgl.  §  6.  7). 


318  THEIL  L 

Kapitol  und  der  Aventin,  jenes  als  Akropolis,  dieser  als  ple- 
bejischer pagus,  ursprungiiGh  nicht  in  diese  eingeschlossen. 
Weder  die  Reibenfolge  noch  das  Gebiet  jener  Tribus  deckt 
sich  mit  den  inneren  Distrikten  der  augustischen  Ordnung, 
wie  schon  Bd.  2,  248  ff.  gezeigt  worden  ist. 

Die  servianischen  nach  der  richtigen  und  der 
falschen    Ordnung     den     augustischen    Regionen 

gegenüber 

servianische  Regionen 

politische  Rangfolge  angeblich  Folge  nach  der 

ArgeeTurkonde 

PaJatina  10                       Suburana  2.  3.  4» 

Suburana  2.  3.  4.                 Esquilina  5 

Esquilina  5                       Collina  6 

CoUina  6                       Palatina  10 

Dazu  kämen  die  augustischen  Regionen  10 — 13.  Hierdurch 
kann  die  aus  anderen  Gründen  zurückgewiesene  Behauptung, 
als  sei  die  in  der  Argeerurkunde  befolgte  Reihenfolge  die 
ursprüngliche,  nicht  bewiesen  werden.  Dass  eine  neue  Ord- 
nung gar  nicht  umhin  konnte,  im  Ganzen  und  Grossen  die 
der  servianischen  £intheilung  selbst  zu  Grunde  liegende 
wesentlich  durch  die  Terraingestaltung  bedingte  Gliederung 
auch  ihrerseits  zu  Grunde  zu  legen,  ist  an  sich  klar.  Dass 
aber  die  scheinbar  zusammenfallenden  Haupttfaeile  nicht  ganz 
zusammenfallen,  zeigt  das  Beispiel  der  3.  augustischen  Re- 
gion, welche  theilweise  der  alten  esquilinischen ,  theilweise 
der  alten  suburanischen  zugehört  (Bd.  2,  253),  und  zeigt  die 
über  die  MauerUnie  hin  und  her  springende,  die  Vorstädte 
und  die  innere  Stadt  durcheinander  verwerfende  Numerirung 
1.  2,  5.  6,  7.  8.  9.  10.  Da  sich  endlich  auch  ihrer  Be- 
stimmung nach  die  tribiis  urbanae  und  die  14  Polizeidistrikte 
gar  nichts  angehen,  so  ist  in  der  That  ein  länger^  Verweilen 
bei  der  unnöthiger  Weise  viel  besprochenen  Frage  des  Zu- 
sammenhangs der  servianischen  und  augustischen  Regionen 
überflüssig. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  Reviereintheilung 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  319 

auf  das  servianische  Stadttemplum  und  sein  Pomerium 
keine  Rücksicht  nahm:  niemals  sind  unseres  Wissens  die  Re- 
gionen 1.  14,  erst  nach  Augustus  R.  12.  13  und  der  nörd- 
liche Theil  von  7.  9  in  das  Pomerium  aufgenommen  worden. 
Dennoch  sind  die  Erweiterungen  des  Pomerium,  welche  die 
schriftstellerische  Ueberlieferung  dem  Sulla,  Caesar,  Augustus, 
Claudius,  Nero,  Trajan,  Aurelian  zuschreibt,  als  Symptome  des 
Wachsens  der  Stadt  von  Wichtigkeit,  und  der  Umstand,  dass 
Augustus  unter  den  Erweiterern  erscheint,  macht  es  wün- 
schenswerth,  die  Frage  an  dieser  Stelle  zu  behandeln  ^^). 
Freilich  die  Ueberlieferung  selbst  erregt  ibchon  deshalb  Be- 
denken, weil  sie  Yespasians  gar  nicht  gedenkt,  weil  Augustus 
selbst  von  der  Ausübung  dieses  doch  anscheinend  wichtigen 


^^)  Die  schriftstellerischen  Nachrichten  über  die  Erweiterung  des 

Pomerium   seit  Sulla  sind   folgende:  Messalla  der  Augur,  Gonsul  701 

(oben  §  2  A.  21),  sprach  nach  Gellius  13,  14  von  omnes  qui  'pomerium  pro- 

tulerunt,  worauf  Gellius,  vermuthlich   nach  ihm,  Servius  Tullius  und 

den   dwus  luUus  nennt.    Mittelbar  aaf  Messalla   beruht  (s.  A.  24)  die 

Darstellung  des  Tacitus  Ann.  12,  24:  et  pomerium  urbis  auxü  Caesar 

(d.  h.  Claudius  im  J.  50)  more  prisco^  quo  iis  qui  protulere  Imperium 

etiam.  terminos  urbis  propagare  datur,    nee  tarnen  duces  romani  (die 

Feldherren  der  Republik)  quamquam  magnis  nationibus  subactis  usur- 

paverant  nisi  L.  Sulla  et  divus  Augustus.    regum  in  eo  ambitio 

vel  gloria  varie  vulgata:  sed  initium  condendi  et  quod  pomerium.  Ro- 

mulus  posuerit  noscere  haud  absurdum  reor  .  . . ,  nun  folgt  die  §  2 

A.  15    erörterte  Beschreibung  des  palatinischen  Pomerium  bis   zu  den 

nicht  zum  Folgenden  zu  ziehenden  Worten  ad  sacellum  Larum  forum- 

que  romanum.    et  Capitolium  non  a  Romulo  sed  a  Tito  Titio  addi- 

ium  urbi  credidere:  mox  pro  fort u na  pomerium  aucium  (nehmHek 

von   den  übrigen  Konigen  bis  auf  Servius  Tullius,  wie  deutlich 

Dionys  4,  13  sagt:   oben  S.  202  A.  1).     et  quos  tum  Claudius  terminos 

posuerit  facile  cognitu  et  publicis  aotibus  perscriptum.     Hiermit  steht 

nicht  im  Widerspruch,  dass  man  zu  Senecas  Zeit  (de  brev.  vit.  13,  8) 

meinte   Sullam    ultim,um   protulisse   imperium   (s.  unten).     Dio   43, 

50  von    Caesar:    to    7i(ofii^Qiov   ItiI    TtXelov   iTis^riyays   vgl.    44,   49, 

von  [Augustus  (z.  J.  746)  55,  6:  ta  tov  n,  S^ta  infjv^ae.     Nur  die 

Kaiser  nennt  Vopiscus  Aurel.  21:   addidit  (pomerio)  Augustus,  addidit 

Traianus,  addidit  Nero  sub  quo  Pontus  Pokmomacus  et  Alpes  Cottiae 

romuno  nomini  sunt  tributae.     Von   Vespasian  (und  Hadrian)  wissen 

wir  nur  durch  die  Steine. 


320  THEIL  I. 

Rechtes  schweigt,  wo  er  darüber  hätte  sprechen  können,  weil 
Vespasian  als  seinen  Vorgänger  in  derselben  nicht  Augastns, 
sondern  Claudiiis  bezeichnete^),  und  eine  urkundliche  Bestä- 
tigung für  die  Betheiligung  des  Äugustus  an  der  Erweiterong 
nicht  vorhanden  ist.  Doch  sehen  wir  zunächst,  was  jenes 
Recht  überhaupt  bedeutet  und  wie  es  entstanden  ist. 

Das  Pomerium  der  palatinischen  Stadt  war  zum  Behuf 
der  jährlich   vorzunehmenden   uralten    Lustration   derselben 
durch  das  AugurenkoUegium  in  einer  nicht  bestimmbaren  Zeit 
terminirt  worden:  liach  d^n  Tode  Sullas  bezeugt  Yarro,  dass 
auch  *um  Rom'  herum  Steine  das  Pomerium  bezeichneten, 
d.  h.  das  den  Aventin  ausschliessende  servianische.    Zwischen 
der  Gründung  des  palatinischen  und  des  servianischen  Roms 
liegen  nach  der  Vorstellung  der  römischen  Annalisten  stufen- 
weise fortschreitende  Erweiterungen  der  ersten  Niederlassung, 
welche  durch  Berechnung,   ohne  jede  Grundlage  überlieferter 
Thatsachen^   lange  vor  Sulia  in  ein  System  gebracht  waren. 
Die  nothwendige  Folge  dieser  Anschauung  war,  dass  mit  jeder 
Erweiterung  der   Stadt  und  ihrer  Befestigung   bis   auf  den 
Vollender  derselben,  Servius  TuUius  (oben  A.  17),  auch  das 
Pomerium,  ohne  welches  ja  ideell  keine  Stadt  denkbar  ist, 
vorgerückt  werden  musste.     Wenn    nun  Sulla   seit  Servius 
Tullius  der  erste  sein  soll,   welcher  das  Pomerium  abermals 
vorschob  und  zwar,    weil  es   ein  Recht  desjenigen,    welcher 
die   Grenzsteine    des    römischen    Staatsgebiets   vorgeschoben 
hatte,  war,  die  Grenzsteine  des  städtischen  Pomerium  vorzu- 
schieben, so  liegt  es  auf  der  Hand,   dass  ein  solches  angeb- 
liches Recht,  das  von  Servius  Tullius  bis  Sulla  kein  einzige 
von   jenen    unzähligen    siegreichen    Imperatoren    geübt    hat, 
während   doch  ihre  Triumphe   in    den  Staatsurkunden  ver- 
zeichnet standen  und  von  manchem   die  öffentlichen  Ehren- 


^^)  AagpoLstQs  schweigt  im  lodex  rerom  gestajram;  Vespasitn  io  der 
soganannten  Lex  regia  CIL  6,  1,  930,  wo  es  heisst  (Z.  14  f.):  utique 
ei  fines  pomerü  praferre  pramovere,  cum  ex  republica  censehü  esse, 
Uceat  ita  uti  ticuit  Tu  Claudio  Caesari  Germamoo.  —  Riehtig  hebt 
dies  schoo  Henzen  in  der  A.  24  citirten  Abhaadlaog  hervor. 


S  5.]  DIE  STADT  DBR  XIV  REGIONEN.  321 

denkmäler  stolz  yerkündeten :  fines  tmferii  propagamt  ^'),  in 
der  That  nicht  edstirt  hat.  —  Als  es  sich  aber  für  Sulla 
darum  handelte,  dem  Volke  eine  der  königlichen  ähnliche 
Machtstellung  annehmbar  zu  mächen,  ^suchte  er',  wie  der 
Augur  Messalla  es  aus  den  Akten  wusste  (A.  20),  'einen 
Rechtsgrund,  das  Pomerium  vörzusohieben^  und  sich  damit 
als  ien  Nachfolger  des  Servius  Tullius  und  der  Könige  dar- 
zustellen. Er  wird  sich  also  an  das  AugorencoUegium  ge- 
ivendet  haben  und  da  sich  in  deren  Archiv  feststellen  Hess, 
dass  'die  Köhige*  die 'Stadterweiterungen,,  d.  h.  damals  Ge- 
bietserweiterungen, durch  Pomerienerweiterungen  bezeichneten, 
die  Siebenhägelstadt  aber  durch  die  Stadtmauer  geschlossen 
war,  so  glaubte  man,  das  angebliche  Königsrecht  wieder  aufk- 
leben lassen  zu  können  in  der  neuen  Formulirung,  dass  das 
Poonerium  der  Stadt  erweitem  dürfe,  wer  das  Gebiet  der« 
selben  in  Italien  erweitert  habe:  eine  Formulirung,  in  wel-» 
eher  die  sullanische  Trennung  Italiens  und  der  Provinzen 
zum  Ausdruck  kommt  und  welche  in  späterer  Zeit  einer 
weiteren  Fassung  weichen  musste,  wenn  nicht  der  Rechts- 
titel verloren  gehen  sollte^®);  Nur  so  erklart  sichs,  dass  in 
der  That  seit  der  Königszeit  zuerst  SuUa  das  Pomerium  er- 
weiterte und  die  opportune  Wiederentdeckung  dieses  könig* 


^^)  Cicero  de  rep.  2,  15  nach  Oetlefseos  sicherer  Herstellaog:  iUa 
laus  in  summorüm  imperatorum.  indsa  monimentis  ^ßnis  imperu  propa- 
gavit '  (vgl.  das  auctis  p.  R.  finibtu  pomerium  ampliavü  der  kaiserlichea 
Pomeriensteine  A.  30),  wo  doch  nnr  an  Grabdenkmäler  auf  Staats- 
kosten mit  Inschriften ,  welche  für  die  Elegien  der  aagnstischen  Zeit 
die  Muster  abgegeben  haben  werden,  xn  denken  sein  dürfte.  Ein  Bei- 
spiel ist  meines  Wissens  nicht  erhalten. 

^)  Bei  Gellins  a.  0.  (nicht  wörtlich)  proferendi  imperii  tUahm 
quaenviL  Dass  er  es  gethan,  sagt  anch  Dio  4S,  50.  Die  Theorie  ober 
das  Recht  entwickelt  nach  Sulla  der  Angnr  Messalla  a.  0.  (nicht 
wörtlich):  habebal  mäem  tut  proferendi  imperii.  qui  populum  romanum 
agro  de  hoetihus  capto  auaperat^  genauer  Seneca  a.  0. :  Stdlam  ultimum 
proUdisse  pomerium  quod  nunquam  provindali  sed  Italiae  agro  acquisito 
proferre  moris  apud  antiquos  fuit.  Also  liess  man  Caesars  Erweite- 
nwg  nicht  als  reehtsgiltig  gelten.  Zu  Anrelians  Zeit  konnte  das  Recht 
der  ttben  qui  agri  barbarid  aUqua  parte  rem  p.  loeupletaverit  (Vop.  a.  (X.). 

Jordan,  rOmiaölie  Topographie.    Li«  21 


822  TBEIL  L 

liehen  Reehts  steht  miz^etfelbaft  im  ZusatnmeBhaog  mit  jenen 
froher  (§  3  A.  35)  besprochenen  aUs  dein  Kreise  und  dein 
Berathttngen  der  Plriest^rsehaft  bertorgegangenän  Entochei- 
dungen,  wdchen  aum  Thni  die  Remullisfiibel  ihre  feste  Ge- 
stalt und  gewiss  auch  manckes  königliche  Recht  ihren  Ur- 
sprnng  Yerdanken*^).  AiKh  das  ist  ausser  Zweifel,  dass  sid 
SaDa  jenen  Rechlstitel  nicht  etwa  bat  herstellen  lasse»  ^  nln 
diejenigen  gesetzlichen  Bestiinniungeik^  wdche  an  die  Grenze 
des  Pomerium  gebunden  waren,  zu  verändern.  Denn  gerade 
wo  das  Pomerium  allein  noch  von  praktischer  Bedeutung 
war,  am  Marsfelde,  hat  er  dasselbe  so  wenig  yerindert  wk 
seine  Nachfolger  bis  auf  Claudius.  Es  ist  ausdrücklich  be* 
zeugt,  dass  das  Theater  des  Pompejud  bei  seineb  Binweifaui^ 
und  die  Porticus  der  Octavia  zur  Zeit  des  Augustue  ansiserbsIlA 
des  Pomerinm  lagen*').  Wenn  daher  Varro  (§  2  A.  25)  sagt,  dass 
Pomeriensteine  ^um  Rom'  standen  uud  dies  die  suBänischeB 
(tou  Caesar  wird  gleich  die  Rede  sein)  waren,  so  bleibt  nur 
tbrig  anzunehmen,  dass  Sulla  nach  Uebereinkunft  mit  dem 
Augnrencollegium  die  längst  verschwundenen  alten  Ponrerien« 
steine  wiederherstellte  und  sie,  wenn  überhaupt,  inner- 
halb der  Ringmauer  —  soweit  das  Pomerium  öbeiiiaupt 
mit  ihr  lief  —  vorrückte.  Erinnert  man  sich  nun^  dass  das 
Pomerium  ursprünglich  einen  breiten  unbebauten  consecrirten 
Streifen  zwischen  der  Stadt  und  der  Mauer  fi'ei  liess,  so 
wird  man  es  bei  dem  Zustande  der  Stadt  zur  2eit  des  Sulla 
sehr  begreiflich  finden,  wenn  er  die  gewiss  schon  vielfach 
vorgekommenen  Beeinträchtigungen  dieser  Ordnung  durch  die 
zuständige  geistliche  Behörde  unter  dem  Willkomm  »en  Vor^ 

*^)  MommseD  Sttatsr.  2^  1^  716  sAgt:  <dd^  Refoht,  dem  Lauf  der 
Rittginaiier  ibzniocUrn  od«r  it ic  «s  technioli  faeisst,  den  MaserWAfp  top* 
tMcüÄebtü,  ist  altes  KSaigsreebt'.  AHein  am  die  Sfoaer  iiandelt  «i 
sieh  in  Rom  nicht  und  wie  kaM  dds  Reeht,  dea  'llaiier^e^'  ran^ 
•ehieben,  erloschea  seiny  Ich  kaoa  das  gfanze  'Recht'  mii^  als  eise 
AbstraktioB  aas  den  aoffehliehea  küaigliehefe  StadterweiteraaseB  he- 
traehteo. 

^)  Vom  Theater  DIo  4«^  SO.  41, 3;  von  der  Carie  in  d*  Partie« 
der  Octavia  derselbe  5<^  8. 


S    5.]  DIB  STADT  DEA  XIV  REGIONEN.  323 


•nd  des  königlichen  Vorräehis  legaHsiren  lies«,  4.  h.  das 
Pomerittiti  bis  hart  an  die  MaueiT  vorrückte  und  so 
die  Bebauung  der  frukei*  freigehaltenen  Zone  frei- 
st «ib.  Trifft  diese  ErkldriMOig  dlis  richtige,  so  darf  wdil  an- 
gr^nommen  werden,  daes  die  im  J.  666  erfolgte  Einziehung 
4^r  Prieateriindereien  um  das  K^pitot  (oben  S*  282)  ein 
Yoriaofer  dieser  zugleich  staatsrechtlichen  und  finanziellen 
Maaasregei  gewes^  ist  Ausgeführt  kann  sie  aber  wohl 
s4}hwerlioh  vor  der  Dietatur  sein  und  iliag  durch  ein  mit  den 
übrigen  organisatorischen  Maassregein  zusamttieiahai^endes 
besonderes  Gesets  zur  Ausführung  gelungt  sein^^*). 

Nach  den  oben  b<srvorgehobeoen  /schwerwiegenden  That- 
s^ebeni  dem  Schlveigen  des  Augu^ttn  und  des  Vespasian, 
wird  es  nun  vollends  anehr  als  wahrscfaeinlich  genannt  wer- 
den dürfen,  dass  die  Nachrichten,  welche  uns  von  den  Kaiser- 
biographen  über  die  Pomerienerweiterungen  des  Caesar  und 
des  Augustus  dberkommen  sind,  auf  einer  Verwechselung  be* 
ruhen«  Für  Augustus  ist  dies  um  so  wahrscheinlicher,  als 
seine  Pomerienerweiterung  in  das  i,  746  gesetzt  wiiid  (A«  17), 
m  welchem  die  neue  Regiopeneintboilung  in  Kraft  trat  (A.  6)» 
und  auch  Caesars  Stadter  weiter  ungspläne  (A.  3)  werden  als 
Pomerienerweiterung  gegolten  haben.  Vielmehr  reihte  sich 
woiü  unonttdbar  an  dea  Akt  des  Sulla,  der  das  alte 
Pomerium  aufhob,  der  des  Claudius  an,  der  in  der 
That  es  zuerst  erweiterte,  d.h.  jenseits  der  Mauer 
yerlegte^^).    Die  erhaltenen  Grenzsteine  (s.  unten)  bezeugen 


^^*)  Mommsen  (Staatsr.  2^,  1,  716)  meint,  es  möge  hei  Gegelegea- 
heit  des  kapitolinischen  Tempelbaus  geschehen  sein:  einen  Grand  dafür 
finde  ich  nicht 

'')  Voa  Caesar  spricht  nur  Gellius  —  es  ist  nicht  wahrscheinlich, 
dass  er  neben  Messalla  noch  eine  andere  Quelle  benutzte  — ,  von 
Augnstas  und  nicht  von  Caesar  Tacitus  and  Vepiscus.  Tacitaa  ent- 
lehnt, was  er  über  das  Pomerium  vor  Claudius  sagt,  mittelbar  gewiss 
ans  Messalla,  aber  seine  anmittelbare  Qnelle  konnte  die  ^otiz  über 
Aogostas  hinzufügen.  Die  vermeintlichen  Terminalcippea  des  Angoslas 
sind,  wie  Benzen  Hermes  2,  Hl  nachgewiesen  hat,  Fälschungea  des 
Ligorins  auf  Grund  der  Terminalcippen  des  Tiberofe^s. 

21* 


324  ''^BIL I. 

dass  er  auctis  fopüli  romani  finibm  pomertum  ampliävit  ter^ 
minavitque.  Dasselbe  bezeugen  van  Vespasian  und  Titas  die 
Steine,  wahrend  die  hadrianischen  nur  yon  einer  auf  Yer* 
anlassang  dieses  Kaisers  durch  die  Augurn  vorgenommenen 
Wiederherstellung  sprechen:  coüegium  augufum  auetore  imp  . . . 
termmos  pomerü  restituendos  euravü.  Die  Schriftsteller  all^a 
nennen  ausserdem  als  Erweiterer  Nero  und  Trajan,  worauf 
wir  unten  zuräckkommen.  Da  wir  nan  für  die  Pomerien- 
erweiterung  des  Claudius  schwerlich  anders  geartete  Gründe 
zu  suchen  haben,  als  für  seine  Vervollständigung  des  latei- 
nischen Alphabets  und  seine  sonstigen,  halb  den  Stuben- 
gelehrten, halb  den  Pfaffen  verrathenden  LucolH*ationen ,  so 
hat  es  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit,  dass  er,  eingedenk 
des  auguralen  Satzes  von  der  Untrennbarkeit  der  Stadtmaaer 
und  des  Pomerium  in  Erttiangelung  einer  neuen  Mauer  we^ 
nigstens  die  Grenze  der  Stadt  der  14  Regionen  wieder  mit 
dem  Pomerium  vereinigen  und,  wenn  möglich,  die  Gestalt 
desselben  der  vorgeschriebenen  Quadratform  nähern  wollte. 
Damit  stimmt,  was  wir  aber  die  Ausdehnung  seines  Pome- 
riums  wissen,  uberein.  Allein  es  ist  nicht  möglich,  die  Daten 
über  die  kaiserlichen  Pomerienerweiterungen  des  Claudius, 
des  Vespasian  und  Titus  und  über  die  Wiederherstellung  der 
Steine  durch  Hadrian,  welche  uns  die  erhaltenen  Grenzsteine 
selbst  geben,  von  einander  zu  trennen  und  wird  sich  schliess- 
lich herausstellen,  dass  wenigstens  die  claudische  Erweiterung 
und  die  hadrianische  Wiederiierstellung  einer  früheren  Er- 
weiterung, soweit  wir  sehen  können,  nicht  erheblich  differiren. 
Wir  erörtern  daher  die  claudische  Erweiterung  mit  Hilfe  der 
Fundorte  aller  erlialtenen  Grenzsteine^*). 

Die  Schriftsteller  berichteii  als  das  wichtigste  dieser  Er- 


^)  lieber  4iose  s.  im  Allgemeinen  Henzen  im  Bull.  1857,  8  ff.  and 
jetzt  CIL  6,  1,  1281—1233,  wo  indessen  die  Provenienzen  nicht  ganz 
vollständig  gegeben  sind.  leb  ergänze  im  folgenden  ans  den  von  mir 
friiber  eingesehenen  tind  schon  Hermes  4,  407  ff.  verwertheten  Scheden. 
Von  meiner  dortigen  Anffassting  finde  ich  nur  in  unwesentlichen  Dingen 
abzuweichen  Veranlassung. 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  325 

Weiterung   nur   die  Hineinziehung   des  Aventin  in   das  Po- 
merium'^).     Sie  sagen  nicht,  ob  damit  die  13.  augustische 
Region  allein  gemeint  ist  oder  auch  die  12.      Wir  können 
€8  nicht  entscheiden,  müssen  aber  annehmen,  dass  letzteres 
der  Fall  ist  und  dass  die  Pomeriengrenze  auf  dieser  Seite 
fortan  mit  der  Regionengrenze  und  der  Linie  der  alten  Mauer 
Eusammenfiel«n.      Wir  besitzen    auf  dieser  Seite   der  Stadt 
keinen  Grenzstein  des  Claudius,  wohl  aber  einen  des  Vespa* 
sian    und   Titus,   der  zwischen  porta  S.  Paolo   und  Monte 
testacdo  gerade  gegenüber  dem  alten  servianischen  Stadtthor 
stand  (a)^^).    Es  kann  sein,  dass  Titus  und  Vespasian,  welche 
ad  extrema  tectorum  die  Stadt  vermessen  haben  und  wafarschein- 
lid>  die  Regionengrenze  demgemäss  erweitern  Hessen  (unten), 
auf  dieser  Seite  die  Vorstädte  in  das  Pomerium  und  die  Re- 
gionen aufnahmen.    Jedesfalls  wird  dies  nach  dem  oben  Be- 
merkten nicht  unter  Augustus  geschehen  sein.     Es  mag  also 
hierauf  zurückzuführen  sein,  dass  die  Notitia  die  Grenze  der 
13.  Region  über  die  Mauer  ausdehnt.    Dass  dieser  Stein  der 
47 te  in  der  vespasianischen  Linie  war,  beweist,  wie  gezeigt 
werden,  soll,  dass  er  einer  der  letzten  der  Linie  war  und  dass 
die  Termination  im  Marsfeld  begann.  —  Wir  besitzen  ferner 


^)  Nor  di«s  wird  berichtet  rem  Gellins  mit  Berafnngp  aaf  einen 
Grammatiker  {quod  mm  pridem  ego  in  t  elydü  grammaHci  veteris 
ewnmentario  offendix  [LoBUi]  FeÜeu  MercUin  Jahrb.  f.  PhiL  Sappl. 
1S60,  691,  lEra]ekdü  Hertz  Rh.  M.  1862,  578  ff.)  und  von  Seneca  in 
der  nach  Hirschfelds  BeweisführnDg  Philol.  29,  95  f.  im  J.  49  oder  50 
Yerfassten  Schrift  de  brevitate  vitae*  Allgemein  Vespasian  in  der  Lex 
regia,  oben  A.  18. 

s«)  A  «»  CIL  n.  1232,  nicht  mehr  zu  sehen:  nach  Henzen  Bali.  a.  0. 

nnd    bei    Mommsen    Hermes    10,  50   stand    der  Stein   inneriialb   der 

Mauer  nnweit  des  6.  Thurms  von  p.  S.  Paolo  nach  dem  Flnss.    Die 

Inschrift  befand  sieh  anf  der  Ostsoite,  'sah  also  weder  nach  der  >Stadt 

noeh  nach  nassen'.    Allein  diese  letzte  Angabe  lasst  sich  weder  mit 

dem  Censnsplan   noch  mit   der  Skizze   vereinigen ,   welche   mir   durch 

M ommsens  Gute  vorgelegen  hat.    Nach  dieser  stand  der  Stein  in  einem 

modernen  der  Mauer  parallelen  Graben  derartig  im  rechten  Winkel 

gegen  die  Mauer  gerichtet,  dass  die  Hauptseite  der  Via  di  pörta  S.  Paolo, 

also  der  porta  Naevia  zugewendet  gewesen  sein  muss  (s.  A.  30  z.  £.). 


326  THEIL  I. 

drei  dftiidische  Steine,  welche  schwerlieh  von  ihren  urspjrdng- 
liehen  Standorten  entfernt  gefunden  worden  sind:  einor  ist 
im  Harsfeld,  wahrscfaeinUeh  in  den  Fondament^i  der  Kirche 
S.  Ki^o  (b),  ein  zweiter  vor  porta  Salara  (e),  ein  dritter  iü 
der  Mähe  der  porta  khtravia^  südlich  vcm  S.  Stefano  auf  den 
Caeli<i9  gefunden  <d)*^).  Die  Umsl^de  des  Fundes,  wenigstens 
des  ersten  und  dritten,  vBif  liehen  mit  der  Thatsaehe,  dass  der 
zweite  und  dritte  von  der  servianischen  Maner  in  ähnlicher 
massiger  Distanz  gefunden  worden  sind,  wie  der  vespasianiache, 
zwingen  fast  zu  der  Annahme,  dass  das  daudisohe  Pomerima 
in  dem  Abschnitt  der  Stadt  von  porta  CMna  his  Caelimm^ 
tana  und  das  vespasianische  vor  porta  Nuema  von  einander 
nieht  verschieden  sind.  —  Es  bleib^i  zwei  (oder  drei)  Steine 
der  badrianiscben  Linie  übrig,  von  denen  der  eine  ungewissen 
Fundorts  ist  (e),  der  andere  nodi  jetzt  in  d^n  Keller  eines 
Hauses  bei  Chiesa  nuova  im  Marsfialde  steht  und  der  5te  seiner 
Termination   ist   (#)^').     Der  Fundort   des   dritten    (9)  bei 


S7)  1^  ^  CIL  n.  1231»  nach  Branfslleftcia  ^ne  fopdameoU  4i  sco 
Bia^io'  (della  Pagootta),  freilich  oach  Podager  bei  Fea  Fasti  S.  41 
(vgl.  P.  £.  Visconti  Bull.  mua.  2,  4)  'dum  cloaca  quae  est  prope  aedem 
d.  Luciae  iostanraretur  ante  os  ipsius  cloacae  eflT.  lapis  hie  qnadratas 
ex  marmore  Tibartino  ab  imo  in  solam  defixas  olim  erat*.  Jetzt  einge- 
mauert Via  di  S.  Lacia  N.  146  nahe  der  Via  dal  Paüegrtao.  Dass 
Branellesehi  Recht  hat,  wird  unten  die  Rechnnag  ergeben.  *~  e  ==  CIL 
n.  1231^  'oelia  Salaria  vecehia  all'  estremita  della  vigna  de'  Mari 
rignardante  la  porta  Saiara'  Fea  Fasti  S.  40  nad  ähnlidi  Ifarangoni.  — 
d  »:  CIL  o.  123P  'presse  le  mura  di  Roma  alle  radiei  del  Celiolo  . . 
10  palmi  ineirea  sotto  11  tprreno  fangaso'  ond  zwar  bei  der  'aoqna 
Crabra  che  vi  passa'  (Ficoroni  bei  Fea  Mise.  2,  180),  was  als«  in  die 
Nähe  der  porta  Metrovia  föhrt 

»)  e  «»  CIL  1233^  giebt  Ligorio  einmal  (Neap.)  an:  'tolta  daUa 
chiesa  traspontioa'  (im  Borge  novo  Bd.  2,  369),  einmal  (Tanrin.  15)  Tor 
Porta  del  pepolo,  wo  nehmUch  ein  Stein  der  Termination  der  Ttbemler 
gefunden  ist,  mit  Hilfe  dessen  er  die  avgostisehen  Pomeriensteine  faUehte 
(A.  23).  Alle  übrigen  kenne«  ihn  nur  im  pal.  Gesi  im  Borge  (Aid.  jnn., 
Wingb.,  Boiis.),  was  über  die  Provenienz  oiohts  besagt  —  W^^  CIL  n. 
1232  steht  noeh  im  KtUer  des  Haases  Piazaa  Sforza  Gesarini  16  <ao 
1876)  mit  der  Sehriftseite  gegen  Chiesa  anova,  also  das  Marsfeid  g^ 
wendet:  s.  Hermes  2,  407  und  genauer  Jahresberichte  1876  S.  168  L 


§  5.]  DIE  STADT  pEJk  ^Y  REGIOiNEN.  ß27 

S.  Stefano  del  Cacoo  iel  Bach  dem  unten  Gesagten  mit  der 
Linie  4f^  PomeriHm  im  Ijbursfeld  nicht  zu  yereinigen  \\ai 
fPttS9  wohl,  wenn  es  anders  mit  dem  Stein  seine  Richtigkeit 
hat,  eine  Verachleppuqg  dahin  aus  de^i  nördlichen  Theii  de^ 
Karflfeide^  ^ —  wie  solche  YersQ^eppungen  ja  mehrfach  vor* 
llomiAQp:  ohm  S.  59  —  a|igQPQYI^p6p  werden^^).  Ausdrück- 
lich l^e^hnep  diese  St^pe  ^ch  sds  einer  Wiederherstellung, 
Hiebt  ErweiterilPg  des  Poiperium  angehörig. 

Die  Greuj^steine  (/enntm)  eines  zu  schutzenden  oder  zi^ 
kean^eifchnenden  Gehiets  sind,  wie  schon  Bd.  2,  81  gezeigt 
Wiir4e,  h^ld  iq  verschiedenen«  ba)d  in  glejcheQ  Abstanden 
auüBesteUt  wordqn;  das  angewapadte  daass  ist  stets  der.  Fuss, 
9iaht,  der  Schritt.  I«  b^id^  Fallen  pflegen  dje  Abstinde  so-* 
wohl  wie  auch  die  Or4puDgs;¥f(hl  4^  Steine  auf  de^  Steipen 
selbst  vermerkt  zu  werdep.  Upgleiche  Abstände  haben  z.  B. 
im  StfÄn^  der  Termin^tion  des  Tiberufers,  gleiche  und  zwar 
S40  F^  oder  2  aW^i  die  der  Wasserleitungen.  Wenp  daher 
de^  badftianische  Steip  e^^)  den  Abstand  zu  480  F.  angiebt, 

Schlechte  Abbildung  bei  Parker  Archeol.  Suppl.  to  vol.  I  pl.  XX. 
Umgeben  war  der  Stein,  wie  es  scheint,  von  Travertiogetäfel. 

M)  Ficoroni  bei  Fes  Mise.  1,  133:  *neU'  anno  1735  [so]  accanU 
ai  moBastero  di  s.  Stefano  del  Cacco  nei  fondamenti  dl  certe  case  fu 
trovata  piia  ^»«jrjaione  d^Tr^jim^,  dal)«  quäle  si  rilevav^  che  qaest' 
in^peratore  i^ves^e  dilatato  il  pomerlo  osia  il  circ<mdario  della  citta*. 
J^ieueFdiogs  f^i^ilt  i^iir  Qoi^il^i^nA  m%,  dass  in  den  Papieren  Anrelio 
Gamieri's  ^ich  die  I^otiz  finde:  Ud  S.  Stepba^nm  vulgo  di  Cacco 
^i&aa«  173^  [so]  «o;  <«  c.  ^oUegmm  aucfore —  curai!U'\  die  Inschrift 
ist  eia  zweites  Exemplar  des  hadrianischen  $teins  f.  -^  Die  Notiz 
l^i  Fioproni  hatt#  ioh  Hermes  2,  412  übersehe^.  Aber  es  wird  dadurch 
nichts  an  dem  dovt  und  hier  behaupteten  geiindart.  In  wie  weit  ein 
li^weifel  an  der  Gfnf pigk^it  der  Angabe  berechtigt  ist  —  dass  dies 
^emplar  «^  s,  e,  haben  s«ll,  während  das  vollständig  erhaltene  zweite 
und  d«s  gut  überlieferte  dritte  e  es  nicht  haben,  ist  doch  höchst  selt- 
HS|  —  mögen  die  Epigrapluker  dpsmacheii. 

^)  Ipb  stelle  hier  zusammen,  was  das  anasere  der  Steine  anlangt 
Kur  H  II  fl  f  (Travertin)  sind  erhalteq,  die  erhaltenen  z.  T.  unvoll- 
ständig: wenigstens  f^Ut  die  oberste  Deckplatte i  auf  welcher  wahr- 
s^i^lie)!  regelfuäsaig  das  nur  noch  auf  b.  gelesene  potnerium  stand. 
Dann  folgte  die  Bezeichnung  der  Termination,  also  entweder  imp 


328  HTEIL  I. 

so  ist  daraus  mit  Sicherheit  zu  schliessen,  dass  dies  Maass 
4  actm  bedeutet  und  eben  deshalb  anzunehmen,  dass  die 
Steine  der  hadrianischen  Termination  des  Pomerium  wie  die 
der  Termination  der  Wasserleitung  gleiche  Distanzen  hatten. 
Wenn  nun  dieser  selbe  Stein  die  Ordnungsnummer  5  tragt 
und  an  der  Nordseite  der  Stadt  dem  Tiber  nahe  steht,  der 
Stein  a  an  der  Südseite  der  Stadt  nahe  dem  Tiber  die  Num- 
mer 47  9  zwischen  beiden  aber  ein  dritter  d  auf  derselben 
Seite  die  Nummer  35  (nicht  15:  s.  A.  30),  so  sollte  man 
meinen,  dass  diese  3  beziehungsweise  4  Zahlen  werthvolle 
Daten  für  die  Feststellung  des  Laufs  des  Pomerium  sein 
mussten.  Lassen  wir  deshalb  zunächst  den  Einwand,  dass 
ja  alle  3  Steine  verschiedenen  Terminationen  angehdren,  bei 
Seite  und  sehen,  was  die  Rechnung  ergiebt 

Nehmen  wir  an,  dass  der  Stein  N.  35  (d)  an  der  Spitze 
des  einspringenden  Winkels  der  aurelianischen  Mauer  auf 
Piazza  della  Ferratella  gestanden  hat,  wozu  die  Fundnotizen 
berechtigen  (A.  27),  so  stimmt  die  kürzeste  Entfernung  des- 
selben von  dem  Stein  N.  47  (a),  gemessen  auf  dem  Census- 
plan  (wie  alles  folgende),  derartig  mit  dem  geforderten  Maass 
von  12  Distanzen  zu  480  F.  überein,  dass  Niemand  leugnen 


(Clandias,  Vespasiaa)  . .  censar  auctU  p,  r,  finünu  pomerium  ampUavä 
terminavüque  (im  Plural  Titns  und  Vespasian)  oder  coUegium  augurum 
auctore  imp  . . .  (Hadrian)  terminos  pomerü restituendos  euravü  {^  Tg: 
nur  9  setzt  ex  s.  c.  vor,  A.  29).  Gewiss  trugen  die  SeiteoflächeD 
aller  Steine,  wie  es  auch  sonst  üblieh  ist,  die  Ordnungsnummer  and  das 
Maass  des  Abstandes  von  Stein  zu  Stein  {cetiis  spaüis  interieeü  lapides, 
\tfie  Tacitus,  §  2  A.  20,  yom  palatinisehen  Pomerimn  sagt).  Aber  erhalten 
sind  beide  nur  an  f:  links  p(edes)  CCCCLXXX  rechts  A^,  nur  die 
Ordnungsnummer  an  a:  links  XLFII  und  d:  links  XXXV  nach 
Como,  XF  nach  Ficoroni.  Jenes  ergiebt  sich  aus  der  Rechnung  als 
das  richtige.  —  Der  Abstand  von  480  F.  ist  schon  von  Mommsen 
CIL  6  S.  256  als  das  4fache  des  aicttu  erkannt  worden.  —  Bndlieh 
steht  es  fest,  dass  die  beiden  einzigen  an  ihrem  ursprünglichen  Platz 
gefundenen  Steine  (fte)  mit  der  Hauptin sehrift  gegen  die 
Stadt  gewendet  standen:  ein  Umstand,  der  zu  weiterer  Bestäti- 
gung der  ohen  vertretenen  Ansicht  über  die  Lage  des  Pomeriam  inner- 
halb der  Mauer  hätte  verwendet  werden  soUen. 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  329 

wird,  dass  N.  47  derselben  Numerirung  wie  N.  35  angehört 
(wie  immer  rechne  ich  den  altr.  Fuss  zu  0,296  M.): 

Kürzeste  Entfernung  von  d  und  a    1764  M.    5221,4  F. 

12  Distanzen  Zwischen  N.  35  und  N.  47  .  .  5760 
Man  ersieht  hieraus  also,  dass  zwischen  beiden  Punkten  die 
Linie  des  Pomerium  der  Graden  sehr  nahe  kam,  —  kleine 
Brechungen  sind  selbstverständlich  überall  nötbig  gewesen 
—  nnd  dass  das  Pomerium  hier  den  grösseren  Theil  der 
1.  Region,  wie  ihn  wenigstens  die  constantinische  Notitia  an^ 
giebt,  ausschloss  (vgl  unten).  Stehen  nun  35  und  47  trotz 
des  verschiedenen  Ursprungs  der  Termination  in  Beziehung 
zu  einander,  so  wird  dasselbe  von  N.  5  und  N.  37  gelten 
und  anzunehmen  sein,  dass  die  Steine  im  Norden  beim  Fluss 
beginnend*^)  und  bei  ihm  im  Süden  aufhörend  durchzählten. 
Eine  ebenso  genaue  Kontrolle  wie  für  35  und  47  ist  natur- 
lich für  5  und  37  unmöglich.  Nehme  ich  aber  dazu,  dass 
ein  Stein  c  unweit  porta  Salara  gefunden  ist,  d.  h.  annähernd 
soweit  vor  parta  Collina  wie  d  vor  porta  Caelimontana  und 
a  vor  porta  Naevia,  so  ist  es  möglich,  dass  das  kaiserliche 
Pomerium  wenigstens  von  porta  Collina  bis  p.  Naevia  sich 
in  einer  und  derselben  Distanz  von  der  Stadtmauer  bewegte. 
Unter  dieser  Voraussetzung  darf  die  Kirche  S.  Eusebio  vor 
parta  Bsquilina  als  ein  wahrscheinlicher  Punkt  in  der  Linie 
angenommen  werden  und  wir  erhalten: 

M.         r.  F. 

30  Abstände  zwischen  N.  5  und  N.  35 14400 

Kürzeste  Entfernungen 

zwischen  N.  5  und  Porta  Salara .  .  .  2860 
zwischen  Porta  Salara  und  S.  Eusebio  1480 
zwischen  S.  Eusebio  und  N.  35  .  .  .     1650 

5990      20239 
Differenz:    5839 


'^)  Dies  konnte  nicht  verkannt  werden  nnd  ist  von  Mommsen 
CIL  6,  1  za  1233  erkannt  worden;  weitere  Konsequenzen  hat  er  nicht 
gezogen  nnd  Henzen  fügt  hinzu:  'mihi  non  videtur  de  ea  re  quidqnam 
probabiliter  statui  posse'. 


830  TIIE5L  l 

AUeia  augeoaoheialich  weM(  der  Um&tapd,  d^^  wir  so 
über  5Q00  F.  nicbt,  wie  bei  di^Qr  Art  )dessi>9g  ^u  erwartei^ 
wäre,  weniger,  sondern  mehr  Als  das  gejordorte  M^ass  er- 
halten auf  die  Unrif^htjgHeit  dea  Ansi^tzes  hi|i.  Niemand  ^agt 
uns  ja  auch,  d»ss  dap  Pomeriuin  wici  im  Sqden  lu^d  i» 
Norden  auch  im  Osten  weit  uher  d^Q  Mime^  ^jfi^dei^t  wa? 
und  wir  dürfen  auch  au«  imder»  tirupdei^  ^^rap  zweifeln, 
dass  es  der  FaU  war.  Nehmen  wir  911«  da/ss  d^  Pomerium 
hier  die  Mauer  nicht  oder  um  eine  für  die  Messung  gleiche 
giltige  Distanz  uber^britt  und  ändern  danach  den  Ansatz,  so 
erhalten  wiri 

M.  r.F. 

30  Abstände  zwifichen  Pi.  5  und  N.  35  .  .  ^  .  .     14400 
Kurzeste  Entfernungen 
zwischen  N-  ^  und  poriß  CülUm  •  •    %740 
zwischen  p,  Collinß  und  S^qmlwiß   ,    I.30Q 
zwischen  Esquilmß  und  N,  35  .  r  ^  •     1500 

5540  18716 
Bifferenz:  431Q 
Hat  sich  so  die  Differenz  auch  um  rund  1500  F.  ?»  500  M« 
reducirt,  so  ist  sie  trotzdem  noch  so  bedeutend,  dass  sie 
nicht  durch  die  hlosse  Annahme  yon  massigen  Abweicjiim« 
gen  von  der  Qraden  erklärt  werden  kann.  Ist  es  nun  auch 
roisslich,  bei  einem  Abstand,  der  ja  fost  ^  der  ganzen  Linie 
beträgt,  ohne  weitere  Anhaltspunkte  Vermuthungen  aufzu- 
stellen, so  möge  man  doch  folgende  ThatsaiQben  in  Erwägung 
ziehen:  wenige  Schritt  südlich  von  der  Ecl^e  der  Via  in  Lu- 
cina stand  bis  zum  J.  1662  ober  der  via  lata  der  Bogep  des 
Kaiser  Marcus,  welcher  nach  wabrscheiiilicbfr  Vermuthung 
die  Regionengrenze  hezeichuete  (a.  S.  336).  INur  höchstens 
100  M.  südlich  schneidet  die  Linie  der  kürzesten  Entfernung 
de9  Steins  IS.  5  von  porta  Collina  die  Strasse.  Nördlich  die- 
ser oder  der  durch  den  Bogen  bezeichneten  Grenze  finden 
wir  kein  in  der  Notitia  erwähntes  Gebäude:  sollte  hier  nicht 
die  Grenze  der  Regionen  (7.  9)  mit  der  Linie  des  Pomerium 
zusammengefallen  sein?    Es  scheint  also  nichts  anderei^  übrig 


§  5]  DIE  STADT  JD£R  XIV  REGIONEN.  331 

2u  Ueiben,   als  a&zuaehmeiL,   dass  durch   die  auagedehoieü 

bis  an  und  vielleicht  hier  und  da  üb^  die  Pomerieagreaze 

reichendea  Praebtanlagea  (die  Linie  N.  5  —  Bo^ii  des  Marcus 

sehueidel.  z.  B.  das  Stadium)  auf  dieser  Seite  die  Aufstellung 

der  Steine  in  regelrechten  Abständen  ein«  Unterbrechung  err 

litten  hat.    Dagegen  lässt  sic^  einwenden,  dass  in  der  Nähe 

von  S.  Stefano  del  Cacco   ein  badrianiscber  Stein  gefundea 

worden  sdn  soll  (g )  und  dass  die  Kaiser  Vespasian  und  Titus 

w^fiig  nönäieh  von  diesem  Punkt  die  Naeht  vor  dem  Triumph 

zttbraditieo,  was,  wenn  die  alten  Formen  beobachtet  worden 

sind,  €aflpa  pamerium  geschehen  ist.     Indessen  hei  der  Aur 

nähme   eines  Ausbiegens   der  Linie   nach  Süden   wird  jene 

UBbeqyeBie   Differenz   noch   grösser;   ob    die   alten  Formen 

beobachte!  worden  sind  oder  ob  nicht  virimehr,   obwohl  das 

Pomepium  durch  Claudius  hinaosgeruekt  worden  war,  doch 

wegen  der  nicht  venröckbareft  fortn  trtumpbdis  (§  3  A.  76) 

jener  nun  in  der  That  innerhalb  des  Pomerium  belegene  Ort 

doch  in  irgend  einer  Form  als  Rastort  des  Heeres  vor  dem 

Einzug  beibehalten  worden  ist,  ist  nicht  zu  entscheiden;  über 

den  Stein  selbst  ist  sogar  ein  Z^vetfel  erlaubt  ^^).  —  Musste 

auch  auf  die  Locke  des  Beweisverfahrens  hingewiesen  wer* 

den^  so  acheint  dasselbe  doch  nicht  alleiyi  durch  das  bisher 

Gesagte  genügend  begründet  zu  sein,   sondern  auch  in  der 

ifeoeh  übrigen  Betrachtung  des  Anfangs  und  des  Endes  der 

Linie  volle  Bestätigung  zu  erhalten. 

Mit  Sidierheit  können  wir  über  den  Anfang  uiiheilen: 
Kürzeste  Entfemufigen  des  Steins  N.  5   * 

von  der  Frottt  von  S.  Biagio  .  .  .  1  1  IM  M.    506,7  F. 
von  der  Front  von  S.  Luda   .  .  .  .  )  170         574,3 

vom  Tibmifer 250         844,5 

Hieraus  folgt  also  mit  grosser  Wahrscfaeinhohkeit,  dass  der 


^)  Ick.  Iiftlt^  i|)to  aa  der  Ifern^s  2,  4U  f.  fta^^f^ocikeBea  Ansieht 
fest:  4id  Auf  dßa  SXein  ^  gej^rüudete  Bel^mptmi^  van  UrUclis,  daas  der 
flaminiäche  Circus  erst  durch  Trajaa  in  das  Pomerium  hinein^ezogeu 
sei,  ist  durch  die  Auffindung  des  claudischen  Steins  bei  Ghlesa  nuova 
eÄdgiltig  beseitig^. 


332  THEIL  h 

Stein  b  in  der  That  aus  nächster  Nähe  von  S.  Biagio  stammt, 
dass  er  (bei'  einer  Differenz  von  20  F.)  als  N«  4  zu  bezeich- 
nen ist  und  dass  die  Steine  N.  1 — 3  nicht  auf  der  kürzesten 
Linie  nach  dem  Fluss  gestanden  haben  können:  der  nächst 
vorhergehende  Stein  N.  3  würde  in  die  Mitte  des  Flusses 
zu  stehen  kommen.  Für  diese  Steine  und  ihre  Distanzen 
bleibt  uns  noch  ein  Maass,  entweder  von  3  Distanzen  »= 
1440  F.  s=:  426,24  M.,  oder,  nimmt  man  an,  was  wahrscbeiH- 
lieber  ist,  dass  der  erste  Stein  den  ersten  Abstand  von  einem 
bekannten  oder  anderw«itig  b^eichneten  Anfangspunkt  an- 
zeigte, von  4  Distanzen  ::^  1920  F.  =  572,32  M.  übrig.  Ist 
es  in  vieler  Beziehung  unglaublich,  dass  die  Linie  des  Pome- 
rium  sich  auf  das  rechte  Ufer  erstreckte,  so  müssen  wir  mü 
diesem  Maass  stromabwärts  gehen.  Halten  wir  uns  an  d^ 
Lauf  der  dem  Ufer  parallelen  Via  &iulia»  so  gelangen  wir  mit 
N.  1  fast  200  M.  oberhalb  von  dem  Punkt,  an  welchem  die 
aurelianische  Mauer  auf  dem  rechten  Ufer  ansetzt,  mit  der 
nächsten  Distanz  aber  in  unmittelbare  Nähe  desselben  (55  M). 
—  Ueberschritt  die  Linie  auch  unterhalb  der  Stadt  den  Fluss 
nicht,  so  würde  sie  nach  N.  47  mit  weiteren  3  Abständen 
denselben  nicht  erreicht  haben,  wohl  aber  mit  weiteren  4  in 
gerader  Linie  längs  der  Westseite  des  ^Emporium\  und 
zwar  genau  an  dem  Punkt,  an  welchem  die  aurelianisdie 
Mauer  auf  dem  rechten  Ufer  ansetzt,  in  einer  Linie,  welche 
auch  von  der  Regionengrenze  der  fraglichen  Zeit  nicht 
überschritten  zu  sein  scheint:  es  würde  dann  die  Zahl  der 
Steine  gerade  50  betragen  haben.  —  Ich  weiss  sehr  wohl, 
dass  diese  letzten  Ansätze  keinen  Anspruch  auf  Sicherheit 
haben.  Was  aber  diese  Erwägungen  über  Anfang  und 
Ende  der  Linie  doch  unterstützt,  ist  Folgendes:  war  das 
Pomerium  ursprunglich  an  die  Mauer  gebunden,  so  ist 
es  auffallend,  dass  das  kaiserliche  Pomerium  seit  Claudius  in 
geringer  Entfernung  nördlich  des  Punktes  zu  zählen  anfangt, 
wo  nach  unserer  Meinung  die  alte  Mauer  den  Fluss  erreichte: 
wir  mochten  also  glauben,  dass  jenes  wie  das  ältere  längs 
der  unbefestigten  Strecke  des  Flusses  nicht  ter- 


§  5.]  DIfl  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  333 

minirt  war.  —  Verfolgen  wir  aber  endlich  die  Figur  der  be- 
schriebenen Pomerienlinie)  so- finden  wir,  dass  dieselbe  zwar 
kein  Quadriait,  wohl  aber  ein  unregelmässiges  Viereck  bildet, 
dessen  eine  Seite  durch  die  ideelle  Linie  des  Flusses,  gebil- 
det wird.  Dass  also  die  Wiederhersteliung  des  Stadttemplum 
der  Zweck  der  Termination  gewesen  ist,  leuchtet  ein  und 
dass  dieses  Stadttemplum  sich  möglichst  an  die  weltliche 
Stadtgrenze  halten  sollte,  ist  schon  oben  gesagt  worden:  ein 
Znsammenfallen  beider  war  nicht  erreichbar,  da  die  Regionen- 
grenze so  wenig  wie  die  Stadtmauer  nach  den  Gesichtspunkten 
der  Auguralwissenschaft  normirt  war. 

Hat  sich  uns  also  durch  Rechnung  bestätigt,  ras  wir 
bei  unbefangener  Betrachtung  erwarten  mussten,  dass  die  lau- 
fenden Nummern  5  35  47  der  erhaltenen  Steine  derselben 
Zählung  angehören,  so  werden  wir  genöthigt,  anzunehmen, 
dass  die  vespasianische  ^Erweiterung'  von  der  claudiscben, 
von  Jener  die  trajanische  oder  deren  hadrianisdbe  Restitution 
räumlich  sehr  wenig  abweichen:  auf  der  Strecke  im  Süden 
N.  37 — 47  die  claudische  Ton  der  vespasianischen  gar  nicht, 
vielleicht  auf  der  Strecke  von  N.  5--  37  die  hadrianische  von 
den  froheren  auf  kleine  Distanzen;  dass  mithin  Claudius  der 
Schöpfer  des  kaiserlichen  Pomerium  ist,  an  welchem  in  der 
Folgezeit  nichts  Wesentliches  geändert  worden  ist.  —  Wenn 
noch  Aurelian  nach  Vollendung  des  Mauerbaus  dasselbe  er- 
weitert haben  soll  (Bd.  2,  1 72  u.  §  6),  so  kann  fuglich  nur 
angenommen  werden ,  dass  er  es  im  ganzen  Umfang  der 
Stadt  mit  der  Hauerlinie  in  Einklang  setzte. 

Wir  haben  bisher  die  vespasianische  Vermessung  der  Stadt 
nur  in  einem  Punkte  in  Betracht  gezogen:  wir  fanden,  dass  die 
Zahl  der  vici  Roms  zur  Zeit  Constantins  nicht  unbedeutend  höher 
war  als  zur  Zeit  Vespasians.  Wir  haben  jetzt  die  übrigen  Daten 
der  Veimessung  mit  den  Angaben  über  die  Grösse  Roms  zu  ver- 
gleichen und  stützen  uns  dabei  auf  die  Untersuchung  Bd.  2, 
86  ff.  170  ff.    Die  Vermessung  des  Jahres  74  ergab  also*'): 

*>)  Plinius  3,  66.  67  (Bd.  2,  86):  (1)  moenia  eins  eoüegere  amhitu 
wiperarUibtu  censoribusque  Fespasianis  anno  eonditae  DCCCXXFI  m» 


334  THEIL  L 

1 .  Umfang  der  InMitfa    ....    ISMO  Schritt 

2.  ZM  4er  t^'     ......        265 

8.   Summe  der  kureesteD  Entferöun- 

gen  der  servianischeB  Thore  Tom 

mäkirüim  äHrmuH 20500  Scbritt 

4.   LtegSB  der  Strassen  aller  vid  bis 

Eiir  Grenae  der  bewohnteik  Stadt 

einscMiesslieb  der  rmstm  proBtoria  20000  Schritt  (fisilsch). 
Die  aarbliattische  Mauer  miast  {b.  §  6  A.  9)  auf  dem 
Unken  Ufer  iO,5S  (Bmiardini)  oder  11,13  (NoUi)  Miglien. 
Wir  wissen  bestimmt,  dois  die  14.  Region  zur  Zeit  €<ni* 
stantins  im  Nordiln.  das  valicatiiache  Gebiet  umfeeste;  dass 
sie  andh  im  Buden,  vieiteicbt  im  Westen  aber  die  aureiianische 
Maoer  binausgriff,  ergiebt  ach  mit  Skhefheii  aus  dem,  wie 
schon  oben  gezeigt  inrurde,  anfi^lleiid  grossen  Umfang^maass 
Ton  33000  F.  t^  6,6  Miliiea,  vergtichen  mit  dem  Haass  der 
das  beutige  Trastevere  umspannenden  z.  Th.  raittelalterlicbeD« 
z.  Th.  modern^i  Befestignng  a»  5^5  Miglieti  ohne'  die  Befesti« 
gung  der  Engelsburg.  Der  Umfang  der  von  der  äurefianisehett 
Mauer  eingeschlossenen  Stadt  mit  den  von  derselben  ausgesdbloä* 
senen  Abschnitteti  Trastäveres  der  constantiniscfaen  Zrit  über- 
steigt also  mit  10,8  (oder  11,13)  +  6,6  =  16,64  (oder  17,19) 
MiUien  den  Umfang  der  im  J.  71  zu  13,2  M*  gemessenen  om 

p,  Xllt'  CC.  conplexä  mofiteg  Septem  ipsa  dividitur  in  reffiones  Xlllt 
(2)  cotnpita  Lamm  (d.  li.  riet,  obenS.  315)  CCLXF,  (B)  eiusdem  spä- 
Uum  mentUTM  tutrente  ä  inäiarid  in  capite  R^mmri  f&ri  dahtt^  ad  n«- 
guUu  portas,  quae  Mwä  hodie  nanmro  JULXFil,  üa.  ut  XII  parkte  wemd 
numerentur  praetereaaturque  ex  vetenbuM  VU  gsoe  esse  desierunt 
(so  F^  H':  duodecim  parte  reanturgue  ex  die  übrigen;  s.  §  3  A.  6), 
ef/icit  passuum  per  directttm  XX  m.  DCCLXP^  (nur  F  von  1.  Hd. 
XXX  M.\  dass  CCtXy  eine  off^stnbare  Wiederholung  der  2a]il  def 
tompHa  Larmn  iftt,  bitte  Bd.  1,  96  noeh  b#Miidiiiter  b^tdat  werde« 
sollen);  (4)  ad  ßarifema  vero  Ußtarum  euin  eaäris  pra^ioriis -ak  rnnkm 
miliario  per  vioos  amnium  viarum  mensura  coUiß^it  paulo  ampliui  .XX  p« 
(unmögliche  Zahl,  wiederholt  aus  der  vorigen:  gewährlos  die  Vnlgate 
XL:  8.  unten).  Die  verschiedenartigen  Auslegungen  der  Neueren  (be- 
»onders  s.  Piala  Della  grandesza  di  Roma  ai  tempo  di  Plinio,  1833) 
|u:üfe  ieh  hier  nicht  nochmals. 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XTV  REGIONEN.  335 

ilind  3^  bis  4.  Ddss  dieder  Umfang  (1)  die  städtisch  benvohn- 
tcA  aassefiM^n  Vei^tldte  nmspsDiite^  also  denselben  Umkreis^ 
bis  ett  vretofaeiti  die  Strasse  jensdts  der  ^ernaniscfaen  Tbore 
get^^den  Würdeti  (4)^  soheist  mir  unleugbar;  unsklier  dage- 
gen und  im  Grunde  unerbebliehf  ob  auf  Grund  dieser  Messung 
die  Region^ngrenze  von  jenen  Kaisern  vorgenickt  worden  ist 
wie  4&e  Pdlneriengrenze.  Die  Messing  4  ist  ferner  olfenbar 
bebafe  der  H^rtMliung  def  Strassen  iünerbaib  des  Staditgdiiets 
toi'gen&Mrnien  Worden.  Die  ZäUung  der  Meilen  der  viae  pu- 
iUeme  begann  voh  4ea  Thoren  der  servianischen  Stadt:  eine 
andere  Zäbhmg  ist  nie  angeführt  worden  ooeh  hätte  eine  andere 
ohne  die  grössten  Verwirrungen  eingeführt  werden  können  (Bd. 
2^  8^  unten  §  6  A.  54).  Die  Instanderfaaltung  der  t?Mto  bildete  das 
Amt  eigener  cier^rforea.  Von  Rechtswegen  iftüssen  diese  ihre 
Thätigkeit  an  den  Thoren  der  Altstadt  begönne»)  haben.  Es 
ist  aber  die  Frage,  ob  dies  bei  der  Ausdehnung  der  Polizei- 
verwaltong  liber  den  Mauerring  nieiit  Sishwierigkeiten  gemacht 
bat  und  nidit  auf  Grund  der  vespasianischen  Vermessung  die 
itinerbalb  des  Stadtbezirks  liegenden  Abschnitte  der  Heer- 
strassen unter  die  Verwaltung  der  städtischen  Bauten  gestellt 
worden  sind^*).  —  Endlich:  so  sonderbar  auch  die  Mes- 
sung 3  sieh  ausnimmt  und  so  wenig  ihr  Zweck  klar  ist, 
se  ergiebt  sich  doch  die  Ricbt^keit  unserer  Auffassung  durdl 
RecAnung  unzweifelhiift^*)- 

M)  l«h  hAe  Bd.  %  00  ff.  wohl  Üiit  (Jireoht  cMRitriiirt  mensüPa  eol- 
iigU  pst*  vitof  omnium  tiatum ;  eft  mnsffte  4ad  doch  fer  ifias  emkinm  vieo* 
tum  heissed.  ^er  SIbu  der  Messaog  ist  naeh  dam  dMn  seiagtea  kUr. 
Die  losdirm  CIL  6,  1,  981:  imp,  Caesäti  VeäpmnMO  ^ffi  • . .  (v.  i.  7t) 
t.  e,f  fuod  vias  urbin  n^legenHu  mtpwi€r(um)  i&mp9t^mn)  ^ürrupta^  i$t- 
fmm  gua  rmfüiolit^  hut  schon  JPreHer  herbe%es6g«!B  (Res*  75),  aber  nicht 
in  dem  aog^edeateten  Sinne  verwerthet.  Bise  zweite  von  ihn  vf^^Uchenie, 
W^lsbe  dem  VefrpebisD  die  todäks  Titi  iih  i^  7S  eantemdori  cdu/Hmo- 
vnatnm  pMcarum  H  rBstitmioH  aetUym  ^acrarut»  widsien  (s.  9S4t  F#el- 
hr  mbr«  a.  0.  statt  dles^  di«  UgeviMiaebe  Dmiblelte  an),  bat  weder  der 
Zeit  DOiA  der  Sacke  nai^  mit  der  Stadtvermeaeunj^  etwas  za  tb«h 
lieber  die  weaigten  ves^iaalsefaen  Bauten  rgL  Forma  fkkm  8.  S  $  -2. 

^)  Die  Heebiittiig  Bd.  2,  SO  ist  nach  ernevten  M^nntgea  ^  bd<- 
richtigto  «od   ta  Ter?ollaÜlfidigen.    G^aüf^end  messbar  sind  die  A'b>> 


336  THEIL  I. 

Noch  manche  Frage  knüpft  sich  an  die  Stadtvermessung 
des  J.  74.  Wir  kennen  drei  Grenzsteine  einer  um  die  Stadt 
Rom  gezogenen  Octroilinie  von  Kaiser  Marcus  und  seinem 
Sohn:  einer  ist  vor  Porta  del  popolo,  einer  an  der  via  Salaria, 
der  dritte  bei  S.  Maria  maggiore  gefunden.  Hat  diese  Grenze 
mit  der  Regionesgrenze  jener  Zeit  etwas  gemein?  —  Vor 
den  Thoren  der  servianischen  Mauer  sind  seit  Augustus  in 
grösseren  und  kleineren  Abstanden  über  den  Strassen  Triumph- 
bögen erbaut  worden  (§  6  A.  20*).  Sind  diese  oder  einige 
von  ihnen  auf  der  Regionengrenze  errichtet  worden?  Eine 
sichere  Antwort  weiss  ich  weder  auf  die  eine  noch  die  an- 
dere Frage  zu  geben  ^^). 

Dass  über  den  Umfang  der  aurelianischen  Mauer  hinaus 
die  Stadt,  abgesehen  von  Trastevere,  nie  erheblich  gewachsen 
ist,  wird  im  Einzelnen  eine  Betrachtung  der  Vorstädte  (Th.  11) 
ergeben.  Eine  Stadt  oder  gar  Stadtmauer  von  40  oder  50 
Millien  im  Umfang  ist  also  ein  Unding:  der  Radius  dieser 
Kreise  wurde  uns  bis  zum  6.  oder  8.  Meilenstein  der  Land- 
strassen  fuhren.-     Aber  auch   die  in  verschiedenen  Gestal- 


stäade  von  10  Thorea  vom  miUarvuni  am  Severusbogen :  Capena  1100  M., 
EsquiUna  1430,  *Naevia'  (Thor  zwischen  der  12.  und  13.  R.)  1200, 
Collina  2000,  FinUnaÜs  1700,  'Ratumena'  (Th.  an  der  Nordecke  des 
Kapitels)  180,  FonÜnaUt  450,  SanqualU  750,  Salutarü  1200,  'CoA- 
montana'  (Th.  unter  SS.  Qoattro  coronati)  1150,  zusammen  11160  M., 
Dnrchschnittsabstand  1116  M.  =  767,8  Schritt:  Durchschnittsabstand 
nach  Plinins  nach  der  nnzweifelhaft  in  dem  letzten  Theil  anricbtiipen 
oder  doch  unsicheren  Zahl  20765:  561,2;  hält  man  20500  für  echt; 
554,3.  Dürfte  man  die  nur  in  F  überlieferte  Zahl  30000  für  riehtis 
halten,  so .  käme  man  mit  810,8  dem  Durchschnitt  der  10  f^emeesenea 
Abstände  ganz  nahe,  darf  man  dies  nicht,  so  ist  doch  die  Differenz  von 
200  nicht  genügend,  um  die  Summe  der  per  amfradum  lanfenden  Strassea 
als  das  Object  der  Messung  anzunehmen. 

^)  Zollgrenze:  CIL  6,  1,  1016:  (Marcus  und  Gommodaa)  hos  Uh 
pidet  eansUtui  iuuerunt  propter  eontroversüu^  quae  inter  meraUores  M 
maneipes  ortae  erant^  ut  finem  demanstrarerU  vectigdi  f<nicuiarü  0t 
atuarii  promercaUum  Mwundum  veterem  legem  temel  dumtaxat  exigtmdo. 
Wenn  ich  nicht  irre,  hat  De  Rossi  mich  einmal  gesprächsweise  auf  die 
Bezidknng  der  Oetroigrenze  zur  Stadtgrenze  aufmerksam  gemacht:  ob 
er  sich  sonst  darüber  geäussert  hat^  kann  ich  augenblicklidi  nicht  sagen. 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  337 

ten  auftauchende  Nachricht,  dass  Rom  einen  Umfang  Ton  21 
oder  22  Millien  gehabt  habe,  ist  unglaublich  und  muss  auf  Irr- 
tbam  beruhen'®^).  Man  braucht  sich  nur  zu  yergegenwäirtigen, 
dass  ein  Radius  yon  d%  M.  uns  auf  der  via  Affpia  bis  zum  Circus 
des  Maxentius,  auf  der  Flamrnia  bis  nach  dem  Ponte  molle, 
auf  der  Salaria  und  Nomentana  über  den  Anio  hinausfuhren 
würde:  Annahmen,  welche  mit  dem,  was  wir  über  die  Vor- 
Städte  wissen,  in  grellem  Widerspruch  stehen.  Denn  natürlich 
kann  es  sich  nicht  darum  handeln,  ob  dieser  oder  jener 
Vornehme  am  5ten  oder  am  lOten  Meilenstein  einen  Land- 


*'')  Nor  der  Umfang  der  Stadtmauer,  nicht  der  Stadt,  wird  von 
Vopisens  Aur.  89  zu  qumquag^inta  prape  miHa  angegeben.  Da  eine 
solche  Mauer  nicht  existirt  hat  (§  6),  so  ist  die  Stelle  verdorben  oder 
beruht  auf  Misaverständniss:  fast  scheint  es  doch  noch  das  leichteste 
anzunehmen,  dass  Vopiscus  die  genaue  Zahl  des  Mauerumfangs  nach  der 
den  Architekten  allein  geläufigen  Zählung  in  Füssen  zu  55000  F.  vor- 
fand und  diese  sich  falsch  in  Schritt  übersetzte  (vgl.  ßd.  2,  172  ff.). 
-<  Die  Nachricht  bei  Olympiodor  (Phot.  63,  23;  Bd.  2,  577):  ro 
ralxos  fUTQtj&ky  na^k  ^AfifKovos  ytfOfi^iQov  .  . .  (txoiH  xal  ivo^  fuUov 
SidatrifjLa  ^/oy  aneMxO-rj,  und  damit  auffallend  übereinstimmend  die 
Angabe  der  ältesten  Redaktion  der  Mirabilien  (c.  3  ßd.  2,  608) :  in  cir- 
cuitu  vero  eins  sunt  müiaria  XXII  excepto  Transtiberim  et  civäate 
Leonina,  wogegen  weder  die  Zahl  XLII  (nicht  XIII)  der  Graphia  noch 
die  Zahl  XXf^II  s.  XXIF  (so)  des  Anonymus  ia  Betracht  konmt.  Dass 
Olympiodor  nicht  die  Mauer  (t6  thxos),  sondern  moenia,  die  Stadt, 
meine  oder  moenia  falsch  übersetzt  habe,  ist  ganz  unglaublich.  In  jener 
Zeit  konnte  an  der  Vermessung  des  Umfangs  der  Vorstädte  ein  G«o- 
flaeter  oder  richtiger  der  Staat  (denn  zum  Vergaügen  that  das  nie^ 
maad)  gar  kein  Interesse  haben;  dagegen  fällt  die,  wie  ich  denke,  mit 
gr«98ter  Wahrscheinlichkeit  ermittelte  Zeit  dieser  Messung  (Bd.  2,  173  f.) 
mit  der  Zeit  der  Dedioation  der  restaurirten  Mauer  zusammen  und  so 
kann  denn  kein  Zweifel  sein,  dass  diese  gemeint  ist.  Da  aber  die 
Notiz  in  den  Mirabilien  auf  den  Umfang  der  mittelalterlichen  Stadt 
auf  dem  linken  Ufei*  gar  nicht  passt  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
aas  derselben  Quelle  geflossen  ist  wie  die  des  Olympiodor,  nehmüch 
tmn  dem  von  mir  naehgewiesenen  nicht  mehr  erhaltenen  Anhang  der 
letsten  Aasgabe  der  Notitia,  so  werden  die  21  und  die  22  Millien  aaf 
nidits  anderem  als  auf  einem  Schreibfehler  der  Quelle  XXI,  dann  XXII 
statt  XI  beruhen  und  der  Zusatz  der  Mirabilien  exwpio  u.  s.  w.  ist  eine 
unrichtige  Erklärung  des  Redactors. 

Jordan,  rOmische  Topographie.    I.    1.  ^^ 


338  THBIL  I. 

atz  gehabt  bat:  bätte  man  auf  diese  Weise  den  UmfaDg 
der  Stadt  bestimmen  wollen,  so  bätten  die  Berge  von  Tivoli 
und  Fraseati  und  die  Seebäder  ?on  Nettano  und  Fiumictno 
passend  den  äussersten  Kreis  der  Grossstadt  gebildet.  Es 
bandelt  sich  vielmehr  immer  am  die  *  äussersten  Häaser' 
des  PliniuSy  d.  b.  für  Rom  wie  für  jede  andere  Stadt  um 
die  Grenze  zusammenhängender  städtischer  Bebauung»  und 
diese  Grenze  lässt  sich  über  den  bezeichneten  Umkreis  von 
bdcbstens  16  M.  nicht  erweitern. 

Soweit  also  die  Hypothesen  über  die  wachsende  Volksmenge 
Roms  auf  jene  grossen  umfange  fussen  oder  sie  bestätigen 
sollen,  lassen  wir  sie  ganz  aus  dem  Spiel.  Aber  so  wün- 
schenswerth  es  auch  sonst  wäre,  den  topographischen  Rabmen 
durch  eine  einigermaassen sichere  Bevölkerungsstatistik^^) 
zu  füllen,  so  gänzlich  missgtückt  sind  doch  alle  bisherigen 
Versuche,  eine  solche  aufzustellen.  Wir  verzichten  daher 
darauf,  die  verschiedenen  Hypothesen  zu  erörtern.  Auf  die 
einzige  annähernd  sichere  Grundlage,  auf  der  zu  wahrschein- 
liehen  Resultaten  zu  kommen  ist,  die  Zahlen  der  Häuser  und 
Strassen,  müssen  wir  im  |  8  näher  eingehen. 

Die  topographische  Entwickelungsgeschichte  der  Stadt 
seit  Augustus  lehrt  uns  dasselbe  wie  die  politische  Geschichte: 
die  netten  Formen,  welche,  vorbereitet  durch  Sulla  und  Cae- 


^)  S.  die  Uebersiclit  übei*  die  verschtedenea  HypotheMo  bei  Fried- 
länder Darstell.  1^  64  ff.  Sie  scheitern  alle  an  der  völligeD  Unsicher- 
hmt  des  ebien  Faktors,  der  Zahl  der  Sklaven.  Von  denk  FläehernnhaÜ 
der  angeblichen  50  MiUienstadt  wollte  RodberUu  m  der  A.  16  a.  Ab> 
handhing  ausgehen.  Dass  auch  abgesehen  von  diesem  falscheo  Aaa- 
gangspunkt  —  soweit  sich  über  die  nicht  veUendele  Arbeit  «rthei' 
len  lässt  —  sein  Verfahren  irrig  ist,  wird  §  8  gezeigt  werden.  — 
Auch  eine  verwandte  Frage,  die  nach  der  Zahl  der  wehrfähiges 
Hiinisohen  Bürger,  welche  doch  anf  viel  sichereren  VorauaaetKangcn  be> 
rnht,  hat  bis  jetst  nicht  befriedigend  gelöst  werden  können  (s.  Momn- 
sen  Hermes  11,  49). «— >  Direkte  Zeugnisse  über  die  Volkszahl  der  Stadt 
fehlen  ganx;  nach  allgemeinen  firwagungeo  kann  man  nanehmen,  dus 
die  Zeit  der  Fla  vier  so  siemlich  den  Höhepunkt  gebildet  hat,  der 
rasche  Niedergang  wird  mit  dem  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  begonnen 
haben. 


§  5.]  DIE  STADT  DER  XIV  REGIONEN.  339 

sar,  praktisch  augewendet  von  Augustus,  die  alte  Ringmauer- 
Stadt  zur  frei  nach  aussen  sich  entwickelnden  Vierzehn- 
regionenstadt  umgeschaflen  haben,  sind  ohne  jede  wesentliche 
Veränderung  bis  zu  Anfang  des  3.  Jahrhundert  maassgebend 
geblieben.  Der  um  diese  Zeit  eingetretene  Abfall  von  dem 
in  den  Formen  des  Principats  fortlebenden  Geist  des  alten 
römischen  Staatswesens  kennzeichnet  sich  für  die  Stadt  Rom 
wenigstens  äusserlich  dadurch,  dass  die  Reichshauptstadt, 
stolz  bis  dahin  in  dem  Gefühl,  das  Haupt  und  der  Mittelpunkt 
des  römischen  Reichs,  das  goldene  und  ewige  Rom  zu  sein, 
sich  nun  olficiell  darstellt  oder  dargestellt  wird  als  die  grosse 
Hofburg  des  Kaisers,  die  vrbs  sacra  regtmum  Xllin^). 


*')  Der  umbÜicus  auf  dem  Markt  neben  dem  miHarium  aureum 
bezeichnet  (gewiss  das  Centram  der  Welt:  Bd.  2,  454,  wo  des  o/LKpalog 
zu  Atben  und  besonders  desjenigen  zu  Antiochia  hatte  gedacht  werden 
müssen  (0.  Maller  De  foro  Atb.  2  §  5  Aot.  Amt.  1  §  22).  —  Ueber 
Roma  aurea  (dichterisch:  doch  vgl.  Anson.  Ordo  nob.  urb.  S*  95  Seal. 
und  Bd.  2,  374.  425)  nnd  aetema  (seit  Iladrian  fast  technisch)  Fried- 
länder Darstell.  1^  68;   über  sacra  m.   Forma  S.  8  §  2. 


22* 


§  6. 

BESCHREIBUNG  DER  ÄURELLÄNISGHEN  MAUER  UND 

IHRER  THORE. 

Es  ist  bezeugt,  dass  die  servianische  Mauer,  deren  ver- 
theidignngsfahigeu  Zustand  wir  bis  auf  Sulla  yerfolgt  haben, 
erst  durch  Aurelian  durch  eine  neue  umfangreichere  ersetzt 
worden  ist^).  Der  Bau,  welchen  die  drohenden  Einfälle  der 
Barbaren  herbeiführten,  wird  vor  das  Jahr  272  gesetzt^).  Er 
wurde  nicht  vollendet:  erst  Kaiser  Probus,  der  Erbauer  der 
8ten  steinernen  Brücke,  soll  ihn  vollendet  haben*).  Die 
Mauer  erlitt  im  Lauf  der  Zeit,  wie  es  scheint,  starke  Be- 
schädigungen. Der  Versuch  des  Maxentius,  einen  Graben  zur 
Yertheidigung  der  Stadt  im  J.  354  zu  ziehen,  mag  damit  zu- 
sammenhängen^).   Vor  allem  aber  lehrt  die  Inschrift  an  drei 

*)  Zosimas  1,  49:  iieix^ad^  ^k  tote  (von  Aureliao)  ^  'Ptof^rj  n^o- 

*)  Vopiscus  Aurel.  21  (nach  dem  Markomannenkrieg^e  und  vor  dem 
Kriege  gegen  Zeoobia  272,  vgl.  Clinton  z.  d.  J.  und  Tillemont  Anrel. 
Art.  8) :  muros  urbis  dilatavü  nee  tarnen  pomerio  addidit  eo  tempore  sed 
postea  und  39 :  muros  urbis  sie  ampliavit  ut  *]-  qtänqvaginta  milia  mu^ 
rorum  eins  ambitus  teneant.  Victor  Cnes.  35:  muri»  quam  vaUdissimit 
laxiore  ambitu  circumvallat.  Die  Stadtchronik  (Bd.  2,  33:  Ghronogr. 
S.  64S,  8  Mo.,  Eutr.  9,  15,  Gros.  7,  23)  nennt  den  Mauerbau  nud  den 
Bau  des  Sonnentempels  zusammen:  daher  Euseb.  Hieron.  S.  180  z.  J.  275 
(aus  ihm  Cassiodor):  templum  Solts  aedificat  et  Romam,  firmioribus  muris 
vaüta.    Vgl.  A.  65. 

')  So  allein  Zosimus  1,  49:  avve7tXr}Q(üdrj  ßacftXevovrog  ZfQoßov 
To  Tuxog.    lieber  die  Brücke  §  7. 

*)  Chronograph  von  354  S.  648,  36:  fossatum  aperuü  sed  non  per- 
fedt.  Dass  in  dieser  Zeit  aber  die  Stadtmauern  überhaupt  vorhanden 
waren,  habe  ich  zum  (Jeberfluss  Bd.  2,  153  f.  aus  den  gleichzeitigen 
Schriften  De  mort.  pers.  27, 1  und  Panegyr.  Const.  Aug.  d.  18  nachgewiesen. 


§  6.]  DIE  AURELfAJNISCHE  MAUER.  34,1 

erhaltenen  Sladttboren,  dass  der-  Senat  auf  Antrag  des  Sti* 
licho  den  Kaisern  Arcadius  und  Honorius  an  denselben  Bild* 
Bisse  aufgestellt  hat,  weil  sie  'der  ewigen  Stadt  die  Mauern, 
Thore  und  Thürme  wiederhergestellt  und  ungeheure 
Trümmer  beseitigt  haben'  und  dass  dies  ausgeführt  worden 
ist  durch  den  Stadtpräfekten  Flavius  Macrobius  Longinianus 
(t  408)  im  Jahre  403*^).  Rom  konnte  nun,  wie  es  der 
Dichter  mit  etwas  stark  aufgetragenem  Lobe  seines  Herrn 
ausdrückt,  mit  seinen  'neuen  Mauern'  und  seinen  'schnell 
errichteten  Thürmen'  dem  Anprall  der  Geten  ruhig  entgegen- 
sehen^).   Wahrscheinlich  besitzen  wir  noch  die  bei  der  Ab- 

^)  Gleiehlautende  Inseliriften  der  Tiburtina,  Praenestina,  Portuensis 
(vielleiclit  »nch  der  Ostunsis^  ontea)  €IL  6,  1,  11 88 — 1190:  <.  p, 
q.  r.  impp»  €aes9,  dd,  rm.  invütissimis  pfindpibus  /ircadio  et  Honoria 
victorib.  ac  triumfatorib,  semper  Augg,  \ob  instauratos  urbiaetemae 
muros  portas  ac  turres  egestis  (fnmensis)  ruderib.  (ex  süggesUonje  v.  c.  |  et 
inlustrü  com,  et  mag.  utriiisq.  miUtiae  Stilichonis}  ad  perpetuitatem 
nominU  eorum  \  tfmulacra  constituit  \  curante  Fl.  Macrobio  Longimano 
V.  c.  praef.  urb.  d,  n»  m,  q,  eorum  (die  Zeilenabtheiluog  ist  die  der 
erhaltenen  Exemplare:  das  in  O  S^etzte  fehlt  jetzt  auf  der  Tibur-» 
ttna;  Z.  3  ruderibus  steht  auf  der  Tiburtina^  Z.  2  victoribus  ac  trium" 
fatoribus  geben  die  Abschriften  von  der  Portuensis),  Dass  diese  Thore 
selbst  nicht  von  Honorius  erbaut,  sondern  nur  umgebaut  sind,  zeigt 
die  Inschrift.  Sie  sagt  ferner  nicht  ausdrücklich,  dass  alle  Thore  wieder- 
hergestellt worden  sind,  und  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  an 
sämmtlichen  (auch  den  nicht  umgebauten)  Thoren  die  Bilder  und  mit 
ihnen  die  Inschrift  angebracht  und  später  zerstört  worden  sind.  Die 
simuiacra  der  Kaiser  trug  auch  der  im  J.  405  errichtete  Bogen  im  Mars- 
feld: A.  64.  —  Das  egestis  immensis  ruderibus  bezieht  sieh  auf  die 
starke  in  Folge  des  Zusammensturzes  vieler  Theile  der  ursprünglichen 
Mauer,  aber  auch  schon  durch  frühere  Bauten  verursaehte  Schuttanhäu- 
fang  und  Aufhöhung  hdes  Bodens,  welche  ganz  zu  beseitigen  unmöglic 
war.  Bei  Porta  S.  Lorenzo  liegt  das  Niveau  des  neuen  Thors  1,930 
M.  über  dem  alten  (Promis  Alba  Fuc.  S.  15);  ähnlich  bei  P.  S.  Paolo. 

')  Claudian  de  sexto  cons.  Hon.  529:  addebant  pulcrum  noua  moe'- 
nia  vuUum  audiio  perfecta  reeens  rutnore  Getarum  . . .  erexit  subitas 
turres  cinctosque  coegit  Septem  conünuo  montes  iuvenescere  muro,  nach 
der  Schlacht  bei  Pollentia  403:  Clinton  S.  559,  3.  Auf  dieselbe  Zeit 
habe  ich  Bd.  2,  173  Olympiodors  Zeugniss  über  die  Vermessung  der 
te^xv  ^^r  Stadt  xa^*  ov  xai^ov  Fotd^ot  trjv  nqotiqav  xat*  avtrs  ini- 
dqofiriv  inoi^aavTo  zu  beziehen  versucht  (s.  unten). 


342  THSIL  I. 

nähme  des  Baus  voi^elegte  Beschreibung  desselhen  (S.  346  f.). 
Auch  diese  WiedorhersteUnng,  deren  Umfang  die  ebenfalls 
ruhmredige  Inschrift  offenbar  überschätzt,  bat  nicht  lange 
Yorgehalten.  Ein  Drittheil  soll  samrot  den  Thoren  darch 
die  Erstürmung  Roms  durch  Totilas  (546)  zn  Grunde  ge- 
gangen und  das  Zerstörte  durch  Belisar  ersetzt  w<Mrden 
sein^).  Theile  dieser  wiederhergestellten  Mauer  sind  immer 
aufs  neue  zerstört  und  wieder  aufgebaut  worden,  beson- 
ders durch  die  Päpste  Hadrian  I  und  Leo  IV,  weldier  die 
cimtas  Lemtina  hinzufugte;  dann  Öfters  durch  den  römischen 
Senat,  seit  dem  15.  Jahrhundert  wieder  durch  die  Päpste, 
besonders  Paul  III  —  welcher  zuerst  Sangallo,  dann  Michel- 
angelo die  Leitung  der  Arbeiten  übertrug  — ,  Gregor  Xfll  und 
Urban  VIII.  Diesen  Restaurationen  fielen  zwei  Thore  ganz 
zum  Opfer,  die  Portuensis  und  die  porta  S.  Pancratü\  zwei 
andere  wurden  geschlossen,  die  Nomentana  und  Asmaria. 
Zahlreiche  Inschriften  und  Wappen  bezeugen  an  Ort  und 
Stelle  diese  Umwälzungen^).  Aber  noch  steht  auch  von  den 
ältesten  Theilen  genug,  um  (wie  unten  geschehen)  die  Kon- 
struktion des  ursprünglichen  Baus  zu  erkennen.  Die  letzte 
Veränderung   führte    der    20.  September   1870    herbei:    die 


')  Prokop.  Goth.  3,  22  S.  370:  rov  fdv  ovv  n^ftflolov  roaovtw 
xaB-Hliv  oaov  is  tQiTTifiogiov  rov  navros  fialiaxa  und  24  S.  378: 
ndaae  yaq  {tag  niflag)  dtatp&iiqag  hv^tv:  beides  nach  Ausweis  der 
Trümmer  eine  Uebertreiboii^. 

^)  Haoptrestanratiooen  Hadrians  I,  Liber  pont.  e.  5  (2  S.  201  Vl^.: 
muros  aique  turres  Romanae  ttrbü,  quae  dinttae  erant  et  tuque  ad 
fundamenta  distructae^  novüer  restauravii),  Leos  IV,  c.  38  (3  S.  90:  mw 
ro$,  qui  longo  iam  senio  atque  vetusiate  mmia  fracti  tarn  fundüus  tidnh 
bantur  .  .  .  XF  ab  ipso  solo  turres  .  .  restaurari  praeeepäf  s.  A.  55). 
Näheres  in  der  Hanptschrift:  Le  raura  di  Roma  disegnate  da  Sir  W. 
Gell  ill.  da  A.  Nlbby  Rom  1820  (der  Text  nicht  voUst&adicf  wiederholt 
Roma  antica  1,  114  ff.),  Nachträge  bis  zum  Ende  des  15.  Jahrb.  bei 
Ravioli  im  Giora.  arc.  1868  Bd.  212:«=67NS,  S.  20  ff.  ~  Piale  Delle 
mura  Aureiiane  (1822)  1833  nnd  im  Venati  Bd.  1,  Bnnsen  Beschr.  Bd.  1 
(vgl.  A.  14).  Unbrauchbar  der  2.  Abschnitt  in  Plirkers  Areheol.  Vol.  i 
(Text).     Ueber  die  Abbildungen  A.  14. 


§  6]  DIE  AURELIANISCHG  MAUER.  34g 

Bresche  bei  Porta  Pia  zerstörte  ein  grosses  Stück  der  alten 
Mauer:  dieses  hat  man  wieder  ersetst;  dagegen  ist  die  bau^ 
fällige  forta  Salaria  beseitigt  worden  (s.  unten). 

£s   ist   schwer   begreiHich,    wie  mau  Angesichts  dieser 
Thatsachen,  vor  aUesn  dem  ansdrücklichen  Zeugniss  an  drei 
der  erhaltenen  Thore  zum  Trotz,  jemals  hat  bestreiten  k6n«> 
nen,  dass  die  heutig  Mauer,  mit  Ausnahme  weniger  leicht 
erkennbarer  kleiner  Stflcke,   auf  den  Fundamenten  der  ur^ 
sfirunglichen  von   Aurelian  und  Probus  gebauten,   von  Ho- 
jioriiis  und  Arcadias  wiederhergestellten  steht.    Qiese  Ansicht 
stutzt  sich  darauf,  dass  das  Haass  der  erhaltenen  Mauer  12 
Millien  kaum  erreicht,   während  alte  Zeugnisse  dasselbe  auf 
21,   30,  40  ja  50  Millien  angeben,  und  sucht  die  überlieferten 
Maasse   ausserdem   durch  die  rein   aus   der  Luft   gegriflene 
liehaisptnng,  dass  sie  durch  die  Ausdehnung  d^  bewohnten 
Stadt  gerechtfertigt  werden,  als  die  allein  möglichen  nacb- 
suweistti.     Natürlich    muss  grade  im  Gegentheil   die  Kritik 
jener  theils  auf  Missverständniss  beruhenden,  theils  verschrie- 
benen Zetignisse  von  der  sicheren  Thatsache  des  Maasses  der 
einzigen  seit  der  Königszeit    gebauten  Stadtmauer  ausgehen 
(s.  §  5)  ^).  —  Dazu  kommt  dass  die  Annahme,  ein  Mauerbau 


^)  Nibby  Mura  c.  5.  stützt  seirie  Bebauptmog,  c^ass  die  anrelia- 
aiftcbe  Mauer  ver^chwundoa  sei,  aaf  die  im  Text  zarückgewieseaen 
Grande  und  o^eiot  das  Zeugniss  der  Thoriasobriften ,  ob  inataü- 
ratos  urbi  aeternae  muros,  mit  folgendem  gradezn  unglaublichen 
laterpretatioaskunststück  zu  beseitigen:  ^stava  bane  il  dire  tnstau- 
rare  muros  il  eiogerla  di  ouovo'  (S.  230).  Trotz  der  gründlichen 
Widerlegung  Piales  und  Buasens  (s.  A.  B)  kehrt  das  Phantom  der  50 
M^len  langea  Mauer  immer  wieder,  zuletzt  noeh  in  der  §  5  A. 
16.  3d.  besprochenen  Arbeit  von  Hodbertus  'über  den  Trakt  der 
aarelianischen  Mauer'.  —  Die  Messung  der  erhaltenen  Maaer  (über 
die  Zeugnisse  s.  §  5)  stellt  sich  nach  dem  Bd.  2,  171  Gesagten  so:  die 
Länge  der  Mauer  aaf  dem  Haken  Ufer  beträgt  einschliessUch  der 
Mauer  längs  des  Flusses,  aber  ohne  darechnung  der  Vorsprünge  der 
251  quadratischen  Thürme  (251  X  8  Meter»  1,29  MigUe)  nach  Ber- 
nardiai  10,25—1,29  «  8,96  Miglien;  nach  Nelli,  wenn  derselbe  eben- 
falls die  Vorsprünge  nicht  mitrechnete,  10,80-^1,29  ^  9,51  Miglien. 
Auf  dem  Censusplan   misst  sich   die  Vi»%ß   der  Mauer  des  rechten 


344  TH81L  L 

Ten  50,  ja  selbst  20  Miliien  llmfong,  sei  spnrios  Terschwvn- 
den,  schon  bei  der  Festi^eit,  ja  beinahe  Unserstörbarkeit 
des  Materials  geradezu  widersinnig  ist,  und  dass  die  Behanp- 
timg,  selbst  die  ältesten  Theile  der  Mauer  Terriethen  durch 
die  Technik  des  Ziegelbaus  und  des  Baustils  das  5te,  nicht 
das  3te  Jahrhundert,  grundlos  ist.  —  Es  ist  endlich  unrich- 
tig, dass  die  barbarische  Zerstörung  und  Entweihung  von 
Grabdenkmälern  zum  Besten  dieses  Mauerbaus  die  Zeit  des 
Uebergangs  ins  Mittelalter  bekunde.  Vielmehr  zeigen  uns 
einzelne  sichere  Beispiele  deutlich,  dass  man  Grabdenkmäler, 
welche  in  die  tradrte  Befestigungslinie  fielen,  um  sie  zu 
schonen,  in  Thürme  und  Mauer  eingeschlossen  hat,  d.  h. 
mit  ihnen  gerade  so  verfahren  ist,  wie  Aogustus  und  seine 
Beamten  mit  den  Gräberstätten  vor  dem  esquihnischen  Thor. 
Dass  einzelne  Ausnahmen  von  dieser  Schonung  schon  bei  dem 
ursprünglichen  Bau  voi^ekommen  sein  mögen,  kann  kein  Ein- 
wurf sein:  zumal  mit  dem  Beginn  des  3.  Jahrhunderts  die 
Zerstörung  öffentlicher  Denkmäler  zur  Gewinnung  brauch- 
baren Materials  für  Neubauten  nachweislich  ihren  Anfang 
nimmt  ^'^). 


Ufers  za  2350  M.  =  1,62  Miglien,  for  den  ganzen  UmfaDg  erlialten  wir 
also  nach  BernardiBi  10,58,  Dach  Nolli  11,13,  oder  wenn  die  Vorspränge 
der  Thürme  mitznreehnea  sind  11,87  bezw.  12,42  Miglien.  Sehr  wahr- 
seheinlieh  ist  es  aber,  dass  die  alte  Berechnung  die  Vorsprang«  nicht 
rechnete. 

*  ^^)  Was  den  Stil  anlangt,  so  ist  man  allerdings  einem  Renner  wie 
Promis  gegennber,  welcher  (Aosta  S.  145)  die  Thore  'tntte  ddi'  epoca 
Onoriana  o  posteriore*  nennt,  in  Verlegenheit.  Allein  was  wird  — 
das  ist  doch  nicht  wegzodispntiren  —  ans  dem  intUtttmdi^  muros  por- 
tas  turres  der  Inschrift?  Dann  aber  scheint  seine  stilistische  Analvse 
der  Thore  (A.  18)  keineswegs  jene  Behaaptong  zu  rechtfertigen,  ja  der 
Zustand  beispielsweise  der  Ostiensis  sie  zn  widerlegen.  —  Die  Grab- 
denkmäler des  Salpicins  Quirinins  in  einem  Thorm  der  Salaria^  des 
Enrysaces  in  einem  Aet  Labieama-PraenesUna^  des  Cestius  vnd  Hadrian 
in  der  Enceinte  sind  wohlerhalten ,  wie  die  Graber  des  Bsqnilin  zor 
Zeit  des  Aogostns  überdeckt,  nicht  zerstört  (Ball.  man.  2,  55  f.  3 
T.  XX  Th.  n).  Wahrscheinlich  also  ist  man  bei  der  ersten 
Anlage  der  porta  NumentoRa  mit   dem  Grabe  des  Q.  Haterias   nicht 


§  6.]  DIE  AURELIANIBCHE  MAUER.  345 

Der  Plan,  die  Stadt  Rom  mit  einer  neuen  Mauer  zu 
umgeben,  konnte,  gefasst  unter  dem  Eindruck  der  herauf- 
ziehenden Wetterwolken  der  Barbarenangriffe,  keinen  anderen 
Zweck  haben,  als  der  hauptstädtischen  Bevölkerung  einen  mög- 
liehst vollständigen  Sdiutz  zu  geben,  d.  h.  soviel  als  möglich 
die  urbs  regianum  XIV  zu  sichern.  Allein  dieser  Zweck 
konnte  nur  annähernd  erreicht  werden:  denn  einerseits  be- 
dingte die  Bodengestaltung  Abweichungen  von  der  vorgezeich- 
neten  Linie,  andererseits  maditen  die  riesenhaften  Verhält- 
nisse des  Werks  es  wünschenswerth ,  etwa  geeignete  Ge- 
bäude der  Befestigung  als  Theile  einzuverleiben.  Wir  können 
nachweisen,  däss  dies  der  Plan  und  die  Ausführung  des 
Werks  gewesen  ist.  Sicher  ausgeschlossen  von  der  Mauer 
blieben  nur  wenige  Abschnitte  der^^urch  die  constantinische 
Notitia  als  zur  Regionenstadt  gehörig  bezeichneten  bewohnten 
Th^e  der  Stadt:  von  der  14.  Region  das  vaticanische  Ge- 
biet, von  der  1.  R.  die  Strecke  bis  zum  Almo");  eingeschlossen 
wurden  in  die  Mauer  von  dem  nach  derselben  Urkunde  ausser- 
halb der  Regionengrenze  liegenden  Theile  die  nördlich  der  7. 
und  9.  R.  gelegene  Zone,  vielleicht  die  westlich  vor  der 
13.  und  14.  gelegene,  die  Ebene  des  Monte  testaccio  ^^). 
Wir  haben  §  5  gesehen,  dass  die  Differenz  zwischen  der  con- 
stantinischen  Regionengrenze  und  der  Aussenlinie  der  Vor- 


anders  verfahren,  wiewohl  das  Geg^entheil  vou  Cardinali  (s.  CIL  6,  1, 
1426)  behauptet  wird:  4n  qaesto  sito  come  altrove  le  mura  attaali 
nrbaae,  che  attriboiscoasi  per  vecchia  tradizione  ad  Anreliano,  sono  cos- 
trutte  sopra  avvanzi  di  pia  aatica  data,  frai  quali  dee  porsi  certameote 
il  nominato  sepolcro  che  da  bell'  ornameDto  della  via  Nomeotana  fu  con- 
daoDato  a  servire  di  fondameoto  (?)  die  una  delle  torri  che  difendevaDO 
la  porta'.  Mao  faod  daselbst  auch  Reste  der  Bekleidung  des  Grabes 
und  die  der  Inschrift  Q,  Haterius  ....  o  ....  |  sortit.  tr.  pL  pr.  FU 
[uir,  epfäonu]m  a  . . . 

1^)  lieber  die  U  Region  (Marstempel  and  die  in  der  Notitia  nun 
folgenden  Monumente  bis  zum  Almo)  Bd.  2,  109 ff.;  über  die  der  14. 
und  das  vaticanische  Gebiet  oben  S.  316  f.;  die  5.  Region  macht  noch 
Schwierigkeiten  in  ihrer  Grenzbestimmung  (§  5  A.  10). 

")  üeber  7.  .9.  s.  oben  S.  330,  über  13.  14.  S.  317. 


346  THßlL.  I. 

stadjte  keine  »ekv  bedoutende  sein  kann.  So  viel  wie  möglich 
also  schloBs  die  Mauer  die  Stadt  ein.  Aber  im  Einzduea 
bestimmte  den  Lauf  die  Rucksicht  auf  die  foriifikatorischea 
Schwierigkeiten.  Aus  keinem  anderen  Grunde  ist  die  parta 
Flaimtua  über  die  Stadtgreoze  hinaus  nach  Norden  vor- 
geschoben worden»  als  weil  sich  in  der  trefiUchen  Substrok- 
tion  der  Garten  des  Piocio  (Muro  torto)  ein  fertiges  unmittel- 
bar anschliessendes  Stück  der  Befestigung  darbot.  Von  da 
aus  ostwärts  war  die  Richtung  nach  dem  Prätorianerlag«r, 
einer  ebenfalls  fertigen  Bastion,  gegeben,  und  wieder  yoi 
hier  aus  boten  sich  als  bequeme  und  feste  Stütze  des  Werks 
die  Pfeilerreihen  und  Strassenöbergänge  der  Wasserleitungen 
bis  hinab  zum  amphüheairum  castrense.  Die  südliche  Linie  ist 
wesentlich  durch  die  Terraingestaltung  bedingt  Die  Mauer  steht 
grossen  Theils  auf  dem  Höhenrande,  in  starker  Steigung  fuhren 
die  alten  Landstrassen  bis  zu  den  neuen  Thoren  (besonders  der 
Äppia  und  Astnaria)  hinauf.  Die  Anlage  grade  der  Haupt- 
thore  in  weit  ausspringenden  Winkeln  (Flamima,  iVoenesItiia, 
Appia)  erscheint  demnach  als  ein  Nothbehelf,  nicht  minder 
die  offenbar  nur  zur  Sicberimg  des  Janiculum  gebaute,  um 
die  Ausdehnung  der  bewohnten  Stadt  sich  nicht  kümmernde 
Befestigung  des  rechten  Ufers.  Die  veränderten  Mittel  der 
Kriegführung  und  die  Menge  der  Stromübergänge  endlich 
zwangen  im  graden  Gegensatz  zu  der  servianischen  Befesti- 
gung, den  Strom  nicht  als  Deckung  für  die  Stadt  auf  dem 
linken  Ufer  zu  betrachten,  sondern  durch  eine  Mauer  zu 
schützen,  welche  einen  freilich  ungenügenden  Anschluss  ao 
die  Befestigung  des  rechten  Ufers  hatte  (unten). 

Wir  besitzen  eine  Beschreibung  der  Mauer  und  ihrer 
Thore  (Bd.  2,  578  ff.),  welche  verbunden  mit  einer  von  einem 
Stadtplan  abgelesenen  Itinerar  und  einer  Sammlung  stadt- 
römischer Inschriften  das  berühmte  Reisehandbuch  der  Ein- 
siedler Handschrift  bildet.  Dass  diese  Beschreibung  nicht  im 
9.  Jahrhundert  entworfen  sein  kann  und  dass  sie,  wenn 
dies  nicht  der  Fall  ist,  nothwendig  als  von  dem  den  Bau 
leitenden    Architekten    in;i    J.    403    entworfen,    den    Akten 


§  6.]  DiE  AUREUAJNISCHE  MAUER.  347 

der  Stadtprafektur  einTerleibt,  aus  diesen  in  die  Ileisehand* 
böcher  obergegangen  zn  betraebten  i^t,  glauben  wir  im  Bd.  2, 
156  ff.  naebgewiesen  lu  babeo.  Aas  derselben  Quelle 
stammt  das  in  mebren  Exemplaren  auf  uns  gekommene  Ver- 
zeichniss  der  Tbore  (das.  580  ff.  ygl.  165  f.)  ^^).  Die  Be- 
scbreibuDg  bestätigt  das  oben  ober  die  Identität  der  heuligen 
und  der  aurelianiscb-honorianiscben  Mauer  Gesagte  und  ist 
für  diejenigen  Theüe«  welche  heut  entweder  fast  ganz  Ter- 
scbwundan  oder  wesentlich  verändert  sind,  ein  sicbrerer  Weg« 
weiser  als  der  zwar  ortskundige,  aber  nicht  selten  im  Aus« 
druck  unklare  Prokop.  Auch  für  einige  jetzt  nicht  mehr 
erhaltene  bauliche  Einrichtungen  ist  sie  die  einzige  Quelle: 
sie  giebt  von  Thor  zu  Thor  die  Anzahl  der  Thurme,  Zinnen» 
grossen  und  kleinen  Fenster,  der  Aborte  und  Pförtchen.  Wir 
beschäftigen  uns  mit  dem  baulichen  Detail  nur  soweit,  als 
e»  nöthig  ist,  um  die  erhaltenen  Ruinen  und  die  Beschreibung 
zu  vergleichen.  Eine  detaillirte  technische  Analyse  der  Mauer 
und  eine  sichere  Unterscheidung  der  verschiedenen  Bauperioden 
wird  ohne  Zweifel  von  berufener  Seite  gegeben  werden  ^^). 
Der  ursprüngliche   aurelianisch  -  probianische  Bau,   auf 


^')  Ich  fiode  an  der  a.  0.  gegefoeaea  BeweisfdhruDg  nichts  za 
ändern  und  brauche  die  ohne  Bewei»  wieder  vorgebrachten  alten 
BehanptuDgen  Raviolis  (io  der  A.  S  a.  Schrift  S.  20.  25  f.)  u.  A. 
nicht  abermals  za  widerlegen.  Nur  zweifle  ich  jetzt,  ob  die  an  der 
Mauer  achlechterdings  nicht  nachweisbaren  und  mir  noch  immer  räth- 
seihaften  castella  des  Benedict  und  der  Mirabilien,  welche  in  der  Ein- 
siedler Hs.  fehlen,  zu  der  ursprünglichen  Beschreibung  gehören  (vgl. 
Bd.  2,  165)  und  glaube,  daas  sich  die  früher  unbeantwortet  gebliebe- 
nen Fragen  über  die  Bedeutung  der  fenestrae  minores  (A.  16)  und  die 
Beschaffenheit  der  prapug^nacula  (A.  17)  in  einer  für  meine  Ansicht 
günstigen  Weise  erledigen.  Ueber  einige  Einwendungen  gegen  dieselbe 
s.  unten  A.  49.  55. 

^^)  Brauchbar  ist  neben  Nibbys  Beschreibung  allein  die  des  Archi- 
tekten Stier  bei  Bunsen  1,  651,  Dazu  die  gelegentlichen  Bemerkungen 
in  den  Schriften  von  C.  Promis  (Alba  Fucense,  Antichita  di  Aosta, 
Antichita  di  Torino).  Bavioli  (A.  8)  giebt  wenig  mehr  als  was  mit 
Hilfe  von  INibby    und  den  Stadtplänen  jeder  ohne  Autopsie  lernt.    Ab- 


348  THBIL  I. 

dessen  Fundamenten  also  die  Restaurationen  sich  erfaobeo, 
sollte,  den  Höhenlinien  folgend  und  vorhandene  Bauten  be- 
nutzend, eine  Enceinte  bilden,  deren  Vertheidigung  nidit 
etwa  von  der  regelmässigen  hauptstädtischen  Garnison,  son* 
dem  von  einer  grossen  Armee,  die  sich  in  die  Stadt  gewor« 
fen  hätte,  zu  führen  wäre.  Diesem  Zweck  entspricht  die 
Einrichtung  der  Mauer  Tollkommen.  Aufgesetzt  auf  die  Hugel- 
ränder  präsentirte  sie  sich  nach  aussen  doppelt  so  hoch  wie 
nach  innen,  in  einer  Höhe  ton  52  F.,  ohne  Graben.  In 
regelmässigen  Abständen  wird  sie  Ton  quadratischen  Thürmen 
unterbrochen,  welche  über  die  Mauer  sich  bedeutend  erheben 
und  zwei  Stockwerke  enthalte;  ein  mit  Tonnengewölben  ge- 
deckter Gang  dient  längs  der  ganzen  Innenseite  der  Be- 
satzung zu  sicherer  Aufsteilung  und  freier  Bewegung  und  bil- 
det zugleich  den  Fussboden  für  die  hinter  den  Zinnen  auf- 
zustellenden Vertheidiger.  Die  Vertheidigung  wird  nach  dem 
System  jener  Zeit  bewirkt,  theils  durch  den  Pfeäschuss,  theils 
durch  Schleudern  oder  Herabsturzen  von  Steinen  ^'^).  Jenem 
dienten  die  von  dem  gedeckten  Gange  aus  nach  aussen  sich 
öffnenden  Schiessscharten  (fenestrae),  diesem  die  nicht  mehr 
erhaltenen  Zinnen  (jproptignacula).  Die  Scharten  sind,  wie 
die  Beschreibung  übereinstimmend  mit  der  Mauer  zeigt,  zu  je 
6^ — 7  zwischen  je  2  die  Wölbung  des  Ganges  tragenden 
Pfeilern  angebracht.  Die  Thürme  scheinen  nach  aussen  ur- 
sprünglich je  5  kleinere  Scharten  gehabt  zu  haben  (vielleicht 
die  fenestrae  minores  der  Beschreibung),  nach  innen   in  der 


bildnogen  nageBÜgeod:  Overbeke,  Piraoesi  Ant.  1.  T.  VIfl,  Gell,  Uggeri 
2  T.  27,  Canioa  Edif.  T.  XIX  ff.     Ueber  die  Thore  A.  18. 

")  Prok.  Goth.  1,  14  S.  76:  (ßelisar)  tatfqov  afjupt  tb  rdxog 
ßad-etav  T€  xal  Xoyov  ä$iay  nokkov  kj^aas,  'della  quale  niun  vestigio 
rimaDe'  JVibby  S.  244.  Vgl.  A.  4.  —  Die  Distanz  der  Thärme,  aof 
den  Pfeilschuss  berechnet  (vgl.  Promis  Alba  Fnc.  S.  135  f.) ,  beträgt 
in  der  Regel  25—30  M.,  steigt  aber  Dach  Umständen  bis  130  (vgl. 
Trastevere,  Flnssbefestigang).  Uebrigens  ist  eine  Würdigung  des  mili- 
tärisehen  Charakters  des  Bauwerks  bei  den  ganz  ungenügenden  Vorar- 
beiten mir  wenigstens  unmöglich. 


§  6.]  DIE  AURELIANISCHE  MADER.  349 

Regel  zwei  bis  drei  grosse  üb«*wölbte  Fenster  ^^).  Die  nicht 
erhaltenen  frapugnaeula  bestanden  aus  je  einer  Brüstangs- 
maner,  pinna^  mit  dem'  dazu  geh^igen  zum  Herabwerfen  von 
Steinen  u.  s.  w.  geeigneten  Einschnitt.  Beide  zusammen 
haben,  wie  die  Zählung  der  prapugnaeUla  mit  Sicherheit  er* 
giebt,  eine  Breite  von  2i  M.  oder  über  8  Fuss  gehabt  ^0.  — 


^^)  Di6  teoholsolie  Beschreibuiig  im  Gänsen  nach  Stier  bei  BttUfen 
Bd.  1*  —  Aof  der  Strecke  von  porta  PraeneaUna  bis  Mmaria  ^ebt 
die  Beschreibung:  fenestrae  maiores  forinsecu9  CLXXX  minores  CL. 
Auf  der  wohl  erhaltenen  Strecke  von  der  ^sinaria  bis  zum  amphithea- 
trum  castrense  ergab  meine  Zählung  (1876)  79  Scharten  der  Mauer; 
nach  demselben  Verhältniss  würde  die  ganze  Strecke  etwa  200  gehabt 
habea,  was  zo  den  maiores  stimmt,  da  das  ampkitheatrum  selbst  ab- 
zaziehen  ist.  Jeder  Tharm  hat  ursprünglich,  wie  es  seheint,  drei  Schar- 
ten vorn,  je  eine  auf  jeder  Seite  gehabt.  Dies  wären  auf  der  gedach- 
ten ganzen  Strecke  26  x  5  =»  130,  also  bei  Berücksichtigung  von  allerlei 
unkontrol Urbaren  Abweichungen,  eine  für  die  minores  mögliche  Zahl. 
Und  wo  wären  sie  anders  zu  suchen?  Denn  an  die  je  2 — 3  gewölbten 
Fenster  der  Thürme  nach  innen  kann  wegen  der  Grösse  und  wegen 
der  Zahl  gar  nicht  gedacht  werden.  Usklar  bleibt  es  mir,  ob  die 
gleich  grossen  Fenster  der  Thorgallerien  und  der  die  Thore  flankiren- 
renden  Thürme  mitgezählt  wurden.  Die  poria  Asinaria  allein  hat 
(nach  meiner  Zählung)  von  diesen  in  den  zwei  Gallerien  über  dem 
Thor  unten  5,  oben  6  etwas  kleinere,  und  ursprünglich  scheinen  in 
den  beiden  vorspringenden  Mauerwinkeln  neben  jedem  der  beiden 
Thürme  naeh  vorn  2,  seitlich  eins  gesessen  zu  haben  (erhalten  neben 
dem  Ostthnrm):  zusammen  17  grosse  Fenster  nach  aussen,  wozu  dann 
noch  je  vier  kleine  an  jedem  Thurm  kommen.  Die  zu  erwartende 
detaillirte  Analyse  der  ganzen  Mauer  wird  auch  diese  Fragen  zu  lösen 
haben.  « 

^^)  Ueber  pinnae  und  propugnaeula  oben  §  4  A*  8.  Es  kann  un- 
möglich Zttftill  sein,  dass  von  den  14  Absohnitten  der  Maaer  in  9  Ab- 
schnitten die  Verhfiltnisszahl  zwischen  der  Zahl  der  propugnaeula  und 
der  Mauerlänge  im  Mittel  2,51  beträgt  (Schwankung  zwischen  2,32 
und  2,61,  und  zwar  nur  zweimal  2,32.  2,37,  sonst  2,51—61),  d.  fa.  fdr 
das  propugnaculum  (pinna  und  Einschnitt),  selbst  bei  einer  so  nage*- 
nagenden  Messung,  wie  ich  sie  am  Gensusplan  vornehmen  konnte,  die 
censtante  Breite  von  rund  2,60  M.  oder  8  F.  ergi^.  Die  Abweichun- 
gen der  übrigen  Abschnitte  erklären  sieh  jedesmal  aus  der  Unsicher- 
heit des  Laufs  der  ganz  zerstörten  oder  durch  neue  Werke  ersetzten 
Mauer:  7,5  OstumsU  —  (Flussl  — )  AureHa\  1,62  Fluss  -—  ComeUa,  8,10 


850  THWL  L 

Die  Thore,  nur  2uin  Theil  darch  späteren  Umban  veranstal- 
tet, waren  ursprünglich  in  dem  reinen  Stil  der  augusteischen 
Zeit  konstruirt.  Gewölbt,  mit  Ausnahme  yon  dreien  eiobogig, 
und  mit  Fallgattern  vorsehen,  waren  sie  von  je  zwei  nach 
aussen  halbkreisförmigen  Thürmen  flankirt^^).  lieber  dem 
Thore  lief,  die  Tfaurme  verbindend,  ein  Stockwerk,  welches 
nach  aussen  in  der  Regel  4 — 6  grosse  überwölbte  Fenster 
hatte.  —  Auf  eine  dauernde  Aufstellung  und  Kasemirung  von 
Wachtkomniandos  (wahrscheinlich  in  den  mit  grossen  Fenstern 
versehenen  Thürmen  und  Thorüberbauten)  deuten  die  neces- 


Appfa  -  OiHenns  (Bastion  Sanyallo).  Nicht  erUäriieh  ans  diesen 
Gräaden  sind  mir  nur:  3,17  Pinckma  -  Nomentana,  2,01  Nomeniana  - 
Salaria,  wo  ja  aber  aueh  die  Möglichkeit  der  Verderbniss  der  liber^ 
lieferten  Zahlen  nicht  ausgeschlossen  ist.  Diese  Betrachtung  seheint 
mir,  wie  oben  A.  13  gesagt,  wieder  für  den  alten  Ursprung  der  Be- 
sdireibung  zu  sprechen:  das  Maass  von  8  F.  passt  schwerlich  auf 
mittelalterlidie  Zinnen,  kemmt  dagegen  dem  der  Mauer  von  Povipcji 
wenigstens  nach  dem  restakrirten  Aufriss  bei  Mazois  1  T.  XII,  1  (man 
misst  die  Breite  zu  8|  Pieds  ==:  9|  r.  F.)  nahe.  Die  gefundene  Nor- 
malzahl ist  wichtig  für  die  Bestimmung  unsicherer  TJwre  (Metrovia) 
und  Mauerstreeken  (z.  B.  am  Flnss). 

^^)  Thore:  die  A.hhilduBgen  aller  ei^alteneu  (einzelne  s.  unten) 
bei  Overbeke,  Gell  (zu  Nibby)  und  Canina  ungenügend:  aueh  Photo- 
graphien genügen  nicht,  noch  weniger  nach  solchen  gemachte  Zeich- 
nungen wie  bei  Reber  oder  gar  bei  Parker  Vol.  I.  Was  geleistet 
werden  sollte,  hat  C.  Promis  gezeigt.  —  Noch  immer  werden  mit 
alleiniger  Rücksicht  auf  das  Zeugniss  des  Prokop  (A.  7)  alle  Thore 
für  bar|)arischen  Ursprungs  erklärt  Promis  zeigt  (Torino  S.  210  IT.), 
dass  eine  oder  zwei  Gallerien  über  dem  einen  oder  mehreren  Thor- 
bogen charakteristisch  seien  für  die  Konstruktion  des  1.  Jahrhunderts. 
Diese  Gallerien  sind  von  Pilastern  flankirt:  so  noch  die  porta  Borsari 
in  Verona  (doch  vgl.  Einl.  §  1  A.  55):  'tralaseio  quelle  a  Roma  di 
Arcadio  e  Onorio,  dove  la  sola  Asinaria  ha  una  meschina  galleria  cos 
fonestrelle,  essende  totte  ad  una  passata  sola'  (&  213).  Allein  das 
ist  unrichtig:  die  ^^nnaria  und  nicht  sie  allein  hat  eine  doppelte,  die 
meisten  übrigen  Thore  eine  einfache  Gallerie;  zwei  Dorebgäoge  die 
nraprüngliehe  Oaftsjvm,  die  Portumni  und  die  als  ein  Thor  zu  be- 
trachtende ProBnettimt-Lalrieana  (freilich  wohl  aämmtlich  wegen  der 
Boppelatraasen).  —  Thorverscbluss:  Nibby  S.  245  f. 


§  6.]  DIE  AURELUmS€HB  MAUER.  351 

saria  (iD  »pater  Sprache  necessariae)  oder  Aborte,  welche  die 
Beschreibung  auffuhrt*  Nachgewiesen  sind  m  noch  nicht 
(Bd.  2,  168  f.). 

Die  Benennung  der  Tfaore,  weiche  vom  J.  403  daiiren 
mag  (die  Beschreibung  der  Eins.  Hs.  nennt  ein  erhaltenes 
aber  geschlossenes  Thor,  die  'Clno^a',  gar  nicht  und  nennt 
die  Pmciana  schon  clausa)  weicht  ab  von  dem  bei  der  ser-^ 
vianischen  Mauer  befolgten  System  (S.  269  ff.).  Sie  heissen 
nach  den  aus  ihnen  hinausfuhrenden  Strassen,  sind  aber 
schon  im  6.  Jahrhundert  daneben  nach  den  nahen  Kirchen 
benannt  worden  (A.  66).  Es  sind  folgende  vierzehn:  1.  Fla^ 
minia  (5.  Valmtini),  2.  Salaria  {S.  Silvestri),  3.  Bnct'ana, 
4.  Nimeniana,  5.  Tiburtina  {S.  Lmrmtn),  6.  Praenesttna-La- 
hicana^  7.  Asinaria  {S.  Johannis),  8.  Latina,  10.  Appia  (S.  Se- 
bastiam),  \l.  Osiienm  {S.  Pault\  12.  PartuensiSy  Id.  Aurelia 
{S,  Pancratii),  14.  Cornelia  (S.  Peiri);  um  so  auffallender 
ist  der  noch  unerklärte  Nanoe  9.  Mttrotna.  Yolksthämlidiie 
Bezeichnungen  des  frühen  Mittelalters  sind  die  Doppekiainen : 
Tawrma  (7tftur(a»a),  Mmr  {Praemsiina-^Ajibicima),  Verwechs- 
lungen mit  den  nahen  servianischen  Thornaroisn  aus  derselben 
Zeit  (vgl.  S.  71):  Copewa  (Osiienst^),  CoUiM  {CmieUa)^% 

£s  kann  wohl  sein,  dasß  schon  Aurelian  den  14  Beginnen 
zu  Liebe  die  Herstellung  von  14  Thoren«  welche  die  Beschrei- 
bung von  403  aufzählt  und  Prokop  kennt,  beabsichtigte.  Sicher 
gehörte  zu  den  ursprunglichen  Thoren,  wie  die  Trefflichkeit  des 


^^)  Ich  habe  Bd.  2,  165  f.  gezeigt,  4ass  die  Listen  der  Thore  in 
dem  von  Wilhelm  von  Malmesbury  benutzten  Pilgerfdhrer  ans  dem 
7.  Jahrhundert  vad  in  den  Mirabilien  mit  der  Einsiedler  Mauerbeschrei- 
bang  genau  übereiu stimmen,  was  weiterhin  für  die  Bestimmuag  einiger 
Thore  (besonders  Praenestina  -  Labicofm,  Tiburtina,  Comdia)  von  eat- 
scheidender  Wichtigkeit  ist.  Ueher  4ie  einzelnen  Namen  s.  die  be- 
treffenden Absohnitte.  —  Die  mit  dem  JB^ginn  der  topographischen  Sta* 
dien  (vgl.  z.  B.  Tortellis  Artikel  Roma  in  den  Commentarii  grammatici 
Yen.  1471)  aaftretende  Coufasion  der  Namen  der  k^iglichen  qnd  der 
kai^rlichea  Stadtmauer  ist  jetat  ohne  Interesse  und  wird  hier  über- 
gangen. 


352  THEIL  I. 

Baas  und  das  Entsprechen  der  servianischen  VirnmaUs  beweist, 
das  Ton  der  Beschreibung  von  403  übergangene  namenlose 
'Chiusa'  (A.  26),  und  so  möchte  man  denn  die  wegen  ihres 
Namens  auffallende  Metrovia  als  ein  erst  später  in  die  Reihe 
dafür  eingetretenes  Thor  betrachten. ' —  Ausser  den  14  Thoren 
hatte  die  Mauer  eine  Anzahl  'Pf5rtchen\  deren  Bestimmung 
Schwierigkeiten  macht '^). 

Die  Aufgabe,  welche  wir  zu  lösen  haben,  ist  die  Be- 
schreibung des  Mauerzuges  auf  Grund  einer  durchgängigen 
Yergleichung  der  erhaltenen  Reste  mit  der  Beschreibung  des 
J.  403  und  der  mit  derselben  zusammenhängenden  in  dop- 
pelter Ueberlieferung  vorliegenden  Liste  der  Thore  und  Stras- 
sen, deren  kritischen  Werth  wir  bereits  eingehend  geprüft 
haben.  Nur  an  wenigen  Stellen  ist  durch  die  Umgestaltungen 
der  späteren  Zeit,  über  deren  Ausdehnung  und  Details  noch 
kein  abschliessendes  Unheil  möglich  ist,  der  Gang  der  Mauer 
oder  die  Lage  der  ursprünglichen  Thore  unsicher.  Für  diese 
Stellen  kommt  namentlich  der  spätere  Zustand  der  viaefu- 
blicae  in  Betracht,  wie  wir  ihn  an  der  Hand  der  Notitia  früher 
(Bd.  2,  230  ff,)  dargelegt  haben:  ausserdem  aber  ein  Umstand, 
dessen  Wichtigkeit  zwar  nie  verkannt,  neuerdings  aber  erst 
ins  rechte  Licht  gesetzt  worden  ist.  Seit  der  Zeit  des 
Augustus  sind  in  immer  zunehmendem  Maasse  bald  in  näherem, 
bald  in  fernerem  Abstand  von  den  servianischen  Thoren  über 
den  aus  denselben  hinausfuhrenden  Strassen  Triumphbogen 
errichtet  worden.  Diese  (z.  Th.  schon  im  §  3  berücksichtigt) 
zeigen  uns  in  zweifelhaften  Fällen  die  Richtung  der  Strassen 
nach  den  neuen  Thoren  *••). 

«0)  Ppokop  Goth.  1,  19  S.  9S,  18:  §f«  füv  rij^  TtoUias  6  nBQtßokoQ 
^  hrta  nifXag  xal  nvXCittg  xtvag.  Der  Aasdrnck  nvUg  ri>ep  wird  »w- 
nahmsweise  auch  der  von  ihm  sonst  nvlfi  i^enaDiiten  Finduna  (a.  imtea) 
beigpelegt.  Daher  die  nvXi^es  nidit  cvsammeDfallen  mit  den  posiemae  V 
des  Einsiedler  Itinerars,  den  pottenOae  V  der  Mirabilien,  über  welehe 
unten  A.  56. 

>^)  S.  besonders  Lanciani  Boll.  mi».  4,  169  f.  üeber  einzeiae 
derselben  wie  über  die  von  der  Hfauer  berlihrten  Oertlichkeitien  «nd 
benutzten  Denkmäler  ist  Th.  II  zu  vergleichen. 


§  6.]  DIE  AUREUANISCHB:  MAUER.  353 

Die  Porta  del  Popolo  {porta  popult)^  von  Pius  IV  1561 
neu  erbaut,  fuhrt  dksen  Namen  schon  im  15.  Jahrhundert 
von  der  benachbarten  Kirche  S.  Maria  del  Popolo.  Es  ist 
sicher,  dass  die  alte  paria  Flamnia  (im  Mittelalter  auch  p.  S. 
Vaihntim)  weiter  Östlich  am  Abhang  des  Monte  Pincio  ge- 
standen hat.  Wann  sie  von  dort  in  die  Tiefe  versetzt  wor- 
den ist,  bleibt  unsicher.  Die  via  Slumma,  welche  aus  der 
''porta  Rat%mmim'  auslief  (§  3  S.  207),  müsste  demnach» 
während  sie  in  ihrem  südlichen  Abschnitt  (sicher  zwischen 
piazza  Sciarra  und  der  Via  di  S.  Lorenzo  in  Lucina,  wo  die 
Triumphbögen  des  Claudius  und  Marcus  die  Richtung  an- 
zeigen) dem  heutigen  Corso  entsprach,  in  ihrem  nördlichen 
Lauf  um  einen  Winkel  von  ungefähr  5  °  östlich  von  der  heu- 
tigen Strasse  abgewichen  sein.  Doch  ist  meines  Wissens  bis 
jetzt  diese  Frage  nicht  endgiltig  gelöst^^).  —  Die  Befestigung 
bis  zur  porta  Pineiana  besteht  aus  der  fast  unmittelbar  an 
das  Thor  sieh  anschliessenden  aus  dem  1.  Jahrhundert  her- 
rührenden und  schon  vor  dem  6«  Jahrhundert  geborstenen 
Substmktion  des  Monte  Pincio,  dem  'muro  torto'^^)  und  d^ 
sich  anschliessenden  gewöhnlichen  Mauer.    Nur  geringe  Stücke 


'^)  ^ofte  Flaminia  (Fiammifiea  die  f^wöhDÜclie  mittelalterlidi« 
Form):  porta  S,  FaUntini  z.  B.  Urk.  von  1071  bei  Galletti  Primic.  371, 
ebenso  noeh  die  jüngereii  Mirabilien.  Porta  populi  z*  &  Signorili. 
Die  Kirche  des  Namens  erbaut  1099.  —  Ueber  die  Triumphbiii^en  einst- 
weilen Bd.  2,  415.  417 f.  -—  Grab  auf  Pia^a  del  Popolo:  Vacca  Memoria 
113.     Vgl..  Tb.  IL    —    Procop.  1,  23   S.    109:   ov   firjv  oiSk   7tvlf}S 

knlv  tuTi^oso^os,  vf&B  auf  die  Lage  in  der  Ebene  aicbt  passt.  Dass 
die  Verlegung  vor  dem  Jahre  716  geaehehen  sei»  schliesst  Nibby  S.  304 
gaos  mit  Unrecht  aus  der  Beachreibung  der  Ueberaehwemmong  dieaea 
iahres;  weiche  'durch  das  Thor  eintrat'  (Lib.  pont.  Gregor  U  c.  6). 
Dass  die  Flnth  damals  wie  unter  Hadrian  1  (das*  Hadr.  I  c.  94),  wo 
sie  dos  Thor  a  fundamenHt  abriss,  bis  an  die  Wurzeln  des  Pincio 
dringen  konnte,  ist  zweifellos  (vgl.  Hermes  2,  77  f.).  Ob  anderweitige 
Zeugnisse  vorliegen,  weiss  ich  nicht. 

>')  Den  mqlßoXog  zwischen  der  nvhi  ^la(nivla  und  der  nvl^ 
ntyxiavtj  nannten  die  Römer  tov  niglßokov  Suqqwyota  (Procop.  1,  23 
S.  110).    Vgl.  Einl.  §  1  A.  42  u.  Th.  II. 

Jordan,  rOmisohe  Topographie.    I.    1.  23 


354  THEIL  1. 

des  ursprünglichen  Baus  derselben  sind  erbalten,  von  den  24 
(29?)  Thörmen  gelten  7  für  honorianisch,  zwei  für  belisarisch. 

Die  porta  Pinciana  (geschlossen  seit  1808)  benannt  von 
der  via  Ptnciana,  einer  Deviation  der  Salaria  (Bd.  2,  234), 
beide  von  der  domv»  Pinciana  und  ihren  Gärten  auf  dem 
noch  heut  so  benannten  ßerge  (Bd.  2,  402),  ist  von  zwei 
runden  Thürmen  flankirt.  Das  griechische  Kreuz  im  Bogen- 
schlüssel  und  die  wie  man  meint  auf  dieses  Thor  zu  bezie- 
hende Benennung  'belisarisches  Thor',  gelten  als  Beweise, 
dass  es  von  Belisar  gebaut  ist:  bis  stichhaltigere  beigebracht 
werden,  liefert  für  mich  die  Einsiedler  Beschreibung  den  Gegen- 
beweis^^). —  Von  da  bis  zur  Salaria  ist  der  honorianische 
Bau  (22  Thärme)  im  Ganzen  wohl  erhalten. 

Die  porta  Salaria,  benannt  von  der  aus  der  Coüma 
hinausführenden  via  Salaria  ($  3  A.  39),  war  von  2  runden 
Thürmen  flankirt.  Eine  Gallerie  von  3  Fenstern  lief  über 
dem  Thorbogen.  Seit  der  Erstürmung  durch  Alarich  (409) 
war  sie  mehrfach  restaurirt  worden.  Bei  der  Niederreissung 
der  Thürme  im  J.  1871  fand  man,  dass  der  östliche  über  dem 
sorgfältig  conservirten  Grabdenkmal  eines  Knaben  aus  der  Zeit 
des  Domitian  erbaut  war^^).  —  Von  dieser  alten  Mauer  bis 
zur  Namentana  (10  Thürme?)  ist  durch  die  Schliessung  dieses 


>>)  Prokop  nennt  das  Thor  (s.  Bachner  in  der  A.  49  a.  Abh.  S.  206) 
7  mal  nvUs  (Goth.  1,  19  S.  96.  23,  109.  24,  131.  2,  2,  150.  9,  181  f.), 
5  mal  TtvXri  oder  nvXai  (1,  29,  140.  2,  1,  149.  5,  165  f.  10,  186)  nnd 
übergeht  es  1,  19,  93  (A.  26).  Die  Eins.  Beschr.  v.  J.  403  nennt  es 
clausa,  die  noch  ältere  Notitia  lässt  die  via  Pinciana  ans;  aber  das 
Thor  war  zu  Prokops  Zeit  wieder  passirbar,  die  Strasse  {via  Pinciana 
Bins.  It.  11,  7;  cum  pervenit  ad  Salariam,  nomen  perdit  Wilhelm),  eine 
Seitenstrasse  derSedaria  vetus  oder  nova  (De  Rossi  R.  s.  1,  155.  177), 
noch  später,  das  Thor  noch  bis  1808.  —  Ob  die  nvhj  rj  BeXiffa^ia 
tovofxaatai  vvv  (Prok.  1,  18  S.  89.  22,  106)  ein  Doppelname  der  Pinciana 
oder  der  Salaria  ist  (so  ßaehoer  S.  201  ff.,  vgl.  Th.  II,  Pinciiu),  scheint 
mir  nicht  anszamachen.  —  Abb.  d.  Pinciana  Overbeke  f .  a  2  Gell  T.  V. 

«*)  Vgl.  Procop.  Vandal.  1,  2  S.  315.  AbbUdung  Gell  T.  VBI. 
Grab:  Visconti  II  sepolcro  di  Q.  Sulpicio  Massimo  R.  1872.  Nibby  be- 
zeugt S.  321,  die  beiden  Thärme  hätten  anf  den  Fandamenten  zweier 
quadratischer  mit  Marmor  bekleideter  älterer  Thürme  gestanden.  j 


§  6.]  DIE  AURELIANISCHE  MAUER.  355 

Thors  und  Anlage  der  Porta  Pia  (1564),  besonders  aber 
dnrch  die  Restauration  nach  der  Beschiessung  von  1871  nur 
wenig  übrig  geblieben. 

Die  porta  Nomentana,  benannt  von  der  ebenfalls  aus  der 
Collina  herausfuhrenden  via  Nomentana  (a.  0.),  war  von 
2  runden  Thürmen  ilankirt,  deren  südlicher,  wie  schon  oben 
A.  10  beschrieben  worden  ist,  auf  oder  über  dem  Grabe  emes 
0-  Haterius  —  vielleicht  des  berühmten  Redners  —  erbaut 
war.  Es  folgt  als  Theil  der  Mauer  das  Prätorianerlager*'*).  — 
Wenig  mehr  als  100  Meter  südlich  von  demselben  befindet 
sich  ein  heut  Porta  chiusa  genanntes  Thor  ohne  Thurme, 
mit  einer  Gallerie  von  4  (?)  Fenstern  über  dem  Bogen:  die 
Mauerbeschreibung  und  die  Thorverzeichnisse  nennen  weder 
das  Tbor  noch  die  in  bedeutenden  Resten  erhaltene  Strasse, 
welche  durch  dasselbe  aus  der  YminaKs  kommend  hinaus^ 
führte  und  über  welcher  wahrscheinlich  bis  zum  15.  Jahr- 
hundert der  Bogen  des  Gordian  stand.  Dies  ist  sehr  auf- 
faUend  (vgl.  S.  352)  und  muss  wohl,  da  wir  namentlich  die 
mae  publica^  alle  kennen,  mit  einer  Verlegung  eines  Strassen- 
laufs  (der  Cöüatina?)  zusammenhängen  (vgl  unten)**).  —  Die 

3^)  Eine  Abbildung  kenne  ich  nicht. 

*•)  Abbildung  Gell  T.  XI  (Aussen seite),  Parker  Archeologia  or  misc. 
tracts  of  antiq.  1869  T.  11  (Innenseite;  brauchbar).  —  Prok.  Goth.  1, 
19  S.  93  zählt  5  Thore  [nvXai)  von  der  Flaminta  bis  zor  Praenesttna, 
muss  also  die  Chiusa  qnd  die  Piamana  (als  nvU^X)  qieht  mitzäbleh 
(vgl.  A.  23).  —  Auch  Lanciani  Bull.  mun.  4,  174  findet  keine  Erklärung: 
über  die  Meinung^  dass  die  v.  Tiburtina  hier  gelaufen  sei,  unten  A.  32. 
Werkstücke  des  ßogens  des  Gordian ;  welchen  Albertini  'non  longe  a 
porta  Viminali'  sah  (vgl.  Bd.  2,  420),  sind  ca.  200  M.  weit  nördlich  von 
der  alten  Strasse  gefunden  worden  (Vespignani  Bull.  mun.  1,  103  ff. 
T.  II),  aber  nicht  in  situ:  sie  sind  dahin  verschleppt  (Lanciani  S.  235 f.) 
'■ —  In  der  Notitia  fehlt  die  via  CoUatina  als  ausser  Gebrauch  befindlich 
(Bd.  2,  234).  Ist  diese  statt  wie  später  «eine  Abzweigung  der  v.  Tibur- 
tina ursprünglich  eine  von  der  p.  Viminalis  ausgehende  selbständige 
Strasse  gewesen  ?  Fabretti  (A.  32)  Hess  sie  durch  Porta  S.  Lorenzo  aus- 
laufen, Nibby  S.  344  zwischen  dem  7.  und  8.  Thurm  südlich  der  p.  Tibur- 
tina durch  ein  jetzt  vermauertes  Thor,  welches  schon  Sigoorili  intra  p, 
S.  Laurentii  et p,  Dominae  (=  magglore)  erwähnt:  er  fugt  eine  kindliche 
Erklärung  hinzu  (Bd.  2,  5S2  z.  E.).   —  Der  Anfang  des  Laufes   der 

23* 


356  THEIL  I. 

Maner  yon  d«r  Chiusa  bis  zur  Tiburtma  (die  Zahl  der  vr- 
sprunglichen  Thärme  vob  der  iVotneiUafta  bis  zu  dieser  giebt 
das  Einsiedler  Itinerar  auf  57  an,  Reste  von  36  oder  39  sind 
erhalten)  ist  selo*  stark  zersiM  und  in  den  verschiedensten 
Epochen  restaurirt. 

Schwierigkeiten  macht  der  Lauf  der  Strassen,  wekhe 
aus  der  alten  parta  Esquüma^  an  deren  Stelle  der  Bogen  des 
Galli^us  getreten  war,  ausUefen  und  die  Lage  der  sie  auf- 
nehmenden  neuen  Thore^^). 

Die  porta  T^rtina  oder  S.  Laureniä^  benannt  von  der 
wie  sich  ergeben  wird  aus  der  Esquilma  herausführenden 
(s.  unten)  bei  der  alten  Basilika  des  h.  Laurentius  m  agro 
Verona  vorbeifährenden  Strasse  nach  Tibur,  im  Mittehdter 
auch  nach  d^n  Stierkopf  im  Bogeüschlässel  des  Wasser- 
leitungsbogens  an  der  Innenseite*7(Kttrma  benannt,  trägt  noch 
jetzt  die  den  Kais^n  Honorius  und  Arcadius  gewidmete 
£hreninscbrift  (oben  A.  5).  Innerhalb  des  Thors  steht  über 
der  Strasse  der  von  Vespasian  und  Severus  restaurirte  Bogen 
des  Augustus,  welcher  die  drei  Wasserleitungen  Mta,  Tepukt^ 
Marcia  über  die  Strasse  föhrte  (v.  J.  749).  Beide  Tfaünoe 
sind  im  15.  Jahrhundert  neu  gebaut,  die  Travertinsubstruktion 
des  ursprünglichen  nördlichen  hat  sich  zum  Theii  erhalten. 
Bis  zur  Praenestina  ist  die  Mauer,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde,  zum  grossen  Theil  in  die  Bogenreihe  jener  Leitungen 
hineingebaut,  aber  wie  gewöhnUch  mit  Thärmen  (19?  9  ho- 
noridDisch  ?)  versehen  ^®). 


Collatina  ist  soviel  ich  weiss  nicht  genau  bekannt  (Nibby  Vie  S.  9S 
Westphal  Kampagne  S.  99). 

^)  S.  Lanciani  in  der  §  3  A.  40  angeführten  Abhandlnng.  —  Der 
schmucklose  Bogen  (arco  di  S.  Vito)  trägt  die  Inschrift  CIL  6,  1,  1106: 
GaUieno  cUmentisHmo  principij  cuiu*  invicta  virtus  sola  pietate  superata 
e$t^  et  Saloninae  sanctissimae  Aug,  Aurelius  Fictor  v,  e.  dicatissimut 
nummi  maisstatique  eorum,  Abbild,  (dreibogig!):  Sangallo  cod.  Barb. 
f.  25;  in  einem  Ex.  des  Speculum  r.  mago.  ohne  Jahr  und  Autor;  fehlt 
in  den  meisten  Publikationep  des  16.  Jbdts.;  auch  sonst  selten.  Gaoiiit 
Ed.  CCLVI.    Die  beste  mir  bekannte:  Rossini  (1820). 

'^)  Ueber  die  Benennung  des  Thors  Taurina  (so  die  Mirabilien)  i. 


§  6.]  DIE  AUREUAIHISCHE  MAUER.  357 

Die  zwei  neben  einander  stehenden  und  architektonisch 
mit  einander  verbundenen  Thore  pwta  PramestitM  (nördl.) 
und  poria  Labkana  (südL),  daher  auch  als  ein  Thor  betrach- 
tet und  als  solches  im  Mittelalter  'das  grosse*  {porta  maior, 
daher  noch  jetzt  Maggiore),  auch  von  der  Nähe  des  räthsei-* 
haften  Sessorium  (S.  Croce)  Sessorimuiy  oder  bald  mit  dem 
einen-,  bald  mit  dem  anderen  Namen  bezeichnet,  hatten  ihre 
Namen  von   den  beiden  aus  der  Esquilina   hinausführenden 
viae,  der  Praenestina  und  der  Lahicana  (oben  S.  222).    Die 
Labieana  trägt  noch  jetzt  die  Ehreninschrift  des  Honorius  und 
Arcadius  (oben  A.  5) :  sie  ist  jetzt  offen,  die  Praenestina  ge- 
schlossen, frfther  war  es  umgekehrt.  —  Die  beiden  äusseren 
Thürme  (quadratisch)  gelten  für  mittelalterlich,  der  zwischen 
beiden  Thoren  stehende  halbrunde  stand,  wie  schon  gesagt 
(A.  10),    als  Hülle   über   dem    wohl   erhaltenen   Grabe    des 
Bäckers  M.  Vergilius  Eurysaces  (7.  Jahrhundert),  welches  mit 
seinen  auf  das  Handwerk  bezüglichen  Reliefs  und  seiner  in 
saturnisch^Q  Versen  abgefassten  Inschrift  neuerdings  wieder 
zum  Vorschein  gekommen  ist.     Sein  trapezf5rmiger  Grund« 
riss  ist  durch  die  von  hier  (also  schon  zu  Ende  der  Republik) 
divergirenden  Strassenläufe  bedingt.  —  Innerhalb  des  Thors 
steht  über  denselben  Strassen  errichtet  der  die  Leitungen  der 
aqua  Claudia   und  Anio  novus  nach   dem  Caelius   führende 
Doppelbogen,  erbaut  von  Claudius  (im  J.  52),  hergestellt  von 
Vespasian  (71)  und  Titus  (81)"). 


Bd. 2, 319.  32S.  Abbild.:  SaogaUo  cod.  Barb.  f.  27';  seit  Ltfreri&s  (1566) 
hiiu6g.  Besoaders  Piraneti  Ges.  WW.  Bd.  9  Fig^.  V—Vni  osd  Rossini 
(1S20).  Schlechte  Front-  and  RückenaDsicht  bei  GeU  T.  XII.  XIII.  -^ 
lieber  den  Wasserlei tonfsbogen,  seine  Inschriften  and  die  Ueberreste  der 
Leitungen  s.  §  7.  Schon  Nibby  hat  genau  S.  343  f.  die  in  der  Maaer 
steckenden  Reste  der  älteren  Bauten  beschrieben,  neoerdings  vgl.  Lan- 
ciani  Bull*  mun.  2,  204. 

^)  Prokop  Goth.  1,  IS  f.  und  die  Einsiedler  Besehreibang  nennen 
nur  die  poria  Praenestina;  Wilhelm:  perta  maier ^  oHm  Sircurana 
dicebatur  (schlechtere  Hss.  siracusanai  verdorben  aus  Sosoriana  d.  h. 
seswrtana,  von  dem  nahen  Sessormtny  ygl.  A.  32  und  Bd.  2,  410)  et 
via  Laoieaiut,   die  MirabiUen:  p,  Lameaua  quae  tUeitur  maiar.    Also 


358  THEIL  I. 

Die  Identität  der  Thore  S.  Lorenzo  s=  Tiburtina,  Mag- 
giore  s=z  H'aenestma  -  Labieana  für  die  Zeit  seit  403  ist 
also  über  jeden  Zweifel  erhaben.  Aber  es  ist  auch  sicher^ 
dass  in  den  letzten  Decennien  der  Republik,  als  das  Denkmal 
des  Eurysaces  errichtet  wurde,  die  via  Praenestina  und  die 
Labieana  sich  erst  unmittelbar  bei  demselben  abzweigten  and 
dasB  Augustus  den  mächtigen  Strassenbogen  der  drei  Wasser- 
leitungen nicht  über  einer  unbedeutenden  Seitenstrasse,  son- 
dern über  einer  Hauptstrasse  errichtet  hat,  deren  Breite 
übrigens  genau  die  Breite  der  die  via  Tiburtina  fortsetzenden 
Yaleria  ist.  Dass  nun  diese  Hauptstrasse  keine  andere  als 
die  Tiburtina  gewesen  sei  und  dass  dieselbe  zur  Zeit  des 
Augustus  ebenfalls  von  dem  esquilinischen  Thor  ausging, 
scheint  durch  die  Erzählung  des  Eintritts  der  Tiburtiner 
Flötenspieler  in  die  Stadt  'durch  die  Esquilien'  ebenfalls  be- 
wiesen zu  sein^^).    Wenn  femer  zur  selben  Zeit  gesagt  wird, 


war  Praenesimay  spater  maiorf  die  gewSluiliche  Bezeichaiiag  fSr  das 
ganze  Thor,  wahrscheinlich  weil  die  porta  wie  die  via  Labieana  wegea 
ihres  Zieles  mehr  und  mehr  ausser  Gebrauch  kam^  daher  auch  später 
(wann?)  geschlossen  wurde.  Das  mittelalterliche  maior  heisst  hier 
wie  sonst  {pons,  artus^  via  maiori  Bd.  2,  166)  'gross'  und  ist  wohl 
nicht  mit  Nibby  S.  351  von  S.  Maria  maggiore  (S.  Maria  maior  schon 
im  Eins.  Itin. :  Bd.  2,  374)  herzuleiten,  wohl  aber  vielleicht  der  ver- 
einzelt im  15.  Jahrb.  vorkommende  Name  porta  Dominae  oder  della 
Donna  (A.  27).  —  Denkmal  des  £urysaces  mit  der  Inschrift  (CIL  1, 
1014.  1015  =  6,  1,  1958):  est  hoe  Tnorämerdum  Mareei  Fergilei  Eury- 
sacis  II  pistoris  redemptoris:  apparet  (ganz  steht  dieselbe  auf  beiden 
den  beiden  Strassen  zugewandten  Fronten,  die  erste  Hälfte  bis  |]  mit 
der  Variante  Marci  Feitgüi  auf  der  der  Stadt  zugewandten  Seite) 
Ann.  deir  inst  1838,  202  ff.  (mit  T.  J  ff.)  Ganina  Bdif.  T.  CCXXV 
(Grnndriss)  und  GCLXXVIII.  —  Abb.  des  Thors:  Sangallo  cod.  Barb. 
f.  5';  seit  Lafrerius  (1549  vortrefflich)  in  sammtlichen  SammluDgea 
rämisch«r  Bauwerke,  interessant  nur  die  noch  vor  Schliessung  der 
Praenestina  und  Zerstörung  des  mittleren  Thurmes  (1838)  gezeidine- 
ten,  Zw  B.  Dosi  T.  69  Dtt  Perac  25  Overbeke  Bd.  1  f.  a7  Gell  T.  XIV. 
XV.  —  Jetziger  Zustand  Ganina  Edif.  GGXXVI.  —  Die  Inschriftea 
des  Wasserleitungsbogens  s.  §  7* 

^^)  Auf  die  der  via  f^ahria  gleiche  Breite  des  angustischen  Bogen« 
(5,  320  M.)  hat  Promis  Alba  Fne.  S.  14  f.   aufmei4sam   gemacht.     Die 


! 
J 


§  6.]  DIE  AURELIANISCHE  MAUER.  359 

die  via  Labieana  gehe  wie  die  Praenestina  von  der  porta  Es- 
quilina  aus  und  lasse  diese  und  das  esquilinische  Feld  links, 
so  widerspricht  dies  durchaus  nicht  der  Annahme,  dass  sie 
beides  noch  kurz  vor,  d.  h.  westlich  von  dem  Denkmal  des 
Eurysaces  gethan  habe,  dass  mithin  der  Lauf  der  später  als 
die  pranestinische  erbauten  labicanischen  Strasse  mit  dem 
Lauf  jener  bis  zu  jenem  Denkmal  zusammenfiel^).  Damit 
steht  im  besten  Einklang,  dass  unzweifelhaft  in  alter  Zeit  aus 
der  porta  Virntnalis  keine  Hauptstrasse,  also  auch  nicht  die 
Tihurtina  hinausführte,  und  dass  der  aus  ihr  hinausfuhrenden 
Strasse  {CoUatina?  oben  A.  26)  auch  in  der  aurelianischen 
Mauer  nur  ein  später  geschlossenes  kleines  Thor  entsprach. 
—  Es  bedarf  also  schwerlich  noch  einer  Widerlegung  der 
vor  Entdeckung  des  Eurysacesdenkmals  und  einer  richtigen 
Würdigung  der  Thor-  und  Strassenverzeichnisse  allenfalls  ent- 


Geschiehte  bei  Livins  9,  30  ohne  Angabe  des  Orts,  bei  Oy.  F.  6,  677: 
iamque  per  Esquäias  Romanam  intraverat  urbem  {turba).  Es  ist  na- 
türlich nur  eine  Aasflucht,  wenn  gesagt  worden  ist^  sie  hätten  einen 
Umweg  gemacht.  Für  die  Zeit  des  Ovid  ist  das  Zeugniss  jedenfalls 
beweiskräftig. 

'^)  Das  sehen  im  §  3  angezogene  Zeugniss  des  Strabo  5,  3,  9  S. 
237:  in  die  via  Laiina  avfjLniniEi  xa\  ^  Aaßixavri  agxofji^Vfi  fihf  ano 
T^;  ^HaxvXivrjs  nvXrjg  a(p'  r^  xoX  f\  Ügaiv^atCviij  iv  aqvateq^  6h  ä(p€i<fa 
xal  tavTTjv  xal  t6  tiMw  j6  *Haxv)Xvov  nqoeioiv  hcl  nUiovg  xwf 
ixatov  xal  Bfxoöt  atadimv  xal  nXrfaidaaaa  t^  uiaßtx^  u.  s.  w.  Lan* 
ciani  meint  (BoU.  mun.  2,  44)^  Strabo  müsste,  wenn  die  Abzweigung 
nicht  unmittelbar  am  Thore  stattgefunden  hätte,  gesagt  haben  agxouitfil 
fih  ano  rffi  'HaxvXivrjg  nvhfig  nlrjalov  ^Poifjirjg  wie  er  es  bei  der 
Abzweigung  der  Latina  von  der  j4ppia  thue:  das  Minks  lassen'  der 
Praenestina  und  des  camptes  EsquHmus  müase  vor  dem  Denkmal  des 
Eurysaces  geschehen  sein.  Für  Beides  sehe  ich  nicht  die  mitadeste 
Nötbignng.  Es  muss  angenommen  werden,  dass  die  Meilcnzahluag  der 
Praenestina  wie  der  Labieana  vom  Thor  begann:  dann  aber  konnte 
auch,  mag  niui  die  Doppelstrasse  bis  zur  Trennung  als  solche  erkenn« 
bar  gewesen  sein  oder  nicht,  sehr  gut  gesagt  werden  was  Strabo  sagt. 
Die  Ausdehnung  des  campus  ist  ungewiss:  ich  sehe  aber  gar  keiaett 
Grund,  ihn  so  einzuengen,  dass  nicht  gesagt  werden  konnte,  die  Labi-^ 
eana  habe  ihn  und  die  Praenestina  links  gelassen.  Ueber  die  Schwierig- 
keiten; welche  Lancianis  Ansicht  macbt,.  unten^ 


360  THEIL  I. 


schuidbaren  Annahmen:  dass  die  Porta  Chiusa  die  Tihurlma, 
die  P.  S.  Lorenzo  die  ^Collatina\  die  zwischen  dieseni  Thor 
nnd  Porta  Maggiore  befindliche  kleine  Pforte  (oben  A.  26) 
die  Praenestina  sei,  oder  dass  eine  Verlegung  der  Strassen 
in  der  Weise  stattgefunden  habe,  dass  die  via  Tiburttna  ur- 
sprunglich Ton  der  p.  Vmmälis  nach  der  Chiusa  gelaufen, 
dann  nach  P.  S.  Lorenzo  verlegt  worden,  die  via  Praeneitina 
ursprünglich  nach  P.  S.  Lorenzo  gelaufen,  später  vor  Porta 
Maggiore  von  der  Labieana  abgezweigt  worden  sei,  womit 
denn  ein  Wechsel  der  Thornamen  verbanden  gewesen  sein 
müsse ^^).  —  Aber  auch  die  neueste  Ansicht  (A.  3t),  dass  die 
via  Praenestina  und  Labieana  unmittelbar  vor  der  porta  Es- 
quilina,  wie  die  Salaria  und  Nomentana  vor  der  p,  Coüina, 
aber  in  einem  ganz  unbedeutenden  Winkel  auseinander  ge* 
laufen  seien,  um  nach  einem  fast  parallelen  Lauf  von  etwa 
1200  M.  sich  wieder  zu  vereinigen  und  dann  jenseits  jenes 
Denkmals  sich  abermals  zu  trennen,  geht  wenigstens  aus  von 
einer  falschen  Auslegung  der  oben  erwähnten  Beschreibung, 
nach  welcher  die  Labieana  die  Praenestina  und  das  esquili- 
nische  Feld  links  liess,  und  hat  an  sich  wenig  Wahrschein- 
lichkeit^^).    Indessen  ist  nicht  zu  leugnen,   dass  sowohl  die 


*>)  Ersteres  ist  Fabrettis  Anskbt  (De  aquis  3,  4),  letzteres  Piales 
(z«  Venuti  1,  228  vgl.  218)  odcI  INiebulirs  Besebr.  R.  1,  658  ff.  3,  ], 
&71  ff.  Im  ganzen  richtig  nrtbeilt  darüber  Becker  S.  201  ff.  —  Alle 
yermeioftUoben  Zeugnisse  für  diese  Aosicfaten  fallen  weg.  Im  Liber 
pontificalis  (Silvester  c.  27  Bd.  1,  102  Vign.)  haben  die  Hss.  (voran 
der  Neap.)  omnem  agrum  a  porta  Sosoriana  (d«  i.  Se^oriana,  vgl.  A.  29) 
viam  etinerariam  usque  ad  viam  Latinam;  statt  etinerariam  ist  Pnu- 
nettinam  gesdirieben  worden  (s.  Becker  de  maris  122).  Ein  blosses 
Versehen  enthält  eine  Urk.  v.  1286  (Galletti  Primic.  S.  346):  extra 
portam  maurtmi  sive  portam  heati  Laurentii,  Das  von  Urlichs  (Top. 
in  Leipz  2,  2)  angezogene  Zeugoiss  Gregor  des  Gr.  über  die  Lage 
der  Kirche  des  0.  Jammrias  auf  der  via  Praenestina  (an  p.  S,  Lau- 
rentü  der  Liber  pont.)  wird  jetzt  durch  das  von  De  Rossi  heransge- 
gebene  Verzeichniss  der  Heiiigengräber,  welches  ganz  richtig  jene  Kirche 
an  der  mVz  Tthurtina  nennt  (R.  sott.  1,  1423.  9.  1&2),  beseitigt. 

<*)  Lanciani  a.  0,  44,  welefaer  selbst  eingesteht,  dass  ein  von  der 
Labieana  getrennter  Laaf  der  Praenestina  diesseits  von  Porta  maggiore 


§  6J  DIE  AUR£LIANfSCHE  MAUER.  361 

Idder  früher  sehr  schledit  beobachteten  und  ungenau  be- 
schriebenen Funde  yon  Pllasterstrassen  auf  dem  esquiliniscben 
Felde  als  auch  die  Orientirung  der  innerhalb  der  aureliani- 
sehen  Mauer  vor  der  paria  EsqtiiUna  gefundenen  Gräber,  so- 
wie des  offenbar  an  einem  bivinm  stehenden  Monumentes 
Hrofei  di  Mario'  mancherlei  Schwierigkeiten  machen  und  dass 
eine  theilweise  Umlegung  der  Strassenläufe,  wie  die  neuesten 
Entdeckungen  gelehrt  haben,  sicher  durch  die  Anlagen  der 
augustischen  Zeit,  die  maecenatischen  Gärten  und  das  ma- 
cellttm  Lißiae,  veranlasst  worden  ist.  Wir  wissen  jetzt  so  viel, 
dass  in  republikanischer  Zeit  eine  grosse  Strasse  aus  der 
Esqnüina  etwa  in  der  Mitte  der  jetzt  verschwundenen  Strassen 
porta  S.  Lorenzo  und  S.  Bibiana  lief.  Ob  dies  die  alte  Tt- 
hurtma  war,  ist  bis  jetzt  noch  ganz  ungewiss  und  müssen 
weitere  Funde  abgewartet  werden.  Aber  weder  die  Benennung 
der  honorianischen  Thore,  noch  die  Thatsache,  dass  durch 
die  p.  VimmaUs  nie  eine  Hauptstrasse  gelaufen  ist,  wird  da- 
durch geändert  werden  ^^).   —   Der  Mauerlauf  bis   zu  dem 

jetzt  wenigstens  nicht  nachweisbar  sei.  Doch  führt  er  aus  Severano 
Sette  chiese  1,  639  (mir  jetzt  unzugänglich)  die  Beschreibung  einer 
alten  Strasse  an,  welche  die  Richtung  Gallieausbogen  {p.  Esquüinä)  — 
trofei  di  Mario  —  basiliea  di  Gaio  e  Lucio  (d.  h.  'Minerva  medica') 
hatte  'e  torciendo  se  ne  viene  a  la  porta  (Maggiore)'.  Welchen  Zweck 
ein  solcher  flacher  Bogen  gehabt  haben  sollte,  ist  nicht  einzusehen. 
Wenn  dies  aber  dieselbe  Strasse  ist,  wie  Lanciani  annimmt,  von  der 
ein  Stück  nach  Yacca  (Mem.  16)  in  der  Vigna  von  Francesco  d'Aspra 
gefunden  wurde,  d.  h.  nach  ßufalinis  Plan  zwischen  'Minerva  medica' 
und  Porta  S.  Lorenzo,  aber  näher  an  dieser,  so  ist  ein  solcher  -dem 
Halbkreis  sich  nähernder  Bogen  einer  grossen  Landstrasse  auf  die 
kurze  Distanz  you  ca.  ^  H>m.  Meilen  (zwischen  porta  Esquilina  und  dem 
Enrysacesgrabe)  doch  ganz  unglaublich  und  gegen  die  Analogie  aller 
bekannten  Strassen  auslaufe  Roms  und  wir  müssen  einstweilen  bestrei- 
ten, dass  ehne  ndrdlich  von  den  Trofei  laufende  Strasse  die  PraeneHina 
sei.    Vgl.  A.  34. 

^)  Gt'äber:  noch  steht  das  'Casatonda'  genannte  Grab  ungewisser 
Benennung,  dessen  kürzlich  aufgedeckter  Unterbau  ein  unregelmässiges 
Viereck  darstellt,  dessen  Nordseite  nach  einer  Strasse  gerichtet  zu 
sein  scheint;  dann  nahe  der  P.  Maggie re  in  der  ehemaligen  Villa 
Magnani  (jetzt  Grundstück  der  Societä  fondiaria  Italiaua)  an  der  Nord- 


362  THEIL  I. 

Scheitelpunkt  des  stark  ausspringenden  spitzen  Winkels  war 
wieder  bedingt  durch  die  Pfeilerreihe  der  claudischen  Wasser- 
leitung, weiterhin  durch  das  amphüheatrum  castreme,  von  dem 
die  südliche  Hälfte  der  aus  einem  doppelten  Stockwerk  offener 
Arkaden  bestehenden  Umfassungsmauer  durch  Vermauern  der- 
selben bequem  in  ein  Stück  der  Vertheidigungslinie  verwan- 
delt werden  konnte  und  man  hatte  sich  aus  diesem  Grunde 
die  Vortheile  des  Terrains,  welches  erst  hinter  der  Mauer 
stark  ansteigt,  entgehen  lassen,  ja  auch  die  Bewehrung  der 
so  hergestellten  Mauer  mit  Zinnen  und  Thürmen  unterlassen. 
So  bot  diese  Strecke  mit  dem  aussen  angebauten  Thier- 
Zwinger  (vivarium)  dem  Feinde  ein  günstiges  Angrü&objekt 
dar.  Erst  westlich  von  dem  Amphitheater  beginnt  wieder 
die  regelmässige  Konstruktion  und  reichte  bis  zum  J.  1574 
ununterbrochen  bis  zur  parta  Asinaria:  in  diesem  Jahre  wurde 
sie  etwa  30  M.  östlich  von  derselben  durchbrochen,  um  durch 
die  neue  porta  S.  Giovanni  die  Via  Appia  nuova  zu  legen 
und  die  Asinaria  zu  schliessen.  Die  Strecke  zwischen  Porta 
S.  Giovanni  und  dem  Amphitheater  ist  eine  der  wenigen  in 


Seite  der  Via  di  P.  Maggiore  das  Golambariam  der  libert.  et  familiae 
L.  Arrunti  L.  f,,  eotdeclit  1736,  und  ein  namenloses  (Piranesi  Aot  2 
T.  VII — XIX  vgl.  Boll.  mon.  2,  55) ;  weiterhin  das  der  Freigelassenen 
der  Statilii  Tauri,  entdeckt  1872  (s.  firizio,  Pittare  e  sepolcri  scop« 
suU'  Esquilino  dalla  soc.  fondiaria  Italiana,  R.  1876,  vgl.  Bnll.  man. 
3,  153  Jahresberichte  1876,  186):  vgl.  über  diese  Gräber  A.  10.  —  Die 
Benennung  und  das  Alter  der  Trofei  di  Mario  ist  noch  unsicher  (s. 
§  7).  —  Entdeckung  der  Strasse  aus  p.  EsquiUna  etwa  3  M.  unter  dem 
iViveau  der  kaiserlichen  Anlagen  (zur  Seite  republikanische  Gräber): 
Lanciani  Bull.  mun.  3,  193  T.  XX.  Wenn  derselbe  aber  sagt,  diese 
Strasse  treffe  die  aurelianische  Mauer  Mn  un  punto  distante  di  circa 
m.  250  dair  arco  di  Augusto  (p.  S.  Lorenzo)'  —  in  diesem  Fall  würde 
sie  die  JVordecke  der  Trofei  berühren  —  so  kann  ich  dies  nicht  ver- 
stehen. Die  Axe  der  Strasse  weicht  nach  seinem  Plan  ca.  6^  nördlich 
von  der  Axe  der  Via  (und  Kirche)  S.  Vito  ab;  verlief  sie  nun  weiter 
in  grader  Richtung,  so  ergiebt  dies  die  oben  angegebene  Lage:  sie 
berührt  dann  nicht  die  Trofei  und  trifft  nicht  250,  sondern  170  M. 
südlich  von  Porta  S.  Lorenzo  die  Mauer  (Censusplan).  Die  Fortsetzung 
ist  nicht  gefunden  worden. 


§  6.]  DIE  AUREUANISCHE  MAUER.  363 

ihrer  ursprunglidien  Gestalt  erhaltenen.     Von  p.  Praenestina 
bis  Äsinaria  standen  26  Thürme^'^). 

Die  sehr  wohl  erhaltene,  ganz  aus  Backsteinen  gebaute 
jpor^a  A$inaria  —  von  zwei  runden  Thännen  flankirt,  über 
dem  Thorbogen  2  Gallerien  —  bat  ihren  Namen  Yon  der  zur 
Zeit  der  Erbauung  des  Thors  unzweifelhaft  noch  gangbaren 
via  Ästnariä^  welche  aus  der  p.  Caelmöntana  der  servianischen 
Hauer  hinausführte  und  die  Latina  und  Appia  schneidend  in 
die  Ardeatma  mündete.  Die  Richtung  d^  Strasse  innerhalb 
des  Thors  bezeichnet  der  ehemals  vor  dem  Hospital  des 
Laterans  stehende  Strassenbogen  der  claudischen  Wasser- 
leitung (§  3  A.  48).  Wie  die  Wasserleitung  und  die  Strasse 
innerhalb  des  Thors  im  Mittelalter  vom  Lateran  benannt 
worden  sind  {via,  forma  Lateranensis) ,  so  auch  das  Thor 
(p.  Lateranensis,  S,  Johannis).  Geschlossen  wurde  es  1408.  — 
Die  Mauer  zieht  sich  von  da  bis  zum  nächsten  Thor  in  Zick- 
zack- und  Bogenlinien  hin:  ihr  Lauf  muss  also  auch  hier 
durch  ältere  ihr  als  Fundamente  dienende  Bauten  bedingt  sein. 
Und  in  der  That  erkennt  man  nodi  jetzt  die  Substruktionen 
des  Caelius  vor  dem  Lateran  (über  deren  Benennung  Tb.  II) 
als  solche.  Die  ganze  Strecke  ist  bis  ins  12.  Jahrhundert  stark 
restaurirt,  von  den  20  ursprünglichen  Thürmen  kaum  die 
Hälfte  erhalten»«). 

*^)  S.  Prokop  Ootb.  1,  22.  23,  wo  das  vivarium  (s.  Tb.  U)  genannt 
wird.  AnsdriiekliclL  wird  hier  (c.  23  S.  111)  die  Vemachlässignng  des 
Bans  von  Zinnen  nnd  Thürmen  genannt.  Ob  dies  jedoch  auf  die  im  J.  403 
eingeweihte  Maner  Bezug  hat,  ist  fraglich,  da  die  Zahl  der  propugnaeula 
(504)  auf  die  Strecke  von  1300  M.  fast  genau  die  A.  17  ermittelte 
Normalbreite  derselben  (2,57)  ergiebt.  Die  alte  Angabe  über  die  Zahl 
der  Thüme  lässt  sich  als  richtig  nachweisen  (Bd.  2, 164).  Die  Strecke 
vom  Amphitheater  bis   P.  S.  Giovanni  habe  ich  schon  A.  16  erörtert. 

^)  Fta  j4sinaria  (der  Ursprung  ihres  Namens  unbekannt)  in  der 
Notitia  am  Schhiss  des  Verzeichnisses:  Bd.  2,  234.  Festns  282:  refrt- 
eibus  cum  ait  Cäto  in  ea  quam  scribtit  cum  edisseftavit  Fulvi  Nolnlioris 
censuram,  sigmficat  aquam  eo  nomine  quae  est  svpra  viam  ArdeaÜnam 
inter  lapidem  secundum  et  tertüum,  qua  inrtgantur  horti  infra  viam 
ArdeaUnam  et  j4nnariam  usque  ad  LaUnam,  Vgl.  Nibby  Vie  S.  110  f. 
nnd  A.  37  a.  B.    Das  Thor  aach  bei  Prokop  Goth.  1,  14  S.  75.  3,  20 


364  TREIL  I. 

Die  Uebereinstimmung  der  Tfaorverzeichnisse  beweist, 
dass  das  nächste  Thor  nicht  mittelalterlichen  Ursprungs  ist, 
sondern  mmdestens  zu  dem  honorianischen  Bau  gehört:  dass 
es,  wenn  auch  nicht  in  seiner  jetzigen  Gestalt,  zu  dem  ur- 
sprüngUchen  Bau  gehört,  ist' deshalb  wahrscheinlich,  weil  eine 
alte  vom  Bogen  des  Dolabella  (A*  40)  auf  dem  Caelius  herab- 
kommende  Strasse  darauf  stösst.  Ferner  stimmt  die  aus  dem 
13.  Jahrhundert  stammende  Ortsangabe  ubi  rivt^  mflmt  cwi- 
tatem  genau  zu  der  Stelle,  wo  noch  jeti^  ein  kleines  Thor 
in  dem  einspringenden  Winkel  bei  Piazza  della  Ferrat^a 
(ohne  Thürme  und  Gallerie)  in  der  Mauer  sich  befindet  und 
die  Marrana  in  die  Stadt  fliesst  (S.  138  f.),  endlich  die 
Normalzahi  der  Zinnen  zu  der  Strecke  von  porta  Asmasria  bis 
zu  diesem  Tfaore*  Trotzdem  bleibt  der  rathselbafte  nicht 
einmal  sidier  überlieferte  Name  porta  Metrovia  oder  Metroma, 
der  einzige,  der  nicht  Ton  einer  auslaufenden  Strasse  her- 
genommen  ist,  sehr  auffallend  und  eine  grosse  Strasse  scheint 
überhaupt  aus  diesem  Thore  nicht  ausgelaufen  zu  sein.  — 
Die  sidi  anschliessende  Mauer  bis  znvpwrta  Latma  (20  Thürme) 
ist  stark  restaurirt:  sie  ist  zum  Tbeil  aus  Werkstücken  lilterer 
Gebäude  aufgeführte^). 


S.  360.  362.  Baulicher  Zustand:  oben  AA.  16.  18.  —  Beaeamiog  nach 
dem  Lateran  seit  dem  7.  Jahrhundert:  S,  lohanms  bei  Wilhelm  (aber 
im  Eins.  Itinerar  ^siuaria);  Latwanensis  die  Mi2^abilieo  (vg;i.  Nibby 
S.  361).  Ueber  die  gleichnamige  forma  und  via  Bd.  2,  229..  352,  — 
Mauer  am  Lateran:  Gell  T.  XX. 

^^)  Die  Einsiedler  Beschreibung  und  die  Thorverzeichnisse  nennen 
übereinstimmend  zwischen  der  jisinaria  und  Latina  ^t  Metrovia:  die 
Schreibung  mit  v  findet  sich  in  der  Eins.  Hs.  (Mauerbeschreibung  und 
Itinerar  8  wiederholt),  einer  Urkunde  von  885  {Mitrobi=^  Märovi: 
Galletti  Primic.  S.  96,  den  ich  aber  jetzt  nicht  wieder  einsehen  kann), 
der  Vita  Johanns  XVIII  (de  regione  Metrovi  nach  Watt^richs  Text  Vitae 
pont.  1,  69  vgl.  Gregorovius  4,  8)^  der  Becensiou  der  Mirabilien  bei 
Albinus  (porta  Mitrovi),  guten  Hss.  der  Briefe  Gregors  des  Gr.  11,  43 
nach  den  Benedictinern  (Paris  1705  Bd.  2);  dagegen  haben  n  die  Mira- 
bilien bei  Romuald  {mieront)^  die  Graphia  (juetronü)  und  Hss.  der 
Briefe  Gregors  a.  0.,  vereinzelt  ist  bei  Wilhelm  die  Verschreiboi^ 
metpoH,   metr^sa   (wie  bei   demselben   sircursnä).      Hiernach   scheint 


§  6.]  DI£  AUR£LUNISCHE  MAU£Il.  365 

Aus  der  porta  Capena  der  Eonigsmaaer  lief  die  via  Appia, 
von  der  sich  östlich  etwa  700  M.  vor  dem  Thor  die  Latina 
(v^!U8  oder  not>a?  Ä.  37  a.  £.)  abzweigte.  Von  den  Gräbern 
vor  und  nach  der  Trennung  der  Strassen  wird  Th.  11  die 
Rede  sein  (vgl.  Bd.  2,  114).  Hier  ist  noch  zu  erwähnen, 
dass  von  den  drei  Bögen  des  Veriis,  Trajan  und  Drusus, 
weiche  die  Notitia  am  Schluss  der  1.  Region  nennt,  der  letzt« 
genannte  vielleicht  der  innerhalb  des  Thors  stehende  *  Drusus* 
bogen  ^  ist,  der  Standort  der  beiden  andern  ist  unbekannt  ^^). 


Tifeirovia,  Metrovi  die  bessere  Üeberlieferung^  zu  seio.  Aber  die  Her- 
leitnng^  des  Namens  ist  uDsicher:  *da  qnalche  Santo'  Nibby  S.  365 
(aber  von  welchem?);  MrixqioCa  von  der  Mttgna  mater  am  Almo  Forch* 
liammer  Gründung  Roms  S.  39  (aber  die  Marrana  ist  niisht  der  Almo, 
§  1  A.  29).  Der  Zusatz  Martins  zu  den  Mirabilien  ubi  rivus  influit 
civitatem  will  nicht  den  noch  jetzt  vorhandenen  niedrigen  Bogen,  durch 
welchen  die  Marrana  fliesst,  sondern  das  daneben  befindliche  vermauerte 
Thop  (Abbildung  Overbeke  fol.  a  9  Gell  T.  XXI)  bezeichnen.  Vgl. 
BiiDsen  1,  665.  —  Der  Stadtplan  aus  dem  13.  Jahrb.  (Bd.  2,  3So)  ver- 
wirrt die  Thornamen  der  Nordseite  so,  dass  von  W.  nach  0.  p.  Tau- 
rtna,  Pineiana,  Metronia,  Numentana  folgen.  Zwischen  Pinciana  und 
Metronia  fliesst  der  Tiber  in  die  Stadt!  —  Gregor  sagt  a.  0.,  man 
gelange  durch  das  Thor  auf  die  via  Latina  vel  Appiay  das  £.  Itinerar 
führt  zu  dem  Thor  vom  Septizonium  aus  über  den  Caelius  (verwirrt). 
—  Mauer:  Gell  T.  XXII  f.  —  Sollte  die  im  3.  Jahrhundert  vorkom- 
mende via  Latina  vetus  et  nwa  (Eph.  epign  1,  133  f.)  mit  diesem  Thor 
etwas,  zu  thun  haben,  die  nova  durch  dasselbe  ausgelaufen  sein? 

•*)  Die  Notitia  schllesst  R.  I:  flumen  Mmonis,  afcum  divi  VeH 
Partkiei  et  divi  fraiani  et  Drusi  (Bd.  2,  114)  und  die  kapit.  Basis  hat 
in  der  1.  Rugion  einen  vicus  Drusianus.  Dem  Andenken  des  Drusus 
werden  nach  Tacitus  A.  4,  9  im  J.  23  eadem  quae  in  Germanicttm 
bewilligt,  u.  A.  arcus  Romas  (ders.  2,  83  vgl.  Dio  55,  2),  genauer  (von 
Drusus):  marmoreum  arcum  cum  iropaeis  Romas  in  via  j4ppia  (Suet. 
Claad.  1).  Darstellung  auf  Münzen:  Eckhel  6,  176f.  Cohen  Bd.  1  S.  134 
Morelli  Drus.  Germ.  14.  15.  Nnn  sind,  wie  mir  De  Rossi  mittheilte 
(s.  Jahresb.  1875,  778),  die  Bruchstücke  der  beiden  SeDatabeschlüsae  zu 
Ehren  des  Drusus  und  Germanicus  (CIL  6,  1,  911.  912)  in  der  Nfihe  des 
^Dnususbogens'  gefunden  worden.  Ob  diese  Mittheilnng  nur  auf  Bianehini 
sich  stützt,  nach  welchem  sie  ans  dem  Familiengrabe  des  Dmaiifl  und 
^ermanicns  bei  jenem  Bogen  stammen,  ist  aus  den  Add.  des  CIL-  S.  841 
(welche  mir  zu  Eink  §  1  A.  55  noch  nicht  vorlagen),  nidit  ersichtlich 


366  ™En^  I- 

Die  ma  Laiina  fährte  in  der  aurelianischen  Mauer  durch  die 
von  zwei  runden  Thürmen  flankirten  mit  einer  Gallerie  yer- 
Behenen  parta  Latina,  die  Appia  durch  die  mächtige  von  zwei 
bis  zur  halben  Höhe  quadratischen  oben  nach  aussen  halb- 
runden Thürmen  flankirten  mit  einer  doppelten  Gallerie  ver- 
sehenen porta  Appia  (im  Mittelalter  Daccia^  wohl  erst  seit 
dem  15.  Jahrhundert  5.  Sebastiani).  Die  schwierige  Frage, 
ob  bis  zu  diesem  Thore  oder  aus  demselben  zum  Marstempel 
eine  via  tecta  führte,  ist  später  (Th.  II)  wieder  aufzunehmen. 
Das  Material  zu  dem  Quaderunterbau  der  Thurme  ist  weisser 
Marmor  und  stammt  jedesfalis  von  älteren  Gebäuden,  vielleicht 
von  den  damals  schon  verlassenen  Prachtvillen  ausserhalb 
des  Thores.  —  Die  griechischen  christlichen  Inschriften  an 
beiden  Thoren  werden  bald  für  byzantinische  Restaurationen, 
bald  för  den  byzantinischen  Ursprung  der  beiden  Gebäude, 
wie  sie  jetzt  erhalten  sind,  geltend  gemacht.  —  Die  Mauer 
zwischen  beiden  Thoren  (12  Thurme)  ist  verhältnissmässig 
gut  erhalten*®). 

(De  Rossi  wird  oicht  erwäbot):  ist  dem  so,  so  bat  natürlich  der  Fundort 
wenig  Beweiskraft;  aber  meiner  Erinaerung  nach  berief  sich  De  Rossi 
nicht  auf  Bianchini.  Stilistische  Gründe  sprechen  für,  mindestens  aicht 
gegen  die  Ricbtigkeit  der  Benennung  (vgL  Ein).  S.  29,  ebenso  die  a.  Münz- 
bilder) :  die  Umformung  zu  einem  Strasseobogen  «iner  Wasserleitung  durch 
Caracalla  (§  7)  mag  an  seiner  ursprünglichen  Dekoration^  wie  schon  JNibhy 
Mura  S.  371  ff.  verständig  auseinandergesetzt  hat,  Manches  geändert 
haben.  —  Abbildungen  zahlreich:  gut  Rossini  (1S20,  zweimal);  Ganina 
Edif.  CGXLIV. —  Von  dem  Bogen  des  Trigan  auf  der  Appia  stammen  nach 
Prellers  Vermuthang  (Reg.  S.  62)  die  Reliefs  an  dem  ConttantinsbogeB. 
Der  Trjgansbogen  wäre  also  kurz  vor  315  zerstört  oder  doch  beraubt 
worden  (Bd.  2,  8  ff.). 

'^)  Die  p,  Latina  (jetzt  geschlossen)  hat  im  Bogenschlüsgel  das 
christliche  Monogramm  zwischen  A  und  (i)  (aussen),  die  Appia  des- 
gleichen  OeOY  XAPIC,  darunter  Afie  KCÜNON  ARS  r6(i)Pn 
(so  Nibby  367.  370).  Ein  eigenes  Urtheil  über  die  Konstruktion  dieser 
Thore  habe  ich  nicht ,  bezweifle  indessen  stark,  dass  der  quadratische 
Unterbau  der  Thurme  der  Appia  aus  dem  6.  oder  7.  Jahrh.  herrührt. 
—  Ueber  den  Namen  porta  d'Acia  (seit  dem  12.  Jahrh.  7)  Corvisieri 
im  Buonarotti  1870  S.  45.  —  Abbildungen  der  Appia  seit  dem  16.  Jahrb. 
(alte  Erwähnungen  beider  Thore  ausser  den  Verzeichnissen  fehlen)  nicht 


§  6.]  DIE  AURELIANISGHE  MAUER.  367 

Ziehen  der  porta  Capena  und  dem  Fluss  ä^en,  wie 
S.  233  ff.  gezeigt  wurde,  vier  servianische  Thore,  die  Naeviaj 
Raudusculana,  LavemaUs  und  Trigemina;  vier  Strassen  liefen 
auf  dieser  Strecke  aus  und   zwar  in  der  Richtung  von  der 
Capena  nach  dem  Fluss  die  Ardeatina,  Lavinatis,  Laurmtina^ 
Osttensis,  aber  die  vorletzte  von  der  letzten  sich  abzweigend: 
sicher  ist  nun,   dass  die  Ostienm  aus  der  Trigemina  —  vor 
welcher  der  Bogen    des  Lentulus  und   Crispinus  vom  J.  2 
n.  C.  bis  zur  Zeit  des  Poggius  stand  *^)  —  auslief  und  zwar 
wahrscheinlich  längs  des  Flusses  westlich  von  Monte  testaccio 
(das.  A.  67),  wahrscheinlich  schien  uns,  dass  die  Naevia  das 
nächstwichtige  Thor  war  und  am  Eingang  der  Piscina  publica 
lag,  wahrscheinlich  der  Ausgangspunkt  der  Lavinatis,    Andrer- 
seits stimmten  die  auf  die  Urkunde  von  403  zurückgebenden 
Verzeichnisse  der  honorianischen  Thore  und  das  Verzeichniss 
der  mae  der  constantinischen  Notitia  darin  überein,  dass  sie 
auf  der  Strecke  zwischen  porta  Capena  (Appia)  und  dem  Fluss 
nur  noch  zwei  Strassen,  die  Ostiensis  und  Ardeatina  kennen, 
so  dass  also   über  die  in  Folge   der  Verödung  der  Gegend 
eingetretene  EntbehrUchkeit   der  via  Lavinatis   kein  Zweifel 
sein  kann.    Die  Frage  bleibt  nur,  ob  das  gänzliche  Schweigen 
nicht  bloss  der  Thorverzeichnisse,  sondern  aller  Quellen  über 
eine   zu  der  via  gehörige  porta  Ardeatina  beweist,  dass  nie 
eine  solche  in  der  kaiserlichen  Mauer  existirt  hat  —  und  es 
wäre  ja  sehr  wohl  denkbar,  dass  man  auf  die  Strasse  ausser- 


selten  (1566  Speculom?),  aber  da  seitdem  fast  keioe  VeräDderangen  vor* 
geDommen  siad,  ohne  Interesse:  keine  genügend.  Z.  B.  Overbeke  1  f . 
a  11  Gell.  T.  XXV.  —  Seltener  von  der  Latina,  z.  ß.  Overbeke  das. 
10  Gell  XXIV. 

^)  Poggius  las  4n  arcn  iuxta  Tiberim  ultra  acbolam  Graecam' 
(S.  Maria  in  Cosmedin)  die  Inschrift  P,  Lenttäus  Cn,  f.  Sdpio  T.  Quinc" 
tius  Crispinus  Falerianus  cos.  ex  s,  c.  fadundum  curavenmt  idemque 
^obaveruni  (CIL  6,  1,  1385).  Die  Form  der  loscbrift  ist  genan  die 
der  Inschrift  des  Bogens  des  Dolabella  und  Silanns  vom  J.  10,  über 
Welchen  §  7  (das.  1384):  P.  Cornelius  P.  f.  Dolabella  C,  lunius  C  f. 
Süanus  flamen  Martial(is)  ex  s.  c  fadundum  curaverunt  idemque  pro^ 
baverunt. 


368  THEIL  L 

baih  derjffismer  auf  einer  Zweigstrasse  der  Äppia  oder  O^imsis 
gelangt  wigre  —  oder  ob  ein  Jetzt  vermauertes  angebliches 
Tbor  an  dem  öatlichen  Ende  der  Bastion  des  S.  Gallo  die 
Ardeatina  ist.  Ich  weiss  zwar  diese  Frage  nicht  zu  entschei- 
den, muss  aber  jedesfalls  als  erwiesen  ansehen,  dass  das  Thor 
seit  403  als  solches  nicbt  mehr  gerechnet  wurde ^^).  —  Eine 
zweite  Frage  betrifft  den  Lauf  der  via  Ostiensis.  Man  nimmt 
neuerdings  eine  Verlegung  derselben  von  der  Westseite  des 
Monte  testaccio  auf  die  Ostseite  desselben  an.  Auch  diese 
Annahme  ist  nicht  ganz  sicher.  —  Das  Thor  selbst  ist  das 
einzige  unter  allen  Stadttboren,  welches  vor  dem  J.  403 .  und 
zwar  an  seiner  heutigen  Stelle  erwähnt  wird.  Wenig  spater 
tritt  der  Name  S.  Pauli  auf:  nach  der  Basüica  des  Apostels 
führte  vom  Thore  aus  eine  Porticus.  —  Es  ist  nrsprünglich 
wie  die  p.  Portuenm  zweibogig  gewesen;  beide  Bögen  stehen, 
der  ostliche  ist  vermauert.  Da  von  den  3  zwedbogigen  Thor^n 
der  Stadtmauer  aus  zweien  sicher  je  2  Strassen  führten 
{PortumsiSy.  Labtcana^PraenestiHo),  so  ist  dasselbe  auch  von 
dem  3ten  zu  vermuthen  (unten):  es  führte  ursprünglich  wie 
aus  de:^  Portueitsis  die  via  Campana  und  Portuensis^  so  aas 
^ 

*^)  i*  ie  Thorverzeieknisse  nennen  nar  die  OsHensis,  aueh  Wilfaelai) 
aber  er^jchiebt  (11^)  die  Bemerkung  ein:  de  via  ardeatina*  inUsr  viam 
Appiam  *:  Ostensem  est  via  Ardeatina.  Damit  stimmen  di^  Verzeich- 
nisse der  Märtyrergräber  (bei  De  Rossi  R.sott.  1,  180  vgl.  Nibby  S.  201) 
überein :  sie  nennen  auch  die  Strasse,  nicht  das  Thor,  Vgl.  auch  Preller 
Ber.  d.  sächs.  G.  d.  Wiss.  1849,  38.  lieber  die  Strassen  der  Notitia 
Bd.  2,  233.  —  üeber  das  geschlosseue  Ther  Nibby  S.  375:  'arco  Ute- 
rizio  con  ornati  della  stessa  materia  e  dae  mezze  colonne  di  finissimo 
gusto  e  di  bella  costrazione  apparteneote  a  qnalche  fabbrica  del  primo 
secolo  dell'  impero  ed  inserito  da  Onorio  nelle  mura,  ande  servirsene 
per  la  porta  Ardeatina  tagliandone  parte  per  ineastrarvi  an  grossolano 
architrave  di  travertino'.  Aber  kein  einziges  Stadtthor  der  honoria- 
nischen  Mauer  ist  in  dieser  Weise  hergestellt!  Auch  ein  zweites  ver- 
mauertes Pförtchen  giebt  es  in  der  Nahe  und  nun  werden  gar  eine 
frühere  und  eine  spätere  porta  Ardeatina  angenommen  (Nibby  R.  a.  1, 
151  und  schon  Vennti  2,  15),  Poggias  Var.  fort.  1  S.  23  sagt,  dass 
^literae'  wie  an  der  Ostiensis  andeuten,  dass  Hoaorius  und  ArcAdius 
sie  gebaut  (??).    • 


\ 


i  6.]  DIE  AURELIAiMISCHE  MAUBR.  369 

der  Ostieniis  die  Laurentma  und  Osttmsis?  —  Ausserhalb 
dieses  Ulteren  Th<ve8  ist  ein  von  zwei  runden  Tharmen  flan- 
kirtes  einbogiges  mit  einer  (jetzt  yermauerten)  Gallerie  an- 
gebaut worden.  Es  mnss  wieder  dahingestellt  bleiben,  ob 
das  innere  honorianisch  ist  oder  seiner  nrsprCinglichen  An- 
lage nach  aorehanisch.  Es  ist  bezeugt  —  könnte  aber  auf 
Verwechslung  mit  der  Pm^emis  beruhen  —  dass  auch  die- 
ses Thor  die  Ehreninschrift  des  Areadius  und  HoncMrins  (A.  5) 
trug.  —  Der  Name  der  pwta  Capena  haftet  mindestens  bis 
ins  5.  Jahrhundert  sicher  an  dem  alten  servianischen  Thor: 
im  Mittelalter  finden  wir  diesen  Namooi  auf  die  porta  Ostiemis 
übergegangen^'). 

Die  Mauer  von  der  parta  Latina  bis  Appia  (12  Thfirme) 
ist  im  Ganzen  wohl  erhalten;  von  da  Ms  zur  Ostiensis  ist  sie 
nicht  allein  durch  die  über  400  M.  lange  Bastion  Sangallo's 
ganz  unterbrochen  und  es  erklären  sich  daraus  die  Differenz 
zwischen  d^  alten  Zählung  der  Thürme  und  der  vorhandenen 
Zahl  (49  :  38)  sowie  die  hier  nicht  unerheblich  zu  grosse 
Verhältnisszahl  der  Zinnen  (3,10  statt  2,50),  sondern  auch 
durchweg  durch  Restaurationen  der  verschiedensten  Zeit  ent- 
stellt. —  Für  noch  stärker  restaurirt  gilt  die  Mauei  strecke 
von  der  Ostiemis  bis  zum  Fluss,  bis  zu  welchem  sie  ia  ziem- 

^)  Ammiaa  17,  4,  12  (sehrieb  vor  403)  vom  Obelisken  ^'^es  God- 
stantios:  per  portam  OsHensem  piscmamque  publicam  circo  ihlattis  est 
maximOf-yf^l.  Bd.  %  106.  154  und  Th.  II.  —  Kämpfe  um  die  nvXri  ri  Ilavlov 
Tov  anoaroXov  o/utovvfiog  lau  Prok.  Goth.  2,  4  S.  159.  3,  36  S.  433 
(man  lockt  listig  die  Besatzung  an  den  Tiber;  der  Weg  hinaus  führt 
■aeh  Gentumcellaa).  OtUensem  portam  quae  est  domni  Pauli  apostoH 
der  sogen.  Aethicus  (s.  §  7)  S.  41  (hinter  Gronovs  Mola  1696).  —  Die 
orroo;  axQi  is  tov  vmv  (des  Paulus,  14  Stadien  von  der  Stadtmauer  aa 
1^  Mil.)  ^irixovaa  ix  rrjg  noUfos  erwähnt  Prokop  Goth.  2,  4  S.  160; 
erhalten  im  7.  Jahrb.  nach  dem  Eins.  hin.  9,  7  ff. :  inde  ad  portam 
Ostettsü,  inde  per  portieum  usque  ad  ecdesiam  Menne  et  de  Merme 
usque  ad  S,  Paubwi  apostobttn.  Dieselbe  die  porUeus  ipsius  eccksiae 
bei  Gregor  d.  Gn  Epp.  14,  14  (s.  Bd.  2,  113)?  —  Abbildung  des  Thors 
2.  B.  Gell  T.  XXIX  f.  vgl.  Nibby  377  f.  —  Die  Inschrift  erwähnt 
Poggias  (s.  A.  41)  nur  an  der  Ostiensis,  aber  freilich  er  allein  (nicht 
erwähnt  im  CIL).  —  Porta  Capena:  Bd.  2,  154.  323. 

Jordan,  römische  Topographie.    I.    1.  "^ 


370  ™WL  I. 

lieh  gerader  Richtuog  sO^westiieh  läuft,  unmittelbar  neben 
dem  Tbore  die  Grabpyramide  des  Cestius  als  Tburm  be- 
nutzend ^').  Indessen  stehen  die  Thurme  auf  dieser  Strecke, 
wie  namentlich  die  regelmlissigen  und  kleinen  Abstände  dei^ 
selben,  wie  sie  z.  B.  auf  der  Strecke  amfhitheatrum  casiretm 
—  porta  Äsmaria  sich  finden,  zeigen,  auf  ihren  alten  Fun- 
damenten. Da  es  jetzt  25  an  der  Zahl  sind,  die  alte  Be- 
schreibung aber  *yon  fürta  OsHenm  bis  zum  Tiber'  35  zählt, 
so  ist  zu  erwarten,  dass  die  Mauer  nicht  da,  wo  sie  den 
Tiber  im  spitzen  Winkel  trifft»  geendet  hat,  aondera  nord^- 
wärts  längs  des  Ufers  weiter  gelaufen  sein  wird.  Diese  Ver- 
muthung  wird  für  die  Mauer  von  403  zur  Yölligen  Gewisslieit, 
sobald  man  die  Yerbältnisszahl  der  Zinhen  in  Betracht  zieht 
Es  gab  deren  ^von  porta  0$timm  bis  zum  Tiber'  733«  Die 
Strecke  bis  zum  Fluss  beträgt  900.  Meter,  die  Strecke  von 
da  längs  des  Flusses  bis  zu  der  Stelle,  an  der  auf  dem 
rechten  Ufer  die  Mauer  begann,  fast  genau  eh^  so  viel. 
Für  eine  Mauerstrecke  von  1800  M.  ^rgiebt  sich  als  Durch- 
schnittsbreite die  der  oben  gefundenen  Normalbreite  fast  gleiche 
von  2,44,  für  eine  Strecke  von  900  M.  also  1,22.  Gleich- 
zeitig abex  wird  es  wahrscheinlich,  dass,  wenn  die  Beschrei- 
bung fehlerlos  überliefert  ist,  die  Thurme  längs  des  Flusses 
in  bedeutend  grösseren  Abständen  als  auf  der  Landseite  an- 
gelegt waren.  —  Diese  Berechnung  ist  von  entscheidender 
Wichtigkeit,  weil  die  Mauer  am  Fluss  ebenso  wie  die  Bauten 
des  Emporium  stark  zerstört,  die  Reste  aber  noch  ungenügend 
untersucht  sind.  Ich  muss  mich  begnügen,  anzugeben,  dass 
der  zuverlässige  Plan  von  Falda  die  Mauer  noch  zu  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  ununterbrochen,  wenn  auch  offenbar 
theils  restamirt,  theils  in  der  Höhe  unvollständig  bis  zu  dem 


«')  losofarifteii  (CIL  6,  1,  1374)  auf  2  Seiten  wiederholt  C.  CesUtu 
L.  f.  Pob,  ßpulo  pr,  tr.  pL  FH  vir  epulonum  (aaf  der  Ostaeite  darmiter 
opus  apiohUuut  ex  testmnenio  diebus  CCCXXX  arbitraiu  Ponti  P.  f» 
Cla,  Melae  heredis  et  Pothi  /.)•  Beschreibnii^ea :  Felconieri  bei  Nar- 
dini-JVibby  fid.  4;  Baosen  3,  1,  435  ff.  Akbilduiigea  zahlreick:  a.  be- 
sonders Piranesi  Aot.  3  T.  XL  ff.  Canina  Edif.  GGLXXX. 


%  6.]  Dlfi  AUREUANISCBE  MAUER.  371 

der  jMxria  Porluetuis  gegenüberliegenden  Punkt  fortlaufen  und 

hier  mit  einem  in  den  Fiuss  vorspringenden  ^adratischen 

Thurm    ibscihliessen  lässit,   dem   auf  dem  andern  Ufer   ein 

gleicher  entspricht.     Et^a  4  mebr  oder   wem^r  verstörte 

Thürme  sind  in  ungleichen  Abstanden  auf  der  ganzen  Strecke 

sichtbar.     Etwas  abweichend  sehiidert  das  Ende  der  Mauer 

ein    neuetter  Bericht:  danach  schiiesst  sie  mit  einem  qua* 

dratisdien  Thurm  kurz  vor  der  Stelle,  wo  sie  drüben  sich 

fortsetzt;  dann  folgt  ein  kiei»^  etwa  5  M«  im  Geviert  grosser 

gepflasteiter  Platz,  mit  Trümmern  aniiegender  Privatgebäude, 

dann  ein  Stock   mittelalterlicher  Mauer,    welche  mit   einem 

el>enfalls  mitteialterliehen  runden  Thurm  gegenüber  der  Fort-* 

Setzung  der  Mauer  atuf  dem  rechten  Ufer  abschliesst.    Wir 

wissen,   dass    im  9.   Jalarfaundert  der  Fluss  und  die  Stadt 

gegen    den  Angriff  8er  Sarazenen  zu  Schiff  durch  Ketten^ 

welche  von  Thorm  tm  Thurm  gespannt  wurden  ^  vertheidfgt 

wurdev  es  ist  sehr  wahrseheinKdi/ dass  Aehnliohes  die  Er-* 

bauer  der  aurehanisdi**honorianischen  Mauer  beabsichtigten, 

annaal  wir  beim  Eintritt  des  Flusses  in  die  Stadt  eine  gleiche 

Vorriebtung  kennen  lernen  werden  ^^). 

Der  Lauf  4er  Mauer  auf  dem  rechten  Ufer  ist  sicher, 
die  Benennung  eines  Haüptthors  macht  Schwieri^eiten.  Bis 
Kam  J.  1643  stand  die  porta  J^tumsis,  welche  die  Ehrenin- 
schrift des  Honoi'ius  und  Arcadius  (A.  5)  trug,  480  M.  strom- 
abwärts vor  der  heutigen  Porta  Portese,  vom  Floss  (nach  der 
Einsiedler  BeGchreibwag)  4  Thiirme  (also  bei  gewöhnlichem 
Abstand  etwa  100  M»>  entfernt.    Das  Thor  selbst  haftte  zwei 

nur  durch  einen  Pilaster  getrennte  Oeffnungen,  zwei  runde 

.11    —  I  ■  ■  ■  «i^i.*. 

t  >^)GeiMia'uotersac&t  hat  dasfiode  dtirManer  in  neuesler  &it  ouf 
P.  .JBrazzs  (1876))  den.  kdi'^^liige  BMt^rcibaogr  rerdaBke.  Ich  selbst 
hake  in  AiB  Visnen  am  Floss  niobt.  gdangea  kSnoen  and  der  holte 
WasserstoDd  (Aürs  1S72)  ver&iodeHe  mteh  die  Uatepsadiang  de»  Ufers 
so  weit  über  das-  BApoffMi  Mttaua  stromabwärts  aussadehaea.  Doeh 
looQiite  ich  von  S.  Pietro  lo  Mantorio  ans  deiltlieh  grosse  Stiieke  d«r 
M«uer  and  eioea  oaeb  hj^chferageadeR  Tbitria  erkeaneoi  -^  Sperrong  des 
Flvases  in  <J- 'B4e' gegea  die  Saraaeneasebiffe:  Liber  j^antif.,  Leo  iV 
c.  38  ff.  (3  S.  90  Visa.).    Vgl.  A.  48. 

24* 


372  THEIL  L 

Thürme^^).  Von  da  stieg  die  Häuer  mit  29  Tfafrmen,  400 
Zinnen  bis  ztir  heutigen  Porta  S.  Pancrasio/  weiche  im  J.  1644 
nur  um  ein  Geringes  von  der  alten  — (»her  d^en  Namen 
wir  unten  sprechen  —  entfernt  ist  Die  Reste  der  Mauer, 
welche  man  besonders  deutlieh  von  dem  neuen  Garten  bei 
der  Acqua  Paola  aus  sieht,  stimmen  wohl  zu  der  Beschrei- 
bung. Es  ergiebt  sich,  dass  die  Thürme  auf  dieser  Strecke 
den  ziemlich  grossen  Abstand  von  40  H.  gehabt  haben  fas- 
sen, was  sich  durch  das  ansteigende  Terrain  recfatft»tigt 
(Reste  von  17  Thürmen  findet  man  noch  auf  dem  Plan  1 
Falda's,  auf  dem  Censusplan  sind  sie  fatst  ganz  verschwunden) 

und  dass  die  Zinnenbreite  mit  beinahe  3  M.  die  Normalbreite 

I 

um  etwas  übertrifft.  —  Das  Thor  steht  auf  der  Höhe  des 
Janiculum  (84  M.).  Die  Mauer  führt  dann  wieder  bergab  und 
endet  etwa  140  M.  stromaufwärts  von  Ponte  Sisto.  Der  Plan 
von  Falda  zeigt  deutlich,  dass  die  Hänser  auf  der  Nordseite 
der  Via  delle  fornaci  auf  der  Linie  der  Mauer  stehen;  ein 
grosses  Stück  derselben  mit  4  Thurmen  erstreckt  sich  von 
der  Porta  Settimiana  durch  den  Garten  der  Farnesina  bis  za 
dem  bezeichneten  Punkt.  —  Die  Beschreibung  derselben  er- 
giebt mit  24  Thürmen,  327  Zinnen  für  Jene  wie  auf  der 
vorigen  Strecke  den  etwas  weiten  Abstand  von  über  35  M., 
für  diese  die  Normalgrösse  ypn  2, 60.  lieber  4m  AnscUuss 
an  das  rechte  Ufer  s.  unten.  —  Von  dem  Thor  S.  Pan- 
crazio  bis  zum  Fluss  erwähnen  weder  die  Einsiedler  Beschrei- 
bung noch  die  älteren  V^zeichnisse  der  Thore  noch  sonst 
eine  alte  Quelle  ein  Thor«     Er»l  die  Mirabilien  nenn^i  ein 


*5)  Eotfemung  von  Porta  Poptese  Dach  NoUi  vgl.  Nibby  R.  a.  1, 
153.  Abbildanir  <)es  Thors  böi  Pighras  cod.  iBeroL  f.  118:  das  Thor 
besteht  hier  aus  2  nur  dnrdt  «inen  Pfeilar  getrennten  gleichoi  Bogen, 
über  denen  in  drei  Zeilen  die  Inschrift  läuft;  keino  Galierieb  N«r 
auf  der  lioken  Seite  hat  es  einen  mndei  Thorm.  Unabli'&Agig  von  Pighins 
ist  wohl  die  vor  1643  gezeichnet«  AbbilAng  Nardinis  (S.  36  dar 
Ausg»  1660  «»  ed.  Nibfoy.l,  68):  sie*  zeigt  2  runde  Thürme,  den  Bogea 
rechts  (zunächst  dem  PIuss?)  vermauert  uni'ieharaklcrisirt  das  Thor  als 
Ziegelbau  mit  Pfeilern  und  Bögen  aas  Quadern. —  Ueber  die  Strassen 
s.  unten. 


§  6.]  DIE  AURELIANISCHE  MAUER.  373 

drittes  Tbor  von  Trastevere  und  dieses  scheint  damals  (im 
12.  Jahrhundert)  den  Namen  Septimiana  gefüihrt  zu  haben. 
Dass  es  an  derselben  Stelle  die  Mauer  durchbrach,  wo  es 
von  Ateiander  VI.  (1492 — 156S)  *voh  Grund  auf  wieder- 
bergestelk*  wurde  und  dann  im  J.  1798  seine  heutige  Gestalt 
erhielt,  ist  unzweifelhaft  *•).  Da  es  aber  sicher  bis  zum  6.  Jahr- 
hundert weder  als  eigentliches  Stadtthor  noch  selbst  als 
^Pfortcfaen'  vorhanden  war,  so  muss  wohl  die  Annahme,  dass 
es  ein  slier  voü  Seplimins  Severus  gebauter  Bogen  gewesen 
sei  irrthümlich  sein  und  es  kann  das  zwischen  dem  6.  und 
12.  Jahrhundert  entstandene  Thor  sehr  wohl  seinen  Namen 
Yon  der  damals  nach  den  Bauten  dieses  Kaisers  so  benannten 
Stadtgegend  erbalten  haben ^0*  —  I^^ss  wie  beim  Austritt  des 
Stromes  aus  der  Stadt  so  hier  beim  Eintritt  Vorsorge  ge- 
troffen war  für  die  Sperrung  desselben  durch  Ketten  von 
Thurm   zu  Thurm,  ergiebt  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  aus 


^^)  Dl« .  Mirabilien  c.  4:  porte  Irans  Tiberim  IUI:  p^ria  Septi- 
tniana  septe^n  Naide*  iunete  lano  (etymologische  Deutung  im  Aoschluss 
an  Ovid  Met.  14,785:  Bd.  2,.  378),  p.  JureUa  vel  aurea^  p,  Portuensts. 
Gleichzeitige  Urkunde  (1123,  Coppi  Diss.  deU'  ac.  poiit.  15,  217):  S, 
lohannis  prope  portam  S.  Sävestri,  iuxta  portam  Septimianam.  —  Die 
1798  beseitigte  lasohrift  Alexander  VI  bei  Nibby  R.  a.  1,  154  '.  .  06 
utiUiatem  puhlieam  a  ftmdameniis  restituiV.  ISach  ihm  (1509)  schrieb 
Albertini  f.  11^  'p.  Septimiana  quae  nomen  adhuo  retinet'  und  meines 
Wissens  zuerst  A.  Fulyius  (1527)  f.  XI^  'quam  portam  vetustate  iam 
collabeotem  Alexander  VI  ouperrime  a  fnndamentis  instaoravit  et  in 
meliorem  formam  redegit  ubi  Septimii  antea  legebatur  in- 
scriptip'.  Die^  schreiben  ihm  ia  gewohnter  Weise  die  folgenden 
As^y^aphen  direkt  oder  indirekt  nach  (zuerst  Marliani  1534  f.  20' 
'liffirmant',  1544  f.  17'^  ^aivnt')  und  ich  glaube  daher  das  Zeugniss  des 
Falvins  als  das  einzige,  dieses  aber  als  einen  aus  dem  Namen  gezogenen 
Schluss  betrachten  zu  dürfen.  —  Wann  das  unzweifelhaft  früher  nicht 
vorhandene  Thor  angelegt  worden  ist,  würde  sich  mit  Sicherheit  er- 
mitteln lassen,  .^sfenn  man.  wüsste,  wann  die  Via  Loogara  ihre  heutige 
Richtung  erhaben  hat:  ich  finde  darüber  nichts  Zuverlässiges. 

^').üebcr  die  Sepimiana  der  Notitia  R.  XIV  and  die  bekannte 
Stalle  der  Vita  des  Severus  c.  19  -*  ißnuae.  {balmaeT)  in  Transtiberina 
regime  ad  portam.  Tiominu  stU  —  s.  Th.  H.  . 


374  THBIL  I. 

Prokops  Schilderung  eines  Versuchs,  die  an  Ponte  Sisto  an« 
gebraditen  Mahlen  zu  zersti^ren^). 


^)  Die  Behandlang   der  wUb%eii  Stelle   des  Prok«p  Gdtk«   1,  19 
S,  95  ff.  bei  Becker  S.  194  f.    ist  sebr   unglöeklich :  «r  kämmart  sieh 
um   die   sichereo   Reste   der   Mauer  garnichti     Prokop   schildert  xn- 
nächst  die  Befestig^ung  von  Trastevere  (S.  194 f.):  er  meint,  man  habe 
den  Berg  (Xocpos)  nnd  das  gegenüberliegende  Ufer  (t^v  xaj*  avtov  rov 
notafiov  ox^^)   besonders  wegen    der  auf  jenem  befiudlicheo  MiOileii 
(Th.  II)  befestigt  und  damit  der  Feind  von  idort  Hiebt  über  den  Ploss 
setzen  und  die  Stadt  leicht  angreifen  könne;  (e^iavT^s  ovv  rairrtf   rp 
y€(pvQ(f  Jov  TioTafiov  ^vvdnxetv  t€  zo  xelxoQ  tSo^av  wxX  oixüxs 
av^vag  iv  X^Q^V  ^^  aviiniQag  SHfidfxevoi  fjiiaov  jrjg  noUwg  t6  Tißi- 
QiSog  n^noCrivtttt  qEvfia.    Weiter  erzählt   er,    dass  die  Gothen   durch 
Abbrechen  der  Wasserleitungen  die  Miiblen  auf  dem  Janiculum,  welche 
die  Stadt  mit  Brod  verssrgten,  zum  Stehen  braehtea  und  dass  Belisar 
schwimmende  Mühlen  .an  Ponte  Sisto  und   zwar   unterhalb   deaselb«B 
konstruirte:  ^finQoa^ev  jijg yscpvQag,  rjg  aqji  nqbg  Tip  nsQißoX^ 
ovcfrjg  ifjLV^oS^Vf  (Sxoivovg  dqxriaag  l|   kxaHQag   rov   noiafiov    ox^g 
(bg  ttoiata  IvTfTttfAivovg,  ravtaig  te  Xifxßovg  Svo  na^  dlXi\hivg  iw^^ 
€fag,   n66ag   dvo   an*    dXXriX(av   M^onag,   tj  fidhara  ^  röäv  vdartov 
iniQQori  ix  rov  tijg  ysipvq-ag    xvQTtafjLaxog   axfid^övaa    xa- 
T^€i..  fjLvXag  T€  6vo  iv   Xä/ußqy   ixm^Qfx)   iv^-ifjttvog  ig  tb  fjtera^tt  rtjv 
fifjXavriv  amxqifiaaiv  tj  tag  /nvXag  atqiifeiv  eioiS'ei^    inixttva  <J?  aXXag 
j€  ttXOLTOvg  ixofiivag  täv  «tl  oma&ev  xara  loyov  ^Sitffiiv^  xeti  rag 
fjtfjXttvag  TQontp   x^   avr$   iTtl  TiXiltfrov  ivißctXe.    Darauf  warfen  die 
Gothen   grosse   Baumstämme  in   den  Fluss,   von    denen    Mie  meisten' 
durch  den  Strom  gegtn  die  Nachen  geschlendert  wurden  und  die  Müh- 
len zerstörten.    Dagegen   operirt  mit  Glück  Belisar:  €tXv€f€ig  fjtaxqag 
atÖTjqäg  nQog   r^   y^ipvqt^   (doch   wohl  richtiger  ttqo  rijg  yetpvgag) 
fJQxvosv  i^ixvovfiivag  nqog  TißeQiv  vXov,  tclg  &r]  nqognfTrrovra 
^ifinavttt  offa  6  natafiog  tip^qe  ^wioxecto  xa  xai  dvjci^i  ig  xk  ngoato 
iXfOQH'     xavxtt   Ti    aviXxovteg  äil  olg  th   t^ov  tovxo  inixino 
ig  xrjv  ytfv  Ifp^QoV.    xavra  Si  inoUt  oif  x oOovtov  xtSv  fivXcov 
'irexct  fj  oxi  oaov  iv&^v^i  ie  Siog  Sk  xa\  l^vro&av  ijXdi  fiTj  Xa- 
^(oatv  axdxois  noXXatg  oi  TioXifjLiot  ivtog  tijg  yt(pvQag  xttl 
iv  f^itf^j  noXei  ytvofiBvoi.    ffieraus   folgt  doeh  nothwendig:  dass 
der   Standpunkt   des   Erzählers   in   der  Stadt   ist;    däss   die    Mublea 
unterhalb  der  Bracke  angebracht;  die  Retten  oberhalb  hei  (rich- 
tiger vor)  der  Brücke  'über  den  ganzen  Fluss*  gespannt  waren;  dies 
setzt  eine  starke  Wider  läge  voraus,  eine  solche,  aber  gabeb  die  Eck- 
thürme  ab.    Wäre  dies  nicht  so  und  sehloiiseo  die  Mauern  unmittel- 
bar an  die  Brücke   an  (was  P.  mit  keinem'  Wort  sagt  und  was  that- 


§   6.]  DIE  AUAEUANISCHE  MAUER.  375 

Die  Beschrabung  der  Mauer  mid  das  Itinerar  der  Ein- 
siedler Handschrift  nennen  das  Thor  auf  der  Höhe  des  Jani- 
c^olam  porta  AureHa,  das  Verzeichniss  der  Thore  und  Strassen 
bei  Wilhelm  mit  iem  Znsatz,  es  heisse  jetzt  S.  Pancraiii;  jene 
Urkunde  das  Thor  an  der  £ngelsburg  porta  S.  Petrin   diese 
dasselbe  porta  Comelü^  mit  dem  Zusatz  'jetzt  iS^.  Petri\   Da- 
gegen nennt  Prokop   das  Thor  an  der  Engelsburg  Aurelia, 
und  zwar,  wo  er  es  zuerst  nennt,  mit  dem  Zusatz  'jetzt 
naMsh  dem  Apostelfürston  Petrus  benannt,  welcher  in  der  Nähe 
begraben  liegt'  (tergl.  A.  61),  das  Thor  auf  dem  Janiculum 
Pancratiana  oder  'das  transtiberinische\    Dass  sich  Prokop 
darin  nicht  irren  kann,  versteht  sich  Ton  seihst,  ebenso  sicher 
aber  ist  es,  dass  nur  ein  gänzlidies  Verkennen  der  Entstehung 
und    des  Werths  jener  beiden   Urkunden   ihnen   eine  Ver- 
wechslung des  Namens  aufbürden  kann.    Auch  ist  mit  den 
Thoren  die  Sache  gar  nicht  abgethan:  es  handelt  sich  um  die 
Strassen  ^^),     Wie   alle  übrigen   honorianischen   Thore   (die 

süehlich  fakch  ist),  so  wäre  auch  das  Aufflscben  der  Stamme  durch 
die  Römer  nnmögMcb,  die  ganze  Taktik  (s.  besonders  den  Schluss)  nn- 
verstäadlioh. 

*®)  S.  die  Titorverzeiclinisse.    Im  Eins.  Itinerar  führt  der  Weg 
6  a  porta  Aurdia  usqu€  ad  portam  PraenesHnam  über  den  pons  maior 
(oAten)»  da»  Forum  n.  s.  w.  —  Prokop  Gotb.  1,  19  S.  93  f.:  man  bielt 
die  Tbore  von  jder  FlamUna  bis  zar  PraeneHina  belagert}  errichtete 
dans  auf  dem  rechten  Tibernfer  in  den  neronischen  Wiesen  eine  sie- 
bente Sdianze  und  bedrohte  durcb  diese  äkXac  ^vo  rijs  noleatg  nvXai 
. .  Ti}j»  T€  AvQf\Ueafy  fj  v(hf  IHr^v  tov   x&v  XQiattar  xoqvtpalov  Sre 
nov  nXfieim^  xHfiivotr  inwwfjLog  iffn,  xal  tfjv  vnhq  rbv  narrafjihv.    An 
den  übrigen  SteUen  S.  106  (2mal).  108.  109.  131   wird  das  Thor  ohne 
Znsata  nuA^  M^U»  genannt«    Da»  bier  tj  vnkq  rov  notCLfiov  genannte 
zweite  Tbor  kann  natürlich  nur  Porta  S.  Pancrazio  sein,  weldie  Pro- 
kop sonst  aasserdem  mit  ihrem  Heiligennamen  nennt,  und  zwar  1,  18 
S*  9^1  nilr^  ^  vnk^  n&ia^bif  TYßs^iv  Hayx^at^ov  avd^bg  ctylov  Into" 
yufws  ovaa  nrnd  1,  23  S.  109:  ic  nvltf»  t^v  vnk^  notttfiov  ^  Hayuqa- 
ftatfff  xaleitaty  vgl.  1,  28  S.  I32:^^mr6;  nvXthf  nwyxQtaiavm^  «V  ifnkQ 
Tlßi^v  nt^scfivv  eUfi,  Richtig  also  sagt  z.  B.  Nibby  Mura  S.  381  (vgl.  295) 
im  AnscUnss  an  die  Worte  und  im  Sinne  Prokops  'la  porta  Trasti- 
berina  poi  isbiamata  Pancraziboa':  ebenso  Becker  S.  197  und  Bochner  in 
der  verständigen  Abhandlnng  'über  das  aarelisdie  Tbor'  (Zs.  f.  d-  Alter- 


376  l'HBIL  I. 

einzige  Metravia  macht  eine  Ausnahme  und  ist  nicht  erklärt) 
so  haben  auch  diese  beiden  ihre  Hauptnamen  von  den  Strassen, 
welche  ihre  Lage  bedingten,  erhalten.  Eine  via  transtiberina 
giebt  es  nicht,  wohl  aber  sicher,  wenigstens  zur  Zeit  des 
Antoninus  Pius,  2  viae  Äureliae,  vetus  et  mwa,  und  eine 
mit  der  TfiumphaUs  nahe  verbundene  (Tomeita*®).  Die  älteste 
Ueberlieferung  setzt  das  Grab  und  den  Passionsort  des  Petras 
an  die  via  Aurelia^  eine  andere  wohl  jüngere  an  den  1.  Meilen- 
stein der  CoineUa:  die  Benennung  parta  Camelia  für  das 
Thor  an  der  Engelsburg  kann  also  kein  Irrthum  sein'^^).  Eben- 


tfaumswissenschaft  1855,  193  ff.)  S.  197;  was  icb  nicht  erwähoen  würde, 
wenn  nicht  G.  Gott  (Mänchener  Diss.  D«  porta  Anrelia  1877  S.  7  f.) 
mit  seiner  Uebersetzung  der  ersten  Stelle  des  Prokop  *das  aurelischa 
und  transtiberinische  oder  das  in  Trastevere  gelegene  Thor*  etwas  Neues 
zu  sagen  beanspruchte  und  behauptete,  dass  ^omnes  adhuc  astygraphi' 
geirrt  haben.  Auch  das  ist  nicht  richtig,  dass,  wie  der  Vf.  S.  S 
sagt,  Prokop  vjrkQ  rov  norafibv  immer  für  die  Region  trans  Tiberim^ 
ixTos  Tov  Tißigi^os  immer  'de  nniversa  ulteriore  ripa*  gebraucht:  das 
Janiculum  liegt  ihm  1,  19  S.  94  ixros  tov  Tifi^^iSog^  eben  in  der 
Region.  --  Dass  die  ganze  Frage  nur  im  Zusammenhang  mit  der 
Strassenfrage  gelöst  werden  kann,  hat  zuerst  Fabretti  De  aquis  1,  17  §t. 
gezeigt,  Becker  S.  195  f.  u.  A.  sind  ihm  wie  natürlich  gefolgt.  Allein 
die  Bedeutung  der  Einsiedler  Beschreibung  ist  bisher  verkannt  worden. 

^)  Die  schon  Bd.  2,  235  citirte  luscbrift  eines  curator  vtarttm 
j4ureliae  veteru  et  novae,  Comeliae  et  TrirnnphaUs  (Gr.  Henz.  3307  =■ 
6501);  die  eines  inifieliiTrjg  66»v  Av^riKas  xal  T[^aiayjy?]?  —  wohl 
nicht  T[QiovfjupdXris]i  vgl.  Henz.  5451  —  bei  Marini  Arv.  748  gehört 
nicht  hierher.  Daher  die  via  Aurelia  in  terriiofio  inumphali  (A.  51). 
Ueber  den  Lauf  der  Strassen  weiterhin.  Vgl.  Memmsen  Staatsr.  2, 997 
Hirschfeld  Verw.  1,  113. 

B^)  Grab  des  Petrus  nach  dem  Berner  Papstkatalog  (Lipsios  Ghron. 
der  römischen  Bischöfe  Kiel  1869)  S.  271:  seputtus  est  via  Au- 
relia in  templo  ApoUonis  iuxta  locum  ubi  crücifixue  est  (^iuMta 
palatium  Neronianum  in  Faticanum  in  ierräorio  triumphale'}  —  das 
Eingeklammerte  wohl  glossatorische  Erweiterungen  — ,  naeh  den  Griiber- 
Verzeichnissen  bei  De  Rossi  R.  sott.  1,  182 f.:  iuxta  viam  Cefmeiiam 
ad  primum  müiaritan  und  via  FaUcana.  Die  an  das  Petrusgrab  sieh 
knüpfenden  Streitfragen  berühren  wir  hier  nicht  (vgl.  Th.  II).  Nor 
an  das  Eine  erinnere  ich,  was  ich  bei  Lipsios,  Die  Quellen  der  rön. 
Petrussage  (Kiel  1872)  S.  95  ff.,  nicht  erwähnt  finde,  dass  die  <Tere- 


§   6.]  DIE  AUmSLIANISCHfi  MAUER.  377 

sowenig  zu  verwerfen  sind  die  Angaben,  wiewohl  sie  nur  in 
kirchlichen  Urkunden  Torkommen,  dass  sich  die  Kirche  des 
h.  Pancratius  vor  dem  gleichnamigen  Thor  und  die  in  der 
Richtung  auf  das  Thor  führende  Wasserieitung  des  Trajan  an 
der  via  ÄureUa^  erstere  am  2.  Meilenstein  befanden '^^).  Da- 
mit ist  allein  schon»  wenn  es  dessen  noch  bedarf,  die  Be- 
rechtigung der  Benennung  ptn^ta  Aurelia  =s  5.  Pancratii  nach- 
gewiesen und  es  bleibt  nur  die  Frage,  ob  dies  der  Ursprung- 
liehe  oder  der  spätere  Name  des  Thors  ist  und  wann  und 
wie  die  porta  S.  Pstri  zu  dem  gleichen  Namen  gekommen  ist. 
—  Langst  ist  eingesehen  worden  (A.  49),  dass  die  via  AureUa 
vetvs  et  nova  d.  h.  eine  Verlegung  der  Strasse  den  Anlass 
gegeben  haben  muss.  Allein  wir  k&nnen  noch  nicht  den  An- 
spruch erheben,  die  Geschichte  und  topographische  Ver- 
zweigung dieser   wie   der   übrigen  vom   rechten   Ufer  aus- 


binthe',  bei  welcher  die  im  5.  Jahrhandert  redigirten  Acta  Petri  et 
Pauli  den  Leichnam  des  Petros  provisorisch  beisetzcD  lassen,  in  nächster 
Nahe  der  Engfelsborg  zu  suchen  ist  (s.  Bd.  2,  430  Nachtr.  S.  XVII). 
lo  den  Acta  SS.  kommt  die  via  Cornelia  auch  sonst  vor:  via  Cor- 
nelia (Jurelia  Baronius)  miliario  XIIl  {Xllt)  ad  Nymphas  catabassi 
(SS.  Marii  et  soc.  19  Jan.  S.  580);  in  silvam  in  via  Cornelia  ah  urbe 
Roma  milHario  decimo  in  fundo  qtti  vocatur  Büxo  (SS.  Rnflnae  et  Se- 
cQDdae  10  Juli  S.  28;  v.  J.  257?).  Ich  bemerke  aber  ausdrücklich,  dass 
icli  hier  weder  für  die  Vollständigkeit  einstehe  noch  mich  auf  eine 
Untersuchung  dieser  Notizen  einlassen  kann.  Soviel  sieht  man,  dass 
der  Interpolator  der  Mirabilien  mehrerlei  Anlass  hatte,  in  dem  Kapitel 
de  locis  in  SS.  passionibus  (c.  10)  einzuschieben:  via  Cornelia  per 
pahtem  Müvium  (7)  et  exit  in  strata  quae  dicitur  (so  die  Prager  Hs.: 
stratam  ohne  q,  d.  die  übrigen)  via  JdireUa  iuata  girolum  (d.  h; 
Circus  des  Caligula  oder  des  Hadrian?).  ^Wahrscheinlich  meii^t  er  aber 
den  Ort  der  Passion  des  Petrus. 

^^)  Die  schon  von  Fabretti  benutzten  Acta  S.  Antonini  22.  Aug. 
S.  498  und  die  Acta  SS.  Eusebii  Pontiani  u.  A.  25  Aug.  S.  116  vgl. 
118:  via  AureUa  iuxta  formam  Traianam  (oder  Trai'uni);  ähnlich  an- 
dere bei  Fabretti,  die  ich  jetzt  nicht  verificiren  kann.  —  Liber  pontif. 
Honor.  5  (1  S.  246  Vign.):  fecit  basiHcam  beato  Pancratio  via  Murelia 
milUario  ab  urbe  II  et  ibi  canstituit  molam  in  loco  Traiani  iuxta  murum 
cirntatis  et  formam,  quae  ducit  aquam  a  lacu  Sabaiino,  et  sub  se 
formam,  quae  conducit  aquam  ad  Tiberim, 


378  THfilL  1, 

gehenden  Strassen  ins  Klare  zn  bringen.  Vor  überdHeii 
Entscheidungen  muss  man  hier  um  so  mehr  auf  der  Hot 
sein,  als  mit  der  ganzen  Frage  die  Brctokenfrage  Terwebt  ist 
Ich  fasse  zusammen  was  bisher  ermittelt  worden  ist. 

Das  Verzeichniss  der  vtae  in  der  constantinisdien  No- 
titia  nennt,  wie  ich  im  2.  Bande  gezeigt  habe,  alle  Haupt- 
strassen (d.  h.  die  von  den  Thoren  Roms  ausgehenden)  in 
richtiger  topographischer  Folge,  mit  einziger  Ausnahme  der 
zu  beiden  Seiten  des  Flusses  laufenden  Strassen,  die  um- 
zustellen sind.  Thut  man  dies,  so  bleiben  in  dem  hißt* 
hergehörigen  Abschnitt  (ich  s^ze  sämmtliehe  Zw^ggtrassen 
in  Klammern)  folgende  Namen:  9  Flaminia  [10  Äennlia  11 
CMia  12  Valeria]  13  Äurelia  [14  iJampana]  16  P&rtHemU 
(Fluss)  15  Ostiensis  [17  landcuknsi^  —  es  fehlt  aus  de» 
oben  besprochenen  Gründen  die  Lavinatis —  [\S  Laurentmä\ 
19  Ärdeatina  (die  nächste  wäre  die  Appia^  mit  der  das  Ver- 
zeichniss beginnt):  nun  folgen  noch  ziemlich  bunt  durchein- 
ander 10  Namen  Ton  Zweigstrassen,  unter  denen  für  die 
hier  behandelten  Fragen  in  Betracht  kommen  25  Cijmelia  26 
Triumphalis.  Von  diesen  Strassen  liefen,  wie  jetzt  feststeht, 
die  Portuensis  und  Campana  aus  der  porta  Portuensis  aus, 
oder  vielmehr  zweigte  sich  jene  wahrscheinlich  von  dieser  ab 
und  lief  hart  am  Fluss  jene  rechts  lassend  (A.  54),  das  Netz 
der  übrigen  Strassen  ist  nur  bruchstückweise  bekannt;  dass 
die  laniculensis  ein  anderer  Name  für  die  im  Verzeichniss 
fehlende  Vitellia  sei,  ist  unsicher  (Bd.  2,  236),  eine  Zweig- 
strasse nmss  sie  sein  wie  diese.  Das  Verzeichniss  kennt  also 
zwischen  porta  Flammia  und  Portuensis  nur  eine  Hauptstr^se, 
die  Aurelia,  und  zwei  anderweitig  als  hierhergehörig  bekannte 
Zweigstrassen,  die  Cornelia  und  Triumphalis.  Es  steht  nun 
nach  den  Itinerarien  fest,  dass  diese  eine  Aurelia,  deren 
Alter-  und  Erbauer  wir  nicht  kennen,  nach  Centumcellae  und 
weiter  bis  nach  Genua  lief.  Es  ist  deshalb  mit  Recht  an- 
genommen worden,  dass  die  Bezeichnung  vetus  et  nova  nur 
von  dem  Auslaufen  der  Strasse  aus  der  Stadt  verstanden 
werden  könne.     Der  Neubau  muss  vor  Antoninus  Pius  ge- 


^ 


§  6.]  DIE  AURELUNISCBE  MAUER.  379 

sehehen  sein  (A.  50).  Man  nimmt  j^tzt  ferner,  wie  eg 
scheint,  allgemein  an,  die  vetm  sei  Ober  das  Janiculum  ge- 
lafafen  und  habe  die  Errichtung  und  Benennung  der  forta 
Aurdia  bedingt,  die  nova  von  der  Engelsbröcke  aus  durch 
Porta  Cavallegieri;  beide  bStten  sich  jenseits  des  Janiculum 
Täreinigt.  Es  scheint,  dass  Funde  alten  Pflasters  in  den  er- 
wähnten Richtungen  den  einzigen  Anhalt  für  diese  Ansicht 
bilden,  dazu  die  Erwägung,  dass  eine  Strasse  nach  Centunir* 
cellae  ursprünglich  kaum  anders  als  über  das  Jadicolüm  ge- 
führt werden  konnte,  sollte  sie  sich  nicht  von  der  Campana 
am  FIuss  abzweigen,  und  dass  nach  Erbauung  einer  der 
beiden  Brücken  in  der  Nähe  des  Vafticans  zur  Vermeidung 
der  steilen  Steigung  üfber  den  höchsten  Punkt  des  rechts- 
seitigen Höhenzuges  eine  zweite  Strasse  bis  jenseits  desselben 
angelegt  wurde.  Innerhalb  der  Stadt  hat  man  eine  alte 
Pflasterung  in  der  Richtung  von  P.  S.  Pancrazio  nach  Ponte 
rotte  geftinden:  diese  hi^  man  für  die  vetas,  die  also  auif 
dem  linken  Ufer  aus  porta  Flumentana  ausgelaufen  sein 
würde.  Indessen  müsste  dann  Ponte  rotte  nicht,  wie  wir 
annehmen,  pons  Probt  sein.  Dass  in  späterer  Zeit  eine  Strasse 
auch  zu  dieser  Brücke  geführt  haben  muss,  versteht  sich  von 
selbst:  die  Awrdia  aber  konnte  über  die  Insel  oder  über  den 
pwu  Awrüm$  laufen,  lieber  die  Cornelia  und  Triumphalis 
unten").  ■ —  Wie  unsicher  also  auch  die  topographische  Be- 


^  Soviel  ick  weiss,  beruhen  die  Ansiehten  der  Neuereii  (ich  kaoB 
GaniatB  Etraria  marittina  jetzt  leider  nicht  benutzen,  indessen  hat  er 
seine  Ansidit  in  der  Indicaziene  S«  599  f.  kurz  angegeben)  über  die 
Verzweigung  dw  beidev  j4urdiae  jenseits  des  Flusses  ledigHch  auf 
Fufaretti  (A.  49).  <  Den  Brbaner  der  Aurdia  kennen  wir  nicht.  Fa- 
bretti  S.  43  argnnentirt  so:  sie  sei  sehr  alt  (?),  habe  also  nur  über 
den  pen$  siMcius  fuhren  körnen;  diesen  hUter  für  Ponte  rotte i  *dum 
htoe  rectum  tritiimqne  in  Btrurian  maritimaia*  iter  conspicimus,  ut  ex^ 
eavatio  inter  viUam  Marehionis  de  NobiÜbus  et  coeniHiiiim  S.  Petri  in 
Monte  anreo  et  novissima  viae  sfliee  stratae  ezinde  yersus  eeelesiam 
mosiaiinm  SS.  Cosmatis  et  Damiani  ipsumqne  sublieium  tendentis  de- 
teetio  aperte  doeent.^  Diese  Strasse'  hätten  sehen  die  Vestalinoen,  als 
sie  nach  Caere   flüchteten,  eingeschlagen  uod  diese  Aurelia  sei  also 


380  THEfL  L 

fttimmung  der  beiden  AureUae  ist,  so  ist  es  doch  unleugbar, 
dass  die  Benennung  der  honorianiscben'  parta  Äwrelta  von 
der  via  Äurelia  vetus  im  5.  Jahrhundert  die  grösste  Wahr- 
scheinlichkeit hat,  und  dass  demnadi,  wenn  Prokop  ina  6. 
Jahrhundert  dieselbe  nur  mit  dem  Heiligennanken,  die  paria 
S.  Petri  aber,  welche  mit  der  via  ComeUa  in  Verbindung 
steht,  Äurelia  nennt,  dieser  Name  in  jener  Zeit  wegen  der 
stärkeren  Benutzung  der  bequemeren  via  Aurelia  nova  in 
Aufnahme  gekommen  sein  muss.  Ich  mache  endlich  noch 
darauf  aufmerksam,  dass  das  vorliegende  Quellenmaterial  noch 
nicht  gestattet  zu  entscheiden,  (d),  wie  zu  erwarten  wäre,  die 
über  den  Tiber  führenden  Strassen  wie  alle  übrigen  von  den 
Thoren  der  servianischen  St^tmaner  ihre  Meilen  gezählt 
haben  ^% 

Auf  dem  Jünken«  Ufer  muss  die  Mauer  gegenüber  dem  Ende 
auf  dem  rechten  wied^  begonnen  und  sich  bis  zur  parta 
Flamma  fortgesetzt  haben.    Die  Einsiedlef  Beschreibung  giebt 


uralt  (Liv.  5,  40  CIL  1  p.  285  Elog.  XXV  ^  ÖL  6,  1,  1272).  Aber 
die  Bestimmung  des  pons  sublicüis  ist  falsch  (§  7),  eine  von  dem  wah- 
ren pons  suhlicius  über  das  Janiculum  führende  Strasse  muss  allerdings 
alt  sein.  —  Strasse  von  Porta  S.  Pancrazio  über  Ponte  rotte  (Forum, 
Snbnra)  nach  Porta  nuggidre  beschrieben  iin  Eins.  hin.  tk*  6  (Bd.  2,  193). 
M)  Vgl.  oben  S.  334«  Die  Kirehe  S^^Pancrazio  liegt  Hof  4er  hen- 
tigeo  Strasse^  mag  man  sie  über  Ponte  rotte  oder  über  die  Insel  füh-> 
ren,  etwas  über  1"%  Miglien  vor  dem  in  Betracht  kommenden  Thore 
der  servianischen  Stadt,  der  Flumentana  (§  3  A.  75):  dazu  stimmt  die 
Angabe  des  Liber  pootificalis  A.  52.  litr  Arvalenhaio  (ia  der  Vigna 
Ceccarelli)  liegt  an  der  via  Campana^  nach.  Henzen  jenseits  des  6.  Meilen- 
steins vor  poria  Portumuis  (idi  messe  bei  Holtke  wie  anf  der  fvan- 
zesischen  Generaktabskarte  nur  4^  vor  poirta  Portes«^  4^  vor  der 
Porttienns).;  es  müsste  also  die  «.  CampemtL  ihre  Meilen  Von  dem  Punkt 
der  Abzweigung  von  der  b ^üter eh  PoHuentis  an  gezahlt  haben,  da  ja 
die  parta  Portuensis  zu  jenier  Zeit  nicht  existirte  und  auch  später  die 
Meilen  stets  von  den  aUen  (serviaaisehen).  Thoren  gezahlt  worden 
sind.  Das  zweibogige  Thor  (bben  A.  45)  würde  also  an  der  Stelle  der 
TrennuBg  errichtet  worden  sein.  -^  Noeh  unsieherer  steht  es  mit  der 
Zählung  der  ComeUa  (unten)*  —  Die  jiemiäia  zählte  als  Fortsetzung 
der  Fiaminia  die  Meilen  der  letzteren  weiter  (Mommsen  Staatsrecht 
2,  997). 


§  6.]  DIE  AURELIAiNföOHE  MAUER.  381 

ihr  Tom  Fluss  bis  mr  Brücke  von  S.  Petor  (1200  M.)  9 
Thurme  489  Zinnen^  ron  ^  »ach  der  porta  Flaminia  (1600 
M.)  16  Thurme  782  Zinnen.  Wir  erhalten  also  ab  Durchs 
schnittsabstand  der  Thurme  auf  der  ersten  Strecke  133,  auf 
der  zweiten  100  M^  als  Durchschnittsgr^sse  der  Zinne  dort 
%  4y  hier  2,  0:  d.  h.  die  Thurme  standen  auf  der  ganzen 
Streck«  um  das  fünf-  und  vierfache  so  weit  wie  gewöhnlich. 
Die  ZiBiienbreite  ^ifernt  sich  auf  der  zweiten  Strecke  nicht 
unbedeutend  von  der  normalen.  —  Prokop  beschreibt  zwei- 
mal die  Mauer  zwischen  der  Engelsbrucke  und  der  Porta  del 
Popolo  fast  mit  denselben  Ausdrucken:  man  habe  sie  wegen 

des  vorbeifiiessenden  Stroms  für  kaum  angreifbar  gehalten 
und  daher  in  der  Regel  schwach  besetzt.  Aber  an  der  zweiten 
Stelle  fügt  er  noch  bestimmter  hinzu:  sie  sei  nachlässig  ge- 
baut gewesen,  'niedrig  und  ganz  von  Thurmen  entblosst'. 
Wer  nun  annimmt,  dass  .diese  Worte  buchstäblich  richtig 
ajnd  u^d  vo9  der  Brücke  his  dahin,  wo  die  Mauer  den  Fluss 
verliess,  in  der  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  kein  Tfaurm 
stand,  hat  der  Einsiedler  B)sschreibung  gegenüber  die  Wahl 
zwischen  zwei  Möglichkeiten :  ist  sie,  wie  wir  annehmen,  alten 
Ursprungs,  so. müssen  zwischen  403  und  der  Zeit  Prokops 
16  Thurme  spurlos  vensehwunden  sein;  ist  sie  mittelalter- 
lichen Ursprungs,  so  müssen  zwischen  dem  6.  und  der  Mitte 
des"  9.  Jahrhunderts  16  Thurme  ganz  neu  erbaut  worden 
sein.  Mir  scheint  das  Eine  ebenso  unmöglich  wie  das  Andere. 
Wer  sollte  w(dil  gerade . an  der  'schwer  angreifbaren'  Fluss- 
Seite  alle  Thurme  zerstört  haben,  so  dass  von  ihrer  Existenz 
keine  Kunde  blieb?  Aber  wie  ist  es  andererseits  denkbar, 
dass,  während  der  Restaurationsbau,  durch  welchen  unter 
Leo  IV.  15  Thurme  im  ganzen  Umfange  der  Stadt 
wieder  heirgesteUt  wurdet,  .YOi\  den  Geschichtsschreibern  der 
Curie  wie  alle  Bauten  der  Päpfste  mit  grös&ter  Uhiständiich- 
keit  beschrieben  wird,  der  Neubau  von  16  Thürmen  an  der 
Wasserseite,  d.  h*.  die  Herstellung  eines  ganz  neuen  Ver- 
thßidjgungssystems,  von  ihnen  gar  nicht  erwähnt  worden  sein 
sollte?  .  Noch  mehr:  sollten  wirkUch  die  Erbauer  der  Enceinte 


382  Tii£'^  I  •  ' 

eine  Strecke  yqH'  IjßOO  H.,ain  Fluss  guiz  ohne  Tburme  er- 
baut haben,  während  sie,  die  ent^prectieade  Sirecke  unterhanb 
der  Stadt,  mit  Thurmen  versahen,  aber,  wie  die  Natur  der 
Sache  es  mit  sich  brachte,  die  Bistaneen  derselben  unge- 
wöhnlich weit  nahmen?  Diese  Grfinde  machen  es  mir  un* 
möglich,  die  Worte  Prokops .  als  eine  buchstäblich  richtige 
Beschreibung  der  Mauer  zwischen  der  Engelsbrücke  und  der 
Porta  del  Popolo  anzusehen«  Obwohl  ich  nun  eine  .genügende 
Erklärung  des  scheinbaren  Irrthums  nkbt  geben,  kami,  so 
muss  doch  hervorgehoben  werdem,  dass  die  stilistische  Zer- 
fahrenheit des  Prokop  wohl  geslattejt,  eine  ungenaue  V^all- 
gemeinerung  des  nur  für  einen  Tbeil  jener  Mauerstrecke  zu- 
treffenden Ausdrucks  anzunehmen '^^). 

^^)  Maa  betrachte  die  ganze  Geschichte  bei  Prokop  Gotfa*  2,  9 
S.  183  im  ZusammenhaDge:  Vitiges  versacht  vergeblich  die  porta  Pin- 
eiOTid  ZQ  nbermmpeln^  darauf  ersinnt  er  neue  List  gegeA  den  n^QfßoXog: 
7Ut\  fjv  yaq  us  «vr^  Intfiuxoi  fictliara  fjtcH^^  tji  tov  Tfßi^t^o^  17  ^«^ 
iatiVf .  Inel  tccvjti  ol  nalai  'Puf(LialQi  (A«  -  65)  ^qawhni^,  rov  vi^fxxos 
7^  6xi'Q(ifi(XTi  TÖ  leT^os  änrjfiilijfi^vüßg  iöeifunno^  ß^X^  ^^  avro  x«l 
nvQy(ov  €Qrj(4.ov  TtavTanuai,  notriaa/^evoi  ^^ov  h&ivöe  ijXmCs 
rriv  noXiv  alqriaeiv.  ov^k  yoiQ  ov^i  tl  (fvXaxrrJQiov  Xoyov  a^iov  iv- 
ruvd-a  UTvxfjxev  elvac.  So  Diadorfs  Text  ohne  Konstruktioa  und  Iiter- 
pnnktion.  Vielleicht  ist  vor  ^ifav  etwas  ansgefaUen.  Ob  fiQciX^ 
(niedrig)  Tf  avxo  xal  n.  L  richtig  ist,  kötq^e  auch  bezweifelt  werden: 
ist  es  richtig,  so  heisst  freilich  nvQytov  i.  n,  ebenso  ^ie  av^qwv  L  n, 
(S.  28,  8)  *ganz  leer  an'.  Weiter  wird  erzählt:  zwei  Römer,  welche 
bei  S.  Peter  wohnen,  werden  bestimmt  mit  Wein  Nachts  naqa  lovg 
ixaCvTji  (f'^ovQovg  zu  gehen  und  in  denselben  einen  Schlaftrunk  za  thun. 
Der  Feldherr  selbst  harrt  äxctjov^  X&d^(^  iv  t^  ir^ip^  ^X^  ^^  Ttt^a'* 
axiv^  TtoiTjadfievoc  um,  wenn  die  WlM^hter  schliefen,  auf  ein  Zeidien 
Svv  xXifiafi  tov  notafjLOV  ^vaßaCvQtmag,  Tqv  l^£&e0iV  i^  negtßoXip 
noii^Gaad-ai.  Aber  der  Plan  wird  verrathen.'  Ganz  ähnlich  schildert 
er  in  der  A.  61  erörterten  Stelle  die  Mauer,  scbweigt  aber  über  die 
Thurme.  Aber  wo  wurden  die  (fiivXttxt^^ta  untergebracht? —  Jeu« 
Stelle  'besonders'  soll  aaeh  Gott  S.  11  (s.  A.  49)  beweisen,  daas  die  Mauer- 
beschreibung, mittelalterlich  sei:  sie  könne  ja  aus  den  'päpstlichen  Ar- 
chiven' stammen.  Aus  diesen  Archive;!  stammt  z.  B^  die  Nachricht  über 
Leo  IV:  XF'  a  solo  turresy  quas  fundäus  dirutäs  repperU,  novis  fabri- 
6U  restaurari  praecepit  (Liber  pont.  Leo  IV  c.  38,  3  S.  90  Vign.) 
Während  es  nieht  für  nöthig  befunden  worden  ist  eine  der  vorliegenden 


§  6.]  DIE  AURELIANISC^E  MAUER.  883 

Mauer  •  und  Thdrme  seheiaen  l^jei  Galegenheit  des  Ab- 
bau^es  des  Marsfeldea  zerstört  worden  za  sem:  eine  unsichere 
V^nnuthuQg.  bezeicboet  'Tor  di  Nona'  als  einen  der  alten 
Thorme.  WieTid  etwa  von  den  allentbaUien  längs  des  Ufers 
sichtbaren  Resten  Ton  Ziegelmauern  d«n  Fundamenten  der« 
selben  angehört,  ist  noch  nicht  genOg^^d  uatersucht.  —  Die 
Einsiedler  Bescbreibang  zahlt  femer  auf  dem  linken  Ufer  vom 
Tiber  nach  der  Petersturucke  2,  von  da  nach  p»  Flaminia  3 
^Pf Örtchen'  (p^st^rulaet  mittelalterlich po^emae  Bd.  2,  167), 
welche,  also  hi  Friedenszeiten  ilie  Kommunikation,  mit  dem 
Flass  unterhielten.  Eine  der  beiden  des  ersten  Abschnitts 
scheint  bei  $S.  Faustina  e  Giovtta  zu  suchen  und  hiess 
im  Mittelalter  po$tenda  de  Epmofo^  die  zweite  hat  man  bei 
SS.  Giovanni  de'  Fiorentini  vermuihet:  jedesfalls  hat  die 
neronische  Brücke,  zu  der  sie  4aw  gefuhrt  hätte»  im  J.  403 
langst  nicht  mehr  bestanden  ($  7).  Von  den  drei  des  zweiten 
Abschnitts  kennt  man  zwei  mit  ihren  mittelalterlichen  Namen, 
postervfo  jSL  Agathas  und  f.  a  Pifm^  beide  unterhalb  der 
beutigen  ßipetta,  die  dritte  nicht '^). 

Während  die  übrigen  2!ur  Zeit  der  Anlage  der  Befestigung 


ähnliche  ßtschreihvog  4w  Mauer  der  civüat  Leonina  zu  eatwerfen 
(Bd.  2,  160  f.),  sollten  bei  Gelegenheit  einer  stellenweisen  Restanration 
der  alten  Mauer  die  Zahlen  der  Zinnen  von  Thor  zu  Thor  festgestellt 
worden  sein?    Die  übrigen  Beweise  muss  ich  abwarten. 

W)  Heber  die  nvlidig  Prokops  AÄ.  20.  23.  —  lieber  die  posferula 
qu€  voeatur  de  Episcopa  {Utk.  v.  1^12  Gralletti  Primic.  244  vgl.  81) 
vgl.  Nibby  IL  «.  1,  137,  —  Dnrdk  die  posterula  S.  ^gathae  drang  bei 
Ueberschwemmungen  der  Fluas  in  das  Marsfeld  und  ergoss  sieh  nach  S. 
Lorenzo  in  Lucina:  Liber  pont.  Sergius  IT  c.  22  (3  S.  51),  Nicolaus  c. 
15  (3  S.  178),  ßenediet  III  c.  23  (3  S.  159).  D«eseU)e  und  die  p.  a 
Pigna  cum  ecclesia  S-  ßfasii  nennt  die  Bulle  Agapets  v.  955:  worüber 
Nibby  a.  0.  S.  138.  —  Der  Ordo  Benedicti  nennt  auf  dem  Wege  zur 
Engelsbrücke  i^.  Trifenem  iuxta  posterulas  (Bd.  2,  665),  welche  Kirche 
nach  Galletti  Priraic.  166  'ora  e  incorporata  nella  gran  fabhriea  di  S. 
Agostino\  —  Einige  wohl  erst  später  gebrochene  und  dann  wieder  ver- 
mauerte Pfdrtchen  beschreibt  Nibby  Mura  (S.  320.  341.  344.  356).  — 
Uebrigens  höre  ich,  dass  von  Gorvisieri  eine  gelehrte  Arbeit  über  die 
posterulae  zu  erwarten  ist.    • 


3g4  TBBIL  1. 

existirenden  Flussöbergänge  des  Stadtgebiets  —  Ponte  Sisto, 
die  InselbröckeD'  und  Ponte  rotto  —  innerhalb  der  beim 
Eintritt  und  Austritt  des  Flusses  durch  besondere  Vor- 
kehrungen geschätzten  Befestigung  lagen,  führt  die  Brücke 
Hadrians  ungedeckt  auf  das  rechte  Ufer.  Aber  es  bot  sich 
in  einer  Entfernung  von  35  M.  von  der  Brücke,  genau  in 
der  Axe  derselben  liegend,  das  Grabdenkmal  des  Hadrian  mit 
seinem  quadratischen  Unterbau  von  90  X  90  M.  Grundfläche 
und  dem  auf  demselben  stehenden,  die  Stadtmauer  hodi 
überragenden  cy]inderf5rmigen  Oberbau,  eine  fertige  Bastion 
von  solidester  Konstruktion  als  natürlicher  Brückenkopf  dar 
und  wurde,  wie  andere  Grabdenkmäler,  ein  Theil  der  Be- 
festigung. Wie  dies  geschehen  sei,  beschreibt  Pxokop  deut- 
lich: das  'ausserhalb  des  aurelischen  Thors'  stehende,  *  einen 
Steinwurf  von  der  Stadtenceinte'  (des  linken  Ufers)  entfernte 
Denkmal  wurde  mittels  zweier  'von  der  Enceinte  bis  zu  dem- 
selben reichender  Befestigungen'  zu  einem  Theil  der  Stadt- 
mauer gemacht  und  glich  so  einem  hohen  '|dem  dort  befind- 
lichen Thor  vorgelegten  Thurme\  Da  sich  zwischen  der 
Enceinte  und  dem  rechtsseitigen  Fort  mit  seinen  beiden 
Schenkelmauern  der  Fluss  und  die  Brücke  befinden,  so  muss 
wohl  auch  hier  durch  Eckthürme  auf  beiden  Ufern  die 
Deckung  des  Flussübergangs  und  Sperrung  des  Flusses  her- 
gestellt worden  sein.  —  Genaueres  erfahren  wir  durch  die 
Einsiedler  Beschreibung.  Nach  derselben  befanden  sich  — 
wie  man  auch  die  Stelle  abtheilen  mag  (unten)  —  'am 
Hadrianium  6  Thürme  164  Zinnen*  und  die  entsprechende 
Anzahl   Fenster").     Die   normale   Zinnenbreite   von   2,  50 

^)  Prokop  1,  22  S.  106:  Mqutvov  rov  ^Pvifiattov  avToxQaTOQoc 
tonfog  ?|(ö  nvXfjg  AvQijlCttg  iaxlv  anix^v  xov  niQtßoXov  otfov 
Xt&ov  ßolTjv,  ^iafitt,  Xoyov  a^iov.  TtiTiodjTai  yaq  ix  Xi9ov  UaQlov 
xa\  ol  XiS^oi  ig  aXXi^Xovg  fiefivxccaiv  ov&^v  SXXo  ivrog  ^x^vrsg.  nXBv^al 
T€  aifTov  Tiaaaqig  etotv  tffai  ttXX^Xatg,  ivQog  fiiv  axs&ov  Tt  ig 
Xld-ov  ßoXfjv  ix  dar  71  ?;foi;(ra,  firjxog  &h  VTiho  t6  tr^g  noXicag  reixog. 
aydXfima  dk  äv(0  ix  Xi&ov  etal  rov  avtov  dv&QtSv  re  xal  tnntov  Stcv^ 
fidaia  oia,  tovtov  ^tj  tov  rdfpov  ol  ndXai  avd-qontoi  {(.66x€i  yctQ  rjf 
noXii  innsCxiOfia  elvai)  rsix^afiaat  dvo  ig  avtbv  an 6  tov  nsgiflo- 


§  6.]  DIE  AURELIANISCHE  MAUER.  385 

setzt  för  den  hier  beschriebenen  Abschnitt  der  Mauer  eine 
Lange  Ton  390  H.  voraus.    Nun  war  noch  im  Ausgang  des 
Mittelalters,  wie  früher  ausfuhrlich  gezeigt  worden  ist  (Bd.  2, 
430  ff.),  der   quadratische   Unterbau  des  Grabmals  mit  4 
Eckthürmen  und  Zinnen   versehen.    Nimmt   man   an,   dass 
jene  beiden  Schenkelmauern  in  gerader  Linie  als   Verlange« 
rangen  der  Ost«  und  Westseite  des  Unterbaus  bis  zum  Fluss 
liefen,  so  wurde  die  Befestigungslinie  dieses  Aussenwerks  eine 
Länge  von  340  M.  gehabt  haben.    Die  wahrscheinlichere  An- 
nahme, dass  sie  in  ausspringenden   Winkeln  oder  stromauf- 
und  stromabwärts  weiter  ausgreifend  ein  grösseres  Vorterrain 
deckten,    nähert  dieses  Maass    dem  geforderten  noch  mehr. 
Waren  ferner  jene  4  Thärme  an  den  Ecken  des  Unterbaus, 
wie  es  sehr  wahrscheinlich  ist,  ebenfalls  alt  oder  auf  alten 
Fundamenten  wieder  hergestellt,  so  bleiben  uns  noch  2  von 
den  in  der  Beschreibung  aufgeführten  6  Thürmen  übrig  und 
wir  dürfen  sie  als  Eckthürme   gegen  den  Fluss  betrachten. 
Jede  Schenkelmauer  wäre  also  von  2  Thürmen  in  der  nicht 
ungewöhnlichen  Distanz  von  35  M.  gedeckt  worden.  —    Das 
Bild,   welches  wir  uns  aus  der  Einsiedler  Beschreibung  von 
dem  Brückenkopf  der  Engelsbrücke  machen  können,  stimmt  also 
zu  der  Beschreibung  Prokops,  wie  zu  erwarten  war,  sehr  gut. 
Allein  weder  die  eine   noch  die    andere  giebt  ein   direktes 
Zeugniss  darüber,  wo  das  Stadtthor  gestanden  hat:  wir  sagen 
das    Stadtthor,   denn   allerdings   beweisen   beide    (über  die 
Einsiedler   Beschreibung  A.  62),  dass   nur   eins    an  dieser 
Stelle  gewesen  ist.    Die  Schwierigkeit  aber  besteht  darin,  dass» 

Xov  dtfixovai  fiäQos  elvtti  jov  x^Cxovg  nenoCrp^ai,  ^oix€  yovv  nvqy^i 
vy/ijl^  nvXirig  jijs  ixelvrji  nQoßeßXrifi4v(^.  —  Eins.  Beschr.  18 
(Bd.  2,  580):  in  Hadrianio  sunt  (s.  A.  62)  turreg  FI  fropugnacula 
CLXIIl  fenettrae  u.  s.  w.  —  Der  Ausdruck  ot  ndXai  ävd^^noi  eot* 
scheidet  nicht,  ob  Aurelian,  Probns  oder  Honorius  das  Vorwerk  ange- 
Ufß  hat  (A.  66).  Kein  Grund  gegen  die  Anlage  unter  Aurelian  ist, 
wie  schon  Büchner  a.  Oi  S.  198  f.  richtig  bemerkt,  dass  das  Hadria- 
nmm  ein  Grab  ist  (s.  jetzt  A.  10):  für  die  ursprüngliche  Anlage  spricht 
der  hervorgehobene  Umstand,  dass  der  Schutz  der  Flussübergange  zu 
dem  Befestigungssystem  gehört. 

Jordan,  rOmiBohe  Topogpraphie.    I.    !•  «^ 


38e  THBIL  I. 

wenn  das  Thor  in  der  westlichen  Sdienkelmauer  stand,  nicbi 
allein  die  Ausdrücke  Prokops^  clie  Engelsburg  stehe  ^ausser- 
halb des  aurelischen  Thors'  und  sei  'ein  demselben  vorge- 
fegter  Thunn'  unverstandlich  «ind,  sondern  auch  die  wunder^- 
lielie  Annahme  nothwendig  wird,  dass  der  Zugang  zur  Brücke 
von  der  Stadt  her  der  Sache  nach  ein  die  Maner  durch- 
brechendes Thor  ist,  ohne  als  solches  angesehen  zu  werden  ^^). 
Dann  bleibt  die  Auswahl  unter  zwei  Möglichkeiten:  entweder 
war  eben  dieses  Thor  am  Eingang  der  Brücke  die  portä 
Awrelia,  oder  aber  es  stand  am  Ausgang  der  Brocke  und 
die  Yerbindungsmauem  der  Engelsburg  hatten  Anschluss 
an  seine  Thürme^^).    Die  Angabe  Prokops,  dass  das  Grab- 


^)  Die  Ausdrücke  Prokops  sisd  A.  57  «sgefUhrt  and  von  Bachaery 
welcher  das  Thor  auf  das  rechte  Ufer  an  den  Anfang  der  Brücke  setzt, 
a.  0.  S.  197  richtig  beartheilt.  Gott,  welcher  das  Thor  in  der  Schenkel- 
mauer sucht,  muss  den  Ausdruck  i^o)  nvlrjs  uivgrjXiag  trotz  alles  Dre- 
hens  -und  Wendens  für  ^vitios'  ^klären. 

^)  Mit  Unrecht  sagt  Büchner  a.  0.,  dass  der  Ausdruck  des  Aethi- 
eus,  (der  Plnss)  mtrai  p6r  fortam  S.  Petriy  für  das  rechte  Ufer  'e^t- 
scheide '  (A.  61),  bemerkt  dagegen  richtig,  dass  die  Annahme,  das  Thor 
habe  auf  dem  rechten  Ufer  an  der  Brücke  gestanden,  nicht  durch  die 
Gegenüberstellung  der  nvlri  vtiIq  tov  norafiov  (S.  Pancratii)  bei  Pro- 
kop  1,  23  S.  107  ausgeschlossen  wird.  —  Mittelalterliche  Zeugnisse: 
Ordo  Benedicti  n.  4  (Bd.  2,  664  ff.):  transienr  onAe  S,  Trifontm  wxU 
Posterulas  usque  ad  pontem  Badrianumy  intrat  per  poniem  ei 
eüpü  per  portam  ColUnam  ante  templum  est  castoüum  Hadriwii,  Diese 
Stelle  würde  für  das  12.  Jahrhundert  entscheiden,  wenn  die  durch- 
gängige UebereiustimmuDg  von  pseudoantiken  Namen  in  dieser 
Urkunde  und  in  den  Mirabilien ,  auf  welche  ich  früher  nicht 
gemerkt  habe,  nicht  allerlei  Zweifel  veranlasste:  die  Mirabilien 
nennen  die  porta  CoUina  ante  castellmn  Adriani.  Dann  die  schon 
Bd.  2,  430  angezogene  Urkunde  Von  984,  in  welcher  es  nach 
Coppis  Druck  (Diss.  dell'  ac.  pont.  15,  299)  heisst:  medietalem  de  terra 
sementarida  posüam  foris  porta  beatf  Petri  apostoii  ..  ..  (so) 
parietinas  que  appellardur  centucellas  hco  qui  vocatur  staCnello  et  intra 
affines  ah  uno  totere  terra  de  loharmes  tJlfft' g-enitori  tito  et  a  secund» 
et  tertio  vet  quarto  latere  parietinas  ahtiquas  et  via  que  ducit  ad  prata 
Dleronis  et  ad  porta  beati  Petri  ctpostoU.  Entscheidend  ist  die  Stelle 
bicht,  ebensowenig,  soviel  ich  sehe,  die  Geschichte  der  BelageruDg  des 
Desiderius  im  Liber  pont.  Steph.  III  c.  29  (2  S.  157  Vign.). 


§  6.]  DIE  AÜRELIANIßCttE  MAUER.  3g7 

mal  ausserhalb  das  Thors  einen  Steinwurf  von  der 'Eneeinte', 
»also  der  «linksseitigen  Mauer  stehe,  ist  auffallend.  Es  i^tebt 
van  der  finceinte  135  M.,  während  auch  die  Seile  desselben, 
welche  90  M.  lang  ist,  ^ungefähr  einen  Stein wurf  lang  ge« 
nannt  wird.  Stand  nun  das  Thor:  am  linken  Ufer,  so  hätte 
aUeräings  ein  korrekt  schreibender  Sehriftsteller  die  Ent- 
fernung von  dem  eben  genannten  Thor,  nicht  von  der  En- 
eeinte,  angegeben,  und  so  scheint  der  Ausdruck  für  die  Lage 
des  Tbdrs  auf  dem  rechten  Ufer  zu  sprechen:  aber  man 
fragt  nun  erst  recht,  warum  nicht  die  Entfernung  des  Grab- 
mals von  diesem  Thor  oder  vom  Flnssufcr  bemessen  wurde. 
Ein  mittdaUerliches  Zeogniss  aus  dem  12.  Jahrhundert  giebt 
die  Lage  der  ^porfa  Collina^  unzweideutig  auf  dem  rechten 
Ufer  an.  Aber  das  Zeugniss  selbst  entscheidet  nicht  für  das 
6.  Jahrhundert.  Beide  Annahmen  aber  versetzen  uns  in  die 
Lage,  einen  nicht  als  Stadtthor  geltenden  unbenannten  Aus- 
gang in  der  westlichen  Schenkelmauer  anzunehmen:  denn 
nur  ein  Thor  wird  hier  genannt.  Ich  halte  demnach  keine 
der  beiden  letzten  Annahmen  für  erweislich  richtig,  die  erste 
för  onmoglicfa.  Es  wird  trotzdem  nützlich  sein,  die  beiden 
HttupDquellen  noch  einer  genaueren  Analyse  zu  unterziehen. 

Die  Belagerangen  der  Stadt,  wekhe  Prokop  beschreibe^ 
haben  durchgangig  das  Ziel,  die  Thore  gewaltsam  oder  durch 
List  zu  öffnen.  Nur  ausnahmsweise  glaubt  der  Belagerer 
eine  besonders  schwache  oder  schwach  besetzte  Stelle  der 
Enceinte  ersteigen  zu  können.  Die  Beschretbung  des  Angnffs 
gegen  das  aurelisehe  Thor?^  wird  durch  die  bereits  erörterte 
Beschreibung  der  hier  ganz  einzigen  Vertheidigungswerke  ein- 


«•)  Prokop  1,  22.  Auf  eine  detaillirte  Beurthcilnng  der  abweichen- 
den Ansickten  verzicbte  ieh;  am  klarsten  spricht  über  die  selbst  weni^ 
klare  Darstellung  Becker  S.  196  f.  Bedenken  geg^en  den  Text  zn  erhe- 
ben, ist  b^i  dem  jetzt  vorliegeodea  Zostand  desselben  mtsslich,  die 
TOB  GÜtt  a.  O.  benatzteo  hs.  Hilfsmittel  ändern  an  4er  vorliegenden 
BesebreibiiDg,  wie  es  sdieiot,  Nichts.  Abskhtlieh  unterscheide  idi  im 
Fel^eaden  ^ennsQfßoloc^l»  'Enoeinte'  von  den  nicht  immer  in  gkieher 
Bedeutung  gdnranehten  Wörtern  rei^or,  ti^tafjut,  ^filaner',  ^Befestigung'. 

25* 


388  TBEIL I. 

geleitet  Dann  folgt  die  Erzählung  der  Angriffs-  uad  Vcr- 
tbeidiguilgsQperationen.  •—  Bolisar  ertheilt  zunächst  dem  Kom-« 
mandanten  der  EogelslHirg  den  Befehl,  '  dass  er  auch  d  i  e 
sich  anschliessende  Mauer,  welche  nur  eine  schlechte 
und  kaum  nennen» werthe  Besatzung  haite,  v^rtheidigen  solle. 
Denn  da*  auf  dieser  Seite  die  Enceinte  am  wenigsten  anp*eff- 
bar  war,  weil  der  Strom  daran  vorbeifloss',.  so  hatte  er  sie 
—  er  wiederholt  sich  hier  oder  der  Text  ist  interpolirt  — 
'nut  einer  kaum  nennenswejrthen  Besatzung'  versehen.  Fast 
mit  dendelben  Worten  scfaüdert  er  anderwärts  die  links- 
seitige Mauer  zwischen  der  Brücke  und  dem  fla- 
natinisehen  Thor:  es  ist  also  sicher,,  dass  hier  der  Theil 
der  Enceinte  gemeint  ist,  derv  an  der  Brücke  beginnend,  sidi 
stromaufwärts  zog^^).  Der  Kommandant  nun  hört,  der  Feind 
wolle  'einen  Flussübergang  versuchen'  und  begiebt  sich  des- 
halb scbneU  mit  einem  kleinen  Trupp  nach  dem  bedrohten 
Punkt,  die  Mehrzahl  erhielt  den  Befehl,  'das  Thor  und  das 
Grabmal'  zu  bewache.  'Da  greifen  die  Gothen  das  aurelische 
Thor  und  den  Hadriansthurm  an,  ohne  Geschütz  aber  mit 
Leitern  und  einer  Menge  Bogenschützen',  und  zwar  gedeckt 
durch  ihre  riesigen  Schilde,  4ind  'die  Halle,  welche  nadi  der 
Peterskirche  fuhrt".  Sie  machen  sich  daran,  die  Mauer  zu 
ersteigen:  sie  beschiessen  die  Zinnen  und  greifen  das  Grab 
von  drei  Seiten  her  an.  Aber  sie  werden  zurückgetrieben: 
denn  man  hat  die  Marmorstatuen  auf  dem  Grabmal  zer- 
trümmert und  schleudert  die  Stucke  auf  die  Angreifer  herab. 
In  diesem  Augenblick  erscheint  der  Kommandant,  'nachdem 
er  diejenigen^  welcbe  den  Flussübergang  versucht,  zurück- 
geschreckt und  leicht  verjagt  hatte,  weil  dort  die  Befestigung 
nicht  so  vollständig,  wie  der  Feind  geglaubt  hatfe,  unbewacht 
geblieben  war.    3o  blieb  man  beim  aureUschen  Thor  sicher; 

'       1      1*11  IM         II    ■         i4  >    I 


.  ^)  'Das8  die  (pvXaxti  tau  t^ixovg  tov  i^oftivov  (107, 11)  sieh  aof 
Aw  Mauer  stronnnfwärtB  bezieht^  beweist  die  folgeDdefieschreibuiig 
dieses  uixo^f  vgL  A.  55,  mni  des  versuchte«  Btromäbergaiig«^  der  in 
näelister  Nähe  der  Brücke  dodi<  schwerüob  -stiittfiDdeo  fconote.  Richtete 
9t,  sioh'gegdn  die  Brficke,  so  oniisste  diese  ärwIAat  werden. 


6.]  DIE  AUREL1AMSCHE  MAUER.  3g9 

der  Feind  aber  wandte  sich  nach  dem  Thar  jenseits  des 
Flusses,  dem  pankraziscben\  -^  Es  ist  also  klar,  dass  die 
Belagerer  in  zwei  Angriffskolonnen  gegen  das  aürelische  Thor 
vorgehen:  die  eine  versucht  dasselbe  mit  seinem  Vor'- 
i^erk  in  der  Front  zu  stÖrmen,  die  andere  durch  emen 
Str(Kmübergang  oberhalb  der  Brücke  und  Ersteigung  der  links^ 
zeitigen  Hauer  in  den  Rücken  desi^elben  zu  gelangen,  um 
es  vo:n  innen  zu  Offnen,  wie  dies  Ihnlieh  mit  dem 
ofttiensischen  Thore  versucht  worden  ist  Die  ganze  Er- 
zählung ist  a)so  mit  der  Annahme  vereinbar,  dass  das  Thor 
auf  dem  linken  Ufer  gestanden  hat  Doch  ist  eis  auflallend, 
dass  darin  der  Brücke  mit  keinem  Wort  gedacht  wird. 

Die  Einsiedler  Beschreibung,  deren  genaue  Angaben  über 
den  Zustand  des  Forts  auf  dem  rechten  Ufer  wir  kennen  ge- 
lernt haben,  besehreibt  die  Enceinte  von  dem  *  Petersthor' 
ausgehend  und  zu  ihm  zurackkehrend.  Ihr  erster  Abschnitt 
ireicht  vom  Petei^hor  nach  dem  ilaminischen;  von  da  führt 
sie  von  Thor  zu  Thor,  zwischen  dem  ostiensischen  and 
portuensischen  wie  zwischen  dem  aurehschen  (pankrazi^chen) 
und  ihrem  Ausgangspunkt  nennt  sie  den  Fiuss.  Sie  nennt 
ihn  nicht  wieder,  wo  wir  es  erwarten,  sondern  beschreibt 
nach  nochmaliger  Nennung  des  Petersthors  das  Aussenwerk. 
Spradilich  wie  sachhch  unmöglich  ist  es,  aus  der  durch  di6 
Sonderstellung  dieses  Werks  gerechtfertigten  besonderen  Be- 
sehreibung die  Erwähnung  eines  ^ Petersthors*  und  eines 
* Petersthoi's    am    Hadrianum'    herauszulesen:^^)   keine   An- 


B')  Die  Us.  hat  nach  dem  1&.  Abschnitt  a  flümine  Tiberi  usqut 
ad  portam  Sei  Petri,  wie  ich  Bd.  2,  580  oach  Dochmaliger  Einsicht  von 
Mommsens  CoUation  angegeben  habe:  PORTA  SCI  PETRI  \  (d.  hr. 
Zeilenschluss)  IN  HADRUNld  sunt  turres  FI  ppg.  CLXIIII  (das 
Folgende  fortlaofend) ,  was  GStt  (8.  2.  10  f.)  ni<iht  gelesen  zu  haben 
si^heiiit;  d.  b.  der  Schreiber  d6r-Hs.  selbst  theilte  so  ab,  wie  ich  S. 
167  vorschlug r  Pwia  S.  Petri\  in  Hadrianio  sunt  .  . .  Dass,  wenn  maii 
nach  Hadrianio  interpungirt,  iunf  tiirres  .  .  (wo  denn?)  sinnlos  ist 
und  dass  el»en  deshalb  PORTA  S,  PETRI  als  bcgreiflfche  Wieder- 
holung des  Ausgangspunkts  (vgl.  A.  65)  zu  betrachteb'  fst,  habe  ich 
a.  0.  gesagt  and  habe  d^m-  Nichts  hiflzazurdgfin.  -^  Die'Uebereinstim- 


390  THBIL  I. 

deutuDg  giebt  es  son»t,  welche  für  ein  solcbeft  Doppelthor 
und  gar  für  einen  solchen  Doppelnamen  spräche.  Die  ans 
derselben  Quelle  abgeleiteten  ThorT^zeichnisse  kennen  an 
derselben  Stelle  nur  ein  Thor  und  bezeugen  ausdrucklieb, 
dass  dies  Thor  bald  Cornelia  bald  5.  Petri  hiess ;  nur  ein»  er- 
wähnt Prokop  selbst  und  nennt  es  Aurelia  und  wir  dürfen 
aach  dem  oben  Gesagten  an  d^  Identität  der  Ci^meUa-Aurdiüi 
nicht  zweifeln.  Wenn  aber  in  der  That  hier  nur  ein  Thor 
vorhanden  war  und  dasselbe  in  der  Schenkelmauer  nicht 
gestanden  haben  kann,  so  bleibt,  soviel  ich  sehe,  wieder  nur 
die  Annahme  übrig,  dass  es  auf  dem  linken  Ufer  stand  und 
diese  Annahme  scheint  die  Einsiedler  Beschreibung  geradeza 
zu  fordern. 

Wir  haben  daher  auf  die  Frage,  wie  der  Ausgang  nach 
dem  Yatican  zu  denken  ist,  nur  zu  antworten,  dass  derselbe 
als  Stadtthor  nicht  betrachtet  wurde  und  finden  eine  Be- 
stätigung dieser  Meinung  gerade  darin,  dass  der  Angriff  der 
Gothen  gegen  das  'Denkmal  und  das  Thor'  gerichtet  wird  und 
dass  in  der  Beschreibung  des  misslungenen  Sturms  selbst  des 
Thorbaus  gar  nicht,  wohl  aber  der  bis  an  das  Aussenwerk 
reichenden  und  die  Angreifer  deckenden  Halle  gedacht  wird  ^'). 
—  Auf  dem  linken  Ufer  stand  unmittelbar  an  der  Brücke^ 
vielleicht  also  ähnlich  wie  der  Drususbogen  hinter  Porta  S. 
Sebastiane^  der  Triumphbogen  des  Gratian  Yalentinian  und 
Theodosius,  wahrscheinlich  nicht  weit  von  ihm  der  nur  zwei 
Jahre  nach  der  Einweihung  der  honorianischen  Mauer  dem 
Honorius  xmd  Arcadius  geweihte,  wie  die  von  ihnen  restau- 
rirten  Thore  mit  ihren  Bildnissen  geschmückt  ^^). 

mui^  der  Thorverzeichniise  ist  schon  hervorgehoben  worden.  Ueb#r 
CoUina  s.  S.  351.  • 

9*)  Prokop  S.  108  9  8:  vno  yoQ  j^-  m^  x^vnzofievot  iXa^opi 
^  is  tov  IHtqov  tov  anoaxoXov  vsmv  <f»}}9(&.  Dieselbe  portious  er- 
wähnt  der  Ordo  Benedicti  4.  5  (Bd.  2,  665).  Bachner  meint  «.  0.  S.  197 
es  habe  eine  nvX^  hinaasgefilhrt,  die  porta  S,  Peiri  in  Hadriamo.  In 
den  von  ihm  angezogenen  Stellen  des  Prokop  S»  131.  145<  148.  150. 
152  finde  ich  keine  Andeutung  derselben. 

^)  Der   Anonymus   der   Einsiedler   S«mmlang  las  (n.  7)  <in  «rcn 


§  6.]  DIE  AURELIANISCHE  MAUER.  391 

Born,  die  kaiserliche  Reflid€nzstadt,  das  Haupt  d«rWeU), 
bot   im  6.  Jahrhundert  im  Ringe  seiner  Bfsfejstiguiig,  welche 
schon  damals  als  das   Werk  der  'Alten'  bezeichnet  wurde, 
das   neue  Bild  der  Hauptstadt  der  christiiefaen  Welt  dar^^). 
Strahlenförmig  fihrten  aus  seinen  Thoren  die  alten  Strassen 
an   den  verfallenden  Gräbern  der  heidnischen  Zeit  hinaus  zu 
zu  den  'Ruhestätten'  und  Grabkirdien  der  Märtyrer,   weicli^ 
den   Thoren  ihre  Namen  aufdrängten.     Es  erschien  besonders 
bedeutsam,    dass  der  Strom  in  die  Stadt  trat,    wo    es    zum 
Grabe  des  Apostels  Petrus,  dass  er  sie  verliess  wo  es  zum 
Grabe  des  Apostels  Paulus  hinausging ;  auch  äusserlich  kenn* 
zeichnete  sich  dieser  Parallelismus  durch  die  Hallen,  welche 
zu  jenen  Gräbern  von  den  Thoren  führten   und  welche  von 
der  Menge  der   dort  verkehrenden  Gläubigen  Zeugniss  ab- 
legen.   Es  ist  daher  kein  Wunder,  dass,  während  das  Staats- 


intus  Romae'  die  Inschrift  v.  J.  405  (CiL  6,  1,  1196):   impjp.  clernen- 
tissimis  fdicissimis  toto  orbe  victoribus  ddd.  nn[n]  Arcadio  Honorio  Theo- 
dosio  Auggg\  ad  perenne  indicmm  triumpho[rum]f  quod  Getarum  natio- 
nem  in  omne  aevum  doc[u]ere  exti[ng^i\f  arcum  simulacris  eorum  tro^ 
paeuque  dec6rQ\tu'm]  s.  p,  q.  r.  totius  operis  splendore  .  .  .  und  ^io  arcu 
proximo   ponte    Petri'    die    andere   (das.   1184):    imperatores   Caesares 
ddd.   nun,    Gratianus  Falmtimanus   et    Theodosius  Pn  FeUces  semper 
Auggg.  arcum   ad   eoncludendum  omne    opus  porticuum  maximarum 
aetemi  nornmis   sui  pecunia  propria  fieri  ornariq{ue)  iusserunt.     Die 
Stelle  des  letzteren  ist  durch  die  gleichzeitigen  Angaben  des  Ordo  Be- 
nedict! und  der  Mirabilien  an  der  Brücke  und  bei  S.  Orso  (S.  Giovanni 
de  Fiorentini)  sicher  (im  CIL   findet  man  statt  dessen  die  Paraphrase 
der  Mirabilien,  den  Anonymus  Magliabecchianus  citirt),  die  Annahme 
der  Stelle    des    andern  in   nächster  Nähe  jenes  beruht  nur  auf  einer 
wahrscheinlichen  Kombination  von  De  Rossi  Le  prime  raccolte  S.  121. 
lieber  beide  das  Genauere  Bd.  2,  413  f.     Zu  bedenken  ist  doch,  dass 
das  Eins.  Itinerar  auf  dem  Weg  von  der  Bfücke  an   nur  einen  Bogen 
nennt,    lieber  die  porticus  maximae  Bd.  2,  7  u.  Th.  IL 

^^)  Die  Erbauer  des  neQißoXog  heissen  im  Gegensatz  zu  Belisar  ol 
naXat  'Pio/natoi  (Goth.  2,  8  S.  183)  oder  ot  ndXai  ävd-Q(onoi  (1,  22 
S.  107),  was  dadurch  nicht  an  Bedeutung  verliert  (wie  Buchner  S.  198  f. 
meinte),  dass  dieselben  Ausdrücke  auch  von  den  Erbauern  des  Viva- 
rium  (2,  1  S.  145)  und  der  vaticanischen  Vorstadt  (2,  HS.  187)  ge- 
braucht werden. 


892  THEIL  L 

handbuch  aus  der  Zeit  Constantins  des  Grossen  die  Heer- 
Strassen  von  der  ältesten  und  zugleich  der  ^Königin  der 
Stras8en\  der  appischen,  ausgehend,  aufzählte,  die  Beaiiiei- 
tungen  dieses  Handbuchs  und  deren  Ausschreiber  nach  dem 
Jahre  403  im  Hinblick  auf  das  damalige  Fremdenpublikom 
die  Aufzählung  der  Thore  und  Strassen  mit  &  Peter  odor 
S.  Paul  begannen,  ja  dass  jenem  der  Vorrang  eingeräumt 
worden  ist**). 


^)  S.  Peter  und.  S.  Paul  am  Kia-  und  Austritt  des  Flusses:  der 
sog.  Aethicas  S.  41,  dessen  Ausdruck  intrat  per  poriam  S.  J*etri 
übrigeDS  mit  keiner  der  Aniiahmen  über  die  Lage  des  Thors  recht  ver- 
einbar ist:  etwa  per  pontem  S.  Petrin  Die  Verzeichnisse  der  Einsiedler 
Sammlung  und  bei  Wilhelm  beginnen  mit  der  parta  Cornelia  ^=-  S,  P^ri^ 
das  sonst  übereinstimmende  der  Mirabilien  mit  der  Capena  (d.  h.  Osti- 
ensü)  B=  S.  PauU,  Es  zeigt  sieh  also  auch  in  diesem  Punkte  (vgl.  oben 
A.  46)  die  Selbständigkeit  des  Vf.  der  Mirabilien.  —  Die  Eins.  Be- 
schreibung hebt  die  porta  S,  Petri  durch  die  Stellung  und  die  Wieder- 
holung besonders  hervor  (A.  62):  ob  nur  letztere  oder  auch  erstere 
demjenigen  verdankt  wird,  der  die  Mauerbeschreibuog  mit  dem  Itinerar 
verband,  ist  nicht  zu  entscheiden.  —  (Jeher  die  Verbindung  der  christ- 
lichen Denkmäler  mit  dem  Regionenbuch  Bd.  2,  11.  146  f. 


§.  7. 

BRÜCKEN-,  UFER.  UND  HAFENBAUTEN,  KLOAKEN 

UND  WASSERLEITUNG. 

Das  Bett  des  reiasenden  Tiberstroms  ^)  hat  jetzt  im  Bereich 
deor  aurelianischen  Stadtmauer  eine  ziemlich  gleichmässige 
Breite  von  100  M.,  so  .jedoch,  dass  es  auf  einer  ganz  kurzen 
Strecke  längs  des  mittleren  Tbeils  des  Marsfeldes  sich  bis  zu 
60,  unterhalb  am  Emporium  bis  zu  75  M.  verengt.     Grade 


^)  Die  mehrfach  zu  benutzende  Hauptstelle  des  Aethicns   (hinter 

Gronovs  Mela  v.  J.  1696)  S.  40  f.  lautet:  fluvwrum  rex  puleher  Tiberü, 

cui  prtmatum  aeternae  urbis  Romae  singularit  tribuit  magnitudo,  nasci' 

tur   ex  monte   Apermino,    eurrü  miUia  CCCC.    per  urbem  sacram 

geminatur  et  facti  insulam  regioni  quartae  decimae,  übt  duo  pontes 

appellantur.    post  iterum,  tibi  urms  effectui,  per   pontem  Lepidi, 

qui   nunc  äbutive   d  plebe   lapideus  düitur,  iuxta  forum   bearmm, 

quem  Ca  |  cum  dicunt,  iransiens  adunatur,    gratUsimo  sono  depictus 

verticibtu  suorum  turbinym  et  maritimas  naves  suseipiens  et  medüer- 

raneas  adducens  y  de  Etruria  velSabiniSy  ingressus  per  domni  (so  die  Hs. 

hier  und  unten:  diui  der  Text)  apostcU  Petrip&rtam  (pontem?  §  6  A.  66) 

intra  Ostiemem  portam,  quae  e$t  domni  apostoli  PauH,  et  viam  Por- 

tuensem,  quae  est  sancti  FoeUeU  mm'tyru,  urbem  egredäur,  qua  naves 

de  Portu  urbis  ad  demmam  tottus  mundi  Jiamam  ascendunt.  hie  iterum 

circa  Sextum  Pfulippif  quod  praedium  missale  appeUatur,  geminatur  et 

in  duobus  ex  uno  effectus  insulam  Jäeit  inier  Por  tum  (so  die  Hs.: 

portam  der  Druek)  urbis  et  Osti4»n  cim'tatem,  uH  populus  Romanus 

cum  urbis  pra^ecto  veL  consule  Castorum  ,celebrandorum  cwsa  egredir 

dar  sdlennüate  iucunda,    insula  vero,  quam  /aeü  intra  urbis  Portum 

et   OsOam  civäatem,  tantae  viriditaHs  amoenäatisque  est,   ut  neque 

aestivis  mensibus  nepte  hiemaUbus  pasturae  admirabiles  herbas  dekabeatf 

Ha  autem  vemaU  tempore  rosa  vel  eaeteris  floribus  adimpktur  ut  prae 

mmietate  odoris  et  floris  insula  ipsa  elibanus  {Libanus  draekt  Gron.: 

verbessert  Bd.  2,  425)  almae  Feneris  mmcupetur* 


394  THEIL  I. 

da,  wo  die  nördliche  Befestigungslinie  der  servianischen 
Stadt  von  ihren  natürlichen  Unterbauten,  den  steilen  Hügel- 
rändern,  zum  Flusse  hinabsteigt,  hatte  derselbe,  als  er  seinen 
Lauf  gewaltsam  brach,  an  einem  Tufhugei,  welcher  die  west- 
liche Fortsetzung  des  kapitolinischen  zu  sein  scheint,  einen 
so  kräftigen  Widerstand  gefunden  (A.  14.  15.),  dass  die 
Wassermassen  links  und  rechts  ausweichend  sich  in  zwei 
Kanälen,  hvks  bis  «u  60,  rechts  bis  zu  45  M.  verengt,  hin- 
durchpressten  und  erst  nach  einer  Strecke  von  300  M. 
unterhalb  der  so  gebildeten  Insel  in  einer  strudeLreichen 
Stromschnelle  wiedervereinigen  konnten*).  —  Ob  und  mit 
welchen  Mitteln  die  Bewohner  der  Gaue  auf  dem  linken  Ufer 
mit  denen  auf  dem  rechten  einen  regelmässigen  Verkehr 
unterhalten  haben,  ist  natürlich  unbekannt.  Wenn  die  anna- 
listische Stadtgeschichte  König  Ancus  zum  Erbauer  ^)  der  ur- 
sprünglich einzigen  Tiberbrücke  macht  und  die  gelehrte 
Erklärung  des  vermeintlich  älteren  Argeeropfers  folgerecht 
<lie  ersten  Binsenpuppen  von  einer  eigens  zum  Behuf  des 
Opfers  errichteten  Interimsbrücke  stürzen  lässt,  so  hat 
dies  nach  unserer  Auflassung  nicht  die  geringste  Bedeu- 
tung. Dass  hingegen,  das  lateinische  Wort  pom^  Brücke 
(für  welches  jedesfalls  die  allgemeinen  Bedeutungen  Pfad, 
Steg  nicht  als   die  ursprünglichen  nachweisbar    sind:    viel- 


')  Die  Maasse  nack  den  Briicken  und  nach  dem  Censasplaa,  Etwas 
z«  gross  schätzt  Dionys  9,  68  die  ßreite  auf  4  Plethren  »»  120  M.  — 
Die  Stromschnelle  unterhalb  d«r  Insel  ist  für  die  Geschichte  des  Brüeken- 
baus  von  entscheidender  Wichtigkeit.  Dass  grade  an  dieser  Stelle 
die  Sehwierigkeiten  auch  für  eine  vorgeschrittene  Technik  kaum  tu 
tiberwinden  sind,  ist  öfters  bei  Gelegenheit  der  projektirten  Wieder- 
herstellung von  Poate  rotto  von  fachmännischer  Seite  (z,  B.  in  dem 
unten  a.  Gutachten  von  P.  Lauciani)  hervorgehoben  worden.  Ausser- 
dem vgl.  Preller,  Rom  u.  d.  Tiber  A.  164  (Berichte  d.  süclis.  Ges.  d. 
W.  1849,  136).  Leider  kann  ich  auch  für  diesen  §  die  Sobrift  voo 
Gamberiri  und  Ghiesa  (s.  §«.  i.  A.  11)  nicht  wieder  einsehen. 

')  Ueber  Aneus  als  Erbauer  der  Brücke  oben  S.  159 :  daher  das  erste 
Argeebo)[»fer  TOB  üempom  qui  nunc  gubUcius  ücüur^^id  temptu  instruäus 
dargebracht  ward:   Varro  b.Maerob.^.  1,  11,  47  vgl.  Bd.  2,  199.  282. 


§  7.]  BRÜGK&N.  395 

leicht  hat  es  ^Hängewerk'  bedeutet),  sich  auch  in  dein  oächsi* 
verwandten  oskischen  Dialekt  nachweisen  lässt,  während  das 
Griechische  wie  andere  verwandte  Sprachen  die  Bezeichnung 
der  Brficke  von  vers4^hiedenen  Wurzeln  gebildet  haben,  darf 
als  ein  wichtige^  Zeughiss  für  eine  den  liahkern  eigen* 
thumfiche  Technik  des  Brückenbaues  gelten.  Damit  steht  in 
Uebereinstimmusg,  dass  nach  einer  freilich  sehr  uBvoUstan-r 
digea  üeherlieferting  auch  die  Benennung  der  senkrecht  in 
das  Flu«sbett  eingearammten  Hohplahie,  von  d^en  als  dem 
charakteristischen  Bestandtheil  die  Tib^brücke  ihren  Namen 
pons  suhliems  hatte,  ja  vielleicht  dieser  Name  selbst  bei'  den 
Volskern  üblich  war*).    Vor  Allem  aber  wird  das  hohe  Alter 


^)  Es  ist  merkwürdig  fCAugi  dass  die  nächstverwandteu  Sprachen 
hier  auseinaodergeheo:  ,vgL  yiipvqa  uosicherer  Ableitung  (mit  yofxipos 
zusammenJiäQgend  ?   Cjortius  173)  und  die   dem  Slavischea,  Deatschea 
und  Gallischen  gemeinsamea  die  firöcke  als  'Braue  übßr  dem  Wasser- 
ange'  bezeichnenden  Wörter  (so  Fick  WB.  2,  420).  —  Oskisch:  ponttritm 
Stafianam  =  pontem  Stabianum  in  der  Wegebaninscbrift  von  Pompeji 
Fabr.  2785  =  Eph.  epigr.  2,  166  (vgl.  ßücheler  Jen.  L.  Z^1874  n,  567). 
Die    allgemein  angenommene  Herkunft  von  pont  von  ypät,  gehen  vgl. 
nazog,  durch  welche  gräkoitalisches  panti  Weg  »=  Brücke  begründet  wird 
(auch,  für  yi(fvqa  sucht  Gurtius  270  eine  ähnliche  Erklärung:  'Damm', 
vgl.  GQrssen  2,  179   Fi4;k  2,  142  u.  A.)  kaun  wenigstens  nicht  durch 
den   'älteren  Sprachgebrauch'  im  Lateinischen  gestützt  werden.    Denn 
pons,  Zugang  zu  dem  Abstimmuugsraum,  ist  metonymisch  aufzufassen 
und  verhältnissmässig  spätes  Ursprungs.  Auch  sonst. lässt  sich  keine  Spnr 
einer  ursprünglich  allgemeineren  Bedeutung  nachweisen.     Ich  schlage 
daher  die  Ableitung  von  pen-d'-eo  vor,  zu  welchem  pon-U  steht  wie 
zu  *min-eo  mon-ti  und,   was  den  Vokal  anlangt 5   zu  teg-o  tog-a,  — 
lieber  pon^  sublicius  s.  den  zerstörten  Artikel  des  Festus  293:  stibU'' 
dum  pon[tem  . . .  ptUant]  appellatum    [a  . . . .  ?  vo]\  oabulo  Fohco[rum 
quo  appeUant  ügna  1]  in  latütidinem  [externa  ...??]  ter  Formiam  . . , 
u.  s.  w.    (das  Folgende  scheint  nur  die  Verschiedenheit  der  Deklina- 
tion,  fiublioes    oder   sublicae,    behandelt   zu  haben).    Dass    das    Wort 
sublifia  technisch  den  senkrecht  eingerammten  tragenden  Pfahl,    nicbt 
den  Querbalken  bedeutet,  ergiebt  sich  wohl  mit  Sicherheit  aus  Caesar  Gall. 
4,  17.  7,  35  und  der  Glosse  sublices  xazaTirjyH'    Deutlich  gezeichnet 
sind  sie  auch  auf  der  A.  13  beschriebenen  Münze  des  Antoninus  Plus ; 
sie    eracl|«inett   hier   zu  dreien   verkoppelt   wie.  die  schräg  gestellten 
Träger  an. der  Rheinbrücke  Caesars.  Dionys,  der  sie  sah,  sagt  5,  24  z.  £, ; 


396  THEIL  L 

das  Bolzbrückenbaues  in  Italien  enviesen  durch  die  im  rö- 
mischen Staatskultus  festgehaltene  Technik  desselben.  Denn 
der  pms  sublicius,  welcher  Jahrhunderte  lang  die  einzige 
Brocke  Roms  gewesen  und,  auch  nachdem  steinerne  Brücken 
gebaut  worden  waren,  aus  religidsen  Gründen  erhalten 
worden  ist,  war  ohne  je^  Anwendung  von  Metall  herge- 
stellt und  musste  so  stets  erneuert  werden*^):  diese  Vor- 
schrift ist  unbedenklich  ebenso  wie  das  Verbot,  sieh  eiserner 
Werkzeuge  im  Gottesdienst  zu  bedienen,  aus  der  Unbe^ 
kanntschaft  derjenigen  Zeit,  aus  welcher  die  ftituaige^etze 
stammen,  mit  eisernem  Geräth  zu  erklären^).     Dass  nun  in 

nsgl  ToXg  vnBQsCafxaai  rtav  aavCStov  oxi^o^i^vog  6  ^ovg  o^vs  r^v  xa\ 
divag  inoUt  fjieydXag.    lieber  die  Etymologie   vgl.  Gorssen  1,  499. 

^)  Der  Beweis  ist  von  Piale,  Degli  aotichi  ponti  di  Roma  al  tempo 
del  secolo  V,  R.  (1828)  1832  S.  3  ff.,  und  unablia'ngig  von  ihm  voo 
Becker  De  mnris  S.  78  f.  (vgl.  Top.  S.  693  f.)  vollständig  geführt  wor- 
den. —  Die  jedesfalls  auf  Varro  zarückgehenden  Zeugnisse  (über  die 
Stelle  de  1.  1.  5,  83  s.  A.  8)  sind  folgende.  Diooys  3,  45:  xat  rrjv 
^uXCvriv  y€(f)VQav  7\v  avev  /alxov  xccl  cdSriqov  d-ifivg  vn  aurtov 
StaxQareZadre^  tdiv  ^vXwVy  txilvog  (Ancus  Marciiis'\.^7r«^fri/«e  Ttp  Ttßi' 
^€1  Xfyeraif  ^växQirov  nagovrog  dta(f>vXaTTov&lVy  iigäv  elvat  vofxl- 
tovreg.  si  di  rt  novrjtreiev  avtijg  /nigog,  ot  legotpavrat  ^fQanevovai 
S-v^Cag  rivag  InneXovytsg  afia  t^  xataaxevy  narqCovg.  Vgl.  5,  24: 
ivXoipQttxtog  (yitpvga)  ävev  <Si6riQ0v  Mefxivri  lalg  accvlffiv  avtalg, 
^v  xal  fi^XQ^S  ifjiov  toiixvTrjv  {pvX^ttovaiv  t>l  *Pmfi(dot.  Plinius  36, 
100  berichtet  über  die  Holzkonstraktion  des  Buleoterion  zu  Ryrikos 
$ine  ferreo  clavo  ,  .  ,  ut  eadmantur  trabes  sine  fuUutü  et  reponantur: 
quod  item  Romae  relig-iosum  est,  posteaquam  CocUte  Horatio  defen- 
dente  aegre  revuUum  est,  Plut.  Narna.  9  (die  hölzerne  Brücke  unter 
Obhut  der  isQsZg):  ov  yaq  &ifiiTov  dXX*  inctQatov  rjysta&ai  'Pta- 
(laCovg  trjv  xardXvaiv  rrjg  ^vXlvrjg  yetpvQag.  Xfytrai  Sk  xal  t6  nafA- 
nav  av€v  aiSijqov  xarä  Srj  rt  Xoyiov  (fvyy€yofJi(pm(T^at  jm 
roh  ^vXiov»  rj  ik  Xtd-lvri  u.  s.  w.  (unten  A.  21).  --  Zerstörung  dorck 
Ueberschwemmung  in  den  JJ.  561  {düos  pontes  Liv.  35,  21,  5  s.  A.  16) 
694.  722.  731.  4  n.  C.  (Dio  37,  58.  50,  8.  53,  33.  55,  22)  69  n.  C. 
(Tac.  Bist.  1,  86);  Wiederherstellung  des  Pius  (Capitölin.  c.  Sund  die 
A.  13  beschriebene  Münze).  —  Ausserdem  bezeugt  Seneca  de  v.  betta 
25,  dass  die  Bettler  am  pons  subUeius  standen,  Macrobius,  dass  sie 
noch  im  5.  Jahrhundeii;  vorhanden  war  (A.  3); 

^)  Bekannt  sind  das  Piacularopfer  d^r  Arvalen  eb  ferrum  inlatum 
(vgl.  Benzen  AcU   S.  132),   die   in    das  Tempelstatut  von   Purfo  CIL 


§  7.]  BRÜCKEN.  397 

Rom  die  Sorge  für  die  Erhaltung  der  Hotebrucke  dem  in  der 
biatcmschen  Zeh   als  Leiter   des  Staatskuhus   erscheinenden 
PrieisteiioSegiani  tnßel,  Ja  dass  dasselbe  sogar  davon  seinen 
Namen    fowtifkes,    Bruokenmacber ,    erhielt;    ist    zwar    in 
aker   und   neuer   Zeit   bei   oberflächlicher   Betrachtung   an** 
sttesig  erschienen ,   ist  aber  nicht  nur  bei  richtiger  Erwä- 
gung der  bisher  entwickelten  Thatsachen  begreiflich ,  sondern 
fuhrt  eugleich  zum  Yerstäniniss  dts  ursprünglichen  Charakters 
der   pöw^ßcii.    Weim    uns    nehmlich    aus    der   Menge    der 
Funktionen  desseibeb   ato   hervorragend  wichtig   und  sicher 
ursprufAg^h  die  B^obaohtung  der  Gestirne  zum  Behuf  der 
Jahreseintbeilung  oiiid  die  Handhabung  des  Schriltwesens  zum 
Behuf  der  dauernden  und  wortKdien  Feststellung  des  bindenden 
Wortes  im  Kultus  —  im  Gegensatz  zur  Ueberlieferung  von  Mund 
zu  Mund  —  entgegentreten ,  wir  mithin  in  diesem  Kollegium, 
die  Trager,  wenn  man  so  sagen  darf,  der  wissenschaftlichen 
Grundbegriffe   des  Kultus,    zu  erkennen  haben,    so  gesellt 
sich  zu  dieser  ihrer  Wissenschaft  passend  die  Kenntniss  der 
schwierigen  Technik  des  Brückenbaues;  aber  nur  dann  wird 
die  Benennung  nach  derselben  erklärlich,  wenn  urs^prünglich 
diese  Kenntniss  für  den  Staat  von  höchster.  Bedeutung  war. 
Dies  war.  sie  in  der  ThatiUi^doppelter  Beziehung,  in  reli* 

giöser  und  militärischer^).  •^—  Wir  glauben  gezeigt  zu  haben, 

- — i.. .. .    * 

],  60S)  aufldHicklioh 'a«%edoismeii«  Bi^lanböiM  de»  ferro  oeH  fHr  die 
Reparaturbaiiten,  di«  Vorsehrlftteii  «ber  eherne  statt  eiserner  Geräthe 
für  4ie  von  den  ponitfioes  tn  vollKieheaden  Opfei*  (Festes  p.  249  b), 
worüber  Bd,  2,  274 -ff.  Dazu  kommt  das  ohne  ei^enie  NSgel  gebaute 
Schiff  des  Aeaea»  i«  den  navaHa,  worüber  unten. 

')  Die  Erklärung  Varro's  pontificeM  a  ponte  (A.  8)  ist,  wie  auch 
Mommsen  richtig  gesehen  hat  (in  der  A.  9  a.  Abhaadluag  S.  9i3),  die 
allein  miigliehe,'  und  Scaeroia'a  Oleiehaiss  (das.)  poniißces  a  posse  et 
faeere  ut  päHficei  will  eben  nur  ein  solches,  keinesweges  eine  etymo- 
logische  Berleitung  sein.  Wir  halten  aber  hier  gemäss  der  oben 
S.  293  angedeateten  Gruadänschanung  daran  fest,  dasd  den  pontißces 
erst  in  aerviauifeolien  Staat  und  für  die  servianisdie  Stadt  jedesfklls 
ihre  liislerisefa  bekannte  Stellung  im  o^(/o  eaöerdahim,  angewiesen  wor- 
den ist.  Damit  ist  dib  Möglichkeit  der  Annähme  gegeben,  dass  4ies 
Collegintt  Kundiger  sich  aus  einer  Zanft  von  Hrückenbauern  entwickelt 


398  THBIL  I. 

dass  da8  servianische  Rom,  welches  allein  noch  eine 
metbodiscbe  Analyse  seiner  Einrichtungen  zuSatsst,  das  rechte 
Stromufer  beheiTBchle  und  dass  der  Arvalendienst  ein  Rest 
des  dem  Schutz  der  Feldmark  dieses  Staats  geweihten 
Kultus  ist;  dasd  das  Argeeropfer  von  der  Holzbrficke  dem 
immer  wankeimülbigen  drohenden  Strome  gilt,  welcher  all- 
jährlich seine  Opfer  fordert  und  den  Zusammenhang  zu  zer^ 
reissen  droht,  der  ~  wöltlieh  und  religiös  rr-  zwischen  den 
beiden  Ufern  besteht  Wie  die  servianiscbe  Akropolis  die 
weltlichen  und  heiligen  Schatze  der  Nation  schdtat,  das 
Pomeriam  ideell  den  weltlichen  und  heiligen  Schutz  der 
Ringmauer  darstellt,  so.  bildet  die  Brücke  das  Band  einer* 
seits  der  swrn  m  et  ti^a  Tükerirny  andrerseits  der  um- 
mauerten Stadt  auf  dem  linken  Ufer  mit  dem  zwar  offenen, 
aber  in  Zeiten  der  Gefahr  durch  den  Auszug  des  Heer* 
banns  auf  die  schützende  Höhe  des  Janiculum  zu  deckenden 
rechten.  Sie  gebort  deshalb  au  den  heiligen  Statten,  auf 
welchen  die  Salier  von  Alters  heir  ihren  Waffentanz  auffuhren^). 

h^be,  wie  sie  auch  sonst  in  Italien  bestanden  haben  wird  (denn  iiacb.- 
gewieseb  ist  die  nrspriingliclie  Existenz  von  ponfifiees  in  italischen 
StSdtea  bisher  so  wenigp  wie  die'  des  eapüolium  und  seiner  3  Götter), 
derea  kasteonüssi;  überlieferte  Witeentchaft  auch  frende  Einflibse 
aufnehfteo  mochte.  Dass  die  Siffführnng  o^r  doch  anigedeiiDte  Ai- 
wendang  des  griechischen  Alphabets  durch  sie  zuerst  und  schon  ia  der 
Königszeit  stattgefunden  hat,  d^ran  ist  Dfi9h  den  Charakter  der  äHeaten 
Schriftstücke  nicht  zu  zweifeln;  ihre  BefeiHuiog  zu  griechischer  oder 
orientalischer  Zeitmeasungskunst  lehrt  die  Geachichte  des  Kalenderf 
trotz  aller  controversen  Fragen  deutlich  genog.  Aaf  die  späterea  Be^ 
Ziehungen  zur  helleni^eheB  Kultur  ist  obea  a.  0«  aufmerksam  gemacht 
worden^ 

^)  Die  schon  S.  291  benutzten  Worte  Varro*a  5,  83:  pöntifieesj  itf 
Seaevola  Quinius  jHmtitfeof  maapumus  dieebatf  a  po$*e  et  faeere  td  paü» 
fices;  ego  a  ponte  arbürorj  nam  ab  hi$  subÜeius  est  fadus  prmntm 
et  fut  FJ  restitutus  saepe;  cum  ideo  saera  et  uU  et  ei$  Tikerm  nw 
mediocri  rüu  fiant  (syati^Ltisch  wie  §  90  obMiui/t  eb  abseidenäoy  cum 
id  ideo  faeerent  . . .).  Offeobar  wurde  in  den  J^aftifletibüciheni  mit 
dieser  Formel  die  Gesammtheit  .4er  gaerii  nrb^na  ioaerhalh  das  Poaie- 
rinm  und  die  nicht  minder  alten  und  wichtigen  Opfer  auf  dem  rechten 
Ufer  zusammengefasst,  u«d  es  sind  damit  nicht  etwa  die  Piacvlaropfer, 


§   7.]  BRÜCKEN.  89^9 

Die  in  massigen  Grenzen  wechselnde  Breite  des  Flusses 
ist  gegen  den  Ausgang  det  repuUikanischen  Zeit  Ton  der 
heutigen  nicht  erheblich  verschieden  gewesen  (A.  1.);  die  in 
frühere  Zeit  hinaufreichenden  Nachrichten  über  die  Ueber- 
schwemmungen  berechtigen  zu  der  Annahtne,  dass  überhaupt 
keine  grosse  Veränderung  der  Ufer  und  des  Beittes  stattge- 
funden haben.  Wir  dürfen  also  die  natürlichen  Bedingungen 
für  die  Geschichte  der  Brücken  Roms^)  nach  dem  heu- 
tigen Zustande  des  Flusses  schätzen.  Für  die  Bestimmung 
der  Lage  der  ältesten  Brücke,  über  welche  kein  Zeugniss 
unzweideutige  Auskunft  giebt^^),  kommen  nun  zweierlei  Rück- 


welche  bei  der  RestitatioD  dtrzttbriogeB  wareo^  ^meint  (Marquardt 
4,  185).  —  Waffentanz  der  Salier:  CatuU  17, 1  ff.  wsl,  Serv.  Fnld.  2, 
165.     Marqnardt  S.  375. 

®)  Der  erste  Versuch  die  erhaltenen  und  zerstörten  Brücken  Roms 
za  benennen  ist  von  dem  letzten  Redaktor  der  Mirabillen  zn  Anfang 
d«s  15.  Jahrhunderts  gemacht  worden  und  besteht  in  einer  verfehlten 
Kombinirupg  des  mittelalterlichea  nnd  des  alten  Brüokenverzeichnissea 
(s.  Bd.  2,  202  ff.),  von  welcher  sich  die  Topographen  bis  auf  Piale  und 
Becker  (A.  5)  nicht  haben  losmachen  können.  Selbständig  baben  zuerst 
Preller  (Reg.  S.  243  ff.)  und  Mommsen  (Berichte  d.  s'ächs.  Ges.  d.  Wiss, 
1850,  203  ff.)  die  Untersuchung  weitergeführt,  ohne  sich  jedoch  auf  eine 
Analyse  des  alten  Verzeiehnisses  einzulasseo.  Dies  ist  von  mir  in  den 
Novae  ^uaest.  top.,  Königsb.  Progr.  1868  und  Bd.  2  versucht  worden :  theila 
zustimmend,  theils  ablehnend  verhalten  sich  dazu  Urlichs,  Sitzungsber. 
der  Münchener  Ak.  1870,  459  ff.  und  Wecklein,  Hermes  6, 178  ff.  Die  hier 
gegebene  Untersachung  weicht  von  der  früheren  namentlich  wegen  des 
seitdem  gefundenen'  wiehtigen '  chronologischen  Zeugnisses  über  dea 
pons  Aemüius  erheblich  ab.  Da  es  an  einer  sachkundigen  Analyse  der 
erhaltenen  Bauwerke  noch  fehlt|  so  kana  auch  diese  nur  als  ein  Ver- 
snob betrachtet  werden.    Vgl.  A.  19. 

10)  Kein  Zeugniss  ist  das  der  Vergilscholien  zu  Aen.  8,  646, 
welche  dea  pons  sublieius  dem  lapideus  («=  Lepidi  =  Ponte  r.otto  ?) 
gleicl^etzea:  die  übrigen  zweideutigen  Anspielungen  kommen  im  Ver- 
lauf der  Darstelliuig  zur  Erörterung.  —  Dem  Mittelalter  war  selbst  der 
Name  abhanden  gekommen;  zuerst  in  der  jüngsten  Bearbeitung  der 
Mirabillen  zu  Anfang  des  15.  Jahrhundefts  taucht  er  in  der  Form 
Siäpiduf  oder  Horatü  CocU*  .wieder  auf  und  wird  hier  dem  pons  ma- 
moreus  (der  Brücke  unter  dem  Aventin)  des  Mirabilienverzeichnisses 
aus   unbekannten  Gründen   beigelegt    Wie  andere  Erfindungen   dieses 


400  THBIL  I. 

sichten  in  Betracht,  die  Leichtigkeit  od^  Ausföhrbarkeit  des 
Baus  und  das  Verhaltniss  zur  Befestigung  der  Stadt  Denn 
selbst  wenn  eine  standige  Hohbrucke  von  den  Bewohnern 
der  vorservianischen  Ortschaften  errichtet  worden  wäre, 
wurde  doch  der  Erbauer  der  servianischen  Mauer,  falls  die- 
selbe seinen  Zwecken  nicht  gedient  hätte,  Mittel  gefunden 
haben,  sie  an  einen  passenden  Ort  zu  Yerlegen.  Von  dem 
ersten  Gesichtspunkt  aus  ergiebt  sich,  nach  dem  zu  Anfang 
Gesagten,  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  die  Brückenbauer, 
wie  man  treffend  gesagt  liat,  den  naturlichen  Brückenpfeiler, 
die  Insel,  sich  nicht  haben  entgehen  lassen  ^^);  und  dass  sie 
die  Stromschnelle  unter  der  Insel  vermieden  haben;  von  dem 
zweiten  aus  halten  wir  an  der  Auffassung  fest,  dass  der  Finss 
von  der  Absenkung  des  Kapitols  nach  der  Insel  bis  zu  der  des 
Aventin  die  Hauer  ersetzte,  dass  weder  das  Janiculum ,  noch 
die  alten  Navalien  (unten)  mit  der  Stadt  in  fortifikatoriscber 
Verbindung  standen.  Die  entgegengesetzte,  fast  allgemeine 
Annahme  einer  regeh^echten  Befestigung  auf  dem  rechten 
Ufer  verdankt  in  der  That  wohl  ihren  Ursprung  einer  unwill- 
kürlichen Unterschiebung  des  Bildes  ^  welches  die  aurelia- 
nische  Befestigung  abgiebt,  und  lässt  die  unseres  Erachtens 
unzweifelhafte  Tbatsache  ausser  Acht,  dass  die  Yertheidigungs- 
front  der  servianischen  Stadt  gegen  Norden  und  Osten  gmchtet 
war  und  ein  Angriff  von  dem  rechten,  römischen,  Ufer 
des  Tiber  her  zu  den  ganz  aussergewöhnlichen  Gefahren 
gehörte,    und  falls  er  stattfand,   nach  Maassgabe  der  dama- 


vielgebrtachten  Handbnclis  hat  auch  diese  BeoennoDip  (sie  findet  sick 
schoD  1484  bei  lafessura  als  die  gaogpbare:  Nlbby  R.  a.  1,  204)  bei  den 
Astygraphen  des  16.  Jahrhanderts  Glauben  {gefunden  und  sich  seitdem 
weitergeschleppt.  Daneben  findet  sich  die  Identifieimn;  mit  dem  pons 
Aemitius  wohl  zuerst  bei  Laetns  (daher  denn  beim  falschen  Victor 
R.  Xl),  wohl  nach  Anleitangp  des  Vergilscholions  (Bd.  2,  203),  nad 
daraus  ist  die  yon  Becker  und  Piale  beseitigte  Theorie  der  an  die 
Stelle  der  Holzbriicke  getreteneu  steinernen  aemilischen  geworden. 

")  Dies  ist  der  von  Mommsen  a.  0.  zum  ersten  Mal  geltend  ge- 
machte Gesichtspunkt.  Seine  übrige  Beweisführung  stützt  sieh  nament* 
lieh  auf  die  unten  erörterten  Inschriften  der  Brüeke  Quattro  eapi. 


§  7.]  BRÜCKEN.  401 

Ugen  Angriffsmittel  von  vornherein  als  ein  aussichtsloses  und 
durch  den  reissenden  Strom  genügend  verhindertes  Wage- 
stück galt.  Zu  diesen  allgemeinen  Erwägungen  kommt  nun 
erstens  das  einzige  Zeugniss,  welches  wenigstens  relativ 
die  Lage  der  Brücke  bezeichnet:  sie  lag  nach  demselben 
^Yor  der  Stadt';  es  ist  also  gradezu  unmöglich,  sie 
zwischen  porta  Flumentana  und  Trigemina  in  die  Stadt 
münden  zu  lassen,  da,  wo  der  Fluss  die  Vertheidigungslinie 
derselben  statt  einer  Mauer  bildete^').  Das  Zeugniss  lässt 
demnach  die  Wahl  zwischen  der  .auf  Grund  einer  Vermuthung 
des  15.  Jahrhunderts  allgemein  beliebten  Annahme,  dass  die 
Brücke  vor  pbrta  Trigemina  über  den  Fluss  geführt  hat 
—  es  ist  dann  eine  Nebenfrage,  ob  sie  im  5.  Jahrhundert 
ganz  beseitigt  und  durch  die  Brücke  des  Theodosius  und 
Yalentinian  ersetzt  worden  ist,  oder  in  der  Nähe  derselben 
bis  zu  jener  Zeit,  seit  welcher  sie  verschwindet,  bestanden 
hat  —  oder  ob  sie  die  Insel  als  Brückenpfeiler  benutzt  hat. 
In  beiden  Fällen  müssen  wir  die  Heldenthat  des  Horatius 
Codes  dahin  verstehen,  dass  er  verhinderte,  dass  der  Feind 
mit  den  fliehenden  Römern  zugleich  in  das  Thor  eindrang, 
was   freilich    der   ausführlichste   Bericht   nicht   hervortreten 


")  Polybios  6,  55  («.  A.  17):  tijs  yetfvgag  —  rj  xitjai  nqb 
xr^g  noleoDSf  was  lateinisch  trotz  Becker's  Widerspruch  (S.  697) 
nicht  anders  als  ante  oder  extra  urbem  wiedergegeben  werden  kano, 
wie  Mommsen  S.  323  richtig  bemerkt.  Man  kann  dafür  geradezu  Iv 
tf  7iQoaaTSi(p  setzen.  Man  wende  nicht  ein,  dass  die  Ebene  uoter 
dem  Janiculum  bei  Dionys  (s.  A.  17)  ein  riQoxeCfievov  ty  noXei  nediov 
heisst:  sie  verhält  sich  zur  Stadt  ahnUch  wie  das  Marsfeld.  Ware 
die  Mauer  längs  des  Flusses  gelaufen  und  hätte  einen  Uferrand  freige- 
lassen, so  hätte  eine  hier  in  die  Stadt  führende  ßrUcke  allenfalls 
'vor  der  Stadt'  genannt  werden  köonen,  nimmermehr  eine  Brücke,  die 
grade  ins  Herz  der  Stadt  hineinführte.  Ebenso  hat  Mommsen  bemerkt, 
dass  bei  Appian  Civ.  1;  58.  die  Brücke  unter  den  'Endpunkten'  der 
Stadt  vorkommt:  Sulla  besetzt  die  porla  Esquilina  (§  3  A.  38),  Pompejus 
die  CoUina:  xal  jqCtov  (liXog)  inl  ttjv  ^vXCvriv  yiq>vqav  i/ioQfi  xal 
rhäQtov  nqo  lüiv  reix^v  h  dia^oj^rjv  vn^/jieive'  roTg  öh  vnoXoCnoig 
b  ZvXXag  ig  trpf  noXiv  Ix^Q^*-  hoch  darf  man  freilich  Appian  nicht 
streng  beim  Wort  nehmen  (§  3  A.  80). 

Jordan,  rOmisclie  Topographie.    I.    1.  ^6 


402  THEIL  I. 

lässt  (A.  17).  —  Nun  scheint  uns  aber  für  die  zweite  Mög- 
lichkeit ein  sehr  gewichtiger  Umstand  zu  sprechen:  die  alte 
Kultusstatte  des  Vejovis  auf  der  Insel.  Die  gewöhnliche  An- 
nahme, dass  die  Verbindung  der  Insel  mit  beiden  Ufern 
durch  'zw ei. Brücken'  erst  kurz  nach  der  Gründung  des 
Aesculaptempels  (dedicirt  463  d.  St.)  hergestellt  worden  sei, 
ist  unhaltbar.  Es  ist  vielmehr  unzweifelhaft,  dass  die  beiden 
einzigen  städtischen  Kultusstätten  des  Vejovis,  die  auf  dem 
Kapitol  und  die  auf  der  Insel,  so  alt  sind  wie  irgend 
eine  andere  der  servianisch^n  Stadt,  dass  also  seit  ältester 
Zeit  die  Insel  mindestens  mit  dem  linken  Ufer  an  einer 
Stelle,  wo  sich  der  Strom  stark  verengt,  in  anderer  Ver- 
bindung als  durch  die  zeitweilig  überhaupt  unterbrochene 
mittels  Nachen  oder  Fähre  gestanden  hat.  Dazu  kommt, 
dass  die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Kultus  jenes  im  Lauf 
der  fortschreitenden  Hellenisirung  der  Staatsreligion  mehr 
und  mehr  in  den  Hintergrund  gedrängten  und  an  beiden 
Orten,  auf  der  Insel  durch  den  griechischen  Asklepios,  auf 
der  Burg  durch  das  griechische  Asyl,  so  zu  sagen  gebän- 
digten Gottes,  in  unzweideutigem  Zusammenhange  mit  dem 
Ort  steht:  er  erscheint  als  verderbendrohender  Gott  dort 
neben  der  'heiligen  Brücke*  —  die  Insel  selbst  führt  den 
Namen  der  *  heiligen'  vielleicht  erst  seit  der  Gründung  des 
alle  übrigen  Heiligthümer  derselben  überstrahlenden  Aesculap- 
tempels — ,  der  durch  den  Strom  stets  bedrohten  Vermittlerin 
zwischen  beiden  Ufern,  hier  auf  dem  heiligen  Burghugel, 
dem  Horte  der  Staatsgötter  und  des  Staatsschatzes^^).  Die 
traditionelle  Geschichte  der  Tarquinier  lässt  nun  freilich  das 
Marsfeld  aus  den  eingezogenen  Domanialäckern  derselben  und 
die   Insel    aus    der    im  Jahre    1   der  Republik    auf   diesen 


18)  Für  den  Kultus  des  Vejovis  auf  der  lasel  haben  wir  nur  da* 
Zeugniss  des  Praen.  Kai.  z.  1  Januar:  dass  indessen  an  der  Urspriiog- 
lichkeit  des  Kultus  nicht  [zu  zweifeln  ist,  habe  ich  Comment.  in  hoo. 
Momms.  S.  356  CT.  gezeigt.  Die  datirten  Tempel  auf  der  Insel  siad 
jünger  als  der  des  Aesculap,  aber  keineswegs  steht  dies  von  allei 
Kultusstätten  daselbst  fest.    S.  Th.  If. 


§  7.]  BRÜCKEN.  408 

geschnittenen  und  in  den  Fluss  geworfenen  Feldfrucht  ^t* 
stehen ^^):  und  so  ist  es  denn  zu  verwundern,  daas  man 
nicht  langst  2ur  Bettung  der  Geschichte  die  geologische  Er- 
klärung einer  späten  Eatatehung  der  Insel  durch  eine  vulka* 
nische  Hebung  versucht  hat.  Da  indessen  die  fachwissen-» 
schaftlicben  Stimmen  bisher  eine  solche  Hypothese  nicht 
haben  laut  werden  lassen  ^'^),  so  .müssen  wir  entweder  den 
zweiten  Theil  der  Geschichte  als  ein  Anhängsel  des  ersten 
betrachten,  dessen  Entstehung  aus  allerlei  (alachen  Deutungen 
der  Kultusstätt^  des  Marsfeldes  auch  wir  nicht  bezweifeln; 
oder  annehmen,  dpa  eine  priesterliche  Tradition  den  Änlass 
iiur  Erfindu^ig  gegeben  hat  und  dass  in  den  pontificischra 
Böchem  neben  der  Einweihung  des  kapitolischen  Tempels 
eine  Wiederainweihung  der  Inselbrucke  gestanden  hat.  — 
Wie  es  sich  damit  auch  verhalten  möge»  das  Alter  des 
Yejoviskultus  auf  der  Insel  scheint  uns  ausser  Zweifel 
und  der  Gedanke  r  dass  sie,  die  augenfällig  dem  Strom  lauf 
sein  eigenthümlkshes  Gepräge  gab,  ohne  Kultusstätten  ge*- 
blieben  sein  sollte,  während  es  deren  in  Trastevere  nicht 
wenige  gab,  nur  dann  erträglich,  wenn  mit  einiger  Wahr- 


,  t  • 


^)  Ueber  die  lasel  Li  via«  2,  5:  die  reife  Speltsaat  V4m  denkönigL 
Aeker  im  MarsfeXd  wird  in  Tiberim  Imi  flueniem^  wpta^  iä  primis  calori^ 
bus  solety  geworfeo.  Was  der  Floss  hioabfUhrte,  blieb  aqd  dort  häa* 
gen:  pastea  credo  additas  moles  msrmque  admtum,  ut  tarn  emhiens  area 
firmaqtte  tempUs .  quoquß  ßc  portidbus  suUm^is  eyr«ai.  Qbüz  ebeoso 
erz^t  den  Ursprung  der  vijtfos  UffxlifTiiov  hQci  Dlonys  5,  13  (oboe 
das  eredo  n,  s.  w^  des  L.)*  ^iw  junge  Version  (A.  16)  lasst  den  Ter-* 
qiunins  auf  dvir  loseL  aterben.  Ue.ber  die  3«deutang  d^r  Legende  von 
der  Entstebui^g.  des  Marsfeldes  urtbeilt  Schwegler  2,  46  ricbtig;  hier- 
über spricht  er  nicht«  —  Von  d^r  Brücke  sagt  Dionys  (oben  A.  5) 
ts^äv  ^h(ti  vofi(CovT€S  uod  ,.es  ergiebt..  siich .  die  Qualität  eines  /ooaf# 
soQßr  ans  den  Piacnlaropfera  (oben  A.  8) ;  {derselbe  nennt  die  Insel  a.  0. 
Vfjaos  ldaxlt]n4ov  hgu,  Plotarch  Popl.  8  Ic^a*  Von  irgend  welohen 
Profanbanten  oder  Wohnhänsern  auf  derselben  ist  mir  ?Iioht8  bekannt. 

^^)  Bei  Poazi  ist  mir  in  den  oben  §  1  A.  1  a.  Schriften  eine  genauere 
Ererjter^og  der  Insel  nicht  vorgekommen.  Allgemein  aber  scheint  an- 
genoinmea  zu  werden,  dass  sie  in  der  oben  bezeichneten  Weise  in  der 
Epoche  der  Bildung,  des  Tiberbetts  entstanden  ist. 

26* 


404  THEIL  1. 

sdieinlkhkeit   eine  geologisch«  Veranlassung   dazu   gefunden 
werden  könnte. 

Die  älteste  Erwähnung  der  InselbrQcken  findet  sich  in 
dem  aus  der  Stadtchronik  geflossenen  annalistiscben  Bericht 
über  die  Ueberschwemmung  des  J.  561  d.  St. :  dieselbe  zer- 
störte duo$  pmtes  und  viele  Häuser,  besonders  in  der  Gegend 
der  porta  Flumentana,  Da  in  diesem  Jahre  eine  zweite 
(steinerne)  Brücke  sicher  noch  nicht  Torfaanden  war,  die 
Insel  aber  schon  nachweislich  seit  der  Zeit  der  gracchischen 
Revolution  und  bis  ins  Mittelalter  hinein  mter  duos  pontes 
hiess,  so  scheint  mir  der  angezogene  Bericht  einen  unum- 
stösslichen,  wenn  auch  indirecten  Beweis  für  die  Lage  der 
damals  einzigen  Brücke  abzugeben,  man  müsste  denn  an- 
nehmen ,  dass  dem  Wortlaut  der  Chronik  der  Sprachgebraudi 
der  späteren  Zeit  substituirt  worden  sei^')»   und  dass   die- 


^*)  Livias  35,  21,  5:  der  Tiber  zerstört  duos  ponteiy  aedifieia 
multa  drca  portetm  Fktmentanam,  ' —  Damals  existirte  noch  keine 
Steinbrücke,  es  bätte  also  drei  Hol zbriicken  gegeben:  was  ancbUrliehs 
aDzuDehmen  scheint  (S.  481.  487).  Aber  sein  pons  maximus  «=  sublicius 
im  Gegensatz  zn  den  duo  (sublicii?)  existirt  nicht  (A.  16*).  Macrobius 
3,  16,  14  ff.  citirt  ans  der  Rede  des  Titius  fiir  das  fannische  Lnxnsgesetz 
V.  J.  593  die  Worte  . .  .  lupum  germanum  qui  tnter  duos  ponies  eaptus 
fuit  und  aus  Lncilins  .  . .  hunc  (ducit)  pmtes  Ttbermus  {iiberinos  die 
Hss.)  duo  inter  eaptus  catillo,  was  Horaz  Sat.  2,  2,  31  f.  vor  Augen 
hat:  unde  datum  sentis  lupus  kic  Tibermus  an  alto  eaptus  hietf  pon- 
Usne  inter  iactatus  an  amnis  ostia  sub  Tusci.  Die  Insel  xalilTat  (ptovj 
tüv  AaiCvtov  fJtiiffi  Svolv  yetpvq^v  (Flut.  Popl.  8).  Auf  dem  kapit. 
Stadtplan  faeisst  sie  inter  duos  pontes  (Fr.  42  m.  A.),  vgl.  die  dort  an- 
geführten Stellen  des  Aethicns  (A.  1) :  insulam  .  . .  ubi  duo  pontes 
appellanttir,  des  Chronogr.  von  354  S.  645  M.:  (Tarqoinias,  s.  A.  14) 
inter  duos  pontes  a  populo  Romano  fuste  niactatus  und  den  alten  Bei- 
namen der  Kirche  S.  Bartolomep  inter  duo  pontes.  Diese  Zeugnisse 
setzen  es  ausser  Zweifel,  dass  duo  pontes  nnr  Me  Inselbracken  sein 
kSnnen,  wiewohl  der  Fischfang  zwischen  den  2  Brücken  (also  an  dem 
oberen  oder  unteren  Ende  der  Insel?)  seltsam  erseheint.  An  sieh 
mUglieh  ist  es,  dass  der  Ausdruck  pontes  bei  Ovid  F.  6^  474  dichterisch 
fiir  das  formelhafte  duo  pontes  steht  wie  bei  Prop.  6,  8,  31  Tärpmos 
inter  lueos  fdr  das  in  Prosa  allein  übliche  inter  duos  hieos  (Comm. 
Momms.  S.  664;   doch  s.  unten  A.  25),   nicht  möglich  also^  dass  Fron- 


§  7.]  BRÜCKEN.  405 

selbe  die  Verwüstung  der  Insel  duroh  Uebetrschwemmung 
gemeldet  habe,  von  welcher  meines  Wissens  sonst  nie  die 
Rede  ist.  Aber  auch  diese  an  sich  schon  bedenkliche  An*- 
nähme  wird  dadurch  noch  niisslicher,  dass  die  mehrfach 
erwähnte  Zerstörung  der  Holzbrücke  (hier  der  Brücken)  und 
der  Gegend  am  'Flussthor'  offenbar  in  einem  örtlichen  Zu- 
sammenhange stehen.  —  Dieser  Kette  von  Beweisen  für 
die  alte  Ueberbrückung  der  Insel  stehen  nun  Thatsachen 
gegenüber,  welche  ich  zwar  mit  dieser  Annahme  nicht  voll- 
ständig zu  reimen  weiss,  welche  aber,  ehe  nicht  eine  andere 
Erklärung  für  jene  gefunden  wird,  nicht  ausreichen ,  auch 
nur  mit  'gleicher  Wahrscheinlichkeit  eine  andere  Lage  der 
Brücke  zu  beweisen.  Ich  muss  mich  begnügen,  sie  hier 
möglichst  objektiv  zu  beleuchten. 

Die  Holzbrücke  wird  regelmässig  pons  suhlidus  im  Sin- 
gular genannt,  und  es  ist,  so  oft  sie  auch  erwähnt  wird, 
niemals  von.  der  Insel  die  Rede,  was  nur  ungenügend  da- 
durch erklart  wird ,  dass  die  Brücke  über  die  Insel  ununter- 
brochen fortgelaufen  sei"*).  In  üebereinstimmung  damit 
zeigt  uns  die  Darstellung  der  Heldenthat  des  Horatius  Codes 
auf  der  Münze  des  Antoninus  Pius  eine  weite  Bogenspannung 
über   den   Fluss    und   zu   beiden    Seiten   kurze   horizontale 


tio  die  loselbräcken   meint,   wenn  er   sa^t  quotiens  pontei  reficiuntur 
(De  aq.  11). 

^*')  Vgl.  A.  5  aDd  die  von  den  Alten  wahrseheinlich  riefatig  er- 
klärte Redensart  sexagenarios  de  ponte  (Bd.  2,  284).  Ueber  die  von 
Mommsen  beseitigte  falsche  Lesart  tectum  pontis  (lies  ptmtifieis)  maximi 
bei  Obsequens  75  s.  Bd.  2  S.  XIV.  Richtig  hat  gegen  Mommsen's  Er- 
klärungsversuch (S.  324)  Urlichs  (S.  485)  die  Bedentang  des  Sprach- 
gebranchs  hervorgehoben.  Für  den  Ploral  lässt  sich  kein  sicheres 
Beispiel  anführen  (A.  16).  Andrerseits  ist  es  bemerken swerth,  dass  die 
RSmer  die  Brücke  stets  pons  subUcius  nennen  (roboreus^  ligneus  u.  A. 
ist  poetisch  oder  nnteohnisch),  nicht  leicht  (natürlich  ansser  im  weiteren 
Verlanf  einer  Erzählung)  blos  ponsi  bei  Varro  5,  180  ist  längst  richtig 
ad  pontificem  {pontem  die  Hs.)  deponebant  verbessert  worden,  wie  von 
Mommsen  bei  Obseqnens  pontificis  maanmi  für  pontis.  Ebenso  regel- 
mässig sagen  die  Griechen  y(<pvqa  ^vUvri  (Dio  in  den  A.  5  a.  Stellen 
mit  Ansnahme  der  letzten,  wo  |.  fehlt). 


406  THBIL  I. 

Stege,  keine  Andeutnng  der  Insel,  und  die  ausfuhrliciiste 
Erzählung  des  Ereignisses  deutet  an^  was  fireilieh,  wie  ob^i 
gezeigt  wurde,  unubersteigliche  Hindemisse  bereitet,  dass 
die  Brücke   in   die  Stadt  fährte,    wo   sie   mauerlos  war^^. 


>^  Die  oft  besprochene  Münze  (Cohen  Emp.  Bd.  2  S.  326  Pins  Sl% 
von  der  mir  ein  Staniolabdruck  nach  der  Sohwefelpaste  des  Pariser 
Exemplars  im  Köoigl.  Kabinett  zn  Berlin  vorliegt,  (die  Abbildung  bei 
Urlichs  n.  2  ist  ziemlich  genau),  zeigt  die  Brücke  bestehend  aus 
einem  hohen  Bogen  in  der  Mitte,  dessen  Hälfte  links  aber  fehlt, 
und  links  und  rechts  anschliessenden  horizontalen  Stegen,  welche 
gegen  die  Landseiten  (keine  Andeutung  des  Ufers)  abgeschnitten  er- 
scheinen (vermnthlich  Andeutung  der  wegen  Raummangels  nicht  dar- 
gestellten Fortsetzung).  Bogen  und  Stege  ruhen  auf  5  aus  ja  drei 
nah  an  einander  gestellten  (verkoppelten)'  Hölzern  bestehendeji  senk- 
rechten mhlices  (A.  4)^  von  denen  eine  den  Scheitel  des  Bogens 
unterstützt.  Davor  nach  links  schwimmend  Cooles,  rechts  auf  der 
Horizontale  2  Etrusker  (einer  mit  abwärts  geschwungenem  Speer), 
links  3  Römer  (zwei  in  ruhiger  Haltung,  «iner  knieend'  die  Axt  fiber 
dem  fehlenden  Theil  des  Bogens  schwingend).  Piale  irrt  also,  der  (lyie 
es  scheint  nur  nach  Sambuco)  steinerne  Pfeiler  erkennen  will  (S.  5). 
Sehr  auffallend  bleibt  der  Bogen  und  seine  Stütze.  —  Erzählungen 
(Schwegler  2,  52):  nach  Polybios  6^  55  kämpft  Codes  ^nl  r^  xarav- 
UXQI  tijs  ysfpvQag  niQttxi  Tfjg  inl  tov  Tißiqidog,  ^  xiitai  ttqo  Tr^g 
noliiogy  insl  nl^&og  intiptQOfjtevov  elSi  tdiv 'ßor\d^vvttov  loZg  Tcalt^ 
fitoigy  6i(cavTa  firi  ßiaadfiivoi  naganiccoffiy  €ig  ztjv  nokiVy 
ßo&v  bttatqaifdvta  Totg  xatomvy  <os  taxog  atw/cft^aennag  diaana^ 
xrpf  yä(pvQav  .  .  .  Siaanaad-^Camg  Sk  rrig  y^ipvqag  ot  noXifiiot  r% 
OQfA^g  iMtoXv&fiaav  6  ^k  Jüixli^g  iavwov  eig  toy  norafjiov  iv  tolg  onXoig 
u.  s.  w.  Nach  Dionys  5,  22  ff.  besetzen  die  Römer  das  Janiculnm  und 
stellen  die  Hauptmacht  in  Trastevere  auf,  kv  t^  ngoxatfji^ptp  ^g 
TcoXeatg  ntdi(p;  Porsenna  nimmt  das  Janieulum;  darauf,  iTtit^tf  nlffüCow 
79;  yeifvgag  iyiv€to  xal  rovg  ^Pmfia^ovg  i&edcfctfo  n^xad^fiipovgy 
greift  er  an  und  schlagt  die  Römer;  die  Fliehenden  drängen  Big  rrfy 
TioXiv  ^la  fJLiäg  ysifvqag  . .  .  oXiyov  t€  n&vv  7\  noXig  i^hfOtv  dXmytu 
xaiä  x^Tog  aT£/j|fi<rTo;  oioa  ix  tüv  naga  tov  noTafÄÖv 
fAiQfSv,  ei  avv€i<fineaov  eig  avr^r  afia  roig  fp£vyova§,v  ol 
^ifüxovieg,  Codes  und  die  beiden  Genossen  w^ren  auf  dem  reektea 
Ufer  den  Nachdringenden,  auch  diese  weichen,  man  ruft  aas  der  Stadt 
dem  Codes  zu  (ävuxttXovfjiiviüV  uvtov  ano  itfi  noXamg  tc5v  ttnarmv 
xal  TÖfV  aXXtov  noXiiäv),  er  aber  antwortet,  man  solle  die  Brücke  ab- 
brechen (^1/  (f^  jLtia  xax    fxiivovg  Toifg  ^Qovovg  ^vXoipquTnog  u.  s;  w. : 


§  7.]  BRÜCKEN.  407 

Für    die  Erzählung    der   Flucht   des    Gajus   Gracchus    vom 

Aventin  nach  Trastevere  giebt  es  überhaupt  noch  keine  be<- 

friedigende  Erklärung,    was   zum  Theii   an   der   noch   nicht 

gelungenen  Bestimmung   der  Lage   des    Dianentempels   liegt. 

Wenn   es  heisst,   Gracchus  sei  vom  Tempel  der  Diana  aus 

geflohen    und   die  Freunde   hätten   den   Verfolgern   an   der 

pcrta  Trigemina  und  am  pons  suhlkms  gewehrt,   so  versetzt 

uns  diese  Angabe  fast  in  die  Nothwendigkeit,  die  Holzbrücke 

zwischen    pcrta  Trigemina    und    dem   nördlichen  Ende   der 

Stadtmauer   zu   suchen,    eine  Annahme,   die   wir  oben  als 

unmöglich    bezeichnen    mussten*^).     Nicht    zu    verwerthen 

endlich   ist   die  Darstellung   der  Ankunft   der  Schlange   auf 

der  Insel  auf  einer  Münze  des  Antoninus  Pius  (s.  A.  25). 

Hiermit  sind,  soviel  ich  weiss,  die  Beweismittel  für  die 
Lage  der  Holzbrücke  erschöpft  (vgl.  S.  412).  Es  hängt  aber 
mit  dieser  Frage  die  zweite  zusammen,  wann  Rom  die 
erste  steinerne  Brücke  erhalten  und  wie  sich  der 
Brückenbau  weiter  entwickelt  hat^^).    Durften  wir  die  Kunst 

oben  A.  5):  es  geschieht  n.  s.  w.  Nicht  wesentlich  weicht  der  kürzere 
Bericht  des  Livins  2,  10  ab,  die  übrigen  besagen  nichts  von  Be- 
deutong. 

1^)  Die  zuerst  von  Preller  (Aufsätze  S.  513  f.)  vollständig  heran- 
gezogenen Berichte  (Orosiua  5,  12  Viri  ill.  65,  5  ss  Val.  Max.  4,  7,  3 
Plnt.  C.  Gracch.  16  App.  Civ.  1,  26)  differiren  nur  in  unwesentlichen 
Punkten.  Nnr  die  Quelle  von  Val.  Max.  =  Viri  ill.  erzählt,  dass  zu- 
erst in  porta  Trigemina  (Val.)  oder  apud  portam  T,  (V.  i.);  dann  in 
ponie  sübUeio  den  Verfolgern  gewehrt  wurde,  die  übrigen  erwähnen 
nur  die  Brücke  (Or.  kürzt  am  Schluss  willkürlich):  woraus  sogut  wie 
nichts  Sicheres  zu  schliessen  ist.  Wir  kommen  auf  den  Ursprung  der 
Abweichungen  und  die  für  die  Topographie  des  Aventin  wichtigen  An- 
deutuDgen  Th.  II  zurück. 

^^)  Die  Entwickelung  des  Brückenbaus  wäre  nach  Urlichs  fol- 
gende gewesen:  die  sublicische  Brücke  lag  vor  porta  Trigemina;  seit 
dem  Bau  des  Aesculaptempels  (463  d.  St.)  wurde  die  Insel  durch  die 
duo  pontes  (Holzbrücken)  mit  den  Ufern  verbunden  (ähnlich  schon 
Becker  652),  von  den  so  existirenden  dreien  hiess  die  sublicische  nun 
pons  maximus  (unrichtig:  A.  16*).  Die  erste  Steinbrücke  in  der 
Nähe  der  Stadt  war  der  pons  Mulvius  (als  solche  vor  532  gebaut). 
Im  J.  575  bauten  die  Censoren  einen  pons,  keine  Brücke,  sondern  eine 


408  THEIL  L 

des  Holzbrückenbaus  in  die  frühesten  Zeiten  hinaiifrücken 
und  als  eine  den  mittelitalischen  Stammen  gemeinsame  an- 
sehen, so  ist  es  ungewiss,  wann  der  Bau  steinerner  Brücken 
in  Italien  aufgekommen  ist.  Das  wesentliche  und  sdiwie- 
rige  desselben  ist  die  Einsenkung  der  steinernen  Pfeiler 
in  das  Flussbett «  nur  eine  Anwendung  einer  längst  geubtrai 
Technik  die  Ueberspannung  der  Pfeiler  mit  Bogen.  Es 
ist  mindestens  noch  zweifelhaft,  ob  diese  Kunst  zur  Zeit 
des  2.  punischen  Krieges  verbreitet  war:  der  allerdings 
durch  die  Anlage  der  flaminischen  Strasse  geforderte  Bau 
des  potts  Mulvins  kann  sehr  wohl  ein  Holzbau  gewesen 
sein  (S.  415),  das  durch  die  Chronik  bezeugte  Abbrechen 
aller  Brücken  über  den  Tiber  (ausser  einer?)  nach  der 
Schlacht  am  trasimenischen  See,  lässt  schwerlich  eine  andere 
Erklärung  zu,  als  dass  sie  von  Holz  waren  und  das  Alter 
der  in  Italien  erhaltenen  steinernen  Brücken  ist  mit  Sicher- 
heit   bis  jetzt    nicht    zu    bestimmen  ^^).    —   Unglückliche- 


Wasserleitung  über  den  Flnss;  im  J.  638  der  Qua  stör  Aemilios, 
identisch  mit  dem  von  Frontin  de  aquis  96  erwähnten  curator  (tquarumy 
die  erste  Stein  brücke  in  der  Stadt  ^  'zugleich  eine  Stutze  der  Wasser- 
leitung', wie  die  Münze  es  darstelle  (A.  27),  denpons  Aemüius  «  Ponte 
rotte ;  dann  folgte  der  Fabricius  692  u.  s.  f.  Allein  dass  man  einen  alle 
Requisite  einer  Steinbrücke  vereinigenden  Bau  hergestellt  haben  sollte, 
ohne  eine  Brücke  daraus  zu  machen,  wird  schwerlich  Beifall  finden; 
über  den  angeblichen  qu'ästorischen  Bau  s*  A.  27.  —  Was  Wecklein 
meint  —  der  Bau  der  ersten  Steinbrücke  sei  von  Livius  in  der 
2.  Dekade  erzählt  worden  (A.  21):  es  sei  der  pon$  Lepidi^  noch  spät 
lapideus  genannt  (Ponte  rotto);  die  zweite  sei  pons  AemiUus,  der  Bau 
d.  J.  575,  der  spätere  Neronianus  am  obern  Ende  des  Marsfeldes  an 
dem  dort  belegenen  portus  —  erledigt  sich  durch  die  folgende  Dar- 
stellung von  selbst. 

^^)  Livius  22,  8:  ut  muros  iurresque  firmarent  et  prae$idia  dU- 
ponerent  pontesque  rescinderent  flummum.  Daneben  hat  Zonaras  8,  25 
S.  245  Dind.  (aus  Dio  =  Livius?):  xdg  je  yetfvQos  tou  TißiQiSognXriv 
fiiäs  xa^ellov,  schwerlich  Bedeutung.  —  Es  fehlt  bis  jetzt  meines 
Wissens  an  jeder  zuverlässigen  Chronologie  der  älteren  römischen 
und  italischen  Steinbrucken.  (Jeher  pons  Mulvius  s.  unten.  Für 
uralt,  weil  der  cloaca  maxima  ähnlich  (!)  gilt  der  Ponte  deila  catena  zu 
Cori  (Nibby  analisi  1,  508  f.),  für  sehr  alt  der  Ponte  di  Nono  auf  der 


S  7.)  ^   BRÜCKEN.  409 

weise  nun  lehrt  das  einzige  Zeugniss,  welches  uns  über 
den  Bau  der  ersten  Steinbrücke  Roms  erhalten  ist,  nur 
den  Namen,  nicht  die  Zeit  und  die  Lage  der  Brücke 
kennen:  sie  soll  Yon  einem  Quästor  Aemilius  gebaut  worden 
sein^^).  Durch  die  kürzlidi  folgte  Auffindung  eines 
Stücks  des  Kalenders  von  Allifae  ist  es  nun  festgestellt, 
dass  enoi  pom  Aemilim  schon  vor  dem  J.  723  bestanden 
hat^^).  Diese  Brücke  ist  also  weder  von  dem  Censor  des 
J.  732  noch  von  dem  Consul  des  J.  733  gebaut  und  die 
früher  yon  Anderen  und  tou  mir  aufgestellten  Vermuthungen, 
dass    der  pons  AemUius  in  diesen  Jahren  gebaut   und   ent- 


via  Gabina  (später  Praenestina)  und  der  Ponte  Salaro  (das.  591.  593). 
Vgl.  auch  Canina  Etr.  mar.  T.  LXXVII  (Tarquinü).  Aber  mit  diesen 
Schätzungen  ist  so  ivenig  anzufangen  wie  mit  den  allgemeinen  Bemer- 
kungen Abekens  Mittelit.  183  ff.  Vollends  ist  der  Schluss  ans  den 
Wasserleitungen  (hier  kommt  überhaupt  nur  die  unterirdische  appische 
in  Betracht)  auf  eine  frühe  Entwickelung  des  Steinbrückenbaus  (Weck- 
lein S.  181),  wie  jeder  sieht,  hinfällig« 

^^)  Plutarch  Numa  9  spricht  von  dem  pons  sublmus  i^vXlvf} 
yi(fVQa)f  der  nicht  zerstört  werden  dürfe :  ^  6k  lid^Cvt}  nolXols  varsgov 
iSiiQyaadti  xQovoig  vn  AlfiiXlov  tafiiivovtog.  Die  verschiedenen  An- 
sichten über  die  Stelle  sind  folgende:  um  sie  auf  den  Bau  vom  J.  575 
(s.  unten)  zu  beziehen,  schrieben  Nibby  und  Becker  rifjtrjtevovtog 
(de  muris  S.  79);  ebenso  (Leipz.  Berichte  S.  323)  oder  vTtarevovrog 
(CIL)  Mommsen,  um  sie  auf  die  Restauration  des  pons  Fabricius  durch 
die  Censoren  des  J.  732  oder  die  Consuln  des  J.  733  (Inschr.  der 
Brücke)  zu  beziehen;  vTrarevovTog  auch  Wecklein,  welcher  an  einen 
Bau  aus  der  Periode  der  2.  Dekade  des  Livius  (Consul  d.  J.  522?) 
denkt  (S.  181).  Nur  Urlichs  vertheidigt  den  < Quästor'  S.  481  ff.  und 
setzt  den  Bau  ins  J.  638  (unten). 

>^)  Herausg.  Eph.  epigr.  3,  85  f.  Es  heisst  zum  17.  Aug.:  feriae 
Portuno  ad  pontem  AemiUumy  lano  ad  iheatrum  MarceUi,  Dass  der 
Kalender  vor  725  aufgestellt  ist,  folgt,  wie  Mommsen  CIL  1  S.  294 
bemerkt,  daraus,  dass  der  28.  August  darin  noch  die  Note  C  bat, 
während  seit  725  an  deren  Stelle  die  Note  ^  trat.  Die  bisher  be- 
kannten, übrigens  wesentlich  gleichlautenden  Zeugnisse  (AemiU  Vall., 
lano  a,  t  M.  fehlt  im  Amit.)  erlaubten  bis  zum  J.  760/7  n.  C,  nach 
welchem  das  Vall.  geschrieben  ist,  herab  zu  gehen.  Den  Werth  des 
chronologischen  Datums  für  die  Brückenfrage  hat  Mommsen  a.  0.  nicht 
bemerkt. 


410  THBIL  I. 

weder  der  nachmalige  pam  Genius,  noch  spätere  Gra- 
tiani  (S.  Bartolomeo) ,  oder  der  ehemalige  pons  Fdbrim 
(Quattro  capi)  sei  (Bd.  2.  198  f.),  werden  dadurch  ausge- 
schlossen. Da  aber  femer  die  dnzige  erhaltene  Nachricht 
über  die  Lage  des  pons  Amiüius  mit  der  Annahme,  dass  er 
oberhalb  der  Insel  zu  suchen  sei,  unrereinbar  isf ),  und 
an  ein  spurloses  Verschwinden  einer  antiken  Brücke  nicht 
gedacht  werden  kann,  so  bleiben  uns  nur  die  beiden 
Brücken  unterhalb  der  Insel  zur  Auswahl,  Ponte  rotte  und 
die  unter  dem  Aventin,  welche  wir  als  pms  Theodom  «I 
Väkntmani  aus  dem  mittelalterlichen  Yerzeicbniss  nachge- 
wiesen haben  (s.  unten).  Denn  an  sich  wäre  es  denkbar,  dass 
diese  letzte,  welche  in  dem  Verzeichniss  der  constantinischen 
Notitia  fehlt,  darin  fehlte,  nicht  weil  sie  zu  jener  Zeit  noch 
nicht,  sondern  weil  sie  nicht  mehr  vorhanden  gewesen 
wäre  9  wie  der  aus  dem  letzten  Grunde  darin  fehlende  pam 
Neronianus,  und  dass  die  genannten  Kaiser  die  vor  langer 
Zeit  zerstörte  Brücke  wiederhergestellt  hätten.    Eine  sichere 


SS)  £8  ist  die  konfuse  Beschreibang^  der  Sdileifang^  der  Leiche 
des  Heliogabal  bei  Lampridius  c.  17:  tractus  per  publicum  addüa  m- 
iuria  cadaveri,  ut  in  cloacam  müites  mitterent  (nehmlich  ans  den 
La^er,  wo  er  getödtet  wurde,  schleifte  man  ibn  (fiar  ndarjs  jijg  noXsui 
bis  zor  Kloake:  Herodian  5,  8,  9  Dio  79,21),  sed  cum  tum  eepisset 
cloaca  foriuHo,  per  pontem  Aemüium  adnexo  pondere,  ne  fluitaretj  in 
Tiberim  abiectus  est,  ne  unquam  sepüiri  passet .  tractum  est  eadaeeir 
eius  etiam  per  drei  spatia  priusquam  in  THberim  praedpitareiiir.  Dass 
man  die  Leiehe  vom  Circns  zur  nächsten  Brücke  gesdileppt  haben 
wird,  ist  klar;  über  die  Kloake  unten.  Von  derselben  Brücke  werden 
nach  den  Märtyrerakten  die  Christen  gestürzt,  nach  Lactanzens  auf 
Verwechslung  mit  dem  subUcius  beruhender  Angabe  die  Argeer  (über 
Beides  Bd.  2,  199)  und  soll  sich  nach  Jnvenals  Rath  der  Lebens- 
müde stürzen  (Sat.  6,  24),  während  auffallend  genug  bei  derselben 
Gelegenheit  sein  Vorbild  Horaz  Sat.  2,  3,  36  (geschrieben  721)  dea 
Fabridus  nennt  (vgl.  Bd.  2,  199  f.)  —  Schlüsse  ans  dem  Stillschweigen 
der  Schriftsteller  sind  trügerisch:  immerhin  ist  es  merkwürdig,  dass 
weder  Cicero  noch  Varro  die  fabricische  und  aemilische  Brücke  (dieser, 
wo  er  doch  Gelegenheit  dazu  hatte,  bei  Erwähnung  der  PortunaUa,  vgl. 
unten)  erwähnen. 


§  7.]  BRÜCKEN.  411 

Entscheidung  lässt  sieb,    soviel  ich  sehen  kann>  jetzt  nieht 

treffeil.     Für  die  herkömmliche  Ansidtt,   daiss  pims  AemiUuB 

Ponte  rotto  sei,  ist  namentlich  in  neuerer  Zeit  ein  Zeugniss 

des  5i  Jafaii).  n.  C.  Reitend  gemadit  wwden,  nach  welchem 

Ponte  rotto  damals  vom  Volke  pons  lapideus  genannt  worden 

sei,   eigentlich  aber  pimi  Lepidi  geheissen  habe.    Dies  kann 

richtig  sein:  der  alte  Name  der  von  einem  Aemilius  Lepidus 

erbauten  Bracke  kann  sieh  so  in  einer  Zeit  erhalten  haben, 

in  welcher  sie^    wie  wir  sehen  werden,    offieiell  nach  ihrem 

Wiederhersteller  pons  Probt .  hiess.     Weniger  Wahrscheinhch* 

keil  schemt  mir  die  Aufiiassnng  zu  haben,  dass  jene  Volks- 

beeeicbnung  die  Ueberliefernng  bewahrt  habe,  dass  dies  die 

erste  steinerne  Brücke  sei.    Dass  mindestens  5  Jahrhunderte 

lang  eine  soldie  Bezeichnung  sich  erhalten  haben  sollte«   ist 

zwar  nicht  gradezu  unmöglich,    aber  meines  Wissens  nicht 

durch   ein   ähnliches  Beispiel   zu   belegen  ^^).     Allein   da   es 

sehr  möglieh  ist,  dass  irgend  eine  uns  unbekannte  Ursache 

den  Namen  '  stdneme  Brocke^  in  später  Zeit  bat  aufkommen 


2*)  Aethicns   (oben  A.    1):   per  pontem  Lepidi,   qui  nunc  abusive 
a  plebe   lapideus   dicäur,     Weeklein    S.   180   führt   als   Analogie   die 
Beneninog  des  Theaters   des  Pompq'us   thuatrum  lapideum  bei  Vitmv 
an,  welche  demselben   auch  nach  dem  Bau  anderer  steinern«!*  Theater 
geblieben  sei.     Allein  diese  aus  Becker  A.  1310  und  1474  wiederholte 
Behauptung    ist    grundlos.     Vitruv    schrieb    um  740,   jedenfalls    nicht 
Jahre   nach   der  Kinweihung   der  Theater    des  Baibus   und    Marcellus; 
der  Ausdruck  kommt  meines  Wissens   nur  bei   ihm  vor,    was   bei  der 
Häufigkeit   der  BrwähBUBgen   noch   in   später  Zeit   (vgl.    Th.  II)    von 
Gewicht  ist,  and  wenn  der    amiteroische  Kalender   dasselbe  Theater 
theatrum  tnafmor^'m  nennt  neben  dem  theatrum  Marcelli,   so  hat  das 
mit  dem  'steinernen'  keinen  Zusammeahang  (oben  S.  19).  -^  Dass  keine 
ausreichende  Analogie   in  dem  oft  lange  Zeit  festgehaltenen  Gebrauch 
von  novus  liegt  (Bd.  2,  76),  ist  einleuchtend:  es  handelt  sich  bei  diesem 
Wort  um  einen  Gegensatz  zu  vetus,  der  immer   seine   relative  Wahr- 
heit behält.    Eher   hätte    darauf  hingewiesen  werden  können,    dass  in 
manchen  deutschen  Städten   der  Name   der  ersten  geptftasterten  Haupt- 
Strasse  sich  als  'Steinstrasse %  'Steinweg',   'Steindamm'  Jahrhunderte 
lang  erhalten  hat  (vgl.  §  8),  obwohl  das  Herbeiziehen  moderner  Ana- 
logien immer  etwas  Missliches  hat. 


412  ^H^l'  I- 

lassen  und  die  Deutung  'Brüdce  des  Lepidus*  eben  nur  eine 
solche»  und  zwar  eine  falsche  ist,  so  muss  wohl  auch  die 
zweite  Möglichkeit,  dass  der  pom  AemiUus  von  Theodosius 
und  Yalentinian  wiederhergestellt  worden  ist,  in  Betracht 
gezogen  werden.  Für  diese  lasst  sieh  anführen,  dass  In 
diesem  Fall  das  Vorkommen  des  Namens  AemUius  in  der 
Notitia  befriedigend  zu  erklären  wäre,  während  bei  dem 
Zusammenfallen  mit  pons  Probi  (s=  Ponte  rotto)  für  eine 
Brücke  ein  Doppelname  Tokäme  (s.  unten),  und  der  aller- 
dings sehr  wichtige  Umstand,  dass  für  den  Bau  einer  ersten 
Steinbrücke  die  gefährliche  Stromschnelle  der  denkbar  unwahr- 
scheinlichste Ort  ist  Allein  durdischlagend  sind  diese  Gründe 
nicht.  Endlich  mag  hier  die  zwar  meist  in  erste  Linie  ge- 
stellte,, nach  dem  bisher  Gesagten  aber  wenig  brauchbare 
dichterische  Angabe  erwähnt  werden,  dass  das  forum  boarium 
den  pmtes  und  dem  Circus  'verbunden'  sei:  ob  den  Insd- 
brücken  und  dem  damals  schon  gebauten  pms  Aemühu 
öder  dem  suibUctus  oder  beiden  letzteren,  lässt  sidh  nicht 
entscheiden.  Ein  die  Insel  und  eine  Brücke  darstellendes 
Münzbild  belehrt  eben  so  wenig.  Eine  Entscheidung  wird 
nur  herbeigeführt  werden  können  durch  eine  technische 
Analyse  der  Reste  der  Brücken  (die  bisherigen  genügen  gar 
nicht),  vor  AQem  aber  durch  eine  Wiederaufdeckung  des,  wie 
wir  sahen,  noch  ganz  unklaren  ursprünglichen  Strassenlaufs 
von  Trastevere^^). 


*^)  Ovid  F.  6,  477  f.:  pontibus  ei  magno  iuncia  est  cekberrinia 
Circo  area,  quae  posäo  de  bove  nomen  habet»  (Jeber  pontes  oben  A.  16. 
Die  Darstellung^  der  Landan^  der  Schlange  auf  der  Insel  auf  der 
Münze  des  Antoninns  Pias  (Cohen  Bd.  2,  S.  326  n.  376  Abb.  bei 
Urlichs  n.  1  vgl.  S.  475:  mir  liegt  ein  Abdruck  der  Schwefelpaste 
des  Pariser  Exemplars  vor):  vorn  rechts  der  Tiber  einem  ankom- 
menden Schiff'  {rostra  deutlich)  die  Hand  entgegenstreckend.  Das  Schiff 
führt  durch  den  links  stehenden  von  2  hohen  fiögen  einer  gewSlbten 
Brücke  durch;  hinter  dem  Tiber  Land  ansteigend,  als  Felsen  charak- 
terisirt,  darauf  ein  Baum  und  eine  Gebäudegruppe  (Thurm  und  Tempel, 
vgl.  Glandian  1,  226 ff.);  dahin  schwingt  sich  vom  Vordertheil  des  Schiffs 
aus  die  Schlange,    lieber  dem  Schiff  unter  dem  Bogen  ein  kleines  nach 


§  7.]  BRÜCKEN.  413 

Ueber  die  Zeit  des  Baus  sebweigt  das  Zeugniss,  von 
dem  wir  ausgingen  (A.  21):  der  Ausdruck  *sebr  lange  Zeit^ 
iiach  dem  Bau  der  Holzbrücke  durch  König- Ancus  Marciud 
ist  zwar  im  Munde  eines  Schriftstellers  der  Zeit  Kaiser 
Hadrians  eher  ein  Hinweis  auf  die  BIütiieKeit  der  Republik 
(und  über  die  Zeit  zwischen  dem  2ten  und  3ten  puni^ 
sehen  Kriege  wird  überhaupt  nicht  hinaufzugehen  sein),  als 
auf  die  Epoche  ihres  Untergangs.  Aliein  mit  Sicherheit  ist 
auch  das  nicht  zu  behaupten.  Die  Betheiligung  der  Aemilier 
an  den  öffeuftlidien  Bauten  Ist  famer  seit  dem  punischeh 
Kriege  bis  hinab  auf  den  Triumyir  Aemilius  Lepidus,  seinen 
Bruder  Paulus  und  deren  Descendenten  eine  so  grosse, 
leider  aber  nicht  mehr  im  Einzelnen  nachweisbare**),  dass 
es   aussichtslos  zu  sein  scheint ,    zu  untersuchen ,    welcher 


rechts  g^ewandtes  Männchen,  'le  pilote*  nach  Cohen  (ebenso  U.):  aber 
H.  Droysen  schreibt  mir,  dass  *  zwischen  ihm  und  dem  Schiff  festes 
Land  angedetitet  ist*  und  bernft  sich  auf  die  gleiche  Beobachtung 
y.  Sallets.  AufiPallend  fflso  ist  Val.  Max.  1,  8,  2:  {ang^uisj  ,  .  tri 
ripam  Tiheris  e^ressis  legatis  in  insulam,  übt  templum  dt- 
eatttm  est,  tranavit.  Ist  dieser  Moment  dargestellt,  so  stiegen  die 
Gesandten  unterhalb  der  Insel  auf  dem  rechten  Ufer  oder  auf  der  Insel 
ans.  Mir  ist  die  Darstellung  weder  verständlich,  wenn  die  Brücke  die 
aemilische,  noch  wenn  sie,  was  ich  für  wahrscheinlicher  halte,  di0 
fabricische  sein  soll.  Die  snblicische  ist  sie  sicher  nicht;  der  Ana- 
chronismus aber  ist  erträglich. 

*")  Genaueres  wissen  wir  nur  über  die  zum  Monopol  der  Aemilier 
gewordene  Basilica  (Jahresberichte  1875,  741  ff.  u.  Th.  II).  Ueber 
den  ludtts  j4emiltus  ungewisser  Lage,  welcher  nur  bei  Horaz  (Ars  po. 
32  ff.)  erwähnt  wird,  zur  Zeit  des  Porphyrion ,  also  im  4.  Jahrhundert, 
noch  erhalten  als  balineum  Polyeteli,  s,  Hermes  9,  416,  ff.  Unverdächtig 
ist  Porphyrions  Erklärung  /4emilü  Lepidi,  wenn  auch  nicht  hinzugefügt 
wird,  welcher  Lepidus  gemeint  ist.  —  Unsicher  ist  die  Bestimmung 
der  Fragmente  des  kapit.  Plans  24  [basilica]  EmiOla]  und  95  portic[us]  [ 
j4e[milia],  wie  in  der  Adnot.  gezeigt  worden  ist  —  Hauptstelle  über 
die  Aemilier  Cicero  PhiL  13,  4,  8  (im  J.  711):  plurifna  urbis  örna* 
tnenta  ipsius  (des  Triumvirn),  fratris  tnaiorumque  tnonufnenta,  was 
sehr  danach  aussieht,  als  wenn  die  monumenta  (nach  bekanntem 
Sprachgebrauch)  nur  die  von  deä  früheren  Aemiliern  und  dem  Bruder 
umgebaute  und  ausgeschmückte  Basilica  sei.  —  Ueber  die  Münze 
die  f.  A. 


4U  THKIL  I. 

Aemilier  vor  725  die  Brück«  gebaut  hat.  Denn  der  Versach, 
jenen  Quästor  zu  retten  und  ihn  den  Brückenbau  als  eicrafar 
aqmnan  im  J.  638  vollziehen  zu  lassen,  scheint  mir  un- 
haltbar^^), ganz  zvireifelhaft  die  Annahme,  an.  welche  man 
wohl  denken  könnte ,  dass  der  räthselhafte  Bau  einer  Brücke, 
welcher  durch  die  Censoren  der  Jahre  575  und  612  ver- 
dungen war,  nach  diesem  Jahre  durch,  einen  Aemilier  abge- 
nommen und  deshalb  unter  dam  Namen  dieses  vielleicht 
ausserordentlichen  Beamten  benannt  worden  sei.  Dass  dieser 
Bau  mindestens  anders  vcarstanden:  werden  kann,  wird  tmten 
gezeigt  werden. 


^)  Deoar  (Momnusen  n.  124  =^  155  d.  franz.  Ausg.;  gute  AbUl- 
dung  bei  Coheo  T.  I  Aem.  3)  geschlagen  zwischen  640  nnd  650  (?): 
ein  Reiter  auf  stehendem  Ross,  den  Speer  aufrecht  haltend;  das  Ross 
steht  wie  auf  einer  Basis,  welche  aus  drei,  gleich  hohen  Bögen  (%  ßo 
hoch  wie  die  Statue)  gebildet  wird.  '  Die  Inschrift  (im  Umkreis)  M^Ae" 
mUio  (in  den  Bögen)  Lep{ido)  kann  wegen  des  Dativs,  wie  Mommsen 
S.  531  (vgl.  Blacas  S.  345  f.)  bemerkt;  wohl  nur  die  Wiederholung 
der  Honorarinschrift  eines  Monuments  jenes  Lepidus,  vennnthlich  eines 
Vorfahren  des  nicht  genannten  IMünzmeisters  sein.  Den  pons  Aemüius 
sahen  die  Erklärer  vor  Mommsen  in  den  Bögen;  Mommsens  Wider- 
spruch, soweit  er  sich  auf  die  Annahme  stützt,  derselbe  sei  erst  733 
gebaut,  ist  jetzt  hinfällig.  Er  denkt  an  einen  fomixi  allein  richtig 
entgegnet  Urliohs  S.  483,  dass  ^das  Missverhältniss  zur  Statue  uner- 
träglich und  ein  Ehrenbogen  mit  3  Durchgängen  für  die  republikanische 
Zeit  ungewöhnlich  wäre'  (ich  glaube  undenk))ar,  Einl.  §  1  S.  29;  ausser- 
dem sind  die  Bögen  gleich  hoch,  keine  Andeutung  der  arcbitektoBischen 
Gliederung)  und  vergleicht  den  die  aqua  Marcia  allerdings  ganz  i;leich 
darstellenden  Denar  (nur  5  statt  3  Bögen,  vgL  unten);  es  sei  aar  pont 
Aemüius,  erbaut  von  dem  Münzmeister,  der  als  Quästor  (Plptarcli) 
im  J.  63S  die  cura  aquarum  gehabt  (s.  Frontin,  A.  19)  und  in  dieser 
Eigenschaft  die  Brücke  gebaut  und  die  Wasserleitung  herübergeführt 
habe;  also  (?)  ein  analoger  Fall,  wie  der  Bau  des  fons Fäbridus  durch 
einen  euraior  viarum.  Die  Statue  stelle  einen  Vorfahren  dar.  £s 
genügt  jetzt  über  jene  quästorische  cura  aquarum  auf  Mosunsea 
Staatsr.  2^,  558  vgl.  436  und  Hirschfeld  Verw.  1,162  zu  verweisen.  — 
Ebensowenig  scheint  Gavedonis  Deutung  auf  die  ro&tra  annehmbar 
(s.  Blacas  a.  0.).  —  Ein  Wasserleitungsbau  scheint  allerdings  darge- 
stellt zu  sein,  nichts  aber  charakterisirt  die  Brücke.  Die  Deutung 
bleibt  ungewiss. 


§  7.]  BROCKEN.  415 

Sicherern  Boden  haben  wir  unter  den  Füssen,  wenn 
wir  die  weitere  Entwickelung  des  Brückenbaus  verfolgen, 
obwohl  auch  hier  streitige  Punkte  übrig  bleiben  und  nur 
durch  eine  zu  hoffende  Analyse  der  Bauten  zu  erledigen 
sind.  Ein  wahrscheinlich  mittelbar  aus  der  erweiterten 
Notitia  stammendes  mittelalterliches  Verzeichniss  nennt  uns 
8  steinerne  Brücken,  und  soviel  stehen  noch  heut  oder  sind 
doch  in  unzweifelhaften  Besten  erkennbar:  wir  gdien  sie  in 
der  Beihenfolge  stromabwärts,  wie  sie  das  Verzeichniss  auf- 
zahlt, durch. 

1.  Pom  Mulvius  (im  Anschluss  an  mittelalterliche  Formen 
jetzt  Ponte  Atolle)  leitet  die  via  Flaminia  über  den  Fluss, 
und  ist  vielleicht  gleichzeitig  mit  dieser  (534),  wenn  nicht 
schon  früher,  als  Holzbau  hergestellt,  wohl  erst  im  J.  644 
von  den  Censoren  als  Steinbau  verdungen,  der  Bau  von  einem 
unbekannten  ausserordentlichen  Beamten  des  Namens  später 
abgenommen  worden.  Von  den  6  Bögen  sind  nur  die  mitt- 
leren 4  antik ,  wie  viel  von  ihnen  (Material  Travertin  und 
Peperin)  dem  Bau  v.  644  angehört,  ist  unsicher.  Nach  der 
Herstellung  der  via  Flaminia  (438)  durch  Augustus  wurde  er 
mit  einem  oder  zwei  Ehrenbögen  desselben  geschmückt.  — 
Die  jetzige  Gestalt  erhielt  die  Brücke  1808^^). 

'^)  Die  Orthographie  (Mulvius)  steht  darch  Mon.  Anc.  4,  19  fest. 
Ebenso  die  beste  hs.  UeberlieferuDg  (Bentley  zu  Hör.  Serm.  2,  7,  36), 
daneben  in  alten  Hds.  die  Vnlgärformen  Molvius,  Molvi,  Molbiy  z.  B.  Cur. 
Not.,  Vita  Gallien.  18,  5,  Lib.  pontif.  öfters,  seltener  Milvius,  z.  B.  de 
mort.  pers.  44,  3;  mittelalterlich  korrumpirt  Mole,  de  Mole  u.  a.  — 
Zuerst  erwähnt  von  Liyius  27,  51  z.  J.  547  (sonst  häufig;  berühmt 
die  Episode  der  catilinarischen  Verschwörung  Sali.  C.  45,  1  u.  A. 
und  die  Maxentinsschlacht ;  poetisch  Mulvius  a^^r  Statins  Silv.  2,  1, 
170  f.).  — Viri  ill.  72:  (Aemilius  Scaurus,  644/110)  cmsor  viam  Aemi- 
liam  stravity  pontem  Mulvium  fecit.  Amm.  Marc.  27,  3,  9:  ad  Mulvium 
pontem  quem  struxisse  superior  dieUur  Scaurus.  Scaurus  galt  also  als 
Erbauer.  Sollte  der  unbekannte  Mulvius  (Mulvii  kommen  vor,  z.  B. 
Cic.  ad  Att.  2,  15,  4  Val.  Max.  8,  1  damn.  5),  wie  Mommsen  (zu 
Mon.  Anc.  S.  59)  meint,  ein  älterer  oder  der  erste  Erbauer,  nicht  der 
Vollender  sein?  Die  Erwähnung  des  Livios  beweist  nicht  das  Gegen- 
theil.  —  Augustus  a.  0. :  viam  Flaminialm  ex]  ma[nibiis]  j4ri[inino  tenus 


416  THEIL  I. 

2.  Pöns  Äeltus  (jetzt  nach  dem  Grabmal  Ponte  S.  An- 
gelo),  im  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  auch  Hadriani,  viel- 
leicht schon  im  5.  Jahrhundert,  wie  im  früheren  Mittel- 
alter S.  Petri,  vom  Kaiser  Hadrian  gleichzeitig  mit  dem 
Grabmal  (dem  heutigen  Kastell  S«  Angelo,  s.  §  6  A.  57  und 
Th.  II)  erbaut  (im  J.  134),  führte  die  via  Aurelia  nava  (Cornelia?) 
über  den  Fluss,  wahrscheinlich  nach  dem  Untergang  oder 
Abbruch  des  pons  Neronianus.  Sie  war  nach  der  gleichzei- 
tigen Münzdarstellung  (?)  mit  Statuen  geschmückt.  Zu  den 
5  alten  Bögen  ^  welche  diese  darstellt,  ist  im  16.  Jahrhundert 
ein  sechster  gefügt  worden.    Das  Material  ist  Travertin*'). 

3.  Pons  Neronianns  heisst  in  dem  mittelalterlichen  Ver- 
teichniss  die  nächstfolgende  Brücke  bei  S.  Spirito  in  Sassia, 
deren  Reste  dort  am  Ufer  noch  jetzt  sichtbar  sind.  Der  Name 
ist  wahrscheinlich  ein  volksthümlicher,  yielleicht  erst  mittel- 
alterlicher. Dass  aber  die  Anlage  der  Brücke  durch  die  vati- 
canischen  Bauten  des  Gajus   gefordert  wurde  (zwischen   der 

Insel   und  Ponte  moUe    gab   es   keine  Brücke),    ist    äugen- 

«  ■    Pill        . 

^  in  ea  pontes]  o[mnes]  praeter  Mu[l]vium  et  Minu[c]ittm  [refeeQ  (nacfc 
dem  Griech.).  EbreDbb'gen  iv  zy  tov  TißiqiSog  ye(pvQtf  und  za  Ari- 
minum  dem  Aagnstns  errichtet:  Dio  53,  22  ygl.  Claudian.  28,  520 f. 
MünzbUder:  Borg^hesi  Oeuvres  2,  361  ff.  (welcher  zu  beweisen  sacht, 
dass  zwei  oder  gar  drei  Bögen  Eingang  und  Ausgang  geziert  haben).  ^ 
Baulicher  Zustand:  Nibby  Analisi  2,  580.  R.  a.  1,  188 f.  Eine  ge- 
nugende Abbildung  ist  mir  nicht  bekannt:  die  beste  wohl  bei  Piranesi 
Camp.  M.  T.  XXXIX. 

**)  Melius  Dio  69,  23  und  die  Notitia,  Hadriani  untechnisch,  PmdenL 
perl  steph.  12,  49  und  das  Mittelalter,  (z.  B.  das  Verzeichniss  und  der 
Ordo  Benedicti);  S.  Petri  yielleicht  schon  bei  Aethicus  (§  6  A.  66), 
im  Eins.  Itinerar.  —  Spartian  Hadr.  19:  fecit  et  sui  nominis  pontem 
et  sepulcrum  iuxta  Tiberim,  loschr.  noch  vom  An.  Eins,  'in  poate 
S.  Petri*  gelesen  (CIL  6,  1,  973)  imp.  Caesar  dioi . .  .p.  p,  (Titulatof 
d.  a.  J.)  fecit  —  Münze  d.  J.  nach  Eckhel  6,  152  höchst  verdächtig,  das 
Wiener  Ex.  unecht.  Auch  das  von  Donaldson  Arch.  num.  o.  64  abgöb. 
Pariser?  —  Baulicher  Zustand:  Piale  S«  17 f.  berichtet,  dass  beim  Bid 
der  Strasse  'che  porta  al  Vaticano  sotto  il  muro  del  Castello  nel  sito  pre- 
cisamente,  dove  questo  muro  fa  un  poco  di  angolo '  die  Fortsetzung  der 
Brücke  gefunden  worden  sei.  —  Abbildung  und  Analyse  Piranesi  Ant 
4  T.  IV.  V.  vgl.  Canina  Ed.  T.  CCXXXIX. 


. 


§  7.]  BRÜCKEN.  417 

fällig.  Ob  die  Brücke  schan  vor  Hadrian  zerstört  wurde,  ist 
unsicher,  jedesfalls  war  sie  zur  Zeit  Constantins  nicht  mehr 
im  Stande  ^0)* 

4.  Ports  Aurelius  (jetzt  Ponte  Sisto  nach  seinem  Wieder- 
hersteller), im  gewohnlichen  Sprachgebrauch  auch  Antonini, 
bereits  zu  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  halb  zerstört,  im 
J.  1475  von  Sixtus  IV.  wiederhergestellt.  Wieviel  von  den 
4  grossen  Bögen  (Material  Travertin)  noch  alt  ist,  steht  nicht 
fest.  Der  Name  hat  mit  dem  Namen  der  via  Aurdia  {vetus 
et  novo)  Nichts  zu  thim  (§  6  A.  53).  Da  keine  der  grossen  viae 
über  sie  führte  (vgl.  oben  S.  375  if.),  so  kann  der  Zweck  der 
Brücke  nur  gewesen  sein,  die  seit  dem  Ende  des  2.  Jahrb. 
wachsenden  Anlagen  im  nördlichen  Trastevere  mit  der  Stadt 


*^)  Die  Mirabilien  pons  Nenmianus,  aber  sehon  die  Graphia  mit 
dem  Zusatz  ad  Sassiam  (pons  ruptus  ad  S.  Spiritum  in  Sassia  der 
Aaon.):  Bd.  2,  192.  Dass  die  noch  jetzt  vorhandeneD  spSrlicbea  Reste 
zwischen  S.  Giovanni  de'  Fiorentini  und  S.  Splrito  mittelalterlich  seien 
jind  garnioht  einer  Brücke  gehörteq,  behauptete  nach  ungenügender 
Untersuchung  Piranesi  (Ant.  4  T.  XIJI):  dagegen  Piale  zu  Yenuti  2,  190 
(1824):  ^quando  circa  12  aoni  sono  si  cereo  di  togliere  gli  avanzi  del 
poDte  presso  S.  Spirito  ...  vi  si  trovo  costruzione  di  travertini'  (Yenuti 
sagt  Travertin  und  Peperin)  ^solidissima  e  certi  avaozi  di  un 
ponte.  SU  quäle  ne'  tempi  bassi  si  poterono  fare  le  costruzioni  rieo- 
nosciute  dal  Piranesi '.  Piranesi  wollte  Reste  einer  Brücke  bei  Tor  di 
Noaa  entdeckt  haben  (s.  unten).  —  Erfunden  sind  die  Namen  pons 
yaticantts  und  triumphalis  (unten).  —  Wie  auch  die  Richtung  der 
Strai^sen  im  Marsfelde  zu  denken  ist,  richtig  hat  namentlich  Piale 
S.  14  f.  gezeigt,  dass  die  Lage  der  Brücke  auf  die  Anlagen  des  Gali- 
gola  hinweist  und  dass  Philo  aus  dem  Marsfelde  nach  den  Gärten  der 
Agrippina  nnr  über  diese  Brücke  gelangt  sein  kann.  Der  Name  wird, 
wie  Piale  u.  A.  ebenfalls  gesehen  haben,  eine  volksthümliche  Bezeich- 
nung sein,  wie  auch  der  Circus  des  Caligala  und  die  Gärten  der 
Agrippina  circus  und  korti  Neronis  heissen.  —  Wenn  Prudentios  die 
Pilger  am  Peter-  u.  Paulstage  über  die  Engelsbrücke  uaph  dem  Yaticaa 
gehen  lässt  (A.  29),  so  beweist  das  schwerlich,  dass  die  neronische 
damals  ni-cht  mehr  vorbanden  war:  Prokop  aber  hätte  sie  bei  den  S.  374 
erörterten  Kämpfen  erwähnen  müssen,  wenn  sie  es  gewesen  wäre.  — 
Eine  Spur  ihres  Daseins  weist  die  Ordnung  in  der  NotiUa  auf  (unten).  — 
Richtig  urtheilt  auch  Preller  Reg.  244. 

Jordan,  römische  Topographie.    I.    1,  ^ « 


418  THEIL I. 

direkt  zu  verbinden  und  es  ist  daher  wahrscheinlich,  dass 
der  Erbauer  Caracalla  ist'^)« 

5.  6.  Die  steinernen  Inselbrücken  (über  die  hölzer- 
nen S.  404)  sind:  vom  rechten  Ufer  nach  der  Insel  pom 
Fabrieius  (jetzt  nach  den  4  antiken  am  Eingang  und  Aus- 
gang befindlichen  Hermen  Ponte  de'  quattro  capi)  gebaut  im 
J.  692  von  einem  eigens  bestellten  curcUor  viarum  L.  Fa- 
brieius, ganz  oder  theilweise  wiederhergestellt  im  J.  733, 
auffallender  Weise  später  nicht  mehr  genannt,  im  Mittelalter 
wegen  des  anliegenden  Ghetto  pons  ludaeorum  (und  so  im 
Verzeichniss),  aus  zwei  grossen  Bogen  bestehend,  über  denen 
zu  beiden  Seiten  die  Inschriften  erhalten  sind  (Bekleidung 
Travertin)^');    von  der  Insel  nach  Trastevere:    die   noch  im 


'')  Die  Identität  des  Aurelius  (so  nur  die  Notitia)  mit  P.  Sisto 
folgt  ans  der  Reiheofolg«  des  alten  Verzeichnisses  mit  ziemlicher 
Oewissheit  (unten);  mittelalterlich  (so  anch  im  Verzeichniss)  p,  j4n- 
tonini,  z.  B.  Urk.  von  1016.  1123  (Bd.  2,  193,  195),  welche  zugleieh 
die  Zerstörnog  bezeugen.  Dahin  gehört  aneh  das  Zengniss  dor  in  ihrer 
Fassung  mittelalterlichen  Acta  SS.  Hippolyti  et  soc.  bei  Baronius  z.  J. 
259  §  19  (über  welche  Bd.  2,  119).  Im  12.  Jahrhundert  heisst  das  in 
Trümmern  liegende  Theater  des  Balbns,  welches  früh  seinen  INamen 
eiogebüsst  hat,  iheatrum  Antonini  üucta  pontem  Antonini  (Mirab.  e.  9): 
es  kann  demnach  sehr  wohl  pons  Antonini  (wie  pons  HadHani  neben 
Aelius)  die  volksthümliche  Form  des  alten  Namens  sein,  braucht  es 
aber  nicht  (Bd.  2,  436)i  Eine  von  Severns  begonnene,  von  Caracalla 
vollendete  Brücke  konnte  pons  Aurelius  heissen:  freilich  heissen  seine 
Thermen  Antomnianae  (wie  Severianae  Aleafondrianae).  —  Die  oben 
angegebene  Bestimmung  der  Brücke  hat  n.  A.  Piale  S>  19  richtig  er- 
kannt. —  Geschichte  der  Wiederherstellnng  durch  Sixtns  IV.  und  bau- 
licher Zustand  (4  Travertinbtfgen) :  Nibby  R.  a.  1,  181  fP.  Die  Abbil- 
dungen geben  keinen  Einblick  in  die  antiken  Reste. 

'^)  Zwei  Hauptbögen  (a  zunächst  der  Stadt,  b  der  Insel),  ia  der 
Mitte  ein  Wasserdnrdiilass  (c).  Inschrift  CIL  1,  600  genauer  als 
6,  1,  1305:  (über  a  und  b  gleichlautend  auf  der  Ost-  nnd  Westseite) 
Zr.  Fabrieius  C.  f,  cur.  viar  \\  faeiundum  eoeravit  (über  c)  eidemque 
probaveit  (so  auf  der  Ostseite,  idemque  probavU  auf  der  Westseite); 
in  kleineren  Buchstaben  über  a  nnter  der  Hauptinsehrift  auf  der  West- 
seite: Q,  Lepidus  M\  (so)  f,  M,  LoUius  M.  f.  cos  ex  s.  c.  probavenm 
(so;  die  ganze  Zeile  nach  Brunns  Entdeckung  moderne  Restanratiei), 
auf  der  Ostseite:  M.  LoUius  M.  f,  Q,  Lepi[dus  M,  f,  c]o*  ex  s,  c.  /wo- 


§  7.)  BRÜCKEN.  419 

mittelalterlichen  Verzeichniss  richtig  pom  Gratiani  genannte 
Brücke.'  Ihre  Identität  mit  dem  pons.Cestius  der  Notitia 
(nur  hier  genannt)  ist  namentlich  durch  die  im  J.  44S  ge- 
schriebene Bearbeitung  des  Polemius  Silvius  ausser  Zweifel. 
Der  Restaurationsbau  Gratians,  von  welchem  die  an  der  Balu- 
strade erhaltene  Inschrift  Zeugniss  giebt,  ist  i.  J.  370  (?)  dedi- 
cirt.  Dass  der  ursprüngliche  Bau  nach  692  zu  setzen  ist, 
darf  als  sicher  gelten,  als  höchst  wahrscheinlich,  dass  er  vor 
das  J.  727  fällt.  Die  Familie  der  Cestii  ist  in  dieser  Zeit 
mit  den  leitenden  Staatsmännern  in  nahem  Verkehr  gewesen : 
welcher  von  ihnen  den  Bau,  vcrmuthlich  auch  als  curator 
viarum,  ausgeführt  hat,  ist  nicht  auszumachen.  Von  dem 
ursprünglichen  Bau  scheint  Wenig  mehr  erhalten'^).  Auch 
der  Restaurationsbau  (ein  grosser  und  zwei    kleine  Bögen» 

boüerunt,  also  die  Conanla  von  738 ;  Lepidns  ist  der  Sohn  des  Triam- 
vir,  M\f.   auf  der  Westseite  unrichtig.  —  Dio  37|  45  setst  den  Bau 
ins  J.  69^  (na<;h  der  Erwähnung  des  Skandals  am  Fest  der  Bona  dea): 
TOT£  fih  Toivta  iyävezo  xal  ^  y4(pvQa  ^  Xid-Cvti  xazecxevaadti  tj  is  t6 
ytiaCdiov  t6  h  ttp  Ttßiq^i  ov  (piqovaa  *PaßQixüic  xXiid^itaa  (folgeo  an- 
dere Geschichten).  —  Dass  die  Ueberschwemmung  von  732,  welche  die 
sublicische  Brücke  wegriss,  die  Beschädigung  der  Brücke  und  die  Aus- 
besserung des  J.  733  veranlasst  hat,  bemerkt  schon  Piale  S.  11  f.  — 
Baulicher  Zustand:    wie  es   nach  der  Stellung   der  Inschrift  von   733 
scheint,   ist  nur  der  Bogen  zunächst  der  Stadt   in   diesem  Jahr  restau- 
rirt  worden;   der  Zustand  aller  loschrifteo  auf  der  stromaufwärts 
sehenden  Westseite  macht  es  wahrscheinlich,  dass  wenigstens  die  Tra- 
vertittbekleidung    auch    über    dem    Wasserdurchlass,    nicht    mehr  die 
ursprüngliche  ist  (etwa  vonAugustus  ersetzt?).    Piranesi . hält  nur  den 
vor  den  Mittelpfeiler  vorgesetzten  'sperone'  für  jüngeren  Zusatz,  Nibby 
1,  175  ff.  denkt  überhaupt  an  keine  Restauration.  —  Die  Balustraden 
modern,  die  Hermen  nach  Nibby  vielleicht  ehemals  Pfeiler  eines  eisernen 
Brückengeländers  (?).  —  Material  Peperin,  Travertin.     Abbildung  und 
Analyse  des  Baus:  Piranesi  Ant.  4  T.  XVI—XIX  (danach  Rossini  1820; 
die  übrigen  ohne  Belang). 

")  Gleichlautende  Inschriften  auf  2  in  die  Balustraden  einge- 
lassenen Marmortafel a ,  von  denen  eine  erst  1840  verloren  ging  (die 
Titulaturen  lasse  ich  weg)  CIL  6,  1,  1175:  domini  nostri  imperaloreg 
Caesares  \  Ft  Falentirdanus  .  .  .  |  FL  FaUns  .  ,  .  \  FL  Gratianus  .  . .  | 
pontem  FeUeU  nominis  Gratiani  in  utwn  senatus  ac  populi  Rom.  can- 
sUtui  dedicartq.  tusserunt  (jäher  die  Titulatur  und  das  Jahr  unten).   Nur 

27* 


420  THEIL  f. 

Material  Tuf,  Peperin,  Travertin,  marmorne  Balustraden)  hat 
nicht  Stand  gehakt  und  ist  im  10.  Jahrhundert  und  im 
J.  1679  ausgebessert  worden.  / 

7.  Ponte  rotto,  im  5.  Jahrhundert  vom  Volke  pons  lapideus 
(Lepidi?)  genannt,  im  frühen  Mittelalter  pons  maior,  im  späteren 
pons  senatorum  oder  5.  Mariae,  ist  wahrscheinlich  der  ungewiss 
von  wem  und  wann,  sicher  vor  725  gebaute  pons  Aemilius  (oben). 
Auf  dem  linken  Ufer  stand,  den  Eingang  in  die  Stadt  bezeich- 
nend, ein  vielleicht  das  Standbild  des  Aemilius  tragender  Bogen, 

der  Vf.  d.  Nachträge  zu  Mazochi    las  (über  den  Bögen?)  die  Inschrift 
n.  1176:  Gra]tiam  irüitnfalü  principts  pontem  Aetemitati  Augusii  no- 
minU  cOMecratum  in  utum  senatus  poptiUque  Romani  ddd.  nnn,  f^alen- 
tinianus  Valens  et  Graiianus  victores  maximi  ac  perennes  incohari  per- 
fid dedicariq[u0  iusterunt.    Mindestens   sehr  auffallend   ist   bei   einem 
officiellen  Aktenstück   die  Abweichung   in   der  Scblussformel   von   der 
erhaltenen  Inschrift.     Als  Jahr  der  Dedication   nimmt  Henzen   'ob   nn- 
merum  tribuniciae  potestatis'  370  an.    Allein  das  scheint  doch  unsicher. 
Die  Inschrift  giebt  für  Valentinian  und  Valens  trib,  pot.  FII .  .  .  cos  11^ 
für  Gratian  trih.  pot.  II ,  , ,  cos;  so  Henzen  ohne  Bemerkung   (Druck- 
fehler?):  die  Texte  vor  ihm  geben  für  Gratian  trib.  pot.  III,   was  auf 
369  führt;    für  Valens    und  Valentinian    aber  ipvnrde,    wie   Wilmanns 
Kx.  1091  bemerkt,  wenn  trib.  pot.  f7/ richtig  ist,  cos  III  zu  schreiben 
sein,  =  370.  —  Symmachus  in  der  vor  371,  vielleicht  schon  367  geschrie- 
benen Lobrede  auf  Gratian  c.  9.  spricht  von  der  Rheinbrücke  des  Va- 
lentinian   und   der  Tiberbrücke:   en   noster  hicomis  cave  aequalem  te 
arbitrere  Tiberino,  quod  atnbo  principum  monumenta  gesietis  u.  s.  w. 
Die  Meinung,    dass  Symmachus   der  Vater  als  Prfifekt  364.   365.   (CIL 
6,  1,  1698)  den  Bau  begonnen  habe,  beruht  soviel  ich  weiss,   nur  auf 
Amm.  27,  3,  3,  der  von  ihm  sagt:  quo  instante  urbs  saeratissima  otio  eopäs- 
quo  abundantius  solito  fruebatttr  ^  et  ambitioso  ponte  extdlat  atque  fir- 
tnissimo  quem  con)didit  ipse  u.  s.  w.   Aber  die  Hss.  haben  fruebedur  dedit 
(so)  ipse^  die  Lücke  hat  Gelenius  ausgefüllt.  —  Cestius  nur  die  Notitia. 
Seit  Nardini  wird  geltend  gemacht,  dass    nach  727    eine    neu  gebaute 
Brücke  den  Namen  des  Augustus  geführt  haben  wurde:  dass  Augnstus  im 
Moo.  Anc.  die  Brücke  nicht  unter  seinen  Bauten   erwähnt,  dürfte  auch 
ins  Gewicht  fallen  (anders  steht   es  mit  der  ebenfalls  nicht  erwähnten 
liqna  /üisietitta:  s.  unten).    Man  wird  also  an  den  Münzmeister  L.  Cestius 
(kurz  nacii  Caesars  Tod,  Prätor :  Mommsen  Münzw.  S.  658.  742,  identisch 
mit  dem  Bruder  des  an  der  F.  S.   Paolo  begrabenen?)  denken  können; 
weniger  wahrscheinlich  an  spätere  Cestii.  —  Baulicher  Znstand :  Nibby 
S.  173  f.,   —    Abbildung  tind  Analyse:  Piranesi  Ant.  4  T.  XXI.  XXII. 


§  7.]  BRÜCKEN.  421 

welchen  (zugleich  die  Brücke  ?)  Äugustus  (nach  742) 
wiederherstellte.  Zuletzt  hat  sie^  wie  es  scheint,  Kaiser 
Prahus,  der  Vollender  der  aurelianischen  Mauer,  wiederher- 
gestellt. Dieser  Neubau  scheint  trotz  der  gefährlichen  Strom-' 
schnelle  bis  ins  13.  Jahrhundert  bestanden  zu  haben*  Seit- 
dem haben  wiederholte  Zerstörungen  (bis  1598)  mehrfache 
Restaurationsyersuche  herbeigeführt,  die  sich  als  fruchtlos 
erwiesen,  und  man  hat  schUesslich  die  Hälfte  durch  eine 
Kettenbrücke  ersetzt  (wieviel  von  den  Pfeilern  der  ursprüng- 
lichen 4  Bögen  alt  ist,  ist  nicht  sicher  ermittelt,  Material 
Traverlin**). 

8.  Pms  Theodosii  et  YahrUmani  (nach  der  berich- 
tigten Lesung  des  mittelalterlichen  Verzeichnisses),  auch  mar" 
moreus  oder  in  ripa  Romaea,  in  der  Nähe  der  Marmorata : 
fehlt  in  der  Notitia,  weil  später  (384—392  oder  425--- 450?) 
gebaut.  Schon  im  11.  Jahrhundert  theil weise  zerstört,  wurde 
die  Brücke  im  J.  1484   bis   auf  die   noch  jetzt   sichtbaren 


^)  AethicQS  (s.  A.  1):  der  Tiber  strömt  unterhalb  der  Insel  per 
pontem  Lepidt  qui  nunc  a  plebe  abusive  lapideus  dicitur  iuxta  forum, 
boarium  (vgl.  Ovid  in  der  A.  25.  a.  Stelle).  —  Pons  maior  EiosI  Itin., 
oben  A.  49;  S.  Mariae  schon  in  der  Urk,  von  1018,  Senatcrum  seit 
der  Errichtung  des  palatium  senatorum  auf  dem  Kapitel  (Bd.  2,  244  f.)? 
lieber  die  Identität  der  Brücke  mit  dem  pons  Probt  der  Not.  (so  nur 
diese)  s.  unten,  die  Identität  mit  dem  Aemüiits  ist  oben  wahrschein- 
lich gemacht.  —  Äugustus:  Signorili  las  Mn  quodam  arcu  sito  in 
platea  pontis  S.  Mariae'  (=  An.  Magliab.,  wie  Bd.  2,  419  gezeigt, 
daher  der  Znsatz  'arcus  marmoreus'  bedeutungslos),  Cyriacus  Mb 
arcnlapideo'  (anderwärts  'semifracto  lapidis  Tiburtini')  'prope  domnm 
Sabellornm'  (d.  h.  dem  Palast  Savelli  in  dem  nahen  Afareellustheater) 
die  Inschrift  CIL  6,  1,  878:  [imp,]  Caesar  divi  f.  j4ugustus  pont,  max, 
ex  s,  c,  refeeit  (nach  742).  Bogen  und  Brücke  hatte  De  Rossi  Le  prime 
racc.  S.  57  auf  dem  von  Bellori  Vest.  vet.  Romae  S.  1  publicirten 
antiken  (?)  Bilde  zu  erkennen  geglaubt,  den  Irrthum  aber  selbst  später 
zurückgenommen  (s.  Bd.  2,  145),  was  im  CIL  z.  d.  J.  nicht  bemerkt 
wird.  —  Baulicher  Zustand:  die  Untersuchung  von  P.  Lanciani  Del 
ponte  senatorio  ora  ponte  rotte  (R.  1826.  4  S.  6f.  Grundriss  T.  I)  erstreckt 
sich  hauptsächlich  auf  die  Chronologie  der  Restaurationen  seit  dem 
13.  Jahrb.  Nach  ihm  wären  der  1.  und  4.  Pfeiler  alt,  der  2.  und  3« 
von  Gregor  XIII  gebaut.  —  Abbildung  Canina  T.  CCXL. 


422  'FHKIL  I. 

Pfeilerstümpfe  abgerissen.  Die  Bögen  mit  ihren  Pfeilern 
waren  mit  Travertin  bekleidet''^). 

Mehr  als  diese  8  steinernen  Brücken  hat  es  allem  An* 
schein  nach  nie  gegeben.  Die  Behauptung,  dass  Reste  einer 
9ten  bei  Tor  di  Nona  vorhanden  wären,  ist  irrig  (A.  30). 
Seit  dem  15.  Jahrhundert  wurden  von  den  Gelehrten  n.  3 
pons  Vaticanus  oder  triumphalü^  4  lanictdensis,  7  Palatimu, 
8  sublicms  benannt :  die  letzte  Benennung  ist  falsch  (oben  A.  10), 
die  übrigen  wären  an  sich  möglich,  beruhen  aber,  wie 
Bd.  2,  203  f.  gezeigt  worden  ist,  auf  einer  Verwirrung  der 
Listen  der  Brücken  und  der  Berge;  der  Name  triumphalä 
offenbar  auf  einer  Yerwertfaung  des  allbekannten  '  Triumphal- 
gebieU'  (oben  §  6  A.  51). 

Es  ist  oben  gezeigt  worden,  dass  der  pons  Aemilm 
pnterhalb  der  Insel  zu  suchen  ist,  also  nur  Ponte  rotte  oder 


>B)  Das  m.  a.  Verzeichniss  pons  marmoreus  Theodosn  (Theodosü 
in  ripa  r(o)maea  die  Grapfaia)  et  pons  Falmtiniwüy  von  mir  als  eine 
Bracke  nachgewiesen  Novae  qaaestt.  S.  12  (darin  folgen  mir  Urlichs 
S.  466  Wecklein  S.  178  f.):  marmoreus  hat  nichts  mit  der  Marmorata, 
nichts  mit  einem  'marmornen  Brückengeländer'  (Urlichs  S.  467),  wie 
es  auchpofi^  Gratiani  hat,  zu  than,  sondern  ist  =»  lapideus  (Bd.  2,  196). 
Urk.  d»  J.  1016:  ad  ramum  fracti  pontis;  über  die  Zerstörnng  voa 
1484  Nibby  S.  203  f.,  über  den  baulichen  ZusUnd  (Material  Tnf  und 
Peperin,  Travertinbekleidang)  auch  Vennti-Piale  2,  53.  —  Die  früher 
auf  den  Ban  des  pons  Gratiani  irrig  bezogenen  Briefe   des  Symmachos 

4,  70.  5,  76  nnd  desselben  amtliche  Berichte  als  Stadtpräfekt  (384—386: 
CIL  6,  1,  1699)  an  die  Kaiser  10,45  f.  (=  Relat.  25  f.  ed.  Meyer),  in 
welchen  von  einem  Streit  über  die  Ausgaben  für  den  Bau  'der  Brücke 
und  der  Basilica '  {super  basiUcae  atque  pontis  immodico  sumptu  Rel.  25), 
besonders  der  ersten  {novi  pontis  Rel.  26),  die  Rede  ist,  hat  P^ibby 

5.  172  irrig  auf  eine  Brücke  ausserhalb  Rom  und  die  Paulskirche,  Ur- 
lichs wohl  richtig  S.  494  f.  auf  diese  Brücke  und  den  Restanratioosbaii 
der  basilica  Itdia  (377)  bezogen :  der  Bau,  von  dem  ein  kleiner  Theil  später 
eingestürzt  war,  kann  frühestens  381  fertiggestellt  worden  sein,  da 
Symmachus,  der  als  Präfekt  die  Entscheidung  über  die  Herstellungs» 
arbeiten  herbeiführte,  über  den  Bau  berichtet:  Cyriades  v,  c,  Jacilem 
profeetum  esse  suggessit  operis  sarcUmdi^  cuius  siabHitatem-  sicuh 
assertum  est,  hiems  tertia  non  resohü. 


§  7.]  BRÜCKEN.  423 

der  nachmalige  pms  Theodosn  et  Valentnmni  sein  kann,    ße*- 
fragen  wir  nun  sehliesslicb  das  firuckenverzeiohniss  der  con- 
stantinisehen  Notitia.   Es  ist  dabei  festzuhalten,  dass  dasselbe 
nachweislich  die  öffentlichen  Bauten  vollständig  aufzählt  (daher 
den    noch   im    5.  Jahrb.    vorhandenen  subUcius  nennt,    den 
nicht  mehr  vorhandenen  oder  doch  nicht  benutzbaren  Nero- 
nianui  nicht),  die  zur  Zeit  geltenden  officiellen  Namen  an- 
giebt  (daher  keinai  pom  lapi4em\   und  dass,    wie  sich  am 
klarsten  an  dem  Verzeichniss  der  mae  nachweisen  lässt,  (nur 
die  Nebenstrassen  stehen  hier  ordnungswidrig,  sind  also  ein- 
geschoben), die  streng  durchgeführte  topographische  Ordnung 
der  Urkunde  in  den  vorliegenden  Ausgaben  durch  Einordnen 
von  Nachträgen  unterbrochen  oder  verschoben  worden  ist. 
Nun   nennen   beide  Ausgaben  übereinstimmend  pontes  octo 
(1)  Aelius  (2)  AemiUus  (3)  Awrelms  (4)  Mulvius  (ö)  mblicius 
(ß)  Fabriciui  (7)  Cestius  et  (8)  Probu   Dies  ist  also  die  Liste 
der  Originalurkunde.    Die  Spuren  der  ursprünglichen  Ord^ 
Bung  treten  unveiiiennbar  hervor  (1.  3.  6,  7  fraglich  5.  8.); 
von  den  sicher  widersprechenden  ist  der  p.  Mubms  höchst 
wahrscheinlich  ursprunglich  als  ausserhalb  der  Stadt  liegend 
nicht  mit  aufgeführt  gewesen,   ist  also  wohl  sicher  nachge- 
tragen.   Nähme  die  zweite  Stelle  statt  des  Aemüim  der  ganz 
fehlende    Neronianus    ein,    so    würden    mit  Ausnahme    des 
mblicm  alle  übrigen  in  richtiger  Reihenfolge  stehen,    denn 
8  Probt  für  Ponte  rotto  zu  halten,  ist  erlaubt,  ja  nach  dem 
über   den  pons  Theodosn  et  Yalentiniani  Gesagten,   gradezu 
nothwendig.    In  diesem  Sachverhaltniss  scheint  mir  ein  Hin- 
weis auf  die  Entstehung  der  Verwirrung  des  Verzeichnisses  zu 
liegen:  der  an  falscher  SteUe  eingeschobene  Name  Aemüim 
ist  der  ältere   des  nach  seinem  Wiederhersteller  benannten 
pom  Probt,    welcher  Name  in  die  Volkssprache  nie  Eingang 
gefunden  hat.   Das  sonst  anstössige  Vorkommen  eines  Doppel- 
namens in  dem  Verzeichniss   erklärt  sich  also    wohl  daher, 
dass  in  der  amtlichen  Liste,  welche  dem  ersten  Herausgeber 
vorlag,   der  Neronianus   noch  stand,    der  Herausgeber   aber 
ihn  als  nicht  mehr  existirend  strich  und  ihm,  um  die  Zahl 


424  THEIL  L 

festzuhalten,  den  AemUus  substiiuirte^^).  —  Was  end&ch 
den  sublicius  anlangt,  so  sieht  Jeder,  dass  seine  Stellung  am 
besten  mit  der  oben  erörterten  Ansicht,  dass  er  über  die 
Insel  führte,  übereinstimmt.  Viel  ist  natürlich  daraof  nicht 
zu  geben. 

Das  in  vielen  Punkten  noch  ganz  unsichere  Ergebniss 
dieser  Betrachtung  darf  also  so  zusammengefasst  werden:  die 
Lage  der  sublicischen  Brücke  ist  zwar  nicht  sicher  erweislich, 
ihre  Führung  über  die  Insel  aber  wahrscheinlich;  die  Ver- 
bindung der  Insel  mit  der  Stadt  jedesfalls  vor  dem  Bau  des 
Aesculaptempels  anzunehmen.  Andresfalls  gab  es  mindestens 
schon  im  J.  561  drei  hölzerne  Brücken,  die  ^sublicische" 
(wo?)  und  2  Inselbrücken.  Die  erste  steinerne  Brücke  ist 
die  aemilische,  sicher  vor  725  gebaut;  wie  lange,  ist  unsicher; 
es  ist  wahrscheinlich  Ponte  rotte;  Kaiser  Probus  hat  sie 
restaurirt,  sie  heisst  im  5.  Jahrhundert  die  'steinerne',  im 
Beginn  des  Mittelalters  die  'grosse':  ihr  alter  Name  ist  früh 
vergessen  worden.  Die  erste  steinerne  Brücke  nach  der 
Insel  ist  die  fabricische  (Quattro  capi),  gebaut  692,  wieder- 
hergestellt (vielleicht  nur  ein  Bogen)  733.  Dann  folgte  sehr 
bald  die  erste  steinerne  von  der  Insel  nach  dem  rechten 
Ufer,  die  cestische,  von  Gratian  restaurirt;  unter  Nero  die 
Brücke  nach  dem  Yatican;  diese  wurde  früh  zerstört  und 
ihr  Wiederaufbau  durch  die  Brücke  Hadrians  überflüssig.  Es 
folgte  die  Brücke  des  Caracalla  nach  den  neugeschaffenen  An- 


^)  Die  eben  gegebene  Liste  bat  das  Coriosom  und  die  eine 
der  beiden  aaaassgebeiideii  Bss.  der  Notitia  (S),  nur  die  andere  (A) 
lässt  Aemüius  aus  und  übersckreibt  pantes  septe  (so),  die  eoata- 
minirte  (B)  lässt  die  Zabl  ans  (vgl.  Bd.  2  S.  XIV.  Es  ist  hiernacb 
bedenklieb,  wenn  nicbt  an  zulässig ,  anzunebmen,  dass  die  eise  Hs. 
uns  das  Original  darstelle  (anders  liegt  die  Sacbe,  wenn  eine  Hs. 
einen  Artikel  mehr  bat  als  die  Sbrigen,  Bd.  2,  23).  Andrerseits 
keMmt  in  den  Absebnitllen  3 — 10  der  Notitia  «ater  103  Namen  keii 
Doppelname  yor  (s.  besonders  Bd.  2,  216,  227;  was  das.  236  über 
die  via  Cmnpana  =  Portvensis  gesagt  ist,  ist  falsch:  s.  §  6  A.  54),  das 
Vorkommen  eines  solchen  im  Brücken verzeichniss  fordert  also  eine 
Erklärung,  die  ich  hier  (abweicbend  von  Bd.  2)  versacht  habe. 


§  7.]  BRÜCKEN.  425 

lagen  in  Trastevere,  endlich  die  der  Kaiser  Theodosius  und 
Yalentinian  am  Aventin. 

Mit  den  ßrückenbauten  stehen  die  Uferbauten^O  ^^ 
engster  Verbindung.    Dieselben  sind  doppelter  Art:    einmal 
Quaibauten  zur  Sicherung  der  leicht  abstürzenden  Uferränder 
gegen  die  Gewalt  des  Stroms  in  der  ganzen  Länge  des  städti- 
schen Gebiets,  dann  Hafenbauten  und  die  Docks  der  Kriegs- 
marine.   —   Wenn  man    im    6.   Jahrhundert   zuerst   eine 
durch  Kunstbauten  gesicherte  Landungsstelle  für  die  Handels- 
fahrzeuge  angelegt  (unten  A.  46)  und  sich  bis  dahin,    wenn 
nicht  noch  später,    mit  Holzbrücken  begnügt  hat,    so  ist  es 
unzweifelhaft,  dass  von  steinernen  Uferschälungen  des  ganzen 
Flusslaufs  damals  noch  nicht  die  Rede  war.    Rührt  also  das 
kleine  Stück  Quadermauer,  welches  die  Mündung  der  grossen 
Kloake  einrahmt,  wirklich  —  was  nicht  feststeht  —  aus  der 
Zeit   der  Könige  her  und  nicht  aus  der  Zeit  der  Wiederher- 
stellung des  Kloakensystems  durch  Agrippa  oder  später   (vgl. 
unten),   so  ist  jedesfalls  die  Aufmauerung  an  dieser  Stelle 
nur    zum  Schutz   der  Kloakenmündung   geschehen.    Es   ist 
also  auch  nicht  möglich ,  die  aus  Tuf  mit  Travertinbekleidung 
bestehende    und    mit   plastischem   Schmuck    versehene  Um- 
mauerung  der  Insel,  welche  dieser  das  Ansehen  des  heiligen 
Schififs   des  Aesculap  geben  sollte    und    ihr   den  Namen  der 
'heiligen  Insel'  yerschafft  hat,    bald  nach  der  Errichtung  des 
Aescuiaptempels  entstehen  zu  lassen,  ja  die  ausgedehnte  An- 
wendung   des    Travertin    verbietet    uns    über   die    Zeit    des 
3.  puniscben  Krieges  ^^)  hinauf  zu  gehen.    Es  stehen  ferner  in 


'^)  Za  dem  Folgenden  ist  die  schon  mehrfack  genannte  Unter- 
suchang  von  Preller  ^Rom  und  der  Tiber'  (1:  Berichte  der  sächs. 
Ges.  d.  Wiss.,  1848,  131  ff.,  2.  3:  das.  1849,  5  ff.  134  ff.)  za  ver- 
gleichen, welche  in  sehr  klarer  Weise  namentlich  für  die  Kaiserzeit 
die  Hanpterscheinangen  der  hier  nur  berührten  Schiffahrtsverh'ältnisse  * 
gruppirt.    Dazu  Marquardt  Privatalterth.  2,  10  ff.  20  ff. 

^)  Reste  von  Tafsnbstrnktionen  befinden  sich  zu  beiden  Seiten 
der  Ostspitze  der  Insel,  anf  der  Nordseite  ist  ein  Stück  der  Travertin- 
bekleidung (Blöcke  z.  B.  0,40  X  U^^)  erhalten,  welche  zu  dem  Vorder- 
theil  des  dargestellten  Schiffs  gehört  und  als  insigne  in  einer  kästen-* 


426  ™^IJ^  ^• 

der  Nähe  der  Insel  noch  jetzt  auf  beiden  Ufern  einzelne 
Stücke  von  Ufermauern  aus  Quadern  ^^),  ein  anderes  au« 
Ziegelwerk  findet  sich  stromabwärts  in  der  Mähe  des  pon$ 
Theodosii  et  Valentmani,  dies  letzte  ist  mit  3  Löwenköpfen 
spätesten,  wenn  nicht  halbbarbarischen  Stils  verziert  (Bd.  2, 
197).  Von  den  Ufermauern  des  Emporium  wird  unten  die 
Rede  sein.  Wir  haben  endlich  aus  dem  3.  Jahrhundert 
sichere  Zeugnisse  über  den  Bau  oder  Wiederaufbau  der  ripat 
und  dieser  Ausdruck  ist  in  der  späteren  Sprache  technisch 
für  den  Quai^^).  —  Die  Ausdrücke  für  das  linke  und  rechte 
Ufer  ripa  Graeca  und  ripa  Rotnaea  sind  mittelalterlich  (Bd.  2, 
195.  317  R.  I). 

förmigen  Nische  die  in  der  Form  der  imago  behandelte  noch  deotlieh 
als  bärtige  zu  erkennende  Reliefbüste  des  Aesonlap,  daneben  des 
Schlangenstab  trägt.  Auch  die  Form  der  Schiffswandnng  und  der  vor- 
springenden TtaQo^og  darüber  ist  erkennbar,  darüber,  nebea  und  ia 
gleicher  Höhe  mit  dem  insigne  ein  Stierkopf:  d.  h.  es  ist  heat  soviel 
erhalten  als  im  16.  Jahrhundert  (die  Vervielfältigung  des  Aesculapkopfes 
und  des  Stierkopfs  in  Zeichnungen  des  16.  Jahrb.  sind  willkürlich),  wie 
Annali  1867,  889  ff.  gezeigt  worden  ist.  Abbildung  der  Reste  das. 
Tav.  d'agg.  K  (aber  leider  stilistisch  nicht  treu)  und  sehr  gut  schon 
bei  Piranesi  Ant.  4  T.  XV  Camp.  M.  T.  XIII.  Ligorische  Zeichnungen 
(in  der  Orsinischen  Sammlung  cod.  Vat.  3439  f.  42),  bei  Boissard  u. 
sonst,  welche  die  Restauration  des  ganzen  Schiffs  geben,  haben  also 
keine  Gewähr. 

^^)  S.  Ann.  a.  0.  S.  395.  Eine  genauere  Untersuchnng  der  Flnsa- 
ufer  giebt  es  nicht.  —  Ueber  die  vermeintliche  TutXr^  axrrj  (Plut,  Rom.  20), 
die  noch  immer  wieder  auftaucht  (vielmehr  die  scala  Caci)  s.  Th.  II. 

^^)  Vopisc.  Aurel.  47  (Schreiben  des  Kaisers  an  den  praef.  annonae): 
Uberinas  extruxi  ripcLs,  vadum  alvei  tumentis  effodL  Inschrift,  im 
CIL  6,  1,  1242  unrichtig  als  Terminationscippus  behandelt,  in  Traste- 
vere  gefunden  ('  ad  salinas  antiquas '  Gittad.) :  (Diocletian  und  Maximian) 
ripam  per  seriem  temporum  eonlapsam  ad  pristinum  statum  restituerunt 
per  pedes  CX  curante  Memio  Acüio  Balbo  Säbino  v.  e.  curat,  alvei  7V- 
berü  et  riparum  et  cloaearum  saerae  urbis.  Ohne  genugenden  Grund 
*  bezieht  Preller  1  S.  148  die  Stelle  des  Briefes  Aurelians  auf  die  Ufer 
an  der  Tibermündung.  —  Die  trajanischen  auf  beiden  Ufern  gefundenen 
Terminationssteine  besagen  ripam  (nicht  ripas)  ierminavä,  die  übrigen 
lassen  das  Wort  weg.  Ripa  ist  technisch  Quai,  auch  am  Meere  (hier 
im  Gegensatz  zu  Htusy  daher  in  Venedig  Riva  und  Lido),  z.  B.  in  Po- 
teoli:  8.  Arch.  Zeitung  1868,  94. 


§  7.]  BRÜCKE«.  427 

Schon  im  J.  700  d.  St.  beginnen  die  Terminationen 
der  Tiberufer^^),  d.  b.  in  diesem  Jahre  haben  die  Cen* 
soren  auf  Veranlassung  des  Senats  die  Ufer,  welche  wie  die 
Strassen  der  Stadt  öffentlich  sind,  nach  Beseitigung  der 
dem  öffentlichen  Verkehr  hinderlichen  und  der  Erhaltung  der 
Uferränder  schädlichen  Privatbauten  die  ßreite  der  als  ripae 
anzusehenden  Uferränder  bestimmt  und,  wie  das  sonst  bei 
Terminationen  öffentlicher  Anlagen  üblich  ist,  durch  Grenz- 
steine in  ungleichen  Abständen  längs  beider  Ufer  bezeichnet 
Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  dies  die  erste  durchgrei- 
fende Maassregel  dieser  Art,  wenn  es  auch  in  der  Natur  der 
Sache  und  des  Censorenamts  liegt,  dass  an  einzelnen  Stellen 


^1)  S.  jetxt  CIL  6,  1,  1234—1242  und  die  Uebersicht  S.  266  (wo- 
durch die  früheren  Arheiten  von  Preller  a.  0.  u.  A.  überflüssig  ge- 
worden sind).  —  Nach  Abzug  des  irrig  zur  Termination  gezogenen 
Steins  1242  (A.  40)  bleiben  Terminationen  folgender  Jahre  übrig:  in 
der  Formel  at  s.  c.  termin,  der  JJ.  700  (Gensoren  M.  Valerius  Messalla 
P.  Servilins  Isauricus,  11  Steine),  746  (Coasula  C.  Asiniua  Gallua, 
C.  Marcius  Censorinus,  auf  einigen  Exemplaren  mit  dem  Zusatz  cura-^ 
tores  riparum,  qui  primi  fuerunt,  restüuer.<,  11  Steine),  747/8  (Augustus, 
10  Steine),  zwischen  15  und  24  n.  C.  (?,  5  curatores)*^  in  der  Formel  ex 

auctontate  imp eurator  alvei  T»  e.  c.  u,  terrninavit  {terminauit 

ripam  nur  101)  der  JJ.  73,  101  (8  Steine),  und  zwei  Restitutionea 
der  triganiseheB  Termination,  eine  durch  Hadrian  v.  J.  121:  restäuä 
secundum  praecedentem  terminationem  (4  Steine),  eine  zweite  durch  die 
Kaiser  Marc  Aurel  und  L.  Verus  im  J.  161  (2  Steine):  terminos  ve- 
tmtate  collapsos  exaltavertmt  et  restüuerunt  r.  r.  proximo  termino  ped, 
(in  beiden  Exemplaren  ist  aus  Nachlässigkeit  die  Zahl  ausgelassen) 
positos  ex  auctontate  imp,  Caesaris  Nervae  Traiani  curante  .  .  .  Die 
Distaocen  sind  auf  den  (nicht  numerirten)  Steinen  (.Trayertia)  bei  der 
ersten  Termination  garnicht,  bei  den  übrigen  nach  Fuss  angegeben, 
r(ecta)  r{egione)  prox(imo)  cippo  p  .  .  ,:  sie  schwanken  zwischen  (746) 
20  und  196,  (747)  13»^  und  166*^,  (101)  11  und  276^,  (121)  43  und 
1153f|,  was  verglichen  mit  den  normirten  Distancen  der  Pomeriensteine 
(§  5)  und  der  der  Wasserwerke  (unten)  sich  aus  den  örtlichen  Hittder-> 
nissen  längs  des  un  regelmässigen  Flusslaufs  erklärt.  —  Die  Fundorte 
reidien  in  allen  Terminationen  auf  beiden  Ufern  von  Ponte  Molle  bis 
S.  Paolo  fuori,  ja  einer  ist  2  Miglien  vor  Porta  Portese  im  Fluss  ge- 
funden worden  (y.  J.  746  n.  1235  h.);  auf  dem  alten  Standort  1234a 
und  1240d  (Ortsangaben  mir  nicht  klar). 


428  THBIL  I. 

hier  wie  überall  in  der  Stadt  ähnliche  'Schutzhandlungen' 
schon  früher  vorgekommen  sein  mögen,  und  sie  ist  zugleich 
die  letzte,  welche  nach  den  Normen  der  republikanischen 
Verwaltungsgesetze  vorgenommen  wurde.  —  Nach  dem  Unter- 
gang der  Censur  nahm  Augustus  Veranlassung,  als  er  das 
System  der  neuen  Polizeidistrikte  Roms  in  Kraft  treten  liess,  1 
die  Termination  zu  erneuern  und  —  wir  wissen  nicht, 
auf  welchem  Wege  —  eine  Art  Ausbaggerung  des  Flusslaufi 
vorzunehmen.  Die  ständige  Sorge  für  die  Stromregulirung 
wurde  nun  dem  neugeschaffenen  Amt  der  euratores  dlvd 
Tiberis  et  riparum  (später  et  doacarum)  übertragen  und  die 
erhaltenen  Grenzsteine  lehren  uns  wiederholte  Terminationen 
bis  zum  J.  121  (161)  kennen.  Die  ripae  im  technischen 
Sinne  (A.  40)  scheinen  nach  den  Fundnotizen  der  Steine  zu 
urtheilen  von  S.  Paolo  fuori  le  mura  bis  nach  Ponte  molle 
gereicht  zu  haben;  die  Breite  der  beiderseitigen  Zone  lässt 
sich  nach  den  2  noch  am  alten  Platz  erhaltenen  Steinen 
schwerlich  genau  messen.  —  Es  leuchtet  ein,  dass  Termi- 
niren und  Quaisbauen  nicht  dasselbe  ist  und  die  Vorstel- 
lung, dass  seit  dem  J.  700  die  Quaibauten  vollendet  oder 
vervollständigt  worden  seien,  ist  wenigstens  durch  die  urkund- 
liche Geschichte  der  Termination  nicht  bezeugt.  —  Dennoch 
scheinen  der  Bau  der  steinernen  Inselbrucken  (692  und  in 
den  ff.  Jahren),  die  Termination  des  J.  700,  Stil  und  Technik 
der  Ueberreste  der  Inselbauten  darauf  hinzuweisen,  dass 
gegen  das  Ende  des  7.  Jahrhunderts  steinerne  Uferbauten 
in  grösserer  Ausdehnung  in  Angriff  genommen  worden  sind  ^^). 
Die  früher  (§  1)  erörterte  Natur  des  Stroms,  seine  Breite 
und  Tiefe  gestatteten  zwar  den  Verkehr  von  Handelsschiffen 
auf  demselben,  erschwerten  denselben  aber  erheblich.  Die 
Ufer  ferner  boten  im  Bereich  der  Stadt  und  seiner  nächsten 
Umgebung   keinen  für  das  Anlanden  grösserer  Schiffe   gün- 


^)  Die  entgegengesetzte  Ansicht  über  das  hohe  Alter  der  stei- 
nernen Uferbauten  (besonders  Preller)  stützt  sich  auf  diesen  Rest  an 
der  Kloakenmündung  und  zieht  ans  der  Geschichte  des  EmporlBin 
grade  die  den  hier  angenommenen  entgegengesetzten  Folgerungen. 


§  7.1  BRÜCKEN.  42d 

stigen    Platz,    noch   weniger    für    das   Liegenbleiben    einer 
Handelsflotte.    Der  Hafen  Roms  ist  daher  von  Alters  her  die 
20   Millien    entfernte   ^ Mundungsstadt'   Ostia   gewesen,   nach 
jder   traditionell^]  Stadtgeschichte  mit  ihren  Salzwerken  eine 
Gründung  des  Ancus  Marcius.     Auch  dieser  Platz  bietet  von 
Natur  weder  einen  gesicherten  Ankergrund,   noch  einen  ge- 
räumigen Hafen.   Spätere  Jahrhunderte  haben  ihn  mit  immer 
erneuten  Anstrengungen  zu  einem  solchen  zu  machen  gesucht, 
aber  nur  mit  vorübergehendem  Erfolg:  neben  und  statt  Ostia 
und  Portus  haben  Puteoli  und  andere  Seeplätze  Italiens  der 
Weltstadt  als  Häfen  gedient^^).     Nur  zum  Theil  sind   diese 
natürlichen  Schwierigkeiten  an  der  sehr  späten  Entwickelung 
des   römischen   Seewesens    schuld:    wie  spät  Rom    ein   see* 
fahrender  Staat  geworden,   wie  fremd  ihm  ursprunglich  das 
Seewesen  gewesen  ist,  dafür  zeugen  nicht  blos  die  Entwicke- 
lung  seiner  Handels-   und  Kriegsmarine,    sondern  auch  die 
Entlehnung  der  Bezeichnungen   für  die  ausgebildete  Technik 
des  Sdiiffswesens    von   den  Griechen,    noch  deutlicher   das 
Fehlen  von  Gottheiten,  welche  sonst  bei  seefahrenden  Völkern 
die  Kräfte,  Gefahren  und  Lockungen  des  vielgestaltigen  Ele^ 
ments    zur  Anschauung   bringen.      Es    stimmt  hierzu    sehr 
wohl,  dass  auch  das  Wort  portus,  wie  es  scheint,  nur  mittels 
einer  Differenzirung  der  Stammbildung  von  derselben  Wurzel 
wie  porta  gebildet  ist,   dass  es  ursprünglich  ganz  ohne  Be- 
ziehung zur  See  den  'Aufnahme-'  oder  *  Eingangsort'  bedeutet 


*'^)  Die  Geschichte  und  Topog^raphie  der  HafeDbanteo  an  der 
Strommündung  ist  durch  die  nenerea  Untersuchungen  zu  einer  so  um- 
fangreichen Materie  angewachsen,  dass  es  untfaunlich  ist,  sie  anhangs- 
weise in  der  römischen  Topographie  mitzobehandeln.  Auch  stehen  diese 
Häfen  topographisch  in  einem  viel  loseren  Zusammenhaog  mit  Rom 
als  die  Häfen  Athens  mit  Athen.  Nach  Prellers  a.  Arbeit  tallt  die 
Aufdeckung  von  Ostia  (seit  1855:  neu  in  Angriff  genommen  1871),  ober 
weiche  noch  kein  zusammenfassender  Bericht  vorliegt  (ausser  den 
Schriften  des  Instituts  vgl.  Snlle  scoperte  arch.  della  citta  e  prov.  dl 
Roma,  relazione  della  r.  sopraintendenza  R.  1873  S.  88  ff»  und  Weniges 
in  den  Notizie  Fiorellis),  über  die  kaiserlichen  Hafen  vgl.  Lanciani 
Ann.  1868,  144  ff.  0.  Hirschfeld  Philol.  29,  75  ff. 


430  'l'HEIL  !. 

xrnd  diese  Bedeutung  noch  in  geschichtlicher  Zeit  in  den 
modificirten  Gebräuchen  'Magazin,  Lager-  oder  Stapelort' 
festgehalten  hat.  Portunus  beschützt  nicht  den  Seefahrer, 
sondern  wacht  zu  Rom  und  zu  Ostia  über  die  Sicherheit 
der  Waarenläger**). 

Die  Ueberlieferung  bringt  die  Gründung  des  'Mundungs- 
hafens' mit  der  Anlage  der  Meersalzteiche  an  der  Mündung 
und  der  in  das  Sabinerland  führenden  Salzstrasse  (ma  sa- 
lariä)  in  Verbindung,  gewiss  mit  Recht.  Die  Einfuhr  des 
durch  Verdunstung  gewonnenen  Seesalzes  in  das  Gebirgs- 
iand  darf  als  die  älteste  Handelsmission  Roms,  zugleich 
hier  wie  anderwärts  eine  Mission  der  Civilisation  betrach- 
tet werden.  Es  ist  topographisch  wichtig,  dass  die  'Saiz- 
strasse^  nicht  in  Ostia,  sondern  in  Rom  beginnt,  und  dass 
in  Rom,  wo  der  Fluss  aus  dem  städtischen  Gebiete  aus- 
tritt, vor  forta  Trigeminaf  sich  das  Salzlager  (saUnae)  be 
findet.  Wir  müssen  daraus  schliessen,  dass  der  Transport 
des  bei  Ostia  gewonnenen  Salzes  bis  zur  Stadt  auf  dem 
Wasserwege  geschah ,  dass  es  hier  gelagert  und  zu 
Lande    weiter   transportirt  wurde.     Das    regelmässige    Pas- 


**)  Ausdrücke  des  Seewesens:  ich  stimme  im  Ganzen  mehr  mit 
Cnrtins  Verh.  d.  Hamburger  Philologenvers.  1855  S.  43  f.  als  mit 
Mommsen  R.  G.  1^,  200  f.  überein.  —  Götter:  Neptunus  der  Regen- 
gott; Salada  als  Göttin  der  Salzfluth  mehr  als  bedenklich.  Die 
Seesiege  des  5.  und  6.  Jahrhunderts  werden  durch  Weihungen  voo 
Tempeln  des  Janus,  der  Lares  permarini  (in  Ermangelung  eines  andern 
Ausdrucks  für  Seegötter  werden  die  Wegebeschützer  des  Landes 
^Führer  zur  See'),  und  die  nicht  specifisch  maritimen  TempeHates  ge- 
feiert. Bekannt  sind  ferner  die  Bedeutung  von  poHus  in  den  Zwölf- 
tafeln (vgl.  angiportus)  und  Portunus  als  detts  portarum  (eine  freilieh 
von  den  alten  Mythologen  stark  zurechtgestutzte  Figur):  s.  Preller 
Myth.  S.  158.  Nicht  allein  in  verhältnissmassig  später  Zeit  heisst 
portus  *  Magazin',  wie  Preller  bemerkt  Reg.  S.  103  (dazu  kommt  die 
Inschr.  bei  Garrncci  Diss.  1,  41  de  portu  vinario  superiore),  sondern 
das  portorium  terrestre  der  Lex  Antonia  CIL  1,  204  Z.  31  und  die  Er- 
hebung des  portorium  in  Capua  (Liv.  32,  7,  3:  'unerklärt'  Marquardt 
Staatsverw.  2,  261)  weisen  deutlich  auf  die  ursprüngliche  weitere  Be- 
deutung hin. 


§  7.]  BRÜCKEN.  431 

siren  der  Stromschnelkn  bei  der  Insel  und  der  weitere 
Transport  stromaufwärts  war  in  der  That  kaum  möglich**). 
An  derselben  Stelle  aber  haben,  wie  weiterhin  gezeigt 
werden  wird,  die  von  Ostia  heraufkommenden  Schiffe 
auch  Bauholz,  Getreide,  Wein  und  in  späterer  Zeit  Bausteine 
überseeischen  Ursprungs  ausgeladen:  hier  war  und  blieb  der 
städtische  fortus  mit  seinen  horrea,  für  deren  immer  grössere 
räumliche  Ausdehnung  (vgL  Th.  II)  die  weite  und  der  Gewalt 
der  stossweise  eintretenden  Ueberschwemmungen  entrückte 
Ebene  unter  den  Mauern  der  Stadt  sich  eignete,  während  die 
ebenfalls  von  Natur  dazu  wie  geschaffene  des  Marsfeldes  zu 
ähnlichen  Anlagen  wegen  der  einer  Sperrung  fast  gleichkom-^ 
menden  Erschwerung  der  Durchfahrt  bei.  der  Insel  und  wegen 
der  Ueberschwemmungen  nicht  benutzt  werden  konnte  und 
nie  benutzt  worden  ist  (unten). 

Wie  unvollkommen  die  ersten  baulichen  Einrichtungen 
an  dem  Stapelplatz  gewesen  sein  müssen,  ersehen  wir  daraus, 
dass  erst  in  den  Jahren  562.  575.  580  unter  den  Staats-* 
bauten  der  portus  genannt  wird.  Das  Wesentliche  dieses 
Baus  bestand  in  der  Herstellung  eines  vermuthlich  wegen 
des  Eingangszolls  mit  einem  Zaun  umfriedigten  und  ge- 
pflasterten Lagerplatz,  emparium,  und  einer  zum  Fluss  herab- 
führenden Steintreppe.  Bis  dahin  also  muss  das  Ufer  an 
der  Ausladestelle  sich  fast  im  Naturzustande  befunden  haben: 
wie  vielleicht  noch  zur  Zeit  des  Augustus  das  Ufer  in  Tras- 


^)  Die  via  salaria  ^alt  den  Alten  ebenso  wie  die  saUnae  von 
Ostia  im  Einklang  mit  der  Stadtgeschichte  als  vorservianisch,  wie 
dentlieh  aus  dem  zerrissenen  Artikel  des  Festns  S.  326  hervorgeht 
(die  Verwebiing  in  die  Aeneasfabel  in  der  von  Preller  a.  0.  2,  8  heran- 
gezogenen Origo  g.  Rom.  12,  wo  die  noch  jetzt  nachweisbaren  stagna 
aquae  salsae  vicina  inter  se  genannt  werden,  gehört  zn  den  letzten  Ans- 
läofern  der  Fabelbildang),  die  Erklärung  des  Namens  quia  per  eam  Sa- 
hini  sal  a  man  deferebant  trifft  das  Richtige.  Das  hohe  Alter  der 
Strasse  als  Verkehrsweg  nach  dem  Sabinerlande ,  wenn  anch  nicht  als 
Knnststrasse,  ist  ausser  Zweifel  (über  die  Kunststrasse  JNibby  Vie 
S.  82  ff.  und  jetzt  die  §  3  A.  39  a.  Wegebauinschrift  v.  J.  639  =»  CIL  6, 
1,  3824).  —  Ueber  die  Salinen  vor  porta  TrigenUna  Th.  11. 


432  '^HEIL  t. 

teyere  (A.  57.)  Wer  den  schroff  wechselnden  Wassersta 
und  die  Verschlammung  der  Uferränder  bedenkt,  wird 
geben,  dass  ein  so  primitiver  Zustand  mit  einem  sehr  a 
gedehnten  Schiffsverkehr  nicht  wohl  vereinbar  ist.  — 
muss  dahingestellt  bleiben,  ob  ein  mit  diesen  Bauten  zuglei 
genannter  Brückenbau  als  ein  solcher  im  eigentlichen  Sin 
oder  als  ein  Quaibau  aufzufassen  ist.  —  Die  Einrichtung  d 
Emporium  erinnert  sachlich  und  dem  Namen  nach  an  Athenf, 
Gewiss  ist  es  kein  zu  gewagter  Schlnss,  dass  wie  für  di< 
gleichzeitige  Erbauung  neuer  Navalien  (unten),  des  tholtis  ma* 
eelli  und  der  ersten  basilica,  so  für  die  des  Emporium  di^ 
griechischen  Einrichtungen  Vorbild  und  Anstoss  abgegebei 
haben^^).  —  Aus  ganz  unzureichenden  Gründen  hat  man  ge- 

*»)    Livius  35,    10,  12  zu  562/192:    (die  Aedileo  bauen)   porHcm 
unam  extra  portam  Trigemmam  emporio  ad  Tiherim  adiecto;    ders. 
40,    5  t    za  575/174:  (von    den    Ceusoren    M.    Aemilins  Lepidos    uni 
M.  Fulvius  Nofoilior  verdingt  der  letztere)  portum  et  pilas  pontis 
in  Tiberi  (so  Madwig,  Tiberim  die  Hss.),  quibus  pHis  fornices  post  aU- 
quol  annos  (?  im  J.  612)  P,  Scipio  Aßricantis  et  L.  Mummius  censoret 
locaverunt  imponendos ,'  ders.  41,  27,  8  zu  580/174:  (die  Censoren)  extra 
portam    Trigeminam    emporium   lapide  straveruni  stipitibusque  sae- 
pserunt  et  porticum  Aemiliam  reficiendam  curarunt  gradibusque  ascenstan 
ab  Tiberi  in  emporium  feeerunt.   Dass  emporium  und  portus  hier  den- 
selben Bau  bezeichnen,  wie  forum  piscatorium  (Liv.  26,  27,  2.   40,  51) 
und  macellum  (27,  1 1,  76),  ist  Hennes  2,  90  f.  4,  257  f.  gesagt    Irrig 
ist  die  Meinung   (z.   B.  Wecklein  S.  182),    dass,    wo   der  portus  war, 
auch   das  Heiligthum  des  Portunus  gewesen  sein  müsse.    Dieses    wird 
vom  Kalender  am  pons  AemiUus,  von  Fronto    (oder  seinem  Glossator) 
ad   Caes.    1,   6  S.  19  JVa.   (Bd.    2,    199)    ohne   Ortsangabe   Portunitm 
genannt.    Mit  der  Annahme,  dass  diese  Brücke  Ponte  rotto  ist,  scheint 
mir  die  Bd.  2,  257  vorgeschlagene  Aenderung  bei  Varro  5,  145:  secundum 
Tiberim  ad  Portunium  (adiunium  die  Hs.)  forum  piscarium  wohl  ver- 
einbar und  somit  die  früher  verworfene  Aufstellung  INissens,  dass  der 
Rundtempel  am  Ponte  rotto  das  Portunium  sei,   zwar  nicht  bewiesen, 
aber  möglich  (vgl.  Th.  II).  —   Bekannt  ist  die  Abgrenzung  des  athe- 
nischen ifinoQiov  durch  Grenzsteine  und  deren  Zweck:    Böckh  Staats- 
haush.    1,  85  vgl.  Wachsmuth  Athen   1,   323  f.    Das   Wort  emporium 
kommt  zuerst  bei  INaevius  (Fest.  145)  vor:  es  ist  hier  vielleicht  der 
Hafen    von   Panormos.    Aehnlich   wird  das    Emporion  von  Chalkis  be 
schrieben  (Dicaearch  fr.  59,  29  Müll.,  vgl.  Fuhr  S.  358  f.).  —  Dass  die 


§  7.]  HAFENBAUTEN.  433 

Sieint,   die  Trümmer   dieser  Bauten   in   der  jetzigen   Vigna 
Torlonia  (früher  Cesarini),  gegenüber  der  ehemaligen  porta 
Porttiensis,  wiederzufinden.    Dort  sind  noch  jetzt  Reste  der 
Umfassungsmauer  eines    durch  eine  Mittelwand  in  2  gleiche 
Hälften  getheilten,    mit   der  Langseite   dem  Ufer   parallelen 
und  gegen  dasselbe  offenen  Gebäudes  von  ungefähr  60  x  300  M. 
Grösse  erhalten,   von  welchen  ehemals  in  der  ganzen  Breite 
desselben  Stufen  nach  dem  Fluss  liinab  führten.     Die  mit 
Mörtel  aus  kleinen  Tufsteinen  konstruirten  Mauern  scheinen 
(wenigstens   die    der   Langseite)   von  Bogenfenstern   durch- 
brochen gewesen  zu  sein.     Eine  in  der  Nähe  gefundene  In- 
schrift der  Kaiserzeit  sichert   den   hier  einzuführenden   für 
den    Gebrauch    bestimmten    Waaren    Zollfreiheit.      Ob  dies 
Gebäude    das  Emporium    oder   eins  .  der  zahb*eichen  horrea 
der  Gegend  sei,  deren  lange  Reihe,  so  weit  unsere  Kenntniss 
reicht,  in  der  Zeit  der  Gracchen  beginnt,  ist  noch  nicht  zu 
entscheiden;  dass  wir  es  hier  nicht  mit  dem  Bau  der  Jahre 
562  ff.  zu  thun  haben,   ergiebt  sich  aus  der  Beschreibung 
desselben  ^^). 


pilae  pontU  am  natüriiclisteD  von  einer  wirklichen  Brücke  verstanden 
werden,  gebe  ichzn:  aber  die  Schwierigkeiten,  diesen  Bau  in  die  Ge- 
schichte der  römischen  Brücken  einzureihen,  sind  schon  entwickelt 
worden,  und  ich  möchte  noch  jetzt  dabei  bleiben,  dass  in  dem  Ori- 
ginalbericht von  einer  Landangsbrücke  (an  die  pilae  von  Pnteoli  habe 
ich  früher  erinnert)  die  Rede  war,  und  dass,  sei  es  Livius,  sei  es  die 
Abschreiber  potUis  aus  naheliegenden  Gründen  hinzugefügt  haben. 

*^)  Genaue  von  einander  unabhängige  Beschreibungen  und  Zeich- 
nungen von  Fabretti  De  aquis  3,  14  S.  154  ff.  (daraus  bei  Piale,  unten 
A.  48)  und  Piranesi  Antich.  1  T.  XX,  1.  4  T.  XXXVIII,  ebenso  auf 
Faldas  Plan  v.  J.  1676,  Grundriss  bei  Nolli;  von  der  Hinter  wand  steht 
noch  ein  Theil  mit  den  Bogenfenstern,  wie  man  von  S.  Pietro  in  Mou- 
torio  und  dem  M.  testaccio  aus  sieht  (in  die  Vigna  Torlonia  konnte 
ich  nicht  gelangen):  Arch.  Z.  1868  S.  17  ff.  Forma  S.  44  vgl.  Einl. 
1 1  A.  22. 41.  Im  Juni  1876  bestätigte  mir  Hr.  Gins.  Tomasetti  aus  eige- 
ner Anschauung  die  Existenz  eines  'grande  recinto  di  muro  massiccio  di 
tnfa  con  cemento;  di  questo  muro  posto  sopra  terra  esistono  tre  parti, 
una  delle  quali  presenta  7  archi;'  ohne  Ausgrabungen  im  grossen  Stil 
wird  man  aber  nicht  weiter  kommen.  —  Die  Inschrift  Or.  3348 
qtäcquid  usuarium  mvehitur  ansarium    non    debei    befand    sich   nach 

Jordan«  römische  Topographie.    I.    1.  28 


434  THEIL  I. 

Von  da  bis  zum  Fuss  des  Aventio,  und  namentlich  an 
der  Marmorata,  sind  Reste  von  allen  Dfermauern  aus  ver- 
schiedenen Zeiten  erhalten.  Die  bedeutendsten  kamen  im 
J.  1868  zum  Vorschein.  Es  sind  Backsteinmanern  aus  der 
Zeit  des  Hadrian,  in  der  dieser  Zeit  eigenen  Abwechslung  von 
von  Reticulatbau  und  horizontalen  Bändern  von  mehreren 
Reihen  Langziegeln  konstruirt  (Einl.  §  1  A.  42).  In  verschie- 
den grossen  Abständen  springen  aus  derselben  je  zwei  von 
einem  kleinen  Platz  von  beiden  Seiten  zum  Fluss  hinab- 
führende gemauerte  und  mit  grossen  Ziegelplatten  belegte 
schiefe  Ebenen  hervor,  in  dem  Scheitel  des  so  gebildeten 
Dreiecks  aber  ist  jedesmal  eine  kragsteinartig  hervorragende 
und  in  paralleler  Richtung  mit  der  Uferlinie  durchbohrte 
Travertinplatte  befestigt.  In  einer  dieser  Vorbauten  ist  eine 
in  Terracotta  ausgeführte ,  eine  Amphora  darstellende  Relief- 
platte,  umrahmt  wie  das  bekannte  Ladenschiid  in  Pompeji, 
eingelassen.  —  Auf  dem  versandeten  Ufer  unter  diesen  Ufer- 
bauten fanden  sich  zahlreiche  Blöcke  fremden,  für  die  öffent- 
lichen Bauten  bestimmten  Marmors.  —  Man  hat  bemerkt, 
(^ass  die  hervorspringenden  Steine  zur  Befestigung  der  hier 
anlegenden  Schiffe  gedient  haben  müssen,  dass  ihre  Höhe 
über  dem  mittleren  Tiberspiegel  ein  Wachsen  der  Höhe  des- 
selben um  1  M.  seit  der  Zeit  Hadrians  wahrscheinlich  macht, 
dass  hier  ausser  dem  Marmor  auch  Wein  gelagert  haben 
muss,  und  dass  vielleicht  mit  dem  Untergang  dieses  portus  vi- 
narius  (A.  56)  die  Entstehung  des  Monte  testaccio  zusammen- 
hängt. —  Endlich  ergänzen  uns  diese  Uferbauten  das  Bild, 
welches  uns  zwei  Stücke  des  kapitolinischen  Plans  von  den 
ripae  mit  ihren  scälae  und  den  anliegenden  horrea  geben.  — 
Das. noch  ungenügend  untersuchte  Detail  dieser  Bauten  können 


Fulvius  ^sttb  Aventino'  und  wird  von  Fabretti  S.  156  vermutbvBgs- 
w eise  dem  'Emporium'  zagetheilt;  dagegea  sind  in  oder  bei  den  Rainen 
mehre  DedicationeQ  an  die  die  horrea  beschützenden  Gottbeitea 
(CIL  6,  1,  1$S.  58S)  und  ein  ß^efäo  contervatori  horreontm  Galbianorum 
geweihter  Altar  (236)  gefunden  worden  (fid.  2,  104.  Forma  a.  0. 
u.  Th.  II). 


§   7.]  HAP£NBA(JT£N.  435 

wir  nicht  beurtheilen :    auf  den  Zusammenhang  mit  der  Han- 
deLsvorstadt  kommen  wir  Th.  II  zurück**). 

Ein  ganz  anderes  Bild  bieten  die  Tlberufer  oberhalb  der 
Indek  Dass  der  Tiber  oberhalb  der  Stadt  und  der  Anio  mit 
Barken  befahren  werden  konnte,  wie  jetzt,  ist  sicher.  Aber 
die  alten  Angaben  über  den  auf  den  Wasserstrassen  aufwSrts 
unterhaltenen  HandelsTerkehr  zwischen  Rom  und  den  Gebirgs- 
ländern  sind  sehr  dürftig  und  allgemein  gehalten  (vgl.  A.  57): 
auf  keinen  Fall  begründen  sie  die  Annahme,  dass  wie  heut 
unter  völlig  veränderten  Verhältnissen  Hipa  grande  und 
Ripetta,  so  ehemals  ein  porhis  oberhalb,  einer  unterhalb  der 
Insel  bestanden  habe.  Zeugnisse  dafür  giebt  es  nicht  (s.  unten) 
und  die  bereits  hervorgehobenen  in  der  Natur  des  Flusses, 
in  den  Nachrichten  über  'den  Hafen'  liegenden  Gründe 
sprechen  dagegen.  Dass  dadurch  nicht  ausgeschlossen  wird, 
dass  Barken  auch  am  Marsfelde  anlegen  konnten,  versteht 
sich  von  selbst.  Aber  wo  von  solchem  Anlegen  die  Rede 
ist,  sind  es  Kriegsschiffe,  die  es  thun:  hier  sind  die 
navalia,  die  Docks  der  Kriegsmarine^^). 

Erst  aus  der  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  der  StajJt  besitzen 
wir  einigermaassen  zuverlässige  Nachrichten  über  die  Ent- 
^iekelung  der  römischen  Kriegsmarine:  die  Aufstellung  einer 
Flotte  erscheint  damals  als  ein  aussergewdhnliches  Ereigniss. 
Nicht  viel  anders  ist  es  bis  auf  Augustus  geworden.  Wo 
immer  die  Nothwendigkeit  eintrat,  dem  Feinde  auf  der  See 
die  Spitze  zu  bieten,  handelte  es  sich  um  den  Neubau  einer 
Flotte.     Hieraus    folgt,    dass   Rom  nicht    wie  Athen   gros»* 


*»)  S.  Forma  nrbis  S.  44f.  (fr.  169.  188),  woselbst  Brnzzas  und 
Pariheys  eiosdilageBde  Arbeiten  besprochen  sind.  Die  erste  Abbiidoo; 
bringt  die  neue  mir  während  des  Draeks  zugehende  Schrift  Brazza's 
*G]i  scavt  deir  emporio'  (ans  der  Gratalationsschrit  zu  Pins'  IX  Jabl- 
leum):  er  verspricht  Ausfiihrlicheres  in  den  Annali  in  geben. 

'  -^  Die  ganze  Frage  ist  zoerst  von  Piale  (Degli  antidii  arsenali 
detti  navalia,  hinter  Delle  mnra  Anrdiaae  1822)  richtig  angegriffen, 
von  Becker  (Top.  159  Haodb.  2,  1,  397  R.  Top.  in  Rom  S.  19  ff.  Zur 
t^m.  Top.  S.  15  f.)  entschieden  worden.  Vgl.  Preller  Reg.  211  ff. 
Rom  Q.  d.  Tiber  3,.  143  u.  m.  Forma  S.  45. 

28* 


436  THiSIL  I. 

art^  angelegter  ständiger  Werften  und  Docks  bedurfte, 
welche  den  Bestand  einer  regelmässig  ergänzten  und  ver- 
piehrten  Flotte  voraussetzen'^^).  Es  ist  also  nicht  auffallend, 
dass  über  den  Bau,  die  Reparatur  oder  das  Aufbewahren  der 
römischen  Flotte  in  den  navaUa  auf  dem  Marsfeld 
(unten)  in  der  Geschichte  der  Seekriege  nie  die  Rede  ist:  wir 
hören,  dass  darin  feindliche  Schiffe  eingestellt  werden,  (die 
der  Antiaten  im  J.  416  d.  St.,  doch  nur  ein  Theil,  die 
übrigen  wurden  verbrannt;  die  des  Königs  Perseus)  und 
Kriegsgefangene  untergebracht  werden;  daneben  freilich,  dass 
Staatsschiffe,  welche  von  einer  diplomatischen  Mission  zurück* 
kehren  (so  das  Schiff,  welches  die  Schlange  von  £pidauro8 
brachte,  das  Schiff,  auf  welchem  der  jüngere  Cato  von 
Kypros  zurückkehrte),  nachdem  sie  die  Gesandten  wahr- 
scheinlich an  der  porta  Flumentana  abgesetzt  hatten ,  v^eiter 
hinauf  in  die  Navalien  fuhren,  aus  denen  sie  also  ausge- 
gangen sein  mussten:  und  damit  steht  im  Einklänge,  dass 
das  Schiff,  auf  welchem  Aeneas  nach  Italien  gelangt  sein 
sollte,    ebenfalls    in    den    Navalien    aufbewahrt    wurde ^^)« 


^)  Ueber  die  Eotwickeluo^  der  römischen  Kriegsmarine  vor 
Angnstns  verweise  ich  besonders  auf  Mommsen  Staatsr*  2\  \,  565  f. 
Marqoardt  Staats verw.  2,  479  ff.,  welche  freilich  auf  die  Frage  über 
die  Navalien  nicht  eingegangen  sind.  Die  Marine  seit  Aogastos  kommt 
hier  nicht  in  Betracht. 

^^)  S.  Forma  S.  45.  —  Zur  Zeit  des  Cincinnatus  giebt  es  noch 
keine  nävalia  (weiter  besagt  die  A.  53  a.  Stelle  des  Livins  nichts^  vgl. 
£inl.  §  2  A.  25).  Livius  8,  14,  12:  naves  Jntiatixim  partim  in  navaHa 
Jiomae  suhductae  pctrtim  irusentae  u.  s.  w.  45,  35,  3:  Paulus  kehrt  aof 
dem  Sechzehnrnderer  des  Königs  zum  Staunen  der  Menge  zorück; 
4^2,;  12:.  naves  regiae  captoe  de  MacedmUnu  (alle?)  invisitatae  ante 
magnxhiäinit  in  campo  Martio  (s.  A«  53)  subduetae  nmt.  Polybios 
3^,.  5.  (3),  9:  (zuerst  benutzt  von  Preller)  die  Oeissela  der  Karthager 
^u, Anfang,  des  3.  punischea  Krieges  ifaganofita^^vris  sts  "^v  ^Peifirpf 

K^^ov  die  Hss.,  verbessert  von  Gronov:  vgl.  18,  44  (24)  7  Liv.  33, 
3.0,  5),. ~7  Ankunft  der  Schlange:  es  ist  klar,  dass  eg^retsis  leffoUs  (obea 
A.I25).Vda8^  Schiff  da  die  N&valien  fahren  soll;  ebenso  das  des.  Cato  (Plot 
Gato  min;  3.9.  Vell.  2,  45  vgl.  Drum.  2,  266):  die  Beamten  gehen  dem  Schiff 
nqbs  ibv  noia/^ov  (cum  per  .Tiberim,  sukirei)  eatgeg^n :    er  «hier  r^ 


§  7.]  HAFENBAÜTEN.  437 

Dazu  kommt  nun  endlich  die  Nachricht ,  dass  um  die- 
selbe Zeit^  als  am  unteren  Tiber  das  Emporion  nach 
dem  Muster  des  athenischen  gebaut  wurde,  die  Nava-^ 
lien  von  dem  griechischen  Baumeister  Hermodoros  neu 
ungerichtet  und  mit  einer  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
nach  demselben  Huster  eingerichteten  Werft  versehen  wur- 
den. Vor  dieser  Zeit  also  wird  man  sich  schwerlich  den 
Bau  jener  Flotte  von  300  und  mehr  Kriegsschiffen  im  Mars- 
felde zu  denken  haben,  vielmehr  wird  der  Bau  nach  Maass- 
gabe der  Verhältnisse  in  einem  der  latinischen  oder  sud- 
italischen Häfen  geschehen,  in  den  Navalien  zu  Rom  aber  die 
geringe  Anzahl  von  Schiffen,  die  man  ständig  hielt,  ausser 
Dienst  gestellt  worden  sein.  Aber  auch  der  Bau  des  Hermo- 
doros wird  schwerlich  sehr  grossartige  Dimensionen  gehabt 
haben,  und  vollends  ist  es  sicher,  dass  seit  Augustus  |die 
grossen  Flottenstationen  auch  zugleich  die  Werften  gewesen 
sind'^^).  —  Die  navaUa  also  haben  eine  sehr  untergeordnete 


o^^v  7rttQ€$eXavvoyy  iTfl  vidtg  i^rjQovg  ßaaiXixfjg  avx  avijxe  tiqotsqov 
rj  xad^QfiCaai  tov  aroXov  eis  ro  vewQiov  {ad  eum  hcum  tibi  erat  expo- 
nenda  pecuniä)»  Verraathlich  war  es  gpebräQchfich ,  dass  die  Staiats- 
schiffe  bei  solchen  Gele^enheiteD  vor  dem  bezeichneten  Thor  anlegten; 
der  Grund  dafür  Hegt  nahe:  der  heimkehrende  Feldherr  hatte  sich  von 
da  nach  der  viüa  publica  so  herben,  während  er  bei  dem  Einstellen 
des  Schiffes  in  die  Docks  Nichts  zu  thiin  hatte.  —  Prokop  Gbth:  4,  22 
S.  573:  unter  den  Erinnerungen  an  den  Ursprung  Roms  xal  i)  vavs 
Atvitov  .  •  x(A  eh  To^e  xeirai  d'iafxa  navrelcag  antarov,  vetoaoixov 
yciQ  noitjffdf^evoi  iv  fiitffi  ty  noXeinuqä  tT(v  tov  TtßigiSog  ox^v. 
Es  folgt  die  Beschreibung  des  Schiffs:  fiovriQrjg  von  120  X^^^-r<^^^^ 
Bisen  gebaut;  vermiitblieh  eine  Cieeronenlüge  (vgh'  A.  6):  es  wird 
eins  der  genommenen  feindlichen  Kriegsschiffe  gewesen  sein. 

'*)  Cicero  de.  or.  1,  14,  63:  nee  si  hmc  üf.  Antonio  pro  Hermö- 
doro  fuistet  de  navaUum  opere  dieepdum.  Hermodoros  der  Salaminier 
bant  in  Rom  608.  618  die  Tempel  des  Juppiter  und  des  Mars  (Vitr; 
3,  2,  6  Nepos  b.  Prise.  8,  4,  17  vgl.  Einl.  §  1  A.  49),  möglicherweise 
schon  früher  die  Navalträ.  Ueber  die  vetoQia  und  die  axevo&i^xr]  im 
athenischen  Hafen  (letztere  ein  Bau  des  Philon  um  330)  s.  Böckh  Seew. 
64  ff.  Graser  Phtlol.  1872,  62  ff.  Wachsmuth  Athen  1,  598  f.;  651^ 
6^8.  Itk  habe  Forma  S.  44  dairauf  bezogen  finnius  h'.  Serv.  z.  Ae. 
11,   326:   isdem  campus  habet    teättrinum  navibus   Umgit  ^SerVitrs 


488  ™KI^  '• 

Rolle  gespielt  und  ihre  Lage  oberhalb  der  Brücke  und  ausser- 
halb der  Vertheidigu ngslinien  gegenüber  dem  vatica- 
nißchen  Gebiet  —  eine  genauere  Bestimmung  ist  wohl 
nicht  m60ich  — ^^)  liess  dies  auch  von  vornherein  erwarten. 
Da  wir  uns  die  Navalien  als  einen  auf  der  Landseite  von  soliden 
Mauern  umschlossenen  .und   durch  diese -igegen   die  Gewalt 


belegt  damit  deo  Sats,  dasB  tuttMiHa  vmigiUy  teapirma  ravntfym  aeiea.). 
Indesseo  ist  die  Anoahme  niisslich  und  es  kann  hier  wie  bei  Naeviiis  (Fest. 
145):    apud  emporium  in  campo  hosUum  promoene,  von  einer  feind- 
lichen Stadt  die  Rede  sein  (vgl.  A.  46).  —  Von  den  soeben  von  Moinmsen 
Eph.  epigr.  3,    319   E  behandelten    zwei  Ebreninsehriften    des    P.  Ln- 
eilias  Ganala  aoa  Ostia   (Wilm.  £x.  1724  1724*>  spricht  die  eine  tob 
eineio  Geldgeschenk  desselben  ao  die  Stadt,  als  diese  o6  poüidtatumem 
belli  navalit  ihre  Graadstücke  verkauft  hatte ,  die  andere:  idem-  natfoie 
a  L.   Coilio    aedificatum    extru[en\tibut  fere   collapsum   restituit,    was 
nach  Mommsen   S.  330   ein  navale  extruentibus  {vnvnrjyia)  im  Gegen- 
satz zu  einem  n.  tvbdueenübus  {vitoqi«)  bedeuten  soll.    Gamala  war  PrÜ- 
fekt  des  Loeius  Aeliua,    Sohns  des  Hadrian:   MemmseD  hält  den  See- 
krieg  für  den    mit  den  Marcomannen    (170  n.  C.)  geführten.    Sachlich 
und  sprachlich  halte  ich  navale  extrueniibu*  fnr  unmöglich.    Vgl.  A.  56. 
^^)    Entscheidend  sind,  wie  Becker  geseben  bat,  iavius  3,   26,  8: 
L.  Quinctüis  trans  Tiberim  contra  eum  tpmm  loeum,  übt  nune  navalia^ 
quaUuor  iugerum  colebat  agrum^  Plinius  18, 20;  aranti  quattuar  sua  iugera 
in  Faticano^  quae  prata  Quitutia  appeUrnituTy  CüMinnato  viaiar  aüuUl 
dißtaiuram^   womit  die  Angaben  A,  51  in  campo  Martio  (Liv.)  und  i¥ 
fiiojjl  Tjl  noUi  (Prok.,  man  denke   an   die   damalige  Auadehnong  von 
Transtiberim)  stimmen.    Da<)arcb  sind  die  älteren  Annahmen  (Aventin, 
Trastevere)  ausgeschlossen.    Das  Verzeicbniss  dar  Bauten  des  Censor 
Fulvius  (Liv.  40,  &1);  basüicam  post  argentaria»  novas  ei  forum  pisca- 
torium  .  .  et  forum  ei  porticum  exh^  portam  TrigemMam  et  aliam 
post  navalia  et  ad  fanum  UercuUs  et  poH  Spei  ad  Tiberim  aedem 
Jpoüinis  medici  (so  die  Hss.)  springt  vom  Emporium  zu  den  Navalien, 
Der  letzte  Theil  nennt  Heiltgtbümer  am  forum  hoUtormm:  Preller  will 
deshalb    die  Navalien   so  nahe  wie  möglieb  an  dasaelbe  rücken   (ßeg. 
S.  242).    Mir   scheint  die«   wegen   des  geganüberliegeiiden  ager  Fati- 
canuSy   der   soweit   nicht   ausgedehnt   werden    kann«    unmöglich.     Die 
oflenbar  verdorbene  Stelle  ist  noch  nicht  sicher  gebeilt  (s.  Tb.  II).  -^ 
Wie  ein  grosses  Schiff,  ohne  (d.  bi  mit  niedergelegtem)  M«6t  durch  eine 
der  Brücjien  nach  den  Navalien  fährt,  zeigt  die  Münze  dea  Pü^s  A.  25, 
Die  Weite  der  alten  Bögen   (uagefäbj^  20  M.)  ist  für  das  gr$SBte  der 
alten  Kriegsschiffe  mebr  «U  gesügend.. 


§    7.]  HAFEWBAÜTEN.  439 

der  üeberschwemmungen  geschätzten  Raum  zu  denken  haben 
(er  diente  als  Einschliessungsort  für  Gefangene),  so  ist  mit 
l^ahrsoheinlichkeit  die  porta  navalis  als  Eingang  der  Navalien 
betrachtet  worden '^^).    Mit  dieser  Annahme  stimmt  die  Zeich* 
nung  eines  im  Original  nur  noch  zum  kleinen  Theil  erhal- 
tenen Stücks  des  kapitolinischen  Plans,  dessen  verstümmelte 
Inschrift   den  spätlateinischen  Singular  navdle  zu  enthalten 
scheint,  im  Wesentlichen  so  auffallend  überein,  dass  die  alte 
Annahme,  es  stelle  die  Navalien  dar,  viel  Bestechendes  hat, 
zumal  auch  die   aus  dem  Maassatab  des  Plans  ungefähr  zu 
erschliessende  Grösse  des  dargestellten  Gebäudes  —  es  würde 
eine  Längsaxe  von  mindestens  100  M.  gehabt  haben  —  und  die 
Richtung  der  Schrift  zu  dieser  Annahme  passen '^'^).    Nichts* 
destoweniger  ist  dieselbe  unsicher:    denn  wie  portus,  so  hat 
das    spätlateinische   navaU    nachweislich   auch,    wenn   nicht 
etwa  ausschliesslich,  die  Bedeutung  'Magazin'   und  es  bleibt 
somit  die  Möglichkeit,  dass  wir  einen  Stapelplatz  der  Handels- 
scbiffe    unterhalb    der   Stadt   vor   uns   haben.    Dass  es   im    * 


^)  Der  Aiiszt  des  Festas  S.  179:  naoaUs  porta  a  vidnia  navalium 
dicta  (s^aux  unsicher  die  Brgäazuog  des  Artikels  des  Festus  S.  178 .. . 
üem  navalis  r]egio  u,  s.  w.).  Die  'Nähe'  schUesst  oieht  aas,  dass  es 
das  Thor  der  Umfassaogsmaaer  selbst  war,  zumal  bei  der  bekaonten 
Liederlichkeit  des  Epitomators.  Natürlich  kano  auch  an  einen  nahen 
formXf  z.  B.  der  A.  53  erwähnten  parUsus  post  navaUa  gedacht  werden, 
Dicht  (wie  Becker  sah,  s.  §  3  S.  241)  an  ein  Ther  der  SUdtmaner. 

^B)  Forma  Fr.  61.  61»:  deutlich  sieht  man  einen  recbteckigen 
mindestens  von  3  Seiten  von  Mauern  umgebenen  Raum,  in  den  in  der 
Mitte  ein  Thor  fuhrt,  darin  steht  navalem  fer^,  woraus  Bellori  navaUoy 
Preller  nawüe  v{fer[utn]f  Saohse  navale  empar\ium],  Becker  (zweifelnd) 
navale  merlcat4)rium]  gemacht  haben  (s.  die  Adnot.).  —  Wahrschein- 
lich war  auf  dem  Plan  die  Länge  des  jetzt  verstümmelten  Gebäudes 
0,80,  bei  der  Annahme  des  Maassstabs  1 :  300  also  in  Wirklichkeit 
240,  möglicherweise  aber  nach  den  Forma  S.  13  erörterten  Schwan- 
kungen nur  (Maassstab  1 :  150)  120  M.  Die  Längsaxe  des  sogenannten 
Emporium  (oben)  iat  300  M.  1.;  nach  Grasers  Untersuchungen  über  die 
athenischen  SchUfshäuser  (Philol.  1872,  62  ff.)  würden  die  Schiffshäuser 
für  30  Kriegsschiffe  etwa  eine  Frentläage  von  325  engl.  F.  »  99,08  M. 
darateUen. 


440  THEIL  I. 

3.  Jahrhundert  deren  mehre,  d.  h.  eine  ganze  Reihe  für  die 
verschiedenen  Waaren ,  dort  gegeben  hat ,  scheint  schon  jetzt 
durch  die  oben  beschriebenen  Entdeckungen  an  der  Marmo- 
rata  bewiesen  zu  sein.  Wenn  daher  die  Herstellung  des  ver- 
stümmelten Namens  navale  infer[iu$]  richtig  sein  sollte,  so 
wurde  daraus  keineswegs  folgen,  dass  das  superius  oberhalb 
der  Insel  zu  suchen  ist:  vielmehr  wurden  beide,  wie  die 
uns  der  Lage  nach  ganz  unbekannten  Weinmagazine  portus 
vinarius  superior  und  mferior,  füglich  auf  der  lang  ausge- 
dehnten Uferstrecke  von  der  alten  porta  Trigemma  bis  zu 
der  aurelianischen  Mauer  untergebracht  werden  können '^^. 
Die  Dimensionen  des  Stucks  wurden  zu  denen  des  oben  be- 
schriebenen, noch  in  Trümmern  erhaltenen  'Empoiiuni' 
passen. 

So  unsicher  dies  nun  auch  einstweilen  bleibt,  so  halten 
wir  doch  an  der  ausgesprochenen  Meinung  fest,  dass  die 
Natur  der  Sache,    das    vollständige  Schweigen   der  Schrift- 


^)  Becker  (oben  A.  49)  hatte  Recht,  wenn  er  das  Vorkommen  von  na- 
vale für  navaUa  bestritt,  deshalb  Prellers  Ergänzung  verwarf  (A.  55)  nnd 
navab'a  ausschliesslich  als  vecigia  (welche  die  vfoiaoixoi  enthalten)  anf- 
fasste,  und  es  ist  die  Frage,  ob  in  älterer  Zeit  jemals  zwischen  navoKa 
und  navale  wie  zwischen  v^foqiix  und  vitoqiov  (Böckh  Seew.  S.  64  F.) 
geschwankt  worden  ist.    Das  Zeugniss  der  Inschrift  des  Gamala   (oben 
A.  52)  lassen  wir  einstweilen  ans  dem  Spiel.    Aber  auf  neu  entdeckten 
Ziegeliaschriften  von  Siscia  in  Pannonien  (Eph.  epigr.  2,  434)  steht  «n 
Aoc  navali  in  der  Bedeutung  von  'Ziegelei',    woraus  sich  also  ergiebt, 
dass  navale   in    die   allgemeinere  Bedeutung   von  portus  übergegangen 
nnd  in  dieser  Bedeutang  in  später  Volkssprache  sitigularisch  behandelt 
worden  ist.    Daher  bei  Obseqnens  68  (128)  z.  J.  710:  fulmine  navaUa 
pleraque  tacta  nicht  zu   ändern  ist:   es  sind  Magazine.    Da  nun  die 
Aufschriften  des  Stadtplans  stark  plebejische  Färbung  haben  (Forma  S.  7), 
so  ist  navale  nicht  auffallend,  kann  aber  sowohl  die  echten  navaUa,  wie 
rgend  welchen  portus   bedeuten.     Die    Hermes    11,  .123    aufgeworfene 
Frage,  ob  das   von  Canina  Arch.  ant.  2,   173  publicirte  pompejanische 
Bild ,  welches  navaUa  mit  Schiffen  darstellen  soll,  das  bei  Heibig  1582 
aufgeführte  ist,  mag,   da  sie  noch  nicht  beantwortet  worden  ist,  hier 
noch  einmal  aufgeworfen   werden.    Die  Wichtigkeit   des  Gegenstandes 
verdient  eine  Untersuchung:  man  könnte  an  Misenum  oder  Pnteoli  deaken. 


§    7]  KLO  AREN.  441 

Steller,  ihr  Reden  über  den  Handelshafen  am  unteren  Pluss 
nicht  gestatten,   an   irgend   einen  grösseren   Stapelplatz  im 
Norden  der  Stadt,  der  den  Namen  portm  verdient  hätte,  zu 
denken.     Es  dient  als  Bestätigung  dieser  Auflassung,  dass  der 
Verkehr,  der  sich  in  republikanischer  Zeit  vor  dem  Carmen- 
talischen   und    dem  Fiussthor  concentrirte ,    ehe  Caesar   und 
seine  Nachfolger  (oben  S.  299  f.)  damit  aufräumten,  durchaus 
den  Charakter  des  bäuerlichen,  nicht  des  gewerblichen  oder 
Schiffsverkehrs  trägt.    Es  darf  hier  einstweilen  an  den  Gemüse- 
markt und  an  das  Volksleben  am  flaminischen  Circus  erinnert 
i^erden ;  vielleicht  gehört  in  diesen  Kreis  auch  die  minicische 
Getreidehalle.     Nur  der  wahrscheinlich    ebenfalls  hierher  ge- 
hörige Fischmarkt  könnte  als  störend  gelten:  indessen  handelt 
es  sich  in  ältester  Zeit  wesentlich  um  den  Verkauf  der  Fiuss- 
fische,   und  die  Flussflscher  scheinen  in  Trastevere  gewohnt 
zu    haben.    Keine   einzige    gewerbliche    oder   kaufmännische 
Anlage  wird  in  älterer  Zeit  meines  Wissens  hier  genannt  und 
die  Luxusbazare  der  Kaiserzeit  beweisen  naturlich  für  einen 
nahen  Hafen  sowenig,  wie  etwa  heutzutage  ähnliche  Etablisse- 
ments für  die  Nähe  eines  Bahnhofs^'). 

Was  uns  aus  der  Stadtchronik  über  die  Geschichte  des 
mit  der  Flussregulirung  zusammenhängenden  Kloake n bans 


^^)  Ueber  die  Entwickelong  dieser  Vorstadt  nod  über  die  ge- 
DtniiteD  Oertiichkeiten  Th.  IL  Zn  fra^^eo  ist  noch,  wo  man  sich  den 
in  dem  schmutzigen  Gedicht  Catal.  Verg.  5,  19  ff.  geschilderten  Vor- 
gang zu  denken  hat:  non  me  vocabis  spurca  per  Cotyttia  ad  feriatos 
fasdnos,  nee  te  movere  lumhubt  in  caitida  (so  Ribbeck  nnd  Haupt) 
prenHs  videbo  altaräms  flavumque  propter  Thybrim  dentes  nauticum 
voearey  übt  adpulsae  rates  stant  in  vadis  caeno  retentae 
sordido  macraque  luciantet  aqua.  Man  kann  an  Ostia  denken: 
wahrscheinlicher  scheint  mir  Traatevere,  wohin  der  fremde  auch  von 
Horaz  Epo.  17,  56  erwähnte  Kultus  weist.  Die  allgemeine  Bemerkung 
Strabos  5,  3,  7  S.  235  (vgl.  Dionys.  9,  36)  über  die  das  Baumatertal 
nach  Rom  herabführenden  schiffbaren  Flüsse,  besonders  den  Tiber,  auf 
welche  Preller  u.  A.  grossen  Werth  legen,  beweist  weder  einen  aus- 
gedehnten Handel  auf  den  Wasserstrassen  von  oben  her,  noch  die 
Existenz  der  von  Hafenanlagen  oberhalb  der  InseK 


442  THEIL  I. 

erhalten  ist,  ist  dürftig ^^),  Deo  Bau  der  'Hauptkloake'  scfareikt 
die  Tradition  den  Tarquiniern  zu,  lässt  aber  wohlweislidi 
wegen  der  damit  nicht  übereinstimmenden  Datining  d^  An- 
lage des  Comitinm  bereits  Ancus  Marcius  denselben  vorbe- 
reiten (oben  S.  159).  Bei  dem  Wiederaufbau  der  Stadt  nack 
dem  gallischen  Brande  sollen  die  Kloaken  zuerst  durch  Privat- 
häuser überbaut  worden  sein^^).  Eine  Reinigung  derselben 
sowie  eine  Erweiterung  ihres  Systems  durch  Anlage  neuer 
Zweige  auf  dem  Aventin  'und  anderwärts^  wurde  in  der 
Censur  des  J.  570/184  angeordnet  Es  bleibt  unsicher  ob 
es  dieselbe  Reinigung  ist,  welche  nach  Gajus  Acilius  24  Mil- 
lionen Sesterzen  kostete  ^^).  Wie  die  Unternehmang  des 
J,  570,  so  erstreckte  sich  auch  die  einzige  ähnliche,  von  der 
sonst  berichtet  wird,. die  des  Marcus  Agrippa  zugleich  auf 
die  Regulirung  der  öffentlichen  Brunnen,  nur  dass  seitdem 
die  Zahl  der  dieselben  speisenden  Wasserleitungen  sich 
vermehrt  hatte  ^^).     Wir  hören  sonst   noch   Yon  Schachtoi, 


^)  Ueber  die  Rechtsverbältnisse  s.  Schmidt  Zs.  f.  gesch.  Rechtsw. 
15,  51  ff.  Za  eioer  erschöpfenden  Darstelluns  fehlt  die  nöthige  tech- 
nische Voruntersuchung. 

^  Liv.  5,  55  (der  Wiederaufbau  ohne  Rücksicht  auf  gerade  Lioien): 
ea  est  causa  ut  veteres  chacae  friinum  per  publicum  duetae  nunc  pri- 
Vota  passim  subeant  tecta.    Vgl.  §  8. 

^)  Liv.  39,  44,  5 :  (Cato  und  Flaccus)  locus  siemmdüs  lapide  däer- 
gendasque  qua  opus  esset  oloacas,  in  Aventino  et  in  aUis  partibus  qua 
nondum  erant  faciendas  hcaverunt.     In  welchem  Zusammenhang  Cato 
*oloacale  flumen'  pro  doücarum  omnium  oonluvie  sagte  (Festus  Ansz. 
S.  59)  wissen  wir  nicht:  doch  vgl.  A.  71  z.  A.  —  Dionys.  3,  67  z.  fi. 
zählt  die   tarquinischen   Kloaken,    Ta<pQot,    die   Wasserleitnngea    nnd 
Strassenbauten  auf:    sie   seien  auch  wegen  der  nolviiXsiu  zu  bewon- 
dern,  tj»^  i$  ivos  t^oyov  TixfifjQatT*  av  Tis  TcIkw  ^AMXior  TtoiriadfA^vos 
Tov  f4.iXXovtos  X^yiad-ai  ßtßataniiVy   os  <priaiv  itfABitj^eiCtSv  nots  T«y 
Ta<pQ(üV  xal  fiTpt^ii  6iaqQ€0fAiv(ov  rovs  tifAtixag  rijv  avaxa^QOfv  avtup 
xal  TJiv  fniax€VTiv  x^^^^v  fua&mcat  taXdvrfov,   Unzweifelhaft  ist  dieser 
Gajus  Acilius  der  bekannte,  welcher  eine  griechisch  geschrieben«,  voa 
Livius  in  lateinischer   Uehersetzung   benutzte   Geschichte   Roms  kurs      I 
nach  dem  3.  punischen  Kriege  herausgab.    Mommsen  R.  G.  1^,  808  be- 
zieht daher  die  Notiz  wohl  mit  Recht  auf  das  J.  570. 

01)  (Jeher  Agrippa  die  kurze  Parenthefte  bei  Plinius  36,  104  (der 


S    7.]  KLOAKEN.  443 

durch  welche  die  Kloaken  mit  dem  Niveau  der  Strassen  in 
Verbindung  standen  und  von  der  Beschädigung  derselben 
durch  darüber  gewälzte  Lasten ^^).  —  Die  Instanderhaltung 
der  Kloaken  ist  so  lange  es  Censoren  gab,  von  diesen  regel- 
mässig verdungen,  die  polizeiliche  Aufsicht  wahrscheinlieh 
mit  der  Strasseripolizet  verbunden  gewesen.  Seit  der  Um^ 
gestaltung  der  städtischen  Verwaltung  durch  Augustus  hat  die 


tarqoiaisclie.KloakeobAa  hatte  die  Berge  nBterhiJblt)  urbe  pennli  mb- 
terque  navigata-M,  ^grippae  in  aedäitate  post  coiuulatum:  das  Übrige 
bezieht  sich  nicht,  wie  Fraodseo  Agr.  S.  63  glaubt,  auf  den  Bau  des 
Agrippa,  soAdern  auf  den  tarqninischen  (Ä.  71).  Die  49,  43:  rovg  tb 
-uTTovofiovs  i^tHttSfiQi  xul  ig  Tov  TXßiQtv  61*  avxwp  i^^nUvae,  lo 
seiaer  Aedilität  721. 

^')  PUiiius  36,  6  erzahlt  vom  Transport  von  Säalen  fremden  Mar- 
mors  zam  Bau  des  Hauses  des  Scaurus:  satisdari  sibi  damni  injecti  coegü 
redemtor   cloacarum   cum  in   Palatüim   eae  traherentur  —  was   doch 
schwerlich  von   dem   Einsturz  der  Gewölbe  durch  die  Erschütterung 
veratajiden  werden  kcao  (vgl.  A.  71)  —  und  Sneton  Gramm.  2  von  dem 
Unfall  des  Cratos  von  Mallos  in  Rom:   cum  regione  PalaJUi  prolapsus 
in  cloacae  foramen  erus  fregisset  —  Heiiogahals  Leiche  versuchte  man 
wahrscheinlich  in  der  Nähe  des  Gircus  in  eine  Kloake  zu  werfen  (oben 
Al.  23  und  Epit.  de  Gaes.  39 :  cum  angiutum  foramen  eloaoee  corpus 
minime  reeiperet).     Die  Leiche  des  heiligen  Sebastian  wird  ebenfalls 
in  die  Kloake  geworfen,. aber  mit  besserem  Erfolg.    Die  freilieh  nickt 
alten  aber  mit  Benutzung  alter  Lokalnotizen  gemachten  Akten  (20  Jan. 
S.  642)  erzählen:  er  wird  in  medio  campo  mit  Pfeilen  beschossen,  von 
der  Wittwe    des  h*  Gastulus   aä  domum  suam  in  seala  ('al.  insula^) 
esKceUa  ad  Palatium   geführt   vad    geheilt:    deseendit  et  sUms  super 
gradus  BeUogtd)ali  (das   HeUogabaUum  auf  dem  Palatin:   Bd.  2,  382 
B.  10)  venientibus  imperatoribus  dixü,    Dioeletiaa  lässt  ihn  in  hippO" 
dromo  Palatü  (wahrscheinlich  dem  jetzt  aufgedeckten  Stadium  auf  dem 
Palatin:  Lanciani  Guida  S.  S6ff.)  todtprigeln:  tunctulerunt  corpus  eins 
noete  et   in   clüucam   mawimam   (so    der   Text   der   BoUandisten) 
miserunt.      Er  erscheint  der  h.  Lucina   dicens  m  cloaoa  iUa  quae  est 
iuxta  cireum  invenies  cerptu  meum  pendens  in  gompho.     Hieraus 
geht  hervor,  dass  in  der  That  die  claoca  maxima^  die  sich  ja  in  der 
Nähe  des  Gircus  befindet,  gemeint  ist,  und  es  ist  gleiehgiltig,  ob  der 
Verfasser  der  Mirabilien,   der  die  Akten,   wie   Bd.  %  380 ff.    gezeigt 
wurde,   ausschreibt,   sich  diese  Kliiake  beim  Septizonium  denkt  oder 
nicht;  denn  sicher  ist  auch  das  nicht,  wie  Urlicfas  (der  nur  die  Mira- 
bilien citirt)  annimmt  (Brücken  S.  474);  vgl.  meinen  Text  Bd.  2,  616. 


444  TBEIL  I. 

cura  chacantm,  wie  es  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  zu  def 
cura  alvei  Tiberis  et  riparum  gehört,  wenn  auch  d^r  Name 
jener  in  der  amtlichen  Titulatur  erst  unter  Trajan  er- 
scheint^'). —  Die  Kloaken  verliefen  unter  ölTentlichea  Plätzen 
und  unter  Privatgrundstücken;  Privatpersonen  leiteten  auf 
ihren  Grundstucken  Kanäle  in  dieselben:  daraus  entstanden 
Rechtsstreitigkeiten,  aber  deren  Behandlung  unsere  Nachrich- 
ten bis  in  die  letzten  Jahrzehende  der  Republik  hinaus- 
reichen**). —  Noch  im  6.  Jahrhundert  versah  das  Kloaken- 
System  in  bewundernswürdiger  Weise  seinen  Dienst:  erst  im 
folgenden  wird  die  Sorge  für  dasselbe  aufgehört  und  die 
theilweise  gewaltsame  Zerstörung  begonnen  haben  *^).. 

Das  unvollständige  Bild,  das  uns  diese  Ueberlieferungen 
gewähren ,  müssen  wir  ergänzen  durch  die  Betrachtung   der 


*')  Der  redemptor  cloacarum:  A.  62.  Es  ist  nicht  wohl  deaklMir 
dass  die  Verdinj^ung  nur  ausnahmsweise  gesch^en  sei,  wie  Mommsei 
Staatsr.  2,  1,  426 L  aozanehmen  scheint:  die  besonders  hervoi^ebobene 
VerdinguDg  des  J.  570  (A.  00)  ist  ein  grossartiger  IVeobaa ;  das  aas- 
gebildete System  der  letzten  Zeit  der  Repablik  aber  hat  ua zweifelhaft 
eine  kootinnirliehe  Sorge  für  Rep.%raturarbeitea  erfordert.  —  Aof- 
fallenderweise  fehlen  in  der  Lex  Jnlia  mnnicipalis  Bestimmungen  aber 
den  Schatz  der  Kloaken  da,  wo  man  sie  ei'warten  sollte  (neben  den 
Bestimmungen  über  Strassenpolizei).  lieber  die  seit  Trajan  erscheinende 
Titulatur  Mommsen  2,  2,  976.    Hirsehfeld  Verw.  1,  153  f. 

M)  S.  Cicero  p.  Caec.  26,  34:  praetor  de  cloaeU^  de  fosHs  (vgl. 
A.  67),  de  minimü  aquarutn  iünerumque  eontroverms  interdicit,  und 
den  Titel  Digg.  43,  23  de  claacis,  in  welchem  u.  A.  Trebatius  citirt 
wird.  Das  voo  Schmidt  (A.  59)  behandelte  juristische  Detail  geht  uns 
Nichts  an. 

^)  Prok.  Goth.  1,  20  S.  98:  1;  ^k  rovs  vnovofiovg^  dhtSQ  ix  rijs 
mletog,  eZ  ti  ov  xa&aqbv,  ixßallovatv  l|o>,  ccatfdXsiaif  ^ntvoelv  ot)d€- 
filav  TjvayxuaTo,  in€l  ig  rov  norafjLov  Ttßigtv  tag  Ixßolag  ^xavaai 
OTittVieg  xal  Siä  tovto  ovdifiiav.  oiov  je  t^  noket  iv&iv6€  nqog  teSr 
nol€(jiC(ov  imßovlriv  ytvicd^ai,  Cassiod.  Var.  3,  30:  Reparatur  der 
splendidae  Romanae  eivitaiu  doaeae  quae  tantam  vUent^us  eonferunt 
stuporem  ut  aliarum  civitatium  miraeula  passint  superare  u.  s.  w.  Notiz 
über  die  Reinigung  der  Kloaken  im  J.  1230:  Nibby  R.  a.  1,  653.  Die 
Kloake  auf  dem  Forum  fand  man  bei  der  Anfräamung  im  J.  1872  mit 
Bruchstücken  von  Statuen  angefüllt.    >. 


§   7.]  KLOAREN.  445 

Nachbildung  der  hauptstddtisdien  Einrichtungen  in  den  Co^ 
lonien  und  Municipien.     Wie  in  Rom  so  finden  wir  in  Arpi- 
nuin    den   Bau   der  Kloaken    mit   dem    der  Brunnen   (hier 
Cisternen)  verbünden,  in  den  Städteordnungen  der  Kaiser- 
zeit die  Aufsicht  über  die  Kloaken  mit  der  über  die  Strassen* 
Die    zum   Theil    augustischen   Bauten   in   Aosta   und   Turin 
und  die  vielleicht   der  suilanischen  Colonisation  angehörigen 
in  Pompeji  beweisen  auch  für  Rom,  dass  mit  den   grossen 
Hauptsträngen  ein  System  von  Nebensträngen  in  Verbindung 
stand    und    dass    der   plötzlichen    Ansammlung   von   Regen- 
wdsser  auf  den  Strassen  durch  Abfuhrung  desselben  in  die 
Kloaken  vorgebeugt  wurde,  wie  dies  letzte  auch  für  Parma 
ausdrücklich  bezeugt  wird**).  —  Als  Hauptzweck  der  doacae 
(ursprünglich  fossae  cloacae,  Ableitungsgräben?    A.  72)  tritt 
hier    überall   das    Abfuhren    der   im   Süden   plötzlicher   und 
verheerender  als  bei  uns  fallenden  Regen wasser  hervor;  aber 
es   verstand  sich  von  selbst,    dass  dieselben  Kanäle  sowohl 
das    Wasser   der   immer   messenden  Brunnen   als   auch  di^ 
flüssigen  Abgänge  und  Auswurfsstoffe  der  Stadt  wegzuschaf- 
fen   hatten.      Wie   in   Pompeji,   so   ist  in  Rom    das   nach- 
weislich sehr  ausgebildete  öffentliche  Latrinenwesen   mit 
den  Kloaken  in  Verbindung  gesetzt  worden;  ebenso  haben  wohl 
überwiegend  die  Latrinen  der  Privathäuser  mittels  Röhren- 
leitung   sich    in   dieselben    entleert^').     Die  Abfuhr  hat  sich 

^)  In  Arpinam  banen  die  AedUea  [v]tas  ci[ttemas]  olovacasy  CIL], 
1178  nach  Brunns  Absehrift.  —  Promis  Aosta  S.  136  ff.  Torioo  184  ff. 
O verbeck  Pomp.  357.  —  Kloaken  in  Parma:  Cassiod.  Var.  8,  29 f.  {an- 
tiqüos  cuniculos  sive  subtwraneot  qm.  iungtintur  ntarginibus  platearum 

ep.  30) Lex  col.  Urson.  c.  77  (£ph.  ep.  3,  95):  nquis  vias  fossas 

cloacas  II  vir  aedil{U)ve  pttbliee  facere  immittere  comtnutare  aedificare 
tnunire  intra  eos  fines,  qui  colon(iae)  Iu1{iae)  erunt,  volet,  quot  ews  ntw 
imuria  privatorttm  ßet^  it  ü  faoere  liceto. 

*7)  lieber  die  Öffentlichen  Latrinen  von  Pompeji  Miebaeiis  Arch. 
Anz.  1860,  115  f.  In  Rom  gab  es  zur  Zeit  Constantins  144  latrinae 
jmblicae,  au  der  im  J.  403  dedicirten  Stadtmauer  116  neeessaria  (n. 
UBdificia,  wie  in  Ronstantioopel),  worüber  Bd.  2,  169.  Gefunden  haben 
sich  in  Rom  solche  Anstalten  beispielsweise  anf  dem  Palatin,  anf  dem 
fisquilin,  in  den  Titnsthermen  (Lanciani  Ball.  mnn.  1,  243):  kein  ö'ffeat^ 


446  TBEIL  I. 

nur  auf  den  auf  den  Stras$en  und  Plätzen,  sowie  in  deo 
öifentlichen  Gebäuden  sich  täglich  ansammelnden,  vielleiebt 
auch  wie  heute  an  bestimmten  Stellen  zur  Abfuhr  deponirtes 
Schmutz,  namentlich  der  Kuchen-  und  Marktwaarenabgäoge 
erstreckt  ^^).  —  Fährte  die  flauptkloake  aus  der  Altstadt  mit 
dem  Regenwasser  die  Massen  des  Unraths  in  den  Fluss, 
so  liegt  es  nahe  anzunehmen,  dass  dadurch  naidentlich  in 
der  Zeit  der  grossen  Dörre  und  des  niedrigen  Wasserslandes 
beim  Scirocco  oder  auch  bei  Ueberschwemmungen,.  welche 
den  Ausfluss  verhioderten,  Miasmen  sich  entwickelten  und 
jene  ^Pestilenzen'  hervorbrachten,  welche  wir  oben  S.  150  f. 
besprochen  haben  ^*).  —  Noch  eine  andere  Frage  knüpft  sich 


liehes  Gebäade,  kein  grösserer  Platz  wird  ohae  eine  solche  so  dea- 
ken  seio  und  deshalb  sind  die  bekannten  bildlichen  Drohungen  und 
schriftlichen  Verwünschungen  gegen  Strassen  Verunreinigung  (Rom:  Or. 
H.  7302;  Saloaae:  A.  68;  vgl.  Jahn  zu  Fers.  1,  113)  weniger  barba- 
risch als  bei  ans  zu  Lande.  Wie  alt  diese  Anstalten  sind,  wissen 
wir  nicht:  man  deutet  darauf  die  Worte  des  Titius  (Macrob.  3,  16): 
ad  oQtnittum  eunt  . .  dum  eunt  nulla  est  in  angiporto  mnphora  quam 
tum  implent,  quippe  qui  vesicam  plencan  vini  habeant,  —  Vgl.  Fried- 
länder Darst.  3,  104  und  über  die  Latrinen  in  den  Häusern  Becker 
Gallus  2»,  195. 

^)  Das  Geschäft  der  Strassenreinigung  leiten  zur  Zeit  der  Republik 
und  wahrscheinlich  noch  in  der  Raiserzeit  (Mommsen  Staatsr.  2*,  1, 
688  f.)  eigene  Beamte  viü  m  urbe  purgandU.  Offenbar  zu  ihrer  Verin- 
guog  —  es  wird  auch  hier  wie  bei  den  Kloaken  an  Verdingung  zu  denken 
sein  —  stehen  die  plottra  stercoris  exportandei  eaussa  der  Lex 
Julia  66  f.  Was  hier  unter  stercus  zu  verstehen  ist,  lehrt  Varro  6,  32: 
dies  qui  vocaiur  ^quando  stercum  delaiumfas*  (15.  Juni)  ab  eo  appeUa- 
tusy  quod  eo  die  ex  aede  Festae  (nicht  ex  alrio)  stereus  everritur  et 
per  CapitoUnum  cUvum  in  hcum  defertur  certum  und  die  Inschrift  von 
Salonae  CIL  3,  1,  1966:  quisqu{e)  in  eo  vico  stereus  non  posuerii 
aut  wm  cacaverit  aut  non  miaverü  habtat  iUas  (die  dreifadie  Hekate) 
propitias,  si  neglexerit  viderit;  also  Abfalle  und  Müll  aUer  Art;  im- 
munditiae,  'imnondezzajo'. 

*^)  Die  Aulstaunng  durch  hohen  Wasserstand  bezeugt  Pliniaa  (A.  71). 
Aehnliches  kam  natürlich  auch  anderwärts  vor:  so  in  Parma,  nach 
Cassiod*  8,  29  (vgL  A.  6H):  n»  sordium  obieciione  tardata  reciprocatu 
uttda  vestris  aedibus  ilUdatur;  vielleicht  in  Kyzikos  nach  Sallast  Bist  3, 
26  D.:  nam  omnia  (Aid.  doch  wohl  richtig  moema)  oppidi  stagnabaat 


S  7.]  KLOAKEN.  447 

daran.    In  der  Einsattelung  des  AveDtin  nahe  dem  Circus  lag 
die  Piscina  publica;  aber  nur  noch  der  Name  hatte  sich  um 
den  Anfang  unserer  Zeitrechnung  erhalten.   In  glaubwürdiger 
Weise  wird  uns  derselbe  als  ^ßadeteich'  erklärt:  und  in  der 
That  ist  es  nicht  glaublich,  dass  die  Stadt  sich  den  Luxus 
eines    Fischteichs   in   so   £röher   Zeit   erlaubt   haben    sollte. 
Ueberdies  scfaliesst,  was  wir  über  den  Betrieb  der  Fischerei  jener 
Epoche  wissen,  diese  Annahme  wohl  geradezu   aus.      Nun 
wissen  wir  ferner,   dass  nach   dem  Siege  Gelons  in  Akragas 
ein  grosser  Badeteich   hergerichtet   wurde  und  dieses,  Werk 
wird  mit  der  Anlage  des  Kanalisationswerkes  in  Verbindung 
gebracht.     Sollte  wie  für  die  übrigen  Wasserl)auten,  so  auch 
für  die  Anlage  des  Schwimmbassins  diese  oder  eine  andere 
griechische  Anlage  als  Muster  gedient  haben  und  die  Veran- 
lassung  des  Baus  wenigstens   zum  Theil   die  Verunreinigung 
des  Flusses  durch  die  Kloaken  gewesen  sein?  Das  Baden  im 
Fluss  ist  nach  der  geschilderten  Eigenthumlichkeit  desselben 
obnehin  gefährlich,  möglich  wohl  nur  unterhalb  der  Strom- 
schnelle oder,  wo  es  zur  Zeit  Giceros  und  Horazens  üblich  war, 
am  Marsfeld e'^**).     Wir  kommen  unten  darauf  zurück. 

Das  ausgebildete  Kloakensystem  ist  allmählich,  zum  Theil 
erst  im  J.  570  entstanden.  Die  erste  Anlage  sollte,  wie 
schon  gesagt  worden  ist,  den  centralen  Theil  der  Stadt 
zwischen  den  Bergen  vor  üeberfluthung  durch  die  zusam- 
menströmenden Wasser  sichern  und  dieselbe  in  den  Tiber 
führen.  Die  Alten  bezeichnen  dasselbe  als  ein  System  von 
unterirdischen  überwölbten  Gräben,  welches  in  einer  Haupt- 
mündung {cloaca  maxima)  das  zusammenströmende  Wasser 

redundantibuM  doaci$  adtforso  aestu  marft.    Aber   eine  Hindeutnog  aof 
die  ao  sich  sehr  wahrscheiolicheo  Folgea  ist  mir  nicht  bekaDot. 

^^)  Festus  213:  piscinae  pubUcae  hodieque  nomen  manet,  ipsa  tum 
eoßtat.  ad  quam  ^  natatum  et  ewerdtatimns  ako  qui  causa  veniebat  pO' 
pulut,  finde  Lueäius  ait:  pro  obtuso  ore  pugü  PiseinmiHs  reses.  Ueber 
das  JNiveaa  der  Gegeiid  oben  S.  133.  Vgl.  Theil  II.  -^  Akrag^as,  T€i«h 
{xokvfißif&^a)  und  Absagskanäle  {q>aiwc€g)i  Diod.  11,  26  vgl.  Sehnbring 
fliat.  Top.  von  Akragas  S.  38,  Holm  Gesch.  Sic.  1,  248.  429.  2  A.  T.  IX. 
—  Baden  am  Marsfeld«:  Marqnardt  Privatalterth.  1,  279  A.  52  vgl.  Th.  II. 


448  "THfilL  t. 

in  den  Tiber  führte.  Wir  sind  noch  nicht  im  Stande,  daröber 
zu  urtheilen,  wie  viel  von  den  jetzt  bekannten  Strängen  der 
ältesten  Anlage  wirklich  gehören^*).  Nur  gegen  die  Ursprung- 
lichkeit  des  kolossalen  Mündungsbaus  (a)  selbst  (eines  etwa 
300  Schritt  langen  und  gegen  den  Fluss  sich  von  etwa  4  M. 
zu  3,44  Durchmesser  verengenden  Gewölbes)  lassen  sich 
keine    gegründeten    Bedenken    erheben  ^^).      In     denselben 


'^)  Livias  1,  56  oenot  den  Bau  des  Tarqaioias  doaeam  Tnaanmem 
receptaculum  omnium  purgamentorum  urhis  (vgl.  Cato  A.  60);  daneben 
hat   sein  fi^rlich   rhetorischer   Ausdrack  fossas  cloacasqtte   (1,    59,  9) 
offenbar  nicht  die  techuische  Bedeutung  (Haupt-  und  Nebenkanäle),  die 
man  ihm  hat  beilegen  wollen  (Abekea  Mitteilt.  S.  170).    Plinius  36,  104 
rühmt  den  servianischen  Wall,  die  Substrnktionen   des   Kapitols  oad 
die  cloacae:  permeant  conrivOti  teptem  amnes  cursuqtie  praeciptUtor- 
rentium  modo  rapere  atque  auferre  omnia  coacH,  insuper  imbrium  moU 
concüati  vada  ac  latera  quatiunt,  aUquando  Tiberis  retro  infusus  recipüur 
(vgl.  A.  69)  pugnantque  diversi  aquarum  impetus  intus  et  tarnen  obnoxia 
firmüas  resütä.  trakuntur  moles  supeme  tantae  non  succumbeniibus  com 
operis  (doch  vgl.  A.  62),  pultant  mmae  sponte  praecipäes  aut  inta^M 
moendiisj  quatüur  solum  terrae  moiihus:  durant  tarnen  a   Tarquiniß 
Prisco  .  .  .  ainpUtudineni  cavü  eam  fecisse  prodäur^  ut  vehemjaeni  largt 
onustafn  transmitteret.     Die  *"  siebeo  Flüsse '  sind  offenbar  gelehrte  Ad- 
spieAiDg  an   die   durch  Cato  und  Varro  bekannten   reinigenden  Sep- 
tem flumina  bei  Regium  (Probns  zu  Vergl.  Buc.  5  S.  3  K.  m.  Proleg. 
zu  Cato  S.  XLV).  —  Das  Wort  c/oaca,  clovaoa  (A.  66)  —  die  Bildaags- 
form  selten  und  alt  —  ist  noch  nicht  sicher  erklärt.     Die  Paraphrase 
purgare  (§  4  A.  40)  hilft  nichts    (sie  ist  abstrahirt,  was  Curtius  Et. 
151  verkennt),  der  Stamm  in  dieser  Bedeutung  im  Lateinischen   sonst 
nicht  nachweisbar,  die  Vergleichung  von  xXv-Cot>  eben  so  bedenklich  wie 
die  von  lu-o  (dehibrum). 

'')  f»  Der  bauliche  Znstand  ist  eingehend  untersucht  von  Ficoroni 
Vest*  S.  10  f.  Piranesi  De  Rom.  magnif.  et  arch.  1761  (Werke  Bd.  7) 
T.  in  f.  vgl.  Ant.  1,  21  Venuti-Piale  1,  99.  2,  66  Linotte  Giorn.  arc. 
2,  160  f.  und  am  ausführlichsten  von  Abeken  Mitteilt.  169  ff.  Die  übri- 
gen mir  bekannten  Beschreibungen  sind  unselbständig.  Keine  genügende 
Abbildung.  Eingang  bei  S.  Giorgio:  Ficoroni  a.  0.;  Mündung:  Piranesi 
a.  0.,  Uggeri  Bd.  2,  T.  4,  2.  Ueber  Material  und  Bogenkonstruktion  vgl. 
Einl.  §  1  A.  18.  Th.  J  S.  276  f.  Dass  die  Kloake  von  jeher  unter 
dem  Wasserspiegel  gemündet  habe,  wird  behauptet,  ist  aber  durch  das 
neuerdings  ausser  Zweifel  gesetzte  allmähliche  Steigen  des  Wasserstandes 
(sicher  seit  Hadrian)  wieder  zweifelhaft  geworden.    Die  Bohrversnche 


§  7.]  RLOAKBN.  449 

führte  der  Hauptstratg  (h)  wahrscheitilieh  von  4er  Subara 
^kommend  quer  über  das  Forum,  Tiroselbst  er,  2,15  M.  breit, 
unter  der  bmlica  Mia  (und  zwar  unter  dem  öetliohen  Quer- 
schiff)  fortläuft,  dann  in  gerader  Linie  weiten  unter  den 
f  Fieniii'  und  in  der  Diagonale  unter  dem  sogenannten  Janits 
quadrifrons  hindurch^'). 

In  diesen  Hauptstrang  münden  auf  dem  Forum  2  Nebeor 
stränge:  der  eine  (c)  scheint  sich  von  einem  mächtigen,  längs 
des  Südabhängs  des  Kapitels  i&  der  Richtung  vom  Forum 
Caears  hinter  S.  Martino  nach  dem  Velabrum  au  laufen- 
den Kanal  (d)  beim  tulliaimm  abzuzweigen,  der  andere  (e), 
welcher  unter  dem  Pflaster  vor  dem  Kastortempel  gefunden 
ist,  von  der  Velia  herzukommen^^).    Ungewiss  ist  es  noch, 


haben  noch  nicht  sidier  die  «rspruag^Uche  Sohle  des  Kanals  ermittelt. 
Bf  führt  in  g^ewundeaer  Liniey  zuletzt  im  spitzen  Kinkel  ^egan  den 
Flnss. 

'')  Der  Lauf  des  Ilauptttraog^es  b  Tarn  Forum  nach  der  Mfindmig 
^ar  längst  bekannt  (JVibby  R.  a.  1,  654),  ist  aber  bei  Gelegenheit  dar 
Auffindung  des  Stücks  unter  der  fiasilica  (Januar  1872,  nach  den  Akten 
der  Sopraint. :  Bph.  ep.  3,  247)  genauer  konstatirC  worden  (obige  'An- 
gaben nach  BrizioBnU.  deir  L  1872,  226;  unvoUständiger  die  amtliche 
Belazione  della  Sopraint.  S.  55  f.).  lieber  den  Lauf  e ach  dem  Fonun 
A*  74.  —  Albertini  und  Pighias  erwihnen  einen  'pontieoitn*  gegenüber 
dem  gewöhnlich  als  Best  der  Brücke  des  Calignla  bezeichneten  Gebäude 
bei  S.  Maria  Liberatrice,  d*  h.  in  der  Linie  der  Klaake  (vgl.  fiph;  ep. 
3,  241). 

^«)  cd:  Plan  und  Durchschnitt  bei  Parker  (s.Einl.  S.  13  A.  20), 
Beschreibung  von  Gori  Buonarotti  1868  S.  162  IT.:  danach  lat  der  in 
aüdlicher  Bichtang  bis  in  die  Nabe  der  Consolaziotie  zu  verfolgende 
Arm  von  ii  1  M.  br.,  2,10  hoch;  der  nördliche  lässt-  sich  bis  hinter 
die  Tabernen  des  Forum  luUum  verfolgen,  beide  liegen  'ungefittor'  im 
X^iveau  dos  UäUanum,  ^ etwas'  tiefer  e  (?  der  Boden  des  Tailianum 
liegt  5  AI.  über  dem  Forum,  unten),  welcher  nach  einem  Lauf  von 
9  121,25  M.'  endet  ^sopra  un  ramo  della  cliMica  massima  che  riconabbi 
per  la  sua  costruzziotne  originale  e  per  la  luoe  tramandata  dal  pertagSo 
dischiuso  presse  il  Calcidico  della  basilica  Gialia'  {2}.  Denselben  Ka- 
nal bat  ähnlich  schon  Cancellieri  (Not.  del  oarcere  TuU.  S.  4  f.)  be- 
schrieben: er  giebt  die  Länge  auf  540  Palms:  120,42  an;  ich  gestehe, 
dasB  mir  Gori's  Bericht  mit  seinen  25  Cenftim.  wenig  Vertrauen  eia- 
flösst.     Ueber  eine  Untersuchung  des  Kanals  bei  S.  Adriane  (1742)  s« 

Jordan,  xOmiBcIie  Topographie.    L    1.  29 


450  THEIL  L 

ob  und  wie  die  Kloakensysteme  der  übrigen  Stadttheile  mit 
der  Hauptkloake  communiciren.  —  Das  Kloakensystem  des 
Marsfeldes  (f)  kann  nicht  der  königlichen  Anlage  gleichzeitig 
sein  (vgl  §  8).  Wie  es  scheint,  Ter  dankt  es  erst  der 
Epoche  der  Prachtbauten  seit  Caesar  seinen  Ursprung  ^^). 
Ebenso  unsicher  ist  das  Alter  und  der  Zweck  des  Systems 
in  der  Tiefe  des  Colosseums  (g)^^).  Etwas  unterhalb  der 
grossen  Kloakenmändung  finden  sich  zwei  kleinere  (h):  ob 
diese  dienten,  die  Kanäle  des  A?entin  zu  entlehren,  ob  sie 
mit  denen  am  Colosseum  in  Verbindung  stehen,  ist  noch 
nicht  ausgemacht,  sicher  dagegen,  dass  das  reichliche  QaeU- 
wasser  des  Palatin  am  Westabhange  des  Hügels,   in    einem 


Ficoroni  Vest.  S.  74  f.  —  Üeber  e  Brizio  in  dem  A.  73  a.  Berielit: 
0^5  br,  1,70  h.  —  Aasserdem  führt  ein  Kanal  aaf  dem  Niveau  des 
Forams  die  6te  der  quadratischen  Basen  (von  Westen  gerechnet)  and 
die  Stnfen  der  Basilica  durchbrechend  ebenfalls  in  den  Hanptstraog. 
Mittelalterlich  oder  modern?  Die  Kloake  in  der  Subara  erwähnt 
Jävenal  Sat.  5,  105:  aber  der  Lauf  ist  noch  nicht  ermittelt. 

^')  ft  Bericht  über  die  Wiederherstellung  der  aitea  und  den  Bm 
neuer  Kloaken  im  Marsfelde  unter  Urban  VIIl.  bei  Fea  Mise.  2,  229. 
Aus  diesen  sehr  wichtigen  und  noch  nicht  genügend  verwertheten  Detail- 
angaben hebe  ich  hervor,  dass  die  alten  Kloaken  hier  durchschnittlich 
25  bis  35  Palm  s=s  5,5  bis  7,7  M.  unter  dem  heutigen  Niveau  liegen. 
Die  wenigen  mir  zugänglichen  Hohenangaben  über  das  Marsfeld  (S.  134  f.) 
genügen  nicht,  um  eine  Vorstellung  von  dem  Verhältoiss  der  Kloaken 
zu  dem  alten  Niveau  und  zum  Tiberspiegel  zu  gewinnen.  Die  Haupt- 
leitung scheint  mit  der  Anlage  des  Pantheons  zusammeazuhäDgi^n. 
lieber  den  alten  Mündungspunkt  giebt  es  nur  unsichere  Vermuthnogeo. 

^>)  0  Erste  Entdeckung  von  Kanälen  in  dieser  Gegend:  Ficoroni 
Vest.  dB,  vgl.  Cessio  2,  192  ff.  Venuti-Piale  1,  42  f.  Der  Streit  ist 
seitdem  bei  (irelegeoheit  der  Untersuchungen  der  Unterbauten  des  Co- 
losseums (1810  ff.  1870  ff.:  verzeichnet  zuletzt  von  Gori,  Le  Memorie 
storiche  del  Colosseo  R.  1875,  S.  105  ff.)  stets  wieder  aufgenommen 
aber  noch  nicht  zum  Abscfaluss  gebracht  worden.  Er  dreht  sich  um 
den  Zusammenhang  der  Kanäle,  welche  vom  Esquilin  herabkommen  mit 
der  meta  Sudans  und  dem  Amphitheater  und  ihre  Verzweigong  weiter 
nach  dem  Caelius  und  Palatin  (vgl.  Th.  II).  Die  vom  Municipio  beab- 
sichtigte Anlage  eines  grossen  Abzugskanals  zwischen  Caelius  und  Pa- 
latin wird  hoffentlich  dem  resultatlosen  Hin-  und  Herreden  ein  Ende 
machen. 


§  7.]  KLOAKEN.  451 

in  den  Fels  gehaueneu  Reservoir  (i)  über  dem  Niveau  der 
alten  Strasse  im  Circusthal  gesammelt  und  von  dort  in  die 
Hauptkloake  geleitet  worden  ist^^). 

Für  die  Beurtbeilung  des  ältesten  Bduis  wird  eine  künf- 
tige Untersuchung  aus  der  Vergleichung  der  alten  Haupt- 
kloake  Athens  Nutzen  ziehen.  Die  neuesten  Untersuchungen 
über  diese  scheinen  als  sicheres  Resultat  ergeben  zu  haben, 
dass  der  Hauptstrang  ein  gewölbter  Quaderbau  von  4,20  H. 
Durchmesser  —  also  fast  genau  den  Dimensionen  des  römi- 
schen —  war ,  in  den  Seitenstränge  mündeten.  Es  mag 
dahingestellt  werden,  ob,  wie  behauptet  worden  ist,  die 
Wölbung  erst  später  aufgesetzt  ist  und  der  Kanal  ursprünglich 
ganz  oder  theilweise  unbedeckt  war^^).    Auch  für  den  römi- 


^^)  li  Am  genauesten  Abeken  Mittelit.  S.  176  f.,  wekher  an  die 
Bauten  von  570  (A.  60)  erinnert:  einstweilen  schwebt  die  Vermathnng 
ganz  in  der  Luft.  Auch  die  von  Descemet  Ann.  1857 ,  63  ff.  be- 
schriebenen Kanäle  bei  S.  Sabina  werden  zu  berücksichtigen  sein.  — 
f:  in  den  Fels  geschnittene  Grotten,  zu  welchen  man  durch  einen 
Sdiacht  vor  S.  Anastasia  gelangt,  3  Gänge,  5  M.  breit,  der  eine  35  M., 
4ie  andern  20  M.  lang  mit  Stuck  überzogen,  in  welche  durch  ver- 
schiedene Löcher  QueUwasser  einfliesst,  welches  ven  hi«r  weiter  in 
die  Kloake  abfliesst  (so  Gori,  BuU.  1867,  1Q5  f.).  Sie  liegmi  nicht 
19  Palm  (Gori  a.  0.,  wohl  Druckfehler),  sondern  33  P.  =»  7,3  il. 
(Ciconetti,  das,  S.  158:  wohl  die  Decke,  nicht  die  Sohle)  unter  dem 
lieutigen  Fnssboden,  also  (s.  oben  S.  133)  13,7  M.  über  dem  Meere,  d.  fa. 
etwa  4  M.  über  der  nahen  alten  Strasse  längs  des  Circus,  2  M.  über 
dem  Pflaster  des  'Janus  qnadrifrons'.  Aus  eigener  Anschauung  (1867) 
kann  ich  hinzufügen,  dass  man  darin  nicht  aufrecht  gehen  kann.  Mit 
Recht  also  hat  Ciconetti  bestritten,  dass  dies  das  Lupercal  sei  (vgl. 
Jahresber.  1875, 777)  und  behauptet  dass  es  eine  'piscina'  der  sogeaaonten 
'aqua  Argentina'  oder  'di  S.  Giorgio*  ist,  einer  QueUwasserleitung, 
über  deren  alten  INamen  gestritten  wird  (vgl.  die  oben  §.  1  A.  28.  31 
a.  Schriften).  Die  von  Ciconetti  nicht  beachteten  NiveHementsverhält- 
nisse  bedürfen  noch  der  Erklärung,  vieHeioht  der  Berichtigung. 

^®)  Ziller  in  der  A.  83  a.  Abhandlung,  S.  117  ff.:  er  meint,  es  sei 
aus  einem  Graben  zuerst,  und  zwar  noeh  vor  dem  Bekanntwerden  der 
Gewölbekonstruktion,  eine  offene,  schliesslich  eine  gewölbte  Kloake  ge- 
worden. Man  findet  an  demselben  Bau  den  Bogen  zum  Theil  im  Keil- 
schnitt, zum  Theil  durch  üeberkragung  hergestellt  (t.  VIII,  15.  16). 
Die  letztgenannte  Konstruktion  ähnelt  der  freilieh  etwas  primitiveren 

29* 


452  THK^l^  I. 

isehen  ist  es  Iraglich,  ob  eine  Wölbung  zu  einer  Zeit,  in 
irelober  er  zum  Tbeil  wenigstens  nicht  unter  bebautem 
Terrain  verlaufen  mochte  (vgl.  A.  69)  überall  vorhanden  war. 
Sichtbar  war  'der  Kanal'  auf  dem  Forum  noch  zur  Zeit  des 
Plautus  und  der  Name  des  Heiligthums  der  Venus  cloacina 
daselbst  lässt  schwerlich  ein^  andere  Erklärung  zu,  als 
dass  es  in  der  N§he  der  zu  Tage  liegenden  Kloake  ge- 
ktanden  hat^^). 

Bedurfte  es  gewaltiger  Bauten  um  den  Tiberstrom  zn 
bS<ndigen  und  die  alljährlich  herabstürzenden  Regengüsse  un- 
schädlich  zu  machen^  so  befand  sich  andererseits  die  Stadt 
in  dem  glückltehen  Besitz  vieler  und  reichlich  fliessender 
trinkbarer  Quellet  (S.  lS9f.):  sie  war  nicht  wie  and^e 
Städte  des  Südens,  ausschliesslich  oder  zum  grössten  Theil 
auf  das  Sammeln  des  Regenwassers  in  Cistemen  angewie- 
sen^^).    Doch   auch  diese  Quellen  erforderten   zum    Schutz 


4m  'Ansfällsthors  der  Akropolis  vota  Troja'  (Arch.  Zeitang  1S64,  261^. 
Ifebdr  die  Zeit  des  Batts  lässt  sich,  wie  es  scheiot,  Sicheres  nidit 
emiCteln. 

'^)  In  der  Parabase  des  plantinischen  Carcalio  (4,1)  wird  cwisehen 
idem  wmüiuni  und  der  bcuiUca  das  Cloaemae  sacrum  genaont  (V.  16) 
.dann:  m  nMdio  (foro)  propter  canalem  ibi  sunt  ostentätores  meri  oad 
iPestiis  Ansz.  45  sagt:  eanaUcolae  forenset  homines  pauperes  dieii,  quod 
6iroa  canales  fori  oonsUterent  (nnslohere  VermatlniD;  anriÜator  et  emta- 
•Uöola  Gell.  4,  20).  Sind  hier  2  verseliiedene  Orte  gemeiot,  wie  «Aza- 
nehmea  ist,  so  würde  von  der  cloaca  eia  eanaks  za  unterscheiden  sein, 
jefte  würde  in  der  Nähe  der  rostra  biossgelegen  hahen.  Aüthselhaft 
ist  bis  jetzt  die  Darstellnng  der  Cloaein{a?)  auf  den  Münzen  des  Massi- 
di«Sy  a«f  welche  wir  Tb.  II  znrnckkoiiiinen. 

^^  Cieero  de  rep.  2,  6  (vgl.  §  1  A.  45)  rühmt  den  Romnlas  naeb: 
locimiq^e  delegü  «t  foniibus  abundantem  o.  s.  w.  Froutin.  1,  4:  ab  vrhe 
totndUa  per  annps  qtsadring^ehtos  quadraginta  unum  contenti  fuenad 
Romemi  usu  aquarum^  quas  4tut  ex  Tiberi  uut  ex  puteis  aut  ex  f<m- 
Ailbu»>  havriebani.  Des  Sammeins  von  Regen wasser  in  tistemae  (sie 
•stehen  im  Gegensatz  zu  den  puteiy  welche  viva  aqua  haben  vgl.  Ulpiaa 
Digg*  43,  22)  gescbieht  hier  nicht  einmal  Erwähnung;  als  eines  na- 
geiiiöbolicben  INothbehelfs  bei  Vitruy  5,  9,  8,  Varro  de  rr.  1,  ll«  2. 
tAaf  dem  Padatin  will  man  unter  den  Trtimmerii  der  ältesten  £««tea 
M  der  Seite  des  Circas  Cisternen  gefanden  haben,  welche  ursprünglich 


§    7.]  WASSEÄLBITUNG.  453 

vor  AustrocknuDg,  Verunreinigung,  Vergchöttung ,   songCdltige 

Ueberwachung  und  bauliche  Einriebtungen.     Das  auf  öffenlM 

lichem  Grund  und  Boden  quellende  und  fliessende  Wasito^ 

gehörte  dem  Staat:  seine  Nutzung  und  Vertheilung  zu  regeln 

und    zu   überwachen y   ist  Sache   der   Staatsgewalt   gewasen. 

Aber  mit  imx  staatlichen  ging  der  religiöse  Schutz  Hand  iü 

Hand :     die    Organisation    der    alten    Genossenachaften  .  det 

^Quelleamänner*  oder  'BrunnenBieister'  besveist  dies.    Voit 

den  vermuthlich  zahlreichen  Bauten  zum  Schutz  der  Quelleit 

vor  Anlage  der  Wasserleitungen  ist  uns  nur  eins^  das  imht^ 

erwähnte  tuüianum,   der   angebliche  Burgbrunnen   (S.  284) 

erhalten.     Seine  Bestimmung  als  Quellhaus  ist   durch   dem 

Namen  und  die  Atehnlichkeit  des  Quellhauses  von  Toscuhu» 

giesichert,  die  aus  dem  Felsen  springende  QueUe,  erhält  sich 

heut  wie  vor  Jahrtausenden  in  stets  gleicher  Hdhe^^).    Aber> 

die   Konstruktion  des   Baus   bietet  manche   Rältoel»   deredi 

Lösung  noch  zu  erwarten  ist    Der  Bau  wurde  in  den  Tuffelae« 

des  Berges  etwa  16  M.  über  dem  Meeresspiegel ,  also  etwaa 

mehr  als  5  M.  übet*  dem  Pflaster  des  kaiserlichen  Foruv^ft 

bei   der   Phokassäule    eingebettet:    diese    Höhe    wmgatenft 

Steinbrüche  gewesen  seien  (Lanciani  tt.  Visconti  Gnida  del  Pal.  S.  ]2d):f 
aber  grade  an  den  Rändern  des  Palatin  ist  Ueberflusa  an  QneUwassei» 
(S.  455).  Die  compluvia  beweisen  nickt,  dass  die  Römer  ß^g^nwassev. 
getrunken  baben.  Ich  stimme  also  mit  JNiebohr  R.  G.  3,  359  nichJj 
iiberein.  Der  von  ihm  beschriebene  puteus  im  Garten  der  Casa  Tar» 
pea  auf  dem  Kapitel  ist  Mon.  d.  inst.  107.  XXX*,  4  abgebildet: 
vgl.  Tb.  II. 

^)  Ueber  die  ooüegia  foräanorum  Radorff  Zf.  f.  g.  Reditsw«  I5| 
214  ff.  vgl.  Mommsen  bei  Rruus  Fontes  iuris  ant  '  226  ff.  -rr  FesM 
352  vgl.  353:  tulUos  aljü  dixerunt  esse  silanos  aUi  rivos  dlii 
vehementes  proiectumes  sanguinis  ärcuatim  fluentis,  quales  sunt 
Tiburi  in  Aniene,  Ennius  in  Aiace  ^animam  misso  sangui  (so  Her- 
mann: aiax  misso  sanguine  die  Hs.)  tepido  tfiUii  {tulii  die  Hs.)  effiantes 
volant\  Aus  derselben  Quelle  Sueton  (fr.  157  S,  244  Reiff.);  tulU 
{tollt  Hss.)  aquarum  proiectus,  quales  sunt  in  Aniene  flumine  quam  moj 
xime  praecipitL  Die  Ableitung  von  diesem  später  verschollenen  tulHus 
^Springqueir  (die  Etymologie  ist  dunkel:  die  Alten  denken  an  Tullus 
oder  Servius  Tullius,  oben  §  2  A.  11)  hat  zuerst  Forchhammer  Bull, 
deir  inst.  1839, 30  vorgeschlagen  und  das  Gebäude  als  Quellhaus  gedeutet.  * 


454  TUEIL  I. 

wird  neuerdiogs  als  Höhe  des  jetzigen  Fussbodens  angegeben. 
Dieser  Fussboden   aber  ist  augenscheinlich   nur  um  wenige 
Zoll   über  dem  alten  erhaben.     Der  Bau  besteht  aus    einer 
im   Rücken    gegen    den   Burgfelsen    fast    halbkreisförmigen, 
gegen  das  Thal  die  geradlinige  Sehne  dazu  bildenden   durch 
Uebierkragung  nach  oben  sich  ringsum  wölbenden  Mauer  von 
Tufquadern  von  wenig  mehr  als  2  M.  Perpendikelfaöhe.     An 
dem  nördlichen  Ende  der  Sehnenmauer  ist  deutlich  zu  erkennen, 
dass  sie  auf  dem  Felsboden  aufliegt,  gerade  so  wie  die  ser- 
vianische  Stadtmauer.     Eine  alte  Pforte  führt  in  den  unten 
2u   besprechenden  Kanal,    welcher,   wenn   die  Hühenangabe 
richtig  ist,  in  starker  Neigung  gegen  das  Forum  herabsteigen 
muss.  Die  Decke  bildet  ein  flaches  Gewölbe  aus  Peperinquadern, 
in  welcher  ein   kreisähnliches  Loch    angebracht   ist      lieber 
diesem  Queilhaus  steht  ein   zweites  Gemach   von    verschie- 
dener   Bauart,    das    Staatsgefängniss    (carcer).      Man    hat 
nun  angenommen,  dass  das  Quellhaus  ursprünglich  wie  das 
lusculanische  konisch  abschloss,    dass    man  aber  später  die 
Spitze  abgerissen  und  durch  das  Flachgewölbe  ersetzt  habe, 
dessen  späterer  Ursprung  schon  durch  die  in  demselben  ge- 
fundenen Eisenklammern  bewiesen  werde.     Es  ist  aber  zu 
bedenken,  dass,  wenn  nicht  weitere  bauliche  Veränderungen 
angenommen  werden  sollen,  in  diesem  Falle  das  Quellhaus 
überhaupt  unzugänglich  gewesen  wäre:    da,  wie  es  scheint, 
die  Mauer   in  der  Sehne  des  Kreises  mit  der  der  Peripherie 
gleichzeitig  gebaut  ist,  so  ist  es  kaum  glaublich,  dass  man 
jemals  ;auf  anderem  Wege  als  von  oben  in  die  Kammer  ge- 
langt ist.    Allein  der  heutige  Zustand  —  die  Bestimmung  für 
den   christlichen   Kultus    hindert  jede   eingehendere   Unter- 
suchung —  erlaubt  nicht  ein  abschliessendes  Urtheil  darüber 
zu  fällen*^).  —  Wir  wissen,  dass  noch  zur  Zeit  des  Augustus 

^')  Die  Litteratur  wird  §  8  u.  Th.  II,  wo  von  dem  oberen  Gemach  die 
Rede  sein  wird,  erörtert  werden.  —  Der  Znstand  des  Gebäudes  —  die 
nngenügende  Erlenehtnn§^,  die  durcbsickernde  and  die  Quadern  inkrusti- 
rende  Nässe  —  hindert  selbst  über  das  Material  ein  sicheres  Urtheil  zo 
fallen :  dass  das  Flacbgewölbe  aus  Peperin  besteht,  schien  auch  mir  bei 
wiederholter  UntersuchuDg  sicher  (1867.  1876);  die  Wände  schienen  mir 


§  7.]  WASSERLEITUNG.  455 

im  lupercalf  der  'Hoble  unter  dem  eisigen  Felsen*  Quelien 
rieselten  und  zwar  so  reichlich,  dass  sie  durch  bedeutende 
Kunstbauten  in  die  Kloake  abgeleitet  werden  mussten  (A.  77). 
Dass  Augustus  die  ganze  Oertlichkeit  dekorativ  umgestaltete, 
ist  bekannt  (Th.  11).  Ich  vermuthe,  dass  ursprünglich  hier 
der  Burgbrunnen  der  palatinischen  Stadt  gestanden  hat  — 
Ein  dritter  alter  Brunnen  scheint  beim  Juppitertempel  auf 
dem  Kapitol  erhalten  zu  sein  (A»  80). 

Bis  in  die  Mitte  des  fänften  Jahrhunderts  ist  Rom  mit 


1867  durchweg  aa3  Blöckea  des  lokalen  Tafs  zu  besteheD,  1876  wurde 
ich,  wenigstens  was  Theile  der  Sehnenwand  anlangt,  daran  wieder  irre. 
Das  Ablösen  von  Stücken  war  nicht  gestattet.  —  Eisenklammern  in  der 
flachgew81bten  Decke,  Ficoroni  Vest.  65:  'pezzi  di  peperino  collegati 
per  mezzo  di  «pialche  spranga  di  ferro  da  ma  vedata  oell'  essersi  slogato 
Qn  pezzo  di  detta  pietra'  (nur  eiserne  Nagel  sah  Abeken,  weder  4iMfl 
noch  jene  ich)  vgl.  Einl.  §  1  A.  16,  §  4  S.  252.  —  Die  einzige  mir  be- 
kannte Angabe  über  das  Nivellement  findet  sich  in  den  von  E.  de  Mauro 
aufgenommenen  von  Parker  publicirten  und  von  Gori  erläuterten  Grund- 
rissen und  Durchschnitten  (A.  74).    Die  schon  von  Canina  verzeichneten 
'Tabernen'  des /ortim  IvMwn  nähmlich  (zwischen  Via  di  flfarforio  und 
Vicolo  del  Ghettarello)  liegen  nach  Gori  (S.  157  f.)  17.  16,50.  19,  21  AL 
über  dem  Meere.    Diese  Angaben  verglichen  mit  dem  Anfriss  und  Grnnd- 
riss  bei  Parker  Vol.  1  Suppl.  T.  XVIII  f.  ergeben  ungefähr  die  Höhe 
von  16  M.  für  den  heutigen  Fussboden  des  Gebäudes.    Dieser  besteht 
(seit  dem  Jahre  1665)  aus  einer  Lage  'mattoni  a  coltello*  von  etwa 
7  onc.  SB  0,13  M.  Dicke:   er  soll  früher  aus  'gross!  peperini  insieme 
nniti'  bestanden  haben  (Cancellieri  Notizie  del  earcere  Tall.  S.  82.  87  u. 
T.  ni  der  Ausg.  von  1855):  sicher  entspringt  die  Quelle  aus  dem  Taf  des 
Hügels  und  der  alte  Fussboden  kann  nieht  viel  tiefer  gelegen  haben,  da 
der  oben  A.  74  besprochene  alte  Gang  das  gleiche  Niveau  hat.    Das 
Wasser  der  Quelle,  modern  gefasst,  erhält  sieh  stets  in  gleicher  Hähe. 
Es  hat  die  Tiefe  von  1  palm.  10  onc.  ■»  0,25  M.,  sein  Niveau  liegt  wenige 
Zoll  unter  dem  Fnssboden.  —  Eine  genauere  Untersuchung  wird  grosse 
Schwierigkeiten  haben,  falls  nicht  die  Knltusgenossenschaft  expropriirt 
wird.    Indessen  ist  mir  eine  solche  von  sachkundiger  Seite  zugesichert 
worden  und  wird  hoffentlich  Th.  II.  benutzt  werden  kännen.  —  Einst- 
weilen muss  ich  Behauptungen,  wie  die  Abekens  (Mitteilt  S.  191),  dass 
der  Boden  des  Gebäudes  unterhalb  des  Pflasters  unter  dem  Severus- 
bogen  liege,  nach  den  vorliegenden  Beobachtungen  für  falsch  halten, 
wenn  dieselben  auch  mit  dem  Bericht  über  den  von  hier  ausgehenden 
unterirdischen  Kanal  schwierig  zu  vereinigen  sind. 


456  ™E1L  1. 

seinen  Brnnneil  und  Quellen  ausgekommen:   da  unternabn 
ed  Appius  Claudius  aus  weiter  Ferne  durch  eine  nntertrdiscbe 
Leitung  der  S4adt  einen  grösseren  Wasservorrath  zuzuführen. 
Aehnliche  Werke  hesassen  damals  die  Kulturstädte  des  heHe- 
oisohen  Stulterlandes  und  der  Colonien  längst^').     Nafürlidi 
mussle  die  Kunde  daton  naeh  Rom  gelangen.    Es  ist  daher, 
lYie  &  297  angedeutet  wurde,  an  sich,  währscheinlicli ,  dass 
Claudius,   der  Freund  hellenischer  Kultur,  daroh  griechiscbe 
YeffbiLder  zu  sdnem  Weorke  angeregt  worden  ist.     Vielleicht 
lässt  sich  dafür  aber  noch  ein  anderer  Grund  geltend  madien 
(S.  457).    Seine  Nachfolger  trachteten  danach  das  Wasser  in 
iinmer   höherem    Spiegel  in  die  Stadt   zu   führen    und   so 
die  Bewässerung  auch  der  50  bis  60  M.  über  dem  Meere 
liegenden   Höhen  der   ^sieben   Hügel'   (S.   132  ff.)    zu    er- 
mögliefaen.     Diesen  Zweck   erreichte   zuerst   die  dritte   mit 
einem  Spiegel  ron  55  M.  an  die  Stadt  herantretende  Leitung, 
die  Marcia;  die  folgenden  überboten  sie  noch.    Es  steht  da- 
mit in  Zusammenhang,  dass^  die  beiden  ersten  Leitungen  wie 
die  griechisGhen,  ganz  unterirdisch,  die  folgenden  (die  dritte 
evst  zu  y,o)   auch   überirdisch   geführt  wurden.    Die  Alten 
selbst  haben  die  Frage  gestellt ,    ob  die  unterirdische,    d.  h. 
zugleich  niedrige  Anlage   aus  Unkenntniss  der  Nivellirkunst 
oder  gegen  feindliche  Zerstörung  beliebt  worden  sei.     Wohl 
hat  es  den  Anaohein,  dass  jenes  regelmässige  Steigen   des 
Niveaus    der   Leitungen    seit    dem    -numantinischeo    Kriege 


ifcl.H      »II     |[        )l«  I  I  II 


®')  A.  77.  Das  Verdienst  ^en  Gegeostand  Koerst  ins  richtige  Licht  ge- 
^etst  za  haben  gebiilirt  £.  Cnrtius  (^üeber  städtische  Wasseri)aaten  der 
HMleoen'  Arch.  Z.  1847,  19  ff.);  richtig  bemerkt  er  (S.  31):  'uover- 
kenjibsr  sind  auch  hier  die  Hellenen  vorang^angen ,  die  Römer  sind 
auch  hier  Schüler  gewesen.'  Auf  den  Ursprung  der  römischen  ßauten 
ist  er  nicht  eivgegangeA.  Seitdem  sind  die  Wass^leitungen  von  Akra- 
f^  (von  Schiihring  Hist.  Topographie  von  Akragas  S.  38  f.),  von  Syrakus 
(you  dems.  Philol.  22, 61  ff.)  und  von  Athen  (von  dem  Architekten  Ziller 
ia  den  Mittheilnngeo  des  B«  ArcL  Institutes  ia  Athen  2, 107  ff,)  genau 
untersuicht  worden.  Dass  diese  Werke  älter  sind  als  die  erste  Leitung 
in  Hom  Ist  ausser  Zweifel.  —  Ueher  die  Leitung  voa  Pompeji  ist  die 
Uatersuchung  Ruggiero's  .abzuwarten  (vgl.  0 verbeck  Pomf.  ^  20S  ff.). 
Ueber  das  Werk  v^d  Alatri  s.  A,  84. 


§   7.]  WASSERLEITÜING.  457 

auf    eine   VeryollkominnuQg   der   Technik    des    Wasserbaue» 
binweist,    mit  deren   Hilfe   es   sogar   mögUeh  wurde  ^    nach 
dem   Gesetz  der  communicirenden  Röhren   das  Wassi^  von 
Berg    zu    Berg    zu    fahren,    wie    dies    zum    Staunen    der 
Faehm*lnner  der  Wasserbaumei&ter  von  Alfttri  mit  Ueberwin- 
ditng  bedeutender  Schwierigkeiten  vm  die  Zeit  der  gracchisckcn 
Revolution  ausgeführt  hat;  es  muss  dahingestellt  bleiben,  ob 
die  Kunst  der  Ableitung  des  Albanersees  durch  einen  unter- 
irdischen Emissär  von  etwa  7500  Fuss  Länge  mit  der  Kunst 
der  Herstellung  einer  bald  unterirdischen,  bald  überirdischen 
I^eitung   von   20  bis  40  Millien   richtig  in  Parallele  gesetzt 
worden  ist®*). 

Allein  mag  auch  die  Uukunde  der  Baumeister  daran  Schuld 
sein,  dass  Claudius  seine  Leitung  um  die  Stadt  herum  nach 
der  porta  Gofena  niedrig  geCöhrt  hat:  immer  wird  dadurch 
noch  nicht  genügend  erklärt,  warum  er  sie  weiter  an  der 
Südseite  des  Circus  bis  vor  die  porta  Trigemma  fährte  und 
hier  zur  Vertheilung  gelangen  liess.  Es  drängt  sich  nun 
freilieh  von  selbst  die  Antwort  auf,  dass  auf  diese  Weise  der 
in  )enm*  Gegend  siedebiden  geweitlicfaen  Bevölkerung  ein  Di^ost 
hat  erwiesen  werden  s<dlen.  Aber  dazu  kommt,  'dass  in  unmittel^ 

**)  FroDtio  1,  18:   omnes  aqtiae  diversa  in  urbem  lihra  perveniwit. 

inde  fluunt  quaedüm  tdtioribus  l&ds,  at  qttaedam  ertgi  in  emihentiora 

mint  possunt:  nam  et  eoüea  sennm  propter  frepientiam  meendiorum 

excreverunt  rudere.    Es   folgt   die  Aufzählung  der  5  Wasserleitungen 

quarum  altitudo  in  omnem,  pariem  urbis  attollitur:  in  aufsteigender 

Linie  sind  es  Mareia  Tepula  lulia   Claudia  j4nio  novus,   deren  ^i- 

vellement  nach  £.  De  Mauro   (bei  Parker  Aqued.  S.  152)  54,78S  (über 

P.  S.  Lorenzo).    56,712.   5S,192.   62,336.   65,000  ü.  d.  Meere  ergiebt. 

Er  fährt  fort:  sed  veteres  kunmUore  derectura  perdturerutdy  iive  nondutn 

ad  subtile  explorata  arte  librandif  seu  quia  ex  industria  infra  terram 

aquas  mergebant,  ne  facüe  ab  hostibus  interciperentur,  cum  frequenUa 

Mlhuc  contra  Italieos  beUa  gererentur.    Die  älteren  sind  aufsteigend 

Alsküm  (redites  Ufer!)  j4ppia  Virgo  Anio  vetus  (45,688  nach  De 

M«iro).  —  Ueher  das  Werk  von  Alatri  s.  jetzt  (vgL  Bd.  2,  55  f.)  die 

überhaupt  für  die  römischen  Wasserbauten  epoohemacheade  Untersuelinng 

¥on  Secchi:  Intorno  ad  alcane  opere  idrauUche  a»tiehe   riBvenoteJ  nella 

eaApagna  di  Roma   (Estratto  der  Atti  deirac.   poot.  de'nuovi  Liiieei, 

R.  1876). 


458  ™EIL  L 

barer  Nahe  der  Leitung  am  Circus  jener  alte  'Gemeindeteich' 
lag,  dessen  Muster  wir  oben  S.  448  in  dem  Badeteich  ¥on 
Akragas  gefunden  zu  haben  glauben.  Dass  dieser  Teich  später 
eingieng  und  nur  seinen  Namen  hinterliess,  begreift  sich 
besser,  wenn  man  ihn  als  den  ersten  kühnen  Versuch  be- 
trachtet, dem  Volk  einen  gesicherten  Badeplatz  zu  yerschaffen: 
er  wurde  entbehrlich,  als  der  griechische  Luxus  Aerhalneamit  der 
Zahl  der  Leitungen  zunahm.  Ich  glaube  also  mit  Wahrscheinlich- 
keit annehmen  zu  können,  dass  der  Teich  mit  der  Anlage  der 
appischen  Leitung  in  Verbindung  stand  und  mit  ihr  gleich- 
zeitig gebaut  worden  ist,  dass  demnach  Claudius  seine  An- 
regung von  Akragas  erhalten  hat  Weitere  Untersuchungen 
werden  es  im  Auge  behalten  müssen,  ob  für  diese  Combina- 
tionen  auch  die  technischen  Details  Zeugniss  ablegen  ^^^). 

In  den  Bauten  seiner  Nachfolger  tritt  das  Bestreben 
hervor,  möglichst  den  Bewohnern  aller  Stadtgegenden  reich- 
liches Trinkwasser  zuzuführen  (vgl.  S.4&6  u.  Bd.  2,  294  f.).  Dass 
erst  Trajan  zur  Versorgung  des  rechten  Ufers  eine  eigene  Leitung 
erbaute,  dass  frühestefts  seit  dem  Bau  der  steinernen  Brücken 
zu  Ende  des  7.  Jahrhunderts  über  diese  in  Bö^hren  das  Wasser 
vom  linken  Ufer  herübergeleitet  und  nur  aushilfeweise,  'so 
oft  die  Brücken  ausgebessert  wurden'  (oben  A.  16  z.  E.), 
seit  Augustus  aus  der  zu  anderen  Zwecken  gebauten  Alsietina 
Wasser  zur  Benutzung  der  Bevölkerung  abgegeben  wurde 
(vgl.  Bd.  2,  294  f.),  stimmt  sehr  wohl  zu  dem,  was  vrir  von 
der  späten  Entwickelung  des  transtiberinischen  Stadttheils 
wissen  (vgl.  oben  S.  314  ff.). 

In  welcher  Weise  das  Wasser  der  ersten  Leitung  in  der 
Stadt  oder  dem  betreffenden  Stadttheil  durch  den  Erbauer 
vertheilt  wurde,  ist  unbekannt.   Eine  allgemeinere  Versorgung 

^*)  Der  ZasammeahaD^  dieser  Baaten  unter  sieh  und  mit  dem 
griechiseheo  Vorbilde  ist  meines  Wissens  bisher  übersehen  worden. 
Niebuhr  (R.  G.  3,  359  ff.),  der  übrigens  wohl  der  einzige  ist  der  die 
Frage  aufgeworfen  hat,  erklärt  schwerlich  richtig  den  Gang  der  Lei« 
tang  aus  dem  Wassermangel  der  'Vorstädte  am  Strom'  und  stützt  seine 
Ansicht  auf  die  irrige  Annahme  einer  Mauer  längs  des  Flusses,  welche 
zwischen  sich  und  diesem  freien  Raum  gelassen  habe. 


g  7.]  WASSERLEITUING.  459 

auch   der  hocbgelegeneren  Stadttheile  war,  wie  gesagt,   erst 
seit  dem  Bau  der  dritten  Leitung  (frlO  d.  St.)  möglich.  Wenn 
also  unter  den  grossen  Bauunternehmungen   des  Jahres  570 
neben  der  kostspieligen  Erweiterung  des  Kloakensystems  (oben 
A.  60)  die  *  Pflasterung  der  Brunnenbassins.  (lactis)  mit  Stein' 
aufgeführt  wird  (Bd.  2,  50  f.) ,  so  darf  man  wohl  schwerlich 
annehmen^    dass  diese  Maassregel   nur  das   ans  den  damals 
vorhandenen  zwei  Leitungen   *  springende  Wasser'  (aqua  sa- 
liens)  betraf,   sondern    zugleich   die   gewiss   fortbestehenden 
Becken,  in  denen  das  Wasser  der  zahlreichen  Quellen  (aqua 
fontalis)  gesammelt  wurde,  wie  der  lams  lutumae  (vgl.  Bd.  2, 
56  f.).  Eine  eingehende  Darlegung  der  Technik  der  Wasser- 
leitungen und  ihrer  Verwaltung  liegt  ausserhalb  der  Grenzen 
unserer  Darstellung.    Wir  müssen  uns  begnügen,  die  für  das 
Verständniss  der  Topographie  wesentlichsten  Thatsachen  an- 
deutungsweise hervorzuheben  (vgl.  Bd.  2,  47  ff.).  —  Ein  Theil 
der  Leitungen  wurde  in  der  Nähe  der  Stadt  einem  Reinigungs- 
process  (in  den  piscinae  limariae)  unterworfen.    Die  Kanäle 
(speeus)    erreichten  theils  überirdisch   a«f  Unterbauten   oder 
Bogenstellungen  (suhstructionesy  opus  areuatum)   bei  oder  in 
der  Stadt    ihre  Vertheilungshäuser  (castelia),   von  denen  aus 
das  Wasser  durch  ein  System  von  Zweig-  und  Röhrenleitun- 
gen in  die  öffentlichen,  wohl  grossentheils  an  den  Strassen- 
kreuzungen  ($  8)  angelegten  Brunnen  (lacus)  geführt  wurde. 
Seit  Agrippa's  Reorganisation  des  Wasserwesens   gaben  diese 
Brunnen  mit  ihrem  bildlichen  Schmuck  und  der  verschwen- 
derischen Fülle   ihres   immerströmenden  Wassers   der  Stadt 
eine  neue  Physiognomie,  von  der  die  noch  in  Thätigkeit  be- 
findlichen ähnlichen  Anlagen  des  päpstlichen  Roms,  besonders 
die  acqua  Paola,   die  fbntana  di  Trevi   und  fontana  di  Ter- 
mini, eine  lebendigere  Vorstellung  geben,  als  die  jämmerlich 
zerstörten  Reste  einiger  der  alten,  anderer  Namen  oder  Nach- 
bildungen (Bd.  2,  59  f.  unten  A.  88.  103).     Wer   in   der 
heissen    Jahreszeit    an    diesen    künstlichen    Cascatellen    das 
Volk    hat    ausruhen    und     Abends     inmitten     der     Stein- 
massen,  welche    die   eingesogene  Sonnengluth  wieder   aus- 


460  THEIL  I. 

Strahlen,  erfrischende  ßerglüft  aihmeo  sehen»  wird  den  Stolz 
begreifen,   mit  dem  man  unter  Nerva  sich  rühmen  konnte, 
die  Ursachen  beseitigt  zu  haben,  welche  in  früherer  Zeit  die 
römische  Luft  su  einer  bleischweren  und  verderbenbringen- 
den gemacht  hatten.  Fügt  man  hinzu,  dass  die  bis  ins  dritt« 
Jahrhundert  stetig  sieh  vermehrende  Wassermasse  nicht  aUeio 
in  wachsendem.  Maasse  den  Aufenthalt  in  allen  grossen  öffent- 
licheo  Anlagen,  iitöbesondere  den  parkSfanliehen  Anlagen  in  der 
Nähe  der  Theater  und  den  Thermen  (Bd.  2,  220  fif.),  zu  einer 
genussreichen  Erholung  maditen  und  die  stetige  Yermehmng 
der  öffentlichen  Bader  (Bd.  2,  66  f.)  veranlasste,  so  wird  man 
eingestehen,  dass  die  Römer  in  der  Ausbildung  und  Yerwerthung 
des  städtischen  Wasaerversorgungswesens  die  Griec^n  so  be- 
deutend übertreffen  haben,  tos  es  erklärlich  ersdieint,  w^m 
sie  die  Leistungen  dieser  ihrer  Lehrmeister  auf  dieseni  Ge- 
biete gering  schätzten,  ja  das  Gefühl,   die  Schuler  zu  sein, 
gänMich  verloren  hatten. —  Nur  ein  Hangel  fällt  auf:  trotz 
der  ungeheuren  Masse  des  Wassers,  trotz  einer  nach  Tau- 
senden  zählenden  wlitärisch  oiganisirten  Polizeimannschaft, 
scheint  das  Feuerlösohwesen  ^  einer  sehr  niedrigen  Stufe 
der  Ausbildung  gestanden  zu   haben.    Wenn   man  Riesen- 
mauern aus  feuerfestem  Gestein  (Einl.  §  1   A.   3)  um  die 
grossen  öffentlichen  Plätze  und  Complexe  von  Prunkbauten 
gegen  Feuersgefabr  zog,  wenn  (so  viel  ich  weiss)  nie  von 
bedeutenderen  Löschversuchen  Ai»  Rede  ist,  so  muss  bei  der 
Bekämpfung  der  zahbeichen  grossen  Brände  (§  8)  das  Wasser 
eine  ganz  untergeordnete  Rolle  gespielt  haben.    Diese  That- 
Sache  erklärt  sich  ab^   woU  zur  Genüge   daher,   dass  die 
Kenntniss  beweglicher  die  Wassermassen   empor  schleu- 
dernder Feuerspritzen  ganz  unbekannt,  die  Construction  der 
ihnen  allerdings  bekannten  Spritzen,   für  diesen  Zweck  un- 
brauchbar war. 

Von   dem  Getriebe   der  gesetzlichen   und  polizeilichen 
Regulirung  des  Wasserwesens   in   der   republikanischen  Zeit    I 
nach  der  Einfuhrung   der  Leitungen  .  haben    wir   nur  ganz 
zusammenhangslose  Notizen.     Und   selbst   diese   geb^n  uns 


§  7.]  WASSERLEITUNG.  461 

Aufschiuss  darüber,  wie  eng  das  Leitongsw^sen  mit  dem  to- 
pographischen  Strassennetz  verknüpft  war.     Es  muss  hier 
dahingestellt  bleiben,  welchen  Beamten  die  tum  aquartm  in 
dieser   Zeit   (oben  A.  27)  zufiel.    Wir  erfahren  gelegentlich 
von   einem  Gesetz   des  Servius  Sulpicivis   (des  Consuls  von 
703    oder   eines  älteren?),  welches  die  V^theilung  ^n  Pri- 
Tate  jedenfalls  nach  Quartiren  regelte  (§  4  A.  44),  von  einem 
anderen,  welches  die  Verunreinigung  des  Leitungswassers  der 
Brunnen  verbot  und  von  der  polizeilichen  Aufsicht,  wekhe 
über  dieselben  in  jedem  Quartier  je  zwei  Mnwohner  dessel- 
ben auf  Gru^nd  aedilicischen  Befehls  ausübten  (Bd.  2,  51,  vgl 
§  8).  —  Allgemein  bekannt  ist  der  durch  Augustus  geschaf- 
fene neue  Organismus  jener  cura  (vgl.  S.  3Ö1),  welcher  in 
raustergiltiger  Weise   den   oben   angedeuteten  Zweck   einer 
möglichst  gleichmässig^  Versorgung   der   ganzen  Stadt  mit 
Wasser  zu  erreichen  strebte. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  für  die  Topographie  ist  die 
seit   Augustus    nachweisbare    Termination    der    Wasser- 
leitungen.   In  der  ganzen  Länge  des  Laufes  war  jeder  Lei- 
tung zu  beiden  Seiten  ein  der  Bebauung  und  Benutzung  ent- 
zogener Streifen  Landes  von  bestimmter  Breite  zugewiesen 
und  durch  Steine,  welche  von  der  Quelle  nach  der  Mündung 
durchzählten,  in  regelmässigen  Abständen  kenntlich  gemacht. 
Wo  die  Leitung  in  dem  Bauterrain  der  Stadt  unterirdisch 
lief,  wird  wohl  aligemein,  wie  es  för  die  Marcta  Tepula  lulia 
feststeht,   durch  besondere  polizeiliche  Warnungen  der  Lauf 
derselben  dem  Publicum  gewiesen  worden  sein. 

Ich  gebe  endlich  eine  kurze  chronologisch  geordnete 
Statistik  tler  Wasserwerke.  Eine  topographische  Anordnung 
erschien  hier  ni<5ht  durchführbar.  Jede  Entscheidung  der 
verwickelten  Fragen  über  das  Quellgebiet  und  den  Lauf 
ausserhalb  der  Stadt  schliesse  ich  aus^^). 


^^}  Grundlegend  ist  noch  immer  Fabretti  de  aquis  2.  A.  1738  und 
Polens  Kommentar  zum  Frontiu;  dazu  kommt  Einzelnes  bei  Piranesi, 
das  Binl.  §.  3  charakterisirte  Buch  von  Gassio  Corao  delle  a«qo^, 
Fea's  Storla  delle  acque,  vor  Allem  aber  die  trefiflich  klaren  Artikel 


462  •         THEIL  I. 

1.  Aqua  Appia  wurde  von  dem  Censor  Äppius  Claudius 
Caecus  im  Jahre  44^12  f.  aus  den  Quellen  zwischen  dem 
Anio  und  der  via  Praenestina  7 — 8  Millien  vor  dem  esquili- 
nischen  Thor  in  einem  unterirdischen  über  1 1  Millien  langen 
Kanal  bis  zu  den  Salinen  vor  porta  Trigemina  geleitet.  Wir 
wissen,  dass  sie  von  dem  Tempel  der  Spes  vetm  (etwa  1  Millie 
vor  dem  esquilinischen  Thor)  längs  dies  Südabhangs  des  Cae- 
]ius  geführt  war,  bei  porla  Capena  (und  nur  hier)  sichtbar 
wurde  und  60  Schritt  weit  (über  die  Strasse)  auf  Pfeilern 
geleitet  wurde^  dann  wieder  unterirdisch  bei  8.  Balbina  vorbei 
längs  der  Südseite  des  Circus  bis  zu  dem  bezeichneten  Punkt 
lief.  An  drei  —  vielleicht  nur  an  einer  Stelle  —  sind  Reste 
gefunden  worden:  bei  Porta  Maggiore  (?),  zwischen  S.  Hal- 
bina und  S.  Prisca  und  bei  S.  Sabina  (?).  —  Vielleicht 
speiste  die  Leitung  ursprünglich  die  piscina  publica  (oben). 
Augustus  hat  sie  durch  Zufuhrung  einer  Zweigleitung  bei  der 
Spes  v&tuA  neu  in  Stand  gesetzt  ^^). 


Nibby's  in  der  ABalisi  nod  Roma  aotica  von  denen  die  Neaeren  fast 
durchweg  abhängig  sind.  —  Leider  gilt  von  dem  erst  wahrend  des 
Drucks  mir  zugegangenen  8.  Bande  von  Parkers  Archeology  (The  aqae- 
ducts  1877)  dasselbe  was  von  den  früheren  (man  vgl.  nur  den  erstaun- 
lichen durch  ein  Facsimile  der  Hs.  Frontins  unterstützten  Versach 
S.  22  ff.  statt  Spem  vderem  überall  specum  wiederherzustellen  und  die 
Lehre  über  die  u4!g;entiana  und.  die  Wasserleitung  Hadrians):  doch  siod 
einige  ^ivellirungen  £.  De  Mauro's  und  Mittheilungen  Gori's  immeriiin 
einstweilen  nutzbar,  auch  einiges  Wenige  über  Ausgrabungen  die  der 
Vf.  hat  ausführen  lassen.  —  Eine  genügende  technische  Analyse  fehlt. 
^)  Zeugnisse:  über  die  Censur  Frontin  1,  5  Livius  9,  29  Diod. 
20,  36  (über  die  Prorogation  der  Censur  Mommsen  Staatsr.  2*,  1,  339); 
Wiederherstellung  durch  Agrippa  Front.  1,9.  —  Latif  und  Konstruk- 
tion: die  Quellen  sind  nach  Frontins  Angaben  1,  5  von  Nibby  (1825) 
bei  dem  casale  La  Rostica  gefunden  worden  (Analisi  1,  221).  Der  Lauf 
ist  unsicher  bis  zu  dem  Orte  ad  Gemellos,  qui  locus  est  intra  {injra 
Buch.)  Spem  veterem  (Frontin  2,  65),  in  conßnio  hortorum  Torquatia- 
norum  (1,  5).  Der  Tempel  lag  nach  Dionys.  9,  24  1  Meile  *vor  der 
Stadt'  (d.  h.  dem  esquilinischen  Thor),  also  fast  unmittelbar  vor  Porta 
Maggiore  (vgl.  Eph.  epigr.  1,  218  und  Th.  If).  Der  zweite  sichere 
Punkt:  supra  terrmn  suhstrmtio  f  et  arcuatura  proocimum  {s.  arcuata 
proonme?)  portam  Cayenam  passttum  sexagiräa  (oben  §  3  A.  51,  58). 


§  7.]  WASSERLEITÜJNG.  463 

2.  Anio  (spater  Anio  vetus)  wurde  von  den  Censoren  des 
Jahres  482/272  nach  der  Besiegung  des  Pyrrhus  aus  dem 
Erlös  der  Beutegelder  verdungen,  484/270  von  einem  der 
zur  Vollendung  des  Baues  ernannten  Duumvirn  Fulvius 
Fiaccus  vollendet.  Das  Wasser  wurde  aus  den  Quellen  ober- 
halb Tibur  in  einem  43  Millien  langen  Kanal  wie  die  Appia 
bis  in  die  Nähe  der  Spes  vetus  gefuhrt.  Hier  musste  sie 
221  Schritt  lang  überirdisch  geleitet  werden;  lief  dann  der 
Höhenlinie  folgend  unterirdisch  in  nördlicher  Richtung,  durch- 
schnitt den  servianischen  Wall  an  der  Sudseite  des  jetzigen 

Ende:  duatus  aus  . .  a  eapüe  usque  ad  SaUnas  qui  locus  est  ad  portam 
Trigeminam  uod  ineipit  distribui  tmo  Publicii  clivo  ad  portam  Trigeminam 
(beides  Froatia  a.  0.)>  Mit  diesen  Notizen  würde  1)  genau  übereiostimmen 
die  Lage  des  nach  Lanciani  Ball,  man«  2,203  i.  J.  1860  'a  m.  450  di  distanza 
dalla  Porta  Maggiore  fra  le  vie  Labicaoa  e  Prenestina'  gefaodenen  Kanals. 
Allein  im  Januarheft  des  Bull.  dell'iDst.  1861,  auf  welches  er  sich  beruft, 
finde  ich  die  Leitung  des  Anio  vetus  beschrieben:   ist  der  S.  15   kurz 
erwähnte  'secondo  condotto  abbastanza  alte  per  andarvi  a  dorso  curvato' 
gemeint  und  identisch  mit  dem  von  Parker  ebenfalls   unter  Berufung 
auf  das  Bull.  arch.  beschriebenen  und  abgebildeten  grossen  Gebäude 
Aqued*  T.  V?   Hier  muss  eine  Verwechslung  vorliegen,  falls  nicht  die 
*Civilta  cattolica  Ser.  IV,  V,  X  p.  735',   auf  welche   sich  ausserdem 
Lanciani  bezieht  (ich  kann  sie  nicht  einsehen)  Aufklärung  giebt.    Allein 
er  selbst  citirt  daraus  Bull.  man.  2,  207   die  Worte,  welche  Herzog 
von    dem    specus    des    Anio    gebraucht    als    Beschreibung    des   Anio. 
2)  Stimmt  damit  die  Entdeckung  Fabrettis  De  aquis  1,  14  überein.   Er 
fand  in  einer  Vigne    ^ad  angalnm   viae  quae  a  cavea  Circi  ad  portam 
Ostiensem  procedit  cum  alio  viatrio  per  quod  laevorsam  ad  S.  Balbinae 
martyris  aedem  itur'  (d.  h.  grade  in  der  Mitte  zwischen  S.  Balbina  und 
S.  Prisca)  einen  in  den  Felsen  gearbeiteten  Gang  von  b%  F.  im  Quadrat 
und  in  denselben  mit  Quadern  von  'Albanerstein'  eingebaut  eine  Wasser- 
leitung v<»u  unten  1'  4''  oben  (die  Steine  traten   stufenförmig  zurück) 
2'  10''   1.  Weite:  die  Maasse  entsprachen  genau  der  Angabe  Frontins, 
der  ad  GemeUes  . .  altitudinem  aquae  pedum  qtUnque,  latOudinem  pedis 
unius  dodranüs  fand«    Vielleicht  ist  bei  S.  Sabina  ein  Stück  des  Endes 
gefunden  worden    (Einl.  §  1  A.  10,  20).    —    Nivellement  nicht  genau 
bekannt    (16.  M.  unter   dem  Niveau  hei  Porta  maggiore   nach  Herzog 
Bull.  arch.  a.  0.  würde  etwa  50  —  16  =:  d4  u.  d.  Meere  ergeben.    Die 
Umgebung  von  casal  La  Rustiea  scheint  ca.  40  M.  ü.  d.  M.  zu  liegen.) — 
Ueber  den  ramus  Attgustae,  der  mit  ihr  if^fira  Spem  veterem  vereinigt 
wurde  (Front.  1,  5.  2,  65)  weiss  ich  nichts  Sicheres. 


464  THBIL  L. 

Bahnhofsgebäudes,  lief  dann  innerhalb  des  Walls  südwärts 
bis  zur  peria  EsquiUna,  wo  sie  in  ROhrenleitungen  vertheilt 
wurde.  Reste  der  Leitung  sind  erhalten:  in  der  Nähe  des 
Bahnhofs  und  bei  P&rta  Maggiore  (hier  auch  die  Tefmii»- 
tienssteine  des  Augiistus  wid  ein  Theil  .der  äberirdischen 
Substruotionen)  ^^).  Zw^  lüUien  wr  dem  esquilinischen  Thor 
gab  sie  einen  Theil  des  Wassers  in  den  sogenannten  specus 
Oetavtaims  ab.  Diese  Nebenleitung  gelangte  bis  in  die  Gegend 
Tor  porta  Capena  zu  deo  hvrti  Äsinimi,  d.  h.  wahrscheinlidi 
dem  Teirain,  auf  welchem  später  die  Tbermen  der  Caracalla 

^)  Aktennil ssige  Ba«{f«flchichte  bei  Frontin  1,  6:  Verdiogong  durch 
M.' Carius  Dentatns  und  L.  Papirias  Cursor,  e/r  manutiis  de  Pyrrho 
eaptis;  dann  actum  in  ienatu  de  oonsttfumando  eius  aquae  opere  refe- 
renie  (ireferent  die  H«.)  ***  norunti  ***  praetor^  {praetorium  die  Hs.) 
tum  (in  den  Lücken  der  Hs.  var  iHid  nach  nö  rumi  kann  doch 
sehwerlieh  «Cwas  Anderes  als  der  Anfang  des  nomen  nnd  das  £nde  des 
eo^nomen  des  Prätors  sieeken^  das  übrige  h«t  Bücheier  riclitig  her- 
gestellt) ea>  senatum  tonsuUo  duumviri  aquae  perdueendae  creäti  sunt 
Curi[tt9  qui  eatn]  looaverat  {loeavani  die  Hs.)  et  Fuhrhts  Flaeem. 
Curius  mtra  quintum  diem  quam  etat  d^mmvirum  creatus  decesȊ; 
ghriae  perductae  perünuit  ad  Fulvium,  Waram  die  Leitang  trotzdem 
nicht  aqua  Fulvia  hiess,  wissen  wir  nicht.  <—  Lauf  nnd  Reste:  die 
Qaellen  supra  Tihur  gesehen  von  Nibby  Aoftlisi  1,  163.  Der  Laaf 
musste  Ha  exigmte  libramento  das  Doppelte  der  kürzesten  Bntfemnog 
messen.  ■  (Front  6)?  inira  seeundum  miliarium  partem  dat  in  speeum 
qui  vocatur  Odmjianwt . . .  (s*  weiterhin)  reetut  vero  duettts  tecundum 
Spem  veniens  inJtra  portam  Esquilinam  in  altos  riwts  per  urbem,  didu- 
eüur.  S.  jetzt  Lanziani  Bull.  m«o.  2,  206  ff.,  dem  ich  folge.  Bei  Porta 
maggiore  war  4er  specus  bis  1S37  'a  fior  di  terra'  (Nibby  a.  O.)  za 
sehen;  1861  wurde  16  M.  tief  der  aus  Aeticulattati  bestehende  Kanal 
nnd  3  TenBiattion9eippen  des  Angosttts  gefunden  (Herzog  Bufl.  dell'ist. 
1861  a.  O.  CIL  1243  ab  und  Add.),  1874  Ent^cknng  des  Kanals  (nnd 
seiner  putei)  am  Wall  yon  gleicher  Konstruktion  (h.  1,60  br.  0,42). 
Dem  überirdisehen  Stück  (221  Schritt)  gehörten  nach  Piranesi  die  von 
ihm  Ant  1  T.  X  abgebildeten  Reste  von  Porta  maggiore  an  (so  anch 
Lane.).  -^  Auf  dem  einen  der  eippi  steht  übor  der  Distunzziffer  ////, 
auf  dem  andern  naeh  Herzog  iT//,  was  Laae.  wohl  rickti  als  Nommer 
(beginnend  vom  Thor)  anffasst:  IFI  ^==^  LFI,  wie  Benzen  will,  erscheint 
auch  dann  anmSglich  wenn  «tan  von  der  Qaelle  aa  gezählt  haben  sollte. — 
Nivellement:  A.  84.  Es  war  die  Rede  davon  die  Leitung  auf  das  Ka- 
pitel zu  führen:  statt  dessen  wurde  die  Marcia  gebaut  (Front.  7). 


§  7.]  WASSERLEITUNG.  466 

Standen.  Als  Strassenbogen  dieser  Leitung  hat  vielleicht  der 
Bogen  des  Drusus  (oben  §  6  A.  38)  gedient.  Doch  ist  dies 
unsicher  (vgl.  Bd.  2,  227  und  Th,  II.). 

3.  Aqua  Marcia,  wurde  vom  Prätor  Marcius  Rex  im  /. 
610/144  begonnen,  nachdem  er  die  beiden  älteren  Leitungen 
wiederhergestellt  hatte,  und  ihm  zur  Vollendung  der  neuen 
Leitung  das  Amt  auf  ein  Jahr  verlängert.  Das  Werk  scheint 
aber  erst  im  Jahre  614/140  beendet  worden  zu  sein:  die 
Leitung  wurde  in  diesem  Jahre  auf  das  Rapitol  gefuhrt.  Das 
Wasser  wurde  aus  den  Quellen  in  der  Nähe  des  36.  Meilen- 
steins der  via  Valeria  gesammelt,  in  einer  fast  62  Millien  langen 
Leitung  nach  Rom  gefuhrt,  welche  fast  zu  Vio  unterirdisch 
war;  nur  ^/,o  lief  überirdisch  über  Bogenstellungen  oder  Unter-, 
bauten,  von  denen  der  kleinere  Theil  zur  Ueberspannung 
von  Abgründen  im  Gebirge  diente,  bei  weitem  der  grössere 
auf  die  nächste  Umgebung  der  Stadt  kotnmt.  Die  Bedeutung 
des  Werkes  erhellt  daraus,  dass  dem  Urheber  eine  Statue 
auf  dem  Gapitol  gesetzt  wurde.  —  Ihr  Lauf  war  hier  seit 
den  Neubauten  des  Agrippa  und  des  Augustus,  der  ihr  auch 
neue  Quellen  in  ihrem  Ursprungsgebiet  zuführte  (aqua  Augusta) 
mit  dem  def  Tepula  und  lulia  identisch.  Im  Jahre  79  wurde 
ihre  Leitung,  wiederhergestellt,  unter  Nerva  eine  Zweigleitung 
nach  dem  Aventin  gefuhrt  und  ihr  treffliches  Wasser  aus- 
schliesslich zum  Trinken  bestimmt,  im  Jahre  212/213  durch 
Caracalla  die  Leitung  abermals  wiederhergestellt  und  durch 
Uinzufügung  des  fons  Antminianus  verstärkt  —  Ueber  diese 
Herstellungen  s.  unten  ^^). 


^)  Akteomässige  Bao^schichte  bei  Frontin  1,  9  (noter  BerafiiBg 
auf  Feaestella):  .  .  cum  Appiae  AnionUque  ductus  vettutate  quassati 
privatomm  etiam  frandibus  intereipereniur,  datum  est  a  tenaHu  neg;otiutn 
MareiOy  quutum  praetor  inter  cives  ius  dieebat,  eorum  ductuum  refkienr 
dorutn  ac  vMicandorum.  et  quomam  incrementum  urhU  eoeigere  iride- 
batur  amplio9hn  modum  aquae,  eidem  mandatum  a  senatu  est  ut  eu- 
rarety  quatenüi  alias  aquas  quas  possety  in  urbem  perduceret :  «*«««# 
pr[iores  (es  fiblt  vielleicht  itaque,  vielleicht  Nichts)  ductus  relstUuii\ 
{rei  *  *  *  *  4^  6ie  Hs.),  tertiam  Ulis  uberiorem  [per]duxit  (so 
sehreibe  ich:  illiobriorum  *******  dixw  die  Hs.;  Buch,  hat 

Jordan,  lOmiaohe  Topographie.    Li.  30 


466  THBIL  I. 

4.  Tepnla,  wurde  im  Jahre  629/125  von  den  Censoren 
Cn.  Servilius  Caepio  und  L.  Casi^ius  Longinus  Rayiila  aus  den 
Quellen  im  Gebiet  der  sogenannten  Marrana  am  Abhang  des 
Albanergebirges  pahe  dem  11.  Meilenstein  der  loTma  auf  das 
Eapitol  gefuhrt.     Sie  wurde  vereinigt  mit  der  lidia  (s.  5). 

5.  Mia,  wurde  im  Jahre  721/33  von  Agrippa  in  seiner 
Ädilität  aus  demselben  Quellgebiet  zwei  Miilien  weiter  auf- 
wärts gesammelt  und  in  einem  15^^  Miilien  langen,  in  seiner 


Nicbto  versucht,  Uomögliches   seine  Vorgänger),  cui  ab  auctore  Mardae 
nomen  est  Falsch  lässt  ihn  Plinius  36, 121  auch  die  später  gebaute  Tepuia 
wieder  herstellen  (Nibby  Anal.  3,  153  nimmt  eine  Interpolatioa  des  Textes 
an).  Die  von  demselben  31, 41  gebrachte  Nachricht:  vocabatur  haecquondam 
Aufekt^  Jons  autem  ipse  Püonia   —   woran  sich  auch  die  von  Strabo 
5,  3,  13  S.  240  aus  derselben  Quelle  entlehnte  Behauptung  anschliesst, 
dass  sie   in  uUvmU  PaeUgnorum  montibus   entspringe   und  durch  den 
Fucinersee  gehe  — ,  printus  eam  in  urbem  ducere  auspicatus  est  Ancus 
Marcius  unus  e  regibus,  postea  Q.  Mar  eins  Rex  in  praetura,  rursusqve 
restituü  M.  Agrippa,  ist  in  ihrem  ersten  Theil  bis  jetzt  nicht  erklärt, 
der  zweite  ist  eine  Probe  der  wiltkürlichen  Behandlung  der  Biographie 
in  den  jüngeren  Quellen.  —  Statue  auf  dem  Kapitel:  Militärdiplom  t. 
J.  64  CIL  3  S.  846 :  in  CapüoUo  post  aedem  lovis  o.  m.  in  basi  Q,  Marci 
Regis.    Münze  des  Marcius  Philippus  680 — 704  (Mommsen  n.  290  Cohen 
T.  XXVI  Marcia  8):  Kopf  des  Königs  Ancus  )(  5  Bögen,    darin  aqua 
Mar(cia),   darüber   Reiterstatoe,    nach  Melchiorri    (Appeod.  agli  atti  e 
mon.  de'frat.  arv.   S.  30  ff.)   der  mit  der  Statue  geschmückte  Brunnea 
der  Leitung  auf  dem  Kapitol,    was  ich  nicht  für  möglich  halte:    vgl. 
oben    A.    27.    —    Qaellen    ond   Lauf:    jene    sind  jetzt   in    Ueberein- 
stimmung    mit   Frontins  Angaben   via  Faleria   ad  tniliarium  XXXFI 
deverticulo  euntibiis  ab  urbe  Roma  dextrorsus  tniliutn  passuum  trium 
genau  nachgewiesen  von  Gori  Bull.  man.  1866,  68  f.   Der  1242te  Stein, 
welcher  also  59^  Meilen  von  Rom  stehen  musste  (CIL  1251  b)  ist  bei 
Arsoli   gefunden   worden.     Derselbe   bestimmt  auch  die   oach  Frootin 
800  Schritt  ultra  fontem  Mardae  gesammelte  Augusta^  welche  der  Kaiser 
in  supplementum  Mareiae,   quotiens  siccitates  egerent   {agerent  die  Hs.) 
auadUo  {vgl.  14.  2,  72),  herstellte.    Er  selbst  sagt  Mon.  Anc.  4,  11  f.: 
et  aqttam  quae  Marda  appeUatur  dapUcavi  fönte  novo  in  riüum  das 
imtnisso.     Die  schwülstige  Vertheidigung  der  Angaben  des  Plinius  von 
Cassio  Corso  d.  a.  1,  92  ff.    ist   für   uns   ohne  Interesse.    —     Leitung 
amplo  opere  a  Spe  in  Aventinum:  Frontin  87  vgl.  76.  —  Nivellement: 
A.  84.    Die  Pläne  zur  Wiederherstellung  der  Leitung   (vgl.  Borgnana 
deir  acqua  di  Q.  Marzio  Re  R.  1861)  sind  1869  zur  Ausführung  gelangt. 


§  7.]  WASSERLEITUNG.  467 

ersten  Hälfte  unterirdischen,  vom  7.  Meilenstein  auf  Bögen 
geführten  Kanal  in  die  Stadt  geleitet  Dieselben  Bögen  tragen 
Yon  da  ab  unter  deni  Kanal  der  lulia  den  der  Tepvla,  CUber 
.jenem  den  der  Marcia  (s.  unten)..  Zugleich  stellte  Agrippa 
die  Appia,  den  Anio  und  die  Marcia  wieder  her®*). 

lui  Jahre  749/50  stellte  Augustus  sämmtUche  Leitungen 
wieder  her  und  baute  bei  dieser  Gelegenheit  den  Rogen  über 
der  aus  der  porta  Yminalis  hinausfuhrenden  Strasse,  die 
nachmalige  porta  Tihurtina,  welcher  noch  jetzt  seine  Dedi- 
cationsinschrift  trägt:  darunter  stehen  die  auf  die  Herstellun- 
gen der  Marcia  bezuglichen  Inschriften  der  Jahre  212  u.  79  *^). 
lieber  diese  augustische  Wiederherstellung  des  Anio  oben  A.  86. 

Die  neuesten  Entdeckungen   haben   im  vollen  Umfange 


^^)  lieber  die  Tepula:  (die  Censoreo)  ex  agro  Lueuüano,  quem 
quidam  Tusmlanum  credunt,  Bomani  et  in  CapitoHum  adducendam  cu- 
raverunt.  Ort:  via  Latina  ad  X  miliarium  n.  s.  w;  die  genaue  Be- 
schreibang  des  Laufs  ist  im  Text  des  Frontin  ausgefallen,  lieber  die 
lulia:  (Agrippa)  ad  fmUarium  ah  urhe  XII  via  Latina  . . .  atteritts  aqua» 
pro'prias  vires  coUegü  et  Tepulae  rivum  intercepit.  adqmsitae  aquae  ab 
inventore  nomen  luliae  datum  est,  ita  tarnen  divisa  erogatione  ut  ma" 
neret  Tepulae  appeüatio.  Folgt  die  Besciireibuog  des  Laufs  und  die 
Besprecbuog  dep  aqua  Crabra  welehe,  ohwobl  sie  praeter  eaput  luliae 
iransflmt,  nicht  benutzt  wurde.     (leber  diese  oben  §  1  A.  20.  —  Das 

Yerbältniss  beider  vor  ihrer  Vereinigung  am  7.  Meilenstein  ist  unklar: 

INibby  Analisi  3,  155. 

^)  Senatsbescblttss  vom  J.  743  (Frontin  125)  über  Herbeiaciiafiung 

von  Material  zur  Herstellung  der  rivi  forniceSf  quos  augustus  Caesar 
■se  rtfeeturwm  impensa  sua  senatui  polUcitus  est.    Augustus  Moa.  Anc. 

4,  10 f.:  rivos  aquarum  campluribus  locis  vetustate  labenies  re/eci.  In- 
schrift desBogens  (über  welchen  oben  S.  356.  358)  CIL  6,  1,  1244:  imp. 
Caesar  .  .  (749/50)  riuos  ommum.  aquarum  re/ccit.  (Mommsen  zu  Resg. 

5.  56  bemerkt  dass  im  cod.  Redianos  und  bei  Ferrarinus  dieselbe  In- 
schrift der  <porta  Praenestina',  im  Stosehianus  der  'p.  Salaria'  gegeben 
werde;  jenes  aicher^  dies  wahrscheinlich  eine  Verwechslung:  im  CIL  findet 
sich  Nichts  darüber);  darunter  1245:  imp.  Caesar  .  .  (Caracalla  212) 
aquam  Marciam  variis  kasibus  impeditam.^  purgato  fönte,  exdsis  et 
perjbratis  montibus,  restituta  forma,  adquisito  eüam  fönte  novo  Anto- 
niniano  in  sacram  urbem  suam  perducendam  curavit;  darunter  1246: 
imp,  Titus  . . .  (79)  rivom  aquae  Marciae  vetustate  dilapstun  refeeit  et 
aqtfam  quae  in  usu  esse  desierat  reduant, 

30* 


468  THEIL  L 

be«titigt,  was  man  bisher  mit  mehr  oder  minder  grosser 
'WahrBcheinlichkeit  aus  der  alten  Beschreibung  des  Laufes 
de<r  Tepula  luUa  Mareia  vermulhet  hatte  ^^).  Die  alte  Be- 
sthreibung  besagt,  dade  sie  von  den  Piscinen  am  7.  Meilen- 
stein nahe  der  via  Latina  auf  dieselben  Bögen  geleitet, 
dann  (jedesfalls  unterirdisch)  auf  das  Niveau  des  Virninals 
gefihrt  und  bei  dem  viminalischen  Thor  wieder  zum  Vor- 
schein gekommen  sei.  Reste  der  Bogenleitung  sind  vor  der 
Porta  Maggiore  vorhanden,  stecken  von  da  bis  zur  Porta  S. 
Lorenzo  (dem  Strassenbogen  des  Augustus)  in  der  Stadt- 
mauer, und  liessen  sich  noch  bis  vor  nicht  langer  Zeit  von 
da  aus  in  grader  Richtung  auf  den  Monte  di  Giustizia  an 
der  Nordseite  der  Via  di  S.  Lorenzo  verfolgen**).  In  der- 
selben Linie  aber  ist  neuerdings  an  der  Ecke  dieser  und  der 
neuen  Via  Milazzo  der  unterirdische  Lauf  kaum  2 — 300  M. 
nördlich  von  den  Resten  der  überirdischen  Leitung  gefunden 
worden  (A.  95):  hier  also  muss  das  alte  Terrain  durch  eine 
starke  Steigung  die  Verwandlung,  der  überirdischen  in  die 
tinterirdische  Leitung  veranlasst  haben  *^).  —  Dass  ferner  die 

^1)  Frontin  19:  hae  tres  ü  pUcinis  in  eosdem  arctts  recipütntur, 
iUfMnus  [ew]  hu  (?)  ett  luUae^  inferior  Tepulae,  dein  Marda;  quae  ad 
Hbram  [oolUs  Vi\minalis  eo[nkmotim  infra  ierram  a]ntea  f/b^jmter 
(«eo  «•««*«»«*  ntea  *  *  *  *  enies  die  Hs.)  ad  yiminalent  tisque 
portatn  deveniunt:  ibi  rursus  emergunt.  So  hat  Polenos  dem  Sioiie  nadi  yor- 
treffJkii  ergäiiet  (ßuentes  Bücheier,  eurUes  Polenad:  doch  faeisst  es  rivi 
^eunt  io  deo  A.  95  a.  Jaselirifteo).  Seine  £rkliirtiBg  ist  in  allea  Stäeken 
beitätigt  worden :  auch  den  Wechsel  des  JNiveaus  hat  er  richtige  er- 
kannit.  ^—  Ueber  die  Reste  in  der  NShe  der  PisoiaeD  Fabretti  1,  8. 

®^  S.  besonders  den  CeBsi]8]»lan  und  die  älteren,  aameBtliefa  Falda's 
da  Vaiduggia:  heut  ist  die  ganze  Oegead  nicht  wieder znkenoen,  die 
Reste  vnm  Thor  an  scheinen  ganz  verschwunden  zn  sein,  lieber  die 
unterirdische  Leitung  Laneraoi  Bidl.  mun.  2,  204  ff*  vgL  A.  95. 

^^)  Die  uofteriniisehe  Leitung  der  Martin  ist  5,  68  M.  unter  dem  heu- 
tigen jaeuhergestellteo)  Piano  der  Via  S.  Lorenzo  gefunden.  Die  Süd- 
ecke des  Prätorianerlagers  liegt  55  M.  (franz.  Gen.  St.  Plan),  das  Piano 
des  Anfangs  der  Via  nazionale,  da  wo  sie  aas  der  Exedra  der  Thermes 
des  Diecledan  debouehirt,  52  M.  (Lanoianis  Mittheitung)  über  dem  Meer«. 
Wenn  nieh  airine  Erinnerung  nicht  trügt,  so  liegt  die  erwähnte  Gegend 
der  Via  di  S.  Lorenzo    ungefähr   in   demselben   Niveau.     Die  Mnnia 


§  7.]  WASJjfiRJLJEiTÜNG.  4.69 

gemeinsame  Leitung  am  virninalischen  Tfaar^  wenigstetis  Bach 
der  Wiederherstellung  durch  Augustus,  ihr  Ende  erreicht  hat, 
beweisen  deutlicher  als  die  ^tte  Beschreibung  die  Fundorte 
der  je  240  F.  von  einander  entfernt  ^aufgestellten  Jeru^ina- 
tionssteine  des  Augustus ,  deren  .  ejnig.^  .  eine>  Kantrolle  zu- 
lassen ^^).  Wir  nehmen  dabei  an,  dass  die  Leitung  ton  Perta 
Maggiore  bis  zur  porta  Virntualis  rund  1600  M^  «±=  5333  F, 
lang  ist,  wozu  die  vorhandenen  Reste  berechtigen:  so  ergiebt 
sich  folgende^  Resultat: 

N.   63  gefunden  1%  MiJl.  vor 

Pqrta  Maggiore  ....    14333  Normalzahl  15120, 


liefe  also  hier  vielleicht  mit  etwa  46  bis  4^,  M.  ü<  d.  M.  aateL'irdjsci). 
Auf  der  Porta  San  Loreozo  lieget  die  Marcia  über  dem  alt«n  P0aster 
6,  60,  über  dem  Meer  nach  E.  De  Mauro  (bei  Parker  Aq.  S.  125)  54,  405. 
Hieraus  würde  nach  einem  freilich  sehr  nnsfchereir  Atfsatz  auf  ein  Ge- 
fall Yon  ^  bis  ^  auf  100  Fass  geschlossen  werden  k$niien^  Vitrav  8^  7, 1 
schreibt  für  die  Leitan^  in  eanaies  stru^tile$  nach  der  Its.  ÜeberUei^ 
rang  ne  minus  in  centeno»  pedes  semipede  vor  (die  £pit.  S.  293  R. 
pede  semis  inter  centenos  vel  LX  pedes).  Mit  welchem  Recht  man  jetzt 
aus  Plinias  31,  57  sicilico  korrigirt  statt  umgekehrt,  kann  ich  nicht 
sagen.  Secchi  (s.  A.  84)  S.  17  benutzt  die  UeberlieferuDg  bei  Vitrav. 
HoffeDtlich  wird  die  Pablikation  uafassender  ]>(ivellirttDgen  uda  einmal 
über  alle  diese  Uitöicberheiteii  hinweg  helfeik, 

^)  Schon  Fabretti  2,  17  f.  hat  mit  den  Fundorten  gerechnet.  Durch 
den  neu  entdeckten  Stein  N.  2  (Lanciani  Bull.  mun.  4,  134  if.  172  T. 
XVIII)  und  die  genaueren  Angaben  im  CIL  1249  (doch  ist  hier  Läncl 
Bdeh  nicht  berücksichtigt)  ist  die  Aufgabe  wesentlich  erleiehtert.'  -— 
H.  63  «=  CIL  1249  f,  N.  25  «  b,  N.  5  «  a,  N.  2  ««  «  (Add,). '  Ueber 
den  Fundort  von  N.  5  vgl.  ausser  Lanciani  aueh  Visconti  Bull..l869^ 
215^  nach  denen  die  obige  Angabe  wohl  gerechtfertigt,  ist.  —  Schwie- 
rigkeiten bereitet  N.  2  (gefunden  innerhalb  eines  kleinen  Grebaudes)': 
Lanciani  giebt  aa.  00.  auf  der  einen  Seite:  // 1  ped  CBXXX  (die  2ehner 
halb  zerstört),  auf  der  andern  // 1  [pe]d  CBIli  Heozen  l^st'  naoli  PeDe-^ 
grini  (aber  'contuli')  die  Zehner  gane  lort.  Die  VenmUhung  Lanmni's 
dass  B  =  DL  sei,  die  Zahl  also  480,  scheint  mir  unzuläss%,  da  B 
meines  Wissens  sonst  :=  Z>  ist ;  auch  stimmt  die  Rückseite  nicht. 
Richtig  aber  hebt  er  hervor  dass  locale  Hindernisse  die  Verdoppelung 
der  Bistanz  herbeigeführt  haben  müssen:  ein  Steinmetzversehen  ist 
wohl  anzunehmen. 


470  THEIL  L 

N.   25  unmittelbar  vor  P.  M.     5333    Normalzahl   6000, 

„      5  in  Vigna  Rondinini,  we- 
nigstens   .      1032  „  1200, 

,,      2  50  M.  östlich  vom  alten 

Thor    172  „  480. 

Soweit  dies    also  nach  der  Beschaffenheit  der  Fundootizen 
und   der  Messung  irgendwie  zu  erwarten,    wird    durch    die 
Steine  5,  25,  63  die  Nachricht  bestätigt,    dass    der  Anfang 
der   Zählung    am    viminalischen   Thor    gemacht    war.      Der 
Stein    N.   2    dagegen   ist   augenscheinlich   in    die  Nähe    des 
Thores  verschleppt;  aber  er  zeigt  noch  eine  andere  Unregel- 
mässigkeit:   sein  Abstand   von  N.   1    scheint   nehmlich    das 
Doppelte  des  gewöhnlichen  betragen  zu  haben,    und  es  wird 
also  in  der  regelmässigen  Fortzählung  hier  in  ähnlicher  Weise 
durch  lokale  Hindernisse  eine  Störung  eingetreten  sein,    wie 
bei   der  der  Pomeriensteine   im  Marsfeld    (oben  S.  329  ff.). 
Hiermit  steht  nun  in  einem  bis  jetzt  noch  nicht  aufgeklärten 
Widerspruch,   dass   innerhalb   des  Walls  unmittelbar  an 
demselben    sowohl  südlich  wie   nördlich  von    dem  viminali- 
schen Thor  die  Leitung  wiedergefunden  worden  ist,    sudlich 
an  der  Südostecke  des  Bahnhofs,    nördlich  in  der  Richtung 
längs    der  Nordseite    der  Thermen  des  Diocletian.     An  dem 
erstgenannten  Punkt  und  dicht  am  viminalischen  Thor  (nörd- 
lich der  dasselbe  passirenden  alten  Strasse)  fanden  sich  ausser- 
dem an  ihrem  ursprünglichen  Platz  Steine  der  Wasserbeamlen 
der  Jahre  39 — 49  n.  Chr.,   welche  anzeigen,  dass  'hier   die 
drei  Wasserleitungen   laufen',    also   doch   wohl   unterirdisch 
liefen:    also    eine  Art  öffentlicher  Anzeige,   wie   man  heut- 
zutage  an  den  Häusern  die  Abstände  der  Gasleitungen  von 
der  Strassenflucht  angiebt  mit  dem  Zweck,    die  Aufdeckung 
für  Reparaturzwecke  zu  erleichtem,  möglicherweise  auch  zum 
Schutz   der  wenig  unter  dem  Fussboden  laufenden  Gewölbe 
gegen  Beschädigung  durch  Lasten.    Der  vom  Thor  nordwärts 
gehende  Strang  scheint  sich  in  drei  divergirende  Stränge  zu 
theilen,    der    südwäjrts   gehende   ist  leider  nicht  untersucht 


§  7.]  WASSERLEITUNG.  471 

worden  ^'^).     Wohin  führten  diese  Leitungen  und  wo  ist  das 
Kastell,  aus  dem  sie  sich  abzweigten,  geblieben?    Diese  Fra* 
gen  scheinen  bis  jetzt  nicht  beantwortet  werden  zu  kdanen. 
6.    Vtrgo,  wurde  von  Agrippa  auf  eigene  Kosten  gebaut 
und  am  9.  Juni  735  dedidrt.    Das  Wasser  wurde  aus   der 
wasserreichen  Gegend   am    8.  Meilenstein   der  via  CoUaiina 
in  einem  über  14  Millien  langen^   fast  ganz  unterirdischem 
Kanal  geleitet ;  nur  1240  Schritt  lief  sie  überirdisch  und  zwar 
nur  700  auf  Bögen.    Diese  Bögen  werden  ausschliesslich  auf 
den  letzten  städtischen  Abschnitt  zu  rechnen  sein:  denn  die 
kürzeste  Entfernung  zwischen  den  gleich  zu  beschreibenden 
Anfang  und  Ende  der  Bögen  beträgt  rund  500  Schritt.    Sie 
durchbrach  den  Monte  Pindo,  wo  bei  Villa  Medici  ihre  Lei- 
tung sichtbar  jst  und  2  Terminationssteine  der  Restauratio- 
Pen  des  Tiberius  (36/37)  und  Claudius  (44/45)  mit  der  N.  1 
gefunden  worden  sind.     Von  der  Via  Gregoriana  an  lief  sie 
sicher  auf  Bögen  über  Foutana  Trevi,  in  deren  Nähe  sie  er- 
halten  sind   und  eine  Inschrift  des  Claudius  vom  Jahre  46 
tragen.     Sie  ülierschritt  dann  die  vui  lata  und  endete  längs 
der    Front    der    saepta,    wo    ihre   Reste    ebenfalls    bei    S. 
Ignazio  gefunden  worden  sind.    —   Ob  eine  Zweigleitung  in 
der  Richtung  der  Via  Condotti  alt  ist,  ist  nicht  entschieden: 
die  Quellen  wissen  davon  Nichts.    Von  den  Werken,  welche 
sie  im  Marsfelde  bewässerte,    ist  schon  Bd.  2,  65  die  Rede 
gewesen  (vgl.  Th.  II).  —  Die  Leitung  ist,   obwohl  schon  im 
8.  Jahrhundert  theilweise  zerstört,  niemals  ganz  ausser  Thä- 
tigkeit  gewesen:  seit  dem  Jahre  1535  ist  die  Geschichte  ihrer 
V^iederherstellung  aktenmässig  beglaubigt    Ihren  neuen  Na- 
men,  'acqua  di  Trevi'    (die  fontana  di  Trevi  ist  1762  voll- 
endet worden)  verdankt  sie  dem  mittelalterlichen  der  regio 
trivii  (s.  Bd.  2,  316,  526»«). 

^)  Hierüber  zuerst  Visconti  Bull.  deU'inst  1869,  212  ff,  <2  Steiae 
am  Bahnhof),  dann  Lanciani  Bull.  mon.  4  a.  0.  (Stein  am  Thor).  Die 
Inschrift  lantet  (auf  allen  dreien):  hoc  rivi  agutnium)  trium  eunt:  eippi 
positt  iussu  A.  Didi  GaUi^  T.  Rubri  Nepotü,  M,  ComeU  Fimä  eurah 
tor{um)  aquar(um)',  Gallus  war  (nach  Frontia  1()2)  eurator  aquamm  in 
den  JJ.  39-49,  die  beiden  andern  seine  adiutoret, 

M)  Dio  54,  11:  xo  re  vStoq  to  üag^inov  xaXovfuvov  töis  iSloig 


472  THEIL  I. 

7.  Älsietma  oder  Angusta  (zu  unterscheiden  von  den 
gleichnamigen  ErgSnzungsleitungen  der  Appia  und  Marda) 
im  Jahre  752  von  Augustus  für  Speisung  seiner  Naumachie 
in  Trastevere  angelegt  und  nur  im  Nolhbll  den  Bronnen 
zugeführt,  führte  das  Wasser  daliin  aus  dem  /actis  Ahietinus  (lago 
di  Martignano)  in  einem  über  22  Millien  langen  in  den  Fels- 
boden geschnittenen  Kanal,  nur  358  Schritt  über  Bögen '0* 


tiXeaiv  Icayaywif  Avyovat&if  nqo^yhqriai  (letzteres,  wie  schoo  Saebse 
2,  97  beAerkty  falach:  Firgo  Frontio  and  die  Steine).  JVach  den  Akten 
FrontiQ  10:    (Jahresbestioimung)  Virginem  quoquß  in  agro  Lucuttitno 
coUectam  Romam  perduxiU    dies  quo  primum  in  urhe  {urbem  die  Hs., 
8.  Polen.)   responderit  quintus  idus  lunias  invenitur.    Es  folgt  die  Be- 
sehreibung der  wanderbaren  Entdeckung  durch  eine  virguneula,  welche 
an  der  Quelle  bildlieh  dargesleUt  sei  (andere  Erklänyigeo  des  Namens 
bei  Plia.  31,42:  iuxia  est  rivus  fferctdaneu*  quem  rtfugiens  Virginis 
nomen  optinuü  ond  Cessio d.  Var.  7,  6 :  quod  nullus  sordihus  polluatur) 
und   des  Laafs.     Dazu   22 :    arcus  Firginis  initium  kahent  suh  kortis 
Luculianis  (auf  dein  Pincio)  ßnnmtur  in  catnpo  Martio  secundum  fron" 
fem  saeptorum;  woselbst  sie  im  17.  Jabrh.  ond  vor  Knrzem  gefunden 
sind:  Forma  S.  36*.  Strasienbogen  in  Via  del  Nazareno  aad  V.  Della 
Stamperia  mit  der  Inschrift  CiL  6,  1,  1252:   Ti.  Claudius  ...  (46  a.C.) 
arcus  ductus  aquae  Firginis  disturhatos  per  C  Caesarem  a  fundofnentis 
novos  fecit    ac    reslituü.    Abbildung:    Piranesi    Ant.     Terminations- 
steine   (mit  der  Ueberschrift  Firgo)'.    die  beiden   auf  dem  Pincio    ge- 
fundenen (einer  von  Tiberias,  der  andere  von  Claudius):    /  p.   CCXL^ 
der  dritte  bei Muro  torto  vor  P.  del Popolo  (von  Tiberias):  HIlp.  CCXL, 
also  doch  wohl  verschleppt?    Der  Anfang  der  Leitung  kann   doch   nur 
westlich  von  S.  Tgnazio  angenommen  werden:    dann  würde  N.  1  noch 
westlich  vom  Corso,  N.  4  westlich  von  Fontana  Trevi  gestanden  haben. — 
Lauf:  Nibby  Analisi  3,  469  ff.    Geschichte:  {forma  Firgints fraeia  das 
Eins.  It.,  Bd.  2,  382),  besonders  seit  1535,  bei  Fea  Storia  delle  acqne 
S.  9  ff.  63  ff.  (daselbst  S.  24  f.   über  die  Zweigleitung,    deren  Anlage 
er  dem  Agrippa  zuschreibt,  die  Wiederherstellung  den  Päpsten)  Nibby 
R.  mod.  2,  16  ff.  47  ff. 

^)  Aus  Frontin  11  hebe  ich  hervor:  quae  ratio  moverä ^ugustum 
providentissimum  principem  perdueendi  Msi&tinam  aquamy  quae  vo- 
catur  Augusta  non  satis  perspicio  . .  .  njsi  forte  cum.  opus  naü- 
ptackiae  adgrederetur,  nequid  salubrioribus  aquis  detraherety  hone  propm 
opere  perduxit,  Ders.  22:  MsieÜnae  daetüs  post  naumachiam.^  cuius 
causa  mdehir  esse  f actus,  ßnitur.  lieber  die  Naumachie  s.  Th.  11.  ~ 
Den  Lauf  fand  Nibby  im  J.  1826  mit  der  Beschreibung  überein stimmeod 


§  7.]  WASSERLEITUNG.  473 

8.  Clandia  und  9.  Anio  nova,  von  Caligula  im  Jahre  38 
begonnen,  von  Claudius  im  Jahre  52  Yoltendet,  und  am 
1.  August  d«  Jahres  eingeweiht,  wurden  beide  aus  den 
Quellen  an  der  via  SublaceMis,  jene  in  der  Gegend  des  38., 
diese  in  der  des  42.  Meilensteins  gesammelt,  bis  zum  Aus<- 
tritt  aus  dem  Gebirge  bei  Ponte  Lupo  in  getrennten,  von  da 
ab  in  vereinigten  Leitungen,  jene  46,  diese  58  Heilen  lang, 
beide  etwa  10  Meilen  oberirdisch ,  nach  Rom  geführt  Die 
vereinigte  Leitung  folgte  zuerst  der  im  Ptaenestina,  über^ 
schritt  sie  in  südlicher  Richtung,  erreichte  die  Laiina,  um  am 
7.  Meilenstein,  wie  die  übrigen  Leitungen,  in  Piscinen  ge*- 
reinigt  zu  werden.  Hier  wie  auf  der  ganzen  Linie  haben 
sich  bedeutende  Reste  der  Pfeiler  und  Bögen  aus  Quadern 
von  Tuf  (Travertin  im  Bogen)  mit  den  dardberliegenden  Ka- 
nälen erhalten. 

Sie  erreichte  dann  wieder  die  Praenestina,  wo  die  £a6t* 
cana  sich  von  derselben  abzweigt  und  überschritt  sie  auf 
einem  mächtigen  Doppelbogen,  der  nachmaligen  Porta  maggiore 


(Analisi  1,  139  f.).  Es  ist  anüalleBd  dass  Aogafttus  zwar  die  Wieder* 
herstelluog  der  früheren  Leitaagen  erwähnt  (oben  A.  90)  und  das  naväUs 
proelii  spectaculum  irans  Tiberim  (Mominsen  S.  66),  nicht  aber  den 
Bau  der  neuen  Leitung  quae  vocatur  Augusta.  Seine  Sorge  für  Wasser- 
versorgung nicht  blos  der  juUachen  Colonien  sondern  aueh  der  Muni* 
cipien  in  Italien  ist  bekannt  (Mommsen  Zs.  f.  R.  G.  15,  287  ff.  Nissen 
Bull.  d.  i.  1865,  109  ff.  —  De  Boss!  Ann.  1873,  170  ff.).  —  Die  falsche 
Lesart  algeatina  in  der  einen  Hs.  B.  des  Guriosum  ist  die  alleinige 
Quelle  der  beim  Anon.  Magliab.  (S.  15  Merckl.)  und  in  anderen  Ab- 
sehriften  des  15  Jahrh.  verbreiteten  Lesart  algentiana.  Mit  dieser 
operirte  nun  der  anonyme  Verf.  des  'Victor'  weiter,  indem  er  falsch 
die  Namen  9.  11  j4nguitea  /4Ui€tma  des  allen  Verxeichoisses  identifi- 
cirte  (haUia  stve  kalsiBtäma  que  augusta),  dagegen  als  einen  besonderen 
Namen  dahinter  algmtiana  avfaahm.  Dies  ging  in  die  ^Regionen'  des 
Laetns  über  (die  vatic.  Ha.  giebt  hatsiä  i  haiHeHna  que  amguste  [so], 
dann  algmiiiana),  und  hatte  endlieh  weiter  zur  Folge,  dass  Fahretti 
(3,  13)  den  falschen  Namen  auf  eine  von  Tnsculum  herabkommende 
Leitung  bezog  (ähnlieh  Nibby  Analisi  1,  122  f.),  Cassio  l,  181  dieselbe 
für  die  Antötriniana  »»  Alf^Bfäiana  erklärte.  Natürlich  lavcbt  sie  aueh 
bei  Parker  A<f.  S.  100  wieder  anf.  —  Nicht  gaoa  genau  giebt  die  Ge* 
nesis  der  Fälschung  De  Ressi  Ann.  1872,  177. 


474  THEIL  I. 

und  endete  hinter  den  harti  PäUantiani  auf  dem  Esquilin, 
von  wo  aus  sie  in  Röhrenleilungen  ihr  Wasser  durch  die 
Stadt  vertheilten.  —  Die  Claudia  erhielt  die  aqua  Cciemka 
und  die  Curtia  und  den  fims  Albudinus  als  Zuflüsse.  Jene 
beiden  wurden  Yon  Vespasian  im  Jahre  71  und  von  Titus 
im  Jahre  81  wiederhergestellt. 

Bei  der  Spes  vetus  gab  sie  eine,  wie  es  scheint,  erst  von 
Nero  hergestellte  Zweigleitung  ab,    welche  über  den  Caelius 
nach  dem  Tempel  des  Claudius  führte.    Diese  Leitung  wurde 
im  Jahre  201  wiederhergestellt:  auf  dem  wenige  Jahre  dar- 
auf verfertigten   kapitolinischen  Stadtplan  ist   dieselbe    dar- 
gestellt.   Im  Hittelalter  hiess  sie  forma  LcUeranensis  (Bd.  2). 
Reste   derselben   (es   ist   ein   Ziegelbau    vollendetster    Kon- 
struktion) stehen  mit  kurzen  Unterbrechungen  auf  der  gan- 
zen beschriebenen  Linie.   An  zwei  Stellen  musste  auch  diese 
Leitung  die  aus  den  Thoren  der  alten  Stadtmauer  am  Cae- 
lius hinausfährenden  Strassen  überschreiten:  einmal  (vor  der 
porta  Caelmontana?)   auf  dem  jetzt   nicht  .mehr  erhaltenen 
sogenannten  'arcus  Basilis'  (oben  S.  226,  336),  ein  zweites 
mal,  ungewiss  vor  welchem  Thor,  auf  dem  im  Jahre  10  n.  Chr. 
errichteten    sogenannten    Bogen     des     Dolabella    (S.    364. 
367  Ä.  40).      Die    ursprüngliche  Bestimmung   desselben   ist 
noch    nicht  ermittelt  (vgl.  S.  352).   —  Die  Fortsetzung  der 
Leitung   sieht   man    das  Thal  zwischen  Caelius  und  Palatin 
überschreiten.     Dieser  Theil   ist  später,  vielleicht  erst  zum 
Behuf  der  Bewässerung   der  von  Severus   auf  dem    Palatin 
errichteten  Anlagen  gebaut ^^). 


^)  Ausfilhrlich  Frontin  13  ff.  ans  dem  ich  hervorhebe:  Gaitu  Caesar 
. . .  duoM  duelus  inchoavit,  quod  opus  Claudius  magnißemtissime  consum- 
tnavit  dedicamtque , . .  kakndis  ^ugustis.  BescbreiboDg  des  Urspmngsgebiets 
und  des  Laufs  verifieirt  besonders  von  Nibby  Analisi  1, 164  ff.  479  ff.  2, 577 
ood  von  F.  Gori  (s.  oben  A.  88).  Wenn  Frontin  die  Clandia  via  Sublaemsi 
ad  miUarium  XXXf^IIl  ans  dem  /ans  Caeruleus  und  Curtius  entstehen 
lässt  und  die  Länge  des  Laufs  auf  m.  p,  XL^I  aufgebt,  während  Clau- 
dius selbst  (unten)  a  miÜiario  XXXXF  {perducendam  curamC)  sagt,  so 
kann  dieser  Widersprneh  soviel  ich  sehe  nicht  mit  Henzen  durch  die 
Annahme  gelöst  werden,    dass  nach  Claudius  die  arcus  Nenmiani  und 


7.]  WASSERLEITUNG.  475 

10.  Die  Traianß  wurde  nach  der  an  der  Leitung  selbst 
10  Müllen  vor  der  Stadt  gefundenen  Inschrift  im  Jahre 
109/110  aus  den),  lacus  Sabbatinus  (lago  dl  Bracciano; 
dabeir  im  Mittelalter  auch  Sctbbatma)  auf  die  Höhe  des 
Jandculum  geleitet,  welche  sie  längs  der  via  Aurdia  erreichte* 
Hier  trieb  sie  die  Mühlen  und  wurde  weiter  in  den  damals 
an  Bevollierung  stark  zunehmenden  transtiberinischen  Stadt- 
theil  vertbeilt.  Sie  iM  im  Jahre  1611  von  KarlV  als  Acqüa 
Paola  wiederhergestellt  worden  und  versieht  heut  dieselben 
Dienste  wie  ehemals.  (S.  Bd.  2,  225  f.  und  oben  §  6  A.  48). 
Die  Annahme  einer  den  Aventin  versorgenden  zweiten  (oder 
einer    über   die  Brücken   dahin  abgezweigten)  aqua  Tratana 


andere  Mnzogekoiameii  sind:  dena  Claudias  giebt  niclit  die  LSage  d«r 
Leitung  sondern  den  Abstand  des  Ursprungs  von  der  Stadt  nach  dem 
Wegemaass  an:  die  Differenz  von  10  Millieo  kann  nur  auf  die  Ver- 
längerung dieses  im  Ursprnngsgebiet  geben :  wie  dies  mö'glicb  ist,  kann 
ich  nicht  entscheiden.  —  Terminationssteine  fehlen.  Inschriften  des 
Strassendeuksuds  CIL  6,  1,  1256:  Tu  Claudius  . .  .  aquas  Claudiam  ex 
fontibus  qtä  vocmifur  Caeruhus  et  Curtias  a  milUario  XXXF,  item 
Anienem  novam  a  milliario  LXII  süa  impensa  in  urbem  perducendas 
ctaravit;  darunter  1257:  imp.  Caesar  Fespasianus  .  .  .  aquas  Curtiam 
et  Caeruleam  perducta»  a  dwo  Claudio  et  postea  intermissas  dilapsasque 
per  annos  novem  sua  impensa  urbi  resUiuiij  darunter  1258:  vmp,  T 
CaeseBT  .  .  .  aquas  Curtiam  et  Caeruleam  perductets  a  divo  Claudio  et 
postea  a  divo  Fespasiana  patre  suo  urbi  restüutas  cum  a  capite  aquarum 
a  solo  düapsae  essent,  nova  forma  reducendas  sua  impensa  curavit 
Zweigleitung  und  Ende  nach  Frontin  20:  finiuntur  areus  earum  post 
hortos  PaUantianos  et  inde  in  usum  urbis  ßstulis  deducuntur»  partem 
sui  Claudia  prius  in  areus  qui  vocantur  Neroniani  ad  Spem  veterem 
transfert.  hie  direcH  per  Caeliwn  montem  iuxta  iemphim  divi  Claudii 
finiuntur,  Signorili  las  Un  fomtis  . . .  ante  hospitale  S.  Angeli  prope 
Lateraanm'  die  Inschrift  1259 :  imp. .  .  .  (Severus  und  Caracalla  201) 
areus  Caelemontanos  plurifariam  vetustate  eonlapsos  et  conruptos  a  soh 
sua  pecunia  restiiuerunt.  -^  Auf  dem  Stadtplan  (Fr.  45)  ist  dem  Grund- 
riss  aqueductium  beigeschrieben:  das  Fehlen  des  Namens  erklärt  sieh 
daraus  dass  das  Werk  eben  neu  hergestellt  war.  —  Bogen  des  Dola- 
beila,  Abbildubg  z.  B.  Reber  Ru.  S.  464.  Da  Frontin  87  sagt,  dass  bis  auf 
seine  Zeit  nur  die  Claudia  den  Aventin  und  Caelius  bewässerten,  so 
kann  er  nicht  im  J.  10  eine  Wasserleitung  getragen  haben  (Benzen 
S.  272  oben).  —  lieber  die  Leitung  nach  dem  Palatin  vgl.  Th.  11. 


476  *^^^^  '• 

beruht   meines  Wissens   alldn    auf  einer    falschen  Inschrift 
(8.  Bd.  2,  296.  309«*). 

Uefaer  die  Leitungen  nach  Trajan  sind  wir  so  unvoll- 
ständig unterrichtel,  die  technischen  Untersuchungen  der  nictit 
sicher  ben»inten  Reste  sind  trotz  breitester  Besprechung 
noch  immer  so  ungenügend,  dass  ich  im  Wesentlichen  audb 
jetzt  noch  bei  den  Resultaten  der  im  Anscbluss  an  das  Ver- 
zeichniss  der  Notitia  geführten  Untersuchung  des  2.  Bandes 
S.  223  ff.  stehen  bleiben  muss.  —  Wir  haben  keine  Nach- 
rieht  von  Ldtungsbauten  bis  auf  Severus  und  Caracalla^^^). 
Diese  stellten  die  Mareia  luUa  Tepuia  wieder  her  (oben  3) 
und  lugten  denselben  den  fom  AwtonmianuB  hinzu.  Diese 
Leitung  kann  wohl  nicht  diejenige  sein,  deren  Reste  in  der 
Uichtiing  auf  die  Thermen  des  Caracalla  noch  auf  Ndliis  Plan 
verzeichnet  sind  und  in  deren  Linie  der  Drususbogen  steht: 


^)  Ich  setze  Dvr  die -Zeugnisse  noeh  eiamal  her:  intp.  .  .  aqoAfn 
Ttaümam  pecunia  sua  in  urbem  perdtutit  emptis  loois  per  iatihid(inem) 
p(edes)  XXX  (Or.  Henz.  5097;  vgl.  Feas  Berieht  Storia  delle  aeqne 
S.  263  ff.  »  Mise.  2, 199 ff.).  Münzen :  Cohen  Trij.  a05  »  fickhei  6, 425.— 
Falsche  Inschrift  auf  einer  angeblieh  'in  Aventino  versus  P.  S*  Paidi' 
gefundenen  Bleiröhre  (Panvin.  Rom«  212^  22):  aqua  Traiana  Q,  j4fdeuu 
Q.f.  Jnian{ianus)  cur.  thermarum  Varianarum  (gemacht  mit  Hälfe  der 
falschen  Lesart  ihermas  f^arianms  statt  Surianas  Not.  R.  XIIl;  übri- 
gens lag  dort  auch  die  prwata  Treianil)*  Bass  Trigan  irgend  eine 
Zweigleitttiig  nach  dem  Aventin  geführt  haben  köane,  soll  natürlich 
nicht  geleegnet  werden. 

100^  Frontin  spricht  c.  88  nnr  von  einer  Ergänzung  der  bestehen- 
den Leitungen  und  der  Ausdehnung  ihres  VertbeilungssysteiBS.  Dass 
Hadrian  keine  neue  Wasserleitung  für  Rom  baute  beweist  das  Sehwei- 
gen  der  Qtiel^en,  besanders  des  Spartian,  dessen  Worte  c.  20:  nudtas 
cmtatea  Nadrüm&p(di^  appellavit,  ut  ipsam  ßarthaginem  et  Athenatrum 
partem*  aquafum  duotut  eHam  infiKÜosif)  hoc  nomine  mmatpamt,  nur 
auf  die  Bauten  in  den  Provinzen  bezogen  werden  können  -—  ich  e^- 
innere  nur  an  die  grosse  peleponnesische  Wasserleitung  (Hertzberg 
firesch.  Gr.  2,  313)  und  an  die  athenisdie  (CiL  3,  1,  549  Wachsmuth 
Athen  1,  689)  —  und  vollends  beweist  Nichts  die  aegeblieh  inschrift- 
lioh  bezeugte  Erriohtuag  ein«r  Leitung  nach  Gabu'  (vgl.  Nibby  Anal. 
2)  77).  Nur  durch  grüidlidies  Missverständniss  dieser  Zeugnisse  ist 
Parker  zur  Annahme  einer  neuen  Leitung  liadrians,  nach  ihm  der  ge- 
wöhnlich Meapanärina  genannien  (unten),  gelangt  (Aq.  86  ff.). 


§  7.]  WASSERLEITUNG.  477 

dies,  ist  vielmehr  wahrscheinlich   die  Nebenleituog  des  Anio 
vetus  (oben).     Elbenso  unsich^  ist  es,  ob  wir  die 

11.  Severiana,  welche  nur  das  Verzeichniss  der  Notitia 
nennt  ^^^),  als  eine  Leitung  nach  den  ebenfalls  nicht  sicher  zu 
bestimmenden  Thermen  dieses  Kaisers,  oder  eine  Zweig- 
leitung zu  betrachten  haben  und  wo  sie  zu  suchen  ist. 
Sieber  ist  nur,  wie  der  Name  es  sagt,  dass  sie  nicht  die 

12.  Alexandrina  oder  Akxandriana  ist,  die  Leitung, 
welcbe  dieser  Kaiser  nach  glaubwürdiger  Ueberlieferung  mit 
meinen  gleichnamigen  Thermen  im  Marsfelde  in  Verbindung 
seta^te.  Es  bleibt  nun  von  den  grossen  erhaltenen  Haupt- 
leitungen eine  übrig,  welcher  sicher  keiner  der  Namen  1  bis 
10  zukommt:  eine  zwischen  der  via  Labicana  und  firaenes- 
iifun  in  sehr  bedeutenden  Resten  trefflicher  Backsteinbogen 
erhaltene  Leitung,  welche  sich  bis  in  die  Nähe  von  Porta 
maggiore  verfolgen  lässt.  Seitdem  Sixtus  Y.  im  Jahre  1585 
aus  derselben  Gegend  und  in  fast  identischem  Lauf  seine 
neue  Acqua  Feiice  zum  Tbejl  mit  Benutzung  des  alten  Mate« 
rials  nach  Rom  geführt  hat,  ist  ziemlich  allgemein  angenom- 
men worden,  dass  dies  eben  die  Alexandrina  sei^^').    Man  hat 

101^  VoQ  den  stadtröroischea  Neubauten  des  Severus  uod  Caracalla 
ist  Form«  S.  9.  37  ff.  gebaodeU  worden.  V^I.  obeo  S.  373.  Dass  die 
aqua  Severiana  uiter  denselben  nicht  genanat  wird  und  nur  in  der 
Notitia  erscheint»  iumn  iVeilich  Zweifel  daran  erregen  dasa  sie  eine 
neue  Leitung  war-  Doch  vgl.  A.  102. 

!<>')  Lampridius  Alex.  Sev.  25:  ipse  nova  mutta  eonstitaü,  in  hü 
thermas  nominis  aui  iuxta  eas  quae  Neronianae  fuerunt  aqua  indmta  quae 
AlexanäPiana  nunc  dicitur.  Die  Excerpte  über  die  Kaiserbauten  nennen 
nur  die  Thermen  (Bd.  2,  33),  die  Notitia  beide  Werke.  Von  Restan- 
ratioval^auten  werden  von  dem  Biographen  das  Iseum  (c.  26)  und  die 
Thermen  des  Caracalla  (c.  25),  nicht  der  Gircus  genannt,  dessen  In- 
schrift doch  erhalten  ist  (CiL  6;  1,  1083).  Ich  führe  dies  an^  weil  man 
daraus  ersieht  wie  lückenhaft  und  zufallig  unsere  Kenntniss  der  spä- 
teren Kaiserbauten  ist.  —  Gegen  Fabrettis  Identificirung  der  ^leofan- 
drvna  mit  der  beschriebenen  Leitung  (s.  Bd.  2,  226  f.)  ist  so  viel  ich 
weiss  nichts  Stichhaltiges  vorgebracht.  Denn  für  Parkers  Behauptung, 
das  Ziegelwerk  trage  den  Charakter  des  1.  oder  2.  Jahrhunderts  (Aq. 
S.  88 :  daher  benennt  er  die  Leitung  trajanisch  oder  hadriaoisch,  oben 
A*  100),  werden  wir  van  competenter  Seite  die  Bestätigung  abzuwarten 


478  THEIL  L 

dafür  auch  geltend  gemacht,  dass  in  der  5.  Region  ein 
nymphaeum  Alexandri  genannt  wird  und  hat  dieses  bald  in 
der  Ruine  ^Minerva  medica',  bald  in  der  Ruine  'Trofei  di 
Mario'  finden  wollen  (über  beide  Gebäude  s.  Bd.,  127  ff,, 
517  ff.).  Die  letzte  Annahme  ist  unmöglich,  wenn  auch  eine 
sichere  Benennung  des  Monuments  noch  nicht  gelungen  ist 
Die  Wasserhöhe  dieses  grossartigen,  ehemals  mit  den  jetzt 
auf  der  Balustrade  des  Kapitols  stehenden  Trophäen  verzier- 
ten Brunnens  {locus)  ist  viel  höher  als  die  der  sogenannten 
aqua  Akxandrina,  unsicher  ist  es,  ob  sie  der  Wasserhdhe  der 
lulia  oder  des  Änio  navus  entspricht.  Bögen  der  Zweig- 
leitung, welche  das  Wasser  dem  Monument  zuffibrten,  stan- 
den noch  in  diesem  Jahrhundert.  Das  Mauerwerk  des  Mo- 
numents wie  der  Bögen  gilt  für  spät,  unter  den  erwähnten 
Trophäen  soll  eine  Widmung  (?)  eines  Freigelassenen  des 
Domitian  stehen.  Ein  kaiserlicher  Bau  ist  es  unzweifelhaft, 
errichtet  an  der  Scheide  zweier  aus  dem  esquilinischen  Thore 
ausmündenden  Strassen  (oben  S.  361  f.);  wie  derselbe  zu 
dem  Namen  'Cimbrum'  und  'trofei  di  Mario'  gelangt  ist, 
wissen  wir  noch  nicht  ^^*).  —  Dagegen  hat  die  Identificirung 

babeo.  Eatscheideo  müssen  die  Stempel:  aber  den  halb  zerstörten  auf 
einem  4ater . .  arcubas  primitivis  insertns'  mit  der  Inschrift  (im  Sasseren 
Rinjf:)  opus  doUa  [re , .  ,]i  Aug  (im  inneren:)  ex  fig[Unis  Caesa]rit 
n(ostri)j  (im  Centram  schreitender  Hnnd)  bei  Fabretti  1,  5  T.  V.  S.  13 
kann  ich  nicht  verificiren. 

^^^)  Ein  den  'Trofei'  allerdings  sehr  ähnlicher  Bau  ist  aaf  der  von 
Lenormant  pnblicirten  Münze  des  J.  226  (Revne  nnm.  1842  S.  336) 
dargestellt:  indessen  ist  trotz  Visconti  (Ball.  man.  2,  227)  diese  Aehn- 
lichkeit  kein  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  Benennung  nymphaeum 
j4lexandH\  ist  die  Alsstandrina  die  von  Fabretti  so  benannte  Leitung, 
so  is^  ihr  ^iveaa  sicher  niedriger  als  das  der  Leitung  dei*  Trofei, 
mögen  nun  die  französischen  Architekten  rechthaben,  welche  imJ.  1822 
das  der  luka  mit  ihm  übereinstimmend  fanden  (Nibby  Roma  ant.  1,  358), 
oder  Parkers  Architekt,  der  das  des  Anio  novus  und  der  daudüt  überein- 
stimmend fand  (Gori  Baooarotti  1871,  126  f.  Parker  Aq.  S.  125  T.  XII), 
was  ich  nicht  entscheiden  kann.  —  Zeit  des  Baus:  Das  Mauerwerk 
sowohl  der  'Trofei'  wie  der  dazugehörigen  Leitungsbögen  hielt  Nibby 
a.  0.  für  severianischc  Arbeit.  Die  wenigen  Buchstaben  einer  kürzlich 
in  den  Trofei  entdeckten  grossen  Inschrift  .  .  oma  .  .  |  .  .  to  .  .  lehren 


§  7.]  WASSERLEITUNG.  479 

des  nymphaeum  Akxandrt  mit  der  *  Minerva  Medicd\  einem 
Gebäude,  welches  nach  der  Technik  des  Ziegelwerks  sicher 
in's  3.  Jahrhundert  gehört  und  dessen  Bestimmung  alsTheil 
eines  grossen  Wasserwerks  durch  die  kürzlich  erfolgte  Auf- 
deckung der  Röhrenleitung  ausser  Zweifel  ist,  sehr  grosse 
Wahrscheinlichkeit,  wenn  auch  wegen  der  weitreichenden 
Folgerungen,  welche  diese  Annahme  für  die  Topographie  der 
5.  Region  haben  würde,  das  Urtheil  bis  zu  der  hoffentlich 
zu  erwartenden  Beendigung  der  Ausgrabungen  ausgesetzt 
werden  muss.  —  Nach  alledem  ist  es  immer  noch  zweifel- 
haft, ob  die  gedachte  Leitung  die  AUxandrina  ist,  aber 
ebenso  unzweifelhaft,  dass  ihr  ein  anderer  Name  mit  Sicher- 
heit nicht  beigelegt  werden  kann. 

Yon  spater  erbauten  neuen  X.eitungen  oder  auch  nur 
von  umfangreichen  Reparaturen  der  alten  ist  uns  Nichts  be- 
kannt Zwar  giebt  das  Verzeichniss  der  Notitia  19  Namen. 
Allein  4  derselben  fallen  als  Namen  uns  bekannter  Neben- 
leitungen weg:  die  drei  übrigen  sind  unerklärt,  möglicher- 
weise ebenfalls  Namen  von  Zweigleitungen,  schwerlieh  Doppel- 
namen von  anderen.  Wenn  noch  später  Prokop  14  Leitun- 
gen zählt  (Bd.  2,  228),  so  ist  es  klar,  dass  er  mit  Zuhilfe- 
nahme einer  und  der  anderen  Nebenleitung  —  welcher,  ist 
nicht  auszumachen  und  auch  gleichgiltig  —  die  Zahl  auf  14 
abrundete,  unzweifelhaft  den  14  Regionen  und  14  Stadt- 
thoren  zu  Liebe  ^°*). 


Nichts  (LanciaDi  ßuli.  comun.  1877,  11).  Dagegfn  ist  die  Zeit  der  Ao- 
fertigang  der  durch  Sixtus  V  auf  die  Balustrade  des  Kapitols  versetzten 
Marmortrophäea  der  Seitenoischco  sicher  (was  Bd.  2, 519  übersehen  ist). 
Cittadioi  (in  den  Bandglossen  zuLigorius  bei Martinelli Roma  sacra  S.  430): 
4o  fni  il  primo  che  scopersi  che  quelli  trofei  erano  di  Oomitiano  de 
Germanis  havendo  trovata  queila  inscrittione  sotto  uno  di  essi  ancor 
prima  che  fossero  mossi  di  lä.  cioe  imp.  Dom.  Aug.  \  Ger.  per.  \  Cre.  Üb.*: 
so  der  Druck,  die  Hss.  nach  Bruzza  Ann.  1870,  111,  der  Übrigpens  nur 
die  Inschrift  selbst  wiedergiebt,  Chres{tmum)  lib{ertum).  Demnach 
wäre  weiter  zu  nntersuchen  von  welchem  der  zahlreichen  Domitianiscben 
Bauwerke  sie  stammen  können. 

^^)   Die    4   Nebenleitnngen    des   Verzeichnisses  sind:   6  Hereulea 
7  Caerulea   9  Auguutea    18  ^ntoniniana  {antoniania  die  Hss.).  —   Un- 


480  TUEiL  l 

Dass  in  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  der  Wasser- 
leitungsbau  plötzlich  zum  Stehen  gekommen  ist,  ist  ein 
Symptom  der  grossen  Veränderung  des  Kulturzustandes  in 
dieser  Epoche.  An  vereinzelten  Riesenbautai  hat  es  freilich 
in  der  unmittelbar  folgenden  diocletianisch-constantinischen 
Zeit  nicht  gefehlt  (ich  erinnere  an  die  Thermen  Diocletiaos, 
die  Basilica  und  die  äbrigen  Bauten  Constantins)  und  die  Be- 
wässerung derselben  mit  den  vorhandenen  Leitungen  wird 
nicht  unterlassen  worden  sein.  Aber  das  grossartige  System 
derselben  —  die  grossartigste  Schöpfung  der  römischen  Bau- 
kunst im  Dienste  der  städtischen  Wohlfahrt  —  zu  erweitern, 
fehlten  dieser  Zeit  wohl  nicht  blos  die  Mittel,  mehr  noch 
der  Sinn,  der  bis  dahin  noch  den  Staatsorganismus  beseelt 
hatte. 


erklärt  bleiben  12  Ciminia  13  j4urelia  14  Damnata,  Da  Doppelaameo 
in  dem  Verzeicbniss  so  gut  wie  garnicht  nachweisbar  sind  (oben  S.  424), 
so  ist  die  Annahme  Ciminia  «»  Aurelia  «»  Traiana  (S^bbatioa)  von 
vorahereia  unwahrscbeinliefa ;  Murdia  =  Aureiiami  ist  ganz  haltlos ; 
ob  an  Interpolation  aus  den  viae  (IZ,  29)  zu  denken  ist,  bleibt  unge- 
wiss.  Ebensowenig  weiss  ich  jetzt  Sichreres  über  die  Danmata  (=  d(h 
traciana  [so]  derHs.  des  Silvias?)  zu  sagen.  Wenn  eine  Diocletianische 
Leitung,  lovia,  existirt  hätte  (Bd.  2,  228  f.),  so  wäre  sie  sicher  in  dem 
constantinischen  Verzeicbniss  aufgeführt  worden.  Oder  ist  dotraciami 
s=  Diochtiana?  Wiederhersteiinngea  von  Wasserleitiingen  in  Lambase 
dorcb  Diocletian  sind. bekannt :  .Renier  108 f.  117. 


§  8. 
DER  INNERE  AUSBAU. 

Während  die  Umrisse  des  äussern  Wachsihums  der  Stadt 
in  den  späteren  Bildungen  sich  unverwischt  erhalten  haben, 
wie  die  Formen  yorweltlicher  Pflanzen  in  den  Gesteinen 
späterer  Erdbildungsschichten ,  hat  das  feinere  Geäder  des 
ursprünglichen  inneren  Organismus  den  Veränderungen  der 
Jahrhunderte  geringeren  Widerstand  geleistet.  Und  doch 
fuhren  so  manche  Spuren  darauf,  dass  wir  in  dem  kaiser- 
lichen das  republikanische,  in  diesem  das  königliche  Rom 
noch  wiedererkennen  dürfen.  Nicht  allein  einzelne  Gebäude, 
wie  das  Tullianum,  stehen  noch  da  als  Marksteine  zur  Orien- 
tirung,  sondern  Märkte  und  Hauptstrassen  haben  im  Wesent- 
lichen ihre  Lage  nicht  verändert  und  nicht  yerändern  kön- 
nen. —  Wir  werden  zuerst  zu  untersuchen  haben,  wie  es 
mit  der  weitverbreiteten  Annahme  bestellt  ist,  dass  schon  im 
Alterthum  —  über  das  Mittelalter  ist  in  der  Einleitung  be- 
richtet worden  —  gewaltsame  Umgestaltungen,  besonders  in 
Folge  grösser  Brände,  eine  völlige  Neugestaltung  der  Ursprung- 
lidien  Stadt  herbeigeführt  haben.  Denn  um  eine  solche 
allein  handelt  es  sich:  die  zahh^eichen  Restaurationsbauten, 
die  Aufhöhung  des  Strassenplanums  durch  die  Schuttmassen 
(S.  130.  §  7  A.  84)  kommen  hier  nicht  in  Betracht.^) 


^)  Noch  mehr  wie  io  den  frühereo  Abschoitteo  ist  hier  auf  die 
AnsfahraDgeii  im  II.  Theil  za  verweisen.  Indessen  schien  andrerseits 
für  die  dort  zn  gebende  Darstellung  die  übersichtliche  Zusammenfassang 

Jordan,  rOmische  Topogpraphie.    Li.  31 


482  'I'HBIL  I. 

Yon  sieben  grösseren  Bränden  vor  Augustus  haben  sich 
aus  der  Stadtchronik  mehr  oder  weniger  genaue  Nachrichten 
gerettet.  Sieht  man  von  verallgemeinernden  und  augenschein- 
lich übertreibenden  Phrasen  spätester  Schriftsteller  ab,  so 
ergiebt  sich  aus  ihnen  deutlich,  dass  es  zwei  Ueerde  der 
Brände  gab,  die  ihrer  Natur  nach  gleichartig  waren:  das  ge- 
werbliche Viertel  längs  des  Tiber  von  porta  Trigemina  bis  zu 
den  Wurzeln  des  Kapitols,  und  die  unmittelbare  Umgebung 
des  grossen  Forum.  Beide  enthielten  in  ihren  Läden  und 
Waarenlagem  reichlichen  Zündstoff,  mit  dessen  Vernichtung 
auch  das  Feuer,  wenn  auch  oft  erst  nach  zwei-  bis  dreitägi- 
gem Wüthen,  aufzuhören  pflegte.')  Es  ist  also  ein  verhält- 
nissmässig  kleiner  Theil  der  servianischen  Stadt,  welcher  in 
älterer  Zeit  wiederholt  der  Vernichtung  preisgegeben  war. 
Dass  in  diesem  Theil  das  Feuer^  einmal  ausgebrochen,  leicht 
Tage  lang  wüthete,  ohne  zum  Stehen  gebracht  werden  zu 
können,  ist  bei  der  Natur  des  damaligen  Baumaterials  be- 
greiflich. —  Aber  auch  die  grossen  Brände  der  Kaiserzeit 
haben  ähnliche  Ursachen  und  ähnlich  beschränkte  Gebiete 
gehabt.    Die  Heerde  derselben  waren  ausschliesslich  die  jetzt 


der  Hauptthatsachen  nicht  entbehrt  werden  zu  können.  Es  mtig  hier 
für  die  voraognstische  Zeit  an  die;  wenn  auch  kurze,  doch  scharf  ge- 
zeichnete Skizze  in  Sachsens  vergessenem  Buche  1,  657  ff.  erinnert 
werden:  fdr  die  Kaiserzeit  an  Friedländers  ausgefohrteres  Bild  Darst 
1 S  1  ff. 

')  Brände  von  den  Salinen  bis  zum  Kapitol  541  (Liv.  24,  47),  vom 
Rindermarkt  bis  zum  Tiber  562  (35,  40);  in  der  Umgebung  des  Fornmä 
513  (Oros.  4,  11;  nur  von  dem  Vestatempel  handeln  die  von  Kempf 
zu  Val.  M.  1,  4,  4  ang.  St.)  544  (26,  33)  576  (Obseq.  8).  Sehr  merk^ 
würdig  ist  die  Ton  Orosins  zweimal  gegebene  Beschreibung  eines  Braa'- 
des,  welcher  im  J.  700  phtrimam  urhis  partem  .  .  .  Xlf^  vtcos  (eiut 
fügen  Hss.  an  der  zweiten  Stelle  ein)  cum  vico  iugario  (6,  14.  7, 
2),  also  wohl  wieder  die  Gegend  der  Brande  von  541.  562,  zerstörte. 
Liegt  hier  im  Ausdruck  eine  confuse  Einmischung  der  14  Regionen 
vor?  Er  fügt  hinzu,  Augustus  habe  restauriren  müssen!  Obsequens  65 
(der  das  J.  704  angiebt)  sagt  kurz  maxima  pars  urbisy  und  es  mag 
danach  der  Werth  des  wörtlich  gleichen  Ausdrucks  über  den  Brand  von 
643  (Obs.  39,  nur  bei  ihm  verzeichnet)  bemessen  werden. 


i  8.]  DER  INNERfi  AUSBAU.  4g3 

namemflich  llngs  des  Circus,  am  Forom  ttud  der  sacra  via, 
den  saepta  auf  dem  Marsfelde  in  eigenen  Magaiiinen  oder 
den  mit  den  grossen  öffentlichen  Bauten  verbundenen  Läden 
aufgespeicherten  Waaren:  so  erklärt  sich  die  sich  immer 
wiederholende  ßrandbeschädigung  öffentlicher  Gebäude,  die 
sonst  weder  durch  ihr  Material,  noch  durch  ihre  Benutzung 
Anlass  zur  Entstehung  eines  Feuers  boten.  Wenn  in  der 
Regel  trotz  des  unzureichenden  Feuerlöschwesens  der  Brand 
auf  seinen  Heerd  beschränkt  bleibt  und  mit  der  Vernichtung 
der  Vorräthe  sein  Ende  erreicht,  so  liegt  das  daran,  dass  jene 
Bauten  meist  isolirt  standen,  oder  gar  durch  Umfassungs- 
mauern gegen  die  umhegenden  Strassen  geschützt  waren.  ^) 

Besondere  Bedeutung  wurd  von  den  Alten  selbst  dem 
gallischen  und  dem  neronischen  Brande  beigelegt:  jeder  von 
ihnen  soll  das  alte  Rom  vernichtet  und  die  Herstellung  eines 
völlig  neuen  veranlasst  haben.  Man  hat  bisher  unterlassen 
zu  untersuchen,  in  wie  weit  die  Beschreibungen  beider  diese 
Annahme  rechtfertigen.  —  Die  Details  der  Beschreibung  des 
Wiederaufbaus  nach  dem  gallischen  Brande  sind  klaglich  zu- 
sammengebettelt und  im  WesentUchen  nichts  weiter  als  roiss- 
lungene  Erklärungen  späterer  Zustände,  mag  nun  die  Quelle 
sein,  welche  sie  wolle.  Zur  Zeit  Ciceros  konnte  man  Rom, 
die  auf  Bergen  und  Thälern  gelegene,  in  ansteigenden 
Stockwerken  aufgethürmte  Stadt  mit  den  schlechten  Strassen 

')  Die  grossen  Brande  der  Kaiserzeit  bis  zum  J.  238  zählt 
Friedläader  Darst.  1^  27  ff.  auf.  Spätere:  anter  Aurelian  die  Hallen 
der  Thermen  des  Garacalla  (Ghronogr.  S.  648,  10),  unter  Carinus  und 
Numerian  die  Gebäude  zu  beiden  Seiten  des  Forum  (das.  Z.  19  f.), 
unter  Maxeatius  der  T.  der  Roma  (das.  Z.  33).  Herstellungen  naeh 
Bränden  (?):  der  Saturntempel  (wann?);  die  basiHca  luHa  372;  vgl. 
Einl.  §  2  A.  35.  —  lieber  das  öffentliche  Feuerlöschwesen  §  7  S.  460. 
Doch  wird  nach  dem  neronischen  Brande  durch  Vermehrung  der 
Brunnen  ermöglicht  ut  .  .  subsidia  reprimendU  ignibus  in  propatulo 
quisque  haberet  (Tac.  Ann.  15,  43),  daher  der  praef,  vig,  anordnet 
ut  aquam  unus  quisque  inquäinus  in  cenactdo  habeat  (Digg.  1,  15,  4). 
—  lieber  die  Anlage  von  Läden  und  Verkaufsständen  unter  den  Hallen 
des  Erdgeschosses  fast  aller  öffentlicher  Gebäude,  namentlich  der 
Schauspielgebäude,  vgl.  Forma  S.  19.  43  Hermes  9,  421. 

31* 


484  TBBIL  I.  . 

und  engen  Gassen,  verachten  lernen,  wenn  man  an  Capna 
mit  seiner  bequem  in  der  Ebene  entwickeUen  Anlage  dadite. 
Es  galt  diese  Unregelmässigkeit  der  herrschenden  Stadt  zu 
erklären^).  Wäre  fiom  in  seinen  ebenen  Tbeilea  geradlinig 
gebaut  gewesen,  so  hatte  man  aus  der  angeblichea  Thatsache, 
dass  die  Stadt  dem  Erdboden  gleichgemacht  worden,  den 
Schluss  gezogen,  dass  die  Verwischung  allex  Grenzlinien  Ton 
Staats-  und  Privateigentbum  nun  erlaubt  habe,  nach  den 
Grundsätzen  der  Limitation  die  neue  Stadt  aufzubauen.  Da 
dieser  Schluss  nicht  m^lich  war,  schien  der  entgegeiigesetzte 
zulässig,  dass  jene  Verwischung  ein  buntes  Durcheinander 
von  Häuserbauten,  die  freie  Auswahl  der  Bauplätze  veranlasst 
habe.  Und  der  geneigte  Leser  mag  sich  nun  ausdenken, 
wie  es  gelungen  sein  mochte,  doch  noch  die  alten  Haupt- 
verkehrswege nach  den  Thoren  und  von  diesen  zu  den 
Märkten  wieder  herzustellen.  Aber  auch  die  alten  Hauptver- 
kehrswege  wurden  ja  nicht  wiederhergestellt:  denn  früher  liefen 
auf  oder  unter  ihnen  die  Kloaken,  nach  dem  Wiederaufbau 
durchkreuzten  sie  Staats-  und  Privateigentbum  nach  allen 
Richtungen.  Gewiss  ein  schülerhafter  Versuch,  das  erst 
später  weiterverzweigte  Kloakensystem  zu  erklären!  Aber  viel 
wichtiger  noch  sind  die  angeblichen  Senatsmaassregeln  oder 
Volksbeschlüsse,  nach  welchen  aus  den  öffentlichen  Ziegeleien 
den  einzelnen  Bürgern  die  Ziegel  unt^  der  Bedingung  ge- 
liefert wurden,  dass  jene  sich  verpflichteten,  binnen  Jahres- 
frist den  Wiederaufbau  zu  vollenden.  Denn  diese  Angabe 
beweist,  dass  die  Bestimmungen,  welche  die, Städteordnungen 
der  cäsarischen  Zeit  über  das  Niederreissen  und  den  Wieder- 
aufbau von  Häusern  enthielten,  innerhalb  gewisser  Grenzen 
auch  für  Rom  galten  und  dass  man  nach  diesen  si^h  frisch- 
weg den  Wiederaufbau  Roms  nach  dem  Brande  gedacht  hat  *). 


*)  Cicero  de  lege  agr.  2,  35,  96:  Romam  in  moniibus  positani 
et  convaÜibuSy  cenaculis  sublatam  atque  suspensarrtj  non  optimis  vm, 
angustissimis  semüisy  prae  sua  Capua  planissimo  in  Logo  explicata 
ac  prae  Ulis  aedibiis  irridehunt  atque  contemnent. 

^)  Die  Quellen  (besonders  Livius  5,  55  Diodor  14,  116  vgl.  Schwedt- 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  485 

Es  steht  also  mit  der  sogenannten  Gescbichte  desselben  un- 
gefähr wie  mit  der  sogenannten  Geschichte  der  Errichtung 
des  Plebejerqaartiers  auf  dem  Aventin:  nicht  ein  einziger 
Zug  ist  in  beiden  alte  Ueberlieferung.  Wie  man  sichs  über- 
haupt denken  soll,  dass  mit  der  Niederbrennung  der  Holz- 
häuser und  Lehmziegelhütten  zugleich  die  Strassenzüge  ver- 
schwinden konnten,  dass  in  dem  Gedächtniss  der  auf  die 
Burg  gefluchteten  Yertheidiger  in  wenigen  Monaten  jede  Er- 
innerung an  den  Besitzstand  ausgelöscht  worden,  während  doch 
nachweislich  Verheerungen  ganzer  wesentlich  noch  mit  demsel- 
ben Material  gebauter  Stadttheile  in  späterer  Zeit  dies  Wunder 
nicht  gewirkt  haben,  bleibt  mir  unyerständfich  und  ich  habe 
deshalb  einstweilen  (oben  S.  274)  unbedenklich  angenommen, 
dass  der  Name  und  die  Lage  des  vicus  Tuscus  sich  unver- 
ändert aus  der  Zeit  ihrer  Entstehung,  der  Zeit  der  Tarqui- 
nier,  über  den  gallischen  Brand  hinaus  bis  in  die  Zeiten  des 
Plautus,  des  Cicero  und  des  Martial  gerettet  haben  und  die 


1er  3,  276  f.)  gjtiüQmen  in  allem  Wesentlichen  überein :  pronU^ee  urb* 
aedifieari  eoepta  .  .  .  festinatio  curam  exemit  vicos  dirigendiy  dum 
omisso  sui  alienique  ^.ücrirnine  in  vacuo  aedificant;  Wmxav  i^ovaiav 
xaS-^  oy  nQor^qrjfVTai  ronov  oixtav  oixoSofJiitv.  Kloaken:  nur  Livius 
(§  1  A.  59).  Ziegeleien:  teffula  publica  praebäa  est:  saxi  materiae- 
que  caedeTidaB  unde  quisque  veUet  ias  faetumy  praedibus  accepiis 
00  anno  perfecturos;  drifioaias  xs^afu^ag  ^oq'ifyovv  a%  fii/Qt 
jov  vvv  noXitixal  xaXovvtat,  Niebohrs  (2^  645  f.)  und  Schweglers 
Deutungen  dieser  Dinge  können  wir  jetzt  bei  Seite  lassen.  Die  Städte- 
ordnungen der  Zeit  Caesars  bestimmten  (Lex  Ursen.  §  75):  nequis  in 
oppido  .  .  •  aedificiuM  detegito  neue  demoUto  neve  disturbatOy  nisi 
si  praedes  II  vir{um)  arbüratu  dederit  se  redaedificaturum  .  .  . 
oder  (Lex  Malac.  §  62):  rtoquis  in  oppido  .  .  .  aedifieium  .  .  .  (ähn- 
lich) quod  restäurus  intra  proximum  annum  non  erit.  Das  in- 
direkte Zeugniss  des  Livius  also  hätte  fiiglich  benutzt  werden  können 
um  zu  beweisen,  dasis  ähnliche  Bestimmungen  schon  zur  Zeit  Caesars 
und  früher,  wie^  nachweislich  in  der  Kaiserzeit  (M ommsen  Stadtr.  480  ff. 
vgL  Eph.  epi(^.  3, 111),  audi  för  Rom  falten.  JNiehts  Sicheres  vermag  ich 
über  die  '  Staatsziegeleien ',  ^^^'nae/rnddcoe,  der  Zeit  Diedors  zu  sagen 
(vgl.  Einl.  §  2  A.  27).  Doch  kann  an  der  richtigen  oder  unrichtigen 
Rückdatirung  bestehender  Einrichtungen  auch  hier  nicht  gezweifelt 
werden. 


486  THESL  I. 

weitere  Betrachtung  der  Strassennamen  wird  die  Berechtigung 
dieser  Annahme  bestätigen. 

Dem  gallischen  Brande  gleich  an  umgestaltender  Wirkung, 
ja  als  ein  zweiter  Brand  Jlions,  gilt  schon  den  Geschicht- 
schreibern der  flayischen  Epoche  der  neronische:  wiederum 
war  durch  ihn  das  'alte  Bom'  in  Trümmer  gesunken,  das 
neue  erstanden.  Indessen,  man  lasse  sich  durch  die  Rhe- 
torik nicht  täuschen:  die  Thatsachen  widerlegen  diese  Auf- 
fassung mit  unerbittlicher  Sicherheit.  Nicht  der  neronische 
Brand,  sondern  die  Sprengung  des  Doppelringes  der  Mauer 
und  des  Pomerinm  durch  SuUa  und  Caesar  (§  5)  haben  die 
neue  Stadt  geschaffen  und  die  kaiserliche  Munific^z  des 
Augustus  das  kühn  begonnene  Unternehmen  in  so  grossem 
Umfange  weitergefördert,  dass  die  späteren,  wenn  auch  nodi 
so  bedeutenden  Bauten  dagegen  geringfügig  erscheinen. 
Verschwunden  waren  nun  die  alten  Häuserlabyrinthe  der 
Vorstadt  am  Flussthor  einerseits,  des  Argiletum  an  der  Nord- 
seite des  Forums  andrerseits,  ersetzt  durch  die  Prachtanla- 
gen dort  des  Theaters  des  Marcellus,  hier  durch  die  der 
beiden  fora^  des  julischen  und  des  augustiscfaen.  Es  schlös- 
sen sich  an  die  Anlagen  auf  dem  Esquilin,  die  porticus  und 
das  macellum  der  Livia,  die  Durchbrechung  und  Umgestal- 
tung des  Walls;  Unternehmungen  welche  sichtlich  auf  die 
Erweiterung  der  Verkehrsadern  nach  jener  Seite  gerichtet 
sind  und  nachweislich  mit  der  Beseitigung  der  Enge  am 
esquilinischen  Thor  die  Umlegung  der  Strassenläufe  mit  sich 
geführt  haben  (oben  §  6  S.  361).  Aehnlich  wird  es  anderen 
Thoren  ergangen  sein  —  nicht  allen:  denn  das  coUinische 
ist  nie  beseitigt  worden  (das.  A.  30),  das  capenische  noch 
von  Domitian  wiederhergestellt  — :  an  ihre  Stelle  traten  zum 
Theil  Triumphbögen  (§  6  A.  20  a)  und  die  Anlage  oder  doch 
die  Veryo]]ständigung  grosser  Verkehrsstrassen  längs  der  Be- 
festigungslinie mag  in  diese  ^  Zeit  fallen.  Dass  endlich  die 
riesenhafte  Vermehrung  und  künstlerische  Ausschmückung 
der  Brunnen  auf  den  Plätzen  und  an  den  Strassenkreuzungen 
(§  7),  die  Aufstellung  der  Kaiserlaren  durch  die  ganze  Stadt 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  487 

(anten)  nicht  ohne  vielfache  Regulirungen  und  Erweiterungen 
dieser  wesentlichen  Theile  des  Strassennetzes  durchfuhrbar 
waren,  versteht  sich  von  selbst.  —  Betrachten  wir  nun  die 
Schilderung  des  Brandes  in  ihren  Einzelheiten.  Die  Frage, 
io  wie  weit  derselbe  als  Brandstiftung  zu  bezeichnen  ist,  ist 
dabei  gleichgiltig.  Allerdings  ist  er  von  allen  historisch  be-^ 
kannten  der  bedeutendste:  schon  seine  neuntägige  Dauer  — 
zwei  bis  drei  Tage  währten  sonst  wohl  die  grossesten  Brände 
—  beweist  dies.  Ausgekommen  in  den  Läden  des  Circus 
fand  er  wie  andere  Brände  in  den  Magazinen  der  elften  und 
der  anstossenden  achten  Region  reichliche  Nahrung,  breitete 
sich  iQber  den  Palatin  und  die  Läden  der  sacra  via  nach 
der  Yelia  aus  und  kam  am  Fuss  des  Esquilin  nur  dadurch 
zum  Stehen,  dass  man  ihm  durch  Niederreissen  ganzer 
Strassenviertel  die  Nahrung  entzog:  so  sollen  drei  Regionen 
(sicher  die  11.  und  3.,  dazu  die  4.  oder  10.?)  ganz  zerstört 
worden,  nur  vier  ganz  verschont  geblieben  sein  (sicher  die 
7.  14,,  wohl  auch  die  2.  und  6.):  die  übrigen  sieben  seien 
^bis  auf  wenige  Häuser'  untergegangen^).    Aber  namenüicb 

*)  Tacitns  Ann.  15,  38:  inUium  in  ea  parte  drei  ortum  quae 
Palatio  Cadioque  monHbui  eontigua  eH,  uhi  per  tabemas  qtäbus  id 
merdmonium  ineraty  quo  f,amma  alitur  (oben  A.  8),  sinuä  eoeptus 
ignü  et  staäm  vaUdus  ae  vento  citus  longüudinem  drei  corripuit. 
neque  enim  domtis  munimentis  saeptae  vd  iempla  muris  dncta  aut  quit( 
aliud  morae  tnteriaeebat,  impetu  pervagatum  tncenditm  plana  urbis  (vgl, 
oben  §  1  A.  17),  deinde  in  edUa  assurgens  et  rursus  if\feriora  popU" 
lando  anie&t  remedia  ^heüate  tnaU  et  öbnoxia  urhe  artis  üineribut 
huapte  et  ükie  fleäds  atque  enormibus  vids,  quaHs  vetus  Roma  fuit^ 
Nero  kebrt  auf  die  Nachriebt,  das  Feuer  nahe  dem  ^goldnen  Hause', 
ans  Antiam  zuriick  (39):  neque  tarnen  sisU  potuU  {igtäs\  quin  et  Pa^ 
Uttium  et  domus  et  cuneta  drcum  haurirentur,  sed  soladum  populo 
exturhato  ae  profugo  eampnm  Mortis  ae  monumenta  ^grippae^  hortos 
quin  etiam,  iuos  •  .  .  (40)  sexto  demum  die  apud  imas  Esquilias  /(ms 
ineendio  factus  prorutis  per  immensum  aedifidis,  ut  contimiae  vielen- 
Hob  campüs  et  velut  vacuum  cadum  oeeurreret,  necdum  posito  metu 
(post  mdus  die  Hs.)  (flut  rediebafy  leoius  {letfis  die  2.  Hd.,  lebis*** 
die  1.)  rursum  grassatus  ignis  patulis  magis  urbis  locis  (so  möchte 
ich  mit  Streichung  der  Glosse  schreiben:  das  Uebrige  haben  Andere 
verbessert)  eoque  strages    homtnum   minor,    delubra  deutn  et  porücus 


488  7HEIL I. 

die  letzte  Angabe  halt  yor  einer  genaueren  Untersudiinig 
nicht  Stich.  Es  widerspricht  ihr  die  Schiidening  des  Laufe 
des  Brandes,  sicherer  noch  die  von  dieser  rhetorisch  gefärb- 
ten Beschreibung  unabhängige  statistische  UeberUefernng  über 
die  Zahl  der  zerstörten  Häuser:  4000  imidae  132  domm$. 
Denn  wenn  in  der  Zeit  Constantins  allein  die  drei  Regionen 
3.  4.  11  nach  der  besten  Ueberlieferung  8014  insulae  236 
doniu$  enthielten  (oben  S.  312  ff.),  so  ist  es,  selbst  wenn 
man  die  Verdoppelung  der  Häuserzahl  in  denselben  während 
der  Zeit  von  Nero  bis  auf  Constantin  annehmen  wollte,  was 
nach  dem  unten  Gesagten  geradezu  unmöglich  ist,  augen- 
scheinlich, dass  die  sieben  *  bis  auf  wenige  Häuser'  zerstörte 


amoemUäi  dicatae  latius  procidere :  plusque  infamiae  id  incendium 
habuit,  quia  in  praediis  Tigeüini  AemilianU  proruperat  u.  s.  w.  Von 
den  14  Regionen  quattuor  itdegrat  manebant,  tres  solo  tentu  deiectae, 
Septem  rdiquis  pauea  tectorum  vestigia  supererant,  lacera  et  semusta,  Aas- 
drncklieh  werden  als  verbrannt  gpenannt  die  Tempel  der  Lnna  und  des 
Hercnles  (mit  der  ara  maxima)  am  Circns,  des  Jappiter  Stator  und 
der  Vesta  (mit  der  regia)  am  Palatin.  Bei  Dio  62,  17  f.  fehlt  sonst 
die  ßeschreibnng  der  Oertlichkeiten,  doch  sagt  er  znm  Sehluss:  ro  n  yag 
Halduov  j6  oqos  Ovfjinav  xal  t6  ^iaxqov  rov  Tavgov  r^s  J€  lotn^s 
noUtos  tä  (fi/o  nov  fUqtn  ixavdfi.  Ueber  die  Lage  des  im  Privatbesitz 
der  Statuier  verbliebenen,  nach  dem  Brande  von  ihnen  nicht  wieder 
hergestellten  Amphitheaters  (s.  jetzt  Jahresb.  1876, 186)  wird  gestritten ; 
jedenfalls  scheint  es  bei  dem  Wiederansbruch  des  Brandes  in  der  bis 
dahin  unberührt  gebliebenen  Gegend  der  7.  oder  9.  Region,,  wo  die 
Aemiliana  zu  suchen  sind  (Preller  Reg.  238  f.;  Tb.  II),  zerstört  zu  sein. 
—  Dauer:  übereinstimmend  mit  T.  Sueton  Mero  38:  per  sex  dies  sep- 
temque  noctes,  'Seneca'  (A.  7):  f7  dielms;  nicht  widersprechend  die 
Inschr.  des  Domitian  CIL  6,  1,  826  Z.  10  f.  (vg).  A.  11):  ...  qaando 
urbs  per  novem  dies  arsit  Neronianis  temporibus,  Ueber  den  Gang 
der  Feuersbrunst  stimme  ich  im  Ganzen  mit  Piale  (Della  grandezza  di 
Roma  al  tempo  di  Plioio  S.  15)  überein,  nur  dass  ich  den  Brand  des 
Amphitheaters  in  die  letzten  Tage  setze.  Dass  ein  'bedeutendes  Stück' 
des  Marsfeldes  abbrannte  (Preller  Reg.  165),  sagt  Tacitus  nicht;  über 
die  poriicus  amoenitati  dicatae  l'asst  sich  streiten  (s.  Th.  II).  —  Die 
hier  versuchte  Kritik  der  in  der  Regel  (auch  von  Schiller,  Nero  173  ff. 
422  ff.)  nicht  angezweifelten  Schilderung  stützt  sich  wesentlich  auf  die 
von  BUcheler  zuerst  herangezogene  statistische  Angabe  (A.  7). 


§  8.]  DER  IJNN£R£  AUSBAU.  48d 

Regionen  ganz  leer  ausgehen  würden^).  Es  kommt  hinzu, 
dass,  wenn  jene  Beschreibung  in  allen  Theilen  genau  wäre, 
wir  von  sehr  umfänglichen  Wiederherstellungsarbeiten  an 
den  öffentlichen  Gebäuden  hören  mussten,  wie  wir  beispiels- 
weise den  Umfang  des  Brandes  unter  Titus  aus  dem  Bauten- 
katalog  Domitians  (unten)  ersehen  können.  Wenn  dies  nicht 
der  Fall  ist,  wenn  uns  nicht  einmal  von  einem  grossen  Neu- 
bau des  Circus,  dem  Heerde  des  Brandes,  etwas  bekannt  ist, 
wenn  auf  dem  Palatin  das  Einl.  §  1  besprochene  aus  der 
Zeit  des  Augustus  herrährende  Privathaus,  und  trotz  der 
ausdrücklichen  Versicherung,  es  sei  mit  den  ältesten  Heilig- 
thümern  um  und  auf  diesem  Berge  die  regia  zu  Grunde  ge* 
gangen,  die  Marmorwände  derselben  nachweislich  die  nero- 
niscbe  Zeit  überdauert  haben  —  und  überhaupt  muss  man 
sich  hüten,  angeblich  ^verbrannte'  öffentliche  Gebäude  für 
vernichtet  zu  halten  —  so  haben  wir  Beweise  genug,  dass 
das  Flammenmeer  selbst  von  den  als  untergegangen  bezeich- 
neten Gegenden  weit  mehr  verschont  hat  als  es  die  phan- 
tastisch aufgeputzte  Ueberlieferuug  erkennen  lässt^). 

')  In  dem  untergeschobenen  Briefwechsel  des  Senecaund  Paulus  heisst  es 
(Ep.  12  Haase):  centum  triginta  duae  domus,  insulae  IUI  FI  diebus  arsercy 
septimus  pausam  dedä.  So  die  von  mir  verglichene  alte  Wolfenbüt- 
teler  Hs.  und  die  von  Bncheler  verglichene  Strassburger  (nur  dass  hier 
CXXXII  stand),  nach  welcher  zuerst  Bücheier  das  unmögliche  insulae 
quatuor  der  Ausgaben  beseitigt  hat  (N.  Jahrb.  f.  Philol.  1873,  567). 
Dass  anf  30  insulae  1  domus  durchschnittlich  kommt,  kann  nach  dem 
unten  Gesagten  uur  zur  Bestätigung  der  Angabe  dienen ;  nicht  zur  Ver- 
dächtigung derselben,  dass  Tacitus  sie  in  seiner  Quelle  nicht  fand 
(domuum  et  tnsularum  et  templorum  quae  amissa  sunt  numerum 
inire  haud  promptum  fuerit  c.  41),  Wir  kennen  sonst  nur  noch  2 
ähnliche  statistische  Angaben:  incendium  quod  trecentas  quadraginia 
insulas  vel  domos  (entweder  ist  et  d,  zu  lesen  oder  vel  d,  zu  streichen) 
absumpsit  (Capitolin.  Pius  9)  und  die  bedenkliche  Angabe  XIF  vicos 
cum  vico  iuffario,  oben  A.  2. 

^)  Es  ist  wenigstens  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dass  die 
Marmorquadern,  auf  denen  die  Fasten  eingegraben  waren,  die  Wände 
der  von  Domitius  Calvinus.im  J.  715  gebauten  r«^ia  bildeten:  auf  jeden 
Fall  haben  sie  zu  dem  Gebäude  und  seinen  Dependenzen  gehört  (Eph. 
epig^r.  3,  267  u.  Th.  II).     Ein  anderes  Beispiel,  die  aedes  Salutis  Claudi 


490  THEIL  I. 

Trotzdem  hat  der  neronisehe  Brand  unzweifelhaft 
grössere  Lücken  in  die  Häusermassen  gmssen^  als  irg^id 
einer  der  uns  bekannten  früheren  und  wird  namentlich  von 
der  Subura  Wenig  übrig  gelassen  haben:  die  ungeheurea 
Schuttmassen  wurden  zu  Schiff  nach  den  Sümpfen  von  Ostia 
geführt.  Dass  also,  wie  berichtet  wird,  bei  dem  Wiederauf- 
bau der  eingeäscherten  Stadttheile  durch  das  abermalige  Ein- 
greifen der  kaiserlichen  Munificenz  und  der  kaiserlichen  Bau- 
polizei die  Verbreiterung  der  Strassen,  die  regelmässig^re 
Anlage  der  Yerbindungsgassen,  die  Vermehrung  der  freien 
Plätze,  die  Einschränkung  der  Zahl  der  Stockwerke  und  des 
Holzbaus  wenigstens  in  den  unteren  ermöglicht  wurde:  mit 
anderen  Worten,  dass  in  diesen  Stadttheilen  das  Strassennetz 
und  der  Häuserbau  verbessert  wurde,  ist  glaublich;  auch  war 
eine  Neuerung,  dass  auf  Kosten  des  Kaisers  längs  der  Strassen- 
fronten  steinerne  gedeckte  Hallen  errichtet  wurden,  vermuth- 
lich  also  die  zur  Verbreitung  der  Brände  wesentlich  beitra- 
genden Holzvorbiauten  verboten  wurden.  Deutlich  erkennbar 
sind  diese  Hallen,  von  welchen  etwa  die  ähnlichen  Bauten 
des  heutigen  Verona  oder  Bologna  eine  Vorstellung  geben 
mögen,    auf  dem   kapitolinischen  Stadtplan*).     Allein    eine 


principaiu  exuHüy  auf  deren  Wänden  sich  doch  bis  auf  Plinias  35,  19 
die  älteren  Fresken  erhalten  hatten,  habe  ich  Comm.  in  hon.  Momms. 
S.  356  f.  besprochen» 

^)  lieber  den  Wiederanfbaa  Tacitns  43:  ceterum  urbis  quae  domui 
(der  aurea)  supererant  nof/iy  ist  post  GaUUa  incmuUa,  nulla  disUnttione 
nee  passim  sed  dimensis  vieorum  ordinibus  et  latis  viartim  spatiis 
eohibüaque  aedificiorum  aUüudine  ae  patefactis  areii  addüisque  porti' 
albus  ^  quae  frontem  insutarum  protefferent  y  Nero  sua  pecunia  ex^ 
trudurum  purgatasfpie  areas  dominis  traditurum  pMcitus  est.  Vgl. 
Suet.  Nero  16:  formam  aedißeiorum  urbis  novam  excoß^tavU,  ut 
{et  ut  die  Ansg.)  ante  insulas  ac  domos  porticus  essenty  de  quarum 
solarns  incendia  arcerentur  easque  sumptu  suo  extruasü,  Stadt- 
plan: Forma  S.  46.  Taeitns  spricht  im  Folgenden  von  praemia,  Sab- 
yentionen  für  die  Eigenthümer,  nach  Maassgabe  ihres  Vermögens 
namentlich  —  aber  wohl  nicht  ausschliesslich  —  zur  Beschlennigang 
des  Baues.  Dass  die  hölzernen  Vorbauten  weder  in  der  ganzen  Stadt 
noch  für  immer  verschwanden  zeigt  Friedländer  Darst  1^,  9. 


§   8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  491 

▼ollige  Veränderung  der  Verkehrsadern,  ist  unzweifelhaft  auch 
durch  diese  Neubauten  selbst  in  den  wirklich  ganz  einge- 
äscfaerten  Stadttheilen  nicht  erzielt  worden,  und  konnte  nicht 
erzielt  werden,  ohne  Vornahme  von  Terrainveränderungen^ 
^wie  sie  später  durchgeführt  worden  sind. 

Auch  die  späteren  Umgestaltungen  der  Stadt  haben  nur 
einzelne  Theile  derselben  betroffen.    Allerdings  scheint  zur 
Herstellung  des  Friedenstempels  im  J.   75  die  Niederlegung 
eines  Hügels  nothwendig  gewesen  zu  sein,  ist  ein  Theil  des 
Quirinal  abgetragen  worden,  um  das  Trajansfornm  zu  bauen, 
ein  andere  um  für  die  Thermen  des  Diocletian  eine  aus-* 
reichend  grosse  und  zugängliche  Fläche  zu  gewinnen  ^^) ;  aller* 
dings  hat  nach  dem  Brande  unter  Titos  Domitian  es  sich 
angetegen  sein  lassen,  nicht  allein  die  zahlreichen  eingeäscher-« 
ten  oder  beschädigten  Gebäude  wiederherzustellen,  sondern 
auch  aufs  Neue  für  die  Beseitigung  widerrechtlicher  Okkupa- 
tion der  öffentlichen  Strassen  und  Plätze  Sorge  zu  tragen 
—  eine  nicht  aus  dem  Rahmen  der  gewöhnlichen  Sorge  für 
die  Stadt   heraustretende  Thätigkeit,   welche   die  Hofpoeten 
und  Höfhistoriographen  über  Gebühr  gepriesen  haben  — ^^); 

^^)  Vgl.  im  Allgemeineii  S.  130;  über  das  sogenannte /ort/m  PaeU 
Th.  U,  über  das  trajaniscbe  einstweilen  S.  209.  Nach  Canevari  in 
dem  §  3  A.  30  a.  Bericht  (S.  432)  scheint  der  Bauplatz  für  die 
IMocl^tiansthermen  durch  Abtragen  einer  7  M .  hohen  Erdschicht,  welche 
gegen  den  Wall  hin  abgelagert  wurde,  gewonnen  worden  zu  sein. 

11)  Brand  v.  J.  80:  Dio  66,  24;  Wiederaufbau:  Martial.  5,  7,  Bau- 
tenkatalog Domitians  Bd.  2,  31  f.  Uebrigens  ist  ein  Theil  der  im  J. 
80  beschädigten  Bauten  erst  von  Hadrian  wiederhergestellt  worden: 
Forma  S.  35  §  6.  —  Martial  7,  61  {abstukrat  totam  temerarius  insU-* 
tor  urbem  tnqite  suo  nuÜum  Hanne  Urnen  erat,  üusisti  tenues,  Germamce, 
cresoere  vieos  et  modo  qua  fuerat  semita  facta  via  est  Ui  s.  w.)  spricht 
nur  von  der  Beseitigung  der  fliegenden  Verkaufs-  und  Geschäftsstände 
unter  den  Strassenhallen  (mtlla  catenatis  pila  est  praecmcta  lagoms) 
und  sonst.  —  Die  Erbauung  vieler  iani  arcusque  cum  insignibus  tri" 
umphorum  per  regiones  urbis  (Suet.  Dom.  13)  mag  damit  zusammenhän- 
gen. —  Die  Inschrift  CIL  6,  1,  826  hat  mit  diesen  Maassregeln 
Nichts  zu  thun:  haeo  area  intra  hone  deßnitionem  dpporum  clausa 
veribus  et  ara,  quae  inferius  est,  dedicata  est  ab  imp.  Caesare 
Domitiano    Aug,    Germanieo    ex    voto   suscepto    (von    wem  ?)    quod 


492  tHEIL  I. 

endlich  wird  in  gleicher  iVeise  der  Krahd  unter  Commodus 
die  Veranlassung  gewesen  sein^  dass  Severus  sich  der  Strassen- 
regnlirung  annahm  —  das  Missverhältniss  zwischen  den  noch 
kontröUirbaren  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  öffentlichen 
Bauten  und  seiner  Ruhmredigkefit  ist  übrigens  Beweis  genug, 
dass  es  damit  nicht  weither  gewesen  sein  kann— ^^):  allein 
das  alles  berechtigt  in  keiner  Weise  an  eine  völlige  Neuge- 
staltung des  Strassennetzes  der  Stadt  zu  glauben:  vielmehr 
hat  die  Natur  des  Bodens  der  Siebenhögelstadt  das  zähe 
Festhalten  desselben  bedingt  und  in  den  Strassenzögen  des 
mittelalterlichen  Roms  haben  sich  bis  auf  die  Tage  Sixtus  V, 
ja  zum  Theil  noch  bis  auf  die  unsrigen,  die  uralten  zum 
grossen  Theile  erhalten  (Einl.  §  2).  —  Selbst  auf  den  zer- 
rissenen und  dürftigen  Bruchstücken  des  kapitolinischen  Plans 
wird  man  eine  Bestätigung  dafür  finden,  dass  das  Rom  des 
3.  Jahrhunderts  an  jenen  'engen,  hin  und  her  sich  winden- 
den Wegen  und  unregelmässigen  Strassen',  so  wenig  Mangel 
hatte,  als  das  ^alte  Rom'  vor  dem  neronischen  Brande  (A. 
6  z.  A.):  fast  zu  gleichen  Theilen  zeigen  uns  die  Bruch- 
stucke Ueberreste  Igeradlinig,  rechtwinklig  und  unregelinässig 
gebauter  Quartiere  und  weisen  —  gewiss  nicht  zufällig  — 
eine  ganze  Scala  der  verschiedensten  Strassenbreiten  auf,  von 
den  schmälsten  an§iportus  und  semitae  bis  zu  den  breitesten 
viae,  plateae  und  arme,  oder  um  modern  zu  reden,  von  den 
schmälsten  Vicoli,  Calli  oder  Chiassi  bis  zu  den  breitesten 
boulevardähnlichen  Corsi  oder  Largi,  Strade  oder  Piazze^^). 


diu  erat  neghetum  nee  redäUum  inoendiarum  arcendorum  causa  quando 
urbs  per  novem  dies  arsit  Neroniams  temporibus,  bac  lege  dedicaia 
est:  folgeo  die  Bestimmaiigeo  über  Freihaltuag  der  areä  und  das  jülir- 
lich  von  dem  die  Region  verwaltenden  Prätor  an  den  Volcanalien  in 
bringende  Opfer. 

IS)  Hierüber  Forma  S.  8  f.  und  oben  S.  45. 

^^)  Ueber  das  Strassennetz  auf  dem  Stadtplan  vgl.  Forma  S.  46: 
fast  jede  m.  Tafeln  bietet  Belege.  Ueber  die  Breite  der  Strassen  S. 
14:  sie  schwankt  ungefähr  zwischen  0,018  und  0,060,  während  dievM 
nova  (A.  14)  durch  das  Maass  von  0,124,  die  Breite  des  Flusses  durch 
0;338  ausgezeichnet  sind.    Uebersetzt  man  sieh  diese  Maasse  nach  dem 


§  8.]  DER  mmm  ausbau.  493 

Die  Ueberreste  der  Strassen  >  selbst  reichen  nicht  aus  ein 
auch  nur  einigerm^assen  anschauliches  Bild  des  Straasennetzes 
der  kaiserlichen  Stadt  zu  geben.  Nur  ein  Stadttheil,  die  5. 
und  ein  Theil  der  6.  Region,  ist  in  neuester  Zeit  bei  Ged- 
iegenheit der  Anlage  neuer  Strassen  und  Gebäude  nach  aUen 
Richtungen  hin  bis  auf  den  alten  Boden  durchfurcht  worden. 
Man  ist  dabei  auch  auf  die  alten  Strassenläufe  gestossen: 
allein  bis  auf  die  bereits  hervorgehobene  Entdeckung  einer 
doppelten  innerhalb  und  ausserhalb  des  Walles  angelegten 
vielleicht  die  Altstadt  umkreisenden  Bingatrasse,  der  auf  die 
Thore  zu  laufenden  Haupl^traasen  und  einiger  Bruchstöcke 
der  dieselben  schneidenden  Querstrassen  ist  dabei  nichts  von 
Bedeutung  gefunden  worden.^^)  Noch  weniger  geeignet  zur  Be* 
grändung  eines  sicheren  Urtheils  sind  die  meist  unzuverlässig 
verzeichneten ;  und  phaintastisch  ergänzten  Bruchstücke  alter 
Pflasterungen  in  der  i&brigen  Stadt  —  Eben  so  wenig  liegt 
bis  jetzt  ein  brauchbares  Material  zur  Beurtheilung  der  Breite 
der  Strassen  vor.  Wie  wenig  man  bis  jetzt  überhaupt  die- 
sem Gegenstande  Aufmerksamkeit  gewidniet  bat  lehrt  eine 
Vergleichung  der  Forumspläne,  auf  denen  die  Maasse  des* 
l>losgelegten  Strassen  in  ungeheuerlicher  Weise  differiren. 
Dazu  kommt  dass  selten  gesagt  wird  ob  das  gefundene  Pflastei* 
in  seiner  Breiite  vollständig  erhalten  war,  ob  Spuren  der  ur- 
sprünglichen margmes  und  semitae  vorhanden  waren.   Es  mag 


Dnrcbschnitfisipaassstab  1 :  300  in  die  Wirkliehkeit,  so  findet  man  frei- 
lich, dass  der  Tiber  10 mal  zu  breit  gerajthen  ist  (vgl.  §  7  z.  A.),  die 
grösseren  Strassen  ungefähr  3 mal;  indessen  dieses  Missverhältniss  ist 
für  ein^n  Plan ,  der  bestimmt  war  aof  weite  Entfernang  zu  wirken, 
dorcbaus  erklärlich,  ja  nothwendig,  und  es  verliert  die  Abstufung  der 
Breiten  dadurch  nicht  ihren  Werth.  Dass  auf  modernen  Stadtplänen 
für  den  Lehr-. oder  Orientirungszweck  in  der  Aegel  ebenso  verfahren 
wird,  ist  bekannt. 

^^)  Ich  verweise  auf  Lanciani's  Tafeln  im  Bull.  mun.  1  L  11  2 
V.  VI.  3  XX.  4  III.  XVIII.  XIX.  Die  Einl.  §  3  a.  Abhandlung  dessel- 
ben stellt  eine  umfassende  Darstellung  des  Strassennetzes  in  Aussicht. 
Die  Rekonstruktion  Canina's  ist  nui*  mit  grossesten  Zweifeln  zu  be- 
nutzen. 


494  THfilL  I. 

daher  wenig  bedeuten,  wenn  ich  konstatire  dass  eine  erheb- 
liche Anzahl  von  Messungen  die  Breite  yon  rund  4,50 — 5,00  M. 
=  15,48  — 17,20  r.  F.  ergeben^  dass  aber  die  Breite  d€ar 
grösseren  Hauptstrassen  dieses  Maass  in  der  Regel  über- 
trifft und  nicht  selten  6,50  M.  =  22,36  F.  zu  erreichen 
scheint,  gar  nicht  zu  reden  von  den  späteren  boulevardartigen 
flateae,  wie  es  die  via  mva  vor  der  forta  Capena  und  die  via 
lata  mit  ihrer  siebenfachen  Halle,  der  Anfang  der  tna  FlammMy 
war.  Dass  andrerseits  jene  Hauptstrassen  durch  die  natur- 
gemäss  bei  Neubauten  vorrückenden  Gebäude  an  ihrer  ur- 
sprünglichen Breite  verloren  haben,  ist  wenigstens  auf  dem 
Forum  deutlich  erkennbar.  —  Es  ist  dringend  zu  wünschen, 
dass  diejenigen,  denen  allein  es  möglich  ist  durch  lange  Be- 
obachtungen an  Ort  und  Stelle  über  diese  noch  ganz  unge- 
nügend bekannten  Dinge  Licht  zu  verbreiten,  sich  der  mühe- 
vollen Arbeit  unterziehen  möchten«  Freilich  steht  nicht  zu 
hoffen,  dass  man  auf  diesem  Wege  je  über  die  Feststellung 
der  Zustände  der  mittleren  Kaiserzeit  hinaus  gelangen  wird.^^) 
Hat  diese  Betrachtung  gelehrt  dass  nicht  einmal  die  zur 
Umgestaltung  jeder  Stadt  wirksamsten  Mittel,  die  grossen 
Brände,   noch  weniger  die  kostspieligen  kaiserlichen  Expro- 


1^)  Beispiele:  4,0 M.  in  derportaEsquiUnaCtBüll  mun.  1875  T.  XX); 
4,  50  beim  Osp.  S.  Giovanni  (Ball*  d.  i.  1870,  51),  bei  den  castra 
praetoria  (nach  dem  Plan  Ball.  man.  T.  VII);  yariirend  zwischen  4  n. 
6  M.  bei  S.  Antonio  (das.  S.  74);  4,  8  aasserhalb  des  Walls  (Ann. 
1871,  60.  Ball.  man.  1,  252);  4,  89  anter  dem  Titasbo^a  (Desgodetz, 
doch  ist  noch  der  Sockel  abzuziehen);  6,0  cHvus  CäpUolinus  an  der 
Nordecke  des  Satarntempels  (Caristie  Plan  et  coape);  6,  24  anter  dem 
Severasbogen  (Desgodetz) ;  6,  50  sogen,  tia  sacra  and  sog.  vicus  Tuscui 
am  Forum  (Darchzeichnang  nach  Rosa*s  Aufnahme;  doch  variirt  die 
Breite  wegen  der  späteren  Umpflasterungen ;  vgl.  Th.  II);  5,  50  -^  x 
clivus  welcher  nach  der  'porta  MugioruB^  fahrt  (nicht  vollständig  er»- 
halten;  Rosa's  und  Lanciani's  Pläne  geben  10  M.,  aber  ein  solches 
Stück  habe  ich  nicht  gefunden);  6,  15  +  ^  Strasse  bei  der  porüeas 
Liviae  (Forma  S.  37  §  10);  15,0  +  x  platea  an  der  Ripetta  (Ball, 
d.  i.  1869,  227).  —  Auf  eine  Vergleichung  mit  den  Strassen  von  Pom- 
peji kann  ich  nicht  eingehen.  Torin:  Schwanken  von  4—5  M.,  Promis 
Torino  184. 


§  8.]  DER  IJNNfiRB  AUSBAU.  495 

priationen,    im  Stande  gewesen  sind   der  Altstadt  Roms  das 
Gepräge   ihres  Jahrhunderte  langen   naturgemässen  Wachs- 
thums  zu  nehmen,  dass  vielmehr  die  hauptsächlichen  Neuge- 
staltungen jenseits  der  Peripherie  derselben  liegen,  so  dürfen 
wir  die  späteren  Zeugnisse  über  die  alte  und  die  Zeugnisse 
über  die  spätere  Stadt  in  Ermangelung  fast  jedes  Zeugnisses 
aus  der  Epoche  vor  den  punischen  Kriegen  zur  Herstellung 
eines  Bildes  der  Altstadt  wohl  benutzen.   Wir  verweisen  für 
die  Begründung  im  Einzelnen  auf  die  Periegese  des  II.  Th. 
Der  zweigipflige  Burghügel  auf  welchem  die  irdischen  und 
weltlichen  Schätze  der  Stadt  geborgen  sind    oder  leicht  ge- 
borgen Werden  können,   bietet  auf  seiner  Abdachung  gegen 
Südosten  einen  massigen  plattformailigen  Platz,  auf  welchem 
die  YoUbürger  der  Stadt  unter  freiem  Himmel  zur  Beschluss- 
fassung  'zusammenkommen'    konnten;    zugleich  war   dieser 
Platz,  comitium,    der  Vorplatz  des  'Hauses',   in  welchem  bei 
verschlossenen  Thüren  der  höchste  Beamte  mit  seinem  Rathe 
tagte :  der  cvria.   Er  war  nach  den  Himmelsregionen  als  Qua- 
drat abgegrenzt,    leicht  hatte  man  die   natürliche  Erhöhung 
durch  Kunst  zu  einem  burgartigen  Hügel  mit  steil  abfallenden 
Randern  gestalten  können.    An  seiner  Ostseite  dehnte  sich 
weiter,   ursprünglich  in  gleichem  Niveau  mit  der  Tiefe  zwi- 
schen den  Tufhügeln    und  nur  durch  den  Kloakenbau  vor 
periodischer  Ueberschwemmung  geschützt,  später  durch  Kunst- 
bauten darüber  erhaben,   der  Markt,  das  forum  (ungewissen 
Ursprungs).    Hier  mochte  ausser  dem  Kleinhandel  (s«  unten) 
seit  der  Gründung  der  freien  Verfassung   hauptsächlich   die 
nicht  förmliche  Volksversammlung,  die  conventio,  tagen;   an 
den  Markttagen   stand  man  gedrängt   um  von  der  Höhe  des 
comitium  her  Reden  und  amtliche  Meldungen  anzuhören  und 
die    dort   aufgestellten  Büi^er,    welche    sich   um    öffentliche 
Aemter  bewarben,  in  Augenschein  zu  nehmen.    Auch  wurde 
von  Alters  her   hierher   die  Leiche  jedes  Bürgers   getragen 
welcher  Staatsämter  bekleidet  hatte:  der  bestellte  Redner  hielt 
hier  die  Lobrede  vor  der  Versammlung,   die  der  Herold  ge^ 
laden,  von  hier  aus  ging  sie  mit  dem  'Geehrten'  den  letzten 


496  THiaL  I. 

Gang,  zum  Thore  hinaus  zur  Gruft.^®)  —  Mehr  als  5  M.  lag 
das  comitium  über  dem  forum:  von  jenem  aus  führte  durch 
das  Burgthor  ein  einziger  Weg  zur  westlichen  Höhe  des  Burg- 
bugeis,  steil  bergan  in  einem  Winkel  von  20^;  er  mündete 
vor  dem  Tempel  des  höchsten  Juppiter  lAid  seiner  Bei- 
sitzerinnen Juno  und  Minerva ,  welcher  hier  in  einer  Ent- 
fernung von  reichlich  120  M.  vom  Comitium  und  30  H.  höher 
als  dasselbe  thronte.  Sein  Angesicht  wandte  der  Gott  dem 
Circus  ZU|  dem  Schauplatz  der  römischen  Spiele:  doch  sah 
man  vom  Comitium  aus  die  Giebel  seines  Hauses,  wohl  auch 
die  Ostwand  desselben.  Am  Comitium  lagen  die  Kultusstätten 
des  Vulcan,  dessen  Zusammenhang  mit  der  Idee  der  Stadt- 
grundung  im  Festcyclus  angedeutet  ist,  des  Janus  und  des 
Saturn.    Wir  werden  später  sehen,  wie  mit  dem  Bau  eines 


^*)  Von  den  Etymologien  Varros  5, 155 :  comitium  ab  eo  quod  coibani 
eo  comitns  curiatis  et  Uüum  causa  (vgl.  A.  21)  and  forum  quo  con- 
ferrent    suat    eontroversiof  aut   quae  vendere  vellent  quo  ferrent  ist 
jene    richtig,    diese    falsch.      Die    SpmchwisseDschaft    und    der    Ge- 
brauch  des    Worts   bieten   Unsicheres:    zu   dem  Begriff  ^umfriedigter 
Raum,  Hof,  Vorhof*    will  Gorssen  Ausspr.    1',   148.    476  von    sanskr. 
dhar-,   festigen,   J.  Schmidt   bei  Nissen   Temp.   141  Fick  WB  1,    121. 
640..  2,    117    von    lit.    kslav.    dvaras,    dorn   (Hof,    Vorhans,    Baus) 
gelangen ;  wazn  dann  ^vga,  osk.  veru  (Thor),  lat.  fores  u.  A.  gehören 
soll  {forum  übergeht  Curtins  £.  258),   nach  Einigen  nicht /ori,  foruU 
(Fick  2,  167  vgl.  (pa^ao^y,  anders  wieder  Bngge  bei  Cu.  Stud.  4,  328  ff. 
—  Ob  von  den  von  Festus  Ausz.  84  erörterten  Verschiedenen  Bedeu- 
tungen  das   angebliche  forum   tepuleri  der  Zwölftafeln,    das    Cicero 
Legg.   2y   24,    61  (oder  ein  Glostatorf)  vestUbulum   erklart,   als    Rest 
einer  alten  allgemeineren  Bedeutung  'Hof,  Vorhof',  oder  als  Metonymie 
zu  betrachten  ist,   ist  gleichfalls  zweifelhaft:  die  Analogie  von  portus 
(§   7  A.   44)   und   pong  (das.  A.  4)    lässt   beide   Möglichkeiten    offen, 
ich   muss   aber   die  zweite  für  wahrscheinlicher  halten,   da   der  vor- 
ausgesetzte uraprüngliche  Begriff  von  forum  'Hof,  Vorhof'  durch  altes 
atrium  {atrium  publicum  in   CapOolio^  nU»rium,  Libertatis  d/ktemum^ 
Titium,  Licinium:  A.  61)  vertreten,  sonst  aber  gar  nicht  zu  belegen  ist.  — 
Dass  comitium  und  cu7*ia   durch    alle  Zeiten   unlöslich  verbunden  ge- 
blieben  sind,    jenes  den  Vorplatz  dieses  bildet,  steht  jetzt   fest    (vgl. 
Jahresb.  1875,    747.  Mommsen  Eph.  epigr.  2,  273.  283.  Th.  II):  comi- 
tium vesttbuhm  curiae  Liv.  45,   24,   12. 


S  8.]  DER  INNBRE  AUSBAU.  497 

Tempels  für  den  letzteren  die  Reihe  der  Tetnpelbauten  be- 
§^iQnt  uod  wahrscbmlich  erst  spat  sich  daran  die  Uebersiie-: 
cLelung  des  Schatzliauses  von  der  Burg,  auf  das  Forum  an- 
schlie&st  Sonst  stehen  keine  Heiligthümer  weder  hier  noch 
am  Markt:  erst  am  Ostende  desselben  beginnt  eine  zwmt« 
Reihe  derselben  (unten).^^) 

Wohl  möglich,  dass  von  der  geräumigen,  mauerumge- 
benen  Area  des  Tempels  aus,  an  deren  Ostrande  wir  das 
^ Ruferbaus'  (evria  calabra)  zu  denken  haben,  wie  allmoaat- 
lieh  der  laute  gemessene  Ruf,  der  der  Stadt  den  Wechsel 
der  fönf'  und  siebentägigen  Frist  bis  zu  den  INonen  ver* 
kündigte,  so  alljährlich  zweimal,  im  März  und  im  Mai,  4ie 
Ladung  der  Bürger  zu  'ungebotenem  Ding'  auf  dem  Coud- 
tium  erscholP®).  Aber  in  Waffen  erschien  das  Volk  zur 
MuS'terung  oder  zur  bewaffneten  Volksversammlung  auf  den 
Signalruf  des  Horns,  der  vom  Ringe  der  Stadtmauer  aus  in 
die  Tfaaler  erscbaUte,  nicht  hier.  Gegliedert  nach  Klassen 
und  Centurien  zogen  die  Mansenbewehrten '  Kirger  hinaus 
yors  Thjor,  wo  zwischen  dem  Fluss  und  den  senkrecht  ab- 
falkaden  Felswänden  der  Burg  und  der  Hügelbefestigung 
das  'Feld'  {caw^us)  sich  dehnt:  weithin  sichtbar  weht  von 
der  Qtadelle  die  Kriegsfahne.  Sie  ziehen  hinaus  zur  Muste- 
ruDg  und  zur  ^;grossen' Versammlung',  an  bestimmten  Festtagen 
zum  ' Spiel' ^^).  Das  Feld  beginnt  nicht  unmittelbar  voardem 
carmei^talischen  Thor:  viehnehr  durchschreitet  man  zunächst 
die  'Wiesen',  dann  die  Grenze  des  Feldes,  einen  kieuaen 
Bach,  der  aus  den  reichlichen  Wasseradern  am  Quellgotter- 
thor  sich  sammelt  und  dem  Tiber  zu  eilt.    So  erreicht  man 


17)  HöheuverbältnUse:  Aon.  1876,  154  rgp].  ■§  7  A.  82.  Orieatimag 
des  Tempels:  S.  274 f.  Auf  das  Nivellement  des  Fornms  iommen  wir 
Th.  n  zurück. 

iB)  Mommsen  Ghron.  S.  16.  142  f.  nnd  über  den  Ort  der  Tribus- 
uod  CurieDversammluogea  Forsch.  1,  189  ff. 

1^)  LaduDg:.  circum  moerosx  Varro  6,  92;  Fahne  aof  derart:  oben 
S.  244.  —  Campus  vgl.  xrinog^  Feld  oder  Hof?7  Curtios  £t.  148.  — 
Wiesen :  prata  Flaminia^  Aemüiana,  Vgl.  antea.  Der  Bach  Petrcma 
amnUi  oben  S.  267. 

Jordan,  rOmisohe  Topographie«    Li.  32 


498  THEIL 1. 

den  'Gemeindehof'  (villa  publica),  wo  die  Heerführer  mit 
ihren  Gehilfen  sich  installiren  und  die  anliegende  eiugezäonte 
'Hürde*  {ovile)  oder  das  'Gehege'  {saepta),  der  Masterungs- 
und Abstimmungsplatz  des  Heerbanns.  Weiterhin  dehnt  sich, 
wohl  ebenfalls  gehegt  oder  doch  abgegrenzt,  sicher  der 
Nutzung  und  Beackerung  entzogen,  der  Spielplatz,  das  eigent- 
liche 'Feld',  mit  seinem  Mittelpunkt  dem  Altar  des  Mars. 
Der  ganze  Platz,  häufig  überschwemmt,  eine  sumpfige  Nie- 
derung, hat  nur  durch  künstliche  Mittel  seinem  Zweck  gemäss, 
Tornehmlich  als  Rennbahn  für  das  Wettrennen  (eqvirria)  zu 
dienen,  eingerichtet  werden  können.  Und  auch  so  noch 
konnte  um  die  Zeit  dieses  Festes  (27.  Februar,  14.  März), 
wenn  die  Schneemassen  im  Gebirge  plötzlich  sich  lösten  und 
starke  Regengüsse  fielen,  die  Feier  an  einen  anderen  Ort 
verlegt  werden  müssen.  —  Die  flerrichtung  einer  gesicherten 
Bahn  muss  lange  vorher  geschehen  sein,  ehe  das  Marsfeld 
in  dem  neuen  Gewände  steinerner  Gebäude  und  getäfelter 
Plätze  zum  Lustort  der  verweichlichenden  und  der  Wehr- 
pflicht überdrüssigen  Bevölkerung  wurde.  Hat  ein  Städtchen 
wie  Alatri,  wie  wir  jetzt  hören,  um  die  Zeit  der  gracchischen 
Revolution  sein  'Feld,  wo  sie  spielen',  durch  künstliche 
Dränirung  trocken  gelegt,  so  wird  ohne  Zweifel  das  römische 
Marsfeld  mindestens  durch  Abzugsgräben  brauchbar  gemacht 
worden  sein,  mögen  die  Reste  des  Kloakensystems  auch 
ganz  oder  theilweise  späterer  Zeit  angehören.  Der  campus 
verhielt  sich  zu  den  saepta  ähnlich  wie  das  forum  zum 
comitinm^^). 


*^)  Wenn  man  das  emporium  noch  im  J.  580  mit  einem  hölzernen 
Zann  einfriedigte  (S.  432),  so  wird  man  auch  das  oväe  oder  die  saepta 
vor  Errichtung  der  marmorea  des  Cäsar  schwerlich  anders  zu 
denken  haben:  and  diese  Einrichtung  deutet  jt  auch  der  Name  an.  Die 
Schreibung  septa,  die  noch  immer  wieder  auftaucht^  ist  bekanntlich 
falsch,  wenn  sie  auch  schon  auf  dem  kapit.  Plan  vorkommt.  Anders 
das  jedesfalls  steinerne  saeptum  des  Comitium  (de  manubiül)  in  der 
Stadt,  üeber  saepta  und  väla  publica  Th.  II.  —  Der  campus  ubei- 
luduni  vOi  SXtAti  dränirt:  Secchi  in  der  §7A.  84  a.  Abhandlung  S.  22  f. 
Reste  von  Thonröhren  haben  sich  gefunden  Mn  un  basso'  fondo   presse 


§  8.]  DER  nVNERB  AUSBAU.  499 

Ein  zweiter  Schauplatz  von  Rennen  war  der  'Ring' 
{circus)  zwischen  dem  Palatin  und  Aventin;  vieUeicht  eben- 
falls ausserhalb  des  Pomerium  gelegen^  (S.  165  f.)  und  wie 
das  Marsfeld  ohne  Kunstbauten  (wegen  seiner  sumpfigen  Be- 
schaffenheit) nicht  benutzbar,  mochte  auch  der  Bau  steinerner 
Sitzreihen  einer  viel  späteren  Epoche  angehören  (th.  II). 
Der  Zusammenhang  der  historisch  bekannten  Ausstattung  der 
römischen  Septemberspiele  mit  der  Gründung  des  kapitoli- 
nischen Tempels  steht  fest,  die  Ueberlieferung  wird  daher 
richtig  den  Kunstbau  den  Tarquiniern  zuschreiben.  Nach 
seinem  Muster  durfte  die  plej)ejische  Gemeinde  für  ihre  den 
römii^chen  nachgebildeten  plebejischen  Spiele  ihren  eigenen 
Ring  zwischen  dem  Pomerium  und  dem  'Felde'  erbauen, 
in  den  flaminischen  Wiesen  (ciriMS  flamnim).  Mit  diesen 
beiden  Ringen  ist  der  römische  Staat  ausgekommen:  denn 
die  übrigen  spät  erbauten  lagen  entweder  ausserhalb  der  Re- 
gionen, oder  sind,  wie  der  palatinische,  wenn  überhaupt  als 
solche  und  nicht  als  Stadien,  als  Privatplätze  zu  betrachten 
(Bd.  2,  45). 

Das  comitium  ist  ursprünglich  der  alleinige  Platz  wie 
für  die  unbewaffnete  Bürgerversammlung,  so  für  das  Recht - 
sprechen  des  Königs  und  seiner  Rechtsnachfolger,  mag 
auch  virtuell  der  Grundsatz  gegolten  haben,  dass  dies  zu- 
lässig  ist,  wo  immer  der  'Stuhl'  hingesetzt  wird  —  wir  ver- 
mögen über  das  Alter  des  Grundsatzes  nicht  zu  urtheilen  — 
und  mag  auch  später  das  forum  neben  dem  comtmm  oder 
statt  desselben  zu  diesem  Zwecke  gedient  haben.  Die  har- 
renden Parteien  werden  sich  ursprünglich  auf  dem  forum 
eingefunden  haben  ^0*  An  bestimmten  Gerichtstagen  trafen  sich 

la  fonUna  detta  di  Chiappitto  distante  daila  citta  poco  pia  di  mezzo 
Biiglio '.  Dies  sei  der  einzige  Platz  der  sich  für  einen  solchen  campus 
eigne,  zugleich  aber  feucht  and  ohne  natürlichen  Abflass ;  an  Entwässe- 
rung zam  Behuf  des  Landhaus  sei  nicht  zu  denken.  An  der  Richtig- 
keit der  Beobachtung  kann  nicht  gezweifelt  werden. 

**)  Romains  errichtet  die  Gerichtsstelle  auf  dem  eomäium  bei  den 
rostra  (denn  das  heisst  2,  29  iv  r^  (pavtqonatt^  tijf  äyoQ&Sy  1^  87 
kv  T^  xQaUattp  X^^  naqa  joig  ifißoXois:  ui  celdferrimo  fori  loeOy 

32* 


506  THEIL  I. 

hier  schon  in  ältester  Zeit  die  Stadtbewohner  und  die  Bauern 
aus  den  Gauen:  man  hatte  die  Wochenmärkte  so  gelegt, 
dass  die  letzteren  mit  den  Rechtsgeschäften  die  Handels- 
geschäfte  verbinden  konnten  und  Schmausereien  in  der  Stadt 
werden  schon  früh  hier  wie  allerwärts  den  Beschluss  der 
Geschäfte  gebildet  haben  ^^).  —  Schon  im  fünften  Jahrhundert 
der  Stadt  gab  es  am  Markt  Läden  der  Wechsler  neben  denen 
der  Fleischer:  sie  müssen  schon  damals  in  langen,  nur  Yon 
den  wenigen  Tempeln,  der  Curie  und  den  einmündeaden 
Strassen  (unten)  unterbrochenen  Reihen  die  Seiten  des 
Forums  begrenzt  haben. 

Sie  waren  verpachtet  und  die  zeitigen  Inhaber  nicht 
aUein  verpflichtet,  sie  zu  schliessen,  wenn  das  Forum  über- 
haupt zum  Zweck  der  Versammlung  dem  Verkehr  geschlossen 
wurde,  sondern  offenbar  auch  die  Front  nicht  durch  will- 
kiu'liche  Zierrathe  zu  verändern  und  die  von  Staatswegen 
ihnen   überwiesenen   daran  anzubringen.  —  Tagten  die  Yer- 


Eph.  epigr.  3,  254  f.),  als  GerichtssteJIe  schlechthin  neoHen  dasselbe 
nicht  allein  Varro  5,  155  (oben  A.  16)  Gellius  20,  1,  U,  sondern  auch 
Plautus  Poen.  5,  3,  12  vgl.  Cure.  4,  1,  9  und  gleichzeitig  (593)  Titius 
in  der  wichtigen  Stelle  bei  Macr.  3,  16,  15:  ubi  horae  deoem  sunt, 
iubent  puefutn  vocari  üt  (comitium'^  eat  percontatum,  quid  {com,  za 
str«ickeft;  es  ist  aus  dem  Folgenden  wiederliolt;  oder  etwa  ut  fuae- 
sUuvi  bat,  quid?)  in  foro  gettum  sit,  qui  suaserifU  qiä  disruaserint, 
quot  trihus  iusserint  quot  vetuerint.  inde  ad  comitium  eunt  ne  litetn 
suam  faciant  o.  s. .  w.  Stand  wirklich  in  dem  Originaltext  der 
Zwölftafeln  in  cötnitio  äut  foro?  Weder  der  Text  der  Rhet.  Her. 
2j  1^,  20  giebt  dafür  ein  voUgiltlges  Zeogniss  noch  die  schlechten 
Witve  im  €Hr<»lio  3»  30  ff.  m  me  incomitiesJ  *  Ucetm  inforare.  ti  in-- 
oomitiare  non  licet?*  u.  s.  w.  Dass  rechtlich  die  Rechtsprechung  an 
die  Person,  nicht  an  den  Ort  gebunden  war,  wie  Mommsen  Jahrb.  f. 
d.  g#in.  deutsehe  Recht  6,  392  Staatsr.  1^,  379  aosfulirt,  ist  damit  ver- 
träglich, sfAwerlich  allerdings  di«  Annahme,  dass  der  Gericbtsherr  vom 
Wageastnhl  spradi:  aber  ich  mnss  wiederhalen,  seUa  curuHs  «=  cur- 
ruH$  ist  nicht  erwiesen  (Hermes  8)  219  f.,  wo  idi  nach  Mommsen 
übersehen  haben  müsslie,  dass  Serv.  A.  1,  17  schon  Bernays  Curüit 
auB  cufüi^  hergestellt  hat;  ater  wo?). 

>2)  Mommseü  Chrohol.  >  245  ff.,  «her  dio   Schmaosereieii'  S.  253 
A»  50. 


§  8.]  DER  INNBRB  AUSBAU.  5M 

Sammlungen  und  das  Gericht  aueh  auf  dem  Platz  unter 
freiem  Himmel,  so  versteht  es  sich  dodi  bei  der  Natur 
des  südlichen  Klimas  von  selbst,  dass  schon  damals  dea 
wartenden,  Gesdiafte  schliessenden  Mannern  an  den  Markt* 
lagen  und  Gerichtstagen  Schatten  geboten  sein  musste.  Und 
in  der  That  dürfen  ^ir  uns  jene  Läden  nicht  anders  als  in 
Verbindung  mit  hallenartigen  gedeckten  Gängen  denke», 
-welche  eine  durch  Thore  {iani}  zugängliche  Umfriedigung  bil- 
den: hat  man  doch  schon  im  Jahre  5S6  am  Marslelde  ku 
ahnlichem  Zwecke  eine  'gewölbte  Strasse*  gehabt  (Einl.  §  1 
A.  51)  und  schon  im  Jahre  580  in  gleicher  Weise  den  Markt 
von  Sinuessa  (?)  ausbauen  lassen  (a.  0.,  A.  52)^^).  Aber  diese 
Hallen  werden  weder  geräumig  noch  prächtig  zu  denken  sein. 
Es  war  ein  grosser  Fortschritt,  dass  der  angebliche  GriecheUf- 
hasser  Cato  praktisch  und  einsichtig  genug  war,  nicht  aus 
der  Verachtung  der  athenischen  Aerzte  uud  heilenisohen 
Litteraten  und  deren  römischer  Nachäffer,  seiner  politischen 
Gegner,  die  Augen  verschloss  gegen  die  grossen  Vorzuge  der 
hellenischen  Civilisation.  Er  that  einen  Schritt  von  ähnlicher 
Bedeutung  wie  Appius  Claudius,  als  er  die  erste  Basilikii 

2«)  Tabernen    verpachtet:    Marquardt  Verw.   2,    146.    Es    ist   ein 
Beispiel  des   forum  omare   bei  Triumphen,   ut  aurata  scuta   dominis 
argentariarutn  ad  forum  omandum    dividerentur  (Liv.   9,    40),    also 
genau  so,  wie  später  die  Tabernen   (die  novae  wie  die  veteres)  dauernd 
mit  Bildern,   und  die  Langseite   der   aemilischen  Basilica  mit  Schilden 
geschmückt  wurde,    —    Schliessung:    Formular   bei  Varra  6,   91,  vgl. 
Liv.  9,  7  Cic.  in  Cat.  4,  8,  17.  —  Dass  die  Sonne  Schutz  verlangte,  be- 
darf keines  Zeugnisses ;    doch  vgl.  Cicero  Acad.  priora  2,   22,    70:    et 
ut  ii,   qui  suh  novis  soUm  non   non  Jerwttj  ülem  ille  cum    aestuaret 
veterum     ut    maemanorum    sie    acadeniicorum,    umhram,    secutus  est: 
d.    h.    in    der   Sommerhitze    sucht   man    Schatten   in    den  Loggien   der 
nach  Norden    sehenden    'alten'  Läden    der  Südseite    des  Forums,    vor 
der    basüica  Sempronia.    Aehnlich   sucht   man   den  Schatten    auf  dem 
Marsfelde;   Scherz  bei  Varro  de  rr.  3,  2,  10:  itiibi  (?),  du7n  diribentur 
inquit   (dirimenfur    überliefert)   suffragia,    vis    potius    villae  publicae 
utamur  umbra  quam  privati  candidati  tdbeÜa  aedificemus  nos  (s.  Forma 
S.    35:    die   dort  vorgeschlagene    Aenderung    nehme    ich   zurück,    sie 
ist    grammatisch    unmöglich).     Vgl.    Arch.    Zeitung     1871    S.   72  CT. 
u.  Th.  II. 


502  THBILI. 

an  der  Nordseite  des  Forums  baute,  hinter  jenen  Hallen 
(570) ;  ein  Gebäude,  gross  genug,  um  die  handelnden,  harren- 
den, schwatzenden  Marktbesucher,  sammt  ihrem  sauberen 
und  unsauberen  Anhang  zu  bequemerem  und  angenehmerem 
Aufenthalt  aufzunehmen,  und  wie  der  Name  es  besagt,  wie 
die  Wasserwerke  des  Claudius  nach  griechischem  Muster,  ob 
nach  athenischem,  steht  dahin ^^).  Wie  dieser  Anstoss  weiter 
gewirkt  hat  und  die  Basiliken  seiner  Nachfolger  die  Läden 
allmählich  zu  einem  integrirenden  Theil  ihrer  selbst  gemacht 
haben,  ist  später  (Th.  II)  zu  zeigen.  —  Es  darf  als  eine  un- 
mittelbare Folge  dieses  Schrittes  betrachtet  werden,  dass 
schon  vier  Jahre  nachher  hinter  derselben  Nordseite  des  Fo- 
rums weiter  östlich  der  Viktualienmarkt  {macellum)  mit  sei- 
nem  griechisch  benannten  Kuppelhause  (tholmy^)  entstand 

^)  Ueber  die  Motive  Catos  wissen  wir  leider  Nichts:  ans  der 
Rede  uU  basiUca  aedißcetur  sind  nur  die  Worte  antequam  U  viUcare 
coepä  erhalten  (m.  Fragm.  S.  51).  Die  bekannten  Aensserungen  über 
die  griechischen  Litteraten  und  Aerzte  (Frg.  S.  19.  77)  lassen  nnr  die 
gegebene  Erklärung  zn.  Das  Mährchen  vom  späten  GriechischlerDen 
ist  eine  thörichte  Deutung  der  Feindschaft  wider  die  Griechenfreuade 
Ennius,  Fulvius  und  Genossen.  Dass  Gato  den  perikleischen  Epltaphios 
des  Thukydides  gut  kannte,  zeigt  ine.  or.  fr.  19  S.  74  vgl.  Thuc.  2) 
37.  —  So  sehr  auch  die  Analogie  des  emporium  auf  Athen  hinweist, 
und  so  wenig  wir  bis  jetzt  ausser  der  athenischen  eine  ältere  hasüica 
nachweisen  können,  so  ist  doch  längst  (z.  B.  von  Zestermann  Basiliken 
S.  72  ff.)  richtig  bemerkt  worden,  dass  die  vereinzelte  Ausdrncksweise 
des  Plato  (Charm.  z.  A.),  wo  t6  xrjg  ßaadix^e  tsQov  genannt  wird, 
nicht  die  Herleitung  von  der  ßaaCleios  (Stoa  beweist.  Ausserdem 
muss  das  Beispiel  des  amphäheatrunit  dessen  Heimath  noch  immer  ge- 
sucht wird  und  wohl  sicher  nicht  im  hellenischen  Mutterlande  zu  finden 
ist,  vorsichtig  machen.  —  Ueber  den  späteren  Begriff  von  basüica  und 
das  Verzeichniss  der  römischen  Basiliken  Bd.  2,  216  ff.  vgl.  De  Rossi 
Bull,  crist.  1870,  1  ff.,  über  die  Lage  derseU>en  Th.  IL 

'^)  Der  Zusammenhang  von  mac-ellum  und  mac-tare  (Curt.  Et 
238)  ist  ausser  Zweifel,  ebenfalls,  wie  Hermes  2,  89  ff.  gezeigt  worden, 
die  Identität  des  542  abgebrannten  forum  pücatortuniy  des  543  wieder- 
hergestellten maceUum  (§  7  A.  46)  und  des  im  J.  574  durch  Erbauung 
eines  tholus  (Einl.  §  1  A.  54)  und  umgebender  Läden  neu  hergestellten 
maceÜunif  das  schon  Gato  (vor  580)  nennt,  oder  forum  cuppedinü  (Einl. 
§  2  A.  22),  des  Musters  für  die  kaiserlichen  macella  Liviae  und  magnum 
(Forma  S.  32  §  15). 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  503 

und  &Q  den  eigentlichen  Markt  entlastete*  Dass  die  kurz 
vorher  und  nachher  am  Handelshafen  und  den  Kriegsdocks 
Torgenomoienen  Neubauten  nach  athenischem  Muster  mit 
diesen  das  plötzliche  Aufblühen  des  Staats  kennzeichnenden 
Neuerungen  in  Verbindung  stehen,  ist  schon  früher  bemerkt 
worden  (S.  298.  432). 

Wir  werden  später  (Tb.  II)  zu  zeigen  haben,  wie  das 
'Haupt  des  Forum \  die  Rednerbahne  auf  demComitium,  der 
Ausgangspunkt  der  künstlerischen  Ausschmückung  desselben 
wird  und  ihr  Mittelpunkt  bleibt:  hierher  bringt  man  die 
Trophäen  der  Seesiege,  die  Schnäbel  der  antia tischen  und 
puniseben  Schüfe,  hierher  die  Sonnenuhr  aus  Sicilien;  hier 
drängen  sich  immer  dichter  bis  zum  Untergang  des  Reichs 
die  Ehrendenkmälelr  und  Statuen,  hier  stehen  die  Grund* 
gesetze  und  die  Zeugen  der  Gründung  der  Stadt:  es  ist  der 
'glänzendste  Ort',  ja  der  'Nabel'  des  Erdkreises.  Nur  all- 
mählich folgt  auch  die  Area  des  Forums  nach :  die  einfachen 
EiHgangsthore  verwandeln  sich  in  statuentragende  Ehren-  und 
Triumphbögen,  immer  beengender  rücken  die  Frontlinien 
neuer  oder  prächtiger  hergestellter  Tempel  hinein:  in  dem 
Forum  Theoderichs,  das  wieder  aus  der  Erde  erstanden  ist, 
erkennt  man  nur  unsicher  die  schattenhaften  Umrisse  des 
republikanischen  ^% 

Im  Kalender  stehen  drei  grosse  Messen  verzeichnet 
(15—19.  Juli,  20—23.  Sept.,  18—20.  Nov.):  sie  schliessen 
sich  wie  die  Wochenmärkte  den  Gerichtstagen,  s6  den 
grossen  Spielen  an:  denen  des  Apollo,  und  den  beiden 
gleichartigen,  den  römischen  und  den  plebejisjchen.  Massen 
von  Leuten  mussten  im  6.  Jahrhundert  an  diesen  Messen 
zusammenströmen.  Von  jeher  scheint  der  Schauplatz  der- 
selben nicht  das  Forum,  sondern  der  Rindermarkt  {forum 


M)  Vgl.  einstweilen  m.  Sylloge  inscripttonom  fori  romani  Eph. 
epigr.  3,  237  ff.,  über  die  Uhr  Ritschi  Parergra  207  f.  ~  Stand  anch 
eine  Kojne  der  Normalmaasse,  welche  im  Tempel  der  luno  numetä  be- 
wahrt wurden  (Hnltsch.  Metrol.  §  15,  8),  am  Markt?  Nach  dem  Bei- 
spiel von  Pompeji  und  der  JVatur  der  Sache  sollte  man  es   vermutiien. 


504  TREIL  I. 

bamrium)  innerhalb,  d^  Krautmarkt  {forum  hotäotium)  ausser- 
halb der  Stadtmauer  in  der  Nähe  des  cannentaliscfaen  Tfaors 
gewesen  zu  sein,  und  es  sind  durch  diese  Namen  Zugloch 
die  beiden  wesentiichen  Handeteeweige  bezeichnet,  weldie  die 
Vei^orgung  der  Stadt  mit  Lebensmitteln  znr  Aufgabe  hatten. 
Wir  wiesen  schon  oben  auf  den  bäuerlichen  Charakter  dieser 
Gegend  hin.  An  dem  Spielplatz  des  römischen  Volkes  ent- 
wickelt sich  der  bäuerliche  Handel:  hier  wird  für  die  Er- 
holung der  Bauern  durch  die  Errichtung  des  flaminischen 
^Ring's'  gesorgt  und  das  plebejische  Hauptfest  gefeiert.  Die 
Entstehung  der  Märkte  in  jener  Gegend  ist  merkwürdig.  Sie 
haben  eine  unmittelbare  Verbindung  mit  dem  gewerblichen 
Viertel,  welches  vom  Velabrum  über  die  Salinen  bis  an  die 
Landungsstelle  der  aufwärts  kommenden  Schüfe,  dem  Em- 
porium,  reicht  und  sich  allmählich  zu  so  grosser  Bedeutung 
entwickelt  hat.  Auch  dass  die  Sdiläehterzunft  in  jener 
Gegend,  in  der  Vorstadt  fimna,  sitzt,  wird  nicht  zufällig  smi'^). 
<—  In  der  Nähe  des  Gemüsemarkts  müssen  die  Tiberfischer 
ihren  Fang  zu  Markte  gebracht  haben:  von  hier  gelangten 
die  Fische  in  den  Kleinhandel  auf  das  grosse  Forum,  später 
auf  den  Victualienmarkt*®).  —  Wir  haben  keinen  Grund  zu 
zweifeln,  dass  diese  Märkte  so  alt  sind  wie  die  ummauerte 
Stadt.  Kein  einziger  der  sonst  bekannten  'Märkte'  (Bd.  2, 
213  if.)  kann  auf  dieses  Alter  Anspruch  erheben,  ja  sie  sind 
nachweislich  nachaugustisohen  Ursprungs  mit  einziger  Aus- 
nahme des  ^esc[uiBnischen^  den  wohl  später  das  macettum  der 


^)  lieber  die  mercatus  MonmseD  a.  d.  A.  22  a.  Stelle.  Die  Untere 
seheidoDg  des  ^pa&riciscben'  Tnereattu  auf  dem  forom  bosFimn  und  der 
'plebejischeu'  nvndinae  vor  der  Stadt  bei  Huscbke  Jahr  194.  288  ff. 
häogt  mit  seiner  GruadaoschauuDjf  über  den  Kalender  zusammen  und 
kann  hier  nicht  kritisirt  werden.  —  lieber  die  hoUtores  (in  Metz  Cor- 
poration)  vgl.  Hühner  Rh.  Jahrb.  1873,  161  f.;  die  späten  negoiiaxtet 
boarii  CIL  6,  1035;  die  alten  latm  Pucitwntes:  Bd.  2,   106  f. 

>^)  Das  /orum  pisearium  seeundum  Tikerim  ad  Portunium  {ai 
ütnium  die  Hs. :  §  7  A.  46)  des  Varro  5,  14&  kann  nieht  das  forttm 
füeaiorium  »=  tnaeeÜum  (oben  A.  25)  sein  und  ein  Fisefamarkt  am 
FloBs  ist  nothwendig  anzunehmea. 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  505 

LiTia  verdrängte,  und  vielleicht  dürfen  wir  die  Existenz  eines 
ähnlichen  auf  dem  Caelias  annehmen.  Aus  der  grossen  Aus- 
dehnung der  Stadt,  der  grossen  Entfernung  namentlich  des 
esquilinischen  Viertels  von  den  Märkten  am  Fluss,  lässt  glich 
ja  wohl  die  Annahme  dieser  Märkte  als  zweier  untergeordneter 
Sammelpunkte  der  Leute  aus  der  Sabina  und  der  Campagna 
rechtfertigen.  Aber  wie  alt  sie  sind  und  was  dort  verhan*- 
delt  worden  sein  mag,  ist  nicht  zu  ermitteln.  Einer  ver- 
hältnismässig späten  Entwickelung  mag  auch  die  Vervielfälti- 
gung der  ^Spielplätze*  angehören:  als  Märkte  im  eigentlichen 
Sinne  sind  sie  keinesfalls  zu  betrachten.  Denn  der  Begriff 
des  Marktes  ist  ein  festbegrenzter :  Marktrecht  und  Marktpolizei 
sind  mit  ihm  unzertrennlich  verbunden  ^^). 

Doch  wir  kehren  zu  dem  grossen  Forum  zurück. 
In  nächster  Nähe  des  comitium  und  der  Curie  steht  das 
Staatsgefängniss  (career):  es  ist  ein  Quaderbau  von  trapez- 
förmigem Grundrisö,  mit  einem  Tonnengewölbe  gedeckt,  er- 
richtet über  dem  ßurgbrunnen  (tnUlicmum) ,  welcher  zugleich 
als  Exekutionsort  dient.  Die  Zeit  des  Baus  ist  ungewiss. 
Seine  jetzige  Gestalt   erhielt   er   zur  Zeit   des  Augustus^^). 

^®)  Die  AiaxvUiog  äyoqd  des  Appian  Giv.  1,  48,  das  maceUum 
Liviae,  im  J.  243  als  forum  EsquiUnum  restaurirt  (Becker  A.  1145, 
P.  £.  Visconti  Bull.  man.  1876,  41  ff.),  war  vielleicht  vor  Augnstns 
BchoD  forum  (vgl.  Th.  )I).  Aocb  der  eofnpu*  Cadimontanus  (Bd.  2, 
216)  kann  msprÜB glich  ein  Markt  gewesen  selo.  Hier  feierte  man 
anch  die  equirria  weaa  das  Marsfeld  übefsdiwemmt  war.  —  lieber 
die   campt  Bd.  2   a.   0. 

^)  Vgl.  §  7  A.  82.  Beste  BeschreibuDgen  und  Abbildungen:  Can- 
eellieri  Notizie  del  carcere  Tnlliano  R.  1783  ^  1855,  Gell.  Top.  S. 
495  f.  2.  A.  Ich  komme  Th.  II  auf  den  Bau  und  die  Beschreibungen 
Sallusf s  Cat.  55 ,  der  AcU  Chrysanthi  et  Dariae  (Bd.  2,  480  f.)  u.  A. 
zurück.  --  Inschrift  (auf  Travertin)  CIL  6,  1,  1539:  C.  Fibius  C  f, 
Rufinus  itf.  Cocceius  M,  f.  Nerva  cos.  ex  s.  c.  (unbekannt,  aber  augustei- 
seher  Zeit;  nicht  22  n.  C:  s.  Benzen);  Pestus  Ausz.  264:  robtu  quoque 
in  cofcere  dioUur  is  locus  quo  praedpitatur  maltjicorum  genus ,  quod 
anie  arois  robusteis  includebatur:  aber  das  wäre  das  tuWanum*^  es  liegt 
also  sicher  dne  Verwechslung  vor.  —  Die  AusdrScke  in  robore  et 
tenebns  (Liv.  38,  50)^  robur  el  saxum  (Tac.  A.  4,  29)  beweisen  nur 
die  Existenz  des  Namens  robus  neben  eafeeTf  and  da  bei  Plautuis  Cure. 


506  THBIL  I. 

Die  Kleinheit  des  Gefängnisses  —  es  bat  die  Grösse  und 
Höhe  eines  mittelgrossen  Zimmers  unserer  Wohnhäuser  —  ist 
nicht  auffallend.  Denn  die  Strafe  der  Freiheitsberaubung  oder 
Einschliessung  in  modernem  Sinne  kennen  die  Römer  nicht. 
Ihr  Gefängniss  ist  ein  Zwinger,  bestimmt  'unbotmässige^ 
Bürger  einstweilen  unschädlich  zu  machen;  den  Schuld- 
pflichtigen oder  den  ertappten  Dieb  für  den  Gläubiger  oder 
Bestohlenen  zu  sichern,  bis  er  dem  einen  oder  dem  andern 
zur  Einsperrung  und  Fesselung  in  ihrem  eigenen  Hause 
überantwortet  wird;  den  zum  Tode  Verurtheilten  dem  Henker. 
Für  Kriegsgefangene,  sofern  sie  nicht  sofort  verkauft  werden, 
wie  für  Geissein,  auch  für  Bürger  von  Rang,  pflegt  Be- 
wachung, sei  es  in  Privathäusern,  sei  es  in  geeigneten  öffent- 
lichen Gebäuden,  wie  den  Docks  der  Marine  oder  dem  Schatz- 
haus angeordnet  zu  werden.  Es  erhellt  hieraus,  dass  für 
Rom  ursprünglich  so  wenig  wie  für  andere  latinische  Städte, 
welche  auch  ihren  Zwinger  besessen  zu  haben  scheinen,  da$ 
Bedürfniss  zu  mehr  als  einem  oder  zu  einem  ausgedehnten 
Gefängniss  vorhanden  war.  Allein  mit  dem  Wachsen  des 
Staats  und  der  Stadt,  mit  den  Kriegen  und  Siegen  mehrten 
sich  die  aussergewöhnlichen  Fälle  in  denen  die  Beamten  sich 
plötzlich  vor  die  Nothwendigkeit  gestellt  sahen,  eine  grössere 
Anzahl  von  Personen  sofort  in  sicheres  Gewahrsam  zu  nehmen. 
Am  Abhang  der  Citadelle  hinter  jenem  carcer  müssen  in 
den  Klüften  des  Felsens,  aus  welchem  wie  aus  den  Felsen 
der  übrigen  Tufhügel  Werkstücke  zur  Herstellung  der  weni- 
gen monumentalen  Bauten  der  nächsten  Umgebung  gebrochen 
worden  waren,  angemessene  Räumlichkeiten  zur  Einkerkerung 
grösserer  Massen  von  Personen  hergestellt  worden  sein. 
Dieser  neue  Kerker  deutet  mit  seinem  griechischen  Namen 


632  in  robusto  careere  aagenscheiDli^^  von  einem  Privatgeföngniss  za 
verstehea  ist,  so  wird  jenes  rohu9  be^seugen,  dass  das  Staatsgefängniss 
mit  starken  EichenboUen  verrammelt  war:  m  earcere  et  robore  heisst 
also  ^hinter  ScUoss  und  Riegel'.  An  eine  hölzerne  Fütterung  des 
oberen  Gemachs  ist  schwerlich,  an  eine  solche  des  unteren  sicher 
nicht  zu  denken  (vgl.  Ann,  d,  i.  1876,  168), 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  507 

lautumiae  unzweideutig  auf  sein  Vorbild  in  Syrakus.  Nichts 
hindert  uns  die  Einrichtung  dieses  Kerkers  bis  in  die  Zeit 
des  pyrrhischen  Krieges  hinaufzurücken:  in  der  zweiten 
Dekade  des  Livius  wird  darüber  berichtet  worden  sein^^). 


'^)  Es  liandelt  sich  hier  nur  am  den  Nachweis,  dass  es  in  der  That 
in  Rom  wie  in  anderen  latinischen  Städten  nur  ein  Staatsgefangniss 
gegeben  hat.  Dass  die  eigenthümliche  Natur  der  Haft  (nicht  Gefäng- 
D  issstrafe)  die  Kleinheit  genügend  erklärt,  hat  aach  Becker  (dem  ich 
in  der  Hauptsache  folge)  nicht  scharf  genug  hervorgehoben.  Varro  5, 
151:  carcer  a  coercendoj  quod  exire  prohibentur.  in  hoc  pars  quae  mb 
terra  tullianum,  ideo  quod  addüum  a  Tuüio  regei  quod  SyracusiSy  übt 
t  de  causa  (sicher  unrichtig  simili  de  c.  oder  gar  delicti  c.)  custodiuntur, 
vocantur  latomiae,  inde  lautumia  translatum,  quod  hie  quoque  in  eo  loco 
lapidvdnae  fuerunt  (aus  Varro  Festus  Ausz.  S.  117).  Dass  Varro  nicht 
sagt  carcer  und  lautumiae  seien  identisch,  hat  Becker  erwiesen  (Top. 
262  fp.  Zur  R.  Top.  19  ff.).  Entscheidend  ist  Seneca  Controv.  9,  27, 
20  ff.  (Julius  Sabinus)  .  .  cum  introductus  est  ex  carcere  in  senatum 
postulaturus  ut  diaria  acciperet.  tunc  diocü  de  fame  questus  . . ,  et  cum 
diansset  f  seanianos  locupletes  in  carcere  esse:  homo  inquit  adhuc  indem- 
natus  ut  possim  vivere,  parriddas  panem  peto .  . .  rogavit  ut  in  lautu- 
ndas  transferretur:  non  est  inquit  quod  quemquam  vestrum  decipiat 
nomen  ipsum  lautumiae:  (illae}  (zu  streichen)  minune  lauta  res  est. 
Vgl.  Livius  32,26,  17  z.  J.556:  triumviri  carceris  lautumiarum  inten- 
tiorem  curam.  habere  iussi  (nothwendig  ist  carceris  lautumiarum,  nicht 
mit  Becker  2,  2,230:  triumviri  carceris  zti  verbinden).  Aber  diese  lau- 
tumiae, in  welche  die  aetolischen  prineipes  im  J.  564  eingesperrt  wer- 
den (Liv.  37,  3,  8),  ist  eine  Dependenz  des  career,  welche  zur  Auf- 
nahme von  Kriegsgefangenen  dient,  wie  früher  das  Aerar  (d^aavQot^ 
Zon.  8,  3  S.  178  Dind.  Niebuhr  R.  G.  3,  542)  und  später  (im  J.  605) 
die  navalia  (§  7  A.  51)  zur  Detinirung  von  Geissein.  Auch  in  den 
latinischen  Städten  gab  es  einen  carcer  publicus  (Liv.  32,  26,  18),  in 
Rom  jedenfalls  keinen  zweiten  ausserhalb  der  Stadt  (!)  an  der  Stelle 
des  nachmaligen  Tempels  der  Pietas:  dass  Plinius  7,  121  seine  Quelle 
(Verrius  =»  Fest.  209)  missverstanden  haben  muss,  zeigt  Becker,  und 
der  Beiname  der  vielleicht  in  den  Ruinen  des  Tempels  stehenden  Kirche 
S.  Nicola  in  carcere  (Bd.  2,  532  f.),  kann,  obwohl  nicht  sicher  erklärt, 
nichts  dagegen  beweisen.  —  Ueber  den  schon  in  den  älteren  Märtyrer- 
akten vorkommenden  Namen  des  carcer:  custodia  oder  priuata  Mamer- 
Uni  s.  Bd.  2,  382.  480  f.  Dass  das  Wort  carcer  in  das  sicilische  xaq- 
xagov  übergegangen  ist,  scheint  mir  keineswegs  sicher,  die  Richtigkeit 
der  Herleitung  der  latttumiae  von  den  syrakusischen  Latomien  ist 
ausser  Zweifel. 


508  THEIL  I. 

Der  Markt  grenzt  an  der  Osts^ite  an  die  'heilige  Strasse' 
(sacra  via).  Der  Sprachgebrauch  kennt  sie  unter  diesem 
Namen  nur  in  der  Ausdehnung  vom  Markt  bis  auf  die  Hdfae 
der  Yelia,  wohin  sie  längs  der  Abdachung  des  Palatins  in 
starker  Steigung  emporklimmt  (oben  S.  285).  An  ihrem 
Anfang  unten  am  Forum  wohnt  der  König  in  seinem  Staats- 
hause {regia),  neben  der  Vesta  des  romischen  Volks:  weiter 
hinauf  stehen  die  Heiligthumer  der  Laren  und  Penaten,  am 
oberen  Ende  seit  dem  Sturz  des  Königthums  das  Haus  des 
geistlichen  Schattenkönigs  (domus  regis).  Denn  dass  die 
mehren  Königshäuser  in  verschiedenen  Stadttheilen  eine 
litterarische  Erfindung  sind,  glauben  wir  nachgewiesen  zu 
haben  (§  2).  Erst  unter  diesem  Gesichtspunkt  tritt  die 
Berechtigung  und  die  Bedeutung  des  einen  königlichen 
Hauses  inmitten  der  Hausgötter  des  Staats  an  der  heiligen 
Strasse  in  das  rechte  Licht.  Die  Gewährung  eines  eigenen 
Königshauses  an  den  Opferkönig  gehört  also  mit  dem  Ehren- 
platz beim  Schmause  und  dem  Opfer  am  Comitium  zu  den 
Scheinvorrechten  desselben :  die  Summe  der  geistlichen  Rechte 
ist  auf  den  Oberpontifex  übergegangen,  mit  ihnen  das  alte 
Königshaus,  von  jetzt  an  das  geistliche  Archiv.  Wir  glauben 
annehmen  zu  dürfen,  dass  an  der  heiligen  Strasse  ausser  der 
königlichen  ursprünglich  keine  Wohnungen  standen,  kein 
Privatbesitzthum  lag  und  wir  finden  dafür  noch  weitere  Be- 
stätigung in  dem  Charakter  der  Strasse,  während  der  repu- 
blikanischen Zeit.  Der  Staat  hat  wiederholt  Männern,  welche 
die  höchsten  Ehren,  die  obersten  Aemter  und  den  Triumph 
erworben  hatten,  Grundstücke  und  Häuser  an  dieser  Strasse 
geschenkt.  Wenn  andrerseits  berichtet  wird,  dass  Häuser 
und  Grabstätten  am  Forum  und  am  Palatin  solchen  Männern 
geschenkt  wurden,  so  können  diese  Nachrichten  sehr  wohl, 
ja  sie  müssen  eigentlich  auf  dieselbe  Lokalität  bezogen  wer- 
den ^^).    Eine  mindere  Auszeichnung,  die  aber  doch  gleidi 


*>)  Auf  die  g4icra  via,  die  angebiiche  grössere  AusdehnaBg  dersel- 
ben, und  die  beiden  Köiigshäuser  komme  idi  Tb.  11  zurück.  —  Vor» 
recbte   des   rex  sacrorum:    Marquardt  Handb.  4,  262;   vg^l.  Moramseu 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  509 

hier  zu  erwähnen  ist  (s.  unten),  war  die  von  Staatswegen 
gestattete  und  oder  angeordnete  Ausschmäckung  der  Häuser 
von  Trinmphatoren.  —  Hiermit  steht  nicht  im  Widersprach» 
dass  die  'Leute  von  der  heiligen  Strasse'  mit  denen  von  der 
Subura  seit  alter  Zeit  um  den  Kopf  des  Oiitoberrosses  strei- 
ten (S.  199).  Denn  in  der  Zeit,  aus  der  dieser  Beriebt 
stammt,  war  der  Name  von  der  Strasse  auf  den  Bezirk  über- 
gegangen und  die  Bewohner  der  zahlreichen  Nebengassen^ 
welche  von  der  sacra  via  nach  dem  Palatin  fährten,  konnten 
nicht  anders  als  sacraviemes  genannt  werden  (s.  unten).  — 
Noch  ist  hervorzuheben,  dass  neben  der  Vesta  sich  die  Casto- 
ren  niederliessen,  am  Quell  der  Juturna :  mit  dieser  Tempel- 
grändung  ist  der  Kreis  der  wenigen  Kultu^tätten,  welche 
im  Osten  und  im  Westen  an  die  Schmalseiten  des  Marktes 
sich  anreihten  geschlossen,  die  Langseiten  haben  überhaupt 
keine  aufzuweisen.  —  Es  lag  also  der  Markt  zwischen  zwei 
der  Nutzung  und  Besiedelung  entzogenen  Abschnitten  des  Staats- 
landes, der  heiligen  Burg  und  der  heiligen  Königsstrasse. 

Die  ursprünglichen  Hauptverkehrsadern  der  Stadt  führen 
von  den  Thoren,  deren  Anlage  wiederum  hauptsächlich  durch 
die  Richtung  jener  bestimmt  wurde  (S.  268  ff.  286),  nach 
dem  Forum  und  den  westlich  und  östlich  sich  anschliessend 


Stftatsr.  2',  14.  In  4er  Stelle  des  Varro  6,  31  schreibe  ich  piod  eo 
die  rem  Mocnfieohu  litat  ad  oomäium  {tacrifiowlus  diuü  ad  F),  also  im 
Siane  Hnackke's  (Jahr  162:  tacrifieio  iustrat);  das  bloate  'firacheiaen 
auf  den  Coaitmm'  {ßacrifidohu  it  ady  Mommaea  Ghroo. '  242,  iat  weder 
darch  die  Werte  des  Aasza^^s  aas  Festas  259  (^tvüiw  redua  pevfectU 
ta  comt^uff»  venit)  gefordert  aoeh  mir  an  sich  verstäadüch.  —  Die 
INadirtchten  ither  die  vom  Staat  deo  Ginciern  uad  Valeriera  gewährte« 
Wobanagen  aad  BestattttDgea<aur  die  letztea  behaadelt  Memmsen  Staa^sr. 
•ly  357)  am  Foram  oder  Palatiom  (ehen  S.  190)  verbinde  ich  mit  Pom-^ 
pon.  Digg.  1,  2^  2,  37:  C»  Scipio  Nasioa  (vielmehr  P.,  Goasalat  und 
Triomph  563:  Zimmera  1,  1,  273  f.)  . .  cui  etüim  publice  domus  m 
säera  via  data  est^  quo  facilius  consuU  pos^et.  Ebenso  ist  das  Haoa 
d6s  Vaters  des  Nero,  die  domus  Domüiana  in  sacra  via  (Acta  Arv. 
S.  61.  82  He.))  sicherMch  erblich  in  dieser  an  Ehrea  and  Triamphen 
reichen  Familie  (Soet*  Nero  1)  gewesan,  and  darf  daher  wohl  als  ein 
Staatsgeiahenk  tageaehan  werden, 


510  THEIL  I. 

den  Abschnitten  öffentlichen  Gebietes:  hierher  strömten  von 
allen  Seiten  als  zu  dem  Schauplatz  des  öffentlichen  Lebens 
und  Verkehrs  die  Stadtbürger  wie  die  Bewohner  der  Gaue 
zusammen.  Wir  können  sie  durch  die  Neubauten  und 
Schutthaufen  der  Jahrhunderte  hindurch  verfolgen  •*).  —  Wer 
auf  der  *  Salzstrasse'  von  Norden  her  kam,  betrat  durch  das 
Nordthor  des  Walls  (forta  Collina)  den  höchsten  Punkt  der 
Stadt.  Der  Weg  führte  zunächst  über  die  Höhe  des  Quirl- 
nals  und  hiess  im  Volksmunde  hier  wenigstens  in  später  Zeit 
'der  hohe  Pfad'  {aUa  semit<i)\  er  senkte  sich  dann  allmählich 
nach  dem  Argiletum  und  mündete  in  der  Nähe  der  Curie 
auf  den  Markt.  Nicht  ein  Name  haftete  an  der  ganzen  Aus- 
dehnung: die  vid  fOTiae  Collinae,  longus,  Instettis  scheinen 
Theile  dieser  Strasse  zu  sein  und  die  Kirchen  S.  Susanna 
{v.  p.  Coüinae)  und  S.  Vitale  (t;.  limgns)  ihre  Richtung  zu 
bezeichnen.  Ihr  letzter  Theil  muss  durch  die  Anlage  des 
julischen  und  augustischen  Forums  Veränderungen  erlitten 
haben:  zur  Zeit  Trajans  mündete  sie  in  erheblicher  Breite 
an    der  Ostseite    der   Curie**).  —  Von   dem   Südthor   des 

**)  leh  hebe  hier  die  meines  Erachteos  entscheidenden  Kennzeichen 
des  unveränderten  Fortbestandes  der  Hanptwe^  hervor.  Der  Nach- 
weis der  loiialen  Veränderungen  wird  Th.  II  gegeben  werden. 

M)  Wegen   der   noch  nicht  ganz  aufgeklärten  ursprünglichen  alti- 
netrischen  Verhältnisse   des  Qnirinals   (das   heutige    Hochplateau  der 
Via  del  Quirinale  —  Via  di  Poru  Pia  :==»  Venti  Settemhre  ist  künst- 
lich hergestellt,   s.  Th.  II)   haben  diese  Annahmen  nur  relative  Wahr- 
scheinlichkeit.   —    Zu   aka  semita  musste  oben  S.  310  noch  bemerkt 
werden,   dass   ganz  ähnlich  schon  Martial  den  cUvms  über  der  Snbura 
aUttm  iramütm   nennt  (10,  19,  4).    Die  Entstehung  des  Namens   von 
dem  clivus  bei  S.  Agata  herzuleiten  (Niebnhr  3,  357)  sehe  ich   keinen 
Grund.  —  Ftau  portae  CoUinae  (Stein  bei  S.  Susanna  gefunden  CIL  6, 
1,  450)  wahrscheinlich  in  der  Richtung  vom  Thor  nach  Monte  Cavallo: 
Lanciani  Bull.  mun.  4, 166  (flaakirt  von  Reticulatbanten  und  Ziegelwerk 
des  2.  3.  Jahrh.).  —  Der  Name  vieus  longMs  (alt)  und  seine  durdi  die 
Kirche  S.  Vitale    bestimmte  Riehtung   darf  indessen   wohl  als  Beweis 
herangezogen  werden:  über  den  Instenu  (alt)  Bd.  2,  263.    —    Die  Via 
Bonnella  zwisehen  S.  Martina  und  S.  Adriano  ut  nicht  alt,  das  Relief 
mit  deu  Dirstellungen  des  Form  leigt  an  der  Ostseite  der  Carle  (S. 
AdriuM?)  eine  breit  eiuaüiidwda  Strasse  (Jahresh.  1875»  7S6). 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  511 

Walls  gelangt  man  in  starkem  Abstieg  hinab,  me  noch  heute, 
in  die  Subura,  von  da  auf  den  Markt,  wie  es  scheint,  auf 
dem  nehmlichen  Wege  dessen  breitere  Oeifnung  dem 'Durch- 
gangsforum' des  Nerva  verdankt  wird.  Ein  Weg  führte  über 
die  *  Kielhöhe'  (camae)  atn  Tellustempel  vorbei,  wahrschein- 
lich auf  die  heilige  Strasse:  indessen  haben  hier  die  vespa- 
sianischen  und  hadrianischen  Bauten  vermuthlich  die  ältesten 
Strassenzüge  verändert^*).  Noch  eine  dritte  Verbindung  gab 
es  vielleicht  inmitten  dieser  beiden:  vom  viminalischen  Thor 
führte  eine  Strasse  {tncus  eollis  Viminalis)  in  die  Tiefe  in 
der  Richtung  ebenfalls  auf  die  Subura:  ihr  wird  sich  der 
vtcns  p€Uriems,  bezeichnet  durch  die  Kirche  S.  Pndenziana, 
zuletzt  wahrscheinlich  mcus  Cuprius  angeschlossen  haben  ^*). 
—  Nicht  viel  besser  gelangte  man  von  den  Bauernmärkten 
am  carmentalischen  Thor  auf  der  gewundenen  Jochmacher- 
strasse {vieus  mgarms:  s.  unten)  über  die  südliche  Abdachung 
des  Kapitels  kletternd  auf  den  Markt:  die  Gasse  mündete 
an  der  Ostseite  des  Saturntempels.  Dagegen  von  der  forta 
Trigemma  über  den  Rindermarkt,  das  Velabrum  und  die 
Tuskergasse  führte  die  Strasse  bequem  in  der  Ebne^^).    Bis 


.  ^)  Vielleicht  fällt  der  altus  tramßs  Suhur^e  (A.  34)  zum  Theil 
mit  dem  oberen  TheiJ  der  Via  di  S.  Luoia  in  selce,  welche  vor  dem 
Bau  der  Eisenbahn  die  Verkehrsader  zwischen  dem  alten  esqnilinischen 
Thore  und  der  Sabura  war,  zusammen  (vgl.  Bd.  2,  128).  —  Carinen: 
oben  §  2  A.  74;  die  Area  vor  dem  Tellnstempel  liegt  xtna  triv  inl 
KaQlvag  tpiqovaav  oSbv  (Oionys.  8,  79). 

••)  Der  [vicus]  eoUis  Fintmalis  der  Inschrift  Marini  Arv.  611  =« 
CIL  6,  1,  2227  wird  jetzt  erst  als  solcher  durch  den  Stein  des  maff, 
vici  coli.  F'imin,  (das.  2228)  gesichert.  Fandort:  in  der  Nähe  des  alten 
Thors  am  Eisenbahnhof.  Vgl.  Lanciani  Ball.  man.  2,  199.  —  Der 
alte  Streit  über  den  vicus  Cyprius  (vgl.  besonders  Becker  zur  rÖm. 
Top.  76  ff.)  muss  hier  noch  auf  sich  berahen. 

^)  Man  pflegt  jetzt  die  Gasse,  welche  zwischen  dem  Saturnus- 
tempel  und  der  Basilica  mündet  den  vicus  iug'arius,  die  andere,  welche 
zwischen  dieser  und  dem  Castorentempel  mündet  vicus  Tuscus  zu  nen- 
nen. Es  ist  aber  zu  beachten,  dass  der  Bau  der  Basilica  den  Lauf  der 
von  Süden  in  das  Forum  mündenden  Strassen  verändert  haben  muss. 
Ich  nehme  an,  dass  der  vicus  Tuscus  ursprünglich  ins  Forum  mündete^ 
wo  später  die  Basiliea  gebaut  wurde.    S.  Th.  U« 


512  THEIL  !• 

zum  J.  548  scheint  es  ganz  an  einer  direkten  Verbindang 
zwischen  den  Bauernmärkten  und  der  Gegend  am  ^Gemeinde- 
teicb'  gefehlt  zu  haben:  die  Leute  welche  ihr  Vieh  zur  parta 
Naevia  hereintrieben  oder  die  Ochsenhändler,  welche  es  vom 
Harkt  zu  den  Schlächtern  am  Gemeindeteicb  (unten)  schaffen 
wollten,  waren  dadurch  .behindert  Die  Anlage  einer  Sti^asse 
Tom  Rindermarkt  nach  ijlem  Venustempel  am  Südende  des 
Circus  half  dem  Uebelstand  ab:  hier  vereinigte  sie  sich  mit 
der  von  parta  Naevia  hereinkommenden  und  zwischen  Pala- 
tin  und  Caelius  in  der  Richtui^  auf  den  Esquitin  fortlaufen- 
den Hauptstrasse.  Späteren  Ursprungs  mag  eine  körzlick 
wiederentdeckte  Hauptstrasse  sein,  welche  vom  Rindermari^t 
nach  dem  Flufisthor  gefuhrt  zu  haben  scheint  —  In  jene 
Strasse  zwischen  Palatin  und  Caelius  mündete  durch  das 
capenische  Thor  die  appische  Strasse.  Endlich  hat  sich  wie 
es  scheint  der  Lauf  der  Strasse  von  dem  Hauptthor  am 
Caelius  nach  der  Velia  nie  verändert  ^^).  Aber  die  neronischen 
und  vespasianischen  Bauten  haben  von  der  Gegend  des  Co- 
losseum  an  unzweifeljiaft  die  weiteren  Verzweigungen  der 
ältesten  Anlagen  very^iscbt  —  Weder  der  gallische  noch  der 
neronische  Brand,  weder  die  Neubauten  der  Kaiser  noch  der 
Zusammensturt  des  Reiches  haben  also  die  Sparen  der 
Hauptstrassen  des  servianischen  Roms  zu  tilgen  vermocht 


^  Die  CeDsoren  d.  J.  548  viam  e  foro  bovario  ad  (der  Pot 
et  ad)  Veneris  circa  (et  circa  Aasgabeo)  /oros  publicos  et  aedem 
Matris  deum  in  Palatio  Jaciendam  locaverunt  (Liv.  29,  37,  2);  nor  so 
gelesen  hat  der  Bericht  eioeo  Sina,  da  der  Veonstempel  Bothwendig 
der  im  J.  459  (Dedicatioostag  19.  Aug.)  an  der  Stelle  des  alten  sßcd- 
lum  der  Fenus  Murcia  erbaute  ist,  dessen  Lage  an  der  Rnndung  des 
Circus  jetzt  feststeht  (s.  Forma  S.  17  §  3).  In  dem  verdorbenen  Satz 
et  extra  eandem  portam.  (Trigeminant)  f  porticum  silices  straverunt  et 
eo  publico  ab  aede  Venerit  fecerunt  (Liv.  41,  27,  9)  kann  allenfalU  eine 
Notiz  über  Verbesserungen  jenes  Weges  stecken ;  unmöglich  ist, 
was  Perizonius  vorschlägt:  et  porticum  clivo  Publicio  ad  aedem  V,  /. 
—  Der  Stadtplan  (Fr.  38  g)  zeigt  die  erwähnte  Abzweigung.  —  Strasse 
vom  Caelius:  Richtung  durch  den  ^arcu$  Basilii  und  den  alten  Bao  unter 
S.  demente  bestimmt. 


§  8.]  DER  IJNNERE  AUSBAU.  513 

Die  Strassen,  weiche  Ton  den  Thoren  nach  dem  Markt 
führten,  werden  von  Anfang  an  nothdürftig  in  fahrbaren 
Zustand  versetzt  worden  oder  vielmehr  die  einzigen  meist 
schlachtenartig  zwischen  den  Höhen  sich  windenden  Wege, 
welche  Laslthiere  und  .Lastwagen  passiren  konnten  (viae), 
gewesen  sein.  Denn  das  Recht  in  der  Stadt  zu  fahren  ist 
zwar  in  älterer  Zeit  ein  Reservatrecht  der  Götter,  der  Priester 
nnd  des  Königes:  nur  selten  mag  in  altrepublikanischer  Zeit 
einem  hochverdienten  Bürger  wie  eine  Wohnung  an  der 
heiligen  Strasse,  so  das  Recht  in  die  Curie  zu  fahren  ver- 
liehen worden  sein;  aber  von  jeher  müssen  durch  Lastthiere 
oder  auf  Wagen  Bauholz,  Steine  und  Waaren  durch  die 
Strassen  bewegt  worden  sein,  und  aus  dem  Stadtgesetz 
Caesars  ersieht  man,  dass  die  Beschränkungen,  welche  es 
dem  Lastwagenverkehr  auferlegt,  eine  neue  und  durchgreifende 
Ordnung  der  Dinge  war^®).  — Trotzdem  giebt  es  unter  den 
Strassennamen  Roms  nur  zwei,  welche  die  Benennung  ma, 
Fahrstrasse,  fuhren,  und  welche  zugleich  unzweifelhaft  in  das 
höchste  Alterthum  hinaufreichen,  die  sacra  via  und  die  bis-* 
her  noch  nicht  erörterte  nova  via:  alle  übrigen  heissen  vici. 
Es  fällt  auf,  dass  abweichend  von  dem  gewöhnlichen  Sprach* 
gebrauch  die  formelhafte,  technische  Redeweise  in  diesen 
Namen  unbedingt  die  Vorsetzung  des  Adjectivums  fordert 
und  also  nicht  minder,  wie  die  Ableitung  eines  Ortsadjecti- 
vums  sacravietim  auf  ein  frühes  Znsammenwachsen  je  beider 
Worte  zu  einem  hindeutet.  Mag  nun  der  Grund  dieser 
letzten  Erscheinung  auch  verschieden  gedeutet  werden  kön- 
nen —  aus  dem  Vorrath  stadtrömischer  Lokalnamen  wussten 
wir  als  Analogien  nur  Caelius  mons  und  das  nur  halb  ähn- 
liche Tuscioicanm  zu  nennen  —  die  erstgenannte  kann  un- 


*>)  S.  Mommsen  Staatsr.  P,  376  ff.  (doch  vgl  über  die  sella  cur- 
ruUs  oben  A.  21).  Plin.  7,  141  von  L.  Metellas  Gonaul  503.  507: 
träfuit  ei  p,  R.  quod  nulli  aUi  condito  aevo  fd  quoüens  m  senatum  iret 
curru  veheretur  in  curiam,  —  Monicipalgesetz  Z.  56  ff.  —  Dass  die 
Alten  (Varro  5,  22)  via  von  vehi  richtig  ableiten,  steht  fest  (Gorssen 
1*^  98,  460):  über  den  Gebrauch  s.  unten. 

Jordan,  rOmisohe  Topographie.    I.    1.  So 


514  THEIL  I. 

möglich  zufällig  sein  und  sie  Terlangt  eine  Erklärung.  Die 
Unsicherheit  der  topographischen  Bestimmung  der  nova  via 
(s.  Th.  II)  erschwert  ein^e  solche:  wenn  es  aber  als  sicher 
zu  betrachten  ist,  dass  sie  von  der  sacra  via  nach  dem  Ein- 
gang des  Circus  und  der  ara  maxima  führte,  so'  schont 
darin  ein  Hinweis  auf  die  eigenthümliche  Bestimmung  der 
Strasse  zu  liegen.  Ist  sie  eine  Erweiterung  der  heiligen  und 
Königsstrasse  nach  dem  Schauplatz  der  römischen  Spiele 
nach  der  tarquinischen  Umgestaltung  derselben?  Die  Alten 
selbst  scheinen  den  Bau  der  Strasse  dem  Servius  TuUius 
zugesehrieben  zu  haben  ^^).  Indessen  sicheren  Boden  gewin- 
nen wir  erst  durch  eine  Betrachtung  der  Individualnamen 
der  Strassen.  Es  muss  hier  einstweilen  vorausgesetzt  wer- 
den, dass  vums  im  engeren  Sinn  die  Hauptstrasse,  im  wei- 
teren die  Hauptstrasse  mit  ihren  Seitenstrassen ,  daneben 
auch  die  von  Haupt-  und  Seitenstrassen  begrenzten  Häuser- 
viertel bedeutet*^)» 

**)  Die  Thatsachc,  dass  wir  etwa  140  StrasseDnamen  kennen,  dass 
diese    alle,    darnnter   die  von  den  Thoren  hereinführenden   nach  diesen 
benannten  HanptstrasiseD,  als  vici  (th«U weise  als  clivi,   uaten)  bezeich- 
net werdea^  nur  die  sacra  vifl  un^  nova  via,  in  der  Stadt  als  viae,  ist 
bereits  Mem.  dell'  inst.  2,  237  ff.  in  ihren  Konsequenzen  erwogen  wor- 
den.    Die  Regel  erleidet  keine  Ausnahme:  denn  ausserhalb  der  servia- 
nischea  Stadt  laufen  die  via  lata  (der  Anfang  der  Ftamtnia),  tecta  (zwei 
des  Namens,  Marsfeld  und  1.  Region),  die  von  Severns  gebattte  via   nava 
bei  den  Thermen.     Für  den  technischen  Gebrauch  von  sacra  via,  nicht 
via  sacra,  entscheiden  die  Inschriften  und  das  Compositum  sacraviensis, 
die  überwiegende  Zahl  der  Litteratarzeugnisse    fügt    sich ,    wie    schon 
Becker  De  muris  S.  23  vgl.  Zur  r.  Top.  S.  16  bemerkt.     Für  nova  via 
stehen  nur  die  Schriftsteller  zu  Gebote,    bezeugen    aber   dasselbe.   — 
Die  Beziehung   der   nova  via  zur  ara  maxima  am  Circus   hat  schon 
Monmsen  CIL  IS.  löO  bemerkt,   lieber  den  Lauf  Th.  IL  -^  BeiFestus 
174  ist  freilich  Müllers  Ergänzung  [nova  via  structa  esse  dicitur  re- 
gnante]  Servio    Tullio    u.    s.    w.    unsicher:    aber   da   ein    Wort  no  . . 
erklärt    sein    muss    und   in    der   folgenden  Zeile    [cum  in  ripam?  .  .  ] 
escenderetur  auf   das  Verhält niss    der   nova  via  zum  Felahrum.   passt, 
keineswegs  so  unsicher,    wie  Becker  Top.    in  Leipzig  S.  28  ff.  meinte. 
Wenn  Varro   6,  59    sagt   noim  via  quae  via  iam  diu  vettts,   so   giebt 
das  allerdings  keinen  Anhalt  für  die  Zeitbestimmung  (vgl.  Bd.  2,  7  f.) 

*^)  Ich   verweise   auf  meine  Abhandlang   de   vicis  urbis  R.  Mem. 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  515 

Unter  den  etwa  140  Namen  stadtrömischer  vict  sind 
nicht  mehr  als  16  nachweislich  republikanischen  Ursprungs. 
Unter  diesen  aber  sind  Vertreter  zweier  Klassen  von  Namen, 
welche  eine  besondere  Beachtung  verdienen  und  sicher  in 
ziemlich  alte  Zeit  hinaufreichen.  Es  sind  einmal  die  Benen^ 
nungen  nach  Handwerken  in  einer  eigenthümlichen  sehr  alten 
sprachlichen  Form  *  unter  Töpfern',  *  unter  Sichelschmieden', 
'  unter  Holzhändlern',  'unter  Jochmachern *(?),  später  'Töpfer- 
gasse '  u.  s.  w.,  denen  wir  die  chronologisch  nicht  bestimm- 
ten '  Zwiebelgasse ' ,  '  Wechslergasse  * ,  *  Ochsentreibergasse ', 
(alte  und  'neue'),  'Kornhändler-',  'Riemenschneider-',  'Soh- 
lenhändler-', 'ßauholzhändler-',  'Glasergasse',  vielleicht  auch 
'Olivenhändler-'  und  '  Grashändlergasse'  anschliessen  müssen  **). 
Eine   zweite   Klasse    trägt    plebejische   Gentilnamen:    sicher 


deU'  inst.  2,  215  ff.  und  ßd.  2,  291  ff.  585  ff.  Nur  weniges  ist  seitdem 
hinzugekoinmen :  Einl.  §  2  A.  53.  56.  Doch  ist  es,  wie  Arch.  Z.  1871, 
61  ff.  auseinandergesetzt  worden,  wahrscheinlicli,  dass  eine  Anzahl  von 
Namen  von  vici  in  untechuischer  Form  überliefert  und  als  solche  nicht 
erkennbar  sind.  Wenn  z.  B.  ein  Geschäftsmann  auf  seine  Firma  setzt 
a  Septem  Caesarihus^  so  kann  leicht  ein  vicus  Septem  Caesarum  die 
Veranlassung  sein  u.  s*  f. 

**)  Die  Belege  s.  Bd.  2:   int  er  figulos^   vnter  falcarios,  (porticus) 

tnter  lignarios.  Die  Argeerurkuode  hat  statt  inter  fig-ulosi  in  figulinis^ 

eine  andere  Strasse  heisst  in  derselben  Urkunde  in  tabemola  (Bd.  2,  255, 

vgl.  A.  44).  üebcr  das  inter  vicos  Ciceros  s.  unten.  Fici  alliarius  =  (ülia- 

riorum,  arg'entarius,  bubularius,  (und  b.  novus\  frumentarius,  lorarius, 

materiarius,  sandaliarius,  vitrarius,  vgl.  Hercules  oUvarius^  Elephas  her- 

barius  die  von  einem  vicus  olivarius,  herbarius,  wie  ApoUo  sandaliarius 

vom  V.  sandaliarius   benannt    sein    werden.     Hiernach    erkläre  ich  den 

vicus  iugarius  =  iugariorum  und  iugarius   als  Jochmacher:    dass  das 

Wort  sonst  in  dieser  Bedeutung  nicht  vorkommt,  vielleicht   überhaupt 

nicht  weiter  (Colum.  1,  1,  6  ist  zweifelhaft),  ist  kein  Hioderniss.     Die 

Nähe  des  forufn  boarium  erklärt  die  Zunftgasse,  wie  andrerseits  auch 

der   vicus  bubularius  nahe  dabei  gewesen  sein  wird,    wenn  anders    die 

capita  bubula  regione  Palatü  damit  zusammenhängen.  —  Manches  bleibt 

dunkel:    so  der  vicus  pulverarius.     Aber  man  denke  an  die    noch  jetzt 

starke  Verwendung  des  Suffixes:  ein  Mann  der  Vipern  sammelt  nennt 

sich  einen  viperaro  u.  dgl.     Es    ist   also  gar    nicht   unglaublich,    dass 

pulverarii  irgend    eine   Hantierung   mit  Staub    bezeichnet.    Noch   vgl. 

area  radicaria^  campus  lanatarius  {lanariust)^  pecuarius. 

33* 


516  THfilL  I. 

republikanisch  sind  die  acilische,  cosconische,  instejische, 
publicische,  pullische,  sulpicische  Gasse,  Ungewissen  Alters 
die  caesetische,  fannische,  licinische,  plotiscbe,  racilianische 
(?' diesseitige'  und  'jenseitige'),  saufejische.  Neben  dieser 
stattlichen  Reihe  von  plebeischen  stehen  nur  zwei  patricische 
Namen,  die  'cornelische'  und  die  'sergische  Gasse',  und 
einige  wenige  Cognomina,  welche  wir  hier  noch  ausser  Spiel 
lassen  (A.  56)*«). 

Was  die  erste  Klasse  anlangt,  so  erinnert  zunächst  die 
Form  'unter  Töpfern'  u.  s.  w.  in  auffallender  und  schwer- 
lich zufälliger  Weise  an  die  Benennung  der  aus  ddn  langen 
und  regelmässig  angelegten  Budenreihen  der  Zünfte  hervor- 
gegangenen Gassen  der  Städte  des  deutschen  Mittelalters: 
in  Köln  z,  B.  hiess  es  und  heisst  es  zum  Theil  noch  jetzt 
'unter  Kästen \  'unter  Kostmengern'  u.  s.  w.  Anderwärts, 
wie  in  Königsberg,  bat  sich  die  Erinnerung  an  den  Ursprung 
dieser  Strassen  in  dem  Festhalten  des  Begriffs  der  Tische 
^^f  Verkäufer,  der  'Bänke',  fortgepflanzt;  die  'Brodbänken-' 
und  'Fleischhänkenstrasse'  sind  aus  den  Buden  der  Bäcker 
und  Fleischer  entstanden  **).  —  Wie  hoch  hinauf  das  Zunft- 


**)  Ficus  Aciliusy  Insteius  (=  Insteianus) ,  PubUdus  (cKvus)^  Pul" 
UuSj  Sulpicius;  Caesetius,  FanniuSy  Licinianus  (=  Licmius)^  PloUuSy 
Racilianus  (==  Racilius :  ulterior,  citerior),  Saujeius,  ComelüiSf  Sergius, 
Dazu  ist  zu  bemerken:  überliefert  sind  die  Formen  vicus  Insteius  (Li- 
vius)  und  Insteianus  (Argeerurk.  bei  Varro);  erstere  Form  ist  wohl 
gemeint  CIL  1,  804  =  6)2221  vicei  Sulpicei  d.  h.  vicus  Sulpicius;  so  Publi- 
citis  PuUius  Cosconius  bei  Varro;  häufiger^  aber  wohl  später  ist  die 
Verbindung  mit  dem  Genitiv,  die  auf  der  kapitolinischen  ßasis  herrscht, 
aber  wegen  des  wiederholten  Ablativs  vico  Gonfusion  gemacht  hat: 
denn  sicher  ist  wie  vico  lanuclensis  =  lanuclensi  so  vico  Sulpici  üUe- 
rioris,  citerioris  =  Sulpicio  uUeriore  oder  =  Sulpieio  ulteriore.  Danach 
erkläre  ich  vico  Raciliani  minor{is),  maioris  =  Raciliano  minore  =  Ra- 
diu  oder  Raeilio  minore  und  t;.  Lidnianus  =  Licinius,  Im  Uebrigen 
s.  A.  46. 

^)  S.  besonders  Ennen  Geschichte  der  Stadt  Köln  1,  672  ff.  Erst 
im  13.  Jahrhundert  entstehen  in  Köln  aus  den  Tabernen',  'Bänken, 
'Kästen'  der  Zünfte,  hinter  welchen  die  Häuser  der  Kaufleute  gebaut 
werden,  Gassen.     Hiernach  ist  es  nicht  möglich  anzunehmen^    dass  die 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  517 

wesen  in  Rom  datirt,  ist  bekannt:  in  den  Strassennamen 
finden  wir  eine  der  ältesten  Zünfte,  die  Töpferzunft  vertreten. 
Kein    Zweifel,    dass   nur   der   Zufall    uns    den   Namen   der 

*  Schustergasse'  entzogen,  den  des  '  Schusterhofs \  des  Ver- 
einshauses der  Innung  erhalten  hat ;  dass  in  dem  Viertel  des 
*'  Gemeindeteichs '  die  Schlächterzunft  sogut  ihre  Gasse  gehabt 
haben  wird,   wie  am  Emporium   die  'Holzhändler'.  —  Die 

*  Töpfergasse'  am  Circus  und  die  andere  auf  dem  Esquilin, 
die  ^  Jochmacherstrasse'   am  Rindermarkt,  die  *  Holzhändler- 
strasse' am  Hafen  —  alle  zu  den  älteren,  wenn  nicht  ältesten, 
Namen  gehörig  —  zeigen,  dass  solche  *  Reihen'  oder  'Zeilen' 
in  yerschiedenen  Stadtvierteln  entstanden:   dass  sie  am  frü- 
hesten, zahlreichsten  und  zusammenhängendsten  in  dem  ge-^ 
werblichen   Viertel    von    den    Märkten    am    carmentalischen 
Thor  bis   zum  Hafen,  und  über   das  Velabrum   gegen   das 
Forum    zu  entstanden,    dass  vielleicht  ursprünglich   ein  ge- 
setzlicher  oder   durch   die   Statuten   der    Zünfte    bedingter 
Zwang  in  bestimmten  Vierteln  zu  wohnen  geübt  wurde,  darf 
wohl  vermuthet,  kann  aber  meiiies  Wissens  nicht  bewiesen 
werden.     Die   Zeiten    über    welche    die   Litteratur   reichlich 
Auskunft  giebt,  kennen  natürlich  solchen  Zwang  nicht:  Handel 
und  Handwerk  sind  über  die  ganze  Stadt  zerstreut,    wenn 
auch  altes  Herkommen  und   die  moderne  Sitte  Waaren  in 
grossen  Bazaren  aufzustapehi ,  gewisse  Centralpunkte  für  die 
einzelnen    Geschäftszweige    bedingen.      Wenn    hiernach    die 
einzige  unter  den  römischen  Strassen,   welche  einen  Völker- 
namen trägt,  die  'Tuskergasse*,  in  eben  diesem  Viertel  liegt, 
und  zwar  in  der  Nähe  des  kapitolinischen  Tempels  —  denn 
ihr  späteres  Einmünden  in  das  Forum  am  Ostende  der  ju- 
Uschen  Basilica  beweist  Nichts  dagegen :  Ao37  — ,  so  glauben  wir 
recht  gethan  zu  haben,  sie  in  die  Reihe  der  Handwerkergassen 


in  lateinischen  und  deutschen  Urkunden  jener  Zeit  auftauchenden  Gas- 
sennamen 'inter  macellos'  (vgl,  Ennen  S.  668),  'unter  Kästen'  u.  a.  in  histo- 
rischem Zusammenhang  mit  den  republikanischen,  nachher  ausser  Ge- 
brauch gekommenen  der  Stadt  Rom  stehen. 


518  THEIL  I. 

gestellt   und  als   die  Ansiedlung  der  hier   ehemals  thätigen 
etruskischen  Bauhandwerker  bezeichnet  zu  haben  ^^). 

Einen  anderen  Ursprung  haben  die  Namen  der  zweiten 
Klasse.  Zwei  derselben  vicus  Insteius  und  compüum  d.  h.  vicus 
(s.  unten)  Acilii,  kommen  in  der  Chronik  des  zweiten  puni- 
sehen  Krieges  als  bereits  vorhanden  vor,  die  Entstehung 
einer  dritten  Strasse,  des  clivtis  Publicms,  fällt  ins  Jahr  517, 
die  übrigen  sind  allem  Anschein  nach  sämmtlich,  sicher  die 
meisten  älter  als  der  Untergang  der  Republik  ^^).  Zwei 
Wege  scheinen  sich  für  die  Erklärung  der  Namen  zu  bieten 
welche  zugleich  zur  Bestimmung  der  Zeitgrenze  nach  rück- 

^^)  Vgl.  Marqnardt  Haadb.  4,  152.  Die  lanü  Piscinenses :  Bd.  2, 
106  f.;  atrium  sutorium:  Hermes  4^232.  —  Für  die  selbstverständliche 
Tbatsache,  dass  die  Handwerker  in  bistorischer  Zeit  ihre  Boden  in  yer- 
scbiedenen  Tbeilen  der  Stadt  hatten,  wird  man  kaum  Zeagoisse  ver- 
langen: z.  B.  kennt  man  die  Schuster  am  Castortempel  (Plin.  10,  121), 
bei  der  Spes  vetus  (Eph.  epigr.  1,  218),  im  Argiletuin  (Martial  2,  17); 
Beispiele  für  mehrere  Laden  eines  GeschäftsmanDes  in  yerschiedenen 
Stadtgegenden,  Benennung  verschiedener  Geschäfte  nach  einer  Stadt- 
gegend: Arch.  Z.  1871,  68  f.  —  Ausser  den  Tuskern  begegnen  nur  (Bd. 
2,  215)  die  'Griechen',  als  Fremde  schlechthin,  in  der  Graecostasis,  die 
Gallier  in  den  busta  Gallica  am  Kapitol,  einem  Ausdruck,  dem  die 
'Schwedenscbanzen'  in  Norddeutschland,  allenfalls  auch  die  ^Heiden'- 
und  'Hübnengräber'  verglichen  werden  können;  nicht  hierher  gebort  der 
vicus  j4fricus\  die  ^Sabinerstrasse'  vicus  Cuprius  ist  schon  besprochen, 
ein  Judenviertel  existirt  nicht  (s.  unten). 

M)  Der  vicus  Insteius  kommt  vor  in  der  Chronik  u.  d.  J.  540  (Liv.  24, 
4)  und  in  der  wahrscheinlich  um  diese  Zeit  redigirten  Argeerurkunde 
(hier  Insteianus),  der  vicus  AciUus  in  der  Cbronik  u.  d.  J.  535  (Plin. 
29,  12  nach  Cassins  Heaina,  welcher  sicher  in  vico  JdHo  gesagt  hat, 
statt  des  von  Plinins  nach  damaligem  Gebrauch  substituirten  in  compito 
AciUi);  über  den  clivus  Publidus  A.  47.  Republikanisch  (nach  den 
Zeugnissen):  Cosconius,  Fabricius,  PuUiuSy  unsicher  CaesetiuSj 
Fanntus,  Licinius  (oder  Licinianus),  Plotius,  Sulpicius.  Doch  sind  alle 
diese  Familien  im  6.  oder  7.  Jahrhundert  in  Aemtern  nachweisbar. 
Plebejische  Sulpicier:  Mommsen  R.  F.  1,  119  f.  PulHus  ist  ein  anf 
Inschriften  häufiges  Gentilicium,  ein  M.  PulHus  ist  649  Duovir  in  Pn- 
teoli  (CIL  1,  577):  daher  der  PulUus,  welcher  im  J.  505  als  Volks- 
tribun den  Perdnellionsprozess  gegen  P.  Claudius  Pulcher  anstrengte 
(Schol.  Bob.  Cic.  S.  337  Or.  Rein,  Criroinalr.  482),  wohl  ohne  Grund 
von  JNfiebuhr  (Cic.  or.  fr.  S.  70)  angefochten  worden  ist. 


§  8J  V     DER  INNERE  AUSBAU,  519 

wärts  führen  müssen :  entweder  sind  diese  wie  gezeigt  wurde 
fast  ausschliesslich  Yon  Plebejern  benannten  Gassen  Quartiere 
dieser  plebejischen  Geschlechter  oder  sie  haben  von  dem 
Bau  der  Strassen  durch  plebejische  Beamte  ihre  Namen  er- 
halten, oder  beide  Entstehungsarten  gingen  nebeneinander 
her.  —  Wir  haben  nun  ausdrückliche  und  glaubwürdige 
Zeugnisse  dafür,  dass  die  publiciscbe,  cosconische  und  pul- 
lische Strasse  yon  Wegebaubeamten ,  welche  sie  angelegt 
haben,  b^annt  sind  und  dazu  gesellt  ein  ebenso  glaubhaftes 
Zeugniss,  dass  der  servilische  Brunnen  am  Forum  seinen 
Namen  von  dem  Erbauer  hatte:  wir  erinnern  gleich  an  zwei 
andere,  welche  plebejische  Namen  führen,  den  Brunnen  des 
Curtius  und  den  des  Fundanius  und  an  den  Zusammenhang 
welchen  Strassenbaü  und  Brunnenanlage  haben  ^^).    Es  wird 


^^)  Varro  5,  158:  elwos  PuhUcius  ab  aedäibus  plebei  PubUdüy  qui 
eum  pttblice  aedificarunU  simiU  de  causa  PuUius  et  Cosconius,  quod  ab 
his  viocuris  dicuntur  aedißcati.  Von  dem  ersten  genauer  Festus  238 
(die  Hs.  von  mir  1867  eingesehen):  PuUicius  clivus  appellatus,  quem  duo 
fraires  L.  M.  Publtcü  MaÜeoli  (publici  malteoH  Hs.)  aedües  cur.  pecuaris 
(die  Hg.:  pe  arU;  die  1.  Hd,  hat  unter  0=  einen  Punkt  gesetzt  und 
am  Rande  '.'  cec'  geschrieheu)  condemnaUt  ex  pecuma  quam  ceperant 
coeperat  Hs.)  munierunt^  ui  in  Aventinum  vehi  posset  (so  schreibe  ich: 
die  Hs.  uehicuU  hei  uenire  possü  [so],  entstanden  aus  dem  doppelten 
Verbesserungsversuch  ueh{\culi  vel  venire).  —  Ganz  mit  denselben  Aus- 
drücken ^ie  van  den  eUvi  spricht  Varro  über  einen  tdcus  5,  152:  lau- 
reium  . . .  absUva  laurea  quod  ea  ibi  exoüa  et  aedificatus  viius.  Doch 
wird  sich  ein  gewisser  Unterschied  gleich  heraussteUen.  —  Festus  290; 
Servilius  lacus  appeÜabatur  [ab]  eo  qui  eum  facienduin  curaverat  in 
principio  vici  iugari,  continens  basilicae  luliae,  in  quo  loco  fuit  effigies 
hydrae  posüä  a  M.  Agrippa.  Abweichend  von  der  bekannten  fabel- 
haften Ur^prungsgeschichte  ^^%  lacus  Ourttus  (Schwegler  1,  484,  oben 
§  1  A.  15)  Varro  5,  150:  Cornelius  et  Lutütius  seribwtt  eum  locum 
esse  fulguritum  »t  ex  senatus  eonsuUo  saeptum  esse  idque  factum  esse 
a  Curtio  consule  cui  M,  Genucius  fuit  collega:  Curtium,  appeUatum 
(so  schreibe  ich:  id  quod  und  est  F,  esse  schon  H).  Diese  Ueberliefe- 
ruDg  ist  gewiss  falsch  (über  den  Consul  Curtius  Chilo  v.  J.  309  vgl. 
Mommäen  F.  1,  111):  vielmehr  wird  an  einen  plebejischen  Curtier 
gedacht  werden  müssen.  —  Auch  der  Fundanier  6es'lacus  Fundanii, 
nach  dem  ein  vicus  benannt  war,  ist  unbekannt.  Auch  ein  lacus  PisonisJ 
Unten  A.  56. 


520  ™BIL  I. 

also  nothwendigerweise  zuerst  die  Benennung  der  Strassen 
Ton  den  Erbauern  in  Betracht  gezogen  werden  müssea  und 
diese  Betrachtung  führt  auf  die  Frage,  wie  es  mit  dem  An- 
fang des  Strassenbaus,  d.  h.  der  Pflasterung  der  Strassen, 
in  Rom  bestellt  gewesen  ist. 

Die  oben  hervorgehobene  grosse  Aehnlichkeit  der  Ent- 
stehung der  römischen  und  der  deutschen  Zunftgassen  recht- 
fertigt es,  wenn  wir  hier  noch  einmal  auf  die  Analogie  ein^ 
ganz  ausser  geschichtlichen  Znsammenhang  stehenden  Er- 
scheinung yerweisen.  Ungepflastert  sind  die  Strassen  der 
deutschen  Städte  fast  durchweg  bis  ins  14.  Jahrhundert  ge- 
blieben. In  dieser  Zeit  fängt  man  an  die  Hauptstrass^ai, 
welche  zum  Tbore  hinausführen  und  dort  in  den  Land- 
Strassen  sich  fortsetzen  zu  befestigen  und  zu  pflastern:  so 
entsteht  der  'Damm',  der  *  Steindamm  \  der  'Steinweg'  oder 
'hohe  Steinweg',  Namen  welche  sich  vielfach  bis  auf  unsere 
Tage,  also  drei  bis  vier  Jahrhunderte  lang  gehalten  haben  *^). 
—  Die  dürftigen  Notizen  über  den  Strassenbau,  welche  uns 
aus  der  Stadtcbronik  aufbehalten  sind,  weisen  eine  ähnliche 
Erscheinung  für  Rom  nach.  In  welchem  Zustande  die  aus 
den  Thoren  Roms  hinausfuhrenden  Landstrassen,  wie  die 
uralte  'Salzstrasse',  die  nach  Ostia  längs  dem  Fluss,  die  in 
die  nahen  latiuischen  Städte  fuhrenden,  vor  der  Mitte  des 
5.  Jahrhunderts  der  Stadt  sich  befanden,  ist  unbekannt 
Den  Bau  der  Heerstrassen  aus  festgefügten  polygonalen  Lava- 
stücken  auf  gestampfter  Kies-  oder  Puzzolanschicht ,  wo  es 
nöthig  war  über  mächtige  Quaderunterbauten  hinweg,  mit 
steinernen  Rändern  (margines,  crepidines)  und  Fusssteigen 
(semitae)  zur  Seite,  datiren  die  Geschiehtschreiber  zwar  von 
Appius  Claudius,  demselben,  der  die  erste  Wasserleitung  und 
wahrscheinlich   den   Gemeindeteich  gebaut   hat:    er   soll   in 


^)  Vgl.  Arnold  Yerfassnogsgeschickte  der  Freistädte  2,  219.  Der 
'Steindamm'  in  Königsberg  lasst  sich  schon  im  14.  Jahrhundert  nach- 
weisen :  es  ist  ursprünglich  der  Anfang  der  ins  Samland  führenden  Land- 
strasse.  Näher  in  das  Detail  dieser  Fragen  einzugehen  ist  nicht  er- 
forderlich. 


§  8.]  DER  INNBRB  AUSBAU.  521 

dieser  Weise  wenigstens  einen  Theil  der  nach  ihm  benannten 
appischen  Strasse  im  J.  442  gebaut  haben.  Allein  wenn  die 
Chronik  den  Bau  eines  Fusswegs  {semta)  aus  quadratischen 
Platten  auf  derselben  Strecke  vom  Thor  nach  dem  Mars- 
tempel  durch  die  Aedilen  des  J.  458,  die  Pflasterung  der 
Fahrstrasse  von  da  nach  Bovillae  mit  Lava  durch  die  Aedilen 
des  J.  460  geschehen  lässt,  so  sieht  man  soviel,  dass  nach 
14  Jahren  selbst  der  erste  Abschnitt  des  Riesenwerks  noch 
nicht  fertiggestellt  war.  Vielleicht  darf  angenommen  werden, 
dass  mit  dem  Bau  des  Fussweges  nach  dem  Marstempel  im 
Osten  ein  ähnlicher  Bau,  der  der  'fiberwölbten  Strasse'  nach 
dem  Marsaltar  im  Westen  in  Verbindung  stand  (oben  S.  501). 
IWenn  nur  5  Jahre  nach  dem  Beginn  des  Baus  der  appischen 
Strasse  der  censorische  Bau  von  Fahrstrassen  ^fiber  Land' 
gemeldet  wird,  so  werden  wir  darunter  eine  umfassendere 
Inangriffnahme  des  Baus  grösserer  Landstrassen  bis  zu  den 
nächsten  und  wichtigsten  Zielpunkten,  aber  auch  bei  diesen 
Bauten  schwerlich  schon  an  eine  durchgängige  Pflasterung 
mit  Polygonen,  vielmehr  an  die  Herstellung  einer  Chaussee 
durch  Aufschüttung  eines  Damms  und  Festigung  desselben 
durch  Kies  {glareä)  zu  denken  haben.  Erst  ein  Jahrhundert 
später  beginnt  mit  dem  Bau  der  flaminischen  Strasse  (534) 
die  Reihe  der  ausgedehnten  Heerstrassenbauten^  welche  wir 
hier  nicht  weiter  zu  verfolgen  haben.  Ebenfalls  lassen  wir 
es  dahingestellt,  welche  Vorbilder  für  die  ersten  Bauten  maass- 
gebend  gewesen  sind^^). 


^  Appm  €Undias  (442)  vum  munivit  (Liv.  9,  29),  ro  nUXajov 
fiä^os  K&ois  aT€Q€otg  Tutiiatf^maa  itno  *Pu^ris  f*^X^  Kanvtii  (Diod. 
20,  36);  Bau  von  458:  semitam  saxo  quadrato  a  Capena  porta  ad  Mar^ 
tu  straverunt  (Liv.  10,  23,  12);  yob  460:  via  a  Martis  siUce  ad  Bo- 
villas  perstrata  est  (10,  47;  beides  aas  Multgeldern).  —  Bau  v.  447: 
viae  per  agroe  publica  ünpetua  factae  (Liv.  9,  43,  25).  Dass  grosse 
Veräoderao§peB  später  vorsenommea  worden  siad,  leidet  keinen  Zweifel: 
die  EbnuBCp  des  cUvus  Mortis  (UL.0, 1, 1270)  beweist  aber  nicht,  wie  Nie- 
bnhr  3,  357  behauptet,  die  im  J.  458  s^bante  semita  sei  eine  Art  von  Cor- 
donata  gewesen.  —  Ueber  die  Konstruktion  der  via  j4ppia  (gestampfte 
Schickt  von  Pnzzolane  und   kleinen  Steinen)   s.  Piraneai  Ant.  3  T.  7, 


522  THEIL  I. 

Im  ersten  Drittel  des  6.  Jahrhunderts  begegnen  wir  nan 
den  ersten  Nachrichten  von  Strassenbauten  innerhalb  der 
Stadt:  es  ist  zuerst  der  von  plebejisch«»  Aedilen  ausgeführte 
Bau  einer  'Fahrstrasse'  von  der  Gegend  der  Salinen  auf  den 
Aventin,  des  clitms  Puhlicms  im  J.  517,  dann  die  Anlage 
einer  '  Strasse '  vom  Rindermarkt  nach  dem  Ende  des  Circus 
im  J.  550,  d.  h.  einer  direkten  Verbindung  der  Bauern- 
märkte mit  der  zum  naevischen  Thor  hinausführenden  Haupt- 
strasse (A.  38.  50).  Man  sieht  leicht,  dass  diese  Strassen- 
bauten durch  den  bedeutenden  Aufschwung  des  Verkehrs 
der  Handelsvorstadt  veranlasst  worden  sind.  Ob  die  zweit- 
genannte Strasse  ganz  im  Thal  oder  über  demselben  lief,  ist 
unbekannt.  Unter  dem  'Bau'  kann  nicht  füglich  Aie  Plani- 
rung  des  unebenen  oder  fekigen  Terrains,  eine  blosse  Erd- 
arbeit verstanden,  es  muss  an  Pflasterung«  oder  Chaussirung 
gedacht  werden.  Wenn  in  der  Zeit  zwischen  den  Jahren 
517  und  550  die  Chronik  zwei  vici,  den  Imteius  und  den 
Acilius  erwähnt  (A.  46),  so  dürfen  wir  also  nach  der  hier 
begründeten  Ansicht  über  die  Strassennamen  annehmen,  dass 
diese  Strassen,  von  denen  jene  auch  ein  clivus  gewesen  zu 
sein  scheint,  kürzere  oder  längere  Zeit  vor  den  Jahren,  in 
denen  sie  zum  erstenmal  genannt  werden,  chaussirt  oder 
gepflastert  worden  sind.  Die  Pflasterung  städtischer  Strassen 
ist  mithin  älter  als  die  gleich  zu  erwähnende  Massregel  des 
J.  580.  —  Damals  zuerst  kam  aus  der  griechischen  Komödie 
das  Fremdwort  platea  für  die  breitere,  vielleicht  die  gepflasterte 
Strasse  in  Umlauf:  diese  Bedeutung  hat  es  auch  in  der 
Conversationssprache  der  klassischen  Zeit  und  in  der  Amts- 
sprache vornehmthuender  Provinzialstädte :  in  die  römische 
hat  es  niemals  Eingang  gefunden.    In  der  spätesten  Schrift- 


liber  die  der  Flaminia  derselbe  Campo  Marzo  T.  38  vgl.  Bergier  Bist, 
des  graods  chemios  de  Tempire  R.  2,  2  ff.  Uefoer  das  Alter  der  erlial- 
teneu  Theile  habe  ich  kein  Urtheil.  —  Die  Inschrift  der  via  Solana  y, 
639  (oben  §  7  A.  45) :  .  .  via  gld\rea  sternenda  af  fn{l[iario  .  .  Breite 
der  Appia  zwischen  den  crepidines  nach  Canina  4,  15  M.,  anderer 
Strassen  verscliieden. 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  523 

und  Volkssprache  hat  es  bald  die  Bedeutung  von  Strasse 
überhaupt,  bald  bedeutet  e&  Platz  *^*).  —  Diese  Bauten,  stück- 
weise und  auf  verhältnissmässig  kurze  Strecken  vorgenom- 
men,  mochten  aus  Strafgeldern  die  Aedilen,  aus  kärglich 
angewiesenen  Quoten  des  Budgets  die  Censoren  unternehmen: 
zur  Besserung  des  bei  weitem  grössten  Tbeils  der  städtischen 
Wege  genügten  so  geringe  Mittel  nicht.  —  Als  nach  den 
Schlachten  von  Kynoskephalae  (557)  und  Magnesia  (565)  das 
Geld  der  Konige  Philippos  und  Antiochus  in  den  Schatz  ge- 
flossen war,  konnte  man  grössere  Arbeiten  in  Angriff  nehmen. 
Im  J.  570  ist,  nach  wahrscheinlicher  Vermuthung,  auf  die 
Erweiterung  des  Kloakensystems  die  Summe  von  24  Millio,- 
nen  Sesterzen  verwendet  worden.  Der  Löwenantheil  scheint 
wieder  auf  die  Handelsstadt  am  Aventin  gefallen  zu  sein 
(S.  442);  von  den  umfassenden  Bauten  des  J.  580  auf  die- 
selbe mindestens  ein  erheblicher  Theil.  Der  Bericht  über 
diese  Bauten  führt  uns  verschiedene  Gruppen  in  leider  theils 
unklarer,  theils  durch  die  Lückenhaftigkeit  der  handschrift- 


«»<")  Bekannt  ist  (Mem.  dell'  inst.  2,  237.  239),  dass  die  Gfieclien  viae^ 
vici  mit  nlajeTaiy  axevtonoC  wiedergeben,  dass  Plautus  und  Terenz  platea 
aus  den  griechischen  Originalen  entlehnen,  aber  nicht  in  dem  technischen 
Gegensatz  zu  vicus  gebrauchen,  sondern  allgemein  für  Strasse  (die  Stellen 
stellen  bei  Tuchhändler  De  voc.  Gr.  in  Lat.  1.  translatis,  Berliner  Diss. 
S.  54),  wie  deutlich  z.  B.  aus  Mil.  609.  Cure.  278  zu  ersehen  ist.  Die 
classische  Conversationssprache  (Cicero  meidet  das  Wort)  betont  bald 
den  Gegensatz  (z.  B.  Caes.  Civ.  1,  27),  bald  den  oben  bezeichneten  mo- 
dischen Begriff  (so  Catull  15,  7  vgl.  Hör.  Ep.  2,  2,  71).  Bei  den  Spä- 
teren (so  bei  den  Scriptores  h.  Aug.  und  Gassiod.  8,  30)  steht  es  vor- 
wiegend für  via  im  AUgemeinea:  bei  Appuiejus  Met.  2,  32  ist  prima 
platea  was  3,  2  primus  angiporius  (vgl.  dens.  2,  18.  27).  In  den  Mu- 
nicipien  und  Provinzialstädten  dagegen,  und  nur  in  diesen,  erscheint 
platea  (dafür  via  patula  in  Cales  Wilm.  2032)  im  amtlichen  Sprach- 
gebrauch wohl  als  ^breite  Strasse',  'Platz'  (so  sicher  in  Lambase  Renier 
Alg.  184;  in  Burdigala  bei  Auson.  Ordo  nob.  urb.  S.  100  Seal.;  viel- 
leicht in  den  JJ.  der  Rheiogegend  He.  181.  5242.  6611;  Saepinum  ?  ? 
6610).  Daher  in  der  späten  Erklärung  des  Pariser  Glossars  (Momms. 
Hermes  3,  303),  auf  welche  ich  unten  zurückkomme,  plateae  viae  Uttae 
a  porta  in  purtam.  Bei  Antoninus  martyr  de  locis  sanctis  Palaestinae. 
(6.  Jahrh.)  c.  8.  48  scheint  es  eine  Ortschaft  (vgl.  ^  Mar  ret')  zu  bedeuten. 


524  THEIL  I. 

liehen  Ueberlieferung  getrübter  Darstellung  ror.  Die  Cen- 
soren  dieses  Jahres  sollen  die  Pflasterung  der  städtischen 
Strassen  mit  Polygonen  von  Lava,  die  Aufschüttung  der 
Heerstrassen  mit  Kies  und  die  Herstellung  von  steinernen 
Rändern  an  den  letzteren  (?)  zuerst  von  allen  Censoren, 
auch  den  Bau  Ton  Brücken  rerdungen  haben.  Dann  folgt 
die  Verdingung  der  Bauten  im  Gircus,  dann  die  Pflasterung 
des  ditms  nach  dem  Kapitol  und  die  Errichtung  einer  ge- 
deckten Halle  längs  desselben  —  natürlich  mit  Fusssteig, 
wie  anderwärts  (oben)  — ,  die  Pflasterung  des  Emporiums 
und  einer  Strasse  am  Aventin.  —  Da  es  nach  dem  bisher 
Gesagten  fest  steht,  dass  der  Anfang  zur  Pflasterung  der 
städtischen  Strassen  nicht  im  J.  580  gemacht  worden  ist, 
so  kann  die  Maassregel  des  J.  580  nur  in  einer  systematischen 
Ausdehnung  des  Strassenbaus  bestanden  haben,  wie  die  des 
J.  570  in  einer  solchen  des  Kloakenbaus.  Innerhalb  welcher 
Grenzen  die  im  J.  580  yerfügbaren  Mittel  für  die  laufende 
Periode  der  Censur  die  Ausführung  des  grossartigen  Unter- 
nehmens gestatteten,  ist  unbekannt:  dass  die  Verdingnng  der 
Pflasterui%  des  clivus  auf  das  Kapitol,  wie  des  Hafens  und 
der  Anlagen  am  Aventin  besonders  genannt  werden,  erklärt 
sich  zur  Genüge  durch  die  besondere  Natur  dieser  ausser- 
halb des  Bezirks  der  eigentlichen  vrbs  liegenden  Bauten. 
Auch  ist  es  ganz  unglaublich,  dass  man  bis  dahin  keine 
Kunststrasse  nach  dem  Kapitol  besessen  haben  sollte,  während 
man  100  Jahre  früher  schon  für  den  Bau  eines  über  eine 
Meile  langen  getäfelten  Ganges  nach  dem  Marstempel  gesorgt 
hatte:  vielmehr  wird  es  sich  bei  der  Pflasterung  einer  solchen 
wohl  nur  um  eine  erhebliche  Verbesserung  gehandelt  haben  *^). 

^  Livios  41,  27:  eenseres  vias  stemendas  Hlice  in  urbe,  giarea 
extra  ttrbem  substruendas  marginandasque  prtmi  omnium  locaverunt 
pontesque  muliü  heis  fecerunt  et  scaenam  .  . .  (folgt  der  Circnsbaa)  et 
eUvum  CapUolinum  süiee  stemendum  curavertmt  et  portieum  ab  aede 
Satumi  in  Capitolium  ad  senaculum  ac  super  id  euriam  et  extra  por- 
tam  Trigeminam  emporifim  .  .  .  fecerunt  (§  7  A.  46).  et  extra  eandem 
.  .  .  fecerunt  (oben  A.  38).  In  den  bisherigen  Benrtheilangen  dieses 
Berichts,  auch  der  letzten  von  Mommsen  Hermes  12,  486  ff.,  ist  die  Vor- 


J 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  525 

—  Noch  eine  weitere  Frage  drängt  sich  hier  auf.  Es  ist 
undenkbar,  dass  man  das  comiium  und  das  forum  nicht  in 
sehr  früher  Zeit  gegen  Verschlammung  durch  Regengusse 
gesichert  und  nicht  irgend  eine  Festigung  des  Bodens,  auf 
dem  die  Curien  und  die  Trihus  zusammentraten,  versucht 
haben  sollte.  Allein  ein  neckischer  Zufall  hat  uns  die  beiden 
Zeugnisse  die  wir  über  die  Pflasterung  des  Forums  besitzen, 
verdorben.  Es  bleibt  immer  nur  ein  Deutungsversuch,  wenn 
ich  aus  dem  einen  schliesse,  dass  zu  CatOs  Zeit  das  Forum 
bereits  gepflastert  war,  aber  mit  Lava,  und  eine  unsichere 
Vermuthung,  dass  Sulla  eine  Travertintäfelung  herstellte,  die 
neuerdings  0,50  M.  unter  d^r  späteren  noch  jetzt  fast  ganz 
erhaltenen  vor  dem  Castorentempel  zum  Vorschein  gekommen 
isf^^).  —  Ebenso  ist  es  undenkbar,   dass   wenn   man   im 


geschichte  der  städtischen  Strasseobauten  ausser  Acht  gelassen  worden. 
Auch  scheint  mir  der  Zusammenhang  der  besonders  aufgeführten  Pflaste- 
rangen  in  der  oben  angedeuteten  Weise  befriedigend  erklärt  zu  wer- 
den :  nicbt  sowohl  die  Bestimmung  d^es  kapitolinischen  clivtts  für  den 
Triumph,  wi«  Mommsea  meint,  als  vielmehr  die  Sonderstellung  der 
Burg  überhaupt  (oben  S.  280  f.)  giebt  den  Schlüssel.  —  Möglich  ist  es 
übrigens,  dass  ursprünglich  auch  der  clivus  ('Lehne',  'Abhang',  Corssen 
1,  536)  anders  behandelt  worden  ist  als  die  via  {vicus)  in  der  Ebene 
(vgl.  A.  49):  später,  wie  die  erhaltenen  Pflasterungen  des  palatinischen 
und  kapitolinischen  zeigen,  nicht. 

'^)  Plinius  19,  24:  das  Forum  wurde  durch  Marcellns  mit  einem 
vehim  überspannt  ut  salubrius  läigantes  consistevent ;  quantum  muiatis 
morihus  Catonis  censoriiy  qui  sternendum  quoque  forum  muricibus  cen- 
suerat^  also  damit  die  Litiganten  überhaupt  nicht  stehen  könnten.  £s 
wäre  im  Geiste  Catos,  wenn  er  witzelnd  non  silidbus  sed  muricibus 
g»8agt  und  damit  auf  die  damadige  Pflasterung  hingewiesen  hätte.  — 
Festus  317:  Statae  mMrxA  simiUacrum  in  foro  cokbaiur:  poHquam,  id 
t  coUastravit,  ne  lapides  igne  corrumperentur,  qui  pluritnus  ibi  fiebat 
(so  Urs.:  plurvniis  ibi  fiebant  die  Hs.)  noctumo  tempore ,  magna  pars 
populi  in  suos  quique  vicos  rettulerunt  eius  deae  cuUum.;  d.  h.  die  That- 
Sache,  dass  die  Statu  mater  an  den  compita  seit  Augustus  verehrt 
wurde,  wird  aus  dem  Wegräumen  der  Bilder  auf  dem  Forum  erklärt. 
Huschke  schrieb  Cotta  stravä.  Aber  ist  es  wahrscheinlich,  dass  «iner 
der  AureUi  Cottae  so  kurzweg  genannt  worden  ist?  Auch  den  Buch- 
staben nach  glaube  ich  wahrscheinlicher  <^tt//a  «^avt^  zu  schreiben :  aber 
es  fehlt  mir  jeder  weitere  Anhalt  ausser  einer  gewiasen  Wahrscheinlich- 


526  THEIL  I. 

6.  Jahrhundert  begann  Strassen  auf  dem  Aventin  zu  pflastern, 
die  Sacra  via  und  die  nova  via  noch  ungepflasterte  Feldwege 
gewesen  sein  sollten:  man  wird  sie  im  Gegentheil  als  die 
ersten  gepflasterten  Strassen  zu  betrachten  haben.  Die  oben 
hervorgehobene  Thatsache,  dass  sie  die  einzigen  viae  Roms 
sind,  darf  als  ein  indirekter  Beweis  dafür  gelten.  Diese 
Namen  sind  Ueberreste  aus  einer  Zeit,  deren  Spuren  eine 
spätere  gesetzliche  Thätigkeit  nicht  ganz  hat  verwischen 
können  oder  wollen. 

Der  städtische  Strassenbau,  lange  vor  dem  J.  580  in 
Angrifl'  genommen,  aber  nicht  über  die  Befriedigung  einiger 
dringender  Bedürfnisse  hinaus  vervollkommnet  und  mit  unge- 
nügenden Mitteln  ausgestattet,  hat  durch  die  grosse  Unter- 
nehmung des  J.  580  einen  ersten  Aufschwung  genommen. 
Es  müssen  aber  nothwendig  mit  den  uns  bekannten  senato- 
rischen Anordnungen  gesetzliche  Regelungen  in  Verbindung 
gestanden  haben,  durch  welche  der  Bau  der  Heerstrassen 
(viae)  zum  erstenmal  von  dem  der  städtischen  Strassen  (von 
nun  ausschhesslich  vici)  definitiv  getrennt,  jener  den  Cen- 
soren  belassen,  dieser  zunächst  —  so  vermuthe  ich  —  den 
eigentlichen  Baubeamten,  den  Aedilen,  zugewiesen  und  ihnen 
die  Heranziehung  der  Einwohner  (vicini)  zum  Tragen  der 
Kosten  und  Stellen  von  Arbeitskräften  vorgeschrieben  wurde. 
Allein  diese  Arbeiten  wuchsen  lavinenartig:  ein  glücklicher 
Zufall  lehrt  uns  ein  Gesetz  (ungewiss  wann,  sicher  vor  683 
beschlossen),  die  lex  Visellia  kennen,  welches  jedesfalls  in 
Berücksichtigung  der.  wachsenden  Arbeitslast  die  Wahl  eigener 
Beamte  für  den  Strassenbau,  d.  h.  den  Neubau  der  Strassen 
{viis  stemundis)  bestimmte,  und  die  Thätigkeit  der  Aedilen 
auf  die  Tuition  der  bereits  gebauten  Strassen  beschränkte. 
Wir  sahen,  dass  im  J.  570  die  Pflasterung  der  d.  h.  aller 
Brunnenbassins  verdungen  wurde  (§  7  A.  60  und  S.  459) 
und  dass  drei  solcher  Brunnen  wie  die  vici  plebejische  Gentil- 


keit,  dass  SaUa  auch  io  dieser  Beziehang  Caesar  vorangeg^Dgen  sein 
wird,  dessen  Verbesserung^  des'Fornms  bekaaot  ist,  nnd  die  semita 
saxo  quadrato  v.  i.  458  macht  mich  bedenklich. 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  527 

namen  führen  (A.  47);  wenn  ferner  im  J.  580  der  Bau  *der 
Brücken^  verdungen  wurde  und  dabei  allerdings  zunächst  an 
Brücken  ausserhalb  der  Stadt  zu  denken  ist,  so  mag  doch 
auch  der  Bau  von  steinernen  Brücken  in  Aussicht  genommen 
sein  und  wie  die  Strassen  und  die  Brunnen  finden  wir  die 
ersten  steinernen  Inselbrucken  von  Wegebaubeamten ,  die 
erste  steinerne  Brücke  Roms  der  Ueberlieferung  nach  von 
einem  Quästor  gebaut  und  benannt  (§  7).  —  Im  J,  709  ist 
das  Municipalgesetz  Caesars  erlassen.  Wir  finden  hier  die 
Sorge  für  die  *  Pflasterung  und  Ausbesserung'  der  Strassen 
der  Stadt  und  des  Weichbildes  bis  zum  ersten  Meilenstein 
den  Aedilen  übertragen.  INaturlich  geschieht  dies  wie  bei 
allen  öfientlichen  Bauten  im  Wege  der  Verdingung,  aber  es 
sind  die  Hauseigenthümer  heranzuziehen  zum  Bau  von  Fuss- 
wegen  (s^mitae)  aus  'aneinander  schliessenden  Steinen'  und 
wie  es  scheint  innerhalb  gewisser  Grenzen  zur  Ausbesserung 
der  Hälfte  des  Fahrdamms  oder  Beseitigung  von  Hindernissen 
auf  demselben.  Diese  Bestimmungen  lassen  nicht  mit  Sicher- 
heit erkennen,  ob  die  Pflasterung  damals  in  Rom  bereits 
vollständig  durchgeführt  war.  Doch  wird  sich  gleich  zeigen, 
dass  die  Benennung  der  vici  nach  Baubeamten  von  nun  an 
aufgehört  zu  haben  scheint.  Wie  es  mit  der  Pflasterung  in 
der  Kaiserzeit  gehalten  worden  ist,  ist  merkwürdiger  Weise 
nicht  näher  bekannt:  doch  haben  wir  S.  335  darauf  auf- 
merksam gemacht ,  dass  wahrscheinlich  die  Instan^erhaltung 
derjenigen  Abschnitte  der  aus  den  Stadtthoren  hinausführen- 
den viae  publicae,  welche  innerhalb  der  Grenze  der  14  Re- 
gionen liefen,  den  Curatoren  der  viae  abgenommen  wor- 
den ist"). 


^')  Die  hier  YorgetrageneD  Sätze  weichen  in  mancher  Beziehung 
von  den  Ausflihmngen  Mommsens,  dem  übrigens  die  Feststellung  alles 
Wesentlichen  verdankt  wird,  ab.  Ich  kann  an  dieser  Stelle  nicht  in 
eine  ausführliche  Erörterung  eintreten.  —  Ueber  den  Charakter  der 
Aedilen«  als  der  eigentlichen  Baubeamten  s.  Mommsen  Staatsr.  1',  675 
2,  468  (der  nur  S.  470  die  Ableitung  von  aedisy  Gebäude,  als  die  allein 
mögliche  hätte  hinstellen  sollen.)  —  Ueber  die  lex  FUelUa  ders.  2,650. 
Die  in  Folge  dieses  Gesetzes  gewählten  euratGre*  viü  stemundis  und 


528  THEIL  h 

Wir  haben  bisher  nun  zwei  Klassen  von  Strassen  be- 
trachtet: die  nach  Zünften  und  die  nach  Baubeamten  be- 
nannten. Unter  den  übrigen  wiegen  bei  weitem  Namen  jün- 
geren Ursprungs  vor. 

Die  wenigen  sicher  republikanischen  Namen:  die  Lang- 
gasse —  eine  Hauptstrasse  — ,  die  Verbrecher-,  die  Patricier- 
und  die  Strasse  der  Cupra  (?),  die  Strasse  des  pallacini- 
scben  Bades  und  des  nüchternen  Mercurs,  mögen  in  ganz 
verschiedenen  Zeiten  entstanden  sein  und  tragen  das  Ge- 
präge individueller  volksmassiger  Benennung*').  Unter  den 
übrigen  unterscheidet  man  wiederum  einige  Gruppen:  einige 
sind  nach  alteren  Ortsnamen,  Thoren  und  der  Nähe  von 
Gebäuden  benannt,  wie  die  Lorbergehölz- ,  die  Volksteichs-, 
Curien-,  Lagerstrasse,  die  nach  den  Thoren  benannten 
Strassen '^^) ;  dann  die  grosse  Menge,   welche   nach  Göttern 


viarum  scheint  mir  Varro  (s.  A.  47)  mit  den  Aedilen  zasammen  anter 
dem  untechnisclien  Worte  viocuri  (vgl.  vieomagistri  neben  techni- 
schem magütn  vici  oder  vicorum)  zu  begreifen.  —  Ueber  die  Ver- 
pflichtnngp  der  Bürgerschaft  die  Last  des  munire  zn  tragen ,  giebt  die 
lex  Ursonensis  Auskunft :  Mommsen  510.  649  f.  —  Meines  Wissens  ist 
bisher  nicht  bemerkt  worden,  dass  im  J.  580  oder  bald  nachher  eine 
gesetzliche  Regnlirung  eingetreten  sein  mnss  nnd  die  lex  FiseUia  sie 
nur  modificirt  haben  kann,  die  Wichtigkeit  der  Namen  ist  nicht 
erkannt  worden.  —  Ueber  die  Eponymität  vgl.  A.  56.  —  In  der  Bear- 
theilaog  des  Municipalgesetzes  bei  Mommsen  in  dem  A.  50  a.  Aufsatz 
vermisse  ich  den  zwingenden  Beweis,  dass  die  Pflasterung  noch  nicht 
durchgeführt  sei:  als  Regel  gilt  sie  offenbar.  Schlüsse  aus  der  Pflaste- 
rung der  meisten  oder  aller  Strassen  kleiner  Manicipien  oder  Golonien 
sind  unsicher.  Ueber  das  Alter  der  Pfla«teraog  von  Pompeji  habe  ieh 
kein  Urtheil.  —  Ueber  die  den  Quästoren  bis  auf  Claudius  obliegende 
Pflasterung  s.  Mommsen  Staatsr.  2,  522. 

'')  Viele  Anlässe  der  Benennungen  sind  natürlich  ganz  dunkel: 
über  den  sceieratus  und  eiprius  oder  cuprius  oben  S.  115.  Der  patricivs, 
quod  ibi  patricii  hahitaverunt,  iubente  Strvio  TulHo  ui  siquid  moUrentur 
adversus  ipsum  ex  locis  superiorünu  ofprimermtur  (Festas  Aaaz.  221), 
kann  möglicherweise  ziemlich  spät  von  irgend  welchen  inmitteB  stark 
plebejischer  ßevölkerang  aaflatlenden  Patricierhänsern  benannt  sein. 
Ueber  den  vieus  PaUadnae  s=  balnearum  Pallaemarum  s.  Bd.  2,  592  f. 

^)  Es  sind  folgende:  armÜHsträj  eastrerum,  euriarum,  lanuchnns, 


8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  529 

oder  nach  KuDstdenkmälern ,  unter  denen  das  eaput  Afrieae 
hervorzuheben  ist,  benannt  sind^*),  (von  jenen  ist  ein  Theil 
nachweislich  nach  nahen  Tempeln  benannt);  endlich  finden 
wir  eine  kleine  Anzahl  von  Cognoroina,  welche  zwar  nicht 
sicher,  aber  doch  wahrscheinlich  von  Standbildern  der  Per- 
sonen, allenfalls  auch  von  nahen  von  denselben  ausgeführten 
Bauten  benannt  sind'^^).     Es  steht   nun   fest,  dass  Augustus 


loreti  (A.  47),  ptscinae  publicae;  portae  CoUinae,  Ratidusculanae,  Fitni- 
nalis;  stabuli  proconsuHs  (?),  summi  choragii,  viridiarii.  Dahin  gehört 
auch  wohl  der  Drusianus  (beim  Drususbogeo).  Auch  (domus)  rostrat(a)eJ 
A.  75. 

^)  VoD  GSttern  oder  deren  Tempeln  oder  Sacella  benannt: 
j4poUmiSj  Bellonao,  CamBnamm^  Dianae,  Fidetj  ForUs  Fortunae;  For- 
lunae  dübiae,  mammosaey  obsequentis,  respidentis,  dazu  Huiusque  dieij 
Honoris  Firtutis  ^  lovis  FofftdalU^  Larum  alitum  und  putealium  (?), 
Mamuri  (?),  Mtnerviusj  Mundiciei,  Sabitaris  (?),  SaltUiSy  Feneris  almae, 
Fietoriae;  von  Denkmälern :  capitis  Afrieae  —  wahrscheinlich  eine  der 
Provinz endarstellungen  an  einem  Hause  (A.  75);  vielleicht  alt  —  da- 
neben Africus  (?);  capitis  canterii,  colwnnae  Kgneae,  compiH  pastoris, 
Cyclopis  (?),  delfini;  lad  Fundanüy  cunicuU  (s.  Einl.  §  2  A.  56),  mUiarii 
restituii,  tedi;  Padi  (Flussgott?),  siiani  saiientisy  Statae  Siccianae,  sta- 
tuae  Falerianaey  triam  . .  rum  (?). 

")  Caeseris  (?),  Censorii,  Fortunati ,  Gemini  j  Quadrati,  Strobili 
(?  Sklavenname);  IjOngi  Aqtälae  (?);  Fictoris,  wohl  auch  Triarü.  Es 
ist  bekannt,  dass  Bauten  amtlich  den  Gentilnamen,  nicht  das  Cognomen 
der  Beamten  führen:  so  die  Brücken  pons  AemiUus  u.  s.  w.,  die  Wasser- 
leitungen aqua  Marcta  u.  s.  w.,  die  Basiliken  basilica  Porcia  u.  s.  w. 
Ebenfalls  Öffentliche  nach  den  Baubeamten  benannte  Gebäude  sind  nach 
meiner  Auffassung  die  curia  HostiUa  (§  2  A.  10)  und  die  atria  Mae- 
nium,  Titium^  lAdma  (unten  A.  60).  Man  muss  daher  Anstand  nehmen 
in  dem  cUvus  und  vicus  Scaurt  und  dem  fons  Scaurianus  (CIL  6,  1, 
]63ff.)j  dem  clivns  Cinnae  (bei  Rom,  Wilm.  311),  dem  facus  Pisonis 
(denn  so  ist  doch  bei  Cic.  ad  Qnintom  2,  3,  7  unzweifelhaft  statt 
lueum  zu  schreiben),  technische  den  clivus  Publiciusy  locus  ServiUus 
und  LoUianus  (Forma  S.  43),  fons  Curtius  gleichstehende  Ausdrücke 
zu  sehen.  Ebenso  untechnisch  ist  aedes  lovis  MeteUina  (Fest.  363).  — 
Einen  Scanrus  kennen  wir  als  Erbauer  oder  Wiederhersteller  von 
Ponte  moUe  (§  7  A.  28)  und  haben  die  Inschrift  (Setia)  Scaurus 
pr{aetor)  pro  cos.  bas{ilieaM):  Ritschi  PLM  T.  LXXV  A  vgl. 
Detiefgen  Philol.  20,  456  f. 

Jordan,  römische  Topographie.    I.    1.  34 


530  THEIL  I. 

seinen  14  neuen  Polizeibezirken ,  die  bereits  vorhandenen 
vici  zutheilte,  dass  wie  schon  Agrippa  eine  grosse  Anzahl 
Kunstwerke  an  den  Brunnen  derselben  aufgestellt  hatte,  so 
Augustus,  als  er  die  alten  Coropitalien  reorganisirte ,  Kunst- 
werke aller  Art  zur  Aussdamücküng  derselben  bestimmte. 
Die  erörterten .  Namen  scheinen  m  ho  weisen,  dass  Augustus 
die  ält^eiv  volksthumlichen  beibehielt,  neu«  schuf,  indem  er 
bisher  unbenannte  vici  nach  dem  neuen  Schmuck  derselben 
benannte:  mit  einem  Worte  die  Einfuhrung  von  Namen  für 
alle  vici  der  Stadt  scheint  eine  der  Regioneneinrichtung 
gleichzeitige  Maassregel  zu  sein*^^). 

Blicken  wir  nun  zurück  auf  die  geschichtliche  Entwicke- 
lung  des  Strassenwesens  und  des  Häuserwesens. 

Der  Pflegvater  des  Stadtgrunders  Faustulus  bewohnt  als 
Hirt  ein  ^Dach'  {tugurium),  Romulus  selbst  hält  fest  an  der 
alten  Lebensgewobnheit  und  bewohnt,  als  er  die  Ansiedelung 
auf  dem  Palatium  gegründet,  diese  selbige  Hütte  (casd),  ja 
noch  nach  dem  Siege  über  die  Sabiner  eine  gleiche,  stroh- 
gedeckte auf  dem  Kapitol.  Nicht  anders  mochten  nach  der 
Vorstellung  der  Alten  die  ^Ankömmlinge  vom  Lande',  seine 
Bürger,  wohnen:  auch  hatten  sie  ja  ihre  Heerden  auf  dem 
Palatium  und  trieben  sie  durch  das  Burgthor  auf  die  Weiden 
zu  Füssen  des  Berges  hinab.  Das  war  vor  Gründung  der 
servianischen  ummauerten  Stadt^^).    In  dieser  Stadt   giebt 


67)  Oben  S.  302  f.  Ueber  die  Scho^kung  von  Bildern  z.  B.  der 
Stata  luater  uad  des  Volcanus  s.  Marioi  bei  Visconti  Piocl.  4,  348  A.nn. 
delV  inst.  18Q2,  325.  Dionys  4,  14  lasst  den  Servius  TuUius  in  jeder 
der  4  Regionen  eine  bestimmte  Anzahl  vici  (entsprechend  den  ländlichen 
pagi)  einrichten  und  die  compita  derselben  mit  den  Larenbildern 
schmücken:  eine  ofifepbare  Zurückdatirung  des  späteren  Zastandes,  auf 
keinen   Fall  ein  geschichtliches  Zeugniss.     Vgl.   A.   62. 

68)  Varro  De  re  r.  3,  1  Vitruvius  2,  1  n.  A.  lehren :  die  casae 
und  tug^ria  (aus  teg-uria  oder  iog-ui*ia,  wie  tog^-a^  von  teg-o)  kenn- 
zeichne die  vUa  tvstiea  vor  Gründung  der  Stadt  mit  Mauer  nod 
Thor;  sie  siod  wie  die  Bauernhütten  der  nicht  zum  Städtebau  fort- 
geschrittenen Völker  strohgedeckt  gewesen :  so  auch  das  tugtanum 
Faustuli  und    die   casa  Romuli  (oben  §  2  A.  5).    Diese  ganze  Theorie 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  531 

es  nur  'Gebäude^  (aedes),  welche  dem  Bürger  mit  seinem 
Hausstände  (familia)  als  *  Behausung^  {domm)  dienen:  schon 
sehr  alt  muss  der  Gegensatz  des  'Bauernhofs^  (viUa)  der 
Leute  vom  Lande  sein.  Der  'Gemeindehof'  (villa  publica) 
auf  dem  Marsfeld  bei  der  'Hürde'  (saepta)  zeigt,  wie  die 
Form  des  Bauernhofs  hier  vor  der  Stadt  die  Bauform  für 
ein  Haus  abgab,  das  den  Beamten  als  Amtshaus,  Fremden 
oder  Gästen  des  römischen  Volkes  als  Herberge  diente '^®). 
Neben  domus  haben  die  Latiner  zwei  andere  Wörter  für 
Haus  aus  dem  indogermanischen  Erbgut  mitgebracht:  curia 
und  vicus.  Aber  jenes  hat  nur  in  den  individuell  geprägten 
Bedeutungen   'Familien-   oder  Geschlechtsgemeinschaft'  und 


ist  im  Grande  nichts  anders  als  ein  ins  Römische  übersetztes  Kapitel 
aus  Dikäarch,  worüber  ich  an  einem  andern  Orte  handeln  werde.  — 
Eine  Spar  des  Geg^ensatzes  zwischen  städtischer  aedicula  und  bäuerli- 
ehern  tugurium  (in  der  Bedentung  Kapelle)  hat  sich  im  Sprachgebrauch 
erhalten:  der  Bauer  von  Ooblino  nennt  seine  aedicula  ein  tegurium 
(CIL  5,  1,  5005);  dass  dies  keine  individuelle  Erfindung  ist^  dass  viel- 
mehr diese  Bezeichnung  in  plebejischem  Latein  allgemein  üblich  war, 
ist  Hermes  1,  193  ff.  nachgewiesen  worden. 

^*)  Wir  haben  keinen  sicheren  Beleg  für  Singul.  aedes  in  der  Beden- 
tung *Haus'  (auch  die  von  Nene  1',  451  a.  Stelle  des  Plaut.  Asin.  1,  3,  67 
aedis    nobis  areast  ist  keiner,   wie  man  sieht):   die  allgemeine  Bedeu- 
tung 'Gebäude',  'Gebautes',    welche  der  älteste  und  technische  Sprach- 
gebrauch aufweist  (Hans,  Laden,  Bauernhof,   Herberge:   Zwölftafeln  8, 
9  Seh.;  Varro  5,  160;  aedü  po/^/tco«  CIL  1,  551),  rechtfertigt  den  Plural 
und   macht  mich  gegen    die  allgemein   gangbare  Zusammenstellung  mit 
al&'(o  (=  Feuerstelle)  ungläubig.    Der  Singular  für  'Gotteshaus'  wird 
eine  wenn   auch   sehr   alte    conventioneile  Differenzirung   sein.  —  Bei 
Plautus    wird  gefragt  quis  habiUU  in  hü  aedibus,   das  Municipalgesetz 
vertauscht  die  generelle  Bezeichnung   aedes  (daher  sicher  aedäiSy   vgl. 
oben  A.  52)  mit    aedificium.      Unklar    ist   das   aedifidum    sobmi  est 
der  Argeerurkunde.  —  Das  von  Varro  a.  0.  irrig  für  ein  Fremdwort 
gehaltene  domus  bezeichnet  nach  bekanntem  Sprachgebrauch  das  Hans 
als  'Behausung'  der  familia,  im  Gegensatz  zu  allem  was  foris  oder  in 
pubUco  ist.    Ueber  die  viüa  publica  Th.  II:  die  alte  Etymologie  von  villa 
quo  fructus  convehebantur  (Varro  5,  30)  ist    eben   so   falsch    wie   die 
parallele  forum  quo  ferebant.    Der  Zusammenhang  mit  vißus  ist   wohl 
sicher. 

34* 


532  THEIL  I. 

^Yersammlungshaus^  Aufnahme  gefunden  —  in  letzterer  trat 
allmählich  an  seine  Stelle  atrmm,  die  Bezeichnung  des  ge- 
meinsamen Raumes  der  Hausgenossen  — ,  dieses  in  der  den 
meisten  anderen  Zweigen  der  Völkerfamilie  ebenfalls  geläu- 
figen yerengten  Bedeutung  *  Wohngemeinschaft',  'Dorf%  im 
Gegensatz  zu  der  loseren  Verbindung,  welche  die  zerstreut 
liegenden  Gehöfte  des  Gaus  (pagus)  mit  einander  haben.  — 
Das  Dorf,  vielleicht  vor  der  Periode  der  Städtegründungen  in 
Mittelitalien  die  höchste  Entwickelungsform  staatlichen  Lebens 
innerhalb  des  Stammes  und  der  Stammgemeinde  {populus), 
stellt  sich  äusserlich  dar  als  Gruppe  von  Gehöften,  welche 
zu  beiden  Seiten  einer  oder  mehrer  sich  treffender  Haupt- 
strassen gelagert  das  Bild  einer  einheitlichen  Wohnung 
geben *°).  —  Wir  haben  gesehen,  dass  die  Strassen  Roms 
von  der  Aehnlichkeit  des  Dorfs  ihren  Namen  haben  und  dass 
derselbe  seit  der  regelrechten  Sorge  für  das  Strassenwesen 
zur  amtlichen  Alleinherrschaft  gelangt  ist  Es  mag  sein 
dass,  wie  man  neuerdings  für  Pompeji  es  hat  nachweisen 
wollen,  die  Aehnlichkeit  des  Dorfes  in  ältester  Zeit  noch 
weiter  ging:  dass  das  Haus  in  der  Stadt  Rom  mit  Garten 
und  Vorhof  von  bestimmter  Grösse  versehen,  dem  Bauern- 
gehöfte des  Dorfes  ähnlich  sah,  und  dass  diese  Beschaffenheit 
bei  fortschreitender  Kultur  dazu  geführt  hat,  dass  eine  Zeit 
lang  wenigstens  ein  Umgang  von  geringer  Breite  (ambitus)  jedes 
Haus  umgeben  musste.  Da  indessen  dieser  Zustand  schon 
zur  Zeit  der  Zwölftafeln  der  heiTschende  war,  so  müsste  die 
Wandelung  in   die  früheste  Zeit  hinaufgerückt  werden   und 


^)  Ueber  curia  oben  S.  §  2  A.  66^  über  vicus  Captins  Et.«  162. 
Es  scheint  sowohl  das  Germanische  wie  das  Keltische  mit  dem  Latei- 
nischen, das  Griechische  mit  dem  Altindischen  zu  gehen.  —  Der  sehr 
sachkundige  Artikel  des  Festus  371  unterscheidet  1,  die  Dorfgemeindefl, 
die  uns  hier  nicht  naher  angehen,  2,  cum  id  genus  aedificiorwn  defi- 
nüur  quüie  continentia  his  (vielmehr  m)  opptdis;  quae  üineribus  regio- 
nibusque  disiributa  inter  se  distant  nominibusque  dissimiUbus  discrimmt 
causa  sunt  dispartüai  vgl.  Varro  5,  145.  Die  dritte  Gattung  wird  untea 
erörtert  werden.     Forma  S.  29  §  11,  oben  A.  56. 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  533 

wir  haben  vom  topographischen  Standpunkt  aus  auf  weiteres 
Muthmaassen  zu  verzichten.  Wann  auch  diese  Scheidung 
aufgegeben  und  zuerst  Haus  an  Haus  gelehnt  und  mit  ge- 
meinsamen Zwischenwanden  gebaut  wurde,  ist  ebenfalls  un- 
bekannt. —  Schon  in  den  Dörfern  mag  die  Deckung  der 
Häuser  mit  Holzschindeln,  der  Bau  der  Wände  aus  Fachwerk 
und  Luftziegeln  die  herrschende  gewesen  sein:  jene  hat  sich 
in  Rom  bis  zum  pyrrhischen  Kriege,  dieser  —  nur  dass 
seit  dem  Aufkommen  des  Mörtels  daneben  auch  massiv  aus 
kleinen  Tufsteinen  gemauert  wurde  —  bis  in  das  7.  Jahr- 
hundert erhalten"). 

Wir  haben  gesehen  (S.  191fr.),  dass  jede  lokale  Spur 
einer  nach  Geschlechterstämmen  oder  Tribus  erfolgten  Auf- 
theilung  des  städtischen  Areals,  wenn  eine  solche  stattge- 
funden hat,  erloschen  ist.  Was  wir  als  älteste  Gliederung 
der  Stadt  innerhalb  der  vier  Viertel  erkennen,  ist  die  Wohn- 
gemeinschaft in  t7ict,  unter  denen  eine  Reihe  von  Gewerb- 
treibenden  ihre  Namen  haben.  Von  den  vom  Thor  nach 
dem  Markt  fuhrenden  Fahrstrassen  (viae)  führten  Nebenwege 
{semitae),  auch  ehe  sich  Haus  an  Haus  geschlossen  hatte,  ab 
wie  im  Dorfe.  Der  städtische  vicns  umfasst  eine  Haupt- 
strasse und  Seitengassen,  wie  in  spätester  (s.  unten)  so  in 
ältester  Zeit:  der  Name  der  Hauptstrasse  umfasst  in  weiterer 
Bedeutung  die   namenlosen  Seitengassen.    Diese  Seitenwege 


'^)  la  die  Detailuntersncbuiig  über  den  Hansbaa,  welcbe  durch 
Nissen  neu  angeregt  ist,  kann  und  braucht  hier  nicht  eingegangen  zu 
werden.  Zwolftafeln :  ambitus  7,  1  portus  2,  3.  —  Üeber  Pompeji  Fio- 
relli  Gli  scavi  di  Pompei  del  1S61  al  1872,  Appendice.  Neapel  1873.  — 
Der  Notiz  über  die  Schindelbedachung  bei  Plinius  16,36  (ans  Nepos) 
widerstreitet  freilich  das  vermeintliche  Zeugoiss  über  die  Staatsziege- 
leien nach  dem  gallischen  Brande:  dass  dies  indessen  keins  ist,  habe 
ich  oben  A.  5  gezeigt.  Dem  atrium privatum  steht  das  publicum  gegenüber, 
ein  Versammlungsort  für  Körperschaften  z.  B.  sutoriumy  auetionarium, 
oder  Beamte  {atrium  Libertatis)  und  wie  andere  öffentliche  Gebäude 
oft  nach  den  Erbauern  benannt:  so  die  atria  Lidnia^  wohl  auch  die 
von  Cato  gekauften  Maenium  und  Titium^  keinesfalls  Wohnhäuser. 


534  THEIL  I. 

mögen  sowohl  von  Strasse  zu  Strasse  bald  gerade  bald  ge- 
wunden hindurch  gefuhrt ,  bald  als  Sackgassen  oder  '  enge 
Buchten'  {angiportus)  sich  geschlossen  haben.  Die  Strassen- 
kreuzung  zweier  oder  mehrer  sich  schneidender  oder  zusam- 
mentreffender Strassen  {compitunij  bivium,  trivium,  quadrivium) 
giebt  den  natürlichen  Sammelpunkt  und  Mittelpunkt  für 
die  'Nachbarn'  {vicini,  differenzirt  von  den  Dorfge- 
nossen vicani),  die  hier  wie  im  Dorfe  die  pfadbeschötz en- 
den Laren  verehren  und,  seit  es  Brunnen  giebt,  Wasser 
schöpfen  kommen.  Tritt  die  Braut  in  das  Haus  des  Mannes, 
so  steuert  sie  einen  As  dem  Manne,  den  zweiten  dem  Haus- 
laren, den  dritten  den  Laren  des  vicus.  —  Die  jüngeren 
Annalisten  lassen  den  Servius  Tullius  jede  Region  in  eine 
Anzahl  vici  zertheilen :  dies  kann  jedesfalls  nur  als  ein  Ruck- 
schluss  aus  der  republikanischen  Zeit  gelten  (A.  57);  im  Staats- 
organismus bilden  sie  kein  selbständiges  Glied.  Wir  wissen 
Nichts  über  ihre  Entstehung  und  ihr  frühestes  Leben.  Wo 
sie  zuerst  greifbar  auftauchen,  im  siebenten  Jahrhundert, 
hören  wir  iwir  von  jener  sacralen  Gemeinschaft:  ihre 
magistri  sind  Cultusbeamten.  Aber  sie  sind  als  räumliche 
Bezirke  da  und  dienen  den  Staatsbeamten  für  einzelne  polizei- 
liche Zwecke  als  kleinste  Einheiten  des  städtischen  Organis- 
mus. —  Ist  es  erlaubt,  diese  festere  Gliederung  und  schär- 
fere räumliche  Abgrenzung  als  eine  nothwendige  Folge  des 
engeren  Zusammenschliessens  der  Gassen  und  Häuser  anzu- 
sehen und  in  den  je  6  Argeern  jeder  Region  die  Vorstufe 
dieser  vervielfältigten  Gliederung  zu  erkennen  ^^)? 


^3)  Es  versteht  sich,  dass  auch  der  Gebraach  all'  dieser  Ausdrücke 
stark  schillert:  wahrend  (nm  nnr  Einiges  anzudeuten)  in  der  Chronik 
z.  J.  458  (A.  49)  und  im  Municipalgesetz  die  semüae  zur  Seite  der 
viae  die  Fusssteige  sind,  sind  die  angustissimae  semüae  neben  den 
7ion  optimae  viae  Roms  (oben  A.  4)  die  Seitengassen  der  Haupt  Strassen, 
ebenfalls  (wahrscheinlich)  in  der  Bauteninschrift  von  Alatri  CIL1,  1166 
{semitas  in  oppido  omnis)  und  bildlich  in  alten  sprtichwortlichen  Re- 
densarten (Ennius  Trag.  272  R. :  qui  sibi  semitam  non  sapiunt  alteri 
monstrant  viam,  Fronto  S.  213  Na.:  neque  viae,  quod  volgo  aiunt,  tieque 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  535 

Zwischen   der  Zeit,    in   welcher  die  Häuser  bereits,  in 

zusammenhangenden  vki,  aber  noch  der  Regel  nach  getrennt 

von    einander    dnrch    den  Umgang,    sich  aneinanderreihten 

und  der  Zeit  m  welcher   die  Sprengung  des  Pomerium  und 

die    Auflösung  der  servianischen  Stadt  eine  Nothwendiglceit 

geworden   war,    liegen   Jahrhunderte.      Damals   lehnten   die 

Häuser  aneinander  mit  gemeinsamen  Zwischenwänden,  thurm- 

ten   sie  sich  in  mehren   Stockwerken  auf,   drängte  sich  in 

denselben   bereits    eine    bunte   Bevölkerung   von   Inquilinen 

aller  Art  in  vermietheten  Nebenräumen.     Natürlich  gilt  dies 

haupti^chlich  von  der  Stadt  in  der  Ebene  und  in  den  Thälern: 

ganze  Hügel,  wie  das  Palatium  und  die  Carinen  ha:tten  noch 


semitae:  vgl.  Plant.  Gare.  2,  3,  8).  Daher  neben  den  lares  compitales 
vi€des  die  semitales  (^rarrnoci  Diss.  arch.  1, 51)  oder  semüales  dei  (Ver^. 
Catai.  8,  21).  —  ^ngiporius  heisst  bei  Plautus  Seitengasse^  ivie  semita 
(Most.  1045.  Psend.  960.  Pers.  443):    ebenso    bei  Cornific,  ad  Herenn. 

4,  51,  64,  Cicero  Milon.  24,  64  (neben  xricus) ,  Varro  5,  145,  in  der 
Inschrift  von  Cales  Wilm.  2032  u.  s.  f.  —  Die  Existenz  von  magistri 
vici  in  Rom  wie  in  Colonien  (in  Pompeji  m.  viel  et  eompiii  CIL  1  S. 
448)  vor  der  angastiscben  Regioneneintheilnnf^  steht  jetzt  fest  (Bd.  2, 
51  ff.).  Von  den  gemeiosamen  Interessen  erfahren  wir  nur  gelegentlich 
Einiges.  Die  junge  Frau:  Non.  531  (nach  Varro)  tertium  .  .  .  compito 
vicinati  solere  sacrare   {resenare  Hss.,    s.  Kettner  Varro  d.  gente  p.   R. 

5.  24).    W^asservertheilung :  S.  461. —  Ehreobezengnngen  an  Verdiente 
Männer  (Solla):  CIL  1,  584;    besonders  aber  die  Feier  Aer  compäaliä, 
der  Larenfeste    der   städtischen  viei.    Daher  bei  Plinius  3,  66  compite 
Lamm  metonymisch  die  vici,  eigentlich  die  Larencapelleji  der  vici,  welche 
offiziell,    sowohl    in    den  Dedicationen    derselben    wie    in    der  Notitia 
aediculae  heissen  (Bd.  2, 96).  Die  metonymische  Bedeutung  scheiiit  provin- 
ziell auch  technisch  gebraneht  zn  werden:  (3  magisiri  und  3  ministri 
zu  Verona)  compitum  refeeerunt,  teetüm  pcarietes  allevarunt,  valvas  Urnen 
de  sua  pecunia  Laribus  .dant  (CIL  5,  1,  3257);  (den  paganis  zu  Be- 
neveot)    .  .  .   compitum    a  solo  pecunia  sua  fecerunt    (Wilm.  1873). 
Ebenso    ist   wohl   das   quadrivi(um)   circumsaeptum  der  Koblenzer  In- 
schrift (JNeue  Preuss.  Z.  20.  Juli  1871)   zu    verstehen.     Die  Definition 
der  compita  Schol.    Pers;    4,    28:   hca  in  quadriviis  quasi  turres,  ubi 
sacrificia  finita  agri  cultura  fiebcmt   geht  auf    die    aus   den   Agrimen- 
soren    bekannten    Kapellen    (Feldm.   302  f.    Jahn    bei  Mommsen   Dial. 
141).      Ein    solches  Larencompitum    ist  das  den   Faii  Fatae  geweihte 
tugurium  von  Doblino   (oben  A.   58). 


536  THEIL  I. 

l 

Raum  genug  für  Bürgerhäuser  im  alten  Stil,  jetzt  Palast 
der  Vornehmen  und  Reichen  mit  Vorhof  und  Garten  oder 
dessen  modernen  Ersatz,  dem  '  Wald '  (A.  64).  Chronologisch 
lassen  sich  diese  Umbildungen  bis  auf  Sulla  nicht  verfolgen. 
Nur  ein  Ereigniss  tritt  in  der  langen  Zeit  bedeutungsYole 
hervor:  die  Ueberweisung  des  ÄTentins  an  die  Plebejer  durch 
den  Staat  Wir  haben  schon  oben  die  Ansicht  ausgesprochen, 
dass  die  angebliche  Geschichte  dieser  Ueberweisung  irrig 
annimmt,  der  Aventin  sei  bis  dahin  eine  waldbedeckte  men- 
schenleere Höhe  gewesen.  Sie  sieht  ebenso  irrig  —  und 
darin  gleicht  sie  der  Geschichte  des  Wiederaufbaus  der  Stadt 
nach  dem  gallischen  Brande  —  das  Entstehen  mehrstöckiger 
Miethshäuser  als  eine  Folge  der  Besiedelung  des  Hügels  an: 
man  erkennt  grade  hierin  die  Hand  des  Geschichtschreibers, 
der  die  Zustände  des  6.  und  7.  Jahrhunderts,  von  denen 
gleich  die  Rede  sein  wird ,  vor  Augen  hat.  Allein  es  darf 
aus  der  unzweifelhaft  richtig  überlieferten  Thatsache  der 
Errichtung  eines  Plebejerquartiers  auf  dem  Aventin  wohl 
geschlossen  werden,  dass  die  Wohnungsnoth  innerhalb  des 
Pomerium  durch  die  wachsende  Zahl  der  Plebejer  fühlbar 
wurde  und  dass  denselben  was  von  dem  Staatslande  auf 
jenem  Hügel  noch  frei  war,  als  Eigenthum  angewiesen  wurde  ^^). 
Dass  der  Aventin  im  6.  Jahrhundert  eine  volkreiche  aber 
noch  isolirte  Stadt  für  sich  bildete,  lehrt  der  oben  erörterte 
Bau  der  Strassen  an  und  auf  diesem  Hügel;  dass  er  niemals 
den  Charakter  der  Plebejerstadt  verloren  hat,  bezeugt  die 
unten  erhärtete  Thatsache,  dass  die  13.  Region  von  allen 
die  geringste  Zahl  *  vornehmer  Häuser'  besass. 

Doch  eine  genauere  Kenntniss  der  Zustände  der  Häuser 
und  Strassen  besitzen  wir  erst  seit  der  Zeit  des  Sulla.  In 
der  Hauptstadt,  wie  in  jenen  Abbildern  derselben,  den  Coio- 


^)  S.  oben  S.  280.  Dionys  10,  32  über  den  Hausbau:  eial  &* 
o*  avv6vo  xal  avvt^ug  xaX  hi  nU^ovs  awiovres  oixiav  xar^axtva- 
Covto   fitav,   hiqtov  fikv  t«  xatay^ia  Xayxf^v6vJ(»3V ,   kiäqwv    Ji    ta 


§   8]  DER  INNERE  AUSBAU.  537 

nien  tritt  uns  der  Gegensatz  zwischen  Besitzenden  und  Pro- 
letariat, zwischen  Palazzo  oder  Hotel  und  Miethswohnung 
plötzlich  in  aller  Schärfe  entgegen.  Wie  das  alte  eigene 
Haus  zu  enge  wird,  ein  Nachbarhaus  dazu  gekauft  und  bau* 
lieh  mit  demselben  rerbunden  wird;  wie  so  der  Parvenü 
aus  der  'Baracke  einen  Tempel'  macht;  wie  bei  der  steigen- 
den gewerblichen  Bevölkerung  es  nothwendig  wird  und  durch 
Einträglichkeit  lockt,  die  Zahl  der  Läden,  vermiethbaren 
Schlaf-  und  Wohnräume  zu  vermehren:  das  Alles  hat  be- 
sonders die  in  den  letzten  zehn  Jahren  entstandene  Bauge- 
schichte Pompejis  gelehrt  ^^).  Indessen  für  uns  handelt  es 
sich  noch  um  einen  weiteren  Schritt:  wir  wissen,  dass  viele 
angesehene  Leute  in  Rom  ihr  Geld  in  ländlichem  und  städ- 
tischem Grundbesitz  angelegt  hatten:  der  Ertrag  des  Ackers 
oder  Gartens  und  des  Miethshauses  bezeichnet  das  Vermögen 
der  Wohlhabenden.  Das  Miethshaus  heisst  'Insel'.  Wie 
und  wann  ist  der  Name  aufgekommen®^)? 

Das  Wort  ist  in  dieser  Bedeutung  nicht  nachweisbar  vor 
Cicero:  es  wäre  ein  eigenthumlicher  Zufall,  wenn  es  in  der 


M)  Trimalchio  bei  Petronius  —  der  nach  Mommsens  eiDleuchten- 
der  Beweisfähraog  Hermes  13,  106 ff.  Camae  schildert  —  Sat.  77: 
Interim  aedifieavi  hanc  donium\  ut  scitis  casa  erat,  nunc  templum 
est:  habet  quattuor  cenatumes  q.  s.  w.  Die  Anfäng^e  des  städtisehea 
Luxusbaas  geisseit  schon  Cato  in  den  Reden:  dicere  possuni  qmbus 
villae  atqtie  aedes  aedipcatae  atque  expolitae  maximo  opere  citro 
atque  ebore  atqtie  pavimentü  Poenicis  Stent  (Fr.  S.  55),  .  .  .  qui 
stulte  spondet,  qui  eupide  aedificai  (S.  44).  —  Fiorelli's  und  Nissen's 
Untersuchungen  über  Pompeji  haben  die  Lösung  der  hier  nur  be- 
rührten Fragen  überhaupt  erst  ermöglicht.  Ueber  die  eleganten  Häuser 
des  7.  Jahrhunderts  s.  Th.  II  (Palatin  n.  s.  w.):  charakteristisch  für 
die  Wohnungsverhältnisse  aach  der  bessern  Stände  in  Rom  sind  die 
Geschichten  bei  Cornific.  ad  Her.  4,  51  {se  aedis  maximas  euidam  amico 
ad  nuptias  commodasse)  und  Cicero  (ad  Quint.  2,  3,  7)  und  die  Beschrei- 
bung der  alten  domus  TamphiUana  mit  ihrer  süva  bei  Nepos  Att.  13, 
If.  vgl.  Cic.  Verr.  1,  19,  51. 

^)  Worin  ich  von  den  bisherigen  Behandlungen  der  Frage  (zu- 
letzt ausführlich  Preller  Reg.   86  ff.)  abweiche,  wird  man  leicht  finden. 


538  THEIL  I. 

Komödie ,  welche  Gelegenheit  genug  gab ,  es  zu  gebrauchen, 
eben  nur  zufallig  nicht  vorkäme.  Wäre  es,  wie  die  Gelehr- 
ten der  Zeit  Ciceros  oder  doch  des  Augustus  angenommen 
zu  haben  scheinen,  von  dem  ältesten  mit  'Umgang'  ver- 
sehenen isolirten  Hause  gebraucht  worden,  so  wäre  es  sicher- 
lich in  den  Zwölftafeln  vorgekommen  und  dann  von  den 
Juristen  glossirt  und  definirt  worden.  Dies  ist  nicht  der 
Fall.  Auch  lag  in  einer  Zeit,  in  welcher  jedes  Haus  tfaat- 
sächlich  eine  *  Insel'  war,  keine  Veranlassung  vor  den  bild- 
lichen Ausdruck  zu  gebrauchen.  Ich  glaube  daher  annehmen 
zu  können,  dass  der  Ausdruck  nicht  lange  vor  Cicero  auf- 
gekommen ist.  Der  Sprachgebrauch  Ciceros  lässt  keinen 
Zweifel  darüber,  dass  es  nicht  einzelne  vermiethbare  Räume 
von  Häusern,  sondern  vermiethbare  Häuser,  welche  auch 
Läden  enthalten,  bedeutet**).  Aber  der  Sprachgebrauch  ist 
augenscheinlich  noch  schwankend,  insofern  als  Cicero  für 
dieselbe  Sache  auch  vicus  gebraucht,  und  gleichzeitig  Vitruv 
mit  insula  das  Häuserviertel  bezeichnet.  Ebenso  klar  stellt 
ein  gleichzeitiges  oder  wenig  späteres  Dichterwort  das  'an- 
ständige Haus'  und  die  Insel  einander  gegenüber  und  ein 
gleichzeitiger  Jurist  definirt  uns  die  Insel  als  ein  Gebäude 
das    ein   Unternehmer    miethet,    um    einzelne   Wohnräume 


^^)  Cicero  OfRc,  3.  16  f.  erörtert  das  dolose  Schweigen  des 
Haasverkäofers.  In  dieser  AnseinandersetzuDg  wird  insula  nnd  aedes 
in  gleicher  Bedeutung  gebraucht:  qui  aedes  in  Caelio  monte  häbebat .  .  'pro- 
scripsit  insulam  u.  s.  w.  Ebenso  die  insula  P.  Clodü  p.  Cael.  7,  17 
und  Inseln  waren  offenbar  die  domus,  die  Milo  in  jedem  vicus  und 
angiportus  gemiethet  haben  sollte  (p.  Mil.  24,  64).  —  Von  dem  Er- 
trag seiner  insnlae  spricht  er  ad  Att.  16,  1,  5  vgl.  12,  32,  2  und 
die  tabemae  die  ihm  baufällig  wurden  (14,  9,  1)  sind  eben  Theile 
derselben  (irrig  Drumann  6,  385).  Vermögen  und  Freundschaft  sollen 
Fin.  2,  26,  83  entgegengesetzt  werden:  jenes  heisst  fundi  et  insulae 
(vgl.  A.  68).  Hiernach  kann  die  Definition  bei  Festus  Ausz.  S.  111: 
insulae  proprie  dieuntur  quae  non  iung-untur  parietibus  cum.  vidnis 
circuituque  publica  aut  privato  cingttntur  nur  als  eine  missglückte  Ab- 
leitung des  Sprachgebrauchs  aus  dem  weit  älteren  Zustande  der 
fläuser  betrachtet  werden. 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  539 

{cenacula)  weiter  zu  Termiethen*^).  Eine  glückliche  Ent- 
deckuDg  lehrt  uns  in  Pompeji  eine  solche  Insel  kennen:  es 
ist  die  sogenannte  Casa  di  Pansa.  Durch  Zukauf  und  Neu- 
bau ist  diese  Insel  aus  zwei  älteren  Wohnhäusern  entstanden 
und  enthält  ausser  der  so  entstandenen  Hauptwohnung  (hier 
domusT)  Läden  und  Zimmer  für  'anständige  Herren'.  Die 
Insel  ist  verpachtet,  und  der  Pächter  vermiethet  die  einzel- 
nen Theile  weiter.  Niedrigerer  Gattung  ist  die  Insel, 
die  uns  Petronius  schildert:  es  ist  im  Wesentlichen  ein 
Gasthaus  mit  Dependenzen,  welches  seinen  Verwalter  {pi'ocu- 
rator)  hat:  in  den  Rechtsbüchern  wird  ein  solcher  zu  Rom 
insularim  genannt**). 


^^)  Natürlich  ist  auch  hier  der  Sprachgebrauch  schillernd:  aher  genaa 
was  sonst  (A.  66)  fundi  et  insulae  ist  bei  Cicero  ad  Att.  1,  4,  3  supero 
Crassnm  divitiü  atque  omnium  vicos  et  prata  contemno,  und  was 
sonst  bei  ihm  vendere  insulam,  ist  Farn.  14,  1,  5  scribis  ie  vicuia 
vendüuram.  Von  Caelius  heisst  es  ad  Att.  7 ,  3 ,  6 :  sed  quid  est 
quod  ei  vici  Luccei  {lucceU  der  Med.)  sunt  addtcti,  weiter  nescio  cur, 
cum  portam  Fbimentanam  Caelius  oecuparit^  ego  Puteolos  non  meos  Ja- 
dam;  also  die  Inseln  des  Luccejus  vor  dem  Plussthor  hatte  Caelius 
irgendwie  an  sich  gebracht  (wie  Boot  richtig  erklärt).  —  Zweifeln  kann 
man  ob  ad  Att.  4,  3,  4  assequitur  hominetn  inter  vicos  Milo  (denn  so, 
nicht  inter  lucos,  ist  nothwendig  zu  lesen :  §  7  A.  16)  hierher  gehört. 
—  Dies  ist  also  die  dritte  Klasse  der  vici  bei  Festus  (oben  A.  60): 
tertio  cum,  id  genus  aedifidormn  definüur,  quae  in  oppido  privi  in 
suo  quisque  loco  proprio  ita  aedificas,  ut  in  eo  aedificio  pervium.  sä, 
quo  habitatores  ad  stuzm  quisque  habitationem  habeat  accessum.;  qui 
non  dicuntur  vieani  sicut  hi  qui  aut  in  oppidi  vicis  out  hi  qui  in  agris 
sunt  vieani  appeUantur.  Catal.  Verg.  8,  6:  et  hoc  negat  Tryphonis 
aemuli  domum  negare  noÖilem  insulamve  CaeruU,  —  Alfenus  (Schüler 
des  Snipicius)  nach  der  Epitome  des  Paulus  Digg.  19,  2,  30:  es  miethet 
Jemand  eine  insida  und  vermiethet  die  cenacula:  der  dominus  insulae 
lässt  die  aedifida  wegen  Baufalligkeit  abreissen.  Wie  wird  die  Ent- 
schädigung für  den  conductor  normirt?  —  Dagegen  meint  Vitruv  1,  6,  8. 
2^  9,  16  augenscheinlich  die  von  Strassen  gebildeten  Viertel  und  ebenso 
der  Vf.  der  Pariser  Glossen  (oben  A.  49^):  vici  sunt  publieae  con- 
structiones  mansionum  (die  Häuser),  insulae  qui  inter  vicos  sunt  hortL 

^)  Gemalte  Inschrift  CIL  4,  138  (nicht  mehr  vorhanden:  insnla 
Arriana  Polliana    Cn,  AUeii    (überliefert     Gn,  Alifii)  Nigidii  Mai:  | 


! 

In  unserer  Ueberlleferung  fehlt  uns  offenbar  ein  wich- 
tiges Zeugniss  über  die  Inseln.  Es  scheint  mir  ausser  Frage, 
dass  der  zu  Ciceros  Zeit  noch  schwankende  Sprachgebrauch 
seine  Fixirung  gradeso  wie  in  älterer  Zeit  der  Sprachgebraudi 
Ton  vicus  (oben)  einer  gesetzlichen  ßestimmung  verdankt, 
und  diese  muss  vor  dem  neronischen  Brande  gegeben  sein. 
Ein  negatives  Zeugniss  sehe  ich  zunächst  darin,  dass  in  dem 
Municipalgesetz  von  den  Eig^nthümern  der  Häuser  und  ihren 
procuratares,  also  den  insularii  (oben),  die  Rede  ist,  von  den 
Inseln  nicht,  die  doch  schon  vorhanden  waren.  Es  werden 
aber  ferner  Verordnungen  des  Severus  und  Caracalla  über 
die  Inseln  erwähnt.  Um  dieselbe  Zeit  hören  wir  von  Wei- 
sungen, welche  an  die  Polizeibehörden  ergingen,  des  Inhalts, 
dass  den  Verwaltern  oder  Vicewirthen  der  Häuser,  Sklaven 
oder  Freigelassenen,  durch  drastische  Mittel  ihre  Verant- 
wortlichkeit für  Feuersgefahr  einzuschärfen  sei.  Zum  Ueber- 
fluss  beweist  ein  drittes  gleichzeitiges  Zeugniss,  dass  noch 
immer  'Insel'  kein  Theil  eines  Hauses,  sondern  ein  Haus  ist. 
Der  Inhalt  der  Verordnungen  des  Severus  und  Caracalla  über 
die  Inseln  ist  unbekannt.  Aber  unmöglich  ist  die  Annahme, 
dass  sie  den  Begriff  der  Insel  neu  geschaffen,  nothwendig 
—  nach  Allem  was  wir  über  ihre  Wiederherstellungen  städ- 
tischer Bauten  und  über  den  Stadtplan  wissen  —  die  An- 
nahme, dass  auch  diese  Verordnungen  nur  regulirt  oder 
wiederhergestellt  haben,   was  längst  Rechtens  war.     Daraus 


locantur  ex  k,  (i.  überl.)  luUü*  primü  tabernae  |  cum  perffulis  suis 
et  cenacula  (coen,  überl.)  |  equestria  et  domus;  conductor  \  convenäo 
primum  Cn,  Aüeii  (wie  oben)  |  Nigidii  Mai  ser(vum).  Die  cenaeula 
equestria  bat  mau  mit  Unrecbt  angezweifelt:  Preller  Reg.  S.  92  er- 
klärt sie  riebtig.  Aiieb  kann  insula  nicbt  als  Ablativ  erklärt  werden 
und  in  zn  ergänzen  (s.  Zangem.  S.  193)  ist  überflüssig,  wenn  man  rich- 
tig interpanktirt.  —  Die  Identificirang  der  inmla  mit  dem  Hause  des 
yPansa',  auf  dessen  Pfeiler  die  Spuren  der  Inschrift  noch  vorhanden  zn 
sein  scheinen,  rührt  von  Fiorelli  her  Descr.  dl  Pompei  S.  105.  —  Die 
instda  bei  Petronins  c.  95,  wie  es  seheint  hospüium;  der  procurator 
insulae  Bargates  (96)  ist  also  nach  römischen  Begriffen  der  insulariusj 
die  insuUirü  (95)  sind  hier  die  Bewohner  oder  Bedienten. 


§   8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  541 

folgt,  dass  schon  vor  Nero  polizeiliche  Verordnungen   ergan- 
gen sind,  welche  die  von  den  Eigenthumern  bewohnten  und 

die  von  Vicewirthen  verwalteten  Häuser  streng  schieden  und 
die  Verantwortlichkeit  der  Vicewirthe  und  der  Eigenthümer 
der  Inseln  regulirte.  Wem  anders  könnte  eine  solche  Mass- 
regel in  der  gedachten  Zeit  zugeschrieben  werden  als  Au- 
gustus?  In  der  That  die  Einrichtung  der  14  Polizeibezirke 
und  der  14  Wäcbtercohorten  ist  ohne  sie  nicht  wohl  denk- 
bar. Nach  wie  vor  aber  bleiben  *  Inseln'  was  sie  von  An- 
fang waren,  Häuser,  wenn  auch  ihre  räumlichen  Verhältnisse 
im  Laufe  der  Jahrhunderte  sich  wesentlich  verändert  haben 
mögen.  Dies  lehrt  ein  ßlick  auf  die  Statistik  des  constan- 
tinischen  Handbuchs  ^^). 

Da  es  an  jedem  sicheren  Massstab  für  die  Be- 
stimmung der  Durchschnittsgrösse  eines  Hauses  oder 
einer  Insel  in  der  constantinischen  Zeit  fehlt,  so  kann 
nur  versuchsweise  zunächst  der  Maassstab  von  Pompeji 
angelegt    werden  ^°).     In    dieser    Stadt    scheint   nach    neue- 


^^)  Aoicius  Paulioas,    Präf.   334,    cuius  Providentia  adque  utilitas 

et  integrüas    rei  publicae   corporis    corariorum  insulas  ad  pristinum 

statum  suum  secundum  leges  principum  priorum,  impieratorum)  Fol. 

(lies    L.)  Septimi  Severi  et  M.  Aur{dii)   Antonini  Au^g.^  restaurari 

adque  adornari  pervigilantia  sua  providit  .  .   (CIL  6,   1,    1682).    Re- 

script  des  Sevems  und  Garacalla    an    den  praef.  vig.  bei  Ulpian  Dig^. 

1,  15,  4:  insularios  et  eos  qui  ignem  neglegenter  apud  se  hahuerint 

potes  fustibus  vel  flageUis  eaeaere  iübere  u.  s.  w.  —  Papinian  Digg. 

32,  9],  6  (es  ist  von  Legaten  die  Rede;  in  wiefern  z.  B.  unter  domus 

auch  der  hortus  mitbegriffen  sein  könne):   appellatione  domus  insukan 

quoque  iniunctam  domus  videri,   si  uno  pretio  cum  domu  fuisset  com- 

parata   et   utriusque  pensiones  simiUter  accepto  latas  rationibus  osten- 

deretur.  —    Alle  Stellen  anzuführen  in  denen  insulae  genannt  werden, 

ist  nutzlos:  alle  mir  bekannten  —  mehrfach  ist  bei  Tacitus  und  Seneca 

von  ihnen  die  Rede  —  sind  mit  der  Bedeutung  Haus  vereinbar. 

^^)  Man  wolle  für  das  Folgende  bedenken,  dass  es  an  alF  und  jeder 
genauen  Aufmessung  fehlt  und  dass  die  alten  Grenzen  der  Regionen  und 
der  Stadt  sehr  unsicher  sind,  fis  konnte  nnr  mit  Hilfe  des  Censusplans 
eine  Schätzung  unternommen  werden :  indessen  handelt  es  sich  auch  nur 
um  die  Möglichkeit  und  Unmöglichkeit    der  einen  oder  der  andern  An- 


542  THEIL  L 

ren  Angaben  die  durchschnittliche  Grösse  der  Grand- 
fläche eines  Hauses  (ohne  Rücksicht  auf  die  Bauart,  die 
Benutzungsart  u.  s.  w.)  346  IHM.  zu  betragen.  Das  ein- 
zige vollständig  erhaltene  römische  Privathaus,  das  Haus  auf 
dem  Palatin  hat  einen  Flächeninhalt  von  etwa  800  DM.: 
es  rührt  sicher  noch  aus  dem  1.  Jahrhundert  her^^).  Legt 
man  den  Maassstab  von  Pompeji  an  die  90  domus  und  280 
insulae  der  10  Region  in  Rom  und  betrachtet  sie  wie  nöthig 
als  370  Häuser,  so  wurden  diese  eine  horizontale  Fläche 
von  130,000  DM.  bedecken;  für  die  Region  wird  man  nicht 
zu  knapp  den  Flächenraum  von  200,000  DM.  ansetzen:  es 
blieben  also  für  Strassen  und  öffentliche  Bauten  70,000  DM. 
übrig.  Dies  ist  zu  wenig:  denn  man  wird  die  Strassen  mit 
durchschnittlich  y,o  in  Anrechnung  bringen  dürfen,  von  den 
ausgedehnten  Palastanlagen  aber  bedecken  der  Palast  des 
Domitian  und  der  des  *Caligula'  allein  30,000  DM.  Es 
ist  also  die  DurchschnittsziiTer  360  zu  hoch,  wieder  aber 
nicht  um  so  viel  zu  hoch,  dass  wir  genöthigt  wären  insula 
für  einen  einzelnen  vermiethbaren   Raum  eines   Hauses   zu 


nähme  nnd  über  diese  scheint  auch  so  entschieden  werden  za  können.  — 
Von  der  Vergleichung;  des  Flächeninhalts  mit  den  Zahlen  der  Notitia 
wollte  Rodbertus  in  der  §  5  A.  16.  38  a.  an  vollendeten  Abhandlung 
ausgehen.  Allein  er  hat  einen  Umfang  von  50  Millien  zu  Grunde 
gelegt,  welcher,  wie  wir  sahen,  nie  e^istirt  hat;  hat  angenommen, 
dass  die  Regionengrenze  eine  Art  Bebauungsplan  darstelle,  während 
wir  doch  wissen,  dass  die  Regionenstadt  [soweit  reichte  als  continenti 
luibitatttr,  und  hat  endlich  den  Flächeninhalt  der  Häuser  nach  modernen 
Analogien  statt  nach  denen  Pompeji's  bestimmen  wollen.  Dass  inner- 
halb des  Areals  der  Stadt,  wie  in  der  5.  Region,  auch  grössere 
Gartenanlagen  sich  befanden,  ist  sicher:  im  Ganzen  aber  deckt  sich 
die  Regionenstadt  und  die  Häuserwelt. 

")  Fiorelli  Gli  scavi  di  Pompei,  App.  S.  12  f.,  nach  dessen  An- 
sätzen man  zu  obigen  Resultaten  gelangt.  —  Haus  in  Rom:  Forma. 
T,  XXXVI,  7».  Die  Häusergrundrisse  des  Stadtplans  sind  aus  den 
in  der  Ausgabe  dargelegten  Gründen  für  diese  Fragen  nicht  zu  ver- 
werthen.  Die  Fr.  173  dargestellten,  vielleicht  domus,  würden  nach 
dem  Maassstab  1:300  einen  Flächenraum  jedes  von  nur  15  X  ^]i^- 
gehabt  haben! 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  543 

halten:    vielmehr   scheint    dies    gradezu    anmöglich.    —    Zu 
einem  etwas  anderen  Resultat  fuhrt  die  Schätzung  des  Flächen- 
inhalts  der  constantinischen   Stadt:   wenn  wir  dieselbe   mit 
9  Millionen  DM.  eher  zu  hoch  als  zu  niedrig  schätzen  und  die 
rund  1800  dmm  und  46,000  inmlae  der  Stadt  als  47,800 
Häuser  von  der  durchschnittlichen  Grundfläche  von  350  D  M. 
rechnen,  so   würden   sie   eine   horizontale  Fläche   von    nur 
1,673,000  DM-  bedecken  und  würde  man  V5  auf  öffentliche 
Bauten  und  Vio  auf  die  Strassen  von  der  Oberfläche    der 
Stadt  abziehen,  so  blieben  noch  über  6  Millionen  Areal,  also 
fast  das  4fache  des  geforderten,  für  die  Häuser.    Allein   es 
ist  zu  bedenken ,  dass  z.  B.  in  der  9.  Region  auf  einen  2 
bis  3 mal  so  grossen  Flächeninhalt,  wie  in  der  10.  die  un- 
gefähr gleiche  Anzahl  von  Inseln,  wie  in  dieser  kommt  und 
wir  wissen  auch  sonst,  dass  in  den  Regionen  ausserhalb  der 
Altstadt  das  Yerhältniss  zwischen  öffentlichen  Gebäuden   und 
Plätzen  ein  ganz  anderes  ist,  wie  innerhalb  derselben.    Ausser- 
dem   aber    siud  bei  der  ganzen   Rechnung  noch  nicht  die 
horrea,    balnea,    pistrina    gerechnet    worden,    welche    einen 
erheblichen  Theil  zu  den  öffentlichen  Bauten  hinzubringen. 
Das  Resultat  der  ungefähren  Schätzung  ist  also  ein  derartiges, 
dass  wir  mit  Sicherheit  sagen  können,   dass  das  Areal  der 
Stadt  mehr  als  genügt  für  die  Zahl  von  etwa  48,000  Häusern 
von  dem  Durchschnittsmaass  der  pompejanischen,  dass  also 
die  Annahme,  die  Insehi  .seien  Häuser  durchaus  gerechtfer- 
tigt, eine  andere  unmöglich  erscheint.    Doch  wir  haben  noch 
andere  Mittel  der  Kontrolle. 

Wir  ersehen,  dass  bei  einer  möglichst  gleichen  Grösse 
der  Polizeibezirke  —  die  Schwankung  beschränkt  sich  wie 
früher  gezeigt  wurde  auf  einzelne  —  das  Yerhältniss  der 
domm  und  inmlae  in  jeder  sehr  verschieden  ist.  Kommt 
durchschnittUch  ein  'Haus^  auf  33,3  Inseln,  eine  Zahl,  welche 
fast  genau  wiederkehrt  in  der  oben  erörterten  statistischen 
Angabe  über  die  Zerstörungen  des  neronischen  Brandes 
(sie  ist  dort  30;  es  wäre  begreif  heb,  wenn  die  domm  bis 
auf  Cpnstantin  abgenommen  hätten,  allein  die  Angabe  lässt 


544  THEIL  I. 

diesen  Schluss  nicht  zu),  so  schwankt  die  Zahl  in  10  Regio- 
nen nur  zwischen  19  (9te)  und  31  (4te),  aber  in  der  3tcn 
kommt  auf  47,  in  der  14ten  auf  50,  in  der  13ten  gar  auf 
72  'Inseln'  nur  ein  'Haus',  d.  h.  es  haben  in  diesen  Re- 
gionen viel  weniger  angesehene  oder  wohlhabende  Leute  ge- 
wohnt als  in  den  übrigen,  die  meisten  in  der  9ten.  Für 
die  13.  Region  mit  ihren  horrea,  der  eigentlichen  Handels- 
gegend, für  die  spät  entwickelte  und  so  zu  sagen  nie  kur- 
fähig gewordene  14.  Region  bedarf  dies  keiner  Erklärung: 
bei  der  3.  ist  das  auffallende  Verhältniss  wohl  daraus  zu  er- 
klären, dass  die  grossen  Rauten  —  das  goldene  Haus,  dann 
das  flavische  Amphitheater  und  die  Porticus  der  Livia  — 
den  besten  Platz  einnahmen  und  die  Vornehmen  sich  fort- 
gezogen hatten,  in  ähnlicher  Weise  wie  vom  Palatin,  dem 
eleganten  Viertel  der  ciceronischen  Zeit:  wer  irgend  konnte 
hat  also  später  im  Westende,  der  9.  Region,  sich  seinen  Pa- 
lazzo  errichtet,  in  der  Nähe  der  reich  bewässerten  Prunk- 
bauten, in  der  Nähe  des  Monte  Pincio  und  seiner  Park- 
anlagen. 

Endlich  —  und  damit  kehren  wir  von  den  Häusern 
zu  den  vici  zurück  —  lesen  wir  auf  dem  kapitoli- 
nischen Plan  Namen  derselben  in  mittelbreite  Strassen, 
von  denen  links  und  rechts  Quergassen  abgehen,  eingetragen. 
Die  Zahlen  des  constantinischen  Handbuchs  beweisen,  dass 
diese  Namen  nicht  diese  Strassen,  sondern  die  Strassen  mit 
Seitengassen  bezeichnen,  oder  wenn  man  will,  dass  die  na- 
menlosen Seitengassen  amtlich  zu  den  Hauptstrassen  gerech- 
net und  nach  ihnen  benannt  wurden.  Denn  wenn  auf  den 
vicm  durchschnittlich  7  Häuser  und  227  Tnseln  kommen 
und  man  für  die  Front  der  Insel  auch  nur  die  gewiss  nicht 
grosse  Durchschnittslänge  von  10  M.  zuerkennt,  so  kommt 
man  damit  auf  eine  Durchschnittslänge  der  Strasse  von  über 
1000  M.,  d.  h.  eine  Länge,  welche  fast  in  sämmtlichen, 
sicher  in  den  meisten  Regionen  die  grösstmöglichen  Entfer- 
nungen zwischen  je  zwei  Grenzpunkten  erheblich  überschrei- 
ten würde:   die  Annahme  ist  also  gradezu  unmöglich  und  es 


§  8.]  DER  mNBRE  AUSBAU.  545 


4 


zeigt  sich  klar,  dass  wie  in  ältester  so  in  jüngster  Zeit  der 
Name  die  Hauptstrasse  mit  einem  lyestimmten  Bezirk  von 
Quergassen,  also  die  Hauptstrasse  und  das  Viertel  bezeichnet 
bai.  Hierin  stellt  sich  uns  im  Wesentlichen  die  oben  her- 
rührte Ordnung  des  Augustus  dar,  diese  aber  hat  wiederum' 
nur  konsequent  durchgeführt  und  mit  den  Polizeihezirken 
ausgeglichen,  was  längst  geschichtlich  geworden  war:  eine 
Gliederung  der  Stadt  in  kleinste  Bezirke.  —  Die  topographische 
Abgrenzung  der  vtet  ist  uns  natürlich  unbekannt:  doch  wissen 
wir  soviel ,  dass  die  älteren  campita ,  die  Schnittpunkte  der 
Hauptstrassen,  mit  den  Larenaltären  und  den  Brunnen,  zur 
Abgrenzung  in  der  Weise  gedient  haben,  dass  fortan  jeder 
vicMs  sein  compitum,  also  eine  Hauptkreuzung,  als  Mittelpunkt 
und  an  diesem  Orte  seine  Kapelle  hatte,  jeder  neu  ent- 
stehende eine  solche  erhielt  und  so  konnten  schon  früh 
beide  Ausdrücke  im  Sinne  von  Viertel  mit  einander  ver-* 
tauscht  werden.  Die  Kaiserlaren  traten  nun  an  die  Stelle 
der  demokratischen  Volkslaren  und  bildeten  fortan  mit'  dem 
Genius  des  regierenden  Kaisers  vereint  das  Wappen  des 
Kaiserhauses,  dem  in  der  Residenzstadt  prunkvoll  auftretende' 
Viertelsmeister  durch  religiöse  Handlungen  Achtung  zu  ver- 
schaffen hatten  ^^). 


'>)  Das  Wappenwesen  ist  in  Rom  wesentlich  auf  die  GesciLleckter 
oder  Familien  beschränkt  geblieben  (s.  A.  76):  weder  für  die  Betonen 
nod  viel  sind  Wappen  oder  wappenartige  Abzeichen  bekannt,  wie  sie 
im  Mittelalter  seit  dem  13.  Jahrhundert  für  jene  üblich  Wurden  (denn 
unrichtig  deutet  Dirksen  Schriften  1,  222  Lokalnainen  wie  dd  mala 
punica,  ad  pirum  als  Wappen:  s.  Arch.  Z.  1871  S.  71))  noch  für  die 
Stadt  Rom.  Das  Sehiff  auf  den  ältesten  Kupfermünzen  hat  sich  we- 
nigstens, wenn  es  überhaupt  als  Wappen  gelten  darf  (vgl.  Mommsen 
Mnnzw.  S.  184)«  nur  kurze  Zeit  als  solches  gehalten  und  das  Bild  der 
Wölfin  mit  den  Zwillingen  ist  einerseits  überhaupt  wie  die  Sage  selbst 
verhUltnissmSssig  jungen  Ursprungs  andererseits  hat  es  nur  als  mi- 
litärisches Abzeichen  officielle  Geltung  erhalten  und  ist  Als  solches 
theils  auf  die  Münzen  theils  auf  die  Grabdenkmäler  -  übergegangen 
(Baehofea  Ann.  1867,  183  ff.).  Auch  die  kaiserlichen  Afezeiehen,  der 
Triumphatorenkranz,  später  die  Strahlenkrone  {Mommsen  Stäatsr.  1',' 

Jordan,  rOzaiBche  Topographie.    I.    1.  35 


546  TBEIL  l 

i 
Die   centxalisirte  Verwaltung   der   kaiserlichen  Residenz     ' 

mit  ihrem  gewaltigen  Beamtenheer  hat  in  dieser  topographi- 
schen GUederung  ihre  nothwendige  Grundlage  erhsdten,  der 
Verkehr  und  das  Auffinden  der  Orte  und  der  Menschen  eine 
dem  Wachsen  der  Stadt  angemessene  Erleichterung.  Ob  die 
Behörden  durch  Maueranschläge  oder  sonstige  Merkzeichen 
noch  weiter  nachhalfen,  wissen  wir  nicht:  es  ist  aber  kaum 
glaublich;  sicher  ist  man  nie  zur  Numerirung  der  Häuser, 
ja  nicht  einmal  zur  Benennung  aller  Seitengassen  der  tnct 
vorgeschritten^^).  Für  den  Dienst  der  Behörden  war  der 
Stadtplan  bestimmt:  aber  seit  dem  3.  Jahrhundert  mögen, 
wie  ein  grosses  Abbild  desselben  öffentlich  aufgestellt  wurde, 
so  für  die  Fremden  kleinere  Pläne  und  'Fuhrer'  bearbeitet 
worden  sein.  Nichts  anderes  ist  im  Wesentlichen  die  Notitia 
mit  ihren  Anhängen  (Einl.  §  2).  Doch  es  entwickelte  sich 
neben  der  spät  und  stückweise  eingeführten  amtlichen  eine 
private  Terminologie,  welche  das  Zurechtfinden  erleichterte. 
Die  Einförmigkeit  der  fensterlosen,  ungeschmückten 
Häuser-  und  Strassenfronten  unterbrechen  nur  die  öffent- 
lichen und  heiligen  Gebäude  und  Plätze,  die  mit  Brunnen 
und  Kapellen  geschmückten  Strassenkreuzungen.  Dem 
Suchenden  weist  man  mühsam  zählend  die  so  und  sovielste 
Gasse,  den  so  und  sovielsten  einer  langen,  die  Läden  bilden- 
den Reihe  von  gleich  aussehenden  Pfeilern^*).     Wenn  um  die 


412  ff.),  haben  nie  den  festen  and  aUgemein  gilti§^en  Charakter  des 
Wappens  angenommen.  Dem  gegenübier  darf  das  Laren  -  GeniosbUd 
wohl  am  ehesten  als  ein  solches  betrachtet  werden ,  aber  nur  im 
Kreise  der  Stadt. 

^^)  Höchst  bedenklich  scheint  mir  der  angebliche  Wegweiser  in 
palaUum  auf  einem  Pfeiler  der  Kaiserpaläste  (Biancfaini  Pal.  de'  Cesari 
S.  194).  Ganz  anderer  Art  sind  die  polizeilichen  Weisungen  (oben 
§  7  A.  67.  95),  zu  denen  nach  den  neuesten  Untersuchungen  auch  die  be- 
rühmte oskische  Wandinschrift  von  Pompeji  (Mommsen  Dial.  185)  za 
zählen  sein  wird. 

74)  Für  das  Folgende  verweise  ich  auf  Ar  eh.  Zeitung  1871,  65  ff. 
—  Zureditweisungen  bei  Plautns :  sextum  a  porta  angiportum,  s^imnas 
a  porta  aedts,   extra  portam  terUam  tabernam  (Pseud.  960.  567.  658); 


§   8.]  DER  nVBIERB  AUSBAU.  547 

Zeit  der  punischen  Kriege  und  vereinzelt  noch  später  dem 
Sieger  das  Recht  verliehen  wird,  Beutestucke  an  seiner  Thur 
zu  befestigen,  so  erkennen  wir  auch  hier  wieder  den  Grund- 
satz des  alten  Staatswesens,  dass  öffentlich  nur  der  sich  vor 
den  Mitbürgern  auszeichnen  darf,  den  sie  selber  durch  Ehren 
ausgezeichnet  haben.  So  geschmückten  Häusern  legt  die 
Volkssprache  charakteristische  Benennungen  bei.  Das  Schiffs« 
scbnäbelhaus  des  Pompejus  giebt  ein  Beispiel,  ein  anderes 
vielleicht  der  Strassenname  caput  Africae:  denn  leicht  geht 
von  dem  hervorragenden  Hause  der  Name  auf  den  vicus 
über^*^).  Wir  ersehen  aber  zugleich  aus  jenem  Vorrecht 
was  fireilich  auch  ohne  Zeugniss  angenommen  werden  muss, 
dass  aller  Schmuck  auf  den  Aussenseiten  der  Häuser  der 
polizeilidien  Kontrolle  unterliegt.  —  Die  alten  Geschlechter 
führen  ihre  Wappen:  wir  wissen  nicht,  ob  sie  sie  sichtbar 
an  der  Äussenseite  der  Häuser  wie  im  Innern  und  öffentlich 
auf  den   Münzen   angebracht   haben  ^^).    Diejenige   Gattung 


bei  Catall  37,  2:  norm  a  jpüeatis  fratribus  pila;  beiAsconias  znrScanr, 
45  (S.  23  Seh.  u.  K.):  demonstrasse  vobü  metmnt  me  hänc  domum  in 
ea  parte  Palatii  esse,  quae,  cum  ab  saera  via  descenderis  ei  per  prosctr 
tnum  vicum  qui  est  a  sinUtra  parte  prodieris,  posita  est.  Vgl,  Gorni'- 
fic.  adHerenn.  4,  51,  64:  eos  simüittidine  loci  decepios  an^porto  deer^ 
rasse, 

^^)  Die  TrinmphatoreB  stellten  in  postibus  die  Spolien  auf  (Liv.  3S, 
43,  vgl.  23,  23)  und  Cato  eifert  ne  spoUa  figereiüur  nisi  de  hoste 
capta  (m.  Frgm.  S.  XCIY  f.).  Die  domus  rostrata  des  Pompejus : .  Ca«- 
pitolin.  Gord.  3.  Cic.  Phil.  2,  28,  68  vgl.  Arch.  Z.  S.  69.  —  Bei  Pli-. 
nins  35,  7  liest  Gronov  meines  Erachtens  richtig:  aUae  foris  et  circa 
limina  domitarum  gentium  imagines  erant  adfixis  hostium  spoliis 
quae  nee  emptort  refigere  Uceret  triumphabantque  etiam  dominis  mutatis 
domus,  die  Hss.  haben  animorymingsntium  (die  Leidener  für  animorumi 
aminorum,  der  Ghiffletianns  min<mim)y  was  mir  sinnlos  erscheint. 
Die  Provinzendarstellangen  sind  bekannt:  das  caput  Africae  kann  füg- 
lich ein  solcher  Provinzenkopf  an  einem  Triomphatorenhause  auf  dem 
Caelius  gewesen  sein  (A.  55).  —  In  dieselbe  Reihe  gehört  die  Ehre, 
welche  dem  Augustus  erwiesen  wurde:  laureis  postes  aedium  mearum 
v[incti  sunt  publice  coronaq]ue  c[i\vica  super  ianuam  meam  fixa  [e]*[f] 
Resg.  6,  13  mit  Mommsens  Gomm.  S.  102  f. 

^*)  Ueber  die  Familienwappen  s.  Momrasen  R.  F.  1,  13  f. 

35* 


548  THBIL  l. 

voa  Hauszeichen,  wekhe  uns  bekannt  ist,  gehört  lediglich 
dem  Kreise  der  Gejschäftswelt  an:  der  Kaufmann,  der  Fabri- 
kant, der  Schlächter,  der  Badehauspächter  will  durch  ein 
Abzeichen  das  Publikum  anziehen  oder  orientiren:  bald  lasst 
er  die  Waare  eelbst  abbilden,  bald  eiii  Symbol  hergenommen 
von  einem  benachbarten  bekannten  Kunstwerk,  bald  witzig, 
bald  ernsthaft.  Nach  dem  Ladeüschilde  brennt  man  nun 
das  Haus:  wie  die  Bezeichnung  der  Strasse,  so  gehört  der 
Name  des  Ladens  nun  zur  Firma,  die  ihn  im  Geschäfts- 
verkehr vor  den  Berufsgenossen,  auf  seinem  Grabstein  vor 
der  Menge  auszeichnet '^^). 

Das  Pomerium  uraschlie;dst  die  Stadtgemetnde,  jen- 
seits in  der  Feldmark  ruhen  die  Todten.  Heimische  Götter 
walten  diesseits  und  jenseits,  soweit  das  Gebiet  reicht, 
fremde  Götter  halten  erst  spät  ihren  Einzug  in  die  Stadt. 
Auch  den  fremden  Menschen  ist  der  Eintritt  oder  gar  die 
Niederlassung  ursprunglich,  wenn  überhaupt,  nur  unter  Be-* 
schränkungen  gewährt  worden.  Die  älteste  Form  mag  die 
des  Gastreehts  sein.  Aber  selbst  die  Gäste  des  römischen 
Volks  scheinen  ursprünglich  ausi^erhalb  des  Pomeriums  in 
^em  Gemeindehof  gewohnt  zu  haben:  in  historischer  Zeit 
werden  sie  auch  innerhalb  desselben  untergebracht.  Sie  er- 
scheinen auf  dem  Forum  auf  einer  abgesonderten  Buhne, 
dem  ^  Griechenstande  \  Erst  eine  vorgerücktere  Civilisation 
gewährte  dem  Fremden  überhaupt  das  Becht  dauernder  Nie- 
derlassung: aber  er  muss  sicbs  gef^allen  lassen  ausgewiesen 
zu  werden^^.  Von  einer  räumlichen  Beschränkung  in  dieser 
späteren  Epoche  wissen  wir  Nichts:  die  Tuskergasse  ist  die 
einzige  uns  bekannte  Strasse,  welche  einen  Volksnamen 
fuhrt  und  die  zwangsweise  vorgenommene  Ansiedlung  tus- 
cischer  Ankömmlinge  eine   auf  falscher  Deutung   beruhende 


")  Die  Beispiele  s.  in  den  A.  74  a.  Aufsatz.  Sehr  merkwürdig  ist  das 
dort  publicirte  Marmorrelief,  die  bekannte  Graziengruppe  ood  daneben 
eine    bekleidete  Alte  sitzend  mit  der  Unterschrift  ad  sorores  IUI. 

78)  S.  Mommsen  R.  F.'l,  346  flf.  Staatsr.  2«,  131. 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  54g 

Fabel.  Aus  der  Ansiedlung  der  Juden  in  Trastevere  im 
7.  Jahrhundert  folgt  nicht,  dass  man  sie  wie  die  fremden 
Gotter  ausserhalb  des  Pomerium  zu  wohnen  gezwungen  hat. 
Zur  Zeit  des  Cicero  und  des  Horäz  haben  sie  ihre  Wohnun- 
gen und  Läden,  später  auch  ihre  Synagogen  innerhalb  der 
Stadt '»). 

Die  ältesten  Vorstädte  Roms  sind  die  Gräbervor- 
fitädte^).  Wie  in  der  Stadt  die  Häuser  und  Gassen  so  dran* 
gen  sich  vor  der  Stadt  immer  dichter  die  Grabstätten. 
Die  lieuesten  Entdeckungen  haben  uns  die  Typen  derselben 
in  fast  vollständiger  Reihe  von  der  Köntgszeit  an  vorgeführt: 
wir  kennen  jetzt  die  steinerne  Lade  unter  und  über  der 
Erde^  dais  einfache  republikanische  Grabhaus  mit  Umgang, 
die  griediischen  Kunstformen  desselben,  den  wie  es  scheint 
erst  im  7.  Jahrhundert  aufgekommenen  Rundbau  und  die 
C^rabpyramide ,  endlich  die  Columbarien^^).  ,Es  scheint  ent-^ 
schieden  zu  sein,  dass  die  Zeit  der  Zwölftafeln  wie  für  die 
Häuser  und  Gassen,  so  für  die  Gräber  schon  bedeutende 
Neubildungen  der  Civilisation  aufzuweisen  hat.  Die  Zwölf- 
tafeln geben  genaue  Vorschriften  für  das  Verbrennen :  dass 
die  Einsenkung  des  Leichnams  in  die  Erde,  wie  sie  bei 
einigen  altpatricischen  Familien  Tradition  geblieben  ist,  die 
ursprünglich   alleinige    Form    der   Bestattung   war,    scheint 


7»)  8.  Friedlander  Darst.  3,  509  ff.  Uater  den  durch  Inschriften 
heksLünieü  Synagogpen  führt  nnr  eine  (CIG  6447)  einen  Ortsnamen:  Si- 
ßovQtjaüov.  Die  Forin  Sibura  für  Subura  ist  auch  sonst  nachweisbar 
(Bd.  2,  17). 

^)  Ueber  das  stadtrömische  Begräbnisswesen  s.  Marqaardt  Privat- 
alterth.  1,  351  ff.  Jedoch  bedarf  der  Gegenstand  nach  den  Entdeckungeq 
seit  dem  J.  1871  eiaer  darchgreifenden  neuen  Bearbeitung.  Das  CIL 
wird  hoffentlich  dafür  sorgen,  dass  uns  die  topographische  Verwer- 
thung  der  Fundstätten  der  Grabsohriften  erleichtert  wird.  Uebrigens 
vgl.  Th.  IL' 

^1)  Das  Leichenfeld  jenseits  d«8  Walles  ist  fast  ganz  untersucht 
worden.  Ganz  unbekannt  waren  bis  dahin  die  beiden  zuerst  genannten 
Gattungen:  einstweilen  vgl.  man  mein  Resum^  aus  Laneiani's  Unter« 
sachuDgen  Jahresberichte  1875,  782.  1876,  182  ff. 


550  THEIL  L 

sicher:  ob  das  Verbrennen  wesentlich  auf  griechischen  Ein* 
fluss  zurückzuführen  ist,  ob  nicht,  ist  zweifelhaft,  ebenso 
ob  ursprünglich  nur  eine  Nekropole  existirte  —  auf  dem 
esquilinischen  Felde  —  oder  ob  von  Anfang  an  vor  mehre- 
ren Thoren  gleichzeitig  bestattet  und  verbrannt  wurde  ^^). 
Wir  erwarten  von  topographischen  Untersuchungen  weitere 
Aufschlüsse  darüber,  ob  der  Bestattung  auf  eigenem  Grund 
und  Boden  eine  Bestattung  auf  dem  Gemeindefelde  voraus- 
gegangen ist.  —  Ebenso  überblicken  wir  die  ganze  Stufen-^ 
folge  des  Ranges  der  Gräber:  wir  kennen  das  Grabmal  das 
der  Staat  in  äusserst  seltenen  Fällen  dem  Höchstgeehrten 
innerhalb  des  Pomeriums  zugleich  mit  dem  Hause  an  der 
^heiligen  Strasse'  gewährt  (oben  A.  32),  das  Ehrenbegräbniss 
auf  Staatskosten  und  auf  öffentlichem  Grund  und  Boden  vor 
dem  Thor  (§  3  A.  14),  die  Gräber  aller  Klassen  von  Bürgern  auf 
eigenem  Grundstück  sei  es  an  der  Heerstrasse  sei  es  später 
in  den  Villen-  und  Gartenanlagen,  der  namenlosen  Plebejer 
ältester   und   der  Juden   spätester  Zeit^^).     Topographische 


^')  Von  den  beiden  A.  8]  erwähn tea  ältesten  Kategorien  der  Gra- 
ber hat  die  erste  nur  Behälter  für  Leichen,  die  zweite  daneben  auch 
Cioerarien.  Man  hat  diese  Gräber  für  die  pttäcuU  quo  proiciuntur  ca- 
davera  und  diese  für  die  Grabstätten  der  Armen  gehalten.  Die  oben  §  3 
A.  16  erwähnten  Ausgrabungen  bei  S.  Gaterina  di  Siena  (vor  der 
alten  porta  Foräinalis)  haben  nun  steinerne  in  den  Boden  eingesenkte 
Laden  von  ganz  gleicher  Konstruktion  wie  die  der  zweiten  Kategorie 
am  Wall  zu  Tage  gefördert.  In  diesen  letzten  hat  man  ßronzegeräth 
(kein  Eisen!),  und  die  sogenannten  Vasi  italogreci'  oder  ^stovlglie  la- 
ziali',  in  jenen  Reste  von  Goldschmuck,  eine  'elegantissima  anforetta 
italo-greca'  und  ein  'balsamario  di  alabastro'  gefunden.  Grabschriften 
fehlen  ganz:  wahrscheinlich  aus  einem  der  esquilinischen  Gräber 
stammt  ein  Tongefäss  mit  angeblich  altgriechischer  Schrift  ^I 
Bruzza  Ann.  1876,  S.  86  tav.  d'agg.  L.  Die  ebenda  gefundene  einge- 
kratzte Inschrift  eco  C.  Antonios  ist  wenigstens  sicher  keine  .Grabschrift 
(Jahresb.  1876,  184).  —  Man  wird  einstweilen  g^t  thun  von  jeder  chro- 
nologischen Bestimmung  abzusehen:  wichtig  aber  ist  die  Entdeckung 
zweier  unzweifelhaft  in  die  früheste  Zeit  hinaufreichender  Grabstätten 
vor  verschiedenen  Thoren. 

^)  Ein   ungemein   lehrreiches   neues  Beispiel   eines  Columbarinms 


§  8.]  DER  INNERE  AUSBAU.  551 

Untersuchungen  haben  festgestellt,  dass  die  Heilighaltung  der 
Gräber  gewährt  hat  bis  ins  fünfte  Jahrhundert  unserer  Zeit- 
rechnung (§  6  A.  10). 

Wir  haben  schon  oben  gesehen,  wie  der  letzte  der 
concentrischen  Ringe,  die  uns  das  Wachsen  Roms  darstellen, 
der  Ring  der  honorianischen  Mauer,  zugleich  die  Verwand- 
lung des  alten  in  das  christliche  Rom  veranschaulicht.  Die 
ursprünglich  einzigen  Vorstädte  der  servianischen  Stadt  sind 
die  Grabstätten:  die  Grabstätten  der  mittleren  Kaiserzeit 
bergen  zugleich  die  Anfänge  des  christUchen  Lebens  der 
Stadt.  Aber  die  eigenthümlichen  Formen  dieses  neuen 
Lebens,  welche  uns  erst  jüngst  durch  geniale  Forschungen  er- 
schlossen worden  sind,  liegen  zwar  nicht  der  Zeit  nach, 
aber  dem  Wesen  nach  ausserhalb  der  Grenzen  desjenigen 
Organismus,  dessen  räumliche  Entwickelung  darzustellen  unsere 
Aufgabe  ist 


voB  Freigelassenen  giebt  das  Colambarium  der  Statiiii:  Jahresb.  1876, 
186.     Ueber  die  Judengrabstätten  Friedländer  a.  0. 


Druck  Ton  W.  Pormetter  in  Berlin.